PRIMS Full-text transcription (HTML)
[figure]
Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT,
beſtehend in Phyſicaliſch - und Moraliſchen Gedichten,
Vierter Theil,
mit einer Vorrede zum Druck befoͤrdert von Michael Richey, P. P.
Zweyte Auflage.
Hamburg,bey Koͤnig und Richter,1735.
Geneigter Leſer.

Die beſte und nachdruͤck - lichſte Vorrede, zu die - ſem Seinen Vierten Theile des Jrdiſchen Ver - gnuͤgens in GOTT, hat der unvergleichliche Herr Verfaſſer ſelber gemacht. Sie beſtehet aus dreyen gantzen Baͤn - den: und ein vernuͤnftiger wird bald mercken, daß ich auf die drey vorhergehenden Theile des nun -a 2mehroVorrede.mehro faſt Welt-bekannten Wer - ckes ziele. Wer dieſe vorſetzlich nicht geleſen, der gehoͤret ſchwer - lich in die Zahl derer Menſchen, die ihren GOTT in ſeinen Wer - cken zu ſuchen und zu finden Luſt haben: wer ſie aber geleſen, und dennoch allhier dasjenige verlan - get, was Vorreden gemeiniglich zu ſagen pflegen, der verlanget von mir eine unnoͤthige Arbeit.

Geſetzt auch, ich begienge die Gewohnheit, und ich waͤre dabey wircklich derjenige, deſſen Ur - theil, bey Anpreiſung dieſes Bu - ches, ſich nicht zuviel heraus naͤhme; ſo wuͤrden mich doch die - jenigen, die ſchon Kenner und Verehrer des BrockſiſchenRah -Vorrede.Rahmens ſind, nicht hoͤher, als fuͤr einen unter ihren Tauſenden annehmen: andere aber, die et - wan ihren Eigenſinn mit einer heiligen Glaſur ſchon beharni - ſchet haben, wuͤrden dennoch auf ihren fuͤnf Augen beſtehen, und eine einzige Zeile, aus ich weiß nicht was fuͤr einem frommen Liede, fuͤr kraͤfftiger angeben, als die wichtigen, durchdringenden und erbaulichen Gedancken unſe - res Geiſt-reichen Poeten.

Bloß alſo zum Uberfluß will ich die begierigen Kaͤuffer der vorhergehenden Theile, und die auswaͤrtigen, folglich unpar - teyiſchen, Lob-Sprecher der Brockſiſchen Poeſie, ana 3mei -Vorrede.meine Stelle treten laſſen, de - ren beiderſeits nicht nur eine be - traͤchtliche Anzahl, ſondern auch bey den meiſten ein tuͤchtiges Ge - wicht iſt. Dieſe werden zum voraus verſichern, was man ſich von dieſem vierten Ausbruche ei - nes ſolchen Geiſtes zu verſpre - chen habe, durch deſſen Groͤſſe ſie ſchon dreymahl in Verwunde - rung geſetzet worden.

Meines Ortes bedaure ich hier faſt iede Minute, woran ich denjenigen verkuͤrtze, der zur Ein - ſicht des Buches ſelber eilet: und den geringſten Raum dieſes Bla - tes ſchaͤtze ich fuͤr uͤbel ange - wandt, wenn darauf, an ſtat mei ner Worte, ein einziger Ge -danckVorrede.dancke des unſchaͤtzbaren Herrn Brockes haͤtte ſtehen koͤnnen.

Demnach nichts mehr, als nur noch eine erlaubte Anzeige meiner Freude uͤber den geringen Antheil, den ich an ſo vieler Men - ſchen Erbauung, durch eine treu - fleiſſige Ausfertigung dieſer Se - gens-vollen Blaͤtter, zu nehmen habe. Nicht nur meine beſon - dere Pflicht gegen den Hochbe - ruͤhmten Herrn Verfaſſer, ſondern vornehmlich die Wuͤrdig - keit des gottſeeligen und Lehr-rei - chen Werckes, machet mir die daran gewandte wenige Muͤhe zu einer empfindlichen Ehre; davon ich ſelber ſonſt mir nicht mehr Ehre machen kann, als derglei -a 4chenVorrede.chen Arbeit zu verdienen pfleget, die in einer ſcharffſichtigen Sor - ge fuͤr die allermoͤglichſte Richtig - keit des Abdruckes beſtehet.

Lebe wohl, aufrichtiger Leſer, und hilff mir fuͤr den Theuren Herrn Brockes, als fuͤr eine anſehnliche Zierde Teutſch - landes, eine unſterbliche Ehre Seiner und meiner Vater - Stadt, und einen durchdringen - den Erforſcher der Herrlichkeit GOTTES in der Ratur, Le - ben, Gluͤck und Heil von der Guͤte des Allmaͤchtigen erbitten. Geſchrieben in Hamburg den 14. Decembr. Anno 1731.

Michael Richey, P. P.

Schreiben Sr. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. HERRN LUDEWIGS, von Heſſen-Homburg, Jhro Kaiſerl. Majeſtaͤt von Rußland Hochbetrauten General-Majors &c.

Jch bin, Geſchaͤtzter Brocks, durch Deinen
Brief geruͤhrt,
Der ſo verbindlich ſchoͤn, als flieſſend wol geſchrieben.
Jedoch der Beyſchluß hat mich ſelbſten mir entfuͤhrt,
Und, wie im Traum entzuͤckt, zur Dichterey getrieben.
Jch fuͤhle ſeltne Luſt, und einen fremden Zug;
Die Worte werden mir durch ſuͤſſen Zwang gebunden:
Und kurtz: ich habe ſchon, durch uͤbereilten Flug,
Die Hoͤhe von dem Pol der Wiſſenſchaft gefunden;
a 5Jch
Jch dichte, doch mein Werck iſt wie dort Memnons
Bild,
Das Regung, Thon und Krafft von Phoͤbus Strah -
len leihet:
Und was, erlauchter Brocks, aus| meiner Feder
quillt,
Jſt Deiner Weisheit Born, zur Danck-Begier, ge -
weihet.
Aus dieſer Quelle ruͤhrt der ſuͤſſe Uberfluß,
Der meinen Geiſt beſtroͤmt mit reinen Andachts -
Trieben,
Jndem Dein netter Kiel, zum wahren Dienſt-Genuß,
Das Waſſer-Reich vielmehr gebildet, als beſchrieben.
Ja, ja, es wallt in mir der Adern geiſtigs Blut,
Wie deine Wellen ſich, mit ſanften Schlaͤgen, brechen.
Mich deucht, ich hoͤre noch die Tropfen in der Fluth,
Von ihres Schoͤpfers Macht ſich, liſpelnde, beſprechen.
Dein Lied vergleicht ſich ſelbſt dem allerſchoͤnſten Fluß,
Der tieff, doch aber klar und unverſchlaͤmmet ſchieſſet,
Und allgemach zuletzt, bey ſeiner Ufern Schluß,
Sich in ſein Urſprungs-Meer mit Nutz und Luſt ergieſſet.
Strahlt Deines Geiſtes Feur auf Feder und Papier;
Scheint iede Sylbe mir im Gegenſchein verguͤldet:
So wie das Sonnen Licht, ſtellt es Dein Pinſel fuͤr
Sich in dem Spiegel-Glas der glatten Fluthen bildet.
Du mahleſt, Du belebſt die Schoͤnheit der Natur,
Und was nur reitzendes in ihren Kreiſen ſtecket.
Du haſt, durch ſo beliebt-als ſichtbarliche Spur,
Die faſt verborgne Bahn zum Himmel uns entdecket.
Was
Was Augen, Zung, Geruch, Gefuͤhl und Ohr gefaͤllt,
Was ſelbſt den innern Kern, die Krafft der Seelen,
ruͤhret,
Dieß zeigt das Schau-Geruͤſt der neu-entdeckten Welt,
Von Deiner Wunder-Hand ſo lebhaft aufgefuͤhret.
Wann Orpheus Harpfen-Klang durch ſeltne Eigen -
ſchaft,
(Wie wol es Fabel-Spiel) die wilde Thiere zaͤhmet;
So wird, erregeſt Du der Elementen Krafft,
Der Menſch, als Stein, bewegt, der klugen Witz be -
ſchaͤmet:
Voraus, wann Telemann hiebey die Saͤyten regt,
Und ſich Sein Zauber-Thon in Deine Lieder menget;
Wird alles, was Gehoͤr und Regung hat, bewegt,
Und gleichſam Lufft und Fluth, durch Schall und Fall
gedrenget.
Es iſt das Buch der Welt mein ſtetes Augen-Merck,
Seit dem Du, durchs Gehoͤr, die Fruͤhlings-Luſt er -
neuet.
Jch fuͤhle, daß zugleich Dein ſchoͤnes Waſſer-Werck
Mich, vom Gewohnheits-Schlaff, durch Aug und Ohr
befreyet.
Darf ich Dir, Groſſer Brocks, Apollo unſrer
Zeit,
Von meiner Lehr-Begier die Erſtlinge entrichten;
So nimm dieß, als ein Theil der Danck-Ergebenheit
Von meinen zaͤrtlich Dir verbundnen Neigungs -
Pflichten.
Beym
Beym Schluſſe dieſes Blats ſchlieſſt ſich mein Hertze
auf,
Dein Nahm und Dein Verdienſt bleibt bey mir unver -
geſſen,
Und glaube, bis zum Ziel von meinem Lebens-Lauff,
Daß, der Dich ehrt und liebt, ſey LUDWIG,

Printz von Heſſen. Riga, den 31. Maji, 1730.

Die Beantwortung dieſer gnaͤdigen Zuſchrifft ſiehe pag. 22.

Quum

Quum Germaniae Ornamentum Singulare, B. H. BROCKES, VIR apud Hamburgenſes Ordinis Senatorii Grauiſſimus Spectatiſſimusque, MEDITATIONES SACRAS, Quibus ex contemplatione operum DEI Suas in DEO quaerit delicias, edere pergeret, ſuam tanti Ingenii admirationem declarare volebat animo officioſiſſimo D. xx. Sept. A. O. R. ciↄ iↄcc xxxi. IO. GEORG. PRITIVS, D. Miniſterii Francofurtani Senior.

Mirandum natura ſui dum ſiſtere mundo
Vult ſpecimen, formae nobilioris opus,
Prodiit extemplo felix BROCKESIUS ortu.
Diuinasque ſimul fert opulentus opes;
Ingenium ſublime, capax & fertile, quale
Quum ſe vult orbi prodere, ſumma petit;
Quidquid enim praeſens aetas vel ſcita vetuſtas
Tot linguis tradit, quaeque diſerta, ſuis,
Haec equidem vaſto circumfert pectore cuncta,
Sed verbis reddit ſplendidiora ſuis.
Nec
Nec mora, dum calamum ſumit, dum carmina pangit.
Carmina, quae ſcribit, fingere nemo poteſt.
Adſurgit totus, qua ſanus panditur, orbis,
Concinit & vatum tam veneranda cohors.
Sic princeps vatum BROCKESIUS audit ubique,
Et neque qui contra ſentiat, vnus adeſt.
Hunc gaudent totum iuuenes triuiſſe ſenesque,
Hunc cum matre pia virgo pudica legit.
Vidit, & obſtupuit fœtus natura poetæ,
Artes qui viſus vincere poſſe ſuas.
Indignata ſuos tantum valuiſſe favores,
Se tam largifluam pene fuiſſe dolet.
Quin dolet, excelſa ſe vatis ab arte relinqui,
Iſtis non credens auſibus eſſe parem.
Tanto parce tamen, mater blandiſſima, nato,
Qui tibi dat ſummum, cui tribuisque decus.
Si te ſcribendo tibi nunc ſuperare videtur,
Pulchrius aſt nemo pingere, crede, poteſt.
Quantum laudis habet, miracula tanta Tonantis
Quod mens cœleſtis, te duce, laude vehit?
Gedan -

Gedancken, bey Erblickung der ſechszehn erſten Bogen aus dem vierten Theile des ſo Lehr-als Geiſt-reichen Brockeſiſchen Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT, Worin aus verſchiedenen darin befindlichen Betrach - tungen verſchiedener Geſchoͤpfe, zu anderer Nachfolge, ein von dem S. T. Herrn Brockes zugebrachter Tag vorgeſtellet wird.

Okraͤfftigſt ruͤhrendes, durchdringend ſuͤſſes Buch!
Sey der geruͤhrten Bruſt viel tauſend mahl willkommen
Sie iſt im lodernden, doch ſuͤſſen Feur entglommen,
Wozu der Eifer Holtz, die Andacht Oele, trug.
bGOTT
GOTT Lob! es brennet ſchon die vierte Himmels-Glut,
Hier iſt der vierte Theil vom Jrdiſchen Vergnuͤgen!
Und, kan ein Stuͤck davon mich ſchon ſo ſtarck beſiegen,
So ſchlieſſ ich, was es gantz fuͤr kraͤfftge Wirckung thut.
Vortreffliches Geſchoͤpf! du Kleinod der Natur!
Durch GOtt beruͤhmter Brocks! Du Lehrer Seiner Wunder!
Du Herold Seiner Macht! Du, Du entzuͤndſt den Zunder,
Erregeſt meinen Geiſt, durch Ruhm der Creatur.
Jch lechze! welche Krafft greifft mich empfindlich an?
Jch ruffe ſelbſt: ach Brocks! es regt mein Geiſt die Schwingen
Und will ſich, Dich zu ſehn, zu Dir im Garten dringen,
Daß ſich ſein naher Blick an Dir ergetzen kann.
Er eilt, und findet Dich im Garten-Hauſes Sahl,
Hier knieſt Du, frommer Brocks! voll Andacht, Danck und
Freude,
Dein Morgen-Opfer iſt auch Deiner Anmuth Weide,
a)p. 14.
a)
Du wechſelſt, mit der Zeit, auch Deines Weirauchs Wahl.
Hernachmahls ſeh ich Dich, wie Du, voll heilger Luſt,
Von GOttes Weisheit ſchreibſt, wie ſich die Seite fuͤllet:
Mich duͤnckt, daß ſanfte Freud in Deiner Seelen quillet,
Und daß Gelaſſenheit die Fuͤlle Deiner Bruſt.
Dein Schreiben ruhet nun: ein neuer Trieb erwacht,
Du hebeſt Aug und Hand, voll Ehr-Furcht in die Hoͤhe,
Mich duͤncket, daß ich Dich erſtaunend dencken ſehe;
Doch bald erholft Du Dich, und ſchreibſt von GOTTES
Macht.
Welch friſche Munterkeit erheitert Dein Geſicht?
Du legſt die Feder hin, gehſt freudig auf und nieder,
Was ſinneſt Du? Doch, ja! Du ſinnſt auf Lobes-Lieder,
Des Schoͤpfers Liebe hat den Jnhalt eingericht’t.
Du
Du ſetzeſt Dich, Du ſchreibſt: dann ſchlaͤgſt Du an die
Bruſt,
Du legſt die Feder weg, und Dich im Stuhl zuruͤcke.
Wie ruhig ſiehſt Du aus! wie ſanft ſind Deine Blicke!
Und ſo verwechſelt ſtets die Andacht Luſt mit Luſt.
Jedoch ietzt ſeuffzeſt Du, die Luſt verlieret ſich,
Du ſtuͤtz’ſt Dein denckend Haupt, die muntern Zuͤge ſchwinden,
Verdruß und Unwill iſt bey Traurigkeit zu finden,
Der Menſchen Haͤrtigkeit verdreuſt, betruͤbet Dich.
Jezt ſtehſt Du auf, und gehſt die Garten-Stieg hinab,
Du hoͤrſt, die Erde klagt, die Lufft ſtillt, reitzt die Erde,
b)p. 17. 18.
b)
Die Schoͤnheit zu erhoͤhn, daß GOTT erhaben werde,
Der, zu der Menſchen Luſt, die Schoͤnheit beiden gab.
Dein Feuer-reicher Blick nimmt manche Blum in Acht,
Du denckſt der Nacht, und ſprichſt: Jhr praͤchtgen Fruͤhlings -
Kinder,
Die Nacht raubt euren Glantz, doch ſeyd ihr drum nicht min
der,c)p. 26.
Wer weiß, welch Weſen euch des Nachts mit Luſt betracht’t.
Du hoͤreſt mit Bedacht der Bluhmen Lehren an,
Wie bunte Lippen hier Unachtſamkeit beſtraffen.
Sie ſprechen: hat uns denn ein Ungefehr erſchaffen,
Daß man uns ſo verſchmaͤht? es hats ja GOtt gethan.
Der fruͤhe Fruͤhling zeigt zwar manches Bluhmen-Kind,
Jedoch es kan mein Geiſt ſich noch mehr Bluhmen bilden,
Mit Blau und Roht beziehn, verſilbern und verguͤlden,
Daß ſich ein Bluhmen-Heer in ſtaͤrckrer Anzahl findt.
Aurickel, Hyacinth verbinden ſich mit Mah,
d)p. 30. 105. 103. 119. 61. 43. 73. 124. 60.
d)
Die Roſ und Amaranth mit hoher Kaiſer-Crone,
b 2Die
Die Glocken-Bluhme haͤngt am Schnee-Balls-Bluhmen-Throne,
Bey gelber Roſen Gold glaͤntzt Veris Primula.
Erſt ſiehſt Du uͤberhaupt den praͤchtig bunten Schein,
Du laͤſſt der Augen Strahl vor - ſeit - und ruͤckwaͤrts fliegen,
Der Schoͤnheit ſuͤſſer Sturm will, kan dein Hertz beſiegen,
Die Anmuth thut es auf, ſo zieht die Andacht ein.
Du riechſt den holden Dufft, der Lufft und Hirn erfuͤllt,
e)p. 50. 51.
e)
Du ziehſt ihn ein und lechzſt: was Huld hat GOtt erwieſen!
Du hauchſt ihn aus und ſeufzſt: O! Geber, ſey geprieſen,
Daß Dufft und Danck zugleich aus Bluhm und Seele quillt.
Du ſieheſt ferner noch der Bluhmen ſchoͤnſtes Heer,
Du ſpuͤhrſt ein buntes Feur auf klaren Blaͤttern gluͤhen,
f)p. 101.
f)
Und wie ein Freuden-Feur, ihr funckeln Funcken ſpruͤhen;
Doch ſpielt Dein reges Hertz im Freuden-Feur noch mehr.
Von GOtt geſtaͤrckter Geiſt, was kan Dein Auge ſehn?
Kannſt Du von GOttes Groͤſſ in Bluhmen Lettern leſen?
Du lieſeſt: GOtt iſt groß! So giebt dieß groſſe Weſen
Sich ſeinem Freunde recht im Wercke zu verſtehn.
Allein die Gottheit macht ſich Dir noch mehr bewuſt:
Du ſiehſt Sie im Geſchoͤpf auch wircklich gegenwaͤrtig,
Wie Allmacht, Weisheit, Huld uns zu vergnuͤgen fertig,
Dieß dehnt Dein Hertze weit, und fuͤllet es mit Luſt.
Du ſieheſt, wie Natur ſo viele Kinder zeugt,
h)p. 46.
h)
Soll Dein vernuͤnftger Geiſt dem Geiſt der Erden weichen?
Ach nein! Du wilt der Erd an fruchtbarn Zeugen gleichen,
Da ein Gedancken-Heer voll Dancks zur Hoͤhe ſteigt.
Jetzt eilſt du Bluhmen zu, und bleibſt bey ieder ſtehn,
Beſiehſt mit froher Luſt, mit emſigem Erwegen,
Brichſt Bluhmen, ſchauſt genug, und wilt ſie niederlegen;
Doch nein! Betrachtung muß des Stengels Seul erſt ſehn.
i)p. 48.
i)
Gleich
g)p. 44 45.
g)
Gleich ietzo bracheſt Du drey Hyacinthen ab,
k)p. 43.
k)
So tritt Beraldo ein, Aurander ſchleppt daneben,
l)p. 41. 42.
l)
Du wilt auch ihnen Theil von Freud und Bluhmen geben,
Die Dir des Schoͤpfers Huld und maͤchtge Weisheit gab.
Beraldo, deſſen Geiſt nach GOttes Luſt geſchmuͤckt,
m)p. 114.
m)
Nimmt ſie mit Eifer an, den ihr betrachten mehret,
Der Schoͤpfer wird geruͤhmt, Beraldo ſelbſt belehret,
Ein eingedruͤckter Wunſch, mit Seufzen ausgedruͤckt.
Aurander nimmt ſie traͤg und ſieht daruͤber hin,
Er dreht, zum Zeitvertreib, ſein Bluͤmchen hin und wieder,
Zerknickt und druͤcket es in ſeine Taſche nieder,
Er iſt ein Ungeheur, bey Sinnen ohne Sinn.
Hierob verdunckelt ſich Dein heiteres Geſicht,
n)p. 43.
n)
Du muſt bey reger Luſt ein ſtilles Leiden haben,
Ach! Schoͤpfer! brichſt Du aus: haſt du fuͤr ſolche Gaben,
Nicht einſt ein froͤhlichs Hertz, ein danckbars dencken nicht!
Wenn ſich ein tummer Mops von ſchoͤnen Bluhmen wendt,
o)p. 81.
o)
So kennt ſie Tummheit nicht, ihm ſind ſie nicht erſchaffen,
Doch kluge Menſchen muß Dein Eifer traurig ſtraffen,
Daß der, dem ſie gemacht, der ſie verſteht, verblendt.
Du denckſt: Aurander ſieht mit viehiſchem Geſicht,
Was Vorrecht kann er doch vor Thier und Ochſen haben?
p)p. 78.
p)
Denn, beider Augen ſehn des Schoͤpfers ſchoͤne Gaben,
Und beider Augen ſehn doch Gab und Geber nicht.
Jndeß die Freunde gehn, und Du zu dem Altan,
Um durch erhoͤhten Stand die Blicke zu verbreiten,
Hier iſt Dein Predigt-Stuhl, da predigſt Du zwar Leuten,
q)p. 79.
q)
Doch ach! die Predigten ſind Froͤſchen nur gethan.
b 3Du
Du ſiehſt im Sonnen-Glantz ein lichtes warmes Meer,
r)p. 116. 117.
r)
Und dieſe ſtille Fluth auf bunten Blumen liegen:
Die Seele ſchwimmt im Meer, im wallenden Vergnuͤgen;
Du wuͤnſcheſt, Deine Luſt ſey GOttes Luſt und Ehr.
Du fuͤhlſt den lauen Hauch der ſchmeichelnd-ſanften Lufft,
s)p. 82. 83.
s)
Stat, daß die Winter-Lufft mit Kaͤlte pflag zu ſchneiden,
Jhr wallend Saͤuſeln ruͤhrt, reitzt Hertz und Mund zu Freuden,
Daß Er, wie maͤchtig! weiſ! wie hold iſt GOTT doch
rufft.
Dein gruͤner Erlen-Gang iſt nun ein dicker Wald,
Worin der Voͤgel Heer ſitzt, ſchlupffet, fliegt und ſpringet,
Mit mancher feinen Stimm, in ſtarcken Choͤren, ſinget,
Du ſieheſt, hoͤrſt, bemerckſt, behorchſt ſie alſobald.
Du ſieheſt ihren Bau, die Pracht, Geſchwindigkeit,
t)p. 52. ſqq.
t)
Bemerckſt genau, wie ſchoͤn ihr kuͤnſtliches Gefieder,
Du hoͤrſt die Melodey, behorchſt den Text der Lieder,
Wie ſie, zu GOTTES Ruhm, die ſchoͤne Welt erfreut.
Drauf tritt der Strich der Welt in Kreis des Mittags ein,
Der Mittag heiſſet Dich herab, ins Haus, zu gehen,
Doch wilt Du, eh Du gehſt, den Sonnen-Zeiger ſehen,
u)p. 80.
u)
Und wuͤnſchſt, von GOttes Strahl ein Schatten auch zu
ſeyn.
Hier laͤſſet Dich mein Geiſt, er kehrt zu mir und ruht.
Nach Mittag eilt er fort, durch Dich zu Dir getrieben,
Und ſieht Dich wiederum ſchon in Betrachtung uͤben,
Dich traͤgt ein kleines Schiff durch ſanfter Elbe Fluth.
w)p. 19. et 20.
w)
Das Schiff geht maͤſſig fort; Dein Geiſt ſteigt ſchnell empor;
Die Augen ſehn hinauf, und bleiben lange ſtehen,
Das ſilberne Gebuͤrg am Horizont zu ſehen,
Das, ſamt dem blauen Feur, die Luſt zum Zweck erkohr.
Des
Des Himmels Schimmer ſchwaͤcht der Augen ſtarcken
Strahl;
Drum ſenckt er ſich herab, ſich ruhend zu erquicken;
Doch Silber und Sapphir laͤſſt ſich dennoch erblicken,
Es ſpiegelt ſich im Fluß, und glaͤntzet nun zweymahl.
Da faͤllt und ſtuͤrtzt die Luſt auf Dich in Menge loß,
Die Luſt vergnuͤget Dich, doch Meng und Zuſturtz ſchrecket,
Du wirſt zu ſtarck geruͤhrt, doch zwiefach ſtarck erwecket,
Und Andacht, Danck-Begier wird zwiefach ſtarck und groß.
Das Schiff treibt auf der Fluth, am Himmel mancher Dufft,
Das Ufer hemmt die Fahrt, der Dunſt des Himmels Strahlen,
Du trittſt ans Land, ſiehſt auf, beſchauſt der Wolcken mahlen,
x)pag. 122.
x)
Wie manches helles Bild ein Schmuck der blauen Lufft.
Der Wolcken ſanftes Licht durchdringt die glatte Fluth,
Lufft, Fluth ſtimmt uͤberein in Harmonie von Bildern,
Kann aber Lufft und Fluth im Dunſt ſo ſchoͤn ſich ſchildern,
So fuͤhlſt Du, welche Luſt im Dufft und Duͤnſten ruht.
Du gehſt durchs feuchte Land mit tieffen Schritten fort,
Die Elbe lieſſ’ſt Du kaum, den Elb-Strand zu beſehen,
So heiſſt ein kleiner Bach den Fuß ſchon wieder ſtehen,
y)p. 107. ſeqq.
y)
Doch nein, es haͤlt den Fuß ein gaͤntzlich ſchoͤner Ort.
Zur Rechten ſpiegelt ſich im Bach ein kleiner Wald,
Dein ſchoͤner Roſen-Strauch will Lufft und Balſam miſchen,
Den Gaum ein ſuͤſſer Safft von Chinens Frucht erfriſchen,
Der Sonnen Neigen ſteigt an herrlicher Geſtalt.
Des Abends kuͤhler Weſt ergetzet Hertz und Bruſt,
Der Nachtigall Muſic erfuͤllt bebluͤhmte Hecken:
Bey ſolchem Hoͤren, Sehn, bey Riechen, Fuͤhlen, Schmetken,
Schallt iedesmahl: GOTT Lob! bey iedes Sinnes Luſt.
b 4Be -
Beſonders findeſt Du in lauer Luͤffte Hauch,
z)p. 82. 83.
z)
Wann die gemiſchte Lufft Blut, Zung und Naſ erquicket,
Kein Froſt mehr peinlich ſchneid’t, die Hitze noch nicht druͤcket,
Des gegenwaͤrtgen Guts erkenntlichen Gebrauch.
Vom Bache geheſt Du nach jenem Graben hin,
Den gruͤner Wieſen Rand mit Gras und Klee bekraͤntzet,
Und der, vom Wiederſchein, im gruͤnen Schimmer glaͤntzet,
Du buͤckſt Dich, ſchaueſt zu; was ruͤhret Deinen Sinn?
Was iſts? ein grauer Stein? nein, ſeht, was reget ſich,
aa)p. 87. ſqq.
aa)
Ein neu-belebter Froſch kommt langſam aufgeſtiegen,
Er reinigt ſich vom Schmutz, ſieht ſtarr, ſchreyt fuͤr Vergnuͤgen,
Doch ſo ein ſchmutzger Froſch lehrt, groſſer Lehrer, Dich.
Er ſtellet Dir den Stand geſchiedner Seelen vor,
Wann ſie ſich aus der Welt, der Winter-Wohnung, heben,
Und ſich zu jener Welt, dem ewgen Lentz, begeben,
Dieß dencken breit’t ſich aus, ſteigt mehr und mehr empor.
Des Grabens hohe Fluth befleuſſt der Wieſen Gruͤn,
bb)p. 39.
bb)
Worin des Himmels Blau ein klares Blau gedruͤcket,
Das Blau vom Graſes Gruͤn und manchem Licht geſchmuͤcket,
Der Himmel will zur Welt, und Dich gen Himmel ziehn.
Doch weil die Roſen-Glut der Sonnen tieffer ſinckt,
So muſt Du Abſchied hier, die Freude mit Dir, nehmen,
Nach Elb und Schiffe gehn; zur Ruͤck-Fahrt Dich bequemen:
Da ſiehſt Du, wie die Fluht von Gold und Purpur blinckt.
cc)p. 20.
cc)
Ein ſchwaͤrtzliches Gewoͤlck verdeckt der Sonnen Kreis,
Doch flammt ſie rings uͤmher mit groſſen hellen Strahlen,
Und kann ihr ſtrahlend Gold, uͤm ſchwartz, im Waſſer mahlen,
Ja dieſer Schatten ſelbſt erhebt des Lichtes Preis.
Blitzt Weſt-waͤrts Majeſtaͤt, ſo glaͤntzt es Oſt-waͤrts ſchoͤn,
Die Fluht gleicht Hidekel in Adams paradieſe,
Der
Der bunten Wieſen Schein macht ſie zur ſchoͤnſten Wieſe,
Wo Bluhmen, Kraut und Laub, doch ohne Leib, zu ſehn.
Dort iſt ſie Piſon gleich, ſie fuͤhrt der Sonnen Gold;
Doch laͤſſt ſie auch der Mond ſein reines Silber fuͤhren,
Und Gihons Onyx weicht des Firmaments Sapphiren,
Da ſchiffſt Du voller Luſt, der deren Geber hold.
Jm Hafen ſteigſt Du aus, Dein Wagen fuͤhrt Dich weg,
Die Fahrt zum Garten hin erheiſchet Pferd und Wagen,
Und Du kannſt ſo die Laſt der Freude kaum ertragen,
Um dieſe fuhrſt Du aus, nun haſt Du Deinen Zweck.
Du gehſt ins Garten-Haus, Dein frommes Eh’-Gemahl
Kann, mit geruͤhrter Bruſt, aus Deinen Augen leſen,
Daß, weil ſie aufgeklaͤrt, die Fahrt erfreut geweſen,
Du theilſt mit ihr die Luſt, iedoch nicht auf einmahl.
Du muſt zuerſt mit ihr des Himmels Schoͤnheit ſehn,
Ein allgemeines rein und helles daͤmmrichts ſcheinen,
dd)pag. 65-67.
dd)
(Weil ſchwache Schatten ſich mit ſchwachem Licht vereinen)
Will uͤber Fluth und Land, voll Luſt und Kuͤhlung gehn.
Ein Graben lockt Dich an mit ſeiner klaren Fluth,
Den Spiegel anzuſehn; Du koͤmmſt, Du gehſt ſpatzieren,
Und weil die Fluthen ſich mit gruͤnen Weiden zieren,
So ſiehſt Du, wie der Schein auf buntem Waſſer ruht.
Sein Naß fuͤllt Deine Spur, ein Monden-Bild das Naß,
Wie ſtutzſt Du, einen Mond im gruͤnen Rand zu ſehen,
Und bald den wahren Mond ob Deinem Haupte ſtehen,
Du ſchauſt, und wechſelſt Luſt mit Lob ohn Unterlaß.
Die Jnbrunſt preiſet GOtt, die Andacht wuͤnſcht dabey:
Es moͤgte dieſe Luſt ſtets ungeſtoͤhret waͤhren;
So aber muſt Du fort. Du gehſt, Du muſt ſie ſtoͤhren.
Die Freude macht Dich nicht von edlen Sorgen frey.
b 5Denn
Denn da Dein hohes Ampt mit Wuͤrd und Buͤrd erfuͤllt;
So muß des Himmels Luſt der Erden Laſt offt weichen.
Du biſt dem Sonnen-Licht in Wolcken, zu vergleichen,
Jndem Dein ſchweres Ampt Dich oͤffters uns verhuͤllt.
Jedoch Dein ruhiger von GOTT erweckter Geiſt
Laͤſſt, was ſonſt lange druͤckt, Dich bald vom Halſe werffen,
Und Dein auf GOttes Werck geſchaͤrfftes Auge ſchaͤrffen,
Daß Du verworrnes Garn leicht aus einander reiſſ’ſt.
Die Ampts-Pflicht iſt erfuͤllt. Nun ſoll die frohe Pflicht,
Zu der Dich GOTT erſehn, Dein ſel’ger Endzweck bleiben,
Du ſuchſt des Geiſtes Schrifft ietzt leiblich aufzuſchreiben
Mit Worten, deren Krafft durch Felſen-Hertzen bricht.
Du ſitzeſt Andachts-voll, erinnerſt Dich, erwegſt,
Du wendſt es Lehr-reich an, erkennſt der Allmacht Proben,
Erkennſt die weiſe Huld und freuſt Dich, ſie zu loben,
Bis Du zur Tafel wilt, die Feder niederlegſt.
Hier findet Dein Gemahl die erſt verlohrne Luſt,
Jetzt ſuchſt Du Deine Freud ihr voͤllig mitzutheilen,
Hernachmahls wilt Du bald zum Zimmer wieder eilen.
Die heilge Dicht-Begier treibt, drengt recht Deine Bruſt.
Drauf kehret, wie es ſcheint, der Sonnen Licht zuruͤck,
ee)pag. 84. 85.
ee)
Den erſt erhellten Tag noch einmahl zu erhellen,
Dieß ſcheinen reitzet Dich ans Fenſter hinzuſtellen,
Du ſiehſt: wie voll Begier! wie eifrig iſt Dein Blick!
Doch, freyer uͤmzuſehn, ſteigſt Du zum Luſt-Altan,
Hier prangt der Silber-Mond in vollen hellen Kreiſe,
Raubt Form und Farben, nein! formt, faͤrbt auf ſanfte Weiſe,
Daß Farb und Form Dir Freud in Zweifel ſchaffen kann.
Und dort entzuͤcket Dich der Sternen funckelnd Heer,
Jhr Stillſtand laͤſſet Dich in Ehr-Furcht ſtille ſtehen,
Jhr
Jhr Eilen laͤſſt die Luſt mit ſchnellem Triebe gehen,
Und aller Kaͤlte Gluth entzuͤndt Dich, ach wie ſehr!
Du merckeſt Andacht-voll des Schoͤpfers Gegenwart,
Dir ſcheint die ſtille Pracht, ihr ehrerbietigs ſchweigen
ff)p. 111. 112.
ff)
Dem gegenwaͤrtgen GOTT ihr Ehr-Furcht zu bezeigen,
Durch Den vom Anfang her ihr Lauff gelencket ward.
Du ſinnſt dem Rennen nach, hier ſchwindelt Dein Ver -
ſtand,gg)p. 6. ſeqq.
Du ſiehſt die Majeſtaͤt des rechten HErrn der Schaaren,
Dich duͤnckt der gantze Raum, draus Blitz und funckeln fahren,
Ein Diamant zu ſeyn an GOttes Allmachts-Hand.
O herrlicher Begriff von GOTTES Majeſtaͤt!
So herrlich, Wunder-ſchoͤn wird Tag und Werck beſchloſſen,
Und, haſt Du tauſend Luſt aus GOttes Werck genoſſen;
So wird der Schoͤpfer nun mit Danck dafuͤr erhoͤht.
Jetzt legſt Du Dich zur Ruh, iedoch es wacht Dein Geiſt,
Was Dich der Froſch gelehrt vom Stand geſchiedner Seelen,
Muß Dein getriebner Geiſt zum Zweck des denckens wehlen,
Bis daß der Sinnen Ruh Dein dencken ruhen heiſſt.
Allein, es ruhet nicht. O Lehr-reich ſchoͤner Traum:
Du faͤhrſt nach jener Welt, Du ſpuͤreſt Schmutz und Flecken,
hh)p. 90. feqq.
hh)
Doch manche Reinigkeit iſt dennoch zu entdecken;
Denn Luſt an GOttes Werck fand in der Seele Raum.
Und endlich ruheſt Du, Dein hoher Traum entweicht,
Es kann Dein ſanfter Schlaff Leib, Seel und Geiſt Dir ſtaͤrcken,
Der Tag ermuntert Dich zu gleichen heilgen Wercken,
Daß ieder Lebens-Tag dem einen Tage gleicht.
Ach!
Ach! GOTT gefaͤllige vergnuͤgte Lebens-Art!
Jn welchem Freuden-Meer ſchwimmſt Du, gottſeelge Seele!
Jch weiß, daß Dir mit GOtt der Umgang nimmer fehle,
Dir zeigt ja ieder Sinn des Schoͤpfers Gegenwart.
Die Allmacht leget Dich voll Ehr-Furcht Jhm zu Fuß;
Die Liebe reitzet Dich voll Jnbrunſt Jhn zu lieben;
Die Weisheit lehret Dich Vertrauen, Hoffnung uͤben.
Wie ſelig iſt dereinſt des ſel’gen Lebens Schluß!
Ach! Menſchen, folget doch dem groſſen Beyſpiel nach,
Wie weit, wie herrlich weit kann es die Seele bringen,
Die ſich, voll heilger Luſt, zum Schoͤpfer weiß zu ſchwingen,
Und eitlem ſchnoͤden Tand ſich zeitlich ſchon entbrach!
Bedenckt, der fromme Brocks iſt ja ein Menſch, wie ihr,
Und fuͤhrt, durch GOttes Krafft, doch ſo ein Engliſch Leben:
O! laſſt ſich ieder doch nach Moͤglichkeit beſtreben,
Es iſt die hoͤchſte Luſt, die noͤthigſte Gebuͤhr.
Schaut Sein vortrefflichs Buch mit weiſen Augen an,
Das die getreue Hand, zu eurem Heil, geſchrieben,
Jhn jammert, daß ihr taub, blind, fuͤhllos, ſtumm geblieben,
Er ſucht, als kluger Artzt, wie Er euch helffen kann.
Doch Du, gottſelger Brocks, wo Luſt und Nutz vereint,
Der groſſe Schoͤpfer wird Dir Lohn und Ehre geben.
Jch wuͤnſche Dir, ſo lang, zum Wol der Welt, zu leben,
Bis daß ein vierter Theil noch zwantzig mahl erſcheint.

Albrecht Jacob Sell.

Als

Als der Herr B. H. Brockes den Vierten Theil Seines Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT heraus gegeben.

Auf Dicht-Kunſt! lehre mich dießmahl,
Den ſchoͤnſten Thon von deinen Spielen,
Verdopple der Gedancken Zahl,
Laß mich dein edles Feuer fuͤhlen;
Wirff Krafft und Reitzung in die Gluth,
Es ſoll kein anfgeſchaͤumtes Blut,
Das ſchwuͤlſtig brauſt, hier opffern gehen.
Nein, nein, es muß durch deine Gunſt,
Das Hohe deiner ſtarcken Kunſt,
Jn allen meinen Zeilen ſtehen.
Es gilt hier deinem groͤſten Sohn,
Mein Kiel will deinen Brocks beſingen.
Wie? ja mich daucht, ich hoͤre ſchon
Die Anmuts-volle Laute klingen.
Mich reitzt, mich locket, mich erweckt
Ein Thon, der nach der Gottheit ſchmeckt,JchJch fuͤhle Muth und Krafft zum dencken,
Jch ſehe dich, du biſt bemuͤht,
Den Kelch, worin dein Nectar gluͤht,
Mit reichen Stroͤmen einzuſchencken.
Allein, was laͤſſeſt du mich hier,
Holdſel’ge Schoͤne, doch erblicken?
Was ſtellſt du meinen Augen fuͤr?
Wie? will mich gar dein Tranck entzuͤcken?
Jch ſehe hier ein Paradieß,
So, wie es ſich einſt dorten wies,
Jch kann hier Berge, Feld und Auen,
Der Sonnen Licht, der Sterne Pracht,
Ohn alle Dunckelheit und Nacht,
Mit aufgeklaͤrten Blicken, ſchauen.
Wer iſt der Mann, der dorten ſteht,
Den ein erhabner Glantz uͤmgeben?
Den ein dreyfacher Schmuck erhoͤht,
Um den die reinen Geiſter ſchweben?
Er haͤlt in ſeiner rechten Hand
Ein Glas, mit dieſer Schrift: Verſtand.
Er ſieht dadurch die tieffſten Hoͤhen,
Sein Geiſt, der nur allein ſich regt,
Scheint, da der Leib ſich nie bewegt,
Selbſt in die Gottheit einzugehen.
Kann ich hier Brockſens Bildniß nicht
Jn dieſem Angeſichte finden?
Der Strahl, ſo aus demſelben bricht,
Heiſſt allen Zweifel ſchon verſchwinden;ErEr iſts: die Weisheit fuͤhret Jhn,
Um allen Jrrthum weg zu ziehn,
Sie ſpricht, Er ſetzet ſich und mahlet;
Er zeigt des Schoͤpfers Eigenſchafft,
Wie Deſſen Liebe, Huld und Krafft
Aus allen ſeinen Wercken ſtrahlet.
Die Andacht nimmt, was Er geſetzt,
Und laͤſſt es ſelbſt dem Schoͤpfer wiſſen,
Die Liebe, ſo dadurch ergetzt,
Umarmet Jhn mit holden Kuͤſſen.
Ein Engel bringt den vierten Crantz
Von einem Sternen-gleichen Glantz,
Und ſpricht: Dein Jrdiſches Vergnuͤgen
Des vierten Theils, das nun vollbracht,
Hat Dich der Ehren werth gemacht,
Dieß Vorrecht Dir noch beyzufuͤgen.
Es eilt der reinen Geiſter Schaar,
Jhm Palm und Lorbeer hinzureichen,
Sie ſtellen ſich mit Freuden dar,
Und keiner will dem Eifer weichen.
Jch komme ſelber, Andachts voll,
Auch meinen Ehr-Furchts-reichen Zoll
Bey ihrem Opffer auszuſtreuen.
Hier aber fliehet alles fort,
Und lehrt mich, einen heilgen Ort
Nicht unbedachtſam zu entweihen.

Lambrecht.

Als

Als mitten in der Ausfertigung dieſes Buches dem Herrn Verfaſſer Sein allerliebſter Zweiter Sohn durch den Tod entriſſen ward, entfielen folgende Gedancken dem Ausgeber.

Geiſt, der ein Muſter-Bild den ſtaͤrckſten Gei -
ſtern giebt,
Mann, deſſen Mannes-Hertz die Stuͤrme nie beſiegen;
Da eben meinen Fleiß Dein neu Vergnuͤgen uͤbt,
Entreiſſt die Schickung Dir ein irdiſches Vergnuͤgen.
Dein Aug und dieß Papier gehn beide gleich zur Naͤſſe:
Dich uͤbergiebt Dein GOTT, wie Du Dein Buch,
der Preſſe.
Mich deucht, ich finde was in dieſem Ungefehr,
Das mir, an troͤſtens ſtat, gebeut zu prophezeien.
Den Buͤchern reicht der Druck nur Licht und Leben her:
Und hierin wird auch Dir die Gleichheit angedeien.
Das Creutz erpreſſt nichts mehr, als Deines Glantzes
Proben:
Dieß Lob gehoͤrt fuͤr Dich: gedruckt und doch er -
hoben.

M. R.

Jr -
[1]

Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT. Vierter Theil.

[2][3]

Einleitung.

Wenn iemand irgendswo in einer Hoͤhle,
Allwo deſſelben Sinn und Seele
Von aller Creatur und allem Vorwurff leer,
Jn ſteter Daͤmmerung erzogen waͤr;
Und traͤt auf einmahl in die Welt,
Zumahl zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Und ſaͤhe dann der Sonnen Herrlichkeit,
Und ſaͤh ein gruͤn bebluͤhmtes Feld,
Und ſaͤhe dick bebuͤſchte Huͤgel,
Und ſaͤhe reiner Baͤche Spiegel,
Durch einen Schatten-reichen Wald,
Mit ſeiner ſich drin ſpiegelnden Geſtalt,
Umkraͤntzt mit glatten Binſen, flieſſen,
Und ſaͤhe Fluͤſſe ſich ergieſſen,
Auch ihrer Buͤrger ſchuppicht Heer;
Und ſaͤh ein unuͤmſchraͤncktes Meer,
Und ſaͤhe bunte Gaͤrten prangen,
Auch, wann die Sonn erſt untergangen,
Der Abend-Roͤthe guͤldne Pracht;
Und ſaͤh in einer heitern Nacht
Den Wunder-ſchoͤnen Sternen-Himmel;A 2Zu4Einleitung.
Zuſammt dem Silber-reinen Glantz
Der Schatten-Sonne, wann ſie gantz;
Und hoͤrt ein zwitſcherndes Getuͤmmel
Der Singe-Voͤgel, und den Schall
Der angenehmen Nachtigall,
Jn Luſt - und Schatten-reichen Buͤſchen,
Sich mit dem ſanften Rauſchen miſchen,
Und hoͤrt, auf rauh - und glatten Kieſeln,
Geſchwinde Baͤche murmelnd rieſeln;
Und ſchmeckte tauſend ſuͤſſe Fruͤchte,
Und ſchmeckte vielerley Gerichte,
Die Waſſer, Lufft und Erde geben;
Und ſchmeckte, voller Geiſt und Krafft,
Den ſaͤurlich-ſuͤſſen Tranck und Safft
Der lieblichen Tockayer-Reben;
Und roͤche Bluhmen mancher Arten,
Jn Feldern, Waͤldern und im Garten;
Und roͤch auf Bergen und im Thal
Geſunde Kraͤuter ohne Zahl;
Und roͤche balſamirte Duͤffte;
Und fuͤhlte ſanfte laue Luͤffte,
Und fuͤhlte Wunder-ſuͤſſe Triebe
Von einer zugelaßnen Liebe;
Und fuͤhlte mit vergnuͤgter Bruſt,
Des ſuͤſſen Schlaffes ſanfte Luſt;
Und fuͤhlte, wann der Schlaff vorbey,
Daß er dadurch geſtaͤrcket ſey,
Um alles, was ſo Wunder-ſchoͤn,
Aufs neue wiederum zu ſehn.
Auf5Einleitung.
Auf welche ſonderbare Weiſe
Wuͤrd er ſich nicht darob ergetzen!
Wuͤrd er ſich nicht halb ſelig ſchaͤtzen?
Er bliebe gantz gewiß dabey,
Daß er, aufs mindſt im Paradeiſe,
Wo nicht ſchon gar im Himmel ſey.
Und wir, die alle dieſe Gaben
Unſtreitig uͤm und an uns haben,
Empfindens minder als ein Stein;
Ja machen uns, an deren Stelle,
Das Paradeis faſt ſelbſt zur Hoͤlle.
Was mag daran wol Urſach ſeyn?
A 3Be -6Die Bewegung der Sternen.

Die Bewegung der Sternen.

Sit Pietas aliis miracula tanta ſilere, Aſt ego Coelicolis gratum reor, ire per omnes Hoc opus, & ſacras populis noteſcere leges. (Lucan:)
Jndem ich juͤngſt, zur Abend-Zeit im dunckeln
Der flammenden Geſtirn ergetzlich helles funckeln,
Womit das tieffe Blau des Firmaments ſich ſchmuͤckte,
Mit inniglich geruͤhrter Seel, erblickte;
Erfuͤllete mein reges Blut
Dieß Himmels-Feur mit einer Himmels-Glut.
Jch dachte nicht allein
Derſelben leuchten, ſtrahlen, brennen
Mit froher Anmuth nach; es drang der rege Schein
Und dieſer groſſen Coͤrper rennen,
Jhr feurigs unaufhoͤrlichs regen,
Jhr unbegreifflich ſchnell bewegen,
Mit welchem ſie nie ſtille ſtehn,
Seit dem ſie GOTT erſchuff, in meine Seel hinein.
Jch ſtellte gantz erſtaunet mir,
Voll Schrecken halb, halb voll Vergnuͤgen,
Des Himmels rege Coͤrper fuͤr.
Jhr ſo entſetzlich ſchnelles fliegen:Und7Die Bewegung der Sternen.
Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde
Jn dieſem Grentzen-loſen Meere
Der Tieffen, die unendlich, ſehn
Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere
Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn;
Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe,
Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken,
Und wirbelnd durch einander ſchwencken;
Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken,
Als daß der gantze Himmel lebe.
Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken
Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran - cken,
Und wagt es, ſich mit allem dencken
Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe,
So tieff ihm moͤglich, einzuſencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar
Von leuchtenden Planeten, welche ſich
So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich,
Bewegen, drehn, und ohn verweilen
Wie Blitze durch einander eilen,
Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr!
Welch ein entſetzlich groſſes Gantz,
Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz,
Stellt meiner Seelen Blick ſich dar!
O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut,
Mir doch zu Muht!
Ob dieſen herrlichen Jdeen,
Die mir hiebey in meiner Seel entſtehen,A 4Und8Die Bewegung der Sternen.
Und die ich ſelbſt nicht faſſen kann,
Tritt mich ein Seelen-Schwindel an.
Der Geiſt, ſammt aller Krafft, wird gleichſam hier ver - ſchlungen,
Mein Dencken wird mit uͤmgeſchwungen.
O GOTT! wo iſt von Deiner Macht
Jm gantzen Reiche der Natur
Ein mehr beweiſender Beweiß? was zeigt die Pracht
Und deine Majeſtaͤt doch herrlicher?
Wo weiſt in ſeinem Werck der wahre Schaaren-HErr
Sich praͤchtiger und wuͤrdiger?
Und dennoch kommt dieß alles mir,
Wenn ich Sein Allmacht uͤberlege,
Und, bey der Creatur, den Schoͤpffer ſelbſt erwege,
Nicht anders fuͤr: (Jndem ein Diamant aus viel polirten Spitzen
Viel Lichter laͤſſt auf einmahl blitzen)
Als waͤr der gantze Raum voll Glantz, ein Diamant
An unſers Schoͤpffers Allmachts-Hand.
Fruͤh -5[9]Fruͤhlings-Betrachtungen.
Fruͤhlings-Betrachtungen.
Mich erquicken,
Mich entzuͤcken,
Jn der holden Fruͤhlings-Zeit,
Alle Dinge, die ich ſehe.
Da ja, wo ich geh und ſtehe:
Alles voller Lieblichkeit.
Durch der gruͤnen Erde Pracht,
Durch die Bluhmen, durch die Bluͤhte,
Wird, durchs Auge, mein Gemuͤthe
Mecht bezaubernd angelacht.
Die gelinden lauen Luͤffte,
Voller Balſam-reicher Duͤffte,
Treibt des holden Zephirs Spiel
Zum Geruch und zum Gefuͤhl.
Auf den glatten Wellen wallen,
Wie auf glaͤntzenden Cryſtallen,
Jm beſtaͤndig regen Licht,
Tauſend Strahlen, tauſend Blitze,
Und ergetzen das Geſicht:
Sonderlich wenn ſelbe, zwiſchen
Noch nicht dick bewachsnen Buͤſchen,
Und durch junge Weiden glimmen.
Kleine Lichter, welche ſchwimmen
Auf dem Laub und auf der Fluth,
Bald in weiß-bald blauer Gluth,
Treffen mit gefaͤrbtem Schertz
Durch die Augen unſer Hertz.
A 5Seht10Fruͤhlings-Betrachtungen.
Seht die leichten Voͤgel fliegen;
Hoͤret, wie ſie ſich vergnuͤgen;
Seht, wie die bebluͤhmten Hecken
Jhr geflochtnes Reſt verſtecken!
Schlupffet dort nach ſeinem Reſte
Ein verliebt und emſigs Paar;
Huͤpffet hier durch Laub und Aeſte
Eine bunt-gefaͤrbte Schaar;
Seht, wie ſie die Koͤpffchen drehn,
Und des Fruͤhlings Pracht beſehn;
Hoͤrt, wie gurgeln ſie ſo ſchoͤn!
Hoͤret, wie ſie muſiciren:
Laß dich doch ihr Beyſpiel ruͤhren,
Liebſter Menſch, laß Dem zu Ehren,
Der die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤckt,
Und, durch ſie, dich faſt entzuͤckt;
Auch ein frohes Danck-Lied hoͤren.
An -11Anfang des Fruͤhlinges.
Anfang des Fruͤhlinges.
Es ſcheinet ietzt bald hie bald da,
An allen Orten fern und nah,
Des jungen Graſes friſches Gruͤn,
Mit ungezehlten Lieblichkeiten,
Sich gleichſam aͤmſig zu bemuͤhn,
Das welcke Gelbe zu beſtreiten,
Und itzt, bald hier bald dort, das Land zu uͤberziehn.
Hier ſiegt annoch des alten Graſes Reſt:
Sein falbes brann, ſein ſchmutzigs grau
Haͤlt, ob gleich welck, annoch an faulen Stengeln feſt,
Jndem ich dorten nichts, als neue Schoͤnheit, ſchau.
Hier drenget manche zarte Spitze
Sich einzeln aus der Erd, und dorten ſiehet man
Schon kleine Huͤgelchen von Gras, und kleine Blitze,
Wann ſie beſtrahlet ſind, auf ihrer gruͤnen Glaͤtte,
Die man nicht ſonder Luſt beſchauen kan:
Zumahl wann ſich der linde Zephir reget,
Und jedes Graͤschen ſich gelinde mit beweget,
Sammt den durch ſie erzeugten zarten Schatten,
Die auch beweglich ſind, und ſich mit ihnen gatten,
Um, durch den Gegen-Satz, das, was ſo Wunder-ſchoͤn,
Noch zu verherrlichen, und mehr noch zu erhoͤhn.
Hier prangt ein gruͤner Platz, der rings uͤmher
Von Stellen, die annoch von Graſe leer,
Als wie ein Jnſelchen, uͤmgeben; wann ſich dort
Von braunem Staub und Sand ein kleiner Ort
Roch zwiſchen gruͤnen Stellen zeiget.
Noch12Anfang des Fruͤhlinges.
Noch anderwaͤrts laͤſſt ein vermiſchtes Braun,
Aus welchem Gras und Kraut faſt allenthalben ſteiget,
Ein liebliches Gemiſch im Strahl der Sonnen ſchaun,
Allein in kurtzer Zeit iſt Sand und Staub verſtecket:
Ein Wunder-ſchoͤnes Gruͤn wird allgemein,
Und alles ſteht, zumahl im Sonnen-Schein,
Mit einem gruͤnen Glantz bedecket,
Auf welchem wir in kurtzem, Wunder-ſchoͤn,
Die bunte Pracht gefaͤrbter Bluhmen ſehn.
Die Erd-Gewaͤchſe ſieht man nun,
Rachdem ſie ferner nicht mehr ruhn,
Auf den gevierten Garten-Beten,
Aus ihrem Schlaff-Gemach im Fruͤhling gleichſam treten.
Sie haben abgelegt den alten Leib,
Und einen neuen angenommen;
Und, ſtat des alten Rocks, der gantz zerriſſen,
Verwelckt, verweſet und verſchliſſen,
Ein neues bunt-und ſchoͤnes Kleid
Jn dieſer frohen Fruͤhlings-Zeit
Jn neuem Schimmer uͤberkommen.
Mich deucht, ich ſehe ſie ihr ſchweigen unterbrechen;
Mich deucht, ich hoͤre ſie mit bunten Lippen ſprechen:
Geliebte Menſchen, ſeht uns an:
Wir waren todt, wir leben wieder.
Wie? daß denn jemand zweifeln kan,
Daß auch dereinſt nicht eure Glieder,
Ob gleich, wie wir, verweſet und geſtorben,
Ob gleich, wie wir, vernichtigt und verdorben,
Nicht auch, wie wir anietzt, aus Staub und Erden
Erneuert auferſtehen werden!
Wie13Anfang des Fruͤhlinges.
Wie wird nicht euer Schmuck und Schein
So dann viel herrlicher, als unſre Farben ſeyn!
Wenn ihr nur eure Pflicht, den Schoͤpffer zu erhoͤhn,
Und Seine Wunder-Werck mit Andacht anzuſehn,
Auf dieſer Welt in Acht genommen.
Ach! ſehet uns denn an, wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn
Der Schoͤpffer uns aufs nen gebildet;
Wie bunt Er uns gefaͤrbt, verſilbert und verguͤldet.
Ja uͤberlegt dabey das Wunder, und bedencket,
Daß Er nun ſeit ſo langer Zeit
Uns alle Jahr ein neues Kleid,
Und einen neuen Leib geſchencket,
Zum Zeugniß Seiner Guͤtigkeit.
Fuͤr wen bereiten ſich doch unſre Saͤffte?
Fuͤr wen ſind wir an Farb und an Geruch ſo reich?
Wir geben euch all unſre Kraͤffte:
Denn unſre Krafft dient uns nicht ſelbſt, nur euch.
Wir bluͤhen nicht fuͤr uns, fuͤr euch allein.
Ja wenn wir ſagten, daß die Guͤte
Des Schoͤpffers Selber in uns bluͤhte,
Euch ſelbſt durch den Geruch erquickte,
Fuͤr euch nur bloß ſo ſchoͤn uns ſchmuͤckte,
Wuͤrd es vielleicht nicht unrecht ſeyn.
Es ſehe denn doch iederman
Die Erd-Gewaͤchſ als ſo viel tauſend Zeugen
Der Liebe, Guͤt und Allmacht GOttes, an!
Mor -14Motgen-Gebet
Morgen-Gebet nach dem Winter, bey noch nicht voͤllig eingetretenem Fruͤhlinge.
Mein Aug eroͤffnet ſich, nach abgewichner Nacht,
Zur Zeit, da die Natur, (nachdem die Finſterniſſen
Des Winters, nebſt dem Schnee und Eiſe, weichen muͤſſen,)
Vom Schlaff auch gleichſam aufgewacht.
Des Jahres Daͤmmerung iſt allbereit erſchienen,
Die uns des Fruͤhlings Morgen-Licht
An den Sapphirnen Himmels-Buͤhnen,
Und auch auf unſrer Welt, verſpricht.
Jch dancke Dir, o HERR! mit tauſend Freuden,
Zumahl zu dieſer Zeit, da Nacht und Winter ſcheiden,
Daß Du mich, nach ſo ſanfter Raſt,
Nebſt allen Meinigen, geſund erwecket haſt.
Da Du ſo manche Noth und Plage, Fluth und Brand,
Von uns, in dieſer Nacht, ſo gnaͤdig abgewandt:
Da wir das Morgen-Licht, nur bloß durch Dich, ſo ſchoͤn,
Mit aufgeklaͤrtem Geiſt und Blicken wieder ſehn.
Ach! laß mich dieſe Gnad, als ein Geſchencke, ſchaͤtzen,
Das Ehre, Preis und Danckens wehrt,
Und wofuͤr darin Dir der beſte Danck gehoͤrt,
Wenn wir an Deinem Werck uns laben und ergetzen!
Erweget denn auch heut, ihr Sinnen, und bedencket,
Wie GOTT den groſſen Bau der Land-und Waſſer-Welt
Jn Goͤttlich ſtarcken Finger haͤlt,
Und recht, als wie am Zuͤgel, lencket.
Da iede Flaͤche ſich von unſrer Sonne zwar
Zuweilen wol in etwas trennen,
Jedoch15nach dem Winter, ꝛc.
Jedoch nicht uͤm ein einzigs Haar
Zuweit von ihr entfernen koͤnnen.
Erwegt die Ordnung doch, zu ihres Schoͤpffers Ehren,
Da wir ſchon wieder zu ihr kehren.
Zwar ſehen wir das junge Gruͤn noch nicht,
Auf den noch nicht bewachſnen Feldern,
An den noch Blaͤtter-loſen Waͤldern;
Allein, da ich von Eis und Schnee
Die Erde ſchon befreyet ſeh,
Kann mir die Hoffnung beſſrer Zeiten
Schon zum voraus die Fruͤhlings-Luſt bereiten:
Zumahlen wir bereits, wie ſich die Kraͤffte ruͤhren,
Theils in-theils auſſer uns verſpuͤhren.
Es dringt der Safft ins Holtz: Wir ſehn auf manchen Stellen
Die roͤthlich-braunen Knoſpen ſchwellen.
Man ſieht bereits, mit aͤmſigen Vergnuͤgen
Den Ackersmann ſein Feld, woranſ kein Schnee mehr, pfluͤgen.
Man pfluͤgt, man ſaͤ’t, man eg’t, man graͤbt;
Der Acker ruͤhret ſich, das Feld iſt gantz belebt,
Weil ſich ein jeglicher beſtrebt
Den Samen in das Land zu bringen.
Auch ſtellet ſich ſchon hin und wieder,
Zumahl beym heitern Sonnen-Schein,
Mit regem flattern, huͤpffen, ſpringen,
Manch bunt-und muntres Voͤgelein,
Jedoch noch ſparſam, wieder ein.
Man hoͤrt ſchon hie und da ihr Zwitſchern, ihre Lieder:
Mein Hertz, laß ſie auch dir ein Folg-Exempel ſeyn.
Ach! laß auch du, bey ihrem ſingen,
Ein frohes Danck-Lied offt erklingen.
Jn16Morgen-Gebet nach dem Winter, ꝛc.
Jn Gaͤrten hoͤret man jetzt manchen lauten Thon,
Ein froͤlichs klappern, nageln, klopffen.
Die frohen Gaͤrtner hefften ſchon
Mit Leder ihre Baͤum an trockne Plancken an,
Wovon man ohne Luſt den Schall nicht hoͤren kann.
Sie bringen uns ſchon Brunn-Kreß, jungen Hopffen,
Und ander Kraͤuter - Werck. Die Baͤum und Weiden
Sind ſie mit Luſt anitzt beſchaͤfftigt zu beſchneiden.
Ach laß auch heute mich, o HErr, zuforderſt Dir,
Und dann dem Naͤchſten, ſo wie mir,
Bemuͤhet ſeyn mit Luſt zu dienen!
Gieb daß ich, weil auch er von Dir hervorgebracht,
Und er, ſo wol als ich, ein Vorwurff Deiner Macht,
Auch, ſelbſt in ihm, Dein Lob vermehre
Und Dich in meinem Raͤchſten ehre!
Gieb, daß ich uͤberall heut Deinen Segen ſpuͤhr,
Der mir bisher ſo mildiglich erſchienen.
Ach laß auch mich die wilden Sproſſen
Der eitlen Luſt-und Geld-und Ehr-Begier,
Die mir im Hertzen ausgeſchoſſen,
Auch heute ſo, wie ſie, beſchneiden, und zugleich
Auch ſo, wie ſie, an Hoffnung reich,
Zu eines Fruͤhlings Pracht und glaͤntzen,
Auch auf den ewig ſeel’gen Lentzen,
Und deſſen unverwelckten Schaͤtzen,
Mein immer gruͤnes Hoffen ſetzen!
Fabel. 17Fabel.
Fabel.
Die Erde ſahe juͤngſt der Luͤffte ſchoͤnes blau,
Mit einem kleinen Neid, halb eiferſuͤchtig an,
Und ſprach: ſtoltziere nur, mit deinem blauem Licht,
So uͤbermuͤthig nicht,
Weil ich, ſowol als du, dergleichen zeigen kann.
Schau mein Ultramarin; betrachte, wie der Pfau
Jm blauen Schimmer prangt; ſchau den Sapphir. Vor allen
Kann ich dir der Gentianellen
Faſt blendend blan entgegen ſtellen.
Jhr voller Glantz muß dir,
Trotz deiner blauen Zier,
Noch mehr als du dir ſelbſt gefallen kannſt, gefallen.
Die Lufft nahm dieſen Hohn fuͤr kein Verhoͤhnen an;
Vielmehr beſahe ſie, vergnuͤgt und ſonder Neid,
Von dieſem ſchoͤnen Fruͤhlings-Kinde,
Das dem Saphir faſt gleiche Kleid,
Und liſpelte darauf gelinde
Der Erde dieſe Worte zu:
Jch ſehe deinen Schmuck nicht ſonder Freuden.
Waruͤm beſieheſt du
Den meinen nicht auf gleiche Weiſe?
Laß uns doch, ohn uns zu beneiden,
Uns, da wir alle beide ſchoͤn,
Mit Freud und Aumuth, Dem zum Preiſe,
Der unſer aller Quell und Urſprung iſt, beſehn!
Laß uns vielmehr uns in die Wette ſchmuͤcken;
Damit, wenn Geiſter uns erblicken,
BDie18Fabel.
Die mit Verſtand begabt, durch ein erſtaunt entzuͤcken,
Sie in uns beyden GOTT, die Quell des Lichts, erhoͤhn.
Denn, ſonder Glantz und Strahl Deſſelben Sonnen -
Lichts,
Sind wir, nicht nur nicht ſchoͤn; wir ſind ein wircklich
Nichts.
Laß deine ſchoͤne blaue Bluhme
Denn kuͤnfftig, zu des Schoͤpfers Ruhme,
Jn einem blauen Feuer bluͤhen:
Jch will, wie vor, zu Seiner Ehr,
Und zwar noch immer mehr und mehr
Jn meinem blauen Schimmer gluͤhen.
Als,19Betrachtung verſch. herrl. Geſchoͤpfe, ꝛc.

Als, bey froͤhlicher Betrachtung ver - ſchiedener herrlichen Geſchoͤpfe GOTTES, weit hoͤhere und vortrefflichere Betrachtun - gen derſelben, von Durchlauchtiger Hand, unvermuthet bey mir ein - lieffen. a)Siehe das Schreiben ſelbſt am Ende der Vorrede.

