PRIMS Full-text transcription (HTML)

(R: del. 1738. C. Fritzsch sculp Da, ſo im Thier-als Pflantzen-Reich, euch alles Gottes Wunder weiſe〈…〉〈…〉 Ach! das ihr Gott darin nicht findet, euch Sein nicht freut, u. Ihn nicht pre[iſ]〈…〉〈…〉

Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT,
beſtehend in Phyſicaliſch - und Moraliſchen Gedichten.
Sechſter Theil.
Nebſt einer Vorrede zum Druck befoͤrdert von E. N. Brockes. Hamburg,VerlegtsChriſtian Herold,1740.

Vorrede.

Eine Schrift, welche den Gruͤn - den unſerer Religion, oder dem Beſten der menſchlichen Geſell - ſchaft zuwiderlaufende Dinge enthaͤlt, wird nur denen gefallen, welche mit dem Verfaſſer gleiche ſchlimme Meynungen hegen; oder in dem ungluͤckſeligen Wahn ſtehen, man koͤnne das Licht ſeines Verſtandes in nichts ſo ſehr leuchten laſſen, als in Beypflicht - und Vertheidigung ſolcher Dinge, welche der ver - nuͤnftigſte Theil der Menſchen verabſcheuet, oder vielleicht denen, welche nicht vermoͤgend) (2ſind,Vorrede.ſind, den Zuſammenhang einer Wahrheit einzuſehen, und das Gute von dem Boͤſen zu unterſcheiden.

An Buͤchern, worin man keine andere, als ſolche Sachen findet, deren Jnhalt weder zur Beſſerung des Verſtandes, noch des Willens, Anleitung giebt, werden nur dieje - nigen Vergnuͤgen finden, denen an keiner von beyden gelegen.

Vernuͤnftige Menſchen aber, welche ſich ein Geſetz gemacht, nichts anzunehmen, als was ſie, nach genauer Unterſuchung, den un - umſtoͤßlichen Wahrheiten der Religion, und denen Pflichten eines redlichen Weltbuͤrgers nicht entgegen zu ſeyn, erkennen, werden dergleichen Buͤcher zu keinem andern End - zweck leſen, als etwan um noch mehr einzuſe - hen, wozu Menſchen faͤhig ſind, die ſich eine Bewundrung zuzuziehen ſuchen, ſollte es auch mit Hindanſetz - und Verſaͤumung aller dieſer Pflichten geſchehen. Sie werden bey Leſung derſelben wuͤnſchen, daß Verſtand und Zeit zu nuͤtzlichern Dingen angewendet worden: Ja ſie werden ſich kaum enthaltenkoͤn -Vorrede.koͤnnen, mit Ueberſchlagung vieler Blaͤtter das Ende zu ſuchen, oder ſie halb ungeleſen aus den Haͤnden zu legen.

Hingegen hoͤren dergleichen vernuͤnftige Leſer nicht auf, ſolche Werke hochzuachten, die uns Wahrheiten entdecken oder bekraͤfti - gen, durch welche wir auf Pflichten gefuͤhret werden, die wir dem hoͤchſten Weſen, dem ge - meinen Beſten, unſerm Naͤchſten und uns ſelber ſchuldig ſeyn.

Die Wirklichkeit der Exiſtenz des Schoͤp - fers uns zu zeigen, und zugleich deſſen Ei - genſchaften, benebſt den Pflichten, wozu uns dieſe Erkenntniß fuͤhret, auf eine unlaͤugbare Weiſe aus ſeinen Werken-anbey zugleich vor - zuſtellen, wie genau unſer Vergnuͤgen ſelbſt damit verbunden ſey, heißt ja wohl mit Recht, uns einen zugleich ſichern und angenehmen Weg zum wahren Gottesdienſt anweiſen; Und iſt unſtreitig eine ſo nuͤtzliche als noͤthige Bemuͤhung.

Leſer von dieſer Claſſe, welche ſolche be - traͤchtliche, nuͤtzliche und noͤthige Vorwuͤrfe lieben, haben theils in oͤffentlichen Schriften,) (3theilsVorrede.theils durch die begierige Aufnahme der fuͤnf erſten Theile des Jrdiſchen Vergnuͤgens in Gott, ihren beſondern Gefallen, und dadurch zugleich bezeuget, daß es unter diejenigen Werke zu rechnen, deren Vorwurf und Ab - ſicht ſie wuͤrdig macht, mit Nutzen geleſen zu werden.

Nun wird zwar bey einem Buche die gute Abſicht allein, wenn deren Ausfuͤhrung unſern Verſtand nicht zugleich ruͤhret, folg - lich auch unſern Willen nicht aͤndert, weiter nichts erhalten, als daß man das Verlangen des Verfaſſers, Nutzen zu ſtiften, billiget; zugleich aber wuͤnſchet, daß ein anderer, der auch Geſchicklichkeit genug beſeſſen, demſelben ein Genuͤge zu leiſten, dieſes Verlangen ge - heget haͤtte.

Daß nun nicht allein die gute Abſicht dieſes Werks gebilliget werde, ſondern auch zugleich die Ausfuͤhrung gerathen ſey: Da - von giebt obermeldeter Beyfall ſo vieler Le - fer auch in dieſem Stuͤcke einen zuverlaͤßigen Beweis.

EineVorrede.

Eine nuͤtzliche Wahrheit, die jemand zu bekraͤftigen verſpricht, aber dazu keine Gruͤn - de vortraͤgt, die uns mehr bewegten, ihm bey - zupflichten, als wir vorher dazu geneigt ge - weſen, wird zwar an und fuͤr ſich Wahrheit, aber auch der Leſer eben derjenige verbleiben, der er vorher geweſen.

Je deutlicher, je leichter und angenehmer eine Sache vorgetragen wird, je eher darf ſich ein Verfaſſer verſprechen, daß er ſeinen Endzweck erhalten werde. So noͤthig dieſes uͤberhaupt, ſo unentbehrlich iſt es denen, die das Herze ihrer Leſer ruͤhren, und in ihnen eine Neigung, ſeinen Abſichten gemaͤß, erwe - cken wollen.

Eine Lehre, die uns bloß zeiget, was wir thun und unterlaſſen ſollen, heißt eine trocke - ne Moral. Werden Gruͤnde hinzugefuͤget, die tuͤchtig genug ſind, an der einen Seite, ei - ne Neigung zu einer Sache, die wir als uns nuͤtzlich und noͤthig anſehen, an der andern Seite einen Abſcheu fuͤr einer andern zu er - regen, die wir uns ſchaͤdlich, und unſerm wahren Beſten hinderlich zu ſeyn erkennen:) (4SoVorrede.So iſt die Sache ihrer Natur gemaͤß ausge - fuͤhret. Geſchicht dieſes auf eine ordentliche und angenehme Weiſe: So hat man ſich da - bey nach den Neigungen derer bequemt, die man unterrichten will, durch einen Vortrag, der uns lebhaft vor Augen ſtellet, was wir daraus lernen ſollen; ſodann iſt das Ange - nehme mit dem Nuͤtzlichen und Gruͤndlichen verbunden, und wird die Sache ſelbſt um ſo viel ſtaͤrker und leichter in unſer Gemuͤthe Eindruck verurſachen.

Dem irdiſchen Vergnuͤgen wird man auch dieſe Vortheile verhoffentlich nicht ab - ſprechen koͤnnen

Ein Verfaſſer, der endlich alle ſeine Le - ſer auf gleiche Weiſe unterhaͤlt, wird das Mis - vergnuͤgen haben, zu ſehen, daß wenige davon ſein Werk zum zweytenmale leſen, und noch weniger ſeines Unterrichtes ſich bedienen werden. Jhre Gemuͤthsneigungen ſind ſo unterſchiedlich, als die Bildungen der Geſich - ter, und folglich wird einer anders beweget, als der andere.

DaßVorrede.

Daß auch die Beobachtung dieſer Regel zur Aufnahme des Jrdiſchen Vergnuͤgens vieles beygetragen, iſt als unlaͤugbar von vielen vorgeſtellet. Sie geben zum Grun - de davon an, den Vorzug, welchen faſt ein je - der dem angenehmen Wohlklang der Poeſie vor dem ungebundenen verſtattet, naͤchſt dem, die unerſchoͤpflichen Veraͤnderungen der Ge - genſtaͤnde dieſer Betrachtung, und der daher genommenen Bewegungsgruͤnde, da, wie ſie ſagen, ein jedes Gedichte auf eine andere Weiſe uns zu dem loͤblichen Endzweck fuͤhre; daß wir Gott aus ſeinen Werken erkennen lernen ſollen, wodurch diejenigen, welche mit vielem Nachſinnen ſich nicht behelfen koͤnnen, eine Sache aus dem erſten Anſchauen, als eine ſolche, die uns zu dieſer Erkenntniß fuͤh - ret, anſehen lernen; andere aber, durch Schluͤſſe und Ueberlegung dieſe Wahrheit noch ſicherer zu erkennen, Gelegenheit haben. Sie ſchreiben es endlich denen, wie ſie es nen - nen, lebhaften, natuͤrlichen und angenehmen Ausdruͤckungen, Beſchreibungen und gan - zem Vortrage dieſes Werkes zu, daß es ſolchen Beyfall gefunden.

) (5EbenVorrede.

Eben dieſe gute Aufnahme nun, und das Verlangen, auch andere, ſo viel moͤglich, im - mermehr von der Wahrheit, von der Noth - wendigkeit, von dem Nutzen und dem Vergnuͤ - gen zu uͤberfuͤhren, womit dergleichen Be - trachtungen verbunden, haben meinem Vater hauptſaͤchlich beweget, ſeine fortgeſetzte Be - trachtungen herauszugeben, ſo wie das wirk - liche Vergnuͤgen, welches er fuͤr ſich darinnen findet und die niemals mangelnden Vorwuͤrfe, daß er daran fuͤr ſich arbeitet.

Bin ich nun als ein Sohn des Verfaſ - ſers, durch die oͤftere Auflagen dieſes Werks, zum oͤftern erfreuet worden: So kann ich dennoch nicht bergen, daß ich nicht ſelten eine unertraͤgliche Unempfindlich - keit, auch von ſolchen Leuten, denen man es nicht zutrauen ſollte, bemerket habe: Woruͤber ich denn zuweilen meinem Vater mein Misvergnuͤgen zu entdecken, mich nicht enthalten koͤnnen; welcher mir aber insgemein darauf zu antworten pflegte: Daß man daruͤber, daß die Copie ihnen nicht anſtaͤnde, ſich nicht verwundern koͤnn -te,Vorrede.te, da ja das herrliche Original ihres An - ſchauens nicht gewuͤrdiget wuͤrde.

Es giebt mir nunmehro die Erlaubniß meines Vaters Gelegenheit, die Fortſetzung dieſes Werks, welche den 6ten Theil des Jrdiſchen Vergnuͤgens in Gott ausmacht, dem geneigten Leſer durch eine Vorrede zu uͤberliefern.

Hiebey kann ich nicht umhin, oͤffentlich zu bezeugen, wie ſehr ich dieſe Freude ſowohl deswegen beſonders ſtatt finden laſſe, weil ich mich einen Sohn des Verfaſſers nennen darf, als auch deswegen, welches ich mit andern gemein habe, weil ich zugleich ein Werk ſeinen Endzweck erreichen ſehe, wel - ches ein jeder von ungemeinem Nutzen zu ſeyn erkennet.

Um nun von dem Nutzen, der Abſicht und dem Jnhalt ſowohl dieſes als anderer auf gleichen Endzweck abzielender Buͤcher, (unter welchen nebſt Herrn Zellen erbauli - chem Buche, des beruͤhmten Herrn Doct. Trillers vortreffliches Werk vor andern nicht genug zu ruͤhmen) noch etwas zu er -waͤh -Vorrede.waͤhnen; wird der geneigte Leſer mir erlau - ben, meine eigentliche Meynung mit wenigen anzuzeigen.

Jſt es wahr, wie es denn wohl nicht wird koͤnnen geleugnet werden, daß alle Dinge zwo Seiten haben? Jſt es ferner wahr, wie man ebenfalls zugeſtehen wird, daß in der Welt gutes und boͤſes auf eine bewundernswerthe Art verbunden; ſo iſt es nicht weniger an dem, daß es nicht zu be - greifen, wie eine ſolche Menge Buͤcher in der Welt vorhanden, welche alles Bittere, Beſchwerliche, Traurige, Widrige, Laſter - hafte, Gottloſe, was auf unſerer Erden in der That vorhanden, mit einem andaͤchti - gen Fleiß heraus zu klauben, zuſammen zu ſetzen, und eine ſo ſchreckhafte Abbildung von der Welt zu machen, ſich bemuͤhen, daß, wo - fern der Menſchen Seelen vor ihrer Geburt derſelben anſichtig wuͤrden, und es in ihrer Willkuͤhr ſtuͤnde, hinein zu treten oder nicht, ſie ſich vermuthlich alle ſtraͤuben, und keine mit gutem Willen in eine ſolche Moͤrderhoͤle, zu kommen, ſich entſchlieſſen wuͤrde.

WannVorrede.

Wann es nun aber eben ſo wenig zu leugnen, daß das wunderſame Gebaͤude der Welt ein Geſchoͤpf ſey, nicht allein einer all - maͤchtigen und weiſen, ſondern auch einer liebreichen Gottheit; wann es ferner nie - mand in Zweifel ziehet, ſie ſey zu Gottes Eh - re geſchaffen; wann es endlich eben ſo un - leugbar, daß es eine der weſentlichſten Eigen - ſchaften unſrer Seelen ſey, ſich nach einem Vergnuͤgen zu ſehnen, und, deſſen theilhaf - tig zu werden, ſich begierig zu beſtreben, ja man von dieſer Eigenſchaft zugeben muß, daß ſolche nicht anders, als eine von der Gott - heit ſelbſt in ſie geſenkte Faͤhigkeit, anzuſehen: So iſt es am unbegreiflichſten: Warum nicht mehrere Menſchen ſich vorlaͤngſt be - muͤhet, auch das, nach Beſchaffenheit der Welt, in derſelben ſo haͤufig ſich mit befin - dende weſentliche Gute, ebenfalls heraus zu ziehen, es zuſammen zufuͤgen, und eine nicht weniger als jene nach dem Leben ge - malte Schilderey, zu Gottes Ehren, vorzuſtel - len; indem dadurch die menſchlichen Seelen, Gottes Allmacht, Weisheit und Liebe, zu be -wun -Vorrede.wundern, ſich ſelbſt zu vergnuͤgen, Gott zu danken, und durch ſo ungezaͤhltes Gute geruͤh - ret, aus einer kindlichen Liebe und Erkennt - lichkeit, ſich von Laſtern abzuziehen, ohne Furcht der Strafe, Gott zu lieben, und ihm nach Vermoͤgen gefaͤllig zu leben, angefuͤhret, und zu den uͤbrigen Pflichten des Gottesdien - ſtes, nemlich einem wahren Glauben, deſto - mehr zubereitet werden koͤnnten.

Die Abwartung meines Studirens haͤlt mich gegenwaͤrtig von meinem Vater entfer - net. Jch habe alſo nicht Gelegenheit gehabt, dieſen ſechſten Theil ſelbſt, ehe zu ſehen, als diejenigen, denen ich ihn uͤberliefern ſoll. Ein Fremder in dieſen Umſtaͤnden wuͤrde vielleicht ſagen, daß es auch deſſen, imgleichen einer weitlaͤuftigen Vorrede, nicht gebraucht. Er wuͤrde den Leſer auf die fuͤnf erſten Theile des Jrdiſchen Vergnuͤgens verweiſen, und behaupten, daß ſie ihm Erlaubniß geben, den - ſelben in dem ſechſten ſehr viel Gutes zu ver - ſprechen; wenn, zumal die beſtaͤndige Unter - ſuchung dieſer Wahrheiten, dem Verfaſſer immer geſchickter machen, darinn mehr zuent -Vorrede.entdecken, als andere, die um dergleichen Be - trachtungen ſich nicht ſehr bemuͤhen.

Jch weis nicht, ob es mir als ein wirkli - ches Verbrechen koͤnnte ausgeleget werden, wenn ich dabey bliebe, und zugleich glaubte, be - haupten zu koͤnnen, daß der Character eines Sohnes mich in ſo weit nicht hindern duͤrfe, auch oͤffentlich als wahr zu erkennen, was ich fuͤr mich ſo einſehe, wenn ich dem Urtheile ſo vieler großen Leute folge, die nicht gewohnt ſind, was anders zu ſagen, als was ſie glau - ben, und die ſelbſt nicht Urſache gehabt, et - was anders zu ſagen; verhoffe einfolglich nicht zu irren, wenn ich dem Leſer in der Fortſetzung dasjenige verſpreche, was dieſel - ben von den fuͤnf erſten Theilen bereits ge - meldet.

Worinn ſich indeſſen hauptſaͤchlich dieſer Theil von denen andern unterſcheidet, iſt die - ſes: Daß ein merkliches Stuͤcke deſſelben ei - nige Vorwuͤrfe aus dem Thierreich beſchrei - ben und zeigen wird, wie wir auch da - durch Anleitung uͤberkommen, die mit ſo vie - ler Guͤte verbundene Weisheit eines ſo maͤch -) () (tigenVorrede.tigen Schoͤpfers zu erkennen, zu bewundern, und zu verehren. Jch ſchreibe mit Fleiß ei - nige Vorwuͤrfe, weil ich mich erinnere, ein ei - genes großes Werk unter den Haͤnden mei - nes Vaters geſehen zu haben, worinn er die drey Reiche der Natur ins beſondere zu be - trachten, den Anfang gemacht, auch bey mei - ner Abreiſe ſchon ziemlich weit damit gekom - men war. Hier geſchicht es bey Gelegenheit eines vortrefflichen Werks, worinnen der be - ruͤhmte Ridinger einen Theil von den uns bekannten vierfuͤßigen Thieren, in uͤberaus ſchoͤnen Kupfern, aus Licht geſtellet, wovon er die Originalzeichnungen meinem Vater geſchenket hat ꝛc.

Wer die Wahrheit und den Nutzen ſol - cher Betrachtungen einſiehet, wer ein Ver - langen hat, durch eine vernuͤnftige Zueignung irdiſcher Vergnuͤglichkeiten, ſich zum Schoͤp - fer zu machen, der wird ohne Zweifel ein Ver - gnuͤgen daruͤber empfinden, daß dieſelben fort - geſetzet werden, und zugleich wuͤnſchen: Daß durch ein langes Leben und bey erwuͤnſchter Geſundheit erhaltenen Kraͤften des LeibesundVorrede.und des Gemuͤthes, der Verfaſſer in den Stand geſetzet werden moͤge, die darinn ent - haltene Wahrheit noch ferner, ſo viel moͤglich, in ihr Licht zu ſetzen. Mit dieſem herzlichen Wunſch, mit welchem der geneigte Leſer den ſeinigen verhoffentlich zugleich verbinden wird, empfehle ich mich deſſen Gewogenheit.

E. N. Brockes.

) () (2Eil -

Eilfertige, doch wohlgemeynte poetiſche Gedanken, uͤber den ſechſten Theil des Brockeſiſchen Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT.

nemesianvs, Eclog. I. Namque fuit dignus quem Carmine Phoebus, Pan Calamis, fidibusque Linus, modulatibus Orpheus Concinerent, atque acta Viri laudesque ſonarent. ()
NUn faͤhrſt Du, großer Brocks, in Deinem Fleiße fort,
Noch hoͤreſt Du nicht auf, die Menſchen zu erbauen,
Da wir den ſechſten Theil von Deinen Liedern ſchauen,
(Denn ein beſondres Werk iſt noch Dein Kindermord,)
Fuͤnf Theile hat man ſchon vom irdiſchen Vergnuͤgen,
Zu dieſen willſt Du noch den ſechſten ruͤhmlichſt fuͤgen.
WIe unerſchoͤpflich reich iſt Dein begabter Geiſt!
Du kannſt mit allem Recht hier einem Brunnen gleichen,
Je mehr man Waſſer ſchoͤpft; je mehr pflegt er zu reichen,
So, daß der Ueberfluß ſich taͤglich ſtaͤrker weiſt,
Und weil er dergeſtalt ſich immer zu vergroͤßert,
Zuletzt ins Freye ſtroͤmt, und Feld und Auen waͤſſert.
Zwar
Zwar manche ſchreiben viel, und doch nicht gut dabey;
Sie fangen feurig an, und pflegen matt zu enden.
Doch bey Dir iſts nicht ſo; das Werk von Deinen Haͤnden
Jſt unveraͤnderlich, bleibt immer einerley.
Du kannſt, dem Caͤſar gleich, nichts ſchlecht u. niedrig ſagen,
Indocilis priuata loqui, ſpricht dort ſehr ſinnreich von dem Julius Caͤſar der treffliche Poet, Lucanus, Lib. V. Pharſal. v. 539.
Denn alles iſt voll Geiſt, was Du uns vorgetragen.
Es iſt ſtets ein Gedicht von Dir dem andern gleich,
Erhaben, praͤchtig, ſtark, ſcharfſinnig, auserleſen,
Voll Andacht, Geiſt und Kraft, und ungemeinem Weſen,
An Worten ſchoͤn geſchmuͤckt, und an Erfindung reich.
Man laß den Namen weg: So will ich doch faſt ſchwoͤren,
Daß ich die Lieder weis, die Brockſen zugehoͤren.
Der Nutzen, den bisher Dein trefflich Werk geſtift,
Jſt unbeſchreiblich groß. Von den erhabnen Thronen
Zum Adel, Buͤrgerſtand, und niedrigern Perſonen,
Von beyderley Geſchlecht lieſt jedes Deine Schrift.
Noch mehr, man hat ſie gar der zarten Jugend wegen
Jn Schulen eingefuͤhrt, die Andacht einzupraͤgen.
Gewißlich, ſaͤhe man der Leſer große Schaar;
Man wuͤrde fuͤr der Zahl beynah erſtaunen muͤſſen,
Und wegen Vielheit kaum ſie auszurechnen wiſſen,
Vornemlich, da Dein Buch oft aufgeleget war.
Viel tauſend, tauſend ſind durch Dich erweckt, belehret,
Getroͤſtet, aufgericht, erbauet und bekehret.
) () (3Jn
Jn Schweden, Daͤnnemark, in Holl - und Engeland,
Jn Ungarn, Schleſien, und wo die Liljen glaͤnzen,
Ja in Siberien, und Rußlands weiten Graͤnzen,
Jſt Deine Poeſie, beruͤhmter Brocks, bekannt.
Und was? Jſt ſie doch gar nach Jndien gekommen,
Wenn mancher Reiſender ſie mit zu Schiff genommen.
Wo Alexander zog, da war auch ſtets Homer;
So pfleget auch Dein Buch der tapfre Prinz von Heſſen,
Wenn er zu Felde geht, nicht leichtlich zu vergeſſen;
Er fuͤhrt mit einer Hand ſein Sieg-gewohntes Heer;
Doch in der andern liegt dein irdiſches Vergnuͤgen,
Und Du begleiteſt ihn auf ſeinen Heldenzuͤgen.
Dahero bleibet Dir die ganze Chriſtenheit,
So fern ſie ſich erſtreckt, hoͤchſt dankbarlich verbunden,
Daß Du die Dir von Gott geſchenkten Nebenſtunden
Der Andacht bis anher ſo heilſamlich geweiht:
Viel Prieſter haben nicht ſo viel, als Du, erbauet,
Hat Dir die Vorſicht gleich kein geiſtlich Amt vertrauet.
Ein Tadler trete her, und ſchelte meinen Satz!
Die Wahrheit ſpricht fuͤr mich, drum darf ich nicht erroͤthen,
Du biſt der chriſtlichſte und beſte der Poeten,
Und Deine Lieder ſind ein unſchaͤtzbarer Schatz.
Nie hat noch ein Poet, mit ſeiner deutſchen Zungen,
Den Schoͤpfer der Natur ſo ſchoͤn, als Du, beſungen.
Jch
Jch ſchreibe, was ich weis, und was mein Herze meynt,
Und was auch neben mir viel hundert ſagen muͤſſen.
Sind viel auch ſtumm vor Neid, bejaht doch ihr Gewiſſen
Von innen, was der Mund von auſſen frech verneint.
So ſind die Feinde ſelbſt, durch ihr gezwungnes Schweigen,
Von Deinem Werth und Ruhm, auch ſtum̃, beredte Zeugen.
Du weiſt, ich ruͤhm Dich nicht, von Dir gelobt zu ſeyn,
(Haſt Du mein ſchlecht Verdienſt gleich guͤtig oft erhaben,)
Viel minder ruͤhm ich Dich, aus Abſicht deiner Gaben,
Dieß waͤr vor Dich und mich zu niedrig und gemein.
Denn bin ich ſchon nicht reich: So kann doch niemand ſagen,
Daß ich ein hungrig Lob ums Geld je feil getragen.
Von langen Zeiten her erheb ich Deinen Werth,
Doch funfzehn Jahre ſinds, ſeitdem wir uns vereinet;
Von dar an haſt Du es mit mir ſtets treu gemeynet,
Und mir Dein edles Herz in manchem Brief erklaͤrt;
Jch hab auch mich beſtrebt, daß ich ſo großer Ehre,
Ein Freund von Dir zu ſeyn, nicht ganz unwuͤrdig waͤre.
So lange ſich in mir ein lauer Athem regt,
Werd ich Dein groß Verdienſt mit Ehrfurcht ſtets betrachten.
Die Spoͤtter moͤgen Dich beneiden, mich verachten;
Bleibt Dein Gedaͤchtniß mir doch heilig eingepraͤgt.
O wollt es mir nur auch ein einzigmal noch gluͤcken,
Dich ſelbſten von Perſon dereinſten zu erblicken!
Wer
Wer weis, was noch geſchicht; zum mindſten wuͤrde mir
Ein ſo gewuͤnſchter Tag die groͤßte Freude geben,
Und Deine Gegenwart mich gleichſam neu beleben;
Waͤr ich, beruͤhmter Brocks, nur kurze Zeit bey Dir,
Wie wuͤrde denn mein Geiſt erweckt und aufgerichtet,
Den weiſen Mann zu ſehn, der ſo viel Guts gedichtet!
Jndeſſen ruf ich Dir viel Gluͤcks von Herzen zu,
Bey dieſem abermal begluͤckt-vollbrachten Werke;
Der Himmel ſchenke Dir in Zukunft Kraft und Staͤrke,
Geſundheit, Freudigkeit, Trieb, Muße, Zeit und Ruh,
Daß Du im Stande ſeyſt, durch noch viel ſolche Schriften
Dir und der Chriſtenheit ſo Ruhm, als Nutz, zu ſtiften.
Er, welcher Dich allhier zum Werkzeug auserſehn,
Um die verſtockte Welt vom Schlafe zu erwecken,
Laß Deines Lebens Ziel ſich weit hinaus erſtrecken,
Und Deinen Todesfall noch lange nicht geſchehn;
Deñ ſchwerlich wird die Welt, wenn man Dich ſpaͤt begraben,
(Ach irrt ich dieſesmal!) einſt Deines gleichen haben.
Dieſes ſchrieb in beſſerer Herzensmeynung, als Verſen, des hochberuͤhmten Herrn Verfaſſers getreueſter Freund und gehor - ſamſter Diener,
Daniel Wilhelm Triller. Phil. ac Med. D. & Archiatr. Naſſov.
Jrdi -[1]

Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT. Sechſter Theil.

[2][3]

Gottes Tempel.

Mein und aller Dinge Schoͤpfer! Da ich hier im Garten gehe,
Und, im Feld, in Fluth, und Luft ungezaͤhlte Wun - der ſehe,
Auch, daß ihrer aller Weſen bloß aus dir entſteht, verſtehe:
Trifft mich dein darinn erblickter Weisheit, Lieb und Allmacht Stral,
Es entſteht in meiner Seelen Luſt und Ehrfurcht auf einmal.
Jch ſeh unſer Weltgebaͤude, und zugleich den Sternaltan,
Als ein wuͤrdigs Haus des Hoͤchſten, und als einen Tempel an,
Welchen Gottes Majeſtaͤt, ob gleich unſerm Blick verhuͤllet,
Und nicht ſichtbar unſern Augen, dennoch weſentlich erfuͤllet.
Dieſes Tempels Groͤß allein, kann der Gottheit Groͤß erheben,
Und, von dem, der ihn bewohnt, einen wuͤrdgen Eindruck geben.
Jn dem Wundertempel ſeh ich, dem, der ihn gebaut, zur Ehre,
Jn den Millionen Sonnen, Millionen Lob-Altaͤre,
Die zum Ruhm des Schoͤpfers brennen.
Da der Zwiſchenſtand von ihnen ſo entſetzlich groß und weit:
Zeigt es uns des Tempels Groͤß und deſſelben Herrlichkeit. A 2Waͤr4Gottes Tempel. Waͤr ein abgeſchoßne Kugel mehr, als 24 Jahren,
Ungehemmt und unveraͤndert, in geradem Strich, gefahren;
Waͤre ſie doch an den Ort, wo der Sonnen Feuer prangt,
Von dem Kreiſe dieſer Erde, lange noch nicht hingelangt.
Welch ein Abſtand! welch ein Raum! zu dem naͤheſten Altare!
Aber laßt uns in dem Tempel noch im Geiſte weiter gehn,
Und den ungemeßnen Abſtand zu der andern Sonne ſehn!
Waͤr es moͤglich, daß die Kugel ſechsmal hundert tauſend Jahre,
Jn beſtaͤndger Schnelligkeit, ſtets gerade vor ſich floͤge;
Wuͤrde ſie (o! aller Groͤße uͤbergehnder Wunderraum)
Dennoch zu dem erſten Fixſtern, als der andern Sonne, kaum,
Hin - und angelanget ſeyn. Kaum erlaubt mir hier der Schrecken,
Daß es ſeit - und unterwerts, ja ſo weit ſey, zu entdecken.
Großer Gott! von deiner Groͤße wird, durch kein ſo wuͤrdig Bild,
Als durch dieſes Tempels Groͤße, die erſtaunte Seel erfuͤllt.
Dieſer ſoll mein Tempel ſeyn, hier will ich, Dich anzubethen,
Mit Erſtaunen, Luſt und Ehrfurcht, mich bemuͤhn, vor Dich zu treten.
Heilige Bewunderung will ich Dir zum Weihrauch ſtreun,
Und voll Lob, in Lieb entbrannt, will ich ſelbſt das Opfer ſeyn.
Lieb -5Liebliche Fruͤhlings-Vorwuͤrfe.

Liebliche Fruͤhlings-Vorwuͤrfe.

Wie iſt von allem, was wir ſehn,
Das Schoͤne doch ſo wunderſchoͤn!
Was man an allen Orten ſchaut,
Bey dem entwoͤlkten Fruͤhlings-Wetter,
Jſt glaͤnzend Laub, durchlaͤuchtigs Kraut,
Sind hell illuminirte Blaͤtter,
Jſt bunte, ganz durchſtralte, Bluͤht,
Sind Blumen, die ſich, wie Opalen,
Mit Schimmer mehr, als Farben, malen,
Worauf der Thau des Morgens gluͤht,
Als waͤr, von Demant und Kryſtallen,
Ein ungezaͤhltes Heer von Kugeln drauf gefallen.
Das Feld, ſo weit der Blick ſich ſtreckt,
Hat ein ſmaragdnes Gruͤn bedeckt,
Der Hoffnung ſchoͤnſte Liberey:
Sie zeigt vorher, was fuͤr ein Schatz,
Von dem ſo weit-als ſchoͤnen Platz
Jm Weizen, zu gewarten ſey.
Da denn, von zarter Halmen Spitzen,
Worauf der Sonnen Blicke blitzen,
Das Spielen faſt nicht anders laͤßt,
Als ob der Zephyr und der Weſt,
Um ihren Halm hervor zu ziehn,
Recht in die Wette ſich bemuͤhn,
Es hin und wieder ſanft zu wiegen,
Es oͤfters hin und her zu biegen.
A 3Dieß6Liebliche Fruͤhlings Vorwuͤfe.
Dieß nuͤtzliche Bemuͤhen iſt zugleich
Fuͤr uns an Lieblichkeit und Anmuth reich,
Da, wenn ſich ihr beſtralter Schmelz beweget,
Es unſerm Blick beſondre Luſt erreget;
Wodurch, indem das reine Licht
Auf ihnen wallt, und ſtets ſich bricht,
Durch ein beſtaͤndig ſanftes Spielen,
Wir eine Luſt, durchs Auge, fuͤhlen,
Die uns dabey zugleich verſpricht,
Jm bald’gen Raſcheln reifer Aehren,
Die Luſt, durchs Ohr, noch zu vermehren.
Man ſieht itzt uͤberall mit Freuden,
Jn gruͤnem Sammt, ſich Thal und Huͤgel kleiden.
Es ſchmuͤcket ſich das niedre Land;
Es kraͤnzen ſich der Berge Gipfel;
Es zieret ſich der duͤrre Sand;
Es kroͤnen ſich der Baͤume Wipfel;
Es bricht ein allgemeiner Flor,
Bebluͤmt, itzt uͤberall hervor;
Und wo wir gehen, wo wir ſtehen;
Wohin wir hoͤren oder ſehen,
Trifft Ohr und Auge Vorwuͤrf an,
Wodurch man unſern Gott erhoͤhen,
Und ſeiner Huld ſich freuen kann.
Faͤllt jetzt von ungefaͤhr ein Regen,
Mein Gott! was faͤllt darinn vor Seegen!
Was vor ein Trank, der das ernaͤhrt,
Was uns hernach die Koſt beſchehrt.
Wie fließt, in ſolchem Ueberfluß,
So Thier als Pflanzen zum Genuß,
Das Seegens-Naß jetzt uͤberall!
Wenn7Liebliche Fruͤhlings-Vorwuͤrfe.
Wenn nun darauf des Himmels Licht
Durch die zerſtuͤckten Wolken bricht;
So ſcheint von glaͤnzendem Kryſtall,
Worinn die Sonne Farben praͤget,
Laub, Garten, Wald und Feld beleget,
Wodurch man alles, was da bluͤhet,
Jm faſt durchlaucht’gen Schimmer ſiehet.
Jſt es denn moͤglich, daß die Welt
Dem, der ſich vor vernuͤnftig haͤlt,
Jn ſolchem Stande nicht gefaͤllt,
Und er den, der ihm alles giebet,
Nicht ehret, preiſet, lobet, liebet?
A 4Man -8Mancherley Vergnuͤgen an Blumen.

Mancherley Vergnuͤgen an Blumen.

Die guͤtige Natur, damit der Kreis der Erden
Dem Menſchen moͤcht ein lieblich Wohnhaus werden,
Beſchloß, um ihn recht herrlich auszuzieren,
Zu ſeiner Augen Luſt, die Blumen zu formiren.
Ein ungezaͤhlte Zahl Figuren ward erdacht,
Und all in anderer gefaͤrbten Zierlichkeit,
Jn unterſchiedlicher Vollkommenheit,
Gebildet und hervorgebracht.
Sie war noch nicht vergnuͤgt; ſie wollte mehr noch ſchenken;
Und, um noch einen Sinn der Menſchen zu vergnuͤgen,
Noch eine Wundergab in ihre Blumen ſenken,
Und den balſamiſchen Geruch, zur Schoͤnheit, fuͤgen.
Noch mehr, auch zum Gefuͤhl, ward von ihr auserleſen
Ein Stoff, der uns vergnuͤgt. Ein holdes kuͤhles Wefen
Ward dieſem lieblichen Geſchoͤpf noch einverleibt,
Das ſich an unſre Haut, nicht ſonder Anmuth, reibt,
Und eine kuͤhle Kraft in Hirn und Lunge treibt.
Es ſey im Sommer noch ſo ſchwuͤhl;
So ſind der Blumen Blaͤtter kuͤhl.
Und ſo vergnuͤgt ſie uns Geſicht, Geruch, Gefuͤhl.
Ja, wenn man weiter geht; ſo wird man noch entdecken,
Daß wir in vielen gar was wirklich ſuͤſſes ſchmecken,
Ohn was in ihr annoch fuͤr Honig-Schaͤtze ſtecken.
So iſt denn offenbar, daß durch der Blumen Heer
Die Seelen, nicht durch einen Sinn allein,
Annoch durch mehr,
Und gar durch ihrer vier vergnuͤget ſeyn.
Jſt jedes Sinnes Luſt denn wenigſtens nicht werth,
Daß man durch ein Gott-Lob davor den Schoͤpfer ehrt?
Auf -9Aufmunterung zum Vergnuͤgen ꝛc.

Aufmunterung zum Vergnuͤgen im Fruͤhling.

Du haſt mich, Herr, die ſchoͤne Zeit,
Da alles voller Lieblichkeit,
Die nicht zu zaͤhlen, nicht zu faſſen,
Jetzt abermal erleben laſſen.
Jch lobe dich und danke Dir,
O aller Gnaden Quell! dafuͤr.
Da ich die Wunder deiner Werke,
Mit Luſt, aufs neue ſehen kann:
So beth ich Dich in ihnen an;
Weil ich, in ihnen, Dich bemerke.
Du zeigſt, in der Geſchoͤpfe Pracht,
Nicht nur die Groͤße deiner Macht;
Du zeigeſt deiner Weisheit Licht,
Und auch die Flammen deiner Liebe.
Wer ruͤhmet, lobt und preiſet nicht
Des Schoͤpfers vaͤterliche Triebe,
Da er, nicht unſern Seelen nur,
Empfindung von der Creatur,
Auf eine Weiſ allein, geſchenket:
Fuͤnf Arten hat er unſern Seelen,
Sich mit denſelben zu vermaͤhlen,
Voll ſuͤſſer Wolluſt, eingeſenket,
Und jeder (moͤcht man es doch faſſen)
Hat er, o Wunder! aller Orten
Von Vorwuͤrf hundert tauſend Sorten,
Auf dieſer Erde werden laſſen.
A 5Die10Aufmunter. zum Vergnuͤgen im Fruͤhling.
Die alle werden noch im Lenzen,
Durch der jetzt nahen Sonne Glaͤznen,
Verjuͤngt, verſchoͤnert und vermehrt,
Jndem ſie uͤberall entſprieſſen:
Uns wird ſo gar, ſie zu genieſſen,
Jm Fruͤhling neue Kraft beſchehrt.
Jſt alles dieſes denn nicht werth,
Daß, da wir ſo viel ſchoͤne Gaben
Von ihm, zur Luſt, empfangen haben,
Man Gott in unſrer Luſt verehrt?
Und kann wohl was betruͤbters ſeyn,
Als daß wir, eh wir, wie wir ſollen,
Dem Schoͤpfer unſre Freude zollen,
Wir lieber fuͤhllos, wie ein Stein,
Als froh ſeyn, und Gott ehren wollen!
An -11Anmuthige Vorwuͤrfe der Sinnen ꝛc.

Anmuthige Vorwuͤrfe der Sinnen im Fruͤhling.

Das Tſchwitſchern der Voͤgel, das Sumſen der Bienen
Vergnuͤgt die Seele, durchs Gehoͤr.
Das Schmelzwerk der Blumen, im glaͤnzenden Gruͤnen,
Vergnuͤgt ſie durchs Geſicht noch mehr.
Durch riechen erquicket ein achtſam Gemuͤthe,
Mit einem recht ambrirten Duft,
Der Baͤume theils weiſſe, theils roͤthliche Bluͤhte,
Und ziert zugleich die heitre Luft.
Sie werden, durch liebliches Blaſen der Winde,
Bald ſanft erhoͤht, bald ſanft geſenkt,
Und als ein gefuͤlletes Rauchfaß gelinde,
Voll Anmuth, hin und her geſchwenkt.
Es netzen die Zungen fuͤß-ſaͤurliche Saͤfte
Von mancher Frucht, die jetzt ſchon reift,
Jn welchen der kuͤhlend - und naͤhrenden Kraͤfte
Verband ſo Nutz als Anmuth haͤuft.
Das lieblich gemilderte ſpielende Streicheln
Der Luft, die jetzt bald lau, bald kuͤhl,
Erwecket mit wallendem Saͤuſeln und Schmeicheln,
Der Haut ein angenehm Gefuͤhl.
Da ſich nun im froͤlichen Fruͤhling hienieden
So manche Freude zu uns lenkt,
Die uns der allmaͤchtige Schoͤpfer beſchieden:
So danket Gott, der ſie uns ſchenkt.
Die12Die Froͤſche.

Die Froͤſche.

Juͤngſt hoͤrt ich von neuen dem lauten Gewaͤſche,
Dem quarrenden Knarren geſchwaͤtziger Froͤſche,
Jn ihrer ungeſtoͤhrten Ruh,
Mit einiger Betrachtung zu.
Mich deucht, daß ihr verwirrt und mancherley Geſchrey,
Jn etwan fuͤnf bis ſechſerley,
Und mehr Veraͤndrungen nicht, einzutheilen ſey.
Der groͤßte Haufe ſcheint, auf Menſchen Art, zu murren,
Und, uͤm ein Nichts, zu laͤrmen und zu knurren.
Verſchiedne ſagen: Merks. Und dieſe kommen mir
Als Philoſophen fuͤr.
Mit unbeſcheidnem Trotz, ſchien mancher, als ein Lehrer,
Mit einem ſchaͤrfern Ton, ſich uͤber ſeine Hoͤrer,
Durch nichts, als ſtrengern Schall, ſich eifrig zu beſtreben,
Hervor zu thun und zu erheben;
Sie ſchienen mit Gewalt, die andern zu belehren,
Und mit der Lungen mehr, als des Verſtandes Kraft,
Verſchiedner Sachen Eigenſchaft,
Mit gruͤndlichem Bericht, den Hoͤrern zu erklaͤren;
Wovon doch, wie es ließ, verſchiedne laͤngſt gefunden,
Daß die ſo wohl, als ſie, von allem nichts verſtunden.
Ein kurz, doch hell Gequick, als ein Gepfeif, entfuhr
Verſchiednen hier und dort. Dieß ließ, als wenn ſie nur
Mit jenen, daß ſie ſich zu ſehr erhuͤben,
Ein laut Geſpoͤtte trieben.
Noch andre ſchienen mir, mit unbeſorgtem Lachen,
Jm warmen Sonnenſtral, recht luſtig ſich zu machen.
Und dieſe Saͤnger kamen mir,
Von allen, als die Kluͤgſten, fuͤr.
Die13Die weiſſe Hyacinth.

Die weiſſe Hyacinth.

Mich deucht, daß ich, bey deinem Schnee;
Annoch ein Ueberbleibſel ſeh
Vom Schnee, der nun Gottlob vorbey.
Es ſcheint, du wollſt, im neuen Gruͤnen,
Uns zur Erinnerung noch dienen,
Daß Plag und Froſt vergangen ſey;
Jndem uns die Erfahrung lehrt,
Daß ein vergangener Verdruß
Jm Gegenſatz noch den Genuß
Des gegenwaͤrtgen Guten mehrt.
Die14Die blaue Hyacinth.

Die blaue Hyacinth.

Jch ſtell, in meiner Farben Zier,
Die Himmel-blau, den Himmel fuͤr.
Jn meiner Form, da ſie ſo ſchoͤn,
Laß ich die Stern auf Erden ſehn.
Ach moͤchtet ihr, in meinen Sternen,
Den Herrn der Sternen kennen lernen!
Wenn du auf mich die Blicke lenkeſt,
Wie daß du nicht an den gedenkeſt,
Der mich fuͤr dich hervorgebracht!
Euch zeigt unſtreitig meine Pracht,
Die richtige Beſchaffenheit
Von meinem Bau, die Lieblichkeit
Der Farben, des Geruchs, die bloß fuͤr dich bereit;
Daß ich mich ſelber nicht erdacht,
Daß ich mich ſelber nicht gemacht.
Kaͤi -15Die Kaiſer-Krone.

Kaiſer-Krone.

Jch ſehe dich Gottlob zuſammt dem neuen Lenzen,
Geliebte Blum, aufs neue glaͤnzen,
Dich, die dein auserleſene Pracht
Zur Blumen Kaiſerin, dem Namen nach, gemacht.
Jch habe dich zwar, daß du ſchoͤn
Vom Finger der Natur formiret,
Mit vieler Luſt oft angeſehn;
Jch hab auch, uͤber dich, moraliſiret:
Doch hab ich dich, wie ich dich jetzo ſehe,
Und worinn deine Pracht denn eigentlich beſtehe,
Wie du ſo ſonderlich geſchmuͤckt,
Noch nicht mit Achtſamkeit, gebuͤhrend angeblickt;
Noch wie dich die Natur ſo hoch empor getrieben,
Nicht deinen Bau, nicht Farb und Form beſchrieben,
Die doch faſt mehr, als andre Blumen, werth,
Daß man, in ihrer Zier, und praͤchtigen Figur,
Von einem weiſen Zweck, ein Abſicht der Natur,
Ganz uͤberzeuglich merkt, und den bewundernd ehrt,
Der, in ſo zierlichen Geſchoͤpfes Schmuck und Pracht,
Ein uͤberzeuglichs Stuͤck, ein Merkmaal ſeiner Macht,
Und ſeiner weiſen Lieb, an uns zugleich gewieſen.
Der Schoͤpfer wird demnach in dir mit Recht geprieſen.
Was man an dir erblickt, erhabne, ſchoͤne Blume,
Gereicht dem, der dich ſchuf, und bildete, zum Ruhme.
Wenn man die Augen auf dich ſchlaͤgt,
Die ſchoͤne Symmetrie von deinem Bau erwegt,Die -16Die Kaiſer-Krone. Dieſelbige des Denkens wuͤrdig achtet,
Und, da du ſo betraͤchtlich, dich betrachtet,
Mit einer billigen und ſchuldgen Achtſamkeit;
Erblicket unſer Geiſt, in der Vollkommenheit
Der Farben und Figur, die dein Gewaͤchſe zieren,
Pracht, Ordnung, Abſicht, Zweck, die voͤllig uͤberfuͤhren,
Dein Weſen ſtamm aus keinem Ungefehr,
Von keinem blinden Fall, ohn Ueberlegung, her.
Nein, daß ein maͤchtiges und weiſes Weſen
Dich, nebſt ſo vielen Blumen mehr,
Zur Abſicht unſrer Luſt, und ſeiner Ehr,
Als ein ſchoͤn Werkzeug hab erleſen.
Nun wuͤnſcht ich, daß ich faͤhig waͤr,
Die Art, wie ſie ſich aufwerts treiben,
Wie jede ſich, mit allem, was ſie ziert,
Allmaͤhlig aus der Erd, und in die Hoͤhe fuͤhrt,
Recht uͤberzeuglich zu beſchreiben!
Doch will ich, daß ich nichts, als was ich ſeh,
Daran recht eigentlich verſteh,
Bekennen und geſtehn, und die Materie
An denen, die es beſſer faſſen,
Zu unterſuchen uͤberlaſſen.
Jch will, wie ich gewohnt, an euren aͤuſſern Schaͤtzen,
Die ſinnlich, Gott zum Ruhm, mich bloß allein ergoͤtzen.
Am Fuß von deines Stiels ſo hoch erhabner Stangen,
Die an ſich ſo betraͤchtlich, ſiehet man
Der breiten Blaͤtter glaͤnzend Prangen,
Jn Regel-rechter Symmetrie,
Und netter Ordnung abwerts hangen,
Wodurch ich ſie,
Jn einer ſanft-gebognen Ruͤnde,Daß17Kaiſerkrone. Daß ſie, am Form dem Palmbaum gleichen, finde,
Aufs mindſt in ihr ein Bild, das einer Aloe,
Die Jndien uns ſchenkt, recht praͤchtig aͤhnlich ſeh.
Sehr zierlich iſt ein jedes Blatt,
Sehr ſchoͤn von Farben, und ſo glatt,
Daß, wenn zumal der Sonnen Licht
Darauf mit ſeinen Stralen ſcheinet,
Man anders nicht,
Als ob ſie ganz verſilbert, meynet.
Der Blaͤtter Rang iſt recht verwunderlich,
Sie heben wechſelsweiſ, uͤm ihren Stengel ſich,
Woran er anfangs feſt, wodurch wir ihn,
Da er ſonſt roͤthlich braun, in ſeiner Mitte gruͤn,
Vergnuͤgt gefaͤrbet ſehn, nachher ſich abwaͤrts biegen,
Bis das die oberſten ſo ordentlich ſich fuͤgen,
Daß ſie, um ihren Stamm noch deſto mehr zu zieren,
Recht einen netten Kranz formiren.
Aus dieſes Kranzes gruͤnen Mitten,
Sieht man den roͤthlich braun, polirten, glatten Stiel,
Als waͤr er aus Agat geſchnitten,
Von neuen wiederum in ſchlanker Hoͤhe ſteigen,
Und oben eine Kron, von rothen Blumen zeigen,
Die Tulpen gleich, nur daß ſie nicht erhaben auf der Stangen,
Wie jene, ſondern all herabwerts hangen,
Und zwar auf eine nette Weiſe,
Jn einem zirkelrunden Kreiſe.
Da ſelbſt der Rang, den ſie dadurch formiret,
Sie, ja ſo wohl an Form, als Farben, zieret.
Die Farb an dieſer Blum iſt zwar nicht brennend ſchoͤn,
Wie wir auf vielen Blumen ſehn,Br. VI. Th. BJn -18Kaiſerkrone. Jndem ihr gelb - und roͤthliches Gepraͤnge,
Von einer dunklen Adern Menge
Durchflochten, uns ſich zeigt, in nett gedaͤmpfter Pracht,
Wodurch der Farben, ſonſt vermuthlich, heller Licht
Sich zwar in etwas bricht,
Doch eine ſuͤſſe Miſchung macht.
Sechs lange gelb-beſtaͤubte Staͤnglein ſitzen
Jn ihrer Mitt, um ihrer Samen Spitzen,
Die oben dreyfach ſich getheilet zeigt,
Und laͤnger, als die ander, aufwerts ſteigt.
Was das Bewunderns-wuͤrdigſte,
So man an dieſer Blum erblicket,
Jſt, daß ich halb erſtaunet ſeh,
Wie ſich ihr Jnnerſtes mit Perlen ſchmuͤcket,
Da, auf der innern Seit, ein jedes Blatt,
An Glanz, Figur und Farb, ein eigne Perle hat.
Was dieſes nun bedeuten muͤſſe,
Und was derſelben Endzweck ſey,
Geſteh ich frey,
Daß ich daſſelbige nicht wiſſe.
Es koͤmmt mir ihre weiſſ - und runde Zier,
Wie Perlen bald, und bald als Thraͤnen fuͤr.
Als Perlen ſchien derſelben helle Ruͤnde,
Als ob in ſchwarzem Schmelz, ſie eingefaſſet ſtuͤnde.
Dieß ſchien mir, von gekroͤnter Haͤupter Leben,
Ein lehrend Sinnbild abzugeben,
Daß ſelber ihrer Kronen Pracht,
Gar oft in ſchwarzer Sorgen Nacht,
Und einem Trauerflore ſtecket.
Seh ich ſie denn, als Thraͤnen, an:
So deucht mich, daß man ſchlieſſen kann,So19Kaiſerkrone. (Jndem man, daß ſie ſuͤß ſind, ſchmecket)
Daß man Luſt, Truͤbſal, Freud und Leid,
Jn ihrer bittern Suͤßigkeit,
Und Luſt und Laſt, in ihrem Stand entdecket.
Noch iſt die Blumenkron aufs neu,
Mit einen gruͤnen Buſch, gezieret und bekraͤnzet,
Wodurch ſie ſchoͤner prangt und glaͤnzet,
Als jede Blum in Floren-Reich,
Und iſt gewiß, an Pracht, ihr keine Blume gleich.
Jch habe dich denn nun, geliebte Blume,
Nach deinem aͤuſſern Schmuck, betrachtet,
Und abermal, zu unſers Schoͤpfers Ruhme,
Sein Abſicht, Weisheit, Macht und Lieb, in dir, beachtet.
Gott-Lob! daß ich dich ſo geſehn!
Gott Lob! daß der, der dich ſo wunderſchoͤn,
Gefaͤrbet und formiret,
Durch dich, mich ſelbſt, zu ſich, gefuͤhret!
Ach moͤcht ich, ihm zum Ruhm, jemehr und mehr geruͤhret,
Durch froͤhliche Betrachtung ihn,
Und ſeine Lieb und Macht, die ſich darin verbinden,
Jn ſeiner Creatur zu fuͤhlen und zu finden,
Durch alle Sinnen mich bemuͤhn!
B 2Zwo20Zwo lehrende Bienen.

Zwo lehrende Bienen.

Neulich ſah ich, mit Vergnuͤgen,
Eine kleine Biene fliegen,
Die ſich auf ein Bluͤmchen ſetzte,
Und in ſeinem ſuͤßen Saft,
Voller Balſamreichen Kraft,
Jhre kleine Zunge netzte.
Jhrer Arbeit dacht ich nach,
Bis ich zu mir ſelber ſprach:
Mich deucht, daß ich in deinem Werke
Und deinem Weſen, kleines Thier,
Ein Wunder der Natur verſpuͤr,
Ja ſelbſt den Schoͤpfer in dir merke.
Drauf nun duͤnkte mich, ich hoͤrte,
Wie von ihr, in ſanftem Brummen,
Ein nicht unverſtaͤndlich Summen
Mich ermahnet, und belehrte,
Welches mir faſt ja ſo klar,
Und faſt ja ſo deutlich klunge
Als wenn es, von einer Zunge,
Ordentlich geſprochen war.
Du thuſt ſehr wohl, daß du mich achteſt
Und, in mir, deſſen Macht betrachteſt,
Der dich, und mich erſchaffen hat.
Wie viel in der Natur verborgen,
So ihr, mit allen euren Sorgen,
Nicht findet, zeig ich in der That.
Wem21Zwo lehrende Bienen.
Wem wird es wohl von euch gelingen,
Nur zu dem Denken zu gelangen,
Aus Blumen Honigſeim zu bringen,
Noch minder, wie es anzufangen?
Hieraus nun koͤnnt ihr deutlich ſehn,
Daß alle menſchliche Gedanken,
Jn ſehr viel eingeſchraͤnktern Schranken,
Als ihr euch uͤberredet, ſtehn.
Jhr wuͤßtet, ohne meine Lehre,
Nicht, ja nicht die geringſte Spur,
Daß uͤberall, in der Natur,
Ein Honigſeim verborgen waͤre.
Wie viel euch unbekannte Saͤfte;
Wie viele Millionen Kraͤfte,
Die euren Witz verborgen ſeyn,
Schließt die Natur vermuthlich ein!
Drum lernet wenigſtens, von mir,
Trotz eurem Uebermuth, daß ihr,
Euch ja nicht uͤberheben muͤſſet,
Und, wo nicht nichts, doch wenig wiſſet,
Ein andre Biene ſaß dabey,
Und ſchien in ein vertieftes Denken,
Sich recht mit Vorſatz, zu verſenken.
Jndem ich ſie nun ernſtlich fragte,
Was ihrer Sorgen Urſach ſey:
So deucht mich, daß ſie zu mir ſagte:
Jch weis, ich bin ein kluges Thier,
Das muͤßt ihr Menſchen ſelbſt geſtehen,
Und darum eben ſitz ich hier,B 3 Und22Zwo lehrende Bienen. Und ſuch, aus edler Ehrbegier,
Das, was du denkeſt, einzuſehen.
Jch lacht, und ſagte dieß zu ihr:
Liebe Biene, laß es bleiben,
Deinen Witz ſo weit zu treiben,
Es iſt nur vergebne Muͤh.
Darauf, deucht mich, ſagte ſie:
Hoͤr, ſo laß auch du es bleiben,
Deinen Witz ſo weit zu treiben,
Wenn, mit eitlem Stolz erfuͤllt,
Du, was Gott ſey, wiſſen willt;
Weil es lang ſo thoͤricht nicht,
Was durch mich, von euch, geſchicht,
Als wenn ihr vermeynt zu finden,
Was des Schoͤpfers Weſen ſey,
Und, voll eitler Schwaͤrmerey,
Thorheit und Vermeſſenheit,
Jhr euch wollet unterwinden,
Was in aller Ewigkeit
Unergruͤndlich, zu ergruͤnden.
Auſ -23Auſſerordentliche Kaiſerkrone.

Auſſerordentliche Kaiſerkrone.

Vor allen andern Kaiſerkronen, beſonders reiche Kaiſer - krone,
Du biſt ja wohl bewunderns-werth! Da aller andern Schmuck und Pracht,
Jn einer Zahl gefaͤrbten Blumen, von etwan ſieben oder acht,
Wenns hoch koͤmmt neun bis zehn beſteht; ſieht man an deines Stengels Throne,
Auf eine nie geſehne Art, derſelben ſechs und dreyßig hangen.
Anſtatt daß andrer Stengel Blaͤtter, wenns hoch koͤmmt, an die vierzig gehn,
Hab ich an dir und deinem Stengel, zweyhundert und noch mehr geſehn!
Anſtatt daß an dem obern Buſch, bey andern, hoͤchſtens dreyßig prangen;
Sah ich auf deinem ebenfalls zweyhundert u. noch druͤber ſtehn.
Dein Stengel, der zween Zoll im Durchſchnitt, doch ſtatt der Ruͤnde, flach und platt,
Jſt, wie vor allen andern bunt, ſo auch vor allen andern glatt.
Jch ſehe, mit geruͤhrtem Herzen, und voll Verwunderung, dich an,
Weil ich die Urſach deines Reichthums und Vorzugs nicht be - greifen kann.
So ſchrieb ich, als von ungefaͤhr Chryſander in das Zim - mer trat,
Und, wie er die ſo ſonderlich, ſo ſchoͤn formirte Blum im Glaſe,B 4Be -24Auſſerordentliche Kaiſerkrone. Betrachtet und zugleich dabey, was ich geſchrieben, uͤberlaſe;
Mit einem ſpitzigen Gelaͤchter, mich meine Muͤh zu ſparen bat.
Jch ſahe ja, an dieſer Blum, ſprach er, ein unleugbare Spur,
Sie ſey ein Fehler, eine Schwaͤche, und bloß ein Jrrthum der Natur,
Den ſie, indem ſie blindlings wirkte, und oft ſich von der Richtſchnur trennte,
Aus Mangel einer klugen Einſicht, wie hier, gar leicht bege - hen koͤnnte.
Jch ſtutzte; nicht ſo ſehr darum, daß er ſo frech mir wider - ſprach,
Und unverhofft mich luͤgen hieß, mich einer Schwaͤch und Thor - heit zeihte,
Und, durch ſolch unverſchaͤmt Betragen, mir die Gedanken ganz zerſtreute.
Jch dachte ſeinen wilden Schluͤſſen und ſeinem Unfug ernſtlich nach,
So viel der Unmuth mirs erlaubte; bezwang mein Feuer, das ſchon brannte;
Und fieng mit aller Sanftmuth an: Kann es wohl moͤglich ſeyn, mein Freund!
Daß du dich nicht entſiehſt, des Schoͤpfers, der Menſchen, ja dein eigner Feind,
So ganz unuͤberlegt zu werden? Was dir ein Fehl und Jrr - thum ſcheint,
Und was, aus uͤbereiltem Sinn, dein Geiſt erſt Schwaͤch und Mangel nannte,
Zeigt, in dem ſo genannten Jrrthum, den allerzierlichſten Verband,
Und weiſt, in ſeiner Symmetrie, nicht minder Ordnung und Verſtand,Als25Auſſerordentliche Kaiſerkrone. Als in der Ordnung aller andern, und ihre Schoͤnheit, wo nicht mehr.
Es ſtehet alles Regel-recht, das Kraut, die Blumen und der Stengel
Jn einem wunderns-werthen Rang, ohn allen Fehler, ohne Maͤngel,
Und nicht verwirrt, zerſtreut, zerriſſen, als es ein blindes Un - gefaͤhr,
Wenns bilden koͤnnte, bilden wuͤrde. Beſiehe doch, wie or - dentlich
Die Theile von der ganzen Blume, an ihren rechten Stel - len, ſich
Befinden, zeigen und ſich fuͤgen. Jch ſeh ſie, als ein Muſter an,
Daß die Natur zuweilen ſcherze, und ſpielend gleichfam dann und wann,
Uns, in auch auſſerordentlicher, Formirung zeige, was ſie kann,
Und wie ihr Reichthum unerſchoͤpflich. Chryſanders Hoch - muth konnte zwar
Sein Unrecht nicht ſo gleich geſtehn: Allein es ſchienen die Gedanken,
Durch die fuͤr ihn zu helle Wahrheit, dennoch zu ſtutzen, und zu wanken.
Jch werde, was du mir gewieſen, mit etwas mehrem Ernſt erwegen,
Sprach er, indem er Abſchied nahm. Jch wuͤnſcht ihm zu dem Ueberlegen
Von Herzen Gluͤck,
Und eilte, meine ſchoͤne Blume noch etwas anzuſehn, zuruͤck,
Ergoͤtzte mich an ihrer ſchoͤnen ganz auſſerordentlichen Zier,
Und dankte Dem, der mich und ſie, und alle Dinge ſchuf, dafuͤr.
B 5Die26Die Schonkilje ſpricht.

Die Schonkilje ſpricht.

Derſelbige, der meine Pracht,
Und des Geruches Eigenſchaft
Geſchaffen hat, und mir geſchenket,
Der hat auch des Geruches Kraft
Jn deine Seel, o Menſch, geſenket.
So laß uns unſre Kraft verbinden!
Genieß mich voller Dank und Luſt!
So wird, in deiner frohen Bruſt,
Der Schoͤpfer ſeinen Endzweck finden.
Denn eben, wie er mich fuͤr dich,
So hat er dich und mich fuͤr ſich,
Zu ſeiner Ehr, aus Lieb, erſchaffen.
Ach ſchaͤme dich, inskuͤnftge, mich
So unempfindlich anzugaffen.
Erwege, welche Wunderwerke
Der Schoͤpfer ſelbſt in mich gelegt,
Die unbegreiflich ſind. Bemerke
Der Duͤnſte Suͤßigkeit, und Staͤrke,
Die mein Behaͤltniß in ſich hegt!
Aus meiner guͤldnen Quelle quillet
Ein unſichtbare trockne Fluth,
Die, da ſie deine Naſe fuͤllet,
Der Seelen ſelber ſanfte thut.
Du willſt ja ſonſten alles faſſen,
So ſage mir, wo koͤmmt es her,
Daß ich, von Duͤnſten nimmer leer,
Und ſie ſich nicht erſchoͤpfen laſſen? Sprich,27Die Schonkilje ſpricht. Sprich, wo mein edler Balſam ſtecke;
Woher ſein Duft ſo mancherley,
So ſuͤß, ſo wohl gemiſcht. Entdecke,
Wo in mir ſein Behaͤlter ſey.
Denn daß mein Balſam, aus der Erde,
So wie man unbedachtſam meynt,
Mir nicht bloß eingefloͤſſet werde,
Und ihre Frucht iſt, dieß erſcheint
Aus dieſem: Bin ich gleich gepfluͤcket,
So dauret meine Lieblichkeit,
Die, im Geruch, euch faſt entzuͤcket,
Hernach noch eine gute Zeit.
Doch, ſoll ich ernſtlich mit dir ſprechen,
Bemuͤh dich nur, mit Denken, nicht:
Du wirſt gewiß, wie dieß geſchicht,
Uemſonſt nur deinen Kopf zerbrechen.
Du wirſt aufs neu geſtehen muͤſſen,
Wie deine Weisheit Prahlerey;
Wie es, mit allem deinen Wiſſen,
Nichts, als ein bloßes Stuͤckwerk, ſey.
Drum wende deines Geiſtes Kraͤfte
Vielmehr mit Fleiß, und Freuden an,
Zu dem vergnuͤglichen Geſchaͤffte,
Das er verrichten ſoll, und kann.
Dieß iſt nun: in des Schoͤpfers Werken,
Mit innrer Regung deiner Bruſt,
Und mit bewundrungs-voller Luſt,
Sein Allmacht, Lieb und Weisheit merken.
Die28Die roͤthliche weiſſe Hyacinthe.

Die roͤthliche weiſſe Hyacinthe.

Da ich auf deinem weiſſen Schnee,
Mit Luſt, und Anmuth meiner Seele,
Und innigem Vergnuͤgen ſeh,
Wie ſuͤß aus der gefuͤllten Hoͤhle,
Solch eine ſuͤſſe Roͤthe ſtralet,
Und deiner Blaͤtter weißlich Licht,
Mit roſenfarbnem Glanze malet;
Wenn ich den zarten Schein betrachte,
Die ſanfte roſenfarbne Gluht,
Die, auch das allerſchoͤnſte Blut
Der ſchoͤnſten Haut, beſchaͤmt, beachte,
Da weiß und roth ſo ſuͤß ſich fuͤgt:
Wird mein geruͤhrter Geiſt vergnuͤgt.
Wenn nun nachhero deine holde Zier
Sich ſanft an meine Naſe druͤcket:
So wird, durch neue Luſt, in mir,
Der Geiſt auf neue Weiſ erquicket:
Jſt denn des Schoͤpfers Huld nicht werth,
Der dopple Luſt in dir verbunden,
Daß, wenn man dopple Luſt empfunden,
Man, durch ein froh Gott Lob! Jhn ehrt?
Ja ich werde, liebſte Blume, durch das Prangen, das dich zieret,
So zu dein-als meiner Quell, unſern Schoͤpfer, hingefuͤhret.
Sonderlich ruͤhrt mich dein freundlich-kuͤhl - und ſaͤurlich ſuͤſ - ſer Duft,
Der, aus deinen kleinen Kelchen, unaufhoͤrlich in die Luft,Als29Die roͤthliche weiſſe Hyacinthe. Als aus ſo viel Muͤnden haucht, als aus ſo viel Quellen ſteiget;
Der ſich unſern Seelen, zwar durch die Augen, und durchs Licht,
So wie andre Koͤrper, nicht,
Sondern ihr, nur im Geruch, durch die Naſe bloß, ſich zeiget.
Wenn wir Amber mit Zibeth, und mit Balſam Rauchwerk miſchen:
Wird es doch den Geiſt ſo ſehr nicht, durch den Geruch, erfriſchen,
Als wir, durch die holden Duͤnſte, von den Kinderchen der Erden,
Den geſchmuͤckten Hyacinthen, im Geruch, erquicket werden.
Denn ob unſre Seele gleich Anmuth auch von jenen fuͤhlt;
Und ein liebliches Empfinden, einen holden Eindruck, ſpuͤret:
Wird ſie, durch der Blumen Duft, doch auf ſolche Art geruͤhret,
Daß die ſaͤurlich-ſuͤſſe Miſchung ſie zugleich ergoͤtzet, kuͤhlt,
Labt, erfreut und recht ermuntert. Will man denn ein ernſt - lich Denken,
Wodurch wir uns eigentlich nur geſchickt ſind zu vergnuͤgen,
Nicht, in unſrer eignen Luſt, zu des Gebers Ehren fuͤgen,
Und uns lieber nicht vergnuͤgen, als ihm Dank und Andacht ſchenken?
Neue30Neue Fruͤhlings-Gedanken.

Neue Fruͤhlings-Gedanken.

Gott Lob! wir naͤhern uns aufs neu der Sonnen Stral,
Der Licht und Waͤrme Quell, dem Born der Fruchtbarkeit,
Und es erſcheinet abermal
Die angenehme Fruͤhlingszeit.
Des ſtrengen Froſts noch nicht verſchwundnes Angedenken
Vermehret, durch den Gegenſatz,
Den allbereit erhaltnen Schatz,
Den uns der fruͤhe Lenz bereits beginnt, zu ſchenken,
Wozu zugleich die Troͤſterinn der Welt,
Die Hoffnung, ſich annoch geſellt,
Und unſrer aufgeweckten Bruſt
Jm kuͤnftigen noch immer groͤßre Luſt,
Mit wahrer Schmeicheley, verſpricht,
Drey Zeiten ſcheinen ſich auf die Art zu beſtreben,
Euch mannigfaltge Luſt zu geben,
Und, durch verſchiedne Seltenheit,
Die jeder eigen iſt, euch die Vergnuͤglichkeit,
Und eure Luſt noch zu erheben.
Ach laßt das ſchoͤnſte Theil von eurem Leben nicht
So ungepruͤft, wie ſonſt, und nicht vergebens,
Ohn ihrer Reizung zu genießen,
Vergehn, verſchwinden und verfließen!
Ach ſeyd doch nicht ſo gar verkehrt,
Den Winter, als noch nicht vergangen,
Die Fruͤhlingszeit, als noch nicht angefangen,
Und als noch nicht Betrachtungs-werth,
Auf noch was beſſeres ſtets hoffend, anzuſehn;
Ja obſchon viele Ding euch, in dem Garten,
Und31Neue Fruͤhlings Gedanken.
Und uͤberall, bereits zu eurer Luſt entſprießen,
Anſtatt derſelben zu genießen,
Noch immer auf das Kuͤnftige zu warten,
Da doch ſo dann Gewohnheit, wie bisher,
Euch alle Luſt unfehlbar raubet,
Und, euch verblendend, mehr und mehr,
Euch ſelbſt zur Luſt, und Gott zur Ehr,
Die Welt zu brauchen, nicht erlaubet.
Wie mancher Lenz iſt euch, auf dieſe Weiſ, entgangen,
Eh ihr, durch Aufſchub erſt, verfuͤhrt,
Nachhero durch Gewohnheit ungeruͤhrt,
Jhn zu genießen, angefangen.
Soll euch denn der Erfahrung Licht
Nicht einmal euren Fehler zeigen?
Wollt, ihr ſo oft Betrogne, nicht
Aus eurem Pfuhl des Ungluͤcks ſteigen?
Auf! laßt uns, wie, in allen Dingen,
Sich alle Kraͤfte jetzt verjuͤngen,
Wie Himmel, Erd und Meer ſo ſchoͤn,
Jn neuem Glanz und Schimmer ſtehn;
Durch ihre Pracht geruͤhrt, beſehn!
Und die darob, in unſrer Bruſt,
Verſpuͤrte neue Freud und Luſt
Dem Geber, im vergnuͤgten Leben,
Zum angenehmen Opfer geben.
Es faͤnget jetzt zu dieſer Zeit,
Nicht nur allein der Knospen Menge,
Jn faſt zu ſpuͤrendem Gedraͤnge,
Ja faſt ſichtbarer Aemſigkeit,
An viel - und ungezaͤhlten Stellen,
Sich zu vergroͤßern und zu ſchwellen,
Zu berſten, zu gebaͤhren an.
Es32Neue Fruͤhlings-Gedanken.
Es dringt, nicht nur ſo weit man ſehen kann,
Des Graſes gruͤner Schmelz, ſammt ihrer Kraͤuter Zier,
Sich uͤberall mit Macht herfuͤr;
Man ſieht, nicht nur der Blumen Prangen,
Jm Garten ſchoͤn hervorgegangen;
Man hoͤrt nicht nur ein gurgelnd Singen
Von Voͤgeln in der Luft erklingen.
Man ſpuͤrt, von tauſend fuͤſſen Duͤften,
Zibeth und Balſam in den Luͤften.
Es hat, nebſt dieſer Sinnen Weide,
Zumal wer auf dem Lande lebt,
Zu dieſer Zeit noch andre Freude.
Man erndtet gleichſam jetzt, erhebt
Und uͤberkoͤmmt, von ſeines Viehes Zucht,
Zu dieſer Zeit, die junge Frucht.
Da wir mit Kaͤlbern, Laͤmmern, Pferden,
Zur Fruͤhlingszeit, bereichert werden.
Wie angenehm iſt, wenn uns fruͤh
Die Kinderchen, mit frohem Springen,
Die angenehme Zeitung bringen:
Es haben dieſe Nacht zwo Kuͤh
Gekalbt, wir haben ſchon die Kaͤlberchen geſehn,
Das ein iſt roth und weiß, des einen Kopf iſt ſchoͤn
Mit einem großen weißen Flecken.
Bald faͤngt ein andrer an, noch zu entdecken:
Die große Stut hat, dieſe Nacht,
Uns einen jungen Fohlen bracht;
Er iſt ſo niedlich und ſo klein;
Er ſpringt und ſchlaͤgt ſchon aus mit einem Bein,
Unmuͤglich kann ein Fohlgen ſchoͤner ſeyn.
Auch werden wir, ruft Garlieb mit Vergnuͤgen,
Schon morgen kleine Ferken kriegen.
Pa -33Neue Fruͤhlings-Gedanken.
Papa, ich hab anietzt von unſrer Trin vernommen,
Wir haben dieſe Nacht vier Laͤmmerchen bekommen,
O! ſoll ich ſie nicht ſehn?
Ruft oft die kleine Mitilen,
Voll muntrer, geiſtiger, voll holder Freundlichkeit.
Und dergeſtalt geht es, zu dieſer Zeit,
Faſt jeglichem in ſeinem Stande,
Faſt jedem Hauswirth auf dem Lande.
Die Milch faͤngt uͤberall itzt an zu qvillen,
Daß man ſie kaum verbrauchen kann.
Die Huͤhner, Endt - und Tauben fangen an,
Die Reſter uͤberall zu fuͤllen,
Und kurz, es iſt anjetzt die Zeit
Voll Anmuth und voll Fruchtbarkeit.
Ach! laßt uns ſolches doch bedenken!
Ach laßt uns doch, fuͤr ſo viel Gaben,
Die wir von unſerm Gott empfangen haben,
Jhm wenigſtens doch unſre Freude ſchenken!
Zumal er anders nichts von uns begehrt,
Als daß man Jhn, ohn ſich, zu ſeiner Ehr, zu qvaͤlen,
Mit langem Wort-Geplaͤrr, nur mit geruͤhrter Seelen,
Empfinde, ſchmeck und ſehe,
Wie wohl durch ihn uns hier geſchehe!
Daß man in unſrer Luſt nur dieß gedenke:
Daß Gott, der alles ſchuff, uns dieſes alles ſchenke.
Br. VI. Th. CUber34Ueber eine Menge

Ueber Eine Menge ſchoͤner, gefuͤllten, und mir geſchenkten Hyacinthen.

