PRIMS Full-text transcription (HTML)
Vom Schönen der Natur, wird jeder Sinn entzückt,
Doch noch mehr der Verſtand, der Gott darinn erblückt.

Syſang Jc.

Phyſikaliſche und moraliſche Gedanken uͤber die drey Reiche der Natur,
Nebſt ſeinen uͤbrigen nachgelaſſenen Gedichten, als des Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT
Neunter und letzter Theil.
Mit Koͤnigl. Poln. und Churfl. Saͤchſ. allergnaͤdigſter Freyheit.
Hamburg,beyGeorg Chriſtian Grund, und inLeipzigbeyAdam Heinrich Holle,1748.

Vorbericht.

Da wir den Beſchluß aller Ge - dichte des ſeligen Herrn Brockes liefern; ſo ſind wir voͤllig uͤberzeugt, daß durch das Ab - leben des Verfaſſers die Hochachtung noch nicht vermindert iſt, welche der vernuͤnftigſte Theil unſerer Landesleute* 2jeder -Vorbericht.jederzeit fuͤr die lautere Abſicht ſeiner erbaulichen Muſe gehabt hat. Seine Verdienſte um die Menſchheit, um die Sittenlehre, und um die Verbreitung eines vernuͤnftigen und begreiflichen Gottesdienſtes, ſind viel zu groß, als daß ſelbige bereits bey der Ablegung des Jrdiſchen in Vergeſſenheit kommen ſollten. Sie haben vielmehr einen ſichern Anſpruch auf die Nachwelt; und unſere kuͤnftigen Buͤrger werden ſie noch mit einer groͤßern Ehrerbie - tung nennen, als vielleicht viele ge - than, die Zeugen ſeiner wahren Groͤße geweſen, und entweder aus einem bloͤden Verſtande oder einer ſchlaͤfri -genVorbericht.gen Gleichguͤltigkeit derſelben nicht das gehoͤrige Opfer der Hochachtung gewidmet haben.

Wenn die vielfaͤltige Anfrage nach der Ausgabe dieſes neunten Theils uns gewiß ſchließen laͤßt; ſo verſprechen wir demſelben eben die gute Aufnahme, welche die vorhergehenden gehabt haben. Man hat hiezu um ſo vielmehr Hoff - nung, da der geneigte Leſer allhier die - jenigen Gedichte findet, welche in des ſel. Brockes Schriften hin und wieder ver - ſprochen ſind; er folget darinnen haupt - ſaͤchlich den Werken des Schoͤpfers in ihren Gaͤngen, und beſinget die ſoge -* 3nann -Vorbericht.nannten drey Reiche der Natur, phyſikaliſch und moraliſch. Die erſte Anlage zu denſelben iſt bereits in der Zeit geſchehen, da die Muſe unſers beruͤhmten Dichters in ihrer erſten Schoͤnheit und in ihrem ſtaͤrkſten Feuer war. Es gehet den Dichtern, wie den Frauenzimmern: Wenn die Bluͤthe ihrer Schoͤnheit uns unerwar - tet und heftig ruͤhret, ſo verurſacht die Reife derſelben, daß wir ihre zuruͤckgebliebenen Zuͤge noch bewun - dern und verehren. Schon im Jahre 1723 wurde der Sonntag zu dieſer Arbeit beſtimmet. Jn denen Stunden,welcheVorbericht.welche gemeiniglich andere mit ſchnoͤden Ergetzlichkeiten oder wohl gar mit einer ſogenannten Sabbathſchaͤnderey, in der Stadt und auf ihren Gaͤrten verſchwen - den, belehrte und vergnuͤgte der Ver - faſſer ſich ſelbſt aus dem Buche der Nà - tur, wenn er ſich vorher in der Ver - ſammlung der Chriſten aus dem Bu - che der Offenbarung unterrichten laſſen. Dieſe wuͤrdige Beſchaͤfftigung wurde fortgeſetzt, wenn keine zufaͤllige Um - ſtaͤnde dieſelbe unterbrachen. Allein, ſolche kommen ſehr oft; und der Herr Brockes mußte die ruhigen Augenbli - cke, welche er fuͤr ſich auserſehen hatte,* 4man -Vorbericht.mannichmal den Beſuchen und zuwei - len ſehr entbehrlichen Gegenbeſuchen oder andern Zerſtreuungen uͤberlaſſen, die ein allzu gefaͤlliges Ceremoniel fuͤr Seelen, die ſich ſelbſt beſchaͤfftigen koͤnnen, eingefuͤhret hat. Jndeſſen nahm doch das Werk nach und nach zu, daß be - reits verſchiedene der wichtigſten Stuͤcke in die erſten Theile des irdiſchen Ver - gnuͤgens in Gott, konnten eingeruͤcket werden. Hieher gehoͤren: die Son - ne, der Regen, das Waſſer, die Berge und das Feuer, im erſten Theile; und die Erde, die Luft, die fuͤnf Sinne, im zweyten Theile. DesVer -Vorbericht.Verfaſſers Abſicht war, dieſe Gedichte nur den beſagten Theilen geliehen zu ha - ben, und ſie bey der Ausgabe des ge - genwaͤrtigen, wieder an Ort und Stelle, einzuſchalten. Nach ſeinem Tode hat man dieſes unterlaſſen wol - len; theils, weil ſie ſich bereits in ſo oft wiederholten Auflagen befinden und in jedermanns Haͤnden ſind; theils aber, weil dieſer letzte Theil in einem andern Verlage ans Licht tritt, um dadurch von der Anklage frey zu bleiben, als wenn man einen Eingriff in des andern ſein Eigenthum gethan haͤtte. Es iſt zu wuͤnſchen, daß diejenigen, welche et -* 5wanVorbericht.wan mit einem diebiſchen Nachdrucke die - ſes Theils ſchwanger gehen, auf eben ſo billige Gedanken gerathen moͤgen, wo ihnen anders ihre niedertraͤchtige Hab - ſucht, und ihr gewoͤhnliches Gewerbe, noch ſo viele Faͤhigkeit gelaſſen hat. Wenigſtens werden ſie uns das Ver - gnugen machen, dieſe beylaͤufige Erinne - rung mit nachzudrucken.

Was den Jnhalt dieſes Werks uͤber - haupt betrifft, ſo gehet der erbauliche Dichter darinnen zuerſt mit ſeinen Gedanken in das Mineralreich. Er beſchreibet uns die verſchiedenen Schaͤtze, ſo die Erde in ihrem Schooße zum Nu -tzenVorbericht.tzen und Vergnuͤgen der Menſchen er - zeuget und enthaͤlt; und er lehret, wie nothwendig ſolche uns, wenn wir ſie nur menſchlich gebrauchen, zu einer ehr - erbietigen Erkenntlichkeit gegen den großen Schoͤpfer und guͤtigen Geber der - ſelben, antreiben muͤſſen. Hierauf wird die Oberflaͤche der Welt ſein Gegen - ſtand. Er zeiget, was ſich ſowohl im Pflanzen - als Thierreiche, unſern Sinnen darbeut, und wie es uns an eben die dankbaren Pflichten erinnert. Da das Herz des ſeligen Mannes voll uͤberzeugender Gedanken von der Maje - ſtaͤt und Hoheit ſeines Schoͤpfers war;ſoVorbericht.ſo iſt auch hier, wie in allen ſeinen Schriften, die Abſicht, daß die wahren Menſchen mit ihm zuſammen treten, und denſelben erkennen und anbeten ſollen.

Es iſt gewiß, daß dieſes Werk noch viel ausfuͤhrlicher gerathen waͤre, wenn es der Vorſehung gefallen, das Ziel ſei - ner Tage weiter hinaus zu ſetzen. Der geneigte Leſer wird ſolches abſonderlich bey den Gedanken uͤber das Thierreich bemerken. Damit aber dieſer Band den vorigen gleich ſeyn moͤchte; ſo hat man aus den nachgebliebenen Hand - ſchriften mit einer ſorgfaͤltigen Auf -merk -Vorbericht.merkſamkeit ſolche Stuͤcke gewaͤhlet, wel - che dem Jnhalte des irdiſchen Vergnuͤ - gens in Gott, voͤllig gemaͤß; und zu - gleich ſind in einem Anhange einige vor - gefundene Sinngedichte, und der ruͤh - rende Schwanengeſang, hinzugefuͤ - get worden.

Anfaͤnglich war man geſonnen, die - ſen Gedichten eine Beſchreibung von dem wuͤrdigen Leben und Charakter ihres verewigten Verfaſſers voranzuſe - tzen: Allein, da ſolches das Buch faſt bis auf die Haͤlfte vergroͤßert haͤtte; ſo wird man dieſelbe naͤchſtens in einem beſon - dern Baͤndchen liefern, und ſich bemuͤhen,demVorbericht.dem anhaltenden Verlangen der Vereh - rer des ſeligen Brockes ein Genuͤge zu leiſten.

Geſchrieben, Hamburg den 24 April 1748. Z.

Betrach -[1]

Betrachtungen uͤber die drey Reiche der Natur.

Quell der tiefen Ewigkeiten!
Jn dir ſelbſt verborgner Gott!
Kreis und Mittelpunkt der Zeiten!
Wahres All! Herr Zebaoth!
Deſſen all belebend Glaͤnzen
Jn den unumſchraͤnkten Grenzen,
Denen End und Urſprung fehlt,
Unbegreiflich ſich verhehlt.
Alles, was die Welt erfuͤllet,
Jſt durch dich hervorgebracht,
Alles Koͤrperliche quillet
Aus den Tiefen deiner Macht;
Geiſt, der Geiſtern Geiſt und Leben,
Kraͤft und Weſen hat gegeben;
Gott, der ewig wirkt und ſchafft!
Ewige Bewegungskraft!
ALieget2Betrachtungen
Lieget dein ſelbſtſtaͤndigs Glaͤnzen,
Das die Ewigkeit erfuͤllt,
Gleich im Licht, das ohne Grenzen
Undurchdringlich iſt, verhuͤllt;
Sieht man dennoch deine Spuren
Jn der Welt der Kreaturen.
Dieſe, da ſie gar zu ſchoͤn,
Will ich, dir zum Ruhm, beſehn.
Ohne die erſchaffnen Werke,
Die dein Allmachtswort verband,
Waͤr uns Liebe, Weisheit, Staͤrke
Einer Gottheit unbekannt.
Sie allein, wenn ſie uns ruͤhren,
Koͤnnen uns zum Schoͤpfer fuͤhren;
Sie ſind Wege, worauf man
Sich der Gottheit naͤhern kann.
Der, der allen Raum erfuͤllet,
Hat, bloß uns zum Nutzen nur,
Sein unendlich Licht verhuͤllet
Jn dem Flor der Kreatur.
Sonnen, Welten, Koͤrper, Geiſter
Offenbaren ihren Meiſter;
Sie erklaͤren beyderley,
Daß, ja gleichſam was, er ſey.
Herr, erleuchte mein Gemuͤthe!
Zuͤnd in mir dein Feuer an,
Daß ich deine Macht und Guͤte
Sehn, verſtehn und preiſen kann,
Tilge der Gewohnheit Staͤrke!
Weil die groͤßten Wunderwerke
Jhr verdickter Nebel deckt,
Und vor unſerm Blick verſteckt.
Koͤnig -3uͤber die drey Reiche der Natur.
Koͤnigreiche zu gewinnen,
Jſt bey weitem das nicht werth,
Als wenn man Leib, Seel und Sinnen
Auf des Hoͤchſten Werke kehrt.
Nur nach Pracht und Geld zu gaffen,
Sind wir Menſchen nicht geſchaffen,
Weil, beym groͤßten Gut und Stat,
Keine Seele Ruhe hat.
Aber wenn ich aller Dinge
Ordnung, Menge, Groͤß und Pracht
Seh, erwaͤg, und den beſinge,
Der ſie durch ſein Wort gemacht;
Deucht mich, daß mein Herz verſpuͤret,
Da es thut, was ihm gebuͤhret,
Wie ein neues Freudenlicht
Durch die Nacht der Schwermuth bricht.
Darum wend ich meine Sinnen
Auf die Koͤrper, die wir ſehn,
Nicht ſo ſehr, was ſie von innen,
Und ihr Weſen zu verſtehn;
Nein, die Unempfindlichkeiten
Der Gewohnheit auszureuten,
Daß wir, wie ſonſt nicht geſchehn,
Sehen moͤgen, was wir ſehn.
Daß wir, unſerm Gott zum Preiſe,
Das, was er auf dieſer Welt,
Auf ſo wunderbare Weiſe,
Uns zum Beſten dargeſtellt,
Moͤgen merken, ſehn und hoͤren,
Jhn in unſern Freuden ehren,
Und nicht mehr, wie Thier und Stein
Blind und unempfindlich ſeyn.
A 2Alle4Betrachtungen
Alle Dinge, groß und kleine,
Fluͤßig, trocken, weich und hart,
Thiere, Pflanzen, Holz und Steine
Zeigen Gottes Gegenwart.
Jn den Gruͤnden, auf den Hoͤhen
Jſt des Schoͤpfers Kraft zu ſehen;
Auch im kleinſten Koͤrnchen Sand
Wird die Allmachtshand erkannt.
Um in ſolcher Zahl vor allen
Einer Ordnung nachzugehn;
Laßt uns erſtlich die Metallen,
Sammt der Steine Reich, beſehn:
Dann der Pflanzen Heer betrachten:
Endlich auf das Thierreich achten.
Denn in Pflanzen, Thier und Stein
Theilt, was koͤrperlich, ſich ein.
Das5uͤber das Reich der Metalle.

Das Reich der Metalle.

Alles wird Metall genennet,
Welches hart, dicht, ſchwer und feſt,
Schmilzt, und nicht im Feur verbrennet,
Was ſich ſtreckt, und dehnen laͤßt
Durch des ſchweren Hammers Schlaͤge;
Was geſchmeidig zum Gepraͤge,
Und was aus dem finſtern Schacht
Wird, mit Muͤh, ans Licht gebracht.
Von Gewaͤchſen und von Thieren
Unterſcheidet ſich Metall;
Denn, da jene ſich formiren
Bilderfoͤrmig uͤberall,
Sehn wir, daß ſie in der Erden
Ohne Form gebildet werden,
Folglich, was man ſonſt auch ſpricht,
Zeuget ſichs aus Samen nicht.
Der Metallen Nutz und Menge
Wollen wir hernach beſehn.
Laßt uns erſtlich in die Gaͤnge
Eines tiefen Bergwerks gehn,
Und beſchaun, wie in der Erde
Ein Metall gezeuget werde!
Salz und Schwefel ſcheint allein
Jhres Urſprungs Stoff zu ſeyn.
A 3Wie6Betrachtungen
Wie die neuern Weiſen ſagen,
Scheint die Zeugung wunderſchoͤn,
Etwan ſo ſich zuzutragen,
Und wie folget, zu geſchehn.
Duͤffte, die gezeuget werden
Jn dem Mittelpunkt der Erden,
Und von dannen aufwerts gehn,
Machen, daß Metall entſtehn.
Solch ein Dufft trifft in den Kluͤften
Allerley Partikeln an
Von verſchloßnen groben Luͤften,
Womit er ſich miſchen kann.
Dieſe werden dadurch beſſer,
Ein metalliſches Gewaͤſſer,
Welches, in verſchiednem Grad,
Kleinre Theil, als Waſſer, hat.
Jn der lockern Erden Gruͤnden,
Wenn ſie ſich mit Thon und Sand,
Auch mit Salz und Schwefel binden
Und, nachdem ihr Gegenſtand,
Sich durch krumme Wege lenken,
Jn ſo manche Form ſich ſenken,
Werden ſie gepreßt, gedruͤckt,
Feſt vereinigt und verſtrickt.
Durch die Menge krummer Ecken,
Die ſich auf ſo manche Art
Jn und durch einander ſtrecken,
Werden ſie ſo feſt gepaart;
Denn, da ſie ſich ſo vermiſchen,
Bleibt kein leerer Platz dazwiſchen.
Hievon koͤmmt es, daß ein Stein
Und Metall ſo daurhaft ſeyn.
Dieſe7uͤber das Reich der Metalle.
Dieſe feſte Koͤrper alle
Theilt man in fuͤnf Arten ein;
Jn Metall, in halb Metalle,
Und in Erde, Salz, und Stein.
Die wir all in tiefen Gruͤnden,
Als in ihren Muͤttern, finden.
Laſſet uns denn weiter gehn,
Und ſie, nach der Reih, beſehn.
Die Metallen anzuweiſen,
Sind dieſelben ſechſerley:
Gold und Silber, Kupfer, Eiſen,
Und, nebſt dieſen, Zinn und Bley.
Die vorzeiten lauter Namen
Von den Goͤttern uͤberkamen;
Daher noch die heutge Welt
Manchen Jrrthum unterhaͤlt.
Das Gold.
Gold hieß Sol. Will man ergruͤnden,
Was davon die Urſach ſey;
Wird man anders keine finden,
Als nur: Gelb ſcheint beyderley.
Silber mußte Luna heißen,
Bloß, weil beyde weißlicht gleißen.
Daß all andre Gleichheit Tand;
Jſt nunmehro gnug erkannt.
Man ſagt, weil das Gold auf Erden (So, wie durch der Sonnen Glut
Viele tauſend Wunder werden)
Auch viel tauſend Wunder thut,
Ließ es ſich auch wohl vergleichen;
Doch man irrt, die Wunderzeichen,
Die durch Gold gewirket ſeyn,
Zeugt ein Zufall, ſind ein Schein.
A 4Da8Betrachtungen
Da der Sonnen Stral hingegen
Wahre Wunder wirkt und zeugt,
Und, mit Waͤrme, Licht und Segen,
Alle Kreaturen ſaͤugt.
Nichts koͤnnt ohne ſie geſchehen:
Alles ſonder Gold beſtehen.
Gold iſt in der Arzeney
Meiſtens auch Betriegerey.
Stralende, verborgne Kraͤfte
Sollen in dem Golde ſeyn:
Aber Stralen, Balſam, Saͤfte
Sind nur Grillen, Tand und Schein.
Weil das Gold in irdſchen Dingen
Allen Mangel kann bezwingen;
Daher koͤmmt es, daß die Welt
Gold faſt fuͤr allmaͤchtig haͤlt.
Gold iſt ein Metall, das dichte,
Gelb, gezuͤge, wohl vereint,
Von ausnehmendem Gewichte,
Das ſehr helle glaͤnzt und ſcheint,
Welches in der Erd entſprießet,
Durch die Hitze ſchmilzt und fließet,
Und wenn mans ins Feuer legt,
So Capell als Teſt ertraͤgt.
Welches Erzt nun nicht, in allen,
Dieſe Eigenſchaften hat,
Jſt, im Reiche der Metallen,
Jmmer im geringern Grad.
Sonderlich wird nichts gefunden,
Deſſen Theile ſo verbunden;
Denn die Daur im Gold allein
Schaͤtzt man hoͤher, als den Schein.
Eh9uͤber das Reich der Metalle.
Eh wir bey dem Nutzen bleiben,
Laſſet uns, ſo wie das Gold,
Auch das Silber erſt beſchreiben,
Dem die Welt nicht minder hold.
Dieſe zwey ſind ihre Goͤtter,
Jhre Zuflucht und Erretter.
Gold und Silber wird geacht’t,
Und auf Gott wird kaum gedacht.
Das Sil - ber.
Silber, wenn es auserleſen
Und von allem Zuſatz rein,
Jſt ein weiß metalliſch Weſen,
Helle, wie des Mondes Schein.
Das geziehg iſt, und doch klinget,
Hart, doch wenn’s die Glut durchdringet,
Schmilzt es: doch iſt es ſo feſt,
Und ertraͤgt, wie Gold, den Teſt.
Ob nun gleich in Arzeneyen
Gold und Silber wenig nuͤtzt,
Und es meiſtens Pralereyen,
Was die Meynung unterſtuͤtzt;
Dennoch iſt es kaum zu glaͤuben,
Und nicht moͤglich, zu beſchreiben,
Was fuͤr Gutes auf der Welt
Wird gewirkt durch Gold und Geld.
Koͤnnte wohl auf dieſer Erden
Der nie gnug geruͤhmte Fleiß
Beſſer angeſpornet werden,
Als durchs Geldes Werth und Preis?
Nichtes koͤnnte man erdenken,
Das, Verdienſte zu beſchenken
Und zu reizen mehr und mehr,
Beſſer und geſchickter waͤr.
A 5Aller10Betrachtungen
Aller Menſchen Werk und Wandel
Waͤr in mindrer Sicherheit;
Schiffahrt, Kaufmannſchaft und Handel
Faͤnden groͤßre Schwierigkeit;
Schweiß und Witz wird keiner wollen
Dem gemeinen Beſten zollen:
Waͤre nicht das liebe Gold
Aller Muͤh erwuͤnſchter Sold.
Die Begierde reich zu werden
Zeugt zwar manches Bubenſtuͤck:
Geiz verurſacht auf der Erden
Ungezaͤhltes Ungeluͤck:
Aber koͤnnt in unſerm Leben
Den Gebrauch ein Misbrauch heben;
Muͤßt auch Feuer, Stahl und Wein
Aus der Welt verbannet ſeyn.
Eine Prob hievon zu geben,
Wie das Geld ſo noͤthig ſey,
Laſſet uns nur einſt das Leben
Und die rauhe Barbarey
Aller Voͤlker recht betrachten,
Die kein Gold, kein Silber achten!
Welch ein Leben fuͤhren ſie?
Gleichen ſie nicht faſt dem Vieh?
Nur fuͤr Speis und Trank zu ſorgen,
Brauchen ſie allein Verſtand:
Kuͤnſte ſind daſelbſt verborgen,
Weisheit iſt dort unbekannt.
Es beſteht all ihr Verlangen
Etwan in ein Wild zu fangen,
Keiner kennt dort Sicherheit,
Wohlſtand und Bequemlichkeit.
Spraͤche11uͤber das Reich der Metalle.
Spraͤche man: ja, wer hienieden
Wenig noͤthig hat, iſt reich:
Sie ſind arm zwar, doch zufrieden,
Und, beym Golde, fehlt dieß euch.
Sag ich: ſolche Ruh zu waͤhlen,
Die ein Grab der Kraft der Seelen,
Und ihr beſtes Theil ihr raubt;
Jſt uns Menſchen nicht erlaubt.
Wer auf ſolche Weiſe lebet,
Jſt den Thieren voͤllig gleich.
An dem, der ſich nicht erhebet,
Und erwaͤgt, wie gnadenreich
Gott in allen ſeinen Werken,
Jſt nichts Menſchliches zu merken,
Und zu ſolcher Froͤmmigkeit
Fehlts dort an Gelegenheit.
Jeder, ders erwaͤget, findet,
Daß, auf Erden, bloß das Geld
Menſchliche Geſellſchaft bindet,
Daß ſie ſich zuſammenhaͤlt;
Geld macht, daß ſich Menſchen nuͤtzen,
Helfen, beſſern, dienen, ſchuͤtzen,
Daß man ſchreibet, druckt, und lehrt,
Wie man ſeinen Schoͤpfer ehrt.
Wer will uͤbers Gold denn klagen?
Und wer kann mit Recht und Fug
Noch nach mehrerm Nutzen fragen?
Dieſer Nutz iſt groß genug.
Wie durchs Feur die Luft ſich reget,
Wird, durch Geld, die Welt beweget;
Gold und Geld treibt jedermann,
Wie ein Sporn, zu wirken an.
Und12Betrachtungen
Und dieß glaub ich, daß es liege
An des Goldes Seltenheit:
Haͤtt es jeder zur Genuͤge;
Schwaͤnde ſeine Nutzbarkeit.
Wenn ich dieſes recht betrachte,
Und auf die Veraͤndrung achte;
Pflicht ich auch der Meynung bey,
Daß kein Gold zu machen ſey.
Großer Geber aller Gaben,
Herr, dem alles zugehoͤrt,
Gieb, wenn wir die Nothdurft haben,
Die dein Hand, durchs Gold, beſchert,
Daß wir es mit Dank empfangen,
Und mit Unrecht nichts verlangen,
Da du jedem. den du liebſt,
Sein beſcheiden Theil ja giebſt.
Das Ku - pfer.
Da wir alſo, Gott zu Ehren,
Gold und Silber angeſehn;
Muͤſſen wir, mit unſern Lehren,
Nunmehr auch zum Kupfer gehn:
Welches jenen zwar nicht gleichet,
Und an ihren Werth nicht reichet,
Doch, wiewohl in minderm Grad,
Auch viel Herrlichs in ſich hat.
Es iſt ein Metall, das dichte,
Das ſich unterm Hammer beugt,
Deſſen Koͤrper uns im Lichte
Eine falbe Roͤthe zeigt,
Das, durchs Feur geſchmolzen, fließet,
Da man es wie Waſſer gießet:
Das ſehr helle toͤnt und klingt;
Aber das die Glut doch zwingt.
Denn,13uͤber das Reich der Metalle.
Denn, im Kupfer, ſind die Theile
Nicht ſo rein, ſo reif, ſo feſt,
Darum es ſich auch in Eile
Von einander ſcheiden laͤßt.
Ja ſelbſt kalte Feuchtigkeiten
Nehmen die Beſchaffenheiten
Seines Weſens ſchleunig an,
Daß man es gleich ſchmecken kann.
Der Geſchmack iſt ſehr verdrießlich,
Welchen ſolch ein Waſſer hegt,
Und dem Koͤrper nicht erſprießlich,
Weil es Brechen ſtets erregt.
Doch, da, Oeffnung zu erwecken,
Große Kraͤft im Kupfer ſtecken;
Weis man, daß zur Arzeney
Es nicht ohne Nutzen ſey.
Kupfer hat, wie ſchwer es ſcheinet,
Dennoch lange ſolch Gewicht,
Weil es nicht ſo feſt vereinet,
Wie das Gold und Silber, nicht.
Merklich iſts, daß, wie in allen
Unvollkommenen Metallen,
Auch der Roſt das Kupfer frißt,
Wie es klar zu ſehen iſt.
Roſt, wodurchs Metall vergehet,
Wenn es nicht recht feſt und rein;
Wird erzeuget und entſtehet
Aus der Feuchtigkeit allein,
Wenns bald trocken und bald feuchte,
Denn kein Roſt verzehret leichte
Etwas, ſo ohn Unterlaß
Trocken, oder allzeit naß.
Daß14Betrachtungen
Daß vom Roſt nun, wie wir ſehen,
Alle nicht verſehret ſeyn,
Scheint, wie folget, zu geſchehen:
Der Metallen, welche rein,
Theil und Oeffnungen ſind kleiner,
Als derſelben, die gemeiner,
Wannenhero, wie man meynt,
Sich kein Naß damit vereint.
Doch mit Kupfer, Erzt und Eiſen
Miſcht ſich leicht die Feuchtigkeit,
Wie es ihre Koͤrper weiſen,
Weil die Oeffnungen ſo weit;
Da ſich denn, durch Luft und Hitze,
Hie und dort manch kleine Spitze
Jn der Feuchtigkeit mit hebt
Und an ihren Flaͤchen klebt.
Hiedurch loͤſet ſich allmaͤhlig
Jhr ſonſt feſtes Weſen auf,
Da die Theilchen faſt unzaͤhlig
Sich von innen oben drauf
Durch die Luft beſtaͤndig regen,
Die ſie trennt, zu legen pflegen,
Da denn, was ſonſt lange waͤhrt,
Muͤrbe wird und ſich verzehrt.
Kupfer kann doch, wie wir ſehen,
Des verzehrnden Roſtes Wut
Gar viel laͤnger widerſtehen,
Als ein lockers Eiſen thut.
Kupfer muß zum Dach uns nuͤtzen
Und vor Wind und Regen ſchuͤtzen.
So zum Nutzen, als zur Pracht,
Wird aus Kupfer viel gemacht.
Daß15uͤber das Reich der Metalle.
Daß das Kupfer und das Eiſen
Doch mehr, als man glaubt, verwandt,
Kann, mit ſeiner Fluht, erweiſen
Das bergreiche Ungerland,
Als woſelbſt ein Bach zu finden,
Der nicht nur die aͤußern Rinden,
Sondern, wie ichs ſelbſt betracht,
Eiſen ganz zu Kupfer macht.
Doch wird Eiſen nicht verwandelt,
Jn der That und eigentlich.
Sondern, ſo wird es gehandelt:
Jn dem Waſſer finden ſich
Vitriol und Kupfertheile,
Das verzehrt den Stahl in Eile,
Der nicht widerſtehen kann,
Und das Kupfer legt ſich an.
Was fuͤr viel und praͤchtge Sachen,
Die ſo noͤthig, als bequem,
Kann man nicht aus Kupfer machen?
Es nuͤtzt und iſt angenehm.
Seht, durch Muͤnzen und durch Saͤulen
Kann es ſpaͤten Ruhm ertheilen:
Kurz, damit es nuͤtzen kann,
Nimmt es alle Formen an.
Wenn wir nun den Nutzen ſpuͤren
Und des Kupfers Schoͤnheit ſehn,
Will uns Menſchen ja gebuͤhren,
Seinen Schoͤpfer zu erhoͤhn.
Jhn, durch den in unſrer Erden
Solche Schaͤtz erzeuget werden.
Betet den, der alles kann,
Voller Furcht und Ehrfurcht an!
Da16Betrachtungen
Da das Kupfer nun beſehen,
Das Zinn.
Trifft nunmehr das Zinn die Reih.
Dieſes, wie vordem geſchehen,
Heißet man noch weißes Bley.
Zinn iſt, wie wir oͤfter leſen,
Jupitern geweiht geweſen;
Wie es denn noch itzo meiſt
Bey den Alchymiſten heißt.
Dieß, ein weiß metalliſch Weſen,
Deſſen Weiß doch blaͤulich bleich,
Klingt, zumal wenns auserleſen,
Hat viel Jrdiſches, iſt weich,
Laͤßt ſich ſchmelzen, und zergehet,
Wenns auf kleiner Glut nur ſtehet.
Wie ſichs auch leicht hammern laͤßt,
Doch ertraͤgt es keinen Teſt.
Zinn, wie leichtlich zu erweiſen,
Jſt ein nuͤtzliches Metall.
Zu Behaͤltern unſrer Speiſen
Brauchet man es uͤberall:
Seine Feſtigkeit verhindert,
Daß ſich kein Geſchmack vermindert;
Nichts veraͤndert Kraft und Art,
Wenn man es in Zinn verwahrt.
Schließt denn, daß, zu ſeinem Weſen,
Erſten Urſtoff und Natur,
Wenig Salz nur ſey erleſen,
Sondern Schwefel und Merkur:
Welche nicht durch Feuchtigkeiten,
So wie jener, zu beſtreiten,
Sondern deren Feſtigkeit
Keine Naͤß und Waſſer ſcheut.
Ferner17uͤber das Reich der Metalle.
Ferner iſt mit Recht zu ſchließen,
Daß es in der Arzeney,
Das Gebluͤte zu verſuͤßen,
Auch von großer Wirkung ſey.
Es vertreibet Roͤth und Hitze,
Und iſt alſo denen nuͤtze,
Welchen aus dem Angeſicht
Manch Geſchwaͤr und Blatter bricht.
Weiter ſoll es Mutterſchmerzen,
Und verſchiedner Krankheit Pein,
Auch das Fieber von dem Herzen
Zu vertreiben kraͤftig ſeyn.
Nebſt dem Schweiße, treibts gelinde
Unſre Blaͤhungen und Winde.
Dankt dem Gott, durch deſſen Macht
Auch das Zinn hervorgebracht.
Das Bley.
Da wir nun mit Luſt beſehen,
Daß das Zinn ſo nuͤtzlich ſey;
Wollen wir nun weiter gehen,
Und, das ſogenannte Bley
Jn Betrachtung auch zu ziehen,
Uns mit allem Ernſt bemuͤhen;
Denn auch dieſes Eigenſchaft
Von recht wunderbarer Kraft.
Bley kann ſehr viel Aendrung leiden,
Und ſein Nutz iſt mancherley.
Es vom Zinn zu unterſcheiden,
Heißt man dieſes ſchwarzes Bley.
Vormals iſt es, wie wir leſen,
Dem Saturn geweiht geweſen;
Denn es mußt ein Jrrſternſchein
Aller Dinge Urſprung ſeyn.
BDoch18Betrachtungen
Doch der Jrrthum iſt verſchwunden,
Und, durch der Erfahrung Licht,
Hat es ſich nunmehr befunden,
Daß, was hier bey uns geſchicht,
Durch die Sonn und durch die Erde
Bloß allein gewirket werde:
Denn ein Jrrſtern hat den Schein,
So wie wir, von ihr allein.
Wenn man alſo uͤberleget,
Was das Bley, und was fuͤr Kraft
Sein metalliſch Weſen heget,
Findet man die Eigenſchaft:
Es hat keinen Klang, iſt dichte,
Von beſonderem Gewichte,
Grau, geziehg, ein Feind vom Teſt,
Ob ſichs gleich leicht ſchmelzen laͤßt.
Daß ſein Urſtand, Stoff und Weſen
Meiſt Merkurius allein;
Kann man gnug in Buͤchern leſen,
Scheinet auch faſt wahr zu ſeyn:
Denn man findet, daß, von allen,
Auch der ſchwereſten, Metallen,
Keines ihm an Schwere gleicht;
Gold allein iſt minder leicht.
Eben wie das Gold nicht klinget,
Alſo klingt auch dieſes nicht,
Da kein Ton aus beyden dringet;
Doch, am Klang und am Gewicht
Gleichen ſich nur dieſe beyden,
Sonſt kann Gold das Bley nicht leiden,
Denn es wird, koͤmmt Bley darinn,
Sproͤd, als Silber durch das Zinn.
Ferner19uͤber das Reich der Metalle.
Ferner ſpuͤrt man, daß viel Erde,
Nebſt Merkurius, im Bley
Auch zugleich gefunden werde,
Und damit vermenget ſey.
Wenn man recht damit verfaͤhret;
Wird es bald in Glas verkehret.
Dieſe Wirkung zeiget euch
Erd und Alkali zugleich.
Was beſonders wird verſpuͤret,
Da das Bley ſich in den Teſt
Senkt und alles mit ſich fuͤhret,
Was ſich von ihm zwingen laͤßt.
Die unedelen Metallen
Sieht man mit ihm niederfallen,
Da denn Gold und Silber rein,
Und, vom Zuſatz, ſauber, fein.
Jedermann wird gern geſtehen,
Daß das Bley ſonſt in der That,
Wie wir naͤmlich taͤglich ſehen,
Tauſendfachen Nutzen hat:
Bilderſaͤulen und Gefaͤße,
Von ſo mancher Art und Groͤße,
Werden durch die Kunſt gemacht
Und aus Bley hervorgebracht.
Da ſichs unterm Hammer ſtrecket,
Wirds auf tauſend Art formirt:
Daͤcher ſind damit bedecket,
Waſſer wird durch Bley gefuͤhrt;
Zum Verbinden und zum Loͤten
Hat man Bley gar ſehr vonnoͤthen;
Eiſen bindet es mit Stein,
Daß die Klammern daurhaft ſeyn.
B 2Vieles20Betrachtungen
Vieles muͤßte man entbehren,
Wenn die Welt das Bley nicht haͤtt,
Die uns Nutz und Luſt gewaͤhren:
Bleyerzt, Bleyweiß, Silberglaͤtt,
Mennig, Glas, Glaſur und Spiegel,
Bleyaſch, Formen, Model, Siegel,
Honig, Balſam, Oel aus Bley,
Deren Nutz ſo mancherley.
Da das Bley von ſolchen Kraͤften,
Und da das Metall uns auch
Nuͤtzt in mancherley Geſchaͤfften;
Dankt dem Schoͤpfer im Gebrauch!
Der uns Menſchen hier im Leben
Die Bequemlichkeit gegeben,
Daß uns auch des Bleyes Kraft
Nutzen und Ergetzen ſchafft.
Danket Gott, der, zu den Gaben,
Die, aus ſeiner Allmachtshand,
Wir fuͤr uns empfangen haben;
Uns, den denkenden Verſtand,
Den ſo edlen Geiſt, geſchenket,
Der die Kreaturen lenket,
Daß ſich ihrer jedermann,
Wie er will, bedienen kann.
Das Eiſen.
Auf mein Herz, auch nun das Eiſen,
Nach mit Luſt erwognem Bley,
Zu betrachten und zu weiſen,
Wie ſo groß ſein Nutzen ſey!
Dieß, da es ſo hart und feſte,
Jſt zugleich das allerbeſte
Und das ſchaͤdlichſte Metall:
Dieß verſpuͤrt man uͤberall.
Wer21uͤber das Reich der Metalle.
Wer kann ſonder Eiſen bauen?
Eiſen reißet alles ein;
Ganze Waͤlder auszuhauen
Braucht man Eiſen, Fels und Stein
Zwingts, es machet tauſend Leichen,
Nuͤtzt und ſchadet ganzen Reichen,
Die es theils bekriegt, theils ſchuͤtzt,
Theils verheeret, theils ſie ſtuͤtzt.
Aber alle Grauſamkeiten,
Blutvergießen, Tyranney,
Dieſer und vergangner Zeiten
Marter, Mord, und Barbarey,
Doͤrfer, Staͤdt und Land verheeren,
Und das Unterſt oben kehren,
Jſt ja nicht des Stahls Natur;
Unſre Bosheit macht es nur.
Ach! warum wird dieſer Segen
So erbaͤrmlich misgebraucht,
Und, anſtatt das Feld zu egen,
Nur in Menſchenblut getaucht!
Ach, daß wir durch Stahl zerriſſe[n]
Und zerfleiſchet werden muͤſſen!
Dieſe Kunſt und ihre Macht
Hat ein Hoͤllengeiſt erdacht.
Sonder Eiſen wird auf Erden
Wenig auszurichten ſeyn.
Alles wuͤrde wuͤſte werden,
Alle Kuͤnſte giengen ein.
Dornen, Dieſteln, wilde Hecken
Wuͤrden alle Welt bedecken,
Und man wuͤrde nirgends maͤhn,
Egen, oder pfluͤgen ſehn.
B 3Folg -22Betrachtungen
Folglich wuͤrd uns allen fehlen
Alle Feldfrucht, Korn und Brodt,
Und vermuthlich wuͤrd uns quaͤlen
Eine ſtete Hungersnoth.
Ja es wuͤrden alle Saͤfte
Und der Erden Nahrungskraͤfte,
Durch das Gras, dem Vieh allein,
Aber uns nichts nůtze ſeyn.
Steine brechen, Holz zu hauen,
Das, mit Eiſen, jeder kann;
Garten pflanzen, Haͤuſer bauen,
Gieng nicht, ſonder Eiſen, an.
Ja faſt alle Dinge weiſen,
Was ein wohlregiertes Eiſen,
Oder Stahl, ſo einerley,
Fuͤr ein nuͤtzlich Werkzeug ſey.
Koͤnnt ein Handwerk auch beſtehen,
Wo kein Eiſen auf der Welt?
Eiſen, wie wirs klaͤrlich ſehen,
Jſt weit noͤthiger, als Geld.
Und der Erden dunkle Gaͤnge
Zeugens auch in groͤßrer Menge,
Welches, wenn mans recht ermißt,
Abermal ein Wunder iſt.
Sollte Gott nicht taͤglich preiſen
Jeder Land - und Handwerksmann,
Da er durch ein hartes Eiſen
Seine Koſt verdienen kann?
Wenn ſie fruͤh ihr Werkzeug faſſen,
Sollt es keiner unterlaſſen;
Da ers, aus ſo tiefem Schacht,
Jhm zum Nutz, hervorgebracht.
Denkt,23uͤber das Reich der Metalle.
Denkt, wie viel ein Jndianer
Fuͤr das noͤth’ge Eiſen zollt.
Zahlen die Americaner
Nicht das allerfeinſte Gold
Fuͤr das Eiſen, welches ihnen
Zu viel tauſend Sachen dienen,
Ja zur Noth und Ueberfluß
Vielerley verſchaffen muß?
Alle Vortheil nun entſtehen
Aus deſſelben Feſtigkeit.
Laßt uns denn nun ferner ſehen,
Wie es die Natur bereit!
Dieſe hat, zu ſeinem Weſen,
Solche Theilchen auserleſen,
Welche lang, und nach dem Schein
Feſt in ſich verwickelt ſeyn.
Dieſe harte Theilchen machen,
Daß ihr Ganz ſo dicht, ſo feſt:
Wobey es zu vielen Sachen
Doch durchs Feu’r ſich zwingen laͤßt.
Daß man es, ſo bald es gluͤhet,
Zwingt, erweichet, beugt und ziehet,
Jſt ein Wunder, ſo man wohl
Merken und betrachten ſoll.
Es iſt ein metalliſch Weſen,
Welches leicht im Feuer gluͤht;
Hart, wenn man es aufzuloͤſen,
Ohne Zuſatz, ſich bemuͤht:
Es kann keinen Teſt ertragen;
Aber, durch des Hammers Schlagen,
Wird deſſelben Feſtigkeit
Mannichfaltig zubereit’t.
B 4Eiſen24Betrachtungen
Eiſen ſticht, durchdringet, ſcheidet,
Glaͤttet, feilet, heftet, hau’t,
Saͤget, hobelt, oͤffnet, ſchneidet,
Stuͤrzt, erhoͤhet, bricht und bau’t,
Schließt, veraͤndert, trennt, verbindet,
Ja, von allem, was man findet,
Trifft man wenig Sachen an,
Dran nicht Eiſen was gethan.
Ueberdem iſt zu erweiſen,
Wie, auch in der Medicin,
Unſer obbemeldtes Eiſen
Uns auf manche Weiſe dien.
Es eroͤffnet, ſtopft, verſuͤßet,
Wenn das Blut nicht richtig fließet:
Hiervon findet man die Spur
Bey der edlen Stahltinctur.
Sollt uns dieß denn nicht verbinden,
Zu erhoͤh’n des Hoͤchſten Kraft,
Da Er, in der Erden Gruͤnden,
Uns zum Nutz, das Eiſen ſchafft?
Ja, daß er, in unſerm Leben,
Uns ſo viel Vernunft gegeben,
Daß man es zu brauchen weis.
Jhm allein ſey Lob und Preis!
Die Halb - metal - len.
Laßt uns nun die Halbmetallen,
Wie die ganzen, auch beſehn,
Und mit Luſt von ihnen allen,
Daß auch ſie ſehr ſchoͤn, geſtehn!
Dieſe ſind, wie folgt, genennet:
Lebend Silber, ſo ſtets rennet,
Bismuth, Antimonium,
Schwefel und Arſenicum.
Die25uͤber das Reich der Metalle.
Die denn darinn unterſchieden,
Daß ſie, gar durch kein Bemuͤhn,
Sich, wie jene, biegen, ſchmieden,
Noch in Stangen laſſen ziehn:
Sondern, allzu ſproͤd und fluͤchtig;
Keine Glut zu dulden tuͤchtig,
Aber doch von großem Werth,
Wie man’s uͤberall erfaͤhrt.
Queck - ſilber.
Jſt auf Erden was zu finden,
Das, wie ſehr mans auch ermißt,
Doch beſchwerlich zu ergruͤnden,
Zu verſtehn, zu faſſen iſt,
Deſſen Kraft, trotz Fleiß und Sorgen,
Erztverſtaͤndigen verborgen;
So iſt es Merkurius,
Den man wohl bewundern muß.
Seine wunderbaren Kraͤfte,
Fluͤchtig - und Beweglichkeit,
Seiner fluͤßig-trocknen Såfte
Seltſame Beſchaffenheit,
Die uns in Verwundrung ſetzet,
Da er fließet und nicht netzet,
Da er faſt zu leben ſcheint,
Leicht ſich theilt, und leicht vereint.
Recht wie feines Silber ſchimmert
Dieſes regen Silbers Schein,
Stark gedruͤckt, wird es zertruͤmmert:
Doch wie klein die Theilchen ſeyn,
Werden ſie ſich immer ruͤnden,
Und ſich wieder ſchnell verbinden;
Es iſt fließend wie die Flut,
Es iſt ſchwer, es fleucht die Glut.
B 5Seine26Betrachtungen
Seine Wirkung iſt unglaͤublich,
Die er oft bey Kranken thut:
Seine Kraͤfte nicht beſchreiblich,
Wie er, das ſchon faule Blut,
Von der Faͤulniß, durch das Speyen,
Wunderbar weis zu befreyen.
Von der ſauren Feuchtigkeit
Wird der Menſch durch ihn befreyt.
Ja wie herrlich und wie noͤthig
Jſt es nicht, wenn Fleifch und Haut
Grindig, kraͤtzig, unterkoͤtig,
Was man nicht ohn Grauen ſchaut,
Machet es ſehr ſchnell geneſen,
Und der Krankheit giftig Weſen
Wird, durch ſeine rege Kraft,
Bald getilgt und weggeſchafft.
Ja auf recht beſondre Weiſe,
Die man ſieht, doch nicht begreift,
Tilgt es Floͤhe, Wanzen, Laͤuſe:
Wenn ihr wuͤſter Schwarm ſich haͤuft,
Daß ſie ſchwerlich zu ertragen,
Wird ſein Dunſt ſie gleich verjagen;
Denn, ſo viel wir noch verſtehn,
Muß es, durch den Dunſt, geſchehn.
Alle Koͤrper ſcheinen immer
Zu der Still und Ruh geneigt,
Da ſich dieſes Silbers Schimmer
Allezeit in Unruh zeigt.
Selbſt die Flut iſt nicht ſo rege,
Es ſucht ſelber ſeine Wege;
Waͤr ein Theilchen noch ſo klein,
Wird es in Bewegung ſeyn.
Ja27uͤber das Reich der Metalle.
Ja recht, eben dieß Bewegen
Scheint bey uns die groͤßte Kraft:
Dadurch weis es zu erregen
Des Gebluͤtes traͤgen Saft,
Daß das Faule ſich zertheilet;
Mancher wird dadurch geheilet,
Wenn, was ſonſt ſich nicht ergeußt,
Durch den Speichel von ihm fleußt.
Es iſt fluͤßig, reg und fluͤchtig,
Da die Theilchen rund und klein.
Nichts iſt es zu zwingen tuͤchtig,
Es durchdringet Fleiſch und Bein,
Es durchbohrt, bey Menſch und Thieren,
Adern, Nerven, Haut und Nieren:
Es durchreißet uͤberall
Holz und Glas, ja ſelbſt Metall.
Faſt unzaͤhlige Geſtalten
Nimmt es, wie ein Proteus, an,
Da es bald den Leib erhalten,
Bald wie Gift uns toͤdten kann.
Wenn es leichtlich faͤllt und ſteiget,
Und dadurch das Wetter zeiget,
Kann man es vorher gar ſchoͤn
Jn den Wetterglaͤſern ſehn.
Helle ſieht man es im Dunkeln,
Recht wie einen Phoſphorus,
Wenns die Luft nicht druͤcket, funkeln,
Daß man ſich verwundern muß.
Die, ſo es zu feſſeln ſuchen,
Hoͤrt man oͤfters auf ihn fluchen,
Da es ſie ſo oft betriegt,
Wenns bald ruht, bald fließt, bald fliegt.
Der28Betrachtungen
Der geziehgen Ganzmetallen
Schmelz - und biegbarer Natur
Grund und Urſach iſt, vor allen,
Der ſo fluͤßige Merkur.
Sonder ihn koͤnnt auf der Erden
Kein Metall behammert werden:
Wie ſich Zink und Markaſit,
Weil er ihnen fehlt, nicht zieht.
Wir erfahren und verſpuͤren,
Daß, auch in der Wundarzney,
Es, zu heilen, zu curiren,
Ein bewehrtes Mittel ſey.
Vielfach wird es praͤpariret,
Wohl gereinigt, calciniret,
Diſtillirt, coagulirt,
Suͤß gemacht, und ſublimirt.
Welcher Menſch iſt ſo beleſen,
Der, wodurch es ſtetig rennt;
Und dieß Silbers wahres Weſen,
Geiſt, und Kraͤfte faßt und kennt!
Es hat Gott uns werden laſſen,
Zu bewundern, nicht zu faſſen,
Seiner Werke Wunderpracht,
Und in ihnen ſeine Macht.
Drum ich lieber frey geſtehen,
Als betriegriſch prahlen will.
Dieß Geheimniß einzuſehen,
Stehet mein Erkenntniß ſtill.
Daß aus Schwefel, Salz und Erde
Der Merkur gebildet werde
Und gefuͤgt ſey, kommet mir
Nicht der Wahrheit aͤhnlich fuͤr.
Got -29uͤber das Reich der Metalle.
Gottes Wunder will ich lieber,
Wie in allen, ſo auch hier,
Hoͤchſt bewundern, als hieruͤber,
Durch die eitle Ehrbegier
Jn den Labyrinth gefuͤhret,
Sagen, was ſich nicht gebuͤhret.
Gottes Ehre ſoll allein
Meiner Lieder Endzweck ſeyn.
Mag es alſo hierbey bleiben.
Auf denn itzt, mein reger Geiſt!
Auch das Spießglas zu beſchreiben,
So mit Recht ein Wunder heißt.
Sonderlich in Arzeneyen
Hat man ſeiner ſich zu freuen:
Es wird meiſtens, wie bekannt,
Antimonium genannt.
Spießglas wird alſo beſchrieben,
Spieß - glas.
Daß es halb Metall, und feſt,
Welches doch leicht wird zerrieben,
Und ſich leichtlich ſchmelzen laͤßt:
Blaͤulicht, voller Striche, Truͤmmern,
Und voll Punkte, welche ſchimmern,
Das aus manchem Stoff beſteht,
Und gar leicht im Feu’r vergeht.
Dieſes, ſo viel wir ereilen,
Urſprung, Weſen und Natur
Scheint, nebſt Salz und Schwefeltheilen,
Saturniniſcher Merkur.
Seine mannichfaltgen Kraͤfte
Reinigen der Adern Saͤfte,
Staͤrken ihren regen Kreis,
Fuͤhren ab, und treiben Schweiß.
Man30Betrachtungen
Man kann keine Wirkung ſpuͤren,
Wenn man es allein gebraucht;
Aber Brechen und Purgieren
Wirket es, in Saur getaucht:
Wannenher es unſre Alten
Stets fuͤr ſchaͤdlich Gift gehalten,
Da, wie die Erfahrung lehrt,
Es, vor ſich, doch nichts verſehrt.
Durch die Saͤur und Waͤrm im Magen
Wird ſein Schwefel aufgeloͤſt,
Und dieß kann kein Mag ertragen,
Drum er ihn bald von ſich ſtoͤßt.
Es beweget ſich in Eile,
Weil des Schwefels innre Theile
Luftig, und daher geſchwind,
Durch die Waͤrm gedehnet ſind.
Denn ſo wird ein zaͤh Gebluͤte,
Wenn es ſich mit Schwefel miſcht,
Durch der luftgen Theile Guͤte
Ausgeſpannet und erfriſcht.
Da ſie ſich zu dehnen wiſſen,
Wird der zaͤhſte Schleim zerriſſen,
Und ſodann fließt unſer Blut,
Als wie eine rege Flut.
Wenn man es nur eben ſchmecket,
Auch wenn man es niederſchlingt,
Wird viel Speichel gleich erwecket,
Der vielleicht daher entſpringt,
Weil, wenn Salz und Schwefel gaͤhren,
Sie Bewegungen gebaͤhren
Jn dem aufgebrachten Saft,
Durch der ſpitzen Theilchen Kraft.
Hat31uͤber das Reich der Metalle.
Hat man Spießglas calciniret,
Wird dadurch der Schweiß erweckt.
Wenn man es vitrificiret,
Hat man ſolche Kraft entdeckt.
Wein, in ſolch Gefaͤß gegoſſen,
Und hernach von uns genoſſen,
Hat der Oeffnung Eigenſchaft,
Und purgirt mit großer Kraft.
Wenn mans mit Salpeter menget,
Und bringt eine Kohle dran,
Da es ſich wie Pulver ſprenget
Und entzuͤndet, findet man
Etwas, ſo wie Glas zerfließet,
Dieß, zerrieben, und verſuͤßet
Durch das Kochen mit der Flut;
Jſt fuͤrs Weh der Augen gut.
Von den ſcharf - und ſauren Theilen
Saͤubert Spießglas unſer Blut.
Kraͤtz und Raͤude bald zu heilen,
Jſt ſein Bleyweiß trefflich gut.
Die zu viele Feuchtigkeiten
Abzuſondern, abzuleiten,
Und zu oͤffnen auf einmal,
Schmelzt mans mit zerfeiltem Stahl.
Gegen ein verzehrend Fieber
Stecket große Kraft darinn:
Faſt kein Mittel geht daruͤber,
Miſcht man es mit feinem Zinn
Und Salpeter, wohl zuſammen,
Durch die heiße Kraft der Flammen;
Da man es, wenn es verſuͤßt,
Ohne Nutzen nicht genießt.
Alle32Betrachtungen
Alle Kraͤft und Arzeneyen,
Welche man aus Spießglas zieht,
Zu erzaͤhlen in der Reyen,
Jſt man nur umſonſt bemuͤht.
Balſam, Blumen, Schwefel, Eßig,
Butter, welche ſo gefreßig,
Bleyweiß, Kalk, Merkurius,
Glas, Zinnober, Tartarus.
Die, wenn wir ſie recht vermiſchen,
Zu ſo vielen Dingen gut,
Da ſie reinigen, erfriſchen,
Und verſuͤßen Saft und Blut,
Zu verlaͤngern unſer Leben.
Haͤtte Gott nun nicht gegeben
Jhm die Kraft, und uns den Witz,
Waͤr es uns zu nichtes nuͤtz.
Beydes ſollte man ermeſſen,
Und, wenn man es wohl bedacht,
Ja des Dankens nicht vergeſſen.
Gottes Lieb und weiſe Macht,
Gottes Ordnungen und Gaben,
Sollte man vor Augen haben:
Billig ſollt er ganz allein
Aller Seelen Endzweck ſeyn.
Bis - muth oder Mar - kaſit.
Wenn auch dieß betrachtet worden,
Sind wir nun mit Recht bemuͤht,
Aus der Halbmetallen Orden,
Bismuth oder Markaſit
Zu betrachten, zu ergruͤnden;
Da wir denn gleich anfangs finden,
Daß derſelbe zweyerley,
Gelblicher und weißer, ſey.
Jenen33uͤber das Reich der Metalle.
Jenen heißt man darum guͤlden,
Weil es nicht nur roth allein;
Sondern, weil in ihm ſich bilden
Striche mit ganz guͤldnem Schein.
Es iſt Zink, von dieſen beyden
Faſt in nichts zu unterſcheiden,
Außer daß er zaͤher bleibt
Und ſo leicht ſich nicht zerreibt.
Wann wir ihren Stoff ergruͤnden,
Koͤnnen wir gar bald die Spur,
Woraus es beſtehet, finden,
Daß es Schwefel und Merkur:
Und aus dieſen kann man ſehen
Und die Urſach leicht verſtehen,
Wie mit Kupfer, Zinn und Bley
Es ſo leicht zu mengen ſey.
Die es haͤrtet, faͤrbt, verbeſſert,
Und dadurch, wenn es ſich paart,
Unſern Nutzen ſehr vergroͤßert,
Da wir auf ſo manche Art
Aus demſelben viele Sachen,
Mancherley Gefaͤße machen,
Die theils roͤthlich, und theils bleich,
Faſt dem Gold und Silber gleich.
Wenn wir ſeine Kraft probiren,
Find’t ſich, daß er in der That,
Unſern Koͤrper zu curiren,
Einen großen Nutzen hat.
Wann Chymiſten ſich bemuͤhen,
Bluhmen aus demſelben ziehen;
So erſtreckt ihr Nutzen ſich
Jnnerlich und aͤußerlich.
CEs34Betrachtungen
Es wird ſehr bewehrt befunden
Gegen Schwind - und Waſſerſucht,
Augenmaͤngel, alte Wunden,
Und der geilen Venus Frucht,
Grind, Geſchwuͤr und Eiterbeulen
Hat es eine Kraft zu heilen:
Alles, was die Haut verletzt,
Wird verzehrt, und ſie erſetzt.
Wer von dieſen Kraͤften hoͤret,
Und, durch die Betrachtung, nicht
Gott, der Kraͤfte Quell, verehret,
Handelt wider ſeine Pflicht;
Noch vielmehr, der ihr genießet,
Und doch dem, draus alles fließet,
Alles dauret, und entſpringt,
Nicht einmal ein Danklied bringt.
Arſe - nicum. -
Wenn nun auch betrachtet worden,
Was der Bismuth Wirkung ſey
Jn der Halbmetallen Orden;
Trifft Arſenicum die Reih.
Dieſes, wenn wirs recht geſtehen,
Und es nur ſo roh beſehen,
Jſt ein ſchaͤd - und toͤdtlich Gift,
Welches manches Unheil ſtift.
Allen Thieren iſt es toͤdtlich;
Nur dem einzgen Wolf allein
Soll Arſenicum nicht ſchaͤdlich,
Noch viel minder toͤdtlich, ſeyn.
Und dennoch, purificiret,
Corrigiret, praͤpariret,
Und erweiſet ein Chymiſt,
Daß es oft ſehr nuͤtzlich iſt.
Wer35uͤber das Neich der Metalle.
Wer es unterſucht, befindet,
Daß es unterſchieden ſey,
So ſich unter ſich verbindet.
Denn man findet dreyerley;
Gelb, iſt eins von dem Geſchlechte,
Weiß, iſt eigentlich das rechte,
Roth iſt, was Auripigment
Man gemeiniglich benennt.
Weil mans findet faſt in allen
Bergwerksadern insgemein,
Meynt man, daß es der Metallen
Wahrer Urſtoff muͤſſe ſeyn;
Weils dem Schwefel gleicht, auch brennet,
Wirds ein maͤnnlicher genennet,
Da er naͤmlich ſchaͤrfer frißt,
Feſter auch, als Schwefel, iſt.
Daß man von deſſelben Weſen
Und wie weit ſein Wirken geht,
Nicht in Schriften mehr geleſen,
Und nicht mehr davon verſteht;
Koͤmmt daher, weil man verſpuͤret,
Daß man ſelben nicht tractiret
Ohne toͤdtliche Gefahr,
Welches leider offenbar.
Dennoch hat man ausgefunden,
Daß es oft in mancherley
Krebsgeſchwuͤren, alten Wunden
Ein bewehrtes Mittel ſey.
Zaͤhen Schleim kann es zertheilen,
Schweiß erwecken, Fieber heilen,
Welche gift - und hitzig ſeyn,
Wenn es nur vom Unrath rein.
C 2Da36Betrachtungen
Da nun ſo verſchiedne Curen
Durch Arſenicum geſchehn,
Jſt aus den geſehnen Spuren
Dieſes leichtlich zu erſehn,
Daß noch mehr darinn verborgen,
So vielleicht heut oder morgen
Kundbar wird; drum dankt auch hier
Unſerm Schoͤpfer doch dafuͤr.
Endlich wird des Schwefels Weſen
Schwe - fel.
Auch noch zu betrachten ſeyn.
Dieſer iſt theils auserleſen,
Theils iſt er nicht voͤllig rein.
Beyde Sorten ſind zu finden
Jn den tiefen Bergwerksgruͤnden:
Beyde werden auch gemacht,
Und, durch Kunſt, hervorgebracht.
Jene bricht man aus der Erden,
Wie man ſonſten Steine bricht.
Dieſe, dahingegen, werden
Durch das Feuer zugericht’t,
Und, wenn man Metallen brennet,
Durch die Hitze abgetrennet,
Da man ihn, wenns ausgegluͤht,
Jn den Gruben liegen ſieht.
Lebendig wird der genennet,
Den man graͤbt, der rein und weich,
Der die Kraft der Glut nicht kennet,
Und, an Farbe, geldlich bleich.
Pferdeſchwefel heißt hingegen,
Wenn ſich grobe Hefen legen
An dem Rande, nach der Glut,
Welches dieſer immer thut.
Was37uͤber das Reich der Metalle.
Was das Weſen nun angehet,
Draus der Schwefel eigentlich
Wie erweislich iſt, beſtehet,
Wenn mans ſucht, ſo findet ſich,
Daß mit einem ſcharfen Oele
Sich ein ſaurer Geiſt vermaͤhle,
Welcher, wenn mans recht ermißt,
Etwas vitrioliſch iſt.
Jedes von den beyden Dingen,
So ich alleweil beruͤhrt,
Kann man leichtlich aus ihm bringen,
Wenn man Schwefel ſeparirt.
Ja noch mehr, was noch das meiſte,
Aus dem vitriolſchen Geiſte,
Und aus Oel von Terpentin,
Zeugt, formirt und macht man ihn.
Weil denn nun des Schwefels Theile
Oelig, folglich fluͤchtig, ſeyn;
Brennt er in geſchwinder Eile
Durch des Feuers Macht und Schein,
Welches bloß ein ſchnelles Regen
Und ein ploͤtzliches Bewegen
Fetter Theilchen, deren Trieb
Unſer Kiel beym Feur beſchrieb.
Wenn zugleich nun ſaure Saͤfte
Mit des Schwefels Oel gemiſcht,
Sind dadurch derſelben Kraͤfte
Mehr zu brennen angefriſcht.
Nichts iſt heftiger im Brennen,
Wie wirs klaͤrlich ſpuͤren koͤnnen,
Als dann, wenn ein ſaurer Geiſt,
Durch die Glut, vom Oel ſich reißt.
C 3Wer38Betrachtungen
Wer ihn mit Salpeter menget,
Und dazu noch Kohlen thut,
Hat das Pulver, welches ſprenget,
Und mit Blitz geſchwinder Glut
Schmettert, ſtuͤrzet und erſchuͤttert,
Wuͤhlt, zerreißet und zerſplittert.
Felſen ſelber wirft ihr Grimm,
Durch ihr ſchnelles Drengen, uͤm.
Sehn wir nun in Arzeneyen
Unſers Schwefels Eigenſchaft,
Haben wir uns ſehr zu freuen
Seiner wunderbaren Kraft.
Jn gefaͤhrlichen Geſchwuͤren,
Unſre Lungen zu curiren,
Auch die Saͤur in unſerm Blut,
Jſt nichts ſo bewehrt und gut.
Wider Biſſe giftger Schlangen
Kann man von dem Schwefel auch
Linderung und Huͤlf erlangen
Durch vernuͤnftigen Gebrauch.
Ferner iſt er trefflich nuͤtze
Zu des Fiebers wilden Hitze.
Durch ihn wird die Haut geheilt,
Wenn ſie Raͤud und Kraͤtze theilt.
Dieß ſcheint folgends zu geſchehen:
Durch des Schwefeloͤles Kraft
Muß ein ſtarker Trieb entſtehen
Jn des Blutes traͤgem Saft.
Denn des Oeles runde Theile
Drehen ſich in ſchneller Eile;
Weil ihr luftger Geiſt ſie dehnt,
Der ſich zu befreyen ſehnt.
Was39uͤber das Reich der Metalle.
Was nun unſerm Koͤrper ſchadet,
Wird zugleich mit ausgefuͤhrt:
Da dann, wann ſichs Blut entladet,
Es viel beſſer circulirt.
Durch das Spannen und das Dehnen
Werden Adern, ſammt den Sehnen,
Von der zaͤhen Feuchtigkeit,
Die das Oel zertheilt, befreyt.
Wie der Schwefel viele Sachen,
So erhaͤlt er auch den Wein;
Um ihn dauerhaft zu machen,
Thut man ihn ins Faß hinein,
Laͤßt nur ein klein Stuͤckchen brennen,
Da ſich denn die Duͤnſte trennen,
Die er theilt, und theils verzehrt,
Wodurch denn der Wein nicht gaͤhrt.
Bleyerzt ein metalliſch Weſen
Wird aus Holl - und Engelland,
Aus dem letzten auserleſen,
Grob aus Holland, uns geſandt:
Jenes iſt recht ſchoͤn zum Reißen,
Dieß macht altes Eiſen gleißen;
Woraus man denn in der That
Mannichfachen Nutzen hat.
Von der Halbmetallen Saͤften
Sagte man viel mehr mit Fug:
Doch dieß ſey von ihren Kraͤften,
Und zumal vom Schwefel, gnug.
Alles kann man nicht ergruͤnden,
Gnug, daß wir den Schoͤpfer finden,
Der, durch Weisheit, Lieb und Macht,
Sie, fuͤr uns, hervorgebracht.
C 4Ew’ger40Betrachtungen
Ew’ger Urſprung aller Dinge,
Aller Kraͤfte Wunderquell!
Wenn ich dein Geſchoͤpf beſinge,
Zeigt mir jedes klar und hell,
Daß allein dein goͤttlich Weſen
Uns und ſie dazu erleſen,
Daß wir dich in ihnen ſehn,
Und in ihnen dich erhoͤhn.
Laß mich doch auf dieſer Erden
Dieſes wohl beherzigen!
Laß mich nimmer muͤde werden!
Sondern gieb, daß ich erkenn,
Daß die Dinge, die wir ſehen,
Alle bloß durch dich beſtehen,
Daß von deinem Allmachtsſchein
Alle Dinge Zeugen ſeyn.
Von41uͤber die Steine.

Von den Steinen.