Mit annoch geruͤhrter Seele ſetz ich mich, uͤm zu be -
ſchreiben,
So viel zu beſchreiben moͤglich, was ich wunder-wunder -
ſchoͤn,
Als ich auf der Elbe ſchiffte, geſtern halb erſtaunt geſehn.
Moͤgte doch von aller Schoͤnheit ietzo nichts zuruͤcke bleiben!
Des erſt aufgeklaͤrten Himmels gantz von Licht erfuͤll -
ten Kreis
Schmuͤckte von beſtrahlten Wolcken ein ſo hell und blendend
Weiß,
Daß das allerreinſte Silber ſchwartz dagegen. Meine Blicke
Zogen, durch des Schimmers blitzen offt beſieget, ſich zu -
ruͤcke,
Aber nur, uͤm ſich zu ſtaͤrcken, und, ſo dann geſtaͤrckt, von
neuen,
Sich an dieſer weiſſen Klarheit, zu vergnuͤgen, zu erfreuen.
Dieſes Himmel-Silber Glantz hatt an dem Sapphirnen
Bogen
Rings um unſern Horizont, wie Gebirge, ſich gezogen,
Die aus Licht gebildet ſchienen. Jn der Mitten uͤber mir
War, in ungemeſſner Oeffnung, eine Ruͤnde wie Sapphir,
Ja vielmehr ein blaues Feur. Unbeſchreiblich iſt das
glaͤntzen,
Welches in den ſilbernen und in den ſapphirnen Grentzen,
B 2Da,20Froͤhliche Betrachtung
Da, wo ſie ſich ſcheiden, ſtrahlte: beide drungen, wie ein
Licht
Durch geſchwaͤrtzte Finſterniſſen, und durch Schatten ploͤtz -
lich bricht,
Ploͤtzlich mir durchs Aug ins Hertz, und erfuͤllten meine
Bruſt,
Groſſer Schoͤpfer, Dir zur Ehre, mit noch nie gefuͤhlter Luſt.
Aber bald muſt ich mich noch, vor verdoppeltem Ergetzen
Und ſich mehrendem Vergnuͤgen, vor Vergnuͤgen, faſt entſetzen,
Als ich alle Pracht des Himmels, den Sapphir, die Silber -
Huͤgel,
Jn der Elbe ſtillen Fluth, als in einem groſſen Spiegel,
Ebenfalls erſcheinen ſah. Ja noch mehr, ich ſah im
Weſten,
Hinter einer duncklen Wolcken, an der aufgeklaͤrten Feſten,
Die bald untergehnde Sonne herrlich, hell und feurig ſtrahlen
Und zugleich den glatten Fluß beide Vorwuͤrff deutlich
mahlen.
Da der Sonnen helles Licht, bey der Wolcken Dunckelheit,
So im Urbild, als im Abdruck, mit noch groͤſſrer Herr -
lichkeit,
Jn noch ſtarck vermehrtem Glantze, durch den Gegen-Satz,
erſchien
Und durch unbeſchreiblichs funckeln aller Schauer Aug und
Hertz
Mit Entzuͤcken ruͤhrt und fuͤllte. Richt genug: auch Oſten -
werts
Zeigte mir ein flaches Ufer, ein ſo lieblich Fruͤhlings-Gruͤn,
Das, zugleich voll gelber Bluhmen, glaͤntzt und gluͤh’te,
Dieſe Wieſe
Schien, im Sonnen-Strahl zumahl, recht ein Stuͤck vom
Paradieſe.
Wie21verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Wie ich nun, durch alle Schoͤnheit halb entzuͤckt und auſſer
mir,
GOtt zum Ruhm, ſo Hertz als Auge voller Brunſt, gen
Himmel ſchickte;
Stutzt aufs neue Blick und Hertz. Weil des Firmaments -
Sapphir
Mir ein neues Wunder zeigte, voller Schoͤnheit; Jch
erblickte
Den erſt aufgegangnen Mond: Sein hell glaͤntzend Silber
druͤckte
Den von aller Strahlen Urquell allererſt empfangnen
Schein,
Seine Pracht auch zu verdoppeln, ebenfalls den Fluthen ein.
Stelle dir, geliebter Leſer, mein Ergetzen, meine Freude,
Meine Wonne, mein Vergnuͤgen, in dem ſchoͤnen Welt-Ge -
baͤude,
Ob ſo mannigfaltgen Wundern, ob der Herrlichkeit und
Zier
So viel herrlicher Geſchoͤpfe, doch noch mehr den Schoͤpfer
fuͤr:
Der die Erde, Fluth und Himmel, der die Sonne, der die
Welt,
Ja viel Millionen ſchuff; ſie in ſolcher Ordnung haͤlt,
Daß, nach ſolcher langen Zeit, daß, nach ſo viel tauſend
Jahren,
Sie ſo ſchoͤn und kraͤfftig noch, als ſie ie geweſen, waren.
Noch, da ich aufs neu erwege den erblickten Wunder -
Schein,
Fuͤhl ich ſuͤſſe Regungen auch aufs neu in mir entſprieſſen,
Und es laͤſſt mein Auge druͤber wircklich Frenden-Thraͤnen
flieſſen.
Moͤgte dir, bey der Erzehlung, doch wie mir, zu Muthe ſeyn!
B 3Kaum22Froͤhliche Betrachtung
Kaum hatt ich die letzten Worte hingeſetzt und ausge -
druͤckt,
Als ich (da vorher die Pracht leiblicher Vollkommenheiten
Mich faſt aus mir ſelbſt geſetzt, gantz erquickt, und halb ent -
zuͤckt)
Auch Gelegenheit bekam, geiſtige Vortrefflichkeiten,
Die vom Schoͤpfer gleichfalls ſtammen, in ſo hohem Grad
zu ſehn,
Daß mein froͤhliges Erſtaunen, und wie mir dabey geſchehn,
Unausdruͤcklich iſt und bleibet. Ein bewunderns-wehrter
Brief
Von Durchlauchtger Hand geſchrieben in gebundnen
Worten, lieff
Unvermuthet bey mir ein. Heſſen-Homburgs Lude -
wig
Zeigte Seiner Seelen Groͤſſe, und in ihr, in welchem Grad
GOtt die menſchliche Ratur mit Vernunft begabet hat
Aus der Fuͤlle Seiner Weisheit. Kein beſtrahlter Mor -
gen-Thau,
Wann der Sonnen guͤldne, Blicke ſein verklaͤrtes Raß ver -
guͤlden,
Kann des Urbilds Herrlichkeit deutlicher und ſchoͤner bilden,
Als ich GOTTES Wunder-Wercke in dem Brief gebildet
fand.
Alle Zeilen, iede Worte, zeigten himmliſchen Verſtand,
Stellten Goͤttlicher Geſchoͤpfe Wunder-volle Pracht und
Zier
Ja noch nie vorhin geſehner Majeſtaͤt und Anmuth fuͤr.
Wo23verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Wo noch etwas auf der Welt GOtt-gefaͤlliges zu finden,
Jſts vermuthlich eine Seele, die Sein Werck mit Luſt erblickt:
Weil, nebſt einem froͤhlichen Danck-gefliſſenen Empfinden,
Von den herrlichen Geſchoͤpfen ſich in ſie ein Bildniß druͤckt,
Welches alles doppelt zeigt. Wird ein menſchliches Ge -
ſicht,
Durch der Farben Harmonie, blos durch Schatten und durch
Licht,
Jn geſchilderten Copien der Natur, vergnuͤgt, ergetzet,
Und, durch wol gemiſchten Staub, offt in ſuͤſſe Luſt geſetzet;
Sollte denn den groſſen Schoͤpfer eine lebende Copie
Seiner wunderbaren Wercke, in der Menſchen Geiſt, nicht
ruͤhren?
Sollt Er, der ja nichts als Liebe, gleicher Weiſ aus Lie -
be, ſie
Nicht mit einer zaͤrtlichen vaͤterlichen Luſt verſpuͤhren?
Und, da ſelbige nicht minder, als ihr Urbild, Wunder-ſchoͤn,
Sie ſo lieb nicht, als das Urbild, ja wol gar noch lieber,
ſehn?
Ehr-Furcht, Andacht, Gegen-Liebe, Zaͤrtlichkeit, Luſt, Danck -
barkeit,
Sind der Seelen ſchoͤne Farben, woraus, wann ſie mit den
Bildern
Der Geſchoͤpfe ſich verbinden, ſie, bis zur Vollkommenheit,
Wolgefaͤllige Gemaͤhlde, Dem zur Freud und Ehre ſchildern,
Deſſen Weisheit ſonder Grentzen, deſſen Macht nicht zu er -
meſſen.
O! wie muß denn deine Seele, Weiſ - und Groſſer
Printz von Heſſen,
Dem unendlichen Monarchen, ein ſo werther Spiegel
ſeyn,
Worin Seiner Allmacht Glantz, Seiner Lieb und Weisheit
Schein
B 4Jn24Froͤhliche Betrachtung
Jn betrachteten Geſchoͤpffen, Jhm zu Ehren, ruͤckwerts
ſtrahlet!
Welch ein reitzendes Gemaͤhlde! das, durch Weisheit und
durch Luſt,
Auch ſo gar bey harten Waffen, ſich, in Deiner Helden-Bruſt,
Aus der zaͤrtlichſten Empfindung ſchoͤnſten Farben, ſelber
mahlet!
Groſſer Land-Graf, deſſen Fauſt ein gefuͤrchtet Schwerdt
zu fuͤhren,
Auch zugleich die ſuͤſſen Saiten wunderbarlich ſuͤß zu ruͤhren,
Gleich geſchickt, gleich fertig iſt! Dein Ruhm iſt nicht zu
verſchweigen,
Ja, ſo wenig, als die Wunder, welche Schwartzburgs Guͤn -
thers Geiſt,
Der laͤngſt gantz Europa fuͤllet, aller Welt zum Wunder
weiſ’t;
Deine weiſe Helden-Seele faͤngt jetzt an der Welt zu zeigen,
Daß nunmehr, o neues Wunder! GOtt, von Groſſen die -
ſer Erde,
Richt nur im Geſchoͤpf erkannt, ja ſo gar beſungen werde:
Und zwar ſo, daß (Salomon, Job und David ausgenommen)
Keiner, er ſey wer er ſey, aus der Fuͤrſten-Dichter-Orden
Und durchlauchtigen Poeten, ſeit die Welt erſchaffen
worden,
Auf dem geiſtlichen Parnaß ie ſo hoch empor gekommen.
Welche Exempel wird die Welt, Herr, an Deinen Lie -
dern nehmen!
Welche Folge wird man nicht, durch dieß groſſe Beyſpiel
ſehn!
Wird ſich auch wol iemand kuͤnfftig (wie bishero wol ge -
ſchehn,
Auch wol unter Geiſtlichen) GOtt als Schoͤpffer zu erhoͤhn,
Und in Seinen Wundern Jhn zu verehren, ferner ſchaͤmen?
Jch25verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Jch aufs wenigſte geſtehe, daß, zur Andacht und zur Luſt,
Meine durch Dein Engliſch Lied bruͤnſtig angeflam̃te Bruſt
Sich aufs neu getrieben fuͤhle. Ja daß ſie ein heilges
Schrecken,
Bey nicht auszudruͤckendem Freuden-Trieb, in ihr erwecken:
Da ſich mir zugleich ein Fuͤrſt, ein Poet, ein Helden-Geiſt,
Den des Hoͤchſten Ordnung kaͤmpfen, den der Schoͤpfer ſin -
gen heiſſt,
Ein Begriff der Wercke GOttes, ja GOtt ſelbſt in Dir ent -
decken.
Dieſes ſchreib ich nicht, geblendet durch den hellen Gnaden -
Schein,
Den Du auf mich ſtrahlen laͤſſeſt, deſſen ich nicht wuͤrdig;
Nein.
Meine Seel iſt ſo beſchaͤfftigt, da ich Deine Groͤſſ ermeſſe,
Deine Weisheit, Dein Vergnuͤgen, daß ich meiner gantz
vergeſſe.
B 5Bluh -26Bluhmen.
Bluhmen.
A. Es waͤhrt der Bluhmen Zier ja nur ſo kurtze Zeit;
Und dennoch wird derſelben Pracht
Uns alle Nacht
Geraubt, und koͤnnen wir an ihnen das, was ſchoͤn,
Die halbe Zeit von ihrer Daur, nicht ſehn.
Mich deucht es ſcheint hieraus zu flieſſen,
Daß ſie fuͤr uns nicht, wie man glaubt, gemacht. B. Du kanſt mit Recht alſo nicht ſchlieſſen.
Wie, nach des Winters Stuꝛm und rauhem Froſt im Lentzen
Die Vorwuͤrff alle ſchoͤner glaͤntzen;
Und wie, wenn unſre Luſt uns die Gewohnheit ſtoͤhrt,
Der Wechſel ſie uns wieder ſchencket,
Sie ſchmackſam macht, und noch vermehrt;
So deucht mich, wenn die Nacht ſich zu uns lencket,
Daß es nur bloß zu dieſem Zweck geſchehe,
Damit man, mit noch groͤſſrer Wonne,
Bey heller Wiederkunft der Sonne,
Sie, nach dem ſcheiden, wieder ſehe.
Wiewol, wer weiß, ob nicht zu gleicher Zeit
An der Geſchoͤpfe Herrlichkeit,
Und an ſo Wunder-reichen Schaͤtzen,
Auch andre Weſen ſich ergetzen?
Die Unempfindlichkeit der Menſchen zwinget mich,
Und will, daß dieſes wahr, zu glaͤuben,
Mich faſt am allermeiſten treiben.
Denn, weil wir, leider! freventlich
Nach nichts ſo ſehr,
Als blos nach einer eitlen Ehr,
Nach Fleiſches-Luſt und Reichthum gaffen;
So ſcheinet faſt der Bluhmen Heer
Fuͤr uns allein, uͤmſonſt geſchaffen.
Be -27Betrachtung der Veraͤnderung der Zeiten ꝛc.
Betrachtung der Veraͤnderung der Zei - ten, ſam̃t dem Nutzen und der Luſtbarkeit derſelben.
Jm Winter fuͤllt die Lufft ein neblicht falbes Grau. Jm Fruͤhling iſt ſie hell, warm, heiter, rein und blau. Jm Winter ſchnaubt der Nord mit ſtuͤrmeriſcher Wuth,
Zerſchneidet uns die Haut, durchdringet Marck und Blut; Jm Fruͤhling ſaͤuſeln ſanft und kuͤhlen uns gelinde,
Mit Balſam-reichem Dufft, die ſchmeichlend lauen Winde. Jm Winter druͤckt die Fluth, und haͤlt den ſanften Lauff
Ein ſchroff-und ſtarres Eis, durch rauhe Schollen, auf. Jm Fruͤhling glaͤntzet ſie als ein polirter Spiegel.
Und bildet Wunder-ſchoͤnden Schmeltz bebluͤhmter Huͤgel;
Sie rauſcht und rieſelt ſanft, bald durch beſtrahlte Felder,
Bald durch die gruͤne Nacht und Daͤm̃rung dunckler Waͤlder. Jm Winter iſt das Feld entfaͤrbet, oͤd, erſtarrt,
Verwuͤſtet, traurig, ſchwartz, wild, hoͤckricht, Felſen-hart. Jm Lentzen iſt es gruͤn, bebluͤhmt, ja Wunder-ſchoͤn
Mit Korn und Klee bedeckt, und lieblich anzuſehn. Jm Winter ſieht der Wald gebundnen Ruthen gleich. Jm Fruͤhling iſt er Laub-und Bluͤth-und Schatten-reich. Jm Winter iſt ſo Feld als Wald von Voͤgeln leer. Jm Fruͤhling fuͤllt die Lufft derſelben klingend Heer
Mit lieblichem Gethoͤn. Die ſaͤurlich-ſuͤſſen Fruͤchte
Und mancherley den Gaum erquickende Gerichte,
Raubt uns der rauhe Froſt. Der Fruͤhling ſucht von neuen
Mit ihnen Aug und Mund und Hertz uns zu erfreuen.
Der28Betrachtung der Veraͤnderung der Zeiten,
Der Wechſel blos allein,
Zumahl wenn wir darin die Ordnung uͤberlegen,
Und der Natur Veraͤndrungen erwegen,
Die unveraͤnderlich; ſollt uns ein Zeuge ſeyn
Richt nur von GOTTES Macht und Weisheit; Auch die Triebe
Von Seiner dem Geſchoͤpf erzeigten Wunder-Liebe
Sind klar hierin zu ſehn: denn da wir leider blind,
Jm ruhigen Beſitz, fuͤr alles Gute, ſind;
So ſcheint der Wechſel uns, mit lieblicher Gewalt,
Durch Neuigkeit, was ſuͤß, noch ſuͤſſer zu verſuͤſſen.
Damit wir der Geſchoͤpf Pracht, Farben und Geſtalt
Mit mehr Empfindlichkeit genieſſen.
Wenn ſich der Sommer nie von unſrer Gegend trennte,
Wenn ein gerader Strahl die Felder immer brennte;
So wuͤrde, von dem Schaden nichts zu ſagen,
Uns ein verdrießlichs Einerley,
Auch bey ſtets heiterm Wetter, plagen.
Jndem ich dieß mit Luſt und Danck betrachte,
Und, wie ſo angenehm der Wechſel ſey,
Wie noͤthig und wie gut, mit frohem Ernſt beachte;
So fuͤhl ich allererſt von neuen,
Daß unſer GOtt nicht bloß im Jahr uns vier mahl nur
Mit Aenderung der Zeiten woll erfreuen:
Es goͤnnet auch der Herrſcher der Natur
Jn29ſammt der Nutz - und Luſtbarkeit derſelben.
Jn einem jeden Tag, uns vier mahl dieſe Luſt;
Da Morgen, Mittag, Abend, Nacht
Uns gleichſam ſich, wie iedem ja bewuſt,
Der es betrachten will,
Zum Leutzen, Sommer, Herbſt und Winter macht.
Ach fuͤhlt denn, ſchmerckt und ſeht, was GOtt uns Gutes giebet:
Erkennt, wie vaͤterlich und zaͤrtlich Er uns liebet.
Und laſſt uns, da ſo offt ſich Lieb und Huld erneuen,
Uns Seiner wenigftens des Tages vier mahl freuen!
Pri -30Primulae veris.
Primulæ veris und Aurikeln.
Mein GOTT, es iſt durch Deine Guͤte
Der frohe Fruͤhling wieder da.
Dort ſteht die holde Primula,
Sammt den Aurikelchen in voller Bluͤthe.
Ach gieb, daß mein geruͤhrt Gemuͤthe
Nicht minder fruchtbar, als die Erde,
Zu Deines Nahmens Ehren, werde!
Gieb, daß mein Geiſt, wann ich mit Luſt
Des Fruͤhlings erſte Pracht beſinge,
Aus einer Dir geweihten Bruſt
Die Erſtlinge der Andacht bringe!
Holdſeligs Fruͤhlings-Kind, dein zart und ſanftes Weſen
Hab ich, zu Deſſen Ruhm, der dich und alles macht,
Zu meiner Lieder Zweck und Vorwurff, ietzt erleſen,
Dein ſchoͤnes Kleid, und deine bunte Pracht
Kann, nach der langen Winter-Nacht,
Aus deinen kleinen gruͤnen Buͤſchen,
Die dich, wie du ſie ziereſt, zieren;
Nicht nur ein achtſam Auge ruͤhren,
Auch ſelber unſern Geiſt erfriſchen.
Dein fuͤnffach Hertzen-foͤrmig Blat,
Das, recht im Mittel-Punct, ein Sonnen-Bildchen hat,
Macht, daß ich auf mein Hertz auch die Gedancken lencke,
Und wuͤnſche, daß auch mir ſich ſtets ins Hertze ſencke
Ein Strahl von jener ew’gen Sonne;
So wuͤrd es meiner frohen Seelen
So gar am Vorſchmack ew’ger Wonne,
Schon hier auf dieſer Welt, nicht fehlen.
Dein31und Aurikeln.
Dein breit und krauſes Laub gleicht einer Zungen,
Und ſpricht, mehr als man meint, zu ihres Schoͤpffers Ehre.
Er wird im ſanften Thon durch ſie beſungen.
Mich deucht, daß es mein Geiſt, durchs Auge deutlich hoͤre,
Wie ihre Zierlichkeit, Geſtalt, Krafft, Farb und Pracht
Von Deſſen Weisheit, Lieb und Macht,
Der ſie aus nichts hervor gebracht,
Jn ſanfter Harmonie erklinge,
Und, Jhm zum wahren Ruhm, ein ſuͤſſes Lob-Lied ſinge.
Was ſeh ich, liebſte Bluhm, in dir
Fuͤr eine neue Zier?
Die wehrt, daß wir darauf ſo Geiſt als Blicke lencken,
Daß wir die Mannigfaltigkeit,
Und in den Bildungen die Meng und Unterſcheid
Der ſpielenden Natur bedencken,
Als worin ein Geheimniß liegt.
Es ſcheint dieß Bluͤhmchen nicht vergnuͤgt,
Nur einzeln GOttes Macht zu zeigen;
Sie laͤſſt, zu ihres Schoͤpffers Preiſe,
Auf eine wunderbare Weiſe,
Aus einer ieden Bluhm ein andre Bluhme ſteigen.
Hierin iſt ihr im Bluhmen-Reich
Faſt keine Bluhme gleich.
Dieß, deucht mich, zeiget mir nicht nur,
Wie unerſchoͤpfflich die Natur
An Bildung und Erfindung ſey;
Es ſtellet mir zugleich dabey
Die Bluhm ein lehrend Sinn-Bild fuͤr
Von einer ſchoͤnen Seel in einem ſchoͤnen Leibe;
Und32Primulae veris.
Und wuͤnſch ich, da ich dieſes ſchreibe,
Daß dieſe Bluhm auch meiner kleinen Heerde
Ein unverwelcklich Vorbild werde,
Und ſtets ihr Lehr - und Sinn-Bild bleibe.
Allein, was laſſen dort
Mir deine Schwerſterchen fuͤr neue Wunder ſehn?
Wie angenehm gefaͤrbt, wie lieblich und wie ſchoͤn
Sind die Aurikeln nicht!
Unglaublich iſts, wie die Natur in ihnen
So mannigfalt die Farben miſcht und bricht.
Sie tempert bald aus gelb-aus rothem und aus gruͤnen,
Die ſanfte Colorit. Bald laͤſſt ſie, gruͤn und braun,
Bald Purpur, Jſabell, bald roͤthlich, und bald grau,
Bald gelb und gruͤn, bald gruͤn und gelb, bald blau,
Mit dunckel-roth gebrochen, ſchaun.
Bald ſchmuͤckt die Mitte, bald die Ecken,
Ein guͤldener, und bald ein Kreis,
Der mehr als Silber-weiß.
Man ſieht (was ſonderlich) meiſt einen weiſſen Staub
Die Blumen, ja den Stengel, und das Laub,
Mit mancherley Figuren dufftig decken.
Ach! laß dich doch, geliebter Menſch, erwecken!
Beſchau zu dieſer Zeit im Garten,
Wie, in faſt ungezehlten Arten,
Sich der Aurikeln Heer, dich zu erfreun, bemuͤht.
Betrachte, nebſt der Farben Lieblichkeit,
Auch ihrer Bildung Unterſcheid,
Da, wann verſchiedene nur klein;
Dort andre faſt ſo groß, als wie ein Thaler, ſeyn.
Noch andre, ſonderlich die gelben, zeigen
Der Blaͤtter Pracht gedoppelt, und es ſteigen
Aus33und Aurikeln.
Aus ihnen, angenehm gemiſchte ſuͤſſe Duͤffte,
Und fuͤllten, uns zur Luſt, die lauen Luͤffte.
Erwege doch, wie ſie,
Jn ſolcher ſanften Harmonie,
Auf manchem Bluhmen-Bette,
Zu deiner Augen-Luſt, recht in die Wette,
Dir zu gefallen, ſich beſtreben.
Willſt du denn nicht, geruͤhrt durch ihre ſanfte Pracht,
Die Weisheit Des, Der ſie gemacht,
Und zwar zu deiner Luſt, beſingen und erheben?
Ach! laß ſie doch, den Augen nicht allein,
Auch deiner Seel ein lieblichs Schau-Spiel ſeyn!
Ach! laß ein mit dem Blick verbundnes Dencken
Sich auf die Fruͤhlings-Kinder lencken!
So wird die Seele bald in wahrer Freube gluͤhn;
So werden auch in ihr der Andacht Bluhmen bluͤhn,
Woran der Schoͤpffer ſelbſt, aus Liebe, ſich ergetzet,
Jndem Er unſre Luſt fuͤr Seine Ehre ſchaͤtzet.
CFruͤ -34Fruͤher Fruͤhling.
Fruͤher Fruͤhling.
Der Knospen Fruͤhling war annoch:
Man ſah faſt ſichtbarlich, wie bey dem lauen Wetter,
Das gruͤne Heer der jungen Blaͤtter
Aus ihren roͤthlichen Behaͤltern kroch.
Sie hingen erſt annoch verwickelt unter ſich;
Entwickelten ſich aber nach und nach,
Und fingen allgemach,
An allen Seiten,
Sich auszudehnen, auszubreiten,
Sich auszuſpannen an, und ſanft ſich zu erhoͤhn.
Der allerduͤnnſte Tafft, iſt nicht ſo ſanft, ſo ſchoͤn,
So klar, ſo glatt, ſo glaͤntzend, zart und fein,
Als neu-gebohrne Blaͤtter ſeyn.
Die Aederchen ſind ſelbſt durchſichtig, noch vielmehr
Das noch viel zaͤrtere Geſpinnſt. Das Sonnen-Licht,
So ungehemmt faſt, durch ſie bricht,
Und durch ihr zart Gewebe ſtrahlet;
Wird, recht als fiel es durch ein gruͤnes Glas,
Auch gruͤn gemahlet.
Hiedurch entſtehen klare Schatten,
Die Wald und Garten, Lufft und Matten
Faſt unausſprechlich lieblich fuͤllen,
Sie zeigen manchen Schmuck, auch wann ſie ihn verhuͤllen.
Jn dieſem Spiel unſchuldger Lieblichkeit,
Womit ſich gleichſam noch des Jahres Kindheit ſchmuͤckte,
Wie in der guͤldnen Zeit,
War, was man nur erblickte,
Unſchaͤdlich, Anmuth-voll, Luſt - und Vergnuͤgen-reich.
Die35Fruͤher Fruͤhling.
Die Spinne, deren Leib faſt einer offnen Klauen
Und Baͤren-Tatzen gleich,
Erweckt uns noch kein eckelhaftes Grauen,
Kein Ohr-Wurm ſchreckt uns noch.
Die Bienen, welche zwar nie ſonder Stachel fliegen,
Erregen durch ihr ſumſendes Gethoͤn,
Mit welchem wir ſie ſchwaͤrmen ſehn,
Wenn ſie auf Bluhmen ſich, blos uns zum Nutzen, ſetzen,
Mit Recht uns keine Furcht, nur Anmuth und Ergetzen,
Und, durch den muntern Fleiß, ein inniges Vergnuͤgen.
Der Blut-begiergen Muͤcke
Verdrießlicher Geſang, ſtoͤhrt unſre Ruh noch nicht.
Man ſchlaͤgt, geneckt durch ihre dreiſte Tuͤcke,
Des Nachts, mit Recht erzuͤrnt, ſich noch nicht ins Geſicht,
Voll Schlaf und Ungeduld; die unverſchaͤmten Fliegen
Beſtuͤrmen unſern Tiſch noch nicht ſo Hauffen-weiſe,
Wie wol im Herbſt geſchicht.
Kein ſchaͤdlich gifftig Thier
Thut ſich annoch herfuͤr.
Und kurtz: in allen dem, was man erblickt, empfand
Und ſpuͤhrte, ſpuͤhrte man nichts wiedrigs, und es ſchienen
Die Vorwuͤrff alle zugericht,
Uns zu ergetzen, uns zu dienen.
Abſonderlich belebt der Sonnen Lebens-Licht,
Erfuͤllt, durchdringt, Lufft, Waſſer, Berg und Thal
Mit dem ſich naͤhernden erwuͤnſchten Strahl.
Eine reine Klarheit glimmet
Jn der Lufft voll Glantz und Gluth.
Eine reine Klarheit ſchwimmet
Auf der rein - und glatten Fluth.
C 2Auf36Fruͤher Fruͤhling.
Auf dem friſchen Graſe gluͤhet
Ein Smaragden gleiches Licht,
Wann mit froͤhlichem Geſicht
Man auf iedem Baum, der bluͤhet,
Einen weiſſen Schimmer ſiehet.
Moͤgt es denn auch meiner Seelen,
Wann ſie dieſe Wunder ſpuͤhrt,
Durch ſo holden Glantz geruͤhrt,
Auch am Schmuck und Glantz nicht ſehlen!
Moͤgte ſie in allen Dingen
GOTT, aus welchem ſie entſpringen,
Jmmer mehr und mehr erkennen,
Und, durch Danck-Begier geziert,
Stets im Feur der Liebe brennen!
Noch37Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Der laue Strahl der wiederkehr’nden Sonne
Fuͤllt die verduͤnnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth,
Floͤſſt rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut,
Und, in der Menſchen Geiſt, lang ungeſpuͤhrte Wonne.
Viel tauſend Knoſpen oͤffnen ſich,
Bey dieſem lauen Fruͤhlings-Wetter.
Man ſieht viel tauſend junge Blaͤtter
Aus ihrem Schooß faſt ſichtbarlich
Entſtehen und gebohren werden.
Nicht minder brechen aus der Erden
Noch unlaͤngſt braun -, ſeit geſtern, gruͤner Bruſt,
Zu noch ſich mehrender Gemuͤths - und Augen-Luft,
Viel tauſend bunte Fruͤhlings-Kinder,
Jn dem bebluͤhmten Klee. Nicht minder
Faͤngt auf begruͤnter Baͤume Zweigen
Ein angenehmer Schatz ſich an zu zeigen.
Wie Silber glaͤntzt die reine Bluͤhte;
Jhr lieblicher Geruch labt Coͤrper und Gemuͤthe.
Und ſie verſprechen uns, daneben
Noch manch erfriſchendes Gerichte,
Jn ſaͤurlich-ſuͤſſer Frucht, zu geben.
Schau mit bedachtſamen und aufgewecktem Sinn,
O Menſch, ietzt allenthalben hin!
Schau tauſend, tauſend Lieblichkeiten!
Schau, in der Silber-klaren Fluth,
Auf einem gleichſam guͤldnen Sande,
Auf welchem ſie, ohn alle Ruhe, ruht,
Von einem Bluhmen-Klee - und Binſen-reichem Rande
C 3Be -38Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Bekraͤntzt und eingefaſſt, viel tauſend blaue Fiſche
Den flieſſenden Cryſtall durchdringen,
Und bald gemach, bald wie der Blitz
Sich durch den klar - und feuchten Sitz
Bald auf-bald abwerts ſchwingen.
Hier murmelt, rieſelt, rauſcht der glatte Bach,
Bald dunckel, in der Baͤume Schatten,
Bald hell beſtrahlt, durch unbewachſne Matten.
Er wird des Waldes, dort
Begruͤnter, und allhier des Himmels blauer Spiegel.
Die Aecker gruͤnen ietzt, es bluͤhen Thal und Huͤgel,
Den ſchoͤnſten Gaͤrten gleich. Jn den bethauten Gruͤnden
Springt ietzt manch ſchneller Hirſch, zuſamt den Hinden,
Mit leichtem Fuß und aufgerecktem Ohr,
Aus dem belaubten Wald hervor.
Da rennt in dem bebluͤhmten Graſe
Ein fluͤchtiger geſchwinder Haſe.
Seht, wie er ploͤtzlich ſtutzt, ſich ſetzet,
Ein Maͤnnchen macht,
Und, wenn er niemand ſieht, ob aller Fruͤhlings-Pracht
Mit tauſend Spruͤngen ſich ergetzet.
Beſchaue denn die ſchoͤne Welt:
Erwege doch mit froͤlichem Gemuͤthe,
Was ſie fuͤr Wunder in ſich haͤlt,
Und lob, in deiner Luſt, des groſſen Schoͤpfers Guͤte.
Die39Die gewaͤſſerte Wieſe.
Die gewaͤſſerte Wieſe.
Es hatte juͤngſt der klare Bach
Aus ſeinem Graben allgemach
Mit ſanftem rieſeln ſich ergoſſen,
Der Wieſen friſches Gruͤn ſtand mehrentheils befloſſen:
Und dieſe Fluth war durch die reine Lufft,
Die in ihr glattes Naß die heitre Klarheit druͤckte,
Blau, wie Laſur, gefaͤrbt: Jn dieſem ſchoͤnen Blauen
War, durch des jungen Graſes Sproſſen,
Von welchen man die Spitzen nur erblickte,
Und die, nah an der Fluth, ein blitzend Lichtlein ſchmuͤckte,
Das allerſchoͤnſte Gruͤn zu ſchauen.
Dieß liebliche Gemiſch von Himmel-blau und gruͤn
Ergetzte Blick und Hertz recht ungemein. Es ſchien
Sich mit der Welt der Himmel zu verbinden,
Abſonderlich, wann hier und dort der Bluhmen Pracht
Den Schmuck von einer ſchoͤnen Nacht,
Jn Sternen-gleicher Form und Glantz, zugleich uns wieſe:
Wir koͤnnen von dem Paradieſe
Uns keinen lieblichern Begriff formiren,
Zumahl,
Wann von dem kaum entwichnen Sonnen-Strahl
Die Abend-Roͤthe ſich in dieſem Spiegel bildet,
Und, nebſt der herrlichen beflammten Farben Glantz,
Hier viele Stellen ſchoͤn bepurpurt, andre gantz
Mit Noſen-farbnem Licht beſtrahlet und verguͤldet.
C 4Das40Die gewaͤſſerte Wieſe.
Das faſt Saphirne Blau, das faſt Smaragdne Gruͤn,
Der Glantz, der roͤther als Rubin,
Die hier, bald in getheilt-bald in vereinten Grentzen,
Bald nicht, bald durch einander glaͤntzen;
Die praͤgten voller Luft, mir die Betrachtung ein: Da bloß des Lichtes Wiederſchein Das Hertz uns faſt aufs neu beſeelet; Wie herrlich muß der Glantz von jener Klarheit ſeyn, Den GOTT Jhm Selbſt zu Seinem Sitz erwehlet!
Das41Das beſte Theil.
Das beſte Theil.
Als Gottlieb juͤngſt zween Freunden, auf dem Garten,
Zwo Hyacinthen, voll gefuͤllter Glocken, gab;
Nahm er gar bald an ihrer Handlung ab,
Wie ihr Gemuͤth und Sinn ſo unterſchiedner Arten.
Aurander nahme ſie mit traͤgen Haͤnden hin,
Und ſteckte ſie, nicht lang hernach,
Jndem er von vermehrten Renten ſprach,
Zerdruͤcket und geknickt in ſeine Taſche. Jener Beraldo warff den Blick, ſo bald er ſie genommen,
Auf ſeine Bluhm, und rieff: Ach! kann wol etwas ſchoͤner,
Als dieſe Bluhme, ſeyn!
Welch einen reinen Silber-Schein,
Welch eine liebliche Figur
Hat, von den Fingern der Natur,
Dieß holde Kind des Fruͤhlings uͤberkommen!
Wie klar iſt dieſes Weiß! wie glaͤutzend! auch die Haut
Der ſchoͤnſten Schoͤnen auf der Welt
Verlieret, wenn man ſie bey dieſem Schimmer haͤlt,
Und eine bey der andern ſchaut,
Den Preis, und ſcheint beſchmutzt. Die roͤthlich weiſſe Gluht,
Die, in dem innerſten, der Bluhme kleine Hoͤle
Mit ſuͤſſer Roͤthe fuͤllt, fuͤllt meine frohe Seele,
Mit ihrem holden Reitz. Jch fuͤhle zarte Flammen
Aus dieſer roͤthlichen und weiſſen Klarheit ſtammen.
Es ſcheint der Bluhmen reiner Schein
Ein Sinn-Bild einer reinen Seele,
Worin ein Feur der Liebe gluͤht, zu ſeyn. C 5Jch42Das beſte Theil.
Jch wuͤnſche wenigſtens, daß meine Seele, rein
Von Laſtern, durch die Triebe
Von der aus Danckbarkeit in mir entſtandnen Liebe,
Zu Dem, der Seiner Wercke Pracht
So wunderbar hervor gebracht,
Jn ſolcher ſuͤſſen Gluht entbrenne;
Und daß mein Naͤchſter ſich an mir,
Wie ich, geliebte Bluhm, an dir
Mich freue, ſtets erfreuen koͤnne.
Ja, da die Bluhmen wunderbar
Bemuͤht ſind, ihre Krafft ſo lieblich auszuhauchen,
So wuͤnſch ich, daß mein Hertz, als wie ein Danck-Altar,
O Schoͤpfer, Dir zum Ruhm, moͤg unaufhoͤrlich rauchen!
Was meinſt du nun von dieſen beiden,
Geliebter Leſer, wer hat GOttes Creatur,
Wie ſichs gebuͤhrt, gebraucht? und weſſen Spur
Haͤltſt du dich pflichtig zu vermeiden?
Hat an dem erſten ſelbſt der Schoͤpffer nicht
Der Schoͤpfung End-Zwecks gar verfehlet?
Und hat Beraldo nicht, zufolge ſeiner Pflicht,
Jn ſeiner Luſt das beſte Theil erwehlet?
Un -43Undanckbarkeit.
Undanckbarkeit.
Jndem ich eben, voller Luſt,
Bey dieſem Blumen-Topff, voll Hyacinthen, ſtehe,
Und mit, zugleich durch Naſ und Aug, erquickter Bruſt,
Den holden Balſam riech und ihren Glantz beſehe;
Trug dieſe ſchoͤne Bluͤht der Andacht Frucht in mir.
Es kam mir ungerecht, und faſt unleidlich fuͤr,
Daß man des Schoͤpfers Werck, das doch ſo ſchoͤn, nicht achtet,
Daß man es obenhin, ja gar nicht einſt, betrachtet.
Ein ſtiller und geheimer Schmertz
Schlich ſich in mein vergnuͤgtes Hertz.
Recht mitten in der Luſt, fieng ich mit ſeufzen, an:
Ach! liebſter Vater, ſollt Du dann
Fuͤr ſolch ein ſchoͤn Geſchoͤpff, fuͤr alle Deine Gaben,
Fuͤr ſo viel Proben Deiner Guͤte,
Von uns nicht einſt ein froͤhliches Gemuͤthe,
Richt einſt ein danckbar Hertze haben?
Bluh -44Bluhmen-Schrift.
Bluhmen-Schrift.
Wie wir es wircklich hoch mit vielen Kuͤnſten treiben;
So hat man eine Art, uͤm unbekannt zu ſchreiben,
Recht Kunſt - und Sinn-reich ausgefunden.
Man zeichnet Bluhmen recht nach Schilderer Manier,
An ſtat der Lettern, auf Papier,
Als waͤren ſie in einem Crantz gebunden.
Wer nun den Schluͤſſel hat, kann alſobald erſehn,
Nachdem ſie bey einander ſtehn,
Was ſie fuͤr Worte deuten ſollen:
Weil iede Bluhm und iedes Blat
Das Zeichen einer Letter hat,
So wie man ſie bezeichnen wollen.
Auf dieſe Weiſe kann man leſen,
Was ſonſt unleſerlich geweſen.
Mich deucht, es ſey im Buche dieſer Welt,
Bald hie, bald dort
Dergleichen Schrift uns vorgeſtellt.
An einem ieden Ort
Legt ein bebluͤhmtes Garten-Feld
Dergleichen Schrift uns vor die Augen.
Ach moͤgte man es doch recht zu entzieffern taugen!
Zuweilen kommt es mir
Nicht anders fuͤr,
Als waͤr von mir der Schluͤſſel ausgefunden.
Wenn ich von unterſchiednen Nahmen
Der Bluhmen, welche ſie (wer weiß, ob ungefehr)
Einft uͤberkamen,
Die erſten Lettern nehm, und fuͤge;
So45Bluhmen-Schrift.
So ſcheint es, daß darin was ſonderliches liege,
Woran ich wenigſtens mich recht vergnuͤge:
Goldlacken hat ein G;
Die Oſter-Bluhm ein O; die Tulipan ein T;
Der letztern ſetz ich zwey: ſo iſt der Nahm zu leſen
Von dem allgegenwaͤrtgen Weſen. Jonquillen, Sammet-Bluhm und Thlaspi zeigen
Mir drauf das Woͤrtchen IST, gantz eigen.
Wenn ich Gentianell zu einer Roſe binde, Orangen-Bluͤhte nebſt Salbey,
So deucht mich, daß ich voller Klarheit,
Als eine unleugbare Wahrheit,
Dieß: GOTT IST GROS, drin finde.
Formirete man ſich dergleichen Zeichen mir,
Wie alle Lettern ja ſonſt nichts, als Zeichen, ſeyn;
So wuͤrden wir vielleicht im Buche der Natur,
Von dem allgegenwaͤrtgen Weſen,
Und Seiner Allmacht Licht und Schein,
Gar bald viel Wunder lernen leſen.
Sprichſt du vielleicht: es braucht es dieſes nicht:
Es macht mir iedes Koͤrnchen Sand
Dieß: GOtt Jſt Groß, weit kuͤrtzer noch bekannt;
So lob ich deinen Unterricht,
Und find ich allerdings auch von der Gottheit, Spuhren
Jn deinen Abbreviaturen.
Danck -46Danck-Gedancken.
Danck-Gedancken.
Mein GOTT! die neu-bebluͤhmte Welt, (Jn deren wunderbaren Pracht
Du uns die Groͤſſe Deiner Macht,
Und Deiner Liebe, vorgeſtellt,)
Erregt mein wallendes Gebluͤte.
Des Himmels rein - und heitres Licht
Erheitert mein vergnuͤgt Geſicht,
Belebt mein ſchlaͤffriges Gemuͤthe.
Da dieſe holde Fruͤhlings-Zeit
Mit Gras und Kraͤutern unſre Felder,
Mit Fruͤcht und Blaͤttern Baͤum und Waͤlder,
Der Thier und Menſchen Blut mit reger Fruchtbarkeit
So ſchmuͤckt, als fuͤllt; ſollt unſern Seelen
Es denn allein am Trieb, auch ſich zu ſchmuͤcken, fehlen?
Und ſollten ſie allein auf Erden
Unfruchtbar ſeyn? Geliebte Menſchen, nein!
Laſſt uns zu dieſer Zeit nicht minder
Sie, ſchoͤn zu ſchmuͤcken, nicht allein,
Auch zu vermehren, ſorgſam werden!
Gedancken ſind der Seelen Kinder:
So laſſt die Seelen ſich bemuͤhn
Auch ſchoͤne Kinderchen zu ziehn.
Nun raͤumet mir vermuthlich ieder ein:
Daß Danck-Gedancken GOTT die liebſten Kinder ſeyn.
Sehen47Sehen zu GOttes Ehren.
Sehen zu GOttes Ehren.
Ach ſchauet, wie im lauen Lentzen,
Die reine Lufft, die bunten Felder,
Die blaue Fluth, die gruͤnen Waͤlder,
Zu ihres Schoͤpfers Ehre, glaͤntzen!
Wird von euch dieſe Pracht, wird das bebluͤhmte Gruͤn,
Das ietzt Lufft, Fluth und Erde ſchmuͤcket,
Nur mit Empfindlichkeit von euch ietzt angeblicket;
So preiſet ihr ſchon GOtt, ſo ruͤhmt und ehrt ihr Jhn.
Der48Der Stengel.
Der Stengel.
Bewundre, lieber Menſch, mit mir
Die ſchlancke, riſch - und glatte Zier
Nur bloß vom Stengel einer Bluhme!
Mich deucht, daß, unſerm GOTT zum Ruhme,
Jch viel verwunderlichs iu deſſen Laͤng und Ruͤnde,
Die beide ſonder Fehler, finde.
Es ſtreckt ein Stengel ſich recht nach der Linie, (Nur daß er oberwerts, zu groͤſſrer Zierlichkeit,
Ein wenig ſich verduͤnnet) in die Hoͤh,
Gleich einer wol geformten Seule.
Die biegſame Beſchaffenheit,
Das ſchlancke Weſen ihrer Theile,
Erhaͤlt ſie, daß auch ſtarcke Winde
Sie nicht zerknicken,
Nicht zerſtuͤcken.
So nuͤtzt nicht weniger die vollenkommne Ruͤnde
Dazu, daß nichts ſich an ſie ſetzen,
Nichts an ſie hafften, ſie verletzen,
Und Feuchtigkeit ſie nicht zur Faͤulniß bringen kann.
Abſonderlich ſeh ich die Stell erſtaunet an,
Woſelbſt die Bluhme ſich mit ihm verbindet,
Jndem man kein Gelenck, wie ſehr man ſuchet, findet,
Durch welche ſie verknuͤpft. Wer faſſt, auf welche Weiſe
Die Blaͤtter, deren Zahl meiſt ſechs in einem Kreiſe,
So ſchnell daſelbſt entſtehn?
Wer faſſet, wie es moͤglich ſey,
Daß ein ſo ſchoͤnes Gruͤn daſelbſt in roth, in weiß,
Jn gelb, in blau, und in ſo mancherleyAuf49Der Stengel.
Auf einmahl ſich verkehre?
Kein Menſch. Und eben dieß gereichet GOTT zur Ehre.
Der Menſchen Einfalt ſelbſt erhebt des Schoͤpfers Preis:
Sie zeigt uns unſer Nichts, und unſers GOttes Groͤſſe,
Des Schoͤpfers Majeſtaͤt, und unſers Geiſtes Bloͤſſe.
Erkennt denn einen GOtt in dieſem Wunder-Wercke,
Und lobt, in eurer Luſt, Deſſelben Lieb und Staͤrcke.
Wann nun den nahen GOtt euch gar der Stengel zeiget,
So huͤtet euch, verblendet das Geſicht,
So gar bey aller Pracht der ſchoͤnen Bluhmen, nicht.
Und ſeid doch kuͤnftighin, mehr als bisher, geneiget,
Durch euer eigenes Vergnuͤgen
An Seinem Werck, euch ſelbſt zu Jhm zu fuͤgen!
DAber -50Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Mich deucht, daß ich Jonquillen, Roſen, Nelcken,
Nebſt vielen andern Bluhmen mehr,
So mich, als euch, aufs neu ermahnen hoͤr:
Laß uns, geliebter Menſch, nicht ungebraucht verwelcken.
Es faͤrbt und formt uns ja kein blindes ungefehr.
Seid doch, mehr als ihr pflegt, uns anzuſehn gefliſſen!
Jhr koͤnnt, in unſrer Pracht,
Die Hand des Schoͤpffers gleichſam kuͤſſen,
Die uns ſo Wunder-ſchoͤn gemacht.
Jhr kuͤſſet ſie, wann ihr gedencket,
Daß Er uns euch, aus Liebe, ſchencket;
Und zwar nicht nur zur Luſt der Augen;
Aus unſerm Geiſt kann euer Geiſt zugleich
Der Luſt und Audacht Honig ſaugen.
Ach riechet denn! ergetzet euch!
Erfuͤllt die ausgedehnte Bruſt,
Und das Gehirn mit einer Luſt,
Die, wenn ihr nur daran gedencket,
Den Geiſt, zuſammt dem Coͤrper, traͤncket;
Ja, die zugleich dem Schoͤpfer aller Welt,
Aus Lieb, als wie ein Dienſt, gefaͤllt.
Das riechen iſt dem ſeufzen gleich:
Ach! ſo begleitet und verbindet
(Wenn51Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
(Wenn ihr an Anmuth uns ſo reich,
So voller Lebens-Balſam findet)
Die Lufft, die durch uns balſamiret,
Die Lufft, die euer Hertz geruͤhret,
Wann ihr ſie von euch blaſet, nur
Mit einem GOTT ſey Danck! Nicht mehr
Verlangt der HERR der Creatur.
So ſeufzet ihr zu GOTTES Ehr.
D 2Be -52Betrachtung der Voͤgel.
Betrachtung der Voͤgel.
Nach dem ich mancherley Geſchoͤpfe ſchon beſchrieben,
Kann ich nicht laͤnger widerſtehn
Der Neigung, die mich laͤngſt getrieben,
Von allen Thieren, die ſo ſchoͤn,
Die ſchoͤnſt - und zierlichſten, die Voͤgel, zu beſehn;
Um in derſelben Bau, Geſchwindigkeit und Pracht,
Die Wunder Des, der ſie gemacht,
Mit tauſend Freuden zu beſingen.
Ach! laß, was ich von ihrem Heer,
Zu Deines Nahmens Preiſ und Ehr,
O Schoͤpffer, ſchreibe, wol gelingen!
Befiedertes Geſchoͤpff, das mit geſchwinden Schwingen
Bald in der duͤnnen Lufft, und bald in dicken Waͤldern,
Auf hohen Zweigen bald, und bald in flachen Feldern,
Bald ſchwebt, bald huͤpfft, bald ſpringt, bald fliegt,
Und das mit ſchweben, huͤpffen, ſpringen,
Mit raſchem fliegen, hellem ſingen,
Sowol ſich ſelbſt, als uns vergnuͤgt;
Du zeigeſt der Vernunft, die dich betrachtet,
Und auf dein ſonderlich gebildet Weſen achtet,
Ein neues Feld voll Wunder, voller Macht,
Und voller Weisheit Des, der dich hervor gebracht.
Wie Bluhmen fuͤr die Naſ, und gleichfalls fuͤrs Geſicht,
Bewunderns-wuͤrdig zugericht’t;
So ſcheint der Voͤgel Schaar fuͤr Augen und fuͤr Ohren
Recht eigentlich erſchaffen und erkohren.
Wer53Betrachtung der Voͤgel.
Wer kann die zierliche Figur,
Der Farben Glantz, dein ſchnell Gefieder,
Die Hurtigkeit der leichten Glieder,
Bewunderns-wehrte Creatur,
Ohn Anmuth, ohne Freude ſehn?
Wann ſie ſich ſchnell durch duͤnne Luͤffte ſchwingen,
Recht wie ein Pfeil durch dichte Blaͤtter dringen;
Wann ſie behend und raſch von Zweig zu Zweigen ſpringen,
Mit ſchlanckem Halſ ihr kleines Koͤpffchen drehn,
Durch Straͤucher ſchlupffen, ſchweben, fliegen,
Mit ſchwancken Zweigen ſich bald auf-bald abwaͤrts wiegen;
Bald auf ein ſteiffer Aeſtchen ſetzen,
Jhr Schnaͤbelchen von beiden Seiten wetzen,
Bald vor-bald hinterwaͤrts bald huͤpffen, und bald ſtehn,
Bald an ein kleines Zweiglein hangen,
Bald eine Flieg im Fluge fangen;
Sich ietzt in dick verwachſne Hecken,
Mit ſchwirrendem Gepfeiff, verſtecken;
Behende wiederuͤm erſcheinen, und von neuen
Mit tzwitſcherndem Geraͤuſch und tauſend Gauckeleyen
So Aug als Ohr erfreuen.
Wann, ſag ich, dieß ihr fluͤchtig Weſen
Ein auch nicht aufgeraͤumt Gemuͤth,
Mit aufmerckſamen Ohr - und Blicken, hoͤrt und ſieht,
Wird es von ſeinem Gram geneſen.
Es wird der Voͤgel Munterkeit.
Jhr frohes huͤpffen, ſchertzen, ſpringen,
Jhr helles, Sorgen-freyes ſingen,
Faſt wider ſeinen Willen, ihn
Aus ſeiner tieffen Schwehrmuth ziehn.
D 3Zu -54Betrachtung der Voͤgel.
Zumahl wann er dabey gedencket,
Daß, Der den Voͤgeln Nahrung ſchencket,
Fuͤr ihn auch, hier auf dieſer Erde,
Schon fuͤr die Nothdurft ſorgen werde.
Ach moͤgt auf dieſe Weiſ ein iedes Voͤgelein,
Mein Leſer, dir und mir ein lehrend Beyſpiel ſeyn!
Erweget ferner noch, geliebte Menſchen, hier
Der Voͤgel Form und Flug mit mir.
Der kleine Coͤrper iſt faſt einem Schiffchen gleich,
Woran der Schwantz das Steur, die Fluͤgel Ruder ſind.
Mit dieſen theilen ſie den Wind,
Und ſchwimmen durch der Luͤffte Reich.
Dieß Flug-Werck zeiget uns ſo viele Wunder an,
Daß man das Werck-Zeug nie genug bewundern kann.
Daß ſie die Fluͤgel nicht von forn-nach hinten biegen,
Wie man die Ruder braucht; wol aber, wann ſie fliegen,
Von oben unterwaͤrts, iſt zu bewundern wehrt:
Weil ſie dadurch nicht nur die duͤnnen Luͤffte ſpalten,
Nein, auch zugleich dadurch ſich in der Hoͤhe halten.
Damit ſie weniger in ihrer Fahrt beſchwehrt,
Hat ihnen die Natur, uͤm fertiger zu ſchweben,
Der Fluͤgel untern Theil recht ausgehoͤhlt gegeben,
Den obern aber rund, und halb gewoͤlbt, formirt;
Damit ſie oberwaͤrts leicht durch die Lufft gefuͤhrt,
Und ohne Wiederſtand ſich fertig aufwaͤrts ziehn,
Hingegen unterwaͤrts viel Lufft zuſammen faſſen,
Und dadurch von der Lufft ſich koͤnnten tragen laſſen.
Das kleinſte Theil iſt nur am Coͤrper feſt,
Wodurch er ſich noch ſtaͤrcker ſchwingen laͤſſt.
Betrachten wir der Fittigen Figur,
Krafft, Weſen und Gebrauch, mein GOtt! wie zeiget ſichJn55Betrachtung der Voͤgel.
Jn dieſem Werck-Zeug die Natur
So kuͤnſt - und ſo verwunderlich!
Sie muͤſſen leicht ſeyn, ſteiff und weich,
Damit der Vogel koͤnnte fliegen;
Und ſie ſind leicht, und ſteiff, und weich zugleich: Weich ſind ſie, damit ſie ſich biegen; Steiff, durch der Federn duͤnn und hoͤrnicht Weſen,
Das recht mit groſſem Fleiß zu dieſem Werck erleſen;
Weil deſſen Dehnungs-Krafft die Eigenſchafft ihr bringt,
Daß ſie von ſelbſt gerade wieder ſpringt.
Damit ſie |auch im Flug den Vogel nicht beſchweren,
So ſind ſie leicht durch ihre hole Roͤhren.
An einem ieden Feder-Kiel
Erblicket man unzehlig viel
Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen,
Die Schuppen-weiſ in ſich vereinet ſitzen;
Wodurch die Lufft ſich nicht vermag zu drengen,
So daß ſie in der Lufft dadurch bequemer haͤngen.
Jn iedem Zaͤſerchen, wenn man es wol beachtet,
Und durch ein Groͤßrungs-Glas daſſelbige betrachtet,
Trifft man,
Mit faſt erſtauntem Aug, ein eigne Feder an,
Die ja ſo ſchoͤn gebildet und formirt.
Sie iſt mit ja ſo vielen Ecken,
Als ihre Mutter ſelbſt, geziert.
Was koͤnnen wir fuͤr Wunder mehr entdecken,
Wann wir, auf welche Art die Voͤgel gehen, ſtehn,
Und auf den Zweigen ſitzen, ſehn.
Es ſind drey Biegungen an iedem Bein zu finden,
Die ſich mit einer Nerv auf ſolche Art verbinden,D 4Daß,56Betrachtung der Voͤgel.
Daß, da gedachte Nerv uͤm alle die drey Glieder,
Von oben ab hernieder
Bis uͤm und in die Zehe geht,
Sobald ein Vogel-Fuß gerade ſteht,
Die Zehe ſich bequem verbreiten,
Und aus einander ſpreiten.
Wann aber ſich das Bein mit ſeinen Gliedern kruͤmmt,
Die Nerve ſich einfolglich dehnen muß;
So ziehet er den gantzen Fuß,
Nebſt allen Zehen, feſt zuſammen:
Wodurch der Vogel denn verſchiedne Vortheil nimmt,
Die all aus dieſem Grunde ſtammen.
Da nicht allein ein Vogel, welcher ſchwimmt,
Ohn ein ſo kuͤnſtliches Zuſammenziehn,
Jndem das Waſſer forn ihm widerſtehen wuͤrde,
Um fort zu gehn ſich wuͤrd uͤmſonſt bemuͤhn;
Nein, ſondern auch an Voͤgeln, ſo auf Spitzen,
Und auf der Baͤume Zweigen ſitzen,
Sind eben, weil die Beine krumm gebogen,
Durch die gedehnte Nerv, die Zehe krumm gezogen;
So daß dadurch der Aſt,
Durch ihres Coͤrpers eigne Laſt,
So feſt beklemmt wird, und uͤmfaſſt,
Daß, auch ſo gar im Schlaff, und gegen Sturm und Wind,
Fuͤr Sturtz und Fall ſie ſicher ſind.
Laß ſolche Wunder doch, o Menſch, nicht aus der Acht,
Betrachte ſie, und ruͤhm in ihnen Deſſen Macht,
Der alle Ding hervor gebracht.
Wann wir nun ferner uͤberlegen,
Und, in der Voͤgel Reich, erwegenDen57Betrachtung der Voͤgel.
Den wunderbaren Unterſcheid
An Groͤſſe, Zier, Beſchaffenheit,
Veraͤndrung, Farben, und Figur,
Flug, Nahrung, Wohnung und Natur;
Erſtaunen wir mit Recht, weil ſie faſt nicht zu zehlen.
Doch theilet man ſie insgemein
Jn Waſſer-Feld-Haus-Raub - und Singe-Voͤgel ein,
Wovon wir denn fuͤr ietzt nur bloß die letzten wehlen.
Wann uns in holder Fruͤhlings-Zeit,
Bey reiner Lufft und heiterm Wetter,
Ein juͤngſt begruͤnter Wald zwar Millionen Blaͤtter,
Doch noch mehr Luſt und Lieblichkeit
Jn ſeinem gruͤnen Schatten zeiget;
Wann von der kleinen Saͤnger Schaar
So mancher Zweig, bald hier bald dar,
Sich durch den ſchnellen Flug, und frohes Huͤpffen, beuget,
Erfuͤllt ihr Lieder-reicher Chor
Und helles Gurgeln Luft und Ohr,
So daß vom locken, ſchlagen, ſingen
Und zwitſcherndem Geraͤuſch, ſo Berg als Thal erklingen.
Wie lieblich muſicirt, und ſinget, GOtt zum Preiſe,
Der Stieglitz, Emmerling, der Haͤnfling und die Meiſe,
Das Zeischen und der Finck, zumahl die Nachtigall,
Wann ſie, mit hellerm Thon, und weit geſchaͤrfftern Schall,
Durchs zwitſchernde Geraͤuſch ſo vieler Saͤnger dringet,
Und kuͤnſtlicher, als alle, ſinget!
Waruͤm nun glaͤuben wir, daß ſich das kleine Heer,
Mit ſolch unzehligen Veraͤndrung - und Manieren,
So lieblich, angenehm und fuͤß zu muſiciren,
Mit ſolchem Fleiß beſtreb? Jſt es ein Ungefehr,
D 5Daß58Betrachtung der Voͤgel.
Daß ſie ſo ſingen heiſſt? Ach nein!
Wo wir vernuͤnftig ſeyn,
So kann man ja wol anders nicht gedencken,
Als daß der groſſe Schoͤpfer ihnen,
Um Jhm, auf ihre Art, zu Seiner Ehr zu dienen,
Und auch zugleich uns mit dahin zu lencken,
Die Werck-Zeug, Faͤhigkeit, und Luſt dazu zu ſchencken,
Sie wehrt gehalten hat. Es kommt mir vor,
Als ob der kleinen Saͤnger Chor,
Damit er Dem Lob, Preis und Ehre gebe,
Durch den allein die Waͤlder gruͤnen,
Dem alle Creaturen dienen,
So ſuͤß zu ſingen ſich beſtrebe.
Mich deucht, kann ich gleich nicht der Voͤgel Sprach er - gruͤnden,
Jn ihrem ſingen dieß zu finden:
Es iſt bloß Deine Gnad allein,
O HERR, daß wir erſchaffen ſeyn.
Wir koͤnnen an des Fruͤhlings Schaͤtzen
Und Lieblichkeiten uns ergetzen.
Unzehlig ſind die Wunder, die die Welt,
Zu unſrer Aumuth, in ſich haͤlt.
Mit wie ſo mancher Freud und Wonne,
Mit wie viel Lieblichkeit und Luſt
Erfuͤllet unſre kleine Bruſt
Der Waͤrm - und Strahlen Quell, die Sonne!
Wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn
Sind Erd und Himmel anzuſehn!
Daß wir ſo ſchnell die Schwingen regen,
So fert - und hurtig uns bewegen,
Jſt einzig uns von Dir verliehn.
So59Betrachtung der Voͤgel.
So wollen wir auch, Dich zu Ehren,
Und Preis, und Ruhm, und Danck Dir zu gewaͤhren,
Mit allen Kraͤfften uns bemuͤhn.
Und weil wir denn von allen Gaben
Nichts edlers, als die Stimmen, haben,
So laſſen wir ſie denn ohn Unterlaß erklingen.
Wir koͤnnen zwar, o Schoͤpfer, Deine Macht
Und Majeſtaͤt in Deiner Wercke Pracht
Nicht nach Verdienſt erhoͤhen und beſingen,
Noch Deiner Wunder Meng erzehlen:
Doch koͤnnen wir vielleicht mit unſrer kleinen Kehlen
Bewunderns-wehrten Lieblichkeiten,
Vollkommnere Geſchoͤpf als wir,
Nebſt uns, zur Luſt und Andacht leiten.
Ja, ja! ſo ſingen ſie, ob wirs gleich nicht verſtehn,
Und wenn ſie den Geſang auch ſelber nicht verſtuͤnden;
So ſollten wir dennoch, die wir viel weiter ſehn,
Den Jnhalt ihrer Lieder finden,
Uns, durch empfundne Luſt, zu ihrem Schoͤpfer lencken,
Und Seinen Ruhm ſtets zu vermehren dencken:
Da uns die Lieblichkeit der ſuͤſſen Stimmen ruͤhrt,
Und uns recht in die Seele dringet;
Wodurch, indem ſie uns mit Recht zum Schoͤpfer fuͤhrt,
Danck, Ehr-Furcht, Lieb und Lob aus unſrer Luſt ent - ſpringet;
So laſſt uns doch nicht minder uns bemuͤhn,
Durch unſre Luſt an unſers Schoͤpfers Wercken,
Auch edlere Geſchoͤpf zu Seinem Ruhm zu ziehn,
Und Engeln, oder ſeelgen Seelen,
Auch unſre Freude nicht verhehlen:
Wann ſie in unſerm Lob-Gethoͤn,
Ein60Betrachtung der Voͤgel.
Ein durch die Creatur geruͤhrtes Hertze mercken;
Wann ſie, bey unſerer Betrachtung, ſehn
Ein ſehnend Aug und froͤhliche Geberden,
Und durch dieſelbigen von der in unſrer Bruſt
Gefuͤhlten innern Luſt
Geruͤhrt und uͤberfuͤhret werden;
So kann gewiß das helle ſchallen
Der Lieder-reichen Nachtigallen
Der Menſchen Ohr ſo ſehr nicht ruͤhren, und gefallen,
Als ſtille Seufzer, frohe Minen,
Die ein betrachtetes Geſchoͤpf
Jn uns erreget, ihnen
Vergnuͤgen, Anmuth und Ergetzen
Erregen muß, und ſie noch mehr und mehr
Zu ihres Schoͤpfers Preis und Ehr,
Jn eine ſeelge Freude ſetzen.
Wer wollte denn nicht gern,
Bey ſo viel ſelbſt gefuͤhlter Luſt,
So gar der Engel Luſt, und aller Engel HErrn
Lob, Ehr und Preis, zu mehren, zu erheben,
Lobſingend ſich beftreben?
Wer wollte nicht, wie uns die Voͤgel hier auf Erden,
So ihnen dazu gern ein klingend Werck-Zeug werden?
Die61Die Kaiſer-Crone.
Die Kaiſer-Crone.
B. Wer ſetzte deinen hohen Throu,
O praͤchtig-ſchoͤne Kaiſer-Cron,
Allhier ſo nah am Roſen-Strauch?
Da ja der Dornen ſtarre Spitzen,
An ſtat denſelbigen zu ſtuͤtzen,
An ſtat die Blaͤtter zu beſchuͤtzen,
Dir deine Blaͤtter gantz zerritzen?
K. So wie du denckeſt, denck ich auch.
Jch meint, in ſtetigem Vergnuͤgen.
Auf friſchen Roſen ſanft zu liegen:
So aber reibet Eurus Hauch
Mich an die Dornen, ehe noch
Die Roſen aus den Knoſpen brechen;
Wodurch ſie denn ſo manches Loch
Jn mich und meinen Purpur ſtechen,
Jhr Herrſcher, die ihr Cronen tragt,
Laſſt, was der Bluhmen Crone ſagt,
Auch euch zur Lehr ans Hertze gehen,
Jndem der allermeiſten Cronen
Auch noch ſo feſt gegruͤndte Thronen
Beym Roſen-Strauch gepflantzet ſtehen.
Noch62Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.

Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.

Jetzt gebaͤhren alle Zweige junge Blaͤtter ohne Zahl.
Die ernehret und vergroͤſſert der erwaͤrm’nde Son -
nen-Strahl.
Dieſe kleine Blaͤtter bringen dem Geſicht ſchon eine Frucht,
Das derſelben Zart - und Schoͤnheit aͤmſig zu betrachten ſucht.
Nichts iſt angenehm - und ſuͤſſer, als wenn das entwoͤlckte
Licht
Durch dieß liebliche Gewebe, mit gefaͤrbtem Schimmer,
bricht,
Und wir denn, von unten auf, durch ſie, als durch gruͤne Netze,
Helle Wolcken, ſchlancke Zweige, auch, wenn wir erhaben
ſtehn,
Gleichfalls durch ſie unterwaͤrts viele ſchoͤne Fruͤhlings -
Schaͤtze,
Dunckle Kraͤnter, Gras und Bluhmen durch ihr gelbes gruͤ -
ne ſehn.
Liebſter GOTT! welch ein Gemiſch von vergnuͤglichen
Figuren,
Und von angenehmen Farben, treffen wir im Fruͤhling an!
Keiner lebt, der alle Pracht Deiner ſchoͤnen Creaturen,
Und derſelben Nutz und Ordnung zehlen und erzehlen kann.
Groſſer Schoͤpffer! moͤgten doch ſolche Lieb - und Herrlich -
keiten,
Uns zu Dir, Quell aller Dinge, Urſprung der Vollkommen -
heiten,
Durch die Luſt, zur Danckbarkeit, und zu wahrer Andacht
leiten!
Naͤhere63Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Wie wunderbar iſt doch der Bau
So wol von Zaͤrtlichkeit, als Farben und Figur,
Den ich von Fingern der Natur
Jn einer Kirſchen-Bluͤht, die ſich erſt oͤffnet, ſchau!
Erſt ſeh ich Blaͤtter-Knoſpen-Spitzen
Umringt von Trage-Knoſpen, ſitzen.
Die letztern, welche rund, ſind erſtlich glatt und gruͤn.
Die braune Haut, die, uͤm ſie vor Gefahr
Zu ſchuͤtzen, feſt und holtzig war,
Eroͤffnet ſich, und zeigt zwey auch noch harte Blaͤtter,
Die rund und hohl, und gantz voll zarter Spitzen,
Und rauher Zaͤſer ſind;
Um ihr ſo zartes Kind,
Als wie mit einem Peltz, zu ſchuͤtzen.
Darauf erblickt man drey, die ſonderlich formitt,
Jndem ſie obenwaͤrts recht in der Mitten,
Als waͤren ſie mit Fleiß ſo zierlich eingeſchnitten,
Sich theilen, da ſie denn ein eignes Spitzgen ziert.
Nachher ſind, aus dermaſſen ſchoͤn,
Drey ſchmale Blaͤtterchen zu ſehn,
Die unſer Augen recht erfriſchen,
Wann ſie ein zaͤrtlich roth zu ihrem gruͤnen miſchen,
Abſonderlich,
Da ſelbe ſich,
Zumahl in hellen Sonnen-Strahlen,
Zugleich mit zartem gelben mahlen.
Bis endlich man die Bluhmen ſelbſt, bey drey,
Bey vier bis fuͤnf, doch ſelten nur bey zwey,
Jn64Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Jn gleichfalls roͤthlich gruͤner Haut
Noch einmahl eingeſchloſſen ſchaut.
Wann dieſe nun bey lauem Wetter,
Sich in fuͤnf Blaͤtterchen zertheilt,
Dann werden allererſt der Bluhmen rechte Blaͤtter,
Die ein faſt blendend weiſſ - und heller Schimmer ſchmuͤckt,
Jn einem holden Glantz erblickt.
Die oͤffnen ſich darauf, bey lauer Lufft,
Und zwar in ſolcher Meng, an allen Ecken,
Daß ſie, recht wie ein weiſſer Dufft.
Die ſchlancken Zweig uͤmgeben und verdecken.
Wenn ſo dann der Augen-Strahl
Durch die ungezehlte Zahl
Bluhmen-reicher Zweige ſtreichet,
Und von holder Kirſchen-Bluͤht, (Die Violen Matronal,
Wann ſie ſich geoͤffnet, gleichet)
Millionen auf einmahl
Jn ſo weiſſem Lichte ſieht,
Deren iegliche verdienet,
Um der Form und Farben Schein,
Stunden lang beſehn zu ſeyn;
Ruͤhmt die Seel in ihrer Freude,
Fuͤr die Luſt und Augen-Weide,
Den, der aller Dinge Pracht
Durch ein einzigs Wort gemacht.
Mond -65Mond-Schein.
Mond-Schein.
Jch hatte juͤngſt, des holden Fruͤhlings-Pracht,
Wie alles auf der Welt ſo ſchoͤn, ſo Wunder-ſchoͤn,
Zum Ruhm des Schoͤpfers, anzuſehn,
Den gantzen Nachmittag vergnuͤglich zugebracht.
Bald wechſelten in meiner Bruſt
Betrachtung, Andacht, Lob und Luſt,
Und bald vereinten ſich dieſelben ſo in mir,
Daß mir unmoͤglich faͤllt, den frohen Stand der Seelen,
Worin Empfindlichkeit und Danck-Begier,
Auch ungezehlte ſuͤſſe Triebe
Von Freud, Erkenntlichkeit und Liebe,
Halb ſelig walleten, umſtaͤndlich zu erzehlen.
Der Abend kam, ſo bald der guͤldne Glantz
Des Sonnen-Lichts nicht mehr zu ſehen war,
Mit ſeiner ſanften Schatten-Schaar,
Gemach gemach heran:
Doch war der Schein nicht gantz
Vergangen und dahin, der Schatten auch noch nicht
Gantz ausgedehnt und ſchwartz, vielmehr ſchien Nacht und Licht
Jn einem ſanften Grad vereint. Hieraus entſprung
Ein allgemeine rein und helle Daͤmmerung,
Voll Kuͤhlung, Still und Luſt; als ich, von ungefehr,
An eines Grabens klarer Fluth,
Auf welcher theils des Himmels heitrer Schein,
Und theils ein Wiederſchein von hohen Baͤumen ruht,
EMit66Mond-Schein.
Mit ſanften Schritten hin und her
Vergnuͤgt ſpatzieren gieng. Jch kunte mich nicht ſatt
An dieſem Erd - und Himmel-Spiegel ſehn.
Unglaublich eben, ſtill und glatt
War die Cryſtallen-gleiche Flaͤche.
Der Abend-Roͤthe Reſt ſchien faſt in groͤſſrer Schwaͤche
Am Himmel, als auf ihr: unglaublich rein und ſchoͤn
War Weſten-waͤrts die lichte Heiterkeit
Am Firmament, im Waſſer auch, zu ſehn.
Zur Seiten kam ein Wiederſchein
Von einem lieblichen Gebuͤſch, von Binſen und von Rohr,
Mir in natuͤrlichſter Vollkommenheit,
Als waͤr es alles doppelt, vor.
Abſonderlich nahm ein faſt wahrer Schein
Von dicken Wipfeln hoher Linden,
Die an dem fetten Strand ſich da gepflantzet finden,
Mit einem duncklen Schmuck das klare Waſſer ein.
Jch hatte meine Luſt, die Gleichheit dieſer Schatten,
Die ſie, im Wiederſchein, mit ihrem Urbild hatten,
Bewundernd anzuſehn. Allein,
Wie ſtutzt ich, als mein Blick, bey meinem ſanften Schritte,
Auf dieſer glatten Bahn gemaͤchlich vor ſich glitte,
Und ich, ohn uͤberwaͤrts zu ſehn,
Den hellen Mond, in vollem Licht,
An einem gruͤnen Himmel fand.
Noch67Mond-Schein.
Noch mehr: Mir fiel zugleich noch einer ins Geſicht,
Und zwar der wahre Mond, der eben uͤbers Haupt
Der Baͤume, die ſo dicht belaubt,
Hervor trat, und am blauen Himmel ſtand.
Unglaublich iſt, wie ſehr mich dieſer Anblick ruͤhrte;
Und unbeſchreiblich iſt die Luſt,
Die ich darob in meiner Bruſt,
Und meinem gantzen Weſen, ſpuͤhrte.
Der reine Glantz ſo ſchoͤner Lichter drang,
Bey der ſo ſuͤſſen Abend-Stille,
Und kuͤhler Heiterkeit, mit einer rechten Fuͤlle
Von Anmuth, mir ins Hertz, daß ich, halb auſſer mir,
Ob aller Creaturen Zier,
Dem Schoͤpfer dieß zu Ehren ſang:
O GOTT! du groſſer Wunder-GOTT,
Unendlichs All! HERR Zebaoth!
Regierer Himmels und der Erden!
Wie kann doch Deine Lieb und Macht
Und Weisheit recht beſungen werden!
Jch bete zwar in Deiner Wercke Pracht,
Voll heiliger Verwunderung, Dich an;
Doch weil Dich keiner recht verehren,
Dir dancken, noch Dir was vergelten kann,
So wolleſt Du anietzt mein bruͤnſtig Wuͤnſchen hoͤren:
E 2Ach!68Mond-Schein.
Ach! laß die durch dein Werck erfuͤllte Seele
Dir HErr ſo angenehm, als wie die durch den Schein
Des Monds erfuͤllte Fluth mir angenehm iſt, ſeyn!
Und gieb ſo dann, daß ſie, in einer reinen Stille,
Stets mit der Creatur beliebter Pracht ſich fuͤlle!
Laß mich offt ihren Schmuck am gruͤnen Himmel ſchauen,
Bis ich dereinſten dort im Blauen,
Dem wahren Licht ſo nah, wie hier dem fluͤchtgen Schein,
Auch deine Wunder-Werck zu ſehn, mag faͤhig ſeyn!
Ach! laß zu dieſem Zweck mir offt die Fluth der Erden,
So wie es ietzt geſchicht, zum Himmels-Spiegel werden!
Die69Die gelbe Roſe.
Die gelbe Roſe.
Es ſahe die Natur von ihren Meiſter-Stuͤcken
Der ſchoͤnſten eins, die Roſe, ſelbſt mit Luſt,
Doch auch zugleich mit truͤben Blicken,
Und Unvergnuͤgen an. Jhr war nicht unbewuſt,
Daß, ob ſie gleich, die Menſchen zu erquicken,
Die rothe Roſe ſelbſt gewehlt,
Und ſich bemuͤht, ſie praͤchtigſt auszuſchmuͤcken;
Sie dennoch ihres Zwecks verfehlt.
Denn, ſprach ſie, iedermann
Sieht Roſen, ja ſo wol, als andrer Bluhmen Pracht,
Mit, ſie nicht ſehnden, Augen an.
Sie zuͤrnte dennoch nicht: vielmehr war ſie bedacht,
Aus Lieb und Zaͤrtlichkeit, noch einmahl zu probiren,
Ob es, den kalten Sinn der Menſchen recht zu ruͤhren,
Denn gar nicht moͤglich ſey.
Sie fieng deswegen an auch weiſſe zu formiren,
Nachher auch Wein - und Eßig-Roſen,
Um, durch Veraͤnderung dem Auge liebzukoſen.
Allein es war und blieb ſtets einerley.
Zuletzt (da ihr nicht unbekannt,
Daß die Begierde, reich zu werden,
Der meiſten Menſchen Hertz auf Erden
Mit ſolcher heiſſen Gold-Sucht fuͤllt,
Daß ihrer Seelen Licht, der denckende Verſtand,
Dadurch ſo ſehr benebelt und verhuͤllt,
Daß, da er, GOTT zum Ruhm, die Welt betrachten ſollt,
E 3Er70Die gelbe Roſe.
Er alle Creatur, ſammt ihrem Schmuck, verachtet,
Und, blind fuͤr alles, nichts als Gold
Zu ſehn, und zu erlangen trachtet,)
Beſchloß ſie, ſich noch einmahl zu bemuͤhn,
Und, uͤm, durch dieſen Weg, ihn zu ſich her zu ziehn,
Die Roſen-Blaͤtter zu verguͤlden.
Man ſahe ſie demnach die gelbe Roſe bilden:
Ein neues Wunder, deſſen Pracht
Und Schein im ſolchem gelb - und ſchoͤnen Feuer gluͤhen,
Daß der faſt guͤldne Glantz Chryſanders Augen
Auf eine Zeitlang gar auf ſich zu ziehen,
Und durch den gelben Schein, ihn zu ergetzen taugen,
Zumahl er ein gedoppeltes Vergnuͤgen
Auf ihrer Blaͤtter Flaͤch erblickt,
Da auswaͤrts Cronen-Gold,
Und inwaͤrts (dem er noch am meiſten hold)
So gar Ducaten-Gold ſie ſchmuͤckt.
Allein, indem es nur gar kurtze Zeit (Weil dieſes Gold nicht klang) mit ſeiner Freude waͤhrte,
Und er nicht die Natur, nicht ihren Schoͤpfer ehrte;
Schien ihr aufs neu ihr Unternehmen leid:
Und, aus gerechter Reu und bill’ger Traurigkeit,
Erweckt ſie einen Wurm, der dieſer Roſen Pracht,
Als wie ihr ſteter Feind, faſt ſtets zu nichte macht.
Daher man ſie denn ietzt gar ſelten recht geruͤndet,
Und in der lieblichen Vollkommenheit,
So wie vorher, nur ihrer wenig findet.
Mich deucht, daß ich hierin zugleich noch eine Lehre
Und fuͤr den Geitz ein ſchreckend Sinn-Bild finde.
Es71Die gelbe Roſe.
Es ſcheint, daß, wie der Geitz gar ſelten ſonder Suͤnde,
Er meiſtens einen Wurm auch im Gewiſſen naͤhre.
Damit ich aber auch, bey der Volkommenheit
Der gelben Roſe, die ich hier
Jn einer mehr als guͤldnen Zier, (Denn ach! uͤm wie viel ſchoͤn - und guͤldner koͤmmt ſie mir,
Als wie die guͤldne Roſ, in Rom geweihet, fuͤr!)
Mit recht vergnuͤgten Blicken ſehe,
Jn den ſo zaͤhen Schlamm der Unempfindlichkeit,
Und der draus flieſſenden Undanckbarkeit nicht falle,
Wenn ich in meiner Luſt den Schoͤpfer nicht erhoͤhe;
So hoͤre, was ich Dir, vergnuͤgt, zu Ehren lalle,
O groſſer Schoͤpfer, gnaͤdig an:
Da wir, HERR, fuͤr Deine Gaben,
Durch Dich, eine Faͤhigkeit,
Jhre Vollenkommenheit
Anzuſehn, empfangen haben;
Ach ſo laß uns, Dir zu Ehren,
Dieſe Faͤhigkeit gebrauchen!
Laß im ſehen, laß im hoͤren
Unſer Andachts-Opfer rauchen!
Laß! o HERR, in unſrer Bruſt
Eine Flamme ſeel’ger Luft,
Und ein Freuden-Feur entbrennen:
Wenn wir immer mehr und mehr,
Jn Geſchoͤpfen, Dir zur Ehr,
Deine Lieb und Macht erkennen!
E 4Laß72Die gelbe Roſe.
Laß uns, ſtets der Tugend hold,
Und den Laſtern feind, an Schaͤtzen
Und am Bluhmen-Gold uns mehr,
Als am Gold, aus Geitz, ergetzen!
Zwar iſt auch das wahre Gold
Schoͤn, auch ſteckt in ihm ein Segen;
Wenn wir aber dieſes hier,
Als von Dir formiert, erwegen,
Und, in dieſer Bluhmen-Pracht,
Den, der ſie ſo ſchoͤn gemacht,
Mit vergnuͤgter Ehr-Furcht, ſehn,
Ehren, lieben, und erhoͤhn;
Steckt in ihr zu aller Zeit,
Als in einem goͤldnen Schacht,
Selbſt ein Gold der Seligkeit.
Die73Die Glocken-Bluhme.
Die Glocken-Bluhme.
L den und jenen nur von meinem Buche ſprechen,
Es ſey ein Kraͤuter-Buch: ich leid es williglich,
Und goͤnne iedem gern,
Daß er auf andre Weiſe ſich
Beſtrebe, GOTT den HERRN
Zu ruͤhmen, zu erhoͤh’n. Jch kann mich nicht entbrechen,
Zu des unendlichen liebreichen Schoͤpfers Ehr,
Jn meiner Luſt, von Bluhmen noch vielmehr,
Zum Ruhm Des, welcher ſie gemacht, hervor zu bringen,
Und Deſſen Allmacht, Lieb und Weisheit zu beſingen,
Der unerſchoͤpflich iſt an Reichthum vieler Kraͤffte.
Zumahl wenn, wie anietzt, da ich die Blicke heffte
Auf die ſonſt nicht gar viel geſchaͤtzte Glocken-Bluhme;
Mir faſt zugleich ein Luſt - und Andachts-Strahl
Durchs Auge, Dem der ſie formirt, zum Ruhme,
Jn meine Seele dringet;
So daß ſie ſich aufs neu zum groſſen Schoͤpfer ſchwinget,
Jndem mir, was an ihr ſo lieblich bluͤht und gruͤnt,
Zu einer neuen Sproſſe dient,
Wodurch ich zu Jhm aufwaͤrts ſteige.
Jndem ich Dir und mir in dieſer Creatur,
Die ſo verwunderlich, allein durch GOTT, formiert,
Allein durch Jhn ſo ſonderbar geziert,
Von Seiner Lieb und Macht die Spur
Zu mehrer Luſt, zu Seinem Ruhme zeige.
Wie ſonderlich iſt die Figur,
Geliebte Glocken-Bluhm, an dir zu ſehn!
E 5Fuͤr -74Die Glocken-Bluhme.
Fuͤrwahr man muß erſtaunt geſtehn,
Daß du an Bildung dich von allen unterſcheideſt.
Denn, ob du dich gleich auch in ſchoͤne Farbe kleideſt,
Und ich dich Purpur bald, bald Leib-farb und bald blau,
Bald Weiß, bald bunt gefaͤrbet, ſchau;
So uͤberſteigt die Form und ihre Seltenheit
Dennoch, wie ſchoͤn ſie gleich, der Farben Lieblichkeit.
Daß ſie den Glocken gleich, wovon ſie auch den Rah - men
Deßhalben uͤberkamen,
Weiß ied er, aber das weiß ieder eben nicht,
Auf welche Weiſe die Natur
Die Glocken-foͤrmige Figur
Von ſolchen Blaͤttern zugericht’t,
Die dazu gantz nicht tauglich ſcheinen:
Die ſie iedoch ſo kuͤnſtlich zu vereinen,
So nett zu fuͤgen weiß,
Daß ihres groſſen Schoͤpfers Preis,
Wenn man ſie ſich vor Augen ſtellet,
Aus dieſer Bildungs-Kunſt recht ſonderlich erhellet.
Zwo Arten Blaͤtterchen, die gantz nicht gleich, for - miren
Durch ihren Rang, der Bluhmen prangen,
Die am gebognen Stiel, als an gebognen Stangen,
Und die beweglich, abwaͤrts hangen:
Wodurch ſie leicht bewegt, leicht hin und her ſich ruͤhren.
Die eine Sorte gleicht, ſieht man ſie einzeln an,
Des Uberfluſſes Horn ſo voͤllig, daß man nicht
Leicht etwas gleichers finden kann.
Der -75Die Glocken-Bluhme.
Derſelben pflegen insgemein
Sechs, ſieben, auch wol acht, auch neun zu ſeyn,
Die in der Mitten feſt: in deren Ecken
Die, hinterwerts gekruͤmmt, ſich nach dem Stengel ſtre - cken,
Und ſich zu aͤuſſerſt lieblich ruͤnden,
Wir einen ſuͤſſen Honig finden,
Der den Geſchmack, wann er die Zunge netzt,
So, wie der Bluhmen Pracht das Aug, ergetzt.
Die andre Art von Blaͤttern, deren wir
Nie mehr als fuͤnfe ſehn, ſind lieblich zugeſpitzt;
Wo zwiſchen mehrentheils, in ordentlicher Zier,
Ein Paar der kleinen Hoͤrner ſitzt,
Die an dem Ort, wo ſie ſich fuͤgen,
Sich etwas einwaͤrts ziehn, dadurch entſteht das ſchmiegen.
Und weil ſie unterwaͤrts ſich wieder auswaͤrts biegen;
Entſteht auf dieſe Weiſe
Die Glocken-foͤrmige Geſtalt.
Wenn wir ſie trennen,
Und alle Hoͤrnerchen, das Suͤſſe draus zu ſaugen,
Aus dieſen Blaͤttern ziehn, ſo koͤnnen wir den Reſt,
Der noch am Stengel feſt,
Ein eignes Bluͤhmchen neunen.
Noch iſt mit Luſt
Des Saamens kuͤnſtliches Gehaͤuſe,
Als wie die Kleppelchen ſehr zierlich anzuſehn.
Ach! moͤgte doch in unſrer Bruſt
Hiedurch ein Andachts-Trieb entſtehn,
Den wunderbaren GOTT und Schoͤpfer zu erhoͤhn!
Es76Die Glocken-Bluhme.
Es kommt der holden Bluhmen Zier,
Zumahl verſchiedne groß, verſchiedne klein
Daran zu ſehen ſeyn,
Recht als ein Glocken-Spiel mir fuͤr,
Das ich, zu GOttes Preis und Ehre,
Manch Lob-Lieb ſpielen ſeh, und durch das Auge hoͤre;
Denn ob uns gleich die Lufft den Thon zum Ohr nicht fuͤhret,
So hindert dieſes dennoch nicht.
Es wird ein ſeuffzend Hertz, wenn gleich der Mund nicht ſpricht,
Von unſerm GOTT verſpuͤhret.
Den Fuß von dieſer Bluhme decket
Ein wunder-ſchoͤn gefaͤrbt und nett formirtes Kraut,
Das ein vernuͤnftig Aug ohn Anmuth nimmer ſchaut,
Und welches ſich in holder Ruͤnde
Auf ſieben langen Zweigen ſtrecket,
Wodurch ich einen Buſch, der voller Anmuth, finde.
Es theilet ieder Zweig ſich wieder in drey Zweigen,
Und ieder wiederum in drey,
Die uns ein dreyfach Blat, das kuͤnſt - und lieblich, zeigen.
Die Bildung dieſes Krauts iſt aus der maſſen ſchoͤn
An ſeinen Ecken ausgeſchnitten.
Die Aederchen, die in der Blaͤtter Mitten
Recht lieblich durch einander gehn,
Fuͤllt ein licht-gruͤner Safft. Das dunckler gruͤne Blat
Jſt wie ein Tafft, ja wie ein Atlas, glatt.
Auf ſelben ſieht man mit Vergnuͤgen,
Als einen Thau, ein lieblich Blaues liegen,
Das77Die Glocken-Bluhme.
Das aber nicht am Blate feſt,
Nein, ſondern ſich verwiſchen laͤſſt.
Der Stiel iſt oberwaͤrts dem Purpur gleich,
Und an ſo ſanften Spitzen reich,
Daß ſelbſt der Serer Seide nicht
So zart, ſo weichlich zugericht’t.
Wer iſt nun, der begreiffen kann,
Wenn man auch allen Witz darauf verwendet,
Auf welche Weiſe da, wo ſich der Stengel endet,
Solch eine zierliche Figur entſtehen, ſich verbreiten,
Und ſich veraͤndern kann? Kein Menſch vermag zu faſſen
Die Urſach aller Zierlichkeiten;
Man muß es nur bloß beym bewundern laſſen.
Laſſt aber dieß uns doch zum Schoͤpfer leiten!
Reimarus, eine wahre Zier
So des Gymnaſii als unſrer gantzen Stadt,
Nach dem er dieß Gedicht geleſen hatt
Und ſich daran ergetzet; ſandte mir,
Aus ſeinem ſchoͤnen Bluhmen-Garten,
Von dieſer Bluhme, juͤngſt, noch unterſchiedne Arten
Worin ich abermahl an Farben und Figur,
Verſchiedliches erblickt in welchem die Natur,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Von neuen auf verſchiedne Weiſe
Den Reichthum ſehen ließ:
Wodurch ſie denn, da ſie die Wunder mehrte
Und Farb und Laub vervielfacht wieſ,
Mich auch von neuen hieß
Durch78Die Glocken-Bluhm.
Durch ſehen, dencken und durch Lehren
Von neuen unſern GOtt zu ehren.
Mit wie viel Luſt kunt ich an einigen entdecken
Wie ihre Hoͤrnerchen nicht nur
Gedoppelt an der Zahl,
Nein daß in jedem manches mahl
Acht gantz vollkommner Hoͤrner ſtecken.
Daß wir daher ein jeglichs koͤnnen
Mit Recht ein Horn des Uberfluſſes nennen.
Was zum bewundern mich nun ſonderlich bewegt,
Jſt das ein jede Bluhm auf 80 Hoͤrner heget.
Nimt man nur blos, die Meng allein an ihr in acht,
So zeiget ſich aufs neu des Schoͤpfers Wunder Macht.
Ach brich doch, liebſter Menſch, ich bitte dich,
Ein Glocken-Bluͤhmchen doch in dieſer Abſicht ab,
So wirſt du bald erſehn, an Farb und an Figur,
Was GOTT fuͤr Zierlichkeit in dieſer Creatur
Bereitet, und ſie dir zur Luſt der Augen gab.
Ver -79Vermahnung.
Vermahnung.
Auch ein thieriſch Ohr kan hoͤren,
Auch ein Ochſen-Auge ſehn:
Aber es kann, GOTT zu Ehren,
Daß es Sein Werck, nicht verſtehn.
Es kann im Genuß nicht dencken: HERR! ich ſeh in ihrer Pracht, Wie ſo liebreich Deine Macht, Wie ſo weiſe Deine Liebe, Die, aus ew’ger Huld, Dich triebe, Solche Krafft darin zu ſencken, So viel Gutes uns zu ſchencken.
Solch ein Vorrecht haſt du hie,
Liebſter Menſch, vor allem Vieh.
Ach! ſo thu nach deiner Pflicht.
Sieh vernuͤnftig! riech und hoͤre!
Freue dich! ſtiehl ferner nicht
Dir die Luſt, und GOTT die Ehre!
Froͤſche. 80Froͤſche.