Jhr Bilder der irrdiſchen Schoͤnheit und Fluͤchtigkeit,
Jhr Blumen, worin die Natur,
Durch Formen und Farben, in hoͤchſter Vollkommenheit,
Die allerlieblichſte Figur,
Mit kraͤftigem Balſam begeiſtert, hervorgebracht,
Wie bald verſchwindet eure Zier!
Wie ſchleunig verwelket der glaͤnzenden Blaͤtter Pracht!
Jhr kommt, bald ſeyd ihr nicht mehr hier!
Doch lehrt ihr uns billig, da ihr ſo vergaͤnglich ſeyd,
Daß man mit groͤßerem Bedacht,
Die fluͤchtgen Minuten von eurer ſo ſchnellen Zeit,
Euch zugenießen, nehm in Acht.
Dieß will ich, werthſter Ehlers, nun
Bey deinem lieblichen Geſchenke
Der ſchoͤnen Hyacinthen thun,
Wobey ich dein zugleich gedenke.
Jm weiſſen Glanz, worin ſie bluͤhen,
Sieht mein bemerkendes Geſicht
Ein lieblich roͤthlich Feuer gluͤhen,
Als wie ein lieblich roͤthlich Licht,
Aus welchem Glanz und Schimmer bricht.
Da ich auf ſie die frohen Blicke lenke
Und ſeh, wie ſie ſo groß, ſo ſchoͤn, ſo reich gefuͤllt:
Verſpuͤr ich, daß aus ihrer Menge,
Ein recht balſamiſches Gedraͤnge
Ambrirt - und ſuͤſſer Duͤfte quillt,
Und meinen Geiſt mit ſolchem Nectar traͤnket,Daß35ſchoͤner gefuͤllten Hyacinthen. Daß, da die Seele, durchs Geſicht,
Der Blumen Pracht recht zu beſehn gedenket,
Erlaubt es der Geruch noch nicht.
Der mit des Riechens Kraft begabten Seelen
Zum Labſal, bricht ein angewuͤrzter Schwall
Aus ihren klein und tiefen Hoͤhlen,
Erfuͤllet in der Luft, den Luftkreis uͤberall, (gemiſcht
Und iſt aus ſo viel Lieblichkeiten, die nicht beſchreiblich ſind,
Und aus ſo vielen holden Theilchen in ſolcher Harmonie gefuͤgt;
Wie man, wenn mans betrachtet, wirklich fuͤhlet,
Daß der Geruch die Lunge wirklich kuͤhlet,
Daß er das Herz, durch unſre Lung, erfriſcht,
Ja, durchs Gehirn, die Seele ſelbſt vergnuͤgt.
Will man bey ſolcher ſuͤſſen Luſt, die wir, ſo wie wir alle Gaben,
Von dem, aus welchem alles ſtammt, erhalten haben,
Sich nun, als wie ein Menſch, betragen: So muß die Seele ſich bemuͤhn,
Und, aus den andern Sinnen, gleichſam ſich in ſich ſelbſt zuſam - men ziehn,
Bey oͤftern Oeffnungen der Lunge auf das ſo ſuͤß Gemiſche denken,
Das aus der ſchoͤnen Blumen fließt,
Um dem, der ihr ſo Geiſt als Werkzeug, wodurch ſie ſolcher Luſt genießt,
Geſchenkt, zu einem ſuͤſſen Opfer, ein ihn bewundernd Herz zu ſchenken.
Beherrſcher der Himmel, Regierer der Erden,
Dein Name muͤß ewig verherrlichet werden!
Ach laß doch, zu deinen unendlichen Ehren,
Die Pracht der Geſchoͤpfe die Menſchheit belehren,
Jn ihnen dein herrliches Lob zu vermehren.
C 2Aber -36Abermalige Betrachtung der Roſe.

Abermalige Betrachtung der Roſe.

Ach! ſo ruͤhrſt du abermal
Recht durch einen rothen Stral,
Holde Roſe, meine Seele?
Ja, es ſinkt ſo Blick als Geiſt
Jn die purpurreiche Hoͤhle,
Die mir ſo viel Liebreiz weiſt.
Hab ich gleich von deiner Pracht,
Wodurch wir recht angelacht,
Schoͤn Geſchoͤpfe, viel geſchrieben:
Find ich, halb durch dich entzuͤckt,
Da ich dich aufs neu erblickt,
Daß noch vieles uͤberblieben.
Heiß von Luſt, von Anmuth froh,
Und erqvicket von Vergnuͤgen,
Seh ich jetzt, wie ihrer zwo
Lieblich bey einander liegen;
Eine zeigt ihr guͤldnes Herz
Recht in Tiefen von Rubinen;
Und die ander unterwerts
Macht, recht in ſmaragdnem Gruͤnen,
Den ſo ſchoͤn bekraͤnzten Stiel
Ja ſo ſchoͤn zum Augen-Ziel,
Jene gluͤht, dem Purpur gleich;
Dieſes Blatt iſt roͤthlich bleich;
Beyde ſind verſchiedlich ſchoͤn. Von37Abermalige Betrachtung der Roſe. Von der einen zu der andern
Fuͤhl ich meine Blicke wandern.
Wann ich, auf der auͤſſern Ruͤnde
Dieſer hier, Vergnuͤgen finde:
Fuͤhl ich, wie ſo Blick als Geiſt
Jene auf und in ſich reißt.
Jn die Roſe, die von innen
Jhr Rubinen-Schatzhaus weiſt,
Senkt ſich mein vergnuͤgter Geiſt;
Sie vergnuͤgt verſchiedne Sinnen.
Es wird, da ſie ſchoͤn, auch kuͤhl
Und an ſuͤßem Duft ſo reich,
Und ſo lieblich riecht, zugleich,
Durchs Geſicht, Geruch, Gefuͤhl,
Jn vereinter Lieblichkeit,
Dreyfach unſre Seel erfreut.
Der geweſnen Knoſpe Reſt,
Das in fuͤnf getheilten Spitzen,
Wie ein gruͤnes Sternchen laͤßt,
Wie ſie um das Koͤlbchen ſitzen,
Kann man an der andern ſehn,
Von denſelbigen an zween
Siehet man acht gruͤne Hoͤhn,
Recht als Neben-Stralen, ſtehn.
Zween hingegen haben keinen
Aber wiederum an einen
Sind derſelben zween zu ſehn.
Alles iſt ſo nett formiret,
An dem gruͤnenden Gehaͤuſe,
Daß es auf beſondre Weiſe
Die gezierte Roſe ziert.
Lieblich ſtehet roth und gruͤn,C 3Wie38Abermalige Betrachtung der Roſe. Wie Smaragd und wie Rubin,
Jn der ſchoͤnſten Miſchung hier,
Jn beſonders holder Zier.
Seht, wie ſichs ſo lieblich miſcht,
Daß es Blick und Herz erfriſcht!
Doch iſt dieß noch nicht genug;
An durchdringendem Geruch,
Welcher edlen Myrrhen gleich,
Jſt dieß gruͤne Sternchen reich.
Dieſe Bitterkeit, gemiſchet
Mit der Suͤßigkeit der Roſen,
Dient, da ſie uns recht erfriſchet,
Unſern Naſen liebzukoſen,
Wie ich denn von der Mixtur
Die geheime Kraft erfuhr,
Und den holden Einfluß fuͤhlte,
Als ich ſie beym Stiel ergriff,
Sanfte vor die Naſe hielte,
Da ich gleich vor Anmuth rief,
Und dieß Loblied hoͤren ließ:
O mein Gott! wie wunderſuͤß
Sind, durch deinen Gnaden-Willen,
Dieſe Kraͤfte, die hier quillen!
Ob uns mehr die zarte Fluht,
Die zwar kuͤhlet, doch nicht netzet,
Oder die Rubinen-Gluht,
Die zwar brennt, doch nicht verletzet,
Oder aber obs Gefuͤhl,
Da ſo Duft als Blaͤtter kuͤhl,
Unſre Seele mehr ergoͤtzet,
Weis die Seele ſelber nicht.
Aber ſie erblickt ein Licht,Da39Abermalige Betrachtung der Roſe. Da ſie ſo viel Anmuth ſpuͤret,
Welches ſie, o Herr, zu dir,
Als den Urſprung aller Zier,
Aller Kraft und Anmuth, fuͤhret.
Es erregt die Balſam-Fluht
Dieſer Roſ in ihr ein Wallen,
Dem, der ſolche Wunder thut,
Wuͤnſcht ſie innig zu gefallen.
Es entſteht in meinem Blut,
Durch die Flammen, wie Rubin,
Die in dieſer Roſe gluͤhn,
Einer reinen Andacht Gluht.
Durch den bunten Schein geruͤhrt,
Fuͤhl ich meinen frohen Geiſt
Hoͤher noch empor gefuͤhrt,
Wo er mir noch mehrers weiſt.
Da des großen Schoͤpfers Macht
Unerſchoͤpflich, welcher Schein,
Welcher Schmuck, und welche Pracht,
Muß in andern Welten ſeyn!
Jhrer Blumen Glanz und Zier
Stell ich billig, von Figur,
Farben, Kraͤften und Natur,
Mir ganz unterſchiedlich fuͤr.
Hier erſtaunt mach ich den Schluß,
Daß das, was Fabricius,
Hamburgs Ruhm und Ehre, meynt,
Mehr noch, als wahrſcheinlich, ſcheint;
Wann er glaubt: was an Figur
Und an Farben moͤglich ſey,
Sey auch wirklich.
Da uns nun, in einer Welt,C 4So40Abermalige Betrachtung der Roſe. So unzaͤhlig vielerley
Schon den Sinnen vorgeſtellt;
Was wird, in ſo vielen Erden,
Nicht noch angetroffen werden!
Weil nun der Gedank in mir
Ehrfurcht, Lob und Dankbegier,
Wodurch man den Schoͤpfer ehret,
Gegen meinen Schoͤpfer mehret:
Glaub ich es, und bleib dabey,
Daß es ſo wahrhaftig ſey.
Fall daher in Demuth nieder,
Singe dem, der alles ſchafft,
Der die Brunnquell aller Kraft,
Neue Dank - und Freudenlieder.
Schoͤpfer, deſſen Macht unendlich,
So wie deine Weisheit iſt,
Der du uns am meiſten kenntlich
Jn den ſchoͤnen Werken biſt.
Dieſe Vielheit, ſonder Schranken,
Stellet mir dich, in Gedanken,
Groͤßer und gewaltiger,
Weiſer, liebreich, herrlicher,
Wuͤrdiger und beſſer fuͤr.
Ach wie wird derſelben Zier,
Wenn wir ſie, nach dieſer Erden,
Sehen und genießen werden,
Uns, zu deinem Ruhm ergoͤtzen,
Da wir uns, an ihrem Schein,
Uns in Hoffnung ſchon ergoͤtzen,
Und ſchon hier halb ſelig ſeyn.
Noch41Noch einige Gedanken uͤber die Roſe.

Noch einige Gedanken uͤber die Roſe.

Unmoͤglich kann ich mich entbrechen,
O wunderſchoͤne Roſ, in dir
Von deiner holden Blaͤtter Zier,
Noch etwas mit Bedacht zu ſprechen;
Ob gleich von dir, als Gottes Gabe,
Jch vieles ſchon gelallet habe.
Man heißt die Roſe roth; allein
Betrachtet man der Blaͤtter Bau:
So ſcheint ein blaulicht weiſſer Schein
Der ſchoͤnen Miſchung Grund zu ſeyn,
Und daß der Roͤthe zarte Gluht,
Als wie ein junges ſchoͤnes Blut,
Mit einer zarten Haut bedecket,
Allein in feinen Adern ſtecket.
Hierdurch nun ſcheint allein das Roth erzielet,
Das in den holden Schatten ſpielet,
Wenn das dadurch gefaͤrbte Licht
Durch eines Blatts Gewebe bricht.
Doch iſt, mit ſolchem rothen Schatten,
Die Hoͤhle, worinn ſie ſich gatten,
Und wo ein Bach von Balſam quillt,
Jn groͤßerm Ueberfluß erfuͤllt.
Es hat die bildende Natur
Faſt keine lieblicher und nettere Figur,
Die, nebſt der holden Farben Pracht,
Den Augen ſolchen Eindruck macht,C 5Und42Noch einige Gedanken uͤber die Roſe. Und nebſt dem Blick, den Geiſt erfriſchet,
Als wenn man an der Roſe ſieht,
Wie auswerts weis und roth ſich miſchet,
Jn ihr die ſchoͤnſte Roͤthe gluͤht.
Es ſenkt, mit Luſt, ſelbſt unſre Seele
Sich in den Zirkel dieſer Hoͤhle;
Es ſcheint, als ob in dieſer Ruͤnde,
Jn einer rothen Dunkelheit,
Gluht, Kuͤhlung, Balſam, Lieblichkeit,
Zu ihrer Anmuth, ſich verbinde.
Nun brauchet zwar ein ſolcher Schatz
Von Schoͤnheit, keinen Gegenſatz,
Um ihn noch hoͤher zu erheben:
Allein in einem dunklen Gruͤnen
Muß ihr ihr dunkles Laub noch dienen,
Jhr noch erhoͤhtern Glanz zu geben.
Es weis ein achtſames Gemuͤth,
Vor Anmuth, oft nicht, was es ſieht,
Wenn, bey dem ſchoͤnen gruͤnen Dunkeln,
Die Roſen mehr, als irdiſch, funkeln;
Und doch hab ich das, was ſo ſchoͤn,
Einſt noch verſchoͤnerter geſehn.
Nachdem ich juͤngſt der Roſen Pracht erwegte,
Durch die faſt uͤberirdſche Zier
Halb auſſer mir.
Und ſie von ungefehr
Jn eine ſilberne polirte Schuͤſſel legte:
Erhellte ſich ihr Glanz noch einſt ſo ſehr.
Es fiel, durch meinen Blick, in meinen Geiſt hinein
Ein roͤthlich-ſuͤſſes Licht; die glatten dunklen Stellen
Des Silbers fingen an ſich ploͤtzlich zu erhellen;
Die Roſe faͤrbete des Silbers holde Glaͤtte. Hin -43Noch einige Gedanken uͤber die Roſe. Hingegen ließ es anders nicht,
Als wenn ſie ſelbſt ein neues Licht
Vom Silber uͤberkommen haͤtte.
Jhr herrlich Roth, ihr ſchoͤnes Gruͤn
Schien nun noch mehr, als vor, Smaragden und Rubinen,
Jndem der Roſen Pracht, in holdem Wiederſchein,
Sich nicht nur nach dem Leben malte,
Nein da ſo gar darin ein roͤthlich Feuer ſtralte,
Das faſt Auroren Glanz
An Schimmer uͤbertraf, und man nicht bilden kann.
Jch ſtutzt hieruͤber ganz;
Es fachten ſich in mir geweihter Andacht Flammen,
Durch dieſe Roſen-Gluth, in mir erreget, an,
Und faßt ich meine Luſt in dieſes Lied zuſammen.
Gelobet ſey das große Weſen, durch deſſen Weisheit, Lieb und
Hier dieſer ſchoͤnen Creatur (Macht,
Solch eine liebliche Figur,
So purpur-rother Farben Pracht,
Und uns die Augen ſind geſchenket;
Ja welcher ſolche Balſam-Kraft
Den zarten Blaͤttern eingeſenket,
Und uns des Riechens Eigenſchaft,
Zum Labſal und zur Luſt gegeben.
Ach! moͤchten wir uns doch beſtreben,
So oft wir Roſen bluͤhen ſehn,
Durch ſie zu Gott uns zu erheben!
Ach moͤchten wir, da ſie ſo ſchoͤn,
Daß ſie des Schoͤpfers Werk, verſtehn,
Und ſeinen Ruhm im Dank erhoͤhn!
Ro -44Roſen-Gedanken.

Roſen-Gedanken.

Wie man mir in der Roſenzeit,
(Da jeglichem bekannt, wie hoch daß ich ſie achte:)
Voll aufgebluͤhter Herrlichkeit,
Juͤngſt eine Menge Roſen brachte,
Die alle ausgeſucht; ergoͤtzt an ihrem Licht,
Und roͤthlich-hellen Glanz, ſo tauſendfach gemiſchet,
Sich meine Seele, durchs Geſicht,
Und ward zugleich, durch den Geruch, erfriſchet.
Jch naͤherte ſie meiner Naſen,
Und ward, von einem Balſam-Duft, recht angehaucht und ange - blaſen.
So wohl die Lung, als das Gehirn, ward durch das, was aus ihnen quillt,
Erquickt, gekuͤhlet und erfuͤllt.
Der mich denn inniglich durchdrang,
So, daß ich froͤhlich alſo ſang:
Suͤſſe Duͤfte, die ihr hier,
Aus den holden Roſen, flieſſet;
Jn den Luftkreis euch ergieſſet,
Und ſo, wie die Luft, auch mir,
Jm Geruch, das Hirn erfuͤllt,
Wenn euch meine Seele ſpuͤret,
Daß ihr, ihr zur Luſt, entſprieſſet,
Und zugleich erblickt, daß ihr
Aus ſo ſchoͤnen Quellen quillt,
Wird ihr Jnnerſtes geruͤhret.
Eine bruͤnſtige Begier Macht45Roſen-Gedanken. Macht in mir ein Wuͤnſchen rege,
Daß ich, dieſer Roſen Zier,
Aller Dinge Schoͤpfer! dir
Recht zum Ruhm, gebrauchen moͤge.
Durch den Geruch und was die Blaͤtter mit ſolcher holden Schoͤnheit ziert,
Ward ich noch ferner, Herr, zu dir, in dieſem Lobgeſang, gefuͤhrt:
Der du die Theilchen ſo gefuͤgt,
Daß ſie mich, im Geruch, vergnuͤgt,
Und noch dazu, daß ich mein Denken,
Als meiner Seelen beſte Kraft,
Auf die erquickend Eigenſchaft
Sich koͤnnen und ſich wollen ſenken,
Auch durch den Sinn zugleich ſich lenken,
Zu dir, der mir ſo vaͤterlich
Aus Gnaden alles wollen ſchenken,
Jch ruͤhme, lob und preiſe dich.
Aus dieſer Roſen ſchoͤnen Menge,
Die all, in kuͤhlem Feuer, flammen,
Sucht ich die ſchoͤnſten noch zuſammen.
Fuͤnf Centifolien, die an der Oeffnung Enge,
Vor andern, noch betraͤchtlicher mir ſchienen,
Und die an lieblicher Figur,
An Groͤße, Feſtigkeit, und an geſpitzter Ruͤnde,
Jch faſt den Zwiebeln aͤhnlich finde,
Erwaͤhlt ich mir, um an derſelben Schaͤtzen
Mich ins beſondre zu ergoͤtzen.
Die andern ließ ich etwas pflegen,
Und ſie in eine zinnerne,
Mit Waſſer angefuͤllete,
Polirte große Schuͤſſel legen.
Jn46Roſen-Gedanken.
Jndem ich nun, mit einigem Erwegen,
Die meinigen beſchau, ſeh ich die Ordnung an
Der Blaͤtter, welche man nicht gnug bewundern kann,
Jndem ſie all im Grund, an keinen Spitzen,
Nachhero breit und etwas ausgehoͤhlt,
Recht ſchuppenweiſe, zierlich ſitzen.
Ein jedes Blaͤttchen iſt ſo zart, daß faſt das Licht
Der Sonnen, durch die Blaͤschen, bricht,
Wo zwiſchen denn, in Regel-rechter Laͤnge
Von Purpur-Aederchen ſich eine große Menge,
An Form, wie kleine Herzen, zeigen,
Die gleichſam aus einander ſteigen.
Jch ſenkte meinen Blick, und mit ihm meine Seele,
Hierauf in die Rubinen-gleiche Hoͤhle
Der einen Roſe tief hinein,
Um, in der rothen Daͤmmrung Schein,
Der Blaͤtter Rang und Ordnung zu beſehn,
Und fand die innerſten gekruͤmmet, umgebogen,
Und alle rund, um ihr klein Centrum ſtehn,
So daß von jedem Blatt die beyden Ecken
Sich gleichſam recht fuͤr uns verſtecken.
Um nun noch ferner zu entdecken,
Wie es denn eigentlich um ihre Stellung ſtuͤnde,
Nam ich ein Meſſerchen zur Hand,
Da ich denn, wie ich ſie, zuſamt den Kelch, durchſchnitten,
Nicht ohn es zu bewundern fand,
Daß alle Blaͤtterchen, bis in des Kelches Mitten,
Mit ihren Spitzen feſt. Wie ſie ſich alſo trennen,
Und wie ſie ſich daraus entwickeln koͤnnen,
Begriff und faßt ich nicht. Jch dachte zwar dabey,
Ob es zu dieſem Zweck vielleicht geordnet ſey,
Daß der Geruch in den verſchloſſnen Falten,Sich47Roſen-Gedanken. Sich etwa koͤnne laͤnger halten.
Jedoch geſteh ich gern, daß ichs nicht voͤllig faſſe,
Und es daher an witzigern, als ich,
Beſcheidentlich
Zu unterſuchen uͤberlaſſe.
Wie ich nachher, und zwar bey Licht,
Das mannigfaltige Gepraͤnge
Der Roſen, die in ſolcher Menge,
(O wunderſchoͤnes Schaugericht)
Jn einer großen Schuͤſſel lagen,
Fuͤr Luſt halb auſſer mir, beſah,
Und gar, um mein Geſicht dadurch zu ſtaͤrken,
Und ſie noch beſſer zu bemerken,
Die offne Hand zum Lichte nah,
Doch mit gefuͤgten Fingern, ſtreckte,
Wodurch ich ſelbiges bedeckte,
Daß aller Stralen Schein
Nicht in mein Aug, auf ſie allein,
Jn voller Fuͤlle fiel;
Mein Gott! welch eine Gluht, und welch ein Farben-Spiel,
Von lieblich funkelnden Rubinen,
So wohl als von Smaragden-gleichem Gruͤnen,
Ward ich auf ihnen,
Vor Luſt erſtaunt, gewahr!
So roth als gruͤn ſchien hundermal ſo klar,
Als wie vorhin. Ein faſt nicht irdſcher Glanz
Erfuͤllte meine Schuͤſſel ganz,
Und, durch die Augen, mein Gemuͤthe,
Daß ich mich nicht enthalten kunnt,
O Schoͤpfer, dir, der ſolche Pracht,
Aus lauter Liebe, Huld und Guͤte,
Fuͤrs menſchliche Geſchlecht hervor gebracht,Nebſt48Roſen-Gedanken. Nebſt ſo viel tauſend andern Dingen,
Zu Ehren, folgend Lied zu ſingen.
Es ſang demnach mein froher Mund:
Unendlicher Abgrund unendlicher Herrlichkeit!
Du zeigſt, in allen deinen Creaturen,
Anbethungs-wuͤrdge Wunderſpuren
Von deiner ſelbſtaͤndigen ewgen Vollkommenheit!
Was muͤſſen nicht vor Anmuths-Meere,
Und welche Tiefen von Ergoͤtzen
Jn deinen unendlichen himmliſchen Schaͤtzen,
Jn ſeeligem Ueberfluß, dorten vorhanden ſeyn;
Da ſchon in Roſen, hier auf Erden,
Von deines Lichtes Wunderſchein,
So ſchoͤne Schatten ſichtbar ſeyn?
Der49Der Flieder.

Der Flieder.

Juͤngſt ging ich auf das Feld, wie ich zuweilen pflag,
An einem angenehm-jedoch bedeckten Tag.
Es ſtralete das helle Sonnenlicht
Jn der gewohnten Klarheit nicht,
Doch war es zum ſpatzieren ſehr bequem.
Die ſanfte Luft war kuͤhl und angenehm;
Es ſchien, als ob ſich Licht und Schatten,
Die ſonſt ſo ſehr getrennt, vermiſchet hatten.
Man kunnte faſt von ihnen beyden
Nicht eines eigentlich vom andern unterſcheiden.
Man ſahe keinen Sonnenſchein,
Man kunnt auch keinen Schatten ſehen;
Ein gruͤnlich Daͤmmrungslicht war allgemein,
Man ſah es uͤberall entſtehen.
Es ſtund, bey dem bedeckten Wetter,
Das ſchoͤne Gruͤn der Pflanzen und der Blaͤtter
Jn ſo harmoniſchem Zuſammenhang,
Daß ihre lichte Dunkelheit,
Mit ungemeiner Lieblichkeit,
Durch mein Geſicht, in mein Gemuͤthe drang,
Den gar zu ſchnellen Lauf des Bluts allmaͤhlig ſtillte,
Jn meinem Geiſt ein Gleichgewicht erregte,
Mit einem ſittſamen und ſanften Trieb ihn fuͤllte,
Und mich zu einer Art Gelaßenheit bewegte.
Jch ſetzte mich, in dick verwachsnen Buͤſchen,
Wo vielerley Gewaͤchs ihr vielfach Prangen miſchen,
Und ſahe, zwiſchen Schwarz - und Weißdorn, Asp und Schlehen,
Auch Brombeer, Stachelkraut und Schilf, als wie ein Licht,
Br. VI. Th. DDen50Der Flieder.
Den weiſſen Fliederbaum in voller Bluͤhte ſtehen.
Sein weiſſer Schimmer fiel ſo ſtark mir ins Geſicht,
Daß ich ſein ſonderbar Gewaͤchſe zu beſehen,
Und auch, in ſeiner Zier, den Schoͤpfer zu erhoͤhen,
Mich nicht enthalten kunnt. Jch brach ein Bluͤmchen ab,
Das mir zu folgender Betrachtung, Anlaß gab.
Billig biſt du, holder Flieder,
Auch ein Vorwurf meiner Lieder,
Da du ja ſo nuͤtz als ſchoͤn.
Deine Frucht, Laub, Zweig und Bluͤhte
Laſſen Weisheit, Macht und Guͤte
Eines Schoͤpfers, klaͤrlich ſehn.
Ein Auge, das, wenns ſiehet, wirklich ſiehet,
Erblickt am Fliederbaum, der bluͤhet,
Verſchiednes, das ihn ruͤhrt und ihn vergnuͤget.
Es laͤßt das dunkle Gruͤn der Blaͤtter, da es ſich
So lieblich, als verwunderlich,
Zur weiſſen Bluͤhte lieblich fuͤget,
Mit ſchoͤnen weiſſen Roſenſtraͤuchen
Von weiten recht natuͤrlich ſich vergleichen.
Wenn ich der Fliederblume Bau,
Und Bildung, in der Naͤhe, ſchau:
So find ich, daß auch ſie, auf eine neue Weiſe,
Dem, der ſie werden hieß, zum Preiſe,
Bewunderns-werth gebildet und formiert,
Bewunderns-werth gefaͤrbet und geziert.
Faſt einem Sonnenſchirm ſieht ſie an Bildung gleich;
An Blumen iſt die Blum unglaublich reich,
Die alle ſich, an fuͤnf getheilten Zweigen,
(Woran wir unterwerts fuͤnf gruͤne Blaͤtter ſehn,
Die an dem ganzen Baum ſtets fuͤnffach ſtehn,)
Jn einer ſolchen Ordnung zeigen,
Daß51Der Flieder.
Daß jeder Zweig ſich wieder fuͤnffach ſpitzt,
So man denn allemal bey jedem Abſatz ſpuͤrt,
Daß er ſich immer mit fuͤnf Nebenzweiglein ziert,
Woran der Blumen Meng in ſolcher Ordnung ſitzt,
Daß, da ſie aus fuͤnf petalis beſtehn,
Sich aus denſelben noch fuͤnf ſtamina erhoͤhn.
Man ſieht, nach dieſem Rang, an allen Seiten
Der Blumen Buͤſche ſich auf eine Art verbreiten,
Daß ſie faſt alle rund, und oben alle flach,
Wodurch ſie dann, da ſie in ſolcher Ordnung bluͤhn,
Die Augen auf ſich ziehn.
Man denke bloß allein nur dieſer Ordnung nach,
So wird man, daß ſich nicht von ungefaͤhr,
Ein faſt unzaͤhlbar Blumen-Heer,
Jn ſolcher Ordnung muͤſſen ſchicken,
Gar leicht erblicken.
Weil dieſer Blumenbaum nun ſehr gemein,
Und in dem Blumenreich
Derſelben viele ſeyn:
So wird ſo Bluͤht als Frucht, wie nuͤtz und ſchoͤn ſie gleich,
Doch leider wenig nur geachtet,
Und von den wenigſten betrachtet.
Mir aber koͤmmt er ſtets, als eine Zier,
Und ſonderbarer Schmuck von einer Landſchaft fuͤr.
Da wir nun uͤberdem an dieſer Blume Gaben,
Jn Arzeneyen, uns ſo ſehr zu freuen haben;
So iſt es billig, unſerm Gott das Opfer unſrer Luſt zu bringen;
Und ihn, als einen weiſen Schoͤpfer, auch bey dem Flieder, zu beſingen.
D 2Fuͤr52Fuͤr junge Leute

Fuͤr junge Leute, ſich auf dem Lande zu erluſtigen.

Von dieſen Verſen muͤſſen erſt zweene Solo geſungen, her - nach vom Chor wiederholet, und bey Endigung einer jeden Strophe in einem Reihen entweder nach der bloſſen Me - lodie oder nach Jnſtrumenten im Kreiſe herum getanzet werden. Jm Ton: Wundervoller Saft der Reben.
Laſſet uns, im friſchen Gruͤnen,
Da die Mayenblumen bluͤhn,
Unſrer Jugend uns bedienen!
Laßt uns Schmerz und Kummer fliehn!
Laßt uns tanzen, laßt uns ſingen,
Laßt uns ſcherzen, laßt uns ſpringen,
Und uns allem Gram entziehn!
Wer will, in vergoͤnnten Freuden,
Und erlaubter Froͤlichkeit,
Nicht ſein muntres Auge weiden,
An den Schaͤtzen dieſer Zeit?
Laßt uns tanzen, laßt uns ſpringen,
Und, in unſrer Luſt, beſingen,
Den, der unſre Luſt bereit!
Laßt uns an des Fruͤhlings Schaͤtzen,
Mit, durch ſie, geruͤhrter Bruſt,
Uns erfreuen, uns ergoͤtzen!
Und in unverbothner Luſt,
Froͤlich tanzen, froͤlich ſpringen,
Munter ſcherzen, lieblich ſingen!
Trauren ſey uns unbewußt.
Noch53ſich auf dem Lande zu erluſtigen.

Noch zwo dergleichen Arien, von Mr. Teleman componiret.

Jn den bunt bebluͤhmten Feldern,
Jn den ſchattenreichen Waͤldern,
Herrſcht, in ſtiller Einſamkeit,
Unſchuld und Zufriedenheit.
Fern vom ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel,
Als in einem irdſchen Himmel,
Find ich hier die guͤldne Zeit.
Da Capo.
Die Stille, die den Wald erfuͤllt,
Der holden Unſchuld ſanftes Bild,
Jſt nicht von froher Anmuth leer.
Der kleinen Voͤgel muntres Heer
Laͤßt tauſend ſuͤſſe Toͤn erklingen,
So kann auch ein gelaßnes Herz,
Mit Recht, bey zugelaßnem Scherz,
Geſellig lachen, froͤlich ſingen,
Weil ſonſt die Tugend graͤmlich waͤr.
D 3Der54Der gefluͤgelte Lehrer.

Der gefluͤgelte Lehrer.

Mir ward ein liebliches Geſchenk, in dieſer holden Fruͤh - lingszeit,
Von auserleſnen ſchoͤnen Blumen, voll bunt - und holder Zier - lichkeit,
Aus Hamburg neulich zugeſandt, die ich mit großer Luſt erwog,
So wie ich ſie im Mooß gepackt, aus der geraumen Schach - tel zog,
Und ſie in große Schuͤſſeln legte, in ſelbe ſo viel Waſſer goß,
Daß es die Ende von den Stielen nur eben decket und befloß.
Wobey ich denn verſchiedene in ein erhabnes Glas noch ſetzte,
Und mich an allen, mehr als einmal, zu ihrer Quelle Ruhm, ergetzte.
Jch roch, und ſahe wechſelsweiſe, die wunderbare Mi - ſchung an,
So wohl von Farben als Geruch, die kein Verſtand beſchrei - ben kann.
Was duͤnſteten vor Ambra-Nebel, was walleten vor Balſam - Wellen!
Wie nahm ihr ſaͤurlich-ſuͤſſer Duft, durch den Geruch, das Hirn nicht ein!
Mit wie viel Anmuth ruͤhrte mich, auch durchs Geſicht, ihr bunter Schein!
Der weiſſen Hyacinthen Silber, der blauen glaͤnzender Saphier;
Das guͤldne Gelbe der Schonkiljen; der Tulpen feuerrei - che Zier;Der55Der gefluͤgelte Lehrer. Der Primulen gebrochner Schim̃er, die neben den Aurickeln ſchoͤn,
Jn einer angenehmen Miſchung, von ungezaͤhlten Farben, ſtehn!
Ein ſuͤſſer Glanz bedeckte ſie, ein buntes Feuer glimmt in ihnen,
So daß ſie mehr in feurigem, als in gefaͤrbtem, Schimmer ſchienen.
Durchleuchtig war ihr bunter Koͤrper, wodurch das Licht ſo lieblich fiel,
Es glich faſt einer bunten Lohe, und dennoch iſt ihr Koͤrper kuͤhl.
Jndem ich dieſen bunten Glanz beſchaue, ſah ich, mit Ergetzen,
Ein kleines zahmes Voͤgelchen ſich auf das Glas voll Blu - men ſetzen,
Es drehte ſeinen kleinen Kopf; es huͤpfte, freute ſich, und ſprang
Von einer Blum auf eine andre; ſein lieblich ſchwitzernder Geſang
Schien Luſt und Dank zugleich zu zeigen. Es fand der Blu - men Pracht ſo ſchoͤn;
Es ſchien, es kunnte ſich an ſie, mit Luſt, nicht ſatt, nicht muͤde ſehn.
Sein kleines Schnaͤblein hackt und pickte, jedoch ſo ſanfte hier und dar,
Daß weder an dem Stiel noch Blume, nichts, ſo verſehrt, zu ſehen war.
Jch dachte: Kann der Blumen Prangen ſo gar auch un - verſtaͤndgen Thieren
Den lang nicht ſo vollkommnen Geiſt, als unſrer iſt, durchs Auge, ruͤhren:
So ſollten Menſchen ja wohl billig der Unempfindlichkeit ſich ſchaͤmen,D 4Und56Der gefluͤgelte Lehrer. Und von demſelben hin und wieder ein ſie belehrend Beyſpiel nehmen.
Es ſcheint, dieß kleine Voͤgelein woll euch, des Schoͤpfers Huld zu preiſen,
Und euch an Blumen zu vergnuͤgen, den Weg durch ſein Be - tragen weiſen.
Aufs wenigſt haſt du, liebes Thierchen, da ich auf dein Betrieb gemerkt,
Jn meinem Vorſatz, mich zu freuen, und Gott zu loben, ſehr geſtaͤrkt.
Du ſollſt noch ferner oftermals, bey mir, das Lehreramt ver - walten.
Druͤm hab ich dich, fuͤr meine Lieder, zu einem Verwurf, werth gehalten,
Jn Hoffnung, daß noch andre mehr die ſuͤſſe Lehre werden faſſen,
Und ſich, nebſt mir, zu Gottes Preiſe, und eigner Luſt, beleh - ren laſſen.
Erbau -57Erbauliche Betrachtung der Blumen.

Erbauliche Betrachtung der Blumen und Pflanzen. Als S. T. Hr. P. E. mir eine Menge ſchoͤner Tulpen zugeſchickt.

Unendliches, allgegenwaͤrtigs Seyn,
Laß mich, nur bloß vor dir, die Knie beugen!
Laß mich, o Herr, zu dir allein,
Mit meiner Seelen Kraͤften, ſteigen!
Zu dir, durch deſſen Wunder-Macht,
Der Himmel Heer entſtand, die Welt hervorgebracht!
Der du der Pflanzen Reich ſo kuͤnſtlich zugericht,
Daß ſich der Fiebern Meng in ſolcher Ordnung flicht!
Durch deſſen Weisheit wir, in Haͤuten und in Rinden,
Sie kluͤglich eingeſchloſſen finden!
Durch deſſen weiſe Macht die Blumen, wenn ſie bluͤhn,
Mit ſolcher zierlichen Figur,
Sich lieblich bilden und formiren,
Und mit der Farben Schmuck nicht nur
Sich unbeſchreiblich lieblich zieren;
Mit nicht zu zaͤhlenden Veraͤndrungen ſich ſchmuͤcken,
Auf ungezaͤhlte Weiſ, uns unſer Aug erquicken,
Und um auf tauſend Art den Geiſt uns zu erfriſchen,
So Farb als Zeichnungen in ſolcher Meng auch miſchen,
Wie auch den Stiel und ihre Blaͤtter ganz,
Noch uͤber dem mit einem ſolchen Glanz,
Und Silber-Schimmer uͤberziehn,
Daß kein Sineſer-Lack an ihren Schmelz nicht reichet,
Kein Firniß ihrer Glaͤtte gleichet.
Der58Erbauliche Betrachtung der Blumen.
Der du mit gruͤnem Laub ſie kleideſt und ſie ſchmuͤckeſt,
Der du die duͤnne Luft in ihre Roͤhren druͤckeſt,
Mit Regen und mit Thau ſie naͤhreſt und ſie traͤnkeſt,
Und uns, in ihrem Bau, ſo Luſt, als Nahrung, ſchenkeſt.
Durch dich empfangen ſie die wunderbare Kraft,
Daß ſie, was ihnen dient, den Saft,
Durch ſo geſchlungner Roͤhren Klumpen,
Aus Elementen gleichſam pumpen,
Aus Waſſer, Luft und Erde ſaugen.
Durch deine maͤchtige Befehle,
Erweckt des Fruͤhlings Licht der Luft und Erden Seele,
Die ſtarren Saͤfte, daß ſie gaͤhren,
Und alles, was die Erde ziert,
Und uns ſo Nutz als Luſt gebiert,
Laub, Blumen, Kraut und Fruͤchte naͤhren.
Es ruͤhmt denn mein erquickt Gemuͤthe,
Jn der bebluͤhmten Erden Pracht,
Die Weisheit und die Wundermacht,
Sammt deiner vaͤterlichen Guͤte,
Herr! der du ſie hervorgebracht.
Der59Der durch Gott gezierte Luftkreis.

Der durch Gott, ſo wohl, als die Erde, gezierte Luftkreis.

Jch ſahe juͤngſt, zur Fruͤhlingszeit,
Nicht nur mit vieler Lieblichkeit,
Des Erdreichs flache Schooß gezieret;
Jch ſah von ihr die gruͤne Pracht,
Womit ſie alles lieblich macht,
Hoch in der Luft empor gefuͤhret.
Jch ſah der Baͤume Wipfel praͤchtig,
Von gruͤnem Laub und Bluͤhte traͤchtig,
Es war die Luft nicht minder ſchoͤn,
Als wie das Land, ſelbſt anzuſehn.
Jch dachte dieſer Augenluſt,
Mit innrer Regung meiner Bruſt,
Woher ſie doch wohl komme, nach,
So daß ich bey mir ſelber ſprach:
Jſt dieſes unſrer Erden Kraft,
Die den ſonſt leeren Luftkreis ſchmuͤcket?
Jſt es des Samens Eigenſchaft,
Der ſeinen Trieb ſo ferne ſchicket?
Wie? oder ſteckt es in dem Saft
Des Waſſers, der ſich aufwerts druͤcket?
Doch es ſey endlich, was es ſey,
So bleibet es dennoch dabey,
Da alle Dinge, die ſo ſchoͤn,Jn60Der durch Gott gezierte Luftkreis. Jn ungeſtoͤhrter Ordnung gehn,
Und in den Werken, die geſchehn,
Ein heller Weisheitsſtral zu ſehn,
Daß Gott dem Werkzeug, das es treibet,
Die Kraͤfte dazu einverleibet.
Durch Gott iſt das, was leicht iſt, leicht,
Das Feuer heiß, das Waſſer feucht,
Das Schoͤne ſchoͤn, das Schwere ſchwer.
Nun ihm allein ſey Preis und Ehr!
Die61Die Roſe.

Die Roſe.

Fabel.

Wie ein kleiner Roſenknopf immer bliebe, wie er war,
Und ſich krumm zuſammen zog, ſprach der andern Roſen Schaar:
Oeffneſt du, geliebte Schweſter, bey dem warmen Sonnenlicht,
Bey der ſanften Fruͤhlingsluft, bey dem angenehmen Wetter,
Aus dem noch geſchloßnen Knopf, deine friſch - und holden Blaͤtter
Auch ſo, wie wir andern, nicht?
Willſt du dich nicht auch entſchlieſſen,
Und des holden Sonnenlichts
Auch nicht ſo, wie wir, genießen?
Soll von deinem Balſam nichts
Jn die lauen Luͤfte flieſſen?
Nein. Weil unſre Zeit ſo kurz, ſo vergaͤnglich ſchnell und fluͤchtig,
Alles, was ich um mich ſeh, eitel, wandelbar und nichtig;
Jſt es nicht der Muͤhe werth, daß ich mich eroͤffne, bluͤhe,
Daß ich warme Sonnenſtralen in mich ziehe,
Daß ich mich daran ergetze, daß mich ſchoͤne Farben ſchmuͤcken,
Daß ich, andere zu reizen, faͤhig bin, und zu erquicken.
Da ich kaum drey Tage waͤhre, und ſo bald verwelken muß:
So iſt dieß mein feſter Schluß:
Jch will lieber nichts genießen, da ich nicht beſtaͤndig bleiben
Und nicht laͤnger dauren kann, als die mir beſtimmte Zeit
Mich vergnuͤgen, andern nuͤtzen; es iſt alles Eitelkeit.
Wenn ein Roſenknopf ſo ſpraͤche, und verwelkt unaufgebrochen,
Haͤtte ſolcher wohl gethan, und nach ſeiner Pflicht geſprochen?
Eben ſo hat keiner recht, viel von Aenderung zu ſagen,
Und, mit einem bittern Murren, uͤber Eitelkeit zu klagen. Es62Die Roſe. Es heißt eitel, was vergaͤnglich, wandelbar, veraͤnderlich.
Aber iſt denn dieß was boͤſes? Nein. Wenn wir es recht betrachten,
Und auf das, was in der Welt, ſich veraͤndert, redlich achten,
Und vernuͤnftig uͤberlegen, zeiget, in der Aendrung, ſich
Eine Weisheit, welche man
Nimmer gnug bewundern kann.
Waͤren auf dem Erdenkreis alle Ding unwandelbar;
Aenderte ſich nichts bey uns, weder Tage, Zeit noch Jahr;
Wuͤrden wir, und wenn auch gleich alles, im bebluͤhmten Lenzen,
Sonder Wechſel, herrlich bluͤhn, lieblich prangen ſollt, u. glaͤnzen,
Dennoch nicht vergnuͤget ſeyn, auf der noch ſo ſchoͤnen Erden.
Durch ein traͤges Einerley, wuͤrd uns alles widrig werden.
Warum will man uͤberall, mit betruͤbtem Murren, klagen:
Daß ſo wir, als alles eitel? Kann die Ordnung ſtraͤflich ſeyn,
Die der weiſe Gott geſetzt? Ja wodurch wir ſelbſt entſtanden?
Denn, wenn alles unvergaͤnglich, wird von allem, was vorhanden,
Wirklich nichts vorhanden ſeyn. Haͤtten wohl, weñ nichts verginge
So viel Millionen Menſchen, Millionen andre Dinge
Kommen und entſtehen koͤnnen?
Wer dieß tadeln will, muß wiſſen,
Daß er ſelber auf der Welt auch nicht haͤtte kommen muͤſſen,
Auch nicht haͤtte kommen koͤnnen, wenn nicht andre ſeines gleichen,
Nach der Ordnung der Natur, ihm erſt haͤtten muͤſſen weichen.
Mit dem regen Fluß der Zeit, laßt uns denn gelaſſen fließen,
Aller uns erlaubten Luͤſte, mit Bedachtſamkeit, genießen.
Dem, der ſie uns goͤnnet, danken, ſelbſt vergnuͤget, uns beſtreben,
Andern, zur Vergnuͤglichkeit, auch Gelegenheit zu geben.
Daß, ſo viel an uns, auf Erden,
Gott von uns, von andern auch, froͤlich mag geprieſen werden.
Fruͤ -63Fruͤhes Blumen-Geſchenke.

Fruͤhes Blumen-Geſchenke.

Jch ward, zur fruͤhen Fruͤhlingszeit,
Und zwar im Merzen allbereit,
Mit einem Blumenſchatz erfreut,
Den, in faſt uͤberirdſcher Zier,
Womit ihn die Natur geſchmuͤckt,
Mein einſt geweſner Gaͤrtner mir,
Von Hamburg aus, hieher geſchickt.
Jch kunnte, mit vergnuͤgten Freuden,
Mein Aug an ſolchen Farben weiden,
Die man ſo fvuͤh faſt nirgend ſieht.
Terzetten, Roſen, Judenkirſchen,
Die Oſterblume, nebſt der Bluͤht,
Von Pfeffer, Apricoſen, Pfirſchen,
Die Hyacinth, die Primula,
Die Anemon, Hepatica,
Violen, Crocos, Oſterblume,
Sah ich, in ihrer fruͤhen Pracht,
Zu ihres großen Schoͤpfers Ruhme,
Zum Preiſe des, der ſie gemacht,
Mit unausdruͤcklichem Vergnuͤgen,
Jn einem bunten Haufen liegen.
Es lief mein Blick daruͤber her,
Bald in die Laͤng, bald in die Quehr,Jch64Fruͤhes Blumen-Geſchenke. Jch waͤhlt, ich nahm, ich roch, ich ſah,
Jch ſtellte ſie bald fern, bald nah,
Sah ſie bald einzeln, bald zuſammen,
Jhr Schein, ihr Glanz war wunderſchoͤn
Und faſt nicht anders anzuſehn,
Als waͤrens bunt gefaͤrbte Flammen,
Jhr ſuͤß-gemiſchtes lieblich Licht,
Als ſo viel farbenreiche Kerzen,
Drang mir, durch mein geruͤhrt Geſicht,
Und der Geruch zugleich, zum Herzen.
Und endlich ließ ich ſie, der laͤngern Dauer wegen,
Jn eine flache Schuͤſſel legen,
Mit kuͤhlem Waſſer angefuͤllt.
Jch ſahe ſie zum oͤftern an,
Und dachte froͤlich dann und wann:
Mein Gott! fuͤr dieſer Blumen Zier,
Verehr ich dich, und danke dir.
Mor -65Morgen-Gedanken im Fruͤhling.

Morgen-Gedanken im Fruͤhling.

Herr, mein Gott! was muß ich ſehn!
Herr, mein Gott! wie wunderſchoͤn
Jſt, nach itzt verſchwundner Nacht,
Des bebluͤhmten Fruͤhlings Pracht!
Alles glaͤnzet, alles bluͤhet,
Alles funkelt, alles gluͤhet,
Jn der Sonnen Lebens-Stral;
Felder, Waͤlder, Berg, und Thal,
Schimmern, in gefaͤrbten Flammen,
Alles dieß zeigt mir zuſammen,
Daß die Wunder allzumal
Bloß aus dir, o Sonne, ſtammen:
Doch auch dieß; der Sonnenſchein
Stamme bloß aus Gott, allein.
Br. VI. Th. ESin -66Sinnen-Luſt im Lenzen.

Sinnen-Luſt im Lenzen.

Jetzt ſieht man hoher Berge Gipfel,
Man ſieht der Baͤume runde Wipfel,
Zuſamt dem Ufer, ſich bekraͤnzen,
Und, durch den holden Wiederſchein,
Die Fluthen, die ſo klar, ſo rein,
Jn einem gruͤnen Schimmer, glaͤnzen.
Man ſieht bewundernd uͤberall,
Aus dunkler Erden, Blumen quillen.
Man hoͤret, wie vom ſuͤſſen Schall
Der Voͤgel, ſich die Luͤfte fuͤllen,
Vermiſchet mit der feuchten Froͤſche
Wreckeckeckechſendem Gewaͤſche.
Man fuͤhlt, durch lauer Winde Schmeicheln,
Geſicht und Haͤnde lieblich ſtreicheln;
Man fuͤhlet, wie ſelbſt unſerm Blut
Jhr lindes Hauchen ſanfte thut.
Man riecht den ausgedampften Duft
Der Blumen, in der lauen Luft.
Er ſtaͤrket und erfriſcht die Lunge,
Durch die geſunde Lieblichkeit.
Die angenehme Fruͤhlingszeit
Erquickt zugleich uns, durch die Zunge;Man67Sinnen-Luſt im Lenzen. Man ſchmeckt ſchon mancherley Gerichte
Von Kraͤutern, Baͤum - und Gartenfruͤchte.
Und kurz; durch aller Sinnen Thuͤren,
Kann jeder itzt Vergnuͤgen ſpuͤren.
So laßt, durch ſolch ein Wunder-Heer,
Auch dem, der alles ſchuf, zur Ehr,
Die ungeruͤhrten Seelen ruͤhren,
Und uns zum Denken mehr und mehr,
Zum Loben und zum Danken fuͤhren!
E 2Er -68Erbauliche Gedanken bey den Blumen.

Erbauliche Gedanken bey den Blumen.

Jn dieſer Blumen holden Bluͤhte,
Jn ihrer Form und Farben Pracht,
Erkenn ich deſſen Wunder-Macht,
Beſing ich deſſen weiſe Guͤte,
Der ſie, fuͤr mich, hervorgebracht.
Ach! nimm in ihnen, mein Gemuͤthe!
Mit Luſt und Dank und mit Bedacht,
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Guͤte,
Die ſie uns zeigen, oft in Acht.
Schoͤn -69Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn.

Schoͤnheit Eines Gefildes mit Korn nebſt genauer Betrachtung der Aehren.

Wir koͤnnen fuͤr ſo viele Gaben,
Die wir von Gott empfangen haben,
Als Menſchen, ihm nichts anders ſchenken,
Als unſer Beſtes, unſer Denken,
Durch welches wir ja bloß allein
Von Thieren unterſchieden ſeyn.
Doch muͤſſen wir, nach unſern Pflichten,
Solch Denken ſuchen einzurichten.
Es muͤſſen nemlich unſre Seelen
Zum Vorwurf ihres Denkens waͤhlen,
Nicht ſich (wie meiſt geſchicht) ſo ſehr,
Als, wie des wahren Gottes Ehr
Sich auf das herrlichſte vermehr.
Es ſcheint das noͤthigſte Geſchaͤffte
Unwiderſprechlich, alle Kraͤfte,
Von unſern Sinnen und dem Denken,
Zufoͤrderſt auf den Zweck zu lenken,
Die herrlichen Vollkommenheiten
Der Schoͤpfung froͤlich auszubreiten,
Und ein durch ſie vergnuͤgtes Leben
Dem Schoͤpfer, zum Geſchenk, zu geben.
Dieß einzige ſcheint mir allein,
Ein reicher Gottesdienſt zu ſeyn.
Jch will denn itzt mein Auge lenken,
Auf einen ſchoͤnen Theil der Welt,
E 3Und70Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn,
Und ein mit Aehren traͤchtig Feld
Beſehen, und dabey bedenken,
Wie alles, was wir darauf ſehn,
Nicht nur ſo nuͤtzlich iſt, als ſchoͤn,
Und einen großen Meiſter weiſet;
Wie alles ſeinen Schoͤpfer preiſet.
Es iſt nunmehr die ſchoͤne Zeit,
Da, wie, in warmer Heiterkeit,
Die helle Fruͤhlings-Sonne gluͤhet,
Und man die Aeren ſchieſſen ſiehet.
Wann nun der Schoͤpfer in die Saat,
Jn uns ernaͤhrendes Getreyde,
So Nahrung, Schoͤnheit, Nutz, als Freude,
Geſenkt und uns geſchenket hat:
So laßt uns, unſerm Gott zu Ehren,
Jn der anjetzt ſo ſchoͤnen Welt,
Auf ein bald bluͤhend Aehren-Feld,
Die Augen und das Denken kehren!
Erſt, wie das ganze Feld ſo ſchoͤn,
Dann einer Aehren Bau, beſehn!
Jn beyden uns des Schoͤpfers freuen;
Jn beyden Luſt und Dank erneuen;
Jn beyden Gottes Ruhm erhoͤhn!
Wenn wir, in der Fruͤhlingszeit, einſam durchs Getreyde gehen,
Und darin der flachen Felder beſt und ſchoͤnſte Zierde ſehen:
Sieht man, in der gruͤnen Schoͤnheit, worin unſre Blicke ſchwimmen,
Durch den hellen Sonnenſtral, recht ein gruͤnlich Feuer glimmen.
Dieſes Gruͤn ſcheint allgemein
Und beſchaut mans oben hin, bloß nur einerley zu ſeyn.
Aber wenn man es betrachtet,
Und, mit mehrerem Bedacht, auf die Quell der Schoͤnheit achtet,
Die71nebſt genauer Betrachtung der Aehren.
Die das Herz durchs Aug ergetzet, wird man bald darin gewahr,
Wie, durchs helle Sonnenlicht, es bald mehr, bald minder klar,
An verſchiednen Stellen iſt. Mehr und minder ſchoͤn gemalet
Sind die Blaͤtter, wenn das Licht an ſie, oder durch ſie ſtralet.
Erſtre laſſen Silber-gruͤn; letztere nicht minder ſchoͤn,
Durch das ſchon gefaͤrbte Licht, faſt ein guͤldnes Gruͤn uns ſehn.
Da denn ein, mit guͤldnen Faͤden, durchgewirktes Stuͤcke Sammt
Kaum in einem holdern Glanz, kaum in ſchoͤnerm Gruͤnen flammt.
Wann zu ſolcher Zeit im Korn, das wie gruͤne Waͤnde ſtehet,
Man bedachtſam reitet, faͤhrt, oder aus ſpatziren gehet:
Wird von uns, an einer Seite, da das guͤldne Sonnenlicht,
Durch der gruͤnen Halm und Blaͤtter zart Gewebe, ſtralt u. bricht,
Wie ein Gruͤn, mit Gold gemiſcht, des Gefildes Flaͤche ſchmuͤcket,
Und zur andern, Gruͤn und Silber, im gemiſchten Glanz, er - blicket;
Weil das Licht, nicht durch die Blaͤtter, ſondern an dieſelben ſtralt.
Hier ſcheint alles Gruͤn und Silber, dorten Gruͤn und Gold gemalt. Wie lieblich wallſt du hin und her, Dem Schoͤpfer der Natur zur Ehr, Du ſanft bewegtes Aehren-Meer! Du ſpielſt gelinde hin und wieder; Du hebſt und ſenkſt dich auf und nieder, Und wirſt dadurch vom Segen ſchwer.
Wenn zumal die dichten Aehren etwan auf erhabnen Hoͤhen,
Gegen die verklaͤrte Luft, als auf hellem Grunde, ſtehen:
Siud ſie, zwar wie Heeresſpitzen, doch nicht ſchrecklich, anzuſehen.
Das auf ungezaͤhlte Arten hier gebrochne Sonnenlicht,
Ruͤhret billig, Gott zu Ehren, unſre Geiſter, durchs Geſicht.
Jn der jungen Aehren Spitzen, zeigt ſich noch ein andrer Schein,
E 4Denn72Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn,
Denn es ſenket ſich das Licht,
Das ſich durch die Blaͤtter bricht,
Jn den purpurfarbnen Spitzen, ohne Ruͤckſchlag, tief hinein,
Und erzeuget dadurch oben eine ſanfte Dunkelheit,
Aber die auch, wenn ſie wallen, durch ein Weiß, das Aug erfreut.
Oefters ſieht man auf den Aehren, wenn die Luft mit ihnen ſpielet,
Wie bald gruͤn, bald weiß, bald purpur, lieblich durch einander wuͤhlet.
Bald im Licht, und bald im Schatten, ſcheint der Aehren re - ges Heer,
Und, voll nimmer ſtillen Wellen, ein licht-gruͤnlich wallend Meer
Sehr natuͤrlich vorzuſtellen. Wenn der Aehren Purpur ſinket:
Sieht man, wie, auf gruͤnen Halmen, ein hell gruͤner Schimmer hlinket.
Durch dieß liebliche Gemiſch, da gelb, gruͤn und weiß ſich gatten,
Bald mit wandelbarem Glanz, bald mit wandelbarem Schatten,
Die ſich unaufhoͤrlich aͤndern, bald ſich trennen, bald ſich fuͤgen,
Ruͤhrt den Geiſt, durch unſer Aug, ein empfindliches Vergnuͤgen.
Dieſes waren die Gedanken, die der Felder gruͤne Schein
Mir, durch ihren Schmuck, erregte: Aber dacht ich, ſoll der Bau
Des uns naͤhrenden Getreydes, welches ich von weiten ſchau,
Auch nicht billig in der Naͤhe, Gott zum Ruhm, beſchauet ſeyn?
Rupfte drauf verſchiedne aus, die vor andern aufrecht ſtunden,
Worin viele Seltenheiten, mehr als man gedenkt, ſich funden.
Die ich zwar ſchon einſt beſchrieben,
Aber mit Verwundrung finde, daß noch vieles uͤberblieben,
Die, in dem Bewundrungs-werthen, nett-formirten Bau der Aehren,
Wenn ein Geiſt ſie recht beſieht, unſers Gottes Ruhm vermehren.
Es73nebſt genauer Betrachtung der Aeren.
Es beſtehet, an der Aehre, die ſo zierliche Structur
Bloß aus einerley Gehaͤuſe, einer netten Huͤlſe, nur,
Die, wo ſich der obre Theil ihres Halms gemaͤhlich ſpitzet,
Als ein eigenes Gewaͤchs, in ſo netter Ordnung ſitzet,
Daß es nett die eine Seite von der Aehren Bau beſchlaͤgt,
Da die andre Seite gleichfalls eine ſolche Huͤlſe traͤgt,
Die ein wenig hoͤher ſitzet; dieß geht wechſelsweiſe fort,
Bis zu ihres Halmes Spitze, an dem allerhoͤchſten Ort.
Dieß Gehaͤuſ iſt ſonderlich, und bewunderns-werth formirt.
Es beſtehet aus zwey Theilen, die ſich unterwerts vereinen,
Und, weñ ſie ſich etwan oͤffnen, gleichſam Tulpen-foͤrmig ſcheinen.
Unten iſts, an beyden Seiten, mit zwey Zaͤſerchen geziert,
Welche purpurfaͤrbig ſind; und da ſie, zu beyden Seiten,
Recht der Aehren Mitte treffen, wird ein ſchoͤner rother Strich,
Durch dieſelbigen, formiret, welcher mit dem Gruͤnen ſich
Gleichſam einzuflechten ſcheinet, und, ſo lang die Aehre gruͤn,
Jhr ein lieblich Anſehn giebt. Von der aͤuſſern Huͤlſen Ecken,
Die von auſſen hart und rauch, da die innre Seite platt,
Und, wo ſie am Haͤlmchen ſitzet, faſt durchſichtig, weich und glatt)
Sieht man, ſich ein gruͤnes Staͤnglein voller zarten Spitzen ſtrecken,
Welche fuͤhlbar zwar genug, aber kaum zu ſehen ſeyn.
Jede von den aͤuſſern Huͤlſen ſchließt ein ander in ſich ein,
Welche weichlicher und zarter, die die Bluͤhten in ſich heget,
Deren ſechs, da jede drey wohl verwahret in ſich traͤget.
Welche drey ein Korn erzielen, wie ich es nachher geſehn,
Daß auf einem jeden Korn allemal drey Bluͤhten ſtehn.
Dieſe wachſen, bis dieſelben ihr Gehaͤuſe ganz erfuͤllen,
Dann aus ſeiner offnen Seiten dringen, ploͤtzlich ſich enthuͤllen,
Und aus ihrem Sitze fallen, da ſie, an ſehr zarten Stielen,
Lange Zeit noch haͤngen bleiben, und beweglich ſchwebend ſpielen.
E 5Aber74Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn,
Aber recht indem dieſelben aus dem Schooß der Huͤlſe fallen,
Siehet man, nicht ohn Erſtaunen, etwas ſonderlichs an allen;
Daß ſie nemlich einen Staub, den ſie in zwo Roͤhren faſſen,
Die an beyden Seiten liegen, ſichtbar von ſich fallen laſſen.
Jede Bluͤht hat ſo viel Staub, daß man es nicht leicht be - greift,
Wie ſich eine ſolche Menge an ſo kleinem Ort gehaͤuft.
Aus der Bluͤht und Aehren Menge koͤnnen wir nun leicht - lich ſehn,
Daß, ſo weit man ſehen kann, rechte Nebelduͤft entſtehn,
Und die Felder fuͤllen muͤſſen, ſo das Landvolk ſtuͤhmen nennt.
Und es, wenn das Wetter gut, als ein gutes Zeichen kennt.
Alles ſcheint, zu ſolcher Zeit, an der Aehre ſich zu regen,
Und, wie ichs bey Licht einſt ſah, durch die Waͤrm ſich zu bewegen,
Da ſo Bluͤht als Staub zugleich, als durch innerlichen Drang,
Und, als wenn es alles lebte, ſichtlich aus der Huͤlſe ſprang.
Ehe nun die Aehre bluͤhet, wird man, als ein duͤnnes Haar,
Recht in beyder Huͤlſen Mitten, eines kleinen Stiels gewahr,
Deſſen Nutzen ich nicht wußte, bis ich es nachher entdecket,
Daß ſich dieſes kleine Stielchen ploͤtzlich in die Hoͤhe ſtrecket,
Und zu einer Huͤlſe wird, welche noch drey Bluͤhten traͤgt.
Dieſe ſcheint, o großes Wunder! wenn man es genau erwegt,
Mit beſonders weiſer Abſicht, von dem Schoͤpfer ſo formirt,
Daß, wenn etwan eine Wittrung wo der erſten Bluͤht der Aehre,
Durch die Rauhigkeit, zuwider, oder ſonſten ſchaͤdlich waͤre,
Letztere, da ſie ſich ſpaͤter mit der Bluͤht empor gefuͤhrt,
Doch noch Fruͤchte tragen koͤnnte, das denn, in dem Korn zumal,
So die Armuth ſpeiſen muß, einen holden hellen Stral
Einer weiſen Lieb und Vorſicht uns recht uͤberzeuglich weiſet,
Welcher wuͤrdig, daß man innigſt unſern Schoͤpfer davor preiſet.
Wann75nebſt genauer Betrachtung der Aehren.
Wann ich nun nachher des Weizens meiſtens ſo formirte Aehre,
Ob vielleicht ein Unterſcheid, der darin beſonders waͤre,
Ebenfalls mit Fleiß beſehn: Fand ich die Gehaͤuſe ſitzen,
Eben faſt, als bey dem Rocken, auſſer daß ſie keine Spitzen,
Wie der Gerſt und Rocken, haben. Eine zierliche Figur
Zeigen ſie, da in der Mitten ſie ſich allgemach erhoͤhn,
Und, gleich einer gruͤnen Blumen, mit getheilten Blaͤttern ſtehn.
Jn derſelben ſind zwoͤlf Huͤlſen, da man in dem Rocken nur
Solcher Huͤlſen ſechs erblickt; achtzehn Bluͤhten, da nur neun
Jn dem Rocken, und ſechs Koͤrner, da im Rocken drey nur ſeyn.
Nun iſt noͤthig, daß wir hier, von des Schoͤpfers Wunder - werken,
Einen ganz beſondern Ausbruch in der Frucht Vermehrung merken.
Nur in einer Weizen Aehre, ſo daß keins daran gefehlt,
Hab ich hundert funfzig Koͤrner, mit Verwunderung, gezaͤhlt,
Und aus dieſer Aehren Wurzel, waren ſieben andre Stangen,
Nebſt der einen, folglich acht auf einmal, hervor gegangen,
Dieſe geben nun zwoͤlf hundert. Saͤete man nun dieſe Zahl;
Koͤnnten ſchon im andern Jahr eine Million, und ferner
Vier und vierzig hundert tauſend vollenkommne Weizenkoͤrner,
Davon eingeerndtet werden. Welche reiche Fruchtbarkeit
Hat das einzge Wort des Schoͤpfers, das die Frucht gebenedeyt,
Jn das liebe Korn geleget, und dem Samen eingeſenket!
Wer erſtaunt nicht, der dieß Wunder, recht betrachtend, uͤber - denket!
Und doch hat des Schoͤpfers Segen, obs gleich aus der Maſ - ſen viel,
Wie ein jeder wird geſtehen, hier noch lange nicht ſein Ziel,
Da ich nemlich auf einmal einen Rockenbuſch gefunden,
Woran, bloß aus einer Wurzel, fuͤnf und ſiebzig Halmen ſtunden.
Hier76Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn.
Hier erſchrickſt du, liebſter Leſer, und mit Recht, ja glaubſt es kaum.
Aber wie? wenn ich dir zeigte, daß ſolch Wunder tauſendmal
Von dir ſey geſehen worden, ſonder daß dein Augenſtral
Es beachtet und bewundert? Zeiget dir nicht jeder Baum
Einen Halm in jedem Zweig, der dir Bluͤht und Fruͤchte bringet,
Eben ſo, wie Halm und Aehre? Anders iſt kein Unterſcheid,
Als das jeder Halm im Korn, aus der Wurzel ſelbſt entſpringet,
Da der Zweig nur mittelbar, durch den Stamm, hervor ſich dringet,
Und doch aus der Wurzel ſtammt. Liebſte Menſchen! ach er - weget,
Welch ein Macht - und Weisheit-Wunder in den Pflanzen, uns zu naͤhren,
Der, der alles ſchuf und ſchafft, durch ſein Segenswort, geleget.
Ach eroͤffnet doch die Augen, eine Gottheit zu verehren,
Die ihr undurchdringlich Licht, das der Himmel Himmel fuͤllt,
Zu der Creaturen Beſten, in die Creatur verhuͤllt.
Preiſet ihn, ſpannt alle Kraͤfte der vernuͤnftgen
Seelen an, Sehet, fuͤhlet, riechet, ſchmeckt, hoͤrt, bewundert, uͤberleget, Denkt, vergleicht, erſtaunt fuͤr Andacht, wenn ihr Ehrfurchts-voll erweget, Bey den irdſchen Wundertropfen, die man nicht begreifen kann, Was das tiefe Meer der Gottheit ſelber wohl vor Wunder heget.
Beym77Beym Pfluͤgen.

Beym Pfluͤgen.

Seh ich den regen Pflug, auf dunklem Grunde, ziehn:
Scheint mir der Ackersmann, ſich gleichſam zu bemuͤhn,
Der milden Mutter dunkles Kleid,
Mit einer neuen Zierlichkeit,
Und in der That mit ſchoͤnen gruͤnen Schnuͤren,
Jn der geraden Furchen Strichen, durch die bald gruͤne Saat, zu zieren.
Die gruͤnen Schnuͤre werden endlich, durch den recht guͤldnen Stral der Sonnen,
Mit Golde gleichſam uͤberſponnen,
Wodurch ein guͤldnes Tuch zuletzt die Mutter ſchmuͤckt,
Bis endlich, wenn der Schmuck der Erden,
Jn unſre Scheunen eingefuͤhrt,
Die Koͤrner, die vorhin das Feld geziert,
Fuͤr uns zu wirklichem und wahrem Golde werden.
Nutz78Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.

Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung, nach Anleitung des Spectacle de la Nature.

