Der Wolken - und Luft-Himmel.
Pſ. CIV, 2. Du breiteſt aus den Himmel, wie einen Teppich.
Man ſiehet in dem frohen Lenzen
Nicht nur den Kreis der gruͤnen Erden,
Nein, auch den Kreis der Luft, in neuem Schimmer
glaͤnzen,
Und Wunder-wuͤrdig helle werden.
Damit ein allgemein gleichfoͤrmigs Einerley
Dem Herzen nicht gleich-guͤltig ſey,
Den Augen keinen Eckel braͤchte,
Und weniger gefallen moͤgte,
Wenn an des weiten Himmels Buͤhne
Nichts, als ein leeres Blau, erſchiene;
So zieren ſchoͤn geformt - und ſchoͤn gefaͤrbte Duͤfte
Das unermeſſ’ne Feld der reinen Luͤfte,
Durch GOttes Huld, zu unſ’rer Luſt allein,
Mit Farben, Bildungen, mit Klarheit, Glanz und Schein.
Noch mehr, indem wir bloß in Aend’rung Freude finden,
Bemuͤht ſich gleichſam die Natur,
Uns auch durch Aend’rung zu verbinden.
Darum muß manches Wolken-Bild
Veraͤnderlich ſowol an Farben als Figur
Sehr ſchnell entſtehn und ſchnell verſchwinden.
Dem allen ungeacht’t, wie groß, wie tief, wie weit
Des Himmels Schauplatz iſt; wie voller Lieblichkeit,
Wie praͤchtig, mancherley, wie herrlich und wie ſchoͤn
Der Wolken Coͤrper anzuſehn;
Wie rein der Silber-Glanz, wie hell der guͤld’ne Schein,
II. Theil. A 2Wie4Wie zierlich und wie klar Figur - und Farben ſeyn;
So ſehn wir leider doch, daß Menſchen auf der Erden
Gefunden werden,
Die ſolchen ungemeſſ’nen Platz,
Die einen ſolchen Schatz
Von Bildung, Farben, Glanz und Licht
Nicht ſo viel wuͤrdigen, daß ſie zu GOttes Ehren
Jhr bloß auf Geld erpicht Geſicht
Auf dieſes groſſe Wunder kehren.
Hoͤr auf, geliebter Menſch, den Schoͤpfer zu verachten!
Komm, laß uns, GOtt zum Ruhm, das Firmament betrachten!
Es wird der Himmel nicht ſo ſehr
Mit ſchoͤnen Farben ausgeſchmuͤcket,
Als man an ihm vielmehr
Ein buntes Licht, das allgemein, erblicket.
Man ſieht von ungezaͤhlten Bildern
Veraͤnderungen ohne Zahl,
Womit ſich itzund auf einmal
Die ungemeſſ’nen Tiefen ſchildern.
Der Wolken meiſtens halbe Kreiſe,
Die allzumal ihr glaͤnzend prangen,
Nachdem ſie hoch und dick, auf ganz verſchied’ne Weiſe
Vom Licht, das an ſie ſtral’t, empfangen,
Zerteilen ſich bald hie bald dort,
Wodurch wir Bruͤche, Tiefen, Hoͤhen
Und Oeffnungen an manchem Ort
Mit Luſt und mit Verwund’rung ſehen.
Man ſiehet oft, mit recht vergnuͤg’ter Selen,
Durch ſchwarze bald, und bald durch braune, Hoͤlen,
Ein den Sapphir weit uͤbertreffend Blau;
Jndem der Wolken Dunkelheit
Des5Des Firmaments verklaͤr’te Heiterkeit
Erheb’t und noch vermehrt. Ein Berg, der dunkel-grau,
Laͤſſt dort auf Purpur-farbnen Spitzen
Den aͤuſſern Rand, wie reines Silber, blitzen,
Den der ſapphirne Grund noch eins ſo helle macht.
Ein guͤld’ner Umſtrich ſchmuͤckt in ungemeiner Pracht
So manchen dunkel-braunen Kreis.
Rot, Purpur, Leibfarb, blau, grau, gruͤnlich, gelb und weiß
Erfuͤllt und ziert in dem beſtral’ten Duft
Anitzt die reine Luft.
Hier ſcheint ein groſſer Platz von Gold ein guͤld’nes Meer,
Das doͤrten glatt, und hier voll kleiner guͤld’nen Wellen,
Jn blauen Ufern vorzuſtellen.
Man ſiehet oͤfters mit Vergnuͤgen
Jn dieſem Luft-Meer’, eben ſo
Als wie im Archipelago,
Viel’ Jnſeln, die zerſtreuet, liegen.
Jm Weſten ſiehet man bald halb - bald ganze Spuren
Von wunderlich geformten Creaturen,
Manch ungeheuren Wall-Fiſch ſchwimmen,
Und manchen feurigen ergrimmten Drachen glimmen.
Hier ſcheinet manch Gewoͤlk, als wenn’s ein wilder Baͤr,
Dort eins, als wenn’s ein Pferd in vollen Spruͤngen waͤr’.
Ein Meilen langer Rieſ’, umringt von kleinen Zwergen,
Entſtehet und vergeht. Auf hohen guͤld’nen Bergen
Waͤchſt Angeſichts ein Baum, der ſchwebet ſanft daher;
Allein im Augenblick erblickt man ihn nicht mehr.
Es wird aus ſeinem Stamm ein Vogel, ein Geſicht,
Und bald ein leeres Nichts. Hier ſieht man rote Schloͤſſer,
Da Tuͤrme ſtehn, dort Maſken, welche groͤſſer,
Als eine ganze Stadt. Bald laſſen ſich Armeen
Mit Fanen, Spieſſ - und Degen ſehen.
A 3Hier6Hier laſſen guͤld’ne Bilder ſich
Auf einem faſt ſapphirnen blauen,
Und blaue dort auf guͤld’nem, Grunde ſchauen.
Oft ſiehet man mit Purpur-farbnen Bildern
Ein Silber-weiſſes Feld ſich ſchildern.
Nicht weit davon kann man
Viel ungemeſſ’ne Gold - und Silber-Klumpen ſehen.
Jch wund’re mich, daß ſich hieran
Ein geizigs Auge nicht ergetzet,
Da es in Ueberfluß hier finden kann
Den Glanz, den es faſt mehr als ſeine Sele ſchaͤtzet.
Durch ein ſo zaͤrtlich blau, wie oͤfters mein Geſicht
Auf einem Roſen-Blat’ erblicket,
Jſt oͤfters uͤber mir der Kreis der Luft geſchmuͤcket,
Zumal wenns Abend wird. Nicht weit von dieſem ſchien
Ein ebenfalls uncoͤrperliches gruͤn,
Das ich nicht minder ſanft, gelinde,
Und gleichſam geiſtig finde.
Bey dieſem ſiehet man jedoch auch ohne Grenzen
Ein helles weiß in reiner Klarheit glaͤnzen.
Das fiel hierauf in einen guͤld’nen Schein,
Und der in Roſen-Farb’, allmaͤlich ein,
Bis daß zuletzt vom flammenden Rubin
Ein unbeweg’ter Blitz die wahre Qvelle ſchien.
Ach! aber welch ein blitzend Licht
Bricht dorten, wo der Berg von dunklen Wolken bricht,
Als wie aus einer ſchwarzen Hoͤle?
Es ſtralet durch die Dunkelheit
Mir eine helle Herrlichkeit
Nicht in mein Aug’ allein, zugleich in meine Sele.
Der Mittel Punct des Lichts, das Erd’ und Himmel fuͤllt,
Woraus der Farben Pracht, Glanz, Waͤrm’ und Leben qvillt,
Der7Der Born der Fruchtbarkeit, der Creaturen Wonne,
Der Schoͤnheit Sele, Geiſt und Leben, kurz die Sonne,
Laͤſſt ſich an dieſem Ort’, ohn’ uns zu blenden, ſehn.
Das Auge, durch den Flor der Dunkelheit beſchuͤtzt,
Sieht unverletzt, wie wunderſchoͤn
Die reine Gluht in kleiner Oeffnung blitzt,
Man ſiehet an der Wolken dunklen Grenzen
Die Sonne ſich mit einem bunten Glanz,
Recht als mit einem Sieges-Kranz
Von Millionen Stralen, kraͤnzen.
Ein unbeſchreiblich lieblich Blitzen
Von hundert tauſend zarten Spitzen,
Die alle bunt, die alle feurig ſeyn,
Erfuͤllet mein Gehirn und mein Gemuͤte
Mit einem holden Freuden-Schein.
Ein heller Andachts-Stral begeiſtert mein Gebluͤte,
Erheitert meinen Geiſt. Die Weiſ heit, Macht und Guͤte
Des ewig ſel’gen Lichts, des Schoͤpfers aller Welt
Beleb’t mich, ſtral’t mich an. Es flammt in meiner Selen
Ein Trieb, was herrliches vom Schoͤpfer zu erzaͤlen,
Der alle Dinge wirkt, beleb’t, regiert, erhaͤlt,
Deß Weſen ich mit Luſt in Seinen Werken ſehe.
Jch ſchwinge meinen Geiſt in die Sapphirne Hoͤhe,
Jch eil’ ins Firmament, ich fliege wie ein Stral
Durchs Boden-loſe Meer, durchs unumſchraͤnkte Thal
Des nie begriff’nen Raums, in deſſen holen Gruͤnden
Kein Ziel, kein Schluß, kein Grund zu finden.
Hier denk’ ich an die Tief’, hier denk’ ich an die Weite,
Die ungeheure Laͤng’ und ungeheure Breite
Des Kreiſes, den allein der Sonnen Licht erfuͤllt,
Das unaufhoͤrlich ſtral’t und unaufhoͤrlich quillt
Aus einem Mittel-Punct von Millionen Meilen.
A 4Hilf8Hilf GOTT! was ſtellt ſich mir,
Jndem ich dieſes denk, fuͤr eine Groͤſſe fuͤr!
Kein Menſchlicher Verſtand kann hier ein Ziel ereilen.
O unermeſſlicher, o ungeheurer Raum,
Wer wird doch deine Groͤſſ’ und Tiefe faſſen koͤnnen!
Jndem die ganze Welt, Luft, Meer und Erde, kaum
Bey deinem Mittel-Punct ein Mittel-Punct zu nennen.
Nun iſt es ausgemacht,
Daß dieſe hole Tief’ (o Wunder!) Tag und Nacht
Beſtaͤndig angefuͤllt mit Licht und Sonnenſchein,
Wie die Planeten dieß mit ihren dunklen Kreiſen,
Die bloß durch ſie beſtral’t,
Uns augenſcheinlich weiſen.
Es faſſe doch ein Menſch einſt, ſeinem GOtt zur Ehr,
Das leider mehrenteils verſtreute Heer
Von ſeinen fluͤchtigen Gedanken,
So viel ihm moͤglich iſt, in ordentliche Schranken,
Und denke nur ein einzigs mal,
Wie ſo gewaltig lang muß doch der Sonnen-Stral,
Wie unermeſſlich groß des Lichtes Coͤrper ſeyn,
Der mit verbundenem und ungeteiltem Schein
Die allertiefſten tiefſten Tiefen
Von dieſem Raum beſtaͤndig fuͤllt!
Der ſich vor unſerm Blick nur dadurch bloß verhuͤllt,
Weil in des tiefen Raumes Gruͤnden
Kein Gegenſtand zu finden,
Wovon er koͤnne ruͤckwaͤrts prallen,
Und ſo in unſer Auge fallen!
Dieß aber hindert nicht, daß in den holen Hoͤh’n
Und in der Tiefe ſonder Grenzen,
Ob wir es gleich nicht ſehn,
Die Stralen doch nicht unaufhoͤrlich glaͤnzen.
Jndem ich dieſes uͤberlege,
Und von ſo groſſem Licht die Groͤſſ’ erwege;
So9So deucht mich, wuͤrd’ ein ſolcher Wunder-Schein
Faſt nur umſonſt erſchaffen ſeyn,
Wenn auſſer uns (den Planetar’ſchen Erden)
Jn der Natur ſollt’ anders nichts
Von aller Kraft des ungemeſſ’nen Lichts
Vergnuͤget und erleuchtet werden.
Es kommen, in Vergleich
Mit dieſes Lichtes weitem Reich,
Mit dieſem glaͤnzenden unmeßlichen Revier,
Uns die Planeten ja nicht anders fuͤr,
Als ſchwuͤmmen in dem weiten Meer,
Damit ſie wol gewaſchen werden moͤgten,
Nur ſechszehn Erbſen hin und her.
So wenig man
Von ſolchen Erbſen nun vernuͤnftig ſchlieſſen kann,
Daß ſich das Meer daran mit allen Tropfen reibe;
So wenig geht es auch mit Licht und Stralen an,
Daß von denſelben nichts als etwa ſechszehn Erden
Erleuchtet und getroffen werden.
Es geht der groͤſte Teil unendlich weit vorbey.
Mir kommts derhalben glaublich fuͤr,
Daß, ob gleich unſers Coͤrpers Augen
Jn dieſer Welt
Den Licht-Stral nicht zu ſehen taugen,
Wenn ſolcher nicht von Coͤrpern ruͤckwaͤrts faͤllt;
Es darum doch nicht folgen muͤſſe,
Daß nicht in der Natur Geſchoͤpfe ſollten ſeyn,
Die minder Coͤrperlich als wir,
Und die vielleicht allein
Sich an des Lichtes eig’nen Schaͤtzen,
So wie wir uns am Licht’ im Widerſchein, ergetzen.
Wenn ich demnach von der Sapphirnen Hoͤhe,
Wann ſie eutwoͤlkt, die tiefe Klarheit ſehe;
A 5So10So fuͤl’ ich mich vor Freuden kaum.
Mich deucht, ich ſeh mit Augen einen Raum,
Wo Millionen Millionen
Verklaͤr’te Geiſterchen und ſel’ge Selen wohnen,
Die all’ in einem Meer von Licht und Wonne ſchwimmen,
Die all’ in reiner Gluht von heil’ger Andacht glimmen,
Die all’ an GOTTES Huld, an Seiner Werke Pracht,
An Seiner Weiſheit, Lieb’ und Macht,
An Seiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Unendlicher Vollkommenheit,
Zu ihres groſſen Schoͤpfers Ehren,
Jn ſel’ger Luſt, ſich ewig naͤhren.
Kommt dieſe Meinung dir
Vielleicht zu Anfang fremde fuͤr?
So laß dich nur dadurch ſogleich nicht ſchrecken!
Dein’ Unempfindlichkeit erſchreckt mich noch vielmehr,
Da, zur Verkleinerung von GOTTES Ehr’,
Jn ſelbiger betruͤbte Folgen ſtecken.
Jſt es genug,
Den Himmel oben hin nur als ein blaues Tuch,
Wie oder gar nicht, anzuſehn?
Zudem ſo kannſt du ja von den ſo hellen Sternen,
Die wuͤrklich Coͤrperlich, und die, ſo groß als ſchoͤn,
Des Himmels Raum unleugbar ſchmuͤcken,
Dennoch bey Tage nichts erblicken:
Wirſt du dich deßfalls ſie zu leugnen unterſtehn?
Hieraus nun ſiehſt du klar von deinem Blick die Schwaͤche.
Sprichſt du denn wol mit Recht zu meiner Meinung, nein,
Wenn ich, von Anmut heiß, voll Andacht glaub’ und ſpreche:
Es wird wol alles dort voll Mahanaim ſeyn.
Wie kann ein Menſch den Schoͤpfer beſſer ehren,
Wie kann man Seinen Ruhm doch mehr vermehren,
Wie koͤnnen wir Jhm doch ein beſſer Opfer ſchenken,
Als11Als wenn wir ſtets von Seiner Wunder-Macht,
Von Seiner Weiſ heit, Groͤſſ’ und Seiner Werke Pracht
Das allergroͤſſeſte, das herrlichſte, gedenken!
Ja wenn ich mich vielleicht auch irren moͤgte;
So iſt jedoch dein Jrrthum groͤſſer.
Denn das, was ich davon aus Ehrfurcht denk’, iſt beſſer,
Als wenn ich nichts davon, wie du aus Faulheit, daͤchte.
Du undurchdringliches, allgegenwaͤrtiges Licht!
Der Du der Ewigkeit Unendlichkeit erfuͤlleſt,
Der Du Dich in Dir ſelbſt, zu unſerm Heil, verhuͤlleſt,
Aus welchem als ein Strom der Dinge Weſen bricht,
Du ewig-ſelige Vollkommenheit und Liebe,
Vermehre doch in mir der Andacht reine Triebe!
Ach gieb doch, daß, wenn ich des Himmels blaue Hoͤhe
Jn einem heitern Glanz und reiner Klarheit ſehe,
Es ſtets zu Deinem Ruhm mit frohem Ernſt geſchehe!