Froͤſche.

Ein ſo groß als muntrer Geiſt
Sahe juͤngſt auf meinem Garten, wie wir eben ab -
geſpeiſ’t,
Und die Gegend uͤberſahn,
Einen kleinen Luſt-Altan.
Hier (rieff er), von dieſer Cantzel, predigt Brocks der Froͤ -
ſche Chor
Etwas vor.
Jch verſtand, worauf er zielte, dennoch ſchwieg ich ſtill,
und lachte,
Ob ich gleich in meinem Sinn dieß bey ſeinem Schertz ge -
dachte:
Ach ich predige nicht ihnen, ſondern es iſt uͤmge -
kehrt.
Jch bin oͤffters von den Froͤſchen ſelbſt erbauet und
belehrt.

Der Sonnen-Zeiger

Sehet dort den Sonnen-Zeiger! merckt! er zeigt den
hellen Schein
Durch den Schatten, zeigt die Ordnung, zeigt die Gegen -
wart und Zeit.
Moͤgt ich doch in meinen Schriften auch ein ſolcher Schat -
ten ſeyn
Von der Sonnen-Sonnen Strahle, Gegenwart und Herr -
lichkeit!
Mops. 81Mops.

Mops.

Um mich, nach vollbrachter Arbeit, wieder etwas zu er -
friſchen,
Setzt ich mich zur Fruͤhlings-Zeit juͤngſt bey bluͤhnden Ro -
ſen-Buͤſchen:
Und es ſetzte Mops, mein Hund, ſich von ungefehr zu mir.
Jch ergetzte mich von Hertzen an der ſchoͤnen Staude Zier,
Brach von allen eine Roſe, deren Farb am ſchoͤnſten ſpielte,
Mit vergnuͤgten Fingern ab.
Wie ich nun von ungefehr Mops ſie vor die Augen hielte,
Und ſie ihm zu riechen gab;
Kehrt er Kopf und Schnautze weg. Ach! fiel mir hieruͤ -
ber ein:
Handelteſt du, lieber Mops, ſo mit Bluhmen doch allein!
Aber ſo laͤſſt mancher Menſch der Geſchoͤpfe Schmuck und
Pracht,
Mit nicht minder ſchneller Abkehr ſeiner Sinnen aus der
Acht;
Wollt ihr denn, vernuͤnftge Menſchen, GOttes Wercke, die
ſo ſchoͤn,
Anders nicht, als wie die Hunde, riechen, hoͤren, ſchmecken,
ſehn?
FLaue82Laue Luͤffte.
Laue Luͤffte.
Da ich mit Bedachtſamkeit, billig bey mir uͤberlege,
Wie die Lufft anietzt ſo ſanft, lieblich, angenehm und kuͤhl;
Und, indem ich es bedenck, auch zugleich dabey erwege
Jhr ſo ſcharff - und rauhes ſchneiden, welches ich im Winter fuͤhl;
Zeigt der Unterſchied mit Recht, welch ein Gluͤck ich ietzt beſitze,
Da kein gar zu ſtrenger Froſt, keine gar zu matte Hitze
Mir die Lung und Bruſt beſchweren,
Roch mit einem ſcharffen Druck peinlich Haut und Fleiſch verſehren;
Sondern da in ſolchem Grad ietzt die Lufft ſo ſuͤß gemiſcht,
Daß ein iedes Athem-holen Naſe, Zunge, Lung und Blut,
Durch ihr ausgedehntes Weſen, nehrt, erquicket und er - friſcht:
Ja, indem ſie Haut und Fleiſch mit ſo ſanftem Wallen ſtreichelt,
Und durch ſpielendes Geſaͤuſel uͤberall uns ruͤhrt und ſchmei - chelt,
Jnnerlich und aͤuſſerlich unſerm Coͤrper ſanfte thut.
Wenn man das durch laue Waͤrme, und durchs nahe Sonnen-Licht
Jn der ausgedehnten Lufft blos gewirckte Gleich-Gewicht,
Das uns uͤberall durchdringt, das uns uͤberall beruͤhret,
Und worin wir gleichſam ſchwimmen, inn - und aͤuſſerlich verſpuͤhrt;
Sollte83Laue Luͤffte.
Sollte man ja dieſes billig uͤberlegen, es erkennen,
Und, bey unſrer Coͤrper Luſt, auch der Seel ein Labſal goͤnnen,
Daß ſie ein entferntes Ubel, und die gegenwaͤrtge Luſt,
Durch vernuͤnftigs Uberlegen, als ein doppelt Gluͤck be - trachte,
Und die Wunder unſers Schoͤpfers denck - und danckens - wuͤrdig achte.
Sollte ſie, wenn ſanfte Luͤffte ſo geſchaͤfftig uͤm ſie fliegen,
Jhr daraus entſprieſſendes zugeeignetes Vergnuͤgen,
Dem, der alles ihr geſchencket, nicht in einem frohen dencken, Daß Er maͤchtig, weiſ und liebreich, gleichſam wiede - ruͤm zu ſchencken,
Und in Danck-erfuͤllter Bruſt ihm zum Lob und Dienſt zu leben,
Bey gedaͤmpften Leidenſchaften, ſich nach Moͤglichkeit be - ſtreben?
Billig ſolten wir mit Freuden, faſt bey iedem Athem-ziehn,
Den, der ſolche Luſt uns goͤnnet, zu erheben uns bemuͤhn.
F 2Mond -84Mond-Schein.

Mond-Schein. (*)Noch andere Betrachtungen des Mond-Scheins ſiehe pag. 65. it. Tom. I. pag. 44. und T. II. p. 148. 153.

Mit einer ſtill - und reinen Luſt,
Mit einer ſanften Freud und Wonne,
Erfuͤllte neulich meine Bruſt
Der helle Mond, die weiſſe Schatten-Sonne;
Jndem ſich nemlich Licht und Schatten,
Auf Erden, in der Lufft und Fluth,
So angenehm gemiſcht, ſo ſanft verbunden hatten,
Daß durch mein Auge, Blut und Muth
Zu einer Harmonie, zu einer ſuͤſſen Stille,
Und in der Creaturen Pracht und Fuͤlle,
Zu dem, der ſie erſchuff, gebracht,
Und halb entzuͤcket ward.
Es war die holde Nacht
Von denen Raͤchten, welche man
Nicht leicht, als in der Tichter Schriften, finden,
Und keiner gnug bewundern kann.
Der Himmel war entwoͤlckt, gantz heiter, klar und rein.
Die Lufft war lau und ſtill, es funckelten die Sterne
Jn einem regen Glantz. Der Silber-farbne Schein
Des eben vollen Monds, erfuͤllt mit ſanftem Strahl
Wald, Wieſen, Gaͤrten, Berg und Thal.
Ein ungemein und angenehme Stille
Regieret uͤberall:
Und ward durch nichts, als durch der Nachtigall
Hell klingend ſingen, unterbrochen.
Wie lieblich iſt, ſprach ich, des Mondes ſanftes Licht,
Wann es das feuchte Rund der duncklen Welt beſtrahlet,
Und85Mond-Schein.
Und durch der Waͤlder Schatten bricht!
Jn welcher Harmonie ſieht ein vergnuͤgt Geſicht
So dann das, was man ſieht! Die Coͤrper ſind gemahlet
Jn einem holden Grad von Glantz und Finſterniß;
Die Formen ſind ſowohl, als Farben, ungewiß,
Und alles reitzet unſre Bruſt
Zu einer ſtill - und ſanften Luſt.
Jndem ich nun, von einer Hoͤhe,
Die durch den Mond geſchmuͤckte Welt,
Und ihr nicht gruͤnes Gruͤn beſehe;
Ward mir gantz unverhofft ein Schnee-Feld vorgeſtellt:
Da nehmlich aus der kuͤhlen Lufft
Ein Silber-weiſſer Rebel-Dufft,
Wie offt in Marſch - und feuchten Feldern faͤllt,
Und den man Fuchs-Bad nennt,
Sich hatt herab geſencket,
Der recht wie eine weiſſe Fluth
Auf dem dadurch erquickten Graſe ruht.
Es ſchien das flache Feld mit Waſſer uͤberfloſſen,
Und recht, als haͤtte ſich
Ein ſtarcker Fluß ergoſſen,
Der alles eingeſchluckt.
Es war der feuchte Dunſt ſo dicht,
Daß gar des Mondes glaͤntzend Licht,
Als wie im Spiegel, ſich in dieſen Nebel druͤckt.
Es waren Graͤben, Baͤum und Weiden
Gar nicht zu ſehn, gar nicht zu unterſcheiden.
Hingegen war auf den bebuͤſchten Hoͤhen
Von dieſem Dufft-Fluß nichts zu ſehen;
F 3Wol86Mond-Schein.
Wol aber glimmte dort, zu meiner Augen Freude,
So vieler zierlichen Gebaͤude
Hell angeſtrahltes Fenſter-Glas,
Das des Gebuͤſches Dunckelheit
Noch deſto mehr erhoͤht und zieret.
Kurtz; alles ſchien daſelbſt illuminiret,
Und, in dem praͤchtig heitern Schein,
Ein ſtilles Freuden-Feur, zu GOttes Ehr, zu ſeyn.
Jndem ich nun dieß Wunder uͤberdencke,
Und mein ergetztes Aug auf - und gen Himmel lencke;
Erblick ich dort der Sternen Heer.
Ach! rieff ich aus: da hier des Mondes Schein
So viele Vorwuͤrff uns gewehret,
Jn welchen man mit Luſt den Schoͤpffer billig ehret;
Wie unbeſchreib - und unbegreifflich| groß
Muß in ſo vieler Welte Schooß,
Als von noch ungeheurer Groͤſſe
Bewunderns-wuͤrdige Gefaͤſſe,
Die Vielheit ſchoͤner Creaturen
So wol bey Nacht, als auch bey Tage, ſeyn!
Hier ſeh ich abermahl die Spuren
Der goͤttlichen Geſchoͤpf und Wercke nicht allein;
Es drucket mir zugleich der Schau-Platz dieſer Hoͤhe
Den ich, voll froher Ehr-Furcht, ſehe,
Ein Glor-reich herrlich Bild von GOtt, dem Schoͤpfer, ein.
Ja, dieſe kalte Gluth entzuͤndet,
Und dieſer ſchwache Glantz wird mir zum ſtarcken Licht;
Da bey dem Strahl, der durch die Schatten bricht,
Mein Hertz der Gottheit Licht, ſo gar im dunckeln, findet
Der87Der Froſch.
Der Froſch.
Nachdem ich juͤngſt zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Auf einer Wieſe mich befand,
Und nah an einem Graben ſtand,
Bewundert ich des Waſſers Reinigkeit.
Des tieffen Grabens klar-nunmehr enteiſ’tes Raß
Stand rings umher mit Gras und Klee bekraͤntzet,
Durch deſſen gruͤnen Schein es nicht nur lieblich glaͤntzet;
Es war durchſichtig, wie ein Glas:
So daß mein Blick in dieſes Grabens Tieffe
Gantz ungehemmet ſanck, und, recht als wenn er leer,
Und gar kein Waſſer drinnen waͤr,
Mit Anmuth hin und wieder lieffe,
Bald bunte glatte Stein auf weiſſem Sand entdeckte,
Bald junges Kraut, das hie und da
Die zarten Spitzen aufwaͤrts ſtreckte,
Nebſt gruͤnen Mooß und friſchen Binſen ſah.
Jndem ich nun dadurch geruͤhret, ſtand,
Und von der Fruͤhlings-Pracht ein inniges Vergnuͤgen
Auf dieſer glatten Fluth empfand;
Sah ich ein halb geformt, halb Form-los Etwas liegen,
Das einem grauen Stein, an Farb |und Bildung, glich.
Kaum daß ich ihn mit Ernſt und Fleiß beſehe,
Faͤngt der vermeinte Stein ſich an zu regen,
Begiebt ſich allgemach, doch langſam, in die Hoͤhe
Und kommt, mit wenigem Bewegen,
Ein Froſch bis auf des Waſſers Flaͤche.
Hier ſchien er, fuͤr das helle Licht
Und aller Fruͤhlings-Pracht, zu ſtutzen,
F 4Lag88Der Froſch.
Lag gleichſam gantz erſtarrt, und ruͤhrete ſich nicht.
Doch fieng er endlich an ſein bloͤd Geſicht
Mit ſeiner kleinen Hand zu wiſchen und zu putzen,
Stutzt abermahl, und bliebe, lange Zeit,
Vermuthlich uͤberhaͤufft von ſo viel Herrlichkeit
Und gantz erſtannet fuͤr Vergnuͤgen,
Jn ſeiner erſten Lage liegen.
Zuletzt gab er, mit froͤhlichem Geſchrey,
Wie ſehr er durch die Welt, da ſie ſo Wunder-ſchoͤn,
Ergetzet und geruͤhret ſey,
Mit lautem quacken zu verſtehn.
Jch ſahe dieß bewundernd an, und ſprach:
Ach! folgten wir auch deinen Beyſpiel nach,
Vom Schlaf erwachter Froſch! ach moͤgten wir
Nach dunckler Winter-Nacht, an allen Fruͤhlings-Schaͤtzen,
An aller Creaturen Zier,
So, wie du thuſt, uns auch ergetzen!
Ach lieſſen wir doch Dem, Der alles ſchuff, zu Ehren,
Auch manches frohe Danck-Lied hoͤren!
So dacht und wuͤnſcht ich noch, als auf einmahl
Ein neues Licht, mit einem ſchnellen Strahl,
Mir in die Seele drang. Jn einer Dunckelheit
Jn ſchlammigtem Moraſt in einer finſtern Tieffe
Hat, dacht ich bey mir ſelbſt, der Froſch ſo lange Zeit
Den gantzen Winter durch, geſtecket.
Wird er nicht gleichſam ietzt als aus dem Grab erwecket?
Ja wahrlich, lieber Froſch, es ſtellt dein Zuſtand mir
Und allen Menſchen insgeſammt
Ein Wunder-ſchoͤn Exempel fuͤr.
Es89Der Froſch.
Es wird mein Geiſt von neuen angeflammt,
Jndem er hier den Stand der irdſchen Welt,
Jm Gegenhalt mit der, die uns, nach dieſem Leben,
Der Schoͤpfer wird im ewgen Fruͤhling geben,
Nicht anders ſich vor Augen ſtellt,
Als deinen Winter-Aufenthalt,
Wo alles ſchlackrig, wiedrig, kalt,
Bedeckt mit Daͤmmrung bald, bald dicker Finſterniß,
Wo alles unſtet, ungewiß,
Wo der Gewonheit Schlamm die Augen uns verdeckt,
Und der Geſchoͤpfe Pracht fuͤr uns verſteckt,
Wie wird uns nun, wann wir erblaſſen,
Und wir den duncklen Grund verlaſſen,
Wenn unſer Geiſt (ſo, wie du durch die Fluth)
Sich durch die Lufft erhebt, und aufwaͤrts ſteiget;
Jn jener Erden Fruͤhlings-Schein
Und ſeelger Herrlichkeit zu Muth,
Wie werden wir erquickt, ja gar entzuͤcket, ſeyn!
Wann wir in den geſtirnten Hoͤhen,
Jn tauſendfach vermehrtem Licht,
Mit gantz verklaͤrtem Blick, und ſeeligem Geſicht,
Viel tauſend tauſend Welt, und tauſend Sonnen-Heere,
Jn einem unumſchraͤnckt - und lichten Anmuths-Meere,
Wie Jnſeln herrlich ſchwimmen ſehen!
Wird nicht ein ſolcher Wunder-Glantz
So dann in nimmer ſatten Blicken
Der frohen Seele Weſen gantz
Beſeeligen, verhimmeln und entzuͤcken?
F 5Bis90Der Froſch.
Bis daß die Nacht die Welt in Schatten huͤllt,
War mein recht inniglich hiedurch geruͤhrt Gemuͤthe
Mit dieſen lehrenden Gedancken angefuͤllt.
So gar, daß mein ſanft wallendes Gebluͤte
Nachdem ich mich ins Bett gelegt,
Die rege Phantaſie bewegt,
Und einen Traum erregt,
Der iedennoch ſo ſonderlich,
Daß einem wircklichen Geſicht er mehr,
Als einem leichten Traume, glich.
Mich deucht, ich laͤge kranck, mein Lebens-Oel ver - brannte,
Mein Hauch wuͤrd ſchwer und ſchwach, blieb endlich voͤl - lig aus,
Der rege Geiſt verließ ſein lang bewohntes Haus,
Kaum daß derſelbe ſich von ſeinem Coͤrper wandte,
Als er, nach leichter Blaſen Art,
Die aus dem Grund im Waſſer aufwaͤrts ſteigen,
Mit einer leicht - nud ſchnellen Fahrt
Sich durch die Fluth der Lufft allmaͤhlig hoͤher zog,
Und im geraden Strich von unten aufwaͤrts flog.
Wie er nun auf der Lufft beſtrahlte Flaͤche kam,
Woſelbſt voll reiner Heiterkeit,
Von allen Duͤfften leer, von allem Dunſt befreyt,
Die Himmels-Lufft erſt ihren Anfang nahm,
Fiel ein gantz ander Licht,
Als er allhier gewohnt zu ſehn, ihm ins Geſicht.
Wie ich nun alles dieß, faſt, doch nicht gantz geblendet,
Erſtarret uͤberſehn, fiel mein geruͤhrter Blick
Erſtaunet auf mich ſelbſt zuruͤck,
Jch91Der Froſch.
Jch ſah mich durch und durch, mir ward mein wahres Weſen
Nun allererſt bekannt: als wie in einer Schrift,
Kunnt ich im innerſten von meiner Seele leſen
Das, was ich auf der Welt begangen und geſtifft,
Ja gar was ich gedacht. Kein Spiegel ſtellt ſo klar
Die coͤrperliche Vorwuͤrff dar,
Als ich mir von mir ſelbſt ein heller Spiegel war.
Was man Gewiſſen heiſt
Erſuͤllte meinen gantzen Geiſt.
Jch fand mich gantz entbloͤſſt von Wolluſt, Ehre, Geld,
Als eitlen Zielen dieſer Welt.
Nur die Gedaͤchtniß meiner Thaten,
So wohl die boͤs, als welche gut gerathen,
War bloß allein
Mein gantzes Seyn.
Jndem ich auf der Lufft, als einem Waſſer, ſchwam,
Kam ich mir anfangs vor
Faſt wie ein Fruͤhlings-Froſch, der | in der Winters-Zeit
Jm Sumpff und im Moraſt geſtecket,
Der aber, wie der Fruͤhling wieder kam,
Nach dicker Nacht, die Sonn im hellen Glantz entdecket,
Beſchmutzt und ſonder Schmuck. Doch eine Reinlichkeit
Kunnt ich mit innigem erquicken,
Bald hie bald da noch durch den Schmutz erblicken.
Dieſelbe Reinlichkeit und heller Schmuck entſtunden
Aus mancher Luſt, die ich alhier
Jn der Geſchoͤpfe Schmuck und Zier,
So lang ich auf der Welt, empfunden.
Und die den Geiſt, der ſie zu GOttes Ruhm erblickt,
Jn -92Der Froſch.
Jndem ſie nnvermerckt ihm ſelbſt ſich eingedruͤckt,
Ob ſie es gleich alhier nicht einſt gemerckt, geſchmuͤckt.
Jch ward hierauf in kurtzer Zeit gewahr,
Daß alles ſchmutzige, vom Waſſer aufgeloͤſt,
Sich von mir ſonderte, wodurch mein Weſen klar
Und hell, wie alles, ward, ja auch ſo leicht zugleich,
Daß ich mich aus der Fluth, worin viel tauſend trieben,
Die in beſtaͤndiger Gefahr
Noch wieder zu verſincken, blieben,
Behend erheben kunnt. Jch trat ins Seelen-Reich,
Durchdrungen und durchſtrahlt von einem ſuͤſſen Glantz,
Mein Weſen, gantz verklaͤhrt, verherrlichte ſich gantz.
Unglaublich angenehm war alles, was ich ſah,
Ein ieder Vorwurff glaͤntzt. Es glimmt in buntem Schein
Feld, Wieſen, Acker-Feld, Gras, Kraͤuter, Holtz und Stein, (Denn alles, was auf Erden, war auch da)
Ja was noch mehr, viel tauſend Creaturen,
Die uns hier unbekannt, wovon wir keine Spuren
Hier auf der Welt geſehn, ward ich daſelbſt gewahr,
Die unansdruͤcklich ſchoͤn, und welche nicht zu zehlen,
Die aber, weil dazu die Nahmen fehlen,
Und keine Woͤrter ausgefunden,
Nicht zu beſchreiben ſind.
Das Gruͤn war wie das Gruͤn an einem Pfanen-Schwantz,
Vermiſcht mit Klarheit, Licht und Glantz.
Die Bluhmen funckeln hier und gluͤhn,
Die blauen wie Sapphir, die rothen wie Rubin,
Und was nur ſichtbar, iſt durchſichtig, hell und klar.
Das Licht, das alles hier erfuͤllet, iſt ſo licht,
Daß es durch jeden Vorwurff bricht,
Da93Der Froſch.
Da es ſo gar den Geiſt durchdringet.
Wodurch in allem, was man ſieht,
Jndem das Licht, wie hier, davon nicht ruͤckwaͤrts ſpringet,
Ein lieblich-froher Glantz und Freuden-Feuer gluͤht.
Jch ward hier durchs Gehoͤr entzuͤckt mehr, als ge - ruͤhret,
Weil hier der gantze Kreis der Luͤffte muſiciret.
So ward nicht weniger mein Geiſt durch einen Schwall
Von ausgeduͤnſteter ambrirten Krafft,
Aus Pflantzen, woraus uͤberall
Ein edler Balſam-Safft
Jn Uberfluß und unaufhoͤrlich quillet,
Gelabt, durchdrungen und erfuͤllet.
Jch ſtreckte meine Hand begierig aus,
Ein Bluͤhmchen abzupfluͤcken,
So recht vor andern ſchoͤn. Allein
Wie ſtutzt ich, als ich nichts daſelbſt befand;
Die Finger traffen nichts, was fuͤhlbar war, in ihnen,
Wie ſie geglaͤubet, an, ob ſie gleich fuͤhlbar ſchienen,
Weil ſie fuͤr coͤrperlich-noch nicht verklaͤrte Haͤnde,
Da ſie nicht coͤrperlich, nicht fuͤhlbar ſeyn.
Dieß nun noch ferner zu probiren,
Entſchloß ich mich, den harten Stamm
Von einer Eichen zu beruͤhren.
Allein auch hier war nichts zu faſſen.
Die gantze Hand ward durch den Baum gelaſſen,
Als wie durch leere Lufft. Hieruͤber noch weit mehr
Erſtannet und beſtuͤrtzt, kam ich von ungefehr
An einen Fluß, der einen reinen Spiegel
An94Der Froſch.
An Glaͤtt und Klarheit gleich, der durch bebuͤſchte Huͤgel
Und lauter Bluhmen floß.
Das Ufer, wo mein Fuß, fuͤr Anmuth, ſtille ſtand,
Schien ein faſt guͤldner Sand:
Das aber, weil es gaͤh, mit mir herunter ſchoß.
Jch fiel, fuͤr Angſt erſtarrt, von oben in die Fluth.
Ohn alle Hoffnung meines Lebens:
Jedoch, wie wol ward mir zu Muth!
Mein Schrecken war vergebens.
Die Fluth hatt von der Fluth fuͤr mich nur die Figur,
Und ungefehr der Lufft Natur,
Die weder netzet noch erſtickt.
Jch gieng demnach durch dieſe trockne Wellen,
Von ihnen nicht gehemmet noch gedruͤckt,
Biß zu derſelben gruͤnen Grentzen,
Wo Millionen Bluhmen glaͤntzen,
Zum andern Ufer fort: Die allerdickſten Hecken,
Dergleichen ich auf Erden nie geſehn,
Fand ich daſelbſt, voll ſtarrer Dornen, ſtehn:
Die aber mir den Durchgang nicht verwehrten,
Noch im geringſten mich verſehrten.
So bald ich nun mit ungehemmten Gang
Durch die verwachſnen Hecken drang;
Befand ich mich auf einem weiten Platz,
Der gruͤn, wie ein Smaragd, in welchem Bluhmen ſtunden,
Die alle, wie ein reicher Schatz
Von lieblich ſpielenden Opalen,
Mehr Glantz als Farben von ſich ſtrahlen.
Ein lieblicher Oranjen Wald
War95Der Froſch.
War an der rechten Hand ein rechter Aufenthalt
Von Anmuth, Ruh, Zufriedenheit und Luſt.
Hier traff ich, halb entzuͤckt, ſo ſchoͤne Menſchen an,
Daß ich, wie ſehr mich ihre Schoͤnheit ruͤhrte,
Und wie die Luſt ſo groß,
Die ich in ihrem Anſehn blos
Bey mir verſpuͤhrte,
Unmoͤglich recht beſchreiben kann.
Kurtz, es war ihre Zier
Recht ſo wie wir uns hier
Die Engel vorzuſtellen pflegen,
Die Schimmer, Glantz und Licht in ihrem Weſen hegen.
Allein!
Was recht verwunderlich,
Es ſchien kein eintziger fuͤr ſich,
Hingegen alle blos
Vom Gantzen nur ein Theil zu ſeyn.
Es war die Eintracht groß,
Ja wunderbar und ungemein.
Recht wie in einem Krieges-Heer
Sich Regimenter ſo vereinen,
Daß an Bewegung ſie nicht anders ſcheinen,
Als wenn es nur ein einzger Coͤrper waͤr;
So, doch weit inniger annoch vereint,
War dieſes Geiſter-Heer, da ſie ein wircklich Ein,
Wenn ſie ſich gleich zertheilen, ſeyn.
Es ſchien, ob herrſchte nur ein Wille
Jn dieſer gantzen Schaar. Jn einer regen Stille
War96Der Froſch.
War uͤberall
Ein unausdruͤcklich ſuͤſſer Schall,
Ein ſuͤß harmoniſches Gethoͤn
Nicht nur zu hoͤren, auch zu ſehn.
Die Luſt die einer fuͤhlt, empfand ſogleich ein ieder,
Nicht anders wie bey uns die andern Glieder
An einem Coͤrper das zugleich ergetzet,
Was ein Glied in Vergnuͤgung ſetzet.
Daher war ihnen nichts als eine ſtete Luſt,
Die allen allgemein, bewuſt.
Es ſucht kein eintziger fuͤr ſich allein
Begluͤckt zu ſeyn;
Sie theilten ſich auf eine ſuͤſſe Weiſe,
Dem Schoͤpffer aller Welt zum Preiſe,
An iedem Ort, bey iedem Schritt,
Einander ihre Freude mit.
So wie auf Erden keine Luſt
Der Menſchen Bruſt
Mit einem tieffern Eindruck ruͤhrt,
Als wenn durch Wechſels-weiſ erregte Triebe
Die Anmuth zugelaſſner Liebe
Ein paar verbundner Hertzen ſpuͤhrt;
So iſt ja leichtlich zu begreiffen,
Wie vielfach ſich ein inniges Ergetzen
Jn dieſer Menge muͤſſe haͤuffen,
Und ſie in ſeelge Luſt verſetzen,
Da ihrer viel in ſeelger Brunſt ſich uͤben
Sich immer mehr und mehr zu lieben.
Solch97Der Froſch.
Solch eine Schaar beſtand aus mehr
Als zehn mahl hundert tauſend Seelen,
Die alle, zu des Schoͤpfers Ehr,
Jn ihrer Luſt, die Macht und Lieb erzehlen,
Die taͤg-ja ſtuͤndlich ſich bey ihnen noch vermehrt.
Hieruͤber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht
So vieler Schoͤn - und Seltenheiten,
So ungemeiner Herrlichkeiten,
Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen bracht;
So war ich doch von der Durchdringlichkeit
Der dort geſehnen Creaturen
Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren,
Recht inniglich geruͤhrt. Wie die Beſchaffenheit,
Daß ſie nicht fuͤhlbar ſind, nicht nur ein klares Zeichen
Von ihrer ſteten Daur, (da blos dadurch allein,
Daß hier die Coͤrper feſt und undurchdringlich ſeyn,
Sie den Veraͤndrungen faſt unaufhoͤrlich
Sind ausgeſetzt, und ihnen muͤſſen weichen,
Einfolglich ſtets vergaͤnglich und zerſtoͤrlich,
Und unbeſtaͤndig ſind:) ſo zeigt es gleichfalls an,
Daß, wie man ja nicht leugnen kann,
Dergleichen Weſen ſeyn und leben muͤſſen,
Wir auch daher nicht unwahrſcheinlich ſchlieſſen,
Daß man vielleicht auch ſchon in dieſem Leben
Mit Creaturen ſey uͤmgeben,
Die ſo, wie jene dort, nicht fuͤhlbar, aber doch
Nicht minder wuͤrcklich ſind.
Dieß war zuerſt, was ich aus meinem Traum gedachte,
Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte:
GJch98Der Froſch.
Jch war von den vereinten Schaaren,
Die, da ſie mit unzehligem Vergnuͤgen,
So allen allgemein, ſich fuͤgen,
Und Glieder eines Coͤrpers waren,
Recht ſonderlich von neuen eingenommen,
Bis ich dadurch auf die Gedancken kommen:
Wie, dacht ich, kann es moͤglich ſeyn,
Daß Menſchen iemahls auf der Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden?
Da ieder blos fuͤr ſich allein
Gedencket, handelt, iſt und lebet,
Da ieder fuͤr ſein einzigs Ein,
Mit aller Ausſchluß, ſorgt und ſtrebet;
Da ieder Wolluſt, Ehre, Geld,
Des Gluͤckes Vorwuͤrff in der Welt,
Auf ſolche Art fuͤr ſich begehrt;
Daß das, was er erhaͤlt,
Ein andrer miſſen muß. Je mehr dein Gut ſich mehrt;
Je mehr beraubſt du mich
Desjenigen, ſo mein geliebtes Jch
Erhalten und beſitzen koͤnnte.
Wie waͤr es denn, nach meiner Eigen-Liebe,
Die mich, nur mich zu lieben, triebe,
Doch moͤglich, daß ich dir es goͤnnte?
Wenn nicht die Furcht der Straff allein,
Die auf Entwaͤltigung geſetzet ſeyn,
Mir die natuͤrlichen Begierden und Gedancken
Zwar in die vorgeſetzte Schrancken,
Jedoch fuͤrwahr gezwungen, hielten.
Der99Der Froſch.
Der Zwang allein iſt der Ratur ſo ſehr (Wenn durch Gewohnheit wir ihn nicht was minder fuͤhl - ten)
Entgegen und zuwieder;
Daß ſonder Zweifel ſich ein ieder,
Muͤſt er ſich nicht befuͤrchten oder ſchaͤmen,
Das meinige mir weg zu nehmen,
Sich ohne Zweiffel leicht bequemen,
Und ſchnell entſchlieſſen wuͤrd. Es zeigt ſich dieſes klar:
Weil eben auf den Raub der Ehre (Wie es iedoch wohl noͤthig waͤre)
Kein Art von Straff abſonderlich geſetzt,
Und daß man, ohn Gefahr,
Des Naͤchſten Leumuth raubt, und ihn dadurch verletzt;
So ſeh man doch, wie wir zum tadlen, affterreden,
Zum laͤſtern, ſpotten, zum verdrehn,
Die Menſchen unter ſich ſo fertig ſehn.
Es wird ſich keiner leicht entbloͤden,
Um ins geheim ſein Jch hinauf zuruͤcken,
Des Naͤchſten Ruhm zu unterdruͤcken,
Und bloß, daß man ihn moͤge kluͤger heiſſen,
Des Naͤchſten Ehren-Bau heruͤm zu reiſſen.
Pfuy! daß man, wieder alle Pflichten,
Sich nicht entſieht, fuͤr ſich, was man dem Naͤchſten ſtahl,
Zu nehmen, und ſein Ehren-Mahl
Auf jenes Schand-Mahl aufzurichten!
Wie noͤthig hier in dieſer Welt
Die Naͤchſten-Lieb, und die Geſelligkeit,
Hat Moſes im Geſetz uns nicht nur vorgeſtellt;
Selbſt Chriſtus hat der Chriſtenheit
G 2Nicht100Der Froſch.
Nicht unſre Freunde nur, ſo gar den Feind zu lieben,
Als wie ein ſolch Gebot zur Regel vorgeſchrieben,
Das faſt dem groͤſſeſten Gebot nicht weicht,
Und ſich an Wichtigkeit dem GOttes-Dienſt vergleicht.
Je mehr wir dieſe Lehr erwegen,
Je mehr ſtrahlt eine Goͤttlichkeit,
Erkenntniß, Wahrheit, Heil und Segen
Aus ihr, als wie ein Licht.
Kein Laſter ſcheint faſt uͤbrig mehr zu bleiben,
Koͤnnt einer nur
Von unſrer menſchlichen Natur,
Der Eigen-Liebe Gifft vertreiben.
Es iſt daher gewiß, und bleibt dabey,
Daß die Geſelligkeit und Naͤchſten-Liebe
Nicht nur ein Feind der laſterhaften Triebe,
Nicht nur der Jnbegriff von aller Tugend ſey;
Nein, daß vermuthlich gar in jener ſeelgen Hoͤhe
Hierin ein groſſes Theil der Seeligkeit beſtehe,
Durch andrer Freud und Luſt die ſeine zu vermehren:
Da ſich auf ſolche Weiſ, ohn alle Maaß und Zahl,
Vergnuͤgungen und Anmuth auf einmahl,
Stat einer einzigen auf dieſer Welt, (Ja die man noch faſt nie erhaͤlt)
Jn ſteter Fuͤlle zu uns kehren.
Ach wenn doch dieſer Satz, naͤchſt unſrer Glaubens-Lehre,
Die Richtſchnur unſers Lebens waͤre!
Wir wuͤrden nicht nur gluͤcklich hier allein, (Jndem es wahr, was jener ſchriebe,
Wilt du geliebet ſeyn, ſo liebe)
So gar, von vielen Suͤnden rein,
Auch dort vergnuͤget ſeyn.
Schoͤn -101Schoͤnheit der Bluhmen.
Schoͤnheit der Bluhmen.
Jn der holden Roſen-Zeit
Fuͤllten ungezehlte Arten
Schoͤner Bluhmen meinen Garten
Mit erwuͤnſchter Lieblichkeit.
Aller Bluhmen klare Blaͤtter,
Von der Sonnen Gluth durchſtrahlet,
Kamen, bey ſo heiterm Wetter,
Jn gefaͤrbter Wunder-Zier,
Mehr beflammet als bemahlet,
Feurig mehr, als bunt, mir fuͤr.
Auch das Kraut und Laub ſo gar,
Da die Blaͤtter zart und klar,
Wann die Sonne durch ſie ſchien,
Zeigt ein tauſend-faͤrbig gruͤn:
Ja dieß gruͤn ſchien Wunder-ſchoͤn
Auch in gruͤnem Feur zu ſtehn.
Jn wie ſchoͤnem Schimmer bluͤhte
Alles, was mein Auge ſah!
Jn gefaͤrbten Flammen gluͤhte
Der von Licht durchſtrahlte Mah.
Seine zarte Blaͤtter werden
Jn der That illuminirt.
Sagt mir, was iſt auf der Erden
Herrlicher, als er, geziert?
Seht das funckeln! Seht die Menge!
Seht der Liljen weiſſen Blitz!
G 3Seht102Schoͤnheit der Bluhmen.
Seht des Roſen-Stocks Gepraͤnge!
Welche Feder, welcher Witz
Wird der ſuͤſſen Farben brennen
Wuͤrdiglich beſchreiben koͤnnen?
Sonderlich wann ſanfte Winde
Jhre bunte Pracht gelinde
Lieblich durch einander treiben;
Da der bunten Gluht bewegen
Und das glimmen bunter Kertzen
Jn den angeflammten Hertzen
Uns ein Anmuths-Feur erregen.
Unausdruͤcklich iſt die Freude,
Die ſo holde Augen-Weide
Dem in ſeine Seele druͤckt,
Der ſie, GOTT zum Ruhm, erblickt.
Die103Die Roſe.

Die Roſe. (*)Andere Betrachtungen der Roſen ſiehe Tom. I. pag. 81. 92. Tom. II. p. 194. Tom. III. p. 616. Tom. IV. p. 69.