Laßt uns itzt dann Gott, zu Ehren,
Weiter ins Naturreich gehn,
Und uns zu den Steinen kehren,
Deren Meng und Nutzen ſehn.
Denn, ſowohl als in Metallen,
Finden wir in ihnen allen,
So man nimmer gnugſam ſchaͤtzt,
Was uns nuͤtzt, und auch ergetzt.
Was wir irgend Steine nennen,
Das ſind Koͤrper, welche feſt,
Wovon keiner gern ſich trennen,
Weniger behaͤmmern laͤßt;
Koͤrper, welche, wie wir ſehen,
Aus verſchiednem Stoff beſtehen,
Sie zergehn nicht in der Flut,
Weichen auch nicht leicht der Glut.
Wie dieſelben in der Erden
Der Naturgeiſt zeugt und macht,
Kann gar wohl erwieſen werden;
Wenn man es genau betracht,
Wird es uns von ſelbſt erklaͤret,
Da uns die Erfahrung lehret,
Daß der Stoff von einem Stein
Anfangs muͤſſe fluͤßig ſeyn.
C 5Naͤm -42Betrachtungen
Naͤmlich, man wird immer finden,
Daß mit einer Feuchtigkeit
Kleiner Kieß und Sand verbinden.
Koͤmmt es nun zur Trockenheit,
Da das Waͤßrichte vergehet,
Und verduͤnſtet, dann entſtehet
Ein ſo harter Koͤrper draus:
Deutlich zeigts ein Ziegelhaus.
Wo man naͤmlich uͤberzeuglich
Steine durch die Kunſt formirt,
Da der Leim, der anfangs weichlich,
Feuchte Theilchen mit ſich fuͤhrt,
Die faſt kleinen Schlangen gleichen,
Welche dem Gefuͤhle weichen,
Bis ſie, wie vorher geſagt,
Luft und Glut herausgejagt.
Da ſodann die andern Theile,
Als die aͤſtefoͤrmig ſeyn,
Starre werden und in Eile
Zum vollkommnen harten Stein.
Auf dieſelbe Weiſe werden
Jn, ſowohl als auf, der Erden,
Alle Steine zugericht’t,
Die man in dem Bergwerk bricht.
Wie ſo ſehr uns Steine nuͤtzen,
Trifft man, mit Erſtaunen, an,
Da uns nichts ſo ſehr beſchuͤtzen,
Vom Vergehn uns retten kann:
Da wir in der Erde Gruͤnden,
Wenn man ſie erwaͤgt, befinden,
Wie der ganze Bau der Welt
Durch die Felſen ſich erhaͤlt.
Wuͤrde43uͤber die Steine.
Wuͤrde dem verzehrnden Brennen
Unſrer unterirdſchen Glut
Erde widerſtehen koͤnnen?
Auch der unterirdſchen Flut
Drengen, Preſſen, Laſt und Drucken
Wuͤrd uns ſtuͤrzen und verſchlucken,
Da wir itzt, durch Fels und Stein
Unterſtuͤtzet, ſicher ſeyn.
Eh wir aber weiter gehen,
Laſſet uns zuvor einmal
Eine kleine Probe ſehen,
Wie ſo groß der Steine Zahl.
Weil wir aus der Menge ſchließen,
Und erſtaunt bewundern muͤſſen
Jhres Schoͤpfers Wundermacht,
Welcher ſie hervorgebracht.
Iaſpis, Adamas, Achates,
Lydius, Autoglyphus,
Boſtrychites, Aſpilates,
Citrinus, Ammochryſus,
Galarictis, Argyritis,
Alabaſtrum, Anachitis,
Amethyſtus, Androas,
Bezoar, Androdamas.
Gloſſopetra, Cactonſites,
Baſanus, Iſodomus,
Aerizuſa, Hephæſtites,
Crocias, Balaſſius,
Aegyptilla, Belemnites,
Corallina, Narciſſites,
Baptes, Horio, Ornicus,
Eureos, Bufonius.
Exa -44Betrachtungen
Exacolithos, Chloates,
Borea, Corneolus,
Aſtrobolus, Cerachates,
Brontia, Lyncurius,
Chryſolampis, Echinites,
Cos, Gangitis, Epiſtites,
Daphnia, Camaſeus,
Agapis, Carbunculus
*Der Herr Verfaſſer hatte noch 17 Strophen von Steinen auf dieſe Art gemacht, welche wir aber aus Beyſorge, dem Leſer beſchwerlich zu ſeyn, weg - gelaſſen.
*.
Viel iſt hier, doch vieles fehlet;
Jch verſichre dich, die Zahl,
Die ich mir und dir erzaͤhlet,
Jſt die Haͤlfte nicht einmal
Von den Steinen, die wir ſehen
Jn den Tiefen, auf den Hoͤhen;
Nehmt denn hier des Schoͤpfers Macht
Jn der Steine Meng in Acht!
Dieſe vorerwaͤhnten Steine
Theilet man, wie billig, ein
Jn gemein und ungemeine,
Und die mittler Gattung ſeyn.
Die gemeinen ſind zu finden
Jn den Bergen, Flaͤchen, Gruͤnden;
Allenthalben find’t man ſie,
Und die meiſten ohne Muͤh.
Jhre45uͤber die Steine.
Jhre Menge zeigt in ihnen
Gottes Lieb und Weisheit an,
Da man ihrer ſich bedienen,
Und am meiſten nuͤtzen kann,
Giebt ſie Gott in ſolcher Menge.
Jhre Groͤße, Breite, Laͤnge,
Haͤrte, Dicht - und Feſtigkeit
Zeigt den großen Unterſcheid.
Laßt uns denn nun weiter eilen,
Die gemeinen anzuſehn,
Die ſich ſo verſchiedlich theilen,
Und, wie jeder muß geſtehn,
All in ihrer Art zu nutzen,
Da ſie Kaͤlt und Regen trutzen,
Ja fuͤr Feinde, Feu’r und Wind
Uns ein ſichres Schirmdach ſind.
Wenn es regnet, ſtuͤrmet, blitzet,
Denket man wohl einſt daran,
Daß man unter Daͤchern ſitzet,
Daß man ſich beſchuͤtzen kann?
Der Soldatenſtand, das Reiſen
Koͤnnen uns am beſten weiſen,
Wenn uns Kaͤlt und Wetter ſchreckt,
Daß der gluͤcklich, wer ſich deckt.
Was wir aus den Felſen hauen,
Nuͤtzt uns auf ſo manche Art,
Zu dem Grunde, wenn wir bauen.
Waſſer wird nie ſo verwahrt,
Als in Felſen, weil ſie dauren.
Unſre ſtarke Feſtungsmauren,
Gaſſen, Pflaſter, Leichenſtein
Werden meiſt aus Felſen ſeyn.
Muß46Betrachtungen
Muß ſich nicht der Sandſtein ſchicken
Zu ſo mancherley Gebrauch?
Aus deſſelben Quaderſtuͤcken
Baut man Haͤuſer, ſchmuͤckt ſie auch,
Da er ſich ſo leicht laͤßt theilen.
Wie viel ſchoͤne Bilder, Saͤulen,
Stiegen, Brunnen, Thuͤrgericht,
Macht man aus dem Sandſtein nicht?
Thuͤrme, Thore, Kirchen, Schloͤſſer,
Oeffentliche Haͤuſer auch,
Bauet man aus Sandſtein beſſer,
Als aus andern. Zum Gebrauch,
Zur Bequemlichkeit der Staͤdte,
Wird ſo manches Hausgeraͤthe,
Theils zur Noth, und theils zur Pracht,
Aus dem Sandſtein uns gemacht.
Mit dem Kalk ſich wohl zu binden
Jſt des Sandſteins Eigenſchaft.
Mehr iſt noch an ihm zu finden,
Wann des Muͤhlſteins rege Kraft
Das ernaͤhrende Getreide
Klein zerreibt zum Nutz, zur Freude,
Weil ja auch die Muͤhlenſtein
Arten von dem Sandſtein ſeyn.
Schiefer, die die Schweizer brechen,
Decken unſre Haͤuſer zu:
Durch die wohlgefuͤgten Flaͤchen
Wuͤnſcheſt und verlangeſt du
Was vergeßlich zu behalten;
Laß ſie nur in Tafeln ſpalten,
Da denn, durch die weiße Schrift,
Sich ein Denkmaal leichtlich ſtift.
Zum47uͤber die Steine.
Zum Poliren, Ebnen, Glaͤtten
Wird der Bimmsſtein oft gebraucht,
Welcher aus den Feuerſtaͤten,
Wo ein ſteter Schwefel raucht,
Wo es immer brennt und flammet,
Aus den Brandgebirgen ſtammet,
An dem mittellaͤndſchen Meer,
Der iſt locker, und nicht ſchwer.
Muß, um Waſſer wohl zu faſſen,
Sich der rauhe Toftſtein nicht
Nutzbarlich gebrauchen laſſen?
Wenn er kuͤnſtlich zugericht’t,
Und mit Glas und Gips vermenget,
Wehrt er, daß kein Waſſer drenget
Durch die Tuͤnche, die ſich dann
Von der Wand nicht trennen kann.
Welchen Nutz und Vortheil bringet
Der gemeine Feuerſtein,
Da das Feur, ſo aus ihm ſpringet,
So bequem des Lichtes Schein
Gleich im Augenblicke zeuget,
Wanns durch Stahl aus Kieſel ſteiget,
Den, ob er gleich Feuer hegt,
Man doch ſicher bey ſich traͤgt.
Kieſel koͤnnen uns ſehr dienen,
Glas wird draus hervorgebracht:
Auch hat der Chymiſt aus ihnen
Manchen ſchoͤnen Stein gemacht.
Man hat in den Arzeneyen
Sich der Kieſel auch zu freuen;
Denn er trocknet, wohlbereit,
Die zu viele Feuchtigkeit.
Laſſet48Betrachtungen
Laſſet uns hier nicht vergeſſen
Des beruͤhmten Bruchſteins Kraft;
Sondern laßt uns doch ermeſſen
Seine große Eigenſchaft:
Dieſer, wenn ein Bein gebrochen,
Macht in Kurzem wieder Knochen,
Ja er lindert bald die Pein;
Laßt mir das ein Wunder ſeyn!
Ja, wie viele von ihm ſchreiben,
Kann der Bruchſtein gar die Peſt
Aus dem kranken Koͤrper treiben,
Wenn man mit ihm ſchwitzen laͤßt.
Beinbruchspulver macht die Zaͤhne
Feſte, glaͤnzend, weiß und ſchoͤne;
Ja ſelbſt in des Fiebers Hitz
Jſt er gleichfalls trefflich nuͤtz.
Wenn wir nun noch weiter gehen,
Treffen wir den Kalkſtein an,
Deſſen Kraft man kaum verſtehen,
Noch den Vortheil zaͤhlen kann;
Und daß wir ihn nuͤtzen koͤnnen,
Muß ſtets gleiches Feur ihn brennen,
Weil, wo Kaͤlte zu ihm dringt,
Jhn hernach kein Feur mehr zwingt.
Seine Wirkung ſcheint zu kommen,
Weil er von der ſteten Glut
Kleine Theilchen eingenommen,
Die, als Feinde von der Flut,
Alsbald, wenn ſie Naß empfinden,
Schnell ſich loͤſen und entzuͤnden,
Daß das Waſſer ſchaͤumt und ſauſt,
Und gewaltig kocht und brauſt.
Wie49uͤber die Steine.
Wie uns Kalk im Bauen nuͤtze,
Jſt ja wohl bekannt genug,
Daß er alles Bauwerks Stuͤtze,
Leugnet wohl kein Menſch mit Fug:
Aber, daß in Medicinen
Seines Waſſers Kraͤft uns dienen,
Und zumal im Krebs und Brand,
Dieß iſt allen nicht bekannt.
Fiſtelſchaden, Krebs und Beulen,
Wanns mit Wachs und Oel gemiſcht,
Kann es faſt ohn Wundmahl heilen;
Tuch entfleckt es; es erfriſcht
Unſrer Augen Roͤth und Hitze;
Ja es iſt zumalen nuͤtze,
Wenn die Haut durchs Feu’r verletzt,
Daß es kleine Blaſen ſetzt.
Weil in ihrem Stoff und Kraͤften
Kalk und Gyps ſehr nahe ſtehn,
Da ſie beyde leicht ſich heften,
Laßt uns auch den Gyps beſehn.
Gyps wird meiſt der Kalk genennet,
Welchen man ſo ſtark nicht brennet.
Dieſer Stein, nur daß er weich,
Jſt dem Alabaſter gleich.
Groß und leichte Bilderſaͤulen,
Theils zur Model, theils zur Pracht,
Da es ſich ſo leicht laͤßt theilen,
Werden aus dem Gyps gemacht.
Wenn man ihn mit Steinen menget
Und mit Milch und Bley; ſo drenget
Sich des Gypſes Stoff ſo feſt,
Daß es recht wie Marmor laͤßt.
DFriſch50Betrachtungen
Friſch getuͤnchte Zimmer ſchmuͤcket
Mahlwerk, ſo des Kuͤnſtlers Geiſt
Jn den Gyps mit Farben druͤcket,
Welches man al freſco heißt.
Zartes Laubwerk wird formiret,
Und ſo nett aus Gyps poßiret,
Daß es oft, als wenn es lebt,
Unterm Boden gleichſam ſchwebt.
Nach betrachteten gemeinen,
So zu Gottes Ruhm geſchehn,
Laßt uns itzo von den Steinen
Auch die Mittelgattung ſehn,
Die ſich fuͤglich in drey Claſſen
Nach der Ordnung theilen laſſen,
Da ſie ſo an Form und Schein,
Als am Nutzen, ſchaͤtzbar ſeyn.
Die man Schoͤnheits halber ſchaͤtzet,
Das ſind: Marmor, Fraueneis,
Spath, und was kein Feur verletzet,
Talk, imgleichen Federweiß.
Marmor iſt ein feſtes Weſen,
Rein, ſubtil und auserleſen
Jſt der Sand, draus er beſteht,
Der daher nicht leicht zergeht.
Weil ſein Stoff, draus er formiret,
Gleich auf allen Seiten druͤckt,
So wird er ſo leicht poliret,
Und mit ſolchem Glanz geſchmuͤckt;
Wenn man ihn zu anfangs graͤbet
Und ihn aus der Erden hebet,
Jſt er anfangs nicht ſo feſt,
Daß er ſich leicht ſpalten laͤßt.
Aber51uͤber die Steine.
Aber koͤmmt er erſt am Lichte
Eine Zeitlang aus der Gruft,
Wird er haͤrter, feſt und dichte
Durch die Zeit und durch die Luft.
Wer wird alle Dinge nennen,
Zaͤhlen und beſchreiben koͤnnen,
Die man, ſo zur Daur als Pracht,
Aus dem glatten Marmor macht?
Wie viel Saͤulen, Fluren, Pflaſter,
Bilderſaͤulen, Thuͤrgericht,
Haut man aus dem Alabaſter
Und Porphyr und Marmor nicht?
Ja es machen Menſchenhaͤnde
Aus denſelben ganze Waͤnde:
Ganze Haͤuſ - und Schloͤſſer ſeyn
Aufgefuͤhrt aus Marmorſtein.
Marmorſtaub wird auch zu Pflaſter,
Weil es trocknet, oft gebraucht.
Wann man Graus vom Alabaſter,
Nebſt dem Kalk, in Waſſer taucht,
Wird der Stoff daraus formiret,
Welcher unſre Zimmer zieret,
Da man, zur erlaubten Pracht,
Leiſten, Laub und Bilder macht.
Welcher ſchoͤnen Farben Menge
Trifft man in dem Marmor an?
Wer iſt, der der Adern Gaͤnge
Fremde Bildung zaͤhlen kann?
Welcher iſt, wenn er poliret,
Den ſein ſchoͤner Glanz nicht ruͤhret?
Ruͤhret euch nun ſeine Pracht,
Denkt an Gott, der ihn gemacht!
D 2Jn52Betrachtungen
Jn Europa hier und dorten
Find’t man ihn im Ueberfluß;
Welſchland zeugt ſo viele Sorten,
Daß man ſich verwundern muß.
Auch in Frankreich, auch in Sachſen
Laͤſſet Gott viel Marmor wachſen.
Laßt uns, wenn wir Marmor ſehn,
Denken: Gott! dein Werk iſt ſchoͤn.
Jn dem Marmor ſieht mein Auge,
Von der aͤmſigen Natur,
Und wie ſie zu ſcherzen tauge,
Eine ſonderbare Spur.
Sollt uns nun ihr Spiel nicht lenken,
An den Schoͤpfer zu gedenken,
Welcher ſtets der Erden Geiſt,
Uns zum Nutzen, wirken heißt?
Unter ſchoͤnen glatten Steinen
Wird das Fraueneis geſetzt,
Welches man, wie viele meynen,
Fuͤr den Mondſtein ſonſt geſchaͤtzt,
Den man Selenites nennet,
Aber itzo nicht mehr kennet;
Dieſer Stein iſt uͤberall
Ganz durchſichtig, wie Cryſtall.
Und doch laͤſſet er ſich trennen
Ohne Muͤhe, wie denn wir
Jhn in Blaͤttlein theilen koͤnnen,
Die noch duͤnner, als Papier,
Und dadurch ſind viele Sachen
Aus dem Spiegelſtein zu machen;
Fenſterſcheiben, Leuchten auch
Reicht die Klarheit zum Gebrauch.
Er53uͤber die Steine.
Er wird leicht durchs Feu’r vernichtet,
Und wird Pulver draus gebracht,
Das die Haut, ſo runzlicht, ſchlichtet;
Auch wird Gyps daraus gemacht.
Gott hat es in Morcan, Meißen,
Und in Welſchland wachſen heißen,
Auch in Cappadocia,
Cypern, und in Africa.
Da nun dieß, wie ihr geleſen,
Uns erfreun und nuͤtzen kann:
Sehet denn ſein zartes Weſen
Mit vergnuͤgten Augen an!
Uns zum Nutz, und Jhm zu Ehren
Heißet Gott auch das ſich mehren;
Auch das klare Fraueneis
Zeiget ſeines Schoͤpfers Preis.
Ferner iſt auch in den Gruͤnden
Von den Steinen, welche glatt,
Eine Sorte noch zu finden,
Dieſen nennt man meiſtens Spath.
Engelland und Augſpurg reichet
Uns denſelben, und er gleichet
Dem cryſtallnen Gyps, den man
Zu Montmaſtre graben kann.
Weißer iſt jedoch und ſchoͤner
Dieſer itzterwaͤhnte Stein,
Und noch glaͤnzender, als jener,
Sein ſo angenehmer Schein.
Schuppenweiſe waͤchſt er immer,
Und ſein Weſen voller Schimmer
Hat, nebſt mancher andern Kraft,
Eine trocknend Eigenſchaft.
D 3Wenn54Betrachtungen
Wenn man will Metallen gießen,
Braucht man gerne dieſen Stein,
Als wodurch ſie leichtlich fließen
Und zum Guß bequemer ſeyn;
Auch zum Formen wird’s genommen.
Daß wir Spath nun auch bekommen,
Uns zum Nutz, aus finſterm Schacht,
Machet der, der alles macht.
Unter den ſo ſchoͤnen Steinen,
Welche glaͤnzen,, findet man
Auch den Talk, deß weißes Scheinen
Man nicht gnug bewundern kann.
Dieſer pflegt ein Stern der Erden
Jnsgemein genennt zu werden:
Er ward, weil er nicht verbrannt,
Argyrodamas genannt.
Man kann ihn zum Fluß nicht bringen,
Weil er nimmermehr zergeht;
Keine Glut kann ihn bezwingen
Und beſiegen. Er beſteht
Aus den ſilbergleichen Blechen,
Die ſehr duͤnn, und leichtlich brechen.
Als ein Dacht wird er gebraucht,
Welches nicht im Feu’r verraucht.
Er iſt dienlich, viele Sachen,
Zum Exempel, Thon und Erz,
Weiß, dem Silber gleich, zu machen,
Er verwehrt der Zacken Schmerz;
Er ſoll auch den Blutfluß mindern,
Und noch manche Krankheit lindern.
Brauchen wir nun dieſen Stein,
Laßt uns Gott denn dankbar ſeyn!
Da55uͤber die Steine.
Da auch Talk betrachtet worden
Zu des großen Schoͤpfers Preis,
Folgt zuletzt in dieſem Orden
Das noch haͤrtre Federweiß,
So man, weil es nicht verbrennet,
Vormals Amianth genennet;
Es iſt ſein Verband ſo feſt,
Daß es ſich nicht trennen laͤßt.
Recht wie Gold haͤlt es zuſammen,
Und beſiegt des Feuers Brand;
Ja, es reinigen die Flammen
Gar den weißen Amianth;
Zaͤſricht iſt ſein Weſen immer,
Faſt wie Woll, und ſeine Truͤmmer
Wurden einſt, itzt aber nicht,
Recht wie Faͤden zugericht.
Wenn ein Fuͤrſt ſonſt uͤberlebet,
Ward vordem von Amianth
Jhm ein Todtenhemd gewebet,
Und ſein Leib darinn verbrannt:
Daß ſich ja von ſeinen Beinen
Nicht die Aſche moͤcht vereinen
Mit der Aſche von dem Feur,
Hielt man dieſen Stein ſehr theur.
Doch, weil Koͤrper zu verbrennen
Jtzo nicht mehr der Gebrauch,
Wird man ihn nicht nuͤtzen koͤnnen.
Man kann ihn als einen Strauch
Auf den Pyrenaͤ’ſchen Hoͤhen
Mit Verwundern wachſen ſehen.
Oft wird noch aus ihm ein Dacht,
Welcher lange brennt, gemacht.
D 4Man56Betrachtungen
Man hat in den Arzeneyen
Auch des Amianthens Kraft
Sich beſonders zu erfreuen,
Da deſſelben Eigenſchaft,
Die zum Trocknen ſehr geneiget,
Sich im Blutfluß kraͤftig zeiget.
Laßt uns auch bey dieſem Stein
Seinem Schoͤpfer dankbar ſeyn!
Ferner kann ich einer Claſſen,
Wegen ihrer Nutzbarkeit,
Hier nicht unerwaͤhnet laſſen,
Deren man ſich oft erfreut.
Es ſind dieſe, die ich meyne,
Schmergel, Blut - und Laſulſteine,
Sammt dem leitenden Magnet,
Der wohl uͤber alle geht.
Aus Gallmey fließt, durch die Flammen,
Mit dem Kupfer, in der Glut,
Meßing wunderlich zuſammen,
Das zu vielen Dingen gut.
Macht man nicht hieraus Gefaͤße,
Von ſo mancher Art und Groͤße,
Zum Gebrauch und auch zur Zier?
Dankt dem Schoͤpfer denn dafuͤr!
Schmergel iſt von allen Steinen
Faſt der allerhaͤrtſte Stein,
Denn durch ihn, wer ſollt es meynen?
Macht man gar den Demant klein.
Kieſel, Marmor, Glas zu zieren,
Stahl und Eiſen zu poliren,
Daß ein heller Glanz ſie ſchmuͤckt,
Jſt der Schmergel nur geſchickt.
Nuͤtzet57uͤber die Steine.
Nuͤtzet alſo, wie man ſiehet,
Schmergel manchem Handwerksmann,
Daß, wofern er ſich bemuͤhet,
Er durch ihn ſich naͤhren kann:
Sollte denn nicht ſein Gemuͤthe
Seines Schoͤpfers Macht und Guͤte,
Wenn er Schmergel braucht, erhoͤhn,
Und auf Gott in allem ſehn?
Auch der Blutſtein iſt erfuͤllet
Mit recht wunderbarer Kraft,
Da er das Gebluͤte ſtillet,
Und der Adern rothen Saft
Aeußerlich und innwerts hemmet,
Gleichſam ſeinen Fluß verdaͤmmet,
Und, wenns heftig von uns eilt,
Uns faſt augenblicklich heilt.
Triefenden und bloͤden Augen
Jſt der Blutſtein gleichfalls gut,
Seine trockne Kraͤfte taugen
Zu verzehren ihre Flut.
Welcher nun dadurch curiret,
Und vom Blutſtein Huͤlfe ſpuͤret,
Soll denn der nicht GOtt allein,
Als dem Schoͤpfer, dankbar ſeyn?
Noch bezeugen Laſulſteine,
Daß mit Luſt der Nutzen auch
Jn denſelben ſich vereine,
Durch vernuͤnftigen Gebrauch.
Dieſe Steine ſind es eben,
Die uns viel Vergnuͤgen geben,
Woraus wir Ultramarin,
Die ſo rare Farbe, ziehn.
D 5Ferner58Betrachtungen
Ferner fuͤhrt er Gold. Sie ſchreiben,
Daß er die Melancholey
Oder Schwermuth zu vertreiben,
Ein unfehlbar Mittel ſey.
Da nun Nutzen und Vergnuͤgen
Jn den Laſulſteinen liegen,
Laßt uns doch, wenn wir ſie ſehn,
Den, der ſie gemacht, erhoͤhn!
Nunmehr koͤmmt auch deine Reihe,
Unbegreiflicher Magnet!
Dem ich meinen Kiel itzt weihe,
Ob mein Geiſt gleich gern geſteht,
Daß man keinen, auch von allen
Steinen, Halb - und Ganzmetallen,
Wie man auch dieſelbe nennt,
Beſſer nuͤtzt, und minder kennt.
Aber alle Schwierigkeiten
Hemmen meine Lieder nicht;
Es iſt, ſeine Seltenheiten
Zu verſtehn, nicht unſre Pflicht:
Sondern, wenn ich Gottes Werke
Jm Magnetſtein nur bemerke,
Und dazu den Geiſt erweck,
So erhalt ich meinen Zweck.
Des Magneten aͤußre Schalen
Sind veraͤchtlich, gar nicht ſchoͤn;
Es ſind an ihm weder Stralen,
Noch der mindſte Schmuck zu ſehn.
Haͤßlich, rauh und unanſehnlich,
Einem groben Felſen aͤhnlich,
Ohne Glanz und ſonder Schein,
Jſt der ſo beruͤhmte Stein.
Aber,59uͤber die Steine.
Aber, ob er gleich ſo haͤßlich,
So veraͤchtlich von Geſtalt,
Jſt dennoch faſt unermaͤßlich
Sein unſichtbare Gewalt,
Die der Menſchen Witz bemeiſtert.
Recht beſeelet, recht begeiſtert
Scheint der Stein. Er zeigt, er lehrt,
Wie man nimmer unrecht faͤhrt.
Wenn, mit Schrecken, Furcht und Grauſen,
Sich ein Schiff, bey ſchwarzer Nacht,
Durch der Stuͤrme graͤßlichs Brauſen,
Und der wilden Wellen Macht,
Ohne Weg und Zweck zu wiſſen,
Wuͤrde ſchlenkern laſſen muͤſſen,
Und man ſchenkt ihm dieſen Stein,
Wuͤrd er ihm ein Engel ſeyn.
Mitten auf dem wilden Meere,
Wo kein Weg, kein Strand, kein Grund, (Welches ſonſt unmoͤglich waͤre)
Macht der Stein den Weg uns kund.
Jn den dickſten Finſterniſſen
Kann, durch ihn, ein Schiffmann wiſſen,
Wo er iſt, und wie er wohl
Seine Segel lenken ſoll.
Da die Schiffahrt ſo gefaͤhrlich,
Die doch ſo viel Nutzen ſchafft,
Sieht man ja, wie unentbehrlich
Des Magneten Wunderkraft.
Gegen Abend, gegen Morgen
Waͤr die Welt uns noch verborgen;
Nordwerts waͤr auch manches Land
Sonder ihn uns unbekannt.
Zu60Betrachtungen
Zu wie vielen Wunderwerken
Jn der bildenden Natur,
Sie bewundernd zu bemerken,
Zeigt uns dieſer Stein die Spur!
Silber, Gold und Edelſteine
Werden dieſem Stein alleine,
Nebſt Gewuͤrz und Arzeneyn,
Meiſtens zuzuſchreiben ſeyn.
Scheint er nicht, beſeelt, zu leben,
Wenn man mit Erſtaunen ſieht,
Wie er Eiſen weis zu heben
Und es ſo gewaltig zieht,
Daß ſichs ploͤtzlich zu ihm fuͤget,
Wenns gleich ferne von ihm lieget?
So daß, wenn man es erblickt,
Jeder faſt darob erſchrickt.
Ja was noch viel mehr, er wirket,
Mit derſelbigen Gewalt,
Nicht nur frey, nein, auch bezirket,
Und verſchloſſen, dergeſtalt,
Daß, wie ich es oft geſehen,
Silber ihm nicht widerſtehen,
Ja kein Glas ihn hemmen kann,
Durch ſie zieht er Eiſen an.
Denket doch, auf welche Weiſe
Alles dieß gewirket ſey!
Wir bewundern, Gott zum Preiſe,
Am Magnete dreyerley:
Daß er uns die Angel zeiget,
Daß er Oſt - und Weſtwerts neiget,
Daß er Eiſen an ſich zieht,
Sind wir zu beſehn bemuͤht.
Wie61uͤber die Steine.
Wie hat man ſich nicht geplaget,
Des Magneten Eigenſchaft
Zu erforſchen. Einer ſaget:
Durch der Polgeſtirne Kraft
Werde der Magnet regieret;
Jener: daß ein Geiſt ihn fuͤhret;
Einer ſucht der Wahrheit Schein
Jn der Sympathie allein.
Der ſpricht: Um den Polis liegen
Große Berge von Magnet,
Die ihn mit gewaltgen Zuͤgen
Zwingen, daß er Polwerts geht.
Andre ſuchen zu erweiſen,
Daß aus dem Magnet und Eiſen,
Als aus welchen ſie beſtehn,
Kleine Haͤft - und Haͤklein gehn.
Andre ſchreiben ſein Bewegen
Einem eignen Willen zu;
Wie er in dem Schacht gelegen,
Such er wieder ſeine Ruh.
Der giebt dieß von ihm zu leſen:
Es vermag der Koͤrper Weſen
Nimmermehr ſich ſelbſt zu drehn,
Wie wir dieſes klaͤrlich ſehn.
Denn, wie er will, iſt die Erde
Selber nichts, als ein Magnet:
Daß nun ſie gedrehet werde
Um die Angel, dieß entſteht
Aus des Sonnenwirbels Kraͤften,
Die, mit ihren trocknen Saͤften,
Sich durch Luft und Erd ergießt
Und beſtaͤndig um ſie fließt.
Nicht62Betrachtungen
Nicht nur um die Erd alleine,
Spricht er, dreht der Wirbel ſich;
Sondern um Magnetenſteine
Dreht er ſich abſonderlich.
Wie er denn, nach ſeinen Schluͤſſen,
So wie er vermeynt zu wiſſen,
Auch fuͤr eine kleine Welt
Jeglichen Magneten haͤlt.
Welcher auch zween Angel fuͤhret,
Nach dem ausgedachten Schluß.
Durch dieſelbe circuliret
Der geſpitzten Koͤrper Fluß,
Der, wenn der beweglich ſtehet,
Jhn nach Norden dadurch drehet;
Weil der Fluß in ſeiner Flucht
Die gewohnten Loͤchlein ſucht.
Der meynt: daß der Fluß von oben
Gar zu weit geholet waͤr,
Giebt derhalben andre Proben,
Und vermeynet, daß ein Meer
Jn dem Mittelpunkt der Erde
Voll von Luft gefunden werde,
Welches immer aufwerts ſteigt,
Und ſtets den Magneten neigt.
Alle Dinge, die auf Erden
Fließen und nie ſtille ſtehn,
Alle dieſe, ſpricht er, werden
Jmmer ſich im Zirkel drehn.
Wie wir es am Blut von Thieren,
Und an unſerm Blute, ſpuͤren:
Alſo dreht und zirkelt ſich
Dieſe Luftflut ſtetiglich.
Wann63uͤber die Steine.
Wann wir deutlich koͤnnen ſpuͤren,
Welches jeder muß geſtehn,
Daß die Koͤrper ſtark gefrieren,
Wenn die Wind aus Norden wehn,
Scheinet ja recht klar und eigen
Dieſe Wirkung uns zu zeigen,
Daß von Luft ein ſtarker Fluß
Aus dem Nordpol kommen muß.
Wer begreift, wie es geſchehe,
Daß man oͤfters Kaͤlte ſpuͤrt,
Ob die Sonn gleich in der Naͤhe;
Auch oft, wenn ſie fern, nicht friert?
Durch den Luftfluß aus der Erden
Kann es aufgeloͤſet werden;
Es verurſacht dieß ſo bald,
Daß es mehr und minder kalt.
Dieſer Luftfluß nun regieret
Den Magneten, daß er ſich
Jmmer nach der Stelle fuͤhret,
Wie er anfangs innerlich
Jn der Erden iſt gelegen.
Daß ſein Ausfluͤſſ ſo ſich regen,
Und aus ihm, und in ihn gehn;
Kann man mit den Augen ſehn.
Wenn wir Loderaſche legen
Auf ein kleines ebnes Brett,
Und man klopft mit ſanften Schlaͤgen,
Bis ſie eben, glatt und nett,
So daß keine Tief - und Hoͤhen
Auf dem Taͤflein mehr zu ſehen,
Und man legt dann unſern Stein
Jn die Aſche ſanft hinein;
Sieht64Betrachtungen
Sieht man, wie ein ſchnell Bewegen
Jn dem Augenblick entſteht;
Sieht man ſich die Aſche regen,
Recht als wenn ein Wind drinn weht,
Sieht man gleich, wie ſchnell mit Haufen,
Rechts - und linksum, Striche laufen,
Die von unten aufwerts ſtehn,
Und von oben abwerts gehn.
Deutlich iſt hieraus zu ſchließen,
Wie und woher es entſteht,
Daß, wenn er herausgeriſſen,
Er die Polos ganz verdreht.
Wann Magneten aus der Erden
An die Luft gezogen werden,
Aendern, durch des Luftſtroms Strich,
Alſobald die Poli ſich.
Was vom Stein erſt Suͤdwerts lage,
Und worinn der Luftfluß drang,
Jn demſelben, wie er pflage,
Haͤlt er ſtets denſelben Gang;
Weil er in der Erden ſteiget,
Draußen aber gleich ſich neiget,
Muß auch der Magnet ſich drehn,
Und, was Suͤdwerts, Nordwerts gehn.
Wenn man vom Magneten lehret,
Daß er ſich zum kalten Nord
Jm geraden Striche kehret,
Jſt jedennoch mancher Ort,
Wo er etwas abwerts weichet,
Und den Nordſtrich nicht erreichet.
Koͤmmt aus dieſem innern Meer (Fragt ſichs nun) auch dieſes her?
Dieſes65uͤber die Steine.
Dieſes Weichen zu den Seiten
Haͤlt nicht ſtets denſelben Strich,
Sondern zu verſchiednen Zeiten
Kehrt er, und veraͤndert ſich:
Wie man es nunmehr erfahren,
Daß daſelbſten, wo vor Jahren
Der Magnet ſich Oſtwerts dreht,
Er anietzo Weſtwerts ſteht.
Dieß veraͤnderliche Weſen
Jſt wohl durch der Luͤfte Meer
Noch am beſten aufzuloͤſen;
Dieſes gehet hin und her:
Kann ſichs alſo leichtlich fuͤgen,
Daß ſich ſeine Striche biegen,
Und dadurch zuweilen ihn,
Den Magneten, mit ſich ziehn.
Oder, wie zween andre wollen,
Daß die Poli ſelbſt nicht ſtehn,
Und daher Magneten ſollen,
So wie ſich die Angel drehn,
Auch zugleich damit ſich drehen;
Welches wohl zuſammenſtehen,
Und mit unſerm Ocean
Sich gar fuͤglich paſſen kann.
Daß der Stein ſich ſtets bemuͤhet,
Und, obgleich es hart und ſchwer,
Nur das Eiſen an ſich ziehet,
Koͤmmt vermuthlich bloß daher;
Weil die Loͤchlein in dem Eiſen
Sich in allem gleich erweiſen
Mit den Loͤchlein, die wir ſehn
Durch Magnet und Eiſen gehn.
EDes66Betrachtungen
Des gelehrten Halleys Lehre
Jſt nicht ſonder Wahrheitsſchein,
Daß an unſrer Erdenſphaͤre
Nicht nur zween, vier Pole ſeyn,
Die beſtaͤndig an ſich ziehen:
Und dahin geht ſein Bemuͤhen,
Daß er zeigt, wie der Magnet
Oft ſich von dem Nordpol dreht.
Noch iſt vom Magnet zu merken,
Daß er recht verwunderlich
Sich durch Eiſen laſſe ſtaͤrken:
Ferner, daß das Eiſen ſich
Gleichſam von ihm ſchwaͤngern laſſe,
Und von ihm die Kraͤfte faſſe,
Daß es ſelbſt, wie der Magnet,
Sich ſtets nach dem Nordpol dreht.
Wie nun dieſes Ziehn geſchehe,
Davon ſchreibt Carteſius
Ziemlich deutlich. Jch geſtehe,
Daß ich mich verwundern muß,
Wie ſo ſehr vor andern allen
Seine Meynungen gefallen:
Doch glaub ich, die Folge wird
Zeigen, daß auch er geirrt.
Denn wie vieles iſt gelehret
Mit der groͤßten Deutlichkeit,
Das doch gaͤnzlich umgekehret
Durch die Gruͤnde kuͤnftger Zeit!
Moͤchten wir auf dieſer Erden
Doch einſt uͤberfuͤhret werden,
Wie ſo ungewiß und klein
Aller Menſchen Schluͤſſe ſeyn!
Moͤch -67uͤber die Steine.
Moͤchten wir in Gottes Werken,
Um ſein Allmacht zu erhoͤhn,
Mehr auf Gottes Weisheit merken,
Als auf unſer Wiſſen ſehn!
Beſſer als ein ſtolzes Zanken
Sind bewundernde Gedanken.
Die durch ihn geruͤhrte Bruſt
Wirkt, in unſrer, ſeine Luſt.
Ach, ſo gieb durch deine Guͤte,
Großer Gott, uns doch die Kraft,
Daß mit froͤlichem Gemuͤthe
Des Magneten Eigenſchaft
Dir zum Ruhm betrachtet werde!
Daß ſein Nutz an unſrer Erde,
Der ſo groß, ſo mancherley,
Dir nur zugeeignet ſey.
Nach betrachteten gemeinen,
Auch, ſo mittler Gattung ſeyn,
Laßt uns von den edlen Steinen
Den ſo angenehmen Schein
Beſſer, als wir ſonſten pflegen,
Auch zu Gottes Ruhm, erwaͤgen,
Und, wie farbenreich, wie ſchoͤn
Jhr polirter Schimmer, ſehn.
Was wir an denſelben ſchaͤtzen,
Jſt ſo ſehr nicht Nutz und Preis,
Als daß ſie das Aug ergetzen,
Da nunmehr ein jeder weis,
Daß ihr Nutz in Arzeneyen
Meiſtentheils nur Pralereyen,
Ja daß es Betriegerey,
Und nicht ſelten ſchaͤdlich ſey.
E 2Aber,68Betrachtungen
Aber, wenn man, wie ſie ſtralen,
Wie ſo ſchoͤn ſie funkeln, ſieht;
Wie, in ihren glatten Schalen,
Ein gefaͤrbter Schimmer gluͤht;
Wie ſie glaͤnzen, wie ſie ſpielen:
Kann das Herz durchs Auge fuͤhlen,
Jhre Zierd und ihre Pracht
Sey zu unſrer Luſt gemacht.
Denn, obgleich ihr funkelnd Prangen,
Glanz, und Farben anders nichts,
Als ein Gut, ſo ſie empfangen,
Als ein Wiederſchlag des Lichts;
Kann es keiner doch verneinen,
Daß ihr Glanz und Lieblichsſcheinen,
So in ihnen blinkt und flammt,
Nicht aus ihrem Stoff mit ſtammt.
Wenn ein Stein die Haͤrt und Glaͤtte,
Und zwar im gewiſſen Grad,
Nicht in ſeinem Weſen haͤtte,
Wie er itzo wirklich hat,
Wuͤrde nie das Wiederprallen
Von dem Licht uns ſo gefallen,
Wuͤrd es nie ſo hell, ſo rein
Von uns anzuſehen ſeyn.
Laßt uns alſo, Gott zu Ehren,
Wenn ſich Licht und Stein vereint
Und, um unſre Luſt zu mehren,
So vortrefflich wiederſcheint,
Mit vergnuͤgtem Herzen denken,
Daß nur Gott uns koͤnnen ſchenken
Schoͤne Vorwuͤrf, das Geſicht,
Und das helle Sonnenlicht.
Alle69uͤber die Steine.
Alle Dinge, die auf Erden,
Jn der klein - und großen Welt,
Von uns angetroffen werden,
Was uns in die Sinne faͤllt,
Alle Schoͤn - und Seltenheiten
Sollen uns zum Schoͤpfer leiten;
Laßt denn jeden Edelſtein
Jetzt dazu ein Fuͤhrer ſeyn.
Diamant, Smaragd, Granaten,
Hyacinth, Sapphir, Rubin,
Jris, Carniol, Agaten,
Giraſol, Aquamarin,
Amethyſt, Beryllus, Onyx,
Jaſpis, Chryſolith, Sardonyx,
Tuͤrkis, Sarder und Opal,
Jſt der ſchoͤnſten Steine Zahl.
Der Dia - mant.
1
Aller edlen Steine Zierde
Jſt der helle Diamant:
Mit Bewundrung und Begierde
Sieht man ſeinen reinen Brand.
Jn den nettgeſchliffnen Ecken
Scheinet Glut und Flut zu ſtecken,
Wenn auf tauſend Art das Licht
Sich in ſeinen Tafeln bricht.
Seine Haͤrt iſt nicht zu zwingen,
Wodurch er dem Glaſer nuͤtzt,
Durch das ſproͤde Glas zu dringen,
Das er zierlich trennt und ritzt.
Wann wir beym Smaragd ihn legen,
Soll man ihn doch ſchmelzen moͤgen;
Welches, daß er ſo ſich beugt,
Homberg uns zuerſt gezeigt.
E 3Wenn70Betrachtungen
Wenn wir Diamanten ſehen,
Die ſo hell, ſo weiß, ſo rein,
Laßt uns unſern Gott erhoͤhen,
Weil auch ſie geſchaffen ſeyn
Uns zur Luſt, und ihm zu Ehren,
Welche beyde zu vermehren
Uns aus Liebe Gott gebeut.
O der ſuͤßen Schuldigkeit!
Der Sma - ragd.
1
Laſſet uns nun weiter gehen,
Des Smaragden gruͤne Pracht
Mit Vergnuͤgen anzuſehen,
Deſſen Schein uns recht anlacht
Und mit holdem Licht anſtralet;
Wie das Gras der Fruͤhling mahlet,
Eben mit ſo gruͤnem Licht
Fuͤllet er uns das Geſicht.
Es ſind von Smaragd die beſten
Aus Oſtindien gebracht,
Doch bringt man ſie aus dem Weſten
Auch, jedoch von mindrer Pracht.
Man will von Smaragden merken,
Daß ſie unſer Auge ſtaͤrken,
Daß beym Bauchfluß ihre Kraft,
Wie beym Blutfluß, Huͤlfe ſchafft.
Der Gra - nat.
1
Ferner koͤmmet zu betrachten
Auch der roͤthliche Granat,
Der, wenn wir darauf recht achten,
Farben, wie ein Feuer, hat.
Seine Roͤth iſt zwar verdunkelt,
Dennoch ſcheinet ſie und funkelt,
Daß die ſanfte Lieblichkeit
Oefters Aug und Herz erfreut.
Jhrer71uͤber die Steine.
Jhrer ſind verſchiedne Sorten.
Die man uns aus Oſten bringt,
Sind fuͤr die aus andern Orten
Koͤſtlicher, jedoch entſpringt
Aus denſelben in Arzneyen
Gleicher Nutz, denn ſie befreyen
All, ob ſie gleich nicht ſo theur,
Von des Salzes Schaͤrf und Saͤur.
Hya - cin - then.
1
Hyacinthen ſind imgleichen
Schoͤn von Farben, roͤthlich weiß,
Gelblich auch, jedennoch weichen
Unſre hier an Farb und Preis
Denen, die uns Oſten giebet,
Drum ſind ſie auch mehr beliebet,
Sie ſind groͤßer, glaͤnzender,
Haͤrter und weit lieblicher.
Dieſer Stein iſt gelb zuweilen
Wie der Brennſtein, und recht ſchoͤn,
Er ſoll Muth und Freud ertheilen,
Auch dem Gifte widerſtehn.
Aber dieſes ſind Gedichte.
Dennoch hoͤrt, was er verrichte,
Er iſt gegen Saͤure gut,
Stopft den Bauchfluß und das Blut.
Sap - phir.
1
Wie wird unſer Aug ergetzet
Durch den lieblichen Sapphir,
Den man darum herrlich ſchaͤtzet,
Weil wir ſelbſt des Himmels Zier
Jn dem wunderſchoͤnen Blauen
Mit vergnuͤgtem Herzen ſchauen;
Moͤchtſt du mir, geliebter Stein,
Oft ein Himmelsſpiegel ſeyn!
E 4Man72Betrachtungen
Man vermeynt von dieſem Steine,
Daß derſelbe zweyerley,
Von verſchiednem Glanz und Scheine,
Daß er maͤnn - und weiblich ſey.
Weißlich, etwas waͤßrich gleißet
Der, den man uns maͤnnlich heißet;
Da der, den man weiblich nennt,
Kraͤftiger, und dunkler brennt.
Der Rubin.
1
Mit wie vieler Luſt und Freuden
Kann man nicht an dem Rubin
Die vergnuͤgten Augen weiden!
Recht wie Kohlen, welche gluͤhn,
Voller Licht, zumal im Dunkeln,
Sieht man ihn voll Feuer funkeln:
Schoͤner als das ſchoͤnſte Blut
Jſt die Farbe ſeiner Glut.
Bey der ſchoͤnen Roͤthe ſpielet
Auch in ihm ein blaͤulich Licht,
Das ſich meiſtens dann erzielet,
Wann ſichs in den Winkeln bricht.
Durch den Schimmer, der ihn ſchmuͤcket,
Wird der Geiſt im Blick erquicket.
Der Rubin ſoll, wenn er klein,
Auch ein Feind der Saͤure ſeyn.
Der Car - niol.
1
Angenehm, doch nicht ſo theuer,
Als der funkelnde Rubin
Und ſein blitzend heller Feuer,
Jſt der rothe Cornalin.
Dieſer mußte bey den Alten
Meiſt der Siegel Amt verwalten,
Denn die Kunſt praͤgt dieſem Stein
Allerley Geſtalten ein.
Von73uͤber die Steine.
Von der Fleiſchfarb wird er zwarten,
Dennoch Sarder auch genannt,
Weil man von verſchiednen Arten
Jn Sardinien ihn fand.
Braucht man dieſen, klein zerrieben,
Wird die Saͤure weggetrieben,
Dient er alſo zum Gebrauch,
Nuͤtzet und vergnuͤgt uns auch.
Da der Carniol beſehen,
Der Agat.
1 Trifft die Reihe den Agat,
Der von Baͤumen, Tief - und Hoͤhen
Manche Farb und Bildung hat,
Blumen, Kraͤuter, ganze Waͤlder,
Berge, Feſtungen und Felder,
Welche nicht zu zaͤhlen ſeyn,
Findet man an dieſem Stein.
Er iſt halbdurchſichtig, feſte,
Glatt, und meiſtens ſchoͤn geſchmuͤckt,
Doch iſt der der allerbeſte,
Welchen Jndien uns ſchickt,
Da wir ſonſt in Boͤheims Gruͤnden
Eine große Menge finden.
Er wird nach der Farben Stand
Auch verſchiedentlich genannt.
Der Gira - ſol.
1
Unter andern Edelſteinen
Trifft man noch ein Steinchen an,
Das man um ſein Gelblichſcheinen,
Giroſol wohl nennen kann.
Es empfaͤngt der Sonnen Glaͤnzen,
Und behaͤlts in ſeinen Grenzen;
Wenn wir ihn denn drehen ſehn,
Scheint die Sonne ſich zu drehn.
E 5Dieſe74Betrachtungen
Dieſe findt man oftermalen
Auch in einem andern Stein,
Wo ſie, nebenſt den Opalen,
Oftermals gefunden ſeyn,
Welche uns, recht ſchoͤn geſchmuͤcket,
Cypern und Aegypten ſchicket,
Ungarn und Arabien;
Doch die beſten, Jndien.
Der Ame - thyſt.
1
Ferner ſieht man lieblich ſtralen
Den polirten Amethyſt,
Welcher weiß, auch oftermalen
Purpurroth, auch blaͤulich iſt.
Er iſt glaͤnzend, hart, durchſichtig,
Und uns zu vergnuͤgen tuͤchtig,
Seine ſchimmerreiche Pracht
Wird aus Jndien gebracht.
Wie ſie von den Steinen ſchreiben,
Soll derſelben ſtarke Kraft
Bald den Rauſch vom Wein vertreiben;
Aber dieſe Eigenſchaft
Jſt nicht wahr, ob ſie den Namen
Vom Entrauſchen gleich bekamen;
Doch, als alkaliſch, bekaͤmpft
Er die Saͤure, die er daͤmpft.
Der Beryll.
1
Der Beryll, der gruͤnlich ſcheinet,
Wie die gruͤne Meeresflut,
Hat auch oft in ſich vereinet
Eine gruͤnlichgelbe Glut,
Welche man dabey erkennet,
Und ſie Goldberyllen nennet,
Oefters ſind ſie gelblich bleich,
Und dem Oel und Knoblauch gleich.
Dieſer75uͤber die Steine.
Dieſer Stein iſt in den Gruͤnden
Jndiens, auf Martaban
Jn Cambaya auch zu finden,
Jn Pegu und auf Zeilan;
Er iſt glaͤnzend und durchſichtig:
Klein geſtoßen, iſt er tuͤchtig,
Zu verſtopfen fließend Blut;
Auch iſt er im Bauchfluß gut.
Der Onyx.
1
Auch der Onyx glaͤnzt und ſpielet,
Voller Luſt und ſchimmerreich;
Wie ſein Name darauf zielet,
Jſt die Farbe Naͤgeln gleich.
Moſes ſchreibt von dieſem Steine
Und von ſeinem holden Scheine,
Nebenſt dem Bedellion,
Jn dem Paradieſe ſchon.
Jn Geſchwuͤren unſrer Augen
Soll der Onyx ſonderlich
Als ein gutes Mittel taugen.
Saͤure fuͤhrt er ab mit ſich,
Wenn wir ihn zu unſerm Frommen,
Klein zerrieben, eingenommen.
Jſt er alſo im Gebrauch
Nicht nur lieblich, nuͤtzlich auch.
Der Ja - ſpis.
1
Manche Schoͤnheit wird entdecket
Auch im Jaſpis, deſſen Schein
Muß gruͤn und mit Roth geflecket,
Wenn er anders echt iſt, ſeyn;
Ob man ihn gleich oͤfters findet,
Daß er ſich mit mehrerm bindet,
Wie ihn denn, wenn er polirt,
Manche ſchoͤne Farbe ziert.
Von76Betrachtungen
Von dem Jaſpis ſchicket immer
Uns den beſten, den man kennt,
So an Kraft, als auch am Schimmer,
Der ſo reiche Orient.
Saͤure wird durch ihn vertrieben,
Wenn er auf Porphyr zerrieben,
Wie er denn auch das Gebluͤt
Stopft, da er zuſammenzieht.
Der Topas.
1
Noch wird der Topas gefunden,
Den man Chryſolith auch nennt,
Drinn, mit guͤldenem verbunden,
Auch ein gruͤner Schimmer brennt,
Und ein achtſam Aug ergetzet.
Er wird mehrentheils geſchaͤtzet,
Daß er, als meiſt einerley,
Vom Smaragd die Mutter ſey.
Er iſt leichtlich zu poliren,
Jſt daher nicht gar zu theu’r.
Wenn wir Bauch - und Blutfluß ſpuͤren,
Stopft er ſie, und daͤmpft die Saͤur.
Der aus Boͤhmen iſt zwar groͤßer,
Der aus Jndien doch beſſer.
Auch vom fernem rothen Meer
Briugt man Chryſolithen her.
Der Sardo - nyx.
1
Ferner ſteckt ein lieblichs Glaͤnzen
Jm Sardonyx, deſſen Schein
Fuͤgt in ſich der Farben Grenzen
Von dem blaſſen Onyxſtein
Und vom Cornalin zuſammen;
Daher denn die Namen ſtammen,
Die er aͤhnlich in der That
Jn den meiſten Sprachen hat.
Wenn77uͤber die Steine.
Wenn er ſchoͤn, iſt er durchſichtig,
Daß man ihn bewundern muß;
Blut zu ſtillen iſt er tuͤchtig,
Auch des Bauchs zu ſtarken Fluß,
Wenn wir ihn gepuͤlvert nehmen.
Babylon, Aegypten, Boͤhmen,
Jndien und auch Papier
Zeugen dieſes Steines Zier.
Der Türkis.
1
Auch erblickt man mit Vergnuͤgen,
Wie in dem Tuͤrkis ſo ſchoͤn
Blau und Gruͤn und Weiß ſich fuͤgen,
Welcher zwar nicht durchzuſehn,
Aber doch ſehr lieblich ſcheinet.
Ob man nun von ihm gleich meynet,
Daß er Huͤlf den Augen ſchafft,
Jſt doch ſolches zweifelhaft.
Aber Saͤure zu verſuͤßen,
Jſt der Tuͤrks, gepuͤlvert, gut,
Er ſtopft Brechen, auch das Fließen,
Das zu ſtark, vom Bauch und Blut.
Man trifft an verſchiednen Orten
Von dem Tuͤrkis an zwo Sorten,
Wovon viele mehr auf Gruͤn,
Andre mehr aufs Blau ſich ziehn.
Der Opal.
1
An den glaͤnzenden Opalen
Wird das Auge noch zuletzt,
Und an ihren bunten Stralen
Das Gemuͤthe ſelbſt ergetzt.
Denn in dieſem Steine ſcheinen
Wunderbar ſich zu vereinen
Amethyſt, Sapphir, Rubin,
Wie auch der Smaragden Gruͤn.
Dieſer78Betrachtungen
Dieſer Farben lieblichs Spielen
Wechſelt ſich verwunderlich,
Was itzt ſcheint auf Roth zu zielen,
Wird itzt gruͤn, itzt aͤnderts ſich,
Und wird wieder blau, die Stelle
Wird aufs neue gelb und helle.
Selbſt des Regenbogens Schein
Zeigt uns dieſer ſchoͤne Stein.
Wenn wir nun Opalen ſehen,
Laßt uns doch in unſrer Luſt
Den bedacht ſeyn zu erhoͤhen,
Der, durchs Auge, Herz und Bruſt
Uns ſo wunderbar ergetzet,
Oft uns in Vergnuͤgen ſetzet,
Und fuͤr das, was er beſchert,
Nur ein froͤlichs Herz begehrt.
Dieſes waͤre von den Steinen
Etwas, doch nicht viel, geſagt.
Wann ſich nun darinn vereinen,
Was uns nuͤtzet und behagt;
Bin ich froh, daß Gott zu Ehren
Jch davon in meinen Lehren
Etwas brachte zu Papier;
Gott allein ſey Dank dafuͤr!
Die79uͤber die verſchiedene Erdarten.

Die verſchiedene Erdarten.

Eh ich aber aus dem Reiche,
Das man mineraliſch heißt
Und bisher betrachtet, weiche,
Muͤſſen vor von unſerm Geiſt
Billig erſt betrachtet werden
Die verſchiedne Sorten Erden,
Und darauf ſo mancher Saft,
Sammt der ſalz - und fetten Kraft.
Man trifft, an verſchiednen Orten,
Die man auch kaum zaͤhlen kann,
Noch von Erden viele Sorten
Von verſchiednen Kraͤften an:
Die beſtehn aus feinem Sande,
Der nicht mit ſo feſtem Bande
Sich vereinet, wie ein Stein,
Und leicht zu zerreiben ſeyn.
Dieſe Erden ſind zuweilen
Untermengt mit manchem Saft,
Und beſtehn aus vielen Theilen
Von Metalle Art und Kraft.
Darum denn auch ſolche Erden
Jnsgemein geſiegelt werden,
Zu verhindern, daß man nicht
Sie verfaͤlſch, als oft geſchicht.
Alſo80Betrachtungen
Alſo findet man dergleichen,
Die man nennt die Samiſchen,
Maltha, Chios, Lemnos reichen
Sie uns, gleichfalls Schleſien,
Boͤhmen, Liefland gleichermaßen,
Die ſich alle brauchen laſſen,
Nebſt der Erd aus der Tuͤrkey,
Uns zum Nutz, zur Arzeney.
Jhre Tugenden und Kraͤfte
Mehrentheils ſind einerley,
Anzuziehen ſcharfe Saͤfte;
Sie geneſen auch dabey
Bauch - und Blutfluß, hartes Brechen:
Auch ſind ſie geſchickt, zu ſchwaͤchen
Aeußerlich den Lauf vom Blut;
Gar bey Wunden ſind ſie gut.
Ferner trifft man neben ihnen
Ungeſiegelt Erden an,
Deren uns ein jede dienen
Und zum Nutzen kommen kann.
Steinmarg dient das Feld zu duͤngen,
Und die Gaar darinn zu bringen.
Mondmilch iſt vortrefflich nuͤtz,
Sie daͤmpft unſers Blutes Hitz.
Triepel dienet zum Poliren.
Thon dient uns zu mancherley.
Ocher, Berggruͤn, Bergblau zieren
Die beliebte Mahlerey.
Nunmehr laßt uns auch die Kraͤfte
Und den Glanz verdichter Saͤfte,
Die theils nuͤtzlich und theils ſchoͤn,
Mit Verwunderung, beſehn.
Saͤfte,81uͤber die verſchiedene Erdarten.
Saͤfte, die coaguliret,
Theilt man in zwo Sorten ein,
Da verſchiedne, wie man ſpuͤret,
Fett, die andern mager, ſeyn;
Mager ſind die ſalzen Dinge,
Deren Nutzen nicht geringe,
Sondern, wie man leicht ermißt,
Wirklich nicht zu ſchaͤtzen iſt.
Das Salz.
1
Daß vom Salz verſchiedne Sorten
Jn der Welt zu finden ſeyn,
Spuͤrt man an verſchiednen Orten.
Ein Salz heißet man gemein,
Eins Salpeter. Jn den Gruͤnden
Jſt der Borax auch zu finden,
Nebſt Alaun und Vitriol.
Merk, o Menſch, die Kraͤfte wohl!
Das gemeine wird gegraben
Aus der Erde, koͤmmt auch her
Aus den Brunnen, die wir haben,
Ferner ſelber aus dem Meer,
Draus man es durch Sieden bringet.
Was aus Salz fuͤr Nutz entſpringet,
Faßt kein Menſch, beſchreibt kein Kiel;
Seiner Wirkung iſt ſehr viel.
Etwas nur davon zu weiſen;
Denket nur, wie ſehr es nuͤtzt
Jn den allermeiſten Speiſen:
Denkt, wie es vor Faͤulniß ſchuͤtzt!
Fiſch und Fleiſch, ja tauſend Sachen
Kann das Salz uns daurhaft machen.
Selber in der Arzeney
Weis man, daß es nuͤtzlich ſey.
FWenn82Betrachtungen
Wenn die Sammlung der Gewaͤſſer
Jn dem unbegrenzten Meer
Friſch, und ſie von Gott nicht beſſer
Zugericht und ſalzig waͤr,
Staͤnk es laͤngſt, und waͤr verdorben,
Aller Fiſche Heer geſtorben;
Es ertruͤge Luft und Licht
So viel tauſend Jahre nicht.
Wenn das Meer verfaulet waͤre,
Welch ein giftig fauler Duft
Stiege dann nicht aus dem Meere,
Und vergiftete die Luft!
Dadurch wuͤrde bald auf Erden
Alles angeſtecket werden.
Solcher Plage, Quaal und Pein
Wehret Gott durchs Salz allein.
Wie wir es darinn entdecken,
Hat das Salz ſtets von Natur
Bey ſechs Flaͤchen mit vier Ecken
Eine wuͤrflichte Figur.
Es iſt weiß, klar und durchſichtig,
Feſt und lauter, nicht ſchwerwichtig,
Am Geſchmacke ſcharf und rein,
Trocken, und an Koͤrnern klein.
Unſer Weſen ſelbſt beſtehet
Mit aus Salz, wie offenbar,
Ja, faſt alles, was ihr ſehet,
Hat zum Grunde Salz. Sogar
Selbſt zu unſrer Erden Weſen
Scheint zum Grunde Salz erleſen;
Wie ich denn durch die Chimie
Meiſtens Salz aus allem zieh.
Stein -83uͤber die verſchiedene Erdarten.
Steinſalz, das ſo viele naͤhret,
Giebt die Erde ſonder Muͤh.
Salz, das mit der Saͤure gaͤhret,
Nennet man Sal Alkali,
Welches wir voll Loͤcher ſehen,
Die vom ſtarken Feur entſtehen,
Hierinn dringt die Saͤure ein,
Deren Theilchen rege ſeyn.
Wenn man Saur mit Salze miſchet,
So man alkaliniſch nennt,
Ziſcht’s, wie Kalk durch Waſſer ziſchet,
Welches ſeine Theilchen trennt,
Wenn es in die Loͤcher drenget,
Und ſich mit den Theilchen menget,
Die daſelbſt, doch ſonder Schein,
Hitzig, reg, und feurig ſeyn.
Dieſes Salzes eigne Kraͤfte
Hat es von der Glut allein,
Weil vorher deſſelben Saͤfte
Erſtlich ſaur geweſen ſeyn.
Denn, ob wir gleich in den Gruͤnden
Alkaliniſch Salz auch finden,
Jſt’s die unterirdſche Glut
Dennoch bloß, die ſolches thut.
Dieſes Salz ſoll durchzudringen,
Aufzuloͤſen Schleim und Stein,
Auch die Saͤure zu verſchlingen
Und zu treiben kraͤftig ſeyn.
Milz und Leber ſoll es heilen:
Auch die Galle zu zertheilen,
Und zu ſaͤubern unſer Blut,
Jſt dieß Salz vortrefflich gut.
F 2Ferner84Betrachtungen
Ferner wird ihm zugeſchrieben,
Daß ſelbſt die Melancholey
Oefters ganz dadurch vertrieben,
Wenigſtens gelindert, ſey.
Gelbe Sucht auch zu curiren,
Und das Waſſer abzufuͤhren,
Dienet dieſes Salz, daher
Brauchen es die Aerzte ſehr.
Der Salpe - ter.
1
Unter andern Salzesſorten
Trifft man den Salpeter an,
Den man an ſehr vielen Orten
Finden, auch bereiten kann.
Dieſes Saure hegen Luͤfte,
Alte Mauren, Waͤnd und Kluͤfte;
Jn die Erde, ſelbſt in Stein,
Senket ſich die Saͤur hinein.
Jn den Staͤllen, Taubenſchlaͤgen,
Auf dem Kirchhof, im Urin,
Selber in dem Thau und Regen,
Auch in Brunnen, findt man ihn.
Sein Stoff iſt halb feſt, halb fluͤchtig:
Und man ſchließet von ihm richtig,
Daß er, iſt der Nam gleich neu,
Ein verſteintes Luftſaur ſey.
Von den wundervollen Kraͤften
Des Salpeters iſt bekannt,
Daß von ſeinen ſalzen Saͤften,
Die in ihm, faſt jedes Land
Seine Fettigkeit erlange
Und die Fruchtbarkeit empfange;
Weil ein Grund, der reichlich traͤgt,
Jmmer viel Salpeter hegt.
Man85uͤber die verſchiedene Erdarten.
Man kann wohl mit Wahrheit ſagen,
Dieſes Salzes Eigenſchaft
Pfleg am meiſten beyzutragen
Zu der Pflanzen Wachsthumskraft:
Ja, daß man zugleich verſpuͤre,
Das Naturſalz aller Thiere
Sey, ſo viel als uns bekannt,
Dem Salpeter ſehr verwandt.
Dieſe Gleichheit kann uns weiſen,
Wie das, was die Erde traͤgt,
Unſern Koͤrpern, in den Speiſen,
Zur gewuͤnſchten Nahrung ſchlaͤgt:
Auch daß jeder Leib der Thiere
Viel Salpeter bey ſich fuͤhre,
Da wir, aus der Thier Urin,
Allemal Salpeter ziehn.
Jn der Heilungskunſt erſcheinet
Vom Salpeter große Kraft,
Und zwar mehr, als man vermeynet.
Er zertheilt den zaͤhen Saft,
Daͤmpfet des Gebluͤtes Hitze,
Jſt, den Durſt zu loͤſchen, nuͤtze,
Oeffnet, treibt das Waſſer, wehrt,
Daß die Faͤulung nichts verſehrt.
Er vertreibt den Stein der Nieren,
Auch den zaͤhen Blaſenſtein.
Was wir vom Salpeter ſpuͤren,
Jſt ja wohl recht ungemein;
Da des Buͤchſenpulvers Knallen,
Wodurch Fels und Mauren fallen,
Wodurch Blut und Geiſt entgeht,
Aus Salpeter meiſt beſteht.
F 3Ganz86Betrachtungen
Ganz erſchrecklich, ganz entſetzlich
Jſt die wuͤtende Gewalt
Dieſes Pulvers, da es ploͤtzlich
Alles ſtuͤrzt und dergeſtalt
Alles ſprenget und zerſchmeißet,
Daß es ſplittert und zerreißet,
Wodurch ſeine wilde Glut
Gut und boͤſe Wunder thut.
Des Salpeters Form iſt immer
Langſchuͤßig und ſechsgeeckt;
Er hat einen weißen Schimmer,
Wie Cryſtall. Und man entdeckt,
Wenn er rein, an ihm ein Brennen,
So wir nicht beſchreiben koͤnnen:
Seine Glut brennt wunderlich,
Nicht nur aufwerts; unter ſich.
Der Borax.
1
Ferner, an ſo manchem Orte,
Auch in Perſien, trifft man
Von dem Salz ein andre Sorte,
Die man Borax nennet, an.
Dieſes Salz iſt mineraliſch,
Weder ſauer, noch alkaliſch;
Sondern es iſt, wie man meynt,
Beyder Kraft in ihm vereint.
Wobey, wenn mans recht ergruͤndet,
Man in ſeinem Weſen auch
Noch ein oͤlicht Weſen findet;
Dieſes dienet zum Gebrauch,
Daß durch ſelben die Metallen
Leicht in Fluß zergehn, und fallen;
Und deswegen nuͤtzet er
Sonderlich den Guͤrtlern ſehr.
Aber87uͤber die verſchiedene Erdarten.
Aber in den Arzeneyen
Hat man dieſes Salzes ſich
Gleichfalls trefflich zu erfreuen:
Denn es dienet ſonderlich,
Oeffnung unſerm Blut zu geben,
Die Verſtopfungen zu heben,
Und es treibt von ihrem Ort
Die Geburt gemaͤhlig fort.
Jn der Erden tiefen Gruͤnden
Alaun.
1 Jſt, wie laͤngſtens ſchon bekannt,
Noch ein anders Salz zu finden,
Dieſes wird Alaun genannt,
Deſſen Stoff, ſo ſcharf und ſauer,
Dient den Faͤrbern, zu der Dauer
Jhrer Farben, wirkt zugleich,
Daß ſie rein und ſchimmerreich.
Um das rege Blut zu ſtillen,
Brauchet man ihn aͤußerlich;
Um verdorbner Zaͤhne willen
Braucht man ihn; man gurgelt ſich
Mit Alaun. Wenn man ihn brennet,
Wird das wilde Fleiſch getrennet;
Wenn man ihn auf Wunden ſtreut,
Spuͤrt man ſeine Nutzbarkeit.
Wie wir ihn im Bergwerk brechen,
Giebt die bildende Natur
Jhm fuͤnf ſechsgeeckte Flaͤchen,
Und ſechs mit vier Ecken nur.
Solche merkliche Geſtalten
Hat er nicht umſonſt erhalten,
Nichts von dem, was Gott gemacht,
Jſt umſonſt hervorgebracht.
F 4Endlich88Betrachtungen
Endlich haben wir die Kraͤfte
Vi - triol.
1 Auch vom Vitriol zu ſehn,
Deſſen ſonderliche Saͤfte
Auch aus Saur und Salz beſtehn.
Er wird durch Cryſtalliſiren,
Durch Verduͤnſtung und Filtriren,
Da man ihn aus Markaſit,
Den man Quis benennet, zieht.
Welchen wir, aus vielen Orten,
Nutzbar in Europa ziehn;
Es giebt unterſchiedne Sorten,
Er iſt weiß, blau, roth und gruͤn.
Der ſo weiß iſt, macht purgiren,
Taugt auch oben abzufuͤhren,
Er erfriſchet unſer Blut,
Jſt auch fuͤr die Augen gut.
Gruͤnen Vitriol erzeuget
Deutſchland, Rom und Engelland.
Daß der Deutſche ſehr ſich neiget
Zu dem Kupfer, iſt bekannt.
Er iſt blaͤulichtgruͤn, und ziehet
Scharf zuſammen, wie man ſiehet.
Selbſt des Scheidewaſſers Macht
Wird aus ihm herausgebracht.
Der, den Engelland uns traͤget,
Und den wir aus Norden ziehn,
Welches ſehr viel Eiſen heget,
Zeiget uns ein braͤunlich Gruͤn.
Aus demſelben kann man fuͤhren,
Durch ein kuͤnſtlich Diſtilliren,
Einen vitriolſchen Geiſt,
Welcher viele Kraͤfte weiſt.
Dieſer,89uͤber die verſchiedene Erdarten.
Dieſer, wie man angemerket,
Aendert ſeine Farben nicht,
Drum man ihn mit Eiſen ſtaͤrket,
Da, wenn er ſo zugericht,
Und zuletzt cryſtalliſiret,
Er die Blaͤſſe dann verlieret,
Daß man ein ſchoͤn Gruͤn ſo dann
Mit demſelben faͤrben kann.
Kunſt und auch Erfahrung weiſen
Dieſes Salzes Eigenſchaft,
Daß es Kupfer oder Eiſen,
So, im mineralſchen Saft,
Welcher ſauer iſt, zergangen;
Daher es die Kraft empfangen,
Daß es uns beſonders nuͤtzt.
Es iſt glatt und zugeſpitzt.
An vier Flaͤchen mit fuͤnf Ecken,
Dran ein dreyfach Dreyeck ſitzt,
Kann man die Geſtalt entdecken,
Wie der Vitriol ſich ſpitzt.
Durch dieß Salz, wie ſichs eraͤuget,
Wird die ſchwarze Farb erzeuget,
Wovon mancher in der That
Wunderſamen Nutzen hat.
Aus dem vitriolſchen Weſen
Wird das Pulver zugericht,
Wovon wir ſo vieles leſen
Und man ſo viel Gutes ſpricht,
So man ſympathetiſch nennet,
Deſſen Kraft man nicht recht kennet;
Dennoch ſoll meiſt allgemein
Seine fremde Wirkung ſeyn.
F 5Dieſes90Betrachtungen
Dieſes waͤren nun die Kraͤfte (Jn ſo fern man ſie erkennt)
Der coagulirten Saͤfte,
So man duͤrr und mager nennt,
Deren viel in unſrer Erden,
Uns zu Nutz, gefunden werden.
Uebrig ſind nun noch allein
Die, ſo fett und oͤlicht ſeyn.
Dieſe Saͤfte nun beſtehen
Aus beſonders klebrigen
Aus entzuͤndlichen und zaͤhen
Aeſtigten und ſchweflichten
Oelichten und fetten Theilen.
Laßt uns auch dabey verweilen.
Naphta, Steinoͤl, Judenleim,
Bernſtein, Ambra, Wallfiſchſchleim.
Naphta iſt ein Pech der Erden,
Naph - ta.
1 Welches fluͤßig iſt und weich,
Und worinn gefunden werden,
Weil es oͤl - und ſchwefelreich,
Viel gewaltge Feuertheile,
Dannenher es denn in Eile
Brennt, und wuͤtend um ſich frißt,
Daß es nicht zu loͤſchen iſt.
Dieſes zeugt in großer Menge
Babylon und Griechenland,
Da ſind unterirdſche Gaͤnge,
Wo man es ſonſt haͤufig fand;
Frankreich auch, wo ſichs ſelbſt hebet
Aus der Erd, und feſte klebet
An den Schuhen, ſo daß man
Faſt davor nicht gehen kann.
Man91uͤber die verſchiedene Erdarten.
Man will, daß der Naphta Weſen
Gleichfalls in der Medicin,
Wie wir vieles von ihr leſen,
Gegen manches Uebel dien.
Es eroͤffnet, es zertheilet,
Es verdaͤuet, ſtaͤrkt und heilet.
Laſſet uns nun weiter gehn,
Auch der Steinoͤl zu beſehn.
Steinoͤl, welcher, wie wir ſehen,
Stein - öl.
1 Sich aus Felſen ſelbſt ergießt,
Welcher aus verſchiednen Hoͤhen
Languedocs und Welſchlands fließt,
Jſt der Naphta faſt zu gleichen;
Man hat rothen, ſchwarzen, bleichen,
Man hat braun - und gelben auch
Zum verſchiedenen Gebrauch.
Der ſo weiß iſt, iſt der beſte,
Der faſt recht wie Balſam reucht.
Halten Blaͤhungen ſich feſte,
Macht er, daß ihr Schwarm verfleucht.
Hat man etwan Gift bekommen,
Wird durch ihn die Kraft benommen.
Er vertreibt der Wuͤrmer Heer,
Nuͤtzet auch den Nerven ſehr.
Judenleim, ein harzigs Weſen,
Juden - leim.
1 Findet ſich im todten Meer,
Wo es treibet, wie wir leſen,
Koͤmmt doch aus der Erden her,
Fließend ſteigt es in die Hoͤhe
Aus dem Grund, und wird ſo zaͤhe
Oben durch Luft, Salz und Hitz,
Daß es uns zu vielem nuͤtz.
Dieſes92Betrachtungen
Dieſes wird zu vielen Sachen,
Sonderlich zum Lack, gebraucht,
Welches die Chineſen machen.
Duͤnſte, die er von ſich haucht,
So der Faͤulniß widerſtehen,
Laſſen nicht leicht was vergehen.
Wunden, die veraltet ſeyn,
Werden durch ihn heil und rein.
Bern - ſtein.
1
Bern -, den man auch Agtſtein nennet,
Jſt wohl auch ein Erdenſaft,
Deſſen Urſprung man nicht kennet,
Noch die eigentliche Kraft,
Es iſt noch verborgen blieben;
Gleichwohl die davon geſchrieben,
Stimmen alle uͤberein,
Es muͤß auch ein Bergwachs ſeyn.
Man vermeynt, er kaͤm aus Rinden
Fetter Tannenbaͤume her,
Da wir ihn in Preußen finden,
Und ſehr viel im Baltſchen Meer:
Doch iſt glaublicher, er werde,
Als ein Bergwachs, in der Erde
Jn ſehr großer Meng, erziehlt,
Und vom Waſſer weggeſpuͤlt.
Aus ihm wird, uns zum Vergnuͤgen,
Viel durch Kunſt hervorgebracht.
Oefters wird daraus den Fliegen
Ein durchleuchtig Grab gemacht:
Da wir denn mit ſolchen Stuͤcken
Viele Cabinette ſchmuͤcken,
Und in ihnen wunderſchoͤn
Der Natur ihr Wirken ſehn.
Auch93uͤber die verſchiedene Erdarten.
Auch vom Ambra waͤr zu ſprechen,
Den man auch vor ſteinigt haͤlt,
Da man ſpricht, daß er in Baͤchen
Jn das Meer aus Felſen faͤllt:
Doch, da man anitzt vermeynet,
Daß er das nicht, was er ſcheinet,
Und ein Werk der Bienen ſey,
So gehn wir ihn hier vorbey.
Eben wie die Fettigkeiten,
Die man Sperma Ceti nennt,
Die man auch in vor’gen Zeiten
Als ein Erdharz nur gekennt;
Wovon wir doch glauben muͤſſen,
Ja es uͤberzeuglich wiſſen,
Daß es nichts als das Gehirn
Aus des Wallfiſchs holer Stirn.
Bis hieher bin ich gekommen,
Da das mineral’ſche Reich,
So wie ich mir vorgenommen,
Gott zum Ruhm, ſo mir als euch
Vorgelegt iſt, und beſehen.
Laßt uns itzt zun Pflanzen gehen,
Und ihr ungezaͤhltes Heer
Auch betrachten Gott zur Ehr!
Eh wir aber dazu ſchreiten,
Dank ich dir, o großer Gott!
Brunnquell aller Herrlichkeiten,
Einzigs All! Herr Zebaoth!
Ew’ger Schoͤpfer aller Dinge!
Daß es wohl von ſtatten gienge,
Was ich von dem erſten Gang
Des Naturreichs ſchrieb und ſang.
Laß94Betrachtungen
Laß doch, wenn es Menſchen leſen,
Großer Gott, zu deiner Ehr,
Dein unendlichs ewigs Weſen
Draus erhellen mehr und mehr!
Deine Weisheit, deine Liebe,
Die dich, es zu ſchaffen, triebe,
Deine maͤcht’ge Wunderhand
Werd in deinem Werk bekannt!
Segne ferner mein Beginnen,
Daß das Reich der Pflanzen auch
Sey ein Vorwurf unſrer Sinnen!
Laß den froͤhlichen Gebrauch
Dieſer Koͤrper uns bewegen,
Dir ein Opfer vorzulegen!
Jn Gewaͤchſen und im Kraut
Sey dein Finger angeſchaut!
Das95uͤber das Reich der Pflanzen.

