PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Des Frantzdiſchen Helicons auserleſene Winter-Fruͤchte /
Oder Getreue Uberſetzungen und Aus - zuͤge unterſchiedener Frantzoͤiſcher Buͤcher voriger und ietziger Zeiten / Welche allerhand curicuſe / hiſtoriſche / moraliſche / politiſche und andere anſtaͤndige Materien mehr in ſich halten / ſo wohl denen Gelehrten / als auch andern / wes Standes und Profeſſion ſie bey der honetten Welt ſind / Zu ihrer Vergnuͤgung im Winter-Quartal 1703. uͤberreichet von Talandern.
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Leipzig /bey Joh. Ludwig Gleditſchen /Anno 1703.
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Vorrede.

ES zeiget der Titul dieſer gedruckten Bo - gen dem geneigten Le - ſer bereits meiſtens an / was derſelbe dar - innen zu gewarten hat. Denn / nachdem ich geſpuͤret / daß die von mir im Jahr 1696. heraus gegebe -) (2nenVorrede.nen Monat-Fruͤchte des Frantzoͤ - iſchen Helicons, oder Extracte al - lerhand curieuſen Frantzoͤiſchen Buͤcher von Staats-Welt-und Liebes-Haͤndeln / nebſt andern moraliſchen / geographiſchen / und dergleichen Materien nicht ohne Liebhaber geweſen / ſo gar / daß vie - le ſo wol muͤndlich als ſchrifftlich beydes bey mir als dem Herꝛn Ver - leger zu unterſchiedenẽ mahlen An - ſuchung gethan / ich moͤchte doch in ſolcher Arbeit continuiren: So habe endlich wegen des mannigfal - tigen Nutzens / den ein ieder / wel - cher von der Lecture ein Freund iſt / davon zu gewarten hat / mich nicht laͤnger einem ſo billigen Begehren entziehen wollen. Maſſen keiner / welcher nicht zu paſſioniret iſt / laͤu - gnen kan / daß die FrantzoͤiſchenScri -Vorrede.Scribenten / ob ſchon nicht alle / doch ſehr viele unter ihnen / ihre Sachen / die ſie heraus geben / mit gutem Fleiße ausarbeiten / und da - hero ihre Buͤcher / von was vor Materie ſie auch ſind / wohl und nuͤtzlich zu leſen: Nun aber ein ied - weder unter denen Teutſchen ihrer Sprache nicht ſo kundig iſt / daß er deren Tractate voͤllig verſtehen koͤnte / dahero dieſelben nicht vor ſich nimmt: Oder auch / da er ſchon ein Frantzoͤiſch Buch zu leſen ge - nugſam faͤhig / es doch ſeine Gele - genheit nicht leidet / ſich alle ſolche Tractate anzuſchaffen. Hierzu dann kommt / daß viele vor andern Affairen die Zeit nicht haben / ſo mannichfaltige Schrifften von Blat zu Blat durch zuleſen / um zu unterſuchen / was darunter ihnen) (3an -Vorrede.anſtaͤndig oder nicht: Als wird al - len dieſen nicht unangenehme ſeyn / daß ich alle Qvartal / und alſo des Jahres viermahl in denen drey Leipziger und der Naumburger Peterpaul-Meſſe iedesmahl fuͤnf / ſechs / auch wol mehr der Frantzoͤi - ſchen Buͤcher ſo ausfuͤhrlich / als es nur der Raum der dazu deputirten ſechzehn teutſchen Bogen leiden wil / extrahire, und was dieſelben vor Merckwuͤrdiges in ſich halten / aufrichtig mittheile / damit ein ied - weder vor einen ſchlechten Preiß / ſo etwan vier Groſchen betragen wird / ſo viel Wiſſenſchafft und Nachricht von allerhand politi - ſchen / hiſtoriſchen / moraliſchen / Staats-und Welt-Haͤndeln / auch was ſonſt in dieſes oder jenes ſeine Special-Profeſſion laͤufft / kauffenkoͤnne /Vorrede.koͤnne / als er ſonſt / wenn er die Fꝛantzoͤiſchen Buͤcher / daꝛaus alles recenſiret wird / anſchaffen ſolte / vor etliche Thaler bezahlen muͤßte. Und kaͤhme es auch einem auf ſol - ches Geld nicht an / ſo menagiret er doch durch Leſung dieſer Bogen die Zeit / die er ſonſt zehnfach aufwen - den muͤſſen / wenn er die gantzen Frantzoͤiſchen Tractate wollen duꝛchleſen. Findet eꝛ auch ja etwas / davon er mehrere Nachricht begeh - ret / ſo weiſet ihn dieſer Extract deut - lich auf den Ort / wo er ſeine Satis - faction vollends holen kan. Wie - wol man mit Willen nie etwas auslaſſen wird / ſo vor andern zu remarquiren waͤre. Jn Extrahi - rung Frantzoͤiſchen Buͤcher habe ich anitzo ſolche Wahl gehalten / und wird auch kuͤnfftige Qvartale ge -) (4ſche -Vorrede.ſchehen / daß ein ieder honêtter Menſch / es mag ein Hofmañ ſeyn / oder ein Kriegesmann / oder ein Ge - lehrter / oder einer von der Kauff - mannſchafft; ja auch Frauenzim̃er / und wer nur von Leſung curieuſer Schrifften ein Liebhaber iſt / der die - ſe ſo genannte Qvartal-Fruͤchte kauffet / daꝛinnen etwas vor ſich in - ſonderheit anſtaͤndiges findẽ wird. Daß nicht / wie vormals An. 1696. geſchehen iſt / alle Monat ſolche heraus geben will / ſondern itzo und kuͤnfftig alle Qvartale; dazu habe unterſchiedene Uꝛſachen / ſondeꝛlich / daß in einem Qvartale mit beſſerer Zeit extrahiren kan / als wenn ſo accurat alle Monat etwas neuesher -Vorrede.heraus geben ſoll / da es zuweilen in der Eil / und da man immer ſol - licitiret wird / Exemplar zur Dru - ckerey zu liefern / nicht gnugſam kan poliret werden. Hiernechſt hat ein Leſer in einem ſolchen Qvartal - Extracte auf einmahlſo viel Mate - rien / und zwar vor geringere Un - koſten / beyſammen / als er ſonſt in drey einzelen Monaten erwarten kunte. Ebenfalls gehet bey ſol - chen einfachen Monaten dem Herrn Verleger der eine mehr / der andre weniger ab / ſo allhier bey den Qvartalen nicht ſo leicht zu be - ſorgen. Anderer Motiven zu ge - ſchweigen. Wie denn auch den Leſer ſonſt nicht weiter aufzuhal -) (5tenVorrede.ten ihn in die hier folgends com - municirten curieuſen Tractate itzi - gen Winter-Qvartals weiſe / und allezeit verharre

DeſſelbenJena den 1. Januarii 1703.Dienſibegteriger Talander.

Ver -
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Verzeichniß derjenigen Buͤ - cher / ſo in dieſem Winter-Qvartal 1703. extrahiret worden.

I.

MEmoires contenant ce, quis eſt paſſé de plus memo - rable en France depuis l établiſſement de la Mo - narchie jusqu a preſent. tome I. & II. à Haye. 1701. 12.

oder

Verzeichniß ſo die denckwuͤrdigſten Sa - chen in ſich haͤlt / welche vom Anfan - ge des Frantzoͤſiſchen Reiches bis auf unſere Zeiten in Franckreich vorge - gangen ſind. Erſter und ander Theil im Haag. 1701.

II.

Recueil des voyages, qui ont ſervi à l éta -bliſſe -bliſſement & aux progres de la Com - pagnie des Indes orientales formée dans les provinces unies des Pais-bas à Amſterdam. 1702. 12.

oder

Kurtze Beſchreibung derjenigen Reiſen / welche zu Aufrichtung und Progreſſen der Oſt-Jndianiſchen Compagnie gedie - net / ſo in den vereinigten Niederlan - den formiret worden; herausgegeben zu Amſterdam im Jahr 1702. 12.

III.

Nouvelle allegorique ou hiſtoire des der - niers troubles arrivés auRoyaume d’Elo - quence. à Amſterdam. 1702. 12.

oder

Allegoriſcheꝛ Bericht von den letzten Trou - blen, ſo in dem Koͤnigreich der Eloquenz vorgegangen / heraus gekommen zu Amſterdam. 1702. 12.

IV.

Lettres du Comte d’Arlington au Chevalier Temple contenant une relation exacte des traités de l Evêque de Munſter, deBredaBreda d’Aix la Chapelle & de la Triple al - liance avec lés inſtructions donneés au - dit Chevalier Temple, au Comte de Car - lingford & à Mr. van. Beuningen & d au - tres papiers par rapport aux dits traités. L’ony ajoute une relation particuliere de la mort de Madame, é crite en cinq let - tres par une perſonne de qualité préſen - te à ſa mort, le tout tiré des originaux, qui n avoient jamais été publices à Utrecht 1702. 12.

oder

Briefe deß Grafen von Arlington an den Ritter Temple, eine genaue Relation deꝛ Tractate mit dem Biſchoff von Munſter / wie auch der Bredaiſchen / Aachiſchen / und der Triple-Allianz in ſich haltend / ſamt denen Inſtructionen, welche be - ſagten Ritter Temple, Grafen von Car - lingford und Herrn von Beuningen ge - geben worden / nebſt noch andern Schrifften / die ſich zu bemeldten Tra - ctaten beziehen. Man fuͤget ihnen hier - zu einen abſonderlichen Bericht von Madame ihrem Tode / ſo in fuͤnf Brie -fenfen enthalten / von einer vornehmen Perſon aufgeſetzet / welche bey ihrem Abſterben zugegen geweſen. Alles aus denen Originalien gezogen / welche nie - mals ſonſt publiciret worden. Zu Utrecht gedruckt im Jahr 1702. 12.

V.

Naudæana & Patiniana ou Singularites re - marquables priſes des converſations de Meſſieur Naudé & Patin, ſeconde Edi - tion, reoue, corrigée, & augmentée d Additions au Naudæana, qui neſont po - int dans l edition de Paris à Amſterdam. 1703. 12.

oder

Sonderbahre Denckwuͤrdigkeiten aus der Herren Naudæi und Patini Conver - ſation gezogen / andere Edition, uͤberſe - hen / corrigiret / und mit Additionen zu den Naudæanis vermehret / welche in dem Pariſiſchen Exemplar nicht zu finden ſind. Amſterdam. 1702. 12.

Memo -[1]
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Memoires contenant ce, qui s’eſt paꝛéde plus memorable en France depuis l Etabliſſement de la Monarchie jusqu à preſent. Tome Premier. à la Haye 1701.Verzeichniß / ſo die denckwuͤr - digſten Sachen in ſich haͤlt / welche vom Anfange des Frantzoͤiſchen Reichs bis auf unſere Zeiten in Franck - reich vorgegangen ſind. Erſter Theil. Jm Haag. 1701.

DEr Autor dieſes Buchs nennet ſich in der Dedication, die er an ſeinen Koͤnig abgehen laſſen / de Saint Re - my; in der Vorrede aber an den Leſer machet er cinen kurtzen Ent - wurff / wie er zu Abfaſſung dieſes Wercks gelanget; und eroͤfnet zugleich die Urſache / warum er daranAſich2Denckwuͤrdigkeitenſich nicht die gewaltige Menge der Frantzoͤiſchen Geſchicht-Schreiber laſſen abhalten / die bereits ſo viele von dieſem Reiche heraus gegeben / daß es ſchie - ne / als waͤre nichts mehr annoch zu verlangen uͤbrig.

Das erſte betreffend / ſagt er / daß ihm niemals ſey in Sinn gekommen / die gantze Hiſtorie der Fran - tzoͤiſchen Monarchie aus einander zu ſuchen und ein gantzes Werck davon an das Licht zu geben: Son - dern er habe nur vor ſich ſelbſt in der Abſicht gear - beitet / ſich deſto beſſer in der Geſchichte ſeines Va - terlandes zu informiren: Dahero er mit ſonderba - rem Fleiß Anmerckungen gemacht / ſelbige in Ord - nung gebracht / und die Begierde ie mehr und mehr darinnen zu wiſſen / habe ihn unvermerckt immer weiter gefuͤhret / bis daß er endlich in ſeiner Arbeit dermaſſen fortgeruͤcket / als er ſich zuvor nicht koͤn - nen einbilden. Dieſes iſt ſeine Entſchuldigung / ſein Unterfangen zu rechtfertigen.

Die groſſe Anzahl der Frantzoͤiſchen Hiſtorien - Schreiber belangend / ſo haͤlt er davor / daß ſie nicht die rechte Mittel-Bahne beobachtet / die ſie leichtlich in dem Vortrag ihrer Wercke finden koͤnnen. Ent - weder ſie waͤren allzu kurtz / oder allzu weitlaͤuftig gegangen; alſo daß die erſten dem Leſer alle Muͤhe haͤtten ſparen; die andern aber alle deſſen Curioſitét vergnuͤgen wollen: Demnach man entweder faſt gar nichts in dem einen faͤnde / was man ſuchete; in dem andeꝛn aber man eine unendliche Menge von Sachen antraͤf / die man nicht ſuchete / und dadurch der Le - ſer bey unterbrochener Haupt-Geſchichte nur er -muͤ -3des Koͤnigreichs Franckreich. muͤdet wuͤrde. Zwiſchen dieſen beyden Ausſchweif - fungen nun vermeynet der Autor das Mittel ge - funden zu haben / daß er weder unnuͤtzlich wegen Kuͤrtze / noch verdruͤßlich wegen Weitlaͤuftigkeit ſeyn wolle. Jm uͤbrigen aber ſolle man ihm nicht vorwerffen / daß er die Wahrheit geſparet: Sondern er habe der ſchlimmen Fuͤrſten ihre boͤſe Thaten ge - ſcholten; die guten aber gelobet / ohne darauf zu ſehen / von was vor Nation daß ſie waͤren / indem die Tugend in iedwedem Lande koͤnne zu finden ſeyn / und das Lob ein Tribut / welchen man ihr uͤberall ſchuldig waͤre.

Jndem er ſich der Wahrheit und Aufrichtigkeit ruͤhmet / nimmt er Anlaß / ein Buch zu ſchelten wel - ches Monſieur le Vaſſor unter dem Titul Hiſtoire de Louis XIII. laſſen herausgehen / der ſich auch rechtfertigen wolte / als ſchriebe er aufrichtig / da er doch nur grobe Beſchimpfungen und Injurien / da - mit er groſſe Herren unverantwortlich darinnen angriffe / durch dieſe Beſchoͤnung zu excuſiren ver - meynete.

Hierauf bekennet er / daß die Geſchichte des er - ſten Stammes / von welchem er anhebet / mit vielen ungewiſſen Thaten angefuͤllet / die von den Frantzoͤ - iſchen Sitten dieſer Zeit gaͤntzlich unterſchieden waͤ - ren. Doch habe er ſich dasjenige darinnen zu Nutze gemacht / was er von ſeinen Vorgaͤngern in ſolchen Beſchreibungen am richtigſten befunden. Er wolle auch nicht viel in der Vorrede wegen der Sitten und Gewohnheiten derer Zeiten beruͤhren / deren Geſchichte er ſchriebe: Man wuͤrde ſolche inA 2dem4Denckwuͤrdigkeitendem Wercke ſelbſt zur Gnuͤge finden. Doch dieſes eintzige muͤſſe er beruͤhren / um ſo fort den Eingang der Geſchichte leichter zu machen / daß einem ied - weden bekannt / was maſſen die Gallier (Gaulois) und die Frantzoſen (François) zweene in Geſetzen und Auffuͤhrung gantz von einander unterſchiede - ne Voͤlcker geweſen. Die Gaulen oder Gallier waͤren unter die Roͤmiſche Herrſchafft gebracht wor - den / und haͤtten der Roͤmer ihre Geſetze / Gebraͤu - che und Sprache an ſich genommen / in deren Dienſt - barkeit ihnen aller Muth benommen / dadurch ſie Rom in ſeinem erſten Auffwachſen zittrend ge - macht und faſt unterdruckt haͤtten. Alſo nun waͤ - ren ſie dazumahl nicht mehr als ein Schatten des - jenigen geweſen / davor man ſie in gantz alten Zeiten gefuͤrchtet / als die Francken / oder Frantzo - ſen in Gallien eingefallen / und denen Roͤmern die Tapferkeit der erſten Gallier haͤtten empfinden laſſen.