Willkommen, friſche Fruͤhlings-Roſen,
Die ihr die Seele ſelbſt, in eurer Lieblichkeit,
Durch Aug und Naſe, liebzukoſen,
So wunderbar erſchaffen ſeyd:
Die ihr von Fingern der Natur
Mit ſolcher lieb - und zaͤrtlichen Figur
Bewunderns wehrt begabt,
Und eine Balſam-Krafft von ihr empfangen habt.
Da ich euch ietzt zum erſten mahl
Jn dieſem Fruͤhling wieder ſehe,
So deucht mich, daß von euch ein kleiner rother Strahl
Mir durch den Blick ins Hertze gehe:
Wodurch ich eigentlich empfinde,
Wie er daſelbſt von Andacht und von Luſt
Ein helles Feur in meiner Bruſt,
Mit froher Danck-Begier vermiſcht, entzuͤnde.
Jch lencke mich, mit lechzendem Vergnuͤgen,
Zur ewig ſeeligen allmaͤchtgen Liebes-Gluht,
Die alle dieſe Wunder thut;
Durch welche bloß allein
Die Roſen ihrer Farben Schein,
Und Hertz-erquickenden Geruch und Kraͤffte kriegen.
Jch dencke nach: wo kommt die Anmuth her,
Die in der holden Bluhme gluͤhet,
Die ein vernuͤuftigs Aug ohn innre Luſt nicht ſiehet,
Und die die Seel aus ihr auch durch die Raſe ziehet,
Als bloß von GOTT allein?
G 4Mit104Die Roſe.
Mit welchen ungezehlt - und unzehlbaren Schaͤtzen
Von Anmuth, Schoͤnheit, Glantz, Pracht, Majeſtaͤt, Ergetzen,
Muß ſich das unbegraͤntzte Meer
Der ewigen allmaͤchtgen Gottheit fuͤllen!
Aus dem ſo unzehlbar und mannigfaltge Kraͤffte,
Woraus ſo Balſam - reiche Saͤffte,
Die wir, nur bloß in Bluhmen, ſehn,
Und die uns an die Seele gehn,
Durch mehr als einen Sinn, als kleine Baͤchlein, quillen.
Ach GOTT! da Deine Creaturen
Von Deiner Allmacht nicht allein,
Zugleich von Deiner Lieb und Guͤte, Wunder-Spuren
Uns durch der Sinnen Thuͤren zeigen;
So laß uns doch dafuͤr erkenntlich ſeyn,
Laß uns von Deinem Ruhm nicht ſchweigen,
Und durch ſie, HErr, zu Dir im danck - und loben ſteigen!
O welche Tieffe! welche Hoͤhe
Von ſuͤſſen Kraͤfften, und von Trieben
Uns zu beſeeligen, die ich bereits alhier
Mit leiblichen, noch mehr mit Glaubens-Angen ſehe!
Ach! moͤgten wir
Aus Seinen herrlichen, uns hier gezeigten Wercken,
Jn ſtiller Luſt, zu Seiner Ehr,
Wie uͤberſchwencklich mehr
Er hat, und uns dereinſt noch geben wird, bemercken!
Wie wuͤrden wir, bereits auf dieſer Erden,
Die Gottheit immer mehr zu lieben,
Zu ehren, zu erhoͤhn, nicht froͤhlich angetrieben,
Und immer bruͤnſtiger in Jhrem Dienſte werden!
Die105Die Schnee-Ball-Bluhme.
Die Schnee-Ball-Bluhme.
Wie iſt mir? ſeh ich recht? ich ſeh,
Jm ſchwuͤlen Strahl der Sonnen, Schnee,
Und zwar recht als in runden Ballen,
Auf gruͤn belaubten Zweigen wallen.
Kann Schnee ſich mit der Gluth, und Laub mit Schnee vertragen?
So deucht mich, hatt ich recht zu fragen,
Als ich dein blendend weiß, geliebte Bluhme,
Die man mit Recht, vom Schnee-Ball, Schnee-Ball heiſſt,
Mit einem inniglich geruͤhrten Geiſt,
Jn meiner Luſt, zu deines Schoͤpfers Ruhme,
Mit aufmerckſamen Aug erblickte.
Du ſchoͤner Bluhmen-Baum, du zeigſt, in deiner Zier,
Die Weisheit, Macht und Huld desjenigen, ſo dir
Dein Weſen mitgetheilt, der dich ſo lieblich ſchmuͤckte:
Und dieß ergetzet mich. Nicht nur die Seele ſpuͤret,
Daß ſie ein Andachts-Strahl, ein Trieb zur Unſchuld ruͤhret,
Dem Schoͤpfer, ſo wie mir dein unbefleckter Schein
Gefaͤllt, in reinem Glantz gefaͤllig auch zu ſeyn.
Ach! laß, o ewigs Gut, mein bruͤnſtiges Verlangen
Von Dir erhoͤret ſeyn: weil wir ſo gar das Wollen,
Dasjenige zu thun, was wir verrichten ſollen,
Nicht haben, wo wir es von Dir nicht auch empfangen!
Nachdem ich nun hierauf verſchiedene gepfluͤcket,
Um ihre Bildung recht zu ſehu,
Und wie ſie von der Hand der bildenden Natur
So Circul-rund, als wie ein Ball, gedruͤcket;
G 5Er -106Die Schnee-Ball-Bluhme.
Erblickt ich, voller Luſt, nicht nur,
Daß von dem Stengel ſich fuͤnf Haupt-Zweig artig ſtrecken.
Ein ieder theilte ſich in eben ſo viel Ecken,
Und iede breitete von neuen
Sich in fuͤnf Stengelchen, auf deren iedem denn
Ein Bluͤmchen mit fuͤnf Blaͤtterchen,
Die ſo an Form als Farbe ſchoͤn,
Unmittelbar, und ohne Kelch, zu ſehn,
Und die, da alle gleiche weit
Von ihrem Mittel-Punct entfernet ſtehen,
Jch in ſo angenehm-vollkommner Ruͤnde
Mit ſonderbarer Anmuth finde.
Von ungemeiner Lieblichkeit
Jſt dieſer Bluhmen Weiß. Es bricht (Da ihre Blaͤtterchen ſo zart, und doch ſo dicht,
Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen
Auf vierzehn hundert Blaͤtter zeigen,
Die ſich auf manche Weiſe beugen)
Auf manche Weiſe ſich das Licht:
Wodurch wir, da bey ſo viel Hoͤhen
Die ein Schnee-weiſſer Glantz beſtrahlt,
Auch eben ſo viel Tieffen ſehen,
Die ein faſt ja ſo weiß - und heller Schatten mahlt;
Ja der kein Schatten faſt mit Recht zu heiſſen.
Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus ſanfterm Weiſſen,
Womit ein lieblich Gruͤn ſich miſchet,
Macht unſerem Geſicht
Solch eine ſuͤſſe Daͤmmerung,
Die unſer Aug ergetzet und erfriſchet.
Aus dieſer Dunckelheit ſo holder Farb, entſprung
Jn meiner Seel ein helles Freuden-Licht.
Ver -107Vergnuͤgte Sinnen.
Vergnuͤgte Sinnen.
Es war die laue Fruͤhlings-Zeit
Jn ihren hoͤchſten Flor gekommen;
Der Monat Junius hatt allbereit,
Mit Roſen ausgeſchmuͤckt, den Anfang juͤngſt genommen;
Als Gottlieb, da der Tag ſich etwas abgekuͤhlt,
Und man bereits ein Abend-Luͤfftchen fuͤhlt,
An einem klaren Bach ſpatzierte,
Au deſſen Ufer rechter Seits
Ein gruͤnes Waͤldchen ſtand,
Das ſeiner Fluth Cryſtall mit einem Bilde zierte,
Das ſelbſt ein Waͤldchen ſchien. Es glaͤntzt in ſeiner Hand
Ein ſchoͤner Roſen-Strauß, der rings uͤmher die Lufft
Erfuͤllete mit einem Balſam-Dufft,
Und welcher den Geruch erquickt.
Ein Apfel, den uns China ſchickt,
Den er von ungefehr in ſeiner Taſche fand,
Erfriſchte ſeinen Gaum. Der Silber-reine Schall
Von einer in bebluͤhmten Hecken
Hell muſicirenden verliebten Nachtigall
Drang ihm durchs Ohr ans Hertz. Mit einem ſuͤſſen Schrecken,
Mit halb entzuͤcktem Blick, ward er zugleich, wie klar,
Wie guͤlden, wie voll Glantz, wie Wunder-Wunder-ſchoͤn
Die Licht - und Lebens-Quell, die Sonn, im untergehn,
Jn unvergleichlicher Vollkommenheit,
Durch das noch zarte gruͤn, gewahr.
Er108Vergnuͤgte Sinnen.
Er ſtutzt, als er die Mannichfaltigkeit
Der Lieblichkeiten auf der Welt,
Sich vor ſein Seelen-Auge ſtellt:
Wie Erde, Lufft und Fluth an Pracht und Luſt ſo reich,
Und daß dennoch, da er es uͤberlegte,
Wie alle Sinnen ihm von ungefehr zugleich
Vergnuͤget wuͤrden es ihn doch nicht mehr bewegte,
Und er es kaum bemerckt. Mein GOtt! rieff er woher
Entſteht dieß Ungluͤck doch, daß wir ſo oͤffters blind,
Geſchmack-Geruch-Gehoͤr - und Fuͤhl-los ſind?
Daß wir, fuͤr das Geſchoͤpf, im Schlummer gleichſam lie - gen?
Wie faͤllt es uns, ach leider! doch ſo ſchwer,
Uns im Vergnuͤgen zu vergnuͤgen!
Er fand darauf ſo viel, wie er recht in ſich gieng,
Daß unſer Geiſt fuͤr mehr als einerley
Auf einmahl nicht geſchaffen ſey.
Weshalben er, in ſeinem dencken,
Ein Ordnung an zu halten fieng,
Und einem ieden Sinn ein eigne Zeit zu ſchencken,
Auf ihn abſonderlich der Seelen Krafft zu lencken,
Mit allem Recht beſchloß. Worauf er alſo dachte,
Und ſeinem Schoͤpfer ſeine Luſt,
Auf dem Altar der Flammen-reichen Bruſt,
Zu einem Opfer folgends brachte:
So offt die Balſam-Krafft, die aus der Roſe quillet,
Durch den Geruch, Gehirn und Geiſt erfuͤllet,
Dacht er beym Athem-ziehn, fuͤr Anmuth: ach wie ſuͤß!
Und ein GOtt Lob! wann er ihn von ſich bließ.
So109Vergnuͤgte Sinnen.
So offt ſein Blick der Sonnen Strahl geſehn,
Rieff ſeine Seel in ihm: GOtt Lob, daß er ſo ſchoͤn!
So offt der Nachtigall durchdringender Geſang
Sein Ohr durchdrang, erſchallt: wie rein iſt dieſer Klang!
GOtt Lob! daß er ſo rein!
GOtt Lob! daß wir in dieſer Welt
So vieler Anmuth faͤhig ſeyn!
Wann der gelinde Weſt die Haut ihm ſanfte ſtreichelt,
Und ihm ſein kuͤhler Hauch mit linden Blaſen ſchmeichelt,
So dacht er bey ſich ſelbſt, vergnuͤget durchs Gefuͤhl: GOtt Lob, daß er ſo ſanft! GOtt Lob, daß er ſo kuͤhl!
Wann reiffer Fruͤchte Safft ihm in die Zunge dringet,
Und durch ihr ſaͤurlich ſuͤß ihm Luſt und Aumuth bringet;
So rufft die Zung erfreut: GOtt Lob, daß es ſo ſchmeckt!
GOtt Lob, daß ſolche Luſt in Zung und Fruͤchten ſteckt!
Ach roͤche, ſaͤhe, fuͤhlt und hoͤrte, GOtt zum Preiſe,
Jch und ein ieder Menſch doch offt auf ſolche Weiſe!
Wir -110Wirckung des Vergnuͤgens.
Wirckung des Vergnuͤgens.
Da ietzt, im bebluͤhmten Lentzen,
Alle Dinge herrlich glaͤntzen,
Und ich hier im Garten gehe,
Kraͤuter, Laub und Bluhmen ſehe;
Hemm ich meinen Schritt, und ſtehe
Still, fuͤr Anmuth faſt erſtarrt.
Denn mich deucht, es zeige mir
Der Geſchoͤpfe Pracht und Zier
Selbſt des Schoͤpfers Gegenwart.
Seine Weisheit, Macht und Guͤte
Ruͤhrt mein froͤhliches Gemuͤthe,
Und ich fuͤhl in ihrer Fuͤlle,
Wie, aus der, durch alle Luſt
Gleichſam ausgedehnten Bruſt,
Andacht, Lob und Liebe quille.
Mein entflammt Gemuͤth wird rege,
Wann ich in der Wercke Pracht
Des, der ſie hervor gebracht,
Weisheit, Macht und Lieb erwege.
Wie nun, wann das Hertz erquicket,
Man es aͤuſſerlich auch ſieht,
Und wie ein vergnuͤgt Gemuͤth
Unſer gantzes Weſen ſchmuͤcket;
So verhoffen Seel und Sinn,
Wenn ich hier auf dieſer Erden
Durch Dein Werck vergnuͤget bin,
Dir auch angenehm zu werden.
Die111Die Stille.
Die Stille.
Nach einem heitern Tag, und kuͤhler Abend-Zeit,
Brach, voller reinen Heiterkeit,
Auch eine kuͤhl und heitre Nacht,
Erleuchtet durch die mannichfache Pracht,
Und durch der hellen Sternen Schein,
Mit Schatten, die dennoch voll Licht, gemach herein.
Jch ſtand, und lenckte Blick und Hertz,
Mit ſtillem dencken, Himmel-waͤrts;
Jch ſenckte mich ins tieffe Meer
Des tieffen Raums, doch ohn Gefahr, hinein;
Weil nicht ein Pol-Stern nur, ein gantzes Heer
Von Pol-Geſtirnen mir, mit ihrem hellen Schein,
So mancher Leit-Stern war.
Es war die Lufft ſo heiter und ſo rein,
Daß aller Sternen glimme Schaar
Nicht feſt, wie ſonſt an der ſapphirnen Buͤhne,
Rein, frey, und faſt zu ſchweben ſchiene.
Jch ſahe, einzeln bald, bald uͤberhaupt ſie an,
Und ward zwar ebenfalls von ihrem Glantz und Strahl, (Als die man ſonder Luſt nicht ſehen kann)
Jedoch fuͤr dieſes mahl
Durch die ſo ſtille Majeſtaͤt
Am innigſten geruͤhrt.
O GOTT! rieff ich, Dem ewig Ruhm gebuͤhrt,
Wo etwas Deine Macht erhoͤht,
So iſt es dieſer Zug von Deinen Schaaren.
Nun -112Die Stille.
Nunmehr, ſeit ſo viel tauſend Jahren,
Jſt Dein allgegenwaͤrtger Wille,
Dein Wincken, ihr Geſetz. Ein ehrerbietigs ſchweigen
Pflegt hier, bey Koͤnigen, die Demuth anzuzeigen:
So deucht mich, daß auch hier der Himmel tieffe Stille
Die Gegenwart des Schoͤpfers aller Welt,
Nebſt ihrer Ehr-Furcht, uns vor Augen ſtellt.
Jch blieb, bey dieſer Still in tieffer Stille ſtehn,
Und dachte der ſo ſchnell - und dennoch ſanften Weiſe,
Jn welcher ſich ſo ungemeßne Kreiſe,
Ja gar die Himmel ſelber drehn,
Mit ſtiller Seele nach:
Bis unverhofft ein laͤrmendes Gewaͤſche,
Ein wild verwirrt Gequack der Froͤſche,
Mein ſtilles dencken unterbrach.
Ja, dacht ich, hiedurch kann der Erden
Unnuͤtzes eiteles Getuͤmmel
Mit jener ſanften Still am Himmel
Jn einen Gegen-Satz geſetzet werden.
Man handelt hier, man wandelt, rennt und laͤufft,
Man lacht, man weint, man liebt, man keifft,
Man ſiehet ein verwirrtes ſchwaͤrmen,
Man hoͤrt ein unnuͤtz muͤhſam laͤrmen,
Und alles iſt dennoch, wie ein Geſchrey,
Wann man ein jegliches fuͤr ſich erwegt, vorbey.
Der Koͤnig ſtirbt: es ſtirbt der Baur imgleichen,
Die Armen ſterben, nebſt den Reichen,
Und ihr Gewuͤhl iſt mit den Lebens-Stunden,
So wie der Tag, der geſtern war, verſchwunden.
Ein -113Die Stille.
Einfolglich iſt ihr Thun ſo eitel, als der Froͤſche
Geſchaͤfftiges unnuͤtzliches Gewaͤſche.
Wo aber eine Zeit auf Erden
Wol angewendet koͤnnte werden,
So waͤr es die ja wol, wenn man der Wercke Pracht,
Zu Ehren Des, der ſie gemacht,
Jn ſtiller Achtſamkeit erwegte,
Und Seine weiſe Macht, in ihnen, uͤberlegte,
Um durch ſolch dencken angetrieben,
Den HErrn der Creatur zu ehren und zu lieben.
Sollt ein dadurch geruͤhrt-in Lieb entbrannter Wille
Der Seel, in der, als wie im Wiederſchein,
Sich alle Schoͤnheit zeigt auf Erden und im Himmel;
Sollt eine ſolche Seelen-Stille
Dem Schoͤpfer nicht weit angenehmer ſeyn,
Als alles irdiſche Getuͤmmel?
HSchmuck114Schmuck der Seele.
Schmuck der Seele.
Wie fromme GOTT-ergebne Seelen,
Die mit den Wundern ſich vermaͤhlen,
Die Seine Lieb hervorgebracht,
Durch ihre Pracht
Vergnuͤgt erquicket,
Durch ihre Schoͤnheit ſelbſt geſchmuͤcket,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden
Vergnuͤgen und gefallen werden;
So kommen ſolche Seelen mir,
Die nichts gehoͤret, nichts betrachtet,
Auf alle Wunder nicht geachtet,
Als eckelhaffte Monſtra fuͤr,
Die gleichſam ſonder Naſ und Ohren,
Ohn Zung und Aug und Hand gebohren,
Ja, welche durch ſelbſt eigne Schuld
Sich ſelbſt geſtuͤmmelt und der Gaben
Der Vater-Liebe, Gnad und Huld
Muthwillig ſich beraubet haben.
Ob ſie in dieſem Stand entbloͤſſ’t von allen,
Was GOTT gefallen kann, dem Schoͤpfer doch ge fallen,
Wird wol kaum glaublich ſeyn.
Ach115Schmuck der Seele.
Ach laſſt uns denn, vom Undancks-Laſter rein,
Wann wir des Schoͤpfers Werck mit Luſt und Danck erblicken,
Und man Sein Allmacht, Huld und weiſe Lieb em - pfindet,
Durch die empfundne Luſt, im Danck, die Seelen ſchmuͤ - cken!
Damit wir Dem, der an den Menſchen-Kindern
Sein Goͤttliches Vergnuͤgen findet,
Sein Goͤttliches Vergnuͤgn nicht vermindern.
H 2Wunſch. 116Wunſch.
Wunſch.
Jch ſahe juͤngſt im lauen Leutzen,
Zu ihr - und meines Schoͤpfers Ehr,
Jm bunten Schmuck, ein gantzes Heer
Von Farben-reichen Bluhmen glaͤntzen,
Nachdem der Morgen-Sonne Glantz,
Als wie ein uͤberſchwemmend Meer
Von Waͤrm und Licht, dieſelben gantz
Bedecket, ſie uͤmgeben, ſie befloſſen,
Und mit gefaͤrbter Gluht ſich uͤber ſie ergoſſen.
Jch ſah ſie mit vergnuͤgten Blicken,
Ja mit faſt innigem Entzuͤcken,
Bald uͤberhaupt, bald einzeln, an.
Jhr gleichſam feuriges Gepraͤnge,
Die unterſchiedne Groͤſſ und Laͤnge,
Der Form und Farben Pracht und Menge,
Die ſelbſt ein Gaͤrtner-Aug unmoͤglich zehlen kann,
Befaſſten mein erſtaunt Gemuͤthe.
Jch ſtutzt, und glaubt, in ſtiller Luſt,
Und mit von Andacht heiſſer Bruſt
Des Schoͤpfers Allmacht, Weisheit, Guͤte,
Jn dieſen Wundern Wunder-ſchoͤn,
Zu Seinen Ehren, anzuſehn.
Es regte ſich ſo gleich in mir
Ein Trieb gerechter Danck-Begier.
Ach!117Wunſch.
Ach! dacht ich, moͤgte meine Freude
Ob dieſer ſchoͤnen Augen-Weide
Und aller Wunder Pracht und Schein,
Mein Vater, Dir gefaͤllig ſeyn!
Ach moͤgte alles das, was mein,
HERR, Deinen Ruhm zu mehren tuͤgen!
HERR, laß, aus Lieb und Gnad allein,
Auch mein Vergnuͤgen Dich vergnuͤgen!
H 3Som -118Sommer-Betrachtung.
Sommer-Betrachtung.
Alles ſtehet ietzt im Licht, alles glaͤntzet, alles gluͤhet,
Alles iſt voll Waͤrm und Schimmer: Und der Son - nen Lebens-Schein
Glimmt und flammet uͤberall. Jedem Vorwurff, den man ſiehet,
Floͤſſet ihre Segens-Quelle Fruchtbarkeit und Farben ein.
Eine lieblich blaue Gluth fuͤllt das tieffe Firmament,
Wann ein Silber-weiſſes Feuer in beſtrahlten Wolcken brennt:
Eine Purpur-farbne, guͤldne, eine Roſen-farbne Gluth
Brennt in ihnen, ja verdoppelt ihren Glantz in glatter Fluth.
Eine lieblich gruͤne decket Wieſen, Felder, Berg und Auen,
Wann wir, in gefaͤrbten Flammen, bunte Gaͤrten funckeln ſchauen.
Moͤgte doch ſo manches Feur, das wir allenthalben finden,
Durch das Aug in unſre Bruſt auch ein Andachts-Feur entzuͤnden!
Moͤgte doch der Schoͤpfer dieſes auch nicht minder Wunder - ſchoͤn,
Als ein geiſtig Feuer-Werck, Jhm zur Ehre, brennen ſehn!
Die119Die lehrende Mah-Bluhme.
Die lehrende Mah-Bluhme.
Wo ich geſtern tauſend Bluhmen von dem allerſchoͤn - ſten Mah
Jn den reinſten Farben bluͤhen,
Ja im bunten Feuer gluͤhen,
Glaͤntzen, prangen, funckeln ſah;
Eben da
Seh ich nichts als ihre Koͤpfe,
Von der bunten Pracht beraubt,
Von den Blaͤttern gantz entlaubt,
Als ſo viele Todten-Toͤpfe.
Faſt durch nichts wird auf der Welt
Aller Dinge dieſer Zeit
Fluͤchtige Beſchaffenheit
So natuͤrlich vorgeſtellt.
Aber in dem fluͤchtgen Weſen
Kann man, daß ſie doch beſtehn,
Und nicht, wie es ſcheint, vergehn,
Eben an den Knoͤpfen leſen.
Da ſie, recht als Samen-Toͤpfe,
Einen Geiſt in ſich enthalten,
Der ſie nimmer laͤſſt veralten,
Nicht verkommen, nicht verderben,
Nicht vernichtigt ſeyn, nicht ſterben:H 4Son -120Die lehrende Mah-Bluhme.
Sondern deſſen Eigenſchaft,
Durch uns unbekannte Krafft,
Alſo ſich in ſich verjuͤnget,
Und ſich ſelber wiederbringet.
Noch hab ich an dieſen Bluhmen, wann die Knospen offen gehn,
Da ſie krumm gebogen ſtehn,
Daß die meiſten Erd-waͤrts ſehn,
Mehr als einmahl ſelbſt betrachtet, auch wohl ſonſt davon gehoͤrt.
Aber eh und wann ſie ſterben,
Und die Blaͤtter ſich entfaͤrben,
Sind ſie Himmel-waͤrts gekehrt.
Dadurch werd auch ich belehrt,
Daß ie aͤlter ich hier werde,
Jch auch billig Seel und Sinn
Von den Tieffen dieſer Erde
Wende nach dem Himmel hin.
So wird, wie ein irdſche Crone
Dieſen Bluhmen, alſo mir,
Jn nie welcker Pracht und Zier,
Eine himmliſche zum Lohne.
Noch121Die lehrende Mah-Bluhme.
Noch kann dieſer Bluhmen Flor
Auch den Groſſen dieſer Erden
Ein belehrend Sinn-Bild werden.
Wenigſtens kommt mir es vor,
Recht, als ſagte dieß Geſchoͤpfe,
Das gekroͤnt ſo wol als ſie:
Trotzt nicht auf die Herrlichkeit.
Merckt es! auch gekroͤnte Koͤpfe
Sind ein Raub der ſchnellen Zeit.
H 5Ein122Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Hier ſteh ich an dem Strand der Elbe,
Und ſeh mit Luſt, wie Lufft und Fluth
Jn ſanft und glatter Stille ruht.
Zumahl ergetz ich mich am himmliſchen Gewoͤlbe,
Ob gleich es ein Gewolck erfuͤllt,
So zwar den Sonnen-Strahl verhuͤllt,
Jedoch mit ſolcher klaren Pracht
Sich und das Firmament zu einem Schau-Platz macht,
An dem ſo wenig unſre Augen,
Jndem er gar zu Wunder-ſchoͤn,
Sich ſatt zu ſehn,
Als Hand und Feder ſie recht zu beſchreiben, taugen.
Jch ſeh mit tauſend zarten Bildern
Von angenehm gebrochnen Wolcken, ſich
Jn ſuͤſſer Harmonie den gantzen Himmel ſchildern;
Woran die Schatten ſelbſt ein Schein,
Und nur von einem hellern Licht,
Das hin und wieder durch ſie bricht,
Dem Anſehn nach, zu Schatten worden ſeyn.
Durch dieſe ward das Licht noch mehr erhoben:
Unglaublich angenehm, und recht verwunderlich
Hat ihrer Theil unzehlbar Heer,
Dem Anſehn nach, ein Ungefehr
So in einander eingeſchoben,
Daß von verſchiednen Creaturen
Faſt nicht zu zehlende Figuren
Jn einem lieblich grau - und gelblich weiſſen Schein
Darin zu ſehen ſeyn.
H 5Ein123Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Ein ſanft gemildert Licht iſt allgemein,
Und faͤrbet Huͤgel, Thaͤler, Felder,
Auch auf entlegnen Hoͤhn erblickte Waͤlder:
Ja uͤberall, wo Baͤume, Buͤſch und Hecken
Den Augen ſich entdecken.
Kein Schatten iſt bey dieſem Licht zu ſehn:
Jch mercke ſonderlich, mit vieler Luſt, wie ſchoͤn
Die Harmonie der Himmels-Gluth
Auch auf der Elbe glatten Fluth
Jn ſolcher ſanften Klarheit ruht.
Des Waſſers angenehme Glaͤtte
Jſt unvergleichlich ſchoͤn,
Und anders faſt nicht anzuſehn,
Als wenn zum Spiegel ſie die Lufft gewehlet haͤtte:
Und kurtz: Mir wird hiedurch entdecket,
Daß auch ſo gar ein Dunſt, ein Dufft
Uns Anmuth, Freud und Luſt erwecket;
Und daß, auch in bedeckter Lufft,
Noch eine Lieblichkeit
Und ſonderbare Schoͤnheit ſtecket.
Mein GOTT! da ich hier Deine Wercke
Mit inniger Bewundrung mercke,
Ergetz ich mich, zu Deiner Ehr.
Ach! laß mich ferner mehr und mehr
Sie ſo zu mercken mich beſtreben,
Um ſo, in meiner Luſt, zu Deinem Ruhm, zu leben!
Der124Der drey-faͤrbige Amaranth.
Der drey-faͤrbige Amaranth.
Was laͤſſet ſich doch meinen Blicken
Hier fuͤr ein neues Wunder ſehn!
Hier will ein Kraut ſich ja ſo ſchoͤn,
Als wie die ſchoͤnſten Bluhmen, ſchmuͤcken.
Nicht nur ein faſt Smaragdnes gruͤn,
Nicht nur ein gleichſam guͤldner Schein,
Der Glantz vom flammenden Rubin,
Nimmt einen Platz auf ſeinen Blaͤttern ein.
Es ziert ein gantzes Bluhmen-Bette,
Und pranget in dem Bluhmen-Reich
Mit allen Bluhmen um die Wette,
Von tauſend iſt ihm keine gleich.
Es brauchet nichts von fremdem Ruhme,
Jndem es keine Bluhme traͤgt.
Die gantze Staud iſt eine Bluhme
Mit buntem Schmeltz-Werck eingelegt.
Jſt dieß nicht eine neue Probe
Von einer Unerſchoͤpflichkeit?
Auch dieſes Krauts Vollkommenheit
Gereicht nur Dir, o HERR, zum Lobe.
O Schoͤpfer, Deſſen ich mich freue,
Mein GOTT, da nichts auf dieſer Erden,
Das von ſich ſelbſt ſich bilden kann;
So zeigt uns dieſes Kraut aufs neue
Dein Allmacht, Lieb und Weisheit an.
Es zeiget mir, zu Deiner Ehr,
Jndem ich es genau betrachte,
Und125Der drey-faͤrbige Amaranth.
Und auf die Farb und Bildung achte,
Dieß bunte Bluhmen-Kraut noch mehr.
Wie ich ein Blat davon gepfluͤcket,
Um in der Naͤh es anzuſehn;
Fand ich in ſelben Wunder-ſchoͤn
Durch Form und Farben ausgedruͤcket
Ein rothes Hertz, draus gelbe Flammen,
Mit einem gruͤnen Rauch uͤmringt,
Als wie aus einer Quelle, ſtammen.
Es ſcheint, daß beides aufwaͤrts dringt.
Bey dieſer ſchoͤnen Farben Schein
Und Bildung, fiel mir dieſes ein:
Ach wuͤrde dieſes ſchoͤne Kraut
Von uns, zum Unterricht, doch oͤffters angeſchaut!
Ach moͤgt es uns zum Lehr-Bild dienen!
Ach triebe doch auch unſer Hertz,
Jn Andachts-Flammen, Himmel-waͤrts,
Die Luſt von dem empfundnen gruͤnen!
Ach moͤgte doch die Pracht der ſchoͤnen Erden,
So bald ihr gruͤner Schmuck mein Hertz entzuͤndet,
Jn Andachts-Flammen aufwaͤrts ſteigen,
Dem Naͤchſten mein Vergnuͤgen zeigen,
Und GOTT, der Luſt am Menſchen findet,
Ein wolgefaͤllig Opfer werden!
Ver -126Vergnuͤgliche Betrachtung
Vergnuͤgliche Betrachtung eines gegen meiner Wohnung uͤber ſtehenden ſchoͤnen Linden-Baums.
Pracht der kuͤhlen Gruͤnen Straſſe! Luſt - und Schatten - reiche Linde,
Woran ich noch mehr Vergnuͤgen, als du Blaͤtter traͤgeſt, finde!
Seh ich deine gruͤne Schoͤnheit mit Verwunderung von oben,
Reitzet mich die holde Pracht, Den, der ſie gemacht, zu oben.
Schau ich mitten in die Zweige, wie in einen Wald, hinein,
Laß ich ſie, als eine Laube, meiner Blicke Ruh-Platz ſeyn.
Seh ich dich von unten an, wird durchs hole Blaͤtter-Zelt
Ein Gewoͤlb, als wie ein Bergwerck von Smaragd, mir vor - geſtellt.
Dein durch Licht beſtrahltes Gruͤn dringet mir durchs Aug ins Hertze:
Ebenfalls dringt in die Seele deiner Schatten gruͤne Schwaͤrtze.
Beide zeugen, durch die Luſt, einen Trieb zur Danckbarkeit,
Den in Andacht zu beſingen, der mir ſolche Freude ſchencket,
Welche meinen Leib vergnuͤgt, und den Geiſt zum Schoͤpfer lencket.
Beides muß zuſam̃en ſeyn, wo wir unſers GOttes Willen,
Und den Endzweck Seiner Abſicht, da er Menſchen ſchuff, erfuͤllen,
Und als Menſchen leben wollen. Sprecht, ob ſonſten wol ein Thier
Minder einem Schoͤpfer dienen, und Jhn ehren kann, als wir.
Wir127eines Linden-Baums.
Wir beſtehn aus Seel und Leib: folglich muͤſſen alle beide,
Durch Empfindlichkeit geruͤhrt, im Vergnuͤgen ſich ver - binden,
Dann wird allererſt der Menſch eine rechte Menſchen - Freude,
Die der Schoͤpfer bloß nur ihm, nicht dem Vieh, beſtimmt, empfinden.
Auf denn! mein entflammter Geiſt, nimm der Sinnen Krafft zuſammen,
Laß aus dem Betrachtungs-Samen, einen Baum, der gei - ſtig, ſtammen,
Welcher nimmermehr verwelcket, der im ſchaͤrffſten Winter gruͤnt,
Den die Hitze nicht verſenget, den kein wilder Sturm ent - laubet,
Den kein Wetter, Blitz noch Donner ſeiner ſuͤſſen Frucht beraubet,
Welche geiſtig, die der Seelen recht zu einer Nahrung dient,
Ja ſie gleichſam ſelbſt verſchoͤnert, daß dem Schoͤpfer aller Welt
Jhr nur Jhn betrachtend Weſen, immer mehr und mehr gefaͤllt.
Laß uns einer Creatur mehr als Wunder-ſchoͤne Pracht,
Die der Schoͤpfer werden laſſen, Dem zum Ruhm, der ſie gemacht,
Mit beſeelten Farben ſchildern! ſo daß (wie der Leib geruͤhrt
Durch des Urbilds Schmuck und Kuͤhlung) unſers Geiſtes denckend Weſen,
Wann wir die Copey betrachten, wann wir die Beſchreibung leſen,
Auch dadurch vergnuͤgt erquickt, und ſein Blick geſtaͤrcket werde.
Kuͤh -128Vergnuͤgliche Betrachtung
Kuͤhles Schirm-Dach in der Hitze, Schmuck der Luͤffte, Pracht der Erde,
Schatten-reicher Linden-Baum, der du meine Wohnung deckeſt,
Der du mit dem hohen Stamm faſt biß an die Wolcken ſteigſt,
Und auf reich belaubtem Wipfel gleichſam gruͤne Wolcken zeigſt,
Der du deine ſchlancke Zweige in der Ruͤnde von dir ſtre - ckeſt,
Eine gruͤne Daͤmmrung zeugſt, wann Licht, Kuͤhlung, Waͤrm und Schatten,
Unter den gebognen Aeſten, ihre Kraͤfft einander ſchwaͤchen,
Und mit ſanftem Gegendruck ihre Wirckung unterbrechen,
Daß ſie, in gelinderm Grad, ſich in ſuͤſſer Stille gatten:
Da denn ihre Harmonie und ihr ſanftes Gleich-Gewicht
Unſrer Lungen, unſrer Haut, auch nicht minder dem Geſicht,
Ja durch dieſe ſelbſt der Seelen, ein vergnuͤgliches Gefuͤhl,
Und, wo ſie am Schoͤpfer dencket, einen Trieb zum Lob er - reget.
Deine Schoͤnheit zu beſingen, bin ich ietzt aufs neu beweget,
Angereitzet, angetrieben, angeflammet. Du allein,
Da ich meine Wohnung aͤndre, da ich Wieſen, Gaͤrten, Felder
Nicht ſo frey erblicken kann, noch den Schmuck der gruͤnen Waͤlder;
Kanuſt mir ietzt mit allem Recht, Wieſe, Wald und Garten ſeyn.
Un -129eines Linden-Baums.
Unſre gantze Gaſſe gleicht, ſo durch dich, als deines gleichen,
Einem dicken duncklen Walde. Welches denn in einer Stadt
Eine ſeltne Schoͤnheit iſt, und die viel Bequemlichkeit
Dem, der ſie bewohnet, bringet, ſonderlich zur Sommer - Zeit.
Ja durch dieſer Baͤume Dicke ſcheinet, nach dem Augen - Schein,
Jeder Zweig ein eigner Buſch, ieder Baume in Wald zu ſeyn.
Wie ſo Regel-recht formirt iſt dein ſchoͤner Stamm! wie glatt,
Wie gerade, feſt und ſtarck! gleicht er nicht in allen Theilen
Denen in der ſchoͤnſten Maſſe kuͤnſtlich ausgehaunen Saͤu - len?
Wie verbreiten ſich uͤmher deine Blaͤtter-reichen Aeſte,
Welche nebſt den ungezehlten duͤnn - und ſchlancken Neben - Zweigen,
Von des Laubes Laſt gekruͤmmet, recht gewoͤlbt ſich abwaͤrts beugen!
Dieſe gruͤnende Gewoͤlbe, dieſe deine ſchoͤne Bogen
Seh ich an als Ehren-Bogen, Dem zum Ruhm, Der deine Pracht
So verwunderlich, ſo lieblich zu der Menſchen Luſt, ge - macht,
Und bewegliche Gewoͤlber ſelber in der Lufft gezogen.
Wenn gelinde Winde kuͤhlen, heben ſie ſich ſanft, und fallen,
Steigen wieder, ſincken nieder mit gelind - und ſanftem Wallen
Recht wie gruͤne Feder-Buͤſche, deren lind - und ſanftes ſpielen,
Die zu ſehr erhitzten Luͤffte, gleich den Faͤchteln, ſchmeich - lend kuͤhlen,
JUnd130Vergnuͤgliche Betrachtung
Und uns neue Luſt verſchaffen: Jn dem wallen, in dem ſchweben,
Scheinen ſie nicht leblos mehr, ſondern in der That zu leben.
Jhr ſo ſuͤß Geraͤuſch und Liſpeln, welches uns ſo wol gefaͤllt,
Sollt uns alle billig reitzen, ihrem und dem HERRN der Welt
Durch ein lieblichs Lob-Gethoͤne, und ein Jhm gefaͤlligs Leben
Uns, ſo wie ſie uns gefallen, zu gefallen, zu beſtreben.
Wie ſo herrlich iſt das Licht, wie iſt es ſo Wunder-ſchoͤn,
Durch der Blaͤtter gruͤne Schatten noch verſchoͤnert, an - zuſehn!
Gruͤnliche Parteyen Licht, gruͤnliche Parteyen Schatten
Sieht man hier zertheilet glaͤntzen, bald vereinet dort ſich gatten:
Bald ſieht man bey dunckel gruͤnen, helle Lichterchen ſich fuͤgen,
Bald auf gelblich gruͤnen Stellen, dunckle Schatten-Blaͤtte liegen.
Jn der Sonnen guͤldnen Strahlen, ſcheinen bey entwoͤlckten Wetter
Gruͤn und Silber angeſtrahlte, gruͤn und Gold durchſtrahl te Blaͤtter.
Hoͤchſt erfreut erblicket man, wie des ſchoͤnen Tages Prach[t]
Gleichſam ſich im Baum vermaͤhlet mit der allerſchoͤnſte[n]Nacht.
Hier erblickt man auf den Blaͤttern, die ſich drehn, auch ab[-]waͤrts hangen,
Mehr das Licht auf einer Stell, als auf einer andern prangen,
Ein131eines Linden Baums.
Ein zu uns gekehrter Ort laͤſſt die Strahlen ruͤckwaͤrts prallen,
Wann von denen hangenden oder weggekehrten Seiten
Die dadurch geſchwaͤchten Strahlen auch mit ihnen abwaͤrts gleiten,
Und ſo ſtarck nicht, doch auch ſchoͤn, uns durchs Aug ins Hertze fallen.
Halbe Lichter ſpielen hier, halbe Schatten ſchertzen dort.
Wann in einem gantzen Licht, an den gantz beſtrahlten Zwei - gen,
Die illuminirte Blaͤtter tauſend gruͤne Wunder zeigen;
Zeigen ſich im halben Glantz halb verklaͤrt an jenem Ort
Tauſend Wunder, die nicht minder, als das allerhellſte Licht
Durch ein ſuͤß gemildert Feur, und durch einen ſanften Schein
Einem menſchlichen Gemuͤthe, durchs betrachtende Geſicht,
Angenehm, vergnuͤglich, lieblich, luſtig und erfreulich ſeyn.
Ja ſo gar die duncklen Tieffen, die dem angeſtrahlten gruͤnen,
Durch den Gegen-Satz die Schoͤnheit und den Glantz noch mehren, dienen
Uns die Anmuth auch zu mehren. Dieſe gruͤne Dunckel - heit
Laſſt uns oͤffters deutlicher, als man ſie ſonſt ſaͤhe, ſehn,
Wie mit froher Gauckeley, und beſondrer Schnelligkeit,
Bunte Fliegen hin und wieder, mit ſanft ſumſendem Gethoͤn
Schertzen, ſchwaͤrmen, ſchweben, fliegen, offt im fliegen ſtille ſtehn,
Daß die mindeſte Bewegung nicht in ihrem Flug zu ſehn,
Offt mit ſo geſchwindem Schuß, daß ſie zu verſchwinden ſcheinen,
J 2Die132Vergnuͤgliche Betrachtung
Die durchſtrahlte Luͤffte theilen: Offt als eine kleine Schaa[m]
Sich verſammlen, bald ſich trennen, und bald wiederuͤm vereinen.
Dieſes ſchwaͤrmen, ſpielen, ſchertzen der auf dunckel - gruͤnem Grunde
Gantz allein beſtrahlten Fliegen
Hat in der ſo ſuͤſſen Stille, offt ein inniges Vergnuͤgen
Und bewundern mir erregt. Die Geſchwindigkeit, das ſchweben
Jn den Luͤfften, ohne ſich von der Stelle zu begeben,
Deuchte mich kein kleines Wunder; ſonderlich begriff ich nicht,
Wie auf der ſo duncklen Stelle ein ſo hell und ſchnelles LichtBloß allein die Fliegen traff. Endlich aber fiel mir ein〈…〉〈…〉
Daß die duncklen Stellen auch voller Licht und Sonnen - Schein,
Und nicht minder, als die andern, wo es hell, voll Strahlen ſeyn.
Aber weil das Licht fuͤr ſich gar nicht ſichtbar; ſiehet ma[n]
Solches, ſonder Gegenſchlag, ſelbſt als Nacht und Schatten an.
Dieſes giebt uns ein Exempel, wie auch in der dickſte[n]Nacht, (Sieht man gleich nicht das geringſte von der Sonnen[-]Strahlen Pracht,)
Doch das gantze Firmament voller Strahlen, Glantz und Licht,
Voller Glut und Schimmer ſey. Welches aber unſer Augen
Als die, ſonder Gegenſchlag, keinen Strahl zu ſehen taugenEhe133eines Linden-Baums.
Ehe nicht, bis ein Planet, ſonderlich der Mond, den Strahl,
Der ihn trifft, zuruͤcke wirfft, und indem ſein Coͤrper dicht,
Ob er dunckel gleich und finſter, doch das an ihn fall’nde Licht
Wie die Fliegen, ſichtbar macht.
Lieblich laͤſſt es gleicher Weiſe, wann mit ſchnell - und regen Schwingen
Kleine Voͤgel auf den Zweigen, die ſo ſchlanck und biegſam, fliegen,
Sie mit ihrer leichten Laſt etwas, doch nicht voͤllig, biegen,
Durch die dichte Blaͤtter ſchlupfen, huͤpfen, gauckeln, zwit - ſchern, ſpringen,
Und in ihrer ſchoͤnen Wohnung, Den, der ſie gemacht, be - ſingen.
Wann wir ihre leichte Coͤrper, ihr ſo hurtiges bewegen,
Jhrer bunten Federn Schmuck, ihrer ſchlancken Haͤlſe drehn,
Jhrer Koͤpfchen ſchnelle Wendung, ihrer kleinen Schnaͤbel regen,
Samt der Kehlen gurgelnd zittern, wann ſie aͤmſig ſingen, ſehn,
Und ihr lieblichs zwitſchern hoͤren; denckt mit Recht ein ſtiller Geiſt,
Der der Unempfindlichkeit zaͤhen Schlamme ſich entreiſſt: Dieſer netten Creatur, der geſchwinden Voͤgel Schaar,
Zeigt auf eine neue Weiſe, wie Du, GOTT, ſo wunderbar!
Noch muß man der Linden-Bluͤhte Zier, und Bildung nicht vergeſſen,
Womit zu gewiſſer Zeit, dieſer Baum ſich deckt und ſchmuͤckt.
Wann man dieſer Bluhmen Schoͤnheit, Zierde, Farb und Meng erblickt;
J 3Wann134Vergnuͤgliche Betrachtung
Wann wir den Geruch verſpuͤren, der uns inniglich erquickt,
Finden wir aufs neue Wunder, wuͤrdig daß wir ſie ermeſſen.
Jedes Blat zeigt an dem Fuß, recht, wo es am Stengel feſt,
Eine Knoſp aufs kuͤnftge Jahr,
Die aufs neu die weiſe Guͤte
Jhres Schoͤpfers, der vorher ſorgt und wircket, ſehen laͤſſt.
Bey den allermeiſten nun wird man noch dazu gewahr,
Daß, an eben dieſen Stellen, noch ein drittes Kind, die Bluͤhte,
Wunderbar geformt erſcheint. Ein ſchoͤn gelblich langes Blat,
Da das Laub ſonſt gruͤn und rund, waͤchſt daſelbſt an einem Stiel,
Der es bis zur Mitte bindet (als ein ſonderliches Spiel
Der geſchaͤfftigen Natur) dann ſich aber abwaͤrts ſencket,
Und, nachdem er ſich aufs neu in verſchiedne Stengel lencket,
Viele ſchoͤne Bluhmen traͤgt: deren Schmuck und Bildung man
Niemahls gnug behertzigen, niemahls gnug bewundern kann.
Wann ſie nun die lauen Luͤffte eine Zeitlang balſami - ret,
Welckt die Bluhme: dann erſcheint, was inzwiſchen die Natur
Jn derſelben Schooß gebildet, deren liebliche Figur,
Wenn wir ſie genau betrachten, wieder neue Luſt gebieret.
Tauſend kleine gruͤne Kugeln, die ein zartes Peltzwerck deckt,
Halten in den runden Baͤuchen, wunderbar verwahrt, ver - ſteckt
Jhren eblen Schatz den Samen. Wunder! in ſo engen Raum
Liegt Geheimniß-voll verſchraͤncket, mehr ein Wald faſt, als ein Baum.
An135eines Linden-Baums.
An den lang - und ſchlancken Zweigen, die ſich weit vom Stamme ſtrecken,
Koͤnnen wir beſondre Wunder, wenn man ſie erwegt, ent - decken.
Daß ſie lang und rund zugleich, zeiget eine Weisheit an,
Deſſen der ſie werden laſſen, welche billig iederman
Finden und bewundern ſollte. Wahrlich nicht von ungefehr
Kommt die Bildung an den Zweigen, daß ſie rund und lang zugleich,
Sondern aus der Weisheits-Quelle und aus einer Allmacht her,
Die zugleich an Lieb und Guͤte ewig unerſchoͤpflich reich.
Die Betrachtung zeigt uns deutlich, daß derſelben Glaͤtt und Ruͤnde
Sie ſowol fuͤr Faͤulung ſchuͤtzet, als auch fuͤr die Macht der Winde.
Da hingegen, bey der Ruͤnde, der gedehnten Zweige Laͤnge
Schatten, Pracht und Schoͤnheit traͤget, ſam̃t der Bluͤht und Blaͤtter Menge.
Daß dieſelben nicht zu ſtarr, aber doch auch nicht zu weich,
Und daß ſie, indem ſie ſchlanck, wuͤrcklich hart und weich zu - gleich,
Zeiget abermahl die Weisheit ihres Schoͤpfers offenbar,
Und zugleich Deſſelben Guͤte, ſamt der Allmacht, Sonnen - klar.
Waͤren ſie zu hart, zu ſtarr; wuͤrde ſie der Winde Schaar
Leicht zertruͤmmern, leicht zerbrechen. Waͤren ſie zu weich hingegen;
Wuͤrde ſie die Laſt der Lufft abwaͤrts biegen, niederdruͤcken,
Folglich wuͤrden ſie beſtaͤndig auf einander, gleich den Stri - cken,
Sich uͤm ihre Staͤmme legen,
J 4Und136Vergnuͤgliche Betrachtung
Und verwirret abwaͤrts hangen;
Da ſie ietzt in ſtoltzer Breite, Ruͤnd und Hoͤhe herrlich prangen,
Und als groſſe Garten-Lauben, nett geflochten, Wunder - ſchoͤn,
Beſſer, als die Haͤnge-Gaͤrten Babels, in den Luͤfften ſtehn.
An das angeſtrahlte Haus ſiehet man bey heiterm Wetter,
Um die Anmuth noch zu mehren, tauſend, tauſend Schatten - Blaͤtter
Durchs gehemmte Licht gebildet, an die rothe Mauer fallen,
Und, zuſammt den wircklichen, lieblich hin und wieder wallen.
Da man nun fuͤr iedes Blat,
Wenn man es genau betrachtet, GOtt zu dancken Urſach hat;
Wie vielmehr ſoll unſer Geiſt, wenn man auf der Baͤume Cronen
Jhrer ſo viel tauſend ſieht, ja ſo viele Millionen,
Den, der ſie zu unſerm Nutzen, und zu unſrer Luſt gemacht,
Loben, preiſen, und Jhm dancken, ſo am wuͤrdigſten geſchieht,
Wann man an den Schoͤpfer dencket, dann, wann mans Ge - ſchoͤpfe ſieht.
Auf denn! laſſt uns kuͤnfftig hin im Vergnuͤgen uns be - ſtreben,
Durch das dencken an den Geber, Jhm den beſten Danck zu geben!
So verlaͤngern wir die Luſt, ſo empfinden wir ſie beſſer,
So wird unſre Lieb und Ehr-Furcht zu dem groſſen Schoͤpf - fer groͤſſer.
Ja137eines Linden-Baums.
Ja da man den nahen GOtt in den Creaturen ſpuͤhret,
Wird ſo gar ein GOttes-Dienſt aus der Anmuth, die uns ruͤhret.
Groſſer Schoͤpfer! der Gedancke zeigt aufs neu uns abermahl
Von der Liebe Deiner Gottheit uͤberzeuglich einen Strahl,
Da Du Deinen heilgen Dienſt Selbſt mit unſrer Luſt ver - bindeſt,
Und ſo gar in unſrer Freude Deines Nahmens Ehre findeſt.
Da Du unſer, durch die Schoͤnheit Deiner Werck erregtes lallen,
So aus unſrer Freude quillet, Dir aus Gnaden laͤſſt ge - fallen.
Sollte man denn, einem GOtt, der ſo liebreich iſt, zu Ehren,
Nicht mit froher Seele ſehn, riechen, ſchmecken, fuͤhlen, hoͤren?
J 5An -138Anmuth
Anmuth in Betrachtung der Creaturen.
Wenn wir des Schoͤpfers Werck bewundernd uͤberle - gen,
So finden wir, daß nicht allein
Die Creaturen uns zu GOTT zu fuͤhren pflegen,
Und gleichſam Himmels-Leitern ſeyn;
Wir finden, wenn wir ſie recht mit Vernunft erwegen,
Daß ſie ein Freuden-Licht, und einen Anmuths-Schein
Jn ihrem Weſen wircklich hegen.
Die unſer Schoͤpfer in der That
Als einen Lohn darin zu legen,
Sie gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat.
Sprich nicht, geliebter Menſch: ich ſeh ein ſolches Licht,
Solch einen Anmuths-Schein und Lohn in ihnen nicht.
Wenn ſolch ein Freuden-Glantz die Creatur erfuͤllt,
So waͤr ſie ja wol nicht ſo ſehr darin verhuͤllt,
Verborgen und verſteckt. Du irreſt dich. Denn hoͤre,
Wofern dein Mund nie Honigſeim geſchmeckt,
Und wo Erfahrung dir es nicht entdeckt,
Daß dieſe Suͤſſigkeit in bunten Bluhmen ſteckt,
Du leugneteſt gewiß, ſo ſtarck, als unſre Lehre,
Daß in den Bluhmen Honig waͤre,
Der doch wahrhaftig da. So ſteckt auf gleiche Weiſe,
Zu deiner Luſt, und deinem GOTT zum PreiſeAuch139in Betrachtung der Creaturen.
Auch eine wahre Seelen-Speiſe
Ein Seelen-Honig in der Bluͤhte,
Ja uͤberall in ieder Creatur.
Laß dein aufmerckſames vernuͤnftiges Gemuͤthe
Der regen Bienen Stelle nur
Jn fleiſſigen Betrachtungen vertreten:
So wird, wie ſie, mit frohem ſumſen, thun,
Auch dein vergnuͤgter Sinn nicht ruhn,
Voll froher Danckbarkeit, den Schoͤpfer anzubeten.
Je mehr du nun darin Sein Allmacht wirſt ergruͤnden;
Je groͤſſ’re Suͤßigkeit, Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen,
Die wunderbar darin verborgen liegen,
Wird dein erquickter Geiſt, zu ſeiner Nahrung, finden.
Ja nicht nur dir allein;
Auch andern wird der ſuͤſſe Safft
Der in der Creatur verhandnen Eigenſchaft
Ein ſuͤſſer Seelen-Honig ſeyn.
Noth -140Nothwendigkeit, ſich der Sonne zu freuen.

Nothwendigkeit, ſich der Sonne zu freuen.

Dein Coͤrper ſpuͤhrt das guͤldne Sonnen-Licht,
Wie Thier und Pflantzen; anders nicht.
Allein, wo aus dem Licht der Sonne
Nicht auch zugleich ein Freuden-Licht,
Ein heller Strahl, von Luſt und Wonne,
Jn deiner Seele Weſen bricht;
Und nicht darin ein Andacht-Feur erreget,
Und dich nicht zu dem Schoͤpfer lenckt,
Der ihre Herrlichkeit erſchuff, und ſie dir ſchenckt,
Und dich zum dancken nicht beweget;
So ſieheſt du wahrhaftig ſie,
Nicht anders an, als wie ein Vieh.
Spie -141Spiegel des Geiſtes.

Spiegel des Geiſtes.

Wie die Augen alle Dinge, doch ſich ſelber anders nicht,
Als im Spiegel, ſehen koͤnnen; alſo kann der Geiſt,
allein
Jn der Creaturen Spiegel, ſeine Krafft und wahres Seyn
Sehn, begreiffen und erkennen: Ja wie wir, nicht nur
durchs Licht,
Sondern ſelbſt das Licht im Spiegel ſehen; alſo werden
wir
Nicht nur, daß wir durch den Schoͤpfer alles ſehen; ſon -
dern gar
Jn der Wercke Spiegel, Seiner, als der Licht-Quell ſelbſt,
gewahr.
Noth -142Nothwendiges Lob GOttes ꝛc.
Nothwendiges Lob GOTTES durch mehr als zweene Sinnen.
Unſre Seele hat bisher durch das Ohr, in guten Lehren,
Vieles, unſerm GOTT zum Ruhm, in der Kirchen koͤnnen hoͤren.
Unſre Seele hat auch noch von der Gottheit Wunder-Weſen
Durch das Aug in vielen Schriften etwas Gutes wol ge - leſen:
Aber es iſt einmahl Zeit, unſer andre Sinnen auch
Dem allgegenwaͤrtgen Schoͤpfer zum gefaͤlligen Gebrauch
Anzuwenden, und der Seelen auch durch ſie was zuzufuͤhren,
Daß ſie, unſerm GOTT zu Ehren, moͤge ſchmecken, fuͤhlen, ſpuͤhren.
Denn daß dieſes Sein Verlangen, und Sein Endzweck, zeiget Er,
Durch die Gabe nicht allein, ſondern durch Sein Wort. Wir leſen,
Daß wir ſehn und fuͤhlen ſollen im Geſchoͤpf Sein Goͤttlichs Weſen:
Und beym David: ſchmeckt und ſehet, wie ſo freundlich GOTT der HERR.
Nacht -143Nacht-Wanderer.
Nacht-Wanderer.
Wenn ich der Menſchen Thun betrachte,
Auf ihren Zweck, den Trieb und ihre Wirckung achte;
So kommt ihr gantzes Leben mir
Nicht anders, als das Thun mondſuͤchtger Wandrer fuͤr.
Dieſelben thun verſchiedne Sachen,
Der feſten Meinung, daß ſie wachen:
Sie ſteigen, klettern, gehen, ſtehn,
Sie glauben, daß ſie hoͤren, ſehn;
Da ſie doch wircklich taub und blind
Fuͤr alles, und nur blos fuͤr eins empfindlich ſind.
So geht es leider auf der Welt:
Der eine Theil von uns ſtrebt nach der Ehre Wind;
Der andre laͤufft und rennt: was ſucht er? nichts als Geld;
Der dritte, mit entflammter Bruſt,
Sucht bloß bey Wein und Weibern Luſt.
Ein ieder iſt ſo ſehr auf ſeinen Zweck erpicht,
Daß er nichts anders ſieht noch hoͤret,
Empfindet, achtet, noch begehret.
Einfolglich iſt, was iſt, fuͤr ihn, als waͤr es nicht.
Wir144Nacht-Wanderer.
Wir ſehen das, was unſer GOTT geſchaffen,
Nicht anders an, als wenn wir ſchlaffen,
Denn minder, als verſchiedne wachend ſehn
Des Schoͤpfers Werck, kann es im Schlaffe kaum geſchehn.
Erwache doch, geliebter Menſch! die Pracht
Der Creatur, des Himmels Licht,
Der Glantz und Nutz der Fluth, der Schmuck und Nutz der Erden
Verdient, erfordert es, daß ſie betrachtet werden,
Zum Preiſe Des, der ſie gemacht.
Es will und heiſcht es unſre Pflicht:
Denn wo man nicht auf dieſe Weiſ erwacht,
Verſincket man gewiß in eine ew’ge Nacht.
Sinn -145Beſtraffung der Unachtſamkeit.
Sinn-reiche Beſtraffung der Un - achtſamkeit.
Juͤngſt hoͤrt ich abermahl, du Auszug weiſer Geiſter,
Der edlen Hammon-Stadt beruͤhmter Buͤrgermeiſter,
Du theurer Anderſon, ein Wort von dir,
So wuͤrdig, damit es beſtaͤndig bleibe,
Daß man’s in feſten Stahl, und harten Marmor ſchreibe.
Als iemand dich beſchaͤfftigt fand,
Durch ein Vergroͤſſrungs-Glas ein Wuͤrmchen anzuſeheu,
Und, wie es Dein bedachtſamer Verſtand
Nach allen Theilen durchzugehen
Sich viele Muͤhe nahm, gewahr ward, auch ſogleich,
Wie es doch moͤglich ſey, ein ſo veraͤchtlich Thier
So muͤhſam zu beſehn, mit ernſtem Schertz, ja ſchier
Mit halben Hohn-Gelaͤchter, fragte;
So hoͤrt ich, wie Dein Mund ihm dieß zur Antwort ſagte:
Es hielte GOTT der HERR, der Schoͤpfer aller Dinge
Dieß kleine Thier nicht zu geringe:
Das ew’ge Wort, die Quell der Himmel und der Erden
Hielt es der Schoͤpfung wehrt, und hieß dieß Wuͤrmchen werden:
Und ich ſollt es nicht wehrt, es zu betrachten,
Ja nicht einmahl des Anſehns wuͤrdig, achten?
KVer -146Vermahnung.

Vermahnung.

Liebſte Menſchen, braucht die Sinnen beſſer, als ihr ſie gebraucht!
Sucht von eurer Augen Spiegel, den die Leidenſchafft be - haucht,
Der Gewohnheit Dufft zu wiſchen. Gleich wird durchs Geſichts Cryſtallen,
Der Geſchoͤpfe Wunder-Pracht ſtrahlend in die Seele fallen;
Und ſie wird in einer Menge GOTT-gefaͤlliger Jdeen,
Weisheit, Lieb und Macht des Schoͤpfers, ja den Schoͤpfer ſelber, ſehen.
Ge -147Gegenwart des Guten.
Gegenwart des Guten.
Wie wir, wann wir Aurora Roſen-Licht
Nicht mehr am Firmamente ſehen,
Selbſt in Aurora Farben ſtehen,
Merckt es gleich unſer Auge nicht;
Und wie wir in den Abend-Stunden
Das Abend-Roth nicht eh empfunden,
Als bis es ſich von uns entfernet, und vergeht;
So mercken wir das Gluͤck, das GOTT uns goͤnnet,
Jn ferner Hoffnung nur, auch wann ſichs von uns trennet;
Nur dann am wenigſten, wanns uns am naͤchſten ſteht.
Ach liebſte Menſchen, lernet! lernet
Das gegenwaͤrtge Gluͤck erkennen;
Nicht, wann es noch nicht da! nicht erſt, wann ſichs ent - fernet,
Und nicht in Furcht und Hoffnung nur allein,
Nein dann, wann ihr es ſeyd, vergnuͤgt zu ſeyn!
So duͤrftet ihr vielleicht, in wol empfundnen Freuden,
Aus bloſſer Danckbarkeit, die Laſter meiden.
K 2Noth -148Nothwendigkeit der Betrachtung.

Nothwendigkeit der Betrachtung.

Wann dich ſelbſt in das Paradieß
Der Schoͤpfer wuͤrdigte zu ſetzen,
Und Eden ſelbſt bewohnen ließ;
So wuͤrdeſt du, wenn du mit Edens Schaͤtzen
Richt anders handelteſt, als mit dem Schmuck der Erden,
Dadurch nicht gluͤcklicher, und nicht vergnuͤgter werden:
Jndem Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen
Allein in der Betrachtung liegen.
Ein -149Einfluß der Witterung.

Einfluß der Witterung.

Wann der Himmel aufgeklaͤret, und der Sonnen helle
Glut
Alle Vorwuͤrff uͤberguͤldet; wann das Heer der Winde
ruht;
Deucht mich, daß bey dieſer Stille, bey dem allgemeinen
Schein,
Da, in ſuͤſſem Gleich-Gewicht, Lufft und Erd und Fluth ſich
ſchmuͤcken,
Wir zu zaͤrtlichen Gedancken, etwas lieblichs auszudruͤcken,
Und was ſchoͤnes zu beſchreiben, beſſer aufgeraͤumet ſeyn.
Wann hingegen dunckle Wolcken, oder Wind, die Luͤfte
fuͤllen,
Und der Schoͤnheit Quell, die Sonne, durch geſchwaͤrtzten
Dufft verhuͤllen;
Deucht mich, daß zu ernſten Lehren,
Auch die Wirckung der Natur zu verſuchen, zu erklaͤren,
Unſre Seelen-Kraͤffte faſt faͤhig - und geſchickter waͤren.
K 3Welt -150Welt-Opera.

Welt-Opera.

Jn der ſchoͤnſten Opera ſchlieff Chryſander juͤngſt. Jch
lachte.
Als ich aber bald darauf dieß von neuen uͤberdachte,
Lacht ich ferner nicht daruͤber, ſondern ich betruͤbte mich:
Denn es fiel mir dieſes bey: Ach wie viele finden ſich,
Die im Schau-Platz dieſer Welt, wo am Himmel, wo auf
Erden
Jmmer Wunder uͤber Wunder praͤchtigſt vorgeſtellet
werden,
Und die uns ſowol zum Nutz, als zu unſrer Freud er -
ſchaffen,
Da ſie ſelbe nicht betrachten, eigentlich nichts thun, als
ſchlaffen!
GOT -151GOttes Groͤſſe.

GOttes Groͤſſe.

Was ein Menſchen-Leib an Groͤſſe bey der Erden Coͤr -
per iſt,
Jſt die Erde, wenn man ſie gegen alle Himmel miſſt,
Noch bey weitem nicht einmahl. Gegen GOtt, dem HErrn
des Lichts,
Wird der Himmel Himmel Groͤſſe nicht nur klein, nein,
gar zu nichts.
K 4Schul -152Schuldigkeit der Menſchheit.

Schuldigkeit der Menſchheit.

Die Menſchheit iſt nicht das, was ſie zu ſeyn geden -
cket;
Wo ſie, wie GOTT die Welt ſo wunderbar geziert,
Nicht mit vergnuͤgter Seele ſpuͤhrt,
Noch auf des Schoͤpfers Werck mit Luſt die Augen len -
cket.
Fabel. 153Fabel.
Fabel.
Hans war ein feines Kind, und eines Koͤnigs Sohn,
Den man, damit ſein Geiſt des Vaters Cron und Thron,
Durch einen Gegenſatz, noch hoͤher achten moͤgte,
Und daß er ja ſein Gluͤck um deſto mehr bedaͤchte,
Jn einem ſchlechten Dorff hatt auferziehen laſſen.
Damit er alles nun auf einmahl moͤgte faſſen,
Hieß ſein Herr Vater einſt den Hof ſich herrlich ſchmuͤcken;
Ließ alles in geheim uͤm Hanſens Huͤtte ruͤcken.
Es ſtand nunmehr der Hof, nach erſt vergangner Nacht,
Jn ſeiner hoͤchſten Pracht:
Von Silber, Gold, Rubin und andern Edelſteinen
War ein gefaͤrbter Glantz, und ein faſt blendend ſcheinen
So hell als allgemein. Ein ſchimmernd blitzend Licht
Beſtrahlte Hertz und Bruſt,
Erfuͤllte das Geſicht
Mit Anmuth und mit Luſt.
Hans oͤffnete ſogleich die ſtarren Augen-Lieder,
Und ſprach: Ey das iſt ſchoͤn! Und damit kehrt er wieder,
Und ſetzte ruhig ſich in ſeiner Huͤtten nieder.
Der Hans iſt ieder Menſch, der aller Himmel Pracht,
Der Sonnen Wunder-Licht, und, bey geſtirnter Nacht,
Die ungezehlte Zahl der Sonnen in den Sternen
Erſtaunet nicht beſchaut, und Den, der ſie gemacht,
Jn ſeiner Luſt nicht will bewundern lernen.
K 5Aen -154Aenderung.

Aenderung.

Die Anmuth, die man fruͤh, (durch ſuͤſſen Schlaff er -
friſcht
Und halb verjuͤngt) verſpuͤhrt; die Anmuth, die uns nehrt,
Wann uns ſo vielerley wird aufgetiſcht,
Wie zweymahl ordentlich uns taͤglich wiederfaͤhrt;
Die Wolluſt, wann der Menſch die muͤden Glieder
Des Abends wiederum, mit vieler Anmuth, nieder
Auf weiche Federn ſtreckt; wodurch die lange Zeit
Verkuͤrtzt, der Arbeit Laſt, und andere Beſchwerden
Beſtaͤndig unterbrochen werden,
Sind alle Tage da. Wer aber denckt daran,
Daß GOTT, der Schoͤpfer, uns in dieſem Leben,
Selbſt in der Aenderung, ſo manche Luſt gegeben?
Die155Die Reiſe.
Die Reiſe.
Man kann, wie herrlich und wie ſchoͤn
Des Schoͤpfers Werck, zu Seinem Preiſe,
So gut in keiner Handlung ſehn,
Als wann man etwan auf der Reiſe.
Wie groß, wie viel, wie mancherley
Das Heer der Creaturen ſey,
Giebt ieder Augenblick, im Wechſel, zu verſtehn.
Bald zeigen nett befurchte Felder,
Bald Luſt - und Schatten-reiche Waͤlder,
Hier Gras und Kraut, dort Laub und Bluͤhte,
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Guͤte.
Hier zeigt ein Berg, und dort ein Thal
Geſchoͤpf und Vorwuͤrff ohne Zahl.
Bald wird in bunt bebluͤhmten Wieſen
Der, ſo ſie ſchuff, mit Recht geprieſen.
Hier machet eine fette Weide
Voll Schaff und Kuͤh uns neue Freude.
Dort ſcheint ein Feld voll Korn und Weitzen
Zugleich zur Luſt und Andacht uns zu reitzen.
Hier wird bey einem gruͤnen Huͤgel,
Der klare Bach ein Himmels-Spiegel.
Die Erd, indem man faͤhrt, ſcheint ruckwerts ſtets zu lauffen,
Um gleichſam unſerm Blick mit Hauffen
Von immer angenehmern Dingen
Stets neuen Vorraht zuzubringen.
Hier156Die Reiſe.
Hier hebet ſich ein Thurm empor;
Da ſinckt der Blick in tieffe Thaͤler; dort
Erſtreckt er ſich auf einer Ebne fort.
Hier tritt ein Buſch, und dort ein Berg hervor.
Das Kutſchen-Fenſter ſtellet mir
Stets eine neue Schilderey
Von einer ſtets verneuten Landſchaft fuͤr.
Es giebt des Fenſters vordrer Theil
Mir eben ſo viel Gegenwuͤrff in Eil,
Als mir, das hintre raubt.
Wie herrlich glaͤntzt, wie lieblich glimmt
Das Sonnen-Licht, wann auf der Fluth Cryſtallen
Derſelben Strahlen fallen!
Offt ſiehet man von weitem hohe Gipfel
Von Bergen, gantz bedeckt durch dichter Baͤume Wipfel;
Worauf, da Zweig und Laub ſich angenehm verſchraͤncken,
Und in die Tieffen ſich der Sonnen Strahlen ſencken;
Die krauſen hell-beſtrahlten Hoͤhn
Noch einſt ſo angenehm und ſchoͤn,
Durch dunckel-gruͤnen Wechſel, ſtehn.
Wie ſanft verſinckt der Blick (als wie das Licht
Jn einen gruͤnen Sammt mit Luſt verſincket)
Jn dicht belaubtes Buſchwerck nicht!
Wie lieblich laͤſſt es doch, wann das Getreide reifft,
Und unſer Blick ſo dann die Flaͤchen uͤberlaͤufft!
Hier drengt von reiffen Korn ein ſchmahler gelber Strich
Durch dunckel-gruͤne Wieſen ſich.
Dort ſiehet man von dunckel-gruͤnen Buͤſchen
Sich lange Strich in gelbe Felder miſchen,
An157Die Reiſe.
An deren lieblich gruͤn - und lieblich gelben Pracht,
Jn welcher die Natur uns gleichſam ſelbſt anlacht,
Die Augen ſich erquicken und erfriſchen.
Die Wege ſelber kommen mir,
Als eine ſonderbare Zier
Von einer ſchoͤnen Landſchafft fuͤr:
Jndem ich offt durch ſie ein angenehme Ruͤnde,
Bey viel gevierten Feldern, finde.
Es laͤufft der Regen Raͤder Gleiſe
Bald in die quer, bald Schlangen-weiſe,
Und wie ein S. bald in der Mitten
Gleich einem groſſen X. durchſchnitten.
Hier laͤufft die roͤthlich braune Trade
Als wie ein Bogen, dort gerade.
Hier lauffen ſie durch gruͤne Matten,
Durch helle Flaͤchen dort, und da durch dunckle Waͤlder,
Bald zwiſchen gaͤhe Berg, und bald durch ebne Felder,
Bald hier im Licht, bald dort im Schatten.
Vor allen iſt ein Wald auf Reiſen angenehm:
Das Auge kann in ſchattigten Gebuͤſchen
Sich nicht allein ergetzen und erfriſchen;
Dem gantzen Coͤrper iſt, zumahl in ſtrenger Hitze,
Die kuͤhle Dunckelheit vergnuͤglich nuͤtze.
Wie lieblich klingt in ihm der reine Schall
Der Wunder-ſuͤſſen Nachtigall,
Verdoppelt durch den Wiederhall;
Wie ruͤhrend klingen nicht die zwitſchernden Geſaͤnge
Der andern Voͤgel ohne Zahl!
Vermiſcht ſich hier und ſchertzt das Licht
Auf tauſendfache Art, mit gruͤnen Schatten, nicht?
Und158Die Reiſe.
Und kurtz: Man kann, von GOttes Wunder-Wercken
Die Anmuth, Pracht und Herrlichkeit,
Die Menge, Zier, und Unterſcheid
Am beſten auf der Reiſe mercken.
Ach GOTT! da ich auf dieſer Welt beſtaͤndig gleichſam auf der Reiſe;
So gieb, daß ich mit ſteter Luſt, es ſey in Thaͤlern oder Hoͤhn,
Die Herrlichkeit der Creatur, o groſſer Schoͤpfer, Dir zum Preiſe,
Mit nimmer muͤder Achtſamkeit, mag fuͤhlen, ſchmecken, hoͤren, ſehn!
Das159Das Groſſe im Kleinen.
Das Groſſe im Kleinen.
Wir haben zu des Schoͤpfers Ruhme, wol eh uns in die Hoͤh geſchwungen,
Und, zu des Allerhoͤchſten Ehren, wol eh vom Groſſen was geſungen:
Wir haben ebenfalls den Geiſt auch in die Enge wol gezogen,
Und das, was klein in der Natur, mit Andacht, gleicher Weiſ erwogen.
Auf! laſſet uns denn ietzt mit Luſt, und Ernſt, und An - dacht uns beſtreben,
Auf einen groſſen Satz, der gleichfalls ſo wahr als die, recht Acht zu geben. Nicht nur was klein, iſt in dem Groſſen; was Groſſes, ob wirs gleich nicht meinen,
Jſt uͤberall unendlich groß, und folglich groß auch in dem Kleinen.
Wenn die Materie den Geiſt vermoͤgend waͤre auszu - ſchlieſſen,
So wuͤrde, wenn man dieſes glaubte, unſtreitig daraus dieſes flieſſen:
Daß ſelbſt die Gottheit Grentzen haͤtte; daß Sie, bis zur Materie
Nur bloß, und dann nicht weiter geh.
Wie laͤch-und laͤſterlich nun dieß, wird ja ein ieder leicht erkennen,
Dem GOTT nur den geringſten Theil von einer Seele wollen goͤnnen.
Durch -160Das Groſſe im Kleinen.
Durchdringt hingegen eine GOTTHEJT (ſo wie ſie ja unſtreitig thut,
Da Sie allgegenwaͤrtig iſt) an allen Orten alle Dinge;
So iſt kein Coͤrperchen ſo klein, und kein Geſchoͤpfe ſo ge - ringe,
Das Sie nicht durch und durch erfuͤllt; in welchem Sie nicht wirckt und ruht.
Erkenne denn, geliebter Leſer, wie nahe GOTT dir ſey nicht nur;
Erkenne, daß allgegenwaͤrtig Er in der kleinſten Creatur,
Ohn allen Wiederſpruch, vorhanden. Daß folglich unſer GOTT in allen,
Was wir auf dieſer Welt bemercken, Betrachtungs - und Verehrungs-wehrt,
Ja einzig anzubeten ſey. Da denn Vernunft und Glaube lehrt:
Es werd ein ſolcher GOTTES-Dienſt verhoffentlich GOTT nicht mißfallen.
Ge -161Gedancken uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.

Gedancken uͤber einen Hof voll Feder - Vieh, abſonderlich uͤber die Schoͤnheit des Pfauen, bey Gelegenheit, als mir eine Ruſ - ſiſche, Tuͤrckiſche und Groͤnlaͤndiſche Gans geſchencket worden.

