J rdiſches V ergnuͤgen in GOTT . F uͤnfter T heil . Betrachtung des Himmels . [2] [3] [figure] W enn , von Leidenſchaft gereinigt , mein erheiter - tes Gemuͤth
Jn die gleichfals reine Tieffe , des entwoͤlckten Himmels ſieht ;
Treff ’ ich ſolch ein rein Vergnuͤgen , in der reinen Klar - heit an ,
Das ich halb entzuͤckt zwar fuͤhlen , aber nicht beſchreiben kann .
Dieſer unumſchraͤnckte Raum , dieſes weite Himmels-Feld ,
Das in Boden-loſer Tieffe , ungezehlte Welt ’ enthaͤlt ,
Jſt , in ſeiner weiten Groͤſſe , eine rechte Seelen-Weide ,
Und umgiebt , durchdringt , erfuͤllet meinen Geiſt mit heil - ger Freude .
Durch den Blick ſcheint ſich mein Geiſt , gantz erſtaunt , an allen Seiten ,
Jn die Hoͤhe , in die Weite , voll Vergnuͤgen auszubreiten ,
Und auch in den gantz entlegnen , unerforſchten Abgrunds - Gruͤnden ,
Eben ſo , wie in der Naͤhe , GOTT zu ſuchen und zu fin - den .
Das , aus Licht und ferner Tieffe , wunder-ſchoͤn formirte Blau ,
Welches ich mit Luſt und Ehrfurcht , und faſt bangen Freu - den ſchau ,
A 2 Zei - 4 Zeiget mir ein aus der Gottheit hergefloſſnes Sonnen - Licht ;
Und die Tieff ’ ohn End ’ und Graͤntzen ſieht mein forſcheu - des Geſicht
Als ein wuͤrdigs Reich des Schoͤpffers , das unendlich ſon - der Schrancken ,
Wo , in alle Ewigkeit , menſch - und engliſchen gedancken
Kein Bezirck , kein Ziel , noch Ende zu erſinnen , moͤglich faͤllt ,
Mit erſtauntem Blicken an . Dieſe groſſe Sternen-Welt ,
So viel Millionen Sonnen , ſind die Proben ſeiner Liebe ,
Seiner Weisheit , ſeiner Macht . Denn was ſonſt , als Liebe , triebe
Sein in ſich ſchon ſeeligs Weſen , Creaturen , aus dem Nichts ,
Zum Gebrauch ſo vieler Guͤter , zum Genuß des ſchoͤnen Lichts ,
Ja zur Seeligkeit zu ſchaffen ?
GOttheit , deren ewigs Weſen heilig , ſeelig , herr - lich , wahr ,
Unerforſchlich , weiſ ’ , allmaͤchtig , liebreich und unwan - delbar !
Laß mich von dem hellen Himmel nie die Strahlen-reichen Hoͤhen ,
Ohn ’ an deine Lieb ’ und Macht froͤlich zu gedencken , ſehen !
Biß mein Geiſt , nach dieſer Erde , von der ewgen Sonnen Schein
Wird , unmittelbar beſtrahlet , ewiglich erleuchtet ſeyn .
Fruͤhe 5 Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe . J m vier und dreißigſten , auf ſiebzehn hundert Jahr ,
Hab ich bereits im Februar ,
Nachdem wir wenig Froſt , kaum Eis , und keinen Schnee
Den gantzen Winter durch geſehn ,
Nebſt andern Blumen auch , ein ſchoͤnes Fruͤhlings-Kind ,
Ein ’ aufgebluͤhte Hyacinth ,
So aus dem Lande ſchon , ohn alle Kunſt , geſtiegen ,
Mit lieblichem Geruch erfuͤllt , und ſchoͤn geſchmuͤckt ,
Jn weislich-blauer Pracht , mit innigem Vergnuͤgen ,
Faſt fuͤr Verwundrung ſtumm , erblickt .
Es war ein aufgeklaͤrt - und ſchoͤner Tag ;
Solch eine Heiterkeit ,
Wie man , in voller Fruͤhlings-Zeit ,
Am Firmament zu ſehen pflag ,
Schien mit der Erde ſich zu fuͤgen ,
Schien uͤberall auf Gras und Kraut zu liegen .
Wenn hie und da , durch das noch zarte gruͤn
Des jungen Krauts , das Licht der Sonnen ſchien ;
War jedes Blatt durchlaͤuchtig , und der Grund ,
Worauf die gruͤne Schoͤnheit ſtund ,
Vermehrte , durch die Dunckelheit ,
Die faſt ſchmaragdne Lieblichkeit .
Es zeigten der Narciſſ - und Tulpen Blaͤtter
Nur halb annoch geſehne Spitzen ſich :
Jhr neues Gruͤn vergnuͤgte mich
Recht inniglich ,
Zumahl bey dem ſo angenehmen Wetter .
A 3 Nicht 6 Nicht weniger gefiel auch mir
Des Buchs-Baums roͤthlich-gruͤne Zier ,
Auf welchem , da ein jedes Blatt ,
Recht wie Orangen-Laub , faſt Spiegel-glatt ,
Der heitern Sonne helles Licht
Schnell ruͤckwerts ſtrahlt und ſich ſo lieblich bricht ,
Daß , mit der gruͤnen Pracht , an manchem Ort , vereint ,
Das Kraut , an manchem Ort , verſilbert ſcheint .
Ein lieblich-bitter-ſuͤſſer Duft
Aus dieſem Kraut erfuͤllt umher die Luft .
So gar durch die Figur , worin man es geſetzet ,
Da es bald als ein runder Krantz formirt ,
Bald als ein Rahmen , der geviert ,
Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert ,
Wird unſer Aug ’ ergetzet .
Diß alles nahm mit einem neuen Schein
Das innerſte der Seelen ein .
Die Hofnung , daß der Winter bald vorbey ,
Der laue Fruͤhling nahe , ſey ,
Erfuͤllt mich zum voraus mit kuͤnftigem Vergnuͤgen .
Aus der ſo oft geſehnen Lentzen-Zier
Stell ’ ich mir die zukuͤnftge Schoͤnheit fuͤr .
Die Seele ſcheint ſich zu bemuͤhn ,
Durch die Erinnerung herbey zu ziehn
Und ſonder Gegenwart zu fuͤgen ,
Das was noch nicht , mit dem was nicht mehr , iſt .
Wer 7 Wer GOttes Ordnungen ermißt ,
Die in der Aenderung unwandelbar
Kann ſchon aus dem , was ehemahls geweſen ,
Das Kuͤnftige , wie gegenwaͤrtig , leſen .
Ach HErr laß mich geſund die Fruͤhlings-Zeit erleben !
Laß mich , dir Lob und Danck fuͤr ſo viels Guts zu geben ,
Und deine weiſe Macht und Liebe zu erheben ,
Jn froher Achtſamkeit zum oͤftern mich beſtreben !
[figure] A 4 Be - 8 Betrachtung der in den Knoſpen ent - haltenen Wunder . W illkommen , liebſte Fruͤhlings-Sproſſen ,
Die ihr theils gruͤnet , theils ſchon bluͤht ;
Jhr Knoſpen , die man ofters ſieht ,
Eh ’ man es meint , ſchon aufgeſchloſſen ;
Die ihr recht von einander ſpringt ,
Und , ſonderlich bey ſchoͤnen Wetter ,
Uns eine Menge ſchoͤner Blaͤtter ,
Als lauter Wunder-Kinder , bringt !
Wie wuͤrd ’ uns euer Glantz und Schein
So nuͤtzlich und erſprießlich ſeyn ,
Eroͤfnetet ihr uns zugleich
Welch eine wunderbare Kraft
Jn euren Weſen wirckt ! was euch
Und euren regen Wunder-Saft
So kraͤftig in Bewegung bringet !
Ob ihr nur Stoß-weiſ ’ , oder nicht
Vielmehr beſtaͤndig , vorwerts dringet !
Ach , gaͤbet ihr uns doch Bericht ,
Woher der Farben Schmuck , der Bildung Zierlichkeit ,
Die Anmuth des Geſchmacks in eurer Frucht entſtehet !
Wie kann ſich in ſo rauhen Rinden
Ein ſolcher ſtrenger Trieb , ſolch ’ eine Kunſt , befinden ,
Die , beſſer als der Menſchen Hand ,
Ja aller menſchlicher Verſtand ,
Geſchickt , ſo liebliche Figuren zu formiren ,
Sie ſo zu faͤrben und zu zieren !
Wahr - 9 Wahrhaftig , wenn ich bey euch ſteh
Und eure Form und Farben-Pracht beſeh ,
Erſtaunt mein Geiſt mit Recht und dencket :
Kommt dieß von ungefehr ? Ach nein :
Der dieſe Kraft in euch geſencket ,
Muß groß , muß eine GOttheit ſeyn !
A 5 Be - 10 Betrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit der Baͤume im Fruͤhling . S o bald die Knoſpen erſt ſich von einander geben ,
Woruͤber ſich ein Aug ’ in Hofnung ſchon erfreut ,
So ſcheint der gantze Baum , mit zartem Gruͤn beſtreut ,
Als wenn um jeden Aſt viel gruͤne Puncte ſchweben .
Viel tauſend kleine gruͤne Tuͤpfel
Bedecken uͤberall den Wipfel .
Wenn nun der Sonnen heller Strahl
Jhr zaͤrtliches Geſpinſte manches mahl
Beſtrahlet und durchdringt ; ſollt einer oͤfters meinen ,
Daß uͤberall im Baum gelb gruͤne Funcken ſcheinen .
Wenn ſich die Blaͤtter nun vergroͤſſern und verbreiten ,
Vermehren und vergroͤſſern ſich
Derſelben gruͤne Lieblichkeiten !
Jndem ein gruͤner Dunſt , den man mit Anmuht ſieht ,
Sich um den gantzen Baum ſo dann gemaͤhlig zieht .
Durch den nicht gaͤntzlichen Zuſammenhang der Blaͤtter
Kommt jeder Vorwurf uns ſo dann nicht anders vor
Als ſaͤh man ihn durch einen gruͤnen Flor ;
Das uns denn , ſonderlich bey heiterm Wetter ,
Von unten auf den himmliſchen Sapphier ,
Von oben ab der Erden gruͤne Zier
Annoch verſchoͤnert weiſet ;
So daß wer es , mit achtſamen Gemuͤth
Und einiger Erwegung , ſieht ,
Jn ſeiner Augen Luſt , mit Recht , den Schoͤpfer preiſet ,
Der uns zu unſrer Luſt , die Welt ſo lieblich ſchmuͤckt ,
Und 11 Und wovon , in den ſchoͤnen Wercken ,
Wenn man ſie mit Vernunft erblickt ,
So Macht als Lieb und Weisheit zu bemercken .
Wann nun in kurtzer Zeit die gruͤnen Zweige ſchieſſen ,
Die Blaͤtter ſich vergroͤſſern und ſich ſchlieſſen ,
So laͤßt an jedem Baum , nicht minder ſchoͤn ,
Sich eine neue Art von Schoͤnheit ſehn ,
Jndem , da ſich das Heer der Blaͤtter faſt vereint ,
Der Baum ein gruͤn Gewoͤlck , ein gruͤn Gewoͤlbe ſcheint .
Es laͤßt als truͤge jeder Aſt
Nicht ohne Muͤh der Blaͤtter gruͤne Laſt .
Die ſchwancken Zweige haͤngen nieder ,
Und gleichen , da ſie abwerts hangen ,
Und in ſanft-wallenden und gruͤnen Schimmer prangen ,
Dem abwerts haͤngenden Gefieder
Von gruͤn-beaugten Pfauen-Schwaͤntzen ,
Nur mit dem Unterſcheid , daß die mit blauen ,
Da dieſe hier mit gruͤnen Augen , glaͤntzen .
Wenn wir demnach , im lauen Lentzen ,
Der gruͤnen Baͤume Pracht beſchauen ;
So laßt es ohne Danck und Andacht nie geſchehn !
Laßt uns in unſrer Luſt denjenigen erhoͤhn ,
Durch deſſen Lieb ’ und weiſe Macht ,
Was ſchoͤn und herrlich iſt allein hervorgebracht !
Das 12 Das Sonnen-Reich . Aus der duncklen Erde ſteigen Pflantzen in die duͤn - ne Luft :
Warum ſolten unſre Seelen nicht , aus irdſcher Luͤfte Duft ,
Jn die Himmels Luͤfte ſteigen , um in ihren reinen Hoͤh’n ,
Durch ein reines Licht erleuchtet , GOttes Werck auch dort zu ſehn ?
M it nicht auszudruͤckender , inniger , und ſanfter Freude
Find ’ ich auf den Garten Beeten jetzt , zur fruͤhen Fruͤh - lings-Zeit ,
Eine recht bewundrungs-wehrte Hertzen-Seel-und Augen - Weide
So mein gantzes Weſen fuͤllet mit beſondrer Lieblichkeit .
Die noch geſtern gantze Beeten ſind anjetzt ſchon voller Ritzen ,
Voller ofnen luckern Stellen . Seht , wie kleine gruͤne Spitzen ,
Zwiſchen kleinen Erden-Kloͤſſen , aus den duncklen Spal - ten dringen ,
Seht wie ſie nicht hie und da , ſondern uͤberall , entſpringen .
Ein vernuͤnftig Menſchen-Auge kann nicht ſonder Anmuht ſehn
Jn ſo ſuͤſſer Meng und Ordnung kleine gruͤne Pfriemen ſtehn ,
Die aus ihrer duncklen Wohnung mit ſo ſtrengem Druck ſich heben
Daß noch oͤfters an den Spitzen kleine Erden-Kloͤſſe kle - ben .
Nied - 13 Niedlich laͤßt’s , wenn ihre Haͤupter , die ſchon aus dem Boden ragen ,
Das , was ſie vorhin bedeckt , mit ſich in die Hoͤhe tragen .
Hier wird aus dem fetten Grunde , welcher gleichſam auf - geſprengt ,
Manches krauſe Tulpen-Blatt allgemach hervorgedraͤngt .
Zwiſchen ihren hellern Gruͤnen , ſieht man oͤfters dickre Stangen
Roͤthlich-gruͤner Kayſer-Cronen , mit beſondrer Zierde , prangen .
Die , da ſie , mit ſtrengerm Drang als die andern , ſich er - hoͤhn ,
Zierlich krauſe Buͤſche zeugen , wenn ſie von einander gehn .
Es entwickeln , es eroͤffnen , theilen und verbreiten ſich
Hyacinthen und Terzetten , uͤberall faſt ſichtbarlich .
Ja es glaͤntzt , nebſt Gold und Silber , auch ſchon Purpur hie und da
Jn der Crocos , in der Schnee-Bluhm , und in der Hepatica .
Liebſter GOtt ! woher entſtehet die Veraͤndrung ? Fiel mir ein :
Es kann , allem Anſehn nach , nirgend anders her entſtehen ,
Als vom all-erleuchtenden und erwaͤrmden Sonnen-Schein ,
Dem wir uns nun allgemach mit Vergnuͤgen naͤher ſehen .
Aber , dacht ich ferner nach : fallen von des Himmels Hoͤhen
Neue Strahlen denn herab ? kommt die Sonne zu uns her ?
Und ergießt ihr waͤrmend Licht , als ein flieſſend Feuer-Meer ,
Sich auf uns wie eine Fluth ? Nein , es tritt der Erden Flaͤche ,
Worauf unſre Wohnungen , die wir Nordwerts wohnen , ſtehn ,
Durch der Erden wunderwuͤrdig eingerichtet ſtetigs drehn ,
Samt 14 Samt der Luft die uns umgiebet , und ſo Flut als Land umhuͤllt ,
Jn den warmen Himmels-Strich der beſtaͤndig angefuͤllt
Von der Sonnen Glantz und Glut . Dieſes Licht-Reich zu bedencken
Und in ſeinen hohlen Raum , unſers Geiſtes Kraft zu ſencken
Soll anjetzt mein Endzweck ſeyn . Aber ach ! wird dieß ſich faſſen
Und ſich etwas Zuverlaͤßigs von der Tieffe dencken laſſen ?
Dennoch ſchreckt die Schwierigkeit meine feſte Seele nicht ,
Die , nur blos zum unterſuchen , auf die Welt geſetzet ſcheint ,
Und von ihres Weſens Endzweck dieß mit hoͤchſten Rechte meint
Daß , den Schoͤpfer in den Wercken zu bewundern , ihre Pflicht .
Nun ſo breite dich , mein Geiſt , jetzt , nach Art der Pflantzen , aus !
Brich , ſo wie ſie durch die Erde jetzo brechen , durch die Luft !
Hebe dich jezt , uͤberſteig und durchdringe Duͤnſt ’ und Duft !
Such , in einen reinern Himmel , der von ird’ſchen Duͤnſten leer ,
Uber unſrer Luͤfte Meer ,
So wie Pflantzen , Kraͤuter , Blumen , nebſt der Baͤume ſaft’gen Zweigen , ( Die durch einen innern Trieb ſich verlaͤngern ) auch zu ſteigen ,
Um im Geiſt das Laub der Freuden , und , nebſt holder An - dacht-Bluͤthe ,
Auch die Frucht der Danckbarkeit , in beſeeligtem Gemuͤhte ,
Zu des Schoͤpfers Ruhm und Preiſe , zu erzielen und zu zeugen .
Da 15 Da , wo die gedehnte Luft , die den Erden-Kreis um - ringt ,
Und durch unaufhoͤrlichs Duͤften aus der Erd ’ und Fluth entſpringt ,
Jhre Graͤntzen hat , ſich endet , und zuletzt ſich ſo verduͤnnt ,
Daß derſelben Weſen ſelbſt unſers Geiſts Begriff entrinnt ;
Dahin ſoll ſich jetzt mein Geiſt , und des Denckens Kraft erſtrecken ,
Um , wo moͤglich , neue Wahrheit , GOtt zum Preiſe , zu entdecken . HERR , ich ſuche , laß mich hier
Jn den unermeßlichen nur durch dich erfuͤllten Gruͤnden ,
Spuren deiner ew’gen Liebe , ew’gen Macht und Weis - heit finden !
Welch ein Boden-loſer Abgrund , welche weite ſonder Schrancken ,
Welch ein ungeheuret Raum , welch ein unaufhoͤrend Meer
Oefnet ſeine tieffe Weite , zeiget ſein unendlichs Leer
Den daruͤber gantz erſtaunten und verwirreten Gedancken !
Alle Graͤntzen ziehen ſich unbegreiflich weit zuruͤck ;
Es erſtaunt ob dieſer Tieffe ſelbſt der Seelen reger Blick ;
Jhre Kraͤfte werden hier ſchwindelnd gleichſam umge - chwungen ;
Ja es wird ihr denckend Weſen faſt gehemmet , faſt ver - ſchlungen !
So viel man ermeſſen kann , ſcheinet dieſe Tieffe rein ,
Und von allem irdiſchem Stoff und Weſen leer zu ſeyn .
Ein ’ ununterbrochne Ruh ’ , eine nie geſtoͤhrte Stille
Herſcht in dieſem tieffen Raum . Blos von einem zarten Licht
Voller 16 Voller reinen Heiterkeit wird hier eine dichte Fuͤlle
Von Geſchoͤpfen , die das Weſen dieſer holden Glut be - ruͤhrt ,
Mit Erquicken , Waͤrm , und Leben , Fruchtbarkeit und Luſt geſpuͤhrt .
Da das Licht hier , allen Dingen Anmuth Luſt und Freud erreget ,
Ja dieſelben faſt beſeelt , ob gleich hier der Sonnen-Schein
Durch die Luft erſt auf uns wircket , folglich nicht ſo hell ſo rein ,
Als vermuthlich dorten , ſtrahlet ; was ( wenn man es wol erweget )
Muß in dem verklaͤrtem Raum fuͤr ein Glantz und Schimmer ſeyn !
Was fuͤr Wunder-volle Kraͤfte , die dort aus der Sonne quillen ,
Welch ein Anmuth-reiches glaͤntzen muß hier dieſe Tieffe fuͤllen !
Wie muß alles hier ſo herrlich , froͤlich , heiter , hell und klar ,
Lieblich , ſchoͤn und glaͤntzend ſeyn , da das Licht unmit - telbar
Solche Creaturen trift , die des reinen Feuers brennen
Und ſein Licht ohn Gegenſchlag ſehen , und ertragen koͤnnen !
Jn wie heller Pracht und Klarheit muß nicht dort das Heer der Sternen
Jn den reinen Tieffen funckeln , wie ſo deutlich , wie ſo rein ,
Da ſie dort ſich nicht , wie hier , durch den Zwiſchen-Stand entfernen
Und nicht durch den Duft der Luͤfte , ſo wie hier verdecket ſeyn !
Welche 17 Welche ſuͤß ’ und reine Wolluſt muͤſſen die Geſchoͤpf ’ em - pfinden ,
Die ſich dort , ohn alle Hindrung , von dem Licht beſtrahlet finden ,
Fuͤhlen und durchdrungen ſehn ! Denn wer glaubt nicht , GOtt zur Ehr ,
Daß der Raum ohn alle Graͤntzen nicht von Creaturen leer ;
Sondern ebenfals von Wundern ſeiner Macht und Weis - heit voll ?
Wer dem wiederſprechen wollte , denckt ſuͤrwahr nicht wie er ſoll .
Heiſchet es der Menſchen Pflicht , von der GOttheit ſtets das Groͤſte ,
Herrlichſt ’ , Allerwuͤrdigſte , das Vollkommenſte , das Beſte
Zu gedencken und zu glaubeu ; ſo wird man ja dieß nicht faſſen ,
Daß der Schoͤpfer ſolches Raums tieffe Tieffen leer ge - laſſen ;
Leer von allen Gegenwuͤrffen ſeiner Weisheit , ſeiner Liebe ,
Die ihn doch allein die Wunder , die er ſchuf , zu ſchaffen triebe :
Leer von einem jeden Vorwurf ſeiner unumſchraͤnckten Macht ,
Ja , der Ehre ſeines Nahmens ! Aber , was nun eigentlich
Solcher Creaturen Weſen und Natur verhehlet ſich
Unſerm Geiſte zwar ; jedoch , wenn man lange nachgedacht ,
Solte man faſt uͤberzeuglich von denſelben dieſes ſchlieſſen ,
Daß es keine Coͤrper ſeyn , ſondern Geiſter , glauben muͤſſen .
B Ja 18 Ja , wer weiß , ob unſre Geiſter , wenn ſie ſich vom Coͤrper trennen ,
Biß zur herrlichern Verklaͤrung nicht den Raum bewohnen koͤnnen ?
Ob ſie nicht , in froher Anmuth , in den hellen Hoͤhen leben
Und ( ich muß ein irdiſch Beyſpiel , weil ein ander fehlet , geben )
Etwan wie hier Fiſch ’ im Waſſer ſich bewegen , ſencken , heben ,
Ja , noch leichter als die Voͤgel , wo ſie hin verlangen , ſchweben ?
Ferner kommt mir , bey dem Dencken , dieß nicht unwahr - ſcheinlich fuͤr ,
Daß , da ſie vorhin ja Buͤrger und Bewohner dieſer Erden
Oft ſo lange Zeit geweſen , ſie nicht nur an jener Zier
Jhrer Wohnung ſich vergnuͤgen , ſondern ſich noch freuen werden
An der Schoͤnheit dieſer Welt , die derſelbe GOTT ge - ſchmuͤckt ,
Welcher alle Himmel ſchuf ; die ſo wol , als jene , wehrt ,
Daß , in Luſt an ihrer Schoͤnheit , man den , der ſie ſchuf , verehrt .
Ja , ich glaub abſonderlich , daß ſie , nebſt den eignen Schaͤ - tzen ,
Sich auch an den Fruͤhlings Wundern unſrer Erden noch ergetzen ,
Als die wuͤrcklich ebenfals durch denſelben Sonnen-Schein ,
Der ſie dorten naͤhrt , vergnuͤget , und erqvickt , gewir - cket ſeyn .
Alle Flaͤchen dieſer Erde , wie ſie ſich zur Sonne fuͤgen
Und dadurch , im holden Fruͤhling , in verneuter Schoͤnheit ſtehn ,
Meh - 19 Mehren ſonder Zweifel ihr ſtets ſich mehrendes Vergnuͤgen
Da ſie ſelbige zumahl ſo bey Nacht , als Tage , ſehn
Und vermuthlich unſers Schoͤpfers Allmacht , Lieb ’ und Weisheit-Proben ,
Jm Erkennen , im Bewundern , inniglich vergnuͤget , lo - ben .
Wenn wir nun zur Fruͤhlings-Zeit in den Himmels-Strich gelangen ,
Welcher voll begluͤckter Geiſter , laßt uns doch auch ihnen zeigen ,
Daß des Schoͤpfers Wunder-Wercke , und der Creaturen Prangen
Einen Eindruck in uns mache ! laßt uns dem zum Ruhm nicht ſchweigen ,
Welcher ſolche Wunder thut ! Sollte , wenn wir GOTT verehren ,
Jn der Luſt ob ſeinen Wercken , es nicht ihre Freude meh - ren ?
Jhr Vergnuͤgen noch vergroͤſſern ? ſie noch mehr erfreun ? Hingegen
Sollte nicht bey allen Wundern unſre Unerkentlichkeit
Und , fuͤr ſo viel ſchoͤne Gaben , unſre Blind - und Acht - losheit
Sie betruͤben ? Und , da wir GOttes Ruhm dadurch ver - hindern ,
Nicht allein auch ihre Luſt auf gewiſſe Weiſe mindern ;
Sondern ſie , mit recht empfindlich , um ſo ungerecht Be - tragen ,
Wo nicht uns zu haſſen zwingen , wenigſtens uns zu bekla - gen ?
B 2 Ob 20 Ob nun etwan auch nicht glaublich , daß , da unſrer Sonnen Reich
Jn den hohlen Himmels-Tieffen nicht an allen Orten gleich ,
Sondern , weil es keine GOttheit , ihr erwaͤrmend helles Glaͤntzen
Von der GOttheit eine Maaß ’ doch empfangen hab ’ und Graͤntzen ;
Daß vielleicht den frommen Geiſtern zu dem Licht ein naͤh ’ - rer Stand ,
Boͤſen ein entferneter von der Sonnen Lebens-Licht
Jn das Finſterniß hinaus ( wie die Bibel ſelber ſpricht
Wenn ſie was von ihnen ſaget ) ſey zur Wohnung zuer - kannt ,
Wo vielleicht verſchiedne Geiſter in beſtaͤndgen Finſterniſſen
Aller Luſt und Lichts beraubt Kaͤlt ’ und Elend dulden muͤſſen :
Oder , ob ihr Aufenthalt ſo geſtellt , daß durch das Drehen
Unſrer Welt , ſie von ihr nichts , als nur Nordens Froſt und Stuͤrme ,
Schloſſen , Schnee , von Eis-Gebirgen unfruchtbare ſchroffe Thuͤrme
Voller Wiedrigkeit , von Grauen , Kaͤlt ’ und Gram durch - drungen , ſehen ?
Da hingegen ſeel’ge Geiſter in begluͤcktern Himmels-Thei - len ,
Die der hellen Sonne naͤher , in beſtaͤnd’ger Luſt , verweilen ,
Wo ſie , nebſt unzehlich andern noch empfindlich-reinern Freuden ,
An der Erden-Pracht , die ihnen immer ſchoͤner ſcheint , ſich weiden ;
Weil 21 Weil ſie nichts als ſolche Flaͤchen von dem Erden-Kreis erblicken ,
Die ſich in dem Reich der Sonnen durch derſelben Stralen ſchmuͤcken
Und , durch ihr belebend Licht , in nie unterbrochnem Lentzen ,
Jn beſtaͤnd’ger Harmonie ſuͤſſer Farb-und Strahlen glaͤntzen ,
Die ſie halb entzuͤckt , da ſie ſo erquickend und ſo ſchoͤn ,
Dem , der ſie nebſt allen Himmeln herrlich ſchuf , zu Ehren ſehn ,
Biß ſie endlich wann die Zeit neuer Himmel , neuer Erden
Einſt erſcheint , noch herrlicher , und vollkommen ſeelig werden ?
Die Gedancken fielen mir bey den jungen Pflantzen ein ,
Die zur holden Fruͤhlings-Zeit , durch den warmen Son - nen-Schein ,
Da ſie durch das Drehn der Erden
Jn derſelben Lebens Reich allgemach gefuͤhret werden ,
Aus den duncklen Erden-Schooß wunderſchoͤn geſchmuͤ - cket , ſteigen ,
Und dadurch des Himmels-Strichs , wo der Sonnen Re - giment ,
Worin durch der Erde drehn GOTT uns einen Eintritt goͤnnt ,
Herrlichkeit , Beſchaffenheit und Belebungs-Kraͤfte zeigen .
Groſſer Schoͤpfer , deſſen Lieb ’ uns ſchon einen Vor - ſchmack hier ,
Jn der Creaturen Pracht , Schoͤnheit , Anmuth , Schmuck und Zier ,
Von den kuͤnftgen Herrlichkeiten zeiget , gieb daß wir bey zeiten ,
Durch Betrachtung deiner Werck ’ uns zur kuͤnftgen Luſt bereiten !
B 3 Sollte 22 Sollte dieß von unſer Seelen etwann dir nicht glaub - lich ſcheinen
Und dich ſelbſt gefaͤhrlich duͤncken , ſo iſt es kein Glaubens - Satz ,
Und wir wollen hier nicht zancken . Gung daß von dem weiten Platz ,
Wir , daß er von GOttes Wercken und Geſchoͤpfen leer , nicht meinen .
Wer vom tieffen Meer nicht wuͤſte , daß es voll Geſchoͤpfe waͤr ,
Hielt es , ſo wie wir die Tieffe droben , ſonder Zweifel , leer .
Aber wie ſo unwahr dieſes , liegt uns allen klar zu Tage .
Wannenher ich noch einmahl diesfals meine Meinung ſage :
Es iſt diß unſtreitig wahr , daß wir , durch der Erde drehn ,
Nicht an einem Orte bleiben , und , da wir nicht ſtille ſtehn ,
Jmmer in dem Himmels-Strich einen andern Ort erlan - gen ,
Wo bald mehr , bald minder Anmuth , Waͤrme , Licht und Herrlichkeit .
Wenigſtens verdient der Sonnen Reich faſt ſonder End ’ und Schrancken
Daß wir unſrer Seelen Kern , die betrachtenden Gedan - cken ,
Dem , der Sonnen , Welt und Raum , dem , der aller Himmel Heere
Blos nur durch ſein Wollen ſchuf , zur Bewunderung und Ehre ,
Auf 23 Auf die wunderbahre Wercke mit erſtaunter Ehrfurcht lencken ;
Daß wir , wie nur er der Urſprung aller Wunder , oft be - dencken ,
Und in Demuth , Luſt und Andacht ihm uns gantz zum Opfer ſchencken .
Es erheiſcht ein GOttes Dienſt groſſe Vorwuͤrf ’ , und Jdeen ,
Die der GOttheit wuͤrdig ſind , weil das Bild vom alten Mann
Sonſt nicht , wie es doch ſo noͤhtig , aus dem Hertzen wei - chen kann ,
Und wir , ſtatt der wahren GOttheit , einen kleinen GOTT erhoͤhen .
Unſrer Seelen ( welcher GOtt eine groſſe Kraft geſchen - cket ,
Groſſe Dinge zu betrachten ) Lieb ’ und Ehrfurcht wird vermehrt ,
Wenn man ſie auf groſſe Wunder groſſer Creaturen lencket
Und es wird , in groſſen Wercken , GOtt am wuͤrdigſten geehrt .
[figure] B 4 Noch 24 Noch einige Betrachtungen der Blaͤtter . D a die glatten , ſaftgen Aeſte
Sich ſo nett , verwirrt und feſte
Lieblich in einander ſchrencken ;
Wuͤnſchet der vergnuͤgte Blick
Faſt nicht wiederum zuruͤck ,
Sucht ſich tieffer zu verſencken .
Denn er glaubt in ihren Gruͤnden ,
Zwiſchen denen glatten Rinden ,
Stets ein neues Gruͤn zu finden .
Wuͤrcklich wird er auch gewahr ,
Wie der gruͤnen Knoſpen Schaar
Das , womit ſie ſich erfuͤllen ,
Jhre Blaͤtter , zu enthuͤllen ,
Und das roͤhtlich braune Gruͤn
Auszuſchmuͤcken ſich bemuͤhn .
Wenn alsdann , bey heiterm Wetter ,
Durch den zarten Leib der Blaͤtter ,
Das entwoͤlckte Sonnen-Licht
Hin und wieder lieblich dringt ,
Sich mit ihnen gleichſam gattet ,
Und durchſtrahlet ; ſo entſpringt
Ein faſt brennend Gruͤn , zumahl
Da , wo ſelbſt der Grund beſchattet
Und der Sonnen heller Strahl
Hie und da ein Blatt allein
Trift , verklaͤrt , illuminiret .
Durch den Farben-reichen Schein
Wird im Aug ’ ein Hertz geruͤhret ;
Und 25 Und wenn man , mit froher Bruſt ,
Eine rechte Seelen-Luſt
Aus des Fruͤhlings Pracht verſpuͤhret ;
Wird der Geiſt mit Recht erhoͤht ,
Und zu dem , draus es entſteht ,
Zu dem groſſen GOTT gefuͤhret .
HERR , der du mit ſolchem Schein
Und mit ſolcher Herrlichkeit ,
Sonderlich zur Fruͤhlings-Zeit ,
Alles wunderſchoͤn geziert ,
Du allein
Biſt es , dem , fuͤr alle Gaben
Die wie hier auf Erden haben ,
Ehre , Lob und Preiß gebuͤhrt !
[figure] B 5 Fruͤh - 26 Fruͤhlings-Gedichte . D er ſtrenge Winter iſt vorbey , der laue Lentz erſchei - net wieder ;
Auf , auf , mein Geiſt ! nimm alle Kraft und alle Faͤhigkeit zuſammen ,
Zu ſehn , zu fuͤhlen , zu bewundern ! Auf bringe Danck - und Lobes-Lieder
Dem GOtt , aus deſſen bloſſem Wollen , die Herrlichkei - ten alle ſtammen !
Laßt uns von ſeiner Guͤt und Lieb ’ und ſeiner weiſen Macht nicht ſchweigen !
Laßt uns , zu ſeinen heil’gen Ehren , auch andern unſre Freude zeigen !
J etzt zur holden Fruͤhlings-Zeit ,
Da ſich die Natur erneuet ,
Wird mit Luſt und Lieblichkeit
Alle Creatur erfreuet .
Eine Fuͤlle von Vergnuͤgen
Seh ’ ich auf der Erde liegen ,
Auf den klaren Fluten ſchwimmen ,
Jn den reinen Luͤften glimmen .
Es bebluͤmen ſich die Felder ,
Es belauben ſich die Waͤlder ;
Jhre duͤnn - und klaren Schatten
Zieren die begruͤnten Matten .
Jn der Thiere regem Blut
Regt ſich eine neue Glut ,
Daß ſie froͤlich huͤpfen , ſpringen ,
Froͤlich zwitſchern , froͤlich ſingen .
Seht 27 Seht das bluͤhende Gebuͤſche ,
Seht die Schuppen-reiche Fiſche ,
Hoͤrt das Klingen , das Geziſche
Der gefaͤrbten Voͤgel an !
Riecht von ſo viel tauſend Arten
Blumen in dem bunten Garten !
Fuͤhlt das Schmeicheln lauer Duͤfte !
Hoͤrt des Saͤuſeln linder Luͤfte !
Seht , wie dort auf glatter Flut
Die Sapphirne Himmels Glut ,
Jn ſchmaragdnen Ufern , ruht .
Seht wie ihr polierter Spiegel
Blumen , Kraͤuter , Buſch und Huͤgel
Lieblich , nach dem Leben mahlt !
Gleicht nicht die bebluͤhmte Wieſe ,
Von der Sonnen uͤberſtrahlt ,
Gleichſam einem Paradieſe ?
Alles was mein Auge ſiehet
Pranget , funckelt , glaͤntzt und gluͤhet ,
Scheinet , ſchimmert , gruͤn’t und bluͤhet .
Meine Seele wird erquickt ,
Wenn ſie , wie die Welt geſchmuͤckt ,
Schoͤner Lentz , in dir erblickt !
Wenn ich an ſo mancher Stelle
Dieſer Wunder Meuge ſeh ,
Zieht mein Geiſt ſich in die Hoͤh ’ ,
Suchet aller Wunder Quelle .
Da nun faͤllt der Sonnen Licht
Alſobald mir ins Geſicht ,
Dieſe giebt mir zu erkennen ,
Daß die Wunder auf der Erden
Und 28 Und derſelben holde Zier
Form und Farben blos von ihr
Wunderbar gewircket werden .
Doch dieweil der Sonnen Glaͤntzen
Maaſſe , Schrancken hat und Graͤntzen ;
Zeigt ſich , daß ihr herrlich Licht
Schoͤn , doch keine GOttheit nicht .
Dennoch fuͤhrt ſie uns am hoͤchſten
Und der GOttheit faſt am naͤchſten ,
Welche meine Seel ’ in mir ,
Wie ſich ſelbſt , nicht ſehen kann ,
Darum bet ’ ich oft in ihr ,
Jn der Sonnen Kraft und Zier ,
Jhr , und meinen Schoͤpfer an .
Wenn wir alſo ſehn und ſpuͤhren
Alle Wunder , die uns ruͤhren
Jn der holden Fruͤhlings-Zeit ,
Laßt , durch frohes Sehn und Hoͤren ,
Uns den groſſen Urſprung ehren ,
Der ſo wol die Herrlichkeit
Und der Sonnen Licht und Pracht ,
Als die gantze Welt , gemacht ,
Und aus deſſen bloſſen Willen
Aller Dinge Weſen quillen .
Groſſe GOttheit , laß die Luſt
Unſrer von dem Wunderſchein
Deiner Werck ’ erfuͤllten Bruſt
Dir , durch dich , gefaͤllig ſeyn !
[figure] Fruͤh - 29 Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten . K ein Wunder iſt es ja , daß uns die Welt
Jm Fruͤhling etwas mehr , als ſonſt , gefaͤllt .
Nur iſt es deſto mehr noch zu beklagen ,
Daß alle Wunder uns nicht noch weit mehr behagen .
Jm Fruͤhling ſpuͤhrt man dreyerley
Vergnuͤgen . Man verſpuͤhrt , da Froſt und Eis vorbey ,
Aus ihrer faſt noch nahen Wiedrigkeit ,
Jm Gegenhalt der angenehmen Zeit ,
Wie in der Aendrung ſelbſt was angenehmes ſtecke ,
Und ſich im Wechſel noch um deſto mehr entdecke .
Man ſpuͤhrt fuͤrs andere der Anmuth Wuͤrcklichkeit ,
Und bey derſelben ſteht noch ein Vergnuͤgen offen :
Es laͤßt uns die Natur bey dem Genuß
Und bey der Lieblichkeit ſo holdem Uberfluß
Noch immer etwas beſſers hoffen ;
Da Knoſp ’ und Bluͤht ’ , die auf - und von einander brechen ,
Viel zeigen , doch noch mehr verſprechen .
Auf laßt uns denn von allem , was ſo ſchoͤn ,
Doch etwas wenigſtens bedachtſam ſehn !
Man ſiehet jetzt auf allen Zweigen
Ein liebliches Gemiſch von braun und gruͤn ſich zeigen ,
Und wird , nicht ſonder Luſt , an vielen ,
Wie braun und gruͤn recht durch einander ſpielen ,
Jn einem bunten Glantz , gewahr .
Wie glaͤntzen in entwoͤlcktem Wetter ,
Jn dieſer holden Fruͤhlings-Zeit ,
Der glatten Knoſpen Heer , die zarten Blaͤtter !
Der ofnen Knoſpen Meng ’ , an denen jedes Blatt
Sich noch nicht recht formirt und ausgebreitet hat ,
For - 30 Formiret in der blauen Luft
Solch einen lieblichen durchſichtig-gruͤnen Duft ,
Daß keine Vorwuͤrf ’ unſern Augen
Mehr Anmuth zu erwecken taugen .
Wann dieſes gelbe Gruͤn bald dort , bald hier ,
An etwas mehr ſchon ausgebrochnen Buͤſchen ,
Auf dunckel-gruͤnem Grunde ſtehet ,
Und alſo gelblich-gruͤn und dunckel-gruͤn ſich miſchen ;
Wird ihrer beider Zier ,
Durch beider Gegenſatz , erhoͤhet .
Man ſieht die Knoſpen ſich faſt ſichtbarlich vergroͤſſern ,
Der Blaͤtter Bildungen ſich ſichtbarlich verbeſſern ,
Aus ihren roͤthlichen Behaͤltern maͤhlig ſteigen ,
Und ein durchlauchtiges und zart Gewebe zeigen .
Man ſieht faſt ſichtbarlich
Die aufgeqvollne Knoſpen ſpalten
Und ihre gruͤne Zucht , die zarten Blaͤtter ,
Faſt ſichtbarlich entwickeln und entfalten .
Jetzt ſieht ein jeder Baum , ein jegliches Geſtraͤuch ,
An jungen Blaͤtterchern und ofnen Knoſpen reich ,
Hier braun - da grau - dort gruͤnen Netzen gleich ,
Durch die der Blick frey hin und wieder irrt ,
Bald aber , durch der gruͤnen Knoten Menge ,
Jn eine holde gruͤne Enge
Getrieben und gefangen wird ,
Jndeſſen , daß mit Anmuth und Vergnuͤgen
Die neuen Voͤgel , par bey par ,
Durch dieſes Netz bald hier , bald dar ,
Dem Schein nach feſt , doch frey , unaufgehalten fliegen .
Es 31 Es praͤgt der Sonnen heitrer Schein
Jm Lentzen ein recht laͤchelnd Weſen
Faſt einem jeden Vorwurf ein ,
Und was man nah und fern erblickt
Scheint uns zur Anmuht neu geſchmuͤckt .
Der reinen Luͤfte blaue Glut
Faͤrbt lieblich blau die glatte Flut ,
Ein gruͤner Glantz bedeckt die Waͤlder ,
Ein bunter , die bebluͤhmten Felder ;
Es ſchwimmt jetzt uͤberall , zur Anmuth unſrer Bruſt ,
Der rege Blick in lauter Luſt .
Man ſieht jetzt , durch die hell - und reine Heiterkeit
Der hell - und reinen Sonnen Strahlen ,
Worin , zumahl zur Fruͤhling Zeit ,
Ein jeder Vorwurf gleichſam ſchwimmt ,
Wodurch faſt jeder Vorwurf glimmt ,
Sich jeden Vorwurf herrlich mahlen .
Es blickt ( nicht hie und da , ein Vorwurf nur )
Die gantze ſichtbare Natur
Uns uͤberall jetzt gleichſam laͤchelnd an .
Ach , laßt doch denn auch uns , durchs Lachen unſrer Erden ,
Ein Lachen zugerichtet werden !
Ach , moͤchte doch , wenn man die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤckt ,
Mit Andacht und mit Luſt , zur Fruͤhlings-Zeit erblickt ,
Auch unſer Geiſt dadurch geſchmuͤcket werden ,
Daß uns der Erden Pracht und Schmuck und Schoͤnheit
ruͤhren
Und uns zu ihrer Quell , zum groſſen Schoͤpfer , fuͤhren !
Ach , moͤchte doch , durchs Gruͤne dieſer Erden ,
Der Hofnung geiſtig gruͤn , die frohe Seele zieren !
Ach 32 Ach , wuͤrde doch in uns , durch bunter Blumen-Pracht ,
Die als ein Feuer gluͤht , ein Feuer angefacht
Von Andacht und von Luſt . Moͤcht uns der Roſe Schein
Zur reinen Liebes-Gluht ein ſchoͤner Zunder ſeyn !
Des Himmliſchen Sapphirs geſtirntes blaues Prangen
Erreg ’ in unſrer Bruſt ein feuriges Verlangen ,
Nach jener Himmels-Luſt in den geſtirnten Hoͤhen
Mit glaͤubiger Begier zu ſehen !
Der liebliche Geruch der Bluͤhte
Erreg ’ , in ſuͤſſer Luſt , die Sehnſucht im Gemuͤthe ,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden ,
Ein lieblicher Geruch zu werden !
Auf eine ſolche ſuͤſſe Weiſe
Scheint , daß , zu ſeinem ew’gen Preiſe ,
Der Schoͤpfer ſeinen Zweck in Schaffung dieſer Welt ,
So viel an uns , am wuͤrdigſten erhaͤlt .
[figure] Wirck - 33 Wirckung des Regens im Fruͤhling . N ach einem lang-und fcharffen Oſten-Winde ,
Der im April und Maͤrtz geherrſchet , und das Land
Faſt gaͤntzlich ausgedorrt , fiel auf einmahl gelinde ,
Wie ich von ungefehr im Garten mich befand ,
Aus Suͤden , ein ſchon laͤngſt erſeufzter Regen .
Mein GOtt , welch ein erwuͤnſcht Bewegen ,
Das uͤberall der Erden Flaͤche ziert ,
Ward dadurch uͤberall verſpuͤrt !
Jch dachte nach , wie er ſo nuͤtzlich ſey ,
Und fiel mir dieß daruͤber bey :
Ach liebſter GOtt ! was trieffen nicht in dieſem laͤngſt-ge -
wuͤnſchten Regen
Jn das faſt ausgedorrte Land fuͤr Anmuth , Fruchtbar -
keit und Segen !
Es ſagt mit Recht die Welt fuͤr dieſen Segens-Tranck ,
Und ich abſonderlich , dir , Vater , Lob und Danck .
Die , durch die kalte Luft , zuruͤck gehaltnen Saͤfte
Vermehrten die bißher gehemmten Kraͤfte ,
Und drengten recht mit Macht durch Staͤmm - und Zwei -
ge ſich .
Die Knoſpen ſpalteten faſt ſichtbarlich .
Es kamen junger Bluͤht ’ und zarter Blaͤtter Sproſſen
Aus ihrem Auffenthalt hervorgeſchoſſen .
Es ließ , ob wolten ſie durchaus nicht laͤnger ſaͤumen .
Jn der Allee , auf Stauden , Baͤumen ,
Auf Hecken , uͤberall , erſchien
Ein gruͤnlich Braun , ein braͤunlich Gruͤn ;
Doch ſchien all ’ Augenblick das Braun ſich zu vermindern .
C Der 34 Der aufgeqvollnen Knoſpen-Menge ,
Mit ihren theils erſt halb-theils ſchon gebohrnen Kindern ,
Formirten in der Luft ein duftiges Gepraͤnge ,
Ein gruͤnliches Gewoͤlck , ein angenehm Gewirre .
Es gleichet alles faſt geflochtnen gruͤnen Netzen ,
Jn welchen man , mit lieblichem Geſchwirre ,
Die Voͤgel fliegen ſieht , und ſich und uns ergetzen .
Dieß junge gruͤne nun , zuſammt der Pracht der Bluͤthe
Erfuͤllete mit Luſt und Andacht mein Gemuͤhte .
Jch kehrte mich demnach , mit hoͤchſt erfreutem Sinn ,
Zum Urſprung aller Pracht , zum groſſen Schoͤpfer hin ;
Beſunge ſeine Macht , voll froher Danckbarkeit ,
Und wuſte mich fuͤr Anmuth kaum zu faſſen ,
Daß er die holde Fruͤhlings-Zeit
Mich abermahl erleben laſſen .
Ach ! rief ich , moͤcht ’ ich das , was , blos durch dich , ſo ſchoͤn ,
Mit nimmer ſatter Luſt , dir oft zu Ehren , ſehn !
[figure] Fruͤh - 35 Fruͤhlings-Betrachtung . L ieber Menſch , ſchau , wie im Lentzen
Alle Dinge herrlich glaͤntzen !
Von der Crcaturen Pracht
Wird man itzt recht angelacht .
Schau , wie alles ſich erfreuet !
Schau , wie alles ſich erneuet !
Alle Wercke der Natur
Aendern Farben und Figur .
Schau die Luft , wie rein , wie klar !
Schau , wie juͤngſt noch welcke Felder ,
Schau , wie juͤngſt noch duͤrre Waͤlder ,
Hoͤh’n und Tiefen unſrer Erden
Gruͤn , und ſchnell belaubet werden !
Was noch geſtern ſumpfig war ,
Wieſen , welche gantz verſchlemmet ,
Ueberſpuͤlet , uͤberſchwemmet ,
( Da die Waſſer itzt verſeigen )
Scheinen aus der Fluth zu ſteigen ,
Und in einen gruͤnen Sammt ,
Drauf ein Gold von Blumen flammt ,
Eingekleidet , ſich zu zeigen .
Tieff ’ und unwegbare Wege ,
Schluͤpfrich - ſchwartz - und weiche Stege
Sind jetzt brauchbar , weiß und hart .
Alles glaͤntzet , alles gluͤhet ,
Alles funckelt , alles bluͤhet ,
Durch der Sonnen Gegenwart .
C 2 Son - 36 Sonderlich ſcheint ihre Glut
Herrlich auf der klaren Fluth ,
Als im Berg-Criſtallnen Spiegel ,
Da wo ihr beflammtes Bild
Jhre glatte Flaͤche fuͤllt .
Wenn auch ihre rege Huͤgel
Hin und wieder ſich erhoͤhn ,
Sieht man ploͤtzlich auf den Spitzen
Tauſend kleine Lichter blitzen ,
Schnell entſtehn und ſchnell vergehn ;
Jhre nimmer ſtille Wellen
Scheinen darum ſanft zu ſchwellen ,
Um dem menſchlichen Geſicht
Sonnen-Spiegel vorzuſtellen .
Ja mich deucht ob ſagten ſie :
Sucht bey uns , als der Copie ,
Aller Schoͤnheit Urbild nicht :
Droben iſt das wahre Licht .
Seht , wie dort die Rehe ſpringen !
Hoͤrt , wie hier die Voͤgel ſingen !
Wie ſo hell , wie rein , wie klar !
Hoͤrt , wie ſie die Toͤne kraͤuſeln !
Hoͤrt der lauen Winde ſaͤuſeln !
Hoͤrt der Bienen muntre Schaar !
Hoͤrt , wie uͤber glatte Kieſel ,
Mit ſanft murmelndem Gerieſel ,
Das geſchwinde Baͤchlein eilet ,
Und bald einen gelben Sand ,
Bald ein gruͤn-bebluͤhmtes Land
Mit beſchaͤumten Wirbeln theilet !
Riecht 37 Riecht die Suͤßigkeit der Luͤfte !
Riecht die balſamirten Duͤfte ;
Die aus bunten Blumen qvillen
Und den gantzen Luft-Kreis fuͤllen !
Nun hat alle dieſe Pracht
GOTT zu unſrer Luſt gemacht :
Wilſt du denn im holden Gruͤnen ,
Da jetzt alles lieblich prangt ,
Einem ſolchen GOTT nicht dienen ,
Der nur deine Luſt verlangt ?
[figure] C 3 Fruͤh - 38 Fruͤhling . D ie gantze Luft war angefuͤllet
Mit einer reinen Heiterkeit ,
Ein junges Laub hatt ’ allbereit
Der Voͤgel Neſterchen verhuͤllet
Die , da ſie , mit ſo vieler Kunſt ,
Die ſuͤſſe Arbeit fertig hatten ,
Jn dem begruͤnt - und zarten Schatten
Voll reger Trieb ’ und ſuͤſſer Brunſt
Verliebet , und geliebt ſich gatten ,
Und nichts , vor lauter Lieb ’ , als Liebe ! Liebe ! ſingen ,
Daß Feld und Wald davon erklingen .
Wir ſehen uͤberall ein wuͤrckliches Bewegen ,
Ein Leben der Natur wird uͤberall verſpuͤhrt .
Ach , moͤchte dieß , wenn uns die holde Schoͤnheit ruͤhrt ,
Ein neues Leben auch in uns erregen !
Es laͤchelt gleichſam uns die guͤtige Natur
Mit holden Blicken hier , aus jedem Vorwurf , an ,
So daß man alle Pracht und Lieblichkeiten nur
Empfinden , nicht beſchreiben , kann .
Ach moͤgte GOtt in uns , da alle Ding ’ im Lentzen
So lieblich und ſo wunderſchoͤn
Jn tauſendfacher Anmuth glaͤntzen ,
Auch unſrer Seele Fruͤhling ſehn ;
Und in demſelbigen , an unſern ſanften Freuden ,
Die in ihr , blos aus ſeinem Werck , entſtehn ,
Mit Lob und Danck geſchmuͤckt , ſein Vater Auge weiden !
Man - 39 Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen . J m Garten hoͤrt ich juͤngſt den ſuͤß ’ - und ſcharffen Schall
Der feurig ſchlagenden verliebten Nachtigall .
Jch ward dadurch geruͤhrt , gereitzt , ergetzet
Und , durch den reinen Klang , faſt aus mir ſelbſt geſetzet .
Jch horcht ’ aufmerckſam zu , wie lieblich , ſuͤß und hell ,
Wie ſcharf , wie rein , wie rund , wie hohl , wie tief , wie ſchnell ,
Sie Stimm ’ und Ton formirt , veraͤndert , theilet , fuͤgt ,
Und , durch unzaͤhliche Veraͤndrung , uns vergnuͤgt .
Oft weiß ſie Schnarren , Floͤten , Ziſchen ,
Jn unbegreiflicher Geſchwindigkeit , zu miſchen .
Oft faͤngt ſie einen Ton mit hellem Floͤten an ,
Faͤllt in ein Zwitſchern , ſchlaͤgt , lockt , winſelt , jauch - zet , ſtoͤhnt ,
Und alles faſt zugleich : oft bricht ſie ihn , oft dehnt ,
Oft drehet ſie den Ton , oft wirbelt ſie den Klang ,
Und aͤndert tauſendfach den froͤlichen Geſang .
Jndem ich nun , bey einer dicken Hecken ,
Zu Ende der bewachſenen Allee ,
Jn dem Gehoͤr allein faſt lebend , ſtehe ;
Erblick ich ungefehr an einer Ecken
Ein gleichſam buntes Licht . Es legte mir ,
Jn einer mehr als guͤldnen Zier ,
Ja , die ſich von Smaragd , Sapphier
Und anderm Edelſtein kaum unterſcheidet ,
Ein uͤber-wunder-ſchoͤner Pfan ,
Jn praͤchtigen Talar von guͤldnem Stuͤck gekleidet ,
Der Federn bunten Glantz und Herrlichkeit zur Schau .
C 4 Jch 40 Jch ſtutzt ’ und meine Seel ’ empfand , wie dieſe Pracht
Sie auch durchs Aug ’ empfind - und gluͤcklich macht .
Fuͤr Anmuth halb verwirrt , fiel mir hieruͤber bey :
Wie doch in der Natur ſo mancherley
Veraͤnderung und Pracht , an Luſt und Schoͤnheit , ſey .
Man ſpuͤrt es ſonderlich an dieſem Voͤgel-Par .
Ein unſern Geiſt bezaubernd Singen
Laͤßt von der gantzen Voͤgel-Schar
Der Unanſehnlichſte , zu unſrer Luſt , erklingen ;
Und ein verdrießliches und rauh Geſchrey erſchallt
Aus eines Vogels Hals , der Himmliſch an Geſtalt
Faſt mehr , als irdiſch , iſt . Diß kan ein Beyſpiel ſeyn ,
Dacht ich , daß einer alle Gaben
Nicht leichtlich ſoll beyſammen haben .
Kaum aber hatt ich dieß gedacht ,
Als mir , in Purpur-farbner Pracht ,
Ein friſcher Roſen-Buſch ſchnell in die Augen fiel .
Der aber ward nicht nur allein der Augen ,
Er ward auch des Geruchs und meiner Naſen Ziel ,
Die beide ſich daran recht zu ergetzen taugen .
Wodurch ich denn , mit Uberzeugung , fand ,
Wie eine doppelte vergnuͤgend ’ Eigenſchaft ,
Jn dieſer Blume , ſich , zu unſrer Luſt , verband .
Dem Dencken gab ich ferner Raum ,
Und fand von ungefehr an einem Kirſchen Baum ,
Der eben , voller Frucht , in ſuͤſſer Roͤthe gluͤhte ,
Daß er ſo gar
Ein Gegenwurf von allen Sinnen war .
Es dienet dem Geruch die angenehme Bluͤhte ,
Der Zunge ſeine Frucht , ſein Schatte dem Gefuͤhl ,
Sein ſanft Geraͤuſch dem Ohr , die Farb und Form den Augen .
Jch 41 Jch ward hiedurch aufs neu geruͤhrt ,
Und ferner ſo zu dencken angefuͤhrt :
Wer kann des Schoͤpfers Huld genug zu ruͤhmen taugen ?
Da er nicht nur in unſerm Leben ,
Jn den fuͤnf Sinnen , uns , zu ſo verſchiedner Luſt ,
Verſchiedne Thuͤr - und Oefnungen gegeben ;
Da er nicht nur , zur Anmuth unſrer Bruſt ,
Solch ’ eine Coͤrper-Meng , und Millionen Sachen
Zum Gegenwurf der Sinnen wollen machen ;
Da er ſo gar verſchiedne Coͤrper ſchaft ,
Die , mit ſo wunderbar vereinter Kraft ,
Nicht nur durch einen Sinn uns in Vergnuͤgen ſetzen ;
Nein , durch verſchiedene , ja gar durch all ’ ergetzen .
Ach , laßt uns denn hierdurch aufs neu ’ in ſeinen Wercken
Die Proben ſeiner Macht und weiſen Liebe mercken !
Ach , laſſt zu ſeinen heil’gen Ehren ,
Bey ſtets vermehrter Huld , auch unſern Danck ſich mehren !
[figure] C 5 Truͤ - 42 Truͤbe Luft im Fruͤhling . M an ſiehet zwar auch oftermahls im Lentzen ,
Daß , in nicht aufgeklaͤrter Luft ,
Ein allgemeiner Duft
Des Himmels heitres Blau , der Sonnen Glaͤntzen
Bedecket und verhuͤllet
Und unſern gantzen Kreis der Luft erfuͤllet ;
Es faͤrben ſich die Wolcken falb ’ und grau :
Doch zeigt ein ſolches Falbes ſich
Nicht , wie im Sommer , fuͤrchterlich ;
Es miſchet ſich ein klares Blau
Jn dieſe Dunckelheit ,
Dadurch vergnuͤgt ſo dann ein daͤmmricht Licht
Und truͤbe Klarheit das Geſicht ,
Jndem die fette Fruchtbarkeit
Jn dieſem zarten Duft faſt ſichtbarlich zu ſehn ;
Und , weil zugleich die ſtill und glatte Flut ,
Die bey der ſtillen Luft , glatt , wie ein Spiegel , ruht ,
Die ſanfte Daͤmmerung am Himmel , gleichfals ſchoͤn ,
Jn einem klaren Wiederſchein ,
Uns deutlich zeigt ; ſo iſt ein ſtilles duftigs Weſen
So dann faſt allgemein ,
Und thut den Augen wol ,
Ja macht zugleich mit einer ſanften Luſt
Blut , Hertz und Bruſt
Von einer ſuͤſſen Anmuth voll .
Es 43 Es ſcheint , ob trag ’ ein ſtill-bedeckter Himmel
Jn holder Daͤmmrung ohn Getuͤmmel ,
Zu einer Art Gelaſſenheit
Jn unſern Hertzen etwas bey ;
Und find ich , daß dergleichen truͤbe Zeit
Jm Fruͤhling ebenfals nicht unvergnuͤglich ſey .
[figure] Die 44 Die neue Welt . W ann die Kraͤfte meiner Seelen
Mit des Fruͤhlings ſchoͤner Pracht ,
Dem zum Ruhm , der ſie gemacht ,
Sich in froher Luſt vermaͤhlen ;
Bringen ſie in holder Zier
Aus der Creatur , in mir
Eine gleichſam neue Welt ,
Welche geiſtig iſt , herfuͤr .
Dieſe bleibt in meinen Sinn ,
Und ſie iſt mir wuͤrcklich eigen ;
Mein Gedaͤchtniß kann ſie zeigen ,
Wenn auch jene gleich dahin .
Jn ihr kann man wunderſchoͤn ,
Wenn man will , den Fruͤhling ſehn .
Die Bewohner dieſer Welt
Sind betrachtende Jdeen ,
Denen ſie , je mehr ſie ſehen ,
Auch ſtets deſto mehr gefaͤllt ;
Sind Erkaͤnntniß , Gegen-Liebe ,
Danck und Andacht volle Triebe ;
Eine Sucht , ſie auszudruͤcken ;
Sind ein inniglich Entzuͤcken
Uber alle Wunder-Fuͤlle ;
Sind ein feuerreicher Wille ,
Voller Luft in allen Dingen
GOTTES Willen zu vollbringen ;
Anmuth , und Gelaſſenheit ;
Ein gegruͤndetes Vertrauen ,
Auch dereinſt , nach dieſer Zeit ,
Noch was herrlichers zu ſchauen .
Dieſe 45 Dieſe Welt , die gleichſam mein ,
Will ich , in vergnuͤgtem Dencken ,
Dir , o GOTT zum Opfer , ſchencken ;
Laß ſie dir gefaͤllig ſeyn !
Geb ich dir nun gleich was dein ,
( Denn wer kann dir ſonſt was geben ! )
Wird doch die recht nach dem Leben
Wol gerahtene Copie
Beſſer , als ein Opfer-Vieh ,
Dir , o HERR , gefaͤllig ſeyn !
[figure] Lieb - 46 Lieblichkeiten des Fruͤhlings . J n dieſer den Winter vertreibenden Lentzen-Zeit
Belebet ſich alles im Reiche der Sonnen ;
Erfuͤllet ſich alles mit Anmuth und Lieblichkeit :
Der froͤliche Weinſtock hat Augen gewonnen .
Es circkelt in Baͤumen ein naͤhrender Lebens-Saft .
Die Knoſpen erheben ſich , ſchwellen und berſten .
Es deckt ſich der Acker , voll gaͤhrender Wunder-Kraft ,
Mit gruͤnenden Spitzen von Haber und Gerſten .
Jn Waͤldern erfolget durch wachſender Blaͤtter Pracht ,
Von denen jetzt gleichſam umnebelten Wipfeln ,
Auf gruͤnlicher Daͤmmerung , die liebliche Schatten-Nacht
Es ſprieſſen aus ſcharffen erhabenen Gipfeln
Bewachſener Berge , die Kraͤuter jetzt uͤberall .
Und fuͤllen mit duftigem Balſam die Luͤfte .
Es ſchwebet der ſchertzende , ſchwaͤtzige Wiederhall
Um ihre bemoſte verwachſene Kluͤfte .
Das dunckle Gebuͤſche , den ſchattigten Wald erfuͤllt
Der ſchlagenden Nachtigall ſchmetterndes Schallen .
Es ſpringet im blumigten Graſe das junge Wild ,
Und fuͤhlet in Adern ein kitzelndes Wallen .
Jetzt murmelt und rauſchet und rieſelt die rege Fluht .
Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen
Entwirft und formiret der ſtrahlenden Sonnen Glut
Viel funckelnde Bilder in ſchimmerden Blitzen ;
Man ſieht , mit Ergetzen , die Blitze verwunderlich
Jn tauſend beweglichen Spiegeln ſich brechen .
Die Fluth , wie ein lebender Silber-Fluß , ſchlaͤngelt ſich
Durch gruͤnender Felder ſmaragdene Flaͤchen .
Der 47 Der glaͤntzenden Gaͤrten bezauberndes Luſt-Revier ,
Jn welchem jetzt alles verherrlichet bluͤhet ,
Beflammet die Blicke mit feuriger Farben Zier ,
Da alles faſt weniger glaͤntzet , als gluͤhet .
Jndem nun , im Fruͤhling , in Luͤften und in der Fluth ,
Jn Thaͤlern , auf Bergen und Flaͤchen der Erden ,
Der herrliche Schoͤpfer unzaͤhliche Wunder thut ;
So laſſt uns uns freuen , um danckbar zu werden !
Es ſtrahlet , durch Goͤttliches Wollen , das Sonnen-Licht ;
Die Coͤrper ſind ſichtbar ; GOtt ſchenckt uns die Augen :
Wofern nun die Menſchheit ſo traͤg iſt , und ſieht ſie nicht ;
Was kan doch den Fehl zu entſchuldigen taugen ?
Drum , weil ich den Schoͤpfer nicht anders erheben kann ,
Als wenn ich ſein Wircken empfind und erzehle ;
So ſeh ich betrachtend , mit Freuden die Wunder an ,
Und opfer ’ ihm meine bewundernde Seele .
[figure] Zu - 48 Zugleich gelb - und rohte Roſen . J ndem ich juͤngſt , in Amts-Geſchaͤften , im fruchtbaren
Billwerder fahr
Und , nebſt dem treflichen Stampeel , des Rahts und Ham -
burgs Zier und Ehre ,
Des Fruͤhlings Wunder-Glantz beſehe ; werd ’ ich von un -
gefehr gewahr ,
Wie von beſtralten bunten Blumen ein funckelnd gelb -
und rohtes Licht
Durch dicht-verwachſne Hecken bricht .
Wir halten ſtill , und ſchicken hin , von dieſen Blumen ,
die wie Kolen ,
So man erſt angefachet , glimmten , uns einige herbey zu
holen ,
Die uns der Land-Mann willig gab ;
Er ſchnitt mit ſeinem ſchnellen Meſſer verſchiedne groſſe
Straͤucher ab .
Wie man uns nun dieſelbe brachte , erſchracken wir fuͤr
neuer Freude
Bey dieſem unverhoften Blick , und fuͤr Verwundrung ,
alle beide ,
Jndem wir eine neue Art von Roſen , welche wunderſchoͤn
So wol an Form , als Farb und Glantz , und welche wir
noch nie geſehn
Recht ungemein geruͤhrt erblickten . Den roth - und weiſſen
Roſen-Strauch
Die wilden Roſen , gelben Roſen , und andrer Roſen Arten
auch
Hab ich bewundert und beſchrieben . Hier , dacht ich , will
in neuem Schein
Der groſſe Schoͤpffer aller Dinge bewundert und verehret
ſeyn .
Es 49 Es bindet ſich in dieſer Blume , dem HERRN der Crea -
tur zum Preiſe ,
Das allerſchoͤnſte Gelb ’ und Roth auf eine gantz beſondre
Weiſe .
Von auſſen deckt ein guͤldner Glantz die Blaͤtter , wenn
kein Schnecken Blut
So roht , als ihre innre Seite . Der funckelnden Rubi -
nen Glut
Kann kaum Derſelben Roͤthe gleichen . Daher , wenn et -
wann ſich ein Blat
Ein wenig umgeleget hatt ’ ,
Es oͤfters ſchien ,
Als ein im allerſchoͤnſten Golde mit Fleiß gefaſſeter , Ru -
bin ;
Oft kam es unſerm frohen Blicke Verwundrungs-voll nicht
anders vor
Als ein mit dunckel-rohtem Sammte reich ausgefuͤtterter
Drap d ’ Or.
Recht mitten in der duncklen Roͤthe ſieht man mit unge -
zehlten Spitzen
Ein Rund , gleich einer kleinen Sonne , mit guͤldnen Strah -
len lieblich blitzen .
Ein jedes Blatt war Hertzen foͤrmig . Jndem ich nun Der -
ſelben zwey
Mit Luſt beyſammen liegen ſahe , ſo fiel von ungefehr mir bey :
Daß ſie vom aufgeſchnittnen Hertzen , das voller Glut , ein
Bildniß ſey .
Es kam mir vor , als ob die Glut , die in derſelben gleich -
ſam flammte ,
Von einer innern Sonne ſtammte ,
Ach ! dacht ich , moͤcht in unſerm Hertzen , vom unerſchaf -
nen Sonnen-Schein ,
Auch einer wahren Audacht Glut beſtaͤndig angefachet ſeyn !
D Die 50 Die Knoſpen , ſo noch nicht geoͤfnet , und , in nicht minden
ſchoͤnem Gruͤnen
Des Laubes , gleichfals guͤlden ſchienen ,
Vermehrten noch des Buſches Glantz ,
Und was ihn vollends herrlich machte iſt , daß der Blumen
Meng ’ ihn gantz ,
Und mehr faſt , als das Laub ſie , deckte . Wir freuten uns ,
von GOttes Wercken
Jn dieſer neuen Wunder-Blum ’ ein neues Wunder zu be -
mercken ,
Und danckten ihm , daß er , als Schoͤpfer , in ſeiner Crea -
turen Pracht ,
Auf eine nie geſeh’ne Weiſe , uns abermahl ſich ſichtbar
macht .
[figure] Noch 51 Noch andere Fruͤhlings-Betrach - tungen . D ie Freude , welche die Natur , durch die ihr ange - ſchafne Kraft ,
Da ſie ſich , uns zum Nutz und Vortheil , zur Fruͤhlings - Zeit aufs neu beweget ;
Wenn man auf ihre Wirckung achtet , ſo dann in unſrer Seel ’ erreget ,
Die Freude , ſag ich , iſt unſtreitig die alleredelſt ’ Ei - genſchaft ,
Der unſre Seele faͤhig iſt . Da mit der Luſt , die man empfindet ,
Sich ja Bewunderung und Ehrfurcht , Lob , Andacht , Preis und Danck verbindet :
Die aber , wenn wirs nicht ermeſſen , in uns erſtickt , ver - graben bleiben ,
Wodurch denn unſers Schoͤpfers Abſicht , und Lieb ’ und Macht und Ehr ’ auf Erden ,
Sammt unſrer Luſt und Pflicht zugleich , verhindert und ge - ſchmaͤhlert werden .
Sollt alles dieſes uns denn nicht zu GOtt , in ſeinen Wer - cken treiben ?
E s ſehe denn doch jedermann ,
Zu GOttes Ruhm , und eigner Freude ,
Jm faſt verjuͤngten Welt-Gebaͤude ,
Der Creaturen Schmuck , zumahl im Fruͤhling , an !
Seht , wie aus dunckel-braunen Flaͤchen
Der Erd ’ jetzt uͤberall die regen Pflantzen brechen !
D 2 Wie 52 Wie aus den , durch ſie ſelbſt gemachten , Ritzen
Die gruͤnlich-gelben glatten Spitzen ,
An welchen hie und da noch kleine Kloͤſſe kleben ,
Faſt ſichtbarlich ſich in die Hoͤhe heben ,
Faſt ſichtbarlich auf allen Seiten ,
Sich lieblich von einander breiten ;
Da denn das ſchoͤne junge Gruͤn ,
Womit ſie die Natur zu uͤberziehn
Beſchaͤftiget , und ſie ſo ſchoͤn gemahlt ,
Gedoppelt ſchoͤn uns in die Augen faͤllt ,
Wenn es der Sonnen Licht durchſtrahlt ;
Die es bald hie , bald dort mit einem Glantz erhellt ,
Den Zephyrs holde Schertze ,
Durch der bald hin , bald her , bewegten Schatten Schwaͤrtze ,
Noch mehr , noch lieblicher erhoͤhn ,
Wodurch wir ihren Schmuck ſich ſtets vermehren ſehn .
Wie jetzt die roͤthlich braun - und ſaftgen Zweige ſchwellen ,
Wie glaͤntzend ihre glatte Haut ,
Wird ohne Luſt nicht angeſchaut :
Jmgleichen wie an ſo viel tauſend Stellen
Die dunckel-rohten Knoſpen ſteigen ,
Sich oͤffnen und den Schatz der gruͤnen Blaͤtter zeigen :
Da oͤfters denn die aͤuſſren Schalen ,
Wenn Sonnen-Blicke durch ſie ſtrahlen ,
Beym Auf - und Untergang zumalen ,
Jn einem rothen Glantze ſtehn ,
Und glimmen Funcken aͤhnlich ſehn ,
Dergleichen wir an abgeborſtnen Rinden
Auf den Johannis-Stauden finden ,
Die wuͤrcklich denn dadurch in einem hellen Schein ,
Als glimmt - und brennten ſie , oft anzuſehen ſeyn .
Jetz 53 Jetzt zeigen alle Baͤum ’ und alle Stauden Augen ,
Und zeugen nicht allein von einem innern Saft ,
Der in den Roͤhren cirkuliret ;
Sie zeigen eine Wunder-Kraft ,
Die Laub und Bluͤth ’ und Frucht formiret .
Man ſieht ſchon Hyacinthen bluͤh’n ,
Wie ſie ſich gleichſam recht bemuͤh’n ,
Aus ihrem duncklen Sitz zu ſteigen ,
Um ihres Schoͤpfers Macht zu zeigen .
Ein ſtrenger Drang und Druck ſcheint jegliche zu treiben ,
Nicht laͤnger wo ſie war zu bleiben .
Es ſcheint , es eil ’ itzt recht der Blumen buntes Heer ,
Daß es , zu ihres Schoͤpfers Ehr ,
Und unſrer Luſt , fuͤr unſre Blicke
Sich hebe , faͤrbe , bild ’ und ſchmuͤcke ,
Mit lieblichem Geruch ſich und die Luͤfte fuͤlle ,
Und , in dem ſuͤſſen Duft , und ihrer bunten Pracht ,
Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers Macht ,
Und ſeine weiſe Huld , ſo viel an ihr , enthuͤlle .
Vernunft kann , ohne Luſt , auf ſie den Blick nicht lencken ;
Weil , wenn wir mit Vernunft derſelben Weſen ſehn ,
Wir auf die innre Wirckung gehn ,
Und auf des Schoͤpfers Allmacht dencken ,
Der auch den Pflantzen ſelbſt ein Leben ,
Zu unſerm Nutz und unſrer Luſt , gegeben ;
Der , zur Verherrlichung von ſeinem groſſen Ramen
Ein lebend Feur in allen Saamen ,
Das immer wirckt und nimmer ruht , geſenkt ,
Und es , als einen Geiſt , in einen Coͤrper ſchrenkt .
D 3 Wie 54 Wie viele Wunder ſich in ſeiner Wirckung haͤuffen ,
Faͤllt auch dem kluͤgſten Geiſt nicht moͤglich zu begreiffen .
So mancherley Geſchmack , Geruch , Farb ’ und Figur
Fuͤhrt uns jedoch auf eine Spur
Von einem Weſen , welches wirckt , vernuͤnftig , doch au [f ] andre Weiſe ,
Als alle Menſchen wircken koͤnnen .
Will man denn dieſem nicht , zu GOttes Preiſe ,
Ein froh-bewunderndes und danckbar Hertze goͤnnen ?
[figure] Zwo 55 Zwo Fruͤhlings-Arien . ARIA . A uf den bunt-bebluͤhmten Feldern ,
Jn den Schatten-reichen Waͤldern
Herrſcht , in ſtiller Einſamkeit ,
Unſchuld und Zufriedenheit .
Fern vom ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel ,
Als in einem ird’ſchen Himmel ,
Find ’ ich hier die guͤldne Zeit .
ARIA . D ie Stille , die den Wald erfuͤllt ,
Der holden Unſchuld ſanftes Bild ,
Jſt nicht von froher Anmuth leer .
Der kleinen Voͤgel muntres Heer
Laͤſſt tauſend ſuͤſſe Toͤn ’ erklingen .
So kann auch ein gelaſſnes Hertz
Mit Recht , bey zugelaſſnem Schertz ,
Geſellig lachen , froͤlich ſingen ;
Weil ſonſt die Tugend graͤmlich waͤr .
[figure] D 4 Ander - 56 Anderweitige Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe . M ein GOtt , da ich hier ſtille ſtehe ,
Und , mit fuͤr Luſt erſtarrten Blicken ,
Die Bluͤthe , womit ſich die Kirſchen-Baͤume ſchmuͤcken ,
Mit billiger Aufmerckſamheit , beſehe ;
Entdeck ’ ich auf das neu und mercke
Noch nie bemerckte Wunder-Wercke ,
Die , daß man deine Macht und Lieb ’ in ihnen ehrt ,
Auf gantz beſondre Weiſe , wehrt .
Es oͤfnen ſich die braunen Knoſpen kaum
Die , wie wir einſten ſchon beſehen ,
Aus manchem kuͤnſtlichem Gewebe ſelbſt beſtehen ;
So wird man in derſelben innerm Raum
Drey gruͤne Blaͤtterchen gewahr ,
So hohl und gantz erfuͤllt mit zartem Haar :
Die , wenn ſie von einander gehn ,
Wie gruͤne Blumen anzuſehn .
Aus dieſen ſiehet man drey andre ſteigen ,
Die laͤnglichter , und die ſich in der Mitten
Als wie ein Hertz durchſchnitten ,
Und , aus dem Schnitt , ein nettes Blaͤtchen zeigen .
Nachhero werden noch drey andre , welche groͤſſer ,
Faſt von derſelben Art erblickt ,
Nur daß darin die Form von Blaͤttern beſſer
Und deutlicher ſchon ausgedruͤckt .
An eines jeden Fuß , die Frucht noch mehr zu ſchuͤtzen ,
Sieht man aufs neu zwey gruͤne Spitzgen ſitzen ;
Noch uͤber dieſen ſteht ein Blatt ,
Das rings um ſeinen Fuß vier kleine Spitzen
Als ein abſonderlich Gewaͤchſe hat ;
Jn 57 Jn dieſem wird man mit Verwunderung gewahr
Ein Knoͤſpgen ſchon fuͤrs kuͤnft’ge Jahr .
Hier kann man nun zugleich der Wunder Endzweck ſehn ,
Jn dem wir oͤfters vier , oft fuͤnf , gerade Stangen ,
Die neue Wunder noch in ſich befangen ,
Vor Luſt mit Recht erſtaunet , ſehn .
Man ſieht wie dieſe Stiel ’ all ’ an gewiſſen Stellen
( Kein Menſch begreift wodurch ) gemaͤchlich ſchwellen ,
Sich dehnen , da wir denn in ihren hohlen Rinden
Den Sitz der jungen Kirſche finden .
Die Rinden , die darauf ſich hoͤher noch erſtrecken ,
Formiren Knoſpen abermahl ,
Worin der zarten Bluͤth ’ ſchnee-weiſſe Blaͤtter ſtecken ,
Jmgleichen weiſſe Zaͤſerlein
Noch uͤber dreyßig an der Zahl ,
Die alle , echt als wie mit guͤldnen Knoͤpfgen , prangen ,
Und die die kleinen gruͤnen Stangen ,
Die aus der Frucht ſich aufwaͤrts ſtrecken ,
Umgeben und bedecken .
Wer nun noch erſt von einer Bluͤht ’
Ein eintzigs Blatt
Betrachtet und beſieht ,
Wie viel es kleine Adern hat ,
Und dieß zuſammen nimmt , und mit Vernunft erweget ,
Was eine Kirſche nur fuͤr Wunder in ſich heget ;
Ja , welcher erſt bedenckt , wie eine ſolche Menge
Von Blumen einen Zweig erfuͤllt ,
So daß ſie ihn durchaus bedeckt und gantz verhuͤllt ;
Ja wie , im lieblichen Gepraͤnge ,
Die Blumen an viel tauſend Zweigen
Auf einem eintz’gen Baum , ſich zeigen ,
D 5 Und 58 Und endlich , wie aus Millionen Baͤumen
Viel Millionen Blumen keimen ,
Die all ’ in Fruͤhling nicht allein die Erde ſchmuͤcken ,
Wovon uns auch die Fruͤcht ’ erquicken ;
Wer , ſag ’ ich , dieß erwegt , wird wol mit Recht geruͤhret ,
Mit Recht zu aller Ding ’ allmaͤchtgem HErrn gefuͤhret ,
Und zu der wahren Qvell des Himmels und der Erden
Bewunderung und Lob und Danck getrieben werden .
[figure] Das 59 Das unverhofte Gruͤn . J uͤngſt gieng ich nebſt Fabricius ,
Den , ohne Neid faſt , ſelbſt der Neid bewundern muß ,
Jn einem zierlichen , am klaren Alſter-Fluß
Belegnen , groſſen Blumen-Garten ,
Worin , von mehr als tauſend Arten ,
Viel hundert tauſend Blumen ſtunden ,
Die wir durch ihre Meng ’ in ſolchem Glantze funden ,
Daß , durch den Ubefluß der Luſt
Der uns faſt mehr erfuͤllt ’ und drengt ’ , als ruͤhrte ,
Das Hertz in unſrer Beyder Bruſt
Sich gleichſam echt gedruckt , und ſanft-gepreßt verſpuͤhrte .
Wir ſtutzten erſt vor uͤbermachter Freude
Und , durch die bunte Gluth der Blumen angeflammt ,
Gedachten wir mit Luſt und Ehrfurcht alle beide
An den , aus deſſen Kraft , Luft , Erd ’ und Himmel ſtammt .
Es brach ein froh GOTT Lob ! aus beider Hertz und Mund :
GOtt Lob ! der ſich bey uns in ſolcher Schoͤnheit kund
Und gleichſam ſichtbar macht !
Le Fevre , welcher ſich zugleich bey uns befand
Le Fevre eine Zier von ſeiner Vater-Stadt ,
Und der , zu meiner Ehr , mit mir verwandt ,
Bewunderte nebſt uns und ehrt ’ in ihrer Pracht
Die GOttheit ebenfals . Als eben Boͤckelmann ,
Des ſchoͤnen Gartens Herr und Pfleger , zu uns trat
Und , wie er uns ſehr hoͤflich angeſprochen ,
Auch fuͤr uns eine gute Zahl
Erleſner Blumen agebrochen ,
Kam er von ungefehr auf ſeine Morgen-Zeit .
Nicht 60 Nicht auszudruͤcken iſt die Luſt , die ich verſpuͤhre ,
Sprach er , wenn ich , ſchon fruͤh ’ um viere
Der Blumen ungezehlte Zahl
Jm von der fuͤhen Sonnen Strahl
Gefaͤrbt - und gantz durchdrungnen Thau
Jn einem himmliſchen , nicht ird’ſchen , Firniß ſchau .
Jch fuͤhle , wie ſo denn die allgemeine Stille ,
Die dann die Welt beherrſcht , auch mein Gemuͤth erfuͤlle .
Dieß iſt die ſchoͤnſte Zeit , diß ſind die ſchoͤnſten Stunden !
Nur dauret mich , daß ſie von Menſchen auf der Erden
So wenig nur empfunden
Und mehrentheils verſchlaffen werden .
Wir traureten und freuten uns mit ihm .
Hierauf kan man von ungefehr
Von neuem auf der Blumen-Heer :
Man ſprach : Bewunderns wehrt iſt , da der Blumen Pracht
Jn allen Farben glimmt , daß die Natur von ihnen
Doch keine gruͤn gemacht .
Wir andern ſtimmten bey
Und dachten , daß dem Laub ’ und Graſ ’ allein im Gruͤnen
Zu glaͤntzen vorbehalten ſey .
Drauf ging , mit ſanften Schritten ,
Herr Boͤckelmann von uns , kam aber bald hernach ,
Mit ja ſo ſanften Schritten , wieder ;
Und , ſonder daß er etwas ſprach ,
So legt ’ er in der Mitten
Auf unſern Tiſch drey gruͤne Blumen nieder ,
Wodurch er , daß wir uns geirrt
Uns uͤberzeuglich uͤberfuͤhrte .
Wir 61 Wir ſahn einander an . Halb laͤchelnd , halb verwirrt ,
Geſtunden wir , zu ſeiner Ehr ,
Daß dieß die beſte Art zu uͤberzeugen waͤr .
Nachhero nahmen wir der gruͤnen Blumen Pracht ,
So ein ’ Anemone , bewundrungs-voll in acht ,
Da jeder dann , nachdem wir ſie recht wol beſchaut ,
Geſtand , daß auch das ſchoͤnſte Kraut
Kein ſchoͤner Gruͤn faſt zeigen kann .
Hieruͤber ſtimmten wir zuletzt der Meynung bey ,
Daß alles , was in der Natur
So wol an Farben als Figur
Nur moͤglich , auch vermuhtlich wircklich ſey .
HErr , meine Luſt ſind deine Wercke .
Ach , gieb , daß mancher auch mit mir ,
O aller Dinge Quell , ſie , dir
Zum Ruhm , mit Luſt und danck , bemercke !
[figure] Die 62 Die Luft im Fruͤhling . D ie kalte Luft , die um uns ſchwebet , und welche ſich mit
uns zugleich
Der Licht - und Lebens-Qvelle naͤhert , und in der hellen
Sonnen Reich
Zugleich mit uns gefuͤhret wird , verſpuͤhrt derſelben war -
men Kraft
( Wodurch ſie alles labt und naͤhret ) ſo ſanft belebend ’ Ei -
genſchaft
Am erſt - und meiſten ; wird durchdrungen , wird warm ,
verduͤnnt und ausgeſpannt :
Die groben Duͤnſte theilen ſich , man ſieht ſie hier und
dort zerſtuͤcket
Jn Wolcken von verſchiedner Art , in nicht zu zehlenden Fi -
guren ,
Die theils bekannt , theils unbekannt ,
Und die das Licht im holden Fruͤhling viel ſchoͤner noch , als
ſonſten ſchmuͤcket .
Sie theilen ſich bald hier , bald dort , und laſſen durch der
Wolcken Schleyer
Der reinen Sonnen Glantz und Feuer ,
Dort , durch derſelben duncklen Schwall des reinen Him -
mels tieffe Hoͤhn
Jn einem hellen , heitern , reinen , mehr als Sapphirnen
Blauen ſehn ,
Doch ſieht man jetzt zuweilen auch ſich manchen duͤnnen
Duft erheben ,
Und , gleichſam ſeegelnd , hin und her in neu durchſtrahlten
Luͤften ſchweben
Zu - 63 Zuweilen ſich zuſammen ſetzen , den gantzen Kreis der Luͤf -
te fuͤllen
Und oft der Sonnen glantz dadurch verdecken , und oft
gantz verhuͤllen .
Doch iſt der Duft nicht dicht und ſchwartz , wie er vorhin
im Winter war ,
Er iſt , mit Glantz und Licht vermiſcht , zwar truͤb ’ und falb ’
und dennoch klar ,
Es ſcheint dieß daͤmmricht-ſanfte Weſen von Fruchtbarkeit ,
von Licht und Schein ,
Von Hofnung und von Seegen ſchwanger , und ſchwer vom
Ueber-Fluß zu ſeyn .
Man ſieht , nicht ſonder ſanfte Freude , ſie ſanft bald hie , bald
dort hin , ziehn ,
Und einen kleinen lauen Regen bald hie , bald da , bald
dorten , ſpruͤh’n .
Jn ſolcher truͤben Fruͤhlings-Zeit empfindet man , wie eine
Stille ,
So wie ſie dort das Firmament , auch unſre Seele lieb -
lich fuͤlle .
Ein angenehm ich wei nicht was , ſo Coͤrper , Geiſt und
Nerven ruͤhrt ,
Wird , ſo wie uͤberall empfunden , auch uͤberall von uns
verſpuͤhrt .
Ach moͤgten wir die ſanfte Schoͤnheit der lauen Luft im fro -
hen Lentzen ,
Worinn voll Anmuth , Waͤrm und Seegen , der Sonnen
helle Strahlen glaͤntzen ,
Der Sonnen Sonn ’ und HErrn zu Ehren , mit innigli -
cher Anmuth ſehn ,
Und ſeine Weisheit , Lieb und Allmacht , in unſrer frohen
Seel ’ erhoͤhn !
Wir - 64 Wirckung der Sonne . W as entſteht nicht durch die Sonne
Uberall fuͤr Nutz und Wonne !
Dieſe Licht - und Lebens-Quelle
Machet nicht nur jede Stelle
Jn der Luft , und auf der Erden ,
Auch ſo gar in kalter Fluth ,
Lieblich , luſtig , hell und licht ;
Es wird , von der reinen Glut ,
Durch das ſinnliche Geſicht ,
Selbſt in meiner Seelen helle .
Sie beſtrebt ſich , trotz der Erden ,
Fruchtbar und geſchmuͤckt zu erden .
Es entſteht in meiner Bruſt
Gleichſam eine Fruͤhlings-Luſt ,
Eine rege Heiterkeit ,
Eine geiſtge Lentzen-Zeit .
Dadurch , daß ſie dieß erblickt
Wird die Seele ſelbſt geſchmuͤckt .
Hofnung iſt ihr ſchoͤnes Gruͤn
Und es ſind die Luſt und Freude
Ob dem ſchoͤnen welt-Gebaͤude
Blumen , welche in ihr bluͤhn .
Wenn ich nun , dadurch geruͤhret ,
Das , was ſie dadurch verſpuͤhret ,
Durch den Danck zum Schoͤpfer richte ;
Sind es die verlangten Fruͤchte
Welche GOTT , aus Lieb ’ allein ,
Lieblich und gefaͤllig ſeyn .
Die 65 Die Anemonen . M ir hat , GOtt Lob ! der Schmcuk , der bunte Blu - men ziert ,
Das innerſte der Seelen oft geruͤhrt ;
Allein , dieß iſt gewiß : noch nimmer
Bin ich von ihrem Glantz und angenehmen Schimmer ,
Von ihrer Zierlichkeit und tauſendfacher Pracht
So lieblich angeſtrahlt und faſt beſtuͤrtzt gemacht ,
Als heute , da ich kaum im Garten eingetreten ,
Und mir ein buntes Feur von Anemonen-Beeten
Das Aug ’ auf einmahl traf . Jch ſtutzt ’ ! Es blieb mein Fuß ,
Der halb gehoben war , ſo , halb gehoben , ſtehn ,
Und kont ich , vor der Pracht und Schoͤnheit Ueberfluß ,
Der mich recht blendete , nicht vor - nicht ruͤckwaͤrts gehn .
„ Liebſter GOTT ! kan wol auf Erden
„ Etwas , das ſo wunderſchoͤn ,
„ Bunt und zierlich iſt , geſehn ;
„ Lieblichers gefunden werden ?
So rief ich , halb entzuͤckt vor uͤberhaͤufter Luſt ,
Und ließ den frohen Blick den bunt-gefaͤrbten Hauffen
Auf einmahl uͤberlauffen .
Ein gleichſam bunter Schwall drang in die rege Bruſt ,
Mit einem tauſendfach-gefaͤrbten Glantz und Schein ,
So heftig und ſo kraͤftig ein ,
Daß faſt die Seele ſelbſt , von Anmuth uͤberhaͤuft ,
Vor uͤbermaͤßigem Vergnuͤgen , nichts begreift ,
Und nur , wie alles hier bunt durch einander ſpielet ,
Jn einer lieblichen Verwirrung , froͤlich fuͤhlet .
E Es 66 Es war der Anemonen Zier
So lieblich bunt , ſo wuͤrdig ſchoͤn ,
Daß ich , indem ich ſie betrachte
Mit inniglichen Freuden dachte ,
Mein GOTT , wie froͤlich danck ich dir ,
Daß du mir Augen gabſt zu ſehn !
Wenn ich nichts anders ſonſt erblicket
Auf dieſer Welt , als blos allein
Den tauſendfachen Wunder-Schein ,
Womit dieß Fruͤhlings-Kind geſchmuͤcket ,
Muͤſſt ’ ich dir billig danckbar ſeyn .
Jch zog darauf den nimmer feſten Blick
Der um zu viel zu ſehn , faſt nichtes ſah ,
Aus ſeiner bunten Fahrt , faſt mit Gewalt zuruͤck ,
Um einige genau zu ſehen , die mir nah ,
Und faſt vor meinen Fuͤſſen ſtunden .
Mein GOtt , was hab ich da fuͤr Zierlichkeit gefunden ,
Fuͤr Farben , und fuͤr Glantz !
Es wuͤrden ſelbſt aus Edelſteinen
Geſchnittene Gefaͤſſe ſchoͤner nicht
Jn mehrem Glantz , in mehrem Licht ,
Jn bunterm Schmuck vermoͤgend ſeyn zu ſcheinen ,
Als die von der Natur in ſolcher Zier
Gekleideten gefaͤrbten Blumen hier .
Zumahlen wenn in heitern Wetter
Der Sonnen fruͤh - und ſpaͤte Strahlen
Die klaren Blaͤslein ihrer Blaͤtter
Mit Farben nicht ſo ſehr , als buntem Glantze , mahlen .