Nachdem beſchreibet er das alte Gallien, und auch die Francken / wo ſelbige ihren Sitz gehabt. Gallien, ſagt er / wurde noch / ehe es unter der Roͤ - mer Herrſchafft kahm / von ſeiner eigenen Obrigkeit regieret / der man zu Zeiten den Koͤniges-Titul gab; aber nicht die abſolute Gewalt dabey; vielweniger war dieſe Wuͤrde erblich: Allein die Meriten und die Tugend / welche denen Mitbuͤrgern bekañt / erhube einen dazu; und behilte ſie auch keiner uͤber ein Jahr / ſo ſehr war man in Furchten / es moͤchte ſonſt dieſelbe ſich in eine Tyranney ver - kehren.

Gleich -5des Koͤnigreichs Franckreich.

Gleichwol / faͤhret er fort / da die Gallier nicht mehr als eine eintzige Nation waren / ſo wurden ſie doch in viele Voͤlcker oder Staͤdte getheilet / welche faſt eben ſo viel abſonderliche Staate macheten. Eine iede Stadt hatte ihre eigene Obrigkeit / und dependirete keine von der andern. Kahm es aber auff Affairen an / unter vielen benachbarten Voͤl - ckern / ſo wurde die Sache auff einem General-As - ſemblée der gantzen Nation tractiret und ent - ſchieden.

Hierauff erzehlet er / wie die Ritter unter denen Galliern die Vornehmſten geweſen / und man aus deren Mittel Obrigkeit und Koͤnige erwehlet. Wie ſolche Ritter von allen Auflagen frey geblie - ben / und allein in Bereitſchafft geſtanden / dem Staat in den vorfallenden Kriegen zu dienen. Ferner / wie die Ambactes nach dieſem oberen Stande gleichfalls ihren eigenen Stand formiret; auch dem Kriege gefolget / und unter denen Rit - tern gefochten. Das uͤbrige vom Volcke habe den Tribut gezahlet / und dem Ackerbau nebſt andern Handthierungen obgelegen.

Die Druiden oder Prieſter der Gallier haͤtten dasjenige / was zur Religion gehoͤret / beobachtet / und die Jugend in guten Sitten und freyen Kuͤn - ſten unterrichtet. Jhr Anſehen ſey dermaſſen groß geweſen / daß man ohne ſie weder einen Koͤ - nig erwehlen / noch eine Reichs-Verſammlung halten koͤnnen. Sie haͤtten die Metempſychoſin ſtatuiret und ſonderlich den Apollinem, die Miner - vam, den Martem und den Mercurium zu verehrenA 3die6Denckwuͤrdigkeitendie Leute angewieſen. Jhre Opffer waͤren lebendi - ge Menſchen geweſen / die ſie vor die gemeine Wohl - fahrt / oder vor das Gluͤcke ſolcher Perſonen / die unter ihnen in groſſer Achtbarkeit geſtanden / abge - than haͤtten

Er beſchreibet darauff die Gallier von Nei - gung und von Perſonen. Wie ſie alle zum Waf - fen groſſes Belieben getragen / und dazu von Ju - gend auff angefuͤhret worden. Wie ſie faſt alle von zimlicher Laͤnge / und nach Ammiani Marcelli - ni Zeugniß / meiſtens weiß von Haaren und Ge - ſicht / auch von blauen Augen: Nichts deſto we - niger / als Polybius gleichfalls meldet / dabey von ſo behertzten und drohenden Gebehrden / daß man ſie ohne Verwunderung und Schrecken nicht wohl koͤnnen anſehen. Alle Hiſtorien / verſichert er weiter / redeten von ihren Eroberungen / und wie durch den Ruhm ihrer Waffen gantz Europa angefuͤllet wor - den. Und Saluſtius ſagt: Daß / wie die Roͤmer wider die Gallier gefochten / ſie weniger daran ge - dacht / Ruhm zu erwerben / als ihr Vaterland zu erretten. Endlich giebt er ihnen das Lob: Daß niemahls einige Liſt noch Betrug an ihren guten Succeſſen Theil gehabt / ſondern ſie es eintzig und allein / was ſie ausgerichtet / ihrer Tapferkeit zu zu - ſchriben.

Jm zehnden §. ſpricht der Autor: Es haͤtten die Gallier uͤber ihre Weiber und Kinder das Recht des Lebens und Todes gehabt: Welches ſie doch nie gemißbrauchet: Vielmehr haͤtten ihre Wei - ber bey ihnen ſo viel gegolten / daß ſie offt gantzeArmeen7des Koͤnigreichs Franckreich. Armeen / die eben im Begriff geweſen / ein Treffen zu halten / beruhiget / und die vorhabende Schlacht abgewendet; ja man haͤtte keine Sache von Wich - tigkeit vorgenommen / da ſie nicht die Weiber zu rathe gezogen. Dieſe waͤren tapfer und hertz - hafft geweſen / auch mit denen Maͤnnern in Krieg gezogen / und ihnen ſolche Treue erwieſen / der - gleichen man heutiges Tages nicht finden wuͤrde.

Hierauff erzehlete der Autor, wie endlich Rom nach vielen blutigen Schlachten ſich von Gallia, Cis - alpina und hernach Tranſalpina Meiſter gemacht / und wie Cæſar alle Tapferkeit und Klugheit an - wenden muͤſſen / ehe er dieſe Voͤlcker uͤberwaͤltiget. Sie waͤren lange Zeit unter der Roͤmiſchen Herr - ſchafft treu geblieben / bis daß die Francken in ihr Land eingeruͤcket und die Roͤmer herausge - jaget.

Damit beſchreibet er nun die Francken / daß es ein Volck aus Deutſchland geweſen / welches zwi - ſchen dem Rheine und der Elbe gewohnet / in der Nachbarſchafft von den Schwaben und Aleman - nen / welche die Oerter zwiſchen dem Rhein / dem Mayn und der Donau innen gehabt. Man haͤtte ſie mit unterſchiedenen Namen bemercket / als die Bructerer, Chamaſſer, Salier, Catten, Actua - rier, Friſen, Caucer, Amſivarier, die ſich alle unter dem Namen Francken zuſammen verbunden / den ſie angenommen / dadurch zu bezeigen / daß ſie von dem Joch der Roͤmer wolten frey bleiben. Und weil ſie Galliens Fruchtbarkeit gewuſt / ſo haͤtte ſolche auch / da es in ihrer Nachbarſchafft gelegen /A 4ihnen8Denckwuͤrdigkeitenihnen Anlaß gegeben / die Abſicht zu faſſen / ſich dieſes Landes zu bemaͤchtigen. Es waͤre ihnen aber eine lange Zeit nicht gelungen / ſondern ſie durch unterſchiedene Keyſer genoͤthiget worden / uͤber dem Rheine zu verbleiben.

Dieſe Francken nun waͤren durch ihre Feld-Her - ren regieret worden; und ſey Pharamundus der erſte geweſen / deme man den Koͤniges Titul bey - gelegt. Dieſe Vereinigung von allen Fraͤnckiſchen Voͤlckern unter einem eintzigen Oberhaupte und unter einerley Geſetze / dem ſie den Titul: Lex Sa - lica gegeben / habe nicht wenig zu ihren hernach - mahligen Siegen und zu Befeſtigung ihres Reichs in Gallien beygetragen.

Es beſchreibet ſie der Autor weiter / wie ſie in der Finſterniß des Heydenthums gelebet / bis daß ſie ohngefehr ums Jahr CHriſti 497. unter der Regierung Koͤniges Clodovæi die Chriſtliche Re - ligion angenommen: Wie ſie brav / geſchickt / und ſtarck geweſen / auch den Krieg / und alle zu demſel - ben gehoͤrige Exercitia ſehr geliebet.

Wie ihr Reich unter der Regierung Childeberts, des Clodovæi ſeines Sohnes / dermaſſen in die Hoͤhe geſtiegen / daß auch Gregorius Magnus, wel - cher zu derſelbigen Zeit gelebet / in einem Briefe an ſelbigen Koͤnig geſaget: Der Francken Reich gien - ge denen andern Reichen ſo weit vor / als die Koͤni - gliche Wuͤrde den Privat-Stand uͤbertraͤffe.

Es meldet nachdem der Autor, wie der Fran - cken ihre Waffen geweſen / nemlich ein Schild / ein Degen / eine Streit-Axt / ſo zweyſchneidig / die ſieFran -9des Koͤnigreichs Franckreich. Francisque genennet / und ein Wurff-Spieß. Jhre gantze Armee habe in eitel Fuß-Volck beſtan - den / und nicht mehr Reuterey dabey geweſen / als ſo viel etwan zu Umgebung des Feld-Herrns / und deſſen Ordren auszutragen / von noͤthen geweſen. Die Beute habe man erſt nach geendeten Kriege getheilet / und waͤre damit uͤber die maſſen ehrlich und treu zugegangen. Der Feld-Herr habe daruͤber nichts diſponiret / auch nicht mehr davon gehabt / als was ſein Lohs ihm zugebracht. So gar / daß auch Koͤnig Clodovæus, ſo ein groſſer Koͤnig er geweſen / ſich nicht getrauet / wegen eines guͤldenen Gefaͤßes den Ausſpruch zu thun / welches die Sol - daten aus der Kirche zu Reims geraubet / und Sanct Remigius wiedergefordet / ſondern er habe es ihm erſtlich zuruͤck gegeben / nachdem die gantze Armee darein gewilliget.

Die koͤniglichen Einkuͤnffte haͤtten in einigen Steuren beſtanden / welche denen Galliern alleine / und nicht denen Francken / waͤren auffgeleget wor - den. Solche Auflagen nun haͤtte man entweder an baarem Gelde / oder an Waaren / nachdem es der Koͤnig beliebet / gehoben. Wenn ſie die Aecker und Laͤndereyen getheilet / haͤtten ſie denen Koͤni - gen allezeit die beſten gegeben / davon ſie ihr koͤni - gliches Haus meiſtens erhalten. Bey iedweder ſolcher Laͤnderey waͤre eine groſſe Menge Sclaven geweſen / von Ackerleuten / Weinarbeitern und al - lerhand Handwerckern / ſo alle vor den Koͤnig muͤſſen arbeiten. Die Haͤuſer / die dazu gewied - met / habe man Fiſcal-Haͤuſer genennet / die alle zurA 5Haus -10DenckwuͤrdigkeitenHaushaltung beſtimmet / ſolche aber die Koͤnige nie bewohnet; ſondern ihre eigene Pallaͤſte ge - habt / darinnen ſie Hof gehalten / und die Parla - mente und Concilia laſſen zuſammen kommen.

Die wichtigſte Aſſemblée ſey alle Jahr den er - ſten Martii gehalten worden / wobey der Koͤnig ſich mit denen Hertzogen und Grafen eingefunden / wel - che ſo wol die Verwaltung der Juſtiz-als militari - ſchen Aemter auf ſich gehabt. Und weil das wich - tigſte den Krieg betroffen / ſo ſey man dabey allemahl gewaffnet erſchienen / den Schluß der gantzen Ver - ſammlung ſo dann alſofort auszufuͤhren.

Denen Francken habe man die vornehmſten Aemter gegeben / als die Regierungen der Provin - tzen / das Commando der Arméen, und die Richter - Stellen. Die Gallier haͤtten ein abſonderlich Corpus des Staats gemacht. Sie haͤtten den Tribut bezahlet / und das Land gebauet. Doch haͤt - ten ſich die Francken auch allgemach der Gallier Sprache angewoͤhnet / ſo ein Miſchmaſch aus den Latein und den Gauliſchen geweſen: Denn das La - tein haͤtten die Gallier gebrauchen muͤſſen / als die Roͤmer ſie ihnen unterwuͤrffig gemacht: Alſo / daß wenn ſie mit denen Guoverneuren uud Indendan - ten der Provintzen etwas zu thun gehabt / oder vor Gericht eine Sache vorzutragen und abzuhan - deln geweſen / oder man ein Document ausgeferti - get / ſolches alles in Lateiniſcher Sprache geſche - hen / welche| die eintzige / deren man ſich bedienen duͤrffen. Alſo haͤtten nun die Gallier ſolche durch - gehends gelernet; aber das Volck dieſelbe mitihrer11des Koͤnigreichs Franckreich. ihrer vorigen Mutter-Sprache verſtuͤmmelt / daß alſo ein gemengetes heraus gekommen / bis daß von Zeiten zu Zeiten dieſelbe ſo auspoliret worden / daß ſie nun heut zu Tage eine von den am meiſten hochgeſchaͤtzten Sprachen in der Welt waͤre.

Der Autor faͤhret fort und meldet / wie unter der Regierung Caroli Magni die Frantzoſen in ſol - chem Anſehen geweſen / als vor dieſen die Roͤmer waren. Aber unter ihren nachfolgenden Prin - tzen / welche weder ſo tapffer noch ſo magnific als dieſer Kaͤyſer ſich erwieſen / haͤtte das Volck geſchie - nen / ob wolte es gantz wieder umſchlagen / weil die Koͤnige ſelbſt ſich ſo unartig bezeiget / bis daß Phi - lippus Auguſtus und Franciſcus Primus eine groſſe Liebe zum Kriege und Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte wiederum erwieſen. Der erſte ſey gluͤcklich im Kriege geweſen: Doch habe er es mit denen frey - en Kuͤnſten nicht weit gebracht. Der andere / nemlich Franciſcus, haͤtte das Gluͤck der Waffen gar widrig erfahren; allein deſto gluͤcklicher waͤre er geweſen / daß er die Wiſſenſchaften in Franck - reich in beſondern Flor gebracht. Endlich aber ſey es zu unſern Zeiten ſo wol in Waffen als Kuͤn - ſten ſo hoch geſtiegen / als Rom unter der Regie - rung des gluͤcklichen Kaͤyſers Auguſti ehmahls ge - weſen waͤre. Hierauf koͤmmt der Autor auf einige ſtreitige Puncten und eroͤffnet ſeine Meynung da - von; als: Ob die Koͤnigin Brunehaud von dem Koͤ - nig Clotario und der gantzen Frantzoͤſiſchen Nation mit Recht zu einem ſo ſchmaͤhlichen Tode waͤre ver - dammet worden: Zum andern / ob der Titul / derAller -12DenckwuͤrdigkeitenAllerchriſtlichſte / Clodovæo auf eine ſolche Art ge - geben worden / als man ihn heut zu Tage denen Koͤ - nigen in Franckreich giebt? Da er denn ſaget: Daß einiger Unterſchied ſey: Denn / wie Clodovæus die Chriſtliche Religion angenommen / ſo habe er als der eintzige damahls regierende Herr keinen ketze - riſchen Jrrthum dabey geheget. Keyſer Anaſta - ſius waͤre mit der Eutychianiſchen Hæreſie; Theodoricus Koͤnig der Oſtrogothen in Jtalien / Alaricus der Wiſigothen Koͤnig / und viele andere die er anfuͤhret / mit der Arianiſchen behafftet ge - weſen / und alſo Clodovæus der eintzige recht Chriſt - liche Koͤnig geblieben. Demnach die Biſchoͤffe in Gallien und Jtalien dieſen Ehren-Namen: Des Chriſtlichen / mehr ſeiner Perſon / als der Frantzoͤiſchen Krone beygelegt / bis man ihn nach der Zeit allen Koͤnigen in Franckreich gelaſſen / als ob er mit der Krone verknuͤpfet waͤre.

Ferner eroͤrtet er: Ob Paſquier recht habe / daß die Einſetzung des Parlaments ſolte ſo alt ſeyn / als die Auffrichtung des Koͤnigreichs ſelbſten? Und will ſolches nicht zulaſſen.

