Entwurff einiger Betrachtungen, uͤber den Zuſtand der Seeligen. Beym Anfang des 1727ſten Jahres.
Die ungeheure Laſt, das ſchreckliche Gewichte
Der Erd - und Waſſer-Welt, hemmt itzt den ſtrengen
Lauff.
Jhr raſcher Schwang, der ſo gewaltig, hoͤret auf,
Es kehrt ſich unſre Flaͤch’ aufs neu zum Sonnen-Lichte.
Wer hemmt nun dieſe Flucht? Wer haͤlt die grauſe Schwere
Der Erde, ſamt der Laſt der Meere,
So Nordwerts ſich bißher gedreht, im Rennen an?
Wer bringt den ſchnellen Druck zur Aenderung, zur Stille?
Wer iſts, der dieſes wuͤrcken kann
Als Du, unendlichs ALL, allein?
Ach GOTT! ach laß uns doch dadurch erweckt, geruͤhret,
Und aus der alten Bahn der Schlaͤffrigkeit gefuͤhret,
Zu Deinem Ruhm aufs neu, o HERR, geleitet ſeyn!
Wir naͤhern uns der Sonnen Lebens-Schein,
Es tritt dadurch zugleich ein Neues Jahr herein.
Ach! laſſt uns denn, da wir zur Sonn’ uns wieder lencken,
Doch an der Sonnen SONN’ in Ehrfurcht itzt gedencken!
Jch bau’, o GOTT, dann hier zu dieſem Neuen Jahr,
Dir einen Danck - und Lob-Altar.
Mein Vorſatz iſt, beym Wechſel unſrer Zeit,
Auch einſt auf das, was folgt, wenn keine Zeit nicht mehr,
Auf jene ſeel’ge Ewigkeit
Der Seelen Krafft zu lencken,
Und, dem Allmaͤchtigen, liebreichen GOTT, zur Ehr’,
R r 2An628An jenen Zuſtand zu gedencken,
Den GOTT, als der die ew’ge Liebe,
Dereinſt uns geben wird: wovon Er allbereit,
So gar in dieſer Sterblichkeit,
Uns einigen Begriff in unſre Seele ſchriebe.
Wenn wir in einem andern Lande
Die Wohnungen gedaͤchten aufzuſchlagen;
So wuͤrden wir vermuthlich fleißig fragen,
Rach ſolches Orts Beſchaffenheit und Stande.
Da wir nun alle dort in jene ſeelge Hoͤhen,
Nach dieſer Zeit, verhoffen einzugehen:
Was kann denn billiger von uns geſchchen,
Als die Gedancken auch dahin zu ſchwingen,
Um, nach Vermoͤgen, einzudringen
Jn die etwannige Beſchaffenheit,
Der, dermahleinſt verſprochnen Seeligkeit?
Znmahl es uͤberdies dem groſſen GOTT zur Ehr,
Zum Preis und Ruhm gereicht, wenn man je mehr und mehr
Der Seelen Eigenſchafft,
Die uns von Jhm geſchencket,
Mit aller Krafft,
Auf einen ſolchen Vorwurff lencket,
Wodurch, von Seiner Lieb und Macht,
Uns recht was herrliches wird beygebracht.
Wenn man aus dem, was man hier ſchoͤnes ſiehet,
Von kuͤnfft’ger Schoͤnheit auch gerechte Schluͤſſe ziehet.
Ja, ſolch ein GOTT-ergebnes Dencken
Jſt uͤberdem geſchickt in allen Dingen
Beſondern Nutzen uns zu bringen,
Da, wenn das Gluͤck uns lacht, man ſich nicht uͤberheben,
Und an dem irdiſchen zu ſehr nicht kleben,
Nein,629Nein, ſondern dencken wird: Gebrauche dich der Welt,
Doch ſo, daß es dem Schoͤpffer wohl gefaͤllt;
Damit du deſſen dort, was tauſendmal ſo ſchoͤn,
Nicht darffſt verluſtig gehn.
Beym Ungluͤck wird es gleichfalls nuͤtzen.
Ein beſſerer Begriff von kuͤnfft’ger Seeligkeit
Wird hier die Unvollkommenheit,
Ja alles Ungluͤcks Sturm und Krachen,
Uns leichter und ertraͤglich machen,
Und ſonderlich uns fuͤr Verzweifflung ſchuͤtzen.
Es ſtellten ſich nicht nur ſehr viele Heyden,
Viel Juden noch anitzt, viel Tuͤrcken eben auch,
Recht laͤcherliche Ding’ und ſeltſam ſuͤſſe Freuden
Von jenem Leben vor. Es iſt ſo gar der Brauch
Auch in der Chriſtenheit, daß, leider! offtermal
Recht laͤppiſche Gedancken, Fratzen, Grillen,
Von jener Welt, die meiſten Koͤpffe fuͤllen.
Da ſtellt man mehrentheils ſich einen ſchoͤnen Saal,
Vortrefflich ausgeputzt, voll Paucken und Trompeten,
Schallmeyen, Orgelwerck, Chytarren, Lauten, Floͤhten,
Rebſt einem reichen Tiſch, voll niedlicher Gerichte,
Voll aller Schleckerey, voll auserleſner Fruͤchte,
Jm Sinne ſo, wie in den Worten, dar,
Und was der Freuden mehr. Jch ſchaͤme mich fuͤrwahr,
Daß man ſich nicht entſieht,
So fleiſchlichen Begriff, von ſo erhabnen Dingen,
Die GOTT verkleinerlich, ſich ſelber beyzubringen.
Die Eliſaͤiſchen, ſo ſuͤß beſchriebnen Anen,
Die wir in Heydniſcher Poeten Schrifften ſchauen,
Sind wuͤrcklich lieblicher, ſehn angenehmer aus.
Ach! daß man ſich doch nicht nach GOTTes Wort bemuͤht,
R r 3Von630Von GOTTES Majeſtaͤt was wuͤrdigers zu dencken!
Jch will dann itzt von jenem ſeel’gen Weſen,
So, was ich in der Schrifft, und ſonſt davon geleſen,
Als auch, ſo weit ſich meine Kraͤffte ſtrecken,
Jn froher Demuth euch entdecken.
Doch iſt die Meinung nicht, daß das, was ich erzehle
Nothwendig ſo, und zwar, daß nichts dran fehle,
Dereinſten ſich begeben muͤſſe.
Ach nein! ich mache nur,
Nach einigen Geſetzen der Natur,
Und Richtſchnur der Vernunfft, gantz unmaßgeblich Schluͤſſe.
Das Unerſchaffne Licht, der Schoͤpffer, kann und wird
Ja uͤberſchwenglich mehr, als wir gedencken,
Den Seelen, die er liebt, den ſeel’gen Frommen ſcheucken.
Aufs wenigſt’ hoff’ ich nicht, daß ich geirrt,
Wenn ich zugleich daraus dir eine Probe gebe,
Daß unſer Geiſt zwar ſchwach, jedoch ſo ſehr verwirrt
Am Jrdiſchen nicht klebe:
Nein, daß dem Menſchen, mehr, als er gedencket,
Zum dencken Faͤhigkeit geſchencket,
Wodurch ſich denn zugleich noch ein Beweis entdecket
Von unſrer Seelen Daur, der in der Folge ſtecket.
Auf denn! mein Geiſt! auf! auf! ſpann’ alle deine Kraͤffte,
Zu dieſem nuͤtzlichen Geſchaͤffte,
Mit Luſt und Andacht an!
Du aber, groſſes ALL! erbarm’ dich mein, und lencke
Mein Sinnen dergeſtalt,
Daß ich von Deiner Lieb’, Huld, Weisheit und Gewalt
Nichts niedertraͤchtiges, nichts unanſtaͤndigs dencke.
Gieb, daß ich auch in dem nicht fehle,
Was ich zu dieſem Zweck von andern etwan wehle!
Ob631Ob gleich die GOTTHEJT immerfort
An allen Orten iſt; ſo iſt jedoch ein Ort,
Woſelbſt Sie ſonderlich,
Zu Jhrem ew’gen Lob und Preiſe,
Auf eine herrlich ſicht-und wunderbare Weiſe,
Den ſeeligen Geſchoͤpffen Sich
Unendlich praͤchtig zeigt: Der nach der Bibel Lehren,
Der dritte Himmel, Paradeis,
Des Allerhoͤchſten Thron, die Wohnung Seiner Ehren,
Der Mittel-Punct und Kreiß
Der ew’gen Seeligkeit, genannt wird; iſt allda,
Woſelbſt mit ungezaͤhlt unzaͤhlbarn Millionen,
Jn tauſend, tauſend, tauſend Choren,
Mit ewigem Hallelujah,
Die Engel, Jhren Schoͤpffer, ehren.
Es iſt unſtreitig wahr, daß GOTT ſo weſentlich
An allen Orten ſey, als Er an dieſem iſt:
Allein, hier wohnt und zeigt Er ſich
Jn einer Majeſtaͤt, die zwar kein Geiſt ermiſſt,
Die doch empfindlich iſt. Es wohnt die ew’ge Guͤte,
Es wohnt die ew’ge Macht daſelbſt, in einem Schein
Von ſolchem Glantz, als in dem Menſchlichen Gemuͤthe,
Und keiner Creatur, je mag erſchienen ſeyn.
Jn dieſem groſſen Glantz und Lichte zeigen ſich
So gar die Geiſter ſichtbarlich.
Das Allerheiligſte in Salomonis Tempel
Scheint faſt, als waͤr’ es ein Exempel,
Ein Schatten-Riß, von dieſer Herrlichkeit.
Mit welcher Wunder-Kunſt und Pracht,
R r 4Der632Der unausdruͤcklichſten Vollkommenheit,
Muß unſers Schoͤpffers Thron gemacht,
Mit welchem ſeel’gen Schein,
Mit welchem Wunder-Glantz erfuͤllet ſeyn!
Sich dieſes himmliſche Revier
Von Diamant, Rubin, Saphier,
Smaragd, und Perlen vorzuſtellen,
Jſt etwas zwar; Allein,
Wenn von der edlen Steine Schein,
Und ihres Schimmers Glantz, wir recht ein Urthel faͤllen;
So iſt die gantze Pracht ein bloſſer Widerſchlag
Vom Sonnen-Licht,
Das bloß durch das Geſicht,
Wann man es in gewiſſer Maaſſe ſpuͤret,
Dem, der es ſelten ſieht, das Hertze gleichſam ruͤhret.
Wer aber iſt nun, der begreiffen mag
Welch’ eine Freude, welche Wonne
Die Seelen dann entzuͤcken muͤſſen,
Wenn aller Lichter Quell, wenn aller Sonnen Sonne
An etwas, welches mehr, als Demant und Rubinen,
Geſchickt, ſo reinen Glantz deu Blicken
Gemildert, wieder zuzuſchicken,
Jn ſeel’gem Schimmer ſtrahlt!
Die Allmacht, die im ſchoͤnen Bogen,
Mit welchem ſie das Firmament uͤmzogen,
Den kleinen Troͤpfgen ſolchen Schein
Und ſolche Farben eingepraͤget,
Daß es die Seelen ſelbſt erreget;
Wie ſollte die nicht faͤhig ſeyn,
Den Thron von Seiner Majeſtaͤt
Mit ſolchen Farben auszuſchmuͤcken,
Jhm633Jhm ſolche Herrlichkeit und Strahlen einzudruͤcken;
Die auch dem allerhellſten Scheine
Der allerreinſten Edelſteine,
Worin ſie durch die Sonne gluͤhn,
Viel tauſendmahl noch vorzuziehn.
Mit welcher Simmetrie, die Geiſt und Seel entzuͤckt,
Muß dieſe Wohnung ausgeſchmuͤckt
Und aufgefuͤhret ſeyn; Die, Deſſen Allmachts-Hand,
Der Hiram angefuͤllt, Bezaleeln begluͤckt
Mit Weisheit und Verſtand,
Zu Seiner Ehren ſelbſt geſchmuͤckt und aufgefuͤhret!
Welch’ eine Majeſtaͤt muß, ſonder Maaß und Grentzen,
So uͤm, als in demſelben Orte glaͤntzen,
Den GOTT gebauet, GOTT gezieret,
Um Seine Majeſtaͤt, Huld, Allmacht, Herrlichkeit
Jn Seiner Herrlichkeit zu zeigen!
Wie muß die Vollenkommenheit
Derſelben Anmuth, Zier und Pracht
All’ andre Zierde, Pracht und Anmuth, uͤberſteigen,
Die Menſchen-Witz, die Engel-Weisheit faſſen,
Und alle Creatur ergruͤnden kan!
O Himmel! welch ein Bau, den ſelbſt die ew’ge Macht,
Von ew’ger Weisheit unterſtuͤtzet,
Zu Seiner Ehre werden laſſen!
Wie unausſprechlich licht, wie unbegreifflich helle
Muß jeder Punct, muß jede Stelle,
Muß jeder Theil, wie ſchoͤn das Gantze, ſeyn!
Welch Anmuth muß aus jedem Orte quillen!
Welch holder Freuden-Glantz muß alle Plaͤtze fuͤllen!
Muß nicht ein ſeel’ger Wieder-Schein,
R r 5Da634Da GOTT, der aller Sonnen Sonne,
Unendlich an ſie ſtrahlt, von allen Orten prallen,
Und allen Seeligen in ihre Seelen fallen,
Jhr Jnnerſtes ergetzen und erquicken,
Sie ſtets durchdringen und entzuͤcken!
Wie muß der Seelen-Luſt ſo unausdruͤcklich,
Empfindlich, uͤberſchwenglich, rein,
Bey jedes Vorwurfs Anblick ſeyn!
Den GOTT, (als welchem das, wodurch die Seele gluͤcklich
Und ſeelig werden kann, nicht unbekannt,) beſtimmt,
Daß ſie dadurch begluͤcket,
Aufs innigſte geruͤhrt, entzuͤcket,
Und ſeelig werden ſoll. Es glaͤntzt des Monden Licht
Bey ſolchen Strahlen nicht.
Der allerhellſten Sternen Schein,
Sind bey dem Licht gantz dunckel und nicht rein.
Der Sonnen Glantz, der hellen Coͤrper Funckeln,
Die wir in ſolcher Pracht, im Dunckeln,
Am Firmament ſo wunderſchoͤn,
Mit faſt entzuͤckten Augen ſehn;
Sind ſchwache Strahlen nur, ſind Schatten, Dunckelheiten,
Vergleicht man ſie mit jenen Herrlichkeiten,
Die um des Schoͤpffers Sitz in reiner Klarheit ſchweben,
Und GOTTES heil’gen Thron umgeben.
Wann nun die Herrlichkeit von dieſen ſeel’gen Schwellen
Den Menſchlichen Begriff unendlich uͤberſteiget;
So faͤllt es gar nicht ſchwer, zugleich uns vorzuſtellen,
Daß dieſer Raum ſolch’ eine Groͤſſe zeigt,
Die, wo ſie nicht unendlich; doch unendlich
Nach Menſchlichem Begriff: Wir finden keine Schrancken,
Es wird allhier ein Ziel den forſchenden Gedancken
Ohn635Ohn End’ hinaus geſetzt. Ein End’ iſt unverſtaͤndlich.