Die Wieſe.
Da, wo der gruͤnen Erlen-Waͤnde
So lieblich-dunkler Gang zum Ende,
Erblicket man ein flaches Feld.
Wenn dieſes die Natur mit Bluhmen malet,
Und es der Sonnen Glanz beſtralet,
Jſt faſt nichts ſchoͤner auf der Welt.
Jch hab’ es einmal wunderſchoͤn
Jn einem roten Glanz, vor Luſt erſtaunt, geſehn.
Viel hundert tauſend Bluhmen bluͤh’ten,
Die, weil ſie auf erhab’nen Stielen
Jn einer holden Roͤte gluͤh’ten,
Von weitem faſt allein mir in die Augen fielen.
Es war des Graſes friſches Gruͤn,
Durch ihre Menge, faſt verſtecket,
Und, weil von weitem ſie ſich zu vereinen ſchien,
Ließ es mit glaͤnzendem gefaͤrbten Taft bedecket,
Deß weißlich Rot am Glanz und ſanfter Lieblichkeit
Die Pfirſch-Bluͤht’ uͤbertraf. Noch ſah man hier und dort,
Wie ſchoͤn verſchied’ne Plaͤtz’ in ſehr verſchied’nem Gruͤnen
Hier wie ein gruͤner Taft, an einem andern Ort
Wie dunkel-gruͤner Sammet, ſchienen.
Es ſtellt ſich mancher Platz voll bunter Bluhmen dar.
Das Feld war unbeſchreiblich ſchoͤn,
Und faſt natuͤrlich anzuſehn,
Als ob in einem reich - und groſſen Kaufmanns-Laden
Ein bunter Schatz von guͤld - und ſilbernen Brocaden
Zur Schau geleget war.
Mich reizte dieſe Pracht, ſie naͤher zu beſchauen.
Jch trat mit frohem Fuß auf die begraſ’ten Auen;
Doch unterbrach mir oft die Schoͤnheit meinen Schritt,
II. Theil. EJch66Jch hinterhielt oft ſelbſt beſchaͤm’t den Tritt,
Der ſchon begonnen war. Das junge friſche Gras,
Vermiſcht mit zartem Klee, ſchien oͤfters meinen Fuͤſſen
Ein ſanft - und weiches zwar doch gar zu praͤchtigs Kuͤſſen.
Um nun nicht gar zu viel von ſelbem zu verletzen
Durch einen oͤftern Tritt, beſchloß ich mich zu ſetzen,
Und ſo zugleich
Jn froher Luſt, zu GOttes Ruhm allein,
Zu lernen und zu lehren,
Wie ſchoͤn der Wieſen Schmuck, wie Form - und Farben-reich
Die Kraͤuter, Gras und Bluhmen ſeyn.
O GOtt, allgegenwaͤrt’ge Quelle
Von aller Schoͤnheit, ſo die Welt
Jn ihrem weiten Kreiſ’ enthaͤlt,
Wie groß iſt Deine Macht! was zeiget jede Stelle
Uns fuͤr Veraͤnderung! wie iſt der Unterſcheid
So unbegreiflich groß! o Menſch, beſinne dich,
Der du bisher, betrogen durch den Schein,
Das Feld nur uͤberhin, als waͤr’ es gruͤn allein,
Unachtſam angeſehn, es bloß begraſ’t geachtet,
Und ſo, wie ohne Luſt, auch ſonder Dank, betrachtet.
Wie nuͤtzlich und wie mancherley
Der holde Schmuck der Felder ſey,
Wie angenem, wie ſchoͤn,
Denk’ ich, zu GOttes Ruhm, noch ferner zu beſehn.
Jndem in mancher gruͤnen Tiefe
Mein Auge hin und wieder liefe,
Macht’ eine dunkel-gruͤne Stelle
Die liebliche Vergiß mein nicht,
Faſt wie ein kleines blaues Licht,
Mit holdem Schimmer, gleichſam helle.
Die Himmel-blaue Farbe machte,
Daß ich, voll Froͤhlichkeit, auch an den Himmel dachte.
Der Sternen-foͤrmige faſt guͤld’ne kleine Schein
Jm67Jm blauen, ſchien mir recht ein Sternen-Bild zu ſeyn.
Jch freu mich uͤber dich, holdſeligs Bluͤhmelein!
Du kannſt, wenn wir in dir den Schoͤpfer preiſen,
Mir einen ſchoͤnen Weg zum Himmel weiſen.
Man kann in deinen kleinen Sternen
Den HErrn der Sterne ruͤhmen lernen;
Doch wie wir an des Himmels Hoͤhen
Nicht lauter guͤld’ne Sterne ſehen;
So ward ich neben ihnen
Bald einer weiſſen Sternen-Schar
Jn Marjen-Bluhmen auch gewahr,
Die in dem holden Dunkel-gruͤnen
An Bildung Sternen gleich, an Farben Silber, ſchienen.
Die Menge, die Figur, die Farben und der Glanz
Die uͤberredeten mich ganz,
Daß ihre Schoͤnheit nicht geſchaffen,
Damit wir ſie
Wie das gehoͤrnte Vieh
Nur noͤtig haͤtten an zu gaffen;
Nein aber wol, daß jeder Form und Schein
Zu Dem, Der ſie gemacht, uns ſollt’ ein Leit-Stern ſeyn.
Noch ſah ich mit Vergnuͤgen dort,
Die lieblich riechenden Camillen
So manchen Ort
Mit zwiefach holder Zierde fuͤllen.
Es ließ ihr gelb - und weiſſer Glanz ſo ſchoͤn,
Als wenn in ſilbernen polir’ten Schalen
Wir kleine guͤld’ne Aepfel ſehn.
Bey aller Schoͤnheit ſah ich auch,
Wie ein erhab’ner Dieſtel-Strauch
Sein zackigt Laub mit ſchoͤnen Bluhmen kroͤn’te,
Und wie derſelben Purpur-Glanz
Faſt alle niedern Bluhmen ganz
Beſieget’ und verhoͤn’te.
E 2Er68Er war, den holden Roſen gleich,
An ſcharfer Dornen Spitzen reich.
Jch ſahe ſeinen Stolz bewundernd an.
Denn ob gleich ſeine ſtarre Spitzen
Mehr Schaden bringen, als ſie nuͤtzen,
Und einem kleinen Stachel-Schwein
Jm Bluhmen-Reiche faſt ganz aͤhnlich ſeyn;
So iſt doch ihr Gewaͤchs ſehr kuͤnſtlich anzuſehn.
Es iſt der runde Knopf
Vortrefflich ſchoͤn,
Als wie mit einem Netz’, umgeben,
Auf welchem an dem netten Bluhmen-Kopf
Viel duͤnne Blaͤtter ſich erheben,
Jn deren jedem noch viel duͤnne weiſſe Spitzen
Jn ſchoͤner Ordnung ſitzen.
Nachhero wandt’ ich Blick und Sinn
Auf die ſo mannigfach geformten Kraͤuter hin,
Jn welchen GOtt aufs neu’ ein ganzes Feld
Voll Wunder uns vor Augen ſtellt.
Wie reich erzeigt ſich doch die bildende Natur
Jn mannigfaltiger Figur,
Die ſie den Kraͤutern beygeleget,
Da manches recht wie ſcharfe Spieſſe
Mit ſeinen ſpitzen Blaͤttern lieſſe.
Dem war die Bildung eingepraͤget
Von einer Zung’, und dort ſchien eines, wie ein Herz;
Hier ſahen unterſchied’ne Ahrten
Recht aus wie krauſe Helleparten;
Wie Loͤffel ſchienen ihrer viele,
Die allen Regen durch die Stiele
Gemaͤchlich nach dem Stamm und nach der Wurzel, fuͤhren,
Von welchen allen ich das Gras zuſamt dem Klee,
Jedoch am allerliebſten ſeh.
Wie lieblich ſind des Graſes gruͤne Spitzen,
Die69Die teils gebogen ſind, und teils gerade ſtehn;
Zumal wenn ſie, beſtral’t vom Licht der Sonne, blitzen,
Wodurch die Haͤlfte gelblich gruͤn,
Die and’re gruͤnlich weiß, ja oft wie Silber, ſchien.
Wobey ich, wie geſag’t, den drey-belaubten Klee
Mit Luſt ſo dicht verſchrenket ſeh,
Daß hin und wieder kaum durch ihrer Blaͤtter Ruͤnde,
Die ich bald groß, bald klein, mit tauſend Anmut finde,
Des Graſes zarte Spitzen dringen.
Gewiß, es kann ein ſolcher Platz,
Mit zartem Klee bedeckt, uns einen rechten Schatz
Von Anmut und Vergnuͤgen bringen.
Jndem ich nun das Feld in gelblich-gruͤner Gluht,
Jn einer blauen, Luft und Flut,
Vom Sonnen-Glanz beſtral’t, erblickte;
Sah ich, wie hie und da ſich mancher Ort
Mit kleinen Erlen-Buͤſchen ſchmuͤckte,
Durch deren Blaͤtter dunkel-gruͤn,
Abſonderlich an beyden Seiten,
Des Graſes gruͤnlich-gelb noch einſt ſo lieblich ſchien.
Wenn ein Buſch hier geteilet ſtund;
War dort ein anderer, der rund,
Bey welchem man oft fern, oft nah
Verſchied’nes nied’re Buſchwerk ſah,
Wovon der dunklen Schatten Menge
Jn unterſchied’ner Breit’ und Laͤuge
Sich Strich-weiſ’ auf die Wieſe ſtreckte,
Und hier und dort das helle Feld bedeckte,
Wodurch denn auf hell-gruͤnem Grunde,
Durch die im Licht vermengte Dunkelheit,
Ein’ Anmuts-reiche Luſtigkeit,
Die alles rings umher erfuͤllt’, entſtunde.
Noch konnte man die Augen laben
An vielen langen Waſſer-Graben,
E 3Die70Die in geradem Strich die Wieſe teilten,
Jndem derſelben Rand
Voll ſchoͤner Waſſer-Bluhmen ſtand.
Wie manche gelbe Jris bluͤh’te!
Wie manche Purpur-Bluhme gluͤh’te!
Wie manche wilde Flieder ſchien
Durch das Smaragden-gleiche Gruͤn
Des ſchwanken Schilfs, der glatten Binſen,
Jn der durchſichtigen und klaren Flut,
Worauf von netten Waſſer-Linſen
Bald hier bald dort ein gruͤner Teppich ruht;
Da aber, wo das Waſſer klar
Und von dem Erlen-Buſch beſchattet war,
Verdoppelt ſich des Ufers bunte Zier.
Hier zeig’t ſich durch das Laub der himmliſche Sapphir
Samt weiſſer Wolken Silber-Schein,
Wobey denn oftermal
Der Sonne guͤld’ner Stral,
Der ſich bis auf den Grund erſtrecket,
Auch das, was auf dem Grund vorhanden,
Uns zeiget und entdecket.
O Schoͤpfer Himmels und der Erde,
Gib, daß mein Herz geruͤhret werde!
Daß ich, ſo oft ich ſchoͤne Wieſen
Erblicke, ſie mit Luſt und Andacht ſeh;
Daß ich, durch ſie vergnuͤg’t, Dich, ihren HErrn,
erhoͤh’,
Und denke: Groſſer GOtt, ſey hier und dort ge -
prieſen!
Der Spring-Brunn.
Jn eines gruͤnen Ganges Mitte,
Den in der Qveer ein and’rer Gang durchſchnitte,
Von welchem man die Ecken ausgeruͤndet,
Jſt durch die vier dadurch formir’te halbe Bogen
Ein gruͤner Cirkel-Platz gezogen,
Jn welchem man mit Luſt ſich eingeſchloſſen findet.
Jn dieſem ſtand ich einſt, und dachte:
Wenn man hier einen Brunnen machte;
Wie angenem, wie ſchoͤn
Wuͤrd’ alles nicht in klarem Waſſer ſtehn!
Wie lieblich wuͤrde hier, bey heiterm Wetter,
Das hell beſtral’te Gruͤn der dicht-verſchrenkten Blaͤtter
Sich in den reinen Fluten bilden!
Bald wuͤrde von der Sonnen Schein
Das reine Waſſer ſich verguͤlden;
Bald wuͤrd’ in ſanft beweg’t - und wallenden Kryſtallen
Ein gruͤn gefaͤrbter Schatten fallen.
Jch ſann dem Anſchlag ferner nach,
Und, weil der vorerwehnte Teich
Nicht mit der Erde gleich,
Nein, ſondern auf der Hoͤhe, lag;
Schien es zu meiner Luſt nicht koſtbar und nicht ſchwer.
Allein ich freute mich noch mehr,
Als ich ſo gar im Grunde,
Jndem ich graben ließ, von ungefehr
Vor dieſem ſchon dazu beſtimmte Roͤhren funde.
Hiedurch kam in gar kurzer Zeit
Das Waſſer-Werk zur Vollenkommenheit,
Und zwar weit ſchoͤner noch, als ich es ſelbſt gedacht.
Kaum war es vollenbracht;
Kaum,110Kaum, daß der ſchnelle Waſſer-Stral
Zum erſten mal
Sich in die Hoͤhe hub und ſpielte,
Als ich auch einen Trieb,
Zu GOtt mich zu erheben, fuͤl’te,
Und die Betrachtungen zu GOttes Ehren ſchrieb:
Groſſer GOtt! aus Deſſen Willen
Alle Meer’, als Baͤchlein, qvillen,
Und durch Deſſen Wort allein
Sich die unergruͤnd’ten Gruͤnde,
Aller Tiefen dunk’le Schluͤnde,
Mit dem Schwall der Waſſer fuͤllen;
Dieſes kleine Waſſer-Spiel
Zeigt mir viel.
Du nur haſt der weichen Flut,
Deiner Creatur zu gut,
Dieſe Wunder-Eigenſchaft,
Daß ſie fluͤſſig iſt, gegeben,
Und durch eig’ner Schwere Kraft
Auch geſchickt iſt, ſich zu heben,
Um dann durch ihr ſtrenges Senken
Fuͤglicher die Welt zu traͤnken:
Wie wir auf der Berge Hoͤh’n
Lauter Waſſer-Kuͤnſte ſehn.
Alle Waſſer-Faͤll’ und Meere
Spielen, HErr, zu deiner Ehre.
Kein ſtarrer Eis-Zapf iſt ſo glatt, ſo klar, ſo feſt,
Als wie der neu-gebohrne Stral
Nicht111Nicht weit von ſeiner Roͤhre laͤſſt:
Welch’ holde Feſtigkeit er aber bald verlieret,
Wenn er ſich in die Hoͤhe fuͤhret,
Wo er, wenn er die Laſt der Luft mit Muͤhe traͤg’t,
Wie lebend Silber ſich beweg’t,
Das doch noch immer aufwaͤrts eilet,
Bis er ſich oben auf einmal
Beſchaͤumet von einander teilet.
Hier huͤpfen, ſpringen, ſteigen, fallen
Viel kleine Kugeln, die ſo rein,
Daß auch die rein’ſten Berg-Kryſtallen
Nicht rein bey ihrem Schimmer ſeyn;
Zumal,
Wenn ſie der Sonnen-Stral
An einer Seite trifft, und daß die blaue Pracht
Des tiefen Firmaments, in welchem jede ſchwebet,
Durch reine Dunkelheit die Schoͤnheit noch erhebet,
Und gleichſam ſich zu ihrer Fulge macht.
Man ſollte ſchweren,
Daß alle Diamanten waͤren,
Und wuͤrcklich fel’t auch nichts, als bloß die Haͤrt’ allein,
Sonſt waͤre jeder Tropf ein rechter Demantſtein.
Je mehr ich nun ihr helles Glaͤnzen ſchaͤtzte,
Je mehr der reine Glanz und Schimmer mich ergetzte;
Je ſtaͤrker ruͤhrte mich die Fluͤchtigkeit
So Farben-reicher Edel-Steine.
Jhr Weſen waͤhret’ eine kleine,
Und ihre Ruh gar keine, Zeit;
Jndem ſie, wenn ſie kaum entſtehn,
Von andern ſchon verdrungen gleich vergehn:
Woruͤber ich recht in mich gienge,
Und mit geruͤhrtem Geiſte dacht:
Wer112Wer kann von aller Hoheit, Pracht,
Und von dem Weſen ird’ſcher Dinge,
Ja ſelbſt von unſerm eig’nen Leben,
Ein gleicher Ebenbild uns geben?
Man kommt, man ruht nicht, man verſchwindet,
Und zwar faſt unvermerkt, indem die Welt,
Daß wir vergehen, nicht empfindet:
Es ſind ſtets and’re da, die gleich, ſo bald wir ſcheiden,
Die Stellen wiederum bekleiden.