Bewunderns wehrt iſt die von der Natur
Jhr zugetheilete Figur :
Sie gleichen faſt , an Form , nett-ausgehoͤhlten Schalen ,
Die 67 Die angefuͤllet in der Mitten
Mit funckelndem Rubin , der zierlich ausgeſchnitten ,
Da oft in ſelbigen viel tauſend nette Spitzen ,
Die in der ſchoͤnſten Ordnung ſitzen ,
Jn roͤthlichem und weiſſem Feuer blitzen .
Denn wenn das Sonnen-Licht ſich in die Menge
Der Blaͤtter , die ſo nett verſchrenckt ,
Und ſo viel bunte Spitzen , ſenckt ,
Erblickt man ein ſo form - als farben - reich Gepraͤnge .
Unglaublich iſt , wie ſchoͤn , wie voll , als wie auf Sammt
Das ſanft gebrochne Licht auf ihren Blaͤttern flammt .
Unglaublich iſt , wie groß die Zahl der Blaͤtter ſey ,
Die , in verſchiedenen , weit uͤber tauſend gehet ;
Unglaublich iſt , wie vielerley
Der Farben Miſchungen , wie manchen Unterſcheid
Jhr auf den bunten Blaͤttern ſehet .
Wenn viel ’ in dunckler Roͤthe gluͤhn ,
Jn Weis , in Purpur-Farb , in Carmeſin ,
Jn Gelb , Viel-Blau , Leib-Farb , Gruͤn ,
Von tauſend Miſchungen und Graden , bluͤhn ;
Sieht man viel andre noch , auf ander ’ Art geziert ,
Mit Linien , die ſilber-weis , durchziehn ,
Oft roth , oft weiß , auf tauſend Art , punctirt .
An vielen wird noch mehr erblickt ,
Jndem , im ſtarcken Gegenſatz
Der Farben , ihren Mittel-Platz
Ein gantz verſchiedner Boden ſchmuͤckt ,
Den ich oft gruͤn , oft ſchwartz , oft blau ,
Bey gantz verſchiednen Blaͤttern , ſchau .
Noch eins , ſo dieſe Blum ’ in gantz beſonderm Grad
Vor allen andern Blumen hat :
E 2 Da 68 Da ſie ein ſchoͤnes Laub an ihrem Stengel heget ,
Der es , als einen Krantz , in ſeiner Mitten traͤget ,
Der aus drey Blaͤttern ſich formiret ,
Die ich daſelbſt in einer Ruͤnde
Aus einem Ort entſproſſen finde ,
So ſonſt bey Blum - und Pflantzen nicht gemein .
Wann nun ein jedes Blatt
Aufs neu drey nette Spitzen hat ,
Und jede theilt ſich wieder ein
Jn drey , die wiederum in ſechs getheilet ſeyn ,
So kann die groſſe Zahl nett-ausgekerbter Ecken
Uns , zu der Blumen Schmuck , was ſonderlichs entdecken ,
Jn dem ſie in dem dicht-geſchloſſnen Gruͤnen
Den bunten Blumen ſtets zum ſchoͤnen Grunde dienen ,
Ja ſchoͤne gruͤne Decken ſcheinen ,
Worauf der bunte Glantz , die viel gefaͤrbte Pracht ,
Die uns auf tauſend Art anlacht ,
Sich deſto lieblicher vereinen .
Es iſt wahrhaftig nicht zu glaͤuben ,
Noch minder moͤglich zu beſchreiben
Die Schoͤnheit , welche man , durch dieſes Kraut ,
Der Anemonen Pracht annoch vergroͤſſern ſchaut .
Das farben-reiche Blumen-Heer
Laͤßt anders nicht ,
Als wenn , von buntem Licht ,
Auf gruͤnen ſammtenen Tapeten ,
Ein Blum-Werck ſchoͤn gewircket waͤr .
Die allerreichſten Kaufmanns-Laden ,
Voll guͤld - und ſilberner Brocaden ,
Und wenn ſie noch ſo ſchoͤn geſtickt , durchwirckt , bebraͤmt ,
Sind durch der Blumen Pracht und bunten Glantz beſchaͤmt .
Da 69 D a ich nun , mit vieler Freude ,
An der Anemonen Schein
Mein vergnuͤgtes Auge weide ;
Faͤllt mir dieſes billig ein :
Moͤgten wir , fuͤr ſo viel Gaben ,
Woran wir die Sinne laben ,
Welche wir von dir allein ,
Groſſer GOTT , empfangen haben ,
Danckbar und erkaͤnntlich ſeyn !
Moͤgt ich doch , o ew’ge Guͤte ,
Die mir ſo viel Guts gegeben ,
Mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte
Dir gefaͤllig hier zu leben
Recht von Hertzen mich beſtreben !
[figure] E 3 Die 70 Die Trauben-Hyacinth . A ngenehmes Fruͤhlings-Kindchen ,
Kleines Trauben-Hyacintchen ,
Deiner Farb ’ und Bildung Zier
Zeiget , mit Verwundrung , mir ,
Von der bildenden Natur
Eine neue Schoͤnheits-Spur .
An des Stengels blauer Spitzen
Sieht man , wenn man billig ſieht ,
Deiner ſonderbahren Bluͤht
Kleine blaue Kugeln ſitzen ,
Dran , ſo lange ſich ihr Blat
Noch nicht aufgeſchloſſen hat ,
Wie ein Purpur-Stern ſie ſchmuͤcket ,
Man , nicht ſonder Luſt , erblicket .
Aber wie von ungefehr
Meine Blicke hin und her
Auf die ofnen Blumen lieffen ,
Kont ich , in den blauen Tieffen ,
Wie aus Himmel-blauen Hoͤhen ,
Silber-weiſſe Sternchen ſehen ,
Die in einer blauen Nacht ,
So ſie rings bedeckt , im Dunckeln ,
Mit dadurch erhoͤhter Pracht
Noch um deſto heller funckeln .
Jhr ſo zierliches Gepraͤnge ,
Jhre Nettigkeit und Menge ,
Die die blauen Tieffen fuͤllt ,
Schiene mir des Himmels Bild ,
Wel - 71 Welches meine Seele ruͤhrte ,
Und durch dieſer Sternen Schein ,
Die ſo zierlich , rein und klein ,
Mich zum HErrn der Sterne fuͤhrte ,
Deſſen unumſchrenckte Macht ,
Aller Himmel tieffe Meere ,
Aller Welt und Sonnen Heere ,
Durch ein Wort , hervorgebracht ;
Dem es ja ſo leicht , die Pracht
Jn den himmliſchen gefilden ,
Als die Sternchen hier , zu bilden .
Durch dein Sternen-foͤrmig Weſen ,
Giebſt du mir , beliebte Blume ,
Dem , der Sterne macht , zum Ruhme ,
Ein ’ Erinnerung zu leſen ,
Daß wir ſeiner nicht vergeſſen ,
Sondern in den ſchoͤnen Wercken
Seine Gegenwart bemercken ,
Seine weiſe Macht ermeſſen ,
Und ſie , wie in jenen Hoͤhen ,
So auf Erden auch zu ſehen .
E 4 Wunſch . 72 Wunſch . J etzt ſeh ich , mit geruͤhrten Blicken ,
Ein friſch und faſt lebendig Gruͤn ,
Der Erde-Flaͤchen uͤberziehen .
Jch hoͤre gleichſam mit Entzuͤcken ,
Der neuen Voͤgel Harmonien ,
Bemuͤht , die Menſchen zu erqvicken .
Man ſiehet , wo die Blumen bluͤhn ,
Und faſt in buntem Feuer gluͤhn ,
Die Beeten recht in guͤldnen Stuͤcken ,
Mit Ranckenwerck , worin Carmin ,
Sammt Purpur und Ultramarin ,
Den holden Schmuck der Kraͤuter ſchmuͤcken ,
Ja , ſcheint nicht oͤfters ein Rubin ,
Durch das Smaragden-gleiche Gruͤn ,
Uns gleichſam Strahlen zuzuſchicken ?
Ach daß mein Geiſt , wenn oft in ihn
Sich die Betrachtungen bemuͤhn
Des Fruͤhlings Schoͤnheit abzudruͤcken ,
Oft von des Schoͤpfers Werck , ein reiner Spiegel ſchien !
Jch muß noch einen Wunſch zu dieſem fuͤgen :
Ach moͤcht , o HERR , aus Lieb ’ allein
Dir meine Luſt gefaͤllig ſeyn ,
Und mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen !
Du haſt an Menſchen-Kindern Luſt ,
Wie David ſolches deutlich weiſet .
Ach hab es es denn auch hier an einer Bruſt ,
Die dich , in ihrer Freud ’ an deinen Wercken , preiſet !
Schoͤn - 73 Schoͤnheit des Fruͤhlings . J ndem ich hier von einer Hoͤhe ,
Und zwar zur holden Fruͤhlings-Zeit ,
Verſchiedne Gaͤrten uͤberſehe ,
Erſtaun ’ ich ob der Lieblichkeit ,
Und ob dem bluͤhenden Gepraͤnge
Des Fruͤhlings Kleides der Natur ,
Jn ſo verſchiedner Pracht , Glantz , Farben und Figur .
Es zeigt die ungezehlte Menge
Der Wipfel , die ich von dem Schnee ,
Der holden Bluͤhte ſchimmern ſeh ,
Ein angenehm mit gruͤn vermiſcht Gewebe ,
Worin das Weiſſe , bald das Gruͤn ,
Das Gruͤn hinwiederum , nicht minder kuͤhn ,
Das Weiſſe zu beſiegen ſchien .
Nicht zu beſchreiben iſt , wie ſuͤß
Die angenehm gemiſchte Schoͤnheit ließ :
Ach wie ſo lieblich , glatt und zart und friſch und ſchoͤn
Jſt dort das junge Laub auf Linden ,
Und andern Baͤumen , anzuſehn !
Seht , wie die Wipfel ſich ſo zierlich ruͤnden ,
Jndem von allererſt geſchloſſnen zarten Zweigen ,
Die gruͤnen Spitzen , noch ſo ſchwach
Durch ihre Blaͤtter-Laſt herab gezogen ,
Und recht als runde gruͤne Bogen ,
Sich wie gewoͤlbet abwerts beugen ,
Sich Wolcken-foͤrmig zeigen ,
Und unvermercket nach und nach
Nur allererſt ſich aufwerts lencken .
Erweget , wie ſie ſich ſo angenehm verſchrencken ,
E 5 Da 74 Da mehrentheils ein Blatt auf zweyen andern lieget ,
Und ſich dadurch ſo dicht und feſte fuͤget ,
Daß dieſe Dichtigkeit auch dichte Schatten zeuget ,
Daß vor des Sommers ſchwuͤhlem Blitzen ,
Sie uns , durch ihre Zucht , die kuͤhlen Schatten , ſchuͤtzen .
Es iſt ein ſolches junges Blat ,
Da es ſo lieblich gruͤn , ſo friſch , ſo zart und glatt ,
Nicht ſonder Anmuth anzuſehn .
Abſonderlich wenn ſich das Licht ,
Auf die nicht minder glatten Hoͤhen ,
Wodurch die Adern ſtrich-weis gehen
Und ſie vertieffe , lieblich bricht ,
Da denn an den vertieften Graͤntzen ,
Oft kleine Blicke ſchimmernd glaͤntzen ,
Wodurch , wenn ihre Zierd und Menge ſich vereinet ,
Der gantze Baum oft uͤberſilbert ſcheinet .
Man wird zur holden Fruͤhlings-Zeit ,
Da alles voll von Glantz und Lieblichkeit ,
Von der lieb-aͤugelnden Natur ,
Aus jedes Bluͤmchens holder Pracht ,
Bald durch der Farben Schmuck , und bald durch die Figur ,
Bald in den friſch-bethauten Feldern ,
Bald in den Blaͤtter-reichen Waͤldern ,
Ja uͤberall recht angelacht .
So laßt uns dem , der ihre Pracht
Zu unſrer Augen-Luſt gemacht ,
( Da in der Lentzen-Zeit die Welt ſo wunder-ſchoͤn )
Sie doch , in unſrer Luſt , zum wahren Ruhm beſehn !
Nach - 75 Nachtheilige Verwahrloſung der Fruͤhlings-Schaͤtze . J m Fruͤhling ſcheint auf Wieſen und Gefilde ,
Als ob in einem neuen Bilde
Sich eine neue Schoͤpfung zeiget .
Da ſo , wie dort ,
Durch des Allmaͤcht’gen Wunder-Wort ,
Kraut , Bluͤthe , Gras , und Laub , neu aus der Erden
ſteiget .
Es gehn , in einem neuen Flor ,
Die Blumen aus der Erd ’ hervor .
Wenn wir uns nicht an dieſer Schoͤnheit laben ;
So ſcheints , als wuͤrden wir , zu unſers Schoͤpfers Ehren ,
Wenn wir in Eden ſelbſt geweſen waͤren ,
An allen neu erſchafnen Gaben ,
Uns gleichfals nicht vergnuͤget haben .
[figure] Ein 76 Ein Parterre . M ein GOtt , was haſt du doch alhier ,
Jn dieſer Blumen bunten Zier ,
Auf dieſem bunten Schau-Platz , mir
Fuͤr Weisheit , Lieb ’ und Macht gewieſen !
Ach ſey dafuͤr , daß es ſo wunder ſchoͤn ,
Von mir und allen , die es ſehn ,
Gelobt , geruͤhmet und geprieſen !
So rief ich , als ich juͤngſt den Platz ,
Worauf ich kurtz vorher der Beeten Schrancken
Von Buchsbaum mit geſchlungnen Rancken ,
Nicht viereckt , wie gewoͤhnlich , faſſen ,
Und hier und da mit rohtem Sand
Und bunten Striemchen zieren laſſen ;
Als , ſag ich , ich hier dieſen Ort ,
Bedeckt , erfuͤllt mit einem Schatz ,
Von bunten Tulipanen , fand .
Die Regel-rechte Symmetrie ,
Des Bodens , der in manchem bunten Strich
Selbſt bunten Blumen glich ,
Stand mit der bunten Blumen Menge ,
Und dem faſt funckelnden Gepraͤnge ,
Jn einer ſolchen Harmonie ,
Daß jeder , der es ſah , erſtaunet ſtille ſtund ,
Und , fuͤr Verwunderung , ſo gleich kaum ſprechen kunt .
Jch ſah ihn juͤngſt , recht inniglich vergnuͤget ,
Von meinen kleinen Weinberg an ,
An deſſen gruͤnem Fuß es lieget ;
Es 77 Es waren mir , als ich den bunten Schimmer ſahe ,
Fuͤr Luſt , die Freuden Thraͤnen nahe ,
Und fing ich gleich , ſo bald ich mich beſann ,
So wie zuerſt , noch einmahl wieder an :
Mein GOtt , was haſt du doch alhier ,
Jn dieſer Blumen bunten Zier ,
Auf dieſem bunten Schau-Platz , mir
Fuͤr Weisheit , Lieb ’ und Macht gewieſen !
Ach ſey dafuͤr , daß es ſo wunder ſchoͤn
Von mir und allen , die es ſehn ,
Gelobt , geruͤhmet und geprieſen !
[figure] Zu - 78 Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland abſeegelnde Schiffe . J ndem ich juͤngſt auf einem kleinem Huͤgel ,
Am Flachen Elbe-Strande , ſteh ,
Und , wie der glatten Fluthen Spiegel
Sich ſanft voruͤber ziehet , ſeh ;
Erblick ich , auf dem ſich ſanft ſenckenden Gewaͤſſer ,
Ein groſſes wol beſeegelt Paar
Sehr ſtarck-bemannter Waſſer-Schloͤſſer ,
So zu dem Wallfiſch-Fang beſtimmet war ;
Wie beid ’ , in ſtiller Farth , die Fluthen theilten ,
Und , Land - und Strand vorbey , gemaͤhlig See-werts
eilten .
Jndem ich nun , von ihrer Reiſe
Den weit entfernten Zweck erwege ,
Die , auf ſo manche Art und Weiſe ,
Sie drohende Gefahr , mit Grauſen uͤberlege ;
So faͤllt mir die Betrachtung bey :
Jch dencke , wie es moͤglich ſey ,
Daß dieſe Reiſende , der ſchoͤnſten Fruͤhlings-Zeit ,
Die jetzo wiederkehrt ,
Und da der Erde Schmuck ſich ſtuͤndlich faſt vermehrt ,
Da Wald und Feld bey uns in ſolcher Lieblichkeit
Bey aufgeklaͤhrten Luͤften bluͤhen ,
So gantz gelaſſen ſich entziehen ,
Um ſich den ungeſtuͤhmen Wellen
Der unergruͤndlich tieffen See ,
Des Winters Wuth , Reif , Hagel , Froſt und Schnee
Und Boreas Gewalt in Groͤnland blos zu ſtellen .
Mich 79 Mich deucht , als ob ich ſie ,
Jn ſchwartzer Luft , die blos durch Schnee-Geſtoͤber grau ,
Auf tauſend Art bereits beſchaͤftigt ſchau ;
Wie ſie , mit ſtarrer Hand , und mit verwegner Muͤh ,
Sich , zwiſchen Eis-Gebirg-und abgeriſſnen Schollen ,
Die krachend uͤberall in ſtrengen Strudeln rollen ,
Mit mehr als toͤdtlicher Gefahr , begeben ,
Und , in entſtandnem Sturm , bey Raſen , Wuͤten , Sau -
ſen
Der Winde , beym Gebruͤll , Geknirſch , Geheul und
Brauſen
Der Wellen , zwiſchen Meer - und Waſſer-Wundern
ſchweben .
Geliebter Leſer ! laß uns nun ,
Dem Schreck-Bild ’ , unſerm Stand entgegen ſetzen :
Du kannſt in Sicherheit auf deinem Bette ruhn ,
Du kannſt in Feld ’ und Wald ’ auf Blumen dich ergetzen ,
Du kannſt , in warmer Luft , wenn laue Winde wehn ,
Auf einem ſichern Boden gehn .
Ach , laß uns dieſes denn doch vor ein Gluͤcke ſchaͤtzen !
Ach laß uns oft den Unterſcheid beſehn ,
Und in Erkaͤnntlichkeit , des Schoͤpfers Huld erhoͤhn !
Jndeſſen wuͤnſchen wir den Arbeit-ſeel’gen Leuten ,
Auf ihrer ſchluͤpfrichen , beſchwerlich-rauhen Bahn ,
Zu ihrer Reiſe Gluͤck von gantzen Hertzen an ,
Daß ſie , was ſie geſucht , in Ueberfluß erbeuten !
Hir - 80 Hirten-Gedicht . Als der groſſe und gelehrte Fuͤrſt G uͤnther zu Schwartzburg , Die Goͤttlichen Wunder in Vermeh - rung des Getraides , von mir betrachtet , verlangte . A uf einer ſanft erhabnen Hoͤh ’ , an welcher die be - buͤſchten Seiten ,
Mit Kraͤutern uͤberall bedeckt , ſich unten allgemach ver - breiten ,
Auf deren Wipfel Eichen , Buͤchen und Blaͤtter-reiche Linden ſtunden ,
Wovon die gruͤn-und kuͤhlen Schatten , in ſtiller Eintracht ſich verbunden ,
Saß Hirtenau nebſt Segenfeld , zween Edel-Leute , deren Geiſt
Den regen Muͤßiggang im Jagen allein nicht groß und edel heißt ,
Nein , die ( da ſie nunmehr den Hof , mit ſeiner Luſt und Laſt , verlaſſen )
Daß man , bey Schafen und bey Buͤchern , kann froh und ruhig leben , faſſen ;
Ja denen , daß man auf dem Lande , in einer wahren Men - ſchen-Luſt ,
Der GOttheit Wercke deutlicher , als etwan ſonſten , ſieht , bewuſt ;
Die 81 Die , ſag ich , ſaſſen bey einander auf einer Banck ’ aus gruͤ - nen Raſen ,
Die an dem angenehmen Orte nur neulich erſt verfertigt war ,
Sie ſahen , nebſt den muntern Ziegen , der Wollen-rei - chen Schaafe Schaar
Bald zwiſchen jungen Buͤſchen klettern , bald in bebluͤhm - ten Kraͤntern graſen ,
Die dort , mit unterbrochnem Meckern , durch dicht-ge - ſchlungne Straͤucher ſchlupfen ,
Die hier das feinſte Gras , den Klee mit regen Kiefern aͤmſig rupfen ;
Zur Lincken lagen hohe Huͤgel , ſo ſich mit dichter Wal - dung deckten ,
Worauf der Wipfel halbe Circkel ſich immer hoͤher auf - waͤrts ſtreckten .
Dort theilt , von ſchon gereiften Korn , ein groß - und brei - ter gelber Strich
Das helle Gruͤn bebluͤhmter Wieſen , am Fuſſe dunckel - gruͤner Waͤlder ,
Hier ſtreckt , von kleinen Buͤſchen , ſich
Ein langer gruͤner Strich hingegen durch Aeren-ſchwan - gre gelbe Felder .
Die Schoͤnheit ſahe Hirtenau mit inniglich geruͤhrten Blicken ,
Und wieß ſie Segenfeld mit Fingern , der auch , wie er , faſt mit Entzuͤcken
Sein Aug an dieſem Vorwurf labt ’ . Es herrſcht ’ in ihrer Beider Bruſt ,
Ein ’ aus den Wercken der Natur , zu deſſen Ruhm , ent - ſtandne Luſt ,
F Der 82 Der Himmel , Meer und Erde ſchuf . Ach rieffen beide : Wie ſo ſchoͤn
Jſt alles was wir hier erblicken ! Wie herrlich iſt es was wir ſehn !
Fuhr Segenfeld mit laͤcheln fort . Fuͤrwar das Land-und Schaͤffer-Leben
Jſt auf der Welt das gluͤcklichſte ! weil man , mit ruhigem Gemuͤth ,
Auf der Natur ſo reiche Schaͤtze am fuͤglichſten kann Ach - tung geben ,
Und man des Schoͤpfers Werck in ihnen mit Ehrfurcht , Luſt und Andacht ſieht .
Wie gluͤcklich leben wir allhier ! Da , ſo von Stadt als Hof entfernet ,
Man ſo von der Natur , als ſich , was ſonſt nicht ſichtbar , ſehen lernet ,
Da die Allgegenwaͤrtge GOttheit , in Waͤldern , Feldern und in Auen ,
Jn Thieren , in den Elementen , ja im geringſten Kraut zu ſchauen .
Da man , vom Reitz der Leidenſchaften befreit , in Ruh ’ und Muſſe ſich ,
Weit beſſer als in Hof und Stadt , beſieht , erkennet und ergruͤndet ,
Und , in der Ruh ’ und Still ’ , ein ſonſt umſonſt geſucht Vergnuͤgen findet .
An ſolchen redlichen Gedancken ergetz ’ ich mich . Oft faͤllt mir bey :
Wo kann man wol , in einem Stand auf Erden , beſſer alle Pracht
Der ſtetig wirckenden Natur , als auf dem ſtillen Land ’ erblicken !
Wo ſieht man beſſer , als bey uns , die Sonne Wald und Fel - der ſchmuͤcken ,
Die Sonn ’ ein wahrer Wunder-Spiegel des Maͤchtigen , der ſie gemacht !
Ent - 83 Entfernt von giftiger Verlaͤumdung , Verfolgung , Un - danck , Neid und Streit ,
Erblickt man hier ein Ueberbleibſel der ſonſt verſchwund - nen guͤldnen Zeit .
Hier wo man , bloß durch niedre Demuth , allein zur wahren Hoͤhe ſteigt ,
Wo alles , was man hoͤrt und ſieht , uns eine Freuden-Frucht gebiehret ,
Und wo uns der Geſchoͤpffe Leiter , mit ſanfter Luſt , zum Schoͤpfer fuͤhret ,
Hier , ſag ich , ſind mir meine Schaafe der Vorwurf mei - ner Gunſt und Liebe ;
Jhr ſanftes Weſen , ihre Bildung , ihr Nutz , die Unſchuld vollen Triebe
Erregen mir in meiner Bruſt ,
Je mehr ich alles unterſuche , noch immer groͤſſre Freud ’ und Luſt .
„ Kan jemand , ſang ich juͤngſt , wol ſonder wahre Freude
„ Und , wenn ers recht erwegt , ohn innerlichs Vergnuͤgen ,
„ Jn vollen Huͤrden bald , bald auf bebluͤhmter Weide ,
„ Bald hier , bald dort , recht als in Choͤren ,
„ Das rollende Gebloͤck der Schaaf ’ und Laͤmmer hoͤren ?
„ Wie lieblich iſt es nicht , wenn alt und junge Ziegen ,
„ Sammt zarten Laͤmmerchen , beym tieffern Ton , da zwiſchen
„ Jhr kurtz-gebrochnes Meckern miſchen ?
„ Bey welchem lieblichen ſanft-lermenden Gethoͤn ,
„ Zumahlen wenn dabey die Feld-Schallmayen klingen ,
„ Wir dann darnach die jungen Boͤcke ſpringen ,
„ Und jungen Laͤmmer huͤpfen ſehn .
F 2 „ Wer 84 „ Wer ſiehet ohne Luſt und inniges Vergnuͤgen ,
„ Die weiſſe Heerd ’ im gruͤn - und tieffen Graſe liegen !
„ Man ſiehet oͤfters blos ihr wiederkauend Haupt ,
„ Jndem der Ueberreſt von Kraͤutern gantz belaubt .
„ Wer ſiehet ohne Luſt , aus glatter Kuͤhe Zitzen ,
„ Jn Eimern , die beſchaͤumt , die Milch in Strahlen ſpritzen ?
Du haſt recht , ſprach Segenfeld , und ich ſtimme dei - nem Singen ,
Von der Treflichkeit und Anmuth der ſo edlen Schaͤfferey ,
Daß ſie von dem Land-Vergnuͤgen faſt das Allerſchoͤnſte ſey ,
Gleichfals bey .
Dennoch ließ ich ebenfals auch ein Liedgen juͤngſt erklingen ,
Des nicht minder wahren Jnhalts , daß der Land-und Acker - Bau
Mich nicht weniger ergetzt und recht inniglich vergnuͤget ,
Als in welchem Nutz und Luſt , gleichfals ſich zuſammen fuͤget ,
Und worinn ich voller Anmuth tauſendfache Wunder ſchau .
Neulich ſetzt ich mich und ſahe fruͤh , nach wolgenoſſner Ruh ,
Meiner Leute Saͤh’n und Pfluͤgen , mit vergnuͤgten Blicken , zu :
So daß ich , dadurch geruͤhrt , Feder und Papier ließ bringen ,
Um mit recht erfreuter Seelen , den , daus alle Ding ’ ent - ſpringen ,
Den , durch deſſen holde Liebe , Macht und Weisheit , Huld und Gunſt ,
Nun das menſchliche Geſchlecht zu ſo Seegen-reicher Kunſt
Blos allein gelanget iſt , zu erheben , zu beſingen .
Jch 85 Jch ſchrieb : Seit dem , durch Luſt zur Ruh , dazu bewo - gen ,
Jch mich dem ſtaͤdtiſchen Geraͤuſch entzogen ,
Seit dem ich hier ,
Jn dieſem holden Luſt-Revier ,
Die Schaͤtze der Natur beachte ,
Und den , der ſie gemacht , die Urquell aller Welt ,
Der ſie ſo wunderbar erſchaffen und erhaͤlt ,
Jn ihrer Zier und Nutzbarkeit betrachte ;
Hab ich mich oft am Feld-und Acker-Bau ,
Recht inniglich vergnuͤget und ergetzt .
So gar das Pfluͤgen ſelbſt , wie muͤhſam es auch ſcheint ,
Hegt mehr Vergnuͤgen , als man meint .
Der Furchen ordentliche Menge
Verſchoͤnern ihre kleine Schatten ,
Als die ſich mit dem Licht in reinen Graͤntzen gatten .
Derſelben zierliche gerade Laͤnge ,
Wenn meine Knechte ſie gezogen hatten ,
Hat ofters mich ſo ſehr vergnuͤgt ,
Daß ich , dadurch gereitzet und bewogen ,
Selbſt einige mit Luſt und mindrer Muͤh gezogen ,
Als man kaum glauben wird . Jſt nun das Land gepfluͤgt ;
So hat man ſich nicht weniger zu freuen ,
Wenn , mit gemeſſnem Tritt , wir gelben Saamen ſtreuen ,
Und , daß er , uns zum Nutz , vermehrt mag auferſtehn ,
Durch Egen ihn begraben ſehn .
Da er , von dem durch unſrer Sonne Kraft
Begeiſterten , durchdrungnen Erden-Saft ,
Recht als geſchwaͤngert , ſich belebet ,
Und aus der Furchen duncklen Strichen in gruͤnen Stri - chen ſich erhebet ,
F 3 Die 86 Die , wenn zumahl
Der warmen Sonnen holder Strahl ,
Durch ihre Blaͤtter faͤllt und alles lieblich gluͤhet ,
Man , den Smaragden gleich , durchleuchtig funckeln ſiehet .
Auch wenn ich reif Getraid , im ſchwuͤhlen Sommer , ſchau ,
Ergetzt ſich Aug und Hertz . Es wallt , ſelbſt GOtt zur Ehr ,
Jn dem gereiften Korn , ein gelbes Aeren-Meer .
Man kan der Aeren ſpielend Wallen ,
Wie ſie ſich ſanft erheben , wieder fallen ,
Bald wieder in die Hoͤhe ſteigen ,
Bald ſchweben , bald ſich wieder neigen ,
Bald fuͤr ſich ſelber fliehen , bald ſich jagen ,
Bald wirbelnd ſich im Kreiſe drehn ,
Nicht ſonder Luſt , nicht ohne Freude , ſehn .
Zumahl ergetzet uns , in hellen Sommer-Tagen ,
Der Erndte frohe Zeit . Wie blitzt der Sichel Stahl !
Bald zeigt ſich hier , bald dort , ein kleiner Strahl ,
Der uns ergetzt , nicht ſchreckt . Wie rauſcht der ſchnelle Schnitt ,
Wenn man , bey einem jeden Tritt ,
Die Schwaden fallen ſieht . Es fahren groſſe Wagen ,
Die kaum die Laſt der groſſen Schober tragen ;
Man hoͤrt den muntern Fuhrman ſingen ,
Aus einer Sorgen-loſen Bruſt ;
Mit Freuden ſieht man ihn die ſchlancke Geiſſel ſchwingen ,
Des Klatſchens kurtz - oft wiederhohlter Knall ,
Vermehrt , nebſt ſeiner Freud ’ , auch ſeiner Hoͤrer Luſt .
Es wuͤhlt und lebt das Feld jetzt gleichſam uͤberall ,
Und 87 Und wer kan , ohne Freud ’ und inniges Bewegen ,
Den uns vom Himmel ſelbſt geſchenckten Seegen
Hier annoch ſtehn , da binden , dorten maͤhn ,
Hier in die Scheuern fahren ſehn ?
So ſang ich dazumahl , als unverhoft ein Brief ,
Von meinen wehrten Freund Durander ,
Mir ungefehr zu Haͤnden lief .
Jch faltet ’ ihn kaum aus einander
Als ſchnell ein Weisheit-Licht mir in die Augen fiel .
Es gab mir ſein geſchickter Kiel ,
Was ihm , von ſeinem Herrn , dem teutſchen Salom [o ] ,
Dem Fuͤrſten Guͤnther , ſonder gleichen ,
An deſſen Lob und Ruhm kein Ruhm vermag zu reichen ,
An mich befohlen war geweſen ,
Mit ungemeiner Luſt zu leſen .
Wie ward mein Geiſt geruͤhrt und meine Seele froh !
Wie inniglich ward ich ergoͤtzet ,
Als eben das , was ich mir vorgeſetzet ,
Von mir verlanget ward : ja nicht allein verlangt ;
Es war ein weiſer Plan , dem Schreiben angebogen ,
Ein Abriß , den der Geift des Fuͤrſten ſelbſt gezogen ,
Drin Andacht , Ordnung , Feur gantz unnachahmbar prangt .
„ Gebenedeites Land ! rief ich , von Luſt geruͤhrt ,
„ Jn welchem ſolch ein Fuͤrſt den Zepter fuͤhrt ,
„ Der auf den Acker-Bau ſein weiſes Auge lencket ,
„ Der auf des Land-Manns Werck , in guͤldnen Zim - mern , dencket ,
„ Ja der ſo gar , mit Danck und Andacht angefuͤllt ,
„ Auf des allmaͤchtigen Regierers aller Welt ,
„ Der durch den Acker-Bau die Thronen ſelbſt erhaͤlt ,
„ Aus deſſen Weisheit , Lieb ’ und Macht der Seegen qvillt ,
F 4 „ So 88 „ So weiſe Wege ſinnt , und deſſen Allmacht ehrt ,
„ Der , durch das milde Korn , ſo Vieh , als Menſchen , naͤhrt .
„ Nicht zu bewundern iſt , wenn zu dem Sternen HErrn
„ Dein treues Volck , mit aufgehabnen Haͤnden ,
„ Fuͤr dein beſtaͤndigs Heil und Wolergehn ſo gern
„ Und unablaͤßig fleht ! „ Jch fing hierauf mein Singen ,
Nach ſeiner Vorſchrift , an :
Doch hab ich ſonſt faſt nichts dabey gethan ,
Als Guͤnthers weiſe Wort ’ in Reime bringen .
Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier ,
Aus ſeinem Taſchen-Buch und reicht es Hirtenau ,
Mit dieſem Worten , ein : Dieß war des Fuͤrſten Wille ,
Was ich beſchreiben ſollt . Ließ ob ich nicht genau
Geſchrieben , was er ſchrieb , ich leſ ’ indeſſen dir ,
Jn dieſer Einſamkeit , in dieſer ſuͤſſen Stille ,
Was ich davon gereimet fuͤr .
Worbey denn Hirtenau den uͤberreichten Brief ,
Mit frohem Blick , Bewundrung-voll durchlief .
O ew’ger Urſprung aller Dinge !
Der alles , und auch mich , gemacht !
Gieb , daß ich meiner Seelen Kraͤfte ,
Mit Luſt und mit Verwundrung hefte
Auf deiner Wercke Nutz und Pracht ,
Die du aus Nichts , hervor gebracht ,
Und ſtets in Andacht dir lobſinge ,
Wenn ich , in ihnen , dich betracht !
Du ruffeſt dem , das nicht iſt , daß es ſey ,
Und laͤſſeſt das , was worden iſt , vergehn !
Dein Winck heiſt wiederum das , ſo bereits vorbey ,
Aufs neue wiederum entſtehn !
Dein 89 Dein Wort erhaͤlt die Welt , und , mit der Frucht der Aeren ,
Weiß uns im Ueberfluß dein Seegen zu ernaͤhren .
Mein GOtt ! zu Ehren deinem Nahmen ,
Bet ’ ich abſonderlich in des Getraides Saamen
Die Wirckung deiner Allmacht an1
O du Geheimniß-volles Weſen ,
Du ſcheinſt vom Schoͤpfer ſelbſt erleſen
Zum Wunder-Werck fuͤr jedermann !
Wohin ſich auch mein Sinnen lencket ,
Wie tief ſich meine Seele ſencket ,
Je mehr ſie hin und wieder dencket ,
Was doch der Saamen eigentlich ;
Je mehr , je mehr , verlier ’ ich mich .
Ein geiſtig Feuer , das dich fuͤllet ,
Jſt wunderbar in dir verhuͤllet ,
Unſichtbar iſt die rege Gluth ,
Die eingeſchloſſen gleichſam ruht ,
Die aber augenblicklich zuͤndet ,
So bald ſie einen Zunder findet .
Wie wir ein mannigfalt’ges Brennen ,
Jn abgezognen Waſſern kennen ,
Das ſtarck und doch nicht ſichtbar iſt ,
So ſtellet ungefehr ſich mir
Die Kraft , die ich im Saamen ſpuͤhr ,
Als ein lebendig Feuer fuͤr .
Wie nun ein Fuͤncklein , noch ſo klein ,
Die gantze Welt in Brand kann ſetzen ;
So kann von einem Korn allein ,
Die gantze Welt beſaamet ſeyn .
F 5 Wie 90 Wie gros iſt dieß Geheimniß nicht ,
Das in des Saamens Weſen ſtecket ,
Das , recht wie ein unſichtbar Licht ,
Rings um ſich ſeine Kraͤft ’ erſtrecket .
O wunderbahrer GOtt ! es ſieht
Jm Saam-Korn mein betrachtendes Gemuͤht
Eh meiner forſchenden Gedancken ,
Als wie deſſelben Kraͤfte , Schrancken !
Es ſcheinet , als ob wir den Saamen fuͤglich koͤnnen
Ein Mittel zwiſchen Geiſt und zwiſchen Coͤrpern nennen .
Er ſcheinet eigentlich
Der Pflantzen Abſicht blos allein ,
Und zwar zu dieſem Zweck , zu ſeyn ;
Damit ſie ſelbſt , durch ihre Kinder , ſich
Erhalten , und zu GOttes Ehren ,
Biß an der Erden Ende waͤhren .
Selbſt in der Wurtzel ſteckt die Kraft ,
Nicht nur der Pflantzen Nahrung-Saft ,
Nein , auch den Saft des Saamens und der Bluͤhte ,
Bewunders-wuͤrdig zu bereiten .
Unftreitiger Beweiß von deſſen Weisheit , Guͤte ,
Und Allmacht , welcher alles macht ,
Erhaͤlt und es aus Nichts hervorgebracht .
So viel wir aͤuſſerlich am Saamen ſehen ,
So ſcheint ſein Coͤrper zu beſtehen ,
Aus einer Schalen , einer Haut ,
Wobey man noch ein fleiſchicht Weſen ,
Und endlich ein klein Pflaͤntzlein ſchaut :
So daß es ſcheint , als wenn mit einem Ey
Er fuͤglich zu vergleichen ſey .
Die 91 Die aͤuſſre Schale dient zu ſeiner Sicherheit ,
Damit er , durch zu viele Feuchtigkeit ,
Die oftermahlen in der Erde ,
Wie auch durch Ungezieffer , nicht
Verletzet und beſchaͤdigt werde .
Jn ſeiner aͤuſſern Haut ſind vieler Adern Gaͤnge ,
Durch deren ungezehlte Menge
Das Pflaͤntzlein ſich ernaͤhrt , von einen zarten Saft .
Es ſcheint ſein fleiſchicht Weſen ,
Als wie im Ey der Dotter , auch erleſen
Zur erſten Nahrungs-Kraft .
Doch braucht es deſſen nur ſo lang , und ferner nicht ,
Als ihm der Erden Saft gebricht .
So bald er ſich ſelbſt aus der Erde naͤhrt ,
So bald er ſich mit dieſem weiß zu fuͤllen ;
Verweſet dieſer Theil , das Pflaͤntzlein ſcheint allein
Das eigentliche Stuͤck , um deſſen willen
Die andern alle ſind , zu ſeyn .
Deſſelben Theile ſind nicht fluͤßig nur , auch feſt ,
Und , wie es durch Vergroͤſſrungs-Glaͤſer ſich
Gantz deutlich unterſcheiden laͤßt ;
Erblicket man in ihnen eigentlich
Viel Faſern , welche , wie wir ſehen ,
Aus groͤſſern und aus kleineren beſtehen .
Die Groſſen ſind aus kleinern Roͤhren ,
Recht wunderbar gefuͤgt , von denen einige ,
Die zarte Pflantze naͤhren ,
Wenn andre Roͤhren ihnen
Zu Luft-Canaͤlen dienen .
Am allermeiſten zeigt des Schoͤpfers weiſe Liebe ,
Die man nicht gnug bewundern kann ,
Die wunderwuͤrdige Vermehrung an ,
Die 92 Die man , zu unſerm Nutz , Erhaltung , Luſt und Freude ,
Jm Saamen uͤberall , doch meiſtens im Getraide ,
Verſpuͤhret . Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft
So jedes Saamen-Koͤrnlein heget !
Und welche GOtt , der alles wirckt und ſchafft ,
So wunderbar darein geleget !
Da ſie nur blos um uns zu naͤhren ,
So unbegreiflich ſich vermehren !
Begreift ihr denn , geliebte Menſchen nicht ,
Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geſchicht ,
Da GOtt ſich jaͤhrlich hier ſo Gnaden-reich erweiſ’t ,
Und mit ſo wenig Korn viel tauſend Menſchen ſpeiſ’t ?
Da , trotz den Voͤgeln , wilden Thieren ,
Gewuͤrm ’ , in deren Meng ’ und Zahl wir uns verliehren ,
Die alle theils die Frucht , den Saamen theils , verzehren ,
Wir biß zum Ueberfluß , dennoch geſaͤttigt ſeyn .
Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget
Und daß den menſchlichen Begrif weit uͤberſteiget ,
So iſt es die Vermehrungs-Eigenſchaft ,
Die er , bloß durch ein Wort , ins erſte Korn geleget ,
Und eine ſolche Wunder-Kraft
Jn ſolchen kleinen Raum gepraͤget ,
Daß alle Koͤrner , ſo die Welt ,
Von je enthalten hat , noch jetzt enthaͤlt ,
Und die biß zum Vergehn der Erden ,
Darin verwunderlich gezeuget werden ,
Aus dieſer Kraft noch ihre Kraͤft ’ empfangen ,
Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen .
Denn ob wir gleich die Art nicht faſſen ;
So wird ſich dieß doch leicht begreiffen laſſen ,
Daß 93 Daß im geſaͤ’ten Korn der Halm nicht nur ,
Daß auch zugleich darin die kraͤftige Natur
Noch auf die kuͤnft’gen Zeiten ,
Sich zu vermehren , auszubreiten ,
Vorhanden und mit fortgepflantzet ſey .
Wenn nicht in jedem Korn , nebſt Frucht , nebſt Halm und Aere ,
Zugleich die Saamen Kraft auch mit vorhanden waͤre ,
Und ſich verbreitete ; haͤtt ’ alles , was uns naͤhrt ,
Schon laͤngſten aufgehoͤrt .
So daß wir daraus deutlich ſehn ,
Wenn wir von Korn zu Korn zuruͤcke gehn ,
Wie alle dieſe Kraͤft ’ aus einer Kraft entſtehn .
Wo etwas denn der GOttheit Eigenſchaft ,
Jm Schaffen und die Allmacht Kraft ,
Des groſſen Worts : Es werde ! zeigen kann ;
So zeigt die Unergruͤndlichkeit ,
Die unerſchoͤpfliche Beſchaffenheit ,
Der in das erſte Korn geſenckten Kraft es an .
Ein Geiſt , der ſich in dieſe Tieffe ſenckt ,
Und die ins erſte Korn vereinte Kraft erweget ,
Die GOttes Weisheit , Lieb ’ und Macht , darin geleget ,
Und in ſo kleinem Raum ſo wunderbar verſchrenckt ,
Erſtaunet wol mit Recht ,
Und folglich wird mit Recht , der GOtt von ihm geehrt ,
Des blos aus Lieb ’ allein erregtes Wollen
Schaft , daß die Pflantzen ihr Geſchlecht ,
So lang die Erde ſteht und waͤhrt ,
Jn und durch ſich erhalten ſollen .
„ Ach 94 „ Ach , liebſter Vater , der du hier
„ Fuͤr uns ſo liebreich Sorge traͤgeſt ,
„ Der du ins kleine Korn Vermehrungs-Kraͤfte legeſt ,
„ Laß uns , bey ſo viel Gnad ’ , abſonderlich dafuͤr
„ Dir unſrer Lippen Opfer bringen ,
„ Und dir ohn Unterlaß ein froͤlich Danck-Lied ſingen !
Es hatte Segenfeld vom Korn und deſſen Weſen
Die letzte Worte kaum geleſen ,
Als Hirtenau , dadurch geruͤhrt ,
Ein inniglich Vergnuͤgen ſpuͤhrt .
Er lobete das Lied , bewunderte den Geiſt
Des Fuͤrſten , der alſo die Dichter ſingen heißt .
Doch ward er gleichfals dem , dem ewig Danck gebuͤhret ,
Abſonderlich dadurch zu dancken angefuͤhret ,
Und fielen ihm dazu die Worte wieder ein ,
Die einmahl zu dem Zweck von ihm geſungen ſeyn :
Du ewiger Gnaden allmaͤchtiger Wille ,
Unendlicher Ueberfluß ewiger Fuͤlle !
Quell , Licht und Leben der Natur ,
Wir ſingen mit entzuͤcktem Muthe :
Du kroͤnſt das Jahr mit deinem Gute ,
Vom Fett trieft deiner Fuͤſſe Spur ,
Du fuͤlleſt die Felder
Mit Weitzen und Klee ,
Du ſchmuͤckeſt die Waͤlder ,
Du ſegneſt die See .
Es 95 Es ſchwaͤngert die Luͤfte , befruchtet das Land
Der ſtrahlenden Sonne belebender Brand ,
Es glaͤntzet der Anger , es funckeln die Wieſen ,
Sey , ewiger Schoͤpfer , denn ewig ge - prieſen !
[figure] Blu - 96 Blumen-Betrachtung . D a ich zwiſchen Blumen gehe ,
Und , mit tauſendfacher Luſt ,
Tauſendfache Farben ſehe ;
Wird das Hertz in meiner Bruſt ,
Nicht nur durch die bunte Pracht ,
Und durch den Geruch geruͤhret ;
Sondern mein vergnuͤgter Geiſt ,
Wird zu dem , der ſie gemacht ,
Voller Brunſt empor gefuͤhret .
Von des Schoͤpfers Wunder-Weſen ,
Laͤſſet ihrer Farben-Zier ,
Jn gefaͤrbten Lettern mir ,
Viel , auf vielen Blaͤttern , leſen .
Ja , wie wir durch Stimmen uns weiter , als wir ſind , erſtrecken ,
Und wir das , ſo wir gedencken , dadurch in die Fern ’ entdecken :
Alſo ſcheint vom Blumen-Heer ebenfals auf allen Seiten
Sich , im lieblichen Geruch , eine Rede zu verbreiten .
Denn ſie laſſen , GOtt zu Ehren , nicht nur ſuͤſſe Duͤnſte rauchen ,
Sondern in dem ſuͤſſen Hauchen
Lauter Lobes-Lieder hoͤren ,
Welche der gantz deutlich ſpuͤhrt ,
Welcher , wenn der Duft ihn ruͤhrt ,
Und er ſich daran erquicket ,
Jn der Luſt des Schoͤpffers denckt ,
Der die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤcket ,
Und ihm ſo viel Anmuth ſchenckt .
Der 97 Der gelbe Mah . S o bluͤheſt du nun auch in deiner guͤldnen Pracht ,
Dem , der ſo dich , als uns , und alle Welt gemacht ,
Auch hier , zum erſten mahl , zum Preis und Ruhme ,
Gold-gelber Mah , Bewunderns-wehrte Blume ,
Die du vor kurtzer Zeit auf der Chineſer Graͤntzen
Die glatten Blaͤtter lieſſeſt glaͤntzen !
Du , die noch nie ein Aug in Teutſchland jemahls ſah !
Da du vorhin ſo fern , biſt mir anjetzt ſo nah !
Auf welche wunderbahre Weiſe
Vollfuͤhrteſt du ſolch ’ eine lange Reiſe ?
Nie gnug geprieſner Heidenreich ,
Dem , an Erfahrung , Geiſt und Kunſt , faſt keiner
gleich ,
Durch deiner edlen Neu-Begier
Vernuͤnft’gen Trieb , erblicken wir
Nunmehr auch hier
Des gelben Mah Betrachtungs-wehrte Zier .
Er hat mit Achtſamkeit dich dorten bluͤhen ſehn ,
Geliebte Blum ’ , er fand dein frembdes Weſen ſchoͤn
Und wehrt , daß dein Geſchlechte
Von andern Voͤlckern auch geſehen werden moͤgte .
Drum nahm er , da es nicht dein zartes Weſen litt ,
Dich ſelbſt , in deinem Flor , mit ſich zu nehmen ,
Die Ur-Kraft , in dem Saamen , mit
G Und 98 Und ſchenckte die in ihm verborgne Zier ,
Dein unſichtbares Gold , nebſt vielen andern , mir .
Jetzt kan ich denn , mit ſtillen Freuden ,
Mein Aug ’ an ihrer Schoͤnheit weiden ,
Und in derſelbigen , aufs neue , neue Proben
Von unſers Schoͤpfers Allmacht loben .
[figure] Froͤlich 99 Froͤlich ſeyn bey ſeiner Arbeit . S ehn wir auf der Kirſchen-Bluͤth ’ ,
Mit betrachtendem Gemuͤth ,
Zwiſchen ihrem friſchen Gruͤnen ,
Auf dem Weiſſen , dunckle Bienen
Mit geſchaͤft ’ gem Sumſen ſchweben ,
Bald ſich ſetzen , bald ſich heben ,
Bald , im Schweben , ſich beſtreben ,
An die kleinen Hinter-Schienen
Gelb geſammlet Wachs zu kleben ;
Scheint der gantze Baum zu leben ,
Und mir fiel daruͤber ein :
Kann , nach Salomonis Lehre ,
Sonder Ausnahm ’ auf der Erden ,
Wenn er noch ſo gluͤcklich waͤre ,
Keiner recht vergnuͤget werden ,
Als durch dieſes blos allein :
Bey der Arbeit froͤlich ſeyn ;
So kann dieſes kleine Thier ,
Liebſter Leſer , dir und mir
Ein begluͤcktes Beyſpiel geben .
Machſt du es nun eben ſo ;
Biſt du , bey der Arbeit , froh :
Wirſt du auch vergnuͤget leben .
[figure] G 2 GOtt 100 GOTT ſorach : Es werde : D er Menſchen Wort iſt Wind , der GOttheit Wort
ſind Wercke ;
GOTT ſprach : Es werde Licht !
Das Licht ward alſobald . Er faͤhret fort : Es werde
Luſt , Himmel , Erd ’ und Meer ! Luft , Himmel , Meer
und Erde
Ward augenblicks . So ſpricht die GOttheit , wenn ſie
ſpricht !
Und weil , da ſeine Werck ſtets waͤhren , nicht veralten ,
Nicht wiederum vergehn ; derſelbigen Erhalten
Ein ſtetes Schaffen iſt ; ſo kan man GOTT zu Ehren ,
Sein unaufhoͤrlich Wort : Es waͤhre ! nicht nur hoͤren ;
Wir koͤnnen uͤberall , in aller Dinge Weſen ,
Der GOttheit groſſes Wort , in groſſen Zuͤgen , leſen .
Wer Ohren hat zu hoͤren , hoͤre dann ,
Mit Andacht und mit Luſt , die Rede GOTTES an !
Wer Augen hat zu ſehen , ſeh ’ und lerne
Die Lettern dieſer Welt , das A. B. C. der Sterne ,
Worin von ſeiner Macht , von ſeinem ew’gen Lieben ,
Und ſeiner Weißheit Licht Geheimniſſe geſchrieben .
Ein Geiſt , der ſich bemuͤht , nur erſt zu buchſtabiren
Jn dieſem Buch der Weisheit , das ſo ſchoͤn ,
Wird , mit ſtets neuer Luſt , den Jnnhalt bald verſtehn .
Auf allen Blaͤttern ſteht die ewig wahre Lehre :
GOTT iſt das hoͤchſte Gut ! und : GOTT allein die Ehre !
Hans 101 Hans und Mops . H ans ſtund des Morgens auf , und Mops ſein Hund ,
zugleich ;
Hans zog die Kleider an , reckt ’ ſeinen Arm , und gaͤhnte ;
Mops reckte , ſchuͤttelt ’ ſich , und dehnte
Nicht minder alle vier ; gebacknen weiſſen Teig
Aß Hans ; da Mops nur blos vom ſchwartzem Brodte fraß .
Mops tranck das Waſſer roh , und Hans gekochtes Naß .
Hans ging darauf ins Feld ; Mops gleichfals . Hans be -
ſchritte
Ein Pferd ; Mops aber nicht , er lief , und jener ritte ,
Biß daß der Mittag ſie nach Hauſe wieder rief .
Hans aß ; Mops ebenfals . Wie Hans ein wenig ſchlief ,
Schlief Mops nicht weniger . Das ſchoͤne Sonnen-Licht
Ward nicht von Hans beſchaut , von Mops imgleichen
nicht .
Daß in der Fruͤhlings-Zeit die Creatur ſo ſchoͤn ,
Hat weder Hans noch Mops bemerckt und angeſehn .
Sie machten ſich daraus nicht die geringſte Freude .
Durch wenig viel geſagt : ſie ſchief - und wachten Beide ;
Sie trancken beide Naß ; ſie aſſen beide Brodt :
Es lebten Hans und Mops ; jetzt ſind ſie beide todt .
[figure] G 3 Be - 102 Betrachtungen uͤber das Gewiſſen . Bey der Gelegenheit der Fabel von der Sirene im 1. Theil , p. 561. A. D a es mehr nun als zu wahr , daß die Dinge die - ſer Welt ,
Wie geſagt , zwo Seiten haben , und daß wir ſie mei - ſtens drehn
Nach dem Zuſtand unſers Weſens , da die Liebe ploͤtz - lich faͤllt
Und uns die genoſſne Schoͤnheit wiedrig deucht , und nicht mehr ſchoͤn ,
Minder , durch des Vorwurfs Schuld , welcher ja der - ſelbe bleibet ,
Als durch Abnahm ’ unſers Feuers , das vorher in Adern brannt ’ ;
Jſt es eine groſſe Frag ’ , ob , was uns zur Reue treibet ,
Und was insgemein Gewiſſen von dem Menſchen wird genannt
Dieſes nicht zur Urſach habe ? folglich ob’s ſo fuͤrchter - lich ,
Als man es ſonſt glaubet , ſey ? ob mans nicht mit Un - recht ſich
So verdammend vorgeſtellt ? ob vielmehr nicht eigent - lich ,
Durch des Coͤrpers Aenderung , oder durch empfundnes Jrren
Ueber die gehofte Luſt , die Gedancken uns verwirren ,
Und wir durch ein eingebildet , irrig ſo genannt Gewiſ - ſen
Uns nicht , mehr als noͤhtig waͤre , fuͤrchten und uns qvaͤlen muͤſſen ?
Eben 103 B. Eben unſers Coͤrpers Zuſtand , da ſich nemlich in der Liebe ,
Nach genoſſner Luſt , ſo bald alle vormahls heiſſe Triebe
Jn dem Augenblick veraͤndern , da ein Eckel ſchnell ent - ſteht
Und , im ſchnell-verbrannten Feuer , alle Luſt nicht nur vergeht
Sondern , wie uns in der Bibel Ammons Beyſpiel deutlich lehrt ,
Sich in bittern Wiederwillen , ja in Haß und Reu ver - kehrt .
Dieſes , ſag ich dir , entſtehet warlich nicht von unge - fehr ,
Stammt aus keinem blinden Zufall , ſondern einer Weisheit her ,
Die nicht gnugſahm zu bewundern . Waͤr ’ es anders ; wuͤrde man
Sich gewiß von allem Feuer , das man nicht entbehren kann ,
Sonder Zweifel , gantz erſchoͤpfen . Schaut , wie man ſo deutlich findet
Daß nicht minder das Gewiſſen , als das Goͤttliche Ver - boht
Jn der Wolluſt auszuſchweiffen , ſey in der Natur ge - gruͤndet ,
Folglich nicht zu uͤbertreten , ja daß beides ſich ſo gar
Selbſt mit unſerer Erhaltung , Wolſeyn und Geſund - heit bindet ,
Welches wenn man es erweget unbegreiflich , wunder - bar.
G 4 104 Ja , es ſtreckt ſich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol -
luſt nur ,
Wenn uns Ehr - und Geld-Geitz taͤuſchen , uns zu Laſtern
oft verfuͤhren ,
Und wir den Beſitz erhalten ; finden wir in der Natur
Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Luſt
Unſern Jrrthum ; und ſo dann wird uns allererſt bewuſt
Die durch Menſchliche Geſetze drauf geſetzte Straf und
Schande ,
Die man , vor vollbrachter That ,
Durch gehofte Luſt , verachtet ,
Und , durch die Begierden blind , nicht erwogen , nicht be -
trachtet ,
Weniger geſcheuet hat .
Dieſes alles zeigt uns deutlich , und macht uͤberzeuglich
klar
Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar ,
Da er ſelbſt in unſer Weſen eine Eigenſchaft geſencket ,
Daß man nach vollbrachter That anders , als vorher , ge -
dencket
Und , ſo wol durch Furcht , als Eckel , den man in ſich ſelbſt
entdeckt ,
Vom Verbothnen abgehalten , von den Laſtern abgeſchreckt
Und zur Reu getrieben wird . Da man alſo deutlich findet
Daß der Urſprung des Gewiſſens ſelbſt in der Natur ge -
gruͤndet
Und nicht im Gehirn allein : laß uns denn des Schoͤpfers
Willen ,
Der ſich in Enthaltung aͤuſſert , uns beſtreben zu erfuͤllen !
Die 105 Die Wahrheit . G roſſer Schoͤpfer ! ich erkenne , daß ich nichts erkenn ’ und weiß ,
Aber , ſelber dieß Erkennen mehrt in mir doch deinen Preis ;
Denn , indem ich dieß erkenne , daß ich nichts erkennen kann ,
Treff ’ ich was in meinen Weſen , welches was erkennet , an .
Die Betrachtungen ſind faͤhig , alle Zweiffels-Furcht zu ſtillen ;
Weil aus dieſer Selbſt-Erkaͤnntniß Demuth , Troſt und Andacht qvillen . Demuth , da ich nichts begreiffe , treibt den Hochmuth fern von mir ; Troſt entſteht aus der Erkaͤnntniß , daß ich beſſer als ein Thier ; Andacht aber , da ich finde , wie ſo vieles mir gebricht ,
Fuͤhret meine leere Seele zu der ew’gen Weisheit Licht .
Dieß nun laͤßt mich Sonnen-klar in des Schoͤpfers Wun - der-Wercken
Dieſe Strahlen-reiche Wahrheit allenthalben deutlich mercken :
Der Schoͤpfer will und kann allein
Bewundert , nicht begriffen , ſeyn .
[figure] G 5 Be - 106 Bewunderung der Sonnen . S olander , wie er einſt zur Sommers-Zeit erblickte ,
Mit welchem Anmuths-Meer die Sonne dieſe Welt ,
Luft , Waſſer , Berg ’ und Thal , Land , Garten , Wald
und Feld
Befloß , erleuchtete , belebt ’ , erwaͤrmt ’ und ſchmuͤckte ;
Fing , da ihn dieß fuͤr Anmuth faſt entzuͤckte ,
Derſelben Schoͤpfer an zu preiſen .
Allein , es fiel A - - - ihm ein :
Mit Recht ergetzet dich der Sonne Wunderſchein ,
Mit Recht verehreſt du den Schoͤpfer der Natur ;
Doch dieß iſt eine Sonne nur ;
Jch will dir Millionen weiſen :
Und darauf zeigt er ihm , in einer heitern Nacht ,
Des Firmaments geſtirnte Pracht .
[figure] Das 107 Das Eulchen . A m Abend ſaß ich juͤngſt , gelaſſen und in Ruh ,
Jn einem kleinem Garten-Zimmer ,
Und ſah durchs Fenſter-Glas , wie ſich des Tages Schim -
mer
Gemach verringerte : Die Schatten nahmen zu .
Jndem erblicket ’ ich ein aͤmſiges Geſchwebe .
Von einer Spinnen war ein ziemlich ſtarck Gewebe
Jm Zimmer , vor den Scheiben her , geſpannt ,
Und , zwiſchen dieſer falſchen Wand ,
Sah ich am Scheiben-Glaſ ’ ein weiſſes Eulchen fliegen
Stets auf und nieder , hin und her .
Es ſchien , ob ſucht ’ es blos am Lichte ſein Vergnuͤgen ,
Und , daß es blos dadurch geſichert waͤr .
Jhr ſchwartzer Feind , die Spinne , ruhte nicht ,
Sie lieff ’ bald in die laͤng ’ , bald in die qver ,
Mit offuen Klauen , doch des Himmels Licht ,
Des Eulchens Augenmerck , wodurch es nicht zuruͤcke ,
Und nur ſtets vorwerts flog , befreit es von dem Stricke
Und ſeinem Untergang , indem es ungefehr ,
Nach langem Flattern , in der Scheibe
An eine Spalte kam ,
Und durch dieſelbige ſich ſeinem Tod ’ entzog ,
Die Freyheit froͤlich nahm ,
Und nach dem lang geſuchten Lichte flog .
Der 108 Der Zufall ruͤhrte mich , und glaubt ’ ich , daß , zur
Lehre ,
Er nuͤtzlich anzuwenden waͤre .
Das Eulchen ſchiene mir der Seelen Bild zu ſeyn ;
Das Scheiben-Glas des Coͤrpers ; durch den Schein
Des Lichtes ſchiene mir die GOttheit ; Suͤnd ’ und
Welt
Durch das Geweb ’ und durch die Spinne , vorge -
ſtellt .
[figure] Die 109 Die Augen als Spiegel . D es reinen Waſſers klare Flut
Stellt nicht nur Kraͤuter , Buͤſch ’ und Huͤgel ,
Als wie ein glatt-polirter Spiegel ,
Ju noch vermehrter Schoͤnheit fuͤr ;
Sie zeigt uns nebſt der Sonnen Glut
Des gantzen Himmels helle Zier .
Ach moͤgte gleichfals dir und mir
Das Waſſer , ſo in unſern Augen ,
Bey dem ſo ſchoͤnen Schmuck des Himmels und der Erden ,
Zum Welt - und Himmels-Spiegel werden !
Ach moͤgt ’ auch dieß die Welt zu bilden taugen !
Ach druͤckte doch der wunderſchoͤne Schein
Von aller Creaturen Pracht ,
Zu deſſen Ruhm , der ſie gemacht ,
Durch ihre klare Fluth ſich unſern Seelen ein !
So wuͤrden ſie dadurch , wie uns das Waſſer , ſchoͤn
Auch andern Geiſtern anzuſehn ,
Und , lieblich ausgeſchmuͤckt , mit Luſt betrachtet ſeyn .
[figure] Ge - 110 Geſang der Voͤgel . W enn wir die Voͤgel ſingen hoͤren ,
So laßt ihr Zwitſchern uns doch lehren ,
Wie groß , wie wuͤrdig zu verehren
So ihr als unſer Schoͤpfer ſey !
Sie werden’s uns mit Luſt erklaͤhren .
Man achtet ’ eh , auf ihr Geſchrey
Auf eine wunderliche Weiſe :
Wir aber finden , GOtt zum Preiſe ,
Jn ihrem Singen mancherley .
Jhr ſuͤß und lieblich Luſt-Gethoͤn
Giebt uns gar deutlich zu verſtehn ,
Daß ſie , den Schoͤpfer zu erhoͤhn ,
Und uns zu gleicher Zeit zu laben ,
Der hellen Stimmen Wunder-Gaben ,
Wir das Gehoͤr , empfangen haben .
Wer beide Werckzeug ’ recht erweget ,
Der findet eine helle Spur
Von Wundern , welche der Natur
Von einem Weſen eingepraͤget ,
Das , wie an Lieb und Macht , zugleich
An Weisheit uͤberſchwenglich reich .
Das allen Dingen Seyn und Leben ,
Wie uns das unſrige , gegeben ,
Das , ob es alles gleich erfuͤllet ,
Sich in die Creatur verhuͤllet ;
Ein herrlich Weſen , welches man ,
Wenn wir ſie recht mit Luſt beſchauen ,
Wie einen Loͤwen aus den Klauen ,
Aus ihrer Schoͤnheit , kennen kann !
Der 111 Der Wieder-Schein . Nachdem B. bey Erblickung ſchoͤner , in einem klaren Waſſer ſich ſpiegelnder Baͤume A. zu deren Betrachtung aufzu - muntern geſucht . A. D u machſt von dieſem Schein und ſeiner Schoͤnheit mir
So viele Wort ’ , und bringſt ſo viel Erzehlens fuͤr :
Da dennoch alle Pracht nichts weſentlichs ; ein Schein ,
Und weiter nichts .
B. Dieß iſt zwar wahr ; allein
Mir dienet dieſer Schein ſelbſt durch die Nichtigkeit ,
Jndem er mich aufs Urbild fuͤhret ,
So leider , ungeacht’t der Schoͤn - und Seltenheit ,
Blos durch Gewohnheit mich bißhero nicht geruͤhret .
Ja es liegt in der wandelbahren Klarheit
Von dieſem Schein noch eine groͤſſre Wahrheit :
Das Jrdiſche , ſo gleichfals fluͤcht - und nichtig ,
Sollt uns mit Recht , wie hier der Schein
Uns auf das Urbild fuͤhrt , zu dem allein
Unwandelbar - und weſentlichem Seyn ,
Dem Urſprung aller Herrlichkeiten ,
Durch die von ihm erſchaffne Schoͤnheit , leiten .
[figure] Har - 112 Harmonie des Geruchs . W er zu unſers Schoͤpfers Ehren ,
Mit befriedigtem Gemuͤthe ,
Sein Vergnuͤgen will vermehren ,
Riech ’ im bunten Blumen-Reich ,
Mit Bedachtſamkeit , zugleich
Roſen und Orangen-Bluͤhte .
Dem Geruch recht lieb zu koſen
Sind ja wol die holden Roſen
Wunderwuͤrdig zugericht .
Recht mit Balſam eingemiſchet
Jſt was aus der Roſe bricht ,
Und ſo Hirn als Hertz erfriſchet .
Wird von Blumen fuͤr die Naſen
Etwas lieblichs ausgeblaſen ,
Jſt es ebenfals die Bluͤht ,
Welche man im gruͤnem Glantze ,
Recht als im ſmaragdnen Krantze ,
Und bey guͤldnen Aepfeln ſieht ;
Die ein Auszug in der Kuͤrtze
Aller lieblichen Gewuͤrtze .
Aber miſchen beider Flammen ,
Die nicht ſichtbar , ſich zuſammen ;
Spuͤrt man eine holde Glut ,
Die der Seelen ſanfte thut ,
Die , wenn wir ſie wol bemercken ,
Nicht allein den Geiſt zu ſtaͤrcken ,
Zu vergnuͤgen , zu erqvicken ,
Ja faſt gleichſam zu entzuͤcken ,
Von recht ſonderlicher Kraft ;
Son - 113 Sondern wenn mans recht gebrauchet ,
Und der Geiſt , zu GOtt gekehrt ,
Jhn in unſrer Luſt verehrt ,
Danckt , daß er ſie uns uns beſchert ,
Frohe Seufzer von ſich hauchet ;
Spuͤhret man , durch jede Blume ,
Daß ſelbſt in uns , GOTT zum Ruhme ,
Recht ein geiſtig Rauchwerck rauchet .
Eine ſolche Harmonie
Holder Duͤnſte qvillt aus ihnen ,
Mit ſo ſuͤſſem Reitz , herfuͤr ,
Solch ’ ein ’ Anmuth fuͤllet ſie ,
Daß man ſich zum Schoͤpfer lencket ,
Und , zum Danck getrieben , dencket :
Wie iſt doch der GOtt ſo groß ,
Welcher in der Erden Schoß
Solche Wunder-Kraft geſencket ,
Und , durch ſeine Guͤte blos ,
Mir ſo ſuͤſſe Wolluſt ſchencket .
[figure] H Be - 114 Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen . J ndem ich hier vergnuͤgt im Garten gehe ,
Und bey ſo mancher Art gefaͤrbter Blumen ſtehe ,
Faͤllt mir , da mein Gemuͤth von ihrem Glantz und Schein
Gantz eingenommen wird , bey ihrem Schimmer ein :
Man ſieht , durch der Natur Geheimniß-reiche Kraft ,
Gewachſ’nen Atlas hier , und dort gewachſ’nen Taft ,
Gefaͤrbten Damaſt dort , Sammt , Moor , Brocad , Satin ,
Nebſt ſilbernen und guͤldnen Stuͤcken
Voll Rancken-Werck , bald roth , bald gruͤn ,
Bald blau , bald incarnat , des Gartens Fluren ſchmuͤcken .
Bewundre doch , geliebter Menſch , wie glatt ,
Wie bunt , wie glaͤntzend jedes Blatt !
Erwege doch der ſchoͤnen Creaturen
Bewunderns-wehrte Pracht und zierliche Figuren !
Hat jemand auf der Welt gelebet ,
Der ſolch ein kuͤnſtliches Gewebe je gewebet ,
Jn welchem , ob ſie noch ſo ſchoͤn
Kein Faden , kein Gewirck zu ſehn ?
Erwege doch in ihrer Pracht
Die Liebe , Weisheit und die Macht
Des Weſens , welches ſie aus Nichts hervorgebracht ,
Nicht nur ſo wunderſchoͤn formirt ,
Sie ſo an Farb ’ als an Figur geziert ,
Roch mehr , ſo mancherley Figur in ſie geſencket
Und uns , zu dem Genuß , des Riechens Kraft geſchencket !
Auf denn mein Geiſt ! du muſt von GOttes Wercken
Die Pracht auf andre Weiſ ’ , als wie das Vieh , bemercken !
Wir 115 Wir koͤnnen uns zu GOtt durch nichts ſo ſehr erheben ,
Als wenn , in ſeinem Werck , wir uns mit Luſt beſtreben ,
Auf ſeine Weisheit , Lieb ’ und ſeine Macht zu achten ,
Und in der Creatur , die blos dazu erleſen ,
Daß ſie uns zeigen ſoll ſein ſonſt verborgnes Weſen ,
Mit Ehrfurcht , Lieb ’ und Luſt den Schoͤpfer zu betrachten .
Mir fiel hieruͤber ein , was ich hievon geſchrieben ,
Und welches mir noch im Gedaͤchtniß blieben :
Kann ſie ſich ſelbſt ſo zierlich bilden ?
Kann ſie der holden Blaͤtter Pracht
Aus eigner Macht
Hier ſchoͤn verſilbern , da verguͤlden ?
Kann ſie von ungefehr wie Demant und Carbunckeln
Jn buntem Feuer gluͤhn ? ſo lieb-als herrlich funckeln ?
Jch ſencke mich durch deine Wunder in dich , allmaͤch - tigs Weſen , ein ,
Und ſpuͤr ’ in ihnen von der GOttheit den ſicht - und un - ſichtbaren Schein .
Durch ſie , als einen ſchoͤnen Nebel , ſeh ’ ich das Licht der GOttheit brechen ;
Jch hoͤre ſie , in ſanfter Sprache , von deſſen Eigenſchaften ſprechen ,
H 2 Aus 116 Aus dem , als einer Meeres-Tieffe , die Eigenſchaften alle qvillen ,
Die Erde , Waſſer , Mond und Sonnen , ja aller Him - mel Himmel fuͤllen .
Ein ’ jede ſagt : Es iſt der Schoͤpfer , wie allenthalben , ſo auch hier ,
Jn allen liebreich , weiſ ’ und maͤchtig ; Jch zeig ihn dir , ich zeig ihn dir !
[figure] Ver - 117 Vergnuͤgen in Blumen . L aß andre , mit geſchwollnen Trieben ,
Des Hofes ſchimmernd Elend lieben
Und immer , um ſich zu erhoͤhn ,
Auf einem glatten Fall-Brett ſtehn ;
Laß andre Luſt im Wucher finden
Und Gold und Geld zuſammen ſchinden ,
Zum nie zu brauchenden Genuß ,
Und duͤrftig ſeyn im Ueberfluß ;
Laß ſie , zum beſten froher Erben ,
Arm leben , blos um reich zu ſterben ;
Es ſuchen ander ’ ihr Vergnuͤgen ,
Vom Helden-Wurm genagt , im Kriegen ;
Laß ſie im Sturm durch Bomb - und Klingen ,
Zerſchmettert und gelaͤhmet , dringen ,
Um ihren Nahmen in Gazetten
Von der Vergeſſenheit zu retten ;
Wer will , mag aus Dorinden Augen
Den bittern Nectar bruͤnſtig ſaugen ,
Zu ihren Fuͤſſen ſclaviſch knien ,
Aus ihrer Bruͤſte weichen Klippen
Gift , und aus ihren falſchen Lippen
Die ſuͤſſen Coloqvinten ziehn ;
Laß Madidum ein Gut verſchlemmen
Und Hals und Magen uͤberſchwemmen
Mit Ausbruch vo [n ] Tockayer-Wein ,
Laß ihn bey ſeinen naſſen Bruͤdern
Und , zwiſchen kaum verſtandnen Liedern ,
Auf ſeine Weiſe froͤlich ſeyn :
H 3 Jch 118 Jch will mich an den bunten Schaͤtzen
Der bildenden Natur ergetzen
Und , GOtt zum Ruhme , Blumen ſehn .
Weil ich je mehr , je klaͤrer , finde ,
Wie in der Blumen Kraft und Pracht
Sich deſſen Weisheit , Lieb ’ und Macht ,
Der ſie geſchaffen hat , verbinde .
Jch kann auf ihren Blaͤttern leſen
Die Nachricht , daß ein weiſes Weſen
Sie , uns zur Luſt , ſo ſchoͤn formirt ,
Und daß fuͤr ſolche Wunder-Gaben ,
Die wir allein vom Schoͤpfer haben ,
Dem Schoͤpfer Preis und Danck gebuͤhrt .
Man ſehe ſie doch , GOtt zum Preiſe ,
Wie ſie auf tauſend Art und Weiſe
Formiret und gefaͤrbet , an !
Wer iſt , der ihre ſuͤſſe Duͤfte ,
Wodurch ſie Naſ ’ und Hertz und Luͤfte
Erfuͤllen , gnug bewundern kann ?
Mich deucht , wenn mich ihr Balſam ruͤhret ,
Daß meine frohe Seele ſpuͤret ,
Wie der mir wohl will und mich liebt ,
Der mir Geruch und Blumen giebt .
Noch mehr , wie er in dieſer Gabe
Durchs Aug ’ auch meine Seele labe
Und ſo fuͤr mich geſorget habe ,
Daß durch die Blumen und das Licht
Mein nie zu ſaͤttigend Geſicht ,
Jn ungezehltem Blumen-Heer ,
Der Seel ’ ein unerſchoͤpflichs Meer
Von 119 Von Farben und Figuren weiſe .
Ach wuͤrde doch , zu ſeinem Preiſe ,
Was er fuͤr mich ſo ſchoͤn geſchmuͤckt
Mit Luſt und Danck oft angeblickt !
Moͤgt ich mich oft damit bemuͤhn ,
Davon zu ruͤhmen zu erzehlen ;
So glaub ich wuͤrde meiner Seelen
Jhr Schmuck auch gleichſam eingedruͤckt ,
Und geiſt’ge Blumen in ihr bluͤhn ;
Sie wuͤrd , Jdeen zu erzielen ,
Durch Blumen ſich getrieben fuͤhlen ,
Die dem , der aller Blumen Pracht
Erdacht hat und hervorgebracht ,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden
Verhoffentlich gefallen werden .
[figure] H 4 Die 120 Die kleine Fliege . N eulich ſah ich , mit Ergetzen ,
Eine kleine Fliege ſich ,
Auf ein Erlen-Blaͤttchen ſetzen ,
Deren Form verwunderlich
Von den Fingern der Natur ,
So an Farb ’ , als an Figur ,
Und an bunten Glantz gebildet .
Es war ihr klein Koͤpfgen gruͤn ,
Und ihr Coͤrperchen verguͤldet ,
Jhrer klaren Fluͤgel Par ,
Wenn die Sonne ſie beſchien ,
Faͤrbt ’ ein Roth faſt wie Rubin ,
Das , indem es wandelbar ,
Auch zuweilen blaͤulich war .
Liebſter GOtt ! wie kann doch hier
Sich ſo mancher Farben Zier
Auf ſo kleinem Platz vereinen ,
Und mit ſolchem Glantz vermaͤhlen ,
Daß ſie wie Metallen ſcheinen !
Rief ich , mit vergnuͤgter Seelen .
Wie ſo kuͤnſtlich ! fiel mir ein ,
Muͤſſen hier die kleinen Theile
Jn einander eingeſchrenckt ,
Durch einander hergelenckt ,
Wunderbar verbunden ſeyn !
Zu dem Endzweck , daß der Schein
Unſrer Sonnen und ihr Licht ,
Das ſo wunderbarlich-ſchoͤn ,
Und von uns ſonſt nicht zu ſehn ,
Unſerm forſchenden Geſicht
Sicht - 121 Sichtbar werd ’ , und unſer Sinn ,
Von derſelben Pracht geruͤhret ,
Durch den Glantz zuletzt dahin
Aufgezogen und gefuͤhret ,
Woraus ſelbſt der Sonnen Pracht
Erſt entſprungen , der die Welt ,
Wie erſchaffen , ſo erhaͤlt ,
Und ſo herrlich zubereitet .
Haſt du alſo , kleine Fliege ,
Da ich mich an dir vergnuͤge ,
Selbſt zur GOttheit mich geleitet .
[figure] H 5 Troſt 122 Troſt uͤber mein Unvermoͤgen . J n einem Auszug ſchoͤner Waͤlder ,
Worin ſo gar die gruͤnen Schatten glaͤntzten ,
Den faſt nicht abzuſehnde Felder ,
Als wie ein guͤldnes Meer , begraͤntzten ,
Beſchaͤftigt ’ ich mich juͤngſt , der ſchoͤnen Baͤume Pracht ,
Zu Ehren dem , der ſie gemacht ,
Mit ſchoͤnen Worten zu beſchreiben .
Allein
Trotz aller meiner Muͤh ,
Weil die entworffene Copie
Dem Urbild uͤberall nicht glich ,
Muſt alles unterbleiben .
Doch fiel mir dieß daruͤber ein :
Jndem ich von der Baͤume Bildern
Die Schoͤnheit nicht vermag zu ſchildern ,
Nicht wuͤrdig ſie beſchreiben kann :
So bin ich darum nicht betruͤbet ;
Dieweil es mir die Nachricht giebet :
Mit unſerm Witz ſey nichts gethan .
Mein Unvermoͤgen zeigts zwar an ;
Doch dien ’ ich auch auf dieſe Weiſe ,
Mit meiner Schwachheit , GOtt zum Preiſe ;
Weil es doch immer wahr wird bleiben ,
Was ich je mehr und mehr vermercke ,
Daß unſers groſſen Schoͤpfers Wercke
Nach Wuͤrden nimmer zu beſchreiben .
Doch 123 Doch fließt aus der Erkaͤnntniß nicht ,
Daß , da ich alles nicht kan faſſen ,
Jch alles auch muß unterlaſſen ;
Ach nein !
Vernunft und Hofnung ſpricht :
Auch durch Bewunderung allein ,
Wenn auch ein kurtz GOtt Lob ſie nur begleitet ,
Wird unſerm GOTT ein Lob bereitet .
[figure] Waſſer - 124 Waſſer-Rede . E s war der Spring-Brunn abgeſchloſſen , daher auf unbewegter Fluht
Ein gruͤner Wieder-Schein gar lieblich in einer duncklen Klarheit ruht ,
Der , da er der geſchor’nen Hecken begruͤnte Schoͤnheit ſe - hen ließ
Uns ihre holde Pracht , verdoppelt , als wie in einem Spiegel , wies .
Es fiel , bey der ſo ſchoͤnen Baͤume ſo deutlich vorgeſtelltem Schein ,
Der , ſonder Farben , blos im Scheine von Farben ſich ſelbſt mahlt , mir ein :
Arioſo . Die klare Fluth zeigt meinen Blicken ,
Die ſich an ihrer Zier erqvicken ,
Des Schoͤpfers Himmels und der Erden
Kraft , Majeſtaͤt und Allmacht an ;
Als welcher ja ſo ſchnell , wie ſie
Des Scheines fluͤchtige Copie
Entſtehen laͤßt ; das Urbild werden ,
Und es aus Nichts , ſo ſchnell entſtehen laſſen kann .
Jndem ich , mit dergleichen Dencken , bey dieſem Waſſer - Spiegel ſtehe ;
So drehet jemand ungefehr der Waſſer-Roͤhre Schluͤſſel auf :
Wodurch ich , durch des regen Strahls ſchnell uͤber ſich ge - kehrten Lauf ,
Die ſanfte Still ’ , in neuer Anmuth , ſchnell unterbrochen hoͤr ’ und ſehe .
Wie 125 Wie nun , mit ziſchendem Gemurmel , das rege Waſſer rauſcht und wallte ;
So deucht mich daß , mit hohlem Tone , mir dieſes in die Ohren ſchallte :
Die ſtumme Fluht faͤngt an zu ſprechen ,
Jn Tropfen , die ſich rauſchend brechen .
Was ſagt ſie : Nimm in uns in acht :
So dein als meines Schoͤpfers Macht !
[figure] Lob - 126 Lob-Lied des Schoͤpfers aus dem Munde der Creaturen . M ich deucht , daß ich von Erd ’ und Meer ,
Dir , Schoͤpfer der Natur , zur Ehr ’
Ein unaufhoͤrlichs Jauchzen hoͤr ’ .
Es laͤßt die Flut ſein Lob in hellem Rauſchen ſchallen ,
Jhn loben , in der Still ’ , in ſanftem Ton , die Seen ,
Sanft murmelnd jeder Bach . Thau , Nebel , Reif erhoͤhen
Jm Steigen ſeinen Ruhm , lobſingen ihm im Fallen .
Es ruͤhmen ſeine Macht Blitz , Donner , Wolcken , Winde ,
Jm ſtarcken Brauſen bald , bald liſpelnd und gelinde .
Hoͤrt , wie zu ſeiner Ehr ’ , die Schaar der Voͤgel ſingt ,
Wie alles , was man hoͤrt , wie alles , was man ſieht ,
Auf ſeine Weiſe , den , aus welchem es entſpringt ,
Stets zu verherrlichen , zu loben ſich bemuͤht .
Soll denn , o Menſch , von dir allein
Der Schoͤpfer , der dir doch ſo gnaͤdig ſich erwieſen ,
Nicht auch geruͤhmet und geprieſen
Ja nicht einmahl empfunden ſeyn !
Ach faſſ ’ in der geruͤhrten Bruſt
Der Seelen Kraͤfte doch zuſammen ,
Entzuͤnde doch in dir der Andacht Flammen
Und lobe GOtt in deiner Luſt !
[figure] Him - 127 Himmels-Spiegel . J n einer ſtillen Nacht , als , leer von Dunſt und Duft ,
Die duncklen zwar doch klaren Schatten
Den obern Theil der Welt und untern Theil der Luſt
Erfuͤllet und verhuͤllet hatten ,
Befand ich mich , an ſanfter Anmuth reich ,
An einem groſſen Garten-Teich .
Deſſelben Fluth ,
Die , durch der Winde Ruh , in ſanfter Stille ruht ,
War einem glatten Spiegel gleich .
Man kunte ſie zwar ſelbſt , fuͤr Dunckelheit , nicht ſehn ;
Allein ,
Man ſahe wunderſchoͤn
Das blaue Firmament voll Sterne , ſonder Zahl ,
Jm Wiederſchein ,
Und zwar ſo hell , ſo rein , ſo klar ,
Daß zwiſchen der Copie und dem Original
Faſt gar kein Unterſcheid , an Glantz und Schimmer , war .
Es kam mir vor ( da wir ſonſt insgemein
So wol mit Blick , als Geiſt , nicht weiter gehn
Und nur den halben Theil des hohen Himmels ſehn ,
Jndem wir von der dichten Erden ,
Den Himmel uͤberall zu ſehn , behindert werden )
Als wenn ich hier des Himmels gantze Ruͤnde
Mir deutlich vorgeſtellet fuͤnde .
Mich deucht , ich ſeh ’ in ungemeſſner Ferne ,
So uͤber mir , als unter mir ,
Jn funckelnder und Flammen-reicher Zier ,
Ein ’ ungezehlte Anzahl Sterne .
Jrrt nun mein Auge gleich ; ſo irren die Gedancken
Jedoch deswegen nicht .
Jch 128 Jch kam mir nunmehr vor , auf eine neue Weiſe ,
Von einem unumſchraͤnckten Kreiſe
Jm Mittel-Punct zu ſtehen ,
Und ein aus meiner Seel entſprungues Dencken
Jn eine runde Tieff ’ ohn Um-Kreis zu verſencken :
Mein GOtt , ach laß der Fluthen glattes Naß ;
Des ſchoͤnen Himmels Spiegel-Glaß ,
Des Coͤrpers Augen oft , doch nicht dem Aug ’ allein ,
Auch meinem Geiſt auf dieſe Weiſe ,
Jn den Erwegungen von dieſem groſſen Kreiſe ,
Dir , aller Sternen HErrn , zum Preiſe ,
Auch einen Himmels-Spiegel ſeyn .
[figure] Un 〈…〉〈…〉 129 Ungluͤck im Gluͤck . W ie viel tauſend Umſtaͤnd ’ , Ordnung und Bemuͤhung
braucht man nicht
Zur Geſundheit blos allein !
Wie ſo viele tauſend Faͤlle reich zu werden , und zu ſeyn !
Wie viel tauſend zu dem Wolſtand ! wie viel zu begluͤck -
ter Ehe !
Wie viel tauſend zur Befoͤrdrung , daß uns nichts im We -
ge ſtehe ,
Welches maͤchtiger als wir ! daß es wol von Statten gehe ,
Wenn wir , zu der unſrigen Nutz und Wolfahrt , uns be -
muͤhn !
Wie viel tauſend Hindrungen muͤſſen ſich zu rechte ziehn ,
Eh ’ man alles , was man wuͤnſcht , was man braucht , was
uns gefaͤllt
Erſt erhaͤlt ;
Und , wenn wir , trotz aller Hindrung , alles dieſes uͤber -
kommen ,
Wird es nicht in acht genommen ,
GOtt , als Geber , nicht gedanckt . Ja , man wendet alle
Sachen ,
Die mit ſo viel Muͤh ’ erhalten , ja ſein Ticht - und Trach -
ten an ,
( Welch ein ’ ungluͤckſeel’ge Thorheit , die man nicht begreif -
fen kann )
Sich , an ſtatt vergnuͤgt und gluͤcklich , ungluͤckſeelig ſelbſt
zu machen .
J Be - 130 Belehrendes Gleichniß . W ie wir , wenn wir gebohren werden ,
Den gantzen Zuſtand unſrer Erden
Schon ſattſam zugerichtet finden ;
So werden wir , wenn wir erblaſſen ,
Sie in demſelben Zuſtand laſſen :
Die Welt wird nicht einmahl gewahr , daß wir verſchwin - den .
Wie hoch , wie noͤhtig wir uns ſchaͤtzen ;
So finden ſich , an unſrer Stelle , ( Recht wie im Waſſer eine Welle
Mit neuer Kraft ſich hebt und ſteigt ,
So bald die erſte ſich zum Untergange neigt )
Doch immer neue gnug , die unſern Platz erſetzen .
Wenn wir nun alles laſſen muͤſſen ,
Warum ſind wir denn nicht gefliſſen ,
Den kurtzen Durchgang einzurichten ,
Jm froͤlichen Gebrauch der Sinnen , nach den Pflichten ,
Die der , ſo alles ſchuf , wenn man es nur bedenckt ,
Uns in die Seelen eingeſenckt ?
Ob wir nun , da wir alſo handeln ,
Hier , wie wir wandeln ſolten , wandeln ,
Da wir den Wunder-Bau der Welt ſo wenig ſchaͤtzen ,
Daruͤber will ich dich jetzt ſelbſt zum Richter ſetzen .
Wenn einſt ein groſſer Herr , zu ſeiner Ehre ,
Haͤtt ’ einen Pallaſt aufgefuͤhrt ,
Und daß derſelbige mit aller Pracht geziert ,
Und wunderſchoͤn von ihm geſchmuͤcket waͤre ,
Und 131 Und er erlaubet ’ etwann Zween
Des Pallaſts Herrlichkeit zu ſehen ;
Der eine nun bewunderte die Pracht ,
Vergnuͤgte ſich , er ſaͤh ’ bald vorwerts , bald zuruͤck ,
Es gaͤb ’ , auf jeden Schritt , ſein aufgeraͤumter Blick
Mit frohen Minen zu verſtehn ,
Wie er die Weisheit und die Macht
Des Herrn , der alles Wunder-ſchoͤn
Geordnet und erbaut , nicht oft gnug zu erwegen ,
Nicht gnug zu ſchaͤtzen , zu verehren ,
Noch zu erhoͤhen wuͤſt ’ , der andere hingegen
Saͤh ’ immer unter ſich ; Pracht , Ordnung , Glantz und Schein
Mit allem Reitz , naͤhm ’ ſeinen Blick nicht ein ,
Als den er blos allein
Beſchaͤftigt ’ , um ein wenig Sand ,
Der auf dem Boden glaͤntzt , zu ſuchen , und die Hand
Jhn aufzuheben , auszuſtrecken
Und ihn bey Kleinigkeiten einzuſtecken ,
Ob es ihm gleich nicht unbekannt ,
Daß man , beym Ausgang ihm , von dieſer ſeiner Buͤrde ,
Nicht das geringſte laſſen wuͤrde :
Sprich du nun ſelber , weſſen Weiſe ,
Den ſchoͤnen Pallaſt durchzugehn ,
Gereicht von beiden doch am meiſten dem zum Preiſe ,
Der ihn ſo herrlich auferbauet ?
J 2 Auf 132 Auf denn , ihr Sterblichen , die ihr hier Wandrer ſeid ,
Erweget , was ihr thut , beſinnet euch ! beſchauet
Auf eurer Wanderſchaft , mit Luſt , die Herrlichkeit
Des Pallaſts dieſer Welt ! Laßt Sand und Erde liegen
Und ſucht das Wuͤrdigſte die Seele zu vergnuͤgen .
[figure] Der 133 Der geſchlagene Hund . N eulich rannt ein groſſer Hund , mit erbaͤrmlichem
Geſchrey ,
Weil man ihn geſchlagen hatte , Sporenſtreichs mein Haus
vorbey ,
Als ich an der Thuͤre ſtand . Dieſer laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr , ſondern der zu ſcharfe
Klang
Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz . Da ich denn bewun -
derte
Wie , durch wunderbare Wege , die Natur ſo gar den
Thieren ,
Wenn ſie Ungemach und Weh ,
Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich , und beſchwehrlich iſt ,
verſpuͤhren ,
Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen , ſondern Werck-Zeug ’
ihnen ſchenckt ,
Wodurch laute Toͤn ’ erreget , und wir zur Aufmerckſamkeit ,
Ja zum Mitleid , wenigſtens zur Verdrießlichkeit , gelencket ,
Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren , wodurch ſie denn oft
befreit ,
Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt , bald aus Mitleid gegen
ſie .
Dieſem Wunder in den Toͤnen , und den herrlichen Ge -
ſetzen
Der verſtaͤndigen Natur , dacht ich ferner , mit Ergoͤtzen
Und mit Ehrfurcht , ernſtlich nach . Letztlich kam ich von
dem Vieh
J 3 Gar 134 Gar auf Menſchen Stimm ’ und Toͤne , lautes Ruffen , und
Geſchrey ,
Doch inſonderheit aufs Beten , welches laut von uns ge -
ſchicht ,
Wenn uns etwann Huͤlffe noͤhtig , wenn uns etwas hier
gebricht .
Daß nun dieß in Anſehn GOttes unnuͤtz , uͤberfluͤßig ſey ,
Meint ich damahls ; glaub’s auch noch . Weil dem Schoͤpf -
fer , was uns fehlet ,
Was uns nuͤtzlich , was uns noͤthig , uns erfreut , und
was uns qvaͤlet
Beſſer als uns ſelbſt bekannt . Er auch minder nicht , nicht
mehr ,
Durchs Geſchrey , beweget wird . Wenn jedoch dadurch
nicht nur
Andre Menſchen , ſondern auch noch wol manche Creatur ,
Engel oder andre Geiſter , dem Allmaͤchtigen zur Ehr ’ ,
( Von der aͤuſſerlichen Andacht , auch aufs innere zu ſchlieſſen ,
Und wie etwann wir zu weilen , durch der Nachtigalleu
ſingen
Uns geruͤhret ſehn ) dem Schoͤpfer auch ein Lob-Lied mit -
zubringen
Angetrieben werden koͤnnen : ja ſo gar die Eigenſchaft
Unſers menſchlichen Gemuͤths dieſe wuͤrcklich ſcheint zu
ſeyn ;
Daß auch ſelber , wenn wir Beten , ſelbſt-geſprochner Woͤr -
ter-Kraft ,
Sonderlich wenns laut geſchehn , wuͤrcklich ſich ſo weit er -
ſtrecket ,
Daß die Andacht noch vermehrt , daß der Geiſt dadurch
erwecket
Das 135 Das Vertrauen ſtaͤrcker wird ; kann man klar daraus er -
ſehen ,
Daß ein lauter GOttes Dienſt nuͤtzlich , gut und noͤhtig
ſey ,
Ja nicht dann nur , wann man eintzeln , ſondern auch mit
andern , ſingt
Und , in ſtarck vereinten Choͤren , wol geſtimmte Lieder bringt .