Wenn GOTT den Raum der Welt, der, wie wir ihn be -
finden,
Materialiſch iſt, ſo groß, ſo tief, ſo weit,
Fuͤr Coͤrper nur erbaut, daß wir ihn kaum ergruͤnden;
Von welcher Unermaͤßlichkeit
Muß nicht ein Wohn-Platz ſeyn,
Worinn die GOTTHEJT Selbſt in einer hellen Fuͤlle
Von Licht und Majeſtaͤt, von Herrlichkeit und Schein,
Von Glantz und Wonne wohnt? woſelbſt in ſeel’ger Stille
Viel tauſend, tauſend Millionen
Begluͤckte Seelige, bey ſo viel Engeln wohnen,
Die an den Glantz der Vollenkommenheiten,
So aus der GOTTHEJT fluͤſſt, die ewig ſich vermehren,
Jn ſtets ſich mehrenden unnennbar’n Suͤßigkeiten,
Jn unausſprechlichem Vergnuͤgen naͤhren.
Dies iſt gewiß, daß unſre Krafft zu dencken
Sich nimmer hoch genug auf dieſen Punct zu lencken
Vermag, noch faͤhig iſt, ſich etwas vorzuſtellen,
Was bey dem Mittel-Punet der Allmacht, bey den Quellen
Der Weisheit, bey dem Meer der Guͤte, nicht geringe
Und niedertraͤchtig iſt. Unmoͤglich iſt es nicht,
Daß bey der Aendrung aller Dinge,
So gar auch unſre Welt, nebſt ſo viel tauſend Erden,
Ein Anhang und ein Theil vom Paradieſe werden,
Und ſich verhimmeln kann. Denn hier iſt gar kein Ziel,
Und ſelbſt die heil’ge Bibel ſpricht
Von einer neuen Erd’ und neuen Himmel viel.
Bevor wir nun ins Heilige zu gehen
Uns unterſtehen;
So muͤſſen wir vorher die irrigen Jdeen,
Von636Von allem fleiſchlichen, und eitelen Ergetzen,
Wie etwan Mahomet gehabt, bey Seite ſetzen.
Wenn unſrer Coͤrper irdſche Huͤtten,
(Die Faͤulung und Verweſung hier zerruͤtten)
Nach abgelegtem Stoff der duncklen Erden,
Verherrlichet, verklaͤrt und gantz verwandelt werden,
Ja faͤhig und geſchickt an Goͤttlich-ſeel’gen Freuden,
Die ſie zu ew’ger Daur erhalten haben,
Sich ewiglich zu weiden,
Sich ewiglich zu laben;
So koͤnnen fleiſchliche Empfindlichkeiten,
Von dieſer Art, wie ſie den Coͤrper hier erquickt,
Jhm kein Vergnuͤgen mehr bereiten,
Weil ſich, was Jrdiſch iſt, zum Geiſtigen nicht ſchickt.
Zur Wuͤrd’ und zur Vollkommenheit
Von einer reinen Geiſtigkeit,
Wozu der Leib ſodann gelangt, kan ein Vergnuͤgen
Das grob, vergaͤnglich iſt, und irdiſch, ſich nicht fuͤgen.
Darum erfodern unſre Pflichten,
Die niedertraͤchtigen Gedancken,
Aus ihrem, durch ſich ſelbſt vereng’ten, Schrancken,
Zu etwas herrlicherm und koͤſtlicherm zu richten;
Das iſt, zu ſolchen Dingen,
Die uns allhier auf Erden,
Jn keinen andern Sinn-Gemuͤhts-und Geiſtes-Bildern,
Als die mit ew’ger Luſt uns unſre Geiſter ſchildern,
Je koͤnnen vorgeſtellet werden.
Die Seeligkeit beſteht auch ferner nicht allein
Jn einer ſtillen Ruh’, da wir von Schmertz und Pein
Entfernet und befreyet ſeyn.
Die eintzige Entfernung von den Boͤſen
Jſt637Jſt nicht genug
Ein mit Vernunfft begabtes Weſen
Begluͤckt zu machen, zu vergnuͤgen:
Es muß ein etwas ſeyn, das wuͤrcklich da,
Das ſich mit ihm verbindet, das ihm nah,
Wodurch er weſentlich kan ein Empfinden kriegen.
Ein Weſen von Natur, ſtets wuͤrckend, ſtets geſchaͤfftig,
Vermag kein’ andre Ruh’, kein’ andre Luſt zu finden,
Als wenn es wuͤrckend iſt, als wenn es kraͤfftig,
Mit ſolchen Sachen ſich zu gatten, zu verbinden,
Die ewig weſentlich,
Und immer mehr und mehr die Dinge zu ergruͤnden,
Die ihm recht angenehm. Wir ſpuͤren hier auf Erden
Dergleichen Neigung ſchon, doch weil der Leib verwehrt
Allhier was gruͤndliches zu faſſen;
Muß unſer Geiſt es hier bloß beym Bewundern laſſen.
Vermuthlich muß daher ſein wuͤrckliches Vergnuͤgen
Jn gleich gearteten,
Stets aneinander hangenden,
Und angenehmſten Wuͤrckungen,
Womit ſich der Verſtand beſchaͤfftigt, liegen.
Noch ſind verſchiedene, die meinen,
Als wenn die Seel in einem ſanfften Schlummer,
Ohn alle Noth, Verdrießlichkeit und Kummer,
Biß Leib und Seele ſich aufs neu vereinen,
Doch ohn Empfindlichkeit fuͤr Luſt und Wonne bleibe;
Wie Kirchen-Lehrer ſelbſt, als wir es leſen,
Vor langer Zeit hierinn der Meinung wol geweſen.
Denſelben aber beyzuſtimmen,
Vertraͤget mein Begriff von GOTTES Liebe nicht.
Mich deucht es iſt der Menſchen-Pflicht,
Von638Von GOTT das Herrlichſte, das Groͤſſte zu gedencken:
Nun iſt es ja der GOttheit wuͤrdiger
Zu glauben, daß, da GOTT der HERR
Aus Gnaden uns beſtimmt, die Seeligkeit zu ſchencken,
Er unſerm beſten Theil dieſelbige ja nicht
So lange vorenthalten werde,
Bis daß der morſche Leib dereinſten aus der Erde,
Wer weiß nach wie viel Jahren,
Erſtehen wird und ſich mit ſeiner Seele paaren.
Es ſcheinet uͤber dem, daß dieſe Lehre
Auch einem Sterbenden mehr Troſt gewehre.
Jſt es nicht glaublicher,
Daß GOTT, der HERR,
Der alles Gute will und kan,
Sogleich von unſerm Sterben an,
Der Seele von dem ew’gen Leben
Werd’ einen Anfang ſchon und ſuͤſſen Vorſchmack geben?
Der aber doch vermuthlich nicht
Der groͤſſern Herrlichkeit, der Seeligkeit, dem Licht
Wird zu vergleichen ſeyn, ſo ſie erlangen werden
Wenn dermaleinſt die Coͤrper aus der Erden
An jenem Tage ſich zu ihnen wieder fuͤgen,
Und ſie ſodann im ſeeligen Vergnuͤgen,
Die GOttheit ſelbſt zu ſehn, vielleicht gewuͤrdigt werden.
Wer weiß, ob GOTT ſie nicht, in den Saphirnen Hoͤh’n,
Der Sonn’ und Weldten Meng’, als Seiner Wercke Pracht,
Um in den Wercken Jhn zu ſehen, faͤhig macht.
Doch ſtell’ ichs GOTT anheim, und halte die Gedancken
Von ſeinen Ordnungen in Demuhts-vollen Schraneken.
So bald demnach die Seelen nun hienieden
Von ihren Coͤrpern ſich geſchieden,
Zieht,639Zieht, allem Anſehn nach, den Augenblick
Wie eine Decke ſich zuruͤck,
Und oͤffnet auf einmal den Frommen,
Die in den ſeel’gen Zuſtand kommen,
An Glantz, an Licht, an Pracht, an Anmuth und Geſtalt,
Den allerherrlichſten und licht’ſten Aufenthalt
Der ſeel’gen Geiſter und der Seelen,
Die GOTT beliebt aus Gnaden zu erwehlen.
Sie werden,
Nach abgelegten Stoff der Erden,
Von Engeln ſelbſt bewillkommt ſeyn,
Die werden ſie vermuhtlich gleichfalls zieren
Mit einem hellen Schein,
Der reiner noch und heller, als die Sonne.
Vermuhtlich werden ſie ſie fuͤhren
Zu allen Seeligen. O welche Luſt! o Wonne!
O unbeſchreiblichs Licht,
Das durch ihr gantzes Weſen bricht!
O unbegreiffliches Vergnuͤgen und Entzuͤcken
Die ſie ſodann bey allen Glantz durchdringt!
Wer iſt geſchickt die Wolluſt auszudruͤcken,
Die die Erſtaunens-wuͤrdige,
So ploͤtzlich-ſchnelle, herrliche
Und himmliſche Veraͤndrung ſolchen Seelen
Vermuthlich wircken muß. Es waͤren eh’r
Die Tropffen in der Fluth, der Sand am Meer,
Als die erquickende Vergnuͤgungen, zu zaͤhlen.
Sie fuͤhlen nunmehr und empfinden,
Daß aller Zweifel, Angſt und Furcht, der Sicherheit,
Der Wahrheit und Gewißheit wegen,
Von ihrer kuͤnfft’gen Seeligkeit,
Die640Die ſie bisher gar offt zu foltern pflegen,
Dahin, verſchwunden und vergangen,
Da ſie nunmehr die Ehren-Kron empfangen,
Und alſo ſicher ſind, ſie nimmer zu verlieren.
Welch ein entzuͤckend Feur der Anmuth muß ſie ruͤhren!
Welch ein verwunderndes und froͤliches Bewegen
Muß ſich im gantzen Weſen regen!
Welch uͤberſchwengliches und innerlichs Ergetzen
Muß ſie von ſuͤſſer Lieb in frohe Brunſt verſetzen!
Wie groß allein iſt nicht das Gluͤck, von Kummer, Leiden,
Von Noth, Verdrießlichkeit, von Schmertzen, Plag und Pein,
Auf einmal frey, erloͤſ’t, ja gar in ew’gen Freuden,
Ohn End’ und ewiglich verſetzt zu ſeyn!
Es iſt nicht nur Furcht, Zweifel, Angſt und Quaͤlen,
Sammt allen Widrigen, was ſie auf Erden nagte,
Und allen Schroͤcklichen, was ſie auf Erden plagte,
Sodann als wie ein Dunſt, verſchwunden und dahin;
Verſpottung, Tyranney, Beſchimpffung, Zanck und Neid,
Verfolgung, Laͤſterung, Verleumdung, Haß und Streit
Zerfoltern ferner nicht dem immer heitern Sinn.
Von dem nichtswerthem Theil der Menſchen ſind ſie nun,
Umringt von ſeel’ger Ruh, erfuͤllt mit ew’gen Frieden,
Durch eine groſſe Klufft geſchieden:
Mit niemand haben ſie nunmehr zu thun,
Als bloß allein mit ſolchen Seelen,
Die auch, wie ſie, befreyt von allen Quaͤlen,
Mit ihnen einen Zweck und eine Neigung hegen.
Die Unſrigen, die wir
Mit groſſer Zaͤrtlichkeit allhier
Geliebet, wird man dort,
Nach einem langen Scheiden,
Mit641Mit unausdruͤcklich-lang-und ungeſtoͤhrten Freuden,
An jenem ſeel’gen Ort,
Verhimmelt wieder ſehn;
Wie wird uns doch ſowol dabey geſchehn!
Mit tauſendfacher Luſt und innigem Vergnuͤgen
Wird ihnen dann zugleich zu wiſſen fuͤgen,
Die Schaar der Heiligen,
Wie ſie, durch GOTTES Huld darzu bewogen,
Sich auf der Welt vom Boͤſen abgezogen;
Wie ſie, von GOTT geruͤhrt, durch ein unſtraͤfflich Leben,
Beſtrebet, GOTT ſich zu ergeben;
Wie ſie ſo manchesmal, von Luſt und Geitz verfuͤhrt,
Vom Hochmuth fortgefchleppt, von Truͤbſal weggeriſſen,
Faſt in Verzweifflung fincken muͤſſen,
Woruͤber ſie jedoch zuletzt noch triumphirt.
Die Buſſe, Reu, Zerknirſchungen des Hertzens,
Die, ob ſie gleich in einer frommen Bruſt
Nicht immer ohne Luſt,
Doch ſelten ohne Dorn des herbſten Schmertzens,
Auf dieſer Welt
Sich eingeſtellt;
Die hoͤren uunmehr auf ſammt Unruh, Schwachheit, Gram.
Die wegen ihrer Schuld gar offt empfund’ne Scham
Empfinden ſie nicht mehr. Verſuchung, Eitelkeit
Sind ihnen unbekannt. Sie fuͤhlen ferner nicht,
Wie eine Neigung ſtets der andern widerſpricht.
Das ſonſt in ihrer Bruſt gar offt verloſchne Licht
Der frohen Zuverſicht
Zu Goͤttlicher Barmhertzigkeit und Liebe,
Brennt ewig lichter Loh. Sie fuͤhlet keine Triebe,
S sAls642Als die unſtraͤfflich, heilig, rein,
Und ihrem GOtt gefaͤllig ſeyn.
Wenn die Gerechte nur allein von dieſer Erden
Die Schau-Plaͤtz’ uͤberſehen werden;
Wie ſtets die Goͤttliche Verſehung hier geſpielt,
Und wie ſie allemal zum beſten abgezielt:
Was muß es fuͤr Beluſtigung erwecken!
Zumal wenn ſie die Sorgfalt ſelbſt entdecken,
Die GOTT fuͤr ſie ſo wunderbar getragen,
Auch wenn, dem Anſehn nach, Er ſie geſchlagen;
Da auch, indem Er ſie betruͤbt,
Er ſie dennoch nicht weniger geliebt.
Wenn ſie zugleich als wie in einem Spiegel ſehen,
Wie alles in der Welt zu ihrem Heil geſchehen:
Wie manche Noth, wie mancherley Gefahr,
Die ſonſten unvermeidlich war,
Der Schoͤpfer doch ſo wunderbar
Von ihnen abgewandt.
Wie GOTTES maͤcht’ge Wunder-Hand,
Von dem ſchon gegenwaͤrt’gen Grabe
Sie ſo gar offt befreyet habe.
Aus welchem Mangel-Pfuhl, drinn ſie verſincken muͤſſen,
Jhr GOTT, ihr VATER, ſie ſo offt heraus geriſſen.
Wie er ſo offt mit Seegen und Gedeyen,
Mit Ehr und Neichthum ſie gewuͤrdigt zu erfreuen.
Welch eine ſanffte Luſt wird ſie entzuͤcken,
Wenn ſie ſo klaͤrlich ſehn, ſo offenbar befinden,
Wie GOTT des Glaubens Licht, in ihnen anzuzuͤnden,
Und einen neuen Strahl in ihren Geiſt zu ſchicken,
So offt ſie wehrt geacht’t;
Wodurch Er Hertz und Willen
Mit Seinem Wollen zu erfuͤllen;
Er -643Erleuchtet und geſchickt gemacht!
Wie werden ſie ſich freu’n, wenn ſie ermeſſen,
Wie manchen Augenblick, wie manche frohe Stunden,
(Die ſie, wol leider! hier nicht einſt empfunden,
Aus Mangel ſchuldiger Aufmerckſamkeit
Und wenigſtens ſie ſchnell vergeſſen)
Der Schoͤpffer ſie allhier vergnuͤgt erleben laſſen.
Jndem ſie dann vollkommen werden faſſen,
Daß keiner was verdient, daß alles, was man habe
Empfangen und gethan, allein des Schoͤpfers Gabe.
Was vor ein Jubel-Ton wird nicht ſodann erklingen!
Wie werden ſie zum Ruhm des Groſſen Schoͤpffers ſingen:
O welche Tieffen! welche Hoͤhen!