Betrachtet doch, ihr Menſchen, was ich meyne,
Und denket bey der Flut beſtaͤnd’ger Fluͤchtigkeit:
Wir alle waͤhren eine kleine,
Und unſ’re Ruh waͤhrt keine, Zeit.
Der Stral, der in die Hoͤhe ſteiget,
Vergnuͤget das Geſicht.
Wenn er ſich aber oben bricht,
Und rauſchend ſich zum Fallen neiget;
Vergnuͤg’t er unſer Ohr.
Es koͤnnen, die es lange hoͤren,
Mit Muͤhe ſich des Schlaf’s erwehren.
Zuweilen unterbricht ein holes Plumpen
Das klatſchende Getoͤs, indem es ſchlurfet, ziſcht,
Und oft ein gurgelndes Gegluck darunter miſcht,
Wenn kleine weiſſe Waſſer-Klumpen
Jn die beſchaͤumte Flut,
Die gleichſam kocht, und nimmer ruht,
Wie Stuͤcke von geſchliffenen Kryſtallen,
Auf einmal ſchnell herunter fallen.
Dieß Sprudeln, Liſpeln, Schallen,
Dieß murmelnde Getoͤn
Wird jedem, der es hoͤr’t, gefallen,
Und ſuchet uns durch’s Ohr ans Herz zu gehn.
Am Fuß der Roͤhre ſchaͤumt und huͤpfet in der Flut
Ein reines Weiß, das ſtets entſtehet,
Stets113Stets iſt, und dennoch ſtets vergehet,
Das immer ſich beweg’t, ſich bricht und nimmer ruht.
Es huͤpft, es ſpringt, es ſpruͤtz’t, es ſcheint zu leben,
Und, kleinen weiſſen Flammen gleich,
Sich ſelber in die Hoͤh zu heben.
Rings um den regen Ort ſieht man dieſelbe Stelle
Durch Wellen, die daſelbſt kurz, recht wie Schuppen, gehn,
Nicht einen Augenblick in einer Farbe ſtehn.
Bald iſt ſie braͤunlich rot, bald gruͤnlich helle,
Bald ploͤtzlich Silber-weiß.
Zuletzt beruhiget ſich allgemach
Das rege Naß; es zeugt ſich nach und nach
Manch ſich vergroͤſſernder und ſtets beweg’ter Kreis.
Die Cirkel ſcheinen zwar vom Mittel abzuwallen,
Und allgemach ſich zu erheben,
Da ſie jedoch, wenn wir darauf recht Achtung geben,
Nach ihrem Mittel-Punct beſtaͤndig wieder fallen.
Die ſanft-erreg’te Glaͤtte zeiget,
Jndem ſie ſich gemach bald heb’t, bald neiget,
Der ſchoͤn’ſten Farben Glanz; es ſind allhier
Der irdiſche Smaragd, der himmliſche Sapphir
Blau, licht - und dunkel-gruͤn, weiß, hell und dunkel-braun
Recht wunderbar vermiſcht, vereinigt und verwirret.
Wo kurz vorher die Augen Schatten ſchau’n,
Verſpuͤren ſie, daß ſie geirret.
Denn es iſt weiß daſelbſt, nein wieder braun, nein gruͤn,
Nachdem die Kreiſe ſich in rege Spitzen ziehn
Dadurch, daß oft ein Kreis den andern unterbricht.
Auf vielen dunkel-braunen Stellen
Formir’ten weißlich-gruͤne Wellen
Die ſchoͤn’ſten Cirkel von Smaragd,
Die denn, je naͤher ſie dem gruͤnen Ufer kamen,
Von ſeiner gruͤn-bebluͤhmten Pracht
Stets deutlicher ſo Farb’ als Bildung namen.
II. Theil. HBeſtral’t114Beſtral’t die Sonne dann vom Ufer eine Stelle;
So wird ſogleich des Waſſers Flaͤche helle,
Da denn das faſt Smaragd’ne Gruͤn
Sich Schlangen-weiſe zu bewegen
Und durch der Wellen ſanftes regen
Sich immer zu vergroͤſſern ſchien.
Mit einem dunkel-gruͤnen Schatten
Such’t ein beweglich gruͤnlich Licht
Jn regen Cirkeln hier ſich ſtets zu gatten,
Die uns der Baͤume Gruͤn zwar noch zu ſehn vergoͤnnen;
Doch, weil ſie den Zuſammenhang
Durch ſtetige Bewegung trennen,
Jſt keine deutliche Figur
Von Blaͤttern, Staͤmm - und Zweigen zu erkennen;
Man ſieht von ihnen nur
Den Schein von einem Schein,
Und kann man hier mit Wahrheit ſagen,
Daß ſie auch in den hell’ſten Tagen
Zu ſehn und doch nicht ſichtbar ſeyn.
Wann aber ſich der Sprung des Waſſers leget,
Und folglich ſich die Flaͤche nicht mehr reget;
Kann man mit tauſend Luſt ſo fort
Den runden angenem bewachſ’nen Ort
Jn ihr recht unbeſchreiblich ſchoͤn
Und lieblich widerſcheinen ſehn.
Es ſchien mir dieſes Bild von vieler Menſchen Leben
Ein lebend Eben-Bild zu geben.
Wie mancher auf der Welt
Hat Ehre, Faͤhigkeit, Geſundheit, Schoͤnheit, Geld,
Die durch des Schoͤpfers Huld ſich all’ in ihm verbinden;
Sein Naͤchſter aber kann
So wenig, als er ſelbſt, daran
Die billige Vergnuͤgung finden.
Wo kommt denn dieſes her? Weil mitten in der Bruſt
(Wie115(Wie hier im regen Born) der Born von Pein und Luſt
Die Leidenſchaft durch Leidenſchaft beweget,
Und deren Wut ſich unaufhoͤrlich reget;
Wodurch wir in veraͤnderlichem Wanken
Nichts, als verwirrete Begierden und Jdeen,
Und in nie ruhigen Gedanken
Stets unterbroch’ne Schoͤnheit, ſehen:
Da er, wenn ihn nicht ſtets die Unruh gleichſam trennte,
Bey einem ruhigen Gemuͤte
Ein Spiegel Goͤttlicher Macht, Weiſheit, Lieb’ und Guͤte
Sich und dem Naͤchſten werden koͤnnte.
Da ich nun alſo ſaß und ſann,
Und eine inn’re Regung fuͤl’te;
Sah ich dem Waſſer-Stral, als er von neuen ſpiel’te,
Noch etwas neues an,
Jndem er, als das Licht der Sonnen ihn beſtral’te,
Sich ſelber um den gruͤnen Rand
Auf dem Licht-grauen Sand’
Jn dunk’len Schatten deutlich mal’te.
Jch ſah ihm Anfangs zu, und lachte,
Daß gleichſam dieſer Schatten mir
Mein Waſſer-Spiel gedoppelt machte;
Doch als ich noch darauf ein wenig laͤnger dachte,
Und merkte, daß des Schattens Stral
Sich allemal
Ein wenig von der Stell’ und in die Ruͤnde drehte;
So fiel mir ein,
Dieß koͤnnte wol ein Sonnen-Zeiger ſeyn.
Jch merkte denn bey jedem Seiger-Schlag
Die Stelle, wo ſodann der Schatten lag,
Und faud hernach, ſo oft ich zaͤl’te,
Daß es kaum um ein Haͤrchen fel’te.
Kann ſonſt von unſerm kurzen Leben
Des Waſſers rege Fluͤchtigkeit
H 2Uns116Uns uͤberhaupt ein Lehr-Bild geben;
So zeigen hier die feuchten Fluten
So gar die fluͤchtigen Minuten
Von unſ’rer ſchnellen Lebens-Zeit.
Allein, was ſoll ich viel, bey dieſer Flut,
Von einem feuchten Seiger ſagen;
Da wir ja ſelbſt in unſerm Blut
Dergleichen feuchten Seiger tragen,
Da jeder Puls - und Ader-Schlag
Mir meine Zeiten richtig teilet,
Und folglich wol mit Recht, weil er beſtaͤndig eilet,
Mein Lebens-Seiger heiſſen mag.
HErr! gib, ſo oft ich Waſſer ſeh,
Daß ich ja nicht vergeſſen moͤge,
Daß ich, ſo lang’ ich mich bewege,
Aus reger Feuchtigkeit beſteh’!
HErr! gib, ſo oft die Stunden ſchlagen,
Daß ich mag zu mir ſelber ſagen:
Von meinen kurzen Lebens-Stunden
Sind ſechzig Teil’ aufs neu verſchwunden.
Haſt du, mein Herz, darin auch einſt gedacht
An Deines Schoͤpfers Lieb’ und Macht?
Wenn man den ſtrengen Stral, der in die Hoͤhe eilet,
Durch etwas hartes hemm’t und teilet;
Zerteilt er ſich in Tropfen, die ſo klein,
Daß ſie kaum zu erkennen ſeyn.
Jn dem faſt unſichtbaren Duft
Der angefeuchteten durchſtral’ten Luft
Wird, wenn die Sonn’ ihn trifft,
Ein neues Wunder-Werk geſtift,
Und oft ein kleiner Regen-Bogen
Jn einem Augenblick gezogen.
An deſſen buntem Schein ſuch’t’ ich mit tauſend Freuden
Nicht117Nicht nur mein Aug’, auch meinen Geiſt, zu weiden,
Und ward mit ſuͤſſer Luſt erſuͤll’t,
Weil ich allhier ſo nah
Das ſonſt entfernte Gnaden-Bild
Der feuchten Wolken bey mir ſah.
Wenn auf dem dunkel-gruͤn gefaͤrbten Waſſer-Spiegel
Viel kleine weiſſe Waſſer-Huͤgel,
Die wie ein Berg-Kryſtall ſo glatt, ſo klar, ſo rein,
Ja kleine Sonnen-Spiegel, ſeyn,
Bald einzeln, bald mit Haufen,
Wie Silber-Schaum, ſchnell hin und wieder laufen,
Bald ſanfte zitternd gleichſam ſchweben,
Nachdem die regen Waſſer-Kreiſe
Jtzt ſchnell, itzt allgemach und leiſe,
Sich bald vertiefen, bald erheben;
Vergnuͤg’t ihr ſchimmerd Licht,
Das auf dem klar - und dunkeln Grunde
Der glatten Flut in hellem Glanze ſtunde,
Durch ihren Gegenſatz, mir das Geſicht:
Doch fiel bey ihrem fluͤcht’gen Schein
Mir ferner ein,
Daß ſie von Keichtum, Wolluſt, Ehre
Recht eigentliche Spiegel ſeyn.
Es geben uns die Blaſen zu verſtehn,
Von welcher Ahrt die meiſten Schoͤnen ſind.
Jhr aͤuſſerſtes allein iſt ſchoͤn;
Jhr inners Eitelkeit und Wind:
Und zeigen ſie daher an jedermann
Den fluͤcht’gen Grund der weichen Wolluſt an.
Noch geben uns der Blaſen kleine Hoͤh’n
Der Ehrſucht Folge zu verſtehn.
Je hoͤher ſie an Glanz und Schimmer ſteigen,
Je mehr ſie Pracht und Schoͤnheit zeigen;
Je ploͤtzlicher ſie ſchwinden und vergehn.
H 3Kein118Kein Silber iſt ſo weiß, ſo rein,
Als dieſe Waſſer-Blaſen ſeyn.
Kein Gold iſt, das ſo glaͤnzt und ſtral’t,
Als wenn der Sonnen Gold ſich ſelbſt in ihnen mal’t,
Und dennoch iſt ihr glaͤnzend prangen,
Recht wie der Reichtum, auch gar ſchnell vergangen.
Sprich nicht, Chryſander, voller Freuden:
Es kann mein Gold mit Recht nicht die Vergleichung leiden.
Der Blaſen Gold iſt fluͤchtig; meines feſt.
Doch hoͤr! erwaͤge nur, wie ſchnell das deine
Dich oftermals ſchon hier verlaͤſſt,
Und endlich, wenn du wirſt erblaſſen,
Wird es unfehlbar dich verlaſſen.
Dieß iſt die Luft, die man, ſo lang das Waſſer ſpielet,
Durch’s Ohr und durch das Auge fuͤlet;
Wenn aber ſich der Sprung des Waſſers leg’t,
Und folglich ſich die Flaͤche nicht mehr reg’t,
Wenn nemlich man den Ort, wodurch es flieſſet,
Durch umgedrehten Schluͤſſel ſchlieſſet,
Verſchwindet auf einmal,
Zuſamt dem reinen Silber-Stral,
Das lieblich klatſchende Getuͤmmel;
Hingegen faͤngt ſich dann,
So bald das Waſſer ſtill, ein’ ander’ Anmut an.
Man ſiehet einen Gegen-Himmel:
Es lieſſ’ als ob, in blauen Tiefen,
Viel weiſſe Wolken ſchwebend liefen:
Man konnt’ in ihren klaren Gruͤnden
Gar eine neue Sonne finden.
Bey dem ſo ſchoͤn - und dennoch eit’len Schein
Fiel mir von neuen ein:
Es leb’t mit muͤhſamem Getuͤmmel
Der Geld - der Luſt - der Ehr-Wurm in der Welt,
Und glaubt, in Ehre, Luſt und Geld
Den Himmel auf der Welt zu finden;
Al -119Allein
Es iſt ein Waſſer-Himmel,
Der nichts hat, als den bloſſen Schein.
Will aber jemand hier des Himmels Vorſchmack haben,
Der muß ſich am Geſchoͤpf des groſſen Schoͤpfers laben.
Man kann mit tauſend Luſt ſo fort
Den runden, angenem bewachſ’nen Ort
Jn ſtiller Flut recht unbeſchreiblich ſchoͤn
Und lieblich ſich verdoppeln ſehn.
Es ſtellt zugleich das unbeweg’te Naß,
Als wie vom Berg-Kryſtall das reinſte Spiegel-Glas,
Zuſamt des Firmaments Sapphir,
Den irdiſchen Smaragd belaubter Baͤume fuͤr.
Es bildet die Natur ſich ſelbſt in dieſer Flut,
Und zwar recht meiſterhaft. Denn iſt ihr Uhrbild ſchoͤn;
So iſt die Schilderey nicht minder ſchoͤn zu ſehn.
Selbſt in der Dunkelheit
Entwirft, formiret, zeichnet ſie
Mit unbeſchreiblich rein - und klarer Deutlichkeit
Die allerzierlichſte Copie.
Was dunkel-gruͤn, das ſcheint im Waſſer mehr verdunkelt:
Was hell-gruͤn, glaͤnzt noch mehr, und funkelt
Jn einem reinern Licht.
Des Brunnen Rand iſt hell und gelblich gruͤn,
Weil er von Raſen iſt. Das ganze Waſſer ſchien
Hingegen dunkel, gruͤn und klar,
Jndem darin ſich von den Erlen-Zweigen
Die dunkel-gruͤnen Blaͤtter zeigen.
Man ſah daſelbſt der Fiſche blaue Schar,
Die aus dem Teich’ hinein geſetzet war,
Durch gruͤne Zweige gehn, in gruͤnen Buͤſchen ſchweben,
Und, ſchnellen Voͤgeln gleich, auf Baͤume ſich erheben.
Das Auge wird durch die ſo klare Glaͤtte,
Als wie, wenn man Kryſtall darauf geleget haͤtte,
H 4Ver -120Vergnuͤg’t, geſtaͤrket und erfreuet.
Die faſt erſtaunten Blicke gleiten
Auf dieſer glatten Bahn mit tauſend Freuden fort,
Und treffen tauſend Lieblichkeiten
Auf jeder Stell’, an jedem Ort’
Jn netten Bildungen und ſanften Farben an.
Seh’ ich, wie lieblich, klar, durchſichtig, glaͤnzend, rein
Des Waſſers glatte Flaͤchen ſeyn;
So ruf’ ich, voll durch Luſt erzeugter Traurigkeit
Und ſuͤſſer Unzufriedenheit:
Wie dauret michs, daß dieſe Klarheit
Mein ſchwacher Kiel nicht bilden kann,
Und daß von der Copie die meinige mit Wahrheit
Ein elend Schmierwerk ſey, die jener gar nicht gleichet,
Jndem ſie der ſo ſchoͤn gemal’ten Zierlichkeit
Jm Waſſer (wie man ſpricht) nicht einſt das Waſſer reichet.
Jndem ich einſt bey dieſem Waſſer-Spiel,
Was ich geſchrieben uͤberlaſe;
Erblickt’ ich einen Froſch im Graſe:
Der rege Waſſer-Stral ſchien ſeiner Augen Ziel.
Die Stellung war, als ob er ſaͤſſ’ und lauſchte,
Ja mit Verwunderung bedaͤchte,
Woher es doch wol kommen moͤgte,
Daß hier das Waſſer ſtetig rauſchte,
Was doch davon die Urſach ſey.