Einer ſolchen Harmonie Wirckung , Anmuth , Kraft und
Macht ,
Da wir durch Gewohnheit taub , wird zwar leider nicht
geacht ;
Aber laßt uns einen fragen , der in einer langen Zeit
Und in vielen Jahren nicht der Geſaͤnge Lieblichkeit
Jn den Kirchen angehoͤrt . Er wird gantz gewiß geſtehn ,
Daß fuͤr Luſt er kaum gefuͤhlet , wie ihm eigentlich geſchehn .
Laßt uns denn doch kuͤnftig hin Stimm ’ und Singen hoͤher
achten ,
Und es nicht nur als ein Wunder , auch als ein Geſchenck
betrachten !
Laßt uns unſerm Schoͤpfer dancken , daß er uns in dieſem
Leben ,
Jhm zur Ehr und uns zur Luſt , Stimm ’ und Harmonie
gegeben ,
Auch zu ſeinem Ruhm ſie oͤfters zu gebrauchen , uns beſtreben .
[figure] J 4 Fra - 136 Fragen . A. J ch hoffe , liebſter Freund , du werdeſt auf mein Fragen
So wie du pflegſt , mir deine Meinung ſagen :
Wenn nur ein Menſch aus andern , mehrern , auch min - dern Coͤrperchen beſtuͤnde ,
Ja wenn nur auſſer ihm ein Umſtand ſich anders , als anjetzt , befuͤnde ;
Ob er nicht gantz auf andre Weiſe , bald mehr , und auch bald minder gut
Gedencken , thun und reden wuͤrde , als er jetzt dencket , redet , thut ?
B. Jch hoͤre , wie gewoͤhnlich , an , was du mir jetzo vorgetragen
Und wirſt du deine Antwort finden , da ich dich werde wieder fragen :
Sprich , wenn in eines Menſchen Hertzen , und ſeines Bluts Temperamente
Das allerſeltſahmſte Gemiſch , ſo moͤglich faſt , ſich fin - den ſollte ;
Ob nicht ein ſolcher Menſch dennoch , wenn er ſich etwas helffen wollte ,
Nicht wenigſtens um etwas beſſer gedencken , thun und reden koͤnnte ?
[figure] Das 137 Das taͤgliche Mond-Licht . W ie unter ſo viel tauſend Gaben
Auch billig fuͤr des Mondes Schein ,
Wo wir nicht unerkaͤnntlich ſeyn ,
Wir GOtt zu dancken Urſach haben ,
Als wodurch , wenn der Sonnen-Licht
Mit ſeinen Strahlen uns gebricht ,
Wir doch daſſelbe wunderſchoͤn
Jm Wieder-Schein , im Duncklen , ſehn ;
So find ich , wenn mans recht bedencket ,
Daß GOtt uns durch der Sonnen Glut
Noch ein nicht minder herrlich Gut
Und einen Mond-Schein taͤglich ſchencket .
Wie an den Mond die Strahlen fallen
Und dadurch , daß ſie ruͤckwerts prallen ,
Glantz , Schimmer , Klarheit , Licht und Schein ,
Die ſonſt nicht wuͤrden ſichtbar ſeyn ,
Uns in der Dunckelheit gewaͤhren ;
So fallen Strahlen an den Duft
Der unſre Welt verhuͤll’nden Luft ,
Wodurch ſie uns ein Licht gebaͤhren ,
Daß man zwar alle Tage ſieht ,
Jedoch ſich leider nicht bemuͤht
Dieß groſſe Wunder zu betrachten ,
Und es des Denckens wehrt zu achten .
Zweymahl an einem Tag ’ allein
Vertritt die Luft des Monden Stelle ,
Und machet , da der Sonnen Licht
Der Erden noch und ſchon gebricht ,
Dennoch den Kreis der Erden helle .
J 5 Wenn 138 Wenn nicht die Luft die Welt bedeckte ,
Waͤr unvermeidlich alſobald ,
So bald die Sonne ſich verſteckte ,
Die Welt der Schatten Auffenthalt .
Ja ſo pech-ſchwartze Finſterniſſen
Wuͤrd ’ alles ploͤtzlich ſincken muͤſſen ,
Daß fruͤh der Sonnen Blick und Pracht ,
Durch ein ſo ſchnell und ſtrenges Funckeln ;
Des Abends die ſtock-finſtre Nacht ,
Jn ja ſo ſchnell und ſtrengem Dunckeln ,
Das zarte Weſen unſrer Augen
Nicht wuͤrde zu ertragen taugen .
Es wuͤrde was da lebt auf Erden
Gewiß dadurch geblendet werden .
Jſt es denn nicht der Muͤhe wehrt ,
Dis Wunder wol zu uͤberlegen ,
Der Daͤmmrung Nutzen zu erwegen ,
Wodurch uns GOtt das Licht vermehrt ;
Jndem man fruͤh ſo wol , als ſpat ,
Das Licht viel ehr und laͤnger hat .
Man wird daher mit Rechte koͤnnen
Den Luft-Kreis einen Mond faſt nennen ,
Da er die Sonne , eh ſie ſteiget ,
Auch wenn ſie ſich bereits geneiget ,
Nicht anders , wie der Mond , uns zeiget .
Es ſcheint hiedurch um unſre Welt ,
Wie um Saturn , ein ’ Art von Circkel vorgeſtellt .
Wie koͤmmt es nun , daß ſolch ein Licht ,
Daß ſolch ein groſſer Coͤrper nicht ,
Ob ſelbiger , in einem Stuͤck ,
Gleich mehr als ſieben Meilen dick ,
Ob 139 Ob wir von ihm gleich gantz umgeben ,
Ob wir gleich in und durch ihn leben ,
Daß , ſag ich , ſolches nicht betrachtet ,
Die Macht des Schoͤpfers nicht geachtet ,
Nicht angebetet , nicht verehrt ,
Nicht einſt bemercket wird von Geiſtern ,
Die , wenn man ſie ſich nennen hoͤrt ,
Sich aller Wiſſenſchaft bemeiſtern ?
Von Menſchen , deren Schuldigkeit
Jn nichtes ſollt ſo ſehr beſtehen ,
Als Goͤttliche Vollkommenheit
Jn ſeinen Wercken anzuſehen ;
Als fuͤr ſo viele Lieb ’ und Guͤte
Sich , mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte ,
Dem Schoͤpfer danckbar zu erzeigen ,
Zu ihm durch ſein Geſchoͤpf zu ſteigen ,
Durchs ſicht-zum unſichtbaren Licht ?
Woher dieß kommt ? Das weis ich nicht .
[figure] Son - 140 Sonnen-Lehre . Q uell des Lichts und aller Wonne ! „ Lebens Urſprung ! helle Sonne !
„ Du laͤß’t alles , was auf Erden ,
„ Warm und licht und fruchtbar werden ;
„ Sollte denn dein Lebens-Schein
Es wuͤrd ’ ein Perſer ſo zu ſprechen
Sich nicht entbrechen .
Allein die Sonne ſelbſt , indem ſie uns verlaͤßt ,
Zeigt , daß ſie ſolchen Ruhm nicht koͤnn ’ ertragen .
Sie ſetzet dieſe Wahrheit feſt ,
Ja ſcheinet , wenn ſie weicht , uns gleichſam dieß zu ſagen :
Laß , liebſter Menſch , doch meine Pracht und Zier ,
So wie dein leiblich Auge , dir
Nicht auch dein Seelen Auge blenden !
Waͤr ’ ich ein GOtt ; wie koͤnnte ſich
Mein Glantz entfernen , und ich mich ,
Gehemmt von etwas , weg - und abwaͤrts wenden ,
Allein , wilt du die GOttheit ſehn ,
Und ſeine Groͤſſe kennen lernen ;
So kann es zwar durch mich geſchehn ,
Doch muß ich mich ſo dann entfernen .
Jhr alle koͤnnt durch mich , in ſeinen Creaturen ,
Vom groſſen Schoͤpfer , helle Spuren ;
Doch ohne mich von ihm noch groͤſſre , ſehn .
So bald durch eurer Erde drehn ,
Jhr mich verliert , und ich fuͤr euch verſchwunden ;
So 141 So wird ins Luft-Raums tieffem Meer
Ein unzuzehlend Sonnen-Heer ,
An meiner ſtatt , von euch gefunden ,
Von welchen ihr , ſollt ’ ich mit meinem Schein
Bey euch ſtets gegenwaͤrtig ſeyn ,
Und immer bey euch leuchten muͤſſen ,
Nicht das Geringſte wuͤrdet wiſſen .
Hier ſchwindet meiner GOttheit Glantz ,
Bey Millionen Sonnen gantz .
Die wahre GOttheit zeiget ſich
Jn dieſer Schaar hingegen ſichtbarlich .
Jn keinen wuͤrdigern Jdeen ,
Kann euer Geiſt ein Bild der wahren GOttheit ſehen ,
Als in dem ew’gen Geiſt , der eine ſolche Zahl ,
Die nicht zu zehlen iſt , von Sonnen ſchaft , regieret
Und noch ein groͤſſer Heer von Welten um ſie fuͤhret .
So deucht mich daß , zu ihres Schoͤpfers Ehre ,
Jch , wenn ſie untergeht , die Sonne reden hoͤre .
Ach , laßt uns ihre Red ’ uns ins Gedaͤchtnis praͤgen ,
Und , wenn wir in der Nacht der Sterne Schaaren ſehn ,
Den HErrn der Schaaren doch erhoͤhn ,
Und , wenn wir unſern Blick ins Himmels Tieffe ſencken ,
Voll Ehrfurcht , Luſt und Andacht dencken :
Es zeiget uns das Sonnen-Licht
Den Schoͤpfer herrlich ; doch noch nicht
So 142 So herrlich , als wenn wir den Glantz von ſeinen Wercken
Am Firmament im Duncklen mercken .
O Wunder ! daß ſo gar die dicken Finſterniſſen
Den HErrn des Lichts verherrlichen , erhoͤhn ,
Und ſeiner Wunder Groͤß ’ am hellſten zeigen muͤſſen ;
Der Tag laͤß’t eine Sonn , die Nacht viel tauſend ſehn !
[figure] Nuͤtz - 143 Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung . B eſchau , o Menſch , der Blumen-Pracht !
Nimm was in ihnen ſteckt in acht !
Man kann von ihres Schoͤpffers Macht
Die Nachricht in gefaͤrbten Lettern ,
Auf ihren zart - und bunten Blaͤttern ,
Jn nett-verſchrenckten Zuͤgen leſen .
Um ſeine Weisheit zu erheben ,
Scheint jede ſich recht zu beſtreben ,
Mit bunten Fingern ihn zu weiſen ,
Mit ſtillem Munde GOtt zu preiſen .
Es lobt den Schoͤpfer der Natur
Bald ihre zierliche Figur ,
Bald ihre Farbe , bald ihr Gruͤn ,
Und will uns gerne zu ſich ziehn ;
Bald qvillet ein ambrirter Rauch ,
Bald faͤhrt ein angewuͤrtzter Hauch
Aus ihrer Feuer-reichen Bruſt ,
Veraͤndert unſrer Augen Luſt
Und ſuchet den Geruch zu naͤhren ,
Und uns zu gleicher Zeit zu lehren ,
Daß nimmer von ihr ſelber nicht
Sie ſo vortreflich riechen koͤnne ,
Und ein ſo kraͤftig Rauchwercks-Licht
Jn ihr nicht von ſich ſelber brenne .
Nun iſt und riecht die Blume ſchoͤn ,
Die Seele kann ſie riechen , ſehn ;
Will ſie ſich denn nicht auch beſtreben ,
Die Kraft , die ihr geſchenckt , das Dencken ,
Jn Luſt und Danck auf den zu lencken ,
Der beiden Seyn und Kraft gegeben ?
Die 144 Die Blum iſt ſchoͤn und riecht ; du denckeſt ;
Ach , daß du dem , der alle Pracht
Der Creatur hervorgebracht ,
Jm Danck und Preiſe ſeiner Macht ,
Denn kein vergnuͤgtes Dencken ſchenckeſt ?
Sey ( weil du doch auf andre Weiſe
Nichts wircken kanſt zu ſeinem Preiſe )
Zu deines groſſen Schoͤpfers Ruhme
Nicht weniger , als eine Blume !
[figure] Gar - 145 Garten-Andacht . E in jedes Blatt , ein jedes Kraut ,
Das man in dieſem Garten ſchaut ,
Ein ’ jede Blum ’ , ein ’ jede Bluͤthe
Sind Proben von des Schoͤpfers Guͤte ,
Sind in der That ein Goͤttliches Geſchencke .
Da ich in der bewachſenen Allee ,
Da ich auf vieler Baͤume Cronen
So viele viele Millionen
Derſelben nun beſitz ’ und ſeh ;
So gieb , o HErr , daß ich es oft bedencke ,
Daß ich mich oft an ihrer Lieblichkeit ,
An ihrer Farben-Pracht , an der Vollkommenheit
Der Bildungen ergetz ’ , in ihnen Dein mich freue ,
Und allezeit in meiner Bruſt ,
Durch die darob verſpuͤhrte Luſt ,
Durch ein GOtt Lob ! Dein Lob erneue !
[figure] K Die 146 Die Johannis-Beere . D ie liebliche Johannis-Beer
Bewegt mich jetzt , zu GOttes Ehr ,
Ein neues Liedchen anzuſtimmen .
Jch ſeh ’ ſie durch der Blaͤtter Gruͤn ,
Gleich einem funckelnden Rubin ,
Jn rohtem Schimmer glaͤntzend gluͤhn ,
Jn rothem Licht und Feuer glimmen .
Wenn man zuerſt die gelblich gruͤne Bluͤth ’ ,
Wie zierlich ſie gebildet , ſieht ;
Ergetzet ſich mit Recht ein Menſchliches Gemuͤth .
Jndem die ſpielende Natur
Sie mit der zierlichſten Figur
Und ſanften Farben ausgeſchmuͤcket :
Allein was wird gar bald an ihr erblicket ?
Ein jedes Bluͤmchen dehnet ſich
Am Stengel in vollkommner Ruͤnde ,
Und zeiget recht verwunderlich
Ein Kuͤgelchen , ſo ich erſt gruͤnlich finde ;
Doch wird nicht lang ’ hernach aus dieſem Gruͤnen
Das allerſchoͤnſte Roth . Man ſieht es , wie Carbunckeln ,
Durchſichtig glaͤntzen , gluͤhn und funckeln .
Man ruͤnde funckelnde Rubinen ,
Mit allen Fleiß , mit aller Kunſt und Muͤh ,
Man ſchleiffe , man poliere ſie ,
Und ſehe denn , ob man in ihnen
An Ruͤnde mehr Vollkommenheit ,
An Roͤth ’ und Glut mehr Glantz und Lieblichkeit ,
Als an der funckelnden Johannis-Beer ,
Zu ihrer und zu unſers Schoͤpfers Ehr ,
Er - 147 Erſehn und finden kann ?
Zumahl ſie all an kleinen Stangen ,
Jn andrer Ordnung noch , als wie die Trauben , hangen .
Ja , was noch mehr , man trift in ihnen an
An Farben , und Geſchmack von ſuͤſſer Saͤurlichkeit
Solch einen groſſen Unterſcheid ,
Als man nicht leicht an andern Fruͤchten findet ;
Da mit der Roͤhte ſich bey vielen weiß verbindet ,
Da viele gaͤntzlich weiß , theils leibfarb , ſchwartz ſo gar .
Die alle nun bedeckt der gruͤnen Blaͤtter-Schaar .
Die ebenfals mit ſondrer Zierlichkeit
Von Fingern der Natur formiret ,
Und nett , wie Wein-Laub faſt , gezieret .
Wie angenehm , wie lieblich , und wie ſchoͤn
Die Frucht nun anzuſehn ;
So lieb - und nuͤtzlich iſt der ſaͤurlich ſuͤſſe Saft
Und ſein ’ erquickende ſanft kuͤhlend ’ Eigenſchaft ,
Da ſie nicht roh ’ allein ,
Der Zungen angenehm , dem Blut erfriſchend ſeyn ;
Nein , da ſie auch , in Zucker eingeleget ,
So wol den Krancken , als Geſunden ,
Zu laben zu ergetzen pfleget .
Welch eine Linderung wird nicht im Stein empfunden ,
Durch ihre ſchwartze Frucht ! Wenn uns das Waſſer ſchneidet ,
Nicht minder in der Gicht und Winden auch
Jſt heilſam , iſt bewehrt und dienlich ihr Gebrauch .
Ach moͤgten wir denn doch , wenn wir dich ſehn und eſſen ,
Beliebte Frucht , in dir des Gebers Guͤt ’ ermeſſen
Und ihm in unſrer Luſt zu dancken nicht vergeſſen !
K 2 Beym 148 Beym Anblick einer ſchoͤnen Leucoje . S ey willkommen , liebſte Blume ,
Die du , deinem Herrn zum Ruhme ,
Lieblich riechſt , und zierlich bluͤheſt ;
Die du , durch der Farben Pracht ,
Den , der alle Dinge macht ,
Faſt zu zeigen dich bemuͤheſt ;
Ja , die du in bunten Schaͤtzen ,
Wenn wir uns daran ergetzen ,
Unſre Seelen zu ihm zieheſt .
Denn iſt in ſo vielen Wercken ,
Die ſo herrlich und ſo ſchoͤn ,
Keine Weisheit zu bemercken ?
Keine GOttes-Kraft zu ſehn ?
Was um ſchoͤne Blumen ſchwebet
Und ſich ſtets daraus erhebet
Waͤr und blieb ’ uns unbekannt ;
Wenn ſich nicht der holde Duft ,
Durch das Dehnen unſrer Lungen ,
Von dem ſchnellen Druck der Luft
Jn das Trichter-Paar gedrungen ,
Das wir in der Naſen ſehn
Wunderbar formiret ſtehn ;
Wo ſich in den beyden Gaͤngen
Die ſich zu dem Zweck verengen ,
Die vorhin zertheilte Kraft
Neu-vereinigt ſucht zu drengen ,
Wodurch denn der trockne Saft ,
Wenn er , dergeſtalt gepreßt ,
Staͤrcker ſich empfinden laͤßt
Von 149 Von dem Nervgen , das es ruͤhret ,
Und das ins Gehirn ihn fuͤhret .
Da ich dieſes uͤberlege
Und der Blumen Kraft erwege ,
Faͤllt mir ziemlich glaublich bey ,
Wie vielleicht noch vielerley ,
So zur Luſt , als Artzeney ,
Jn denſelbigen verſtecket ,
Und uns noch verborgen ſey .
Haͤtt ’ uns nicht die Bien ’ entdecket ,
Daß des Honigs Suͤßigkeit
Jn der Blumen Art vorhanden ;
Welcher haͤtt ſich unterſtanden ,
Jn der Blaͤtter bunten Gruͤnden
Jemahls die Beſchaffenheit
Solches ſuͤſſen Safts zu finden ?
Alles menſchliche Bemuͤhn ,
Alle Kunſt zu ſublimiren ,
Aufzuloͤſen , diſtilliren ,
Um den Saft heraus zu ziehn
Haͤtt ’ , um ihn davon zu trennen ,
Keinen Nutzen haben koͤnnen .
Koͤnnt ’ es denn nicht moͤglich ſeyn ,
Daß nicht dieſe Kraͤft ’ allein ,
Sondern annoch andre Saͤfte ,
Andre Geiſter , andre Kraͤfte
Jn den Blumen ſich befinden ;
Wenn wir ſolches nur verſtuͤnden ?
K 3 Denn 150 Denn daß Menſchen es nicht faſſen ,
Daraus wird die Moͤglichkeit
Mehrerley Beſchaffenheit
Sich nicht wiederſprechen laſſen .
Sonderlich , da ſolche Lehren
Von der ſchoͤnen Blumen Heer
Unſers groſſen Schoͤpfers Ehr ’
Nicht vermindern , eh vermehren .
[figure] Roß 151 Roß-Kaͤfer . J ndem ich juͤngſt im gruͤnen Klee
Der Wieſen Schmuck mit tauſend Luſt beſeh ,
Werd ’ ich von ungefehr gewahr ,
Wie eine blaue Kaͤfer-Schaar
Jn halb-gedorrtem Pferde-Miſt
Sich aufhaͤlt und beſchaͤftigt iſt ,
( Ohn an der Erden Pracht und Schaͤtzen ,
Mit welchem ſie umringt , ſich zu ergetzen
Und einiges Vergnuͤgen draus zu fuͤhlen )
Jn ihrem Wuft vergnuͤgt , beſtaͤndig fort zu wuͤhlen .
Jch ſahe dieß zuerſt nicht ſonder Eckel an ,
Biß ich mich uͤberwand
Und eine kurtze Zeit bey ihnen ſtille ſtand ;
Da ich auf ihr Betrieb , mit ernſtem Dencken , ſann .
Es ſcheint , ich ſolte mich faſt der Vergleichung ſchaͤmen ,
Fiel mir zu Anfang bey ,
Von dieſer Bruht ein Beyſpiel herzunehmen ,
Als ob in ihr und uns was gleiches ſey ;
Allein ,
Fiel mir , beym fernern Dencken ein :
Es iſt ja dennoch wahr . Warum ſoll ichs nicht ſagen ?
Vielleicht vermag des Beyſpiels Scheuslichkeit
Zur Lehr ’ und Beſſerung , was beyzutragen .
Wenn ich den geitzigen Chryſander ,
Sammt ſeines Gleichen , bey einander
Mit nichts , als irdſchem Koth , beſchaͤftigt ſeh ,
An welchem ſie mit Leib und Seele hangen ,
Nichts anders ſuchen , nichts verlangen ,
Den edlen Geiſt mit allen ſeinen Kraͤften ,
Auf nichts , als Gold und Reichthum , heften ,
K 4 So 152 So Tag als Nacht auf auders nichts gedencken ,
Nicht einen Blick auf ſich , auf GOttes Wercke , lencken ;
So ſcheinen ſie ja wol nichts beſſers wehrt ,
Als daß ſie mit den Kaͤfern in der Erden ,
Den Buͤrgern faulen Miſts , verglichen werden .
Doch halt , mich deucht , wie ſich Chryſander hier erklaͤhrt :
Wie kommt es doch , daß dir ſo Geld als Miſt
So ſcheuslich und veraͤchtlich iſt ?
Da ſich jedoch die gantze Welt
Durch Geld und Miſt allein erhaͤlt .
Durch Miſt wird Fruchtbarkeit im Land ’ erreget ,
Das uns die Koſt und Nahrung traͤget ;
Durch Geld wird alles das erhalten ,
Was uns erhaͤlt , vergnuͤgt und ſchuͤtzt ,
Was uns bey Jungen und bey Alten
Gewogenheit erreget , Anſehn giebt ,
Wodurch man uns verehrt und liebt :
Jſt dieß denn nicht der Muͤhe wehrt ,
Daß man es achtet und begehrt ?
Dieß iſt zwar wahr , Chryſander , aber hoͤre ,
Du haſt ja alles dieſes nicht .
Dir fehlt Beqvehmlichkeit , Vergnuͤgen , Lieb ’ und Ehre ,
Nichts iſt faſt , das dir nicht gebricht .
Jndem du gar nichts Guts mit deinem Gelde ſchaffeſt ;
Es blos allein zuſammen raffeſt ,
Um Geld auf Geld zu haͤuffen ; dich vernarrſt ,
Und blos nur , um zu ſcharren , ſcharrſt .
Sollt ’ alle Kraft von deiner Seelen ,
Die Abſicht , daß du worden biſt , allein
Auf Geld zu ſammlen und zu zehlen
Beſtimmet und genommen ſeyn ?
Jndem 153 Jndem mein Geiſt auf dieſe Weiſe dencket ,
Die Augen auf der Kaͤfer-Schwarm geſencket ,
Seh ich wie einer ſchnell ſich aufwerts hebt ,
Und mit geſchwindem Flug in reinen Luͤften ſchwebt .
Ach dacht ich moͤchte dieß Chryſander ſehen !
Und , durch den Wurm geruͤhret , in ſich gehen ,
Und aus dem Koth ſich ſo , wie er , erhoͤhn ,
Und ſchauen wie die Welt , des Schoͤpfers Werck , ſo
ſchoͤn !
Allein ich fuͤrchte ſehr , er laͤßt den Kaͤfer fliegen ,
Und bleibet , vor wie nach , in ſeinem Unrath liegen .
[figure] K 5 Erin - 154 Erinnerung . S ind denn vielleicht nicht auf der Welt
Die Wunder , die man ſieht , uns wuͤrcklich vorgeſtellt ?
Bebuͤſchte Huͤgel ? gruͤne Felder ?
Bebluͤhmte Wieſen ? kuͤhle Waͤlder ?
Geſunde Kraͤuter ? ſuͤſſe Fruͤchte ?
Den naͤhrenden Geſchmack vergnuͤgende Gerichte ?
Chriſtallen-gleiche reine Baͤche ?
So mancher Berg ? ſo manche Flaͤche ?
Es ſind vielleicht , in ſuͤſſen Choͤren ,
Die bunten Voͤgel nicht zu hoͤren ;
Jſt es vielleicht nicht wahr , daß Blumen uns erqvicken ?
Daß ſie , fuͤr uns , die Erde ſchmuͤcken ?
Sieht man , nebſt tauſend Seltenheiten ,
Und ungezehlten Herrlichkeiten ,
Das all-erfreu’nde Sonnen-Licht
Vielleicht mit unſern Augen nicht ?
Jſt etwann alles dieß nicht wuͤrcklich da ?
O ja !
Jſt alles denn nun wuͤrcklich da ; wie man
Unmoͤglich leugnen kann ;
Warum denn ſieht man es nicht an ?
Warum will man an aller Pracht ,
Warum will man an allen Schaͤtzen
Sich nicht ergetzen ;
Noch loben den , der ſie gemacht ?
Es ſcheint wir wollen , blos um GOtt nur nicht zu ehren ,
Nicht ſchmecken , riechen , ſehn und hoͤren .
Wir ſehn ja uͤberall die Spur
Von einer guͤtigen Natur ,
Die 155 Die unaufhoͤrlich uns , wes wir in dieſem Leben
Beduͤrftig ſeyn , geſchaͤftig iſt zu geben .
Und dennoch wuͤrdiget man alle Wunder-Wercke
Nicht eins ſo viel , daß man ſo Kraͤft ’ als Wirckung mercke ,
Daß man an den , der uns dieß alles ſchenckt ,
Durch Nutz und Luſt geruͤhrt , nicht einſt gedenckt .
Jſt wol , fuͤr unſrer Seelen Kraͤffte ,
Ein nuͤtz - und noͤthiger Geſchaͤffte ,
Als GOtt , fuͤr ſo viel Guts , ein froͤlich Hertz zu goͤnnen ?
Auf welche Weiſe wird man ſonſt , fuͤr ſo viel Gaben ,
Die wir aus lauter Gnad ’ und Huld empfangen haben ,
Des Undancks Vorwurfs ſich entſchuͤtten koͤnnen !
[figure] Die 156 Die ſanfte Ruhe . W enn man in einem weichen Bette , geſund , mit muͤden
Gliedern , liegt ,
Und die Beqvemlichkeit und Anmuth in dieſem Zuſtand
uͤberleget :
Empfindet nicht allein der Coͤrper ein Etwas , das ihn
ſehr vergnuͤgt ,
Wenn unſre Seele , nicht zerſtreuet , das , was ſie ruͤhret ,
nur erweget .
Man findet nicht allein mit Luſt , wenn ſich die Geiſter -
reichen Sehnen
Aus ihrer ſonſt gewohnten Lage gemaͤchlich aus einander
dehnen ,
Ein ſuͤß und zaͤrtliches Gefuͤhl ’ ; man wird , wenn man mit
Achtſamkeit
Jm Dunckeln , bey geſchloſſnen Augen , ſo dann ſein We -
ſen uͤberdencket ,
Kaum daß man worauf liegt gewahr .
Es kommt uns vor , zu ſolcher Zeit ,
Als ob wir unterwerts ſo wenig , als wie wir oberwerts ,
umſchraͤncket ,
Vielmehr von allen Seiten frey , und , einer Jnſel aͤhnlich
waͤren .
Es ſcheint man finde mehr , als ſonſt , ſo dann im Schoſſe
der Natur
Sich gantz beſonders eingeſchloſſen , gantz einſam ; es iſt
keine Spur
Jn dieſer Dunckelheit zu finden , kein End ’ in dieſem Raum
zu ſchauen ,
Und keinem Geiſte ſind hier Graͤntzen , noch Jnnhalt dieſes
Raums bewuſt .
Mich 157 Mich uͤbereilte juͤngſt hieruͤber , als ich ſo lag , ein ſtilles
Grauen ,
Mich in ſo einer hohlen Tieffe und Boden-loſen Abgrunds -
Gruͤnden ,
Umringt von nichts als dunckeln Schatten und Finſter -
niß , allein zu finden :
Allein wie bald verſchwand es wieder , als ich , mit faſt
halb-ſeel’ger Luſt ,
Jn dieſer Boden-loſen Tieffe , worin ich gleichſam ſchien
zu ſchweben ,
Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit mich uͤberall bedeckt ,
umgeben ,
Ja faſt beruͤhret gleichſam fuͤhlte ! Jch , der ich , meinem
GOTT ſo nah ,
Beym dunckeln Lichte der Natur , mit hellen Glaubens -
Augen ſah ;
Verehrte Danck-und Demuths-voll den hell - und doch ver -
borgnen Schein
Des ewgen Schoͤpfers aller Dinge ; ergab mich ſeiner Gnad
allein ,
Und ſchlieff , mit kindlichem Vertrauen , in ſeiner Hut ge -
laſſen ein .
Auf - 158 Aufmunterung zur Betrachtung . W ilſt du denn , lieber Menſch , der Ueberlegung Kraft ,
Die eigentlich der Kern , die noͤthigſt ’ Eigenſchaft
Der dir von GOtt geſchenckten Seelen ,
Mit deinen Sinnen nie vermaͤhlen ?
Mit GOtt , in den Geſchoͤpfen , nie verbinden ?
Verlangeſt du in GOttes Wercken
Nicht ſeine weiſe Macht und Liebe zu bemercken ?
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu finden ?
Er legt viel tauſend Herrlichkeiten ,
Viel Millionen Seltenheiten
Auf Erden , in der Luft , und in der Fluth dir vor .
Er giebt dir Naſ ’ und Zung ’ und Hand und Aug ’ und Ohr.
Er ſchenckt dir eine Seel ’ , und eine Faͤhigkeit ,
Durch hoͤren , riechen , ſehn , durch ſchmecken , und durch
fuͤhlen
Gedancken und Jdeen zu erzielen .
Da nun des Schoͤpfers Huld ſo uͤberſchwenglich iſt ,
Und , da das , was dich hier ſo wol , als dort , vergnuͤget ,
Allein in der Betrachtung lieget ;
Wie , daß du gegen dich denn ſelbſt ſo grauſam biſt ?
Wie , daß du deinen Geiſt nicht zu den Sinnen fuͤgeſt ,
Und durch dieß holde Band nicht Seel ’ und Leib vergnuͤgeſt ?
Beſtrebe dich forthin , die Wercke zu betrachten ,
Und ihres Schoͤpfers Macht in ihnen zu erhoͤhn ;
Denn , ſonder Dencken ſie zu hoͤren und zu ſehn ;
Heißt Goͤttlichen Befehl , Natur , und GOtt verachten .
Straffe 159 Straffe der Unachtſahmkeit . B ewunderſt du , o Menſch , des Schoͤpfers Weisheit -
Licht
Jn ſeinen Creaturen nicht ;
So ſcheints , daß du nur blos ein Werckzeug biſt ,
Wodurch die Welt fuͤr andre Creaturen ,
Und nicht fuͤr dich , geſchmuͤcket iſt .
Dein Garten pflantzen , Haͤuſer bauen
Muß , da die Menſchen es , ſo bald ſie es vollbracht ,
Nicht achten , nicht mit Luſt , und nicht mit Danck beſchauen ,
Vermuhtlich Geiſtern ſeyn zu Nutz gemacht ,
Die es nicht nur bey Tag ’ , auch bey der Nacht ,
Wie es ſo ordentlich , ſo nett ſo ſchoͤn ,
Jn ihrer Luſt , zu GOttes Ehren , ſehn .
Wann aber GOtt dennoch dich , eine Faͤhigkeit ,
Und Sinnen auch dabey , gewuͤrdigt , dir zu ſchencken ,
So liegt es blos an dir , dein Dencken ,
Nebſt ihnen auch darauf zu lencken .
Wann dieß geſchicht , wird GOtt durch jene nicht allein ,
Nein , auch durch dich zugleich , geprieſen ſeyn .
Geſchicht es nicht ; ſo muſt du ſelbſt geſtehn ,
Daß da du auch dazu erleſen ,
Jn ſeiner Creatur ſein ’ Allmacht anzuſehn ,
Jn deiner Luſt den Schoͤpfer zu erhoͤhn ;
Es , wenn daſſelbe nicht geſchehn ,
Bloß deine Schuld allein geweſen .
De - 160 Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß . W ill mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven
ſchrecken ,
Will ſie mir meines Geiſts Vernichtungen entdecken ,
Und , durch den Hoͤllen-Schluß , Verzweiflung mir erwecken :
„ Was biſt , was weißt du doch ? Nichts : daraus folget klar ,
„ Daß deine Seele nie was Goͤttlichs iſt , noch war ;
So zeiget mir dennoch , ſelbſt der Unwiſſenheit
Erkaͤnntniß und Begriff von meiner Faͤhigkeit
Nicht nur was groſſes an ; ſie machet uns ſo gar
Das allerhellſte Licht der Weißheit offenbar .
Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Groͤſſe
Des Schoͤpfers , und zugleich der Menſchen Schwaͤch ’ und
Bloͤſſe ;
Ja nichts erhebet mehr der groſſen GOttheit Preis ,
Als eben , da man weiß , daß man nur wenig weiß .
Jndem wenn die Vernunft ſo , wie ſie ſoll , verfaͤhrt ;
Uns ein gedoppelt Gut daraus entſpringet ,
Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet :
GOTT ſelber wird dadurch am wuͤrdigſten verehrt .
[figure] Noth [- ] 161 Nothwendigkeit GOTT hier zu ſehen . W ilſt du den groſſen Schoͤpfer ſehen ,
So muß es im Geſchoͤpf geſchehen :
Weil man ihn ſonſt nicht ſehen kann .
Er will von uns geſehen werden ;
Drum ſchuf er Himmel , Meer und Erden ,
Und ſpricht : Jn dieſen ſeht mich an !
Jhr aber hoͤrt nicht was er ſpricht ,
Er zeigt ſich , und ihr ſeht ihn nicht .
Zwar hofft ihr kuͤnftig ihn zu ſehen ;
Allein ihr werdet ſchlecht beſtehen ,
Da ihr , in ſeiner Wercke Pracht ,
Jhn hier zu ſehn nicht wehrt geacht’t .
Hat er , daß ihr ihn moͤgtet faſſen ,
Sich hier nicht unbezeugt gelaſſen :
Muͤßt ihr auch hier , zu ſeinen Ehren ,
Jhn ſchmecken , fuͤhlen , ſehn und hoͤren .
[figure] L Jn - 162 Jnſeln . W enn wir der Berge ſchroffe Hoͤhen ,
Mit einem aufmerckſamen Blick ,
Bedachtſam an - und uͤberſehen ,
Und dencken etwann einſt zuruͤck
Auf Jnſeln , die im Meere ſtehen ;
So ſcheinen dieſe jenen gleich ,
Nur mit dem Unterſcheid allein ,
Daß Jnſeln Berg ’ im Waſſer-Reich ,
Und die Gebirg ’ im Luft-Reich Jnſeln , ſeyn .
Bey den Gedancken faͤllt mir ein :
Ob etwann eine tieffe Fluth
Um unſere Gebirg ’ einſt auch geruht ,
Und daß , ob wir es gleich nicht leſen ,
Sie Waſſer-Jnſeln einſt geweſen ?
Wie uns , wenn wir auf Berge ſteigen ,
Und ſich dort Meer-Gewaͤchſ ’ , in tauſend Arten , zeigen ,
Der Augen-Schein davon faſt uͤberfuͤhrt ,
Auf eine Art , die uns mit Furcht und Anmuth ruͤhrt .
Sprich ! wuͤrden nicht , wenn etwann jetzt das Meer
Vom Waſſer ausgeleeret waͤr ,
Die Jnſeln all ’ als groſſer Berge Hoͤh’n
Ohn allen Zweifel anzuſehn ,
Und zu betrachten ſeyn ? Wie waͤr ’ es , wenn vielleicht
Die Fluth dereinſt noch mehr vertheilt waͤr ’ und verſiegen ,
Die Meer-Berg ’ ebenfals , entbloͤſſet aufwerts ſtiegen ,
Und ſo , wie unſre Berg ’ und Flaͤchen unſrer Erden ,
Auch Jnſeln in der Luft einſt koͤnnten werden ?
Mi 163 Mit den Gedancken ſchlief ich ein ,
Als ein verwirrter Traum mit meinen Sinnen ſpielte ;
Da ich mich biß zum Mond in Eil getragen fuͤhlte .
Jch fand in dieſer Welt , die unſre ſtets begleitet ,
Daß ſelbe groͤſſ’ren theils aus Waſſer zubereitet .
Ein kleiner Philoſoph , der viertzig mahl ſo klein ,
Als wie wir hier auf Erden ſeyn ,
Erzehlte mir zu Anfang vielerley ,
Und unter andern auch : daß ihre Welt
Aus unſrer Welt entſtanden ſey .
Die Erde waͤr ’ zuerſt mit Waſſer gantz bedeckt ,
So daß ſichs hoͤher noch als alle Berg ’ erſtreckt ;
Durch ihres Schoͤpfers bloſſes Wollen ,
Daß unſre Welt bewohnet werden ſollen ,
Haͤtt er , der aller Fluten Laſt
Jn einen Schlauch zuſammen faßt ,
Die Waſſer guten theils von ihr genommen ,
Und ſie ( woraus der Mond entſprungen und gekommen )
So wol zu ihrem Nutz , als auch zum Dienſt der Welt ,
Jn Wirbel unſrer Erd ’ in ſolchen Stand geſtellt ,
Daß wir uns beid ’ anjetzt , vom Sonnen-Strahl beſchienen ,
Durch einen Gegen-Schein einander dienen .
Auf gleiche Weiſe waͤr ’ es auch Saturn ergangen ;
Nicht minder Jupiter , die ( wie wir einen nur )
Neun Monden zu Trabanten drauf empfangen .
Ja , er vermeinte gar , wofern ihn nicht die Spur
Gewiſſer Zeichen ſollte triegen ;
Wir koͤnnten noch wol einen kriegen :
Da , aus dem gar zu tieffen Meer , 〈…〉〈…〉 nnoch zu einem Mond genugſam Vorrath waͤr ’ ,
L 2 Wo - 164 Wodurch wir denn nicht nur noch einen neuen Schein
Des Nachts am Himmel wuͤrden ſehen ,
Es wuͤrden ſo viel mehr Gebirg ’ entdecket ſtehen ,
Die jetzt , in Jnſeln , noch im Meer verdecket ſeyn ,
Die alle von den Buͤrgern unſrer Erden
So denn bewohnet koͤnnten werden .
Mein Leſer glaubet leicht , wie ich darauf erwacht ,
Daß ich um dieſen Traum recht inniglich gelacht ,
Doch hab ich ihm auch wol zuweilen nachgedacht .
[figure] Spi - 165 Spiegel der GOttheit . S ind die erſchaffnen Creaturen , wenn man’s erweget ,
anders was ,
Als ein des Schoͤpfers wahres Weſen vor Augen ſtellend
Spiegel-Glas ?
Jn welchem , durch die , zu dem Zweck allein , erſchaffne
Sonnen-Strahlen ,
Sich ſeine Weisheit , Lieb ’ und Macht uns allen uͤberzeug -
lich mahlen ,
Und , durch die Sinnen , unſren Seelen empfindlich vor -
geſtellet werden ?
Das Waſſer , auch die glatten Coͤrper , worin vom Him -
mel und der Erden
Von angeſtrahlten Baͤumen , Blumen , Gebuͤſchen , Waͤl -
dern , Thal , und Huͤgel ,
Die Schoͤnheit ſich verdoppelt zeigt , ſind von dem Spie -
gel Gegen-Spiegel ,
Und unſer Aug ’ ein ſinnlicher , lebend’ger Spiegel , der
den Geiſt ,
Auf eine ſonderbahre Weiſe , durch Coͤrper etwas Geiſtigs
weiſ’t .
Die Seel ’ erblicket von der GOttheit , in der Geſchoͤpfe
Wunder Pracht ,
Ein gleichſam dreyfach-einigs Weſen , in ſeiner Weisheit
Liebe , Macht .
Erfordert es denn wenigſtens vernuͤnft’ger Menſchen See -
len-Pflicht ,
Zu ſeines Nahmens Preiſ ’ und Ruhme , Lob , Herrlichkeit
und Ehre , nicht ,
L 3 Daß 166 Daß unſre Seel ’ ie mehr und mehr ſich durch Betrachtung
angewehn ’ ,
Jm ſchoͤnen Creaturen-Spiegel die wahre GOttheit an -
zuſehn ?
Weil ſonſten , wenigſtens fuͤr uns , wenn wir allein auf
Geld nur gaffen
Der Endzweck GOttes ja verlohren , die Welt fuͤr uns
umſonſt erſchaffen .
Hingegen unterſcheidet ſich der Menſch nicht blos nur von
den Thieren ,
Als welche beym Genuß der Dinge zwar Luſt , doch keinen
GOtt , verſpuͤhren ;
Wir werden ſelbſt , wenn , in der Schoͤnheit der Creatur
und ihren Schaͤtzen ,
Wir uns an ihrem ew’gen Urſprung in Ehrfurcht-voller
Luſt ergetzen ,
Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit , dem Schoͤpfer Him -
mels und der Erden ,
Und ſeiner Weisheit , Herrlichkeit und Macht , vernuͤnft ’ -
ge Spiegel werden ;
Jn welchen Geiſter , Seelen , Engel ( wie wir , in hellem
Wieder-Schein
Des Waſſers , unſrer Erden Schmuck ) ſein herrlich Werck
vergeiſtert ſchauen
Und , an geruͤhrten Menſchen-Seelen , ſich ſelber , GOtt zum
Ruhm , erbauen .
Wann die Betrachtungen der Wercke des Schoͤpfers nun
ſo noͤhtig ſeyn ;
So bitt ’ und fleh ich : groſſer Schoͤpfer ! um deine Lieb ’
erbarm dich mein !
Er - 167 Erbarm dich aller Menſchen doch ! vermehre Faͤhigkeit und
Willen ,
Daß wir , zu deines Nahmens Ruhm , den groſſen End -
zweck hier erfuͤllen ,
Wozu du uns beſchieden haſt ! gieb , daß im Spiegel dei -
ner Wercke ,
Voll Luſt , Bewunderung und Andacht , man deine wahre
GOttheit mercke !
Laß uns im Creaturen-Spiegel hier , als in einem duncklen
Wort ,
Dein Allmacht , Weisheit , Lieb ’ erblicken ! biß daß wir ,
nebſt den Engeln , dort ,
Nach abgelegter Sterblichkeit , in jenen ſeel’gen Himmels -
Hoͤhen ,
Dich , in ſelbſtaͤnd’ger Majeſtaͤt , in einem ewig-ſeel’gen
Licht ,
Und der Drey-Einigkeit Geheimniß , von Angeſicht zu An -
geſicht ,
Jn unausſprechlich-heller Klarheit , ununterbrochen , ewig
ſehen !
[figure] L 4 Danck - 168 Danck-Gebeth nach dem Eſſen . O Vater ! der du uns nunmehr
Was unſern Coͤrper traͤnckt und naͤhret ,
So reichlich abermahl beſchehret ,
Nur dir gebuͤhret Danck und Ehr !
Du haſt aus Gnaden , uns nicht nur
Aus nichts gezogen , Leib und Leben ,
Und ſo verſchiedne Koſt gegeben ;
Du haſt , im Reiche der Natur ,
Der Coͤrper Theile ſo gefuͤget ,
Daß , was uns naͤhrt , uns auch vergnuͤget ,
Und darzu ſonderlich den Mund ,
Die Zunge , Zaͤhne , Gaum und Schlund ,
So kunſt - und wunder-reich formiret ,
Daß unſer Geiſt durch ſie entdeckt
Die Kraft , die in den Coͤrpern ſteckt ,
Und im Genuß Verguuͤgen ſpuͤret .
Dieß Wunder im Getraͤnck und Eſſen ,
Das uns zugleich auch Nahrung giebt ,
Verdient ja wol , daß wir ermeſſen ,
Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebt .
Ach , laß denn , was von deinen Gaben ,
O GOtt ! wir jetzt genoſſen haben ,
Woraus uns ſo viel Luſt entſtund ,
Uns nicht allein den Coͤrper ſtaͤrcken ;
Laß uns , an Seel ’ und Leib geſund ,
Auch deine Macht und Liebe mercken ,
Und , da wir nun geſaͤttigt ſeyn ,
Der Seelen Kraft zu dir allein ,
Jn froher Gegen-Liebe , lencken ,
Dir Ehrfurcht , Danck und Andacht ſchencken ,
Auch 169 Auch uns mit allem Ernſt bemuͤhn ,
Den uns geſchenckten freyen Willen ,
Um deinen Willen zu erfuͤllen ,
Von dem , was dir misfaͤllt , zu ziehn !
So wirſt du uns , auf dieſer Welt
Nicht das , wodurch man ſich erhaͤlt ,
Zur Luſt und Nothdurft nur beſchehren ;
Du wirſt uns auch nach dieſer Zeit ,
Jn jener ſeel’gen Ewigkeit ,
Mit ew’ger Himmels-Speiſe naͤhren !
[figure] L 5 Abend - 170 Abend-Andacht . D a nunmehr des Tages Glaͤntzen und der Sonnen
helle Pracht
Unſern Augen ſich entzogen ; da die Schatten-reiche Nacht ,
Mit den ſtillen Finſterniſſen , Himmel , Erd ’ und Meer
erfuͤllt ,
Und der irdiſchen Geſchoͤpfe Farb ’ und Bildung gantz
verhuͤllt ,
Unſern Leib zur Ruhe ruft , um , nach heut vollbrachten
Wercken ,
Jhn , durch einen ſanften Schlaf , kraͤftig wiederum zu
ſtaͤrcken ,
Und ich , voll Beqvemlichkeit , auf ſo weichen Feder-Decken ,
Sonder Sorgen , Furcht und Gram , mich geſund vermag
zu ſtrecken :
Auf mein Geiſt ! den groſſen Schoͤpfer der den Himmel und
die Welt ,
Bey ſo wunderbarem Wechſel , in ſo richt’ger Ordnung
haͤlt ,
Der die ſtille Nacht zur Ruhe dir gegoͤnnet , zu beſingen !
Und ein ſchuldig Abend-Opfer ſeiner Lieb ’ und Macht zu
bringen !
Dieſes kann nun fuͤglicher , wie du ſelber wirſt geſtehn ,
Wenn du redlich danckſt , mein Geiſt , als durch Dancken ,
nicht geſchehn .
Will man aber redlich Dancken ; muß man , mit vergnuͤg -
tem Muth ,
Sich mit rechtem Ernſt beſtreben , das von GOTT
empfangne Gut ,
So 171 So viel deſſen Meng ’ erlaubet , zu betrachten , zu erwegen ,
Und , im froͤlichem Erinnern , ordentlich zu uͤberlegen ,
Was uns aus dem Gnaden-Born ſeiner Liebe zugefloſſen ,
Wie ſo mannigfachen Seegen wir genieſſen , und genoſſen .
Sind nun aber , wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen ,
Auch die Wunder ſonder Zahl , die der Schoͤpfer uns
verliehn ;
Wollen wir doch wenigſtens , wie wir ſchuldig , uns bemuͤhn ,
Einige derſelbigen vor den andern zu erwehlen .
Und , weil unſre Seele leicht , wenn ſie es erwegt , empfindet ,
Wie ſie durch die Sinnen blos mit der Creatur ſich bindet ;
Alſo ruͤhm ’ ich billig , lobe , preiſ ’ und ehre den dafuͤr ,
Der , in Sinnen , ſolche Schaͤtze menſchlicher Natur zu goͤnnen
Uns alhier gewuͤrdiget . GOtt gehoͤret wahrlich mehr ,
Als wir , leider ! ihm erweiſen , fuͤr die Sinnen Preis und
Ehr.
Daß ich heute hoͤren , ſchen , fuͤhlen , riechen , ſchmecken
koͤnnen ,
Daß du dazu Ohren , Augen , Haͤnde , Naſ ’ und Zunge mir ,
Wie geſchenckt , ſo auch erhalten , Schoͤpfer , dafuͤr danck
ich dir .
Daß ich mit Getraͤnck und Speiſen habe Mund und Ma -
gen fuͤllen ,
Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durſt und Hunger
ſtillen ,
Und mit Luſt mich naͤhren koͤnnen , iſt warhaftig danckens
wehrt ,
Da uns GOtt , nicht nur zur Nothdurft , ſondern auch mit
Anmuth naͤhrt .
Daß die mir geſchenckte Glieder , deren eine ſolche Menge
Jnnerlich und aͤuſſerlich , daß der Nerv-und Adern Gaͤnge
Durch 172 Durch Verſtopfung nicht verſehrt , jene nicht zerhaut ,
durchſtochen ,
Und durch Feuer , Laſt , und Fallen , nicht verbrannt , zer -
qvetſcht , zerbrochen ,
Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute
wuͤthet ,
Dafuͤr bin ich , liebſter Vater ! blos durch deine Huld
behuͤtet .
Hab ’ ich aber heut ’ auch das , wozu Sinnen mir gegeben ,
Nemlich : GOtt in den Geſchoͤpfen zu bewundern zu erheben ,
Wie ich ſchuldig war , gethan ? hab ’ ich auch , durch mein
Geſicht ,
Das vortrefliche Geſchoͤpf , unſrer Sonnen Wunder-Licht ,
Mit Bedacht , Bewunderung , und , da es ſo wunderſchoͤn ,
Auch da es mir alles zeiget , oft mit Dancken angeſehn ?
Wenn , durch Leſung guter Buͤcher , ich mich heut erbauen
koͤnnen ,
Hab ’ ich wol gedacht : nur GOtt hat mir dieſes wollen
goͤnnen ?
GOtt gab mir , nebſt meinem Aug ’ , auch ein geiſtiges Geſicht ,
Hat die Schreib ’ - und Leſungs-Kunſt wunderbar erfinden
laſſen ,
Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Coͤrpern ihre
Pracht ,
Sondern auch der Geiſter Schoͤnheit , Anmuth , Eindruck ,
Feur und Macht
Und in ihnen , ſeine Wunder , Lieb ’ und Weisheit moͤg -
ten faſſen ;
Hab ’ ich auch , wenn ich ſein Wort , oder ſonſt was Guts ,
geleſen ,
GOttes weiſe Lieb ’ ermeſſen ? bin ich auch geruͤhrt geweſen ?
Hat 173 Hat auch heute meine Seele , durchs Gehoͤr , mit Danck
und Loben
Fuͤr ſo Lehr ’ , als Harmonie , zu dem Schoͤpfer ſich erhoben ?
Hat ſie , wenn ſie etwas lieblichs , wie vermuthlich iſt , gerochen ,
Fuͤr des Riechens Kraft und Vorwurf : Schoͤpfer ! Dir ſey
Danck ! geſprochen ?
Hat ſie , wenn ſich , ſonder Pein , Kaͤlt und Hitze wol gemiſcht ,
Ja noch andre ſanfte Vorwuͤff ’ ihres Coͤrpers Haut erfriſcht ,
Wol des Schoͤpfers Huld gefuͤhlet ? hat ſie , wenn ſie es
empfunden ,
Auch empfunden , daß dem Geber ſie davor zum Danck
verbunden ?
Hat ſie GOTTES Guͤt und Liebe , in der ſuͤſſen Kraft zu
ſchmecken ?
Wenn ſie Spreis und Tranck genoſſen , auch zu ſchmecken ,
zu entdecken
Und , mit Luſt dafuͤr zu dancken , wie ſie ſchuldig , ſich beſtrebt ?
Kurtz : Haſt du zu GOTTES Ehren heut , und als ein
Menſch , gelebt ?
Haſt du , mit vergnuͤgter Seele , wahrer Andacht heiſſe
Triebe ,
Eine Demuths-volle Ehrfurcht , kindlich-bruͤnſt’ge Gegen -
Liebe
Gegen den allmaͤchtgen Vater , der dir ſo viel Guts ge -
ſchenckt ,
Der in deinen Leib und Geiſt ſolche Faͤhigkeit geſenckt ,
Heut ’ in ſtiller Luſt geſpuͤhrt ? haſt du einen regen Willen ,
Eines ſolchen holden Gebers Wort und Willen zu erfuͤllen ,
Deinen Naͤchſten recht zu lieben , heut in deiner Seel
empfunden ?
Haſt du inniglich gewuͤnſcht daß , von grobe Laſtern rein ,
Du , fuͤr ſo viel Huld und Wolthat , deinem GOtt gefaͤllig ſeyn ,
Recht 174 Recht ihm danckbar werden moͤgteſt ? ſind des heutgen Ta -
ges Stunden
Nuͤtzlich angewendet worden ? haſt du , um , nach dieſer Zeit ,
Dich an den noch hoͤhern Freuden einer ſeel’gen Ewigkeit
Zu vergnuͤgen , dich vergnuͤget ? iſts geſchehn ? ſo freue dich ;
Danck auch dafuͤr , ruͤhm ’ und preiſe deinen Gott abſonderlich .
Weil es aber leider oͤfters unterblieben , will ich mich ,
Vater der Barmhertzigkeit , jetzt in Demuth zu dir kehren ,
Und in einer ernſten Reue , voll Vertrauen , dich verehren .
HERR , ich flehe dich von Hertzen , voll Betruͤbniß , voller
Schaam
Ueber mein unachtſam Weſen ; und , voll Reue , voller Gram
Ueber mein ſo blind Betragen , ernſtlich um Vergebung an ,
Ach , verzeihe , wenn ich heute nicht , was ich geſollt -
gethan !
Und da ich nunmehr zur Ruh meine matten Glieder ſtrecke ;
Ach ſo laß mich ſanfte ruhn ! daß kein boͤſer Traum mich
ſchrecke !
Laß den Leib , doch auch zugleich meinen Geiſt , geſtaͤrcket ſeyn ,
Daß ſie beide ihre Pflicht , bey des kuͤnftgen Tages Schein ,
Zu beachten faͤhig bleiben , und , zu deiner Ehr ’ zu leben ,
Zu empfinden , riechen , ſchmecken , ſehn und hoͤren ſich
beſtreben ,
Deine Weisheit , Lieb ’ und Allmacht , in den wunderbaren
Wercken ,
Zu betrachten , zu bewundern , zu erheben , zu bemercken ,
Sich mit Luſt beſchaͤftigen ! Wann wir auch den Naͤchſten
lieben
Und ihm gutes goͤnnen ſollen , wie Natur und Bibel lehrt ,
Ach , ſo bin ich auch an die jetzt zu dencken angetrieben ,
Welche Mangel , Kummer , Armuth , Froſt , Gefahr und
Noch beſchwehrt ,
Auch 175 Auch fuͤr die , o ew’ge Liebe ! meine Seufzer auszuſchuͤtten ,
Und , von dir , Barmhertzigkeit fuͤr die Armen zu erbitten .
Ach , wie mancher Menſch muß ſich jetzt auf harten Boden
legen ,
Drauf er , ſonder Dach und Fach , ſich fuͤr Kaͤlte , Sturm
und Regen
Kaum mit alten Lumpen ſchuͤtzet ! da ich , mit Beqvemlichkeit ,
Jn ſo weichen Feder-Decken mich gemaͤchlich legen kann ;
Ach erbarm dich ihrer auch , ſieh ’ ihr Elend gnaͤdig an !
Schencke wenigſtens Gedult ! und laß , nebſt Gelaſſenheit ,
Die Gewohnheit ihre Plagen , wo nicht gantz und gar
vermindern ,
Doch in Hofnung und Vertrauen , wenigſtens in etwas
lindern !
Nun ſo ſchließ ich meiner Augen Schlaf-begier’ge Lieder zu ,
Und , indem die muͤden Glieder , ſammt den matt-gewor -
dnen Sehnen ,
Sich , mit einer neuen Luſt , ſanfte von einander dehnen ,
Denck ’ ich , mich in dich verſenckend , auf die Luſt der ew ’ -
gen Ruh .
[figure] Ver - 176 Vergnuͤgen eine Gabe GOttes . N achdem ich oͤfters nachgedacht ,
Woher es komme , daß die Pracht
Der Creaturen uns nicht ruͤhret ,
Und daß von ihrer Herrlichkeit ,
Schmuck , Ordnung und Vollkommenheit
Man wenig fuͤhlt , faſt nichts verſpuͤhret ?
So faͤllt mir dieſe Frage bey :
Ob etwann die Empfindlichkeit ,
Die unſer innerſtes erfreut ,
Nicht eine gantz beſondre Kraft ,
Ein ’ angeſchafne Eigenſchaft
Und Schoͤnheit einer Seelen ſey ,
Die wir , ſo wie all andre Gaben ,
Von unſerm Schoͤpfer muͤſſen haben ,
Und daß wir von uns ſelber nicht
Das ſicht - und unſichtbare Licht
Jn GOttes Wunder-reichen Wercken
Geſchickt und faͤhig zu bemercken .
Weil , da wir ſonſt in dieſem Leben ,
Mit ſolchem eifrigen Bemuͤhn ,
Uns zu vergnuͤgen , uns beſtreben ,
Es ſonſt ja faſt unmoͤglich ſchien ,
Die eintzge Quelle wahrer Freuden ,
( Da doch derſelben heller Schein
So Sonnen klar , als allgemein ;
Worin ſich , wenn wirs recht ergruͤnden ,
Selbſt Luſt und GOttes Dienſt verbinden )
So ſehr zu fliehen zu vermeiden .
Wofern nun ( wie es in der That )
Es die Bewandniß damit hat ;
So 177 So zoͤgert , liebſte Menſchen , nicht ,
Um dieſes helle Gnaden-Licht
Den Schoͤpfer bruͤnſtig anzuflehen .
Weil , wo ihr dieſen Strahl nicht fuͤhlet ,
Jhr , ohn euch einſt vergnuͤgt zu ſehen ,
Jn Sorgen und Begierden wuͤhlet ,
Die weder Grund noch Graͤntzen haben .
Erbittet doch , vor allen Gaben ,
Die , welche wuͤrdiger als alle ,
Die Gabe , daß euch GOTT gefalle !
Jhr ſeyd begluͤckt , wenn euch das Licht
Der Anmuth , aus dem Bau der Welt ,
Den GOTT ſchuf , in die Seele faͤllt ;
Ungluͤcklich , wenn es nicht geſchicht !
[figure] M Auf - 178 Aufgeloͤſeter Zweiffel . J ch habe , leider ! oft , wie ich bereits erzehlet ,
Mit einem Zweiffel mich gequaͤlet :
Ob fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge ,
Nicht aller Menſchen Danck und Ehre , zu geringe ,
Zu elend , zu veraͤchtlich waͤren ?
Jtzt wuͤnſch ’ ich , dir und mir noch ferner zu erklaͤren ,
Daß dieſe Zweifels-Laſt , wie ſtarck ſie ſcheint , wie feſt ;
Durch die Vernunft ſich dennoch heben laͤßt .
Wie kuͤnſtlich unſer Leib von auſſen und von innen
Gebildet ſey , iſt klar ; daß deſſen Kunſt die Sinnen
Zu ihrem Endzweck hab ’ , iſt auch nicht minder wahr ;
Daß durch dieſelben nun die Seelen
Sich mit der Creatur vermaͤhlen ,
Jſt gleichfals ſonder Streit . Dieß ſcheint der Endzweck
nun ,
Die Abſicht und der Grund . Daß , von der Menſchen
Thun
So herrlich nichts , als die Gedancken , ſeyn ;
Stimmt mit Erfahrung uͤberein :
Da alle Dinge nun uns ferner uͤberzeugen ,
Daß die Gedancken hoͤher ſteigen ,
Als das was Coͤrperlich ;
So zeigt von ſelbſten ſich ,
Daß die Gedancken ja von uns das groͤſte ,
Das herrlichſte , das beſte .
Das Beſte nun von einem jeden Weſen
Scheint fuͤr die GOttheit ja mit allem Recht erleſen .
Von 179 Von dieſem Beſten nun des Menſchen iſt das Dencken
Voll Ehrfurcht , Luſt und Danck auf GOttes weiſe Macht .
Auf denn ! der Seelen Kraft auf ſeiner Wercke Pracht
Mit Andacht und mit Luſt zu lencken ,
Und unſer Beſtes ihm , ein frohes Hertz , zu ſchencken !
[figure] M 2 Muth - 180 Muthwillige Blindheit . A ch , laßt uns , da wir ja in andern Sachen
Nicht ſchlaͤfrig ſind , doch auch zu GOttes Ehren wachen !
Weil fuͤr ſein Werck , das er ſo wunderbar geſchaffen ,
Die Seele leider ſcheint beſtaͤndig fort zu ſchlaffen .
Denn weniger , als wir von GOttes Wundern ſehn
Jm Wachen , kann es faſt im Schlaffen nicht geſchehn .
Bey den Gedancken faͤllt mir ein ,
Was unlaͤngſt ſoll von Philopotamus
Geſchehen und geſprochen ſeyn :
Nachdem derſelbe ſich faſt gaͤntzlich blind geſoffen ,
Sagt ihm ſein Artzt : wofern er nicht
Sein meiſt bereits verlohrenes Geſicht
Wollt ’ uͤberall verliehren ; muͤſte Wein
Durchaus nicht mehr von ihm getruncken ſeyn .
Nun was geſchicht ?
Er ſieht ein groſſes Glaß voll Wein von ungefehr ,
Ergreift es alſobald , ſchlaͤgt hin und her
Mit ſeiner duͤrren Zung ’ , und ſpricht :
Zu guter Nacht , geliebtes Augen-Licht !
Mit dieſem ſetzt ers an und macht das Wein-Glas leer .
Faſt jeder wird ob dieſer That erſchrecken ;
Doch muß ich vielen dies , zur hoͤchſten Scham , ent - decken :
Es machte Philopotamus
Durch die Begier ſich leiblich blind ;
Allein wie manches Menſchen-Kind
Spricht 181 Spricht ebenfals : Wenn ich nur reich zu werden tauge ;
Vergnuͤgt ſich einmahl nur mein kitzelndes Gefuͤhl ;
Erhalt ’ ich in der Ehr ’ mein vorgeſtrecktes Ziel ; Zu guter Nacht mein Seelen-Auge !
Kann ich nur reicht , geliebt ſeyn , mich erhoͤhn ;
Verlang ich nimmermehr , und waͤr es noch ſo ſchoͤn ,
Des Schoͤpfers Werck zu ſehn .
Ach moͤchte dieſes dir nicht mindern Schrecken ,
Als Philopotamus brutale That , erwecken !
Ach , moͤgteſt du des Schoͤpfers Weisheit , Macht ,
Und Lieb ’ , in ſeiner Wercke Pracht ,
Zu ſehen , und mit Luſt zu faſſen ,
Dich durch Begierden blind , nicht ferner hindern laſſen !
[figure] M 3 An - 182 Andacht durch Blumen erregt . D u bluͤheſt , wunderſchoͤne Blume ,
Jn deiner Bildung , Farben-Pracht ,
Geruch und Schoͤnheit , dem zum Ruhme ,
Der dich und alle Welt gemacht .
HErr ! gieb uns Augen , daß wir ſehen ,
Wie groſſe Wunder bloß durch dich ,
So uͤberall , als ſonderlich ,
Jm bunten Blumen-Heer , geſchehen !
Laß uns , in ihrem Schmuck und Schein ,
Erwegen , daß von dir allein
Sie ihrer Blaͤtter holdes Prangen ,
Und zwar zu unſrer Luſt , empfangen !
Laß uns , an ihren bunten Schaͤtzen ,
Jn ſtiller Andacht , uns ergetzen ,
Und , dir zu Ehren , froͤlich ſeyn !
[figure] Ge - 183 Erinnerung . G eliebteſte Beliſa , ſprich ,
Da du in unſerm ſchoͤnen Garten
So manche Schoͤnheit ſiehſt , und nicht recht ſonderlich
Daruͤber froͤlich biſt ; ſprich , worauf wilſt du warten ?
Auf welche Zeit verſchiebſt du deine Luſt ?
Was auf der Welt vergnuͤgliches zu hoffen ,
Wie dir ſo wol , als mir bewuſt ,
Jſt ja , GOtt Lob ! bey uns ſchon eingetroffen .
Du kanſt und wirſt nichts beſſers hier verlangen .
Ach , ſo verzoͤgre doch nicht laͤnger| , anzufangen ,
Dich an den gegenwaͤrt’gen Schaͤtzen
Auch gegenwaͤrtig zu ergetzen ,
Und dem , der es uns giebt , zu Ehren , froh zu ſeyn !
Denn , nach der Ordnung der Natur ,
Bemerckt man uͤberall die Spur ,
Daß ungepruͤfte Luſt und nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen ,
Mit der beſtaͤndig-regen Zeit ,
So wol als die , ſo man gefuͤhlet und genoſſen ,
Mit ungehemmter Schnelligkeit
Unwiederbringlich von uns fliegen
Und , eh man ſichs verſieht , bereits davon gefloſſen .
Die Augenblick ’ und Zeit , worin uns Anmuth fehlt ,
Die wir uns ſelber koͤnnen geben ,
Sind uns nicht minder zugezehlt ,
Als die Vergnuͤglichſten von unſerm Leben .
[figure] M 4 Der 184 Der aͤlteſte GOttes-Dienſt . W enn Adam ohne Suͤnd ’ in Eden blieben waͤre ,
Sammt der , mit welcher ihn des Schoͤpfers Huld
gepar’t ;
So koͤnnen wir von ihrer Lebens-Art
Nichts faſſen , als daß ſie , zu ihres Schoͤpfers Ehren ,
Zum Preiſe ſeiner Lieb ’ und ſeiner weiſen Macht ,
An aller Creatur Vollkommenheit und Pracht ,
An der Vortreflichkeit und den verlieh’nen Gaben
Sich wuͤrden ungeſtoͤhrt ergetzet haben .
Kein andrer GOttes-Dienſt , als der allein ,
Und gar kein ’ andre Weiſe
Vom GOttes-Dienſt im Paradeiſe ,
Kann uns begreiflich ſeyn .
Hieraus nun iſt ja Sonnen-klar
Und uͤberzeuglich zu bemercken ,
Wie GOtt gefaͤllig , noͤthig , wahr
Die Lehre von dem Dienſt des Schoͤpfers in den Wercken .
Auf denn , geliebter Menſch , laß deiner Seelen Kraͤfte
Zu dem ſo noͤth-als nuͤtz-und froͤlichen Geſchaͤfte
Jn Andacht rege ſeyn , beſtrebe dich dahin ,
Blos durch Erkaͤnntlichkeit getrieben ,
Als Schoͤpfer , Geber , HErrn und Vater ihn zu lieben !
Laß GOtt durch einen jeden Sinn ,
Den er dir ja zu dieſem Zweck verliehen ,
Zur Ehr ’ , in deiner Luſt , ein Andacht-Opffer gluͤhen !
Denn nichts ſo ſehr , als dieß , kann unſern Geiſt bereiten
Und nichts ſo ſehr , als dieß , kann unſre Seele leiten
Zu den verlohrnen Herrlichkeiten .
Menſch - 185 Menſchliche Schwachheit . N achdem ich juͤngſt die Wunder-Pracht
Der ſchoͤnen Welt , wie ſie ſo wunderſchoͤn ,
An einem heitern Tag ’ , im Sommer , angeſehn ;
Folgt ’ einem ſchoͤnen Tag ’ ein ’ angenehme Nacht .
Die ſtille Luft , die anfangs ſchwuͤhl ,
Ward friſch und allgemaͤhlich kuͤhl .
Kaum daß der helle Glantz der Sonne ſich verhuͤllte ;
Als der gekuͤhlten Luͤfte Reich ,
Aus Blumen , Laub ’ und Kraͤutern , gleich
Ein tauſendfach-gemiſchter Duft erfuͤllte ,
Der , da er ſeine Kraft auf tauſend Art vermiſchte ,
Den Geiſt , der es erwegt , auf tauſend Art erfriſchte .
Der Daͤmmrung ſanftes Licht , das allgemein ,
Und keine Schatten zeugt , nahm Feld und Garten ein ;
Biß bald hernach
Ein blaͤuligtes Gewoͤlck ’ , als wie ein Berg geſtalt ,
Am Firmament ſich ſanft zerſtuͤckt ’ und brach ,
Da alſobald
Der volle Mond , mit roͤthlich-gelben Blitzen ,
Durch die geſpaltnen duncklen Ritzen
Mit ſchnellem Wandern ſtrahlte ,
Und die bethaute Welt mit Licht und Schatten mahlte .
Mein GOtt , wie ruͤhrte mich , zu deinem Preiſe ,
Der jetzt , auf eine neue Weiſe ,
Geſchmuͤckte Kreis der ſchoͤnen Welt !
Es war des Monden holder Schein
Recht auſſerordentlich entnebelt , hell und rein ,
Er war nicht blaß ; ein roͤthlich-gelber Strahl
Bedeckt ’ und ſchmuͤckte Wald und Feld ,
Befloß und zierte Berg und Thal .
M 5 Hier 186 Hier ſahe man , nicht ſonder Freuden ,
Des Monden guͤldnes Rund durch glatter luckrer Weiden
Geſpitztes Laub gebrochen ſtrahlen
Und ihre Blaͤtter ſich , auf ſeinem hellen Schein ,
Als wie auf guͤldnen Grunde , mahlen .
Dort ſieht man , wie der Glantz durch dunckle Buͤſche bricht ,
Und in der Dunckelheit um deſto heller blitzet ,
Wobey ſein Strahl , wie zugeſpitzet ,
Durch dichter Blaͤtter Oefnung ſticht .
Die ſanfte Harmonie von Schatten und von Licht
Vergnuͤgte mich
Recht inniglich
Wie aber nichts vollkommenes allhier ,
So fuͤhlt ’ ich , daß , bey aller Zier ,
Jn alle Luſt , die mich erfriſchte ,
Sich etwas bittres miſchte .
Jch fuͤhlt ’ ein inniges Betruͤben ,
Daß , bey ſo mancherley Vollkommenheit
So mancher Art Geſchoͤpf ’ , und ihrer Herrlichkeit ,
Jch ihren HErrn und Schoͤpfer recht zu lieben ,
Zwar einen Zug , doch eine ſolche Kraft
Und Faͤhigkeit von ſolcher Eigenſchaft ,
Wie einem ſolchen GOtt gebuͤhrte ,
Jn meinem Weſen nicht verſpuͤhrte .
Jndeſſen dacht ’ ich auch : mit dem , was ich hienieden
Jn meiner Schwachheit fuͤhl ,
Jſt GOtt verhoffentlich zu frieden .
So wie der Coͤrper , hat auch hier der Geiſt ſein Ziel .
Alsdann wird erſt mein Geiſt zur Vollenkommenheit
Jn Luſt und Lob gelangen ,
Wenn er dereinſt annoch wird groͤſſre Faͤhigkeit
Zum Loben und zur Luſt empfangen .
Jch 187 Jch thue denn , o HErr , allhier ſo viel ich kann ,
Und bete dich , mit Luſt , in deinen Wercken an .
Wenn aber doch , wenn etwas ſoll gelingen ,
Du ſo das Wollen , als Vollbringen ,
Uns geben muſt , und wir vor uns allein
Zu keinem Guten faͤhig ſeyn ;
So bitt ich , groſſer GOtt vermehre ,
Zu deiner Ehre ,
Um deines Nahmens Ruhm auch hier ſtets zu verneuen ,
Jn mir die Faͤhigkeit , mich wuͤrdig dein zu freuen !
[figure] Schmuck 188 Schmuck der Seelen . A ch moͤgten unſre Seelen doch , nach ihren Pflichten ,
ſich beſtreben ,
Und , durch die Werckzeug ’ ihrer Sinnen , auf GOttes
Wunder achtung geben !
Ach moͤgten ſie , den Bienen gleich ,
Aufmerckſam um dieſelben ſchweben ,
Sie wuͤrden nicht allein fuͤr ſich der Anmuth ſuͤſſen Honig
heben ;
Sie wuͤrden durch der Schoͤnheit-Schein
Der Creatur , mit der ſie ſich verbunden ,
Von GOtt ſelbſt lieblicher geziert gefunden ,
Verhoffentlich ihm angenehmer , ſeyn .
Da ihnen , wenn von GOttes Macht ,
Jn ſeiner Creaturen Pracht ,
Sie oft was liebliches gehoͤret und erblicket ,
Sich eine Schoͤnheit ſelbſt durch Dencken eingedruͤcket .
Muß eine Seele nicht , auf ſolche Art geſchmuͤcket ,
Zumahl wenn ſie dadurch zu reinen Trieben ,
Nach allen Kraͤften GOtt zu lieben ,
Gefuͤhret wird ; der GOttheit nicht gefallen ,
Und angenehmer ſeyn , als wenn wir uns auf Erden
So aͤngſtiglich allein beſtreben , reich zu werden ,
Und wir auf nichts , als auf Metallen
Alhier geſehen ?
Da ſolche Seelen faſt allein
Aus blos Metalliſchen Jdeen ,
Wodurch ſie faſt allein genaͤhret ſeyn ,
Der Menſchlichkeit zum Hohn , beſtehen .
Man 189 Man ſtelle ſich nach dieſem Leben
Zwo ſolcher Seelen vor , wovon die eine
Die gantze Lebens-Zeit dem gelben Scheine
Des Goldes nachgeſtrebt ; die ander ’ Acht gegeben
Auf GOttes Wunder , GOtt in ſeinem Werck ’ geehret ,
Zu GOttes Ruhm , geſchmeckt , geſehen und gehoͤret ;
Was meinſt du , wird ſich GOtt daran
Nicht mehr vergnuͤgen , und ſie wehlen ,
Als die ( wo man ſo ſagen kann )
Faſt gantz metalliſirte Seelen ?
[figure] Be - 190 Betrachtung . M it innern Freuden ſteh ich hier ,
Beſchaue der Geſchoͤpfe Zier ,
Und denck ’ an den , der ſie gemacht .
Mich deucht dabey , daß ihre Pracht ,
Die meine Seel durchs Aug ’ empfindet ,
Sie nicht zum daucken nur entzuͤndet ;
Nein , daß ſie gleichſam in der Luſt
Zum Schoͤpfer eine Thuͤre findet ,
Ja , daß ſich GOTT mit unſrer Bruſt ,
Durch dieſes Mittel , ſelbſt verbindet .
[figure] An - 191 Anmuth des Regens nach groſſer Hitze . E s kochte gleichſam juͤngſt der ſchwuͤhlen Luͤfte Kreis
Durch ſtrenger Sonnen-Strahlen Blitze .
Nicht nur das Land , das Waſſer ſelbſt war heiß .
Es lechtzte Gras und Laub vom Druck der ſchwehren Hitze ;
Als unverhoft ein kuͤhler Regen fiel ,
So ſtarck , daß alles rauſcht ’ und ziſchte ,
Wodurch ſich Luft und Land und Wald und Feld erfriſchte .
Was erſt durchhitzet war ward allgemaͤhlig kuͤhl .
Jch ſahe dieß bedachtſam an , und fand ,
Daß Nutz und Luſt hieraus , zu GOttes Ruhm entſtand .
Mich daucht ’ ob ſehen meine Augen ,
Die Blumen , Kraͤuter , Laub und Gras
Das lang ’ erſeufzte laue Naß
Mit tauſend kleinen Muͤnden , ſaugen .
Mich deucht ’ , ich koͤnne , GOtt zu ehren ,
Der ihnen neues Labſal ſchenckt ,
Der ſie ſo liebreich naͤhrt und traͤnckt ,
Jhr ſanftes Schmatzen gleichſam hoͤren .
Ein jeglich welck - , beſtaubtes Blatt
Verſchoͤnert ſich , wird friſch und glatt .
Man ſieht ein angenehm und holdes Dunckel-Gruͤn
So Feld als Garten uͤberziehn .
Ja da des Himmels neues Licht
Sich an der naſſen Glaͤtte bricht ,
Kann man , auf allen Blaͤttern , ſchoͤn
Ein Silber gleichſam glaͤntzen ſehn .
Die ſchlaffen Stengel ſteiffen ſich ,
Es richten ſich faſt ſichtbarlich
Die 192 Die Blaͤtter in die Hoͤh , es ſtrotzet Laub und Kraut .
Dadurch nun , daß die Luft ſich lieblich abgekuͤhlet ,
Wird auch mit Luſt von unſrer Haut
Ein ſuͤſſer Schauder oft gefuͤhlet ,
Der ſelber unſern Geiſt ergetzet
Und ihn , wenn ers erwegt , in ein Vergnuͤgen ſetzet ,
Das wahrlich nicht gemein .
Mir fiel hiebey dieß Danck-Lied ein :
Ach GOtt ! der du uns dieſen Regen ,
Und , in demſelben , ſo viel Seegen
Der duͤrr - und matten Welt geſchenckt ,
Der du das durſt’ge Feld getraͤnckt ,
Der du der welcken Pflantzen Heer ,
Zu unſerm Nutz , genaͤhrt , erqvicket ,
Und auch zugleich die Welt geſchmuͤcket ,
Dir ſey dafuͤr Lob , Preis und Ehr !
[figure] Nutz 193 Nutz und Nothwendigkeit der Ueberlegung . W enn ich der Felder Schmuck , wenn ich der Gaͤrten
Pracht ,
Zuſammt der Waͤlder Zier , im Sommer ſehe ;
Gedenck ich an die Winter-Nacht
Und wie der Mittags-Schein des Jahrs ſo ſchnell vergehe ;
Doch zu dem Endzweck nicht ,
Durch ein zukuͤnftig Leid
Die gegenwaͤrt’ge Luſt zu ſtoͤhren ,
Wol aber , durch die Fluͤchtigkeit ,
Noch meine Freude zu vermehren .
Denn , denck ich : dauret es nur kurtze Zeit ;
Warum laß ich die kurtze Zeit verſchwinden ?
Warum beſtreb ’ ich mich nicht , ſo viel mehr ,
So lang als ich es hab ’ , es oͤfter zu empfinden ,
Und , durch ein dergeſtalt oft wiederholt Ergetzen ,
Jn laͤngeren Beſitz des guten mich zu ſetzen ?
Erwegt man oft die Gegenwart des Guten ;
So laͤſſt ſich dadurch gleichſam binden
Die rege Schnelligkeit der fluͤchtigen Minuten .
Gedancken ſind es blos allein ,
Wodurch die Guͤter dieſer Erden
Uns zugeeignet werden .
Ach , laßt uns denn beſchaͤftigt ſeyn ,
Durch ein in unſre Macht geſetztes Dencken
Uns oft viel Guts uns ſelbſt zu ſchencken !
N Mannig - 194 Mannigfaltigkeit der Geſchoͤpfe . J ndem ich juͤngſt , geſtreckt im Blumen reichen Graſe ,
Bey kuͤhler Abend-Zeit was ich einſt ſchriebe , laſe : „ Der Coͤrper ruht , und mein Gemuͤthe
„ Betrachtet dort , betrachtet hier ,
„ Jn aller Creaturen Zier ,
„ Des Schoͤpfers Weisheit Macht und Guͤte ;
Ward neben mir , als ich bald hin , bald her ,
Die ſanften Blicke wandt ’ , von mir von ungefehr
Ein kleiner Froſch erblickt ,
Der gleichſam zahm , mich gar nicht ſcheute ,
Und , wenn ich ihn mit ſanften Fingern rieb ,
Beſtaͤndig ſtille ſitzen blieb ,
Woruͤber ich mich denn verwundert ’ und erfreute .
Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit ,
Auf ſeine Farb ’ und ſeinen Stand zu achten ,
Und die beſondre Seltſamkeit ,
Mit welcher er gebildet , zu betrachten .
Hieruͤber ſchwaͤchte ſich des ſpaͤten Tages Schein ,
Es brach die Daͤmmerung herein ;
Als eine andre Creatur ,
Noch ſonderlicher von Figur ,
Mein ’ Augen auf ſich zog :
Ein Fledermaͤuschen ſchwaͤrmt ’ und flog ,
Mit unbefiedertem Gefieder ,
Jn tauſend Kreiſen hin und wieder ,
Auf eine zitternde geſchwinde Weiſe ,
Jn groſſem bald , und bald in kleinem Kreiſe ,
Um meinen Sitz herum . Jndem mir nun bekannt ,
Wie dieſes Thierchens Form ſo ſonderlich bewandt ,
Be - 195 Bewundert ’ ich das groſſe Wunder-Weſen ,
Das Stoff und Geiſtigkeit ſo wunderbar erleſen ,
Und ſie in dieſem Thier ſo wunderbar verband ;
Daß , wenn wir ſie mit ernſtem Fleiß beſehn ,
Wir , mit gegruͤndeten und wol-verbundnen Schluͤſſen ,
Unwiederſprechlich dieß geſtehn
Und folgern muͤſſen :
Die Schoͤpf - und Bildung ſey nicht ungefehr geſchehn ,
Da ſie ſo wunderbar , nach Regeln , Maaß , Gewicht ,
Wie alles ander ’ , ein und zugericht .
Jndem ich alſo ſitz ’ und dencke ,
Und meinen Geiſt auf dieſen Vorwurf lencke ,
Wie unbegreiflich vielerley
Der Creaturen Bildung ſey ?
Durchdringt mein Aug ’ ein ſchnell und helles Licht .
Der aufgegangne Mond fiel mit geſchwindem Blitzen ,
Durchs ſchattigte Gebuͤſch und ſeiner Blaͤtter Ritzen
Mir unvermuthet ins Geſicht .
Jch ſtand denn auf , beſahe ſeinen Glantz ,
Jndem er eben gantz ,
Mit ungemeiner Luſt . Hieruͤber fiel mir ein :
Wie muß es dorten doch beſchaffen ſeyn !
Was muß des Monden Welt fuͤr mancherley Geſtalten ,
Jn ſeinem groſſen Kreiſ ’ enthalten ,
Die abermahl von allem , was hienieden ,
Vermuthlich unterſchieden !
Wer faſſet die Verſchiedenheit
Der gantz von hieſigen Figuren
An Form und Farb ’ entfernten Creaturen !
Jſt uns nun gleich der Creaturen Stand
Jn andern Welten nicht bekannt ;
N 2 So 196 So ſtellet meine Seele mir
Dennoch , zu unſers Schoͤpfers Ehre ,
Die Unerſchoͤpflichkeit der Aenderungen fuͤr ,
Und hoff ’ ich , daß , durch dieſe Lehre ,
Bey andern , wie bey mir , ſein Ruhm ſich ſtets verehre .
Nun deucht mich , lieber Menſch , daß ich dich ſprechen hoͤre :
„ Jch weiß nicht wie ich GOtt auf ſolche Weiſe ehre ,
„ Man hat mich’s nicht gelehrt ; wie muß ich’s machen ?
Wir muͤſſen unſern Geiſt bey den erblickten Sachen
Jn einen ſolchen Stand bemuͤhet ſeyn zu ſetzen ,
Daß wir den Schoͤpfer hoch , in dem Geſchoͤpfe , ſchaͤtzen ;
Wir muͤſſen deßfals erſtlich finden ,
Wie ſehr es noͤthig ſey , das Dencken
Mit unſern Sinnen zu verbinden .
Wir moͤgen unſern Sinn , worauf wir wollen , lencken ;
Es moͤgen Feld und Wald , Sand , Blumen , Holtz und Stein ,
Gebaͤude , Thiere , Graß , Metall , ein ſchnell Gefluͤgel ,
Ein Regen-Wurm , ein Fiſch , das Meer , ein Thal , ein Huͤgel ,
Ein Bach , das Firmament , ein Menſch , geſehen ſeyn ;
So ſtimmet alles doch hierin ſtets uͤberein :
Es iſt ein Goͤttlich Werck , es iſt von ihm entſtanden ,
Ein jedes lehret uns , es ſey ein GOtt vorhanden !
GOtt zeiget ſeine Macht durch alles , was man ſieht ,
Wem aber zeigt er ſich , wenn wir nicht das Gemuͤth
Mit unſrer Sinnen Kraft verbinden ,
Und , daß der Schoͤpfer wehrt , daß man ihn ehre , finden .
„ Mir 197 „ Mir kommt , ſeh ich der Creaturen Zier
„ Bedachtſam an , nicht anders fuͤr ,
„ Als ſprech ’ ein jeder Ding zu mir :
„ Es iſt ein GOtt , ich zeig ihn dir !
Laßt uns denn , wo wir gehn und ſtehen ,
Doch alles , was wir ſehn , bemuͤht ſeyn anzuſehen
Als etwas , ſo von GOtt hervorgebracht ,
Als etwas , welches GOtt erhaͤlt , das ſeine Macht
Und ſeine Lieb ’ und ſeine Weisheit weiſet ,
Ja ſeine Gegenwart ; das folglich alles wehrt ,
Daß man darum , darin darbey , den Schoͤpfer preiſet .
Nun wird er , wie er will geehret ſeyn , geehret ,
Wenn man , dadurch geruͤhrt , den Geiſt zum Geber lencket ,
Jn froher Achtſamkeit an ihn gedencket ,
Und ein ’ in uns dadurch erregte Luſt ihm ſchencket .
[figure] N 3 Bey 198 Bey Erblickung vieler Blumen im Garten . E s ſucht mit tauſend Luſt allhier
Der bunten Blumen bunte Zier
Und uͤber-wunder-ſchoͤn Gepraͤnge ,
Jn der faſt ungezehlten Menge
Von Liljen , Mah-und Roſen ,
Den Augen lieblich liebzukoſen ,
Zumahl wenn ein gelinder Weſt ,
Der ſanft ſie hin und wieder ſchwencket ,
Die Farben durch einander lencket ,
Wodurch es denn nicht anders laͤßt ,
Als wenn , in bunt-und regem Schein ,
Sie lebende Tapeten ſeyn .
Wer kann ſo ſchoͤne Decken ſehen ,
Die unſers Schoͤpfers Allmachts-Hand ,
Uns zu erfreuen , ausgeſpannt ,
Ohn ’ ihn in ihnen zu erhoͤhen ?
Es ſcheint der bunten Blumen-Flaͤchen
So wunderſchoͤn gefaͤrbte Pracht
Nicht nur allein von ihres Schoͤpfers Macht ,
Sie ſcheint auch im Geruch von ihm zu ſprechen .
Ein tauſendfach gemiſchter Duft
Efuͤllt und balſamirt die Luft ,
Und ſaget gleichſam unſerm Sinn :
Lenckt doch auf uns die Sinnen hin !
Jhr koͤnnt durch Riechen , Sehn und Schmecken
So Lieb ’ als Macht in uns entdecken .
Die Menge ſo verſchiedner Saͤfte ,
Die Anmuth tauſendfacher Kraͤfte ,
D [ie ] 199 Die jetzt aus allen Dingen qvillt ,
Und Erde , Luft und alles fuͤllt ,
Erfuͤllet dann auch billig mein Gemuͤthe ,
Daß es nicht nur verſpuͤhrt und ſieht
Die Schoͤnheit in der bunten Bluͤht ,
Die Lieblichkeit im friſchen Gruͤnen ;
Nein , daß es , gleich den regen Bienen ,
Aus allem gleichfals Honig zieht .
Der Honig , welcher geiſtig iſt
Und eine rechte Seelen-Speiſe ,
Jſt , wenn man , unſerm GOtt zum Preiſe ,
Sein ’ Allmacht , ſeine Lieb ’ ermißt ,
Und wenn man froͤlich uͤberleget ,
Daß was der Welt-Kreis herrlichs heget
Allein der GOttheit weiſe Kraft
Und ſeine Liebe ſchuf und ſchaft .
So ſucht die Kraft der regen Seelen ,
Wenn der Geſchoͤpfe Pracht ſie ruͤhrt ,
Und ſie darinn den Schoͤpfer ſpuͤhrt ,
Nicht nur die Wunder zu erzehlen ;
Sie iſt , von Jnnbrunſt heiß , bemuͤht ,
Wenn ſie im Werck den Schoͤpfer ſieht ,
Durch ein empfindlichs Ueberdencken
Sich ins allgegenwaͤrt’ge Meer
Der GOttheit gleichſam zu verſencken .
Sie wuͤnſcht , zu ihres Schoͤpfers Ehr ,
Jn einem durch der Wercke Pracht
Geſchmuͤckten Andacht-vollen Dencken ,
Sich ſelber ihrem GOtt zu ſchencken .
N 4 Sie 200 Sie wuͤnſcht und hofft zugleich , ſie werde ,
Geſchmuͤckt durch ſeiner Wercke Schein ,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erde
Ein nicht mißfaͤllig Opfer ſeyn !
[figure] Das 201 Das durch die Coͤrper verherrlichte Licht . M an ſiehet jetzt die Welt im Licht-Meer gleichſam
ſchwimmen ,
Und in gefaͤrbter Glut der Sonnen herrlich glimmen ;
Jhr bunter Glantz , ihr ſchoͤn gefaͤrbter Schein
Scheint himmliſch faſt , nichts irdiſches , zu ſeyn .
Es fiel , indem ich juͤngſt auf einer Hoͤhe ſtand ,
Und tauſendfache Luſt am bunten Glantz empfand ,
Den mir die Sonne wies , mir folgends ein :
Die Sonne ſcheint , nebſt tauſend ſchoͤnen Dingen ,
Der Pflantzen Pracht darum hervor zu bringen ,
Damit ihr eignes , uns ſonſt gar nicht ſichtbar , Licht ,
Wenn es ſich nicht an Coͤrpern bricht ,
Durch dieſe ſchoͤne Zucht der Erden ,
Jm Wiederſchlag uns moͤge fichtbar werden .
Denn dadurch , daß ſich an der Coͤrper Flaͤchen ,
Jm Wiederſchlag , die ſtrahlen brechen ,
Vermag nur an des Lichts ſonſt unbekannten Schaͤtzen ,
Sich unſer Geiſt , durchs Auge , zu ergetzen .
Es ſcheint es ließ die Sonne darum blos
Die Pflantzen aus dem duncklem Schoß
Der Erde ſteigen ,
Um ihrer Strahlen Pracht in ihnen uns zu zeigen .
Weil ſonſt , wie bunt , wie hell , wie wunderſchoͤn
Der Strahlen Eigenſchaft , nicht , ohne ſie , zu ſehn .
Da wie bekannt , die Farben anders nichts
Als Eigenſchaft - und Mildrungen des Lichts ,
So wie ſie an den Bau verſchiedner Coͤrper fallen ,
Nachdem die Strahlen an - und wiedr abwaͤrts prallen .