Das Pflanzenreich.

Laſſet uns mit Freuden treten
Jn das ſchoͤne Pflanzenreich,
Um darinn den anzubeten,
Der die Kreatur zugleich
Sammt den Himmeln mit der Erde,
Durch ſein ſchaffend Wort: Es werde!
Aus des Chaos dunkler Nacht
Wunderſchoͤn ans Licht gebracht.
Liebſter Gott! wie bunt, wie niedlich,
Glaͤnzend, praͤchtig, wunderſchoͤn,
Wie ſo zart, ſo unterſchiedlich
Sind die Pflanzen anzuſehn!
Wie ſo nuͤtzlich Menſch - und Thieren!
Wie ſo noͤthig! Wir verſpuͤren,
Es beſteh aus ihrer Kraft
Unſer Leib und Lebensſaft.
Alle Baͤume, Gras und Fruͤchte,
Deren ja ſo mancherley,
Zeigen uns im dunklen Lichte,
Wie ſo groß ihr Schoͤpfer ſey.
Jedes Kraut und jede Blume
Gruͤnt und bluͤhet dem zum Ruhme,
Der ſie wunderbar formirt,
Und mit ſolcher Pracht geziert.
Wenn96Betrachtungen
Wenn wir unſrer Roſen Funkeln,
Blu - men über - haupt.
1 Tulpen, Mah und Tauſendſchoͤn,
Tuberoſen und Ranunkeln,
Sammt der Nelken Purpur ſehn,
Weis kein Menſch, wie in der Erden
Solcher Schmuck gemiſcht kann werden,
Wie ihr Glanz, ſo weiß als Schnee,
Aus ſo ſchwarzem Sand entſteh.
Wie das Blau der krauſen Liljen,
Wie der Anemonen Roth,
Wie das Gelbe der Schonkiljen
Stamm aus Leimen, Sand und Koth,
Wie ſich tauſend Farben floͤßen
Aus verworfnen Erdenkloͤßen,
Wie des Fruͤhlings ſchoͤnſter Putz
Nur entſpring aus Staub und Schmuz.
Seht, wie ihre Blaͤtter ſcheinen!
Jhre Schoͤnheit, Schmuck und Zier
Gleichen faſt den Edelſteinen,
Ja ſie uͤbergehn ſie ſchier.
Roſen glaͤnzen, wie Rubinen,
Wie Sardonich die Jesminen,
Beyden gleicht der Amaranth,
Lilien dem Diamant.
Koͤnnte man aus Edelſteinen,
Aus Smaragd, Sapphir, Rubin,
Jhr ſo buntgefaͤrbtes Scheinen,
Jhre Farb in Saͤften ziehn
Mit Behaltung ihrer Stralen,
Und man wollte Blumen mahlen,
Wuͤrd es, bey der Blumen Schein,
Doch wie nichts zu rechnen ſeyn.
Wer97uͤber das Reich der Pflanzen.
Wer mit Andacht eine Blume
Recht mit Menſchenaugen ſieht,
Wie ſie, zu des Schoͤpfers Ruhme,
Jn ſo ſchoͤnen Farben gluͤht,
Wie die Glut der Granadiljen,
Wie das Silber weißer Liljen
So gar unbeſchreiblich ſchoͤn,
Muß in ihnen Gott erhoͤhn.
Wer kann den Geruch ergruͤnden,
Der in ſolchem Unterſcheid
Jn der Blumen Heer zu finden,
Und, mit ſolcher Lieblichkeit,
Unſer Herz und Hirn ergetzet,
Ja faſt in Erſtaunen ſetzet,
Denkt man, wie das, was man ſpuͤrt,
Aus verworfnem Koth herruͤhrt?
Was der Blumen Meng aushauchet,
Balſamiret Luft und Wind:
Welch ein Ambra dampft und rauchet
Aus der fruͤhen Hyacinth!
Wie weis doch der Dunſt der Roſen
Unſrer Naſen liebzukoſen!
Hat nicht unſrer Nelken Kraft
Des Gewuͤrzes Eigenſchaft?
Wie durchdringt der Aepfel Bluͤte,
Tuberoſen und Jesmin
Naſ und Herz, Sinn und Gemuͤthe,
Deren Duft wir an uns ziehn!
Wie wird durch die Bluͤt der Linden,
Durch Muskat und Zimmetrinden,
Die der Luftkreis zu uns ſchickt,
Unſer Herze nicht erquickt!
GWie98Betrachtungen
Wie viel tauſend Kraͤuter gruͤnen,
Wie viel tauſend Blumen bluͤhn,
Die nur, bloß um uns zu dienen,
Jhren Saft der Erd entziehn?
Ja, wie mancherley Gerichte
Reichen uns der Baͤume Fruͤchte,
Deren ſchoͤner Nahrungsſaft
Bloß der Erde Wunderkraft.
Bäu - me.
1
Hier ergetz ich mich vom neuen,
Wenn mein ſattes Herz erwaͤgt,
Wie die Erd, uns zu erfrenen,
So verſchiedne Baͤume traͤgt,
Drinn ſie, um uns zu erfriſchen,
Saur und ſuͤß weis ſo zu miſchen;
Daß was ihre Kraft uns ſchenkt,
Uns mit Anmuth naͤhrt und traͤnkt.
Wie viel tauſend Baͤume gruͤnen,
Die, ob ſie gleich unfruchtbar,
Doch mit ihrem Holz uns dienen,
Und vor allerley Gefahr
Durch die Feſtigkeit uns ſchuͤtzen,
Wenn wir frieren, uns erhitzen,
Ja vor Regen, Sturm und Wind
Ein geſichert Schirmdach ſind!
Jhr Nutz iſt nicht zu ergruͤnden,
Jhre Menge zaͤhlt man kaum.
Buchen, Weiden, Eſchen, Linden,
Erlen, ſammt dem Pappelnbaum,
Cedern, fo zum Himmel reichen,
Jpern, Tannen, Birken, Eichen,
Ulm und Ficht, der Felſen Zier,
Buxbaum, Tax, Cypreß Laurier.
Nun99uͤber das Reich der Pflanzen.
Nun betrachtet und erkennet,
Welch ein unſichtbare Glut
Jn dem Schooß der Erde brennet,
Die ſo große Wunder thut!
Ruͤhmt mit froͤlichem Gemuͤthe
Jhres Schoͤpfers Macht und Guͤte,
Der der Erden, die uns traͤgt,
Solche Wirkung eingepraͤgt.
Ehe wir nun weiter gehen,
Und davon inſonderheit
Stuͤckweis jede Schoͤnheit ſehen,
Laßt uns mit Aufmerkſamkeit
Erſt betrachten, Gott zum Preiſe,
Wie, auf ſolche milde Weiſe,
Alle Pflanzen insgemein,
Ueberhaupt gebildet ſeyn.
Bil - dung der Pflan - zen über - haupt.
1
Wie die Thiere Seelen haben,
Die jedoch nur koͤrperlich,
Ob ſie gleich von groͤßern Gaben:
Alſo zeigt in Pflanzen ſich
Eine Seele, die ſie naͤhret,
Zeugt, vergroͤßert und vermehret;
Eine ſehr ſubtile Glut
Jſt die Seele, die dieß thut.
Wie viel weiter, als vor Zeiten,
Unſer Aug in Pflanzen geh,
Wie viel Zart - und Kleinigkeiten
Man in ihren Theilen ſeh,
Wußten uns gar ſchoͤn zu zeigen
Zween, von denen man nicht ſchweigen,
Sondern ſie bewundern muß,
Grew und auch Malpighius.
G 2Die100Betrachtungen
Die an ganz verſchiednen Orten,
Und zugleich zu einer Zeit,
Zeigten, faſt mit ſelben Worten,
Die verborgne Seltſamkeit,
Welche in den kleinſten Dingen
Die Natur hervorzubringen,
Und, zu ihres Schoͤpfers Preis,
Wunderbar zu bilden weis.
Wie wir Thier anatomiren,
So anatomiret man,
Durch den Weg, den ſie uns fuͤhren,
Welchen jeder finden kann,
Auch nunmehr der Pflanzen Menge,
Schauet ihrer Adern Gaͤnge,
Ja, ihr Eingeweide gar,
Welches ſonſt verborgen war.
Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen,
Welches recht verwunderlich,
Statt des Munds und Magens dienen,
Und ſie naͤhren, zeiget ſich,
Da der Erde zarte Saͤfte,
Durch uns unbekannte Kraͤfte,
Von den zarten Zaͤſerlein,
Erſtlich eingeſogen ſeyn.
Dann gekocht und zubereitet,
Jn den Nahrungsſaft verkehrt,
Und dann oberwerts geleitet,
Da er durch den Stengel faͤhrt
Und gedruckt wird. Wir befinden,
Daß die Wurzeln auch aus Rinden,
Und aus Holz, drinn Mark, beſtehn,
Wie wir es an Staͤmmen ſehn.
Was101uͤber das Reich der Pflanzen.
Was nun aus den Wurzeln ſteiget,
Find’t man, daß es auch ſo ſey.
Stamm und Halm und Stengel zeiget
Ebenfalls die dreyerley.
Mark, ein holzigt Weſen, Rinde,
Die ich an den Staͤmmen finde,
Zeigen mir und jedermann
Goͤttlichgroße Wunder an.
Alle Rinde, ſo entſprießet
Um die Pflanzen aͤußerlich,
Die ſich um dieſelbe ſchließet
Und ſie decket, theilet ſich
Jn zwo Haͤut aufs neue wieder,
Die, wenn man’s erwaͤgt, ein jeder
Nach gemachtem richt’gen Schluß
Ehrfurchtsvoll bewundern muß.
Die von dieſen beyden Haͤuten
Aufwerts ſitzet, findet man,
Daß, wie man die Seltenheiten
Durch die Glaͤſer ſehen kann,
Sie aus Blaͤschen bloß beſtehe,
Die beyſammen in der Naͤhe
Weiſ und kuͤnſtlich ſo gefuͤgt,
Daß es Aug und Geiſt vergnuͤgt.
Da die andre Haut aus mehren,
Und aus dreyerley beſteht.
Erſt aus feſten holen Roͤhren,
Wo der Saft durch aufwerts geht;
Dann aus kleinen lockern Saͤcken,
Die voll ſolches Saftes ſtecken;
Endlich aus viel Aederlein,
So die Naͤhrgefaͤße ſeyn.
G 3Durch102Betrachtungen
Durch dieſelben kleine Gaͤnge
Jn der Rinde, merket man,
Daß der Saft in groͤß’rer Menge,
Als durchs Holz ſelbſt, ſteigen kann:
Wie es klaͤrlich zu erſehen
An den Baͤumen, die vergehen,
Die oft durch die Rind allein
Sattſamlich genaͤhret ſeyn.
Hol - zigte Sub - ſtanz.
1
Was das inn’re feſte Weſen
Der Gewaͤchſ und Baͤum angeht;
Sind auch dazu auserleſen,
Viele Theil, draus es beſteht,
Wie wir, wenn wir es ergruͤnden,
Auch im Holze ſelbſt befinden,
Daß es ſtets in viererley
Richtig eingetheilet ſey.
Erſtlich, kann man deutlich ſehen
Holzigthole Zaͤſerlein,
Die recht buͤſchelweiſe ſtehen,
Und den Netzen aͤhnlich ſeyn,
Die ſich in einander ſchlingen,
Und ſich feſt zuſammen dringen,
Daher denn das Holz ſo feſt,
Wie ſichs leichtlich folgern laͤßt.
Dann beſtehet es aus Saͤcken,
Oder kleinen Blaͤſelein,
Die in jenen Zaͤſern ſtecken,
So von uns beſchrieben ſeyn.
Drittens, aus ſehr kleinen Hoͤlen,
Die, wie jene, nicht zu zaͤhlen;
Hierinn find’t ſich allezeit
Waͤſſerichte Feuchtigkeit.
Viertens,103uͤber das Reich der Pflanzen.
Viertens, finden wir in ihnen
Kleine Roͤhren, die voll Luft,
Und uns zum Beweisthum dienen,
Daß auch ſonder ſolchen Duft
Aus dem zarten Elemente
Keine Pflanze leben koͤnnte;
So wie wir an Thieren ſehn,
Daß ſie nicht ohn Luft beſtehn.
Mark.
1
Endlich, iſt das innre Weſen
An den Pflanzen ſonderlich,
Denn es ſind dazu erleſen
Runde Kugeln, welche ſich
Jn dem Mark gar klaͤrlich zeigen,
Darinn Nahrungsſaͤfte ſteigen.
Kuͤrzlich: in den Pflanzen ſeyn
Adern, Fleiſch, Haut, Mark und Bein.
Hieraus muͤſſen wir verſpuͤren,
Und zwar an ſo mancherley,
Wie von Pflanzen zu den Thieren
Kein ſo großer Abſtand ſey.
Außer, daß ſie ſich nicht regen,
Und auch kein Empfindung hegen,
Haben Pflanzen, wie ſie ſeyn,
Mit den Thieren viel gemein.
Solche Gleichheit iſt zu finden,
Theils, in beyder Nahrungsſaft,
Theils, wenn wir genau ergruͤnden,
Wie gleich beyder Zeugungskraft,
Dort in Eychen, hier im Samen;
Drum man ſie, mit andern Namen,
Faſt mit Recht zu Thieren zaͤhlt,
Denen Fuͤhl - und Regung fehlt.
G 4Doch104Betrachtungen
Doch ſo, wie wir bey den Thieren
Bloß nur auf gewiſſe Jahr
Daß ſie ſich vergroͤßern, ſpuͤren;
Spuͤrt man an der Pflanzen Schaar,
Daß ſie wachſen, weil ſie waͤhren,
Daß ſie ihre Dicke mehren;
Alle Jahr waͤchſt, wie man weis,
An dem Baum ein neuer Kreis.
Man erzaͤhlt, daß dieſe Kreiſe
Jn der Zona torrida
Rund ſeyn, und auf gleiche Weiſe
Sich einander gleiche nah:
Da wir anderwerts die Ruͤnden,
Gegen Mittag weiter finden,
Wann die, welche Polwerts ſtehn,
Naͤher an einander gehn.
Das dann denen, welche reiſen,
Und vielleicht im Wald verirrt,
Ohn Compaß den Nordpol weiſen
Und ſie richtig fuͤhren wird.
Wird ein Gaͤrtner an den Baͤumen
Dieß zu merken nicht verſaͤumen,
Daß er ſie ſo wieder ſetzt,
Wird er durch mehr Frucht ergetzt.
Was wird in des Holzes Mitten
Nicht fuͤr Bilderwerk geſpuͤrt,
Wenn es in die Queer durchſchnitten,
Findt man’s ſonderlich geziert.
Oeffters gleichet es den Wellen;
Aber in den meiſten Stellen
Gleicht die Bildung insgemein
Mannigfachem Marmelſtein.
Wie105uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie viel Adern, Streife, Maſern,
Zirkelzuͤge, Wirbelſtrich,
Winkel, klein und große Faſern
Sieht man, mit Verwundrung, ſich
Jn den Staͤmmen, in den Zweigen,
Sonderlich in Wurzeln, zeigen;
Ein vernuͤnftiges Geſicht
Sieht dieß ohn Vergnuͤgen nicht.
Man erwaͤge doch und merke,
Wie das Holz ſo mancherley,
Und an Haͤrte, Farb und Staͤrke
So gar unterſchieden ſey.
Jn den Wurzeln, Stamm und Rinden
Kann man manche Schoͤnheit finden,
So an Farben, als Figur,
Man betrachte ſolches nur.
Ferner ſehn wir auf den Zweigen,
Augen.
1 Mit Vergnuͤgen, Augen ſtehn,
Die ſo viele Wunder zeigen,
Wenn wir ſie genau beſehn,
Daß kein Menſch auf Erden lebet,
Der die Weisheit gnug erhebet,
Welche Gott, der alles ſchenkt,
Jn ſo kleinen Raum geſenkt.
Kno - ſpen.
1
Dieſe Augen an den Baͤumen
Sind, wie Kinder, anzuſehn
Die aus ihren Muͤttern keimen,
Und im Winter ſtille ſtehn.
Da ſie dann in vielen Decken,
Vor den Froſt beſchuͤtzet, ſtecken;
Ja man ſiehet ſie ſo gar
Eingehuͤllt in zartem Haar.
G 5Dieſe106Betrachtungen
Dieſe Decken ſind getheilet,
Daß, wenn ihre zarte Frucht
Allgemaͤhlig vorwerts eilet
Und ſich zu vergroͤßern ſucht,
Sie ihr leichtlich weichen koͤnnen,
Um den Durchgang ihr zu goͤnnen.
Ach, es ſehe jedermann
Dieß doch als ein Wunder an!
Seht, wie ſie geordnet ſitzen:
Jede oͤffnet dreyfach ſich,
Und formirt dadurch drey Ritzen,
Welche ſich gemeinſchaftlich
Durch drey andre Blaͤtter ſchließen,
Die bloß desfalls da entſprießen.
Wo nun die geoͤffnet ſtehn,
Sind noch andre drey zu ſehn.
Man trifft oͤffters neun dergleichen
Zarte Haͤut an Knoſpen an,
Daß der Froſt durch ſie nicht ſtreichen
Und die Frucht verſehren kann.
Welche Weisheit, vor Gefahren
Sie ſo kuͤnſtlich zu verwahren!
Atheiſte, ſchau hieher!
Koͤmmt auch dieß von ungefaͤhr?
Wenn wir auf ihr Jnnres achten,
Finden wir, wie zart und klein,
Da wir ſie genau betrachten,
Sie auch anzuſehen ſeyn;
Daß es wirklich kleine Sproſſen,
Die daſelbſt noch eingeſchloſſen.
Jede hegt verborgentlich
Blaͤtter, Zweig und Fruͤcht in ſich.
Wie107uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie wir an den Stielen ſehen,
Daß ſie bloß ein Theil vom Aſt,
Und aus ſelbem Stoff beſtehen:
Alſo wird auch leicht gefaßt,
Blät - ter.
1 Daß die Blaͤtter, ihre Kinder,
Eben auch wie ſie, nicht minder,
Von demſelben Stoff und Zeug
Seyn gewebt, wie Stamm und Zweig.
Sie beſtehen auch aus Roͤhren,
Welche holzigt, hol und feſt,
Aus Gefaͤßen, die ſie naͤhren,
Als wodurch der Saft ſich preßt,
Noch aus Blaͤslein, die, gleich Netzen,
Sich verſchrenkt zuſammen ſetzen.
Luftgefaͤß, ein aͤußre Haut
Sind auch mit daran gebaut.
Von den Blaͤttern iſt zu wiſſen,
Daß ſie nicht zur Zier allein,
Sondern, daß ſie vielfach muͤſſen
Bluͤt - und Fruͤchten nuͤtzlich ſeyn;
Wenn die noch in Knoſpen ſtecken,
Dient das zarte Laub zur Decken,
Die ſie fuͤr die Luft und Kaͤlt,
Durch die Feſtigkeit, erhaͤlt.
Wenn nun Bluͤt und Frucht ſich zeiget,
Siehet man recht wunderbar,
Daß, nebſt ihnen, vorwerts ſteiget
Der beſchirm’nden Blaͤtter Schaar,
Die ſind fuͤr zu ſtarke Hitze,
Jhnen dienlich, noͤthig, nuͤtze,
Sonſt vertrocknet ihren Saft
Der zu ſtarken Sonnen Kraft.
Wie108Betrachtungen
Wie wir denn im Herbſt erſehen,
Daß, wenn keine Fruͤchte mehr
Auf der Baͤume Wipfeln ſtehen,
Sich dann auch der Blaͤtter Heer,
Weil es nicht mehr nuͤtz, verlieret.
Wenn ihr dieſe Ordnung ſpuͤret,
Ach, ſo dankt mit frohem Muth
Gott, der nichts als Wunder thut!
Dieß noch klaͤrer darzulegen:
Jn der Zona torrida,
Die ſtets in der Sonnen Wegen,
Deren Stral ihr immer nah,
Jſt das Laub, in ſolcher Hitze,
Denen Fruͤchten immer nuͤtze;
Darum, wenn ein Blatt vergeht,
Stets ein anders dort entſteht.
Wie die Weiſen jetzt entdecken,
Soll noch eine andre Kraft
Jn den friſchen Blaͤttern ſtecken,
Da der Fruͤchte Nahrungsſaft
Jn denſelben umgeleitet,
Aufbehalten, zubereitet
Und gekocht wird; welches man
Nimmer gnug bewundern kann.
Wer die Zierlichkeit der Blaͤtter,
Und die Mannichfaltigkeit
Jhrer Farb, in heiterm Wetter
Wohl betrachtet, wird erfreut.
Der ſubtilen Adern Gaͤnge,
Jhre Ruͤnde, Laͤng und Menge,
Ruͤhren billig ein Gemuͤth,
Daß es ſie mit Ernſt beſieht.
Wann109uͤber das Reich der Pflanzen.
Wann die Sommerluft entzuͤndet,
Und man unter einem Baum
Kuͤhlung, Luſt und Schatten findet,
Jm durchs Laub bedeckten Raum,
Spuͤrt man, bey ſo ſchwuͤlem Wetter,
Wie das dichte Dach der Blaͤtter
Und ihr angenehmes Gruͤn
Uns ergetze, ſchuͤtz und dien.
Laßt uns denn den Schoͤpfer preiſen,
Wenn man Laub und Blaͤtter ſieht,
Und uns dankbar dem erweiſen,
Deſſen Weisheit, Macht und Guͤt
Uns zum Nutzen, Schutz und Freude
Und ſo ſchoͤner Augenweide
Jn der Baͤume Meng und Pracht
Das beliebte Laub gemacht.
Blu - men insbe - ſon - dere.
1
Da wir nun das Laub betrachtet
Und es uͤberhaupt beſehn;
Werden nunmehr auch beachtet
Bluͤt und Blumen, die ſo ſchoͤn.
Wann wir deren Form erwaͤgen,
Farb und Nutzen uͤberlegen;
Trifft man etwas an, ſo man
Nimmer gnug bewundern kann.
Laßt uns denn zu erſt beſehen
Das, aus welchem insgemein
Blumen eigentlich beſtehen,
Wie ſie eingetheilet ſeyn.
Erſtlich ſieht man mit Vergnuͤgen
Kleine Kelch um ſie ſich fuͤgen,
Dann die Blaͤtter, Petala,
Stylum und die Stamina.
Jhr110Betrachtungen
Jhr klein Kelchlein, das ſie ſtuͤtzet,
Und, ſo lang die Blume klein,
Sie fuͤr manchen Unfall ſchuͤtzet,
Auch ihr ſonſt muß nuͤtzlich ſeyn,
Jſt ein Fortſatz von der Rinde,
Wie ich es gar deutlich finde,
Daß, wo ſie zu Ende geht,
Eben dieſer Kelch entſteht.
Jn der Blaͤtter Pracht hingegen,
Daran uns die Farb ergetzt,
So ſie uns vor Augen legen,
Wird verlaͤngt und fortgeſetzt
Die Subſtanz voll kleiner Roͤhren,
Die, wie uns die Augen lehren,
Voller luft’ge Blaͤſelein,
Drum ſie auch ſo fluͤchtig ſeyn.
Dieſe ſchoͤne Blumentheile,
So man nennet Petala,
Zeugen Spitzen, faſt wie Pfeile,
Dieſe heißt man Stamina:
Und wir koͤnnen deutlich ſehen,
Daß die Spitzen da entſtehen,
Wo der zarten Blaͤtter Reſt
Unten an dem Stengel feſt.
Oben auf denſelben Spitzen,
Welches wunderbarlich laͤßt,
Sieht man gelbe Koͤrner ſitzen,
Welche weder los, noch feſt,
Die, wenn ſich die Luͤfte regen,
Auf - und abwerts ſich bewegen,
Auch ſich in die Ruͤnde drehn,
Und doch feſt auf ihnen ſtehn.
Solch111uͤber das Reich der Pflanzen.
Solch ein Korn, ſo gelblich gruͤnet,
Jſt mit gelbem Staub bedeckt,
Deſſen Nutz, wozu er dienet,
Jſt bishero noch verſteckt.
Camerarius vermeynet,
Wie es auch nicht unwahr ſcheinet,
Es muͤß fuͤr die Eyerlein
Ein befruchtend Saͤmlein ſeyn.
Andre, die den Blick drauf heften,
Machen davon dieſen Schluß:
Von den Zeug - und Nahrungsſaͤften
Sey er bloß der Ueberfluß,
Wovon, durch ſo kleine Roͤhren,
Sich die Pflanzen ſelbſt entleeren,
Das ſo, wie es ausgefuͤhrt,
Allgemaͤhlig ſich verliert.
Was den Stylum nun belanget,
Welcher, mit erhabner Zier,
Mitten in der Blume pranget,
Koͤmmt er mir nicht anders fuͤr,
Als daß er uns ein Gehaͤuſe
Von dem Samen klaͤrlich weiſe;
Er iſt, wenn man’s unterſucht,
Schon ein Anfang von der Frucht.
Ja, wenn wir die holde Bluͤte,
Die ſo angenehm, als ſchoͤn,
Mit erwaͤgendem Gemuͤthe,
Sammt derſelben Nutzen ſehn;
Zeigt ſich klaͤrlich dem Geſichte,
Daß fuͤr Samen und fuͤr Fruͤchte,
Und zu deren Schutz allein,
Sie darinn gezogen ſeyn.
Durch112Betrachtungen
Durch der Blumen ſchoͤne Decken
Sind ſie, wie man’s klaͤrlich ſpuͤrt,
Da ſie in denſelben ſtecken,
Mehr geſchuͤtzt noch, als geziert.
Hierinn find ich Wunderwerke,
Die ich mit Erſtaunen merke;
Die durch ſie geruͤhrte Bruſt
Spuͤret eine neue Luſt.
Eben, wenn mit ſolcher Fuͤlle
Die Natur das Aug ergetzt,
Wirkt ſie etwas in der Stille,
Was man noch viel hoͤher ſchaͤtzt,
Wirket ſie, durch ſuͤße Fruͤchte,
Uns ſo mancherley Gerichte,
Und die Huͤlſen, die ſo ſchoͤn,
Laͤßt ſie uns inzwiſchen ſehn.
Der Sa - me.
1
Ja, der Same ſcheint zumalen
Recht ihr Augenmerk zu ſeyn,
Drum huͤllt ſie in ſo viel Schaalen
Dieß, ihr Kleinod, kluͤglich ein.
Weil, wenn Bluͤt und Frucht vergehet,
Doch durch ihn die Art beſtehet,
Jſt ſie alſo, wie man ſieht,
Stets fuͤrs Kuͤnftige bemuͤht.
Wie wir es nunmehr entdecken,
Soll in ihren Blaͤtterlein
Nicht der Nahrungsſaft nur ſtecken,
Sondern auch in ihnen ſeyn
Selbſt der Anfang von dem Samen,
Welchen man, nur nach dem Namen,
Kennt, und deſſen wahrer Stand
Keinem Menſchen recht bekannt.
Ja,113uͤber das Reich der Pflanzen.
Ja, wie wir es deutlich ſpuͤren,
Wenn man immer weiter ſucht:
Was die Jungen in den Thieren,
Sind, in Pflanzen, Sam und Frucht.
Dieſen dienet ihr Gehaͤuſe,
Auf dieſelbe Art und Weiſe,
Haͤlt und bringt die Frucht herfuͤr,
Wie die Mutter in dem Thier.
Wenn man nun mit Ernſt erwaͤget,
Und der Pflanzen Fruchtbarkeit,
Gott zu Ehren, uͤberleget,
Wird man inniglich erfreut.
Da ſie ſich ſo haͤufig mehren,
Um das Thierreich zu ernaͤhren,
Da fuͤr ein Thier nur allein
So gar viele noͤthig ſeyn.
Eines weiſen Weſens Werke,
Ja gar einen hellen Stral
Seiner Weisheit, Lieb und Staͤrke
Spuͤret man hier abermal.
Weil die Ordnung klar zu ſehen,
Wornach alle Dinge gehen,
Da es ſonſt ganz anders waͤr,
Herrſcht ein blindes Ungefaͤhr.
Stellen die Vermehrungskraͤfte
Auch in ſich nicht Wunder dar
Eines Samens fette Saͤfte
Zeugen oͤfters eine Schaar,
So, daß es faſt unbeſchreiblich,
Unbegreiflich und unglaͤublich,
Wie in einem Korn allein
Hunderttauſend Kinder ſeyn.
HJa,114Betrachtungen
Ja, man kann viel mehr noch ſagen,
Vom Tobak iſt dieſes wahr,
Daß ein Samenkorn getragen
Nur in einem einz’gen Jahr
Dreymal hundert tauſend. Ferner,
Zehen Millionen Koͤrner
Traͤgt die Hirſchzung faſt allein;
Wer ſieht dieſes Wunder ein?
Laßt uns nun von Pflanz - und Baͤumen
Den verborgnen Samen ſehn,
Draus ſie all entſtehn und keimen!
Aber wer wird dieß verſtehn?
Wo iſt Witz genug zu finden,
Dieß Geheimniß zu ergruͤnden?
Saget, was gereicht wohl mehr
Uns zur Demuth, Gott zur Ehr?
Wird was auf der Welt gefunden,
Wo beym Koͤrper ſich der Geiſt
Auf verborgne Art verbunden,
Und ſich gleichſam ſichtlich weiſt:
So iſt es gewiß der Same.
Daß nun der den Urſprung nahme
Von dem Schoͤpfer ſelbſt, iſt klar,
Und recht uͤberzeuglich wahr.
Wenn man dieſes recht bedenket,
Wie doch, in ſo kleinem Platz,
Wunderbarlich eingeſchrenket
Ein faſt unſchaͤtzbarer Schatz,
Wie darinn ein Geiſt, ein Leben,
Wie in zaͤrtlichen Geweben,
Selbſt die Form vom groͤßten Baum
Jn dem Samen findet Raum.
Wenn115uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn man, ſag ich, dieß erwaͤget,
Wird, mit Recht, von jedermann
Auf den Mund die Hand geleget,
Weil kein Witz begreifen kann,
Wie das Große ſo verkleinet,
Wie hier Leib und Geiſt vereinet,
So genau verknuͤpfet ſeyn:
Gott der Herr weis es allein!
Willt du Gottes Groͤße merken,
Und zugleich dein Nichts verſtehn,
Menſch, du darfſt, von allen Werken,
Nur zum Samenkoͤrnlein gehn.
All dein Sinnen, alles Denken,
Wird, verſchlungen, ſich verſenken,
Sonder Grund und Wiederkehr,
Wie ein Tropfen in ein Meer.
Nicht nur unſre Augen ſehen
Sich faſt auf die Samen blind,
Der Verſtand muß ſelbſt geſtehen,
Daß ſie ihm unſichtbar ſind.
Solcher großen Koͤrpertheile
Unbegreiflich zarte Seile
Finden in der Kleinheit ſich
Nie verwirrt, ſtets ordentlich.
Wenn ich der erhab’nen Eiche
Dicke, Breite, Groͤß und Hoͤh
Mit der Eichelfrucht vergleiche,
Und ſie bey einander ſeh:
Stutzt mein Geiſt, weil ich nicht finde,
Wie Stamm, Blaͤtter, Wurzel, Rinde,
Wie ſo viel und mancherley
Drinn formirt geweſen ſey.
H 2Daß116Betrachtungen
Daß die Menge ſolcher Dinge,
Die ſo ordentlich, als ſchoͤn,
Ohn Verſtand aus ſich entſpringe,
Und von ungefaͤhr entſtehn,
Jſt ja laͤcherlich; Nicht minder,
Daß die Waͤrme ſie als Kinder
Hab erzeugt und fortgebracht,
Jſt ohn Witz und ohn Bedacht.
Da doch, wenn wir recht ergruͤnden
Jhrer Kraft Beſchaffenheit,
Jn der Waͤrme nichts zu finden,
Als nur bloß die Schnelligkeit,
Sonder Geiſt, Verſtand und Wiſſen.
Daß wir alſo ſchließen muͤſſen:
Sonder Geiſt ſey keine Hitz,
Etwas zu erſchaffen, nuͤtz.
Billig muß man denn, geruͤhret,
Durch die Weisheit und die Macht
Deß, der alles dieß formiret
Und ſo weislich ausgedacht,
Seine Macht und Herrlichkeiten
Eifrig ſuchen auszubreiten:
Billig, wenn wir dieſes ſehn,
Muß man unſern Gott erhoͤhn!
Der ſo mancherley Geſtalten
Jn Gewaͤchſen ausgedacht,
Sie ſo lange Zeit erhalten,
Jn ſo kleinen Raum gebracht,
Wunderbarlich ſie verbeſſert,
Sie entwickelt, ſie vergroͤßert,
Und, ſo wie die ganze Welt,
Auch derſelben Art erhaͤlt.
Wer117uͤber das Reich der Pflanzen.
Wer in dem, was hier ſich weiſet,
Den, der ſolche Wunder macht,
Nicht mit froher Ehrfurcht preiſet,
Und dadurch zugleich veracht,
Was wir bloß durch Jhn empfangen:
Wie kann der mit Recht verlangen,
Daß vor einem andern Thier
Jhm ein Vorzugsrecht gebuͤhr.
Wo koͤmmt in der Menſchen Seelen
Solch ein fuͤhllos Weſen her?
Kann was Goͤttlichs ihr nur fehlen,
Da ſonſt nichts von Gottheit leer?
Da von Gott, obgleich verhuͤllet,
Erd und Himmel angefuͤllet?
Alles iſt voll Gott und Licht,
Nur ſolch eine Seele nicht.
Faſt erſtaunt von ſuͤſſem Schrecken,
Heiliger Verwundrung voll
Kann ein frommer Geiſt entdecken,
Wie ſo herrlich, wie ſo wohl
Gott ſich hier verbirgt und zeiget.
Da wir, billig tiefgebeuget,
Jhn verſtehn und nicht verſtehn,
Jhn nicht ſehen, und doch ſehn.
Herr! wie groß ſind deine Werke!
Ruft hier mein erſtaunter Mund;
Deine Weisheit, deine Staͤrke
Machet jedes Saͤmlein kund!
Solche Bilder zu erdenken,
Solche Groͤße zu verſchrenken
Jn ſo kleinem Platz und Ort,
Wirkt bloß dein allmaͤchtig Wort.
H 3Ob118Betrachtungen
Ob, durch Gott, die erſten Samen
Alle Bilder auf einmal
Bey der Schoͤpfung uͤberkamen,
Oder ob derſelben Zahl
Jn den Elementen liege,
Und ſich aus denſelben fuͤge,
Jſt hier zu entſcheiden ſchwer,
Doch dient beydes Gott zur Ehr.
Herr, wer muß in deinen Werken
Nicht ein immer neue Spur
Deiner Macht und Weisheit merken!
Oft bemuͤht ſich die Natur
Selbſt den Samen auszuſaͤen,
Oft muß ihn der Wind verwehen,
Wenn ſie, daß er leicht verfliegt,
Kleine Faͤſer an ihn fuͤgt.
Ja, wir finden oftermalen,
Daß ſie mancher Pflanzen Kind,
Jn ſo ſonderbare Schalen,
Die ein rechtes Springwerk ſind,
Leget, draus, wenn ſie zerſpringen,
Schnell die reife Koͤrner dringen,
Wodurch ſie ſie weit und breit
Wunderwuͤrdig von ſich ſtreut.
Jch bin ſelbſt darinn vergnuͤget,
Daß ich dieß nicht faſſen kann.
Alles, was in ſelben lieget,
Seh ich als ein Wunder an.
Ja mich deucht, daß in der Naͤhe
Jch ſelbſt Gottes Finger ſehe.
Selbſt das, was mir unbekannt,
Zeiget mir des Schoͤpfers Hand.
Nicht119uͤber das Reich der Pflanzen.
Nicht allein des Samens Menge
Jſt fuͤr uns erſtaunenswerth,
Welche durch gewohnte Gaͤnge
Uns ein jeder Baum beſchehrt:
Sondern, wo ſein Stamm zerſchnitten,
Steiget aus deſſelben Mitten
Manches neuen Zweigleins Strauß
Faſt an jedem Ort heraus.
Dieß nun kann uns klar entdecken,
Wer es merkt, begreift es wohl,
Wie der Baum an allen Ecken
Solcher kleinen Augen voll.
Da, wo wir ihn auch behauen,
Wir doch ſtets dergleichen ſchauen,
Wir verſpuͤren allezeit,
Eine neue Fruchtbarkeit.
Alle die ſo zarten Sproſſen,
Die kein Auge ſehen kann,
Weil ſie nicht hervorgeſchoſſen,
Trifft man drinn ſo wirklich an,
Als die großgeword’nen Aeſte:
Folglich ſtell ich dieſes feſte,
Daß (wer ſieht Gott nicht hiebey)
Alles unerſchoͤpflich ſey.
Waͤr ein jedes ausgeſchlagen,
Haͤtt ein jedes wiederum
Eben ſo viel noch getragen.
Vor Verwundrung wird man ſtumm,
Wenn man denket: Millionen
Samenkoͤrner ſind und wohnen,
Haben, bloß in einem Baum,
Der vollkommen, Platz und Raum.
H 4Dann,120Betrachtungen
Dann, daß ſich in allen Bollen,
Draus ein Baum faſt ganz beſteht,
So viel Baͤume finden ſollen,
Dieß beſiegt und uͤbergeht
Aller Menſchen Witz und Wiſſen,
Wer wird hier nicht rufen muͤſſen:
Himmel, Erde, Luft und Meer,
Herr, ſind voll von deiner Ehr!
Will man hier noch weiter gehen,
Und erwaͤgen, daß kein Aſt
Wachſen koͤnnen und entſtehen,
Waͤr im Baum nicht eingefaſſ’t
Eine Menge ſolcher Augen,
Die allein zu zeugen taugen.
Zweige, Blaͤtter, Frucht und Bluͤt
Ruͤhren ein geſetzt Gemuͤth.
Denn dieß iſt nicht zuzuſchreiben
Eines Baumes Zaͤſerlein,
Als die bloß zum Dehnen, Treiben,
Und zum Wachſen faͤhig ſeyn,
Aber nie ein Aug erzeugen;
Auch iſt dieß dem Saft nicht eigen,
Der allein die Pflanzen naͤhrt,
Aber ſelbe nicht vermehrt.
Denn dieſelbe zu geſtalten,
Jſt ganz eine andre Kraft.
Nimmer kann dieß Amt verwalten
Bloß das Holz, auch nicht der Saft.
Nicht das kleinſte Gras auf Erden,
Kann durch Naß gebildet werden:
Aus dem Dotter ganz allein
Kann kein Huhn erzeuget ſeyn.
Wenn121uͤber das Reich der Pflanzen.
Wenn wir recht mit Ernſt beſehen
Aller Pflanzen Eigenſchaft,
So kann keine je entſtehen
Sonder eines Samens Kraft.
Denn ein Same, wie es ſcheinet,
Und man lange Zeit gemeynet,
Jſt kein Weſen ohn Figur,
Es betriegt der Schein uns nur.
Nein, im Samen liegt verſchrenket
Der zukuͤnft’gen Pflanze Bild,
Dieſes iſt in ihn geſenket,
Er iſt ganz damit erfuͤllt.
Da die Zaͤſerchen, wie Sehnen,
Dann ſich aus einander dehnen,
Wenn ſie Waͤrm und Feuchtigkeit
Lockt und treibt zur Fruͤhlingszeit.
Denn allein aus bloßer Erden
Kann, wie die Erfahrung lehrt,
Nicht die kleinſte Pflanze werden.
Bloß den Saft, der Pflanzen naͤhrt,
Hebt ſie auf. Sie dient daneben,
Einen Wohnplatz abzugeben,
Da ſie ſie beherbergt, ſtuͤtzt,
Und die Wurzeln deckt und ſchuͤtzt.
Kleine Ran - ken.
1
Mehr bewundernswerthe Theile
Trifft man noch in Pflanzen an,
Wovon ich die kleinen Seile
Hier nicht uͤbergehen kann,
Welche wir an vielen finden,
Wodurch ſie ſich binden, winden,
Und wie wir an ihnen ſehn,
Von der Erde ſich erhoͤh’n.
H 5Erbſen,122Betrachtungen
Erbſen, Bohnen, Hopfen, Reben
Haben kleine Gaͤbelein,
Wodurch ſie ſich zu erheben
Und zu halten faͤhig ſeyn.
Da ſie ſonſten in der Erden
Nicht ſo fruchtbar koͤnnten werden,
Sondern blieben ganz verſtrickt,
Wild, verwickelt und erſtickt.
Zäſer - chen.
1
Noch ſind viele voller Spitzen,
Und mit zartem Haar verſehn,
Die denſelben nicht nur nuͤtzen,
Dadurch, daß ſie ſicher ſtehn;
Nein, man ſpuͤret, daß ſie ihnen
Noch zu etwas mehrerm dienen,
Da des Naſſes Ueberfluß
Sich durch ſie zertheilen muß.
Weil von den ſubtilen Theilen
Aus der Pflanzen innerm Saft
Viele ſtets von ihnen eilen
Und verduͤnſten; muß die Kraft
Wieder aus der Luft und Erden
Ungeſaͤumt erſetzet werden,
Wie man es im Thierreich ſieht,
Daß es eben ſo geſchieht.
Wur - zeln.
1
Nehmen Thiere Koſt und Speiſe
Durch den Mund und Hals zu ſich;
So nimmt hier, auf andre Weiſe,
Und zwar recht verwunderlich,
Aller Pflanzen große Menge,
Durch der Wurzeln kleine Gaͤnge
Und derſelben Zaͤſerlein,
Jhre feuchte Nahrung ein.
Dieſe123uͤber das Reich der Pflanzen.
Dieſe Gaͤnge nun beſtehen
Meiſt aus Blaͤslein, welche man
Als Gedaͤrmer anzuſehen,
Ja, fuͤr Magen nehmen kann,
Worinn ſich der Saft bereitet,
Reinigt, kocht und ſich verbreitet,
Da er denn, recht durchgeſeigt,
Bis zum hoͤchſten Gipfel ſteigt.
Wie dieß eigentlich geſchehe,
Daß der Saft ſo wunderbar
Bis zu einer ſolchen Hoͤhe
Aufgefuͤhret werd; iſt klar:
Wenn man denkt, daß er, wie Duͤnſte,
Durch der Aederchen Geſpinnſte,
Vom Gewicht der Luft gedruͤckt,
Leichtlich aufwerts ſey geſchickt.
Denn die Luft mit ihrer Schwerde,
Treibt und druͤckt den Nahrungsſaft,
Welcher in und um der Erde,
Jn die Loͤchlein, und verſchafft,
Daß er, durch der Adern Gaͤnge,
Leicht ſich in die Hoͤhe draͤnge,
Denn die ſind, recht wie ein Schwamm,
Ueberall in Zweig und Stamm.
Aus - dün - ſtung.
1
Werden in die kleine Roͤhren
Mehre Saͤfte eingefuͤhrt,
Als zum Unterhalt gehoͤren
Und als noth, was er verliert
Durch die Duͤnſtung, zu erſetzen;
Spuͤrt man, daß an allen Plaͤtzen
Jeder Theil ſich dehnt und dreht,
Draus ihr Wachsthum dann entſteht.
Daß124Betrachtungen
Daß an Pflanzen, wie an Thieren,
Und zwar gleichfalls zweyerley,
Duͤft - und Duͤnſtungen zu ſpuͤren,
Ja recht klar zu weiſen ſey,
Dem wird niemand widerſprechen.
Aus verſchiednen Pflanzen brechen
Duͤnſte, welche jedermann
Fuͤhlen, ſehn und ſchmecken kann.
Daß nun ſolche Feuchtigkeiten,
Die auf einigen zu ſehn,
Von dem Thau nicht herzuleiten,
Sondern aus der Pflanz entſtehn,
Merkt man, weil ſie fett und ſuͤße:
Ferner, daß der Saft entſprieße
Fruͤh nicht, auch im Schatten nicht,
Nur im warmen Sonnenlicht.
Dieſe Saͤfte, die den Bienen,
Wie es ja ein jeder weis,
Sonderlich zur Nahrung dienen
Bey derſelben munterm Fleiß,
Laſſen uns zugleich im Schmecken
Jhren Urſprung leicht entdecken,
Da der Honig in der That
Den Geſchmack von Blumen hat.
Wie denn die Erfahrung zeiget,
Daß das Manna ſolch ein Saft,
Welcher aus den Blaͤttern ſteiget,
Und daß ſeine Eigenſchaft
Nicht, wie man vorhin gemeynet,
Thau ſey, ob es gleich ſo ſcheinet;
Sondern es wird ausgeſchwitzt,
Wenn die Sonne ſie erhitzt.
Gleich -125uͤber das Reich der Pflanzen.
Gleichfalls ſind des Zuckers Saͤfte,
Harz und Gummi eben auch,
Jhrer Pflanzen Nahrungskraͤfte,
Die nach ſonderbarem Brauch
Sich von ihren Pflanzen trennen,
Draus, wie wir es ſehen koͤnnen,
Und man es mit Luſt verſpuͤrt,
Sich was ſonderlichs formirt.
Wobey wir jedennoch finden,
Daß, wenn von dergleichen Saft
Gar zu viel aus ihren Rinden
Sich ergießt, ein Baum die Kraft
Ganz verlier, und gleichſam ſterbe:
Drum ein Gaͤrtner gleich die Kerbe,
Wenn er ihn im Jmpfen theilt,
Mit dem Wachs verbindt und heilt.
Ver - meh - rung.
1
Wenn wir ferner Achtung geben
Auf die Pflanzen, findet man,
Daß derſelben ganzes Leben,
So viel man bemerken kann,
Sey ein ſtetiges Gebaͤhren.
Sich vergroͤßern, ſich vermehren,
Scheint, wenn man’s bemerkt, allein
Jhr beſtaͤndig Werk zu ſeyn.
Dieß wird leicht hieraus erkennet:
Wenn man irgend einem Thier
Ein’s von ſeinen Gliedern trennet,
Waͤchſt kein ander Glied herfuͤr,
Wie ſich doch aus Pflanzen zeigen.
Aus den abgeſchnitt’nen Zweigen
Waͤchſt nicht nur ein neuer Strauß,
Nein, es wachſen viel heraus.
Die,126Betrachtungen
Die, ſo wie ſichs ſelbſt entdecket,
Wenn man es wohl uͤberlegt,
All im Stamm vorhin geſtecket.
Ach betrachtet! Ach erwaͤgt!
Welch ein Meer von Wunderwerken
Kann man doch darinn bemerken,
Stellt nicht dieß aufs neue dir
Sich faſt als unendlich fuͤr?
Da denn die Unendlichkeiten
Uns zur Vollenkommenheit
Von der Gottheit Groͤße leiten
Jn der groͤßten Deutlichkeit.
Wer in mathemat’ſchen Dingen
Sucht ein wenig einzudringen,
Dem koͤmmt dieß Unendlich hier
Nicht gar unbegreiflich fuͤr.
Keine Linien, noch Zahlen
Findet man ſo groß, ſo klein,
Daß nicht ungezaͤhlte malen
Die noch zu vermehren ſeyn,
Und die kleinen zu zertheilen.
Dieſe Wahrheit kann uns heilen
Von dem eitlen Unbedacht,
So uns oft ein Zweifel macht.
Denkſt du, wie zum erſtenmale
Eine Eichel ward, ſo ſprich:
Wie ſchloß deren enge Schale
Aller Eichen Meng in ſich,
Die bis an das Grab der Erden
Werden fortgepflanzet werden;
Jeder Menſch, hiedurch geruͤhrt,
Wird zum Schoͤpfer ſelbſt gefuͤhrt.
Und127uͤber das Reich der Pflanzen.
Und dahin den Weg zu nehmen,
Hat ein wahrer Phyſicus
Sich ja nimmermehr zu ſchaͤmen,
Weil er ja begreifen muß,
Daß, zum Schoͤpfer hinzuleiten,
Eins der groͤßten Trefflichkeiten,
So uns ſeine Kunſt entdeckt,
Und in ihr verborgen ſteckt.
Wenn wir nun noch weiter ſinnen,
Urſtoff.
1 Um den Urſtoff zu beſeh’n,
Und das Weſen recht von innen,
Draus die Pflanzen all beſteh’n,
Wird man, wenn wir ſie ergruͤnden,
Leichtlich dieſe Wahrheit finden:
Daß ihr Urſtoff einerley
Mit dem Mineralreich ſey.
Jſt der Stoff der Mineralen
Salz, Salpeter, Vitriol;
So ſind die Fundamentalen
Von den Pflanzen eben wohl
Auch dieſelben; ſaure Saͤfte
Haben eben ſolche Kraͤfte
Jn den Pflanzen uͤberall,
Als die Saͤure im Metall.
Aus dem fluͤcht’gen Salz erſcheinet,
Daß, von grober Erde frey,
Es ein Salz mit Oel vereinet,
Wie im Mineralreich ſey.
Theile, welche ſich entzuͤnden,
Die wir auch in Pflanzen finden,
Sind, wie dorten ja ſowohl,
Vitriol und Schwefel voll.
Es128Betrachtungen
Es war in den vor’gen Zeiten
Aller Pflanzen Art und Stand,
Kraͤft und Mannichfaltigkeiten
Durch die Menge unbekannt,
Da man ſie itzt durch der Kenner
Und verſchied’ner großer Maͤnner
Kunſt und unverdroſſ’nen Fleiß
Ziemlich einzutheilen weis.
Jn die zwey und zwanzig Arten
Trifft, mit viel Verwundrung, man
Auf dem Feld und in dem Garten
So von Baͤum - als Pflanzen an.
Laßt uns nach der Ordnung gehen,
Und von Blumen erſtlich ſehen,
Die bey einem Blatt allein
Dennoch glockenfoͤrmig ſeyn.
Dieſe, wenn wir ſie ergruͤnden,
Theilen auf das neue ſich,
Da ſich unterſchied’ne finden,
Die den Glocken eigentlich
Und in allen Stuͤcken gleichen;
Jhrer viel hingegen reichen
Nicht an ganzer Aehnlichkeit,
Da die Roͤhren nicht ſo weit.
And’re ſind hingegen breiter,
Gleichen dannenhero bald,
Da ſie allenthalben weiter,
Einer Schuͤſſel an Geſtalt;
Noch ſind andere zu finden,
Die ſich in der Mitte ruͤnden,
Wie man dieß an Gloͤckleinkraut,
Eibiſch, Kuͤrbs und Pappeln ſchaut.
Dieſer129uͤber das Reich der Pflanzen.
Dieſer ſind im Feld und Garten,
Wie ein fleißig Auge findt,
Auf fuͤnfhundert achtzig Arten,
Die bemerkenswuͤrdig ſind;
Weil ſie all an Farb und Kraͤften,
An Geſtalt, Figur und Saͤften
Wieder unterſchieden ſeyn:
Ganz ſtimmt keine uͤberein.
Jn der andern Claſſe ſtehen
Blumen, die, in ihrem Flor,
Einem Trichter aͤhnlich ſehen.
Oben ſtellen dieſe vor
Jezuweilen kleine Raͤder,
Jhre Blaͤtter und Geaͤder
Sehen ſpitzig, etwas kraus,
Und wie kleine Sternchen aus.
Gehen wir nun auch zur dritten,
Finden in derſelben ſich
Blumen, welche in der Mitten,
Wie es laͤßt, unordentlich
Jhr auch einfach Blatt formiren,
Da wir an verſchied’nen ſpuͤren,
Daß ſie kleinen Kaͤppelein,
Recht mit Zipfeln, aͤhnlich ſeyn.
Andre, die hieher gehoͤren,
Sehen einer Zungen gleich
Born an ihren langen Roͤhren.
Noch ſind andre rund und weich,
Welche, wie verhuͤllet, ſtehen,
Und nicht anders anzuſehen,
Als wie ein vermummt Geſicht.
Von noch mehrern red ich nicht.
JPflan -130Betrachtungen
Pflanzen in der vierten Claſſen
Haben Blumen, welche recht
Als wie offne Lippen laſſen.
Jn derſelbigen Geſchlecht,
Wie die Blumenweiſen wiſſen,
Zaͤhlt man Rosmarin, Meliſſen,
Muͤnz, Salbey, und viele mehr,
Ja, wer zaͤhlt wohl alle her?
Jn der fuͤnften Claſſe ſtehen
Pflanzen, deren Blumen wir
Voller kleinen Stiftchen ſehen,
Welcher Blaͤtter, deren vier,
Stets ins Kreuz zu ſitzen pflegen;
Dieſer Arten Blumen hegen
Kal, wo man ſie haͤufig ſchaut,
Taͤſchel - und das Loͤffelkraut.
Pflanzen, welche Blumen tragen,
So auch voller Stiftelein,
Die aus ihrer Mitte ragen,
Worinn ſie geordnet ſeyn,
Und um deren zarten Spitzen
Roſengleiche Blaͤtter ſitzen,
Die an Dau’r und Farben zart,
Zaͤhlt man zu der ſechſten Art.
Jn die ſiebende gehoͤren
Kraͤuter, die ein Bluͤmchen ziert,
Deſſen Stiel an ſeinen Roͤhren
Einen Sonnenſchirm formirt,
Deſſen Blaͤtter gleicherweiſe
Roſenfoͤrmig und im Kreiſe.
Hier gehoͤrt der Kuͤmmel her,
Fenchel, Till und andre mehr.
Jn131uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn der achten ſind zu zaͤhlen
Blumen, die an Blaͤttern reich,
Welchen Schmuck und Reiz nicht fehlen;
Die, den Gartennelken gleich,
Ausgeſchnitt’ne Blaͤtter tragen,
Deren Spitzen auswerts ragen;
Unter denen Naͤgelein
Sonderlich zu rechnen ſeyn.
Jn der neunten Claſſe ſtehen
Alle Pflanzen, dran allein
Solche Blumen ſind zu ſehen,
Die den Liljen aͤhnlich ſeyn.
Dieſe findet man im Garten
Von verſchied’nen Farb - und Arten,
Drunter Tulpe, Hyacinth,
Und die Kaiſerkronen ſind.
Jn die zehnte ſind zu bringen
Kraͤuter, die nicht minder ſchoͤn,
Deren Blumen Schmetterlingen,
Wenn ſie fliegen, aͤhnlich ſeh’n,
Welche viele Stiftchen ſchmuͤcken.
Bohnen, Erbſen und die Wicken
Sind, doch in der Bluͤte nur,
Von derſelbigen Figur.
Jn der eilften Gattung prangen
Pflanzen, deren Blaͤtterlein,
Bey viel kleinen Blumenſtangen,
Nicht in gleicher Ordnung ſeyn,
Sondern deren Blatt und Spitzen
Nicht auf eine Weiſe ſitzen;
Wie man dieß am Balſamkraut,
Auch an den Violen, ſchau’t.
J 2Die132Betrachtungen
Die auf dieſe folget, heget
Pflanzen, deren jede Bluͤt
Manche kleine Blume traͤget,
Dran man kleine Roͤhrchen ſieht:
Deren ausgeſchnitt’ne Spitzen
Nahe bey einander ſitzen,
Wie man’s an der Dieſtelbluͤt,
Scabios und Kornblum ſieht.
Jn die folgende gehoͤren
Solche Blumen, deren Blatt
Nicht aus ganz -, aus halben Roͤhren
Seine Form und Bildung hat.
Dieſer Blaͤtter hat ſie viele,
Jn der Ruͤnd, um ihrem Stiele,
Solche ſind, nebſt andern mehr,
Wegwart und die Scorzoner.
Ferner ſtehn in einem Range
Die Gewaͤchs, an deren Bluͤt
Man an ihres Stengels Stange
Recht als kleine Stralen ſieht,
Die rings in der Ruͤnde ſchießen,
Und aus einem Mittel ſprießen;
Wie man dieß am Jacobskraut,
Gemsblum und der Geißwurz ſchaut.
Noch iſt eine eig’ne Sorte,
Deren Blume gar kein Blatt,
Und ſtatt deß, am ſelben Orte,
Kleine Haar und Stenglein hat,
Die zuweilen faſt ſo duͤnne,
Als die Faͤden einer Spinne.
Man erblickt dergleichen Flor
Am Korn, Haber, Gras und Rohr.
Jn133uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn noch einer Claſſe ſtehen
Staub - und Pflanzen, woran Saat,
Aber Blumen nicht, zu ſehen,
Deren man verſchied’ne hat.
Da wir viele zaͤhlen koͤnnen,
Wollen wir nur welche nennen,
Als die Hirſchzung, Mauerraut,
Engelſuͤß und Fahrenkraut.
Noch iſt eine Sort, an denen
Man von Fruͤchten und von Bluͤt,
So wie unſer Aug an jenen,
Auch nicht das geringſte ſieht,
Und verſchieden ſind von allen.
Dieſer Gattung ſind Korallen,
Meergewaͤchſe, Schwaͤmm und Moos,
Derer Anzahl ziemlich groß.
Auch iſt vielen Baͤumen eigen,
Daß ſie bluͤh’n, doch an der Bluͤt
Gar von Blaͤttern nichtes zeigen,
Wie man es am Buxbaum ſieht,
Und am Eſchenbaum. Bemerke,
Lieber Menſch, des Schoͤpfers Werke,
Wie ſo viel und mancherley
Der Geſchoͤpfe Bildung ſey.
Von den Claſſen iſt noch eine,
Die beſond’re Blumen hegt,
Deren Bluͤt von Blaͤttern keine,
Sondern rauhe Kaͤtzlein, traͤgt,
Wie uns ſolche Buch und Eichen,
Sammt dem Nußbaum, haͤufig reichen.
Welche wir auf ihren Hoͤh’n
Ohn Bewunderung nicht ſeh’n.
J 3Jn134Betrachtungen
Jn die zwanzigſte gehoͤren,
Deren Blume nur ein Blatt,
Wie, gleich denen Heidelbeeren,
Ulmbaum und Holunder hat:
Auch die purpurne Cyrene,
Die nicht minder ſchoͤn, als jene,
Deren faſt ſchneeweiße Bluͤt
Man mit Freuden riecht und ſieht.
Noch ſind Baͤum, auf deren Zweigen
Sich die Blumen Roſen gleich
Jn den zarten Blaͤttern zeigen,
Die ſo form - als farbenreich.
Wie wir dieſe Gattung finden
Auf dem Mandelbaum, und Linden;
Auch ſieht man dieſelbigen
Auf dem Pfirſch - und Kirſchbaum ſtehn.
Nun noch von der letzten Claſſen,
Worinn Baͤum und Stauden ſeyn,
Deren zarte Blumen laſſen
Recht wie Sommervoͤgelein:
Derer wir auf Berg und Gruͤnden
Hundert zwey und dreyßig finden,
Wovon in dem Blumenreich
Keine ganz der andern gleich.
Alſo haͤtten wir die Arten
Ueberhaupt nur angeſehn,
Die im Felde und im Garten
Jhrem Gott zu Ehren ſtehn.
Jetzo ſollten wir nun zeigen
Das, was einer ieden eigen:
Aber, wer iſt auf der Welt,
Dem dieß nicht unmuͤglich faͤllt?
Welche135uͤber das Reich der Pflanzen.
Welche große Wunderwerke
Leget nicht der Blumen Schaar
Von des Schoͤpfers Liebe, Staͤrke,
Und von ſeiner Weisheit dar!
Wenn wir dieſes recht erwaͤgen,
Und gebuͤhrend uͤberlegen;
Jſt wohl der kein Menſch, der nicht,
Wunder, uͤber Wunder! ſpricht.
Aber da es nun unmuͤglich,
Daß man ſolche recht beſchreibt,
Glaub ich, daß man desfalls fuͤglich
Bloß bey der Bewund’rung bleibt,
Und was Gott darein geleget,
Mehr nur uͤberhaupt erwaͤget,
Als daß wir uns unterſteh’n,
Jn das Einzelne zu gehn.
Ueberdem hab ich vor dieſen
Von den ſchoͤnſten allbereit
Farben und Geſtalt gewieſen,
Und ſie Gott zum Ruhm geweiht.
Tulpen, Kaiſerkronen, Liljen,
Hyacinthen, Gras, Jonquiljen,
Malva, Crocus, Matronal,
Und noch eine große Zahl.
Sammt der Sonnenblumen funkeln
Mayenblumen, Primula,
Nelken, Ritterſporn, Ranunkeln,
Schnee - und Kornblum, Veilchen, Mah,
Rothe - Weiß - und Eßigroſen,
Bluͤte von den Apricoſen,
Nebſt der Hyacinth, Muſkat,
Admirabilis, Granat.
J 4Auch136Betrachtungen
Auch die Bluͤte von den Kirſchen,
Die Cyren, Vergißmeinnicht,
Africanus, bluͤh’nde Pfirſchen,
Der Narciſſen weißes Licht,
Die Levcojen, das Getraide,
Kuͤrbsblum, eine bluͤh’nde Heide,
Nebſt verſchied’nen andern mehr
Zu des großen Schoͤpfers Ehr.
Wie verſchiedlich ſind die Kraͤfte,
Da uns faſt zu aller Zeit,
Zu ſo mancherley Geſchaͤffte,
Eine Pflanze Huͤlfe beut.
Dienen ſie nicht uns zu naͤhren?
Froſt und Regen abzuwehren?
Selbſt zur Kleidung und zum Trank?
Ja zu heilen, wenn man krank?
Sonder Pflanzen kann hienieden
Nicht gemaͤchlich, nicht bequem,
Nicht geſund, nicht halbzufrieden,
Nicht erquickt, nicht angenehm,
Nicht ohn Elend und Beſchwerden,
Kurz, gar nicht gelebet werden.
Was uns kleidet, traͤnkt und naͤhr’t,
Wird uns bloß durch ſie gewehr’t.
Fodern denn nicht unſre Pflichten,
Daß wir Herzen, Seel und Sinn
Wenigſtens auf dieſe richten,
Die ſo mancherley Gewinn,
Luſt und Nutzen uns gewehren,
Die uns traͤnken, die uns naͤhren,
Die uns kleiden, deren Kraft
Uns ſelbſt die Geſundheit ſchafft?
Hoͤchſter137uͤber das Reich der Pflanzen.
Hoͤchſter Gott, wenn man erwaͤget,
Was fuͤr Kraft dein Allmachtshand
Jns Getraid allein geleget,
Wird dein Ehr und Lieb erkannt!
Denket auf den Nahrungsſegen,
Welchen Weiz und Rocken hegen!
Denket, was derſelben Saft,
Unſerm Blut fuͤr Kraͤfte ſchafft!
Laßt uns ſonderlich betrachten
Das, was unſern Koͤrper naͤhrt,
Auch auf das zugleich mit achten,
Wodurch Gott Gewand beſcher’t!
Jhn, als Geber, zu verehren,
Sollen die Geſchoͤpf uns lehren,
Und Korn, Obſt, Gras, Flachs und Wein
Vorwuͤrf unſ’rer Lieder ſeyn.
Hoͤrt, wie dorten David ſinget!
Er ſagt unſerm Schoͤpfer Dank,
Daß er aus der Erde bringet
Brodt zur Nahrung, Wein zum Trank.
Recht zu unſ’rer Koͤrper Weſen
Scheinet das Getraid erleſen.
Es gewehr’t uns beyderley,
Nahrung und auch Arzeney.
Liebſte Menſchen, kommt, bedenket,
Korn.
1 Haͤtte Gott nicht ſolche Kraft,
Jn das liebe Korn geſenket,
Und ſolch einen Nahrungsſaft,
Welcher unſerm Fleiſch und Blute
Wunderbarlich koͤmmt zu Gute,
Wuͤrd ein Elend allgemein,
So wie jetzt der Segen, ſeyn.
J 5Wollt138Betrachtungen
Wollt ihr mir nicht Glauben geben,
Wie wir unerkenntlich blind,
Faſt in unſerm ganzen Leben,
Leider! durch Gewohnheit, ſind:
So verſucht’s, laßt euch bereiten
Tauſendfache Niedlichkeiten,
Sonder Brodt! probirt dabey,
Ob es lang ertraͤglich ſey.
Da das Brodt allein hingegen
Nicht nur bloß den Hunger ſtillt,
Sondern auch mit Nahrungsſegen
Unſern ganzen Koͤrper fuͤllt.
Es iſt, uns zu Gut, verdaͤulich,
Dem Geſchmack iſt es erfreulich,
Der denn, da er nicht zu ſcharf,
Auch zu ſehr nicht reizen darf.
Wunderbar ſind vom Getraide
Alle Theilchen zugericht:
Da ihr Weſen, uns zur Freude,
Sich in unſer Weſen flicht:
Da ſie, wenn wir ſie verzehren,
Uns erhalten, ſtaͤrken, naͤhren,
Und ihr Stoff in Fleiſch ſich kehrt;
Jſt das nicht bewundernswerth?
Alles wird man uͤberdruͤßig;
Brodt iſt immer angenehm.
Andre Koſt iſt uͤberfluͤßig;
Brodt allein iſt ſchon bequem,
Unſerm Koͤrper, unſerm Leben,
Daur und Unterhalt zu geben.
Dieß iſt warlich abermal
Von des Schoͤpfers Lieb ein Stral.
Steckt139uͤber das Reich der Pflanzen.
Steckt hierinnen nicht verborgen
Einer weiſen Vorſicht Kraft,
Da, fuͤr Duͤrftige zu ſorgen,
Gott ſolch wolfeil Mittel ſchafft?
Da ſich Korn ſo ſtark vermehret,
Daß, wie die Erfahrung lehret,
Bloß ein Koͤrnchen, das gelingt,
Mehr als tauſend Kinder bringt.
Noch iſt Gottes Werk zu ſchauen,
Da wir, nebſt der Faͤhigkeit,
Feld und Acker zu bebauen,
Auch die Kunſt, zu rechter Zeit
Solches wirtlich anzufangen,
Nebſt der Zubehoͤr, erlangen.
Es koͤmmt bloß von Gott allein,
Daß wir ſo vernuͤnftig ſeyn.
Auch in dem gezieghen Eiſen,
Das dazu ſo noͤthig iſt,
Jſt des Schoͤpfers Huld zu preiſen,
Wenn man es mit Ernſt ermißt,
Hierzu koͤmmts uns ſehr zu Gute.
Drum ich mit vergnuͤgtem Muthe,
Wenn ich nette Furchen ſeh,
Auch in ihnen Gott erhoͤh.
Daß das Erdreich ſo formiret
Und von Gott bereitet ward,
Daß es, wie man es verſpuͤret,
Nicht zu weich, und nicht zu hart:
Auch daß, wenn die Welt getraͤnket,
Sich darinn das Waſſer ſenket;
Daß die eingeſtreute Saat
Raum, auch Saft zur Nahrung, hat.
Dieſes140Betrachtungen
Dieſes iſt mehr, als es ſcheinet,
Dankens - und bewundernswerth,
Weil dadurch, mehr als man meynet,
Uns ein Segensquell beſchert.
Sollte nur ein einzigs fehlen,
Wuͤrd uns Hungersnoth entſeelen.
Dankt demnach, und denkt hiebey,
Wie uns Gott ſo gnaͤdig ſey!
Ferner muß man wohl bedenken,
Da, benebſt dem Sonnenſchein,
Regen, um die Frucht zu traͤnken,
Auch die Winde, noͤthig ſeyn,
Daß uns Gott ſo zaͤrtlich liebet,
Und ſie uns ſo reichlich giebet;
Ja, zu fetter Fruchtbarkeit,
Jedes recht zu ſeiner Zeit.
Herr, wie groß ſind deine Werke!
Ruft hier billig jedermann.
Wenn ich dieſes recht bemerke,
Seh ich mit Erſtaunen an,
Wie der Himmel, uns zu naͤhren,
Speiſ und Trank uns zu beſcheren,
Seine Kraft herabwerts ſenkt,
Und von oben Erdwerts lenkt.
Weiſer Schoͤpfer! Dein Regieren
Wird niemals genug verehrt;
Jn der Witt’rung iſt zu ſpuͤren,
Was fuͤr Gnad uns wiederfaͤhrt.
Herr! Wer wollte dich nicht loben?
Denn nur du ſchenkſt uns von oben
Regen, Wind und Sonnenſchein,
Daß die Aecker fruchtbar ſeyn.
Ferner141uͤber das Reich der Pflanzen.
Ferner muß man nicht vergeſſen,
Daß es auch ein Segen ſey,
Wuͤrdig, daß wir ihn ermeſſen,
Wann das Brodt nicht einerley;
Sondern, daß Gott, uns zur Speiſe,
Brodt ſchafft auf verſchiedne Weiſe.
Rocken, Weizen, Gerſten, Reiß
Mehren billig Gottes Preis.
Denn, dieß zeigt, nebſt ſeiner Liebe,
Seine Macht und Weisheit an,
Da es nicht bey einem bliebe.
Unſer Schoͤpfer will und kann
Uns auf manche Weiſ erfreuen,
Er hat mancherley Gedeyen,
Da, durch mehr, als eine, Kraft
Er uns Luſt und Nahrung ſchafft.
Wenn ich die Gedanken hefte
Auf dieß Wunder nur allein,
Spuͤr und ſeh ich, wie die Kraͤfte
Der Natur ſo vielfach ſeyn;
Und dieß treibet meine Blicke
Billig auf die Quell zuruͤcke:
Da ich denn, o Herr, in dir
Jhre Meng unendlich ſpuͤr.
Jhrer ſind in Gott befindlich
Ein faſt nicht zu zaͤhlend Heer.
Unerſchoͤpflich, unergruͤndlich
Sind dieſelben, wie ein Meer,
Welches ſonder Grund und Schranken;
Worinn ich, ſammt den Gedanken,
Da ich es in Ehrfurcht ſeh,
Faſt halb ſelig untergeh.
Gott142Betrachtungen
Gott hat nicht allein geſenket
Jn das Korn die edle Kraft,
Daß es naͤhrt, im Bier auch traͤnket;
Sondern auch die Eigenſchaft,
So wohl werth, daß man drauf merket,
Daß es auch in Krankheit ſtaͤrket;
Jn der Arzeney ſo gar
Jſt der Nutzen offenbar.
Wie iſt in des Fiebers Hitze,
Wenn uns Durſt und Ekel druͤckt,
Gerſten, der gekocht, nicht nuͤtze!
Wird man nicht dadurch erquickt,
Wird man nicht dadurch erfriſchet,
Wenn man ihn mit Zucker miſchet,
Und ihm durch Citronenſaft
Eine kleine Saͤure ſchafft?
Naget uns durch Wuͤhlen, Quaͤlen,
Und Vergiften unſer Blut,
Mit Empfindung ſelbſt der Seelen,
Schwindſucht, Podagra, Scorbut,
Wird uns nichts ſo kraͤftig heilen
Und mehr Linderung ertheilen,
Wenn man an dergleichen krank,
Als der ſanfte Habertrank.
Bruͤhe von der Habergruͤtze
Rechnet man zu vielerley
Koͤrperlichen Plagen nuͤtze.
Man erweiſt, wie gut ſie ſey
Jn Franzoſen, Maſern, Pocken.
Wird uns nicht der Brey von Rocken
Jn der Schwindſucht duͤrrem Weh
Ein bewehrtes Recipe?
Wie143uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie wird ein verdorbner Magen
Nicht durch Brodt im Wein geſtaͤrkt!
Es iſt nicht genug zu ſagen,
Welche Wirkung man vermerkt,
Wenn des Brodtes Nahrungsſaͤfte,
Auch der Spezereyen Kraͤfte,
Jn dem unverfaͤlſchten Wein
Uns zum Nutz vereinet ſeyn.
Ja, es bleibt wohl ungezaͤhlet,
Wie ſo oft uns Brodt curirt,
Wenn uns innerlich was fehlet,
Wofuͤr Gott ja Dank gebuͤhrt.
Jn der Roſe, in Geſchwuͤren,
Jſt auch aͤußerlich zu ſpuͤren,
Wie man es ſehr oft entdeckt,
Welche Kraft im Mehle ſteckt.
Der Wei - zen.
1
Weizen iſt von dem Getraide
Faſt das alleredelſte,
Drinn ich nicht nur unſre Weide
Und die Nahrungskraͤfte ſeh;
Sondern, worinn, wie mans findet,
Luſt und Nutzen ſich verbindet.
Wie ſo lieblich, weiß und ſchoͤn
Jſt ein weiß Brodt anzuſehn?
Auf wie viel und manche Weiſe
Wird der Weizen zugericht!
Wie ſo manche ſchoͤne Speiſe
Macht man aus demſelben nicht?
Hundert Arten Kuchen, Torten
Und Paſteten! Wie viel Sorten
Zuckerwerks ſind ſo zur Pracht
Als zum Wohlſchmack draus gemacht!
Endlich144Betrachtungen
Endlich iſt nicht nur durchs Brauen
Jn ſo manchem Bier allein
Dieſes Weizens Kraft zu ſchauen,
Sondern auch am Brandtewein,
Den man haͤufig aus ihm brennet.
Ferner wird der Nutz erkennet,
Der durch ihn uns wiederfaͤhrt,
Da ſein Stroh das Vieh ernaͤhrt.
Der Ro - cken.
1
Weiter muͤſſen wir mit Freude
Auf des Rockens Nutzen ſehn,
Und in deſſen Unterſcheide
Auch des Schoͤpfers Lieb erhoͤhn,
Der die Frucht am meiſten mehret,
Weil ſie meiſt die Armuth naͤhret,
Daß deswegen jedermann
Rocken wolfeil kaufen kann.
Und dabey ſind ſeine Kraͤfte
Nahr - und huͤlfſam; er vermehrt
Unſers Koͤrpers noͤth’ge Saͤfte,
Der, wie die Erfahrung lehrt,
Aus dem Rocken Kraͤfte ziehet,
So, daß man bewundernd ſiehet,
Daß beym Rockenbrodt allein
Menſchen ſtark und daurhaft ſeyn.
Auch wird man nicht leugnen koͤnnen,
Daß, wie noch zu mehrerley,
Auch den Brandtewein zu brennen,
Uns der Rocken nuͤtzlich ſey.
Jſt, das Hornvieh zu ernaͤhren,
Rockenſtroh wohl zu entbehren?
Nein. Jſt dieſes denn nicht werth,
Daß man Gott deswegen ehrt?