Broſſer Schoͤpfer, ich verſpuͤre,
Wie hier dieſer fremden Thiere
Unterſchiedene Geſtalt,
Mit[ver]gnuͤglicher Gewalt,
Mein Gemuͤth aufs neue ruͤhre.
Hier erblick ich abermahl,
Wie die Wercke Deiner Haͤnde
Sonder Grentzen, Ziel und Ende,
Ohne Maſſe, ſonder Zahl.
Jede Landſchaft bringt nicht nur,
Von ſo mancherley Figur
Farb und Arten, manches Thier,
Uns allein zum Nutz, herfuͤr;
Sondern in derſelben Zier
Sollen wir,
Wie die Creatur ſo ſchoͤn,
Unſerm GOTT zu Ehren, ſehn.
Wer einen Hof voll Feder-Vieh
Mit aufgeraͤumt betrachtendem Gemuͤth,
Und aufgeklaͤhrten Sinnen, ſieht,
Ergetzet ſich mit Recht, erſtaunt, bewundert ſie.
LWie162Gedancken.
Wie lebhaft, angenehm und niedlich
Jſt das Gewuͤhl der Huͤner! wie verſchiedlich
Jſt ihre Farb und Form! wie froͤhlich ihr Geſchrey!
Wie aͤmſig all ihr Thun! wie kraͤfftig wohnt der Hahn
Bald der, bald jener Hennen bey!
Jſt er nicht gleichſam angethan
Mit einem Helm, mit Spornen an den Beinen?
Wie muthig ſtraͤubt er ſich, wann etwan ein Compan
Mit ſeiner Weiber Schaar ſich ſuchet zu vereinen!
Da er die Fluͤgel ſchlaͤgt, und ſich zum Kampfe ruͤſtet.
Die Welſchen Huͤner ebenfalls
Sind ſchoͤn, ſind trefflich ſchoͤn. Man ſeh den Hals
Vom Welſchen Hahn nur an, wann er erhitzt ſich bruͤſtet.
Wie feurig iſt das roth, wie iſt ſein Kropf ſo blaͤulich,
Wie iſt ſein Zorn, der in den Augen flammt,
Zugleich ſo laͤcherlich und graͤulich!
Die Federn ſind, als wie ein ſchwartzer Sammt,
An welchem wir ein Weiß an allen Ecken,
Als waͤren ſie mit Silber eingefaſſt,
Nicht ohn Verwunderung entdecken.
Wie artig iſt das ſchnatternde Gethoͤn
Der Gaͤnſ und Enten anzuhoͤren,
Und ihre Bildung anzuſehn!
Die uns nicht ohn Erbauung lehren,
Wie alle Glieder ſonderbar,
Um ſich nach ihrer Art zu naͤhren,
Vom Schoͤpfer weislich zugericht.
Nicht minder giebt der muntern Tauben Schaar,
Wenn ſie bald gehen, und bald fliegen,
So163uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
So dem Gehoͤr, wie dem Geſicht,
Ein angenehm, ein ungemein Vergnuͤgen.
Mit Recht ſieht niemand ſonder Luſt
An ihrem Halſ, und an der Bruſt,
Den wandelbaren Glantz der glatten Federn ſchimmern.
Wie lieblich klingt ihr ſuͤſſes wimmern,
Jhr Girren, ihr Geklatſch, wann ſie ſich aufwaͤrts heben,
Und, bald in blauer Lufft, in groſſen Kreiſen ſchweben,
Bald ſchnaͤbelnd, auf der Giebel Spitzen,
Verliebet bey einander ſitzen.
Durch ihre mancherley Figur
Wird man nicht nur,
Durch ihre Schoͤnheit auch, zum HErrn der Creatur
Gefuͤhrt, geleitet und gewieſen.
Wird wol mit allem Recht der Schoͤpfer nicht ge - prieſen,
Wann wir, in bunt gefaͤrbtem Glantz,
Den Spiegel-voll-und hell beaugten Schwantz
Des uͤber-Wunder-ſchoͤnen Pfauen, (Wie ihn der treffliche beruͤhmte Triller nennt)
Worin ein buntes Feur brennt,
Mit, trotz der Achtlosheit, erſtaunten Blicken ſchauen?
Man leg ein ſilbernes und guͤldenes Gewand
Drap d’or und Drap d’argent genannt,
Woran von Seid und Sammt der ſchoͤnſten Farben Pracht,
Nach aller Kunſt, durch menſchlichen Verſtand,
Zugleich mit angebracht,
Bey dieſem glaͤntzenden Gefieder
Zur Probe nieder:
L 2So164Gedancken
So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-ſchoͤn,
Mit uͤberfuͤhrten Blicken ſehn.
Wie zierlich iſt doch die Figur
Der mehr als Kaiſerlich geſchmuͤckten Creatur,
Der man mit Unrecht Wuͤrd und Nahmen
Vom Paradieſes-Vogel raubt.
Wie ſchlanck iſt doch ſein Hals, wie ſpitzig nett ſein Haupt,
Das eine Crone ſchmuͤckt!
Ein halber Silber-weiſſer Kreis
Umgiebt ſein ſchwartzes Aug, ein Strich der auch ſo weiß,
Wird an des Schnabels Horn erblickt.
Es ſcheinet die Natur auf dieſes Thier
Mit vollen Haͤnden
Der Bildungs-Pracht, der Farben Zier,
Zum Wunder gleichſam zu verſchwenden.
Mit Farben ſcheineſt du allein nicht einſt zufrieden:
Denn in derſelben bunten Schein
Miſcht ſich bey dir,
O allerſchoͤnſtes Wunder-Thier,
Zugleich ſo Gold als Silber ein.
Der Schoͤpfer hat dir noch viel mehr beſchieden:
Dein Gold iſt bund, und nicht allein nur guͤlden:
Mich deucht, daß ich ſo gar das helle Blau
Von jenen Himmliſchen Gefilden,
Wann ſie recht heiter ſind, an deinem Halſe ſchau.
Doch nein!
Es iſt ja gruͤn. Wie iſt mir? Auf der Welt
Jſt kein Smaragden-gleicher Feld.
Es ſcheint ſein gruͤner Schweiff
Recht deutlich vorzuſtellen
Der165uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Der ſchoͤnſten Wieſen Schmuck, voll blauer Gentjanellen,
Ja ſelbſt von einem gruͤn - und bunten Garten,
Voll Bluhmen ungezehlter Arten,
Die unverwelcklich ſind; zumahl im Sonnen-Schein,
Scheint er der Jubegriff und Auszug recht zu ſeyn.
Er ſchleppt ſo gar,
Weit mehr als Kaiſerlich,
Den praͤchtigſten Talar,
Ja gar ein Bluhmen-Feld und Garten hinter ſich.
Es ſcheint der Erden Pracht, und auch des Him̄els Schein,
Zugleich in dir zu ſehn, und als vereint zu ſeyn.
Ja dieſes nicht allein.
Mich deucht, ich ſeh in deinem ſchoͤnen Schwantz
So gar der Sonnen Licht und Glantz,
Und auch zu gleicher Zeit, o Wunder! alle Pracht
Von einer hell-geſtirnten Nacht.
Mich deucht, daß ich darin, zu neuer Augen-Freude,
Copernici ſo herrlichs Stern-Gebaͤude,
Und in demſelbigen, auf eine neue Weiſe,
Viel Sonnen - und Planeten Kreiſe,
An ſtat in blauer Tieff, an einer gruͤnen Hoͤhe,
Jn ſtillen Wirbeln glaͤntzen ſehe.
Ja was noch mehr verwunderlich
Und welches einen Reichthum zeiget,
Der allen menſchlichen Begriff weit uͤberſteiget,
Jſt, daß dieß ſchoͤne Thier in jedem Jahre ſich (Man dencke nach wie weit ſich die Naturkraft ſtrecket,
Und wie das ſchoͤneſt auf der Welt
Jhr ſo gar leicht zu bilden faͤllt!)
Jn neuen Federn ſich verneu’t entdecket.
L 3Jch166Gedancken
Jch ſahe juͤngſt ſein ausgebreitet Rad,
Das zehn Fuß, und noch mehr, im Durchſchnitt hat,
Und hab auf ſelbigem, ſo daß kein einzigs fehlt,
An Spiegeln von Saphir zwey hundert zwoͤlf gezehlt.
Unglaublich iſt noch uͤber dieſe Menge,
Jn welcher Ordnung und Gepraͤnge,
Jn welcher Symmetrie ſie ſitzen,
Und wie ſie in der Sonnen blitzen.
Der aͤuſſern Federn zarte Spitzen
Sind gruͤn - und guͤldnen Franjen gleich.
Jſt nun der ſchoͤne Schweiff voll blauer Himmels-Spiegel
Und, an gefaͤrbtem Schimmer, reich;
So prangen ebenfalls die bunten Fluͤgel
Jn einer gantz beſondern Zier.
Es ſtellt ihr glattes Grau das Reich des Waſſers fuͤr,
Worauf die duncklen halben Kreiſe
Erhabne kleine krauſe Wellen
Natuͤrlich ſcheinen vorzuſtellen.
Die Wirckungen des Lichts ſind auf der Welt
Vortrefflich herrlicher und beſſer,
Die Schoͤnheit deutlicher und groͤſſer
Von keinem Vorwurff dargeſtellt,
Als im Gefieder eines Pfauen.
Denn, daß die Pracht nicht in den Federn ſteckt,
Hat die Phyſiqu uns laͤngſt entdeckt.
Hier laͤſſt ſich eigentlich des Lichtes Schoͤnheit ſchauen.
O groſſer GOTT! wer weiß noch, wie ſo ſchoͤn
Das Licht, dem der es ſelbſt kann ſehen, anzuſehn.
Un -167uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Unſtreitig ſetzt dieß Wunder-ſchoͤne glaͤntzen
Noch Deiner Allmacht keine Grentzen:
Weil, ſo wie Du unendlich biſt,
Dein Allmacht, Weisheit, Lieb auch unerſchoͤpflich iſt.
Einſt hab ich ſchoͤner Bluhmen Zier,
Fuͤr Anmuth gantz erſtaunt faſt auſſer mir,
Bey Licht im bunten Feur geſehen.
Da denn, zumahl der Blaͤtter gruͤn,
Zuſammt dem zierlichen Geaͤder,
Gantz unverbeſſerlich und unvergleichlich ſchien.
Allein es bracht von ungefehr
Mein Marianchen eine Feder
Aus einem Pfauen-Schwantz mir her.
Mein GOTT! wie ſtach derſelben gruͤner Glantz
Der Blaͤtter Farben weg! Sie werden gantz,
Haͤlt man der Federn Glantz und gruͤne Glut daneben,
Veraͤndert, ſchmutzig, blaß und ohne Leben.
Jch ſtutzte recht, erſtarrt, und kunte mich
Jn die Veraͤnderung ſo gleich nicht finden.
Jch uͤberlegt, erſtummt, es erſtlich innerlich,
Bis endlich, wie ein Strohm, ein frohes Ach!
Aus meiner Bruſt, nebſt dieſen Worten brach:
Du Allmachts-voller GOTT! wer kann ergruͤnden
Den Abgrund Deiner Macht,
Die Tieffe Deiner Herrlichkeit?
L 4Da168Gedancken uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Da die ſo Wunder-reiche Pracht,
Die im Metall - und Pflantzen-Reich ſich zeiget,
Jm Thier-Reich noch viel hoͤher ſteiget.
Ach! moͤgt es denn doch meiner Seelen,
O groſſer GOTT, an Schoͤnheit auch nicht fehlen!
Ach! moͤgt ihr geiſtiger in Andacht froher Schein
Dir ſo, wie Dein Geſchoͤpf mir iſt, gefaͤllig ſeyn!
Ach! moͤgteſt Du in ihr Dein Werck gedoppelt ſchoͤn,
Jn Deiner Creatnr Betrachtung, immer ſehn!
So dacht ich ungefehr bey meinem Feder-Vieh.
Und da ich es ietzt aufgeſchrieben,
So bitt ich dich, geliebtes Menſchen Kind,
Sey nicht, wann du dergleichen ſieheſt, blind.
Betrachte Farb und Form, und Nutz! beſchaue ſie
Und ſuch, in deiner Seelen Freuden,
Zu deines Schoͤpfers Ruhm, den Blick daran zu weiden!
Natur169Natur und Kunſt.
Natur und Kunſt.
Liebſter Menſch, gebrauche doch den erforſchenden Verſtand!
Nimm nur einſt von einer Bluhme eine Zwiebel in die Hand:
Schau ſie an! Sprich, kannſt du wol die verborgne Krafft ergruͤnden,
Und den unbekannten Geiſt, der darin verborgen, finden?
Von ſich ſelber ſcheint ſie ſchwanger, ſie empfaͤngt auch ſelbſt von ſich
Ein recht Wunder-ſchoͤnes Kind; da ſie ſelbſt doch aͤuſſerlich
Aller Schoͤnheit, Form und Farben faſt beraubet. Nichts als Haut,
Welche Schuppen-weiſe ſitzet, wird an ihr von uns ge - ſchaut.
Und doch iſt in ihr verborgen, und zwar in ſo engem Platz,
Ein nicht gnug zu ſchaͤtzender und bewunderns wehrter Schatz
Von Geruch, von Farb und Schoͤnheit. Kann wol aus ſo ſchlechten Sachen
Jemand ſolche ſchoͤne Arbeit, auſſer einer Gottheit, machen?
Wer iſt, der nicht erſtaunt, wann er mit Ernſt be - dencket,
Daß die bewegende, die bildende Natur
Solch auserleſene vollkommene Figur,
Gantz ſonder Hand, formir’t; wie ſie die Zaͤſer lencket,
So Kunſt-reich, ſonder Kunſt, und, ohne Regel, recht.
Welch ein unſichtbarer Euclides ſtellt ſich mir
Jn dieſem Wunder-Bau der Samen-Zwiebel fuͤr!
L 5Der170Natur und Kunſt.
Der nach ſo netter Maaß ſein kuͤnſtlich Werck bezirckt,
Und der, nach Linien, ſo nicht verhanden, wirckt.
Dieß fuͤhret uns gewiß viel tieffer, als es ſcheinet.
Es zeigt uns eine Krafft, die gantz auf andre Weiſe,
Zu des allmaͤchtigen Lieb-reichen Schoͤpfers Preiſe,
Verfaͤhrt und wirckt, als wir. Wir werden uͤberfuͤhret,
Daß, vor der unſrigen, ihr weit der Preis gebuͤhret.
Wir thun dadurch zugleich
Jn der beſchaͤfftigten Natur
Sonſt unerkanntes Reich
Gar einen ſcharffen Blick. Wir kommen auf die Spur,
Daß wir uns kuͤnfftighin nicht mehr ſo ſehr vergeſſen,
Und alle Kraͤffte bloß nach unſerm Leiſten meſſen.
Es iſt vielmehr, was Menſchen hier verrichten,
Allein nur eine Art von Kraͤfften, der die Welt
Vielleicht viel tauſend in ſich haͤlt,
Und kann die unſrige mit nichten
Der andern Richtſchnur ſeyn.
Was der Menſchen Seele wircket, heiſſt man Kunſt, und unterſcheidet
Sie von dem, was die Natur wirckt, bereitet, ziert und kleidet,
Als wenn, ſonder alle Kunſt, ſonder Zweck, ein Ungefehr
Von den Wercken der Natur bloß ein blinder Leiter waͤr.
Dieſer vorgefaſſte Wahn ſchadet uns mehr, als man meinet,
Weil dadurch der Menſch allein kuͤnſtlich und vernuͤnftig ſcheinet:
So daß er, faſt eiferſuͤchtig, kaum mit gutem Auge ſieht,
Wann die bildende Natur, ſonder ihn, was kuͤnſtlichs zieht.
Ar -171Natur und Kunſt.
Armer Menſch! erwege doch, daß du ſelbſt, ſamt deiner Kunſt
Seyſt von der Natur gebildet. Daß bereits im Mutter - Leibe
Jhre Kunſt dir deine gab.
Zieh dich von dem eitlen Ehr-Geitz doch mit allen Kraͤff - ten ab:
Brauche deiner Seelen Kraͤffte, GOttes Wunder anzuſehn,
Und dadurch, in deiner Freude, Seine Weisheit zu erhoͤhn.
Auf die Weiſe opferſt du Dem, von Dem du alles haſt,
Deiner Seelen ſchoͤnſte Frucht, Danck, Erkentlichkeit und Liebe,
Andacht, Ehr-Furcht, einen Willen,
Seinen Willen zu erfuͤllen.
Da wir ſonſt, als haͤtten wir alles von uns ſelber, leben,
Und, nur bloß auf uns erpicht, uns nur zn| vergoͤttern, ſtreben.
Pflicht -172Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Worin kann Adams Herrlichkeit
Jm Paradieſe ſonſt beſtanden haben,
Als daß er ſich an der Vollkommenheit
Der Creaturen koͤnnen laben?
Als daß er ſeiner Seelen Kraͤffte
Mit ſeinen Sinnen ſo verbunden,
Daß er dadurch, (o ſeliges Geſchaͤffte)
Jn aller Creaturen Pracht
Des groſſen Schoͤpfers weiſe Macht,
Voll ſtetiger Bewunderung, gefunden?
Haͤtt er ſie, wie wir ſie betrachten, auch betrachtet,
Und ſie nicht ſeines Blicks noch denckens werth geachtet;
So haͤtt er, ſo wie wir, auch keine Luſt empfunden.
Das gantze Paradies, mit allen ſeinen Schaͤtzen,
Haͤtt ihm ſo wenig Luſt, Vergnuͤgen und Ergetzen
Jn ſeiner Seel erwecket und erregt,
Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt.
Woraus denn klaͤrlich zu erweiſen,
Daß, wo wir unſer dencken
Nicht auf die Creaturen lencken,
Und in derſelbigen Genuß den Schoͤpfer preiſen,
Wir, weder unſers Schoͤpfers Willen,
Der uns aus Lieb ergetzen will, erfuͤllen,
Noch ie in einem Stand auf Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden.
Hingegen, weil darin gewiß was Goͤttlichs ſteckt,
Wird dem, der GOTT zum Ruhm, ſieht, hoͤret, riecht und ſchmeckt,
Solch173Pflicht-maͤßige Aufmerckſamkeit.
Solch eine Art von Luſt darin entdeckt,
Die wahrlich alle Luſt der Welt,
Die man ſich iemahls vorgeſtellt,
Bey weitem uͤbertrifft. Jch hab es dann und wann (Weil wir ja leider uns nicht immer gleich,
Und man auch dieſes ſich nicht ſelber geben kann)
Jch ſage dann und wann, verſpuͤrt,
Da mich ein ſolcher Strahl von Luſt geruͤhrt,
Daß ich mit einem Koͤnigreich
Sie wahrlich nicht vertauſchet haͤtte.
Ach groſſer GOTT! weil alles Dein,
So goͤnne mir, und vielen neben mir,
Daß wir, uͤm Dir mit unſrer Luſt zu dienen,
Fuͤr Dein Geſchoͤpf empfindlich ſeyn!
Ach gieb, daß mich nebſt ihnen
Dein herrlich Werck mag oͤffters ruͤhren.
Laß ſolchen Ausbruch ſuͤſſer Luſt,
Jn unſrer durch die Welt geruͤhrten Bruſt,
Zu Deinem Ruhm, uns offt verſpuͤren!
Flos174Flos Admirabilis.
Flos Admirabilis.
Ja, ja, man nennet dich gewiß,
O ungemeine Wunder-Bluhme,
Mit Recht Flos Admirabilis.
Wo ihrem Schoͤpfer ie zum Ruhme
Ein irdiſches Gewaͤchs gebluͤht,
So thut es wahrlich deine Pracht,
Da alles, was man an dir ſieht,
Uns in der Form und Farb anlacht.
Wann ich beym glaͤntzenden Gepraͤnge
Von deiner ſchoͤnen Staude ſteh;
Wann ich der bunten Bluhmen Menge,
Die deinen Buſch bedecket, ſeh:
Erſtaun ich, weil ihr Reichthum mir
Den Schatz und Reichthum der Natur,
Die unerſchoͤpflich ſind, nicht nur,
Nein, auch zugleich in ihrer Zier
Ein Ordnung, eine Weisheit, zeiget,
Die allen menſchlichen Verſtand,
Wie weit er geht, weit uͤberſteiget.
Es iſt vielleicht den wenigſten bekannt,
Daß ieder Tag zu ſeinem Theil
Ein eignes Heer von Bluhmen hat.
Sie kommen und vergehn in Eil.
Es oͤffnet ſich ihr Circkel-rundes Blat,
Woraus ihr Coͤrper gantz beſteht,
Des Nachmittags, wann bald der Tag vergeht.
Sie175Flos Admirabilis.
Sie lebt die gantze Nacht,
Und ſtirbet meiſtens fruͤh um acht.
Kaum iſt ihr fluͤchtigs Heer vergangen,
So faͤnget zur gemeldten Zeit,
Jn eben der Vollkommenheit,
Ein ander Heer von neuen an zu prangen.
Und dieſes waͤhrt (o Wunder, das man nicht
Genug bewundern kann!) offt bis ins vierte Licht
Des Monden. Welche Zahl,
Die kaum zu zehlen iſt, trifft man
Von Bluhmen folglich auf dir an,
Geſchmuͤckter Bluhmen-Buſch.
Mein GOTT! wann ich erwege,
Und ernſtlich bey mir uͤberlege
Die Wunder-Krafft, die in den Wunder-Saamen
Von dieſer Wunder-Bluhm, o HERR, von Dir geſenckt,
So preiſ ich Deinen groſſen Nahmen.
Wer ſonſt, als GOTT, hat eine Menge
Von ſo viel tauſend tauſend Bluhmen,
Jn ſolche Enge,
Nebſt allen Blaͤttern, eingeſchraͤnckt?
Geheimniß! welches dem, der GOTT im Wercke preiſet,
Zugleich ſein Nichts, und GOTTES Groͤſſe, weiſet!
Jndem nun die Natur
Der Bluhmen Schmuck ſo ſchoͤn,
Und ihren lieblichen Geruch ſo kraͤfftig,
So ſuͤß formirt und macht, iſt ſie zugleich geſchaͤfftig,
Jn einer ieden Bluhm auch fuͤr zukuͤnftge Zeiten
Damit ſie nicht verkommen, nicht vergehn,
Den Samen kuͤnſtlich zu bereiten.
Ein176Flos Admirabilis.
Ein Wunder, welches dem, der es bedenckt,
Unfehlbar muß zu einem Weſen leiten,
Das anders, kuͤnſtlicher, und weiſer wirckt, als wir.
Ach daß man dem dafuͤr
Nicht wenigſtens, nebſt froher Danck-Begier,
Die Ehre der Betrachtung ſchenckt!
Noch ſtellt uns dieſer Bluhmen Zier
Jn ihrem Unterſchied ein neues Wunder fuͤr.
Wenn alle Bluhmen ſonſt einander voͤllig gleichen,
Die einer Mutter Kinder ſeyn;
So kommt bey dieſer hier
Nicht eine mit der andern uͤberein.
Sie ſind an Aenderung ſo unbeſchreiblich reich,
Daß es unglaublich iſt. Steht etwan dieſe gantz
Jn einer rothen Gluht, ſo ſtehet jene
Der erſten Nachbarin, nicht minder ſchoͤne
Jn einem lieblich gelben Glantz.
Halb gelb, halb roth iſt die bey jener ſitzet,
Jnzwiſchen daß ein kleiner gelber Strich
Dort auf der vierten Purpur blitzet.
Wann dort ein rother Streiff durch gelbe Bluhmen laͤufft,
Sind hier die rothen gelb geſtreifft.
Ein groſſes Theil punctiret ſich
Auf ſtets veraͤnderliche Weiſe.
Viel zeigen Linien und Punct in einem Kreiſe.
Laͤſſt ſich auf manchem Buſch nur roht und Purpur ſehn,
So ſieht man gantze Buͤſch in Weiß und Purpur ſtehn.
Bewunderns-wuͤrdig iſt noch ferner, daß ſich hier,
Bey ſolcher Mannigfaltigkeit
Jn177Flos Admirabilis.
Jn Farben, auch dergleichen Unterſcheid
Jn denen Knospen mir
An ihrer Groͤſſ und Kleinheit zeiget,
Jndem ſie theils ſo groß und theils ſo klein,
Daß ſie kaum ſichtbar, ſeyn.
Jhr unterſchiednes Gruͤn veraͤndert ſich
Mit ihrem Wachsthum ordentlich.
So lange ſie noch jung und ungeformt erſcheinen,
Sind ſie mit weißlichem und zarten Haar bedeckt,
Wann aber ihre Groͤß ſich weiter hin erſtreckt
Vergeht das rauhe Haar,
Womit ſie ſich vereinen,
Allmaͤhlich, und man wird gewahr,
Daß, auf bewunderns-werthe Weiſe,
Ein gruͤnes kuͤnſtliches Gehaͤuſe
Sich aus fuͤnf Blaͤtterchen, ſo lieblich gruͤn, formirt.
Aus dieſen wird darauf die Bluhme nach und nach
Hervor gefuͤhrt,
Die Anfangs ſpitzig iſt, die aber allgemach
Bey ihrer Oeffnung ſich recht wunderbar verbreitet,
Und einen Vorrath zeiget
Von einem zarten Tafft, gewebt, gefaͤrbt, bereitet,
Von Fingern der Natur, den ihre Schooß verſteckt:
Der aber auch, ſo bald er hoͤher ſteiget,
Sich wunderbar entwickelt und entdeckt;
Da ein vollkommner Kreis und Circkel ihr ſo dann
An Ruͤnde kaum ſich gleichen kann.
Einſt hab ich dieſer Bluhmen Pracht
Auf ihrem Buſch, in dunckler Nacht
Bey Licht, faſt halb erſtaunt geſehn,
MDie178Flos Admirabilis.
Die Farben wurden doppelt ſchoͤn,
Theils durch den duncklen Grund der Schatten,
Die alles eingenommen hatten,
Theils durch das nahe Licht. Denn deſſen Glantz und Schein
Traff dieſen Bluhmen-Buſch allein;
Zumahl, da meine Hand,
Daß ſich der Strich des Lichts nicht in mein Auge ſtreckte,
Und es verblendete, das Licht bedeckte,
Und durch den Zwiſchenſtand
Und Schatten meine Blicke ſtaͤrckte,
Wodurch ich alles denn weit deutlicher bemerckte.
Wie herrlich gluͤhte, glaͤntzt und ſchien
Das von dem Licht durchſtrahlte Gruͤn!
Allein mit welcher Gluth, mit welchem Glantz und Licht
Beſtrahlte mein erſtaunt Geſicht
Der tauſendfach gefaͤrbten Bluhmen-Heer!
Faſt wie der Sternen Glantz an den Sapphirnen Zimmern,
Sah man den bunten Glantz der bunten Bluhmen ſchim̃ern,
Und auch zugleich der Knoſpen Spitzen
Jn gleich gefaͤrbtem Schimmer blitzen.
Jch habe dieſe Pracht zuweilen ſolchen Augen,
Die aus Gewohnheit ſonſt faſt nichts zu ſehen taugen,
Jn dieſem Stand und Lieblichkeit gewieſen.
Doch war kein einziger, der nicht dadurch geruͤhrt
Ein ungewohnte Regung ſpuͤhrt,
Und, was ſie ſonſt ſo leicht nicht thun,
Ward hier von ieglichem des Schoͤpfers Macht geprieſen.
Bevor wir die Betrachtung nun
Von dieſer Wunder-Bluhme ſchlieſſen,
Wird man noch eins erwegen muͤſſen:
Wann179Flos Admirabilis.
Wann alle Bluhmen ihre Pracht
Allein vom Licht der Sonne haben,
Und ſie ſich folglich auch am Licht der Sonne laben;
So ſcheinet dieſe Bluhm allein
Faſt fuͤr die Nacht
Gemacht zu ſeyn.
Wir koͤnnen ſie am Tage daß ſie ſchoͤn
So wenig als die Sterne ſehn.
Hier, deucht mich, find ich eine Spur,
Und ſcheinet faſt hieraus zu flieſſen,
Daß Creaturen auch vielleicht in der Natur,
Verhanden, die geſchickt, auch ſonder Sonnen-Schein,
Verſchiedner Schoͤnheit zu genieſſen,
Und die an der Geſchoͤpfe Schaͤtzen,
Wie andere bey Tag, des Nachts ſich auch ergetzen.
Jedoch es ſey ſolch eine Welt,
Weil ſie uns unbekannt, dahin geſtellt;
Wofern ſie aber wircklich waͤre,
Verminderte ſie nicht des groſſen Schoͤpfers Ehre.
Jch ſchlieſſe denn hiemit, o ſchoͤne Wunder-Bluhme,
Was ich in meiner Luſt, zu deines Schoͤpfers Ruhme,
Von deiner Zierde ſang.
Ach moͤchte meiner Lieder Klang
Doch Jhm auch angenehm, und nicht nur mir allein,
Auch manchem Leſer, nuͤtzlich ſeyn!
M 2Das180Das Erdbeeren-Land.
Das Erdbeeren-Land.
Jndem ich juͤngſt, uͤm, Hamburgs Laͤndereyen,
Wovon ein Theil mir anvertraut, zu ſehn,
Und auch zugleich, da ſie ſo Segens-reich, ſo ſchoͤn,
Mich ihrer, und dabey des Schoͤpfers, zu erfreuen,
Bald hier-bald dorthin fuhr, und unter andern auch,
Wie es bey uns im Junio der Brauch,
Jm ſo genannten Erdbeern-Lande
Mich, nebſt den Meinigen, befande;
Ward, durch das liebliche Gepraͤnge
Der Vorwuͤrff, und derſelben Menge,
Mit welcher ſich daſelbſt Lufft, Erd und Waſſer ſchmuͤckt,
Mein Geiſt ob allen dem, was man erblickt,
Auch was man ſchmeckt und riecht, geruͤhret halb ent - zuͤckt,
Und in der Luſt, zugleich des Schoͤpfers Macht geprieſen.
Es ſchien das Feld kein Feld, die Wieſen keine Wieſen,
Wol aber an Geſtalt, an Frucht, an Pracht, an Schein,
An Ordnung, an Gewaͤchs, an Bluhmen mancher Arten,
Ein wol geordneter und eingericht’ter Garten,
Wo nicht faſt gar ein Paradies zu ſeyn.
Es fehlte nichts als das, wodurch wir insgemein
Der Garten-Beeten Grentzen
Umgeben und bekraͤntzen,
Der Buxbaum nemlich, bloß allein.
Man181Das Erdbeeren-Land.
Man ſah, wohin ſich auch die Augen drehten,
Faſt nichts, als ungemeſſne Beeten
Von Erbſen, Bohnen, Kohl, die wir in Gaͤrten ſehen.
Recht nach der Linie gepflantzete Alleen
Formirten, in kaum abzuſehnder Laͤnge,
Viel Luſt-und Schatten-reiche Gaͤnge,
Als ſo viel ausgehaune Waͤlder.
Zumahl ergetzeten die, in ſo groſſer Menge,
Und, recht auf Garten Art, nett angelegten Felder
Der Erdbeern, Aug und Hertz. So weit die Augen
Den ſchnellen Blick zu fuͤhren taugen,
Sieht man zuweilen nichts, als nur das ſchoͤne Gruͤn
Vom Kraut der Erdbeern, ſonder Grentzen,
Auf ſich ſanft ruͤndenden erhabnen Beeten glaͤntzen:
Worunter ich, zumahl
Von denen, die mir in der Naͤhe
Die Frucht ſo roth, als wie Rubin,
Abſonderlich im Sonnen-Strahl,
Fuͤr Luſt erſtaunet, funckeln ſehe.
Doch, ach! rieff ich an vielen Orten,
Mit noch von neuer Luſt offt unterbrochnen Worten,
Bei eifrig eingezogner Lufft:
Mein GOTT! von welchem ſuͤſſen Dufft
Aus Ambra, Jelſomin, Moſch, Balſam und Zibeth
Verwunderlich gemiſcht, der uns ans Hertze geht,
Sind hier die Luͤffte voll! ein parfumirter Schwall
Wird, fuͤr der Menſchen Naſen,
Aus Bluhmen, Fruͤcht - und Kraͤutern uͤberall
Hier ausgeduͤnſtet, ausgeblaſen.
M 3Kaum182Das Erdbeeren-Land.
Kaum kann die ſtrenge Lieblichkeit
Von bluͤhenden Orange-Straͤuchen
Den angewuͤrtzten Duͤfften gleichen.
Erweget doch, mit Danck, und mit Zufriedenheit,
Jhr Buͤrger Hamburgs, die ihr hier
Die holden Duͤffte riecht, die ihr der Felder Zier,
Pracht, Schmuck und Anmuth ſeht, die ihr die ſuͤſſen Fruͤchte,
Und mancherley daraus bereitete Gerichte
Jm Uberfluß genieſſt. Kommt, laſſt uns doch den Segen
Nur erſt mit Luſt genieſſen, dann erwegen,
Daß GOTT ſie wachſen laͤſſt, daß GOTT ſie uns ge - ſchenckt,
Und daß Er nichts dafuͤr verlangt, als eine Bruſt,
Die durch Empfindlichkeit zur Luſt,
Und durch die Luſt gereitzet und getrieben,
Den, der es ſchafft und ſchenckt, zu ehren und zu lieben.
So wenig iſts, was Er fuͤr ſo viel Gaben
Von uns verlangt zu haben.
Ja wenn mans recht erwegt, ſo will Er nichts fuͤr Sich:
Denn unſre Luſt iſt eigentlich
Dasjenige, woran Er ſich (o groſſe Lieb!) ergetzet;
Jndem Er unſre Freud als Seine Freude ſchaͤtzet.
Ach! laſſt uns denn mit Freuden uns beſtreben,
Mit unſrer Sinnen Krafft, im froͤlichen empfinden,
Das dencken zu verbinden!
So werden wir mit Luſt nach Seinem Willen leben.
Kaum hatten wir
Von dieſem holden Luſt-Revier
Den183Das Erdbeeren-Land.
Den Ruͤck-Weg wiederuͤm genommen,
Auf dem beſchatteten, und mit ſo manchem Stamm
Von Eſch-und Pappeln rings umher bepflantzten Damm,
Auf welchem hin und wieder
Die lieblich bluͤhenden Schnee-weiſſen Flieder,
Wie weiſſe Roſen, ſtehn,
Als unſer Blick, ſo bald wir im Reth-Brok gekommen,
Ein andre Art von Herrlichkeit verſpuͤhrte,
Da Aug und Hertz zugleich ein neuer Schau-Platz ruͤhrte.
Es flieſſt ein ſchoͤner Arm der Elbe,
So man die Dove nennt, durch dieß gluͤckſelge Land.
Der dicht bebuͤſchte Strand,
Voll Bluhmen, Schilff und Klee, bekraͤntzt und mahlt dieſelbe,
Mit Farben, die nicht coͤrperlich,
Mit Bildern, deren ſchoͤner Schein
Dem Urbild Wunder-wuͤrdig glich.
Auf dieſer ſtill-und klaren Fluth,
Die einem Spiegel aͤhnlich, lud
Der Land-Voigt uns zu einer Luſt-Fahrt ein.
Wir fuhren denn, und kunten uns nicht ſatt
An allem, was wir ſahen, ſehn.
Es war der Fluth Cryſtall ſo glatt,
Daß iedes Kraut, daß iedes Blat,
Daß iede Bluhme Wunder-ſchoͤn
Sich doppelt wies. Man ſah im Dunckel-gruͤnen
Der Jris Gold, der Flieder Silber-weiß,
Blau, Purpur, mancher Art, auch Bluhmen, die Rubinen
An Roͤthe gleichen, ſtehn.
M 4Un -184Das Erdbeeren-Land.
Unglaublich reich an Kraͤutern, Bluhmen, Buͤſchen,
Jſt hier der fette Strand; da nicht die Meng allein,
Die Arten ſelbſt faſt nicht zu zehlen ſeyn,
Die ſich im gruͤnen bald, und bald im bunten miſchen:
Fuͤnf-Adern, Butter-Blat, Klee, Lottig-Kraut, Dolldillen,
Schilff, Muͤntze, Kaͤlber-Kropff,
Geerſch, Haaſen, Poͤppeln, Gras, und zwar ſo mancher Art.
Ach! ſeht in welchem Glantz, in welcher Zier,
Die ſchoͤnen Waſſer-Liljen hier
Nicht nur wie Gold und Silber bluͤhen;
So gar in ſilbernem und guͤldnem Feuer gluͤhen.
Es ſcheint, ob prangt hier Kraut und Bluhmen in die Wette,
Als ob ein iedes mehr und mehr,
Zu ſeines Schoͤpfers Preis und Ehr,
Zu prangen, ein Verlangen haͤtte.
So offt nun durch die Lufft das Urbild ſanft ſich reget;
Wird die Copie zugleich ſanft auf der Fluth beweget.
Hier, wo ſich dunckel-gruͤne Schatten
Von Buͤſch-und Baͤumen, auf der Fluth,
Die an derſelben Wurtzeln ruht,
Mit ihrer hellen Klarheit gatten,
Kommt dieſer gruͤne Glantz, in ſeiner duncklen Zier,
Den Augen faſt nicht anders fuͤr,
Als ob man wircklich in der Naͤhe
Jn ein Smaragden-Bergwerck ſaͤhe.
Jn dieſer dunckel-gruͤnen Tieffe
Scheint offtermahls ein Ort verguͤldet;
Ja wenn das Abend-Roth in dem Cryſtall ſich bildet,
Er -185Das Erdbeeren-Land.
Erſcheinet in dem duncklen gruͤnen,
Jn einem unverhofften Schein,
Ein ander Bergwerck von Rubinen.
Hier ſiehet man vom himmliſchen Saphir
Den blauen Glantz auf mancher Stelle ſchwimmen,
Und dort ſo gar der Sonnen Strahl und Gluth
Jn einem Roſen-Farb-und guͤldnen Feuer glimmen.
Es glaͤntzt die obre Flaͤch, und funckelt nicht allein;
Man ſiehet offt, indem der Fluß ſo klar,
Und gantz bis auf den Grund durchſtrahlet war,
Daß, ob die Strahlen gleich ſich auf der aͤuſſern Flaͤchen,
Wo ſie ſich brechen, auch ſich ſchwaͤchen,
Nicht ohne Luſt, wie ſchoͤn, wie bunt,
Wiewol in ſanfftem Gruͤn, der auch entdeckte Grund.
Hier ſah man langes Gras, das unvergleichlich gruͤn,
Zumahl, wenn es der Sonnen-Strahl beſchien,
Durch die bewegte Fluth beſtaͤndig gleichſam ſchweben,
Und bald ſich ſtrecken, bald ſich heben.
Dort wird ein gleichſam guͤldner Sand
Jn dieſer klaren Fluth entdecket,
Jn welchem hie und dort ein buntes Steinchen ſtecket.
Geſegnetes, gebenedeytes Land!
Rieff ich, durch alle Pracht geruͤhret,
Hab ich dich erſt ein Paradieß genannt,
So deucht mich, daß allhier die ſchoͤne Fluth,
Die ſolche Ufer traͤnckt, auf ſolchem Sande ruht,
Wo ihr der Nahme ſelbſt von Piſon nicht gebuͤhrt,
Doch wol mit ihm verglichen werden kann.
M 5Denn186Das Erdbeeren-Land.
Denn trifft man gleich darin ein wircklich Gold nicht an;
So hat doch Piſon ſelbſt, vom Sonnen-Licht beſtrahlt,
Von hellern Farben nicht im Wiederſchein bemahlt,
Jn einem buntern Glantz, durch beſſer Ufer rennen,
Und lieblicher der Erd und auch des Himmels Zier,
Jn reinerm Spiegel bilden koͤnnen,
Als die bebuͤſchte Fluth der klaren Elbe hier.
Laß offt, o groſſes All! Du Schoͤpfer aller Dinge,
Von Deiner Creatur Pracht, Schoͤnheit, Glantz und Schein,
Des Fluſſes Spiegel mir den klaͤrſten Spiegel ſeyn!
Damit ich Deine Werck und Allmacht offt beſinge!
Laß Hamburgs Buͤrger auch an dieſer Laͤnder Schaͤtzen
Zu Deinem Ehren, offt ſich laben und ergetzen!
Die187Die Schiff-Fahrt.
Die Schiff-Fahrt.
Jn einem groſſen Schiff, das unlaͤngſt erſt gebaut,
Hatt ich mich juͤngſt den wilden Wellen,
Jn Ampts-Geſchaͤfften, anvertraut.
Jndem nun gleich darauf die hohlen Segel ſchwellen,
Der Nord-Wind ſchnaubt und ſauſt,
Das Waſſer ſchaͤumt und brauſt;
Brach, nach verſuncknem Sonnen-Schein,
Die Nacht mit duncklen Schatten ein:
Und, wie es ſpaͤt ward, legt ein ieder,
Nicht aller Furcht entohniget, ſich nieder,
Auf Betten, die (wie es der Brauch
Jn Schiffen) in des Schiffes Bauch.
Jndem ich nun, da ſich der Sturm vermehrte,
Gantz nah an meinem Ohr, der Fluthen Brauſen hoͤrte,
Gedacht ich bey mir ſelbſt, indem die andern ſchlieffen:
Wie nahe ſind mir ietzt die finſtern Tieffen!
Mein GOTT! ein Holtz, nur wenig Daumen dick,
Jſt bloß der Zwiſchen-Stand,
Und haͤlt den Schwall der duncklen Fluth
Von mir, und von dem Pfuhl des Abgrunds mich, zuruͤck,
Jn welchem ungezehlte Heere
Von Taumlern, Kabeljauen, Stoͤre,
Und andre Waſſer-Thiere ſchwaͤrmen.
Das brauſende Geraͤuſch der Fluth kam meinem Ohr,
Dem es ſo nahe war, nicht anders vor,
Als ob ſo gar das Heer der nahen Fiſche
Mit188Die Schiff-Fahrt.
Mit der beſchaͤumten Fluthen laͤrmen
Jhr ſchnaubendes Getoͤſe miſche.
Wo auf der Welt ein Stand, der uns, auf GOTT zu dencken.
Und Seel und Sinn auf Seine Huld zu lencken,
Mit Recht bewegen ſollt, ſo iſt es dieſer wol,
Da zwiſchen Tod und Leben
Nur wenig Zoll
Uns eine Scheide-Wand ſo gar zerbrechlich, geben.
Jndem ich alſo lag und dachte,
Schlieff ich gelaſſen ein.
Und wie ich fruͤh erwachte,
Und meinem GOTT gedanckt fuͤr Seinen Schirm und Schutz,
Macht ich mir, was ich ſah, aufs neu zu Nutz.
Jch ſahe denn darauf die weite Waſſer-Welt,
Als wie ein blau unabzuſehend Feld,
Mit deſſen weit entlegnen Grentzen
Der Himmel ſelbſt, dem Schein nach, ſich verband.
Jch ſah dies rege blau vom hellen Sonnen-Licht,
Das ſich mit ſchnellem Blitz an hohlen Wolcken bricht,
An manchem Ort, wie flieſſend Silber, glaͤntzen.
Jch ſah auf dieſer Flaͤch ein ungezehlte Menge
Geſchwollner Segel mancher Art,
Als pfluͤgten ſie das Feld der Fluthen hin und her,
Bald in die Qwer,
Bald in die Laͤnge,
Mit halber theils, und theils mit gantzer Fahrt,
Die189Die Schiff-Fahrt.
Die durch den ſchnellen Druck beſchaͤumte Wellen theilen,
Und oͤffters, wie ein Pfeil, bey mir voruͤber eilen.
Jch dachte: Groſſer GOTT! wie ſcharff iſt der Ver - ſtand,
Wie groß die ſinnende Beſchaffenheit,
Wie groß die Faͤhigkeit,
Die mit dem menſchlichen Geſchlecht, bloß durch Dein Wort,
Sich fuͤget und verband;
Daß wir ſo ungeheure Laſten,
Mit hohlen Segeln, hohen Maſten,
Von einem zu dem andern Ort,
So leicht, bequem, geſchwinde,
Durch Huͤlffe wolgetheilter Winde,
So fuͤglich fortzubringen wiſſen;
Daß offt ein einzger Mann
Mit einer Hand das Schiff regieren kann,
Und waͤr es noch ſo groß.
Dies zeiget eine Groͤſſ in unſerm Geiſt,
Die wunderbar, die nicht begreifflich iſt.
Jndem mein Geiſt nun dieſes recht ermiſſt,
Und dieſe Hoheit der Gedancken
Mich faſt der Menſchlichkeit entreiſſt;
So lenckt ein anderer mich wieder
Jn die uns zugemeſſne Schrancken.
Er zeigte mir, indem die Menſchen weder Wind,
Noch Wetter, im geringſten nicht
Zu aͤndern maͤchtig ſind;
Wie wir zugleich ſo ſchwach, ſo klein,
Bey der geglaubten Groͤſſe, ſeyn.
Jn -190Die Schiff-Fahrt.
Jndem ich alſo dacht,
Trieb der erzuͤrnte Weſt
Uns unverhofft auf eine Sand-Banck feſt.
Es war der Stoß gewaltig, alles kracht,
Die Segel ſchlotterten, und ſchlugen auf und nieder;
Es peitſchte ſie die ſtrenge Wuth
Der wilden Winde hin und wieder:
Es ſchaͤumte die gedrengte Fluth.
Dennoch entſtand, o HERR, durch Deine Gnade,
Aus allen uns nicht der geringſte Schade.
Es nahmen uns aufs neu die Wellen auf den Ruͤcken:
Die Laſt der regen Lufft druͤckt uns von dieſem Ort,
Mit guͤnſtiger Bewegung, fort,
Und fuͤhrt uns bald vergnuͤgt zu Lande;
So daß ich ietzt den Geiſt an unſerm Elbe-Strande
Zum HERRN der Elementen ſchwinge,
Und Jhm, fuͤr Seine Huld, ein helles Danck-Lied bringe.
Mahl -191Mahl-Werck.
Mahl-Werck.
Wie herrlich mahlt die bildende Natur!
Wie zierlich zeichnet ſie ſo mancherley Figur!
Wie lieblich ſtellt ſie uns, in bunter Harmonie,
Die ſchoͤnſte Landſchaft vor, voll Thaͤler, Berg und Waͤlder;
Hier Fluͤſſe wie Cryſtall, dort Aehren-reiche Felder;
Bald Baͤche voller Fiſch und Wieſen voller Vieh!
Das Mahl-Werck iſt ſo ſchoͤn, ſo ſchoͤn die Schilderey,
Daß, wenn man es nur recht betrachten wollte;
Man, halb erſtaunt, faſt dencken ſolte,
Daß es ein wuͤrcklich Stuͤck vom Paradieſe ſey.
Doch ſieht ſo mancher Menſch dieß ſchoͤne Mahl-Werck an
Wie S[]Denners Bild, das man
Ein wuͤrcklich Wunder heiſſen kann,
Und welches recht, als wenn es lebt und ſpraͤche, ließ.
Denn, wie wir an zu lauſchen fingen,
Was er doch immer wuͤrde bringen
Zu dieſes groſſen Meiſters Ehr;
So ſagt er anders nichts als dieß: Ey! Ey! wo kriegen ſie den ſchoͤnen Firniß her?
Traum -192Traum-Geſicht.
Traum-Geſicht.
Nachdem mein Geiſt, wie er zum oͤfftern pfleget,
Die mancherley Geſchoͤpfe, die die Welt
Zu unſrer Luſt, in ſich enthaͤlt,
Mit Luſt und mit Verwundrung uͤberleget;
Nahm, nach entwichnem Sonnen-Schein,
Und bey gekuͤhlter Abend-Zeit,
Der Glieder Muͤdigkeit
Kein ordentlicher Schlaff, ein Art von Schlummer, ein.
Es kam mir vor, als wuͤrd ich weggeruͤckt,
Und durch ein weites Leer voll ſchwartzer Dunckelheit,
Jn unbeſchreiblicher Geſchwindigkeit,
Von einer fremden Krafft gefuͤhrt, und als entzuͤckt.
Nachdem ich lange Zeit ſo hefftig fortgezogen,
Und, wie ein ſchneller Pfeil, beſtaͤndig fortgeflogen;
Erblickt ich in der freyen Lufft,
Nicht weit von mir, ein groſſes Rund von Dufft,
Das, recht als eine groſſe Welt,
Sich mir vor Augen ſtellt,
Wohin, ſo wie es ließ, mein Reiſen zielte,
Und wohinein ich mich gefuͤhret fuͤhlte.
Jch war derſelben Welt noch nicht gar nah gekommen,
Als ich bereits von einer Lieblichkeit,
Die unbeſchreiblich iſt, mich nicht nur eingenommen,
Gantz angefuͤllet fand. Ein angewuͤrtzter Schwall
Des trefflichſten Geruchs nahm uͤberall
Und193Traum-Geſicht.
Und zwar auf viele Meilen,
Den Kreis der Lufft, in allen Himmels-Theilen,
Um dieſe Kugel ein.
Je naͤher ich dem groſſen Coͤrper kam,
Je mehr ein ſuͤſſer Duuſt mich ein-und uͤbernahm.
Die Seele lebete faſt im Geruch allein.
Die fuͤnfffach ſonſt getheilte Krafft
Vereinte ſich, und wirckt in meiner Lung und Bruſt
Ein ungemeine Luſt.
Auf einen hohen Berg gelangt ich Anfangs an:
Und, ob ich gleich, in meinem ſchnellen Flug,
An deſſen Haͤrtigkeit mich zu verletzen,
Mit Recht mich fuͤrchtete, war er doch weich genug,
Die Felſen gaben nach. Jhr Weſen kunnte man
Nicht haͤrter, als das Laub auf dichten Wipfeln, ſchaͤtzen.
Hier hemmte ſich iedoch mein ſchnelles fliegen,
Und fand ich mich nicht weit von einem Fluß,
An eines hohen Baumes Fuß,
Auf einem weichen Boden liegen.
Jch richtete mich auf, uͤm dieſes Berges Hoͤhen
Ein wenig in die Fern zu ſehen;
Allein,
Es ſenckte ſich der Sonnen Schein,
An ſtat, wie ſonſt, zuruͤck zu prallen,
Und ſo uns ins Geſicht zu fallen, (Weil alle Coͤrper weich,) in ſie hinein. NDaher194Traum-Geſicht.
Daher denn dieſe Welt ein ew’ge Daͤmmrung deckte;
So daß mein Blick ſich nicht gar fern erſtreckte,
Und ich nur kaum die Gegenwuͤrffe ſah,
Die mir auf wenig Schritten nah.
Jndeß entdeckt ich doch erhabne graue Waͤlder,
Die, ſtat der Blaͤtter, Bluhmen tragen;
Wie auch bewachſne gruͤne Felder,
Woraus, ſtat Gras und Klee, ſonſt nichts als Bluhmen ragen.
Die Erde ſelbſt iſt grauem Ambra gleich,
An Farb und am Geruch. Kein Balſam iſt ſo reich
An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth:
Aus allen Dingen dampft, aus allen Coͤrpern quillet
Ein ſuͤſſer Dufft, der, wie aus einer Gluth
Vom Rauch-Faß, immer ſteigt, und Erd und Lufft er - fuͤllet.
Wer, dacht ich, mag doch wol in dieſem Orte leben?
Jch ſah uͤmher, und ward ein ſanftes ſchweben
Von einer ungezehlten Schaar
Beſonderer Geſchoͤpf gewahr.
Verwunderlich und nie erhoͤrt kam mir
Jhr Weſen, ihre Bildung fuͤr.
Unzehlig war der Unterſcheid
Und die Veraͤndrung der Geſtalten:
Man ſah an Jungen und an Alten
Ein ungemeine Fluͤchtigkeit.
Mit Schwanen-Federn iſt der meiſten Leib bedeckt,
Der meiſtens wol gebaut, und zierlich von Figur.
Zum195Traum-Geſicht.
Zum riechen ſcheint iedoch derſelbigen Natur
Abſonderlich gemacht: Das zeiget ihr Geſicht,
Und giebt von ihrer Art Bericht.
Sechs Naſen haben ſie: Zwo, wo die Augen ſitzen,
Die eine, wo der Mund, und zwo dergleichen Spitzen
Sind an der Ohren Stat.
Wie ungewohnt es ſcheint, ſo find ich in der That,
Welch eine Zierlichkeit und Gleichheit in den Theilen
Dieß Wunder von Geſchoͤpfen hat.
Die Augen brauchen ſie, aus Mangel von dem Licht,
Auch weil ſie durch der Coͤrper Weichheit nicht
Verletzbar, gleichfalls nicht: imgleichen iſt der Ohren
Gebrauch und Luſt fuͤr ſie verlohren.
Hier ſchallt und thoͤnet nichts. Nur bloß ein ſanſtes Hauchen
Vernimmt man hie und da.
Sie ſchwebten, wie ich ſah,
Gelaſſen, einig, voll Zufriedenheit,
Jn Schaaren, recht wie Bienen fliegen,
Und funden, in der Bluͤht und Bluhmen Lieblichkeit,
Ein unausdruͤckliches Vergnuͤgen.
Vor inniglicher Luſt und ſuͤſſem Sehnen,
Wann ihnen ein Geruch recht in ihr Jnners drunge,
Sah man an ihnen offt die Bruſt und Lunge
Sich woͤlben und ſich dehnen.
Mit Haͤnden waren ſie verſehen,
Die, wie der Schnee, ſo weiß.
Mit dieſen gaben ſie gantz deutlich zu verſtehen,
Da ſie ſie falteten, und an die Bruſt
Fuͤr unausſprechlich ſuͤſſer Luſt,
N 2Sie196Traum-Geſicht.
Sie ſo gefaltet ſanfte druͤckten;
Wie ſo viel Lieblichkeiten
Sie gleichſam ihnen ſelbſt entzuͤckten.
Dieß ſcheinen Seelen,
Die bloß durch einen Sinn ſich mit der Welt vermaͤhlen;
Und die dennoch in dieſem Sinn allein,
Weil ſeine Vorwuͤrff nicht zu zehlen,
Genaͤhrt und auch vergnuͤgt, ja faſt halb ſelig ſeyn:
Weil, allem Anſehn nach, ſie an den Geber dencken,
Und Jhm, in ihrer Luſt, ein lieblich Opfer ſchencken.
Jch kunnte mich nicht finden, und erſtaunte
Ob dieſer Wunder-Welt; als ein, ich weiß nicht was,
Mit ſcharffer Stimme mir ſchnell in die Ohren raunte:
Dieß iſt nicht alles das,
Was du zu ſehen haft: Du muſt noch weiter fort.
Die vorgefuͤhlte Krafft ergriff mich auf das neue,
Und fuͤhrte mich von dieſem ſtillen Ort,
Mit ſolcher Schnelligkeit,
Daß ich mich faſt annoch daran zu dencken ſcheue.
Wind, Pfeil und Blitz ſind langſam bey der Eile,
Mit welcher ich, in kurtzer Zeit,
Die unterſchiednen Himmels-Theile
Durchdrang, durchfuhr, durchflog.
Jch ſah auf dieſer Reiſe,
Wo alles dunckel ſchiene, nichts.
Ob dieſes aus der Fern, und Wenigkeit des Lichts,
Wie? oder aus der Schnelligkeit,
Die mir mein Auge ſchloß, entſtand,
Jſt mir noch unbekannt.
Zu -197Traum-Geſicht.
Zuletzt ſchien etwas mich in meinem Flug zu hin - dern,
Und meine ſtrenge Fahrt gemach ſich zu vermindern.
Jch ſchoͤpfft ein wenig Lufft, die ich faſt gantz verlohren.
Allein, o Himmel! welch ein Klang
Fiel mir auf einmahl in die Ohren!
Ein mehr als Engliſcher Geſang
Erfuͤllte alles dergeſialt,
Als wenn ein Waſſer etwas fuͤllet.
Aus allen Lufft-Partickeln quillet,
Jm lieblichſten zuſammen-hallen,
Die angenehmſte Harmonie.
Ein unaufhoͤrlich gurgelnd ſchallen
Von allen Nachtigallen,
Die ie gelebet, hoͤrt man hie.
Jch ſah, ſo viel ich ſehen kunnt:
Allein, ich kunnte wenig ſehen;
Weil dieſer Erden thoͤnend Rund,
Zu welchem voͤllig nicht der Sonnen Strahlen gehen,
Jn einer dichten Daͤmmrung ſtund.
Die Creaturen, die hier lebten,
Und gleichſam Geiſter waren, ſchwebten,
Und ſchwammen in vollkommner Luſt.
So offt dieſelben ſich bewegten,
So offt ſie ihr Gefieder regten,
Entſtand ein liebliches Gethoͤn,
Das ihnen ſelbſt aus Hertze ſchien zu gehn.
N 3Und198Traum-Geſicht.
Und deucht mich, daß ſie Dem ein ſtetes Lob-Lied ſungen,
Durch Deſſen Liebe ſie,
Von einer ſuͤſſen Symphonie
Bis in ihr Jnnerſtes durchdrungen,
Ein allgemeine Wolluſt ruͤhrte,
Die ieder, weil er ſtets daran gedachte, ſpuͤhrte.
Ob ſie nun, weil ſie nichts von mehren Sinnen wiſſen,
Mit einem Sinn ſich gleich behelffen muͤſſen,
Jndem ich weder Sehn, noch Schmecken,
Noch Riechen, faͤhig war, an ihnen zu entdecken;
So waren ſie dennoch bloß durchs Gehoͤr erquickt,
Und durch den Wollaut halb entzuͤckt.
Hier ſchwand mein Traum-Geſicht, und ich erwachte:
Da ich denn dieß bey mir gedachte:
Daß in verſchiedenen Planeten
Die Buͤrger nur mit einem Sinn allein
Begabet ſind, kann moͤglich ſeyn:
Und ſind vermuthlich auch damit zufrieden.
Wir aber, ob uns gleich ſo mancher Sinn beſchieden,
Wodurch, als durch ſo viele Thuͤren,
Sich Vorwuͤrff an die Seele fuͤhren,
Die uns ergetzen und erquicken,
Vergnuͤgen koͤnnen, und entzuͤcken,
Sind unvergnuͤgt; indem wir nicht drauf achten,
Und bloß nur Geld hier zu erwerben trachten;
Zu welchem Zweck doch wol der Menſchen Orden
Vermuthlich nicht erſchaffen worden.
Noch fiel bey meinem Traum mir bey,
Ob es nicht moͤglich, ja ſo gar auch glaubhaft ſey,
Daß,199Traum-Geſicht.
Daß, da des Schoͤpfers Macht nicht zu erſchoͤpfen iſt,
Nicht noch verſchiedne Erden
Jm Reiche der Natur vielleicht geſunden werden,
Jn welchen den Bewohnern nicht allein
Fuͤnf Sinnen, noch vielmehr, vielleicht geſchencket ſeyn.
Aufs wenigſt mindert doch, wenn es auch nicht ſo waͤre,
Jndem es Jhm an Kraͤfften nicht gebricht,
Ein ſolches dencken nicht
Des allgewaltgen Schoͤpfers Ehre.
Da wir indeß ſo manchen Sinnes Gaben
Auf dieſer Welt von GOTT empfangen haben;
Ach! daß wir denn mit Luſt, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Nicht fuͤhlen, ſchmecken, ſehn, nicht riechen, und nicht hoͤren!
Und an ſo mannigfaltgen Schaͤtzen,
Zu unſers GOTTES Ruhm, uns nicht ergetzen!
N 4Das200Das Licht.
Das Licht.
1.
Wann ich, in des Himmels Hoͤhe,
Deinen Glantz, o Sonne, ſehe,
Deine Schoͤnheit, deine Pracht;
Ruͤhmt mein froͤhliches Gemuͤthe
Deſſen Allmacht, Weisheit, Guͤte,
Welcher dich ſo ſchoͤn gemacht.
2.
Jn der Luſt, die ich empfinde,
Fuͤhl ich, daß ich mich entzuͤnde.
Die entflammte Seele ſpricht:
Da ſie an den Schoͤpfer dencket: Der Du mir dieß Licht geſchencket,
Schencke mir das ew’ge Licht.
Be -201Betrachtung verſchiedener Jnſecten.

Betrachtung verſchiedener zu unſerem Vergnuͤgen belebten Jnſecten.

Man ſiehet ietzt faſt uͤberall mit Hauffen,
Viel bunte Kaͤferchen, gefaͤrbte kleine Fliegen,
Zu unſrer Augen-Luſt, ein Leben kriegen,
Und in dem Graſ, auf Kraut, auf Laub und Bluhmen lauffen.
Mein GOTT! wenn ich die bunte Meng erwege,
Und ihrer Farben und Figur
Bewunderns-werthe Zierlichkeit,
Bewunderns-werthen Unterſcheid,
Jn ſtiller Muſſ erweg und uͤberlege,
Wie ſchnell ſie huͤpffen, fliegen, rennen,
Wie fertig ſie ſich regen koͤnnen,
Ergetzet mich die ſpielende Natur.
Jch freue mich: denn ich kann deutlich ſehn,
Da ſie ſo mancherley, ſo zierlich und ſo ſchoͤn,
Daß die Natur ſie dazu bilden wollen,
Daß wir des Schoͤpfers Wunder-Macht,
Auch in derſelben Farben-Pracht,
Jn unſrer Luſt betrachten ſollen.
Wer wird der Farben Meng und ihre Schoͤnheit nennen,
Erzehlen und beſchreiben koͤnnen,
Mit welcher die Natur die kleinen Thierchen ſchmuͤckt?
Wie mancherley hab ich mit innigem Vergnuͤgen,
Nur bloß an Fliegen einſt erblickt!
Woran die Farben ſich recht wunderbarlich fuͤgen,
Braun, gelblich, roͤthlich, ſchwartz und grau,
N 5Gruͤn,202Betrachtung
Gruͤn, roth, gelb, hell-und dunckel-blau,
Bald Gold mit gruͤn, bald Gold mit roth, gemenget;
Bald iſt der Fluͤgel kuͤnſtlichs Paar
Wie ein Cryſtall ſo weiß, ſo klar;
Bald ſind auch die gefaͤrbt und bunt geſprenget.
Bald ſcheinet ſich in ihrer Fluͤgel Glantz
Der bunten Jris halber Crantz
Jn ſchoͤn gemiſchten Schmuck zu bilden.
Bey dieſem iſt der Leib, bey dem die Fluͤgel, guͤlden.
Durchſichtig ſind ſie bald, bald wiederſcheinend bunt;
Bald haben rothe blau -, bald gruͤne rothe Koͤpfe;
Bald ſind die Koͤpfchen platt, bald ſind ſie lang, bald rund:
Es zieren ſelbige bald kleine ſchwartze Zoͤpfe,
Bald Hoͤrnerchen, die eingekerbt und bunt.
Wie lieblich ſieht es aus, wann ſchlancke Graſe-Metzen,
Die blauer noch, als ein Tuͤrckis, gemahlet,
Auf Blaͤttern, die Smaragd an gruͤnem Glantze gleich,
Auf Blaͤttern, welche hier beſchattet, dort beſtrahlet,
Bald ſanfte ſchweben, bald ſich ſetzen!
Kein ſchoͤner Schmeltz iſt in der Welt,
Als den der blaue Glantz, vom ſchwartzen noch erhoben,
An dieſem Thierchen uns vor Augen ſtellt.
Hier gluͤhen, auf dem holden Gruͤnen,
Die Sonnen-Kinderchen, wie lebende Rubinen.
Dort blitzt, auf weiſſer Bluhmen Zier,
Ein gleichfalls lebender Sapphir,
Ein Wuͤrmchen, deſſen Blau faſt wie der Himmel ſcheinet.
Wie manche Art von Wespen und von Bienen
Erblicket man in dem bebluͤhmten Gruͤnen!
Die203verſchiedener Jnſecten.
Die Hummel fliegt mit brummen hin und her;
Jhr Coͤrper ſcheinet in ſich ſchwer,
Als wenn er in der Luft ein kleiner Vaͤr
Mit Fluͤgeln waͤr.
Noch mehr: Man ſiehet offt an einer Roſen hangen
Faſt aller Edelſteine prangen,
Jm Mayen-Kaͤferchen vereint.
Sprecht, ob die ſpielenden Opalen
Veraͤnderlicher ſtrahlen.
Wer muß ſich nicht recht inniglich ergetzen,
Und in der Luſt ſich nicht zugleich entſetzen,
Wann er das Heer der bunten Schmetterlinge
Beſieht, und ihren Putz erweget?
Es ſind wahrhaftig Wunder-Dinge
Den bunten Fluͤgeln eingepraͤgt.
Man wird mit groſſem Rechte koͤnnen
Sie fliegende lebendge Bluhmen nennen.
Man theilet ſie, nicht unrecht, insgemein
Jn Nacht-und Tage-Eulchen ein,
Die alle wunderlich formiret,
Die alle wunderlich gezieret:
Damit ſo gar des Nachts die Luft nicht leer
Von Goͤttlichen Geſchoͤpfen waͤr.
Man kann der Farben Unterſcheid,
Man kann der Bildung Nettigkeit,
Aus welcher ſie beſtehn,
So wenig, als die Zaͤſer, zehlen.
Dieß Wunder der Natur hab ich erſtaunt geſehn
Jn Vincentz Cabinet, in Holland, wo die Pracht,
Die204Betrachtung verſchiedener Jnſecten.
Die GOTT ſo gar im Ungezieffer macht,
Aus Oſt und Weſt zu Hauff gebracht,
Uns einen Schatz, der nicht zu ſchaͤtzen, zeiget.
Jmgleichen zeigt das Schatz-Haus der Natur
Jn Hamburg, (ich verſteh, Du groſſer Buͤrgermeiſter,
Beruͤhmter Anderſon, Dein Haus,) uns eine Spur,
Auf welche Weiſe weiſe Geiſter,
Wenn ſie auf GOTTES Werck und Allmacht Achtung geben,
Geſchickt ſind, gleichſam ſich zum HERRN der Creatur,
Auf bunten Fluͤgeln zu erheben.
Jndem ſie, da ſie ſich, durchs Werck, zum Schoͤpfer ſchwingen,
Den, Der unendlich groß, auch in den kleinſten Dingen,
Wenn ſie dieſelbigen mit Luſt beſehn, beſingen,
Und Jhm, in ihrer Luſt, ein Liebes-Opfer bringen.
Rothe205Rothe Glas-Scheibe.
Rothe Glas-Scheibe.
Wann mein ausgeklaͤrter Blick uͤber gruͤne Wieſen ſchieſſet,
Welche mit belaubten Baͤumen hin und wieder ausge - ſchmuͤckt,
Sonderlich, wann ihre Schoͤnheit von der Sonnen ange - blickt,
Und das durch derſelben Pracht ein ſich ſchlaͤngelnd Baͤchlein flieſſet.
Das den himmliſchen Saphir, hin und wieder ſchoͤn ver - guͤldet,
Durch der Wolcken Gegen-Schlag, als im glatten Spiegel, bildet,
Scheints, daß ſich der Erden Pracht mit der Himmels-Pracht verbinde.
Dieſe Schoͤnheit ſtellt ſich mir
Als ein herrliches Spectackel, und als einen Schau-Platz, fuͤr,
Welcher von des Schoͤpfers Hand, auf uns unbekannte Weiſe,
Uns zur Anmuth, Jhm zum Preiſe,
Wunderbarlich vorgeſtellt.
Als ich juͤngſt mich dergeſtalt an der ſchoͤnen Welt vergnuͤgte,
Und, zu meiner Augen-Luſt, ein GOTT ſchuldigs dancken fuͤgte;
Sah ich dieſer Landſchafft Pracht, durch ein rothes Scheibgen Glas,
Mit Erſtaunen, mit Vergnuͤgen, aber halb mit Schrecken, an.
Alles Gruͤne war dahin, roth war alles Laub und Gras,
Huͤgel, Thaͤler, Waſſer, Waͤlder,
Aecker, Haͤuſer, Gaͤrten, Felder.
Him -206Rothe Glas-Scheibe.
Himmel, Wolcken, Thier und Menſchen, alle Vorwuͤrff, die ich ſah
Fern und nah,
Waren alle, wie Rubinen, feurig, doch nicht minder ſchoͤn,
Als vorhero, anzuſehn.
Ob mich die Veraͤndrung nun gleich im Anfang ſehr ergetzte,
Und, fuͤr lieblicher Verwirrung, gleichſam aus mir ſelber ſetzte;
Fiel mir dennoch, voll Erſtaunen, mitten in der Freude, bey,
Wie dieß eine groſſe Probe irdſcher Ungewißheit ſey.
Was ſind eigentlich die Farben? ſind ſie etwas? ſind ſie nichts?
Jſt was weſentlichs in ihnen? oder ſind ſie bloß allein
Eine leere Phantaſey, nur ein Blendwerck, bloß ein Schein,
Der nichts wircklichs an ſich hat, bloß Veraͤndrungen des Lichts?
Jſt das Gruͤne denn nicht gruͤn? ſind die Bluhmen denn nicht bunt?
Kann ein Umſtand, der ſo klein,
Auszurichten faͤhig ſeyn,
Daß der gantze Kreis der Welt anders ſcheinet, anders wird?
Denn wer weiß, ob unſer Auge ſich bishero nicht geirrt.
Haͤtten wir ein rothes Haͤutchen in den Augen uͤberkom̃en,
Haͤtte ja fuͤr uns die Welt andre Farben angenommen,
Und wer weiß, ob in den Coͤrpern, welche wir Planeten nennen,
Nicht dergleichen den Geſchoͤpfen zugeordnet werden koͤnnen,
Daß denſelben alle Vorwuͤrff anders, als ſie wircklich, ſchei - nen,
Und, durch ein gefaͤrbtes Auge, ſie, von Coͤrpern, bald vermeinẽ,
Daß ſie roth, dort, daß ſie blau, da ſie doch von allem nichts,
Und nur blos ein falſches Blendwerck eines irrenden Geſichts.
Die -207Rothe Glas-Scheibe.
Dieſer Zweifel quaͤlte mich, und ich kunnte mich nicht faſſen,
Aber endlich fiel mir bey:
Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei - nerley,
Wir hingegen tauſend Arten, durch die nicht getaͤuſchten Augen,
Von Vermiſchungen der Farben uͤberall zu ſchauen taugen;
So ergiebt ſich deutlich gnug, daß wir hie auf dieſer Erden
Durch die weiſſe Feuchtigkeit, und durch ungefaͤrbten Schein,
Den wir in den Augen haben, nicht betrogen koͤnnen werden.
Laſſt euch dieſes, liebſte Menſchen, doch ein neues Wun - der ſeyn,
Daß uns alle Vorwuͤrff hier in die ſpieglende Cryſtallen,
Durch die ungefaͤrbte Haut unſrer Augen, richtig fallen.
Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten,
Die bey uns begruͤnte Felder ſich nicht etwan wircklich roͤthen,
Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht,
Oder ſonſt gefaͤrbet ſind, kann man nicht mit Recht vernei - nen:
Weil des Schoͤpfers Wunder-Werck in der bildenden Natur,
Jn derſelben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur,
Sondern in der Aenderung unerſchoͤpflich ſind und ſcheinen.
Ficus208Ficus Indica.
Ficus Indica.
Wie? wachſen Roſen ſonder Stengel denn gar aus ei - nem Blat hervor?
So rieff ich mit erſtaunter Seel, als ich an Jndianſchen Feigen, (Wie man ſie nennt) zwo gelbe Bluhmen aus einem Blat unmittelbar,
So mir ein wircklich Wunder ſchien, in ſchoͤnſter Bildung ſahe ſteigen.
Ach ja! was juͤngſt Fabricius, der Weiſen Wunder, ſagt, iſt wahr,
Und trifft es immer mehr und mehr, wenn man es unterſu - chet, ein: Daß alle moͤgliche Figuren vermuthlich auch vorhanden ſeyn.
Ach laß mich denn ie mehr und mehr, aus Deinen Wunder - vollen Wercken,
O groſſer Schoͤpfer aller Dinge, Dein Allmacht, Lieb und Weisheit mercken!
Gera -209Geranium.
Geranium.
Die verſchiedlich rothe Gluth, das Rubinen-gleiche funckeln
Von den Tulpen, von den Roſen, Malva, Nelcken, Mah, Ranunckeln,
Hab ich mit vergnuͤgter Seelen, offt erſtaunet angeblickt,
Offt zu GOTTES Ruhm betrachtet, offt Den, Der ſie ſo geſchmuͤckt,
Jnniglich geruͤhrt beſungen. Jetzt erblick ich abermahl
Eine neue rothe Schoͤnheit, einen Flammen-reichen Strahl,
Der mir, wie ein ſchneller Blitz, durch das Aug ins Her - tze flieget,
Meiner Andacht Gluth entzuͤndet, mich recht inniglich ver - gnuͤget,
Ja fuͤr Luſt mich faſt verwirret. Fuͤr Verwundrung ward ich ſtumm,
Als ich juͤngſt dein Feur erblickte, funckelndes Geranium.
Deine lieblich helle Roͤthe, ob ſie gleich ein wenig blaß,
Jſt dennoch von ſolcher Krafft, daß ſie dem Rubin-Balaß
Nicht nur gleicht; ihn uͤbertrifft. Wie es laͤſſt, ſo ſtrahlt, ſo bricht
Aus deſſelben glatten Blaͤttern keine Farb, ein roͤthlich Licht,
Und dringt durch das Aug ins Hertze, weckt den einge - ſchlaffnen Sinn
Vom Gewohnheits-Schlummer auf, facht der Andacht Flam - men an,
Lenckt der Seelen rege Krafft, durch die Luſt, zum Schoͤpfer hin;
Deſſen Allmacht, Weisheit, Liebe man am beſten ehren kann,
ODurch210Geranium.
Durch Empfindlichkeit der Wunder, die Sein Allmacht, Weisheit, Guͤte,
Aus der tieffen Nacht des Nichts, voller Schoͤnheit, Glantz und Pracht,
Voller Nutzen, voller Krafft, durch ein Wort hervor ge - bracht.
Ein, durch eine ſolche Luſt, Jhm zum Ruhm, geruͤhrt Gemuͤthe
Jſt dem Schoͤpfer angenehm, daruͤm laſſet uns allhier
Etwas naͤher noch betrachten dieſer Bluhmen Schmuck und Zier.
Wenn wir dieſer Bluhmen Stengel, woran hundert tauſend Spitzen, (Wer begreifft es, ob ſie nuͤtzen, oder ob ſie zieren,) ſitzen,
Mit Betrachtungs-vollen Blicken, wie wir billig ſollten ſehn,
Und von unten mit den Augen allgemaͤhlig aufwaͤrts gehn;
Finden wir, daß alle Stengel, wie die Stengel insgemein,
Allgemach ſich auch verduͤnnen. Und hieruͤber fiel mir ein:
Ach! wie unbegreifflich ſind, zu bewundernde Natur,
Deine Wercke! wer kann faſſen, wer begreiffet, wie behende
Dein Gewerbe, deine Wege? Wo des Stengels Gruͤn zu Ende,
Zeigt ſich gleich ein feurig Roth. Wer facht dieſe rothe Gluth
Eben an dem Ort doch an? Welcher Finger, welche Hand,
Welcher Pinſel, welche Kunſt, welch erfindender Verſtand
Faͤrbt die Stelle ſonder Farben? Hier erſtaunen unſre Geiſter,
Und, weil mans nicht faſſen kann,
Beten ſie mit Luſt und Ehrfurcht, und mit Andacht billig an
Den Allmaͤchtigen, in Wercken bloß allein, erblickten Meiſter,
Der211Geranium.
Der ohn Ende Wunder thut. Spitz geſchliffenen Rubinen,
Jn polirten Schmeltz gefaſſt, gleichen, in dem ſchoͤnen gruͤnen,
Die noch halb geſchloſſne Knoͤpfchen. Aber wann ſie offen gehn,
Sind ſie, wie geſagt, von Farben ſchoͤner faſt, als Wunder - ſchoͤn.
Laub und Blaͤtter ſind zugleich, an der ſchoͤnen Creatur,
Von recht kuͤnſtlichem Gewircke, von beſonderer Figur.
Faſt fuͤnf Sechstel eines Circuls, der mit Regel-rechter Zier
Auf den Ecken ausgeſchnitten, ſtellen ſie den Augen fuͤr.
Jhre Farb iſt dunckel-gruͤn, ihr Geweb iſt dicht und weich,
Und dem allerfeinſten Tuche, ja faſt gar dem Sammet, gleich.
Wann im Herbſt faſt uͤberall nichts als gelbe Bluh - men bluͤhen,
Sieht man dich, o herrlichs Bluͤhmchen, noch in voller Noͤ - the gluͤhen, Laß mich auch von deiner Gluth, wann die Tage ſich entfer - nen, Die des Lebens Sommer gab, auch im kalten Alter lernen, Auch, nach aller Moͤglichkeit, in der Andacht Gluth zu ſtehn, Zu des groſſen Schoͤpfers Ehren, wie die Creatur ſo ſchoͤn, Mit Bewunderung, mit Freuden, und mit dancken anzuſehn!
O 2Neue212Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Neue Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Voll Ehr-Furcht hab ich dieß offt bey mir uͤberdacht:
Wo auf der Welt, von GOttes Wunder-Macht
Und Weisheit, eine Probe ſich,
Zum nie begriffnen Wunder, zeiget,
Die allen Witz weit uͤberſteiget;
So iſt es die, wenn man erweget,
Und mit geziemender Betrachtung uͤberleget,
Wie unbegreifflich ordentlich,
Jn ſo unordentlich-und wiederwaͤrtgen Dingen,
Woraus in dieſer Unter-Welt
Faſt alle Ding entſtehen und entſpringen,
Doch alles wunderbar vereinet, ſich erhaͤlt.
Aus Waͤrm und Kaͤlt, aus Erd und Gluth,
Aus Licht, aus Dunckelheit, aus Lufft und Fluht,
Aus ſaur und ſuͤß, aus tauſendfachen Saͤfften,
Aus Ruh, Beweglichkeit, und tauſendfachen Kraͤfften,
Aus treiben, hemmen, ruhen, eilen,
Aus lauter widerwaͤrtgen Theilen
Beſtehet ein harmoniſch Gantz.
O unbegreifflich groſſ-Anbetungs-wuͤrdger GOTT!
Wie herrlich ſtrahlt hieraus der ewgen Weisheit Glantz!
O Schoͤpfer aller Ding, HERR Zebaoth,
O unergruͤndlich weiſes Weſen,
Das ich geoffenbar’t in dieſer Miſchung ſeh!
Was haſt Du fuͤr Materie
Zum Zeugniß Deiner Macht erleſen!
Was213Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Was ſich verletzen ſollt und ſchaden, muß ſich nuͤtzen;
Was ſich zertruͤmmern muͤſt und ſtuͤrtzen, muß ſich ſtuͤtzen;
Was ſich vernichten ſollt, zernichtiget ſich nicht.
Aus groſſer Ungleichheit entſteht ein Gleich-Gewicht:
Aus immerwaͤhrndem Krieg entſteht ein ſteter Friede.
Ach! wuͤrd ich doch Zeit Lebens nimmer muͤde,
Von allen Deinen Wunder-Wercken,
Doch dieß, als eins der groͤſten, zu bemercken!
Ach! daß an unſrer Welt, vor allen andern Erden,
Dieß, als was ſonderlichs moͤgt angeſehn,
Und alle Dinge, die in ſelbigen geſchehn,
Als Proben Deiner Macht, o HERR! betrachtet werden!
O 3Schnel -214Schneller Wechſel.
Schneller Wechſel.
Jch ſtand, an einem heitern Morgen,
Nachdem das falbe Heer der Schatten
Sich mit der kuͤhlen Nacht verborgen,
Bey meines Brunnens Waſſer-Strahl;
Und ſahe, mit vergnuͤgten Blicken,
Wie, von dem Morgen-Licht, ſich alle Tropfen ſchmuͤcken.
Die Wolcken, die bisher die Lufft verhuͤllet hatten,
Zertheilten ſich, und lieſſen Wunder-ſchoͤn,
Jn hellen Silber-weiſſen Grentzen,
Die holen Tieffen, wie Sapphir,
Ja aller Creaturen Zier,
Das Gold der Sonnen ſelber, ſehn.
Der helle Glantz, der Welt und Himmel fuͤllet,
Ward an dem Ort, woſelbſt das Waſſer quillet,
Und wo es wieder nieder faͤllt,
Jn einem Schimmer vorgeſtellt,
Der unbeſchreiblich iſt. Die regen Wellen wallen
Und bilden recht des Himmels Licht,
Als wie in Spiegeln von Cryſtallen.
Jhr unaufhoͤrliches bewegen
Macht, daß die Strahlen ruͤckwaͤrts prallen,
Uns durch das Aug ins Hertze fallen,
Und eine Seelen-Freud erregen
Demjenigen, der an der Creaturen Schaͤtzen
Sich dann und wann gewehnt hat zu ergetzen.
Es215Schneller Wechſel.
Es | blitzt, es glaͤntzt, es funckelt auf der Fluth,
Jm hellen Wiederſchein, der Sonnen Wunder-Gluth,
Die aller Farben Schoͤnheits-Quelle.
Es blinckt auf einer glatten Stelle,
Es blinckt auf einer ieden Welle,
Die ſich in Circkelchen formirt,
Vom Sonnen-Licht gefaͤrbet, und geziert.
Man ſiehet Licht und Glantz auf regen Kreiſen ſchwimmen;
Man ſieht, als wie ein Feur, das rege Waſſer glimmen.
Zumahl
Da, wo der Waſſer-Strahl
Das untre Waſſer trifft und bricht,
Jndem daſelbſt, als wenn ſie leben,
Die Tropfen ſprudelnd ſich erheben,
Und ſchaͤumend kochen, huͤpfen ſpringen:
Wodurch ſie ein beſtaͤndigs Licht,
Als deſſen Theilchen, an und in ſie dringen,
Dem ſie beſchauenden Geſicht
Mit tauſend Luſt, im ruͤckwaͤrts prallen, bringen.
Jndem ich nun vergnuͤget ſtehe,
Und dieſen weiſſen Glantz beſehe,
Bedeckt ein falber Wolcken-Schleyer
Von ungefehr des Himmels Feuer.
Nicht zu beſchreiben iſt, was auf der Fluth
Der Umſtand gleich fuͤr Wirckung thut.
Das Licht verſchwand, der Silber-Glantz
O 4War216Schneller Wechſel.
War fort. Ein falb und daͤmmrich grau,
Das ich nicht ſonder Grauſen ſchau,
Beſchattete das Waſſer gantz,
Vertrat des weiſſen Lichtes Stelle,
Und machte manchen Platz
Der dunckeln Fluth, durch ſchwachen Gegen-Satz,
Zwar dunckler mehr, doch ſich nicht helle:
Kalt, wiedrig, truͤb, verdrießlich, fuͤrchterlich
War alles, was vor zwo Secunden ſich
Jn ſolchem Schimmer wieſ,
Und das ſo helle, faſt als wie der Himmel, ließ.
Mein GOTT! rieff ich daruͤber, ach wie bald
Veraͤndert auch der Menſch die Minen und Geſtalt,
Wenn etwan nur ein Truͤbſals-Dufft
Sein Licht der Freuden und der Wonne,
Wie hier in heitrer Lufft
Ein Wolcken-Dufft die Sonne,
Verhuͤllet und verdeckt:
Jhm kocht, entfernt von Freud und Schertzen,
Ein ſchwartzer Unmuth in dem Hertzen:
Er weiß von keinem Freuden-Schein,
Und es iſt offt nichts als ein Dunſt allein,
Der in ſo ſchwartze Traurigkeit,
Jn ſolch empfindlichs Hertzeleid,
Daß er bis auf den Tod ſich kraͤncket,
Sein kurtz vorher ſo muntres Hertze ſencket.
Jn -217Schneller Wechſel.
Jndem ich alſo ſtand und dacht,
Zertheilten ſich die Wolcken auf einmahl.
Des Waſſers Schwaͤrtze wich, es glaͤntzt ein weiſſer Strahl
Faſt heller, wie vorhin, auf der ſo truͤben Fluth,
Worauf nunmehr aufs neu ein heller Schimmer ruht:
Es ſcheint, als ob ſie ſich im Augenblick verguͤlde.
Wobey ich denn ſo an zu dencken fieng:
Es ſcheinet, daß auch hier die Fluth die Menſchen bilde:
Denn iſt im Leiden und im Schertz
Nicht meiſtens aller Menſchen Hertz
Ein trotzig und verzagtes Ding?
Doch iſt hiebey am meiſten zu bedauren,
Daß offtermahl
Ein bloß durch einen Dufft in uns erregtes trauren
So gar der Gottheit Allmacht-Strahl
Jn unſern Waſſer-weichen Seelen
Vermoͤgend ſey zu tilgen, zu verhelen.
O 5Be -218Betrachtung

Betrachtung des Blanckenburgiſchen Marmors, in einem Hirten - Gedichte.