N 5 Wann 202 Wann nun der Sonnen dieſe Kraft
Von dem , der alle Dinge ſchaft ,
Zu ſeiner Ehr und unſrer Luſt , gegeben ;
So ſollten wir auch billig uns beſtreben ,
Wenn wir ſo ſchoͤne Wercke ſehn ,
Mit Ernſt ſie nicht nur zu betrachten ;
Auch auf die weiſe Art zu achten ,
Auf welche Weiſe ſie geſchehn ,
Und , als ſo viele Wunder-Proben
Von deſſen Weisheit , Lieb ’ und Macht ,
Der Coͤrper , Geiſter , Aug ’ und Licht hervor gebracht ,
Sie anzuſehen , ihn zu loben ,
Und in bewundernder Verehrung zu erhoͤh’n !
[figure] Das 203 Das Schau-Spiel der Natur . D ie gruͤn-bewachſnen Huͤgel ſchenen von unten uͤber -
waͤrts zu ſteigen ,
Und , wenn wir auf denſelben ſtehn , von oben abwaͤrts ſich
zu neigen .
Die uͤberall-bewachſnen Seiten , wenn ſie kein Ackers-Mann
bebaut ,
Deckt Buſch-und Strauch-und Kraͤuter-Werck , inſonder -
heit das Farren-Kraut .
Doch iſt das aller-angenehmſte , wenn auf bebuͤſchter Huͤ -
gel Hoͤh’n
Wir hoher Wipfel gruͤne Daͤcher auf Saͤulen-gleichen
Staͤmmen ſehn .
Da theils , in ſteter Nachbarſchaft , der Buͤchen-Eich - und
Linden Schatten ,
Die Kuͤhlung allgemein zu machen , gemeinſchaftlich ſich
gleichſam gatten ,
Theils , wenn ſie mehr entfernet frehn , durch Schatten -
Strich ’ , im Gegenſatz
Vom gelben Korn , vom gruͤnen Klee , die feurig ange -
ſtrahlten Stellen
Noch deſto kraͤftiger erheben , den hellen Schmuck noch
mehr erhellen .
Hier ſieht man , auſſer ſich vor Luſt , manch nach der Schnur
beflantzten Platz
Von hohen dunckel-gruͤnen Eichen , als Scenen auf dem
Schau-Platz , ſtehen ,
Wor zwiſchen weiß-und gelbe Felder dem Gold und Silber
aͤhnlich ſehen .
Auf 204 Auf dieſen ſieht man weiſſen Buch-auf jenen gelben Weitzen
prangen ,
Und uͤber ihnen ſchoͤnes Laub von langen Eichen-Aeſten
hangen ,
Wodurch , noch herrlicher erhaben durch ihrer Blaͤtter Dun -
ckel-Gruͤn ,
Dieß Feld , als waͤr es uͤberſilbert , das dort , als uͤberguͤl -
det , ſchien .
Ach wuͤrde , was auf dieſem Schau-Platz fuͤr ein ſchoͤn
Schau-Spiel wird geſpielet ,
Das blos allein in unſrer Luſt auf unſers Schoͤpfers Ehre
zielet ,
Und durch die wirckende Natur ohn Unterlaß wird aufge -
fuͤhrt ,
Von uns , als Schauern , die vernuͤnftig , mit Luſt geſehn ,
mit Danck verſpuͤhrt !
[figure] Schat - 205 Schatten . E s vermehrt ſo gar der Schatten ,
Den das Licht durch Coͤrper macht ,
Der Figur und Farben Pracht .
Denn wenn Schatten-Bilder ſich
Mit des Urbilds Bildern gatten ;
Stellt ſich der Figuren Zier
Unſern Augen doppelt fuͤr .
Und der Farben Lieblichkeit
Mehrt ſich noch verwunderlich
Durch der Schatten Dunckelheit .
Jn den Waͤldern , auf den Matten ,
Wenn wir alle Vorwuͤrff ſehn ;
Sind ſie faſt noch einſt ſo ſchoͤn
Durch die Nachbarſchaft der Schatten ,
Die das Licht noch mehr erhoͤhn ,
Und es auf verſchiednen Stellen
Durch den Gegenſatz erhellen ,
Die ſie , durch beweglichs Schertzen ,
Nicht ſo , wie es ſcheinet , ſchwaͤrtzen ,
Und die Farben nicht vertreiben ;
Da ſie wuͤrcklich alle bleiben .
Ferner kann man in der Hitze ,
Wie die Schatten ſuͤß und nuͤtze ,
Da ſie uns ſo lieblich kuͤhlen ,
Wenn man es erweget , fuͤhlen .
Laßt 206 Laßt uns denn , fuͤr Waͤrm ’ und Licht ,
Auch dafuͤr , daß Coͤrper dicht ,
Fuͤrs Gefuͤhl ’ und fuͤrs Geſicht ,
Danckbar unſerm GOtt uns weiſen ,
Und , in unſrer Luſt , ihn preiſen !
[figure] Ab - 207 Abſchied vom Garten . M ein GOtt ! du haſt auf dieſer Welt
Mir ſo viel herrliches geſchencket ,
Daß , wenn mein Geiſt es uͤberdencket ,
Es aller Gaben ſich ſo gar nicht wuͤrdig haͤlt .
Es lallet mein geruͤhrter Sinn
Voll Danck und Andacht : HErr ! ich bin
Nicht wuͤrdig der Barmhertzigkeit ,
Nicht wuͤrdig aller Treu und Guͤte ,
Die du an mir erzeigt die gantze Lebens-Zeit !
So ſprach ich juͤngſt , mit froͤlichem gemuͤthe ,
Als ich in meinem Garten ging ,
Und deſſen Schmuck und Lag ’ an zu betrachten fing .
Daß alles hier ſo lieblich gruͤnet ,
Daß alles uns zur Anmuth dienet ,
Davor muß ich , HErr ! dir allein
Jn froher Demuth danckbar ſeyn .
Daß du mir alles wollen goͤnnen ,
Zumahlen des Verſtandes Kraft ,
Daß ich es zierlich ordnen koͤnnen ,
Und ſo viel Witz und Wiſſenſchaft ,
Es ſo gefaͤllig einzurichten ,
Davor erfordern meine Pflichten ,
Jn froher Ehrfurcht , dir allein
Zu Ehren , froh und fromm zu ſeyn .
HErr , von aller dieſer Schoͤnheit , von der Farben Harmonie ,
Von dem ſchoͤnen Licht und Schatten ,
Von der Blaͤtter-eichen Gaͤnge Laͤnge , Meng ’ und Symmetrie ,
Die , in froͤlichem Verband , alle hier ſich lieblich gatten ,
Ja 208 Ja wodurch , in Pracht und Ordnung , alles ſich einander ſchmuͤckt ,
So , daß nicht leicht ſonder Anmuth es ein frembdes Aug ’ erblickt ,
Bin ich billig gantz erſtaunt : ſonderlich wenn ich mich lencke
Und , woher es eigentlich ſeinen Urſprung hat ? be - dencke .
Du ſelber haſt dieß ſchoͤne Stuͤck der Welt ,
Das allen , die es ſehn , gefaͤllt ,
Durch meine Hand , o GOtt , gezieret .
Weswegen auch nur dir allein , ( Da nichts von allen dieſem mein ,
Natur ſo wol , als Kunſt und Wiſſenſchaften dein ,
Als die uns blos von dir geſchencket ſeyn )
Lob , Ehre , Preis und Danck gebuͤhret .
Muß ich nun gleich den ſchoͤnen Ort ,
Nach deinen Fuͤhrungen , hinfort ,
Und zwar auf lange Zeit , verlaſſen ;
So ſuch ’ ich mich mit dieſem Troſt hiebey ,
Daß es , wills GOtt , doch nicht vor immer ſey ;
Jn dem Verluſt zu faſſen .
Wie leicht laͤßt es der Schoͤpfer doch geſchehn ,
Daß ich ihn froͤlich wieder ſehn ,
Und ſein aufs neu genieſſen kann .
Jch fleh ihn auch , wenn es ſein Gnaden-Wille ,
Darum hiemit , in Demuth , an .
Will GOtt es aber nicht ; wohlan ,
So halt ich ihm , nach meinen Pflichten ſtille ,
Da GOttes Wahl auch billig meine Wahl ,
Und ſeh ’ des Gartens Pracht , mit ſeiner Anmuth Fuͤlle ,
Gelaſſen denn hiemit zum letztenmahl .
Mir 209 Mir faͤllt jedoch hiebey ein Wunſch in Schwachheit ein ,
Den , wo er dir misfaͤllt , du gnaͤdig wirſt verzeih’n ;
Es preßt die Eigen-Liebe mir
Den Seufzer aus : Ach , HErr ! gefiel es dir ,
Daß , wenigſtens , doch dieſer Garten hier
Bey meinem kuͤnftigen Geſchlechte ,
Vergnuͤgt und wol gebraucht , verbleiben moͤgte !
[figure] O Herbſt - 210 Herbſt-Gedancken . J ch ſahe juͤngſt , im Herbſt , von Baͤumen die Blaͤtter fal -
len , und erbleichen ,
Jch dachte : ſollte man niht Baͤume mit Waſſer-Kuͤnſten
faſt vergleichen ?
Jndem der Erden-Saft in ihnen , in Blaͤttern , bald ſich
aufwaͤrts lenckt ,
Bald ſich , in eben dieſen Baͤumen , zur Herbſt-Zeit wieder
abwerts ſenckt ,
Um abermahl , zu unſerm Nutz , allmaͤhlig in die Hoͤh ’ zu
ſteigen ,
Und denn aufs neu , zu rechter Zeit , ſich abermahl herab
zu neigen .
Ach , ſaͤhe , zu des Schoͤpfers Ehren , mit froher See -
len , iedermann ,
Jn ehrerbietigſter Verwundrung , doch dieſen groſſen
Kreis-Lauf an !
Ach , ehrte man doch deſſen Allmacht , der ſtets im Nord ,
Suͤd , Oſt und Weſt
Dergleichen Waſſer-Kuͤnſt ’ in Baͤumen voll Anmuth vor
ſich ſpielen laͤſſ’t !
[figure] Herbſt - 211 Herbſt-Betrachtung . A uf ! laßt uns , unſerm GOtt zu Ehren ,
Der Erden Herbſt-Schmuck anzuſehn ,
Jn Gaͤrten , Feld-und Waͤlder gehn ;
Es wird gewiß ſein Lob vermehren !
Kann man wol ſonder Luſt erblicken ,
Wie ſich anjetzt , mit neuer Zier ,
Und neuen Farben , dort und hier ,
Der feuchten Erde Flaͤchen ſchmuͤcken ?
Wenn Laub und Schatten duͤnne werden
Erhoͤht und mehrt ſich uͤberall ,
Auch ſelber bey der Blaͤtter Fall ,
Der ſonſt nur gruͤne Schmuck der Erden
Es aͤndrn ſich anjetzt die Waͤlder ;
Das Gruͤn iſt nicht mehr allgemein ;
Es funckeln jetzt in buntem Schein
Der Baͤume Gipfel , Garten , Felder .
Ein Baum , wenn ihn , im frohen Lentzen ,
Der Sonnen guͤldnes Licht beſtrahlt ,
Jſt durch ein roͤhtlich Gelb bemahlt ;
So ſieht man jetzt die Baͤume glaͤntzen .
Jetzt ſcheinen die gefaͤrbten Blaͤtter
Und irher Wipfel roͤhtlich Gruͤn ,
Als wenn die Sonne ſie beſchien ,
Auch ſelbſt bey einem duncklen Wetter .
Wenn auch die Schatten alles druͤcken
Und uͤberziehen ; ſieht man ſie ,
Doch mit gedaͤmpfter Harmonie ,
Mit bunter Glut die Felder ſchmuͤcken .
O 2 Hie - 212 Hiedurch ſcheint uͤberall im Dunckeln ,
Jm Wald ’ und Feld ’ , an manchem Ort ,
Auf manchem Baum , bald hier , bald dort ,
Ein bunter Sonnen-Strahl zu funckeln .
Es ſcheinet gleichſam eingeſencket
Der Sonnen Glut in ihre Zier ,
Als haͤtten ſie , wie Loͤſch-Papier ,
Den Strahl der Sonnen eingetraͤncket .
Manch gelb-und roth-gefaͤrbt Gebuͤſche
Macht gleichfals , mit gefaͤrbtem Licht ,
Auf mancher Stelle , dem Geſicht
Ein bunt und liebliches Gemiſche .
An denen vormahls dichten Hecken ,
Die jetzt zwar ziemlich Blaͤtter-loß ,
Doch noch nicht gaͤntzlich nackt und bloß ,
Jſt neue Schoͤnheit zu entdecken .
Der Blaͤtter gelb und roͤhtlich Prangen ,
Das faſt wie Gold und wie Rubin ,
Doch uͤberall vermiſcht mit Gruͤn ,
Sieht man an braunen Aeſten hangen .
Man kann auch jetzo mit Vergnuͤgen
Durch bunte Blaͤtter , die ſo ſchoͤn ,
Die kleinen bunten Voͤgel ſehn ,
Weil ſie faſt unbedecket fliegen .
Der Blick wird uͤberall erfreuet ;
Es ziert ſo gar das bunte Laub
Das dunckle Land , den feuchten Staub ,
Als waͤren Blumen drauf geſtreuet .
Noch mehrer Schoͤnheit wird erblicket ;
Denn wie im Herbſt der Erden-Rund ;
So iſt die Luft , nicht minder bunt ,
Mit Glantz und Farben ausgeſchmuͤcket .
Man 213 Man ſieht mit Luſt in lauen Luͤften
Und am bewoͤlckten Firmament ,
Wie ein gefaͤrbtes Feuer brennt
Jn hie und dort zerſtuͤckten Duͤften .
Wenn man nun , wie in Luft und Erden
Ein ſchoͤn gefaͤrbtes Feuer gluͤht ,
Jm Herbſt , mit frohen Blicken , ſieht ;
So laſſet uns doch danckbar werden !
Laßt uns im Herbſt , mit froher Seelen ,
Den Schoͤpfer , der die Zeit der Welt
Jn ſolcher Richtigkeit erhaͤlt ,
Beſingen und ſein Lob erzehlen !
[figure] O 3 Der 214 Der Himmliſche Thau . A n einer Pflantze feuchter Spitze
Sah ich , in fruͤher Morgen-Zeit ,
Als Erd ’ und Luft voll reiner Heiterkeit ,
Jn einem Troͤpfgen Thau , viel helle bunte Blitze .
Jch ſprach , als ich vor Luſt mich kaum beſann ,
Das bunte Troͤpfgen folgends an :
Wie kommt es , daß in deiner Ruͤnde
Jch ein ſo herrlich , buntes Licht ,
Mit faſt geblendetem Geſicht ,
Jn ſolchem hellen Schimmer finde ?
Drauf deucht mich , daß ich ſehend hoͤrte ,
Wie es , mit klarer Schrift , mich dergeſtalt belehrte :
Was mich mit ſolchem Glantz erfuͤllt ,
Jſt das mir eingepraͤgte Bild
Der Sonne , die ſo wunder-ſchoͤn ,
Und die ihr , obgleich ihre Pracht
Allein die Creatur ſo ſchoͤn , ſo herrlich , macht ;
Dennoch kaum wuͤrdigt anzuſehn .
Damit ich nun , ſo viel an mir ,
Die Quell des Lichts und Lebens dir ,
Zu unſers groſſen Schoͤpfers Preiſe ,
Doch wenigſtens im Abdruck weiſe
So ſtell ich dir ihr herrlich Licht ,
Durch meine Klarheit , ins Geſicht .
Ja ich verricht ’ es nicht allein ;
Viel Millionen an der Zahl
Beſtreben ſich , nebſt mir , um auch den Strahl ,
Den allbelebenden und Wunder-reichen Schein ,
Jn 215 Jn deutlicher Copie , zu zeigen ;
Damit ihr zum Original ,
Durch ihren Glantz geruͤhrt , bewundernd moͤget ſteigen .
Jch ward geruͤhret durch die Klarheit
Der von dem Tropffen Thau mir angezeigten Wahrheit ;
Jch wendete mein geiſt - und coͤrperlich Geſicht ,
Voll Luſt und Danck , zum hellen Sonnen-Licht ,
Und danckte GOtt , daß er derſelben Pracht
So wunderbar gemacht .
Dem ſchoͤnen Morgen nun , nach dem der Tag verſchwunden ,
Und ſich der Abend eingefunden ,
Folgt ’ eine ja ſo ſchoͤne Nacht .
Jch ſahe denn , bey heitrer Luft , im Dunckeln ,
Die ungezehlten Sterne funckeln .
Wie ich nun fruͤh , vor Luſt erſtaunt , den Thau geſehen ;
So kam bey noch in mir vorhand’nen Thau-Jdeen ,
Nun auch der helle Himmel mir
Als wie ein weites Feld von glaͤntzendem Sapphir ,
Und , recht wie Tropfen Thau , die hellen Sterne fuͤr .
O! rieff ich , welch ein Feld ! O! welch ein Wunder-Thau ,
Womit ich es erfuͤllet ſchau !
O welche Tropfen ! deren Groͤſſe
Jch kaum mit den Gedancken meſſe !
Und die , wie unſer Thau , ihr Prangen
Nur blos von einer Sonn ’ empfangen !
O! welche Sonne ! die nicht nur ſolch Sonnen-Heer ,
Aus ihrem ew’gen Lichtes Meer ,
Als ſo viel Tropfen ſchmuͤckt und zieret ;
Nein , die derſelben Kraft und Pracht ,
Durchs Feur der Lieb ’ , hervorgebracht ,
Zum Nutz der Creatur formiret !
O 4 Ach 216 Ach laß , o ew’ges Liebes-Licht ,
So oft ich , in des Himmels Hoͤhe ,
Der Sonnen groſſe Tropffen ſehe ;
Doch meine Seele , durchs Geſicht ,
Zu dir , in ihrer Meng ’ , als ſo viel Staffeln , ſteigen ,
Und , voller Ehrfurcht , nie von deinem Ruhme ſchweigen !
[figure] Ama - 217 Amarantus criſtatus . N och kann man ſonder Luſt nicht ſehn ,
Wie ſonderlich geformt , wie ſchoͤn
Der purpurfarben ’ Amarant ,
Der insgemein criſtatus wird genannt .
Er hat faſt keine Form ; ſein Blatt beſteht aus Spitzen ,
Die ſonderbar vereint zuſammen ſitzen ,
Und in ſich ſelbſt , aufs neue , Spitzen reich .
Der meiſten Form jedoch iſt einem Hahn-Kamm gleich ;
Kein duncklel-rohter Sammt ,
Ja faſt kein feuriger Rubin ,
Kann in ſo vollen Farben gluͤhn ,
Als dieſe Blum ’ in rohtem Glantze flammt .
Wenn ich nun die dem Hahn-Kamm gleiche Blume ,
Mit aufmerckſamen Augen , ſehe ;
So deucht mich , daß ein Hahn mit ſanfter Stimme kraͤhe ,
Um aus dem Schlaf der Unempfindlichkeit ,
Zu deſſen Ehre , Preis und Ruhme ,
Der alle Vollenkommenheit ,
Der aller Dinge Schmuck und Pracht ,
Blos durch ein Wort , hervorgebracht ,
Mich zu erwecken ,
Und ſeine Gegenwart in allen zu entdecken .
[figure] O 5 Bal - 218 Balſamina . A uch hat mir die ſo ſuͤß ’ , als holde , Pracht
Der lieblich weiß - und roth-gemiſchten Balſaminen ,
Zum Preiſe deß , der ſie gemacht ,
Laͤngſt der Betrachtung wehrt geſchienen .
Jhr iſt im bunten Blumen-Reich ,
So wohl an Form ’ , als Farbe , keine gleich .
Sie ſcheint , wenn wir ſie Anfangs ſehn ,
Aus mehrern Vlaͤttern zu beſtehn ;
Doch ſchauen wir ſie recht ; beſtehet die Figur
Blos aus vier Blaͤttern nur ,
Die aber ſo verwunderlich verſchrenckt ,
Geformet und geordnet ſitzen ,
Daß es kein Menſch gedenckt ,
Der nicht , mit Achtſamkeit , die Augen auf ſie ſenckt ;
Da ſie denn in der That
Faſt die Figur von einer Gieß-Kann ’ hat .
An eines rothen Stengels Spitzen
Sitzt erſt ein breites Blatt ,
Das uͤberall ſonſt platt und glatt ,
Doch oben , wo es ſich ſanft auszuhoͤhlen pflegt ,
Ein kleines gruͤnes Spitzgen traͤgt ;
An deſſen Fuß erſcheint der andern Blaͤtter Par ,
Die in der Mitten
Natuͤrlich ſchienen ausgeſchnitten ,
Und welche man ſo lieblich ausgeruͤndet ,
So nett gebogen findet ,
Daß es ein offnes Hertz formirt ,
Jn welchem ſich der Blick verliehrt ,
Und ſich in eine Tieffe fuͤhrt ,
Die 219 Die noch ein ander Blatt ,
Das von des Ueberfluſſes Horn
Die eigentliche Bildung hat ,
Erblicken laͤßt ,
Jn deſſen aͤuſſerm Theil , wo ſich das Hoͤrnchen windet ,
Man eine Suͤßigkeit geſammlet findet .
Dieß hohle Blaͤttchen , das am rothen Stengel feſt ,
Scheint nicht allein mit ſeiner gruͤnen Spitzen
Der breiten Blaͤtter Par zu ſtuͤtzen ;
Es faßt es recht , als wie in einer holen Schalen ,
Jn welcher die Natur
Noch eine zierliche Figur ,
Ein guͤldnes Hertz , zu mahlen
Sich ſtets beſchaͤftiget .
Dieß Hertzgen ſo dieß hohle Blaͤtgen ſchmuͤckt ,
Wird durch die Oefnungen der Blaͤttergen erblickt ,
Die , wie geſagt , ſo ſonderlich formirt .
An aller dieſer Blaͤtter Fuß
Sieht man ein gruͤnes Koͤlbgen ſitzen ,
Deß ich annoch erwehnen muß .
Dieß iſt von laͤnglichter Figur ,
Und hat viel tauſend weiſſe Spitzen .
Hier hat die ſich erhaltende Natur
Den Schatz des Saamens eingeleget ,
Den es nicht nur , als ein Behaͤlter , heget ,
Nein den es gar , ſo bald der Saame reifft ,
Jndem es ſich ſo dann ſehr ſchnell zuſammen ſtreifft ,
Recht als mit einem Schuß gewaltig von ſich ſtreuet ,
Daß jedermann
Sich nicht genug darob verwundern kann ,
Und , wenn ers recht erwegt , mit Recht ſich druͤber freuet :
Die 220 Die Blumen nun , worauf ſich roth und weiß
Jn ungemein - und ſuͤſſem Grad vermiſchen ,
Stehn an ſehr zierlichen und ſchoͤn gefaͤrbten Buͤſchen .
Das ſchoͤne gruͤne Blatt nimmt faſt den Preis
Den audern Blaͤttern weg , da es ſo nett formiret ,
So zierlich eingekerbt
Und mit dem ſchoͤnſten Gruͤn gefaͤrbt .
Durch dieſes ſchoͤne Gruͤn nun glaͤntzt der Blumen Pracht
Jn einer gruͤnen Schatten-Nacht
Noch deſto lieblicher , da wir recht wunderſchoͤn
Hier weiß , dort roth , durchs Gruͤn erhoben ,
Dort gruͤn , dort roth und weiß , recht als beſtrahlet , ſehn .
Ach , ſaͤhe man ,
Ohn den , der ſie gemacht , zu loben ,
Doch dieſe Blumen nimmer an !
[figure] Auf - 221 Aufmunterung . D a GOtt in ſeiner Creatur
So wunderwuͤrdig ſich erwieſen ;
Ja da derſelbe ſich nicht nur
Erwieſen ; ſich noch immer weiſ’t :
Wie daß man ihn , wenn man ihn nicht geprieſen ,
Auch noch in unſrer Luſt nicht preiſ’t !
Jſt ſein Geſchoͤpf , wie oder er , nicht wehrt ,
Daß man in ihnen ihn verehrt ?
Jſt etwan , lieber Menſch , fuͤr deinen hohen Geiſt
Das , was er ſchuf , zu niedrig zu geringe ?
Es ſcheint ſo gar der Schoͤpffer aller Dinge
Nicht deiner Achtung wehrt zu ſeyn .
Hiedurch nun raubſt du dir nicht deine Luſt allein ,
Die er mit ſeiner Ehr ( o Liebe ) hier verbindet ;
Du raubeſt ihm zugleich die Ehre welche man ,
Jn ſeinem Werck allein und ſeiner Fuͤhrung findet ,
Und ohne ſie nicht finden kann .
Sprich ſelbſt , wenns nicht die Menſchen wollen ,
Was doch fuͤr Creaturen ſollen ,
Aus einem GOtt ergebnen Triebe ,
Empfindlich und erkaͤnntlich ſeyn ,
Fuͤr GOttes Weisheit , Macht und Liebe ,
Fuͤr ſeiner Gnaden Glantz und Schein ?
Worin iſt doch der Unterſcheid ,
Der zwiſchen uns und andern Thieren ,
Als blos hierin allein , zu ſpuͤhren ,
Das wir des Gebers Herrlichkeit
Und Macht und Lieb ’ , in ſeinen Wercken ,
Geſchickt und faͤhig zu bemercken ?
Was 222 Was koͤnnen wir , bey ſo viel Gaben ,
Die uns von GOtt allein geſchenckt ,
Wenn man nicht an den Geber denckt ,
Doch fuͤr Entſchuldigungen haben ?
Jch mag ſo viel ich immer kann
Den Geiſt auf alle Dinge lencken ;
So treff ich nichts ſo wuͤrdig an
Und kann , mit allem meinen Dencken ,
Nichts ſeeliger befinden ,
Um uns mit GOtt ſelbſt zu verbinden ,
Als wenn wir ſeine Groͤß ’ in ſeinem Werck ’ ergruͤnden .
Es kann ein froͤliches Gemuͤthe ,
Wenn wir den Ausbruch ſeiner Guͤte
Und ſeiner Macht und Weisheit ſehn ,
Und zu betrachten uns beſtreben ,
Nicht nur des Schoͤpfers Ruhm am herrlichſten erheben ,
Nein , gar ſich ſelbſt in ihm erhoͤhn .
[figure] Zum 223 Zum Herbſt . D a ich im Herbſt , in der Allee ,
Jn abgefallnen Blaͤttern gehe ,
Die , in geſaͤrbter Zierlichkeit ,
Als waͤren ſie mit Fleiß geſtreut ,
Die dunckel-braunen Steige zieren ,
So daß ſie durch die bunte Pracht
Zu deſſen Ruhm , der alles macht ,
Mich , inniglich geruͤhret , fuͤhren ;
Deucht mich daß auch , da ſie vergehn ,
Durch ihrer Farben buntes Glaͤntzen ,
Wodurch ſie Steig ’ - und Beeten kraͤntzen ,
Die Blaͤtter ihren HErrn erhoͤhn .
Mich deucht , ob hoͤrt ’ ich ſie , vom dunckel-braunen Grunde ,
Auf welchem ſie in groſſer Menge lagen ,
Mit theils bereits erblaßt-theils annoch rothem Munde ,
Mir dieſes noch , zum Abſchied ſagen :
Wir ſcheiden zwar nachdem wir ſchon gegruͤnet ,
Und faſt ein gantzes Jahr
Mit Farb-und Schatten dir gedienet ;
Allein wir ſcheiden nicht vor immer ;
Schau nun die Knoſpen auf den Zweigen ,
Die werden dir , in neuem Schimmer ,
Uns wiederum in andern zeigen .
Haſt du , durch unſre Schoͤnheit , nun ,
So wie du ſchuldig warſt zu thun ,
Den Schoͤpfer , den wir dir gewieſen ,
Durch oͤftern frohen Danck geprieſen ;
So haben wir , da wir gegruͤnt ,
Dem Schoͤpfer , auch durch dich , gedient .
Haſt 224 Haſt du es aber nicht gethan ;
So ſieh uns jetzt zuletzt noch an !
Und dancke GOtt , daß unſre Pracht
Dich oft geruͤhrt und froh gemacht .
Denn ihm allein iſt zuzuſchreiben ,
Daß wir , mit ſolchem holden Gruͤnen
Bekleidet , dir zur Luſt erſchienen ,
Daß wir vergehen und doch bleiben !
[figure] Liſte 225 Liſte einiger uns von GOTT ge - ſchenckten und erhaltenen Gaben , welche , in ihrem Beſitz , uns zur Danckbar - keit , und , in etwannigem Verluſt einer oder der andern , durch die Menge der uns noch gelaſſenen , zu einem vernuͤnftigen Troſt billig dienen ſolten . Dieſen von uns beſeſſenen Guͤ - tern ſind einige entfernte Plagen , wofuͤr GOtt uns behuͤtet , beygefuͤget . L aßt uns wenigſtens verſuchen ( um den Undanck zu beſchaͤmen ,
Welcher uns ſo ſtraͤflich macht ) einen neuen Weg zu nehmen :
Ob vielleicht die groſſe Menge aller uns geſchenckten Guͤter ,
Wenn wir ſie beyſammen ſehn , die verblendeten Gemuͤther
Aus dem Schlaffe der Gewohnheit etwan zu erwecken tauge !
Wann nun jeder ſich der Naͤchſte und ſich ſelbſt em - pfinden kann ;
Fang ich von den Wunder-Gaben unſers Coͤrpers billig an : Haupt und Haͤnde , Fuͤß ’ und Arme , Bruſt und Ruͤcken , Ohr und Auge , Adern , Nerven , Fleiſch und Haut , Hertz und Blut , Miltz , Leber , Lunge , Magen , Nieren , Marck und Knochen , Mund und Naſe , Zaͤhn ’ und Zunge ,
P Haare , 226 Haare , Gaum , Gehirn und Wangen , Lippen , Finger , Augen-Lieder , Huͤfte , Druͤſen , Eingeweide , Knorpel , Kehle , Halß und Schlund Naͤgel , Kniee , Rippen , Achſeln , Muskeln und viel andre Glieder :
Der Gebrauch von allen dieſen , daß ein jegliches geſund ,
Daß die Nerven nicht zerriſſen , kein Gelenck verdreht , die Knochen ,
Durch viel unverſehne Faͤlle , nicht geſplittert , nicht ge - brochen ,
Da zumahl am gantzen Coͤrper keine Stell ’ , auch noch ſo klein ,
Die bey uns nicht Schmertzen faͤhig , nicht empfindlich iſt vor Pein ,
Daß von allen dieſen Theilen tauſend Uebel abgewandt :
Daß kein Podagra , kein Fieber , keine Ruhr , kein Grind , kein Brand ,
Keine Waſſer-Sucht , kein Schwulſt , keine Schwind - Sucht , Peſt und Stein ,
Keine Maſern , Pocken , Raͤude , Laͤhmung , Zaͤhn - und Magen-Pein Ungebehrde , Wuͤrmer , Faͤlle , Schaͤbigkeit , Zerſtuͤmmelung ,
Schwehrer Huſt , Geſchwuͤhre , Frieſel , mancherley Be - ſchaͤdigung , Darm-Gicht , Bruͤche , Taub - und Blindheit , Schwindel , Schlag-Fluß , Seiten-Stechen ,
Nebſt viel tauſend andern Plagen , uns nicht qvaͤlen , uns nicht ſchwaͤchen .
Daß nicht minder unſer Geiſt , von Betruͤbniß , Raſerey ,
Schwermuth , Unruh , Angſt , Verwirrung , und von ſchwartzen Sorgen frey ;
Dieſe 227 Dieſe von uns ferne Qvalen , die uns alle druͤcken koͤnnen ,
Sind die nicht von ſolchem Wehrt , daß wir dem ein Danck - Lied goͤnnen ,
Der mit Vaͤterlicher Vorſorg ’ , auf ſo viele Weiſ ’ und Art ,
Leib und Seele biß daher vor ſo mancher Qual bewahrt ,
Ja daß von ſo vielen Plagen nicht nur Mann und Frau allein ,
Sondern oft ſo viele Kinder wunderbar behuͤtet ſeyn ?
Laßt uns denn nun weiter gehn , und der Guͤter Meng ’ erwegen
Die ſich um , und bey , und an uns , uͤberall vor Augen legen ;
Wie viel Millionen Guts zeigt die Qvell der Waͤrm ’ und Wonne ,
Auch des wunderſchoͤnen Lichts und der Fruchtbarkeit , die Sonne
Auf dem Erd-Kreis uͤberall ! Was iſt nicht im Meer , im Regen ,
Jn den Waͤldern , auf den Feldern , auf den Bergen , in den Gruͤnden ,
Jn den Gaͤrten , in den Wieſen und in Fluͤſſen vor ein Seegen
Und vor eine Wunder-Menge , uns allein zum Nutz , zu finden ?
Was hat nicht die Kunſt der Menſchen der Natur noch beygefuͤget ,
Daß man ſich nicht nur zur Nothdurft , auch noch zur Beqvemlichkeit ,
An mit kunſt-verbundnen Wundern der Natur , zu aller Zeit ,
Durch Betrachtung und Erkaͤnntniß , mit dem hoͤchſten Recht , vergnuͤget .
P 2 Laßt 228 Laßt uns denn der Dinge Menge , die uns naͤhren , die uns nuͤtzen ,
Auch die uns dabey vergnuͤgen nicht mehr unvermerckt be - ſitzen !
Werden wir nur ihre Zahl , blos dem Nahmen nach , erwegen ;
Moͤgt ’ die Menge die erſtaunlich , uns vielleicht zum Danck erregen .
Aller Elementen Kraͤfte , Feuer , Waſſer , Luft und Erde ,
Die fuͤnf Sinnen : Hoͤren , Schmecken , Fuͤhlen , Riechen und Geſicht ,
Das uns all ’ erfreu’nde Sonnen-Sternen-Mond - und Ker - tzen-Licht ,
Voͤgel , wild - und zahme Thiere , Ochſen , Kuͤhe , Schaaf ’ und Pferde , Laub und Kraͤuter , Gras und Blumen , Brodt und Kaͤſe , Wein und Bier , Aepfel , Birne , Rocken , Weitzen , tauſend Feld - und Garten-Fruͤchte ,
Acker , Wieſen , Wald und Feld , tauſend Land - und See - Gerichte ,
Eyer , Milch und Mehl und Butter , Buͤcher , Feder und Papier ,
Rede , Schriften , und Erfindung , Arbeit , Ruhe , ſuͤſſe Traͤume ,
Weiche Betten , Tuch und Decken , Speiſe , Tranck , Beqvemlichkeit ,
Peltzwerck , Haus-Geraͤhte , Zimmer , Freyheit , Friede , Sicherheit ,
Haͤuſer , Gaͤrten , Staͤll ’ und Scheuren , Vorwerck , Obſt - und wilde Baͤume ,
Fuhr - 229 Fuhr-Werck , Futter fuͤr das Vieh , Knecht ’ und Maͤgde , Hanf und Flachs , Diſtillier-Kunſt , Tiſch und Stuͤhle , Druckereyen , Far - ben , Wachs ,
Mancherley Beqvemlichkeiten , vor des Wetters Ungemach
Schirm vor Froſt , vor Sturm und Nebel , vor dem Re - gen Dach und Fach , Brenn-Holtz , Nahrung , Erbſchaft , Freunde , Fleis , Geſundheit , Appetit ,
Wolgerahtne Kinder , Eltern , gut Gemahl , und Anverwandte ,
Obrigkeiten , Zuͤnfte , Staͤnde , gute Nachtbarſchaft , Bekannte ,
Schiffahrt , Handel , Geld und Baarſchaft , Habe , Kaufmannſchaft , Credit ,
Ueberlegung , gute Neigung , Wiſſenſchaften und Vernunft ,
Witz , Begrif , Gedaͤchtniß , Kuͤnſte , Kuͤnſtler , Hand - werck , Artzeney ,
Poeſie , Matheſis , Schulen , Recht , Muſic und Mahlerey ,
Ein Vergnuͤgen an der Arbeit , froͤliche Zuſammenkunft ,
Schutz vor Ueberfall , Verdienſt , Sprachen und Ge - ſchicklichkeit ,
Ueberfluß , ein redlich Hertz , Billigkeit , Zufriedenheit ,
Hofnung , Zuflucht , Troſt im Ungluͤck , mit Bedacht ſpatzieren gehen ,
Und , nebſt dienlicher Bewegung , GOtt in ſeinen Wer - cken ſehen ,
Nicht zu heftige Begierden , ein beqvemer Auffenthalt ,
Guter Anſtand in den Sitten , eine leidliche Geſtalt ,
P 3 Nebſt 230 Nebſt viel tauſend andern Guͤtern auſſer uns , an deren Schaͤtzen
Wie ſie die Natur uns beut , wir geſchickt uns zu ergetzen .
Der ſo holden Zeiten Wechſel , Regen , Thau und Son - nen-Schein ,
Daͤmmrung , Fruͤh - und Abend-Roͤthe , in des Himmels tieffen Ferne So viel glaͤntzende Planeten , ſo viel Millionen Sterne ,
Und , auf unſrer Welt , fuͤr uns , Fluͤſſe , Baͤche , Sand und Stein , Saltz und Schwefel , Honig , Zucker , nicht zu zaͤhlen - des Getraide , Kleidung gleichfals ſonder Zahl , Wolle , Leinwand , Sammt und Seide ,
Die ſo nuͤtzliche Metallen , Eiſen , Silber , Gold und Bley ,
Kupfer , Stahl und Zinn und Meßing , Salben , Oel und Specerey ,
Aus ſo weit entfernten Laͤndern , Fruͤcht ’ und ungezehlte Wahren
Die zu Land , und durch die Fluth , auch die Ebb ’ , uns zu gefahren , Kuͤhle Schatten in der Hitze , Feur und Ofen in dem Froſt ,
Holde Blumen in dem Fruͤhling , und im Herbſt den ſuͤſ - ſen Moſt ,
Anſehn und ein gut Gewiſſen , GOttes-Furcht , ein gut Exempel ,
Ruhigs Schlafen , muntres Wachen , froͤlichs Eſſen , Ehr ’ und Ruhm , Hofnung , Freudigkeit , Erkaͤnntniß , Menſchen-Liebe , Chriſtenthum ,
Fleiß , Geſetze , gute Lehrer , Ordnung , Policey und Tempel .
Auſſer 231 Auſſer noch viel andern Guͤtern , Leibes-Gluͤcks-und See - len-Gaben ,
Die wir von des Schoͤpfers Weisheit , Macht und Lieb ’ empfangen haben .
Wann nun auch entferntes Uebel ebenfals ein Gluͤck zu nennen ,
Muͤſſen wir auch deren Mangel billig als ein Gluͤck erkennen .
Laßt uns denn auch davon etwas uns zum Troſt annoch beſehn
Und mit Ehrfurcht , daß der Schoͤpfer uns dafuͤr bewahrt , geſtehn . Hunger , Armuth , Durſt|und Bloͤſſe , ſchweres Graͤmen , Schaden , Schuld ,
Theurung , Krieg und Tyranney , Haß , Verachtung , Ungedult ,
Trauer , Zwang , Verluſt und Bande , Schifbruch , Ueberſchwemmung , Brand ,
Aufruhr , ungerahtne Kinder , Schimpf , Verlaͤumdung , Unverſtand ,
Zanck und Rachgier , Zagheit , Eifer , Schand ’ und Un - verſoͤhnlichkeit ,
Schrecken , Uebermuth und Unfleiß , Tummheit , Un - zufriedenheit ,
Diebe , Raͤuber , und Verfuͤhrer , Unbeqvehmlichkeit und Pein , Streit , Verbannung , Ueberdruß , Spott wenn wir in Noͤthen ſeyn ,
Neid , Belagerung ’ , Verfolgung , Mord , Verrath , Betrug und Feinde , Kummer , Vergewaltigung , Jrrthum , Thorheit , falſche Freunde .
P 4 Dieſes 232 Dieſes ſey vor dieſes mahl nun genug . Wo in der Welt
Etwas uͤberzeigendes , daß wir GOtt zum Danck verbunden ;
Wird es in der groſſen Menge ſeiner Gaben ja gefunden ,
Die er uns nicht nur geſchencket , die er uns ſo lang ’ erhaͤlt .
Moͤgten wir ein ſolch Regiſter dann und wann nur uͤber - leſen ,
Sollte man faſt hoffen muͤſſen , von der Unempfindlichkeit ,
Von dem ſchwartzen Undancks-Laſter , ungerechtem Hertzeleid ,
Von der ſelbſt-gemachten Schwermuth , Klag ’ und Mur - ren zu geneſen ;
Sonderlich wenn wir erwegen , wie doch ſo gering ’ und klein
Unſer aller Wuͤrdigkeiten , menſchliche Verdienſte ſeyn .
[figure] Noth - 233 Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit , und das Gute , ſo wir darin beſitzen , zu erwegen . W ie ungluͤckſeelig ſind wir Menſchen , und zwar da -
durch faſt blos allein ,
Daß wir fuͤr das beſeſſne Gute , unbillig , unempfindlich ſeyn !
Die groͤſten Schaͤtze , die wir haben , ſind , wie wir ja
geſtehen muͤſſen ,
Geſundheit , Guͤter , gut Geruͤchte , Bequemlichkeit und
gut Gewiſſen ;
Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit
ſo entriſſen ,
Daß , da wir nicht daran gedencken , uns der Beſitz gantz
unbewuſt
Und wir ſie leider gar nicht fuͤhlen , als in derſelbigen
Verluſt .
Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden : Wir ſind vom Schoͤ -
pfer ſo gemacht ,
Daß des Genuſſes beſter Theil in anders nichts beſteht , als
Dencken ;
Doch wir bemuͤh’n uns leider nicht , der Seelen Kraft
darauf zu lencken ,
Wodurch zugleich der Danck verſchwindet . Da dieſes
nun unſtreitig wahr ,
So wird zugleich der gantze Fehler durch ſolche Wahr -
heit offenbahr .
P 5 Allein 234 Allein , wie faͤngt man es denn an , von dieſem Ungluͤck zu
geneſen ,
Das alles Ungluͤcks Urqvell iſt ? Es macht uns die Gewohn -
heit blind
Und taub und fuͤhl-los . Unſer Geiſt , als der von einem
regen Weſen ,
Kann gantz unmoͤglich muͤßig ſeyn . Die feurigen Begierden
ſind
Dadurch bey uns gleich wilden Pferden , die nimmer ſtille
ſtehen koͤnnen ,
Den Ort , woſelbſt ſie ſind , nicht achten und ſtets nach
fernem Ziele rennen ;
Ja durch die allerſchoͤnſten Wieſen , ohn ’ alles , was aus
ihnen ſchoͤn ,
Ergetz - und nuͤtzlich zu genieſſen , zu ſehen , immer weiter
gehn .
Wir ſchieben den Genuß von allem , was wir beſitzen , im -
mer auf ,
Und gleichen Geitzigen , die ſcharren in ihrem gantzen Le -
bens-Lauf ,
Biß an den Tod , um ſich ſo dann an ihren eingeſchloſſnen
Schaͤtzen
Den Reſt des Lebens zu ergetzen .
Wann wir bey dieſem Zuſtand nun die Fluͤchtigkeit der
Zeit betrachten ,
Und , bey derſelben ſchnellen Flucht , auf unſre kurtze Dauer
achten ,
Erwegen , was wir einſt geſchrieben : Wir ſcheinen faſt
in unſerm Leben
Mit einem ſtetem Nichts umgeben ;
Er - 235 Erwegen , daß die Gegenwart ſo kurtz , und faſt be -
ſtaͤndig fliehe ,
Daß ſie , beſtaͤndig fortgezogen , das kuͤnft’ge ſtetig zu
ſich ziehe ,
So daß , in ihrer ſteten Flucht , ſie faſt nur ſcheint ,
als wenn ſie waͤr ;
Denn halb iſt ſie noch nicht erſchienen , und halb iſt
ſie bereits nicht mehr :
So ſag ich , finden wir kein Mittel , uns auf der Erde zu
vergnuͤgen ,
Als wenn wir ein vernuͤnftges Dencken zum fluͤcht’gen Ge -
genwaͤrt’gen fuͤgen .
Auf dieſe Weiſe blos allein haͤlt man der Zeiten ſchnellen
Lauf ,
Wenn man , was man beſitzt , erweget , durch frohes Den -
cken gleichſam auf ;
Man macht ſie dadurch gleichſam feſt , ja eignet ſie ſich gleich -
ſam zu ,
( Zumahl da ein ſtets kommend Kuͤnftig der Gegenwart
Verluſt erſetzt ,
Daß man es nicht vergangen fuͤhlet ) und alles ſcheint in
ſteter Ruh .
Es hat , bey unſrer kurtzen Dauer und Fluͤchtigkeit von un -
ſerm Leben ,
Der maͤchtig-gut-und weiſe Schoͤpfer zwey Mittel uns zum
Troſt gegeben ,
Die kurtze Luſt uns zu verlaͤngern ; er hat ſie in uns ſelbſt
geſenckt ;
Er legt die Faͤhigkeit in uns , wenn man nur ordentlich
gedenckt .
Man 236 Man kann durch Hoffen und Erinnern die kuͤnft’gen und
vergangnen Sachen ,
Durch Dencken , gleichſam ſchon vorher und wieder ge -
genwaͤrtig machen .
Jndem es nun unſtreitig wahr , daß unſer wuͤrckliches
Vergnuͤgen ,
Ja gar , im Danck , das wahre Lob des Schoͤpfers , blos
im Dencken liegen ;
Ach , ſo verſaͤumt , geliebte Menſchen , doch euer Gluͤck
und eure Pflicht ,
Zu dem Geſchaͤfte , das ſo noͤthig , als leicht und nuͤtzlich iſt ,
doch nicht !
Wo etwas noch in unſrer Macht , ſo ſind es die Gedancken
ja ,
Als die wir gleichſam ſelbſt erzielen , daran wir ſelber aͤn -
dern koͤnnen ;
Jndem nun ſolche Faͤhigkeit uns unſer Schoͤpfer wollen
goͤnnen
Und er uns ſo gemacht , als wenn , zu unſrer Luſt und
ſeinen Ehren ,
Von unſerm wuͤrcklichem Vergnuͤgen wir gleichſam ſelber
Meiſter waͤren :
Ach , ſo beſtrebt euch immer mehr , durch ein bedachtſam
ſehn und fuͤhlen ,
Zu eurer Luſt und GOtt zum Ruhm , den holden End -
zweck zu erzielen :
Durch eure fluͤchtigen Gedancken der Zeiten Fluͤchtigkeit zu
binden ,
Sein Lob und eure Luſt zu mehren durch ein vernuͤnftiges
Empfinden !
War - 237 Warnung fuͤr Afterreden . W ie waͤr es , lieber Menſch , wenn man gewißlich
wuͤſte ,
Ja , wenn man auch nur zweifeln muͤſte ,
Daß etwann , nach gewiſſen Jahren ,
Dein Nechſter alles wuͤrd ’ erfahren ,
Was etwann hinterruͤcks dein Mund von ihm geſprochen ,
Wuͤrd es auch gleich durch anders nichts gerochen :
Was meinſt du , wuͤrdeſt du dich nicht entſehn ,
Mit ihm auf die Art umzugehn ,
Wie du es jetzo machſt ? Nun koͤmmt es mir
Nicht nur der Wahrheit aͤhnlich fuͤr ,
Ob werde dieß dereinſt geſchehn ;
Jch find in heil’ger Schrift ſo gar die Spuren ſtehn :
Die Dinge die verborgen waren
Wird GOtt , zuſammt dem Raht der Hertzen , offenbaren ;
Dieß ſtehet deutlich da . Drum diene ſolch Entdecken
Dich vom Gewohnheits-Schlaf zu wecken ,
Und von Verlaͤumdungen und Laͤſtern abzuſchrecken .
[figure] Noth - 238 Nothwendige Verehrung des Allgegenwaͤrtigen . Z oͤg ’ ein groſſer Fuͤrſt , verkleidet , unbekannt im Land ’
umher ,
Und ein Unterthan vermeinte ihn zu kennen ; ſollt er nicht
Bey Verwundrungs-vollen Mienen und mit froͤlichem
Geſicht
Etwas Gutes gerne ſprechen , zu des Landes Fuͤrſten Ehr ?
Und wir wiſſen , daß der Schoͤpfer , durch den ſo viel
Guts geſchicht ,
Jmmer bey uns gegenwaͤrtig . Laßt uns denn doch auch
nicht ſchweigen ;
Sondern uͤber ſeine Wunder , ihm zum Ruhm , uns froh
bezeigen !
[figure] Troſt - 239 Troſtreiche Groͤſſe GOttes ! D ie unermaͤßliche Beſchaffenheit
Von unſers Schoͤpfers Groͤß ’ , die in die Ewigkeit ,
So ſonder Ende , ſich erſtrecket ,
Und dadurch faſt , da unſer Geiſt ſo klein ,
Und wir faſt gegen ihn fuͤr nichts zu rechnen ſeyn
Durch gar zu groſſe Groͤß ’ uns ſchrecket ,
Jſt dennoch voller Troſt ; weil ſie ja nicht allein
Sich in die Fern ’ und von uns abwerts ſencket ;
Nein , da ſie alle Ding ’ erfuͤllt ; iſt dieß der Schluß ,
Daß ſie ſich gleichfals zu uns lencket ,
Daß ſie uns gleichfals nah , ja uns beruͤhren muß .
[figure] GOtt 240 GOTT regiret alles . G ereichet ’ es dem groſſen All zur Ehre ,
Zu glauben , daß mit dem , was klein ,
Sich zu befaſſen , ihm zu niedertraͤchtig waͤre ;
So wuͤrd ’ ich andrer Meinung ſeyn .
Weil aber , ſonder allen Streit ,
Weit groͤſſere Vollkommenheit
Erfodert wird , um alles zu regiren ,
Als etwas nur ; wird es uns ja gebuͤhren ,
Vielmehr das herrlichſte vom Schoͤpfer zu gedencken ,
Als ſeine Macht und Weisheit einzuſchrencken ;
Zumahl , wie es ja leichtlich zu erkennen ,
Nichts eigentlich fuͤr GOtt klein oder groß zu nennen .
[figure] Spuren 241 Spuren der GOttheit . A lle Ding ’ in der Natur ,
Die wir ſchmecken , hoͤren , ſehen ,
Deuten klaͤrlich an , geſtehen ,
Und erinnern uns nicht nur ,
Daß ein GOtt , ein Schoͤpfer ſey ;
Sondern , wenn wir redlich hoͤren ,
Hoͤren wir die weiſen Lehren :
Daß wir ſeiner GOttheit Schein ,
Der ſo hell , als allgemein ,
Zu bewundern zu verehren ,
Pflichtig und verbunden ſeyn .
Aller Sternen helle Heere ,
Die im Boden-loſen Meere ,
Jn den Tieffen ohne Graͤntzen ,
Allenthalben um uns glaͤntzen ,
Zeigen , bey entwoͤlckter Nacht ,
Von der Wercke Wunder-Pracht ,
Zeigen von des Schoͤpfers Macht ,
Jn der wirckenden Natur ,
Uns die allerklaͤrſte Spur ;
Sah ’ , am unbekandten Strande ,
Dorten Bias in dem Sande
Mathematiſche Figuren ;
Sprach er : ſehet Menſchen-Spuren !
Wie viel mehr kann man in Sternen
Der Sapphirnen Himmels-Hoͤh’n
Spuren einer GOttheit ſehn ,
Dieſe groſſe Wahrheit lernen :
Q „ Der 242 „ Der , nur , der der Sonnen Menge
„ Sammt den Schaaren aller Welt ,
„ Jn ſo herrlichem Gepraͤnge ,
„ Jn ſo richtger Ordnung , haͤlt ,
„ Sie ſo wunderbar regiret ,
„ Jſt , dem ewig Preis gebuͤhret !
[figure] Heil - 243 Heilſahme Schwaͤche . W ill man von Hochmuth aufgeblaſen , von Stoltz
geſchwollen , ſich erheben ;
So dencke man doch , wo und wie uns unſer Leben wird
gegeben .
Es wird die Menſchheit , ſonder Zweiffel , ſich weniger er -
hoͤh’n , als ſchaͤmen ,
Erwegt man Art und Ort , wie wir und wo wir unſern
Anfang nehmen ;
Betrachten wir hiebey des Coͤrpers hinfaͤllige Beſchaffenheit ,
Der Kranckheit Laſt , des Lebens Kuͤrtze und fluͤchtige Ver -
gaͤnglichkeit
Erwegt man mit geſetztem Sinn , ohn Vorurtheil , zugleich
dabey ,
Wie ſelber unſer Geiſt ſo ſchwach , ſo eitel , und ſo niedrig
ſey ;
Wie oft ihn Leidenſchaft bemeiſtert ; wie wir ſo wenig
gruͤndlich wiſſen ;
Wie oft er ſich ſo weit verirret : wird man denn nicht ge -
ſtehen muͤſſen ,
Daß wir uns hier auf dieſer Welt , mit allen unſern Vor -
zugs Gaben ,
Mit allem eingebildten Witz , nicht ſehr zu bruͤſten Urſach
haben .
Sey aber darum nicht betruͤbet : es fließt aus der Erkenntniß
mehr ,
Als was man anfangs glauben ſolte . Es fließt daraus , zu
GOttes Ehr ,
Der Naͤchſten-Liebe Quell , die Demuth , im Leben ; und
wann wir erblaſſen
Der Glaub ’ , in welchem wir gedultig auf ſeine Lieb ’ uns
blos verlaſſen .
Q 2 Un - 244 Unempfindlichkeit . D a wir von GOtt , in dieſer Welt , unzehlich Gutes
uͤberkommen ,
Und , zum Beſitz ſo vieler Guͤter , der kuͤnſtlichen fuͤnf Sinnen
Thuͤren ;
Wie koͤmmt es denn , daß wir dadurch nicht tauſendfache
Luſt verſpuͤhren ?
Hat etwann unſer Feind , der Teufel , uns die Empfindlich -
keit genommen ?
[figure] Die 245 Die beſte Gabe der Menſchen . M ein GOtt ! was ſoll ich dir doch geben
Fuͤr alles , was , in meinem Leben ,
Mehr als man ſinnet , weiß und denckt ,
Mir deine Vater Huld geſchenckt ?
Wenn ich mich ſelbſt und alles meine
Dir , HErr , zur Gabe reichen wollte ,
Und alles dir zum Opffer zollte ;
So iſt es doch ſchon alles deine .
Es leidet deine Groͤſſe nicht ,
Die unermaͤßlich , zu gedencken ,
Ob koͤnne man dir etwas ſchencken ;
Da dir von allem nichts gebricht .
Was aller Himmel Himmel faſſen ,
Und alle Welt , gehoͤrt ja dir ;
Und dennoch ſcheints als waͤre mir
Noch etwas zum Geſchenck gelaſſen .
Jch opfre dir , fuͤr deine Guͤte ,
Ein , von der Creaturen Zier
Erfuͤlltes , froͤliches Gemuͤhte ,
Woraus die heiſſe Danck-Begier ,
Fuͤr alle Gnade , die uns hier
Dein Gnaden-Will empfinden laͤßt ,
Oft einen frohen Seufzer preßt .
Q 3 Ein 246 Ein froͤliches : GOtt Lob ! allein
Wird meine gantze Gabe ſeyn .
Ein ſolches freuden-reiches Lallen ,
Gewirckt durch danck-begier’ge Triebe ,
Wird , uns zum Nutz , o ew’ge Liebe ,
Allein aus Liebe , dir gefallen .
[figure] Die 247 Die vergaͤngliche Dauer der Natur . S ind gleich Blumen fluͤcht’ge Bilder irdiſcher Be -
ſchaffenheit ;
Zeiget doch ihr Wiederkommen der Natur Beſtaͤn -
digkeit .
[figure] Q 4 Sene - 248 Seneca . W as kann es eigentlich doch fuͤr Vergnuͤgen geben ,
Daß ich mich in die Zahl derjenigen , ſo leben ,
Auf dieſer Welt geſetzet ſehe ?
Daß etwann Speiß und Tranck durch meine Gurgel gehe ?
Daß ich den morſchen Leib , der doch ſo ſchwaͤchlich ,
Der , wenn man ihn nicht ſtets erfuͤllet , ſo gebrechlich ,
Beſtaͤndig pfropf ’ und ſtopf ’ und faſt nur leb ’ allein ,
Ein Kranckenwaͤrter hier zu ſeyn ?
Wofern man ſeinen Geiſt nicht nach dem Schoͤpfer lencket ,
Und ſeine weiſe Lieb ’ - und wunderbahre Fuͤhrung ,
Die Wunder ſeiner Macht und herrlichen Regierung ,
Jn Ehrfurcht voller Luſt , bewundernd uͤberdencket ,
Und inniglich geruͤhrt , ihn innig liebt und ehrt ;
So iſt das Leben hier auf Erden
Nicht einſt ein Gut genannt zu werden ,
Nicht , daß man es begehre , wehrt .
[figure] Taͤg - 249 Taͤglicher Wunſch . A ch GOtt , ich kann mit tauſend Freuden
Mein Hertz an deinen Wundern weiden ;
Ach laß es oft von mir geſchehn !
Gieb daß ich heut und jeden Tag ,
Zu deiner Ehr ’ , oft hoͤren , ſehen ,
Empfinden , riechen , ſchmecken mag !
Laß auch mein Beyſpiel andre leiten ,
Damit von deiner Herrlichkeiten
Allgegenwaͤrt’gem Glantz und Schein
Noch mancher mag geruͤhret ſeyn !
[figure] Q 5 Lehre . 250 Lehre . D es Lebens weſentliches Gut iſt eine Still ’ in unſrer Seelen ,
Die , wenn man mit Vernunft verfaͤhrt , wir uns nach unſerm Stand ’ erwehlen ,
Und uns zu einem Endzweck ſetzen . Es iſt nichts noͤhtigers im Leben
Als daß wir , dieſer kuͤnft’gen Ruh , uns , ſo viel moͤglich iſt , beſtreben ,
Die Luſt und Reitzung auf zu opfern , die uns die Gegen - wart zu reichen ,
Und uns dadurch ſtuͤrtzen pfleget , eh ’ oft kaum wenig Stunden weichen .
Es muͤſte keine Leidenſchaft ſo lebhaft und ſo reitzend ſeyn ,
Daß ſie , durch ſich , uns hindern ſollte , das Urtheil nicht vorher zu ſehen ,
Das , uͤber unſer Thun und Laſſen , dereinſt wird von uns ſelbſt ergehen ,
Wenn eine kurtze Trunckenheit den Uberlegungen wird weichen ,
Die ihr ſtets pflegen nachzufolgen . Vielleicht wirfſt du mir hierauf ein :
Soll 251 Soll denn ein Trunckener ſo gut , als ob er nuͤchtern waͤre , dencken ?
Das iſt ja ſchlechter dings nicht moͤglich . Doch hoͤr ’ ! ein Weiſer , wenn er trinckt ,
Nimmt ſich doch auch beym Trunck in acht , in Spott und Schimpf ſich nicht zu ſencken ,
Als wie ein wilder Trunckenbold , der ſtets dadurch in Schande ſinckt ;
Drum brauch ( jetzt ſiehſt du daß ich dich nicht mit zu ſtren - gem Joch belade )
Der gegenwaͤrt’gen Luſt ! doch ſo : daß ſie der kuͤnftigen nicht ſchade !
[figure] Die 252 Die Danckbarkeit . O ft hab ich bey mir uͤberlegt , nachdem ich uͤberzeuglich
ſehe ,
Daß mehrentheils in frohem Dancken der wahre GOttes -
Dienſt beſtehe ,
Was Dancken eigentlich denn ſey ? Wenn man der Men -
ſchen Danck erweget ,
Und die gemeine kalte Art zu dancken ernſtlich uͤberleget ;
So kommt es mir nicht anders fuͤr :
Als daß man mit dem bloſſen Schall der Worte : HERR ,
ich dancke dir !
Die GOttheit gnug bezahlet glaube : ohn daß , vom An -
dachts-Feur geruͤhret ,
Die Seele , durch Erkaͤnntlichkeit empfangner Gaben , et -
was ſpuͤhret ,
So ſie zur Gegen-Liebe reitzt , und das ſie von der Macht
und Guͤte
Des groſſen Schoͤpfers aller Dinge unwiederſprechlich
uͤberfuͤhret .
Wenn noch , von ſo viel tauſenden , die gar nicht dancken ,
ein Gemuͤthe
Dem groſſen GOtt einſt dancken will , ſo werden ihm Jdeen
fehlen ;
An Worten fehlt es ebenfalß . Man weiß nicht was man
ſagen ſoll ;
Ein kalt GOTT Lob ! erſchallt noch wol .
Koͤmmts hoch , ſo wird man , als was neues , die Wohl -
that einem Freund ’ erzehlen .
Auf , laßt uns denn den gantzen Geiſt , auf , laßt uns
unſrer Seelen Kraͤfte ,
Mit Ernſt bemuͤht ſeyn anzuwenden zu dieſem heilſamen
Geſchaͤfte !
Ein 253 Ein wahrer Danck iſt eine Frucht von einer Seelen , die
geruͤhrt
Durch Wolthat , welche ſie empfangen , und die , durch
ſolche Luſt getrieben ,
Entflammte Danck-Bewegungen und eine frohe Sehnſucht
ſpuͤhrt ,
Dem Geber angenehm zu ſeyn , aus allen Kraͤften ihn zu
lieben ,
Und , in Erwegung des Geſchencks , Erkaͤnntlichkeiten aus -
zu uͤben ,
So weit nur ihr Vermoͤgen reicht . Je mehr erhaben nun ,
je groͤſſer
Und maͤchtiger der Geber iſt ; je wuͤrdiger zugleich und
beſſer
Die Gabe : je gewaltiger entſtehn die Feuer-reichen Triebe
Von einer Ehrfurcht-vollen Neigung und dienſt-begier’gen
Gegen-Liebe .
Wo nun vom menſchlichen Geſchlecht dem Schoͤpfer etwas
kann gefallen ,
Muß es von einer frohen Seelen ſolch Danck - und Lie -
bes-Opffer ſeyn !
Allein ! wenn wir dem Schoͤpfer dancken , verſpuͤhrt man
wol ein ſolches Wallen
Von Lieb und Luſt in unſern Seelen ? ſolch eine Sehn -
ſucht ? leider , nein !
Wir fuͤhlen nicht einmahl die Schaͤtze , die GOtt in ſolcher
Fuͤll ’ uns giebet ,
Wer ſchmeckt den Reichthum ſeiner Guͤte ? wir riechen ,
ſehn , und hoͤren nicht .
Bewundert und erwegt man wol , was blos durch ſeine
Macht geſchicht ?
Bedenckt man , mit vergnuͤgter Seele , wie ſehr uns unſer
Schoͤpfer liebet ?
Ja 254 Ja wuͤrdigt man ſo viele Gaben , die er allein uns doch
geſchencket ,
Daß , im bedachtſamen Genuß , man ihr ſich freut und ſein
gedencket ?
Treibt uns noch die Gewohnheit einſt , wie oder die Religion
Zum Dancken , iſt es kalt und kurtz ; man hoͤret keinen
andern Thon ,
Als etwan : Hoͤchſter , dir ſey danck ! da wir doch , wenn
wir etwan beten ,
Mit vielen ausgeſuchten Worten beredt genug zur GOtt -
heit treten ,
Mit vielen Wiederhohlungen , was GOtt doch weiß , von
ihm verlangen ,
Wovon man bald des Dancks vergißt , ſo bald wir es von
ihm empfangen .
Dadurch nun daß wir GOttes Gaben nicht wuͤrdigen , ſie
zu ermeſſen ,
Einfolglich , nie darob erfreuet , des mehr als ſchuld’gen
Dancks vergeſſen ,
Entſteht in unſerm gantzen Weſen durch unſer ’ Unem -
pfindlichkeit
Ein murriſch , unvergnuͤgt Gemuͤthe , Verdruß und Unzu -
friedenheit ,
Auch dann , wann wir im Gluͤcke ſitzen , und dieß entſtehet
blos allein
Daraus , daß wir auf GOttes Wercke ſo gar unbillig -
achtlos ſeyn .
Der Schoͤpfer wird im Werck verachtet , man ehrt nicht
GOtt , ſich ſelber nur ,
Dieß 255 Dieß zeiget Stoltz und Eigen-Liebe . Aus dieſen ſchwar -
tzen Qvellen flieſſen
Ein ſtoͤrrig , wiederſinnig Weſen , zum Guten Traͤgheit ,
keine Triebe
Von einer holden , kindlichen , mit Freundlichkeit vermiſch -
ten Liebe ,
Wodurch denn gegen unſern Naͤchſten auch Haß und Bit -
terkeit entſprieſſen .
Man weis von keiner Furcht fuͤr GOtt , als einer Knechti -
ſchen ; man wuͤhlt
Jm Neid ’ und Geitz beſtaͤndig fort , weil man ſonſt kein
Vergnuͤgen fuͤhlt .
Nun ſtelle dir zwo Seelen fuͤr , gantz von einander unter -
ſchieden ,
Die eine froͤlich , freundlich , fromm ; die andre nimmer
recht zu frieden ,
Stets murriſch , ſtoͤrrig , graͤmlich , traurig . Die eine
Seele zeigt in allen
Erkaͤnntlichkeit , Danck , Liebe , Sanftmuth , Vergnuͤgen
und Gelaſſenheit ;
Die andere Misvergnuͤgen , Unmuth , Gram , Wieder -
willen , Bitterkeit ;
Sprich ſelber welche ſolte dem , der alle beid ’ , in dieſer
Zeit ,
Zu ſeiner Ehr ’ , in ſeinen Wercken vergnuͤgen wolte , doch
gefallen ?
Entſteht nun aus der Nicht-Erkaͤnntniß ſo vieler uns ge -
ſchenckten Gaben
Und aus den nicht erwognen Wundern , die wir hier zu
betrachten haben ,
Des 256 Des Undancks Wuſt , und aus demſelben ein Laſter - und
ein Ungluͤcks-Heer ;
Ach , ſo gewehnt euch , liebſte Menſchen , zur Luſt , zum
Danck , je mehr und mehr !
Denn , ſtimmt mit hier empfangnen Guͤtern ein frohes
Dancken uͤberein ;
Wird GOtt und Naͤchſter recht geliebet , du hier vergnuͤgt ,
dort ſeelig ſeyn .
[figure] Quelle 257 Quelle alles Guten . J ch bewundre deine Wunder , und ich bet ’ in ihnen an
Dich , o wunderbarer Schoͤpfer , Quell des Lichts
und aller Dinge ;
Ob ich gleich , wie dieſes alles eigentlich aus dir entſpringe ,
Nicht zu faſſen faͤhig bin , weniger beſchreiben kann .
Eben , daß dieß meine Seele nicht begreiffet , ſtellet mir
Meinen Geiſt , ſo wie er iſt ,
Klein ; dich gleichfals , wie du biſt ,
Unbegreiflich , weiſ ’ , unendlich , liebreich und allmaͤchtig
fuͤr .
Die Erkaͤnntniß dein - und meiner , ſo aus deinen Wercken
qvillt ,
Womit deine Lieb ’ und Allmacht aller Himmel Himmel
fuͤllt ,
Wirckt , zu deinen wahren Ehren , wahre Demuth , wahre
Liebe ,
Wahre Sehnſucht , dir gefaͤllig , danckbar , froh und from
zu werden ;
Sie erzeugt zugleich die dir angenehmen Liebes-Triebe
Gegen unſern Neben-Menſchen . Kann denn wol auf dieſer
Erden
Ein GOtt-liebers Opfer ſeyn , als ein Hertz , das ſeine
Macht ,
Seine Weisheit , ſeine Liebe , in der Creatur , erweget ,
Und , in ihr , die Herrlichkeit ihres Schoͤpfers , mit Bedacht ,
Sieht , bewundert , ehrt , und froͤlich ſeine Wunder uͤberleget ?
[figure] R Alart . 258 Alart . E s hatte P. . S. . juͤngſt ſich vorgenommen , ſeinen Hund ,
Den treu-und muthigen Alart , recht voͤllig einmahl
ſatt zu machen ;
Er warf , des Endes , manchen Biſſen von dem , was auf der
Tafel ſtund ,
Nebſt weiß-und ſchwartzem Brodt ihm zu . Alart riß den
geſchloſſnen Rachen
Bey jedem Wurf ſchnell von einander , ſchlang den erhaſch -
ten Biſſen nieder ,
Ohn ihn zu kauen und zu ſchmecken , und ſchloß den heiſ -
ſen Rachen wieder ,
Mit ſtarrem Blick nach mehr ſich ſehnend . Jch ſah ’ Alarts
Betragen an ,
Daß er von aller Niedlichkeit der ihm gegoͤnnten guten
Biſſen ,
Weil er ſie ungekaͤut verſchlang , nicht das geringſte muſte
wiſſen .
Ach , dacht ich bey mir mit Betruͤbnis , ach leider ! daß faſt
jedermann
Mit dem uns zugeworffnen Guten , ſo uns der Schoͤpfer
hier beſchehrt ,
Und oft in reichem Maaß uns goͤnnet , recht eben wie
Alart verfaͤhrt !
An ſtatt uns an Geſundheit , Klugheit , Geld , Ehr ’ ,
und noch viel andren Gaben ,
Die GOtt uns oft ſo reichlich ſchenckt , in froͤlichem Ge -
nuß zu laben ,
An 259 An ſtatt des groſſen Gebers Guͤte und Macht und Weiß -
heit zu entdecken ;
An ſtatt , fuͤr die empfangnen Guͤter , erkenntlich froh und
fromm zu ſeyn ;
So ſchlingen wir , ohn Danck und Anmuth , was uns ge -
ſchenckt ſtets hungrig ein ,
Weil wir , in unterlaſſnem Dencken , nicht hoͤren , ſehen ,
fuͤhlen , ſchmecken .
[figure] R 2 Sinn - 260 Sinnlicher Beweiß daß GOtt in den Geſchoͤpfen zu ehren . D a wir in der Religion und unſrer heil’gen Bibel Lehren
Schon koͤnnten unterwieſen werden , durch einen
Sinn allein : durchs Hoͤren ;
So ſage mir , zu welcher Abſicht der Schoͤpfer doch in dieſem
Leben
Der andern Sinnen Wunder-Gaben und tauſend Vor -
wuͤrff ’ uns gegeben ,
Als ſeine Weisheit , Macht und Liebe , in ſeinen wun -
derbaren Wercken ,
Mit Luſt und mit Bewunderung , in heil’ger Andacht zu
bemercken .
Sein herrlich Regiment in allem zu ſpuͤhren , ſchmecken ,
und zu ſehn ,
Und dergeſtalt mit Leib und Seele ſein Goͤttlich Weſen zu
erhoͤhn ?
[figure] Wort 261 Wort des Schoͤpfers . W ir finden in der Schrift : daß aller Himmel Pracht
Sey durch das Wort des HErrn gemacht ;
Und alle ſeine Heere ,
Als Sonnen , Welte , Land und Meere ,
Durch ſeines Mundes Geiſt . Jſt dieſes wahr ,
Wie es unſtreitig iſt ; ſo folget dieſes klar :
Man ſieht an einem jeden Ort
Auch in der Creatur des HErrn , des Schoͤpfers , Wort .
Es hat nicht aufgehoͤrt . Sein Wort kann nicht vergehen ,
Wie eines Menſchen Wort , das , gleich wie ein Geſchrey ,
Dahin , vorbey .
Es ſchallt in Ewigkeit . Wenn ich dieß uͤberlege
Und Ehrfurcht voll dieß groſſe Wort erwege ;
So kommen mir
Der Creaturen-Heer ’ , als Lettern , fuͤr ,
Die GOtt ſo wunderbar gefuͤget ,
Worinn der Sinn des Schoͤpfers lieget ,
Und worinn mehr , als man wol , leider ! meint ,
Der GOttheit Weſen glaͤntzt und ſcheint .
Will man denn nun , bey ſo beſtalten Sachen ,
Nicht vom Gewohnheits-Schlaf erwachen ?
Will man , zu unſers Schoͤpfers Ehren ,
Sein ewigs Wort nicht ſchallen hoͤren ?
Will man die ſchoͤne Schrift , die wunder-wunder-ſchoͤn ,
Nicht beſſer , als bisher , mit Luſt und Andacht ſehn ?
Will man den Jnnhalt nicht verſtehn ,
Der anders nichts als bruͤnſt’ge Triebe
Von einer ewig-weiſ - und ewig maͤcht’gen Liebe ?
R 3 Be - 262 Betrachtung unſerer Seelen-Kraͤfte . U nſre Seele ſcheint ein Weſen ,
Uns von GOTT dazu erleſen ,
Jn den wunderbaren Wercken
Seine weiſe Macht zu mercken ,
Seine Liebe zu empfinden ,
Seine Wunder anzuſehn ,
Seinen Nahmen zu erhoͤhn ;
Aber , was er ſey verſtehn ,
Seine Wege zu ergruͤnden ,
Seine Fuͤhrung , Eigenſchaft ,
Zweck und Regiment zu faſſen ;
Ueberſteiget ihre Kraft
Und ſie muß es unterlaſſen .
[figure] Der 263 Der Traum . J ch lag , voll ſchwartzer bittrer Sorgen ,
Jn eines Kerckers Gruft und dunckler Nacht verborgen ;
Die Feſſel druͤckten mich ; doch mehr noch , als die Bande ,
Die Furcht der kuͤnftigen Verachtung , Straff ’ und Schande
Da dacht ’ ich , welch ein Schatz die guͤldne Freyheit ſey .
Jch that die Augen auf , und fand mich wuͤrcklich frey ,
Von aller Furcht erloͤſ’t , von aller Pein geneſen ;
Denn meine Noth , ( GOtt Lob ) war nur ein Traum geweſen .
Jch danckte billig GOtt . Doch dacht ’ ich noch dabey ,
Ob etwann die Melancholey ,
Womit ſich viele Geiſter qvaͤlen ,
Nicht einem ſchweren Traum der Seelen
Gar fuͤglich zu vergleichen ſey ?
Noch mehr : ob nicht ein Traum uns koͤnn ’ ein Vorbild
geben
Von einer Seelen-Pein , ſo gleich nach dieſem Leben ?
[figure] R 4 Eigent - 264 Eigentliche Ehre des Schoͤpfers . U nmoͤglich kann ich mich entlegen ,
Zu unſers groſſen Schoͤpfers Ehr ’ ,
Von ſeiner Ehre noch was mehr ,
Als biß dahero , zu erwegen .
Zu GOttes Ehr ’ iſt jedermann ,
Wie uns Vernunft und Schrift berichtet ,
So viel man immer weiß und kann ,
Nach aller Moͤglichkeit verpflichtet .
Allein , bedencket man es recht ,
So ſcheint das menſchliche Geſchlecht ,
Durch ein ich weiß nicht was verfuͤhret ,
Und , blos aus Eigennutz getrieben ,
Statt Ehre , die nur GOtt gebuͤhret ,
Nur in der That ſich ſelbſt zu lieben .
Man glaubt , daß man den Schoͤpfer ehrt ,
Wenn man ihm danckt , daß er uns naͤhrt ,
Wenn man oft eine Predigt hoͤrt ,
Wenn wir , aus bruͤnſtigem Verlangen ,
Die Seeligkeit dort zu empfangen ,
Und etwan , hier auf dieſer Welt ,
Beqvemlichkeiten , Ehr ’ und Geld ,
Mit oͤfters wiederhohltem Beten ,
Vor ihn , zur Fruͤh-und Mittags-Zeit ,
Bald mit , bald ſonder Andacht , treten .
Allein , wenn ich es recht betrachte ,
So ſcheinet dieſes eigentlich ,
Als ob hierin man mehr auf ſich ,
Als auf die Ehre GOttes , achte .
Ja , 265 Ja , wenn anch etwas von der Ehre
Fuͤr GOtt , in dem Betragen , waͤre ,
Als nemlich : eine Zuverſicht ,
Daß GOtt uns alles Gutes goͤnne ,
Daß er allein uns helffen koͤnne ;
So iſt es doch die Abſicht nicht ,
Als welche , wenn mans recht ermißt ,
Auf uns faſt blos gerichtet iſt .
Denn koͤnnten wir in dieſem Leben
Uns alles Gute ſelber geben ,
So frag ’ ich dich , ob nach der Weiſe ,
Wie wir gewohnt an GOtt zu dencken ,
Man oͤfters , zu des Schoͤpfers Preiſe ,
Jhm Danck und Ehre wuͤrde ſchencken ?
Du wirſt mir , leider ! zugeſtehn ,
Es wuͤrde ſelten gnug geſchehn .
Hieraus nun kan man deutlich ſehn ,
Wenn wir den Schoͤpfer ehren wollen ,
Daß wir unwiederſprechlich ſollen
Uns mit weit mehrerm Ernſt beſtreben ,
Der Seelen edelſt ’ Eigenſchaft ,
Die ihr verliehne beſte Kraft , Das Ueberlegen und das Dencken ( Weil man den Schoͤpfer ſelbſt ohn ſein Geſchoͤpf nicht ſieht )
Mit treu-und redlichem Gemuͤth ,
Auf ſeine Creatur zu lencken ,
Als deren Schoͤnheit , Ordnung , Pracht ,
Am allermeiſten ſeine Macht
Und ſeine Lieb ’ und Weisheit weiſen ,
Um ihn am wuͤrdigſten zu preiſen .
R 5 Wann 266 Wann wir , wie wir ja billig ſollen ,
Was GOttes Ehr ’ ? erkennen wollen ,
Und worinn ſie beſteh ’ ? ergruͤnden ;
So macht uns die Erklaͤhrung zwar ,
Die wir im Catechiſmo finden ,
Es ziemlich deutlich offenbar ,
Da wir darinn erbaulich leſen :
Man ehre recht des Schoͤpfers Weſen ,
Wenn wir auf ſeine Guͤte bauen ,
Jhn lieben , fuͤrchten , ihm vertrauen .
Dieß faſſet alles , das iſt wahr ,
Und machet unſre Pflichten klar ,
Doch , da es etwas allgemein ,
So wird noch zu erklaͤren ſeyn
Die Urſach , und wie ſehr GOtt wehrt ,
Daß man ihm traut , ihn liebt und ehrt .
Wir koͤnnten auſſer GOttes Wercken
Nicht einſt der GOttheit Weſen mercken ;
Dem Geiſt zeigt das Geſchoͤpf allein :
Es muß ein GOtt , ein Schoͤpfer ſeyn !
Ja dieß erklaͤhret noch dabey
So wol daß als auch was er ſey .
Noch mehr , nur dieß zeigt , daß er wehrt ,
Daß man ihm dient , ihn liebt und ehrt .
Es kann kein wuͤrdiger Begriff von Ehre ſeyn ,
Als dieſer blos allein ,
Wenn um erkannte Treflichkeiten ,
Und nach Beſchaffenheit der Vollenkommenheiten ,
Man jemand hoch in ſeiner Seelen ſchaͤtzt
Und , nach erkanntem Recht , ihn uͤber andre ſetzt .
Um 267 Um Wolthat , welche man empfangen ,
Jſt Dancken unſre Pflicht inſonderheit ;
Um Wolthat kuͤnftig zu erlangen ,
Wird das Gebet gebraucht , mit hoͤchſter Billigkeit ;
Die Ehr ’ hingegen iſt allein
Blos der Bewundrung Frucht . Auf welche Weiſe nun
Kan jemand doch von uns bewundert ſeyn ,
Wenn man ſein Wunder-wuͤrdigs Thun
So viel nicht achtet ,
Das mans erweget und betrachtet ?
Des groſſen Schoͤpfers Thun ſind alle ſeine Wercke .
Wenn ich dieſelbige nun nicht bemercke ,
Jſt auch zugleich des Schoͤpfers Macht
Und Lieb ’ und Weisheit nicht bedacht .
Einfolglich , wenn wir ſie nicht ſchmecken , ſeh’n , und hoͤren ,
Da GOtt nicht ohne ſie zu ſehn ,
Jſt es unmuͤglich , GOtt zu ehren .
Hingegen ehrt man ihn , wenn ſeinent wegen nur ,
Aus Ehrfurcht , die man fuͤr ihn heget ,
Man gegen ſeine Creatur ,
Ein ’ Art Reſpect und Achtung traͤget .
Wenn man ſie , als von GOtt hervorgebracht , erweget ,
Worin er ſelbſt ein Bild von ſeiner Macht gepraͤget .
Je mehr ich meinen Geiſt auf dieſe Wahrheit lencke ,
Und auf die Wichtigkeit derſelben dencke ;
Je mehr entdecket ſich in mir ein helles Licht ,
Das uns ſo gar nebſt der , wie uns gebuͤhret ,
Den Schoͤpfer zu erhoͤhn , zugleich noch auf die Pflicht ,
Wie man den Nechſten liebet , fuͤhret .
Wer 268 Wer den Zuſammenhang recht eigentlich
Von dieſer Lehr ’ erweget , der befindet ,
Daß auch die Naͤchſten-Liebe ſich
Auf Goͤttlichen Geſchoͤpfs Betracht - und Achtung gruͤndet :
Uns iſt , als eine Pflicht , befohlen ,
Daß man den Naͤchſten lieben ſoll ;
Der Grund von dieſer Pflicht iſt , daß er ja ſo wol , Als wir , von eben dem den Urſprung hergenommen ,
Von welchen wir gekommen .
Des Naͤchſten Coͤrper iſt ſo kuͤnſtlich , als der deine ;
Mit deinem ſtammt ſein Geiſt aus einer Quelle her ;
Er iſt zu unſers Schoͤpfers Ehr ’
Ein Werckzeug ja ſo wol , als wie du ſelber biſt ;
Dein Weſen iſt nicht beſſer , als das Seine .
Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur ,
Wie er ja wuͤrcklich iſt ;
Und waͤren erſt gewohnt , den Schoͤpfer in den Wercken ,
Nach unſrer Schuldigkeit , mit Ehrfurcht , zu bemercken ;
So wuͤrden wir , dadurch geruͤhrt , nicht nur
Des Naͤchſten Leben ihm nicht mehr verleiden ,
Jhn weder haſſen noch beneiden ,
Jhn nicht verfolgen , nicht verfluchen ,
Wie leider oft geſchicht : o nein , vielmehr
Wuͤrd ’ jeder ſelbſt des Schoͤpfers Ehr ’ ,
Den Naͤchſten hoch zu achten ,
Auch Naͤchſten-Liebe , ſuchen .
Be - 269 Begreifft ihr nun hieraus , geliebte Menſchen , nicht ,
Was an der Creatur Betrachtungen gelegen ?
Da nicht nur unſre Luſt , da nicht nur unſre Pflicht ,
Da ſelbſt der GOttes-Dienſt , wenn wir es recht erwegen ,
Mit ſelbigen vereint .
Verſchmaͤht den Strahl doch nicht , der euch ſo helle ſcheint !
Nimmt man nun , wie man ſoll , des Schoͤpfers Liebe , Macht ,
Und Weisheit uͤberall in dem Geſchoͤpf ’ in Acht ;
Wird man des Hoͤchſten Ruhm am wuͤrdigſten vermehren ,
Und dieß heißt eigentlich allein , den Schoͤpfer ehren .
[figure] Die 270 Die Seiffen-Blaſe . A ls von meinen Soͤhnen einer neulich Seiffen-Blaſen machte ,
Und ich uͤber den Betrieb ſeiner Einfaͤll ’ anfangs lachte ;
Ward ich endlich , da er eine , die vor andern groß und klar ,
Und von wandelbaren Farben unbeſchreiblich herrlich war ,
Durch den wunderſchoͤnen Glantz , der recht unvergleichlich ſchoͤn ,
Faſt gezwungen , mit Bedacht , ihre Schoͤnheit anzuſehn .
Jch erſtaunte , wie ich hier ein ſo bunt-gefaͤrbtes Licht ,
Jn faſt uͤber-ird’ſchem Schimmer , ein faſt brennend Roht , ein Gruͤn ,
Das den reineſten Smaragd , ſo wie jenes den Rubin ,
Wuͤrcklich uͤbertraf , erblickte . Aber ein Sapphirner Schein
Und ein helles Purpur-Feuer , eine mehr als guͤldne Glut
Nahm , mit einem ſchnellen Wechſel , augenblicks die Stel - len ein ,
Die erſt gruͤn und roth geweſen . Jn dem Glantz , der nim - mer ruht ,
Sah ich mit erſtarrten Blicken , als im Diamantnen Spiegel ,
Himmel , Erde , Haͤuſer , Fenſter , Waͤlder , Felder , Thal und Huͤgel
Sich in ſchnellen Farben bilden , als ein neues Wunder , an ,
Welches alles uͤbertraf , was man ſeh’n und dencken kann .
Alles ſtand in buntem Schimmer , alles war gedoppelt ſchoͤn ,
Weil , was auf der obern Flaͤche , ſich auch auf der untern wies ,
Und , als wie die Luft im Waſſer , alles doppelt ſehen ließ ;
Formen , Farben , Glantz und Licht waren rund , auch hohl zu ſehn .
Mich 271 Mich beduͤnckt , indem ich ſcharf auf die Farben in der Naͤhe ,
Mit geſchaͤrften Blicken , ſehe ;
Daß ich eine nach der andern kommen , ſcheinen und vergehn ,
Und , an ihren vor’gen Stellen , andre ſchwinden und entſtehn ,
Und auch die ſich aͤndern , finde . Weil faſt nichts beſtaͤndig ſtund ;
Was erſt weis war , faͤrbt ſich gruͤn ; dieſes roth ; das rothe bunt ;
Denn erſchien das weiſſe wieder , und die Aenderung war ſchoͤn .
Dieſer Kugel Farben-Wechſel kam , wie ichs bedachte , mir
Recht , als unſer Zeiten Wechſel auf der Erden-Kugel , fuͤr ;
Da im Sommer , Herbſt , und Winter und in dem be - bluͤmten Lentzen ,
Gelb und Roth und Weiß und Gruͤn , wechſels Weiſe , lieblich glaͤntzen .
Alle Jahres-Zeiten ſind auf der Welt zu gleicher Zeit ,
Und ſie aͤndern ihren Ort zwar in mindrer Schnelligkeit ,
Aber doch auch ſchnell genug . Ferner ward ich noch gewahr
Wie von allen Elementen gleichfals die gevierte Schaar
Jn dem kleinem Raum ſich zeigte . Jn dem Gruͤnen , in dem Blauen ,
Jn dem Weiſſen , in dem Rohten , war die Erde , war die Fluth
War die Luft und war die Glut ,
Jn beſonderm Glantz , zu ſchauen .
Durch den bunten Wunder-Schein und durch gleichſam bunte Flammen
Jnniglich geruͤhret , zog alsbald meine Seele gantz ,
Und mit allen ihren Kraͤften , in mein Auge ſich zuſammen .
Wel - 272 Welches , mit geſchaͤrftem Blick , den durchſicht’gen Kreis durchdrang .
Wie ſie nun , halb ſelbſt verklaͤhret , gantz im Lichte ſchwebt ’ , zerſprang
Alles : Kugel , Glantz , Figuren , Glut und Schimmer , Farb ’ und Licht .
Jch erſchrack , da , ſtatt des Glaͤntzens und ſtatt eines hellen Lichts ,
Blick und Seele , wie der Blitz , in ein dunckel , leeres Nichts
Ploͤtzlich ſich verſencket fand . Dieß zeugt ’ ernſtliche Gedancken ;
Und auf einem neuen Wege fand ich eine neue Spur ,
Durch die ſo veraͤnderliche , als beſtaͤndige , Natur ,
Zum unwandelbarem All , der ohn End ’ und ſonder Schrancken .
Was bey uns der Blaſen-Kreis , iſt fuͤr GOtt der Kreis der Erden ,
Aller Jrrſtern ’ Kreis und Circkel , ja der allgemeinen Welt ,
Groſſer Circkel , den er ſchuf , den er durch ein Wort ließ werden ,
Und den blos ſein Will ’ allein , und ſein groſſes Wort erhaͤlt ;
Aber den auch blos ſein Wort ſchnell zertheilen , ſchnell zerſprengen ,
Schnell veraͤndern , ſchnell verderben , in ihr vorigs Chaos mengen ,
Ja ( wie Blaſen gar vergehn ) gar in Nichts verwandeln kann .
Dieſes iſt unwiederſprechlich ; darum wenn wir Blaſen ſehen ,
Die bald in vollkommner Ruͤnde , Farb ’ und Glantz ſtehn , bald vergehen ,
Und in einem Huy zerſtieben , denck ein jeder doch daran !
Der 273 Der Geruch . S o wie durch den Schall die Luft bald harmoniſch
zugericht ,
Bald zu klugen Woͤrtern wird ; wie ſie hell wird durch
ein Licht ;
So wird durch den reinen Balſam , der aus bunten Blu -
men ſteiget ,
Sie , durch ein unſichtbar Licht , hell . Jch hoͤr ’ , daß etwas
ſpricht ,
Und ein ſuͤß , harmoniſch Weſen meiner Seele deutlich zeiget ,
Welches mich durch Luſt zur Andacht , ſonderlich zum Dan -
cken , treibt
Und , mit bunten Lettern , gleichſam dieß in meine Seele
ſchreibt :
Unſer Geiſt kan im Empfinden , zu des groſſen Schoͤpfers
Ehren ,
Wenn ſie nur bedachtſam riecht , deutlich dieſe weiſen Lehren ,
Aus der Blumen leiſen Sprache , wie aus allen Dingen , hoͤren .
Lieſt die Seele durchs Geſicht ; ſtellet ſie ſich durch das Ohr
Wenn ſie treue Lehrer hoͤret : Groß iſt unſer Schoͤpfer !
vor ;
Riecht ſie eben dieß in Blumen . Denn die wolgemiſchten
Saͤfte
Und des kuͤnſtlich-edlen Werckzeugs unſerer Naſen ſcharf -
fe Kraͤfte
Zeigen , wenn man es erweget , ja ſo deut-als lieblich an ,
Daß vom Schoͤpfer alles ſtammet , aus ſich ſelbſt nichts
werden kann .
S Noth - 274 Nothwendigkeit auf die Creatur zu achten . W ie , ſonder Licht , ob er gleich noch ſo ſchoͤn ,
Die Augen keinen Coͤrper ſehn ;
Und wie auch , ſonder Gegenſchlag
Der Coͤrper , man das Licht ſelbſt nicht zu ſehn vermag :
So ſieht man , ſonder GOtt , auch keine Creatur ,
Und , ſonder Creatur , vom Schoͤpfer keine Spur .
[figure] Allge - 275 Allgegenwart des Schoͤpfers . W as mich faſt aus mir ſelber ſetzt , iſt von dem Schoͤpfer
die Jdee ,
Den ich ſo kenntlich im Geſchoͤpf , und , in der Unermaͤßlichkeit
So wunderbar verborgen , ſehe .
Es iſt derſelbige zu gleicher Zeit
Bekannt und unbekannt , verdeckt und klar ,
Verborgen und auch offenbar
Doch uͤberall Anbethungs-wuͤrdig . Er iſt uns allen nah
und fern ;
Als HErr und Herrſcher aller Herr’n ,
Enthaͤlt ſich ſeine Groͤß ’ und Vollenkommenheit
Jn ſeiner Unbegreiflichkeit .
Er ſpricht allein mit uns und zeigt uns ſeine Spur ,
Durchs Mittel ſeiner Creatur ,
Die allenthalben von ihm ſpricht , und nie von ſeinen We -
ſen ſchweiget ,
Die iſt der Spiegel ſeines Weſens , der aller Arten ihn
uns zeiget .
[figure] S 2 Saa - 276 Saamen-Gehaͤuſe . A bermahl ein neues Wunder der formirenden Natur !
Abermahl ein neues Meer von beſondern Sel - tenheiten ,
Welches alle , die es ſehn , gantz auf eine neue Spur
Zu der weiſen Macht des Schoͤpfers , die gantz unerſchoͤpf - lich , leiten
Und zur Andacht bringen kann , ja zur Andacht bringen muß !
So faſt vor Verwundrung ſtarr , rief ich , als mein Julius ,
Der mein vierter Sohn , mir juͤngſt etwas , ſo er abgepfluͤcket ,
Voll Verwundrung uͤbergab .