Des Reichthums Deiner Wunder-Guͤte,
Die wir mit bruͤnſtigem Gemuͤthe
Jn ewig ſeel’ger Klarheit ſehen!
Wie hat Dein Vaͤterlichs Erbarmen,
Wenn wir gar offt in Suͤnden-Strudel kommen,
Auf Erden dort ſich unſer Armen
So huld-und liebreich angenommen!
Wie unbeſchreiblich ſind die Triebe,
O Ew’ge GOttheit, Deiner Liebe!
Der Du, damit wir ewig moͤchten leben,
So gar den Groſſen SOHN fuͤr uns dahin gegeben,
So, daß wir nun, da ſich die Noth geendet,
Jm Port des Friedens angelaͤndet,
Wo wir in ſtoltzer Ruh und ungeſtoͤrten Freuden
An Deinem Seel’gen Licht uns ewig, ewig, weiden.
Amen!
Lob, Weisheit, Ehr und Danck und Preis und Krafft
und Staͤrcke
S s 2Sey644Sey Dir, o ewigs ALL, Quell der Vollkommenheit,
Und Deinem wunderbaren Nahmen,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Amen!
Welch unausſprechlich reine Luſt,
Welch eine Wonne wird ſie ruͤhren!
Welch eine Seelen-Ruh wird die verklaͤrte Bruſt,
Und ihr verhimmelt Weſen ſpuͤren!
Wenn ſich vielleicht die Schaar der Seraphinen,
Der Thronen und der Cherubinen,
Zu ihnen wird zugleich verfuͤgen,
Und ihnen die Beſchaffenheiten
Der Goͤttlich-groſſen Herrlichkeiten,
Auch die Geheimniſſe von der Dreyeinigkeit,
Die dem Verſtande nicht, dem Glauben nur allein
Begreifflich ſeyn,
Jn unausſprechlichen, uns unbekannten Lehren,
Auf unbegreiffliche erhabne Weiſ’ erklaͤren.
Wie wird ſie von den Herrlichkeiten
Und wunderwuͤrdigen Vollkommenheiten
Der Schoͤpffung nicht ſeyn eingenommen!
Mit welcher Luſt, mit welchem Freuden-Schein
Wird das Erloͤſungs-Werck ihr innerſtes nicht ruͤhren,
Wenn ſie viel deutlicher, als hier auf Erden,
Deſſelben Groͤſſe wird vermoͤgend ſeyn zu ſpuͤhren!
Von welchem Wunder ich, dieweil ich es nicht faſſe,
Voll Ehrfurcht, ſchweig, und von deſſelben Tieffe
Die GOtts-Gelehrten ſingen laſſe.
Mit welchem Glantz, mit welchem Wunder-Licht
Der Goͤttlichen Verſehung, wird ſie nicht
Erleuchtet, angefuͤllt und angeſtrahlet werden!
Mit welchem Vorrath ew’ger Luſt,
Jn den Erfahrungen von ihres Schoͤpfers Willen,
Wird645Wird ſich ihr gantzes Gantz dadurch erfuͤllen!
Wenn ſie nur bloß die Huld, und die Gerechtigkeit,
Durch welche GOTT die Welt regieret,
Zu welchem Zweck er alles das gefuͤhret,
Was ihnen vormahls in der Zeit
Nicht billig ſchien, Verwund’rungs voll erwegen,
Wenn ſie erſtaunet uͤberlegen,
Wie ihr vorher verfinſterter Verſtand,
So offtmahls Boͤſes Gut, und Gutes Boͤs genannt,
Wovon ſie nun in ſtiller Andacht leſen,
Wie herrlich allezeit die Abſicht ſey geweſen.
Ja, wie ſich, durch ein ſeeligs Ueberlegen
Der Fuͤhrung, welche GOTT bloß ihrentwegen
Hier in der Welt gezeigt, ihr Heil vermehren,
Und immer groͤſſer wird; ſo wird zu GOTTES Ehren
Daſſelbe noch weit groͤſſer werden;
Wenn ſie die wichtigen Begebenheiten,
Und die gewaltige Veraͤnderung der Zeiten,
Den Wachsthum und den Fall der Regiment’ auf Erden,
Erſtaunend uͤberſehn:
Da ſie denn, was kein Menſch auf Erden konnt’ ergruͤnden,
Vor Luſt entzuͤcket, werden finden,
Daß alles Gutes, was geſchehen,
Allein geſchehen ſey, den weiſen Willen
Des herrlichen Beherrſchers aller Welt,
Zum guten Endzweck, zu erfuͤllen.
Sie werden deutlich koͤnnen leſen;
Daß alles, was gebaut und angefangen,
Daß alles, was verſtoͤhret und vergangeu;
Vortrefflich, nuͤtzlich, gut und noͤthig ſey geweſen.
Wie werden ſie mit ſolcher Seelen-Speiſe
Sich ewig und unendlich naͤhren,
S s 3Auf646Auf welche angenehme Weiſe
Wird von Verrichtungen der Engel auf der Erden,
Wenn ſie manch Reich geſtuͤrtzt, ein anders unterſtuͤtzet,
Hier eine Stadt verheert, ein’ and’re dort geſchuͤtzet;
Den Seeligen erzaͤhlt und kund gemachet werden!
Ja werden ſie ſich nicht in ſeel’ger Luſt verliehren,
Wenn ſie dergleichen Wunderwercke,
Und herrlichen Beweis, von GOTTES Lieb und Staͤrcke,
Jn hundert tauſend Welten ſpuͤren?
Betrachten wir hierauf das Gluͤck der ſeel’gen Seelen
Nach des Verſtandes Krafft;
Ach welcher Geiſt kan doch die Eigenſchafft
Der Vollenkommenheit erzaͤhlen,
Da ſie in richtigen, beſtaͤndigen,
Gewiſſen, unaufhoͤrlichen
Und ſtets vergnuͤgenden Beſchaͤfftigungen ſtehet,
Mit den ihr zugetheilten Dingen,
Die ihr beſtaͤndig Luſt und Anmuth bringen.
Und weil der Menſch abſonderlich gemacht,
Um ſeinen Blick, mit allen Kraͤfften,
An ſeines Weſens Quell, den Schoͤpffer ſtets zu hefften,
Jn Seiner Majeſtaͤt, in Seiner Wercke Pracht,
Jhn anzubeten, zu verehren,
Sein unausdruͤcklich Lob beſtaͤndig zu vermehren;
So muß er ja ſodenn vollkommen ſelig ſeyn,
Wenn ſeine Seel’ und ſein Gemuͤthe
Die groͤſſte Staͤrcke braucht, um mit der ew’gen Guͤte
Und ihrer Liebe ſeel’gem Schein
Je mehr und mehr ſich zu verbinden.
Wenn in Beſitz der ew’gen Seeligkeit
Die647Die Seele nun ſich wird begabet finden
Mit ſolcher dauernden Beſchaffenheit,
Mit ſo geſchaͤff tigen und reinen Lebens-Geiſtern;
Wie aufgeklaͤrt, wie lebhafft werden nicht
Derſelben Kraͤffte ſeyn? Als wie ein ſchnelles Licht,
Wird ſie die dickſte Dunckelheit
Des Zweifels ſchnell durchdringen und bemeiſtern.
Es wird des Geiſtes Faͤhigkeit
Um deſto mehr erhoͤht, geſtaͤrcket und erweitert,
Vermehrt und ausgeheitert,
Je hurtiger, ſubtiler und geſchwinder,
Die Werckzeug’ ihrer Handlung ſeyn.
Es dringt der Geiſt in alles ſchnell hinein,
Es moͤgen ſich die Schwuͤrigkeiten haͤuffen;
Er iſt geſchickt ſie alle zu begreiffen.
Er kan geſchwind und richtig ſchlieſſen,
Wie Sachen aus einander flieſſen.
Es oͤffnet ſich vor ihm die Wahrheit.
Gedaͤchtniß nebſt der Phantaſey,
Sind in viel groͤſſrer Staͤrck und Klarheit,
Als ſie auf Erden
Bey Sterblichen gefunden werden.
Am meiſten ſchien bey uns der Seelen vorgeſchrieben,
Jm Tugend-Pfad einher zu gehn,
Sich in unſtraͤfflichen Verrichtungen zu uͤben,
Und nicht ſo ſehr auf Wiſſenſchafft zu ſehn:
Dort aber, in der Seeligkeit,
Wird ſie ſich immer hoͤher ſchwingen,
Und, ſonder Unvollkommenheit,
Die allertieffſte Wiſſenſchafft,
Die allerdunckelſten Geheimniſſe durchdringen.
S s 4Welch648Welch Anmuth! welche Luſt! was fuͤr Verwunderung!
Welch unausſprechliche Beluſtigung!
Wird ſolches nicht in ihr erwecken,
Wenn ſie durch richtige beſtaͤndige Jdeen,
Die ihr Gemuͤth erleuchten, alles ſehen,
Und den geheimen Grund von allen kan entdecken!
Denn daß wir uns der Dinge dieſer Erden
Auch dorten wol erinnern werden,
Kommt mir ſehr glaublich fuͤr:
Unmoͤglich kan uns alles, was wir hier,
Durch GOTTES Gnade, Guts begangen,
Auch was wir von des Schoͤpffers Huld empfangen,
So gar gleichguͤltig ſeyn.
Was GOTT in uns zu wuͤrcken angefangen,
Schlieſſt die Vergeſſenheit unmoͤglich ein.
Jſt denn ſo manches Gut, das GOTT uns hier beſchehrt,
Nicht eines Angedenckens werth?
Vermuthlich werden ſie zu GOTTES Ehren
Den Danck in unſrer Freude mehren.
Es kommen alle Dinge mir,
Allhier auf unſrer Erden
Jm Gegenſatz von dem, was wir dann ſehen werden,
Nicht anders fuͤr:
Als wenn man etwan einen Wald
Des Nachts, beym Sternen-Licht, durchreiſet,
Da denn das wenigſte ſich weiſet
Von der ſo lieblichen Geſtalt,
Weil ein genugſam Licht gebricht:
Hernachmals aber wird des ſeel’gen Lebens Morgen
Dasjenige, was uns allhier verborgen,
Jn gantz verklaͤrtem Schimmer zeigen.
Wo -649Wobey denn nicht, wie hier, Gewohnheit Eckel bringen,
Die Luſt vermindern wird; wie wir in allen Dingen
Dies Ungluͤck auf der Welt erfahren.
Ach nein! was ſie vor hundert Jahren,
Als lieblich, herrlich und als ſchoͤn,
Zu GOTTES Ehren angeſehn,
Bleibt ewig neu bey Jhnen. Keine Luſt
Wird, aus der nimmer ecklen Bruſt,
Durch eine neue Luſt, verdrenget:
Wol aber wird ein neu Vergnuͤgen
Sich ſtets zu allen andern fuͤgen;
Und ſo wird ihre Luſt, zu ihres Schoͤpffers Ehren,
Mit neuer Wiſſenſchafft, ſich, ſonder Ende, mehren.
Die Wunder, ſo auf dieſer Erden,
Durch GOTTES Allmachts-Wort geſchehn,
Wird er erſtaunend uͤberſehn.
Er wird ſodann gar leichtlich faſſen
Die Wunder, anf der Berge Hoͤh’,
Die Wunder in der tieffen See,
Auf welche Art von der Materie
Die Theilchen an einander hangen,
Davon wird er die Nachricht bald erlangen.
Es wird ſich das ſodann von ihm begreiffen laſſen,
Was alle Weiſen hier verwirrt,
Worinn der kluͤgſte Geiſt geirrt.
Es wird ihm die Natur, die Urſach und der Grund,
Der Schwehr’ und der Bewegung kund.
Von den Erſcheinungen der wuͤrckenden Natur
Kommt er auch gleichfalls auf die Spur:
Es wird ihm deutlich ſeyn und klar,
S s 5Durch650Durch welche Miſchungen die Mannigfaltigkeit
Der Dinge, die ſo wunderbar
Und ſo verſchiedlich ſind, entſtehn;
Daß obgleich allezeit
Die Coͤrper, durch beſtaͤndigs reiben,
Stets einen Abgang ſehn, den ſie erſetzen
Durch andern Stoff, ohn dies ihr Weſen zu verletzen;
Doch ſtets dasjenige, was ſie geweſen, bleiben.
Er kennt ſodann der Thiere Seelen,
Ob, und wie weit ſie coͤrperlich.
Es kann fuͤr ſein’ Erkenntniß ſich
Das Allerkleinſte nicht verheelen.
Es wird der Geiſt ſodann erkennen,
Auf welche wunderbare Weiſe
Am Himmel ſo viel tauſend Creiſe
Beſtaͤndig glaͤntzen, ſtrahlen brennen,
Jn ſo verſchiednem Licht und Schein,
Jn ſolcher Schimmer-reichen Pracht.
Es wird ihm unverholen ſeyn,
Durch welche Staͤrcke, Krafft und Macht,
Ein ſolch unzaͤhlbar Heer, von Sonnen und von Erden,
Jm Creiſe ſtets getrieben werden.
Wann wir ſodann, weit hoͤher noch erhoben,
Als der Planeten rege Heere,
Mit einem ſcharffen Blick von oben,
Recht als im unuͤmſchraͤnckten Meere,
Viel tauſend Coͤrper, gleich der Erden,
Voll Wunder ſchwimmen ſehen werden,
Und zwar, weil unſrer Seelen Augen
Viel weiter, als allhier die Coͤrperlichen taugen
Durch hohl geſchliffnes Glaß zu ſehn;
Jn651Jn eine ungemeßne Ferne
Sodann geſchickt ſich zu erſtrecken!
Was werden wir fuͤr Herrlichkeit entdecken,
Wenn ſo viel Sonnen, als wie Sterne,
Jm unuͤmſchrencktem Licht und Strahl,
Die ohne Maaß an Groͤß’ an Menge ſonder Zahl,
Jn eine Tieffe ſonder Grentzen,
Jn herrlich-reinen Flammen glaͤntzen.
Mein GOTT! was ſtellt ſich mir
Daſelbſt fuͤr eine Tieff’ und Weite fuͤr!
Jndem wir, nicht wie hier von unſrer Erden,
Den halben Himmels-Creiß, nur uͤberſehen werden;
Man wird ſo gar die Himmels-Ruͤnde gantz,
O Wunder! voller Licht und Glantz,
O wuͤrdigs Haus des Schoͤpffers aller Welt!
Als einen hellen Saal der praͤchtig ausgeziert,
Und der, an ſtatt mit Licht und Fackeln ſich zu ſchmuͤcken,
Von einem Sonnen-Heer illuminirt;
Durch ſolche Pracht entzuͤckt, in ſeel’ger Luſt, erblicken.
Wie wird ihn nicht der Glantz von allen Lichtes-Schaͤtzen
Entzuͤcken, in Erſtaunen ſetzen,
Wenn er von oben auf einmal
Durch vieler Sonnen-Heer, an vieler Atmoſpheeren
Bewolckter Lufft gebrochnen Strahl,
Viel tauſend Morgenroͤthen ſiehet,
Von deren jegliche, zu ihres Schoͤpffers Ehren,
Jm Graͤntzen-loſen Raum, in bunter Klarheit gluͤhet!
Ach GOTT! wenn ich nur dies allein,
Mit Andacht uͤberleg’; erblick ich ſchon hienieden,
Ein Licht, das mich begluͤckt:
Weil ich darinn, je mehr ich es ergruͤnde,
Ein652Ein etwas, welches uns nicht unbegreifflich, finde.
Jch werde gleichſam, als entzuͤckt!