Endlich beruͤhret er die Muͤntzen in Franckreich / und ſagt / daß unter denen Koͤnigen vom erſten Stamme man wenig gemuͤntzet Geld gehabt; ſon - dern es waͤre das Silber rein geſchmoltzen und in die koͤnigliche Schatzkammer in Klumpen oder Kuchen gebracht worden: Auch haͤtten die Privat - Leute es eben auch in einer Maſſa auffgehoben / al - ſo / wenn man handeln wollen / die Zahlung in Pfunden oder Marcken Goldes und Silbers ein -ander13des Koͤnigreichs Franckreich. ander waͤre zugewogen worden: Nur einige kleine Muͤntzen haͤtte man gepraͤget geſehen / dadurch in Handlung deſto beſſer aus einander zu kom̃en. Wel - che Gewohnheit bis zur Regierung Philippi Pulchri im Schwange geblieben. Als die Francken ſich von Gallien Meiſter gemacht / haͤtten ſie getrachtet in Praͤgung der Muͤntze ſich mit denen Roͤmern zu conformiren / und ſchiene / daß / nachdem ſie die Laͤnder erobert / ſo zuvor unter der Roͤmer Herr - ſchafft geweſen / ſie auch zugleich ſich der Machinen bemaͤchtiget / deren ſich dieſelben bedienet / ihre Muͤntzen zu ſchlagen; wie ſie dann auch eben ſelbige Muͤntzmeiſter gebrauchet / die hernach in ihren Muͤntzen zu Trier / Lion / Arles / und andern Or - ten gepraͤget haͤtten.

Auff der meiſten guͤldenen Muͤntze / die man etwan noch von denen Koͤnigen erſten Stammes itzo zeigete / ſaͤhe man auff der einen Seite einen Kopff des Koͤniges mit der Krone / und ſeinen Na - men um ſelbige herum; auff der andern Seite aber ein Creutz und den Namen des Orts / wo die Muͤntze geſchlagen worden. Die meiſten ſolcher Oerter waͤren uns heutiges Tages unbekannt / weil die Koͤnige in ihren koͤniglichen Haͤuſern die Muͤn - tze machen laſſen / um welche Haͤuſer groſſe Flecken geweſen / die aber nicht mehr vorhanden.

Als Childebert und Clotarius die Provenz in Poſſes genommen / welche Vitiges, Koͤnig der Oſtro - gothen in Jtalien / denen Francken abgetreten und Keyſer Juſtinian ihnen auch gelaſſen / um dieſer Na - tion ihren Beyſtand zu gewinnen / haͤtten die Koͤnigein14Denckwuͤrdigkeitenin dem Amphitheatro zu Arles Schauſpiele gegeben / und guͤldene Muͤntze mit ihrem Bilde gezeichnet unter das Volck auswerffen laſſen. Wer mehr von den alten Muͤntzen der Francken zu wiſſen verlanget / den weiſet der Autor in die herausge - gebenen Tractate des Monſieur le Blave, Monſieur Bonteroue, und des Pater Mabillon, als welche da - von ſehr weitlaͤufftig gehandelt.

Was die uͤbrigen ſtreitigen Puncte betrifft / ſo beziehet er ſich auff die zwey Diſſertationen, wel - che Pater Daniel, ein Jeſuit / mit ſeiner Hiſtorie von Franckreich herausgegeben. Und dieſes zuſam - men haͤlt die Vorrede in ſich.

Der Tractat ſelbſt hat in dem erſten Tomo fuͤnff Buͤcher. Das erſte Buch haͤlt die Geſchichte von den Galliern und denen Francken vor Auffeichtung ihrer Monarchie, in ſich / und nachdem hat es die Hiſtorie von Pharamund, Clodion, Merovæus und Childeric.

Der Anfang hat den Urſprung des Frantzoͤi - ſchen Reichs / wie ſolches aus denen Ruinen des Roͤmiſche Keyſerthums erwachſen. Dieſes Roͤmiſche Kaͤyſerthum hebet an von ſeiner erſten Hoheit unter denen Kaͤyſern herunter zu fallen / welche Marco Aurelio im Regiment folgen. De - ren dann eine gantze Reihe laſterhaffter Fuͤrſten hererzehlet wird / als Commodus, Julianus, Cara - calla, Macrinus, Heliogabalus, Maximinus, Philip - pus, Gallus, und Voluſianus: Die zur Schande und Verderben des Reichs auff die Welt gekommen /und15des Koͤnigreichs Franckreich. und ſich allein durch ihr unartiges Leben und Grauſamkeit bekannt gemacht. Die auslaͤndiſchen Nationen empoͤhren ſich wider alle dieſe Tyran - nen. Die Viſigothen / die Vandaln, die Hunnen, die Alanen, die Gepiden, die Oſtrogothen, die Schwa - ben / die Eruler, die Allemannen, die Longobarten und viele andere Voͤlcker ſtehen an allen Enden auff / und werffen das Roͤmiſche Joch vom Halſe / welchen harten Stoß das Roͤmiſche Reich ohnge - fehr ums Jahr CHriſti 260. bekoͤmmt. p. 2.

Kaͤyſer Valerianus, welcher nach Voluſiano, der nebſt ſeinem Vater Gallo mitten unter ſeiner Armee erſchlagen worden / auff den Reichs-Thron ſteiget / wird von der Perſen Koͤnig Sapores auffs Haupt geſchlagen / gefangen / und in eine recht ſchimpfliche Sclaverey gefuͤhret / in welcher er ei - nes grauſamen Todes zuletzt ſterben muͤſſen. p. 3.

Sein Sohn Gallienus, welcher von ſeinem Va - ter mit Einwilligung des Raths zum Reichs-Ge - huͤlffen angenommen worden / laͤßt ſich dieſes des Vaters Ungluͤck wenig anfechten; lebt in allen Laſtern und ſonderlich in der Schwelgerey. Da denn die Francken ſich der Gelegenheit bedienen / und aus Teutſchland in Gallien einbrechen. Der erſte Streich gelinget ihnen; nach dieſem aber wer - den ſie uͤberwunden und genoͤthiget / ſich uͤber den Rhein wieder zuruͤck zu machen / bis um das Jahr CHriſti 450. Da ſie ſo gluͤcklich ſeyn / eine der rei - cheſten und ſchoͤnſten Provinzen des Roͤmiſchen Reichs hinweg zu nehmen / allwo ſie hernach die Frantzoͤiſche Monarchie (wie ſie der Autor nen - net) auffrichten. p. 4.

Hier16Denckwuͤrdigkeiten

Hierauf nun wird Gallien beſchrieben / wie es damahls geweſen / als die Francken die Roͤmer her - ausgejaget; und wie es auch zu Zeiten Julii Cæſa - ris abgetheilet worden. Ja / wie noch viele Secula zuvor die Gaulen oder alten Gallier ſolches Land bewohnet / und nach Polybii, auch anderer Geſchicht - Schreiber / Zeugniß die vortreflichſten Krieges - Leute geweſen. Wie ſie uͤber diemaſſen auff ihre Freyheit gehalten; ihre Koͤnige und Obrigkeit ſelbſt erwehlet / und alle Jahre ſelbige abgewechſelt. Unter ihnen / faͤhret der Autor fort / werden die Bri - turiger am maͤchtigſten / und ihr Koͤnig Ambigat erſtrecket ſeine Herrſchafft uͤber alle Celten. Weil aber das Land zu volckreich iſt / ſo ſchicket er Colonien aus Gallien aus / und ſolche zu fuͤhren erwaͤhlet er ſeiner Schweſter Soͤhne Belloveſum und Sigoveſum, ums Jahr vor Chriſti Geburth 590. als noch der alte Tarquinius Koͤnig zu Rom war. Sigoveſus gehet mit ſeinem Volck uͤber den Schwartzwald / und ſetzet ſich die Donau hinab in Pannonien; ſeine Nachkommen breiten ſich in Teutſchland aus; und einige machen ſich gar in Ungarn und Sclavonien; andere davon kommen noch weiter / und gelangen unter der Anfuͤhrung des Belgius in Thracien und Macedonien. Ptolomæus, damahliger Koͤnig in Macedonien, der Blitz bena - met / iſt der eintzige / ſo ſich erkuͤhnet / ihnen mit ge - waffneter Fauſt zu begegnen; allein er koͤmmt dar - uͤber elendiglich um. Die Gaulen durchſtreichen darauf unter der Anfuͤhrung des Brennus gantz Griechenland / endlich belagern ſie den Tempel zuDelphos17des Koͤnigreichs Franckreich. Delphos; allwo ein erſtaunender Schatz zu finden: Werden aber durch ein erſchreckliches Ungewitter vom Donner / Blitz / Wind und Platz-Regen davon abgetrieben / und von denen abfallenden groſſen Fel - ſen viele tauſend erſchlagen; daruͤber ſich ihr Heerfuͤhrer Brennus aus Verzweifelung ſelbſt er - ſticht. Sie bemaͤchtigen ſich dennoch nach dieſem eines Theiles von Aſien, und die Provintz / allwo ſie ſich niederlaſſen / wird von ihnen Græca Gallia, oder Galatien genennet. p. 16.

Belloveſus, ſo auch neue Colonien aus Gal - lien ausfuͤhret / koͤmmt mit ihnen an den Fuß des Alpen-Gebuͤrges: Da aber viele vor dieſen unge - heuren Klippen / woruͤber noch niemand einen Weg gefunden / ſich entſetzend / von dieſem ihren Heerfuͤh - rer ſich fort begeben / und nach Spanien wenden / allwo ſie der am Pirenæiſchen Gebuͤrge nahliegenden Provintzen ſich bemaͤchtigen / ſo man lange Zeit her - nach Celtiberien genennet; heut zu Tage aber das Land iſt / ſo man das Koͤnigreich Arragonien heiſ - ſet. p. 17.

Die andern Voͤlcker / die noch bey Belloveſo geblieben / werden endlich durch die Phocier, ſo aus Jonien an den Kuͤſten von Provence angelaͤndet / und daſelbſt hernach die Stadt Marſeille gebauet / angefriſchet / daß ſie den Zug uͤber die Alpen-Gebuͤr - ge verſuchen; es gelinget ihnen / und ſie kommen in Jtalien. Die Toſcaner, welche darinnen woh - nen / erſchrecken / daß zwiſchen ſo ungeheuren Klip - pen eine Armée heraus koͤmmt / waffnen ſich / werden aber geſchlagen / und begeben ſich nebſt ihrem FuͤhrerBRhetus18DenckwuͤrdigkeitenRhetus in die benachbarten Gebuͤrge von Teutſch - land / welcher ſeinen Namen ſelbigem gantzen Diſtri - cte giebet / und es Rhetiam nennet / ſo zu unſern Zei - ten die Graubuͤnden bewohnen. p. 18.

Die Gallier ruͤcken in Jtalien weiter fort / neh - men das Land um den Po-Fluß ein / und nennen es Inſubrien, bauen auch die Stadt Meiland: Be - maͤchtigen ſich der Oerter / wo itzo Verona und Breſſe ſtehen / laſſen ſich auch bey Genua und dem Apenniniſchen Gebuͤrge nieder. p. 19.

Jn folgenden Zeiten kommen immer neue Colo - nien aus Gallien in Welſchland: Die Roͤmer ziehen ihnen in voller Schlacht-Ordnung entgegen / wer - den aber von denen Gaulen geſchlagen / und Rom 391. Jahr vor Chriſti Geburth von ihnen ausge - pluͤndert: Auch gewinnet durch Beyſtand dieſer Nation Hannibal die ſo beruͤhmte Schlachten bey Trebia, Traſymenum, und Cannas. p. 20.

Endlich nimmt man auch die Gallier, ſo diſſeit der Alpen in Gallia Cisalpina oder Togata wohnen / mit in den Roͤmiſchen Rath und ziehet ſie zu allen Ehren-Aemtern p. 21. Die aber jenſeit der Alpen oder in Gallia Transalpina, ſo auch Comata genen - net worden / ſich annoch befinden / bringet Julius Cæſar unter die Roͤmiſche Herrſchaft / und haͤlt ſie in groſſem Werthe. p. 21.

Sie werden aber durch das Umgehen mit denen Roͤmern ie laͤnger ie mehr politer / ſo gar / daß man auch aus ihrer Nation, welche zu Rom als Buͤr - gemeiſter erwaͤhlet / ja ſelbſt auf den Kaͤyſerlichen Th[r]on ſetzet. p. 22.

So19des Koͤnigreichs Franckreich.

So weit beruͤhret der Autor die Natur und das Gluͤck der Gallier, welche unter Valeriani Regie - rung eines ſuͤſſen Friedens genieſſen / als unter - ſchiedliche Voͤlcker / welche zwiſchen dem Rheine / der Elbe / dem Mayn / und dem Oceano wohnen / unter dem Namen der Francken ſich hervor - thun. Den Namen fuͤhret er daher / daß ſie wollen bezeugen / wie ſie franck und freye von der Herrſchaft der Roͤmer zu bleiben geſonnen; Eini - ge aber wollen / ihr Urſprung kaͤhme von Franco, oder Francion, einem Sohn des Hectors und der Andromacha, ſo aber der Autor vor ungewiſſer haͤlt. p. 23. 24.

Dieſe Francken gehen im Jahr Chriſti 259. mit einer ſtarcken Armée aus ihrem Lande / da e - ben Kaͤyſer Valerianus vom Perſiſchen Koͤnige Sapores gefangen / und Gallienus, ſein Sohn / zu Rom in aller Uppigkeit und Wolluͤſten zubringet; Allein bey die dreyßig Tyrannen haben ſich in unter - ſchiedenen Provintzen des Roͤm. Reichs|aufgeworf - fen / und ſolches an allen Seiten beunruhiget.

Dieſen Vortheil nehmen die Francken in acht / dringen durch Gallien; gehen uͤber das Pyrenaͤiſche Gebuͤrge; breiten ſich in Spanien aus / nehmen Tar - ragona hinweg und pluͤndern ſolches. Endlich werden ſie vom Kaͤyſer Probo hart geſchlagen / wel - cher zu Bemerckung ſeines Sieges den Zunamen Francicus annimmt. p. 26.

Gleichwol ſtehen ſie in den folgenden Zeiten immer wieder auf / bis Conſtantinus ſie aber -[m]als dem Roͤmiſchen Reiche unterwirfft / undB 2zweene20Denckwuͤrdigkeitenzweene von ihren Koͤnigen Aſcaricum und Ragai - ſum auf den Amphitheatro zu Trier mit wilden Thieren kaͤmpfen laͤſſet. p. 29.

Die Kaͤyſer Valentinianus, Julianus Apoſta - ta, und Theodoſius Magnus liegen denen Francken noch haͤrter auf den Nacken / und noͤthigen ſie / daß ſie ſich immer uͤber dem Rheine halten muͤſſen; bis ſie endlich uͤberdruͤßig / ſo vielerley Herren zu ha - ben / im Jahr Chriſti 418 den Entſchluß faſſen ein neues Reich unter einem Haupte aufzurichten. p. 31.

Dieſes geſchihet zu Zeiten des Kaͤyſers Honorii, eines Sohnes des Theodoſii Magni; als eben das Roͤmiſche Reich auff Anſtifften des treuloſen Stiliconis von allen Enden her durch die Barbarn angefallen wird. Da erwaͤhlen ſie Pharamun - dum, einen Sohn des Marcomirs, zu ihrem Koͤni - ge; unter deſſen Regierung man ſagen will / daß das beruͤhmte Saliſche Geſetze ſolle gemacht ſeyn / p. 33. Welches ſeinen Namen von dem Saal-Strohme haben ſoll / weil die Verſammlung / welche zu deſ - ſen Abfaſſung gehalten worden / nahe bey ſelbigem Fluſſe angeſtellet geweſen.