Wo koͤmmt es her,
Wenn wir ein Gartenſtuͤck, das bunte Blumen ſchmuͤcken,
Von ungefehr
Und unverhofft erblicken;
Daß uns, auch wenn man nicht daran gedenket,
Ein Art von Luſt, durchs Aug, ins Herz ſich ſenket?
Daß ein geſchwindes Anmuths-Bild,
Wenn auch der Kopf von Schwermuths-Dunſt erfuͤllt,
Als wie ein kurzer Blitz, uns ruͤhret,
Und man den Schimmer, der ſie zieret,
Als wie ein ſchnelles Licht verſpuͤret,
Das uns ergetzet und durchdringt,
Und ein geheim Vergnuͤgen bringt?
Was noch abſonderlich von Gottes weiſen Werken,
Jn Blumen, zu bemerken,
Jſt, daß ſie allezeit,
Von Samen und der Fruchtbarkeit,
Unfehlbare Behaͤlter ſeyn.
Wo keine Blumen ſtehn,
Wird man auch nimmer Fruͤchte ſehn.
Da, wenn der Same reift, die Blumen bald vergehn:
So ſcheinet klar daraus zu flieſſen,
Daß ſie, zum Nahrungsſaft dem Samen dienen muͤſſen,
Man kann demnach mit Recht von Blumen ſagen,
Daß ſie, nicht nur das Aug uns zu erfreuen,Nein79Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Nein, daß durch ſie die Pflanzen Samen tragen,
Und alle Jahre ſich erneuen,
So, daß ſie uns, mit ihren bunten Schaͤtzen,
Auf einmal nuͤtzen und ergetzen.
Es ſcheinet ein geheim Vergnuͤgen
Jn unſrer Bruſt verſteckt,
So uns ſelbſt nicht bekannt, zu liegen,
Das, durch der Blumen Glanz, erweckt,
Und angefachet wird, das aber bald verlodert,
Wenn der Betrachtung Weihrauch nicht,
Den dieſe ſchoͤne Gluht zur Nahrung fodert,
Jhr zugereichet wird, und ihr gebricht.
Es ſcheint der Blumen holde Pracht,
Fuͤr uns, und bloß allein gemacht,
Jndem ſie, bey den Thieren,
So wenig den Geruch, als ihre Blicke, ruͤhren;
Sie werden anders nicht, als wie das Gras und Kraut,
Von ihnen angeſchaut;
Sie treten ſie mit Fuͤſſen. Uns allein
Scheint ihre Zier zu gut gemacht zu ſeyn.
Es haͤtte die Unſterblichkeit den Pflanzen koͤnnen eingefloͤßt
Und ihnen mitgetheilet werden,
Ohn alle Zierlichkeit in Formen, von aller Farben Glanz entbloͤßt,
Als wie den Wurzeln in der Erden.
So aber zeigt ſich klar: Die Wunderhand
Des Weſens, welcher ſie gefaͤrbet und formiret,
Hab, uns zu gut, daran ſo viele Kunſt verwandt,
Und ſie, nur bloß fuͤr uns, ſo ſchoͤn gezieret,
Zum ſchoͤnſten Vorwurf unſern Blicken,
Um unſern Aufenthalt mit ihnen auszuſchmuͤcken.
Ver -80Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Verſchiedne Blumen findet man,
Worin man ſonſt nichts merken kann,
Als daß ſie, bloß zu unſern Freuden,
So angenehm und bunt ſich kleiden;
Jnzwiſchen daß von andern, ihr Gepraͤnge,
Und bunter Schmuck, uns Fruͤcht in großer Menge,
(Zu einem unfehlbaren Zeichen,
Daß ſie fuͤr uns erſchaffen) reichen.
Sie zeigen beyd, in ihrer Nettigkeit,
Und niedlicher Vollkommenheit,
(Wobey ſie den Geruch dazu noch zollen)
Daß ſie, nur uns, gefallen wollen.
Es faͤllt uns ſchwer, vollkommen zu begreifen,
Wie weit des Schoͤpfers Vorſicht geht,
Jn Blumen, unſre Luſt zu haͤufen,
Wie ſehr derſelben Farb und Zahl
Deſſelben weiſe Lieb erhoͤht.
Der Blumen Menge ſcheint zumal
Ein wirklich Wunderwerk; ſie ſcheinen, ſeinen Willen,
Der lauter Liebe, zu erfuͤllen,
Faſt unter unſerm Fuß hervor zu quillen.
Wir ſehen ihre ſchoͤne Spur,
An allen Orten faſt in der Natur;
Wir ſehen ſie auf hohen Baͤumen,
Und auch auf niedern Kraͤutern keimen.
Sie ſind auf Bergen, in den Gruͤnden,
An feuchten Baͤchen, und auf Feldern,
Auf Heyden, in den dunklen Waͤldern,
Ja ſelber in der Fluth zu finden.
Noch mehr; ſo gar in duͤrren Wuͤſteneyen
Hat man ſich ihrer zu erfreuen. Und81Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Und kurz, die Erde ſcheint, von Blumen mancher Arten,
Faſt uͤberall ein Blumengarten.
Ja, daß ſie uns an keinem Orte fehlen,
Auch wenn wir uns in unſre Haͤuſer ſchlieſſen:
So ſcheinen ſie bey uns am ſchoͤnſten zu entſprieſſen,
Und unſre Gaͤrten recht zu ihrem Thron zu waͤhlen.
Es iſt unwiderſprechlich wahr,
Daß ihre bunt gefaͤrbte Schaar,
Jn uns ein Anmuths-Feur erreget,
Und recht zu ſuͤſſer Luſt beweget.
Dieß iſt ſo wahr, daß alle Kuͤnſte ſie,
Jhr kuͤnſtlich Werk recht auszuzieren,
Auch mit der allergroͤßten Muͤh!
Gebrauchen, und bald dort, bald hie,
Mit Blumen, Bau - und Malwerk ausſtaffiren.
Auch auf den ſchoͤnſten Broderien,
Dem allerreichſten Stoff, auf Drap d’argent, Drap d’or,
Sieht man der Blumen bunten Flor,
Jn nachgeahmten Zuͤgen, bluͤhen,
Und werden die, an Vollenkommenheit,
Fuͤr die vortrefflichſten genommen,
Die an der Blumen Aehnlichkeit
Am allernaͤchſten kommen.
Die Blumen ſind, zu allen Zeiten,
Ein Sinnbild holder Froͤlichkeiten,
Ein Zeichen froher Luſt, geweſen.
Man hat derſelben holdes Schimmern
Zum Ausputz in den Hochzeitzimmern,
Zu Freudenfeyern ſtets erleſen. Br. VI. Th. FWie82Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Wie wir denn noch, zur Anmuth unſern Blicken,
Mit Blumen, unſern Nachtiſch ſchmuͤcken.
Es ſcheinet ihre bunte Pracht
So ſehr zur Froͤlichkeit allein gemacht,
Daß wir, bey uns ſo wohl, als bey den Alten,
Bey aller Trauer, ſie fuͤr unanſtaͤndig halten.
Der Wohlſtand, welcher es von der Natur gelernt,
Hat Blumen allezeit von Traur und Gram entfernt.
Auch Koͤniginnen ſelbſt, in ihrer groͤßten Pracht,
Mit Diamant - und Perlen ganz behangen,
Verſchmaͤhen nicht der Blumen Prangen,
Um, bey dem Ausbruch ihrer Macht,
Bey ihren ſchimmernden und ſtralnden Edelſteinen,
Auch liebreich, gnaͤdig, hold und angenehm zu ſcheinen.
Jn Kirchen kann man gar, zu Gottes Ruhme,
(Ach moͤcht es doch nur oͤfter noch geſchehn)
Bey Mayenbaͤumen, manche Blume
Zuweilen lieblich ſpielen ſehn.
Vergehn ſie nun gleich ſchnell: So ſcheinet ihr Vergehen,
Zu dieſem Zweck nur zu geſchehen,
Und daß ſie bloß darum ſo ploͤtzlich ſcheiden,
Durch ihre Daur ſich uns nicht zu verleiden,
Und andern, die ſo bald ſie fort, entſtehn,
Nur aus dem Wege bloß zu gehn.
Der Blumen groͤßte Zahl,
Dem gleichſam anbefohlen ſcheinet,
Der Menſchen Wohnung auszuzieren,
Erſcheinet uns nicht auf einmal,
Zu einer Zeit, zuſammen und vereint;
Die mehreſten von ihnen,Die83Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Die ſcheinen ſich bey uns, bald auf bald abzufuͤhren,
Um, nach einander uns zu dienen.
Es laͤßt, ob haͤtten ſie ſich unter ſich verbunden,
Damit kein Theil von Jahr von ihnen leer,
Noch gaͤnzlich ungeſchmuͤckt gefunden,
Und ſonder alle Blumen waͤr;
Sich gleichſam Ketten-weiſ einander anzufaſſen,
Kein Leeres zwiſchen ſich zu laſſen.
Es pranget nicht nur jede Jahreszeit
Mit Blumen von beſonderm Unterſcheid;
Auch die, ſo mit einander bluͤhen,
Sieht man, ganz unterſchiedlich ſchoͤn,
Jn mancherley Figuren ſtehn,
Jn ganz verſchiednen Farben gluͤhen,
Wodurch ſie, wie die weiſe Kraft
Des großen Meiſters, der ſie ſchafft,
So ungezaͤhlt, ſo mancherley,
Und an Erfindungen ſie lieblich zu formiren,
Auch mit ſo manchem Glanz und Farben ſie zu zieren,
Unendlich, unerſchoͤpflich ſey.
Man ſiehet faſt kein einzig mal,
Jn ihren Zeichnungen, Copien.
Von allen Sorten, welche bluͤhen,
Jſt ieglich ein Original.
Wie lieblich iſt an einigen zu ſpuͤren,
Wie ſanft die Farben ſich in ſich verlieren,
Wie ſuͤß und lieblich ſie ſich allgemaͤchlich ſchwaͤchen,
Wie| unvermerkt gelinde ſie ſich brechen.
Sie ſchmelzen, ſonder Haͤrtigkeit,
Und ſenken ihren zarten Schein
Unſichtbar in einander ein. F 2Man84Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Man ſieht die meiſten mit Vergnuͤgen,
Auf eine nicht zu ſehnde Art,
Sich miſchen, in einander fuͤgen,
Wie jede Nachbarinn ſo angenehm ſich paart
Mit ihrer Nachbarinn.
Jnzwiſchen ſieht man auch, bey vielen, ſchnelle Grenzen,
Die aber doch darum nicht minder ſchoͤn,
Wie ſonderlich bey Tulpen zu erſehn,
Jn wohlgemiſchter Schoͤnheit, glaͤnzen.
Es iſt noch ungewiß, ob Blumen ſchoͤner ſcheinen,
Wann wir ſie einzeln ſehn,
Wie oder wenn ſie ſich vereinen,
Und ihrer viel beyſammen ſtehn.
Es zeiget ſich, in ihrer Menge,
Ein angenehm gemiſcht Gepraͤnge,
Jn welchem alles wohl zuſammen ſtimmet,
Jn welchem nichts dem Augen wehe thut,
Und worin eine ſuͤſſe Gluht,
Jn ſuͤſſem Schimmer, gluͤht und glimmet.
Sieht man dieſelbigen hingegen einzeln an:
So iſt kein einzige | von ihnen allen,
Die nicht vor ſich allein gefallen,
Und, durch beſondern Schmuck, ſich gelten machen kann,
Ja die nicht gleichſam, in der That,
Perſoͤnliche Verdienſte hat.
Wenn unſers Schoͤpfers Weisheit Licht,
Jn wunderbaren Stralen ſtralet,
Dadurch daß er der Blumen Kleid,
Mit ungezaͤhltem Unterſcheid,
Von angenehmen Farben, malet;Wie85Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Wie herrlich ſtralt es gleichfalls nicht,
Jn ihrer Formen und Figur
So unterſchiedner Pracht nicht nur,
Auch in derſelbigen Statur,
Und aͤuſſerlichem Anſtand, den er ihnen,
So wunderwuͤrdig dargereicht,
Daß auch darin ſie unterſchieden ſchienen,
Wie denn kein einzige der andern gleicht.
Verſchiedne heben ſich vor andern hoch empor,
Ein majeſtaͤtiſch Weſen ſcheint,
Mit ihrem praͤchtigen Gewaͤchs vereint,
Jhr Anſtand bringt ſie mehr, als ihre Hoͤh, hervor.
Wenn andre gegentheils in holder Niedrigkeit,
Sich, gleichſam voller Demuth, neigen,
Und doch nicht weniger Vollkommenheit,
Jn ihrem ſittſamen und ſanften Weſen zeigen.
Was fuͤr ein adlicher und praͤchtger Anſtand ſchmuͤckt,
Die Tulpen, Lilgen, Kaiſerkronen!
Wogegen man, am Fuß von ihren Thronen,
Der niedern Veilchen Zier, nicht minder ſchoͤn, erblickt,
Die nicht allein,
Jn einem purpurfarbnen Schein,
Den Balſamreichen Geiſt, der aus ihr quillet,
Und rings um ſie die Luft erfuͤllet,
Auf eine Art, die nicht begreiflich, huͤllet;
Nein, die ſo zart gewebt, daß aller Sammt ihr weicht,
Und, im Vergleich mit ihr, faſt haͤrnem Tuche gleicht.
Wie ſehr wir die Veraͤndrung lieben,
So ſind die Blumen doch ſo ſchoͤn,
Daß, ob ſie gleich dieſelben ſtets geblieben,
Verlangt man ſie doch anders nicht zu ſehn. F 3Die86Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Die Roſ iſt, wie ſie war, vom Anbeginn der Welt,
Und wer iſt, dem nicht noch die Roſe wohlgefaͤllt?
Die menſchlichen Erfindungen vergehn,
Und dauren nicht, weil wir das wahre Weſen
Des Stoffs, und die Beſchaffenheit
Von der Materie nicht kennen, nicht verſtehn.
Der Schoͤpfer zeigt in dem, was er erleſen,
Zur Richtſchnur deſſen, welches ſchoͤn,
Ein unveraͤnderlich und feſte Richtigkeit.
Was er gemacht, gefaͤllt uns allezeit.
Man findet uͤberall die Spur,
Daß Er der Herr und Meiſter der Natur,
Daß Er, was Er in ſie geſenket,
Nach Seinem Willen kehrt und lenket.
Der weiche Stoff iſt fertig und bereit,
Des großen Schoͤpfers weiſen Willen,
Ohn allen Widerſtand und Sperren, zu erfuͤllen,
Nimmt alle Formen an, ſo bald er es befiehlt.
Er weis in ihnen zu vereinen,
Beſchaffenheiten, welche ſich
Faſt widerſprechen innerlich,
Und welche nicht vereinbar ſcheinen.
Er weis, des Tiegerthiers und Leuen Blicken
So freche Miſchungen von Zuͤgen einzudruͤcken,
Daß auch die Tapferſten in ihnen Grimm und Schrecken,
Von Furcht erfuͤllt, entdecken.
Wann aber ſeine weiſe Hand,
Aus eben dieſem Stoff, die Blumen will formiren,
Um unſern Blick, durch ihren Schmuck, zu ruͤhren:Weis87Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Weis Er, durch ganz verſchiedenen Verband,
Dieſelben lieblich auszuzieren;
Er weis denſelbigen ſo holde Form zu ſchenken;
Er weis ſo ſuͤſſen Glanz und Reiz darein zu ſenken,
Daß wir, in ihrem ſchoͤnen Kleide,
Von einer angenehmen Freude,
Und Anmuth tauſend Quellen ſpuͤren.
Ja da er, fern von uns, in wuͤſte Waͤlder,
Die ſchreckenden Figuren treibt:
So ſchafft Er, daß auf unſre Felder,
Und naher Gaͤrten Gegenden, der Blumen Schmuck rings um uns bleibt.
Es ſiehet ſich demnach der Menſch, in ſeinem Leben,
Mit Gegenwuͤrfen rings umgeben,
Die bald in buntem Schmuck und bald im gruͤnen,
Zum Troſt in ſeiner Arbeit dienen,
Und die, mit ihren holden Schaͤtzen,
Ohn ſein Gewiſſen zu verletzen,
Jn lauter Unſchuld, ihn ergetzen.
Die Blumen ſcheinen dergeſtalt beſtimmt, durch ihrer Far - ben Zier,
Den Erdkreis uͤberall zu ſchmuͤcken, und uns auf ſelben zu vergnuͤgen;
Daß noch die meiſten, damit uns des Feſtes Schoͤnheit mehr noch ruͤhr,
Gewuͤrzte Duͤfte von ſich hauchen, aus ihrem bunten Schooſſe fliegen,
Und in den Luftkreis duͤnſten laſſen. Als wie ein unſichtba - rer Schwall,
Dampft, aus derſelben ſchoͤnen Koͤrpern, ein edles Raͤuchwerk uͤberall. F 4Sie88Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Sie ſcheinen ins beſondre noch, die Balſam-Kraͤfte zu beſparen,
Und ſie, am meiſten fuͤr den Morgen, und fuͤr den Abend zu bewahren,
Zu welcher Zeit die Menſchen nemlich, am haͤufigſten ſpa - tziren gehn,
Da, weilen wir den Reſt des Tages dieſelben ſelten nur zu ſehn,
Und minder ihnen uns zu naͤhern pflegen,
Sie auch zur ſelben Zeit ſo viel von ihrer Balſam-Kraft nicht hegen.
Wie? hat der bunten Blumen Zunft,
Um uns ſo ordentlich zu dienen, denn Vernunft?
Wenn die Sonn im Mittag gluͤht,
Und, durch ausgeſpannte Luͤfte,
Die verduͤnnten Blumen-Duͤfte
Kraͤftig in die Hoͤhe zieht;
Da ſie uns ſo ſtark nicht ruͤhren!
Koͤnnen wir ſie minder ſpuͤren.
Und hingegen, wenn ſie ſteigt,
Oder ſich des Abends neigt:
Mehrt, zu unſerem Gebrauch,
Sich der Blumen ſuͤſſer Hauch.
Siehet man der Blumen Flor,
Jn ſo holder Ordnung an:
Koͤmmt es mir von ihnen vor,
Daß man billig ſagen kann,
Wie der Menſch, als Herr der Erde,
Von der Blumen ſchoͤnem Heer,
Koͤniglich bedienet werde;
Da ſie ſich, ihn zu erfreuen,
Nicht auf ſeinen Weg nur ſtreuen,Son -89Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Sondern, mit geſundem Duft,
Balſamiren ſie die Luft;
Ja ſie laſſen, durch ihr Hauchen,
Jhm ein ſtetes Rauchwerk rauchen.
Wo er gehet, wo er ſtehet,
Wird ihm Ambra zugewehet,
Und zwar ſcheinen ſie am meiſten,
Jhren Dienſt ihm denn zu leiſten,
Wenn zur Abendzeit ſein Schritt,
Nach getragner Tageslaſt,
Mit ſpatziren ſich befaßt,
Und er zwiſchen ihnen tritt.
Ja es dient der Blumen Heer, mit den ſuͤß - und bunten Schaͤtzen,
Das Geſicht, und den Geruch nicht allein uns zu ergetzen;
Sie vergnuͤgen, dienen, nuͤtzen, in verſchiedlichem Gebrauch,
Uns, durch andre Sinnen auch.
Zu Confect, in Arzeneyen, Waſſern, die man diſtilliert,
Wird von ihnen mancher Nutzen, manche Heilungskraft geſpuͤrt;
So daß man in ihnen noch, wenn die Blume laͤngſt vorbey,
Angenehm empfinden kann, daß ſie da geweſen ſey.
Jch habe Blumen zwar geliebet,
Doch lange ſie nur obenhin beſehn,
Der Meynung, daß ſie hie und da, und nur von ungefaͤhr, entſtehn.
Doch da mir die Erfahrung immer, von ihrem Werth mehr Nachricht giebet,
Und finde, daß ſie, mir zu gut, ſollieblich, angenehm und ſchoͤn:
Seh ich ſie mit Bewunderung, mit Anmuth und mit Andacht, an,
Und danke dem, der ſo viel Wunder ſo wunderbar bereiten kann.
F 5Ja90Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Ja, wo uns etwas auf der Welt das Weſen einer Gottheit zeiget;
Wo man durch etwas ſich erhebt, und durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer ſteiget:
So ſind es in der That die Blumen. Sie machen nicht die Pflan - zen nur
Unſterblich, im geheimen Samen, verſchoͤnern nicht nur die Natur;
Sie leiten uns mit ſanftem Zwang, und lehren uns ein We - ſen kennen,
Das ſie ſo wunderſam formiren, ſie faͤrben und ſie ſchmuͤcken koͤnnen.
Was muß der Urſprung ihrer Schoͤnheit, an Herrlichkeit, an hellem Schein,
An Pracht, an Majeſtaͤt und Glanz, nicht ſelbſt fuͤr eine Schoͤn - heit ſeyn?
Was fuͤr ein unbegreiflich Meer von Liebreiz muß das We - ſen fuͤllen,
Aus welchem ſo viel Schoͤnheit Baͤche, und ungezaͤhlte Stroͤ - me quillen,
Die er annoch in ſelbem Schmuck, und in derſelben Pracht erhaͤlt,
Womit er ſie zuerſt erſchuf und ſchmuͤckt im Anbeginn der Welt.
Ja, da er, mit ſo holder Liebe, ſo fluͤchtige Geſchoͤpfe ſchmuͤckt,
Die heute ſind und Morgen nicht, die wir zertreten mit den Fuͤſſen;
Was kann man nicht von ſeiner Huld, von ſeiner ewgen Lie - be ſchlieſſen,Das91Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Das uns, durch ihn, geſchehen wird, da er uns ſelber zuge - ſchickt,
Zu Gegenwuͤrfen ſeiner Guͤte! Was kann und wird, nach die - ſer Erden,
Wenn er Verlangen und Begierden, die er dem Geiſt ſelbſt eingepraͤgt,
Erfuͤllen und vergnuͤgen will, uns nicht fuͤr Reichthum zu - gelegt,
Und, wenn Gott Geiſter ſchmuͤcken will, fuͤr Herrlichkeit ge - ſchenket werden!
Som -92Sommer-Betrachtung.

Sommer-Betrachtung.

Laßt uns, in dieſer ſchoͤnen Zeit, um unſern Schoͤpfer zu erheben,
Uns auf das reifende Gefilde, wo Nutz und Luſt vereint, begeben!
Seht dort die Wolken-gleichen Kreiſe, in jener Baͤume Wip - fel, an,
Die ſich in halbe Zirkel woͤlben, und ſich einander uͤberſteigen,
Wodurch ſich ſchoͤne gruͤne Lichter, und ſchoͤne gruͤne Schat - ten zeigen!
Seht dort das Feld im guͤldnen Stuͤck, ſo weit das Auge tra - gen kann,
Ach! ſeht von den ſchon trocknen Halmen, im Sonnenſtral, das ſuͤſſe Blitzen!
Die bald auf einem halben Grunde, des Himmels, und bald ja ſo ſchoͤn,
Auf einem ſchoͤnen dunkelgruͤnen des Waldes, noch verſchoͤ - nert ſtehn,
Der Segen-ſchwangern, weißlich-gelben, und gleichſam guͤld - ner Aehren Spitzen!
Seht, wie von ihrer großen Menge, die, ſo vor andern ſich erhoͤhn,
Und uͤber der gemeinen Aehren vereintem Heer erhaben ſitzen,
Durch ihrer Gruͤnde Gegenſatz, ſehr deut - und zierlich anzuſehn,
Von welchen einige, gebogen, Gott in dem ſchweren Segen preiſen;
Wenn die geraden ihn uns, gleichſam mit aufgerecktem Finger, weiſen,
Man ſieht mit Luſt, wenn oftermal gelinde Winde ſaͤuſelnd kuͤhlen,Die93Sommer-Betrachtung. Die allervberſten am meiſten, ſich ſenken, heben, ſcherzen, ſpielen,
Auf tauſend Arten ſich bewegen, in deutlicher Figur, inzwi - ſchen
Die andern, faſt als Unterthanen, ſich in ein gelbes Ganz ver - miſchen.
Doch! ſeh ich dort nicht allbereit, der ſchoͤnen Felder Schmuck und Segen,
Durch die beſchwitzte Fauſt der Schnitter, ſich kruͤmmen und zu Boden legen?
Ja! ſehet, wie die Senſen blitzen, wie aͤmſig hier die Binder binden,
Und um die gelben Rocken-Garben, von Rocken-Stroh, die Kraͤnze winden,
Wie kuͤnſtlich ſie des Segens Huͤgel, die Hocken, uͤberall erhoͤhn,
Und wie ſie, in ſo ſchoͤner Ordnung, in ſolchen langen Reihen ſtehn,
Als wie das ſchoͤnſte Perſpectiv. Die allerzierlichſten Alleen
Sind zierlicher nicht anzuſehen.
Jndem ich nun, mit ernſtem Blick, das Maͤhn und Binden hier betrachte,
Auf eines Landmanns Fleiß und Ordnung, beſonders auf ſein Werkzeug, achte:
So faͤllt mir, und gewiß mit Recht, der ſinnende Gedanken bey,
Daß es Bewunderung verdien, und alles mehr zu ſchaͤtzen ſey,
Als wir es, ja ſie ſelber, thun. Es ſcheute ſich Aegypten nicht,
Dem, der die große Kunſt erfand, zu ſaͤen, zu pfluͤgen und zu egen,
Altaͤr und Tempel zu erbaun, ja Goͤtter Namen beyzulegen:
Wir aber, die wir, durch Gewohnheit, fuͤr alles wundernswuͤrdge blind,Und94Sommer-Betrachtung. Und das nicht nur fuͤr Menſchen Werke, fuͤr Gottes Werke ſelber ſind,
Vergeſſen, in des Landmanns Werken, der uns verliehnen Gottes - Gaben,
Ob wir von ihnen, bloß durch Gott, faſt nicht zu zaͤhlnden Nutzen haben.
Der Gott, der durch die Faͤhigkeiten, die er in unſern Geiſt geſenkt,
Wodurch der Menſch erfindet, wirkt, und einzig denket, was er denkt,
Ja bloß als wie ein Werkzeug wird, ſo wunderbar in dieſer Welt,
Zu ſeiner Ehr, und unſerm Nutzen, ſo Pracht als Ordnung unterhaͤlt,
Verdient ja wohl, daß wir, in ihnen,
Den uͤberall verborgnen Glanz von ſeiner Weisheit ſehn und achten,
Jndem wir ihm mit nichts ſo ſehr allhier vermoͤgend ſind zu dienen,
Als wenn, auch in den kleinſten Dingen, wir einen weiſen Gott betrachten.
Nimm einem Landmann ſeinen Pflug; wie will er doch die Er - de trennen,
Und ſie zum Samen zubereiten, einfolglich dich ernaͤhren koͤnnen?
Beſchau deſſelbigen Figur, ob ſie dir grob und plump gleich ſcheint,
Jſt dennoch eines Pfluges Form weit mehr betraͤchtlich, als man meynt,
Und folglich der, der unſern Geiſt, ſo viele Faͤhigkeit be - ſchehrt,Solch95Sommer-Betrachtung. Solch nutzbar Werkzeug zu erfinden, Lob, Ehre, Preis und Dankens werth.
Der Stoff, aus welchem er beſteht, iſt anders nichts, als Holz und Eiſen:
Allein erweg, ob Holz und Stal nicht einen weiſen Schoͤpfer weiſen;
Wie vielerley Bequemlichkeit und Nutzen wir entbehren muͤßten,
Wenn wir von dieſem Werkzeug nichts, und nichts von Holz und Eiſen wuͤßten.
Som -96Sommer-Vorwuͤrfe.

Sommer-Vorwuͤrfe.

Laßt uns ein wenig ſtille ſtehn,
Und ſchauen, voller innren Freude,
Wie doch das ſchoͤnſte Weltgebaͤude,
Zur Sommerszeit, ſo wunderſchoͤn!
Das rege Wallen ſchwerer Aehren
Laͤßt uns ein Meer von Seegen ſehn;
Jhr liſpelnd Rauſchen laͤßt uns hoͤren,
Jn lieb - und deutlichem Getoͤn:
Der Schoͤpfer ſchuf uns, euch zu naͤhren,
So freut euch unſrer, ihm zu Ehren!
Laßt eure Luſt ſein Lob erhoͤhn!
Jn der bebluͤhmten Felder Flaͤchen,
Hoͤr ich, von regen klaren Baͤchen,
Jn ſanftem Murmeln, gleichſam ſprechen:
Es ſtellet euch, in holder Zier,
Mein heller Erd - und Himmels-Spiegel,
Bebuͤſchte Berge, Thal und Huͤgel,
Ja ſelbſt den himmliſchen Saphier,
Jm Wiederſchein, gedoppelt fuͤr,
Um deſto minder zu vergeſſen,
Um deſto mehr noch zu ermeſſen,
Wie groß und liebreich deſſen Macht,
Der alle Ding hervor gebracht.
Der Blumen ſchimmerndes Gepraͤnge,
Die Balſam-reiche bunte Menge,
Der Voͤgel zwitſchernde Geſaͤnge,Der97Sommer-Vorwuͤrfe. Der guͤldnen Sonne Lebensſtral,
Die gruͤnen Schatten kuͤhler Waͤlder,
Der faſt ſmaragdne Klee der Felder,
Die Luft, das Waſſer, Berg und Thal,
Sind voller Wunder ohne Zahl.
Wenn wir nun alle Wunder ſehn:
So laß uns, Herr! mit froher Seelen,
Jn einer dir ergebnen Freude,
Zu deinen Ehren, oft erzaͤhlen:
Wie iſt das ſchoͤne Weltgebaͤude,
Dein herrlich Werk, ſo wunderſchoͤn!
Ja, da wir, wo wir ſtehn und gehn,
Sonſt nichts, als Wunderwerk, entdecken;
So laßt uns hoͤren, fuͤhlen, ſchmecken,
Daß alle Ding aus Dir entſtehn,
Und Dich, iu unſrer Luſt, erhoͤhn!
Br. VI. Th. GZur98Zur Wieſe.

Zur Wieſe. Tom. II.

Jndem ich juͤngſt, im bunt-bebluͤhmten Graſe,
Mein auf die Wieſen einſt verfertigtes Gedicht,
Bey dem Original, bedachtſam uͤberlaſe:
Gefiel mir die Copey, bey ihrem Urbild, nicht.
Jch bin gewiß, daß mancher, der allein,
Und ohn Original, daſſelbige geleſen,
Vielleicht der Meynung ſey geweſen,
Das Malwerk ſey zu ſehr geziert.
Doch, ſollt er ſie zuſammen ſehn:
Wird er gewißlich uͤberfuͤhret,
Das Urbild ſey noch tauſendmal ſo ſchoͤn.
Ob nun zu Anfang gleich mich eine Art von Schaam
Hieruͤber uͤbernahm;
Jedoch, dieweil ich bald entdeckte,
Daß Eigen-Ehr,
Dem Anſehn nach, in dieſem Schaͤmen, mehr,
Als wie Vernunft und Andacht ſteckte:
Vertrieb ich bald den ungerechten Gram,
Durch die Betrachtungen, daß, durch die Malerey,
Die bildende Natur nicht nachzuahmen ſey.
Jch wandt indeß die faſt entzuͤckten Blicke,
Auf dieſer ſchoͤnen Flur, bald vorwerts, bald zuruͤcke,
Und fand, im bunten Glanz, faſt alle Stellen glimmen.
Ein tauſendfach gefaͤrbter Schein
Nam meiner Seelen Jnnres ein,Sie99Zur Wieſe. Sie ſchien, im fuͤhlbaren Genuß,
Von einem Anmuth-Ueberfluß,
Als wie in einem Meer, zu ſchwimmen.
Zumal vom Thau annoch viel tauſend bunte Blitze
Aufs bunte Blumen-Heer, an jedes Graſes Spitze,
Mit ſchnellem Funkeln gluͤhn.
Man erblickt ſaphirne Schaͤtze,
Wenn man oͤfters ganze Plaͤtze,
Von vergiß mein nicht, erblickt.
Gold iſt hier in ſolcher Menge,
Daß es nicht zu zaͤhlen iſt.
Doch dieweil es nicht zu zaͤhlen,
Jſt es von dem Cacopiſt,
Und Chryſanders eitlen Seelen,
Unbetrachtet,
Ungeachtet.
Von aller dieſer Pracht, die uͤberhaͤufte Fuͤlle
Bracht anfangs mein Gemuͤth, zu einer ſanften Stille,
Darauf zu einer Luſt, die der allein empfindet,
Der, mit des Koͤrpers Luſt, der Seelen Luſt verbindet,
Und der, in dem Geſchoͤpf, den Schoͤpfer ſelber findet.
G 2Be -100Beſondere ſchoͤne Abend-Vorwuͤrfe.

Beſondere Schoͤne Abend-Vorwuͤrfe.

Nachdem die ſchwuͤhlen Mittagsſtunden bereits den kuͤhlen Abend wichen,
Und die geſenkten Sonnenſtralen flach uͤber Feld und Wieſen ſtrichen:
Fiel, bey dem niedrig ſcheinenden, faſt roſenrothen Sonnen - licht,
Mir eine Menge Gegenwuͤrfe, die neu, in mein geruͤhrt Geſicht.
Es ſchien der Luftkreis voller Gold; es ſchienen angeſtralte Hoͤhen
Jn einem roͤthlich guͤldnen Schimmer, und purpurfarbnem Glanz zu ſtehen.
Hingegen faͤrbten allgemach, die allgemach verlaͤngten Schatten,
(Wodurch das Licht noch ſchoͤner ward) die Flaͤchen unſrer Wieſ und Matten,
Doch ſahe man, vom langen Kraut, die obern noch beſtralten Spitzen,
Bey der ſchon dunkel gruͤnen Helft, um deſto lieblicher noch blitzen,
Worunter denn, auf dunkelgruͤnem, faſt den Smaragden gleichem Grunde,
Ein helles kaum zu zaͤhlend Heer durchſichtger Blumenkugeln, ſtunde,
So die verbluͤhte Graſeblum, in einer neuen Blume, zeuget,
Und die, wenn ihre Mutter todt, aus ihrer Aſche gleichſam ſteiget,
Jndem ein jedes Samenkoͤrnchen, ein eignes Bluͤmchen ſich gebiert,Und101Beſondre ſchoͤne Abend-Vorwuͤrfe. Und aus viel Kuͤgelchen, ein groͤßers; von lauter Zaͤſercher, formirt.
An, und durch dieſe fiel die Sonne ſo hell, daß, auf dem dunkel - gruͤnen,
Sie noch viel heller, reiner, weiſſer, als waͤren ſie aus Sil - ber, ſchienen.
Jch ſahe ferner auf dem Felde, mit noch vermehretem Ver - gnuͤgen,
Den rothen Abendſtral der Sonnen, auf jungen Rocken - Aehren liegen,
(Der Rocken, der daſelbſt ſo dicht, als eine ſchoͤne gruͤne Wand,
Mit purpur-untermiſchten Aehren, gezieret und gekroͤnet ſtand,)
Und durch deſſelben guͤldne Roͤthe, den rothen Glanz der jun - gen Spitzen,
Die unterm untergehnden Koͤrper der Sonnen ſtunden, lieb - lich blitzen.
Noch ward ich, auf derſelben Stelle, ein angeſtralte Muͤcken - Schaar,
Die wie lebendge Funken ſchienen, und als ein guͤldner Staub, gewahr.
Die denn, mit ihren Gaukeleyen, im Steigen, Sinken, Spielen, Schweben,
Als wie Johannis Wuͤrmerchen, den Augen auch Vergnuͤgen geben.
Die Majeſtaͤt der Sonnen ſelber, in roſ-und purpurfarbnem Licht,
Beſaͤnftigte den ſtarken Schein, und blendet unſer Augen nicht,
So, daß von ihrem Born des Lichts, von ihrer hellen Wun - derpracht,
Man mehr, als ſonſten, ſehen kunnt, zum Preiſe des, der ſie gemacht.
G 3Jn -102Beſondre ſchoͤne Abend-Vorwuͤrfe.
Jndem ſich nun, an dieſem Vorwurf, ſo Herz als Aug erſtau - net laben,
Kam ich, im Gehen ungefaͤhr, an meines Schloſſes breiten Graben,
Auf deſſen Spiegel-glatten Fluth, die ganz bepurpert und verguͤldet,
Der große himmliſche Rubin ſich ſelbſt, als wie im Spiegel, bildet.
Jch dachte dem verdoppelten, bewunderns-werthen Wunder nach;
Mein allbereit geruͤhrter Geiſt ward hier nach mehr geruͤhrt. Jch ſprach:
Ach welch ein feurig Roſenroth ſeh ich am hellen Himmel glimmen!
Ach welche purpurfarbne Gluht ſeh ich, auf glatten Fluthen, ſchwimmen!
Wie wird mein Herz durchs Aug ergetzt! da ich hier in der Tief und Hoͤh,
Ein herrlich doppelt Abendroth, und auch zugleich zwo Son - nen ſeh.
Jch ſehe ſie, zu deinen Ehren, o unſer aller Schoͤpfer, an;
Bewundre deine Wunderwerke, und danke, daß ich ſehen kann.
Waſ -103Waſſergraben.

Waſſergraben.

Da wir anjetzo auf dem Felde, worauf noch viele Dinge ſchoͤn,
Und die mehr als zu wohl verdienen, daß wir ſie mit Bedacht beſehn:
So laßt uns, mit vergnuͤgtem Schritt, bedachtſam etwas wei - ter gehn.
An jedem Ort, an allen Enden,
Wohin wir unſre Blicke wenden,
Jſt was wir hoͤren, was wir ſehn,
Voll Anmuth, lieblich, wunderſchoͤn.
Seht dort die kuͤhlen Waſſergraben, in einer gruͤnen Klarheit, glaͤnzen,
Seht von Smaragden-gleichem Schilf ihr ſettes Ufer rings umkraͤnzen,
Und ſich, nebſt hundert tauſend Blumen, die ſich bepurpern und verguͤlden,
Jn unbeſchreiblich holdem Glanz, im klaren Waſſer-Spiegel bilden,
Es druͤcket ſolche bunte Klarheit und ein ſo ſuͤß gefaͤrbter Schein,
Mit ungezaͤhlten Miſchungen den Augen tauſend Anmuth ein.
Jch fuͤhl, den kuͤhl - und gruͤnen Glanz mir ſo durch Aug und Herze dringen,
Daß ich mich nicht enthalten kann, zu Gottes Ruhm, noch mehr zu ſingen.
G 4Jn104Waſergraben.
Jn der klaren Fluthen Spiegel,
Jſt der Schmuck bebuͤſchter Huͤgel,
Durch den gruͤnen Wiederſchein,
So natuͤrlich, deutlich, rein
Vorgeſtellt, nicht minder ſchoͤn,
Als das Urbild ſelbſt zu ſehn.
Ja es ſcheint dieß klare Gruͤn
Faſt dem Urbild vorzuziehn,
Da die holde Schilderey,
Vom Gebuͤſche, Laub und Gras,
Durch des Waſſers klare Glaͤtte,
Anders nicht den Blicken ſchien,
Als wenn man ein klares Glas
Ueber ſie geleget haͤtte,
Deſſen Klarheit ihre Pracht
Schoͤner, als das Urbild, macht[.]
Dieſe Schoͤnheit ruͤhrte mich,
So daß ich mich inniglich
Zu der Schoͤnheit Schoͤpfer lenkte,
Und ihm dankte, daß er mir,
Zu Betrachtung dieſer Zier,
So Vertand, als Augen, ſchenkte.
Schat -105Schatten.

Schatten.

Damit, bey kuͤnftiger ſich bald vermehrnder Hitze,
Zugleich auch etwas, welches kuͤhl,
Und, gegen ihr zu fchwuͤhl - und ſtrenges Brennen, ſchuͤtze:
So wachſen (uns zur Luſt, und Anmuth im Gefuͤhl)
Die Schatten mit dem Laub. Ein kuͤhles Blaͤtter-Zelt
Wird uͤber das zu heiß beſtralte Land,
Von einer unſichtbaren Hand,
Ohn unſer Zuthun, ausgeſpannt.
Es decket, hier und dort, die ſonſt zu heiſſe Welt,
Und ſteigt von ſelbſten aus der Erden,
Ein Schirmdach, das ſo nuͤtzlich iſt, als ſchoͤn,
Wie wir, auf einem Schauplatz, ſehn,
Daß Scenen vorgeſchoben werden:
So ſcheinet jetzt, durch uns verborgne Kraft,
Der Erden jetzt zu Laub gewordner Saft,
Von unten in die Hoͤh getrieben,
Und in ſo ungezaͤhlt-als wohlgefuͤgter Zahl,
Dem gar zu ſtrengen Sonnenſtral,
Zu unſerm Schutz, im Laub, ſich vorzuſchieben.
Wenn wir, bey heiſſer Zeit, und ſchwuͤlem Wetter,
Die Kuͤhlung und die Luſt, ſo aus der gruͤnen Blaͤtter,
Von Fingern der Natur, gefuͤgtem Bau, entſprieſſet,
Die Anmuth des Gefuͤhls, die Freude des Geſichts,
Die mannichfache Fuͤg-und Trennungen des Lichts,
So ein belaubter Wald uns haͤufig ſchenkt, genieſſet,G 5Mit106Schatten. Mit Augen der Vernunft betrachten:
So muͤſſen wir je mehr und mehr,
Zu unſers Gottes Ruhm und Ehr,
Es als ein wirkliches betraͤchtlichs Wunder achten.
Es iſt wahrhaftig dieſes Wunder, ſo bloß fuͤr uns gewirkt wird, werth,
Daß man, in froͤlicher Betrachtung, auch darin unſern Schoͤp - fer ehrt.
Wer wuͤrde doch der nahen Sonnen, und der geraden Stra - len Brennen,
Ohn ein faſt gaͤnzliches Verſchmachten, das nicht ertraͤglich, dulden koͤnnen!
Wenn nun, von uns erbaute Haͤuſer, uns zwar in ſolchen Zei - ten nuͤtzen:
So ſieht man, ſonder Muͤh und Koſten, und beſſer noch, die Baͤum uns ſchuͤtzen.
Der dicht belaubten Waͤlder Wipfel ſind nicht nur gruͤn, ſind nicht nur ſchoͤn;
Sie ſind als aufgefuͤhrte Daͤcher, uns zu beſchirmen, anzuſehn.
Es iſt derſelben dunkle Frucht, der kuͤhle Schatten, anders nichts,
Als eine Milderung der Hitze, als eine Linderung des Lichts,
Den Gott, in ſchwuͤhler Sommerszeit,
Zu unſrer Kuͤhlung, Luſt, Vergnuͤgung, Bequemlichkeit und Nutzbarkeit,
Zugleich zuſamt der Blaͤtter Pracht,
Mit ihnen gleichſam wachſen laͤßt. O angenehme gruͤne Nacht,
Wie lieblich laͤßt ſichs in dir ruhn! wie ſanfte laͤßt ſichs in dir ſchlafen! So107Schatten. So oft, aus deinem holden Dunkeln, wo alles lieblich iſt und kuͤhl,
So wohl im Blick als im Gefuͤhl,
Uns Kuͤhlung, Labſal, Luſt entſprieſſen;
So oft, in deinem Blaͤtter-Zelt, wir einer ſuͤſſen Ruh genieſſen:
So denkt: Bis auf den Schatten ſelbſt, iſt alles, uns zum Nutz erſchaffen,
Und wenn ihr, ſonderlich im Lenzen, bey Waͤldern, Buͤſch - und Baͤumen ſteht,
Und, in dem Laub, ihr Schatten-Heer ſich mehren, ſich vergroͤſ - ſern ſeht:
So ſucht, daß, auch in dieſem Werk, was recht betraͤchtlichs ſey, zu faſſen,
Und danket dem, der euch zum Beſten, im Laub, auch Schat - ten wachſen laſſen!
Fer -108Betrachtung der Sonne.

Fernerweitige Betrachtung der Sonne.

Jch ſahe juͤngſt das guͤldne Feuer der untergehnden Son - nen an,
Die meine Seele nur bewundern, nie wuͤrdiglich beſchreiben kann.
Jch ſenkte mich, mit Aug und Herzen, in dieſen uͤberirdſchen Schein,
Jn dieſer guͤldne Himmels-Gluht, von Andacht angeflammt, hinein,
Die, da ſie eben unterging, die dann von Blendung ſichern Augen,
Durch die dort dickre Luft geſtaͤrkt, faſt unverwandt zu ſehen taugen.
So wohl von Licht als Luſt erfuͤllet, und faſt verklaͤrt, in tauſend Freuden,
Fing, an dem Schatz des hellen Lichts,
Sich in den Kraͤften des Geſichts,
Der auch beſtralte Geiſt, ſich innig an zu weiden,
So daß er ſich in ihre Pracht,
Zu Ehren dem, der ſie ſo wunderſchoͤn gemacht,
Mit allen ſeinen Kraͤften ſenkte,
Und ſich, in ihr, zum Schoͤpfer lenkte.
Jch nam ein Perſpectiv zur Hand,
Da ich denn, an der Sonnen Koͤrper, ein nie geſehnes Wun - der fand.
Jch ſahe, faſt erſtaunt, derſelben aͤuſſern Rand,
Nicht feſte, ſtet und ſtill, wie es den Augen ſcheint,Und109Betrachtung der Sonne. Und wie auch ich bisher gemeynt,
Jch ſah ein wunderwuͤrdigs Regen,
Ein heftig wallendes Bewegen,
Das einem Feuer-Meere glich.
Ein flammend Lodern zeigte ſich.
Sie aͤnderte ſo gar recht ſichtbarlich,
Nicht ihren innern Zuſtand nur,
Es aͤnderte ſich gar die aͤuſſere Figur.
Oft fuhren Flammen-gleiche Spitzen,
Bald ſeit-bald oberwerts. Bald macht ein reger Stral,
Mit bald vermindertem und bald vermehrtem Blitzen,
Der Sonnen Zirkel ſpitz, und bald Oval,
Vor allen nam, von vielen Stellen,
Das rege Wallen mich recht mit Erſtaunen ein.
Mein Gott! was muͤſſen das vor Wellen,
Vor Flammen, dieſe Flammen ſeyn!
Da von derſelbigen, in einer Ferne,
Von ſo viel Millionen Meilen,
Die wirkliche Figur von ihnen, klar zu ſehn!
Von welchen ungemeßnen Theilen,
Muß dieſes Feuer-Meer beſtehn!
So rief ich ganz erſtarrt. O! fuhr ich ferner fort,
Welch einen Ocean von Gluht erblick ich dort.
Ein gluͤend ſprudlend Erzt ſcheint gegen die Gewalt,
Jn welcher hier ein ſolcher Koͤrper gluͤhet,
Die hier der Geiſt annoch mehr, als das Auge, ſiehet,
Nicht gluͤhend, wirklich kalt.
Seht eine rege Loh, ſeht einen ſchnellen Glanz,
Aus einem Feuer-Born, der kaum zu meſſen, quillen,
Und den unmeßbarn Raum der weiten Tiefen, ganz
Mit immer blitzenden geſchwungnen Wirbeln, fuͤllen.
Mich110Betrachtung der Sonne.
Mich brachte dieß Geſicht zu einem tiefen Denken;
Jch fing mein Seelen Aug, auf dieſes Feur-Gefaͤſſe,
Zumal auf dieſer Gluht recht ungeheure Groͤße,
Nicht ohne Schrecken, an zu lenken.
Welch eine Laſt von Gluht, welch eine Feuer-Welt!
Welch eine Flammen-See! die Millionen Meilen
Jn ihrer Ruͤnd enthaͤlt!
Da an der Sonnen Groͤß, an Groͤßen unſrer Erden,
Auf viert halb Millionen faſt, gefunden werden.
Die Groͤße ſchrecket mich, rief ich von neuen aus,
Was muͤſſen doch, in dieſen Feuer-Gruͤnden,
Vor rege Feuer-Theil, fuͤr Hitz und Licht ſich finden!
Welch eine Heftigkeit und ſchnelles Regen!
Man ſtelle ſich nur fuͤr, als ob man in der Naͤhe,
Bey einem Kreis von Gluht, bey einer Feuer-Ruͤnde,
Von etwan einer Meil an Groͤße, ſtuͤnde,
Und in ein ſolches Meer, von Loh, und Flammen, ſaͤhe,
Welch ein Erſtaunen, welch ein Schrecken,
Wuͤrd eine ſolche Gluht dem ſtarren Aug erwecken!
Wer wuͤrde ſolch ein Licht, wer wuͤrde ſolch ein Brennen,
Am Koͤrper und Geſicht, ertragen koͤnnen!
Der ewgen Weisheit Wunderhand
Hat uns jedoch in einen ſolchen Stand,
Von ihrer Gluht entfernt, geſetzt,
Daß ein unmeßlich Feur uns dennoch nicht verletzt,
Wenn ich ein Feur, von einer ſolchen Groͤße,
Mit Ernſt und Achtſamkeit ermeſſe:
Entſetzt, ob ſolcher Gluht entſetzliche Gewalt,
Sich meine Seele dergeſtalt,Daß111Betrachtung der Sonne. Daß bey der Gottheit bloß allein,
(Als gegen welcher alles klein,)
Sie gegen ihr unfehlbares Erblinden,
Kann Huͤlf und Beyſtand finden.
Es fiel vor andern ihr der Zweifel ein,
Worzu ein ſolches Feur und eine Hitze,
Von ſolcher grauſen Groͤße, nuͤtze?
Da, wenn ein jeglicher Planet ihr etwas naͤher ſaͤſſe,
Es einer ſolchen Gluht ſo ungemeßnen Groͤße
Ja nicht gebraucht: Allein der Entwurf fiel, verſchwand,
Und macht, in ſeiner Schwaͤch, um deſto mehr bekannt,
Des Schoͤpfers aller Welt allmaͤchtigen Verſtand,
Der alle wunderbare Sterne,
Jn einer ſo gemeßnen Ferne,
Jn ſolchen Stand vom Sonnenfeur geſetzt,
Daß wie entſetzlich groß und heftig gleich ihr Brand,
Von aller Heftigkeit, ſie dennoch nicht verletzt,
Vielmehr von ſanfter Waͤrm, und mildem Licht ergetzt,
Belebt und fruchtbar wird. Wo etwas auf der Welt
Der Gottheit Goͤttlichkeit uns hier vor Augen ſtellt:
So iſt es ja, vor allen andern, dieß,
Was er, im Sonnenfeur, fuͤr Macht und Weisheit wieß,
Aus deſſen Born von Licht, ein ſolches Licht-Meer quillet,
Daß es die tiefe Tief, in einem Raume, fuͤllet,
Der, im geraden Strich allein,
Bis zu Saturnus Kreis und Schein,
Wie die Aſtronomie uns laͤngſt entdecket,
Auf hundert ſiebzig Millionen,
Von teutſchen Meilen ſich erſtrecket,
Und, in des Raumes ganzer Weite,
Sich eine Breite,Von112Betrachtung der Sonne. Von ſechſthalb hundert Millionen,
Befindet, welche durch den Schein
Der Sonnen all erfuͤllt, erwaͤrmt, erleuchtet ſeyn.
Man ůberleg hiernaͤchſt einmal,
Wie heftig doch der Sonnen Feur und Stral,
Jn ſeinem Urſprung, muͤſſe brennen,
Da wir ganz richtig rechnen koͤnnen,
Durch uͤberzeuglich wahre Schluͤſſe,
Daß, im Saturn, der Sonnen Kraft ſich lindern,
Und fuͤnf und neunzig mal ſich muͤſſe,
An Waͤrme mehr, als auf der Erden, ſich vermindern.
Verhaͤlt ſich nun der Sonnen Kraft,
Auf uns, zu des Saturnus Eigenſchaft,
Faſt wie zehn tauſend gegen hundert: So folgt, wie ſehr, von un - ſrer Erden,
Zur Sonnen, ihre Kraͤft annoch ſich mehren werden.
O Gott! wen dieſe Groͤß, in der man dich verſpuͤrt,
Mit Ehrerbietigkeit nicht ruͤhrt;
Wie kann doch der mit Recht verlangen,
Er hab ein menſchlich Herz, und einen Menſchen-Geiſt,
Jn welchem ſich Vernunft, des Schoͤpfers Bildniß, weiſt,
Und nicht vielmehr ein thieriſch Herz empfangen?
Zumal wenn er annoch, in noch viel groͤßern Werken,
Die wahre Groͤß und Macht des Schoͤpfers zu bemerken,
Gelegenheit bekoͤmmt, da in den holen Gruͤnden
Des tiefen Firmaments, ſich Sonnen ohne Zahl,
Jn ungezaͤhlten Sternen, finden,
Von derer Menge man,
Zu ihres Schoͤpfers Preiſe,
Auf dieſe Weiſe,
Sich einigen Begriff noch machen kann.
Man113Betrachtung der Sonne.
Man ſtelle ſich den Raum, in welchem ſich die Kreiſe
Der Jrrſtern um die Sonne drehn,
Als eine Kugel vor, von welchen wir dergleichen Sonnen Welt,
Jn Fixſtern erſter Groͤß, (wie es ſich denn verhaͤlt)
Nicht mehr, als dreyzehn ſehn.
Wenn wir nun weiter gehn:
So werden ſich, in den noch tiefern Gruͤnden,
An ſolchen Sonnen-Welt-und Planetarſchen Ruͤnden,
Die ſich um ihre Sonn, als wie die unſre, drehn,
Schon mehr, als hundert, finden,
Die wir denn wirklich ſehen koͤnnen,
Und Stern der andern Groͤße nennen.
Nachher, wo ſelbſt der tiefe Raum,
Noch immer weiter ausgeſpannt,
Wird ihrer, in fuͤr uns verkleintem Stral,
Schon eine Zahl,
Von tauſend und noch mehr bekannt,
Jn Sternen von der dritten Groͤße,
Wie wir denn, mit den bloßen Augen,
Eilf hundert ſchon zu zaͤhlen taugen.
Geht man, mit unſeren Gedanken,
Aus dieſen ungemeßnen Schranken,
Noch weiter fort, wird man, in der ſtets tiefern Weite,
Und der faſt unumſchraͤnkten Breite,
Derſelbgen ſchon zehn tauſend ſehn,
Ja hundert tauſend ſchon, wenn wir noch weiter gehn;
Und endlich werden wir, da in des Schoͤpfers Werken,
Fuͤr uns aufs wenigſte, kein Ziel zu merken,
Nach unumſtoͤßlichen und ordentlichen Schluͤſſen,
Viel hundert Ziefern nach einander,
Jn einer Reihe ſetzen muͤſſen. Br. VI. Th. HJn114Betrachtung der Sonne. Jn welchen wir denn leichtlich ſpuͤren,
Daß wir, mit allem Witz, uns ganz darin verliehren.
O Gott! o wahrer Gott! hier ruͤhret mich ein Stral,
Von deiner Goͤttlichkeit! Jm Reiche der Natur,
Jſt keine ſolche groß und klare Spur,
Von deiner Majeſtaͤt! Jn dieſer Groͤße glaͤnzt
Allein ein goͤttlich Licht, das ewig, unbegraͤnzt,
Unendlich, deſſen Tief die Engel ſo, wie wir,
Mit einem heiligen Bewundrungs-vollen Grauen,
Jn Demuth, voller Andacht ſchauen,
Und dem, da alle Ding aus ihm allein gequollen,
Sie, wenn ſie ſeine Lieb, mit ſeligem Entzuͤcken,
Und ſeine weiſe Macht, fuͤr Luſt erſtaunt, erblicken,
Den ewigen Tribut des Danks und Lobes zollen.
Ueber115Ueber eine große Schachtel,

Ueber eine große Schachtel mit auserleſenen Blumen, So mein geweſener Gaͤrtner in Ham - burg mir von daher uͤberbrachte.

Als wenn, aus dieſer offnen Schachtel, ein buntes Feuer lo - dernd ſpruͤnge,
Und mir, mit Farben reichen Stralen, durchs Aug, in meine Seele druͤnge:
So nahm der tauſendfach vermengte, der dicht vereinte Glanz und Schein,
Mit tauſend kleinen bunten Blitzen, die angeſtralten Augen ein.
Jch ſtund, beym erſten Anblick, ſtarr; der Farben Glanz, der Blumen Menge,
Jhr theils entdeckt, theils halb verſteckt, vermiſchtes ſchim - merndes Gepraͤnge
Fiel, recht mit freundlicher Gewalt, mit einem lieblichen Ge - draͤnge,
Mir, durch den Blick, in mein Gehirn. Jch wußt, aus ploͤtz - lichem Behagen,
Vor uͤberhaͤufter Luſt und Anmuth, zuerſt faſt nicht ein Wort zu ſagen,
Bis vom zuruͤckgehaltnen Othem der Ausbruch dieſe Stille brach,
Und ich ein froͤliches Gottlob! mit recht geruͤhrter Seele, ſprach.
Worauf ich ſie, mit ſpitzen Fingern, aus ihrem gruͤnen Kerker zog,
H 2Was116Ueber eine große Schachtel,
Was etwan ſich gekruͤmmet hatte, daran gemach zu rechte bog,
Und zween damit belegte Tiſche, mit Anmuth und mit Ernſt, erwog.
Jch ſah ſie faſt mehr gluͤhn, als bluͤhn; ich ſahe durch ein - ander funkeln,
Leucojen, Anemonen, Roſen von vielen Sorten, gelben Mah,
Violen, Tuberoſen, Liljen, Geranium, Acacia,
Orangen-Bluͤthe, Flos Adonis, auch Nelken, Jrides, Ra - nunkeln,
Die alle, durch den ſchoͤnen Grund des mannigfaltig-ſchoͤnen Gruͤnen
Der gleichfalls ſchoͤn formirten Kraͤuter, erhoͤht, und noch ver - ſchoͤnert ſchienen.
Woher entſteht der holde Glanz? rief ich, woher die bunte Pracht?
Aus kleinen Blaͤslein iſt ihr Leib geweht, gefuͤget und gemacht:
Doch ſind die eigentlich die Quell und Urſprung ihrer Schoͤn - heit nicht;
Sie brechen und ſie mildern nur der ſchoͤnen Farben Quell, das Licht,
Es zeigt uns zwar der Sonnen Stral der wunderſchoͤnen Blumen Heer:
Doch zeigen die geſchmuͤckten Blumen den Schmuck des, der ſie ſchmuͤckt, noch mehr,
Da ja die allerſchoͤnſten Farben, auf dieſer Erden, anders nichts,
Als Kinder des noch ſchoͤnern Vaters, des all er freunden Son - nenlichts.
Und weil auch die von ſelbſt nicht iſt: So zeigt ſie uns ein goͤtt - lich Licht,
Aus welchem ſie und alle Schoͤnheit, als wie ein Strom, be - ſtaͤndig bricht.
So117mit auserleſnen Blumen.
So fuͤhren Blumen uns zum Licht; das Licht zu dem, der ſeine Pracht
So ſchoͤn, ſo wunderwuͤrdig ſchoͤn, ihm anerſchaffen und gemacht.
Den laßt uns, wenn wir Blumen ſehn, als aller Schoͤnheit Quell erheben,
Und ſeine weiſe Macht und Liebe recht zu verehren, uns be - ſtreben.
Ein ſolch Erheben kann nicht beſſer, durch unſre Schwach - heit, hier geſchehn,
Nicht beſſer ausgeuͤbet werden, als wenn wir, da wir Blu - men ſehn,
Sie, und in ihnen, ihres Schoͤpfers Anbethungs-werthe Macht erhoͤhn!
Jndem wir, wenn wir ſie betrachten, und als ein goͤttlich Werk erblicken,
Wir in Bewundrung unſern Geiſt, mit geiſtgen Blumen, gleichſam ſchmuͤcken,
Und, um dem Schoͤpfer zu gefallen, wenn wir ſein Werk in Blumen ruͤhmen,
Zum ſchoͤnſten Putz, als eine Braut, die Seele gleichſam ſelbſt bebluͤmen.
H 3Ber -118Vergnuͤgte Gedanken.

Vergnuͤgte Gedanken.

Jch geh im Garten hin und her,
Um, an des großen Schoͤpfers Werken
Mit Luſt, und Ehrfurcht, zu bemerken,
Wie nichts von ſeinen Wundern leer.
Da ich denn, mit Vergnuͤgen ſchau,
Wie, durch der Hecken holdes Gruͤn,
Des glatten Waſſers holdes Blau,
Voll kleiner Silberblitze, ſchien.
Dieß machte nun, in dem Gebuͤſche,
Ein ſolch anmuthiges Gemiſche,
Daß meine Seele, durchs Geſicht,
Recht angeſtralt von Farb und Licht,
Dem, der ſie, fuͤr ſo manche Pracht
Der Creatur, empfindlich macht,
Und ihr ſo manch Vergnuͤgen ſchenket,
Mit frohem Dank, zu Ehren, folgends denket.
Schoͤpfer! den allein die Liebe,
Um mit den erſchaffnen Schaͤtzen,
Creaturen zu ergetzen,
Und ſie inniglich zu ruͤhren,
Creaturen zu formiren,
Die betrachten koͤnnen, triebe!
Laß mich, da dein gnaͤdigs Wollen
Will, daß wir uns freuen ſollen,
Dich, in Freuden zu erheben,
Mich, nach Moͤglichkeit, beſtreben!
Der119Der himmliſche Garten.

Der himmliſche Garten.

Bey dieſer holden Felder Zier,
Jn ihrer gruͤn - und bunten Pracht,
Denk ich an dich, Herr! der ſie macht,
Erfreue mich, und danke dir,
Daß du ſie mir, in dieſem Leben,
Und Augen, ſie zu ſehn, gegeben.
Sollt ich den Schoͤpfer nicht beſingen,
Da ich, mit frohen Blicken, ſchau
Die Blumen auf der gruͤnen An,
Faſt unter meinem Fuß, entſpringen?
Es waͤchſet, unter meinen Fuͤſſen,
Ein weiches buntgeſticktes Kuͤſſen,
Das Ranken-Laub-und Blumen-reich,
Und als ein gruͤner Sammt ſo weich.
Jch ſcheue mich faſt, auf den Schaͤtzen,
Die jetzt aus allen Stellen ſteigen,
Und ſich in ſolchem Schimmer zeigen,
Den faſt beſchaͤmten Fuß zu ſetzen.
Er haͤlt, bey einem jeden Blick,
Faſt jeden Tritt aus Furcht zuruͤck.
Jch weis faſt nicht, wie ſie entſtehn,
Da ich ſie fruͤh noch nicht geſehn.
Es ſcheint, als ob ihr buntes Heer
Gewachſen weniger, als drauf geregnet waͤr.
Das gruͤne Gras, der Blumen Glanz und Schein,
Nahm mich, mit ſuͤſſen Freuden, ein. H 4Gan120Der himmliſche Garten. Ganz uͤberhaͤufet von Vergnuͤgen,
Geh ich im bunten Graſe liegen,
Auf welchem, recht als wenn ſie guͤlden,
Sich Millionen Blumen bilden,
Worin ein gelbes Feuer flammt,
Das aus der guͤldnen Sonnen Licht,
So in den Spitzen, die ſo dicht,
Als wie die Faͤden, in dem Sammt,
Jn welchen es ſich ſenket, ſtammt.
Man glaubt faſt in der Form, da ſie ſo ſchoͤn,
Ein kleines Sonnenbild zu ſehn,
Da ſich die Blaͤtterchen ſo ſuͤß vereinen,
Und gleichſam in der Ruͤnd, als kleine Stralen, ſcheinen.
Es kam, in Silber-weiſſem Schein,
Der Mayenbluͤmchen Glanz und Menge,
Jn einem ſchimmernden Gepraͤnge,
Auf der Smaragden-gleichen Flur,
An Glanz, an Farben, und Figur,
Zumal ihr weiſſer Schimmer, mir,
Als lauter kleine Monden, fuͤr.
Mir fiel hierbey ein großes Gleichniß ein:
Wie dieſe Sonnenbilder hier im Kleinen,
Auf Feldern und in Gaͤrten, ſcheinen:
So koͤmmt der tiefe Raum des blauen Himmels mir,
Als wie ein Garten Gottes, fuͤr,
Jn deſſen unumſchraͤnkten Graͤnzen,
Viel wahre Sonnen-Heere glaͤnzen,
Jn tauſendfachem Schimmer gluͤhn,
Und, Gott zum Ruhm, als Blumen, bluͤhn.
O welch121Der himmliſche Garten.
O welch ein Garten, der allein,
Jn ſeiner unbegraͤnzten Pracht,
Ein wuͤrdger Garten ſcheint zu ſeyn,
Deß, deſſen Weisheit, Lieb und Macht,
Was worden iſt, hervorgebracht!
Worauf ich ganz erſtaunt, ſo Blick als Seele hefte!
O welche Blumen! woraus Kraͤfte,
Die ſtatt des Riechens herrlich glaͤnzen,
Und, recht als holde Jnfluenzen,
Zu aller Creatur Erſprieſſen,
Beſtaͤndig duͤnſten, quillen, flieſſen!
O wahre Sonnenblumen! ihr
Erweiſt, da ihr faſt Graͤnzen-lo!,
Nicht nur, daß eures Gartens Zier
Und Raum faſt unermeßlich groß;
Jhr ſtellt zugleich den Schoͤpfer mir
Recht wuͤrdig, recht unendlich fuͤr.
H 5Tape -122Tapeten der Natur.

Tapeten der Natur.

Mir ruͤhrte geſtern meine Bruſt,
Durch eine neue Augenweide,
Noch eine neue Sommer-Luſt,
Als ich nach einem Dorfe fuhr,
Und viel gemaͤhetes Getreyde,
Auf einer allgemach erhoͤhten Flur,
An Huͤgeln, die ſich aufwerts ſtreckten,
Und mir dadurch vom Korn, das abgemeiht,
Der Garben Meng und Hocken Zierlichkeit,
Weit mehr und deutlicher entdeckten,
Als in der ebnen Flaͤche mar,
Wo alles ſich verkuͤrzt, erblicken kann.
Wir ſehr in einer großen Menge,
Und faſt nicht abzuſehnder Laͤnge,
Brel Segens-ſchwangere Alleen,
Von zierlich aufgethuͤrmten Hocken,
Von Gerſten, Habern, und von Rocken.
Vor allen fielen die, ſo auf den aͤuſſern Hoͤhen,
Wo eine große Meng, in langer Reihe, ſtunde,
Am Horizont in blaner Luft, zu ſehen,
Als wie auf dunklem Grunde,
Von einer Seiten hell durchs Sonnenlicht
Sehr angenehm mir ins Geſicht:
Die ſag ich, die des Huͤgels aͤußern Ruͤcken,
Jn einer deutlichen geſetzten Reihe ſchmuͤcken,
Wobey die Stoppeln noch, in langen gelben Strichen,
Beſtralet glaͤnzeten, und faſt dem Golde glichen. Jch123Tapeten der Natur. Jch ſahe dieſer Felder Zier,
Mit inniglicher Luſt; und im Erwegen,
Was dieſe Zier zugleich auch vor ein Segen;
So dankt ich meinem Gott dafuͤr.
Nachhero kamen wir im Dorf, dem Ziel der Reiſe,
Gleich nach dem Mittag an. Wir ließen Tiſch und Speiſe,
Weil es im Hauſe warm, und es beſonders ſchwuͤhl,
Jn Schatten vieler Baͤume ſetzen,
Woſelbſt, auch bey dem heiſſen Wetter,
Es dennoch friſch und kuͤhl.
Da mir der Anblick denn der angeſtralten Blaͤtter,
Wodurch bald hie, bald da, das Gruͤn
Verſilbert und verguͤldet ſchien,
Beſonders wohlgefiel,
Und ich beſahe ſie, mit froͤlichem Ergetzen.
Sie kamen mir,
Jn ungemeiner Pracht und Zier,
Als recht lebendige Tapeten fuͤr.
Hieruͤber fielen mir, bey dieſem Schein,
Die folgenden Gedanken ein.
Wer laͤßt nicht, wenn wir dieß erwegen,
Den reichen und den großen Herrn
Gewirkete Tapeten gern,
Die uns ſonſt nichts vor Augen legen,
Als von nicht kuͤhl - und friſchen Waͤldern,
Als nur von Segen-leeren Feldern,
Voll Vieh, und dennoch leer vom Vieh,
Ein Augen blendende Copie?
Hier iſt vom wahren Wald hingegen,
Von einem wahren Feld voll Segen,Jn124Tapeten der Natur. Jm warmen wahren Sonnenſtral,
Ein wirkliches Original.
Wo etwas, hier auf dieſer Erden,
Kann ein Beweis gefunden werden,
Der aller Menſchen Schwachheit weiſt:
So iſt es, daß wir die Copien
Stets zu bewundern, uns bemuͤhen,
Und goͤnnen dem Original
Die Augen kaum ein einzigs mal.
Jch weis nicht, ob auf dieſer Erden,
So, wie Eliſa Knaben dort,
Der Menſchen Augen fort und fort,
Nach Adams Fall, gehalten werden,
Daß ſie, was wirklich wunderſchoͤn,
(Ob ſie davon im ganzen Leben,
An allen Orten gleich umgeben)
Dennoch nicht merken oder ſehn.
Nuͤtz -125Betrachtung uͤber Bienen.

Nuͤtzliche Betrachtungen uͤber Bienen.

Von Blumen ſaugt die Bien, im warmen Sonnenſchein,
Und ſammlet ſuͤſſen Honig ein.
Ach moͤchten doch auch unſrer Seelen Augen,
Aus einer jeden ſchoͤnen Blume,
Dem, welcher ſie ſo ſchoͤn erſchuf, zum Ruhme,
Den Honig der Bewundrung ſaugen,
Der in den Blumen wirklich ſteckt!
Welch eine ſuͤſſe Seelen-Speiſe,
Wuͤrd, im Geruch und Blick, geſchmeckt,
Wenn man, derſelben Herrn zum Preiſe,
Der großen Wahrheit Glanz entdeckt,
Daß Blumen, von der Gottheit Weſen,
Zu unbetruͤglichem Beweiſe,
Und Zeugen ſeiner Lieb erleſen.
Es laſſen ſich, auf allen Blaͤttern,
Jn nett gezognen Strich - und Lettern,
Die Weisheits-vollen Schriften ſehn.
Derſelben Zuͤge, die ſo ſchoͤn,
Die geben deutlich zu verſtehn,
Wenn ſie den Geiſt, durchs Auge, laben.
Unmoͤglich koͤnn ein Ungefehr,
Von Abſicht, Geiſt und Ordnung leer,
So regelrecht, geſchrieben haben.
Ach moͤchten wir,
Nie muͤßigs Bienlein, doch von dir,Zur126Betrachtung uͤber Bienen. Zur Nachfolg, ein Exempel nehmen!
Ach moͤchte, nebſt dem Blick, ſich unſer Geiſt bequemen,
Mit Emſigkeit auf Blumen Acht zu geben!
Bedachtſam um ſie her, wie du, zu ſchweben.
Mit einem aufgeweckten Denken,
Den regen Blick oft in ſie zu verſenken!
Oft froͤlich wieder zu erheben;
Sie aller Orten zu beſehen;
Die kuͤnſtliche Geheimniß aus zu ſpaͤhen,
Die nett - und zierlichen Geſtalten,
Die wundervoll darinn enthalten,
Zu ſehn, bewundernd zu betrachten,
Und, wenn man ſo viel herrliches geſpuͤrt,
Durch Riechen, und durch Sehen, recht geruͤhrt,
Zum rechten Gegenſtand gefuͤhrt,
Auf den verborgnen Gott zu achten,
Der uͤberall vorhanden, deſſen Licht
Der Liebe, Macht und Weisheit nirgend nicht!
Sieh doch, geliebter Menſch, wie dir ſo Blum, als Biene,
Wenn du mit ihnen recht verfaͤhreſt, nuͤtz und diene,
Die Biene, damit ſie dir Leib und Geiſt ergetze,
Zeigt dir, in Blumen, geiſt-und koͤrperliche Schaͤtze,
Man kann durch ſie, in jener bunten Gruͤnden,
Nebſt Honigſeim, der fuͤr den Leib bereit,
Voll unausdruͤcklicher und ewger Suͤßigkeit,
Der Seelen wahren Nectar finden.
Waſ -127Waſſergedanken.

Waſſergedanken.

Hier ſeh ich, durch der Luͤfte Regen,
Die Fluth ſich angenehm bewegen,
Auf ſtets veraͤnderlichen Stellen,
Die Wellen uͤber andre Wellen,
Mit halben Zirkeln, ſanft ſich legen,
Und wie es ſcheinet, ohn Verweilen,
Nach dem bebluͤmten Ufer eilen,
Mit feuchten Lippen es zu kuͤſſen,
Und, in der, von der Baͤume Pracht,
Daſelbſt vorhandnen Schatten-Nacht,
An ihren weich bemoſten Fuͤſſen,
Ein kurzes Ruhen zu genieſſen.
Auch um, nach nun mehr ſtillem Wallen,
Mit ihren glaͤnzenden Kryſtallen,
Jm glatten Spiegel, ihrem Gruͤnen,
Zum holden Wiederſchein, zu dienen.
Ja, nach dem, von des Himmels Zier,
Getragnen Schimmer von Saphier,
Gefaͤrbt vom gruͤnen Schmuck der Erden,
Zum glaͤnzenden Smaragd zu werden.
So ſcheint es. Aber dieß iſt wahr,
Daß, da die Fluth ſo glatt und klar,
Jhr Weſen bloß dazu gemacht,
Des Himmels und der Erden Pracht,
Zu unſrer Luſt, und Gott zu Ehren,
Jn der Verdopplung zu vermehren.
So laſſet uns, wenn wir erblicken,
Wie ſich ſo Fluth, als Erde, ſchmuͤcken,
Und daß ſie beyde doppelt ſchoͤn,
Es doch mit Dank und Freude ſehn!
Ver -128Vergnuͤgung bey regnichtem Wetter

Vergnuͤgung bey regnichtem Wetter im Sommer.