Mich uͤberſchuͤttet Freud und Wonne,
Wenn aus der Pracht von unſrer Welt,
Und aus der Schoͤnheit einer Sonne,
Mein Geiſt ſich fuͤrgeſtellt:
Wie tauſend Millionen Erden,
Von unterſchiedner Pracht und Groͤſſe,
Mir ſo viel herrliche Gefaͤſſe,
Voll Majeſtaͤt des Schoͤpffers, werden.
Wenn nichts von einem ſeel’gen Leben
Mir einigen Begriff ſonſt faͤhig waͤr zu geben;
So wuͤrde dieſes gantz allein
Schon einigen Begriff von der Vollkommenheit
Des Schoͤpffers, und zugleich von einer Seeligkeit,
Mir zu erwecken, kraͤfftig ſeyn.
Geliebte Leſer! Stellt mit mir
Euch doch einſt in Gedancken fuͤr,
Ob es nicht herrlich ſey, als wie ein Strahl
Sich auf einmahl,
Von einer Welt zur andern hin zu ſchwingen,
Und da die Goͤttlichen Befehle
Als Sein Geſandter zu vollbringen.
O hoͤchſt begluͤckt-o dreymahl ſeel’ge Seele!
Was wirſt du ſehn? was wirſt du finden?
Wie unbegreifflich wird der Unterſcheid,
Von Pracht, von Anmuth, Herrlichkeit,
Von Wundern, von Geſtalten, von Figuren
Der ungezaͤhlten Creaturen,
Was vor ein Reichthum doch von Farben, Licht und Schein,
Ja653Ja wie wird deine Krafft ſo groß im Dencken ſeyn!
So groß die Faͤhigkeit, Vergnuͤgen zu empfinden!
Wer kan der frohen Seel Empfindlichkeit ergruͤnden?
Wenn GOTT, der alles kan, ihr eine Faͤhigkeit,
Mit immer groͤſſerer Vollkommenheit,
Die Wunder Seiner Lieb und Allmacht zu bedencken,
Bey der Unzaͤhlbarkeit derſelbigen, wird ſchencken!
Welch ungezaͤhlte Meng’ entzuͤckender Jdeen
Wird nicht all’ Augenblick in ihr entſtehen,
Wenn ſich in allzeit neuem Schimmer,
Voll Wunder und voll Licht, viel helle Schau-Plaͤtz immer
Dem ſeeligen Geſicht eroͤffnen und entdecken,
Ja ſich zugleich auf jeden Sinn erſtrecken!
Wie wird ſich ihre Luſt und ihr’ Erkenntniß mehren,
Wenn ihnen eine neue Welt
Wird nach der andern vorgeſtellt!
Wenn auf die Mannigfaltigkeit
Und die verſchiedliche Beſchaffenheit
Der Weſen, die in ihnen leben,
Sie, voll Verwunderung und Anmuth, Achtung geben.
Von der unendlichen Macht, Weisheit, Lieb und Guͤte
Des ew’gen Urſprungs aller Weſen
Wird ihr von ſeel’ger Luſt entzuͤckt Gemuͤthe
Den Jnhalt, der ſie mehr und mehr beſeeligt, leſen.
Sie werden ſich daran, zu ihres Schoͤpfers Ehren,
Jn ſeeliger Verwundrung, ewig naͤhren.
Ein ſolch verhimmelndes Entzuͤcken,
Das bloß aus dem Begriff von GOTTES Werck entſteht,
Jſt abzubilden nicht, nicht auszudruͤcken.
Zwar, wenn man denckt, wie es auf Erden geht,
Daß Menſchen insgemein,
Aus654Aus kalter Schlaͤfrigkeit, faſt unempfindlich ſeyn;
Daß ſie, von allen Schoͤpffungs-Wercken,
So viel als nichts, bemercken;
Und daß der Seelen Krafft,
Allein auf Ehr, und Luſt, und Geld erpicht,
Von einer ſolchen Eigenſchafft,
Als welche bloß zu Ehr’ und Reichthum fuͤhret,
Faſt das geringſte nicht
Verlangt, empfindet, ſpuͤret;
So folgt von ſelbſt, daß ſie von ſolchen Sachen,
Von aller Freud und Luſt, die aus ſo hohen Dingen,
Und ihrer Wiſſenſchafft Vermehrungen entſpringen;
Sich keinen wuͤrdigen Begriff und Eindruck machen.
Allein, ein weiſer Mann,
Der mit nie muͤden Fleiß ſich lange Zeit befliſſen,
Ein ihm verborgenes Geheimniß recht zu wiſſen,
Und es zuletzt ergruͤndet; der nur kann
Sich ein etwannigs Bild von jenen Freuden-Quellen,
So weit zu dencken ihm erlaubt, vor Augen ſtellen,
Die dort der Seel’gen Seelen-Heer,
Aus einer Anmuths-See, aus einem Freuden-Meere,
Wenn ſie die Wunder-Werck des Schoͤpffers uͤberdencken,
Jn ſtets vermehrter Luſt und Anmuth, werden traͤncken.
Es weiß allhier die Seele nicht,
Auf welche Weiſe ſie ſich in den Coͤrper flicht,
Auf welche Weiſe ſie mit ihm verbunden,
Sie weiß nicht, wie ſie ihm Geſtalt und Wachsthum gebe,
Sie weiß nicht, wie ſie ihn belebe.
Es iſt ihr unbekannt, ſie kanns hier nicht ergruͤnden,
Mit was vor Art dem Coͤrper das Empfinden,
Und die Geſchicklichkeit ſich zu bewegen,
Sie655Sie ſelbſt geſchickt ſey beyzulegen:
Die Kraͤffte ſelbſt, wodurch ſie ſeiner Meiſter,
Erkennet ihre Schwachheit nicht,
Die immer-rege Lebens-Geiſter,
Sind ihr ſo gut als unbekannt.
Jhr eigner Trieb, durch welchen ſie befiehlt,
Verbirget ſich vor ihr, ſie kan ihn nicht entdecken,
So wenig als die Kraͤfft’, ſo ihren Winck vollſtrecken.
Wenn aber GOTT ihr wird das ſeel’ge Leben goͤnnen;
Wird ſie ſich innerlich erkennen,
Sie wird ſodenn, als wie ein Licht,
Sich ſelbſt durchdringen und verſtehn,
Zu welcher Herrlichkeit ſie GOTT hat auserſehn.
Wie wird ſodann zugleich
Die Seele nicht an Wiſſenſchafften reich,
Und reich an Goͤttlicher Geſchoͤpff Erkenntniß, werden
Jn allen Wundern aller Erden!
Was wird ſie nicht in aller Himmel Gruͤnden
Vor unerforſchliche Geheimniß finden,
Vor Machts - und Weisheits-Meere ſehn?
Wenn ſie ſodann gemeinſchafftlich erſehn:
Wie der Zuſammenhang der groſſen Kette nimmer
Getrennet worden ſey: wie alles immer
So ordentlich, ſo wunderſchoͤn,
Nicht nur allein auf unſrer Erden,
Jn andern auch geſchehn, die man nicht zaͤhlen kann;
Wie ſehnlich wird ſodann
Der Schoͤpffer nicht gelobt und angebetet werden?
Es wird jedoch die Seeligkeit
Nicht darinn nur allein beſtehn,
Daß wir zu groͤſſerer Vollkommenheit,
Jm656Jm Wachsthum des Begriffs und der Vernunfft gelangen;
Der Seelen edelſte und beſte Krafft, der Wille,
Wird eine Faͤhigkeit und eine ſeel’ge Fuͤlle,
Den edelſten Beſitz der Ruh empfangen.
Es iſt die Wiſſenſchafft, Erfahrung und Erkenntniß,
Begriff, Betrachtung und Verſtaͤndniß
Ein Mittel nur; und von der Seeligkeit
Die wuͤrckliche Vollkommenheit
Noch lange nicht, die bloß in der Verwunderung,
Jn der entzuͤckenden Beluſtigung,
So aus ſo herrlicher Erkenntniß ſtammt und gehet,
Und dem dadurch erzeugten Triebe,
Der ewig ſeel’gen Schoͤpffers Liebe,
Als einem Mittel-Punct der Seeligkeit, beſtehet.
Sie wird durch Danckbarkeit und durch Verwundrungs -
Triebe,
Jn ſtetig brennender und bruͤnſt’ger GOTTES Liebe,
Am allerſeeligſten und recht verhimmelt ſeyn.
Jn einem bruͤnſtigen Vertrauen,
Und in der Lieb allein,
Vermag man in der GOTTHEIT hellen Schein
Am allertieffſten einzuſchauen.
Des Schoͤpffers Ehre ſelbſt beſtehet in der Liebe:
Denn wenn wir noch ſo viel von GOTTES Macht er -
kennten;
Und ſolch’ Erkenntniß uns dahin nicht triebe,
Daß wir in Seiner Liebe brennten;
So waͤre GOTTES Ehr’ und Ruhm dadurch nicht groͤſſer,
Jhm nicht gefaͤlliger, nichts beſſer;
Als wenn man etwann auf der Welt
Weiß, daß ein Schoͤpffer ſey: Doch Jhn im Hertzen nicht,
Als wie das hoͤchſte Gut, fuͤr Liebenswuͤrdig haͤlt.
So657So wie der wahre Glaub’ ein Strahl in unſrer Seelen
Von GOTTES Liebe iſt; ſo iſt der Menſchen Liebe,
Die aus dem Glauben ſtammet,
Ein Gegenſtrahl, wodurch die Seel’ entflammet,
Den Schoͤpfer gleichſam faſſt, mit Jhm ſich zu vermaͤhlen
Und zu verbinden wuͤnſcht. Hieraus erhellt nun klar,
Daß unſrer Seelen Stand, Krafft, Weſen und Natur,
Jn lauter Liebe nur
Dann wird verwandelt werden muͤſſen.
Sie wird nichts fuͤhlen, nichts begehren,
Nichts wuͤnſchen, als zu GOTTES Ehren:
Sie wird nichts anders wollen wiſſen
Als den geliebten GOTT. Sein’ Allmacht, Herrlichkeit,
Pracht, Schoͤnheit, Lieblichkeit und Vollenkommenheit
Wird ſie ohn Hinderniß in ew’ge Wonne ſetzen.
Wie nun die Lieb aus der Erkenntniß ſprieſſet;
So ſtammet, ſprießt und flieſſet,
Aus Liebe, nichts als Luſt, Vergnuͤgen und Ergetzen:
Jn der Beſchaͤfftigung der Seele nur allein
Entſteht das Goͤttliche Genieſſen.
Was werden ſich fuͤr Freuden-Stroͤm’ ergieſſen?
Jn welchem Anmuths-Meer von ſeel’ger Suͤßigkeit
Wird der Gerechten Seele ſchwimmen!
Von Anmuth gantz entzuͤckt,
Mit ew’ger Klarheit ausgeſchmuͤckt,
Wird ſie, von Lieb’ entbrannt, in ſeel’ger Sehnſucht glimmen.
Wie wird ihr bruͤnſtig Lob, dem groſſen ALL zu Ehren,
Jn ihrer Luſt ſich ewig, ewig mehren,
Wenn jede froͤhlich ſelbſt am Schoͤpfer ſpuͤret,
Wie ihre Wonne ſelbſt ſein Goͤttlich Weſen ruͤhret,
Daß Er durch Gnaden-reiche Triebe,
T tVon658Von einer wahren Vater-Liebe,
Aus ihren ſeeligen Vergnuͤgen,
Sich Selber ein Vergnuͤgen macht.
Und hierinn wird gewiß
Ein groſſes Theil von ihrer Freude liegen.
Daß ſolche Luſt nun ſonder Ende waͤhren,
Ja gar in Ewigkeit ſich immer noch vermehren,
Und groͤſſer werden kann, auch groͤſſer werden wird,
Weil GOTT unendlich iſt im Wollen und im Koͤnnen:
Jſt wol ein Jnbegriff zu nennen
Von jener Seeligkeit.
Welch ein beſtaͤnd’ger Gnaden-Guß!
Welch ein unendlicher und ruh’ger Wolluſt-Fluß
Wird alle Seelen uͤberſchuͤtten!
Welch ein Entzuͤcken, welche Fuͤlle,
Von inniger Zufriedenheit,
Muß ein verherrlichter Verſtand, ein reiner Wille,
Der nichts, als Luſt und Herrlichkeit,
Nichts, als unendliche Vollkommenheit
Zu ſeinem Vorwurff hat, empfinden und verſpuͤren;
Wenn GOTT, die ewig ſeel’ge Liebe,
Die ewig weiſe Macht, ihn ſeelig haben will.
Was kann und wird doch Der ſodann,
Der alles Gute will und kann,
Vor unumſchraͤnckte Faͤhigkeiten,
Begluͤcket und vergnuͤgt zu leben,
Jhm, uͤber alles Dencken, geben!
Wie kann und wird Er nicht den Geiſt Jhm zubereiten
Als eine Tieff’, in der kein Grund zu finden.
Worinn ein Wolluſt-Meer, das auch nicht zu ergruͤnden,
Jn ſteter Anmuth wallt, worinn kein Troͤpffchen ſchwimmet,
Das659Das nicht zu ſeiner Luſt beſtimmet,
Das er nicht fuͤhlen kann, das er nicht immer fuͤhlt,
Das nicht auch mit auf ſeine Freude zielt.
Wie unbegreifflich wird die Luſt, die allgemein,
Die aus unzaͤhlbaren Vergnuͤgungen beſtehen,
Die alle fuͤhlbar ſind, und tieff aus Hertze gehen;
Jn ihrem gaͤntzlichen Zuſammenhang nicht ſeyn!
Auf Erden iſt der Menſchen Luſt
So eng’ verſchrenckt, daß unſre Bruſt
Aus einer Sache nur auf einmahl Freud’ empfindet,
Und ſolches nur auf kurtze Zeit:
Dort aber wird die Seel’, und zwar in Ewigkeit,
Mit einer tauſendfachen Krafft,
Mit einer gleichſam nicht umſchraͤnckten Eigenſchafft,
Die Goͤttlichen Geſchoͤpffe zu begreiffen,
Die Faͤhigkeit noch immer haͤuffen.
Die Seel’ iſt ja ſchon hier geſchickt ſich auszubreiten,
Jn unterſchiednen Faͤhigkeiten.
Sie kan verlangen, lieben, ſehn,
Empfinden, froh ſeyn und verſtehn:
Was ſie nun einzeln hier und nicht auf einmahl kann,
Das wird vermuthlich dort vereint, verbunden,
Jn vollenkomm’ner Luſt, zugleich von ihr empfunden.
Ja, wie die Vorwuͤrff auf der Erden,
Wodurch die Sinnen hier vergnuͤgt beſchaͤfftigt werden,
Ohn Ende faſt und ſonder Zahl;
So koͤnnen auch durch GOTT viel tauſend, tauſendmahl
Die Faͤhigkeiten ſelbſt ſich mehren,
Die alle wiederum, die Seel’gen zu vergnuͤgen,
Unzaͤhlbar ſchoͤne Vorwuͤrff kriegen.
T t 2Jndem660Jndem wir ja allhier auf Erden,
Durch mehr als einen Sinn, vergnuͤget werden:
So kann man auch mit Wahrheits-Grunde dencken,
Ja gar faſt uͤberzeuglich glauben,
Daß GOTT, der ſchon allhier
Uns manche Freuden-Thuͤr’,
Jn vielen Sinnen uns gewuͤrdiget zu ſchencken;
Uns, ſtatt im Himmel dort dieſelbe zu verſchlieſſen,
Und uns ein wuͤrckliches Genieſſen
Dadurch zu rauben;
Viel eh’ uns mehr annoch eroͤffnen werde.