Des | Firmaments entwoͤlckte Buͤhne,
War voller Strahlen, Glantz und Schein:
Die Quell des Lichts, die guͤldne Sonne, ſchiene
Des Himmels Mittel-Punct zu ſeyn.
Von oben fiel ihr gantz gerader Strahl,
Erhellt und fuͤllete, mit einem ſtrengen Licht,
Das ſonſt beſtaͤndig kuͤhl-von Schatten ſchwartze Thal.
Der Lufft-Kreis glimmt und kocht, es lechtzte Gras und Laub. Silvanders Heerde kunnte nicht,
Jn denen faſt verſengten Heiden,
Fuͤr Mattigkeit und Hitze laͤnger weiden.
Die Schaaffe ſtreckten ſich in den verbrannten Staub.
Druͤm er ſie Seiten-waͤrts in einen dicken Wald,
Der holden Kuͤhlung Sitz, der Schatten Aufenthalt,
Dem friſches Gras den Grund, und Laub den Wipfel zierte;
Mit ſanften Schritten floͤtend fuͤhrte.
Zumahlen er in den bebuͤſchten Gruͤnden Beraldo, ſeinen Freund, verhoffte vorzufinden,
Der mehrentheils im Schatten dichter Baͤume,
Die Schaaffe weidete; wo er, durch ſuͤſſe Reime,
Die Gottheit, die mit Klee und Gras
Die Wieſen, und mit Laub die duncklen Waͤlder, ſchmuͤcket,
Der uns zu rechter Zeit, ein heilſam Naß,
Jm kuͤhlen Thau und Regen, ſchicket,
Wo -219des Blanckenburgiſchen Marmors.
Wodurch die Wollen-reichen Heerden
Getraͤncket und genehret werden;
Das Weſen, (Dem dafuͤr von allen Hirten Ehre,
Als einem ſolchen HErrn und Hirten, ſtets gebuͤhrt,
Der aller Welt und Sonnen Heere,
Als eine Heerde Schaaffe, fuͤhrt)
Jn mancherley Beſchreibungen beſang,
Daß Berg und Thal davon erklang.
Um ihm ein ſchoͤn Gedicht, auf ein geſchmiedet Eiſen,
So er den Vormittag verfertiget, zu weiſen.
Jhr beſter Zeit-Vertreib war eben dieß:
Daß einer ſeines Geiſtes Fruͤchte,
Die in der Einſamkeit erfundene Gedichte,
Zu beider Nutz, zu beider Luſt,
Da keiner was vom Neid und bittrer Scheel-Sucht wuſt, (Ein Stand, bey Dichtern rar) dem andern ſehen ließ.
Er traff ihn aber nicht, wol aber Damon, an,
Der ihm berichtete: Beraldo waͤr, in fruͤher Morgen-Stunde,
Schon aus dem Schatten-reichen Grunde,
Auf jenes Berges ſteile Hoͤh,
Des Wipfel man,
Fuͤr Wolcken, nicht von unten ſehen kann,
Nachdem er ſeine Heerd ihm anvertraut, geſtiegen.
Silvander bat hierauf, ſo bald er dieß gehoͤrt,
Daß Damon ſeine Schaaff, abſonderlich die Ziegen,
Auch mit beachten moͤgt, und eilte, voll Verlangen, Beraldo wieder zu uͤmfangen,
Jhm nach, und gleich den Berg hinan:
Nach -220Betrachtung
Nachdem er eine Flaſche,
Voll friſcher Milch, in ſeine bunte Taſche
Zum Labſal eingeſtecket.
Das rauhe Hartz-Gebirg erſtrecket,
Erhebt und thuͤrmet ſich
Faſt unerſteiglich, ſchroff und gaͤhe,
Alhier zu einer ſolchen Hoͤhe
Die ſelbſt dem Blick faſt fuͤrchterlich.
Doch ließ er ſich die Schwierigkeit nicht hindern,
Noch die ihn treibende Begier dadurch vermindern.
Er trat die rauhe Bahn
Mit frohen Schritten an.
Und, weil ein Fuß-Steig ihm nicht unbekannt;
Verkuͤrtzt er ſeinen Weg, ſo, daß, in kurtzer Zeit,
Trotz des Gebirges Rauhigkeit,
Er oben auf des Berges Spitzen,
Mit muͤden zwar, doch frohen Fuͤſſen, ſtand.
Hieſelbſt ſah er, auf einem groſſen Stein,
Mit Steinen gantz uͤmringt, Beraldo gantz allein,
Vertiefft im dencken, ſchreibend ſitzen.
Jndeſſen daß, von ſeiner Hand,
Er ein beſchrieben Blaͤtchen fand,
So ihm der Wind entfuͤhrt. Er hubs begierig auf,
Und laſe dieſe Worte drauf: Jndem das Feld mit Schnee der dunckle Winter decket, Und ſcharffes Eis die Fluth verſtecket, Sitz ich alhier, Wo ich, vergnuͤgt, mir ſelber lebe, Und von der eitelen Begier Mich zu entfernen, mich beſtrebe,
Bey221des Blanckenburgiſchen Marmors.
Bey einem frohen Feur, befreit vom Neid und zancken.
Bald ſchreibt mein reger Kiel,
Bald ſing ich, bald erklingt mein Saiten-Spiel.
Und, wenn, voll Ehr-Suchts-Dunſt, ſich ſchleichende Ge - dancken
Von neuen etwan meine Sinnen
Zu fuͤllen unterſtehn; treibt die Erinnerung,
Die mich zur Vorſicht bringt, dieſelben ſchnell von hin - nen.
Pracht, Hoheit, Titel, Geld, Ruhm, Reichthum, Ehre, Wuͤrde!
Was ſeid ihr eigentlich?
Daß eurentwegen ſich
Die Menſchen ſo zerfoltern? Eine Buͤrde,
Die, ohn Ergetzen, druͤckt; ein uͤberzuckert Gifft,
Ein unbeſtaͤndge Luſt, ein daurhaft Unvergnuͤgen.
Jch fieng auch ehmahls an vermeſſentlich,
Wie Jcarns, empor zu fliegen.
Jetzt aber ſitz ich hier, und lache mich,
Sam̄t meiner Thorheit aus. Ja, fieng Silvander an,
Beraldo, du haſt recht: wie wol haſt du gedacht!
Wie gluͤcklich iſt, der es ſo weit gebracht!
Wie gluͤcklich iſt, der alſo dencken kann!
Er fand darauf annoch an einem andern Orte,
Auf einem Zettul, dieſe Worte: Der Hof iſt wie ein Bau von Marmor aufgefuͤhrt; Da viele Hoͤflinge ſehr hart, doch ſehr polirt.
Er lachte,
Wie er auf die Vergleichung dachte.
Drauf222Betrachtung
Drauf naͤhert er ſich ihm, doch in geheim, und ſchlich
Gemach zu ihm hinan.
Doch, da ein duͤrrer Aſt, zertreten, brach und kracht,
Fuhr jener, durchs Geraͤuſch erſchreckt, ſo ſtarck in ſich,
Daß, von der regen Hand, die von der Stelle flog,
Ein ſchneller langer Strich
Sich uͤber ſein Papier, das er beſchrieben, zog.
Sie lachten hertzlich alle beide,
Bezeugten Wechſels-weiſ einander ihre Freude,
Und, wie ſie mit der Milch den Durſt, den beide fuͤhlten,
Nachdem ſie ſie vorhin in einer Quelle kuͤhlten,
Nicht ohne Luſt geſtillt, ſich beide niederſetzten,
Und an der bunten Pracht
Der Landſchaft ſich ergetzten;
Ließ das, womit ſein Kiel beſchaͤfftiget geweſen, Beraldo ſeinen Freund, auf ſein Verlangen, leſen.
Des rauhen Hartzes rauhe Pracht
Hatt er, durch ſeine Pflicht getrieben,
Zu Ehren dem, der ihn zum Schatz-Behalter macht,
Faſt mehr geſchildert, als beſchrieben.
Abſonderlich hatt er des glatten Marmors prangen,
Den Blauckenburgs Gebirg uns hier,
Jn einer tauſendfach gefaͤrbten Zier,
Zu einem Wunder bringt, zu bilden angefangen.
Es wiederholete der Wiederhall,
Mit einem ſanften Schall,
Aus mancher Klufft, von mehr als einem Orte,
Als er, wie folget, laſ, faſt alle Worte:
Welch223des Blanckenburgiſchen Marmors.
Welch eine Laſt von Stein! welch eine Felſen-Welt
Wird meinem ſtarren Blick hier vorgeſtellt!
Faſt alles, was allhier die Augen ſchauen,
Gebieret Furcht, ſucht ein geheimes Schrecken
Auch dem, der ſonſt nicht bange, zu erwecken.
Es hauchet Wiedrigkeit und Grauen,
An dieſem Ort, faſt ieder Vorwurff aus.
Es ſehn zugleich die ſcheuch - und ſtarren Blicke
Hier ungeheure Felſen-Stuͤcke,
Bald feſt und gantz, und bald zerbrochen und zerſpalten:
Bald Abgruͤnd, Hoͤlen, Moß und Graus.
Ein gantz verwirrt Gemiſch von allerley Geſtalten,
Materien und Farben, ſtellet hier
Uns gleichſam recht ein Chaos fuͤr.
Leim-Marmor-Kieſel-Berg, unordentlich vermengt,
Unordentlich erhoͤht, unordentlich zerbrochen,
Als waͤren ſie, durch ungefehren Fall,
So wunderlich in ſich gedrengt,
Erblickt man uͤberall.
Von erſt geſchmoltznem Schnee, kommt hier ein traͤger Bach,
Vermiſcht mit Schlamm und faulem Moß,
Aus kleinen Oeffnungen gekrochen:
Vermehrt ſich aber allgemach,
Wird, eh man ſichs verſiehet, groß,
Erzuͤrnt ſich, ſchaͤumt und brauſt, und, was erſt kaum ge - floſſen,
Kommt, uͤber ſchroffe Stein, erboſt herab geſchoſſen,
Reiſſt224Betrachtung
Reiſſt ſelbſt den Boden | mit, ſtuͤrtzt, mit beſchaͤumtem Grimm,
Bejahrte dicke Baͤum und ſchwere Felſen uͤm.
An manchem Orte ſind der Berge rauhe Hoͤh’n
Recht ungeheuer ſchoͤn.
Die Groͤſſe kann uns Luſt und Schrecken
Zugleich erwecken.
Entſetzlich iſt der Klippen Hoͤh und Dicke:
Entſetzlich groß ſind abgerollte Stuͤcke:
Entſetzlich ſchwartz ſind aufgeſpaltne Kluͤffte:
Entſetzlich tieff, wie Rachen, hole Gruͤffte:
Die mehrentheils verwirrte Dornen-Hecken,
Die voller Furcht und Grauen ſtecken,
Mit Klauen-gleichen Stacheln decken.
Die Gegenden ſind meiſtens wuͤſt und wild,
Mit ſteter Daͤmmerung und Schatten angefuͤllt.
Die Einſamkeit allein
Scheint hier Bewohnerin zu ſeyn.
Jedoch, erſtarrter Sinn, begreiffe dich!
Die furchtbare Geſtalt iſt nicht ſo fuͤrchterlich.
Sieh nicht allein der Berge wildes Weſen,
Sieh auch derſelben Schmuck, zuſammt dem Nutzen, an!
Du kannſt hier mehr, als man leicht ſonſten kann,
Des Schoͤpfers Huld und Macht, aus ihrer Anmuth, leſen.
Es wird kein Menſch die Vortheil alle nennen,
Die ein Gebirg uns bringt, noch ſie beſchreiben koͤnnen.
Es ſtecken koſtbare Metallen,
Es ſtecken klare Berg-Cryſtallen,
Sammt225des Blanckenburgiſchen Marmors.
Sammt Silber, Gold, der Menſchen Luſt,
Jn ihrer finſtern Bruſt.
Das Waſſer, das von ihren Gipfeln faͤllt,
Beſtroͤmt und traͤnckt die duͤrre Welt.
Ja, ſelbſt die Rauhigkeit, die wir an vielen ſehn,
Kann andrer Lieblichkeit und Anmuth noch erhoͤhn
Durch ihren Gegen-Satz. Wie manchen Huͤgel ſchmuͤcket
Des Graſes gruͤner Sammt, der ſchoͤnſten Kraͤuter Pracht!
Wie manche gruͤn und holde Nacht
Wird hier, im dichten Buſch, erblicket!
Wann dort, bald an der Berge Gipfel,
Bald an der hohen Baͤume Wipfel,
Ein ſchnelles Licht, ein heller Strahl
Mit frohem Schimmer faͤllt; wird im bebuͤſchten Thal,
Auch ſelber in den Mittags-Stunden,
Ein angenehme Kuͤhl - und ſanfte Daͤmmerung,
Offt in der Nachbarſchaft deſſelben Strahls, gefunden.
Es aͤndern, wechſeln, trennen, gatten,
Vermiſchen, faͤrben, bilden ſich
Viel tauſend Lichter, tauſend Schatten,
So lieblich als verwunderlich.
Es zeigen hier der Berge rauhe Ruͤcken,
Auf welchen offt, ſtat Kraͤuter, Gras und Klee,
Ein graues Eis, bejahrter Schnee,
Die ſchroff-und rauhen Haͤupter druͤcken,
Den Winter: wann, zu gleicher Zeit,
Mit gruͤn bebluͤhmter Lieblichkeit
Viel Huͤgel, wie im Herbſt, dort andre, wie im Lentzen,
Und hier verſchiedne, recht als wie im Sommer, glaͤntzen.
PSo,226Betrachtung
So, daß man hier nicht nur die Tages-Zeiten; gar
Die Jahres-Zeiten auch zugleich, und zwar
Auf einmahl, fuͤhlt und ſieht.
Erwege dieß mit Luſt und Andacht, mein Gemuͤth!
Es laſſen des Gebirgs ſo rauh als ſchoͤne Hoͤhen
Ein Bild von irdiſchen Verwirrungen uns ſehen:
Jndem ja Freud und Leid, und Schertz und Schmertz auf Erden,
Wie Luſt und Grauen hier, vereint gefunden werden.
Allein, was ſeh ich ferner hier
Bey dieſes Berges rauher Zier?
Was muͤſſen nicht fuͤr Reichthum, welchen Segen
Von Marmor und Metall der Berge Baͤuche hegen!
Kann ich doch uͤberall
Den ſchoͤnſten Marmor-Stein in groſſen Stuͤcken
So gar ſchon auf der Flaͤch erblicken!
Wie glaͤntzet dieſer hier, als waͤr er ſchon polirt!
Wie bunt iſt jener dort! ich kann mich nicht enthalten,
Der unterſchiedlichen unzehligen Geſtalten
Und Farben Meng im Marmor zu beſehn,
Und, in der drob verſpuͤhrten Augen-Luſt,
Mit inniglich dadurch geruͤhrter Bruſt,
Ein all-erſchaffendes allmaͤchtges Wunder-Weſen,
Ohn Den nichts iſt, was iſt, bewundernd zu erhoͤhn.
Man kann alhier, ſowol vermiſcht als einzeln, ſchoͤn, (Ob wir gleich von der Schrift den Jnnhalt nicht verſtehn)
Auch in gebrochnen Lettern leſen,
Daß, was geſchrieben, ſey, den Schoͤpfer anzuweiſen,
Um auch im Marmor-Stein Sein Wunder-Werck zu preiſen.
Man227des Blanckenburgiſchen Marmors.
Man kann in tauſendfach veraͤnderlichen Zuͤgen,
Die ſich bald trennen, und bald ſuͤgen,
Allhier ein tauſendfach vermiſchtes Etwas ſehn,
Worin die ſpielende geſchaͤfftige Natur
So manche Bildungs-Art, und ſeltſame Figur,
Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch ſchoͤn
Verſtreuet und vereint, ſo durch einander gehn,
Daß es das Aug ergetzt; den Augen vorgeſtellt.
Es ſind ſo viel verworrene Figuren
Theils halb-Theils gantzer Creaturen,
So viele Miſchungen von klein-und groſſen Stuͤcken,
Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken;
Daß, ſo von Form als Farb, auch er ein Chaos ſcheint,
Das etwan auf einmahl erſtarrt ſey und verſteint,
Hier ſieht man ſtille Wirbel ſich,
Dort trockne Strudel gleichſam regen.
Hier ſcheinen ſich die Wellen eigentlich,
Ohn daß ſie ſich bewegen, zu bewegen.
Bald ſtellt der Marmor Baͤum und Thier,
Und bald gebrochne Stein nnd Ertz natuͤrlich fuͤr.
Offt ſcheint ein rother Marmor-Stein
Zu Stein gewordnes Fleiſch zu ſeyn.
Viel groſſe Adern ſind mit kleinern offt durchkrochen,
Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen,
Bald an-und in-bald durch einander lauffen,
Woraus ſo mancherley Figur und Form entſteht.
Die ſchoͤnen Farben ſind auf tauſend Art gebrochen,
Auf tauſend Art gemiſcht, vertieffet und erhoͤht,
Bald hell und bald gedaͤmpfft, bald feurig und bald matt.
P 2Es228Betrachtung
Es ſind ſowol die Meng-als Graden nicht zu zehlen.
Auch wird es ihnen nie an einem Firniß fehlen,
Als der mit ihnen waͤchſt, und der ihm einverleibt.
Denn, eben daß er glatt,
Vermehret ſeinen Wehrt, erhebet ſeinen Preis.
So bald man nur das rauhe von ihm reibt,
Wie ſolches hier des Kuͤnſtlers Fleiß
Recht kuͤnſtlich zu verrichten weiß;
So iſt kein Spiegel-Glas ſo glaͤntzend und ſo rein,
Als wie, in Blanckenburgs polirtem Marmor-Stein,
Die abgeſchliffnen Flaͤchen ſeyn.
Wie offt hab ich in ihm, als wie im reinſten Spiegel,
Gebuͤſche, Feld und Wald, und Thal, und Berg und Huͤgel,
Ja gar, mit inniglichen Freuden,
Bald im verwachſnen Thal, bald auf den ſteilen Hoͤhn,
Auch meine liebſte Heerde weiden,
Und meine Ziegen klettern ſehn.
Man kañ in Blanckenburgs Gebirg’-und ihren Gruͤnden,
Von allen Farben Marmor finden,
So wie man ihn verlangt:
Da bald ein helles Weiß im rothen Grunde prangt;
Da er bald braun, bald ſchwartz, vermiſcht mit weiß und grau,
Bald gelb und gruͤn ſo gar, (Das, ſelbſt in Griechenland und Welſchland, Wunder - rar)
Bald bunt geſprenget iſt, mit roth, mit gruͤn und blau.
Wer bildet nun des Marmors bunte Pracht?
Wer hat die Felſen ſelbſt ſo ſchoͤn, ſo glatt gemacht?
Der -229des Blanckenburgiſchen Marmors.
Derſelbe, der der bunten Bluhmen Zier
So wunder-wuͤrdig faͤrbt, der faͤrbet gleichfalls hier,
Zu unſrer Augen-Luſt, den Sand, und ſchmuͤckt den Stein
Mit tauſend-faͤrbigen Figuren, Glantz und Schein.
Und eben Der verlieh |auch uns den Witz,
Denſelbigen ſo kuͤnſtlich zu poliren,
Da er ja ſonſten uns zu nichtes nuͤtz.
Wie ſolte denn auch dafuͤr nicht
Der Allmacht, ohne die nichts, was geſchicht, geſchicht,
Erkenntlichkeit und Danck gebuͤhren?
Wir ſollten billig nie den Blick
Auf den ſo ſchoͤn - und bunten Marmor lencken;
Ohn auf die Krafft, die ihn formirt, zuruͤck,
Bey unſrer Augen-Luſt, zu dencken.
O! welch ein Schatz demnach, der nicht zu ſchaͤtzen,
Sowol zum Nutzen als Ergetzen,
Zur Zier und mancherley Gebrauch,
Liegt hier in dieſes Berges Bauch!
Wer wird doch alle Dinge nennen,
Beſchreiben und erzehlen koͤnnen,
Die man, ſowol zur Dauer, als zur Pracht,
Aus Blanckenburgs polirten Marmor macht!
Begluͤcktes Blanckenburg! in deſſen Gruͤnde
Der Himmel ſolchen Schatz geſenckt,
Und ſolchen Marmor dir geſchenckt,
Daß ich in Welſchland ſelbſt nicht ſeines gleichen finde,
Selbſt der, den Paros zeugt, kann ihm, an Glantz, nicht gleichen,
Und der aus Tenarus muß ihm an Farben weichen:
P 3Da230Betrachtung
Da er, von Jaſpis hier, und dorten von Achat
Den Glantz, die Farb und Adern hat.
Was ſag ich? ja bey dem, da er ſo ſchoͤn geziert,
So Jaſpis, als Achat ſelbſt ſeinen Preis verliert.
Doch, noch weit mehr begluͤckt, ja dreymahl mehr annoch
Begluͤcktes Blanckenburg, durch den, der dich regiert!
Dein ietziger Beherrſcher iſt es wehrt, (Jch ſag es ohne Schmeicheley)
Daß Jhm ein ſolches Land beſchert,
Woſelbſt, uͤm Sein Verdienſt, (das nie genug zu ſchaͤtzen,)
Jn feſten Marmor einzuaͤtzen,
An Marmor kein Gebrechen ſey.
Jſt ehedem ein Berg, wie ich einmahl geleſen,
Zur Bild-Seul einem Helden dort,
Zum Nach-Ruhm, zugedacht geweſen;
So iſt ja wol kein beſſ’rer Ort,
Um dieſem Herrn ein Ehren-Mahl zu bauen,
Als jenen Marmor-Berg, den wir dort vor uns ſchauen,
Der Seine Wohnung traͤgt, fuͤr Jhn zurecht zu hauen.
Wie wenig Fuͤrſten ſind auf Erden,
Die von den Unterthanen mehr
Geliebet, als gefuͤrchtet werden!
Wie wenig ſind geſchickt, ein Krieges-Heer
Mit eignem Vorgang anzufuͤhren!
Wie wenig Fuͤrſten ſind, die ſelbſt regieren!
Bey denen Froͤmmigkeit ſich mit der Staats-Kunſt paart!
Wie231Des Blanckenburgiſchen Marmors.
Wie ſelten iſt ein Fuͤrſt, der im Gelehrten Orden,
Auf Schwartzburgs Guͤnthers Art,
Zum Mit-Glied nicht allein, zum Wunder worden,
Wie LUDWIG RUDOLPH hier, Dem dieſes Land gehoͤrt,
Den ſelbſt der Sechſte CARL als Schwieger-Vater ehrt!
Wer zehlt die Tugenden, die gleichfalls ſonder Zahl,
An Deſſen wuͤrd’gem Eh-Gemahl,
Der theuerſten CHRISTIN LOUISE?
Die ſo, wie Er den Fuͤrſten, den Fuͤrſtinnen
Von ie her ſich mit Recht zu einem Muſter wieſe;
Und die, nicht nur Jhr Unterthan,
Ein ieder, er ſey fern und nah,
Der Sie nur einmahl ſah,
Mit Ehr-Furchts-voller Lieb, als unvergleichlich, prieſe.
Was hab ich nicht, eh ich den Hof verlaſſen,
Um mit dem Hirten-Stab die Ruh hier zu uͤmfaſſen,
Von Jhrem Hohen Geiſt geſehen und gehoͤrt!
Was hat Sie nicht, durch Großmuth angetrieben,
Zum Heil des Teutſchen Reichs, mit eig’ner Hand ge - ſchrieben!
Wie wird nicht dieſes Paar in Oſt und Weſt geehrt!
Nicht Teutſchland nur, Europa wuͤnſchet Jhnen,
Abſonderlich fuͤr die ſo ſchoͤne Kaiſerinn,
So Sie der Welt geſchenckt, aus Danck-erfuͤlltem Sinn,
Damit ſie lange noch in ſtetem Gluͤcke gruͤnen:
P 3Him -232Betrachtung
Himmel, laß es doch geſchehn,
Daß Jhr fuͤrſtlich Wohlergehn,
An der Dauer, Marmor gleiche!
Daß dieß theure Fuͤrſten-Paar
Noch ein offt vervielfacht Jahr,
Ja das ſpaͤtſte Ziel erreiche,
So alhier in dieſem Leben
Einem Sterblichen gegeben!
Kaum kam Beraldo mit dem leſen
So weit; als ihn Silvander unterbrach,
Und, voller Freuden, rieff und ſprach:
Wie lieb, Beraldo, iſt es mir,
Daß Teutſchlands Ehre, Ruhm und Zier
Fuͤrſt LUDWIG RUDOLPH dir,
Ein Vorwurff deines Kiels geweſen!
Auch ich hab geſtern Nachmittag, (Jndem ich es mir laͤngſtens vorgenommen)
Jn einem Liede viel von Seinem Ruhm erzehlt,
So ich dir zeigen will, wann wir zuruͤck gekommen.
Und, weil daran nichts, als der Schluß, noch fehlt,
So wirſt du, auf mein Bitten,
Jn meiner Schatten-reichen Huͤtten,
Fuͤr Sein lang daurendes Vergnuͤgen,
Auch deinen Wunſch zu meinem fuͤgen.
So233des Blanckenburgiſchen Marmors.
So dann, und ehe nicht, will ich, was auf das Eiſen
Von mir verfertigt ward, unausgeſetzt dir weiſen.
Ja! rieff Beraldo, ja! ich bin dazu bereit,
Und zwar uͤm deſto mehr zu dieſer Zeit,
Da mich ein ungewohnt - und froher Trieb will zwingen,
Was kuͤnftiges, ſchon zum voraus, zu ſingen,
Wie ich wol eh gethan: Mich deucht, ich ſehe ſchon, da Er ein mehrers wehrt,
Jhm werd ein mehrers auch in kurtzen noch beſchehrt!
P 5Ver -234Verſtockte Blindheit.
Verſtockte Blindheit.
Der nimmer ruhige verſchmitzte Cacopiſt,
Ein Arbeit-ſeelger Alchymiſt,
Der Tag und Nacht aus Bley, und aus verbrannten Kohlen,
Der Weiſen Stein beſchaͤfftigt war zu holen;
Dem aber nun, weil er ſo offt betrogen,
Sein letzter Heller auch aus dem Camin geflogen,
Ward von dem maͤchtigen und reichen Agathander
Jn ſeiner Klufft beſucht, wo ſchwartz berauchte Waͤnde,
Wo Schlacken ſonder Maaß, wo Tiegel ohne Zahl,
Wo Oefen ſonder Ende,
Und welche nun, ſeit ſo viel Jahren,
Zum erſten mahl
Vom Feur und Kohlen leer und kalt,
Bey Hauffen anzutreffen waren.
Aus dieſem Schwefel-Loch und finſtern Aufenthalt,
Wird Cacopiſt, mit vieler Hoͤflichkeit
Und Bitten, in ein Schloß gezogen,
Das Agathander erſt vor kurtzer Zeit,
Nebſt einem mehr als Koͤniglichen Garten,
Erbaut und angelegt. Die Pracht, Vollkommenheit,
Die Bau-Kunſt, tauſend Arten
Von fremder Seltenheit,
Fontainen, Grotten und Alleen;
Die faſt nicht abzuſehen ſeyn;
Gebuͤſche voller Nachtigallen
Gewaͤſſer die von Stein auf Stein
Mit murmelndem Gerieſel fallen|,
Sind ja ſo ſchoͤn daſelbſt, als zu Jertzbeck, zu ſehen.
Was235Verſtockte Blindheit.
Was denckſt du nun, wie Cacopiſt,
Der nunmehr mehr im Paradiſe
Als wie in einem Garten iſt,
Sich gegen alle Pracht erwieſe?
Was meineſt du?
Er ſtopffte Naſ und Ohr, und knipff die Augen zu;
Um in den eitlen Gold-Gedancken
Sich nicht zu ſtoͤren,
Auch ſeinen Goͤnner nicht zu ehren,
Wollt er nicht riechen, ſehn noch hoͤren.
Die Bosheit nun ward Agathander gleich,
Doch ohn Betruͤbniß nicht, gewahr:
Und, ſonder ſich mit ihm zu zancken und zu ſtreiten,
Ließ er ihn wiederuͤm in ſeine Hoͤle leiten.
Ach leider! waͤren nur nicht viele| Chriſten
Jn dieſer ſchoͤnen Welt dergleichen Cacopiſten!
Noth -236Nothwendigkeit der Betrachtung.
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Geliebter Menſch, da dich das ſchoͤne Bluhmen-Reich,
Und alles was demſelben gleich,
So wenig, ja faſt gar nicht ruͤhret,
Und, wie doch billig waͤr, zu GOttes Lob nicht fuͤhret,
Ob es gleich noch ſo ſchoͤn, ſo lieblich zugericht;
So handelſt du ja wider deine Pflicht.
Es waͤre denn, (da nichts uͤmſonſt hervor gebracht)
Daß alle dieſe Pracht
Fuͤr dich ſo wenig ſey, als fuͤr das Vieh, gemacht,
Und daß vielleicht, dem groſſen All zum Preiſe,
Jn unſers Lufft-Raums weitem Kreiſe
Gantz andre Creaturen lebten,
Die GOttes Wercke hoͤher ſchaͤtzten,
Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten,
Und die, den Schoͤpffer zu erheben,
Jn froher Andacht ſich beſtreben;
Und daß denn eigentlich
Fuͤr die, und nicht fuͤr dich,
Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht,
Erſchaffen worden und gemacht.
Mir ſchauert faſt die Haut, wann ich dieß uͤberlege,
Daß unſer Geiſt hiedurch faſt aus der Menſchen Orden
Herausgeriſſen ſey, und gantz zum Vieh-Geiſt worden.
Ach! laſſt uns denn doch kuͤnftig uns bemuͤhn,
Uns dieſem Ungluͤck zu entziehn.
Laſſt uns die Faͤhigkeit, die uns von GOTT gegeben,
Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun,
Und Seinen Ruhm dadurch beſtaͤndig zu erneun,
Doch beſſer, als bisher, wol anzuwenden ſtreben!
Die237Die Uhr.
Die Uhr.
Es ſieht der eitle Menſch, im Reiche der Natur,
Sich ſelbſt (wofern nicht gar fuͤr einen, der ſie machet)
Aufs wenigſt an fuͤr eine Uhr:
Da er ſich doch nicht einſt fuͤr einen einz’gen Zahn
An einem Rad in dieſem Welt-Gebaͤude
Mit Rechte ſchaͤtzen laſſen kann.
Denn, wenn in einer Uhr ein Zahn zerbricht,
Verhindert es ſogleich die Richtigkeit,
Und mindert die Vollkommenheit:
Doch dein Zerbrechen fuͤhlt der Kreis der Erden nicht.
Er -238Erwegung einiger
Erwegung einiger von GOTT, auch denen armen Menſchen, alle Tage gegoͤn - neten Ergetz - und Bequemlich - keiten.
Da wir auf dieſer Welt in ſtetem Unvergnuͤgen,
Auch ſelbſt im Uberfluß, und wann wir gluͤcklich ſeyn,
Durch Unerkenntlichkeit des guten bloß allein,
So ungluͤckſeelig liegen;
Auf! auf! mein Geiſt, die Ordnung der Natur,
Die ſie mit Menſchen haͤlt, ein wenig zu erwegen!
Und ob es ihre Schuld, daß ſo gar wenig nur
Ohn Unzufriedenheit zu leben pflegen.
Jch ſpreche nicht allein von Reichen; auch von denen,
Die duͤrftig ſind, will ich allhier erwehnen.
So fuͤr die Armen, als die Reichen,
Sieht man des Morgens fruͤh die dunckle Nacht
Mit ihren falben Schatten weichen.
Fuͤr beide zeiget ſich der Morgen-Roͤthe Pracht,
So die nur erſt vergehnde Schwaͤrtze
Jn der Veraͤnderung uͤm ſo viel ſchoͤner macht.
Jhr Leib wird alle Nacht ohn Ausnahm ja geſtaͤrcket
Durch dieſes Wunder der Natur:
Wobey der Geiſt zugleich verneute Kraͤffte mercket,
Durch einen ſuͤſſen Schlaff, der ihn die Zeit nicht nur
Vergnuͤgt verbringen laͤſſt; der Gram und Leid vermindert,
Ja ihn, in dem ſchon angefangnen Lauff
Der Schwehrmuth, fortzufahren hindert.
Und kurtz: wir ſtehn, an Leib und Geiſt verneuet, auf.
Jn239Ergetz - und Bequemlichkeiten.
Jn dieſer Gab allein iſt, wenn mans recht bedencket,
Uns ein unſchaͤtzbar Gut und groſſer Schatz geſchencket.
Die Sinnen ſind, wann ſie der Schlaf erquickt,
Aufs neu geſtaͤrckt, und mehr, als wie vorhin, geſchickt,
Die Creatur, die durch das Morgen-Licht
Zugleich verſchoͤnert wird, zu ſehn und zu betrachten.
Ach moͤgten wir dieſelbigen nur nicht
So klein, und unſers Blicks nicht wuͤrdig achten!
Da die Gewohnheit ſonſt durch ihre ſtrenge Macht
Uns alles Gute raubt; ſo wird durch Tag und Nacht
Die ſchaͤdliche Gewalt derſelben unterbrochen.
Jhr Wechſel giebt und nimmt, und zwingt uns faſt, von neuen,
Der Schoͤnheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er - freuen.
Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an,
Die mancher wol nicht allezeit
Fuͤr einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann;
Doch, auſſer daß ſie ihn ernehret,
Jſt ſie auch mehrentheils von der Beſchaffenheit,
Daß ſie die Eſſens-Luſt vermehret.
Da ſchmeckt das Morgen-Brodt. Jſt dieſes keine Luſt?
Fuͤrwahr, wer es erwegt,
Wie in den Appetit ſo Nutzen als Ergetzen
Von GOTT ſo wunderbar gelegt,
Wird dieſe Zungen-Luſt nicht ſo geringe ſchaͤtzen.
Hat ihm der Morgen nun, der unſers Tages Lentzen,
Ein angenehme Freud im Anbiß erſt beſchehrt;
So wird noch eine groͤſſre Luſt,
Wann erſt des Mittags Strahlen glaͤutzen,
Mit240Erwegung einiger
Mit noch vergroͤſſertem Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Wann man ſein Mittags-Mahl verzehrt,
Vervielfacht und vermehrt.
Nur zu bedauren iſts, daß wir, was GOTT ins Eſſen
Fuͤr eine Luſt geſenckt, nicht achten, nicht ermeſſen.
Erſtaunens wehrt iſt ja des Schmeckens Krafft,
Erſtaunens wehrt der Zungen Eigenſchafft,
Erſtaunens wehrt, wie viel, wie mancherley
Veraͤnderung, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen,
Jn ſo verſchiednen Coͤrpern liegen,
Und wie ſo Gaum als Zahn formiret ſey,
Durch ein Zermalmen, preſſen, druͤcken,
Uns zuzueignen, zu entdecken
Die Saͤffte, die in Coͤrpern ſtecken;
Und die, wann wir den Magen fuͤllen,
Nicht nur den Durſt und Hunger ſtillen;
Nein, die zugleich (o Wunder!) uns erquicken,
Und in ſo ſehr verſchiednem ſchmecken,
Uns ſo verſchiedne Luſt erwecken.
Ein Handwercks-Mann ſollt hier abſonderlich be - dencken
Die weiſe Guͤtigkeit des Schoͤpfers, der nicht nur
Den Reichen ſolche Luſt gewuͤrdiget zu ſchencken,
Daß ſie, durch den Gebrauch ſo mancher Creatur,
Und tauſendfach gewuͤrtzte Speiſe,
Abſonderlich vergnuͤget werden;
Ach nein! er wird vergnuͤgt auf gleiche Weiſe,
Jndem der Hunger ja, wie die Erfahrung lehrt,
Das niedlichſte Gewuͤrtz, der beſte Koch auf Erden.
Nach241Ergetz - und Bequemlichkeiten.
Nach den bey Tiſch erhaltnen neuen Kraͤfften,
Eilt ieder wiederuͤm zu ſeinen Haus-Geſchaͤfften,
Wer klug iſt, wolgemuth.
Denn was man froͤhlich thut,
Geht wolgerathener von ſtaten.
Ja iſt bey einigen die Arbeit wircklich ſchwer;
Gewohnheit wird ſie immer mehr und mehr
Ertraͤglich machen und vermindern;
Zumahlen wenn man, GOTT zur Ehr,
Dabey ein froͤhlich Lob-Lied ſinget,
Und Jhm, fuͤr ſeine Huld, ein Freuden-Opfer bringet,
Wird alle Muͤh’und Laſt, verringert, bald ſich lindern,
Und wenigſtens ertraͤglich ſeyn.
Bald ſtellet ſich darauf ein kuͤhler Abend ein,
Und unterbricht aufs neu was etwan uns beſchwert,
Damit wir nicht dadurch erliegen;
Ja bringet uns annoch ein neu Vergnuͤgen,
Wann man die Abend-Koſt verzehrt.
Kaum haben wir dieſelbige genoſſen,
So wird uns allererſt die groͤſſte Suͤſſigkeit
Von der gewogenen Natur geſchencket,
Jndem ſie uns zu dieſer Zeit
Jn einen ſanften Schlaff aufs neu verſencket.
Ja wenn wir etwas muͤd, und uns nur niederſetzen,
Empfindet, durch die nachgelaſſnen Sehnen,
Der Coͤrper, der ſich ſonſt gewohnt war auszudehnen,
Gedenckt man nur daran, ein ungemein Ergetzen.
Wie wird nicht Muͤdigkeit und Kummer,
Durch einen ſanften Schlummer
QGe -242Erwegung einiger
Gemindert und verjagt! ſo daß am fruͤhen Morgen
Man, meiſtens frey von Gram und Sorgen,
Und halb verjuͤngt, vom Schlaff erwacht,
Sich wiederuͤm an ſeine Arbeit macht.
Auf ſolche Weiſe wird das Leben,
Auch von den Duͤrfftigen, auf Erden zugebracht.
Was ſoll ich nun von denen ſagen,
Die, da ſie Geld und Gut beſitzen,
Befreit von Arbeits-Laſt und Plagen,
Jhr Stuͤcklein Brodt nicht erſt erſchwitzen,
Und uͤm die Koſt nicht aͤngſtlich wircken duͤrfen?
Wie mancherley Bequemlichkeiten
Kann ſich ein Reicher zubereiten!
Es ſind dieſelben nicht zu zehlen.
Von hundert tauſenden nur eins zu wehlen,
Das, wenn er es nur wol bedenckt,
Jhm tauſendfach Vergnuͤgen ſchenckt:
Die ſo verachtete als wunderbare Kunſt
Zu ſchreiben und zu leſen,
Jſt ja wol durch des Himmels Gunſt
Zum erſten uns geſchenckt geweſen.
Wie manchen Zeit-Vertreib von ſo verſchiednen Sachen
Kann man ſich nicht mit Buͤcher-leſen machen!
Wir gehn durch ſie in die vergangne Zeiten:
Wir machen uns durch ſie derſelben gleichſam Meiſter,
Genieſſen, durch Erkenntniß fremder Geiſter,
Gantz unbekannte Suͤſſigkeiten.
Wir koͤnnen uns durch ſie erbauen und belehren,
Und243Ergetz - und Bequemlichkeiten.
Und faſt auf ungezehlte Weiſe (Ach thaͤten wir es doch dem Geber ſtets zum Preiſe!)
Den Nutzen und die Luſt vermehren.
Noch mehr: Wie mancherley Vergnuͤglichkeiten
Vermag, nebſt dem Gebrauch der uns geſchenckten Sinnen, (Die ſo von auſſen, als von innen,
Uns ungezehlte Luſt bereiten)
Die Rede nur allein uns zu gewehren!
Fuͤrwahr man muß dafuͤr den Schoͤpfer billig ehren
Auf eine Art, die unſre Danckbarkeit
Fuͤr ſolch ein wuͤrdiges Geſchencke
Jn froher Andacht zeigt. Denn, lieber Menſch, bedencke:
Wenn alle Menſchen ſtumm; wuͤrd unſre Lebens-Zeit
Nicht elend, unſer Geiſt nicht brach, und ohn Vergnuͤgen,
Jn viehiſcher Unwiſſenheit,
Ja aͤrger faſt, als viehiſch, liegen?
So aber hat uns GOTT in unſerm Leben
Nicht nur die Red, einander zu verſtehn;
Auch eine Faͤhigkeit, in Schriften zu erſehn
Was eine Seele denckt, o Wunder-Gut! gegeben.
Ach! laſſt uns denn fuͤr ſo viel ſeltne Gaben,
Die wir von GOTT allein empfangen haben,
Nicht immer unempfindlich ſeyn!
Erwegt, wenn alles dieß uns fehlen (Wie GOTT uns ja nichts ſchuldig iſt)
Wie? oder auch entnommen werden ſollte;
Wie man ſodann ſich finden wollte:
Und, da man dennoch leben muͤſt,
Jn wie viel Wieder-Sinn und Unmuth unſre Seelen
Q 2Die244Bewegung einiger Bequemlichkeiten.
Die gantze Zeit von unſerm Leben,
Fuͤr Mangel, Plag und Pein, unfehlbar wuͤrden ſchweben.
Ach! groſſes All, aus Deſſen weiſem Willen,
Aus Deſſen Lieb und Macht allein
Der Geiſter Krafft, der Coͤrper Weſen quillen;
Durch Welchen wir bloß das ſeyn, was wir ſeyn;
Ach! gieb, daß wir ie mehr und mehr
Zu unſrer Luſt, zu Deiner Ehr,
Die Guͤter, die Du uns in dieſem Leben
So vaͤterlich gegeben,
Und die Du uns ſo reichlich wollen goͤnnen,
Jn froͤhlichem Gebrauch betrachten und erkennen!
Gieb, daß wir uns an dieſen Schaͤtzen,
So lange wir auf dieſer Welt,
Auf eine Art, die Dir gefaͤllt,
Vergnuͤgen und ergetzen;
Jn Hoffnung, daß Du dort mit noch vermehrten Freuden
Die ſeel’gen Seelen wirſt auf Himmels-Auen weiden!
Mond -245Mond-Schein.

Mond-Schein. (*)Noch andere Betrachtungen des Mond-Scheins ſiehe p. 84.

Wann wir, in einer ſtillen Nacht, bey heitrer Luft, von Monden-Schein,
Und deſſen ſanftem Licht befloſſen, beſtrahlet und erleuchtet ſeyn,
Gedenckt man, (ob gleich, leider! ſelten) wol an den Mond, und ſieht ihn an,
Blickt in den reinen Silber-Kreis, und zieht darauf den kur - tzen Blick,
Mit einer kalten Laͤſſigkeit, die bald ſich ſatt geſehn, zuruͤck:
Spricht auch noch wol: wie ſcheint der Mond ſo hell, ſo angenehm, ſo ſchoͤn!
Allein, wie wenig ſind doch derer, die ihres geiſtigen Geſichts
Vernuͤnftgen Blick hinaufwaͤrts ſchicken, und zu dem Ur - ſprung dieſes Lichts,
Zur Sonnen, als dem wahren Licht, die froͤhlichen Gedan - cken lencken!
Die, daß der Mond kein Licht beſitze, und daß, wenn ſie im Mond-Schein gehn,
Sie in dem wahren Sonnen-Schein ſpatziren; faſſen und verſtehn!
Ja wie viel minder ſind noch derer, die, voller Andacht, ferner dencken
Auf Den, wovon die Sonn ihr Licht, ſo wie der Mond von ihr, erlangt;
Der einzig, ewig unerſchaffen, im Licht, das undurchdringlich, prangt;
Und die Jhm ein geruͤhrtes Hertz, fuͤr Sein Geſchoͤpf, zum Opfer ſchencken!
Q 3Troſt246Troſt im Tode.
Troſt im Tode.
Da, was von unſrer Zeit vergangen,
Dahin, was kuͤnftig, noch nicht iſt,
Jndem es noch zu ſeyn nicht angefangen;
Und ſich demnach, wenn man es recht ermiſſt,
Das kuͤnftge ſo mit dem vergangnen bindet,
Daß man die Gegenwart kaum kaum dazwiſchen findet;
So giebt uns dieſes eine Lehre,
Die billig offt zu uͤberlegen waͤre:
Da unſer kurtzes JETZT all Augenblick verſchwin - det,
Und man doch den Verluſt nicht mercket noch empfindet;
So wird auch, wann der Tod uns raubt des Tages Schein,
Des Lebens ſchwindend JETZT uns auch unfuͤhlbar ſeyn.
Nuͤtz -247Nuͤtzl. Betr. einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Nuͤtzliche Betrachtung einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Jch ſahe juͤngſt, nicht ſonder Freude,
Ein zier - und kuͤnſtliches Gebaͤude,
Erhaben in der Lufft an einem Orte ſtehn,
Wo ich vor kurtzer Zeit noch nichts geſehn.
Die Regel-recht verfertigte Figur
War gantz vollkommen rund:
Die Balcken, Waͤnd und alles war nicht nur
Poliret, glatt, voll Glantz und herrlich bunt;
Sie waren, wenn zumahl die Sonne ſie beſtrahlet,
Mit ſolchen Farben uͤbermahlet,
Die mehr als coͤrperlich. Der Jris buntes Kleid
Verlohr bey dieſer Pracht den Preiß. An dieſen Schein
Kann nicht nur kein Opal, mit ſeiner Lieblichkeit
Der ſpielenden gemiſchten Farben, reichen;
Es muß ſo gar ein Demant-Stein
Der Farben feurigem und bunten Wechſel weichen.
Jch ſage nicht zu viel,
Und kann ich dieſe Pracht und dieſes Farben-Spiel
Geliebter Leſer, dir gar deutlich zeigen.
Was aber meineſt du, wer der Bewohner wol
Von dieſem Pallaſt ſey; wem dieſes Lufft-Schloß eigen,
Und wer es wol erbaut? Ein Moͤrder, ein Tyrann,
Ein Raͤuber, welcher nichts als alles wuͤrgen kann,
Was ihm zu nahe kommt; der unverſoͤhnlich iſt,
Und der, Lycaon gleich, die Gaͤſte wuͤrgt und friſſt. Q 4Kurtz:248Nuͤtzliche Betrachtung
Kurtz: Wilt du ihn und ſeinen Pallaſt kennen,
So darfſt du nur den Blick der regen Spinne goͤnnen,
Und ihr Gewebe ſehn. Sprich nicht: ich taͤuſche dich,
Und mach aus Muͤcken Elephanten,
Aus Spinneweben Diamanten.
Nein, hoͤre mich erſt aus: dann tadle mich.
Es zeigt uns die Natur von allen Wundern ſchier
Nichts, das ſo Wunder-reich,
Als dieß verworffne Thier.
Jſt dieſer Kuͤnſtlerin wol ie ein Kuͤnſtler gleich?
Der Faͤden, die ſo duͤnn und zart,
Und doch ſo zaͤh und ſtarck, auf ſo geſchickte Art,
Ohn Hand und Finger, ſpinnen kann?
Wer gab ſich ie zu ihrem Meiſter an?
Wer zeiget ihr der Symmetrie Geſetze,
Nach welchen ſie ihr nuͤtz - und zierlich Netze
Zu ihrer Wohn - und Nahrung webt?
Wie wunderbar iſt, daß ein ſolcher Faden
So ſtarck, daß er ſich laͤſſt mit ihrer Laſt beladen!
Wie wunderbar, daß er an alles klebt,
Was er nur einſt beruͤhrt, und zwar ſo feſt,
Daß er ſich gleich zur Bruͤcke brauchen laͤſſt,
Woruͤber alſobald von einer Seit zur andern
Die Spinnerin vermag zu wandern!
Wer lehrte ſie, wann ſie die Wand
An des Gewebes langen Stuͤtzen,
Die bloß durch ihre Kunſt in ſolcher Ordnung ſitzen,
Jn einer netten Ruͤndung ſpannt;
Daß,249Einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Daß, ehe ſie den Faden feſte macht,
Sie ihn, mit groſſem Vorbedacht,
Mit einem Fuß vorher verlaͤngt,
Damit, wann Wind und Luft die Wohnung draͤngt,
Und etwan gar zu hefftig zoͤge,
Dieſelbe nicht zerreiſſen moͤge.
Wer wieſ ihr, daß, wenn wo von ungefehr
Ein Blaͤttchen, oder ſonſt was, in ihr Netze faͤllt,
Sie ieden Faden, der es haͤlt,
Nicht nur zerbeiſſt, nein, mit dem Fuß,
Daß es hinauswaͤrts fallen muß,
Und es das Netz im Fallen nicht verſehre,
Hinauswaͤrts ſtoͤßt: wie ich, daß ſolches offt geſchehn,
Offt mit verwunderndem Erſtaunen angeſehn,
Und wie es iederman,
Durch Einwurff eines Blats, gar leicht probiren kann.
Von ihrer Schlauigkeit, die Fliegen und die Muͤcken,
Zu ihrer Nahrung zu beruͤcken;
Auch wie ſie die Natur ſchon in der Jugend lehrt,
Daß, weil die kleine Brut in ſolcher Menge,
Wie ſie hervor kommt, ſich an einem Ort nicht nehrt,
Sie Faͤden von gnugſamer Laͤnge,
Daß es ſie tragen kann,
Bey ſtillem Wetter von ſich laſſen;
Die iede dann,
Wohin ein Ungefehr ſie bringet,
Sich durch die Lufft zur neuen Heymat ſchwinget:
Woſelbſt ſie denn ſo gleich ſich haͤußlich niederlaͤſſt;
Auch wie im Fall ſie gleich an ihrem Faden feſt;
Q 5Und250Nuͤtzliche Betrachtung
Und daß recht eigentlich die Spinnen bloß allein
Der Lufft Bewohnerinnen ſeyn;
Von allem dieſen will ich nichts gedencken,
Und mich noch einſt, indem ſie gar zu ſchoͤn,
Ob wir es gleich nicht immer deutlich ſehn,
Zur Schoͤnheit ihrer Wohnung lencken.
Wenn man ihr glatt Geweb in hellen Sonnen-Strahlen
Recht mit Aufmerckſamkeit erwegt,
Und, wie mit buntem Schein ſich alle Faͤden mahlen,
Der ſonderlich, wenn ſich die Lufft ein wenig regt,
Mit kleinen Blitzen ſpielt, und bald in gelben, gruͤnen,
Bald einem rothen Feur, gleich funckelnden Rubinen,
Glaͤntzt, ſchimmert, wallt und glimmt, bewundernd uͤberlegt;
Faͤllt die Betrachtung uns wol nicht mit Unrecht ein:
Wie angenehm muß nicht in dem ſo bunten Schein,
Den Spinnen ihre Wohnung ſeyn!
Wo iſt ein Fuͤrſtlicher Pallaſt,
Der ſolchen Demant-Schein in ſeinen Waͤnden faſſt?
Zumahl wenn man bedenckt, daß in der That,
Stat zweyer, eine Spinn acht Augen hat,
Womit ſie ja, an ihren bunten Schaͤtzen,
Noch drey mahl mehr als wir ſich kann ergetzen.
Ja ſelber in des Mondes Licht
Fehlt ihr dergleichen Glantz und Schimmer nicht,
Und iſt ihr Haus ſodann nicht minder ſchoͤn,
Wie ich ſie einſt des Nachts, durchs Fenſter wircken ſehn.
So hell ſchien ihr Geſpinnſt, ſo ſchimmernd und ſo rein,
Als waͤr ein ieder Draht ein Theil vom Monden-Schein.
Sie251einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Sie weiß in ihrem Schloß von keinem Schatten nicht:
Jhr gantz Gebaͤude ſteht des Nachts im Silber-Licht;
Des Tages kann kein ſchuͤtternder Brillant,
An einer ſtoltzen Hand,
Mit mehr Veraͤnderung von Feur und Farben ſchimmern,
Als wir, in ihren hellen Zimmern,
Ein buntes Feur beſtaͤndig, Wunder-ſchoͤn
Sich aͤndern, blitzen, gluͤhn, vergehn,
Und wiederuͤm entſtehen ſehn.
Mir fiel, bey des Geſpinnſtes Schein,
Jndem ich ſeine Pracht erwegte,
Und auch zugleich dabey ſein Weſen uͤberlegte,
Nachfolgende Betrachtung ein:
Von Eitelkeit und Stoltz kann auf der Erden
Kein beſſer Sinn-Bild ie gefunden werden,
Als wie der bunte Glantz, der Spinneweben ſchmuͤckt.
Die Nichtigkeit, die Daur, und Unbeſtaͤndigkeit,
Wird durch dieß Vorbild recht uatuͤrlich ausgedruͤckt.
Mit Diamanten bruͤſtet ſich
Ein ſtoltzer Narr mit Unrecht nur;
Da ja die ſpielende Natur
Denſelben Schein und Glantz, den eigentlich
Ein koͤſtlicher geſchaͤtzter Demant heget,
Auch Spinneweben eingepraͤget,
Zum Zeichen, daß ſie beide Tand.
So wie die Fliegen nun der bunte Draht verſtrickt,
So wird, durch bunten Glantz von Gold und Diamant,
Die Menſchheit, leider! auch beruͤckt,
Und in das Ungluͤcks-Garn getrieben.
Kaum252Nuͤtzliche Betrachtung
Kaum hatt ich dieß Gedicht geſchrieben,
Da fing ich an, von einem Ort zum andern
Jn der Allee bald auf-bald ab zu wandern.
Der Seiger gieng auf vier; die Sonne ſenckte ſich.
Wie ich nun Weſten-waͤrts an einen Gang gelangte,
Der auch durch Baͤume gieng; entſetzt ich mich
Fuͤr eine bunte Gluht, die in derſelben prangte.
Viel tauſend zarte Regen-Bogen
Sah ich von Baum zu Baum, faſt ohne Zahl, gezogen.
Sie ſchienen aus Chryſtall gedreht, aus Gold geſponnen;
Beweglich waren ſie; ſie wallten auf und ab:
Das denn im hellen Strahl der Sonnen
Ein Wunder-ſchones Schau-Spiel gab.
Ein Schau-Platz aus geſchliffenen Cryſtallen
Kann ſchoͤner nicht in unſer Auge fallen.
Ein dick Gebuͤſch, das gantz zu Ende ſtund,
War ein beſchatteter und dunckler Grund,
Worauf die bunte Pracht noch tauſend mahl ſo ſchoͤn,
So hell, ſo Feuer-reich, ſo voller Glantz zu ſehn.
Es ſtellt ſo bunten Schein, ſo ſchoͤn gefaͤrbte Zier,
Und wie ſo wunderbar, ſo herrlich ſie geſchmuͤcket,
Unmoͤglich ſich ein menſchlich Auge fuͤr,
Das dieſe Pracht nicht ſelbſt erblicket.
Bis es zuletzt mich auf den Schoͤpfer zog,
Und ſo zu dencken mich bewog:
Wie reich an Herrlichkeit, an Schein,
An Glantz, an Schoͤnheit, Pracht und Licht,
Muß der gewaltge Schoͤpfer nicht
Jn Seinen Allmachts-Tieffen ſeyn!
(Man253einer praͤchtigen Nichtigkeit.
(Man ſchau es nicht ohn Andacht an!)
Da er, was Nichts, ſo hoch erheben,
Und auch ſo gar die Spinneweben
So Wunder-wuͤrdig ſchmuͤcken kann.
Allein, da ich mit aufmerckſamen Blicken (Erſtaunt, wie Wunder-ſchoͤn ſich alle Theile ſchmuͤcken,)
Der ſpinnen bunt Geſpinnſt noch eins betracht;
Nehm ich Bewundrungs-voll in Acht,
Daß alle Schoͤnheit anders nichts,
Als eigentlich der Glantz des Sonnen-Lichts,
Von welchem uns nur bloß der Spinnen Werck die Pracht
Die ſonſt nicht ſichtbar, ſichtbar macht:
Auch Spinnenwebe ſcheint geſponnen
Zum Lobe Des, der ſie bereit:
Es zeigt uns ihr Geſpinnſt der Sonnen,
Wie die, des Schoͤpfers, Herrlichkeit.
Die254Die herrliche Schau-Buͤhne.
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Es ſenckte ſich der Erden Theil, worauf Hammonia ge - gruͤndet,
Des Abends von der Sonnen abwaͤrts; wodurch denn, was das Auge ſieht,
Jn noch verſchoͤnertem, vermehrten, und buntern Glantz und Feuer gluͤht;
Jndem man durch verlaͤngte Schatten die Coͤrper doppelt herrlich findet.
Es war, durch erſt gefallnen Regen, Lufft, Erde, Laub und Kraut erfriſcht,
Und, in den noch verhandnen Tropffen, ſah man der Sonnen Gluht gemiſcht.
Daher denn alles glaͤntzt und gluͤhte. Die ſchoͤnſte Schau - Buͤhn auf der Welt
Ward meinen halb entzuͤckten Augen, im hellen Schimmer, vorgeſtellt.
Aufs wenigſt hat kein einzigs mahl
Ein menſchlich Aug ein herrlicher Portal
Von einem Schau-Platz, ie geſehn, und kann auch nimmer - mehr auf Erden
Was groͤſſers und was praͤchtigers, als dieſer Bau, gefun - den werden,
Noch auf der Welt geſehen ſeyn. Denn kurtz: Es war der groſſe Bogen,
Den ſelbſt des Schoͤpfers groſſes Wort gefaͤrbt, am Firma - ment gezogen:
Er ſtrahlt in voller Pracht und Gluht, es ſchien von allen Edelſteinen
Der Farben Pracht und Schoͤnheit ſich in dieſem Kreiſe zu vereinen.
Un -255Die herrliche Schau-Buͤhne.
Unglaublich war der bunte Schimmer, unglaublich der ge - faͤrbte Glantz.
Man ſah ihn, wie man ſelten ſiehet, in ſeiner halben Ruͤn - dung, gantz.
Durch dieſes praͤchtige Portal nun war nicht minder Wunder-ſchoͤn
Jn der beſtrahlt-und feuchten Landſchaft, ein heller Schau - platz anzuſehn.
Das niedre Licht, die langen Schatten, vereinten ſich, zu beider Pracht,
Jn ſolchem angenehmen Glantz, in ſolcher ſanften Har - monie,
Daß, wo nicht ſelbſt vom Paradieſe das Urbild, minſtens die Copie
Sich dem Geſicht zu zeigen ſchien. Der Himmel und die Erde lacht
Jn ihrem Schmuck uns gleichſam an. Ein Aug und Hertz erquickend Grun
Das, durch der Sonnen Strahlen, gelblich, ja gleichſam uͤberguͤldet ſchien,
War, da es recht als wie ein Licht, durchs Aug uns in die Seele fiel,
Nicht nur den faſt entzuͤckten Blicken; der Seelen ein ſo lieb - lichs Ziel,
Daß ſich ihr gantzes Weſen faſt, durch ein ununterbrochnes dencken,
Jn einer reinen Luſt verlohr. Sie wuͤnſchte, gantz von Sehn-Sucht heiß,
Jn aller Schoͤnheit Quell und Urſprung, im Danck ſich herr - lich zu verſencken.
Lob, Ehr-Furcht, Andacht, Lieb und Danck, und Ehr und Macht, und Ruhm und Preis,
Sey256Die herrliche Schau-Buͤhne.
Sey Dir allein, o groſſer Schoͤpfer! rieff ich, mit Thraͤnen in den Augen,
Worin ein Freuden-Feuer brannt. Ach moͤgte mein ge - ruͤhrter Sinn,
Ob dem, was mir ſo wol gefaͤllt, Dir, HERR, durch Den ich, was ich bin,
Und was ich ſehe, bin und ſeh, aus Lieb auch zu gefallen taugen!
Ach moͤgt ich Dich in Deinen Wercken doch ſtets, Dir wol - gefaͤllig, loben!
Der angenehm bebuͤſchten Wieſen hell-gruͤn-beſtrahlte Herrlichkeit
Ward durch die an dem Horizont noch uͤberbliebne Dun - ckelheit
Von einer halben Regen-Wolcke, die ſuͤdlich noch im Oſten ſtund,
Und einen Strich daſelbſt noch ſchwaͤrtzte, recht als durch einen duncklen Grund,
Noch ſo viel ſchoͤner vorgeſtellt, noch deſto kraͤfftiger erhoben.
Man ſah zugleich die helle Fluth der klaren Alſter, zwiſchen Huͤgeln,
Ju einem faſt Saphirnen Glantz, vom Himmel ſo gefaͤrbet, flieſſen,
Und oͤffters ſanft auf fette Wieſen, und Gras und Bluhmen ſich ergieſſen.
Da Binſen, Rohr und Kraut, und Bluhmen ſich denn in ihr ſo hell beſpiegeln,
So lieblich, angenehm und bunt, ſo deutlich, rein und klar, ſo ſchoͤn,
Daß von der wahr-und falſchen Bildung kaum kaum der Unterſchied zu ſehn.
Des257Die herrliche Schau-Buͤhne.
Des klaren Waſſers Himmel-Blau, des Feldes uͤberir - diſch Gruͤn,
Betrachtet ich mit frohem Wechſel. Doch muſte ſich an neuer Freude
Mein Blick auf ein im gruͤnen Buſch belegnes praͤchtiges Gebaͤude,
Durch die beſtrahlten Fenſter-Scheiben, die, gleich dem flam - menden Rubin,
Die Gluth der Sonnen ruͤckwaͤrts trteben, und ihren Blitz gezwungen, ziehn,
Jndem er gar zu feurig flammte. Der rothe Glantz, der mit den Buͤſchen,
Die er bald hier, bald dort, durchſtrahlte, ſich gleichſam ſuchte zu vermiſchen,
Und offt ein feuriges Gebuͤſch aus ihnen zu formiren ſchien,
Worin ſich Pracht und Anmuth miſchte, durchſtrahlte mein erſtaunt Geſicht,
Und fuͤhrte meinen frohen Geiſt erſt auf das helle Sonnen - Licht,
Und von der Sonnen auf den Schoͤpfer, verſenckt in Deſſen Gottheit Glantz,
Draus Millionen Sonnen quillen, von Luſt und Andacht heiß, mich gantz:
Und fing, nachdem ich Lufft und Landſchaft, wie ſie ſo ſchoͤn, ſo Wunder-ſchoͤn,
Mit abermahl erſtaunten Blicken, noch einmahl fleißig an - geſehn,
So viel ich mich erinnern kann,
Dem Schoͤpfer dieſes Lob-Lied an:
Haͤtt ich himmliſche Gedancken,
Stat der Menſchen -, Engel-Zungen,
RWuͤr -258Die herrliche Schau-Buͤhne.
Wuͤrde dieſer irdſche Schein
Doch kaum wuͤrdig gnug beſungen,
Herrlich gnug beſchrieben ſeyn.
HERR, was muͤſſen, in den Gruͤnden
Deiner Gottheit, Deiner Macht, (Gegen die, was hier zu finden,
Schatten, Finſterniß und Nacht,)
Doch vor Uberſchwenglichkeiten
Seeliger Vollkommenheiten,
Majeſtaͤt, Pracht, Glantz und Licht,
Die der Seeligen Geſicht,
Mit verhimmelndem Ergetzen,
Ewig in Vergnuͤgen ſetzen,
Sonder Zahlen, Maſſ und Greutzen,
Wunder-Wunder - wuͤrdig glaͤntzen!
HERR, ich habe das Vertrauen,
Deiner Gottheit Licht und Strahl,
Wie Du Deinen Thron geſchmuͤckt,
Durch ein mehr als tauſend mahl
Schoͤn-und herrlicher Portal,
Als das, ſo ich hier erblickt,
Ewig ſeelig und entzuͤckt,
Dir zu Ehren, anzuſchauen.
Jrr -259Jrrthum der Eigen-Liebe.
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Ach; wenn du, lieber Menſch, einſt in dich gehen,
Und recht mit Ernſt die eigenen Jdeen,
Die von der Gottheit du dir machſt, betrachten wollteſt;
Wir wuͤrden, wenn du ſie uns recht erklaͤren ſollteſt,
Vermuthlich anders nichts in ihnen ſehen,
Als ein Ehr-wuͤrdig Bild von einem alten Mann,
Der groß und maͤchtig iſt, in und nach dieſem Leben,
Gluͤck und den Himmel dir zu geben;
Und der dich auch verdammen kann.
Viel weiter geht man nicht. Hieraus nun folget klar:
Wenn nichts alhier von GOTT fuͤr dich
Zu hoffen und zu fuͤrchten waͤre,
Erzeigteſt du wol ſicherlich
Der wahren Gottheit wenig Ehre.
Jſt alſo das, was dich zum GOTTES-Dienſte triebe,
Wenn man es unterſucht, nur Eigen-Liebe.
Wir bitten meiſt, daß GOTT, in dieſer Zeit,
Uns Brodt und gute Tage gebe,
Und daß man dort in Ewigkeit,
Frey von der Hoͤllen, ſeelig lebe.
Einfolglich iſt es leider mehr als wahr,
Daß Eigen-Nutz und Eigen-Lieb allein
Die Stuͤtzen deiner Andacht ſeyn.
Waruͤm betrachteſt du das, was durch GOtt geſchicht,
Jn ſeinen Wundern nicht? R 2War -260Jrrthum der Eigen-Liebe.
Waruͤm willt du in Seinen Wercken
Nicht Seine Liebe, Macht und Weisheit mercken?
Und waruͤm beteſt du Den, welcher alles kann,
Den, welcher alles wirckt, Den, welcher alles liebet,
Den, welcher allen alles giebet,
Jn heiliger Bewunderung nicht an?
Erinnre dich, wie ſchoͤn,
Vom Mißbrauch GOTT zu lieben,
Wie wir ſchon einſt gezeigt, ſo gar ein Tuͤrck geſchrieben: Jch ſahe, ſchreibet er, juͤngſt auf der Gaſſen wandern
Ein groſſes Frauen-Menſch, die in der rechten Hand
Ein brennend Feuer trug, und Waſſer in der andern.
Gefragt: Zu welchem Zweck? Sprach ſie: der Hoͤllen Brand
Loͤſch ich mit dieſer Fluth:
Und mit des Feuers Gluht
Will ich das Paradis verbrennen und verheeren,
Daß keiner GOTT aus Furcht, noch uͤm Belohnung eh - ren;
Nein, bloß uͤm Seiner ſelbſt allein
Jhn lieben mag, und Jhm ergeben ſeyn.
Du ſprichſt vielleicht, daß ich mit Unrecht hier
Der Eigen-Liebe Trieb verdamme;
Da, aus der nuͤtzlichen Begier,
Uns zu erhalten, dir und mir
Doch ſo viel nuͤtzliches und gutes ſtamme;
Ja261Jrrthum der Eigen-Liebe.
Ja daß dieſelbige nicht nur
Uns von der guͤtigen Natur
Jn unſer Blut uud Hertz geſencket;
Nein, daß ſo gar, wenn man es recht bedencket,
Des Schoͤpfers Ehre ſelbſt mit ihr vereint:
Da man von Jhm nichts Gutes wuͤnſchen kann,
Ohn daß man nicht von Jhm zu gleicher Zeit auch meint,
Er habe Macht und Weisheit, iederman
Zu helffen, wenn es Jhm gefaͤllt.
Du faͤhrſt vielleicht noch fort, und ſprichſt, daß in der Ehre,
Die ich dem Schoͤpfer dieſer Welt,
Jn den Betrachtungen von Seinen Wundern, weih,
Nicht minder Eigen-Liebe ſey.
Du zweifelſt noch wol gar, obs eine Ehre waͤre,
Des Schoͤpfers Wercke zu betrachten:
So dien ich dir hierauf, und bitte, drauf zu achten.
Jch tadele den Trieb der Eigen-Liebe nicht,
Und ich verſencke mich ins Boden-loſe Meer
Der Myſtiſchen Vernunft ſo blind nicht, wie du meineſt.
Jch glaube nicht, wie du von mir zu glauben ſcheineſt,
Als ob es nicht erlaubet waͤr,
An das uns ſelbſt von GOTT geſchenckte Weſen
Nur im geringſten zu gedencken.
Ach nein! es kann gar wol zuſammen ſtehn,
Des Schoͤpfers Creatur bewundernd anzuſehn,
Und auch zugleich fuͤr uns die Gottheit anzuflehn,
Und alle Hoffnung bloß auf Jhn allein zu lencken,
Als worin Er zugleich mit wird verehrt.
R 3Al -262Jrrthum der Eigen-Liebe.
Allein, der Seelen Krafft ſo gar auf uns zu lencken,
Daß wir des Schoͤpfers nicht, als uns zum Nutz, gedencken,
Zeigt wenig Menſchlichkeit, und heiſſt fuͤrwahr geheuchelt.
Ein Hund der hungrig iſt, und ſeinem Herren ſchmeichelt,
Verrehret ihn ja nicht: er ſucht fuͤr ſeinen Magen
Nur bloß die Koſt durch ſchmeicheln zu erjagen.
Um weiter nun zu gehn, ſo meineſt du,
Daß in Bewunderung der ſchoͤnen Creaturen
Auch klare Spuren
Der Eigen-Liebe ſtecken:
So geb ich dieſes dir, ja noch ein mehres, zu.
Daß nemlich eigentlich die Triebe
Von einer wahren GOTTES-Liebe
Sich ſelber im Geſchoͤpf entdecken.
Da GOTT der Menſchen Luſt mit Seiner Ehr verbindet,
Und Seinen Ruhm, (o Lieb!) in unſrer Freude findet.
Dein letzter Zweifel iſt: ob es der Schoͤpfer achte,
Wenn man die Herrlichkeit in Seinem Werck betrachte.
Allein ſelbſt GOTTES Wort zeigt dieſes deutlich an,
So daß kein Menſch mit Recht hieran mehr zweifeln kann;
Er woll uns denn die Biebel, und den Glauben,
Die Menſchheit uns, und GOtt, den Vater-Nahmen, rauben.
Laſſt uns denn GOTTES Werck mit Freuden ſehn
Laſſt uns derſelben HErrn, als Schoͤpfer, doch erhoͤhn!
So werden wir darin, ie mehr wir ſie ergruͤnden,
Des Segens, Gluͤcks, und der Vergnuͤgung Frucht,
Die ſonſt die Eigen-Lieb uͤmſonſt geſucht,
Jn GOttes Lieb, aus Gnad, hier und dort ewig finden.
Der263Der Lammes-Kopf.
Der Lammes-Kopf.
Man hatte juͤngſt, zum Mittags-Mahl, mir einen Lam̃s - Kopf aufgetiſchet: Wie ich nun die zerlegte Knochen von ungefehr recht ange - ſehn,
Befand ich ſie gantz ſonderbar, ja wunderns-wehrt gebildet ſtehn,
Und ward zu fernerer Betrachtung dadurch, wie billig, an - gefriſchet.
Jch ward Bewundrungs-voll gewahr, daß gantz ver - ſchiedne Sorten Knochen
Den nett formirten Kopf formiren; da mancher hart, als wie ein Stein;
Ein ander weich; der knorpelhaft; der voller Loͤcher, und durchbrochen;
Der recht wie Schiefer; dieſer rund; da viele lang und ſpitzig ſeyn;
Verſchiedne ſchienen eingedruͤckt; mit Strichen ſind viel uͤberzogen;
Der iſt gerade wie ein Stock; der, wie ein Hake, krumm gebogen;
Jn dieſem ſind gewoͤlbte Hoͤlen, der Augen Schirm-Dach; wann ſich dort
Beſondre Oeffnungen der Ohren, und noch an einem andern Ort
Von noch gantz unterſchiedner Gattung, am fordern Kno - chen, recht als Thuͤren,
Zu des Geruchs Canal und Gang, noch andere ſich ſchmahl formiren,
Die forn beweg-und weichlich werden. Verſchiedene ſind nett durchbohrt,
R 4Daß264Der Lammes-Kopf.
Daß zarte Nerven durch ſie gehen; es endigen ſich viel in Sehnen.
Die Kiefern ſieht man eingetheilt in viele Faͤcherchen mit Zaͤhnen.
Noch wird ein wirckliches Gewoͤlbe von groͤſſern Umfang, von der Stirn,
Bis hinten durch den gantzen Kopf, als ein Behaͤlter zum Gehirn,
Jm harten Knochen angetroffen. Jch ſtutzt, als ich dieß alles ſah,
Und dachte mit geruͤhrter Seele: Wie ward dieß alles? welche Hand
Hat dieſes kuͤnſtliche Gebaͤude formirt, errichtet, ausge - ſpannt?
Nach welcher Richtſchnur legt ſies an?
Was fuͤr ein Werck-Zeug brauchte ſie,
Es auszuhoͤlen, es zu bilden? woher nahm ſie die Symmetrie,
Daß alles ſo gar Negel-recht, daß alles gleich auf beiden Seiten?
Woher ein ſo geſchaͤrfft Geſicht? da ſo viel kleine Kleinigkeiten
Mit Fleiß allhier zu bilden waren: Jch find hier weder Hand noch Augen,
Die ſolch ein uͤberkuͤnſtlich Werck zu ſehn und zu formiren taugen:
Jch finde nicht einmahl ein Licht, wobey ſolch Kunſt-reich Werck gemacht,
Jndem es, wie bekannt, im dunckeln gewirckt wird und her - vor gebracht.
Hier ſtehet all mein dencken ſtill. Jch ſeh allhier gantz andre Kraͤffte,
Als alle Kraͤffte, die die Menſchheit, trotz ihrem Duͤnckel, ie beſaß;
Ob ſie bisher gleich mehrentheils, nach ihrem Maß-Stab, alles maß.
Es265Der Lammes-Kopf.
Es muͤſſen eigne Kraͤffte ſeyn, die zu ſo kuͤnſtlichem Geſchaͤffte,
Mehr Faͤhigkeit, mehr Wiſſenſchaft, mehr Kunſt, Geſchick - lichkeit und Gaben
Vom groſſen Schoͤpfer aller Dinge vermuthlich uͤberkom - men haben.
Denn daß man ſpricht: es iſt gewachſen; und anders nichts; dieß kommet mir
Faſt eben vor, als wenn man ſpricht: es koͤmmt von unge - fehr herfuͤr.
Jch kann, wenn ich es recht erwege, vom Woͤrtchen Wach - ſen nichts begreiffen,
Als daß von einem Coͤrper ſich deſſelben Theile mehren, haͤuffen,
Sich dehnen, fuͤllen, groͤſſer werden, ſich in die Breit und Laͤnge ſtrecken.
Dieß heiſſet wachſen eigentlich. Allein wer erſt die Theile fuͤgt,
Die Urſtands-Theil, indem ein iedes ſolch eine Krafft zu wircken kriegt,
Die alles ſo, nicht anders wirckt; dieß kann mir wachſen nicht entdecken.
Du ſprichſt: im Samen ſteckt dieß alles. Gar wol! allein, was iſt der Same?
Ein Wort, das mich nicht kluͤger macht, ein unverſtaͤndlich leerer Nahme.
Sie treffen beid an Dunckelheit, wie mich beduͤnckt, wol uͤberein.
So weit wir unſer dencken ſchaͤrffen, ſo tieff auch unſre Sin - nen gehn,
So koͤnnen wir vom wahren Urſprung des Samen-Weſens nichts verſtehn.
Wie aber wir, ohn Witz, nichts kuͤnſtlichs von Menſchen ie formirt geſehn;
R 5So266Der Lammes-Kopf.
So ſcheint es billig, auch zu glauben, daß das, ſo die Natur formirt,
So kuͤnſtlich webt, ſo fleißig fuͤget, ſo nett verſchraͤnckt, ſo herrlich ziert,
Nicht ſonder Witz, Verſtand und dencken, ohn Arbeit, Fleiß und uberlegen,
Nur bloß von ungefehr geſchehe. Ach nein! Die Vollen - kommenheit
Der Coͤrper die der Menſchen Arbeit, an Ordnung, Maſſe, Zierlichkeit
Und Kunſt, bey weitem uͤberſteigt, erweiſet, wenn wirs wol erwegen,
Daß es nicht ungereimt zu dencken: Der Schoͤpfer hab aus vielen Geiſtern,
Die er in ſolcher Meng erſchaffen, verſchiedene zu Bildungs - Meiſtern
Allein erſchaffen und geordnet; als daß man wollt ein Un - gefehr,
Das blind im Samen wircket, glauben, und nicht was wei - ſers zugeſtehn.
Mir kommt es wenigſtens ſo vor, es ſtimme mit des Schoͤpfers Ehre
Am allerbeſten uͤberein, wenn alles, was wir kuͤnſtlichs ſehn,
Auch durch vernuͤnftige Geſchoͤpfe vernuͤnftig zugerichtet waͤre.
Denn ſollt ein ſchoͤnes Marmor-Bild, das lange doch ſo kuͤnſtlich nicht,
Wol von ſich ſelbſt entſtehen koͤnnen, wofern es nicht durch Menſchen-Hand
Und, uͤm noch deutlicher zu reden, durch Menſchen Kunſt und durch Verſtand
Nach Maſſ und Schnur gehauen waͤre, und nach der Regel zugericht?
Jch267Der Lammes-Kopf.
Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht nicht zweifeln ſollen;
So ſcheint es doch aus der Natur, GOtt habe ſo nicht wollen wollen.
Will einer noch hingegen ſagen, daß es der Finger GOTTES ſey,
Der alles das unmittelbar verrichte; ſo geſteh ich frey,
Es ſcheine mir die erſte Meinung von GOTTES Weisheit, Groͤſſ und Macht,
Geſchickter, wuͤrdiger, erhabner, und GOTT anſtaͤndiger gedacht.
Denn, auſſer, daß ich in den Worten, und in der wircklichen Jdee
Vom Finger GOttes, was verbluͤhmtes, und nicht was ei - gentlichs verſtehe:
So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die - ner machen laſſen,
Sey einer Gottheit wuͤrdiger, als Selbſt damit ſich zu be - faſſen.
Vermindert es ja doch die Ehre des Schoͤpfers im ge - ringſten nicht,
Wenn ſo viel kuͤnſtliches auf Erden durch Menſchen-Witz und Hand geſchicht;
Sonſt koͤñte ja der Schoͤpfer auch, als Dem es nicht an Macht gebricht,
Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Gebaͤude, Gaͤrten, Kleider, Tuͤcher,
Auch Glaͤſer, Haus-Geraͤthe, Schraͤncke, Gemaͤhlde, Fenſter - Scheiben, Buͤcher,
Ohn unſern Beytritt, wachſen laſſen. Wir ſehen aber auf der Welt,
Daß es Jhm, unſer ſich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß - faͤllt.
Und268Der Lammes-Kopf.
Und wie ſo ſehr wuͤrd einer nicht in ſeiner Meinung ſich vergehn,
Der, weil er etwan ſolche Dinge von Menſchen niemahls machen ſehn,
Daß ſie gewachſen waͤren, glaubte? daruͤm iſt dieſes auch vielleicht
Noch lange nicht ſo ungereimt, als wie es etwa manchem deucht.
Jedoch, da unſer Wiſſen hier nur Stuͤck-Werck; ſoll auch meine Lehre
Dem, der mir beſſre Gruͤnde bringt, nicht widerſinnig wie - derſtehn.
Laß dir zugleich, geliebter Leſer, was wir von ſolchen Gei - ſtern meinen,
Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefaͤhrlich ſcheinen.
Vielleicht ſind wir nicht unterſchieden, vielleicht iſt es faſt einerley,
Ob, was ich Geiſter nenne, kraͤfftig; ob, was du Krafft heiſt, geiſtig ſey.
Denn wir begreiffen ja ſo wenig, was eigentlich dergleichen Krafft,
Als was von Geiſtern, welche bilden, recht eigentlich die Ei - genſchaft.
Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit uns entfernen,
Und GOttes kuͤnſtliche Geſchoͤpfe mehr achten und bewun - dern lernen.
Dieß iſt mein Endzweck hier geweſen, erbaue dich nebſt mir daran,
Daß uns zur Demuth und zur Andacht ſo gar ein Lamms - Kopf leiten kann.
Einige269Einige aus dem Engl. genom̃ene Gedancken.

Einige aus dem Engliſchen genommene Gedancken.