Laßt145uͤber das Reich der Pflanzen.
Laßt uns gleichfalls nicht vergeſſen,
Gottes weiſe Lieb und Macht
Ger - ſten.
1 Auch im Gerſten zu ermeſſen!
Schmeckt und ſehet mit Bedacht,
Wie ſo huͤlfſam doch die Kraͤfte
Der aus ihm gezognen Saͤfte:
Wie er auch dem Hunger wehrt,
Und auf manche Weiſ uns naͤhrt.
Welch ein Nutz iſt durch ihn ferner
Jn der Wirthſchaft uns beſtimmt,
Da man alte Gerſtenkoͤrner
Zu der Pferde Futter nimmt.
Rindern, Schweinen, und ſammt ihnen,
Muß er auch zur Nahrung dienen
Huͤnern, Endten; ebenfalls
Fuͤllt er Gaͤnſen Kropf und Hals.
Es iſt gleichfalls nicht zu glaͤuben,
Wie das Gerſtenſtroh uns nuͤtzt;
Und wir koͤnnen kaum beſchreiben,
Wie es gegen Kaͤlte ſchuͤtzt.
Wie es naͤhret, fuͤllt, verbindet.
Wer es wohl bedenkt, befindet,
Daß uns ſtets zu vielerley
Gerſtenſtroh ſehr nuͤtzlich ſey.
Welch Vermoͤgen uns zu traͤnken
Steckt nicht in dem Gerſtenſaft?
Laßt uns, Gott zum Ruhm, bedenken
Die Beſchaffenheit, die Kraft,
Die, den Durſt mit Luſt zu ſtillen,
Alle Gerſtenkoͤrner fuͤllen.
Und es trinke niemand Bier,
Ohn er danke Gott dafuͤr.
KAch,146Betrachtungen
Ach, wie wird das Blut erquicket,
Lippe, Zung und Gaum gekuͤhlt,
Wenn uns Hitz und Durſt gedruͤcket,
Und man denn zum Labſal fuͤhlt,
Wie wir gleichſam recht geneſen,
Durch des Bieres loͤſchend Weſen!
Dir ſey denn fuͤr ſolchen Trank,
Großer Geber! Lob und Dank.
Noch iſt ferner zu erwaͤgen,
Und dafuͤr zu danken werth,
Wie der Herr noch einen Segen
Der Ha - ber.
1 Jn dem Haber uns beſchert!
Wenn wir dieß Gewaͤchs beſehen,
Muß ein jeder ja geſtehen,
Daß ſein Nutzen mancherley,
Und er uns ſehr noͤthig ſey.
Drum wir billig ruͤhmen ſollen
Gott, der auch in dieſe Saat
Solchen Segen legen wollen,
Und ihn ſo erſchaffen hat,
Daß er Huͤnern, Gaͤnſen, Pferden
Muß ein nuͤtzlich Futter werden,
Ohne, da er in der Gruͤtz,
Auch zum Trank uns ſelber nuͤtz.
Ja, ſein Nutz iſt noch gemehret,
Da man auch in Hungersnoth,
Wie uns die Erfahrung lehret,
Selber aus dem Haber, Brodt
Backen kann und zubereiten.
Noch viel andre Nutzbarkeiten,
Und zwar mehr als man gedenkt,
Sind in dieſe Frucht geſenkt.
Wie147uͤber das Reich der Pflanzen.
Wie nun manches Korn uns naͤhret,
So wird, zu des Schoͤpfers Preis,
Andern Voͤlkern auch beſcheret
Reiß.
1 Die ſo edle Koſt, der Reiß:
Der ſie ſaͤttigt und erquicket;
Ja er wird zu uns geſchicket,
Da man ſeiner Suͤßigkeit
Sich auf manche Weiſ erfreut.
Billig ſollt ihn keiner eſſen,
Ohn den Schoͤpfer zu erhoͤhn;
Billig ſollte man ermeſſen
Und in froher Luſt geſtehn:
Daß, bey ſo viel andern Gaben,
Woran ſich die Menſchen laben,
Auch der Reiß inſonderheit
Zeige Gottes Guͤtigkeit.
Eh wir vom Getraide ſchweigen,
Laſſet uns des Schoͤpfers Macht
Auch in Huͤlſenfruͤchten zeigen,
Die er auch hervorgebracht
Uns zur Luſt, und uns zu naͤhren,
Auch Veraͤndrung zu gewehren,
Da wir ſo durch ihn formirt,
Daß man Luſt in Aendrung ſpuͤrt.
Dieß iſt, mehr als man vermeynet,
Lobes, Ruhms und Dankens werth,
Da weit mehr noch, als es ſcheinet,
Luſt dadurch uns wiederfaͤhrt.
Da wir mancherley verlangen,
Und auch mancherley empfangen,
Wird ja ſichtbarlich erkennt,
Daß uns Gott viel Gutes goͤnnt.
K 2Wie148Betrachtungen
Wie ſo mancherley Gerichte
Geben uns, o Herr, durch dich
Die ſo vielen Huͤlſenfruͤchte!
Hülſen - früch - te.
1Wie ſo ſehr verſchiedentlich
Sind ſie von Geſtalt und Arten
Auf dem Feld und in dem Garten!
Jedes iſt beſonders werth,
Daß man dich, den Geber, ehrt.
Wie ſo manche Luſt im Schmecken
Koͤnnen uns die Bohnen nicht,
Boh - nen.
1 Wenn man es erwaͤgt, erwecken,
Wenn ſie niedlich zugericht!
Billig, wie fuͤr andre Speiſen,
Sollte man den Schoͤpfer preiſen,
Wenn er, da er ſie uns ſchenkt,
Den Geſchmack darinn geſenkt.
Wenn wir dieſe Frucht nun eſſen,
Laſſet uns des Dankens nicht
Fuͤr die Lieblichkeit vergeſſen,
Wann zumal mit dem Gericht
Man den Haͤring noch verbindet,
Und man dopple Luſt empfindet;
Denn ſo denke man dabey,
Daß es Gottes Gabe ſey.
Dieſe Frucht wird nicht zur Speiſe
Angewendet nur allein,
Sondern kann auf manche Weiſe
Jn der Wirthſchaft brauchbar ſeyn.
Sie giebt Mehl, das, wenn man’s miſchet,
Auch zum Brodt, wird aufgetiſchet,
Auch wird Hornvieh, Schwein und Pferd,
Nebſt der Gans, dadurch ernaͤhrt.
Son -149uͤber das Reich der Pflanzen.
Sonderlich giebt es den Pferden
Ein recht huͤlfſam Futter ab,
Wenn ſie wohlgeſchrotet werden
Und bereitet. Nimmer gab
Man den Stuten, wenn ſie traͤchtig,
Etwas beſſers, das ſo maͤchtig
Gegen den Verwurf. Das Stroh
Dient und nuͤtzet eben ſo.
Erbfen ſind auf gleiche Weiſe
Erb - ſen.
1 Werth, daß man mit Dank und Luſt
Jm Genuß den Schoͤpfer preiſe,
Und daß wir mit froher Bruſt
Jhr Gewaͤchſe wohl ermeſſen.
Welch ein angenehmes Eſſen
Jſt, da ſie vergnuͤgt und naͤhrt,
Uns in dieſer Frucht beſchert!
Nicht nur roh ſind ſie zu eſſen,
Brauchbar, angenehm und gut,
So mit Recht nicht zu vergeſſen,
Denn ſie kuͤhlen unſer Blut:
Sondern, durch des Feuers Hitze
Sind ſie uns vornehmlich nuͤtze.
Ja ſie dienen gar im Froſt
Aufgetreugt zu guter Koſt.
Erbſen kommen auch zuweilen
Gar im Brodt uns zum Genuß,
Wenn wir ſie mit Rocken theilen.
Hat man ſie im Ueberfluß,
Kann man durch ſie, uns zum Beſten,
Auch die Schweine trefflich maͤſten;
Eben ſo gebraucht man ſie
Nuͤtzlich fuͤr viel anders Vieh.
K 3Gleich -150Betrachtungen
Gleichfalls iſt kaum auszudruͤcken,
Linſen, Wi - cken.
1 Was fuͤr Nutz uns wiederfaͤhrt
Von den Linſen und von Wicken,
Die der Schoͤpfer auch beſchert,
Wofuͤr ihm nur Dank gebuͤhret;
Denn der Haus - und Landmann ſpuͤret
Oefters, wie ihm beyderley
Jn der Wirthſchaft nuͤtzlich ſey.
Außer, was wir ſelbſt genießen
Von den Linſen, kommen ſie,
Nebſt den Wicken, zum Erſprießen,
Sonderlich auch fuͤr das Vieh;
Da Lamm, Kalb, zuſammt den Pferden,
Durch ſie wohl gefuͤttert werden.
Wann man ſie mit Haber mengt,
Wird das Futter ſehr verlaͤngt.
Achtet dieß denn nicht geringe,
Sondern auch des Dankens werth!
Denn der Schoͤpfer aller Dinge
Hat auch dieſe Frucht beſchert.
Daß ſie wachſe, bluͤhe, gruͤne,
Und uns, und dem Thierreich diene,
Schenkt er ihr beſond’re Kraft,
Bildungen und Eigenſchaft.
Ferner muß man noch ermeſſen,
Hirſe.
1 Und die ſuͤße Hirſe nicht
Uebergehen, noch vergeſſen.
Es erfordert unſre Pflicht,
Dieſe gleichfalls zu betrachten,
Und auf eine Kraft zu achten,
Die in ihr verborgen ſteckt,
Welche der Gebrauch entdeckt.
Es151uͤber das Reich der Pflanzen.
Es bezeugt es die Erfahrung,
Wie ſo viel und mancherley
Nutzen, Suͤßigkeit und Nahrung
Jn die Frucht geſenket ſey.
Sie wird auf verſchiedne Weiſe
Zubereitet uns zur Speiſe;
Sonderlich iſt ihre Gruͤtz
Jn der Wirthſchaft trefflich nuͤtz.
Fuͤr das Vieh ſind ihre Spreuer,
Auch das Stroh nicht minder, gut,
Wenn das letzt’re in der Scheuer,
Bis zur Weihnachtszeit, geruht.
Ach, erwaͤgt es doch, und denket,
Daß dem, der ſie euch geſchenket
Und fuͤr euch geſorgt, dafuͤr
Doch Erkenntlichkeit gebuͤhr.
Buch - weizen.
1
Heidkorn oder Buchenweizen
Muß uns billig, Gott zum Ruhm,
Gleichfalls zur Betrachtung reizen.
Wie ſo ſchoͤn iſt ſeine Blum!
Wie wird er, zu unſrer Speiſe,
Auf ſo manche Art und Weiſe,
Jn der Kuͤche zugericht!
Man erkennt es leider! nicht.
Sein Geſtraͤuch und Stroh, nicht minder
Spreuer, nebſt der Ueberkehr
Naͤhren Schweine, Roß und Rinder.
Gebt dann dem dafuͤr die Ehr,
Welchem ſie dafuͤr gebuͤhret,
Welcher die Natur regieret,
Der uns ſo viel Guts erweiſt,
Und ſo mannichfaltig ſpeiſt.
K 4Da152Betrachtungen
Da wir alſo, voller Freude
Gottes Wunder zu erhoͤh’n,
Das uns naͤhrende Getraide
Mit Verwund’rung angeſehn:
Laßt uns, eh wir dieſes ſchließen,
Und ſo oft wir es genießen,
Seiner Wunder uns erfreu’n,
Und dem Schoͤpfer dankbar ſeyn!
Ew’ge Quelle ſel’ger Triebe!
Gottheit, die, was auf der Welt,
Bloß aus Liebe ſchuf, aus Liebe
Gleichfalls es allein erhaͤlt,
Sey, ſo oft man ißt, geprieſen!
Herrlich haſt du dich erwieſen,
Da du uns nicht nur ernaͤhrſt,
Sondern mancherley beſcherſt!
Ewigreicher Speiſemeiſter,
Der du uns ernaͤhrſt und traͤnkſt,
Gieb doch, daß auch unſre Geiſter
Fuͤr das, ſo du reichlich ſchenkſt,
Dich zu ruͤhmen, dich zu lieben,
Jmmer mehr noch angetrieben,
Und fuͤr alles dir allein,
Als dem Geber, dankbar ſeyn!
Wunderbarer Gott, vom neuen
Obſt.
1 Wird mein Herz in Luſt geſetzt,
Wann, durchs Obſt, dein Benedeyen
Uns ernaͤhrt, traͤnkt und ergetzt.
Wenn ich dieſe Huld erwaͤge,
Und die Wunder uͤberlege,
Die du, Herr, ins Obſt geſenkt,
Wird mein Herz zu dir gelenkt.
Herr,153uͤber das Reich der Pflanzen.
Herr, zu dir, als deſſen Wille,
Vaterlieb und weiſe Macht
Alle Fruͤcht in ſolcher Fuͤlle,
Uns zur Luſt, hervorgebracht,
Der die Urquell aller Kraͤfte,
Und der ſaͤurlichſuͤßen Saͤfte,
Ja, durch welchen bloß allein
Sie uns nuͤtz - und lieblich ſeyn.
Unbegreiflich, unbeſchreiblich
Jſt allein der Arten Zahl,
Und der Unterſchied unglaͤublich.
Schmeckt und ſeht denn abermal,
Liebſte Menſchen, wie ſo ferne
Sich die Macht des Herrn der Sterne,
Die man uͤberall entdeckt,
Jn den Fruͤchten auch erſtreckt!
Wenn man nur auf eine Weiſe,
Durch ein Obſt, ergetzet waͤr,
Dient es unſerm Gott zum Preiſe.
Preiſt, da ſo viel, ihn noch mehr!
Laßt, uns dankbar zu erzeigen,
Uns von ſeiner Macht nicht ſchweigen,
Und, um ihn drinn zu erhoͤhn,
Erſt des Obſtes Menge ſehn!
Aepfel, Birnen, Pflaumen, Kirſchen,
Quitten, Feigen, Pampelmuß,
Maulbeer, Apricoſen, Pfirſchen,
Sammt der Welſch - und Hafelnuß,
Cocos, Mandeln und Granaten,
Pomeranzen und Muskaten,
Miſpeln, Knullen, Datteln, Wein,
Deſſen ſo viel Arten ſeyn.
K 5Ohne154Betrachtungen
Ohne die, ſo niedrig ſitzen,
Auf der Buͤſch und Stauden Heer,
Hagebutten, Barberitzen,
Him -, Brom - und Johannisbeer,
Stachel - und Holunderbeeren,
Und die, ſo die Voͤgel naͤhren,
Nebſt noch vielen, welche man
Hier nicht alle zaͤhlen kann.
Ferner, was mit kurzen Roͤhren
Jn und an der Erde ſteht,
Weiße Ruͤben, gelbe Moͤren,
Zwiebel, Rettig, Gurken, Beet,
Truͤffel, Schwaͤmme, Kohl, Pomponen,
Spargel, Erdbeer und Melonen.
Wer es unterſuchet, findt,
Daß ſie unentbehrlich ſind.
Viele theilen ſich aufs neue
Jn ſo viele Sorten ein,
Daß, woruͤber ich mich freue,
Sie faſt nicht zu zaͤhlen ſeyn.
Ganz verſchiedlich ſind die Saͤfte,
Farben, Form, Geſchmack und Kraͤfte.
Jedermann wird leicht geſtehn,
Daß wir es an Aepfeln ſehn
*Hier hatte der Herr Verfaſſer, ſo wie bey den Steinen, die verſchiedenen Arten der Aepfel in Reime gebracht, ſo wir aber weggelaſſen; welches gleichfalls in der Folge bey den Birnen, Kirſchen, Pflaumen ꝛc. geſchehen. Nur an ein paar Orten haben wir eine Probe davon ſtehen laſſen.
*.
Großer155uͤber das Reich der Pflanzen.
Großer Schoͤpfer, ihre Menge
Zeigt aufs neu, wie reich du biſt;
Jhrer Farb und Form Gepraͤnge,
Das ſo unterſchiedlich iſt,
Die Verſchiedenheit der Saͤfte
Zeigt den Reichthum deiner Kraͤfte.
Da ja nichts, ohn dich allein,
Kann aus nichts entſtanden ſeyn.
Ebenmaͤßig wird im Garten,
So an Meng, als Unterſcheid,
Von faſt ungezaͤhlten Arten,
Form und ſuͤßer Saͤurlichkeit
Bey den Birnen auch gefunden.
Welche Luſt wird nicht empfunden,
Welche Lieblichkeit verſpuͤrt,
Wenn ihr Saft den Gaum beruͤhrt!
Ferner trifft man auch bey Kirſchen
So verſchiedne Gattung an,
Wie imgleichen auch bey Pfirſchen,
Daß man es kaum glauben kann.
Von den erſten haben viele
Kurze theils, theils lange Stiele,
Viele faͤrbt Natur mit Fleiß,
Dunkel -, hellroth, ſchwarz und weiß.
Auch der Kirſchen Menge zeiget
Deutlich das, was alles weiſt,
Und wovon kein Weſen ſchweiget,
Naͤmlich einen weiſen Geiſt,
Der, ohn Abſicht, nichts verrichtet.
Haltet euch denn doch verpflichtet,
Wenn ihr Kirſchen ſchmeckt und ſeht,
Daß ihr ſeinen Ruhm erhoͤht!
Von156Betrachtungen
Von den Pfirſchen ſind zu finden
Gleichfalls eine gute Zahl,
Die wir im Geſchmack empfinden,
Admirable - Rahm - Mojal
Bel di Cypre - Pflaum - Montander
Roth - Stein - Dattel - Gold - und Sander,
Weiß - und roth Avant - Ceilan -
Glattpfirſchruß und Pelican.
Auch verdients wohl, zu bedenken,
Daß an Trauben und am Wein,
Uns zu ſpeiſen und zu traͤnken,
So verſchiedne Sorten ſeyn.
Nur allein bey uns im Garten
Trifft man Trauben vieler Arten,
Die man nicht gnug ruͤhmen kann,
Mit erſtaunten Freuden an.
Ja, wenn wir mit Ernſt erwaͤgen,
Wie ſo viel und mancherley
An Geſchmack und Kraft von Segen
Jn dem Wein zu finden ſey,
Da faſt alle Laͤnder Reben,
Von verſchiedner Gattung, geben;
Denkt man auch, daß Gott dafuͤr,
Ruhm und froher Dank gebuͤhr?
Herr, der du den Wein uns ſchenkeſt,
Und ſo mannichfalt’ge Kraft
Jn das Naß der Reben ſenkeſt,
Daß nicht nur der reine Saft
Traͤnkt; daß ſeine Geiſtigkeiten
Selbſt den Geiſt zur Freude leiten.
Dir allein ſey Preis und Dank
Fuͤr ſo angenehmen Trank!
Herr,157uͤber das Reich der Pflanzen.
Herr, was muß in deinen Schaͤtzen
Fuͤr ein Schatz vorhanden ſeyn,
Kreaturen zu ergetzen!
Hiervon zeigt allein der Wein
Jm Geſchmack ſo viele Proben,
Daß man dich dafuͤr zu loben,
Sowohl ohn, als im Genuß,
Billig nie ermuͤden muß.
Da wir nun von Obſt die Gaben,
Und wie jedes mancherley,
Ueberhaupt erzaͤhlet haben;
Deucht mich, daß es noͤthig ſey,
Jede Art zu uͤberlegen:
Laßt uns denn zuerſt erwaͤgen,
Von der Aepfel Eigenſchaft,
Nutz, Geſtalt, Geſchmack und Kraft!
Werden Fruͤcht uns vorgeſetzet,
Aepfel.
2 Und uns Aepfel aufgetiſcht,
Wie wird der Geſchmack ergetzet,
Und die heiße Zung erfriſcht!
Jhr ſo ſaͤurlichſuͤßes Weſen
Scheinet recht dazu erleſen,
Da er Mund und Magen fuͤllt,
Daß er Durſt und Hunger ſtillt.
Wirklich wird man recht erquicket,
Wenn der Zahn, die Zung und Gaum
Aus den Aepfeln preßt und druͤcket
Den gequetſchten ſuͤßen Schaum;
Da die Seele dann entdecket,
Was darinn fuͤr Anmuth ſtecket,
Und von welcher Eigenſchaft
Der ſo wohlgemiſchte Saft.
So158Betrachtungen
So viel vom Geſchmack zu ſchließen,
Der in Aepfeln ſteckt; ſo ſcheint,
Daß darinn von Saur - und Suͤßen
Mehr und minder ſich vereint:
Welche beyd uns zu erfriſchen,
Sich ſo mannichfaltig miſchen;
Da denn gleich ein jeder Grad
Auch beſondern Eindruck hat.
Kann man es nicht deutlich fuͤhlen,
Daß die Aepfel nicht allein
Zum Geſchmack, nein auch zu kuͤhlen,
Uns geſchenkt und dienlich ſeyn.
Zu Verminderung der Hitze
Jſt der Saft der Aepfel nuͤtze,
Und ſie ſtillen in dem Blut
Die zu ſtarke Hitz und Glut.
Auf wie viel und manche Weiſe
Werden ferner Aepfel nicht
Durch das Feuer, uns zur Speiſe,
Nuͤtz und niedlich zugericht.
Jn Gemuͤſen, Kuchen, Tarten
Schmeckt man, auf wie viele Arten,
Mit Anieß, Zimmt, Zucker, Wein,
Aepfel zuzurichten ſeyn.
Aus der Aepfel Feuchtigkeiten
Kann man, ſo zum Nutz als Luſt,
Auch den Cider zubereiten,
Der ein Labſal unſrer Bruſt,
Der viel tauſend Menſchen traͤnket.
Ach, erwaͤgt denn und bedenket,
Was fuͤr ſo viel Guͤtigkeit
Jhr dem Geber ſchuldig ſeyd!
Laßt159uͤber das Reich der Pflanzen.
Laßt uns, eh wir weiter gehen,
Noch die Bildung und das Fleiſch
Eines Apfels recht beſehen,
Welches der gelehrte Ruiſch
Uns anatomirt gezeiget.
Dieſes Wunder uͤberſteiget
Alles, alles welches man
Von Gewaͤchſen denken kann.
Tauſend Adern, wie in Thieren,
Sind in dieſer Frucht zu ſehn,
Die, in vielerley Manieren,
Zirkelnd durch einander gehn.
Alle ſind mit Fleiſch umringet:
Wenn der Saft nun durch ſie dringet,
Wird das Fleiſch, drinn er ſich ſenkt,
Ausgedehnt, genaͤhrt, getraͤnkt.
Ob die Saͤfte durchs Gedraͤnge
Jn die duͤnne Kleinigkeit
Der faſt unſichtbaren Gaͤnge
Des Geſchmacks Beſchaffenheit,
Oder ob ſie aus dem Samen
Solch ein Weſen uͤberkamen,
Oder durch das Sonnenlicht:
Faßt der Menſchen Witz noch nicht.
Wer bewundert das Gehaͤuſe
Mitten in dem Apfel nicht,
Das auf ſonderbare Weiſe,
Und recht kuͤnſtlich, zugericht!
Es ſcheint, dieß ſey angeleget,
Daß der Same drinn geheget
Und genau geſichert ſey.
Welche Vorſorg herrſcht hiebey!
Aus -160Betrachtungen
Auswerts iſt das Fleiſch bedecket.
Eine Schal als eine Haut,
Die ſich rings um ihn erſtrecket,
Wird mit Luſt daran geſchaut;
Die oft gelb, oft roͤthlich ſcheinet,
Mit dem Stengel ſich vereinet,
Und als Haut an manchem Ort
Mit viel Loͤchern iſt durchbohrt.
Alles dieß iſt an den Zweigen
Durch den duͤnnen Stengel feſt,
Wodurch alle Saͤfte ſteigen.
Da ſich denn nicht faſſen laͤßt,
Auf was Art der Roͤhren Menge,
Jn ſo großer Eng und Laͤnge,
Von der fernen Wurzel an
Bis zum Gipfel ſteigen kann.
Wann demnach wir Aepfel eſſen,
Ja, wenn wir ſie auch nur ſehn,
Laßt uns Gottes nicht vergeſſen,
Sondern deſſen Preis erhoͤhn!
Der auf wunderbare Weiſe
Sie zu unſrer Luſt und Speiſe,
Durch uns unbekannte Kraft,
Wachſen laͤßt, erhaͤlt und ſchafft.
Bir - nen.
2
Alle dieſe Wundergaben,
Die wir an den Aepfeln hier
Voller Luſt betrachtet haben,
Kommen auch bey Birnen fuͤr.
Aber dennoch iſt unglaͤublich,
Unbegreiflich, unbeſchreiblich,
Was noch fuͤr ein Unterſcheid
An Geſchmack und Lieblichkeit.
Keiner161uͤber das Reich der Pflanzen.
Keiner lebt, der dieſer Saͤfte
Sonderlich Gemiſch verſteht,
Noch wie im Geſchmack der Kraͤfte
Unſre Kraft ſo feſte geht:
Ja, wie in viel tauſend Baͤumen,
Die aus ſo viel Koͤrnern keimen,
Dennoch ſo gar mancherley
Kraft, Geſchmack und Anmuth ſey.
Ueberhaupt wird ſtets geſpuͤret,
Daß der Birnen ſaurer Saft
Nicht ſo ſcharf die Zungen ruͤhret,
Als des Apfels ſtrengre Kraft.
Jhr Gemiſch vom Saur - und Suͤßen,
Wenn wir Menſchen ſie genießen,
Jſt von einem ſanftern Grad,
Drum es weit mehr Lieblichs hat.
Nicht nur roh kann man im Schmecken
Jn der Birnen friſchem Saft
Anmuth, Nutz und Luſt entdecken;
Wenn man durch des Feuers Kraft,
Nebſt Wein, Zucker, Zimmetrinden,
Sie kocht, braͤt und doͤrr’t; empfinden
Unſre Zungen abermal
Lieblichkeiten ſonder Zahl.
Sonſten ſtimmen, an der Guͤldung,
An Gewaͤchs, an Farb und Schein,
Mit der Aepfel Form und Bildung
Birnen ziemlich uͤberein;
Außer, daß ich nur die Ruͤnde
An den Aepfeln ſtaͤrker finde.
Birnen ſind meiſt ſpitziger,
Unten duͤnn und laͤnglichter.
LWenn162Betrachtungen
Wenn wir nun die Birnen eſſen,
Laßt den Mund ſie nicht allein
Schmecken; laßt den Geiſt ermeſſen,
Daß ſie Gottes Gabe ſeyn!
Wenn man bey der Luſt gedenket,
Daß der Schoͤpfer ſie uns ſchenket,
Wird ſo Geiſt als Leib genaͤhrt,
Und des Schoͤpfers Macht verehrt.
Pflau - men.
2
Ferner kann von Gottes Guͤte
Auch die Pflaume Zeuge ſeyn.
Auf, betrachtendes Gemuͤthe!
Da auch die ſo ungemein
Uns erquickt, vergnuͤgt und naͤhret,
Laßt uns dem, der ſie beſcheret,
Doch zur Ehr auch ſie beſehn,
Und im Danken ihn erhoͤhn!
Wie ſo ſaͤurlichſuͤß und niedlich
Jſt der reifen Pflaumen Saft!
Wie ſind ſie ſo unterſchiedlich
An Geſtalt, Geſchmack und Kraft,
Groͤß und Farben! Wie viel Arten
Zeigt uns oftermals ein Garten!
Jhre Bildung, Farb und Haut
Wird nicht ſonder Luſt geſchaut.
Laßt uns die Figur betrachten!
Jhre Form iſt nicht oval,
Doch auch, wenn wir ſie beachten,
Spitzig oft, oft rund, oft ſchmal.
Merkt, wie in ſo großer Menge,
Jn der Pflaumen Ruͤnd und Laͤnge,
Die Verſchiedenheiten ſeyn!
Groß ſind viele, viele klein.
Wann163uͤber das Reich der Pflanzen.
Wann ſich die kaum Kirſchen gleichen;
Duͤrfen die, an Groͤße, kaum
Kleinen Straußeneyern weichen.
Wie iſt doch ein Pflaumenbaum
Voller reif - und großen Fruͤchte,
Dem betrachtenden Geſichte,
Wenn wir ihn mit Andacht ſehn,
So bewundernswerth, ſo ſchoͤn!
Wenn bey mancherley Figuren
Auch die Farben mancherley;
Sehn wir abermal die Spuren,
Daß es Gottes Finger ſey,
Der ſowohl ſie farbt, als bildet.
Bald ſind ſie wie uͤberguͤldet,
Da man oft an ihrer Haut
Einen Glanz, wie guͤlden, ſchaut.
Andre gluͤhen recht, und ſtehen
Jn ſo gelb - als rother Glut,
Noch an andern kann man ſehen,
Daß ſie gaͤnzlich roth, wie Blut;
Braun ſind viele; oftermalen
Gruͤn auch, wenn ſie reif, die Schalen;
Und ein Duft, als wie ein Thau,
Faͤrbt die meiſten lieblichblau?
Dieſe Frucht erquickt und ſtaͤrket,
Wenn ſie friſch iſt, nicht allein;
Sondern, wie man’s wohl bemerket,
Auch, wenn ſie getrocknet ſeyn.
Zur Geſundheit iſt ſie nuͤtze,
Denn ſie daͤmpft zu ſtarke Hitze.
Sonderlich hat ſie die Kraft,
Daß ſie Oeffnung uns verſchafft.
L 2Auf164Betrachtungen
Auf wie viele Weiſ und Arten
Dienen ſie den Menſchen nicht?
Zu Gemuͤſen, Suppen, Tarten
Werden Pflaumen zugericht,
Sammt den Zwetſchen und Brunellen.
Hieraus wird nun leicht erhellen,
Daß es recht, wenn fuͤr die Frucht
Man auch Gott zu preiſen ſucht.
Gott! du zeigſt in allen Fruͤchten
Weisheit, Lieb und Allmacht an.
Wer iſt, der ſie einzurichten,
Außer dir, vermag, noch kann?
Wenn wir Pflaumen ſehn und eſſen,
Laßt uns dieſes nicht vergeſſen:
Daß man billig im Genuß
Froh ſeyn, und dir danken muß.
Kir - ſchen.
2
Laßt uns ferner, voller Freuden,
Und mit Dank erfuͤllter Bruſt,
Augen und Gedanken weiden
Auch an Kirſchen! und mit Luſt
Jhre Saͤurlichkeit und Menge,
Jhr Rubinen gleich Gepraͤnge,
Das auf manche Weiſe ſchoͤn,
Aus geruͤhrter Seele ſehn!
Wird man nicht, bey heiterm Wetter,
Jn der glatten Kirſchen Pracht,
Wenn ſie durch die gruͤnen Blaͤtter
Funkeln, gleichſam angelacht?
Sonderlich wenn ſie ſich ſchmuͤcken
Mit den kleinen weißen Blicken,
Da man auf der glatten Haut
Kleine Sonnenbilder ſchaut.
Es165uͤber das Reich der Pflanzen.
Es iſt warlich nicht zu glauben,
Wie ein Kirſchenbaum ſo ſchoͤn,
Wenn wir ſeine Fruͤcht, als Trauben,
An den Stengeln hangen ſehn;
Jn dem angenehmen Gruͤnen
Gluͤhen ſie recht wie Rubinen,
Von ſo heller Faͤrben Brand
Jſt kein andre Frucht bekannt.
Ja, wie ſind in einem Garten
Jhrer doch ſo vielerley,
Von ſo ſehr verſchiednen Arten!
Wie ſo groß die Anzahl ſey,
Jſt vorhin ſchon angezeiget,
Daß ſie uͤber funfzehn ſteiget.
Die nicht roth und ſchwarz allein;
Nein, auch weiß und leibfarb ſeyn.
Wie ſo vielerley Morellen
Werden uns im Munde nicht
Recht zu ſuͤßen Anmuthsquellen,
Draus ein Saft ſo lieblich bricht,
Daß er, wenn der Mund ſich netzet,
Lippen, Zung und Gaum ergetzet,
Der, wenn man ihn niederſchlingt,
Nebſt der Luſt Erfriſchung bringt.
Wunderlieblich iſt gemiſchet
Der beliebten Kirſchen Saft,
Welcher Gaum und Blut erfriſchet.
Man vermag die Eigenſchaft
Durch die Zunge zwar zu ſchmecken,
Aber nimmer zu entdecken,
Wie ſich in ſo hohem Grad
Saur und Suͤß gemiſchet hat.
L 3Wie166Betrachtungen
Wie die Kirſchen unterſchiedlich
An der Farb und an Geſtalt,
Sind ſie am Geſchmack auch niedlich,
Und zwar ja ſo mannichfalt,
Wenn wir ſaͤurlich’ſuͤße Kirſchen
Mit beſpruͤtztem Gaum zerknirſchen,
Laßt, den Geber zu erhoͤhn,
Es nie ſonder Dank geſchehn.
Das, was wir aus Kirſchen druͤcken,
Taugt fuͤr ſich nicht nur allein,
Uns zu ruͤhren, zu erquicken;
Wenn man zu den Kirſchen Wein
Und ein wenig Zucker fuͤget,
Wird das Herz dadurch vergnuͤget,
Der uns denn vernuͤnftig traͤnkt,
Wenn man an den Geber denkt.
So gedoͤrrt, als eingeleget,
Sind auch Kirſchen trefflich gut.
Was die Kirſch an Saͤften heget,
Kuͤhlet und erfriſcht das Blut.
Mus und Suppen, Kuchen, Tarten,
Brandtwein, Waſſer, mancher Arten,
Was uns traͤnket, heilt und naͤhrt,
Jſt in Kirſchen uns beſchert.
Wollen wir denn den nicht ehren,
Der uns ſolche Fruͤchte ſchenkt?
Wenn wir ſie mit Luſt verzehren,
Und man bey der Luſt nur denkt:
Großer Geber ſey geprieſen!
Hat man ſchon den Dank erwieſen,
Den der Gott, der ſie beſchert,
Auf der Welt von uns begehrt.
Großer167uͤber das Reich der Pflanzen.
Großer Schoͤpfer! ach verzeihe,
Wenn wir etwan, wie das Vieh,
Sie bisher genutzt. Verleihe,
Daß dir kuͤnftig, wenn wir ſie
Mit vergnuͤgtem Geiſt genießen,
Moͤg ein Dank daraus entſprießen,
Der, o Vater aller Welt,
Dir, aus Lieb allein, gefaͤllt!
Quit - ten.
2
Auch die rauhen Quitten hegen,
Zum Vergnuͤgen unſ’rer Bruſt,
Wenn wir ihr Gewaͤchs erwaͤgen,
Nahrung, Kuͤhlung, Nutz und Luſt.
Jhre Kraͤfte ſind verſchiedlich,
Jhre Saͤfte ſaͤurlich, niedlich,
Zur Erfriſchung ſehr bequem,
Heilſam und auch angenehm.
Dieſe Frucht laͤßt abermalen
Uns was ſonderbares ſehn,
Da wir ſie an Form und Schalen
Jn zwey Sorten, beyde ſchoͤn,
Nutzbar eingetheilet finden,
Davon einige ſich ruͤnden,
Andre laͤnglich ſind und ſpitz[.]
Beyde Sorten ſind uns nuͤtz.
Bey der Frucht iſt zu ermeſſen
Etwas ſonderlichs, da man
Solche roh durchaus nicht eſſen,
Und gekocht nur brauchen kann.
Dieß, ſo ihr beſonders eigen,
Taugt, uns abermal zu zeigen,
Wie ſo viel und mancherley
Des Naturgeiſts Wirkung ſey.
L 4Die168Betrachtungen
Die Natur giebt ihren Schalen,
Welche, wenn die Quitte reift,
Recht wie Gold ſich gelblich mahlen,
Etwas, das man nicht begreift,
Ob es wolligt, haarig, ſeiden,
Worinn ſie ſich gleichſam kleiden.
Solchen Stoff hat ſonderlich
Dieſe Frucht allein fuͤr ſich.
Ach, was ſtecket in den Saͤften
Dieſer Frucht fuͤr Lieblichkeit!
Mit wie viel und manchen Kraͤften
Wird der Menſch durch ſie erfreut!
Wenn man ſie mit Zucker ſchmecket,
Wird ein lieblich Sau’r entdecket;
Dieſes labt nicht nur den Mund,
Es iſt heilſam und geſund.
Daß, da ſie zuſammenziehet,
Sie den ſchwachen Magen ſtaͤrkt,
Hat man, da man ſich bemuͤhet,
Jn der Arzeney bemerkt.
Jhre Kern hingegen kuͤhlen,
Wie wir es mit Nutzen fuͤhlen,
Wenn, erhitzt durch einen Fluß,
Man die Kehle gurgeln muß.
Wenn ſo Durchfall, als Erbrechen,
Mit gefaͤhrlicher Gewalt
Unſers Koͤrpers Kraͤfte ſchwaͤchen,
Stillt die Quitte beydes bald.
Jſſ’t man ſie vor andern Speiſen,
Soll ſie Kraft im Stopfen weiſen.
Aber nach der Speiſe Brauch
Oeffnet ſie hingegen auch.
Hoͤrt,169uͤber das Reich der Pflanzen.
Hoͤrt, wie ſie zu vielen Sachen
Ferner noch zu brauchen ſeyn:
Aufzutrocknen, einzumachen.
Man verfertigt Quittenwein,
Auch ein Quittenbrodt aus ihnen.
Jhrer Kerne Saͤfte dienen
Gegen Augenweh. Jm Brand
Jſt auch ihre Kraft erkannt.
Da man nun ſo manch Gerichte
Aus den reifen Quitten macht,
Will man den[,]der dieſe Fruͤchte,
Uns zu Gut[,]hervorgebracht,
Nicht mit frohem Herzen preiſen!
Laßt uns wenigſtens erweiſen,
Jm Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Daß ihr Urſprung uns bewußt!
Laßt uns in dem Eſſen ſchmecken
Den ſo wohlgemiſchten Saft!
Laßt uns auch zugleich entdecken
Unſrer Zungen ſcharfe Kraft!
Laßt uns dem, der beydes giebet,
Beydes macht, und alles liebet,
Auch fuͤr Quitten dankbar ſeyn,
Und uns ſeiner Guͤte freun!
Da nun ferner auch die Feigen
Feigen.
2 Unſers Schoͤpfers holde Macht
Auf beſondre Weiſe zeigen;
Nehmen wir auch die in Acht:
Und erwaͤgen voll Vergnuͤgen,
Wie in dieſer Frucht ſich fuͤgen,
Und darinn verbunden ſeyn
Nahrung, Luſt und Arzeney’n.
L 5Dieſe170Betrachtungen
Dieſe Frucht iſt zaͤrt - und niedlich,
Und von Fleiſch gelind und weich.
Jhre Farb iſt unterſchiedlich,
Die Figur den Birnen gleich.
Klein und kurz ſind ihre Stiele,
Weißlichgruͤn ſind ihrer viele,
Wenn wir andre roͤthlich, braun,
Blau und purpurfaͤrbig ſchaun.
Wie die Erdbeer auswerts zeigen
Kleine gelbe Koͤrnerlein:
Alſo ſieht man, daß in Feigen
Kleine guͤldne Koͤrner ſeyn,
Welche beyd im Rothen gluͤhen,
Und die Augen auf ſich ziehen;
Dieß dient dem Geſicht zur Luſt,
So wie der Geſchmack der Bruſt.
Aus verſchiednen fremden Reichen
Kommen ſie im Ueberfluß.
Welſchland, Spanien, imgleichen
Frankreich ſchickt ſie zum Genuß.
Von ſo ſehr verſchiednen Orten
Kommen vieler Feigen Sorten.
Doch, zum lieblichen Gebrauch,
Wachſen ſie in Deutſchland auch.
Man ſieht aus den bloßen Zweigen
Ohne Laub, ja ohne Bluͤt
Dieſe ſchoͤne Fruͤchte ſteigen,
Das man ſonſt an keinen ſieht;
Aus des Holzes harten Rinden
Drengen ſie ſich, wie wir finden.
Von dem Reichthum der Natur
Zeigt dieß eine neue Spur.
Auch171uͤber das Reich der Pflanzen.
Auch iſt ſonderlich an ihnen,
Daß dieſelben nach und nach,
Und, uns laͤnger noch zu dienen,
Nicht auf einmal, allgemach
Reifen, ſuͤß und eßbar werden.
Ach! wie wird nicht auf der Erden
Unſre Luſt in mancher Frucht
Auf ſo manche Art geſucht!
Nicht nur Luſt uns zu ertheilen,
Nebſt der Nahrung, ſondern auch
Unſern kranken Leib zu heilen,
Dienen Feigen zum Gebrauch.
Jn Geſchwuͤren, Beulen, Druͤſen
Hat ſich oft die Kraft gewieſen;
Wie auch in der groͤßten Pein
Feigen huͤlf - und heilſam ſeyn.
Wenn wir alſo Feigen eſſen,
Ja, wenn wir ſie auch nur ſehn,
Sollten wir mit Recht ermeſſen,
Wie es bloß durch Gott geſchehn,
Daß ſich in den ſuͤßen Feigen
Schoͤnheit, Luſt und Nutzen zeigen,
Und daß ſie durch Gott allein,
Wie ſie ſind, geſchaffen ſeyn.
Ferner muͤſſen wir erwaͤgen,
Was der Schoͤpfer, uns zur Luſt,
Fuͤr bewundrungswerthen Segen,
Zum Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Maul - beer.
2 Jn die Maulbeer wollen ſenken.
Warlich, wenn wir es bedenken,
Sollten wir uns ſeiner freun,
Und auch dafuͤr dankbar ſeyn.
Es172Betrachtungen
Es iſt dieſe Frucht an Kraͤften,
An Geſchmack, Geſtalt, Natur,
An ſo wohlgemiſchten Saͤften,
Farb und Bildungen nicht nur
Von den andern unterſchieden,
Sondern nuͤtzt auch einem jeden,
Ja es iſt ihr Laub ſo gar
Nuͤtzlich, dienlich, wunderbar.
Dieſe Blaͤtter ſind die Speiſe
Der Geſchoͤpfe, welche dir
Auf ſo wunderbare Weiſe,
So zum Nutzen, als zur Zier,
Die beliebte Seide weben.
Aller Seidenwuͤrmer Leben,
Das ſtets vielen Vortheil gab,
Haͤngt von Maulbeerblaͤttern ab.
Wenn man allen Nutz entdecket,
Der in dieſer Blaͤtter Saft
Wunderbar verborgen ſtecket;
Wenn man, wie durch Kaufmannſchaft
So verſchiedne Nationen
Ungezaͤhlte Millionen
Durch die Seid erworben, denkt:
O, ſo dankt dem, der ſie ſchenkt!
Laßt uns nun auch ſelbſt die Fruͤchte
Dieſes Wunderbaums beſehn!
Sie ſind an Groͤß und Gewichte
Nicht betraͤchtlich, oder ſchoͤn;
Aber an Erfriſchungskraͤften,
Und an ſaͤu’rlichſuͤßen Saͤften,
Sind dieſelben wunderreich,
Daß faſt keine Frucht ihr gleich.
Jhre173uͤber das Reich der Pflanzen.
Jhre Haut iſt ſchwaͤrzlichdunkel,
Aber ihr verſchloßner Saft
Gleicht dem gluͤhenden Carfunkel,
Und hat dieſe Eigenſchaft:
Daß, wenn man die Frucht zerdruͤcket,
Man daran ein Roth erblicket,
Welches recht wie Schneckenblut
Unſern Augen ſanfte thut.
Laßt uns auch zur Form uns kehren!
Laͤnglichrund iſt die Figur.
Aus viel kleinen ſaft’gen Beeren
Setzt die ſpielende Natur
Sie recht wunderbar zuſammen,
Die aus einem Stengel ſtammen,
Und ein jedes Beerchen hat
Faſt die Bildung vom Granat.
Es iſt in der Maulbeer Saͤften
Suͤß und Sauer ſo gemiſcht,
Daß es mit beſondern Kraͤften
Zunge, Gaum und Blut erfriſcht.
Ja, da ſie gelinde kuͤhlen,
Duͤrfen auch die Kranken fuͤhlen,
Wie darinn die Arzeney
Mit der Luſt verbunden ſey.
Wie ſchmeckt Maulbeerſaft ſo niedlich,
Wenn man ihn zu Zucker ſprengt;
Und ſein Nutz iſt unterſchiedlich,
Wenn man ihn mit Eßig mengt,
Wodurch Mund - und Halsbeſchwerden
Rein und leicht geheilet werden;
Er erfriſcht nicht nur das Blut,
Er iſt auch zur Oeffnung gut.
Die174Betrachtungen
Die Natur, auch hier zu zeigen,
Wie ſo mild und reich ſie ſey,
Zeuget auf den Maulbeerzweigen
Dieſer Fruͤchte zweyerley.
Sie ſchenkt mehr, als wir begehren,
Es giebt ſchwarz, auch weiße, Beeren,
Die ſind, theilt man ſie genau,
Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.
Sind nun gleich der weißen Saͤfte
Am Geſchmack ſo lieblich nicht,
Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte
Deſto beſſer zugericht,
Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen
Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen,
Welches uns die Seide webt,
Wo ſo mancher Menſch von lebt.
Um uns lange Zeit zu dienen,
Reifen ſie nicht auf einmal;
Dieß iſt ſonderlich an ihnen,
Daß ſie in gemeßner Zahl
Mehr als in die ſieben Wochen
Jmmer werden abgebrochen;
Sie vergehen allgemach;
Sie erſcheinen nach und nach.
Gottheit, die du deine Liebe,
Und wie ſehr du uns geneigt,
Nebſt dem Macht - und Weisheitstriebe,
Auch in dieſer Frucht gezeigt,
Gieb, daß, wenn ich Maulbeer eſſe,
Jch dein Wunderwerk ermeſſe,
So in ihrem holden Saft,
Als in meiner Zunge Kraft.
Apri -175uͤber das Reich der Pflanzen.
Apricoſen ſind nicht minder
Apri - coſen.
2 Dankens - und bewundernswerth.
Gott, der uns als ſeine Kinder
Durch dieſelben labt und naͤhrt,
Jſt auch dafuͤr hoch zu preiſen,
Daß, um ſeine Huld zu weiſen,
Er auch durch die ſuͤße Frucht
Menſchen zu ergetzen ſucht.
Sie verdient, daß wir mit Freuden,
Da ſie nicht von ungefaͤhr,
Aug - und Zungen an ihr weiden,
Dem, der ſie uns ſchenkt, zur Ehr.
So von außen, als von innen,
Hat die Frucht fuͤr unſre Sinnen,
Seh ich ſie betrachtend an,
Alles, was uns reizen kann.
Wenn wir ſie nicht recht betrachten,
Scheint ſie in der Fruͤchte Reich,
Wo wir’s uͤberhin beachten,
Mehrentheils dem Pfirſich gleich;
Aber, wenn wir die Geſtalten
Eigentlich zuſammenhalten,
Jſt ſie, ſo an Form als Saft,
Ganz beſondrer Eigenſchaft.
Gelblichroth, gleich der Auroren,
Ja ſo roth oft, wie Rubin,
Den uns Jndien gebohren,
Stralen ſie durchs dunkle Gruͤn;
Wo ſie oft, wie Trauben, ſitzen.
Ein recht angenehmes Blitzen
Faͤllt, zumal im Sonnenlicht,
Von der Frucht uns ins Geſicht.
Wie176Betrachtungen
Wie wird Zung und Gaum ergetzet,
Wenn die holde Suͤßigkeit
Dieſer Frucht dieſelbe netzet!
Wenn wir die Beſchaffenheit
Dieſer Lieblichkeit erwaͤgten,
Und im Schmecken uͤberlegten,
Daß, was uns reizt und erfriſcht,
Sich nicht von ſich ſelber miſcht:
Sondern, daß ein guͤtigs Weſen,
Durch des weiſen Willens Macht
Alles das dazu erleſen,
Alles in die Frucht gebracht
Und dem Samen eingepraͤget,
Was uns ſo viel Luſt erreget,
Und zugleich das Blut uns kuͤhlt,
Wie man es ſo ſchmeckt als fuͤhlt.
Nicht nur roh, nein, auch candiret,
Und in Zucker eingelegt,
Wenn ſie Zung und Gaum beruͤhret,
Da ſie Suͤß’s und Saͤuerlich’s hegt,
Das ſich recht harmoniſch fuͤget,
Schmeckt ſie lieblich, und vergnuͤget
Durch die Zung und Gaum den Geiſt,
Daß er Gott mit Anmuth preiſt.
Sollten wir, wenn wir ſie eſſen,
Gottes Macht, der ſie uns ſchenkt,
Und ſein Lieben nicht ermeſſen?
Dieß geſchieht, wenn man gedenkt
Jn der Zeit, wenn man ſie kaͤuet,
Daß das Feu’r, das uns erfreuet,
Jn der Frucht von ſelbſt nicht flammt,
Sondern von dem Schoͤpfer ſtammt.
Anders177uͤber das Reich der Pflanzen.
Anders will, fuͤr ſo viel Gaben,
Die er uns ſo reichlich ſchenkt,
Unſer Gott nichts von uns haben,
Als daß man nur ſein gedenkt.
Er verlangt kein Wortgepraͤnge,
Keiner Kanzelreden Laͤnge
*Der Verfaſſer tadelt hier gar nicht die heiligen Reden an ſich ſelbſt, ſondern nur die unnoͤthige Laͤnge derſelben, welche den Hoͤrer eher zum Schla - fen, als zur Andacht bringet.
*,
Keinen ſonderbaren Ton:
Freut euch ſein, ſo dankt ihr ſchon.
Es verdient auf gleiche Weiſe
Pfir - ſich.
3 Auch des Pfirſichs edle Frucht,
Daß man, unſerm Gott zum Preiſe,
Auch ihr Weſen unterſucht.
Laßt, wenn wir ſie ſehn und eſſen,
Uns in ihnen auch ermeſſen,
Wie ihr Saft und ihre Pracht
Sey zu unſrer Luſt gemacht.
Pfirſchen ſind, vor andern Fruͤchten,
Dankens - und bewundernswerth,
Es iſt uns zu viel Gerichten
Jhr ſo ſaftig Fleiſch beſchert;
Da ſie ſaͤu’rlichſuͤß, wie Beeren,
So die Reben uns gewehren:
Lieblich iſt ihr Saft gemiſcht,
Daß er Gaum und Herz erfriſcht.
MJhre178Betrachtungen
Jhre Form iſt ſelten laͤnglicht,
Sondern meiſtens zirkelrund:
Jhre Farb iſt oͤfters ſprenglicht,
Oefters allgemein, oft bunt;
Naͤmlich weislich, gelblich, gruͤnlich,
Roth, wozu die Sonn ihr dienlich,
Da ſichs an den Stellen mehrt,
Welche ſie zur Sonne kehrt.
Zart und ſanfte Rauhigkeiten
Werden an der Pfirſich Haut,
Auch an der geſpalt’nen Seiten,
Mit Verwunderung geſchaut;
Welche, wie es ſcheinet, ihnen
Gegen Ungeziefer dienen,
Daß daſſelbe ſie ſo leicht
Nicht benaget, noch bekreucht.
Dieſe Frucht iſt ſehr verſchiedlich
So an Form, als Farb und Saft,
Die iſt mehr, die minder niedlich,
Und von andrer Eigenſchaft.
Unſre Zunge kann im Schmecken
Unterſchiedne Luſt entdecken,
Und man theilet insgemein
Sie in maͤnn - und weiblich ein.
Nicht nur roh ſind dieſe Fruͤchte
Lieblich, ſchmackhaft, angenehm;
Sie ſind, mancherley Gerichte
Draus zu machen, auch bequem.
Wenn ſie nicht zu reif gebrochen,
Laſſen ſie ſich braten, kochen,
Da mit Zucker, Zimmt und Wein
Sie wohl zuzurichten ſeyn.
Tro -179uͤber das Reich der Pflanzen.
Trocken ſind ſie gleicherweiſe
Zu gebrauchen, und man macht
Sie auf manche Art zur Speiſe.
Wuͤrd es doch mit Luſt bedacht!
Welche holde Lieblichkeiten
Kann man nicht daraus bereiten!
Wie beſchaͤfftigen ſie nicht
Den Geſchmack, Geruch, Geſicht!
Ja, die Kerne ſelbſt ſind nuͤtze,
Da ſie den zu kuͤhlen Saft
Waͤrmen durch die innre Hitze.
Deren feuerreichen Kraft
Hat man auch in Arzeneyen
Sich nicht weniger zu freuen.
Wie ergetzt, zu unſrer Luſt,
Perſico ſo Zung als Bruſt!
Jſt die Frucht denn nicht betrachtens -
Und aufs mind’ſte ſo viel werth,
Daß, ſtatt ſchluͤpfrigen Verachtens
Man in ihr den Geber ehrt?
Eſſet ſie, ſchmeckt und erkennet,
Daß der Schoͤpfer ſie euch goͤnnet:
Dankt ihm; ſo genießt ihr ſie,
Wie ein Menſch, nicht wie das Vieh.
Ferner werden wir in Nuͤſſen
N[]ſſe.
3 Unſers Schoͤpfers Lieb und Macht
Ruͤhmen und bewundern muͤſſen,
Der auch ſie hervorgebracht,
Zwar zu unſrer Luſt und Speiſe,
Aber auch zu ſeinem Preiſe;
Denn man findet in der Frucht,
Mehr als man gedenkt und ſucht.
M 2Dieſe180Betrachtungen
Dieſe Fruͤchte ſind im Garten,
Und auch ſelbſt im Feld und Wald
Von ſehr unterſchiednen Arten,
Und von Weſen mannichfalt.
Bald auf Hoͤhen, bald in Gruͤnden,
Laͤßt ſich, nebſt der Wallnuß, finden
Auch die Haſ - und Stachelnuß,
Die man all bewundern muß.
Auf ſehr unterſchiedne Weiſe
Werden Nuͤſſe zugericht;
Wie ſo manche ſchoͤne Speiſe
Wuͤrzet man mit Nuͤſſen nicht!
Werden nicht auf unſerm Tiſche
Davon uͤber Fleiſch und Fiſche
Saucen, Bruͤh’n und Milch gemacht?
Auch wird Oel herausgebracht.
Mit verſchiednen andern Sachen,
Zucker, Zimmt und Naͤgelein,
Weis man Nuͤſſe einzumachen,
Welche dann ſehr dienlich ſeyn,
Unſern Magen wohl zu ſtaͤrken.
Noch iſt an der Nuß zu merken,
Daß ihr Oel zu vielerley
Nuͤtzlich, heil - und dienſam ſey.
Auch ſind in den Cocosnuͤſſen
Wunder, die nicht minder ſchoͤn;
Wie wir ja geſtehen muͤſſen,
Wenn wir ihre Groͤße ſehn,
Wenn ſie ihren Kern uns ſchenken,
Wenn die kuͤhlen Saͤft uns traͤnken.
Merket denn, daß auch in ihr
Unſerm Schoͤpfer Dank gebuͤhr.
Dankt181uͤber das Reich der Pflanzen.
Dankt ihm, wie fuͤr alle Gaben,
Alſo auch fuͤr dieſe Frucht,
Dran ſich viele Voͤlker laben,
Die er zu ernaͤhren ſucht:
Denen Gott, auf dieſe Weiſe,
Sie zum Trank macht, und zur Speiſe.
Jſt nicht der bewundernswerth,
Der zugleich ſie traͤnkt und naͤhrt?
Es verdient ja dieß Geſchenke,
Da es uns vergnuͤgt und naͤhrt,
Wohl, daß man an ihn gedenke,
Da nur er ſie uns beſchert,
Und ſo viele Eigenſchaften
Uns zum Nutz an Nuͤſſen haften.
Laßt uns beym Genuß uns freu’n,
Und dafuͤr erkenntlich ſeyn!
Noch ein neu Geſchenk zu zeigen,
Man - deln.
3 Muͤſſen wir von Mandeln auch
Nicht an dieſem Orte ſchweigen,
Deren Kern uns im Gebrauch
Unterſchiednen Nutz gewehret,
Und auf manche Weiſ uns naͤhret,
Da ſie uns ſowohl allein,
Als vermiſchet, dienlich ſeyn.
Dieſe Frucht, wenn wir’s erwaͤgen,
Mehret ihres Gebers Preis;
Jhre harte Schalen hegen
Einen Kern, der lieblich weiß.
Platt und laͤnglicht iſt derſelbe,
Jhn verſchließt ein glatt Gewoͤlbe,
Und er iſt, ſo wie ſein Sitz,
Oben ruͤnder, unten ſpitz.
M 3Jhre182Betrachtungen
Jhre harte Schalen decket
Eine fleiſchlichrauhe Haut,
Welche gruͤn, worinn ſie ſtecket,
Wie man Welſchenuͤſſe ſchaut.
Dieſe berſtet meiſt an allen,
Da ſie dann herunterfallen,
Wenn ſie reifen im Auguſt,
Uns zum Nutzen und zur Luſt.
Sie ſind von verſchiednen Sorten,
Da ſie ſuͤß und bitter ſeyn;
Und man theilt ſie nach den Orten,
Wo ſie wachſen, meiſtens ein.
Es ſind Mandeln oftermalen
Sproͤde, duͤnn und hart von Schalen;
Wenn hingegen eine Art
Zaͤhe, feſte, dick und hart.
Jhr Geſchmack iſt unterſchiedlich,
Und beſonders ſchmeckt ihr Kern
Mit Roſin’n und Feigen niedlich,
Faſt ein jeder ißt ſie gern;
So allein, als auch gemiſchet,
Wird man durch die Frucht erfriſcheꝛ.
Wie ſo mancherley Gericht
Machen wir aus Mandeln nicht?
Wenn wir denn auch Mandeln eſſen,
Laßt uns mit geruͤhrter Bruſt,
Daß ſie ein Geſchoͤpf, ermeſſen,
Und mit inniglicher Luſt
An derſelben Schoͤpfer denken,
Der ſie uns hat wollen ſchenken;
Der uns eine Gnad erweiſt,
Wenn er uns mit Mandeln ſpeiſt.
Bey183uͤber das Reich der Pflanzen.
Bey ſo unterſchiednen Fruͤchten
Dat - teln.
3 Sind zumal auch Datteln werth,
Daß wir unſer Denken richten
Auch auf den, der ſie beſchert.
Wenn wir die Geſtalt betrachten,
Auf Geſchmack und Nutzen achten,
Zeiget ihre Suͤßigkeit
Mancherley Verſchiedenheit.
Wenn wir ihre Form beſehen,
Sind ſie faſt den Eicheln gleich,
Doch weit groͤßer. Sie beſtehen
Aus der Haut; dem Fleiſch, das weich;
Und dem Kern, der in der Mitten
Recht mit einem Riß durchſchnitten,
Der in weißen Haͤutchen ſteckt,
Da das Fleiſch ein Gelbes deckt.
Jhre weiße Bluͤte fuͤllet
Eine Haut, ſo ſie bedeckt,
Die mit ihnen gleichſam quillet
Und ſich zwiſchen Aeſten ſtreckt.
Da man denn in großer Menge,
Und wie Trauben, im Gedraͤnge
Wenn ſie berſtet, erſt die Bluͤt,
Und darauf die Fruͤchte ſieht.
Sie ſind angenehm zu eſſen,
Roh ſowohl, als zugericht;
Doch muß man zugleich ermeſſen,
Was durch ſie uns Guts geſchicht.
Jn verſchiednen Arzeneyen
Hat man ihrer ſich zu freuen;
So in Bruſt - als Halsbeſchwer
Nuͤtzen uns die Datteln ſehr.
M 4Wenn184Betrachtungen
Wenn wir von der Blaſ - und Nieren,
Durch zu hitzigen Urin,
Schmerzen und Beſchwerden ſpuͤren,
Sagt man, daß die Dattel dien,
Solche Schmerzen zu verjagen;
Wenn uns Huſt und Schwindſucht plagen,
Soll auch gegen ſolche Pein
Sie ein heilſam Mittel ſeyn.
Sollte man denn Gott nicht loben,
Daß er uns auch Datteln ſchenkt?
Billig wird ſein Ruhm erhoben,
Billig iſt es, daß man denkt:
Herr! der du ſie uns ertheileſt,
Und durch ſie uns naͤhrſt und heileſt,
Dir ſey immer mehr und mehr
Lob und Dank, und Preis und Ehr!
Ferner hat das große Weſen,
Das uns naͤhrt, ergetzt und traͤnkt,
Noch ein ſchoͤn Gewaͤchs erleſen,
Und es uns zur Luſt geſchenkt;
Gra - naten.
3 Die Granaten, die uns eben
Auch ein neues Merkmaal geben,
Wie ſein Werk ſo vielerley
Und gar nicht zu zaͤhlen ſey.
Bey den angenehmen Fruͤchten
Scheint die bildende Natur
Jn Granaten zuzurichten
Eine zierliche Figur,
Die auf eine neue Weiſe,
Uns zur Luſt, und dem zum Preiſe,
Den kein Menſch genugſam preiſt,
Etwas Unerſchoͤpflichs weiſt.
Jn185uͤber das Reich der Pflanzen.
Jn der nettgekroͤnten Schalen
Schoͤn - und roͤthlichbraunem Platz
Sieht man, wie Rubinen, ſtralen
Den ſo ſuͤß - als ſchoͤnen Schatz.
Wir ſehn ihren Schimmer ſpielen,
Und es kann die Zunge fuͤhlen
Jhre ſuͤße Saͤurlichkeit;
Wie wird Zung und Aug erfreut!
Der durchlaͤuchtgen Koͤrner Glaͤnzen
Jſt wohl recht bewundernswerth,
Welches ihrer engen Graͤnzen
Zierlichen Behaͤlter mehrt.
Seht, wie die polirten Ecken
Zierlich in einander ſtecken;
So der Schein, als Rang und Zier
Koͤmmt mir ſehr betraͤchtlich fuͤr.
Lieblich ſeh ich ihre Spitzen,
Die ſo klar, ſo rein, ſo glatt,
Jn und an einander ſitzen.
Jhre Seiten ſchließen platt
Und ſo dicht in einer Reihen,
Daß ſie jedes Aug erfreuen,
Wenn ſie recht, wie ein Rubin,
Jn der ſchoͤnſten Ordnung gluͤhn.
Wie iſt ihr Geſchmack ſo niedlich,
Und von aller andern Frucht
Abermal ſo unterſchiedlich!
Wer ſie zu vergleichen ſucht,
Wird, wie ſehr wir es ergruͤnden,
Solchen Unterſchied befinden,
Daß im ganzen Fruͤchtenreich
Keine der Granaten gleich.
M 5Son -186Betrachtungen
Sonderlich wird man vergnuͤget,
Wenn man Zucker mit dem Wein
Zu den ſaͤft’gen Koͤrnern fuͤget;
Kein Geſchmack kann holder ſeyn.
Wenn wir ſie zuſammen miſchen,
Hat, die Zunge zu erfriſchen,
Faſt auf Erden ſonſt kein Saft
Eine ſolche Kuͤhlungskraft.
Man trifft an verſchiednen Orten
Dreyerley Granaten an,
Deren unterſchiedne Sorten
Man ſehr leicht bemerken kann:
Suͤß und ſaure ſind gefunden,
Und in einer ſind verbunden
Suͤß und Sauer; unſerm Blut
Sind ſie alle nuͤtz und gut.
Saure kuͤhlen, und die ſuͤßen
Nuͤtzen der verſchleimten Bruſt,
Der ſuͤßſaͤurlichen Genießen
Fuͤll’t nicht nur den Mund mit Luſt;
Jeder weis, daß ihr Gemiſche
Auch ein hitzigs Blut erfriſche;
Ja, in heißen Fiebern gar
Brauchet man ſie ohn Gefahr.
Auch ſo gar die herben Schalen
Dienen uns mit ihrem Saft;
Jn dem Durchlauf iſt zumalen
Er von ſonderlicher Kraft.
Nebſt verſchiednen andern Sachen
Kann man aus ihm Dinte machen,
Die, wenn man es nur bedenkt,
Uns ſo manchen Nutzen ſchenkt.
Ja,187uͤber das Reich der Pflanzen.
Ja, wo Farben auf der Erden
Praͤchtig, voll und wirklich ſchoͤn
Jrgend angetroffen werden,
Laͤßt ſie ihre Bluͤte ſehn.
Wer wird ſolch ein funkelnd Brennen
Sonſt bey Blumen zeigen koͤnnen?
Da man die Granatenbluͤt
Gluͤhen mehr, als bluͤhen ſieht.
Wenn die Menge dieſer Fruͤchte
Jmmer mit vereinter Kraft,
So dem Gaum, als dem Geſichte,
Anmuth und Vergnuͤgen ſchafft,
Uns verſchiedne Luſt ertheilet,
Und ſogar in Krankheit heilet;
Gleicht man denn nicht einem Schwein,
Wenn wir Gott nicht dankbar ſeyn?
Wenn wir dieſe Frucht verzehren,
Wenn man ihre Schoͤnheit ſieht,
Wenn uns Saft und Koͤrner naͤhren
Und erfriſchen das Gebluͤt;
Sollte man ſich billig ſchaͤmen,
Sonder Dank, ſie hinzunehmen,
Ohn auf Gottes Huld zu ſehn,
Und ſein Allmacht zu erhoͤhn.
Noch ein herrliches Geſchenke,
Apfel - ſina. Citro - nen. Pome - ran - zen.
3 Welches uns der Schoͤpfer goͤnnt,
Woran ich mit Luſt gedenke,
Die man Pomeranzen nennt,
Wollen wir anjetzt erwaͤgen,
Und in ihnen uͤberlegen
Deſſen weiſe Lieb und Macht,
Welcher ſie hervorgebracht.
Die188Betrachtungen
Die Natur hat, ſie zu bilden,
Weder Fleiß noch Kunſt geſpart;
Jhre Farb iſt wirklich guͤlden,
Sie ſind von verſchiedner Art;
Es ſind bittre, ſaur und ſuͤße,
Drum man ſie verſchiedlich hieße;
Weil ſie ſo verſchieden ſeyn,
Theilet man ſie billig ein.
Apfel - ſina.
3
Apfelſina ſind die ſuͤßen
Eigentlich allein genannt,
Als die in dem Land entſprießen;
An der Saͤure ſind erkannt
Die, ſo wir Citronen heißen,
Und ein wenig blaſſer gleißen:
Pomeranzen, deren Saft
Von geſund - und bittrer Kraft.
Ehe wir nun weiter gehen,
Und von einer jeden Art
Frucht, Geſchmack und Kraft beſehen,
Die in dieſer Frucht gepaart:
Laßt uns auf die Bluͤten achten
Und erſtaunt dabey betrachten,
Daß die Baͤume ſtets zugleich
Bluͤt - und frucht - und blaͤtterreich.
Da ſie unaufhoͤrlich gruͤnen,
Und auch ſelbſt im Winter ſchoͤn,
Sieht man ihre Frucht auf ihnen
Reif zugleich und unreif ſtehn.
Jn den Pomeranzenhaͤuſern
Wird auf ihrer Kronen Reiſern,
Als wenn ſie der Sommer ſchmuͤckt,
Auch im Froſt, ihr Schmuck erblickt.
Die,189uͤber das Reich der Pflanzen.
Die, ſo ſchoͤne Bluͤt und Fruͤchte,
Welche dieſer Baum uns zollt,
Sind dem Gaum, Geruch, Geſichte
Riechend Silber, eßbar Gold.
Richts kann lieblicher auf Erden
Am Geruch gefunden werden,
Als der Balſam, welchen man
Jn der Bluͤt empfinden kann.
Nett iſt dieſe Bluͤt formiret;
Außer ihrem weißen Schein
Jſt ſie rings umher gezieret
Mit fuͤnf dicken Blaͤtterlein,
Die den Balſamduft verſchließen,
Welchen wir daraus genießen:
Jener giebt den Augen Luſt,
Dieſer ſtaͤrkt Gehirn und Bruſt.
Was uns Hirn und Naſe ruͤhret
Aus der angewuͤrzten Bluͤt,
Wird durchs Feuer diſtilliret.
Allerley Eſſenzen zieht
Und erzwinget man aus ihnen,
Die zu mancher Anmuth dienen,
Und geſund und heilſam ſind;
Wie man es mit Luſt empfindt.
Jhre Schale ſcheint verguͤldet,
Die ein weißes Fleiſch verdeckt,
Worinn, wunderbar gebildet,
Das faſt guͤldne Fleiſch denn ſteckt,
Das ſo ſaftig, und ſo zierlich,
Jn viel Blaͤslein recht natuͤrlich
Als ein Stern und Roſenbild
Schoͤn formiret, eingehuͤllt.
Dem190Betrachtungen
Dem Geſchmack kann keiner gleichen,
Selbſt der, vom Tokayerwein,
Als der beſte, muß ihm weichen.
Weil in ihm vereinet ſeyn
Suͤß und Saur, in ſolcher Miſchung,
Giebt er Anmuth und Erfriſchung,
Beydes in ſo holdem Grad,
Daß man nicht dergleichen hat.
Viele Sorten ſind entdecket,
Suͤße, ſaure, groß und klein,
Kraus von Blaͤttern, die geflecket,
Zwerg - und Horn - auch Weibelein:
Straus, Orangen, die Pucina
Di Cedrato et di China,
Di Rubert et Genua,
Dopple Bluͤt et cetera.
Auch in ihren bittern Schalen,
Außer ihrem ſuͤßen Saft,
Steckt, zur Arzeney zumalen,
Eine mannichfache Kraft.
Zu candiren, einzumachen,
Und zu vielen andern Sachen,
Sonderlich zum Brandtewein,
Koͤnnen ſie bereitet ſeyn.
Wie der Apfelſina Gaben,
Citro - nen.
3 So ſind auch Citronen werth,
Daß wir uns an ihnen laben,
Daß man den in ihnen ehrt,
Welcher uns, in unſerm Leben,
Nutz und Luſt darinn gegeben.
Zum Geſchmack, Geruch, Geſicht
Jſt ſie lieblich zugericht.
Ange -191uͤber das Reich der Pflanzen.
Angenehm iſt ſie gebildet,
Und an Farbe ſcheint ſie ganz,
Recht als waͤr ſie uͤberguͤldet,
Durch der glatten Schalen Glanz.
Jn dem guͤldenen Gehaͤuſe,
Steckt auf wunderbare Weiſe,
Jn dem wirklich ſtarken Saft,
Eine rechte Balſamkraft.
Kann ein Blick wohl ohn Vergnuͤgen,
Wie ſo ordentlich und ſchoͤn
Jhre Saͤft in Blaͤslein liegen
Und in netten Faͤchern, ſehn?
Wuͤrd es doch mit Luſt erkennet!
Wenn man ſie in Scheiben trennet,
Stellen ſie in klarer Zier
Platte gelbe Roſen fuͤr.
Scheint die aͤußre Schale guͤlden,
Jſt die innre weiß, wie Schnee.
Jn Figur ſcheint ſie zu bilden,
Wenn ich eine Seite ſeh,
Eine Bruſt von einer Frauen;
Eine Haͤlfte laͤßt uns ſchauen
Eine ſuͤße Ruͤnd erhoͤht,
Worauf eine Warze ſteht.
Ehe wir den Saft betrachten,
Laſſet uns die Eigenſchaft
Des Geruchs in ihr beachten,
Der von ſonderbarer Kraft!
Kein Geruch wird leicht gefunden,
Der ſo Kranken, als Geſunden,
Ein vergnuͤgter Labſal giebt,
Und der allgemein beliebt.
Es192Betrachtungen
Es wird Herz und Hirn erfriſchet,
Da auf recht beſondre Art
Sich ein ſuͤßes Bitter miſchet
Und in ſanftem Grade paart.
Liebliche Beſchaffenheiten
Zeugen dieſe Geiſtigkeiten,
Voller Anmuth, Staͤrk und Luſt,
Unſerm Haupt und unſrer Bruſt.
Der Citronen ſcharfe Saͤfte
Sind zu vielen Dingen nuͤtz;
Hegen ganz beſondre Kraͤfte,
Daͤmpfen die zu ſtarke Hitz;
Dienen auch, das Herz zu ſtaͤrken;
Nuͤtzlich iſt in Zuckerwerken,
Und zu vielen Speiſen auch
Jn der Kuͤche, der Gebrauch.
Der Geſchmack wird ſehr erfriſchet,
Wenn man dieſen Saft mit Wein,
Waſſer, Ey und Zucker miſchet;
Aber dieſes nicht allein:
Sondern, ſehr viel andre Sachen,
Sind aus dieſer Frucht zu machen;
So zur Luſt und Schleckerey,
Als auch in der Arzeney.
Wenn wir ſo viel Lieblichs ſchmecken
Jn dem angenehmen Saft,
Laßt uns doch vergnuͤgt entdecken
Deſſen Weisheit, Lieb und Kraft,
Der uns ſchon in dieſem Leben
So viel tauſend Guts gegeben.
Welches uns, daß er uns liebt,
Eine klare Probe giebt.
Nebſt193uͤber das Reich der Pflanzen.
Nebſt den ſauren und den ſuͤßen,
Pome - ran - zen.
3 Die der Schoͤpfer uns beſchert
Zum Vergnuͤgen und Erſprießen,
Sind die bittern auch noch werth,
Daß wir ſie zugleich beſehen,
Und davon zugleich geſtehen,
Wenn man ihre Kraft bedenkt,
Daß auch die uns Gott geſchenkt.
Kann man doch ſo viele Sachen
Zu ſo mancherley Gebrauch
Aus den Pomeranzen machen,
Und aus ihren Schalen auch.
Sie ſind gut, zu candiſiren,
Sie ſind nuͤtz, zu diſtilliren,
Wie ihr ſtark - und heißer Geiſt
Eine Probe davon weiſt.
Dieſer ſtaͤrket unſern Magen,
Eben wie der Brandtewein.
Wenn die Blaͤhungen uns plagen,
Kann uns nichts ſo dienlich ſeyn.
Wenn man ſtark Erbrechen ſpuͤret,
Das nicht von der Galle ruͤhret,
Stillt dieß Mittel alſobald
Dieſe ſchaͤdliche Gewalt.
Die Erfahrung laͤßt uns lernen,
Daß die Frucht noch weiter dien:
Denn aus Pomeranzenkernen
Kann man noch ein Waſſer ziehn,
Das ſehr gut, den Stein zu treiben,
Und denſelben zu zerreiben.
Bey verſchiednen Speiſen auch
Dient der Saft uns zum Gebrauch.
NJn194Betrachtungen
Jn der Blumen Blatt und Hoͤle
Steckt annoch, zu unſrer Luſt,
Nebſt dem Eßig, auch ein Oele:
Beyde ſtaͤrken unſre Bruſt
Jm Geruch und in dem Munde.
Laßt uns denn von Herzensgrunde
Danken; wenn man oft gedenkt
Deß, der ſo viel Guts uns ſchenkt!
Das195uͤber das Reich der Thiere.