Als Pharamond neun Jahr regieret / und dar - auff mit Tode abgehet / folget ihm im Reiche ſein Sohn Clodion, welchen man Comatum, den Langhaͤrigen genennet / weil er ein langes Haar getragen / um zu zeigen / daß er kein Sclave von den Roͤmern waͤre. Dieſer Herr gehet im Jahr 426. mit einer ſtarcken Armée aus Thuͤringen / wo er ſich eines feſten Schloſſes Diſparg genannt / be - maͤchtiget: Paſſiret mit allem ſeinem Volcke denRhein21des Koͤnigreichs Franckreich. Rhein / und nimmt ein Theil von dem Gallia Belgica ein; wird aber von Ætio wieder herausgejaget. Gehet im Jahr 437. abermahls uͤber den Rhein. Nimmt gantz Brabant weg; hemaͤchtiget ſich Cam - bray und Tournay, gehet fort in Artois, gewinnet Arras, nimmt endlich ſeine Reſidentz zu Amiens p. 36. Wird abermahls von Ætio uͤberwunden / da er eben eines vornehmen Herrn von ſeiner Armée Toch - ter Beylager ausrichtet / und ſich am wenigſten der ſo nahen Roͤmiſchen Krieges-Macht verſiehet. p. 37. 38. und paſſiret alſo uͤber den Rhein wiederum zuruͤck. Als er zwantzig Jahr regieret / fodert ihn der Tod ab / und koͤmmt Meroveus auf den Thron / welcher Koͤnig Clodions naher Verwander iſt / und ſich des Reichs mit Ausſchlieſſung des Clodions Kinder bemaͤchtiget. Von ihm bekoͤmmt das erſte koͤnigliche Geſchlecht den Namen / und wird das Meroveiſche genennet. Clodions hinterlaſſener Printz diſputiret Meroveo die Krohne / und da er ihm nichts abhaben kan / ſo rufet er die Hunnen um Beyſtand an: Meroveus, ſo gewaltigen Fein den beſſer zu widerſtehen / ſendet ſeinen Sohn Childericum nach Rom / und ſuchet des Kaͤyſers Allianz, erhaͤlt dieſelbe: Attilla der Hunnen Koͤnig koͤmmt mit einer Armée von fuͤnfmahlhundert tau - ſend Mann angezogen. Meroveus weichet zuruͤck. Attilla nimmt Coͤlln weg. Meroveus conjungiret ſich mit der Roͤmiſchen Armée, ſo von Ætio comman - diret wird p. 45. Theodoricus, Koͤnig der Vi - ſigothen, wie auch Gondiochus, und Chilperi - cus, Koͤnige in Burgundien / treten auch zu denB 3Roͤ22DenckwuͤrdigkeitenRoͤmern / und wird alſo ihre Armée ſo ſtarck als des Attila ſeine. Attila pluͤndert Coͤlln / Trier / Metz / Rheims / und andre Staͤdte gantz aus / veruͤbt groſſe Grauſamkeiten / und laͤßt die Geiſt - liche vor den Altaͤren erwuͤrgen / p. 46.

Paris fuͤrchtet ſich ſehr vor der Pluͤnderung. Die heilige Genoveva bethet heftig nebſt vielen got - tesfuͤrchtigen Frauen / daß GOtt den Feind von ſolcher Stadt abhalten moͤchte: Spricht auch dar - auf dem Volcke einen Troſt zu / daß ſie erhoͤret ſey: Allermaſſen denn Attila nicht in Paris koͤmmt; ſondern Orleans belagert. p. 47.

Der Biſchoff Saint Agnan hat es laſſen wohl befeſtigen / wehret ſich auch tapfer darinnen / bis daß Ætius ankoͤmmt / des Attila Trouppen, ſo - ber der Loire ſtehen / ſchlaͤget / und ihn noͤthiget / die Belagerung aufzuheben. p. 48.

Endlich kommen beyde groſſe Arméen in der Ebene bey Chalons in Champagne zuſammen / hal - ten ein blutig Treffen / und Attila wird geſchlagen; geraͤth auch in ſolche Verzweifelung uͤber ſeinen Verluſt / daß er ſich ſelbſt toͤdten will. Ætius, der ſich ſeiner Perſon wol bemaͤchtigen koͤnnen / laͤſſet ihn aus einer Politic entwiſchen / und will dieſen allgemeinen Feind nicht gantz und gar ausrotten / damit die andern Voͤlcker deſtomehr genoͤthiget ſind / der Roͤmer Alliance zu ſuchen; Allein ſeine gute Abſicht wird ihm ſchlecht belohnet / denn / als er nach erhaltenen ſo ſchoͤnem Siege wiederum zum Kaͤyſer Valentiniano koͤmmt / toͤdtet ihn dieſer mit eigener Fauſt. p. 59.

Meroveus23des Koͤnigreichs Franckreich.

Meroveus brauchet ſich dieſes Todesfalls ei - nes ſo tapfern Generals zu ſeinem Vortheil / ma - chet ſich von unterſchiedenen Provintzen in Galli - en Meiſter / und iſt alſo der erſte / welcher die Fran - tzoͤiſche Monarchie recht fundiret. p. 60. Regie - ret zehn Jahr / und folgt ihm ſein Sohn Childeric im Reiche / da er etwan zwey und zwantzig Jahr alt iſt. p. 61.

Dieſer junge Herr machet ſich bey denen Unterthanen durch die Wolluͤſte verhaſſet / indem er viele Toͤchter derſelbigen mit Gewalt ſchaͤn - det. Daher wird ein allgemeiner Aufſtand wi - der ihn / und muß er aus dem Reiche fliehen. Ein eintziger bleibet ihm noch getreu / Viomades genannt / dieſer ſtellet ihm die Gefahr vor / worin - nen er ſich befaͤnde / und daß es das rathſamſte waͤ - re / ſich auf eine Zeitlang zu entfernen. Er wol - te ſchon die Francken nach und nach dahin diſpo - niren / ihn wieder zuruͤck zu ruffen; Damit nun ihr Verſtaͤndniß geheim bleibet / ſo brechen ſie eine guͤldene Muͤntze von einander / und behaͤlt iedwe - der ein Stuͤcke davon / und verſpricht Vioma - des dem Koͤnige / daß wenn alles zu ſeiner Wieder - Einſetzung bereit und richtig gemacht / ſo wolte er ihme zu deſſen Bemerckung das halbe Gold - ſtuͤcke ſchicken / ſo er itzo bey ſich behielt.

Alſo retiriret ſich Childeric nach Thuͤringen zum Koͤnig Baſino, welcher ein vertrauter Freund und Bundesgenoſſe ſeines Vaters / Meroveus, geweſen /B 4der24Denckwuͤrdigkeitender ihn auch gantz gerne aufnimmt / und alle Liebe und Hoͤfligkeit erweiſet.

Nach ſeiner Abreiſe aus Franckreich ſchreiten die Francken zur Wahl eines andern Koͤniges / und nehmen auf Einrathen des Viomades, der bey ihnen in groſſem Anſehen iſt / den Roͤmiſchen Feld-Herrn / Graf Gilles, dazu. Dieſer / gegen Viomades ſich erkenntlich zu bezeigen / machet ihn zu ſeinem geheimeſten Rathe: Viomades, welcher wohl weiß / wie geitzig daß Gilles iſt / giebt ihm Einſchlaͤge / er ſolte nur recht ſchwere Schatzun - gen auf das Volck legen; damit er dieſe ſonſt hochmuͤthige und zu freche Nation deſto beſſer zu paaren braͤchte. Gilles thut ſolches / bringet groſ - ſes Reichthum dadurch zuſammen; Allein er la - det ſich auch zugleich aller Unterthanen Haß auf.

Da nun ſelbige in die acht Jahr unter ei - nem ſo harten Joche geſchmachtet / traͤgt Vioma - des dem Koͤnig Gilles vor / als ob einige der vor - nehmſten Herren wegen ſeiner Abſetzung vom Throne gefaͤhrliche Anſchlaͤge macheten / nennet ihm auch einige / und zwar die / welche er weiß / daß ſie dem Koͤnig Childeric am meiſten zu wi - der ſind. Dieſe nun laͤßt Gilles aus dem Mit - tel raͤumen / dadurch er vollends der groͤßten Fa - milien ihre Feindſchaft auf ſich ziehet / und man oͤf - fentlich uͤber ſeine Tyranney klaget. Viomades nimmt die Zeit in acht / dem verjagten Koͤnige Chil - deric das Wort zu reden / daß man denſelben wie - der zuruͤck ruffen moͤchte. p. 69. Er gewinnet derVor -25des Koͤnigreichs Franckreich. Vornehmſten ihren Beyfall / ſchicket Childerico das halbe Goldſtuͤcke nach Thuͤringen zu / welcher daruͤber ſehr froh / ſo viel Volck zuſammen bringet / als ihm moͤglich / und damit ſich wiederum nach Franckreich begiebt: Viomades koͤmmt ihm nebſt vielen vornehmen Frantzoͤiſchen Herren zu Bar ent - gegen; empfangen ihn mit groſſen Freuden / und ih - re Armée ſtaͤrcket ſich von Tage zu Tage.

Der Graf Gilles von Childerics Anzuge und dem Aufſtande der Francken benachrichti - get / ziehet ſo wol Roͤmiſch als ander Krieges - Volck zuſammen / und gehet auf Childericum los; wird aber geſchlagen und fliehet nach Coͤlln; ſolches belagert Childeric, nimmt es ſtuͤrmend ein / und metzelt viel Roͤmer darinnen nieder. Gilles entfliehet nach Soiſſons, und ſtirbet allda kurtz darauf. Childeric nimmt Trier weg / wie auch gantz Lothringen / durchſtreiffet Champa - gne; macht ſich Meiſter von Beauvais und vie - len andern Staͤdten / die an der Oiſe und Seine liegen; belagert Paris, und zwinget es durch Hunger zur Ubergabe. p. 71.

Als Childeric ſeinen Thron wieder befeſtiget / koͤmmt Baſine, des Koͤniges in Thuͤringen Ge - mahlin / woſelbſt er in waͤhrenden ſeinem Exilio ſich aufgehalten / zu ihm. Sie haben ein Lie - bes-Verſtaͤndniß die Zeit ſeines Daſeyns in Thuͤ - ringen mit einander gemacht / und ziemlich ver - traut zuſammen gelebet. Als Childeric aber fort / kan ſie ſeine Entfernung nicht vertragen /B 5ſondern26Denckwuͤrdigkeitenſondern machet ſich heimlich von ihrem Manne weg / und ziehet ihm nach. Er / ſich verwundernd / ſie in Franckreich zu ſehen / fraget ſie: Was ſie da - zu bewogen / den Koͤnig ihren Gemahl zu verlaſſen? Sie antwortet: Jhr / mein Printz / eure Tugend hat mich ſo entzuͤndet / daß ich vermeynet / ich muͤſſe alles verlaſſen / um euch zu folgen; und wenn ich ge - glaͤubet / daß es ſonſten wo einen vollkom̃enern Fuͤr - ſten gaͤbe / als ihr ſeyd / ſo wolte ich ihn bis an das En - de der Welt ſuchen. Childeric, der ohne diß von einm gar verliebten Temperament iſt / laͤßt ſich durch die Schoͤnheit / und dieſes was Baſine ſeinet wegen ge - than / einnehmen / und begehet die Undanckbarkeit gegen ſeinem Wohlthaͤter / der ihm ſo lange in ſei - ſeiner Flucht an ſeinem Hofe alle Guͤte erwie - ſen / daß er dieſe ſeine Gemahlin ehliget. pag. 74.

Einige Scribenten ſagen / es habe Baſine die erſte Nacht ihres Beylagers den Koͤnig Childeric gebethen / er moͤchte zu dreyen unter - ſchiedenen mahlen doch dasjenige anmercken / was vor | dem Thore ſeines Pallaſts vorginge. Da er denn ſo gefaͤllig geweſen / von ihr auff - geſtanden / und ſich dahin gemacht. Das erſte mahl haͤtte er eitel Loͤwen / Einhoͤrner und Leo - parden; das andere mahl Baͤren und Woͤlffe; und das dritte mahl Hunde und lauter kleine Thiere geſehen / die ſich untereinander zerriſ - ſen. Childeric begierig zu wiſſen / was ſol - ches Geſicht bedeute / fraget die neue Gemah - lin / die es ihm ausleget / daß es die Sitten der -jeni -27des Koͤnigreichs Franckreich. jenigen Kinder und Nachkommen bemer - ckete / ſo von ihnen wuͤrden herſtammen. p. 75.

Childeric erweitert ſein Reich durch viele Er - oberungen / und ſtirbet im ſieben und viertzigſten Jahre: Er laͤßt vier Kinder nach ſich / Clodove - um, der ihm im Reiche folget / und drey Printzeſ - ſinnen / Audefleden, Albofleden und Lantilden; und wird zu Tornick, allwo er ſein Leben geendet / begraben.

Man hat vor nicht allzulanger Zeit (bey andern Autoribus finde ich / daß es im Jahr 1653. den 27. Maji. geſchehen /) ſein Grab daſelbſt / als man bey der Kirche S. Brixii ein altes Pfarr-Haus eingeriſſen / nebſt einem ziemlichen Schatze gefun - den: Nemlich bey die zweyhundert guͤldene und ſil - berne Muͤntzen mit dem Bildniſſen der Roͤm. Kaͤy - ſer / eine ſehr groſſe Anzahl guͤldene Bienen: Einen gantz guͤldenen Ochſen-Kopf / ſo man vor des Chil - derics ſeinen Abgott gehalten; einen Globum von Eryſtall / auch alles / was dieſer Herr ſtets gebrauchet / als ſeinen Degen / Wehrgehencke / Sreit-Axt / Lantze / koͤniglichen Mantel / und Schreib-Tafel mit guͤldenen Blaͤttern: Auch das Pferde-Gerip - pe von ſeinem Gaule / den er zu reiten pflegen / und mit ihm war begraben worden / ja ſeinen Stall - meiſter ſelbſt / der auch zugleich mit in die Erde gemuſt. Daß es aber Childerici Grab / hat man aus ſeinem mit Lateiniſchen Buchſtaben in ei - nem guͤldenen Kreis eingegrabenen Namen er - kannt / damit deſſen Bildniß eingefaſſet geweſen /und28Denckwuͤrdigkeitenund wird er mit ſehr langen Haaren und in der rechten Hand einen Wurff-Spieß haltend auff ſelbigem præſentiret.

Ende des erſten Buchs.

Das andere Buch dieſes erſten Theils des Verzeichniſſes der denckwuͤrdig - ſten Sachen des Frantzoͤiſchen Reichs haͤlt die Regierung des Koͤniges Clo - doveus in ſich.

CLodoveus iſt nur funfzehn Jahr alt / als er ſeinem Vater im Jahr CHriſti 481. im Rei - che folget. Jſt ein Herr von vortreflichen Gemuͤths - und Leibes-Gaben. Wie er zwantzig Jahr alt / ſo bekrieget er Siagrium, des Graf Gilles ſeinen Sohn / und Nachfolger in der Roͤmiſchen Stadt - halterſchafft zu Soiſſons; ſchlaͤgt ihn aus dem Fel - de / Siagrius fliehet zu Alarico, Koͤnig der Wiſigo - then; Clodoveus laͤſt ihn abfodern mit Bedrohung / wo ihn Alaricus nicht lieferte / ſelbigen zu bekriegen. Alſo haͤndiget ihn Alacrius aus / und Clodoveus laͤſt dem ungluͤckl. Siagrio den Kopf herunterſchla - gen. p. 85. nimmt darauff die Staͤdte Soiſſons, Rheims, Provins, Auxerre, Sens und andere weg / wo Siagrius zu befehlen gehabt / und macht alſo der Roͤmiſchen Herrſchafft in Gallien ein Ende.