Es iſt viel glaublicher,
Daß GOTT, der HERR,
So Leib als Seel’ annoch zu tauſend Faͤhigkeiten,
Vergnuͤget und ergoͤtzt zu ſeyn,
Uns koͤnne, woll’ und werde zubereiten.
Wie wird nicht offt das Hertz geruͤhret,
Wenn unſer irdiſch Ohr ein irdiſch Singen ſpuͤret:
Wie wird denn nicht ein himmliſch Schallen
Verklaͤrten Seelen dort gefallen?
Wenn ſie von tauſend Engel-Choͤren
Ein ewigs Lob - und Danck-Lied hoͤren?
Ach! wie wird nicht der Seraphinen Singen
Jhr Jnnerſtes, mit ſuͤſſer Luſt, durchdringen!
Welch’ eine Freude, welch Entzuͤcken
Wird nicht, bey jedem Thon, ſich in die Seele druͤcken!
Jhr Gantzes wird vergnuͤgt, ihr Gantzes wird geruͤhrt,
Durch einen jeden Schall, den es ſo ſeelig ſpuͤrt.
Ja man wird nicht, wie hier, durch einen Sinn allein,
Durch alle, ja durch mehr, zugleich vergnuͤget ſeyn.
Stell’ ich den Menſchen mir
Jn dieſer Welt, nach ſeinem Weſen, fuͤr;
So661So ſcheint die Meinung mir nicht fern vom Zweck zu
zielen,
Wenn man vor dem den Stand der ſeel’gen Welt
Sich etwann folgends vorgeſtellt:
GOTT haͤtt’ uns ſolchen Trieb vergebens nicht gegeben,
Jn ſtetem Wechſel Luſt zu finden,
Und in Veraͤnderung Vergnuͤgen zu empfinden,
Nein, eben dadurch nur noch mehr geſchickt gemacht,
Von ſeiner Herrlichkeit, Macht, Majeſtaͤt und Pracht,
Die unerſchoͤpfflich ſind, in jenem ſeel’gen Leben,
Unendlichen Beweis auf nie erſchoͤpffte Art,
Mehr, als wir ewig koͤnnen dencken;
Uns ſonder End und Ziel zu ſchencken.
Vermuthlich wuͤrden wir ſo ſchnell nicht wuͤnſchen koͤnnen,
GOTT wuͤrde den Beſitz uns augenblicklich goͤnnen.
Die Wolluſt einer gantzen Welt
Die wuͤrde ſie nach eigenen Verlangen,
Mit einer, die ihr mehr gefaͤllt,
Vertauſchen; und derſelben Prangen
Kaum bis zur Saͤttigung verſpuͤren,
Da ſie im Augenblick von neuen
Sich einer andern kann erfreuen.
Will etwann dieſes dir zu groß, zu herrlich ſcheinen,
Und zwaͤnge dich dein Unglaub’ auch zu meinen,
Daß dieſe Herrlichkeit fuͤr dich zu herrlich waͤre,
Dein gantzes Weſen ſey nicht faͤhig ſolcher Ehre;
So dencke nur zuruͤck auf das, was du geweſen,
Eh, daß du worden biſt. Die Finſterniß, das Nichts,
Aus welchem GOTT dich hat gezogen und erleſen,
Zum froͤlichen Genuß des Sonnen-Lichts.
Wie unbeſchreiblich groß iſt doch der Unterſcheid,
T t 3Vom662Vom Schatten zu dem Licht, vom Nichts zur Wuͤrcklichkeit!
Wenn dies ein Menſch mit Ernſt bedencket,
So wird er ja mit Recht nicht zweifflen koͤnnen,
Daß nicht derſelbe GOTT, der ihm ſo viel geſchencket,
Auch gut, auch maͤchtig gnung, ein mehrers ihm zu goͤnnen,
Sein Gutes immer noch zu mehren, zu vergroͤſſern,
Ja ins unendliche ſein Weſen zu verbeſſern.
Jn welcher Zaͤrtlichkeit und inniglicher Liebe
Der GOTTHEIT muß ſodann die gantze Seele ſtehn!
Welch Andachts-Bruͤnſtigkeit und Ehrfurcht-volle Triebe,
Nicht durch ihr gantzes Weſen gehn!
Mit welchem ſehnlichen und bruͤnſtigen Vertrauen,
Muß ſie die Majeſtaͤt der GOTTHEIT ſchauen!
Jn ew’ger Emſigkeit, ſie anzuſehn befliſſen;
Wird gleichſam ſie
Zu lauter Liebe werden muͤſſen!
Ach! wenn ich dieſemnach ſolch einen Stand erwege,
Und in der Vollenkommenheit,
So unausſprechlicher und ew’ger Seeligkeit,
Des Schoͤpffers Liebe, Macht und Weisheit uͤberlege;
Fuͤhl’ ich bereits auf ird’ſche Sinnen,
Von einer nie gefuͤhlten Luſt,
Aus jenem Wolluſt-Meer, verſchied’ne Tropffen rinnen.
Es lechtzt, und wallt, und ſtehnt die Seel in meiner Bruſt;
Sie ſchwingt die Fittige, dahin ſich zu verfuͤgen:
Ein ſuͤſſes Sehnen dehnt in ruhigen Vergnuͤgen
Mein gantzes Weſen aus: Ein’ aufgeklaͤrte Stille
Umgiebt, durchdringet mich: Von jenem reinen Licht,
Das, wie ein reger Blitz, durch Nacht und Nebel bricht,
Trifft mich ein kleiner Strahl: Von jener feel’gen Fuͤlle
Verſpuͤr’ ich halb entzuͤckt, in bruͤnſtigen Verlangen,
Schon663Schon einen Vorſchmack hier. Ach GOTT! laß doch bey
Zeiten
Mich von dem Dienſt der morſchen Eitelkeiten,
Voll ſuͤſſer Hoffnungs-Gluht, entfernen!
Ach! laß mich auf der Welt
An das, was Dir gefaͤllt,
An Deiner Wunder Heer, die Du uns vorgeſtellt,
Mich inniglich vergnuͤgen lernen!
Ach! laß mich Deine Weg’ und Deine Wunder kennen,
Und ſtets in froher Danckbarkeit,
Derſelben Vollenkommenheit,
Und was Du uns ſchon hier ſo gnaͤdig wollen goͤnnen;
Betrachten, und in allen Schaͤtzen
Der Erden, Dir zur Ehr, mich inniglich ergetzen!
So machen wir ſchon in der Zeit
Uns, HERR, zu Deinen Ruhm, zur Seeligkeit bereit.
Jndeſſen, da der Wechſel unſrer Zeit
Uns nachzudencken Anlaß giebt,
Mit welcher Huld, mit welcher Zaͤrtlichkeit
Uns GOTT im vor’gen Jahr geliebt;
Auf! laſſt uns denn nun dran gedencken,
Und Jhm ſo offt ein Lied zum Neu-Jahr ſchencken,
Des Hoͤchſten Ruhm und unſre Luſt verneuern,
Bis wir dereinſten dort ein ewig Neu-Jahr feyern.
O GOTT, der Du mich abermahl
Ein Jahr vergnuͤgt beſchluͤſſen laſſen;
Wer kan doch deiner Wunder Zahl,
Die Du an mir gethan, erzaͤhlen oder faſſen?
Man zahle nicht allein die Tage, Naͤchte, Stunden;
So viel Minuten und Secunden,
T t 4Als664Als ich in dieſem Jahr erlebt; ſo manche Quelle
Von deiner Guͤter Heer iſt uͤber mich gefloſſen.
Ja nicht allein auf mich, ein jeder Augenblick
Hat ſich zugleich, mit Heil und Gluͤck,
Auf alle Meinigen ergoſſen.
Wie mancherley Gefahr, wie viele Ungluͤs-Faͤlle
Die jeden Augenblick uns haͤtten ſtuͤrtzen koͤnnen,
Hat Deine Gnaden-Hand,
All Augenblick, HERR! von uns abgewandt.
Wer kan die Plagen alle nennen,
Die uͤber unſerm Haupt beſtaͤndig ſtehn,
Dadurch ohnfehlbar wir ſonſt muͤſten untergehn,
Aufs wenigſte verletzt, geplagt, gekraͤncket werden.
Wenn wir den Coͤrper nur ſam̃t ſeinen Gliedern ſehn,
Wie groß iſt ihre Meng’, und wie ſo lang die Liſte,
Weñ man ſie nach der Reih’ und Ordnung zaͤhlen wollte,
Wovon das kleinſte, wenns uns fehlen ſollte,
Uns elend machen wuͤrd’. Jch muß abſonderlich
Denn Dir, o Vater! noch um ſo viel mehr Lob ſingen,
Da aller Meinigen geſunde Coͤrper ich
Mit auch geſundem Geiſt, (o ſeltnes Gluͤcke!)
Durch ſo viel Augenblicke,
Vergnuͤgt erhalten ſeh’. Denn jegliche Minute
Jſt ja ein Theil, ein Stuͤck von unſrer Zeit,
Und665Und Du haſt uns, o HERR! mit Deinem Gute,
Jn einem jeglichen ſo wunderbar erfreut,
Erhalten und bewahrt. Hab ewig Danck dafuͤr!
Sey aber auch inſoderheit geprieſen,
Daß Du, nebſt tauſend andern, mir
Solch eine ſeltne Gab’ erwieſen,
Daß ich den Andern Theil vom Jrdiſchen Vergnuͤ -
gen,
Jm abgewichnen Jahr, zum Erſten koͤnnen fuͤgen,
Und daß es allbereit,
So wie ich hoͤren ſagen,
Zum Preiſe Deiner Herrlichkeit,
Schon hin und wieder Frucht getragen.
Es freuet ſich in mir das Jnnerſte der Seelen,
Daß, zur Verherrlichung von Deiner Wunder-Pracht
Du mich, aus Gnaden bloß, zum Werckzeug haſt ge -
macht.
Ach laß mich fernerhin, o HERR, noch mehr erzaͤhlen,
Zu Deines Nahmens Ehr und Preiſe,
Wie Gegenwaͤrtig, Groß und Weiſe
Dein Goͤttlich Weſen ſey. Was ich mir vorgenommen,
Vom Trefflichen GENEST in unſre Sprach’ zu
bringen,
Das laß, wo Dirs gefaͤllt, o HERR! gelingen,
Und auch in dieſem Jahr zu Stande kommen!
T t 5Dieweil666Dieweil im kuͤnfftigen des Richter-Amtes Buͤrde
Mich ſonſt vielleicht daran verhindern wuͤrde.
Geſegne meinen Stand, laß meine Kinder-Zucht
Zugleich geſegnet ſeyn.
Erhalte Stadt und Land; das Ungluͤck, ſo uns droht,
Bey der faſt allgemeinen Noth,
Sey gnaͤdiglich, durch Deine Vater-Hand,
Von uns und Deutſchland abgewandt!
Laß aber uns ſodann die holde Friedens-Zeit
Als ein Geſchenck von Dir erkennen,
Und laß, im Feur der Danckbarkeit,
Stets unſre frohe Seelen brennen!
Betrachtung des Schlafs, als eine Goͤttliche Wohlthat, bey dem 1728ſten Jahres-Wechſel.
Wofern uns eine Zeit zu GOTTES Ruhm verpflichtet,
So iſt es die ja wol, wenn ein verneu’tes Jahr
Den Theil von unſrer Welt zur Sonnen wieder richtet,
Wovon im vorigen ſie weit gewichen war.
Wolan denn, weil die Zeit nun abermal erſchienen,
Da ſich des Schoͤpffers Macht, in der ſich dreh’nden Welt,
Zum Nutz der Creatur, aufs neu’ vor Augen ſtellt;
So laſſt uns Jhn nicht nur mit ſolchen Dancken dienen,
Das bloß nach Eigen-Lieb’ und eig’nen Vortheil ſchmeckt,
Da man ſich ſelbſt aus Ernſt; mit eitlem Wort-Gepraͤnge
Hingegen andern offt, worinnen ſonſt nichts ſteckt,
Als bloß ein Schall und leerer Toͤne Menge,
Ein froͤlichs Neu-Jahr wuͤnſcht. Nein, laſſt uns uns er -
wecken,
Aus dem Gewohnheits-Schlaf! Auf! laſſt uns, GOTT
zum Preiſe,
Ein herrlichs Gut, das er, auf wunderbarer Weiſe,
Jn unſerm Leben uns ſo wunderbar zu ſchencken,
So gnaͤdig wuͤrdiget; betrachten, uͤberdencken
Und wohl behertzigen. Denn es iſt eins der groͤſten,
Der wunderwuͤrdigſten und beſten,
Wenn man es recht betrachtet und erwegt,
Was unſer GOTT darinn fuͤr Nutz und Luſt gelegt.
Auf! laſſt uns in der Zeit und ihren Wechſel mercken
Auf unſre halbe Zeit. Es iſt die dunckle Nacht,
Es668Es iſt der ſuͤſſe Schlaf, der uns des Schoͤpffers Macht,
Huld, Weisheit, Lieb’ und Groͤſſ’, in Seinen Wunderwercken,
Aufs allerdeutlichſte recht uͤberzeuglich weiſſt.
Wie, daß man Jhn denn nicht erkennt und Jhn nicht preiſ’t!
Ach GOTT! Unendlichs Licht! bey Deſſen Herrlichkeit
Die allerdickſte Dunckelheit
Nicht ſchwartz, nicht dunckel iſt; bey Dem die Finſterniß
Nicht finſter, und bey Dem die Nacht ſelbſt, wie der Tag
Verklaͤrt iſt, leuchtet, glaͤntzt. Gieb, daß ich lehren mag
Was Dir gefaͤllig iſt! Ach! ſtaͤrcke meine Augen,
Daß ſie, was uns bisher verholen, ungewiß,
Und kaum bemercket war, zu ſehn, zu mercken taugen!
Ach! laß die Wunder in der Nacht,
Abſonderlich den Schlaf, wodurch Du uns begluͤckeſt,
Und faſt aufs neu belebſt, erfriſcheſt und erquickeſt,
Mir einen Spiegel ſeyn von Deiner Lieb und Macht!
Es iſt mehr, als man glaubt, Danck-und Bewunderns werth,
Was uns von GOTT im Schlaf vor Gnade wiederfaͤhrt.
Wenn wir aufmerckſam uͤberlegen,
Was GOTT, durch die Natur, zu unſrer Ruh’,
Fuͤr Wunder-Dinge wuͤrck’, und was ſie desfalls thu’;
So kan man bloß allein
Aus den ſo wichtigen Beſchaͤfftigungen ſehen,
Wie wichtig und wie groß der Endzweck muͤſſe ſeyn,
Weshalben ſie mit ſo viel Kunſt geſchehen.
Wie eine Mutter ihrem Kinde,
Damit daſſelbige gelinde
Und ſanffte ſchlaffen mag, die Wiege zuzudecken,
Um eine Dunckelheit durch Kunſt ihm zu erwecken,
Und eine kleine Nacht zu machen pflegt;
So ziehet GOTTES Huld, die Sorge fuͤr uns traͤget,
Um669Um jedes Theil der Welt, wenn wir von Muͤdigkeit,
Von Arbeit und von Muͤh gedruͤckt ſind, und geſchwaͤcht,
Wie ein Gewand, gewebt aus Dunckelheit,
An allen Orten vor. Wir ſind recht eingehuͤllet,
Jn duͤſterer Finſterniß, die alle Ding erfuͤllet,
Um alles das zu ſehn uns zu verwehren,
Was uns gewiß ſonſt wuͤrd’ in unſrer Ruhe ſtoͤhren.