Uns Menſchen kann ſo gar der Regen,
Wenn wir nur auf denſelben achten,
Und die genetzte Welt betrachten,
Zur Luſt und auch zum Dank bewegen.
Es wird die heiße Luft, wenns regnet, lau und kuͤhl,
Und wirkt, auf unſre Haut, ein ſchaudrigtes Gefuͤhl.
Die Duͤft, indem ſie um uns fliegen,
Erregen unſrer Bruſt
Zwar eine, doch nicht oft gefuͤhlte, Luſt,
Und leider! meiſtentheils ein unvermerkt, Vergnuͤgen.
Das eine zeitlang her, beſtaubte, welke Gras
Wird, durch das reine Naß,
Gereinigt und getraͤnkt. Ein lieblich Dunkelgruͤn
Scheint Laub und Kraut ſo dann zu uͤberziehn;
Ein ſchwaͤrzlich Dunkelbraun faͤrbt Acker, Feld und Land;
Die Kloͤſſe kleben jetzt; es ſteht der rege Sand;
Es leget ſich der fluͤchtge Staub;
Die Blumen, die erfriſcht, ſind jetzt noch eins ſo ſchoͤn,
Durch ihren dunklen Grund, erhoͤhet, anzuſehn;
Es rollen hier und dort, auf ihr geſteiftes Laub,
Die runden Troͤpfgen, wie Kryſtallen,
Darin ſpielt eine weiſſe Gluht,
Ein Schimmer, der, wie Silber, rein,
Ein Diamanten-gleicher Schein.
Auf der ſonſt glatt - und ebnen Fluth,
Erregt der Tropfen rauſchend Fallen,
Ein129im Sommer.
Ein aͤmſiges Gehuͤpf, da Blaſen ſich erhoͤhn,
Die ſchnell entſtehen, ſchnell vergehn,
Und dadurch unſern Blick vergnuͤgen.
Man ſieht bald hier, bald dort, im Gruͤnen,
Wo niedre Stellen ſind, verſchiedne kleine Seen,
Jn gruͤnen Ufern, und in ihnen,
Viel kleine gruͤne Jnſeln liegen.
Dieſelben gruͤn oft ſchoͤn bebluͤmte Huͤgel
Sind, in des Waſſers klarem Spiegel,
Jm Wiederſchein gedoppelt ſchoͤn,
Wenn man drauf achtet, anzuſehn.
Kurz, alles zeigt uns, wenn, wie wir billig ſollten,
Wir alles nur beachten wollten,
Daß, auch in feuchter Regenszeit,
Es einer aufmerkſamen Seele,
An Anlaß zur Vergnuͤglichkeit,
Und Vorwuͤrf, uns zur Luſt, nicht fehle.
Ach ſo gewoͤhnt doch euren Sinn,
Daß er, zu aller Zeit, des Schoͤpfers Wunderwerke
Nicht, wie bisher, nur uͤberhin;
Nein! erſtlich euch zur Luſt, darauf zu Gottes Ehr,
Zu ſeinem Preis und Lob und Dank je mehr und mehr,
Mit froher Achtſamkeit bemerke!
So gar des Regens truͤbe Zeit
Giebt euch dazu Gelegenheit.
Ach laß uns doch fuͤr alle Gaben,
O Herr! die wir von dir allein,
Jn ſolcher Fuͤll, empfangen haben,
Erkenntlich und dir dankbar ſeyn!
Br. VI. Th. JDie130Die Muͤcke.

Die Muͤcke.

Jch fuͤhlte mich, am linken Bein, von einer Muͤcken juͤngſt geſtochen,
Und zwar ſo ſpitzig, daß michs ſchmerzte. Der Stich ward durch den Tod gerochen:
Doch dacht ich bey dem Zufall weiter: Wie weit iſt dieß von meiner Stirn,
Und dem daſelbſt vorhandenen, allein nur fuͤhlenden Gehirn,
Dem Sitz der Seelen, die nur fuͤhlet! wie muß die Nerve doch ſo klein,
So zart, ſo fein,
Und doch von ſolcher Laͤnge ſeyn,
Daß ſie bis ans Gehirn ſich ſtrecket,
So kleinen Stich der Seel entdecket,
Der in die aͤuſſre Haut kaum dringet,
Und ſie gleich in Bewegung bringet.
Dieß ſcheint ſeltſam, doch begreiflich. Da der Geiſt den Leib regiert:
Muß er ihn auch ganz erfuͤllen; und daher begreifet man,
Wie er allenthalben fuͤhlet, allenthalben folglich ſpuͤret,
Was ihm wohlthut, was ihn ſchmerzt, wenns gleich nur die Haut beruͤhret.
Aber hieraus ſcheinet ferner, daß man deutlich ſpuͤren kann,
Wo der Seelen Graͤnzen ſind. Weiter als die aͤußre Haut,
Die man epidermis nennt, wird von aller ihrer Kraft,
Jhrer Wirkung, Sinnlichkeit, Ueberlegen, Eigenſchaft,Nichts131Die Muͤcke. Nichts bemerket, nichts empfunden, nichts gefuͤhlet, nichts geſchaut.
Auſſer, was ſie, da ſie bloß, durch Geberden, Red und Schriften,
Weiter, als ſie ſelber reicht, vor Veraͤnderung kann ſtiften,
Als wodurch ſie ſich, mit andern, und mit ihr auch andre Seelen,
Bleiben ſie gleich all in Koͤrpern, doch geſchickt ſind, zu ver - maͤhlen.
Denn, wie wir ſchon einſt erwieſen, laͤßt uns die Erfah - rung lernen,
Daß ſich ſelber die Gedanken nie aus unſerm Kopf entfernen.
Faͤllt dir dieſes ſchwer zu faſſen: faͤllt mir der Beweis nicht ſchwer,
Und die Probe wird dirs zeigen. Schicke der Gedanken Heer
Nach der Africaner Kuͤſten; ruf ſie widerum zuruͤck;
Laß ſie, weil ſie dort geweſen, dir doch eigentlich erzaͤhlen,
Was ſie dort geſehen haben. Dieß kann ihnen ja nicht fehlen,
Und doch fehlen ſie gewiß. Was ſie einſt davon geleſen,
Oder was von ſolchem Ort etwan einſt erzaͤhlt geweſen,
Sagen ſie dir; anders nichts. Zeigt nun dieß nicht klaͤrlich an,
Daß die Seel aus ihrem Koͤrper nimmer ſich begeben kann?
Sie verbleibet allezeit in des Koͤrpers engen Schranken,
Und hat alles, nebſt den Sinnen, dem Gedaͤchtniß bloß zu danken,
Wenn ſie ſo geſchwinde ſcheint. Doch es rufet mich die Muͤcke
Noch zu einer Ueberlegung, eh ich weiter geh, zuruͤcke.
Wie iſt ihres Stachels Spitze, und die Stelle doch ſo klein,
Wo ſie mich verletzt und ſtach! Hiebey faͤllt mir billig ein:J 2Wie132Die Muͤcke. Wie viel Millionen Stellen doch an unſerm Koͤrper ſeyn,
Die uns alle ſchmerzen koͤnnen! folglich, wie ſo groß die Guͤte
Deſſen, der mit ſolcher Weisheit (da doch alle Elementen,
So viel Millionen Zufaͤll uns ſo leicht verletzen koͤnnten,)
Uns beſchuͤtzet und erhaͤlt. Lob ihn denn, o mein Gemuͤthe!
Dank Jhm herz - und inniglich! Fleh Jhn an, um Seinen Segen,
Daß nicht nur ſo manche Plagen ferner uns nicht ſchaden moͤgen;
Sondern daß wir Seine Liebe oft mit Freuden uͤber - legen.
Boh -133Bohnen-Felder.

Bohnen-Felder.

Da die kaum abzuſehnden Flaͤchen, von den ſchon reifen - den Gefilden,
Jn einem lieblich-gelben Schmuck, ſich ſchon beginnen zu verguͤlden:
Sieht man dennoch, bald hier bald dort, ein unvergleichlich lieblich Gruͤn,
Jn langen Strichen, zwiſchen ihnen, den Schmuck noch zu erhoͤhn, ſich ziehn.
Dieß ſind nun Felder gruͤner Bohnen, die, wenn ſie, wie ſie jetzo bluͤhn,
Mit ſo balſamiſchem Geruch die Luft, durch ihre Menge, fuͤllen;
Daß unſer Hirn und unſre Lunge, vor großer Anmuth faſt gedruͤckt,
Und durch den faſt zu ſtarken Schwall, zugleich gepreßt wird und erquickt.
Zumal, wenn von gemachtem Heu, von bluͤhndem Flieder und Camillen,
Woraus, in ſolchem Ueberfluß, die Duͤft, itzt aller Orten, quillen,
Die Ambra-reich-und gleichen Theilchen ſich mit der Bluͤhte Balſam miſchen.
Durch die ſo ſuͤß vermengten Duͤnſte, fuͤhlt man das hitzige Gebluͤte,
Nicht nur ſich gleichſam recht erhohlen, nicht nur ſich kuͤhlen und erfriſchen,J 3Es134Bohnen-Felder. Es fuͤhlt ein, durch ſo ſuͤſſe Luſt, durch Gott getriebenes Ge - muͤthe
Ein innerlich erquickend Feuer, ein faſt entzuͤckendes Em - pfinden,
Und durch den holden Hauch in ihr, ein Andacht-Flamme ſich entzuͤnden,
Ein unausdruͤcklich angenehme, ein innigliche ſuͤſſe Luſt.
Es oͤffnet ſich daher die Naſe; es dehnt ſich die gewoͤlbte Bruſt,
Jn einem widerhohlten Schnaufen, wo moͤglich, immer mehr zu faſſen,
Und ſucht, was ſie einſt eingeſogen, nicht gerne wieder weg zu laſſen.
Die Bluͤhten nun ſind, an ſich ſelber, ſo Farb-und Form-als Wunder-reich;
Sie ſehn an Farben ſchoͤnem Purpur, an Form den Som - mervoͤgeln gleich.
Die Wunder, die in ihr befindlich, ſind, daß ſie in der Frucht uns nuͤtzen.
Die Ordnung nun, auf welche Weiſe ſie zierlich um den Stengel ſitzen,
Jſt ebenfalls Betrachtungs-werth. Der Stengel, welcher vom Quadrat,
Und nicht, wie ſonſten andre Stengel, die Bildung eines Zir - kels hat,
Zeugt angenehme Blaͤtter-Zweige, wovon man mit Vergnuͤ - gen ſieht,
Wie jeder Zweig, von denen Ecken, drey ſtets nach einer Sei - ten zieht,
So daß, bey einem jeden Abſatz, von den vier Ecken einer frey,Und135Bohnen-Felder. Und wechſelsweiſe ledig ſteht. Daß nun, von einer Garten - Bluͤhte,
Die Feldbluͤht unterſchieden ſey,
Beſteht nur darin bloß allein,
Daß dieſe hinten uͤberall, auch alle Adern purpur ſeyn.
Da jene lange nicht ſo roth. Noch hab ich an der Bluͤht entdecket,
Daß ſie, wenn man es unterſucht, zur Haͤlft in einer Huͤlſe ſtecket,
Die vier und eine Spitze hat. Das obre Blatt kruͤmmt ſich zuruͤcke,
Dem folgen zwey, die oben zu und unterwerts geoͤffnet ſtehn,
Auf welchen wir zwey ſchwarze Flecken, als waͤr es ſchwarzer Sammet, ſehn,
(Da ſie ſonſt an ſich ſelber weiß) ſo man ſonſt nicht auf Blu - men findet.
Hierin, als einem Futteral,
Steckt abermal
Ein oberwerts geoͤffnet Blatt,
Worin, als in der Ritterſporn, ein Spitzchen ſich nach oben ruͤndet.
Dergleichen Blumen fuͤllen nun, in einer ungemeinen Menge,
Von unten bis faſt oben aus, des hohen Stengels ganze Laͤnge,
Bis das ein gruͤner Buſch von Blaͤttern deſſelben Gipfel zier - lich ſchmuͤckt,
Wodurch man, auf den Bohnen-Feldern, ein ſchoͤnes Gruͤn al - lein erblickt,
Das doch zuweilen, hie und da, ein angenehmes weiſſes Licht,J 4Von136Bohnen-Felder. Von weiß-und ſchimmernden Camillen, nicht minder lieblich, unterbricht.
Die bey dem Dunkelgruͤnen denn, in ſchnellen Blicken hin und wieder,
Wie weiſſe Sommervoͤgel laſſen, die mit ſanft flatterndem Gefieder,
Und regem Schwaͤrmen in der Luft, ſich oͤfters pflegen zu ergetzen,
Und bald auf dieſe, bald auf jene gefaͤrbte Blume ſich zu ſetzen.
Nicht anders ſcheint ein Bohnen-Feld, in ſeiner angenehmen Bluͤhte.
Es ward, ſo wohl durch ihren Nutzen, als ihre Lieblichkeit und Pracht,
Jn meinem ſie betrachtenden, und ſich vergnuͤgenden Gemuͤthe,
Zu Ehren dem, der ſie uns ſchenkt, ein Andacht-Feuer angefacht.
Herr! ich ſeh, wie jedes Kraut, Herr! ich ſeh, wie, Dir zum Ruhme,
Alles Laub, wie jedes Blatt lieblich gruͤnt, wie jede Blume,
Bloß durch Dich, ſo ſchoͤn ſich faͤrbt! Schmeckt und ſeht, wie Gottes Ehre
Jede Frucht in ihrer Huͤlſe, jedes Korn in ſeiner Aehre,
Zeig, erhebe, preiſe, ruͤhme und ſie uͤberall vermehre.
Meine Seele, die die Prach dieſer Wunder innig ruͤhrt,
Wird, in Ehrfurcht, Dank und Andacht, großer Gott, zu Dir gefuͤhrt;
Sie erkennt, da ſie in ſich eine ſolche Regung ſpuͤrt,
Daß nur Dir, o Herr! allein Preis und Ruhm davor gebuͤhrt.
Ge -137Gedanken bey einer froͤlichen Geſellſchaft.

Gedanken bey einer froͤlichen Geſellſchaft auf dem Lande.

Wie luſtig iſt es hier! wie angenehm und ſchoͤn!
Faſt alles, was die Augen ſehn,
Das lachet uns ja gleichſam an!
So hoͤrte man,
Der blendenden Gewohnheit unerachtet,
Faſt einen jeglichen aus der Geſellſchaft ſprechen,
Und, als aus einem Schlaf erwacht,
Vermochte, ſich zu freun, kein einzger ſich entbrechen.
Doch, ohne weiter nach zu denken,
War dieß von ihrer Luſt der Anfang und der Schluß.
Jch ſah, mit innigem Verdruß,
Sie wieder ſich in vorgen Schlaf verſenken,
Die Blicke maͤhlig abwerts lenken,
Und ihres Geiſtes Augen ſchlieſſen.
Es ſchien, ob fuͤrchteten ſie ſich,
Zu vieler Freude zu genieſſen,
Und Gott zu ſehr verpflicht’t zu ſeyn.
Jch ſetzte mich demnach, darob betruͤbt, allein,
Jn kuͤhlen Schatten einer Buchen,
Die Urſach dieſer Laͤßigkeit,
Mit mehrerm Ernſt, zu unterſuchen.
Jndem ich nun im Wald, im friſchen Graſe,
Jn angenehmer Einſamkeit, itzt uͤberlegt, itzt ſchrieb, itzt laſe,J 5Und138Gedanken bey einer froͤlichen Geſellſchaft.Und ich, ſo viel mir moͤglich war, der Menſcheu Seelen Eigen - ſchaft,
Mit allen angeſpannten Kraͤften, und ihren ſchnellen Geiſt erwegte:
So fand ich, wenn ich recht ihr Weſen, ſamt ihrer Abſicht, uͤberlegte,
Nach langem Denken, anders nichts, als ſie ſey eine rege Kraft,
Zu dieſem Endzweck bloß erſchaffen, um in des Schoͤpfers Wunderwerken,
Sein Allmacht, Seine weiſe Liebe, mit Luſt und Andacht, zu bemerken.
Wie aber, dacht ich, koͤmmt es dann, daß, da ſie ſonſt ſo ſchnell, ſo rege,
Jn allem ihren Thun und Laſſen; ſie doch zu dieſem Werk ſo traͤge?
So dacht ich, als ich hinter mir ein Raſcheln in dem Buſch vermerkte,
Das ſich, nach einer kurzen Zeit, mir naͤhert und ſich ſtets ver - ſtaͤrkte.
Gleich ſah ich, aus dem dicken Strauch, des Jaͤgers muntern Spuͤrhund dringen,
Und mit geſenkter Stirn und Schnauze, geſchaͤfftig rennen, tra - ben, ſpringen,
Mit einem eifrigen Bemuͤhn, durch Hecken, Bruͤch und Pfuͤ - tzen laufen,
Sich aͤmſig wenden, kriechen, ſuchen, geſchwind und unauf - hoͤrlich ſchnaufen.
Jch dachte lieber Gott! wie aͤmſig, mit welcher feurigen Begier,
Mit welchem ungehemmten Trieb und Fleiß, gebrauchet die - ſes Thier
Die rege Kraft, ſo die Natur, zu ſuchen, ihm hat eingepraͤget!
Da wir hingegen unſern Geiſt, mit allen Kraͤften, die er heget,Jn139Gedanken bey einer froͤlichen Geſellſchaft.Jn eine traͤge Schlafſucht ſenken, die regen Triebe gar nicht brauchen,
Zum Preiſe des, der ſie uns ſchenkt; vielmehr ſein edles Feur verrauchen,
Und ungenuͤtzt verſchwinden laſſen. Ach! wuͤnſcht ich, daß doch dieſe Lehre,
Zu einem billigern Betragen, ſo mir, als andern, dienlich waͤre!
Ach daß wir doch von dieſer Quelle des ſchnoͤden Undanks uns entfernten,
Und ein geſchaͤfftiger Betrachten, ſo gar von einem Hunde, lernten!
Schoͤn140Schoͤn Wetter.

Schoͤn Wetter.

Ein Geſpraͤch vom ſchoͤnen Wetter
Pflag wohl ehe manchem Spoͤtter
Stoff zu ſeinem Spott zu ſeyn.
Aber, wie faſt insgemein
Jedes Ding zwo Seiten hat:
So erfahr ich in der That,
Daß, will man ſich nur bequemen,
Und dieß Wort vernuͤnftig nehmen,
Solch Erinnern jedermann,
Mehr, als glaublich, nuͤtzen kann.
Keiner ſollte ſich entbrechen,
Daß das Wetter ſchoͤn, zu ſprechen,
Wenn daſſelbe wirklich ſchoͤn.
Weil die allerſchoͤnſte Zeit
Ungeſpuͤrt pflegt zu vergehn.
Und ich pfleg, in ſchoͤnen Tagen,
Meinen Freunden oft zu ſagen:
Will denn keiner von euch heut
Mir ein ſchoͤnes Wetter ſchenken?
Spricht man von der Lieblichkeit:
So erregt man uns ein Denken;
Und durch Denken bloß allein
Kann, was angenehm und ſchoͤn,
Was wir hoͤren, was wir ſehn,
Uns nur zugeeignet ſeyn.
Denkt man nun nicht; er ſey ſchoͤn:
Wird der ganze Tag vergehn,Als141Schoͤn Wetter.Als wenn er ſich nicht gewieſen,
Ohne daß wir ihn geſehn,
Ohne daß wir Gott davor geprieſen.
Und hingegen jede Stunde,
Ja faſt jegliche Secunde,
Worin wir mit Luſt erblicket,
Wie ſich Welt und Himmel ſchmuͤcket,
Jſt weit beſſer zugebracht,
Angewendet und genoſſen,
Als ein Tag, der ohn Bedacht,
Ohne Luſt und Dank, verfloſſen.
Ca -142caprifolivm.

CAPRIFOLIVM.

Jch kann, von deiner Zier und Farh, und deiner Balſam - Kraft, zu ſprechen,
O holdes Caprifolium, durch dich geruͤhrt, mich nicht ent - brechen.
Es bildete von fremdrer Form, von ſonderlicherer Figur,
Und von ſo ſchoͤn gebrochnen Farben, die alles bildende Natur
Faſt kein ſo ſeltenes Gewaͤchs. Aus einem Stengel, der zu - gleich
Gerade, krumm, geſtreckt und biegſam, halb gruͤn, halb trucken, hart und weich,
Daß er ſich gleich um alles ſchrenkt, was er beruͤhrt, bald in die Hoͤhe,
Bald unter ſich, bald ſeitenwerts, ſich ſchlaͤngelt, ſteiget, dreht und bieget,
Um Staͤmme, Zweig und Laub ſich ſchlingt, und oft entfernte Zweige fuͤget,
Bald hohe Gipfel uͤberſteiget,
Ja bald ſich wieder unter ſie hinab, bis zu der Wurzel, neiget,
Und, recht als wie das Herz der Menſchen, auf einmal Hoch - und Demuth zeiget.
Aus ſolchem Stengel wachſen Blaͤtter, die dunkelgruͤn und lieblich-glatt,
Wodurch das zierliche Gewaͤchs ein recht beſondres Anſehn hat.
An vielen Orten drenget ſich ein gruͤn-ſehr netter Knopf heraus,Der143caprifolivm. Der aus verſchiednen kleinen Knoͤpfen, die all gekroͤnet ſind, beſtehen,
Aus welchen wir, in netter Ruͤnde, vollkommen einen Blumen - ſtrauß,
Von gelb - und roth - und weiſſen Blumen, in einer jeden Blu - me, ſehen.
Die Ordnung iſt bewunderns-werth, die ſeltſam zierliche Figur,
Von einer ganz beſondern Art, fcheint von der bildenden Natur,
Ein neu-und nettes Meiſterſtuͤck. Man ſieht oft vier und zwan - zig Sproſſen,
Von langen bunt gefaͤrbten Kolbchen, aus ihrem Knopf, her - vorgeſchoſſen,
Dem Horn des Ueberfluſſes gleich, das anfangs rund und zu - geſchloſſen,
Aus einem einzgen Blatt beſteht, das aber, wenn es offen geht,
Sich in zwey Theile zierlich theilet, wovon ſich eins im Zir - kel dreht,
Das groͤßer, zierlich eingekerbt, recht gegen jenen uͤber ſteht.
Die Farb iſt aus der Maßen ſanft, gebrochen und bald roͤth - lich-bleich,
Bald gelblich-roth, bald roͤthlich-gelb, bald weiß und roth und gelb zugleich.
So ſanft nun ſeine Farben ſind, ſo ſanft iſt der Geruch von ihnen,
Jndem ſie minder ſtreng und ſtark, als wie die Lilien, Jes - minen,
Und doch, weil, auf der großen Staud, es eine ſolche Blumen Menge,
Die meiſtens nicht zu zaͤhlen, giebt; entſtehet gleichſam ein Gedraͤuge,Von144caprifolivm. Von lieblich angenehmen Duͤnſten, in Luft und Wald und uͤberall,
Von angenehm gemiſchten Theilen, von ſuͤſſem Duft ein rech - ter Schwall,
Der in ſo ſuͤßer Harmonie, von holden Koͤrperchen gemiſcht,
Daß es, mit einer ſanften Macht, zugleich uns ſtaͤrket und er - friſcht.
Wer nun in einer gruͤnen Laube, von Caprifolium bedeckt,
Derſelben Farben, Form und Balſam, erblicket, riecht, ja gleichſam ſchmeckt,
Jſt ſchuldig, mit Vernunft zu riechen, und auch zu ſehn. Das heißt nun, denken,
Es zu genieſſen, und davor dem Geber ein Gottlob! zu ſchenken.
Be -145Betrachtung uͤber den Schilf.

Betrachtung uͤber den Schilf.

Ach ſaͤh doch jetzo jedermann
Das reif - und glaͤnzende Getreyde,
Nicht ohne Luſt, nicht ſonder Freude,
Jn ſeinem blonten Schimmer an!
Laͤßt nicht das wallende Gefilde,
Als wenn es wirklcih ſich verguͤlde,
Wenn man daſſelbige, zumal
Jm hell entwoͤlktem Sonnenſtral,
Wodurch es mehr als ſonſten glihet,
Mit aufmerkſamen Augen ſiehet.
Wenn nun der Felder gruͤne Graͤnzen,
Die dicht, beſchilften Waſſergraben,
Was liebliches auch an ſich haben,
Und jenes Glanz noch mehr erhoͤhn:
So laßt uns doch ihr gruͤnes Glaͤnzen,
Mit welchem ſie das Feld bekraͤnzen,
Beym gelben Glantz zugleich beſehn.
Es ſcheint, mit ſeiner Blaͤtter Spitzen,
Das Schilf den guͤldnen Schatz zu ſchuͤtzen,
Den er, als wie ein Zaun, umſchraͤnkt.
Sein fluͤſterndes Geraͤuſch, ſein ſuͤſſes Ziſchen,
Wenn es ſich bald erhebt, bald ſenkt,
Bemuͤht ſich ſo durchs Ohr den Geiſt uns zu erfriſchen;
Wie ſein Smaragden Gruͤn, beym Golde gelber Aehren,
Den Augen eine Luſt bemuͤht iſt zu gewaͤhren.
Br. VI. Th. KSo146Betrachtung uͤber den Schilf.
So zierlich die Figur des ſchlanken Schilfs; ſo ſchoͤn
Kann man noch uͤberdem in ihm den Reichthum ſehn,
Den die formirende Natur an Bildungskraͤften heget,
Da ſie uns manche Sort von Schilf vor Augen leget.
Bald ſieht man, wie ſein Blatt den Stengel feſt umſchraͤnkt,
Hernach ſich auf einmal herab und abwerts ſenkt,
Platt, breit und ſpitzig wird; und da es anfangs laͤßt,
Als waͤr es nicht allein an ſeinem Stengel feſt,
Nein, daß der Stengel gar aus Blaͤttern bloß beſtehe,
So weichen ſie jedoch auf einmal von ihm ab.
Verſchiedne richten ſich recht aufwerts in die Hoͤhe,
Verſchiedne ſeitenwerts, viel biegen ſich herab,
Und ſtellen uns dadurch ein unterſchiedne Zier,
Jn ungezaͤhlter Art, von Form und Stellung fuͤr.
Noch ſieht ein Art von Schilf wie platte Degenklingen,
Und breite Schwerdter aus; daher mans Schwerdt-Gras heißt.
Noch ſind verſchiedene, die rauhe Kolben bringen,
Da manches auf der Spitz ein zierlich Buͤſchel weiſt.
Wie jener Farbe nun dem braunen Sammt nicht weicht:
Sieht man, daß dieſes hier dem ſchoͤnſten Purpur gleicht.
Der Blaͤtter ſproͤdes, hart, rauh, dicht und feſt Gewebe,
Das gruͤnen Baͤndern gleicht, ſcheint recht dazu gemacht,
Daß es nicht nur dem Aug in ſeiner gruͤnen Pracht,
Daß es auch dem Gehoͤr ein Art von Anmuth gebe,
Wenn nemlich, da ſie ſich einander oft beruͤhren,
Durch die bewegte Luft, wir oft ein Fluͤſtern ſpuͤren,
Daß, wenn ihr raſchelndes Getoͤn, ihr lispelnd Ziſchen,
Sich oͤfters mit des Bachs gelindem Murmeln miſchen,
Es eine ſanfte Luſt, durchs Ohr, in uns erregt,
Und uns zur Ruhe reizt, auch oftermals bewegt,
Daß man ins kuͤhle Gras ſich, zwiſchen Blumen, legt,Jn147Betrachtung uͤber den Schilf. Jn ſuͤſſen Schlummer ſinkt. Gedenkt man nun dabey,
Daß Gott allein die Quell von allem Guten ſey,
Daß alle Schoͤnheit bloß aus Gott, dem hoͤchſten Gut,
Entſtehe, ſtamm, entſprieſſe,
Daß alles, wie aus ihm, ſo wieder in ihn flieſſe;
Schlaͤft, ſag ich, jemand nun mit ſolchem Denken ein;
(Da er ſo dann im Schoͤpfer gleichſam ruht:)
So gebe man mir doch Bericht:
Sollt eine ſolche Ruhe nicht
Ein faſt halb ſeelger Schlaf mit Recht zu nennen ſeyn?
K 2Herbſt148Herbſt-Betrachtung.

Herbſt-Betrachtung.

Da wir nunmehr den kuͤhlem Herbſt, mit ſeinen Schaͤtzen, wieder ſehn;
Da uns, um ſeine Pracht zu ſchauen, annoch die Augen offen ſtehn:
So laßt uns doch, wie itzt die Welt, auf eine neue Weiſe, ſchoͤn,
Mit ſchuldiger Aufmerkſamkeit, und aufgewecktem Sinn, be - trachten,
Und deſſen Weisheit, der die Welt in ſolcher Ordnung fuͤhrt, erachten!
Jetzt laſſen die bereits veraͤnderten Gebuͤſche,
Jm Schmuck, der minder nicht, als wie im Sommer, ſchoͤn,
Ein angenehm und liebliches Gemiſche,
Von ſanft gebrochnen Farben ſehn.
Gelb, roͤthlich, dunkelroth, hellgruͤn, und dunkelgruͤn,
Formiret, wenn zumal auf ſie die Sonne ſchien,
Bald da, bald hie,
Zu unſrer Augenluſt, ein holde Harmonie.
Nicht nur die Wipfel, Buͤſch und Hecken,
So gar den Boden ſelbſt, bedecken
Gefaͤrbte Blaͤtter, die ſie ſchmuͤcken,
Wie der Tapeten Pracht, ſo uns die Serer ſchicken.
Die mehrentheils im Herbſt bedeckte Luft
Erfuͤllet, wenn es ſtill, ein falber Duft,
Und eben dieſer dient der Baͤume bunten Pracht,
Durch klare Dunkelheit, zu einem ſchoͤnen Grunde,
Der durch den Gegenſatz ſie dennoch mehr erhoͤht,
Und, durch die Schwaͤrze, ſchoͤner macht. Wo -149Herbſt-Betrachtung. Wodurch, ſo wie wenn Licht und Schatten,
Jn manchen Miſchungen, ſich gatten,
Der Landſchaft ſchoͤnſter Schmuck entſteht.
So wohl dem Aug, als dem Gefuͤhl,
Scheint jeder Vorwurf jetzo kuͤhl,
Doch machet auch hingegen manche Stelle
Die gelben Baͤume nicht nur helle,
Es ſcheint, durch ihren hell-und gelblich rothen Schein,
Die kuͤhle Landſchaft warm zu ſeyn.
Ein durch die truͤbe Luft gebrochnes ſanftes Licht
Regieret uͤberall. Zwar Schatten ſieht man nicht,
Doch ſcheint ihr ſchwarzes Heer, in dem geſchwaͤchten Schein,
Der nunmehr allgemein,
Zugleich mit eingemiſcht zu ſeyn.
Man ſieht, ſo weit man ſieht, ein truͤbes Ganz,
Jn einem bunten zwar, doch ſehr gedaͤmpften Glanz.
Es kam mir vor, als ob dieß gruͤnlich klare Grau,
So ich nunmehr an allen Orten ſchau,
Auf meinem Geiſt, auch einen Eindruck machte,
Und ihn zu einer ſtill - und ſuͤſſen Schwermuth brachte.
Er ſchien, ſchon zum voraus, das Kuͤnftge zu bedauren,
Und den bald nahen Raub der Blaͤtter zu betrauren.
Ein ſanfter Schauer druͤckt die Haut, und in den Sehnen,
Fing eine ſanfte Widrigkeit
Allmaͤhlig an ſich auszudehnen.
Allein ich munterte, durch dieſen Troſt, mich auf:
Genieß der Gegenwart des Guten; laß den Lauf
Der regen Zeiten, ohn Verdrieſſen,
Gelaſſen flieſſen.
Es reißt das ſchoͤne Laub der nahe Froſt zwar nieder,
Doch bringt der Winter uns den Lenzen,K 3Jn150Herbſt-Betrachtung. Jn welchem neue beſſer glaͤnzen,
Jm angenehmen Wechſel, wieder.
Jndem ich alſo ſteh und denke,
Und meinen Blick bald hie, bald dortwerts lenke:
Erhebet ſich ein Wind; es faͤllt ein dicker Regen;
Jch ſpuͤret in der Luft ein ſchleuniges Bewegen;
Es fiel das bunte Laub, der Schmuck der bunten Buͤſche,
Mit einem raſchelnden Geziſche,
Recht Schaarenweiſ herab;
Das mir, wie folgt, zu denken Anlaß gab:
Man wird, ſelbſt in dem Fall der Blaͤtter,
Von Gottes Ordnungen belehret,
Der zu dem Endzweck, der Natur ſolch eine weiſe Richtſchnur gab,
Da in dem Herbſt, ſo wohl der Wind, als viele Feuchtigkeit ſich mehret.
Durch Regen muß der Stengel faulen; dann ſtreift der Wind ſie fertig ab,
Da ſonſt, durch ihre Zaͤhigkeit, ſie ſich vom Baum nicht leicht - lich trennen,
Und folglich denen folgenden nicht ihren Platz verſchaffen koͤnnen.
Nach151Nach der Erndte.

Nach der Erndte.

Wohin iſt jetzt das Segens-Meer,
Das auf dem Felde wallete?
Jch ſehe ja, ſo weit ich ſeh,
Ein ungewohntes großes Leer.
Die ſcharfen Blicke ſchauen nichts;
Sie moͤgen noch ſo weit ſich ſtrecken.
Die vorge Freude des Geſichts
Jſt nirgend weiter zu entdecken.
Doch o geſegnet Leer! wie ſchoͤn
Jſt dein erwuͤnſchtes Nichts zu ſehn!
Die ſchoͤne Frucht, des Blicks Ergetzen,
Der reiche Schatz, der nichts zu ſchaͤtzen,
Der uns ſo lange Zeit erfreut,
Jſt nicht nur gluͤcklich abgemeyt;
Man kunnt ihn, ohne Sturm und Regen,
Gottlob in unſre Scheuren legen!
Daher das Feld, auch ohne Pracht,
Den Augen neue Freude macht.
Was unſer Gott uns nun beſcheert,
Jſt fernern Denkens ja wohl werth.
Auf recht bewundernswerthe Weiſe,
Jſt aus der Erde Korn, die Speiſe,
Wodurch wir uns ernaͤhren ſollen,
Dem Schein nach recht hervor gequollen.
Der Saft iſt, durch ſo manche Roͤhre,
Von unten auf bis zu der Aehre,
Jm holen Halm, empor gefuͤhrt.
Er hat beſtaͤndig zirkulirt,
K 4Wie152Nach der Erndte.
Wie man, nachdem man es ergruͤndet,
Den Trieb in allen Pflanzen findet.
Erwege denn, vernuͤnftge Seele!
Sprich, wer formirte die Canaͤle,
Von wem iſt dieſer zarte Saft,
Voll Segens-reicher Nahrungskraft,
Fuͤr uns, auch fuͤr das Vieh bereitet?
Wer hat es dergeſtalt geleitet?
Wer ließ es in den Zaͤſerlein
Der Wurzel, die kaum ſichtbar ſeyn,
Jm finſtern Schooß der feuchten Erden,
Zertheilt und als verdauet werden?
Wer bildete die ſchoͤnen Aehren,
Das nette Korn, die zarte Bluͤhte?
Durch weſſen unumſchraͤnkte Guͤte
Konnt es ſo reichlich ſich vermehren,
Daß auch die ſtaͤrkſten Leiterwagen
Nur kaum die ſchweren Laſten tragen?
Da doch nur wenig Zeit zuvor,
Der Saͤmann alles Samenkorn,
Woraus nun ſolch Gewicht entſproſſen,
Jn wenig Saͤcken eingeſchloſſen.
Je minder wir nun alles faſſen,
Je minder muß man unterlaſſen,
An den, in Ehrfurcht, zu gedenken,
Der uns, durch ſeine weiſe Fuͤhrung,
Durch ſeine gnaͤdige Regierung,
Die Koͤrperchen ſo wohl zu lenken,
Und, uns dadurch viel guts zu ſchenken,
So liebreich uns gewuͤrdigt hat.
Allein wo koͤmmt das Elend her?
Jch dacht, ich wuͤrd unglaublich mehr
Ver -153Nach der Erndte.
Vergnuͤgen, Andacht, Dankbegier,
Zur Erndtezeit, in mir befinden?
So aber find ich faſt in mir
Den Trieb zur Dankbarkeit verſchwinden.
Es wird das Feur der Freude kalt,
Und will, wie ich gehofft, nicht gluͤhen;
Jch muß mein Herz, faſt mit Gewalt,
Zum Lobe meines Schoͤnpfers ziehen.
Es iſt betruͤbt, daß im Genuß,
Wir einen ſolchen Ueberfluß
Von Segen und ſo vielen Gaben,
Die unſer Schoͤpfer uns gegoͤnnt,
Man lange nicht ſo viel erkennt,
Als wir vorher gehoffet haben;
Daß von ſich ſelbſt man wenig kann.
Jch ſeh, und merke wohl hiebey,
Dao auch der Dank kaum unſer ſey.
Du mußt, o Herr, in dieſem Leben,
Um dich im Dank auch zu erheben,
Das Wollen und Vollbringen geben.
Ach gieb denn Wollen und Vollbringen
So andern Menſchen, als auch mir,
Damit wir recht vergnuͤget dir
Von Herzen Freudenlieder ſingen.
K 5Fra -154Fragen.

Fragen.

Fuͤr wen bebluͤmen ſich die Felder?
Fuͤr wen belauben ſich die Waͤlder?
Fuͤr wen ſprießt, durch der Sonnen Stral,
Der Kraͤuter Menge ſonder Zahl?
Fuͤr wen hoͤrt man der Voͤgel Singen
So lieblich und ſo ſuͤß erklingen?
Fuͤr wen erfuͤllt die laue Luft,
Aus Blumen, ſolch ein Balſam-Duft?
Fuͤr wen ſieht man, durch tauſend Roͤhren,
Sich Gras in Milch und Fleiſch verkehren?
Fuͤr wen traͤgt, ſonder unſre Muͤh,
Zur Kleidung, Woll und Haar das Vieh?
Fuͤr wen entſprieſſen ſo viel Fruͤchte?
So viel und mancherley Gerichte?
Und wem zu gut waͤchſt Holz und Stein?
Fuͤr dich, o Menſch, nur bloß allein;
Und kannſt ſo unempfindlich ſeyn?
Von wem entſtehn denn alle Gaben,
Die dich ernaͤhren, kleiden, laben?
Von Gott, dem Schoͤpfer, bloß allein,
Und kannſt ſo gar undankbar ſeyn!
Eine155Eine Viole Matronal im Herbſt.

Eine Viole Matronal im Herbſt.

Wie ein kleiner weiſſer Stral,
Der durch gruͤne Zweige bricht,
Fiel mir juͤngſt ein nettes Spaͤtling der Violen Matronal,
Spaͤt im Herbſt, noch im October, unvermuthet ins Geſicht.
Stutzt ich nun den Glanz zu ſehen: Stutzt ich wirklich ja ſo ſehr,
Und vergnuͤgt, ergetzt, erquickte mich, an ſelbe faſt noch mehr,
Durch den Balſam des Geruchs, den ich wunderſtark verſpuͤrte,
Da er mir, nicht nur die Naſe, wirklich Hirn und Seele, ruͤhrte,
So daß ich, vor Gott, im Geiſte, ehrerbietig niederſank,
Alle Kraͤfte meiner Seelen auf Jhn, als den Schoͤpfer, lenkte,
Und ein von vergnuͤgter Andacht angefuͤlltes Herz Jhm ſchenkte,
Nebſt dem Ausbruch meiner Lippen: Herr dir ſey Lob,
Preis und Dank.
Eini -156Jagd-Cantata.

Einige Betrachtungen uͤber das Jagen, Fiſchen und Vogelſtellen, zum Beweis, daß diejenigen, ſo auf dem Lande leben, vor andern eines beſondern Vorrechts zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott ſich zu erfreuen haben, und daß es nur an ſie lieget, ſolches zu erkennen.

Jagd-Cantata.

ARIA
Chor.
Auf auf! es faͤngt ſchon an zu tagen.
Der Berge Gipfel gluͤhen ſchon;
Es ſchallt des Waldhorns muntrer Ton.
Auf! auf! zur Luſt! auf! auf! zum Jagen!
Recit.
So ſang Silvanders muntrer Sohn,
Nebſt Cervamir, der mit den Hunden,
Und ſeiner frohen Jaͤger Schaar,
Nit Netzen, Flinten, Pferd und Wagen,
Sich fruͤh zum Jagen eingefunden.
Und weil dieß edle Paar
Nicht, wie die Jaͤger insgemein,
Die bloß nur um zu jagen jagen,
Die Jagd begunnten, nein zugleich,
Wie die Natur an Schmuck ſo reich,
Mit157Jagd-Cantata.
Mit Luſt beſahe:
Fing Cervamir gleich folgends an:
ARIOSO.
Wie ſchoͤn iſt die bethaute Welt,
Durch den entwoͤlkten Morgenſtral!
Wie funkelt das getraͤnkte Feld!
Wie glaͤnzt und ſchimmert Berg und Thal!
Recit.
Ey ſehet dort die angeſtralte Wieſe,
So gleichſam ganz bedeckt, mit Demant und Rubin!
Vergleicht ſich ihr beflammtes buntes Gruͤn
Nicht einem hellen Paradieſe?
Ein ſchimmernd Weiß bedeckt das gruͤne Gras,
Das, durch gefallnen Nachtthau, naß,
Woran ein Jaͤger-Blick beſonders ſich ergetzer,
Wenn er, wo hie und dort das Gras gedruͤckt,
An einer dunklen Spur, erblickt,
Wo hie, und dort, das Wild den Fuß geſetzet,
ARIA.
Da Luft und Erde wunderſchoͤn:
So laßt uns den, der alle Pracht
Zu unſrer Luſt, und ſeiner Ehre macht,
Auch bey der Jagd,
Zu unſrer Luſt, zu ſeinen Ehren, ſehn!
Silvand.
Jn den bebuͤſchten feuchten Gruͤnden,
Springt jetzt manch ſchneller Hirſch, ſammt ſeinen Hinden,
Mit leichtem Fuß, und aufgerecktem Ohr,
Aus dem belaubten Wald, hervor.
Sieh158Jagd-Cantata.
Sieh da! dort rennt in dem bebluͤmten Graſe,
Ein fluͤchtiger, geſchwinder Haaſe;
Seht! wie er ploͤtzlich ſtutzt, ſich ſetzt;
Ein Maͤnnchen macht,
Und da es niemand ſieht, an des Gefildes Pracht,
Mit tauſend Spruͤngen, ſich ergetzet.
ARIA.
Te! Melampus! Hector! Te!
Te! dort laͤuft er! Loͤſt die Winde!
Stoßt ins Waldhorn! eilt geſchwinde!
Jetzo rennt er nach der Hoͤh!
Da Capo.
Sie haben ihn! o welche Freude!
Wie groß iſt doch, in unſrer Bruſt,
Mit recht die jetzt genoßne Luſt,
Ob der vergoͤnnten Augenweyde!
Drauf ward, in einem kuͤhl-und ſchattenreichen Wald,
Das Morgenbrodt mit Luſt verzehrt.
Wobey man denn, daß Echo wiederhallt,
Dieß ihr gewohntes Jagdlied hoͤrt:
ARIA.
Wir verehren deſſen Guͤte,
Mit erkenntlichem Gemuͤthe,
Der die Waͤlder und Gefilde,
Uns zur Luſt, mit ſchnellem Wilde
Fuͤllt, ſie, und durch ſie uns, naͤhrt.
Jſt nicht Gott, fuͤr ſo viel Gaben,
Die wir, bloß durch Jhn nur, haben,
Dankens - und bewunderns-werth?
Fiſche -159Fiſcherey.

Fiſcherey. Segenfeld zu Hirtenau.

Dein lieblich Jagdgedicht hab ich mit Luſt geleſen,
Um ſo viel mehr, als dieſes mich
Jn meiner Meynung ſtaͤrkt, vom Land - und Hirten-Weſen,
Daß, ſo wie jeder Menſch, in ſeinem Stande,
Abſonderlich
Auch Edelleute auf dem Lande,
Jhr bis daher faſt nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen,
Auf tauſend Arten zu vermehren,
Ja ſolche Luſt zugleich, ſelbſt mit der Gottheit Ehren,
Geſchickt und faͤhig ſind zu fuͤgen,
Faſt ſonder alle Muͤh! Man darf nur ſchmecken, hoͤren,
Empfinden, ſehn und riechen lernen:
So wird der groͤßte Feind, woruͤber jeder klagt,
Der manchen Edelmann, mit Zentnerbuͤrde, plagt,
Die Langeweile, ſich von uns entfernen,
Der ſchwere Muͤßiggang, von unſern Graͤnzen ziehn,
Und manche Laſterbrut, zugleich mit ihm, entfliehn.
Hingegen wird ein Heer von Lieblichkeiten,
So uns bisher nicht ſichtbar war,
Auf allen Seiten,
Uns ſichtbar werden, uns begleiten.
Recht abſonderlich fuͤr euch, die ihr auf dem Lande lebet,
Scheinet die Natur zu wirken. Ein vernuͤnftger Edelmann
Sieht, wenn er vernuͤnftig ſieht, beſſer, als kein Koͤnig kann,
Wie die Werke Gott entdecken, uͤberall mit Freuden an.
Selig! wenn er, Gott zum Ruhm, ſich zu freuen, ſich beſtrebet.
Ach!160Fiſcherey.
Ach! moͤchte beyderley Geſchlecht doch dieſes faſſen,
Und ſich, zu unſres Gottes Ehr,
Die große Wahrheit zeigen laſſen!
Der Jnhalt dieſer unſrer Lehr
Jſt ja ſo ſuͤß und nuͤtzlich, als nicht ſchwer.
Wir duͤrften nur in Gottes ſchoͤnen Werken,
Mit inniglich geruͤhrter Bruſt,
Daß er ſie ſchuf zu unſrer Luſt,
Durch Weisheit, Lieb und Allmacht, merken.
Ergetzt euch denn, genieſſet und erkennet,
Die ihr auf euren Guͤtern lebt,
Die Guͤter, die euch Gott in ſolcher Menge goͤnnet!
Er will, o Wunderhuld, fuͤr alle ſeine Gaben,
Die Er, allein zu eurer Luſt, beſtimmt,
Jn deren Meng ihr gleichſam ſchwimmt,
Nur ein erkenntlichs Herz, nur eure Freude, haben.
Um nun zu dieſem Zweck uns mehr noch zu bereiten,
Will ich, wie, auf dem Land, auch uns die Fiſcherey,
Nicht minder als die Jagd, zu tauſend Lieblichkeiten,
Viel Anlaß geben koͤnn, und ſehr betraͤchtlich ſey,
So wie du von der Jagd gethan, mich auch bemuͤhn,
Um, durch die Fiſcherey, uns auch zu Gott zu ziehn.
Drauf las er Hirtenau, in dick gewachsnen Buͤſchen,
Worin ein ganzes Voͤgel Chor,
Die ihre zarte Toͤn in ſeine Lieder miſchen,
Sein juͤngſt verfertigtes Gedicht, von Fiſchen,
Zu beyderſeitigem Vergnuͤgen vor:
An einem ſanft erhabnen Huͤgel,
Der Blumen-Klee-und Kraͤuter-reich,Liegt,161Fiſcherey. Liegt, als ein großer Himmels-Spiegel,
Ein rings umher beſchilfter Teich,
Der, wie ein flieſſend Silber, ſcheinet,
Und, ſo den himmliſchen Saphier,
Als ſeines Rands ſmaragdne Zier,
Jn holdem Wiederſchein, vereinet.
Nach dieſem Sammelplatz der Fluth,
Die in bemoſten Ufern ruht,
Worin ſie, wie Kryſtallen, glaͤnzt,
Mit Blumen, Gras und Kraut bekraͤnzt,
Begab ſich Segenfelds Geſellſchaft neulich hin,
Zu Pferde theils, und theils zu Wagen,
Um, mit auf andre Art vergnuͤgtem Sinn,
Auch Wild, im Waſſer, zu erjagen,
Das, in dem Wiederſchein, von hoher Baͤume Kronen,
Wie Wild in Waͤldern, auch im Gruͤnen, ſchien zu wohnen.
Man ſah in ihm bereits, mit aͤmſigem Bemuͤhn,
Die Bauren ſchwere Netz, in hellen Zirkeln, ziehn,
Hier, mit behaͤglichem Gewuͤhl,
Sich mitten in das Waſſer wagen,
Und oͤfters halb nur aus dem Waſſer ragen,
Dort Eimmer, Zuber, Ketſcher tragen.
Es war das Wetter warm und ſchwuͤhl;
Ein falbes zwar, doch klares, Grau
Verhuͤllete der Luͤfte heitres Blau,
Und faͤrbte folglich auch zugleich,
Mit klarer Dunkelheit, den Teich,
Der die Geſtalt des Himmels an ſich nahm,
So daß ein dunkles Licht, auf ſeiner Flaͤche, ſchwam.
Br. VI. Th. LDie162Fiſcherey.
Die Augen waren all, auf den gedehnten Rand,
Und Saum des Netzes hingewandt,
Wovon man bloß die leichten Hoͤlzer ſah,
So auf des Waſſers Flaͤche ſchwommen.
So bald die erſten nun, gemaͤhlig nah,
Ans Ufer kommen,
Und man das Netz an beyden Seiten legte,
Sah man, wie hinterwerts, gewaltiglich,
Das truͤbe Waſſer ſich,
Jn Kreis und Wirbeln, ſtark bewegte,
Wovon die Urſach noch nicht ſichtbar war,
Bis ſie ſich allgemaͤhlig wies,
Da eine große Schaar
Gefangner Fiſche ſich im Netze ſpuͤren ließ.
Ein klatſchendes Geraͤuſch, ein lauter Schall,
Erhub ſich uͤberall,
Ein wimmelndes Gewuͤhl war uͤberall zu ſehn.
Hier ſah man einige ſich aus der Fluth erhoͤhn,
Um ihrem Kerker, noch durch ſpringen, zu entgehn,
Jndem der groͤßte Theil ſich, in den Gruͤnden,
Umſonſt beſchaͤfftigte, die Sicherheit zu finden.
Kaum war der ſchwere Schwarm, mit Muͤh und Macht,
Aus ſeinem Element aus Land gebracht;
Da theilte ſich, von ungefehr,
Der ſchweren Wolken dunkles Heer.
Der hellen Sonne guͤldne Gluht
Brach durch, und fiel auf Erd und Fluth,
Wodurch, indem ſie ſie, mit vollem Licht beſtralte,
Sie alles, was man ſah, bewundernswuͤrdig malte.
Des Ufers Schilf, das recht ſinaragdne Gruͤn,
Vom weichen Silber angefeuchtet,Wo -163Fiſcherey. Worin der guͤldne Stral der Sonne ſchien,
Glaͤnzt auſſerordentlich und leuchtet,
Ja lacht, im Wiederſchein, uns ſo erfreulich an,
Daß man nichts lieblichers erdenken kann.
Nicht minder war das aͤmſige Gewuͤhl,
Von Wagen, Pferden und Livreen,
Worauf der Stral der Sonne fiel,
Faſt feurig, bunt und lieblich anzuſehen.
Doch was das herrlichſte von allen annoch, war
Der auf das gruͤne Gras gegoßnen Fiſche Schaar,
Die, mit viel tauſend krummen Spruͤngen,
Nach ihrem vorgen feuchten Sitz,
Sich wiederum beſtrebten hin zu ſchwingen.
Es zeugt manch hell - und ſchnellen Blitz
Der Schuppen ſilberner und guͤldner Glanz, zumal
Jm ſchnell entwoͤlkten Sonnenſtral.
Des friſchen Graſes feuchtes Gruͤn,
Jn deſſe Naͤſſe ſich die Sonne ſelber bildet,
Schien, durch der Schuppen Gold, bald hie, bald dort verguͤldet.
Man kann nicht ſonder Luſt erblicken,
Hier Baͤuche, gelb wie Gold, die rothe Federn ſchmuͤcken.
Hier ſieht man, auf den ſchluͤpfrig-glatten Seiten
Der unten liegenden, die obern hin und her,
Bald in die Laͤng, bald in die Queer,
Mit Schlangen-formiger Bewegung, gleiten,
Dort unter ſich die Koͤpfe ſtecken,
Um ſich, wo moͤglich, zu verdecken.
Es ſuchen viele dort, mit krummen Spruͤngen,
Um zu entfliehen, hoch ſich in die Hoͤh zu ſchwingen;
Allein ſie fallen ploͤtzlich wieder,
Mit klatſchendem Geraͤuſch, hernieder. L 2Man164Fiſcherey. Man kann, von Farb und Glanz, kein lieblicher Gemiſche,
Als feucht-beſtraltes Gras, voll reger Fiſche,
Mit ſilbernen und guͤldnen Schuppen, ſehn.
Sie huͤpfen, laͤrmen, ſchlagen, drehn,
Erhoͤhn und kruͤmmen ſich. Ein klatſchendes Geziſche,
Ein ſchmatzend Schnappen nach der Luft,
Wird uͤberall gehoͤrt.
Hierdurch ward Segenfeld recht inniglich bewegt.
Er dachte, wie er meiſtens pflegt,
So wohl der Luſt, als auch dem Segen nach,
Woruͤber er, wie folgt, zu der Geſellſchaft ſprach:
Wenn man dieß alles ſieht;
Was hindert uns daran,
Daß ein dadurch vergnuͤgt Gemuͤth,
Bey ſeiner Freude, nicht den großen Schoͤpfer ehret?
Was hindert uns, daß nicht ein jedermann,
Da Gott, in Fiſchen, uns ſo manchen Segen ſchenket,
Auch wenn er fiſchen ſieht, am großen Geber denket?
Wir wollen wenigſtens, zu Seinen Ehren,
Das uns bekannte Lied, vom Waſſer, laſſen hoͤren.
ARIA.
Die ſchuppichten Buͤrger der wallenden Fluth,
Die glaͤnzenden Schaaren im ſchluͤpfrigen Grunde,
Erheben, auch mit ſtummem Munde,
Die Wunder, die der Schoͤpfer thut.
Jhr Menſchen! wenn ſie euch ergetzen und ſpeiſen,
Vergeſſet doch nimmer den Schoͤpfer zu preiſen!
Worauf der Jaͤger gleich ins muntre Waldhorn ſtieß,
Wobey der Widerhall ſich deutlich hoͤren ließ.
Das165Das Vogelſtellen.

Das Vogelſtellen.

Nicht das Fiſchen nur und Jagen
Schaffet unſrer muntren Bruſt,
Auf dem Lande, Freud und Luſt;
Noch ein angenehm Behagen,
Das, ſo wohl als Fiſch und Jagen,
Auch betracht - und dankens-werth,
Goͤnnet uns der Vogelheerd.
Dieß ergetzliche Geſchaͤffte
Giebt uns, nebſt des Schoͤpfers Werken,
Unſers Geiſtes Schaͤrf und Kraͤfte
Wunderwuͤrdig zu bemerken.
Daß nicht nur auf Land und Meer,
Sondern ſich ſo gar erſtrecken
Auf der Luͤfte ſchnelles Heer,
Kann der Vogler uns entdecken.
Unſerm Witz iſts nicht genug,
Wild im Wald, in Feld und Kluͤften,
Zu erhaſchen, ſelbſt in Luͤften
Hemmen wir der Voͤgel Flug.
Laßt uns denn daran, mit Freuden,
Jetzt im Herbſt, die Augen weiden.
Seht! wie jetzt die bunten Blaͤtter, recht als waͤren ſie gereift,
Theils annoch die Luͤfte zieren, theils von Zweigen abgeſtreift,
Den bebraͤhmten Boden ſchmuͤcken. Man ſieht faſt mit frohem Schrecken
Die entfaͤrbte Landſchaft an. Halb entlaubte bunte Hecken
Zeigen uns verſchiedne Voͤgel, die man ſonſten nicht geſehn,
Und erinnern uns dadurch, daß, zu neuer Froͤlichkeit,L 3Die166Das VogelſtellenDie ſo auf dem Lande leben, dieſe Segens-reiche Zeit
Zu dem Vogelſtellen lockt. Seht den angenehmen Ort,
Seht, bey ſtill bedecktem Wetter,
Jn den bunten Buͤſchen dort,
Den gelb-gruͤnen Reſt der Blaͤtter.
Auch der Boden iſt geſchmuͤckt,
Und, wohin das Auge blickt,
Siehet man, nicht ohn Vergnuͤgen,
Blaͤtter, bunt wie Blumen, liegen,
So daß gleichſam jetzt die Hecken,
Tiefen, Hoͤhen, Wald und Feld,
Ja ſo weit man ſieht, die Welt
Zierliche Tapeten decken.
Seht, in dieſes Waldes Mitte,
Die mit Laub bedeckte Huͤtte.
Laßt uns doch geſchwinde gehn. Laßt uns durch die Buͤſche dringen,
Und den Vogelheerd beſuchen! auf! zu ſehn, ob ſich in Schlingen,
Und in Dohnen, dieſe Nacht keine Kramets-Voͤgel fingen.
Gleich war jedermann bereit,
Alt und jung fing an zu laufen,
Hier ein Haufen, dort ein Haufen,
Lief mit muntrer Hurtigkeit,
Nach dem angezeigten Ort,
Was er laufen konnte, fort.
Selbſt die ſchwaͤchliche Beliſe
Gieng mit mir, durch eine Wieſe,
Bis wir an die Huͤtte kamen,
Die mit Laub und Mooß bedeckt,
Und, nachdem wir uns verſteckt,
Unſern Sitz bequemlich nahmen,Da167Das Vogelſtellert. Da ich ihr denn alles wies,
Wie bald das, bald dieſes hieß,
Und wie ſie nach mehrern fragte,
Jhr zuletzt noch dieſes ſagte:
Hoͤr die kleinen Saͤnger ſingen;
Sieh die loſen Voͤgel ſpringen,
Und verraͤthriſch ſich bemuͤhn,
Um in die geſtellten Schlingen
Andre Voͤgel auch zu ziehn.
Still! da kommen ganze Schaaren;
Jſt mir recht, ſo ſind es Staren;
O! ſie fliegen ja vorbey!
Sachte! nein, ſie kehren wieder.
He! mit einem Sturz hernieder!
Sie ſind feſt, das Netz faͤllt zu.
Laßt uns laufen! laßt uns ſehn,
Welche Sorten, ob ſie ſchoͤn;
Sieheſt du,
Wie es unterm Netze lebet,
Wie es flattert, wie es ſchwebet?
Welche Menge, welche Luſt!
Aber welch ein graͤulich Morden!
Sprach Beliſa hier zu mir;
Jch entſetze mich dafuͤr.
Solch ein allerliebſtes Thier
Jſt, o Schad, erwuͤrget worden.
Seht den ſchoͤnen Kopf, die Bruſt!
Seht das glaͤnzende Gefieder,
Die gebrochnen Augenlieder,
Nebſt dem ſchlaffen Haͤlschen an!
Sprecht, was haben ſie gethan? L 4Es168Das Vogelſtellen. Es betruͤbet ſich mein Geiſt,
Und mich deucht, ein Vogelheerd
Sey mit allem Rechte werth,
Daß man ihn der Sanftmuth Schwerdt,
Und der Unſchuld Schlachtbank heißt.
Darauf aber ſtellt ich hier
Meine Antwort folgends fuͤr:
Deine Klage ſcheint gerecht. Aber iſt der Voͤgel Orden
Weniger, als andre Thier, uns zum Nutz erſchaffen worden?
Sollten ſie denn uns nicht nuͤtzen? Sollten ſie vielleicht allein
Des ergrimmten Habichts Klauen und der Sperber Beute ſeyn?
Oder ſich zu haͤufig mehren? Muͤſſen ſie nicht alle ſterben,
Und vermuthlich klaͤglicher, und empfindlicher verderben?
Alſo troͤſte dich daruͤber!
Willſt du aber dennoch lieber
Einigen die Freyheit ſchenken,
Thu es, damit dein Vergnuͤgen
Ja nicht unterbrochen ſey.
Laß die allerſchoͤnſten fliegen,
Oder gieb ſie alle frey.
Doch wirſt du dich mir hingegen
Zu gefallen nicht entlegen,
Und, ſo bald wir ruͤckwerts kehren,
Einen, auf den Vogelfang,
Juͤngſt verfertigten Geſang,
Beym Clavir, mir laſſen hoͤren.
Dieß verſprach ſie mir und ſang,
Daß es mir durchs Herze drang.
Kann auf Erden wohl ein Leben
Wirkliches Vergnuͤgen geben,Braucht169Das Vogelſtellen. Braucht man es nur mit Verſtande;
Als das Leben auf dem Lande?
Jagen, Fiſchen, Vogelſtellen,
Sind dem lauter Anmuths-Quellen,
Der dabey mit Luſt bedenket:
Daß es Gott ſey, der ſie ſchenket;
Daß er nichts davor begehret,
Als daß man Jhn froͤlich ehret,
Jhm zum Ruhm, mit Luſt und Freude,
Alle Sinnen froͤlich weide.
Berge, Thaͤler, Wieſen, Waͤlder,
Aecker, Wieſen, flache Felder,
Sind fuͤr uns vergnuͤgens-voll,
Braucht man ſie nur, wie man ſoll.
Wenn man, im Genuß, nur denket:
Daß der Schoͤpfer alles ſchenket;
Daß nur Er ergetzt und naͤhrt;
Daß, im ſchoͤnen Weltgebaͤude,
Man allein in unſrer Freude,
Jhn am allermeiſten ehrt.
L 5Herbſt170Herbſt-Blaͤtter.

Herbſt-Blaͤtter.

Man ſieht mit Luſt, im frohen Lenzen,
Die jungen Blaͤtter lieblich glaͤnzen.
Sie ſcheinen ſelbſt vergnuͤgt, von lauer Luft geſtreichelt,
Getraͤnkt, erfriſchet, und geſchmeichelt.
Doch wenn die Luft nachher ſie widriger begegnet,
Sie, bald durch Duͤrre ſchwaͤcht, bald ſie zu ſtark beregnet,
Bald durch die Stuͤrme neckt, bald durch die Kaͤlte quaͤlt,
Und nimmer ruhen laͤßt: Scheint jedes, halb entſeelt,
Als ob ſichs, laͤnger ſo zu leben, abgewoͤhnte,
Als wenn ſichs wiederum nach ſeinem Urſprung ſehnte,
Und, nach der Mutter Schooß.
Dahero wurden nun die Zweige ploͤtzlich bloß,
Jndem ein jegliches, von ſeinem Sitz herab,
Sich nach der Mutter Schooß in aller Eil begab,
Und ſich mit ihr vereint.
Der Blaͤtterchen Betragen ſtellte mir,
Wie ich es uͤberlegt, ein nuͤtzlichs Beyſpiel fuͤr,
Wenn wir in unſrer Lebenszeit,
Von Alter, Krankheit, Gram und Widerwaͤrtigkeit,
Recht muͤrb und matt gemacht: Wie, daß wir auch, wie ſie
Ohn allerley Bekuͤmmerniß und Muͤh,
Den irdſchen Theil nicht gern zu ſeinem Urſprung ſenken,
Damit der andere, von allem Kummer frey,
Entfernt von Noth, Gefahr und Kraͤnken,
Jn einer ewgen Ruhe ſey!
Roſe171Roſe im October.

Roſe im October.

Es ruͤhret mich, o ſpaͤtes Roͤsgen, dein roͤthlicher Rubinen - Schein,
Nicht durch die ſchoͤne Farb und Form, auch lieblichen Geruch allein;
Jch werde, da dein edler Balſam, und ſchoͤner Schmuck mich innig ruͤhret,
Zu dem der dich ſo ſchoͤn erſchaffen, und dich fuͤr mich hervor - gebracht,
Auch mir die Kraft, an ihn zu denken, geſchenket, ſeine Lieb, und Macht,
Und Weisheit froͤlich zu bewundern, und Jhn zu preiſen, an - gefuͤhret.

Zierliche Waſſer-Bilder.

Kein Silber iſt von Glanz ſo hell und rein,
Als die, vom hellen Sonnenſchein,
Beſtralte feuchte Gaſſen ſeyn.
Wenn nun, mit dieſem Glanz, die Schatten
Der Baͤume, die die Gaſſen zieren,
Mit holder Dunkelheit ſich gatten,
Und tauſend Bilderchen formiren:
Erregt dieß Licht - und Schattenſpiel
Dem Geiſt, durchs Aug, ein angenehm Gefuͤhl.
Jch habe, wenn ſich dieß ſo zierlich fuͤget,
Mich wenigſtens gar oft daran vergnuͤget.
Der172Der geſtirnte Amaranth.

Der geſtirnte Amaranth.

Welche neue Zierlichkeit, ſo an Farb, als an Figur,
Zeugt, in zubewundernder Pracht und Schoͤnheit, die Natur,
Jm geſtirnten Amaranth! welch ein Purpur! welch ein Glanz!
Welche nett geformte Ruͤnde! die dennoch aus lauter Spitzen,
So nach einem klugen Rang, und beſondrer Ordnung, ſitzen,
Recht bewunderns-werth beſtehn!
Aber ſeht ihr, zwiſchen ihnen, in dem Purpur, der ſo ſchoͤn,
Jn ganz unverhofftem Schim̃er, Silber-weiſſe Sternchen blitzen?
Jſt es moͤglich? das iſt rar! aber laßt uns weiter gehn,
Und die weiſſe Blume dort, ob auch die geſtirnt, beſehn,
Ja wahrhaftig, ebenfalls. Und noch mehr, die ſind verguͤldet.
Lieber Gott! ſo Farb als Formen zeigen, in dem Bluͤm - chen hier,
Dir zu deinen heilgen Ehren, eine neue Wunder-Zier.
Jch bewunderte den Rang, ſo der Blaͤtter, als der Sternen,
Und betrachtete ſie naͤher, um, wie ſie formirt, zu lernen.
Da ich denn, nicht ohn ein billig Stutzen und Erſtaunen, fand,
Daß ein jedes Sternchen immer, mitten in zwey Blaͤttern, ſtand,
Welche eine nette kleine Huͤlſe dergeſtalt vereint,
Daß es nur ein einzigs Blatt, ſo ſich oben theilet, ſcheint,
Ob nun gleich die ganze Huͤlſe, wie an einer Aehre, platt,
Jſt dennoch, wenn mans betrachtet, jedes kleine ſchmale Blatt
Jn ſich an den Seiten hohl, und verſchraͤnkt ein wolligt Weſen,
Dieſes, ſechs geſteifte Spitzen,
Welche das ſo nette Sternchen rings um gleichſam unterſtuͤtzen.
Letzlich iſt das Sternchen ſelbſt, in der Mitten, hell und ſchoͤn,
Jn dem Purpur, weis, wie Silber, und ſo gelb, als Gold, zu ſehn,
Jn173Der geſtirnte Amaranth.
Jn dem weiſſen Amaranth. Was man ferner an ihr ſieht,
Jſt, daß ſie, wie andre Blumen, nicht verwelkt; nein, lange bluͤht.
Durch der Blaͤtter Feſtigkeit, die in ihren engen Roͤhren,
Deren Theilchen dicht - und feſter, weil ſie wenig Saͤfte naͤhren,
Dauren ſie, auch ſonder Waſſer. Eben dieſer Unterſcheid
Zeigt aufs neu uns offenbar, auch in der Verſchiedenheit,
Daß es Gott nicht minder moͤglich, auch von feſterem Ver - band
Blumen uns hervor zu bringen.
Machſt demnach du, liebſte Blume, auch durch deinen Bau bekannt,
Da auch du, nach Maaß und Ordnung, eingerichtet und ge - macht;
Daß ein weiſes Weſen dich wunderbar hervorgebracht,
Auch, daß wir dich wohl beſchauen, ja in dir auch finden ſollen,
Den allgegenwaͤrtgen Schoͤpfer, und Jhm Dank und Ehre zollen.
Da ich denn, Qvell aller Blumen, Schoͤpfer der geſtirnten Hoͤhe,
Jn der kleinen Sternen Bildern, in der ſchoͤnen Blumen hier,
Deiner wunderſchoͤnen Werke Lieblichkeit und Pracht und Zier,
Ja, durch meiner Seelen Auge, Dich, Herr, gleichſam ſelber ſehe;
So erfreut ſich meine Seele; es ergetzt ſich mein Gemuͤth;
Jch verehre deine Liebe, deine Weisheit, deine Macht,
Jn Betrachtung aller Schoͤnheit, Ordnung, Anmuth, Farb und Pracht,
Die dich ſelbſt zum Urſprung hat, die nur du hervorgebracht.
Herbſt174Herbſt-Ueberlegungen.

Herbſt-Ueberlegungen.