Dieß war eine Saamen-Huͤlſe , recht verwunderlich geſchmuͤcket ,
Recht verwunderlich gebildet , von ſo ſeltzamer Figur ,
Daß ich nie dergleichen ſah . Welches , da ich weiter dachte ,
Mich auf einen neuen Weg in das Reich der Creatur ,
Und zu einer neuen Werckſtatt voller neuer Wunder brachte ,
Wo hinein ich biß daher , leider ! gar nicht hingekommen ,
Weil ich , durch Gewohnheit blind , nichts davon in acht genommen .
Dieſes war nun die Betrachtung , auf wie wunderbare Weiſe
Doch der Finger der Natur ſo gar kuͤnſtliche Gehaͤuſe
Fuͤr der Pflantzen Saamen baut . Es iſt in der That nicht glaͤublich ,
Ja warhaftig nicht begreiflich , und noch weniger beſchreiblich
Die Veraͤndrung der Figuren , die in ihnen wunderſchoͤn ,
Wann wir ſie genau betrachten , und mit Ernſt beſehn , zu ſehn .
Von 277 Von des Saamens Formen ſelber will ich jetzo nichtes ſchreiben ,
Noch viel minder von dem Weſen , das , wie wenig man es glaͤubt ,
Jmmer der Vernunft verborgen , ein Geheimniß iſt und bleibt ;
Sondern nur , bey der Gehaͤuſe wunder-vollen Bildung , bleiben .
Es iſt wahr , der Blumen Bildung , ihr verſchiedliches Gepraͤnge ,
Jhre ſchoͤn-formirten Blaͤtter , ihrer Farben Schmuck und Menge
Sind mit Recht bewunderns-wehrt : aber , zu derſelben Zeit ,
Da die ſpielende Natur ſolcher Wunder Lieblichkeit ,
Mit geſchaͤft’gen Fingern bildet , iſt ſie noch auf eine Pracht ,
Die nicht minder kuͤnſtlich iſt , als die Blumen ſelbſt , bedacht :
Zum Beweis , wie an Erfindung ſie ſo unerſchoͤpflich reich ,
Und wie ihr zu ihrer Abſicht aller Stof gerecht und gleich .
Seh ich , mit ſo vieler Muͤh , aus ſo viel verſchiednen Sachen ,
Menſchen , zu dem Schnupf-Toback , mancherley Behaͤlter machen ,
Von verſchiedenen Figuren ; muß ich ihrer wahrlich lachen ,
Wenn ich denck ’ auf wie viel Arten , von nur einem Stoff allein ,
Die Behaͤlterchen des Saamens kuͤnſtlich zugerichtet ſeyn .
Viele Saamen-Huͤlſen gleichen neuen Blumen , welche man
Mit den erſten Blumen ſelber oft an Kunſt vergleichen kann .
Viele gleichen kleinen Trauben ; andre Sternen ; viele Hoͤrnern ;
Viele Kugeln , andre Strichen ; bald Quadraten , kleinen Koͤrnern ;
S 3 Bald 278 Bald ſind ſie gedreht , bald lang ; bald gleicht eines einer Gabel ;
Jenes iſt recht wie ein Pfeil ; dort wie eines Storchen Schnabel ;
Dieſes zieren tauſend Spitzen ; dies iſt rauch und jenes glatt ;
Das gleicht einer kleinen Blaſe ; das iſt dicke , dieſes platt
Und ſo duͤnn , als ein Papier ; kegel-foͤrmig , eng ’ und weit ,
Dicht , durchſichtig , krumm und eckigt , Schnecken-foͤrmig , ſpitzig , breit .
Wenn verſchiedne zart und weich , ſanft , gelind und bieg - ſam ſeyn ;
Schrencken andre ſich nicht nur in ſehr harten Kernen ein ;
Sondern , wie die Dattel-Kerne , ſind ſie ſelbſt ein harter Stein .
Viele ſieht man in dem Kelch , viele bey der Blumen Spitzen ,
Andre wieder an der Wurtzel , an den Stengeln andre , ſitzen .
Viele ſind in Kaͤtzgen , Kolben , ja in Blaͤtter ſelbſt geſenckt ,
Dieſe von gefaͤrbten Haͤuten , die von Blaſen , eingeſchrenckt .
Nur allein vom Klee zu ſprechen , ſah ich juͤngſt , in einem Garten ,
Von gantz unterſchiednen Formen , ihrer auf die ſechszig Arten ,
Wovon viele Kugel-foͤrmig , andre rings-um Spitzen-reich ,
Viele Schmetterlingen-Fluͤgeln , viele Schnecken-Haͤuſern gleich ,
Viele voll verwirrter Stacheln , wie ein kleines Stachel - Schwein ,
Viele Rollen vom Toback , viele Cronen aͤhnlich ſeyn .
Hier ſieht man aus einer Blum ’ eine nette Spitze ragen ,
Die ſich unterwaͤrts zertheilet , in vier halbe Cirkel kruͤmmt ,
Welche recht verwunderlich , Leuchtern gleich , dazu beſtimmt ,
Daß ſie in vier runden Kugeln zierlich ihren Saamen tragen .
Jn 279 Jn verſchiednen findet man , nicht ohn inniges Vergnuͤgen ,
Da ſie recht mit Sammt gefuͤttert , und aufs weichlichſte behahr’t ,
Nicht allein das Saamen-Koͤrnchen vor Gefahren wol verwahrt ;
Sondern man ſieht ihn darin , recht als wie auf Polſtern , liegen .
Viele , die aus Federgen , einen Schloßwerck gleich , beſtehn ,
Siehet man , um ihren Saamen allenthalben hinzubringen ,
Wunderbarlich , wenn ſie reif , ploͤtzlich von einander ſpringen .
Sie ſind gleichſam recht bemuͤht , ihre Kinder ſelbſt zu ſaͤ’n ,
Wie die Balſamina thut : ja , was mich noch mehr ergetzet ,
Und voll froͤlicher Verwundrung oͤfters in Erſtaunen ſetzet
Jſt ein Bluͤmchen , welches ſich gleichſam ſelber Fluͤgel ſchafft ,
Um an manchem Ort zu bluͤhen . Wenn die rechte Blume faͤllt ,
Wird uns gleich , aus vielen Bluͤmchen , eine neue , dargeſtellt .
Jeder Saam-Korn , deren man oͤfters uͤber hundert findet ,
Traͤget einen zarten Stengel , der ſich oberwerts verbreitet ,
Und , mit gleich-getheilten Spitzen , ſich in netter Ordnung ruͤndet .
Aus der Menge dieſer Bluͤmchen wird ein rundes Gantz bereitet ,
Eine ſchoͤne weiſe Blume zeiget ſich , zu unſrer Luſt ,
Die uns aber , weil wir ſie nicht des Anſehns wuͤrdig achten ,
Und ( nur Kinder ausgenommen , die ſie dann und wann betrachten )
Nicht beſehen , nicht erwegen ; meiſtentheils nur unbewuſt ,
Ja faſt wie verachtet bleibet . Wilſt du ſie , mein Leſer , kennen
Hoͤr ! es iſt die gelbe Blume , die wir Butter-Blume nennen ,
S 4 Die 280 Die in Wieſen haͤuffig bluͤht , und auf allen gruͤnen Raſen ;
Deine Kinder haben ſie oft gepfluͤckt und weggeblaſen ,
Da du zugeſehen haſt , und vermuthlich nicht entdeckt ,
Mit gebuͤhrender Betrachtung und mit billigem Vergnuͤgen ,
Was in dieſer Blumen Bildung fuͤr ein weiſes Abſehn ſteckt ;
Da die kleinen Saamen-Koͤrner , durch die Zaͤſer , Fluͤgel kriegen ,
Und , ſo bald ſie reif geworden , in die Luͤfte ſich erheben ,
Durch dieſelbe fortgetragen , oͤfters hin und wieder ſchweben
Und ſich , auf die leichtſte Weiſe , nach verſchiednen Seiten lencken ,
Wo ſie ſich , nach kurtzer Zeit , wieder in die Erde ſencken .
Sage , forſchendes Gemuͤthe , zeigt nicht dieſe Blum ’ allein ,
Wie ſo wunderbar der Schoͤpfer , und wie blind wir Men - ſchen ſeyn ?
Aber weiter fort ! wir muͤſſen von der Saamen-Schachteln Menge ,
Und von ihrem ſo verſchiedlich dargeſtelletem Gepraͤnge ,
Doch noch einige beſehn . Viele gleichen ſchoͤnen Knoͤpfen ,
Viele gleichen an Figur nett-gedrehten Blumen-Toͤpfen ;
Wie ich letzters mit Vergnuͤgen juͤngſt am abgebluͤhten Mah ,
Daß deſſelben Saamen-Huͤlſe allerliebſt gebildet , ſah .
Das Gehaͤuſe , ruͤndlich lang , fiel ein wenig ſpitzig ab ,
Welches ihm denn die Geſtalt einer netten Roſe gab ;
Sonderlich als ſich der Fuß unten etwas aufwerts beugte ,
Und ſich oben auf der Ruͤnd ’ ein faſt platter Deckel zeigte ,
Den ein nettes Sternchen ſchmuͤckte . Dieſer war nur gar zu ſchoͤn
Nach der groͤßten Richtigkeit , Maaß und Zierlichkeit zu ſehn .
Unter dem geſtirnten Deckel waren , auf beſondre Weiſe ,
Kleine Loͤcherchen gebohrt in vollkommen rundem Craͤyſe ,
Dieſe 281 Dieſe ſah ich , in der Ordnung , billig mit Verwunderung an ,
Weil man eine weiſe Abſicht deutlich darin finden kann .
Die bedaͤchtliche Natur hat ſie offen da gelaſſen ,
Daß der Saamen-Koͤrner Menge , welche die Gehaͤuſe faſſen ,
Wenn ſie reiff , nicht klumpen weiſe , ſondern eintzeln , ſich verſtreuen ,
Und ſich ſelber ſaͤen koͤnnen . Wer dieß Wunderwerck erwegt
Und darin die Vor-und Abſicht des Natur-Geiſts uͤberlegt
Muß , in Demuth , Danck und Andacht , ſich des groſſen Schoͤpfers freuen .
Ja noch mehr wenn im Gehaͤuſ ’ er die nett-gewachſne Haut ,
Die ſie von einander ſondert , in ſo richt’ger Ordnung ſchaut .
Das Hydiſerum verdient gleichfals , daß man es betrachtet ,
Und in ſeines Saamens Huͤlſe etwas wunderlichs beachtet .
Sie beſteht aus dreyen Cirkeln , welche voller netter Spitzen ,
Wodurch ſie den lieben Saamen fuͤr den Biß der Wuͤrmer ſchuͤtzen .
Aber uͤber mehr als alle werd ’ ich fuͤr Verwundrung ſtumm ,
Jn Betrachtung deiner Huͤlſen , blaͤulichtes Geranium !
Dieſes ſiehet eines Storchen Schnabel , Halſ ’ und Kopf ſo gleich ,
Daß man faſt nichts gleicher ſieht . Schauet man nun dieß Gebaͤude ,
Faſt erſtaunt , von auſſen an ; iſts auch in ſich Wunder-reich ,
Und die innern Theile dienen uns zur neuen Augen-Weide .
Die Figur iſt hinten rund und beſteht aus gruͤnen Blaͤttern ,
Die ſich einer Blume gleichen , von derſelben ſind bedeckt
Mehrentheils fuͤnf braune Huͤlſen . Ein par Saamen-Koͤr - ner ſteckt ,
S 5 Recht 282 Recht verwunderlich verſchrenckt , in der hart - und ſpitzen Haut ,
Welche , wie geſaget , braun , und woran viel tauſend Spitzen ,
Die man gelblich , faſt wie Gold , um die gantze Huͤlſe ſitzen ,
Und , nicht ohn Verwundern , ſie , wie ſie recht verhuͤllet , ſchaut .
Nimmt man ſolch ein trocknes Koͤrnchen , wirft daſſelbig ’ aufs Papier ;
So verurſacht dieſer Spitzen Menge , daß , bald dort bald hier ,
Dieſes Korn , als wenn es lebet ,
Sich beweget , faſt nicht ruht , und beſtaͤndig gleichſam ſchwebet .
An der Koͤrner Ober-Theil wird nun eine Spitz ’ erblickt ,
Welche wol fuͤnf Zolle lang , dieſe nun ſind eingedruͤckt
Und ſehr kuͤnſtlich eingefaßt in ein Staͤnglein , welches ſpitz
Und ſo kuͤnſtlich zugerichtet , daß man es kaum glauben kann .
Unten , wo der Koͤrner Ruͤndung , iſt es etwas eingebogen ,
Gleich darauf ſind in der Laͤnge kleine Rieffelchen gezogen ,
Die ſich immer vorwaͤrts ſpitzen . Durch die Bildung ſiehet man
Anders nicht als einen Speer , oder nette Lantz , es an .
Jn den kleinen Rieffelchen ( drin der Koͤrner Spitzen paſſen ,
Die , bewunderns-wehrt , von innen mit dem allerzartſten Haar
Gleichſam ausgefuͤttert ſind , weislich theils , theils gelb ’ , und zwar
Jmmer kleiner und ſubtiler , daß durchs Aug ’ es kaum zu faſſen )
Bleiben dieſe Spitzen nicht : ſondern , wenn der Saamen reift
Und die innre kleine Stange durch die Zeit ſich gnug geſteift ,
Biegen 283 Biegen ſich die Koͤrner ab , ſteigen aufwaͤrts , und formiren
Einen groſſen Cronen-Leuchter , deſſen Arm ’ erſt feſte ſtehn ,
Endlich aber , ja ſo zierlich , ſich auf Schnecken-Weiſe drehn .
Welche Menge rother Knoͤpfe zeiget uns der Spargel nicht
Was koͤmmt uns nicht noch an Erbſen , und an andern zu Geſicht !
Wirſt du nun , geliebter Menſch , durch dieß Wunder nicht bewogen ,
Und zu dem , der ſolche Wunder einzig wircket , nicht gezogen ,
Die ſich , nicht in Blum - und Saamen , ſondern in Gehaͤuſen haͤuffen ;
Kann ich , worin deine Menſchheit recht beſtehet ? nicht begreiffen .
[figure] Aber - 284 Abermahlige Thau-Betrachtungen . W enn das entſtandne Morgenroth die Schatten Weſten -
waͤrts verdrenget ,
Und das bethaute , feuchte Feld den erſten Sonnen-Strahl
empfaͤnget ,
Der uͤber die begraſten Wieſen , wie eine guͤldne Fluth , ſich
legt ;
Wird Millionen reinen Tropfen ein himmliſch Glaͤutzen
eingepraͤgt .
Zu Anfang ſieht man hohe Kraͤuter , und langen Graſes
ſchwancke Spitzen ,
Durch die zuerſt empfundne Glut , nur eintzeln hin und
wieder blitzen ,
Biß allgemach ein tauſend-faͤrbig-und Diamanten-gleicher
Schein
Des gantzen Feldes Flaͤchen decket : das Funckeln iſt jetzt
allgemein .
Man ſiehet alles , was man ſieht , in einem bunten Glantze
glimmen ;
Es ſcheint der halb entzuͤckte Blick zu gleich zu gluͤhen und
zu ſchwimmen
Jn bunt gefaͤrbtem Feur und Waſſer , von welchem die
vereinte Pracht ,
Durchs Aug ’ und Hirn , in unſre Seele den angenehmſten
Eindruck macht .
Den ſonſt kein Vorwurf wircken kann . Man wundre ſich
hieruͤber nicht ,
Daß , da der Sonnen-Strahl im Thau ſich recht als wie
ein Demant bricht ;
Auch 285 Auch durch ſo ſchoͤn gefaͤrbtes Glaͤntzen ſich unſer Geiſt in
Luſt entzuͤndet ;
Da ſich in jedem Troͤpfgen Thau ein Brenn-und Zuͤndungs -
Spiegel findet ,
Ja da wir , in den klaren Cirkeln von unſrer Sonnen ,
wunderſchoͤn
Verkleinert zwar , doch auch vereinet , viel tauſeud Son -
nen-Bilder ſehn .
[figure] Die 286 Die Sonnen-Finſterniß 1733. D er Sonnen ſtrahlend Licht brach durch die reine Luft ,
Kein ſchwebendes Gewoͤlck , kein Nebel , Dunſt , noch Duft
Verhuͤllte die Sapphirne Tieffe ;
Als eine laͤngſt vorher beſchriebne Finſterniß
Den ſonſt gewoͤhnlichen Geſchaͤften mich entriß ,
Und nebſt noch andern mich auf eine Hoͤhe rieffe ,
Die Bayer , dem davor kein ſchlechter Danck gebuͤhrt ,
So nuͤtz-als kuͤnſtlich aufgefuͤhrt ,
Woſelbſt bald durch ein Glas , ſo durch den Dampf vom Licht
Geſchwaͤrtzet ; bald durch eins , ſo blau war , mein Geſicht
Geſtaͤrckt , und ich dadurch im Stande war ,
Die Glut der Sonnen ungeblendet ,
Mit ſcharfen Blicken , anzuſehn .
Kaum hatte die Minute ſich geendet ,
Die ausgerechnet war , als wir ,
Bewundrungs-voll , auf dem Papier ,
Worauf der Sonnen Bild durch kuͤnſtliche Chriſtallen
Jm dunckeln Zimmer man bewundernd ſahe fallen ,
Schon von der Finſterniß die erſte Spur entſtehn ,
Den Rand ſich ſchwaͤrtzen ſah’n ; worauf der Schatten ſich
Vermehrt ’ und mercklich wuchs , biß daß wir die Figur
Des runden Mondes ſah’n , der , da er ſchwartz und dicht ,
Der Sonnen ſtrahlend Licht ,
Doch nur auf kurtze Zeit , entzog ;
Das denn auf zweyerley zu dencken mich bewog .
Zuerſt entſtand in meiner Seelen
Ein bruͤnſtigs Andacht-Feur , ein Ehrfurcht volles Dencken :
Da 287 Da ſo viel tauſend Jahr ſo groſſe Coͤrper ſich ,
Ohn im geringſten je zu fehlen ,
Jn ſolcher ſteten Ordnung lencken ;
Wie maͤchtig , weiſe , groß und unveraͤnderlich
Muß der , durch deſſen weiſen Willen ,
Sie ihren feſten Lauf ſo ungehemmt erfuͤllen ,
Der ſie aus Nichts allein erſchuf , der ſie allein
Blos durch ſein Wort erhaͤlt , der ew’ge Schoͤpfer , ſeyn !
Es fiel zugleich mir dieſes ein :
Jſt etwas auf der Welt , ſo uns von unſerm Geiſt
Was groͤſſers , und was GOtt fuͤr Faͤhigkeit ihm ſchencket ,
Als eine Finſterniß uns weiſ’t ?
Da er , faſt auf ein Haar , wie ein Geſtirn ſich lencket ,
Auf hundert Jahre ſchon vorher ſieht und gedencket .
Heißt alles dieſes nichts , von ſolchen Finſterniſſen ,
Von der Planeten Lauf , Bewegungen und Drehn
Die ſtete Richtigkeit ſo gar genau zu wiſſen ,
Auf einen Augenblick vorher zu ſehn ?
Und zwar
Auf ſo viel hundert Jahr ,
Ja noch auf laͤngere Zeit ,
Ohn daß wir im geringſten fehlen ?
Wo hierinn keine Treflichkeit ,
Kraft , Feur , und Vorzug unſrer Seelen
Vor allen andern Thieren
Unwiederſprechlich zu verſpuͤhren ;
So weiß ich nicht auf welche Weiſe man
Sich einigen Begrif von Wahrheit machen kann ?
Durch die Betrachtung froh , und recht aufs neu geſtaͤrckt ,
Verjag ich nicht allein
Die eitele Furcht , wodurch bey Finſterniſſen ,
Durch Aberglauben tumm , ſich viele qvaͤlen muͤſſen ,
Und blos aus Einfalt bange ſeyn :
Es 288 Es ſteckt zu gleich ſolch ’ eine Dunckelheit
Ein helles Licht in meiner Seelen an ,
Daß ich nicht nur von meinem eignen Weſen
Was groſſes mehr , als ſonſt , kann leſen ;
Sie zeiget mir zugleich noch eine groſſe Lehre ,
Zu aller Ding ’ und meines Schoͤpfers Ehre ,
Und mach ’ ich mir hieraus die ewig-wahren Schluͤſſe ,
Daß GOtt der Sonnen , Mond und Welt regirt und lenckt ,
Und der zugleich auch uns ſolch einen Geiſt geſchenckt ,
Worin nur er allein der Weisheit Schatz geſenckt ,
Allein gelobt , geliebt , verehret werden muͤſſe .
[figure] Sinn - 289 Sinnlicher GOttes-Dienſt . W enn ich meines Geiſtes Kraͤfte
Auf der Creaturen Pracht ,
Durch die Sinnen , gleichſam hefte ,
Ehr ’ ich den , der ſie gemacht ;
Und es ſcheint , als wann die Ehre ,
Die aus der Betrachtung qvillt ,
Da ſie mich mit Luſt erfuͤllt ,
Dir , o HERR ! gefaͤllig waͤre .
Denn jemehr ich ſie beſehe ,
Und in ihnen dich erhoͤhe ,
Je empfindlicher verſpuͤhre
Und befind ’ ich , daß die Seele ,
Jn der gantz durchdrungnen Bruſt ,
Ein unſichtbar Etwas ruͤhre ;
Daß ſie mit beſondrer Luſt
Suͤſſer Liebe ſich vermaͤhle ,
Die , von Andacht angeflammt ,
Aus der Wercke Schoͤnheit ſtammt .
Anmuth , die ſo ungemein ,
Scheint ein Gnaden-Lohn zu ſeyn ,
Den GOtt in ſein Werck geſencket ,
Und den , wenn man ſein gedencket ,
Und ſich wol zu ſehn beſtrebet ,
Man aus ſeiner Huld erhebet .
Jn den Creaturen ſteckt ,
Wenn man ſie , dem HErrn zum Preiſe ,
Hoͤret , riecht , ſieht , fuͤhlt und ſchmeckt ,
Eine rechte Seelen-Speiſe .
T Nichts 290 Nichts kann ſo die Seelen naͤhren ,
Als wenn wir in GOTTES Wercken ,
Daß ſie GOttes Werck , bemercken ,
Jm Geſchoͤpf , den Schoͤpfer , ehren .
[figure] Lob 291 Lob GOTTES . N icht ein eintziges Geſtirn , in des Himmels tieffen Hoͤhen ,
Wird es gleich in dunckler Nacht nicht von Menſchen
angeſehen ,
Flammt und glaͤntzt darum umſonſt . Lieber Menſch , ge -
dencke nicht ,
Ob es gleich von Menſchen Seelen
Nicht geſchicht ;
Daß Bewunderer dem Himmel , und GOtt Lob-Geſaͤnge ,
fehlen .
Millionen Creaturen , welche geiſtig , leben , ſchweben ,
Unſichtbar um unſer ’ Erde , die des Schoͤpfers Lob erheben .
Ja , ſo wol dann , wann wir ſchlaffen , als wann unſer
Auge wacht ,
Mit nie unterbrochnem Lobe , ſo bey Tag ’ , als bey der Nacht ,
Sehen und bewundern ſie ſeiner Wercke Wunder-Pracht .
[figure] T 2 Alle 292 Alle Dinge haben zwo Seiten . W enn man , mit rechtem Ueberlegen , die Dinge dieſer
Welt betracht’t ,
So ſind ſie das nicht , was ſie ſind ; ſie ſind das , wozu
man ſie macht .
[figure] Wunſch 293 Wunſch . A ch GOtt , wie ſchoͤn iſt doch der Himmel ? wie wun -
derſchoͤn die gantze Welt ?
Die dein Verſtand und Will ’ erſchaffen , die dein Verſtand
und Will ’ erhaͤlt !
Ach laß mich doch an dieſen Wundern , zu deiner Ehr ’ , in
tauſend Freuden ,
Durch alle Sinnen meinen Geiſt in froͤlicher Betrachtung
weiden ,
Und die dadurch in mir gewirckte Vergnuͤglichkeit der re -
gen Seelen ,
Die durch die Wirckung deiner Liebe aus aller Wunder
Schoͤnheit qvillt ,
Die , wenn ich ſie mit Luſt betrachte , mit Luſt mein gan -
tzes Weſen fuͤllt ,
Zu deines groſſen Nahmens Ruhme , auch andern oft zur
Folg ’ , erzehlen !
[figure] T 3 Hin - 294 Hinderniß am Vergnuͤgen . E s ſehnt ſich unſer Geiſt vergnuͤgt und froh zu ſeyn :
Hiemit beſchaͤftigt ſich ſein reger Wunſch allein .
Weil er nun keine Luſt an GOttes Wercken findet ,
Jndem er ſelbige nicht achtet ,
Und , durch Exempel blos verfuͤhrt , ſie nicht betrachtet ;
Was Wunder daß er ſich mit eitler Luſt verbindet ,
Und in der Leidenſchaft ein ’ Art von Luſt empfindet ,
Die voller Schmertzen ſteckt , in welcher nimmer Ruh .
Koͤmmt , nebſt Exempeln nun , Gewohnheit auch dazu ;
So hindert die verbotne Frucht ,
Die Ehren-Geld - und Wolluſt-Sucht ,
Durch immer in ſich ſelbſt ſich mehrende Jdeen ,
Daß wir nicht ſehen , was wir ſehen ;
Daß wir , zu unſers Schoͤpfers Ehren ,
Nicht riechen , fuͤhlen , ſchmecken , hoͤren ;
Daß alles , was der Schoͤpfer wirckt und ſchafft ,
Uns nicht des Anſehns wehrt , uns unſchmackhaft
Und recht veraͤchtlich ſcheint ; das doch , wenn mans erweget ,
Der Anmuth wahren Kern in ſchoͤnen Schalen heget .
[figure] Ver - 295 Vermuthliche Beſchaffenheit der Seelen . U nwiederſprechlich iſt es ja , daß wir aus Seel ’ und
Leib beſtehen ;
Der Leib aus immer neuen Theilen ; die Seele zeuget ſtets
Jdeen .
Wie nun der Leib von ſeinem Weſen durch Ausdunſt im -
mer was verliehrt ,
Die Theilchen aber nicht vergehen , verweſen oder ſich
zerreiben ,
Und ſtets dem allgemeinen Stoff ſich , ſo zu reden , einver -
leiben ;
So ſcheinet auch , daß unſre Seele beſtaͤndig einen Abgang
ſpuͤhrt ,
Durch ihrer Kinder , der Gedancken , verfliegende Ver -
geſſenheit ,
Die doch kein voͤlliger Beweis von voͤlliger Vergaͤnglichkeit ;
Allein es duͤncket mich , ob hier mit Recht nicht dieſe Frag ’
entſtehe ?
Ob nicht der allgemeine Stoff durch Kleinheit der Materie ,
Die immer feiner zu ihm flieſſet , in ſich ſich nicht verbeſſere ?
Jmgleichen , ob auf gleiche Weiſe in der Natur das Geiſtige
Sich , durch entſtandene Gedancken ( von welchen , daß ſie
nicht vergehen
Und wir ſie zu erhalten faͤhig , in Schriften wir ein Bey -
ſpiel ſehen )
Auch , durch derſelben ſteten Zufluß , wo nicht verbeſſre ,
doch ſich mehre ?
Bey unſrer Einfalt ſcheint es meiſtens , als ob es nicht un -
moͤglich waͤre .
T 4 Ver - 296 Vermahnung . L aß die Erde noch ſo ſchoͤn , und voll bunter Blumen , gruͤnen ;
Laß das Waſſer , noch ſo klar , ihrer Schoͤnheit Spiegel ſeyn ;
Laß noch einſt ſo herrlich glaͤntzen ſelbſt der Sonnen Wun - der-Schein ;
Wozu ſolt ’ es einer GOttheit , die es ja nicht brauchet , dienen ,
Wenn nicht in den Welt - und Himmeln Kraͤft ’ und Gei - ſtigkeiten waͤren
Die an ſolchen , durch die GOttheit wunderbar formirten , Schaͤtzen ,
Faͤhig waͤren , ſich zu laben , ſich zu naͤhren ,
Zu vergnuͤgen , zu erqvicken , zu ergetzen ,
Zu bewundern , ſie zu achten ,
Sie zu nutzen , zu betrachten ?
Hiedurch litte ( von der Ehre nichts zu ſagen ) GOttes Liebe ,
Welche ja ſein wahres Weſen .
Liebe , ſonder Gegenwurf , kann ja keine Liebe ſeyn ;
Da uns GOtt nun bloß allein ,
Daß wir ſeiner Vater-Triebe
Alle moͤchten theilhaft ſeyn ,
So gar wunderbar gemacht ,
Und fuͤr ſeiner Wercke Pracht ,
Nebſt dem Geiſt ſie zu erkennen ,
Viele Sinnen wollen goͤnnen ;
Wollen wir denn unſre Pflicht
Straͤflich aus den Augen ſetzen ,
Und uns , recht mit Vorſatz , nicht
An der Liebe Groͤß ’ ergetzen ,
Die 297 Die er , in den ſchoͤnen Wercken ,
Uns ſo vaͤterlich zu mercken ,
Und , wie bruͤnſtig er uns liebet ,
Ueberall zu fuͤhlen giebet ?
Will man lieber ſelber leiden ,
Als von GOTT geſchenckte Freuden ,
Jm Genieſſen , recht bedencken ?
Welche Thorheit ! ſich zu kraͤncken ,
Und zugleich des Schoͤpfers Ehr ’
Zu verringern ! da vielmehr
Wir an ſo viel tauſend Schaͤtzen
Uns , mit tauſend Luſt , ergetzen ,
Und , ſelbſt in der Luſt , den Willen
Unſers Schoͤpfers hier erfuͤllen ,
Gegen ihn in Lieb ’ entbrennen ,
Jhm gefaͤllig leben koͤnnen .
[figure] T 5 Nuͤtz - 298 Nuͤtzliche Ungewißheit . N ebſt andern war ich juͤngſt , der alten Weiſen Lehren ,
Wie ſie des weiſen Muͤllers Geiſt ,
Den man mit Recht die Zierde Hamburgs heiſt ,
Durch ſeine Lehrlinge ließ oͤffentlich erklaͤren ,
Beſchaͤftiget geweſen anzuhoͤren .
Wie ich mich nun darauf allein befand ;
Was ich von ihm gehoͤrt , bedaͤchtlich uͤberlegte ,
Und in gelaſſner Still ’ erwegte
Die Mannigfaltigkeit der Grillen ,
Die ſtets den menſchlichen Verſtand
Vor dem erfuͤllt , und noch erfuͤllen ;
Befiel mich eine Traurigkeit ,
Und drengte die verworrenen Gedancken ,
Mit einer ſchwartzen Laſt , aus ihren Schrancken ;
Jch fuͤhlt ’ ein wahres Hertzeleid .
Das gantze menſchliche Geſchlecht
Kam mir bejammerns-wehrt , und recht
Erbarmung-wuͤrdig fuͤr .
Wir ſcheinen nichtes recht zu faſſen ,
Wir ſcheinen all dem Jrrthum uͤberlaſſen ,
Der uns beſtaͤndig aͤfft ,
Da , von den Meynungen , die gantz verſchiedlich ſcheinen ,
Von welchen von der weiſen Schar ,
Die Haͤlfte , daß ſie wahr und klar ;
Die andre , daß ſie falſch und dunckel waͤren ; meynen ,
Oft all ’ , und dennoch keine wahr .
Mir fiel hieruͤber ein :
Es taͤuſcht auch mich vielleicht ein falſcher Schein .
Jch kann ein Ding unmoͤglich wahrer halten ,
Als jeder von den Alten
Das - 299 Dasjenige , was er geglaubt , fuͤr wahr ,
Fuͤr deutlich angeſehn und uͤberzeuglich klar ;
Ob ſie gleich alleſammt geirrt ,
Und ſich einander ſelbſt verwirrt .
Nun ſind ſie weiſe ja , im hohen Grad , geweſen ,
Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften leſen :
Was uͤberzeugt denn mich , daß ich nicht irren koͤnne ,
Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne ?
Ja , daß die Nachwelt uns , daß wir in Jrthum ſtecken ,
Wie wir der Vorwelt es gezeigt , einſt wird entdecken ?
Der Zweiffel loͤſt ſich bald : Wir wiſſen ,
Daß unſer Wiſſen nichts , als Stuͤckwerck ſey ;
Und wir daher , wie billig glauben muͤſſen .
Nechſt dieſem ſteckt hierin noch zweyerley :
Die Ungewißheit aller Sachen ,
Beſinnen wir uns recht ,
Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen ,
Und voll Vertraͤglichkeit fuͤrs menſchliche Geſchlecht .
Erkennet man , daß man nichts weiß ;
Gereicht es ja zu GOttes Preis ,
Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet .
Das andre , welches auch in der Erkaͤnntniß ſteckt ,
Jſt , daß , da man der Menſchen Schwaͤch ’ entdeckt ;
Zur Naͤchſten-Lieb ’ uns der Begriff verbindet :
Denn ſoll mein Naͤchſter ſich mit meiner Schwachheit plagen ;
Warum will ich die ſeine nicht vertragen ?
[figure] Un - 300 Unverantwortliche Geringſchaͤtzung der Geſchoͤpfe . W ie lange biſt du doch in deiner Lebens-Zeit
Mit ſeh’nden Augen blind , und bleibſt der Eitelkeit ,
Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht ?
Es ſcheint ein Bluͤmchen dir zu ſchlecht ,
Ein Blaͤttgen ſcheint dir zu geringe ,
Ein Knoͤſpchen ſcheinet dir zu klein ,
Kein Graͤschen deines Geiſts und Denckens wehrt zu ſeyn ;
Da doch dem allerkleinſten Dinge ,
Wenn man es mit Vernunft erwegt ,
Ein kraͤftiger Beweis vom Schoͤpfer eingepraͤgt .
Laͤßt jegliches Gewaͤchs nun unſre Seelen ,
Wenn man nur ſehen will , den Schoͤpfer ſehn ;
So kann es folglich auch nicht fehlen
Jhr muß aus jeglichem , Luſt , Lieb ’ und Lob entſtehn .
Jndem ein ſich alſo betragendes Gemuͤth
Darinnen uͤberall ein Goͤttlich Licht entdecket ,
Jn allem ſeine Macht und weiſe Liebe ſieht ,
Und ſeine Freundlichkeit in allem ſchmecket .
[figure] GOtt 301 GOTT allein die Ehre . G iebt unſer GOTT in allen Dingen ,
So wie er wuͤrcklich thut , das Wollen und Voll - bringen ;
Was ruͤhmt ſich denn der Menſch , auch in den beſten Thaten ?
Da ſie ja nicht durch ihn , durch GOtt allein gerahten .
Nichts iſt mein ;
Alles dein ;
Dir allein
HERR , ſoll Lob ’ und Ehre ſeyn !
[figure] See - 302 Seelige Betrachtung der Creatur . W as ſind auf dem Bau der Erden doch vor Wunder !
welche Menge
Luſt-erregender Geſchoͤpfe ! es iſt gleichſam ein Gedraͤnge
Jrdiſch-Goͤttlichen Vergnuͤgens um uns Menſchen rings -
umher ,
Wenn man ſie nur mit Verſtand anzuſehn beſchaͤftigt waͤr .
Es hat ( wenn mit den Geſchoͤpfen wir , im Brauch , den
Schoͤpfer fuͤgen ,
Und ſie als ſein Werck betrachten ) jeder Vorwurf ſein
Vergnuͤgen ,
Jeder Sinn ſein Paradieß .
Es iſt ſonder GOtt kein Himmel : doch , da GOtt auch
in der Welt ;
Jſt auch hier ein ird’ſcher Himmel denen Seelen vorgeſtellt ,
Welche , da ſie ihren Schoͤpfer mit der Creatur verbinden ,
Jhm zu Ehren , Luſt und Anmuth in den Creaturen finden .
[figure] Zu - 303 Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau - Troͤpfchen . W ie ich , nach verſchwundner Nacht ,
Juͤngſt , im angeſtrahlten Thau ,
Jn der Tropfen Meng ’ und Pracht
Tauſend Sonnen-Spiegel ſchau ;
Zieht , vor andern , Blick und Sinn
Ein vor andern helles Troͤpfgen , durch ſein Funckeln , zu ſich
hin ;
Da ich denn , mit Luſt erfuͤllt ,
Nicht nur ein klein Sonnen-Bild ,
Auf der Ruͤndung aͤuſſern Hoͤhe ,
Als ein blitzend Lichtgen , ſehe ;
Sondern , da der Thau ſo klar ,
Wie die reineſten Criſtallen ;
Seh ich dieſes Lichtgen gar
Durch des Troͤpfchens Coͤrper fallen
Auf ein nah gewachſnes Blat ,
Wo es denn verlaͤngt , geſpitzt ,
Die Figur von einem Strahle , der in langem Strich -
blitzt ,
Durch das Blat gedruͤckt , erhaͤlt . Wie ich ſolchen nun
betrachte ,
Und ſo wol auf ſeine Laͤng ’ , als den runden Urſprung , achte ;
Faͤllt von ungefehr mir bey :
Ob dieß nicht vielleicht ein Bild ſtrahlender Cometen ſey ?
Wie ! gedacht ’ ich , wenn der Coͤrper der Cometen bey der
Ruͤnde ,
( So wie ich hier in dem Tropfen , welcher gantz durchſichtig ,
finde )
Et - 304 Etwann auch durchſichtig waͤre : und daß auch , ſo wie
ich hier
Auf dem glatten Tropfen ſehe , nur von einer Stell ’ allein ,
Jn dem Wiederſchlage blos , von der Sonn ’ ein kleiner
Schein ,
Uns in unſer Auge fiel , und daß etwann dieſe Stelle
Als wodurch der Sonnen Licht
Nicht allein die Flaͤche trift , ſondern durch den Coͤrper
bricht ,
An die Atmoſphaͤre ſchlaͤgt , und ſie auf die Weiſe helle
Wie der Strahl das Blaͤttchen machte ?
Dieſes war es , was ich dachte ,
Und vielleicht nicht ungereimt ,
Wenigſtens koͤmmt mir es fuͤr ,
Daß aus der Betrachtung hier
Eine groſſe Lehre keimt :
Dem Schoͤpfer faͤllt ſo wenig ſchwer ,
Ein Sternen - und Cometen-Heer ,
Als einen Tropfen Thau , zu zeugen .
Laßt dieß uns einen Antrieb ſeyn ,
Vor ihm und ſeiner Macht allein ,
Jn tiefſter Ehrfurcht , uns zu beugen !
Kann etwas auf der Welt , zu GOttes Ehre ,
Ein wuͤrdigs Bild von ſeiner Macht uns zeigen ,
Kann der Verſtand zu ihm auf eine Weiſe ſteigen ;
So iſt es warlich dieſe Lehre .
Ach ! laßt ſie unſerm Geiſt doch einen Spiegel ſeyn !
Jn welchen er , von heil’gem Schrecken
Und wahrer Ehrfurcht angefuͤllt ,
Der GOttheit ſonſt nicht abzubildend Bild ,
Mit Augen der Vernunft , im Glauben , zu entdecken ,
Zu 305 Zu ſehen faͤhig iſt . Nichts kann ihn mehr erheben
Und nichts kann auch mehr Troſt , mehr Zuverſicht ,
Daß er uns helffen kann , wenn er nur will , uns geben .
Beweiſet es nun gleich , daß er auch wolle , nicht ;
So giebt uns ja davon den beſten Unterricht ,
Daß er in ſeinem Wort und unſre Seelen ſchriebe :
Der GOTT , der alles kann , iſt auch die ew’ge Liebe !
[figure] U Auri - 306 Aurikeln im Herbſt . J ndem ich juͤngſt im Herbſt erblickte ,
Wie , auf das neu , des Gartens-Flur
Manch bunt Aurikelchen , als wie im Fruͤhling , ſchmuͤckte ;
Ergetzt ’ ich mich daran . Es ward mein Blick nicht nur ,
Durch ihre Wiederkunft , geruͤhrt ;
Die Seele ſelber ward , fuͤr Luſt , die ſie verſpuͤhrt ,
Bewegt , erfuͤllt und eingenommen .
Jch hieß das Bluͤmchen ſanft , in meinem Sinn , willkommen !
Und fielen , bey der Farben buntem Schein ,
Mir die Gedancken ein :
Es kommt dein wiederhohlter Flor
Mir gleichſam vor ,
Als wenn , vor andern Blumen allen ,
Ein ſtarcker Trieb in deinen Roͤhren ,
Den Schoͤpfer der Natur zu ehren ,
Geliebte Blume , muͤſſe wallen .
Es ſcheint ob hoͤrt ’ ich dich , mit bunten Lippen , ſagen :
„ Noch eh die lange Winter-Nacht
„ Mich zu dem langen Schlaf gebracht ,
„ Will ichs vorher noch einmahl wagen ,
„ Und , GOtt zum Ruhm , noch einmahl Blumen tragen .
„ Vielleicht geraͤht mein ſpaͤtes Bluͤhen mehr ,
„ Als meine Bluͤth , im Fruͤhling , GOtt zur Ehr !
„ Vielleicht wirft mancher Menſch auf mich mehr , als vorhin ,
„ So Blick als Sinn !
„ Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Bluͤhen ,
„ Zu einiger Betrachtung , ziehen
„ Und ſeinen Geiſt durchs Ungewohnte lencken ,
„ Auf ſein - und meinen HErrn zu dencken !
Ja 307 Ja , du haſt recht , geliebtes Bluͤmchen , ja !
Du haſt nicht mich allein ,
Durch deinen unverhoften Schein ,
Aufs neue zur Aufmerckſamkeit gebracht ;
Ein jeder faſt , wie ich mit Freuden ſah ,
Von Neuigkeit bewogen ,
Ward , durch geheimen Zwang , zu dir gezogen ,
Und nahm der ſchoͤnen Farben Pracht
Jn dir , mehr als vorhin in acht .
Ach ! moͤchte doch dein loͤblich Bluͤh’n und Gruͤnen ,
Mit deiner fruͤh-und ſpaͤten Zier ,
Geliebtes Bluͤmchen , denn auch mir
Zu einer Folge dienen !
Ach , moͤgte mich dein Beyſpiel lehren ,
Den Schoͤpfer der Natur , ſo fruͤh als ſpaͤt , zu ehren !
[figure] U 2 Son - 308 Sonnen-Licht . J m Herbſt , bey einer mehrentheils bedeckten und be - woͤlckten Luft ,
Stand ich an einem glatten Waſſer , das Rohr und ſchwan - ckes Schilf bekraͤntzte ,
Jn einer angenehmen Landſchaft . Das ſtill ’ und klare Waſſer glaͤntzte ,
Doch nur in ſchwach-und grauem Lichte . Ein ſanfter zwar , doch truͤber , Duft ,
Der nicht allein die Luft erfuͤllte , der auch die Baͤum ’ und Wieſen deckte ,
Und , wo nicht gantz , doch guten Theils , der Landſchaft Pracht und Schmuck verſteckte ,
War allenthalben ausgeſpannt . Was man noch ſah , war falb ’ und kalt .
Es wirckte die ſonſt helle Gegend dem , der ſie jetzt voll Daͤmmrung ſieht ,
Mit einer ſchleichenden Gewalt ,
Faſt eine Daͤmmrung im Gemuͤth .
Jch ſchlug demnach von ungefehr , betruͤbt , die Augen vor mich nieder ,
Jedoch nicht zwo Minuten lang . Darauf erhub ich ihre Lieder
Geſchwinde wieder in die Hoͤh ’ . Allein wie ſehr entſetzt ’ ich mich ,
Als ich , mit faſt geblendeten und gantz fuͤr Luſt erſtaunten Blicken ,
Der Landſchaft gantzen Stand veraͤndert , erleuchtet , ja verwunderlich
Erheitert und verklaͤhret ſah ! Es nahm ein angenehm Entzuͤcken
Mein Hertz , mein gantzes Weſen ein .
Es 309 Es ließ Feld , Wieſe , Berg und Thal mit Anmuth nicht nur uͤbergoſſen ,
Von einem hellen Meer von Glantz nicht nur umgeben und befloſſen ;
Es ſchien , in einem bunten Lichte , die Welt ein irdiſch Paradieß .
Was ich , vor einem Augenblick , noch kalt geſehen und im Dunckeln ,
Sah ’ ich nunmehr erheitert , warm , und in gefaͤrbtem Feuer funckeln .
Des ſchwancken Schilffs polirte Blaͤtter , der glatten Bin - ſen Dunckel-Gruͤn
Sah man , da es der Sonnen Glantz , mit ſeinem heitern Strahl beſchien ,
Nicht minder die belaubten Baͤume , zuſammt den Blu - men-reichen Huͤgeln ,
Die Schoͤnheit in der Fluht verdoppeln , und ſich im kla - ren Waſſer ſpiegeln .
Kurtz eine warm ’ und laue Klarheit und eine licht ’ und ſanfte Glut
Bedeckt ’ , umgab , befloß , durchſtrahlte die gantze Gegend , Land und Fluth .
Jch ſtutzt und freute mich von Hertzen . Was werden durch der Sonnen Schein
Fuͤr Wunder nicht bey uns gewircket ! rief ich , fuͤr Freu - den halb entzuͤcket :
Wie wird , durch ſie , die gantze Welt belebt , erqvickt , genaͤhrt , geſchmuͤcket ,
Und , fuhr ich fort bey mir zu dencken : dieß wircket eine Sonn ’ allein ;
Was muß vor Anmuth , Pracht und Licht und Herrlichkeit vorhanden ſeyn ,
U 3 Wenn 310 Wenn dort in jenen Himmels-Hoͤh’n , nach dieſem Leben , unſre Seelen
Jm Stande ſich befinden werden , von Sonnen , welche nicht zu zehlen ,
Die Wirckungen zu ſehn , zu fuͤhlen ? Mich nimmt ein heil’ger Schauder ein ,
Wenn ich an ſolchen Glantz gedencke . Dies Dencken mehrt des Schoͤpfers Ehre
Und iſt mir , als ob ich daruͤber ſchon in Gedancken ſee - lig waͤre .
[figure] Zur 311 Zur Flos admirabilis . G ehab dich wol , geliebte Blume , des Gartens kurtze Zier und Ehr ’ ,
Mit deiner Farben Glantz und Schein !
Jch ſeh ’ dich nun und nimmermehr .
Die Stunde , da du muſt vergehn , bricht bald heran , ſie iſt ſchon nah ,
Und eben , da ich mit dir rede , bricht ſie herein , ſie iſt ſchon da .
Du wickelſt dich in dich zuſammen , verſchrumpfſt , ver - liereſt Farb und Glantz ,
Verwelckſt , verkoͤmmſt , verdirbeſt gantz ,
Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell , daß jedermann ,
Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann .
Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo ploͤtzliches Vergehen
Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt ; allein , wenn man es recht erweget ,
Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz zu machen pfleget ;
So fuͤhlet und empfindet man nicht nur , daß ihr verge - het , nicht ;
Weil immer andre wieder da , die euer kaum vermercktes Scheiden
Erſetzen , und , ſo wie es auch bey uns nicht weniger geſchicht ,
Die Stelle wiederum bekleiden ;
Es zeigt vielmehr , geliebte Blumen , da ihr ſo kurtze Zeit beſtehet ,
Und gleichſam , mit nie ſtillen Schritten , nur andern aus dem Wege gehet ,
U 4 Uns 312 Uns von des groſſen Schoͤpfers Wercken und von dem Reichthum der Natur ,
Wie er ſo unerſchoͤpflich ſey , uns eine neu und wahre Spur .
Es koſtet ihr ſehr wenig Muͤh , viel Millionen zu formiren .
Man kann demnach und muß , mit Recht , ſo wol beym ſchleunigem Vergehn ,
Als bey der Zeugung , liebſte Blume , den Schoͤpfer der Natur erhoͤhn .
[figure] Herbſt - 313 Herbſt-Blaͤtter . E s ſcheint ſo gar der Wind anjetzt ſich zu bemuͤhn ,
Und , zu dem Endzweck blos , die Blaͤtter zu bewegen ,
Um , durch derſelben oͤfters regen ,
Den Blick nun deſto mehr auf ſie zu ziehn .
Man ſiehet , ſieht man recht , der Farben bunte Klarheit ,
Jn einer Harmonie , ſo angenehm ſich miſchen ;
Man hoͤret , hoͤrt man recht , in ihrem ſanften Ziſchen
Und liſpelndem Gethoͤſ ’ und Wiſpern , dieſe Wahrheit :
„ Jhr ſehet uns vielleicht zum letzten mahl ,
„ Beſeht uns heute noch , denn da wir ſchon gereift ,
„ Sind Morgen ſchon vielleicht der Baͤume Wipfel kahl ,
„ Und wir vermuthlich abgeſtreift .
„ Noch koͤnnt ihr euren Blick an uns vergnuͤgen ,
„ Noch koͤnnt ihr deſſen Ehr ’ ,
„ Der euch und uns gemacht , zu eurer Freude fuͤgen ,
„ Und opfern eure Luſt dem Weſen mehr und mehr ,
„ Das euch zu gut , indem wir ſterben ,
„ Uns ehe noch , als wir verderben ,
„ Zu eurer Luſt ſo ſchoͤn , ſo lieblich wollen faͤrben .
[figure] U 5 Ver - 314 Vergnuͤgen auch bey feuchtem Wetter im Winter . D aß es an uns allein faſt lieget ,
Wenn man ſich nicht zu aller Zeit ,
An der Geſchoͤpfe Lieblichkeit ,
Auch gar wenn alles naß , und ſchlackrig iſt , vergnuͤget ;
Hat mir ein truͤber Tag im Winter juͤngſt gewieſen ,
Da ich verſchiednes , welches ſchoͤn ,
Auch im December ſelbſt , geſehn ,
Woran ich mich vergnuͤgt und GOtt dafuͤr geprieſen .
Jch ging , in einer Morgen-Stunde ,
Mit einem Pfeifchen in dem Munde ,
Jn meinem Garten auf und nieder ,
Von Grillen und Geſchaͤften frey ,
Und ward gewahr , wie hin und wieder ,
Auch wenn es ſchlackrig iſt , doch was betraͤchtlichs ſey .
Die Baͤume , die nunmehr entkleidet , kamen mir ,
Als wenn ſie wuͤrcklich ſchlieffen , fuͤr ;
Die Winde ſchienen oft , durch hin und wieder biegen ,
Sie gleichſam in den Schlaf zu wiegen .
Sind nun die Wipfel gleich , da alle Zweig ’ entlaubet ,
Von ihrer gruͤnen Pracht beraubet ;
So ſcheinen doch , wenn wir es wol erwegen ,
Der Baͤume feuchte Staͤmm ’ hingegen
Mehr , als vorhin , geſchmuͤckt ; indem die Dunckelheit ( Womit des Regens Feuchtigkeit
Die Rinden ſchwaͤrtzt ) des Moſes gruͤne Pracht ,
Die hie und da mit weiſſer untermiſcht ,
Nicht durch die Naͤſſe nur erfriſcht ;
An Farbe noch viel ſchoͤner macht .
Wenn 315 Wenn uͤberdem
Jetzt uͤberall , auch an den kleinſten Zweigen ,
Sich groſſe , klare Tropfen zeigen ;
So laͤßt auch dieſes angenehm .
Jndem ſie all ’ in reiner Klarheit prangen ,
Als ſaͤhe man daran eryſtallne Kugeln hangen ,
Wenn man auf ſie ſein Aug ’ in dieſer Abſicht lencket ,
Und , daß es in der That den Augen lieblich , dencket .
Die Knoſpen , welche man jetzt mehr , als ſonften , ſieht ,
Die zeigen uns die Stellen , worin ſich
Die wirckende Natur hier innerlich ,
Zu unſrer Luſt , zu unſerm Nutz , bemuͤht .
Es ſcheint die Luft zwar ſchwer , und recht auf uns zu liegen ,
Wenn ſie mit feuchtem Duft uns rings umher bezirckt ,
Wodurch ſie denn in uns ein ’ Art von Schwermuth wirckt ,
Die aber eigentlich kein wahres Unvergnuͤgen .
Es miſcht ſich eine Luft in dieſen Unmuth ein ,
Wodurch man gleichſam kann in Schwermuth froͤlich ſeyn .
Es ſcheint des Geiſtes Kraft , wenn truͤbe Luft uns druͤckt ,
Und unſre Blicke hemmt , ſich minder zu zerſtreuen ,
Und , gleichſam mehr vereint , zum Dencken mehr geſchickt ,
Bey aͤuſſerlichem Schaur ſich innerlich zu freuen .
Jndem ich dieſes fuͤhl ’ , empfind ’ ich doch dabey ,
Daß dieſe truͤbe Zeit , nur denen leidlich ſey ,
Die , wenn ſo Kaͤlt ’ als Feuchtigkeit ſich mehren ,
Jn ihre warmen Zimmer kehren ,
Und ſich mit Recht erfreuen koͤnnen ,
Daß ihnen , in der Winter-Zeit ,
Der Schoͤpfer die Beqvemlichkeit ,
Bey ſo viel Gutem , wollen goͤnnen .
Jch 316 Jch wuͤnſche denn mit Andacht-vollem Sinn ,
Da ich , GOtt Lob ! von denen einer bin ,
Der , wenn die Luͤfte kalt und ſcharf ,
Nicht ohne Dach und Fach verbleiben darf ,
Daß ich die Gnad ’ erkennen moͤge ,
Auch Armer nach Vermoͤgen pflege ,
Als denen , von Beqvemlichkeit beraubet ,
Der Mangel in der Winters-Zeit ,
So wol wenns ſchlackrig iſt , als wenn es friert und ſchneit ,
Des Wetters ſich zu freuen , nicht erlaubet ;
Damit ſich wenigftens ihr Creutz in etwas mindre
Und ſie nicht dann und wann doch , GOtt zu dancken , hindre ,
Daß er ſie , auch durch andre , naͤhrt ,
Und obgleich kuͤmmerlich , doch das , was noth , beſchehrt .
Sie thun uns , ohne das , mehr guts , als wirs ermeſſen :
Jhr Gegenſatz , zeigt unſer Gluͤck uns an ,
Und , ohne ſie , wuͤrd ’ iederman
Noch mehr , als jetzt geſchicht , wie gut ers hat , vergeſſen .
Ach moͤgte man doch ſo am truͤben Tage dencken ,
So waͤren wir vergnuͤgt , ſo wuͤrde GOtt geehrt ,
Zugleich auch etwas Guts dem Nechſten zugekehrt ,
Auch dann wann Regen ſich und Nebel auf uns ſencken .
[figure] Blu - 317 Blumen im Winter . J ſt es moͤglich , ſchon anjetzt , in der haͤrtften Winter-Zeit ,
Da die Fluht mit Eis beleget , Garten , Feld und
Wald beſchneit ,
Lieblich riechende Eyrenen , funckelnde Gentianellen ,
Crocos , Lilien-Convalljen , ja die ſchoͤnſte Pfirſchen-Bluͤth ,
Tulpen , Hyaeinth , Terzetten , wie man hier bewundernd
ſieht ,
Zu erblicken , ja daß ſolches moͤglich , ſich nur vorzuſtellen !
Ach , mein GOtt , durch deine Guͤte , nehm ’ ich in
derſelben Pracht ,
Mit Vergnuͤgen , deine Weisheit , deine Wunder , deine
Macht ,
Die durch dich ſtets regen Kraͤfte der Natur auch jetzt in
acht ,
Und , durch ihre holde Schoͤnheit , auch im Froſt recht
angelacht ,
Fuͤhl ’ ich , wie mein innerſtes recht gelabet , recht erqvicket ,
Ja , durch aͤmſige Betrachtung ihres Schmucks , faſt ſelbſt
geſchmuͤcket ,
Zu dir hingezogen wird . Dieſe Pracht , die ſie erblickt ,
Wird ihr gleichſam zugeeignet , und , wie wir , noch einſt
ſo ſchoͤn ,
Einer Schoͤnen zarte Haut , bey ihr nahen Blumen , ſehn ;
Stellt ſich eine frohe Seele , wenn ſie Blumen ſo beſieht ,
Jn ſelbſt bluͤhenden Jdeen wuͤrcklich ſelbſt verſchoͤnert mir ,
Bey der weiſſen Hyacinth und der rohten Pfirſich-Bluͤt ’ ,
Roͤther noch an Lieb und Andacht , weiſſer noch an Un -
ſchuld , fuͤr .
Ernſt - 318 Ernſtliche Betrachtung der Welt nothwendig . K ann es auch ſonder Kunſt geſchehn ,
Wenn wir an ſchoͤnen Schildereyen
Uns mit Vernunft ergetzen und erfreuen ,
Und mit vergnuͤgtem Geiſt die Kunſt des Kuͤnftlers ſehn ?
O nein , ein Kunſt-Erfahrner weiß ,
Das blos durch einen langen Fleiß
Man dieſe Wiſſenſchaft erhaͤlt ,
Und ſonder Muͤhe ſie nicht findet ;
Wie daß man ſich denn unterwindet ,
Sich ſelber ſo geſchickt zu ſchaͤtzen ,
An dem weit ſchoͤneren Gemaͤhlde dieſer Welt
Vernuͤnftig , ohn Vernunft , ſich zu ergetzen ,
Ja , ohn es einmahl anzuſehn ,
Des groſſen Meiſters Geiſt doch ſattſahm zu verſtehn ,
Den er in ſeinem Wercke weiſet ;
Ein Werck , das uͤberall den groſſen Meiſter preiſet ?
Jſt es nun eine Kunſt , der GOttheit Werck zu faſſen ;
Will man ſich denn darin nicht unterrichten laſſen ?
O ja ! ich wolte gern , hoͤr ’ ich verſchiedne ſagen ,
Mich an des Schoͤpfers Werck vergnuͤgen ,
Und meine Luſt zu ſeiner Ehre fuͤgen ;
Allein wer lehrt es mich ? hoͤr ’ ich dieſelben fragen ;
Die GOtts-Gelehrten legen ſich ,
So wie ich ſchon ſeit langer Zeit bemercke ,
Allein auf GOttes Wort , nicht leicht auf GOttes Wercke .
Nun 319 Nun iſt es recht , daß ſie von ſeinem Wort nicht ſchweigen ,
Doch ſolt ein jeder auch nicht minder gern
Die groſſen Wunder ſeines HErrn
Den ſonſt ſtock-blinden Hoͤrern zeigen .
Jch hoff ’ es wird auch mehr und mehr geſchehen ;
So lang es nicht geſchicht ,
Erfodert es doch deine Pflicht ,
Sie oft mit ſchuldiger Betrachtung anzuſehen .
[figure] Ueber - 320 Ueberzeugliche Vermahnung zur Naͤchſten-Liebe . D ein Naͤchſter iſt , ſo wol als du , vom Schoͤpfer eine
Creatur :
Wie wir denn nun in allen Dingen , die GOtt gemacht ,
ihn ſelbſt verſpuͤhren ;
So muß man , zu des Naͤchſten Beſten , und unſerm Nu -
tzen , ihm nicht nur
Nicht ſchaden , ſondern in ihm gleichſam den Schoͤpfer
ſelber reſpectiren .
[figure] Goͤtt - 321 Goͤttlicher Spiegel . E in vom Schoͤpfer , durch ſein Werck und von deren
Wunder-Schein ,
Angefuͤlletes Gemuͤthe
Scheinet gleichſam wie ein Spiegel fuͤr den Schoͤpfer ſelbſt
zu ſeyn ,
Worinn er , ſein Werck vergeiſtert und mit Danck und
Luſt geſchmuͤckt ,
Lauter Weisheit , Allmacht , Guͤte ; ja ſich gleichſam
ſelbſt erblickt .
[figure] X Groſſe 322 Groſſe Buchſtaben . F rage doch die Thiere nur , ob ſie dich nicht lehren
werden ,
Daß ein GOtt , ein Schoͤpfer ſey ? Oder rede mit der Erden ,
Wenn ſie gleich mit keinen Lippen und mit keiner Zunge
ſpricht ;
Giebt ſie dir von dieſer Warheit dennoch deutlichen Bericht .
Das Gefluͤgel in der Luft darfſt du ebenfals nur fragen ;
Selbſt mit ihrem ſtummen Munde werden dir’s die Fiſche
ſagen ;
Frage Blumen , Baͤum ’ und Kraͤuter ! Es erzehlen Thal
und Hoͤhen
Von des groſſen Schoͤpfers Liebe , Weisheit , Herrlichkeit
und Macht .
Deine Seele wird die Sprache ( ſiehet ſie nur mit Bedacht
Die geſchaffnen Wunder an ) durch dein Auge , bald verſtehen .
Menſchen Rede pruͤft das Ohr ; dieſe Sprache kanſt du
ſehen ,
Und durch dein Geſicht vernehmen und begreiffen . Schaue
dann
Jn des Welt-Buchs ſchoͤnen Lettern unſers Schoͤpfers
Schriften an !
Othem - 323 Othem-hohlen . M ein GOtt , ich habe lang auf dieſer Welt gelebet ,
Jch hab ’ auch in der Welt auf deiner Wercke Pracht
Mit Freuden dann und wann gedacht ,
Und , in Verwunderung , dich zu erhoͤhn geſtrebet ;
Allein
Wie hab ich doch ſo unempfindlich , ja
Unfuͤhl - und folglich auch undanckbar koͤnnen ſeyn ,
Fuͤr eins , das , da ichs jetzt bemercke ,
Der allergroͤſten Wunder-Wercke
Ohn allen Zweifel eins . Es iſt mir dieß ſo nah ,
Als ſonſt faſt keines iſt ,
Es wird kein Augenblick
Von mir zuruͤck geleget ,
Daß es nicht meine gantze Bruſt ,
Und zwar zugleich voll Nutz und Luſt ,
Mit einer ſanften Macht beweget .
Mein Leben ſelbſt beſteht in dieſem Wunder bloß ;
Je mehr es mich betrift , je oͤfter ich es brauche ,
Wenn ich den Othem zieh ’ und ſtets ihn von mir hauche .
Je mehr es wunderbar und groß :
Je mehr und oͤfter ſollt ’ auch ich daran gedencken ,
Und dem , der es mich wuͤrdigt , mir zu ſchencken ,
Und der es mir erhaͤlt , mit recht geruͤhrter Seelen ,
Lobſingen , ihn erhoͤhn , und auf beſondre Weiſe ,
Zu ſeiner Weisheit , Lieb ’ und Allmacht Preiſe ,
Der Wunder Meng ’ und Groͤß ’ erwegen und erzehlen .
Es iſt zwar unſers Coͤrpers Bau ,
Und alles , was ich an ihm ſchan ,
Erſtaunens-wuͤrdig , wunderbar ;
X 2 Doch 324 Doch welcher Kiel und welche Zunge
Jſt , die das Wunder-Werck der Lunge
Auf eine ſolche Art beſunge ,
Wie es die Wuͤrdigkeit , wie es derſelben Wehrt
Erfodert und begehrt :
Jhr Weſen , ihre Lag ’ , ihr Ampt , ihr Nutz , den wir
Jn unſerm Coͤrper ſtets von ihr
Empfinden koͤnnen und verſpuͤhren ,
Muß uns zu naͤherer Betrachtung billig fuͤhren .
Wer das kuͤnſtliche Gewaͤchs unſrer Lungen recht ermißt ,
Wird , wo er ein Menſch , ſich wundern , wie es zube - reitet iſt .
Aus viel tauſend kleinen Blaſen , die geſchickt ſind Luft zu faſſen ,
Und ſich von derſelben willig aus einander dehnen laſſen ,
Aber die , wenn jene weicht , alsbald ſich zuſammen ziehn ,
Jſt ihr Weſen zugericht ! und die Luft-Roͤhr ’ liegt in ihr
Wunderbarlich eingeſenckt ,
Und zuerſt mit groſſen Adern = = = aber , was beſchreib ich hier ?
Weil man es unmoͤglich beſſer , als es Triller ſchon gethan ,
Abzubilden faͤhig iſt , und ſie beſſer ſchildern kann ,
Fuͤhr ’ ich dieſe ſchoͤne Stelle , aus deſſelben Schriften an :
„ Nunmehr auch zu dem andern Theile ,
„ Der ſanft ums Hertz herumgelegt ,
„ Und , zu des Coͤrpers groͤſtem Heile ,
„ Sich , wie daſſelbe , ſtets bewegt !
„ Die Lungen ſinds , die wir verſtehen ,
„ Die immer auf - und niedergehen ,
„ Und , durch dieß ſtetige Bemuͤhn ,
„ Beſtaͤndig friſchen Othem ziehn .
„ Sie 325 „ Sie , gleichend einem Huf der Pferde ,
„ Doch mehr noch einer Klau der Kuh ,
„ Weh’n , als ein Blaſebalg , dem Heerde
„ Des Hertzens Luft und Nahrung zu .
„ Doch , da ſie dieſen Zweck erzielen ,
„ So pflegen ſie zugleich zu kuͤhlen ;
„ Gleich wie , bey Titans heiſſer Glut ,
„ Ein ausgeſpanter Fecher thut .
„ Die Kraft , ſo ſtarck ſich aufzutreiben ,
„ Und unaufhoͤrlich aufzublehn ,
„ Jſt denen Blaͤsgen zuzuſchreiben ,
„ Woraus ſie eigentlich beſtehn ;
„ Als welche fuͤglich mit den Zellen
„ Der Bienen in Vergleich zu ſtellen :
„ Wie ſchon Hippocrates erkannt ,
„ Eh ’ es Malpighius erfand .
„ Aus dieſen Luft-erfuͤllten Hoͤlen
„ Pflegt ſich das ſchwaͤrtzliche Gebluͤt
„ Aufs neue gleichſam zu beſeelen ,
„ Daß es in friſchem Purpur gluͤht .
„ Denn wenn es matt zuruͤcke kehret ,
„ Nachdem es jedes Glied ernaͤhret ,
„ So wird ihm die verlohrne Kraft
„ Hier wiederum herbey geſchafft .
„ Weil Hertz und Lunge nun vor allen
„ Regenten unſers Lebens ſeyn ;
„ So machen ſie mit den Vaſallen
„ Und Dienern ſich nicht zu gemein .
X 3 „ Da - 326 „ Dahero haͤngt vor ihrer Staͤdte
„ Gar eine kuͤnſtliche Tapete ,
„ Die , als im alten Teſtament ,
„ Das Heiligſte vom Heil’gen trennt . * Siehe D. W. Trillers Poetiſche Betrachtungen uͤber verſchiedene aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien , pag. 162. ſeqq .
* Wobey ich zum Beſchluß
Noch die Betrachtung fuͤhren muß :
Erwege , deinem GOtt und Schoͤpfer doch zur Ehre ,
Wenn nur allein die Lung ’ in dir nicht richtig waͤre ,
Wie elend wuͤrde doch dein armes Leben ſeyn !
Ein jeder Augenblick wuͤrd ’ immer neue Pein ,
Mit Huſten , Keichen , Seiten-Stechen ,
Jn deiner faſt zerfleiſchten Bruſt ,
Die voller Schleim und Wuſt ,
Als wenn ſie immer wolte brechen ,
Erregen ; da du jetzt , wenn du’s erwegſt , mit Luſt
Den Athen in dich ziehſt , dein heiſſes Blut erfriſcheſt ,
Der Luft geſunde Theil ’ in deinem Coͤrper miſcheſt ,
Und froͤlich leben kannſt ; wenn du nur ſelber wilt
Die Kraͤfte deiner Seel ’ auf dieſes Wunder lencken ,
Und , daß du ſanfte lebſt ,
Beym ſanften Athen-ziehn ,
Doch oͤfters als du thuſt , bemuͤht biſt zu bedencken .
Ach moͤgten wir dieß Wunder oft betrachten
Und , wie es in der That , es fuͤr ein Wunder achten ,
So wuͤrden wir bey jedem Athem-ziehn ,
Dem groſſen GOtt zu dancken uns bemuͤhn ,
Und uns zu gleicher Zeit beſtreben ,
Jn unſrer Luſt zu ſeiner Ehr ’ zu leben !
Ei - 327 Einige Betrachtungen uͤber unſre Sinnen . E s ſcheint , wann wir uns recht betrachten , daß , ob zwar junger Kinder Seelen
Die Faͤhigkeiten , zu vergleichen , zu ſchlieſſen , zu verſtehn , nicht fehlen ;
Doch die gedachten Faͤhigkeiten und ihres Weſens rege Kraft
Ohn unſrer Sinnen Wunder-Werckzeug , ohn ’ unſrer Sinnen Eigenſchaft ,
Sich immermehr entwickeln wuͤrden . Die Sinnen wir - cken blos allein ,
Daß wir der Coͤrper gut genieſſen , daß ſie fuͤr uns ge - ſchaffen ſeyn ,
Daß , auf ſo wunderbare Weiſe , mit Coͤrpern Geiſter ſich verbinden ,
Daß wir , was auf der Welt vorhanden , genieſſen , ſehen und empfinden ,
Daß wir der Creaturen Schoͤnheit , die , auf ſo manche Weiſe , ſchoͤn ,
Daß wir ſo viele Form - und Farben , daß wir des Lichtes Wunder ſehn .
Ohn unſre Sinnen , wuͤrden Coͤrper , die durch die Sin - nen mit den Seelen
Auf eine mittelbare Weiſe , wie wirs empfinden , ſich ver - maͤhlen ,
Sich , recht als waͤren ſie nicht da , den Seelen gantz und gar verhehlen .
So laßt uns denn der Sinnen Gaben , die unſre Seelen gleichſam naͤhren ,
Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen , und durch ſie GOtt , als Schoͤpfer ehren !
X 4 Ge - 328 A. Geliebter Freund du zeigeſt zwar ,
Daß alle Werckzeug ’ unſrer Sinnen ſo kunſtreich und ſo wunderbar ,
Und wilſt dahero dieſes ſchlieſſen :
Daß wir , mit ihnen , und durch ſie , den groſſen Schoͤp - fer ehren muͤſſen .
Allein , wir koͤnnen an den Thieren ,
Daß ihre Sinnen ja ſo wol , als unſre Sinnen , Wun - der-reich ,
Daß ſie den unſrigen nicht nur in allen Stuͤcken wuͤrck - lich gleich ,
Ja daß ſie oft noch ſchaͤrfer ſind , erkennen ſehen und verſpuͤhren :
Doch darum wirſt du ja von ihnen , verhoff ’ ich , dieſes nicht verlangen ,
Daß ſie die Sinnen , unſern GOTT als Schoͤpfer zu erhoͤh’n , empfangen .
B. So wie die Thier ’ uns blos zum Beſten ; ſo muͤſſen wir , zu GOttes Ehren ,
Mit Danck und mit Vergnuͤgen ſchmecken , empfinden , riechen , ſehn und hoͤren .
[figure] Unge - 329 Ungewißheit . J n dieſer hellen Finſterniß ,
Jn welcher wir auf Erden ſtecken ,
Wird ein Vernuͤnftiger gar leicht entdecken ,
Daß alles Wiſſen ungewiß .
Die Ungewißheit geht ſo gar ſo weit ,
Daß man ,
Mit Recht und Zuverlaͤßigkeit ,
Daß alles ungewiß , gewiß kaum ſagen kann .
[figure] X 5 Wir - 330 Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart . E s iſt in allen ſeinen Wercken ,
Die ſo bewunderns-wuͤrdig ſchoͤn ,
Der Schoͤpfer ſelbſt zwar nicht zu ſehn ;
Doch ſeine Gegenwart zu mercken .
Und darum wirckt der Wunder Menge
Und ihr ſo herrliches Gepraͤnge ,
Wovon wir uns umgeben ſchauen ,
Jn mir ein froh und heiligs Grauen .
Wen ſollt ’ auch nicht ein Grauen ruͤhren ,
Wenn man die Nachbarſchaft ermißt ,
Die GOttheit ſelbſt ſo nah zu ſpuͤhren ,
Die auch den Engeln ſchrecklich iſt .
Doch nein ! Es zeigt der Wunder-Schein
Der Creatur , die ihn verhuͤllet ,
Daß er zu ſchrecken nicht gewillet ;
Er will von uns geliebet ſeyn .
Er wollt ein ungezehltes Heer
Von Wundern , uns zur Luſt , beſtimmen ;
Er ſchuf ein rechtes Anmuths-Meer ,
Worinn wir Menſchen gleichſam ſchwimmen .
Er will , man ſoll vergnuͤget leben ,
Sonſt haͤtt ’ er ſie uns nicht gegeben ;
Jndem er uns fuͤr ihre Pracht
So Wunder-wuͤrdig ſinnlich macht .
Wir 331 Wir haben einen freyen Willen ,
Warum will denn die Menſchheit nicht ,
Nach ihrer ſo bequemen Pflicht ,
Was GOtt ſo gnaͤdig will , erfuͤllen ?
Will ſie denn lieber nichts betrachten ,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf verachten ,
Und lieber murriſch ſeyn in allen ,
Als froͤlich ſeyn , und GOtt gefallen ?
[figure] Glaͤ - 332 Glaͤſerne Kugel . A uf einer Kugel , die von Glas , und auf gewiſſe Art verguͤldet ,
Sah ich die Vorwuͤrff uͤberall , Bewundrungs-wuͤrdig - klein gebildet ,
Mit unverwendten Blicken , an . Unglaublich iſt , wie klar , wie rein ,
Wie nett und zierlich alle Coͤrper verkleinert und formiret ſeyn !
Jndem ich es erſtaunt betrachte , faͤllt mir nicht ſonder Urſach bey ,
Daß dieſe glatt ’ und runde Kugel ein Bild von einem Au - ge ſey .
Der Unterſcheid ſteckt blos darin , daß von den Coͤrperli - chen Dingen
Die Bilder auf der Kugel nur formirt , und gleichſam ruͤckwerts ſpringen ;
Da ſie hingegen in das Auge , ja gaͤntzlich durch daſſelbe dringen
Und auch die untre Ruͤnde ruͤhren , ja durch ein Nervgen weiter gehn ;
Wodurch im menſchlichen Gehirne , ſo dann Betrachtun - gen entſtehn ,
Wenn nur das Nervgen nicht verſtopft . Weil ſonſt nicht mehr , als Ochſen-Augen ,
Der Menſchen Augen was ſie ſehn , zu ſehn und zu be - trachten taugen .
Wenn nun beym Sehen , ohne Dencken , die Menſchen kei - ne Menſchen ſeyn ;
So fiel , ſo dir als mir zur Lehre , mir folgende Vermah - nung ein :
Laß 333 Laß doch , bey aller Pracht der Wunder hier auf Erden ,
Dein Auge , lieber Menſch , kein Ochſen-Auge werden !
Ach nein !
Laß es , zu GOttes Ruhm , ein Menſchen Auge ſeyn !
Eroͤfne die an ihm befindlichen Canaͤle ,
Und laß die Pracht von den erſchaffnen Dingen ,
Durch ſie , ſich ins Gehirn , den Sitz der Seele ,
Ja in die Seele ſelber dringen .
Laß durch Gewohnheit dir die Thuͤren nicht verriegeln ,
Wodurch die Welt mit dir , du mit der Welt , vereint ,
Durch die der GOTTHEIT Glantz , als wie von hellen Spiegeln ,
Aus ſeinen Wercken wiederſcheint !
Wir ſehen ja das eigentliche Licht ,
Ohn einen Gegenſchlag von feſten Coͤrpern , nicht .
So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht
Ohn ſeiner Creaturen Pracht
Unmoͤglich ſehn , erkennen und verehren .
Die Creaturen ſinds allein ,
Die uns von ſeiner GOttheit Schein
Die herrliche Beſchaffenheit erklaͤren .
Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen : das Geſicht ,
Der Coͤrper Vorwuͤrff ’ , und das Licht .
Wer aber als ein Menſch will ſehen , muß das Dencken
Annoch zu dieſen dreyen lencken ,
Und dieſe Seelen-Kraft noch zu den andern fuͤgen ;
Sonſt hat der Menſch von allem , was auf Erden ,
Kein ’ eigentliche Luſt , kein menſchliches Vergnuͤgen ,
Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden .
Er - 334 Erklaͤrung des Vater Unſers . S o wol der Anfang , als der Schluß
Des Vater Unſers , zeiget an ,
Daß , auch im Beten , jedermann
Auf die Verherrlichung des Schoͤpfers gehen muß .
Es giebet Chriſtus ſelbſt den deutlichſten Bericht ,
Der je davon zu unſrer Kundſchaft kame ,
Wenn er zu Anfang : Vater ! ſpricht , Geheiligt werde ſtets dein Nahme !
Wie kann nun GOttes Nahm ’ auf Erden
Von uns doch mehr geheiligt werden ,
Als wenn wir , wie ſein Werck ſo ſchoͤn ,
Jn froͤlicher Betrachtung , ſehn ? Sein Reich wird wenigſtens auch darin mit beſtehn ,
Wenn wir , in ſeinem Werck , mit Luſt , ſein Lob erhoͤhn . Sein Wille wird zugleich , wenn dieß geſchicht , geſchehn .
Auch unſer taͤglich Brodt zeigt ſeiner Wercke Macht ,
Und wird , aus weiſer Huld , von ihm hervorgebracht .
Wenn Chriſtus das Gebeth nun endlich ſchleußt ;
So finden wir noch mehr : indem es heißt : Denn es iſt dein das Reich , die Kraft , die Herrlichkeit Jn Ewigkeit . Es faͤhrt am ſelben Ort
Der HErr noch weiter fort ,
Und heißt in Lilien , da ſie ſo ſchoͤn ,
An Voͤgeln und am Graſ ’ uns GOttes Allmacht ſehn .
Ach 335 Ach , warum nehmen wir denn nicht
Die , durch Natur und Schrift uns eingepraͤgte , Pflicht
Mit mehrerm Ernſt in acht ?
Auf , laßt uns uͤberall in GOttes Wercken ,
Mit Andacht , Luſt und Ehrfurcht , mercken
Des Schoͤpfers Weisheit , Lieb ’ und Macht !
[figure] Die 336 Die uns zur Ehre GOttes leitende Creatur . E s lieget in der Menſchen Seelen
Zum Dancken eine Faͤhigkeit ;
Doch wird die trefliche Beſchaffenheit ,
Wofern des Schoͤpfers Werck ’ ihr fehlen ,
Und nichts ſie durch die Sinne ruͤhrt ;
Als waͤre ſie nicht da , auch nicht verſpuͤhrt .
Es muß zugleich auch die Betrachtungs-Kraft ,
So ebenfals der Seelen Eigenſchaft ,
Sich mit den Sinnlichen verbinden ;
Wir muͤſſen mit Bedacht empfinden .
Wann dieß geſchicht ; kann es nicht anders ſeyn ,
Wir werden ſolche Triebe fuͤhlen ,
Die auf die Qvell der Luſt allein ,
Auf unſers Schoͤpfers Ehre , zielen .
[figure] Wunſch . 337 Wunſch . M oͤgt ’ , o HErr , von deiner Guͤte
Und von deiner Allmacht Schein
Mein betrachtendes Gemuͤhte
Ein vernuͤnft’ger Spiegel ſeyn !
Moͤgt ’ in mir , wenn Danck und Liebe ,
Sammt der Andacht reinem Triebe ,
Sich zu meiner Frende fuͤgen ;
Jn mir , als im Wiederſchein ,
Dir dein ’ Allmacht ſichtbar ſeyn ;
Mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen !
[figure] Y Pflicht 338 Pflicht des Geiſtes . M an ſieht nicht einſt das helle Sonnen-Licht ,
Es leuchtet nicht , es waͤrmet nicht ,
Wo es ſich nicht an Coͤrpern bricht ,
Nicht ruͤckwerts faͤllt , nicht reflectiret .
So wird von unſerm Geiſt auch nichts geſpuͤhret ,
Wo er ſich nicht auf Coͤrper ſenckt ,
Von ihnen ſich nicht ruͤckwaͤrts lenckt ,
Und , reflectirend , wirckt und denckt .
[figure] Das 339 Das Welt-Buch . D as groſſe Buch der Welt giebt uns von deinem Weſen ,
O Schoͤpfer aller Welt , viel herrliches zu leſen ;
Wohin ich gehe , wo ich ſtehe
Wohin ich dencke , hoͤr ’ und ſehe ,
Erblick ich uͤberall Bewundrungs-wehrte Schriften ,
Die , daß dein ’ Allmacht-Hand , aus ew’ger Huld getrieben ,
Sie blos , in unſrer Luſt , zu deinem Ruhm geſchrieben ,
Ein unvergaͤnglich Merckmahl ſtiften .
Es zeiget uns die Schrift der Creaturen ,
Ja jeder Buchſtab ſchon allein ,
Von deiner Macht ein Licht , und einen hellen Schein
Von deiner Weisheit Spuren .
Gewehnte man ſich nur , zu deiner Ehr ’ ,
O GOtt ! in dieſer Schrift zu buchſtabiren ;
So wuͤrd uns immer mehr und mehr
Dein groſſes Wort , ihr wahrer Jnnhalt , ruͤhren ,
Und dieſes Wunder-Buch des Himmels und der Erden
Wuͤrd ’ uns das rechte Buch der Weisheit werden .
[figure] Y 2 Leich - 340 Leichter GOttes-Dienſt . E s iſt nicht nur jedwede Stunde ;
Es iſt ein jeder Augenblick ,
Ja jede fluͤchtige Secunde
Von unſrer Lebens-Zeit ein Stuͤck .
Du laͤſſeſt eine nach der andern
Verfliegen , ſchwinden und vergehn ,
Die kuͤnſt’ge zur vergangnen wandern ,
Ohn , was du guts haſt , anzuſehn ;
Wie lange denckſt du dein Ergetzen
Ob allem , was dir GOtt geſchenckt ,
Und deinen Danck hinauszuſetzen ?
Du lebſt in Friede , biſt geehret ,
Du biſt geſund , du haſt dein Brodt ,
Und was zur Nothdurft dir gehoͤret :
Wilſt du denn , biß an deinen Todt ,
Den , der dir alles gab , zu lieben ,
Jn deiner Luſt ihn zu erhoͤhn ,
Biß ( ſag ich ) an den Todt verſchieben ,
Und daß nur er dirs gab , verſtehn ,
Um dann den Reſt von deinem Leben ,
Mit inniglicher Danckbarkeit ,
Den groſſen Geber zu erheben ?
Jetzt thu es ! jetzo iſt es Zeit !
Es 341 Es will fuͤr alle ſeine Gaben ,
Die er dir ſchenckte , GOtt der HErr
Nicht lange Complimenten haben ;
Er heiſcht kein aͤngſtlich Wort-Geplaͤrr :
Man darf des Schoͤpfers Dienſt nicht ſcheuen ;
Man iſt belohnt , wenn man ihn ehrt .
Sich ſein in ſeinen Wercken freuen
Jſt aller Danck , den er begehrt .
[figure] Y 3 Recht - 342 Rechtmaͤßige Betruͤbniß . A us einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen ,
Wie es ſchon ziemlich ſpat , erwacht ;
Es hielte mich des Vorhangs falſche Nacht
Wie ſchon die rechte Nacht vorbey , annoch verborgen :
Als ich , noch halb verwirrt durch einen ſchweren Traum ,
Den gruͤnen Vorhang ſchnell zuruͤcke ,
Die Augen aufwaͤrts , ſchlug : gleich traf die traͤgen Blicke
Ein gruͤn ſo helles Feur von einem Linden-Baum ,
Der meine Fenſter deckt ’ und welcher von der Sonnen
So herrlich angeſtrahlt , daß meine Augen kaum ,
Und zwar in einigen Secunden ,
Dieß durch das zarte Laub gefaͤrbte Sonnen-Licht
Recht anzuſehn ſich faͤhig funden .
Es ſah mein faſt fuͤr Luſt verblendetes Geſicht ,
Das hin und her mit ſchnellen Blicken lieffe ,
Jn dieſes ſchoͤnen Baumes Tieffe ,
Nebſt tauſend ſchoͤn-beſtrahlten hellen ,
Viel tauſend dunckel-gruͤne Stellen ,
Die alle dem Smaragd an gruͤner Schoͤnheit gleich ,
Und ja ſo ſehr , wie er , an Glantz und Schimmer reich ,
Noch ſchoͤner an Figur . Es iſt nicht zu beſchreiben
Wie lieblich alles war ;
Zumahl da durch die groß - und klaren Fenſter-Scheiben
Das , was man ſah , noch einſt ſo klar .
Nicht moͤglich iſts , wenn auch ein Feuer-Werck
Jn gruͤnen Flammen brennte ,
Daß es noch herrlicher , als dieſes , glaͤntzen koͤnnte .
Jch 343 Jch ward durch alle Luſt , die ich durchs Auge ſpuͤrte ,
Durchdrungen und ſo ſehr bewegt ,
Daß mich , fuͤr Luſt , ein heiligs Trauren ruͤhrte ,
Wie ich bedachtſam uͤberlegt ,
Daß , fuͤr ſo manche Luſt , die hier in dieſem Leben
Der groſſe Schoͤpfer uns gegeben ,
Die uns beluſtigen und nuͤtzen ,
Wir ſo gar wenig Faͤhigkeit ,
Die GOttheit kraͤftiger und oͤfters zu erheben ,
Da man ſo viel beſitzt , beſitzen ,
Und daß wir ſeine Werck in Andacht anzuſehn ,
Und ihn im Sehen zu erhoͤhn ,
Mit ſolcher Traͤgheit uns beſtreben .
Jch ſelber fuͤhl ’ in mir
Noch lange , leider ! nicht ſo viele Danck-Begier ,
Als wie ich wol zuweilen wollte ,
Und als ich , billig , ſtets empfinden ſollte .
Da ich doch mehr vielleicht , als iemand , uͤberfuͤhrt ,
Wie ſehr in unſrer Luſt dem Schoͤpfer Danck gebuͤhrt .
Jch weiß dabey nichts anders anzufangen ,
Als meinen Schoͤpfer anzuflehn ,
Daß ich , ſein herrlich Werck mit Luſt oft anzuſehn ,
Die Gnad ’ und Faͤhigkeit von ihm doch moͤg ’ erlangen !
[figure] Y 4 Kraͤfte 344 Kraͤfte der menſchlichen Vernunft . H ier ſeh ich , an verſchiednen Stellen ,
Ein Silber-reines Waſſer qvellen ,
Erſt uͤber weiſſem Sande flieſſen ,
Hernach ſich uͤbers Land ergieſſen ,
Sich uͤber Weg und Fuß-Steig lencken ,
Und Wieſen , Gras und Kraut ertraͤncken .
Mir fiel bey dieſem Waſſer , ein :
Es hieß der Schoͤpfer , auf der Erden
Zwar alle Ding ’ und Coͤrper werden ;
Doch koͤnnen ſie ſich nicht allein
Nach Ordnung und Vernunft regieren ;
Es muͤſſen darum Menſchen ſeyn ,
Um ſie zum rechten Zweck zu fuͤhren .
Dem Geiſt des Menſchen iſt die Kraft
Von dem , der alles ſchuf , geſchencket ,
Daß er der Coͤrper Eigenſchaft
Nach Regul , Maaß und Ordnung lencket .
Was koͤnnte nicht , aus dieſem Bach ,
Der Tag und Nacht beſtaͤndig laͤuft ,
Und , ſonder Aufſicht , nach und nach
Das Land verderbet und erſaͤuft ,
So wol zur Luſt , als Fruchtbarkeit der Erden ,
Fuͤr Nutzen nicht geſchaffet werden ?
Solch unſern Geiſt betrachtendes Erwegen
Kann uns aufs neu von unſers Geiſtes Wehrt ,
Und was fuͤr Gaben ihm beſchehrt ,
Die Wahrheit klar vor Augen legen .
Ve [r - ] 345 Verdienet es demnach gar wol , mit ernſtem Dencken ,
Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken ,
Und , GOTT ſo wohl zum Ruhm , als uns zum Nutz , zu ſehn
Die Wunder , welche GOtt in ſie zu ſencken
Sie wehrt geachtet hat , ihn dadurch zu erhoͤhn :
Es iſt wahr , es hat der Menſch nicht die ſchnelle Fertigkeit ,
Seine Stelle zu veraͤndern , und ſich uͤber Thal und Huͤgel
Schnellen Voͤgeln gleich zu ſchwingen , und ſich , in ſo kur - tzer Zeit ,
An entfernten Ort zu ſchaffen : denn er hat ja keine Fluͤgel .
Gleichfals ſind wir nicht ſo ſtarck , wie verſchiedne Thiere , die
Wir , Bewundrungs-voll , mit Hoͤrnern , Zaͤhnen , Sta - cheln , ſcharffen Klanen
Sich zu ſchuͤtzen , ſich zu naͤhren , wunderbar bewaffnet ſchauen .
Ja , noch mehr ; wir finden uns nicht gekleidet , wie das Vieh ,
Von den Haͤnden der Natur , da die Menſchen auf der Welt
Ohne Peltz-Werck , Federn , Schuppen , gegen Wetter , Hitz ’ und Kaͤlt ’ ,
Ohne den geringſten Schutz , nackt und bloß gebohren werden .
Schickt ſo nackte Duͤrftigkeit ſich zum Koͤnige der Erden ?
Antwort :
Uns iſt die Vernunft geſchenckt , und durch dieſe ſind wir reich ,
Starck , und wol verſorgt mit allem , was uns noͤhtig thut , zugleich .
Y 5 Durch 346 Durch dieſelbe werden wir uͤberzeuglich gnug belehret ,
Daß was alle Thiere haben , eigentlich uns zugehoͤret .
Daß ſie wuͤrcklich unſre Sclaven , daß ihr ’ Arbeit , Dienſt und Leben
Uns allein zu unſerm Nutzen , Dienſt und Willkuͤhr uͤber - geben .
Haben wir ein Wildpraͤt noͤhtig ; wird ein Falck , ein Hund geſchickt ,
Welcher , ſonder unſre Muͤhe , das , was man verlangt , be - ruͤckt ,
Und in unſre Kuͤche liefert . Aendert ſich die Jahres-Zeit ,
Und wir wollen , uns zum Schutz und zur Zier , ein an - der Kleid ;
Zinſ’t das Schaf uns ſeine Wolle , zollet das Cameel ſein Haar
Und es ſpinnt der Seiden-Wurm uns ein leicht und ſchoͤn Gewand .
Es ernaͤhren uns die Thiere , ſie bewahren uns ſo gar ,
Ja ſie tragen unſre Laſten , bau’n und pfluͤgen unſer Land ;
Dieſes iſt noch nicht genug : Es ſind nicht die Thiere nur ,
Die uns Kunſt und Staͤrcke leih’n ; die Vernunft zwingt , uns zu dienen ,
Auch die Unempfindlichſten unter aller Creatur .
Selbſt die allerſtaͤrckſten Eichen , die auf hohen Bergen gruͤnen ,
Bringet ſie zu uns herab ; ſie weis Felß und Stein zu trennen
Aus der Erden duncklem Schoß , daß wir ſicher wohnen koͤnnen .
Wollen wir von einem Land-Strich , auch ſelbſt uͤbers Meer , zum andern
Wahre haben , oder ſenden , ja auch ſelbſt mit ihnen wandern ;
Brau - 347 Brauchen wir , zu dieſem Endzweck , der Gewaͤſſer Fluͤßigkeit ,
Auch der Luͤfte Hauch , den Wind . Elementen und Metallen
Sind , durch Kraͤfte der Vernunft , uns zu unſerm Dienſt bereit .
Wo ſie was von Coͤrpern brauchen , nimmt ſie , was ihr dient , von allen .
Sind wir gleich nur klein , doch giebet die Vernunft uns ſolche Macht ,
Die ſonſt anders keine Graͤntzen , als der Erden Graͤntzen kennet ,
Deren Flaͤche wir bewohnen . Was wir wollen wird voll - bracht ,
So bey Nordens kaltem Eyſ ’ , als wo ſtets die Sonne brennet .
Wir verbinden , ſo zu reden , beyde Theile dieſer Welt ,
Ohn uns gleichſam zu bewegen , wann und wie es uns gefaͤllt .