Das Thierreich.

Von einer recht - und wahren Gottheit die allerhellſt und klarſten Spuren
Zeigt unſern uͤberfuͤhrten Seelen das Reich lebend’ger Kreaturen
Nicht nur ihr Koͤrper, der ſo kuͤnſtlich, Bewegung, Sin - nen, Geiſt und Leben
Sind Zeugen einer weiſen Quell, und koͤnnen von dem Urſprungsſtand (Der ſonſt, vor allzugroßer Groͤße, ſelbſt unſern Seelen unbekannt)
Des Schoͤpfers, der ſonſt unbegreiflich, die allerbeſten Proben geben.
Wer anders, als ein weiſes Weſen, koͤnnt unſern großen Erdkreis faͤllen
Mit ſolcher kuͤnſtlichen Maſchinen faſt nicht zu zaͤhlnder Meng und Zahl?
Wer ſie ernaͤhren und erhalten? Wer koͤnnte fuͤr ſie all - zumal
Mit ganz unnachahmbarer Weisheit ihr ſo verſchiednes Futter quillen,
Entſtehn und fuͤr ſie wachſen laſſen? Wer anders, als ein Gott allein
Koͤnnt, in ſo wunderbarer Ordnung, derſelben Weſen ſo formiren,
Daß ſie ſich meiſtens unter ſich einander huͤlf - und dien - ſam ſeyn?
Ja daß faſt alle fuͤr den Menſchen, der, ſie zu nuͤtzen, zu regieren
N 2Er -196Betrachtungen
Erſchaffen ſcheint, erſchaffen ſcheinen. Wer ſonſt als ei - ne Gottheit nur,
Hat, in des Menſchen Weſen ſelber (der ſich ſo wenig ſelbſt gemacht,
Als alle andere Geſchoͤpfe) ſolch eine Wunderkreatur,
Die, einen Gott zu ehren, faͤhig, ſo wunderbar hervor - gebracht?
Solch eine Wunderkreatur, die Gott gewuͤrdigt zu be - ſchenken,
Mit einem Geiſt, der was betrachten, vergleichen, uͤber - legen, denken,
Jhn fuͤhlen und ihn finden kann, der faͤhig, in den Wun - derwerken,
Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers vom uͤberall vorhand - nen Weſen,
Die uͤberall verhandne Weisheit, und ſeine Lieb und Macht zu merken,
Jhn zu bewundern, anzubeten, ihn zu verkuͤndigen, zu preiſen,
Und im empfindenden Genuß ihm Dank und Ehre zu erweiſen?
Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir der Seelen rege Kraft
Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe Eigenſchaft
Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und, in derſelben Wun - derwerken,
Als wie im wahren Buch der Weisheit, ihn, als den Jn - halt, zu bemerken,
Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht, da wir zugleich auf dieſer Erden
Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß erken - nen werden.
Es197uͤber das Reich der Thiere.
Es ſcheinet ja mit allem Recht, dieß noͤthige Geſchaͤfft allein
Vernuͤnft’ger Geiſter beſter Vorwurf, und unſre groͤßte Pflicht zu ſeyn.
Wohin ich meiner Seelen Kraͤfte und ihre Faͤhigkeiten lenke,
Wie hoch ich aufwerts mich erhebe, wie tief ich mich hinabwerts ſenke,
Was ich, nach moͤglichem Erforſchen der Hoͤhen und der Tiefen denke,
So ſcheinet meines Weſens Abſicht, der Zweck, daß ich hervorgebracht,
Bloß die Verherrlichung des Schoͤpfers. Des Koͤrpers Kraͤfte mit der Seelen (Um den, der alle beyde ſchuf, dadurch zu preiſen) zu vermaͤhlen:
Dieß ſcheint und iſt unwiderſprechlich der Wille des, der mich gemacht.
Man halte gegen dieſe Handlung doch alle Handlungen auf Erden,
Die wir verrichten, die noch werden, und die ſchon auf der Welt geſchehn:
So wird, wenn auch die allerbeſten mit dieſem Thun ver - glichen werden,
Man, daß ſie dieſer das Gewicht nicht halten koͤnnen, gern geſtehn.
Wir finden in uns Geiſt und Koͤrper, wir finden hier in unſerm Leben,
Auch außer uns in allen Orten, mit Geiſt - und Koͤrpern uns umgeben,
Die ſollen billig ihrer Quell, woraus ſie ſtammen, ganz allein
Zum Ruhm und zur Verherrlichung der Vorwurf unſrer Kraͤfte ſeyn.
N 3Nach -198Betrachtungen
Nachdem wir in zwey Reichen nun (des Schoͤpfers All - macht zu erhoͤhn)
Mit allem Ernſt bemuͤht geweſen, die Stralen ſeiner Macht zu ſehn,
So laßt uns auch mit Ernſt und Demuth dem Schoͤpfer noch ein Opfer bringen,
Und, in dem dritten, in dem Thierreich, auch Gottes Wun - der zu beſingen
Mit Luſt und Andacht uns beſtreben! Herr! laß es dir zum Ruhm gelingen!
Wie alle nicht beſeelte Koͤrper von eines Schoͤpfers Macht nicht ſchweigen,
Und ein anbetungswerthe Weisheit in ihrer Maaß und Ordnung zeigen:
So zeigt das Thierreich insbeſondre, dem Herrn der Kreatur zum Preiſe,
Deſſelben Allmacht, Weisheit, Lieb, auf eine ſo ge - wiſſe Weiſe,
Der nicht zu widerſprechen iſt; ſo daß, wenn wir nicht anders wuͤßten,
Und es die ganze Welt nicht zeigte, man, gegen einen Atheiſten,
Wohl nimmer einen ſtaͤrkern Grund, um voͤllig ihn zu uͤberwinden,
Und ſeinen Jrrthum ihm zu zeigen, als ſeinen eignen Leib wird finden.
Wenn ich mit einiger Betrachtung aufs Reich der Thiere Achtung gebe,
Ja wenn wir bloß an einem Thier das unbegreifliche Gewebe
Von Nerven, Knorpel, Fleiſch und Haut, von klein - und großen Blutgefaͤßen,
Woraus199uͤber das Reich der Thiere.
Woraus die Thier, auch wir gebildet, die Art der Fuͤ - gungen ermeſſen,
Erſchrickt das Auge, ſtutzt der Geiſt. Man wird faſt aus ſich ſelbſt geriſſen,
Und muß der Allerunverſchaͤmtſte, auch wider Willen, hier geſtehn,
Dieß koͤnne nicht durch Menſchenkunſt, auch nicht von ungefaͤhr, geſchehn.
Daher wir ja zu einem weiſern und hoͤhern Weſen kom - men muͤſſen,
Auch wenn wir noch ſo ungern wollten. Da dieß uns ſo zu Paaren treibt,
Daß auch dem Allerfrevelhaftſten dennoch kein Aus - flucht uͤbrig bleibt.
Kommt, laßt uns denn, zu dieſem Endzweck, der Thiere Koͤrper, naͤher gehn,
Und ihr verwunderlich Gebaͤnde, dem der ſie ſchuf zum Ruhm, beſehn.

Definition.

Es iſt demnach ein Thier ein Weſen, das lebt, das
waͤchſt, das ſich ernaͤhrt,
Das ſich beweget, das empfindet, und welches ſein Ge -
ſchlecht vermehrt.

Eintheilung.

Man pflegt den Unterſchied der Thier auf dieſe Weiſe zu beſtimmen,
Und theilt dieſelben insgemein
Jn Thiere, (Menſchen ausgenommen, die nur mit Zwey begabet ſeyn)
N 4Die200Betrachtungen
Die auf vier Beinen ſich bewegen, in Thiere, welche fliegen, ſchwimmen,
Und endlich in noch eine Art, in Thiere, welche blut - los, ein;
Von welchen viele groß vom Koͤrper, und viele ganz un - glaublich klein.
Wir wollen nun von dieſen erſtlich die, ſo vier Fuͤße haben, ſehn;
Weil ihre Koͤrper mehrentheils mit denen koͤrperlichen Gaben,
Die wir, doch mit beſonderm Vorzug, an unſerm Leib empfangen haben,
Die den Verſtand weit uͤberſteigen, in einer Art von Gleichheit ſtehn.
Demnach beſteht das große Kunſtwerk, der Leib vom Menſchen und vom Thier,
Das unvergleichlich, wunderbar, ja gleichſam goͤttlich iſt, allein
Aus lauter Theilen, welche feſt, und Theilen, welche fluͤßig ſeyn.
Die ſtellen, in ſich ſelbſt verbunden, ein Luft - und Waſ - ſerwerk uns fuͤr,
Ja eine Werkſtatt der Chymie von Kolben, Vorlag - Siebungen,
Jmgleichen manches Heb - und Werkzeug von vielen uͤberkuͤnſtlichen (Faſt lebendigen Chorden gleich,) verſchiedlich angezog - nen Seilen.
Von denen in der Thiere Leibern vorhandnen fluͤßig - feuchten Theilen,
Jſt nun vor andern das Gebluͤt ein ſo verwunderlicher Saft,
Von201uͤber das Reich der Thiere.
Von einer ſolchen ſonderbaren und unbegreiflich regen Kraft,
Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs Eigenſchaft
Das Leben zu beſtehen ſcheint. Doch iſt ſein Stoff ſo mannichfalt,
Und iſt es ſo ſubtil gemiſcht, daß man die wirkliche Geſtalt
Durchaus nicht zu entdecken faͤhig, und daß, bey al - ler Muͤh und Fleiß,
Man nicht ſein Weſen zu begreifen, noch minder nach - zuahmen weis.
Die innere Centralbewegung ſcheint von der Luft bloß herzuruͤhren,
Und iſt dieſelbige ſo noͤthig zu der Erhaltung unſers Lebens,
Daß, ohn den Athem auszulaſſen und ohn denſelben einzuziehen,
Wir ſonder Aufſchub ſterben wuͤrden, und unſern Geiſt ſogleich verlieren.
Ohn Athem waͤre das Bemuͤhen,
Das Leben laͤnger zu behalten, bey jedem Menſchen ganz vergebens.
Das Athmen nun, ſo viel wir faſſen, ſcheint auf die Weiſe zu geſchehn,
Wenn naͤmlich unſre Ribben, Muskeln, zuſammt der Lunge ſich erhoͤhn,
Wodurch die Bruſt dann hol und leer, indem das Zwerchfell unter ſich,
Die Ribben uͤber ſich gezogen, der Bau der Lunge aus - geſpannt.
Wenn wir nun Athem von uns laſſen, und daß die Luft wird weggeſandt,
N 5Ge -202Betrachtungen
Geſchieht daſſelbe, wenn das Zwerchfell hinwieder in den vor’gen Stand,
Zuſammt den Ribben, ſich begiebet, die Lunge ſich zu - ſammenzieht,
So beydes ein betraͤchtlich Wunder fuͤr ein aufmerkſa - mes Gemuͤth.
Der Bau der Lunge ſelber nun beſteht aus Blaͤslein, wie man ſieht,
Doch iſt dieß nutz - und wunderbar beſondre Werkzeug, wie wir leſen,
Und ihre eigene Geſtalt, vor kurzem noch verſteckt ge - weſen.
Sie ſcheint hauptſaͤchlich zum Zertheilen und zur Verduͤn - nung dem Gebluͤt,
Zu unſers Bluts Centralbewegung, und folglich ſelbſt zur Lebenswaͤrme
Uns eigentlich geſchenkt zu ſeyn, auch zur Bewegung der Gedaͤrme.
Denn wenn Blut aus des Herzens Kammer der rechten Seite durch die Lungen,
Und ihre mehr, als wie ein Haar, verkleinte Roͤhren, wird gedrungen,
Wird es, durch ſtetes Wiederholen des Athems, den man von ſich laͤßt,
Und wieder einzieht, ungemein gedruckt, gedrenget und gepreßt,
Jn kleine Kuͤgelchen zertheilt, die ſich dadurch geſchwin - der regen,
Und in das Blut ein lebhaft Roth und angenehme Farbe praͤgen.
Wie nun die meiſten Koͤrpertheile, ſowohl bey Menſchen als bey Thieren,
Noch203uͤber das Reich der Thiere.
Noch mehr als einen Nutzen haben; ſo iſt dieß bey der Lungen auch
Zu ſehn und hoͤchlich zu bewundern. Sie dient, die Re - de zu formiren,
Gedaͤrm und Magen zu bewegen, es dient ihr unge - hemmter Hauch
Den Milchſaft, zu der Achſelader, zu treiben und hin - auf zu fuͤhren,
Vom Blut den Gallenſaft zu ſcheiden, drauf Hitz und Krankheit ſich verlieren,
Zu der Befoͤrdrung der Geburt, auch Harn und Unrath auszutreiben:
Und kurz, das Wunder und der Nutz der Lungen iſt nicht zu beſchreiben.
Das Blut hat, außer dieſem Lauf, annoch ein raͤumli - ches Bewegen,
Das, weil es in die Ruͤnde rennt,
Man insgemein die Kreisbewegung, und oͤfters auch den Kreislauf nennt.
Da naͤmlich aus der linken Seite der Herzenskammer das Gebluͤt
Mit einem recht gewaltgen Drang durch die Arterie ge - preßt,
Sich in des ganzen Koͤrpers Theile, auch in die kleinſten, treiben laͤßt,
Und, nach daſelbſt gelaßner Nahrung und Sondrung von verſchiednen Theilen,
Es durch die ſogenannte Venas, die es aufs neu, in re - gem Eilen,
Zum Herzen wieder ruͤckwerts fuͤhren, um es von neuem zu beleben,
Und anderweitige Verduͤnnung ihm durch die Lung aufs neu zu geben.
Das204Betrachtungen
Das Herz, das Hauptrad der Bewegung, zum Druck ſo noͤthig und ſo nuͤtze,
Jſt eine kuͤnſtlich unbegreiflich und wunderbar formirte Spruͤtze,
An welcher (nebſt zwo holen Kammern, zwey Oehrlein, Fallen, die dem Zeichen
Des halben Monds und Biſchofskappen mit dreyen Spi - tzen, voͤllig gleichen)
Sehr ordentlich gedrehte Maͤuslein in großer Menge ſich verbinden.
Solch uͤber Wunder kuͤnſtlich Werkzeug nun zu formi - ren, zu erfinden,
Jſt bloß allein ein Werk der Weisheit und einer unum - ſchraͤnkten Macht.
Denn welcher Geiſt hat irgend eine ſo kuͤnſtliche Ma - ſchin erdacht?
Daß wir nun ſelbſt nicht Herren waͤren von unſerm Sterben oder Leben;
Hat unſer Schoͤpfer unſrer Seelen daruͤber keine Macht gegeben,
Wodurch zugleich derſelben Schwaͤche, daß ſie ſich nicht kann ſelbſt formiren,
Als auch ein groͤß - und hoͤhers Weſen, das außer uns, ſehr klar zu ſpuͤren.
Des Blutes Kreisbewegung nun noch zu befoͤrdern, dient die Kraft
Und Zuſtand der Arterien ſehr viel, indem ſie vom Ge - bluͤt,
Gedehnt durch eigne Spannungstriebe, ſich wiederum zuſammenzieht,
Und dadurch den in ihren Roͤhren vorhandnen rothen Le - bensſaft
Be -205uͤber das Reich der Thiere.
Beſtaͤndig fort und vorwerts druckt. Jmgleichen dienen noch dazu
Faſt alle Theile, die in uns zum Athmen dienen, da ſie ſich
Jn einem ſteten Wechſel dehnen und wieder ſchließen. Sonderlich
Die Luft, die aller Thiere Koͤrper in einem Gleichge - wicht umringet,
Und mit der Luft, die in den Adern vorhanden, ſich ver - eint, ſie dringet,
Und in natuͤrlicher Bewegung ſie in die rechten Schran - ken zwinget.
Wie wir denn ſolches eigentlich an Thieren in der Luft - pump ſehn,
Daß ſich an ihnen alle Theile an ihrem ganzen Leib er - hoͤhn,
Sobald die aͤußre Luft hinweg, weil ſich, ohn vor’gen Widerſtand
Der aͤußeren, die innre Luft durch eigne Triebkraft, aus - geſpannt.
Auch hilft der Bau der andern Adern, die Venaͤ ins - gemein genannt,
Die weiter als die erſten noch, und worinn eigne kleine Thuͤren,
Die recht bewundernswuͤrdig ſind, zum Herzen hingekehrt zu ſpuͤren,
Zu der beſtaͤndigen Bewegung und zu des Blutes Circu - liren.
Mit eben ſolchen nach dem Herzen, dem Mittelpunkt, gekehrten Thuͤren
Sind auch die Waſſeraͤderchen, die kuͤrzlich erſt entdeckt, verſehn,
Die206Betrachtungen
Die bey der allgemeinen Scheidung im Koͤrper mit ſich ruͤckwerts fuͤhren
Viel zarte waͤſſerichte Theile, die wieder nach dem Herzen gehn,
Damit des Blutes Fluͤßigkeit dadurch von aller Sto - ckung frey,
Und in dem ſo nothwend’gen Kreislauf beſtaͤndig unter - halten ſey.
Nachdem wir nun den Zirkellauf des Bluts in etwas angeſehn,
So laßt uns, wie der Nahrungsſaft formirt, die Schei - dungen geſchehn,
Jm Koͤrper ebenfalls betrachten, worinn ſich neue Wun - der weiſen.
Sobald durch unſre vordre Zaͤhne, als wie durch Meſſer, unſre Speiſen
Zerſchnitten, durch die Backenzaͤhn, als wie durch ſo viel Muͤhlenſtein,
Zermalmet, mit des Speichels Saft befeuchtet, und ge - kaͤuet ſeyn,
So werden ſie, durch die Bewegung der Maͤuslein, von dem Schlund der Zungen
Durch den Canal, die Speiſeroͤhre genennet, ſchnell hin - abgeſchlungen,
Und in dem Magen recht gekocht, als wie auf einem Kuͤchenherd,
Daſelbſt auf ganz beſondre Weiſ in einen weißen Saft verkehrt,
Der, unter Miſchung andrer Theile, ſich durch den un - tern Magenmund
Hinabſenket, und allgemach in das Gedaͤrme ſich er - gießet,
Wo -207uͤber das Reich der Thiere.
Woſelbſt denn, da allhier die Galle zuſammt dem Safte dazu fließet,
Der pancreatiſche genannt, die Nahrungsſaͤfte mehr ver - duͤnnt,
Und von den groͤbern Theilen immer je mehr und mehr geſondert ſind,
So daß nur bloß das Fluͤßigſte, und das die meiſte Nah - rung heget,
Von den Gedaͤrmen unaufhoͤrlich gedrengt, gepreßt, ge - druckt, beweget,
Durch die ſubtile Oeffnungen der Milchgefaͤß, als einen Sieb,
Sich ſenkt, von hier ſich durchs Gekroͤſe und in den Milchbehalter zieht,
Dann in des Ruͤckgrads innern Theil, hinauf, durch einen ſtarken Trieb
Und durch den Bruſtcanal hindurch zur Achſelader, ins Gebluͤt,
Woſelbſt es denn ſich in ein friſches und nahrungsvolles Blut verkehrt,
Und die im Blut verkochte Kraͤfte, durch ſteten Zufluß, wieder mehrt.
Bewundernswuͤrdig iſt hiebey, wie der durch ſo viel Gaͤng und Kreiſe
Jns Blut gebrachte Milchſaft letztlich ſo eine rothe Far - be weiſe,
Da doch die ſogenannte Lympha durchſichtig iſt, und weiß verbleibt.
Vermuthlich iſt, daß dieß geſchieht, dadurch, daß, was nicht hergehoͤret,
Sich durch ſo manche Sonderung, von dem Bequemen, ſcheidet, treibt
Und208Betrachtungen
Und richtig abgeſondert wird; wozu der Schoͤpfer wun - derbar
Jn ſo viel unbeſchreiblich kuͤnſtlich geformten Theilen kleiner Druͤſen
Ein unbegreiflich Meiſterſtuͤck von ſeiner weiſen Macht gewieſen,
Wenn unſer Geiſt dieß uͤberleget, verliert er ſich faſt ganz und gar.
Ein ſolches allgemeines Sieb wird eigentlich in unſrer Haut,
Die voller unzaͤhlbarer Druͤſen, und voller Oeffnungen, geſchaut,
Wodurch beſtaͤndig ganz ſubtil und waͤſſerige Feuchtig - keiten
Vom Koͤrper abgeſondert werden, im Schweiß ſich aus dem Koͤrper leiten,
Und, von ihm ausgefuͤhrt, verduͤnſten. Die Druͤſen bey der Naſ im Munde
Die ſcheiden einen zaͤhern Schleim, und fuͤhren ſelben zu dem Schlunde,
Nicht aber, wie man ſonſt gemeynt, und auch Gelehrte wohl geglaubt,
Ob fiel dergleichen Feuchtigkeit von oben abwerts aus dem Haupt.
Die gar zu viele ſalze Theile, wie auch den Harn, ſind, in den Nieren,
Die Druͤſen, die daſelbſt vorhanden, beſchaͤfftiget ſtets abzufuͤhren.
Die Galle wird in unſrer Leber geſchieden und heraus - gebracht,
Jnzwiſchen daß die Milz das Blut zum Cirkellaufen duͤnner macht.
Was209uͤber das Reich der Thiere.
Was aber vom geſunden, naͤhrſam - und fetten Milch - ſaft abgelenket,
Wird unſer Fett, und in viel Blaͤslein, die hier belegen, eingeſenket.
Wenn alle Theile des Gebluͤts vom Ueberfluß des Un - raths rein,
Und von dem ungeſchickten Stoff gebuͤhrlich abgeſondert ſeyn,
Gehn die Verrichtungen von ſtatten. Das Blut wird ſchnell herum geleitet,
Jn den Teſticulis der Same vom geiſterreichen Blut bereitet,
Und von demſelbigen die Eylein befruchtet, wenn es an - ders nicht,
Nach Leuwenhoͤck, durch kleine Thierchen, die er darinn geſehn, geſchicht.
Vom leichtſten und ſubtilſten Blut ſind im Gehirn ge - trennt, bereitet
Die Geiſter, welche ſinnlich ſind, die werden, durch der Nerven Gaͤnge,
Jn alle Theile eines Koͤrpers, im ſteten Fluß und großer Menge,
Derſelben Wachsthum und die Nahrung ſtets zu beſor - gen, hingeleitet,
Am meiſten aber die Bewegung -, Verrichtungen, Em - pfindlichkeiten
Jm ganzen Koͤrper zu befoͤrdern. Hier waͤr es, wo man ſprechen muͤßte,
Von dem Gehirn, dem Sitz der Geiſter, wenn man nur etwas rechtes wuͤßte.
Vom Kunſt - und Wunderwerk der Sinnen ſollt ich hier auch was deutlichs ſagen,
ODoch210Betrachtungen
Doch hab ich, was ich davon faſſe, ſchon anderwertig vorgetragen,
Wohin, um nichts zweymal zu ſagen, ich den geneigten Leſer weiſe*S. Jrd. Vergnuͤgen Tom. II. p. 311.,
Doch aber, daß man unſern Schoͤpfer fuͤr dieß Geſchenk und Wunder preiſe,
Noch einſt ich dich und mich erinn’re: Wir ſollten billig Gott verehren,
Die wir vernuͤnftig heißen wollen. So oft wir mit den Ohren hoͤren,
So oft wir mit der Zunge ſchmecken, ſo oft wir mit den Augen ſehn,
So oft man etwas riecht und fuͤhlt, ſo oft als wir zum Greifen gehn,
Und andrer Handlung und Verrichtung, ſo Hand als Fuß durch zaͤhe Sehnen
Bald biegen, und zuſammenziehn, und bald ſie von ein - ander dehnen.
Doch laßt uns noch mit wenigem den Nutzen jedes Sinns betrachten,
Um unſers Schoͤpfers weiſe Liebe in einem jeden hochzu - achten.
Die Sinnlichkeiten, wie ſie Thieren und auch dem Men - ſchen allgemein,
Sind Eindruͤck koͤrperlicher Ding in unſrer Nerven Zaͤ - ſerlein.
Weil dieſe Druͤckungen des Hirns ſowohl von außen als von innen
Entſtehen, theilet man ſie ein, in aͤuß’re und in innre Sinnen.
Von211uͤber das Reich der Thiere.
Von aͤußern laſſet uns zuerſt des Fuͤhlens Nutzen uͤber - legen,
Und wozu es ſowohl den Thieren, als auch den Menſchen dien, erwaͤgen.
Wo dieſer Sinn uns fehlete, wer wuͤrde Speis und Trank begehren?
Es wuͤrden, ohn ihn, weder Thiere noch Menſchen ihr Geſchlecht vermehren,
Es wuͤrd in unſern Koͤrpern nichts ſich fuͤgen, loͤſen, ſcheiden, trennen,
Was uͤberfluͤßig von uns fuͤhren, noch vor Zerſtoͤrung ſchuͤtzen koͤnnen.
Sogar iſt ſelbſt der Schmerz uns dienlich, daß wir, um ſelben zu vermeiden,
So inn - als aͤußerliche Glieder mit Vorſicht zu beſchuͤtzen ſtreben,
Und kurz, wir haͤtten ohn Gefuͤhl gar kein Empfindlich - keit, kein Leben.
Wie denn die andern Sinnen alle, da das Gefuͤhl ſo all - gemein,
Recht in der That und eigentlich nur Gattungen von Fuͤh - len ſeyn.
Wir unterſcheiden und erkennen vermittelſt dieſer Sinn - lichkeit
Der Koͤrper aͤußerliches Weſen, Figuren und Beſchaf - fenheit;
Jndem, was warm iſt und was kalt, was naß und tro - cken, weich und feſt,
Was rauh und glatt iſt, durchs Gefuͤhl ſich ganz allein begreifen laͤßt,
Und zwar vermittelſt kleinern Waͤrzlein, die an der Ner - ven Enden ſitzen,
O 2Zu -212Betrachtungen
Zumal ſehr reichlich an der Hand, und an der Finger aͤußern Spitzen,
Und, durch die Geiſterchen, ſo ſinnlich, was aͤuß’re Koͤrper in ſie druͤcken,
Jn ungemeiner Fertigkeit und Eile zum Gehirne ſchicken.
Das Schmecken iſt, nicht nur zur Luſt und Anmuth, uns in unſerm Leben,
Zur Lebensunterhaltung ſelbſt, iſt es dem Vieh und uns gegeben,
Jmmaßen ſie durch dieſen Sinn, was ihnen nuͤtz und gut zu eſſen,
Von dem, was ſchaͤdlich, unterſcheiden, und beſſer oft, als wir, ermeſſen,
Was ihnen ſchadhaft, was erſprießlich, da ſie durch kluges Unterſcheiden
Nur das, was ihnen heilſam, nehmen, und das, was giftig iſt, vermeiden.
Deſſelben Werkzeug iſt die Zunge, die ganz mit Waͤrz - chen angefuͤllt,
Die nervig, und die, durch den Speichel, der haͤufig aus den Druͤſen quillt,
Der Speiſe Theilchen, welche ſchmackhaft, wenn ſie ſie ſanft am Gaume druͤcken,
Wie auch die Theilchen des Getraͤnks, ohn Anſtand zum Gehirne ſchicken,
Woſelbſt, auf ganz verborgne Weiſe, es mit der Seele ſich verbindet,
Weil, (ſo wie uns bisher begreiflich,) die Seele ſchme - cket und empfindet.
Das Riechen iſt der dritte Sinn, wodurch die Menſchen nebſt den Thieren
(Doch213uͤber das Reich der Thiere.
(Doch dieſe kraͤftiger, als wir) in Koͤrpern Eigen - ſchaften ſpuͤren,
Die allen ſonſt verborgen waͤren. Zu dieſem Endzweck ganz allein,
Daß ſie ſowohl, als wir, erkennten die Dinge, die uns ſchaͤdlich ſeyn,
Und ſie zu unterſcheiden taugten durch den Geruch von andern Dingen,
Die, nebſt dem Nutzen, den ſie hegen, im Riechen noch Vergnuͤgen bringen.
Nun finden wir, daß von den Thieren ſehr viel, als: Bienen, Hunde, Raben,
Jn dieſem Sinn, vor allen Menſchen, noch ganz be - ſondern Vorzug haben,
Jndem ſie Theilchen von den Koͤrpern, die von denſelbi - gen ſich trennen,
Nicht nur viel ſchaͤrfer noch, als wir, nein, ganz von weitem ſpuͤren koͤnnen.
Durch eine Nerve, die ſich theilet, wird alles, was man riecht und ſpuͤrt,
Zum Sitz der Seele, zum Gehirne, in zarten Duͤnſten hingefuͤhrt.
Auch iſt das Ohr bewundernswerth, ſo Gott den Thieren ſchenken wollte
Zu ihrem Schutz; doch uns beſonders, daß man viel ler - nen koͤnnt und ſollte,
Wie denn zu allen Wiſſenſchaften, nebſt einer edlen Lehrbegier
Und des Gedaͤchtniß Faͤhigkeit, das Ohr uns eine offne Thuͤr.
O 3Die214Betrachtungen
Die Werkzeug, wodurch ſo viel Toͤne uns wunderbar ins Hirn gebracht,
Sind, wie wir anderwerts beſchrieben, mit ungemeiner Kunſt gemacht.
Das Herrlichſte von allen Sinnen iſt das vortreffliche Geſicht,
Wodurch das herrlichſte Geſchoͤpf, das uͤberwunder - ſchoͤne Licht,
Den Thieren mitgetheilet wird, wodurch nicht alles nur, was ſchoͤn
Auf dieſer Welt zu ſehen iſt und anzutreffen, anzuſehn;
Wodurch die Thiere zu der Nahrung und den Geſchaͤfften auf der Erden,
Und wir den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu kennen, ange - fuͤhret werden.
Ach, wuͤrde doch von uns dadurch, wie herrlich dieſe Welt erbauet
Zu Gottes Ruhm, nicht wie ein Thor, ſo neu, von ei - ner Kuh, beſchauet!
Was etwan weiter von dem Licht, und unſrer Augen Bau und Weſen,
Erbaulich zu bemerken iſt, iſt gleichfalls anderwerts zu leſen.
Die inn’re Sinnen theilet man bey den Gelehrten ins - gemein,
So doch vielleicht unnoͤthig iſt, in drey verſchiedne Claſſen ein.
Der allgemeine Sinn, Gedaͤchtniß, zuſammt der ſchnel - len Phantaſey,
Sind ſie gleich eine Seele nur, ſind dieſe eingetheilte drey.
Ob215uͤber das Reich der Thiere.
Ob wir nun gleich nach Moͤglichkeit verneinen, daß auch ſie bey Thieren
Vorhanden, ſind ſie doch bey jenen, nur etwas minder klar, zu ſpuͤren.
Nun werden wir im Reich der Thiere, nebſt mehr be - wundernswerthen Gaben,
Vor allen andern, die Bewegung, an ihnen zu betrach - ten haben,
Wodurch ſie, auf ſo manche Weiſe, die faſt nicht zaͤhl - bar, liegen, ſtehn,
Den Ort veraͤndern, kriechen, ſpringen, ſich wenden, ſchwimmen, fliegen, gehn,
Was ſie verlangen, ſchnell verfolgen, was ihnen dien - lich, zu ſich ziehn,
Hingegen dem, was ihnen ſchaͤdlich und ſie verfolget, ſchnell entfliehn.
Doch welcher kann von allen Arten, von den Bewegun - gen im Leben,
Sowohl der Menſchen, als der Thiere, ein ordentlich Regiſter geben?
Wie viel unzaͤhlige Bewegung von unſrer Hand allein ge - ſchehn,
Davon kann im Gedicht, die Hand, man eine kleine Probe ſehn.
Doch wollen wir, auf welche Weiſe dieß Wunderwerk geſchieht, betrachten,
Und auf die Wege der Natur im Thierreich beym Bewe - gen achten,
So weit wir durch des Geiſtes Licht in dieſe Handlung dringen koͤnnen.
So viel wir vom Bewegungswerk bisher begreifen und verſtehn,
Geſchieht ſie durch der Maͤuslein Huͤlf, die man ſonſt Muſkeln pflegt zu nennen,
O 4Und216Betrachtungen
Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil - und duͤnnen Zaͤ - ſerlein
Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun - den ſeyn,
Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen, Geiſter ſenken,
Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder nach ſich ziehn
Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier, bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be - muͤhn,
So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei - ſtigkeiten
Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten
Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je - dem Thier das Schlafen,
Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an - erſchaffen.
Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange - nehmen Ruh
Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie - der zu.
Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren, zeugen, ſtaͤrken
Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt allem Vieh
Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des Morgens fruͤh,
Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver - merken.
So217uͤber das Reich der Thiere.
So wie wir nun von ſelbſt entweder, wie oder auch vom Licht, vom Schall,
Von Reiben, Rupfen, Stoßen, Schlagen, von Krank - heit oder auch von Pein,
Von Preſſung inn - und aͤuß’rer Sinnen vom Schlafe zu erwecken ſeyn:
So macht und mehret unſern Schlaf Mah, Opium, vom Waſſerfall
Und Wind ein ſauſendes Geraͤuſch, Muſik, Tobak, ein ſanftes Wiegen,
Viel Arbeit, Faſten, Schweiß, Studieren, zuſammt der Stille dunkler Nacht,
Vor allen aber die Gewohnheit, ſo daß man nicht ſo leicht erwacht,
Und wir dadurch theils fruͤher ſchlafen, theils laͤnger in der Ruhe liegen.
Nun muͤſſen wir mit wenigem von unſerm Schlaf noch dieſes ſehn,
Daß aller ſinnlichen Bewegung Verrichtungen nicht ſtil - le ſtehn.
Es hoͤrt die Daͤuung in dem Magen, des Herzens Puls - ſchlag auch nicht auf,
Auch bleibt die Scheidung vieler Saͤfte, des regen Blu - tes Zirkellauf,
Das Athemholen, kurz das Regen der Kraͤfte, die nicht eigentlich
Von unſerm Geiſt regieret werden. Ja oftermalen ſtel - len ſich
Auch Geiſtigkeiten, welche ſinnlich, und die wir, weil wir ſie nicht kennen,
Gemeiniglich die thieriſche und Mittelgeiſtigkeiten nennen,
Mit vormals eingenommnen Bildern, die einzeln auch ge - fuͤget ſeyn,
O 5Jm218Betrachtungen
Jm Sitz der Seelen, im Gehirn, des Nachts in unſern Traͤumen ein.
Nachdem wir nun von vielen Theilen im Thierreich et - was wahrgenommen,
So laßt uns auch mit unſerm Denken aufs Wunder ih - rer Zeugung kommen,
Und erſt den Stoff, woraus die Thiere, ſowohl als wie wir ſelbſt, beſtehn,
Den Samen naͤmlich, uns bemuͤhen, ſo viel uns moͤg - lich, einzuſehn.
Doch ehe wir dazu gelangen, muß ich mit wenigem erſt zeigen,
Daß die vordem gehegte Meynung, ob koͤnnten Koͤrper, welche leben,
Aus Feuchtigkeit und Waͤrm entſtehn, und aus der Gaͤhr - und Faͤulung ſteigen,
Bey allen Klugen aufgehoͤrt. Wir koͤnnen klare Proben geben,
Daß dieſes gegen die Natur. Der Satz iſt nunmehr feſt gegruͤndet,
Daß man von allem, was da lebt, den Urſprung in dem Samen findet.
Es hat die Vorſicht der Natur, die auf beſtaͤnd’ge Dauer denket,
Jndem ſie der Geſchoͤpfe Weſen beſorgt, und zu erhalten ſtrebt,
Nebſt allen Thieren, auch dem Menſchen, ein geiſterreiches Naß geſchenket,
Worinn faſt ein mechaniſch Wiſſen, ſo wie es ſcheinet, gleichſam lebt,
Daß, wenn deſſelben Geiſtigkeit ein zugeſchicktes Blut be - ruͤhrt,
Es219uͤber das Reich der Thiere.
Es ploͤtzlich, wie ein Zunder, faͤngt, ein ſchnell Bewegen drinn erwecket,
Sich, nach gewiſſer Maaß und Ordnung, in richt’gen Zuͤgen von ſich ſtrecket,
Und in demſelbigen ſogleich ein Thier von ſeiner Art for - mirt,
Von welcher Arbeit wir zwar wenig, will man es recht geſtehn, verſtehn,
Es ſcheint die Handlung, nicht begreiflich, bloß durch ein Wunder, zu geſchehn,
Wie ich denn ſelbſt der Meynung bin; doch wenn wir unſern Koͤrper ſehn,
Daß er ernaͤhrt wird und erhalten, daß er, wenn er ver - letzt, ſich heilt,
Und Blut und Fleiſch in rechter Maaße am rechten Orte recht vertheilt,
Jſt dieſes gleichfalls unbegreiflich. Bey dieſem Gruͤblen faͤllt mir ein,
Ein ſolches kuͤnſtliches Erhalten ſchein ja ſo kuͤnſtlich wohl zu ſeyn,
Wir achten aber nicht darauf, ja meynen noch, leicht zu entdecken,
Daß Haut und Fleiſch und Blut und Knochen in Pfla - ſtern und in Salben ſtecken;
Man urtheil, ob es kuͤnſtlicher fuͤr eine junge Seele ſey,
Sich auszudehnen und zu wachſen, als, wenn wir etwan uns verletzen,
So Blut als Fleiſch, ſo Haut als Saͤfte, die abgetrennet, zu erſetzen.
Doch weil wir von dem Samen handeln, ſo bleiben wir voritzt dabey.
O Wunder! ſolch ein ſchwaches Weſen iſt faͤhig, ſolche Kraft zu hegen!
Wer220Betrachtungen
Wer konnt in ſo geringen Stoff ſo wunderwuͤrd’ge Wir - kung legen?
Wo wird wohl mehr der Gottheit Allmacht, und ein er - ſchaffender Verſtand
Als im Geheimniſſe der Samen, der unbegreiflich iſt, er - kannt?
Jndem es aller Menſchen Witz und Kraft zu denken uͤber - wieget,
Wie, in ſo ſchlechtem Stoff und Raum, von ſo vortreff - lichem Geſchick
Ein Koͤrper, wunderbar von Form, ein himmliſch Kunſt - und Meiſterſtuͤck,
Ein Herr der Kreatur, ja gleichſam ein goͤttlich Thier verborgen lieget.
Daß jedes Thier aus einem Samen erzielet werd, iſt uns bekannt,
Auch daß von zweyerley Geſchlechtern, wenn eine Zeu - gung ſoll entſtehn,
Auf eine ſonderbare Weiſe muͤſſ eine Miſchung erſt ge - ſchehn,
Beſtaͤtiget uns die Erfahrung, doch faſſ’t der menſchliche Verſtand
Den wahren Grund der Handlung nicht. Nachdem ich dieſes oft erwogen,
Und mehr als einmal meine Sinnen bey dieſem Werk zu Rath gezogen,
So ſah ich juͤngſt ein Pferd belegen, da ich denn den er - hitzten Stand
Des Hengſtes, und darauf die Kaͤlte nicht weniger be - traͤchtlich fand;
Er ſprang, er ſchnaubt, er ſchuͤttelte ſo Maͤhn als Hals, er wrinſcht, er baͤumte,
Durch221uͤber das Reich der Thiere.
Durch Brunſt geſpornt, ſich in die Luft. Es kocht in ſeinem regen Blut
Ein wildes nicht zu loͤſchend Feur. Er raſ’t, es ſtrebt die innre Glut,
Nach einem Ausbruch mit Gewalt und ſolchem Triebe, daß er ſchaͤumte.
Er kam an dem geſuchten Ort, der ihn ſo heftig an ſich zog,
Und welcher ſeine feuchte Flammen begierig gleichſam aus ihm ſog,
Es ward an ſeinem ganzen Koͤrper, an Adern, Nerven, Fibern, Haut,
Ein heft - und aͤngſtiges Bewegen, ein Klopfen, Span - nen, Zucken, Dringen,
Um die erhitzte feuchte Glut aus ſeinen Adern wegzu - bringen,
Und ſich der Hitze zu entladen, recht mit Verwunderung geſchaut:
Kaum aber war die Quelle weg, war alles ploͤtzlich aus - gebrannt,
Und die Veraͤnderung nicht glaublich, es ſchwand mit der erloſchnen Glut
Begierde, Fluͤchtigkeit und, Brunſt, und, ſammt den Kraͤf - ten, Wut und Muth,
Die Nerven, welche dieſe Brunſt zu ſehr, zu heftig aus - geſpannt,
Die zogen ſich im Augenblick, beraubt von ihren vor’gen Flammen,
Geſchwaͤcht, erkaͤltet, ganz erſchoͤpft, und recht als wie gelaͤhmt, zuſammen.
Er ſtund ſo zahm, als wie ein Lamm. Wer die Ver - aͤndrung uͤberleget,
Wird222Betrachtungen
Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie - tung ſehn,
Und eben dieß wird auch geſchehn,
Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen liegt, erwaͤget.
Der Same ſcheint nicht nur ein Koͤrper, mit einem zarten Feur erfuͤllt,
Das in der Mutter, als im Zunder, ſich faͤngt, ent - ſteht und ſich entzuͤndet;
Es ſcheint, es ſey ein eigner Geiſt, in engen Schranken eingehůllt,
Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht iſt, und er es empfindet,
Den Koͤrper an zu dehnen faͤngt, und nach des Stoffs Beſchaffenheit,
Jhn allgemach zum Wachsthum bringet.
Ob dieß nun was aͤtheriſches, wie es verſchiedne Weiſe nennen, (Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh - reres erkennen,
Als wie wir ſonſt vorher gewußt,) ſtell ich dahin, und muß geſtehen,
Daß, wenn es als ein drittes Weſen, ſo zwiſchen Koͤr - per und dem Geiſt
Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzuſehen,
Wie etwan uns der Nervenſaft und Thiergeiſt faſt der - gleichen weiſt)
Von einem Weſen, das aͤtheriſch, ich nicht viel deutlichs weis zu faſſen,
Und muß hierinn, ſo mich als dich, in einer Ungewiß - heit laſſen,
Jn welcher wir vorhin geſteckt.
Es223uͤber das Reich der Thiere.
Es waͤre denn, daß wir uns koͤnnten zu dieſem Satz zu - letzt bequemen,
Den Samen in verengten Graͤnzen als einen Auszug an - zunehmen
Von allen Gliedern eines Koͤrpers, ſammt einem Auszug von dem Geiſt,
Der ſich in allen Koͤrpern findet und welchen man die Seele heißt,
Sowohl bey Menſchen, als bey Thieren. Die Samen - zeugung ſcheint allein
Von allen koͤrperlichen Dingen der Anfang und der Zweck nicht nur,
Er ſcheinet recht das Augenmerk der alles bildenden Natur,
Um unvergaͤnglich zu erhalten das, was doch ſtets ver - geht, zu ſeyn.
Wo etwas ein Geheimniß iſt, ſo ſcheinet wohl des Sa - mens Weſen
Fuͤr unſern Geiſt geheim zu ſeyn. Doch glaub ich, daß man ſo viel findet,
Daß ſich ein Geiſt in jedem Samen mit koͤrperlichem Stoff verbindet,
Vermuthlich um (dem großen Schoͤpfer und allerhoͤchſtem Geiſt zum Preiſe)
Die irdiſche Vergaͤnglichkeit der Koͤrper auf beſondre Weiſe
Zu laſſen und zugleich zu hemmen, ſo ja ein ſolches Wunder iſt,
Aus welchem man ganz uͤberzeuglich, wie wunderbar, wie unbezirkt
Die Macht, die Weisheit und die Liebe, deß, der dieß große Wunder wirkt,
Mit224Betrachtungen
Mit Luſt, Bewunderung und Demuth, und auch mit Lob und Dank, ermißt.
Wir ſehen, daß ein ird’ſcher Same ſich zu vermehren in die Erde,
Ein waͤſſerichter in die Flut, und Fleiſch in Fleiſch ge - ſaͤet werde,
Wo die Natur die Furche pfluͤgt. Ob dieſes nun, was ihn empfaͤngt
Ein Leben ploͤtzlich uͤberkoͤmmt, (als wie ein Zunder, Feuer faͤngt,)
Wie oder ob ſich durch die Miſchung, als wie durch eine Art von Gaͤhren,
Sich alles theilt und wiederfuͤgt, iſt nicht ſo leichtlich zu erklaͤren.
Ob eines Koͤrpers ganze Form ſchon wirklich in der Mutter Ey
Befindlich, und von Samenwuͤrmchen des Mannes nur belebet ſey,
Wie oder ob im Samenthierchen des Maͤnnleins auch die Form beſtehe,
Und dieſes von den Eylein bloß, (wie ichs in einer Bohne ſehe,
Daß ſie nur bloß den Keim ernaͤhrt,) die erſte Nahrung auch nur faſſe,
Jſt ebenfalls noch ungewiß, daher ichs unentſchieden laſſe.
Doch daß nun zweyerley Geſchlechter zu dieſem großen Werk formiret,
Und wunderbar gebildet ſind; daß man hierbey noch ferner ſpuͤret,
Wie, mit ſo wunderbarer Vorſicht, bey allen Thieren auf der Welt
Sich,225uͤber das Reich der Thiere.
Sich, in der Anzahl, eine Gleichheit von beyderley Geſchlecht erhaͤlt;
Daß wir zu dem Erzeugungswerk, ob wir es wunder - lich gleich finden,
Und oͤfters mit Gefahr begleitet, doch ſolchen ſcharfen Reiz empfinden,
Daß alles, was ein Leben hat, zu dieſem Werk ſo ſehr geneiget,
Und, bis zum allerkleinſten Wurm, ſo ſtarke Liebestriebe zeiget;
Daß alles Fleiſch vom ird’ſchen Samen unmitt - und mittelbar ſich naͤhrt:
Dieß alles iſt des Ueberlegens und ernſterer Betrachtung werth.
Wo etwas unbegreiflich iſt, ſo iſt es dieß, daß aus der Erde
Das Gras zu Milch, die Milch zu Fleiſch, und aus dem Fleiſch der Same werde,
Der etwas lebendes verurſacht, da andre Theile ſich hingegen,
Die nicht ſo ſehr ſubtiliſirt, wenn man’s beachtet, mei - ſtens pflegen
Dem Graſe wiederum zum Wachsthum zu dienen ſich in Miſt zu kehren,
Und ſo die Erde, die die Thiere zuerſt genaͤhret, wieder naͤhren.
Wer wundert ſich mit allem Recht nicht, der dieß Wechſelwerk ermißt,
Wie doch in allem ein ſo großer verwunderlicher Zir - kel iſt,
Da uns ja die Erfahrung lehrt, und man faſt deutlich kann erweiſen,
PWie226Betrachtungen
Wie Gras und Kraͤuter unſre Thiere, die Thiere Gras und Kraͤuter ſpeiſen.
Daß dieſem Wechſelzirkel nun nur bloß die groͤbern Theil allein,
Und nicht der Thiergeiſt und der Geiſt der Nerven un - terwuͤrfig ſeyn,
Zuſammt des Samens geiſtig Feuer, koͤmmt, aus verſchied - nen Gruͤnden, mir
Bey reifer Ueberlegung glaublich, und mehr noch, als wahrſcheinlich, fuͤr.
Wie wenig wir nun das Geheimniß von zweyerley Ge - ſchlechtern faſſen,
So ſoll man doch dieß große Wunder nicht gaͤnzlich un - eroͤrtert laſſen.
Denn ob wir gleich vorher begreifen, daß man es nicht begreifen kann,
Sieht man es doch von der Bewundrung als einen wuͤrd’gen Vorwurf an,
Und ſcheinen wir, wird gleich der Grund von dieſem Wunder nicht gefunden,
Zu einer ehrerbietigen Bewunderung dennoch verbunden.
So viel uns die Erfahrung zeigt, ſcheint zur Vermeh - rung ganz allein,
Und zwar zu einer angenehmen, ein zwiefachs Ein be - ſtimmt zu ſeyn;
Denn ſo viel koͤnnen wir aufs mindſte von dieſer Abſicht doch verſtehen,
Die ſo bewundernswerthe Theilung ſey zu dem Endzweck bloß geſchehen,
Zwo Haͤlften, durch ſich, zu vergnuͤgen. Wer nimmt nicht Weisheit, Guͤte, Macht,
Und227uͤber das Reich der Thiere.
Und kurz, die Spuren einer Gottheit, in dieſem Werk der Lieb in Acht!
Ohn dieſe Theilung der Geſchlechter waͤr alle Suͤßigkeit der Triebe,
Das allerzaͤrtlichſte Vergnuͤgen, der Luͤſte Quelle, kurz, die Liebe,
Die Mutter holder Regungen, voll Sanft - und Anmuth, aus der Welt
Und faſt die meiſte Freude fort; ſo bleibet dieſes feſtge - ſtellt,
Daß Gott, bloß zum gemeinſchaftlich - und allerſeitigem Vergnuͤgen,
Geſchlechter zu dem Zweck getheilt, um ſelbige, mit Luſt, zu fuͤgen.
Daß in der wunderſamen Ordnung nun ein Geheim - niß muͤſſe ſtecken,
So voller Unbegreiflichkeit, ſcheint ſelbſt die Schrift uns zu entdecken,
Wenn unter dieſem ird’ſchen Gleichniß von Braut, von Braͤut’gam, von Vermaͤhlen,
Sich Chriſtus ſelber bilden laͤßt, als wie ein Braͤuti - gam der Seelen.
Ob nun ein ehrerbietigs Schweigen ſich gleich hieher am beſten ſchickt,
So wird jedoch, da es die Schrift mit Worten deutlich ausgedruͤckt,
Dieß Wunder wenigſtens gewuͤrdigt, daß es zum Gleich - niß ſolcher Hoͤhe
Der heiligſten Verbindungen, den Glaͤubigen vor Augen ſtehe.
P 2Es228Betrachtungen
Es wird von allem, was da lebet, nichts als auf dieſe Art gezeuget,
Nichts als von Zweyen fortgebracht. Ob dieß nun auch zu Geiſtern ſteiget
Jn einer geiſtigen Vermaͤhlung; davon, weil nichts es deutlich zeiget,
Schweigt billig mein geſcheuchter Kiel. Zumal zeucht mein geblendter Blick
Vom Vorwurf einer ew’gen Zeugung in tiefſter Ehrfurcht ſich zuruͤck,
Und zieh ich von ſo hoher Fahrt mit allem Recht die Se - gel ein.
Doch duͤrfte dieſe Frage hier vielleicht zu unterſuchen ſeyn:
Ob wir, wenn anderer Gedanken mit unſerm Geiſte ſich verbinden,
Auch in denſelbigen nicht gleichſam ein geiſtiges Vermi - ſchen finden,
Und ob wir ſelbiges dafuͤr mit allem Recht nicht achten koͤnnen,
Zumal wir ſie Conceptiones ſchon ohnedas gewohnt zu nennen?
Hat unſer Geiſt die Kraft, Jdeen zu zeugen, die ihm Gott geſchenkt;
So iſt vielleicht dem Geiſt, im Samen, die Bildungs - kraft auch eingeſenkt,
Nach den Jdeen, die er hatte, und nach des Stoffs Beſchaffenheit
Jhn nach Vermoͤgen einzurichten. Ein Maler, welcher was erfinden
Und Bilder figuriren will, den fuͤhret, zu der Aehn - lichkeit
Die229uͤber das Reich der Thiere.
Die Striche richtig abzutheilen, ſie zu zertheilen, zu ver - binden,
Auf der ganz leeren Schilderey, allein der denkende Ver - ſtand
Nach der entworfenen Jdee, vermittelſt der geſchickten Hand.
Du wirfſt vielleicht hierwider ein:
Dieß Gleichniß ſchicke ſich nicht hier, und koͤnn hier gar nicht brauchbar ſeyn,
Jndem im Samen Haͤnde fehlten. Zwar Menſchen - haͤnde, das iſt wahr,
Doch goͤttliches Vermoͤgen nicht! Es iſt ja dieß auch offenbar,
Daß der Natur, die unſre Haͤnde ja ſelber ſonder Hand formirt,
Die alles auf der Welt gebildet, und die die Welt ſo ſchoͤn geziert,
Es nicht an Wegen fehlen wird, ſo unzaͤhlbare Trefflich - keiten,
Mit uns ganz unbekanntem Werkzeug, ohn Hand und Finger zu bereiten.
Hier hindert nicht des Raumes Kleinheit, auch nicht des Stoffs Veraͤchtlichkeit:
Die Kleinheit iſt fuͤr ſich nicht klein, ſie zeiget unſre Kleinheit nur,
Als die wir nicht zu ſehen faͤhig die Werk im Wege der Natur,
Die ſich darinn vor uns verbirgt, und die zu dieſem End - zweck eben,
Sich nicht zu zeigen, uns die Sinnen vielleicht nicht ſcharf genug gegeben.
Des Stoffs Veraͤchtlichkeit ſollt uns am wenigſten noch Anſtoß bringeu,
P 3Da230Betrachtungen
Da aller Stoff von einer Art, und wir, wenn wir uns ſelbſt beſehn,
Sammt unſers ganzen Koͤrpers Theilen ſowohl aus keinen andern Dingen,
Als woraus unſers Samens Stoff und inners Seyn be - ſteht, beſtehn.
So viel annoch nun von der Thiere lebend’gen Gei - ſtern ſich wird faſſen
Und auch von den empfindlichen von uns ſich wird be - greifen laſſen,
So ſcheinen lebendige Geiſter im Thier in nichts ſonſt zu beſtehn,
Als bloß in einer Art von Waͤrme, die durch den ganzen Koͤrper dringet,
Und (da ſie mehrentheils im Blut) ihm Nahrung und den Wachsthum bringet,
Nicht minder die Vermehrungskraft. So viel wir von den andern ſehn,
Die wir am Thier empfindlich nennen,
Und ſie vielleicht mit Unrecht trennen,
So kann ſie faſt nichts anders ſeyn, wenn wir auf ihre Wirkung achten,
Und ſie bey Thieren, auch bey uns, ſo viel uns moͤglich iſt, betrachten,
Als Geiſtigkeiten, welche ſinnlich, und welche durch die Nerven gehn,
Sich durch den ganzen Leib verbreiten, und oben im Ge - hirn entſtehn.
Wobey wir denn erinnern muͤſſen, daß, wie der Weiſen Hauf es meynet,
Und wie es, wenn man’s recht ergruͤndet, auch in der That nicht anders ſcheinet,
Wir231uͤber das Reich der Thiere.
Wir in dem Werke der Vermehrung die wahre Bildung der Geſtalten
Nicht bloß fuͤr Wege der Natur, fuͤr etwas Goͤttliches zu halten,
Uns mit Gewalt gezwungen finden, indem die Seelen doch allein,
So viel wir es begreifen koͤnnen, fuͤr ſich dazu nicht faͤhig ſeyn.
Nach dem Begriff, den Gott der Herr auf dieſer Welt in unſerm Leben
Dem menſchlichen Verſtand und Geiſt aus Huld gewuͤr - diget zu geben,
Scheints, dieſer Bilderchen Formirung, ſo weit wir unſern Witz auch treiben,
Sey bloß dem Willen eines Schoͤpfers, ſonſt keiner Sache, zuzuſchreiben.
Wir beten denn mit allem Recht, da man nicht weiter gehen kann,
Jn dieſem Wunderwerk, mit Demuth den Willen unſers Schoͤpfers an.
Ja, ja! es iſt mehr als zu wahr: wohin ich meine Blicke drehe,
Was ich im Reiche der Natur auch hoͤre, rieche, ſchmeck und ſehe,
So weiſt mir alles, was vorhanden, ſo zeigt mir alles, was ſich zeigt,
Daß etwas uͤberall verborgen, ſo die Vernunft weit uͤberſteigt,
Und daß, mit unterdruͤcktem Witz, in der Religion nicht nur
Man glauben muß, was nicht zu faſſen.
P 4Es232Betrachtungen
Es bleibt ſo gar in der Natur, (Da Gott uns nicht will wiſſen laſſen,
Auf welche Weiſ und Art er wirkt,) auch bey dem Glau - ben ganz allein,
Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau - bens Anfang ſeyn.
Wir ſind uns zu vergnuͤgen ſchuldig an der Geſchoͤpfe Nutz und Pracht,
Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher ſie gemacht.
Es ſcheint im Geiſt - und Leiblichen, als ob der große Schoͤpfer wolle,
Daß man, vergnuͤgt mit ſeiner Gnad, ihm die Ver - nunft zum Opfer zolle.
Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir derſelben rege Kraft
Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe Eigenſchaft
Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und in derſelben Wun - derwerken,
Als wie im wahren Buch der Weisheit, ihn, als den Jnhalt, zu bemerken,
Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht; da wir zugleich auf dieſer Erden
Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß erkennen werden.
Wenn wir bey Thieren uͤberhaupt die Arten ihrer Zeu - gung ſehn,
So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung geſtehn,
Daß, von den Menſchen anzurechnen, ſie gleichſam ſtaf - felweiſe gehn.
Der233uͤber das Reich der Thiere.
Der Same zeuget nicht allein, die Mutter muß denſelben hegen,
Neun Monden unterm Herzen tragen, und muß es noch viel Jahre pflegen.
Die Thiere, die vier Fuͤße haben, ſind auch zwar lang in ihren Muͤttern,
Doch koͤnnen ſie, wenn ſie gebohren, bald gehen und ſich ſelber fuͤttern.
Die Voͤgel bringen außerm Leib, in Eyern, ihre Frucht zum Stande,
Doch muͤſſen ſie ſie lange Zeit, mit vieler Muͤh, be - ſitzen, bruͤten,
Sie Tag und Nacht mit ſich bedecken, erwaͤrmen, ſpei - ſen und behuͤten.
Die Fiſche laſſen ihren Roͤgen nur auf dem Waſſer oder Sande,
Befaſſen ſich mit ihm nicht ferner. Das Ungeziefer (außer dem,
Das lebendige Thier hervorbringt, die es auf kurze Zeit ernaͤhrt)
Legt ebenfalls die Eyer ab, und ſtets an Oertern, die bequem,
Nachdem ſie ſelbe wohl verwahrt, doch (welches recht betrachtungswerth,)
Hat Gott denjenigen, die fliegen, die Eigenſchaft annoch beſchert,
Daß Maͤnn - und Weibchen ſich vermiſchen. Noch min - dern in geringerm Grad
Jſt mitgetheilt, daß einerley Geſchlecht, ſo viel man noch gefunden,
Und bey genauer Unterſuchung bis dieſe Zeit bemerket hat,
P 5Sich234Betrachtungen
Sich unter ſich befruchten koͤnnen, da Mann mit Maͤnn - chen ſich verbunden,
Wie, oder daß ſie mit ſich ſelbſt, ſo wir Hermaphrodi - ten nennen,
Jhr eigenes Vergnuͤgen haben, und ſich aus ſich ſelbſt ſchwaͤngern koͤnnen.
Jn einer noch geringern Staffel ſind viele Thierchen in dem Meer,
Die von ſich ſelber Eyer haben, und aus dem Neſtchen, das ſie bauen,
Sie, wenn ſie zeitig, von ſich werfen, und ſie dem Waſ - ſer anvertrauen.
Noch trifft man eine Mittelgattung von Thieren und von Pflanzen an,
Worinn man, wenn man ſie nicht ruͤhrt, faſt gar kein Leben ſpuͤren kann,
Die doch, wenn man ſie ruͤhrt, ſich regen. Und end - lich koͤmmt die letzte Art
Lebend’ger Weſen, in den Pflanzen, die, da ſich keine jemals paart,
Durch eignen Samen ſich vermehren, doch darf man darum nicht vermeynen,
Als ob bey der Verminderung, an einiger Vollkommenheit,
Es einer Sorte fehlen ſollte. Dieß koͤnnen wir mit Recht verneinen,
Und wird dadurch zu gleicher Zeit des großen Schoͤpfers Herrlichkeit
Und Macht und Weisheit in der Aendrung um deſto vol - lenkommner ſcheinen.
Nachdem wir alſo von den Thieren die Art, wie ſelbe ſich vermehren,
Zum Ruhm des Schoͤpfers, angeſehn, ſo wollen wir nunmehr uns kehren
Und235uͤber das Reich der Thiere.
Und unterſuchen, wie ſie ſich auf ſo verſchiedne Weiſe naͤhren,
Worinn wir abermal ein Meer, das nie zu faſſen, zu ergruͤnden,
Von wunderbaren Wunderwerken mit Andacht zu be - wundern finden.
Wobey wir wohl mit David rufen: Herr, auf wie wun - derbare Weiſe
Gewaͤhreſt du, zu ihrer Zeit, doch allen Thieren ihre Speiſe!
Es warten auf dich aller Augen, du oͤffneſt ihnen deine Hand,
Und du erfuͤlleſt, was da lebt, mit Wohlgefallen. Du allein
Willſt, wie ja Chriſtus ſelber ſpricht, ihr großer Speiſe - meiſter ſeyn.
Seht an die Voͤgel unterm Himmel, ſpricht ſein erleuch - teter Verſtand,
Sie ſaͤen nicht, ſie erndten nicht, ſie ſammeln in die Scheuren nicht,
Und euer Vater naͤhrt ſie doch, wovon noch David fer - ner ſpricht:
Daß Gott dem Vieh ſein Futter giebt, und daß auch gar die jungen Raben,
Die auch zu ihm um Speiſe flehn, ihr Futter von dem Schoͤpfer haben.
Gereichet nun der Thiere Bildung und Zeugung unſerm Gott zum Preiſe,
So ſtralt nicht minder ſeine Weisheit und Lieb und All - macht aus der Weiſe,
Wodurch er ſie ernaͤhrt, hervor. Sobald ein weiblich Thier empfangen,
Ver -236Betrachtungen
Veraͤndern ſich die Nahrungsgaͤnge. Was ſonſt ſich an - derwerts ergoß,
Und fuͤr die Mutter bloß allein in ganz verſchiednen Roͤh - ren floß,
Davon bemuͤht ſich dann ein Theil zum neuen Gaſte zu gelangen,
Um ihn auf eine Art zu naͤhren, die nimmermehr beque - mer ſeyn
Und beſſer koͤnnt erfunden werden. Wird auch hieraus nicht ein Verſtand,
Der aller Kuͤnſtler Witz und Einſicht unendlich uͤbertrifft, erkannt?
Wenn Thiere nun gebohren worden, die ſonſten Hunger ſterben muͤßten,
Veraͤndern ſich die Saͤft aufs neue, und ziehn ſich nach der Mutter Bruͤſten,
Wornach ſich denn das junge Thier aus innerlichem Trie - be lenkt,
Und ſich, als aus ſtetsvollen Kruͤgen, mit ſanfter Wol - luſt naͤhrt und traͤnkt.
Sind dieß nicht neue Wunderwerke, und auch, wie tau - ſend andre, werth,
Daß man des wunderbaren Schoͤpfers Macht, Lieb und Vorſicht dabey ehrt?
Da Thierchen, die noch nichts begreifen, und doch durch Saugen leben muͤſſen,
Die Werkzeug zu dem Saugen haben, noch mehr, da ſie zu ſaugen wiſſen!
Wobey beſonders noch zu merken, daß bey den Thieren allemal
Die Zahl der Eyter eingerichtet nach der vorhandnen Jungen Zahl.
Jmglei -237uͤber das Reich der Thiere.
Jmgleichen, daß die großen Thiere, abſonderlich das zahme Vieh,
Das wir ſo unentbehrlich brauchen, als Ochſen, Eſel, Pferd und Kuͤh,
Sich mit ſo ſchlechter Koſt und Futter, im Sommer und im Winter, naͤhren,
Und uͤberdas, nach ihrer Groͤße, deſſelben wenig nur ver - zehren;
Da wir am Seidenwurm und Raupen befunden haben, daß ſie mehr
Jn einem Tag an Laub verzehren, als wie der ganze Koͤrper ſchwer,
Wie wuͤrden wir zu rechte kommen, wenn wir, nach ih - rer Groͤße, ihnen
Mit einer ſolchen Menge Futter, an Heu und Habern muͤßten dienen?
Man koͤnnte hier von vielen Arten, auf welche Weiſe Thiere kaͤuen,
Wie ſie auf ſo verſchiedne Weiſe die eingenommne Koſt verdaͤuen,
Wie ihrer einige verſehen, mit mehr als einer Art von Magen,
Und noch viel wunderwuͤrd’ge Sachen, die wenige be - merken, ſagen.
Die Thiere theilen ſich in Arten, die Fleiſch, die Gras und Kraͤuter eſſen,
Jn andre, welche Fiſche nur, und die, ſo Ungeziefer freſſen.
Der Menſch allein, woruͤder jeder ſich nicht genug ver - wundern kann,
Nimmt alles faſt, was die Natur hervorgebracht, zur Nahrung an,
Wo -238Betrachtungen
Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf ſo manche Art zu laben
An tauſendfachen Gegenwuͤrfen, unſtreitig einen Vor - zug haben.
Was kann verwunderlicher ſeyn, als wie ein Werk - zeug, welches ſich
Beſtaͤndig durch ſich ſelbſt erſetzt und ſich erneuret? Jhre Speiſe
Giebt ihnen taͤglich ihre Kraͤfte, auf recht bewunderns - werthe Weiſe,
Die ſie verlieren, immer wieder. Sie fuͤgen, uns ganz unbegreiflich,
Jn ihre Koͤrper fremde Weſen, die durch ein Art Ver - wandelung, (Woruͤber wir mit Recht erſtaunen,) und ſeltſame Ver - aͤnderung,
Zu ihrem eignen Weſen werden. Zu Anfang wird die Koſt zerrieben,
Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen Sieb getrieben,
Gereiniget, und abgeſondert von Theilen, die zu grob und dick.
Darauf wird es zum Mittelpunkt, der faſt der Geiſter Herd zu nennen,
Gefuͤhrt, wo es gemach verduͤnnt, zu Blut wird, und von da zuruͤck
Durch unzaͤhlbare Roͤhren laͤuft, um, durch dieß nimmer ſtille Rennen,
Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleiſch filtrirt ſichs nach und nach
Und wird zu Fleiſch ſelbſt allgemach.
So manche Koſt, ſo mancher Saft, die von verſchied - nen Farben ſeyn,
Die239uͤber das Reich der Thiere.
Die ſind nunmehr vereiniget, und werden nun ein Fleiſch allein.
Die Speiſen, welche nicht beſeelt, erhalten einem Thier das Leben,
Ja werden ſelbſt ein wirklich Thier. Die Theile, wor - aus ſie beſtunden,
Sind, durch ein ſtet-unfuͤhlbar Duͤnſten, zertheilt. Was noch vor einem Jahr
Ein ſolches Pferd, ein ſolcher Hund, und eine ſolche Kuhe war,
Jſt Miſt entweder oder Luft, von ihm wird anders nichts gefunden;
Was damals Heu und Haber war, iſt itzt der Hengſt voll Feu’r und Staͤrke;
Aufs wenigſte kann man mit Recht, ſo viel als ich da - von bemerke,
Es fuͤr ein ander Pferd nicht halten, faſſ’t, wie es ei - gentlich geſchicht
Durch die nicht fuͤhlbare Veraͤndrung, gleich des Ver - ſtandes Aug es nicht,
Wenn wir des Schoͤpfers Macht und Weisheit in Thie - ren mit Vernunft ergruͤnden,
Was kann man nicht fuͤr klare Proben von ungezaͤhlten Wundern finden!
Wir wollen hier nur uͤberhaupt, und erſt von allen et - was ſehn,
Um, als in einem kurzen Abriß, des Schoͤpfers Weis - heit zu verſtehn.
Wir ſehn an allen wilden Thieren, als Loͤwen, Tiger, Wolf und Baͤren,
Daß ſie an ihren Schultern, Lenden und ihren Beinen insgemein
Die240Betrachtungen
Die ſtaͤrkſten Muskeln uͤberkommen, wodurch ſie denn geſchickter ſeyn
Zur Abſicht, wozu ſie beſtimmt, ſich zu erhalten, ſich zu naͤhren,
Wodurch ich durch der Nerven Meng auch die Ge - ſchwindigkeit und Staͤrke,
Als die ſie eben noͤthig haben, nicht ohn Bewunderung bemerke.
Die Knochen ihrer regen Kiefern ſind ohn Erſtaunen nicht zu ſchauen,
Jm Gegenhalt mit andern Gliedern. Sie haben ſcharfe Zaͤhn und Klauen,
Die ſie als ſtarke Waffen brauchen, den Raub zu haſchen, zu verſchlingen,
Und, zu der ihnen noͤth’gen Nahrung, die andern Thier umzubringen.
Die Voͤgel, die vom Raube leben, ſind, ihrem Raube nachzugehn,
Von der Natur mit krummen Schnaͤbeln, und ſcharfen Klauen auch, verſehn.
Die Muskeln an den Fittigen ſind hart von Fleiſch, ſind ſtark und groß,
Wodurch ſie ſich geſchwind erheben, wie ſchwer ſie gleich, und zu dem Stoß,
Der Pfeil geſchwind geſchieht, geſchickt, wodurch der Vogel ſich ernaͤhrt.
Mit Hoͤrnern ſind verſchied’ne Thiere zum Anfall und zum Schutz bewehrt;
Die groͤßte Staͤrke haben viele in ihrem Nacken und im Ruͤcken,
Wenn241uͤber das Reich der Thiere.
Wenn andre nichts als ſchlagen koͤnnen. Man kann ein eigne Art Gewehr,
Zum Anfall und auch zur Beſchuͤtzung, an jedem Thiere faſt erblicken.
Jhr Jagen laͤßt, als wenns bey ihnen ein Art von rech - ten Kriegen waͤr,
Die ſie zu ihrer Nothdurft fuͤhren. Wenn eine Schild - kroͤt immerfort
Jhr Haus auf ihrem Ruͤcken traͤgt, ſo baut ein anders, Voͤgeln gleich,
Um ihre junge Brut zu ſchuͤtzen, auf einem Baum und hohem Ort,
Und weis ſein Neſtchen da zu machen, wo es am meiſten blaͤtterreich.
Ein anders, wie der ſchlaue Biber, erbaut ſein Haus in feuchtem Teiche,
Und ſchuͤttet, daß zu vieles Waſſer ſein kuͤnſtlich Wohn - haus nicht erreiche,
Bewundernswerthe Daͤmme vor. Ein Maulwurf weis in finſtern Gruͤnden
Mit ſeiner kleinen ſpitzen Schnauz ſchon ſeinen Aufenthalt zu finden.
Der Fuchs wird in dem tiefen Bau, aus Vorſicht, viele Thuͤren graben,
Um gegen ſeines Feindes Liſt doch ein geſichert Neſt zu haben.
Die Art von Thieren, welche kriechen, ſind ganz auf andre Art formirt,
Sie biegen ſich auf tauſend Arten, entwickeln Muskeln, Glieder, Ringe,
Damit ein jedes, ihm zum Nutzen, ſich fort und aus der Stelle bringe;
QSie242Betrachtungen
Sie wenden, drehen, ſchlaͤngeln ſich, und was von ih - nen wird beruͤhrt,
Wird bald ergriffen und umfaßt; ſie dringen ſich in al - les ein,
Wodurch in ungeſtoͤrter Ruhe ſie wohl beſchuͤtzt und ſicher ſeyn.
Die Werkzeug ihres fremden Baues, o Wunder! ſchei - nen in der That
Nicht von einander abzuhangen, da, wenn man ſie zer - ſchnitten hat,
Sie darum doch noch leben koͤnnen. Wenn Voͤgel lange Beine haben,
So wollte die Natur ſie auch mit einem langen Hals be - gaben,
Wodurch ſie, (welches ſonſt nicht moͤglich,) was ihnen nuͤtzlich iſt zum Leben
Und auf der niedern Erde liegt, geſchickt und faͤhig, aufzuheben.
Dieß haben andre Thiere auch, der Elephant nur aus - genommen,
Der aber, dieſes zu erſetzen, den langen Ruͤßel uͤber - kommen,
Den er ſo wunderbarlich biegen, verkuͤrzen und verlaͤn - gern kann;
Man ſieht denſelben, und mit Recht, als eine Art von Hand faſt an.
Von Thieren ſcheinen unterſchiedne bloß fuͤr den Menſchen nur gemacht,
Der Hund ſcheint um ihn liebzukoſen, und ihm zum Dienſt hervorgebracht.
Man kann ihn wunderbar gewehnen. Es ſcheinet uns ein Hund allein
Von243uͤber das Reich der Thiere.
Von der Geſellſchaft, von der Freundſchaft, und von der Treu ein Bild zu ſeyn,
Er huͤtet, was man ihm vertraut: recht auf verwunder - liche Weiſe
Erhaſcht er, fuͤr den Menſchen nur, mit Muͤh im Ja - gen Wild zur Speiſe,
Ohn etwas fuͤr ſich zu verlangen. Nebſt vielen andern iſt das Pferd,
Als wie ein goͤttliches Geſchenk fuͤr Menſchen, anzuſehen werth;
Es ſcheint, uns ſey ein Pferd, um Laſten, die uns ſonſt viel zu ſchwer, im Leben
Uns zu erleichtern, fortzubringen, und uns zu tragen, nur gegeben;
Was giebt es uns, auf unſern Reiſen, zum Fuhrwerk, Handlung, Pracht, im Streit
Fuͤr mannichfachen Nutzen, Schutz, Befoͤrdrung und Bequemlichkeit!
Der Ochs hat Sanftmuth nebſt der Staͤrke, daß, durch ſein ſchwer und muͤhſam Pfluͤgen,
Wir unſer Brodt aus den von ihm gezognen tiefen Furchen kriegen.
Die Kuͤhe laſſen ſuͤße Baͤche von fetter Milch fuͤr uns er - gießen,
Jn welcher wir Rohm, Butter, Kaͤſe, zum Trank und auch zur Koſt genießen.
Die Schafe, die auf gleiche Weiſe mit Milch und Kaͤſen uns ernaͤhren,
Verjuͤngen jaͤhrlich ihre Wolle, und laſſen ſich fuͤr uns nur ſcheren.
Die Ziegen ſchenken uns ihr Haar, das uns, nicht ihnen, Nutzen bringt,
Q 2Und244Betrachtungen
Und das der Menſch zu ſeiner Kleidung und Decken kuͤnſt - lich webt und ſchlingt.
Es bietet uns in Kaͤlte, Froſt und Schnee der wilden Thiere Schaar,
Uns zu bedecken und zu waͤrmen, das allerſchoͤnſte Pelz - werk dar;
So hat der Schoͤpfer ſie gekleidet, bedeckt, erwaͤrmet und beſchuͤtzt,
Doch fuͤhlen wir, daß uns ihr Balg, ſowohl als ihnen ſelber, nuͤtzt.
Verſchiedne Thiere, die kein Haar bekommen, haben an der Stelle,
Zum mannichfaltigen Gebrauch fuͤr uns, ſehr ſtark und dicke Felle.
Noch andre decken ſich mit Schuppen, die ſie verſchren - ken und auch trennen,
Die ſich, wie Schindeln, kuͤnſtlich paſſen, bald oͤffnen und bald fuͤgen koͤnnen.
Wie viel ſind, die ihr fluͤchtig Fleiſch in weichen Federn nicht verſtecken,
Und die uns, wenn wir ruhig ſchlafen, zu Betten die - nen und zu Decken!
So ſieht man, daß in der Natur das Pflanzenreich nicht nur allein,
Nein, ſondern auch ſo viele Thiere, zu unſerm Nutz er - ſchaffen ſeyn.
Noch muß man bey den vielen Wundern in unſers Schoͤpfers Wunderwerken,
Als eine Probe ſeiner Weisheit und ſeiner Liebe, dieß be - merken:
Daß von den Thieren, die uns ſchaͤdlich, die Arten ſich ſo ſtark nicht mehren,
Als245uͤber das Reich der Thiere.
Als von denjenigen, die uns ſo nuͤtzlich ſind und uns er - naͤhren.
Man ſchlachtet viel mehr Schaf und Ochſen, als wie wir Woͤlfe, Tiger, Baͤren
Jn abgelegnen Waͤldern toͤdten: doch ſind mehr Schaf und Ochſen da,
Als Woͤlfe, Baͤren oder Tiger. Wenn man beſtaͤndig unter ihnen
An allen, weiblichen Geſchlechts, ſo viele Zitz - als Jun - gen ſah,
So hat mir dieſes allezeit was recht betraͤchtliches ge - ſchienen;
Dieß trieget ſelten bey den Thieren, je mehr dieſelbe Jungen zeugen,
Je mehr ſich Quellen Milch eroͤffnen, um ihre junge Zucht zu ſaͤugen.
Jnzwiſchen nun, daß an den Schafen die Wolle waͤchſt zu unſerm Kleide,
So ſpinnen uns am andern Ort die Seidenwuͤrmer zarte Seide,
Und ſchwaͤchen ſich nur bloß fuͤr uns. Noch mehr, wie ſuchen nicht die Bienen
Aus Blumen ſuͤßen Saft zu ſaugen, um mit dem Honig uns zu dienen!
Was kann verwunderlicher ſeyn, als wenn wir an Jn - ſecten ſpuͤren,
Daß ſie nicht die Figur allein, ihr ganzes Weſen faſt, verlieren,
Und ſich mit ſchoͤnerer Geſtalt und buntgefaͤrbten Fluͤ - geln zieren!
Was kann man herrlicher erblicken, was iſt ſo wunder - wuͤrdig ſchoͤn,
Q 3Als246Betrachtungen
Als wenn wir ſo viel Arten Thiere, als ſo viel Republi - ken, ſehn,
Die alle ganz beſondrer Art, und alle trefflich einge - richtet,
Die alle ſtets erhalten bleiben, wovon kein einz’ge ſich vernichtet.
Es zeigt uns alles, daß die Kunſt und Forme, ſo ſie uͤber - kommen,
Den Stoff bey weitem uͤberſteiget, den Gott zu ihrem Bau genommen.
Hier waͤr nun zwar ein weites Feld und Anlaß, von der Thiere Seelen,
Mit welchen ſich die Philoſophen einander unbarmherzig quaͤlen,
Was ſelbe nicht und was ſie ſind, das Eigentliche feſt zu ſetzen:
Allein, ſo lange wir noch nicht mit Recht uns in dem Stande ſchaͤtzen,
Was unſre eigne, zu erkennen, wuͤrd ich nur bloß er - zaͤhlen muͤſſen
Den allgemeinen Widerſpruch von aller Philoſophen Schluͤſſen:
Jch wuͤrd auch in der That zu weit vom Zweck, den ich mir vorgenommen,
Der Gottheit Werk im Sinnlichen bedachtſam zu be - wundern, kommen,
Und mehr von unſrer Staͤrk und Schwaͤche, als wie von Gottes Allmachtſchein,
Der uͤberall ſo herrlich ſtralet, zu predigen gezwungen ſeyn.
Derhalben laß ich mit Bedacht hier die Materie viel lieber
Denjenigen, die, daß es ſo, und anders nicht ſey, wiſſen, uͤber.
Man247uͤber das Reich der Thiere.
Man theilt die Thiere auf dem Lande am allerfuͤglichſten faſt ein
Jn Thiere, der’n Huf ſich ſpaltet, und andere, woran wir Klauen,
Obgleich von unterſchiedner Art, an ihrer Fuͤße Zaͤhen ſchauen.
Wovon, ſo wie mans jetzo rechnet, auf hundert funf - zig Sorten ſeyn,
Von denen noch die Waſſerthiere, die naͤmlich bloß im Waſſer leben,
Wie man dieß leicht erkennen wird, noch eine groͤßre Anzahl geben,
Von welchen allen dann die meiſten, ſo viel wir finden, insgemein
Jn einem eigenem Geſchlechte von ganz verſchiednen Ar - ten ſeyn.
Laßt uns wenigſtens von ihnen einige mit Fleiß be - ſehen,
Um, in naͤherer Betrachtung, ihren Schoͤpfer zu er - hoͤhen!
Q 4Der248Betrachtungen