Bey dieſem Kriege waren viele Kirchen aus - gepluͤndert worden / zumahl da die Frantzoſen an - noch im Heydenthume lebten / und alſo aus derChri -29des Koͤnigreichs Franckreich. Chriſten GOttes-Haͤuſern kein groſſes Werck ma - cheten. Unter andern hatte es auch die Kirche zu Rheims betroffen / daraus man viele Koſtbar - keiten geraubet: Sonderlich aber wurde ein groſ - ſes und rares guͤldenes Gefaͤß betauret: Deßwegen ſchicket der Biſchoff zu Rheims, S. Remigius, an den Koͤnig Clodoveum, u. laͤſt ihn erſuchen / ſolches zuꝛuͤck zu geben. Der Koͤnig iſt ſo gut und verſpricht / ſo bald er zu Soiſſons wuͤrde angelanget ſeyn / allwo man die Beuthe theilen wuͤrde / ſolte es der Biſchoff wieder haben. Denn dazumahl die Gewohn - heit bey denen Frantzoſen / daß man alle im Kriege gemachte Veuthe zuſammen ſammlete / und nach ge - endetem Kriege unter die ſaͤmtliche Armee austhei - lete. Wie man nun zu ſolcher Theilung ſchreiten will / ſo bittet ſich der Koͤnig dieſes guͤldene Gefaͤſſe aus der Kirchen zu Rheims aus / damit er es dem Biſchoff / der ihn ſo gar inſtaͤndig darum erſuchen laſſen / koͤnte wieder zuſenden. Sie antworten ingeſamt: Daß der Koͤnig nach ſeinem Willen da - mit ſchalten koͤnte: Nur ein eintziger Soldat iſt ſo verwegen / daß er mit ſeiner Streit-Axt einen ſtarcken Streich in ſelbiges Gefaͤſſe thut / und dazu ſpricht: Du ſolſt es haben / wenn dir es das Lohs giebt. Der Koͤnig verbeiſt ſelbiges mahl dieſe Be - ſchimpfung / und laͤßt ſich daran begnuͤgen / daß er das Gefaͤſſe nimmt / und es denen Abgeordneten von Rheims wieder zuſtellet. Das Jahr aber her - nach / als er eine Muſterung ſeiner Armee haͤlt / und an dieſen Soldaten koͤmmt / reiſt er ihm ſeine Streit - Axt aus der Fauſt / und wirfft ſiezur30Denckwuͤrdigkeitenzur Erden / ſagend warum er ſo ſchlecht bewaffnet waͤre. Wie nun der Soldat ſich buͤcket / ſelbige wieder auffzuheben / giebt ihm der Koͤnig einen ſo ſtarcken Hieb uͤber den Kopf / daß er ſo fort todt zu ſeinen Fuͤſſen niederfaͤllt. Und zu bemer - cken / daß er ſeine vormahls begangene Verwegen - heit damit ſtrafete / ſo ſagte er: Einen ſolchen Streich gabſt du dem Rheimiſchen Gefaͤſſe zu Soiſſons. Dieſe kuͤhne Ahndung ſetzet Clo - doveum in groſſe Autoritaͤt / und machet viele Fre - veler furchtſam p. 87.

Die Thuͤringer fallen unter Hermenfried in denen Laͤndern ein / welche die Francken am Rhei - ne beſitzen. Clodoveus bricht gegentheils in ihr Land; verheeret alles mit Feuer und Schwert. Leget ihnen hernach einen Tribut auff / nachdem ſich Theodoricus, Koͤnig der Oſtrogothen ins Mit - tel ſchlaͤget / und wird Friede gemacht.

Clodoveus dencket nach dieſen darauf / eine Printzeßin von Burgundien, Koͤnig Gondebalds ſeines Brudern Tochter / zu heyrathen / Clotilde Namens. Dieſe hat Gondebald an ſeinem Ho - fe / laͤßt ſie aber wenig auskommen: Allein Clo - doveus Geſandten / ſo an ſelbigen Koͤnig geſchicket worden / ſehen ſie allda / bewundern ihre ausbuͤn - dige Schoͤnheit und Tugend / und wiſſen ſie bey der Wiederkunfft nicht gnungſam herauszu - ſtreichen.

Clodoveus wird durch Anhoͤrung ihres Ruhms verliebt gemacht. Jndem er aber weiß / daß Gondebald Clotildens Vater / der ſein leibli -cher31des Koͤnigreichs Franckreich. cher Bruder war / den Kopf laſſen herunter ſchla - gen / weil derſelbe ſich mit ihm ums Reich gezan - cket / ſo beſorget er / Gondebald moͤchte ſie ihm verſagen / aus Furcht / daß er wuͤrde ih - res Vaters Hinrichtung |raͤchen: Zudem iſt Clotilde dem Chriſtlichen Glauben zugethan / Clodoveus aber noch im Heydenthum. Gleich - wol verſuchet ers heimlich / und erkundiget ſich erſtlich / ob Clotilde ſich wol zu ſeiner Heyrath entſchlieſſen wolte; ſchicket dahero einen vertrau - ten Roͤmer ab / Aurelianum Namens: Die - ſer verkleidet ſich als ein Bettler / ſetzet ſich unter die andern Armen an die Kirchthuͤre / woſelbſt Clotilde taͤglich pfleget ihr Gebeth zu verrichten / und Almoſen auszutheilen. Als ſie koͤmmt / und ihm gleichfalls etwas reichet / nimmt er ihre Hand und kuͤſſet ſelbige.

Clotilde mercket daran / daß hinter dieſem Vettler etwas mehr verborgen / und laͤßt ihn ho - len. Er thut ſeinen Vortrag / daß ſie in dem Pallaſt ihres Vetters ſo verborgen nicht bleiben koͤnnen / daß nicht Koͤnig Clodoveus ihre Vor - trefflichkeiten haͤtte ruͤhmen hoͤren: Er liebete ſie demnach / und wuͤnſchete ſich mit ihr zu vermaͤh - len / wenn er nur ihre Einwilligung vernaͤhme.

Clotilde findet ſich geneigt dazu; nur ſtehet ihr der Unterſchied der Religion im Wege. Au - relianus verſichert ſie / daß Clodoveus wuͤr - de zum Chriſtenthum treten / und ſie die Ehre haben / eines ſo groſſen Koͤniges Bekehrung zu befoͤrdern / wenn ſie ihn wolte zum Ge -mahl32Denckwuͤrdigkeitenmahl annehmen. Clotilde laͤßt es ſich gefallen / und nimmt einen Ring von Aurelian, den er ihr im Namen ſeines Koͤniges uͤberreichet. Aure - lianus bringet darauf gute Poſt an Clodoveum zuruͤck / wird in Geſandſchaft an Gondebald ab - geſchickt / um ſie oͤffentlich zu werben. Gonde - bald fuͤrchtet ſich / Clodoveum zu beleydi - gen / bewilliget die Heyrath / und wird Clotilde ihm zu Soiſſons vermaͤhlet. Kurtz darauf redet ihm ſelbige von dem Chriſtenthume vor / dazu ſich gleichwol Clodoveus noch nicht verſtehen will. Da ſie aber ſchwanger von ihm wird / wendet ſie allen Fleiß an / ihn dahin zu bringen / daß ihr Kind / ſo ein Printz / die heilige Taufe empfaͤngt / und darinnen den Namen Ingomor bekoͤmmt. Doch dieſes Herrlein wird kurtz darauf kranck und ſtirbet. p. 96. Den Koͤnig kraͤncket dieſer Todes - Fall / und will ſolchen der Taufe ſchuld geben. Das folgende Jahr geneſet ſie abermahls eines Printzen / den ſie Clodomir nennet. Dieſer wird gleichfalls auf ihr anſtaͤndiges Bitten getauft; Faͤllt aber auch in eine toͤdtliche Kranckheit: Clo - doveus wirft ihr abermals vor / daß der Chriſten Taufe an dem Tode ſeiner Printzen Schuld waͤre: Allein Clotilde erhaͤlt ſo viel durch ihr Gebeth / daß dieſer Printz wieder geſund wird. p. 97.

Clodoveus nimmt darauf laͤngſt der Seine un - terſchiedene Staͤdte ein: Reformiret das Saliſche Geſetze p. 99. Die Allemannen und Schwaben fallen in ſein Land; Er ziehet ihnen entgegen / lie - fert denenſelben eine Schlacht bey Tobiac: DieSeini -33des Koͤnigreichs Franckreich. Seinigen fliehen: Er ſuchet vergeblich / ſie zu be - wegen / Stand zu halten: Ruffet alle ſeine heydni - ſchen Goͤtter umſonſt an / endlich erinnert ihn Au - relianus an ſeiner Gemahlin GOtt / da faſſet er Hoffnung / und ſchreyet: JEſu / GOtt der Chriſten / wo du itzo mir den Sieg giebſt / ſo bekenne ich / daß du ein allmaͤchtiger GOtt biſt / und thue das Geluͤbde / allen andern Goͤttern zu entſagen / um ſonſt keinen / als dich alleine anzubethen. Alſofort wendet ſich das Gluͤck des Treffens: Die Seinigen erholen ſich / und er ſchlaͤget die Feinde aufs Haupt / ſo daß die Koͤnige der Allemannen und Schwaben auf der Wahlſtadt getoͤdtet werden. p. 104.

Clodoveus bedienet ſich ſeines Sieges / gehet - ber den Rhein / durchſtreichet die Laͤnder der Alle - mannen und Schwaben / bringet ſie unter ſich / und leget beyden Nationen einen Tribut auf. Begiebt ſich nach Rheims / und laͤßt ſich allda von Sanct Re - migio nebſt einer groſſen Anzahl vornehmer Her - ren und anderer von ſeiner Armée unter herrlichen Solennien taufen. p. 107. Solches geſchiehet am Weyhnachts-Feſte / und werden zugleich auch Koͤ - nig Clodovei beyde Schweſtern / Alboflede und Lantilde, mit ihm getauft. Jndem nun vom Vol - cke bey ſolcher ſolennen Handlung ein groſſer Zu - lauff / ſo koͤmmt / wie Hincmarus, hernachmahliger Ertz-Biſchoff zu Rheims / behaupten will / ein En - gel in Geſtalt einer Taube mitten in die Verſamm - lung geflogen / und bringet eine Phiole, oder Glas mit einem engen Halſe / voll wohlriechendes Oel / ſoCman34Denckwuͤrdigkeitenman die heilige Lampe nennet; damit wird Clodo - veus geſalbet / und bis auf den heutigen Tag alle Koͤnige in Franckreich / indem annoch zu Rheims ſolche Oel-ampel verwahrlich aufgehoben zu fin - den. Doch will der Autor dieſes Tractats ſolches Miracul mit der Taube nicht eben vor eine unfehl - bare Gewißheit ausgeben p. 108.

Clodoveus bauet in ſeinem Lande viel Chriſtli - che Kirchen. Jſt der eintzige ꝛecht Chriſtliche Koͤ - nig / indem die andern alle entweder Heyden oder Ketzer und Verfolger der Rechtglaͤubigen ſind: Dahero bekoͤmmt er von den Biſchoͤffen den Titul des aͤlteſten Sohnes der Kirchen und Aller - Chriſtlichſten Koͤniges: Er reformiret an eini - gen Orten das Saliſche Geſetze. p. 110. Geraͤth in Krieg mit Koͤnig Gondebald, indem dieſer Ty - rann ſeinen Bruder / Koͤnig Gondegiſilum, der ein Theil des Burgundiſchen Reichs regieret / wil / wie er bereits den andern beyden Bruͤdern gethan / aus dem Wege raͤumen: Dieſer aber Clodoveum um Huͤlfe anruffet. Gondebald wird geſchlagen / flie - het nach Avignon. p. 112.

Clodoveus verfolget ihn dahin / belagert Avi - gnon; Gondebald wird durch die Klugheit eines ſeiner Favoriten / Aredius, errettet / daß Clodoveus mit ihm Frieden machet / unter der Condition, er ſolle ſein Vaſalle ſeyn / und ihm Tribut zahlen p. 115.

Als Clodoveus wieder in Franckreich koͤmmt / haͤlt der treuloſe Gondebald keine Tractaten; willnichts35des Koͤnigreichs Franckreich. nichts vom Tribute hoͤren / gehet mit ſeinem Vol - cke vor Vienne, allwo ſein Bruder Gondegiſilus ſich aufhaͤlt. Dieſer jaget alle unnuͤtzen Leute aus der Stadt / deſto laͤnger die Belagerung aus - zuhalten: Unter denen Herausgejagten iſt auch ein Vornmeiſter / welcher Koͤnig Gondebalden eine alte Waſſerleitung verraͤth / dadurch man kan in die Stadt kommen. p. 114.

Gondebald laͤßt des Nachts von auſſen hun - dert Mann in ſolch unterirrdiſch Gewoͤlbe / wo - durch vor dieſem das Waſſer gelauffen / ſich in aller Stille hinein begeben; Jndeß machet man einen falſchen Sturm an einer andern Seiten: Weil nun nach ſelbiger die meiſten der Belager - ten ſich hinziehen / kommen dieſe durch die alte Waſſerleitung in die Stadt / hauen die erſte Wa - che nieder; oͤffnen ein Thor / und laſſen durch ſel - biges die andern Voͤlcker hinein.

Gondegiſilus uͤber ſo ploͤtzliche Gefahr / dar - innen er ſich ſiehet / erſchrocken / fliehet in eine Kirche: Allein ſein tyranniſcher Bruder Gon - debald laͤßt ihn allda vor dem Altare maſſacri - ren. Und iſt alſo Vienne der Ort / wo er alle ſeine drey Bruͤder elendiglich ums Leben ge - bracht. Dieſes geſchiehet ums Jahr Chriſti 501. Alſo nun ſiehet ſich Gondebald alleine vom Bur - gundiſchen Reiche Herr / welches ſeine Bruͤder mit ihm theilen wollen.

C 2Clodo -36Denckwuͤrdigkeiten

Clodoveus iſt damahls anderwerts beſchaͤffti - get / und hat Gondegiſilo ſo geſchwind nicht koͤnnen beyſtehen: Jhm geht aber deſſen Ermordung ſehr nahe / und dencket er auff Rache; die er gleichwol anderer Expeditionen halber muß ausſetzen. Denn es empoͤhren ſich die Voͤlcker in Verdun, die er erſt wiederum zu paaren bringet. p. 116. Er unterwirfft ſich darauff ein Theil des Lionneſiſchen; belagert vergeblich Nantes; gewinnet doch dieſes Volck durch Guͤtigkeit / tractiret mit ihnen / daß ſie hinfort keine Koͤnige / ſondern nur Hertzoge und Grafen haben ſolten / die von der Krohn Franck - reich die Lehn empfingen; laͤßt ihnen im uͤbrigen ih - re alten Geſetze und Gewohnheiten / und bringt damit einen groſſen Strich Landes unter ſeine Herrſchafft p. 118.

Hierauff nimmt er den Krieg wieder Gonde - balden, Koͤnig in Burgundien, vor. Theodoricus, Koͤnig der Oſtrogothen, ein Staats-kluger und verſchmitzter Herr / welcher ſonſt bey denen Roͤ - mern auffgezogen worden / biethet Clodoveo an / mit ihn im Allianz zu treten; die Krieges-Unkoſten gemein zu tragen / und dann das eroberte Burgun - dien unter ſich zu theilen p. 119. Clodoveus laͤßt es geſchehen. Theodoric hat einen liſtigen An - ſchlag / Clodovei Macht zu ſchwaͤchen / ſo ihm aber nicht geluͤcket. p. 121. Sie nehmen Burgundien ein / und theilen es unter ſich. Gondebald be - koͤmmt endlich von Theodorico ſein Theil des Reichs wieder / und ſoͤhnet ihn zuletzt bey Clo - doveo gleichfalls aus / der ihn pardonniret /und37des Koͤnigreichs Franckreich. und muß er von neuen ſich verpflichten / ein Va - ſall von der Krohn Franckreich zu verbleiben / wel - ches er auch / durch ſo vieles Ungluͤck gewitziget / redlich haͤlt / und ſo gar bey Koͤniges Clodovei Hof-Stadt eine anſehnliche Charge annim - met / um deſto mehr in Sicherheit und Ruhe zu ſtehen.