Merckt, wie ſich die Natur, zu unſerm Nutz, bemuͤht!
Merckt, wie ſie gleichſam faſt die Welt, der Welt entzieht!
Sie hindert unſer Aug’, ſo ſich nicht muͤde ſieht,
Daß, ob ſichs gleich nicht ſchließt, bloß durch die Dunckelheit
Es doch gehindert wird, was eigentlich zu ſchauen.
Sie ſcheinet ferner noch fuͤr jedermann,
So Pfad, als Weg’ und Stege zu verſtecken,
Daß man nicht gehn noch wandeln kan.
Sie ſucht ſo gar durch ein geheimes Grauen,
Der duncklen Schatten Kind, uns gaͤntzlich abzuſchrecken
Von allen Handlungen. Noch mehr, daß nichts die Ruh
Uns leicht zu unterbrechen tauge;
So zieht ſie wunderbar uns uͤber jedes Auge
Noch einen eignen Vorhang zu,
Der, wenn man ihn genau erweget und ermiſſt,
Nicht gnugſam zu bewundern iſt.
Man ſpuͤret uͤberdem, wie eine ſanffte Stille,
Zu eben dieſem Zweck ſodann die Lufft erfuͤlle,
Die ſonſten voll Geraͤuſch und uͤberall
Voll Toͤne, voller Lerm und Schall.
Wie dann vermuthlich auch viel rege Geiſtigkeiten,
Die aus dem Licht in uns entſtehn,
Auch wieder mit dem Licht vergehn.
Jn uns erhebt ſich aus dem Magen
Ein670Ein feuchter Dufft umnebelt das Gehirn,
Betaͤubt die rege Krafft, erfuͤllet unſre Stirn,
Sinckt allgemach gantz unvermerckt hernieder,
Und druͤckt mit ſanffter Laſt der Augen ſchlaffe Lieder,
Des Leibes Fenſter-Schlaͤge, zu.
Dann ſchleicht der Schlaf herein,
Und bringet nicht das Aug’ und Ohr allein;
Den gantzen Leib, zur Ruh’.
Es ſchlafen Hand und Fuß, es ſchlaͤfet Arm und Bein,
Es ſchlaͤft der gantze Menſch, jedoch das Hertze ruht
Und ſchlaͤft zu keiner Zeit: es treibet ſtets das Blut,
Jedoch ſo hefftig nicht: es gehen dennoch richtig
Die innern Raͤderchen. Dies Werckzeug bleibet tuͤchtig
Zu allen Handlungen, wie es vorhero war,
So gar,
Daß, um die Nahrungs-Saͤffte
Wol abzuſondern, zu vereinen,
Auch zum Verdauen, ihre Kraͤffte
Sich dann noch zu vermehren ſcheinen.
Bewunderns-wuͤrd’ges Werck der weiſen Lieb’ und Macht
Des Schoͤpffers dieſer Welt! Wer ſieht hier nicht die Spur
Der Allmacht, in dem Schooß der aͤmſigen Natur?
Und alles dieſes wird doch, leider! ſchlecht bedacht,
Ja mancher ſieht es gar mit ſcheelen Augen an:
„ Es iſt, ſpricht Trax, der Schlaff ein raͤub’riſcher Tyrann,
„ Der uns des groͤſſten Theils von unſerm Leben,
„ Das in ſo kleiner Maaß uns ohne das gegeben,
„ Gewaltfamlich beraubt: Es heiſt, daß er uns ſtaͤrcke,
„ Und unſer Leben uns verlaͤngre: aber mercke,
„ Daß er davor die Helfft’, als einen Lohn fuͤr ſich,
„ Fuͤr ſeine Muͤhe nimmt. Jſt es nicht ſonderlich,
„ Daß671„ Daß, um das Leben zu erwerben,
„ Man gleichſam taͤglich muͤſſe ſterben,
„ Hat nicht ein Schlafender dieſelbige Geſtalt
„ Von Todten, welcher warm, und gleicht ein Todter nicht
„ Faſt einem Schlafenden, der kalt?
Ach lieber Menſch! wer alſo ſpricht,
Zeigt faſt nichts menſchliches, und ſpricht mit Unbedacht.
Wo wir den ſuͤſſen Schlaf in Andacht nicht betrachten,
Und ihn nicht, als gewuͤrckt von GOTTES Finger achten;
So haben wir das Leben zugebracht
Noch aͤrger, als im Schlaf, ja gaͤntzlich wie ein Vieh.
Wenn uns, ſo lang es Tag, Fleiß, Arbeit, Sorg und Muͤh
Des Coͤrpers Krafft geſchwaͤcht, erſchoͤpfft, verzehret,
Wird alles wiederum uns auf das neu beſcheret
Durch dieſe Frucht der Nacht.
Wie ſchwartz, wie traurig iſt zuweilen unſer Sinn
Des Abends, ehe man ſich ſchlaffen leget;
Fruͤh aber, wenn man aufgewacht,
Jſt aller Gram verſchwunden und dahin,
Den wir des Abends ſpaͤt in unſrer Bruſt geheget.
Wie, fuͤhlen wir uns fruͤh nicht munter und erquickt,
Erfriſcht, aufs neu belebt, froh, faͤhig und geſchickt,
Das, was aus Muͤdigkeit wir muͤſſen unterlaſſen,
Von neuen wieder anzufaſſen!
Es hoͤrt, o Wunderwerck! des Coͤrpers Handlung auf,
Damit der Geiſter Krafft, die unſre Waͤrme naͤhret,
Wovon der Sinnen-Schaar den groͤſten Theil verzehret,
Sich mehr vereinen koͤnn’ und ſich verbinden,
Um unſer Lebens-Feur von neuen anzuzuͤnden:
Daher, wenn gleich bey uns das Fuͤhlen, Hoͤren, Sehn,
Bewegen, der Geruch, in Sinnen, ſtille ſtehn;
So672So ſtehen doch in ſtetigem Geſchaͤffte,
Blut, Magen, Lung und Hertz, der Eingeweide Kraͤffte,
Nie muͤßig, nimmer ſtill; um wieder zu erſetzen
Was abgegangen war. Ach welche Suͤßigkeit!
Welch aͤnſſerlich und innerlichs Ergetzen
Empfindet man bey ſtiller Abend-Zeit,
Wenn wir den muͤden Leib auf weichen Feder-Decken,
Mit einigen Erwegen ſtrecken!
Wir fuͤhlen wie die muͤden Sehnen,
Jn ſuͤſſer Luſt, ſich aus einander dehnen.
Wodurch, wenn wir recht uͤberdaͤchten,
Wie GOTT den Leib ſo wunderbar formirt,
Und daß nur Jhm davor Lob, Preiß und Ruhm gebuͤhrt;
Wir Jhm in unſrer Luſt das beſte Danck-Lied braͤchten.
Man ſtelle ſich doch einſt die Welt und unſer Leben,
Als ohne Nacht, als ſonder Ruhe, fuͤr.
Welch elend Einerley wuͤrd’ alle Ding’ umgeben,
Welch eckle Lange-Weil und Stunden wuͤrden wir,
Bey einem ſteten Mittag, finden?
Wuͤrd’ uns ein ſolches Luſt-und Wechſel-loſes Ein
Richt unertraͤglich ſeyn?
Nie waͤr’ es ſpath, nie fruͤh,
Nie waͤr’ ein Morgen-Gold an den Saphiernen Hoͤhen,
Kein lieblichs Abend-Roth am Horizont zu ſehen.
Man ſaͤhe nimmermehr, im Dunckeln,
So vieler Sonnen Heer’ in hellen Sternen funckeln.
Ein unaufhoͤrliches Getoͤſe wuͤrde nie,
Durch eine ſanfft’ und holde Stille,
Wie itzt durch Nacht und Schlaf gemindert,
Der Menſchen Gram und Arbeit nie gelindert,
Und kurtz, es wuͤrd’ uns auf der Erden
Das673Das Leben, ſonder Schlaf, und Nacht, verdruͤßlich werden.
Wer dieſen uns von GOTT geſchenckten Schatz die Ruh,
Nicht recht zu ſchaͤtzen weiß; der hoͤr’ einſt denen zu,
Fuͤr die das ſanffte Kind der ſtillen Schatten flieht,
Und ihnen bloß dadurch Geſundheit, Muth, Vergnuͤgen,
Ja offt Verſtand und Witz entzieht:
Wie ſie auf ihren Bett’, als wie auf Dornen, liegen,
Wie Unruh, Bitterkeit und Unzufriedenheit,
Verwirrung, Grimm und Gram, Angſt und Verdruͤßlich -
keit,
Ohn Aufſchub ſie beſtuͤrmt, ſie wechſelsweiſe plaget,
Jhr Eingeweide kneipt, als wie ein Wurm ſie naget,
Und als ein Feur ſie brennt. Es wuͤrckt ihr ſiedend Blut,
Da es beſtaͤndig wallt, gedrengt wird und gepreſſt,
Daß, ſelber im Gehirn, der Seelen reine Gluht
Gedaͤmpfft, verſtreu’t, ſich kaum erkennen laͤſſt,
Und zu verleſchen droht. Es iſt fuͤrwahr ein Jammer
Der unbeſchreiblich iſt, es leidet Leib und Geiſt,
Als die die Unruh beyd’ aus ihren Schrancken reiſſt:
Daher, wenn alle Welt der ſuͤſſen Ruh ſich freuet,
Ein ſolcher jede Nacht, als ſeinen Hencker, ſcheuet.
Es wird ihr muͤrber Geiſt geplagt, verwirrt, geſchreckt,
Wenn ihn voll Phantaſey ein traͤger Schlummer weckt,
Der leicht und ſchwer zugleich.
Zur Folter wird das Bett, zum Kercker ſeine Kammer,
Wodurch ihm dann die gantze Welt,
Und alles, was darinn, biß auf den Tod mißfaͤllt,
Jſt es nun nicht ein Gluͤck, ein groſſes Gluͤck zu nennen,
Ein ſolches Ungluͤck nicht zu kennen?
Ja gar, an deſſen ſtatt, durch ein geruhig Schlaffen,
Dem Coͤrper und dem Geiſt aufs neue Krafft zu ſchaffen.
U uAch674Ach ſo gedencke doch ein jeder,
Der alle Nacht ſo ſuͤß, ſo ſanffte ruht,
Und ſinge Dem, der ihm die Gnade thut,
Jn Ehrſurcht Danck-und Freuden-Lieder.
Wie angenehm nun aber auch die Ruh;
So iſt jedoch ein neues Wunder-Werck,
So wohl verdient, daß ich es hier bemerck,
Daß, ob ſie noch ſo ſuͤß; ſie doch nicht immerzu,
Und nur gewiſſe Zeit bey Thier und Menſchen waͤhret,
Jndem uns allen ja ein uͤbermaͤßigs Liegen
Nicht Ruh, nicht Luſt, Erquickung noch Vergnuͤgen
Erweckt und ſchafft, nein, uns vielmehr beſchwert:
So mein bewundernd Hertz denn zum Beweißthum nimmt,
Daß wir zum Muͤßiggang und Faulheit nicht beſtimmt;
Hingegen, daß von einem weiſen Weſen,
Wir, ordentlich zu wuͤrcken auserleſen.
Denn, waͤre nicht ein Ziel der Ruh uns angeſchaffen;
So wuͤrd’ ein groſſes Theil der Menſchen immer ſchlaffen.
Was koͤnnte wol auf dieſer Erden,
Wo mehrentheils die Luſt vermenget mit Beſchwerden,
Wo nicht allein der Leib matt und geſchwaͤchet wird,
Wo auch die Geiſter traͤg, unfaͤhig, ſtumpff, verirrt,
Bey ſteten Wachen ſind; wol anserſonnen werden,
Das, wie der ſanffte Schlaf, auf einmahl Leib und Geiſt
Verwunderlich erquickt, der Laͤßigkeit entreiſſt,
Und beyd’ aufs neu belebt. Was kann ein traurigs Hertz,
Das Sorg und Gram beklemmt, wenn auch ſein bittrer
Schmertz
Am unertraͤglichſten, und ſeine Noth am groͤſten,
So, daß er faſt erliegt, erfriſchen, ſtaͤrcken, troͤſten
Als wie ein feſter Schlaf? Verdruß, Furcht, Pein und Leid
Vergehen, hoͤren auf. Jn der Vergeſſenheit
Tief675Tief unergruͤndlichs Meer, iſt alle Noth verſencket.
Jndem er ſie nicht fuͤhlt, und nicht daran gedencket;
So iſt ſie wuͤrcklich nicht. Was man von Lethens Fluth
Wol ehe fabulirt, das trifft hier gleichſam ein.
Scheint ein Betruͤbter nicht, ſo bald er ſchlaͤfft und ruht,
Mit dieſem holden Naß getraͤnckt zu ſeyn?
Wer Ehre, Gut und Blut, Haus, Weib und Kind muß
miſſen,
Wer elend, kranck und arm, im ſchwartzen Kercker ſteckt;
Wen ein ſchon naher Tod mit grauſem Blick erſchreckt,
Der iſt gleich ſeiner Angſt, ſo bald er ſchlaͤfft, entriſſen,
Und wird man ihn mit Recht, ſo lang er ſchlaͤfft, nicht koͤnnen
Gefangen, elend, arm und ungluͤckſeelig nennen.
Jndem ich dieſes ſchreib’ und ernſtlich uͤberdencke,
Wie leicht ein Sterblicher von Angſt und Jammer frey,
Und aus dem Ungluͤcks-Pfuhl heraus zu ziehen ſey,
Bloß durch den Schlaf allein, und daß, ſo lang’ er waͤhret,
Sein Leid fuͤr ihm ſo gut als wuͤrcklich aufgehoͤret;
So denck’ ich: wie vielmehr wird durch des Schlafes Bruder,
Ein hier Geaͤngſteter, durch Jammer, Schmach und Pein,
Von aller Noth befreyt, im Grabe ruhig ſeyn,
Wenn er von allen dem, wodurch er auf der Erden,
Mit Armuth, Froſt und Pein, mit Jammer und Beſchwerden,
Auch wenn die Leidenſchafft ſein Jnnerſtes durchwuͤhlt,
Auf einmahl frey gemacht, nicht das geringſte fuͤhlt.
„ Wie aber, faͤllſt du mir vielleicht, mein Leſer, ein:
„ Soll einem Schlafenden ein Todter aͤhnlich ſeyn,
„ Wo bleibt der Himmel denn? der Stand der ſeel’ gen
Seelen;
„ Soll bis zum juͤngſten Tag er uns denn etwann fehlen?
U u 2Be -676Befuͤrchte nicht, daß ſich dadurch dein Gluͤck verſaͤume,
Du denckeſt nicht daran, daß man im Schlaf auch traͤume.
„ Sprich nicht, was Traͤumerey, es iſt ein leichter Schaum
„ So eitel und ſo leer nicht einſt, als wie ein Traum.
Nein, dencke beſſer nach: es faſſt ja dein Verſtand
Nicht, was die Traͤume ſind.
Dir iſt, wie ihre Quell, ihr Weſen unbekannt,
Doch magſt du, was du willt, von Traͤumen meynen;
So wirſt du hoffentlich doch dieſes nicht verneinen,
Daß unſre Seel’ im Traum, Beaͤngſtigung und Freude,
Vergnuͤgen und Verdruß verſpuͤr’, empfind’ und leide.
Jn welch empfindliches Vergnuͤgen kann uns nicht
Ein angenehmer Traum verſetzen!