Jch lachte bey mir ſelbſt, und dachte dieß dabey:
So wenig dieſer Froſch den wahren Grund wird finden,
So wenig kann ein Menſch des Schoͤpfers Weg’ ergruͤnden.
GOttes Groͤſſe in den Waſſern.
Jch habe zwar bereits vom Waſſer was geſchrieben;
Doch iſt nur gar zu viel davon noch uͤbrig blieben,
Das nicht beruͤhrrt war:
Drum ſtellt das Meer ſich mir aufs neu zum Vorwurf dar,
Das ſeines Schoͤpfers Groͤſſ’ in ſeiner Groͤſſe weiſet,
Und Deſſen Macht in jedem Tropfen preiſet.
Ach GOtt! unendlichs All, Du Brunqvell aller Dinge,
Gib, daß ich noch einmal, was Dir gefaͤllig, ſinge
Vom feuchten Element! Es ſey, o GOtt, das Meer
Ein Spiegel abermal von Deiner Groͤſſ’ und Ehr!
Wie wunderbarlich weit, wie unbegreiflich groß,
Wie unergruͤndlich tief iſt doch des Meeres Schoß!
Wie dunkel iſt ſein Schlund, wie fluͤſſig und wie dichte
Die rege Waſſer-Welt! wie ſchwer iſt das Gewichte
Des Waſſer-Coͤrpers doch! was iſt dem weiten Reich
Der ungemeſſ’nen Tief’ an Weit’ und Groͤſſe gleich?
Mir ſchwindelt recht, wenn ich es uͤberdenke,
Und die faſt bange Sele ſenke
Jn dieſen finſtern Pful, in dieſes Abgrunds Gruft.
Mich ſchreckt von dieſer ſchwarzen Kluft
Die unbegreifliche Geſtalt: der Fluten Brauſen
Erreg’t mir, ob ichs gleich nicht hoͤr’, ein furchtbar Grauſen.
Wie viele Wunder-Thier’ und groſſer Wallfiſch’ Heere
Sind in dem unbegrenzt - und Boden-loſen Meere!
Mit welcher drengenden Gewalt,
L 2Mit164Mit welchem ſchrecklichen Gewuͤl, Getoͤs und Laͤrmen
Muß in dem tiefen Schlund’ und dunkeln Aufenthalt
Ein Wallfiſch-Heer ſich drehn, und durch einander ſchwaͤr -
men:
Da, wenn ein ſolcher Fiſch aus ſeiner Tiefe bricht,
Und, wie es, wenn er ſpielt, in Groͤnland oft geſchicht,
Mit graͤulichem Geraͤuſch aus ſtillen Fluten ſteiget;
Er einen ſchwarzen Thurm erſtaun’ten Augen zeiget.
Jndem ich dieß mit Ernſt ermeſſe,
Stell’t ſolcher Beſtien faſt ungemeſſ’ne Groͤſſe
Sich gleichſam meinen Augen vor.
Mir iſt, als wenn ich recht die ungeheure Hoͤhe
Von einem ſchwarzen Berg, der lebet, in ihm ſehe;
Mich deucht, ich ſchaue recht die weiſſe Wut
Der durch das ſchreckliche Gewuͤl gepreſſten Flut,
Mit Schaum - und Wirbel-vollen Wellen,
Als waͤren es Gebuͤrge, ſchwellen.
Mich deucht, es hoͤre recht mein ſchuͤchtern Ohr
Mit einem innerlichen Grauſen
Ein wildes unertraͤglichs Brauſen.
Die braune Flut wird ploͤtzlich weiß, und ſchaͤumet;
Ein groſſes Teil des Meers erhebet, waͤlzet, baͤumet
Sich bruͤllend in die Hoͤh’ in einem Augenblick,
Und ſtuͤrzt mit ſolcher Laſt von oben ab zuruͤck;
Daß die gepreſſte Flut oft ganze Meilen weit
Sich reget, tobet, wall’t mit ſolcher Heftigkeit,
Daß Cirkel, Wirbel, Schaum ein ſchwuͤlſtiges Bewegen,
So weit man ſehen kann, in einem Kreiſ’ erregen.
Wer weiß ſich nun den Stand im dunk’len Reich der Wellen,
Wo ſie bey tauſenden ſich waͤlzen, vorzuſtellen?
Wie165Wie muͤſſen ſie den Schlamm des Abgrunds, wenn ſie ſpielen,
Mit ihrer fetten Laſt verwirren und zerwuͤlen?
Der Zuſtand ſchreckt mich recht, den dieſes Reich der Nacht
Mir ins Gemuͤte praͤg’t; bald aber denk’ ich wieder
Auf Den, der dieſe Tief’ und was ſie heg’t, gemacht,
Und ſing’ in Demut Jhm Lob-Dank - und Freuden-Lieder:
Die Waſſer ſehen dich, o GOtt, ſie ſehen Dich,
Sie aͤngſtigen und drengen ſich.
Ach hoͤr’t, wie ihren HErrn, bald ſtill und bald mit
toben,
Die dunkel-grauen Tiefen loben!
Voll ſolcher praͤchtigen Gedanken und Jdeen
Von GOttes Wunder-Groͤſſ’ und unumſchrenkter Macht
Fuͤl’ ich in meiner Bruſt ein Andachts-Feu’r entſtehen.
Jch denke nicht, wie ich zuvor gedacht.
Ein unbekanntes Etwas reiſſt
Mir meinen faſt erſtaun’ten Geiſt
Aus ſeinem Sitz’, und fuͤret meinen Sinn,
O groſſes All! von Deinem Wunder-Weſen
Zur deutlichern Betrachtung hin,
Wozu ich denn das Meer zum Spiegel auserleſen.
Jch ſtelle mir,
Unendlich groſſer GOtt, dadurch aufs neu von Dir
Ein unbegreiflichs Weſen fuͤr,
So nebſt der Welt zugleich das weite Luft-Revier
An allen Orten fuͤll’t, und welches aller Meere
Verborg’ne Tiefe, Dicke, Breite,
Samt ſeiner aͤuſſern Flaͤch’ entſetzlich weiten Weite
Auf einmal uͤberſieht: vor Dem der Wallfiſch’ Heere
Bald in den dunkeln Tiefen wuͤlen,
L 3Bald166Bald auf der hellen Flaͤche ſpielen!
Ein Weſen, deſſen Blick die Menge
Von allen Schiffen, wenn ſie gleich
Auf dem geſchwoll’nen Waſſer-Reich,
So in der Breit’ als in der Laͤnge
Auf wie viel tauſend Meilen
Entfernet von einander gehn,
Zugleich ſieht, wie wir eines ſehn:
Ein Weſen, welches hier das Meer
Jn einer ſtillen Glaͤtte ſiehet,
Wie ſolches, da die Luft von Wolken leer,
Vom heitern Sonnen-Licht’ in reinem Schimmer gluͤhet,
Und wie ein Spiegel glaͤnz’t: das aber auch zugleich
Und in dem Augenblick das wilde Waſſer-Reich
An einem weit entfern’ten Ort,
Woſelbſt der grauſe Nord,
Daß alles brauſet, heulet, bruͤllet,
Die Luft mit Waſſer-Bergen fuͤllet,
Die, mit entſetzlich ſchnellem Wallen
Bald ſchrecklich ſich erhoͤh’n, bald ja ſo ſchrecklich fallen;
Gleich gegenwaͤrtig ſchaut: ein Weſen, welches hier
So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein,
Das aller Ewigkeiten
Unendlichkeiten fuͤllt.
Ein ſolches Weſen nun ſoll einzig und allein
Mein GOtt, und nicht das Goͤtzen-Bild
Von einem alten Greiſen, ſeyn.
Der Gottheit Groͤſſ’ indeß, die ich ſo dir als mir
Und zwar am deutlichſten im weiten Schoß der Wellen
Bemuͤht167Bemuͤht geweſen vorzuſtellen,
Die laß, geliebter Leſer, dir
Nicht ſeltſam und nicht fremde ſeyn!
Du kannſt ſo gar davon ein Beyſpiel wuͤrklich ſehen.
Muß nicht der helle Sonnen-Schein
Die Welt auf einmal uͤbergehen,
Auf einmal einen Kreis,
Den menſchlicher Verſtand nicht zu ermeſſen weiß,
Jn unbegrenzten Luͤften fuͤllen?
Erwaͤge denn um GOttes Willen,
Was bildeſt du dir wol von einer Gottheit ein?
Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforſchte Weiſe
Weit unermeßlicher allgegenwaͤrtig ſeyn?
Mich deucht, wie mancher hiezu ſpricht:
Die Sonne ſcheinet doch den Gegen-Fuͤſſern nicht.
Dann, wann ſie bey uns iſt; ſo iſt zwar dieſes wahr:
Allein, den Unterſchied der Saͤtze zu geſchweigen;
Kann man jedoch faſt Sonnen-klar
Davon ein Beyſpiel zeigen.
Man halte nur in einen Zimmer
Viel kleine Kugeln nah aus Licht;
So wird zum wenigſten ein Gegen-Schimmer
Vom Licht, das ſich an Waͤnden bricht,
Die dunk’len Seiten gleichfalls treffen.
Da nun viel hundert tauſend Welten
Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein
Der Gottheit, die allgegenwaͤrtig, ſchwimmen:
Wie ſollten ſie denn nicht von Deren Glanze glimmen,
Und nicht von Jhr beſtralet ſeyn?
Zudem heiſſt dein Exempel nichts,
Daß Gegen-Fuͤſſer nicht mit uns zu einer Zeit
Die Gegenwart des Sonnen-Lichts
L 4Empfin -168Empfinden und genieſſen.
Der Erden Dicht - und Dunkelheit
Verwehret ſolches nur: denn ihre Stralen ſchieſſen
Viel tauſend Meilen weiter fort.
Wie grob wuͤrd’ uͤberdem die Meynung ſeyn,
Als ob der ew’gen Gottheit Schein
Nicht unbegreiflich herrlicher,
Allgegenwaͤrtiger, durchdringender,
Als wie des Sonnen-Lichts
Erſchaff’ner Coͤrper waͤre?
Gewiß, es braͤchte dieß der Gottheit wenig Ehre,
Zu glauben: als waͤr’ etwas dichts,
Materialiſches und Coͤrperlichs geſchickt,
Von einem Ort ſie auszuſchlieſſen.
Ach hoͤre,
Wie David dieß weit anders ausgedruͤckt,
Und was davon fuͤr Wort’ aus ſeiner Feder flieſſen:
Wenn ich in den Himmel fuͤhre; groſſer GOtt, ſo biſt
Du da.
Bettet’ ich mich in der Hoͤlle; waͤreſt Du mir gleichfalls
nah.
Naͤm’ ich der Auroren Fluͤgel, floͤg’ ich bis ans aͤuſſ’re
Meer;
Fuͤnde mich doch Deine Rechte, weil ich nicht verborgen
waͤr.
Soll aller Sonnen Sonn’ und HErr, das ew’ge Licht,
Der Urſtand und die Qvell von allen Dingen,
Der Himmel, Erd und Meer erſchaffet, wenn Er ſpricht,
Nicht in denſelben ſeyn, nicht alles das durchdringen,
Was Er gemacht, was Er allein erhaͤlt?
Dieß iſt ja ſo gewiß, als daß das, was ich ſehe,
Mir in die Augen faͤllt.
Jnzwiſchen ſchrecke dich und troͤſte dich die Naͤhe
Der169Der Gottheit, welche dich umgiebet,
Worin du lebeſt, biſt und web’ſt, und Die dich liebet,
Fuͤr welcher aber auch das Jnnerſte der Selen
Sich nicht vermag zu bergen, zu verhelen,
Die dein Gemuͤt
So deutlich, wie dein Blick was Leiblichs ſiehet, ſieht.
Da GOtt nun alles weiß, was wir gedenken;
Ach daß denn dir und mir die mehr als wahre Lehre,
Von GOttes Gegenwart, auch ſtets ein Denkmal waͤre,
Um uns von Laſtern abzulenken!
Denn, daͤchten wir daran: auch dann, wann wir allein,
Sind wir jedoch von GOtt umgeben;
Unmoͤglich koͤnnten wir ſodann nicht anders leben,
Unmoͤglich wuͤrden wir ſo grobe Suͤnder ſeyn.
Ach laß, o Groſſes All, doch denen, ſo dieß leſen,
Nebſt mir, Dein wunderbar allgegenwaͤrtigs Weſen,
Das uns, ſo wie das Meer ein Fiſchlein rund umſchlieſſt,
Und in die Ewigkeit unendlich ſich ergieſſt,
Stets vor der Seelen Augen ſtehn!
Ach laß uns, da alhier des Coͤrpers Augen
Dein undurchdringlichs Licht nicht ſelbſt zu ſchauen taugen,
Doch Deiner Allmacht Groͤſſ’ in Deinen Wundern ſehn!
Es ſey, o groſſer GOtt, inſonderheit das Meer
Ein Prob-Stuͤck Deiner Macht, ein Spiegel Deiner Ehr’!
Ach laß uns Geiſt und Blick auf Deine Werke lenken,
Und oftermals, wie Jeſaias denken:
Er ſchilt das Meer, ſo flieh’ts von dannen,
Daß ſeine graue Tiefe brauſ’t.
Er miſſt die Waſſer mit der Fauſt,
Er faſſt den Himmel mit der Spannen.
Die himmliſche Schrift.
Jhr Sonnen, die ihr ohne Zal
Jm unergruͤndlichen unendlich-weiten Thal
Des holen Firmamentes ſtehet:
Jhr Welte, die ihr euch um dieſe Sonnen drehet,
Die voller Waͤrm und Licht, voll Stralen, Glanz und Gluht;
Es ſoll von euch mein faſt entzuͤckter Mut
Ein Andachts-volles Lied, ein Ehr-erbietigs ſingen
Dem Groſſen All zum Opfer bringen.
Jch fuͤle, daß mein angeflammter Geiſt
Dem groſſ - und kleinen Kreis der Erde ſich entreiſſt,
Zugleich ſich in die Tief’ ohn’ End’ und Anfang neiget,
Zugleich auch in die Hoͤh’ ohn’ End’ und Graͤnzen ſteiget.
Ein feur’ger Andachts-Trieb
Verſetzt mich in die Ewigkeit.
Mein denkend Weſen breitet ſich
Jn’s ungemeſſ’ne Sternen-Haus,
Vor Ehrfurcht ſtumm, vor Luſt erſtaunet, aus.
Da ich anitzt die allertiefſte Hoͤhe,
Den unbegrenzten Raum des holen Himmels, ſehe,
Die Weite ſonder Ziel, die GOtt allein erfuͤllet,
Wo Sein unendlich ewig Kleid,
Geweb’t aus Licht und Dunkelheit,
Sein Weſen zeiget und verhuͤllet;
So ſtellet dieſer Raum recht ſichtbar, hell und klar
Nicht unſerm Geiſte nur, den Augen ſelber, dar
Selbſt die Unendlichkeit,
Jn181Jn deren Tiefe Licht und Dunkel ſich vereinet,
Die ſonder Farbe blau, dicht ſonder Coͤrper, ſcheinet.
Vor ungeheurer Tiefe laͤſſt
Die ungeheure Tief’, als waͤre ſie nicht tief:
Es ſchein’t der leere Raum, als waͤr’ er voll und feſt,
Da doch in dieſen holen Gruͤnden,
Wenn gleich ein ſchneller Blick beſtaͤndig vor ſich lief’,
Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden:
Und dennoch koͤnnen wir ſo ungemeſſ’ne Hoͤhen
Mit unſern kleinen Augen ſehen.
O Wunder, das kein Menſch begreifen
Und keine Klugheit faſſen kann!
O Wunder-Werk, worin ſich alle Wunder haͤuſen!
Ach ſchauet es mit Ehrfurcht an!
Ein Schau-Platz, welcher Millionen
Und Millionen Meilen groß,
Ein Platz, in deſſen weitem Schoß
Viel Millionen Sonnen wohnen,
Kann, nebſt verſchied’nen Erden,
Auf einmal uͤberſehen werden,
Auf einmal in die ſpiegelnden Kryſtallen
Von unſern kleinen Augen fallen,
Und ſich ſo eng zuſammen ziehn.
Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernſt mich oft bemuͤhn,
Damit mein forſchendes Geſicht
Auch durchs Geſtirn oft ſey auf Dich gericht’t!
Durch dieſe Wunder-reiche Klarheit
Wird mein erſtaun’t Geſicht erqvickt;
Doch zittert Aug’ und Herz, wenn, halb entzuͤckt,
Jch dieſe Himmel-feſte Wahrheit
M 3Von182Von dieſer Lichter Wunder-Groͤſſe
Mit Augen der Vernunft ermeſſe;
Da, wenn ich nah bey einem jeden ſtuͤnde,
Jch einen jeden ja ſo groß,
Als wie ich itzt des ganzen Himmels Schoß,
So wie ich ihn hier ſehe, fuͤnde:
Jndem ja Jupiter allein,
Nach aller Stern-Verſtaͤndigen Beweis,
Mehr als acht tauſend mal ſoll groͤſſer ſeyn,
Wie unſer ganzer Erden-Kreis.