Der Loͤwe.

Welche finſtre Majeſtaͤt herrſcht in dieſem ganzen
Thier!
Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, rieſenfoͤrmiges Ver -
band
Zeiget, unter andern Thieren, ſeinen koͤniglichen Stand.
Eine Art von ernſter Großmuth, nebſt der Staͤrke, ſtellt
ihn mir
Recht als einen Herkules unter andern Thieren fuͤr.
Sein beſtaͤndiger Begleiter, ob er ihn gleich ſelbſt nicht
kennet,
Jſt der Schrecken, welcher ſich nie von ſeiner Seite trennet.
Welche ſtarke Bruſt und Stirn, welche Muskeln, welche
Maͤhne,
Welche Kiefern, welche Tatzen, welche Klauen, welche
Zaͤhne!
Seiner feſten Glieder Bau zeigt ein wahres Bild der Staͤrke
Jn bewundrungswerther Gleichmaaß; wovon ich die
Symmetrie
Zu der Abſicht eingerichtet und gewirkt, zu welcher ſie
Ordentlich beſtimmet iſt, mit erſtaunter Luſt bemerke.
Dieß ſo wohlformirte Thier ſehe denn doch jedermann
Als ein praͤchtiges Geſchoͤpf eines weiſen Schoͤpfers an.
Der249uͤber das Reich der Thiere.

Der Hirſch.

Wer kann einen edlen Hirſch ohn Bewundrung und
Vergnuͤgen,
Jn ſo raſch - und munterm Anſtand, laufen, ſtehen oder
liegen,
Fliehen oder weiden ſeh’n? Seine herrliche Geſtalt,
Sein ſo leicht - als feſter Tritt, zieh’n mit froͤlicher Gewalt
Ein betrachtend Aug auf ihn. Sein erhabenes Geweih,
Die benervte ſchlanke Schenkel, kurz, des ganzen Koͤr -
pers Bau
Zeiget einen weiſen Urſtand, leget eine Macht zur Schau,
Und weiſt eine Lieb und Vorſorg auch zugleich fuͤr uns
dabey,
Da ſein angenehmes Fleiſch, das er uns zur Koſt gewehrt,
Uns, auf ſo verſchiedne Weiſ zugericht, ergetzt und naͤhrt.
Sollte denn der Menſch nicht billig, wie in allen andern
Werken,
Auch in dieſem ſchoͤnen Thier Spuren einer Gottheit
merken?
Und, voll Luſt und Dank, begreifen, finden, fuͤhlen,
ſchmecken, ſeh’n,
Daß ſein Allmacht zu bewundern, ſeine Weisheit zu er -
hoͤh’n?
Q 5Der250Betrachtungen

Der Leopard.

Beſchauet einen Leoparden, betrachtet ſeiner Glieder
Pracht,
Die Schoͤnheit der gefleckten Haut, den Muth, das Feu’r,
die ſchlanke Staͤrke,
Die Ebenmaaße ſeiner Glieder, und in den allen deſſen
Werke,
Der unter ſo viel andern Thieren dieß ſchoͤne Thier her -
vorgebracht,
Der die dazu gehoͤr’ge Muskeln, das Blut, den ſchnellen
Geiſt, das Leben,
Die ſtarken Kiefern, Zaͤhne, Klauen, und all am rech -
ten Ort gegeben,
Der auch fuͤr ſeine Nahrung ſorgt, der, ob dieß Thier
gleich fuͤrchterlich
Und auch zuweilen ſchaͤdlich iſt, durch die Vernunft doch
ſolche Waffen,
Sie, uns zum Nutzen, aufzureiben, und daß fuͤr ihren
Muth man ſich
Nicht eben groß zu fuͤrchten habe, gewuͤrdiget uns zu ver -
ſchaffen;
Was wird mit ihren ſchoͤnen Baͤlgen fuͤr großer Handel
nicht getrieben!
Man ſieht denn auch in ihm die Spuren von Macht,
von Weisheit und vom Lieben.
Der251uͤber das Reich der Thiere.

Der Wolf.

Es ſcheint, der Wolf ſey mehr zur Strafe, als zum Ver -
gnuͤgen, auf der Welt;
Denn er iſt nicht nur moͤrdriſch, grauſam, wild, tuͤckiſch,
blutbegierig, graͤßlich,
Und ſonderlich fatal den Schafen, er iſt dazu noch ſcheußlich,
haͤßlich,
Dabey auch fuͤrchterlich zu hoͤren, wenn er im Winter heu -
lend bellt;
So, daß man faſt bey dieſem Thier auf die Gedanken kom -
men ſollte,
Gott wuͤrd im Wolfe nicht geehrt, und wenn man ihn auch
ehren wollte,
Weil der zu haͤßlich und zu ſchaͤdlich. Allein, man muß
hier wohl erwaͤgen,
Daß, ob bey ihm des Schoͤpfers Wege ſich nicht ſo klar
zu Tage legen,
Wir darum gleich nicht ſchließen muͤſſen: Wenn auf der
Welt kein Wolf vorhanden,
So waͤr es beſſer, oder denken, vielleicht waͤr er von
ſelbſt entſtanden.
O nein! Denn daß wir es nicht wiſſen, wozu er eigentlich
gemacht,
Zeigt deutlich unſern Unverſtand, umſchraͤnkten Geiſt,
und Unbedacht,
Doch keinen Fehl der Schoͤpfung an. Zudem, wenn wir
es wohl ergruͤnden,
Sind auch in Woͤlfen viele Dinge zu unſerm Nutzen noch
zu finden.
Wir haben nicht nur ihrer Baͤlge im ſcharfen Froſt uns
zu erfreuen;
Es dienen ihrer Glieder viele zu großem Nutz in Arzeneyen.
Die252Betrachtungen

Die Gemſen.

Dieſes Thier verdient beſonders, ſeiner Art zu leben
wegen,
Daß wir auch ihr Daſeyn froh und bedachtſam uͤber -
legen.
Sollte man ſie nicht zugleich Buͤrger ſchroff - und holer
Kluͤfte,
Und erhabene Bewohner uͤber uns erhabner Luͤfte,
Mit Erſtaunen nennen muͤſſen? So wie jedem Thier hie -
nieden,
So iſt ihnen in der Hoͤhe nur ihr Aufenthalt beſchieden.
Damit nichts auf dieſer Erde von des Schoͤpfers Wun -
dern leer,
Und vom Vorwurf ſeiner Guͤte jeder Raum erfuͤllet waͤr,
Hat er in der Gemſen Koͤrper ſolche Werkzeug fuͤgen
wollen,
Daß ſie Sturz und Fall nicht ſcheuen, und da gern ſind,
wo ſie ſollen.
Jhre ſtarke Hoͤrner ſind ſo verwunderlich gekruͤmmt,
Daß ſie ſich an ihnen hangen und vom Fall befreyen
koͤnnen.
Jhre ſtarkbenervte Schenkel ſind zum Springen recht
beſtimmt,
Eine ſolche Augenmaaße hat Gott ihnen wollen goͤn -
nen,
Daß ſie nicht im Sprunge fehlen. Sie probiren einen
Stein
Mit vorausgeſetztem Fuß, ob er los iſt oder feſt,
Welches ja beſondre Vorſicht in der Handlung blicken
laͤßt.
Sonſt253uͤber das Reich der Thiere.
Sonſt iſt uͤberall bekannt, wie ſie uns ſo nuͤtzlich ſeyn;
Fuͤr die Schwindſucht iſt ihr Unſchlitt, fuͤrs Geſicht die
Galle gut;
Gemſenfleiſch iſt gut zu eſſen, und den Schwindel heilt
ihr Blut;
Auch die Haut dient uns nicht minder. Stralet nicht
aus dieſem Thier,
Nebſt der Weisheit und der Allmacht, auch des Schoͤ -
pfers Lieb herfuͤr?
Der254Betrachtungen

Der Haſe.

Dieſes Thier ſcheint nicht allein uns zum Nutzen nur
gemacht,
Sondern auch zur Luſt des Menſchen uͤberall hervorge -
bracht.
Alle Glieder eines Haſen kommen weislich uͤberein
Mit der furchtſamen Natur, die dieß Thier vor andern zeiget.
Kopf und Ohren, ſonderlich ſeine lange Hinterbein,
Welche man ſonſt Spruͤnge nennt, die zum Abſprung
recht gebeuget,
Dienen ihm zum Schutz im Laufen, und verlaͤngern unſre
Luſt,
Wenn ſein ſpielend Ohr die Noth, wenn ihn ein Getoͤſe
ſchreckt,
Um bey Zeiten ſich zu retten, ihm von weitem ſchon entdeckt.
Seine Liſt iſt ſonderbar, daß von Spuͤr - und andern
Hunden,
Deren Naſen ihm fatal, ſeine Spur nicht ſey gefunden;
Macht er hin und wieder Spruͤnge, eh er ſich ins Lager
legt,
Wohin er, ohn dieſe Vorſicht, nie ſich zu begeben pflegt.
Es iſt nicht ſein Fleiſch allein uns zur Nahrung guter Art,
Nied - und lieblich von Geſchmack, angenehm, und muͤrb
und zart;
Auch ſein Balg, das Herz, die Lunge, ſeine Nieren, ſeine
Geilen
Sollen in den Arzeneyen manchem Kranken Huͤlf ertheilen.
Haare, Blut und Balg ſind nuͤtzlich. Stralt denn nicht
aus dieſem Thier,
Nebſt der Weisheit und der Allmacht, auch des Schoͤpfers
Lieb herfuͤr?
Der255uͤber das Reich der Thiere.

Der Fuchs.

Auch der Fuchs dient uns zum Nutzen, ob man gleich,
ſo lang er lebet,
Wenn er Gaͤnſ und Huͤner raubet, nicht viel Guts von
ihm erhebet.
Außer, daß er Feldmaͤuſ, Heimen, Maulwuͤrf, Froͤſch
und Schnecken frißt,
Und dadurch doch auch dem Menſchen noch in etwas nuͤtz -
lich iſt,
Muͤſſen ſeine Baͤlg hingegen fuͤr die Kaͤlt uns zu be -
ſchuͤtzen,
Wozu ſie beſonders dienen, uns im Froſt beſonders
nuͤtzen.
Man bewundert, und mit Recht, dieſes Thieres ſchlaue
Liſt,
Womit, auf beſondre Weiſe, die Natur es ausge -
ruͤſt’t,
Wie den Jaͤgern wohl bekannt. Seine Hoͤlen, Bau
und Roͤhren
Dringt er meiſt den Daͤchſen ab, bald mit Liſt, bald
mit Gewalt.
Wenn der Dachs ihm ja zu ſtark, ſoll er ſeinen Aufent -
halt
Mit der Loſung ganz verderben, durch Geſtank ihn ſo
verſehren,
Daß er ihm die Wohnung laͤßt. Schlau weis ſich der
Fuchs zu naͤhren,
Und, wenn er gejaget wird, ſchlau zu fliehn, auch ſich zu
wehren.
Nebſt256Betrachtungen
Nebſt dem Balg iſt auch am Fuchs ſeine Lunge, Fett
und Blut
Gegen Schwindſucht, Krampfbeſchwerden, Blaſ - und
Nierenſchmerzen gut.
Wird man alſo abermal auch in Fuͤchſen offen -
bar
Einer Ordnung, Weisheit, Abſicht, wenn man es er -
waͤgt, gewahr!
Das257uͤber das Reich der Thiere.

Das Pferd.

Dieſes ſcheint vor allen Thieren einen Vorzug faſt
zu haben,
Da es meiſt in allen Staͤnden, ſelber vom Monarchen an
Bis zum Bauren, dient und nuͤtzt, und man ſeiner vie -
len Gaben,
Nicht im Frieden, nicht im Kriegen, nirgend faſt ent -
behren kann.
Dieſes Thier iſt, uns zu helfen, Laſten fuͤr uns aufzu -
heben,
Fortzubringen, uns zu tragen, uns inſonderheit ge -
geben.
Zu der Handlung, zu den Reiſen, iſt es brauchbar, und
das Feld
Wird, zuſammt der Jaͤgerey, nur durch Pferde wohl -
beſtellt;
Zur Parade, zu den Poſten. Ja, wer wird die Dienſte
nennen,
Die wir, ſo zum Nutz als Schutz, durch dieß Thier, er -
halten koͤnnen?
Wenn man ſeinen Wuchs betrachtet, wenn man ſeinen
Muth erwaͤgt,
Scheint in adlicher Geſtalt, auch ein Geiſt darinn ge -
legt,
Der fuͤr Pracht und Ruhm empfindlich; welches an den
andern Thieren,
Wenigſtens in ſolcher Maaße, und ſo deutlich, nicht zu
ſpuͤren.
Wenn wir nun ſowohl von außen ſeinen Anſtand, der
ſo ſchoͤn,
RAls258Betrachtungen
Als der Glieder Symmetrie, ernſtlich und bedachtſam
ſehn,
Wenn wir, daß ſein frecher Geiſt doch ſich zaͤhmen laͤßt,
betrachten,
Wenn wir auf den vielen Nutzen, den dieß Thier uns
bringet, achten,
Sollten wir denn nicht den Schoͤpfer zu bewundern Urſach
finden?
Sollten wir nicht, auch bey Pferden, Denken, Luſt und
Dank verbinden?
Sollten wir darinn nicht Weisheit, Macht, und Liebes -
ſpuren ſehn,
Und die Weisheit, Macht und Liebe durch Bewundrung
nicht erhoͤhn?
Das259uͤber das Reich der Thiere.

Das Rindvieh.

Nun iſt noͤthig, mit Erwaͤgung, auch das Rindvieh zu beſehn,
Welches ohne Preis und Dank unſers Schoͤpfers nicht geſchehn
Noch betrachtet werden ſollte; weil es recht inſonder - heit
Uns zu dienen und zu naͤhren faſt vor allem Vieh be - reit
Und uns zugegeben ſcheinet. Nach der Ordnung theilt man ſie (Außer wilden, Auren, Buͤffeln) ein in Ochſen, Kaͤl - ber, Kuͤh.
Daß ſo groß - und ſtarken Thieren ein ſo ſanft - und zah - mer Geiſt
Uns zum Beſten eingefloͤßt; daß ſie nicht den Menſchen ſcheuen,
Wie die Thiere, welche ſchaͤdlich; ſondern gleichſam ſein ſich freuen
Und geſellig bey uns bleiben: dieſes offenbart und weiſt
Mehr, als man es leider achtet, eine Vorſicht. Sie zu zaͤhmen,
Wuͤrd uns ſonſt unmoͤglich fallen, da ſie ſich von ſelbſt bequemen,
Und uns todt und lebend dienen. Sie gebrauchen ſchlech - tes Futter,
Das von ſelbſt im Sommer waͤchſt, ſonder Arbeit, oh - ne Muͤh,
N 2Und,260Betrachtungen
Und, im Winter, duͤrr, ſie naͤhret, da ſie uns doch Milch und Butter,
Kaͤſ und Rohm in Menge geben. Man ſieht Ochſen pfluͤ - gen, ziehn,
Und da ſie die Erde bauen, ſich allein fuͤr uns be - muͤhn,
Da ſie uns zur Duͤngung noch auch den fetten Miſt ge - wehren,
Bis ſie, wenn wir ſie nun ſchlachten, ſelbſt mit ihrem Fleiſch uns naͤhren;
Welches faſt, von allen Speiſen, am geſundſten wird geſchaͤtzt,
Da es, außer daß es nahrſam, im Geſchmack uns ſo er - getzt,
Daß mans taͤglich eſſen kann, denn es wird uns nie zu - wider;
Und daß es auf viele Weiſe uns noch koͤnne nuͤtzlich ſeyn
Auch dabey ſehr lange waͤhren, raͤuchert man es, ſalzt es ein.
Ja man braucht von dieſen Thieren, uns zum Nutzen, alle Glieder.
Aus den Hoͤrnerm macht man Kaͤmme, Pulverflaſchen, Meſſerheften,
Loͤffel, Doſen, Schreibzeug, Buͤchslein, zu ſo mancher - ley Geſchaͤfften,
Zu Toback, und andern Dingen, Knoͤpfen und Laternen - ſcheiben,
Pfeifen, Roͤhren, daß von allen kaum die Menge zu be - ſchreiben.
Aus den Knochen gleicherweiſe, woraus man noch uͤberdem
Das beliebte Beinſchwarz bringt, das den Mahlern ſo bequem.
Aus261uͤber das Reich der Thiere.
Aus den Knorpeln und den Nerven wird der zaͤhe Leim gemacht.
Was wird nicht aus ihren Haͤuten fuͤr ein Nutz heraus - gebracht?
Aus dem Unſchlitt macht man Lichter und auch Seifen. Ja das Haar
Dienet nicht den Gerbern nur, nein, zur Duͤngung auch ſo gar.
Nichts iſt beſſer, als das Mark, fuͤr geſchwaͤchte Nerv - und Sehnen,
Sie zur Schmeidigkeit zu bringen, und ſie wieder aus - zudehnen.
Jſt denn fuͤr ſo vieles Gutes, das uns Gott durch ſie be - ſchert,
Der, ſo ſie fuͤr uns erſchaffen, keines Danks und Lo - bes werth?
R 3Der262Betrachtungen

Der Elephant.

Jſt gleich dieſes große Thier ſelten nur bey uns zu
ſehen,
Da es andern Voͤlkern dient; iſt es doch beſonders werth,
Wegen ſeiner Groͤß und Klugheit, wodurch Wunder faſt ge -
ſchehen,
Daß man, wegen ſeiner Schoͤpfung, deſſen Schoͤpfer ruͤhmt
und ehrt.
Wie von ſeines Koͤrpers Groͤße alle andre Thier auf
Erden,
Sollen ſie von ſeinem Geiſt gleichfalls, uͤbertroffen
werden.
Jhrer Koͤrper großer Bau, ſo wie man davon erzaͤhlt,
Gleichet, ſo an Groͤß als Schwere, gleichſam Bergen, die
beſeelt.
Wie ſo weit an ihrem Wuchs die Natur die Kraͤfte dehne,
Zeigt allein die Laͤng und Schwere vieler Elephanten -
zaͤhne,
Da derſelben einige zehn Schuh lang, und, wie ſie
wollen,
Weit mehr als dreyhundert Pfund am Gewichte halten
ſollen.
Er ſoll ſich zum Kampf, zur Arbeit, nutzbarlich gebrauchen
laſſen;
Er ſoll, wunderſam gelehrig, tauſend Kuͤnſte leichtlich
faſſen,
Tapferkeit und Treu beſitzen, und faſt wirklichen Ver -
ſtand.
Sein gelenker ſchlanker Ruͤßel dienet ihm anſtatt der
Hand,
Dieſen263uͤber das Reich der Thiere.
Dieſen macht er lang und kurz, kann ihn mannichfaltig
biegen,
Und auf ungezaͤhlte Weiſe von ſich ſtrecken, drehen, ſchmie -
gen,
Durch ihn trinken, Eſſen nehmen, riechen, greifen, werfen,
fuͤhlen,
Mit ihm fechten, druͤcken, ſpruͤtzen, ja ſogar den Ballen
ſpielen.
Dieſes wunderbare Werkzeug, da er keinen Hals nicht
hat,
Und ſich ſonſt nicht wehren koͤnnte, dient ihm an des
Halſes Statt.
Seine Haut ſoll ſo verhaͤrtet, und ſo ſtark faſt, wie
ein Bein,
Folglich, auch von einer Kugel nicht einmal durchdringlich
ſeyn.
Jn dem warmen Jndien, wo ſie meiſt gefunden werden,
Weiden ſie in Bruͤchen, Waͤldern, auch auf Hoͤh’n, bey
ganzen Heerden.
Mit dem weißen Elfenbein, welches ſie ſo ſchuͤtzt, als ziert,
Wird ein vortheilhafter Handel in der ganzen Welt ge -
fuͤhrt.
Wenn wir denn von dieſem Thier etwas leſen oder hoͤren,
Laßt uns, unſern Pflichten nach, ſeinen großen Schoͤpfer
ehren!
R 4Der264Betrachtungen

Der Baͤr.

Auch der zottichte, gefraͤßig, unerſaͤttlich, ſtarke Baͤr
Dienet dem, der ihn erſchuf, auch nicht weniger
zur Ehr.
Seiner Glieder Ebenmaaße, Staͤrke, Fertigkeit, und
Muth,
Auch daß er nicht leicht den Menſchen ungereizet Scha -
den thut;
Daß ſie auch, wie andre Raubthier, um uns weniger
zu ſchrecken,
Noch uns Schaden zuzufuͤgen, ſich in Wuͤſteneyen,
Hecken,
Und Gebirgen gern befinden; daß ſie, uns fuͤr Froſt
zu ſchuͤtzen
Mit der rauchen weichen Haut, uns ſo dienſam ſind und
nuͤtzen,
Da man zur Bequemlichkeit, zu der Waͤrme, und zur
Pracht,
Lagerſtaͤtte, Muͤtzen, Stiefeln, Muff und Pferdedecken
macht.
Alles dieß iſt dankenswuͤrdig; doch, wo wird es recht
bedacht?
Es giebt unterſchiedne Sorten, braune, ſchwarz und
weiße Baͤren,
Die ſich auf verſchiedne Weiſe, ſonderlich im Winter,
naͤhren,
Da ſie, welches kaum begreiflich, Fett aus ihren Tatzen
ſaugen,
Und damit, ohn andre Nahrung, doch ſich zu erhalten
taugen.
Aus265uͤber das Reich der Thiere.
Aus den dickverwachſ’nen Hoͤlen gehet dieſes wilde
Thier,
Jn dem ganzen langen Winter, ſchlaf - und ſaͤugend,
nicht herfuͤr.
Jſt dieß nicht bewundernswerth,
Daß ſich ſolch gefraͤßig Thier ſonder Speiſe dennoch
naͤhrt,
Und dadurch, da er nicht raubet, ſondern unaufhoͤrlich
ruht,
Faſt die halbe Zeit des Lebens, ſo viel minder Schaden
thut?
Seine Gall, ſein Fett, und Auge brauchet man in Arze -
neyen,
Seine Pfoten und ſein Kopf nuͤtzen uns auf Gaſtereyen;
Auch der Jungen Fleiſch iſt eßbar. Dienet alſo auch
der Baͤr,
Seiner Wildheit ungeachtet, uns zum Nutzen, Gott
zur Ehr.
R 5Das266Betrachtungen

Das Schwein.

Nun wird auch zu gleicher Abſicht das ſo zahm als
wilde Schwein,
Ein dem Menſchen nuͤtzlichs Thier, billig zu betrachten
ſeyn.
Es hat eine ſpitze Schnauze, kurzen Hals, geſpaltne Klauen,
Einen Ruͤßel, niedre Beine, ſtarke Borſten, dicke Haut,
Waffen, womit oft, die wilden ſonderlich, gewaltig hauen.
Es iſt leicht zu unterhalten. Alles frißt es, Fruͤchte, Kraut,
Eicheln, Buͤchen, Spuͤlicht, Bohnen, Wurzeln, Treber,
ja was man
Jn der Wirthſchaft von dem Abfall ſonſt faſt gar nicht
brauchen kann.
Es iſt dieſes Thier ſo fruchtbar, daß es oft in einem Jahr
Zweymal ferkelt, und zur Zeit wohl auf achtzehn Junge
bringet,
Wodurch denn in unſrer Wirthſchaft mannichfacher Nutz
entſpringet.
Speck und Fleiſch, der Kopf, die Ohren, Wuͤrſte, Schin -
ken, roh und gar,
Auch der Ruͤßel, Zungen, Fuͤße liefern uns manch ſchoͤn
Gericht;
Und es fehlt in Arzeneyen auch an manchem Nutzen nicht.
Haut und Borſten dienen uns. Ja was geben uns im
Jagen
Auch die wilden Schweine nicht fuͤr Ergetzen und Be -
hagen!
So geſtehe denn ein jeder, voll Erkenntlichkeit, mit mir,
So von wild - als zahmen Schweinen, es ſey ein ſehr nutz -
bar Thier,
Und erheb und ehr und preiſe den, der ſie uns ſchenkt,
dafuͤr!
Das267uͤber das Reich der Thiere.

Das Nashorn.

Dieſes wunderbare Thier, das ſo fremd, von wel -
chem man
Die beſondere Figur ſchwerlich recht beſchreiben kann,
Soll dennoch an Kopf und Ohren unſern Schweinen et -
was gleichen,
Doch an Groͤße ſeines Koͤrpers faſt an Elephanten rei -
chen.
Ob wir nun gleich viel von ihm und von ſeiner Haut er -
zaͤhlen,
Daß ſie wirklich panzerfoͤrmig und wir ſie mit ſtarken
Schilden
Recht, als einen Harniſch mahlen, und wie wahre
Schuppen bilden,
Dennoch wird an dieſem Thier, und zumal an ſeiner
Haut,
Etwas recht Betraͤchtliches und Verwunderlichs ge -
ſchaut,
Da ſie bloß durch ihre Falten, die ſo dick, ſo ſtark, und
feſt,
Dergeſtalt das Thier beſchuͤtzen, daß ſichs nicht durch -
dringen laͤßt,
Und man ſchreibt, daß es nicht nur vor den Saͤbel -
ſtreichen frey,
Sondern auch vor nicht zu ſtarke Schuͤſſe ſelber ſicher
ſey.
Seine Waffen ſind ein Horn, das er auf der Naſe traͤ -
get,
Und dadurch den Elephanten, der ſein ſteter Feind, er -
leget.
Seine Zunge ſoll ſo rauch und von ſolcher Schaͤrfe ſeyn,
Daß268Betrachtungen
Daß er der erlegten Koͤrper Haut und Fleiſch bis auf
das Bein
Abzulecken faͤhig iſt. Sonſten ſollen ihn allein
Scharf und harte Kraͤuter naͤhren. Sonſt ſoll es vertraͤg -
lich, guͤtig,
Wo man es nicht reizet, ſeyn: nur, verletzet, wird es
wuͤtig,
Da es denn mit ſeinem Zorn, Grimm und Wut ſo weit
ſoll gehn,
Daß im Wege ſtehnde Baͤume ſeinem Grimm nicht wi -
derſtehn.
Da der Mauren Volk ſein Fleiſch, wir das Horn, ge -
brauchen koͤnnen,
Werden wir auch dieſes Thier nicht mit Recht unnuͤtzlich
nennen.
Aus der Glieder Ebenmaaße ſtralet denn bey dieſem
Thier,
Nebſt dem Nutzen, auch des Schoͤpfers Weisheit, Lieb
und Macht herfuͤr.
Der269uͤber das Reich der Thiere.

Der Hund.

Wo von allen andern Thieren wir mit Rechte ſagen
koͤnnen,
Daß der Schoͤpfer uns in ihnen Luſt und Nutzen wollen
goͤnnen,
So erfodert es der Hund, daß des Schoͤpfers Huld hie -
bey
Jmmer mit Vernunft betrachtet und mit Dank geprie -
ſen ſey.
Alle Vortheil von den Hunden ſind ſo groß, ſo ungemein,
Daß ſie nie recht zu beſchreiben und faſt nicht zu zaͤhlen ſeyn.
Selbſt entfernte Nationen, welche nicht dergleichen ha -
ben,
Wenn man von den Hunden ſpricht und von allen ihren
Gaben,
Koͤnnen es unmoͤglich glauben, daß ein Thier das Haus
bewacht,
Andre Guͤter ſchuͤtzt und huͤtet, ſo des Tages als bey Nacht;
Daß es unſere Perſonen gegen Dieb und Raͤuber ſchuͤtzt;
Was verlohren, wieder ſucht; uns zum Bratenwenden
nuͤtzt;
Daß es wilde Thiere faͤllet, Schafe huͤtet, Blinde fuͤh -
ret,
Jn den allerdickſten Waͤldern das verſteckte Wild aufſpuͤ -
ret,
Jn die Netze treibet, faͤnget, zu uns bringet, rettet,
wehrt,
Daß, wenn es erleget iſt, es kein andrer Hund verſehrt;
Fuͤchſe wuͤrget, Haſen greift, aus der Erde Daͤchſe
treibt;
Ja mit ſeinem Dienſt und Nutzen nicht nur auf der Er -
de bleibt,
Son -270Betrachtungen
Sondern uns Gefluͤgel jagt. Aus der Luft, auch aus
der Flut,
Was geſchoſſen, holt und bringet, und ſo viele Dinge
thut,
Die nicht alle zu erzaͤhlen. Zu ſo viel verſchiednen Sa -
chen
Dieſes wunderſame Thier uns zu Gut geſchickt zu machen,
Hat es die Natur fuͤr uns ſo verſchiedentlich formiret,
Wie man es an keinem Thier auf der ganzen Welt ver -
ſpuͤret:
Viele ſind beſonders groß, da hingegen andre klein,
Viele ſtark und ſchwer von Gliedern, andre ſchlank, ge -
lenk, gewandt,
Zotticht, ſtroblicht, kahl und glatt: ja es ſcheint ein Art
Verſtand
Dieſem Thier faſt beyzuwohnen. Daß es keck, gehor -
ſam, treu,
Munter, freundlich, kuͤhn, verſchmitzt, ſchmeichelnd
und gelehrig ſey,
Daß es tauſend Kuͤnſte lernt, iſt uns allen ja bekannt.
Witz, Gedaͤchtniß, Schlauigkeit muß man ihnen zuge -
ſtehen;
Sonderlich hat die Natur ſie mit einer Kraft verſehen
Jm Geruch, der unbegreiflich, da ſie Wege finden koͤn -
nen,
Und die Spuren unterſcheiden, Dinge die man faſt nicht
nennen,
Zaͤhlen noch begreifen kann, tuͤcht - und faͤhig auszu -
ſpaͤhn;
Ja ſo gar ſelbſt in Gemaͤhlden ihren eignen Herrn zu
kennen,
Wie ich ſolches mit Verwundrung ſelbſt mit Augen an -
geſehn.
Noch271uͤber das Reich der Thiere.
Noch erſieht man an den Hunden, ſo, daß es kaum zu
begreifen,
Wie mehr, als bey allen Thieren, ihre Meng und Art
ſich haͤufen;
Seht und zaͤhlet mit Bewundrung, wie ſo viel - und man -
cherley,
Und in einer jeden Art wieder ſolche Menge ſey.
Wenn man denn fuͤr andre Thiere unſerm Gott zu danken,
pflichtig;
So ſind es die Hunde gleichfalls, da die Dienſte groß
und wichtig,
Welche wir von ihnen haben: Ja ſie ſcheinen uns im Le -
ben,
Außer ihrem vielen Nutzen, zur Geſellſchaft faſt gege -
ben.
Der272Betrachtungen

Der Eſel.

Auch der Eſel, ob man ihn ſonder Urſach oft verach -
tet,
Jſt, wenn man ſein ganzes Weſen ohne Vorurtheil be -
trachtet,
Ein beſonders nuͤtzlichs Thier. Jſt ſein Geiſt gleich dumm
und traͤge,
Laͤßt er ſich gleich zu der Arbeit ſelten leiten, als durch
Schlaͤge;
Jſt er dennoch ſehr geduldig, dauerhaft, und ſtark da -
bey,
Große Laſten wegzutragen: daß auch in der Arzeney
Dieſes Thieres Milch beſonders von dem ſtaͤrkſten Nutzen
ſey;
Zeiget die Erfahrung taͤglich. Womit man ihn haͤlt und
naͤhrt,
Jſt von ſo geringen Koſten, daß ſein Futter faſt nichts
werth:
Dorn und Dieſteln, Stroh und Spreu, was ſo Pferd
als Rindvieh liegen,
Fallen laſſen und zertreten, frißt der Eſel mit Vergnuͤ -
gen.
Außer daß er Laſten traͤgt, brauchet man ihn auch zum
Pfluͤgen,
Karrenziehen und zum Egen. Seine Milch dient nicht
allein
Jn der Schwindſucht, auch zur Gicht und zum Poda -
gra; ſie heilet
Jnnere Entzuͤndungen, ſie ſoll gar vortrefflich ſeyn,
Eine ſchoͤne Haut zu machen, ſie ergaͤnzet und ertheilet
Huͤlf273uͤber das Reich der Thiere.
Huͤlf am Zahnfleiſch, ſtaͤrkt und heilt es. Endlich wird
auch ſeine Haut,
Drauf zu ſchreiben, ſehr genuͤtzt. Merkt denn, wie der
Eſel auch
Uns zum Nutz formiret ſey, in ſo mancherley Ge -
brauch,
Und, wenn ihr euch ſein bedient, denket, wenn ihr bil -
lig denket,
Daß auch er euch einen Schoͤpfer zeige, der ihn euch ge -
ſchenket.
SDas274Betrachtungen

Das Elendthier.

Ein recht ſonderbar Geſchoͤpf, halb ein Hirſch und
halb ein Pferd,
Jſt das Elend, das nicht minder unſerer Betrachtung
werth:
Sein Geweih iſt ganz beſonders, und als ſonſt kein Thier
es traͤget,
Eines Adlers Schwingen gleich, wenn er ſie herunter
ſchlaͤget.
Von der Klauen ſaget man, daß ſie große Kraͤfte heget,
Und im Krampf und Nervenſchmerzen Linderung und
Huͤlfe bringet.
Da die Dicke ſeiner Haut weder Hieb noch Stich durch -
dringet,
Wird mit ihr, an Panzers Statt, im Gefecht, die Bruſt
umringet.
Seines Koͤrpers Schwere gleicht einer ziemlich ſtarken
Kuh,
Vorn am Halſe iſt es zotticht, aber glatt nach hinten zu:
Um ſein langes Obermaul ſoll man es nicht vorwerts
gehen,
(Daß es nicht im Grafen hindre) ſondern ruͤckwerts wei -
den ſehen.
Langen Durſt und ſchwere Arbeit iſt es tuͤchtig zu er -
tragen.
Kann man alſo auch mit Recht von dem Elendthiere ſagen,
Daß es einen weiſen Schoͤpfer uns erweiſ und noch
dabey,
Daß es bloß von ihm aus Liebe uns zum Nutz erſchaffen
ſey.
Die275uͤber das Reich der Thiere.

Die Wieſel.

Scheint gleich dieſes kleine Thier uns zum Schaden
mehr gegeben,
Als uns Nutzen zu verſchaffen, da es junge Huͤner, Tau -
ben
Und noch ander Hausgefluͤgel pflegt zu wuͤrgen und zu
rauben,
Auch ſo vieler Voͤgel Bruten, die in Wald und Feldern
leben,
Frißt, und ihre Eyer ſaͤuft: dienen ſie doch, wie die
Katzen,
Uns zu nicht geringem Nutzen oͤfters gegen Maͤuſ und
Ratzen:
Sie ſind auch der Schlangen Feinde, als womit ſie ſtetig
kaͤmpfen:
Jhre Baͤlge nuͤtzen uns, nicht nur Schmerz und Gift zu
daͤmpfen,
Und uns, fuͤr den Froſt zu ſchuͤtzen; ſondern auch in Arze -
neyen
Hat man dieſer Thiere Glieder ſich auf manche Art zu
freuen.
S 2Der276Betrachtungen

Der Marter.

Dieß iſt ebenfalls ein Raubthier, ſo uns oͤfters Schaden
thut;
Aber doch iſt es nicht minder auch zu vielen Sachen gut:
Jhre Baͤlge, die ſehr ſchoͤn, da ſie fuͤr den Froſt uns ſchuͤtzen,
Koͤnnen dem, der ſie verkauft, und auch ihrem Kaͤufer
nuͤtzen.
Jhrer ſind verſchiedne Sorten,
Die man, ſie zu unterſcheiden, Stein - und Edelmarter
nennt:
Letztere bewohnen Baͤume, ſonderlich die Buͤch - und Eichen;
Dieſe wiſſen jungen Voͤgeln ſehr behende nachzuſchleichen,
Ja noch groͤßere zu toͤdten, da ſie gar den Auerhahn,
(So weit gehet ihre Kuͤhnheit) nebſt dem Birkhun und
Faſan
Anzufallen ſich nicht ſcheuen, und, wenn ſie gleich fertig
fliegen,
Jhren Raub nicht fahren laſſen, ihnen auf den Ruͤcken liegen,
Da ſie ſie denn unauf hoͤrlich und ſo lang im Fluge beißen,
Bis ſie beyd herunter fallen, drauf ſie ſelbige zerreißen.
Jhre Loſung laͤſſet uns, anders als in allen Thieren,
Einen nicht unangenehmen lieblichen Geruch verſpuͤren.
Dieſe wohnen in den Waͤldern, da die andern ſich hingegen
Jn den Haͤuſern, Scheun’n und Staͤllen meiſtens aufzu -
halten pflegen.
Hier wird auch manch Hun erwuͤrgt und viel Fluͤgel -
werk zerbiſſen,
Die ſie aber mehrentheils mit der Haut bezahlen muͤſſen.
Der277uͤber das Reich der Thiere.

Der Jltiß.

Mit dem Marter und der Wieſel hat er einerley
Natur,
Jſt auch meiſt von ihrer Groͤße und derſelbigen Figur,
Außer, daß ſein Balg viel ſchlechter, und im ſchlechtern
Preiſe nur
Jnsgemein verkaufet wird; wodurch denn auch armen
Leuten
Jn dem Froſt geholfen iſt, allerley ſich zu bereiten:
Um ſich vor die ſtrenge Kaͤlte zu bedecken und zu ſchuͤtzen,
Koͤnnen alſo Jltiſſ auch den verlaſſ’nen Armen nuͤtzen.
S 3Der278Betrachtungen

Der Luchs.

Auch der Luchs iſt ſchoͤn und ſchaͤdlich. Er iſt voller
Raubbegier;
Aber dennoch iſt es uns ebenfalls ein nuͤtzlichs Thier.
Zwiſchen Katzen und dem Tiger ſcheints ein Mittelthier
zu ſeyn:
Seine Haut iſt gelblichfleckig, auch wohl etwas grau zu -
weilen:
Sie ſind aus der Maaßen fertig, ihre Speiſe zu ereilen,
Sehn ſo ſcharf, als ſonſt kein Thier. Zwiſchen Bergen,
Fels und Stein
Leben meiſt die Katzenluͤchſe, wenn die Kaͤlberluͤchſ hin -
gegen
Jn den dickverwachſ’nen Waͤldern insgemein zu wohnen
pflegen.
Fuͤr die Schwerenoth und Krampf wird die Luchsklau
uns verſchrieben;
Und mit ihren Baͤlgen werden große Handlungen ge -
trieben.
Das279uͤber das Reich der Thiere.

Das Pantherthier.

Nunmehr koͤmmt, in unſrer Ordnung, das ergrimmte
Pantherthier,
Dem zu Ehren zu betrachten, welcher es gemacht, uns fuͤr,
Das in ſeiner Art nicht minder wohlgebildet iſt und
ſchoͤn,
Da wir auf der ganzen Haut nichts als ſchoͤne ſchwarze
Flecken,
Mit beſonder ſcharfem Umſtrich und ſehr nett geformt,
entdecken,
Die auf roͤthlichgelbem Grunde in der ſchoͤnſten Ordnung
ſtehn.
Ob nun gleich ſein Grimm, die Staͤrke, die Geſchwindig -
keit, die Wut
Oftermals den Menſchen toͤdtlich, und nicht ſelten Schaden
thut;
Jſt doch auch in dieſem Thier, wie in allen andern Werken,
Eines maͤcht’gen Schoͤpfers Ordnung bey dem Aufenthalt
zu merken,
Jn der ihnen angewieſ nen Wohnung, da ſie in den Wuͤſten,
Von der Menſchheit abgeſondert, und entfernet, einſam
niſten,
Und nur an ſehr wenig Oertern. Jhrer bunten Baͤlge
Pracht
Wird aus ſo entfernten Laͤndern auch ſogar zu uns ge -
bracht,
Und ſehr gern von uns genuͤtzet: daß wir alſo Vortheil
ſpuͤren,
So im Handel als Gebrauch, und uns auch bereichert ſehn
Durch dieß ſchoͤn und wilde Thier, ſonder in Gefahr
zu ſtehn,
Leib und Leben zu verlieren.
S 4Das280Betrachtungen

Das Eichhorn.