Der erſte Prediger, der zu des Schoͤpfers Ehren,
Und zur Verherrlichung von Seiner Majeſtaͤt,
Die alles alles uͤbergeht,
Sich laͤſſet hoͤren,
Jſt das erhabne Firmament:
Wo, neben Sonn und Mond, ein ungezehltes Heer
Von Sternen funckelt, blitzt und brennt.
Es kann dieß groſſe Buch allein
Mit Lettern, ſo von Licht geſchrieben,
Die Menſchen, wenn ſie GOTT nicht ehren, fuͤrchten, lieben,
Zu uͤberfuͤhren gnugſam ſeyn,
Wie ſehr ſie ſich vergehn.
Doch iſt des Schoͤpfers Weisheits-Licht
Nicht minder in den kleinſten Wercken,
Die durch Sein groſſes Wort entſtehn,
Mit tieffer Ehr-Furcht anzuſehn,
Und mit Erſtauen zu bemercken.
Jn dieſen hat Er gleichſam ſich,
Wenn man ſo ſagen darf, zu uns herab gelaſſen,
Und ſcheinet es, ob lad Er eigentlich,
Jhn naͤher anzuſehn, und von Jhm was zu faſſen,
Uns ſelbſt in ihnen ein.
Die Pflantzen koͤnnen uns hievon belehren.
Und unverwerffliche gewiſſe Zeugen ſeyn.
Auch270Einige aus dem Engliſchen
Auch die veraͤchtlichſte von ihnen machet ſich
Der allerweiſeſten und groͤſſten Geiſter,
Durch ihre kuͤnſtliche Zuſammenfuͤgung, Meiſter:
Ob ſie von ihnen gleich nur das, was coͤrperlich,
Und was das groͤbſte nur, zu ſehen taugen.
Da ja dasjenige, durch welches ſie ſich nehren,
Wodurch ſie leben, ſich vermehren,
Sowol den geiſtigen als coͤrperlichen Augen
Unſichtbar, unbekannt. Kein Blat iſt uͤbergangen;
Ein iegliches hat Ordnung, Symmetrie,
Jn einem reichen Maß empfangen.
Es iſt erſtaunens wehrt, auf welche Weiſe ſie
Sich von einander unterſcheiden,
An Balſam, an Figur,
An Kraͤfften, an Natur,
An Farben und an Schmuck, in welchen ſie ſich kleiden.
Was haben wir von dem, was in dem Samen ſtecket,
Durch Microſcopia nicht allererſt entdecket!
Allein, was hat nicht GOTT fuͤr mannichfache Krafft,
Fuͤr Wirckungen und Eigenſchaft,
Bloß durch ein Wort in ſie geſencket!
Wodurch er gleichſam denn das Pflantzen-Reich
Mit einer Art Unſterblichkeit beſchencket.
Jſt etwas, wofuͤr GOtt mehr Ehr und Danck gebuͤhret,
Und welches auch zugleich
Bewunderns-wuͤrdiger, als wie der Farben Schein,
Der allen Pflantzen allgemein,
Und welcher Feld-und Waͤlder zieret?
Haͤtt271genommene Gedancken.
Haͤtt er auf dieſer Welt
Wald, Huͤgel, Thaͤler, Berg und Feld
Weiß oder roth gefaͤrbt; wer haͤtt ihr brennen
Und ihrer Farben Haͤrt ertragen koͤnnen?
Haͤtt er dieſelben nun mit einer Dunckelheit
Von Farben angethan; wer koͤnnt Ergetzlichkeit
Jn ſolchem traurigen und wuͤſten Anblick haben?
Wer koͤnnte ſich an ſolcher Schwaͤrtze laben?
Ein lieblich holdes Gruͤn hat zwiſchen beiden
Mit Recht den Mittel-Nang.
Und mit der Augen Bau und zarten Sehnen
Solch einen richtigen Zuſammenhang,
Daß es, an ſtat ſie auszudehnen,
Sie nachlaͤſſt, ſtaͤrckt, erquickt, ja unterhaͤlt und nehret,
Und ſie an Kraͤffter nicht erſchoͤpft, noch ſonſt beſchweret:
Ja das, was Anfangs bloß nur gruͤn,
Und eine Farbe ſchien,
Hat ſolch unzehliche Veraͤnderung, daß man
Sie nie genug bewundern kann.
An allen Orten iſt es gruͤn: Allein
Jſt es an einem wol daſſelbe? Nein!
Kein einzige von allen faͤrbet ſich
Wie ſich die andre faͤrbt: und dieſer Unterſcheid,
Der ſo verwunderlich,
Daß keine Menſchen-Kunſt noch Fleiß
Die Mannichfaltigkeit
Begreiffen, weniger ſie nachzuahmen weiß,
Wird noch in iedem Kraut,
Auf mehr als eine Art, geſchaut:
Jn -272Einige aus dem Engliſchen
Jndem ſowol, wann ſie zuerſt entſtehn,
Als auch wann ſie hernach im Wachsthum weiter gehn;
Nicht minder wann ſie reiff, an ihnen
Ein unterſchiedne Art vom gruͤnen,
Die alle ſchoͤn und lieblich ſind, zu ſehn.
Man kan dieſelbe Meng und Unterſcheid entdecken
Jn der Figur der Pflantzen, auch im ſchmecken,
Und im Geruch derſelben, eben auch
Jn ihrer Nahrungs-Krafft, nicht minder im Gebrauch
Zur edlen Artzeney.
Von den unzehligen will ich nur einerley
Zu mein-und deiner Lehr erwegen:
Wenn GOTT der Schoͤpfer nicht dem Heu,
So gar dem trockenen, auch wenn es alt, den Segen
Und eine Nahrungs-Krafft, fuͤr Ochſen, Pferd und Kuͤh,
Und ander groſſes Vieh
So reichlich beygelegt; wie fuͤnd ein Ackers-Mann,
Ja ſelbſt der reichſte Menſch, ein Futter doch fuͤr ſie?
Da ſie ſo groß, und da ſie, bloß allein
Durch ihre Staͤrck, uns nuͤtzlich ſeyn.
Wenn man im Gegentheil von einem Menſchen wollte,
Daß er auf gleiche Weiſ, als ſie, ſich nehren ſollte;
Wie? oder wenn man ihm (da ihm das Heu zu kaͤuen,
Noch ſolches zu verdaͤuen
Nicht moͤglich) aus dem Heu und Stroh die Krafft
Jn etwan einem Safft
Heraus zu ziehn, und ihm zu geben
Bemuͤhet waͤre; ſprecht, ſollt dieſes ihm ſein Leben
Wol zu erhalten faͤhig ſeyn?
Dieß273genommene Gedancken.
Dieß truckne Gras dient anderm Vieh dennoch,
Die Euter, die von Milch ſo uͤberfluͤſſig quillen,
Des Tages zweymahl anzufuͤllen:
Womit ſich doch
Und zwar ſtat andrer Speiſ allein,
Viel tauſend Menſchen-Kinder nehren.
Betrachtete man doch, dem weiſen GOTT zu Ehren,
Dieß Wunder, welches man ſonſt leider nicht betrachtet,
Und, durch Gewohnheit, kaum des denckens wuͤrdig achtet;
Man wuͤrd, o groſſer GOTT, dich weiſ und groß zu nennen,
Sich nicht erſaͤttigen, ſich nicht ermuͤden koͤnnen.
Bluhmen.
Hierauf begeb ich mich in meinem Sinn
Nach einem Bluhmen-reichen Garten,
Und bluͤhendem Gefild, im dencken, hin.
O welch ein Schmeltz! wie viele Arten
Von ſchoͤnen Farben! welche Menge!
Und auch zugleich, o welche Symmetrie!
Wie ſtimmt dieß glaͤntzende Gepraͤnge,
Jn einer ſuͤſſen Harmonie,
Und, in dem bunten Wunder-Schein,
Die holde Miſchung doch ſo lieblich uͤberein!
Welch eine Schilderey! wer hat die Pracht
So unbegreifflich ſchoͤn gemacht?
Mit welchem Uberfluß ſind hier die Zierlichkeiten
SVer -274Einige aus dem Engliſchen
Verſchwendet! ach woher? aus welcher Schoͤnheits-Quelle
Sind ſolche reitzende Beſchaffenheiten,
Die wir aus einer ieden Stelle
Jn ſolcher Fuͤlle ſehn, entſprungen, herzuleiten?
Was iſt doch an ihm ſelbſt der Urſprung ſolches Lichts,
Der Freud, Ergetzlichkeit, und Nahrung des Geſichts? Allein,
Wir wollen von dem Glantz und Schmuck, der allgemein,
Nun etwas weiter gehen,
Und nur, von einigen inſonderheit,
Die Zierde, Pracht, und Bildung ſehen.
Laſſt uns diejenigen, ohn auf die Wahl zu achten,
So ungefehr zuerſt uns aufſtoͤſſt, erſt betrachten!
Sie bricht nur eben auf, und hat noch allen Glantz
Der friſchen Lieblichkeit.
Trifft man bey Menſchen wol ſo helle Farben an?
Und die, zu gleicher Zeit,
So ſanft, ſo angenehm? Jſt eine Kunſt zu finden,
Wodurch in einem Zeug man Faͤden mancher Art
So gar erſtaunlich duͤnn und zart
Zuſammen weben und verbinden,
So uͤberkuͤnſtlich fuͤgen kann.
Man bringe hier,
Bey dieſer bunten Blaͤtter Zier,
Selbſt Salomonis Kleid,
Den Purpur ſeiner Herrlichkeit:
Wie grob, wie ungleich, rauch! ja recht wie haarne Decken,
Wie ſchlecht gefaͤrbt, wie voller Flecken
Jſt dieſes, bey der Bluhmen Pracht,
Gewebt, gefaͤrbet und gemacht!
Wenn275genommene Gedancken.
Wenn aber auch die Bluhme nicht ſo ſchoͤn
Jn allen ihren Theilen waͤre;
Kann man was zierlichers, als wie ihr Gantzes, ſehn
Jn ihrer Symmetrie? ſeht den Zuſammenhang,
Wie Regel-recht der Blaͤtter Nang!
Wie richtig, ordentlich iſt im Zuſammenhalt
Der gantzen Bluhmen Form und zierliche Geſtalt:
Man ſollte, wenn man recht, mit achtſamen Gemuͤth
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht, ja faſt Gefaͤlligkeit, (Wenn ich ſo ſagen darf) in der Vollkommenheit
Von einer Bluhme ſieht,
Faſt glauben, daß derſelbe Schein
Beſtaͤndig werd und muͤſſe prangen.
Allein,
So iſt ſie allbereit,
Vom Morgen bis zur Nacht, verwelckt, und ſchon vergangen.
Was ſollen wir denn nicht gedencken
Vom unermeßlichen und tieffen Ocean
Der Vollenkommenheit, aus welchem auf ein Kraut
Sich ſolche Zier und Pracht, in ſolcher Fuͤlle ſencken,
Die man doch ſo vergaͤnglich ſchaut.
Wie wird ein ſolcher GOTT nicht Geiſter ſchmuͤcken koͤnnen,
Und ſie beſeeligen! Er, der mit ſolchem Schein
Der Thiere Futter ſchmuͤckt! kann man ſo blind denn ſeyn,
Nach Schoͤnheit, Jugend, Ehr, mit ſolchem Ernſt zu rennen,
Und ſelbe wahre Guͤter nennen?
Da ſelbe doch, den Bluhmen gleich, verſchwinden,
Und oͤffters morgen ſchon nicht mehr zu finden.
S 2Fruͤch -276Einige aus dem Engliſchen
Fruͤchte.
Bishero haben wir die Erde bloß allein
Als eine Wieſ und Bluhmen-Garten,
Mit vieler Anmuth, angeſehn.
Runmehro zeigt ſie ſich nicht minder ſchoͤn,
Als einen Hof voll Baͤum und Fruͤchte mancher Arten,
Die nicht ſo gleich (o neues Wunder-Werck,
So wuͤrdig, daß ich es mit Ehr-Furcht merck!)
Nein, allgemach und Wechſels-weiſ entſtehn.
Jch ſehe ſolchen Baum, von welchem ieder Aſt
Gebogen und gekruͤmmt, durch ſeiner Fruͤchte Laſt.
Und deren liebliches Gepraͤnge,
Mit frohen Blicken, durch Geruch und Farb, entdecken,
Wie niedlich ſaͤurlich ſuͤß die Fruͤchte, deren Menge
Nicht zehlbar, werden ſchmecken.
Mich deucht, es ſprech durch ſeiner Fruͤchte Zier
Ein ſolcher Baum zu mir:
Erkenne doch in meiner Pracht,
Wie groß die Guͤte, Macht und Majeſtaͤt
Desjenigen, der mich fuͤr dich gemacht.
Jch bin ja nicht fuͤr Jhn ſo reich, auch nicht fuͤr mich,
Jhm fehlet nichts, und ich
Kann das, was Er mir gab, nicht brauchen.
Laß Jhm zu Ehren denn dein Andachts-Opfer rauchen.
Und pfluͤcke meine Laſt: danck Jhm mit froher Bruſt,
Und, weil Er mich gemacht zum Werck-Zeug deiner Luſt;
So werde du fuͤr mich, zu dieſer frohen Zeit,
Ein Werck-Zeug meiner Danckbarkeit.
Es277genommene Gedancken.
Es kommt mir vor,
Ob hoͤre mein vergnuͤgtes Ohr,
So gar von einem ieden Orte,
Dergleichen Lehr-und Anmuth-reiche Worte.
Je weiter ich nun ferner gehe,
Je mehr entdeck ich, hoͤre, ſehe,
Und treff ich neue Vorwuͤrff an,
Die mich mit neuer Freude ruͤhren,
Die mich im Danck zum Schoͤpfer fuͤhren,
Und die ich nie genug bewundern kann.
Bey einem ieden Schritt werd ich aufs neue
Veraͤndrungen gewahr, woruͤber ich mich freue.
Hier ſeh ich, wie die Frucht in einer Rinde ſteckt:
Da haͤlt ein ſchoͤnes Fleiſch den Kern verdeckt:
Die dort, iſt in und auſſen weich:
Die Frucht iſt, vielen andern gleich,
Aus einer Bluhm entſproſſen: Jene hier
Kam, ſonder Bluhm und Bluͤht, aus hartem Holtz herfuͤr:
Die kommt, wann ſich der Sommer zu uns wendet,
Und jene, wann er ſich geendet.
Die eine faͤllt und welckt, wird ſie nicht bald gepfluͤckt,
Die andre reiffet nie, wo man nicht warten kann:
Die haͤlt ſich lange Zeit; die bricht ſich zeitig an:
Durch die wirſt du geſtaͤrckt, wann jene dich erquickt.
Kurtz: Alles, was mein Aug erblickt,
Vergnuͤget mich an iedem Orte,
Durch ſtets veraͤnderten Genuß;
So daß ich des Propheten Worte
Fuͤr Freuden wiederholen muß:
S 3Auf278Einige aus dem Engliſchen
Auf Dich, o Schoͤpfer aller Dinge, ſind aller Augen hin gekehrt:
Sie warten alle, bis daß ihnen von Dir die Nahrung wird beſchehrt.
Du oͤffneſt Deine Wunder-Hand: Du ſaͤttigſt alles, gie - beſt allen
Die Nothdurft, und erfuͤlleſt alles, was lebt, mit Speiſ - und Wolgefallen.
Baͤume.
Wir haben, bey der Frucht, der Baͤume ſchon gedacht.
Allein dieſelbigen verdienen,
Daß hier inſonderheit von ihnen
Noch etwas werde beygebracht.
Es giebet Baͤum, auf deren Rinden
Wir zweymahl Fruͤcht in einem Jahr,
Mit billigem Erſtaunen, finden:
Wann noch auf andern gar
Sich Jahr und Jahres-Zeiten binden.
Da wir auf ihnen, ſonder Zahl,
Nicht reiff und reiffe Fruͤcht und Bluhmen,
Woran zugleich ſich Zung und Naſ und Aug erquicken,
Mit einer gantz von Luſt durchdrungnen Seel erblicken.
Jndem wir ja darin von unſers Schoͤpfers Macht
Die unumſchraͤnckte Freiheit ſehen;
Daß, da Er der Natur Geſetz veraͤndern kann,
Er ihr Beherrſcher ſey, und daß, von allen Sachen,
Er alles, was Er will, zu aller Zeit kann machen.
Jch279genommene Gedancken.
Jch finde, daß die Baͤnme, welche klein
Und von der Mittel-Gattung ſeyn,
Die niedlichſten und beſten Fruͤchte bringen.
Je mehr ſie in die Hoͤhe dringen,
Je minder iſt die Frucht fuͤr uns bequem.
Woraus ich dieſe Lehre nehm,
Und deucht mich, daß inſonderheit die Reben
Jn ihrer Sprache mir dieſelbe deutlich geben:
Daß in der Niedrigkeit, und nahe bey der Erden,
Die beſten Fruͤchte meiſt gefunden werden.
Die andern, welche nichts als Blaͤtter tragen, nuͤtzen
Nicht weniger, als die, ſo fruchtbar, da durch Staͤrcke
Sie in den Haͤuſern uns fuͤr Froſt und Regen, ſchuͤtzen.
Sie dienen ferner uns in mancherley Gewercke,
Zur Schiff-Fahrt ſonderlich; ſo daß in ihnen,
Da ſie uns noch faſt mehr, als die, ſo fruchtbar, dienen,
Wenn wir es mit Vernunfft und ernſtlich uͤberlegen;
Man Goͤttliche Verſehung auch deßwegen
Nicht guug erhoͤhn und preiſen kann.
Wenn man, von ſo bewunderns-wehrten Hoͤhen,
Und Dicke, keine Baͤum in Waͤldern ie geſehen
Und angetroffen; ſollte man
Wol glauben und begreiffen koͤnnen,
Daß ſie von wenig Tropffen Regen
Zur Gnuͤge Krafft und Nahrungs-Segen,
Zu ſolchem Wachsthum zu gelangen,
Auch ein ſo fruchtbar Saltz in ſelbigen empfangen?
Denn ſie gebrauchen einen Safft,
Der voller Geiſtigkeit, voll Saltz und voller Krafft,
S 4Von280Einige aus dem Engliſchen
Von mancherley Beſchaffenheit,
Wodurch der Stamm, die Wurtzel und die Aeſte
So daurhaft ſind, ſo ſtarck und feſte
Und von beſondrer Haͤrtigkeit.
Auch iſt nicht weniger bewunderns wehrt,
Je mehr wir an dergleichen Baͤumen
Die Pfleg und Wartung gantz verſaͤumen,
Je groͤſſer iſt der Dienſt, der ihnen wiederfaͤhrt,
Je ſchoͤner werden ſie. Sie werden ſchwach hingegen,
Wenn wir derſelbigen, wie andrer Baͤume, pflegen.
Ach HERR! dieß zeigt uns klar, daß Du allein
Dieſelbigen formirt. Auch kann man hieraus faſſen,
Daß Menſchen Muͤh und Fleiß fuͤr dich nur unnuͤtz ſeyn,
Und daß, wenn du, von Baͤumen, ihnen
Haſt einige zur Aufſicht uͤberlaſſen,
Um ſie mit Fleiß und Vorſicht zu bedienen;
Es bloß geſchehen ſey,
Sie zu beſchaͤfftigen, und ſie zugleich dabey
Noch zu belehren,
Daß, weil ſie ſelbſt ſo ſchwach,
Auch ſchwache Dinge nur fuͤr ſie gehoͤren.
Noch werd ich von der Baͤume Schaar
Verſchiedener gewahr,
Die, ſonder Aendrung, allezeit
Der gruͤnen Zier Vollkommenheit
Behalten; dieſes ſtellet mir
Sich, als ein Bild von der Unſterblichkeit,
So wie die anderen, die ihrer| Blaͤtter Zier
Jm kalten Winter gantz verlieren,
Um ſich aufs neu im Lentzen ſchoͤn zu zieren,
Als wie ein Bild der Auferſtehung, fuͤr.
Fiſche.281genommene Gedancken.
Fiſche.
Welch ungeheure Meng an Fiſchen klein und groß,
Die alle Zahlen uͤberſteiget,
Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß,
O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget!
Jch ſehe dieſe Waſſer-Thier
Und ihre Form bewundernd an:
Sie kommen mir nicht anders fuͤr,
Als haͤtten ſie nur Kopf und Schwantz allein.
Sie haben weder Arm noch Bein,
Ja ſelbſt ihr Kopf iſt feſt, und kann ſich nicht bewegen,
So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Geſtalten
Betrachten, ſehn, und uͤberlegen;
Wir anders faſt nicht dencken koͤnnen,
Als haͤtte die Natur, ſie zu erhalten,
Denſelben gar kein Mittel wollen goͤnnen.
Doch was ich auch bey ihnen aͤuſſerlich
Fuͤr ſchlechtes Werck-Zeug immer finde;
Sind ſie dennoch ſo liſtig, ſo geſchwinde,
Und ſchneller ſich zu nehren, ſich zu retten,
Als wenn ſie viele Haͤnd und viele Fuͤſſe haͤtten.
Ja der Gebrauch, den ſie, beym Mangel andrer Sachen,
Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen,
Treibt ſie in ſo geſchwinder Eil,
Als wie der Wind, als wie ein Pfeil.
Da ſich dieß Waſſer-Volck einander friſſt;
Wie? daß es, ohn ſich aufzureiben,
S 5An -282Einige aus dem Engliſchen
Annoch in ſeiner Art zu bleiben,
Sich zu erhalten, faͤhig iſt?
Dafuͤr hat GOTT geſorgt: indem Er, ſie zu nehren,
Mit ſolcher Fruchtbarkeit dieſelbigen verſehn,
Daß wenn ſie ſich auch noch ſo ſtarck verzehren,
Sie doch nicht koͤnnen untergehn:
Jndem dasjenige, was ſie zerſtoͤret,
Bey weitem nicht ſo ſtarck, als das, ſo ſie vermehret.
Nur iſt mir Angſt, wie doch die Kleinen
Den groſſen ſich entziehn;
Auf welche Weiſe ſie denſelbigen entfliehn,
Die ſie, als ihren Raub, nur zu betrachten ſcheinen,
Und die ſie ſtets verfolgen: aber hoͤret:
Dieß ſchwache Volck iſt hurtiger im Lauff,
Auch haͤlt es ſich da, wo das Waſſer ſeicht,
Und wo die groſſen es nicht leicht
Verfolgen koͤnnen, auf.
Es ſcheint, ob habe GOTT ſie, daß ſie fuͤr Gefahren
Sich ſelber faͤhig zu bewahren,
Mit einer Vorſicht ausgeruͤſt,
Die mit der Schwaͤch und Noth von gleichem Nachdruck iſt.
Auf welche Weiſe geht es an,
Daß in des Meeres Fluht,
Worin ein Saltz von ſolcher Schaͤrffe ruht,
Daß keiner es im Munde dulden kann;
Die Fiſche ſo geſund und munter leben koͤnnen?
Und wie behaͤlt ein Fiſch,
Recht mitten in dem Saltz, ſein Fleiſch ſo ſuͤß und friſch?
Wo -283genommenẽ Gedancken.
Woher kommts, daß die beſten ſich
Nicht gerne weit von unſern Ufern trennen,
Und gleichſam ſelbſt uns in die Netze rennen?
Hingegen die, ſo nicht ſo nuͤtz ſind, ſich bemuͤhen
Von unſern Ufern fern zu fliehen?
Wie geht es zu, daß die, ſo in der Zeit
Der ausgelaſſnen Fruchtbarkeit
Zu ihrem Aufenthalt entfernte Oerter nahmen,
Woſelbſt ſie zu gewiſſer Groͤſſe kamen,
Zu einer feſten Zeit mit ungezehlten Hauffen
Den Fiſchern gleichſam ſelbſt in Retz-und Barcken lauffen?
Durch welchen Trieb ſieht man viel Arten aus der See,
Und zwar die niedlichſten, ſo haͤuffig ſich erheben,
Und in der Fluͤſſe Mund, gantz in die Hoͤh,
Und zu den Quellen ſich begeben;
Damit, ſelbſt aus des Meeres Gruͤnden,
Den Vortheil, auch die weit entlegnen Oerter finden?
Wo iſt die Hand, die ſie ſo wunderbar regieret,
Sie leitet, und fuͤr uns ſo weite Wege fuͤhret?
Wann es die Deine nicht, O HERR! ob iederman,
Da die Verſehung ja ſo ſicht-und fuͤhlbar iſt,
Daß man nichts deutlichers faſt ſehen kann,
Des danckens, leider! gleich gar offt dafuͤr vergiſſt.
Dieſelbige Verſehung zeiget ſich
An allen Arten. Sonderlich
Giebt uns der Schnecken-Haͤuſer Menge,
Die, mit unzehligem veraͤnderten Gepraͤnge
Von284Einige aus dem Engliſchen
Von Farben und Figur, des Meeres Strand bedecken,
Dieſelbige vor andern zu verſtehn:
Da kleine Fiſch in ihren Schalen ſtecken,
Woran wir kaum ein Leben ſehn,
Und die iedoch, zu rechter Zeit,
Um friſches Waſſer einzuſaugen,
Sich oͤffnen, und zugleich,
Mit ſeltſamer Geſchwindigkeit,
Den uͤberraſchten Raub mit einzuziehen taugen.
Die Voͤgel.
Es iſt in unterſchiednen Thieren
Ein Etwas, welches faſt vernuͤnftig ſcheint.
Allein dergleichen iſt faſt nirgend ſo zu ſchauen,
Als in der Voͤgel Kunſt, womit ſie Reſter bauen.
Zum erſten: welcher Meiſter hat
Denſelbigen gezeigt, daß ſie ſie noͤthig haͤtten?
Wer lehrte ſie, daß ſie, uͤm ſich zu retten,
Dieſelben nicht zu ſpat
Verfertigten? und wer bracht ihnen bey,
Auf welche Weiſ ein Neſt zu machen ſey?
Was fuͤr ein Mathematicus
Gab ihnen die Figur, ſo, wie man bauen muß?
Welch Kuͤnſtler hat dieſelbigen gelehrt,
Daß ein gewiſſer Grund zum Bau gehoͤrt?
Da ſie ja, ſonder ie zu fehlen,
Dergleichen Oerter immer wehlen.
Welch285genommene Gedancken.
Welch eine Mutter zeigt, aus Vorſorg, ihnen,
Um ihr klein Neſtchen weich zu machen,
Sanft, niedlich und bequem, ſtat andrer Sachen,
Sich zarter Woll und Federn zu bedienen?
Ja, wenn dergleichen nicht zu finden ſeyn,
Wer gab ſo denn denſelbigen die Triebe,
Von einer Kunſt - erfuͤllten Liebe,
Und zaͤrtlichen Erfindung, ein?
Daß ſie aus eigner Bruſt die Federchen zu nehmen,
Mit ihrem Schnabel ſich bequemen;
Damit die zarte Zucht in einer weichen Wiegen
Mag ſanft, bequem und ruhig liegen?
Durch welche Weisheit ſind die Voͤgel angefuͤhrt,
Daß iede Art ihr Neſt, auf eigne Art, formirt?
Begreifft es wol ein Menſch, wie ſolch ein Neſt
Auf tauſend Arten ſich zuſammen ſetzen laͤſſt?
Wer floͤſſet ſolchen Muth und ſolch Vertrauen
Der ſchnellen Schwalben ein, ihr Neſt bey uns zu bauen?
Jndem ſie uns ihr Werck zu weiſen ſich nicht ſchent,
Uns recht zu Zeugen nimmt, ſich gleichſam ſelbſt erbeut,
Aufrichtig alles uns zu zeigen.
Sie bauet nicht aus Heu, auch nicht aus kleinen Zweigen,
Sie bauet recht aus Kalck und Thon ihr Neſt;
Und zwar ſo ſtarck und feſt,
Daß, braucht man ſich dazu nicht Krafft und Staͤrcke,
Es ſich nicht leicht zerſtoͤren laͤſſt.
Und doch bedient ſie ſich zu dieſem Wercke
Des Schnabels bloß allein.
Man286Einige aus dem Engl. genommene Gedancken.
Man mache (koͤnnt es moͤglich ſeyn)
Den groͤſten Meiſter einſt ſo klein
Als eine Schwalb: man laß ihm den Verſtand,
Doch, ſtat der Werck-Zeug, und der Hand,
Nichts als den Schnabel nur, dann ſchaue man,
Ob er dergleichen machen kann.
Betrachtete man doch, dem weiſen GOTT zu Ehren,
Die Wunder, welche man ſonſt leider nicht betrachtet,
Und, durch Gewohnheit, kaum des denckens wuͤrdig achtet;
Man wuͤrd, o groſſer GOTT! Dich weiſ und groß zu nennen,
Sich nicht erſaͤttigen, ſich nicht ermuͤden koͤnnen.
Ge -287Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Wenn wir durch ſchattigter Alleen
Gerade Laͤnge vorwaͤrts ſehen,
Jſt unſer Auge ſo formirt,
Daß es, was oberwaͤrts, herabwaͤrts fuͤhrt,
Was unterwaͤrts, hinauf: wodurch es denn geſchieht,
Daß alles ſich zuletzt in ein klein Puͤnctchen zieht.
Der Himmel und die Erde ſcheinen
Sich in dem aͤuſſerſten Geſicht-Punct zu vereinen.
Dieß ſah ich juͤngſt aufmerckſam an, und dachte:
Je mehr ich dieſen Grund des Perſpectivs betrachte;
Je mehr kann ich, was mir und andern nuͤtzt,
Aus der verkleinten Groͤſſe lernen:
Je weiter ſich von mir die Linien entfernen,
Und alles ſich in ein klein Puͤnctchen ſpitzt,
Je mehr werd ich gewahr,
Daß alles ſich aus einem Puͤnctchen zieht.
Hieruͤber ſtutzte mein Gemuͤth,
Und fielen mir die Puncte jener Sternen
Jm tieffen Firmament daruͤber ein,
Die mir, alſo zu dencken, Anlaß gaben: Was muͤſſen das fuͤr Perſpective ſeyn,
Die ſolche groſſe Centra haben!
2. Wenn288Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
2.
Wenn unſer Blick von unten aufwaͤrts ſteiget,
Wird alles irdiſche ſo ſehr verkleint,
Daß es ein Punct zu werden ſcheint.
Doch zeigt uns dieſer Punct weit mehrers, als man meint;
Jndem ſich nah an ihm, ein Punct des Himmels zeiget,
Der, wenn ihm unſer Blick nur folget, ſich verbreitet,
Und uns in einen Raum, der unumſchraͤncket, leitet.
3.
Jch freue mich, da ich alhier verſpuͤre,
Wie, durch die ſich erhoͤh’nde Erde,
Der Blick mit ihr ſich aufwaͤrts fuͤhre,
Und Himmel-waͤrts geleitet werde.
Ja da mein Blick auf ſolche Weiſe ſteiget,
Werd ich gewahr,
Daß auch ſo gar
Der Himmel ſelbſt zu uns ſich abwaͤrts neiget.
4.
Jndem ich dieſen Punct noch ernſtlicher betrachte,
Und daß die Linien aus ihm entſtehn,
Und alle wieder in ihn gehn,
Mit froͤhlicher Bewunderung beachte;
Wird meine Seel hiedurch recht inniglich geruͤhret,
Und289Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Und auf den Urſprungs-Punct, draus alle Ding entſtehn,
Beſtehn, und wieder in Jhn gehn,
Voll ehrerbietiger andaͤchtger Luſt, gefuͤhret.
Mein gantzes Weſen ſenckt, voll heiſſer Freuden-Triebe,
Allmaͤchtigs All, in Dich, Du ew’ge Liebe,
Sich gantz und gar hinein,
Und wuͤnſcht, mit heiſſen Freuden-Thraͤnen,
Und bloß auf Dich gelencktem Sehnen: Ach moͤgteſt Du, o wahrer GOTT,
Unendlichs All, HERR Zebaoth,
Allgegenwaͤrtger Mittel-Punct, allein
Doch meines frohen Geiſts Geſicht-Punct ewig ſeyn!
TKlaͤg -290Klaͤgliches Vacuum.

Klaͤgliches Vacuum.

Jſt auf der Erd, iſt in dem Meer,
Jſt in des Himmels Abgrunds-Gruͤnden
Auch wol ein ſolcher Ort zu finden,
Der von des Schoͤpffers Wercken leer?
Ach ja! doch zeig ich ihn dir nicht ohn Gram und Schmertz:
Es iſt ein GOTTES Werck nicht achtend Menſchen-Hertz.
Un -291Unverantwortliche Unempfindlichkeit ꝛc.

Unverantwortliche Unempfindlichkeit der Menſchen, uͤber entferntes Ungluͤck.

Gefuͤhl-los menſchliches Geſchlechte,
Mehr unempfindlich, als ein Stein!
Mit welchem Fug, mit welchem Rechte
Verlangeſt du begluͤckt zu ſeyn?
Vortrefflich ſind dir alle Dinge,
So lange du ſie nur nicht haſt:
Kaum ſind ſie dein, ſind ſie geringe,
Ja werden dir offt gar zur Laſt.
Ein Mittel, uns ein Ding zu nehmen,
Jſt, wenn man uns daſſelbe ſchenckt.
Denn, wenn wir alles uͤberkaͤmen,
Verliert mans, wenn man dran nicht denckt.
Um dieſer Plag uns zu entziehen,
Um danckbar und vergnuͤgt zu ſeyn;
Will ich anietzo mich bemuͤhen,
Nur erſtlich die entfernte Pein,
Die uns iedoch betreffen koͤnnen:
Auch nachmahls das, ſo in der That
Des Schoͤpfers Guͤt uns wollen goͤnnen,
Und man von Jhm empfangen hat,
Mit frohem Ernſt zu uͤberlegen.
Vom Ungluͤck will ich viererley,
Wofuͤr uns GOTT bewahrt, erwegen:
Krieg, Hunger, Kranckheit, Selaverey.
T 2Gieb292Unempfindlichkeit der Menſchen
Gieb, hoͤchſter Herrſcher, Deinen Segen,
Daß es nicht ohne Nutzen ſey!
Wie ſchrecklich ſind die Krieges-Plagen!
Wie jaͤmmerlich iſts anzuſehn,
Wann, durch der Bomben ſchmetternd ſchlagen,
Selbſt GOTTES-Haͤuſer untergehn!
Wann, in der Minen rothem Blitze,
Der Stadt-Wall in die Luͤffte faͤhrt!
Wann uns die Blut-beſpruͤtzte Klingen
Durch Adern, Sehnen, Fleiſch und Bein,
Mit ziſchendem Geraͤuſche, dringen:
Erwegt, was dieß fuͤr Plagen ſeyn!
Wann ſolch ein Jammer uns verletzet,
Wie hoch wird, zu derſelben Zeit,
Der edle Friede nicht geſchaͤtzet!
Deß man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT, Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Nicht minder ſchrecklich iſt der Jammer
Jn einer heiſſen Hungers-Noth:
Wann in der Scheun und Speiſe-Kammer
Kein Vorrath von Getraid und Brodt.
Wann293uͤber entferntes Ungluͤck.
Wann in den gantz verſchrumpften Magen,
Fuͤr Hunger ſchwartz, verdorrt und wild,
Die Menſchen Maͤuſ und Ratzen jagen,
Ja man ſich gar mit Unrath fuͤllt:
Wann ſie, fuͤr Hunger, Aeſer freſſen,
Ja gar fuͤr Angſt, fuͤr Pein und Wuht
Faſt ſelbſt der Menſchlichkeit vergeſſen,
Und wuͤten in ihr eigen Blut:
Da Weiber eigne Kinder ſchlachten,
Und durch ihr eigen Eingeweid
Jhr Eingeweid zu fuͤllen trachten:
Das heiſſt wol recht ein Hertzeleid!
Ja wie wir aus Geſchichten wiſſen,
Daß ſie aus ihrem eignen Arm
Jhr eigen Fleiſch heraus geriſſen,
Zu fuͤllen ihren leeren Darm. Wann ſolch ein Jammer uns verletzet,
Wie wird das Gluͤck zur ſelben Zeit,
Wann man ſein Brodt hat, nicht geſchaͤtzet!
Deß man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Ach! wenn wir auch erwogen haͤtten,
Wie jaͤmmerlich die Selaverey,
Wie unertraͤglich Band und Ketten,
Und der Verluſt der Freyheit, ſey! T 3Wann294Unempfindlichkeit der Menſchen.
Wann wir nicht koͤnnen, was wir wollen;
Wann unſer Leib nicht unſer iſt;
Wann das gequetſchte Fleiſch geſchwollen,
Und uns das Ungezieffer friſſt;
Wann wir tyranniſcher Barbaren
Spott, Frevel, Bosheit, Ubermuth,
Grimm, Marter, Plag und Schlaͤg erfahren,
Die uns zerhenckern bis aufs Blut;
Die, mit faſt ſtuͤndlichem entſeelen,
Selbſt in des Kerckers Dunckelheit,
Uns mit der ſtrengſten Arbeit quaͤlen,
Ohn Aufſchub, ohn Barmhertzigkeit. Wann ſolch ein Jammer uns verletzet,
Wie hoch wird zu derſelben Zeit
Die ſuͤſſe Freyheit nicht geſchaͤtzet!
Der man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt, mit froher Seele, ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Nicht | minder elend und entſetzlich
Jſt, wann die nimmer ſatte Peſt
Uns in geſundem Blute ploͤtzlich
Ein wildes Feuer wuͤten laͤſſt:
Wann uns ein unertraͤglichs brennen,
Als wie ein Blitz, den Leib durchfaͤhrt;
Wodurch, eh wir es hindern koͤnnen,
Der gantze Coͤrper fault und gaͤhrt. Wann295uͤber ein entferntes Ungluͤck.
Wann uns ein Hoͤllen-Durſt die Zunge,
Die bittern Geifer ſchaͤumet, plagt;
Und unſer eiterichte Lunge
Den Gifft durch alle Adern jagt:
Wann wir der beſten Freund auf Erden,
Jn der durch uns verderbten Lufft,
Vergiffter, Heucker, Moͤrder werden,
Durch unſrer Coͤrper faulen Dufft.
Man ſieht nicht nur an Krancken kleben
Den Todes-Gifft; es ſcheint der Tod
Noch in den Todten ſelbſt zu leben.
O welch ein Stand! o welche Noth!
Wann man, von aller Welt verlaſſen,
Voll Schmertzen, Elend, Angſt, Verdruß,
Jn ſolchem Jammer-Stand erblaſſen,
Und unbegraben faulen muß.
Ja von den allergroͤſſten Plagen
Der Menſchen-moͤrderiſchen Peſt,
Die uns vertilgt, nicht einſt zu ſagen:
Sprich, wann dich nur ein Fieber preſſt;
Wie elend iſt ſchon dann dein Leben?
Wie foltert dein beklemmtes Hertz,
Bey auſſerordentlichem beben,
Ein kaltes Feur, ein wilder Schmertz!
Wie klopft es! ſcheinet nicht dein Ruͤcken,
Als wollt er in dem ſtrengen Froſt,
Nebſt allen Knochen ſich zerſtuͤcken?
Kein Safft, kein Thee, kein Vier, kein MoſtT 4Taugt296Unempfindlichkeit der Menſchen
Taugt den erhitzten Durſt zu ſtillen;
Wann, nach verjagtem Froſt, das Blut
Jn Adern, lauter Flammen fuͤllen;
Wann uns die ungeſtuͤme Glut
Auch in den kleinſten Adern wuͤhlet;
Wann ein ergrimmter Feuer-Geiſt,
Den man bis in die Seele fuͤhlet,
Blut, Sehnen, Fleiſch und Marck durchreiſſt. Ach! wann uns ſolcher Schmertz verletzet,
Wie hoch wird zu derſelben Zeit
Nicht der Geſundheit Schatz geſchaͤtzet!
Des man ſich, im Beſitz, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Es iſt ja wol ein groſſes Gluͤcke,
Von ſolcher herben Quaal und Pein,
Und ſo entſetzlichem Geſchicke,
Geſichert und entfernt zu ſeyn.
Ach lobt denn GOTT, wenn er hienieden,
Stat Sclaverey, Krieg, Hunger, Peſt;
Geſundheit, Nahrung, Freyheit, Frieden,
Uns ſchenckt, und uns erleben laͤſſt!
Mein GOTT, gieb mir es zu erkennen,
Und laß mich ſtets zu Dir allein
Jn froher Danck-Begierde brennen,
Und, fern von Ungluͤck, froͤhlich ſeyn! Gieb297uͤber entferntes Ungluͤck.
Gieb, daß, wenn etwan Kleinigkeiten,
Wie leider ſtets bey uns geſchicht,
Mich zum Verdruß und murren leiten,
Jch ſelbſt mir dieſen Unterricht
Mit einem frohen Nachdruck gebe: Da ich geſund, genehret, frey,
Und in erwuͤnſchtem Friede lebe,
Trag ich zu murren billig ſcheu.
Wofern man nun an dieſen Schaͤtzen
Mehr, als man leider ſonſten pflegt,
Zu GOTTES Ehren, ſich ergetzen,
Und ſtets zur Danckbarkeit bewegt,
Aus allen Kraͤfften Jhn zu lieben,
Und Seinen Nahmen zu erhoͤhn,
Zeit Lebens wird ſeyn angetrieben;
Wird man ſich recht begluͤcket ſehn.
T 5GOT -298GOTTES Groͤſſe.
GOTTES Groͤſſe.
Noch lange nicht ein Punct, und waͤr er noch ſo klein,
Ja bildeteſt du dir von ihm ein Theilchen ein,
Das weder in den Sinn, noch in Gedaucken faͤllt,
Das auch ein Mathematicus
Fuͤr unzertheilbar halten muß;
Jſt, gegen GOTT, die gantze Welt.
Fort -299Fortſetzung der Gedancken von der Sonne.

Fortſetzung der Gedancken von der Sonne, Tomo 3. des Jrdiſchen Ver - gnuͤgens.

D es der Wahrheit aͤhnlich ſcheint,
Wenn man von allen Sonnen meint,
Daß ſie nur Oeffnungen am Firmament,
Wodurch ein Theil vom Licht, ſo GOttes Thron uͤmſchraͤnckt,
Zum Nutz der Creatur, begrentzt ſich abwaͤrts ſenckt;
Darin hat mich noch juͤngſt ein heller Morgen
Noch mehr befeſtigt und beſtaͤrckt.
Mein gruͤner Vorhang hielte mich
Jm Bette, vor dem Strahl der Sonnen, noch verborgen,
Da ich in Schatten eigentlich
Den Durchbruch des ſo offt getheilten Lichts bemerckt.
Jch ſah an tauſend tauſend Orten,
Als ſo viel kleine runde Pforten,
Viel zarte Lichter, recht als helle Stern, und zwar,
Nach mehr erweiterten, und mehr verengten Grentzen,
Von erſter, anderer, und dritter Groͤſſe, glaͤntzen.
Jhr unterſchiedlicher, nie gleicher Abſtand war
Ein dentlich Ebenbild der mancherley Figuren,
So die Aſtronomie uns in den Sternen zeigen.
Jch fand mit leichter Muͤh dieſelben Creaturen;
Weil ihre Menge mir Gelegenheit genug
Zu mehren, zu zerſtreun, zu theilen, zu vereinen,
Und vorzuſtellen gab: daß ich mit Fug
Den groſſen Baͤren, und den kleinen,Orion,300Fortſetzung der Gedancken
Orion, Pleiades, den Fuhrmann, nebſt den Ziegen,
Den Schwan, Delphin, den Stier, durch ein gewiſſes fuͤgen,
Durch ein willkuͤhrliches verbinden und zertrennen,
Dir haͤtte deutlich zeigen koͤnnen.
Hieruͤber fielen mir aufs neu
Die vorigen Gedancken bey:
Wie ſehr wuͤrd einer, dacht ich, irren,
Wie laͤcherlich wuͤrd er, was wahr und falſch, verwirren,
Der dieſe Lichterchen fuͤr eigne Lichter nehmen,
Und ihren Urſprung nicht,
Bey einem allgemeinen Licht,
Beym Strahl der Sonnen, ſuchen wollte!
Er muͤſte ſich gewiß des groben Jrrthums ſchaͤmen.
So kann (und iſt es gantz vermuthlich) in der That
Das praͤchtige Sapphirne Firmament
Allein der Vorhang ſeyn,
Wodurch der hinter ihm vorhandne Schein
Von GOttes heilgem Thron, zu unſerm Nutzen brennt.
Es kommt aufs mindſte dieſes mir
Als ein Gedancke fuͤr,
Der, zu des Schoͤpfers Ruhm, was Groſſes in ſich hat.
Ja ſollten etwa Schwierigkeiten
Dadurch, daß wir rings uͤm die Sonne gehn,
Und andre Jrr-Stern auch ſich uͤm dieſelbe drehn,
Vielleicht bey dir entſtehn;
So laß dich dieß nicht gleich verleiten,
Die Meinung von der Quell der Sonnen zu beſtreiten.
Es wird ſich etwas doch von unſrer Antwort faſſen,
Und ziemlich ſcheinbar machen laſſen.
Haͤtt301von der Sonne.
Haͤtt etwa GOTT rings uͤm der Sonnen Rund,
Das Licht von Seinem Thron, das alle Tieffen fuͤllet,
So, wie es vor - und Seiten-waͤrts verhuͤllet,
Auch hinterwaͤrts verſchraͤncket und verſchloſſen,
Und daß der Sonnen Rund aus jenem Lichtes-Meer,
Als wie ein Tropfen, nur gefloſſen,
Und, uns zum Nutz, ſammt der Planeten Heer,
Jm Mittel-Punct gelaſſen waͤr,
Damit wir, wenn wir rings uͤm dieſe Licht-Quell gingen,
Wir, Leben, Fruchtbarkeit und Waͤrm dadurch empfingen;
So wuͤrde dieſes nicht an unſrer Meinung hindern,
Noch den Begriff vom Licht und ſeinem Urſprung mindern.
Ach GOTT! wo dieſes wahr,
Wie es ja Deiner wuͤrdig ſcheinet;
So mach es ferner offenbar.
Denn daß von Deiner Groͤſſ und Majeſtaͤt und Licht
Man ſtets das herrlichſte ſich vorſtellt, denckt und meinet, (Zumahl wenn dem Dein Wort nicht wiederſpricht)
Jſt unſre Schuldigkeit. Ach! ſend aus Deiner Hoͤhe
Der Weisheit Licht herab! Laß uns ie mehr und mehr,
Zu Deines Nahmens Preiſ und Ehr,
Von Deiner Majeſtaͤt allmaͤchtgem Wunder-Weſen
Die Wunder in den Wercken leſen!
Quelle302Quelle des Materialiſchen
Quelle des Materialiſchen und des Gei - ſtigen Feuers.
Es ſcheint des Feuers reges Weſen, es ſcheinen Licht und heiſſe Flammen
Von aller Waͤrm und Lichter Quell, dem Sonnen-Feuer, abzuſtammen,
Und in gewiſſer Coͤrper Weſen, das ſich dazu vor andern ſchickt,
Und mehr und minder ſchweflicht iſt, hinein geſenckt, hinein gedruͤckt.
Die aber, wann ſich andre Theile, die feurig ſind, zu ihnen fuͤgen,
Sich ſchnell entzuͤnden, und in Eil, als lodernd, in die Hoͤhe fliegen,
Daß wir dieſelben Theilchen aber, bevor ſie angezuͤndet brennen,
Nicht ſcheinen, glaͤntzen, leuchten, ſtrahlen, und nicht, als lo - dernd, ſehen koͤnnen,
Jſt ja ſo wenig zu bewundern, als daß man ſelber nicht einmahl
Das Licht, ſo alle Ding erhellet, und deſſen eigentlichen Strahl,
Jn ſeinem eignen Glantz allein, ohn andrer Coͤrper Gegen - ſchlag,
Zu mercken, zu erblicken taugt, noch eigentlich zu ſehn ver - mag.
Faſt auf dieſelbe Weiſe ſcheinet, (Ob gleich, wie jenes, unſichtbar, und von dem Coͤrper einge - ſchraͤnckt,)
Auch303und des Geiſtigen Feuers.
Auch unſers Geiſtes Licht vereinet
Mit der allgegenwaͤrtgen GOTTHEIT, und Jhrem Licht, mehr als man dencket.
Dieß eingeſchraͤnckte Feur wird rege, wenn eine gleich - falls ſtille Glut,
Die, durch des Schoͤpfers Wort und Willen, in Seinen Crea - turen ruht,
Sich zu ihm fuͤget; dann entſtehet, durch die Verwundrung, ein Bewegen:
Die Gluht der Andacht loͤſ’t ſie auf, wann Lieb und Danck - Begier ſich regen:
Da ihre geiſtge Flammen denn, mit unausdruͤcklichem Ver - gnuͤgen,
Sich zu der erſten Hoͤhe ſchwingen, ſich wieder zu der Ur - quell fuͤgen.
GOT -304GOttes Groͤſſe aus Seinen Wercken.
GOttes Groͤſſe aus Seinen Wercken.
Auf! laſſet uns dasjenige, was ſchoͤn,
Was angenehm und herrlich auf der Welt,
Jn GOTTES Creatur, uns vorgeſtellt,
Mit aufmerckſamen Augen ſehn!
Die blaue Lufft, die gruͤne See,
Der Bluhmen Schmuck, der Berge Hoͤh,
Das holde Prangen bunter Felder,
Die Anmuth-mehr als Schatten-reichen Waͤlder,
Das Firmament, der Mond, der Sonnen Licht und Flam̃en,
Die zeigen offenbar, daß ihrer Schoͤnheit Pracht,
Weil nichts ſich ſelber macht,
Aus GOTT allein entſtanden ſind, und ſtammen.
Wenn wir nun alles dieß verbinden
Jn eine Macht, und ſolche Macht bedencken,
Jn welcher alles dieß geweſen,
So werden wir ſolch eine Groͤſſe finden,
Wobey uns hier Verſtand, ſammt hoͤren, ſehn,
Verſchwinden und vergehn.
Ja wie viel groͤſſer wird annoch des Schoͤpfers Groͤſſe,
Wenn eine Zahl, die alle uͤberſteiget,
Von ſolchen Welten ſich an Aug und Seele zeiget!
Noch mehr, was auſſer dieſer Groͤſſ und Macht
Annoch fuͤr andere Vollkommenheiten,
Vortrefflichkeit - und Faͤhigkeiten
Jn andern Welten noch hervor gebracht,
Zeigt den darob erſchrockenen Gedancken
Ein Allmacht, ſonder End und Schrancken.
Der305Der Schoͤpfer aus dem Geſchoͤpf.

Der Schoͤpfer aus dem Geſchoͤpf.

Wie wir das Licht an ſich nicht ſonder Coͤrper ſehn;
So kann man, von dem ew’gen Licht,
Wenn von der Creatur der Vorwurff uns gebricht,
So wenig daß-als was Es ſey, verſtehn.
UVer -306Vergnuͤgung aus der Betr. der Geſchoͤpfe.
Vergnuͤgung aus der Betrachtung der Geſchoͤpfe.
Mein Schoͤpfer, deſſen Allmachts-Spuren
Jch einzig in den Creaturen,
Mit froͤhlichem Erſtaunen, ſeh,
Und Deſſen Weisheit, ſammt den Trieben
Von Seinem vaͤterlichen lieben
Jch, wenn ich ſie beſchau, erhoͤh.
Jn allem, was ſie mir entdecken,
Nimmt mir ein holdes heilges Schrecken,
Vermiſcht mit ſuͤſſen Freuden, ein.
HERR, Deine Wercke ſind ſo ſchoͤne,
Daß ſie ein ſeligs Lob-Gethoͤne
Von Menſch - und Engeln wuͤrdig ſeyn.
Ach! laß uns, wenn wir ſie ergruͤnden,
Dich ſtets allgegenwaͤrtig finden,
Wie Du allgegenwaͤrtig biſt.
So wird, was uns auch wiederfaͤhret,
Fruͤh oder ſpaͤt in Luſt verkehret,
Weil, wo Du biſt, kein Elend iſt.
Un -307Unempfindlichkeit des Guten.
Unbillige Unempfindlichkeit des gegen - waͤrtigen Guten.
Recht erbarmens-wuͤrdig iſt, daß wir mit ſo kaltem Muthe,
Ja faſt ohn Empfindlichkeit, alles gegenwaͤrtge Gute,
Und hingegen
Mit der innerſten Bewegung, was verdrießlich iſt, erwegen.
Die Geſundheit nicht einmahl, nicht einmahl ein gut Ge - wiſſen, (Welches doch die groͤſſten Schaͤtze, wie wir ja bekeñen muͤſſen)
Koͤnnen uns, wie ſie doch ſollten, eine lange Luſt erregen.
Aber, ſind ſie etwa fort; ach wie deutlich, hell und klar
Wird man dann derſelben Guͤte, Wehrt und Schaͤtzbarkeit gewahr!
Ach wie elend ſind wir dann! wie ſo groß iſt unſre Noth!
Dann wird kein Juweel ſo rein und ſo ſchoͤn, kein Gold ſo roth,
Wenn es auch aus Ophir waͤre, ſo ans Hertz gepicht gefunden;
Daß man ſie mit Luſt nicht gaͤbe, eine Sache zu beſitzen,
Die man erſt beſaß, iedoch nicht gekoſtet, nicht empfunden,
Dieß iſt unſer rechter Lohn, weil man ſich, von Jugend an,
Nicht dazu bequemen wollen, nicht dazu entſchlieſſen kann,
Die Gedancken, worin doch unſer Wohl allein beſtehet,
Mit den Sinnen zu verbinden, und nicht, wenn wir ſchme - cken, hoͤren,
Wenn wir riechen, fuͤhlen, ſehn,
Uns beſtreben, daß es mag, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren,
Mit Bedacht und Luſt geſchehn.
U 2Die308Die Wolluſt.

Die Wolluſt.

Alle Wolluſt in der Welt hat ihr ſuͤſſeſtes am Ende,
Dieſes Ende wird ſo dann gleich ein Anfang vom
Verdruß.
Daß man ſich demnach daruͤber nicht ſo ſehr verwundern
muß,
Wenn, auf Erden, Freud und Luſt, Anmuth, Suͤßigkeit,
Vergnuͤgen
Von ſo kurtzer Dauer ſind, und nur gar zu ſchnell vergehn:
Da ſie faſt zu gleicher Zeit untergehen und entſtehn,
Schon in der Gebuhrt erſticken, und, ſo bald ſie da, ver -
fliegen.
Be -309Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes.

Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes und derſelben herrliche Fruͤchte.

Jch bet, o GOTT, in Deinen Wercken,
Voll heiliger Verwunderung, Dich an.
Ach! laß mich doch, ſo viel ich kann,
Von ihnen, Dir zur Ehr, in froher Andacht mercken!
Die Seele, die Du uns gegeben,
Kann ihres Denckens Eigenſchaft,
Als ihres Weſens beſte Krafft,
Zu keinem edlern Zweck, in dieſem Leben,
Wol anzuwenden, ſich beſtreben;
Als wenn ſie ſich auf Dein Geſchoͤpfe lencket,
Deſſelben Schoͤnheit, Nutz und Ordnung uͤberdencket,
Und, in bewundernder Betrachtung, ſich,
O Allmachts-voller GOTT, in Dich,
Als aller Schoͤnheit Schoͤpfer, ſencket.
Durch dieſes ſeelige Geſchaͤffte
Vermehren ſich in ihr das Wollen und die Kraͤffte,
Des weiſen, maͤchtigen, und guͤtgen Schoͤpfers Willen,
Jn allen Handlungen und Pflichten, zu erfuͤllen.
Die, in der herrlichen Geſchoͤpfe Wunder-Pracht
Noch immer mehr und mehr erkannte weiſe Macht,
U 3Noch310Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes.
Noch immer mehr und mehr verſpuͤhrte Vater-Liebe,
Erzielen Luſt und Danck, erzielen Andachts-Triebe,
Jm Gluͤck ein frohes Hertz; ein ſehnliches Verlangen,
Fuͤr ſo viel Gnad und Huld, die wir von Jhm empfangen,
Zu thun, was Jhm gefaͤllt: Jn Wiederwaͤrtigkeit,
Die Jhm gefaͤllige Gelaſſenheit,
Vertrauen und Gedult. Denn wenn ichs recht verſtehe,
Daß eine maͤchtige und weiſe Lieb allein
Das, was geſchicht, befiehlt; ſo geh es, wie es gehe;
Ein GOTT vertrauend Hertz wird leicht getroͤſtet ſeyn.
Noch311Noch eine anm. Landſchaft uͤm Hamburg.

Noch eine anmuthige Landſchaft uͤm Hamburg.

Unlaͤngſt gab ich dir, mein Leſer, die Gefild und holden Auen,
Die Hammonia bekraͤntzen, nur von einem Ort, zu ſchauen:
Nehmlich, ſo viel man davon, wo mein Garten liegt, er - blickt:
Aber glaube daruͤm nicht, daß vielleicht der Ort allein,
Durch die Haͤnde der Natur, ſo vortrefflich ſey geſchmuͤckt,
Daß er den Eliſer Feldern faſt ſey zu vergleichen: Nein!
Es umringen dieſe Stadt, (die der Himmel ſegne, ſtuͤtze,
Mit beſtaͤndigem Gedeyen uͤberſchuͤtte, kroͤne, ſchuͤtze)
Viele ſolche Gegenden, deren Anmuth, Glantz und Pracht
Alle, die ſie ſehn, nicht nur reitzt, vergnuͤget und ergetzet;
Sondern, durch gehaͤufften Schimmer, in ein ſuͤß Erſtaunen ſetzet.
Denn, man wird, durch ihre Schoͤnheit, allenthalben ange - lacht.
Um dir nun, von dieſer Wahrheit, eine Probe noch zu geben;
Will ich ietzt noch einen Riß dir zu zeigen, mich beſtreben,
Von der Landſchaft, deren Lage, Schoͤnheit, Pracht und An - muth man
Auch aus meiner Wohnung ſehen, in der Stadt erblicken kann.
Daß man gar in einer Stadt, wo die Ausſicht ſonſt verbauet,
Solch ein ſchoͤnes Stuͤck der Welt, ſolch ein holdes Luſt - Revier,
U 4Gaͤr -312Noch eine anmuthige Landſchaft
Gaͤrten, Waͤlder, Felder, Wieſen, Berge, Fluß und Jnſeln ſchauet,
Groſſe Schiffe ſegeln ſiehet; kommt vielleicht, mein Leſer, dir
Faſt unglaublich, faſt unmoͤglich, und zwar nicht mit Un - recht, fuͤr;
Aber es iſt doch die Wahrheit, und du ſollſt es deutlich ſehn,
Daß ich nichts zu viel geſagt. Denn ich will mich ietzt be - fleiſſen,
Nichts zu ſchmincken, ſondern alles nach dem Leben abzu - reiſſen:
Ja was ſprech ich doch von ſchmincken: alles iſt ſo Wun - der-ſchoͤn,
Daß man keine Farben findet, die die Schoͤnheit vorzuſtellen
Herrlich, rein und ſchoͤn genug, ſie nur etwas aufzuhellen.
Meine Wohnung in der Stadt kann, an vieler Pracht, nicht reichen,
Und iſt mit der Nachbarn Haͤuſern nicht an Hoͤhe zu ver - gleichen.
Aber wann der Nord-Wind ſchnaubet, auch die ſchwuͤhle Lufft erhitzt,
Bin ich, durch derſelben Hoͤhe, ſo vor Hitz, als Froſt, ge - ſchuͤtzt.
Dieſes hat mich offt belehret, durch bequeme Sicherheit, Wie der Mittel-Stand recht guͤlden, wie ſo reich die Niedrigkeit.
Wann ſie aber an den Wall, Gras-Brock und die Elbe ſchieſſet,
Die, in ſtiller Majeſtaͤt, Schiff-reich hier voruͤber flieſſet;
Oeff -313uͤm Hamburg.
Oeffnet ſich den frohen Augen eine ſolche offne Weite,
Und man ſieht ein Stuͤck der Welt, von ſo groſſer Tieff und Breite,
Daß die Augen ſich daran zwar ſo bald und leicht nicht ſatt,
Weil es gar zu herrlich, lieblich, luſtig, angenehm und ſchoͤn,
Aber ſich faſt muͤd und matt,
An des flachen Horizonts weit entlegner Ferne ſehn.
Erſtlich ſchieſſen an den Haͤuſern kleine nette Gaͤrten an,
Die faſt keiner, der ſie ſiehet, ſonder Anmuth ſchauen kann:
Weil ein ieder, Anmuths-voll, in beſondrer Zierde glaͤntzet,
Jn beſondrer Ordnung prangt. Alle dieſe ſind begrentzet
Erſt durch einen kleinen Graben; dann ſo gehet in die Quer
Ein beſonders langer Garten hinter alle Gaͤrten her,
Und vermehrt derſelben Schoͤnheit, und verlaͤngert ihre Zier.
Hieran ſtoͤſſt die Veſtung nun: Hamburgs Wunder - wuͤrdge Waͤlle,
Die ſelbſt ſchoͤnen Gaͤrten gleichen, ſieht man, halb erſtan - net, hier
Jn faſt nirgend ſonſt erblickter Zier und Pracht von dieſer Stelle:
Wo ein ieder, nach belieben, gehen, reiten, fahren kann.
Nirgends trifft man ſolche Freiheit, nirgend ſolche Schoͤn - heit an.
Dieſer Wall verdienet wircklich, daß man Buͤcher von ihm ſchreibe,
Welches ich mir vorbehalte, und nur ietzt bey dem ver - bleibe,
Was uns in die Augen faͤllt. An des hohen Walles Fuß
Siehet man im gruͤnen Thal, recht als einen breiten Fluß,
U 5Den314Noch eine anmuthige Landſchaft
Den mit Weiden und mit Hecken rings bekraͤntzten tieffen Graben,
Deſſen gleichen wir in Teutſchland wenig, ja faſt keinen, haben.
Ein polirtes Spiegel-Glas ſcheint die Silber-reine Fluth,
Wann ſie, frey von Wind und Wellen, zwiſchen gruͤnen Ufern ruht.
Oeffters glaͤntzt ſie, als verguͤldet, offt verdoppeln ſich in ihr
Der beſtrahlten Wolcken Farben, und des Firmaments Sa - phir,
Welches, in bebluͤhmten Ufern, in der Landſchafft gruͤnen Pracht,
Eine groſſe Schoͤnheit wircket, und den Schmuck gedoppelt macht.
Aber es nicht genug: noch viel andrer Farben Sor - ten,
Mannigfaltigkeit und glaͤntzen, die man ſonſt an andern Orten
Nie in einer Landſchaft findet, trifft man, mit Verwundrung, hier,
Und faſt mit Erſtaunen, an, in recht ungemeiner Zier.
Der Gewand-Bereiter Rahmen, wo man Tuͤcher auf - gehangen,
Die bald roth ſind, und bald blau, bald in hellem Purpur prangen,
Zeigen von verſchiednen Farben einen ſolchen Unterſcheid,
Und von einem bunten Glantz ſolche Mannigfaltigkeit,
Solche Schoͤnheit, Glantz und Schimmer, ſonderlich wann Phoͤbus Licht
Durch ihr ausgeſpannt Gewebe, von der andern Seiten bricht,
Daß315uͤm Hamburg.
Daß es ſchoͤn illuminiret, in gefaͤrbtem Feur zu ſtehen,
Und faſt recht zu gluͤhen ſcheinet. Dieſes feurige Gemiſche
Der durchſtrahlten Farben wircket, durch die nah gelegnen Buͤſche,
Die, geziert, ſie wieder zieren, unſern Augen ſolche Luſt;
Daß die Seel in unſerm Haupt, daß das Hertz in unſrer Bruſt,
Durch den bunten Glantz geruͤhrt, einen Trieb der Andacht fuͤhlet,
Dem ſich danckbar zu erzeigen, Der uns fuͤr des Lichtes Pracht
Und der ſchoͤnen Farben prangen, durch das Aug empfind - lich macht:
Da Er, in ſo weiſer Ordnung, bloß auf unſre Luſt gezielt.
Noch trifft man in dieſen Rahmen, faſt, ſo weit man ſehen kann,
Viele Garten-Haͤuſerchen, viele kleine Gaͤrten an,
Wo die Fruͤcht - und andre Baͤume manch roth Daͤchlein halb bedecken,
Wann verſchiedne hinter andern ſich bald halb, bald gantz verſtecken.
Hinter den bebuͤſchten Gaͤrten ſchieſſt, zu neuer Augen - Freude,
Die vor andern ſonderlich, der beruͤhmte Gras-Brock an,
Der mit vielem Vieh bedeckt, als ein allgemeine Weide,
Und worauf ein ieder Pferde, Kuͤh und Ochſen treiben kann.
Dieß iſt eine breite Flaͤche, die ſich bis zur Elb erſtrecket,
Die ſie offtmals traͤnckt und netzt. Durch derſelben frucht - bar Naß
Sieht man, wie der fettſte Klee, wie ein friſch und feines Gras,
Jn316Noch eine anmuthige Landſchaft
Jn der allerſchoͤnſten Farbe, trotz dem gruͤnſten Sammt, ihn decket.
Hie auf dieſem ſchoͤnen Teppich, auf den reich bebluͤhmten Raſen
Sieht man Pferd und fette Kuͤh in ſo groſſer Menge gra - ſen,
Daß man ſie kaum zehlen kann. Jhre bunt und glatte Haut,
Die bald ſchwartz, bald weiß, bald roth, wenn zumahl der Sonne Strahlen
Sie mit ihrem Abend-Glantz gluͤhend warm, faſt feurig, mahlen,
Und ſie wiederſcheinlich faͤrben, wird nicht ſonder Luſt ge - ſchaut.
Hoͤret man, bey hellem wiehern, ein vergnuͤgt Gebloͤcke klingen,
Siehet man die raſchen Gaͤule froͤhlich durch einander ſpringen;
Wird man ſelbſt zur Luſt bewegt. Durch dieß ſanfte Frie - dens-Bild
Wird ein ſtill vernuͤnftig Auge mit Vergnuͤgen gantz er - fuͤllt.
An des Gras-Brocks ſchoͤnem Ufer ſiehet man, in net - ter Laͤnge
Und ſehr ordentlich gerammt, groſſe Pfaͤhl in groſſer Menge,
Welche man Duc d Alben nennt. An denſelben ſiehet man
Ebenfalls ſehr ordentlich eine Menge Floͤſſer liegen,
Die uns auch des Tages zwar, doch noch mehr des Nachts vergnuͤgen,
Wann die vielen kleinen Feuer, zur Bereitung ihrer Speiſen,
Uns, in einem klaren Duncklen, viele Feuer-Wercke weiſen,
Die man, wegen ihrer Menge, ſonder Luſt nicht ſehen kann.
End -317uͤm Hamburg.
Endlich faͤllt in unſer Aug ein ſo ſchoͤner Gegenſtand,
Der uns neue Freude bringt. Unſer Elb-Strohm, deſſen Breite
Hier recht praͤchtig anzuſehn, zeiget, in entfernter Weite,
Einen ebenfalls recht luſtig-angenehm-bebuͤſchten Strand.
Zwiſchen beyden holden Ufern, deren Gruͤn die helle Pracht
Und die holde Lieblichkeit von Smaragd faſt uͤbergeht,
Stroͤhmt mit einem ſanften Lauff, flieſſt in ſtiller Ma - jeſtaͤt
Des beruͤhmten Elbe Strohms breit und Segens-reiche Fluht,
Die zu Hamburgs Nutz und Wohlfahrt ſtets geſchaͤfftig, nimmer ruht.
Da ſie bald von oben her, aus dem Reich, wo ſie ent - ſpringet,
Bald von unten aus der See, reich beladne Schiffe bringet:
Da dieſelbe, mit der Fluht, bald zuruͤck und Oſt - waͤrts flieſſet,
Bald, mit neu geladnen Wahren, Weſt - waͤrts ſich ins Meer ergieſſet.
Wann die ſanft bewegte Wellen in der Sonnen Strah - len glimmen,
Siehet man, wie in derſelben groſſe Jnſeln gleichſam ſchwimmen,
Und in gruͤner Anmuth glaͤntzen,
Da ſie ſich mit krauſen Buͤſchen, Binſen, Rohr und Bluh - men kraͤntzen.
Wenn wir, wie die glatte Flaͤche, und wie ihren blauen Ruͤcken
Weiß und rothe groſſe Segel, Schiffe, wie die Schloͤſſer, druͤcken:
Die,318Noch eine anmuthige Gegend uͤm Hamburg.
Die, mit Flaggen ausgeziert, mit faſt ungezehlten Wahren,
Aufwaͤrts bald, bald abwaͤrts fahren,
Und bald durch die Fluth, bald Ebbe, von - und bald nach Hamburg gehn,
Mit recht Patriotiſchen, mit vergnuͤgten Blicken, ſehn:
Soll man billig Aug und Hertz zu dem groſſen Geber len - cken,
Und fuͤr unſre ſchoͤne Lage fleißig dancken, und gedencken,
Daß wir blos durch Seine Gnade, daß wir blos durch Jhn allein
So gegruͤndet, ſo geſegnet, und bisher erhalten ſeyn.
Herbſt -319Herbſt-Gedancken.

Herbſt-Gedancken.

Da ich die gruͤne Pracht der Baͤume zaͤrtlich liebe,
Und folglich mich anietzt im Herbſt, bey ihrem Fall,
Bey der Entblaͤtterung der Wipfel uͤberall,
Und der Vernichtigung des Laubes recht betruͤbe;
So deucht mir doch, ob hoͤr ich ſie, im fallen,
Zu meinem Troſte dieß, mit ſanftem Lispeln lallen:
Du ſieheſt uns, von dem geliebten Baum,
Nicht, uͤm denſelben zu entkleiden,
Noch uͤm ihn nackt und bloß zu laſſen, ſcheiden;
Ach nein, wir machen friſch - und ſchoͤnern Blaͤttern Raum.
Herbſt -320Herbſt-Cantata.
Herbſt-Cantata.
ARIA.
Mit beruhigtem Gemuͤthe,
Seh ich meines Schoͤpffers Guͤte
Jn des Herbſtes Frucht und Zier.
Bey dem aufgeklaͤrten Wetter,
Stellen mir die bunten Blaͤtter
Gar ein lieblich Schau-Spiel fuͤr. Da Capo.
Laß liebſte Seele doch die Welt
Die GOTT im Herbſt ſo herrlich ſchmuͤcket,
Nicht, wie vorhin, unangeblicket!
Erwege das, ſo uns ietzt vorgeſtellt!
Der Waͤlder lieblich Blaͤtter-Zelt,
Stand erſt in gruͤner Farb allein:
Jetzt nimmt es einen neuen Schein,
Jndem es, da es ſich bepurpert und verguͤldet,
Recht wuͤrckliche Tapeten bildet.
Wem iemahl die ſo bunt als praͤchtigen Gezelte,
So zu verſchiedner Zeit den Tuͤrcken abgenommen,
Jn Wien einſt zu Geſicht gekommen;
Wird freilich, daß ſie Wunder-ſchoͤn,
Mit Luſt geſtehn.
Jedoch iſt dieſes wol der Zelten Schmuck zu gleichen,
Den uns im Herbſt der Baͤume Wipfel reichen?
Denn,321Herbſt-Cantata.
Denn, weil das helle Sonnen-Licht
Durch die ſo bunt-als zarten Blaͤtter bricht,
Erblicket man der Farben Harmonie
Jn einem klaren Glantz, und nicht verdickt
Als jene, die
Von dick - und dichter Seid entworffen und geſtickt.
Allein:
Wie bald vergeht der Blaͤtter bunter Schein!
Kaum ſeh ich ſie mit Luſt in hohen Luͤfften ſtehn,
So taumeln ſie herab, ſie welcken, ſie vergehn,
Doch ſelbſt ihr ſchoͤner Tod iſt billig hoch zu ſchaͤtzen,
Und giebt dem, ders erwegt, ein lehrendes Ergetzen.
ARIOSO.
Seh ich die Blaͤtterchen erbleichen,
So deucht mich, ihre kleine Leichen
Verdienen dieſe Grab-Schrift wol,
Die meiſtens ihnen zwar zur Ehre,
Doch aber dir, mein Leſer, auch zur Lehre,
Wofern du klug biſt, dienen ſoll:
Wir kamen an die Welt, nach unſers Schoͤpfers Willen, Wir waren, Jhm zum Ruhm, der Erden Schmuck und Zier. Jetzt ſieht man uns aufs neu Deſſelben Winck erfuͤllen. Wir machen denen Platz, die ſchoͤner ſind, als wir. Ein ordentlich-beſtaͤndger Unbeſtand Macht GOttes Wunder-Werck, im Wechſel ſelbſt, bekañt.
XWar -322Herbſt-Cantata.
Waruͤm willſt du, o Menſch, denn gegen GOTT dich ſtreuben?
Waruͤm verlangeſt du noch laͤnger hier zu bleiben?
Ach! folge dem zwar ſanft-doch nie gehemmten Fluß
Der eilenden Natur, die GOTTES Wille treibet,
Die immer wandelbar verbleibet,
Nach dem unwandelbaren Schluß.
Es rieff dir GOTT. Du kamſt. Er rufft aufs neue: gehe!
Gehorch Jhm! geh, und ſprich: Dein Will, o HERR, geſchehe!
So wird Er, weil du wollen koͤnnen, (Die Blaͤtter aber nicht) indem du wol gewollt,
Aus Gnaden dir gantz einen andern Sold,
Und einen andern Stand, als wie den Blaͤttern, goͤnnen.
Jn welcher Wunder-Pracht wirſt du in Salems Hoͤhen,
Zu GOTTES Ruhm und Luſt, in ew’ger Bluͤhte ſtehen!
Jn welchem fuͤhlbar-rein - und ſelig-hellem Schein
Wirſt du ein ew’ger Schmuck des Paradieſes ſeyn!
Fer -323Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur.

Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur.

Jn ieder Wiſſenſchaft und Kunſt, die Menſchen wiſſen,
Hat man ja Arbeit, Fleiß und Muͤh,
Sie zu erlernen, nehmen muͤſſen;
Durch wiederholen faſſt man ſie.
Die Faͤhigkeit, die in der Seelen ſtecket,
Entwickelt ſich allmaͤhlich, wird erwecket,
Und nimmt durch Ubung zu. Jſt denn die Wiſſenſchaft
Jm Buch der Creatur, den Schoͤpfer ſelbſt zu finden,
Und Seine Weisheit, Lieb und Allmacht zu ergruͤnden,
Nicht einſt der Muͤhe wehrt, daß wir der Seelen Krafft
Offt auf ſo edlen Vorwurff lencken,
Und, wann wir hoͤren, ſehn und ſchmecken, Des gedencken,
Der uns fuͤr ſo viel Guts, und Seiner Wercke Pracht
So wunderbarlich ſinnlich macht?
Je oͤffter man ſich uͤbt, die Creatur zu ſehn,
Je fertiger wird man im leſen,
Je deutlicher wird man der Gottheit Weſen,
Des Welt-Buchs Jnhalt, Kern und Zweck verſtehn,
Und, immer bruͤnſtiger, Sein herrlichs Lob erhoͤhn.
Ach ſo gewehnet euch, geliebte Menſchen, doch
Zu dieſer ſuͤſſen Muͤh, zu dieſem leichten Joch!
Beſchaͤfftigt euch, und lernt aufmerckſam, GOTT zu Ehren,
Empfinden, ſchmecken, ſehn und hoͤren!
X 2Der324Der Menſch.

Der Menſch.

Beym Eintritt in die Zeitlichkeit,
Jſt, an Verſtand, ein neu gebohren Kind,
Faſt mehr, als andre Thiere, blind.
Darauf verſpielet es die bald verſpielte Zeit.
Beym Fortgang waͤchſet zwar ſein Leib und ſein Verſtand
Doch ieder hat ſein Ziel. Nichts iſt ihm recht bekannt,
Von allem, was Natur, was Geiſt und Coͤrper heiſſet,
Wie ſehr er ſich zerdenckt, wie ſehr er ſich befleiſſet.
Es will kein Element, es will kein Koͤrnchen Sand
Von ihm ſich recht begreiffen laſſen.
Selbſt das, was in ihm denckt, womit er alles faſſen
Und gruͤndlich kennen will, iſt ihm ſo wenig kund,
Als alles, was er ſucht. Er, deſſen Hertz ein Tempel
Des Schoͤpfers ſollte ſeyn, ein Wohn-Platz Seiner Ehr,
Folgt, wann er aͤlter wird, dem ſtraͤfflichen Exempel
Der gantz verderbten Welt, betritt ie mehr und mehr
Die freche Laſter-Bahn, macht gleichſam einen Bund,
Zu thun, was er nicht ſoll, und was er ſoll, zu laſſen,
Zu lieben, was nicht gut, was liebens wehrt, zu haſſen.
Dann, kommt ſein Leib und Geiſt zu etwas mehrern Kraͤfften
Stat daß er im Geſchoͤpf den Schoͤpfer finden ſollt,
So uͤberhaͤufft er ſich mit eitelen Geſchaͤfften.
Sein Ziel, ſein einzger Wunſch, ſein Herr, ſein Gott,
Gold.
Wann325Der Menſch.
Wann willſt du, armer Menſch, von dieſer Sucht ge -
neſen,
Von dem Gewohnheits-Staar, von dieſem Seelen-Gift?
Jm Buch der Welt verlangt faſt gar kein Menſch zu leſen,
Wie ſchoͤn der Jnhalt gleich, wie herrlich ſeine Schrift.
Durch Gold-Staub, womit hier und dort die Schrift be
ſtreuet,
Wird er, der eitle Thor, nicht durch die Schrift, erfreuet.
Dieß, wie ein thoͤricht Kind, ſucht er nur abzuſchaben,
Nur hiervon will er viel in ſeinem Beutel haben:
Und GOTTES Herrlichkeit, Licht, Liebe, Weisheit,
Macht,
Wovon das Welt-Buch zeugt, das laͤſſt er aus der Acht.
X 3Auf326Auf meinen Gebuhrts-Tag.

Auf meinen Gebuhrts-Tag, den 22. Sept.

Heut jaͤhrig haſt Du mich auf Erden,
Mein GOTT, gebohren laſſen werden.
Du haſt mir gar, in dieſem Leben,
Nunmehr ſchon funfzig Jahr gegeben,
Und in der gantzen Lebens-Zeit
Mich wunder-wunderbar gefuͤhret:
Wofuͤr, Quell aller Guͤtigkeit,
Nur Dir Lob, Ehr und Preis gebuͤhret.
Wie wenig unter vielen ſeyn,
Die an Gemuͤths - und Leibs-Staͤrck und Geſundheits-Gaben
Gluͤck, Guͤter, Ehre, Dir allein,
O GOTT, ſo viel zu dancken haben!
Mein Eh-Gemahl, ſo viele Kinder,
Die all, an Seel und Leib, nicht minder,
Als ich, geſund ſind, zeigens an;
Abſonderlich daß mein Gemuͤthe
Von Deiner Weisheit, Macht und Guͤte
So viel geſehn, und ſehen kann.
Daß ich, o HERR, fuͤr Deine Wercke
Ein aufmerckſames Aug empfing;
Daß Deiner Lieb und Weisheit Staͤrcke
Mir offt durchs Aug ans Hertze ging;
So daß ich, inniglich geruͤhret,
Auch andern durch den Druck gezeigt,
Wie man durch ſie zu Dir gefuͤhret,
Und durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer ſteigt.
O ewge327Auf meinen Gebuhrts-Tag.
O ew’ge Liebe! willſt Du mich
Noch laͤnger hier auf Erden laſſen;
So gieb, daß ich, in ihnen, Dich
Noch immer mehr vermag zu faſſen!
Verleihe mir Gelegenheit!
Gieb Weisheit! ſchaͤrffe meine Sinnen!
Gieb Eifer! gieb Bequemlichkeit,
Und ſegne ferner mein beginnen!
Damit, von allen Undancks-Wuſt
Wir uns ie mehr und mehr entfernen,
Und Dich, mit Lieb erfuͤllter Bruſt,
Als wahren GOTT, erkennen lernen!
Soll aber, HERR, nach Deinem Raht,
Jch bald vergehen und erkalten;
So laß mit Worten, Schrift und That
Die Meinigen mein Ampt verwalten!
Und mich in jenen ſeelgen Hoͤhn,
Wozu uns Deine Gnade rieffe,
Die unergruͤndlich tieffe Tieffe
Der wahren Gottheit ewig ſehn!
X 4Die328Die Wunder-reiche Erfindung.
Die Wunder-reiche Erfindung.
Auf, auf, mein Geiſt, auf, auf! verſammle deine Kraͤffte
Und folge williglich dem ietzt verſpuͤrten Zug!
Bereite dich zu einem hohen Flug!
Es reitzt und leitet dich ein wichtiges Geſchaͤffte
Zu einer nie betretnen Bahn.
Es wird dir eine Thuͤr zum Himmel aufgethan;
Ein Abgrund aufgedeckt, der allen unſichtbar:
Und welchen keinem Witz, bishero zu entriegeln,
Noch die Geheimniſſe derſelben zu entſiegeln,
Von allen Sterblichen bisher vergoͤnnet war.
Hier, deucht mich, hoͤr ich dich, mein Leſer, billig fragen:
Wo iſt dieß Wunder denn? Wolan! ich will dirs ſagen.
Von unſers Schoͤpfers Groͤſſ und Wunder mehr zu faſſen,
Und Seiner Wercke Meng noch tieffer einzuſehn,
Als von der Menſchheit ſonſt geſchehn,
Hat Er die Menſchheit wehrt geachtet,
Und, vor nicht gar zu langer Zeit,
Ein Fern - und Groͤſſrungs-Glas erfinden laſſen.
Damit Sein Allmacht, Lieb und weiſe Herrlichkeit
Wuͤrd ehrerbietiger und mehr annoch betrachtet.
Dieß iſt wahrhaftig wehrt, ja nicht nur wehrt allein
Von Ehr-Furcht auſſer ſich dadurch geſetzt zu ſeyn;
Die groͤſſte Schuldigkeit erforderts, zu erwegen,
Welch ein Geheimniß-voller Segen
Jn dieſem Werck-Zeug ſteckt,
So uns des Schoͤpfers Huld, kein Ungefehr, entdeckt.
Jn329Die Wunder-reiche Erfindung.
Jn Dir, verborgner GOtt, nichts iſt, das auf der Welt
Von Deiner Majeſtaͤt was wuͤrdigers, was groͤſſers,
Was unbegreifflichers, was herrlichers, was beſſers,
So vor den leiblichen, als Seelen-Augen, ſtellt.
Nichts iſt, das Deine Macht, im groſſen und im kleinen,
Jn einem hellern Licht, in einer groͤſſern Klarheit
Jn unuͤmſtoͤßlicher und klarern Wahrheit
Uns uͤberzeuglich ſcheinen,
Und heller ſehen laͤſſt. Nichts, das auch unſern Geiſt
Zugleich ſo ſehr erhebt, und ſeinen Vorzug weiſt,
Als dieſes Wunder-Werck.
Das Schatz-Haus der Natur wird uns ietzt aufgedeckt:
Was in dem ſchwartzen Reich der tieffen Dunckelheit,
Ja faſt in einem Nichts, bisher fuͤr uns geſteckt,
Wird etwas, waͤchſt, wird viel. Der Wahrheit Heiterkeit
Faͤngt in dem Groͤſſten an, und faͤngt auch an im Kleinen,
Zu unſers Schoͤpfers Nuhm, in hellerm Licht zu ſcheinen.
Ward von Columbus dort uns eine neue Welt
Gezeiget und entdeckt; war es zwar viel; allein
Was heiſſt dieß gegen dem,
Was ich mich dir anietzt zu zeigen unternehm.
Nicht eine neue Welt, viel tauſend Welt entſtehen;
Es laſſen ſich ſo gar ſelbſt neue Sonnen-Heere,
Ja tauſend neue Himmel, ſehn.
Der unerfuͤllte Raum, das ungeheure Leere
Hoͤrt auf, und iſt nicht mehr.
Hier, da der Seelen Blick, durch dieſes Glas geſtaͤrcket,
Jn Grentzen-loſen Hoͤhen ſteiget,
Wird allererſt von ihr in Ehr-Furcht recht bemercket,
Jn welcher Herrlichkeit der Schaaren HERR ſich zeiget.
X 5Man330Die Wunder-reiche Erfindung.
Man ſieht der Tieffen Raum, als Sein unendlich Kleid,
Voll Millionen Edelſteinen,
Die alle Sonnen ſind, in ſolcher Herrlichkeit,
Jn ſolcher Majeſtaͤt, ſo hell, ſo praͤchtig, ſcheinen;
Daß man fuͤr Luſt und Furcht, ſich gantz in Jhm verliert,
Jedoch in dem Verluſt ſich allererſt recht findet,
Jndem die Seele ſelbſt, fuͤr Luſt, die ſie empfindet,
Jn ihrem Nichts ſo gar ſich gleichſam neu gebiert,
Und einer, bloß durch GOTT ihr eingefloͤſſten Krafft,
Und ihr verliehnen Eigenſchaft,
Sich recht mit inniglichen Freuden
Am groſſen und unendlichen zu weiden,
Jn ſich gewahr wird und verſpuͤhrt.
O ew’ger Urſtand aller Dinge,
Von Dem, was worden iſt, allein ſein Seyn empfinge,
Hab ewig ewig Danck! ſey ewiglich geprieſen,
Daß Du Dich gegen uns ſo Gnaden-reich erwieſen,
Und, bloß aus Lieb und Huld, der Menſchen Seelen
Mit ſolchen Kraͤfften zu vermaͤhlen,
Gewuͤrdigt und geſchickt gemacht!
Ach! laß doch dieſe Krafft zu Deiner Ehr allein
Und zur Bewunderung von Deiner Wercke Pracht,
Von uns ſtets angewendet ſeyn!
Wie herrlich, unuͤmſchrenckt, gewaltig und unendlich
Sich in den Himmeln nun des Schoͤpfers Groͤſſe zeigt;
So wird doch Seine Groͤſſ auch in dem Kleinen kenntlich,
Wenn unſer Blick, durchs Glas, ſich in die Tieffe neigt.
O Wunder! was ſind hier fuͤr Wunder nicht entdeckt,
Die bis daher vor aller Welt verſteckt!
Es331Die Wunder-reiche Erfindung.
Es laͤſſt der Schoͤpfer, auch im Kleinen,
Die Strahlen Seiner Allmacht ſcheinen,
Wovon uns bis daher ſo gar die Spuren
Verdeckt geweſen ſind. Von kleinen Creaturen
Wird eine gantze neue Welt,
Und in derſelben uns der Schoͤpfer vorgeſtellt
Jn einem neuen Glantz, in einer neuen Pracht,
Jn neuer Weisheit, neuer Macht.
Unendlich zeigt ſich GOTT in Kleinen ja ſo wol,
Als er ſich in dem groͤſſten zeiget:
So uns abſonderlich zum Troſte dienen ſoll.
Denn, waͤr der Schoͤpfer bloß im Groſſen groß allein,
Wie koͤnnt er uns, die wir ſo klein,
Mit Recht doch zugeeignet ſeyn?
So aber zeiget ſich die Gottheit ja ſo kraͤfftig,
Und iſt im Niedrigen nicht weniger geſchaͤfftig,
Als ſie im Groͤſſten iſt. Daß aber dem Verſtand
Bloß durch ein wenig Aſch und Sand,
Wenn es das Feur im rechten Grad
Vereint und zugerichtet hat,
Ein ſolches helles Licht
Jn dem geſchliffnen Glas entſtellet,
Da es des Coͤrpers Auge ſtaͤrckt;
Jſt etwas, wenn man es bemerckt,
Das uͤber alles dencken gehet.
Bey dieſem Wunder-Licht| kann unſre Seele leſen
Geheimniſſe, die ſonſt, von Anbeginn der Welt,
Der Menſchheit unbekannt, und gantz verdeckt geweſen;
Die aber GOTT der HERR uns ietzt vor Augen ſtellt.
O GOtt!332Die Wunder-reiche Erfindung.
O GOTT! ein ſeliges Erſtaunen nimmt mich ein.
Der Abgrund Deiner Macht und Weisheit ſtellet mir
Mich ſelber groß, Dich recht unendlich fuͤr.
Ja wenn ich noch erwege, wie ſo klein
Dieß Werck-Zeug, welches unſern Geiſt
Der dicken Finſterniß entreiſſt;
Komm ich annoch auf andere Gedancken.
Da GOttes Macht ohn Ende, ſonder Schrancken;
Was koͤnnen nicht fuͤr Herrlichkeiten,
Fuͤr Schoͤnheit - und Vollkommenheiten
Jn der Natur annoch verborgen ſeyn!
Die unſern Sinnen noch verhehlt,
Und die wir bloß daher vielleicht noch nicht bemerckt,
Weil uns dazu ein Werckzeug fehlt,
Das andre Sinnen, ſo wie Glas die Augen, ſtaͤrckt.
Urſprungs-Quell! aus Dem entſpringen
Alle Dinge, die ſo ſchoͤn!
Wovon wir in allen Dingen,
Wenn wir ſie bewundernd ſehn,
Seine Macht und Weisheit leſen!
Weſen! woraus aller Weſen
Weſen und die Krafft entſtehn!
Welches alles in der That
Wunderbar entnichtigt hat!
Weſen,333Die Wunder-reiche Erfindung.
Weſen, welches bloß die Liebe
Zu des Schoͤpfungs Wunder triebe,
Und von Dem, durch Lieb allein,
Jn den Himmeln und auf Erden
Alle Ding erhalten werden,
Laß uns Dir gefaͤllig ſeyn!
Laß uns uns mit Luſt beſtreben,
Dich in Ehr-Furcht zu erheben,
Dir allein zum Ruhm zu leben!
Laß uns doch in Deinen Wercken,
Uns zur Luſt, und Dir zur Ehr,
Deine Macht ie mehr und mehr
Mit vergnuͤgter Seele mercken!
Be -334Beweis, daß die Planeten keine leere Coͤrper.
Beweis, daß die Planeten keine leere Coͤrper.
Mit uͤberzeuglich-wahren Schluͤſſen, und vielen Gruͤn - den nicht allein,
Zeigt man, daß der Planeten Coͤrper erfuͤllet und bewoh - net ſeyn;
Man kann den groſſen Satz ſo gar, aus deinem leugnen ſelbſt erweiſen.
Weil wir fuͤr die ſo groſſe Coͤrper derſelben Schoͤpfer gar nicht preiſen,
Und alles doch unwiederſprechlich, zu Seinen Ehren, iſt ge - macht:
So folgt daraus: Daß ſonder Zweifel Geſchoͤpfe dort her - vor gebracht,
Die das, was wir verrichten ſollten, in Luſt und Ehr-Furcht dort veruͤben,
Und den Anbetungs-werthen Schoͤpfer verehren, dancken, loben, lieben.
Troſt335Troſt in Traurigkeit.
Troſt in Traurigkeit.
Jſt etwan euer Geiſt beſchweret und betruͤbet;
So nehmet dieſen Raht von einem an,
Der aus Erfahrung ſprechen kann,
Daß er in Wiedrigkeit beſondre Lindrung giebet.
Schlieſſt ein paar Augenblick die Augen-Lieder zu.
Durch die Veraͤnderung wird das Gemuͤth,
Ob es ſich gleich nicht gantz der Traurigkeit entzieht,
Jn welcher es zu tieff verſencket,
Doch etwas von dem Weg der Schwermuth abgelencket,
Und kommt aufs wenigſte zum Anfang einer Ruh.
Hebt dann mit Langſamkeit die Augen wieder auf;
So werden, ſonderlich bey hellem Sonnen-Schein,
Die Vorwuͤrff der beſtrahlten Erden (Die wir, wie herrlich ſie gleich waren, und wie ſchoͤn,
Doch, durch den Mißbrauch unſrer Sinnen,
Und durch Gewohnheit blind, vorhin nicht angeſehn)
Uns recht zu Freuden-Quellen werden:
Da ſie, indem ſie uns durchs Aug ins Hertze dringen,
Zugleich ein lieblichs Gnaden-Bild
Von dem, der ſie gemacht, der alle Ding erfuͤllt,
Von ihrem Schoͤpfer, mit ſich bringen.
Dieß kann nun ohne Troſt und Freude nicht geſchehn,
Weil die Erinnerung, den Schoͤpfer nah zu ſehn,
Uns336Troſt in Traurigkeit.
Uns billig zur Gelaſſenheit
Am ſtaͤrckſten treiben ſollt, und zu der Zuverſicht,
Der gegenwaͤrtge GOTT, der ſelbſt ein GOTT der Freuden,
Dem es an Lieb und Macht und Weisheit nicht gebricht,
Und ohne Dem nichts, was geſchicht, geſchicht;
Werd, wenn Er uns, nach unſrer Moͤglichkeit, (Denn was unmoͤglich iſt verlangt Er nicht)
Gelaſſen findet;
Zu rechter Zeit, die Er allein ergruͤndet,
Und die kein Menſch vermag zu faſſen,
Die wechſelnde Beſchaffenheit
Der meiſten Dinge dieſer Zeit
Uns gnaͤdig wiederfahren laſſen.
Der337Der Tag, der geſtern vergangen.

Der Tag, der geſtern vergangen.

Geſtern iſt nicht heute mehr: es iſt weg, es iſt dahin.
Es verſpuͤhrt, empfindet, fuͤhlet, ſieht und hoͤret unſer
Sinn
Nichts von ſeiner Gegenwart. Geſtern iſt wie ein Ge -
ſchrey,
Das im Augenblick verſchwindet, auch verſchwunden und
vorbey.
Alles geſtrige Vergnuͤgen, Lachen, Froͤhlichkeit und Schertz
Jſt nunmehr ein leeres Nichts. Aber auch ein bittrer
Schmertz,
Der uns geſtern druͤckt und fraß, der uns Marck und Bein
durchwuͤhlet,
Hat mit geſtern aufgehoͤrt, und wird heute nicht gefuͤhlet.
Eines Reichen froͤhlichs Geſtern iſt mit allem ſeinen pran -
gen,
Und des Armen elend Geſtern auch mit aller Noth vergan -
gen.
Beides bringt beſondern Troſt. Denn die kurtze Daur der
Freuden
Troͤſtet alle, die nicht gluͤcklich: Und, die Pein und Schmer -
tzen leiden,
Werden ungemein geſtaͤrckt, wenn ſie dieſes uͤberlegen,
Und die unleugbare Wahrheit dieſer Lehre wol erwegen:
Jndem du geſtern keine Plagen
Mehr fuͤhlen kannſt, noch darfſt ertragen;
So mindre Kummer und Verdruß,
Und kraͤncke dich nicht mehr ſo ſehr auf Erden.
Es wird, mit ungehemmten Fluß,
Ein iedes Heute, Geſtern werden.
YDas338Das herrliche Geſchoͤpf

Das herrliche Geſchoͤpf Des Tockayer-Weins, in einem Hirten-Gedichte auf Gnaͤdigſtes Verlangen des Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn, HERRN Guͤnthers, Fuͤrſten zu Schwartzburg ꝛc. ꝛc. ꝛc.

Unter dick belaubten Zweigen hoher Linden, ſchlancker Buchen,
Ging Beraldo, kuͤhle Schatten bey der ſchwuͤlen Lufft zu ſuchen,
Weil er faſt den gantzen Morgen, der Geſchoͤpfe Schmuck und Pracht,
Auf den Huͤgeln, in den Thaͤlern, zu betrachten zugebracht.
Bald hatt ihm ein heller Bach, der auf glatten Kieſeln eilet,
Bald ein ſchroff - und ſteiler Fels, bald ein angenehm Ge - buͤſche,
Bald ein wallend Aehren-Meer, durch ſein liebliches Ge - ziſche,
Bald der leichten Voͤgel Zwitſchern, eine ſanfte Luſt er - theilet.
Nah an einer hohen Eichen, die des nahen Berges Gipfel
Faſt an Hoͤh zu trotzen ſchien, deſſen Blaͤtter-reicher Wipfel,
So mit Eicheln, wie der Stamm mit des Mooſſes Sammet, pranget,
War er, mit beſchwitzter Stirn, ſchrittlings eben angelanget.
Eben339des Tockayer-Weins.
Eben war er im Begriff ſich ins kuͤhle Gras zu ſetzen,
Um an dieſes Ortes Anmuth ſich aufs neue zu ergetzen,
Als er ungefehr im Grunde, nahe bey ſich, rechter Hand,
Seinen liebſten Freund Durander, wie er bey der Heerde ſtand,
Er auch ihn zugleich erblickte: der denn ſchnell gelauffen kam,
Und mit dieſen ſuͤſſen Worten ihn liebkoſend mit ſich nahm:
Eben find ich dich zu recht, liebſter Freund, verſchiedne Sachen,
Die ſich juͤngſt mit deinen Liedern zugetragen, kund zu ma - chen.
Aber weil du warm und muͤde, wirſt du dich fuͤrher beque - men,
Friſche Milch bey mir zu trincken, und mit mir fuͤrlieb zu nehmen.
Was Teich, Haus und Stall vermag, will ich mit Vergnuͤ - gen geben.
Wol, ſprach gleich Beraldo laͤchlend, ich will mit. Drauf gingen ſie
Bald durch Ziegen, Pferd und Schaaffe, bald durch das ge - hoͤrnte Vieh.
Unter Weges fiel die Rede auf das Land - und Schaͤfer - Leben.
Wie gluͤcklich, ſprach Beraldo, leben wir
Jn dieſes lieblichen Gefildes Luſt-Revier,
Entfernt vom Staͤdtiſchen beſchwerlichen Getuͤmmel,
Fuͤr Zanck, Verleumdungen, fuͤr Neid und Streit
verborgen,
Jn einer ſuͤſſen Ruh, als wie im irdſchen Himmel!
Jn Staͤdten kann man nicht ſein eigen ſeyn:
Ein ſteter Laͤrm, der Wolſtand, Nahrungs-Sorgen,
Y 2Die340Das herrliche Geſchoͤpf
Die rauben uns uns ſelbſt, verwirren unſre Geiſter,
Und blenden uns mit falſchem Schein.
Hingegen auf dem Land iſt man ſein eigner Meiſter:
Man kann, in Fried und Ruh, auf ſich allein gedencken,
Und ſeinen Geiſt, durch das Geſchoͤpf ergetzt,
Jn Andacht-voller Luſt, zum groſſen Schoͤpfer lencken.
Hier kann man, ohne Schaam (ein Gluͤcke, das nicht klein)
Vertraͤglich, tugendhaft, voll Ehr-Furcht gegen GOtt,
Und, ſonder Schande, redlich ſeyn.
Mit dergleichen Unterredung kuͤrtzten ſie den Weg, und kamen,
Weil ſie ohne dieß mit Fleiß den bekannten Fuß-Steig nahmen,
Bald, und eh ſie ſichs verſah’n, mit nicht gar geſchwinden Schritten,
Voll gelaſſenen Vergnuͤgens, zu Duranders kuͤhlen Huͤt - ten:
Traten in die gruͤne Laube, die bereits vor manchem Jahr
Aus ſechs ſchlancken Linden-Baͤumen artig zugerichtet war.
Dieſe Laube war ein kuͤnſtlich dicht geflochtnes Blaͤtter - Zelt,
Wodurch, auch im heiſſen Mittag, der geringſte Strahl nicht faͤllt.
Eben ward der Tiſch gedeckt, und es ward, ohn alle Pracht,
Sonder Porcellain und Silber, doch ſehr nett und rein zu Tiſche,
Abgekuͤhlte fette Milch, eben ſelbſt gefangne Fiſche,
Ein gebratnes junges Laͤmmchen, auch recht ſchoͤnes Obſt gebracht,
Ein341des Tockayer-Weins.
Ein beſchaͤumter kuͤhler Wein ward, nachdem das Glas ge - ſchwencket,
So zum Durſt, als zum Vergnuͤgen, mehr als einmahl ein - geſchencket,
Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit Luſt
Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufriednen Bruſt,
Und mit recht zufriednem Geiſt, ſo, daß Feld und Wald er - klang,
Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er offters pflegte, ſang:
Wunder-voller Safft der Reben,
Suͤſſer Unmuths-Gegen-Gifft!
Unſers Lebens halbes Leben ꝛc.
Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht ver - gnuͤgt,
Und ſich, durch den muntern Ton, innig ſo geruͤhret fuͤhlte,
Daß er zu Beraldo Stim̄e dann und wann die ſeine fuͤgt,
Bald mit einem halben Vers, ſo wie er ihn ſchnell behielte,
Bald mit einem ſanften Sumſen den beliebten Ton ver - ſtaͤrckte,
Ubrigens mit Haupt und Fuß aͤmſiglich den Tact bemerckte;
Unterbrach er doch zuletzt den Geſang: ſprang auf, und ſprach;
Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach.
Denn nunmehro muß ich dir, was ich ſagen wollt, ent - decken:
Weiſt du, daß der groſſe Guͤnther, deſſen fettes Land und Wieſen
Weiter, als die andern Wieſen aller Schaͤfer, ſich erſtrecken,
Y 3Der342Das herrliche Geſchoͤpf
Der mit einem guͤldnen Stabe die nicht zehlbar’n Heerden weidet,
Den die Fuͤrſtliche Gebuhrt, doch noch mehr der Tugend Glantz,
Und der Weisheit ſtrahlend Licht von uns allen unterſchei - det;
Deine Lieder lieſet. Ber. Was? Den, mit Recht, der Purpur kleidet?
Deſſen Geiſt von Wiſſenſchaft, Ehr und Gluͤck zum Sitz erwehlet?
Dem nicht nur die fetten Heerden, ſelbſt die Schaͤfer unter - than? Guͤnther, welcher Kayſer ſelbſt unter Seinen Ahnen zehlet,
Lieſet meine Lieder? Dur. Ja, und Er preiſ’t ſie an - dern an,
Singt ſie ſelber (ob Er gleich ſelbſt, daß es ein Wunder, ſinget)
Ja Er hat, da die Natur meiſt das, was von dir erklinget;
Geſtern noch mir dieß von dir zu verlangen aufgetragen,
Daß du, ſo wie andre Dinge, der Tockayer Neben-Safft,
Dem zum Ruhm, Der dieſes Wunder ſchafft, ſo wie er alles ſchafft,
Nach Vermoͤgen moͤchtſt beſingen. Und, daß es gelingen moͤchte,
Wann dein reger Geiſt vielleicht ſelbſt geruͤhrt, noch beſſer daͤchte;
Hat er mir, da dieſer Moſt ſonſt die Schaͤfer ſelten traͤncket,
Voll von dieſem ſuͤſſen Tranck ein ſehr ſchoͤnes Faß geſchen - cket.
Komm, beſchau es ſelbſt. Der Fels, den dn aus dem Buſche dort,
Meiſt beſchattet, ragen ſiehſt, hegt in ſeiner kuͤhlen Hoͤhle
Die -343des Tockayer-Weins.
Dieſen meinen feuchten Schatz. Wie, nach einer duͤrren Zeit,
Wenn ein lau - und ſanfter Regen das verſengte Gras er - quicket,
Sich ſo Schaaf als Hirten freuen; Alſo ward Beraldo Seele,
Durch des groſſen Guͤnthers Beyfall ſeiner Lieder, faſt entzuͤcket:
Folgt auch gleich Duranders Schritten mit beſondrer Munterkeit,
Weniger aus Neu-Begier, oder ſeinen Durſt zu ſtillen,
Als des groſſen Hirten Wollen deſto ſchneller zu erfuͤllen,
Seiner Schuldigkeit gemaͤß, ob es ihm gleich gar nicht leicht,
Sondern voller Schwierigkeit, und faſt ja ſo ſchwehr be - deucht,
Von dem Koͤnig aller Weine etwas wuͤrdigs vorzutragen,
Als vom Auszug aller Fuͤrſten, Guͤnthers Ruhme, gnug zu ſagen.
Unter Weges ſahen ſie, wie der Hirten muntre Schaar
Hier mit melcken, dort mit ſcheren ihrer Heerden aͤmſig war,
Da ſaß einer, der den Nahmen Phillis, mit verſchraͤnckten Zuͤgen,
Jn ein junges Baͤumchen ſchnitte. Dort ſatzt einer einen Crantz,
Den er alleweil gebunden, mit vereinigtem Vergnuͤgen,
Seiner holden Doris auf. Jener ſucht, in einem Tantz,
Staͤrcke, Fertigkeit und Liebe ſeiner Silvia zu zeigen,
Welche, gleichfalls leicht von Fuͤſſen, Seladon zu fliehen ſchien,
Doch nur, uͤm mit groͤſſerm Eifer Seladon ihr nach zu ziehn.
Celimandern hoͤrten ſie floͤten; Selimantes geigen.
Y 4An344Das herrliche Geſchoͤpf
An den allermeiſten Orten ward von Alten und von Jungen,
Zu des Ober-Hirten Ruhm, viel geredet, viel geſungen.
Offt erſchallte Feld und Wald von verſchiednen Wechſel - Choͤren,
Und die allermeiſten lieſſen anders nichts faſt von ſich hoͤren:
Als: der groſſe Guͤnther lebe, nebſt der holden Albertinen,
Unter denen unſre Wieſen, in erwuͤnſchtem Friede, gruͤnen!
Unſre Wandrer hoͤrten dieß voll Vergnuͤgen, ja ſie fiengen,
Bald bey dieſem, bald bey jenem frohen Chor, mit an zu ſingen: Lebe, groſſer Guͤnther, lebe, nebſt der holden Albertinen,
Unter denen Wald und Wieſen in erwuͤnſchtem Friede gruͤnen!
Endlich waren ſie daruͤber da, wo ſie ſich vorgenommen,
Bey dem dick bebuͤſchten Felſen, unvermuthet angekommen.
An des ſteilen Berges Fuß oͤfnet ihren weiten Mund
Eine faſt verwachsne Hoͤle. Deren Eingang, wie die Schooß,
Viele Straͤucher, wilder Flieder, zaͤhes Epheu, weiches Mooß,
Und zumahl ein hoher Ulm-Baum, welcher an der Oeffnung ſtund,
Schwaͤrtzt und ſchmuͤcket, fuͤllt und deckt. Dieſer Hoͤlen harte Seiten
Waren faſt an allen Orten, durch den ſcharffen Zahn der Zeiten,
Durch -345| des Tockayer-Weins.
Durchgeloͤchert und zernagt. Hier war es beſtaͤndig kuͤhl,
Weil kein warmer Sonnen-Strahl in die Oeffnung iemahls fiel.
So daß, wenn auch Sirius Feld und Wald in Flammen ſetzte,
Doch ein angenehmer Schauer den, der in ſie trat, ergetzte.
Hier nun ſahen ſie gar bald, ſchon von weitem, mit Vergnuͤgen,
Bey dem Lichte, das von oben durch geſpaltne Felſen drung,
Und wodurch das Schimmer-Licht allgemeiner Daͤmmerung
Sich an dieſem Ort verlohr, das geſuchte Faͤßchen liegen.
Es war aus dermaſſen zierlich von Figur und netten Staͤben,
Mit gantz friſch bewundnen Reiffen, mehr geziert faſt, als verſehn.
Etwas Schnitz-Werck ſah man oben, von geſchlungnem Laub von Neben,
Und in ihnen, halb erhoben, Guͤnthers Fuͤrſtlich Wa - pen ſtehn.
Alſobald ergriff Durander ein Cryſtallen-Glas, ſo ihm
Auch dabey geſchencket war, ſchwenckt es in der klaren Fluth,
Die, von Felſen abgetroͤpfelt, endlich im Behaͤlter ruht,
Den ſie ihr ſelbſt ausgehoͤlet: Und ließ aus dem ſchoͤnen Faß
Ein, geſchmoltzenem Topaſe faſt an Farben aͤhnlichs Naß
Jn den Becher ſchaͤumend rinnen. Wie er nun gefuͤllet war,
Reichet er ihn gleich Beraldo, mit vergnuͤgtem laͤcheln, dar.
Y 5Kaum346Das herrliche Gefchoͤpf
Kaum hatt er es angenommen, als er das beſchaͤumte Glas
Vor die Naſe ſchwebend hielte, da denn gleich dieß ſuͤſſe Naß,
Wie ein Balſam, ſein Gehirn gantz erfuͤllt und ſo ergetzte,
Daß an die geſpitzten Lippen er es, ohne zoͤgern, ſetzte,
Sanfte ſchlurft, und an den Gaum mit der Zungen Spitz es druͤckte,
Schmatzend abzog; wodurch ſich eine Luſt auf ihn ergoß,
Die in einem Augenblick durch ſein gantzes Weſen floß,
Jhn vergnuͤgte, ruͤhrt, ergetzt, ihn erfreut, erfriſcht, er - quickte;
So daß er, halb auſſer ſich, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren,
Dieſes ſein Geſchoͤpf beſang. Und nachdem ers offt ge - ſchmecket,
Und darin noch immermehr Wunder in der Luſt entdecket;
Ließ er, voll Zufriedenheit, die Gedancken von ſich hoͤren:
Valſam des Lebens! Labſal der Seele!
Flieſſende Flamme, voll reitzender Krafft!
Schmertzen und Traurigkeit linderndes Oele!
Quelle der Anmuth! begeiſterter Safft!
Edler Tockayer, dein holdes Getraͤncke
Heiſſet und bleibet ein himmliſch Geſchencke.
Jndem ich dein beſchaͤumt und trinckbar Gold beſchau,
So kommt es mir
Nicht anders fuͤr,
Als ein vom Sonnen-Licht beſtrahlter Morgen-Thau,Jn347des Tockayer-Weins.
Jn welchen ſich von allen Edel-Steinen
Die Farben und der Glantz vereinen.
Wann ich dein wol gemiſcht ſuͤß-ſaͤurlich Weſen ſchmecke;
Daucht mich, daß ich den Auszug recht in dir
Von allen dem, was lieblich ſchmeckt, entdecke.
Wie iſt dein lind und oͤlicht Weſen
So lieblich glatt, ſo ſanft, ſo weich,
Und doch durchdringend ſcharff zugleich!
Dieß hat kein andrer Wein. Es ſcheint,
Ob waͤr in dir zugleich die Nahrungs-Krafft vereint.
Man glaubt, wann uns den Mund die fetten Tropfen fuͤllen,
Nicht nur den Durſt, den Hunger auch zu ſtillen.
Ein Heyde wuͤrde dieß gewiß von dir erzehlen:
Jn dir ſcheint Ceres ſich mit Bachus zu vermaͤhlen.
Begluͤcktes Land, wo, durch des Himmels Guͤte,
Die ſuͤſſen Kinder edler Neben
Ein ſolches liebliches erwuͤnſcht Getraͤnck uns geben,
Daß unſer circkelndes Gebluͤte,
Dadurch ergetzt, erquickt, erfriſcht,
Sich leicht und gern mit dieſem Saffte miſcht,
Der Tages unſre Luſt, des Nachts die Ruhe mehrt,
Und deſſen holdes Feur der Sorgen Dufft verzehrt,
Ja uns ſo gar ein Artzeney gewehrt.
Wie wird mir? edles Naß, du Freuden-Feuers Quelle,
Jch fuͤhl, ich ſeh in dir ein ſonſt nicht ſichtbar Licht,
Das durch des Schwermuths Dufft und Unmuths-Nebel bricht. Der348Das herrliche Geſchoͤpf
Der Argwohn, nebſt der Furcht, der Menſchen Plage - Geiſter,
Sind durch dich weggejagt. Du machſt, an ihrer Stelle,
Dich aller meiner Sinnen Meiſter.
Es wird in meiner Seelen helle.
Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe
Der faſt erſtorbnen Naͤchſten-Liebe
Verziehen mein Gemuͤth, beherrſchen meinen Sinn.
Kaum bin ich mehr derſelbe, der ich bin.
Ein Etwas, welches ich empfinde,
Jſt ſuͤß, iſt lieblich, iſt gelinde:
Mich ruͤhrt ein reiner Anmuths-Strahl.
Es wallt mein froͤhliches Gebluͤte,
Und mein erheitertes Gemuͤthe
Jſt reg und ruhig auf einmahl.
Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke:
Woher kommt dieſe Luſt? Wie koͤnnen Neben
Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?
Vermag ihr Safft
Jn mir der Redlichkeit und des Verſtandes Krafft
Zu mehren, zu erheben?
Nein, nein! Ja, ja! Es iſt gewiß:
Gleich ietzt verlaͤſſet mich des Zweifels Finſterniß.
Du zeigeſt, da durch dich der Argwohn uns verlaͤſſt,
Zuſammt der Brut der Furcht, des Haſſes und der Sorgen,Daß349Des Tockayer-Weins.
Daß noch in unſrer Bruſt ein Reſt
Von Menſchen-Lieb und Billigkeit verborgen,
Die durch Gewohnheit gantz verſteckt,
Verhuͤllt geweſen und verdeckt.
Wie aber in der Lufft der Sonnen Licht
Der Wolcken Dufft zertheilt: iedoch derſelben Hitze, (Wenn ſie zu ſtarck) uns brennt: ſo iſt bey dieſer Gluth,
Die Ubermaſſe auch nicht gut,
Die Maſſe noͤthig, heilſam, nuͤtze.
Druͤm dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit dabey,
Daß uͤbermaſſ uns unterſaget,
Daß Maſſ abſonderlich Dem, Der ihn giebt, behaget;
Ja daß ſie noch die Luſt zu mehren dienlich ſey.
So trinck ich nur noch eins. Wie Wunder-ſuͤß,
Wie angenehm, wie ſanft iſt dieß!
Wie lieblich beiſſend, wie verſchiedlich
Jſt der verbundene Geſchmack, wie niedlich!
Der, durch den ſuͤſſen Druck, geruͤhrte Geiſt, verſpuͤret,
Vernimmt und mercket gleichſam hie,
Jm Wolſchmack, eine Harmonie,
Die ihm ſehr angenehm, und die ihn allgemach,
Denckt er der Anmuth nur vernuͤnftig nach;
Jn ſeiner Luſt, zum groſſen Geber fuͤhret.
Jch ſehe, mit vergnuͤgten Blicken,
Jch ſchmecke, gleichſam mit Entzuͤcken,Wie350Das herrliche Geſchoͤpf des Tockayer-Weins.
Wie freundlich GOTT, der alles ſchafft.
Aus Seinem ſeelgen Wolluſt-Meer
Hat Er ein Troͤpfchen Seiner Krafft
Jn unſern Sinn herab gelencket,
Und dem Tockayer Reben-Safft
Ein geiſtig Feuer eingeſencket.
Hieraus nun flieſſt zu Seiner Ehr:
Da eine ſolche ſuͤſſe Gluth,
Die ſelbſt die Seele kann ergetzen,
Ja nicht von ungefehr in dieſem Saffte ruht;
Was muß, in Seinen ewgen Schaͤtzen,
Um Seine Creatur zu laben,
Der Schoͤpfer nicht fuͤr Kraͤffte haben!
Ephe -351Ephemeris.
Ephemeris.
Jch ſeh die kleinen Enlchen ſchweben,
Die man Ephemeris ſonſt heiſſt;
Die einen einzgen Tag nur leben.
Bey dem Geſchoͤpfe denckt mein Geiſt: Wie fluͤchtig iſt doch eure Zeit! Bey ihr ſcheint unſre faſt ein Theil der Ewigkeit: Was Stunden bey uns ſind, ſind euch ja kaum Se - cunden; Was unſre Jahre ſind, ſind eure Viertel-Stunden.
Da aber dieſes Thier, indem es munter flieget,
Dem Anſehn nach vergnuͤgt iſt, und ſich freut;
So hat es, ungeacht der kurtzen Lebens-Zeit,
Sich laͤnger auf der Welt, als mancher Menſch, vergnuͤget.
Mond -352Mond-Schein.
Mond-Schein.
Des Mond-Scheins Schein im Waſſer ſcheinet
Demjenigen, der ihn allein,
Und nicht gen Himmel ſchaut,
Ein wirckliches Original zu ſeyn:
Er iſt es aber nicht.
Auf gleiche Weiſe ſcheint des Mondes wircklichs Licht
Dem, der nicht weiter ſieht, ein weſentlicher Schein:
Er iſt es aber nicht.
Wer weiß, ob auch ſo gar der Sonnen heller Strahl
Nicht abermahl
Ein ander Urbild hat, das uns noch unbekannt?
Ja wircklich ſcheint und kommet mir
Jhr heller Lebens-Brand,
Der aller Creatur Luſt, Leben, Waͤrm und Wonne,
Wenn ich es recht erweg, nicht anders fuͤr,
Als waͤr der Schoͤpfer ſelbſt der Sonnen Sonne.
Als353Als Bel. unten in ſeinem Garten ſtand.

Als Beliſander unten in ſeinem Garten ſtand.

Da ich dort die holde Hoͤhe,
Und, wenn ich das Haupt nur drehe,
Hier die ſchoͤne Flaͤche ſehe,
Die der Schoͤpfer mir gegoͤnnt;
So erfreut ſich mein Gemuͤthe,
Preiſ’t die Allmacht, ruͤhmt die Guͤte:
Und ie mehr es ſie erkennt,
Wuͤnſchet es, mit froher Seelen,
Jn der reichen Gaben Pracht,
Von des groſſen Gebers Macht
Vieles wuͤrdig zu erzehlen.
ZSeuf -354Seufzer.

Seufzer.

O Schoͤpfer! da, vor anderm allen,
Was auf der Welt, die ſchoͤne Welt,
Als Dein Geſchoͤpfe, mir gefaͤllt;
So laß, nebſt meinem ſchwachen lallen,
Dieß mein Gefallen Dir gefallen!
GOT -355GOttes Ehre durch Eigen-Liebe gehindert.
GOTTES Ehre durch Eigen-Liebe gehindert.
Du ſtelleſt, lieber A[], dir
Die Gottheit nicht viel anders fuͤr,
Als haͤtte Sie allein, und recht abſonderlich
Die deinen, deinen Stand, und dich,
Zur Abſicht ihrer Macht und ihrer Lieb erwehlet.
Denn ob es deinem Geiſt zwar nicht an Kraͤfften fehlet,
Vom Schoͤpfer wuͤrdiger zu dencken;
So braucheſt du ſie doch, aus Eigen-Liebe, nicht.
Es wird dir gar zu ſchwer, dein ſorgendes Geſicht
Auf etwas auſſer dir, und von dir abzulencken.
Es hindert dich dein gar zu liebes Jch,
Jn Ehr-Furcht GOTTES Werck und Groͤſſe zu er - wegen.
Daß Millionen Welte ſich
Um Millionen Sonnen regen;
Dieß alles wuͤrdigſt du, auf dich allein erpicht,
Des auſehns und bewunderns nicht.
Z 2Die356Die Qwitzen.
Die Qwitzen.
Wie? ſieht man hier auf hohen Stangen
Rubinen in den Luͤfften hangen?
So rieff ich, faſt halb auſſer mir,
Als ich gantz unverhofft die rothe Zier
Der gleichſam brennenden Blut-rothen Qwitzen-Beeren,
Auf ihren Gipfeln, funckeln ſah.
Jch wuſte kaum, wie mir geſchah:
Denn, ihre Glut noch zu vermehren,
Fiel eben dazumahl
Der hellen Sonnen Mittags-Strahl
Auf ihr faſt blendend Roth, das durch der Blaͤtter Gruͤn,
Zumahl, wann ſelbiges beſchattet,
Als durch vertiefften Grund, noch mehr erhaben ſchien.
Jch danckte, durch der Augen Luſt
Zum Schoͤpfer aller Ding empor gefuͤhret,
Und durch das ſchoͤne Roth der ſchoͤnen Frucht geruͤhret,
Mit einer angeflammten Bruſt,
Dem, Der nicht nur der Beeren holde Pracht,
Und alle Ding aus nichts gemacht;
Der auch zugleich durch mein geſchenckt Geſicht,
Und durch das wunderbare Licht,
Mich dafuͤr ſinnlich macht; ja gar mir Seelen-Augen,
Die, daß er alles ſchafft, zu ſehen taugen,Aus357Die Qwitzen.
Aus Gnad und Huld verliehn.
Jch brach
Demnach
Um mich noch ferner zu bemuͤhn,
Der Qwitzen Schoͤnheit zu betrachten,
Und in derſelben Pracht auf Sein Geſchoͤpf zu achten,
Ein Zweiglein voller Frucht und Blaͤtter ab;
Das mir, zu folgender Betrachtung, Anlaß gab:
Wie reich erzeiget ſich des Schoͤpfers Herrlichkeit
Allein in der Geſchoͤpfe Unterſcheid!
Wie ſeh ich hier in rother Glut
Solch eine Menge Beeren blitzen
Und all an einem Stengel ſitzen,
Jn andrer Ordnung noch, als wie das Trauben-Blut!
Die Beeren an ſich ſelbſt ſind aus dermaſſen zierlich
Geruͤndet und geformt. Die Bildung iſt natuͤrlich
Den nettſten Aepfeln gleich, die roth durchaus gefaͤrbt.
Beſiehet man ſie recht, wird auf der glatten Haut
Ein kleines Sonnen-Bild geſchaut,
Das lieblich wiederſtrahlt, zumahl bey heiterm Wetter.
Wie laͤnglich rund, und zierlich eingekerbt
Sind dieſes Baumes nette Blaͤtter!
Man kann derſelben lieblich Gruͤn,
Bey ihrer Frucht ergetzenden Rubin,
Nicht ſonder Anmuth ſehn.
Z 3Ob358Die Qwitzen.
Ob wir nun gleich bey uns der Qwitzen Frucht nicht eſſen;
So muß man doch des Nutzens nicht vergeſſen,
Da ſie uns wunderbar,
Wenn, mit faſt ungezehlter Schaar,
Der Krammets-Voͤgel Heer durch unſre Laͤuder ſtreicht,
Dieſelben uns zu Lecker-Biſſen reicht:
Die, wenn ſie nicht die Qwitzen-Beeren
So gierig naſcheten, gar nicht zu fangen waͤren.
Ach moͤgten wir ſie nie ohn Luſt und Danck verzehren
Ach moͤgte doch der Qwitzen rother Schimmer,
Und ihre Glut - und Blut-Farb immer
Auch eine Glut in unſerm Blut erregen,
Und uns, in unſrer Luſt, zu GOTTES Ruhm bewegen!
Noch359Noch andere Herbſt-Gedancken.
Noch andere Herbſt-Gedancken.
Es kuͤhlete nunmehr der Herbſt die Tage ſchon,
Als ich, zur Abend-Zeit, im Garten hin und her
Jm hellen Mond-Schein gieng; da ich von ungefehr
Den Glantz der herrlichſten Jllumination,
Die ie ein Menſch geſehn, erblickt.
Jch ſah zuerſt von meinem Zimmer,
Die Fenſter angeſtrahlt und herrlich ausgeſchmuͤckt.
Der mehr als Silber-weiſſe Schimmer
Vom vollen Mond, der funckelnd ruͤckwaͤrts fiel,
War meiner frohen Augen Ziel.
Abſonderlich, da bey ſo heiterm Wetter,
Durch einen Wein-Stock, deſſen Blaͤtter
Die Scheiben faſt bedecket hatten,
Das Licht noch eins ſo hell, durch untermiſchte Schatten,
Glaͤntzt, blitzt und funckelte. Wie ich nun alſo ſtand,
Und dieſen reinen Glantz recht Wunder-wuͤrdig fand;
Setzt iemand ungefehr ein brennend Licht
Jm Zimmer vor das Fenſter nieder.
O welch ein Wunder-Glantz traff meiner Augen Lieder,
Und fiel nicht nur in mein Geſicht,
Fiel in die Seele ſelbſt hinein!
Des hellen Lichts faſt guͤldner Schein
Drang in das bunte Laub der Neben,
Das, durch den kuͤhlen Herbſt, und fenchte Wittrung, eben
Sein bis daher ſo lieblich Gruͤn,
So gelb als Gold, ſo roth, als ein Rubin,Z 4Ge -360Noch andere Herbſt-Gedancken.
Gemahlet und gefaͤrbt. Es ward dadurch zugleich
So ſchoͤn der Farben Schmuck gebrochen und gemildert,
Daß Denner ſelbſt ſo ſchoͤn, ſo hell, nicht ſchildert,
Noch ſeine Farben miſcht. Ein Licht-Glantz, welcher ſtrahl
Durch Laubwerck, ſo auf Tafft gemahlt,
Sieht angenehm, ſieht nied-und lieblich aus:
Allein, wie groß iſt doch der Unterſcheid
Von der Copie zum Urbild! irdiſch nur
Sind Farben, ſo die Kunſt gebrauchet; die Natur
Zeigt hier in einem Safft, der wol gelaͤutert, rein,
Des Lichtes ſelbſt gefaͤrbten Schein.
Wie herrlich flammt in einer rothen Glut
Manch, ſelbſt das reinſte Schnecken-Blut
Beſiegend, und an Glantz weit uͤbertreffend Blat!
Das viele bunte Nachbarn hat,
Die auch, nicht minder ſchoͤn,
Jn gleichſam guͤldnen Flammen ſtehn.
Durch dieſe bunte Glut, und Feuer-reiche Pracht
Ward alſobald in meinem Hertzen
Ein Freuden-Feuer angefacht.
Es brennen reiner Andacht Kertzen
Zu deſſen Ruhm, der Laub und Licht,
Und, uͤber alles, mein Geſicht
So wunderbar formirt, und mir gegeben.
Ach moͤgt ich doch, zu Seiner Ehr,
Jn ſeiner Creaturen Heer,
Sein unausdruͤcklich Lob ie mehr und mehr,
Jn der Betrachtungs-Luſt, zu mehren, mich beſtreben!
Zum361Zum Herbſt: Fabel.

Zum Herbſt: Fabel.

Ein juͤngſt noch dick belaubter Baum
Sah ſeines Wipfels Pracht erbleicht zu ſeinen Fuͤſſen,
Und, wie des Bodens runder Raum,
Den die ſo angenehm begruͤnten Schatten
So offt geſchuͤtzt, ſo offt bedecket hatten,
Den lieben Kinderchen zum Kirch-Hof werden muͤſſen.
Es riß der kalt und rauhe Nord
Den duͤnnen Uberreſt noch immer mit ſich fort,
Sie taumelten recht Schaaren-weiſ herab,
Und ſuncken in das finſtre Grab.
Er ſchien, in dunckler Farb, ihr ſterben zu betrauren,
Und, in der Kinder Fall, ſich ſelber zu bedauren.
Dieß heimliche Geſeuftz, dieß ſtill und bange klagen
Vermogten einige der Blaͤtter, die noch gruͤn,
Und deren friſche Farb faſt unverwelcklich ſchien,
Nicht zu vertragen.
Sie ſprachen: Traure nicht! wir wollen bey dir blei - ben,
Uns wird kein Wind, kein Froſt vertreiben.
Sieh nur, wie gruͤn wir noch, wie friſch; wir fuͤhlen nicht,
Daß uns, an Krafft, an Schoͤnheit, was gebricht.
Allein, faſt in derſelbigen Secunde,
Erſtarrt ihr kuͤhnes Wort in ihrem kleinen Munde. Z 5Ein362Zum Herbſt - Fabel.
Ein kalter Hauch den Eurus von ſich bließ,
Der ihnen ſeine Staͤrck, und ihre Schwaͤche wies,
Griff ihren zarten Leib ſo grimmig an,
Daß ihnen Leben, Muth, und alle Krafft
Vergieng, entwich, zerrann.
Es ſtockt ihr Lebens-Safft;
Es ſchrumpft ihr Coͤrper ein; ſie zittern jaͤmmerlich;
Ein aͤngſtlich Seufzen ſcheint ihr liſpelndes Geziſche;
Sie beben, und ſie kruͤmmen ſich:
Es ſcheint, als ob man ſie recht von den Zweigen wiſche.
Sie hielten bloß daruͤm, dieweil die Reih
Sie etwas ſpaͤter traff, ſich faſt vom welcken frey.
Laſſt dieſe Blaͤtterchen, ihr noch geſunden Alten, Bey euch des Lehrers Amt verwalten! Ein Augenblick ſtuͤrtzt ſie herab: Ein Augenblick ſtuͤrtzt euch ins Grab.
Die363Die Mahlerey.
Die Mahlerey.
Wenn ich recht die Tieffe, Hoͤhe,
Die Natur der Mahlerey,
Und wie groß ihr Umkreis ſey,
Mit der Seelen Augen ſehe;
Stutz ich: denn ein helles Licht
Strahlet mir in mein Geſicht.
Selbſt von unſrer Seelen-Weſen,
Deucht mich in ihr was zu leſen,
Welches man
Sonſt nicht leicht erblicken kann.
Wann, mit etwas ſchwartzer Kreide, Mieris, deine Kunſt die Welt,
Was ſie ſchoͤnes in ſich haͤlt,
Uns ſo klar vor Augen ſtellt,
Und, aus nichts faſt, etwas ziehet,
So, daß man, nicht ſonder Freude,
Jn der Pracht der Creatur,
Von dem Schoͤpfer ſelbſt die Spur
Jn den klugen Zuͤgen ſiehet;
Deucht mich, daß die Mahlerey
Faſt ein Bild der Schoͤpfung ſey;
Da du aus der ſchwartzen Erden
Thier und Pflantzen laͤſſeſt werden.
Ach! rieff ich, von Andacht heiß:
Da wir in der Menſchen Seelen
Solche Wunder-Kraͤfft entdecken,
Die man nicht vermag zu zehlen;
Wie ſo gar unendlich weit
Muͤſſen ſich, voll Herrlichkeit,
Unſers Schoͤpfers Kraͤfft |erſtrecken!
Der364Der Verſtand.
Der Verſtand.
Offt hab ich bey mir uͤberleget,
Was der Verſtand doch eigentlich,
Wodurch die Menſchheit ſich
Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, betraͤget.
Jch ſtelle denn, nach langem dencken, mir
Denſelbigen nicht anders fuͤr,
Als etwa wie ein reines Licht,
Das im Gehirn, als ſeinem Sitz, vereinet,
Von wannen es mit regen Strahlen bricht,
Und unſern gantzen Leib durchſcheinet:
Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geſchicht,
Ein heitrer Zuſtand, eine Stille,
Vergnuͤgung und Gelaſſenheit
Jn uns mit Luſt entſteht. Jn muntrer Froͤhlichkeit
Schwimmt gleichſam unſer froher Wille,
Zum GOttes-Dienſt, zur Danckbarkeit
Zur Naͤchſten-Lieb und Tugenden bereit.
Wann aber, durch der Leidenſchaften Dufft (Als wie durch Nebel, Dunſt und Wolcken in der Lufft
Der Sonnen Licht) das Licht der Seele
Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canaͤle
Jm Coͤrper ſich verſtopfft, ſo daß die reine Glut
Die ſonſt in uns die vielen Wunder thut,Durch365Der Verſtand.
Durch die Materie den Durchgang nicht zu finden
Vermag noch faͤhig iſt; wird unſer Weſen gleich
Verdunckelt, und dadurch in ſolchen Stand geſetzt,
Daß ihn, was viehiſch iſt, allein ergetzt.
Ja wie ſich in der Luͤffte Neich
Offt Schwefel-Duͤfft in ſich ſo feſt verbinden,
Daß ſie ſo gar in Blitz und Donner ſich entzuͤnden,
Und ſehr gefaͤhrlich ſind; ſo raſet die Begier,
Wenn ſie zu ſehr gehaͤufft, mit ſolcher wilden Wuht:
Als wie kaum in der Lufft, Blitz, Sturm und Donner thut.
Wie mancher Erd-Strich auch moraſtig, ſchweflicht iſt,
Und folglich Dunſt in groſſer Menge
Vor vielen andern zeugt; ſo trifft man Coͤrper an,
Wo Leidenſchaften offt ſich recht als im Gedraͤnge
Erzeugen und erhoͤhn: Das Licht der Seele kann
Den dicken Schwall nicht trennen: bis zu ſpat,
Wenn es geſtuͤrmt, geblitzt, gedonnert hat,
Es, wie ein oͤdes Feld, wo alles uͤmgekehrt,
Die Haͤuſer abgedeckt, die reiffe Saat verſehrt,
Die Baͤum entlaubt, der Gaͤrten Pracht verheert,
Jn ſeinen Grentzen ſchaut. Da es den Schaden offt
Mit Neu zu beſſern hofft:
Der aber mehrentheils unuͤberwindlich bleibet.
Ach laſſt uns denn mit Ernſt dahin uns doch beſtreben,
Daß grobe Duͤnſte ſich doch nicht zu ſtarck erheben:Damit366Der Verſtand.
Damit das reine Seelen-Licht,
Dadurch verdeckt, verſtecket und verhuͤllet,
Wenn Adern, Hirn und Marck zu ſehr dadurch erfuͤllet,
Die ſchwartzen Finſterniſſen nicht
Verhindert werde zu verjagen.
Weil, ſonder ihren Klarheit Schimmer,
Die Uhr der Leidenſchaften nimmer
Jn ihrem rechten Gleich-Gewicht,
Worin doch unſer Gluͤck allein beſteht,
Und ungeſtoͤrter Ordnung geht.
Hiezu gehoͤrt ein oͤffters uͤberlegen,
Daß gleich, ſo bald ſie ſich zu ſtarck bewegen,
Der Geiſt uns alſobald die bittre Folge zeige,
Und dergeſtalt, was aufgebracht
Mit Sanftmuth, kann es ſeyn; wo nicht, mit Macht
Gemach ins vorge Gleis, ſo bald es moͤglich, beuge.
Vor -367Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen
Von andrer Art, als Holtz und Stein;
Da, von des Schoͤpfers Creaturen
Recht wunder-wunderbare Spuren
Jn ihnen anzutreffen ſeyn.
Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere
Denſelben Eindruck auch verſpuͤre:
Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit
Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,
Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit,
So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht;
So daß es leider noch die Frage:
Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage,
Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen - Augen
Wie? oder daß die Hund und Katzen das, was ſchoͤn,
Mit Menſchen-Augen ſehn?
Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,
Und unſere der ihrigen nicht weicht;
So iſt es doch in unſrer Macht,
Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht,
Denjenigen, der ſie hervorgebracht,
Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren,
Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;
Das jenen unterſagt. Ach368Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Ach laßt uns denn ie mehr und mehr
Des ſchwartzen Undancks Laſter meiden!
Uns von den Thieren unterſcheiden!
Und unſrer Seelen Eigenſchaft,
Die ihr von GOTT verliehne Krafft,
Durch das betrachten und das dencken,
Auf GOTTES Creatur zu lencken,
Mit froher Andacht, uns beſtreben!
Um GOTT dadurch, was GOTTES iſt, zu geben.
Und zwar uͤm ſo viel mehr, als wir
Jn der Geſchoͤpf, allein durch Jhn gewirckten Zier,
Wenn wir ſie mit Vernunft ergruͤnden,
Den groſſen Schoͤpfer ſelber finden.
Schaͤd -369Schaͤdliche Unachtſamkeit.

Schaͤdliche Unachtſamkeit.

Hat etwan ein geſchickter Kuͤnſtler ein ſchoͤnes Bild durch
Kunſt gemacht;
Beſchaut man ſolches ja, bewunderts, und, im betrachten,
lobt man ihn.
Mit den ſo herrlichen Geſchoͤpfen, die ſelber GOTT her -
vor gebracht,
Ob ſie gleich tauſend mahl ſo ſchoͤn, will niemand ſich ſo
viel bemuͤhn.
Mich deucht, ich find in der Verachtung von GOttes Wer -
cken, eine Spur
Der durch den Stoltz in unſerm Fall verdorbnen menſchli -
chen Natur.
Wir raubten, ſtuͤnd es nur bey uns, der ewgen Gottheit
gern die Cron,
Und ſetzten, voller Stoltz und Frevels, uns ſelber gern auf
Seinen Thron.
Es zeiget dieß verfahren klar, wie ungern wir der Seelen
Krafft,
Dem Schoͤpfer aller Welt zu Ehren, gebrauchen, und wie
unſchmackhaft
Uns Seine Wunder-ſuͤſſe Gaben, womit Er uns beſchen -
cket, ſind.
Er macht uns Freude, wir uns fuͤhllos; Er macht uns ſe -
hend, wir uns blind.
Dadurch nun, daß die, bloß von Stoltz und Eitelkeit er -
fuͤllte, Bruſt,
Durch aller ihrer Sinnen Thuͤren, von GOTTES Allmacht
nichts empfindet;
A aRaubt370Schaͤdliche Unachtſamkeit.
Raubt man ſo gar, ſo viel an uns, des Schoͤpfers Luſt, der
Seine Luſt,
O Liebe! bey den durch Sein Werck geruͤhrten Menſchen
Kindern, findet.
Jſt denn hiedurch, da wir iedoch zu dieſem edlen Zweck er -
kohren,
Des Schoͤpfers Weisheit, Lieb und Macht fuͤr uns nicht
leider gantz verlohren?
Die371Die Tuberoſe.
Die Tuberoſe.
Juͤngſt trat ich in mein Schlaf-Gemach,
Und ſtutzte faſt, als ein gar ſtrenger Dufft
Von einer faſt ambrirten Lufft,
Als wie im Schwall, mir recht entgegen brach.
Jch ſucht, und fand ſo gleich von dieſer Lieblichkeit
Die Quelle, die ſo ſuͤß, als ſchoͤn,
Jn einem blauen Topf an meinem Fenſter ſtehn.
Dieß war, in bluͤhender Vollkommenheit,
Ein Tuberoſen-Topf; wovon der Glantz, die Zier,
Die praͤchtige Figur, der Blaͤtter Silber, mir
Sehr viel zu ſehn, und mehr noch zu bewundern gab.
Die Bluhme zeigt, da ſie ſo zierlich iſt, als praͤchtig,
Daß, Der, Der ſie gemacht, ſo liebreich iſt, als maͤchtig.
Es kam mir vor, als ob mit ſuͤſſ - und ſanftem Thon
Sie dieſes zu mir ſagt: ich warte lange ſchon, Von dir, zu meines Schoͤpfers Ruhme, Sowol, als manche andre Bluhme, Beſungen und geruͤhmt zu ſeyn. Kann denn mein Silber-weiſſer Schein, Mein zierliches Gewaͤchs, mein Balſam, meine Pracht, Mein lieblich Laub, mein ſchlancker Stiel, Die Sternen-foͤrmige Figur nicht deinen Kiel, Mich abzubilden, zu beſchreiben, Und GOTTES Wunder-Hand in mir zu preiſen, trei - ben? Ach! laß mich nicht uͤmſonſt verbluͤhn! Ach! laß mich dich zu Deſſen Lobe ziehn,A a 2Der372Die Tuberoſe. Der mich und dich, und alle Welt gemacht. Laß auch, durch mich, ſo dein als andre Geiſter, Zu aller Creaturen Meiſter, Zum Schoͤpfer Himmels und der Erden, Jn Luſt, Bewunderung und Danck geleitet werden.
Jch ſetzte mich darauf gleich bey den Bluhmen nieder
Beſah, bewunderte, mit inniglicher Freude,
Und macht ihr von Natur ſo nett erricht’t Gebaͤude
Zum Zweck und Vorwurff meiner Lieder.
Was ſoll ich doch zuerſt fuͤr eine Zier,
O ſchoͤnſte Tuberoſ, an dir
Bewundern, ruͤhmen und beſchreiben?
Die Farbe, der Geruch, das glaͤntzen, die Figur
Die wollen mich zugleich zu deinem Lobe treiben.
Denn alles, was an dir der Finger der Natur
Gebildet, iſt bewunderns wehrt.
Dein ſchoͤnes Kraut, das aus der Zwiebel bricht,
Und welches ſie mit ihren Saͤfften naͤhrt,
Vergnuͤget ein drauf achtendes Geſicht
Durch ſein ſo lieblich gruͤn. Der Stiel, der aus der Mitten
Jn ſchlancker Laͤng und Ruͤnde ſteiget,
Und ſich, als waͤr er recht mit Fleiß und Kunſt geſchnitten,
Jn gelblich gruͤnem Glantze zeiget,
Gebiehrt und bringet wunderbar
Die ſchoͤnen Kinder Paar bey Paar,
Als Zwillinge hervor; die, eh ſie offen gehn,
Jn einer lieblichen und ſuͤſſen Roͤthe ſtehn.
Kaum aber oͤffnen ſie die Spitzen,
Erblickt man ein ſo weiſſes blitzen,Das373Die Tuberoſe.
Das ſelbſt den Schnee beſchaͤmt. Sie gleichen weiſſen Sternen,
Jn ſechs-geeckter Form. Es iſt ein iedes Blat
Ein wenig ausgehoͤlet, glatt,
Und ſind ſie, in der Bluhmen Reich,
Den Fruͤhlings-Hyacinthen gleich,
Doch weit anſehnlicher und groͤſſer:
Daher man ſie des Herbſtes -, ja noch beſſer
Die Hyacinth der Jndianer nennt,
Die ihres gleichen nicht an Groͤſſe kennt.
Wer wird von deiner Balſam-Krafft,
Mit welcher deine Bluhm erfuͤllet,
Und die, recht wie ein trockner Safft,
Aus dir noch mehr faſt flieſſt, als quillet,
Was wuͤrdiges erzehlen koͤnnen?
Es ſcheint, geliebte Bluhm, in dir
Ein unſichtbares Feur zu brennen,
Das unaufhoͤrlich duͤnſtet, lodert,
Das recht beſondere Betrachtungen erfodert,
Und, einem Rauch-Faß gleich, gewuͤrtzte Duͤffte
Rings uͤm ſich her ins Reich der Luͤffte,
Mit ſtetem wallen, ſchickt, dem nahen GOTT zu ehren.
Ach laß denn dieſer Bluhm Exempel
Doch auch bey dir die Glut der Andacht mehren!
Dein Rauch-Faß ſey dein Hertz! es ſey die Welt dein Tem - pel!
Betrachtung, Luſt und Danck das Raͤuch-Werck! welches Dem,
Der alles ſchuff, vermuthlich angenehm,
Zum lieblichen Geruch.
A a 3O wah -374Die Tuberoſe.
O wahrer GOTT, Dem eine Bruſt,
Erfuͤllt mit Danck-begierger Luſt,
Ob aller Schoͤnheit dieſer Welt,
Weit mehr,
Als wie ein gantzes Heer
Von fettem Opfer-Vieh, gefaͤllt;
Der, wenn wir uns an Seinen Gaben,
Jn froͤhlicher Betrachtung, laben,
Und man dadurch der Creaturen Zier (Jndem man ſie vergnuͤgt empfindet)
Zu einer geiſtgen Schoͤnheit macht;
An ſolcher Schoͤnheit, bloß aus Liebe,
Sein Goͤttliches Vergnuͤgen findet;
Ach! laß mich ſtets dadurch, in Deiner Lieb entzuͤndet,
Dir Schoͤpfer Himmels und der Erden
Ein wolgefaͤlligs Opfer werden.
Ach! laß mich nie die Tuberoſen ſehn,
Ohn, innerlich dadurch geruͤhret,
Und durch Dein Werck zu Dir gefuͤhret,
Dein Allmacht folgends zu erhoͤhn.
Es bluͤhet dieſe ſchoͤne Bluhme,
Mein Schoͤpfer, Dir allein zum Ruhme:
Denn Du allein haſt ſie gemacht.
Wenn ich demnach an ſie, mit Freude,
Mein ſie betrachtend Auge weide;
So lob ich Dich in ihrer Pracht.
Frem[de]375Fremde Gewaͤchſe.
Fremde Gewaͤchſe.
Will iemand, in der Bluhm - und in der Pflantzen Heere,
Des Schoͤpfers Finger deutlich ſehn;
Der muß in deinen Garten gehn, Von Spreckelſen, du Zierde, Ruhm und Ehre
Von Deiner Vater-Stadt; der Du aus Aſia,
Aus Africa, wie auch America
Viel tauſend ſeltene Gewaͤchſe zeigſt und naͤhreſt;
Wodurch Du Dein - und ihren Schoͤpfer ehreſt.
Wie ich ſo groſſe Meng erblickte,
Mit welcher bunten Zierlichkeit,
Mit welcher Farben Glantz und Schein,
Mit welcher Bildung Unterſcheid
Sie die Natur ſo unnachahmbar ſchmuͤckte;
Nahm mich fuͤrwahr ein heiligs Schaudern ein.
Die Seele ward auf eine neue Weiſe,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Jndem ſie auf einmahl ſo viele Wunder ſpuͤhret,
Wie ſie bisher noch nie geruͤhret war, geruͤhret.
Mein gantzes Weſen ward beweget:
Es drang ſich durch mein Aug, in tauſendfachem Schein,
Solch eine Menge Zierlichkeiten,
Solch eine groſſe Zahl Vollkommenheiten
Auf einmahl in die Seel, als wie ein Strahl, hinein,
Befeurete mein Blut, daß es dadurch erreget,
Jn ſeinem Circkel-Lauff, fuͤr Anmuth, ſchneller floß,
Und, mit erneuter Krafft, durch ſeine Gaͤnge ſchoß. A a 4Der376