Ob gleich Huygenius, Caſſin,
Horoccius und Wendelin,
La Hire, nebſt Flamſtedius,
Auch Newton und Ricciolus
Von unſ’rer Sonnen Groͤſſe ſchreiben,
Sie ſey entſetzlich, und die Zahl,
Wodurch dieß helle Licht-Gefaͤſſe
An Groͤſſe dieſer Erden Groͤſſe
Noch uͤbertraͤf’, auf viel viel hundert tauſend treiben;
So wollen wir jedoch das allerkleinſte ſetzen,
Und ſie auf hundert tauſend mal
Nur groͤſſer, als die Erde, ſchaͤtzen.
O GOTT! wo bin ich doch? wer bin ich? Jch ver -
ſchwinde,
Jndem ich nicht einmal die Welt,
Nebſt allem, was ſie in ſich haͤlt,
Nur in Vergleich mit einer Sonne, finde.
Solch eine Groͤſſe kommt, wie leicht zu glauben, mir,
Wenn ich ſie recht erwaͤg’, entſetzlich herrlich fuͤr;
Ja, wenn wir endlich gar bey dieſer Groͤſſ’ und Laͤnge
Noch183Noch vollends erſt die ungezaͤl’te Menge
Ja die Unendlichkeit
So ungeheurer Lichts - und Sonnen-Coͤrper ſchauen
Mit Augen unſ’rer Sel’; entſteht ein heiligs Grauen:
Jm Haupt wird das Gehirn, das Herz in unſ’rer Bruſt
Von einer frohen Augſt, von einer bangen Luſt
Geklemm’t, gedruckt, gepreſſt,
Jndem der Gottheit Bild,
Wodurch der ganze Bau der groſſen Welt erfuͤllt,
Sich nicht ohn’ Ehrfurcht ſchauen laͤſſt.
Es uͤberleg’ ein Menſch, wie ihm zu Mute ſeyn,
Welch ein Entſetzen ihn mit Luſt befallen wuͤrde,
Wenn ſeinem heiteren Geſicht
Von ſolchem hellen Schein,
Von ſolcher Groͤſſ’ und ſchrecklich ſchweren Buͤrde
Der Blitz-geſchwinde Flug und zwar von einer nicht,
Von tauſend Millionen Kreiſen,
Sich ſollt’ auf einmal weiſen.
Des groſſen Schoͤpfers Wunder-Werke
Vermehren ſich bey mir auf wunderbare Weiſe,
Wenn ich an die geſchwinde Reiſe
So groſſer Coͤrper denk’ und an die Staͤrke,
Die ſie bewegen kann: da erſtlich ausgemacht,
Und durch die Rechnung laͤngſt gefunden,
Daß ungefehr in achtzehn Stunden
Die Kugel, welche man aus einem Stuͤcke ſcheuſſt,
Wie ſchnell ſie gleich die Luft durchreiſſt,
Den Durchſchnitt unſ’rer Welt vollfuͤhren koͤnne.
Nun ſoll der Venus Schnelligkeit
M 4Auf184Auf hundert ſechs und vierzig mal ſo weit
Sich an Geſchwindigkeit erſtrecken.
Wer kann doch ſonder Schrecken
Solch ungemeſſ’ner Groͤſſ’ und ungeheurer Laſt
Und ungezaͤl’ter Meng’ entſetzlichs ſchnell Bewegen
Jn ſeiner Selen uͤberlegen?
Wer kann der ſo verſchied’nen Kreiſe
Verſchied’ne Groͤſſ’ und grauſam ſchnelle Reiſe
Ohn’ einen Selen-Schwindel ſehn
Entſetzlich durch einander gehn,
Und zwar ſo ordentlich ſich drehn,
Daß nach viel tauſend Jahren
Sie noch dieſelben ſind, die ſie vorhero waren?
Es hat ſie nichts verwirr’t, nichts ihre Kraft geſchwaͤcht,
Nichts ihren Lauf gehemm’t, der unaufhoͤrlich recht
Jn ſteter Ruͤnde fliegt.
Gewiß mich uͤberlaͤuft ein ſchreckendes Vergnuͤgen,
Wann ſich mein Geiſt dahin bloß in Gedanken lenkt,
Und nur von weitem einſt an einen Raum gedenkt,
Wo, in ſo groſſer Eil, ſo groſſe Coͤrper fliegen.
Sprich nicht: ich wuͤrde ja ſolch ein geſchwindes Rennen
Von ſo entſetzlichen Geſchoͤpfen ſehen koͤnnen.
Es folget nicht, indem ja unſ’re Augen
Nicht das, was ſich zu ſchnell beweg’t, zu faſſen taugen.
Wenn wir ein feurig Holz, das gluͤhet, drehen;
So ſchein’ts ein feur’ger Kreis, und gaͤnzlich ſtill zu ſtehen.
Es kommt hinzu, daß der Bewegung Stand,
So wie der Stand der Ruh’ uns gaͤnzlich unbekannt:
Da185Da von Geſchoͤpfen ja ein ruhiges Verweilen
Nicht mehr natuͤrlich iſt, als ein geſchwindes Eilen.
Durch GOttes Willen flieſſt ſo wol die rege Flut,
Als daß die Erd’ in ſich natuͤrlich liegt und ruht.
Erwaͤg’t nun die faſt grauſe Kraft,
Die bloß allein dazu gehoͤret,
Den ganzen Erden-Ball, daß er geſchwinder faͤhret,
Als eine Kugel, fort zu bringen!
Betrachtet eine Kraft, die durch ein ſtetes Schwingen
Viel tauſend Coͤrper mit ſich rafft,
Wovon verſchied’ne noch viel tauſend mal ſo groß!
Wer kann des Weſens Macht, das alles dieſes faſſt,
Erſchaffen hat, erhaͤlt und traͤget,
Allgegenwaͤrtig fuͤhrt, beweget,
Und zwar
Daß alles ſich in ſtiller Majeſtaͤt,
Und ſtets unwandelbar in ſolcher Eile, dreht,
So unbegreiflich wunderbar
Jn ſolcher Ordnung leiten kann,
Ohn’ einiges Erſtaunen ſehen!
Ach! wie verſchwinden hier die kindiſchen Jdeen
Von einem alten Mann,
Womit ſo mancher Menſch erbaͤrmlich ſich getragen,
Und, da er ſich dadurch ein Goͤtzen-Bild gemacht,
Sich um die Gottheit ſelbſt durch eig’ne Schuld gebracht!
Bedenke, lieber Menſch, um GOttes Willen,
Wie groͤblich du gefel’t! wie naͤrriſch deine Grillen,
Die, faſt wie Lucifern, dein eit’les Hirn erfuͤllt,
Da du, aus einem ſtolzen Triebe
M 5Der186Der abgeſchmackt’ſten Eigen-Liebe
Faſt mehr dich ſelbſt zum Gott, als GOtt zum Menſchen,
macheſt,
Und wuͤrklich, wenn mans recht erwaͤget, GOtt verlacheſt.
Dein alter Gott-Mann muß entweder klein,
(Der etwa wie ein Fuͤrſt durch andere regieret,
Durch and’re ſieht und hoͤr’t und ſeinen Zepter fuͤhret,)
Wo nicht, muͤſt’ er ein Mann von ſolcher Groͤſſe ſeyn,
Dem hundert tauſend tauſend Meilen
Nicht einſt ein Glied von ſeinem Finger teilen.
Ja waͤr’ er auch ſo groß; ſo waͤr’ er dennoch klein.
Denn haͤtt’ Er eine Form; ſo muͤſt’ Er endlich ſeyn.
Was endlichs aber nun von einer Gottheit glauben,
Heiſſt Jhr’ Allgegenwart, ja gar die Gottheit, rauben.
Unendlich ewigs All, laß unſ’rer Selen Augen
Durch Deine Lieb’ eroͤffnet ſeyn,
Daß wir der wahren Gottheit Schein
Jn Deinem Werk zu ſehn und zu verehren taugen!
Laß unſ’re Selen doch Dein unbegreiflichs Weſen
Jm Buch der Creatur erſtaun’t mit Ehrfurcht lefen!
Laß uns, auch in der finſtern Nacht,
Von Deiner unerſchaff’nen Macht
Jm funkelndem Geſtirn das herrliche Gepraͤnge,
Die ungeheure Groͤſſ’ und ungeheure Menge
Und ungeheure Schnelligkeit
Der himmliſchen Geſchoͤpf beſehen und beſingen!
So werden wir, wenn wir in allen Dingen
Dich, HERR, allgegenwaͤrtig ſehn,
Uns ſelbſt vernichtigen, und Dich allein erhoͤhn.
Seh’187Seh’ ich den Himmel an, ſo koͤmmt mir ſein Sapphir
Als eine Tafel fuͤr,
Die unermeſſlich iſt, auf welcher eine Schrift,
Die des allmaͤcht’gen Schoͤpfers Weſen,
Huld, Weiſ heit, Macht und Majeſtaͤt betrifft,
Jm ſchimmernden Geſtirn, in heller Pracht zu leſen.
Hilf GOtt, welch eine Schrift! O! welch ein Wunder-Buch,
Jn welchem die Geſtirne Zeilen,
Die Lettern groͤſſer ſind, als hundert tauſend Meilen,
Woran in wunderbarem Schein
Die Puncte ſelbſten Sonnen ſeyn!
Jch ſeh’ es ganz erſtaunt in tiefſter Ehr-Furcht an,
Und, ob den Jnhalt gleich mein Geiſt nicht faſſen kann;
Doch ſpuͤr’ ich, daß ſie mich alſo zu denken treibt:
So ſchreibt der Schoͤpfer, wenn Er ſchreibt.
O dreymal hoͤchſt begluͤckt-o dreymal ſel’ge Selen,
Die GOtt, das hoͤchſte Gut, dereinſt wird auserwaͤhlen,
Der ew’gen Weiſheit Licht noch tiefer einzuſehn,
Und Jhn, den Schoͤpfer Selbſt, den Jnhalt, zu verſtehn!
Jndeſſen muͤſſen wir,
Zu unſers Schoͤpfers Ruhm, ſo lange wir noch hier,
Das Wunder-A B C der Sternen
Jn Ehrfurcht buchſtabiren lernen.
Es iſt kein’ einzige Figur
Jm ganzen Reiche der Natur
Zu finden, ja nur zu erdenken,
Die, wenn wir Blick und Witz in dieſe Hoͤhe ſenken,
Jn dieſen tiefen Gruͤnden,
Jn188Jn dem unzaͤlichen Geſtirn, nicht auch zu finden.
Sprich nicht: Was Schrift, ich kann ſie nicht verſtehn,
Ja nicht einmal die Lettern ſehn.
Denn hoͤr! Kaunſt du die Lettern der Sineſen,
Der Araber, der Ruſſen leſen?
Und kommen ihre Schriften dir
Nicht ganz verwirrt, ja ſonder Ordnung fuͤr?
Die doch, wenn wir ſie erſt begreifen und entdecken,
Gar oft voll Geiſt und Weiſheit ſtecken.
Jch bin ob dieſer Schrift im denken und im leſen
Gar oft erfreu’t, gar oft erſtaun’t geweſen.
Noch juͤngſt, als ich im Buch der Sternen
Mit inniglicher Luſt ſtudir’te,
Und voller Ehrfurcht buchſtabir’te;
So deucht mich, daß ich hie und da
Und uͤberall geſchrieben ſah
Den groſſen Namen JEHOVAH.
Die Erde.
1.Wenn wir zu beſehn beginnen,
Worauf unſ’re Welt beruht;
Fallen gleich in unſ’re Sinnen
Erde, Waſſer, Luft und Gluht,
Die wir, weil wir ſie nicht kennen,
Die vier Elemente nennen:
Da doch, wenn man’s recht ermiſſt,
Alles ſtets in allem iſt.
2.Aber dieß noch ausgeſetzet,
Und der Ordnung nach zu gehn,
So man fuͤr die beſte ſchaͤtzet,
Laſſet uns die Erde ſehn,
Nicht nach ihren Koͤnigreichen,
Laͤndern, Staͤdten, Fluͤſſ - und Teichen,
Sondern die Beſchaffenheit
Jhrer Groͤſſ’ und Feſtigkeit.
3.Daß, nebſt vielen andern Kreiſen,
Sie auch ein Planete ſey,
Stehet leichtlich zu erweiſen.
Denn ſie hat ſo mancherley
Eigenſchaften, Kraͤft’ und Gaben,
So die andern Jrrſtern’ haben.
Die ſind feſt und ſonder Licht;
Sie iſt dunkel, hart und dicht.
II. Theil. N4. Es1944.Es mag nicht geleugnet werden,
War auch ſchon den Alten kund,
Daß der groſſe Bau der Erden
Und ſein Klumpe Cirkel-rund.
Aus des Mondes Finſterniſſen
Kann man es handgreiflich ſchlieſſen,
Drin ſie nemlich bey der Nacht
Einen runden Schatten macht.
5.Hieraus dienet wol zu merken,
Daß des Hoͤchſten Wunder-Hand,
Wie in allen Seinen Werken
Unergruͤndlichen Verſtand,
Auch in dieſer Ruͤnde, zeiget.
Was vollkommen rund gebeuget,
Jſt, nach Ordnung der Natur,
Die vollkommenſte Figur.
6.Alle Teil’ in einem Kreiſe
Sind in einer gleichen Ruh,
Senken ſich auf gleiche Weiſe
Nach dem Mittel-Puncte zu,
Wodurch ſie einander nuͤtzen,
Sich zwar drengen, doch auch ſtuͤtzen,
Daß die groſſe Laſt der Welt
Sich ſo in ſich ſelber haͤlt.
7. Fer -1957.Ferner dienet dieſe Ruͤnde,
Daß, wenn etwa Meer und Flut
Aufgebracht durch Sturm und Winde,
Es viel minder Schaden thut;
Sondern es muß gleich mit Haufen
Von der runden Erde laufen,
Weil die Welt ſonſt von dem Meer
Schon vorlaͤngſt verſchlungen waͤr.
8.Nichts, als grauſer Berge Thuͤrme,
Wuͤrden nicht fuͤr Thier’ allein,
Auch fuͤr Menſchen, fuͤr Gewuͤrme,
Saͤmtlich unerſteiglich ſeyn,
Falls die Welt, wenn ihre Schwere,
Statt der Ruͤnde, winklich waͤre,
Ja ſie koͤnnte ſich nicht drehn,
Noch in gleicher Wage ſtehn.
9.Vier und funfzig hundert Meilen
Jſt der Umkreis unſ’rer Welt,
Der, wenn wir den Durchſchnitt teilen,
Siebzehn hundert zwanzig halt,
Die, vermehrt mit beyden Zalen,
Auf neun tauſend tauſend malen
Zwey mal hundert tauſend acht
Und noch achtzig tauſend macht.
N 210. Die -19610.Dieſes iſt der Erden Flaͤche
Groͤſſ’, und ihrer Meilen Zal.
Die begreifet Fluͤſſe, Baͤche,
Meere, Wuͤſten, Berge, Thal,
Jnſeln, Klippen, Aecker, Waͤlder,
Reiche, Staͤdte, Wieſen, Felder,
Das verbrannt - und kalte Land,
Was bekannt und unbekannt.
11.So groß iſt die aͤuſſ’re Seite
Unſ’rer Welt, wenn man ſie miſſt,
Welche bey der inn’ren Weite
Noch nicht zu vergleichen iſt.
Denn wenn ich die ganze Groͤſſe
Mit des Durchſchnitts Sechsteil meſſe,
Uebertrifft ſie jene Zahl
Noch viel tauſend tauſend mal.
12.Wenn die Ruͤnde dieſer Erden
Und die unter-ird’ſche Welt
Koͤnnte flach gemachet werden,
Zu Provinzen, Wald und Feld,
Und ſich deren Dick’ und Tiefe
Auf zwo Teutſche Meil beliefe;
So wuͤchſ’ ihre Groͤſſ’ und Zahl
Hundert drey und vierzig mal.
13. Jſt19713.Jſt es alſo zu erweiſen,
Daß der Bauch der Unter-Welt
Noch zu ſo viel Erden-Kreiſen
Raum in ſeiner Schoß enthaͤlt.
Wer begreift nun mit den Sinnen
Eigentlich des Raums von innen
Zuſtand und Beſchaffenheit,
Groͤſſe, Weit’ und Feſtigkeit?
14.Welcher Geiſt wird wol verſtehen,
Welcher Witz ermiſſt den Platz?
Welche Klugheit kann erſehen
Den daſelbſt verſchloſſ’nen Schatz?