Nach geendetem Burgundiſchen Kriege rottet Clodoveus den Arianismum moͤglichſt in Franck - reich aus: Alaricus, Koͤnig der Wiſigoten, verfol - get hart die Catholiſchen. Die Tapferkeit dieſes Koͤ - nigs; deſſen Eroberungen in Jtalien; wie dann auch ſein Vorfahrer dieſes Namens die Stadt Rom ſelbſt zweymal eingenommen und ausge - pluͤndert. Die Nachkommen aber des erſten A - larics, Ataulphus, Sigericus, Vallia, Theodoricus, Torismundus, Theodoricus Secundus, Evaricus, erobern ein Theil von Gallien und Hiſpanien, und richten ihr eigen Reich auf. Der andre Alaric, von dem der Autor allhier p. 125. redet / iſt ein Arianer / ſonſt aber ein kluger und tapferer Herr. Siehet Clodovei Wachsthum mit neidiſchen Augen an. p. 126. ſuchet durch verſtellte Freundſchaft ihn einzuſchlaͤfern. Koͤmmt mit ihm zuſammen / und ſchwoͤren einander ewige Freundſchaft. Alaric a - ber bricht gar bald ſeinen Eyd. Verjaget den Bi - ſchoff Quintianum ins Elend / aus Vorwand / er haͤtte ein Verſtaͤndniß mit den Galliern; Nimmt alle des Clodovei rebelliſche Unterthanen in ſeinem Lande auf / und giebt ihnen Schutz. Verfolget recht blutig die Catholiſchen. Dieſe nehmen ihreC 3Zu -38DenckwuͤrdigkeitenZuflucht zu Clodoveo. Dieſer ſchicket Geſand - ten an ihn wegen nochmahliger Conferenz. A - laric williget darein / doch / daß Clodoveus mit ei - nem kleinen Geleite und ohne Waffen an den be - nannten Ort kommen moͤchte / allwo er gleichfalls alſo erſcheinem wolte. Der Tag koͤmmt heran: Alaric iſt der erſte auf ſolchem Platze. Clodoveus will erſtlich ſolchen durch einen ſeiner Leute laſſen recht erkundigen: Schicket dahero Paternum, als ſeinen Geſandten / voraus: Dieſer mercket / daß Koͤ - nig Alaric und alle ſeine Leute Gewehr unter ih - ren Kleidern verborgen / und nichts Gutes gegen ſeinen Herrn im Sinne haben. Sie ſchimpfen aber den Geſandten wider das Voͤlcker-Recht und ſchicken ihn zuruͤcke. p. 128.

Clodoveus greift darauf zum Waffen. Theo - doricus, Koͤnig der Oſtrogothen, ſuchet beyde wieder zu vertragen: es iſt aber vergeblich. p. 130.

Clodoveus haͤlt ſcharff Commando bey ſeiner Armée, und laͤßt keinem eintzigen Landmann noch Einwohner in Staͤdten das geringſte Leyd zufuͤ - gen. Thut eine Geluͤbd / wenn er ſieghaft zuruͤck kaͤhme / eine Kirche in Paris Sanct Petri und Pauli zu erbauen; welche Kirche anitzo zu S. Genoveven heißt. p. 132. Toͤdtet einen Soldaten mit ei - gener Fauſt / welcher einem Bauer nur ein Buͤnd - lein Heu mit Gewalt genommen. Alle unter ſei - ner Armée Fechtende ſchwoͤren / ſich nicht ehe den Bart abſcheeren zu laſſen / bis ſie mit Siege zu - ruͤck nach Hauſe kommen. p. 132.

Clodoveus39des Koͤnigreichs Franckreich.

Clodoveus ruͤcket mit ſeiner Armée in Aqui - tanien ein / koͤmmt an Vienne, trifft den Strohm vom ſtarcken Regen dermaſſen angelauffen an / daß er nicht uͤberzuſetzen vermag. Wie er nun deßwegen ſehr unruhig / koͤmmt ein Reh aus dem nechſten Walde / und watet im Geſichte der gan - tzen Armée durch den Fluß hindurch: Die Fran - cken nehmen dieſes vor ein gutes Zeichen auf / und folget das gantze Herr dem Fuhrte nach / ſo ihnen das Reh gezeiget hat. p. 134.

Darauf gehen ſie in Poitou, Clodoveus laͤßt a - bermal bey Leib und Lebens-Strafe verbiethen / niemand der Einwohner das geringſte Leid zu thun. Naͤhert ſich Poictiers, wohin ſich Alaric be - geben. Dieſer machet ſich aus der Stadt / und retiriret ſich. Des Nachts ſteigt aus der Kirche Sanct Hilarii eine Flamme hervor / erhebet ſich in die Luft / koͤmmt uͤber das Frantzoͤiſche Lager und laͤßt ſich auf Clodoveus ſein Gezelt nieder: Wel - ches die Armée als ein gewiſſes Zeichen des Sie - ges annimmt. p. 135.

Clodoveus verfolget den Feind / trifft ihn bey Voclade an / fuͤnf Meilen von Poictiers, ſo heuti - ges Tages Civeaux genennet wird; Clodoveus, um das Blut ſeiner Unterthanen zu ſparen / laͤßt Alaricum auf einen Zwey-Kampf heraus fodern / d[a]ß ſie beyde ihren Streit im Angeſicht beyder Ar - meen wolten ausmachen / und wer dann als Sie - g[e]r uͤbrig blieb / moͤchte die Herrſchaft uͤber g[a]ntz Gallien behalten. Alaric, ſo hertzhaftC 4er40Denckwuͤrdigkeitener auch ſonſten iſt / will die Ausforderung nicht annehmen / ſondern giebt zur Antwort: Er wolte als ein Koͤnig mit der gantzen Armée treffen. Dar - auf ſchicken ſich beyde zur Schlacht: Dieſelbe iſt ſehr blutig und eine geraume Zeit der Sieg ziem - lich zweifelhaft: Beyde Koͤnige ſeynd von groſſer Erfahrung und Tapferkeit; beyde in ihren beſten Alter: Beyde haben die tapferſten Nationen ſelbi - ger Zeit zu commandiren. Endlich beginnen doch die Wiſigothen in Unordnung zu gerathen / und ſich auf die Flucht zu begeben: Alarico haͤlt ſie noch auf / ſo viel moͤglich.

Clodoveus, ſo dieſen Koͤnig an Waffen erken - net / ruffet ihn mit Gebehrden und Worten noch - mals zum Zwey-Kampf auf. Alaric, der kein an - der Mittel ſiehet / laͤßt ſich ein: Sie halten einander ziemlich warm: Endlich trifft doch Clodoveus ſo nachdruͤcklich ſeinen Feind mit dem Speere / daß er vom Pferde ſtuͤrtzet / ſteigt darauff ſelbſt herab / und ſtoͤſt unter den Cuͤraß den Degen Alarico ſo tieff in den Leib / daß er tod[t]auff dem Platze liegen bleibet. Zwey Wiſigothen, voll von Verzweiffelung / daß ſie ihren Koͤnig ſo - len ſterben ſehen / hauen auff Koͤnig Clodoveun zu / welchen aber der Koͤnig von Coͤlln zu Huͤlfe koͤmmt / und ſie alſo dieſe beyden Unholden in d[i]e Flucht jagen p. 139.

Clodoveus bedienet ſich ſeines Sieges / theilet ſi - ne Armée, giebt ein Corpo davon ſeinem natuͤri - chen Sohne Thierry, welcher damit gantz Auvr - gne, Rovergue, Quercy und Albigeois einnim[m]t. Clod -41des Koͤnigreichs Franckreich. Clodoveus nimmt mit ſeinem Corpo Poictou weg / und gehet bis nach Bourdeaux, wo er den Winter - ber verbleibet / und ſich von allen Voͤlckern / ſo zwiſchen der Garonne und den Pyrenaͤiſchen Ge - buͤrgen liegen / huldigen laͤßt. p. 141. Bey angehen - den Fruͤhling belagert er die Reſidentz-Stadt der Wiſigothiſchen Koͤnige / Toulouſe, nimmt ſolche ein / und bekoͤmmt zugleich darinnen Alarics gantzen Schatz. Erobert auch Angoulême, indem bey ſeiner Ankunft davor ein groſſes Stuͤcke Mauer von ſich ſelbſt einfaͤllt / und die Trouppen uͤber dieſe Steine / dadurch der Graben gefuͤllet worden / gantz bequemlich anlauffen. Alſo nimmt das Reich der Wiſigothen in Gallien ein Ende.

Kaͤyſer Anaſtaſius ſchicket Geſandten an Koͤnig Clodoveum, und / um eines ſo groſſen Potentaten Freundſchafft zu gewinnen / ſendet er ihm zugleich einen Buͤrgemeiſter-Rock ſamt einen Kaͤyſerli - chen Diadem, und dem Titul eines Roͤmiſchen Pa - tricii. Clodoveus leget dieſes Kleid an / ſetzet den Kaͤyſerlichen Haupt-Schmuck auff / und begiebt ſich alſo zu Pferde unter einem gewaltigen Zu - lauff des Volcks in die Kirche / an allen Enden Gold und Silber-Muͤntze auswerffend: Das Volck aber gruͤſſet ihn mit lauter Stimme: Con - ſul und Auguſte. p. 144.

Clodoveus koͤmmt nach dieſem in Paris, er - wehlet dieſen Ort zu ſeiner Reſidentz; und nimmt ſeine Wohnung in einem Pallaſt / welchen die Roͤmer erbauet / woſelbſt Julianus Apoſtata ſich Zeit ſeines Anweſens in Gallien auffgehalten. C 5Von42Denckwuͤrdigkeitenvon welchem Pallaſt aber heut zu Tage nichts mehr zu ſehen. Er bauet nah dabey die Kirche Petri und Pauli, ſeiner Geluͤbde ein Genuͤgen zu thun. Dieſe Kirche ſtehet noch anitzo unter dem Titul S. Genoveva p. 145.

Clodoveus verſammlet darauf ein Concilium zu Orleans im Jahr CHriſti 508. Wobey ſich drey und drey ßig Biſchoͤffe einfinden: Der Kirchen-Staat und die Policey wird verbeſſert / und alles wohl eingerichtet. Bis hierher iſt Clodoveus klug / gerecht / gottesfuͤrchtig / tapfer und gluͤckſelig: Allein wie groſſes Gluͤck auch die beſten Fuͤrſten zu groſſen Laſtern verleitet / ſo gehet es dieſem Herrn auch. Er nimmt ſich vor / alle kleinen ſuoverainen Herren / die noch in Gallien ſeynd / auszurotten / alſo kehret er ſich weder an Allianzen, die er mit den meiſten gemacht / noch an Verwandſchafft / noch |an Religion; ſu - chet allerhand Vorwand / laͤßt alſo Koͤnig Cara - ricum und deſſen Printz / die ſich doch ihm bey deſ - ſen ankommender Krieges-Macht ergeben / erſt - lich in Ordens-Kleider ſtecken / darauff aber toͤdten. p. 149.

Ragnacairus, Koͤnig zu Cambray, hat kein beſſer Gluͤck. Clodoveus beſticht deſſen Bedienten / daß ſie ihren Herrn / nebſt ſeinem Bruder / Printz Re - gnier verraͤtheriſch in ſeine Haͤnde liefern / welche Clodoveus, als ſie gefeſſelt zu ihm gebracht wer - den / mit eigener Hand erwuͤrget. pag. 151. Die Verraͤther aber ſtat des verſpro chenen Gol - des nur mit verguͤldetem Kupfer bezahlen laͤßt. p. 151.

Fer -43des Koͤnigreichs Franckreich.

Ferner laͤßt Clodoveus ſeine Grauſamkeit und Regier-Sucht heraus / da er Clodericum, den Erb - Printz des Koͤnigs Sigiberti zu Coͤlln / heimlich an - treibet / daß er dieſen ſeinen leibl. alten Vater auf der Jagt durch dazu beſtellte Meuchel-Moͤrder toͤdten laͤßt p. 152. Als nun Cloderic dieſe veruͤbte That Koͤnig Clodoveo laͤßet kund machen / ſchicket die - ſer Geſandten an ihn / unter dem Vorgeben / mit ihm eine genaue Allianz zu ſchlieſſen.

Da aber dieſer neue Koͤnig und Vater-Moͤr - der Cloderic eben einen Kaſten oͤffnet / worin - nen ein Theil von ſeines Vaters nachgelaſſenen Schaͤtzen verwahret / und ſich buͤcket / etwas her - aus zu langen / ſo giebt ihm einer von denen Fran - tzoͤiſchen Geſandten einen ſo ſtarcken Hieb von hinten zu mit ſeiner Streit-Axt / daß er davon todt niederſincket. p. 153.

Damit laͤßt Clodoveus denen Coͤllnern ſeine Protection antragen / und ſtellet ſich / als haͤtte er an Ermordung des Koͤniges Sigiberti den groͤßten Mißfallen. Die Coͤllner ſubmittiren ſich alſo ihm / und erwaͤhlen Clodoveum zu ihrem Koͤnig. p. 154.

Nach Hinrichtung ſo vieler kleinen ſouverai - nen Herren / ſo iſt Clodoveus beſorget / ob nicht et - wan noch einer moͤchte vorhanden ſeyn / welcher der andern ihren Tod zu raͤchen intentioniret: Um nun ſelbigen zu erfahren / ſagt er mit groſſer Ver - ſtellung in einer Verſammlung der Frantzoͤiſchen Herren: Er waͤre recht ungluͤcklich / daß er alle ſeine Anverwandten verlohren /und44Denckwuͤrdigkeitenund wuͤrde hinfuͤhro als ein Fremder in ſei - nem eigenem Lande ſeyn muͤſſen / nicht wiſſend / wem er trauen / oder zu wem er ſeine Zuflucht nehmen ſolte.

Allein dieſe Worte wuͤrcken nichts / es ſey nun / daß man mercket / worauf ſie gehen; oder / daß wuͤrcklich niemand von ſeinen Verwandten mehr am Leben iſt. p. 154.

Alſo regieret er nach Stuͤrtzung aller kleinen Koͤnige gantz alleine in Franckreich ſo wol diß-als jenſeits des Rheins. Aber kurtze Zeit: Er ſtirbet zu Paris im Jahr Chriſti 511. als im fuͤnff und vier - tzigſten ſeines Alters und im dreyßigſten ſeiner Re - gierung: Wird in die von ihm aufgebauete Petri und Pauli Kirche begraben. Hinterlaͤßt ſechs Kinder: Zwey Toͤchter / deren eine von einer Concu - bine, Teudichilde Namens / an Koͤnig der Varnen, Radigern in Alt-Teutſchland vermaͤhlet: Die ande - re / Clotildens Tochter / und die auch ihren Namen fuͤhrte / wurde an Amalaric, der Wiſigothen Koͤnig in Spanien / gegeben. Die vier Printzen aber theilen das Reich unter ſich / indem die Toͤchter durch das Saliſche Geſetze von der Regierung ausgeſchloſ - ſen ſind.

Thierry, ſo der aͤlteſte iſt / und von einer Concu - bine gebohren / wie auch Clodomir, Childebert, und Clotarius, ſo alle dreye Clotildens Soͤhne / bekom - men ein ieder ſein eigen Reich zu regieren. Von welchen allen in folgenden Buͤchern weiter gehan - delt wird.

Ende des andern Buchs.

Das45des Koͤnigreichs Franckreich.

Das dritte Buch dieſes erſten Theils des Verzeichniſſes der denckwuͤrdigſten Sachen des Frantzoͤiſchen Reichs haͤlt ein Theil der Regierung Childeberts, des erſten / in ſich / vom Jahr CHri - ſti 511. bis ins Jahr CHriſti 542.

FRanckreich wird unter Clodovei vier Soͤh - ne getheilet / und die Helffte Orientalis oder Auſtraſien; die andere Helffte Occidentalis oder Neuſtrien genennet. Auſtraſien begreifft alles das - jenige / was zwiſchen der Maas und dem Rheine lieget / ja noch einige Staͤdte uͤber der Maaſe / in Flandern und Champagne, auch jenſeits des Rheins gantz Alt-Franckreich und die durch Clodoveum all - da eroberten Laͤnder. Neuſtrien erſtrecket ſich von der Maaſe / wo Auſtraſien ſich endet / bis an den Fluß Loire oder die Ligeris.