Die Gedancken mahlen wir ; dieſe Schrift wird weggeſandt ,
Und durch ſo viel tauſend Menſchen dringet ſie , macht un - ſern Willen
Auf viel tauſend Meilen kund , um denſelben zu erfuͤllen ;
Ja man machet durch den Druck ihn der gantzen Welt bekannt ,
Laͤßt ihn gar , nach unſerm Tod ’ , auch die ſpaͤtſte Nach - Welt wiſſen ,
Mehr als tauſend Jahr hinaus , ſo daß wir bekennen muͤſſen :
Alle Wunder der Vernunft haben weder Ziel noch Ende !
Sie verſchoͤnert , ſie verbeſſert , und bereichert alle Staͤnde ;
Sie iſt in der Kuͤnſtler Fingern minder nicht bewunderns wehrt , ( Wodurch ſie uns manche Schoͤnheit und Bequemlichkeit beſchehrt )
Als in der Gelehrten Schriften , worinn ſie uns eine Quelle ,
Die 348 Die nicht zu erſchoͤpfen iſt , von Belehrung , Troſt , Vergnuͤgen ,
Beſſerung und Huͤlfe wird ; ja ſie weiß annoch zu fuͤgen ,
Jn ſo vielen Wirckungen , Nutzen und Vortreflichkeit ,
Einen Vorzug der annoch groͤſſere Vollkommenheit
Jhres edlen Weſens weiſet , den wir Augen-faͤllig mercken
Und zu Tage legen koͤnnen , ſie iſt von des Schoͤpfers Wercken
Recht der Mittel-Punct auf Erden ; recht der Endzweck ſcheinet ſie ;
Ja ſie macht von ihnen allen gleichſam recht die Harmonie .
Laßt uns einen Augenblick die Vernunft vom Erd - Kreis nehmen ;
Laßt uns dencken , daß kein Menſch ſich auf Erden mehr befindet ,
Alſobald iſt alles weg , was des Schoͤpfers Werck verbindet ,
Alſobald wird alle Ordnung fort , ein Jrrthum allgemein ,
Schmutz und Unrath allenthalben , uͤberall Verwirrung ſeyn .
Von dem hellen Sonnen-Licht wuͤrde zwar der Kreis der Erden
Angeſtrahlet und gefaͤrbt , lieblich , ſchoͤn , und praͤchtig werden :
Doch die Erde , welche blind , braucht vom hellen Glantz des Lichts
Und von aller ihrer Schoͤnheit , Farben , Pracht und Schimmer nichts :
Durch die Waͤrme , Thau und Regen , wuͤrden zwar die Saamen keimen
Und das Feld mit Gras bedecken auch verſchiedne Fruͤcht ’ entſpringen ;
Doch es ſind verlohrne Schaͤtze . Keinem wird es Nutzen bringen ,
Nie - 349 Niemand um ſie einzuſammlen , zu verzehren , aufzuraͤumen ,
Und das Unkraut zu vertilgen waͤre da . Die Erde wuͤrde ,
Wie man es nicht leugnen kann , zwar verſchiedne Thiere naͤhren ;
Aber dieſe niemand nutzen , keinem einen Dienſt gewaͤhren .
Nicht geſchohrne Schaafe wuͤrden der beſchmutzten Wolle Buͤrde
Kuͤmmerlich nur tragen koͤnnen . Ja es wuͤrden Kuͤh ’ und Ziegen ,
Von zu vieler Milch beſchwert , kranck und ungemolcken liegen ,
Nichts als lauter Wiederſpruch wuͤrd ’ an allen Orten ſeyn .
Steine , die zum Bauen tuͤchtig , ſchließt der Schooß der Er - den ein
Nebſt den koͤſtlichſten Metallen ; doch Bewohner fehlen ihr ,
Ja ſo wol als kluge Kuͤnſtler , welche ſonſt aus tauſend Sachen
Tauſendfache Schaͤtzbarkeiten , zur Beqvemlichkeit , zur Zier ,
So zum Nutzen , als Ergetzen , zu formiren und zu machen
Tauglich und geſchicklich ſind . Es iſt ihre Flaͤch ’ ein Garten ,
Angefuͤllt von Pracht und Schoͤnheit von faſt ungezehlten Arten ;
Aber er iſt nicht zu ſehn . Die Natur in ihrer Pracht
Jſt ein wunderſchoͤner Schau-Platz ; wovon aber keine Spur
Jemand in die Augen faͤllt . Aber laßt uns der Natur
Nur den Menſchen wiedergeben ! laßt nur die Vernunft auf Erden
Wieder dargeſtellet werden !
Alſobald wird ein Verband , ein Zuſammenhang , Verſtaͤndniß
Eine Harmonie und Einheit , Luſt , Empfindlichkeit , Erkaͤnntniß
Ueber - 350 Ueberall zugegen ſeyn und regieren . Selber Sachen ,
Die fuͤrs menſchliche Geſchlecht die Natur nicht ſcheint zu machen ,
Sondern nur fuͤr Thier und Pflantzen , haben , wenn mans recht erwegt ,
Doch die Abſicht auf den Menſchen , durch die Dienſte , die von ihnen ,
Da ſie mittelbar uns dienen ,
Mancher zu genieſſen pflegt .
Eine Muͤcke legt die Eyer auf das Waſſer ; draus entſtehn
Kleine Wuͤrmer , welche lang ’ in gedachtem Waſſer leben ,
Eh ’ ſie in die Luft ſich heben ,
Dieſe dienen nun zur Nahrung , Krebſen , Waſſer-Voͤgeln , Fiſchen ,
So man uns pflegt aufzutiſchen ;
Jſt es alſo fuͤr den Menſchen , auch ſo gar , daß Muͤcken ſeyn .
Er verbindet aller Weſen ; die man allenthalben ſpuͤret ,
Alle zielen auf ihn ab . Seine Gegenwart allein
Jſt die Stelle , wo ein Gantzes aus viel Theilen ſich formiret ,
Er iſt gleichſam ihre Seele . Ja es iſt der Menſch nicht nur
Der Geſchoͤpfe Mittel-Punct , die ihn uͤberall umringen ;
Er iſt uͤberdem ihr Prieſter . Er iſt ihrer Danckbarkeit
Gleichſam ein getreuer Dollmetſch . Wenn ſie GOTT ihr Opfer bringen ,
Der ſie ihm zur Ehr gemacht ; wenn ſie ihrem HERRN lobſingen ,
Schallet es durch ſeinen Mund. Es begreift der Diamant
Weder ſeinen eignen Wehrt ,
Noch denjenigen , der ihm ſolchen ſchoͤnen Glantz beſchehrt ;
Der die Thiere naͤhrt und kleidet iſt den Thieren unbekannt :
Es erkennet blos allein ihren Schoͤpfer der Verſtand ,
Da 351 Da der Geiſt ſich zwiſchen GOtt und den Creaturen findet ,
Weiß er , da er ihrer braucht , und durch ſie viel Guts empfindet ,
Daß ihn ſeine Pflicht zur Lieb ’ und zum Lob und Danck verbindet .
Ohn Vernunft iſt die Natur ſelber ſtumm . Durch ſie hergegen ,
Preiſen alle Creaturen den , der ihnen Seyn und Seegen
Zugetheilt und anerſchaffen . Die Vernunft allein begreift , Daß ſie ſey , auch von ihm ſey ; ſie allein vermag zu faſſen ,
Jn wie eine groſſe Menge ihr empfangnes Gut ſich haͤuft ;
Sie beſitzt das groſſe Gluͤck ( ſo ſich nicht kann ſchaͤtzen laſſen )
Daß ſie GOtt weiß anzubeten , und fuͤr was er ihr beſchehrt ,
Was in ihr , und um ſie iſt , ihn verherrlicht und verehrt .
[figure] Son - 352 Sonnen-Schein in der Nacht . J ch ſeh , auch mitten in der Nacht ,
Jm hellen Mond der Sonnen Pracht ,
Ob es die wenigſten gleich meinen ,
Jm Wiederſchlag auf Erden ſcheinen .
So danckt dem , der den Mond gemacht ,
So daß , auch mitten in der Nacht ,
Er unſrer Sonnen Licht und Pracht ,
Die ſtets das Firmament erfuͤllet
( Doch wenn ſie nicht an etwas faͤllt
Den Creaturen dieſer Welt
Nicht ſichtbar iſt ) vor uns enthuͤllet ,
Und laßt uns , ob der Sonnen Schein ,
Den uns der Mond zeigt , froͤlich ſeyn ,
Und unſerm GOtt , um ihn zu preiſen ,
Doch eine frohe Seele weiſen !
Wie kann der groſſe Schoͤpfer wollen ,
Daß wir ihm etwas anders zollen ,
Als eine , mit geruͤhrter Bruſt ,
Aus ſeinem Werck empfundne Luſt ?
[figure] Lob 353 Lob GOttes bey Betrachtung ſeiner Wercke . Q uell aller ſchoͤnen Creaturen !
Jch ſeh von deiner weiſen Macht
An allen Orten Wunder-Spuren ,
Jndem ich , wo ich geh ’ und ſtehe ,
Wohin ich meine Blicke drehe ,
Am Himmel an der Sonnen Glut ,
Auf Erden in der Luft und Fluth ,
Den Ausbruch deiner Liebe ſehe ;
Daher ich , weil in deinen Wercken
Du gegenwaͤrtig zu bemercken ;
Jn ihnen billig dich erhoͤhe .
[figure] Z Be - 354 Betrachtung wallender Waſſer-Wogen . A uf einem ſichern Schif , worauf ich mich befinde ,
Betracht ’ ich jetzt die , durch die wilden Winde ,
Starck aufgebrachte Fluth , die ſich gewaltig baͤumet ,
Entſetzlich wallet , brauſ’t , und ſchaͤumet .
Die Wellen drohen ſich einander zu verſchlingen ;
Die ſuchet jene zu bezwingen ;
Dort ſieht man Berge ſchnell ſich neigen ,
Dort tieffe Thaͤler ploͤtzlich ſteigen .
Es wuͤthet , wuͤhlt und wallt die Fluth . So weit wir ſehn
Sucht alles ſich zu ſencken , zu erhoͤhn .
Hier ſiehet man von unten dicke Wellen
Sich auf einmahl erheben , baͤumen , ſchwellen .
Wenn nun in ihrer Fahrt ein ’ ander ’ ihr begegnet ,
Sieht man ſie ſich ſo heftig drengen ,
Daß ſie , beſchaͤumt , als wenn es regnet ,
Rings um ſich groſſe Tropfen ſprengen .
Hier woͤlben ſich die regen Wogen ,
Formiren umgekehrte Bogen ;
Dann ſteigen graue Berg ’ allmaͤhlig in die Hoͤh ,
Mit weiſſen Schaum bedeckt , als wie mit Schnee .
Oft ſincken ſie , zerborſten , ploͤtzlich nieder ,
Oft heben ſie ſich ſchnell und ſteigen ploͤtzlich wieder .
Jndem ich meine Blicke nun
Auf dieſem Platz der Unruh lieſſe ruhn ;
Entſtunden bey der Wellen Wancken
Bey mir die folgenden Gedancken :
Wann aus der tieffen Fluth ſich eine Well ’ erhebt ,
Sich abgeſondert , hoch zu ſteigen ,
Vor andern ſchwuͤlſtig ſich zu zeigen
Oft ſanft , oft ungeſtuͤm beſtrebt ,
Doch 355 Doch ploͤtzlich ſinckt , vergehet und verſchwindet
Und mit derſelben Fluth , aus welcher ſie entſprungen ,
So bald ſie von ihr eingeſchlungen ,
Sich wieder , wie zuvor , vermiſcht befindet ;
So kommt ſolch eine Welle mir
Als wie ein Bild von unſerm Leben fuͤr .
Jndem wir mit den Stoff der Erden ,
Aus welchem wir entſtehen und beſtehn ,
Nachdem man uns hier kurtze Zeit geſehn ,
Jm Grabe wiederum vermiſchet werden .
Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten Strand :
Beſtehet nicht das feſte Land
Aus lauter kleinen Koͤrnchen Sand ?
So wie das tieff ’ und weite Meer
Aus einem groſſen Tropfen-Heer ?
Mir faͤllt bey dieſem Dencken bey :
Ob nicht vor GOtt die gantze Erde
Zum Sand-Korn , und das Meer zu einem Tropfen werde ;
Ob beides , gegen GOtt , wol mehr zu rechnen ſey ?
[figure] Z 2 Ver - 356 Vermehrung vergnuͤgter Tage . B ey aufgeklaͤrter Luft , im warmen Sonnen-Strahl ,
Spricht mancher Menſch noch wol einmahl :
Heut iſt das Wetter ſchoͤn !
Kaum aber hat er dieß geſprochen , ( Als waͤre GOtt nun Ehre gnug geſchehn )
Wird ſeine Red ’ und Luſt gleich abgebrochen .
Er laͤßt den gantzen Tag vergehn ,
Ohn an deſſelben Pracht und an der Sonnen Schaͤtzen
Sich im geringſten zu ergetzen ,
Und ſie geruͤhret anzuſehn ;
Da , wenn wir recht vernuͤnftig handeln wollten ,
Wir billig uͤberlegen ſollten ,
Daß ja ein ſchoͤner Tag , aus vielen Viertel-Stunden ,
Noch mehr Minuten und Secunden ,
Jn ſeiner Pracht beſteht ,
Daß jeder Augenblick , wenn man es nur bedenckt ,
Uns eine neue Luſt und ſolche Freude ſchenckt ,
Die uns ein gantzer Tag
Der ungefuͤhlt verſtreicht zu geben nicht vermag .
Wir theilen ſonſt die Zeit
Durch Uhren ein :
Warum wird doch der Anmuth Fluͤchtigkeit
Durch Theile nicht gehemmt ? Ach wuͤrde , GOtt zu Ehren ,
Auch unſre Luſt zugleich dadurch zu mehren ,
Bey ſchoͤnem Wetter doch zum oͤftern uͤberdacht :
Aufs neu ’ hab ich ein Theil von meinem Leben ,
Das mir der Schoͤpfer hat gegeben ,
Jm ſchoͤnen Sonnen-Licht , GOTT Lob ! ver - gnuͤgt verbracht :
Hie - 357 Hiedurch kann uns ein ſchoͤner Tag auf Erden ,
Den wir , da man an ihn ſo kurtze Zeit gedacht ,
Faſt zur Minute nur bißher gemacht ,
Zu vielen ſchoͤnen Tagen werden .
Weil eigentlich durchs Dencken blos allein
Wir im Beſitz vom Guten ſeyn .
[figure] Z 3 Noth - 358 Nothwendiger Dienſt des Schoͤpfers . S o weit wir des Verſtandes Kraͤfte mit aller Faͤhigkeit erſtrecken ,
Um in den Kraͤften unſers Geiſtes was GOtt anſtaͤndigs zu entdecken ;
So ſcheinet die Empfindlichkeit der Seelen , wenn wir , in den Wercken
Des Schoͤpfers , ſeine Herrlichkeit und Macht und Lieb und Weisheit mercken
Und ſie darin mit Luſt bewundern , ſo viel wir hier begreif - fen koͤnnen ,
Das erſte Stuͤck des GOttes Dienſts ja faſt das eintzige zu nennen .
Erſchrick , als Chriſt , hieruͤber nicht und denck ’ , ob woll ’ ich deinen Glauben ,
Mithin dein gantzes Chriſtenthum , durch dieſen meinen Satz dir rauben :
O nein ; der bleibet Felſen-feſt . Laß uns nur nach der Ordnung gehn ,
So , hoff ’ ich , wirft du was ich ſage mir , ſonder Wieder - ſpruch , geſtehn .
Jſt es nicht wahr ? daß GOtt der HErr , auch nach der heilgen Bibel Lehren ,
Von Engeln , von den ſeel’gen Geiſtern , und aller Himmel Himmel Heeren ,
Als Schoͤpfer , angebetet werde ? daß ſie , wenn ſie die Wunder ſehn ,
Die er , in aller Himmel Tieffen , an Millionen Sonn - und Erden ,
Als Proben ſeiner weiſen Macht und ſeiner Liebe , laſſen werden ,
Jhn 359 Jhn durch ihr Heilig ! Heilig ! Heilig ! beſingen , preiſen und erhoͤhn ?
Daß in dem ſeeligen Bewundern , nur ihre Pflichten blos beſtehn ,
Jndem ſie ja nicht glauben duͤrffen ? Jſt es nicht wahr , daß , vor dem Fall ,
Auch Adam in dem Paradieſe an GOttes Wercken uͤberall
Sich eintzig wird beſchaͤftigt haben ? und , wo er nicht ge - fallen waͤre ,
Er , in dem ſeeligen Bewundern der Wercke GOTTES , GOttes Ehre
Allein verherrlicht haben wuͤrde ? Ob wir nun gleich , wie er verfuͤhrt ,
Der ew’gen Liebe Wunder-Liebe in ſolchem hohen Grad verſpuͤhrt ,
Daß Chriſtus uns zum Mittler worden ; und man dadurch verbunden iſt
Auch als Erloͤſer , GOtt zu ehren , und recht zu glauben als ein Chriſt ;
So iſt doch unſer ’ erſte Pflicht , als Schoͤpfer unſern GOtt zu loben ,
Und ihn in ſeinem Werck zu ehren , dadurch ſo wenig auf - gehoben ,
Daß wir vielmehr nach allen Kraͤften des Schoͤpfers Weis - heit , Lieb ’ und Macht ,
Wodurch Er Himmel , Erde , Geiſter und Menſchen hat hervorgebracht ,
Betrachten , und , nebſt unſerm Glauben , in froher Luſt , bewundern ſollten ,
Wenn wir nicht GOtt , nur unſerntwegen , auch ſeinent - wegen ehren wollten .
Z 4 Un - 360 Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer Pflichten gegen den Schoͤpfer . W enn wir faſt von den meiſten Menſchen das Eigent - liche der Jdeen ,
Die ſie ſich von der GOttheit machen , mit einem ernſten Blick , beſehen ;
So fuͤrcht ’ ich , daß ſie ſich von ihr faſt nichts ſonſt wiſſen vorzuſtellen ,
Als eines alten , maͤchtigen , vernuͤnftigen Monarchens Bild ,
Der mit der groͤſten Majeſtaͤt umgeben ſey und angefuͤllt ,
Ein maͤcht - und eintziger Beſitzer ſo wol des Himmels , als der Hoͤllen ,
Der die erſchaffene Natur vor ſich gelaſſen walten laſſe ,
Und ſich , wofern nicht blos allein , doch mehrentheils , da - mit befaſſe ,
Beſtaͤndig auf die Sterblichen , und ob ſie etwan was verbrechen ,
Damit er ihnen alſobald moͤg ’ ein gerechtes Urtheil ſprechen ,
Den ernſten Blick gericht’t zu haben . Von andern ſeinen Herr - lichkeiten ,
Und einem Schoͤpfer noch vielmehr anſtaͤndlichen Voll - kommenheiten
Faͤllt ihnen nicht leicht etwas bey . Es ſcheint die Eigen - Lieb ’ allein
Von ſolchen niedrigen Gedancken die Urſach und die Quell zu ſeyn .
Wir 361 Wir ſcheinen uns ſelbſt wuͤrdig gnug , vom Schoͤpfer Him - mels und der Erden ,
Zur ſtetigen Aufmerckſamkeit , die Haupt-Beſchaͤftigung zu werden .
Und ob wir zwar , wenn man uns fragt , ob wir dieß von der GOttheit meinen ,
Daß er auf uns allein nur achte ? daß wir dieß thun , ge - wiß verneinen ,
Und uns vielleicht verwundern wuͤrden , daß man die Mey - nung von uns fuͤhrt ,
Da auch ja Prediger wol ſagen : daß GOtt die Welt er - haͤlt , regiert ;
So iſt jedoch unwiederſprechlich , daß , da auf Goͤttliche Regierung ,
Auf ſeine Weisheit in den Wercken , auf ihre Schoͤnheit , Ordnung , Pracht ,
Von welchen er durch alle Sinnen die Proben ſeiner Wun - der-Macht
Uns uͤberall vor Augen legt , auf aller ſeiner Guͤte Fuͤhrung
Wir ſelten ja faſt nimmer dencken , noch ſie mit frohem Danck betrachten ;
Wir ſelbige nicht unſers Denckens , noch der Betrachtung , wuͤrdig achten ,
Und folglich , um des Schoͤpfers Ehre , ſehr wenig uns bekuͤmmern muͤſſen .
Aus dieſer unſerer Betrachtung ſcheint , ſonder Wiederſpruch , zu flieſſen ,
Daß wir , auch ſelbſt im GOttes-Dienſt , mit uns und unſerm Thun allein
So eigenſinnig eingenommen und dergeſtalt beſchaͤftigt ſeyn ,
Z 5 Daß , 362 Daß , wenn wir , von der GOttheit nichts , nach einer et - wann neuen Lehre
Zu fuͤrchten noch zu hoffen haͤtten ; wir , wenn auch keine GOttheit waͤre ,
Uns leicht daruͤber troͤſten wuͤrden . Nun ſagen wir hie - durch zwar nicht ,
Daß wenn wir uns um unſre Seelen mit Ernſt bekuͤm - mern , es nicht gut ,
Erlaubet , ja ſelbſt noͤthig ſey ; nur dieſes , wenn man ſol - ches thut ,
Daß es , mit gaͤntzlicher Verſaͤumung des Schoͤpfers Ehr ’ und Ruhms geſchicht ;
Jſt , wie michs deucht , was ſtraͤfliches . Wollt einer et - wann wiederſprechen ,
Und ſagen , daß der Menſch die GOttheit zu ehren gar nicht faͤhig ſey ,
Und daß es ihm , was alle Menſchen von ihr gedencken , einerley ;
So kann ich mich , das Gegentheil ihm zu erweiſen , nicht entbrechen :
Es zeigt die heilge Schrift nicht nur , daß unſer GOTT , als Schoͤpfer , wolle ,
Daß man nach allen Kraͤften ihn verehren und ihn preiſen ſolle ;
Es zeiget uns auch die Vernunft , daß das vernuͤnftigſte Geſchaͤfte ,
Wozu die Menſchheit faͤhig iſt , ſey , dieſes unſers Geiſtes Kraͤfte ,
Demjenigen , von welchem wir uns ſelbſt und Millionen - Gaben ( Wodurch ſich ſeine Lieb ’ uns zeigt ) ſo wunderbar empfan - gen haben ,
Nach 363 Nach aller Moͤglichkeit zu Ehren und ihm allein zum Ruhm zu leben ,
Mit froͤlicher Bewunderung wol anzuwenden , zu beſtreben .
Da er uns ſelbſt den Trieb zur Ehre , als etwas edles , ein - geſenckt ,
Wovon man ſonſt nichts wiſſen wuͤrde , haͤtt er ihn uns nicht ſelbſt geſchenckt .
Die Ehre ſcheint der Gegenwurf und Qvell der Anmuth einer Seelen ,
Bey dem nichts Sinn-nichts Coͤrperlichs ; die doch an an - dern Leidenſchaften ,
So gar auch bey den Thieren ſelbſt , nicht aber an der Ehre haften .
Die Ehre nun die wir der GOttheit , nach unſerm weni - gen Vermoͤgen , ( Das ihm nichts beſſers liefern kann ) geſchickt und faͤhig , beyzulegen ,
Jſt ja unſtreitig dieſes wol : daß wir die allerherrlichſte
Und von den menſchlichen Jdeen die allerwuͤrdigſte Jdee ,
Wozu wir immer faͤhig ſind , von Gott in unſrer Seele zeugen ,
Vor keiner GOttheit , die umſchraͤnckt und Graͤntzen hat , die Knie beugen ,
Und kein ihm unanſtaͤndig Bild , ein Goͤtzen-Bildniß , uns errichten ,
So wieder die uns eingepflantzten , auch die uns vorgeſchrieb - nen Pflichten ;
Da er , von ihm kein Bild zu machen , ſo ſcharf : uns unter - ſaget hat
Thut mans gleich leider unterm Bilde von einem Greiſen , in der That .
Weil 364 Weil wir nun zu ſo hohem Grad nicht ſelber faͤhig ſind zu ſteigen ;
So hat uns GOTT in ſeinen Wercken die ſchoͤnſte Leiter wollen zeigen ,
Wodurch wir uns auf Freuden-Stuffen nicht nur geſchickt ſeynd zu erhoͤhn ;
Nein , immer mehr und mehr , ohn Ende , die Groͤſſe ſeines Weſens , ſehn ,
Jhn ehren und ihm dancken koͤnnen . Was nun die Seele herrlichs heget ,
An Kraͤften , als die Lieb ’ und Ehrfurcht , wird dadurch mehr und mehr erreget
Und wir , in froͤlicher Betrachtung ſtets neuer Wunder , angetrieben ,
Mit immer neuer Brunſt und Andacht den Liebenswuͤrdig - ſten zu lieben ,
Und , weil er ſonder End ’ und Graͤntzen , in Ewigkeit nicht aufzuhoͤren , ( Jndem wir ſeiner Allmacht Groͤſſe mit froͤlichem Erſtau - nen ehren )
Selbſt unſer ſeeliges Vergnuͤgen in Ewigkeit noch zu ver - mehren ,
Zugleich auch das , worinn die Ehre am eigentlichſten recht beſteht ,
Die Achtung , ſo die Seele fuͤhlt , ob ſeines Weſens Herr - lichkeiten ,
Bey andern ebenfals zu aͤuſſern , und nach Vermoͤgen aus - zubreiten .
Weg 365 Weg zum Vergnuͤgen . U ns ſcheinet unſer Bett nie ſuͤſſer , als wenn wir es ver - laſſen muͤſſen ;
Der uns ſich nahende Verluſt des Guten fuͤgt uns erſt zu wiſſen ,
Was ungefuͤhlt genoſſen worden ; dieß geht in allen Dingen ſo :
Wir werden , weil wir dran nicht dencken , auch niemahls unſrer Guͤter froh ,
Biß ſie uns , oder wir ſie , laſſen . Dann allererſt wird alles beſſer ,
Dann fuͤhlet allererſt der Geiſt was er gehabt und nicht gefuͤhlt ,
Und die zu ſpaͤt-gefuͤhlte Luſt macht den Verluſt noch deſto groͤſſer .
Ach , daß man denn mit mehrerm Ernſte nicht hier auf ſein Vergnuͤgen zielt !
Ach , daß man ſtets vom eintzgen Wege der wahren Wolluſt ſich verirrt !
Jndem kein Gutes , ohn zu dencken , daß mans beſitzt , be - ſeſſen wird ;
Wird man , auch bey dem groͤſten Gluͤck auf Erden , ſich nicht gluͤcklich nennen ;
Wofern wir unſer Gluͤck , nur dann , wann wirs verlieren , erſt erkennen .
[figure] Cro - 366 Croceon auton . K ann das wol moͤglich ſeyn !
Sprach ich , als juͤngſt mein Gaͤrtner mir ,
Jn einer purpur-farbnen Zier ,
Und einem weiſſen Silber Schein ,
Ein Croceon avton mit dieſen Worten gab : Man ſagt , daß dieſe Blum , ohn Waſſer , ſonder Erde ,
Durch bloſſe Luft allein genaͤhret werde .
Jch ſetzte ſie demnach , um dieſes zu probiren ,
Und von der Wahrheit deß mich ſelbſt zu uͤberfuͤhren ,
Gleich vor mein Fenſter hin , und fand es wuͤrcklich wahr .
Die Blume waͤchſ’t und bluͤht an dieſem Ort
Ohn Erd ’ und ſonder Naß beſtaͤndig fort .
Mein Leſer , ſprich mit mir : iſt dieß nicht wunderbar ?
Wir haben erſt vor wenig Jahren ,
Daß Blumen , ſetzt man ſie nur auf ein Glas ,
Ohn Erde , bloß allein durchs Naß
Gedeyen , gantz erſtaunt erfahren :
Hier ſtellt der Schoͤpfer uns ein neues Wunder dar ,
Und zeigt in dieſer Blum uns klar
Und uͤberzeuglich an ,
Zu ſeinem Lobe , Ruhm und Preiſe ,
Und ſeines groſſen Nahmens Ehren ,
Daß er , auf ungezehlte Weiſe ,
Die Creatur erſchaffen , naͤhren ,
Verſorgen und erhalten kann .
Ach moͤgten wir demnach , ohn dich , HErr , zu erhoͤhen ,
Dieß ſeltne Bluͤmchen nimmer ſehen .
Die 367 Die im Winter bluͤhende Cyrene . J ch ſehe dich , mit recht geruͤhretem Gemuͤthe ,
Ja wuͤrcklich ohn Erſtaunen kaum ,
Bepurpurter Cyrenen-Baum ,
Jm Winter voll der ſchoͤnſten Bluͤthe !
Jch ſehe dich , als wie im Lentzen ,
Jm Januario ſchon lieblich glaͤntzen .
Wie kanſt du Naſ ’ und Aug ’ erfriſchen !
Jch ſeh ’ in dir , faſt ohne Gruͤn ,
Jn mehr als hundert Blumen-Buͤſchen ,
Mehr als fuͤnf tauſend Blumen bluͤhn ,
Die all ’ im ſchoͤnſten Purpur gluͤh’n .
Es ſtutzt ein jeder der dich ſieht ,
Und laͤßt , zu deines Schoͤpfers Ehren ,
Ein Lob , faſt wieder Willen , hoͤren ,
Wann ein : du lieber GOtt ! aus ſeinen Lippen bricht ,
Da er kaum ſelbſt weiß , was er ſpricht .
Wenn ich dieß hoͤre , koͤmmt es mir
Als wenn der Ausbruch ſeiner Luſt ,
Ob ſie gleich leider kurtz , mir doch entdecke ,
Wie in der Menſchen kalten Bruſt
Ein Etwas doch verborgen ſtecke ,
Daß unſers Schoͤpfers Macht , wie ſie es wehrt ,
Beym Anblick ſeiner Wunder ehrt :
Und daß wir , durch Gewohnheit blos allein ,
Umnebelt und geblendet ſeyn .
Wenn ich in dieſem Baum den Purpur-Glantz erblicke ,
Deucht mich , als ob auch er ( ſo wie , nach dunckler Nacht
Der Morgen-Roͤthe Purpur Pracht
Die graue Daͤmmrung faͤrbt ) die graue Daͤmmrung ſchmuͤcke ,
Die 368 Die uns im Winter deckt , und ich des Fruͤhlings Morgen ,
Der uns annoch durch Froſt und Duft verborgen ,
Nicht mehr entfernt , und in der Naͤhe
Schon ſeine Morgenroͤhte ſehe .
Jch ſeh , geliebter Baum , in dir zugleich die Spur ,
Daß die geſchaͤftige Natur
Nicht ſchlaffe , wie es ſcheint ; nein daß ſie immer kraͤftig
Und , wenn ſie nichts verhindert , ſtets geſchaͤftig ,
Und nimmer muͤßig ſey . Es reitzt mich deine Pracht ,
Jn meiner Luſt , zum Ruhm deß , welcher dich gemacht ,
Und preiſ ’ ich auch in dir , mit bruͤnſtigem Gemuͤthe ,
Den Ausbruch ſeiner Macht und Guͤte .
Nun fehlet nichts , als daß ich dich nunmehr ,
Zu mehr Verbreitung noch von deines Schoͤpfers Ehr ,
Dem Auszug aller klugen Geiſter ,
Hammoniens ſo wuͤrd’gem Buͤrgermeiſter ,
Dem theuren Anderſon , auch uͤberſchicke ;
Damit Er ſich , an deiner Pracht ,
Wie Er es ſonſt mit GOttes Wercken macht ,
Bey Seiner Arbeit Laſt , erquicke .
Jch weiß , ſo viel ichs uͤberdencke ,
Fuͤr Jhn ’ kein wuͤrdiger Neu-Jahrs-Geſchencke .
Jch will denn dich , fuͤr Jhn , mit dieſem Wunſch begleiten :
Er lebe ſo viel Jahr ’ , in ſtetem Wohlergehn ,
Und immer bluͤhenden Vergnuͤglichkeiten ;
Als ſchoͤne Blumen-Buͤſch ’ an deinem Stamme ſtehn !
An - 369 Annehmlichkeiten des Feuers zur Win - ter-Zeit . 1. A ch , mein Schoͤpfer , wie erquickend ,
Warm , und lieblich , ja entzuͤckend
Jſt das Feur zur Winter-Zeit ,
Wenn es drauſſen friert und ſchneit ,
Und man ſeinen regen Schimmer ,
Sieht und fuͤhlt im warmen Zimmer !
2. Die von Froſt erſtarrten Sehnen
Fangen an , ſich aus zu dehnen ,
Und es fuͤhlet unſre Bruſt
Eine ſuͤſſe Ruh und Luſt ,
Die aus holder Waͤrm ’ entſpringet ,
Auch den gantzen Leib durchdringet .
3. Hat der Nord die Haut verſehret ;
Wird ein Pflaſter ihr gewehret ,
Durch des Feuers rege Glut ,
Die dem Coͤrper ſanfte thut ,
Und , was durch den Froſt gedruͤcket ,
Gleichſam ſtreichelt und erquicket .
4. Necht fuͤr unſer gantzes Weſen
Scheint der Glut Natur erleſen ;
Was die kalte Luft verletzt
Wird durch laue Waͤrm ’ erſetzt ;
Pein und Schmertzen ſind gelindert
Und durchs Feuers Kraft vermindert .
A a 5. Ja , 370 5. Ja , des Feuers Glantz und Schimmer
Laͤſſet im erwaͤrmten Zimmer , ( Da das Licht ſo hell , ſo ſchoͤn )
Manche Luſt die Augen ſehn .
Es vergnuͤgen kleine Blitze
Uns nicht minder , als die Hitze .
6. Mancherley Geſtalten ſtammen
Aus bald blau-bald weiſſen Flammen ’ ,
Die wir mit Vergnuͤgen ſehn ,
Wie ſie ſich geſpitzt erhoͤh’n ,
Da ſie recht , als wenn ſie leben ,
Sich bewegen , drehen , ſchweben .
7. Ofters ſieht man ſie , wie Wellen ,
Wallen , ſincken , ſteigen , ſchwellen ,
Bald verſchwinden , bald entſtehn ,
Bald erſcheinen , bald vergehn ,
Bald ſich theilen , bald vereinen ,
Schwinden , und aufs neu erſcheinen .
8. Oefters zeigt ſich dem Geſichte ,
Mitten in dem hellen Lichte ,
Ein gedrehter blauer Rauch .
Ein ſtets umgeſchwungner Schmauch
Zeuget hier auf manche Weiſe
Kleine Wolcken , kleine Kreiſe .
9. Jn derſelben regem Schwingen
Sehn wir helle Funcken ſpringen ,
Die 371 Die ſich durch die Loh erhoͤh’n ,
Und , wenn ſie entſtehn , vergehn ,
Aber doch nicht ohn Vergnuͤgen ,
Wenn man ſie beſieht , verfliegen .
10. Wenn , mit drey getheilten Spitzen ,
Schnelle Flammen lodernd blitzen ,
Knaſtert oͤfters , ziſcht , und pufft
Die verſchrenckt-geweſne Luft ,
Da ſie das , was ſie gedrenget ,
Oft mit ſtarckem Knall zerſprenget .
11. Ofters ſieht man dunckle Stellen
Ploͤtzlich durch die Glut erhellen ,
Wenn die duͤnne Loh ’ ſich ſpitzt ,
Und bald hie , bald dorten blitzt ,
Wenn die Flammen gantz durchbrechen
Und wie Schlangen-Zungen ſtechen .
12. Wenn die Loh ’ denn aufwaͤrts ſteiget
Und nur weiſſe Lichter zeiget ;
Sieht man unten Kohlen gluͤhn ,
Als ein funckelnder Rubin ,
Dieſe zeigen tauſend Bruͤche
Und von Aſche tauſend Striche .
13. Da ſie alles ſonſt verzehren ,
Sieht man ſie doch Aſch gebaͤhren ;
Aſche , die ſie daͤmpft und deckt ,
Sie erhaͤlt , erſtickt , verſteckt .
Hierin ſieht man tauſend Spuren
Von verſchiedlichen Figuren .
A a 2 14. 372 14. Man ſieht weiß und ſchwartz ſich fuͤgen ,
Aſch ’ auf ſchwartzen Kohlen liegen ,
Oefters wie der Schnee ſo weis ,
Und als haͤtte man , mit Fleiß ,
Nach der Kunſt , die’s Aug ’ erfreuet ,
Loder-Aſche drauf geſtreuet .
15. Ja , wofern man ſie betrachtet ,
Und auf Farb ’ und Formen achtet ,
Tauget die Verſchiedenheit ,
Wenigſtens auf kurtze Zeit ,
Uns , in Bildern vieler Sachen ,
Einen Zeitvertreib zu machen .
16. Wann ich nun , bey ſanfter Hitze ,
Jm gewaͤrmten Zimmer ſitze ,
Und ſeh , in gelaſſner Ruh ,
Meiner Glut Bewegung zu ;
Scheinet ihr erwaͤrmend Lodern
Danck fuͤr Nutz und Luſt zu fodern .
17. Dann bewegen ſich von innen
Eilig meine Seel ’ und Sinnen ,
Und mein Geiſt haͤlt bruͤnſtiglich ,
Gleich der Gluth , ſich uͤber ſich ,
Danckt , erhitzt von Andachts-Flammen ,
Dem , draus Licht und Waͤrme ſtammen .
18. Denckt zugleich : was wuͤrd ’ auf Erden
Doch wol vor ein Zuſtand werden ,
Haͤtte 373 Haͤtte GOTT die rege Gluth ,
Die der Haut ſo ſanfte thut ,
Zum Gebrauch in unſerm Leben ,
Uns aus Gnaden nicht gegeben ?
19. Wer demnach , wanns ſchneit und frieret ,
Durch das Feuer Lindrung ſpuͤret ,
Dencke billig : GOTT allein
Giebt dem Feuer Waͤrm ’ und Schein ;
Auch zugleich : daß Preiß und Ehre
Jhm , mit Recht , dafuͤr gehoͤre .
20. Nun was kann , fuͤr alle Gaben ,
Unſer Schoͤpfer von uns haben
Fuͤr ein ſolch unſchaͤtzbar Gut ,
Als die rege Kraft der Gluth ?
Was kann man ihm ſonſt erweiſen ,
Als in unſrer Luſt ihn preiſen ?
[figure] A a 3 Ein 374 Ein klares Troͤpfgen . J uͤngſt ſah ich , daß an meinem Fenſter ein kleines kla -
res Troͤpfgen hieng ,
Das von dem hellen Sonnen-Strahle ſolch einen hellen
Glantz empfing ,
Daß es mich reitzt ’ , es zu betrachten ; daher ich ihm denn
naͤher ging ;
Jch fand , daß es im Zimmer war , und daß durch eines
Fenſters Ritzen
Der Strahl ſo auf-als durch ihn fiel , daher ein kleines
helles Blitzen ,
So man in freyer Luft nicht ſieht , im duncklen Zimmer
hell und klar ,
Und , in viel Millionen Strahlen ein Sonnen-Bild , zu
ſehen war .
Ein recht Geweb ’ aus lauter Strahlen , die alle wunder -
wuͤrdig klein
Und die nur durch den duncklen Grund , als eine Fulge ,
ſichtbar ſeyn ,
Umgaben es von allen Seiten , nichts rein - und kleiners ,
nichts ſo ſchoͤn ,
Nichts bunt - und hellers , nichts ſo zart - und nettes kann
das Auge ſehn .
Die ſchoͤne Kleinheit drang durchs Auge ſelbſt in den Sitz
der Seelen ein ;
Jch dachte wie entſetzlich klein iſt dieſes Sonnen-Bildchen
nicht
Jm Gegenhalt mit ſeinem Urbild , dem unermeßlich groſ -
ſen Licht ,
Das 375 Das hundert tauſendmahl an Groͤſſe den Erd-Kreis ſelber
uͤberſteiget !
Wann aber dieſes Ueberlegen mir im Geſchoͤpf den Schoͤpfer
zeiget ;
So deucht mich , daß mir gegen ihn die groſſe Sonne ſo
verkleint ,
Als dieſes Sonnen-Bild im Troͤpfgen , ja noch unendlich
kleiner , ſcheint .
[figure] A a 4 Win - 376 Winter-Gedancken . 1. M ein GOtt ! das Feuer waͤrmet mich
Und macht nicht nur , daß ich nicht friere ;
Daß ich im Froſt auch Anmuth ſpuͤhre ,
Dafuͤr erheb ’ und preiſ ’ ich dich !
2. Jch fuͤhl ’ ietzt einen Trieb in mir ,
Ein Winter-Opfer dir zu bringen ,
Und deine Wunder zu beſingen ,
Die ich , auch ſelbſt im Froſt , verſpuͤhr .
3. Die duͤſtern Tag ’ erhellt der Schnee ,
Der jetzt die dunckle Welt bedecket ,
Und mehr vergnuͤgt und nuͤtzt , als ſchrecket ;
So daß ich ihn mit Anmuth ſeh .
4. Nicht ohne Regung unſrer Bruſt
Erblickt man weiſſe weite Felder .
Die Wipfel der beſchneiten Waͤlder
Erregen uns beſondre Luſt .
5. Jndem die ſchwartze Dunckelheit
Der Aeſte , welche nicht beklebet ,
Den weiſſen Schnee noch mehr erhebet ,
Jm Gegenſatz und Unterſcheid .
6. Desgleichen wircken hier und dort
Verſtreut - und halb-beſchneite Reiſer .
Die Gipfel der bemooſten Haͤuſer
Sind gleichfals ſchoͤn an manchem Ort.
7. 377 7. So laſſen auch , nicht minder ſchoͤn ,
Die regel-rechten Ziegel-Daͤcher
Jm Schnee die nett-gevierten Faͤcher
Viel deutlicher , als ſonſten , ſehn .
8. Durchs Waſſers Blau , wenn noch kein Eis
Die Fluht mit Schollen uͤberbruͤcket ,
Wird der gefallne Schnee geſchmuͤcket ,
Es macht ſein Weiß noch einſt ſo weiß .
9. Zumahl wenn in dem Wieder-Schein
Des Ufers weiß beſchneite Hoͤhen ,
Auf dunckler Flaͤche hell zu ſehen
Und weiß und blau gemiſchet ſeyn .
10. Seht wie uns , ſelbſt der Dorn vergnuͤgt ,
Wenn , nach der weiß-beſchneiten Speiſe ,
Durch ihn , zuſammt der bunten Meiſe ,
Der Zaͤune kleiner Koͤnig fliegt .
11. Des welcken Schilffes gelber Schein
Wird auch nicht ohne Luſt verſpuͤhret ;
Es unterbricht es ſchmuͤckt , und zieret
Das weiſſe , das ſonſt allgemein .
12. Jmgleichen theilt und unterbricht
Mit ſeiner Striche duncklen Laͤnge ,
Der tieffen Waſſer-Graben Menge
Vom weiſſen Schnee das weiſſe Licht .
A a 5 13. Wenn 378 13. Wenn hier ein Graͤschen , dort ein Straus
Aus Schnee , worin es meiſt verſtecket ,
Ein gruͤnes Spitzgen eintzeln ſtrecket ,
Sieht es nicht minder lieblich aus .
14. Jmgleichen , wenn das glatte Gruͤn
Des Buxbaums , der im Garten glaͤntzet
Und das gevierte Land begraͤntzet ,
Durch Schnee recht uͤberſilbert ſchien .
15. Auch bricht der Gaͤrten Winter-Flor
Des braunen Kohles Purpur-Pflantze ,
Mit einem Silber-gleichen Glantze ,
Aus Silber-weiſſem Grund ’ hervor .
16. Und kurtz : man ſpuͤhrt , zur Winters-Zeit ,
Zu unſers weiſen Schoͤpfers Preiſe ,
Wie auch , ſo gar im Schnee und Eiſe ,
Die Welt ein frommes Aug ’ erfreut .
17. Ach ſaͤhe denn doch jederman ,
Zumahl der , den der Froſt nicht druͤcket ,
Die Welt , wie ſelbſt der Froſt ſie ſchmuͤcket ,
Mit Luft , zu GOttes Ehren an !
[figure] Graͤn - 379 Graͤntzen der Vernunft . S o bald ein Feuer-reicher Geiſt ſich auf ein tieffes
raiſoniren ,
Und von Religion , Natur und Sich auf ein philoſophiren
Mit angeſpannten Kraͤften leget ; begiebet er ſich auf ein
Meer ,
Wo Zweifels-Wirbel , Meynungs-Wellen , ihn unaufhoͤr -
lich hin und her
Jn ſtetem Jrthum ſchlenckern werden ; wo Vorurtheile
ſich bemuͤhn ,
Jn tauſend Boden-loſen Strudeln , ihn in des Abgrunds
Gruft zu ziehn .
Will er nun nicht der Seelen Ruh , die Seele , ja , faſt
GOtt , verlieren ,
( Wie , wenn er ſich auf eigne Kraͤfte verlaͤſſet , leider
oft geſchicht , )
So wehl ’ er in der Finſterniß nur blos die Demuth ſich
zum Licht .
Nur die allein kann unverletzt ihn in den ſichern Haven
fuͤhren .
Jch hab ’ es , GOtt ſey Danck , erfahren , was , wenn ich
ſonſt verſuncken waͤre ,
Sie mir vor Huͤlf ’ und Rath geſchafft . Durch dieſe ſanft ’
und wahre Lehre :
Wer biſt du ? was iſt dein Verſtand ? iſt er von ſolcher
Schaͤrff ’ und Kraft ,
Daß er das innerſte der Dinge , des Geiſts , der Coͤrper
Eigenſchaft
Und die Natur zu faſſen faͤhig ? GOtt hat ihn dir in die -
ſem Leben
Gewiß in einem reichen Maaß und in ſo hohem Grad ge -
geben ,
Daß 380 Daß es ein wahres Wunder iſt ; allein er hat doch ſeine
Schrancken
Woruͤber er nicht kommen kann . Wer nun die forſchen -
den Gedancken
Aus ihrem Kraft-Kreis treiben will , und , mehr als wo -
zu ſie beſtimmt ,
Den Engeln , ja der GOttheit gleich , damit zu faſſen
unternimmt ,
Wird , wie der Lucifer , geſtuͤrtzt . Ach , laßt uns dieſes wol
erwegen !
Jch habs erfahren , daß daran weit mehr , als wie man
meint , gelegen .
Will unſer ſinckendes Gemuͤth , will unſer ’ angefochtne
Seelen
Ein Zweiffel , der unuͤberwindlich , mit Angſt , biß zur Ver -
zweiflung qvaͤhlen ;
So ſprecht in wahrer Selbſt-Erkaͤnntniß ; halt ein , mein
Geiſt ! hier iſt dein Ziel !
Wilſt du , was nicht zu faſſen , faſſen ; dieß iſt verwegen
und zu viel !
Drum denck ’ in Demuth an die Wahrheit : Der Schoͤpfer
will und kann allein
Beroundert , nicht begriffen , ſeyn .
[figure] Er - 381 Erbauliche Betrachtung ſchnell - verge - hender Wolcken . 1. J ch ſitze hier und ſeh den Duͤften ,
Wie ſie ſich , in den regen Luͤften
Formiren , mit Bewundrung , zu .
Wie ſie ſich bilden und entbilden ,
Sich hier verſilbern , dort verguͤlden ,
Jn ſteter Aendrung , ohne Ruh .
2. Bald ſieht man ſie ſich ſchnell verdunckeln ;
Bald wie Rubin und Purpur funckeln ,
Durch wechſelnden Empfang des Lichts .
Bald gleichen ſie erhabnen Bergen ,
Bald werden ſie zu kleinen Zwergen ;
Bald ſind ſie klein , bald groß , bald nichts .
3. So ſchnell formiren ſich Figuren ,
So ſchnell vergehn die Creaturen
Dort oben in der Luͤfte Reich :
Allein ! ſind Coͤrper , die auf Erden ,
Dem Schein nach , feſt gefunden werden ,
Nicht ihnen faſt an Dauer gleich ?
4. Die Blumen , welche man im Lentzen ,
Jn zierlichſten Geſtalten glaͤntzen ,
Und ſchoͤn an Form und Farben ſieht ,
Sind oftermahls in wenig Stunden
Verwelcket , ihre Pracht verſchwunden ,
Und , eh man ſichs verſieht , verbluͤht .
5. 382 5. So gar auch von der Menſchen Leben
Kann ein Gewoͤlck ein Beyſpiel geben ;
Kann nicht , mit Recht , ein Felß , ein Stein
Zu uns , wie wir zum Wolcken , ſagen :
Wie laßt ihr euch ſo ſchnell verjagen ,
Wie iſt doch eure Dau’r ſo klein !
6. Da ihr faſt ſterbt , wann ihr entſtehet ,
Jm Kommen gleichſam ſchon vergehet ,
Wie ſchleunig ſeyd ihr nicht mehr da !
Doch , lieber Stein , du magſt nur ſchweigen ;
Du kannſt uns keinen Fehler zeigen :
Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja .
7. Zudem da Dinge dieſer Erden
Das , wofuͤr ſie gehalten werden ,
Nur blos Vergleichungs-weiſe ſeyn ;
Und wie ein Ton , fuͤr ſich betrachtet ,
Nicht hoch nicht niedrig wird geachtet ,
So iſt , fuͤr ſich , nichts groß , nichts klein .
8. Es ſollen mir denn Stein und Eiſen
Nicht meiner Daur Vergleichung weiſen ,
Jch gehe zu der ſchnellen Luft ;
Da wirſt du ja nicht laͤugnen koͤnnen ,
Daß wir uns nicht ſo ploͤtzlich trennen ,
Als wie ein ſtets-vergehnder Duft .
9. Man 383 9. Man thut dann wol , es umzukehren ,
Daß wir vom Duft uns laſſen lehren ,
Daß wir ſo ploͤtzlich nicht vergehn ;
Daß tauſend Ding ’ auf dieſer Erden ,
Wenn ſie mit uns verglichen werden ,
So lange nicht , als wir , beſtehn .
10. Ja waͤr uns Menſchen auch ein Leben
Von groͤſſrer Daur , als Stein , gegeben ;
Waͤr es doch eine kurtze Zeit :
Man wuͤrd ’ es nicht einſt rechnen koͤnnen
Und waͤre kaum ein Punct zu nennen ;
Verglich mans mit der Ewigkeit .
11. Noch mehr : verliſcht die Lebens-Kertze ,
So traure darum nicht , mein Hertze ,
Daß ſie nicht laͤnger brennen kann .
Wenn etwan Seel ’ und Leib ſich trennen ,
Muſt du dieß kein Vergehen nennen ;
Die Aendrung geht den Leib nur an .
12. Der Schoͤpfer hat dein wahres Weſen
Zu einer groͤſſern Daur erleſen ;
Jndem er ſelber ewig iſt .
So thut man wol , wenn ihm zu Ehren ,
Man , unſrer Seelen Daur und Waͤhren ,
Nach ſeiner ew’gen Liebe mißt .
13. Drum 384 13. Drum wuͤnſcht nicht laͤnger hier zu bleiben ,
Als , unſer Ziel uns vorzuſchreiben
Beſchloſſen hat , der uns gemacht .
Wenn unſer Lebens-Tocht verlodert ,
Und uns der Schoͤpfer zu ſich fodert ,
So ſaget froͤlich : gute Nacht !
[figure] Un - 385 Unnuͤtzer Nutz des Verſtandes . A. D u haſt nunmehr aus allen Kraͤften , wie wir aus deinen Schriften leſen ,
Dich und die Welt belehren wollen , wie zum Vergnuͤ - gen zu gelangen :
Allein , du ſiehſt ja leider wol , daß , wie du es auch an - gefangen ,
Doch , bey den meiſten wenigſtens , dein Abſehn ſonder Frucht geweſen .
Dahero iſt mir beygefallen , und faͤllt mir eben wieder ein ,
Ob du vielleicht des rechten Weges mit deiner Lehr-Art nicht verfehlet ,
Und ob , durch des Verſtandes Kraͤfte , die du zur Richt - Schnur dir gewehlet ,
Vergnuͤgen und Zufriedenheit , auf Erden zu erlangen ſeyn ?
Wenn ich die Schaͤtze des Vergnuͤgens , die faſt unſchaͤtz - bar , uͤberlege ,
Und , daß ſie , von der Seeligkeit der erſte Grad faſt ſey , erwege ;
So ſcheint hieraus von ſelbſt zu flieſſen : daß , da ſie recht ein Goͤttlich Licht ,
Sie nicht in unſern Kraͤften ſtehe , und daß ein Raiſon - niren nicht ,
Sie zu erlangen , faͤhig ſey . Daß alſo GOtt der HErr allein ,
Um dieſe Gnade zu erhalten , muͤß ’ ernſtlich angeflehet ſeyn .
Jſt dieſes wahr , ſo folgt daraus ; daß du , mit allen dei - nen Schriften ,
So wie bißher , auch kuͤnftig hin , nicht viel erkleckliches wirſt ſtiften .
B b Es 386 B. Es iſt dein Einwurf , liebſter Freund , von einer ſol - chen Eigenſchaft
Von uͤberzeuglicher Gewalt , und nicht zu wiederſteh’n - der Kraft ,
Daß ich dir gleich gewonnen gebe . Doch hoͤre ein ein - tzig Wort nur an :
Vermeinſt du nicht , daß um den Glantz von deiner Wahrheit zu erkennen ,
Und um , in einer wahren Andacht , GOtt anzuflehen , zu entbrennen
Man der Vernunft benoͤthigt ſey , und ſie gebrauchen muß und kann ?
[figure] Se - 387 Seneca . W enn wir einſt , im Gegenthalt
Gegen alle Himmels-Coͤrper , unſrer Welt Groͤß ’ und Geſtalt
Mit dem Seneca beſehen ;
Werden wir mit ihm , voll Kleinmuth , ruffen und zugleich geſtehen :
Daß die Erde nur ein Punct ; daß es folglich thoͤricht waͤre ,
Um den millionſten Theil ſolches Punctes Krieg zu fuͤhren ,
Sich zu zancken , Ruhm und Ehre
Sich beſtreben zu erhalten , ſich bemuͤhen zu regieren .
Aber hoͤre , Seneca , dieſer dein Gedancke ſcheinet
Freylich groß und wohl gedacht , wie man auch bißher gemeinet ;
Aber dennoch irreſt du . Was nicht zu vergleichen iſt
Das vergleichſt du mit einander . Aller Himmel Himmel Kreiſe
Koͤnnten auf dieſelbe Weiſe ,
Eben wie der Kreis der Erden ,
Wiederum ein Puͤnctlein werden ,
Wenn man noch viel groͤſſre Welte
Jn Vergleich mit ihnen ſtellte .
Laſſet nach der Billigkeit uns viel lieber uns bemuͤhn ,
Um den groſſen Kreis der Welt mit uns in Vergleich zu ziehn ;
So wird unſer Welt-Kreis groß , und der Menſchen Thorheit klein ,
Als die ſo ſchon groß genug . B. Doch es faͤllt mir wieder ein :
B b 2 Du 388 Du haſt hierin freylich recht , wenn du nach dem Coͤrper nur
Einen Menſchen rechnen wilſt ; aber denckſt du an die Seele ,
Welche nicht nur ewig iſt , und worin ſich Kraͤfte finden ,
Groͤſſre Coͤrper zu begreiffen , zu bewundern , zu ergruͤnden ;
Glaub ich doch , daß Seneca nicht in ſeiner Meynung fehle :
Denn es dienet ſein Gedancke , der Begierden Wuht zu zaͤhmen
Und uns kraͤftig anzuhalten , naͤrr’ſcher Ehrſucht uns zu ſchaͤmen .
[figure] Mit - 389 Mittel gefaͤllig zu werden . W ie viel ein ſchoͤn Geſicht vermag ; und was in wol - formirten Zuͤgen ,
Nicht fuͤr geheime Kraͤfte ſtecken , wie ſie , den Seelen ſelbſt Vergnuͤgen
Und Gunſt und Neigung zu erwecken ,
Geſchickt und faͤhig ſind ; iſt klar :
Nun aber iſt auch dieſes wahr ,
Daß unſre Seelen zu beſiegen ,
Jn der beliebten Freundlichkeit
Die ſuͤſſ - und ſtaͤrckſten Kraͤfte liegen .
Derſelben Sitz nun ſind die Augen ,
Auch unſer Mund ; drey rege Glieder , von denen wir ihr ſchnelles Regen
Und ihr uns nimmer wiederſpenſtig , nie ungehorſames , Bewegen
Zu leiten , zu regieren , taugen .
Es ſind ja , wie bekannt , die Augen in unſrer Stirne gleichſam Thuͤren ,
Wodurch die Seelen ſich einander am allermeiſten ſichtbar ſeyn ,
Wodurch , wie unſre gegen ſie geſinnt , ſie glauben zu verſpuͤhren ,
Und folglich , durch dergleichen Minen erregt - und aufge - brachte Triebe
Uns eingepflantzter Eigen-Liebe ,
Dergleichen Leidenſchaft in ihr ſo dann erregen und er - wecken ,
Als wie ſie in der andern Seele , durchs Auge , meinen zu entdecken .
B b 3 Da - 390 Dahero folgt nun uͤberzeuglich , wie ſehr ſie wehrt ſind und verdienen ,
Daß man mit mehrer ’ Achtſamkeit , zu unſerm Nutzen , ſie regier .
Und ſie , mit mehrer Muͤh und Sorgfalt , zu dieſem End - zweck lenck ’ und fuͤhr .
Wir ſelbſt ſeynd Herrn von unſern Minen .
Wann nun daran ſo viel gelegen , da wir ja gerne ſehn , und wollen
Daß andre Seelen unſrer Seele geneigt ſeyn , und ſie lie - ben ſollen ;
Daß ſie durchs Aug ’ in unſrer Seel ’ ein ’ Achtung gegen ſich befinden ,
Um ſie dadurch zur Gegen-Gunſt fuͤr uns hinwieder zu verbinden ;
So muͤſſen wir , durch Freundlichkeit in unſern Augen , uns beſtreben ,
Von unſrer Achtung gegen ſie ein Merckmahl ihnen abzu - geben .
Zu dieſen Zweck nun zu gelangen , iſt leichter als mans glauben ſollte ,
Wenn man nur ſo viel Acht auf ſich , zum eignem Nutzen , nehmen wollte ,
Daß wir die Zuͤge des Geſichts , wovon wir Meiſter ſeyn , regierten ,
Und Augen-Lieder , Augen-Branen und Lippen ſo in Ord - nung fuͤhrten ;
Daß wir , an ſtatt ein graͤmlich , bitter und ſchwartz Ge - muͤth in uns zu zeigen ,
Sie zu der holden Freundlichkeit bemuͤhet waͤren oft zu neigen ,
Die 391 Die Muͤhe nun noch zu erleichtern , faͤllt mir ein ſichres Mittel ein :
Man darf , wenn man ſich ſchlaffen legt , nur blos ein we - nig ſich bemuͤhn
Und Augen-Branen etwas auf - , den Mund ein wenig ruͤck - waͤrts ziehn ;
So wird vermuthlich das Geſicht in dieſer Stellung lange bleiben ,
Und ohne Muͤh , ein ſuͤſſer Zug dem Angeſicht ſich ein - verleiben ;
Noch mehr : ich trau mir zu erweiſen , daß eine ſolche freye Min ’
Uns mehr zu einem ſanften Schlaf , in angenehmen Traͤu - men dien ’ ,
Als wenn wir , durch der Augen-Branen verfinſtertes zu - ſammen ziehn ,
Die Augen und ſelbſt das Gehirn in ihnen drucken und beſchweren :
Wodurch vermuthlich die Jdeen , ſich denn ſo leicht nicht aufzuklaͤhren ,
Geſchickt und faͤhig ſind , als ſonſt , wenn Stirn und Au - gen frey ; wie wir
Schon einſt , nicht ohne Nutz , gelehrt . Wenn dieſes nun zu mehrer Zier
Nicht nur der Schoͤnheit dienen kann , und eine Schoͤnheit zu vergroͤſſern ;
Nein , gar ſelbſt die Geſtalt der Seelen zu zieren und noch zu verbeſſern ,
Und uns den Menſchen angenehmer geſchickt und tauglich iſt zu machen ;
B b 4 ( Worin 392 ( Worin kein ſchlechtes Gluͤck beſteht ) ſo habe man doch ’ mit Bedacht ,
Auf die Geberden etwas mehr , als wie man ſonſt gewohnt iſt , acht .
Und halt es nicht fuͤr Kleinigkeit , weil , wenn man es mit Ernſt ermißt ,
Es wuͤrcklich keine Kleinigkeit , ob unſer Naͤchſter uns gewogen ,
Wie oder mit uns unzufrieden , uns feind und uns ge - haͤßig , iſt .
Nun liegt zwar dieſes , das iſt wahr , am aͤuſſerlichen nicht allein ,
Denn will man von dem Neben-Menſchen geachtet und geliebet ſeyn ,
Muß man ſein Hertz dazu bereiten . Laß dieß ſich erſt in Lieben uͤben
So wird dein Naͤchſter dich dadurch , als wie gezwungen , wieder lieben .
Jedennoch muͤſſen aͤuſſerlich die Toͤne , Minen und Ge - berden
Zu dieſem Endzweck einzurichten durchaus nicht unterlaſſen werden .
Ver - 393 Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegen - waͤrtigen . G eliebte Menſchen , lernet , lernt ,
Des Gegenwaͤrtigen genieſſen !
Weil alle Dinge von uns flieſſen ,
Wie ſich ein Strom von uns entfernt .
Durch Ueberlegen kann allein
Von uns genoſſen und empfunden ,
Gehemmt und angehalten ſeyn
Der reg - und fluͤßigen Secunden
Entſtehend ’ und vergehnde Schaar .
Lebt achtzig , ja , lebt hundert Jahr ,
Von Gluͤck und Kranckheit ungekraͤncket ,
Ohn Elend , Kummer und Gefahr :
Sie ſind verfloſſen und verſchwunden ,
Als wie der Tag , der geſtern war ,
Wo ihr nicht oft daran gedencket ;
Das Leben iſt wie ein Geſchrey ,
Denckt man nicht , daß man lebt , vorbey .
Wofern wir aber uͤberlegen
Und , was man guts beſitzt , erwegen ;
Wird der Genuß ſo vieler Sachen ,
Die unſer Schoͤpfer uns beſchehrt ,
Und deren wir ſo wenig wehrt ,
Uns froh , erkenntlich , danckbar machen .
Wir werden auch zugleich die Plagen ,
Womit uns mancher Fall beſchwehrt ,
Geſchickter werden zu ertragen .
B b 5 Denn 394 Denn , wer beym Unfall in der Welt
Das Gute nicht dagegen haͤlt ,
Das ihm der Schoͤpfer goͤnnt und ſchencket ,
Dem wird auch eine kleine Pein
Schon groß und unertraͤglich ſeyn .
So laßt uns darauf Achtung geben
Was Salomo ſo weislich lehrt : Bey unſrer Arbeit froͤlich leben
Jſt blos das Theil , das uns beſchehrt .
Man ſetzt mit Recht noch dies daneben :
Es wird dadurch auch GOtt geehrt ;
Weil ſein Geſchoͤpfe noch wohl wehrt ,
Daß wir uns , froh zu ſeyn , beſtreben .
[figure] Er - 395 Erinnerung . V erlange nicht zugleich auf Erden ,
Bewundert und geliebt zu werden .
Es irret wer darauf beſteht ,
Die Urſach , warum es ſo geht ,
Jſt dieſe : Keiner will von allen
Bewundern ; jeder will gefallen .
Ja bey den meiſten gehts noch ſchlimmer
Und hat dieß ſeine Richtigkeit : Ein ſonderbar Talent iſt immer
Ein Fehler , den man nicht verzeiht .
Hiergegen kann ein groſſer Geiſt
Weil ſonſt der haͤm’ſche Neid von weiten
Mit Steinen immer auf ihn ſchmeiſt ,
Kein ander Mittel ſich bereiten ,
Als wenn er ſanfte Sittſamkeit
Jn allen ſeinen Thaten weiſt .
[figure] Abend - 396 Abend-Gedancken . J ch habe , leider ! dieſen Tag nicht ſonders nuͤtzlich zu
gebracht ,
Jch habe nichts zu GOttes Ruhm gethan , geſchrieben ,
noch geleſen ,
Da er jedoch , wie nicht zu leugnen , ein Theil von meiner
Zeit geweſen !
Jedoch , mein Hertz , gieb dich zufrieden ! Jch ſahe ja der
Sonnen Pracht ,
Und habe dieß dabey gedacht :
Wie groß iſt GOTT der ſie gemacht .
Wenn ich auch ſonſten nichts gethan , ſo iſt der Tag doch
nicht verlohren :
Dieß iſt der groͤſten Pflichten eine , zu der wir auf die Welt
gebohren .
[figure] Nacht - 397 Nacht-Gedancken . J ch bet ’ , in dieſem Heer der Sternen ,
Dich , HErr der Sternen , innig an !
Weil man , in Nichts ſo klaͤrlich lernen ,
Jn Nichts ſo deutlich finden kann ,
Wie unbegreiflich , herrlich , maͤchtig ,
Erhaben , Majeſtaͤtiſch , praͤchtig ,
Dein all-erſchaffend ewigs Weſen .
Von deiner GOttheit Tieff ’ und Hoͤh
Giebt uns aufs Ueberzeuglichſte
Das groſſe Sternen A. B. C.
Die Unbegreiflichkeit zu leſen .
[figure] Ver - 398 Vernuͤnftig-ſinnlicher GOttes-Dienſt . A. W ie iſt doch das Geſchenck der Sinnen ſo herrlich , wenn mans recht ermißt !
Ach , daß die Menſchheit GOtt , dem Geber , dafuͤr ſo un - erkaͤnntlich iſt !
B. Jch finde , daß auch Hunde riechen ; ich ſehe , wie auch Ochſen-Augen
Der Sonnen Licht und Gras und Blumen , ſo wol als wir , zu ſehen taugen :
Was machſt du denn fuͤr Wercks davon ? A. Sie haben Sinnen , das iſt wahr ;
Und zwar noch wol ſo gut als wir , auch ofters beſſer noch ; allein
Soll zwiſchen uns und ihnen denn ſo gar kein Unterſchied nicht ſeyn ?
Daß willſt du ja wol eben nicht . Nun kann ja der in nichts ſo klar ,
Als eben darin nur beſtehen ,
Daß wir auf andre Weiſ ’ , als ſie , empfinden , ſchmecken , hoͤren , ſehen .
Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders nicht , als ſie ;
So folgt der Schluß von ſelbſt : der Menſch iſt auch nicht beſſer , als ein Vieh .
Will man ſich aber von demſelben , wie es ja unſre Pflicht , entfernen ;
Laßt uns die Sinnen , GOtt zum Ruhm , der ſie uns giebt , gebrauchen lernen !
Dieß kann nun GOtt-gefaͤlliger auf andre Weiſe nicht geſchehn ,
Als wenn durch des Verſtandes Licht wir wuͤrcklich ſehen , daß wir ſehn ;
Em - 399 Empfinden daß und was wir riechen ; vernuͤnftig ſchme - cken , wenn wir ſchmecken ;
Nicht ohn Gefuͤhl ſeyn , wenn wir fuͤhlen ; auch deutlich hoͤ - ren , wenn wir hoͤren .
Alsdann wird man durch Seel ’ und Leib , die GOtt uns bei - de ſchenckt , ihn ehren ;
Weil wir ſo dann in allem Weisheit und Liebe , ja ihn ſelbſt , entdecken ;
Durch nichts wird unſer GOtt auf Erden in unſren See - len herrlicher ;
Dieß heißt , nach Davids Regel : Schmecken und ſehn , wie freundlich GOtt der HErr !
[figure] Gedan - 400 Gedancken bey einer Mond-Finſterniß . D a ich den Mond verfinſtert ſeh ’ ,
Verſpuͤhr ich , daß , in meinem Hertzen ,
Aus ſeiner Finſterniß ein Licht entſteh ’
Das keine falbe Schatten ſchwaͤrtzen .
Sie zeigt mir uͤberzeuglich klar
Die Weißheit Goͤttlicher Regierung ,
Und macht zugleich mir offenbahr
Die Richtigkeiten ſeiner Fuͤhrung ;
Da nicht nur , um kein eintzigs Haar ,
Die Lichter , die viel tauſend Jahr ,
Jn ungeſtoͤrter Ordnung , gehn ,
Sich aus den feſten Angeln drehn ;
Auch daß der Schoͤpfer uns ſo gar ,
Solch eine Faͤhigkeit geſchencket ,
So viele Jahr vorher zu ſehn ,
Wie alles ſich ſo richtig lencket .
HERR ! laß uns des Verſtandes Gaben ,
Das Pfund , das du in uns geſenckt ,
Gebrauchen und es nicht vergraben !
Laß uns , ſo oft wir , wie ſo ſchoͤn
Das Monden-Licht uns ſcheinet , ſehn ,
Mit allen Kraͤften des Geſichts
Zu ihm ; von ihm zur Sonnen ſteigen ,
Zur wahren Quelle ſeines Lichts ;
Da denn der Seele ſich wird zeigen ,
Daß man , mit Recht , die Sonne ſelbſt wird koͤnnen
Des Schoͤpfers Mond , ja ſeinen Schatten , nennen .
An - 401 Anderweitige B etrachtung Der Groͤſſe GOTTES Jn ſeiner Vorherverſehung und Fuͤhrung bey dem 1732ſten Jahrs-Wechſel . Beweiß , daß eine ſo groſſe , auch auf Kleinigkei - ten gerichtete Providentz und Vorſorge eben etwas Goͤttliches und eine aller Menſchen und anderer Geiſter Begriff uͤberſteigende Kraft und Weisheit ſey . A uf , auf , mein Geiſt ! auf , auf , bereite dich ,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Ruhm , von neuen ,
Zu dieſer Wechſel-Zeit recht innig dich zu freuen !
Dein groſſes Wohn-Hauß drehet ſich
Nicht mehr , ſo wie vorhero , von der Sonne ;
Wir naͤhern uns dem Licht und Lebens-Strahl ,
Zu unſerm Nutz , zu unſrer Luſt und Wonne ,
Nach GOttes Ordnung abermahl .
Weil dieſes nun , daß man die Wunder-Wercke
Des herrlichen Regirers wol bemercke ,
Mehr als zu wol verdient ; ſo ſoll mich dieſe Zeit
So wol zum Danck , als Lobe , treiben ;
Jch will , nach meiner Pflicht und aller Moͤglichkeit ,
Zu deſſen Preiſ ’ und Ruhm , gedencken , reden , ſchreiben ,
Der alle Welt - und Himmel-Heere ,
Jm Grund - und Graͤntzen-loſen Meere
Des allgemeinen Raums , gemacht , erhaͤlt und fuͤhrt ,
Ja alles , was darin , zu ſeiner ew’gen Ehre
Und einem weiſen Zweck , regirt !
C c Grund 402 Grund - und Graͤntzen-loſe Tieffe ſeel’ger Liebe ! helle Klarheit
Eines nie-durchdrungnen Lichts ! ewige , ſelbſtaͤnd’ge Wahrheit !
Goͤnne mir auch dieſes mahl
Aus dem Meere deiner Weisheit einen hellen Gna - den-Strahl ,
Daß ich , deiner Herrlichkeit , Weisheit ’ , Lieb ’ und Macht zum Preiſe ,
Nach Vermoͤgen , deine Wege mir und vielen andern weiſe !
Schaͤrffe mir , zu dieſem Endzweck , ſelbſt die Kraͤfte meiner Sinnen !
Laß mein Dencken dir gefallen ! Segne ſelber mein Beginnen !
Wir haben , im verwichnen Jahr ,
Der Theilchen groſſe Meng ’ und ungeheure Schaar ,
Die allen Engeln , Geiſtern , Seelen
Unmoͤglich faͤllt zu kennen und zu zehlen ,
Aus welchen alle Ding ’ entſtehen und beſtehen ,
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm , erſtaunet , angeſehen .
Wir haben auf die Zahl abſonderlich geachtet ,
Wir haben einiger derſelben Regeln , Kraͤfte ,
Geſetz und Ordnungen betrachtet .
Jetzt fuͤhl ’ ich einen Trieb in mir ,
Annoch zum edlern Zweck und herrlichern Geſchaͤfte
Der Seelen Kraft zu lencken , zu erheben ,
Und , in der herrlichen Regierung
Und aller dieſer Theil ’ unendlich weiſen Fuͤhrung ,
Der GOttheit weiſe Macht zum Ruhm , mich zu beſtreben .
Auf 403 Auf dieſe Weiſe wird der GOttheit Licht und Schein
Am herrlichſten erkannt , geruͤhmet und geprieſen ;
Man wird zugleich , was er auch uns erwieſen ,
Was er fuͤr eine Kraft in unſern Geiſt geſencket ,
Und wie , wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket ,
Wir ihn , durch uns , uns ſelbſt in ihm , erhoͤh’n ,
Recht uͤberzeuglich ſehn .
Selbſtaͤndige Weisheit ! ſelbſtaͤndige Guͤte !
Unendlicher Urſprung der ewigen Wahrheit !
Erleuchte du ſelbſt mein verfinſtert Gemuͤthe
Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit !
Die Wunder , die Himmel und Erden erfuͤllen ,
Entſtehen aus deinem allmaͤchtigen Willen ;
Beſtehen durch deine beſtaͤndige Macht ;
Geſchehen , wie du es vorhero gedacht !
D aß unzaͤhliche Geſchoͤpfe in den Himmeln , auf der Welt ,
Durch die Allmachts-volle GOttheit ſind erſchaffen und vorhanden ,
Daß zugleich ſein weiſer Wille ſolche Creatur erhaͤlt ,
Haben wir in vor’gem Jahr , wie bereits geſagt , verſtanden ;
Waͤren nun die Creaturen , der Natur nach , und in ſich ,
Nicht der Aendrung unterworffen , ſondern unveraͤnderlich ;
Wuͤrde , nebſt derſelben Schoͤpfung , die Erhaltung blos allein ,
Zu derſelben Daur und Weſen , unumgaͤnglich noͤthig ſeyn .
Aber da die Creatur bald ſich aͤndert , bald vergehet ,
Stirbet , aufgeloͤſet wird , koͤmmt , verweſet und entſtehet ,
Und doch alles , nach der Maaſſe , Ordnung , Regeln und Gewicht ,
Sich veraͤndert , ſich beweget , ſteht , vergehet und geſchicht ;
C c 2 Sieht 404 Sieht man ja wol uͤberzeuglich , daß ſolch ’ eine weiſe Fuͤhrung
So veraͤnderlicher Dinge , ſolche richtige Regirung
Solcher ungefuͤgten Theile , der unzaͤhlich vielerley ,
Sonder eine Providentz gantz und gar unmoͤglich ſey .
Es wird keiner laͤugnen koͤnnen , daß auf unſerm Kreis der Erden
Nicht nur viele wuͤrckliche ,
Sondern auch in allen Coͤrpern und in der Materie Moͤgliche Veraͤnderungen , ebenfals gefunden werden .
Erſtere ſind : die wir fuͤhlen , hoͤren , riechen , ſchmecken , ſehen ;
Letztere ſind dennoch moͤglich , ob ſie wuͤrcklich nicht geſchehen . Moͤglich waͤr es , zum Exempel , daß es jetzo regnete ,
Da die Sonne lieblich ſcheinet . Bey den Menſchen und den Thieren
Wovon wir , bey letzteren , mehrentheils willkuͤhrliche
Und , bey den vernuͤnftigen , freye Handlungen verſpuͤhren ,
Sind die Aendrungen unzaͤhlich : da es dennoch moͤglich waͤr ’
Daß gantz andere geſchaͤhen . Jch ſpatziere hin und her
Ob es gleich nicht minder moͤglich , daß ich ſitzen , reiten , ſchreiben ,
Fahren , ſtehn und liegen koͤnnte , oder etwas anders treiben .
Nun entſteht mit Recht die Frage : ob der Schoͤpfer aller Dinge
Keinen Theil an allem nehme ? ob ihm alles zu geringe ,
Was er je hervorgebracht ? ob er , daß dieß ſo geſcheh ’ ,
Oder auf ein ’ andre Weiſe , ſich gar nicht bekuͤmmere ?
Von Veraͤndrungen der Coͤrper blos allein iſt offenbar ,
Daß die Goͤttliche Regirung ſich damit gewiß befaſſe
Und von ihrer Aenderung , ſich durchaus nicht ſcheiden laſſe ,
Dieß erweiſet dieß Exempel uͤberzeuglich , deutlich , klar :
Daß 405 Daß die Sonn ’ jetzt lieblich ſcheint , da es ſtuͤrmen koͤnnt ’ und blitzen ,
Stammt entweder gantz gewiß von der erſten Ordnung ab ,
Da der Schoͤpfer allen Coͤrpern eine ſolche Regel gab ,
Daß , aus einer feſten Folge der Natur , zu dieſer Zeit ,
Unſer Himmel glaͤntzt und pranget in entwoͤlckter Heiterkeit ;
Oder dieſes ſchoͤne Wetter und der heut’ge Sonnen-Schein
Muͤſte durch ein Wunder-Werck kommen und entſtanden ſeyn .
Beides zeigt des Schoͤpfers Macht , Lieb ’ und weiſe Vorſorg an .
Jn dem erſten Fall erhellt ,
Daß , da ſein allwiſſend Aug ’ alles uͤberſehen kann ,
Er , bey der Zuſammenſetzung und der Anlag ’ unſrer Welt ,
Alles , was aus dieſer Miſchung bis zum heut’gen Tag ’ ent - ſtehen ,
Flieſſen und geſchehen wuͤrde , ſchon mit einem Blick geſehen ;
Alſo , daß ſchon , in der That ,
GOTT , vor ſo viel tauſend Jahren ,
Vor die Wittrungen , die wir uͤberkommen und erfahren ,
Jn der Ordnung der Natur allbereit geſorget hat .
Jſt nun , nach dem letzten Fall , dieſes Tages Sonnen-Strahl Ueber der Natur Geſetz , durch ein Wunder-Werck entſtanden ,
Welches GOtt nur zuzuſchreiben ; ſo iſt gleichfals abermahl
GOTTES Vorſorg uͤberzeuglich , ſonder Wiederſpruch verhanden .
Wenn wir nun noch fernerhin auch die Handlungen beſehn ,
Welche aus dem freyen Willen denckender Geſchoͤpf ’ entſtehn ,
C c 3 Oder 406 Oder aus der Thiere Willkuͤhr ; ſo iſt es zwar wol an dem ,
Daß derſelben Grund und Quell in den Creaturen liege ;
Aber daraus folget nicht , daß GOtt keinen Antheil nehm ’
Und ſich mit den Handlungen im geringſten nicht befaſſe ;
Sondern ſie in allen Dingen ſchalten , thun und walten laſſe .
Zwar iſt dieſes wahr ; hat GOtt Creaturen ſchaffen wollen ,
Welche einen freyen Willen haͤtten ; laͤſſet ſich auch ſchlieſſen
Denn ſonſt waͤren ſie nicht das , was ſie haͤtten werden ſollen .
Dieſer Schluß iſt wahr . Allein ,
Es kann doch , bey dieſer Freyheit , dennoch nicht gelaͤugnet ſeyn ,
Daß die GOttheit alle Wercke , die von ihnen auf der Erden
Wuͤrden vorgenommen werden ,
Nicht zuvor geſehen haͤtte ; folglich ſtehet leicht zu faſſen ,
Daß er auch zugleich beſchloſſen , was geſchicht , geſchehn zu laſſen ;
Daß demnach auch ſolche Dinge , welche ſonſten frey geſchehn ,
Dennoch unter GOttes Willen , Providentz und Vorſehn ſtehn ;
Weil der Schoͤpfer ſonſten nur ,
Wenn er dieſes nicht gewollt , eine ſolche Creatur
Ja nicht duͤrfen werden laſſen . Da ſo denn , unſtreitig , nicht
Das , was jetzt aus freyen Willen von denſelbigen geſchicht ,
Vorgenommen werden koͤnnte . Daß ich alſo klaͤrlich ſehe ,
Wie von allen Handlungen , nichts von ungefaͤhr geſchehe ,
Sondern alles unter einer Goͤttlichen Regirung ſtehe .
Laßt uns aber nunmehr auch von des Schoͤpfers aller Sachen
Unlaͤugbarer Providentz wuͤrdige Begriff ’ uns machen !
Nem - 407 Nemlich , daß dieſelbe nicht eine Macht nur in ſich ſchlieſſet ;
Sondern , daß in ihr zugleich immer , mit vereinter Kraft ,
Von der GOttheit wahrem Weſen eine jede Eigenſchaft ,
Nemlich Weisheit , Macht und Liebe
Wunderbar zuſammen flieſſet .
Seine Weisheit ſieht zugleich nicht nur das Vergangene ,
Nebſt dem Gegenwaͤrtigen ; ſondern auch das Kuͤnftige ,
Jn dem allerhellſten Lichte , in der groͤſten Deutlichkeit .
Er erkennt , was die Verbindung aller Coͤrper auf der Erden ;
Er begreift die Wirckungen , die dadurch , zu aller Zeit ,
Aller Orten , ſo im groſſen , als im kleinen , kommen werden ;
Er ergruͤndet , was der Thiere Willkuͤhr wirckt und nach ſich zieht ;
Er erforſcht , was die Geſchoͤpfe , denen er ein frey Gemuͤht
Und , in ihren Handlungen , einen ungezwungnen Willen
Eingeſencket , reden , handeln , thun , beginnen und erfuͤllen ,
Wircken und begehren werden , was gerahten , nicht gerahten
Und was unterbleiben werde , auch was aus derſelben Thaten
Jn der kuͤnftgen Zeit erfolgt . Ja nicht nur das , was geſchicht
Und geſchehen wird , weis er ; ſondern auch , wenn was geſchehe ,
Was daraus entſtehen wuͤrde , iſt ihm ja ſo wol bekannt ,
Als wenn ich , was gegenwaͤrtig mir vor Augen lieget , ſehe .
Dieſer Weisheit helle Sonne und ſein Goͤttlicher Verſtand
Strahlt aus allen Creaturen recht , als wie ein helles Licht .
Wie iſt alles durch einander wunderwuͤrdig eingericht ,
Und bewunderns-wehrt verknuͤpffet ! Man ſieht uͤberall die Spur ,
Wie von allen Creaturen , in dem Reiche der Natur ,
Eines ſtets am andern hanget ;
Jegliches hat ſeinen Zweck und es wird der Zweck aufs neu
Wiederum ein Mittel , wodurch es zum neuen Zweck ’ ge - langet .
GOt - 408 GOTTES Liebe , ſeiner Guͤte , ſeiner Gnaden Wunder-Schein
Floͤßt ſich ferner , nebſt der Weisheit , der Vorher-Verſe - hung ein .
Jhm , dem allerhoͤchſten Gut , wallt im Goͤttlichen Gemuͤhte
Eine ſeelige Geneigtheit , Gnad ’ , Erbarmung , Huld und Guͤte
Den Geſchoͤpfen mitzutheilen , ſtets ihr Gutes zu vergroͤſſern ,
Und , nach ſeiner weiſen Ordnung , ihren Zuſtand zu verbeſſern .
Gleichfals wirckt der GOttheit Allmacht , nebſt der Weisheit und der Liebe ,
Jn der Providentz , vereint . Nimmt man dieſe nun zu - ſammen ,
Und man leitet aus denſelben Goͤttliche Vorſehung her ;
Wird von ſolcher Providentz nicht allein ein richtiger ,
Auch ein troͤſtlicher , Begriff , ſonder allen Zweifel , ſtammen .
Wird ein ſterblicher Monarch und ein irdiſcher Regent ,
Welcher ſeiner Unterthanen Nutz und Beſtes ſucht und kennt ,
Dem es an Gewalt nicht fehlet und der ſie als Kinder liebt ,
Selbige nicht gluͤcklich machen ? wird deſſelben Regiment
Nicht gedeylich fuͤr ſie ſeyn ? da nun GOtt , im hoͤchſten Grad ,
Alle die Vollkommenheiten Macht und Eigenſchaften hat ;
Koͤnnen wir unmoͤglich anders von deſſelben Fuͤhrung ſchlieſſen ,
Als ; es werde nichts , als gutes aus derſelben uns entſprieſſen .
Aber laßt uns dieſe Wahrheit deutlicher noch zu verſtehn
Das , woruͤber die Verſehung ſich erſtrecket , uͤberſehn .
Erſtlich kommen Dinge vor , welche gaͤntzlich ſonder Leben ;
Deren ſind nun zweyerley . Es iſt eine Art , woran
Willkuͤhr oder freyer Wille etwas aͤndern , etwas geben ,
Etwas nehmen , mindern , mehren , beſſern und verſchlimmern kann ;
Oder 409 Oder ſie ſind auch von denen , die der Willkuͤhr und dem Willen
Sichtbarer Geſchoͤpf ’ entzogen , als : der Wind , der Regen , Blitze ,
Donner , Duͤrre , Sonnen-Schein , Kaͤlte , Nebel , Schnee und Hitze .
Mond und Stern ’ und ihre Wirckung . Erſtere , bey welchen wir
Etwas zu veraͤndern faͤhig , ſind nicht nur von GOtt gemacht ,
Sondern es iſt klar zu ſehen , wie er ſie zugleich regir ’ ,
Da er ſie zu einem Zweck eigentlich hervorgebracht .
Zum Exempel : laßt uns Blumen , laßt uns Baͤume , Pflantzen , Fruͤchte ,
Welche GOtt erſchaffen hat , und wovon ja Sonnen-klar ,
Daß der Menſchen Fleiß , Verſtand etwas auch dabey verrichte ,
Jn der Abſicht einſt beſehn ! Wie unglaublich wunderbar
Jſt die Zeugung einer Blume ! dencket doch , wie vielerley
Zu derſelben Kraͤften , Farben und Figur vonnoͤthen ſey .
Alle Kuͤnſtler dieſer Welt kennen und begreiffen nicht
Die Geſtalten dieſer Theile , woraus GOtt ſie zugericht .
Hat der Schoͤpfer nun vorher alle Theilchen uͤberſehn ,
Aus der Erd ’ und aus dem Waſſer , die , daß Baͤum und Fruͤcht ’ entſtehn
Und bereitet werden ſolten , zu denſelben noͤhtig waͤren ;
Hat er ebenfals nicht minder , um dieſelben zu vermehren ,
Saamen-Koͤrner zubereitet , die die Theilchen an ſich ziehn ,
Und das Wachſen foͤrdern koͤnnten ; ſo erhellet ja ſo klar ,
Es ſey GOttes Providentz auch bey Pflantzen ſonderbar .
Sage mir , zu welchem Endzweck , Pflantzen wachſen , Blumen bluͤhn ,
C c 5 Und 410 Und fuͤr wen er in dieſelbe ſolche Kunſt und Eigenſchaft ,
Solche Bildung , ſolche Farben , ſolche Schoͤnheit , ſolche Kraft
Eingeſencket und geleget ? wahrlich fuͤr ſie ſelber nicht ;
Weil ſie ſelbſt von ſich nichts wiſſen . Hieraus fließt der Unterricht ,
Daß , da ihnen ſelbſt zum Beſten ihre Schoͤpfung nicht geſchehen ,
GOtt auf andrer Creaturen Luſt und Nutz durch ſie geſehen .
Zeigt dieß keine Providentz ? Eben auch , wenn Kraͤuter hie ,
Und an andern Orten nicht , wachſen und gedeyen wollen ,
Zeigt ſie deutlich , daß ſie hier , aber dort nicht , wachſen ſollen .
Wenn nun an den Creaturen , welche ſonder Leben ſeyn ,
Und bey welchen Thier und Menſchen etwas noch veraͤndern koͤnnen ,
Sich die Goͤttliche Vorſehung , in ſo hellem Licht und Schein ,
Und unwiederſprechlich zeiget , iſt ſie minder noch zu trennen
Von den Dingen , welche wir dergeſtalt beſchaffen finden ,
Daß kein lebendes Geſchoͤpf Aendrung taugt darin zu machen .
Denn obgleich , wenn’s ſchneit und regnet , und wenn wil - de Wetter krachen ,
Alles aus natuͤrlichen Grund - und Ordnungen geſchicht ;
So wird doch mit Recht gefraget : Wer die Ordnung der Natur ,
Wie ſie iſt , zuerſt gemachet , und ſo weislich eingericht ?
Alſo ſiehet man auch hier , mit Verwunderung , die Spur
Einer Goͤttlichen Regirung . Laßt uns denn nun weiter gehn ,
Und die lebenden Geſchoͤpfe , welche nicht vernuͤnfftig , ſehn !
Daß auch die in Goͤttlicher Vorſorg ’ und Regirung ſtehn ,
Zeigt die Schrifft und die Vernunft . Wie auch GOtt die Voͤgel naͤhret ;
Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret .
Sie - 411 Siehet man ein ſolches Naͤhren etwan uͤberhin nur an ,
Scheinet es nichts wunderwuͤrdigs ; aber was dazu gehoͤret ,
Einer Art der Voͤgel nur , ihre Nahrung zu bereiten
Und , nach ihrer Art , zu ſpeiſen , und zu naͤhren , dieſes kann ,
Weil dazu in der Natur , wenig Mittel , keiner faſſen .
Ja , es kann der kluͤgſte Menſch nicht ein Koͤrnchen wachſen laſſen ;
Zeigt ſich alſo , daß der Schoͤpfer nicht allein an ſie gedacht ,
Eh ſie noch erſchaffen worden , ſondern ſie noch immerfort
Sich , in Ordnung , mehren laſſe , daß er wuͤrcklich ihren Saamen ,
Woraus ſie , nebſt ihren Seelen , ihren Urſprung alle nahmen ,
Unſrer Erden einverleibt , daß er ſie an jedem Ort
Unterhaͤlt , verſorgt und naͤhret
Und ein ſonderliches Futter einem jeglichen beſchehret ,
Welches einem jeden dienſam ; wovon ebenfals der Erden
Saamen von beſondern Kraͤften muͤſſen eingeſencket werden ;
Doch noch mehr , damit die Voͤgel , das Gewuͤrm und andre Thiere
Auch dem Menſchlichen Geſchlecht , wenn ſie ſich zu haͤuffig mehrten ,
Nicht zu groſſer Laſt gereichten , und ſie nicht zu ſehr beſchwehrten ;
Sind ſie dergeſtalt gebildet , daß ( ach , merck es jedermann )
Jmmer eins dem andern wieder zu der Nahrung dienen kann ;
So daß ja kein Ungezieffer , und kein Wuͤrmchen je ſo klein ,
Daß es , zu des Schoͤpfers Endzweck nicht gebildet ſollte ſeyn .
Ja , wenn von den Sperliugen ſelbſt die Bibel deutlich ſpricht :
Sonder unſers GOttes Willen kann auch gar ein Sperling nicht
Jemahls auf die Erde fallen ; zeigt ſie uͤberzeuglich-klar ,
Daß , wie Voͤgel zu erſchaffen , ihm nicht unanſtaͤndig war ;
Auch 412 Auch es ihm nicht unanſtaͤndig , ihre Daur und Lebeus-Zeit
Zu beſorgen und zu wiſſen . Jſt es alſo ſonder Streit ,
Daß , da man des Schoͤpfers Weisheit deutlich uͤberall entdecket ,
Seine Vorſorg auch zugleich auf das Kleinſte ſich erſtrecket .
Wie vielmehr wird denn , aus dieſen und aus vielen andern Stellen ,
Ueber die vernuͤnfftigen Creaturen dieſer Welt
Eine weiſe Providentz uͤberzeuglich klar erhellen ,
Die er ja mit ſo viel Vorzug uͤber jene hingeſtellt ?
Wir beſtehn aus Seel und Leib . Wie wir nun gar leicht erſehn ,
Daß , zu unſers Leibes Nothdurft , Wunder ohne Zahl geſchehn
Jn dem Reiche der Natur ; folgt ja , daß , bey ſo viel Gaben ,
Welche wir nur fuͤr den Leib auf der Welt empfangen haben ,
Sonder Zweifel fuͤr die Seele auch von GOtt geſorget ſey .