Nein, kein Sterblicher ergruͤndet,
Was ſich da verdeckt befindet,
Und kein Menſch koͤmmt auf die Spur
Der verborgenen Natur.
15.Viele trachten zu verhelen,
Daß ſie nichts davon verſtehn;
Drum ſie freventlich erzaͤlen,
Laͤſtern, und ſich nicht entſehn,
Groͤblich ſo heraus zu plumpen:
Unſer Erd-Kreis ſey ein Klumpen,
Worin, auſſer Sand und Stein,
Nichts koͤnn’ anzutreffen ſeyn.
N 316. Da19816.Da doch bloß die aͤuſſ’re Rinde
(Weſſen man ſich auch vermiſſt)
Noch von keinem Menſchen-Kinde
Jemals durchgegraben iſt.
Keinem iſt es noch gelungen,
Daß er tiefer eingedrungen,
Als vielleicht zum halben Teil’
Einer Teutſchen Viertel-Meil.
17.Wollte man dem widerſprechen,
Weil ein Bergwerk tiefer geht;
Rechne man: daß von der Flaͤchen
Unſ’re Rechnung hier entſteht,
Und nicht von der Berge Gruͤnden:
Weil wir mehrenteils befinden,
Daß man nur Metalle graͤb’t,
Wo ſich ein Gebirg’ erheb’t.
18.Sehn wir alſo, daß die Gruͤfte,
Daß der allertief’ſte Schacht,
Daß der Hoͤlen Tief’ und Kluͤfte,
Die ſo wol der Menſch gemacht,
Als der ſelbſt zerborſt’nen Schluͤnde,
Von der Erden aͤufſ’rer Rinde
Nicht den zehn’den Theil durchdring’t,
Wie unglaublich es auch kling’t.
19. Denn19919.Denn wie wuͤrd’ es ſich doch ſchicken,
Wenn ein Fuͤrſt ſein Fuͤrſtlich Haus
Nur von auſſen wollte ſchmuͤcken,
Und nur Kot, Staub, Stein und Grauß
Jn die Zimmer tragen hieſſe,
Sie nicht ſeh’n noch brauchen lieſſe?
Eben ſo iſt es beſtellt
Mit der unterird’ſchen Welt.
20.Viel Verſtaͤndige vermeinen,
Daß wir einer innern Welt
Hol, wie uns die Himmel, ſcheinen:
Daß des Himmels holes Zelt
Oben ſo, wie unſer’ Erde,
Rund ſey und bewohnet werde,
Daß der Wechſel in die Hoͤh’
Jns unendliche geſcheh.
21.Daß der Schoͤpfer aller Sachen
Durch die wirkende Natur
Nichts vergebens wollen machen,
Zeiget jede Creatur;
Kann daher vom Grund der Erden
Feſtiglich bewieſen werden,
Daß ſie, wie die Ober-Welt,
Tauſend Wunder in ſich haͤlt.
N 422. Wie20022.Wie ich nun auf unſ’rer Flaͤche
Winde, Wolken, Regen, Schnee,
Seen, Felder, Berge, Baͤche,
Kraͤuter, Thier’ und Waͤlder ſeh;
So ſind in der Erden Rinden
Mit Verwund’rung auch zu finden
Gleichwie droben, Dunſt und Flut,
Ja ſo gar Blitz, Dampf und Gluht.
23.Hier ſind in der groͤſten Menge
Schwefel-Adern, Kieß, Metall,
Eiſen-Bley - und Kupfer-Gaͤnge,
Erz, Cinober, Berg-Kryſtall,
Marmor-Gruben, Silber-Minen,
Chryſolithen und Rubinen,
Bunte Steine, guͤld’ner Sand,
Ja Smaragd und Diamant.
24.Spalten, Gaͤnge, Hoͤlen, Gruͤfte
Bald von Erde, bald von Stein,
Schluͤnde, Loͤcher, Ritzen, Kluͤfte,
Welche teils verſchloſſen ſeyn,
Teils ſich bis zur Flaͤch’ erſtrecken,
Und ſich unſerm Aug’ entdecken,
Waſſer, das im Dunkeln flieſſt,
Und des Tages nie genieſſt.
25. Fluͤſ -20125.Fluͤſſe, die mit ſtarkem Sauſen,
Mit abſcheulicher Gewalt,
Und mit ſtuͤrmeriſchem Brauſen
Aus dem dunkeln Aufenthalt
Jhrer holen Schluͤnde ſchieſſen,
Wirbel, die im Cirkel flieſſen,
Deren Macht ſich drehend ſchwingt,
Und, was ſie beruͤhrt, verſchlingt.
26.Heiſſe Duͤnſte, dunk’le Flammen,
Feuriger verzehr’nder Duft,
So die Teilgen treibt zuſammen
Von der Schwefel-reichen Luft,
Und mit ſolcher Macht und Krachen
Dieſer Luft ſuch’t Luft zu machen,
Daß oft mancher Ort der Welt
Bricht und in den Abgrund faͤllt.
27.Da wann Gluht und Flut ſich miſchen,
Und aus deren Streit und Kampf
Mit ergrimmten Rauſchen ziſchen
Duͤnſte, Blaͤhungen und Dampf,
Sich ein Sturm und Wirbel zeuget,
Deſſen Wuͤten aufwaͤrts ſteiget,
Alles, was er trifft, verheert,
Und das unterſt’ oben kehrt.
N 528. Kurz,20228.Kurz, es iſt der Bauch der Erden
Ganz mit Wundern angefuͤllt,
Und kann nicht gezaͤlet werden,
Was ihr dunk’ler Schoß verhuͤllt.
Viele Weiſen, die drauf achten,
Und die Seltenheit betrachten,
Geben ganz erſtaunet fuͤr,
Sie ſey ein beſel’tes Thier.
29.Dem zu Folge ſie denn ſchlieſſen,
Dieſer Stroͤm’ und Qvellen Flut
Die ſich durch die Welt ergieſſen,
Sey des Erden-Coͤrpers Blut,
Welches in ſehr groſſer Menge
Durch die vielen Waſſer-Gaͤnge,
Als durch ſo viel Adern, dringt,
Und der Welt die Narung bringt.
30.Wie das Herz die lauen Saͤfte,
So ihm ſtetig eingefloͤſſ’t,
Durch uns unbekannte Kraͤfte
Bald empfaͤngt, bald von ſich ſtoͤſſ’t;
So ſey in des Meeres Gruͤnden
Solch ein Welt-Herz auch zu finden,
Das ſich eben ſo beweg’t,
Und uns Ebb’ und Flut erreg’t.
31. Jh -20331.Jhres Coͤrpers Fleiſch ſoll Leimen,
Jhre Knochen, Fels und Stein,
Und das Laub auf Straͤuch - und Baͤumen
Jhre Zier und Hare ſeyn,
Unſ’re Luft, die aus dem Boden
Stetig duftet, ſey ihr Oden,
Jhr Geſeufz ſey Sturm und Wind,
So man oft mit Furcht empfind’t.
32.Dieſ’ und andere Gedanken
Sind zwar Anfangs anzuſehn,
Als ob ſie aus allen Schranken
Der vernuͤnft’gen Schluͤſſe gehn,
Denn ſolch einer Laſt das Leben
Geiſt und Sinne zuzugeben,
Die todt ſcheint, wie Holz und Stein,
Scheinet laͤcherlich zu ſeyn.
33.Aber daß die Welt nicht gehet,
Daß ſie keine Schritte thut,
Daß ſie nicht auf Fuͤſſen ſtehet,
Daß ſie, wie es ſcheinet, ruht,
Und ihr ſeltenes Bewegen
Jſt dem Satze nicht zugegen,
Der ſo groſſe Kreis der Welt
Sey ein Thier, wie wir gemeld’t.
34. Kann20434.Kann man auch mit Recht verneinen,
Daß die Schnecke ſich nicht reg’t,
Ob ſie gleich ſich nicht mit Beinen,
Und faſt unvermerkt, beweg’t?
Allen Fiſchen fel’ts an Fuͤſſen;
Doch ſteht daraus nicht zu ſchlieſſen,
Daß ſie, weil ſie ſonder Bein,
Keine Thiere koͤnnen ſeyn.
35.Sollten wir, die wir die Erden
Voller Vorurteil beſehn,
Nicht betrogen koͤnnen werden,
Und im Urteil uns vergehn?
Bloß weil keiner je geſpuͤret,
Wie und wann die Welt ſich ruͤhret;
Folgern wir zum Tag’ hinein,
Sie muͤſſ’ unbeweglich ſeyn.
36.Gleich der Laus, ſo auf der Stirne,
Als auf einer Kugel, laͤuft,
Und die doch vom nahen Hirne
Das geringſte nicht begreift,
Sondern (falls ſie daͤchte) denket,
Daß nur ſie ſich reg’t und lenket,
Und das Haupt, wie wir die Welt,
Unbeweglich glaubt und haͤlt.
37. Da20537.Da doch gegen unſ’re Groͤſſe
Eine Laus noch nicht ſo klein,
Als wir armen Erden-Kloͤſſe
Gegen unſern Erd-Kreis ſeyn.
Sollten wir denn auch nicht koͤnnen
Uns vom Pfad der Wahrheit trennen,
Da wir wuͤrklich offt geirrt,
Wann der Zweifel uns verwirrt?
38.Koͤnnen wir den Sinnen trauen?
Muͤſſen wir uns oͤfters nicht
Vom Geruch betrogen ſchauen?
Triegt nicht oftmals das Geſicht?
Kann man es nicht klar beweiſen,
Wenn wir auf dem Waſſer reiſen?
Scheint’s nicht, daß wir ſtille ſtehn,
Und die Ufer ruͤckwaͤrts gehn?
39.Ein recht langſames Bewegen
Kann der Menſchen Aug nicht ſehn,
Und ein gar zu ſchnelles regen
Kann es gleichfals nicht verſtehn.
Laſſ’t (ein Beyſpiel beyzubringen)
Nur ein brennend Hoͤlzgen ſchwingen!
Wird der regen Spitze Schein
Nicht ein ſtiller Cirkel ſeyn?
40. Auch20640.Auch die ſchaͤrfſten Augenblicke
Koͤnnen nicht durch Coͤrper gehn,
Sondern prallen gleich zuruͤcke,
Weil ſie nur den Umkreis ſehn,
Ja, der Umkreis ſelbſt verſchwindet,
Und die ſeh’nde Kraft erblindet,
Wenn die Sonne ſich verhel’t,
Und ihr Glanz den Augen fel’t.
41.Aefft nicht oͤfters unſer’ Ohren
Ein Geraͤuſch, ein Wiederhall?
Wer die Daͤuung hat verloren,
Dem ſchmeckt Honigſeim wie Gall.
Wer mit einer Kugel ſpielet,
Und mit doppeln Fingern fuͤlet,
Lernt, da ihm deucht eins wie zwey,
Daß auch Fuͤlen truͤglich ſey.
42.Zeigen alſo unſ’re Sinnen,
Die nach aller Augenſchein
Unſers Witzes Lehrerinnen,
Des Verſtandes Meiſter, ſeyn,
Daß wir nicht einmal erleſen,
Auch des klein’ſten Koͤrnchens Weſen
Recht zu kennen, noch die Spur
Der drin wirkenden Natur.
43. Da20743.Da wir alles, was wir wiſſen,
Durch der Sinnen Sinnlichkeit
Faſſen und begreifen muͤſſen,
Wird man ohn Vermeſſenheit
Sich nicht unbetrieglich nennen,
Und ohnfehlbar ſchaͤtzen koͤnnen,
Sondern glauben, daß vom Schein
Wir leicht zu betriegen ſeyn.
44.Wer nun zweyerley Gedanken
Jn dergleichen Sachen heg’t,
Und in ihm ein ſtetes Wanken
Wechſels-weiſe ſich erreg’t,
Der wird weniger ja felen,
Solche Meynung zu erwaͤlen,
Die von GOttes Groͤſſ’ und Pracht
Jhm den groͤſten Eindruck macht.
45.Nun iſt ja nicht zu verneinen,
Falls man es recht uͤberleg’t,
Daß es groͤſſ’re Wunder ſcheinen,
Wenn man glaubet und erweg’t,
Daß GOtt ſolche groſſe Thiere
Hab’ erſchaffen und regiere,
Als wenn man den Kreis der Welt
Nur fuͤr einen Klumpen haͤlt.
46. Die -20846.Dieſes aber ausgeſetzet,
Laſſt uns etwas naͤher gehn,
Und, wie uns die Erd’ ergetzet
Und erhaͤlt, mit Ernſt beſehn,
Jhre Wirkungen betrachten,
Auf die Frucht und Nutzen achten,
Wie ſie uns die Koſt beſcher’t,
Uns erfreut, erqvickt und naͤhrt.
47.Wann des Himmels Samen flieſſet,
Und in ihren milden Schoß
Durch den Regen ſich ergieſſet;
Gruͤnet jeder Erden-Kloß.
Thal und Huͤgel, Wieſ’ und Anger
Wird durchs feuchte Feuer ſchwanger,
Und gebieret durch das Naß
Bluͤht’ und Fruͤchte, Laub und Gras.
48.Die gebaͤren nachmals wieder,
Wenn das Thier-Reich ſie verzehrt,
Aller Thier’ und Menſchen Glieder.
Jſt’s denn nicht der Muͤhe wehrt,
Dieſes Wunder zu erwaͤgen,
Wie durch Waͤrm’ und feuchten Regen
Aus der Erden unſ’re Koſt,
Ja ſelbſt Blut und Coͤrper, ſproſſ’t?
49. Soll -20949.Sollte man mit Recht nicht koͤnnen
Ochſen, Ziegen, Schaf’ und Kuͤh’
Oefen, welche wandeln, nennen,
Worin Gras, ohn’ unſ’re Muͤh’,
Zugerichtet uns zur Speiſe,
Welches ſonſt auf keine Weiſe,
Muͤh’te man ſich noch ſo ſehr,
Fuͤr uns Menſchen brauchbar waͤr?
50.Wird nicht durch des Schoͤpfers Guͤte
Unſer’ Erde wunderbar
Zweige, Knoſpen, Blaͤtter, Bluͤhte,
Frucht und Samen alle Jahr?
Thier’ und Menſchen zu ernaͤhren,
Muß die Erde ſtets gebaͤhren.
Sie verjuͤnget die Geſtalt;
Alles wird, nur ſie nicht, alt.
51.Auch die unfruchtbar’ſten Plaͤtze,
Ja die dick’ſte Wuͤſteney
Zeigen durch verborg’ne Schaͤtze,
Daß ſie unerſchoͤpflich ſey,
Jhre Guͤter uns zu geben.
Waͤrme, Fruchtbarkeit und Leben
Zieht ſie aus der Sonnen Gluht,
Etwa wie ein Schwamm die Flut.
II. Theil. O52. Wer21052.Wer erſtaun’t nicht fuͤr Ergetzen,
Wer verſtummet nicht fuͤr Luſt
Bey der Erden Fruͤhlings-Schaͤtzen?
Schein’t nicht unſer Herz und Bruſt
Sich fuͤr Wolluſt aufzublaͤhen,
Wann wir riechen, ſchmecken, ſehen,
Wie aus ſchlechtem Staub und Kieß
Bluͤhte, Frucht und Laub entſprieß?
53.Wer begreift der Erden Kraͤfte,
Wer kann doch die Ahrt verſtehn,
Wie dergleichen Wunder-Saͤfte
Durch ſo kleine Roͤhrchen gehn,
Durch ſo duͤnne Stengel ſteigen,
Solche ſchoͤne Farben zeugen,
Drob das Herz recht wird entzuͤckt,
Wenn man ihren Schmuck erblickt?
54.Was nun ihr uhrſpruͤnglich Weſen
Und den erſten Zeug angeht,
Jſt wol keiner ſo beleſen
Und ſo klug, der recht verſteht,
Wie der wahre Stoff der Erden
Kann und muß begriffen werden.
Keiner weiß, begreift und kennt
Die Natur im Element.
55. Den -21155.Dennoch, wann ichs recht beſehe,
Scheinet dieſes wahr zu ſeyn,
Daß ein Element beſtehe
Nicht aus einem Zeug’ allein,
Sondern aus den dreyen Gruͤnden,
So in der Natur zu finden,
Die ein Weiſer kennen muß,
Schwefel, Salz, Mercurius.
56.Schwefel iſt ein feurigs Weſen,
Voller Luft und Fettigkeit,
Deſſen Tugend auserleſen
Herrlich von Beſchaffenheit.
Dieſer wirket unaufhoͤrlich,
Weil ſein Balſam unzerſtoͤrlich,
Deſſen Same, wenn er reift,
Leben, Waͤrm’ und Licht begreift.