Schrecken uns gleich viele Thiere nebſt dem Nutzen;
ſtellet hier
Ein uns nur vergnuͤgend Thierchen in dem Eichhorn uns
ſich fuͤr:
Alle Theile ſeines Koͤrpers ſind ſowohl, als andre,
zierlich;
Doch derſelben Handlungen ſind ſo artig, ſo poßirlich,
Die Bewegungen ſo lebhaft, hurtig, und ſo ſchnell, daß
man
Nicht leicht ihre Spruͤng und Mienen ſonder Lachen ſehen
kann.
Sie bewohnen hohe Baͤume, koͤnnen ſo gewaltig ſprin -
gen,
Und von einem Baum zum andern ſich ſo ſchnell und hurtig
ſchwingen,
Daß es laͤßt, als wenn ſie floͤgen, da die langen Schwaͤnze
ihnen,
Die ſo lang als wie ſie ſelbſt, gleichſam als zu Fluͤgeln
dienen.
Meiſtens ſind ſie roth, und gleichen faſt dem Fuchs an Farb
und Haar:
Dennoch findet man verſchiedne von verſchiedner Farb,
und zwar
Ofters grau und aſchenfaͤrbig, auch wohl ſchwaͤrzlich,
aber ſelten,
Deren kleine Baͤlge denn, weil ſie rarer, mehr auch
gelten.
Dieſes Thierchen laͤßt ſich zaͤhmen, da es ſeltſame Fi -
guren
Und in allen Handlungen laͤcherliche Poſituren
Dem,281uͤber das Reich der Thiere.
Dem, der darauf achtet, zeigt, ſo, daß es ſich faſt nicht
regt,
Da es nicht durch ſeine Stellung uns zur Munterkeit be -
wegt.
Da es, nebſt der Zierlichkeit, auch zugleich ſehr gut
zu eſſen,
Jſt es billig, daß wir es auch als ein Geſchoͤpf er -
meſſen
Eines wunderbaren Schoͤpfers, der auch hier ſein Allmacht
zeigt,
Und von deſſen Lieb und Weisheit nichts, was er geſchaffen,
ſchweigt.
S 5Der282Betrachtungen

Der Affe.

Scheinet nun von allen Thieren eins zu unſrer Luſt
geſchaffen
Und zum Vorwurf der Bewundrung, ſo ſind es gewiß
die Affen.
Nicht nur in des Koͤrpers Bau, auch in Mienen und Ge -
berden,
Jn behenden Handlungen, Munterkeit und Schlauigkeit,
Jn der ſeltſamen Bewegung Arten und Verſchiedenheit
Muͤſſen ſie im erſten Grad faſt von uns gerechnet werden:
Ja fuͤr einen Philoſophen, da ſein Thun ſo ungemein,
Duͤrft ein Aff zur Ueberlegung wohl ein wuͤrd’ger Vorwurf
ſeyn.
Wenn man recht die Trieb erwaͤgt, die in Affen zu entdecken,
Wie ſo fern am Leib und Geiſt ſich die Faͤhigkeiten ſtrecken,
Wird faſt unſere Vernunft uͤber dieſe Thiere ſtutzen,
Und darinn von der Natur Ordnungen und Graden ſehn,
Wodurch gleichſam auch die Thiere ſich zu uns noch mehr
erhoͤhn,
Als es faſt der Stolz erlaubet: Alſo kann ein Aff auch nutzen
Und zur Demuth gleichſam leiten. Billig faͤllt hiebey uns ein:
Was fuͤr eine Geiſterleiter muß wohl nicht vorhanden ſeyn,
Die von uns hinab - auch aufwerts mit ſo manchen Staffeln
fuͤhrt,
Daß weil wir kein End erblicken, die Vernunft ſich faſt
verliert.
Was ſie all fuͤr Handlungen kuͤnſtlich nachzuahmen wiſſen,
Auch was ſie von ſelbſten thun, davon werd ich ſchweigen
muͤſſen,
Weil die Vielheit gar zu groß. Dieſes macht, daß ich allein
Zur Betrachtung, daß auch ſie uns zu Gut erſchaffen ſeyn,
Zur Bewunderung und Dank, wie ich ſchuldig bin, mich kehre
Und ſo, wie in allen Werken, auch in ihm, den Schoͤpfer ehre.
Das283uͤber das Reich der Thiere.

Das Murmelthier.

Der Bewohner der Gebirge, das verſchlafne Murmel -
thier,
Jſt von einer andern Art. Dieß, wenn es im Schnee u. Froſt,
Seine meiſte Zeit verſchlaͤft, koͤmmt im Fruͤhling nur herfuͤr
Und beſorgt zu kuͤnft’gem Winter auf das neue Neſt und
Koſt.
Jhre Loͤcher richten ſie mit beſondrer Ordnung ein;
Daß ſie naͤmlich frey von Unrath, und beſtaͤndig reinlich ſeyn,
Graben ſie ein eignes Loch. Wie ſie zu den noͤth’gen Dingen,
Die ſie zu dem Lager brauchen, Gras und Heu zuſammen
bringen,
Jſt wohl recht verwunderlich. Eins ſieht man ſich nie -
derſtrecken,
Die vier Beine uͤber ſich, da die andern es bedecken,
Und ſo viel es halten kann,
Buſch und Strauchwerk auf ihn tragen,
Dann faſſ’t jedes deſſen Schwanz ſanfte mit den Zaͤhnen an,
Und ſo ſchleppen ſie gewoͤhnlich dieſen lebendigen Wagen
Als bey einer Deichſel fort. Dieß thut einer nach dem
andern,
Jeder, wenn die Reih ihn trifft, muß nach dieſer Ordnung
wandern,
Keiner wird damit verſchonet. Wenn es frißt, ſitzt dieſes Thier,
Haͤlt die Koſt in rordern Pfoten, wie ein Eichhorn, faſt wie
wir.
Fleiſch vom Murmelthier ſoll niedlich, wie das beſte Wild -
praͤt, ſchmecken,
Und ſein Schmalz iſt trefflich heilſam. Kann man alſo auch
in ihnen,
Da ſie uns zu mancherley Nutzen und Ergetzen dienen,
Eines weiſen Weſens Abſicht, Weisheit, Macht und Lieb
entdecken.
Das284Betrachtungen

Das Kaninchen.

Dieſes Thier gleicht faſt den Haſen; aber wohnt in
Gruben meiſt,
Wie es denn faſt jeden Boden theilt, zerwuͤhlet und zer -
reißt.
Sie bereiten gleichfalls kuͤnſtlich ihren unterirdſchen Bau,
Jhr Farb iſt weiß entweder, oder ſprenklicht, oder grau.
Sie ſind mehr als andre Thiere von ſo großer Frucht -
barkeit,
Daß ſie zwoͤlfmal Junge hecken nur in eines Jahres Zeit,
Und faſt immer fuͤnf bis ſechs. Es giebt ihrer zweyer -
ley,
Wilde naͤmlich, und auch zahme. Doch ein großer Un -
terſcheid
Jſt an ihrem Fleiſch zu finden. An Geſchmack und Nied -
lichkeit
Koͤmmet der gezaͤhmten Fleiſch nie dem Fleiſch der wil -
den bey.
Von den wilden wiſſen Koͤche, wenn ſie ſie kunſtmaͤßig
miſchen,
Uns ſo mancherley Gerichte, die ſehr niedlich, aufzuti -
ſchen,
Und von ihrem Fell die Kuͤrſchner uns im Froſt verſchied -
ne Sachen
So zur Waͤrm als auch zur Zierde, zur Bequemlichkeit
zu machen.
Daß demnach auch dieſes Thier, wie auch Gott in ihm,
uns liebt,
Da es uns erwaͤrmt und naͤhret, eine klare Probe giebt.
Der285uͤber das Reich der Thiere.

Der Steinbock.

Dieß Thier ſcheint eine wilde Ziege zu ſeyn, doch
von beſondrer Art,
Da es nur auf der Alpen Spitzen und nirgend ſonſt ge -
funden ward.
Am meiſten gleichet es den Gemſen, doch ſiehet man es
Hoͤrner fuͤhren
So lang, daß ſie ihm, wenn er ſtehet, gemeiniglich
das Kreuz beruͤhren;
So breit, daß auf die drey Maaß Waſſer ſich in ein ein -
zigs fuͤllen laſſen:
Mit dieſen Hoͤrnern weis er nun an Felſen ſich ſo feſt zu
faſſen,
Daß er, indem er ſich daran gemaͤhlig hin und wieder
ſchwingt,
Von einem Felſen zu dem andern bewundernswuͤrdig ſchnell
ſich bringt.
Ja, wenn er auch von einer Hoͤh und unerſteiglich ſteilen
Spitzen
Herunterſtuͤrzt, weis er die Hoͤrner auf ſolche Weiſe vor -
zukehren,
Und vor den ungeheuren Fall auf ſolche Weiſe ſich zu
ſchuͤtzen,
Daß auch die allerhoͤchſten Faͤlle die Glieder ihm nicht
leicht verſehren.
Er braucht ſie gegen ſeine Jaͤger, ſo daß er ſie, wenn
er erboſt,
Und einen Raum zum Anlauf hat, gar oft von hohen
Felſen ſtoßt.
Sein Fleiſch iſt eßbar, und ſein Fell iſt gegen Kaͤlte
trefflich gut;
Auch dienet in der Arzeney beſonders dieſes Thieres Blut,
Den286Betrachtungen
Den Blaſenſtein uns zu zermalmen. Ein Theil mit ſechs
Theil Moſt genommen,
Gekocht drey Tage nach einander, fruͤh, mittags und
beym Abendmal
Jm Bade nach und nach getrunken, ſoll denen trefflich
wohl bekommen,
Die durch den Blaſenſtein gemartert, da es den Urſprung
ihrer Qual
Jn Sand zermalmt von ihnen fuͤhrt. Woraus wir klaͤr -
lich ſehen koͤnnen,
Wie viel auch Gott in dieſem Thiere dem Menſchen Gu -
tes wollen goͤnnen.
Das287uͤber das Reich der Thiere.

Das Kameel.

Es iſt dieſes Thier bey uns zwar nicht ſonderlich be -
kannt,
Sondern meiſt in Aſia: Dennoch wird in ſeinem Haare,
Als in einer nuͤtzlichen und ſehr vortheilhaften Waare,
Uns ein rechter Schatz im Handel aus der Ferne zugeſandt.
Dieſes Haar ſoll es zum oͤftern, meiſt in einem jeden
Jahre,
Und zwar in ſehr wenig Tagen, daß man es bequemer
faſſen,
Sammeln und gebrauchen kann, faſt auf einmal fallen
laſſen.
Dem, der es zum erſten ſieht, koͤmmt gemeiniglich dieß
Thier
An Geſtalt faſt ungeformt, plump und grob und haͤß -
lich fuͤr:
Dennoch hat es ſeine Gleichmaaß, und es ſind die ſtarken
Glieder
Wunderwuͤrdig eingerichtet. Sich zum Tragen gut zu
ſchicken,
Zeigt ſich ein ſehr ſtarker Buckel in der Mitt auf ſeinem
Ruͤcken.
Wenn man es beladen will, legt es ſich von ſelbſten nie -
der,
Da es denn, wenn es g’nug hat, ſelber in die Hoͤhe
ſpringt.
Nicht beſchreiblich iſt der Nutzen, welchen das Kameel -
thier bringt,
Da es durch die duͤrren Wuͤſten, mit ſehr ſchlechter Koſt
vergnuͤget,
Und ſehr lange ſonder Trank Laſten ſchleppt; Auch, wenn
man krieget,
Gegen288Betrachtungen
Gegen Pferde trefflich nuͤtzt; Ueberdas durch ſchnelles
Laufen,
Wozu ſichs gewehnen laͤßt, ungemeinen Vortheil
ſchafft,
Weil es durch den ſtarken Knocher und der zaͤhen Ner -
ven Kraft
Faſt nicht zu ermuͤden iſt, welches nuͤtzlich auf der
Reiſe.
Seine ſuͤße Milch iſt trinkbar, gleichfalls dient ſein Fleiſch
zur Speiſe.
Auch verſpuͤrt man, daß von ihm manches Theil zur Ar -
zeney,
Aeußerlich und innerlich, heilſam zu gebrauchen ſey.
Daß denn nun fuͤr dieſes, Thier auch das menſchliche
Geſchlechte
Dem, der es fuͤr ihn erſchaffen, ehrerbietig danken
moͤchte!
Der289uͤber das Reich der Thiere.

Der Dachs.

Wie viele Thiere ſteile Hoͤh’n, ſo lieben Dachſe dunk -
le Tiefen
Und finſtre Loͤcher in der Erde, worinn ſie nicht des Tags
nur ſchliefen,
Nein, worinn ſie die halbe Zeit des Lebens ſelbſt ſich faſt
begraben,
Und ihre Lagerſtatt darinn, ſo lang der Winter waͤhret,
haben:
Dann ſchlafen ſie die ganze Zeit, dann ſollen ſie von ſich
ſich naͤhren,
Und bloß von ihrem eignen Koͤrper und ihrem eignen Fet -
te zehren.
Sonſt naͤhret dieſes Thier ſich meiſt von Regenwuͤrmern,
Kaͤfern, Schnecken,
Von Molchen, Kroͤten, Froͤſchen, Maͤuſen und anderm
Ungeziefer mehr.
Doch laſſen ſie auch junge Haſen, zuſammt Kaninichen,
ſich ſchmecken,
Auch junge Voͤgel ſonderlich. Sie ſind ſehr fett, es wird
das Schmeer
Als eine Haut herabgezogen, und nuͤtzet ſehr in Arzeneyen.
Des Fleiſches hat man ſich nicht minder, wenn es ge -
ſalzen, zu erfreuen.
Die Haͤute, welche denen Sattlern, den Taͤſchnern auch,
zu Gute kommen,
Die werden viel zu Reiſekaſten, zu Pinſeln wird das Haar,
genommen.
So daß ſelbſt an dem faulen Dachs ein fromm - und bil -
liges Gemuͤth,
Wie ſehr auch er den Menſchen nuͤtzt, mit Dank und mit
Bewundrung ſieht.
TDie290Betrachtungen

Die Katze.

Auch dieß iſt ein beſonder Thier, wofuͤr dem Schoͤpfer
Dank gebuͤhret,
Wovon ſowohl im Haus als Felde man wahr - und großen
Nutzen ſpuͤret,
Da es den Maͤuſen und den Ratzen, und anderm Ungeziefer
feind,
Die uns dadurch, daß ſie ſo ſehr und monatlich faſt ſich
vermehren,
Auf eine Weiſe, die nicht leidlich, mehr als man faſt ge -
denkt, beſchweren,
Uns ſchaden und uns plagen wuͤrden. Ja gegen dieſen
Zufall ſcheint
Die Katze recht mit Fleiß geſchaffen. Derſelben Unver -
droſſenheit,
Gelenker Koͤrper, ſchnelle Glieder, Geduld, beherzte
Schlauigkeit,
Ein ſcharf Gehoͤr, nebſt dem Geruch, und, uͤber alles,
ſolche Augen,
Die in der dunklen Nacht zu ſehn, nicht minder als am
Tage, taugen,
Daß ein verborgner Zug in ihnen, wie wild ſie gleich,
ſie zaͤhmen kann:
Dieß alles zeiget Abſicht, Weisheit und Lieb unwider -
ſprechlich an
Von einem allgemeinen Schoͤpfer. Man kann auch an
den Katzen ſehn,
Wie alle Dinge, die geſchehen, nach Maaß und Ord -
nungen geſchehn.
Die291uͤber das Reich der Thiere.
Die kleinen ſind recht laͤcherlich, ihr Gaukeln, ihr poſ -
ſierlichs Springen
Kann oft den, dem es nicht ums Herz zu lachen, doch
zum Lachen zwingen.
Man findet wilde Katzen auch, die in den dicken Waͤldern
wohnen
Und das, was ſie erbeuten koͤnnen, als ſehr gefraͤßig,
nicht verſchonen:
Doch werden ihre ſchoͤne Baͤlge mit großem Nutzen ab -
geſetzt,
Zumal man ſelbe gegen Fluͤſſe fuͤr ein bewehrtes Mittel
ſchaͤtzt,
Jmgleichen fuͤr die Waſſerſucht. Daß alſo Katzen auch
imgleichen,
Nicht weniger als andre Thier, uns mannichfache Vor -
thel reichen.
T 2Die292Betrachtungen

Die Zibethkatze.

Die Thiere werden zwar bey uns nicht leichtlich le -
bendig gefunden,
Doch wird was angenehm an ihnen von uns nicht weni -
ger empfunden,
Wenn man die Baͤlge zu uns bringt, nebſt ihrem Aus -
wurf, deſſen Duft
Mit ſolcher ſuͤßen Lieblichkeit und holden Duͤnſten in die
Luft,
Die ſie umgiebt, beſtaͤndig quillet,
Daß ein empfindliches Vergnuͤgen durch den Geruch das
Hirn erfuͤllet
Und uns recht inniglich vergnuͤgt. Wer von uns Men -
ſchen kann begreifen,
Auf welche Weiſe ſich die Theilchen, die den Geruch ver -
gnuͤgen, haͤufen,
Entſtehen, und ſo lange dauren? Da Dinge, die bey
ihnen liegen,
Von ihnen gleichſam eingebieſamt, ſo ſtark uns, wie ſie
ſelbſt, vergnuͤgen,
Ohn etwas ihnen zu benehmen. Dieß Thier iſt grau
mit ſchwarzen Flecken.
Am Bauch, in einem kleinen Beutel, ſoll der Zibeth be -
ſonders ſtecken,
Der gegen Schmerzen der Kolik ſehr heilſam und beſonders
gut,
Und gegen die Apoplexie nicht minder große Wirkung thut.
Daß freylich auch in dieſem Thier, wenn man ſo Nutz
als Luſt verbindet,
Man einen wundernswuͤrd’gen Vorwurf Gott uͤberzeugt
zu danken findet.
Das293uͤber das Reich der Thiere.

Das Rennthier.

Welch ein raſches Thier iſt dieß! Welch ein praͤchti -
ges Geweih
Traͤgt es, uͤberall gezackt! Wie ein Pferd iſt es bemaͤhnet,
Einem Kalbe gleicht ſein Haupt. Einige ſind wild und
frey,
Andere ſind uns zum Dienſt zahm und ſonderbar ge -
wehnet.
Dieſes Thier zu unterhalten, ſind die Koſten gar nicht
groß,
Denn es kratzt zu ſeiner Nahrung ein verworfnes weißes
Moos,
Das in oͤden Feldern waͤchſt, ſelber unterm Schnee
herfuͤr:
Und dennoch ſind Fleiſch und Haut, Knochen, Sehnen,
Milch und Haar
Alleſammt dem Menſchen nuͤtzlich. So wird auch in
dieſem Thier
Seines Schoͤpfers Weisheit, Allmacht, ſammt der Huld,
uns offenbar.
T 3Der294Betrachtungen

Der Chamaͤleon.

Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach halber,
werth,
Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer
ehrt.
Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut,
Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung,
ſchaut,
Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt.
Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be -
ſtimmt,
Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,
Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren,
Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht,
Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht.
Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge
Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht.
Die Lunge
Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen,
Muͤcken
Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken.
Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen,
Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen.
Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen,
Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen;
Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen boͤſen Seuchen,
Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns
reichen.
Der295uͤber das Reich der Thiere.

Der Auerochs.

Ob wir gleich von Ochſ - und Kuͤhen etwas ſchon ge -
meldet haben;
Scheint der Auer doch beſonders unſerer Erwaͤhnung werth,
Als worinn, obgleich er wild, mancher Nutzen uns beſchert.
Mit bewundrungswerther Groͤße wollt ihn die Natur be -
gaben
Und mit ungemeiner Staͤrke. Es geht faſt kein ander
Thier,
Außer einem Elephanten, ihm an Staͤrk und Kraͤften fuͤr
Zwiſchen ſeiner ſtarken Hoͤrner mehr als eiſenharten Spitzen
Koͤnnen zwey ja gar drey Maͤnner fuͤglich bey einander
ſitzen.
Um den feſten Unterkiefern iſt er fuͤrchterlich behaart.
Jhm giebt ein verwildert Anſehn ſein verworrner
ſchwarzer Bart.
Auf deſſelben rauhen Stirne wird ein Buͤſchel Haar ge -
funden,
Welcher recht als Bieſam riecht. Ob er nun gleich noch
ſo groß,
Und ſo ſtark, daß er auch Baͤume ſtuͤrzt mit einem einz’gen
Stoß;
Wird er doch von Menſchenhaͤnden oft getoͤdtet, oft ge -
bunden,
Und ſein Fleiſch, das ſonders niedlich, wird von uns
mit Luſt verzehrt.
Jſt demnach auch dieſes Thier dankens - und bewun -
dernswerth.
T 4Der296Betrachtungen

Der Buͤffel.

Der auch iſt ein Art von Ochſen, doch in vielem unter -
ſchieden,
So an Art als an Geſtalt. Es iſt ſeine Haut ſo feſt
Und ſo dicke, daß ſie ſich kaum durch Kugeln trennen
laͤßt.
Tuͤchtig iſt dieß Thier zur Arbeit und nicht leichtlich
zu ermuͤden.
Seine ringelreiche Hoͤrner ſind ſtets hinterwerts gekruͤmmt,
Die ſind als ein huͤlfreich Mittel gegen allen Krampf be -
ſtimmt,
Auch zu mancherley Gefaͤßen, Trinkgeſchirren und zu Bo -
gen.
Es zu zaͤhmen, wird ihm ſtets durch die Naſ ein Ring
gezogen.
Hieb - und ſchußfrey ſind die Koͤller, womit der Soldat
ſich deckt
Aus der Buͤffel dicken Haut. Da ihr Fleiſch auch nied -
lich ſchmeckt
Und beſonders nahrſam iſt, wird es ebenfalls gegeſſen.
Soll man denn nicht deſſen Huld, auch bey dieſem Thier,
ermeſſen,
Welcher es, fuͤr uns, formirt? uns nicht durch ſein Fleiſch
nur naͤhrt,
Uns nicht nur zur ſichren Kleidung die ſo feſte Haut beſchert,
Sondern auch bey unſrer Arbeit es zur Huͤlfe uns ge -
wehrt?
Der297uͤber das Reich der Thiere.

Der Zobel.

Dieſes iſt ein kleines Thier, welches Norden uns nur
zollt,
Sonderlich Siberien; es iſt faſt den Martern gleich,
Doch an einem glaͤnzenden braun - und ſchoͤnen Haar ſo reich,
Daß es hoͤher noch im Preiſe, als das allerfeinſte Gold.
Nur fuͤr Rußlands Kaiſerinn ſind ſie ein Regal allein,
Und ſie muͤſſen von Gefangnen woͤchentlich geliefert ſeyn,
Welche doch, wenn ſie die Zahl, die ſie ſchuldig, ein -
gebracht,
Und ſie etwan mehr bekommen,
Jhnen ſtets fuͤr baare Zahlung richtig werden abgenommen.
Hiermit wird im Orient faſt der groͤßte Staat gemacht.
Daß die Felle nicht verderben, faͤnget man ſie meiſt in
Schlingen,
Wo hinein man dieſes Thierchen weis mit vieler Liſt
zu bringen;
Auch in Fallen, auch durch Bolzen, vorn mit ſchwerem
Bley begoſſen,
Werden Zobel angeſchoſſen.
Ein ganz ungemeiner Handel wird mit dieſem Thier ge -
fuͤhrt.
Da es manchen ſehr bereichert, und auch manchen waͤrmt
und ziert,
Jſt es gleichfalls anzuſehn, als ein Theil von vielen Ga -
ben,
Welche wir, zu unſrer Luſt und zum Nutz, empfangen
haben.
T 5Das298Betrachtungen

Das Schaf.

Von allen Thieren in dem Thierreich wird faſt kein
einziges gefunden,
Jn welchem, zu des Menſchen Beſten, ſo gar viel nuͤtz -
liches verbunden,
Als in den ſanft - und frommen Schafen. Es nuͤtzt
von dem, was an ihm iſt,
Ein jedes Glied und alle Theile; das Fleiſch, die Milch,
die Haut, die Klauen,
Die Wolle, die Gedaͤrme, Knochen, die Hoͤrner, ja
ſogar der Miſt.
Es ſpeiſt und traͤnket uns das Schaf, es kleidet uns.
Die Laͤnder bauen,
Verſpuͤren durch dieß holde Thier, zumal durch ſeine
Fruchtbarkeit,
Verſchiednen Segen, werden reich, und auf verſchiedne
Art erfreut.
Es zeigt die alt und neue Zeit, wie mancher Nutz aus
Schafen ſprieße,
Und ſcheint daher das Spruͤchwort wahr: es hab ein
Schaͤfgen guͤldne Fuͤße.
Ja, wenn ich es recht uͤberlege, ſo ſcheint an dieſem
Thier allein
Sein Koͤrperlichs nicht nur zu Nutzen, es ſcheint ſogar
des Geiſtes Weſen
Zu einem Sinnbild holder Sanftmuth und der Geduld
fuͤr uns erleſen,
Und dieß Thier ein belehrend Thier, ein Bild der Froͤm -
migkeit, zu ſeyn.
Wer etwan meynt, dieß ſey zu viel, der darf nur Hirten -
lieder leſen;
Man299uͤber das Reich der Thiere.
Man wird befinden, daß ſogar durch Bilder von der
Schaͤferey
Man froh und gleichſam ruhig werde, und inniglich ge -
ruͤhret ſey.
So laßt uns denn in dieſem Thier des Schoͤpfers Huld
beſonders ſehen,
Jhm danken, und in unſrer Luſt des Gebers Lieb und
Macht erhoͤhen!
Die300Betrachtungen

Die Ziegen.

Zu dieſer Art gehoͤren noch die auch betrachtungswer -
then Ziegen.
Wie mancherley Bequemlichkeit, Trank, Nahrung,
Nutzen und Vergnuͤgen
Verſchaffet uns auch dieſes Thier, durch Fleiſch, Milch,
Kaͤſe, Fell und Haar!
Das Haar wird Kuͤſſen auszuſtopfen, zu Filzen, und ver -
ſchiednen Zeugen,
Zu Stricken gleichfalls oft genutzt, nebſt andern Dingen,
auch ſogar
Zu den Parucken mit verbraucht. Dann iſt der Nutz
nicht zu verſchweigen,
Den uns die Fell, im Corduan und Pergament, imgleichen
auch
Jm Handſchuh, Guͤrteln, Neſteln, Saͤckeln und man -
cher Art von Kleidung reichen.
Die Milch dient, außer ihrer Nahrung, zu einem heil -
ſamen Gebrauch
Jn magrer Schwind - und Lungenſucht, ſie iſt ein Mittel
ſonder Gleichen.
Die Kaͤſe ſind geſund und nahrſam; auch iſt die Butter,
ſonderlich
Zu Salben und zur Heilung, gut. Nicht weniger curirt
man ſich
Jm Scharbock durch die Ziegenmolken. Das Horn, wenns
auf dem Feuer raucht,
Wird, in der Peſt und andern Seuchen, mit vieler Nutz -
barkeit gebraucht.
Wann301uͤber das Reich der Thiere.
Wann nun bey allem auch das Fleiſch uns auf verſchiedne
Weiſe naͤhret,
Und es dennoch mit wenig Koſten und ſchlechtem Futter zu
erhalten:
So wird mit Recht auch Gott gedankt, ſowohl von Jun -
gen als von Alten,
Daß er uns in den magern Ziegen ein ſolches nuͤtzlichs
Thier beſcheret.
Der302Betrachtungen

Der Jgel.

Unmoͤglich kann man dieß Geſchoͤpf ohn einige Be -
wundrung ſehn,
Als deſſen ſonderlicher Koͤrper, zumalen wie er einge -
kleidet,
Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich ſich un -
terſcheidet.
Man ſieht auf ſeiner ganzen Haut, anſtatt der Haare,
Hoͤrner ſtehn,
Die ihn auf eine Weiſe ſchuͤtzen und ſo fuͤr allen Anfall
decken,
Daß es nur ſeltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn
ſchrecken.
Es wird, in dieſes Thierchens Bildung, ein recht ab -
ſichtlicher Verſtand,
Ein richtig uͤberlegter Endzweck, vor vielen andern noch
erkannt.
Der ungezaͤhlten harten, ſtarren und ſonderbaren Sta -
cheln Spitzen,
Die zur Erhaltung ihm ſo noͤthig, und die ihn rings
umgeben, ſitzen
Jn ſeiner Haut ſo ordentlich, und ſo beweglich einge -
ſenkt,
Daß er dieſelbe, nach Gefallen, erhebt, ſie durch ein -
ander ſchrenkt,
Verbreitet, ſpreizt und von ſich ſtrecket, auch ſchnell ſie
wieder niederleget,
Und ſie, dem Schein nach ſonder Ordnung, dennoch
ganz ordentlich beweget.
Er richtet aus ſich ſelber gleichſam lebend’ge Paliſaden
auf;
Er303uͤber das Reich der Thiere.
Er macht ſich ſelbſt zum Spanſchenreuter; er pflanzet ei -
nen Zaun von Dornen
Jm Augenblick um ſich herum; er iſt von hinten und
von vornen
Jn ſeiner ſcharfen Schanze ſicher, und er verlaͤſſet ſich
darauf.
Droht ihm von außen wo ein Feind, Thier oder Menſch,
ihn anzufallen,
Veraͤndert er gleich ſeine Form und wird zu einem runden
Ballen.
Das, ſo an ihm verletzbar iſt, den Kopf, die Fuͤße, zieht
er ein,
Und dadurch wird er unerkannt, ja, auch erkannt doch
ſicher ſeyn.
Was faſt noch ſtaͤrker zu bewundern, ſo braucht er dieſe
ſeine Waffen,
Um, ohne Haͤnde, doch zu ſammeln und ſich die Nah -
rung zu verſchaffen.
Wo abgefallne Fruͤchte liegen, da welzt er ſich; ein jede
Spitz
Jſt dann, dieſelben zu bekommen, ſo gut, als eine Hand,
ihm nuͤtz.
Der Stachel dringet in die Frucht,
Die Frucht bleibt auf derſelben feſte,
Da wandert er, mit reicher Beute beladen, bald nach ſei -
nem Neſte.
Uns wird von dieſem kleinen Thier auch mancher Vor -
theil noch gewehrt,
Jndem es Maͤuſe, Froͤſche, Kroͤten, und mancherley Ge -
wuͤrm verzehrt.
Sie wiſſen ſich wohl zu verbergen, ſo daß man ſie nicht
leicht erkennet.
Man304Betrachtungen
Man findet zahm und wilde Jgel, auch iſt die Gattung
zweyerley,
Von welchen man die eine Saͤu - die andern Hundes-Jgel
nennet.
Es nuͤtzet uns dieß kleine Thier beſonders in der Arzeney,
Jndem die Galle, nebſt der Leber, der Koth, die Milz,
das Fett, das Blut,
Zuſammt des Magens innerm Haͤutlein oft ganz beſondre
Wirkung thut.
Zumalen ſoll von einem Jgel die Aſche, wenn wir ihn
verbrennen,
Ein kraͤftig Mittel ſeyn fuͤr die, ſo den Urin nicht halten
koͤnnen.
Es iſt demnach auch dieſes Thier, ſowohl als alle andre,
werth,
Daß man in ihm auch einen Schoͤpfer erkennt, und ſel -
bigen verehrt.
Das305uͤber das Reich der Thiere.

Das Stachelſchwein.

Noch zeigt uns die Natur ein Thier, das einem Jgel
ziemlich gleich,
Und das nicht weniger als jener an ſpitzen Stacheln
wunderreich,
Ja faſt annoch betraͤchtlicher, indem es mit den laͤngern
Spitzen
Nicht nur noch mehr geſchickt und faͤhig, ſich ſelbſt zu
decken und zu ſchuͤtzen,
Nein, ſich ſo gar von weitem wehren und ſeinem Gegner
ſchaden kann.
Es faͤllt mit ſelben ſeinen Feind, recht als mit ſpitzen
Pfeilen, an,
Und ſucht von weitem ihm zu ſchaden. Die Art, wie
er aus ſeinem Fleiſch
Sie ſo geſchwinde ſchnellen kann, iſt wunderlich. Ein
ſtark Geraͤuſch
Erreget es, wenn es erzuͤrnt. Die Stacheln ſelbſt ſind
glatt und ſchoͤn,
Wie Ebenholz und Elfenbein, ja noch faſt ſchoͤner, an -
zuſehn.
Sie ſind oft einer Ellen lang, mit ſchwarzen und mit
weißen Flecken,
Die wir in Ordnung, eins ums andre, nicht ohne Luſt
darauf entdecken.
Man braucht ſie bey den Schildern viel, zu auserleſnen
Pinſelſtoͤcken.
Man ißt ihr Fleiſch, man hat auch ihrer zu heilen und
in Arzeneyen
Sich eben auf dieſelbe Weiſe, als wie des Jgels, zu er -
freuen.
UDie306Betrachtungen

Die Maus.

Dieſes iſt ein kleines, zierlichs, aber ein ſehr ſchaͤd -
lichs Thier
So im Hauſ als auf dem Felde. Es verurſacht dort
und hier
Oefters ungemeinen Schaden, ſo daß ſie, mehr uns zu
ſtrafen,
Als uns Nutzen zu verſchaffen,
Mehrentheils erzeuget ſcheinen; ſonderlich, wenn ſie ſich
mehren,
Wie ſie denn beſonders fruchtbar, da ſie leicht die Saat
verheeren
Und des Landmanns ganze Hoffnung oft betruͤbt genug
verzehren.
Doch wird eine weiſe Vorſicht auch hiebey mit Recht er -
kannt,
Da ſie, welches wir nicht faſſen, von ſich ſelber aufzu -
hoͤren
Und als zu verſchwinden ſcheinen, da gewiß ein ganzes
Land
Sonſt, wenn dieſes nicht geſchaͤhe, nur durch Maͤuſe
bloß, zur Wuͤſte
Werden muͤßte.
Denn es waͤre zu erweiſen, daß, von einer Maus
allein,
Auf die Art, wie ſie ſich mehren, uͤber hundert und noch
mehr
Bloß in einer Jahreszeit wuͤrde ausgehecket ſeyn.
Welche ſchreckliche Vermehrung! Welch ein ungezaͤhltes
Heer,
Wenn307uͤber das Reich der Thiere.
Wenn dieß immer weiter gienge! Um nun, nebſt dem
ſchnellen Sterben,
Eine ſolche boͤſe Brut auch noch ferner zu verderben,
Scheinet eine große Menge Thier und Voͤgel uns zu
nuͤtzen
Und uns gleichſam zu beſchuͤtzen,
Recht mit Vorſicht zubereitet. Stoͤrche, Raben, Ha -
bicht, Eulen,
Fuͤchſe, Daͤchſe, Wieſel, Jgel, muͤſſen uns hier Huͤlf
ertheilen;
Ja noch viele andre mehr, wie wir denn ſogar von
Schlangen
Gegen Maͤuſe Huͤlf empfangen.
Aber auf beſondre Weiſe ſcheinen gegen Maͤuſ und Ra -
tzen,
Als ein rechter Gegengift, zu der Menſchen Nutz, die
Katzen
Ganz verwunderlich formiret. Wobey wir uns ſelbſt
zuweilen
Durch verſchiedene Erfindung, Gift und Fallen, Rath
ertheilen.
Wie von dieſen ſchlimmen Thieren ſo verſchiedne Sorten
ſeyn,
Zeigte mir ein Zufall juͤngſt, da in einem Schloßthurm
ſich
(Von den Eulen wohl vermuthlich hingetragen) ihrer
neun,
Und darunter ſieben Sorten, welche alle ſonderlich,
Und verſchiedlich von Figur, auch von Farben, hin -
gelegt
Und nur erſt erbiſſen funden; woraus denn gar leicht zu
ſchließen,
U 2Daß308Betrachtungen
Daß derſelben mehrer Arten noch gefunden werden
muͤſſen.
Werden wir von dieſen Thieren nun gleich oftermals be -
ſchwert,
Sind ſie doch, in ihrer Art, unſerer Bewundrung
werth;
Auch wird, durch derſelben Menge, manches andre Thier
ernaͤhrt.
Der309uͤber das Reich der Thiere.

Der Biber.

Wo eins von allen andern Thieren den Menſchen was
Betraͤchtlichs zeiget,
So iſt es dieß beſondre Thier; indem, was man an ihm
erblickt,
Faſt alles das, was Thieriſch heißt, in ſeinem Bauen
uͤberſteiget,
Da ſolches nicht allein von ihm bewundernswuͤrdig zuge -
ſchickt,
Da es die groͤßten Baͤume faͤllt, das Holz in richt’ge
Stuͤcke theilet,
Sie auf die breite Schwaͤnze legt, mit ihnen nach der
Wohnung eilet,
Sie kuͤnſtlich, regelmaͤßig fuͤgt; ja, daß die Flut ſie
nicht verſchwemmet,
Mit großer Vorſicht, Muͤh und Fleiß oft einen ganzen
Fluß verdaͤmmet.
Sie theilen ihre Wohnung ſelbſt in unterſchiedne Stock -
werk ein,
Damit ſie in dem oberſten, bey feuchten Zeiten, ſicher
ſeyn.
Verwunderlich iſt die Geduld, da, wenn ſie ſich, ge -
ſcheucht, verſtecken,
Sie ſich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der
Flut entdecken.
Die Wilden, welche dieſen Vorthel denſelbigen nun ab -
gemerkt,
Sind durch dieß Beyſpiel der Geduld, in einer Art Ge -
duld geſtaͤrkt,
Da ſie ſich fuͤr geſchimpfet halten, von Bibern ſich be -
ſiegt zu ſehn:
U 3Da -310Betrachtungen uͤber das Reich der Thiere.
Daher ſie gleichfalls zwey, drey Tag an ſolchen Oertern
ſtille ſtehn,
Des Bibers Wiederkunft erwartend, da ſie ihn faͤllen
und erſchlagen,
Und ſeinen nuͤtz - und koſtbarn Pelz zur Beute mit nach
Hauſe tragen.
Der Reichthum iſt nicht auszudruͤcken, den uns ihr Haar
und Pelzwerk reicht,
So daß in Canada dem Handel von Pelzwerk faſt kein
andrer gleicht.
Wer wollte denn, da dieſe Thier uns ſolchen großen
Vortheil ſchenken,
Wenn man dieſelben braucht und nuͤtzt, nicht auch an
ihren Schoͤpfer denken?
Ver -[311]

Vermiſchte Gedichte zum Jrdiſchen Vergnuͤgen in GOTT.

U 4[312][313]

Einleitung.

Auf der angeſtralten Welt, zeigt uns, jede ſchoͤ -
ne Stelle,
Aller Schoͤnheit Quell, die Sonne, und zu -
gleich derſelben Quelle,
Aller Sonnen Sonne, Gott! Wie geſegnet, wie be -
gluͤckt
Jſt, der, da Gott allenthalben, allenthalben Gott erblickt!
U 5Fruͤh -314Vermiſchte Gedichte

Fruͤhlingsgedanken 1746.

Wohin ich meine Blicke kehre,
Bluͤht alles itzo, dem zur Ehre,
Der, uns zur Luſt, die ſchoͤne Welt
Erſchuf, regieret und erhaͤlt.
Der, damit wir das, was ſo ſchoͤn,
Genießen moͤchten, und es ſehn;
Das wunderbare Sonnenlicht,
Und das betraͤchtliche Geſicht,
Dabey uns eine Kraft geſchenket,
Die, wenn ſie recht gedenket, denket:
Daß alles, was ſo ſchoͤn vorhanden,
Nicht ſey von ungefaͤhr entſtanden:
Nein, ſie begreift, durch ſichre Schluͤſſe;
Ein ordnungsvoll unendlich Ein,
Ein weiſ und liebreich Weſen, muͤſſe
So vieler Wunder Urſtand ſeyn.
Auf dieſen Urſtand aller Dinge,
Von dem, was iſt, ſein Seyn empfinge,
Will ich die beſte Kraft, das Denken,
Bey meiner Luſt, beſtaͤndig lenken,
Jhm meine frohe Seele weihn,
Jhm meine Luſt zum Opfer ſchenken,
Jhn preiſen, und ihm dankbar ſeyn.
Ueber -315zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Ueberlegungen zur Fruͤhlingszeit.

Mein Gott! der, juͤngſt noch, duͤrre Baum iſt ganz
mit gruͤnem Laub bedecket,
Es haben ſich die nackten Aeſte in gruͤne Blaͤtter ganz
verſtecket,
Was todt ſchien, ſcheinet itzt zu leben, ſein ganzes Weſen
ſcheint verwandelt.
Woher entſtehet die Veraͤndrung? Wer hat die Baͤume
ſo behandelt?
Wie geht dieß zu? fragt die Vernunft: doch kann ſie
dieſes nicht ergruͤnden,
Nur die Erfahrung bloß allein, die große Lehrerinn,
kann finden,
Da es im Lenzen ſtets geſchieht, daß es durch keine
Zauberey,
Wie es jedoch das Anſehn hat, gewirket und entſtanden
ſey.
So bleibt denn der Vernunft nichts uͤbrig, wenn ſie es,
wie ſie ſoll, betrachtet,
Als daß ſie dieſes fuͤr ein Wunder des wirkenden Natur -
geiſts achtet.
Allein, was iſt denn der Naturgeiſt? wird man ſie
darauf billig fragen.
Hierauf wird, wenn ſie redlich beichtet, ſie dir nichts
anders koͤnnen ſagen,
Als: Er muß eine rege Kraft, die ordentlich verfaͤhret,
ſeyn;
(Denn alles, was ſie wirkt und formt, ſtimmt mit ein -
ander uͤberein
Und316Vermiſchte Gedichte
Und zielt auf einen weiſen Zweck) wodurch die Gottheit
mittelbar
Jn dem, was er erſchaffen, wirkt. Jſt dieſes dir nun
noch nicht klar;
So werden wir, nebſt der Vernunft, erkennen und be -
kennen muͤſſen:
Daß wir, ein mehrers vom Naturgeiſt, nicht faſſen
koͤnnen und nicht wiſſen,
So denn ja wohl nicht zu bewundern, da ſie von ſich ſelbſt
in der That
Nichts anders, als ein ſchwebend Meynen und dunkele
Begriffe, hat.
Jn dieſem Dunklen brennt jedoch ein herrlich unausloͤſch -
lich Licht,
Das, (da in allen Kreaturen, in den hervorgebrachten
Werken,
Ein Ordnung uͤberall zu ſehn, und eine Weisheit zu be -
merken,
Nichts von ſich ſelbſt entſtehen kann, auch nichts von un -
gefaͤhr geſchicht,)
Den wahren Gott ſo deutlich zeigt, daß unſrer Sonnen
Glanz und Schein
Den koͤrperlichen Blick und Augen nicht hell -, nicht ſicht -
barer kann ſeyn,
Als unſerm Geiſt ſein goͤttlich Weſen. Ob aber, da itzt
alles gruͤnet,
Die Gottheit ſich noch mittler Kraͤfte, und in wie fern,
dazu bedienet?
Ob die Natur ein eigenes fuͤr ſich beſtehend Weſen ſey?
Was dieß ihr Weſen eigentlich, wie fern ſich ihre Kraͤft
erſtrecken?
Von dieſen laͤßt ſich nach dem Stande des Menſchen -
geiſtes nichts entdecken.
Laßt317zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt aber dennoch die Erkenntniß der Wiſſensſchwaͤch
uns nicht erſchrecken.
Wir wiſſen hier, ſo viel wir ſollen, und zwar nach un -
ſerm Stande gnug,
Und klagen darum, daß wir hier nicht mehr erkennen,
nicht mit Fug.
Wir ſcheinen hier bloß zum Bewundern von Gott in dieſe
Welt geſetzt,
Und, im Geſchoͤpf, uns ſein zu freuen. Wie daß man
ſich denn nicht ergetzt!
Wobey man doch aus der Vernunft, auch aus der Bi -
bel, Gruͤnde nimmt,
Es hab uns Gott nach dieſem Leben zu hoͤh’rer Wiſſen -
ſchaft beſtimmt.
Fruͤh -318Vermiſchte Gedichte

Fruͤhlingsgedanken.

Mit welchem faſt fuͤr Luſt erſtaunenden Vergnuͤgen
Bemerken wir mit Recht in dieſer Zeit
Der itzt erſcheinenden Geſchoͤpfe Herrlichkeit,
Die, eh man es bemerkt, uns vor den Augen liegen.
Ein duͤnnes Gruͤn bedeckt die Felder,
Ein gruͤner Duft umwoͤlkt die Waͤlder,
Man ſiehet uͤberall aus duͤrren Flaͤchen
Sich junges Gras und Kraͤuter ſtechen,
Auch in der Luft, je mehr und mehr,
Ein zart durchſichtigs Blaͤtterheer
Aus aufgeſprengten Knoſpen brechen,
Die denn, ſo bald ſie hier und dar
Gebohren, wiederum gebaͤhren,
Und eine junge Schattenſchaar,
Durch deren Dunkelheit ihr helles Gruͤn
Sich noch zu mehren ſchien,
Uns erſt zur Augenluſt, nachher zum Schutz gewehren.
Auf Wieſen glaͤnzt, bald hier bald dort,
Ein von der Sonnen Licht durchſtraltes Spierchen Gras,
Natuͤrlich, als ein gruͤnes Glas;
Da andre, welche niedrig ſtehn
Und noch beſchattet ſind, durch ihre Dunkelheit
Der erſtern helles Gruͤn, als eine Fulg, erhoͤhn,
Zu noch vermehrter Lieblichkeit.
Den jungen Blaͤtterchen, die auf den Zweigen
So durch - als angeſtralt ſich zeigen,
Bemuͤhet ſich, dem ſo ſchon ſchoͤnen Gruͤnen
Das dunkle Blau der reinen Luft, als eine Fulge, noch zu
dienen,
Um ihre Lieblichkeit noch beſſer zu erhoͤhn.
Wenn319zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wenn wir den Blick nun wieder abwerts drehn,
Verſtummt man faſt fuͤr Luſt. Man ſieht die ſammtne
Decken
Der Wieſen, und ihr vor bloß gruͤnes Gruͤn,
Um mehr Vergnuͤgen uns noch zu erwecken,
Mit gelben Blumen uͤberziehn.
Kaum ſieht man es ſo ſchoͤn verguͤldet,
Kaum ſtralt ihr guͤldner Glanz uns ins Geſicht;
So ziehet unſern Blick ein ſilber Licht,
Das ſich inzwiſchen
Jn aufgebrochner Bluͤt auf Baͤum - und Buͤſchen
Von Fingern der Natur gebildet,
Mit neuer Luſt von neuem in die Hoͤh.
Mein Auge ſtutzt, da in ſo kurzer Zeit
Jch unſre Welt in ſolcher Herrlichkeit
Verguͤldet und verſilbert ſeh,
Wobey von Gras und Laub das faſt ſchmaragdne Gruͤn
Noch deſto lieblicher zu glaͤnzen ſchien.
Aria.
Goͤnn, Herr, deinen Kreaturen,
Daß ſie deiner Weisheit Spuren
Und die Proben deiner Macht,
Jn derſelben Schmuck und Pracht,
Mit vernuͤnftgen Augen ſehn;
Und wenn wir an ihren Schaͤtzen
Uns vergnuͤgen und ergetzen,
Wir mit Luſt und Dank geſtehn:
Daß ſie, bloß durch dich, ſo ſchoͤn.
Aber -320Vermiſchte Gedichte

Abermalige Fruͤhlingsgedanken.

Unendliche Quelle der Quellen des Lichts,
Du Sonne der Sonnen, ſelbſtaͤndiges Leben,
Der alle Geſchoͤpfe dem Abgrund des Nichts
Entzogen, und ihnen ihr Weſen gegeben
Aus dem, was durch jene, die himmliſchen Graͤnzen,
Mit alles belebenden fruchtbarem Glaͤnzen,
Verherrlichet, ſchmuͤcket, beweget, erfuͤllt,
Jn nimmer verſeigenden Ueberfluß quillt:
Ach laß mich auf Erden dein weiſes Regieren
Mit innigſt geruͤhrtem Gemuͤthe verſpuͤren,
Der Liebe genießen, dein Allmacht verehren,
Die Sinnen gebrauchen, dein Lob zu vermehren,
Zumal mich an allen erfreulichen Schaͤtzen
Und Wundern, des lieblichen Fruͤhlings, ergetzen!
Durch der Sonnen Gegenwart
Loͤſt ſich alles, was erſtarrt:
Was vorhero faſt verſteinet,
Schmilzt, ſo bald ſie kraͤftig ſcheinet.
Da itzo die Geſtalt der Erden
Sich abermal verjuͤngt, die duͤrren Waͤlder gruͤn,
Die Felder durch den milden Stral der nahen Sonne traͤchtig werden,
Da Wieſ - und Gaͤrten ſich mit Blumen uͤberziehn,
Empfindet mein geruͤhrt Gemuͤthe,
Jn dieſen Wundern, deſſen Guͤte,
Der dieſer Kreaturen Pracht,
Uns zu beluſtigen, hervorgebracht,
Uns321zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Uns Seel und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen,
Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht
Gebrauchen, und dem Geber nicht
Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen!
Jch will mich wenigſtens beſtreben,
Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt,
Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt,
Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern Drang getrieben,
Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd her - vorzuſchieben.
Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo - den zieren,
Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder - chen formiren
Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne Sonnenſtralen,
Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt - und abends Oſtwerts mahlen.
Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo eng verſchrenkt,
Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute, durch den Weſt
Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich der Stiel verlaͤngt,
Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich bewegen laͤßt.
So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen ſchwebend ſcherzen,
Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden ſchwebend ſchwaͤrzen,
XDen322Vermiſchte Gedichte
Den Schmuck der Welt durch Schatten mehren, und, durch den Gegenſatz das Licht,
Das doch fuͤr ſich ſchon ſchoͤn genug, noch zu erheben, zu vermehren.
Jch vermag mich, an den Wundern, großer Schoͤ - pfer! die ſo ſchoͤn,
Die ſo lieblich, die ſo praͤchtig, dir zum Ruhm, nicht ſatt zu ſehn.
Keine Wolluſt auf der Welt, keine Luſt und Freud auf Erden
Kann, mit dieſer ſanften Wolluſt, kann, mit dieſer Luſt und Freude,
Wenn ich, mit geruͤhrtem Denken, Augen, Seel und Sinnen weide
Am Geſchoͤpf, und Gott in ihnen finde, je verglichen werden.
Was ſieht man jetzt fuͤr ſchoͤne Farben, da Millionen Blumen bluͤhen,
Wenn ſie der Sonnen Glanz durchſtralt, in Millionen Blumen, gluͤhen!
Was brechen ſtuͤnd - und augenblicklich im bunt - und figurirten Flor
Auf flacher Erd, auf hohen Baͤumen, fuͤr Fruͤhlings - kinderchen hervor!
Da jene ſchimmert, dieſe bluͤhn,
Wovon die meiſten fruͤh ſich oͤffnen, des Abends ſich zu - ſammenziehn,
Wie ich es offt mit Luſt bemerkt. Was liegt, im zaͤrt - lichen Geaͤder
Und ihren duͤnnen Zaͤſerchen, fuͤr eine Spring - und rege Feder,
Die323zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die ſie entſchließt und wieder ſchließt? Zeigt dieſes uns nicht offenbar,
Daß ſie allein fuͤr uns gemacht.
Des Tages, wenn wir ſehen koͤnnen, eroͤffnet ſie uns ih - re Pracht
Und ſie verſteckt ſich in der Nacht.
Auf Wieſen ſchmuͤckt der meiſten Blumen Schaar
Ein gelber Glanz, die Bluͤt ein weißer Schein.
Es faͤllt hiebey mir folgends ein:
Bewundert doch, zumal zur Fruͤhlingszeit,
Des milden Himmels holde Guͤte,
Jndem er euch faſt mit Gewalt erfreut.
Denn, da das menſchliche Gemuͤthe
Allein dem Gold und Silber hold;
Faͤrbt er ſo Feld als Luft, in gelb - und weißer Bluͤte,
Wie Silber und wie Gold.
X 2Nacht -324Vermiſchte Gedichte

Nachtvergnuͤgen.

Du liebliches alles verſilberndes Licht,
Vergnuͤgſt, in angenehmer Stille,
Durch deines gemilderten Glanzes Fuͤlle,
Von Schatten begleitet, der Menſchen Geſicht.
Durch dich bemuͤhet ſich, in ruͤckwertsfallnden Stra - len,
Der Urſprung deines Lichts, die Sonn, auch in der Nacht,
Die durch der ſchwarzen Schatten Macht
Entfaͤrbte Welt, aufs neu zu ſchmuͤcken und zu mahlen.
Es zieret dein gedaͤmpfet Licht,
Die Gegenwuͤrfe zwar ſo hell und kraͤftig nicht;
Doch blendet es auch nicht ſo ſehr,
Dein Schimmer brennt auch nicht. Vielmehr
Ergetzt dein Glanz, der lieblich, ſanft und kuͤhl,
Nebſt dem Geſicht, auch das Gefuͤhl.
Wie angenehm ſpaziert ſichs nicht
Jn deinem ſanft gedaͤmpften Licht!
Das, da es ſanft durchs Auge dringet,
Und dennoch ſo viel Schoͤnheit weiſ’t;
Selbſt, den auch ſanft geruͤhrten Geiſt,
Zu einer ſuͤßen Stille, bringet.
Doch dann, wenn deine weiße Glut,
Von angeſtralter glatten Flut,
Und Fenſterſcheiben, ruͤckwerts ſpringet,
Und ſolche helle, ſchnelle, ſpitze
Und winkeliche reine Blitze
Durch dieſen Wiederſchlag entſtehn,
Die ſelbſt ins Hirn, durchs Auge, gehn;
Wird325zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wird der ſonſt ſtille Geiſt, geruͤhret,
Zu einer neuen Luſt gefuͤhret.
Er denkt, und denket anders nichts,
Als an die große Quell des Lichts,
Wodurch, im Raum, der unbegraͤnzet,
So manches Heer von Sonnen glaͤnzet,
Und das ihn, fuͤr des Lichtes Pracht,
Schon hier auf Erden, ſinnlich macht.
Voll Hoffnung, daß ihn dort einmal,
Nach abgelegtem Stoff der Erde,
Ein heller Licht, ein reinrer Stral
Vergnuͤgen, laben, naͤhren werde.
X 3Zum326Vermiſchte Gedichte

Zum Fruͤhling.

Der laue Luftkreis, angefuͤllt mit einer fruchtbarn
Lebenskraft,
Senkt ſein verliebtes maͤnnlichs Feuer, in eines dichten
Negens Saft
Jn die geliebte Schooß der Erde, die lange nichts von
ihm genoſſen:
Ob nun dieſelbe noch ſo groß,
Wird, da ihr Braͤutigam noch groͤßer, ihr ganzer Koͤrper
uͤbergoſſen
Mit Anmuth und mit Fruchtbarkeit. Woraus, in unge -
zaͤhlter Menge
Und faſt mit ſichtbarem Gedrenge
Die angenehme Fruͤhlingskinder, Laub, Aehren, Gras
und Blumen ſproſſen.
Vernuͤnft’ge Menſchenſeel erwaͤge, in dieſer Handlung,
doch die Spur
Von einer, dir allein zum Nutzen, ſo aͤmſig wirkenden
Natur,
Und in derſelben deſſen Weisheit, der aller Himmel Him -
mel Kreiſe,
Der alle Sonn - und Welten ſchuf und lenkt, auf ſolche
weiſe Weiſe.
Das327zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Das rechte Leben.

Jch leb und fuͤhle daß ich lebe. Jndem mich Gottes
Werke ruͤhren,
Und meine Seel, in dem Genuß, geſchickt ſich ſelbſt zu
uͤberfuͤhren,
Daß Gott, ſo ſie als mich gemacht,
Auch, da ich fuͤr ſie ſinnlich bin, daß ſie fuͤr mich her -
vorgebracht;
Kann ich in der erwognen Luſt, zugleich, ſie, mich, und
Gott verſpuͤren.
Dieß uͤberlegen, dieß empfinden und dieß bewundern,
dieß iſt eben,
Und zwar allein, ein wahres Leben.
X 4Der328Vermiſchte Gedichte

Der Geruch.

Der Blumen Balſam zu genießen,
Riecht unſre Seele kraͤftiger, wenn wir im Ruch
die Augen ſchließen.
Sie ſchließen ſich auch von ſich ſelbſt, vermuthlich daß
wir unſer Denken,
Von Gegenwuͤrfen nicht zerſtreut, mehr auf die Luſt im
Riechen lenken,
Uns mehr daran ergetzen ſollen. Jch ſeh dieß, als ein
Wunder, an,
So ſonder Abſicht nicht gewirkt, und danke Gott, daß ich
die Gabe
Bedachtſamlich zu riechen habe,
Daß ich ſo dann die Augen ſchließen, und ſie ſchnell wieder
oͤffnen kann.
Die329zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Schatten.

Um das, was an ſich ſelbſt ſchon ſchoͤn,
Doch deſto mehr noch zu erhoͤhn,
So wachſen itzt auf Baͤum - und Matten
Mit jungen Blaͤttern, junge Schatten,
Die, um die helle Zierlichkeit
Des ſchoͤnen Urbilds zu verbeſſern,
Durch ihre nahe Dunkelheit,
Sich jeden Augenblick vergroͤßern,
Um nicht nur unſre Luſt zu mehren
Jn der, durch ihre holde Nacht,
Annoch erhobnen Farben Pracht;
Nein, auch noch Kuͤhlung zu gewehren;
Und vor dem gar zu ſchwuͤlen Blitzen
Des ſtrengen Sonnenſtrals zu ſchuͤtzen.
Wodurch man in der That erfaͤhrt,
Daß, wenn die Hitze ſich vermehrt,
Sich auch die Mittel, die dagegen,
Fuͤr uns zugleich zu mehren pflegen.
Wird dann hiedurch nicht klar verſpuͤrt,
Da ſo viel Guts fuͤr uns erleſen,
Es werde, durch ein weiſes Weſen,
Die Welt regieret und geziert;
Und daß fuͤr ſo viel edle Gaben,
Woran wir, bloß durch ihn, uns laben,
Jhm Ehre, Preis und Dank gebuͤhrt?
X 5Die330Vermiſchte Gedichte

Die ſchoͤne Welt.

Mein Gott, laß meine Seele doch, durch deiner Krea -
turen Zier,
Wovon ſo Erd als Himmel voll, in dir gefaͤlligem Ver -
gnuͤgen,
Voll heiliger Betrachtung jetzt und voll Bewundrung,
ſich zu dir,
Mit Loben und mit Danken, fuͤgen!
Jch ſeh den hellen Himmel an. Erquickt durch ſein ent -
woͤlket Licht,
Das, wie aus einem hellen Born, aus der beflammten
Sonne quillet,
Und durch der Stralen feurig Meer des Firmamentes
Tiefen fuͤllet,
Bewundr ich nicht nur dieſes Wunder; auch mein von
Gott geſchenkt Geſicht,
Das ſich am Licht, auch an den Schaͤtzen, die es uns zeigt,
ergetzt und naͤhret,
Und billig den, der jenes ſchuf und dieß mir ſchenket,
preiſt und ehret.
Drauf ſenk ich Blick und Geiſt herab, um, an der Erden
bunten Schaͤtzen,
Vom Licht gezeuget und gezeigt, mich, durch die Augen,
zu ergetzen.
Bevor ich nun herab gelange, durchdringt mein Blick
das Reich der Luft,
Jn welchem mir ein neu Vergnuͤgen, mich etwas aufzu -
halten, ruft,
Jn -331zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Jndem ich ihrer ſchoͤnen Buͤrger geſchwinden Flug, und
helle Choͤre
Harmoniſch modulirend ſingen und lieblich gurgeln, ſch
und hoͤre.
Hieruͤber mehrt ſich mein Vergnuͤgen und die geruͤhrte
Seele denkt,
Wie liebreich der, der mir nicht nur das Aug, auch das
Gehoͤr geſchenkt.
Seh ich darinn zugleich ſo manche gefaͤrbte Schmetter -
linge fliegen,
Vermehrt, an den lebendgen Blumen im Luftreich, ſich
noch mein Vergnuͤgen.
Darauf erblick ich hoher Berge mit Laub und Kraut be -
kraͤnzte Gipfel,
Dann, theils durch junges Laub gebogner, theils lieblich
bluͤhnder Baͤume Wipfel,
Dann gruͤne Schatten niedrer Buͤſche, vom Schall der
Nachtigall belebt,
Die um ihr erſt verfertigt Neſtchen mit klingendem Ver -
gnuͤgen ſchwebt.
Dann ſieht mein Blick mit neuer Luſt ein gruͤnes wallend
Aehrenmeer,
Dann auf den bunt bebluͤmten Wieſen, von fetter Milch
und Wolle ſchwer,
Von Kuͤhen, Schafen und von Ziegen, von Laͤmmern,
Ochſen und von Pferden,
Die ſich, um uns zu naͤhren, naͤhren, zufriedne unge -
zaͤhlte Heerden.
Dann ſeh ich, von den kuͤhlen Baͤchen, die klare nimmer
ſtille Flut,
Durch Wieſen, die ſie traͤnkt, ſich ſchlaͤngeln, worauf
bald hier des Himmels Glut,
Jn332Vermiſchte Gedichte
Jn einem ſilberweißen Glanz, und dort ein gruͤner Schat -
ten, ruht,
Von hohen Baͤumen, holden Buͤſchen und Kraͤutern, die
von nahen Huͤgeln
Den Schmuck fuͤr uns noch zu verdoppeln, im ſchoͤnen
Wiederſchein ſich ſpiegeln.
Dann ſeh ich tief und breite Fluͤſſe in ſanft - und ſtren -
gem Drange fließen,
Bedeckt von Schiffen, voller Fiſche, und ſich zuletzt ins
Meer ergießen,
Jns grund - und graͤnzenloſe Meer, das eine ganze neue
Welt
Bekannt - und unbekannter Wunder, in ſeiner dunklen
Schooß enthaͤlt.
Zuletzt erblickt mein Auge, Gaͤrten: die von den zierlich -
ſten Figuren
Und von den lieblich gluͤhnden Farben, erſchaffner ſchoͤ -
ner Kreaturen
Der Auszug und der Jnbegriff, worinn der Schmuck
der ganzen Erden,
Gras, Kraͤuter, Blumen, Bluͤte, Fruͤcht, als ſo viel
Wunder, ſichtbar werden,
Sammt Baͤumen, Stauden und Alleen. Woſelbſt ſich die
Natur bemuͤht,
Verbunden mit der Hand der Kunſt, durch die ſie ſich ge -
holfen ſieht,
Das durch die Sinne mit der Welt vereinte menſchliche
Gemuͤth
Mit den von ihr ſo wunderbar auf dieſer Welt formirten
Schaͤtzen
Auf tauſend Arten zu vergnuͤgen, durch alle Sinne zu
ergetzen.
Warum333zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Warum willt du denn, lieber Menſch, dem Gott, der die -
ſe ſchoͤne Welt
Nur dir zu Gut ſo herrlich ſchmuͤckt, und dem nur deine
Luſt gefaͤllt,
Zur Ehr und Luſt, dich nicht vergnuͤgen? Warum ſoll
ſeiner Gottheit Schein,
Der aus den ſchoͤnen Werken ſtralet, dir, wie dem Vieh,
verborgen ſeyn?
Er wollte Weisheit, Lieb und Macht durch deine Sinnen
dir entdecken:
Du willt zu ſeinem Ruhm nicht ſehn, nicht hoͤren, fuͤh -
len, riechen, ſchmecken.
Ehrer -334Vermiſchte Gedichte

Ehrerbietige Gedanken von der Gottheit.

Raum des unumſchraͤnkten Raums! Quell des Lebens und des Lichts!
Aller Geiſter, aller Koͤrper Urſtand! Weſen aller Weſen!
Herr und Seele der Natur! der die Kreatur aus Nichts
Werden hieß, und ſie zum Vorwurf ſeiner Vaterlieb er - leſen,
Bloß um ihnen wohl zu thun! Mehr als dieß von dir zu faſſen,
Unterſagt uns die Vernunft, die uns unterweiſt und lehrt,
Daß man durch Bewundrung bloß, dich am wuͤrdigſten verehrt,
Und daß ſich, von Kreaturen, Gott nicht kann begreifen laſſen.
Es iſt eine Gottheit anders, ſie wirkt anders, und ſie denkt
Anders als das, was kein Gott wirken und gedenken kann.
Saͤhen Menſchen, einen Thiergeiſt, deſſen Wiſſen einge - ſchraͤnkt,
Wenn er denken wollt, als wir, nicht mit Recht, fuͤr thoͤricht an;
Wuͤrd, an einem Menſchengeiſt, ſich die Thorheit nicht noch haͤufen,
Wenn er ſich, was unbegreiflich, unterſtuͤnde zu begreifen
Und wie Gott denkt, denken wollte,
Da ja, in weit hoͤherm Grad, als wie wir vor einem Thier,
Ja im Grade der unendlich, Gott erhabener als wir?
Die335zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Erkenntniß, daß Gott anders wirken, ſeyn und denken muͤſſe,
Als wir wirken, ſind und denken, ſind der edlen De - muth Schluͤſſe,
Die, da ſie uns Gott als Gott, uns, als uns, erken - nen lehrt;
Jm erſtaunenden Bewundern Gott am wuͤrdigſten ver - ehrt,
Und zugleich uns alles Gruͤbeln, alles Zanken unterſa - get,
Wodurch, in Religionen, man ſich, bloß aus Hochmuth, plaget,
Sich verketzert, ſich verfolget, ſich ermordet, ſich ver - jaget.
Weil der anders, als der andre, von der Gottheit We - ſen denkt,
Haͤlt ein jeder ſich befuget, daß er jenen haßt und kraͤnkt.
Keine Marter iſt ſo groß, die, der ſich verfuͤhrnde Wahn
Eines beſſern Gotteskenners, nicht dem andern ange - than.
Kann aus der ſo ſchoͤnen Quelle, wie der Gottesdienſt, auf Erden
Eine Quelle ſolcher Laſter, ſolcher Greuelthaten wer - den?
Nein, es iſt die Quelle nicht: Stolz und Geiz ſind ſchuld daran,
Daß man Menſchen von den Teufeln kaum nur unter - ſcheiden kann.
Wollte man die Gottheit doch, wie ſie ſich will faſſen laſſen,
Und336Vermiſchte Gedichte
Und nicht, aus verdammtem Hochmuth, ſeine Groͤß, als menſchlich, faſſen!
Wahre Gottheit! ſtaͤrke mir meinen Glauben! Laß das Licht
Deiner Weisheit mich beſtralen! Laß mich keinen Unter - richt
Von dem Witz der Menſchen borgen! Laß mich, bloß aus deinen Werken,
Deine wahre Wirklichkeit, Allmacht, Lieb und Weisheit merken!
Bin ich gluͤcklich, laß mich danken, und, in Widerwaͤr - tigkeit,
Da ja beydes deine Schickung, ſchenke mir Gelaſſenheit!
Laß mich alle Menſchen lieben, doch am innigſten die Chriſten,
Die ſich nicht aus Leidenſchaft, ſtraͤflich mit einander zwiſten.
Laß dich, mein Begriff von dir, da er wenigſtens nicht klein,
Ewige ſelbſtaͤnd’ge Wahrheit, wahr, und dir gefaͤllig ſeyn!
Raum des unumſchraͤnkten Raums! Quell des Lebens und des Lichts!
Aller Geiſter, aller Koͤrper Urſtand! Weſen aller Weſen!
Herr und Seele der Natur! der die Kreatur aus Nichts
Werden hieß, und ſie zum Vorwurf ſeiner Vaterlieb erleſen,
Bloß um ihnen wohl zu thun! Bloß auf deine Lieb allein
Bau ich meinen Glauben, daß ich ewig werde gluͤck - lich ſeyn.
Ver -337zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Vergnuͤgen auf unſrer Lagerſtatt.

Wenn wir oft, nach ſanftem Schlaf, nebſt den Glie - dern, unſre Sehnen,
Jn Veraͤndrung unſrer Lage, ſanfte von einander deh - nen,
So iſt unſer Geiſt und Koͤrper ſo vom Schoͤpfer zuge - richt,
Daß man eine Luſt verſpuͤrt, merkt man es gleich leider! nicht.
Dauret dieß Vergnuͤgen nun gleich nur einen Augen - blick,
Jſt es doch von unſerm Leben ein, obgleich nur kleines, Stuͤck;
Und, da wir es oft empfinden, muß ein ofters Theil, das klein,
Wenn man ſie zuſammen nimmt, billig groß gerechnet ſeyn.
Um denn nun ein ſolch Vergnuͤgen, wie vorhin, nicht zu verlieren,
Laßt uns uns dazu gewehnen, mit Bedacht es zu verſpuͤ - ren;
So erhalten wir im Leben nicht nur ein Vergnuͤgen mehr,
Sondern es gereicht zugleich dem, der es uns ſchenkt, zur Ehr.
YO Gott,338Vermiſchte Gedichte
O Gott, der du mich ſo formiret,
Und mich ſo zugerichtet haſt,
Daß mich oft ein Vergnuͤgen ruͤhret,
Und mein Geiſt eine Luſt verſpuͤret,
Die ſich, ohn andern Vorwurf, faſt
Unmittelbar in mir gebieret:
Ach laß mich, Schoͤpfer, dir allein,
Jndem ich, beym Empfinden, denke,
Fuͤr dieß betraͤchtliche Geſchenke,
Oft, bey der Anmuth, dankbar ſeyn!
Neue339zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Neue Betrachtungen uͤber die in der Welt vorhandene Vortrefflich - keiten.