Aber laßt uns erſt von dem , welches unſern Leib belanget ,
Wie die Wunder in der Fuͤhrung ſonderbarlich , mancherley ,
Etwas weniges beſehn , weil es ſehr zuſammen hanget !
Laßt uns denn auf unſern Anfang , Fort - und Ausgang aus dem Leben ,
Als wohin ſich alles zieht , recht bedachtſam Achtung geben !
Daß die Menſchen , auf die Weiſ ’ Art und Ordnung auf der Erden ,
Wie wirs finden , erſt empfangen und darauf gebohren werden
Hat der Schoͤpfer einſt verordnet . Aber , daß zu dieſer Zeit ,
Und zu einer andern nicht , wir in dieſe Welt gekommen ,
Auch daß wir in dieſem Ort , auch mit der Beſchaffenheit ,
Und in keinem andern Umſtand , unſern Anfang erſt genommen ,
Solches 413 Solches wird mit allem Recht einer Goͤttlichen Regirung
Und beſondren Providentz , einer Goͤttlich-weiſen Fuͤhrung ,
Zugeſchrieben werden muͤſſen . Wenn wir ernſtlich uͤberlegen
Und , was die Gebuhrt des Menſchen fuͤr gewalt’gen Einfluß hat
Faſt in alle Handlungen ; und von einer jeden That
Jhren Urſprung , ihre Mittel , Huͤlf und Hindrungen erwegen ,
Von den Zuſtand eines jeden den Zuſammenhang ergruͤnden ;
Werden wir gar leicht befinden ,
Daß , am Umſtand , an dem Ort , und zumahlen an der Zeit ,
Als womit , unwiederſprechlich , eins ſich an das andre fuͤget ,
Alles ſonderbar gebunden , alles wunderbarlich lieget .
Denn es iſt unlaͤugbar wahr , daß Veraͤndrungen auf Erden
Durch die Umſtaͤnd faſt noch mehr , als ſich ſelbſt , gewircket werden .
Scheuen wir uns nun nicht , alles , als von ungefaͤhr geſchehn
Und vom blinden Zufall bloß unterhalten , anzuſehn ;
Muͤſſen wir , ohn Wiederſpruch , dieß unfehlbar zugeſtehn ,
Daß , bey unſerer Gebuhrt , auch ein Goͤttliches Regiren
Eine weiſe Providentz augenſcheinlich zu verſpuͤhren .
Bey dem Fortgang eines Menſchen muß man dreyerley erwegen :
Theils deſſelbigen Erhaltung , theils die Handlungen ; ſie moͤgen
Gut ſeyn , oder etwan boͤſe : theils auch etwan ihr Geſchick ,
Welches man bald Zufaͤll heiſſet , bald Verhaͤngniß oder Gluͤck .
Die Erhaltung nun belangend , findet ſich , wenn mans bedencket ,
Daß ſie blos vom Schoͤpfer ſtammet ; daß , auf eine weiſe Weiſe ,
Er dem Leben und dem Leib , ſo die Kleidung , als die Speiſe ,
Da wir ſind , ja eh ’ wir wurden , ſchon bereitet und geſchencket .
Denn 414 Denn ſo wenig als wir ſelbſt faͤhig waͤren , unſer Leben ,
Ehe wie gebohren worden , uns aus eigner Kraft zu geben ;
Ja ſo wenig kunten wir auch fuͤr Kleidung , Milch und Brodt ,
Fuͤr die Nahrung , Speiſ ’ und Tranck , ja fuͤr alles , das uns noth ,
Sorgen oder es verſchaffen . GOTT der , nach dem weiſen Rath ,
Fuͤr die Blumen auf dem Felde , ja der auch geſorget hat
Fuͤr die Voͤgel , hat zugleich auch fuͤr Menſchen zugeſehn ,
Daß , was fuͤr dieſelben noͤthig , werden muͤſſen und entſtehn .
Hat der Schoͤpfer dieſe Vorſorg uͤber ſich denn nun genommen ;
Jſt es ja wol uͤberfluͤßig und unnoͤthig , ja ſo gar
Wuͤrcklich ſchaͤdlich , wenn wir Menſchen , wie es leider mehr als wahr ,
Auf die aͤngſtliche Verſorgung mit ſo bitterm Graͤmen kommen ,
Weil wir , durch dergleichen ſorgen , lauffen , rennen und bemuͤhn ,
Uns vom Dienſt des wahren Schoͤpfers auf den Dienſt des Mammons ziehn ,
Alle Zuverſicht verliehren , und ſtatt deſſen , unſre Seelen ,
Mit zukuͤnfftgen ungewiſſen Ungluͤcks-Faͤllen alſo quaͤhlen ,
Als ob ſie ſchon gegenwaͤrtig . Wenn wir ſo ins Kuͤnfft’ge dencken ,
Und uns voller Gram und Sorgen gleichſam dahinein verſencken ,
Ziehen wir die Plag ’ und Laſten von dem noch entfernten Tage
Zum voraus ſchon zu uns her ,
Als ob gleich , wenn jeder Tag nur allein ſein ’ eigne Plage
Mit ſich fuͤhrte , nicht fuͤr uns es ſchon zur Gnuͤge waͤr .
Was 415 Was die Handlungen der Menſchen und ihr Wir - cken nun betrift ,
Hangen ſie vom Willen ab . Gleichwol aber ſpricht die Schrift : HErr ! ich weiß des Menſchen Thun ſtehet nicht in ſeiner Macht ,
Wie er ſeine Gaͤnge richte , und auf welche Weiſ ’ er wandelt ;
Zwar ſcheint dieß ein Wiederſpruch , daß der Menſch nach Willkuͤhr handelt
Und es ſtehe , was er thue , doch in ſeinem Willen nicht ,
Wie er ſeine Gaͤnge richt ;
Aber dieſer Wiederſpruch faͤllet offenbar dahin ,
Wenn man zwiſchen eines Menſchen Abſicht , Vorſatz , Zweck und Sinn ,
Und den aͤuſſern Handlungen , ſammt dem , was daraus entſprieſſet ,
Einen Unterſcheid nur macht . Wenn der Menſch was uͤberleget ,
Was beſchließt , und einen Zweck und ein ’ Abſicht darin heget ,
Das geſchicht in ſeiner Seelen , und in dem , was er beſchlieſſet ,
Hat er vollenkommne Freyheit , die der Schoͤpfer darum eben ,
Weil er ein vernuͤnftiges Weſen ſeyn ſol , ihm anheim gegeben ,
Und die er ihm nimmer nimmt . Weil der Menſch ſonſt das nicht waͤre ,
Was er iſt und was er ſeyn ſoll . Nach der freyen Neigung nun
Und nach dieſer freyen Wahl , Zweck und Vorſatz , wird ſein Thun
Von dem Schoͤpfer angeſehn . Aber es ins Werck zu ſtellen ,
Stehen unſre Handlungen , ſammt den Aendrungen und Faͤllen ,
Nicht 416 Nicht in menſchlicher Gewalt ; da ſich ja ſo mancherley
Umſtaͤnd ’ in dieſelbe flechten , welche nicht durch uns geſchehn ,
Weniger in unſrer Willkuͤhr , Anſtalt und Verordnung ſtehn .
Dieſes deutlicher zu zeigen , faͤllt mir ein Exempel bey :
Einer nimt ſich vor zu ſtehlen oder einen zu ermorden ;
Dieſer Schluß ruͤhrt ſonder Zweifel bloß von ſeiner Will - kuͤhr her ,
Er iſt auch dadurch vor GOtt ſchon ein Dieb und Moͤrder worden .
Aber ſolches auszufuͤhren , faͤllt ihm oͤffters nicht nur ſchwer ,
Sondern er wird oft davon , durch ein ſcheinbar Ungefaͤhr
Abgehalten und behindert . Tauſend Faͤlle koͤnnens wehren :
Wachſamkeit , ein Hund , ein Gaſtmahl , eine Kranckheit , Witterung ,
Trunckenheit , ein Floh , ein Vogel , ein Geraͤuſch , ein Fall , ein Sprung ,
Uebereilung , Zoͤgerung , ein zu fertiges Gewehr ,
Ein nicht taugliches , ein Zuſpruch , ja viel tauſend andre mehr
Sind , auf GOttes Winck , geſchickt , Mord und Diebſtahl abzukehren .
Hieraus ſieht man augenſcheinlich , daß der Menſch den Schluß zwar faſſen
Und was unternehmen kann , aber daß viel tauſend Sachen ,
Tauſend Umſtaͤnd ’ ihm im Vorſatz oͤfters eine Hindrung machen
Und ihn oft recht zwingen koͤnnen , daß er alles unterlaſſen
Und die That verfehlen muß . Solche Umſtaͤnd ’ aber ſeyn
Alle unter GOttes Ordnung , und ſie werden bloß allein
Von dem Schoͤpfer , nach der Weisheit , Liebe , Macht , Gerechtigkeit
So regirt und eingerichtet , wie ers der Beſchaffenheit
Seiner Abſicht , ſeines Haupt-Zwecks , welcher groß und allge - mein ,
Am 417 Am befoͤrderlichſten kennt . Folglich laͤßt ſich leichtlich zeigen ,
Daß der Schoͤpfer mit der Menſchen Abſicht , Neigungen und Schluͤſſen
Wuͤrcklich nichts zu ſchaffen hab ’ , als die blos dem Menſchen eigen ,
Und auf ſeine Rechnung kommen . Aber ihre Hinderniſſen ,
Jhren Fortgang und die Folgen anbetreffend , kann auf Erden
GOttes Providentz davon nimmer ausgeſchloſſen werden .
Etwas boͤſes zu verrichten ſtreitet mit der Heiligkeit
Und Gerechtigkeit der GOttheit , und ſie wird zu keiner Zeit
Es befoͤrdern , dazu helffen ; aber ſelbſt das , was nicht gut ,
Und was man , aus boͤſer Abſicht , merckt , gedencket , redet , thut ,
Auch ſo gar zum Guten fuͤhren ,
Jſt GOtt gar nicht unanſtaͤndig , mindert nicht des Schoͤpfers Ehr.
Solch Betragen , voller Abſicht und Verſtand , gehoͤrt vielmehr
Eigentlich zur Providentz und zum Goͤttlichen Regiren .
Zu den Handlungen der Menſchen werden ferner auch das Gluͤck , Ungluͤck , Zufaͤll ’ , Ungefaͤhr , Schickſal oder das Geſchick ,
Wie man es zu nennen pflegt , billig mit zu rechnen ſeyn .
Kommen nun dieſelbigen durch dergleichen Umſtaͤnd ’ her ,
Wo der Menſchen Geiſt und Willkuͤhr etwas , minder oder mehr ,
Dazu beyzutragen faͤhig ; ſo gehoͤren ſie allein
Zu der Art der Handlungen , die wir allbereit beſehen ;
Aber , in ſo fern dieſelben aus Veraͤndrungen entſtehen ,
Die gantz auſſer unſrer Willkuͤhr und Gewalt geſetzet ſind ,
Muͤſſen wir ſie noch betrachten . Zum Exempel : Regen , Wind ,
D d Wol - 418 Wolcken-Bruͤche , Sonnen-Schein , Froſt , Schnee , Hagel , Donner , Blitze ,
Stuͤrme , Regen , Thau und Reif , kuͤhle Luͤfte , Kaͤlte , Hitze .
Wann nun , aus dergleichen Dingen , Luſt und Vortheil uns entſprieſſen ;
Hat man ja , mit groͤſtem Necht , uͤberzeuglich dieß zu ſchlieſſen ,
Daß ſie einer guͤtigen Providentz auch beyzulegen .
Selbſt die Schrift ſpricht GOtt zum Preiſe : GOtt hat uns viel Guts gethan . Er hat von dem Himmel Regen ,
Zeiten voller Fruchtbarkeit uns gegeben , auch mit Speiſe
Und mit inniglichen Freuden unſre Hertzen angefuͤllt ,
Und uns oft des Geiſts und Coͤrpers Hunger , Durſt und Sucht geſtillt .
Aber , wenn , im Gegentheil , aus den vorberuͤhrten Dingen
Auch gewiſſe Ungluͤcks-Faͤll ’ , etwa kommen und entſpringen ,
So rufft uns dort Amos zu : Jſt auch in der Stadt ein Ungluͤck , welches GOtt der HErr nicht thu ?
Ja man ſieht an ſelbem Ort , wie ſo viele Ungluͤcks-Faͤlle
GOtt ſich ſelber beygelegt und auf ſeine Rechnung ſtelle . Jch , ſpricht GOtt , hab ’ euch den Regen ,
Biß zur Erndte noch drey Monden aufgehalten . Meinen Seegen
Ließ ich uͤber eine Stadt , Land und Acker ſich ergieſſen ;
Ueber andere hingegen ließ ich ſelbigen nicht flieſſen ,
Und das Land verdorrete . Ferner : Jch hab euch geplaget
Mit der duͤrren Zeit und Brand-Korn , was ein Gart ’ und Weinberg trug ,
Ward durch Heuſchreck - und durch Raupen , Wurm und Kaͤfer abgenaget .
Jch 419 Jch nur war es , der mit Peſt euch , wie die Egypter , ſchlug ;
Meine Hand allein hat euch umgekehret , wie das Land ,
Welches Sodom und Gomorra trug ; ihr waret wie ein Brand ,
Den man aus dem Feuer reißt . Hierbey aber muß man faſſen
Und das , ſo wir angemerckt , niemahls aus den Augen laſſen ,
Daß zu GOttes Providentz , ſeine Weisheit , Guͤte , Liebe
Und Gerechtigkeit nicht minder , als wie ſeine Macht , gehoͤren : Er iſt weiſ ’ und bringet Ungluͤck ; hoͤrt man Jeſaiam lehren ,
Aber bloß zum guten Endzweck ; wannenhero Paulus ſchriebe : O! welch eine Reichthums-Tieffe beyde Goͤttlicher Verſtaͤndniß
Und Erkaͤnntniß !
Ach , wie ſo gar unbegreiflich ſind dein Goͤttliches Gericht ,
Und wie unerforſchlich , HErr , deine weiſen Wege nicht !
Es ſind von ihm , durch ihn , in ihm , alle Dinge dieſer Zeit ;
Jhm allein ſey Lob und Danck , Ruhm und Ehr ’ in Ewigkeit !
Alſo weiß der groſſe GOtt , auch nach ſeiner Weisheit , ſich
Einen Weg , durch den Beweiß ſeiner Macht , zu der Erzeigung
Seiner Guͤtigkeit zu bahnen gegen alle , deren Neigung
Nur auf eine Art noch faͤhig ſeiner Gnade . Eigentlich
Wird man leichtlich keinen Fall , wo ſich die Gerechtigkeit
GOttes zeigen wollen , finden : wo nicht an der andern Seit ’
Eine Probe ſeiner Guͤte ſich zugleich zu Tage leget .
D d 2 Wenn 420 Wenn er dort der Amoriter gantzes Heer mit Schloſſen ſchlaͤget ,
So ward Gibeon dadurch der Velagerung befreyt ;
Haben dort die Mauren Apheck auf die Syrer fallen muͤſſen ,
Wurde dadurch Jſrael gaͤntzlich ſeinem Joch entriſſen .
Dieſes alles und dergleichen zeigt des Schoͤpfers Weis - heit an ,
Die bey ſeiner Providentz ſich ſo uͤberzeuglich weiſet ;
Da , er mehr als einen Endzweck , der erreicht wird , zeigen kann ,
Blos durch einerley Verhaͤngniß . Welches , wenn mans recht erwegt ,
Goͤttliche Gerechtigkeit , noch um deſto beſſer preiſet ;
Als wobey er auch die Guͤte andern zu erzeigen pflegt .
Endlich iſt der Todt von allem , was uns auf der Welt betrifft ,
Unſer letzteres Verhaͤngniß . Aber auch das Sterben ſtehet
Unter GOttes Providentz . Denn obgleich auch ſelbſt die Schrifft
Von ſo rohen Leuten zeuget , welche , voller Wehmuth , lehren :
Daß wir Menſchen , ſo wie wir ungefaͤhr gebohren waͤren ,
So von ungefehr auch ſtuͤrben ; zeigt doch die Vernunft , daß man
Sonder GOttes Providentz auch unmoͤglich ſterben kann .
Denn ſo lehret die Vernunfft : Es ſey uns von GOtt das Leben ,
Unſer Othem , auch der Coͤrper , der ſo kuͤnſtlich iſt , gegeben ;
GOtt nur , habe Seel ’ und Leib ſo verwunderlich vereint .
Da der Menſch nun auf der Welt nicht von ungefaͤhr erſcheint ;
Jſt es denn nicht unvernuͤnfftig , wenn dem ungeacht , man meynt ,
Daß 421 Daß wir ſonder GOttes Vorſorg ’ und von ungefaͤhr nur ſterben .
Solt ’ ein kluger Kuͤnſtler wol ein ſehr kuͤnſtlich Werck ver - derben ,
Welches er mit Fleiß verfertigt ? oder , wo ers hindern kann ,
Leiden , daß es andre thun , wo er nicht mit Fleis daran
Einen Endzweck , uñ zwar ſolchen , welcher wichtiger und beſſer
Als des Wercks Erhaltung , ſucht ? Nun iſt GOtt , wie wir geſehn ,
Ja der Schoͤpfer unſers Leibes . Laͤſſet er uns nun vergehn ,
Durch uns zugeſchickte Kranckheit , oder Zufaͤll , als : Gewaͤſſer ,
Feuers-Brunſt , Blitz , Sturm und Hagel , oder laͤßt er auch geſchehn ,
Daß uns andre Menſchen toͤdten ; koͤnnt er letzters leicht verwehren ,
Erſteres leicht unterlaſſen . Wenn nun aber GOtt , der HErr ,
Erſters ſelber wirckt und thut , letzteres geſchehen laͤßt ,
Da ers leichtlich hindern koͤnnte ; ſtehet dieſer Schluß ja feſt :
Daß es zu beſondrer Abſicht , und zwar welche wichtiger ,
Als der Nutzen der Erhaltung dieſ - und jenes in der Welt ,
Seyn und ſich erſtrecken wuͤrde . Zeigt ſichs alſo Sonnen-klar ,
Daß auch ſelbſt der Tod des Menſchen , da er jetzt , nicht mor - gen , faͤllt ;
Da er ſo , nicht anders , ſtirbt ; allerdings , zu GOttes Ehre ,
Unter ſeine Providentz , ſo wie alles , auch gehoͤre .
Menſchen , die GOtt ſterben laͤßt , ſind entweder boͤſ ’ und ſchaͤdlich ,
Oder ſie ſind fromm und nuͤtzlich . Sind ſie erſters , und ſie ſterben ;
Zeigt ſich Goͤttliche Vorſehung in denſelben offenbar .
Manchen Redlichen entreißt ihr Verderben dem Verderben !
D d 3 Wie 422 Wie viel boͤſes wird gehindert , das ſie ſonſt zu vieler Schaden ,
Leicht begangen haben wuͤrden ! Wird die Menſchheit nicht entladen ,
Durch der boͤſen Menſchen Todt , von ſo mancherley Gefahr ,
Womit gegen das , was gut , ſie ſich gleichſam recht ver - ſchworen ?
Alsdann heißts mit Recht von ihnen : All ihr ’ Anſchlaͤg ſind verlohren .
Wenn die Blutbegierigen gegen eine Schaar von Frommen ,
Mit Verfolgung , heftig wuͤten , ſo daß faſt nicht auszukommen ,
Da ſie ſelbe auszurotten ja ſie zu verſchlingen trachten ,
Und ſie mit Verfolgung qvaͤlen , weis ſie GOtt bald abzu - ſchlachten .
Laͤßt nun aber GOtt ſie leben , und auch eine Zeitlang toben ,
Wuͤten und tyranniſiren ; finden ſich dennoch dabey
Heilige , verborgne Wege , und es ſind auch dieſes Proben
Seiner Weisheit , Lieb ’ und Macht . Mercks , wie oft ein boͤ - ſer ſey
Eines andern boͤſen Straffe . Auch die Frommen , die er liebt ,
Werden oft dabey gepruͤft , auch in der Gedult geuͤbt
Und zum beten angeflammt . Sind es Fromme , die erblaſſen ;
Jſt ja leichtlich zu erachten , daß da GOtt , nach ſeinem Rath ,
Sie gefuͤhrt und ihren Othen auf der Welt bewahret hat ,
Er ſie nicht von ungefehr blindlings werde ſterben laſſen .
Dieſes lieſ’t und ſiehet man , in der heil’gen Schrift zur Gnuͤge ,
Wie , auch bey der Frommen Tod , GOtt die Umſtaͤnd ’ alle fuͤge .
Oftermahl iſt in der Welt auf die Redlichen und Frommen
Manches Ungluͤck , manches Elend , manche Plag ’ und Roth gekommen .
Da 423 Da geſchicht nun ihnen ſanft , wenn , von aller Noth der Erden ,
Sie , durch einen ſeel’gen Todt , einmahl aufgeloͤſet werden .
Sie empfinden ohne dem Luſt , mit Paulo , abzuſcheiden
Und bey Chriſto dort zu ſeyn . Ja ſie muͤſſen oftermahl ,
Daß ſie nicht den Todt verlangen , dennoch faſt dieſelbe Quaal
Jn der Selbſt-Verlaͤugnung leiden ,
Als ein andrer , der das Leben ,
Mit ſo heiſſer Sehnſucht , wuͤnſcht , und es doch muß von ſich geben .
Denn wenn gleich Elias dort ſaget : HErr , es iſt genug ;
So nimm meine Seel von mir ! Wird er doch darum mit nichten
Ausgeſpannet , ſondern muß erſt dasjenige verrichten ,
Wozu Goͤttliche Vorſehung ihn auf dieſer Welt beſtimmt .
Oefters ſiehet GOtt was Gutes noch an einem , darum nimmt
Er ihn von der Erden weg , daß er die betruͤbten Tage
Und das Ungluͤck ſeiner Freunde , Creutz , Betruͤbniß , Noth und Plage
Nicht in ihnen leiden duͤrffe . Der Gerechten Seelen werden
Oftermahlen von der Erden
Vor dem Ungluͤck weggerafft . Alſo haben wir geſehn ,
Wie von allen Ding - und Faͤllen , ſo auf dieſer Welt entſtehn ,
Nichts ohn eine weiſe Fuͤhrung und Regirung kann geſchehn ;
Wie durch einen Gluͤcks-Fall , nichts , aber durch Noth - wendigkeit ,
Die nicht zu vermeiden iſt , gleichfals nichts geſchehen koͤnne ;
Sondern daß des Schoͤpfers Weisheit , Lieb ’ und Vollen - kommenheit
Sich in keinem eintz’gen Dinge von den Creaturen trenne ,
D d 4 Auch 424 Auch von der am wenigſten , der er einen freyen Willen ,
Nach der vorgeſchriebnen Richtſchnur ſeine Pflichten zu erfuͤllen ,
Nach gewiſſer Maß und Ordnung und nach uͤberlegtem Rath ,
Zum gewiſſen Zweck gegeben und ihr anerſchaffen hat .
Wer nun nicht mit Fleiß und Vorſatz gegen alles ſich zu ſpreitzen
Und in abgefeimter Boßheit deſſen Straff ’ und Zorn zu reitzen
Und ſich zuzuziehen ſucht , wird , in dieſer Lehre Gruͤnden ,
Lauter Luſt , Zufriedenheit und der Seelen Frieden finden .
Wenn er , mit Aufmerckſamkeit , froͤlich uͤberall entdeckt ,
Wie auch uͤber Creaturen , welche Leb - und Athen-los ,
GOttes Vorſorg ’ , Ordnung Weisheit , Guͤt ’ und Liebe ſich erſtreckt ,
So zu ihr-als andrer Beſten ; ruft er billig : HErr ! wie groß
Jſt dein allgewaltigs Lieben ! Deiner Weisheit , deiner Guͤte
Jſt der Kreis der Erde voll ! Er erkennt , daß Wetter , Wind ,
Wolcken , Nebel , Reiff und Regen ſeines Winckes Diener ſind ,
Mit Erſtaunen , Ehrfurcht , Demuth und vertrauendem Gemuͤthe .
Wenn er ferner uͤberleget , daß auch unvernuͤnft’ger Thiere
Handlung - und Bewegungen nicht von ihnen bloß allein
Angefangen , fortgeſetzet , an - und ausgefuͤhret ſeyn ;
Und daß GOtt , nach ſeinem Willen , ihre Wirckungen regire ,
Ja , daß er der Menſchen Hertzen , wie die Waſſer-Baͤche , leite ,
Wird er , auſſer allem Zweifel , von der Wahrheit uͤberfuͤhrt ,
Daß es , mit der wahren Lehre , daß ein GOtt die Welt regirt ,
Und daß nichts von ungefaͤhr hier geſchehen kann , nicht ſtreite .
Denn 425 Denn wofern der Menſch erkennet und recht uͤberfuͤhret iſt ,
Daß die Goͤttliche Vorſehung nicht allein mit ſeiner Macht ,
Sondern auch nach Lieb ’ und Weisheit , die er nimmermehr vergißt ,
Unaufhoͤrlich wirck ’ und handle ; Wenn er ſich verſichert haͤlt ,
Daß , nach ſeiner hoͤchſten Guͤte , GOtt zum Zweck nichts anders wehle ,
Als das , was das Allerbeſte , und daß es dabey zugleich
Jhm , nach ſeiner hoͤchſten Weisheit , auch an keinen Mitteln fehle ,
Solchen Endzweck zu erreichen ; wird er , an Vertrauen reich ,
Jn den Faͤllen dieſes Lebens , mehr geruhig und gelaſſen ,
Auf der Gottheit Macht vertrauend , mehr geſchickt ſeyn ſich zu faſſen .
Koͤnten wir der Sachen Umſtaͤnd ’ und die Folgen alle wiſſen ,
Wuͤrden wir , in tieffer Demuth , allemahl geſtehen muͤſſen ,
Daß , wenn wir , aus ihnen allen , ſelbſten haͤtten wehlen ſollen ,
Wir nichts beſſers , als wie es GOtt gefuͤgt , verlangen wollen .
Moͤgten wir demnach in allen kuͤnftig dahin uns bemuͤhn ,
Daß Gelaſſenheit und Demuth , Luſt und Dancken , GOtt zu ehren , ( Jene wenn ein Ungluͤck ſtuͤrmt , die , wenn Gluͤckes-Blumen bluͤhn ,
Und es uns nach Wunſche geht ) ſtets des Hertzens Fruͤchte waͤren .
A uf denn , mein Geiſt , auf ! auf ! vereine deine Kraͤffte ,
Laß jetzt Gedaͤchtniß und Verſtand ,
Zu einem noͤthigen und nuͤtzlichen Geſchaͤffte ,
Mit ernſter Luſt , in Andacht , angewandt
Und angetrieben ſeyn ! Ein ſeeliges Erwegen
Jſt wenn wir , auch ſo weit es uns betrifft ,
Die weiſen Fuͤhrungen des Schoͤpfers uͤberlegen ,
Und 426 Und was auch uns , in unſers Lebens Jahren ,
Bald trauriges , bald lieblichs wiederfahren ,
Zum Ruhm desjenigen , der alle Welt ,
Und , in derſelben , auch die kleinſten Ding ’ erhaͤlt ,
So daß ohn ihn kein Haar von unſern Haupte faͤllt ,
Jn ernſtliche Betrachtungen zu ziehn ,
Uns mit vergnuͤgter Seel ’ und frohem Sinn bemuͤhn .
Mein GOtt , wie liebreich , gut , wie weiſ ’ und wun - derbar
Auch deine Fuͤhrungen , im abgewichnen Jahr ,
Jn Anſehn meiner , auch geweſen ;
Zu welchem Vorwurff deiner Huld
Du gleich die Meinigen , mich und mein Haus erleſen ;
Mit welcher Langmuth und Gedult
Du meine Schwachheit , mein Vergehen ,
Recht vaͤterlich , recht liebreich uͤberſehen ;
Mit welchem reichen Wolfarths-Regen ,
Mit welcher Liebe , Gnad ’ und Seegen
Du mich aufs neu gelabt , erquicket und beſchencket ,
So haſt du mich doch auch mit einer herben Frucht ( Dir ſey auch dafuͤr Danck ) im vor’gen Jahr geſpeiſet .
Du haſt nicht nur mit Unmuth meinen Geiſt ,
Durch andrer Neid , durch Argwohn , boͤſen Willen ,
Und theils durch Unverſtand , erfuͤllen ,
Verſuchungen entſtehn , der Ruhe Glantz verhuͤllen
Und doch , GOtt Lob nicht lang , mich etwas leiden laſſen .
Jch hab ’ erblickt , wie leicht die Menſchen ſich vergehn ,
Wie ſo verſchiedne Faͤll ’ und Umſtaͤnd ’ offt entſtehn ,
Die nicht vorher zu ſehn ,
Und wie ſo leicht es wiederum geſchehn ,
Daß eines Wetters Wuth ( es merck es jederman )
Auf GOttes Winck ſich ſchnell vertheilen kan .
Du 427 Du haſt nicht nur die Meinen heimgeſucht
Mit einer Kranckheits-Laſt , die nicht geringe war ,
Die Blattern quaͤlten ſie faſt alle , ja ein Par
Von ihnen muſte gar ,
Durch den zu ſtarcken Gifft , erblaſſen ;
Die Tochter ſtarb zuerſt , ein recht gehorſam ’ Kind ,
Ein angenehm Gemuͤth , das von der erſten Jugend ,
Bey andrer Faͤhigkeit , gar eine ſeltne Tugend ,
Dergleichen ſich nicht leicht ſo fruͤh bey Kindern findt
Und anzutreffen iſt , nebſt anderm guten , fand .
Sie kont mit ſolchem Feur und bruͤnſtger Andacht , beten ,
Auch wie ſie kaum ins fuͤnffte Jahr getreten ,
Daß manchem Hoͤrer offt , der um ſie ſtand ,
Fuͤr Luſt , Verwundrung und Vergnuͤgen ,
Die Thraͤnen in die Augen ſtiegen .
Vom Sohn erzehl ’ ich nichts , weil das , was er geweſen ,
Jn ſo viel kluger Geiſter Schrifften ,
Die ihm ein ew’ges Denckmahl ſtifften , ( Ob er gleich noch ſo jung ) zu lefen .
Daß alſo beyder Todt nicht ungerechte Klagen ,
So meiner Frau , als mir , um ſo viel mehr erregt ,
Als , faſt zu gleicher Zeit , ſechs andre kranck noch lagen ,
Von denen jeder uns faſt gleiche Furcht einpraͤgt ’ ,
Zumahl der Aelteſte , den wir in letzten Zuͤgen ,
Wol fuͤnff mahl auſſer Hoffnung liegen ,
Und faſt ſchon todt , geſehn .
Ja waͤr auch nicht an ihm ein Wunder faſt geſchehn ,
Das unſrer gantzen Stadt bekandt ,
So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand .
Waͤr 428 Waͤr eine neue Cur mit ihm nicht vorgenommen ,
Waͤr der vortrefliche beruͤhmte Bieſter nicht ,
Von deſſen Ruhm man nie gnug dencket , ſchreibt und ſpricht ,
Auf einen neuen Weg gekommen ,
Den ſonſt kein Artzt annoch betreten ,
Da er in Blattern ſelbſt , wiewol nach dreyzehn Tagen ,
Jhm zweymahl ließ die Ader ſchlagen ,
Wodurch das faſt verfaulte Blut ,
Des Fiebers Feuer , Gifft und Wuth ,
Nachdem es lang genug mit der Natur gekaͤmpft ,
Sich ploͤtzlich legte , ſchwaͤcht ’ und daͤmpft ’ ,
Daß dieſer Schluß zu rechter Zeit zu faſſen
Gewuſt , gedacht , gewagt , ſeh ich nicht anders an ,
Als daß der weiſe GOtt , der eintzig alles kann ,
Jhn dieſen Endſchluß faſſen laſſen .
Sey ewiglich , o GOtt , davor geprieſen ,
Daß du dich gegen uns , als eintzgen Artzt , gewieſen ,
Da zweyer Kinder Todt uns ſehr empfindlich kraͤnckte ,
Daß deine Lieb uns noch den Aeltſten wieder ſchenckte ,
Der faſt bereits erblaßt ! Da du ihn denn aufs neu
Vom Tode faſt erweckt , ihn uns noch einſt gegeben ,
Ach ſo erbarm dich ſein auch ferner ! Gieb daß er ,
Nebſt allen uͤbrigen , O Vater , GOtt und HErr ,
Zu deinem Goͤttlichen Gefallen moͤge leben !
Und wie du Vater mir die klein gewordne Zahl
Von meinen Kindern abermahl
Jn dieſem Jahr aufs neu vermehret ,
Und noch ein Toͤchterchen mir wiederum beſchehret ;
So danck ich dir ,
Mein Schoͤpfer , inniglich dafuͤr ,
Und 429 Und bitte , laß es auch aus Gnaden hier auf Erden
Ein Werckzeug deines Lobes werden !
Nicht ſonder Luſt ſtell ich mir ferner fuͤr
Das Zeichen der Gewogenheit
Und ungemeinen Guͤtigkeit ,
Das der beruͤhmt und edle Rath
Der Kayſerlichen Stadt in Liefland , Riga , mir
Jn dieſem Jahr gewieſen hat ,
Da ſie mir , den ſie anders nicht ,
Als nur aus meinen Schrifften , kennten ,
Woraus , nach eigenem , ſo guͤtigem , Bericht ,
Das guͤtige Vertrauen abgeſtammt ,
Von ihrer edlen Gunſt mir dieſe Probe goͤnnten :
Ein wichtig und eintraͤglich Ampt ,
Das jaͤhrlich wol auf Tauſenden zu ſchaͤtzen ,
Ward mir in ihrer Stadt nach Willkuͤhr zu beſetzen
Von ihnen guͤtigſt aufgetragen ;
So ich denn auch , ohn Eigennutz , gethan .
Nichts liebers waͤr ’ mir auch , als wenn es , GOtt zu Ehren ,
Wie ich gewuͤnſchet , ausgeſchlagen ,
Und ſie , nebſt ihrer Stadt , damit zufrieden waͤren .
Durch ſolch Großmuͤthiges Verfahren ſah ich mich ,
Doch aber noch weit mehr diejenigen , geehrt ,
Die , durch ein ſolch Betragen , oͤffentlich
Bezeugen , wie ſo hoch und werth
Sie das , was GOtt zum Ruhm , geſchrieben ,
Auch an dem bloſſen Werckzeug achten ,
Und fuͤhl ’ ich mich zugleich dadurch mehr angetrieben ,
Noch immer mehr und mehr die Wunder zu betrachten ,
Die ſo verſtecket ſind , ob ſie gleich offenbar .
So hab ich auch , GOtt Lob ! in dieſem Jahr
Den vierten Theil vom irdiſchen Vergnuͤgen
Jn GOtt , zu den drey erſten fuͤgen
Und 430 Und in die Preſſe geben koͤnnen .
Ach , daß dadurch das Menſchliche Geſchlechte ,
Nebſt mir , dadurch je mehr und mehr
Jn froher Andacht , GOtt zur Ehr ’ ,
Durch ſein ſo ſchoͤn Geſchoͤpf , entbrennen
Und ſtets den Schoͤpfer preiſen moͤgte .
Daß die drey vorigen nicht ohne Nutz geweſen ,
Gab ja der groſſe Pritius ,
Der Feuer-reiche Zell und Lamprecht gnug zu leſen ;
Nochmehr , den jedermann nunmehr bewundern muß ,
Der theure Reinbeck ſelbſt , giebt unlaͤugbahre Proben
Wie dieſe Weiſe , GOtt zu loben ,
Auch ſein Gemuͤth geruͤhrt . Wie prediget und ſchreibet
Der ſo gelehrte Finck zum Neuen-Felde , nicht ?
Auf gleiche Weiſe gleichfals treibet
Der theure Wagener ſein Ampt ; er ſchreibt und ſpricht ,
Zu ſeines Schoͤpfers Ruhm . Durch ſolcher Lichter Licht
Wird , hoff ’ ich , manches Licht auf Erden
Zu ſeines Schoͤpfers Ruhm noch angezuͤndet werden ,
Auch unter Geiſtlichen ! Hier ſchließ ich dieß Gedicht
Mit angeflammtem Wunſch : der Schoͤpfer wolle mir ,
Wo es mir nuͤtz , noch oft die Gnade geben ,
Zu ſeiner Ehr ’ ein Neu-Jahr zu erleben !
Ach GOtt , gieb , daß mein Geiſt , o ew’ge Liebe ! dir ,
Durch dein Geſchoͤpf vergnuͤgt , ein oͤfters Danck-Lied ſinge :
Daß ich , Bewundrungs-voll , die Weisheit deiner Wege
Mit Ehrfurcht , Andacht , Luſt , zum oͤftern uͤberlege
Und dir ein oͤfters Danck - und Freuden-Opfer bringe !
Neu - 431 N eu- J ahrs G edancken bey dem Eintritt des 1733ſten Jahrs . D er Erden Kreis-Lauf , deſſen Ende
Uns immer mehr und mehr vom Licht der Sonnen fuͤhrte ,
Wodurch man immer mehr Nacht , Sturm und Froſt ver - ſpuͤhrte ;
Jſt heute , GOtt ſey Lob ! vollbracht . Die frohe Wende ,
Wodurch wir uns zur Sonne wieder drehn ,
Jſt allbereit geſchehn .
S elbſtaͤndige Weisheit ! Selbſtaͤndige Liebe !
Unendlicher ewiger Vater des Lichts !
Du rieffeſt einſt Allem , und ſchuffſt es aus Nichts .
Es drehn ſich , durch deine bewegende Triebe ,
Die Himmliſchen Kreiſe . Die Angel ſtehn
Auf deinen Befehl . Es verfliegen , vergehn
Die Jahre nicht anders , als fluͤchtige Stunden ;
Die Zeit ſcheint ein Punct-Fluß von ſchnellen Secunden .
Ach laß mich , zu deinen unendlichen Ehren ,
Nebſt andern , ſo irdiſch-als himmliſchen , Choͤren ,
Bey unſerer Jahre vollendeten Schrancken ,
Dein ’ Allmacht erheben , durch Loben und Dancken !
Auf ! auf , mein Geiſt ! laß Brunſt und Andacht glimmen ,
Auf ! auf , zu dieſer Zeit , ein Danck-Lied anzuſtimmen
Dem groſſen All , das alles ſchafft , regiret ,
Und aller Himmel Heer in ſolcher Ordnung fuͤhret ,
Daß alles unverruͤckt beſteht ,
Daß nichts aus ſeinen Schrancken geht !
Und 432 Und da ich dich , geliebter Freund , allhier ,
So wie vor dem einmahl , zu eben dieſer Zeit ,
Nicht ohn Vergnuͤgen bey mir finde ;
So , bitt ich dich , verbinde
Dein Lob-Lied auch mit mir .
A. Du haſt , vor mehr als ſieben Jahren ,
Da wir im Neuen Jahr , wie jetzt , beyſammen waren ,
Mir einen groſſen Dienſt gethan ,
Und von der duncklen Zweifels-Bahn
Mich abgeleitet , unterwieſen ,
Und mir , des groſſen Schoͤpfers Macht ,
So uͤberzeuglich beygebracht ,
Daß ich dir oft gedauckt , den Schoͤpfer oft geprieſen ,
Jch bin demnach von GOttes ew’gem Weſen
Von ſeiner Groͤſſe Herrlichkeit ,
Von ſeiner ſeeligen Vollkommenheit ,
Genugſahm uͤberfuͤhrt . Das Welt-Buch laͤßt mich leſen :
Wie unbegreiflich-wunderbar
Sein Goͤttlich All an allen Orten ſey .
Allein mir faͤllt noch oft ein alter Zweiffel bey .
Mich deucht , es ſey noch lange nicht ſo klar ,
Daß die Unſterblichkeit von unſern Seelen
Ohn Ungewißheit ſey . Jch kann dir nichts verheelen ,
Jch fuͤhle daß mich noch verſchiedne Zweiffel qvaͤlen ,
Und wuͤnſcht ’ ich inniglich ,
Daß du , aus Mitleid , dich
So viel beliebteſt zu bemuͤhen ,
Mich aus des Zweifels Meer noch einſt heraus zu ziehen ,
Jn welchem ich noch treib ’ .
B. Jch ſtellte dir
Ja dazumahl verſchiedne Gruͤnde fuͤr ,
Die 433 Die uͤberzeuglich gnug . Doch , da es GOtt zu Ehren
Vermuthlich auch gereicht , wenn ich , zu dieſer Zeit ,
Von ſeiner Liebe Groͤß ’ und Unermaͤßlichkeit ,
Jn Anſehn unſers Geiſts , was deutliches zu lehren
Mich jetzt beſchaͤftige ;
So will ich , auf dein Fragen ,
Dir nicht allein hier meine Meynung ſagen ;
Jch will nachher , wie ich mir vorgenommen ,
So , wie wir einſt von der Materie
Verſchiedne Kraͤft ’ , erſtaunt , erwogen ,
Durch einen neuen Trieb darzu gezogen ,
Auch auf der Seelen Kraͤfte kommen ,
Und , wo nicht mehr , doch minſtens , eine Kraft
Und ſonderbahre Eigenſchaft
Der Menſchen auf der Welt vorhandnen Seel ’ , erwegen ,
Die deine Zweifel auch daneben
Vielleicht geſchickt am kraͤftigſten zu heben .
Gieb , groſſer Schoͤpfer , doch zu beydem deinen Seegen !
Was die Unſterblichkeit der Seelen nun betrift ,
Bedaur ’ ich zwar , daß dich von dieſer Wahrheit ,
So wenig mein Geſpraͤch , als auch die Schrift ,
Die doch hievon mit ſolcher Klarheit
Uns zeugt , dich uͤberzeugt . Drum will ich mich bequehmen ,
Nebſt ihnen die Vernunft zu Huͤlff ’ zu nehmen .
Um dieſes nun noch ferner zu erklaͤren ,
So ſtell ich dir
Selbſt aus der weiſen Heyden Lehren ,
Von unſrer Seelen Daur , hier ihre Meynung fuͤr .
Es ſaget hievon Cicero ,
Jn Scipionis Traum , alſo :
E e Ein 434 Ein Weſen , das ſich ſelbſt beweget ,
Dem wird die Kraft , daß es ſich reget ,
Weil es ſich ſelbſt nicht wird entſtehn ,
Auch nimmermehr vergehn .
Noch einen andern Grund
Legt Cicero Catoni in den Mund :
Da , ſpricht er , unſer Geiſt ſo viel Geſchwindigkeit
Auch die Erinn’rung hat von Dingen , die vergehen ,
Da er voraus erſieht die Dinge kuͤnftger Zeit ,
Die noch zu ſeyn nicht angefangen ,
Da ſo viel Kunſt und Wiſſenſchaften ,
So manch ’ Erfindung an ihr haften ;
So ſtimmt ja dieß mit ihr am meiſten uͤberein ,
Sie muͤſſe von Natur unſterblich ſeyn .
Es ſpricht derſelbe noch an einem andern Ort :
Jch fuͤhl ’ in meiner Seel , wie ſie ſich ſelbſt erhoͤhet ,
Und wie die Nachwelt ihr alſo vor Augen ſtehet ,
Als ob ſie allererſt , wenn ſie von dieſer Erde
Wird abgeſchieden ſeyn , aufs neue leben werde .
Wenn unſre Seele nicht unſterblich waͤre ;
So wuͤrden wackrer Leute Seelen ,
Mit ſolcher Muͤhe , nicht des Nachruhms Ehre
Und die Unſterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen .
Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey :
Jhr ſeht , ſpricht er , wie nichts ſo aͤhnlich ſey
Dem Tod ’ , als wie der Schlaff ; nun zeigen Seelen ,
Die ſchlaffen , ihre Goͤttlichkeit
Vortreflich an . Jndem ſie frey ;
Sieht jede , von der kuͤnftgen Zeit ,
Verſchiednes ſchon vorher . Daraus iſt leicht zu ſchlieſſen ,
Wie 435 Wie treflich Seelen ſeyn , ja noch erſt werden muͤſſen ,
Wenn ſie von ird’ſcher Laſt nun voͤllig erſt befreyt .
Noch einen Grund ſucht uns Alemaͤon vorzulegen :
Er ſchließt : daß unſre Seel ’ unſterblich ſey , deswegen ,
Weil ſie den Dingen gleich , die unvergaͤnglich ſeyn .
Die Gleichheit nun trift darin ein ,
Daß die Bewegung ſich nie von der Seel entferne
Und daß , was Goͤttlich iſt , die Sonne , Mond und Sterne ,
Ja aller Himmel Kreiſe
Sich regen auf dieſelbe Weiſe .
Noch giebt ein andrer uns den Unterricht ,
Wenn er , wie folget , ſpricht :
Die Seelen haben nur die Eigenſchaft allein ,
Daß ſie ſtets juͤnger ſind , je aͤlter daß ſie ſeyn .
A. Die Gruͤnde haben zwar von Wahrheit einen Schein ;
Allein ,
Wenn man ſie naͤher uͤberleget ,
Und ihre Wuͤrcklichkeit erweget ;
Verlieren ſie von ihrem Schimmer viel.
Sie ſind mir wol bekannt , ich habe ſie geleſen ,
Sie ſind mir lange nicht mehr unbewuſt geweſen ;
Doch ſind ’ ich jetzt , ſie gehn nur gar zu weit vom Ziel .
Wir wollen , nach der Reihe , gehn ,
Und ſie mit Fleiß und Achtſamkeit beſehn .
Dein erſterer Beweis waͤr ’ herrlich , waͤr es nur
Von ihr , als einer Creatur ,
Erweißlich , daß der Seelen Kraft
Und der Bewegung Eigenſchaft
Bloß von ihr ſelbſt , und nicht vielmehr
Von GOTT unmittelbar
Entſtanden und erhalten waͤr . E e 2 Denn 436
Denn waͤre dieß ; kaͤm ’ es ja gantz und gar
Auf GOttes Willen an , wie lang ’ er goͤnne ,
Daß ſie ſich ſo bewegen koͤnne .
Der andre Grund iſt noch ſo kraͤftig nicht ,
Als wie der erſte war .
Ans dieſem folget zwar
Daß unſrer Seel ’ es nicht an Kraft gebricht ,
Daß ſie ein herrliches , vortreflichs Weſen .
Doch daraus folget nicht , daß ſie dazu erleſen ,
Daß ſie unſterblich ſey . Weil die Erfahrung lehrt ,
Daß oft das treflichſte ſo lange , lange nicht ,
Als etwas , ſo geringer , waͤhrt .
Der dritte waͤre gut , wofern nur dieſer Trieb
Jn aller Menſchen Seelen brennte ,
Und man denn die Verſichrung haben koͤnnte ,
Daß GOtt , durch die Natur , ihn uns ins Hertze ſchrieb ,
Nicht , aber daß vielmehr er uͤberall
Sich ausgebreitet , durch den Fall ,
Daß er vielleicht nur eine Schwaͤrmerey
Und eine taube Frucht der eitlen Ehrſucht ſey .
Auf deinen vierten iſt die Antwort leicht zu finden :
Daß Seelen in der That
Oft , was zukuͤnftig iſt , im Schlaf empfinden ,
Jſt , was ein weiſer Mann , noch nie gelaͤugnet hat .
Ob aber das , was wir vom Kuͤnftigen erlangen ,
Nicht durch Empfindungen geſchieht ,
Von Dingen , welche man hier gegenwaͤrtig ſieht ,
Die auf das Kuͤnft’ge ſchon zu wircken angefangen ,
Jſt gantz ein ’ andre Frag ? Und wenn es gleich geſchehe ,
Daß eine Seel auf andre Weiſe
Jm Traum zukuͤnftge Dinge ſehe ; So 437
So folgte zwar daraus , daß , an Beſchaffenheit
Sie gar vortreflich , herrlich , ſchoͤn ;
Doch koͤnnte man ihr die Unſterblichkeit ,
Allein hieraus , jedoch nicht zugeſtehn .
Dein Fuͤnfter ſetzt voraus der Alten Lehren ,
Die Ariſtoteles abſonderlich geglaͤubt ,
Daß alles Himmliſche beſtaͤndig bleibt ,
Und daß die himmliſchen Geſchoͤpf ’ ohn ’ Ende waͤhren ;
So aber doch nicht zu erweiſen .
Ja , wenn auch endlich dieſe Lehre
Erweißlich waͤre ;
So wuͤrde doch , was ſie dahero ſchlieſſen ,
Daraus nicht flieſſen .
Denn , haͤtten gleich mit jenen Himmels-Kreiſen ,
Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein ;
So folget doch noch nicht ,
Sie muͤſten all gleich unvergaͤnglich ſeyn .
Es fehlt der Schluß ja weit ,
Und iſt durchaus nicht einerley ,
Daß die Bewegungs-Kraft das erſte Weſen ,
Und daß die Unvergaͤnglichkeit
Deſſelben Weſens Wirckung ſey .
Dein ſechſter Schluß hat auch viel minder Kraft , als Schein ,
Mit der Erfahrung ſtimmt zwar dieſes uͤberein :
Je laͤnger Seelen hier im Leib ’ und auf der Erden ;
Je reicher ſie , an Witz und an Erfahrung , werden .
Hieraus nun ſcheint zu folgen , daß die Seelen
Vor ſich nicht koͤnnen untergehn ,
Denn alles , was verdirbt ( wie wir an Coͤrpern ſehn )
Dem faͤngt es allgemach an Kraͤften an zu fehlen . E e 3 Ein 438
Ein Weſen aber , das ſich ſtets an Kraͤften mehret ,
Je laͤnger daß es waͤhret ,
Scheint , weil es immer waͤchſt und nimmer ab - genommen ,
Zum Ende nie zu kommen .
Allein es zeigt ſich auch ,
Daß bey Veralteten die Kraft verrauch ’ ,
Und ſich verringere durch allerley Beſchwehrden ,
Da alte Leute kindiſch werden .
Man ſpreche nicht ,
Es koͤmmt , wenn dieß geſchicht ,
Bloß von Veraͤnderung der Lebens-Geiſter her ,
Nicht von Veraͤndrung unſrer Seelen .
Denn wenn dem alſo waͤr ;
So koͤnnte dieß nicht fehlen :
Es ſey , wenn Seelen zugenommen ,
Von Aenderung der Lebens-Geiſter auch ,
Nicht von der Aenderung der Seelen , hergekommen .
B. Jch muß es zwar geſtehn ,
Von dieſen Gruͤnden , giebt
Ein jeder zwar inſonderheit ,
Nicht guͤltigen Beweiß von der Unſterblichkeit .
Doch , wenn man ſie zuſammen bindet ,
Und , als Erfahrungen betrachtet ; ſo befindet
Jn ihr , ohn ’ alle Dunckelheit ,
Sich mehr doch als Wahrſcheinlichkeit .
Abſonderlich , wenn man noch andre dazu fuͤget ,
Als nemlich : man muß ja geſtehen ,
Daß Coͤrper nicht einmahl vergehen .
Zu nichts wird nichts , und mit Veraͤndrung
Vergnuͤgt ſich die Natur , nicht mit Vernichtigung . Ver - 439
Vergehen nun nicht einſt die Coͤrper , die von Erden ,
Wie koͤnnen Seelen denn vernichtigt werden ?
Und ferner : Daß der Menſch des hoͤchſten Willen ,
Auf manche Art , geſchickt ſey , zu erfuͤllen ,
Daß wir , vor allen Thieren ,
So viele Vorzuͤg ’ in ihm ſpuͤhren ,
Daß GOtt ſich ihm , auf ſo bekannte Art ,
Bekannt gemacht und offenbahrt ;
Aus allen dieſen folgt , in einer heitern Klarheit ,
Die Himmel-feſte Warheit :
Man kann durchaus nicht ſehen ,
Noch auf die minſte Weiſe ’ nur
Die Urſach , und den Grund , verſtehen ,
Wie und wozu die Seelen ſolche Gaben ,
So manchen Vorzug doch , vor aller Creatur ,
Von GOtt , erhalten haben .
Da wir , ſo gar in der Geſtirne Prangen ,
Und , in derſelben Wiſſenſchaft ,
Von ſeiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Noch allererſt , vor kurtzer Zeit ,
Solch eine groſſe Prob ’ empfangen .
Wenn GOtt an ſelbiger vor andern allen
Nicht haͤtt ’ ein gnaͤdiges Gefallen
Und ſie nicht liebete ; was man nun liebt , erhaͤlt
Und ſchuͤtzt man , wenn man kann . Da GOTT , ein HErr der Welt ,
Unſtreitig alles kann ; erhaͤlt er , was er liebet ,
Und weil er ewig liebt ; ſo kann es ja nicht fehlen ,
Daß er ein ’ ew’ge Daur auch unſern Seelen ,
Die ſeiner Liebe ſich nicht unwehrt machen , giebet . E e 4 Weil 440
Weil aber GOtt jedoch nun auch gerecht ,
Und die ſo ſeine Huld , die ewig iſt , verachten ,
Auch ewig ſtraffen kann ; ſo ſcheint es wahr zu ſeyn
Daß boͤſe Seelen auch , um ihren Fehl zu buͤſſen ,
Unſterblich ſeyn und lange dauren muͤſſen .
A. Die Schluͤſſe gehen weit , und fehlt nicht viel , es wancken
Die biß dahin verhaͤrteten Gedancken .
Allein ,
Es fallen mir noch ander ’ ein ,
Die mich , mit Ungewißheit , plagen .
Weshalben ich ſie dir hier vorzutragen
Mich nicht enthalten kann .
Der erſtere : daß unſern Seelen , ( Was auch daran fuͤr Kraft geglaubet wird zu haften )
Faſt alle Kraͤfte fehlen ,
Den eignen Coͤrper ſelbſt zu fuͤhren ,
Zu leiten zu regiren .
Der andere : daß ſolch ein Unterſcheid
Sich in der Menſchen Seelen findet
Von Einfalt , Bosheit , Froͤmmigkeit ,
Die faſt kein Menſchen Witz ergruͤndet ;
So faß ’ ich nicht wie ſie nur in zwo Claſſen ,
Jn boͤſ ’ und fromme , ſich mit Recht nur theilen laſſen .
Laßt uns zuerſt den erſten Zweiffel ſehen :
Wenn man ſich ſelbſt betrachtet und beſchauet ;
So trift man einen Coͤrper an ,
Der wunderbar gefuͤget und gebauet ,
So daß er ſich auf tauſend Art bewegen ,
Veraͤndern , dreh’n und wenden kann . Von 441
Von den Bewegungen nun , die wir hegen ,
Sind ja die wenigſten in unſrer Seelen Macht .
Des Blutes Circkel-Lauff , des Magens rege Krafft ,
Des Hertzens Druck und Eigenſchaft ,
Die Leber , das Gehirn , die Druͤſen , ſammt der Niere ;
Was ruͤhmt ſich denn der Geiſt , daß er den Leibe regire ,
Da ja das minſte Theil von uns der Seelen Willen
Gehalten zu erfuͤllen .
Zwar muͤſſen ſich , nach ihrem Dencken ,
Die Fuͤſſe , Bein ’ und Haͤnde lencken ,
Die Arme muͤſſen ſich , nach ihrem Winck , bewegen ,
Auch Kieffer , Zung ’ und Mund. Die edlen Theil ’ hin - gegen
Aus welchen ſelbſt ihr Wol beſtehet , wiſſen
Davon , daß ſie dem Winck der Seelen folgen muͤſſen ,
Auch das geringſte nicht ; vielmehr
Verleihen ſie dem Geiſt gar oft ein ſchlecht Gehoͤr .
Ein ſchlechter Fuͤrſt , dem Bauren nur allein ,
Und keine Staͤnde ſonſt , gehorſahm ſeyn !
Hieraus nun ſcheinet dieß zu flieſſen :
Daß unſre Seele kein ſo treflichs Weſen ſey ;
Jch kann unmuͤglich anders ſchlieſſen .
B. Mit deinem Einwurff kommſt du mir ,
Geliebter Freund , als wie der Momus , fuͤr ,
Der , eh ’ er uns vollkommen halten ſollte ;
Am Menſchen Fenſter haben wollte .
Du tadelſt nicht , mit Recht , daß Pferde keine Fluͤgel ,
Daß keiner Nachtigall Geſang die heiſern Raben ,
Daß Schaafe keinen Stoltz , noch tapfre Sinnen haben ;
Und laͤſſeſt doch dem Hochmuth ſo den Zuͤgel , E e 5 Daß 442
Daß du den Schoͤpfer ſelber meiſtern ,
Und , ſo zu reden , ihn zur Rede ſtellen wilt ,
Warum er nur ſo viel , und nicht noch mehr , den Geiſtern
An Kraͤften zugetheilt . Jſt dieß nicht ungereimt ?
Jſt dieß nicht laͤcherlich ? Betrachte doch die Frucht ,
Die aus des Hochmuths Saamen keimet .
Dich blendet Eigen-Lieb ’ . Statt einer heiſſen Sucht ,
Des Schoͤpfers Weisheit , Macht und Liebe zu verehren ,
Und , durch Gelaſſenheit und Demuth , ſeinen Preis ,
Jn ehrerbietigſter Bewunderung
Und tieffeſter Erniedrigung ,
Stets zu erhoͤhn und zu vermehren ;
So tadelſt du , aus Vorſatz , recht mit Fleiß ,
Das , was ſo gar ein Menſch , der redlich dencket ,
Zu faſſen , zu begreiffen weiß .
Es zeigt ſich offenbar , daß alles , was wir ſehen ,
Nicht ſonder Weisheit , Lieb ’ und Abſicht hier geſchehen .
Denn gaͤbe GOtt der Seelen ſo viel Kraft ,
Des gantzen Coͤrpers Eigenſchaft ,
Zu kennen , folglich auch zu aͤndern ,
So , daß der Menſch geſchickt , Hertz , Magen , Blut und Nieren ,
Als wie er Arm und Hand regiret , zu regiren ;
So ſtuͤnd ’ in ſeiner Hand der Tod , wie auch das Leben .
Ja , waͤr ein ſolches Ampt dem Geiſte zugeleget ,
Sich zu beſchaͤftigen , da er ſchon jetzt nicht pfleget
Auf GOttes Creatur zu achten ; wie vielmehr
Wuͤrd ’ er , auf ſich erpicht , ſich dann noch uͤberheben !
Er glaubte leicht , daß er ſein ’ eigne Gottheit waͤr .
Ach , darum halte man ſich doch in ſeinen Schrancken !
An ſtatt , von GOtt ein mehrers zu verlangen ;
So laßt uns ihm , fuͤr das , was wir empfangen ,
Doch in Gelaſſenheit und ſtiller Ehrfurcht dancken .
Die 443 A. Die Antwort laͤßt ſich ziemlich hoͤren :
Nun wird es hoffentlich dich nicht beſchweren ,
Den andern Zweifel mir auch zu erklaͤhren .
Mich deucht , wenn ich es recht bedencke ,
Und auf die Wichtigkeit von der Materie
Die Kraͤfte meiner Seelen lencke ;
Daß ich darin aufs wenigſte
Drey Arten ſeh .
Die Seelen , die , auf dieſer Erden ,
Recht boshafft , ſchlimm und gottlos werden ,
Verdienen billig Straff und Pein .
Hingegen , die , ſo fromm und redlich ſeyn ,
Erhalten etwa , nach der Zeit ,
Zum Gnaden-Lohn die Seeligkeit .
Die aber dumm , und , faſt den Thieren gleich ,
Nichts auf der Welt gethan , ( Zum Beyſpiel : ſchan nur einſt die Rotten
Der Viehiſch-dummen Hottentotten ,
Sieh tauſend Bauren an ,
Die Lieff - und Curland dir bey Hauffen zeigen kann )
Sind , allem Anſehn nach , zum Himmel viel zu ſchlecht ,
Zur Hoͤlle jedennoch nicht ſchlimm genug .
Daher man ja mit Fug ,
Als wie Pythagoras , von ſolchen dummen Schaaren
Gedencken kann , daß ſie in andre Coͤrper fahren ,
Um ſich daſelbſt erſt zu ſubtiliſiren ,
Jndem , ſo wie ſie ſeyn ,
Nichts Menſchlichs faſt an ihnen zu verſpuͤren .
B. Dem erſtern Anſehn nach hat dieſer Einwurff Schein :
Allein ,
Erweg ihn recht , ſo wirſt du finden ,
Daß , alle Dinge zu ergruͤnden , Wir 444
Wir nicht erſchaffen ſeynd ; Es haben die Gedancken
Des Menſchlichen Geſchlechts gewiſſe Schrancken ,
Woruͤber ſie mit ihren Schluͤſſen
Nicht kommen muͤſſen .
Laß unſerm GOtt dergleichen Seelen uͤber ,
Der wird , nach ſeinem weiſen Rath ,
Auch ihnen einen ſolchen Grad
Von Straff ’ und von Belohnung , geben ,
Die , mit dem hier gefuͤhrten Leben ,
Und auch mit der Beſchaffenheit
Schon eine bill’ge Gleichheit haben .
Vielleicht gefaͤllt es GOtt , daß , mit der Zeit ,
Auch ihm zum Preiſe ,
Auf eine uns gantz unbekannte Weiſe
Der Seelen Kraͤfte ſich vermehren ,
Erhoͤhen und verbeſſern ,
Und daß ſie an Vollkommenheit ,
Es ſey auch wo es ſey , geſchickt ſich zu vergroͤſſern .
Sollt alles dieſes auch , geliebter Freund ,
Dir allen Zweifel noch nicht heben ,
Den dir der Seelen Daur bißher gegeben ;
So will ich mich zuletzt annoch beſtreben ,
Dir einen Grund , der ſtaͤrcker , als er ſcheint ,
Und in der Seelen ſelbſt gegruͤndet , vorzutragen .
Doch hoff ich , daß du mir vorhero wirſt verſprechen ,
Mein Reden nicht zu unterbrechen .
A. O! fahr nur ferner fort , ich will aufmerckſam hoͤren ,
Und dich durch Wiederſpruch nicht ſtoͤhren .
B. Erweißlich iſt , daß GOtt , zu ſeinem Preiſe ,
Die Welten , deren wir ſo viele ſehn ,
Um 445 Um ihre Sonnen ſich , in ſchoͤnſter Ordnung , drehn ,
Von unterſchiednem Stoff gefuͤget und gemacht .
Vermuthlich hat dem Groſſen All gefallen ,
Daß unſer ’ Erd ’ annoch , vor andern allen ,
Zum Wunder dienen ſoll ; da ſie hervorgebracht ,
Sehr wunderbar gefuͤgt von wiederwaͤrtgen Dingen ,
Von Theilen , welche duͤrr , von Theilen , welche feucht ,
Von Theilen , welche ſchwer , von andern , welche leicht ,
Von leidender und reger Eigenſchaft ,
Von feuriger und traͤger Kraft ,
Aus welchen ſtreitenden Partikeln , Erd ’ und Fluth ,
Und Luft und Gluth ,
Und , aus denſelbigen , die Coͤrper all ’ entſpringen ,
So , trotz der wuͤrckenden Beſchaffenheit ,
Der ſtreitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit ,
Die ſich in allen Theilen finden ,
Dennoch beſtehn , dennoch ſich binden .
Hiedurch wird GOttes Majeſtaͤt ,
Wenn unſer Geiſt dieß Wunder recht erweget ,
Und , wie wir ſchuldig , uͤberleget ,
Am wunderwuͤrdigſten erhoͤht .
Da , aus dem buͤndigen Zuſammenhalt
Sich gar nicht gleicher Theil ’ , ein ſolches herrlichs Gantz
Entſtehet und beſteht ; ſo kann ja nie der Glantz
Von einer Goͤttlichen Gewalt ,
Und Lieb ’ und Weisheit heller ſcheinen ,
Als da ſie alle ſich auf eine Art vereinen ,
Die unbegreiflich iſt . Es liegt zu gleicher Zeit
Hierin der Grund , woher ein ſolcher Unterſcheid
Veraͤnderung , Verſchiedenheit ,
Jn unſern Neigungen , Gedancken und Jdeen ,
Woher ſo mancherley Bewegungen entſtehen ,
Da 446 Da unſre Coͤrper nicht allein
Von ſolchen ſtreitenden Parteikelchen vereinet ,
Gemiſchet und gefuͤget ſeyn ,
Nein , ſondern ſelbſt der Geiſt , mehr als man meynet ,
Vom Coͤrper und deſſelben Eigenſchaft ,
Nachdem er ſich im ſchlecht - und gutem Stande findet ,
Bald mehr bald minder Schwaͤch ’ und Kraft
Jn ſeinem Weſen ſelbſt empfindet .
Denn , wenn auch gleich dem Geiſt und ſeinen Weſen , nicht
Jm eigentlichen Sinn , wie Coͤrpern hier auf Erden ,
Koͤnnt ein Zuſammenſatz recht zugeſchrieben werden ,
So iſt es Wunder gnug , daß , wenn wirs recht ergruͤnden ,
Wir ſolchen Abgang doch von ſeinem Coͤrper finden ,
Jn ſeinen Wirckungen . Daher ſo mancher Streit
Bald Luſt , bald Leid , bald Licht , bald Finſterniß
Furcht , Zweifel , Hofnung , Gram , Veraͤndrung der Gedancken ,
Die oft , ja mehrentheils , ſich mit ſich ſelber zancken ;
Daher entſteht vielleicht daß alles ungewiß .
Wir finden in uns ſelbſt , wenn wir uns ſelbſt erwegen
Und ſonder Vorurtheil die Menſchheit uͤberlegen ,
Uns wunderlich gemiſcht ; nichts , alles , viel und wenig ;
Bald herrſchet der Verſtand , bald iſt der Wille Koͤnig ,
Bald iſt der Wille gut , bald iſt ers wieder nicht ,
Bald iſt Vernunft ein Jrr - und bald ein rechtes Licht
Oft ſind wir dumm und ſtumpf , oft an Erfindung reich ;
Bald ſind wir gut , bald boͤß , bald boͤß und gut zu gleich .
Es findet ſich , von alle Creatur ,
So viel uns die Erfahrung weiſt ,
Die unbegreiflichſte Bewundrungs-wehrtſte Spur ,
Von Miſchungen , o Menſch ! in deinem Leib ’ und Geiſt ,
Weil 447 Weil Groß und Klein , weil Thorheit und Verſtand ,
So Staͤrck ’ als Schwaͤche , Hoͤh ’ und Kleinheit ,
Durch ein verwunderlich geheimes Band ,
Jn einer ſolchen Einheit ,
Jn uns verbunden ſind , daß nichts davon ſich faſſen ,
Nichts ſich verſtehen will , nichts ſich begreiffen laſſen .
Laßt uns das A. B. C. der Weisheit lernen ,
Es iſt der Menſch , dem Coͤrper nach , ſehr klein ,
Jm Gegenſatz von Bergen , Welten , Sternen ;
Doch kann er auch mit Recht ſehr groß zu rechnen ſeyn
Vergleicht man ſeine Maaß den Wuͤrmern , Staub und Sand ;
Sein Geiſt iſt gleichfals groß : ſein denckender Verſtand
Weiß mehr , als alles hier ;
Doch gehn ihm auch zugleich an Kraft unſtreitig fuͤr
Die Seeligen , die Engel . So daß wir ,
Jn der erſchafnen Welt Zuſammenhang ,
So wie geſagt , ein Mittel-Weſen ſeyn ,
Das zwiſchen Unverſtand und Weisheit , Licht und Nacht
Ein ſonderbar Gemiſch , gleich einer Daͤmmrung , macht .
So daß es mehr als wahr , was juͤngſt ein Geiſt uns wieß ,
Und voll Erkaͤnntniß uns vernuͤnftig leſen ließ : „ Unſeelig Mittel-Ding von Engeln und vom Vieh ,
„ Du prahlſt mit der Vernunft und du gebrauchſt ſie nie .
„ Was helffen dir zuletzt der Weisheit hohe Lehren ,
„ Zu ſchwach ſie zu verſtehn , zu ſtoltz ſie zu entbehren !
„ Du bleibeſt , wie ein Kind , das meiſtens unrecht waͤhlt ,
„ Den Fehler bald erkennt , und gleich drauf wieder fehlt .
Dieß 448 Dieß ſcheint mehr als zu wahr . Wir haben Faͤhigkeit
Zu dencken , einen Trieb zu wollen , zu erwegen ,
Zu forſchen , anzuſehn , wir koͤnnen uͤberlegen ,
Erwehlen , meiden , thun : doch zeigt uns oft die Zeit
Daß , in demjenigen , was wir erwehlet ,
Wir leider mehrentheils gefehlet .
Jn dieſem Zuſtand nun , ( worinn wenn ( wie wir ſollten )
Wir ſelber uns nicht ſchmeicheln wollten ,
Wir billig dieß geſtehen muͤſſen ,
Daß wir zugleich ſo viel , und auch ſo wenig wiſſen )
Waͤr , zwiſchen frechem Stoltz , der Lueifer geſtuͤrtzet ,
Und der Verzweiffelung , die alle Luſt verkuͤrtzet ,
Das Zweifeln eigentlich der Seelen beſte Kraft
Und von der Menſchen Geiſt die wahre Eigenſchaft .
Das aber muͤſt und wuͤrd ’ uns ja in allen Dingen
Zur bangen Ungewißheit bringen .
Jn dieſem ſtuͤrmiſchen und truͤben Zweifels-Meer ,
Worin das Waſſer Furcht , der Grund Verzweiflung waͤr ,
Wuͤrd ’ unſre Seel ’ auf nichts , als Hofnungs -Vlaſen , wallen
Und , lang heruͤm gefuͤhrt , zuletzt zu Grunde fallen .
Der Hofnung fluͤcht’ger Grund iſt Eigen-Lieb ’ allein .
Wir ſchmeicheln uns , durch ſie begluͤckt zu ſeyn ,
Obgleich ihr Weſen ſtets mit Zweifel angefuͤllet ,
Der ſich bald ſtillt , bald regt , und bald ſich wieder ſtillet ,
Doch bald ſich wieder pflegt zu regen .
Jn dieſem Zuſtand unſers Lebens
Bemuͤhet ſich mit uns die Hofnung nur vergebens ,
Und wuͤrden wir , nebſt allen Heiden ,
Jm ſteten Zweifel , ſtetig leiden .
So aber hat uns GOtt ein herrlich Licht ,
Jn unſern Seelen , angezuͤndet ,
Das , mit der GOttheit , ſich und uns verbindet .
Dieß 449 Dieß iſt der Glaube nun , durch welchen wir erlangen
Das , was die Hofnung kaum zu wircken angefangen .
Nach menſchlichem Begriff , vermehret nichts ſo ſehr
Der wahren GOttheit Ruhm und Ehr ;
Als wenn wir alle Kraft des Geiſts zuſammen faſſen ,
Und uns allein auf ſeine Huld verlaſſen .
Der Glaub ’ iſt eine feſt ’ und wahre Zuverſicht
Der Gottheit alles zuzutrauen ,
Und welcher um ſo mehr der Menſchen Pflicht ,
Als wir uns ſelbſt in ſo vermiſchtem Stande ſchauen
Von Hoffnung und von Furcht , von Zweifel , Freud ’ und Grauen .
Was kann demnach allhier , bey ſo beſtalten Sachen ,
Da unſer Geiſt erkennt , wie wenig er auf ſich
Sich zu verlaſſen hat , wie ſchwach ſein armes Jch ,
Den Menſchen gluͤcklicher , als wie der Glaube , machen ?
Der Glaub ’ iſt eigentlich ein Mittel zwiſchen Wiſſen
Und Hoffen . Hieraus folgt , daß alle Menſchen muͤſſen ,
Auch ſelber der Natur und ihrem Weſen nach , ( Wofern ſie anders GOtt gedencken zu gefallen ,
Und ihre Pflichten recht behertzigen ) vor allen
Durch Glauben GOtt allein in dieſem Leben
Bloß zu gefallen , ſich beſtreben :
Und daß man folglich billig ſoll
So die Verzweifelung , als auch den Hochmuth , meiden ;
Doch muß man ja den wahren wol
Vom falſchen Glauben unterſcheiden .
Aus unſrer Lehre kan man wenigſtens erſehn ,
Daß , ſelbſt aus der Vernunft , gantz deutlich zu verſtehn ,
Wie , ſelbſt in Menſchlicher Natur ,
Ein Grund und eine Spur
F f Zum 450 Zum Glauben wuͤrcklich ſey . Auf dieſen Grund zu bauen ,
Und das wahrhaftige Gebaͤude zu errichten ,
Will ich , dieweil es meine Pflichten
Und Kraft weit uͤberſteigt , den Geiſtlichen vertrauen ,
Als die , durch Einſicht , Fleiß und Licht , in heil’gen Lehren ,
Aus einem heil-gern Born es faͤhig zu erklaͤhren .
Mein Endzweck iſt allein ,
So mich , als dich , und die dieß etwan leſen ,
Jn unſer eignes Weſen ,
So tieff , als moͤglich iſt , hinein
Zu leiten , und zu uͤberfuͤhren ,
Daß , da an Leib ’ und Geiſt wir ſo ſeynd , wie wir ſeynd ,
Das glauben uns weit me hr , als wiſſen , will gebuͤhren .
Selbſt die Natur laͤßt uns die groſſe Wahrheit faſſen ,
Jn keinem Stuͤck uns gantz auf uns ſelbſt zu verlaſſen ,
Da , in den , von Natur , uns vorgeſetzten Schrancken ,
Wo faſt kein Wiſſen ſtatt ,
Und Unbetrieglichkeit gar keine Stelle , hat ,
Das aufgeblaͤhte Heer der ſchwaͤrmenden Gedancken
Umſonſt Gewißheit ſucht , die ihm doch noͤthig ſcheint .
Es ſcheint hieraus zugleich gantz offenbar ,
Und mehr als Sonnen-klar ,
Aus dieſem unſern Satz zu flieſſen ,
Daß unſer GOtt von Menſchlicher Natur
Nichts , als den Glauben nur ,
Verlangen koͤnn ’ und werd ’ ? Es laͤßt dieß leicht ſich ſchlieſſen ,
Und ſtimmt mit der Erfahrung uͤberein ,
Daß , bey dem uͤberall-vermiſchten Weſen , wir
Allhier ,
Zum wiſſen nicht erſchaffen ſeyn .
So 451 So weit demnach ſich die Gedancken ſtrecken ,
So tieff wir alle Ding ergruͤnden ;
So werden wir doch nichts entdecken ,
Was , nach dem Stand ’ , in dem wir uns befinden ,
Der GOttheit wuͤrdiger zu ſchencken
Und ihr zu opfern , als allein
Der Glaube . Dieſer ſchließt was in uns groß und klein ,
Die Goͤttliche-zuſammt der Selbſt-Erkaͤnntniß ein . Der Glaub ’ iſt ein auf GOtt gegruͤndetes Vertrauen ,
Wodurch wir GOtt , als GOtt ; und uns , als uns , be - ſchauen ,
Das GOttes Majeſtaͤt und Weisheit , Lieb ’ und Macht
Zum Grund ’ und Endzweck hat . Ein uͤberfuͤhrt Gemuͤthe ,
Daß GOtt die Allmacht ſelbſt und die ſelbſtaͤnd’ge Guͤte ,
Auch ſelbſt die Weisheit ſey , iſt das Vollkommenſte ,
Wozu der Menſchen Geiſt geſchickt iſt zu gelangen .
Was kann der Schoͤpfer denn doch wuͤrdigers empfangen ,
Als dieſe Kraft , als dieſe Zuverſicht ,
Wodurch , da wir uns ſelbſt verliehren , wir verſpuͤhren ,
Daß wir uns in uns ſelber nicht ,
Nein , in der GOttheit ſelbſt , verlieren ?
Unmoͤglich kann der Menſch in dieſem Leben ,
Nach ſeiner Schwachheit , GOtt ein wuͤrd’ger Opfer geben .
Es iſt der wahre Glaub ’ ein lebendig Geſchaͤfte ,
Ein maͤcht - und thaͤtig Ding , das unſers Geiſtes Kraͤfte ,
Zu GOttes Ruhm , vermehrt . Der Glaub ’ hat GOttes Huld
Zum ſteten Augenmerck . Durch ihn gewinnen wir
Zu ſeinem Worte Luſt ; in ſeiner Wercke Zier ,
Zum Loben einen Trieb ; durch ihn , wird unſre Schuld
F f 2 Jn 452 Jn etwas abgezahlt : er lehrt den Schoͤpfer ehren ,
Und ſeine weiſe Lieb ’ und Macht , im Dancken , mehren .
Der Glaub ’ erregt zugleich , in unſerm Hertzen , Triebe
Zu einer thaͤtigen und bruͤnſt’gen Naͤchſten-Liebe , ( Als der auch ſein Geſchoͤpf ) Muth , Fried ’ , ein gut Geruͤchte ,
Jm Wiedrigen Gedult , Vergnuͤgen , Sicherheit ,
Troſt , Zuverſicht im Creutz , Vertrauen , Freudigkeit
Und ein gelaſſner Geiſt , ſind wahre Glaubens-Fruͤchte .
Dieß iſt , geliebter Freund , der Zuſtand unſrer Seelen ,
Da in derſelben nun ſo manche Tugend liegt ,
Zumahl , wenn ſich dazu ein ſeel’ger Glaube fuͤgt ,
So wird dich hoffentlich dein Zweifel nicht mehr qvaͤlen ,
Als ob dieſelbige vergaͤnglich waͤre .
Es ſtritte dieß mit ihres Schoͤpfers Ehre ,
Den du ja glaubſt und kennſt : ja ſollte dir
Noch etwas an dem Licht der Uberzeugung fehlen ;
So wird der Glaubens -Glantz allein den Reſt
Vom Zweifels-Duft und Nebel bald zertrennen ,
Und du , in Ueberzeugung , feſt
Von deiner Seelen Daur verſichert bleiben koͤnnen .
A. Jch habe den Begriff vom Glauben , daß er ſich
Jn unſerm Weſen ſelbſt ſo uͤberzeuglich finde ,
Ja in der menſchlichen Natur ſich gruͤnde ,
Bißhero nicht gehabt . Jetzt bin ich uͤberfuͤhret ,
So gar durch die Vernunft , daß die Vernunft allein ,
Fuͤr ſich , zum GOttes-Dienſt nicht kann hinlaͤnglich ſeyn ,
Auch daß wir durch Vernunft allein , den Weg zu finden ,
Uns , ſonder Glauben , nur vergeblich unterwinden .
Mich ſoll demnach forthin
Von der Unſterblichkeit der Seelen ,
Mit GOttes Huͤlffe , mehr kein Zweifel qvaͤlen ,
Und danck ’ ich dir , mit recht ergebnem Sinn ,
Daß 453 Daß ich nunmehr kann uͤberzeuglich finden
Wie , wo , und wann Vernunft und Glaube ſich verbinden .
B. Wolan ! ſo will ich denn nunmehr ,
Zu meines Schoͤpfers Preiſ ’ und Ehr ,
Mich zu dem Endzweck meiner Lieder ,
Das iſt : zum Danck - und Loben wenden !
A. Jch wiederhohl ’ allhier
Die Worte gleichfals neben dir ,
Die du zu Anfang haſt geſungen ,
Und , wo mir recht , alſo geklungen :
S elbſtaͤndige Weisheit ! Selbſtaͤndige Liebe !
Unendlicher , ewiger Vater des Lichts !
Du rieffeſt einſt Allem , und ſchuffſt es aus Nichts .
Es drehn ſich , durch deine bewegende Triebe ,
Die Himmliſchen Kreiſe . Die Angel ſtehn
Auf deinen Befehl . Es verfliegen , vergehn
Die Jahre nicht anders , als fluͤchtige Stunden ;
Die Zeit ſcheint ein Punct-Fluß von ſchnellen Secunden .
Ach , laß mich , zu deinen unendlichen Ehren ,
Nebſt andern , ſo irdiſch-als himmliſchen Choͤren ,
Bey unſerer Jahre vollendeten Schrancken ,
Dein ’ Allmacht erheben , durch Loben und Dancken !
B. Es fodert gleichfals meine Pflicht ,
Daß ich , fuͤr die empfangne Guͤte ,
Jm abgewichnen Jahr , mit froͤlichem Gemuͤthe ,
Mit Danck und Lob , des groſſen Gebers dencke ,
Und ihm , fuͤr alle Huld ,
Ein inniglich-geruͤhrtes Hertze ſchencke .
F f 3 Jch 454 Jch konte vorigs Jahr , GOtt Lob ! mit Freuden enden ,
Und fange dieſes Neue wieder ,
Mit tauſend Freuden , an ;
Dafuͤr , o HErr ! ich dir nicht gnugſahm dancken kann ,
Und wenn ich noch ſo vieles ſchreib ’ und ſage .
Man dencke der Minut - und der Secunden Schaar ,
Mit Ernſt , ein wenig nach ! Es hat ein eintzigs Jahr
Dreyhundert fuͤnf und ſechszig Tage ;
Es hat nicht nur acht tauſend Stunden ,
Noch ſiebenhundert ſechzig mehr ,
Und , an Minuten , dann Secunden ,
Enthaͤlt es ein weit groͤſſer Heer .
Fuͤnfhundert fuͤnf und zwantzig tauſend
Und noch ſechs hundert findet man ,
Die man mit ſechszig noch vermehren ,
Und zu Secunden machen kann ,
Da ſechs und dreyßig tauſend mehr ,
Als ein und dreyßig Millionen ,
Und eine halbe noch , ſich finden .
Solch eine Zahl , die muͤhſam zu ergruͤnden ,
Hab ich nicht nur ; die Meinigen , nebſt mir ,
Und alſo dieſe groſſe Zahl ,
Jn einem jeglichen vermehrt noch ſo vielmahl , ( Dir , groſſer GOtt , ſey Lob und Danck dafuͤr )
Jm vor’gen Jahr erlebt . Wir haben Tag und Nacht
Geſund , und meiſtens ſie vergnuͤglich , zugebracht ,
Mein GOtt ! wie hat , im abgewichnen Jahr ,
Mir abermahl ſo wunderbar
Die Sonne deiner Huld geſchienen !
Wie ſind die Gnad - und Seegens-Gaben ,
Die wir von deiner Hand darin empfangen haben ,
So 455 So groß , ſo mancherley ! Jch darf mich kaum erkuͤhnen ,
Sie ins beſondre zu erzehlen ;
Weil , leider ! Spoͤtterey und Neid ,
Die Plage-Geiſter unſrer Zeit ,
Nach ihrer Art , vielleicht nicht wuͤrden fehlen ,
Es eh fuͤr Eitelkeiten ,
Als einen ſchuldigen und wahren Danck , zu denten ;
Und meinen , als ob mich vielmehr die Eigen-Liebe
Von meinem Jch , den Meinigen und mir
Viel ſonderbahres vorzutragen ,
Und gar zu viel zu ſchreiben und zu ſagen ;
Als eine ſchuldige und reine Danck-Begier ,
Zu ſolcher froͤlichen Erzehlung triebe .
Daher ich faſt , jedoch nicht ohn Verdruß ,
Mich hier entſchlieſſen muß ,
Jn meinem Danck allhier nur allgemein
Zu ſeyn ;
Und will ich fuͤr ſo viele Guͤtigkeiten ,
Mich in geheim zum ſtillen Danck bereiten .
Nur was davon jedennoch zu erwegen ,
Kann ich allhie mich nicht entlegen ,
Zumahl es eben
Mich nicht allein betrifft ,
Und andre ſich ſo wol , als ich , uns deſſen freuen :
Es hat in dieſem Jahr von neuen
Ein groſſer Fuͤrſt , Printz Carl von Bevern , mich
Gewuͤrdiget , mir ’ ſelbſt zu ſagen ,
Wie viel mein Buch , mein irdiſches Vergnuͤgen ,
Zu ſeiner Freude , beygetragen .
Noch mehr , er hat ſo gar
Zu unſrer Patrioten-Schaar
Sich , als ihr Ober-Haupt , zu fuͤgen ,
F f 4 Sie 456 Sie gnaͤdigſt werth geſchaͤtzt ,
Und ihre Gunſt dadurch in ſolches Licht geſetzt ,
Daß ihre wohlgemeinten Schriften
Nun tauſendmahl ſo viel Verbeßrung werden ſtiften .
Jn Luſt , frey von Verdruß , von Schaden und Gefahr ,
Mit Seegen und mit Luſt , hab ’ ich in vor’gem Jahr
Die Land-Praͤtur verwalten koͤnnen .
Der Schoͤpfer hat dabey unzaͤhliches Vergnuͤgen ,
Jm Reiche der Natur mir wollen goͤnnen .
Wie oftmahls konten nicht ſich an der Erden Schaͤtzen
Die Sinnen und die Seel ’ ergetzen !
Wie oft hab ich , GOtt Lob ! wenn Feld und Wald bebluͤmet ,
Mit Luſt des Schoͤpfers Lieb ’ und weiſe Macht geruͤhmet !
Oft hab ’ ich ſaͤen , ofters egen ,
Oft des Getreydes reiffen Seegen
Die Felder ſchmuͤcken , oft ihn maͤhn
Und in die Scheune fahren ſehn .
O HErr ! der du hierin mir ſo viel Guts erwieſen ,
Sey ewiglich geruͤhmet und geprieſen !
So hab ’ ich abermahl , zum beſten vieler Seelen ,
Noch einen Prediger zu wehlen
Gelegenheit gehabt , und weil ich , gleicher Weiſe ,
Ohn Abſicht , Eigennutz und Vortheil , den gewehlt ,
Der ohne Wiederſpruch der beſte war ;
So hoff ’ ich , daß ich nicht gefehlt ,
Und daß die Wahl , zufoͤrderſt GOtt zum Preiſe ,
Und ſeiner Hoͤrer groſſer Schaar
Zum Heyl und Nutzen wird gedeyen .
Jch dancke dir demnach , o Brunquell aller Guͤte ,
Fuͤr alle deine Gnaden-Gaben ,
Die wir im vor’gen Jahr von dir empfangen haben ,
Und wuͤnſch ’ aus inniglich geruͤhretem Gemuͤthe :
Ach 457 Ach , moͤgt ’ ich mich mit wahrem Ernſt beſtreben ,
Nach deinem Goͤttlichen Gefallen hier zu leben ,
Nebſt allen Meinigen ! Es ſey im kuͤnft’gen Jahr
Mein Hertz und Haus dein Tempel und Altar !
Laß , in und von uns , fuͤr das Gute ,
Mit inniglich-erfreutem Muthe ,
Ein oͤfters Danck - und Ehren-Opfer rauchen !
Gieb unſerm Geiſte ſo viel Kraͤfte ,
Daß wir , mit Luſt , der Frucht der Leidenſchaft ,
Doch ohn Ausſchweiffung , uns gebrauchen !
Gieb uns dahin doch deinen Seegen ,
Daß wir , mit ruhigem Gemuͤthe ,
Zu Ehren deiner Macht und Guͤte ,
Uns unſers Hierſeyns freuen moͤgen !
Regier du , HErr , nebſt den Gelegenheiten ,
Die Umſtaͤnd ’ , als worauf , wenn wir es recht beſehn ,
Das ſo genannte Gluͤck , die Zeiten ,
Und alle Zufaͤllt ’ hier beſtehn !
Laß ſie , da alle bloß allein in deinen Haͤnden ,
Sich , HErr , zu unſerm Beſten wenden !
Mein GOtt ! ach , laß doch viel Jdeen ,
Die deine Wunder anzuſehen
Beſchaͤftigt , oft in mir entſtehen !
Laß die , durch ſie , in meiner Bruſt
Erregte , dir ergebne , Luſt ,
Und das dadurch gewirckte Lallen ,
Zu deinen Ehren , dir gefallen !
Laß mich , o HErr , allein zu deinen Ehren leben ,
Und ja an meinem Witz allein nicht kleben ,
F f 5 Laß 458 Laß mich vielmehr deſſelben Schwaͤch ’ erkennen ,
Und , bloß im Glauben , dir die rechte Ehre goͤnnen !
Ja , laß mich allezeit beym wahren Glauben bleiben ,
Und weder Jrrſahl , Stoltz , noch Furcht , davon mich treiben !
[figure] Be - 459 Betrachtung Der Menſchlichen Rede , bey dem 1734ſten Jahrs-Wechſel . U nwandelbahres einigs Weſen , das Raum und Luft und Erd ’ , und Meer ,
Das Millionen Welt - und Sonnen , das aller Himmel Himmel Heer ;
Das aller Coͤrper erſten Uhrſtoff , und aus demſelben ihre Pracht ;
Das aller Geiſter regem Weſen , nebſt ihren Kraͤfften und Jdeen , ( Durch deren wunderbare Fuͤgung ſo wunderbare Ding ’ entſtehen , )
Geruffen , daß ſie werden ſolten , und ſie aus Nichts her - vorgebracht ,
Durch deſſen liebreich , weiſes , maͤchtigs , unhintertreiblichs , Goͤttlichs Wollen ,
Zu ſeiner Creaturen Beſten , was iſt , aus Nichts hervor gequollen ;
Des ſchaffendes , belebend Wort man wol , mit hoͤchſtem Recht , wird koͤnnen
Den wahren Saamen aller Saamen , die Quell der Crea - turen , nennen ;
Durch deſſen Wort : Es werde Licht ! viel Millionen Sonnen flammen ;
Durch deſſen Hauch die Himmels-Kreiſe in unverruͤckter Ordnung gehn ;
Von dem die Saamen aller Formen , und aller Saamen Formen ſtammen ,
Aus dem der Formen und der Saamen Bewegungen und Kraͤft ’ entſtehn !
O 460 O ewigs Wort ! aus dem allein das Wunder unſrer Red ’ entſteht ,
Durch die die Menſchheit lernt und lehrt , wie man dein herrlich Lob erhoͤht !
Gieb , daß , bey dieſem Jahres Wechſel , da wir zur Sonne wiederkehren , ( So eines von den groͤſten Wundern , das auf der Welt die Menſchheit ſieht ,
Und welches durch dein Wort allein , wodurch du alles traͤgſt , geſchieht )
Wir dich , in deinen Wunder-Wercken , mit Loben und mit Dancken ehren !
Gieb , daß aus deiner Wunder Menge ich ſonderlich auf dieſen Tag ,
Wie ich bey dieſer Wechſel-Zeit , durch deine Huld zum oͤftern pflag ,
Doch einen Vorwurf , welcher wuͤrdig , daß man dich lobe , wehlen mag !
Jch kann mich , da ich willens bin , von deinen Lob ’ , o HErr ! zu ſprechen ,
Vom groſſen Wunder unſrer Rede , zu reben , heute nicht entbrechen .
Jndem man , ohne dieſe Gabe , zu deines groſſen Nahmens Ehr ’
Kaum etwas Gutes zu gedencken , noch dich zu ruͤhmen faͤhig waͤr .
Ach , ſende mir , zu dieſem Zweck , der Weisheit Licht und hellen Schein
Und laß es , HErr ! zum Neuen Jahr , dir ein gefaͤllig Opfer ſeyn !
W enn auf die Millionen Wunder , die allenthalben zu erblicken ,
Die uns , wenn man es recht erwegt , erhalten , nuͤtzen und erqvicken ,
Die 461 Die uns , zu unſers Schoͤpfers Ehren , und uns zum Heil , von GOtt geſchenckt ,
Man mit bedachtſamen Erwegen , die Kraft der regen Seele lenckt ;
So ſcheint faſt keines wuͤrdiger , daß wirs mit groͤſſerm Ernſt betrachten ,
Daß wir deſſelben Wunder-Werck mit mehrer Achtſam - keit beachten ,
Als wie das Wunder unſrer Rede . Die Seele ſcheint durch ſie allein
Selbſt zur Vollkommenheit zu kommen , zum GOttesdienſt geſchickt zu ſeyn .
Drum wollen wir , nach allen Kraͤften , der Sprache Wunder zu erheben ,
Zum Preiſe deß , der ſie uns ſchenckt , mit ernſter Andacht uns beſtreben .
Von allem , woraus auf der Welt des groſſen Schoͤp - fers Weisheit-Licht ,
Der Liebe Glut , der Glantz der Macht am allerhellſten ſtrahlt und bricht ,
Jſt wol das Wunder unſrer Rede eins von den herrlich - ſten und groͤſten
Und , fuͤr das menſchliche Geſchlecht , eins von den nuͤtzlich - ſten und beſten .