So wie, wenn mans erwegt, jedwede Jahreszeit,
Jn einer eignen Pracht, und eigner Lieblichkeit,
Zu unſern Freuden, prangt: So wird jetzt wunderſchoͤn
Die Welt im Herbſt, auf eine neue Weiſe,
Zu unſrer Luſt, und Gott zum Preiſe,
Jn einer eignen Art geſchmuͤckt geſehn;
Jndem ich jetzt, in ſtark vermehrter Pracht,
Durch der nunmehro laͤngern Nacht
Vermehrte Feuchtigkeit im Thau,
Des Feldes gruͤne Gras, wie Silbertuch von weiten,
Und nahe bey, mit Glanz, der gruͤn und roth und blau,
Und der des Diamants gepriesne Koſtbarkeiten,
An Feur und Fluth, beſchaͤmt, weit mehr als ſonſten ſchau.
Jch ſtutze vor Vergnuͤgen jedesmal,
Wenn ich den wunderſchoͤn gefaͤrbten Sonnenſtral,
Jn Millionen runden Spiegeln,
Zumal an dicht-begraſt - und hell-beſtralten Huͤgeln,
Nachdem ich meine Blicke drehe,
Auf Millionen Art gebrochen ſehe.
Jch brach ein Spierchen Gras, woran ein Tropfen hing,
Das viele Theilchen Licht vor andern noch empfing,
Mit ſpitzen Fingern ab,
So mir zu folgender Betrachtung Anlaß gab:
Jch ſeh in dieſem Troͤpfchen hier,
Von Demant und Rubin, Smaragd und von Saphier,
Jn weiß - und roth-in gruͤn - und blauer Zier,
Die Flammen-reichen Farben ſcheinen,
So eben insgeſammt, wie Neuton ſpricht,
Die Farben ſind, die ſich im Sonnenlicht
Befinden und darin vereinen.
Wenn175Herbſt-Ueberlegungen.
Wenn ich hierbey nun weiter gehe,
Und da ich oͤfters, in der Nacht,
Die tauſendfach gefaͤrbte Pracht,
Von ſo viel tauſend Sonnen, ſehe;
So deucht mich, daß dieß glaublich ſey:
So viel als Sonnen ſind, daß auch ſo vielerley
Veraͤndrungen von Glanz, von Farben, und von Stralen,
Jn einer jeglichen vorhanden ſeyn,
Und daß ſie wiederum, mit ganz verſchiednem Schein,
Die Welte, welche ſie erleuchten, auch bemalen,
So uns, wenn mans erwegt, zur Ehre Gottes leitet,
Und ſeine Herrlichkeit in uns aufs neu verbreitet,
Da, in der Unerſchoͤpflichkeit,
Der Grad - und Art - und Wechslungen des Lichts,
Zur Luſt des nie zufuͤllenden Geſichts,
Ein Art von Vollenkommenheit,
So einem Schoͤpfer wuͤrdig, glaͤnzt,
Die, wie er ſelber, unbegraͤnzt.
Ein jedes Troͤpfchen auf dem Anger
Scheint jetzo gleichſam ſchwanger,
Von lauter Licht, und bloß von Glanz und Schein
Ganz angefuͤllt, und traͤchtig recht, zu ſeyn.
Es faͤllt das bunt und helle Licht,
Durch ſeines Zirkels obre Ruͤnde;
Wobey ich denn bewundernd finde,
Daß es ſich an der untern Ruͤnde bricht,
Und, voller Schimmer ruͤckwerts ſtralet,
Wodurch es ſich um deſto heller malet.
Nachhero ward ich auch ſo gar,
Auf dem gepfluͤgten Land, und deſſen dunklem Grunde,
Noch einen ſchoͤnen Glanz, und bunten Schein gewahr. Jn -176Herbſt-Ueberlegungen. Jndem der Acker uͤberall,
Bedecket und beleget ſtunde,
Recht als mit glaͤnzendem Kryſtall.
Viel Millionen Spinnenweben,
Die ſich bald ſenken und bald heben,
Und durch der Faͤden Glanz und die Bewegung, eben
Jn einem wandelbaren Schein,
Als wie der Tauben Hals, und Schweif an einem Pfauen,
Jn ja ſo bunt-als hellem Glanz zu ſchauen,
Und gleichfalls zu bewundern ſeyn.
Woraus ſich denn von neuen uns entdecket,
Daß aller Farben Pracht, im Sonnenſchein allein,
Und nicht, wie man geglaubt, in irdſchen Koͤrpern ſtecket.
Es laͤßt, wenn man dieß alles uͤberſieht,
Als wenn ſich, auch ſo gar das braune Land, bemuͤht,
So wie das Kraut und Gras, im Thau nicht minder,
Durch das Geſpinſt und Arbeit ihrer Kinder,
Sich ebenfalls zu zieren,
So unſer Aug, als unſer Herz zu ruͤhren,
Und in der Luſt, zu Gott zu fuͤhren,
Der aller Schoͤnheit Quell und Pracht,
Die Sonn, und ihre Farb und Licht hervorgebracht.
Jch ſah darauf, mit Luſt und mit Vergnuͤgen,
Das ganze Feld, ſo weit man ſehen kunnt,
Mit mehr, als zwanzig Pfluͤgen, pfluͤgen.
Es ſchien, da alles hin und her,
Bald einer in die Laͤng, ein andrer in die Queer,
Mit ſanften Schritten trieb, daß alles gleichſam ſchwebte,
Und recht als wenn der Acker lebte.
Es mehrte ſich der dunkle braune Grund,
Und er vergroͤſſerte ſich ſichtbarlich,
Jndem, bey aller Pfluͤger Schritten,Vom177Herbſt-Ueberlegungen. Vom gruͤnen Gras ein breiter Strich,
Durch den geſchaͤrften Pflug getrennet, abgeſchnitten,
Und umgeſtuͤrzet ward. Ein jeder Pflug, von weiten,
Schien einem Wagen gleich, das Feld ein allgemein,
Und nur ein einzger Weg zu ſeyn.
Die Treiber ſahe man,
Mit weiſſen Kitteln angethan,
Auf ſchwarzen Pferden meiſtens reiten.
Das Pflugwerk ſchien ſanft hinterher zu gleiten,
Und der, ſo es regiert, ging immer Schritt vor Schritt,
Jn immer gleichem Abſtand, mit.
Auf dieſem Acker bald, und bald auf einem andern,
Sah man, noch zwiſchen her, ſo manchen Saͤmann wandern,
Mit feſtem Tritt, mit reg - und milder Hand.
Sie ſtreueten, als einen trocknen Regen,
Die Saat, auf das geruͤhrte Land;
Auch waren hie und da die Egen,
Jn großer Menge angeſpannt.
Man ſah auch die, bald hie, bald daher ziehn.
Durch dieſes zackigte beſondre Werkzeug ſchien,
Als ob dadurch, mit fleißigem Bemuͤhn,
Der milden Mutter, unſrer Erde,
Der Samen eigentlich recht einverleibet werde.
Das große Werk iſt nun vollbracht;
Der Landmann hat nunmehr ſein Feld
Auf guter Zuverſicht beſtellt;
Ein mehrers ſtehet nicht in ſeiner Macht.
Das uͤbrige muß er vom Himmel heben,
Das uͤbrige muß ihm der Schoͤpfer geben.
Dieß dacht ich, da ich hier, ſo in der Fern als Naͤhe,
Die dunklen Felder uͤberſehe.
Br. VI. Th. MJch178Herbſt-Ueberlegungen.
Jch ward dabey gewahr, wie eine ſanfte Stille,
Nunmehr das ebne Feld, zuſamt der Luft, erfuͤlle,
Und daß die ſtille Macht zugleich mein Jnnres ruͤhre,
So daß ich eine Art von Ehrfurcht ſpuͤre.
Es gleitet Aug und Blick, ſo weit es reichen kann,
Auf einer Ebne fort, wo weder Tiefen, Hoͤhen,
Noch etwas hoͤckrichtes zu ſehen.
Schien erſt das Feld voll Furchen, wie ein Meer,
Voll aufgethuͤrmter kleiner Wellen:
So ſchien es nun, von allen Wellen leer,
Ein ſtilles Meer, an Ebne, vorzuſtellen,
Worauf ich doch, zu rechter Zeit,
Nicht ſtille Wellen, wie vorhin,
So gar in wirklicher Beweglichkeit,
Ein reges Wellen-Heer aufs neu vermuthen bin,
Und zwar ein Wellen-Heer voll Segen,
Von dem, der im erwaͤrmnden Sonnenſchein,
Und im erweichenden, ernaͤhrnden Regen,
Von aller Fruchtbarkeit die Segensquell allein.
Ach! rief ich hier, voll Hoffnung und Vertrauen,
Ach! ewger Urſprung aller Dinge,
Von dem, was iſt, ſein Weſen bloß empfinge!
Ach! laß mich dieß gewuͤnſchte Wallen ſchauen,
Ach! laß mich an den guͤldnen Schaͤtzen,
Die dieſes guͤldne Meer uns reichen kann und zeigen,
Zu Deiner Ehr, o Herr! mich oft ergetzen,
Und, voll von frohem Dank, von Deinem Ruhm nicht ſchweigen!
Die179Die Stoppeln.

Die Stoppeln.

Auf dem gemaͤhten Reſt der Halmen, auf den Stoppeln,
Seh ich mit Luſt den Glanz der Sonnen ſich verdoppeln.
Es glaͤnzet faſt kein Gold ſo ſchoͤn, ſo gelb, ſo glatt,
Wie jetzt das Feld ein Gold, in gelben Stoppeln, hat.
Es iſt, mit neuem Glanz, die neue Flaͤch erfuͤllt,
Es blitzt auf jedem Halm ein kleines Sonnenbild.
Wie ich mich nun daran, zu Gottes Ruhm, vergnuͤgte,
Und man nicht lang hernach die Stoppeln unterpfluͤgte:
Sah ich, im Augenblick, das gelbe Feld ſich ſchwaͤrzen.
Jch fing mit meiner Kinder Chor
Hieruͤber laͤchelnd an zu ſcherzen,
Und legt ihm dieſes Thun, in einem Raͤthſel, vor:

Raͤtzel.

Hat jemand wo die Welt geſehn, mit einiger Aufmerkſamkeit,
Und iſt vor andern weit gereiſet,
Der nenne mir, nebſt Ort und Art und Volk, abſonderlich die Zeit,
Jn welcher jeder ſeine Mutter, mit ihrer Kinder Fuͤßen, ſpeiſet.
M 2Herbſt. 180Herbſt.

Herbſt.

Man ſah, auf den ſonſt gruͤnen Buͤſchen,
Ein lieblich Roth und gelblich Gruͤn,
Das oft ſo bunt, als Blumen, ſchien,
Jn ſanfter Harmonie ſich miſchen,
So, daß im Rothen, Gelb - und Gruͤnen,
Zumal, im hellen Sonnen-Glanz,
Verſchiedne bunte Baͤume ganz
Als bunter Amaranthus ſchienen;
Auf deſſen Blaͤttern, wunderſchoͤn,
Wir Roth und Gruͤn und Gelb, in hellem Schimmer, ſehn.
Ja ſelber die verſchrumpften Blaͤtter,
Jndem ſie das, was hell und ſchoͤn,
Durch ihren Gegenſatz erhoͤhn,
Sind ſchoͤn, zumal bey heiterm Wetter.
Man ſieht die roͤthlich-braunen Stellen
Der Aeſte, die entblaͤttert ſeyn,
Der Blaͤtter bunten Schein,
Durch ihre Nachbarſchaft, im Gegenſatz erhellen;
Daher ein bunt Gemiſch, das ſich durch ſich erhoͤht,
Jm Herbſt, zu unſrer Luſt, faſt uͤberall entſteht.
Der Baͤume Form iſt ſelbſt, zu dieſer Zeit,
Noch ſchoͤner, als vorhin, bey minderm Laub; ſie ſtehn
Jn maleriſcher Zierlichkeit,
Da ſie durchſichtiger und luckrer, als vorhin.
Doch muß man ihr, in Form und Farben, ſchoͤnes Prangen,
Mit aufmerkſamem Blick und Sinn,
Noch heute ſehn; weil ſie leicht Morgen ſchon vergangen.
Blaͤt -181Blaͤtter im Herbſt.

Blaͤtter im Herbſt.

Wir haben dir,
Geliebter Menſch, ſo lange wir,
Jn unſerm Sommer-Schmuck, gegruͤnet,
Zu deiner Augenluſt gedienet.
Doch kannſt du noch an uns dein Auge weiden,
Wir ſind noch ſchoͤn, auch da wir ſcheiden.
Was vormals bloß im gruͤnen Schimmer ſchien,
Jſt jetzo gelb, wie Gold, iſt roth, faſt wie Rubin,
Ja glaͤnzet in der Sonnen Stralen,
Jn buntem Glanz, faſt wie Opalen.
Doch dauret unſer buntes Kleid
Nur kurze Zeit.
Drum nimm, zum Ruhm des Schoͤpfers, unſre Pracht,
Mit Luſt in Acht!
Uns reißt vielleicht der rauhe Nord
Noch heute mit ſich fort.
Gebrauche dich demnach, wie ehedem der Stunden,
Bey uns nunmehro der Secunden.
M 3Win -182Winter-Betrachtung.

Winter-Betrachtung.

Ein ſtarker Nebel fiel, und ein verdickter Duft
Erfuͤllte dergeſtalt die Luft,
Daß unſer Blick faſt nichts, als was ſehr nah,
Und einen Schritt kaum von ſich, ſah.
Drauf fiel ein ſtarker Froſt, mit ſtrengem Wuͤten ein;
Es fror die ganze Nacht.
So Fluth als Erde glich, an Haͤrte, Stal und Stein.
Fruͤh ſahe man darauf, in ſeiner wilden Pracht,
Den Winter uͤberall. Der rauhe Reif erfuͤllte
Faſt alles, was man ſah, bedeckt, umgab, verhuͤllte,
Das Feld, den Wald, das Land, die Haͤuſer, Berg und Thal,
Der Baͤume Wipfel, Zweig und Straͤucherchen, zumal
Sich mit dem Reiffen noch ein dicker Schnee gehaͤuft,
Daher denn, was man ſah, beſchneyt war und bereift.
Es war der kleinſte Zweig ſo dick faſt, als ein Daum;
Daher in jedem Baum
Solch eine Dichtigkeit entſtand,
Daß man den Wipfel rund, und gleichſam noch belaubet,
Jedoch, anſtatt in gruͤn-in weißer Zierde fand.
Die Baͤume ſcheinen jetzt aus Silber recht gebildet,
Wovon (wenn ſie zumal
Der Sonnen fruͤh-und ſpaͤter Stral,
Mit roͤthlich-gelbem Licht, zu treffen pflegt,)
Die eine Haͤlfte laͤßt, als waͤre ſie verguͤldet,
Da denn ein achtſames Gemuͤth,
Nicht ohne Luſt, nicht ſonder Freude,Jn183Winter-Betrachtung. Jn einer fremden Augenweide,
Halb ſilberne, halb guͤldne Baͤume ſieht.
Das Buſchwerk war nicht minder rauh und dicht,
Man ſah durch ſie die Luft (durch ſie verdecket) nicht.
Da aber, wo der Morgenroͤthe Gluht
Durch nicht ſo dichte Stellen bricht,
Erblickt man einen Glanz, an Farb, als Schnecken-Blut,
Ein purpurfarbnes Licht,
Durch Millionen Theil des luckern Reiffes dringen,
Und von der glatten Flaͤch derſelben ruͤckwerts ſpringen,
Entflammt und bunt gefaͤrbt,
Die den getroffnen Blick, mit tauſend Stralen, ruͤhren,
Und unſern Geiſt, mit hoͤchſter Billigkeit,
Zu ihrer naͤheren Beſchaffenheit,
Und in derſelben uns, zum Lobe Gottes, fuͤhren.
Da ich den luckern Reif nun nahe,
Und mit Aufmerkſamkeit der Spitzen Heer beſahe:
Entſetzet ich mich faſt, da ich in ihnen Spuren,
Von Blaͤtter-foͤrmigen Figuren,
Ja wirklich Blaͤtterchen, aus zartem Eis, erblickte,
Davon ein jedes mir in meinen Sinn
Verwunderung und Andacht druͤckte.
Woher, gedacht ich, nimmt doch die Natur,
Jn ihnen, die ſo zierliche Figur?
Kann denn aus Nebel und aus Dunſt,
Mit ſo unnachahmbarer Kunſt,
Sie ſo betraͤchtliche, ſo viele Zierlichkeiten,
Ja ſelber Blaͤtterchen, bereiten?
Wodurch muß dieſes doch geſchehn? M 4Ob184Winter-Betrachtung. Ob etwan ſich, durch uns verborgne Kraft,
Und faſt magnetiſch Eigenſchaft,
Die Zweig und Knoſpen ſich bemuͤhen,
Die Theilchen ihnen zu zu ziehen,
Wie oder, ob die Theilchen ſich die Hoͤhlen
Der zarten Oeffnungen, als kleine Formen, waͤhlen,
Worinnen ſie ſich anfangs ſenken,
An die ſich denn hernach dergleichen Theile mehr,
Die ſich zu ihnen ſchicken, henken?
Doch ach! wer faßt es eigentlich,
Auf welche Weiſ in ihnen, ſich
Die Bildung, wie ſie iſt, formiret! Dennoch gab
Die Schoͤn-und Zierlichkeit, die ſich in ihnen fuͤgen,
Mir, ihrem Herrn zum Ruhm, ein nuͤtzliches Vergnuͤgen,
Jndem ich mich daran ergetzte,
Und ſie, als wenn ſie mir zur Luſt geſchenket, ſchaͤtzte.
Wenn dieſe Theilchen nun, von ihrem Sitz herab,
Auf den zwar gleichfalls weiß-doch rauhen Boden fallen.
Wo ſie, wie Tafel-Stein aus Demant und Kryſtallen,
Zerſtreuet hin und wieder liegen,
Und ſich, in ihren glatten Flaͤchen,
Der Sonnen Stralen lieblich brechen,
Entſtand ein noch vermehrt Vergnuͤgen,
Jn der dadurch aufs neu geruͤhrten Bruſt,
Und das hell ſchimmernde gefaͤrbte Blitzen,
Von ſo viel Millionen Spitzen,
Erregt mir eine neue Luſt,
Die, durch das funkelnde Bewegen,
Ein Anmuths-Licht in mir erregen,
Daß ich dadurch vergnuͤget, in die Hoͤh,
Nach ihrer Schoͤnheit Urſprung, ſeh. Da185Winter-Betrachtung. Da denn der Sonnenſtral
Sich, als ein herrliches Original,
Von den unzaͤhligen Copien, zeigte.
Durch deſſen Wunder-Pracht geruͤhrt,
Jch, zu derſelben Herrn gefuͤhrt,
Mich ehrerbietig neigte,
Jhm dankte, daß er uns der Sonnen Gluht und Pracht,
Nicht nur allein, in ſolcher Herrlichkeit,
Jm Sommer, auch ſo gar, zur kalten Winterszeit,
Und wenn ſie uns entfernt, zu unſrer Luſt, gemacht.
Wobey ich innig wuͤnſcht, auch bey dem Wiederkehren,
Von ihrer Lebens-Gluht, von ihrem Wunder-Schein,
Jm Stand, und ſtets bereit zu ſeyn,
Jhn in derſelben Glanz in Demuth zu verehren.
M 5Win -186Winter-Gedanken.

Winter-Gedanken. de 1738.

D auch die Welt im Winter ſchoͤn,
Hab ich, zu ihres Schoͤpfers Ehren,
Nicht nur zum oͤftern angeſehn;
Jch hab auch wohlgemeynte Lehren,
Um es auch andern zu erklaͤren,
Damit auch ſie, zu ſehn getrieben,
Und froͤlich wuͤrden, aufgeſchrieben.
Heut oͤffnen ſich aufs neue neue Spuren
Noch nicht bemerkter Creaturen,
Die werth, daß man auf ſie gedenket,
Und die Betrachtung auf ſie lenket.
Jch habe nie das Eis ſo ſchoͤn,
So glaͤnzend und ſo glatt geſehn,
Als es anjetzt in dieſem Jahr,
Recht ſonderlich gefroren war.
Kein Spiegel kann ſo glatt, ſo rein,
So klar, ſo hell poliret ſeyn,
Als wir es, auf des Schloſſes Graben,
Bewundernd zu bemerken haben.
Jndem noch gar kein Schnee gefallen:
So ſah die Flaͤch, im Waſſer-Reich,
Nicht nur polirtem Marmor gleich;
Sie glich geſchliffenen Kryſtallen.
Man ſah von Buͤſchen, Baͤumen, Huͤgeln,
So Farb-als Formen klar ſich ſpiegeln,So187Winter-Gedanken. So deutlich, daß auch in der klarſten Fluth,
Wenn ſie in ſanfter Stille ruht,
Die Vorwuͤrf alle kaum ſo rein,
Und deutlich vorgeſtellet ſeyn.
Und weil zugleich das Eis ſo gar
Durchſichtig und ſo lauter war,
Daß man den ſonſt verborgnen Grund,
Und alle Steinchen ſehen kunnt:
So ſcheute man, auf vielen Plaͤtzen,
Den furchtſam-bangen Fuß zu ſetzen.
Verfuͤhrt durch den betrognen Blick,
Zog unſer Schritt ſich oft zuruͤck,
Ob gleich die Schollen noch ſo dick.
Was aber mir vor andern allen,
Auf der bebruͤckten Fluth, gefallen,
War, daß der roſenrothe Schein
Der Sonne, die ſich abwerts neigte,
So hell, ſo deutlich und ſo rein,
Sich in dem glatten Eiſe zeigte;
Daß die beſtralte Flaͤche, ganz
Befloſſen von des Himmels Glanz,
Nicht mehr ein irdiſch Dunkel wies,
Nein, ſondern faſt verhimmelt ließ,
Es ſchien, als ob man ging und ſtunde,
Auf einem ganz verklaͤrten Grunde.
Der ſonſten dunkle Boden ſchien
Ein wirklich funkelnder Rubin.
Es war der Abendroͤthe Schimmern,
Nicht nur an den ſaphiernen Zimmern,
Und an des Firmamentes Hoͤhn;
Sie war, auch unter uns, zu ſehn.
Kaum188Winter-Gedanken.
Kaum hatt ich, inniglich geruͤhret,
Zu meiner Luſt und Gott zur Ehr,
Den Schmuck betrachtet, und verſpuͤret,
Als ich darauf von ungefehr,
Von meinem jetzt beſchriebnen Stand,
Mich gegen Oſten umgewandt.
Mein Gott! welch einen hellen Stral
Zeigt mir der Boden abermal;
Er ſchien auch hier mit Glanz befloſſen,
Mit reinem Silber uͤbergoſſen.
Woher? es kam der Glanz, das Prangen,
Und deſſen Silber - weiſſer Schein,
Noch eins ſo hell, noch eins ſo rein,
Durch den gefrornen Raum der Luͤfte,
Und durch die ganz zerſtreuten Duͤfte.
Zumal der ganz entwoͤlkte Grund,
Worin die volle Scheibe ſtund,
Vom ſcharfen Froſt ſo rein, ſo klar,
Und Purpur-roth gefaͤrbet war.
Dieß bildete ſich gleicher Weiſe
Jm Spiegel-gleichen glatten Eiſe,
Wodurch ich denn auch hier befunde,
Daß ich, auf einem hellen Grunde,
Und ganz im Himmels-Glanze, ſtunde.
Wie lieblich und wie angenehm
Mir dieſer ſchoͤne Stand geweſen,
Gaͤb ich dir, Leſer, gern zu leſen,
Zumal ich vor dem Froſt bequem
Bekleidet und geſichert ſtund,
Und keine Kaͤlte fuͤhlen kunnt. Allein189Winter-Gedanken. Allein, wer kann des Himmels Stralen,
Des Himmels Glanz, des Himmels Klarheit,
Mit irdſcher Dint und Farben, malen?
Dieß aber iſt dennoch die Wahrheit,
Daß, bey der Schoͤnheit dieſes Lichts,
Fuͤr die ſo wunderbare Gabe
Des uns vergnuͤgenden Geſichts,
Jch innig Gott gedanket habe;
Auch davor, daß, zur Winterszeit,
Er dem, der auf ſein Werk gedenket,
Zur Luſt, ſo manche Lieblichkeit
Der ſonſt erſtarrten Welt geſchenket.
Das190Das dauerhafte Gruͤn.

Das dauerhafte Gruͤn.

Man findet, auch zur Winterszeit,
Bey feuchter Luft, und wanns nicht frieret,
Annoch mehr gruͤne Lieblichkeit,
Als wie man meynet, merkt und ſpuͤret.
Jch bin erſt juͤngſt darauf gekommen,
Und habe, mit beſondrer Luſt,
Und innrer Regung meiner Bruſt,
Verſchiedne Schoͤnheit wahrgenommen,
Die, weil ich nicht darauf geachtet,
Jch auch bisher noch nicht betrachtet.
Auf Wieſen, weil darauf das Gras,
Ernaͤhrt durch ein beſtaͤndig Naß,
Noch nicht erſtickt, noch nicht vergangen,
Sieht man noch gruͤne Farben prangen.
Die Felder ſchmuͤckt die junge Saat,
Die ſich mit ihren Spitzen eben
Jn gruͤnem Schmuck hervorgegeben,
Und alles gruͤn gefaͤrbet hat.
Auf Scheun - und Huͤttendaͤchern ſtammt
Ein unvergleichlich gruͤner Sammt
Von Mooß, der ſie beſchuͤtzt und ſchmuͤcket;
Und den man, wenn man ihn betrachtet,
Und auf der Farbe Schoͤnheit achtet,
Unmoͤglich ohne Luſt erblicket.
Wobey man mehrentheils verſpuͤret,
Daß dieſe gruͤne Winter-PrachtDen191Das dauerhafte Gruͤn. Den ſchoͤnſten Schmuck auf ſchlechten Huͤtten macht,
Am meiſten Armer Daͤcher zieret.
Der Gaͤrten figurirtes Land
Prangt, wie ja jedermann bekannt,
Mit des ſtets gruͤnen Buxbaums Zier.
Die unverwelkliche Natur
Von ſeinem Laube zeiget mir
Sowohl die Farb, als die Figur,
Die ich an ihm im Sommer ſpuͤhr.
Das Wintergruͤn, der Taxusbaum
Veraͤndern das Geringſte kaum,
Von ihrem Schmuck, trotz Froſt und Stuͤrmen;
Der Blaͤtter Feſt - und Haͤrtigkeit
Und eigene Beſchaffenheit
Kann ſie, auch ſelbſt im Schnee, beſchirmen.
Der Boden iſt noch hie und dort
Mit Huͤhnerſchwarm, an manchem Ort,
Der auch der Kaͤlte trotzt, verſtecket,
Worauf man, daß er wirklich bluͤht,
Nicht ohn Verwunderung erſieht,
Und weiſſe Bluͤmchen drauf entdecket.
Auch noch auf einem andern Kraut
Hab ich, in eines Bluͤmchens Zier,
Ein lieblich Blau, wie ein Saphier,
Auch noch ein gelbliches geſchaut.
Man ſieht, wie Ruͤbenkraut, Rabeth,
Und Erdenkraut, ja Peterſilgen,
Das Kaͤlt und Schnee ſobald nicht tilgen,
Jm Garten hin und wieder ſteht;Wo -192Das dauerhafte Gruͤn. Wobey, als wie ein kleiner Wald,
Jn Palmen - aͤhnlicher Geſtalt,
Der braune Kohl auf Purpur gruͤnet,
Der uns, im Reiffen, Schnee und Froſt,
Als eine wahre Winterkoſt,
Und noch zur Luſt der Augen, dienet.
Was aber mehr, als alles dieß,
Ein unverhoffte Augenweide,
Und vormals nie geſpuͤrte Freude,
Jn nie geſehnem Schmuck, mir wies,
War, daß ich, an der Baͤume Staͤmmen,
Von mancherley Gewaͤchs und Schwaͤmmen,
Von ungezaͤhlten Formen, Arten,
Und ungezaͤhlter Farb, im Garten,
Den ihre Zier im Froſt auch ſchmuͤckte,
Vor Anmuth recht geruͤhrt, erblickte.
Wie ich darauf die Augen ſchlug,
Und fand, daß jeder Baum von ihnen,
Jn einem ganz verſchiednen Gruͤnen,
Von Mooß, verſchiedne Sorten trug,
Die ich mit Fleiß zuſammenpfluͤckte:
Erſtaunt ich, als ich, an Figur,
So viel Veraͤndrungen nicht nur,
Nein, auch befand, wie vielerley
Von Farben dran zu finden ſey.
Ein Weiß, das keinem Silber weicht,
Ein Gelb, das feinem Golde gleicht,
War hin und her ſo bunt und ſchoͤn,
Mit gruͤnem Glanz vermiſcht, zu ſehn.
Es kam mir hin und wieder vor,
Als Drap d argent, und als Drap d or.
Jch193Das dauerhafte Gruͤn.
Jch legte die, an vielen Orten,
Geſammleten verſchiednen Sorten
Von Mooß, auf einen Teller hin,
Und fand, mit recht geruͤhrtem Sinn,
Unglaublich vielerley Figuren.
Von Ecken, Spitzen, Tiefen, Hoͤhn,
War ein recht fremd Gemiſch zu ſehn.
Man fand von kleinen Buͤſchen Spuren,
Die wunderzierlich, nett und rein,
Und ob ſie gleich ſo zart und klein,
Doch regelrecht gebildet ſeyn.
Wie wir an Fenſtern, wenn ſie frieren,
An Nettigkeit faſt wunderſchoͤn
Die zierlichſten Figuren ſpuͤren,
Und kleine nette Buͤſche ſehn:
So zierlich ſieht das Mooßwerk aus.
Jch ſah, wie mancher weiſſe Strauß,
Auf einem dunkelgruͤnen Grunde,
Jm Gegenſatz erhoben ſtunde.
Bey dieſem ſtieg, in gelber Zier,
Ein kleiner guͤldner Buſch herfuͤr,
Der aber, da er meiſtens platt,
Und weder Zweig noch Stengel hat,
Ein ungemein Gewaͤchs formiret.
Als P -- dieſes kaum geleſen,
Fieng er, die Naſe ruͤmpfend, an:
Mich deucht, daß in des Mooßes Weſen
Jch ganz erweislich finden kann:
Es kaͤmen bloß von ungefaͤhr
So Farben, als Figuren, her.
Br. VI. Th. NEs194Das dauerhafte Gruͤn.
Es ſteckt in Staͤmmen eine Kraft,
Was beſſeres hervorzubringen,
Doch, in Ermangelung von Saft,
Kann ihm die Arbeit nicht gelingen;
Woraus von Farb und von Figur
Denn nichts, als Misgeburten nur,
Verworrene Gewaͤchs, entſpringen.
Er ſchiene gar ſich nicht zu ſchaͤmen,
Hieraus auf andre Dinge mehr
Noch ferneren Beweis zu nehmen.
Allein, mein lieber P -- hoͤr:
Hat ſich der Baͤume Nahrungsſaft,
Der ſie zum Wachsthum naͤhrlich traͤnket,
Und ihre ſich vermehrnde Kraft
Dem Stamm von ſelbſt ſich eingeſenket?
Kann es von ungefaͤhr geſchehn,
Daß Blaͤtter, Bluͤht und Frucht entſtehn?
Wenn nun, ſo wie du ſcheinſt zu wollen,
Auch gleich was anders kommen ſollen,
Und etwan aus der trocknen Rinde,
Aus Mangel, nichts, als Mooß, entſtuͤnde:
So ſieht man doch, da deſſen Zier,
Die nicht nur unſer Aug ergetzt,
Und uns oft in Verwundrung ſetzt,
Nein, auch ſo gar den Stamm beſchuͤtzet,
Und auch in Arzeneyen nuͤtzet,
Daß ſich die Muͤhe nicht verlier;
Vielmehr, daß die Natur geſchaͤfftig,
Und auch, wenn ſie geſchwaͤcht, doch kraͤftig,
Zu viel - und unterſchiednen Dingen,
Was nuͤtzliches hervorzubringen,Und195Das dauerhafte Gruͤn. Und folglich, daß das Mooß auch werth,
Daß man in ihm den Schoͤpfer ehrt.
Doch kehr ich mich zu meiner Lieder
Vorhin erwaͤhltem Endzweck wieder,
Daß nemlich, auch im Winter, man,
So gar wenns ſchlackricht, und nicht friert,
Dennoch die Welt mit Gruͤn geziert,
Mehr als man glaubt, erblicken kann.
Es darf demnach, wer dieß erwegt,
Wie manches Gruͤn das Land noch traͤgt,
Auch in den allerſchlechtſten Tagen,
Mit ſo viel Fug und Recht nicht klagen,
Als wie es insgemein uns ſcheint,
Und er bisher wohl ſelbſt gemeynt,
Daß nemlich uns ſo, wie man glaubet,
Der Winter alles Gruͤne raubet;
Nein, daß er uns noch einen Reſt,
Uns an Gewaͤchſen zu vergnuͤgen,
Auch mit der Luſt den Dank zu fuͤgen,
Von gruͤnen Pflanzen uͤberlaͤßt.
N 2Ein196Ein Topf mit allerhand Blumen.

Ein Von meinem Gaͤrtner im Winter mir gebrachter Topf, worinnen Tulpen, eine weiſſe Hyacinthe, und drey gruͤ - ne Zweige gepflanzet waren.

Jndem ich hier, fuͤr unverhoffter Luſt,
Mit einer faſt erſtaunten Bruſt,
Zugleich in einem Topf, der Tulpen rothe Gluht,
Der Hyacinthen weiſſen Schnee,
Und gruͤn - belaubte Zweige ſeh:
Empfind ich, daß, in meinem regen Blut,
Ein ſanftes Andachts - Feur ſich reget;
Und daß zu gleicher Zeit
Der Hyacinthen Reinlichkeit
Mir einen neuen Trieb, von ſchwarzen Laſtern rein,
An weiſſer Unſchuld reich, zu ſeyn,
Jn meine frohe Seele praͤget.
Nicht weniger erregt in mir
Der gruͤnen Blaͤtter gruͤne Zier
Der immer gruͤnen Hoffnung Triebe,
Auf Gottes Weisheit, Huld und Liebe.
Der liebliche Geruch erinnert mich dabey,
Daß, da nebſt des Geſichts, ich auch des Riechens Gabe
Von Gott empfangen habe,
Jch mich, voll Luſt und Dank, des großen Gebers freu.
Ob197Ein Topf mit allerhand Blumen.
Ob wir nun gleich dieß alles wiſſen:
So ſcheinet doch der Blumen Pracht
Zu dieſem Zweck abſonderlich gemacht,
Daß ſie uns oft daran erinnern muͤſſen.
Jch ſeh denn noch einmal die Pracht, den Glanz und Schein
Und faͤllt mir dieß dabey voll Luſt und Andacht ein:
Jch beth, in eurer Blaͤtter Sammet,
Jn dem Geruch, in eurem Saft,
Worinn ein lebend Feuer flammet,
Das aus des Schoͤpfers Allmacht ſtammet,
Die Weisheit, ew’ge Lieb und Kraft,
Jn froͤlicher Bewundrung an,
Und freue mich, daß Gott zum Ruhme,
So gar das Weſen einer Blume
Uns leiten, und ihn zeigen kann.
N 3Wie198Wie es ſanft ſchneiet.

Wie es ſanft ſchneiet.

Wenn ich der Luͤfte Schaum, den weiſſen Schnee,
Von oben dicht herunter fallen ſeh:
So ſcheint oft ſelbſt die Luft, von regen Flocken, ſchwer,
Und recht, als ob ſie, ſanft zu uns herab zu ſinken,
Beſchaͤfftigt in Bewegung waͤr.
Durch welche ſchwebende Beſchaffenheit geruͤhret,
Ein es betrachtendes gelaſſenes Gemuͤth,
Das dieſes Flockenſpiel beſieht,
Ein innigliche Luſt, in ſanftem Schaudern, ſpuͤret.
Wenn wir ſo dann, in warmem Zimmer,
Von Sorgen frey, am Fenſter ſtehn:
Kann man, nicht ſonder Anmuth, ſehn
Der dichten Flocken weiſſen Schimmer.
Jhr zwar gedraͤngt - doch ſanfter Fall,
Jhr ſpielend durch einander Fliegen,
Wirkt ein Bewegen uͤberall,
Und uns ein ſonderbar Vergnuͤgen.
Jhr lindes Sinken, Schwaͤrmen, Schweben,
Kann, ſelbſt in Schwermuth, unſrer Bruſt
Ein Art von einer ſanften Luſt,
Ein ſchaudrigtes Vergnuͤgen, geben.
Es ſcheinen gleichſam Schwermuths - Theile,
Mit dichter Flocken Fall, in Eile,
Auch uns vom Herzen, abzufallen.
Es ſcheinen, durch dieß holde Scherzen,Die199Wie es ſanft ſchneiet. Die aufgebrachten Trieh im Herzen,
Allmaͤlig ſanfter auf zu wallen.
Ach moͤcht ich doch, ſo |oft ich Schne[e],
Jn der ſonſt rauhen Winterszeit,
Vor Froſt und Unbequemlichkeit
Beſchuͤtzet, lieblich ſchwaͤrmen ſeh,
An Gottes weiſe Ordnung denken,
Und Jhm, auch fuͤr die Winterluſt,
Aus meiner Jhm geweihten Bruſt,
Jhm Dank - erfuͤllte Seufzer ſchenken!
N 4Ge -200Gedanken uͤber Schrittſchuhe.

Gedanken uͤber Schrittſchuhe.

ARIA.
Seh ich das Volk auf ſchnellem Schritſchuh ſchweben,
Und, wie ein Pfeil, voruͤber gehn:
So duͤnket mich, von unſerm Leben,
Ein lebend Bild zu ſehn,
Da wir die Welt, wie ſie, wenn wir es recht bekennen,
Als floͤgen wir davon, durchrennen. Siehe 1 Th. Jrd. Verg.
Den Worten dacht ich juͤngſt, wie ich die Fluth bebruͤckt,
Mit einem ſchoͤnen Eis, auf Spiegel - Art, geſchmuͤckt,
Und auf demſelben, mit Vergnuͤgen,
Faſt einen ungezaͤhlten Haufen,
Mehr ſchweben ſah und fliegen,
Als rennen, gehen oder laufen,
Mit fernerem Erwegen, nach.
Dieß aͤmſige geſchaͤfftige Gewuͤhl,
Kam, wie ich es erwegte, mir
Als wie das menſchliche Betragen fuͤr;
Worauf ich bey mir ſelber ſprach:
Ein jeder will voraus; mit eifrigem Bemuͤhn,
Sucht er ſich jedem vorzuziehn.
Er eilet, auf dem Waſſergraben,
Beſtaͤndig fort, wie wir auf Erden. Der201Gedanken uͤber Schrittſchuhe. Der ſchoͤne Strand, der Grund, und waͤr er noch ſo ſchoͤn,
Wird uͤberall nicht angeſehn.
Wir fuͤhlen beyde die Beſchwerden,
Die wir uns, meiſtentheils umſonſt, zu machen pflegen,
Jn unſerm eifrigen Bewegen,
Das meiſt auf Wind und Tand, und nichts gericht,
Fuͤr heftigen Begierden nicht,
Die uns faſt keine Ruhe goͤnnen.
Die meiſten rennen, um zu rennen;
Sie hindern ſich einander, ſtoßen ſich,
Und fallen oͤfters beyde nieder.
Wer liegt, der liegt; es lacht ein ieder,
Der dieſes ſieht; man freut ſich faſt gemeinſchaftlich,
Und keiner denkt: Es lauret auch auf dich
Vielleicht ein naher Fall. Die Kluͤgſten weichen,
Nicht Maͤchtigern allein, auch ihres gleichen,
Mit ſchlauer Wendung, aus. Verſchiedne wollen allen,
Durch ſonderbare Kunſt, gefallen.
Sie brauchen mehrern Platz. Von der, zu jener Seiten,
Sieht man ſie uͤbermuͤthig gleiten;
Sie wollen, mit verſchiednen Zuͤgen,
Jns Eis ihr eignes Merkmaal ſchreiben,
Und ihr Gedaͤchtniß, mit Vergnuͤgen,
Dem grauen Marmor einverleiben,
Das aber, mit dem eitlen Grunde,
So bald ein Wind aus Suͤden weht,
Ja oͤftermals in einer Stunde,
Zerbricht, verſinket und vergeht.
Wobey ſie, durch ihr uͤbermuͤthigs Schweifen,
Sie, die Gefahr zu fallen, ſtets noch haͤufen.
Ein Strohhalm, eine Ritz, ein kleiner Stein,
Kann ihnen, in dem fluͤchtgen Schweben,N 5Zum202Gedanken uͤber Schrittſchuhe. Zum oͤftern Straucheln Anlaß geben,
Zum ſchnellen Sturz ein Vorwurf ſeyn.
Mich deucht, ich ſehe ſie, zu beyden Seiten,
Den Ehrgeiz und die Luſt begleiten.
Dieß trifft auch ſo bey uns, in unſerm Leben, ein;
Der Geiz ſcheint uͤberdem, mit noch geſchaͤrftern Trieben,
Uns noch, in unſerm Lauf, beſtaͤndig nach zu ſchieben.
Jn dieſem ſchwaͤrmenden Gedraͤnge,
Ward ich noch eine groͤßre Menge,
Von dieſen Laufenden, gewahr,
Die nicht ſo ſtolz, als jene, vorwerts glitten,
Mit engen, nicht erhabnen Schritten,
Meiſt krumm gebuͤckt und kuͤmmerlich,
Jn einem mehrentheils geraden Strich,
Wobey ſie doch ſo viel Gefahr, als jene, nicht erlittem
Sie brauchten keinen großen Raum:
Doch wuͤrdigte man die des Anſehns kaum.
Dieſelbigen nun kamen mir,
Wie auf der Welt die Armen, fuͤr.
Von einigen, die bey einander ſchwebten,
(Als wenn ſie, ſo wie wir, auf feſtem Boden, lebten)
Hoͤrt ich ein eifrigs Raiſonniren,
Und oͤfters gar ein Diſputiren,
Von Dingen an dem Strand, die ſchnell fuͤr ſie verſchwunden,
Von welchen ſie ſo viel, als nichts verſtunden.
Noch hatten einige, ſich unter ſich verbunden,
Durch einen langen Stock, den ſie in Haͤnden hielten,
Es ließ, als ob ſie all auf eine Einigkeit,
Jn ihrem Laufen, zielten:
Doch waͤhrt auch die nur kurze Zeit,Da203Gedanken uͤber Schrittſchuhe. Da einer bald ſich hier, ein andrer dort verlohr.
Dieß kam mir als ein Bild, von Maſcopeyen, vor.
Nachdem ich nun dem laͤrmendem Gewimmel
Hatt eine Zeitlang zugeſehn,
Und dem verwirrt-und ſchwaͤrmenden Getuͤmmel,
Dem lauten ſcharr - und ſchwirrenden Getoͤn,
Nun lange zugehoͤrt,
Und etwas weiter ging, bald aber ruͤckwerts kehrt:
Ward ich, indem indeß der Abend angebrochen,
Verwundrungs-voll gewahr,
Daß ſich die ganze Schaar
Bereits verlaufen und verkrochen.
Jch ſtutzt und glaubte, daß auch dieß
Uns ein belehrend Beyſpiel wies.
Denn recht, wie nach vollbrachtem Lauf,
Der ganze Hauf
Die Stelle des Gewuͤhls, die glatte Bahn, verlaſſen;
So ſcheint es auch mit uns beſtellt,
Wenn wir die glatte Bahn der Welt,
Nach kurzer Zeit, wenn wir erblaſſen,
Den Folgenden, um auch darauf zu ſchweben,
Durch unſern Abtritt, uͤbergeben.
Begluͤckt! wenn es bey unſerm Wallen,
Nur ſonder Straucheln, ohne Fallen,
So geiſt - als leiblich, abgegangen,
Und daß, nach dieſem Leben, dort,
Wir an den uns beſtimmten Ort,
Zur ſeligen und wahren Ruh, gelangen.
Ge -204Gedanken bey einer Schonkilje.

Gedanken bey einer im Februario bluͤhenden Schonkilje.

Liebſter Gott! kanns moͤglich ſeyn! kann der Winter nicht ein - mal
Der Natur Formirungskraft, auch bey fernem Sonnenſtral,
Auch zur allerrauhſten Zeit, mitten im December, tilgen!
Alſo rief ich, als ich juͤngſt zaͤrtlich bluͤhende Schonkiljen,
Ohne Kunſt, in meinem Garten, aus der Erde ſteigen ſah.
Wie ich ihren unverhofften lieblich-gelben Glanz erblickte;
Wie ich ſie, mit frohen Haͤnden, um ſie aufzuheben, pfluͤckte:
Waren mir, ob ihrer Schoͤnheit, faſt die Freudenthraͤnen nah.
Jch vermochte, wie ich ſie ſo vollkommen fand, ſo ſchoͤn,
Wie ſie ſo vortrefflich roch, mich daran nicht ſatt zu ſehn,
Mich daran nicht ſatt zu riechen. Meine Seele lenkte ſich,
Durch den unvermutheten nie geſehnen Glanz geruͤhret,
Zu der Blum und meinem Schoͤpfer; dankt und lobt ihn inniglich,
Daß er, zu der Menſchen Anmuth, ein ſo ſchoͤn Gewaͤchs for - miret,
Daß er, da zur Sommerszeit, leider! durch derſelben Menge,
Wir, zur Unempfindlichkeit uns ungluͤcklich bringen laſſen,
Uns zu ungewohnter Zeit, (ſo daß wir die Art nicht faſſen)
Durch derſelben ſuͤſſen Balſam, durch ihr ſchimmerndes Ge - praͤnge,
Auſſerordentlich vergnuͤgt. Herr! wenn ich an dieſer Gabe,
Durch dieſelbe, durchs Geſicht, und durch den Geruch, mich labe:
Laß dieß liebliche Geſchoͤpf mich zu dir, als Schoͤpfer, fuͤhren;
Laß mich ein, in dir gegruͤndet, irdiſches Vergnuͤgen ſpuͤren!
Die205Die junge Saat.

Die junge Saat.

Nach faſt verſtrichnem Februar,
Und da kein Schnee mehr auf den Feldern lage,
An einem angenehmen Tage,
Der, nach erlittnem Froſt, noch angenehmer war,
Begab ich mich aufs Feld,
Das im verwichnen Herbſt zur neuen Saat beſtellt,
Um mit Aufmerkſamkeit zu ſehn,
Was doch von der Natur, auch in der Winter-Nacht,
Selbſt unterm Schnee, geſchehn,
Wie weit es, ſelbſt im Froſt, ihr reger Fleiß gebracht.
Jch ſtutzte, wie der Aecker dunkle Ruͤcken
Nicht mehr zu ſehn. Ein allgemeines Gruͤn,
Das, in dem Sonnenſtral, den aufmerkſamen Blicken
Noch ſchoͤner, als Smaragd, und recht durchſichtig ſchien,
Bedeckte ſchon das ſchwarze Land,
Als wie ein ſammtenes Gewand.
Man kunnte von der dunklen Furchen Menge
Die ſchwarzen Tiefen nicht, ja nicht einmal
Derſelben Ruͤcken kleine Hoͤhn,
Vor der ſchon mehr, als ſie, erhabnen Spitzen Laͤnge
Des gruͤnenden Getreydes ſehn.
Ein angenehm durchleuchtend - gruͤner Schein,
Der uͤberall in gleicher Hoͤhe ſtund,
War allgemein;
Soweit man ſehen kunnt.
Durch dieſen gruͤnen Schmuck ſchien eine neue Welt
Uns gleichſam vorgeſtellt. Jch206Die junge Saat. Jch ſah, durch dieſe gruͤne Pracht,
Mich gleichſam angelacht,
Jch ſpuͤrt ein gruͤnes Licht vom Felde ruͤckwerts ſpringen,
Und mir in mein Gehirn, durchs Auge, dringen,
Daſelbſt, bey einem ſanften Fuͤhlen,
Ein liebliches Jdeen - Heer erzielen,
(Die in Gedanken ſich zuſammen ſetzten,)
Und zu des großen Schoͤpfers Ehr,
Jn ſanfter Andacht, mehr und mehr
Mich fuͤhrten, und zugleich ergetzten,
So, daß ich ihm ein Dank - und Freuden - Opfer brachte,
Und inniglich geruͤhret, folgends dachte:
Herr, du laͤſſeſt, dir zum Preiſe,
Jn der Furchen gruͤner Gleiſe,
Hier ſchon unſre kuͤnftge Speiſe
Jn begruͤnter Hoffnung ſehn.
Laßt uns doch, wie Gottes Segen,
Nebſt der Nahrungskraft, auch ſchoͤn,
Mit vergnuͤgtem Aug, erwegen,
Und mit Andacht uͤberlegen,
Daß uns Gott, auf dieſer Welt,
Nicht nur unſre Koſt beſchehret,
Und zur Nothdurft nur erhaͤlt;
Sondern auch mit Anmuth naͤhret.
Gruͤ -207Gruͤnender Huͤhnerſchwarm.

Gruͤnender Huͤhnerſchwarm im Winter.

Mein Gott, es ſteht mein Fuß gehemmt, bey dieſer gruͤ - nen Stelle, ſtille;
Jch ſeh, auch ſelbſt im Februar, im Reſt der Kraͤuter, eine Fuͤlle,
Von Anmuth, Schoͤnheit, Zierlichkeit. Ein uͤberall begruͤnter Grund,
Worauf ein purpurfarbnes Waͤldchen, von braunem Kohl, ge - pflanzet ſtund,
War durch den Gegenſatz noch ſchoͤner. Jch ſahe Kerbel, Pe - terſilgen,
Nebſt vielem andern Kraͤuterwerk, das weder Schnee noch Froſt zu tilgen
Bishero maͤchtig gnug geweſen. Wie ich mich nun nach ih - nen buͤckte,
Und ihrer eiuige mit Fleiß, zu naͤherer Betrachtung, pfluͤckte:
Erſtaunt ich, als ich ihrer viele, nicht gruͤnen nur, auch bluͤ - hen ſah.
Der ſogenannte Huͤhnerſchwarm, der, als gewehte gruͤne Decken,
Sich in einander recht geſchlungen, ſich uͤbers Land pflegt herzuſtrecken,
Als wenn er es erwaͤrmen wollte, bracht, in faſt Silber-weiſ - ſer Zier,
Und noch ein andres Kraut, ein Bluͤmchen, das bald dem Gol - de glich, herfuͤr,
Das ſuͤß, und recht, wie Honig, roch. Jch dacht hierbey der Urſach nach,
Wodurch ſich die Gewaͤchſ erhalten, ob gleich ihr ganzer Bau ſo ſchwach.
Es208Gruͤnender Huͤhnerſchwarm.
Es ſchien, ob haͤtte ſie die Demuth am meiſten vor dem Froſt beſchuͤtzt,
Und ihre ſanfte Niedrigkeit ſie vor der Winde Wuth geſtuͤtzt.
Doch reichet dieß allein nicht zu; daher ich billig weiter gehe,
Und, daß es eine eigne Kraft, ſo die Natur ihr ſchenkt, geſtehe.
Dergleichen ſonderbare Kraͤfte ſind von ſehr großer Wichtig - keit,
Da, wenn die Pflanzen der nicht faͤhig, das liebe Korn, zur Winterszeit,
Sich gleichfalls nicht erhalten koͤnnte, das zur Erhaltung un - ſrer Welt,
Wie zart es gleich, trotz Froſt und Eis, recht wunderbarlich ſich erhaͤlt,
Daß dieß ein nuͤtzlich Wunderwerk, muß, wer daran gedenkt, geſtehen.
So laßt uns doch daran gedenken, damit wir den im Sehn erhoͤhen,
Aus welchem alle Kraͤfte qvillen, der durch ſein Allmacht, was ſo klein,
So ſchwach und zart, daß es kaum fuͤhlbar, und kaum zu ſehnde Zaͤſerlein,
Vor dem ſo ſtrengen Druck der Kaͤlte zu ſchuͤtzen, zu bewah - ren weis,
Zu unſerm Nutzen und Ergetzen, und ſprechen: Dem, der al - le Welt
Hervorgebracht, geſchmuͤckt, ernaͤhret, und in ſo ſchoͤner Ord - nung haͤlt,
Sey unſre Luſt im Dank geopfert, und Jhm allein ſey Ehr und Preis.
Tabac. 209Tabac.

Tabac.

Wenn Kaͤlt und Feuchtigkeit die Luft erfuͤllt,
Und unſern Leib umringt, ja faſt durchdringet;
Wenn unſer Hirn ein Schwermuths-Duft umhuͤllt,
Und uns ſodann ein Art von Luſt entſpringet,
Aus einer Pfeife Rauchtabac:
So hab ich oͤfters nachgedacht,
Ob der Geruch, ob der Geſchmack,
Ob der von uns ſanft ausgeblaſne Hauch,
Und ſein kurz abgeſetzt und ſchmatzendes Getoͤn,
Ob der, den Wolken gleiche, Rauch,
Den wir in regen Kreiſen ſehn;
Wie, oder ob die Waͤrm uns das Vergnuͤgen macht?
Und finde, daß, durch alle Sinnen,
Wir im Tabac ein Art von Luſt gewinnen.
Man ſcheinet insgemein, durch ſanftes Achſelzuͤcken,
Daß etwas uns vergnuͤget, auszudruͤcken.
Bey manchem ſcheint, wenn er die regen Kreiſ erblickt,
Als wuͤrde ſelbſt ſein Geiſt zum Denken mehr geſchickt,
Und daß er, wenn ſein Pfeifchen brennte,
Weit tief - und ſchaͤrfer ſinnen koͤnnte.
Ein Pfeifchen dient, in Einſamkeit,
Ein Art Geſellſchaft abzugeben,
Und wenn ihr in Geſellſchaft ſeyd,
Die Unterhaltung zu erheben.
Gedenket wenigſtens, indem ihr euch vergnuͤget,
Auch, daß ihr euch vergnuͤgt! und dankt, (indem ihrs denkt,
Daß im Tabac fuͤr euch ſo manche Luſt ſich fuͤget;)
Dem, der euch dieſe Luſt, wie alles, ſchenkt.
Br. VI. Th. OEr -210Tabac.
Erwegt, daß, wenn es draußen ſtuͤrmt,
Jhr ſicher, ruhig und beſchirmt,
Jn eurem Zimmer, euch befindet,
Und auch, ſo gar im Rauch, verſchiedne Luſt empfindet.
Der Rauch kann euch zugleich, von eurem Leben,
Und von der irdiſchen Vergaͤnglichkeit,
Ein augenfaͤllig Lehrbild geben.
Wenn man auf dieſe Weiſe raucht,
Und, in betrachtender Gelaſſenheit,
Vergnuͤglich dieſes Kraut gebraucht:
So wird man es nicht mehr ſo, wie in vorger Zeit,
Fuͤr unanſtaͤndig, und noch minder
Fuͤr ein verruchtes Werk der Suͤnder,
Nach eitlen Grillen vieler alten
Und neuen Heiligen, hinfuͤhro halten.
Be -211Betrachtung uͤber den braunen Kohl.

Betrachtung uͤber den braunen Kohl.

Wir leben jetzt im ſpaͤten Herbſt. Der vormals ſchoͤnen Welt Geſtalt
Jſt ganz veraͤndert; Gras und Kraut ſind welk; die Luft iſt kalt;
Die Erde ſchlackricht, feucht und tief.
Doch weil das Wetter heute leidlich, und, nach der Zeit des Jahres, ſchoͤn,
Die Luft nicht kalt, der Wind auch ſtill: So laß uns in den Garten gehn,
Sprach ich zu meinem aͤltſten Sohn. Wir waren kaum hin - ein getreten,
So ſahen wir das ſchoͤne Gruͤn des Buxbaums um den Gar - tenbeeten;
Doch Anfangs ſonſt kein ander Gruͤn; denn auſſer Blaͤtter - loſen Zweigen,
Die ſich in drohender Geſtalt, als waͤrens lauter Ruthen, zeigen,
Und dick - verwachſnen duͤrren Dornen, ſchien anders faſt kein Vorwurf da,
Bis wir gemaͤhlig weiter gingen, da er zuerſt, auf einem Platz,
Das Kraut, das Reich und Arme ſpeiſt, und das ein rechter Winterſchatz,
Den gruͤnlich - braunen krauſen Kohl, mit aufmerkſamen Bli - cken, ſah.
Er zeigte mir denſelben gleich, worauf wir naͤher zu ihm gingen,
Und dieß beſondere Gewaͤchs mit Luſt an zu betrachten fingen.
Er kam, in ſeiner dunkelgruͤnen mit Purpur untermiſchten Zier,
An Form uns, einem kleinen Wald in allen Stuͤcken aͤhnlich, fuͤr.
O 2Die212Betrachtung uͤber den braunen Kohl.
Die Wipfel ſchienen faſt, in Palmen - gleichen Zweigen,
Jn ſanfter Runde, ſich herab zu neigen.
Ein jeder Zweig war ein vereintes Blatt,
Und wies dadurch, daß die Natur,
An ſtets veraͤnderter Figur,
Stets einen neuen Vorrath hat.
Bewunderns-werth iſt dieſer Pflanzen Zier,
Wenn man ſie, mit betrachtendem Gemuͤth,
Und nicht ſo, wie man pflegt, nur obenhin beſieht.
Die Farben brennen zwar, wie bunte Blumen, nicht,
Weil ein faſt roͤthlich Braun ihr helles Gruͤne bricht;
Daher er, wenn man ihn nur obenhin beachtet,
Mit einer Trauerfarb, ſo alles jetzt erfuͤllt,
Auch gleichſam angethan und eingehuͤllt,
Ein truͤbes Anſehn hat. Doch wenn ich in der Naͤhe
Die Farben und die Form von dieſer Pflanzen ſehe:
Erſtaun ich, und mit Recht. Mehr, als man glauben kann,
Trifft, wer ſie ſo beſchaut, beſondre Wunder an.
Wo iſt ein Baum, des Stamm, zuſamt den Zweigen,
Den allerſchoͤnſten Purpur zeigen?
Ein blauer Duft, der ſich verwiſcht,
Jſt mit dem glatten Roth gemiſcht,
Womit ſich Zweig und Stamm, ſo beyde esbar, decken.
Ja, auf den Stengeln nicht allein,
Selbſt auf den Blaͤttern, wird erblickt,
Wie ein bald gelb-bald gruͤn-bald Purpur - Duft ſie ſchmuͤckt:
Nachdem ſie ſelbſt gefaͤrbet ſeyn.
Ein mit ein wenig Braun gemiſchtes Dunkelgruͤn,
Wodurch die Aederchen, in ſchoͤnſtem Purpur, gluͤhn,
Wird auf den mehreſten geſehn;
Wobey jedoch, auf manchen Stellen,Ver -213Betrachtung uͤber den braunen Kohl. Verſchiedne Buͤſch, im hellen Gruͤnen, ſtehn,
Die denn das Dunkelgruͤn der uͤbrigen erhellen.
Noch mehr, ein roͤthlich Gelb iſt hier und dort zu ſehn,
Die ihre Nachbarſchaft, ſo braͤunlich - roth, erhoͤhn.
Durch der ſo mannichfach gemiſchten Farben Pracht,
Wie ſehr ſie gleich gebrochen, finden wir
Ein buntes Ganz, das, in verſchiedner Zier,
Ein Feld, mit Kohl bedeckt, um deſto ſchoͤner macht.
Von meinen Kindern eins, mein kleiner Julius,
Den, weil er oftermals dergleichen that,
Und manche Kraͤuterchen mir eingereichet hat,
Jch billig darum loben muß,
Kam eben, wie ich dieſes dachte,
Und mehrte meine Luſt, indem er mir
Ein ſchoͤn vom bunten Kohl gepfluͤckt Bouquetchen brachte.
Dieß glaͤnzt um deſto mehr in einer bunten Zier,
Als er von ungefaͤhr der Farben Unterſcheid,
Jn einer lieblichen und bunten Zierlichkeit,
So ſuͤß vereint, ſo angenehm vermiſchet,
Daß es ſowohl mein Herz, als mein Geſicht, erfriſchet.
Jch lobte ſeinen Fleiß, behielt den kleinen Strauß,
Und zahlet ihm, zum Lohn, zwey Groſchen aus.
Drauf huͤpft er, recht vergnuͤgt in ſeinem kleinen Sinn,
Mit Freuden wiederum dahin;
Und ich ſchlug meinen Blick
Auf das beſagte Kraut zuruͤck,
Um, Gott zum Ruhm, von neuen, wie ſo ſchoͤn
Der ſchoͤne Kohl, noch ferner anzuſehn.
Auch dieſer Pflanzen Laub vermehrt noch das Vergnuͤgen,
Wenn man den klaren Thau, der auf den Kohl gefallen,
Jn großen Tropfen, recht als Kugeln von Kryſtallen,O 3Auf214Betrachtung uͤber den braunen Kohl. Auf einem dunklen Grund, hier rollen und dort liegen,
Ja, Diamanten gleich, voll Schimmer glaͤnzen ſieht,
Worin der Sonnenſtral oft, als ein Feuer, gluͤht,
Zumal wenn wir ſie fruͤh, vom Licht beſtralt, entdecken.
Wer aber kann den Schmuck der krauſen Ecken,
Der unbeſchreiblich nett geſpitzet und gedreht,
Jn ſchoͤn verwirrter Ordnung ſteht,
Mit ihren zwar verwirrt-doch ordentlichen Bildern,
Jn gnugſam aͤhnlicher Geſtalt und Farbe, ſchildern?
Es koͤnnte keine Scheer, kein Meſſerchen ſo zierlich,
So nett, ſo rein geſpitzt, ſo reinlich, ſo figuͤrlich
Sie zieren, bilden, oder ſchneiden.
Kein wahres Menſchen-Aug erblickt ſie ſonder Freuden,
Zumal, wenn einige nicht nur
Mit der ſo nett gekerbt-und zierlichen Figur,
Nein, noch dazu mit andern Farben, prangen,
Als wie das ganze Blatt;
Da wir, auf manchem Kohl, der an ſich dunkelbraun,
Die Ecken oͤfters weis, oft roth, oft hell-gruͤn ſchaun,
Und manches weiſſe Blatt ganz rothe Spitzen hat.
Je laͤnger man ſie ſieht, je mehr vermehret ſich
Die Zierlichkeit und Pracht, abſonderlich,
Wenn, wie es eben dazumal
Von ungefaͤhr geſchah, der helle Sonnenſtral
Die truͤbe Luft durchdrang, worin ich damals mich,
Nebſt meinem Sohn, befand. Mein Gott! wie wunderſchoͤn
Fing alles dazumal an auszuſehn!
Wie ſchoͤn war uͤberall der frohen Augen Ziel,
Als nicht nur auf das klare Naß
Der Sonnenſtral, als auf ein helles Glas,
Auch durch die bunten Blaͤtter, fiel. Da215Betrachtung uͤber den braunen Kohl. Da denn, bey denen friſchen, gruͤnen,
Die welken Blaͤtter Gold, ja recht wie Blumen, ſchienen.
Es dachte, neben mir, mein Sohn der Anmuth nach,
Bis daß er, durch dieß Kraut geruͤhret, zu mir ſprach:
Was bey dem braunen Kohl noch mein Bewundern haͤuft,
Jſt, daß, (wie ich anjetzt in dieſer Pflanz entdecke)
Jn ihr recht was beſonders ſtecke,
Da ſie, durch Waͤrme nicht, nur durch die Kaͤlte, reift.
Ja freylich, du haſt recht, mein Sohn, rief ich, erfreut,
Daß er ſo wohl gedacht. Es zeigt dieß abermal,
Wie kuͤnſtlich die Natur, und wie faſt ohne Zahl,
Die Mittel, die ſie braucht, zu aller Zeit,
Uns zu ergetzen und zu naͤhren.
Mit Recht gereichet dieß zu deſſen Ehren,
Der ihr, zu unſrer Nutzbarkeit,
So manche Kraͤfte ſchenkt, da auch ſo gar der Froſt
Uns Speiſe ſchaffen muß, und eine ſuͤſſe Koſt,
Der Armuth ſonderlich. Ach laß zu deiner Ehre,
O Herr, bey dem Genuß, uns oftermals bedenken,
Daß nimmermehr ein Ungefaͤhr
Vermoͤgend, ſolch ein Kraut zu ſchenken,
Das uns, ach! daͤchte man doch oftermals daran,
Auch ſelbſt im Winter, Luſt und Nahrung bringen kann.
O 4Herrn216Die Hirſche.

Herrn Ridingers in Augſpurg uͤberſandte treffliche Zeichnungen wilder Thiere mit ernſthafter Luſt be - trachtet. Dieſes vortreffliche Werk iſt nachher, nebſt der Poeſie, in Kupfer geſtochen, von ihm her - ausgegeben.

Wir beſchreiben alle beyde,
Gott zum Ruhm und uns zur Freude,
Das ſo ſchoͤne Weltgebaͤude,
Jch mit Dinte, du mit Kreide.

Die Hirſche.

No. 1.

Hat man jemals die Natur, mit der Kunſt vereint, geſehn:
So geſchichts auf dieſen Blaͤttern. Daß, mit etwas ſchwar - zer Erde,
Alles, was auf dieſer Welt wunderſchoͤn, ſo wunderſchoͤn
Vorgeſtellt, gefaͤrbt, gebildet, ja faſt gar belebet werde;
Jſt ſo kuͤnſt-als unbegreiflich. Schaut den nah-und fernen Wald!
Es vertieft der Blick ſich hier, in den weit entlegnen Buͤſchen,
Wo ſich, mit gebrochnen Lichtern, Schlag - und andre Schatten miſchen.
An des bunten Birkenſtammes Rieſen-foͤrmige Geſtalt,
Freut ſich mein erſtauntes Aug. Jn geruhigem Vergnuͤgen,
Sie -217Die Hirſche.
Sieher man, in weichem Graß, ein, dem Schein nach, lebend Bild;
Ein, mit ſeinem zarten Kaͤlbchen, wiederkauendes Stuͤck Wild,
Das, in ſeiner jungen Einfalt, dieß, mit ernſter Vorſicht, liegen.
Des behaarten feiſten Spieſſerts raſch und muntre Fluͤchtigkeit
Zeigen die benervten Schenkel. Wer bewundert nicht, in ihnen,
Da das Urbild und der Abdruck uns zur Luſt und Nahrung dienen,
Unſers Schoͤpfers ſchoͤne Werke, und der Kunſt Vollkommenheit?

No. 2.

Halb in friſch-und kuͤhlem Schatten, halb in ſchwuͤlem Son - nenſchein,
Unter Blaͤtter-reichen Baͤumen, zwiſchen Kraͤuter-reichen Huͤgeln,
Sieht man einen edlen Hirſch, hier im klaren Bach ſich ſpiegeln,
So natuͤrlich, daß der Schein ſelbſt ein Urbild ſcheint zu ſeyn.
Jſt gleich ſeine Stellung ſtill; Laͤßt uns doch ſein raſches Weſen
Seine ſchuͤchterne Natur, aus faſt regen Zuͤgen, leſen.
Seht! es ruͤhren ſich die Ohren. Schaut! die Augen ſehn mich an.
Hoͤrt! ob man nicht eigentlich das Geraſchel hoͤren kann,
Des von ihm zertretnen Schilfs. Edler Ridinger, dein Geiſt,
Welcher uns des Schoͤpfers Macht, in der Koͤrper Schoͤnheit, weiſt,
Zeiget, welche Kraft, zu bilden, Gott den Geiſtern eingeſenket,
Und zugleich, wie groß das Maaß, welches dir von Jhm ge - ſchenket.

No. 3.

Welch Raſcheln unterbricht der Stille ſo lang hier ungeſtoͤr - ten Sitz?
Es rauſchen Buͤſch, es krachen Straͤucher. Was fliegt daher, als wie ein Blitz?
O 5Es218Die Hirſche.
Es war ein angeſchweiſter Hirſch: Er iſt vorbey und fort Doch nein;
Wie! wird er in der Flucht zu Stein?
Er fleucht, und bleibt auf einer Stelle. Dieß iſt nun keine Zauberey;
Doch iſt es eine ſchwarze Kunſt. Damit hier lange ſichtbar ſey,
Was ſonſt die Schnelligkeit uns raubet: Kann man, an dieſem armen Thier,
Entſetzen, Unmuth, Grimm und Gram, Furcht, Wuͤten, Todespein und Grauen,
Nicht in den Augen nur allein, in allen ſeinen Gliedern, ſchauen.
Die Muskeln raffen ſich zuſammen; die ſtrammen Nerven reiſſen ſchier.
Hier ſeh ich nun zwar eine Probe, wie weit des Menſchen ſchlauer Geiſt,
Auch in den allerdickſten Waͤldern, die Herrſchaft uͤber Thie - re weiſt:
Doch ſeh ichs ohne Mitleid kaum. Wesfalls ich eilig meine Blicke,
Um mich zu troͤſten, in den Wald, in die bebuͤſchte Ferne ſchicke.
Jch ſenke mich, mit ſtiller Luſt, in das verwachſene Gefilde;
Und wenn ich, in dem ſchoͤnen Wald, mich ſatt und doch nicht ſatt geſehn,
Weil man ſtets neue Schoͤnheit ſpuͤret: So ruf ich: Jeder muß geſtehn,
Daß hier die bildende Natur, durch Ridinger, ſich ſelbſten bilde.

No. 4.

Ob in dieſem Kupferſtuͤck ich zuerſt das Pflanzen-Reich,
Oder erſt das Thier-Reich ſehn, oder alle zwey zugleich
Schauen und bewundern wolle; zweifelt mein verwirrter Blick.
Sucht219Die Hirſche.
Sucht mein Aug am kuͤhlen Bach, unter Schatten-reichen Buͤ - ſchen,
Unter Blaͤtter-reichen Baͤumen, in der Fern, ſich zu erfriſchen:
Reiſſet ihn der edle Hirſch, mit Gewalt, auf ſich zuruͤck,
Und indem ich ſeine Stellung, Anſtand, praͤchtige Geſtalt,
Sein auf mich gerichtet Aug und den feſten Tritt beſchau,
Schweift der Blick aufs neue weg, in die von der klaren Au
Angenehm durchfloßne Gegend, wo ſich, von bebluͤmten Huͤgeln,
Weiſſe Staͤmme, gruͤne Blaͤtter, in dem reinen Waſſer, ſpiegeln.
Doch des Hirſches ſchoͤne Zweig, und ſein ſich bewegend Ohr,
Reiſſen mich aus gruͤner Zweige ferner Tief aufs neu hervor,
Beyder Urbild zeiget mir einen Gott, der Koͤrper macht;
Die Copie beweiſt, daß Gott auch den Geiſt hervor gebracht.

No. 5.

Zwiſchen ſchroff-und jaͤhen Felſen, hoͤr ich das Gewaͤſſer rau - ſchen,
Seh ich einen muntern Hirſch, hier aufmerkſam ſtehn und lauſchen,
Voller innerlichen Gluht, voller bruͤnſtigen Begier,
Ob er nirgend Wild verſpuͤr.
Kaum getraut er ſeinen Lauft feſt zu ſetzen, um im hoͤren,
Sich, durch ungefaͤhres Raſcheln, unvorſichtig nicht zu ſtoͤren.
Sehet, wie ſo ſcharf er ſieht! hoͤrt, wie ſtark und laut er ſchreyt!
Der ſo ſchoͤn - als wilden Gegend deutliche Natuͤrlichkeit,
Wo auch das, was ſchrecket, ſchoͤn iſt, was verwildert, angenehm,
Und die wir, in unſerm Zimmer, jetzt durch Ridinger bequem,
Sonder ſteigen, ſehen koͤnnen, bringt uns billig auf die Spur
Des hier vorgeſtellten Urbilds, auf die wirkliche Natur.
Da wir fuͤrs Original, die Geſchoͤpfe, leider blind,
Durch Gewohnheit, worden ſind:
Sucht220Die Hirſche.
Sucht er vom Gewohnheits - Schlaf, uns, durch Zeichnen, zu erwecken,
Und, durch die Copie, im Urbild, ſelbſt den Schoͤpfer zu entdecken.
Alſo ſeh ich ſeine Kunſt, ja ihn, als ein Werkzeug an,
Wodurch man ſich, im Geſchoͤpf, ſelbſt zum Schoͤpfer nahen kann.

No. 6.

Seht geſchwinde! wie ſo raſch, munter, fertig, ſchnell und leicht,
Hier der Hirſch, auf flacher Ebne, nach dem Walde ſpringt und fleucht!
Er iſt in ſo reger Stellung, daß ſein Fliehn ich nicht nur ſehe,
Sondern faſt das Strampfen hoͤr. Seht, wie lieblich, von der Hoͤhe,
Dort die langen Schatten fallen, und den kuͤhlen Abend weiſen;
Selbſt in der Copie der Anmuth, kann man hier den Schoͤp - fer preiſen.
Denn mich deucht, ich waͤr im Felde, bey gekuͤhlter Abendzeit,
Und bewunderte der Sonnen untergehnde Herrlichkeit.
Jſt die Kunſt nicht hochzuſchaͤtzen, da durch ſie wir, wie ſo ſchoͤn
Die im Fruͤhling ſchoͤne Welt, auch im Froſt, in Zimmern ſehn?
Wann du der Geſchoͤpfe Schoͤnheit, durch das Aug, uns ein - verleibeſt:
Ruͤhreſt du, durch deine Hand, Ridinger, uns unſer Herz.
Eines guten Schreibers Griffel iſt dein Griffel. Denn du ſchreibeſt
Unſers großen Schoͤpfers Thaten, wirklich in der That, in Erz.
No. 7.221Die Hirſche.

No. 7.

Sah man, von bejahrten Staͤmmen, und von Blaͤttern, die Figur
Je natuͤrlicher gebildet? eine thieriſche Natur,
Gleichſam lebend, bloß in Strichen? Nein, vom Thier - und Pflanzen-Reich,
Sah man nimmer die Copie, dem Original ſo gleich.
Jn dem Aug, in allen Sehnen, ja in Muskeln, durch die Haut,
Wird an dieſem Hirſch, wie ſanft ihm das Streifen thut, ge - ſchaut.
Ja, es zeiget uͤberall die ſo kuͤnſtliche Copie,
Jn nur ſchwarzen Linien, Farben, Haltung, Harmonie.
Wie das Urbild ſo vortrefflich, wie die Welt ſo wunderſchoͤn,
Davon kann man hier, im Abdruck, einen ſchoͤnen Schatten ſehn.
Ja noch mehr, in wahren Waͤldern, wie es mir zum oͤftern ſchien,
Scheint der gruͤne Schatten ſchwarz, hier der ſchwarze Schat - ten gruͤn;
Ja es ſcheint dieß edle Thier, nicht zu ſtehn, nein, ſich zu regen,
Und die Blaͤtter an den Zweigen, durchs Gehoͤrn, ſich zu be - wegen.

No. 8.

Jm verwachſenen Gefilde, zwiſchen dick - bebuͤſchten Huͤgeln,
Jm mit Schilf bekraͤnzten Bach, der im Widerſchein ſtets gruͤn,
Durch der gruͤnen Blaͤtter Schatten, in polirter Klarheit ſchien,
Sieht man hier den edlen Hirſch weiden, und zugleich ſich ſpiegeln.
Jn222Die Hirſche.
Jn des offnen Maules Stellung ſieht man deutlich, daß er fuͤhle,
Wie die feucht und friſche Koſt ihn mit Anmuth naͤhr und kuͤhle.
Doch ſein Auge zeigt zugleich, daß ſein praͤchtiges Geweih,
So der Wiederſchein ihm zeiget, ſeiner Blicke Vorwurf ſey.
Wer bewundert, der dieß ſiehet, nicht des Kuͤnſtlers kluge Hand?
Jeder Punkt zeigt einen Geiſt, jede Linie Verſtand.
Aber hoͤrt! erkennt dabey, wenn euch ſein Gemaͤlde ruͤhret,
Daß er uns, durch die Copie, zum weit ſchoͤnern Urbild fuͤhret.