Kein wuͤrckliches Ergoͤtzen
Durchdringt die Seele ſo. Ein ſolches Freuden-Licht,
Als wie uns offt im Traum beſtrahlet,
Beſtrahlt uns wachend nie. Ein uͤberirdiſch Weſen
Wird uns im Traum bisweilen vorgemahlet,
Zumahl, wenn unſer Leib durch Kranckheit abgezehrt
Die zur Geſundheit dient, nun anfaͤngt zu geneſen,
Und die Gefahr entweicht und aufgehoͤrt,
Der Kranckheit-Wuſt verjagt, vertrieben, ausgefuͤhrt,
Die Seele, da der Feind beſieget, triumphiert.
Hiedurch nun, da das Blut aufs neue circuliert;
Wird Coͤrper, Seel und Geiſt aufs lieblichſte geruͤhrt,
Und inniglich erfriſcht, erquickt, ja faſt verklaͤrt:
Es wird auf ſolche Art der Seelen
Ein uͤberſchwengliches Vergnuͤgen nimmer fehlen.
Nur liegt es bloß daran; ein ſolches Traͤumen waͤhrt
Nur gar zu kurtze Zeit.
Des laugen Schlaffs, des Todes Traum hingegen,
Wird677Wird nicht mehr Lieblichkeit und Wuͤrcklichkeit nur hegen;
Nein, auch von laͤnger Daur und ſeeliger noch ſeyn.
Du faͤhrſt vielleicht noch fort, und wirffſt mir ferner ein:
„ Es koͤnne ſich ein Traum hierher durchaus nicht ſchicken,
„ Als der ein Gegen-Satz der Wuͤrcklichkeit ja ſey:
So nenn’ es ein Geſicht, ſo nenn’ es ein Entzuͤcken,
Genung, daß allenfalls die Traͤume mancherley.
Die Wuͤrcklichkeit, die du ſo ſtarck begehreſt,
Jſt etwas ohnedem, das dir gantz unbekannt.
Was du nicht greiffen kannſt, nicht ſchmeckeſt, ſiehſt noch hoͤreſt,
Haͤlt dein von Vor-Urtheil verfinſterter Verſtand
So gut, als waͤr’ es nicht.
Gerad, als koͤnnten dich die Sinnen lehren,
Gerad, als ob ſie Richter waͤren
Von wahrer Wuͤrcklichkeit: da doch die Seel allein,
Von dem, was weſentlich, von einem wahren Seyn,
Das, was man weiß, begreifft.
Wie koͤnnten Engel, Geiſter, Seelen,
Als welchen ja die Sinne fehlen,
Was wuͤrckliches empfinden und verſtehn,
Wenn ſie die Wuͤrcklichkeit der Dinge, die geſchehn,
Nicht, als durch Sinnen nur, empfuͤnden.
Es wuͤrde, wenn ſie ſonſt nicht fuͤhlten und verſtuͤnden,
Jhr’ eigne Wuͤrcklichkeit, zuſammt der Wuͤrcklichkeit
Der Dinge, in-und nach der Zeit,
Nach unſerem Begriff, verſchwinden.
Uns zeigt demnach ein Traum weit mehr, als man gedencket;
Verdienet folglich auch, daß man Verſtand und Witz
Auf ihn ein wenig mehr, als man gewohnt iſt, lencket,
Dieweil ihr Weſen uns mehr, als man glaubet, nuͤtz.
Es iſt ein Traum geſchickt uns zu entdecken,
U u 3Von678Von welcher Art die Feuchtigkeiten ſeyn,
Die in des Coͤrpers Miſchung ſtecken.
Mich deucht ich treff’ hierinnen etwas an,
Das uns zu herrlichen Gedancken leiten kan.
Es ſcheinet uns ſo gar ein Traum zu zeigen,
Wie unſre Seel ein Dencken, ſo ihr eigen,
Und von den Sinnen gantz verſchiedlich.
Mich deucht, daß ich im Traum faſt eine Probe ſehe,
Auf welche Weiſ’ ein Geiſt und eine Seele,
Fuͤr ſich allein gedenck’ und auch beſtehe,
Ohn daß ſie mit dem Coͤrper ſich vermaͤhle,
Jndem ſie ohne Licht, und ſonder Auge,
Jm Traum zu ſehn und zu empfinden tauge.
Man kann durch eines Traums wohl angewandte Lehren,
Zugleich uns unſre Groͤſſ’ und Nichtigkeit erklaͤren.
Die kluͤgſten Menſchen, wenn ſie wachen,
Sind, wenn ſie traͤumen, dumm,
Es lauffen gantz verworr’ne Sachen
Jn ihrem Kopff herum.
Das billig denn von unſrer Niedrigkeit,
Uns eine Lehre ſollte geben,
Da wir die halbe Zeit
Von unſern gantzen Leben,
Jn einer halb nicht wahr-halb wahren Thorheit ſchweben.
Wie geht es aber zu, daß Toͤne, ſonder Klang,
Daß Farben, ſonder Farb und Strahlen, ſonder Licht,
Daß Coͤrper, die nicht breit, nicht lang,
Man ſonder Ohren und Geſicht,
Jm Schlaff und Traum erblickt,
Aufs wenigſte zu ſehn vermeinet?
Ja, was mir noch am Traum gantz unbegreifflich ſcheinet,
Jſt679Jſt, daß uns offt gar traͤumt, uns traͤume.
Wenn wir im Schlaf offt gute Reime
Ohn alle Schwuͤrigkeit erfinden:
Wenn wir im Traum recht gute Lehren
Von einem Fremden etwan hoͤren,
Wie geht dies zu? geſchicht es ohne mich,
Daß jemand in mir mit mir ſpricht?
Bin ich derſelbige, der mir wovon Bericht,
Durch eines andern Mund, ertheilt, und innerlich,
So daß es niemand ſonſt, als ich, verſtehe, ſaget,
Das, wornach ich kein eintzigmal gefraget?
Da wir nun das, was in uns ſelbſt geſchicht,
Nicht kennen und nicht faſſen;
Wie wird ſich denn von uns doch die verborgne Spur,
Der maͤchtigen Natur,
Ergruͤblen und begreiffen laſſen?
Man uͤberlege doch und dencke,
Wie ſonderbar, wie ſeltſam, wie verſchiedlich,
Wie unerwartet, fremd, wie ſehr veraͤnderlich,
Wie naͤrriſch bald, bald klug, wie eckelhafft, wie niedlich,
Vergnuͤglich, thoͤricht, wild, gewaltig, groß und klein,
Wie ſchreck-und laͤcherlich, wie ungeformt und zierlich,
Wie albern, wie geſcheut, wie ernſthafft, wie poßirlich,
Die nicht zu bildende behende Traͤume ſeyn.
Es laͤſſet uns, von ihrem leichten Weſen,
St. Auguſtin ein artig Gleichniß leſen:
Wie, wenn man einen Wurm, den, wegen vieler Fuͤſſe
Man Tauſend-fuͤſſer nennt,
Jn kleine Stuͤcke theilet;
Es recht verwunderlich, wie alles laͤufft und eilet,
Wie jedes Stuͤckgen flieht, bald hier, bald dahin rennt,
U u 4Und680Und doch nicht weiß, wohin. Denn alle ſind
Bis auf das erſte Stuͤck, woran der Kopff noch, blind.
Jndeſſen lauffen ſie beſtaͤndig hin und her,
Als ob ein jedes Stuͤck ein gantzes Wuͤrmgen waͤr:
Dort rennet eins auf ſechs, hier eins auf ſieben Fuͤſſen,
Wie ſie der Zufall gab, und traͤgt am andern Ort
Das Stuͤckgen Leib und Seel, ſo ſein iſt, mit ſich fort;
Man ſiehet, ſie ſich fliehn, ſich ſtoſſen und mit Hauffen
Bald an-bald von einander lauffen.
Nicht anders gehet es in unſrer Ruh
Mit unſern Traͤumen zu:
Scheint einer etwan erſt manierlich, ordentlich,
Gleich bricht er und zertheilet ſich
Jn tauſend Grillen, welche fliegen,
Sich ſencken, ſich begegnen, lauffen, ſtehn,
Verworren durch einander gehn,
So, daß nicht zwo geſchickt ſich wiederum zu fuͤgen.
Wenn man in einer klaren Fluth
Sich ſpiegelt, ſich beſieht, iſt alles deutlich, rein
Und eigentlich zu ſehen.
Allein,
So bald man ſie bewegt; wird alſobald
Die deutlichſte Geſtalt,
Verzogen, auseinander gehen,
Nachdem die wallenden nie ſtillen Circkel ſich
Jn klein und groſſe Creiſe drehen:
Auf gleiche Weiſe ſcheint die Phantaſie,
Jn einer ſtets geſtoͤrten Harmonie,
Jm Traum, wie eine Fluth, beweget,
Wodurch wir Theile ſehn,
Die nicht zuſammen hangen,
Und681Und Bilder, die den Augenblick vergehn,
Da ſie ſich kaum zu bilden angefangen.
Man kann jedoch noch ziemlich deutlich machen,
Woher ſo wunderlich verworr’ne Sachen
Jm Traum uns vorgeſtellet ſeyn.
Verſtimmet einſt ein Jnſtrument,
Verſucht ſodenn, ob ihr die Toͤne,
Die ſonſt ſo lieblich, rein und ſchoͤne,
Aus ſelben zwingen koͤnnt?
Jhr werdet nichts aus ihm, als Diſſonantzen bringen,
Die wunderlich und elend klingen.
So, wenn der Leib verſtimmt, die Nerven nachgelaſſen,
Wie koͤnnen ſie ſodann den Ton behalten,
Wie kann denn das Gehirn was anders faſſen,
Als ungeformt’ und ſeltſame Geſtalten,
Die ſonder Harmonie, und nicht zuſammen hangen.
Wie aber, und warum wir eben die Jdeen
Und and’re nicht an deren Stelle ſehen;
Warum ſo leicht die, welche laͤngſt vergangen,
Als unlaͤngſt erſt geſehne Bilder kommen;
Ob ſie, als wie ein Schall,
Der durch den Wiederhall
Zuruͤcke kehrt, von uns vernommen,
Und ſo gehoͤret wird, wie ihn der Mund gebohren,
Ob er ſich gleich ſchon eine Zeit verlohren;
Ob, ſag’ ich, etwan auch auf gleiche Weiſe,
Die Bilder, die nicht mehr zu ſehen,
An ſtatt vollkommen zu vergehen,
Noch bleiben, und zuruͤcke kehren;
Jſt nicht ſo leichte zu erklaͤren.
Nicht minder, ob und wie ſo Seel und Geiſt,
U u 5Bey682Bey Traͤumen ſich geſchaͤfftig weiſt,
Da wir im Traum offt ernſthafft diſputiren,
Und, wie bereits geſagt, auch gar poetiſiren.
So wie die Coͤrper Coͤrper zeugen;
So iſt es unſern Seelen eigen,
Gedancken aus ſich ſelbſt hervor zu bringen:
Die Kinder nun, die aus der Seel’ entſpringen,
Sind auch im Traum ſo gar ein Theil von unſrer Seelen,
Wie man ja dieſes deutlich ſpuͤrt,
Wird unſre Seele nicht in Traͤumen ſtarck geruͤhrt,
Verurſacht ihr ein Traum nicht ein empfindlichs Quaͤlen?
Wird ſie nicht auch gar offt in Traum ergoͤtzt?
Kann nicht ein Traum ihr Angſt und Grauen, Furcht und
Schrecken,
Und ſolche Leidenſchafft und Regungen erwecken,
Daß ſie dadurch gantz aus ſich ſelbſt geſetzt,
Das Blut in Adern treibt, Schweiß aus dem Coͤrper preßt,
Und wahre Thraͤnen flieſſen laͤſſt.
Dies kann uns nun zugleich entdecken,
Wie ſehr die Seele auch in Traum, durch Gram und Pein,
Offt ſehr bewegt, offt ſehr empfindlich ſeyn.
Entſetzlich iſt die Angſt, unleidlich iſt der Schmertz,
So uns ein ſchwerer Traum erwecken,
Und in uns wuͤrcken kann. Wenn das beklemmte Hertz,
Von banger Furcht erfuͤllt, blutgier’ge Raͤuber ſchrecken,
Die in geſchwaͤrtzten Moͤrder-Hoͤlen,
Uns zu zerſleiſchen, zu entſeelen,
Mit Stahl und Flammen drohn. Wenn aufgeſperrte Ra -
chen,
Von Tigern, Baſilisken, Drachen,
Um uns zu wuͤrgen, zu zerſticken,
Den683Den heiſſen Zahn, mit knirſchendem Geraͤuſch,
Jn das ſchon angefaſſte Fleiſch,
Ergrimmt bereits zuſammen druͤcken.
Wenn wir offt ſchwartz-und aufgeſperrte Klauen
Verlarffter Schreck-Geſpenſter ſchauen,
Die ſie bereits zum Greiffen ausgeſtreckt,
Und man von Schrecken ſtarr, ſodann,
Um ihnen zu entfliehn, kein Glied nicht regen kann.
Wer in ſo naher Noth von ohngefehr erweckt,
Und ſchnell ermuntert wird, ſcheint von des Todes Schwelle,
Ja gleichſam ſelbſten aus der Hoͤlle,
Entriſſen und befreyt.
Wenn nur dergleichen Traum vielleicht nach dieſer Zeit,
Verruchter Suͤnder Seelen ſchreckte,
Bis an den juͤngſten Tag,
Vermeint ihr, daß darinn nicht eine Straffe ſteckte?
Wie duͤrfft’ es um dich ſtehen,
Wann nicht, wie hier, durch unſre Sinnlichkeit,
Die Bilder, die uns nicht gefallen, nicht vergehen?
Wann nicht, wie hier auf dieſer Welt,
Da, was uns etwan nicht gefaͤllt,
Sich durch die Sinnlichkeit laͤſſt aus dem Sinne ſchlagen;
Und die erſchrecklichſten Gedancken ſich verjagen:
Nein, unaufhoͤrlich dir von deinem Leben
Das ſcheußlichſte fuͤr Augen duͤrffte ſchweben?
Es ſcheinet ſelbſt zur Straff ein ſolches Quaͤlen,
Recht eigentlich dem Weſen unſrer Seelen,
Und ihrer Art gemaͤs,
So lang ſie ſonder Leib, im Dencken auch zu leiden;
Und dies iſt ſchrecklich gnug.
Jedoch,684Jedoch, mich leitet dies vielleicht zu weit
Von meinem erſten Zweck, und aus den Schrancken,
Die ich mir vorgeſetzt zu dieſer Wechſel-Zeit.
Die Abſicht war allein, dem Groſſen GOTT zu dancken
Fuͤr Seine Weisheit, Lieb’ und wunderbare Macht,
Womit Er uͤber uns, auch wenn wir ſchlaffen, wacht.
Und Seine Wunder-Huld in Seinen Wercken,
Jn ehrerbietiger Betrachtung zu bemercken.
Dies iſt vor andern ja der Menſchen Schuldigkeit,
Mit Luſt, zu unſerm Heil, den Schoͤpffer anzuſehn,
Und danckend Seinen Ruhm nach Moͤglichkeit erhoͤhn.
Das Behten heiſſt den Schoͤpffer ehren,
Und bloß von Seiner Guͤt’ und Macht
Was, das uns nuͤtzlich iſt, erſuchen und begehren:
Einfolglich wird es GOTT mit allem Recht gebracht.
Das Dancken aber fluͤſſt und faſſt in ſich
Lob, Jnbrunſt, Andacht, Frenden-Triebe,
Preis, Ehr, Erkenntlichkeit und Liebe.
Ja, man empfindet inniglich
Recht eine kindliche Begier,
Die Seele, Sinnen, Geiſt und Leben,
O ew’ge Lieb’ und Schoͤpffer, Dir
Gantz aufzuopffern, hinzugeben.