Aquitanien iſt in dieſer Theilung nicht mit be - griffen. Burgundien hat auch ſeine abſonderlichen Koͤnige; gantz Languedoc und viele Staͤdte nach dem Pyrenæiſchen Gebuͤrge und dem mari mediter - raneo ſeynd noch unter denen Wiſigothen. The - odoricus, Koͤnig in Jtalien / hat die Provence in - nen. Alſo bekoͤmmt Thierry (oder Theodoricus) als der aͤlteſte Sohn Clodovei, auff ſein Antheil gantz Auſtraſien. Die drey andern Printzen theilen Neuſtrien unter ſich. Clodomir, Clotildens aͤlte - ſter Sohn / nimmt ſeine Reſidentz zu Orleans, und wird in Beſitz der Laͤnder geſetzet / welche diß und jenſeits der Loire ſind. Childebert, Clotildensandere46Denckwuͤrdigkeitenanderer Printz / hat ſeine Reſidentz zu Paris; ſein Koͤnigreich beſtehet aus der Normandie, wie auch einem Theil von klein Bretagne und einige andere Laͤnder um die Seine herum; Clotarius endlich bleibt zu Soiſſons und bekoͤmmt die Picardie nebſt einem Theile von Champagne und Flandern. Die Provinzen, welche Clodoveus von den Wiſigothen erobert / ſollen keinem von dieſen vier Soͤhnen in - ſonderheit verbleiben / ſondern in der Gemeinſchafft ſeyn. Doch behaͤlt Theodorico (oder Thierry) wider ſeiner Bruͤder Willen Auvergne nebſt ei - nigen Staͤdten davon vor ſich alleine / welche er nach der Schlacht bey Poitiers eingenommen hat. p. 160. Cochiliac Koͤnig in Daͤnnemarck thut mit einer ſtarcken Flotte eine Landung in das Land der Actuarier. Thierry giebt Volck ſeinem Sohn Theodebert, welcher eben den Daͤniſchen Koͤnig Cochiliac antrifft / da er mit groſſer Beute fort fahren will: Es iſt ſchon alles eingeſchiffet / bis auff den Koͤnig: Theodebert koͤmmt ihm mit ſei - nen Schiffen uͤber den Hals / ſchlaͤgt den Koͤnig todt / gewinnet einen vollen Sieg uͤber ſeine Flotte / nimmt alle Beute ab / befreyet die Gefangenen / und kehret als Sieger zuruͤck. p. 162.

Fuͤnf Jahr hernach entſtehet ein Krieg in Thuͤ - ringen / dadurch Thierry Gelegenheit bekoͤmmt / ſich ſelbiges gantzen Reichs zu bemaͤchtigen - Koͤnig Baſin, bey dem ehmahls / wie oben gemel - det / Childeric in ſeinem Exilio ſich auffgehalten / hat drey Soͤhne hinterlaſſen: Hermenfried, Baderic, und Bertharium.

Her -47des Koͤnigreichs Franckreich.

Hermenfried hat Amalabergen, des Wendiſchen Koͤnigs Traſimondi Wittwen / geheyrathet / eine Frau von groſſem Ehr-Geitz und Grauſamkeit. Auff ihr Einrathen hat er ſchon Bertharium laſ - ſen hinrichten / und hat deſſen Tochter Radegon - den nebſt ihrem Geſchwiſter zu ſich in ſeine Reſidentz genommen. Amalaberga ſiehet mit Verdruß / daß der ander Bruder Baderie ein Theil von Thuͤrin - gen beſitzet; Demnach redet ſie immer ihrem Ge - mahl ein / darauff bedacht zu ſeyn / wie er ſeinen Bruder moͤchte in die andere Welt ſchicken. Als nichts verfangen will / laͤſt ſie einsmahls ihm nur die halbe Tafel decken / wo er ſpeiſen ſoll. Der Koͤnig / dem dieſe Neuerung wunderlich vorkoͤmmt / fragt nach der Urſache: Sie antwortet: Es geſchaͤhe darum / daß ein Fuͤrſt / der nur ein halbes Reich haͤtte / auch nur halb muͤßte ſeine Tafel gedecket haben. p. 163.

Dieſer ſpitzige Schertz treibet Hermenfrieden mehr als alles andere an / ſeinen Bruder Baderic zu bekriegen: Nun aber ſelbigen deſto gewiſſer zu uͤberwinden / macht er Allianz mit Koͤnig Thierry, und verſpricht ihm die Helffte von Baderics Lande vor den Beyſtand. p. 163.

Thierry reiſet von Metz mit einer ſtarcken Ar - mée, und conjungiret ſich mit Hermenfrieden: Doch haben beyde unerachtet ihres mit ei - nem Eyde beſtaͤtigten Buͤndniſſes im Sinne / ein - ander zu betruͤgen. Baderic iſt beſtuͤrtzt / ei - nen Koͤnig aus Franckreich / den er nie beley - diget hat / mit einem ſo ſtarcken Kriegs-Heere /als48Denckwuͤrdigkeitenals ſeines Bruders Bundesgenoſſen zu ſehen. Doch wehret er ſich tapfer mit ſeinem wenigen Volcke / und bleibt auf der Wahlſtadt todt / die Seinigen aber werden alle in Stuͤcken zerhauen.

Hermenfried nimmt die Staͤdte ein / welche ſei - nem erſchlagenen Bruder zugehoͤret. Thierry keh - ret nach Franckreich / weil er allda von ſeinen Bruͤ - dern einigen Anfall befuͤrchtet / im uͤbrigen verlaͤßt er ſich auf Hermenfrieds Verſprechen.

Das folgende Jahr / als Anno Chriſti 523. ge - het das Krieges-Feuer zwiſchen den drey Frantzoͤi - ſchen Koͤnigen Clodomirn, Childeberten und Clo - tario einerſeits; und Koͤnig Sigismundo in Bur - gundien anderer Seiten / an. Dieſer Sigismund iſt Koͤnig Gondebalds, welcher Clotildens Vater den Kopf herunter ſchlagen laſſen / ſein hinterblie - bener Sohn. Clotilde wil noch den Tod an ſeinen Nachkommen raͤchen / wiegelt alſo ihre drey itzt ge - nannte Soͤhne wider ihn auf. Sigismund hat das erſte mahl ſich mit Theodorici des Koͤniges in Jta - lien Tochter vermaͤhlet / von welcher er einen Printz / Namens Siegerich, gezeuget. Nach die - ſer Koͤnigin Tode vermaͤhlet er ſich abermahls mit einer Dame von ausbuͤndiger Schoͤnheit / aber ſehr geringer Ankunft. Dieſe neue Gemahlin faſſet wider ihren Stief-Sohn / den Printz Siegerich, einen toͤdtlichen Haß / indem ſie vermeynet; er ver - achte ſie: Bringet es alſo durch falſches Angeben / als ob er ſeinem Vater nach dem Reiche ſtehe / dahin / daß dieſer den unſchuldigen Printz im Schlafe er - wuͤrgen laͤßt. p. 166. Es gereuet ihn ſolches zuſpat49des Koͤnigreichs Franckreich. ſpat / indem er ſpuͤret / daß man ihn hintergangen. p. 167. Die drey Koͤniglichen Bruͤder Clodo - mir, Childebert, und Clotarius, bekriegen ihn / ſchlagen ſeine Armée; und ob er ſchon fliehet / ſo le - gen ihm doch ſeine eigene Bediente Feſſeln an / und liefern ihn Koͤnig Clodomirn, welcher denſelben ſamt ſeiner Gemahlin und Kindern auf ein Schloß nahe bey Orleans laͤßt gefangen ſetzen. p. 169.

Godomar, Koͤniges Sigismundi Bruder / ziehet den Reſt von Sigismunds Armée zuſammen / ver - ſtaͤrcket ſelbige / und nimmt viel Staͤdte in Bur - gundien weg. Clodomir wil nicht einem andern den Nutzen von ſeinem Siege goͤnnen / ziehet alſo mit ſeinem Heere fort / Godomarn aufzuſuchen. Vorhero aber laͤßt er / ohnerachtet der von dem Abt von S. Mesmin geſchehenen Warnung / Koͤ - nig Sigismundo, wie auch ſeiner Gemahlin / die an Printz Siegerichs Tode ſchuld geweſen / und ih - ren Kindern die Koͤpfe herunter ſchlagen: Da denn Sigismund gantz beſtaͤndig und geduldig ſich bey Empfang des Urthels bezeiget und bekennet / daß er ſolche Zuͤchtigung GOttes wegen ſeines unſchul - dig ermordeten Printzen verdienet. p. 170.

Clodomir ruͤcket nebſt Thierry, dem Koͤnige in Auſtraſien auf Godomarn los. Thierry handelt an ihm argliſtig / laͤßt ihn den fluͤchtigen Burgundi - ern alleine nachſetzen. Dieſe wenden ſich / umrin - gen Clodomirn, ſchlagen ihm das Haupt ab / ſtecken es auf eine Lantzen / damit es von der Frantzoͤiſchen Armée koͤnne geſehen werden. Dieſe mehr dadurchDerbit -50Denckwuͤrdigkeitenerbittert als verzagt gemacht / ſetzen hitzig in die Burgundier hinein / metzeln viele Regimenter nie - der / und zerſtreuen den Reſt von Gondemars ſei - nem Heere. p. 172.

Ein Theil von Burgund koͤmmt darauf in der Frantzoſen ihre Gewalt. Theodorico, Koͤnig in J - talien / koͤmmt von der andern Seiten / und nimmt auch einige ſeinem Lande am naͤheſten gelegene Staͤdte davon weg.

Gundiocha, Koͤnig Clodomirs hinterlaſſene Wit - we / ſuchet Schutz bey ihres verſtorbenen Gemahls Bruder / Clotario: Dieſer verliebt ſich in ſie / und ohnerachtet er bereits viele Gemahlinnen hat / ſo laͤßt er ſich dieſe auch noch beylegen. p. 173.

Clotilde nimmt Clodomirs hinterlaſſene Prin - tzen zu ſich. Thierry Koͤnig von Auſtraſien bekrie - get mit Beyſtand ſeines Halb-Bruders / Koͤnigs Clotarii den Thuͤringiſchen Koͤnig Hermenfried, ſchlaͤget ihn. p. 174. Hermenfried ſchwimmet durch die Unſtrut / damit er nicht den Siegern in die Haͤn - de falle. Die Frantzoſen ſetzen denen Thuͤrin - gern heftig nach. Clotarius koͤmmt in Hermen - frieds Pallaſt: Findet allda die Printzeßin Rade - gonde, Bertharii Tochter. Verliebt ſich in ſie. Nimmt ſelbige ſtat aller andern Beuthe / und laͤßt Thierry das gantze Koͤnigreich Thuͤringen / dieſes geſchiehet ums Jahr Chriſti 530. Thierry, in der Meynung / Clotarius moͤchte doch dereinſt ſeinen Antheil an Thuͤringen fodern / weil er ihme ſolches helffen einnehmen / trachtet dahin / dieſen ſeinen Bruder ermorden zu laſſen. Er laͤßt ihn alſofreund -51des Koͤnigreichs Franckreich. freundlich zu ſich laden / als haͤtte er ihm etwas von groſſer Wichtigkeit zu vertrauen: Hat aber ge - waffnete Leute hinter die Tapeten ins Zimmer ge - ſteckt / die auf ein gewiſſes Zeichen ſollen hervor bre - chen / und Clotarium ermorden.

Wie Clotarius hinein in den Saal tritt / ſiehet er / weil die Tapeten etwas zu kurtz / der darhinter verborgenen Moͤrder ihre Fuͤſſe hervor kucken: Darum tritt er wieder zuruͤck / ruffet ſeine Bedien - ten / und gehet alſo unter deren ſtarcken Begleitung in den Saal. Thierri merckend / daß ſein Anſchlag verrathen / begegnet ihm gantz freundlich / beſchen - cket ihn auch mit einem groſſen ſilbernen Gieß-Be - cken / ſo er unter den Mobilien Koͤnig Hermenfrieds erbeutet / und laͤßt ihn von ſich / ſchicket doch her - nach ſeinen Printz Theodebert zu ihm / welcher ſolches Præſent ihm wieder abſchwatzen muß. Lo - cket darauf den von ſeinem Land und Leuten ver - jagten Thuͤringiſchen Koͤnig Hermenfried an ſei - nen Hof / als wolte er ſich mit ihm vertragen; empfaͤngt ihn freundlich / als ſie aber einmals auf denen Mauren zu Tolbiac zuſammen ſpatzieren gehen / ſo laͤßt er ihn in den Graben hinab ſtuͤr - tzen / daß er ſtirbet. p. 178.

Childebert nimmt Clermont in Auvergne hinweg. Amalaric, Koͤnig der Wiſigothen, wel - cher die junge Printzeßin Clotilde, Childeberts Schweſter / geheyrathet / tractiret ſelbige ſehr uͤbel / um ſie zu noͤthigen / die Catholiſche Religion zu ver - laſſen / weil er ein Arianer iſt. p. 179. 180. Laͤßt ſieD 2den52Denckwuͤrdigkeitenden Poͤbel mit Kothe werffen / wann ſie in die Kirche gehet. Schlaͤgt ſie ſelbſt / daß ſie hefftig blutet / und drohet ihr den Tod. Clotilde ſchreibt an ihren Bruder / Koͤnig Childebert, einen beweglichen Vrief / und leget ein Schnuptuch / ſo gantz von ihrem Vlute angefaͤrbet iſt / zum Zeug - niß bey / wie ſie von ihrem Gemahle tractiret wer - de. Childebert ruͤcket mit ſeinen Voͤlckern auff Amalaric loß / den er bey Narbonne mit ſeiner Ar - mée antrifft: Amalaric wird geſchlagen; will nach Barcellona fliehen; doch / als er auff dem We - ge iſt / erinnert er ſich / daß ſein gantzer Schatz annoch in Narbonne, und kehret zuruͤck / ihn erſt - lich mitzunehmen. Allein dieſer unzeitige Geitz koſtet ihm ſein Leben / und wird er bey einer Kirche / in die er ſich ſalviren will / erſchlagen p. 182.

Childebert koͤmmt in Narbonne, holet allda ſeine Schweſter Clotilden ab / die ihn mit Freuden empfaͤnget / aber das Vergnuͤgen ihrer Befrey - ung nicht lange genieſſet / indem ſie auff dem Wege ſtirbet; wird hernach in der Kirche Petri und Pauli zu Paris neben ihrem Vater dem Koͤnig Clodoveo beygeſetzet.

Hierauff bekrieget Childebert und ſein Vru - der Koͤnig Clotarius Godomarn, Koͤnig in Burgundien; nehmen das Land ein / und theilen es unter ſich / Koͤnig Godomar aber / welcher ihnen geliefert wird / muß im Gefaͤngniß ſein Leben traurig endigen p. 185. Thierry faͤllt immittelſt in Auvergne ein / und erobert ſelbiges Land: Seine Soldaten veruͤben darinnen groſſeGrau -53des Koͤnigreichs Franckreich. Grauſamkeiten p. 186. 187. Munderic wirfft ſich wider Thierry zum Koͤnige auff / vorgebend / daß er vom Koͤnige Clodion abſtamme p. 189. Thierry belagert ihn in Vitri. Die Stadt weh - ret ſich tapfer. Aregiſilus ein Bedienter von Koͤnig Thierry locket Munderic liſtig aus der Stadt; als er aber ſiehet / daß er verrathen / erſticht er Aregiſilum, und ſtirbt hernach / mit dem Degen in der Fauſt noch viele von den Fein - den mit ſich in den Tod nehmend. p. 194.