57.Dieſe Waͤrme, Licht und Leben,
Welche jeder Creatur
Jhre Daur und Weſen geben,
Sind das Werkzeug der Natur,
Sind die Selen aller Kraͤfte,
Sind die Flammen-reichen. Saͤfte,
Deren unſichtbare Gluht
Ewig wirket, nimmer ruht.
O 258. Daß21258.Daß nun dieſer Schatz beſtehe,
Und die feurige Natur
Nicht verbrenne, nicht vergehe;
Naͤhr’t der kraͤftige Mercur
Die ſonſt Nahrungs-loſen Flammen.
Sind ſie alſo ſtets zuſammen,
Und ihr unaufloͤſlichs Band
Mildert den zu ſtarken Brand.
59.Dieſe, der geſchaff’nen Dinge,
Eingepflanzte Feuchtigkeit
Jſt, daß ſie durch alles dringe,
Aus dem erſten Stoff bereit’t,
Und die Lebens-vollen Saͤfte
Hegen ſo vollkomm’ne Kraͤfte,
Daß ſie jedes Weſen traͤn’kt,
Und ihm reiche Nahrung ſchenk’t.
60.So die eingebohrnen Flammen,
Als den wurzelichten Saft
Haͤlt mit feſtem Leim zuſammen
Des geſchaff’nen Salzes Kraft,
Deſſen trocknes Wunder-Weſen
Nur allein dazu erleſen,
Daß es Gluht, Flut, warm und kalt
Unzertrenn’t zuſammen halt’.
61. Durch21361.Durch dieß Salz beſteht und waͤhret,
Was der Schwefel zeug’t und macht,
Und Mercur erqvickt und naͤhret.
Alles, was hervor gebracht,
Koͤnnte ferner nicht beſtehen,
Sondern muͤſte gleich vergehen,
Buͤnd’ dieß Trockne der Natur
Nicht den Schwefel und Mercur.
62.Dieſe ſind der Zeug der Sachen,
Draus Natur, der Geiſt des Lichts
Alle Dinge weiß zu machen.
Nichts wuͤrd’; alles wuͤrde nichts,
Waͤren Waſſer, Salz und Flammen
Nicht ſtets unzertrennt zuſammen.
Daß, was iſt, beſtaͤndig ſey,
Macht dieß ſtets vereinte Drey.
63.Aber das muß von der Erden,
Die man ſehn und fuͤlen kann,
Nicht ſo roh verſtanden werden.
Jn derſelben findet man
Dieſen Balſam eingepraͤget,
Den ſie als Behalter heget,
Da die Theilchen nichts ſonſt ſeyn,
Als ein klein zerrieb’ner Stein.
O 364. Die21464.Die ſich Wunder-wuͤrdig fuͤgen,
Und ſehr enge, dicht und feſt
Oefters auf einander liegen,
Von dem innern Geiſt gepreſſt.
Wann die Winkel und die Ecken
An und in einander ſtecken,
Stamm’t aus der Beſchaffenheit
Aller Coͤrper Feſtigkeit.
65.Tauſend Bildungen zu nemen,
Die man fuͤlet und erblickt,
Sich zu allem zu beqvemen,
Jſt der Erden Stoff geſchickt.
Hundert-tauſend-fach geſtaltet,
Bald verjuͤnget, bald veraltet,
Bald getrennet, bald vereint,
Daß er recht ein Proteus ſcheint.
66.Was wir Elemente nennen,
Wird aus dieſer Qvell’ erzeugt,
Und man wird nicht leugnen koͤnnen,
(Ob das Anſehn gleich betreugt)
Wenn ſie recht betrachtet werden,
Dieſer wahre Stoff der Erden
Sey ein Salz, worin die Gluht
Untermiſcht iſt mit der Flut.
67. Ob21567.Ob gleich Salz die erſte Stelle
Jn der Erden Coͤrper hat,
Und was feucht iſt oder helle
Nach ihm in geringerm Grad;
Senket dennoch Feu’r und Waſſer,
Da das heiſſer, dieſes naſſer,
So wie ſie vermiſchet ſeyn,
Jhr den rein’ſten Samen ein.
68.Dieſer Same, der ſich floͤſſet,
Und in Schoß der Erden faͤllt,
Wo ihn koch’t und fortwaͤrts ſtoͤſſet
Der erwaͤrmn’de Geiſt der Welt,
Daß er aufwaͤrts auf der Erde
Ein beſond’rer Coͤrper werde,
Zeuget alles, was entſteht,
Waͤchſet, dauret und vergeht.
69.Wie das aber recht geſchehe,
Sieht man zwar, doch faſſt man’s nicht.
Jch aufs wenigſte geſtehe,
Daß mir hier die Kraft gebricht,
Und will lieber dieß bekennen,
Als mich von der Wahrheit trennen,
Und aus Stolz und Eitelkeit
Suchen falſche Dunkelheit.
O 470. Alſo21670.Alſo haben wir beſehen,
Und, ſo weit es ſich erſtreckt,
Unſ’rer Erde Tief - und Hoͤhen,
Stand und Eigenſchaft entdeckt.
Da nun alle Erden-Kloͤſſe
Von des Schoͤpfers Wunder-Groͤſſe
Unzaͤlbare Zeugen ſeyn;
Laſſet auch uns Seiner freu’n!
71.Wenn wir auf die Erde treten,
Wenn ihr feſter Grund uns traͤg’t,
Wird, den Schoͤpfer anzubeten,
Unfer Geiſt mit Recht beweg’t,
Da er folgend Lied erfindet:
GOtt der Du die Welt gegruͤndet,
So lang’ Erd’ und Himmel ſteht,
Sey Dein ew’ger Nam’ erhoͤht!
72.Denn das ganze Rund der Erden
Koͤnnt’ ohn’ ihre Feſtigkeit
Nicht von uns bewohnet werden.
Ohne die Beſchaffenheit
Muͤſten wir zu Grunde ſinken,
Ja im Kot und Schlamm ertrinken,
Da wir nun auf ihren Hoͤh’n
Ohn Gefahr und Sorgen geh’n.
73. Waͤre21773.Waͤre ſie zu feſt hingegen,
Und nicht koͤrnigt, feucht und naß;
Wuͤchſen, ſolcher Haͤrte wegen,
Weder Baͤume, Laub noch Gras.
Was da leb’te, muͤſte ſterben,
Pflanzen, Thier und Menſch verderben.
Nemet denn mit Dank in Acht
Unſers Schoͤpfers weiſe Macht!
74.Sprich, verwildertes Gemuͤte,
Koͤmmt dieß alles ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens, her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht einmal, daß man ſie merke?
Wer’s Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht.
Die Luft.
1.Sehen wir der duͤnnen Luͤfte
Groſſen Kreis und weite Bahn
Samt dem Weſen dieſer Duͤfte
Mit Verſtand und Sinnen an;
Spuͤr’t ein reges Herz aufs neue,
Wie ſich recht die Sele freue,
Weil ſie drin, fuͤr Luſt entzuͤckt,
GOtt unſichtbarlich erblickt.
2.Dieſer unumſchrenkten Weite
Grenzen-loſem Wunder-Reich,
Dieſer Hoͤhe, Groͤſſ’ und Breite
Jſt kein’ ird’ſche Groͤſſe gleich,
Weil ſie alle Dinge fuͤllet,
Deck’t, umgibet und umhuͤllet,
Ja den ganzen Kreis der Welt,
Wie das Meer ein Fiſchlein, haͤlt.
3.Jhre Kraft, wie ſchwach ſie ſcheinet,
Jſt dennoch unendlich groß,
Da ſie Felſen ſelbſt entſteinet
Ohne Schlag und ohne Stoß.
Stal wird durch die Luft zerriſſen;
Marmor wie ein Kleid verſchliſſen,
Und ſie heiſſt mit Billigkeit
Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.
4. Und2364.Und dennoch ſind ihre Teile
So behende, duͤnn’ und klein,
Daß, wie ſcharf der Augen Pfeile,
Sie doch nicht zu treffen ſeyn.
Ob ſie gleich rings um uns ſpielen,
Kann man ſie gleichwol nicht fuͤlen,
So daß zwiſchen Leib und Geiſt
Sie vielleicht ein Mittel heiſſt.
5.Jhrer Groͤſſe unerachtet
Schein’t ſie dennoch unſichtbar.
Wie genau man ſie betrachtet,
Wird man ihrer kaum gewahr.
Dieß kann uns zur Lehre dienen,
Wenn wir uns ſo oft erkuͤnen,
Alle Dinge zu verſtehn,
Da wir doch ſo wenig ſehn.
6.Wenn die Luͤfte duͤnner waͤren;
Koͤnnt’ die Duͤnn - und Seltenheit
Unſ’re Lunge nicht ernaͤhren
Durch die linde Feuchtigkeit.
Koͤnnte ſie ſich ſehr verdicken,
Muͤſten Vieh und Menſchen ſticken,
Ja der Sonnen Lebens-Schein
Wuͤrd’ uns dann geraubet ſeyn.
7. Den -2377.Dennoch kann man deutlich weiſen,
Daß derſelben Eigenſchaft
Jn den ausgedehnten Kreiſen
Aller ird’ſchen Coͤrper Kraft,
Daß das Weſen aller Luͤfte
Bloß aus Erd’ und Waſſer duͤfte:
Daß ſie von ſo mancherley
Ein Geruch und Ausfluß ſey.
8.Worin Thier’ und Menſchen leben,
Der, was ahtmet auf der Welt,
Naͤhrt, erfriſchet und darneben
Deck’t, erfuͤllet und erhaͤlt.
Gar kein Feuer koͤnnte brennen,
Nichts wuͤrd’ einer hoͤren koͤnnen,
Naͤhrte nicht ſo Ton als Gluht
Unſ’rer Luͤfte zarte Flut.
9.Wie man ſolches klaͤrlich ſiehet,
Wenn man ſie von einem Ort
Durch die Luft-Pump’ auswaͤrts ziehet,
Daß die Flammen alſofort
Loͤſchen, ſchwinden und vergehen.
Gleichfalls kann kein Ton entſtehen
Fuͤr das Menſchliche Gehoͤr,
Wenn ein Ort von Luͤften leer.
10. Die -23810.Dieſes Wunder muß vor allen
Wol erweg’t ſeyn und bedacht.
Aller Stimmen Saiten ſchallen,
Aller Toͤne ſuͤſſe Macht
Werden in der Luft erzeuget,
Wenn ſie ſich in Cirkeln beuget,
Und wie ſich ein Waſſer ruͤhrt,
So den Klang zum Ohre fuͤhrt.
11.Wer kann dieſes Wunder faſſen,
Daß ſich einer Stimme Klang
So gar oft muß teilen laſſen,
Da ein Woͤrtgen, ein Geſang
Dergeſtalt die Luft erreget,
Daß ſie wallend ſich beweget,
Und viel tauſend Ohren fuͤllt,
Was aus einem Munde qvillt.
12.Wie ein Prediger mit Worten
So die Luͤfte treiben kann,
Daß, an vielen tauſend Orten
Von viel tauſend, jedermann
Sein ganz Wort zugleich empfindet;
Hat kein Menſch annoch ergruͤndet.
Nur ſo viel kann man verſtehn;
Durch die Luft muß es geſchehn.
13. Wenn23913.Wenn ich dieſes uͤberlege,
Was fuͤr ungemeine Kraft
Unſer Luft-Kreis in ſich hege,
Und wie aller Pflanzen Saft,
Wie die Teil’ aus allen Dingen
Sich beſtaͤndig aufwaͤrts ſchwingen,
Und in Luft verwandelt ſeyn;
Nimmt mich ein Erſtaunen ein.
14.Was wird nicht durch Gluht und Flammen
Jn die Luft hinein geſchickt?
Wenn ein Holz-Stoß faͤllt zuſammen,
Wird nur wenig Aſch’ erblickt.
Alles and’re wird verſtaͤubet,
Und dem Luft-Kreiſ’ einverleibet.
Alles, was der Brand verzehrt,
Wird durch Rauch in Luft verkehrt.
15.Kurz, faſt alles, was entſtehet,
Stammet aus der Luͤfte Reich,
Und faſt alles, was vergehet,
Senkt ſich wiederum ſo gleich
Jn derſelben weiten Schluͤnden.
Welcher Menſch kann nun ergruͤnden,
Welch ein Schatz, wie vielerley
Jn der Luft verborgen ſey?
16. Es24016.Es vereint ſich und verbindet
Mit der all durchgeh’nden Luft,
Was man auf der Erde findet.
Aller Coͤrper Dunſt und Duft,
Die ſich, wenn ſie etwa brennen
Oder faulen, alsbald trennen,
Steigen in die Luft hinein,
Um mit ihr vereint zu ſeyn.
17.Duͤnſte, die aus groſſen Seen,
Aus Moraſten, aus dem Meer,
Oder aus der Erd’ entſtehen,
Laſſen nie den Luft-Kreis leer.
Auch nebſt des Salpeters Teilen
Sieht man Schwefel aufwaͤrts eilen.
Alles, was man Coͤrper heiſſt,
Zinſ’t dem Luft-Kreis ſeinen Geiſt.
18.Jſt demnach der Kreis der Luͤfte
Aller ird’ſchen Saͤfte Schatz,
Und der allgemeinen Duͤfte
Ungemeſſ’ner Sammel-Platz.
Suͤſſe, ſcharf’ und bitt’re Saͤfte,
Saur’ und ſalzig-fette Kraͤfte
Stecken in den duͤnnen Hoͤh’n,
Die zwar groß, doch nicht zu ſehn.
19. Hier24119.Hier ein Beyſpiel von zu geben,
Was fuͤr viele Coͤrperlein
Muͤſſen in den Luͤften ſchweben,
Die uns unbegreiflich ſeyn?
Und die dennoch von den Hunden
Wunder-wuͤrdig ſind empfunden.
Nimmer traͤfen ſie die Spur,
Thaͤt’ es nicht der Luft Natur.
20.Daß die Luft, die uns umringet,
Und nur ein Geruch der Welt,
Uns nicht durch die Naſe dringet,
Uns nicht in die Sinne faͤllt,
Kommt daher, weil gleich auf Erden
Wir der Luft gewohnt ſchon werden;
Weil man ſie ſogleich empfind’t,
Wenn wir kaum gebohren ſind.
21.Sie wirk’t in den Elementen
Mit ſo ſonderbarer Kraft,
Daß ſie nicht beſtehen koͤnnten
Sonder ihrem Lebens-Saft.
Waſſer faul’t, die Erde ſchwindet,
Wenn nicht jedes Luft empfindet.
Sie verlieren alſobald
Fruchtbarkeit, Kraft und Geſtalt.
II. Theil. Q22. Was24222.Was ſich aber ſonſt aus Dingen,
Welche riechen, aufwaͤrts drengt,
Und auf unſichtbaren Schwingen
Sich mit unſ’rer Luft vermengt,
Wird ſo bald von uns verſpuͤret,
Als es unſ’re Naſe ruͤhret,
Die die Suͤſſ - und Bitterkeit
Wunderbarlich unterſcheid’t.
23.Alle Luft, die um uns ſchwebet,
Jſt zwar leib - und coͤrperlich,
Doch ſehr duͤnn und zart gewebet,
Und ihr Weſen dehnet ſich.
So hieß GOTT ſie ſich bereiten,
Daß ſie, ſtark ſich auszubreiten
Und zu ſpannen waͤr’ geſchickt,
Sich verduͤnnet’ und verdickt’.
24.Wann ſie Waͤrm’ und Hitze ſpuͤret,
Spann’t ſie ſich, und wird verduͤnn’t:
Jſt es aber kalt und frieret;
Wird, was ausgedehnt, geſchwind
Wieder in ſich ſelbſt gedruͤcket,
Stark gedrenget und verdicket.
Hat ſie alſo, wenn es kalt,
Einen kleinern Aufenthalt.
25. Wun -24325.Wunderbarlich iſt ihr Weſen,
Wenn man recht mit Ernſt bedenk’t,
Was wir von ihr ſehn und leſen.
So wann ſie uneingeſchrenk’t,
Als auch wann ſie in der Enge,
Sieht man an der Teilchen Menge
Eine ſonderbare Spur
Jhres Weſens und Natur.
26.Wenn man Luft in ein Gefaͤſſe
Von Metall, das ſtark und feſt,
Von geraumer Maſſ’ und Groͤſſe
Durch ein Werkzeug drengt und preſſt,
Laͤſſt ſie ſich ſo feſte druͤcken,
Und ſo wunderbar verdicken,
Daß ſie fuͤhlbar, und ſo dicht,
Als ein Waſſer am Gewicht.
27.Da ein Koͤrnchen Luft hingegen
Jm Gefaͤß, das ausgeleert,
Durch ein wunderbar Bewegen
Sich viel tauſendfach vermehrt,
Und ſich rings auf allen Seiten
Unvermerkt weiß auszubreiten,
Daß es tauſendmal ſo klein,
Ja ein nichts faſt, ſchein’t zu ſeyn.