No. 9.

Wie ſo wild iſt dieſer Wald! ſehet, wie ſich Licht und Schatten,
Hier mit einem holden Schrecken, und in wilder Anmuth, gatten!
Sind die Aeſte, die ſo knorrig, nicht faſt ungeheuer ſchoͤn?
Seht die krumm - verwachſnen Wurzeln uns faſt recht entgegen ſtehn.
Aber, wie erblick ich hier, in ſo klaͤglicher Geſtalt,
Einen ſonſt ſo muthgen Hirſch! Der verzehrnden Brunſt Gewalt
Schauet man in ſeinen Augen. Ein verfinſtert ſchwaches Licht
Glimmt in ſeinem truͤben Blick; ſeine Zunge ſtarrt, er lechzet;
Und mein Auge hoͤret faſt, wie er ſchnaufet, keicht und aͤchzet.
Ja, mich deucht, als wenn er gleichſam, durch ſein Keichen, zu mir ſpricht,
Aus dem ſchlammigten Moraſt: Schau, in mir, die Wut der Triebe,
Jhr den Leib verzehrend Feur: Kurz, ein Bild misbrauchter Liebe.
No. 10.223Die Hirſche.

No. 10.

Jn einem rauhen Fichten-Wald, der ſehr verwildert iſt, doch ſchoͤn,
Seh ich hier einen edlen Hirſch, ſo, wie es ſcheint, voll Unmuth ſtehn.
Er ſcharrt begierig in den Sand, ich hoͤr ihn faſt fuͤr Eifer ſchnaufen;
Sein ſcharf Geweih durchfaͤhrt und ſtoͤrt den ihm geſunden Ameishaufen.
Man kann, in ſeinem ſtrengen Blick, ſo gar die Leidenſchaften ſehn.
Erwege, der du dieſes ſieheſt, wie weit die Wiſſenſchaften gehn,
Wie ſich die Kunſt ſo fern erſtrecket! So wie, durch ſchwarze Dinte, man
Unſichtbare Gedanken bilden, und Geiſter faſt verkoͤrpern kann,
Das ja gewiß ein Wunder iſt: So ſtellt, durch ſchwarze Far - be, hier,
Des Kuͤnſtlers Hand, auf dieſem Blatt, die Koͤrper faſt be - geiſtert fuͤr.
Mit wie viel Faͤhigkeiten nun, und Kraͤften unſrer Geiſter Weſen
Von einem hoͤhern Geiſt begabt, giebt dieſe Bilder - Schrift zu leſen,
Man kann ſich, wenn wir dieß Pappier, als der Natur Copie, beſchauen,
Des Urbilds Schoͤpfer ſelbſt zum Ruhm, daran ergetzen und erbauen.

No. 11.

Mit ergetzendem Erſtaunen, mit bewunderndem Vergnuͤgen,
Sieht man hier den ſtolzen Hirſch, gleichſam majeſtaͤtiſch, liegen.
Jch224Die Hirſche.
Jch bewundere, mit Ehrfurcht, den, der ſolcher Glieder Pracht
Dieſer Creatur geſchenkt. Aber, wird nicht auch bedacht,
Rief ich, durch die Kunſt geruͤhrt, wie, durch etwas ſchwarze Erde,
Solch ein Thier, als wenn es lebet, lebhaft vorgeſtellet werde?
Seht, es reget ſich der Hals! ſeht, ihn kroͤnet ſein Geweih;
Seht, wie jede Muskel, ſelbſt durch die Haut, zuſehen ſey.
Aus dem Auge guckt der Hirſchgeiſt. Kann man ſeiner Laͤufte Schalen
Haͤrte, Glaͤtt und Feſtigkeit deutlicher mit Farben malen?
Jn noch mehr, man ſieht mit Luſt, wie dieß Kunſt - erfuͤllte Blatt
Noch, vor allen andern Blaͤttern, was beſonders an ſich hat.
Man ſieht hier, durch Kunſt, die Kunſt ſich mit der Natur vereinen.
Jn der Baͤume Perſpectiv herrſcht die Ordnung, und es ſcheinen
Hier die Bilder keine Bilder, ſondern Koͤrper, die verſteint.
Wie nun alles, was man ſieht, nach dem Aug-Punkt ſich verkleint:
So vergroͤſſert ſich bey mir die Bewunderung der Kunſt,
Und zugleich der Preis des Schoͤpfers, deſſen Weisheit, Macht und Gunſt
Wir ſo manche Wiſſenſchaft, geiſt-und koͤrperliche Gaben,
So zur Luſt, als auch zum Nutzen, bloß allem zu danken haben.

No. 12.

Auf dieſem blumigt-flach-und luſtigem Gefilde,
Wovon das Auge kaum die Fern ergruͤnden kann,
Die Blicke den Verſchieß kaum zu erreichen taugen,
Sieht man verwunderlich faſt die Natur im Bilde,
Jm hier verſammelten ganz unterſchiednen Wilde.
Es225Die Hirſche.
Es ſieht dem Kuͤmmerer der Kummer aus den Augen;
Die ernſte Stellung zeigt des Gall-Thiers Alter an;
Der Hirſch-Kuh kann man es faſt aus den Augen leſen,
Daß ſie des Hirſches Brunſt ein Vorwurf ſey geweſen.
Das ſchlanke Schmahl-Thier zeigt der friſchen Jugend Spur.
Jedoch dieß Kupfer-Stuͤck zeigt uns das Wild nicht nur,
Es zeigt dieß Blatt ein Blatt des Buchs der Creatur.
Des Kuͤnſtlers Lettern ſind Figuren, die er fuͤget,
Daß eine ſolche Schrift daraus entſteht,
Worinn ſo Zug als Text des Schoͤpfers Ruhm erhoͤht,
Wenn jemand, der im Sehn ſie lieſt, ſich dran vergnuͤget,
Durchs Bild zum Urbild erſt, und dann zur Urquell geht.
Wen nun der ſchoͤne Stich und Kupferdruck behaget,
Der muß von der Copie die Zeichnung ſelbſt erſt ſehn;
Dann wird er, nicht allein, daß ich nicht gnug geſaget,
Auch daß man nicht davon gnug ſagen kann, geſtehn.
Br. VI. Th. PUeber226Ueber wilde Schweine

Ueber wilde Schweine.

1.

Kann man den ein Grunzen ſehn? Kann uns eine Wuͤ - ſteney,
Die nicht gegenwaͤrtig, ſchrecken?
Daß dieß beydes nuͤtzlich ſey,
Kann uns dieſes Blatt entdecken.
Lebt nicht dieſe Bache faſt? decket ſie nicht ſo natuͤrlich,
Und ſo ſorgſam ihre Zucht, die halb wild und halb poßirlich?
Solche Wunder wirkt die Kunſt. Aber laßt uns die Copey
Zu dem Urbild, der Natur, dieſe, zu dem Schoͤpfer leiten,
Jhn zu ehren, als die Quell der erſchaffnen Seltenheiten.

2.

Seh ich hier die wilden Kaͤuler, durch verworrne Hecken, dringen;
Seh ich ſie in ſchneller Fahrt ſo ergrimmt als fluͤchtig ſpringen:
Kann mein Blick kaum ſtille ſtehn, ſondern eilt mit ihnen fort,
Und mich deucht, ich hoͤr zugleich Grunzen, Raſcheln, Schreyen, Schnaufen.
Aber ſeh ich ungefehr die gezackten Fichten dort,
Jn ſo wirklicher Geſtalt: Stutz ich, und laß jene laufen,
Dem, der alles ſchafft, zum Ruhm, ſeh ich hier, in Thier und Straͤuchen,
Eine kuͤnſtliche Copey der Natur, in zweyen Reichen.

3.

Kann man ſich auch ohn Gefahr zu den wilden Hauern wagen,
Die hier recht lebendig ſcheinen, und ſo ſcharfe Waffen tragen?
Ja, der eine ſchlaͤft, der andre reibt ſich grunzend; wag es nur,
Tritt nur naͤher, und beſchaue die natuͤrliche Figur
Die -227Ueber wilde Schweine.
Dieſer Thier, auch in den Baͤumen, die leibhaftige Natur.
Schau den Stamm, der Rieſen - foͤrmig! ſcheint nicht ſeiner Blaͤtter Schatten,
Wie ihr Urbild, ſich zu regen? Luſt und Furcht ſcheint ſich zu gatten,
Jn dem dick verwachsnen Buſch. Wenn uns nun die Creatur
Eine Spur zum Schoͤpfer zeiget; zeigt die Kunſt hier eine Spur,
Zu der Creaturen Heer. Folglich kann, zu Gott zu ſteigen,
Jedem, der ſie recht gebraucht, ſie die erſte Sproſſe zeigen.

4.

Laͤßt ſich ein vergnuͤglichs Schrecken, ein geheim und ſchau - drigt Grauen,
Jm gewachſnen Walde, fuͤhlen; laͤßt hier dieſer ſchwarze Wald
Eben die Empfindungen, in faſt ſichtbarer Geſtalt,
Den in ihm vertieften Blick, mit nicht mindrer Regung, ſchauen?
Aber, welch ein ſtark Geraͤuſch! o! zuruͤck! ein ſchrecklich Schwein
Liegt erhitzt, dort in der Suͤhle, ſeinen duͤrren Brand zu kuͤhlen,
Unterm Buſch, im feuchten Schilf. Hoͤrt es ſchnaufen! ſeht es wuͤhlen,
Schaut, wie ſtroblich ſeine Borſten, wie ſo lang die Waffen ſeyn!
Wie des ſchlammigten Moraſts kaltes Bad es innig ruͤhre;
Deucht mich, daß ich in den wilden halb geſchloßnen Augen ſpuͤre.
Ein paar kluge Striche zeigen, von dem ungeheuren Thiere,
Selbſt die innre Leidenſchaft. Muß man denn nicht deſſen Geiſt,
Der, in ſeiner edlen Kunſt, uns ſo viele Wunder weiſt;
Der, was Gott in wilden Waͤldern fuͤr uns ſchuf, uns zu be - trachten,
Recht als wenn es lebte, zeiget; nicht bemuͤht ſeyn hochzuachten?
P 2Ueber228Ueber Haſen.

Ueber Haſen.

Wer bewundert nicht die Kunſt! da ſich hier der Haſen Geiſt,
Voller Furcht und dummer Einfalt, in ſo mancher Stellung, weiſt,
Sonderlich zeigt hier die Haͤſinn, in den Augen, Furcht und Grauen.
Wenn wir die geſpitzten Ohren des erhabnen Rammlers ſchauen:
Stehet dieſem kleinen Maͤnnchen alles ſo poßirlich an,
Daß man, uͤberlaut zu lachen, ſchwerlich ſich enthalten kann.
Wer dieß Bild vernuͤnftig ſieht, wird und muß den Meiſter loben.
Warum wird denn, der das Urbild noch viel trefflicher gemacht,
Nicht bewundert, nicht verehret, ſeine Weisheit nicht bedacht,
Seine Liebe nicht geruͤhmt, und ſein Allmacht nicht erhoben?
Die229Die Woͤlfe.

Die Woͤlfe.

Welchen Wild und oͤden Ort, welche grauſe Wuͤſteney,
Fuͤllt hier ein nicht minder wild - und entſetzliches Ge - ſchrey,
Ein abſcheuliches Geheul! welch ein grimmig Klaggetoͤn
Kann man, in fuͤnf offnen Rachen Fleiſch-begierger Woͤlfe, ſehn!
Ja mich deucht, ich ſehe gar, an verſchiednen ſchroffen Stellen
Dieſer Klippen - reichen Gegend, ſelbſt die Felſen wiederbellen.
So natuͤrlich iſt die Stellung, ſo lebendig die Figur
Dieſer Thiere vorgeſtellt, und die felſigte Natur,
Daß man faſt ein Echo hoͤrt; man vermeynt hier, nicht die Stimm
Nur zu hoͤren und zu ſehn; man ſieht nicht nur Wuth und Grimm,
Jn den tuͤckiſch ſchielen Augen, welches ein paar Strich uns weiſt,
Man ſieht gar, in ſchwarzen Koͤrpern, ſelbſt der Woͤlfe ſchwar - zen Geiſt.
Machet dieß denn nicht aufs neue, wie der menſchliche Verſtand
Faſt zu Wundern faͤhig ſey; unſerm Gott zum Ruhm bekannt?
P 3Flie -230Fliehendes Wild.

Fliehendes Wild.

Jn der Flucht des ſchnellen Wildes, flieht mein Blick mit ih - nen fort,
Und begreift nicht, wie er flieget, und doch an demſelben Ort
Bleibt, und ſchwebend feſte ſteht; da ich doch die Zweige krachen,
Buͤſch und Straͤucher raſcheln hoͤre, und die Bretter fallen ſeh,
Die der Hirſch durchbricht und umſtuͤrzt, ſamt dem leicht-und raſchen Reh,
Fortgepeitſcht von ſtrenger Furcht. Kaum kann ich die Wun - der-Sachen,
Berg und Thal und gruͤne Waͤlder, die nicht gruͤn ſind und nicht da,
(Die, ob ſie gleich nah und ferne, doch nicht fern ſind und nicht nah,)
Die, in dieſer ſchoͤnen Zeichnung, nicht, und doch gemalet ſtehn,
Vor der zweifelnden Bewegung der getaͤuſchten Augen ſehn.
Doch ſo viel beſinn ich mich, daß unmoͤglich auf der Erden,
Eines Thieres ſchneller Lauf aͤhnlicher gezeigt kann werden.
Jch beſinne mich noch ferner, daß die Kunſt hier eine Spur,
Zu den wunderreichen Werken der formirenden Natur,
Jn vernuͤnftgen Zuͤgen, weiſt. Da man billig hoͤher ſteiget,
Weil die Kunſt uns die Natur, die Natur den Schoͤpfer zeiget.
Die231Die Gemſen

Die Gemſen.

Auf der allerhoͤchſten Berge gaͤhen Wipfel fuͤhrſt du mich,
Edler Ridinger, hinauf; Blick und Geiſt muß mit dir ſteigen,
Wo kein Fuß je hingekommen, um mir, was auch dorten ſich
Vor Geſchoͤpfe finden laſſen, ihrem Herrn zum Ruhm, zu zeigen.
Hier, noch hoͤher als die Wolken, wird uns eine neue Welt,
Voller neuen Creaturen, in den Gemſen vorgeſtellt.
Soll ich erſt die ſteilen Klippen, ihre Spalten, ihre Kluͤfte,
Jhre fuͤrchterlichen Tiefen, die geborſtnen dunklen Gruͤfte;
Oder erſt die kuͤhnen Buͤrger dieſer unwirthbaren Hoͤhn,
Dieſes Licht-und Schatten-Reichs, dieſer Felſen-Welt beſehn?
Beyde laͤßt dein Zaubergriffel, ſondre Schwindel, ohne Grauen,
Uns, auf einem Blatt Papier, voller Luſt und Ehrfurcht, ſchauen.
Dieß Papier iſt ganz beſchrieben, und mit Lettern ausgeziert,
Wozu dir ſelbſt die Natur, durch die Kunſt, die Hand gefuͤhrt.
Dieſe Schrift iſt leſerlich; jeder kann den Jnhalt faſſen;
Daß der Schoͤpfer uͤberall ſich nicht unbezeugt gelaſſen.
Auch auf unerſteiglichen unwegbaren ſchroffen Hoͤhn,
Sind, in tauſend Wunderdingen, Gottes Wunder anzuſehn.
P 4Die232Die Luͤchſe.

Die Luͤchſe.

Welche Schrecken-reiche Hoͤhle, voller Spalten, voller Kluͤfte,
Welche Laſt gewoͤlbtert Felſen, voller tief - und dunklen Gruͤfte,
Welch ein wuͤrdigs Neſt der Thiere, deren heiſſen Durſt nach Blut,
Grimm, Gefraͤßigkeit und Bosheit, Hurtigkeit und Liſt und Wuth,
Jhre ganze Stellung weiſt! Kann man doch, faſt ohne Grauen,
Kaum die ſichere Copie, weil auch ſie faſt lebet, ſchauen.
Seht, wie die, bey ihren Jungen, grimmiglich die Zaͤhne bleckt,
Wie ein andrer dort bequem ſeine Tatzen von ſich ſtreckt,
Und, auch mit verdeckter Schaͤrfe eingezogner Krallen, ſchreckt.
Einer ſieht ſich grimmig um. Selber an der jungen Schaar,
Wird man eine junge Bosheit, kleine Tuͤcke ſchon gewahr.
Seht, wie jener alle Muskeln, zu dem nahen Raub, beſtimmt;
Wie, in ſeinem ſcharfen Blicke, recht ein wildes Feuer glimmt!
Sehet, wie der große dort mordbegierge Klauen kruͤmmt.
Doch warum, macht etwa jemand mir vielleicht hier einen Zweifel,
Zeugt, in Luͤchſen, die Natur, gleichſam eingefleiſchte Teufel?
Nicht umſonſt. Sie dienen uns. Man kann ſie zum Jagen nuͤtzen,
Und es muͤſſen ihre Baͤlge uns fuͤr ſcharfe Kaͤlte ſchuͤtzen.
Die233Die Fuͤchſe.

Die Fuͤchſe.

Seht! wie ein Gemiſch, von Falſchheit, Schmeicheln, Fraͤſ - ſigkeit und Liſt,
Hier, im Blick der ſchlauen Fuͤchſe, deutlich abgebildet iſt!
Ridingern iſts nicht genug, Koͤrper lebhaft vorzuſtellen;
Er zeigt unſern Augen gar dieſer Thiere haͤmiſch Bellen.
Ja noch mehr, er kann ſo tief in den Geiſt der Thiere dringen,
Jhn mit aller Leidenſchaft ſichtbar in ein Kupfer bringen,
Und der Fuͤchſe Geiſt von innen, recht heraus zu ſehen, zwingen.
Schau die junge Brut doch an! wie ein ſchelmiſches Gemuͤth,
Voller ſchmeichelnden Betrug, voller Schalkheit, voller Tuͤcke,
Und verſtellter Gleißnerey, aus faſt noch halb blindem Blicke,
Schon auf Fleiſch zu lauren ſcheint, ſchon auf Blut und Rau - ben ſieht!
Scheint nun gleich der ſchlimme Fuchs mehr zu ſchaden, als zu nuͤtzen,
Muͤſſen uns doch ihre Baͤlge fuͤr den ſcharfen Froſt beſchuͤtzen,
Und uns in der Kaͤlte kleiden. Alſo dient, wie Wolf und Luchs,
Doch, Trotz ihrer Schaͤdlichkeit, uns zum Beſten auch der Fuchs.
P 5Der234Der Rehe-Bock.

Der Rehe-Bock nebſt der Geis und ihren Jungen.

Hier weis wirklich unſer Geiſt ſich ſo bald nicht zu ent - ſchlieſſen,
Ob er ſehn ſoll, oder hoͤren. Laͤßt er ſeine Blicke ſchieſſen,
Auf die Thiere, die ſich regen, auf die Kunſt und die Natur,
Die in dieſem praͤchtgen Garten, ſo durch Farben, als Figur,
Majeſtaͤtiſch ſich verbinden; reizt ein angenehmer Schall,
Reizt ein ſprudelndes Getoͤſ, in dem weiſſen Waſſerfall,
Durchs Gehoͤr ſich zu vergnuͤgen. Ja noch mehr, das laute Saugen,
Und das ſchmatzende Getoͤn des geſchaͤfftgen Boͤckleins hemmt
Jhm, durchs Ohr, noch eine zeitlang dem Gebrauch der frohen Augen.
Endlich aber ſieht er wieder. Seht, wie ſich das Thierchen ſtremmt
Und mit kurzen Stoͤßen zieht! Jn der kleinen Schenkel Biegen,
Sieht man eine ſanfte Luſt. Und ein muͤtterlichs Vergnuͤgen,
Ein empfindliches Gefuͤhl, in der Geis Zung, Aug und Ohr,
Was ihr Jnnerſtes empfindet, giebt ſie aͤußerlich hervor,
Und man ſiehet, was ſie fuͤhlet. Seht, welch einen ernſten Geiſt
Der geſtreckte Rehe-Bock, der der ſanften Ruh geneuſt,
Welchen muntern ſeine Zucht, in der raſchen Stellung, weiſt.
Aber ſeht doch auch dabey, wenn ihr dieſen Abdruck ſehet,
Wie er, nebſt dem ſchoͤnen Urbild, unſers Schoͤpfers Macht erhoͤhet!
Die235Die Baͤhren.

Die Baͤhren.

Beym Anblick dieſer Beſtien, wird auch der Kuͤhneſte ver - ſtummen,
Man ſtutzt, man haͤlt ſich in Gefahr, die ſchwere Bratzen re - gen ſich;
Es drohen uns ſechs offne Rachen; man ſieht und hoͤrt recht fuͤrchterlich,
Ein wildes heiſeres Gebruͤll, ein Mord - und Blutbegierges Brummen.
Man ſieht hier ſchwere Laſten Fleiſch, von Grimm und Grauſamkeit belebt,
Und ob den einen gleich der Schlummer in einen tiefen Schlaf begraͤbt:
So fuͤrchtet man doch ſein Erwachen. Doch halt! ſie ſind ja nur gemalet,
Wir koͤnnen ſicher naͤher treten! komm laßt uns Farb und Form beſehn!
Muß jeder, ſo im Bild, als Urbild der ſtarken Baͤren, nicht geſtehn,
Daß auch aus ihnen, wie aus allem, ein helles Licht der All - macht ſtralet.
Die Maaß, auch in ſo plumpen Gliedern, ein Art von Großmuth in dem Geiſt,
Da er den Menſchen ungereizt, nicht leichtlich, ſchadet noch zerreißt,
Wo Hungen ihn nicht wuͤtig macht, noch mehr, die uns er - waͤrmnde Haut,
Womit er uns im Winter nuͤtzt, ſind einer weiſen Schoͤpfung Proben,
Es wird auch eine weiſe Vorſorg, in dieſem Thier, fuͤr uns geſchaut,
Wer wollte denn, auch in dem Baͤhren, des Schoͤpfers Lieb und Macht nicht loben!
Die236Die Loͤwinn.

Die Loͤwinn.

Jn der Thiere Koͤniginn regen Stellung ſieht man hier,
Muth und Sorge, Lieb und Grimm, recht verwunderlich vereinet.
Aus den Augen brechen recht dieſe Regungen herfuͤr,
So, daß ſie, nicht nach dem Leben nur gemalt, zu leben ſcheinet.
Seht, mit welcher Zaͤrtlichkeit, Vorſicht, Eifer, Sorg und Kraft,
Sie, zum Schutz, die junge Zucht unter ſich zuſammen rafft,
Und ſie, mit ſich ſelber decket! An der Jungen jungen Klauen,
Kann man ſchon die Art und Staͤrke, koͤnnen wir ſchon Loͤwen ſchauen.
Sehet den, mit einer Tatzen, ſeine Mutter gleichſam reizen,
Mit der andern ſich ſchon boͤſ, gegen ſeinen Schatten, ſpreizen!
Jn das flache Blatt-Papier, tritt das Thierhaus tief hinein,
Und man ſiehet, faſt mit Schrecken, wie die Gattern aufgezogen;
Denn es ſcheint, es kaͤm das Thier, gegen uns, herausgeflogen.
Geht die Bildungs-Kunſt nicht weit? Da ſie, nicht nur durch den Schein,
Unſer Augenluſt vermehrt, ſondern ſelbſt die Seele ruͤhret,
Und zu einer Creatur, ſo Bewundrung - werth, uns fuͤhret,
Die uns, wenn wir, wie ein Menſch denken ſollte, denken, leitet
Auf ein unbegreiflich Weſen, das ſo ſtarker Glieder Pracht,
Jn ſo richt’ger Eben - Maaß, nebſt dem Geiſt, hervorgebracht:
Und ein majeſtaͤtiſch Thier in dem Loͤwen zubereitet.
Die237Die Bieber

Die Bieber.

So oft ich hier vor dieſem Kupfer, wenn es im Zimmer haͤnget, ſtehe:
So deucht mich, daß ich in demſelben ein recht natuͤrlich-wirk - lichs Feld,
Und ein durchſichtig-klares Waſſer, aus einem offnen Fenſter ſehe.
Des Zimmers Wand ſcheint auf der Stell, als waͤr ſie in der That durchbrochen;
So gar natuͤrlich iſt die Landſchaft gebildet, und in Erz geſtochen.
Die beyden Bieber ſind ſo lebhaft in ihrer Handlung vorgeſtellt;
Man glaubt, man hoͤr und ſeh ſie nagen. Doch laßt uns nicht die Kunſt allein,
Laßt uns das Urbild, die Natur, zum Ruhm des Schoͤpfers, hier betrachten,
Und wie ſie dieſe Thiere, faſt mit einem weiſen Geiſt, verein!
Der faſt den Thiergeiſt uͤbertrifft, der unſerm ſich faſt naht, beachten,
Der Bieber Geiſt in Canada, daß nicht die Fluth ihr Neſt verſchwemme,
Haut große Balken, ſchleppt ſie fort, verbindet ſie, verfertigt Daͤmme,
Und leitet Stroͤme von ſich ab. Jſt dieſes nicht Bewunderns - werth,
Daß die Natur ſo plumpe Thiere ſo ſonderbare Kuͤnſte lehrt,
Und wird derſelben Quell und Herr, auch hierin, nicht mit Recht verehrt?
Mar -238Marder und Wieſel.

Marder und Wieſel.

Jn der ſo ſchoͤn - als wilden Landſchaft, ſind kleine boͤſe Buͤrger hier,
Von unterſchiedner Art, zu ſehn. So Stein-als Edel-Marder zeigen
Die raͤuberiſche Fertigkeit, hier in den Hoͤhlen, dort auf Zweigen,
Sammt ihrer kleinen wilder Bruſt. Wie ſchaͤdlich nun das kleine Thier,
So nuͤtzt es uns dennoch nicht minder. Die Baͤlge decken uns im Froſt.
Die Loſung riechet, recht wie Bieſam, die Maͤuſe dienen ihm zur K oſt.
Auch ſchleicht die Wieſel hier herum, die auch, mit ihren guten Werken,
Nicht ſonderlich beliebt ſich macht, je dennoch iſt von ihr zu merken,
Daß ſie, nicht nur der Maͤuſ und Ratzen, ſie iſt zugleich der Schlangen Feind.
Jhr Balg heilt ſelber ihren Biß, der giftig ſeyn ſoll, und man meynt,
Ob heil ihr Blut die boͤſe Sucht. Hieraus nun wird aufs neu entdeckt,
Wie auch in Thieren, welche ſchaͤdlich, ein noch viel groͤßrer Nutzen ſteckt.
Die239Die Jltiß.

Die Jltiß.

Die Ordonanz in dieſem oͤden und recht verwildertem Gefilde,
Jſt wuͤrdig, daß man ſie betrachtet; es zeigt von dem erſtorb - nen Baum,
Ein duͤrrer Aſt ſich auf dem Stamm des abgehaunen Stamms, im Bilde,
So deutlich, daß man, durch den Schatten, den Sonnenſchein faſt warm erblickt,
Wodurch zugleich ſich, im Verſchieß, die Fluth und das Ge - buͤrge ſchmuͤckt.
Doch halt! was regt ſich auf dem Vorgrund? ich ſeh hier unvermuthet vier
Blutgierig Eyerdiebe wuͤhlen; man kann in ihren Augen ſchier
Den ſchwarzen kleinen Mord-Geiſt ſehn. Sie wuͤrgen mehr, als ſie verzehren,
Und ſaugen, aus zerbißnen Koͤpfen der Tauben und der Huͤner, Blut.
Doch, auſſer daß ſie unſre Haͤuſer von Maͤuſen und von Ratzen leeren:
So kommen dieſe Thier uns Menſchen auf andre Weiſe noch zu gut.
Jndem ſie gar nicht koſtbar fallen: Hat Gott auch Armen wollen goͤnnen,
Daß ſie, mit dieſer Thiere Baͤlge, in ſcharfem Froſt, ſich waͤr - men koͤnnen.
Die240Die wilden Katzen.

Die wilden Katzen.

Seht! wie in des wilden Waldes dunkel - gruͤner Schatten - Nacht,
Auf dem duͤrr - und morſchen Baum halb ergrimmt, halb laͤ - cherlich,
Dort ein bunter wilder Kater einen Katzenbuckel macht!
Seht, wie mit entflammten Augen hier ein andrer uͤber ſich,
Schon im Sprung begriffen, ſieht! ſeht, wie muͤtterlich die Katze
An den naͤrriſchen Figuren ihrer Jungen ſich vergnuͤgt,
Und, indem ſich eines welzt, eines mit geſtreckter Tatze,
Springt, und ſich im Sprunge dreht, eine ſich poßirlich biegt,
Und den regen Ruͤcken kruͤmmt, innig ſich zu freuen ſcheint!
Jſt dieß Thier nun gleich ſehr ſchaͤdlich, nuͤtzt es mehr doch, als man meynt,
(Welches wir erkennen ſollten) denn, ſo bald ſie aufgerieben,
Wird, mit ihren bunten Baͤlgen, große Handelſchaft getrieben.
Da man ſie, nicht nur im Winter gegen ſtrenge Kaͤlte traͤgt;
Sondern er auch gegen Fluͤſſe wunderbare Kraͤfte hegt.
Damm241Damm-Hirſch.

Damm-Hirſch.

So natuͤrlich hat der Damm-Hirſch den herabgezognen Aſt,
Vom belaubten Eich-Baum, hier, mit den Zaͤhnen, an - gefaßt,
Daß mich deucht, ich ſeh den Zweig, da der ſcharfe Biß geſchehn,
Mit geſchwind - und ſchnellem Ruck, wieder in die Hoͤhe gehn.
Daß im uͤbrigen, auf Erden, die nie muͤßige Natur
Unerſchoͤpflich im Formiren, davon zeigt das Damm-Wild hier
Uns von neuen eine Prob, und ein unleugbare Spur.
Von dem andern rothen Wilde, weiſet ſich dieß bunte Thier,
So an Farb als Form, verſchiedlich. Auſſer den vier Augen - Sproſſen,
Gleicht faſt ſein Geweih den Schaufeln; ſeine meiſtens weiſſe Haut
Wird, zu unſrer Augenluſt, oͤfters ſchoͤn gefleckt geſchaut.
Und ſein noch viel zarter Fleiſch wird mit mehrer Luſt genoſſen.
Wenn wir denn an dieſem Thier, nebſt dem Gaum, das Auge laben:
So vergeßt nicht, dem zu danken, dem wir es zu danken haben.
Br. VI. Th. QDas242Das Eichhorn und der Dachs.

Das Eichhorn und der Dachs.

Zwey ganz unterſchiedne Thiere ſtellt dieß ſchoͤne Kupfer hier,
Und in ſelbigen die Traͤgheit, auch die Munterkeit, uns fuͤr,
Nebſt der Faulheit und dem Fleiß. Eines lebt auf hohen Zweigen,
Fliegt faſt mehr noch, als es ſpringt, ſammlet in dem kleinen Neſte
Seinen Vorrath, und (was merklich) allezeit das Allerbeſte;
Wobey denn, bey jeder Handlung, ſie ſich ſehr poßirlich zeigen.
Da der traͤge Dachs hingegen in der ſchwarzen Erde graͤbt,
Seine meiſte Zeit verſchlaͤft, und vom eignen Fette lebt,
Das zu vielen Dingen dienlich, wie nicht weniger die Haut,
Sammt dem ziemlich ſanften Haar, woraus, nebſt noch andern Sachen,
Wir das beſte Maler - Werkzeug, auſerleſne Pinſel, machen.
Wenn das Eichhorn, welches man faſt nicht ohne Lachen ſchaut,
Uns mit raſcher Gaukeley, nur vergnuͤgt in ſeinem Leben;
Kann der Dachs, was an ihm gut, uns nach ſeinem Tod erſt geben.
Jn den beyden, wie in allen, zeigt ſich eine weiſe Macht
Deſſen, der ſo mancherley Creatur hervor gebracht.
Die243Die Fiſch-Ottern.

Die Fiſch-Ottern.

Wer bewundert nicht die Hoͤhle! wer ergetzet ſein Geſicht
An der unterirdſchen Landſchaft Schrecken-reicher Schoͤn - heit nicht!
Wer bewundert der Bewohner ſo des Landes, als der Fluth,
Der recht moͤrderiſchen Ottern, nimmerſatten Fraß und Wuth
Nicht, mit einem halben Grauen! Seht, wie lebhaft alles iſt!
Seht doch, wie das Otter-Paar ſo natuͤrlich Fiſche frißt!
Schien des ſtrengen Waſſerfalles Rauſchen es nicht zu ver - wehren;
Deucht mich, daß man ihren Biß deutlich wuͤrde knarſchen hoͤren.
Wie dieß Thier, zu ſeiner Nahrung, recht Bewunderns-werth formirt,
Muß man halb erſtaunt geſtehen. Kopf und Schwanz und Balg und Klauen
Laſſen eine weiſe Vorſorg, einen weiſen Endzweck ſchauen.
Ob man nun gleich oft, durch ſie, Schaden in den Teichen ſpuͤrt:
Wird doch, durch die ſchoͤnen Baͤlg, oft auch der Verluſt erſetzet,
Da man ihr ſchoͤn glaͤnzend Haar beſſer, als der Biber, ſchaͤtzet,
Und zun feinſten Huͤten braucht. Ja es ſoll den Schwindel mindern,
Und ein Strumpf von Otterbalg podagraͤmſche Schmerzen lindern.
Wird man alſo, wenn wir denken, wie wir ſollen, auch ſo gar
Selbſt an Ottern, nebſt dem Nutzen, einer weiſen Macht gewahr.
Q 2Der244Der Loͤwe.

Der Loͤwe.

Welch ein ſtrenges wirklich Feuer, welch ein hell und dunk - les Licht
Flammet in des Leuen Augen, ſtralt heraus, dringt durchs Geſicht,
Trifft und ſchrecket unſern Geiſt, daß er, gleichſam ſelbſt durch - ſtralet,
Nur mit Muͤh ſich faßt und denket: Jſt dieß Feur doch nur gemalet.
Welche finſtre Majeſtaͤt herrſcht in dieſem ganzen Thier!
Seiner Nerven, Muskeln, Knochen, Rieſen-foͤrmiger Verband
Zeiget, unter andern Thieren, ſeinen koͤniglichen Stand.
Eine Art von ernſter Großmuth, nebſt der Staͤrke, ſtellt ihn mir
Recht als einen Herkules, unter andern Thieren, fuͤr.
Sein beſtaͤndiger Begleiter (ob er ihn gleich ſelbſt nicht kennt)
Jſt der Schrecken, welcher ſich nie von ſeiner Seiten trennt.
Wenn ich hier den Bau des Koͤrpers, wenn ich hier die Leuen-Seele,
Jn dem Abdruck, gnug bewundert, und das Urbild, dem zur Ehr,
Der es ſo vortrefflich ſchuf, ſtets bewundre mehr und mehr:
Werd ich dort, noch in der Tiefe der geborſtnen Felſen-Hoͤhle,
Jn verſchiednen Handlungen, ein entfernte Loͤwen-Schaar,
Mit nicht weniger Bewundrung, und mehr Sicherheit, gewahr.
Da denn ſonderlich die Felſen ſo natuͤrlich, daß es ſcheint,
Durch des Kuͤnſtlers Zauber-Griffel, waͤre ſein Papier verſteint.
Das245Das Rennthier.

Das Rennthier.

Mein erfrorner Blick erſtarrt, da ich wahres Eis, auch Schnee,
Und von Eis - Gebirg - und Schollen, alles hier erfuͤllet, ſeh.
Mich verblendet dieſe Weiſſe, die die ſchwarze Luft noch ſtaͤrkt,
Daß mein Auge kaum die Stralen der entfernten Sonne merkt,
Welche, mit gefaͤrbten Streifen, die beeiſte Luft verguͤldet.
Wird denn hier, durch Schwaͤrz und Schatten, Schnee und Glanz und Licht gebildet?
Doch was faͤhrt daher? ein Rennthier. Moͤchte doch auch dieß gefrieren,
Daß ich es betrachten koͤnnte! Gut. Es ſtarrt, es ſtehet ſtill,
Und, als ob es ſich von uns recht beſchauen laſſen will,
Scheinet es, zum fernern Lauf, alle Kraͤfte zu verlieren.
Welch ein ſtark und raſches Thier! welch ein praͤchtiges Geweih,
Das ſich vorn und hinten ſtreckt! wie ein Pferd iſt es gemaͤhnet,
Einem Kalbe gleicht ſein Haupt. Einige ſind wild und frey;
Andere ſind, uns zum Dienſt, zahm, und ſonderbar gewoͤhnet.
Dieſes Thier nun zu erhalten, ſind die Koſten gar nicht groß,
Denn es kratzt, zu ſeiner Nahrung, ein verworfnes weiſſes Mooß,
Das in oͤden Feldern waͤchſt, ſelber unterm Schnee, herfuͤr,
Und dennoch ſind Fleiſch und Haut, Knochen, Sehnen, Milch und Haar,
Alleſamt dem Menſchen nuͤtzlich. Wird denn, auch in dieſem Thier,
Seines Schoͤpfers Weisheit, Allmacht, ſamt der Huld, nicht offenbar?
Q 3Das246Das Elend - Thier.

Das Elend-Thier.

Welch ein ſonderbar Geſchoͤpf! halb ein Hirſch und halb ein Pferd,
Wovon das Original, auch die kuͤnſtliche Copie,
Beyde, daß man ſie bewundert, und, mit ernſten Blicken, ſie,
Der Natur und Geiſter Urquell bloß zum Ruhm, betrachtet, werth.
Sein Geweih iſt ganz beſonders, und als ſonſt kein Thier es traͤget,
Eines Adlers Schwingen gleich, wenn er ſie herunter ſchlaͤget.
Von der Klaue ſaget man, daß ſie große Kraͤfte heget,
Und im Krampf und Nerven-Schmerzen, Linderung und Huͤl - fe bringet.
Da die Dicke ſeiner Haut weder Stich noch Hieb durchdringet:
Braucht man ſie an Panzers ſtatt, da ſie Schirm und Nutzen bringet.
Seines Koͤrpers Schwere gleichet einer ziemlich ſtarken Kuh.
Vorn am Halſe iſt es zottigt, aber glatt nach hinten zu.
Um ſein langes Ober-Maul, ſoll man es, nicht vorwerts gehen,
(Daß es ihm nicht hindr im Graſen,) ſondern ruͤckwerts wei - den ſehen.
Langen Durſt und ſchwere Arbeit, iſt es tuͤchtig zu ertragen.
Doch da ich dieß Kupfer ſeh, zwingt mich faſt die Kunſt zu fragen:
Ob die kluge Schwaͤrz am Thier mehr die Landſchaft wei - chen macht,
Oder ob die linde Landſchaft es noch mehr herausgebracht.
Die247Die Leoparden.

Die Leoparden.

Eine ſehnliche Begier: Was er ſiehet, zu zerſtuͤcken,
Schielt, nebſt Mordluſt, Unvergnuͤgen, haͤmiſchen ge - ſchwinden Tuͤcken,
Grauſamkeit, Wuth, Grimm und Gram, aus des Leoparden Blicken.
Sein am Kopf gedrucktes Ohr, ſein von Blut-Durſt duͤrrer Rachen,
Voller ſcharf-und ſtarker Zaͤhne, gleichen einem wahren Drachen.
Jſt doch, in des Todes Werkzeug, den gekruͤmmten ſtarken Klauen,
Und der ſchweren Pfoten Laſt, faſt der ſichre Tod zu ſchauen.
Aber welche ſanfte Triebe, welche Luſt, in ihrer Ruh,
Sieht man die von ihren Jungen ausgeſogne Mutter fuͤhlen!
Der geſchloßnen Augen Lied deckt ihr grimmig Feuer zu,
Und es ſcheint, ſie fuͤhl, im Traum, ihrer jungen Welpen Wuͤhlen.
Wie ſo ſanft, gelenk und weich, liegt ihr Koͤrper ausgeſtreckt!
Daͤchte man, daß in demſelben ein ſo harter Geiſt verſteckt?
Was iſt ferner nicht fuͤr Schoͤnheit auf der Thiere Balg zu ſehn!
Welche Farben! heiſſet man ſie nicht recht erſchrecklich ſchoͤn?
Doch ich muß, bey dieſer Schoͤnheit, leider eins noch zugeſtehn,
Ob mir gleich fuͤr das Geſtaͤndniß dieſer bittern Wahrheit graut,
Nemlich daß, nicht nur bey Thieren, Schoͤn - und Bosheit oft verbunden;
Ach wie oft wird unter Menſchen, unter einer ſchoͤnen Haut,
Auch ein Leoparden-Geiſt, voller Neid und Wuth, gefunden!
Q 4Ein248Ein neues Geſtirn.

Ein neues Geſtirn.

O Gott! wie herrlich iſt der Himmel! wie uͤber Wunder Wunder-ſchoͤn
Sind, in den Tiefen, deine Schaaren, o Herr der Schaaren, anzuſehn!
Wie lieblich glaͤnzen, ſpielen, blitzen, wie feurig ſchimmern, flammen, funkeln
Die ungemeßnen großen Lichter der Welt-und Sonnen-Heer, im Dunkeln!
Wie kraͤftig ſtralt, von ihrer Groͤße (ſind ſie gleich, durch die Ferne, klein,)
Der von ſo vielen Billionen gefuͤgter und getheilter Schein!
Wenn Heiden dieſe helle Koͤrper, da ſie ſo unausdruͤcklich ſchoͤn,
Ob ihrer Groͤße, Glanz und Pracht erſtaunt, fuͤr Goͤtter an - geſehn:
Scheint auch in ihrer Finſterniß ein Art von Gottesdienſt zu ſtecken.
Ein Art von Andacht koͤnnen wir, in ihrem Jrrthum, ſelbſt entdecken.
Daher entſteht mit Recht die Frag, ob die Viel-und Abgoͤtterey
Nicht ehe zu entſchuldigen, und nicht viel minder ſtraͤflich ſey,
Als wenn wir, wie von uns geſchicht, vernunftlos nur fuͤr guͤldne Zwecken
Sie anzuſehen, uns nicht ſchaͤmen, da wir, faſt viehiſch, uns bemuͤhn,
Durch Blendung unſrer Seelen-Augen, uns der Betrachtung zu entziehn.
Zwar iſt es laͤcherlich genug, wenn ſie, mit abgeſchmackten Bildern,
Das Firmament bemuͤht geweſen, nach ihrer Phantaſey, zu ſchildern,Und249Ein neues Geſtirn. Und zwar ohn alle Gleichheit, Urſach, ohn alle Deutlichkeit und Klarheit,
Ohn einigen Zuſammenhang und den geringſten Schein der Wahrheit.
Wenn aber doch in der Erfindung, wie ſeltſam ſie ſie gleich verbunden,
Und ſchlecht gefuͤgt, doch wenigſtens ein Art von Ordnung wird gefunden:
Waͤr es vielleicht der Muͤhe werth, der Bilder Ordnung zu verbeſſern,
Von den unfoͤrmlichen Figuren die Deutlichkeiten zu ver - groͤßern,
Und von der unbekannten Schrift, in weniger verwirrten Zuͤgen,
Doch einen etwas klaͤrern Eindruck und deutlichern Begriff zu kriegen.
Mit den Gedanken ſah ich juͤngſt den hellgeſtirnten Him - mel an,
Und fiel das praͤchtige Geſtirn, ſo man Caſſiopea nennet,
Das meiſtens culminirt, und nimmer von unſerm Horizont ſich trennet,
Zu allererſt mir ins Geſicht. Es kam deſſelben Bildung mir
Als wie, mit aufgeſperrtem Rachen, das Haupt von einem Drachen, fuͤr,
An welchem ſich ein krummer Hals, auf einer ausgeſchweiften Bruſt,
Und einem runden Leib, der ſich bis an die Pleiades erſtreckte,
Aus Perſeus und Meduſa Kopf, nebſt den Triangeln, klar entdeckte.
Den ſo genannten Ochſen-Kopf ſah ich, mit nicht geringer Luſt,Q 5Ein250Ein neues Geſtirn. Ein wohlgezeichnet krummes Bein ihm, an dem rechten Ort, formiren.
Man ſiehet dieſen Drachen-Koͤrper zween ausgeſpannte Fluͤ - gel zieren,
Die von einander ausgeſperrt, am rechten Ort, in rechter Maaße.
Der eine, der ſich etwas kruͤmmt, und an der rechten Seiten ſaße,
Jſt in der zierlichſten Figur, der, welchen man Auriga nennt.
Den linken macht Andromeda, der Schwan, die Ey -
dex bis zur Leyer.
Man kann nicht ohn Erſtaunen ſehn, in welchem hellen Glanz und Feuer
Dieß herrlich prangende Geſtirn, wenn man es alſo fuͤget, brennt.
Nachhero zeigt ſich unſern Augen Orion, welcher die Figur
Von einem Helden hat, der kaͤmpfet, der nahe bey dem Dra - chen ſteht,
Der ſeinen Schild mehr gegen ihn, als gegen ſeinen Ochſen, dreht,
Und ſelben zu verfolgen ſcheinet. Derſelbige vermehrt nicht nur
Dieß Sternen-Bild; Es geben mir die hier ſo nett geſtirnten Schranken
Verſchiedne, kuͤnftig wohl einmal noch zu eroͤffnende, Gedanken.
Die Zeichnung iſt ſo rein und richtig; man folge dieſer Vorſchrift nur,
So findet ſich, aus lauter Sternen, die nett gezeichnete Figur.
Man brauchet keines andern Umſtrichs; es macht der Sternen Stand und Schein,
Ohn alle Huͤlf und Kuͤnſteley, die deutliche Figur allein. Ein251Ein neues Geſtirn. Ein ſolches Bild nun macht recht deutlich, in wohlgefuͤgetem Verband,
Faſt von dem ganzen Firmament der meiſten Sternen Ort und Stand,
(So daß, wenn man nur einen ſieht, man auch die andern weis,) bekannt.
Jn dem (wie es uns ſcheint) verwirrten und Bilder-loſen Stand der Sternen,
Jſt man, durch dieſes Bild, geſchickt, auf eine leichte Art zu lernen,
Wie ein Geſtirn dem andern folgt. Auch duͤrft auf dieſe Weiſe ſich
Die Menge heidniſcher Erfindung-und Namen, die theils laͤ - cherlich,
Theils ſchimpflich, mit der Zeit vielleicht, aus unſerer Jdee entfernen.
Naͤchſt dieſem zeigt uns der Gedanke noch ferner etwas großes an,
Das uns zu Gott, durch ſeine Werke, in ſtiller Ehrfurcht, leiten kann.
Denn da ich aller Sternen Menge, woraus dieß Sternen-Bild beſteht,
Samt ihrem ungemeßnen Abſtand, und die ſo ungeheure Groͤße,
Von einem jeden unter ſich, mit meines Geiſtes Blick, ermeſſe:
So wird die unumſchraͤnkte Macht des Schoͤpfers wuͤrdiglich erhoͤht,
Der viele Billionen Sonnen, in vielen Billionen Sternen,
Die viele Billionen Meilen weit von einander ſich entfernen,
Und ſelbſt viel tauſend Meilen groß, im tiefen Himmels-Raum formirt,
Der alle Boden-loſe Tiefen, mit Stralen, Licht und Glanz, geziert,
Der, aus dem Abgrund ſeiner Klarheit, und undurchdringlich hellen Licht,Als252Ein neues Geſtirn. Als wie aus einem tiefen Meer, in vielen kleinen Quellen bricht,
Woraus man, wie Anbethungs-wuͤrdig, und groß der Gottheit Weſen iſt,
Am allerdeutlichſten erblickt, am allerwuͤrdigſten ermißt.
Aus dem, daß aller Himmel Lichter und ungezaͤhlter Sternen Schaaren
Jn unverruͤcktem Abſtand ſind, nunmehr ſeit ſo viel tauſend Jahren,
Und ſo fuͤr uns, als unter ſich, beſtaͤndig an demſelben Ort,
So unveraͤndert ſtehn, erhellt, wie unveraͤnderlich ſein Wort,
Wie unveraͤnderlich ſein Wille, wie ungeſchwaͤchet ſeine Macht,
Da er ſo unverruͤckt erhaͤlt, was er aus nichts hervor gebracht.
Wann die Bewundrung nun in uns der Seelen edelſt Ei - genſchaft,
Und der durch ſie erzeugte Preis derſelben beſte Frucht und Kraft;
Wer wollte denn den Herrn der Sterne, in ſeiner Schaaren Pracht, dort oben,
Jn ehrerbietigſter Bewundrung, nicht ehren, preiſen, ruͤhmen, loben?
Der253Der lehrende Vogel.

Der lehrende Vogel.

So oft ich, mit dem fruͤhen Tag,
Die Voͤgelchen zu fuͤttern pflag,
Jn einem kleinen Vogelhauſe, mit Tannen rings umher beſetzt:
Hab ich, an ihrer netten Bildung, an ihrer Farben Schmuck und Pracht,
Zum Preiſe des, der ſie ſo zierlich, ſo kuͤnſtlich-bunt und ſchoͤn gemacht,
Mit ſolcher Munterkeit begabt, ſo ſchoͤn gebildet, mich ergetzt.
Die rege Fertigkeit derſelben, das Wunder ihrer ſchnellen Schwingen,
Der kleinen Augen ſuͤſſe Schwaͤrze, ihr Schweben, Huͤpfen, Schlupfen, Springen,
Der kleinen Koͤpfchen hurtigs Drehn, und ungezaͤhlte Gaukeleyen,
Mit welchen ſie, faſt nimmer ſtill, ein ſie betrachtend Aug erfreuen,
Wenn ſie, bald an den ſchwauken Zweigen, die ſie durch ihre Buͤrde biegen,
Bald uͤber-und bald unterwaͤrts, im Hangen, hin und her ſich wiegen,
Vergnuͤgten mich recht ungemein. Vor andern aber war ein Zeischen,
Das eben nicht beſonders ſchoͤn, indem es rauch war, wie ein Maͤuschen,
So mich inſonderheit ergetzte. Es war ſo heimlich, und ſo zahm,
Daß es die Koſt mir aus der Hand, ja oͤfters aus dem Mun - de, nahm;
Es ſcheut und fuͤrchtete mich nicht; es zeigt ein voͤlliges Ver - trauen;
Und daher kunnt ich mich nicht ſatt an dieſes kleine Thierchen ſchauen.
Jch254Der lehrende Vogel.
Jch trug an ſein ſo freundlich Weſen, und ſein vertrauli - ches Betragen,
Ein ihm gewogne Gegen-Neigung, und recht ein inniges Be - hagen.
Hieruͤber fielen mir nun einſt die troͤſtlichen Gedanken bey:
Daß dieſes Thierchens liebreich Weſen uns ein erbauend Bey - ſpiel ſey.
Da wir, in uns, durch ein Vertrauen zu uns, ein Art von Anmuth ſpuͤren;
Wie ſollt ein kindliches Vertrauen nicht den, der uns erſchaf - fen, ruͤhren.
Wo etwas an der Menſchen Seele dem ewgen Vater kann gefallen,
Muß es ein gaͤnzliches Vertrauen, (indem man dadurch ihm allein,
Sich gleichſam in die Arme wirft; ihn uͤber alles ſchaͤtzet) ſeyn.
Dieß iſt ein ihm gefaͤllig Opfer, das ſein erbarmend Herz, vor allen,
Was wir ihm geben koͤnnen, ruͤhrt. Lieb, Andacht, Demuth, Zuverſicht,
Sind unſrer Seelen beſte Kraͤfte, wodurch ſein Vaterherze bricht.
Mich deucht, ich ſeh, in ſeinem Weſen, die Tiefen ſeiner Liebe wallen:
Er ſehnet ſich, uns wohl zu thun. Wir duͤrfen uns nur ihm ergeben;
Wodurch wir, neben ſeiner Liebe, auch ſeine weiſe Macht erheben.
So hat denn heut ein Voͤgelein, durch ſein Betragen, uns gelehrt:
Es ſey der beſte Gottesdienſt, wenn wir auf ſeine Guͤte bauen,
Und daß man Gott, im kindlichen und zuverſichtlichen Vertrauen,
Am allerſicherſten gefaͤllt, am allerwuͤrdigſten verehrt.
Jch255Der lehrende Vogel.
Jch hatte dieß Gedicht des Abends ſpaͤt gemacht.
Wie ich nun fruͤh, mein Voͤgelchen zu ſehen,
Jhm und den andern Futter bracht:
War es bereits um ihn geſchehen.
Jch fand ihn todt, erſtarrt, und ohne Leben liegen.
Hieruͤber ſtutzt ich recht. Mich uͤbernahm,
Eh ich mich recht beſann, ein bittrer Gram;
Es preßt und druͤckt mich recht ein innig Unvergnuͤgen.
Doch faßt ich bald darauf mich wieder,
Und dacht: Es koͤmmt mir gleichſam fuͤr,
Als ob dieß kleine Thier
Nur darum bloß ſo lange leben wollen,
Bis ich, durch ihn gereizt, die aufgeſetzten Lieder
Verfertigen und machen ſollen,
Die wirklich, ſonder ihn, zu Gottes Ehren,
Wohl nicht verfertigt worden waͤren.
So haſt du auf der Welt was nuͤtzliches vollbracht,
Geliebtes Thier, und ſtirbſt zu rechter Zeit.
Drum ſag ich dir, wiewohl nicht ſonder Zaͤrtlichkeit,
Die letzte gute Nacht.
Und wo vielleicht, geliebtes Voͤgelein,
Da nichts zu nichts wird, und vergehet,
Dein kleines Geiſtchen noch beſtehet:
So wuͤnſch ich, daß ihm wohl mag ſeyn.
Ver -256Verkehrtes Beginnen.

Verkehrtes Beginnen.

Kann denn bey dem, was wir, auf Erden, vom Schoͤpfer wunderwuͤrdigs ſehn,
Wann wir es Gott zum Ruhm gebrauchen, der Seelen Sorge nicht beſtehn?
Jſt dieſes nicht unſtreitig wahr, wenn der Geſchoͤpfe Pracht uns ruͤhret,
Daß ſie zu ihrem großen Urſprung, zur Gottheit, Staffel-weiſ uns fuͤhret?
Wer alſo Gottes Werk verachtet, und ſeiner Creaturen Prangen,
Der ſtoͤßt die untre Leiter um, um auf die obre zu ge - langen.
Noͤthi -257Noͤthige Leſe-Schule.

Noͤthige Leſe-Schule.

Der Jdee vom Natur-Buch dacht ich neulich bey mir nach,
Bis mich deucht, daß die Natur ſelber folgends mit mir ſprach:
Jhr verſtehet eure Woͤrter, und ihr koͤnnet Schriften leſen,
Meynt ihr denn, daß ihr allein Woͤrter habt, und Schriften kennet,
Da ihr doch derſelben Zeichen bloß allein durch mich benennet?
Es ſind meine Red-und Schriften immer in der Welt geweſen.
Nehmt mein A B C zur Hand, das ſind Koͤrper und Figuren,
Von ſo mancherley verhandnen ungezaͤhlten Creaturen.
Berge, Baͤume, Thier u. Kraͤuter, ſamt dem Meer u. denen Sternen,
Sind ſo laut, als ſtumme Lettern. Aber ihr muͤßt leſen lernen.
Euer Leſen lernet ihr, und gewiß nicht ſonder Muͤh;
Jſt denn meine Schrift nicht werth, euch mit etwas Ernſt, um ſie
Zu begreifen, zu bequemen,
Und, des großen Jnhalts halber, etwas Muͤh zu uͤbernehmen?
Meine Lettern koͤnnen euch unvernehmlicher nicht ſcheinen,
Als wenn ihr Arabiens krummgezogne Schriften ſeht,
Da ihr doch, durch etwas Muͤh, ihren Jnhalt bald verſteht,
Und ihr duͤrfet, daß die meinen ganz unlesbar ſind, nicht meynen.
Ja, geſetzt, ihr koͤnnet nicht ihren Jnhalt bald ergruͤnden:
Werdet ihr ſchon Weisheit gnug faſt in jeder Letter finden.
Jeder Buchſtab iſt ein Buch, welches voller weiſen Lehren,
Jeder Koͤrper eine Schrift, welche, zu des Schoͤpfers Ehren,
Macht und Lieb und Weisheit weiſt. Fange doch nun jedermann,
Jn dem großen Buch der Welt, erſt zu zu buchſtabiren an.
Machet ihr euch hier geſchickt, fertig nur zu buchſtabiren,
Als wozu ihr, hier auf Erden, glaublich nur beſtimmet ſeyd:
Werdet ihr vermuthlich faͤhig, und geſchickt, nach dieſer Zeit,
Auf der rechten hohen Schulen, zu des Schoͤpfers Preis und Ehr,
Als des Buchs der Creatur wahren Jnhalt, mehr und mehr,
Jm beſtaͤndigen Entzuͤcken ewig ſelig, zu ſtudiren.
Br. VI. Th. RWan -258Wankelmuth der Menſchen.

Wankelmuth und Unachtſamkeit der Menſchen.

Wie oft und vielmal wuͤnſchten wir,
Als uns der Winter alle Zier
Der gruͤnenden Natur beraubet,
Das Kraut erſtickt, die Baͤum entlaubet;
Da Feld und Wald mit Schnee bedeckt;
Da uns der rauhe Nordwind ſchreckt:
Ach wenn der Fruͤhling wiederkaͤme,
Und die Beſchwerde von uns naͤhme!
Ach wenn die Luͤfte klar und rein,
Erwaͤrmt vom hellen Sonnenſchein,
Und lau, und ſanft, und lieblich waͤren!
Ach koͤnnte man, in hellen Choͤren,
Die bunten Voͤgel wieder hoͤren!
Ach ſaͤhen wir die gelben Aehren
So angenehm als ungemein,
Bey ſanfter Kuͤhlung, lieblich wallen!
Ach moͤcht, in flieſſenden Kryſtallen,
Des gruͤnen Ufers Wiederſchein
Zu ſehen ſeyn!
Wie wollten wir uns denn nicht freuen!
Wir wollten Lob und Dank erneuen.
Jetzt ſeht und hoͤrt ihr alles das,
Was ihr gewuͤnſcht. Es iſt erſchienen
Die Zeit, die ſo erwuͤnſchte Zeit.
Die Welt iſt voller Lieblichkeit;
Es ſtehet jetzt, durch Laub und Gras,
So Feld, als Wald, im holden Gruͤnen.
Es ſind die Luͤfte klar und rein,
Erwaͤrmt, vom heitern Sonnenſchein.
Jhr259Wankelmuth der Menſchen.
Jhr koͤnnet jetzt, in hellen Choͤren,
Die bunten Voͤgel ſingen hoͤren.
Jhr ſehet jetzt die gelben Aehren,
So angenehm als ungemein,
Bey ſanfter Kuͤhlung, lieblich wallen.
Jhr ſeht, in flieſſenden Kryſtallen,
Des gruͤnen Ufers Wiederſchein;
Wie? wollt ihr euch denn nicht erfreuen,
Und Preis und Lob und Dank erneuen?
Warum wollt ihr es nicht genieſſen?
Und laſſet dieſen Tag verflieſſen,
Als wie den geſtrigen? Waruͤm
Vernehmt ihr nicht die Suͤßigkeiten,
Der ſchoͤnen Creaturen Stimm?
Die euch in dieſen ſchoͤnen Zeiten,
Durch jeden Sinn, in vielen Choͤren
Euch reizt, den Schoͤpfer zu verehren?
Jhr ſeht unachtſam vor euch nieder;
Man ſieht an Minen und Geſicht,
Daß etwas euch ergetzet, nicht.
Man hoͤrt nicht Dank-nicht Lobes-Lieder.
Wie ſchnell verfliegt die ſchnelle Zeit!
Wollt ihr mit eurer Luſt denn warten,
Bis Wieſen, Feld, und Wald, und Garten
Entlaubt, verwelket und beſchneit?
Um dann zu wuͤnſchen, was ihr itzt,
Ohn daß ihr es erkennt, beſitzt?
Damit, wenn ihr es wiederkrieget,
Mit einem ungeruͤhrten Sinn,
Jhr euch ſo wenig, wie vorhin,
An aller Herrlichkeit vergnuͤget?
R 2Das260Das beſte Opfer, und Troſt.

Das beſte Opfer.

Mein Schoͤpfer, in empfundnem Gluͤcke,
Jn Sicherheit und ſanfter Ruh,
Bring ich hier dieſe Augenblicke,
Die du mir ſchenkeſt, froͤlich zu.
Jch ſeh ſie an als dein Geſchenke,
Und dieß vergroͤßert meine Luſt,
Und das Vergnuͤgen meiner Bruſt,
Daß ich dabey an dich gedenke.
Jch will dein Lob vergnuͤgt erzaͤhlen;
Und weil ich ſonſt nichts geben kann:
So nimm, o Herr, zum Opfer an,
Die Freude der geruͤhrten Seelen.

Zuverſichtlicher Troſt.

Da ein Sterblicher dem Naͤchſten ſein Vergehn ſoll ſieb - zigmal
Siebenmal des Tags vergeben,
Selbſt nach Chriſti Unterricht;
Mit wie vieler Zuverſicht
Kann man ſich zu Gott erheben,
Da er die ſelbſtſtaͤndge Liebe, Huld, Barmherzigkeit und Leben,
Und Vergebung von ihm hoffen: Waͤr die Suͤnd auch ohne Zahl.
Ein261Ein Gott-gewidmetes Herz.

Ein der Gottheit gewidmetes Geſchenk.

Recht mitten in vergnuͤgter Luſt, umringt mit tauſendfachen Segen,
Mit vielem Guten uͤberſchuͤttet, empfind ich eine Traurigkeit,
Weil fuͤr ſo unverdientes Gluͤck, ſo ungezaͤhlter Gaben wegen,
So mancher großen Wohlthat halber, zumal in dieſer holden Zeit,
Jch nichts dem großen Gober habe, zu ſchenken, oder zu erwiedern.
Denn Danken, wodurch bloß allein,
Es ſey in Schriften oder Liedern,
Wir uns zuweilen uͤberreden, dem Schoͤpfer angenehm zu ſeyn,
Jſt ja von ſo geringem Werth, daß wir uns billig ſchaͤmen muͤſſen,
Als wenn dieß unſre Schuld bezahlte, und Gott vergnuͤget ſey, zu ſchlieſſen.
Jedoch, ein ſonderbarer Troſt faͤllt mir in dieſem Trau - ren bey.
Es fragt ſich, ob dieß mein Betruͤben nicht eine Frucht des Hochmuths ſey?
Will ich der Gottheit was vergelten? Der Schoͤpfer Him - mels und der Erden
Will, ſoll, und kann derſelbe wohl von einem Wurm belohnet werden?
Aus lauter Gnad und Liebe ſchenken, nicht, um Belohnung zu genieſſen,
Jſt eigenklich der Gottheit eigen, und kann nur aus der Gott - heit flieſſen.
Da ich mich nun noch einſt bemuͤhe, ob denn ſo gar nichts auszudenken:
So faͤllt mir doch ein einzigs ein: Jch will ihm meine Freude ſchenken.
R 3Ver -262Vermahnung.

Vermahnung.

Wenn ihr den Schoͤpfer in den Koͤrpern, und durch die Sinnen, wie ihr ſollet,
Jn froͤlicher Bewunderung, mit Lob und Dank nicht ehren wollet:
So denkt doch einmal, was ihr thut.
Jhr achtet Gottes Ordnung nicht;
Jhr haltet Gottes Werk nicht werth,
Daß man die Seel, auch durchs Geſicht
Und andre Sinnen, auf es kehrt.
Da uns der Schoͤpfer hier in eine mit ſo viel Pracht erfuͤllte Welt,
Die nicht von ungefaͤhr entſtanden, geſetzet: da er unſre Seelen
Mit unſerm Koͤrper hier verbunden,
Sie, nebſt dem Koͤrper, durch die Sinnen, mit andern Koͤr - pern zu vermaͤhlen,
So weiſ, als liebreich, gut gefunden,
Auf eine ſo Bewundrungs - werth, als unbeſchreiblich-weiſe Weiſe:
So ſcheints, ob wolltet ihr euch lieber nicht freun, um ihn nur nicht zu ehren.
Man ſieht uns, ſeinem Ruhm zum Nachtheil, zur Minderung von ſeinem Preiſe,
Die weiſen Ordnungen verkehren,
Und gar der Bibel ſelbſt zuwider, die uns ſie zu betrachten heißt.
(Da wir ja ſelbſt noch koͤrperlich, und rings mit Koͤrpern noch umgeben:) Doch263Vermahnung. Doch gegen ſeinen weiſen Willen auf dieſer Welt nicht anders leben,
Als ſollten wir ſchon hier entkoͤrpert, und auf der Welt nichts ſeyn, als Geiſt,
So uns jedoch dann allererſt, wann wir vom Koͤrper abge - ſchieden,
Nach unſers Schoͤpfers weiſen Ordnung, wird kuͤnftig vor - behalten ſeyn.
Doch wird, nach dieſer unſrer Meynung, im Geiſtlichen, des Geiſts Gebrauch,
Als der den Leib weit uͤbertrifft, durchaus nicht ausgeſchloſſen; nein.
Nur iſts nicht recht, daß man die Mittel, wodurch die Seele ſelbſt ſich beſſert,
Wodurch ſie gleichſam zunimmt, waͤchſet, und ihre Groͤße ſich vergroͤßert,
Durch einen Stolz, der faſt unleidlich, ja in demſelben den verachtet,
Durch welchen ſie und alles iſt. Man ſucht ſie gleichſam zu entgeiſtern,
Und todt zu ſeyn, noch eh man todt. Des großen Schoͤpfers Wunder-Gaben,
Die wir zu dieſem Zweck allein,
Daß unſer Schoͤpfer, im Geſchoͤpf, von uns moͤcht angebethet ſeyn,
Und in Bewunderung derſelben mit Luſt verehrt, empfangen haben,
Verlieren wir, da wir dieſelben nicht achten, nicht betrachten wollen.
Hingegen das, ſo wir vermuthlich allhier noch nicht erlangen ſollen,R 4Und264Vermahnung. Und uns dereinſt, wenn ohne Koͤrper wir bloß allein
Verklaͤrte Geiſter werden ſeyn,
Uns dann erſt wird beſchaͤfftigen; ſucht man mit aͤngſtigem Bemuͤhn,
Mit aller koͤrperlichen Dinge Verachtung, hier herbey zu ziehn.
Der Schoͤpfer hat euch Leib und Seel fuͤr euch, zu Seiner Ehr, gegeben,
Jhr wollet, ohne Leib und Sinnen, wie ihr es nennet, geiſtig leben.
Halb koͤrperlich nur, ohne Sinnen, und halb nur geiſtig, komme ihr mir,
Nicht koͤrperlich, auch geiſtig nicht, und recht als wie Geſpen - ſter fuͤr.
Wohl -265Gebrauch unſerer Sinne.

Wohleinzurichtender Gebrauch unſrer Sinne.

Wie wunderſchoͤn iſt doch der Himmel! wie ſchoͤn die Fluth! wie ſchoͤn die Welt!
Wie ſchoͤn iſt alles, was der Schoͤpfer, zu unſrer Luſt, uns vor - geſtellt!
Mein Geiſt wird, durch der Sinnen Thuͤr, da alle Dinge ſo geſchmuͤckt,
Zumal wenn er an den gedenkt, der ſie ſo ſchoͤn geſchmuͤckt, entzuͤckt.
Ach laß mich, Herr, du ewge Guͤte, zu deines Namens heil - gen Ehren,
Jn ihrer Schoͤnheit, dich zu preiſen, ſo wohl mich ſelbſt, als andre lehren!
Gott will, man ſoll ſich hier vergnuͤgen, an ſeinen Werken, die ſo ſchoͤn;
Sonſt haͤtt er ſie ſo wunderbar, mit ihrer mannigfachen Pracht,
Und uns nebſt ihnen, ſie zu nuͤtzen, ſo kunſtreich nicht hervor gebracht.
Er ſchenkt ſie uns; er ſchenkt uns Sinnen, wodurch wir ſchme - cken, hoͤren, ſehn,
Sie riechen und ſie fuͤhlen koͤnnen; er ſchenket uns das Son - nenlicht:
Wir aber brauchen unſre Sinnen und unſers Geiſtes Kraͤfte nicht.
Man macht ſich fuͤhllos, taub und blind, Geruch-und Schmack - los, ja man reißt,
Von Gottes hier erſchaffnen Werken und ſeinen Wundern, un - ſern Geiſt,R 5Und266Gebrauch der Sinne. Und zwinget ihn der Ordnung Gottes, die will, man ſoll auf Erden leben,
Man ſoll ſich ſeiner Huld hier freun, man ſoll ſein herrlich Lob erheben,
Theils durch Gewohnheit, theils Exempel verfuͤhret, ſtets zu - wider ſtreben,
Und alle Kraͤfte anzuwenden, hier reich und ſelig dort zu ſeyn;
Als waͤren wir, zu ſolchem Endzweck und in der Abſicht bloß allein,
Auf dieſe Welt geſetzet worden, daß wir, als waͤren wir nicht hier,
Nicht ſehen muͤßten, was wir ſehn, und das nicht hoͤren, was wir hoͤren.
Wenn man der Menſchen Thun erweget: So ſcheint es recht, als meynten wir,
Gott ſey nur in der kuͤnftgen Welt, in dieſer gar nicht, zu verehren.
Wenn Gott von uns, nur bloß aufs Kuͤnftge zu denken, haͤtte haben wollen;
Wozu denn haͤtten ſeine Werke, nebſt unſern Sinnen, dienen ſollen?
Wer heißt uns ſo aufs Kuͤnftge denken, daß wir der Gegen - wart vergeſſen,
Und Gottes Liebe, Weisheit, Macht, auf Erden, druͤber nicht ermeſſen?
Auf Erden hat er uns geſetzt. Wir wollen nicht auf Erden leben.
Wir wuͤrden, wenn wir fliegen koͤnnten, gewiß uns von der Erden heben.
Heißt dieſes nicht des Schoͤpfers Ordnung recht augenſchein - lich widerſtreben? Da,267Gebrauch der Sinne. Da, wenn wir uns an ſeinen Wundern, im Gegenwaͤrtigen, ergetzten,
Und ſeine herrliche Geſchenke, als herrliche Geſchenke, ſchaͤtzten,
Wir, durch vernuͤnftigen Gebrauch der hier von Gott ge - ſchenkten Gaben,
Uns ſelbſt geſchickter machen wuͤrden, auch kuͤnftig etwas guts zu haben.
Es machet uns die heilge Schrift ſelbſt einen Felſen-feſten Grund,
Wie hoch das Jrdiſche zu ſchaͤtzen, in Moſis Fluch und Se - gen kund.
Jch habe lange dieſen Ort und andre nicht verſtehen koͤnnen,
Weil mir ein ſtarkes Vorurtheil nicht wollen die Erklaͤrung goͤnnen:
Jetzt aber ſeh ich ſonnenklar, wie, nebſt den uͤbrigen Propheten,
Auch Moſes Gottes Ordnung weiſt, daß man des Jrdiſchen vonnoͤthen,
Daß es nicht ſo veraͤchtlich ſey, wenn, nebſt Geſundheit, Freud und Frieden,
Auch Nahrung und Bequemlichkeit uns und den unſrigen be - ſchieden.
Noch ſtellet das Exempel Adams uns ein Exempel, das ſo klar,
Und auſſer allen Widerſpruch, vor unſer aller Augen dar.
Womit haͤtt er im Paradieſe ſich ſonſten wohl beſchaͤfftgen koͤnnen,
Als Gottes Allmacht zu bewundern, in der Geſchoͤpfe Schmuck und Pracht,
Und, gegen den, der ſolche Wunder, aus weiſer Lieb, hervor - gebracht,Durch268Gebrauch der Sinne. Durch nimmer muͤßiges Betrachten, in Gegenliebe zu ent - brennen?
Jn Kirchen waͤr er nicht gegangen; kein alt noch neues Te - ſtament
Haͤtt er gehabt, noch haben koͤnnen; einfolglich wuͤrde bloß allein
Das ſchoͤn und große Buch der Welt ſein heilge Schrift ge - weſen ſeyn,
Worin er einen großen Schoͤpfer, aus jeglichem Geſchoͤpf, er - kennt.
Dieß waͤr das rechte Buch der Weisheit, worin was rechts von Gott zu leſen,
Von ſeiner Weisheit, Lieb und Macht, fuͤr ihn in dieſer Welt geweſen.
Erwegt man nun den Unterſcheid,
Der itzt bey uns auf Erden herrſcht, und meiſt aus Unem - pfindlichkeit,
Und Unerkenntlichkeit beſteht, woraus die faule Traͤgheit flieſſet,
Des Schoͤpfers Allmacht zu bewundern: So ſcheints, daß man nicht unrecht ſchlieſſet,
Daß der Verluſt des Ebenbildes der Gottheit hierin ſonderlich,
Und faſt am meiſten, mit beſteht, daß wir, fuͤr ſeine Huld und Gaben,
Ein ſolches unaufmerkſames, ſolch dank-und fuͤhllos Herze haben,
Daß man nicht Himmel, Meer, noch Erde, nicht Thier und Pflanzen, ja nicht ſich,
Als goͤttliche Geſchoͤpf erkeñet, nichts unſerer Betrachtung werth,
Noch dank-noch ruͤhmenswuͤrdig ſchaͤtzt, und folglich nicht den Schoͤpfer ehrt;
Ja eben durch ein ſolch Betragen, voll Unerkenntlichkeit, auf Erden,
Wir uns ſelbſt ungluͤckſelig machen, und wirklich ungluͤckſelig werden.
Viel -269Gebrauch der Sinne.
Vielleicht zeigt dieſes klaͤrer noch, und mehr, als ſonſt was zeigen kann,
Am deutlichſten uns einen Fall, und der Natur Zerruͤtkung an.
So laßt uns doch nach allen Kraͤften, uns aus der Tiefe zu erheben,
Uns unſers Schoͤpfers Huld zu freuen, wie Adam vor dem Fall, zu leben,
Und unſerm Gott die Ehr allein in aller Creatur zu geben,
Jm rechten Brauch von unſern Sinnen, mit froher Andacht, uns beſtreben;
Um (wenn wir nicht ſo, wie zuvor, des Hoͤchſten Ordnungen verachten,
Die uns auf dieſe Welt geſetzt, mit Luſt ſein Allmacht zu be - trachten,)
Uns durch die gegenwaͤrtgen Freuden, und die uns hier geſchenk - ten Sachen,
Zu jenen kuͤnftigen uns faͤhig, bereit und recht geſchickt zu machen.
Wann aber auch das Wollen ſelber nicht einſt in unſern Haͤnden ſteht,
Und wir aus uns faſt nichts vermoͤgen, noch wozu tuͤchtig ſeyn: So fleht
Jm großen Sohn den Vater an, daß er, um ihn recht zu er - heben,
Uns ſelbſt aus Gnaden dazu wolle das Wollen und Voll - bringen geben.
Sin -270Sinnen-Schule.