Wofern der Menſchen Seele nun
Was GOTT-gefaͤlliges noch in ſich heget;
So wird ein ſolches bruͤnſtigs Wallen,
Durch Lieb’ und Danckbarkeit erreget,
Dem Groſſen Vater nicht mißfallen.
So laß denn itzt, o Ew’ge Guͤte!
Mein Dancken Dir gefaͤllig ſeyn,
Das ich, voll Andacht, Dir allein,
Aus685Aus inniglich-geruͤhretem Gemuͤthe,
Zum Anfang dieſes Jahrs, befliſſen bin zu weih’n!
Es iſt ja wol der Muͤhe werth,
Die Geiſter einſt zuruͤck zu lencken,
Und voller Jnbrunſt zu gedencken
Auf das, was uns der HERR im vor’gen Jahr beſchehrt.
Was in dem Geiſtlichen, durch den geweihten Orden,
Und ſonderlich durch Wolff, uns vorgetragen worden:
Wie in dem Leiblichen auch unſre gantze Stadt
Des Hoͤchſten Herrſchers Schutz ſo ſtarck verſpuͤret hat,
Daß, ob gleich uͤberall und von ſo manchem Ort
Ein Drangſals-Sturm, ein Ungluͤcks-Nord
Das Wohlfahrts-Schiff ergrimmt genung beſtuͤrmet;
Es unter GOTTES Hut dennoch beſchirmet,
Und wohlbehalten blieb.
Wie haſt Du nicht, o GOTT! das abgewichne Jahr
Mit unbeſchreiblichem Heil, Ueberfluß und Seegen,
So Stadt als Land gekroͤnt! wie mancherley Gefahr,
Von Feuers-Brunſt, von Waſſers-Fluthen,
Von ſtuͤrmeriſcher Lufft, die Deines Eifers Ruthen,
Sind, HERR, durch Deine Gnaden-Hand,
So treulich von uns abgewandt.
Du haſt auf unſern Gaſſen,
Jn eines jeden Haus, o ew’ger Seegens-Born!
Dich, voller Gnad und Huld, nicht unbezeigt gelaſſen.
Wie fuͤll’teſt Du das Land mit Fruͤchten, Wein und Korn
Mit Obſt: mit Wild ſo gar;
Daß auch das fette Jahr,
Das drey und zwanzigſte noch kaum ſo fruchtbar war.
Es hat an Trauben ja das Holtz von einer Reben
Vierhundert Sechszehn mir gegeben:
Ja686Ja allenthalben hat der Weinſtock viel gebracht,
So daß man gar in Hamburg Wein gemacht.
Wie wolfeil war das Fleiſch, ſowol was zahm, als wild:
Man konnte Ochſen-Fleiſch um wenig Pfennig’ heuer,
Und ein Pfund Schweine-Fleiſch um eben ſo viel kauffen,
War mit Gefluͤgel nicht die Lufft ſo ſehr erfuͤllt?
Von Srammets-Voͤgeln galt ein Hauffen
Von zwantzig Stuͤck, zwey Groſchen und zwey Dreyer.
Es ſpreche jeder denn mit bruͤnſtigen Gemuͤthe,
Wie theur, O GOTT, iſt Deine Guͤte!
Was hat nicht jeder Guts in ſeinem Haus erhalten!
Wenn recht als wie ein Seegens-Guß
Geſundheit, Nahrung, Ueberfluß,
So wol den Jungen, als den Alten,
Sich reichlich mitgetheilt; ſo huldreich zugewandt;
Es zaͤhlt es keine Zung, es faſſt es kein Verſtand.
Wie mancher ſchloß ohn Unmuht, ſonder Quaal,
Drey hundert fuͤnf und ſechzig mal
Die, mit dem ſuͤſſen Schlaf erfuͤllten Augen-Lieder,
Des Abends ſanffte zu, und oͤffnete ſie wieder
Des Morgens ja ſo offt. Wie mancher hat nicht minder
Dergleichen Gluͤck erlebt, daß jedes ſeiner Kinder
Jm abgewichnen Jahr, mehr als vier tauſend Stunden
Dergleichen Gluͤck, nur bloß im Schlaf, empfunden:
Ohn mehr, als noch ſo viel, die mancher ohn Verdruß
(Wofern er den ihm ſelber nicht gemacht)
Jm Wachen vor’ges Jahr behalten, zugebracht.
Ach GOTT! ſo viel Secunden und Minuten,
Als im verwichnen Jahr geweſen und verfloſſen,
So viele Quellen auch von tauſendfachem Guten,
So, nebſt den Meinigen, auch ich genoſſen,
So687So Du, o HERR! auf uns gelencket,
Sind, ich erkenn’ es wol, mir bloß durch Dich geſchencket:
Denn jeder kleiner Augenblick
Jſt ja von unſrer Zeit ein weſentliches Stuͤck,
Worinn uns GOTT nicht nur das Leben,
Auch alles das zugleich, was Er auf dieſer Welt,
An Gut, Bequemlichkeit, Geſundheit uns gegeben,
Recht wunderbar erhalten, noch erhaͤlt.
Nicht nur ein Jahr, ein Tag und eine Stunde,
Ein’ jede fluͤchtige Secunde
Verdienet ja demnach, daß man in Ehrfurcht dencket:
Du haſt uns, Groſſer GOTT, derſelbigen ſo viel,
Und uns in jeglicher ſo mancherley geſchencket.
Wie haſt Du Groſſes ALL’ auch mich
Jm abgewichnen Jahr abſonderlich
So mancher Bitte doch gewaͤhret,
Und ſo viel Gutes mir beſcheret.
Denn ob mir gleich im vor’gen Jahr
Ein ploͤtzlich Ungluͤck uͤberkam,
Da ich im Fallen Schaden nahm,
Und mir von meinem Arm ſo gar,
Wie ſtarck er gleich, der obre Knochen
Dennoch entzwey gebrochen:
So hab’ ich doch, o Schoͤpffer! Deine Huld,
Auch ſelbſt in dieſem Stand’, empfunden.
Du ſchenckteſt mir Bequemlichkeit,
Gelaſſenheit, Geduld,
Du linderteſt, ſowol wenn ich verbunden,
Als ſonſt, der Schmertzen Hefftigkeit:
So, daß ich, weil der Bruch gantz rein;
Faſt keine Pein,
Wenn688Wenn ich verbunden war, gefuͤhlt. Jch dancke Dir,
Liebreicher GOTT, Du beſter Artzt, dafuͤr,
Daß Du ſo vaͤterlich Dich meiner angenommen!
Jch hab’ aufs neu Gelegenheit
Bey dieſem Zufall uͤberkommen,
Des Schoͤpffers Weisheit, Macht und Guͤtigkeit,
Die Er in Bildungen der Coͤrper zeigt, zu preiſen.
Wie koͤnnt Er guͤtiger ſich gegen uns erweiſen,
Als da Er wunderbar den Knochen
Wollt’ eine Eigenſchafft ertheilen,
Daß, wenn ſie wo, von ungefehr gebrochen;
Sie ſelbſt geſchickt, ſich wiederum zu heilen,
Ohn daß mit wilder Pein und ſchmertzlichen Beſchwerden,
So Haut als Fleiſch erſt duͤrfft zerſchnitten werden.
Was dieſes fuͤr ein Gluͤck, weiß der allein zu ſchaͤtzen,
Den Zufaͤll’ ohngefehr in ſolchen Stand verſetzen.
Es hat mir GOTT auch wollen goͤnnen,
Daß der Geſundheit abzuwarten,
Nebſt meiner Jlsgen auf den Garten,
Jch bey recht angenehm-und ſchoͤner Witterung,
Die Waſſer, aus Pyrmont, frey von Belaͤſtigung,
Mit guter Wirckung trincken koͤnnen.
Wenn dieſes Waſſer nun ſo edlen Balſam heget,
So danck ich GOTT, daß Er die Krafft darein geleget,
Zumal da offenbar,
Wovor abſonderlich ich meinem Schoͤpffer preiſe,
Daß mir der Coͤrper, auf die Weiſe,
Zu der mich bald darauf betroffenen Gefahr
Des Armbruchs, zugericht’t, gereinigt war.
Auch689Auch haſt Du GOTT und Vater abermahl
Jn dieſem Jahr die achte Zahl
Von meinen Kindern noch vermehret,
Und mir noch einen Sohn beſcheret,
Fuͤr den, ſo wie auch fuͤr die andern alle,
Jch Deine Huld noch ferner zu erbitten
Mich nicht enthalten kan. Was ich hier bruͤnſtig lalle,
Das hoͤre, liebſter GOTT! erbarme doch aus Gnaden
Dich ihrer fernerhin, wie Du bisher gethan,
Und nimm Dich Vaͤterlich der kleinen Heerde an!
Ach! habe Deine Luſt an ihnen,
Und laß ſie Dir getreu aus allen Kraͤfften dienen!
Gieb ihnen Deine Groͤß’ und Liebe zu erkennen;
So werden ſie ſich nicht von Deinen Wegen trennen!
Noch iſt mit Recht von mir die Gnade hoch zu ſchaͤtzen,
Daß, da ich den GENEST zu uͤberſetzen,
Jm abgewichnen Jahr mir vorgenommen,
Jch ebenfalls damit begluͤckt zu Stande kommen!
Muß ich nun auch in dieſem Jahr,
Nach unſrer Stadt Verfaſſung, mich bequemen,
Das ſchwere Richter-Amt zu uͤbernehmen;
So ſchuͤtze Du mich, HERR, fuͤr allerley Gefahr,
Und ruͤſte Du mich aus, mit ſolcher Krafft,
Mit ſolchen Tugenden, mit ſolcher Eigenſchafft,
Die ein ſo wichtig Amt erfodert!
Wenn etwan, ohne Noth, ein ſchneller Eifer lodert;
Laß mich ihn mit Vernunfft beſaͤnfftigen und daͤmpffen!
Laß mich jedoch mit Ernſt der Laſter Brut bekaͤmpffen!
Ach ſende mir dazu aus Deiner heil’gen Hoͤhe
Der Weisheit Licht, voll Vorſicht und voll Klarheit,
Daß ich die offtermahls ſo ſehr verſteckte Wahrheit
X xKann690Kann durch den ſchwartzen Dunſt der ſchnoͤden Luͤgen
ſehn!
Gieb, daß ich offt den Zweck von meinem Amt ermeſſe,
Und nie der Billigkeit und meiner Pflicht vergeſſe;
Die Frommen nemlich zu beſchuͤtzen,
Die Boͤſen, kann es ſeyn, zur Beſſerung zu leiten,
Und die Grund-Boͤſen auszureuten!
Ach laß mir kein Geſchenck die reine Hand beſchmitzen!
Laß keine Menſchen-Furcht bey mir das Recht verdrehn,
Um etwan die Perſon im Richten anzuſehn!
Laß mich mit Redlichkeit und Treu mein Amt verwalten,
Und Reich-und Armen gleich, der Wage Zuͤnglein halten!
Ach HERR! ach laß es nicht geſchehn,
Daß, durch Affecten weggeriſſen,
Jch uͤbereilet, mich im Urtheln mag vergehn!
Ach gieb mir Wiſſen und Gewiſſen!
Gieb mir Geduld, bedaͤchtlich anzuhoͤren,
Und laß nie Ungeduld gerechte Klagen ſtoͤhren!
Ach mache mein Gedaͤchtniß kraͤfftig!
Ach ſchaͤrfft mir den denckenden Verſtand!
Ach mache mir das rechte Recht bekannt!
Mein Wille ſey nie traͤg! vielmehr geſchaͤfftig!
Laß mich aus Leidenſchafft doch keine frembde Sachen
Zu meiner Sache machen!
Laß mich, aus Ungunſt, Haß und Neid,
Am hoͤchſten Recht zu ſtarck nicht kleben,
Auch niemand etwas Unrechts geben,
Aus ungegruͤndeter Barmhertzigkeit!
Wenn meine Zung’ ein Urtheil ſpricht,
Sey es dem Redlichen ergoͤtzlich.
Ach HERR! es ſey mir Dein Gericht,
Mehr, als den Streitenden, entſetzlich.
Denn691Denn dieſe hadern unter mir,
Jch aber richte unter Dir.
Laß, wenn der Sachen Eigenſchafft;
Und ihre Faͤlle zweifelhafft,
Mich mehr geneigt ſeyn, loßzuzaͤhlen,
Als ſtrenge Straffen zu erwaͤhlen.
Es ſey mein Anſehn nie durch ſchelten, ſchnarchen, pochen,
Und naͤrrſchen Amts-Trutz unterbrochen!
Gieb, daß mit aufgeklaͤrt - und heiterem Geſichte,
Jch nicht als ein Tyrann, nein, als ein Vater richte!
Und daß ich voller Lieb’ und Sanff tmuth jedem zeige
Daß ich ihm Gutes goͤnn’ und doch das Recht nicht beuge!
Gieb, daß die Sanfftmuth auch ſo weit ſich nicht er -
ſtrecke,
Daß ein Gewaltiger mich ſchrecke,
Und mich, auch in dem kleinſten Dinge,
Den Niedrigen zu unterdruͤcken zwinge!
Gieb, daß ich dergeſtalt gelaſſen,
Bemuͤht ſey, ſo das Urtheil abzufaſſen,
Daß niemand Urſach haben moͤge,
Wenn Leidenſchafften mich verfuͤhren,
Von mir an mich zu appelliren.
Laß mich mit Niedertraͤchtigkeit
Mein wichtig Amt niemahls beflecken|,
Doch aber auch zu keiner Zeit
Mich hoͤher, als mein Amt geht, ſtrecken!
Gieb, daß im Strudel-reichen Meer,
Der offt nur gar zu ſehr gedehneten Geſetze,
Mit Vorbedacht nicht nur, auch nicht von ungefehr,
Jch andre nicht, auch nicht mich ſelbſt verletze!
Ach laß mich nicht der mancherley Beſchwerden,
Noch der Gerichts-Zeit, muͤde werden!
X x 2Gieb,692Gieb, daß abſonderlich in dieſen zweyen Jahren,
Jch ſonſten nichts zum Lohn zu haben ſey befliſſen,
Von meinem redlichen Verfahren,
Als bloß allein ein gut Gewiſſen.
Gieb, daß ich, Dir allein zum Preiſe,
Der Du, aus vielen, mich zu dieſem Stand erhoben,
Mich immer dergeſtalt erweiſe;
Daß Dich auch meine Thaten loben!
Sollt’ ich denn etwan nicht des Amtes End’ erleben,
So wolleſt du mir, HERR, ein ſelig’s Ende geben!
Wird es mir aber, HERR, durch deine Huld gelingen;
Werd’ ich die Zeit geſund und gluͤcklich uͤberbringen;
So gieb, daß ich nicht moͤge nur allein
Daruͤber hertzlich mich erfreuen,
Und Dir in Ehrfurcht danckbar ſeyn;
Ach laß mein Saiten Spiel ſodann, wie vor, erklingen!
Ach laß mich voller Brunſt, ſodann von neuen,
Jn Deinen herrlichen Geſchoͤpffen, Dich beſingen!
Jndeß gieb, daß ſo offt wir uns zur Ruhe legen,
Wir Dein ſo herrlich Werck, an unſern Schlaf, er -
wegen,
Laß unſer Hertz davor durch Dancken Dich erhoͤhn,
Da Du ſo Nutz, als Luſt im Schlaffen uns beſchieden,
So ſprechen wir mit Recht, wenn wir zur Ruhe gehn,
Jch lieg’ und ſchlafe gantz mit Frieden.