Wenns moͤglich waͤre, jungen Seelen,
Noch ehe ſie gebohren werden,
Von aller Schoͤnheit unſrer Erden,
Was vorzuſtellen, zu erzaͤhlen;
Man gaͤbe ſelbigen Bericht
Von Sternen, Mond und Sonnenlicht,
Vom Wechſel zwiſchen Tag und Nacht,
Von der bebluͤmten Gaͤrten Pracht,
Von blaͤttervollen, ſchattenreichen, und angenehmen kuͤh -
len Waͤldern
Mit Singevoͤgeln angefuͤllt, von angeſtralten gruͤnen
Feldern
Durchwirkt mit tauſendfaͤrbgen Blumen, von diaman -
tengleichem Thau
Fruͤh angefriſcht, geſchmuͤckt, beperlet. Durch deren
kraͤuterreiche Flaͤche
Sich fließende Cryſtallen ſchlaͤngeln und klare ſilbergleiche
Baͤche
Bald von der Sonnen Stral gefaͤrbt, bald durch der
Luft ſapphirnes Blau,
Bald vom ſmaragdengleichem Gruͤnen bebuͤſcht - und dick -
begraſter Huͤgel;
Wuͤrd ihnen ferner von der Welt
Die auf - und untergehnde Sonne, der Zeiten Wechſel,
nebſt den Fruͤchten,
Y 2Die340Vermiſchte Gedichte
Die nimmermehr gezaͤhlte Menge von ſo viel niedlichen
Gerichten,
Woran ſie ſich vergnuͤgen ſollen, auch von den Blumen
vorgeſtellt;
Nicht minder, das ſo mancherley zu ihrer Luſt erſchaffne
Vieh,
Der ſuͤſſe Wohllaut der Muſik, und ſonderlich die holden
Triebe,
Die Luͤſte, die nicht auszudruͤcken, von einer zugelaßnen
Liebe.
Was meynt mein Leſer, wuͤrden ſie
Nach einem ſolchen Aufenthalt mit vieler Sehnſucht, ohn
Verweilen,
Nach aller Moͤglichkeit nicht eilen?
Wir aber, die wir wirklich da, und die wir alle dieſe
Gaben
Jn unſerm wirklichen Beſitz, zu unſrer Luſt, unleugbar
haben,
Ja, die wir glauben, daß der Schoͤpfer ſie uns zur Luſt
geſchenkt und wolle,
Daß man in ſeinen ſchoͤnen Werken, zu ſeinem Ruhm, ſich
freuen ſolle,
Seyn, ſo fuͤr ſie, als ihrem Geber, ſo unempfindlich als
ein Stein:
Was muß daran wohl Urſach ſeyn?
Noth -341zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nothwendigkeit Gottes Werke zu betrachten.

Die ſchoͤn gefaͤrbten Blumen bluͤhn,
Kraut, Waͤlder, Gras, und Felder gruͤnen.
Wenn ſie nun, Menſchen zu vergnuͤgen, und, in der Luſt,
zu Gott zu ziehn
Durch froͤliche Bewunderung und durch Erkenntlichkeit,
nicht dienen;
So ſaget mir, ihr Menſchen, doch: fuͤr wen ſie bluͤhn?
fuͤr wen ſie gruͤnen?
Y 3Unter -342Vermiſchte Gedichte

Unterſuchung unſers Weſens.

Wenn, aus einer ſprudlenden Quelle, Waſſer un - aufhoͤrlich quillt,
Scheint mir ſelbes faſt ein Bild,
Wie, aus unſern ſinnlichen Seelen, immer, wenn irdiſche Koͤrper ſie ruͤhren,
Unaufhoͤrlich und immer Jdeen
Steigen, ſich zeugen, formiren, entſtehen:
Welche, gefuͤget, Gedanken formiren.
Dieſe Gedanken in Ordnung zu bringen
*Die hauptſaͤchlichſte Kraft unſrer Vernunft beſte - het wohl darinn: unſere Jdeen und Gedanken in Ordnung zu bringen, nicht aber in goͤttliche Jdeen einzudringen, und mit ihnen auf dieſelbe Weiſe zu verfahren.
*, brauchet es einer vernuͤnftigen Kraft,
Deren verborgenen Eigenſchaft
Eigentlichs Weſen, iſt nicht zu erkennen,
Scheint jedoch eben das, welches wir Geiſt in der gewoͤhnlichen Redensart nennen.
Ob nun gleich durch dieſen Schluß, wie ich ſelber muß geſtehen,
Jn der Kenntniß unſers Weſens wir nicht eben weiter ſehen;
Scheint er uns doch dieß zu zeigen: unſer wahres We - ſen ſey
Ein aus Koͤrper, Seel und Geiſt eigentlich vereintes Drey.
Dieſer343zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Dieſer Ausſpruch meines Geiſtes, da er ſich ſelbſt un - terſucht,
Scheint, der einzgen Wahrheit Quelle, naͤmlich der Erfahrung, Frucht;
Welcher, wenn man, bloß aus Stolz, alle Wahrheit nicht will ſchwaͤchen,
Und, aus Vorurtheil, nicht fehlen; billig nicht zu wider - ſprechen.
Doch noch weiter: waͤr es wohl unſerm Geiſte zu ver - uͤbeln,
Zur Erkenntniß unſers Ganzen, ſich noch tiefer zu er - gruͤbeln?
Sollte die vernuͤnftge Kraft, wenn ſie auf ſich ſelbſt ſich lenkt,
Nicht was mehr von ſich entdecken, als wenn ſie auf ſich nicht denkt,
Oder andre denken laͤßt? Wenigſtens faßt dieß mein Geiſt,
Daß er ſich ſelbſt, nicht mit Unrecht, eine Kraft die den - ket, heißt.
Aber, faſſ ich auch, was Kraft? weis ich auch, was Denken ſey?
Welches in der That doch noͤthig zu begreifen und zu wiſſen?
Nein: und aus der Urſach eben bleibt mein Geiſt mit Recht dabey,
Daß wir auf der Welt erſchaffen zum Bewundern, zum Genießen,
Und daß wir, daß wir hier bloß meynen ſollen, meynen muͤſſen,
Welches mich nicht fremde deucht. Hat denn Gott den Erdenkreis
Y 4Etwan344Vermiſchte Gedichte
Etwan ſo erſchaffen muͤſſen, daß das menſchliche Ge - ſchlechte
Aller Dinge Grund erkennte, wenn es ſie nur uͤber - daͤchte,
Und faſt beſſer, als ein Engel, ſich begreif, und alles weis?
Jch erkenn den großen Vorzug, welchen wir, vor an - dern Thieren,
An weit feinern Seelenkraͤften in der That in uns ver - ſpuͤren;
Aber, daß ſich dieſe Kraft ſo unendlich weit erſtrecke,
Daß ſich uns hier alles das, was ein Engel faßt, ent - decke:
Dieß waͤr ein zu großer Sprung, welchen wir, in allen Werken
Der bewegenden Natur, nirgend ſehen, nirgend mer - ken.
Scheints demnach, daß die Vernunft, durch die regel - rechtſte Schluͤſſe,
Dieß von ihren eignen Kraͤften billig folgern ſoll und muͤſſe:
Daß die ſtrenge Wiſſensſucht hier auf Erden, und der Wille
Alles gruͤndlich zu begreifen, bloß aus unſerm Hochmuth quille.
Noͤthi -345zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Noͤthige und nuͤtzliche Betrachtungen uͤber unſere Pflichten.

Ein ſinnlichs, ein empfindlichs Herz gieb mir, o Gott! fuͤr deine Werke,
Daß ich, ſo oft ich ſie genieße, dein Daſeyn, deine Lie - be merke!
Vermehr in mir die Kraft der Seele, die ſinnlich! laß mich das, was ſchoͤn,
Empfinden, hoͤren, ſchmecken, ſehn!
Vor allen aber laß die Kraft zu uͤberlegen, zu verſtehn,
Daß alles bloß aus dir nur ſtamme, ſich auch ſowohl als jene mehren;
Weil, durch die Kraft zu uͤberlegen, die reichen Schaͤtze dieſer Erden
Nur ganz allein mein eigen werden,
Nur bloß durch ſie mir zugehoͤren.
So viel ich meine Seele kenne, fuͤhl ich, daß ſie zwo Kraͤft enthaͤlt:
Die rege Kraft, zu uͤberlegen, und das Vermoͤgen, zu empfinden.
Vereinen ſich nun dieſe Kraͤfte mit jedem Vorwurf in der Welt,
So daß in ihrer Pracht und Ordnung ſie ihren großen Urſtand finden;
Genießt man ſie nach Gottes Abſicht; Genießt man ſie nach unſrer Pflicht.
So lange ſie ſich aber ſcheiden, iſt, nebſt dem Werkzeug ihrer Sinnen,
Selbſt ihre Kraft, die ſinnlich, todt; ſie hat die Welt und hat ſie nicht;
Y 5Der346Vermiſchte Gedichte
Der Erden Schaͤtze ſchwinden alle fuͤr ſie; Licht iſt fuͤr ſie nicht Licht,
Wofern ſie die Empfindungskraft zugleich mit ihrer Kraft zu denken
Auf der Geſchoͤpfe Pracht und Ordnung und Schmuck nicht wuͤrdiget zu lenken.
Durch Denken eignet ſie die Welt ſich zu, durch Den - ken ganz allein:
Ja ſie erblicket, bloß durch Denken, den ſonſt fuͤr ſie ver - borgnen Schein
Von der darinn vorhandnen Gottheit. Wer wollte ſich denn nicht bemuͤhn,
Die, fuͤr uns drinn geſenkte, Luſt aus ſeiner Kreatur zu ziehn,
Um, auf ſo anmuthvollem Wege, zugleich zur Gottheit zu gelangen,
Die ſich in ihnen offenbart,
Auf eine Menſchen Saͤtz und Lehren unendlich uͤberſtei - gend Art,
Und die wir, durch der Sinnen Werkzeug, aus ſeiner Kreatur empfangen.
Jn dieſer Offenbarung miſcht kein Jrrthum und kein Fehl ſich ein;
Kein aus der Menſchen Thorheit bloß entſtandne Ketzer - machereyn;
Die Schande menſchlichen Geſchlechts, des Hochmuths und des Geizes Brut.
Die drinn vorhandne lichte Lehre koͤmmt allen Sterbli - chen zu Gut,
Und, ihrem großen Urſprung gleich, iſt ſie, ſo wahr als allgemein.
Jedoch347zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Jedoch bey dieſer großen Wahrheit wird mancher, und zwar billig, fragen,
Wie koͤmmts, daß ſich die meiſten Menſchen bey ihr ſo wunderlich betragen?
Daß faſt die meiſten blind und taub am Geiſt ſowohl, als Koͤrper, ſeyn?
So muß ichs leider! zugeſtehen,
Daß die Erfahrung der Bernunft faſt allenthalben wi - derſpricht,
Und daß ſo viele Nationen in dieſem Stuͤcke ſich verge - hen;
Jndem ſie, im Genuß der Welt, nicht Gott in ihrer Luſt erhoͤhen,
Sich nicht vergnuͤgen, Gott nicht preiſen, was Herrlichs in der Welt geſchicht,
Nicht ihres Anblicks wuͤrdig achten. Sie ſcheinen in dem Wahn zu ſtehen,
Daß, durch Verachtung ſeiner Wunder und ſeiner Kreatur auf Erden,
Sie Gott den Himmel abverdienen, die Seligkeit erlan - gen werden.
Dieß ungluͤckſelige Betragen der Sterblichen faſt uͤberall
Bringt die Vernunft auf die Gedanken von einem einſt geſchehnen Fall,
Wovon ſie ſonſt fuͤr ſich nichts weis. Doch fuͤhlt ſie noch ein Widerſtreben,
Und meynt, die große Schwierigkeit auf eine leichte Art zu heben.
Vielleicht iſt die Natur des Menſchen nicht ſo erhaben, als er meynt;
Er iſt von Thieren unterſchieden, vernuͤnft’ger, beſſer: doch es ſcheint;
Da348Vermiſchte Gedichte
Da die Natur in ihren Werken auf einmal keine Spruͤnge macht,
Sie hab ihm einen großen Vorzug, doch nicht ſo groß, ihm zugedacht,
Als er ihn ſich ſucht zuzueignen. Von Eigenlieb und Stolz verfuͤhret,
Schreibt er ſich ſolche Weisheit zu, die kaum den Engeln ſelbſt gebuͤhret;
Da ſein betruͤbt Betragen doch, ſein Jrren, ja ſein ganzes Leben
Von ſeiner Schwaͤch und ſeiner Noth ihm uͤberzeuglich Proben geben
Und ſeine Bloͤße zeigen ſollte. Jnzwiſchen iſt er groß genug;
Jndem er, durch des Schoͤpfers Guͤte, in ſolchem Stande ſich befindet,
Sein Wiſſen immer zu vergroͤßern:
Und, wenn er ſeines Schoͤpfers Macht und Lieb, in ſei - nem Werk, ergruͤndet,
Jm froͤlichen Genuß ihm dankt, ſein Weſen wirklich zu verbeſſern,
Und in dem Glauben ihn zu ſtaͤrken, ihm werde Gott nach dieſem Leben,
Wenn er auf Erden ſeine Pflichten,
Jn der Bewundrung ſeines Schoͤpfers bemuͤht geweſen, zu verrichten,
Zu einem ſeligern Vergnuͤgen noch immer mehr Erkennt - niß geben.
Um nun, durch hieſiges Vergnuͤgen, zu jener kuͤnft’gen Seligkeit
Um deſto ſichrer zu gelangen, weil wir nichts von uns ſelber koͤnnen;
Laßt349zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns in kindlichem Vertrauen nur Gott allein die Ehre goͤnnen,
Jhn bitten, daß er unſre Kraͤfte der Seele mehr in dieſer Zeit,
Und daß, zu ſeiner heil’gen Ehre,
Er unſer heißes Flehn erhoͤre:
Ein ſinnlichs, ein empfindlichs Herz gieb mir, o Gott! fuͤr deine Werke,
Daß ich, ſo oft ich ſie genieße, dein Daſeyn, deine Liebe merke!
Das350Vermiſchte Gedichte

Das groͤßte Laſter.

Wenn man ſich unſern Kreis der Welt
Vor unſers Geiſtes Auge ſtellt;
Wird man auf Bergen und in Gruͤnden
An keinem Orte Suͤnde finden;
Sogar bey wild - und zahmen Thieren,
Jn Luͤften, Waſſer und Gebuͤſchen,
Bey Ungeziefer, Voͤgeln, Fiſchen
Sind keine Suͤnden zu verſpuͤren.
Luft, Erde, Feuer, Licht und Flut,
Kurz: alle Kreatur iſt gut.
Der Menſch iſt leider! ganz allein,
Wo Suͤnden anzutreffen ſeyn.
Doch halt: mich deucht, daß ich befinde,
Daß, da an ihm ſein Leib und Blut,
Wie andre Kreaturen, gut,
Auch ſeine Haͤlfte ſonder Suͤnde.
Einfolglich muß ſein Geiſt allein
Der Quell und Sitz der Suͤnden ſeyn.
Dieß iſt entſetzlich: ich erſchrecke,
Daß ich dieß Gift, nach dem Bericht,
Jn der Vernunft, des Himmels Licht,
Jm Geiſt, der Gottes Hauch, entdecke.
Man hoͤret dieß von Jugend auf;
Man achtet aber gar nicht drauf,
Und laͤßt es bey dem bloßen Hoͤren;
Da es doch wohl der Muͤhe werth,
Und es zu unſrer Pflicht gehoͤrt,
Sich hierinn beſſer aufzuklaͤren.
Laßt351zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns zu Anfang uͤberhaupt,
So weit es die Vernunft erlaubt,
Der Suͤnden Weſen uͤberlegen,
Dieweil wir leider! insgemein
Durchs bloße Wort betrogen ſeyn,
Und im Begriff zu irren pflegen.
Es ſcheinet meines Geiſtes Blicken,
Daß, in der Art, ſich auszudruͤcken,
Verbrechen, Uebertretung, Suͤnde,
Jch einerley Bedeutung finde.
Nun iſt die Wahrheit allgemein,
Worauf ich meine Schluͤſſe gruͤnde;
Soll Uebertreten und ſoll Suͤnde,
Muß ein Geſetz vorhanden ſeyn.
Nun muß man ein Geſetz erkennen,
Wofern es uns verbinden ſoll.
Wird man ein ſolch Geſetz nun wohl
Aus eigner Kraft erkennen koͤnnen?
O ja. Es iſt in unſerm Geiſt
Unwiderſprechlich eine Kraft,
Die eine Richtereigenſchaft
Vom Guten und vom Boͤſen weiſt.
Allein, die Kraft iſt einfach nur;
Und ſonder alle Kuͤnſteleyen,
Wodurch die Menſchen ſie entweihen,
Jſt das Geſetze der Natur,
Das die Vernunft uns ſelbſt entdecket,
Und bloß in dieſer Vorſchrift ſtecket:
Was du nicht willt, daß dir geſchicht,
Das thu auch einem andern nicht.
Dieß Recht iſt goͤttlich, und wir finden
Ohn Widerſpruch, daß eigentlich
Die352Vermiſchte Gedichte
Die zehn Gebote Moſis ſich
Allein auf dieß Geſetze gruͤnden.
Bemuͤhe dich, ſie durchzuſehn;
So mußt du ganz gewiß geſtehn,
Daß, etwan eines ausgenommen,
Sie all aus dieſer Quelle kommen.
Wenn man hingegen dieſe Zahl
Der Suͤnden, die dieß Recht begreifet
Und unterſaget, manchesmal
Mit tauſend andern Suͤnden haͤufet;
So ſtimm ich damit uͤberein,
Wenn einige von dem Betragen,
Mit groͤßtem Recht der Wahrheit, ſagen:
Daß es nur Menſchenſatzung ſeyn.
Zwar hoͤret man auch von Verbrechen,
Die menſchliche Geſetze ſprechen;
Doch dieſes hat hier gar nicht ſtatt:
Weil hier, was eigentliche Suͤnden,
Die Gott verboten, zu ergruͤnden,
Mein Dichten bloß zur Abſicht hat.
Mich hat es gar zu oft verdroſſen,
Wenn mit faſt ungezaͤhlten Poſſen
Der Menſch die Zahl der Suͤnden mehrt,
Und bald mit ihn ernaͤhrnden Kuͤnſten,
Auch bald mit eitlen Hirngeſpinſten,
Nur die Gewiſſen mehr beſchwert;
Doch laſſen unſre Widerſacher,
Die fuͤrchterlichen Laſtermacher,
Das groͤbſte Laſter aus der Acht.
Dieß iſt die ſtraͤfliche Verachtung,
Und unterlaſſene Betrachtung
Der Wunder, welche Gott gemacht.
Gott353zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Gott zeigt ſich in der Kreatur,
Sein herrlich Werk zeigt ſeine Spur.
Was er fuͤr uns hervorgebracht,
Weiſt ſeine Weisheit, Lieb und Macht.
Ohn dieſes uns gegoͤnnte Licht,
Das, durch die Sinnen, wird verſtanden,
Wuͤßt auch die kluͤgſte Seele nicht,
Ob uͤberall ein Gott vorhanden.
Die Wahrheit zeigt uns die Erfahrung,
Und nichts iſt auf der Welt ſo klar;
Es iſt daher unſtreitig wahr,
Daß dieß die erſte Offenbarung.
Wie kann denn ein betrogner Geiſt,
Dem Gott ſich, auf die Weiſe, weiſt,
Sich von ſo heilger Ordnung trennen,
Und ſich dennoch vernuͤnftig nennen?
Jſt auch von allen andern Suͤnden
Wohl eine groͤßere zu finden,
Als Gottes Ordnung zu verlaſſen,
Und ſich, mit ſelbſterfundnen Kuͤnſten,
Mit laͤcherlichen Hirngeſpinſten
Und eitlen Grillen zu befaſſen?
Dieß unterlaſſene Betrachten
Der Wunder, welche ſeine Macht
Fuͤr uns, aus Lieb, hervorgebracht,
Heißt, im Geſchoͤpf, ihn ſelbſt verachten;
Stolz, Thorheit, Undank, Heucheley,
Geiz, Aberglaub, Abgoͤtterey,
Kann ein Vernuͤnftger leicht entdecken,
Daß ſie in dieſem Laſter ſtecken.
ZJa354Vermiſchte Gedichte
Ja dieſes nicht alleine nur;
Es iſt ein wahrer Hoͤllenſame,
Und iſt ſein eigentlicher Name:
Die Suͤnde wider die Natur.
Bemerket dieß, vernuͤnftge Lehrer!
Die Wahrheit muͤſſet ihr entdecken,
Durch euch laßt die verſaͤumten Hoͤrer
Nicht ferner in dem Jrrthum ſtecken.
Man koͤmmt nicht in der Chriſten Orden,
Wo man nicht erſt ein Menſch geworden;
Man wird ein Menſch, wenn uns geruͤhrt
Die Kreatur zum Schoͤpfer fuͤhrt.
Laßt von Artikeln in dem Glauben
Den andern euch ja keiner rauben,
Sprecht von der wahren Chriſten Pflicht!
Jedoch verſaͤumt den erſten nicht.
Die355zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Roſe.

Voller ſelbſtgewachſnen Balſams ſelbſtgewachſne Bal -
ſamdoſe,
Die vom Finger der Natur aus Rubin formiret ſcheint,
Womit ſich ein gruͤner Schmelz, dem Smaragd faſt
gleich, vereint,
Suͤſſer Duͤnſte ſanfte Quelle, Pracht der Gaͤrten, holde
Roſe!
Dein geſegnet Wiederkommen, deinen Liebreiz, deinen
Stral,
Dein bewundernswuͤrdigs Prangen, dein den Blick be -
zaubernd Glaͤnzen,
Dein ambrirte ſuͤße Duͤfte, ſchoͤnſtes Kind des ſchoͤnen
Lenzen,
Riech und ſeh ich auf der Welt itzo ſechs und ſechzigmal.
Wie vergnuͤgt ſich meine Seele, da ich dich von neuem
ſehe!
Da mich dein Geruch erquickt, wie vergnuͤgt ſich Hirn und
Bruſt!
Sonderlich da im Empfinden der durch dich erregten Luſt,
Jch den Urſprung aller Schoͤnheit, deine große Quell,
erhoͤhe,
Als wohin dein Schmuck mich leitet. Meine frohe See -
le ſpuͤrt,
Daß die Gottheit ſelber ſie, durch die Roſe, zu ſich fuͤhrt.
Der ſie ſchuf und der in ſie der Empfindung Kraft ge -
ſenket,
Auch die Kraft zu uͤberlegen ihr dabey zugleich geſchenket,
Jhr der Augen und des Riechens Werkzeug wunderbar
formirt,
Jſt derſelbe, der die Roſe bloß fuͤr ſie ſo ſchoͤn geziert.
Z 2Wem356Vermiſchte Gedichte
Wem zu Gut, o Menſch, als dir? Sollt aus ſolcher Krea -
tur,
Die fuͤr dich nur lieblich riecht, welche bloß fuͤr dich ſo
ſchoͤn,
Gegen den, der ſie erſchuf und ſie dir geſchenkt, nicht nur
Ein bemerkendes Empfinden, ein Erkenntlichkeit, ent -
ſtehn?
Jch bewundere, Gott Lob! dieſer Blume Wunderpracht,
Und in der empfundnen Wolluſt preiſ ich den, der ſie
gemacht.
Herr! wenn Roſen mich vergnuͤgen, ſeufzet die geruͤhrte
Bruſt:
Nimm, zum Raͤuchwerk, mein Bewundern, und, zum Opfer,
meine Luſt!
Einige357zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Einige Gedanken uͤber Roſen.

Der ſchoͤnſte Monat Julius, der, mit verſchwende -
riſcher Hand,
Mit Blumen ungezaͤhlter Arten
Nicht unſre Gaͤrten nur, auch Wieſen, Feld und Land,
Bedeckt und ſchmuͤckt, bebraͤmt, bemahlt und zierte,
Trat ſeine Herrſchaft froͤlich an, belebet alles, und re -
gierte:
Als ich, nach ſanftgenoſſner Ruh, des Morgens fruͤh in
meinen Garten,
Von ſeinem Glanz durchdrungen, trat. Der Sonnen
Glanz war zwar verſteckt,
Bey einer ſanften Stille war die Luft von klarem Duft
bedeckt;
Es hatte kurz vorher geregnet, der Kraͤuter Heer dadurch
getraͤnket,
Geſtaͤrket und verſchoͤnert, prangt in einem kraͤftig Dun -
kelgruͤnen,
Worauf noch hin und wieder Tropfen, wie klare Dia -
manten, ſchienen.
Jn Blumen hatte ſich zugleich des Himmels fruchtbar
Naß geſenkt,
Wodurch die Farben feuriger in ihren bunten Blaͤttern
gluͤhten
Und dieſe ſchoͤne Kreaturen noch ſchoͤner als vorhero
bluͤhten.
Die lieblichgluͤhnden rothen Lichter der Roſen riſſen ſon -
derlich
Auf den Schmaragden aͤhnlichen Gebuͤſchen Blick und
Geiſt auf ſich.
Z 3Allein,358Vermiſchte Gedichte
Allein, was war doch alles dieß, im Gegenhalt der
bunten Glut,
Die mich als wie ein Blitz durchſtralte, und mein da -
durch erregtes Blut
Vor ſchneller Freude wallen machte! Von meinen Kin -
dern hatten zwey,
Und zwar die juͤngſten, einen Tiſch, mich unvermuthet
zu vergnuͤgen,
Mit friſchen Roſen ganz bedeckt. Mein Gott, wie viel -
wie mancherley
Jſt dieſer Blumen roͤthlichs Brennen! Hier ſieht man
Weiß und Noth ſich fuͤgen
Jn ſolcher lieblichen Vermiſchung! Wie glaͤnzet, funkelt,
gluͤhet, ſcheint
Die ſonſt vertheilte Pracht des Gartens hier auf ſo
engem Platz vereint!
Was ich in dieſer innern Schooß, was ich in jener
aͤußern Ruͤnde
Fuͤr eine volle dunkle Roͤthe, fuͤr eine rothe Weiße finde,
Jſt unbeſchreiblich, unausdruͤcklich! Um alles mehr noch
zu erhoͤhn,
Und daß ſie durch die Nachbarſchaft noch ſchoͤner waͤren
anzuſehn,
So hatten ſie den Tiſch vorher mit dunklem Weinlaub
uͤberdecket:
Durch welcher ſchoͤnen Fulge denn ihr Glanz ſich weiter
noch erſtrecket.
Wobey ich auch noch hie und da
Den gelben Brand der Ringelblume, die blaͤuliche Cam -
panula,
Den gluͤenden Naſturtium, nebſt weißen Roſen liegen
ſah,
Wovon359zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wovon ein jede, durch den Wechſel der Farben, die be -
flammte Roͤthe
Und die Rubinen gleiche Pracht, der vielen Roſen, noch
erhoͤhte.
Jch wußte nicht, was ich, vor Luſt, beginnen oder ſa -
gen ſollte,
Nur fuͤhlt ich, daß ein reges Heer vergnuͤglicher Jdeen,
mir
Jn meiner frohen Phantaſey, ſich ſelber jagend, gleich -
ſam rollte.
Ach! rief ich, unausdruͤcklich ſchoͤn iſt der vereinten
Blumen Zier!
Es iſt auf dieſer ganzen Erden kein auserleſners Schau -
gericht!
Zuletzt fiel dieſer Schluß mir bey: Wie weis der Schoͤ -
pfer, durchs Geſicht,
Durch die Vortrefflichkeit, die Schoͤnheit und Lieblich -
keiten ſeiner Gaben
Die Seele, ſchon auf dieſer Welt, faſt zu beſeligen, zu
laben!
Was laͤßt uns die Betrachtung nicht,
Von einem ſolchen Weſen hoffen, das, zum Genuß von
Himmelsſchaͤtzen
Und einſt zu einem ewgen Gluͤck, uns bloß aus Huld und
Lieb erwaͤhlt:
Dem, um uns ewig zu ergetzen,
Kein Wollen, kein Vermoͤgen fehlt!
Z 4Der360Vermiſchte Gedichte

Der gelbe Mah.

Wie ich juͤngſt deinen Glanz und Schimmer, gelber
Mah,
Der in Siberien entſproſſen, wieder ſah;
Ergetzt ich mich aufs neu an deinem Schmuck und Schein,
Und fiel dabey mir die Betrachtung ein:
Da du, in ſo entfernten Landen,
Und abgelegnem Himmelsſtrich
Erzeugt, gewachſen und entſtanden,
Beweiſeſt du uns ſichtbarlich,
Daß, auch in ſo entlegnen Fluren,
So ſchoͤn geſchmuͤckte Kreaturen,
Wodurch wir Gott auch dort entdecken.
Uns zeiget deine Zier und Pracht,
Wie ſeine Weisheit, Lieb und Macht
Sich uͤber aller Erden Enden in gleicher Majeſtaͤt er -
ſtrecken.
Zufaͤlli -361zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Zufaͤlliger Gedanke im Sommer.

Herr! gieb, daß ich, in dieſer Zeit,
Die Wunder deiner Herrlichkeit
Mit Luſt und Dank oft uͤberlege!
Daß ich in deiner Werke Pracht
Dein Daſeyn, Weisheit, Lieb und Macht
Erkennen und verehren moͤge!
Z 5Der362Vermiſchte Gedichte

Der wunderbare Triangel.

Wir ſahen unſrer Erden Flaͤche ſich von der Sonne abwerts lenken,
Es ſchien der Sonnenkoͤrper ſich allmaͤhlig in das Meer zu ſenken,
Es ſtreifte noch ihr niedrig Licht, das immer guͤldner ward, der Queer
Auf unſre ſchoͤn bebluͤmte Wieſen und uͤber unſre Felder her,
Es roͤtheten ſich Buͤſch und Waͤlder, der guͤldnen Stra - len zarte Flut,
Die alle Vorwuͤrf uͤberſtroͤmet, und auf ſchmaragdnem Grunde ruht,
Verguͤldet alle Gegenwuͤrfe und machte ſie noch einſt ſo ſchoͤn:
Was man erblickt, ſchien faſt verklaͤrt, in einer guͤldnen Glut zu ſtehn.
Das blumichte Gefilde ſchien
Mit Licht und Schimmer uͤbergoſſen,
Der Buͤſch und aller Kraͤuter Gruͤn
Schien, mit gefaͤrbtem Glanz, befloſſen.
Es ſtreckten, durch den Gegenſatz das Licht zu mehren, lange Schatten,
Jn einer rieſenfoͤrmgen Laͤnge, ſich uͤber die bebluͤmten Matten:
Durch deren klares Dunkelgruͤn,
Das Licht der uͤberſtralten Stellen, erhaben, deſto hel - ler ſchien.
So vieler ſchoͤner Gegenwuͤrfe Glanz, Anmuth, Lieb - lichkeit und Menge
Formir -363zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Formirten meinem Geiſt, durchs Aug, ein herrlichſchim - merndes Gepraͤnge.
Allein es riß, vor allen andern, den an - und faſt durch - ſtralten Sinn,
Ein Vorwurf, der ſie uͤbertraf, durch ſeinen Schimmer auf ſich hin.
Dieß war ein roͤthlich guͤldner Glanz, ein feuerreicher Wiederſchlag
Von einem angeſtralten Fenſter, das zwiſchen gruͤnen Baͤumen lag.
Der gleichſam roſenfarbne Blitz, der feur - und ſtralen - reiche Schein
Erfuͤllete mein ganzes Weſen, und ward mein Augpunkt ganz allein.
Die Seele, von dem hellen Funkeln, dem mehr als guͤld - nen Stral, geruͤhret,
Ward endlich zu den folgenden Betrachtungen dadurch gefuͤhret:
Es dient mir dieß beſtralte Fenſter, nicht nur als wie der Mond, allein
Die Sonne, die nicht da, zu ſehen, und ihres Ur - bilds Wunderſchein,
Sammt ihren Stralen, mir zu zeigen, die, fuͤr ſich ſelbſt nicht ſichtbar ſeyn;
Es faͤllt dabey noch etwas anders, was recht betraͤcht - liches, mir ein:
Mein Auge, das beſtralte Fenſter, zuſammt der Son - ne, ſtell ich mir
Nicht anders als drey Winkel fuͤr,
Die, in geraden Linien, ſo von als an einander fließen,
Und ſich in ein vollkommenes, in ein ganz richtigs Dreyeck ſchließen.
Mit364Vermiſchte Gedichte
Mit wie viel Andacht und Vergnuͤgen bewundert ich dieß Dreyeck nicht!
Was zeigte mir ſein ganzer Jnhalt fuͤr Glanz, fuͤr Herrlichkeit und Licht!
Allein, die ganze Herrlichkeit verſchwand, recht wie ein Traumgeſicht,
Als mich mein Denken weiter fuͤhrte.
Und ich weit einen herrlichern Triangel mir im Geiſt formirte.
Aus meinem Auge zog mein Geiſt zur Sonnen eine Linie,
Von dieſer, zu der Sonnen Sonne, zur Gottheit, drauf die andere,
Jn den unendlich tiefen Tiefen vom hellbeſtirnten Him - melsmeer,
Und, von derſelben, dacht ich eine herunter wieder zu mir her.
Mein Gott! welch faſt unendlich herrlich, mehr gei - ſtig faſt als leiblichs, Bild,
Mit lauter Gottheit, Licht und Leben ſowohl um - ſchraͤnkt, als angefuͤllt!
Wer hat wohl menſchliche Vernunft, und ſtimmet nicht der Meynung bey:
Daß dieß im Himmel und auf Erden der herrlichſte Triangel ſey?
Der365zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Sommer.

Die Sonne zeigt ſich uns nunmehr in ihrer groͤßten Kraft und Pracht;
Man kann ſie an des Himmels Hoͤhen,
Gekroͤnt von Millionen Stralen, recht majeſtaͤtiſch herr - ſchen ſehen;
Sie triumphirt, in langen Tagen, beſieget und verkuͤrzt die Nacht.
Zwar blendet uns ihr naher Glanz, und ihre Kraft macht alles ſchwuͤl;
Doch iſt es bloß zu unferm Beſten, daß ſie ſo hell und ſtrenge blitzet,
Die Saͤfte kocht, die Luft erhitzet.
Sie hat in ihrer heißen Wirkung die Thier und Men - ſchen wohl zum Ziel.
Jndem ſich ihre Stralen haͤufen
Und bleyrecht fallen, bringet ſie ſo Fruͤcht als Korn fuͤr uns zum Reifen.
Da uns nun die Erfahrung lehrt,
Daß Gott in dieſer ſchoͤnen Zeit, auf ſo bewunderns - werthe Weiſe,
Den Kreaturen Trank und Speiſe,
Durch Drehung unſrer Erdenflaͤche ins heiße Sonnen - reich beſchert;
Gereichen denn nicht ſolche Wunder dem, der ſie wirkt, zum Ruhm und Preiſe?
Sind ſie nicht unſerer Betrachtung, nicht unſerer Erkennt - lichkeit,
Nicht unſerer Bewunderung, nicht unſers Danks und Lobes werth?
Auf!366Vermiſchte Gedichte
Auf! laßt uns mindſtens uns beſtreben, in dieſer ſchoͤ - nen Sommerzeit,
Uns, an der Erden aͤußern Schaͤtzen,
Zu Ehren dem, der ſie fuͤr uns ſo ſchoͤn geſchmuͤcket, zu ergetzen.
Wie angenehm bewegt ſich hier das blonde reifende Getraide!
Jhr fliſternd und ihr aͤmſigs Regen erregt auch unſern Blicken Freude,
Und nicht der Hoffnung nur allein. Ein reges Meer voll trockner Wellen
Scheint, in den nimmerſtillen Aehren, ein jedes Feld uns vorzuſtellen.
Man ſiehet auf ihren beweglichen Flaͤchen,
Auf welchen Glanz, Formen und Farben ſich brechen,
Viel laufende Lichter und laufende Schatten
Sich fliehn, ſich vermiſchen, ſich trennen, ſich gatten.
Hier fieht man die Aehren ſich heben, ſich neigen,
Sich wirbeln, ſich jagen, ſich ſenken und ſteigen.
Zuweilen formiren ſie wirkliche Wogen
Gehoͤlet und zu uns heruͤber gebogen.
Des lieblichen Ungeſtuͤms wallend Bewegen
Kann, durch ein veraͤnderlichfluͤchtiges Eilen,
Uns einen verwirrenden Schwindel zuweilen,
Doch einen nicht ſchaͤdlichen Schwindel, erregen.
Jch ſtehe bey der Halmen Menge
Und bey der Aehren Groͤß und Laͤnge
Ob dieſer ſegenreichen Fuͤlle,
Vor Freuden halberſtaunet, ſtille.
Der367zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Der gegenwaͤrt’ge Schmuck der Gabe,
Wovon ich kuͤnftigen Gewinn
Jn Ueberfluß zu hoffen habe,
Nimmt, nicht mit ſeiner Zier allein,
Den ganz dadurch geruͤhrten Sinn,
Mit einer Leidenſchaft nur ein;
Jch fuͤhl auf einmal viele Triebe:
Luſt, Hoffnung, heiße Gegenliebe,
Ein Wunſch, dem Schoͤpfer zu gefallen,
Dank, Anmuth, regen ſich und wallen,
Faſt eben wie das Aehrenmeer,
Jn meiner Seele hin und her.
Auch noch ein Wort, im Sommer, von der Flut,
Worauf, in dieſer frohen Zeit,
Des Firmaments entwoͤlkte Herrlichkeit,
Zuſammt der Erden Pracht, ſich ſpiegelnd, prangt und ruht.
Ein glaͤnzend Feuer, welches gruͤn,
Gleich einer ſtillen Flamme, ſchien
Faſt wider die Natur in feuchter Flut zu glimmen,
Und, ohne Dampf und Kampf, vereint auf ihr zu ſchwimmen.
Ein Blaues, das an jenem graͤnzet
Und in noch mehrerm Glanze glaͤnzet,
Vergnuͤgt mit himmelblauem Licht
Ein darauf achtendes Geſicht.
Es blinket ietzt das reine Waſſer als wie ein Himmel von Cryſtall,
Als deſſen Bild, in ihm zu ſehn, voll heller Sternen uͤberall
Jn einigen beſtralten, kleinen, ſich hie und da erhoͤhnden Wellen.
Wenn ſich, auf andern flachen Stellen,
Wo -368Vermiſchte Gedichte
Woſelbſt die klar und durchzuſehnde Flut
Ohn einige Bewegung ruht,
Sich oͤfters kleine Jnſelchen von ſittiggruͤnen Waſſer - linſen,
Voll glatten dunkelgruͤnen Binſen,
Die aus dem lichten Grunde ſteigen,
Zur Anmuth unſern Augen zeigen.
Das Waſſer ſcheinet hier bemuͤht, zuſammt der nahen Baͤume Pracht,
Auf manche Weiſ uns zu vergnuͤgen; da dieſe, durch ihr holdes Gruͤn,
Und jene durch die glatte Flaͤche, den Fiſchen einen Baldakin,
Den Voͤgeln einen Spiegel macht.
Der Flut ſanft wallender Sapphir,
Worinn der dunkle Wald des Ufers wiederſchien,
War oͤfters recht ſchmaragdengruͤn.
Wann nun an unterſchiednen Stellen
Ein kleines Heer von ſilberweißen Wellen
Recht ſchuppenfoͤrmig ſich darauf bewegt,
Ward ein ſo ſuͤß Gemiſch darauf erregt,
Daß aus den blau - und gruͤn - und weißgemengten Spitzen
Ein blau und gruͤn und weiß beſtaͤndigs lieblichs Blitzen,
Jn eines ſuͤßen Wechſels Spiel,
Uns lieblich in die Augen fiel.
Die Bilder vom ſonſt ſtillen Wiederſchein
Sieht man, durch dieß ſtets kraͤuſelnd Regen,
Den Umſtrich ſtets verziehn und immer ſich bewegen.
Des Nachts, wenn dieſe Flut vom Mondſchein wird beſchienen,
Scheint ſie, in ihren dunklen Ufern, und in dem unge - wiſſen Gruͤnen
So369zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
So weiß, ſo ſchimmernd und ſo rein,
Als wie des Milchwegs ſtiller Fluß am dunklen Firma - ment, zu ſeyn,
Ja glaͤnzt, als wie ein fließend Silber. Sie zeiget uns, bey Tag und Nacht,
Des Himmels und der Erden Pracht.
Wenn wir ſo viel Wunder ſpuͤren
Auf der Welt zur Sommerzeit,
Laßt ſie euch die Seelen ruͤhren,
Und durch ihre Herrlichkeit
Doch zu ihrem Schoͤpfer fuͤhren,
Der, fuͤr euch, mit ſo viel Schaͤtzen
Erde, Raum und Himmel fuͤllt,
Und aus dem, euch zu ergetzen,
Aller Wunder Menge quillt.
Der euch dazu Licht und Leben,
Sinnen und Vernunft gegeben:
Den man bloß fuͤr alle Gaben
Durch Erkenntlichkeit verehrt,
Der fuͤr alles, was wir haben,
Nichts, als unſre Luſt, begehrt.
A aViola370Vermiſchte Gedichte

Viola Mariana.

Nachdem ich die ſchon welke Staude der blaulichten
Campanula,
(Wofuͤr ich ſie zu anfangs hielte; da doch der Blume rech -
ter Name
Viola Mariana heißt, den ſie vor Alters uͤberkame)
Mit einiger Aufmerkſamkeit in meinem Garten, juͤngſt
beſah,
Die eben, durch ihr ſchmuzigs Anſehn, und falbes Braun -
roth, meine Blicke
Von andern ſchoͤnen gruͤnen Pflanzen, wovon ſie abſtach,
weg, zuruͤcke
Und mit Gewalt faſt auf ſich zog,
Und ich, um ſie recht zu betrachten, mich ſchnell nach ihr
herunter bog,
Erſchrack ich faſt, wie an derſelben ich von dem Finger
der Natur
Ein außerordentlich formirt und nett gebogene Figur,
Die fremd und ſeltſam, und dennoch von zierlicher Erfin -
dung, ſah:
Die, ſonder Farbe, doch gefaͤllig. Denn ihre vormals
ſchoͤne Bluͤte,
Die juͤngſt in purpurfaͤrbigem und gleichſam blauem Feuer
gluͤhte,
War abgefallen, welk, verſchrumpft und ihre Schoͤnheit
nicht mehr da.
Allein die Bildung ihres Fußes war ſo verwunderlich
formiret,
Daß ſie faſt gar nicht zu beſchreiben. Von oben formt ein
fuͤnffach Blatt
Zwar371zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Zwar die Figur von einem Stern, wovon doch jedes
hinterwerts,
Gemeinſchaftlich mit ſeinem Nachbar, faſt an Geſtalt ein
gruͤnes Herz,
Das hol, und an dem Rand gekruͤmmt verwunderlich for -
miret hat.
Recht da wo ſich die Blaͤtter biegen,
Wenn man ſie in der Queer durchſchnitten, ſieht man, wie
im gevierten Platz,
Jn zierlich abgetheilten Faͤchern, als einen da verborgnen
Schatz,
Den ungezaͤhlten Samen liegen;
Der, wegen ſeiner Kleinheit, werth, daß man denſelbigen
beachtet
Und, daß ſolch eine große Staud in ihm verborgen liegt,
betrachtet,
Nebſt ſo viel Blaͤttern, Stengeln, Blumen, Kein menſch -
licher Verſtand kann faſſen,
Wie doch ſo viel und große Theile ſo enge ſich verſchraͤn -
ken laſſen.
Man ſollte, da dieß unbegreiflich, wohl gar auf die Ge -
danken kommen,
Es wuͤrd, im Wachſen, aller Stoff von ihnen aus der Luft
genommen,
Und, auf Magneten Art, gezogen; indem dieß moͤglicher
noch ſcheint,
Daß eine Menge vieler Theile mit ihr von außen ſich
vereint,
Als daß ſie in ihr eingeſchloſſen, in ſolchem engen Raum
verſchraͤnket,
Ganz unbegreiflich liegen ſollten. Allein, wie tief man
immer denket,
A a 2Wird372Vermiſchte Gedichte
Wird man der wirkenden Natur
Jn ihren innern Wirkungen doch nimmer auf die wahre
Spur
Mit unſerm Geiſt gerathen koͤnnen.
Genug fuͤr uns, wenn wir erkennen
Das Daſeyn eines weiſen Weſens, das ſtets nach Ord -
nung, Maaß, Gewicht
Die viele Millionen Wunder, die es erſchaffen, zuge -
richt,
Und deſſen Weisheit, Lieb und Macht, im Großen ſo, wie
in dem Kleinen,
Jn einer unleugbaren Klarheit, ſo herrlich uͤberall er -
ſcheinen.
Die373zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die weiße Calendula.

Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele Blumen Achtung gab;
Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern Blumen ab,
Auf ihr ſchneeweißes Licht allein.
Jch ſtutzt. Jhr heller reiner Schein
Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen,
Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten Blicken anzuſehen.
Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und Farben Zier.
Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich ſtuͤrmiſch, riethe mir
Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey ihr ſtehn zu bleiben,
Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und zu beſchreiben,
Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein Zimmer bringen.
Jch folgte dem gegebnen Rath,
Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un - geſaͤumet that,
Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit zu beſingen,
Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo ſchimmerreich,
Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn!
Dir ſind an hell - und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine Liljen gleich.
A a 3Die374Vermiſchte Gedichte
Die Weiße, die wir an dem Schnee, am Schwan, an allen Bluͤten ſehn,
Jſt ſchuldig deinem Glanz zu weichen,
Und kurz, was weiß iſt auf der Welt, kann nicht an deiner Weiße reichen.
Es ſcheint die bildende Natur, um dich fuͤr andre zu er - heben,
Mit recht darauf gelenkter Abſicht ſich alles Ernſtes zu be - ſtreben,
Darum hat ſie, in deiner Mitten, ein dunkles Maus - fahl angebracht
Jn einem aus viel finſtern Zaͤſern ſehr ordentlich gezognen Kreiſe,
Damit, durch dieſe ſchnelle Schwaͤrze, dein Weißes ſich noch weißer weiſe.
Dein Licht erhebt ſich in der That noch mehr, durch dieſe kleine Nacht.
Nun iſt noch mehr betraͤchtliches in dieſes dunklen Kreiſes Ruͤnde,
Jndem ich ſeinen Mittelpunkt mit Gelb als Gold gefuͤllet finde.
Dadurch nun glaͤnzeſt du zugleich in ſilberner und guͤldner Pracht:
Ja, was noch mehr, man ſieht, im Gelben, aufs neu, auf kleinen dunklen Spitzen,
Jm abermalgen Silberſchimmer, verſchiedne weiße Sternchen blitzen.
Aus dieſem guͤldnen Mittelpunkt und deſſen dunklen Rand, verbreiten
Sich ordentlich von allen Seiten
Die weißen Blaͤtter, deren jedes geformt als wie ein heller Stral,
Und immer funfzehn an der Zahl.
Sie375zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sie ſtimmen all an Breit und Laͤnge und ganzer Bil - dung uͤberein,
Wodurch die Blumen ſo an Weiße als Formen ſternenfoͤrmig ſeyn.
Calendula heißt dieſe Blume. Nachdem ich mm, wie ſie ſo ſchoͤn,
Von vornen lang hatt angeſehn;
Wandt ich ſie um von ungefaͤhr, da ich bewundrungsvoll erblickte,
Wie ſich ein jedes Blatt von unten mit einem falben Purpur ſchmuͤckte,
Auch wie, zu einer eignen Stuͤtze,
Ein jedes Blatt in ſeiner Mitte, ein eigne nette gruͤne Spitze,
Die aus dem Stiel entſpringet, hat, die regelrecht um ihr ſich ruͤnden,
Wodurch wir zu vermehrter Zier daſelbſt ein gruͤnes Sternchen finden.
Wenn man ſie von der dunklen Seite nun eine Zeitlang angeblickt,
Und ſie ſodann von ungefaͤhr ſchnell vorwerts kehrt und dreht, erſchrickt
Und ſtutzt man ob der hellen Weiße, die gleichſam uns ins Auge ſpringet,
Und durch die ſchleunige Veraͤndrung zur ploͤtzlichen Be - wundrung bringet.
Nun laßt uns von den Millionen und unzaͤhlbaren Wunderwerken
Des Schoͤpfers, auch an dieſer Blum ein neues Wunder - werk bemerken!
Wer ſchuf ſie? Gott. Warum? Wozu?
Daß, durch die Augen, ich und du
A a 4Und376Vermiſchte Gedichte
Und alle Menſchen, ſich an ihr
Der Farben Glanz, der Blaͤtter Zier
Vergnuͤgen und ergetzen koͤnnten:
Ach! wuͤrden wir denn unſre Pflichten
Nicht, Gott zum Ruhm, fuͤr ſein Geſchenk, in froher Achtſamkeit verrichten,
Wenn, ſeine Liebe zu vergnuͤgen, wir dafuͤr unſre Luſt ihm goͤnnten?
Gott377zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Gott in ſeinen Werken.

Mit einer faſt halb ſelgen Luſt kann man, in Gottes
Kreaturen,
Pracht, Zierlichkeit, Glanz, Licht und Schatten, zumalen
Farben und Figuren,
Die alle ſich mit vieler Aendrung einander noch erhoͤhn
und ſchmuͤcken,
(Wann unſrer Seelen Auge ſie, wie es ſie ſehen ſollt) er -
blicken.
Wobey, wenn uns die weſentlich und ordentliche Schoͤn -
heit ruͤhrt,
Ein jedes Theil, ein jedes Ganze uns unvermerkt zum
Urſprung fuͤhrt.
A a 5Beweis378Vermiſchte Gedichte

Beweis goͤttlicher Guͤte.

D aller Blumen bunte Pracht
Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht;
Davon legt die Betrachtung mir
Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr:
Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet,
Scheint die auch aufgewachte Schaar,
Die in der Nacht geſchloſſen war,
Aufs neu verſchoͤnert und belebet.
Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn,
Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn,
Und die verſchloßne Lieblichkeiten,
Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten.
Sie legen ihre bunte Zier
Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr,
Die ſie, bald durch - bald angeſtralet,
Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet,
Um nur aus ihren innern Schaͤtzen
Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen.
Gehn wir des Abends nun zur Ruh,
So ſchließen ſich die Blumen zu,
Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen:
Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen,
Daß, wenn der Menſchen Aug ihr Prangen
Nicht ſehn, betrachten, und daran
Nicht ferner ſich ergetzen kann,
Sie auch zu prangen nicht verlangen.
Mich deucht, daß dieſe neue Spur
Der Ordnung in der Kreatur
Von neuem eine Probe giebet,
Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet.
Nutzen379zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Nutzen der irdiſchen auch bey himmliſchen Koͤrpern.

Jch ſah den dickbelaubten Wipfel von einem hohen
Eichbaum an,
Durch deſſen dichtverſchraͤnkte Blaͤtter, und gruͤner
Schatten Dunkelheit,
Wie tief er ſich darinn verſenkt, der ſchnelle Blick nicht
dringen kann,
Bis ich zuletzt, an ein Paar Stellen, des hellen Himmels
Heiterkeit
Wie helle Sterne ſchimmern ſah, die ich um deſto mehr
bemerkte,
Als mir der dunkle Gegenſatz der gruͤnen Nacht die Au -
gen ſtaͤrkte.
Es zeigt mir, dacht ich, dieß Geſicht die Wahrheit mit
Vergnuͤgen an:
Wie irdſche Dunkelheit den Glanz des Himmels noch
verſchoͤnern kann.
Die380Vermiſchte Gedichte

Die Sonne der Sonnen.

Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein die holde Kraft,
Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret und beweget,
Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um - giebet, traͤget,
Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt die Eigenſchaft;
So daß, auf eine koͤrperlich und gleichſam fuͤhlbar Art und Weiſe,
Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott, zu ſeinem Preiſe,
Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter - ſcheid allein,
Daß, weil an ihr die Kraͤft umſchraͤnkt, begraͤnzt und nicht unendlich ſeyn,
Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un - terſchieden bleiben;
Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein der Wahrheit glaͤuben,
Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen ſich befindet.
Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn man ihren Schein ergruͤndet,
Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur das Leben
Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer wird gegeben;
Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn, auf ſo mancher Erde,
So381zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
So wie von ihm gemacht, erhalten, auch gleichſam faſt beſeelet werde.
Der Schluß ſcheint um ſo weniger unwuͤrdig ſeiner Macht zu ſeyn,
Als Gottes Kraft, in einer nicht, in ungezaͤhlter, Son - nen Schein,
Auf ſolche guͤtge Art ſich aͤußert, daß wenigſtens der Sonnen Weſen
Zu Mitteln ſcheinet auserleſen,
Wodurch der Schoͤpfer aller Dinge die koͤrperlichen Krea - turen,
Den Ausfluß ſeiner Guͤtigkeit, und auch zugleich der Weisheit Spuren,
Jn reicher Maaß empfinden laͤßt. Ob nun der menſch - liche Verſtand,
Bey ſolcher Einſicht und Erkenntniß, da ſolche Wunder ihm bekannt,
Nicht, zur Verherrlichung des Schoͤpfers und zur Ver - mehrung ſeiner Ehre,
Gehalten und verpflichtet waͤre
Zu denken, daß es ſelbſt dem Schoͤpfer und Gott nicht unanſtaͤndig ſey,
Jhn als ein Weſen anzuſehn, das, durch der Lieb und Allmacht Stral,
Unzaͤhlbare Syſtemata von Sonnen, ſonder Maaß und Zahl,
Beleb, erhalt, und ſie beſeele, und, in den Wundern ſolcher Sachen
Ein ihm nicht unwerth Schattenbild in unſern Seelen uns zu machen,
Und ſolches um noch deſto mehr, als dieß die unbe - graͤnzte Kraft,
Und382Vermiſchte Gedichte
Und uͤberſchwenglich - unergruͤndlich - anbetungswuͤrdge Eigenſchaft
Der Gottheit in dem Geiſtigen ja nicht vermoͤgend aus - zuſchließen.
Man wird vielmehr geſtehen muͤſſen,
Daß ein Begriff, der dieſem aͤhnlich, ſey kraͤftiger was beyzutragen,
Zur Ehrerbietung gegen Gott, als wenn, von einem al - ten Mann,
Wir uns im Geiſt ein Bild formiren, davon viel ſchrel - ben oder ſagen.
Woraus man denn, mit allem Recht, die große Wahr - heit folgern kann:
Daß es, da wir nach allen Kraͤften die Gottheit zu er - hoͤhen, pflichtig,
Ein Theil vom Gottesdienſt ſelbſt ſey, nicht nur durch Glauben und den Willen
Die rechten Pflichten zu erfuͤllen,
Nein, daß die Kraͤfte der Vernunft zu ſolchem Dienſt nicht minder richtig,
Und daß es unſre Schuldigkeit nicht minder, mit des Geiſtes Gaben,
Die wir nicht weniger von Gott, als ein Talent, em - pfangen haben,
Der Gottheit Groͤße zu verehren, auch mit Vernunft uns zu bemuͤhn,
Den Schoͤpfer zu verherrlichen, und, aus den Werken, Gott zu Ehren,
So weit nur ihre Kraͤfte gehn, Jdeen uns hervorzu - ziehn,
Die ſeiner Groͤße wuͤrdig ſind. Sprich nicht: Was Gott ſey, zu erklaͤren
Geht383zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Geht uͤber unſere Vernunft, du wirſt nichts anders fin - den koͤnnen:
Als daß du ihn nun groͤßer ſchaͤtzeſt, als des Verſtandes Kraͤfte gehn;
Wo nicht, ſo wirſt du deutlich finden, und uͤberzeuget zu - geſtehn:
Er ſey ganz anders, und du muͤſſeſt ihn gaͤnzlich unbe - greiflich nennen,
Wie wirſt du denn mit allem Gruͤbeln von ſeinem Weſen was erkennen?
Nein, ſag ich, ſprich doch nicht alſo: denn an dem uns geſchenkten Geiſt,
Jn welchem ſich ein wirklich Fuͤnkchen, der goͤttlich iſt, recht deutlich weiſt,
Jſt wenigſtens ſo viel zu merken, durch unumſtoͤßlich helle Schluͤſſe,
Daß unſer allerbeſtes Theil doch im Verſtande liegen muͤſſe,
Und daß, da Gott ihn uns gegeben, wir billig von ihm denken ſollen,
Daß Gott, da er ihn uns geſchenkt, er uns gewiß nicht taͤuſchen wollen.
Auf! laßt uns denn, was Gottes iſt, uns auch bemuͤ - hen Gott zu geben,
Und, mit den Kraͤften der Vernunft, des Schoͤpfers Groͤße zu erheben,
Jhn uns ſo groß man kann, zu zeigen aus ſeinen Wer - ken, uns beſtreben!
Zumal ja dieſes unſerm Glauben, und der uns ange - wieſnen Pflicht,
Nicht, wie man faͤlſchlich glaubt, zugegen, und in der That nicht widerſpricht.
Mich384Vermiſchte Gedichte
Mich deucht, es ſchoͤpfe die Vernunft die Wahrheit aus den reinſten Quellen,
Wenn wir uns als der Sonnen Sonne, die Gottheit ſu - chen vorzuſtellen.
A. Du redeſt von Vernunft ſo viel, und willt al - lein nach ihr dich richten,
Ja alles bloß nach ihren Kraͤften, auch ſelbſt im Gottes - dienſte, ſchlichten:
Allein, haſt du auch unterſucht, was ſie denn eigentlich recht ſey?
Ob ihre Kraft, als wie ihr Weſen, nicht etwan mehr als einerley?
Ob nicht die Kraft der Phantaſey ſowohl als die Ge - daͤchtnißkraft,
Zu ihrem Weſen mit gehoͤre? Waͤr dieß nun ihre Eigen - ſchaft,
So wuͤrde ſie ja mit Jdeen zu richtigen und wahren Schluͤſſen,
Die nicht von Bildern unterſchieden, nothwendig ſich befaſſen muͤſſen.
Es fraget ſich noch uͤberdem, da unſer Leib auch Gottes Gabe,
Der Geiſt auch ohne Leib nicht wirkt, ob auch ein Art von Bildern nicht
Selbſt zum Verſtande mit gehoͤre, und in ihn einen Ein - fluß habe?
B. Wenn auch dieß alles richtig waͤre, wie ich nicht leugnen will noch kann,
So gehet unter dieſem Vorwand der falſche Schluß doch nimmer an,
Daß ſolche Bilder und Jdeen ſo niedertraͤchtig und ſo klein,
Zumal385zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Zumal beym Gegenwurf der Gottheit, mit Fug und Recht zu machen ſeyn.
Wir haben in uns Kraft genug, uns von dem Kleinen zu erhoͤhen,
Und, wenn wir auf was Goͤttlichs denken, auf etwas Wuͤrdigers zu ſehen,
Als auf uns ſelbſt und kleine Bilder. Von Koͤrpern leibliche Jdeen,
Von Geiſtern geiſtige, von Gott die allerherrlichſten und beſten,
Die allerwuͤrdigſten und groͤßten,
Wozu wir immer faͤhig ſeyn, zu hegen, iſt nur unſre Pflicht.
A. Dieß waͤr vielleicht ſo unrecht nicht
Fuͤr einen Geiſt, der ſonder Koͤrper, von Gott was Wuͤr - digs denken wollte;
Allein die Frag iſt: ob von uns im Koͤrper hier auf unſrer Erde
Ein Gleiches auch geſchehen koͤnne, ein Gleiches auch er - fodert werde,
Und ob es nicht vermuthlich ſcheinet,
Daß ſo lang in uns auf der Welt der Geiſt und Koͤrper noch vereinet,
Daß, ſonder koͤrperliche Bilder, man ſchwerlich richtig denken kann?
Je mehr ich dieſes uͤberlege, je minder geht es anders an.
B. Dieß ſcheinet auch ſo unrecht nicht, doch wirſt du mir auch zugeſtehen,
Man habe, bey der Gottheit Weſen, aufs mindeſte dahin zu ſehen,
B bDaß386Vermiſchte Gedichte
Daß die Jdeen wenigſtens ſo groß genommen werden muͤſſen,
Als ſie uns immer moͤglich ſind; weshalben auch in mei - nen Schluͤſſen,
Wenn ich die Gottheit als die Sonne von den unzaͤhlbarn Sonnen nehme,
Jch in der That mit deiner Meynung mich zu vereinen, mich bequeme,
Jndem ich doch was Koͤrperlichs mit meines Geiſtes Kraft vereine,
Wenn ich von Gott: Er ſey die Sonne von allen andern Sonnen, meyne.
Ver -387zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Verlaͤngerung unſerer Tage.

Klage nicht, daß unſre Zeit
Mit ſo raſcher Fluͤchtigkeit
Fliegt, verſchwindet, eilt, vergehet,
Und, recht wie der Wind, verwehet!
Moͤchteſt du nur oft erwaͤgen,
Daß du biſt, und Gottes Macht,
Jn der Kreaturen Pracht,
Mit Vergnuͤgen uͤberlegen;
Wuͤrden dadurch hier auf Erden
Deine fluͤchtige Secunden
Dir zu angenehmen Stunden,
Die Minuten Tage werden.
Jſt die Zeit, vor ſich, doch nichts! Deine Daur iſt deine Zeit,
Denkeſt du nun nicht auf dich; rafft dich die Vergaͤng - lichkeit
Ungefuͤhlet mit ſich fort, und es ſcheinet ſich dein Ende
Mit dem Anfang zu verknuͤpfen. Wie ein, durch der Uhren Schlag
Gar nicht eingetheilter, Tag,
Als ein ſtiller Fluß, behende
Und recht unvermerkt verſchwindet,
Da am angebrochnen Morgen ſich der Abend gleichſam bindet:
B b 2So388Vermiſchte Gedichte
So verfließet auch dein Leben,
Wenn ſich deine Seele nicht mit ſich ſelbſt ſo viel be - muͤht,
Auf ſich ſelber Acht zu geben,
Und wenn ſie auf ſich ſo wenig, als auf Gottes Werke, ſieht.
Bloß durch ein vernuͤnftigs Denken
Auf den Schoͤpfer und auf dich,
Kannſt du nicht nur eigentlich
Hier dir deine Zeit verlaͤngern; faſt dir ſelbſt dein Daſeyn ſchenken.
Die389zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Die Ungewißheit.

Als ich durch meine Fenſterſcheiben juͤngſt meines Nachbarn Haus beſah,
Befand ich ſolches ordentlich und nach den Regeln auf - gefuͤhret,
Mit Farben kuͤnſtlich uͤberſtrichen, und, nach der Sym - metrie, gezieret.
Allein, ich wußte, von Verwundrung geruͤhret, kaum, wie mir geſchah,
Als ich es ploͤtzlich ganz verzogen, unordentlich und ſchief befand.
Die Aenderung, der Unterſcheid und ſchneller Wechſel nun entſtand
Von einer etwas eingebognen, gekruͤmmten, ungeraden Scheibe.
Jch ſtutzte. Doch es fiel mir ein, was ich, uns hier zur Lehre, ſchreibe:
Ein kleiner Umſtand aͤndert alles. Man kann, in Din - gen dieſer Erden,
Nur leider gar zu leicht getaͤuſcht, verwirret und ver - leitet werden.
Ein Conterfait haͤlt einer aͤhnlich, ein andrer aber kennt es nicht;
Vermuthlich iſt in eines Auge die Haut ein wenig mehr gebogen,
Es ſchneiden ſich die Winkel anders, und hiedurch findet ſein Geſicht
Die Zuͤge des gemahlten Bildes, ſchon etwas mehr als ich, verzogen.
B b 3Wer390Vermiſchte Gedichte
Wer hat nun, von uns beyden, Recht? und welcher iſt, der weichen muß?
Ach hoͤre, laß uns uns beſinnen! Vernuͤnftig macht man dieſen Schluß:
Dein Naͤchſter hat von einem Dinge mit dir nicht aͤhn - liche Gedanken,
Er ſieht es durch ein ander Glas, du kannſt mit ihm mit Recht, nicht zanken.
Der391zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Der Herbſt.

Willkommen kuͤhler, traubenreicher, mit ſuͤßem Obſt
beladner Herbſt,
Der du die Waͤlder uͤberguͤldeſt, mit rothem Glanz die
Fruͤchte faͤrbſt,
Die Welt in bunten Flor verhuͤllſt, das Feld mit feuch -
tem Silber traͤnkeſt,
Uns, das mit Luſt verzehrte Wild, nebſt tauſend Schaaren
Voͤgel ſchenkeſt
Von Wachteln, Krammetsvoͤgeln, Lerchen, uns Tiſche,
Kuͤch und Keller fuͤllſt
Mit ſuͤßem Wein und fettem Maſtvieh, mit Luſt, ſo
Durſt als Hunger ſtillſt,
Und uns, fuͤr kuͤnftgen Froſt, verſorgſt! Wer kann
die Gaben alle zaͤhlen,
Die du uns recht verſchwendriſch reichſt, daß uns kein
Mangel moͤge quaͤlen
Jm ſtrengen unfruchtbaren Winter! Wir kommen,
durch dich, auf die Spur
Und finden: Deine ſchoͤne Zeit ſey recht die Abſicht der
Natur.
Es wirkt das ganze Jahr fuͤr dich, in dir fuͤr uns.
Uns zu ernaͤhren,
Jm Froſt, wenn unſre Mutter ſchlaͤft, den Unterhalt
uns zu gewehren.
Gebenedeyet ſey die Liebe, zuſammt der Weisheit und
der Macht,
Die, in der wunderreichen Ordnung, uns zeigt, daß
ſie an uns gedacht!
B b 4Die,392Vermiſchte Gedichte
Die, in dem großen Wunderzirkel, das Jahr, und
dadurch, unſre Welt,
Auf eine, nicht verneinliche, vernuͤnftigmaͤchtge Weiſ
erhalt!
Sey inniglich dafuͤr geprieſen, daß du Geſchoͤpfe werden
laſſen,
Die, daß hierinn von deinem Weſen ein Stral verbor -
gen, koͤnnen faſſen.
Gieb, daß, mit froher Dankbarkeit, ſie dich, in dieſem
deinen Segen,
Erkennen, dich bewundernd loben, bekennen und ver -
ehren moͤgen!
Laß ihr, in dieſer frohen Zeit durch Dank und Luſt erreg -
tes, Lallen,
Der Ton durch dich vergnuͤgter Kinder, dir, ew’gem
Vater, doch gefallen!
Herbſt -393zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Herbſtgedanken.

Zu Blaͤttern gewordene Saͤfte der Erden,
Die ihr, uns Menſchen zu vergnuͤgen,
Von unten in die Hoͤh geſtiegen,
Jn tauſend Roͤhren circulirt,
Vom Finger der Natur geziert,
So ſchoͤn geformt, gefuͤgt, gewebet,
Uns Kuͤhlung, Luſt und Schatten gebet!
Jhr habt bisher ſo ſchoͤn gegruͤnt,
Den Sommer uͤber uns gedient,
Und oft uns, inniglich geruͤhret,
Zu eurem allmaͤchtigen Schoͤpfer gefuͤhret.
Jtzt ſcheinet euer lieblich Gruͤn,
Das vor Smaragden aͤhnlich ſchien,
Sich zu entfaͤrben, zu erbleichen.
Ja, es bereitet ſich ſo gar,
Wie mich bedeucht, die ganze Schaar
Uns zu verlaſſen, zu entweichen.
Jch ſeh, im Geiſt, die Wipfel leer,
Und abgeſtreiften Ruthen gleichen.
Doch eh ihr fallt, will ich vorher
An euren itzt faſt guͤldnen Schaͤtzen,
Mich noch, ſo lang ihr da, ergetzen.
Wie lieblich wird der Sonnen Licht,
Wann ſichs auf euren Flaͤchen bricht,
Jn einem gelben Glanz, gemildert!
Vom Pinſel der Natur geſchildert,
Kommt ihr uns oͤfters als Drap’d’or,
Jn dunkelblauen Luͤften, vor,
B b 5Die394Vermiſchte Gedichte
Die itzt von allen Duͤften rein
Und dem Sapphir faſt aͤhnlich ſeyn.
Durch dieſen Grund noch mehr erhaben,
Jſt es unglaublich faſt, was wir
An eurer angeſtralten