Sinnen-Schule.

Oculus non videt, cum animus alias res agit. ()
Welch eine Menge fremder Dinge bemuͤht ſich nicht der Menſch zu wiſſen!
Wie viele Kuͤnſte, Sitten, Sprachen ſind, die wir alle lernen muͤſſen,
Und eins der allernoͤthigſten, das uns faſt bloß zu Menſchen macht,
Schlaͤgt man, zu unſerm groͤßten Schaden, recht unvernuͤnf - tig aus der Acht.
Wir glauben, es ſey gar nicht noͤthig, mit Ernſt zu lernen und zu lehren,
Wie wir recht riechen, fuͤhlen, ſchmecken, recht ſehen koͤnnen und recht hoͤren.
Warum? wir ſehn und hoͤren ja. Wer leugnet dieſes? Es iſt wahr,
Wir hoͤren, fuͤhlen, riechen, ſchmecken und ſehn: Doch wie der Thiere Schaar,
Ohn alles Zuthun unſrer Seelen, ohn auf das, was wie ſinn - lich ſpuͤren,
Mit Einſicht und Vernunft, zu achten, ohn auf die Quell zu reflecciren.
Es ſcheint, wenn wir es recht erwegen, als wenn der Men - ſchen beſte Gabe,
Die Seele, mit der Sinne Wundern nichts uͤberall zu ſchaf - fen habe;
Als waͤren ſelbige nicht wuͤrdig, daß wir ein ſonſt beſchaͤff - tigt Denken,So271Sinnen-Schule. So wenig auf die Sinne ſelbſt, als ihre Vorwuͤrf hinzu - lenken,
Nur die geringſte Muͤh uns geben. Man ſiehet, hoͤret, rie - chet, ißt,
Ohn daß man, wie die Faͤhigkeit ſey eine Gottes Gab, ermißt,
Ohn daß wir auf der Sinnen Vorwuͤrf, ob ſie gleich nicht zu zaͤhlen, achten.
Wir ſollten, ohn Erſtaunen nicht, nicht ſonder Ehrfurcht, dieſe Welt,
Jn die der Schoͤpfer uns geſetzet, und ſie den Menſchen vor - geſtellt,
Sie durch die Sinnen zu genieſſen, die Sinnen ebenfalls nicht ſehn.
Die Seele ſollte fuͤr die Gaben, auch fuͤr das Werkzeug, Gott erhoͤhn.
Worin kann doch die Menſchheit ſonſt ſich unterſcheiden von den Thieren?
Wozu ſoll die Vernunft ihr nuͤtzen; gebraucht er ſich derſel - ben nicht,
Um durch die Sinnen zu betrachten, was herrlichs hier, durch Gott, geſchicht?
Die Seele kann, nur durch die Sinnen, wie weiſ und lieb - reich Gott, verſpuͤren.
Sie aber trennt ſich ungluͤckſelig mit ihrem Denken von den Sinnen;
Sie ſieht und hoͤret ohne Denken; einfolglich hoͤrt und ſieht ſie nicht.
Des Schoͤpfers in den Creaturen uns angeſteckte Weisheit - Licht
Ruͤhrt ihre Sinnen, wie der Thiere, von auſſen, aber nicht von innen,Be -272Sinnen-Schule. Betruͤbt iſts, daß man ſagen muß: Es kann fuͤrwahr das dummſte Thier,
Mit keinem wenigern Betrachten, mit keinem mindern Ueberlegen,
Des Schoͤpfers herrlich Werk beſehn, den ſchoͤnen Schmuck der Welt erwegen,
Und minder einer Gottheit Stral in ſelbiger erhoͤhn, als wir.
Jch habe juͤngſt von ungefahr, von meinen Schafen eins geſehn,
Jn einer aufmerkſamen Stellung, mit großen offnen Augen, ſtehn,
Als wenn es das bebluͤmte Feld, und wie die ſchoͤne Welt ſich ſchmuͤckte,
Recht inniglich dadurch geruͤhrt, mit rechter Achtſamkeit er - blickte.
Jch wunderte mich erſt daruͤber, allein, ich ſahe ploͤtzlich, daß
Es ſeinen aufgehobnen Kopf, mit ſchnellem Ruck, zur Erden buͤckte,
Und daß es, mit bewegtem Kiefer, in aller Aemſigkeit, ſein Gras,
Als wenn es nichts geſehen haͤtte, ohn ferners Sehn und Den - ken fraß.
Ach! dacht ich, handelteſt du ſo, mein Schaͤfgen, mit der Welt allein!
Ach moͤchteſt du doch nicht von uns ein gar zu aͤhnlich Sinn - bild ſeyn!
Wenn wir das Sinnen mit den Sinnen und den Geſchoͤp - fen nicht vereinen:
So kann uns, von des Schoͤpfers Werken, faſt nichts Betrach - tungs-wuͤrdig ſcheinen.
Ja wir vermoͤgen, auf der Welt, den Schoͤpfer ſelber nicht zu finden,
Wo wir mit unſrer Sinnen Kraͤften der Seelen Kraͤfte nicht verbinden. Jch273Sinnen-Schule. Jch ſtutzt hieruͤber, und mit Recht, daß ſo viel Menſchen nicht verſpuͤren,
Wie, durch den Geiſt und ſeiner Trennung, ſie ſich, die Welt, ja Gott verlieren.
Es hat ja wohl durch Adams Fall, wovon wir in der Bi - bel leſen,
Kein groͤßer Ungluͤck auf der Welt den Menſchen uͤberkommen koͤnnen,
Als da, bey unſers Schoͤpfers Werken, in uns ſich Seel und Sinnen trennen,
Die ehedem, im Paradieſe, unſtreitig ſind vereint geweſen,
Wodurch ſo viele tauſend Sproſſen, in unſrer Luſt zu Gott zu ſteigen,
Auf aller Creaturen Leiter, ſich unſerm Geiſte nicht mehr zeigen,
Wofern wir, durch ein neu Betragen, nicht auch ein neues Mit - tel finden,
Die Leiter wieder zu ergaͤnzen; und Geiſt und Sinnen zu ver - binden.
Wozu iſt uns der Sinnen Werkzeug, wozu iſt uns der Geiſt gegeben?
Zu welchem Zweck ſind ſie vereint? in welcher Abſicht iſt die Welt
So wunderwuͤrdig? wir in ſie geſetzt, und ſie uns vorgeſtellt,
Als daß wir ſie genieſſen ſollen, und, im Genieſſen, Gott er - heben?
Nun aber kann von beyden keins, wenn Sinn und Geiſt getrennt, geſchehn.
Wir koͤnnen, ohne Denken, nicht empfinden, auch nicht Gott erhoͤhn.
Die Sinnen, ſonder Geiſt, ſind todt; kein Ohr vernimmt, kein Auge ſieht,Br. VI. Th. SWenn274Sinnen-Schule. Wenn, mit den herrſchenden Gedanken, ein ſonſt beſchaͤfftigtes Gemuͤth
Von ihnen abgeſondert iſt. Ach! liebſte Menſchen, lernet dann,
Da man, mit unvereinten Geiſt und Sinnen, hier ſich nicht vergnuͤgen,
Des Schoͤpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmoͤg - lich danken kann,
Mit allem Ernſt von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geiſt zu fuͤgen!
Jn Kindern ſtecket noch ein Trieb, die Creaturen anzuſehn,
Und ihre Schoͤnheit zu bewundern, Figur und Farben zu er - wegen.
Wir aber unterdruͤcken ihn, da wir ſie zu verlachen pflegen,
Und laſſen den ſo edlen Samen dadurch in ihnen untergehn.
Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schoͤpfers Werk bemerkten,
Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdruͤckten, ſondern ſtaͤrkten,
Wir wuͤrden eine neue Welt, die ſich, an Gottes Wunder-Gaben,
Auf Adams Art vor ſeinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es iſt nicht ſchwer, ihr duͤrfet nur, mit Ernſt, euch allge - mach bemuͤhn,
Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn,
Und euch beſtreben, euer bald zu fluͤchtig-bald zu traͤges Denken
Oft auf die Vorwuͤrf eurer Sinnen, und eure Sinnen ſelbſt zu lenken.
Jhr duͤrft nur, wenn ihr etwas ſchmeckt: es ſchmeckt ſchoͤn, zu euch ſelber fagen.
Wenn ihr was ſeht, was ſeh ich hier? wenn ihr was hoͤrt: was hoͤr ich? fragen.
So bald wir nun auf ſolche Weiſe, was wir genieſſen, recht genieſſen,Auf275Sinnen-Schule. Auf eine neue Weiſe fuͤhlen, verſpuͤren, ſchmecken, hoͤren, ſehn,
Wird ohne Zweifel ein Bewundern in der geruͤhrten Seel entſtehn.
Es wird aus der Bewunderung, fuͤr Gott ein frohes Lobgetoͤn,
Da man als Geber ihn entdeckt, auch Ehre, Preis und Dank entſprieſſen.
Da ſonſt, wofern es nicht geſchicht, wenn wir dereinſten ſter - ben muͤſſen,
Wir (ohne von des Schoͤpfers Wundern auf dieſer Erden was zu wiſſen,
Da wir ihn nicht gehoͤrt, geſpuͤrt, gefuͤhlt, geſchmecket und geſehn,)
Dem Schoͤpfer eine leere Seele, von ihn bewundernden Jdeen,
Und von metalliſchen nur voll, nach unſerm Abzug von der Erden,
Wohl nicht zum lieblichen Geruch und Opfer, uͤberliefern werden.
S 2Macht276Macht des Aberglaubens.

Macht des Aberglaubens.

Jch laſ in einer Reiſ-Beſchreibung erſtaunet juͤngſt, daß, auf der Erden,
Gewiſſe Voͤlker ſollen ſeyn,
Die bey dem fruͤhen Sonnenſchein,
Mit laut-und eifrigem Gebeth, und mit andaͤchtigen Gebehrden,
Die Haͤnde gegen ſie erheben,
Und ſich, in einer ſolchen Stellung, in einen tiefen Strom begeben,
Den graͤuliche, gefraͤßige, und blutbegierge Crocodillen,
Jn großer Meng, erfuͤllen,
Jn Hoffnung, durch derſelben Rachen,
Sich einen Weg ins Paradies zu machen.
Ob nun der Autor dieſes Buchs die That, mit einem kal - ten Muth,
Fuͤr Grillen ſchilt: Fand ich mich doch, durch dieß Betragen, ſehr geruͤhrt,
Und zwar dadurch um deſto mehr, als dieſer Menſchen heilge Wuth,
Jn einem ſchoͤnen Kupferſtuͤck, womit daſſelbe Buch geziert,
Sehr deutlich vorgeſtellet war. Jch ſah das ſchoͤne Sonnenlicht
Am Horizont, mit vielen Stralen,
Den Himmel, und zugleich den Fluß im Wiederſchein, recht lieblich malen;
Jch ſahe ganze Heerden Menſchen andaͤchtige Gebehrden zeigen,
Und, mit erhabnen Aug-und Haͤnden, in das fatale Waſſer ſteigen,
Woraus bald hier, bald da, bald dort erſchrecklich haͤßliche Figuren,
Von277Macht des Aberglaubens.
Von Crocodill-und Waſſer-Drachen, mit aufgeſperrten Ra - chen, fuhren,
Die ungluͤckſeligen Vergnuͤgte, die ſich mit Fleiß zu ihnen drungen,
Bald hie bald dort ergrimmt ergriffen, zerfleiſcht-zerquetſchten und verſchlungen.
Durch dieſen Anblick faſt erſtarrt, empfand ich ſchreckende Jdeen
Jn meiner aufgebrachten Seele, mit Mitleid untermiſcht, ent - ſtehen,
So daß ein tief gehohlter Seufzer aus meiner Bruſt voll Schwermuth brach,
Und ich, mit einem heilgen Gram erfuͤllet, zu mir ſelber ſprach:
O Gott! du Schoͤpfer aller Dinge, unendlichs All! voll - kommner Geiſt,
Selbſtaͤndig ewge Lieb! o Vater von allem, was da Kinder heißt!
Der du die innern Triebe ſiehſt, die Abſicht weißt, den Zweck erkenneſt,
Von dieſen irrenden Geſchoͤpfen, die Menſchen ſind, ſo wohl als ich,
Da ſie ganz uͤberzeuglich glauben, und ſich verſichern, daß ſie dich,
Mit ihres eignen Leibes Opfer, verſoͤhnen und dich ehren koͤnnen,
Wenn ſie, voll Hoffnung, unverzagt, dem ſchwarzen Tod in Ra - chen rennen.
Wie unerforſcht iſt dein Gericht, wie unbegreiflich ſind die Wege,
Die du mit dieſen Menſchen gehſt.
Jch zittere, wenn ich mit Ernſt, auf welche Weiſe ſolche That,
Die ſo viel Finſterniß und Blindheit, als Lieb und Eifer, in ſich hat,
Von dir gerichtet werden wird, nach jedem Umſtand uͤberlege,
Und ſtell in tief gebuͤckter Demuth, o ewge Weisheit, dir allein
Und deiner ewgen Lieb anheim, wie ſie vor dir gerichtet ſeyn.
Nur wend ich mich, um dieſen Eifer, im Gottesdienſt, mit dem, den wir,
S 3Darin278Macht des Aberglaubens.
Darin bezeugen, zu vergleichen. Jch ſtutz und ich erſtaune ſchier.
Die Menſchen, die in ſolcher Blindheit und dickſten Finſterniſſen leben,
Die laſſen eine ſolche Sucht, der Gottheit zu gefallen, ſehn,
Ein ſolches brennendes Verlangen, und ſolch ein feuriges Be - ſtreben,
Mit dem ſich wieder zu vereinen, aus dem ſie glauben zu entſtehn.
Wir aber, die wir uns im Licht und mitten in der heilgen Klarheit
Des Evangelii befinden, betragen uns in unſrer Wahrheit,
Dem aͤuſſerlichen Anſehn nach, nicht anders, als wenn unſre Lehre
Ein Unglaub, und der andern Unglaub ein recht-und wahrer Glaube waͤre.
Man kann, aus dieſer Handlung, noch ein uͤberzeuglich Bey - ſpiel nehmen,
Zu welchen irrigen Jdeen der Menſchen Seelen ſich bequemen,
Wenn ihnen etwas in der Jugend, und ehe ſie zum Denken tuͤchtig,
Als Wahrheit vorgeſtellet wird. Man nimmt ſo Wahr-als Thorheit an,
Und beydes klebt ſo feſt an uns, daß man ſich nicht befreyen kann,
So lange man hier lebt, es ſey die Meynung naͤrriſch oder richtig.
Un -279Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.

Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.

Wie manche Luſt, wie manche Freude
Erreget uns zur Fruͤhlingszeit,
Durch tauſendfache Lieblichkeit,
Das wunderſchoͤne Weltgebaͤude!
Was zeigt der Sonnen nahes Licht
Vor Pracht und Anmuth dem Geſicht!
Was laͤßt uns jetzt, in ſuͤſſen Choͤren,
Der Voͤgel buntes Heer nicht hoͤren!
Was macht die Luft, die lau und kuͤhl,
Nicht vor Vergnuͤgen dem Gefuͤhl?
Jn Kraͤutern und in Fruͤchten ſtecken
Viel Saͤfte, die uns lieblich ſchmecken.
Wie ſind die Luͤfte balſamiret,
Die im Geruch die Seele ſpuͤret,
Durch das gefaͤrbte Blumenheer!
Und kurz: Ein rechtes Anmuths-Meer,
Das lauter Wunder in ſich haͤlt,
Erfuͤllet jetzt die ganze Welt.
Bey allen dieſen Wunderwerken,
Worin die Gottheit klar zu merken,
Und welche von ihr Zeugen ſind,
Jſt mancher Chriſt dennoch ſo blind,
Daß er dieſelben nicht betrachtet,
Nicht ſie, nicht ihren Herrn beachtet.
Ja, wenn auch Gott noch irgendwo
Fuͤr das, ſo er uns hier erwieſen,
Mit Worten etwan, wird geprieſen:
So wird man deſſen doch nicht froh.
S 4Es280Unbegreifliche Gleichguͤltigkeit.
Es ſcheint, als hielte mans zu klein,
Und keiner Achtung werth zu ſeyn.
Da wir, von unſers Schoͤpfers Gaben,
Solch ein vortreffliches Gedicht
Jm Luthriſchen Geſangbuch haben:
So weis es auch ein ſolcher nicht,
Der der vortrefflichen Geſaͤnge
Erhabnen Jnhalt, Wort und Menge
Faſt ſonſten auf den Finger weis.
Wie ich denn einſt erfahren mußte,
Daß einer, der gewiß der Preis
Von allen Geiſtlichen, nicht wußte,
Daß das vortrefflich-ſchoͤne Lied,
So man in allen Buͤchern ſieht: Geh aus, mein Herz, und ſuche Freud,
Jn dieſer ſchoͤnen Sommerszeit.
Dergleichen ich noch keines funde,
Und welches ihm, da man es ſang,
Jns Jnnerſte der Seelen drang,
Jm Luthriſchen Geſangbuch ſtunde.
Und dieß hab ich, von vielen Frommen,
Mit bitterm Mitleid, wahrgenommen.
Wodurch Verwundrung, Grimm und Gram
Ob dem Betrieb mich uͤbernahm.
Mein Gott, wo koͤmmt doch immermehr,
Gedacht ich, ſolche Schlafſucht her?
Die leider jetzt ſo allgemein,
Daß auch ſogar in Lehr und Leben,
Die Gottes eigne Diener ſeyn,
Auf Gottes Werk nicht Achtung geben.
Vier281Vier Welte.

Vier Welte.

Jn einer heitern Fruͤhlings-Nacht,
Als durch des vollen Monds entwoͤlckten Lichtes Pracht,
Das reine Firmament ſo kraͤftig angefuͤllet,
Daß aller andern Sternen Schaaren,
Durch ſeinen naͤhern Glanz, verhuͤllet,
Und uͤberall nicht ſichtbar waren,
Erſtaunt ich faſt vor Luſt, als ich erblickte,
Daß neben ihm, an den ſaphirnen Graͤnzen,
Jn einem reinen Licht, und Feuer-reichen Glaͤnzen,
Auch Jupiter und Mars zugleich den Himmel ſchmuͤckte,
Und zwar von ungefaͤhr in einer Linie,
Jn Regel-rechter Richtigkeit,
So, daß der Mond von beyden gleiche weit,
Ein wenig mehr nur in die Hoͤh,
Recht mitten zwiſchen beyden, ſtand.
Jndem ich die Figur entdeckt und herrlich fand:
Erſtaunt ich faſt fuͤr Luſt. Jnzwiſchen faͤllt
Mein Blick zugleich auf unſre Welt,
Die von gefallnem Thau befeuchtet,
Vom Mondſchein angeſtralt, in ſanftem Schimmer leuchtet,
Und dachte: Liebſter Gott! an den ſaphirnen Hoͤhn
Kann ich allhier, o Wunder! auf einmal,
Erleuchtet von der Sonnen Stral,
Vier Welt in vier Planeten ſehn,
Jn einer ſo merkwuͤrdigen Figur.
Dieß Schauen praͤget mir ein heiligs Schaudern ein;
Jch denk dem Reichthum nach im Reiche der Natur.
S 5Mit282Vier Welte.
Mit wie viel Wundern wohl die Welt erfuͤllet ſeyn,
Die ich dort, in des Himmels Hoͤhe,
Jn ſolcher Groͤß als Klarheit ſehe;
Laͤßt, aus der unſrigen allein,
Und ihrer Wunder Wunderweſen,
Sich klaͤrlich ſchlieſſen, deutlich leſen.
Jch ſtelle mir
So vieler tauſendfach-geformter Creaturen,
Uns unbegreiflichen Figuren,
Veraͤnderung, Beſchaffenheit und Zier,
Den tauſendfach-verſchiednen Grad,
Von Schatten und von Licht, von Farben und von Kraͤften,
Von tauſendfach von uns verſchiedenen Geſchaͤfften,
Die jede Creatur vermuthlich dorten hat,
Jn einer dunklen Klarheit fuͤr.
Es fielen, bey ſo hellem Schein,
Die Ueberlegungen mir ein:
Die Menge deiner Werk, o Herr! derſelben Unerſchoͤpf - lichkeit,
Eroͤffnet uns am allermeiſten des Koͤrpers und der Seelen Augen,
Daß ſie, mit Ehrfurcht, Lob und Dank, Bewunderung und Andacht, taugen,
Zu ſehen, deiner Majeſtaͤt unendliche Vollkommenheit.
Das283Das unſichtbare Licht.

Das unſichtbare Licht.

Jndem ich geſtern, etwas ſpat, mich in mein Bett zur Ruh verfuͤge,
Und, bey noch nicht erloſchner Kerz, annoch mit offnen Augen liege,
Bald dieß, bald jenes uͤberlege, und ruhig denk; verliſcht das Licht.
Jedoch die Dunkelheit der Nacht, die Finſterniß, der ſchwar - ze Schatte,
So ich denſelben Augenblick ſogleich zu ſehn vermuthet hatte,
Und meinen Blick dazu bereitet, entſtund und zeigete ſich nicht.
Die duͤſtre Finſterniß blieb aus, und es verblieb, an deren Stelle,
Mein ganzes Zimmer ungeſchwaͤrzt, die Waͤnde weis, und al - les helle.
Die Urſach war: Es ſchien der Mond. Es nahm ſein heller Silber-Schein,
(Den ich, ſo lange mir vorher mein kleines Licht annoch ge - brannt,
Aus Schwachheit meiner bloͤden Augen, nicht ſehen koͤnnen, nicht erkannt,
Und nichts davon gemerket hatte,) mein ganzes Zimmer voͤl - lig ein.
Der Zufall, den ich nicht verhofft, dieß unvermuthete Geſicht,
Erregte mir in meiner Seel ein unvermuthet helles Licht,
Voll Lehr, Erbauung, Nutz und Troſt. Es kame dieſer Zu - fall mir,
Faſt, als ein ſicherer Beweis, und minſtens, als ein Bey - ſpiel, fuͤr,Daß284Das unſichtbare Licht. Daß uns auf eine gleiche Weiſe, wie hier, in unſrer Lebens - zeit,
Ein von uns nicht geſehnes Licht, manch ungeſpuͤrte Herr - lichkeit
Uns ſo, wie mich des Mondes Glanz, auch ungeſehen koͤnn umgeben,
Voll Schimmer gegenwaͤrtig ſeyn, und unvermerket um uns ſchweben,
Von deſſen Herrlichkeit, ſo lang in uns die Lebens-Kerze brennt,
Durchs nahe Sonnenlicht behindert, man den vorhandnen Glanz nicht kennt.
Wann aber Sonn und Hinderniß fuͤr uns verloͤſchen wird, und ſchwinden:
Wird man, mit einem hellern Glanz, vermuthlich ſich umge - ben finden;
Weil ja weit naͤher und gewiſſer, als wie bey uns des Mon - des Schein,
Des Schoͤpfers Herrlichkeit und Allmacht muß uͤberall zuge - gen ſeyn,
Die licht-und heller, wie die Sonne (ſo bloß nur zum Ge - brauch der Welt,
Zum Nutzen ſchwacher Creaturen, und denen ganz unmoͤglich faͤllt,
Das Licht der Gottheit zu ertragen) uns auf der Erden dar - geſtellt.
Wenn wir zu einem andern Stande, nach unſerm Abſchied von der Erden,
Von unſerm ſchwachen Fleiſch getrennt, nun faͤhig und ge - ſchickter werden,Ein285Das unſichtbare Licht. Ein hellers Glaͤnzen zu ertragen: Wird es vermuthlich ja geſchehn,
Ohn erſt viel Millionen Meilen nach einem andern Ort zn reiſen,
Daß wir den uͤberall vorhandnen, verhuͤllten Schein der Gottheit ſehn.
Auf dieſe Weiſ an Gott gedenken, wird auch bereits in die - ſem Leben,
Jn unſrer Seelen Trieb erregen, um Gott, was Gottes iſt, zu geben.
Es kann und wird der uͤberall-allgegenwaͤrtgen Gottheit Schein,
So wie ein Scheu vor allen Laſtern, ein Sporn zu allem Gu - ten ſeyn.
Frage.286Frage und Wunſch.

Frage.

Herr, nur bloß durch deine Guͤte
Steht jetzt alles in der Bluͤthe;
Alles zeigt und lobet dich.
Alles ſcheint ſich zu beſtreben,
Deinen Namen zu erheben;
Ach! warum denn auch nicht ich?

Wunſch.

Wie iſt das Firmament dort oben,
Und hier die Welt ſo wunderſchoͤn?
O Gott! laß mich ſie nimmer ſehn,
Ohn deine Lieb und Macht zu loben.
Lob287Lob und Meynung.

Lob.

Je mehr ich meines Schoͤpfers Werke,
Betracht und allenthalben merke:
Je mehr ergetzt mich ihre Pracht.
Jch lobe deun, von Luſt geruͤhret,
Den, deſſen Huld ſie ſo gezieret,
Und preiſe Seine Wunder-Macht.

Meynung.

Wie wir neulich ſahn und hoͤrten,
Daß verſchiedne Weiſen lehrten,
Wie durch Meynung auf der Erde,
Jedermann regieret werde:
Dachten wir im Ernſt dabey,
Daß die Meynung Phantaſey.
Draus wir denn die Lehre faßten:
Alle Menſchen ſind Phantaſten;
Und der Allergroͤßte ſcheint,
Der es nicht zu ſeyn vermeynt.
Ge -288Verachtung der Welt.

Gefaͤhrliche Verachtung der Welt.

Man ſaget, unſer Leben ſey
Hier bloß ein Durchgang, eine Reiſe,
Wohin? Der Zweck iſt zweyerley,
Zur Hoͤllen, und zum Paradeiſe.
So reiſt man hier denn, ohne Zweifel,
Zum Schoͤpfer oder auch zum Teufel.
Dieß klingt wahrhaftig hart, die Welt,
Die ſo viel Wunder in ſich haͤlt,
Veraͤchtlich einen Poſtweg nennen,
Und, ſonder Ohr, Gefuͤhl, Geſicht,
Den ſchoͤnen Bau der Welt durchrennen,
Den Gott ſo herrlich zugericht.
Sind uns die Sinnen, hier im Leben,
Denn nur fuͤrs Kuͤnftige gegeben?
Sind ſie und dieſe Welt nicht werth,
Daß man denjenigen verehrt,
Der ſie ſo herrlich ſchaffen wollen,
Nebſt uns, damit wir, im Genuß,
Bey einem ſolchen Ueberfluß,
Uns freuen und ihm danken ſollen?
Allein man haͤlt uns, bis ins Grab,
Ach leider! ſo zu denken ab.
Und, bey dem Handel, glaubet man,
Daß man doch ſelig werden kann.
Jſt es vernuͤnftig, ſo zu denken:
Jch hab, o Schoͤpfer, deine Macht,
Und Lieb und Weisheit nichts geacht,
Drum wirſt du mir den Himmel ſchenken?
Wohl289Verachtung der Welt.
Wohl aber wuͤrd es beſſer klingen:
Mein Gott, ich hab in allen Dingen,
Die deine Huld hervorgebracht,
Die Macht und Weisheit, mit Bedacht,
Betrachtet, und mit Luſt beſehen,
Und, um dich wuͤrdig zu erhoͤhen,
Den mir gegebenen Verſtand
Aus allen Kraͤften angewandt,
Nach den Geſetzen meiner Pflicht,
Dein im Geſchoͤpf verhuͤlltes Licht,
Und in den wunderbaren Werken,
Herr! Deine Weisheit zu bemerken.
Du wirſt demnach nach dieſem Leben,
Da ich nach Moͤglichkeit gelebt, wie ich geſollt,
Und das dabey geglaubt, was du gewollt,
Aus Gnaden mir den Himmel gehen.
Damit ich auch, nach dieſer Zeit,
Jn jener ſelgen Ewigkeit,
An deinen nie erſchoͤpften Schaͤtzen,
Mich, ſonder Ende, moͤg ergetzen.
Br. VI. Th. TWunſch290Wunſch. Die Sonne der Sonnen.

Wunſch.

Herr! in deiner Werke Pracht,
Kann ich deine weiſe Macht,
Mit geruͤhrtem Herzen, ſehn.
Wie iſt alles doch ſo ſchoͤn!
Wer kann ihre Menge zaͤhlen!
Ruf ich, mit erfreuter Seelen.
Wuͤßt ich doch, zu deinem Preiſe,
Eine dir gefaͤllge Weiſe,
Dich in ihnen zu erhoͤhn!

Die Sonne der Sonnen.

So wie uns, in des Mondes Pracht,
Der Sonnenſtral ſich ſichtbar weiſt:
So ſieht, im Sonnenlicht, mein Geiſt
Die Stralen des, der ſie gemacht.
Zum291Traum-Geſicht.

Zum Traum-Geſicht. Tom. IV. pag. 192.

Dieß Lehr-erfuͤllte Traum-Geſicht
Hatt ich, zur ſpaͤten Abendzeit,
Zu anderer und meinem Unterricht,
Mit inniger Bedachtſamkeit,
Nicht ohn Vergnuͤgen, nachgeleſen;
Als bald darauf der Schlaf mich uͤberfiel.
Der traͤumenden Gedanken Spiel
Veraͤndert abermal mein ganzes Weſen,
So wie, zur Zeit des Schlafs, der Traͤume Schaar
Mit Schlafenden zum oͤftern handelt,
Und gleichſam unſern Stand u. ganzes Seyn verwandelt.
Man glaubt, nicht das, nicht da zu ſeyn,
Was, und wo man noch kurz vorhero war.
Ein lichter und ſo dichter Schein,
Der meinen Blick ganz undurchdringlich fuͤllte,
Umgab, befloß mich ganz.
Jch ſah, vor uͤberhaͤuftem Glanz
Und ſtrenger Fuͤlle dieſes Lichts,
Zu Anfangs nichts,
Bis ich nach kurzer Zeit (die mir die Augen ſtaͤrkte,)
Daß, ich mich ſanft bewegt, und bey mir etwas merkte,
Von herrlicher Geſtalt,
Das, in derſelben Fahrt, mit mir zu fliegen ſchien.
Der Glieder Symmetrie
War unbeſchreiblich ſchoͤn; der Leib ſchien ein Rubin,
Durchſichtig, hell und rein; die ſuͤſſe Harmonie
Der Farbe ſeines Rocks beſtand aus gelb und gruͤn,T 2Recht292Traum-Geſicht. Recht wie die Bogen nach dem Regen,
Mit ihrem bunten Glanz, uns zu ergetzen pflegen.
Ein Engel war es nicht;
Er hatte keine Fluͤgel;
Auch ſprach er nicht, wie wir, doch kunnt ich ihn verſtehn,
Und ſeine Meynungen, als wie in einem Spiegel,
Auf ſeiner hellen Stirne ſehn.
Jch ſahe denn ganz deutlich ſeinen Sinn.
Wir kommen beyde jetzt von einem Orte her,
Und eilen allebeyde nun nach einem Orte hin.
Wir kommen aus der Erd, und gehn zum Jupiter,
Woſelbſt mein Vaterland.
Man hat von dorten mich, nach eure Welt, geſandt,
Um von der Menſchen Thun und Stand,
So uns bishero nicht bekannt,
Auch etwas zu erfahren.
Jch ſagte nichts, doch kunnt er, ohn mein Sagen,
So wohl, als ich an ihm, auch was ich dacht, entdecken.
Jch konnte nichts vor ihm verſtecken,
Und ſah die Antwort ſchon auf meine Fragen,
Die ich noch nicht gefragt. Die Erde find ich ſchoͤn,
(Ließ er aufs neue mich an ſeiner Stirne ſehn)
Und dient euch euer Kreis,
Die Herrlichkeit, den Ruhm und Preis
Des großen Schoͤpfers zu erhoͤhn.
Allein ich kunnt, oft ſonder Grauen,
Oft ſonder Lachen nicht, der Menſchen Thun beſchauen.
Wie mußt ich oftermals bedauren,
Daß aller Menſchen Luſt und Trauren,
So ſeltſam wunderlich und eitle Dinge ſeyn.
Vom Weſen haben ſie ja nicht einmal den Schein.
Die Vorwuͤrf ihrer Luſt (und, wenn ſie ſie entbehren,Auch293Traum-Geſicht. Auch ihrer Traurigkeit,) ſind nichts auf eurer Welt,
Als wie ein eitler Hauch der Ehren,
Als kurze Wolluſt, todtes Geld.
Wie kann ſo eitle Sucht, von ewig waͤhrnden Geiſtern,
Sich doch bemeiſtern?
Zu Anfangs kunnt ich, fuhr er fort,
Am allerwenigſten begreifen,
Zu welchem Endzweck doch an dieſem Ort,
Bey ihrer kurzen Daur, ſie Gold und Silber haͤufen?
Was Acker, Wieſen, Wald und Land,
Das anders nichts, als ein gehaͤufter Sand,
Doch einem ſolchen Weſen nuͤtzet,
Der einen ewigen vernuͤnftgen Geiſt beſitzet?
Was, dacht ich, heißt denn eigentlich,
Auf Erden haben, zugehoͤren?
Und fand es hieß: Dieß Ding hab ich,
Und alle Welt muß es entbehren.
Auf ſolche Art, gedacht ich, ſetzet ſich
Ein jedes Jch der Welt, gerad dem andern Jch entgegen.
Was Wunder, daß ſich uͤberall,
Von allen Seiten, Sturz und Fall,
Von allen, gegen alle regen!
Mir ſchienen eure Wieſen, Waͤlder,
Gebuͤſche, Thaͤler, Berg und Felder,
Worauf ihr geht, von keinem groͤßern Werth,
Als wie der Wolken buntes Heer,
Das uͤber euch in Luͤften ſchwebend faͤhrt.
Hieruͤber (ließ er mich durchs Auge ferner hoͤren)
Gedacht ich anfangs gar, ob denn der Menſchen Seelen,
Da ſie ſich bloß mit Tand beſchaͤfftigen und quaͤlen,
Den ewgen Geiſtern beyzuzaͤhlen,
Und ob ſie wirklich auch unſterblich waͤren?
T 3Aus294Traum-Geſicht.
Aus ihren unvernuͤnftgen Werken,
War es wahrhaftig nicht zu merken.
Zumal da ſie, durch dieſe Wuth getrieben,
Nicht Gott, nicht ihren Naͤchſten lieben,
Jndem ſie ſich, zu haſſen, afterreden,
Verketzern, zu verfolgen, ſich bemuͤhn,
Mit Feur und Schwerdt, ja gar mit Krieg, zu uͤberziehn,
Sich nicht entbloͤden,
Um die ja ohne das ſo kurze Zeit zu leben,
So ihnen die Natur gegeben,
Noch zu verkuͤrzen, zu vermindern,
Ja gar, ſo lang ſie ſind, vergnuͤgt zu ſeyn, zu hindern,
Und ihren Stand, der leidlich, zu vergaͤllen,
So daß bey euch ja leider! ſonder Zweifel,
Das Sprichwort wahr: Es iſt ein Menſch des andern Teufel.
Nun ſprich du ſelbſt, was doch ein ſolcher Stand,
Jn welchem ich die Menſchheit fand,
Bevor ich etwas beſſers wußte,
Mir vor Begriffe machen mußte.
Ob ich die Menſchen nicht fuͤr Mitteldinge,
Die kluͤger zwar, als wie ein Thier,
Doch lange nicht ſo klug, als wir,
Verwerflich, eitel, ſehr geringe,
Jhr Weſen folglich auch zerſtoͤrlich ſchaͤtzen mußte.
Wie aber ich hingegen auch erwog,
Was fuͤr beſondere Vollkommenheiten,
Gelehrigkeit, Begriffe, Faͤhigkeiten,
Fuͤr ſonderlich-und auserleſne Gaben,
Sie noch bey allem Jrrthum haben:
So ward ich ungewiß, und wußte nicht zu faſſen,
Wie ſolche widrige Beſchaffenheiten ſich,
Ohn eine gaͤnzliche Zerruͤttung, fuͤgen laſſen;Wie295Traum-Geſicht. Wie Boͤſ und Gut ſo gar verwunderlich
Jn euren Geiſtern ſich verbinden,
Ja wie im Leiblichen ſo gar, auf eurer Erden,
Sich ſolche Widrigkeiten finden,
Und uͤberall faſt angetroffen werden:
Kalt, warm, licht, finſter, trocken, feucht,
Geſchwind und traͤge, ſchwer und leicht,
Bis endlich ich zuletzt auf die Gedanken kam:
Zeugt unſer Jupiter, von ſeines Schoͤpfers Ehr:
So thut es faſt der Erdenkreis noch mehr,
Da wir in dem Verband ſo ſehr verſchiedner Gaben,
Jm Geiſt-und Leiblichen, die wir auf Erden ſehn,
Wie ſie, in reger Ruh, trotz ihren Streit, beſtehn,
Ein groͤßer Wunderwerk faſt zu bewundern haben.
Hiedurch wird Gottes Macht aufs neu erkannt, erhoben.
Es zeigen ſich in jeder Welt,
Die er ohn alle Zahl erſchuf, und noch erhaͤlt,
Von ſeiner Lieb und Weisheit neue Proben.
Jch fiel ihm voͤllig bey, und wollte, Gott zu loben,
Die Stimm erheben:
Doch in dem Augenblick, wie ichs zu thun gedachte,
Verließ mich eben
Mein Lehr-reich Traum-Geſicht, und ich erwachte.
T 4Die296Die allergroͤßte Tiefe.

Die allergroͤßte Tiefe.

Drey Tiefen ſind auf dieſer Welt. Die eine Tief erfuͤllt die Fluth,
Die andre Tiefe fuͤllt die Luft, die dritte fuͤllt des Lichtes
Gluht.
So wie die andre Tiefe nun ſich in die erſte Tiefe ſenket,
Sich mit derſelbigen vereint, ſie auch umringet und um - ſchraͤnket:
So wird die andre wieder, eben
Auch von der dritten Tief umgeben,
Durchdrungen, und erfuͤllt.
Von dieſer ſcheint nun wieder uͤberzeuglich,
Daß ſie, wie alle Ding, aus einer Quelle quillt,
Wodurch ſie alle ſich beleben.
Da dieſe nun ſo unergruͤndlich iſt, als unerſteiglich,
Jſt es vermuthlich die, von welcher Paulus riefe:
O! welche Tiefe!
Ver -297Vergnuͤglichkeit.

Vergnuͤglichkeit.

Haſt du dein Brodt, und deinen Trank;
Haſt du ein Kleid, und biſt nicht krank:
So biſt du nicht befugt zu klagen,
Und mußt dem Schoͤpfer Lob und Dank,
Mit froher Ehrfurcht, billig ſagen.
Es iſt ein wunderlichs Betragen,
Daß wir uns, unſer lebenlang,
Mit ſelbſt gebundnen Ruthen, ſchlagen,
Und, um ein Blendwerk zu erjagen,
Uns ſelber unaufhoͤrlich plagen.
T 5Ge -298Gedanken bey einer Section.

Gedanken bey der Section eines Koͤrpers.

Kaum warf ich meinen Blick auf das zerſtuͤckte Weib,
Kaum ſah ich den zum Theil von Haut entbloͤßten Leib,
Jch kunnte kaum ſo bald die blutgen Muskeln ſchauen,
Als mich ein widriges und ekelhaftes Grauen
Den Augenblick befiel. Allein es hatte kaum
Der kluge Carpſer angefangen;
Er ließ uns kaum ſo bald die weiſen Wunder ſehn,
Die von der bildenden Natur daran geſchehn:
So macht die Regung gleich weit ſuͤßrer Regung Raum.
Furcht, Grauen, Ekel war den Augenblick vergangen;
Mich nahm Bewundrung erſt, darauf Erſtaunen ein,
Dem folgt Erniedrigung und Ehrfurcht allgemach,
Und dieſem auf den Fuß Lob, Brunſt und Andacht nach.
Es fing ein helles Feur von einer heilgen Luſt
Jn meiner, Gott zum Ruhm, mit Dank erfuͤllten Bruſt,
Zur Ehre des, der hier ſo wunderbar
Des Koͤrpers Wunderbau gefuͤget, an zu brennen.
Jch wußte ſelber nicht, wie mir zu Muthe war.
Den Menſchen giebet ſich der Schoͤpfer hell und klar
Am allerdeutlichſten am Menſchen zu erkennen.
Es ſcheint, ob koͤnne man in dieſen Wunderwerken,
Jn dieſem Meiſterſtuͤck der bildenden Natur,
Von unſerm Schoͤpfer ſelbſt hier eine helle Spur,
Ganz uͤberzeuglich klar und gleichſam ſichtbar merken.
Ach! rief ich, laßt denn hier an dieſem Schauplatz ſchreiben: Hier kann kein Atheiſt ein Atheiſte bleiben.
Zuͤgel299Zuͤgel der Begierden.

Zuͤgel der Begierden.

Was iſt der Hunger? ſag es mir. Ein Trieb, dein Weſen zu ernaͤhren.
Was iſt die ſuͤſſe Liebe dann? Ein Trieb, dein Weſen zu ver - mehren.
Damit nun beyde Triebe nicht, durch ihr empfindliches Ver - gnuͤgen,
Wie ganz gewiß geſchehen wuͤrde, durch Uebermaaß, uns Scha - den braͤchten,
Und wir im heftigen Gebrauch an Kraͤften uns erſchoͤpfen moͤchten,
Zumalen des Verſtandes Kraͤft in dieſem Kampf, mit Luſt, erliegen:
So finden wir ein neues Wunder, ſo wuͤrdig, daß man es bedenkt,
Auch dem, der alles weislich ordnet, ein Opfer der Betrach - tung ſchenkt,
Und im Bewundern ihn verehrt. Ein jeder Trieb iſt ſo bereitet,
Daß ihn, bey aller Uebermaaß, ein Ekel auf den Fuß begleitet.
Will man zu ſtark ſich uͤbernehmen, ſo ſchiebt in beyden dir und mir
Noch mehr, als alle Sattigkeit, der Ekel einen Riegel fuͤr.
Sein Nutzen zeiget uͤberzeuglich, da er Begierden und Ge - danken,
Trotz ihrer Unerſaͤttlichkeit, in ihre zugetheilte Schranken
Zu ſetzen und zu halten weis, er komme nicht von ungefaͤhr.
Es ſtammt, wie alles, auch der Ekel, aus einer weiſen Vor - ſicht her.
Fabel.300Fabel.

Fabel.

Erde.
Du waͤrſt, o Luft, wenn ich nicht waͤr,
Von Laub, von Bluͤht, Geruch und Blaͤttern leer.
Durch mich gereichen Zweig und Aeſte
Den Buͤrgern deines Reichs zum Neſte,
Und kurz, es ſtammet deine Zier,
Und alle Pracht allein von mir.
Luft.
Du irreſt dich. Wenn ich nicht waͤr,
So waͤrſt du ſelbſt von allem leer.
Schenkt ich dir nicht mein fruchtbar Naß:
So wuͤchſe nicht ein Spierchen Gras.
Noch minder koͤnnteſt du mit Zweigen
So ſchoͤn gekroͤnte Staͤmme zeugen.
Erde.
So meyneſt du, daß dieſe Fluth
Die freylich vieles an mir thut,
Mich naͤhrt und traͤnkt, dein eigen Gut?
O nein!
Es iſt ſo gar das Waſſer mein;
Es ſchenkt es dir der Sonnenſchein,
Der es aus mir hinaufwerts treibet,
Und deinem Weſen einverleibet.
Luft.
Das Waſſer iſt ſo wenig dein,
Daß man vielmehr von dir kann ſagen,
Mit301Fabel.
Mit großem Recht: Du waͤreſt ſein,
Da es dich in dem Schooß getragen.
Es iſt das ſaͤmtliche Gewaͤſſer
Nicht nur an Weit und Umfang groͤßer,
Als wie du ſelbſt; Du wirſt ja wiſſen,
Daß dich die Fluthen in ſich ſchlieſſen,
Ja daß, ſo wie du jetzt vorhanden,
Du meiſt aus Waſſer gar entſtanden.
Sonne.
Jhr muͤßt euch nicht, wie Menſchen, zanken.
Jch finde, daß Luft, Erd und Meer,
Samt aller Creaturen Heer,
Jhr Weſen einzig dem zu danken,
Ohn den ihr eure Eigenſchaft
So wenig, als ich meine Kraft
Uns von uns ſelber koͤnnen geben.
Du koͤnntſt nicht ruhen, du nicht ſchweben,
Jch koͤnnt euch beyde nicht beleben.
Laßt uns denn auf unſre Weiſe,
Aller Weſen Quell zum Preiſe,
Da wir ſeiner Allmacht Proben,
Auch von ſeiner Macht allein
Werkzeug ohne Zanken ſeyn,
Und ihn, durch Gehorſam, loben.
Demuth.302Demuth.

Demuth.

O Gott! von dem wir, was du nicht, nicht aber was du biſt, verſtehen,
Ach laß uns dich auf eine Weiſe, die dir gefaͤllig iſt, er - hoͤhen!
Was dir an uns gefallen kann, wird, allem Anſehn nach, allein
Die, bloß durch deiner Groͤß Erkaͤnntniß, in uns gewirkte Demuth ſeyn.
Zu -303Zuſatz.

Zuſatz ad p. 337. Tom. IV. des irdiſchen Vergnuͤgens.

Wirfſt du vielleicht mir hierauf ein:
Dein Schluß hat nur vom Troſt den Schein;
Denn, wird gleich aus jedwedem Heut
Ein baldigs Geſtern; wird jedoch
Ein Heut aus jedem Morgen wieder,
Und ſo druͤckt uns des Leidens Joch
Nicht minder heut, als geſtern, nieder:
So muß ich dieß geſtehn. Doch iſt auch dieſes klar,
Und von der Tage Fluß unwiderſprechlich wahr.
Es iſt ein Fluß, der nie verweilet,
Der unaufhoͤrlich vorwerts eilet,
Und wie der Schoͤpfer es beſtimmt,
Ein ganz gewiſſes Ende nimmt.
Zu welchem Ende dich, nicht nur jedwede Stunde,
So gar ein jegliche Secunde,
Die ſich all Augenblick verliert,
Unwiderſprechlich naͤher fuͤhrt.
Wann nun der ſchnelle Lauf vorbey:
So findet ſich, daß auch die allerlaͤngſte Zeit,
Bey der gewiſſen Ewigkeit,
Wahrhaftig nicht einmal ein Punkt geweſen ſey.
Ver -304Vergnuͤgung an Gottes Werk.

Vergnuͤgung an Gottes Werk, eine Gabe Gottes.

Ach ſchaut die Wunder mit Vergnuͤgen
Uns uͤberall vor Augen liegen,
Die Gottes weiſe Macht gemacht.
Mein Gott, laß mich mit Andacht ſehen
Die Farben, Formen, Nutz und Pracht
Der Wunder, die durch dich geſchehen!
Gieb zu ſo noͤthigem Geſchaͤffte,
Wodurch man dich vergnuͤgt verehrt,
Doch meiner Seelen alle Kraͤfte,
Die ſolche große Wunder werth!
Ach laß doch unſers Geiſtes Augen,
Durch unſers Koͤrpers Augen, taugen,
Jn Koͤrpern einen Geiſt zu ſehn!
Den Wirkenden in ſeinen Werken,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu merken,
Und ihn in ihnen zu erhoͤhn.
O ewigs Licht! kanns moͤglich ſeyn,
Daß dein allgegenwaͤrtger Schein,
Der alles zeiget und erfuͤllet,
Nur unſrer Seele ſich verhuͤllet,
Daß ſie faſt deſſen ganz vergißt,
Der die von ihm erſchaffne Welt,
Wie ſelbſt erſchaffen, ſelbſt erhaͤlt,
Und alles und in allem iſt?
Jch mags, ſo viel ich will, ergruͤnden,
Kein ander Urſach iſt zu finden,Als305Vergnuͤgen an Gottes Werk. Als daß man ſich mit ſich allein
So ſehr beſchaͤfftigt, wohl zu ſeyn.
Jn der Geſchoͤpfe Herrlichkeit,
Jn ihrer Anmuth, Zier und Pracht,
Die Herrlichkeit des, der ſie macht,
Zu ſehen, hat man keine Zeit.
Man hat fuͤr ſie nicht Aug, nicht Ohren,
Da man ſie nicht mit Luſt erwegt,
Dadurch wird, was Gott drin gelegt,
Ja Gott faſt ſelbſt fuͤr uns verlohren.
So hab ich oftermals gedacht;
So hab ich oftermals gelehret.
Doch alles ſchlaͤgt man aus der Acht,
Und hat ſich nicht daran gekehret.
Jch ſchlieſſe dann hieraus mit Recht,
Daß es in unſrer Kraft nicht ſtehe,
Und daß das menſchliche Geſchlecht
Sich nicht, durch ſich, zu Gott erhoͤhe.
Jch ſage denn: Es bleibt dabey,
Daß an des Schoͤpfers Wundergaben
Mit Seel und Sinnen ſich zu laben,
Ein eigne Gottesgabe ſey.
*Ein hoͤrend Ohr und ſehend Auge, die machet beyde der Herr. Proverb. 20, 21.
*So laßt uns dann zu Gott uns lenken,
Um ihn in Demuth anzuflehn,
Er woll uns dieſe Gabe ſchenken,
Jhn uͤberall mit Luſt zu ſehn!
Br. VI. Th. UBe -306Bereitung aufs Kuͤnftige.

Bereitung aufs Kuͤnftige.

Da Adam vor dem Fall, im Paradeiſe,
Kein ander Leben fuͤhren koͤnnen,
Als daß er froͤlich, Gott zum Preiſe,
Die Guͤter, die er ihm gewuͤrdiget zu goͤnnen,
Genoſſen, ſie mit Luſt beachtet,
Und, in der Vollenkommenheit
Derſelben, deſſen Herrlichkeit,
Der ſie ſo wunderbar bereit,
Fuͤr Freuden halb entzuͤckt, betrachter,
Einfolglich, wie wirs deutlich leſen,
Jm Jrdiſchen in Gott vergnuͤgt geweſen:
So iſt es wohl betruͤbt, daß, da wir noch auf Erden,
Annoch ſo viele Wundergaben,
Auch fuͤr dieſelben Sinnen haben,
Die uns der Schoͤpfer ja gelaſſen,
Wir nicht dadurch geruͤhret werden;
Wir weder Gottes Macht, noch ſeine Liebe faſſen;
Uns im geringſten nicht beſtreben,
Nach Moͤglichkeit, wie Adam dort, zu leben;
Auch im geringſten nicht, zu jenen Herrlichkeiten,
Die Gott uns geben wird, die Seele zu bereiten,
Und allgemach uns zu den ſuͤſſen Pflichten,
Nicht wiederum bemuͤht ſeyn, einzurichten.
Denn das, womit wir uns, auf dieſer Welt, bemuͤhn,
Wird uns, ſo bald wir todt, verlaſſen, von uns fliehn,Als307Bereitung aufs Kuͤnftige. Als wie ein leerer Traum, und in den Ewigkeiten
Der Ewigkeiten wird von dem, was uns auf Erden,
So ſehr beſchaͤfftiget, nichts angetroffen werden.
Viel mehr wird unſre Seel, in der Vollkommenheit
Der von dem ewgen Gott gewirkten ewgen Werken,
Den Ausbruch ſeiner Lieb und weiſen Macht bemerken.
Der allergroͤßte Theil, von ihrer Seligkeit,
Jn welcher ſie zugleich des Schoͤpfers Groͤß erhoͤhn,
Wird in derſelbigen Betrachtungen beſtehn.
Ach laßt uns uns denn doch, zu jenen Herrlichkeiten,
Und, Gott zugleich zum Ruhm, ſchon hier bereits bereiten!
U 2Die308Die unumſchraͤnkte Groͤße

Die unumſchraͤnkte Groͤße der Gottheit.

Jch habe, ſelbſt von großen Geiſtern, die Meynung oftermals gehoͤrt:
Ob waͤr ein Menſch, ja nicht einmal die ganze Menſchheit, ſo viel werth,
Daß Gott, ein ſolch unendlich Weſen,
Das Millionen Sonnen ſchuf, und viele Millionen Welte
Zum Vorwurf ſeiner Macht erleſen,
Die er bloß durch ein Wort erhaͤlt,
Von ſeiner Unermeßlichkeit faſt ſchimpflich ſich herunter laſſe,
Und mit derſelben Kleinigkeit auf eine Weiſe ſich befaſſe.
Ja, wenn auch dieſes moͤglich waͤre, ſo wuͤrde dieß daraus ent - ſpringen,
Daß auch der Gottheit Majeſtaͤt ſich gar, annoch mit kleinern
Beſchaͤfftigen und plagen muͤſſe, (Dingen,
Und dieſes halten ſie fuͤr ungereimte Schluͤſſe.
Man kann hierin hingegen klar entdecken,
Daß hierin eine Laͤſterung
Fuͤr unſern Gott, fuͤr uns Verzweifelung,
Jn dieſer ſchlimmen Meynung, ſtecken.
Fuͤr uns kann nichts ungluͤcklichers auf Erden,
Als ſolch ein Schluß erſonnen werden.
Denn waͤren wir, weil wir nicht Gottes Obacht werth,
Auch nicht von Jhm geliebt, gefuͤhrt, ernaͤhrt:
Waͤr unſer Gottesdienſt, Glaub, Hoffnung, Seligkeit,
Ein eitler Tand, und wir, in kurzer Zeit,
Nachdem uns hier ſo manches Leid beſchwehrt,
Weit aͤrger, als ein Vieh, in nichts verkehrt.
Was Gott betrifft, ſcheint nur die Meynung groß zu ſeyn,
Und ſeine Majeſtaͤt zu ehren:
Doch iſts wahrhaftig nur ein Schein.
Sie309der Gottheit.
Sie ſcheinet Gottes Ruhm zu mehren,
Und machet ſeine Groͤße klein.
Sie ſchraͤnket ſeine Lieb und Macht und Weisheit ein;
Ja hoͤhnet ihn, ſtatt ihn zu preiſen:
Wie dieſes hieraus klar und deutlich zu erweiſen:
Da auch das Groͤßte, was ihr ſehet,
Aus Kleinigkeiten bloß beſtehet;
So wird ein Gott ja mehr erhoͤhet,
Jn den verehrenden Gedanken,
Daß er ſo wohl was klein, als das, ſo groß, regiere,
Als wenn man ihm gewiſſe Schranken
Zu ſetzen unternimmt, wo ſich ſein Blick verliere.
Ey! ſprecht, wie weit doch ſeine Schranken gehn,
Aus wie viel Theilen eigentlich
Muͤßt, eurer Meynung nach, beſtehen
Ein Weſen, eh die Gottheit ſich
Nach ihm bemuͤht, ſich umzuſehen?
Waͤr es nur nach dem Werth allein:
So wuͤrd ihm ja faſt nichts, auf dieſer Erden,
Ja kaum die Erde ſelbſt, ein wuͤrdger Vorwurf werden,
Und Gottes Aufſicht wuͤrdig ſeyn.
Dieß zeiget die Vernunft, und daß es wahr,
Zeigt ebenfals die Bibel klar.
Sie ſpricht: Es ſorge Gott fuͤr Sperlinge ſo gar;
Sie ſpricht: Es faͤllt, ohn unſers Vaters Willen,
Von unſerm Haupt kein einzigs Haar,
Und alles muß des Schoͤpfers Wink erfuͤllen.
Es iſt demnach gewiß, daß unſre Lehre,
(Zumalen dieſer Satz) des Schoͤpfers Ehre
Aufs Herrlichſte verbreit, auch unſern Glauben mehre:
Das Kleinſte ſcheint fuͤr Gott ſo wenig klein,
Als wie das Groͤßte groß zu ſeyn.
U 3Mis -310Misbrauch des Worts Natur.

Misbrauch des Worts Natur.

Zwey Dinge ſind, die viele Menſchen zu einem Goͤtzendienſt verfuͤhren.
Das erſte, die Erbarmens-wuͤrdig und Gott-verkleinernde Jdee,
Von einem großen alten Mann, dort oben in des Himmels Hoͤh.
Das andre, da wir ungeſcheut im Jrrthum uns ſo weit ver - lieren,
Daß wir auch eine Goͤttinn machen, die wir ihm gleichſam zu - geſellen,
Und ſie mit ſeiner Majeſtaͤt zum oͤftern in Vergleichung ſtellen.
Die Goͤttinn heißet die Natur, die wir, in allen unſern Reden,
Als thaͤt ſie alles, was geſchicht, uns vorzuſtellen, nicht ent - bloͤden.
Wer lehrt die Thiere, ſich zu naͤhren? Wer lehrt die Voͤgel Neſter machen?
Wer lehrt die kleinen Kinder ſaugen? Wer wirkt ſo viel ver - borgne Sachen,
Auf Erden, in der Luft, im Meer? Wer? Die Natur, ſpricht jedermann;
Ja, zeigt man ſeine Meynung nicht in dem gewohnten Sprich - wort an: Es wirken Gott und die Natur nie was verge - bens? Scheint es nicht,
Daß man von zwey verſchiednen Weſen auf eine ſolche Weiſe ſpricht;Als311Misbrauch des Worts Natur. Als waͤren ſie einander gleich? Du wendeſt hier vielleicht mir ein:
Es muͤſſe dieſes eben nicht ſo eigentlich verſtanden ſeyn;
Nein; ſondern ſo: Daß die Natur auf goͤttlichen Geheiß voll - fuͤhre,
Was ihr von ihm befohlen ſey. So folgt doch dieß daraus, daß ſie
Ein eignes Weſen muͤſſe ſeyn, das nach der Ordnung ſich be - muͤhe,
Des Schoͤpfers Willen auszurichten; und dieſes iſt ſchon ſon - derlich,
Und ſtreitet mit der Wahrheit ja. Du ſprichſt: Du uͤberei - leſt dich;
Weil wir die Woͤrter aus Gewohnheit ſo ſchlimm, wie du, nicht auszulegen,
Und ſo genau zu unterſuchen, ja gar nicht drauf zu achten pflegen:
So ſprech ich: Wenn auch dieſes waͤr; iſt es doch aͤrger, als man meynt,
So wunderlich ſich auszudruͤcken; und ſchadet mehr noch, als es ſcheint.
Jndem man, da man ohne dieß ſo ſelten an den Schoͤpfer denket,
So ſelten ſeine Macht bewundert, durchs Wort Natur gleich abgelenket,
Und wenigſtens gehemmet wird, in unſrer Ehrfurcht fortzugehn,
Da das, was ihm allein gebuͤhrt, ſich gleichſam theilt. Man bleibt beſtehn.
Wenn man nur die Natur genannt: So wird man insgemein befinden,
Man hoͤrt in der betrachtung auf, und laͤßt Geſchoͤpf und Schoͤpfer ſchwinden.
U 4Was312Misbrauch des Worts Natur.
(A.)
Was du hier ſchreibſt, iſt mehr als wahr. Jch bin, durch ſolche Redensart,
Nicht nur, wenn ich an Gott gedacht, durchs Wort Natur oft abgezogen;
Mein Denken iſt vertheilet worden, da man es mit der Gott - heit paart.
Jch ward ſo gar durch dieſes Sprichwort: Gott und Na - tur, gar oft bewogen,
Der Sache weiter nachzudenken. Die allerkluͤgſten Voͤlker haben
Die alles-wirkende Natur, als eine Mutter aller Gaben,
Betrachtet, und ſie angebethet. Der Gottesdienſt war mit Bedacht,
Und, nach den Gruͤnden der Vernunft, nicht eben ungereimt, vollbracht.
Sie opferten ihr Fruͤcht und Blumen, wobey ſie denn, zu ih - rem Preiſe,
Voll dankbarer Erkenntlichkeit, und recht geruͤhrt, auf dieſe Weiſe,
Der Goͤttinn folgend Loblied brachten: Wir opfern, ſang der ganze Hauf, Dich, dir, du einzige, die alles, o große Goͤttinn, Jſis, auf.
War es den Heiden zu verdenken, daß, da ſie ſich doch Goͤt - ter machten,
Beym großen Urſprung aller Dinge, ſie auch auf eine Goͤttinn dachten?
Da ſie in allen Dingen ſahn, bis auf ſich ſelbſt, aus zweyen Dingen,
Jn unterſchiedlichem Geſchlecht, ein drittes allererſt entſpringen,
Nach der Natur vollkommnen Ordnung. Worin ja mehr, als wie man meynt,
Ein Ehrfurcht-wuͤrdiges Geheimniß verborgen u. zu liegen ſcheint,Denn,313Misbrauch des Worts Natur. Denn, kann man gleich von Koͤrpern nicht auf eines Geiſtes Zeugung ſchlieſſen:
So ſcheint doch aus der Schoͤpfung ſelber, der Menſch ſey Gottes Bild, zu flieſſen.
Wie dieſe nun, um ſich zu zeugen, nothwendig zweyerley Geſchlecht,
Nach Gottes Ordnung, brauchen muͤſſen: So deucht es ihnen gleichfalls recht,
Den Wirkenden aus den Gewirkten am ſicherſten ſich vorzuſtellen,
Und wuͤrde dieß, nach ihrer Meynung, ja noch viel deutlicher erhellen.
Wann ſie der Chriſten Redensarten von der Natur noch ſoll - ten hoͤren:
Sie muͤßten die Natur noch mehr, gereizt durch ihr Exempel, ehren.
(B.)
So weit geht meine Meynung nicht. Nur iſt mir dieſes aͤrgerlich,
Daß, da wir ſonſt auf Gottes Werken nur gar zu ſelten un - ſer Denken,
Und in demſelben die Betrachtung noch minder auf den Mei - ſter lenken,
Man, wenn es einmal noch geſchicht, durchs Wort Natur ſo eilend ſich
Vom Schoͤpfer unbedachtſam zieht; und wenn man einmal noch geruͤhret,
Von Gottes wunderbaren Werken, und ihre Pracht gezwungen ſpuͤret,
Man meynt, genug gethan zu haben, wenn man mit kurzen Worten nur,
(Vom Schoͤpfer nicht) wenns hoch koͤmmt, ſpricht: Wie
wunderbar iſt die Natur!
U 5Die314Die ſchlimmſte Abgoͤtterey.

Die ſchlimmſte Abgoͤtterey.

Wir haben bis daher gezeiget, wie leibliche Abgoͤtterey,
Jm Bildniß eines alten Mannes, der Gottheit unan - ſtaͤndig ſey.
Nun wird es ja ſo noͤthig ſeyn, ein wenig weiter noch zu gehn,
Und, wie die geiſtliche nicht minder unleidlich, gleichfalls an - zuſehn.
Weil ja ſo wenig, als die Form, die unvollkommnen Leidenſchaften,
Affecten, Aenderung und Triebe der Menſchheit, an der Gott - heit haften.
Es iſt und bleibt unſtreitig wahr, daß Zorn und Eifer, Grimm und Rache,
So gar bey Menſchen, Laſter ſeyn. Wenn man bey uns den Zorn beſchreibt:
So heißts: Er ſey ein kurzes Raſen. Wie, daß man denn ſolch eine Sache,
Die ſtraͤflich an ſich ſelber iſt, von der vollkommnen Gottheit glaͤubt.
Wenn dort die Heiden Jupitern den fleiſchlichen Affect der Liebe
So frech, als thoͤricht, zugeeignet; ſcheint es uns laͤch-und laͤ - ſterlich,
Und zwar mit großem Fug und Recht. Nun aber uͤberleg, und ſprich:
Sind denn von Eifer, Zorn, und Grimm, und Rache die ſo heftgen Triebe
Nicht ja ſo ſchlimm, ja noch wohl gar von ſchlimmerer Be - ſchaffenheit?
Du ſprichſt: Was bey uns Menſchen Zorn, das heißt in Gott Gerechtigkeit. Hie -315Die ſchlimmſte Abgoͤtterey. Hiewider hab ich nichts. Der Schoͤpfer iſt, ſonder Wider - ſpruch, gerecht.
Doch, zwiſchen zornig und gerecht, iſt ja ein großer Unterſcheid.
Wer leidet Zorn an einem Richter, nur bey dem menſchlichen Geſchlecht?
Du magſt mir ſagen, was du willt: (Hoͤr ich dich hier voll Eifer ſprechen)
Jch bleibe bey der heilgen Schrift. Dieſelbe ſpricht von Zorn und Raͤchen,
Jn Gott, ſo deutlich, und ſo oft, daß ich es nicht begreifen kann,
Wie du, ſo frech, dich unterſteheſt, dieß zu verneinen, und hieran
Nur im Geringſten noch zu zweifeln. Allein, verdamme mich nicht eh,
Und uͤbereile dich nur nicht, bevor du mich hierauf gehoͤrt.
Jch bin gewiß, daß, wie du glaubeſt, ich mich hierinnen nicht vergeh.
Es iſt und bleibt unſtreitig wahr: Es wird die heilge Schrift erklaͤrt,
Ju allen Stellen, wo wir finden, daß Gott nach Menſchen Art geſprochen.
Wenn wir an vielen Orten leſen: Gott hab ein Auge, Fuß und Hand:
So wird ja die Figuͤrlichkeit von ſolchen Stellen leicht erkannt.
Demſelben tritt noch ferner bey,
Daß ja die Art der Morgenlaͤnder zu lehren, meiſt figuͤrlich ſey.
Da man nun ſo die meiſten Stellen, wie billig, anders nicht er - klaͤrt;
Wie, daß man denn, in dieſem Punkt, nicht auf dieſelbig Art verfaͤhrt?
Wenn316Die ſchlimmſte Abgoͤtterey.
Wenn wir noch uͤberdem erwegen, der Juͤden ſo verſtocktes Weſen,
Und ihres Herzens Haͤrtigkeit. Was Moſes fuͤr ein Art er - leſen,
Sie zu bedrohn, und ſie zu ſegnen, als wovon beyde Theil allein,
(Jndem er nichts vom Kuͤnftgen ſaget,) aufs Jrdiſche gerich - tet ſeyn.
Er ſegnet bloß mit irdſchem Heil, er drohet bloß mit irdſchen Noͤthen:
So ſcheim um deſto noͤthiger zu ſchlieſſen, daß auch die Pro - pheten,
Und andre heilge Maͤnner auch, wenn ſie der Gottheit Bild beſchreiben,
Sie, ihrer boͤſen Hoͤrer halber, auch bey derſelben Weiſe bleiben,
Und ihn, als einen grimmigen, erzuͤrnten Herrſcher ihnen zeigen,
Um, durch die Furcht der nahen Straf, ihr Herz um deſto eh zu beugen.
Denn, daß dieß nicht vom wahren Weſen der wahren Gott - heit zu verſtehn;
Als dem ſolch kleines Bild zu klein, da er ein Geiſt; kann je - der ſehn.
Gebrauchten wir nur die Vernunft: So wuͤrd uns Sonnen-klar entdecket,
Daß alle leibliche Gedanken, und was nur nach der Menſch - heit ſchmecket,
Der Gottheit unanſtaͤndig ſey; ja, daß der, welcher ſo gedacht,
Entweder uns zu einem Gott: Wie? oder Gott zum Menſchen macht:So317Die ſchlimmſte Abgoͤtterey. So beydes Gotteslaͤſterlich. Sprich nicht: Jndem die Bibel ſpricht:
Gott ſchuf dem Menſchen, ihm zum Bilde; ſo waͤr es auch der Menſchen Pflicht,
Von Gott was menſchlichs zu gedenken. Denn hoͤr: Wenn du den Ort erwegeſt,
Und Moſis Worte mit Bedacht, ohn Vorurtheil, recht uͤber - legeſt:
So wirſt du uͤberzeuglich finden, daß ſie unmoͤglich ei - gentlich
Von uns verſtanden werden koͤnnen. Denn erſtlich hat ja Gott kein Bild.
Dieß wirſt du wohl nicht leugnen duͤrfen. Der die Unend - lichkeit erfuͤllt,
Kann keine Bildungs-Graͤnzen haben; dieß zeigt die Schrift an tauſend Orten,
Es zeigt uns Gott und die Vernunft. Allein, es ſteckt in dieſen Worten,
Wirfſt du vielleicht mir ferner ein, doch wenigſtens ſo viel, daß man
Doch etwas Goͤttliches in uns mit Fuge folgern muß und kann:
So will ich dieß zwar nicht verneinen. Doch geht dieß Gleich - niß weiter nicht,
Als wenn die Schrift, an vielen Stellen, mit faſt denſelben Worten ſpricht: Es habe Gott der Obrigkeit ſein Bild auf Erden angehangen.
Die Richter waͤren alle Goͤrter. Kann nun ein Rich - ter wohl verlangen,
Er habe von der Gottheit Weſen ein weſentliches Theil em - pfangen;Und318Die ſchlimmſte Abgoͤtterey. Und wuͤßt er aus ſich ſelber nun, was Gott nicht, oder was er ſey?
Dieß hieltſt du ſelbſt fuͤr laͤcherlich; und beydes iſt doch ei - nerley.
Es iſt und bleibt unſtreitig wahr: Gott hat uns aller - dings hienieden
Mit Weisheit und Vernunft begabt, von allen Thieren un - terſchieden,
Und uns zu ſeinem Lob erwaͤhlt. Allein es bleibt auch dieß dabey:
Wer ſich mit Gott, und Gott mit ſich, vergleicht, begeht Ab - goͤtterey.
Hingegen wird, voll Lieb und Andacht, der tiefgebognen De - muth Lallen: Du, Gott, biſt alles, ich bin nichts; Dir, Gott, ver - hoffentlich gefallen.
Auf319Auf den Tod Fabricii.