Wenn wir der Menſchen Stand und Weſen , wenn ſie nicht redeten , erwegen
Und daß man uns ſo dann nicht Menſchen wird heiſſen koͤnnen , uͤberlegen ;
So zeiget ſich von ſelbſt , wie hoch die wunderbare Faͤhigkeit ,
Durch Reden unſern Geiſt zu zeigen , von Menſchen billig ſey zu achten ,
Und , wie in dieſer Wunder-Gabe beſondere Beſchaffenheit ,
Es unſre Pflicht , des groſſen Schoͤpfers Macht , Lieb ’ und Weisheit zu betrachten .
Man 462 Man ſtelle ſich , wofern man kann , die Menſchheit , ſonder Rede , fuͤr :
Die gantze Welt waͤr ’ ohne Zweiffel in einem jaͤmmerlichen Stande ;
Der Menſch waͤr ’ nur dem Anſehn nach ein Menſch , und in der That ein Thier ;
Wir wuͤrden immer Frembdling ſeyn in unſerm eignem Vaterlande .
Kein Regiment , kein Freundſchafts-Band , kein Troſt , kein Zeit-Vertreib , kein Rath ,
Kein ’ Ordnung , keine Wiſſenſchaft , kein GOttes-Dienſt und kein Geſetze ,
Kein ’ Ehre , keine Kunſt , kein Handel , ſind ohne Rede . Alle Schaͤtze
Der menſchlichen Geſelligkeit ſind , ſonder Sprechen , in der That
Verſchwunden und ein leeres Nichts . Der Seelen Frucht , die nicht zu ſehen ,
Die geiſtigen Gedancken , wuͤrden , ſammt ihren Lettern , den Jdeen
Jn der Gebuhrt ſchon wieder ſterben , und , eh ſie wuͤrden , ſchon vergehen :
Ja blieben , ſonder Sprach ’ und Worte , die wir von GOtt empfangen haben ,
Als wie ein Kind im Mutter-Leib ’ , im ſchlipfrichen Ge - hirn , begraben .
Einfolglich wuͤrde , ſonder Red ’ , es uns und aller Men - ſchen Seelen ,
An ihrem auserleſenſten Talent , Geſchicklichkeit und Kraft ,
An ihrer allerbeſten Wirckung , und ſie ihr gleichſam ſelber , fehlen .
Da ſie , wenn man es wohl erwegt , ſo daß ſie ſelbſt es kaum empfindet ,
Durch Worte gleichſam waͤchſt und zunimmt . Recht wie ein Licht das ſich entzuͤndet
Durch 463 Durch ein ſchon angezuͤndet Licht ; recht wie ein Zunder Funcken faͤngt ;
So ſcheint es , als ob unſre Seele von Worten eine Kraft empfaͤngt ,
Wodurch ſie rege wird und leuchtet , ſo daß , nebſt ihr , auch jedermann ,
Als wie durch eine Gluth die Waͤrme , die Wirckung ſehn und fuͤhlen kann .
Es ſcheint , ob wuͤrd ’ in unſern Seelen es , ſonder Rede , nimmer helle ;
Sie iſt die Quelle der Vernunft , und die Vernunft iſt ihre Quelle ;
Es wird des Geiſtes rege Kraft , durch Wort ’ , als eine Flamm ’ , erregt ,
Erweckt , zum Dencken angetrieben , auch andere durch ſie bewegt .
So laßt uns denn mit Fleiß ein Wort , was es doch eigentlich ? betrachten ,
Und auf der Sprachen Weſen , Urſprung , auf ihre Kraft und Werckzeug ’ achten !
Es ſiehet , wie es ſcheint , mein Geiſt , durchs Ohr , in Worten , deinen Geiſt ,
Der ſich durch Lippen , Zunge , Zaͤhne und Gaum im Ton halb leiblich weißt .
Wenn der vom Geiſt formirte Schall , in Worten , aus dem Munde quillet ;
So ſcheint ein Geiſt , ob waͤr er gleichſam in einen Luft-Leib eingehuͤllet .
Wie alle Coͤrper wunderbar aus lauter Theilchen , welche klein ,
Verbunden und gefuͤgt ſich finden , daraus entſtehen und beſtehn ;
So ſcheinet gleichfals , durch das Band und durch die Fuͤ - gungen der Toͤn ’ ,
Ein , gleichſam zwiſchen Leib und Geiſt gewiß-formirtes , Mittel-Seyn ,
Ein 464 Ein leiblich halb , halb geiſtig Weſen , in einer Rede , ſich zu zeigen ,
Wodurch ſich ſeltne Wuͤrckungen in einer andern Seel ’ eraͤugen .
Es ſchmeichelt ein Ton unſern Geiſt , wenn ihn ein anderer verletzet ;
Durch einen Ton wird unſre Seele betruͤbt , durch einen Ton ergetzet .
Wenn aber er der Woͤrter Reih formirt , errichtet , macht und gruͤndet ,
Und er , mit wolgefuͤgten Lettern , ſich auf gewiſſe Weiſe bindet ;
Wenn Toͤne , welchen der Gebrauch ein unbetrieglich Zei - chen giebet ,
Auf etwas , das die Seele hofft , erlanget , fuͤrchtet , haßt und liebet ,
Durch ſchnelle Werckzeug ’ des Gehoͤrs , ſo wie man es ge - wohnt , ſich lenckt ;
Entdeckt ein Menſch der andern Seele , was er in ſeiner Seele denckt .
Dadurch verſpuͤhret man von jener mit dieſer folglich den Verband ,
Und , durch ſo wunderbahren Handel und wechſelweis-erregt Erzehlen ,
Eroͤffnen , zeigen , theilen mit , und geben unter ſich die Seelen , ( O unbegreifllch Wunder-Werck ) einander gluͤcklich den Verſtand .
Wie kraͤftig wird man nicht durch Toͤne , ſo die beredte Red - Kunſt fuͤhret ,
Ermuntert , aufgebracht , beſaͤnftigt , entzuͤndet , angereitzt , geruͤhret !
Es wird von deinem Geiſt mein Geiſt , durch Woͤrter , in Bewegung bracht ,
Er hat von Freud ’ und Traurigkeit die Vergewißrung , eine Macht ,
Auch 465 Auch andre Geiſter zu bewegen . Ein recht vergnuͤgter Geiſt wird koͤnnen
Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis , ein feurig Brennen .
Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und Kraft ,
Und zeugt in einer andern Seele , durch Woͤrter , ſeine Leidenſchaft .
Es ſcheint als wenn wir unſre Nede , und zwar im eigent - lichen Sinn ,
Ein Bild des Geiſtes , einen Dolmetſch der Seelen , ihre Lehrerin ,
Mit allem Rechte , nennen koͤnnte . Denn obgleich unſer Geiſt fuͤr ſich
Von ſolchem Adel , ſolcher Kraft , daß er , am Werckzeug nicht gebunden ,
Als unmaterialiſch , einfach , unſterblich und uncoͤrperlich ;
Weil es jedoch der groſſe Schoͤpfer , wie wir es ſpuͤren , gut gefunden ,
Jhn mit des Coͤrpers ird’ſchen Huͤtten , und durch , ſie , mit der gantzen Welt
So wunderwuͤrdig zu vereinen : ſo kann er , ohn der Sinnen Kraft ,
Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkaͤnntniß , Witz und Wiſſenſchaft ,
Und keiner Wahrheit hier gelangen . Dahero wir die Sinnen koͤnnen ,
Mit Recht , Bedienten unſrer Seelen , und Thuͤren unſers Geiſtes nennen .
Von allen nun ſind ins beſondre die Zwo : die Augen und die Ohren
Zu unſrer Lehr ’ und Unterweiſung vom weiſen Schoͤpfer auserkohren ,
G g Zu 466 Zu denen er ( o groſſes Wunder ! ) ein neues Wunder noch gefuͤgt :
Die Stimm ’ und ihre Biegſamkeit , in welcher das Geheim - niß liegt ,
Des Geiſts Jdeen mitzutheilen , und , welches , wenn manns recht ermißt ,
So wol dem Sprecher , als dem Hoͤrer , ein ſehr nothwen - dig Werckzeug iſt ,
Einander ihren Geiſt zu zeigen ; und welches , um uns zu entdecken ,
Uns wunderbahrlich faͤhig macht , uns aus uns ſelber zu erſtrecken ,
Und , weiter als wir ſind , zu ſeyn . So , wie man ſchwimmend ’ Jnſeln ſchaut ;
So ſcheinen unſre Coͤrper Jnſeln , die auch beweglich ſind , zu ſeyn .
Sie haben ihre eignen Graͤntzen , und die ſind eigentlich die Haut ,
Dieſelbe ſchrencket , wie es ſcheinet , die Seele ſelber in ihr ein ;
Nur durch die Rede geht ſie weiter , und bindet ſich , durch ſie allein ,
Mit andern zur Geſelligkeit . Da ſie ſonſt , ohne Rede , leer
Von allen foͤrmlichen Begriffen , und , in Geſchellſchaft , einſam waͤr .
Die Red ’ iſt einer Flamme gleich , wodurch die Seelen ſich bewegen ,
Sie iſt ein gleichſam geiſtig Licht , durch deſſen , nur gehoͤr - ten , Schein ,
Der Sprecher und der Hoͤrer Seelen gemeinſchaftlich er - leuchtet ſeyn .
Durch ſie eroͤfnen ſich die Geiſter , was ſie verborgnes in ſich hegen
Und theilen ſich einander mit ihr innerliches Ueberlegen .
O 467 O herrlicher Zuſammen-Klang , der bloß aus einer GOtt - heit ſtammet ,
O welch ein geiſtig Wunder-Feur , das allgemein in Men - ſchen flammet !
O Wunder-Band , wodurch man ſich , wie man es uͤber - zeuglich findet ,
Nicht nur mit andrer Menſchen-Seelen , ſich mit der GOtt - heit ſelbſt verbindet !
Es iſt ja dieß unwiederſprechlich : wenn keine Stimm ’ und Sprache waͤr ;
Wuͤrd ’ alle Geiſtliche Betrachtung , Erklaͤrung , Predigen und Lehr ’
Und GOttes-Dienſt vernichtigt ſeyn . Wer wuͤrde , von dem kuͤnft’gen Leben ,
Von ew’ger Dauer unſrer Seelen , von GOttes Lob ’ und Preiſ ’ und Ehr ,
Von heil’ger Schrift , von GOttes Willen , uns einiges Verſtaͤndnis geben ;
Wenn keine Rede , keine Woͤrter und folglich keine Schrift vorhanden ,
Da ja die Wunder-Kunſt zu ſchreiben zugleich aus un - ſrer Red ’ entſtanden ?
Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns , anch fuͤr dieſes Wunder , blind ,
Wie bey den mehreſten geſchicht , und wenn ſie noch ſo ungemein ;
Dahero wird es , liebſter Leſer , dir , hoff ’ ich , nicht zuwieder ſeyn ,
Wenn ich , wie ſehr die frembden Voͤlcker durch dieſe Kunſt geruͤhret ſind ,
Dir ein Exempel zeigen werde .
Ein groſſer Fuͤrſt in Jndien , wie er geſehen Schriften leſen
Von Europaͤern , iſt dadurch ſo ungemein geruͤhrt geweſen ,
G g 2 Daß 468 Daß er geſagt : Der Weißen GOtt ſey wehrt , daß man ihn hoͤher ehrte ,
Als ihren , weil er auf Papier , die ihn verehrten , reden lehrte .
Dieß klingt zwar ſeltzam ; doch erſcheinet was Lichts aus dieſer Dunckelheit ,
Wodurch auch wir erinnert werden , mit billiger Auf - merckſamkeit ,
Die auch in Schrift verfaßten Worte , als wie was groſ - ſes , zu betrachten ,
Und die Erfindung nicht geringe , vielmehr als ein Ge - ſchenck zu achten ,
Das von dem Schoͤpfer ſelber ſtammet .
Je groͤſſer nun des Schoͤpfers Weisheit und unſer Nutz in dieſem Wercke ;
Je mehr verdient es , und iſt noͤhtig , daß man es mit Ver - ſtand bemercke ,
Damit man durch Betrachtungen der Wunder , GOttes weiſe Wege
Und Macht , ſammt ſeiner Vater-Lieb ’ , erheben und ihm dancken moͤge .
Kommt laßt uns denn des Denckens Kraͤfte noch fer - ner auf die Rede lencken ,
Und , nebſt dem Urſprung , auch den Rutz und wunder - bahren Wehrt bedencken !
Der Werckzeug ’ ungezehlte Menge , die alle zu dem Zweck gehoͤren ,
Daß Geiſter in die Sinne fallen , kann uns ſchon uͤber - zeuglich lehren ,
Daß dieſes nicht ein Menſchen Werck . Wir wollen denn zu Anfang ſehn
Die Werckzeug ’ in der Menſchen Ohre , wodurch der Geiſt geſchickt gemacht ,
Gantz uͤberzeuglich zu erfahren das , was ein andrer Geiſt gedacht ,
Wie 469 Wie viel und mancherley derſelben , zu dieſem Zweck , hervorgebracht .
Jndem der Ton ſtets aufwaͤrts ſteigt , ſo hat der Schoͤpfer unſern Ohren ,
So ſonder Weisheit nicht geſchicht , auch einen hohen Ort erkohren ,
Wohin durch die bewegte Luft , die ſich in Kreiſen ſo bewegt ,
Als wenn man durch geworffne Stein ’ ein ſonſten ſtilles Waſſer regt ,
Der rege Schall ſich vorwaͤrts ſtreckt . Jm Ohr iſt eine duͤnne Wand ,
Von einer zart - und regen Haut , wie eine Trommel , aus - geſpannt .
Drey kleine Knochen trift man hier in dieſer kleinen Kam - mer an ,
Die man mit Hammer , Amboß , Stegreif an Form , mit Recht , vergleichen kann .
Wenn nun der Ton an ſie gekommen , ſo wird er durch die innre Luft ,
Durch einen krummen Labyrinth , den die Natur im Ohr gemacht ,
Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus gebracht .
Durch dieſes wird er ferner noch , durch enge Wege , fort - gefuͤhrt ,
Biß daß er an ein ausgedehntes und zart - und duͤnnes Nervgen ruͤhrt ,
Das den empfangnen Ton ’ , ſo bald als dieſer durch den - ſelben , klingt ,
Jn das betraͤchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen bringt .
Von dieſer kleinen Sehne nun , ſoll man , nicht ohn Ver - wundrung , ſehn
Viel ungezehlte kleine Zweige durch unſern gantzen Coͤrper gehn ;
G g 3 Sie 470 Sie ſollen ſich in Zaͤhn - und Augen , in Gaum , in Schlund und Wangen ſtrecken ,
Ja man ſoll in der Bruſt , im Bauch , ja gar in Fuͤſſen ſie entdecken .
Wodurch denn unſer gantzer Coͤrper , durch dieſe Zweige ſchnell geruͤhrt ,
Und , durch denſelben , Geiſt und Seele die zitternde Bewe - gung ſpuͤrt .
So wie ein Coͤrper einen andern oft hemmet und ihn oft bewegt ;
So wircket auch durchs Ohr ein Ton , daß ſich das Blut bald regt , bald legt .
Man kann es durch ein heftig Schallen bewegen und in Wallung bringen ,
Und wieder in den vor’gen Gang , durch ein gelind - und ſanftes Klingen .
Man kann durch Luft , Gehoͤr und Ton verſchiedner Woͤrter unſre Seelen
Erfreuen , reitzen , aͤrgern , troͤſten , beſaͤnftigen , bedrohn und quaͤlen .
Nun muͤſſen wir , von denen Theilen , die ſich in unſerm Munde , ruͤhren ,
Und die zur Abſicht des Gehoͤrs , die Toͤne wunderbar formiren ,
Auch etwas vorzubringen ſuchen , weil die , nicht weniger , wie jene ,
Ein Wunder-Werck des Hoͤchſten ſind . Des gantzen Mundes Form , die Zaͤhne ,
Die Lunge , Luft-Roͤhr , Gaum und Lippen , die Kaͤhle , Wangen und der Schlund ,
Vor allen aber macht die Zunge des groſſen Schoͤpfers Weisheit , kund ,
Als die mau unſrer Seelen Feder , durch die das Ohr den Geiſt erkennt ,
Und einen Dolmetſch der Gedancken , die man nicht ſiehet , billig nennt .
Wer 471 Wer kann dieß Wunder gnug bewundern ? Dieß Glied iſt durch ein ſchlanckes Weſen
Bereitet und geſchickt gemacht , ja eigentlich dazu erleſen ,
Jn fertiger Geſchwindigkeit , auf tauſend Arten , ſich zu biegen ,
Viel tauſend Woͤrter zu formiren , und , durch ſie , Geiſter ſelbſt zu fuͤgen ;
Jndem ſie mir , was deine Seele ; dir , was die meine , in ſich hegt ,
Entdeckt , und faſt das Jnnerſte des Geiſts in einen andern praͤgt .
Bedenckt , nicht ſonder GOtt zu loben , wie ſie zu ſolchem ſchnellen Regen
So wunderbar geſchickt gemacht , da fuͤnff-par Muskeln ſie bewegen ,
Sie auf und abwaͤrts , vorn und hinten , zur rechten und zur lincken Seiten ,
Zu dem veraͤnderlichen Endzweck , das Wort zu bilden , lencken , leiten .
Hiedurch , ( ſo gar ein groſſes Wunder , ein unbegreiflich Meiſterſtuͤck )
Weiß ſie ſich tauſendfach zu drehen , ſich lang und kurtz , ſich duͤnn und dick ,
Jn ſchnellen Wendungen , zu machen , auf ſo viel Arten ſich zu lencken ,
Daß es uns faſt unmoͤglich faͤllt , Bewegungs-Arten zu erdencken ,
Die ſie nicht faͤhig auszudruͤcken . Jhr Amt nun leichter zu erfuͤllen ,
Sieht man im Mund ’ , o neues Wunder ! viel tauſend Speichel-Quellen quillen ,
Sie immer ſchluͤpfrig zu erhalten . Weil ſonder ſolche Feuchtigkeit ,
Sich nicht erhalten wuͤrd ’ und koͤnte die fertige Beſchaffenheit .
Nicht weniger iſt , nebſt der Zunge , der regen Lippen kuͤnſt - lich Par ,
G g 4 Das 472 ( Das ſich eroͤffnet , ſchlieſſet , dehnet , und auf ſo manche Art ſich ruͤhret ;
Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinſchaftlich formiret ,
Und die Gedancken kaͤnntlich macht ) ſehr kuͤnſtlich und recht wunderbar ,
Als , welche , wie in der Zergliederung , wir , faſt nicht ohn Erſtaunen , ſehn ,
So wol , als wie die Zung ’ und Wangen aus Faͤden , die von Fleiſch , beſtehn .
Wodurch wir denn , auf tauſend Arten , den Mund zu oͤffnen , und zu ſchlieſſen ,
Und eben dadurch unſern Ton zu bilden , zu erhoͤhn , zu drehn ,
Zu ſencken , biegen , zu formiren , zu ſchaͤrfen und zu ſchwaͤ - chen wiſſen .
Noch mehr , um ihn noch mehr zu aͤndern , ſind ein Par Gaͤnge zubereitet ,
Von unſrer Luft-Roͤhr zu der Naſen , wodurch er ſich zu - weilen leitet ,
Und wo er , wenn er ſich dahin durch ſonſt geſpaͤrrte Roͤh - ren draͤngt ,
Bey offnem , auch geſchloßnem Munde , noch einen andern Klang empfaͤngt .
Damit nun durch verſchiedne Wege die Tone nicht verſchie - den ſcheinen ,
Sieht man die Oeffnungen der Naſen , um beyde Toͤne zu vereinen ,
Sich allezeit herabwaͤrts ſencken , wodurch , wie man be - wundernd ſpuͤret ,
Aus zweyen ſchon getheilten Toͤnen ſich nur ein eintziger formiret ,
Noch iſt nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers fertigs Regen ,
Wodurch wir Lippen , Mund und Zaͤhne eroͤffnen , ſchlieſſen und bewegen .
Aus 473 Aus allen dieſen ſehen wir , wie wunderbar , wie vielerley ,
Wie manches Werckzeug von dem Schoͤpfer ſo weislich zugerichtet ſey ,
Damit wir moͤgten reden koͤnnen . Komm her , verſtockter Atheiſt ,
Und ſprich , ob dieſes kein Beweis von einem weiſen Weſen iſt ?
Nicht minder muß das groſſe Wunder , die Lufft , von uns betrachtet werden ,
Jn die die Kraft ſich auszuſpannen und ſchnell ein Zittern zu erregen ,
Wodurch ſie leichtlich thoͤnt , geſenckt . Sie iſt ſehr fertig , ſich zu lencken .
Von ihr iſt alles angefuͤllt ; ſie iſt rings an der gantzen Erden ,
So , daß ſie keinem Thiere fehlt . Es wird durch ſie , als einen Wagen ,
Die mannigfaltige Bewegung ſchnell in die Ferne fortge - tragen .
Am allermeiſten wird man noch , wenn wirs mit Achtſam - keit ergruͤnden ,
Jm Wunder-Werckzeug ’ unſrer Luft-Roͤhr ’ , ein unbegreif - lichs Wunder finden .
Auf laßt uns denn derſelben Bau ( HErr , laß es dir zum Ruhm geſchehn )
Nicht minder mit Aufmerckſamkeit , mit Luſt und Ehrfurcht doch beſehn !
Jn unſerm Halſ ’ iſt eine Roͤhre recht wunderwuͤrdig zubereitet ,
Durch welche Luft und Ton und Stimme formiret wird und durchgeleitet .
Der untre Theil iſt hart und feſt , als wie ein hohles Jn - ſtrument ;
Beſteht aus Circkeln , welche knoͤrplich , die man dahero Trochen nenut ,
G g 5 Wo - 474 Wodurch es an der Lungen feſt ; indem der Ober-Theil hingegen
Aus weichen Knoͤrpelchen formirt , die ſich ſo wunderbar bewegen ,
Und ſich , auf ungezehlte Weiſe , veraͤndern , heben , biegen , drehn ,
Wodurch ſie denn die regen Luͤfte die ungehindert durch ſie gehn ,
Zu einer , auf viel tauſend Arten , erzitternden Bewegung bringen ,
Aus welcher Millionen Toͤn ’ und aller Sprachen Meng ’ entſpringen ,
Die , da ſie auf ſo manche Weiſe , ſich , durch der Roͤhre Zit - tern , ruͤhren ,
Die Stimme , Rede , Woͤrter , Sprachen , auf ungezehlte Art formir en .
Die Theile dieſer Wunder-Roͤhre ſind nicht nur unter ſich verbunden
Mit ungezaͤhlten Baͤnderchen , und kunſt - und wunder-reich umwunden ;
Es ſtrecken ſich von dieſer Roͤhre verſchiedne kleine Nerv - und Roͤhren
Nach unſrer Bruſt , dem Zwerg-Fell , Hertzen , auch auf - waͤrts da , woſelbſt wir hoͤren ,
Nach unſern Augen , Zaͤhnen , Wangen , ja hoͤher noch biß in die Stirn ’ ,
Und , in derſelben , nach dem Sitz der Seelen ſelbſt , biß ins Gehirn ,
Woſelbſt die Seele , wie es glaublich , die Lebens-Geiſter von ſich ſchickt ,
Und durch dieſelbigen die Muskeln der Luft-Roͤhr ’ unter - ſchiedlich druͤckt .
Nach - 475 Nachdem die Werckzeug ’ ietzt betrachtet ; betrachten wir die Faͤhigkeit ,
Der Seelen , Zeichen zu erdencken , ſie zu behalten , ja ſo gar ( Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge ſammt dem Unterſcheid )
Sie abzubilden , und nicht nur den Ohren , auch ſie hell und klar ,
Durch Schrift , den Augen vorzuſtellen . Dieß ſtammt aus keiner Menſchen Kraft ,
Vielmehr iſt es unwiederſprechlich was geiſtigs , und ein ’ Eigenſchaft ,
Die ihrem Grund im Schoͤpfer hat ,
Und welche wehrt , daß unſer Geiſt , ſo viel er dazu Kraͤfte heget ,
Sich alles Ernſts dahin beſtrebe , daß mans nach Moͤglich - keit erweget ;
Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an ſich ſelber mehr als wehrt ,
Daß man in aͤmſiger Betrachtung der GOttheit Goͤttlichs Weſen ehrt ;
Nein , weil ſo gar , auf dieſe Weiſe , die wir in Andacht vor - genommen ,
Wir gleichſam ſelbſt begreiffen koͤnnen , wie wir dem Schoͤp - fer naͤher kommen .
Auf , laßt uns denn , mit ſtiller Andacht , in Ehrfurcht et - was ſtille ſtehn ,
Und hier den Brunnen aller Woͤrter und aller Sprachen Urſprung ſehn ,
Die Seele nemlich ; und nachher den Flug , wo moͤglich hoͤher treiben ,
Um auch von ihrer groſſen Urqvell , woraus ſie ſtammen , was zu ſchreiben .
Wenn 476 Wenn wir , ſo viel wir Menſchen koͤnnen , der Seelen Stand und Kraft ergruͤnden ,
So werden wir , da wir an ihr , daß ſie was Geiſtigs ſey , faſt fuͤhlen ,
Nach allen angeſpannten Kraͤften , an ihr dieß uͤberzeuglich finden :
Sie ſey ein reg - und geiſtigs Weſen , geſchickt , Gedancken zu erzielen .
Das Weſen der Gedancken nun , wenn ichs erwege , ſtell ’ ich mir
Nicht anders fuͤr ,
Als daß dieſelben aus Jdeen ,
So wie die Reden und die Schriften , aus Wort - und Zuͤ - gen blos , beſtehen ,
Die man nach Willkuͤhr fuͤgt und bindet . Es ſcheinen der Jdeen Weſen
Lebend’ge Lettern unſrer Seelen , die aus dem Sinn und Vorwurf quillen ,
Und welche ſie , wofern ſie frey , nach ihrem eignen freyen Willen ,
Verbindet und zuſammen fuͤgt . Kann man nun dieß gleich nicht verſtehn ,
So laßt uns doch , ſo viel wir koͤnnen , die coͤrperliche Fuͤ - gung ſehn .
Da wo , was leiblich iſt , ſich endet , ſcheint das , was geiſtig , anzufangen .
Wenn wir , in unſerem Gehirn , der Nerven unſichtbare Gaͤnge ,
Die ſich in ihm vereinigen , und in faſt ungezehlter Menge
Daſelbſt ſich endigen , betrachten ; ſo ſcheinet dieß der Sitz der Seelen ,
Zu welchem alle Lebens-Geiſter , in den empfindlichen Canaͤlen ,
Ge - 477 Gebracht und hingefuͤhret werden . Die Seele ſcheint hier zu regiren
Und ſie , ſo viel derſelben noͤthig , durch andre Gaͤng ’ , an allen Enden ,
Jn ihr bewuſter Maaß und Ordnung , vernuͤnftig wieder hinzuſenden .
Da ſie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft vielleicht empfangen ,
Und , ob wir es gleich nicht begreiffen , von ihr ein ’ Eigen - ſchaft erlangen ,
Zu wircken , wie und wo es noͤthig . Wie nun des gantzen Coͤrpers Kraͤfte ,
Um ſich im Weſen zu erhalten , ſich mit der Seelen Kraft vereinen ;
So duͤrft ’ es , daß auch unſre Seele ſich an ein hoͤhers Weſen hefte ,
Und ſeiner Gaben theilhaft werde , noch mehr gewiß , als glaubhaft , ſcheinen .
Da nichts ſo ſehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage leget ,
Als daß ſie , durch des Hoͤchſten Liebe , was Goͤttlichs in ihr ſelber heget .
Da ſie , durch dieſe Wunder-Kraft zu dencken , die ihr GOtt geſchencket ,
Auf dieſer Gabe Werth und Urſprung , in Demuth-voller Ehrfurcht , dencket ;
Erblickt ſie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew’gen Klahrheit ,
Von der unendlich ew’gen Weisheit , von der unendlich - ew’gen Wahrheit ,
Von dem unendlich-ew’gen WORT , aus welchem , alles was verhanden ,
Durch ſeiner ew’gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent - ſtanden ,
Der 478 Der kleine Funcke ſucht in mir ein helles Feuer anzufachen ,
Und treibt den Lehr-begier’gen Geiſt , ſo weit ſich ſeine Kraft erſtreckt ,
Der Rede wahre Quell zu ſuchen , die ſie nicht in erſchaffnen Sachen ,
Wol aber in der Gottheit ſelber und in dem ew’gen Wort entdeckt .
Denn , daß , ſo wenig als den Leib , die Seele , Glieder und das Leben ;
Die Stimm ’ , ihr Werckzeug und den Grund der Rede wir uns ſelbſt gegeben ,
Wird kein Vernuͤnftger ſagen koͤnnen . Sie iſt auch von ihr ſelber nicht ;
Weil , wenn die Welt von Menſchen , Thieren , und auch von harten Coͤrpern leer ,
Gewiß ſo wenig Red ’ und Sprache , als Ton und Schall , verhanden waͤr .
Die Eltern gaben ſie uns nicht , weil ſie nicht mehr , als wir , gewuſt ,
Wie man die Zung ’ in unſerm Munde , wie man die Lung ’ in unſrer Bruſt ,
Nebſt andern Theilen , bilden konnte . So ſieht man denn , daß dieſe Gabe
Von niemand , als von GOttes Weisheit und Allmacht , ihren Urſprung habe .
Auf , laßt uns denn mit Danck und Andacht auf dieſes Wunders Quelle dencken ,
Und unſern Geiſt , ſo viel als moͤglich , mit Ehrfurcht in die - ſelben ſencken !
Wie wir ein Wort ein aͤuſſerlich-formirtes Dencken heiſſen koͤnnen ;
So iſt auch billig der Gedancken ein innerliches Wort zu nennen .
Da 479 Da der Gedancke ſonder Zweifel nun unſers Geiſtes Zeu - gung iſt ,
Einfolglich wuͤrcklich unſers Weſens ; ſo ſcheint , indem man dieß ermißt ,
Die Ueberlegung wunderbar , auf ein voll Unbegreiflichkeiten
Und allen Witz ſonſt uͤberſteigend Geheimniß uns gemach zu leiten .
Wenn wir in unſerm Glauben lehren : Es habe GOtt von Ewigkeit
Ein ewig Wort gezeugt ; ſo ſcheint , als ob in deutlichen Jdeen
Wir , in der Gottheit wuͤrdigs Zeugen mehr , als wir ſonſt vermoͤgen , ſehen ,
Die Weisheit , dieſes ewg’e Wort , das ſelber GOtt , hat in der Zeit
Die Welt erſchaffen . Alle Dinge ſind durch daſſelbige gemacht ,
Und nichts iſt ohn daſſelbige geworden und hervorgebracht .
Aus einer ſolchen hohen Quelle ſcheint unſre Faͤhigkeit zu flieſſen ,
So wie zu dencken , auch zu reden . Aus GOtt ſelbſt ſcheint ſie zu entſprieſſen .
Jſt , des glorwuͤrdgen Urſprungs halber , der Menſchen Spra - che denn nicht werth ,
Daß , in derſelbigen Betrachtung , man unſern GOtt bewun - dernd ehrt ?
Es wird dem Schoͤpfer in der Schrift ſelbſt eine Rede zu - ſchrieben .
Er heißt ſich ſelbſt das A und O ; er ſpricht , aus Lieb ’ und Huld getrieben ,
Ein Wort , durch welches alles ward . Durch dieß ſein Goͤttlich Wort : Es werde !
Ward aller Creaturen Menge , ward Himmel , Raum , und Meer , und Erde .
Dieß 480 Dieß dauret noch : denn alle Dinge erfuͤllt und traͤgt er fort und fort ,
Wie uns die Bibel gleichfals lehret , durch ſein allmaͤchtig kraͤftig Wort
Wann nun des groſſen Schoͤpfers Wort , die Erd ’ in dieſer Ordnung traͤget ,
Daß ſie ſich jetzt aufs neu zur Sonnen , der Lichts - und Lebens-Quell , beweget ;
Damit in unverruͤcktem Wechſel , und richtig eingetheilten Graͤntzen ,
Wir , bald den warmen Sommer haben , bald Herbſt und Winter , bald den Lentzen ;
So laßt uns unſre Kraft zu reden , dem groſſen Wort zu Ehren zeigen ,
Das uns geſchaffen , uns zum ſprechen , die Kraft und Faͤ - higkeit geſchenckt ,
Zumahl in dieſer Wechſel-Zeit , da ſich die Welt zur Son - ne lenckt ,
Von ſeiner Allmacht , Lieb ’ und Weisheit , in einem frohen Danck , nicht ſchweigen !
Laßt uns , zu deſſen Preiß und Ruhm , der uns zu reden Kraft gegeben ,
Die Kraft zu reden anzuwenden , mit frohem Dancken , uns beſtreben !
Und , da wir nirgend , als in GOtt , den Urſprung unſrer Rede finden ,
Jn Ernſt und froͤlich uns bemuͤhn , die Wunder-Gab auf alle Weiſe ,
Zum Zweck , wozu ſie uns gegeben , zu unſers Schoͤpfers Ruhm und Preiſe ,
Auch unſerm und des Naͤchſten Beſten , die ſich , mehr als man glaubt , verbinden ,
Erkaͤnntlich immer anzuwenden ! laßt uns , wie , leider ! wol geſchehn ,
( Von 481 ( Von GOttes-Laͤſtrung nichts zu ſagen ) vom Schwoͤren , Afterreden , Fluchen ,
Aus wahrer Ehrfurcht gegen GOtt , uns ernſtlich zu ent - halten ſuchen !
Hingegen wenn wir ſeine Guͤte empfinden , hoͤren , ſchme - cken , ſehn ;
Uns ſelbſt und andre zu ermuntern , dem Geber Lob und Danck zu geben ,
Durch unſern Ausbruch der Gedancken , die Red ’ und Schrift , uns oft beſtreben !
Ach gieb , du Geber aller Gaben , uns , dieſe Pflichten zu er - fuͤllen ,
Und unſre Rede wol zu brauchen , doch einen dir ergebnen Willen !
Ach laß , o Vater , was wir Kinder zu deinen heil’gen Ehren lallen ,
Wenn wir , geruͤhrt durch deine Wunder , dich preiſen , lo - ben , dir gefallen !
So will ich mich denn ins beſondre zum Loben und zum Dancken kehren ,
Und fuͤr ſo viel ’ und groſſe Wolthat , die ich im vor’gen Jahr empfing ,
Nach allen Kraͤften mich beſtreben , durch Dencken , Red ’ und Schrift , zu ehren
Den GOtt , durch deſſen Huld allein mir alles wohl von ſtatten ging .
Ein innerlicher froher Schauer , den Demuth , Luſt und Andacht zeugen ,
Erfuͤllet meine gantze Bruſt ; woraus , von dem empfangnen Gut
Und aller mir erzeigten Wolthat , der Danck-Begierde rei - ner Glut , ( Ach , daß ſie dir , o HErr , gefiel ! ) geweyhte Flammen auf - waͤrts ſteigen .
H h Mein 482 Mein GOtt ! wie biſt du abermahl mein Vater und mein GOtt geweſen !
Jch ſchien , nebſt allen Meinigen , recht als zum Gegenwurf erleſen
Von Gluͤck , Geſundheit , Heil und Seegen . Es ſtellet deiner Gaben Menge ,
Jn einer lieblichen Verwirrung , auf einmahl , recht als im Gedraͤnge ,
Sich meiner frohen Seele dar ; und , weil ſie alle nicht zu zehlen ,
Will ich , zum Vorwurf meines Dancks , aus vielen , ei - nige nur wehlen .
Jch hab ’ in dieſem Jahr , im Lande , mein Richter - Amt , nach dreyen Jahren ,
So nicht leicht zu geſchehen pflegt ,
Vergnuͤgt und froͤlich abgelegt :
Und da zween Prediger bereits vorhin von mir erwehlet waren ;
Hab ’ ich den dritten noch dazu , zum Nutz und Beſten vie - ler Seelen ,
GOtt Lob ! ohn Eigen-Nutz und Abſicht , ſo wie die an - dern zu erwehlen
Gelegenheit und Macht gehabt . Ach GOtt , wie konnt ich an den Schaͤtzen ,
Die mir das Land in meinem Amt gezeigt , ſo oͤfters mich ergetzen !
Dir , HErr , ſey Lob und Preis dafuͤr ! auch daß mir in der gantzen Zeit , ( Ein eintzigs mahl nur ausgenommen )
Nicht die geringſte Wiedrigkeit ,
Bey ſo viel Gutem , uͤberkommen .
Jch lob ’ und ruͤhme dich , o GOtt , du Geber aller guten Gaben ,
Fuͤr alles , was wir dieſes Jahr von deiner Huld empfan - gen haben ; Zu - 483
Zumahlen da ich abermahl , wie meine , dir geweihte , Schriften
An vielen Orten Fruͤchte tragen , an vielen Orten Gutes ſtiften ,
So mannigfaltigen Beweiß ; und wie ſie liebreich aufge - nommen ,
Auch von den Groſſen dieſer Welt , viel neue Proben uͤber - kommen . ( Doch will ich hievon in der Stille den groſſen Schoͤpfer lieber preiſen ,
Um nicht des Neides Gift zu reitzen ; als alles hier um - ſtaͤndlich weiſen )
So daß vom irdiſchen Vergnuͤgen , wie zwey bereits ver - kauft geweſen ,
Ein dritter Druck des andern Theils , ſehr wol beſorgt , aufs neu zu leſen .
Nicht unrecht ſag ’ ich wol beſorgt ; weil der gelehrte Zimmermann ,
Deß edles Feur zur Poeſie kein Dichter gnug bewundern kann ,
Des Abdrucks Aufſicht uͤbernommen .
Die abgewandten Ungluͤcks-Faͤlle ſo von den Meinen , als von mir ,
Sind , liebſter Vater , nicht zu zehlen ; da ſonſten alle Elementen
Uns aufzureiben faͤhig ſind , und Leib und Gut verderben koͤnnten ,
Wenn du uns nicht behuͤteteſt . Dir ſey Lob , Ehr ’ und Danck dafuͤr !
Zumahl daß du von meiner Frauen , in einer ſichtbaren Gefahr ,
Jn welcher , ohne deine Huͤlffe , unmoͤglich ihr zu helffen war , H h 2 Durch 484
Durch deine maͤcht’ge Wunder-Hand ,
Den Schaden , der faſt unvermeidlich , recht wunderthaͤtig abgewandt ,
Da ſie , im Regen-Tuch gehuͤllt ,
Aus einer Gutſchen ruͤcklings fiel ,
Wie ſie zur Kirche fahren wollte . Wobey ſie ſo zu liegen kam ,
Daß auch , bey feſt-geklemmtem Fuß , ſie dennoch keinen Schaden nam .
Sey inniglich dafuͤr gedanckt , gelobt , geruͤhmet und ge - prieſen ,
Daß du in dieſer Noth dich ihr ſo huld - und Gnaden-reich erwieſen !
Ach , laß noch ferner neben ihr , ſo mir , als allen lieben Meinen ,
Jn allerley Gefahr und Noth , doch deine Gnaden-Huͤlff ’ erſcheinen !
Wenn auch , nach unſrer Stadt Verfaſſung , mich dieſes Jahr die Reihe trift
Zur Amptmannſchaft nach Ritzebuͤttel , wovon die Ordnung ſo geſtift’t ,
Daß man daſelbſt ſechs Jahre bleibt , und auch , daß ſolche Wuͤrde man ,
Wenn man ſie etwann nicht verlangt ,
An einen andern laſſen kann ;
So gieb , o HErr , daß , eh ich wehle , ich es vernuͤnftig uͤberlege ,
Und , ſo fuͤr mich , als meine Kinder , hierin das Beſte weh - len moͤge !
Damit , ich thu es oder laß es , ich deß , was ich gewehlt , mich freue
Und daß in dieſer Sache das , was ich gewehlt , mich nicht gereue ! Auf 485
Auf dich allein verlaß ich mich ; denn daß der menſchliche Verſtand
So leicht durch Leidenſchaft geblendet , iſt mir nur gar zu wol bekannt .
Gieb nur , daß ich hier oder dort , damit ich dir gefaͤllig lebe ,
Und , dir zur Ehr ’ dein Werck betrachte , nach allen Kraͤften mich beſtrebe !
Jnſonderheit laß dieß Gebeth doch , wie ein Rauchwerck , vor dir tuͤgen !
Laß mich das Wunder meiner Rede dir oftermahls mit Freuden weih’n !
Laß mich ſo lang ich leb ’ , in dir mich an dem irdiſchen ver - gnuͤgen ,
Und laß mich dort , mit ew’gen Liedern , fuͤr alle Wolthat danckbar ſeyn !
[figure] H h 3 Zur 486 Zur Neuen-Jahrs-Betrachtung des 1735ſten Jahres . B ey der wunderbahren Ordnung der Bewegung unſrer Welt ,
Draus dem menſchlichen Geſchlecht ein ſo groſſer Nutz ent - ſpringet ,
Und wodurch der weiſe Schoͤpfer alles naͤhret und erhaͤlt ,
Jſt es billig unſre Pflicht , daß man ihm ein Opfer bringet ;
Sonderlich zu dieſer Zeit , da die Flaͤchen unſrer Erden ,
Die von uns bewohnet ſind , ſich nicht mehr vom Sonnen - Licht ,
Wie bißher geſchehn , entfernen ; ſondern , welches jetzt ge - ſchicht ,
Nach der Waͤrm ’ und Lebens-Quelle wieder hingelencket werden .
Dieß ſoll nun hierin beſtehn , daß wir , da im vor’gen Jahr ,
Unſrer Rede Wunder-Werck , GOtt zum Ruhm , betrach - tet war ;
Auch nunmehr von unſrer Seelen , die ſich mit dem Ton vermaͤhlet
Und die , da ſie in uns redet , ihn formiret , ihn beſeelet ,
Und ſo viele Wunder wirckt , etwas dem zum Ruhm ge - dencken ,
Welcher mit ſo reger Kraft ſie gewuͤrdigt zu beſchencken .
Aller Weſen HErr und Schoͤpfer ! ew’ger Urſprung aller Kraͤfte !
Ew’ge Liebe , Macht und Weisheit ! ſegne dieſes mein Geſchaͤfte !
Es gereiche mein Beginnen uns zur Andacht und zur Lehre !
Aber auch abſonderlich dir , HErr Zebaoth , zur Ehre !
Da 487 D a wir , wenn wir auſſer uns , GOttes Creatur betrachtet ,
Und , fuͤr Luſt erſtaunt , darin , Weisheit , Lieb ’ und Macht beachtet ;
Scheint das Weſen unſers Geiſts ( wodurch wir die Schoͤn - heit ſehn ,
Sie erkennen , und in ihnen , daß ein GOTT ſie ſchuf , verſtehn ,
Jhn bewundern , ihn verehren ; ) ja vor allen andern wehrt ,
Daß , ſo viel uns moͤglich iſt , wir , nach allen Seelen - Kraͤften ,
Auf ſich ſelber reflectirend , auf ſie ſelbſt das Dencken heften .
Weil , je mehr wir uns bemuͤhn , unſre Seele zu ergruͤnden ,
Und , in ihr , ein Meer voll Wunder , welches unergruͤnd - lich , finden ;
Wir , den ewig-ſeelgen Urſprung ihres Weſens zu erhoͤhn ,
Uns um deſtomehr geſchickter , faͤhiger und ſtaͤrcker ſehn .
Ja , es wird verhoffentlich , wenn wir in uns ſelber dringen ,
Und die Seele ſich erwegt , unſre Seel ’ auf dieſe Weiſe ,
Da ſie GOtt in ſich erkennt , zum vermehrten Ruhm und Preiſe ,
Jhrem groſſen Schoͤpfer ſich gleichſam ſelbſt zum Opfer bringen .
Dahingegen wer die Kraͤfte ſeines Geiſtes nicht erwegt ,
Und , was unſer GOtt fuͤr Wunder wunderbar darein gelegt ,
Nie betrachtet , noch erwogen ; kann unmoͤglich ſeine Pflichten ,
Die in froͤlicher Bewundrung und im Danck beſtehn , verrichten .
Es iſt ungluͤckſeelig gnug , daß viel tauſend Menſchen leben ,
Die auf ihrer Seelen-Kraͤft ’ uͤberall nicht acht ’ gegeben , H h 4 Nim - 488
Nimmermehr fuͤr ihren Wehrt GOtt ſich danckbarlich er - wieſen ,
Nimmer ihre groſſe Urqvell voller Luſt und Danck ge - prieſen !
Sencke dich denn meine Seele , durch dich , in dein eignes Weſen !
Unterſuche , durch dich ſelbſt , aus wie mannigfacher Kraft
Dein nicht leiblichs Seyn beſtehe , und wie manche Ei - genſchaft ,
Die zum Theil faſt Goͤttlich ſcheinen , der dich ſchuf fuͤr dich erleſen !
Aber ach ! welch eine Tieffe voller lichten Dunckelheit ,
Treff ’ ich in mir ſelber an ! doch , die Daͤmmerung wird klar
Und ich werd ’ , als wie im Nebel , einer reinen Heiterkeit ,
Die durch tiefe Schatten bricht , mit Verwunderung gewahr .
Wenn ich eigentlich die Art , wie und wo die Seele dencket ,
Scharf betrachtend uͤberlege , ſcheint ja wol der Kopf allein
Jhre Werckſtat , ohne Zweifel , und ihr Auffenthalt zu ſeyn .
Nun iſt unſer Kopf , wenn man auf ihn unſre Blicke lencket ,
Faſt an Form den Kolben gleich eines Helms , in welchem man
Aus den Kraͤutern ihre Geiſter treiben , in die Hoͤhe fuͤhren ,
Die zerſtreuten Duͤnſte binden , gantz zu oͤberſt diſtilliren ,
Und , da ſie ſich abwaͤrts lencken , ſammlen und ſie nuͤtzen kann .
Wann es nun nicht minder wahr , daß , biß zu des Sche - dels Decken ,
Unſre geiſtige Gedancken , weiter aber nicht , ſich ſtrecken ;
Sondern ( was wir auch von ihnen , durch uns ſelbſt ge - taͤuſchet , glaͤuben )
Nie aus unſerm Kopfe kommen , und beſtaͤndig in ihm bleiben ;
Scheint es mir der Muͤhe wehrt , dieſem weiter nachzugehn ,
Und , ob wir vielleicht hiedurch auf der wirckenden Natur
Uberall zu ſehende , uͤberall verborgne Spur
Etwann naͤher kommen koͤnnen ? noch was weiter nachzuſehn .
Es 489 Es iſt gantz gewiß an dem , wenn wir mit Vernunft erwegen
Und mit achtſamer Betrachtung gruͤndlich bey uns uͤberlegen ;
Daß die menſchlichen Gedancken nimmer , wie ſie etwan ſcheinen ,
Und , aus eitlem Unbedacht , faſt die meiſten Menſchen meinen ,
Sich von uns hinweg begeben , ſich aus unſerm Kopf ent - fernen ,
Daß ſie ſich in ſchneller Eile , bald von hier nach Aſia ,
Bald zu uns zuruͤck , und bald wieder in America ,
Jn den finſtern Abgrund bald , bald gen Himmel , bey den Sternen ,
Sich , weit ſchneller wie der Blitz , heben und verfuͤgen koͤnnen .
Nein ! wol aber , daß dieſelben ſich , vor ſich , nicht von uns trennen ;
Sondern in dem Obern-Theil unſers Kopfs , alwo die Schrancken
Alles menſchlichen Begriffs , aller menſchlichen Gedancken ,
Unaufhoͤrlich ſich befinden . Nun entſtehet dieſe Frage ,
Ob die Werckſtatt unſers Coͤrpers etwan dergeſtalt formirt ,
Daß , durchs innerliche Feuer , das , von dem , was durch die Sinnen
Jn uns etwann eingegangen , was an Kraft und Geiſt darinnen ,
Durch ſo mancherley Canaͤle unaufhoͤrlich ſublimirt ,
Und im Hirn dem Sitz der Seelen , von der Seelen reflectirt
Eingerichtet , eingetheilet , auch vereint ſey und regirt .
Ja , da Blut und Nerven-Saft , unaufhoͤrlich circulirt ,
Auch ſo gar ſelbſt im Gehirn , duͤrfft es nicht unmoͤglich ſcheinen ,
Daß mit unſerm Lebens-Saft , ſelbſt Jdeen ſich vereinen , H h 5 Und 490
Und damit verbinden koͤnnten ! waͤren’s auch nur die Jdeen ,
Welche durch genoͤß’ner Coͤrper Geiſtigkeit und Kraft ent - ſtehen ,
Und ins Hirn gefuͤhret werden , wo ſie ſich mit andern binden .
Wie der Coͤrper durch die Theile , welche coͤrperlich ſich naͤhrt ,
Wird vermutlich durch die Kraͤfte , die im Nahrungs-Saft ſich finden ,
Wenigſtens den Lebens-Geiſtern , eine Art von Kraft gewaͤhrt ,
Da ja alles voller Kraͤfte . Finden wir , daß Leib und Seelen ,
Wuͤrcklich und unwiederſpraͤchlich , mit einander ſich ver - maͤhlen ;
Scheinet es nicht minder moͤglich , daß die menſchlichen Jdeen
Auch vom Coͤrper etwas haben , und aus beyderley beſtehen ,
Die ſich denn , wenn ſie beſtaͤndig mit dem wallenden Gebluͤte
Sich verbinden und vereinen , ihren Einfluß nicht allein
Jn den Coͤrper , ſondern auch , wenn ſie wol verbunden ſeyn ,
Einen ſtarcken Eindruck machen in den Geiſt und ins Ge - muͤhte .
Scheinet nicht die Bibel ſelber dieſes deutlich anzuzeigen ,
Wenn ſie ſpricht daß aus dem Hertzen ſuͤndliche Gedancken ſteigen ,
Welches , wenn wir es erwegen , durch des Blutes Lauf allein ,
Das uns aus dem Hertzen ſteiget , glaͤublich muß gewircket ſeyn .
Ob wir nun dadurch das Weſen unſrer fluͤchtigen Jdeen
Nicht nach allen ihren Theilen , und nur oben hin verſtehen ;
Scheint es doch ein groͤſſer Licht , als vorher , uns anzuſtecken ,
Und mich deucht , ob koͤnne man etwas deutlicher entdecken , Wie 491
Wie ( zum Beyſpiel ) unſer Geiſt eine ſolche Fertigkeit ,
Bloß durch Fleiß und Muͤh , erhalten , ein Clavir ſo ſchnell zu ruͤhren ,
Daß , wenn unſer ’ Augen kaum , die geſchriebnen Noten ſpuͤren ,
Die gelencken Finger gleich , in faſt nicht getheilter Zeit ,
Wie der Blitz ſich hoͤren laſſen ; welches von der regen Seele ,
Durch die von dem oͤfftern Fleiß wol geoͤfneten Canaͤle ,
Glaublich bloß gewircket wird . Ja wenn ich noch weiter geh ,
Und mit ſcharffem Ernſt bedencke , wie im Hirn , dem Sitz der Seelen ,
Von den mancherley Jdeen , ſo dort , die Vernuͤnftige
Durch den Mund ſich in der Rede , oder durch die Hand in Schriften ,
Abwaͤrts ſencken , und durchs Ohr oder Aug ’ ein Denckmahl ſtiften ,
Selbſt in einer fremden Seele ; wenn ich , ſag ich , dieß be - dencke :
Deucht mich , daß ich etwas tieffer mich ins Thun der Seele ſencke .
Ob ich nun gleich wohl begreiffe , daß dieß etwas ; doch nicht viel :
Hab ’ ich doch , ſo viel mir moͤglich , meine Pflicht in acht ge - nommen ,
Und verhoffe , daß ein andrer naͤher noch zu dieſem Ziel ,
Mit weit mehr geſchaͤrften Augen , und vielleicht bald duͤrfte kommen .
Aber , laßt uns nach dem Endzweck , welchen wir uns vorgenommen ,
Auf die Handlungen und Kraͤft ’ unſers Geiſts nunmehro kommen !
So wie wir das Sonnen-Licht , bloß im Gegenſchlag , nur ſehn ;
Kan man unſre Seelen-Kraͤfte , durch Erfahrung nur verſtehn .
Wie 492 Wie die Seelen mit dem Coͤrper , durch fuͤnf Sinnen ſich ver - binden ,
Und dadurch was auſſer ihnen auf verſchiedne Weiſ ’ em - pfinden ;
Scheinen in der Seele ſelber auch fuͤnf Kraͤfte ſich zu finden ,
Als : Verſtand , Gedaͤchtniß , Wille , Kraft Jdeen zu erzielen ,
Und , zur Luſt als auch zum Nutzen , eine Leidenſchaft zu fuͤhlen .
Alle ſind von ſolchem Wehrt , ſieht man ſie vernuͤnftig an ,
Daß ſie nur ans GOtt entſtehen , und nur GOtt ſie ſchencken kann .
Dieſe naͤher zu beleuchten , zu des Schoͤpfers Ehr ’ allein ,
Und in ihnen GOtt zu preiſen , ſoll itzt unſer Abſicht ſeyn .
Erſtlich kann man in der Seelen durch Erfahrung gleichſam fuͤhlen ,
Daß von aͤuſſerlichen Dingen , welche Coͤrperlich ſind , Zeichen , ( So mit Lettern einer Schrift nicht unfuͤglich zu vergleichen )
Und aus dieſen , wenn dieſelben wol gefuͤget ſind , Jdeen ,
Die von auſſen an ſie kommen , ſinnlich in der Seel entſtehen .
Aber ſie kann innerlich , ſelbſt Jdeen auch erzielen ,
Dadurch , daß ſie in ihr ſelber ihre Handlungen verſpuͤhret ,
Als Empfinden , Dencken , Zweifeln , Trauen und der - gleichen mehr ;
Hieraus nun entſteht nicht minder ein ſo groß Jdeen-Heer ,
Daß es nimmermehr zu zehlen . Den Jdeen nun gebuͤhrt
Nicht der Nahme , daß ſie ſinnlich : doch empfindlich ſie zu nennen ,
Wird man , ohne ſich zu irren , glaub ’ ich , kuͤhnlich wagen koͤnnen .
Dieß ſind die zwo groſſen Qvellen , draus in uns , von al - len Dingen ,
Sie ſeyn leiblich oder geiſtig , wuͤrckliche Begriff entſpringen .
Eine 493 Eine haben wir in uns , und ob wir ſie eigentlich
Einen Sinn mit Recht nicht heiſſen , weil man uͤberall nicht findet ,
Daß ſie mit den aͤuſſern Dingen ſich unmittelbar verbindet ;
Gleicht ſie doch den Sinnen ſehr , und ich unterſtehe mich ,
Einen innerlichen Sinn ſie , nicht ohne Grund zu nennen .
Jene wird man Sinnlichkeit ſonder Zweifel heiſſen koͤnnen ,
Dieſe deucht mich , daß ſie deutlich und nicht unverſtaͤndlich ſtecke
Jn dem Wort Reflexion . Sich Jdeen vorzuſtellen
Jm Verſtande , welche nicht aus den zwo beſagten Quellen
Jn ihn gleichſam eingefloſſen , dieſes , ſag ’ ich , koͤmmet mir
Allerdings nicht wol begreiflich , noch der Wahrheit aͤhnlich , fuͤr .
Dieſe beide Qvellen nun der Jdeen , die den Seelen
Von dem Schoͤpfer eingeſencket , ſind ja wol vor andern wehrt ,
Daß man , durch Betrachtungen ihres Wehrts , den Schoͤp - fer ehrt ,
Weil wir keine Menſchen waͤren , ſollten uns dieſelben fehlen .
Es iſt eine mit der andern wunderbar in uns verbunden .
Durch die eine ſehen wir die uns ſonſt verborgne Spur
Der fuͤr uns erſchaffenen Creatur und die Natur ;
Durch die andre wird der Schoͤpfer in der Creatur ge - funden .
Eine , wenn mans unterſuchet , ſcheinet zwar auch bey den Thieren ,
Die , wie wir , auch Sinnen haben , zu vermercken und zu ſpuͤren ,
Doch die andre , da man oͤfters , aneinanderhaͤngend , denckt
Und vernuͤnft’ge Bilder zeugt , iſt den Menſchen nur geſchenckt .
Da 494 Da wir nun , auf dieſe Weiſe , die zwo Quellen der Jdeen
Uberhaupt erſt angeſchaut ; laſſet uns denn weiter gehen
Und die noch viel groͤßre Gabe , den Verſtand , nun auch beſehen .
Doch iſt unſer Zweck allhier , weniger ihn zu beſchreiben ,
Als den Nutzen , welchen er uns verſchaffet , zu beſehn ,
Um dadurch , wenn wir denſelben ſo empfinden als verſtehn ;
Uns , den Schoͤpfer zu bewundern und zu loben , anzu - treiben .
Der Verſtand , durch den allein Menſchen ſich von Thie - ren trennen ,
Jſt mit Recht ein himmliſch Feur und ein Goͤttlich Licht zu nennen ,
Das die Vorwuͤrff ’ unterſuchet , ſie beleuchtet , unterſcheidet ,
Als auf einer Wage wieget , ſie begreift , vergleicht und wehlt ,
Wenn ſie ſelbe nuͤtzlich haͤlt ; ſie im Gegentheil vermeidet
Wenn ſie ſie fuͤr ſchaͤdlich ſchaͤtzt , und gewahr wird , wenn ſie fehlt .
Durch Vernunft ſind wir allein uͤber alle Thier ’ erhoben ;
Durch Vernunft erkennen wir einen Schoͤpfer aller Welt ;
Auch daß , wie er ſie geſchaffen , er ſie auch allein erhaͤlt ;
Durch Vernunft begreiffen wir , daß wir ſchuldig , ihn zu zu loben .
Sie iſt faͤhig aller Weisheit ; ſie belehret uns allein ,
Daß wir von dem Schoͤpfer ſtammen , daß wir unvergaͤng - lich ſeyn .
Alle Coͤrper , die wir ſehn , fuͤhlen , riechen , ſchmecken , hoͤren ,
Stehn im Schau-Spiel dieſer Welt , in geſtimmter Harmonie ;
Alle thoͤnen GOtt zum Preiſe , alle ſingen ihm zu Ehren ,
Seiner Lieb ’ und Macht zum Ruhm . Dennoch aber ſingen ſie
Sonder Dencken und Verſtand ; wir nur wiſſen , daß wir ſingen ;
Wir erkennen , daß wir ſchuldig , dem Lob , Ehr ’ und Danck zu bringen ,
Der 495 Der die Weisheit ſelber iſt , der uns im vernuͤnft’gen Dencken ,
Aus der Quelle ſeines Weſens auch ein Troͤpfgen uns zu ſchencken ,
Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat . Bloß durch des Verſtandes Licht
Sehen wir , daß wir zu dem , was wir ſind , uns ſelber nicht ,
Sondern bloß ein GOtt , gemacht ; daß wir alle Wunder - Gaben
Nicht uns ſelber zuzuſchreiben , daß wir ſie empfangen haben ,
Ohn Verdienſt , aus bloſſer Huld . Ja wir koͤnnen ferner wiſſen ,
Durch die Kraͤfte des Verſtandes , daß , in allen ſeinen Wercken ,
Unſer Schoͤpfer zu verehren ; daß wir auf dieſelben mercken
Und , in ihnen , ſeine Weisheit , Lieb ’ und Macht bewundern muͤſſen .
Ja , wer weiß im irdiſchen des Verſtandes Nutz und Wehrt
Fuͤr das menſchliche Geſchlecht recht und hoch genug zu ſchaͤtzen ,
Da er uns ſo wol verliehn zur Erhaltung , zum Ergetzen ,
Als , daß auch ſich unſer Nutzen durch denſelben ſtets vermehrt .
Die Unſchaͤtzbarkeit derſelben wird man beſſer nicht beaugen ,
Noch den Wehrt , der unbeſchreiblich , klaͤrer zu begreiffen taugen ,
Als wenn man ſich in Gedancken , etwann eine tolle Welt ,
Sonder einige Vernunft , vor ſein Seelen-Auge ſtellt .
Welche wuͤſte Barbarey , welche Wolfs - und Moͤrder - Hoͤlen ,
Welch ein raſendes Betragen , wuͤrde man auf Erden ſehn !
Alles wuͤrde ſonder Ordnung ſich verfolgen und entſeelen ,
Alles wuͤrd ’ , in ſtetem Aufruhr , wuͤtend durch einander gehn ,
Welch 496 Welch ein Zuſtand ! wenn man ſaͤhe Menſchen , ohn Vernunft , mit Hauffen ,
Sonder Ordnung , Zweck und Abſicht , an - und durch einander lauffen ,
Wenn der Geiſt von allen Menſchen , wie von Wein be - nebelt , ſchwer ,
Und ein jeder ſtets berauſcht , ohne Schaam und Abſicht waͤr !
Ja , wenn ſie auch gleich nicht raſ’ten , ſondern etwann ſimpel , dumm ,
Sonder Witz , Begriff und Urtheil , ohne Trieb , verwirret ſtumm !
Welch ein wuͤſt und elend Leben , wuͤrd ’ man aller Orten ſpuͤren !
Welch ein wilder Jammer wuͤrd ’ uͤberall ſo dann regieren !
Ehr ’ , Empfindlichkeit , Vergnuͤgen , alle Guͤter dieſer Erden
Hoͤrten Guͤter auf zu ſeyn , koͤnnten nicht genoſſen werden .
Wie wir , wie es ungefaͤhr allenthalben wuͤrde ſtehen ,
An Nebucadnezars Zuſtand ein entſetzlich Beyſpiel ſehen .
Jſt denn nicht ein ſolcher Schatz , den uns GOtt geſchencket , wehrt ,
Daß man ſeinen Wehrt erwegt , und davor den Geber ehrt ,
Daß man eben dieſe Kraͤfte , die er ſelbſt in uns gehaucht
Durch Betrachtungen bewundert , und zu ſeinem Preiſe braucht ?
Ferner ſteckt in uns die Kraft , nicht , unſichtbare Geſtalten
Von Jdeen , nur zu zeugen , auch noch ſelbe zu behalten
Durch Betrachten und Erinnern . Die gereichen ja ſo ſehr ,
Als die andren , uns zum Nutzen und dem , der ſie gab , zur Ehr.
Da , wenn uns die erſte fehlte , wir ja nichts von allen Dingen ,
Die nicht gegenwaͤrtig , wuͤſten ; alles was nicht weſentlich
Was vergangen , was zukuͤnftig , davon wuͤrde keiner ſich
Einigen Begriff einſt machen . Weil dieſelben nicht ent - ſpringen
Aus 497 Aus der Sinnen Gegenwurf . Ach , wie wuͤrden die Ge - dancken ,
Ohne dieſe Wunder-Kraͤfte , nur ſo klein ’ und enge Schrancken ,
Und wie wenig Vorwuͤrff ’ haben ! Aber unſer GOTT hat wollen ,
Daß auf ungezehlte Weiſe wir uns hier vergnuͤgen ſollen .
Wenn wir dieſes Wunder Werck , mit Bedacht , einſt uͤberlegen ;
Kann kein Menſch deſſelben Groͤſſe recht ermeſſen noch er - wegen .
Welch ein unbegreiflichs Weſen , welch ein Wunder ! daß man ſich
Dinge , die nicht wuͤrcklich da , Dinge , die nicht weſentlich ,
Sich , als weſentlich und wuͤrcklich , dergeſtalt weiß vorzu - ſtellen ,
Daß ſie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit - und Ver - gnuͤgungs-Quellen
Auf ſo manche Weiſe werden . Dieſes Wunder nur allein
Zeigt , wie weiſe , maͤchtig , liebreich unſer Schoͤpfer muͤſſe ſeyn .
Das Gedaͤchtniß nun vermehrt noch alle dieſe Wunder - Wercke ,
Da ich , was ich einſt gewuſt , durch Erinnern wieder mercke .
Da wir in uns , im Gedaͤchtniß , von ſo vielen Wunder - Gaben ,
Von Gedancken und Jdeen ein gefuͤlltes Schatz-Haus haben ,
Wohinein , weil wir zugleich nicht auf vieles koͤnnen dencken ,
Wir die Menge der Jdeen gleichſam wiſſen zu verſencken .
Wer nur einen Menſchen einſt , welchem ſein Ge - daͤchtniß fehlet ,
So daß er ſich nichts erinnert , je gekannt hat und geſehn ;
Wie er , gleichſam als ein Kind , faſt kein menſchlich We - ſen habe ;
Wird , aus ſeiner Noth und Plage , dieſes Schatzes Wehrt verſtehn
Und dem Geber dancken lernen , fuͤr ſolch ’ unſchaͤtzbare Gabe .
J i Uber 498 Ueber dieſe Seelen Kraͤfte , herrſchet noch in unſrer Seele
Eine Wunder Kraft zu WOLLEN . Da ich nemlich et - was wehle ,
Welches mir gefaͤllt ; und meide , was mir nicht gefaͤllig iſt .
Dieß Vermoͤgen iſt ſo noͤhtig , daß wir , wenn mans recht ermißt ,
Ohne dieß kaum Menſchen waͤren . Koͤnnten wir uns nicht entſchlieſſen ;
Wuͤrden wir , in ſtetem Zweifel , weder etwas boͤſes fliehn ,
Noch was gutes zu erwehlen uns entſchlieſſen , uns bemuͤhn ;
Folglich wuͤrden alle Menſchen , ungeſchickt zu allen Dingen ,
Nichts von allen ihren Pflichten aufgelegt ſeyn zu voll - bringen .
Handel , Wandel , Acker-Bau , Eh ’ , Geſchellſchaft , Policey ,
Alles hoͤrte ploͤtzlich auf , wenn es uns an Willen fehlte ,
Und man ſich mit Ungewißheit , ohn Entſchlieſſen , immer qvaͤlte .
Dieſer Wahrheit tritt nicht nur das bekannte Sprichwort bey :
Daß ein Thor , der ſich entſchlieſſet , kluͤger , als zehn Kluge , ſey ,
Die ſich nicht entſchlieſſen koͤnnen ; ſondern jeder wird geſtehn ,
Daß die menſchliche Geſellſchaft , ohne dieſe Kraft , vergehn
Und durchaus verkommen muͤſte .
Dieſer Will iſt eigentlich eine ſolche Eigenſchaft
Unſers Geiſtes , oder beſſer : er iſt eine rege Kraft ,
Die Gedancken einzurichten , daß ein ’ Handlung auf der Erde
Vorgenommen , fortgefuͤhret , oder auch gehemmet werde .
Wenn wir nun nicht wollen koͤnnten ; wuͤrd ’ auf un - ſerm Erden Kreiſe
Alles was wir ſehn , verwirrt und , auf recht betruͤbte Weiſe ,
Alles 499 Alles oͤd - und wuͤſte ſeyn ; weil ſich keiner je bemuͤhn
Weder koͤnnte , wollt ’ und wuͤrde , etwas Gutes zu erziehn ,
Etwas Gutes anzuordnen , etwas Gutes zu verrichten .
Ja , wir waͤren ungeſchickt auch zu den geringſten Pflichten .
Hieraus kann man nun zugleich und zwar uͤberzeug - lich ſehn ,
Welch ein Wunder-Werck vom Schoͤpfer dadurch bloß in uns geſchehn ,
Da uns GOTT die Kraft zu wollen wunderbarlich ein - geſenckt ,
Auch zugleich , daß man dieß Wunder leider wenig uͤber - denckt ,
Und noch minder dem erkaͤnntlich danckt , der uns die Kraft geſchenckt .
Von den Kraͤften unſers Willens , ob er an ſich ſel - ber frey ,
Oder ob deſſelben Freyheit gleichſam eingeſchrencket ſey
Durch den Zuſtand unſers Coͤrpers , durch den Fall , durch unſer Blut ,
Durch der Leidenſchaften Kraͤfte , Wallen , Heftigkeit und Wut ,
Wollten wir zwar unterſuchen ; doch wird man bekennen muͤſſen ,
Daß , was wir begreiffen , Schwachheit ; und nur Stuͤck - Werck unſer Wiſſen .
Es kann keine Freyheit ſeyn , wo kein Trieb , kein Will ’ und Dencken ;
Aber Dencken , Trieb und Wille kann wol ſonder Freyheit ſeyn .
Eigentlich hat eine Freyheit mit dem Willen nichts gemein .
Denn der Will ’ iſt ein Vermoͤgen , ſo fuͤr ſich ſelbſt wirckt , allein ,
Und kann eigentlich die Freyheit nie zur Willens Eigenſchaft ,
Noch mit ihm vermiſchet , werden , als der wuͤrcklich eine Kraft .
J i 2 Wie 500 Wie der Willen ein Vermoͤgen , die Gedancken zu regieren ,
Neue Sachen zu beginnen , ſolche weiter auszufuͤhren ,
Oder es auch einzuſtellen , in ſo fern ſie bey uns ſtehn ;
So hingegen
Jſt die Freyheit ein Vermoͤgen
Was zu thun , was nicht zu thun , wie es unſer Geiſt kann faſſen ,
Ob es beſſer ſey zu thun , oder es zu unterlaſſen ?
Alſo ſcheinet in der That , daß die Seel , in jeder Sache ,
So wie ſie das Urtheil faͤllet , unſern Willen rege mache .
Jſt der Geiſt nun ſelber frey , ſo daß keine Leidenſchaft ,
Keine Noth , kein Vorurtheil , keiner wilden Hitze Kraft
Jhm ſein helles Licht benebelt ; wehlt und will er das was gut :
Uebereilet ihn hingegen der Begierden Heftigkeit ,
Druͤckt ihn Furcht , betruͤbte Schwermuth , Grimm , Ver - achtung , Haß und Neid ,
Stockt durch coͤrperliche Schwachheit , oder wallt ſein feu - rig Blut
Von Begierde , Brunſt und Liebe ; ſcheints daß er , ſo we - nig frey
Zum vernuͤnftigen Erwegen , als der Will zum Wollen ſey .
Bey den Kraͤften der Begierden , bey der Leidenſchaften brennen ,
Wird man den Verſtand am beſten einem Mann verglei - chen koͤnnen ,
Welcher bey entſtandnem Feuer oben auf des Giebels Spitze
Den gefaͤhrlich wilden Brand , durch das Zuthun einer Spritze ,
Voller Muth zu daͤmpffen ſucht ; welches ihm zuweilen gluͤckt ,
Daß er die entſtandne Flamme daͤmpfet , loͤſcht und un - terdruͤckt ;
Aber 501 Aber auch , von ihr beſiegt , wenn derſelben Loh ’ zu heftig ,
Und ſein Wiederſtand zu ſchwach , ſeine Macht nicht gnug - ſam kraͤftig ,
Muß er ſich zuruͤcke ziehen ; dieſes Beyſpiel iſt zwar gut
Und es weichet der Verſtand oft der Leidenſchaften Wuth ;
Aber daraus folget eben , daß es noͤthig , die Jdeen ,
Jhre Wirckung , ihre Kraft , und Natur recht einzuſehen ,
Wenigſtens ſo viel es moͤglich , um , wo moͤglich , ihrer Macht
Durch die Kraͤfte der Vernunft , kraͤftiglich zu wiederſtehen .
Denn wo dieß nicht moͤglich iſt , bleibt es wahr , was ich gedacht ,
Daß , wie ſehr wirs auch behaupten , wir doch keinen freyen Willen ,
Jn und bey uns haben koͤnnten . Bleibt es nun gleich wuͤrck - lich wahr ,
Es kommt durch die Leidenſchaft unſer Geiſt oft in Gefahr ,
Und es nimmt ihr ſchneller Trieb , und ihr Blitz geſchwin - der Brand ,
Ehe wir es uns verſehn , oͤfters bey uns uͤberhand ,
Wenn man nichts als Gegenwuͤrf oder Gruͤbeley allein
Jhrer Wuth entgegen ſetzt ; aber darum muß man lernen ,
Daß wir doch derſelben Grimm von uns wuͤrcklich zu ent - fernen ,
Und zwar mehr , als man gedenckt , mehrentheils im Stande ſeyn .
Dieſes Mittel will ich zeigen . Wenn wir uns geruͤhret ſehen
Durch die gar zu ſtarcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen ;
Muͤſſen wir mit allem Ernſt eyfrig andere Jdeen
Jn uns zu erzielen ſuchen , und , durch ein veraͤndert Dencken ,
Statt der erſten nachzuhangen , und im Feuer ſtets zu ſchuͤren ,
Jhm vielmehr die Nahrung rauben , und uns auf was anders lencken .
J i 3 So 502 So wie eine Furcht die ander ’ am gewiſſeſten vertreibt ;
Kann ein Denck-Bild auch das ander ’ am gewiſſeſten ver - jagen .
Durch Vernunft-Schluͤß ’ uns zu helffen , iſt viel ſchwerer , als man glaͤubt ,
Durch veraͤnderte Jdeen laͤßt es ſich weit ſichrer wagen .
Die Jdeen nun zu zeugen , ſteht weit mehr in unſrer Macht ,
Als du ſelbſt , geliebter Leſer , ſo wie ich , bißher gedacht .
Stuͤnde dieſes gantz und gar nicht in menſchlichem Vermoͤgen ,
Koͤnnte man uns keine Suͤnde , kein Vergehn zu Laſten legen .
Bloß nur in der Faͤhigkeit , in der freyen Eigenſchaft
Von Jdeen , die wir haben , uns zu andern hinzulencken ,
Jn dem wuͤrcklichen Vermoͤgen , in der ungezwungnen Kraft ,
Bald auf dieſes , wenn man will , bald auf jenes zu ge - dencken ,
Stecket eigentlich allein das , was man an unſerm Geiſt
Einen freyen Willen heißt .
Denn wofern wir in uns wuͤrcklich kein Vermoͤgen haben ſollten ,
Die Jdeen zu veraͤndern , wenn wir noch ſo gerne wollten ;
Jſt es wahr , daß man ſich nicht von dem Pfad der War - heit trenne ,
Wenn man ſpricht , daß man ſo dann keiner Suͤnd ’ uns zei - hen koͤnne .
Nach dem Willen , muͤſſen wir auf die Leidenſchaften ſehn ,
Als durch deren ſtarcke Triebe , viele Ding in uns geſchehn .
Unſern Willen treibt allein des Verlangens Aengſtlichkeit
Bald von gegenwaͤrt’ger Pein , Schmach und Armuth ſchnell befreit ,
Oder vom entfernten Guten eiligſt im Beſitz zu ſeyn .
Wenn 503 Wenn wir uns in einem Stande , womit wir vergnuͤgt , be - finden ,
Welches nicht geſchicht , als nur , wenn wir von Begierd ’ und Pein
Nichts empfinden ,
Wird der Geiſt faſt kein Bewegen und ſonſt kein Verlan - gen ſpuͤhren
Als , ſo wie er iſt , zu bleiben , will nichts haben , nichts verlieren .
Wie der groſſe Schoͤpfer nun , unſer Weſen ſchaffen wollen ,
Daß wir nicht in ſtiller Faulheit hier auf Erden leben ſollen ;
Hat er uns fuͤr Durſt und Hunger eine Sehnſucht ein - gepraͤgt ,
Und von andern Trieben mehr einen Druck in uns gelegt ,
Welches denn die rechten Sporen , wodurch wir zu tau - ſend Dingen
Kraͤftig angetrieben werden und woraus allein entſpringen
Alle menſchlichen Geſchaͤfte . Wenn wir , unſern Leib zu naͤhren ,
Das Gemuͤth mit Ruhm zu ſpeiſen , und dann auch uns zu vermehren ,
Nicht , durch Luſt-vermiſchten Drang , wunderbar gepreſſet waͤren ;
Wuͤrden wir , in fauler Stille , ſonder Sehnſucht , ohne Willen
Faſt von allen unſern Pflichten nichts verrichten , nichts er - fuͤllen .
Da ich nun hiebey noch einſt unſer innerſtes erwege
Und das Hirn , das Hertz , den Bauch wol betracht ’ und uͤberlege ;
Scheint es , als ob in uns allen gleichſam ein vereintes Drey
Und ein Reich von dreyen Reichen deutlich anzutreffen ſey .
J i 4 Jm 504 Jm Gehirn ſcheint der Verſtand bey fuͤnf Sinnen zu regiren ;
Jn dem Hertzen ſcheint der Wille meiſt ſein Regiment zu fuͤhren ;
Jn dem Unter-Theil des Leibes ſcheint der Wolluſt Sitz zu ſeyn ,
Dieſen nimmt ſie nebſt den Trieben ſich zu mehren , voͤllig ein .
Jn der Bruſt , dem Reich des Hertzens , will , abſonderlich im Magen ,
Unſer Wille , gleichſam geitzig , fuͤr die Nahrung Sorge tragen .
Aber in dem Obern Theil laͤſſet es , als ob die Ehre
Des Beherſchers , des Verſtandes , Leidenſchaft beſonders waͤre
Die drey Reiche ſind genug , von einander unterſchieden ,
Haben gantz beſondre Graͤntzen , und ein jeglichs ſein Ge - ſchaͤfte ,
Dennoch ſcheint der Circul-Lauf unſers Bluts , verſchiedne Kraͤfte
Jhnen allen mitzutheilen , wie wir oben angeſehn ,
Daß es , und auf welche Weiſe dieſes etwann kann geſchehn .
Bey dergleichen Ueberlegen , ſehn wir , wie die Leiden - ſchaften ,
Und zwar wuͤrcklich uns zum Beſten , kraͤftig an - und in uns haften ,
Doch wird man zugleich gewahr , wenn man es mit Ernſt bedenckt ,
Daß die Herrſchaft des Verſtandes , ob gleich nicht unein - geſchraͤnckt ,
Doch viel gutes ſtiften koͤnne , wenn er nur ſein gantz Ver - moͤgen ,
So wie er ja billig ſollte , waͤr bemuͤhet anzulegen .
Denn daß unſre niedern Kraͤfte , uͤber ihn zu triumphiren ,
Sich ſo oͤfters unternehmen , macht , daß er nicht alle Zeit ,
Mit genngſam-angeſpannten Kraͤften , Fleiß und Feſtigkeit ,
Seinem Feind zu wiederſtehn , und ſein Regiment zu fuͤhren ,
Ernſt - 505 Ernſtlich genug bemuͤhet iſt . Muß er nun auch unterliegen ,
Wenn vielleicht ſein Feind zu ſtarck ; wird er doch gewißlich ſiegen .
Durch ſich ſelbſt und durch die Zeit .
Dieſes waͤre nun , was wir von den Wirckungen der Seelen ,
Und derſelben Leidenſchaften , zu betrachten , zu erzehlen ,
Nach Vermoͤgen uns bemuͤht ; nun verbleibt , trotz allen Sorgen ,
Und Bemuͤhn die volle Wahrheit uns zwar , leider ! doch ver - borgen ;
Dennoch wird uns die Betrachtung nicht nur durch Be - wundrung ruͤhren ,
Sondern uns zum Schoͤpfer ſelber , als der Geiſter Quelle , fuͤhren ,
Zu dem Urſprung aller Kraͤfte , welcher uns , damit wir dencken
Und vernuͤnftig leben koͤnnten , uns ſo manche Kraft zu ſchencken ,
Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat . Laßt uns denn in unſerm Leben ,
Dieſe Gabe , GOtt zu Ehren anzuwenden , uns beſtreben ,
Und , zumahl zu dieſer Zeit , zu erwegen nicht vergeſſen ,
Welch ein reiches Maaß der Gnaden uns dieß Jahr durch ihn gegeben ,
Um dadurch , ſo viel an uns , ſeine Wunder zu erheben .
Mein Geiſt , auf , auf ! Laß deine Kraͤfte , ſo dir dein Schoͤpfer wollen ſchencken ,
Nach Moͤglichkeit beſchaͤftigt ſeyn , bey dieſes Jahres Schluß , der Gaben ,
Die wir im abgewichenen , aus lauter Gnad ’ empfangen haben ,
Uns zu erinnern , und dieſelben mit Luſt und Danck zu uͤber - dencken .
J i 5 Laß 506 Laß das Gedaͤchtniß doch mit Ernſt und allen Kraͤften ſich bemuͤhn ,
Und das , was leider faſt vergeſſen , doch der Vergeſſenheit entziehn !
Es uͤberlege der Verſtand derſelben Groͤſſe , Zahl und Wehrt !
Es zeigen die Betrachtungen , nur GOtt gefaͤllige Jdeen !
Es muͤß in der geruͤhrten Bruſt , dem , der mir ſo viel Guts beſcher’t ,
Zu Ehren , eine heiſſe Sehnſucht zu ſtarcker Gegen-Lieb ’ entſtehen ,
Nebſt einem Ehrfurcht-vollen Trieb ’ in allen Dingen ſeinen Willen ,
Aus danckbarer Erkaͤntlichkeit , zu vollenbringen , zu erfuͤllen !
Mein GOtt ! der du in dieſem Jahr nicht nur das mir geſchenckte Leben ,
Zuſammt dem Leben aller Meinen , geſund erhalten , und zwar ſo ,
Daß auch kein eintziger erkranckt ; was ſoll ich dir zum Opfer geben ,
Fuͤr ſolche Gnad ’ , als das ich innig geruͤhrt , in meiner Seelen froh ,
Nebſt allen Meinen innig wuͤnſche , dein Lob gebuͤhrend zu erheben .
Jch hab in meinem Ampt und Stand ’ , und allen meinen andern Wercken ,
So viel Gelegenheit gehabt , HErr ! deine Fuͤhrung zu be - mercken ,
Daß ich dieſelbige nicht zehlen , noch weniger verdancken kann .
Ach , nimm den dir ergebnen Willen , aus neuer Huld , in Gnaden an !
Verzeihe wenn ich nicht genug aufmerckſam , froh und fromm geweſen ,
Ach 507 Ach habe doch , o ew’ge Liebe ! aus nimmermehr erſchoͤpfter Huld ,
Mit meiner und der Meinen Schwachheit Erbarmen , Nachſicht und Gedult !
Laß von der Unerkaͤnntlichkeit und Undancks-Kranckheit uns geneſen ,
Und gieb , daß ich abſonderlich , fuͤr die , auf tauſend Art und Weiſe ,
All ’ Augenblick mir wiederfahrne Barmhertzigkeit und Huld dich preiſe !
Von meinen dir geweihten Schriften hab ich im abge - wichnen Jahr
So viele Nachricht eingezogen , daß ſie an Hoͤfen , ja ſo gar
Gekroͤhnten Haͤuptern angenehm und ſie dadurch erbaut ge - weſen ,
Wie von Geheimen Raͤhten ſelber , ich oft gehoͤret und geleſen .
Daß auch davon der vierte Theil und faſt in eines Jahres Friſt ,
Jn dieſem Jahr zum andern mahl gedruckt und aufgeleget iſt ,
Der Kinder-Mord zum dritten mahl ; iſt mir ein aber - mahligs Zeichen ,
Daß meinen vorgeſetzten Zweck , ich , immermehr noch zu erreichen ,
Noch immer groͤſſre Hofnung habe . Mein aͤltſter Sohn hat eben auch
Jn dieſem Jahr ein kleines Werck ( zum nicht unnuͤtzli - chen Gebrauch )
Den Xenophon , ans Licht geſtellt , und ein begieriges Verlangen ,
Nicht unnuͤtz in der Welt zu ſeyn , dadurch zu zeigen an - gefangen .
HErr , 508 HErr , ſeegne ferner ſein Beginnen , und wie du ihn , in dieſem Jahr ,
Vor einer , ſonder deine Huld faſt nicht vermeidlichen , Gefahr ,
Da ein herab-geſchoßner Ziegel ſein Kleid getroffen und zerriſſen ,
Der , wo er ſich nicht ungefaͤhr gebuͤckt , ihn haͤtt erſchlagen muͤſſen ,
Recht wunderbar bewahret haſt ; ſo ſey inbruͤnſtiglich ge - beten ,
Nebſt einem Demuth-vollen Danck , ihm ferner gnaͤdig bey - zutreten ,
Mit deiner Engel Huͤlff und Schutz , ſo wol als meinem andern Sohn ,
Der ebenfals im vor’gem Jahr , in einem Zufall gleichfals , ſchon
Beſonders deinen Schutz verſpuͤhrt , da , ſonder Schad ’ und Ungemach ,
Ein morſcher Tritt an einer Stieg ’ im Lauffen unter ihm zerbrach ,
Und er damit herunter fiel , doch ohne den geringſten Schaden .
Dir , HErr , ſey Lob und Danck dafuͤr ! Ach laß die andern all ’ aus Gnaden
Jm kuͤnft’gen Jahr , nebſt meiner Frauen und mir , vor aller Plag ’ und Pein ,
Vor Kranckheit , Kummer und Gefahr , Verdruß und Noht bewahret ſeyn ;
Abſonderlich da ich entſchloſſen , die Amptmannſchaft nicht auszuſchlagen
Die mir , nach unſrer Stadt Verfaſſung , in Ritzebuͤttel auf - getragen !
Ach 509 Ach HErr , ohn deſſen weiſen Willen kein Umſtand ſich er - aͤugen kann ,
Der , durch die Umſtaͤnd ’ aller Dinge , die Dinge , die ge - ſchehn , regiret
Und alles auf verborg’ne Weiſe zum Zweck , der dir gefaͤllig , fuͤhret ,
Ach ſiehe dieſen meinen Schluß , den ich genommen , gnaͤdig an !
Geſegne was ich vorgenommen ! geſegne dieſes mein Beginnen !
Und fuͤhre mich , nebſt allen Meinen , zu rechter Zeit begluͤckt von hinnen !
Ja fuͤhre mich , ſo lang ’ ich dort , entfernt von Kranckheit und Verdruß ,
Entfernt von Krieg und Kriegs-Geſchrey ! Gieb daß die an - gelegten Daͤmme ,
Durch wilde Wind ’ empor gebracht , die wilde Fluth nicht uͤberſchwemme !
Gieb Seegen zu dem Acker-Bau , gieb Gras und Korn im Ueberfluß !
Mir aber gieb inſonderheit zu meinem dortigen Regiren
Den Geiſt der Weisheit daß ich mich beſtrebe , ſo mich auf - zufuͤhren ,
Daß du durch mich geehret werdeſt , damit die Unterthanen mercken
Daß Recht und Tugend den begleiten , der dich in deinen Wunder-Wercken
Zu ehren und zu ſehn bemuͤht ! gieb daß , ſo lang ich dorten lebe ,
Jch ihnen darin ſonderlich ein gut und redlich Beyſpiel gebe ,
Gerechtigkeit und Recht zu uͤben ! laß mich die Richterlichen Pflichten ,
Die ſiebzehnhundert acht und zwantzig und dreyßig von mir aufgeſchrieben ,
Wie hier in meinem Richt-Ampt , auch dort bemuͤht ſeyn auszuuͤben ,
Daß ſie in ihrem Acker-Werck , HErr , deine Wunder , dei - nen Seegen ,
Und ſonderlich ihr eignes Gluͤck , in der Betrachtung ſpuͤh - ren moͤgen ,
Da - 510 Damit auch ſie , dadurch geruͤhrt , vom ſchwartzen Undanck ſich entfernen ,
Jn deinen Wundern dich erheben , und ſich ſelbſt gluͤcklich machen lernen !
Laß mich daſelbſt , o groſſes All , auf Land - und Waſſer - Wunder achten
Und dort die Proben deiner Macht , mit Ehrfurcht und mit Danck , betrachten !
Gieb , daß ich froͤlich dort die Spuren von deiner Weißheit uͤberlege ,
Daß ich , nebſt mir und allen Meinen , auch andre darzu leiten moͤge !
Solt ’ ich vielleicht , nach deinem Rath , mein irrdiſch Leben dort beſchlieſſen ,
Und von der Welt , und meinem Amt , und von den Meinen ſcheiden muͤſſen ,
So gieb , daß ich gelaſſen ſterbe ! Laß mich auf deine Liebe trauen ,
Und feſtiglich verſichert ſeyn , daß du der Meinigen Berather ,
Verſorger , Troſt , Beſchirmer , Helfer , Erretter , Bey - ſtand , GOtt und Vater
Aus Gnaden ſeyn und bleiben werdeſt . Waͤr aber mir nach deinem Willen ,
Ein laͤnger Lebens-Ziel beſcher’t , und ſolt ’ ich die beſtimmte Zeit ,
Wie unſer Wunſch und Hoffen iſt , geſund und in Zufrie - denheit ,
Jn ſtetiger Bewunderung von deiner Lieb ’ und Macht , erfuͤllen ;
So gieb , daß ich , nebſt allen Meinen , ſo lang ’ ich lebe ieden Tag ,
Mich ſolcher unverdienten Gnade erfreuen , und dir dancken mag !
Schluß . 511 Schluß . V erargt mir’s nicht , geliebte Menſchen , daß euch von der
ſo ſchoͤnen Welt
So vieles und ſo oft durch mich wird wiederhohlt und vor -
geſtellt .
Jch halt ’ es theils fuͤr meine Pflicht ; theils ſeyd ihr ſelber
Schuld daran ,
Da ich ( doch manchen ausgenommen ) von vielen noch nicht
ſagen kann ,
Daß ihr , aus dem gewohnten Schlaf ( ſo doch ſo noͤthig )
aufgewacht ,
Des groſſen Schoͤpfers groſſe Wunder , und in denſelben ,
ſeine Macht ,
Und Lieb ’ und Weißheit ſchmeckt und ſeht . Daher ich noch
nicht muͤde werde ,
Der groſſen GOttheit , Lieb ’ und Allmacht , im Schmuck des
Himmels und der Erde ,
Euch unaufhoͤrlich anzupreiſen , und dulde , der Geſchoͤpfe
Herrn
Zu Ehren , euer Naſen ruͤmpfen , und euer hoͤniſch Tadeln ,
gern ;
Vin auch der Hofnung , daß , da ihr , nur durch Gewohnheit
ſchlaft , dennoch ,
Auch ihr , wo nicht ; doch eure Kinder , des Undancks ungluͤck -
ſeeligs Joch
Dereinſt von Halſe werffen werdet . Jch hoff es , und ich
glaub ’ es ſchier .
Ja , wenn es nicht geſchehen ſollte , wie ich jedoch nicht
hoffen will ;
So fuͤhl ich dennoch ſolche Luſt , und ſolchen ſtrengen Trieb
in mir ,
Daß ich mich nicht entſchlieſſen kann , von GOttes Wunder -
Wercken ſtill ,
Und , euch zu willen , ſtumm zu bleiben . Jetzt da ich aber -
mahl die Zier ,
Des 512 Des alle Dinge faͤrbenden und ſelbſt ſo bunt-gefaͤrbten
Lentzen ,
Jn mehr als hundert tauſend Farben , zumahl in Gruͤnen ,
ſehe glaͤntzen ;
So ſeh ich ſo viel Wunder-Dinge , aus allen Orten jetzt
entſprieſſen ,
( Da recht ein wuͤrcklich Wunder-Heer , aus Waſſer , Luft
und Erde qvillt )
Das ihre mannigfache Zier und Pracht mein gantzes
Weſen fuͤllt .
Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Hertz von Anmuth gleichſam
uͤberflieſſen .
Dabey faͤllt , mitten in der Luſt , der wohl gemeinte Wunſch
mir ein :
Ach , waͤr bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt , die Luſt auch
allgemein !
Jch wiederhohle denn zum Schluß , bey meiner oft gefuͤhr -
ten Klage
Ob unſrer Unempfindlichkeit , die euch vielleicht verhaſſte
Frage :
„ Da die Natur an tauſend Orten , wie ihr es allenthalben
hoͤret ,
„ Zugleich auch allenthalben ſeht , daß in der Wercke Schmuck
und Schein ,
„ Sie unſern Schoͤpfer deutlich zeigt , auch daß , ja was er iſt ,
uns lehrt ;
„ Wie kann man blind bey ihrer Schoͤnheit , und taub bey ihrer
Lehre ſeyn ?
ENDE .
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