Clotilde, welche ihres Sohnes / Koͤnig Clodo - mirs, Kinder / bey ſich erziehet / hat die Hoffnung / die - ſelben bald auf ihres Vaters Throne zu ſehen. Chil - debert aber trachtet ſolches zu verhindern / verſchrei - bet auch deßwegen ſeinen andern Bruder / Koͤnig Clotarium, nach Paris. Sie fodern ihre beyden jungen Vettern von Clotilden, als wolten ſie ſel - bige kroͤhnen laſſen. p. 197.

Clotilde laͤßt ſie vergnuͤgt abfolgen; als ſie in beyder Koͤnige ihrer Gewalt ſind / ſchicken ſie an Clotilden Arcadium als einen Geſandten ab / laſ - ſen ihr eine Scheere und einen bloſſen Degen præ - ſentiren / und ſie fragen: Ob ſie Clodomirs Kin - der lieber geſchoren und ins Kloſter geſtoſ - ſen / oder todt ſehen wolte? Clotilde uͤber ſo barbariſchen Antrag erbittert antwortet aus Ver - druß: Lieber todt / als geſchoren. Als der Geſandte mit ſolcher Erklaͤhrung zuruͤcke koͤmmt / ermordet Clotarius mit eigener Hand beyde Prin - tzen / den aͤltern / Theodaldum, von zehen Jahren / und den juͤngern / Gunthern, von ſieben Jahren /uner -54Denckwuͤrdigkeitenunerachtet Childebert vor den juͤngern ſelbſt bit - tet / ihm das Leben zu ſchencken. Dieſe grauſame That geſchihet im Jahr CHriſti 533. Hierauff laͤſt auch Clotarius beyder ermordeten Printze ih - re Hofmeiſter und ſaͤmtliche Bedienten erwuͤrgen p. 201. Beyde Koͤnige Childebert und Clotarius ſcheuen ſich darauff / vor ihrer Frau Mutter Clo - tilden Angeſicht zu kommen. Noch iſt uͤbrig der dritte Printz Clodomirs, Clodoaldus Namens / dieſer wird eine geraume Zeit in einer Einoͤde ver - borgen gehalten; begiebt ſich endlich in ein unweit Paris gelegenes Dorff / Nogent genannt / woſelbſt er ein Kloſter bauet / ſo noch heutiges Tages Saint Clou genennet wird. p. 203. Childebert und Clotarius theilen Clodomirs Koͤnigreich unter ſich Heben einen neuen Krieg wider die Wi - ſigothen an. Theodebert, Koͤnigs Thierry ſein Printz / commandiret die eine Armee, nimmt viele Staͤdte hinweg. Findet in der Veſtung Cabrie - res eine Dame / Namens Deuterie, deren Mann ſich nach Beſiers retiriret / in die er ſich verliebet. Ob er nun ſchon Wisgarden, des Longobardiſchen Koͤniges Vacons Tochter / zur Gemahlin hat / er - giebt er ſich doch Deuterien gantz und gar / und wie ſein Vater Thierry kurtz darauff ſtirbet / ſetzet er die Krohne von Auſtraſien auff / und heyrathet dieſe Dame p. 207. Childebert ſetzet Theode - berten zu ſeinem Nachfolger im Reiche ein / weil er keine Printzen hat. Theodebert regieret uͤber - aus loͤblich. Deuterie, ſeine neue Gemahlin / hat aus ihrer erſten Ehe eine Tochter / ſo heran waͤch -ſet /55des Koͤnigreichs Franckreich. ſet / und uͤber die maſſen ſchoͤne ſiehet. Weil ſie nun beſorget / ihr Gemahl moͤchte ſich in dieſe neu her - vorſteigende Schoͤnheit ſelbſt verlieben / laͤßt ſie vor ſolcher ihrer Tochter ihren Wagen gantz unbaͤndige wilde Stiere vorſpannen / welche ſie von der Bruͤcke zu Verdun in die Meuſe hinein ſtuͤr - tzen. Dieſe grauſame That macht ſie bey den Frantzoſen ſo verhaſt / daß ſie den Koͤnig inſtaͤn - dig bitten eine ſo tyranniſche Gemahlin wieder von ſich zu ſchaffen. Theodebert willfahret / verſtoͤßt Deuterien, und nimmt ſeine erſte Gemah - lin Wisgarden wieder zu ſich. p. 210.

Theodebert tritt darauff mit Koͤnig Childe - berten in eine Allianz, Clotarium zu uͤberziehen: als Clotilde, die ſich dazumahl zu Tours befindet / und annoch Clodomirs ermordeten beyden Prin - tzen beweinet / vernimmt / wie abermahl ihre Kin - der einander den Untergang zubereiten / begiebt ſie ſich zu des heyligen Martini Grabe / faſtet / weinet / bethet daſelbſt Tag und Nacht / daß doch GOtt endlich ſo vieles Ungluͤck ihres Hauſes wolle laſſen auffhoͤren. Sie wird erhoͤret / und als die beyden Koͤnige Clotari Lager eben ſtuͤr - men wollen / koͤmmt ein ſo gewaltiges Ungewit - ter mit Donner / Blitz / Hagel / Wind und Schlo - ſen / daß viele Soldaten und Pferde davon getoͤd - tet oder doch beſchaͤdiget werden. Jn Clotarii Lager aber ſpuͤret man nicht das geringſte von ſolchem Wetter. Alſo fuͤrch - ten ſie ſich vor einer hoͤhern Macht / und da Clotarius nichts als ſeinen Unter -D 4gang56Denckwuͤrdigkeitengang erwartet / biethen ſie ihm Frieden an / welcher auch zu dieſer dreyen Koͤnige einmuͤthigem Vergnuͤ - gen geſchloſſen wird.

Ende des dritten Buchs.

Das vierdte Buch der Frantzoͤiſchen Denck - wuͤrdigkeiten begreift in ſich das En - de der Regierung Clotarii Primi vom Jahr Chriſti 542. bis an das Jahr 561.

THeudis, welcher Amalaric im Reiche gefolget / iſt Koͤnig der Wiſigothen. Childebert und Clotarius uͤberziehen ihn mit Krieg / und belagern Saragoſſa, eine von den wichtigſten Staͤdten in Spanien. Die Einwohner / welche ſo groſſer Macht zu widerſtehen viel zu unvermoͤgend / bethen und faßten / ſtreuen Aſche auf ihre Haͤupter / gehen in haͤrnen Kleidern in Proceſſion um die Stadt - Mauer herum / und tragen des heiligen Vincentii, als ihres Patrons, Rock mit umher / und ſchreyen mit gewoͤhnlichen Kirch-Geſaͤngen zu GOtt um Beyſtand. Dadurch werden die beyden Frantzoͤi - ſchen Koͤnige bewogen / der Stadt zu ſchonen und ihr den Frieden zu geben: Nachdem Childebert nicht mehr von ihr fodert / als ein Stuͤck von des heiligen Vincentii ſeinem Rocke / ſo ihm auch gantz willig von dem Biſchoffe gereichet wird: Der Koͤ - nig laͤßt darauf zu Paris eine Kirche bauen / wied - met ſie dem heiligen Vincentio, ſo aber nach die - ſem Saint Germain genennet worden. p. 217.

Theudis57des Koͤnigreichs Franckreich.

Theudis, der Wiſigothen Koͤnig / wird von ſei - nen Unterthanen ermordet; Theudiscles, ſo ihm in der Regierung folget / hat eben ſo har - tes Schickſal; und wird Agila Koͤnig. Gre - gorius de Tours ſagt / daß die Gothen dieſe Gewohnheit an ſich gehabt / wenn ein Koͤnig nicht regieret / wie es ihnen recht geweſen / daß ſie ſolche alle aus dem Wege geraͤumet p. 218. Hierauff wird der Krieg in Jtalien beſchrieben / zu dem die Frantzoſen theils durch den Kaͤyſer Juſtinianum im Jahr CHriſti 543. theils durch die Koͤnige in Jtalien geruffen werden. Denn nachdem Theo - dat, der Oſtrogothiſchen Koͤnigin Amalaſonte Ge - mahl / dieſe ſeine Gemahlin / die ihm doch die Kroh - ne zu wege gebracht / nicht nur von ſich in eine Jnſul der Bolſeniſchen See in Toſcana gewieſen / ſondern auch ſie daſelbſt in Bade erſticken laſſen: Nahme Kaͤyſer Juſtinianus, unter deſſen Schutz ſich doch dieſe Koͤnigin begeben hatte / dieſes hoch auff / und ware froh Gelegenheit zu bekommen / denen Gothen ein Reich wieder wegzunehmen / ſo vorhero zum Roͤmiſchen Kaͤyſerthume gehoͤret hat - te. Alſo macht er Allianz mit denen Frantzoͤi - ſchen Koͤnigen / ſchicket ſeinen beruͤhmten Feld - Herrn / Beliſarium, welcher in Africa die Wen - den uͤberwunden / und ihren Koͤnig Gilimer im Triumph nach Conſtantinopel gefuͤhret / in Jta - lien. Beliſarius nimmt Sicilien hinweg / gewin - net eine groſſe Schlacht / ziehet triumphirend in Syracus ein / erobert Neapolis mit Sturm / und fieget / wo er nur hinkoͤmmt. Theodat iſt furcht -D 5ſam58Denckwuͤrdigkeitenſam / und will ſich nirgend ſehen laſſen. Giebt ſeine Armee ſeinem Eydame Ebrimuth zu commandi - ren: Dieſer gehet zu Beliſario uͤber. Theodat laͤßt das Reich ſtehen / und ſuchet den Privat - Stand. Die Gothen erwaͤhlen einen andern Koͤ - nig an ſeine Statt / Vitiges Namens: Dieſer / ſo bald er zum Thron gekommen / laͤßt Theodaten hinrichten: Darauf leget er deſſen Sohn Theo - diſilum ins Gefaͤngniß: Beſetzet Rom / gehet nach Ravenna, vermaͤhlet ſich allda mit Metheſonten, der Koͤnigin Amalaſonte hinterlaſſene Printzeßin: Sammlet die zerſtreueten Gothen, giebt ihnen Waffen / und redet ihnen einen Muth zu / ſchicket darauf an die Koͤnige von Franckreich / und biethet ihnen die Staͤdte an / welche die Oſtrogothen in den Narbonnenſiſchen beſitzen / wofern ſie ihm wolten beyſtehen: Die Frantzoͤiſchen Koͤnige nehmen ver - gnuͤgt ſolches Erbiethen an / verſprechen / dem Koͤ - nig Vitiges als ihrem Freunde und Bundes-Ge - noſſen beyzuſtehen; wofern man ſie nur nicht noͤ - thigte / ſich oͤffentlich wider Kaͤyſer Juſtinianum zu erklaͤhren / denn ſie mit demſelbigen ſich auch ſchon in Alliance eingelaſſen. Doch wolten ſie ihnen / denen Gothen, ſchon Voͤlcker von ihren Untertha - nen / die keine Frantzoſen waͤren / zuſchicken / mit denen ſie zu frieden ſeyn koͤnten.

Solche Erklaͤhrung ſtehet dem Koͤnig Vitiges gantz wohl an; aber ſie iſt denen Frantzoſen wenig ruͤhmlich / qui ſelon la coûtume de ce tems la ſchreibet fein der Autor ſelbſt von ſeiner Nation, p. 225. abandonnoient aisément la foi des Traites,pour59des Koͤnigreichs Franckreich. pour ſuivre leurs interêts. Das iſt: Welche nach Gewohnheit ſelbiger Zeit gar leichtlich von der in Tractaten gegebnen Treue und Ver - ſprechungen abſtunden / und alleine ihrem Intereſſe folgeten.

Es nehmen hierauf die Koͤnige in Franckreich der Oſtrogothen ihre Staͤdte in Gallia Narbonnenſi, und theilen ſie unter ſich. p. 226. Beliſarius belagert Rom / nimmt es ein; Benevento und alle Staͤdte der Samniten ergeben ſich. Vitiges, der neue Go - thiſche Koͤnig / gehet mit einer Armée von hundert und funfftzig tauſend Mann vor Rom / und be - lagert Beliſarium darinnen. Dieſe Belagerung waͤhret uͤder Jahr und Tag. Endlich muß ſie doch Vitiges wegen des ankommenden Entſatzes auff - heben. Er nimmt darauff Meyland weg. Die Stadt wird gantz ausgepluͤndert: dabey ſeynd zehn tauſend Burgundier / welche die Koͤnige in Franck - reich denen Gothen zu Huͤlffe geſchickt / damit ſie hernach gegen den Keyſer Juſtinian ſich entſchuldi - gen koͤnnen / daß ſolche Huͤlffs-Voͤlcker keine Fran - tzoſen geweſen. p. 228. 229.

Die Frantzoſen ruͤcken darauf mit einer Armée von hundert tauſend Mann unter Koͤnig Theode - berto in Jtalien ein. Und ob ſie ſchon ſo wol mit denen Gothen, als Roͤmern in Alliance ſtehen / ſo ſchlagen ſie doch erſtlich die Gothen, die ſich von ihnen / als Freunden / nichts Boͤſes verſehen / ge - waltig / p. 229. 230. 231. Hernach machen ſie ſich auch an eine der Roͤmiſchen Arméen, undrui -60Denckwuͤrdigkeitenruiniren dieſelbe gleichfalls. p. 233. Handeln alſo an beyden verraͤtheriſch. Beliſarius ſchreibet an ihren Koͤnig und verweiſet ihm ſolche Untreue. p. 234. Theodebert kehret uͤber die Alpen in Au - ſtraſien zuruͤck: Nach deſſen Abzuge belagert Beli - ſarius Ravenna. Vitiges, ſo darinnen ſich befin - det / wehret ſich tapfer. Die Frantzoſen laſſen ihm durch einen Ambaſſadeur wiſſen / da ſie mit fuͤnf hundert tauſend Mann in Anzuge waͤren / ihn zu entſetzen. Beliſarius aber laͤßt ihm auch vorſtel - len / wie gefaͤhrlich die Frantzoͤiſche Alliance waͤre / und wie viel ehe er es treffen wuͤꝛde / wenn er mit dem Kaͤyſer tractirete. p. 236. Vitiges will Beliſarii Er - biethen annehmen: Doch auch dieſer ziehet zuruͤck / da er hoͤret / daß Ravenna ſich ohnediß aus Hungers - Noth eheſte Tage ergeben muͤſſe. Die Gothen ſetzen den tapfern aber ungluͤcklichen Vitiges ab / und tragen Beliſario die Krohne an. Er ſtellet ſich / als ob er ſolche acceptirete / ziehet in Ravenna ein / verſichert ſich Vitiges Perſon / reiſet aber auf Beruffung des Kaͤyſers Juſtiniani wieder nach Con - ſtantinopel, und bringt den Koͤnig Vitiges nebſt unterſchiedenen Koͤniglichen Printzen und Prin - tzeßinnen als Gefangene mit ſich. p. 237.

Beliſarius, welchen Juſtinianus wider die Perſen geſendet / wird zuruͤck beruffen / abermahls nach Jtalien wider den neuerwehlten Koͤnig Totilam zu gehen / welcher groſſe Progreſſen machet; den aber Beliſarius ziemlich wieder zu paaren bringet.

Koͤnig Theodebert nimmt ſich vor / Kaͤyſer Juſtinianum zu bekriegen / weil er in ſeinen Edictenden61des Koͤnigreichs Franckreich. den Namen Francicus brauchet / ob haͤtte er die - ſe Nation gleichfalls uͤberwunden: Schicket dem - nach an andere Voͤlcker in Mœſien, Pannonien, und zu den Longobarden, ſie moͤchten ſich mit ihm conjungiren / Conſtantinopel, als damahligen Kaͤy - ſer-Sitz zu belagern. Dieſe ſeynd nicht ungeneigt dazu: Allein Theodeberts Tod verhindert die Ausfuͤhrung dieſes Vorhabens p. 241.

Die alte Koͤnigin Clotilde ſtirbet zu Tours im ſiebentzigſten Jahre; wird wegen ihrer Gott - ſeligkeit und