Auf den Tod des ſeligen Herrn Fabricii.

Bey Teutſchlands allgemeinem Gram, worin es ſich kaum weis zu faſſen,
Weil ſein Fabricius erbleichet, werd ich durch dieſen Troſt geruͤhrt:
Daß Gott, in ihm, die wahre Tugend der Welt,
wo Laſter ſonſt regiert, Zu ihrer Beſſerung gezeigt, und acht und ſechzig Jahr gelaſſen.

Eine zu Altenbruch gegoßne Glocke. Auf Erſuchen des dortigen Kirchſpiels.

So oft, in meinem weiten Munde, die harte Zunge ſchallt und klingt,
Laßt euer Herz vom Erzt erweichen, und denkt an der Poſaunen Schall,
Der, bey dem letzten Donnerknall,
Euch vor des Hoͤchſten Thron zu ruffen, auch durch
die tiefen Graͤber dringt.
Es ließ das Kirchſpiel Altenbruch in eine neue Form mich flieſſen,
Und, ſiebzehn hundert ſechs und dreyßig, zum Werkzeug eurer Andacht, gießen.
Gute320Anwendung unſrer Zeit.

Gute Anwendung unſrer kurzen Zeit.

Jch war ein Nichts von aller Ewigkeit,
Und werde wenigſtens auf dieſer Erden
Ein Nichts aufs neue wieder werden.
Ach Herr! ſo laß mich doch die kurze Zeit,
Die du mir, bloß aus Gnad, hienieden,
Zu leben, und zu ſeyn, beſchieden,
Zu deinem Ruhm und Preis zu leben,
Jn deiner weiſen Macht Betrachtung, mich beſtreben!
Ver -321Vergleichung.

Vergleichung.

Jndem ich hier vergnuͤgt, auf einer Bruͤcke, ſtehe,
Und durch die klare Fluth,
Worauf der Sonnen helle Gluht,
Jm Wiederſchein, mit guͤldnen Stralen, ſchwam,
(Wodurch ſie die Geſtalt des Himmels an ſich nahm,)
Derſelben bunten Grund beſehe:
Koͤmmt der von mir entdeckte Grund,
Auf dem ich Tiefen, Hoͤhn, Gewaͤchſe, Stein und Sand,
Wie ſonſten auf der Erden, fand,
Mir anders nicht, als unſrer Erden Rund,
Das Waſſer, als der Luftkreis, fuͤr.
Jch uͤberlegete bey mir,
Ob es nicht etwan glaublich waͤr,
An ſtatt den großen Raum der obern Luft ſich leer,
Von Creaturen, vorzuſtellen,
Daß, uͤber unſrer Luͤfte Kreis,
Geſchoͤpfe koͤnnten ſeyn, die, zu des Schoͤpfers Preis,
Auf eine andre Weiſe lebten,
Nicht gingen, ſo wie wir, nicht ſchwuͤmmen, auch nicht ſchwebten,
Und die von ſolchen Hoͤhn, auch durch der Luͤfte Fluth,
(Worauf vielleicht auch dort, im Wiederſchein, die Gluht,
Von einem reinern Himmel, ruht,)
Den Blick auf unſre Welt zu lenken,
Und ihn auf uns herab zu ſenken,
Beſchaͤfftigt und geſchickt. Jch ſtellte mir,
Bey den Gedanken, fuͤr:
Ob unſer hieſiges Gewuͤhl und Laͤrmen
Nicht ihnen ſo, wie hier der Fiſche reges Schwaͤrmen
Uns ſcheinet, etwan ſcheinen moͤchte;Br. VI. Th. XUnd322Vergleichung. Und dachte, was doch ſolch Geſchlechte
Wohl von der Menſchen Thun gedaͤchte?
Gewiß das irdiſche Getuͤmmel,
Ob es die Menſchen gleich nicht meynen,
Koͤnnt ihnen faſt nicht anders ſcheinen,
Als uns der Fiſche Thun, und ſchwaͤrmendes Gewimmel.
Wir werden, durch das Netz der Leidenſchaft, beſtricket,
So wie der Hamen ſie beruͤcket.
Wie Menſchen ſich einander plagen,
So ſehn wir ſie einander jagen.
Wann große Fiſche kleine freſſen,
Wird dieſes auch bey Menſchen nicht vergeſſen.
Ja, wenn ich an das hoͤlliſche Geſchenke,
Carthannen, Moͤrſer, Bley, Cartaͤtſchen und Granaten,
Und neben moͤrdriſchen verwegnen Heldenthaten,
Noch erſt an foͤrmliche Bataillen denke:
Entſteht bey mir, zumalen bey den Schlachten,
Die Frag: Ob ſie, wofern ſie uns nicht duͤmmer,
Doch wilder, moͤrdriſcher und ſchlimmer,
Als wie die Fiſche, wuͤrden achten?
Thoͤ -323Thoͤrichter Hochmuth.

Thoͤrichter Hochmuth.

Wenn ich aufs Ufer-loſe Meer, und ſeiner Fluthen Laſt gedenke;
Wenn ich mich in die hohle Tiefe der ausgeſpannten Luſt verſenke;
Ja, wenn ich aller Sternen Heer, ins unumſchraͤnkten Him - mels Hoͤh,
Erſtaunet ſchau, und denn zugleich auf mich und meine Klein - heit ſeh:
Erſchreck ich, und begreife nicht, wie ein ſo kleines Weſen ſich,
Da es ſich kaum des Nichts erwehrt, ſo thoͤricht als ver - meſſentlich,
Den Schoͤpfer aller Welt zu faſſen, und zu beſchreiben, un - terſteh.
X 2Die324Die Welt ein goͤttlicher Lehrer.

Die Welt, ein goͤttlicher Lehrer.

Stral der unſichtbaren Sonne! Weltkreis, der noch mehr, als ſich
Unſern Augen, unſerm Geiſt,
Jn der Schoͤnheit, Pracht und Ordnung, die verborgne Gott - heit weiſt!
Man kann durch dich bloß allein, und wahrhaftig, ohne dich,
Keinen Gott verſtehn und finden!
Weſen! worin unſre Seelen, durch die Sinnen, ihn empfinden,
Worin wir, durch hoͤren, riechen, fuͤhlen, auch durch ſehn und ſchmecken,
Eine Weisheit, Liebe, Macht, ſo die Gottheit ſelbſt, entdecken,
Und worin, wenn wir mit Freuden nnd Bewundrung dich beſehn,
Als ein wuͤrdig Werk des Schoͤpfers, wir den Schoͤpfer ſelbſt erhoͤhn.
Aller Himmel Himmel Heere, alle Welt hat Gott gemacht,
Wie er wollt, daß ſie entſtuͤnden. Es entdecket ihre Pracht
Seinen uͤberall verborgnen, uͤberall vorhandnen Schein.
Laß doch deine Seele dann, liebſter Menſch, nicht Sinn-los ſeyn!
Weil, wenn du die Creatur, und die ſchoͤne Welt nicht ſpuͤreſt,
Du, nicht deine Luſt allein, dich, ja ſelber Gott, verliereſt.
Kur -325Gebeth-und Lob-Formular.

Kurzes Gebeth-und Lob-Formular.

Ach laß mein Lob, voll froher Ehrfurcht, und mein Ge - beth, von Zweifel rein,
Unendlichs Weſen aller Weſen, aus Gnaden, dir gefaͤllig ſeyn!
Mein Lob iſt: Wunderbarer Schoͤpfer, nur dir
ſey Preis und Ehr allein.
Mein zuverſichtliches Gebeth: O ewge Lieb! erbarm
dich mein.

Eigentlicher Zuſtand auf Erden.

Sich unſern Erdkreis vorzuſtellen,
Als wie ein Vorgemach der Hoͤllen,
Und wenigſtens, als einen Kerker, den lauter Miſſethaͤter fuͤllen,
So alle ſchmerzlich abzuthun; ſind ſchwarze ſchwaͤrmeriſche Grillen.
Von unſerm Kreis der Erden wollen,
Daß wir uns ſtets ergetzen ſollen,
Und, als in der Eliſer Auen, in ungeſtoͤrter Wolluſt ſchweben,
Von aller Widrigkeit befreyt, in Ruh und ſteten Freuden, leben,
Sind Grillen, die ein Sybarith und ein Sardanapal ſich macht.
Gedenken, daß der Erdenkreis, zuſammt den Menſchen und den Thieren,
Sich, nach des weiſen Schoͤpfers Willen, beſtaͤndig in der Ord - nung fuͤhren,
Und das ſeyn, was ſie ſollen ſeyn, iſt, wie man denken ſoll, gedacht.
X 3Diſpu -326Diſputir-Kunſt.

Diſputir-Kunſt.

Willt du ruhig und beliebt, uͤberall gelitten ſeyn:
Diſputir mit keinem Menſchen, er ſey vornehm oder klein.
Denn, du wirſt entweder ſiegen,
Oder aber unten liegen.
Letzters kann dir nicht gefallen; erſters thut dem andern weh,
Mehr, als einer Urſach halber. Sein Verſtand ſoll von der Hoͤh,
Drauf er ſich geglaubt, herunter. Dieſes iſt ihm aͤrgerlich;
Und er thuts mit Widerwillen. Aber, daß zugleich er dich
Noch vernuͤnftiger, als ſich,
Halten und erkennen ſoll; ſind zween Schlaͤg in einer Wunden,
Die von ſeinem lieben Jch gar zu heftig ſind empfunden.
Und er wird, ohn allen Zweifel, dich, nebſt deiner Wahrheit, haſſen.
Soll er aber, ſonder Haß, ſich von dir beſiegen laſſen:
Mußt du erſt ſein Herz gewinnen, und dazu beliebter Minen,
Sanfter Toͤne, ſuͤſſer Woͤrter, holden Ausdrucks dich bedienen.
Bey der Tonkunſt brauche ja eines freundlichen Geſichts,
Und bemuͤh dich, deine Schluͤſſe, wie mit Honig, zu verſuͤſſen.
Sonſten richteſt du bey allen mit den ſtaͤrkſten Schluͤſſen nichts;
Und dir wird aus deiner Klugheit nichts, als bittre Wermuth, ſprieſſen.
Ein -327Einzige Quelle des Vergnuͤgens.

Einzige Quelle des Vergnuͤgens.

Die Welt iſt voller Luſt und Anmuth, fuͤr ein vergnuͤgt und und froͤlichs Herz;
Fuͤr einen unzufriednen Sinn iſt ſie voll Unmuth, Laſt und Schmerz.
Dieß iſt unwiderſprechlich wahr. Es ſind auf Erden alle Sachen
Durchaus nicht, was ſie ſind; ſie ſind das, wozu wir ſie ſelber machen.
Darum ja wohl nichts noͤthigers, als daß wir uns mit Ernſt bemuͤhn,
Den Geiſt von ſchwarzer Schwermuth ab-und ſeine Kraft zur Luſt zu ziehn,
So viel uns immer moͤglich iſt. Ach! laßt es doch nicht aus der Acht,
Weil dieß allein, was ſuͤß iſt, ſuͤſſer, das Bittre minder bitter macht.
Es hat ein jedes Ding zwo Seiten. Nachdem wir jedes Ding nun drehn,
Jſt es verdrießlich und vergnuͤglich, iſt es veraͤchtlich oder ſchoͤn.
Der leichtſte Weg zu dieſem Gluͤck, ohn den kein Gluͤck ſonſt, zu gelangen,
Jſt, mit Bedachtſamkeit zu achten auf alles, was wir Guts empfangen;
Jſt, uns von Blindheit der Gewohnheit im Guten, eifrig zu entfernen;
Jſt, beſſer, als bisher geſchehn, die Sinnen zu gebrauchen lernen,
Und nimmer ohne Denken, Sehn, Empfinden, Riechen, Hoͤren, Schmecken,
Weil unſer Gluͤck und Gottes Ehr, allein durch Denken, zu ent - decken.
X 4Be -328Einzige Quelle des Vergnuͤgens.
Bedaͤchten wir, wie viel wir haben, und wie ſo wenig wir verdienen:
Unmoͤglich koͤnnten wir ſo oft, ſo viel zu klagen, uns erkuͤhnen.
So aber kehren wir es um, und lenken unſre Kraft der Seelen
Von allem, was wir haben, ab, und bloß auf Dinge, die uns fehlen.
So lange wir alſo verfahren: Kann es unmoͤglich anders ſeyn,
(Und, traͤff auch alles, was wir wollen, nach unſerm eignen Wuͤnſchen ein,)
Unmoͤglich kann man ſich vergnuͤgen. Denn, eben dadurch, daß wirs kriegen,
Und denn nicht mehr daran gedenken, verſchwindet eben das Vergnuͤgen.
Dadurch wird meiſtens nun die Welt ſo voller Gram und vol - ler Leid,
Und nicht ſo ſehr durch ihr ſelbſtaͤndig u. eigene Beſchaffenheit.
Wofern nicht jemand die Geſundheit, und etwan Speiſ und Kleider fehlen:
So thut er wirklich Unrecht, ſich den Ungluͤckſelgen zu zu zaͤhlen.
Wenn er nur in ſich gehen will, u. ſeiner Plagen Quell ergruͤnden:
Wird er ſie meiſt in ſeinem Herzen, und ſelten auſſer ſich befinden.
Erkenneſt du nicht uͤberzeuglich, wenn du nur ſelbſt willt in dich gehn,
Daß mehrentheils bloß in der Meynung die Dinge dieſer Welt beſtehn.
Willt du nun wirklich gluͤcklich ſeyn, und ſucheſt es nicht bloß zu ſcheinen:
So fange bey dir ſelber an; lern anders, als bishero, meynen.
Vergiß hinfort nicht mehr ſo ſchaͤndlich des Guten, ſo dir Gott beſchehrt,
So wird ein großer Theil verſchwinden, von dem, was dich bis - her beſchwert.
Nutz329Nutz der Demuth.

Nutz der Demuth.

Wer ſeines Geiſtes wildes Feuer und ſtolzen Muth nicht daͤmpfen kann,
Der ſeh, von ſich und allen Menſchen, den Urſprung und den Abſchied an.

Veraͤnderung des Menſchen in Veraͤnderung ſeines Alters.

Ein Fleiſchnarr iſt ein junger Menſch, ein Narr vom Ehrenwind allein,
Wenn er ein Mann; und wenn er alt, iſt er ein Ertznarr insgemein.
X 5Eigen -330Eigennuͤtziger Gottesdienſt.

Eigennuͤtziger Gottesdienſt.

Wenn du, im Gottesdienſt, dich bloß um deine Seligkeit bemuͤheſt,
Und in des Schoͤpfers Wunderwerken auf ſeine weiſe Macht nicht ſieheſt.
So ſeines Namens Ruhm befoͤrdert: So deucht mich, das ich billig glaͤube,
Und daß ich unſrer beyden Meynung nicht unrecht thue, wenn ich ſchreibe:
Du liebſt den Schoͤpfer deinetwegen. Jch meyn, ihn kind - lich zu verehren,
Jn der Betrachtung ſeiner Werke. So koͤmmt es mir nicht anders fuͤr.
Es ſcheint, du liebeſt dich in Gott; ich hoff, ich liebe Gott in mir.

Definition der Tugend.

Sollt auch die Tugend anders was, wenn mans erweget, als allein
Ein Regel-maͤßiger Gebrauch von unſern Leidenſchaften ſeyn?

It. Des Laſters.

Hingegen iſt das Laſter auch
Nichts, als von unſern Leidenſchaften ein unvernuͤnftiger Ge - brauch.
Die331Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.

Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.

Nachdem ich nun, mit allen Kraͤften, die große Wahrheit vorgetragen,
Daß wir des Schoͤpfers Creatur, wie ſie ſo herrlich und ſo ſchoͤn,
So kuͤnſt-und wunderlich gebildet (um ſeine Weisheit zu er - hoͤhn,)
Mit einem aufmerkſamen Blick, verpflichtet ſeyn, oft anzu - ſehn:
So hoͤr ich viele meiner Leſer, hierauf vermuthlich dieſes ſagen:
Wir finden, daß es alles wahr, wir ſehen unſre Schul - digkeit,
Wir ſind von der Geſchoͤpfe Pracht, von ihrer Vollenkom - menheit,
Zum Ruhm des Schoͤpfers, uͤberzeuget. Wir haben oft auch angefangen,
Auf ſie zu unſers Gottes Ehren, die Augen ernſthaft hinzu - lenken,
Und, daß ſie wirklich ſchoͤn, vortrefflich, und ſehr betraͤchtlich, zu bedenken:
Allein es iſt uns unſer Abſicht nur gar zu ſchlecht von ſtatten gangen.
Wir ſachen Gras und Kraͤuter an, auch Feld und Wald: Allein es ſchien
Uns alles meiſtens einerley. Gras, Kraut, und Feld und Wald war gruͤn,
Die Erde braun, der Himmel blau. Daher wir bald zu Ende waren,
Und332Die Kunſt
Und kunnten wir, wie gern wir wollten, von aller Creaturen Schaaren,
Uns doch nicht recht geruͤhret fuͤhlen. Hierauf erwiedr ich: Jhr habt Recht.
Geliebte Leſer, euer Klagen iſt leider gar zu ſehr gegruͤndet,
Weil dieſe Unvermoͤgenheit beym ganzen menſchlichen Geſchlecht,
Durch boͤſ Exempel und Gewohnheit, ſich leider! eingewurzelt findet,
So daß wir, auch mit offnen Augen, nicht ſehen, was wir ſehn; nicht hoͤren,
Was wir unwiderſprechlich hoͤren. Woher? Dieweil wir uns entfernt,
Von unſrer allererſten Pflicht. Wir haben nimmer ſehn ge - lernt,
Auf eine Weiſe, die vernuͤnftig. Wir ſehn: Allein es ſieht ein Vieh
So gut, als wir. Wo man den Geiſt, der unſern Koͤrpern ein - geſenket,
Und welchen uns, vor andern Thieren, der Schoͤpfer uns vor - aus geſchenket,
Nicht mit der Sinnen Kraft verbindet, und wenn man ſieht, dabey gedenket:
So ſieht und hoͤrt der kluͤgſte Menſch wahrhaftig anders nicht, wie ſie.
Um zu der Schule des Geſichts, auf eine Weiſe, nun zu kom - men,
Die noͤthig iſt, und doch nicht ſchwer, hab ich mir jetzo vor - genommen,
Euch einen neuen Weg zu weiſen. Da alle Werke der Natur,
Und alle goͤttliche Geſchoͤpfe, nur bloß in Farben und Figur,
Wenn man es recht erwegt, beſtehn: So will ich eine Kunſt euch zeigen,
Der333vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Der dieſe Vorwuͤrf alle beyde, ſo wohl Figur als Farben, eigen,
Und die daher, auf welche Weiſe man Gott in ſeinen Werken ehrt,
Wenn man ſie mit Vernunft gebraucht, zumal vernuͤnftig ſe - hen, lehrt.
Dieß iſt die edle Malerey. Das Zeichnen lehrt auf For - men achten,
Die kluge Miſchung bunter Farben, die Farben ernſtlicher betrachten,
Als wie man ſonſt zu thun gewohnt. Es iſt die ganze weite Welt,
Es ſind Luft, Waſſer, Berge, Baͤume, bebluͤmte Gaͤrten, Wald und Feld,
Ein Vorwurf dieſer großen Kunſt. Sie leitet, ſie regiert und lenket
Die Seele, daß ſie allgemach die ſonſt in ihr verborgnen Kraͤfte,
Zu dem ſo noͤthig-nuͤtzlichem und Gott gefaͤlligem Geſchaͤffte,
Recht anzuwenden ſich bemuͤht, und daß ſie, bey dem Sehn, auch denket.
Ob nun vielleicht die Maler ſelbſt nicht auf den rechten Weg gekommen,
Noch ſelber den ſo edlen Zweck von ihrer Kunſt in Acht ge - nommen,
Der ſie zu Gott dem Schoͤpfer fuͤhret: So hindert dennoch dieſes nicht,
Die große Wahrheit zu erkennen, und zu bekennen, daß das Licht,
So uns die Malerey entdecket, uns zu den Vollenkommen - heiten
Der ganzen Schoͤpfung, und dadurch zum Ruhm des Schoͤp - fers, uns zu leiten,
Am334Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Am allermeiſten faͤhig ſey. Zwar deucht mich, wendeſt du hier ein:
Dieß, was du zeigeſt, iſt nicht leicht. Es iſt ja dieſe Kunſt ſo ſchwer,
Daß, unter tauſenden, kaum einer, es ſey denn recht von un - gefaͤhr,
Ein Mieris oder auch ein Denner zu werden, je geſchickt wird ſeyn.
So ſag ich: Dieſes braucht es nicht. Du darfſt dich nur al - lein gewoͤhnen,
Von Koͤrpern etwas nachzuzeichnen, auch Farben dann und wann zu miſchen,
So wirſt du, nicht allein durchs Aug, auch ſelber deinen Geiſt erfriſchen;
Du wirſt, durch dieſe Faͤhigkeit, auch einen Weg zugleich dir baͤhnen,
Die Welt, und Gott in ihr, zu ſehn. Waͤr es nun gar mit dir zu ſpat,
Nach deiner Meynung: Geb ich dir dennoch noch dieſen guten Rath:
Beſorge, wenn du Kinder haſt, daß ſie, durch dieſe Kunſt, bey - zeiten,
Sich, zur Verehrung ihres Schoͤpfers, und ihrem eignen Gluͤck, bereiten.
So wird, fuͤr goͤttlicher Geſchoͤpfe, die grobe Blindheit von der Erden,
Zu Gottes Ehr und unſerm Beſten, auch allgemach vertrie - ben werden.
Stil -335Stille im Sturm.

Stille im Sturm.

Man hoͤrte von weiten ein Rauſchen, ein Bruͤllen,
Ein fuͤrchterlich Sauſen den Luftkreis erfuͤllen.
Dieß naͤhert ſich ploͤtzlich. Ein wuͤtender Grimm
Ergriff, was erhoͤhet, riß alles heruͤm,
Stuͤrzt alles zu Boden, was feſt und erhaben,
Droht alles in Truͤmmer und Schutt zu begraben.
Wie, wenn im Glaſe man, mit Eßig, Kreyde miſcht,
Man mit Erſtaunen ſieht, wie alles brauſt und ziſcht,
Wie alle Theile ſich bald auf-bald abwerts treiben,
Sich ſtoßen, draͤngen, fliehn, beſtuͤrmen, preſſen, reiben,
Bald ſinken, bald aufs neu ſich aͤmſig aufwerts heben,
Stets eilen, nimmer ruhn, bald hoch, bald niedrig ſchweben,
Jn allgemeinem Krieg ſich alle widerſtreben,
Jn reger Fluͤchtigkeit an allen Orten ſchwaͤrmen,
Und wuͤtend mit einander laͤrmen:
So kaͤmpften die Luft-Theil und ſtritten; es ſtrebte
Ein jeglichs, das andre zu ſchwaͤchen. Oft ließ,
Als wenn mit dem Suͤdwind der Nordwind ſich ſtieß,
Daß alles erſchuͤtterte, zitterte, bebte.
Jn dieſer fuͤrchterlichen Zeit,
Da ſelbſt die Elementen ſtritten,
Saß Licidas in ſeiner Huͤtten,
Beſchuͤtzt von ſeiner Niedrigkeit,
Und dankte Gott fuͤr ſeine Sicherheit.
Die336Die Liebe.

Die Quadratura circuli.

Die Quadraturam Circuli, das wahre Viereck in dem Runden,
Hat Phryx, der ſich bisher umſonſt, es zu erfinden, unter - wunden,
Jn unſrer Mutter rundem Schooß, in ſeines Grabes Viereck, funden.

Die Liebe.

Dein bitteres Honigſeim, ſchmeichlende Liebe,
Wirkt liebliche Plagen, wirkt kraͤnkenden Scherz,
Ergetzenden Kummer, erquickenden Schmerz,
Und fuͤllet mit Nectar und Wermuth ein Herz,
Das deine vergnuͤglich-verſehrende Triebe,
Mit Unmuth und Anmuth gemiſchet, genoſſen.
Dein loderndes Frieren, dein kuͤhlender Brand,
Aus welchem der Sterblichen Weſen entſproſſen,
Macht unſre Beſchaffenheit, Weſen und Stand,
Voll ſtetigen Widerſpruch, deutlich bekannt.
Metall.337Metall.

Metall.

Der Pflanzen und der Thiere Reich ſcheint unſerm Geiſt, in dieſem Leben,
Sie, Gott zum Ruhm, mit Luſt zu brauchen, zum wuͤrdgen Ge - genſtand gegeben.
Wir aber waͤhlen uns, zum Vorwurf, von andern Creaturen allen,
Zur Luſt, zur Abſicht, faſt zur Gottheit, das Reich der ſchmu - tzigen Metallen.
Anſtatt uns an den ſchoͤnen Farben, und ſchoͤnen Formen, in den Schaͤtzen,
Die uns die beyden Reiche ſchenken, zuſamt dem Licht, uns zu ergetzen:
Graͤbt man den ungeformten Goͤtzen, um gleichſam irdiſcher zu werden,
Aus dem verborgnen Abgrunds-Grund, und aus dem finſtern Schooß der Erden;
Bemuͤht ſich, weil dem groben Klumpen die alles zierende Natur
So Farben, als Figur, verſagt, mit Muͤh ihm einige Figur,
Jm Muͤnzen, durch die Kunſt, zu geben. Nun iſt es wahr: Weil jedermann,
Durch Meynungen, die allgemein, faſt alles, was man hoͤrt und ſiehet,
Fuͤr das an ſich verworfne Weſen von andern ſich verſchaffen kann,
Daß auch darin ein Segen ſteckt; einfolglich, wenn man ſich bemuͤhet,
Es zu erhalten, zu erſparen, man gar daran nicht unrecht thut:
Doch muß ein Gut, das nur durch Zufall, und nicht an ſich ein wirklich Gut,
Br. VI. Th. YMit338Der Menſch.
Mit Unterlaſſung aller Pflichten, mit der Verachtung aller Pracht,
Die Gott zu unſerm Nutz und Freuden, und ſeines Namens Ruhm gemacht,
Mit ſolcher Sucht, die uns fuͤr alles verblendet, und zwar faſt allein,
Uns ſelbſt zum wahren Unvergnuͤgen, ſo heftig nicht geſuchet ſeyn.

Der Menſch.

Es laͤßt ſich, von der Menſchen Weſen, der Widerſpruch hier - in vereinen:
Wir ſind wahrhaftig nicht ſo gut, und nicht ſo
boͤs, als wie wir ſcheinen.
Thor -339Thorheit des Hochmuths.

Thorheit des Hochmuths.

Ein Weſen, das zu ſeinem Weſen und ſeinem Urſprung nichts gethan,
Dem alles, was es hat, geſchenkt, ja dem es wirklich nur ge - liehen,
Dem alles, keiner weis, wie bald, gewiß ſich wieder wird ent - ziehen,
Erhebet ſich in ſeinem Sinn, und ſieht ſich, als was Hohes, an;
Will bald mit Schoͤnheit, bald mit Guͤtern, und bald mit an - dern Gaben prangen,
Die es doch ſelber Gaben nennt. Heißt dieſes wohl mit Recht Verſtand?
Ach wuͤrde doch die große Wahrheit von dieſer heilgen Frag erkannt: Was ruͤhmeſt du dich des Empfangnen, als haͤt - teſt du es nicht empfangen?
So wuͤrde zu des Schoͤpfers Ehr, und unſerm Beſten, auf der Erden,
Bald aller Hochmuth laͤcherlich, die Demuth nur geehret werden.
O Gott! bey allen deinen Gaben, die du uns wuͤrdigſt, uns zu ſchenken,
Verleih uns dieſe doch dazu, daß wir bey jeglicher gedenken:
Daß wir ſie haben und genieſſen, doch auch abſonderlich dabey,
Daß ſie von deiner Huld allein aus Gnaden uns geſchenket ſey.
Y 2Der340Der Menſch,

Der Menſch, ein Schmidt ſeines eigenen Ungluͤckes.

Wenn wir nicht ſelber Menſchen waͤren,
Und ſollten wo von einem Weſen, das denken koͤnnte, reden hoͤren,
Das heißt, ſich ſelbſt Gedanken zeugen; wie gluͤcklich wuͤrd ein ſolches Weſen
Von uns nicht angeſehen ſeyn! Zu ſeinem eignen Heil und Gluͤck
Hat jeder, (daͤchten wir,) den Schluͤſſel; er wird in jedem Au - genblick
Zu ſeinem eigenen Vergnuͤgen, ſich frohe Vorwuͤrf ſelbſt erleſen,
Und durch ein ſtets auf ſeiner Luſt nur bloß allein gerichtet Denken,
Jn immer froͤlichen Gedanken, ſich ſelber neue Freude ſchenken.
Allein, wie gehet es denn zu, daß wir, die wir ja denken koͤnnen,
Und zwar mit einem freyen Willen, uns ſelbſt ſo wenig Gu - tes goͤnnen?
Wir brauchen dieß ſo große Gut, das beſte Theil von unſrer Seelen,
Ja faſt zu nichts, als uns dadurch faſt unaufhoͤrlich ſelbſt zu quaͤlen.
Der Schoͤpfer ſchenkt uns, in fuͤnf Sinnen, fuͤnf immer - aufgeſperrte Thuͤren,
Durch welche Millionen Vorwuͤrf in unſern Geiſt ſich ſelber
Es ſteht bey uns, von ihnen allen, (fuͤhren.
Diejenigen, die uns gefallen,
Es ſey an geiſtigen Jdeen, es ſey an leiblichen Geſtalten,
Durch ein auf ſie gerichtet Denken, uns zuzueignen, zu erhalten.
Wir koͤnnen, wenn wir ſelber wollen, durch eigne Kraͤfte unſrer Seelen,
Jdeen,341ein Schmidt ſeines Ungluͤcks.
Jdeen, die uns widrig ſind, vertreiben, angenehme waͤhlen.
Wie koͤmmt es, daß wir dieſer Kraft, die wir wahrhaftig in uns hegen,
Nicht, als uns ſelbſt zu plagen, brauchen? vergnuͤgte ſchnell verfliegen laſſen,
Und die, ſo uns mit Bitterkeit und Gram erfuͤllen, fertig faſſen,
Beſtaͤndig uns mit ihnen ſchleppen u. plagen, ja mit allen Kraͤften
Die regen Kinder unſrer Seelen an widerwaͤrtge Vorwuͤrf heften?
Sprich nicht: Es ſtehet dieſes ja, zu aͤndern, nicht in un - ſrer Macht.
Wer kann doch die Gedanken zwingen? Denn, wo die Men - ſchen dieß nicht koͤnnen:
So koͤnnen ſie nicht ſuͤndigen; und was ſie freyen Willen nennen,
Faͤllt alles weg; wofern ſie nicht dasjenige, ſo ſie gedacht,
Durch Denken ſelbſt zu aͤndern faͤhig, und dieß Vermoͤgen nicht in ihnen.
Daß aber es ſo leicht nicht iſt, kann zur Entſchuldigung nicht dienen,
Weil wir viel Dinge lernen muͤſſen, nur bloß ums Brodt, die ſchwerer ſeyn.
Liegt alles menſchliche Vergnuͤgen denn in dem Denken bloß allein,
Wie es wahrhaftig bloß nur liegt: So laßt uns doch, zu Got - tes Ehren,
Und uns zum Beſten, kuͤnftighin von unſerm Unſinn uns ent - fernen,
Und beym vernuͤnftigen Empfinden, beym Riechen, Schme - cken, Sehn und Hoͤren,
Aufs Gute laͤnger, als vorhin, doch die Gedanken heften lernen;
Jedoch dabey, daß Gott das Wollen und das Vollbringen geb, ermeſſen,
Und darum, ihn um ſeiner Gnad oft anzuflehen, nicht vergeſſen.
Y 3Die342Die Wahrheit.

Die Wahrheit.

Dein groß-zugleich auch kleiner Geiſt, dein unverſtaͤndiger Verſtand,
O Menſch! womit du ſehr gerecht, (zugleich Partey und Richter) richteſt,
Und mehrentheils zu deinem Vortheil, die allermeiſten Din - ge ſchlichteſt,
Spricht kuͤhn: So wie mir alles faſt, ſo iſt auch dieſes mir bekannt,
Daß alle Wahrheit einzig iſt. Allein, wie du in vie - len Sachen
Dich uͤbereilſt: So gehts auch hier.
Jſt es nicht wahr, daß drey und vier,
Jmgleichen ſechs und eins ſowohl, als zwey und fuͤnfe, ſieben machen?
Die343Die Wallfiſche

Die Wallfiſche.

Mein geiſtigs Auge ſieht aufs neu, mit einem geiſtigen
Vergnuͤgen,
Jn der beweglich-tiefen Fluthen faſt Graͤnz - und Boden-loſen Gruſt,
Ein nicht zu zaͤhlend Heer von Fiſchen, recht, wie die Voͤgel in der Luft,
Jn einer ſtetigen Bewegung, ſo ſehr nicht ſchwimmen, als faſt fliegen,
Und uͤberall ſich hinbegeben. Abſonderlich nimmt abermal
Der ungeheuren Waſſer-Wunder ſo ungeheure Groͤß und Zahl,
Wenn ich mich, mit erſtauntem Geiſt, zu ihnen in die Tiefe
ſenke,
Jn ihnen, Berge, welche leben, und Jnſeln, die beſeelt, be -
denke,
Mich, als ein wuͤrdger Vorwurf, ein. Sie fuͤhren den er -
ſtaunten Sinn,
Durch ihre Groͤß und rege Laſt, von neuen zu dem Schoͤp -
fer hin,
Jndem ich, auch ſo gar in Koͤrpern ſo ungeheurer Creaturen,
Von einem Weſen, welches wollte,
Daß ihnen, da es ſie gemacht, auf ihre Weiſe wohl ſeyn ſollte,
Faſt unleugbare Proben ſind und uͤberzeuglich klare Spuren.
Mich deucht, ich hoͤr ein dunkles Toͤnen, aus ihren holen
Schluͤnden, brechen,
Und bald im Schwimmen, bald in Ruh, die Wallfiſch alle
gleichſam ſprechen:
Y 4Wir344Die Wallfiſche.
Wir fuͤhlen Luſt, wenn wir uns naͤhren,
Nicht minder, wenn wir uns vermehren;
Wenn wir uns in den Tiefen kuͤhlen;
Wenn wir auf fettem Grunde wuͤhlen;
Wenn wir der Liebe Flammen fuͤhlen,
Und ſchwaͤrmend durch einander ſpielen.
Und dieſe Luſt, im tiefen Meere,
Gereicht dem, der uns ſchuf, zur Ehre.
Sprich nicht, mein Leſer: Dieß ſind Grillen,
Die deinen Kopf und nicht den Kopf des Wallfiſchs fuͤllen:
Du dichteſt, denn der Wallfiſch ſpricht
Von ſeines Schoͤpfers Wundern nicht.
Sprich, ſag ich, nicht alſo. Jch koͤnnte dir erweiſen,
Daß ſie nicht minder Gott, als viele Menſchen, preiſen.
Denn minder, als wir es von vielen Menſchen ſehn,
Kann es, im tiefen Meer, vom Wallfiſch, nicht geſchehn.
Heil -345Heilſames Mittel fuͤr Schiffende.

Heilſames Mittel fuͤr Schiffende.

Es ward ein ungemeiner Brief, mir juͤngſt von unbekann -
ter Hand,
Ohn Unterſchrift, ohn Ort und Namen, und ſonder Datum,
zugeſandt,
Worin ein ſonderlich Geheimniß, zum Nutz dem menſchli -
chen Geſchlechte,
Mir edelmuͤthig mitgetheilet, dabey verlangt ward, daß
ich es,
Zu Gottes Ehr, in meinen Schriften, als etwas recht be -
ſonderes,
Der Welt, zumal den Schiffenden, zum Beſten offenbaren
moͤchte.
Jch muß geſtehn, daß durch den Styl, den Jnhalt, durch
den Zweck, die Art
Des Briefes ich recht eingenommen, und in der That geruͤh -
ret ward.
Die Unabſichtlichkeit des Schreibers, ſein Endzweck, daß er
bloß allein,
Zu Gottes Ruhm, dem Naͤchſten dienen, und nutzen moͤchte,
nahm mich ein.
Jch halte mich demnach verpflichtet, ſo viel mir moͤglich, ſei -
nen Willen,
Jn guter Abſicht, Gott zum Ruhm, zum Nutz der Menſchen,
zu erfuͤllen.
Jch346Heilſames Mittel fuͤr Schiffende.
Jch will denn denen, die es brauchen, hier ſein Geheimniß
nicht verſchweigen,
Und was er mir, zum Nutz der Schiffahrt, geoffenbart, auch
andern zeigen.
Wie groß die Noth der Schiffenden, wenn ihnen es am
Waſſer fehlet,
Das trinkbar iſt, wird jeder wiſſen, indem es oͤfters fault
und ſtinket,
So gar das Wuͤrmer darin wachſen, wodurch den jeden, der
es trinket,
Nicht nur ein ekelhaftes Grauen, ſo gar Scorbut und Krank -
heit quaͤlet,
Daß viele, durch das faule Naß, den Koͤrper jaͤmmerlich ver -
derben,
Und unter tauſend bittern Schmerzen zuweilen gar erbaͤrmlich
ſterben.
Hierwieder dient nun dieſes Mittel, das Wurm und Faul -
niß ſo vertreibet,
Daß alles Waſſer lauter, friſch, geſund und immer klar ver -
bleibet,
Ja noch geſunder wird, als erſt, zu ſo geringem Preis, daß
man,
Die dazu angewandten Koſten faſt keine Koſten nennen
kann.
Man nimmt, ſchreibt mir mein Unbekannterm, zu dieſem
Mittel bloß allein,
Ein Unze lebendigen Silbers, das auserleſen, gut und
rein,
Ligierts mit ſo viel weiſſem Zinn, das ſonder Zuſatz hart und
fein,
So347Heilſames Mittel fuͤr Schiffende.
So daß es hart wird; brockelt es darauf in kleine Stuͤcke -
lein,
Und wirft es in ein friſches Faß, mit Waſſer angefuͤllt,
hinein,
Es ſey ſo groß, als wie es wolle. Je ſtaͤrker es nun hin
und her,
Bewegt wird auf der See, je beſſer. Man braucht in einem
Faß nicht mehr,
(So wie die ordentlichen Faͤſſer zur See ſind) vom Mercu -
rius,
Als nur ein einzigs Loth. Dieß iſt von dem Recept der Nutz
und Schluß.
Um nun, von dieſes Mittel Nutzen, die Schiffende zu uͤber -
fuͤhren,
Duͤrft einer erſt die Probe machen, und es im Kleinen nur
probiren.
Un -348Unumſtoͤßliche Gruͤnde.

Unumſtoͤßliche Gruͤnde.

1.
Alle menſchliche Vernunft ſtimmt der Wahrheit hier - in bey,
Jeder faßt, daß er nicht ſelber Urſach ſeines Weſens ſey.
2.
Jn der Ordnung der Geſchoͤpfe, die ſo regel-recht, als ſchoͤn,
Da auch ſie ſich nicht gemacht, iſt ein Schoͤpfer klar zu ſehn.
3.
Dieſen muß man, durch die Sinnen, die uns zu dem Zweck gegeben,
Nebſt der Creaturen Menge, zu verehren, ſich beſtreben;
Und, da eben die Geſchoͤpfe ihn am deutlichſten uns zeigen,
Durch ſie, zu ihm, Staffel-weiſe, als auf einer Leiter, ſteigen.
4.
Dann wird man, vom Sichtbaren, zum Unſichtbaren, ſich lenken,
Und von ihm, aus allen Kraͤften, das Vollkommenſte ge - denken.
5.
Daß Vollkommenſte nun iſt: Glauben, das, was er gemacht,
Sey von ihm, zum guten Endzweck, bloß aus Lieb, hervor - gebracht.
6.
Wenn wir dieß, mit Ueberzeugung, und dadurch geruͤhrt, erwegen,
Wird man wirklich wuͤnſchen muͤſſen, daß wir ihm gefal - len moͤgen.
7.
So wie wir die Furcht des Herrn als der Weisheit Anfang kennen,
Sind Betrachtungen, der Anfang von der Furcht des Herrn, zu nennen.
8.
Die Bewunderung entſteht aus der Creatur Be - trachtung,
Und aus der Bewunderung ſolcher Wunder, quil - let Achtung,
Ehr -349Unumſtoͤßliche Gruͤnde.
Ehrfurcht, Andacht, Dank und Liebe, deren fuͤſſen Eindruck man,
Sonder der Natur Betrachtung, ſchwerlich recht empfinden kann.
9.
Zur Betrachtung und Bewundrung, ſcheint die ganze Welt allein,
Scheinen Sinnen, Leib und Geiſt eigentlich beſtimmt zu ſeyn.
10.
Brauchet man der Seelen Kraͤfte, wie man ſoll: So wird man finden,
Daß zu dieſem Zweck die Seelen, durch die Sinnen, ſich verbinden,
Mit den Dingen dieſer Welt.
11.
Man wird finden, daß, auf Erden,
Alle Creaturen werth, daß ſie wohl betrachtet werden.
12.
Man wird finden, daß ſie herrlich.
13.
Man wird finden, daß die Macht,
Daß die Lieb und Weisheit deſſen, welcher ſie hervor - gebracht,
Unergruͤndlich und unendlich, folglich daß, auf dieſe Weiſe,
Man betrachtend und bewundernd Gott verehre, ruͤhm und preiſe.
14.
Ja, man wird noch ferner finden, wenn man es recht uͤberdenkt,
Daß Gott, recht als einen Lohn, eine Luſt darein geſenkt.
15.
Wenn wir dieſes nun empfinden; wenn wir dieſes nun er - kennen:
Sollte denn mit Recht in uns nicht ein Andachts-Feuer brennen?
Sollten wir mit mehrem Ernſt und mehr Fleiß uns nicht beſtreben,
Jn Bewundrung der Geſchoͤpfe, Gott, was Gottes iſt, zu geben?
Uns von Laſtern abzuziehn, und, aus Liebe, fromm zu leben?
Ob350Unumſtoͤßliche Gruͤnde.
Ob nun zwar ein mehrers noch, wie die heilge Schrift uns lehrt,
Zum vollkommnen Gottesdienſt, nach dem Chriſtenthum gehoͤrt;
Jſt doch um ſo weniger dieſe Pflicht hindan zu ſetzen,
Und, als waͤr es gleiche viel, wie wir leider thun, zu ſchaͤtzen,
Da des Glaubens erſter Theil, und Artikel bloß allein,
Daß der Schoͤpfer, als ein Schoͤpfer, von uns muß verehret ſeyn,
Ueberzeuglich klar uns zeiget. Wann nun eine zeitlang her
Dieſer dritte Theil des Glaubens, und in ihm der Gottheit Ehr,
Ungluͤckſelig iſt verſaͤumt, da man Gott, in ſeinen Werken,
Mit gehoͤriger Bewundrung, anzubethen, zu bemerken,
Gar zu wenig ſich bemuͤht, weder auf die Macht geachtet,
Noch die Stralen ſeiner Weisheit, in der Creatur, betrachtet,
Seine Guͤte, ſeine Liebe, durch die Sinnen, nicht entdeckt,
Wie ſo freundlich unſer Gott, nicht geſehen, nicht geſchmeckt:
Sollten denn nicht unſre Pflichten, da wir es erkannt, ver - langen,
Dieſen Fehl, mit mehrerm Ernſt, zu verbeſſern, anzufangen,
Da zumal, durch ſolch Beginnen und Verfahren, alle Triebe,
Wahrer Ehrfurcht, froher Andacht, Lob, Bewundrung, Ge - genliebe,
Wo nicht gaͤnzlich auf gehoben, doch gewiß geſchwaͤcht, be - hindert,
Unterdruͤcket, nicht gebraucht, ja verringert, ſehr vermindert,
Und faſt gar vergeſſen worden. Ach! es iſt beklagens-werth,
Daß man, durch Gewohnheit blind, ungluͤckſelig aufgehoͤrt,
Gott, in unſrer Luſt, zu ehren! welches doch, im Paradeiſe,
Adams Dienſt allein geweſen. Denn zu ſeines Schoͤpfers Preiſe,
Haͤtte, waͤr er nicht gefallen, anders, als auf dieſe Weiſe,
Nichts von ihm geſchehen koͤnnen. Dieß Geſchaͤffte bloß allein,
Und351Unumſtoͤßliche Gruͤnde.
Und kein anders, kunnte jemals ſeiner Schoͤpfung Endzweck ſeyn.
Will die Menſchheit ſich denn nicht das, wozu ſie auser - leſen,
Und vom Anbeginn allein, eigentlich beſtimmt geweſen,
Wieder zu erwerben trachten? Will man ſich denn nicht be - reiten,
Durch die Luſt an Gott auf Erden, zu den ſelgen Herr - lichkeiten,
Welche ja, wie nicht zu leugnen, darin bloß allein beſtehn,
Gottes Allmacht, Lieb und Weisheit unaufhoͤrlich zu er - hoͤhn?
Ein ſo ſtraͤfliches Verſaͤumen, ſich des Schoͤpfers hier zu freuen,
Duͤrfte leicht, wenn es zu ſpaͤt, Geiſt - und Weltliche gereuen.
Zu352Zuſatz zu den Waſſer-Tropfen.

Zuſatz Zu den Waſſer-Tropfen. Jm II. Th. p. 116. Jrd. Verg.

Herr, in deinem Licht ſehen wir das Licht. Pſ. 36, 16. ()
Juͤngſt hatt ich fruͤhe das Gedicht, von eines Tropfen reinem Weſen,
Und dem in ihm gepraͤgten Glanz, nicht ſonder Eindruck nach - geleſen;
Jch fand zugleich, indem die Sonne die falben Schatten laͤngſt vertrieben,
Daß, von dem meiſt verſchwundnen Thau, noch hier und dort ein Troͤpfchen blieben.
Vor andern fiel ein klarer Tropfen, an eines Tulpen Lau - bes Spitzen,
Der von beſondrer Groͤße war, und ganz erfuͤllt mit bunten Blitzen,
Durchſtralet von dem Sonnenlicht,
Recht wie ein Stern der erſten Groͤße, voll Glanz und Gluht, mir ins Geſicht.
Es ward dieß rein-und bunte Funkeln, nicht bloß allein der Augen Ziel,
Jch ſpuͤrte, wie durchs Koͤrpers Aug es in mein Seelen-Auge fiel.
Jch dachte: Welch ein großes Wunder! da nicht allein der Sonnen Bild
Sich in der kleinen Ruͤnde zeigt; nein, daß der Tropfen auch erfuͤllt,
Mit ihren Farben, Licht und Kraͤften, wie ſolches nicht zu leugnen ſteht.
Bey353Anhang zu den Waſſer-Tropfen.
Bey dieſem, von der Sonnen Schein,
Durchſtralt-und angefuͤllten Tropfen, fiel ungefaͤhr mir et - was ein,
Daß, wenn man es mit Ernſt erwegt, vielleicht noch etwas weiter geht.
Jch habe mehr, als tauſendmal, die nicht zu faſſend Eigen - ſchaft,
Das unerforſchliche Geheimniß, die uͤberall verborgne Kraft,
So in dem Samen ſteckt, erwogen; doch fand ich lauter Dunkelheit.
Umnebelt war und blieb mir alles; nicht die geringſte Deut - lichkeit
Verſpuͤrte mein geſchwaͤchter Geiſt. Jetzt, deucht mich, ſpuͤret mein Geſicht,
Jn dieſem angeſtralten Tropfen, vom dunkeln Samen etwas Licht.
So wie des Waſſers runde Theile vom Licht erleuchtet und durchſtralt,
Erwaͤrmet und gefaͤrbet werden:
So ſcheinen auch nicht minder Theile, von der dazu formirten Erden,
Jm Samen gleicher weiſe faͤhig, von einem nicht ſichtbaren Schein,
Durchdrungen, fruchtbar, reg, erwaͤrmet, entzuͤndet und belebt zu ſeyn.
Wie nun der Sonnen Feur und Licht, aus Gott, der Sonnen Sonne, quillet,
Und unſerm Auge ſichtbar iſt: So deucht mich, kann man billig ſchlieſſen,
Daß aus der Gottheit mehre Kraͤfte, ſind ſie den Augen gleich verhuͤllet,
Nicht nur in Samen, uͤberall, in nie erſchoͤpfter Fuͤlle flieſſen.
Br. VI. Th. ZDank -354Dank-Gedanken.

Dank-Gedanken.

Mein Gott! wie groß iſt doch die Menge
Der Gaben, die du mir geſchenkt,
Zumalen, wenn mein Geiſt der Zeiten Laͤnge,
Jn welcher ich ſie hab, erweget, und bedenkt.
Wie mancher Tag, wie manche Nacht,
Wie manchen Theil der Zeit, wie viele Stunden,
Wie viel Minuten und Secunden
Beſitz ich ſie! Und nicht allein
Nur ich, ſo gar auch in den Meinen,
Der abermal ſo viele ſeyn,
Die gleichſam ſich in mir vereinen,
Beſitz ich ebenfalls die Gaben,
Die ſie, von deiner Guͤtigkeit,
Und zwar auch ſeit ſo langer Zeit,
Empfunden und genoſſen haben.
Jch danke denn, wie billig, dir,
O Brunnqvell alles Heils, dafuͤr.
Ach laß mich doch, auf dieſer Welt,
Nebſt allen Meinen, ſo zu leben,
Wie es dir, o mein Gott, gefaͤllt,
Aus allen Kraͤften mich beſtreben!

Vorwurf.

Jſts moͤglich, daß deinem verblendeten Geiſt
Die Wirkung der Gottheit, die Welt, nicht gefaͤllt?
Daß er, in Geſchoͤpfen, den Schoͤpfer nicht preiſt,
Du Schaͤnder der Schoͤpfung, Veraͤchter der Welt?
Dank355Dank das beſte Opfer.

Dank, sdas beſte Opfer.

Geruͤhrt, durch der Geſchoͤpfe Pracht,
Hab ich oft bey mir nachgedacht,
Und deucht mich, daß ich nicht in meiner Meynung fehle:
Ob eine, durch das Werk des Schoͤpfers, frohe Seele,
Mit Luſt und Dank erfuͤllt, kein Gott gefaͤlliger
Und lieber Opfer ſey, als wie das Angſt-Geplaͤrr
Von Ochſen, welche man zerfleiſcht,
Und deren Fett und Mark, auf glimmen Kohlen, kreiſcht?
So weit ſich menſchliche Vernunft erſtrecket,
So viel von der Vollkommenheit,
Von einer Gottheit, ſich in unſrer Seel entdecket:
Jſt hier ein großer Unterſcheid.
Man werfe mir nicht ein: Es haͤtte ſolche Gaben
Der Schoͤpfer dennoch wollen haben.
Jndem auch dazumal die Opfer nur ein Zeichen,
Von guten Herzen, welche rein,
Voll Luſt und Glauben, mußten ſeyn;
Zumal beym Dankaltar. Jmgleichen
Koͤmmt eine ſolche Seele mir,
Die durch des Schoͤpfers Werk geruͤhret,
Dank, Andacht, Luſt und Ehrfurcht ſpuͤret,
Nicht anders fuͤr:
Als ob ſie, zu des Schoͤpfers Ehre,
Gar einer Bethenden noch vorzuziehen waͤre.
Z 2Ein356Dank das beſte Opfer.
Ein Bethender bezeugt zwar ein Vertrauen,
Daß Gott ihm helfen koͤnn: Doch ſcheinet er
Auf ſich zuerſt, und denn auf Gott zu ſchauen.
Da einer, der vergnuͤgt im Dank zu Gott ſich lenkt,
Und, durch ſein Werk erfreut, am großen Geber denkt,
Jhm nicht nur Ehr und kindlich-bruͤnſtge Triebe
Von Luſt, Erkenntlichkeit und Gegenliebe,
Jhm ſelbſt ſein eigen Werk vergeiſtert gleichſam ſchenkt.
Noth -357Verbindung der Seelen und Sinnen.

Nothwendige Verbindung der Seelen und der Sinnen.

Es ſcheinet zwar, ob koͤnnten Sachen,
Die koͤrperlich, nur in die Theile,
Die in uns koͤrperlich, bloß einen Eindruck machen,
Doch findet ſich zugleich, daß man ſich uͤbereile.
Noch iſt nicht ausgemacht, ob das, ſo koͤrperlich,
Von einem Geiſte ſich ſo weit entfern und trenne,
Daß, ohne Geiſt, es gar beſtehen koͤnne.
Noch minder iſt der Stoff, draus unſer Leib beſteht,
Vom Geiſt ſo gar entfernt, daß er nicht ſollte ſpuͤren,
Wenn koͤrperliche Ding ihn koͤrperlich beruͤhren.
Warum denn ſcheiden wir, was die Natur verbindet?
Warum, wenn Aug und Naſ ein ſchoͤnes Bluͤmchen findet,
Entfernet ſich der Geiſt? Warum gedenkt man nicht,
Jn ſeiner Luſt, an den, der Lieblichkeit und Pracht
Jn Blumen, und in uns ſo Naſ als Auge macht?
Warum empfinden wir nicht Triebe,
Wenn wir, was lieblich, zierlich, ſchoͤn,
Empfinden, riechen, ſchmecken, ſehn,
Von Andacht, Dankbarkeit und Liebe,
Von Dank, und von Erkenntlichkeit?
Geliebter Leſer, ſtelle dir
Einſt eine ſolche Welt nur in Gedanken fuͤr,
Jn welcher die Geſchoͤpf, auf eine ſolche Weiſe,
Von den Bewohnern, Gott zum Preiſe,Z 3Jn358Verbindung der Seele und Sinnen. Jn ihrer Luſt gebrauchet wuͤrd-und waͤren.
Was meyneſt du? Stimmt eine ſolche Welt
Nicht mit der Abſicht und den Ehren
Des Schoͤpfers beſſer uͤberein;
Und ſollte ſie ihm nicht viel lieber ſeyn,
Als die Beſchaͤfftigung auf unſrer Erden,
Auf welcher wir im Weltlichen nur reich,
Und ſelig, wenn wir todt, zu werden
Verhoffen, und dahin uns bloß allein beſtreben;
Sonſt aber faſt nicht anders leben,
Als wenn wir, wenn fuͤr uns von Gott nichts zu erlangen,
Noch etwas zu verhoffen waͤre,
Man ihm fuͤr das, was wir von ihm empfangen,
So wenig Dank, als Andacht, Lieb und Ehre,
Nicht mehr, als wie ein Vieh, zu geben ſchuldig ſey.
Ach! ſtimmt denn meinem Wunſch, geliebte Menſchen, bey.
Große Gottheit! laß uns doch, deinen vaͤterlichen Willen,
Der zur Luſt uns vorgeſchrieben, ſtets mit Luſt und Freud erfuͤllen!
Ueber -359Beweis, im Schoͤpfer ſich zu freuen.

Ueberzeuglicher Beweis, daß wir uns hier des Schoͤpfers zu freuen, ſchuldig.

Nachdem wir nun der Erden Pracht,
Die Gott, zu unſrer Luſt, und ſeinem Ruhm, gemacht,
Mit Achtſamkeit bisher beſehn:
So muͤſſen wir ja, daß ſie ſchoͤn,
Ja, daß ſie wunderſchoͤn, geſtehn.
Will man uns denn die Sinnen rauben,
Wenn man uns zwingen will zu glauben:
Es muͤſſe ſich kein Menſch erkuͤhnen,
Sich ihrer Schoͤnheit zu bedienen?
Man muͤſſe nicht daran gedenken;
Dieß waͤre weltlich, und ein Schein;
Man muͤſſe Geiſt und Seel allein
Auf das, was kuͤnftig iſt, nur lenken.
Worzu war Adam doch erſchaffen?
Fuͤrwahr! nicht, dieſe ſchoͤne Welt,
Und was ſie herrlichs in ſich haͤlt,
Den Thieren gleich, nur anzugaffen,
Und aller ſeiner Sinnen Kraͤfte
Nur zu dem einzigen Geſchaͤffte,
Was etwan ihm, nach dieſer Zeit,
Und nach der Aenderung der Erden,
Dort von des Himmels Herrlichkeit
Wuͤrd etwan zugetheilet werden.
Er ſollte ſich daran vergnuͤgen;
Er ſollte Geiſt und Koͤrper fuͤgen,Z 4Mit360Beweis, im Schoͤpfer ſich zu freuen. Mit dem Geſchoͤpf ſein Denken binden,
Um Gottes Macht darin zu finden,
Jhn zu bewundern, ihn zu ehren,
Und, Gott zum Ruhm, nur ſehn und hoͤren.
So aber kehren wir es um,
Und ſind aus Hochmuth blind und dumm.
Anſtatt mit Freuden unſre Pflichten,
Jn Luſt und Andacht, auszurichten:
So will man, was uns nicht hienieden,
Nur kuͤnftig allererſt, beſchieden,
Faſt mit Gewalt auf Erden faſſen.
Wodurch wir aus der Ordnung gehn,
Und was uns nicht gebuͤhrt zu ſehn,
Zu ſehen uns geluͤſten laſſen.
Daher denn ein beſtaͤndigs Zanken,
Und nimmer einige Gedanken.
Da alles uns doch uͤberfuͤhret:
Es hab uns Gott, in dieſer Zeit,
Der Creatur Vollkommenheit
Zu ſehn, und in der Ewigkeit
Zu ſeinem ewgen Ruhm formiret.
Wir ſind, ohn Widerſpruch, hienieden,
Von andern Thieren unterſchieden;
Wir ſind an Geiſtes Kraͤften reich:
Doch ſind wir keinen Engeln gleich.
Das waͤr ein gar zu großer Sprung,
Der, wie wir ſehen, nimmer nicht
Jm Reiche der Natur geſchicht.
Es ſcheint fuͤr uns Bewunderung
Des Geiſtes Kraft-Kreis hier allein
Und bloß die Staffel nur zu ſeyn,Wor -361Beweis, im Schoͤpfer ſich zu freuen. Worauf wir uns, in allen Dingen,
Jm Lob und Dank zum Schoͤpfer ſchwingen,
Sein Unbegreiflichkeit erkennen,
Und nach der Maaß ihn ehren koͤnnen,
Die er uns hier in dieſem Leben
So viel, als uns hier nuͤtzt, gegeben;
Bis daß er uns, nach dieſer Zeit,
Jn einer ſelgen Ewigkeit,
Da ſich der Seelen Kraͤfte haͤufen,
Die Faͤhigkeiten, zu begreifen,
Bey einer andern Art vom Denken,
Die ordentlicher iſt, wird ſchenken.
Erweislich iſt: Gott woll, auf Erden,
Jn unſrer Luſt geehret werden.
Erweislich iſts: Er hab hienieden
Uns dazu eine Zeit beſchieden.
Sprich: Sollten wir der Sinnen Gaben
Zum andern Zweck empfangen haben?
Natur, Vernunft und Schrift ſpricht: Nein.
Wie kanns denn immer moͤglich ſeyn,
Daß Creaturen, die vernuͤnftig,
Dem großen Endzweck widerſtreben;
Und hier, mit einem ſteten Kuͤnftig,
Vor alles blind, beſchaͤfftigt leben?
Gott ſpricht: Genießt, zu meinen Ehren,
Die Wunder, die ich euch geſchenkt.
Hingegen lauten vieler Lehren:
Wer nicht am Himmel ſo gedenkt,
Und ſo das Kuͤnftige betrachtet,
Daß er das Jrdiſche verachtet:Z 5 Der362Beweis, im Schoͤpfer ſich zu freuen. Der handelt wider Gottes Willen,
Und kann die Pflichten nicht erfuͤllen,
Worzu wir hier erſchaffen ſeyn;
Ja, drohn wohl mit der Hoͤllenpein.
Was Gott ſchuf, ſollen wir verachten,
Des Himmels Pracht, der Erden Zier
So wenig, als ein Vieh, betrachten;
Hier ſeyn, als waͤren wir nicht hier;
Statt, mit vernuͤnftigem Gebrauch
Des, was uns Gott in dieſem Leben
Aus lauter Lieb und Huld gegeben,
Uns zu den kuͤnftgen Herrlichkeiten
Zu Dank und Andacht zu bereiten;
Verſchmaͤhen wir des Schoͤpfers Gaben,
Und halten nichts der Muͤhe werth,
Daß man den Schoͤpfer dafuͤr ehrt,
Und wollen hier den Himmel haben?
Es ſcheint, als ob wir uns erkuͤhnen,
Bloß durch Verachtung aller Pracht
Der Dinge, welche Gott gemacht,
Von Gott den Himmel zu verdienen.
Gott wollt, auf wunderbare Weiſe,
Zu unſrer Luſt und ſeinem Preiſe,
Die Seele mit dem Koͤrper fuͤgen,
Um, durch dieß Fuͤgen aller Pracht,
Der Dinge, die fuͤr uns gemacht,
Auf dieſer Welt uns zu vergnuͤgen.
Wir aber trennen unſern Geiſt,
Da er ſich von den Sinnen reißt,Und363Beweis, im Schoͤpfer ſich zu freuen. Und wenn der Sinn ſich worauf lenket,
So uns zu unſrer Luſt geſchenket,
So gleich auf etwas anders denket.
Zu Mindrung unſrer eignen Freuden,
Soll ſich die Seele gleichſam ſcheiden
Vom Koͤrper, und fuͤr ſich allein
Nur bloß im Kuͤnftgen froͤlich ſeyn.
Dieß heißt ja: Sterben, eh wir ſterben.
Das heißt ja die Natur vernichten,
Und mit ſtets kuͤnftigen Gerichten
Die gegenwaͤrtigen verderben.
Dieß heißt: Sich Gott entgegen ſetzen,
Des Schoͤpfers Ordnungen verletzen.
Fuͤr einen kuͤnftgen Lebens Morgen
Kann man gewiß nicht beſſer ſorgen,
Als wenn wir froͤlich unſer Heut,
Die uns allhier geſchenkte Zeit,
Jm froͤlichen Genuß verbringen,
Aus Dankbarkeit die Laſter haſſen,
Und, um dereinſt auch wohl zu ſeyn,
Auf Gottes ewgen Lieb allein,
Jn wahrem Glauben uns verlaſſen.
Be -364Betrachtungen aus der Anatomie.

Betrachtungen aus der Anatomie.

Begierig, doch mit ein’ger Abkehr, faſt halb verwirrt vor Luſt und Grauen,
Erſtaunens-und Bewundrungs-voll, nahm ich, aus Carpſers kluger Hand,
Jn ſeinem Hauſe, Menſchenknochen, woran der Sehnen zaͤhes Band,
Mit großer Sorgfalt aufgetrocknet, in ihrer Lag annoch zu ſchauen,
Die er aus Frankreich mitgebracht, nicht ohn Gemuͤthsbewe - gung, hin.
Jch dachte, daß ſie das vor kurzen geweſen, was ich jetzo bin;
Jch dachte, wo ihr Geiſt wohl ſey. Die Augen liefen hin und wieder,
Und, in den Augen, meine Seele auf die vom Rumpf getrennten Glieder.
Es war ein Fuß und eine Hand, ein Knie und auch ein Ellenbogen,
Woran ich, nach beſiegtem Ekel, wie ſich der Geiſt zurecht gezogen,
Und der Natur Geſchaͤfft erwog, Bewundrungs-werthe Wunder fand.
Zumal kam mir die Hand betraͤchtlich, und ſo bewunderns - wuͤrdig vor,
Daß ich faſt alle Kraft, zu denken, bey dieſem Wunderwerk, verlohr.
Nicht nur die Naͤgel, die Gelenke, die Sehnen, die den Stri - cken gleich,
Erfuͤllten meinen ernſten Sinn. Die Bruͤcken, die, wie ſtar - ke Rollen,Die365Betrachtungen aus der Anatomie. Die Seilen-foͤrmgen Sehnen decken, und wehren, wenn wir greifen wollen,
Daß ſie uns nicht im Wege ſeyn, ſind auch nicht minder Wun - der-reich;
Sie ſind, an jeglichem Gelenke, zu dieſem Endzweck, mit Bedacht,
Jn einer unergruͤndlichen und weiſen Abſicht, feſt gemacht.
Die nett-gebildeten Gelenke, wovon die Knochen ſo gefuͤget,
Daß, auf Bewundrungs-werthe Weiſe, der eine in dem andern lieget,
Da man den einen halb gehoͤlet, den andern Regel-recht geruͤndet,
Mit glatten Knoͤrpelchen verſehn, und immer angefuͤllet findet.
Wobey ich denn, o neues Wunder! (um die daſelbſt nothwend - ge Staͤrke,)
Jm Knie, noch außer ſeiner Scheibe, gar etwas ſonderlichs bemerke.
Man ſieht daſelbſt, nicht ohn Erſtaunen, recht Kreuz-weis, ein paar ſtarke Sehnen,
Und zwar noch um ſich ſelbſt geſchlungen, daß ſie ſich zwar in etwas dehnen,
Doch faſt nicht zu zerreiſſen ſind, die beyden Knochen feſte binden,
Dergleichen, wie an dieſem Ort, im ganzen Koͤrper nicht zu finden.
Jndem ich nun mit ernſtem Denken der kuͤnſtlichen Ge - lenke Bau,
Der aller Menſchen Kunſt und Wiſſen, an Kunſt weit uͤber - ſteigt, beſchau:
Befaͤllt mich recht ein heilger Schauer; mein Geiſt ſcheint, ei - nen andern Geiſt,
Der auf ganz andre Weiſe wirkt, der mehr, und andre Weis - heit weis,
(Kann ich ihn ſelber gleich nicht ſehen) in ſeinen Wirkungen zu finden.
Jn -366Betrachtungen aus der Anatomie.
Jndem ich ſein Geſchaͤfft erwege: So deucht mich, daß ich ihn verſpuͤre,
Daß ich ihm nahe ſey, ja gleichſam, daß mein Geiſt dieſen Geiſt beruͤhre.
An einer Ehrfurcht, welche ſich in meinem ganzen Weſen reget,
Wenn meine Seele ſeine Werke, mit rechter Achtſamkeit, erweget,
Erkenn ich ſeine Gegenwart. Wann aber dennoch meiner Seelen
Die, ihn noch naͤher zu erkennen, nothwendge Faͤhigkeiten fehlen:
Will ich doch thun, ſo viel ich kann, und meines Geiſtes rege Kraft
Auf ſeine Wirkung wieder lenken, um den, der alles ſchuf und ſchafft,
Jn der Betrachtung zu bewundern, zu loben, und ihn zu ver - ehren,
Um ſeines großen Namens Ruhm, ſo viel an mir iſt, zu ver - mehren.
Weil, ob er es unmittelbar, wie, oder mittelbar verricht,
Was in der wirkenden Natur Bewundrungs-wuͤrdiges geſchicht,
Jhm doch die Ehr allein gebuͤhrt, da er allein Kraft, Seyn und Leben
Den Creaturen, welche geiſtig, auch welche koͤrperlich, gegeben.
Be -367Beweisgrund gegen die Alchimiſten.

Beweisgrund gegen die Alchimiſten.

D in den Blumen Honig ſtecket,
Hat uns die Bien allein entdecket.
Man kann auch Honig, ohne ſie,
Auch mit der allergroͤßten Muͤh,
Unmoͤglich aus den Blumen bringen.
Daß Milch aus Kraͤutern zu erzwingen,
Waͤr unſerm menſchlichen Verſtand
Und blieb uns ſtetig unbekannt;
Es zeigen ſolches unſre Kuͤh.
Auch waͤr unmoͤglich, ohne Vieh,
Auf andre Weiſe, durch Filtriren,
Durch Mengen und durch Diſtilliren,
Mit noch ſo viel gemiſchten Sachen,
Aus Gras und Kraͤutern, Milch zu machen.
Natur hat zu derſelben Weſen
Nur eine Weiſe ſich erleſen.
Wenn nun in der Metallen Reich
Auf eine gleiche Weiſe, gleich
Die Anordnungen moͤglich waͤren,
Jn Gold ein groͤbers zu verkehren;
Muß denn nicht jeder zugeſtehn,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Es koͤnn, auf eine andre Weiſe,
Als die Natur dazu erſehn,
Mit keiner Moͤglichkeit geſchehn?
Defi -368Definition des Menſchen.

Definition des Menſchen.

Ob es, vielleicht durch Stolz verfuͤhrt, den meiſten Men - ſchen nicht ſo ſcheinet:
So iſt der Menſch doch in der That nichts anders, als ein Thier, das meynet.

Meynung.

Es meynt der Menſch in allen Dingen, in allem, was er denkt und ſpricht.
Die Meynung geht bey ihm ſo weit, daß er oft meynt: Er meyne nicht.
Jn -369Jnbruͤnſtiges Verlangen.

Jnbruͤnſtiges Verlangen.

Großer Gott! an dich zu denken,
Sey auf Erden, meine Luſt!
Waͤre mir doch nichts bewußt,
Als mich in dein Werk zu ſenken;
Wuͤrd ich aus geruͤhrter Bruſt,
Oft auf dich die Seele lenken,
Und ſie dir, voll deiner Ehre,
Ganz und gar zum Opfer ſchenken.

Das Nacht-Geſicht.

Die Sonne zeiget uns der Erden Schmuck und Pracht;
Hingegen laͤßt die dunkle Nacht
Uns wunderſchoͤn
Des Himmels Pracht und Schoͤnheit ſehn.
Br. VI. Th. A aDas370Das Zukuͤnftige.

Das Zukuͤnftige.

Wie ein Vorwurf, welcher nah, unſern Augen groͤßer ſcheinet,
Als ein ferner, welcher groͤßer: Alſo glaub ich, daß man hier
Auch von einer nahen Wolluſt, daß dieſelbe groͤßer ſchier,
Als die noch weit groͤßern Luͤſte des noch fernen Himmels, meynet.
Weil jedoch das, was zukuͤnftig, doch auch gegenwaͤrtig wird,
Sieht man leicht, wie ſehr ein jeder, in der Meynung, ſich geirrt.
Mit -371Mittel gegen Schwermuth.

Mittel gegen Schwermuth.

Es hat der Sonnen Licht nicht nur die Kraft,
Die ſchwarzen Schatten zu verjagen;
Sie hat nicht weniger die Wunder-Eigenſchaft,
Wenn unſre Sinnen ſich mit Schwermuth-Schatten plagen,
Aus dem benebelten Gemuͤth
Der Grillen ſchwarzen Duft zu treiben,
Wenn man, auch nur durch Fenſterſcheiben,
Auf Koͤrper, die beſtralet, ſieht.
Es ſteckt zugleich ein Licht der Freuden
Jm Sonnenlicht, bey heitrer Luft.
Wenn ſie die Creaturen ſchmuͤckt,
Jſt man zu allem mehr geſchickt,
Und muß, der ſchwarzen Schwermuth Duft,
Durch ihren frohen Glanz vertrieben, ſcheiden.
Thu nur ſo viel, und hab, auf ihre Pracht,
Ein wenig Acht,
Und laß ein Denken ſich mit deinen Blicken binden:
So wird ein Gegenſchlag, durchs Auge, Hirn und Bruſt,
Jm Licht und Glanz, zugleich auch eine Luſt,
Auf einem jeglichen beſtralten Vorwurf finden;
Verdruß und Grillen werden ſchwinden.
Erkennet denn, wenn man das Sonnenlicht,
Mit aufmerkſamen Augen, ſiehet,
Daß nicht nur Waͤrm und Glanz aus ſeinen Stralen bricht;
Daß auch darin ſo