Q 228. Alle24428.Alle Luft, die uns umſchrenket
Und den Erden-Kreis umfaſſt,
Da ſie ſich ſtets abwaͤrts ſenket,
Druͤck’t ſich ſelbſt durch eig’ne Laſt.
Daher wird durch ihr Gewichte
Unſ’re nied’re Luft ſo dichte,
Daß ſie leicht die ob’re traͤg’t,
Der ſie ſich zum Grunde leg’t.
29.Wie man denn gar deutlich ſpuͤret,
Daß die Luft auf allen Hoͤh’n
Jhre Schwere gleich verlieret.
Wenn wir auf Gebirgen ſteh’n,
Kann kaum unſ’re Lung’ und Magen
Solche duͤnne Luft vertragen.
So ſchnell, ja faſt ſichtbarlich,
Aendert unſer Luft-Kreis ſich.
30.Kann man alſo leicht erweiſen,
Daß die Luft nicht einerley,
Sondern in verſchied’nen Kreiſen
Gleichſam abgeſondert ſey.
Wie denn dieß die Wolken zeigen,
Die bald ſinken und bald ſteigen,
Bloß nachdem ſie duͤnn’ und feucht,
Frey, gepreſſet, ſchwer und leicht.
31. Wel -24531.Welches nicht geſchehen wuͤrde,
Wenn die Luft ſtets leicht, ſtets ſchwer
Und in allzeit gleicher Buͤrde
Jedes Orts verteilet waͤr’.
Alle muͤſten auf uns liegen,
Oder ſaͤmtlich aufwaͤrts fliegen,
Wie nichts ſtill im Waſſer bleib’t,
Sondern ſinket oder treib’t.
32.Dieſer Nutz iſt unbeſchreiblich.
Fiel der Wolken Laſt herab;
Fuͤnden wir unhintertreiblich
Ein beeiſ’tes ploͤtzlichs Grab
Jn derſelben Eingeweide.
Baͤume, Felſen und Gebaͤude
Wuͤrden unter ſich gedruͤckt,
Und was lebte wuͤrd’ erſtickt.
33.Da der weiſe GOTT hingegen
Durch die Luft ſie droben haͤlt,
Daß ihr Leib allein im Regen,
Und zwar troͤpfelnd, abwaͤrts faͤllt,
Und die Welt nicht uͤberſchwemmet.
Durch die Luft wird auch gehemmet,
Daß ſie uns nicht naͤher ſtehn,
Sonſt muͤſt’ man fuͤr Froſt vergehn.
Q 334. Denn24634.Denn die Wolken ſind gezeuget
Bloß aus einem Duft, der friert,
Wenn er maͤlich aufwaͤrts ſteiget,
Und ſolch eine Hoͤh’ beruͤhr’t,
Wo die Waͤrme von der Erden
Nicht mehr kann empfunden werden,
Und der Stralen Gegenſchlag
Sie nicht mehr erreichen mag.
35.Alsdann werden augenblicklich
Jhre Teilchen Schnee und Eis,
Welche denn die Luft geſchicklich
Traͤg’t und ſie zu ſtuͤtzen weiß,
Weil ſie ſie erfuͤll’t, umringet,
Jhren lockern Leib durchdringet,
Daß die Wolke droben bleibt,
Wie ein Rohr im Waſſer treibt.
36.Bis ſie endlich ſich verdicket,
Wenn ſich Flock’ auf Flocken leg’t,
Da, von eig’ner Laſt gedruͤcket,
Sie zuletzt zu ſinken pfleg’t,
Und der Waͤrme Widerprallen
Sie zerſchmelzt im Niederfallen,
Daß ſie wieder auf die Welt
Tropfen-weiſ’ herunter faͤllt.
37. Wel -24737.Welche Tropfen oftmal frieren,
Nemlich dann wenn Blitz und Hitz
Mit zu ſtarkem Stral beruͤhren
Einer Wolken ob’re Spitz’,
Alsdenn ſchmilzt das Eis; hingegen
Wird der ſchon formir’te Regen
Durch der Luͤfte kalten Kreis
Jn den Schloſſen wieder Eis.
38.Ferner muß man nicht verſchweigen,
Was wir mehr in Luͤften ſeh’n,
Wie ſich Thau und Nebel zeugen,
Wie ſie uns zum Nutz entſtehn.
Dieſes recht zu uͤberlegen,
Muß man dieß erſt wol erwaͤgen:
Hitze, Kaͤlt’ und Feuchtigkeit
Steh’n, um Ruhe, ſtets im Streit.
39.Ob ſie noch ſo widrig ſcheinen;
Sucht doch dieſe fort und fort
Sich mit jener zu vereinen
Durch des Hoͤchſten Wunder-Wort,
Und aus dieſem Triebe ſtammen
Die Bewegungen zuſammen,
Aller Witt’rung Unterſcheid
Und derſelben Fruchtbarkeit.
Q 440. Denn24840.Denn wenn Flut und Erde gluͤhet
Durch der Sonnen Lebens-Stral,
Und die Sonne ſich entziehet;
Wird der Luft-Kreis allemal
Kaͤlter als der Kreis der Erden:
Um nun gleich gemiſcht zu werden;
Steig’t die Hitz’ aus Erd’ und See
Alsbald wieder in die Hoͤh’.
41.Daher wir die Nebel-Duͤfte
Meiſt im Herbſt und Winter ſeh’n,
Als die nimmer, wenn die Luͤfte
Waͤrmer werden, auch entſtehn,
Sondern, wie mans taͤglich lernet,
Denn wenn ſich die Sonn’ entfernet,
Da ſodann ſo Waͤrm’ als Licht
Alſobald der Luft gebricht.
42.Ferner, wie wir’s innen werden,
Druckt die Luft nicht ſich allein
Sondern alle Ding’ auf Erden,
Die ihr unterworfen ſeyn,
Und zwar dieß mit ſolcher Buͤrde,
Wie ein Waſſer drucken wuͤrde,
Welches zwanzig Ellen tief,
Wenn es uͤber etwas lief.
43. Daß24943.Daß wir aber dieß nicht ſpuͤren
Und empfinden, kommt daher,
Daß die Luͤfte, die uns ruͤren,
Allenthalben gleiche ſchwer,
Daß ſie uns nicht nur umringen,
Sondern ſelber durch uns dringen,
So daß, wenn mans recht erwegt,
Eine Luft die and’re traͤgt.
44.Wie kein Fiſch im Meer erſticket,
Ob ihn gleich der Wellen Laſt
Unaufhoͤrlich preſt und druͤcket:
Dann weil ſie ihn rings umfaſt,
Kann er auch in tiefſten Gruͤnden
Kein zu ſchwer Gewicht empfinden;
Denn der Druck im Waſſer-Reich
Jſt von allen Seiten gleich.
45.Dennoch iſt die Laſt der Luͤfte
Allemahl nicht gleiche ſchwer.
Sondern, wenn die naſſen Duͤfte
Von den Feuchtigkeiten leer.
Wenn die Welt vom Regen feuchte,
Wird ſodann der Luft-Kreiß leichte,
Und die Erde traͤgt und faſſt
Einen Theil von ihrer Laſt.
Q 546. Doch25046.Doch ſpuͤrt man auch nach dem Regen,
Daß ſie ſich noch abwerts ſenkt,
Weil ſonſt durch der Welt Bewegen,
Die ſich ſtets im Cirkel lenkt,
Sie bald wuͤrde von uns fliehen,
Und ſich in die Hoͤhe ziehen,
Drum ſchafft GOTTES weiſe Kraft,
Daß ſie ſtetig an uus hafft.
47.Druͤckt ſie alſo und umringet,
Wie den Erd-Kreiß, auch die Fluht.
Daß ſie aber nicht durchdringet,
Sondern gleichſam auf ſie ruht,
Kommt, daß dieſe dicht und feuchter,
Da die Luft ſo duͤnn - als leichter,
Drum ſie ſie zwar ſanfte drengt,
Doch ſich nicht mit ihr vermengt.
48.Wie ſich nun die Erde ruͤhret,
Und ſich Jaͤhr - und taͤglich dreht,
Wird die Luft auch umgefuͤhret,
Daß ſie nimmer auht noch ſteht:
Drum die Welt, die ſie bedecket,
Als in einer Schale ſtecket,
Welche Schal’ in einem Stuͤck,
Bis auf ſieben Meilen dick.
49. Wel -25149.Welches klaͤrlich zu erſehen
An der Daͤmm’rung Schimmer-Licht.
Denn die koͤnte nicht entſtehen,
Stieß der Stral der Sonne nicht
Auf des Luft-Leib’s aͤuſſ’re Graͤnzen,
Die denn widerprallend glaͤnzen:
Welches fruͤher wuͤrd’ geſchehn,
Wenn die Luft ſolt’ hoͤher ſtehn.
50.Ja, wenn ſie nur zwanzig Meilen
Hoͤher, als ſie itzt iſt, waͤr;
Waͤr von allen Erden-Teilen
Keiner je von Daͤmm’rung leer.
Denn das Licht wuͤrd’ an ſie prallen,
Und drauf wieder abwaͤrts fallen;
Aber ohne Gegenſtand
Sieht man nicht der Sonnen Brand.
51.Daß auch in der Luͤfte Kreiſe
Ein beſtaͤndig Feuer brennt,
Zeiget auf beſond’re Weiſe
Folgendes Experiment:
Wenn man in ein hol Gefaͤſſe,
Dran ein Hals von kleiner Groͤſſe,
Nur ein Licht von unten haͤlt,
Und es dann aufs Waſſer ſtellt;
52. Hoͤr’t25252.Hoͤr’t das Licht bald auf zu brennen.
Wenn wir durch ein krummes Rohr
Und den Blas-Balg Luft ihm goͤnnen,
Brennt es aber nach wie vor:
Doch erliſchet es zur Stunde,
Wenn man Luft aus unſerm Munde,
Die ſchon in der Lung’ geweſt,
Jn dieſelbe Roͤhre blaͤſ’t.
53.Hieraus ſcheinet nun zu flieſſen,
Und, weils die Erfahrung lehrt,
Kann man draus ganz deutlich ſchlieſſen,
Daß die Luft, die uns genaͤhrt,
Durch die Lunge das verlieret,
Was dem Feu’r zur Koſt gebuͤret,
Und daß von der Luft das Blut
Eben das braucht, was die Gluht.
54.Nun in dieſer Luͤfte Kreiſe,
Den man Atmosphera nennt,
Leb’t auf wunderbare Weiſe
Alles, was man ſieht und kennt.
Auſſer ihr muͤſt’ alles ſterben:
Alles wuͤrde ſchnell verderben,
Das ſich nun durch ſie erhaͤlt.
Sie iſt bloß der Geiſt der Welt.
55. Durch25355.Durch ſie ſchwinget ſich und ſchwebet
Jeder Vogel in der Hoͤh.
Was der Sonnen Stral erhebet
Von der Erd’ und aus der See,
Wird von ihr, als wie im Wagen,
Rings um unſ’re Welt getragen.
Was die Fruchtbarkeit gebiert,
Wird in ihr herum gefuͤhrt.
56.Sie erhaͤlt die Lebens-Flamme,
Die in unſerm Blute brennt.
Sie wird wol mit Recht die Amme
Unſ’rer innern Waͤrm’ genennt,
Ja man ſieht, wie ſie die Fiſche
Und die Pflanzen ſelbſt erfriſche,
Welche durch ihr loͤchricht Gruͤn
Atem, wie die Tiere, ziehn.
57.Luft iſt faͤhig anzunemen
Licht und Toͤne, ja ſie kann
Sich zu Hitz’ und Froſt beqvemen,
Gluht und Waſſer nimmt ſie an.
Der Geruch aus allen Dingen
Kann in ihr ſich aufwaͤrts ſchwingen,
Und es draͤnget ihr Gewicht
Ueber ſich Rauch, Flamm’ und Licht,
58. Wel -25458.Welche ſtets von ihr umgeben,
Rings umher gedrenget ſind:
Wie ſich Waſſer-Blaſen heben,
Nicht nur durch den innern Wind;
Sondern weilen ihre Leichte
An des Waſſers Laſt nicht reichte,
Druͤckt die Flut ſie heftiglich
Allenthalben uͤber ſich.
59.Wann die Sonn’ uns nahe ſtehet,
Wird ſie warm, erhitzt, geſchwuͤl:
Wann der Wind hingegen wehet,
Wird ſie alsbald wieder kuͤl,
Wie man oft mit Schmerzen lernet,
Falls die Sonne ſich entfernet,
Daß die Luft, wenn ſie verdickt,
Uns beſchweret, ſticht und druͤckt.
60.Aber, kehrt die Sonne wieder;
Aendert ſich ſo gleich die Luft:
Gleich empfinden unſ’re Glieder,
Wie derſelben lauer Duft
Uns mit ſuͤſſem Hauchen ſtreichelt,
Uns mit ſanftem Saͤuſeln ſchmeichelt,
Die zu ſtarke Hitze kuͤl’t,
Und, wie Wellen, um uns ſpielt.
61. Wol -25561.Wollen wir nun nach den Gruͤnden
Der Chymie die Luft beſehn;
So wird ſich gar deutlich finden,
Sie muß hieraus meiſt beſtehn:
Jhr unfuͤlbar-duͤnner Schleyer
Heget Feuchtigkeit und Feuer.
Jſt alſo der Luft Natur,
Etwas Schwefel und Mercur.
62.Ferner hat man zu erwegen,
Wie die Luͤfte durch den Wind
Solch ein unſchaͤtzbarer Segen
Kraͤutern, Thier - und Menſchen ſind.
Durch die Winde werden droben
Alle Wolken fortgeſchoben,
Wodurch in der ganzen Welt
Allenthalben Regen faͤllt.
63.Durch die Winde ſind die Luͤfte
Ohne Faͤulniß ſtets beweg’t
Und gereiniget vom Gifte,
Der ſich drin zu ſammlen pfleg’t.
Durch die Wind’ und durch die Blitze
Wird die gar zu groſſe Hitze,
Die man oft im Sommer fuͤl’t,
Ausgedehnt und abgekuͤl’t.
64. Durch25664.Durch die Winde ſind die Kraͤfte,
Die der Kreis der Luft begreift,
Und die Lebens-Balſam-Saͤfte,
Wenn ſie ſich durch ihn gehaͤuft,
Jn die Coͤrper eingetrieben;
Welche ſonſt unfruchtbar blieben.
Keine reiche Erndt’ entſteh’t,
Wenn die Winde nicht geweh’t.
65.Keine Handlung koͤnnte bleiben;
Keine Schiffahrt vor ſich gehn,
Deren Nutz nicht zu beſchreiben,
Wie ein jeder muß geſtehn.
Trieben nicht der Winde Kraͤfte
Dieß ſo noͤtige Geſchaͤffte,
Wie ſo manches ſchoͤne Land
Waͤr’ uns ewig unbekannt?
66.Alle Vorteil ſind unglaͤublich,
Die man durch den Wind verſpuͤr’t.
Jſt der Nutz nicht unbeſchreiblich,
Wenn er Waſſer aufwaͤrts fuͤhrt?
Wenn er Muͤlen-Raͤder treibet?
Laͤnder trocknet? Korn zerreibet?
Tuͤcher ſtampfet? Holz und Stein
Schneiden uns die Winde klein.
67. Frag’t25767.Frag’t man nun: was ſind die Winde,
Und wo kommen ſie doch her?
So bekenn’ ich, daß die Gruͤnde
Des Beweiſes etwas ſchwer.
Denn die meiſten ſind gebrechlich:
Doch dieß iſt unwiderſprechlich,
Daß die Winde bloß allein
Unſ’rer Luft Bewegung ſeyn.
68.Welche durch der Sonnen Stralen
Oft gedehnet, oft gedruͤckt,
Oft geſpannet, oftermalen
Duͤnn gemachet, oft verdickt.
Wechſelt dieſes nun gelinde;
So entſteh’n gemeine Winde:
Aber wenn ein Sturm ſich reg’t,
Schein’t die Luft, wie folgt, beweg’t.
69.Glaublich iſt, daß dieß entſtehet,
Wenn der Sonnen Wunder-Licht
Eine Menge Duͤnſt’ erhoͤhet,
Jhre Coͤrperchen zerbricht,
Und dadurch die Luft vermehret,
Da die erſte ruͤckwaͤrts faͤhret,
Aber bald, aufs neu gedehn’t,
Sich nach ihrer Stelle ſehn’t.
II. Theil. R70. Und25870.Und dadurch die neuern Teile
Von ſich drenget, ſtoͤſſ’t und treibt,
Deren jede nun in Eile
Sich an andern Teilen reibt,
Da ſich denn die Luft ergieſſet,
Und in Strichen gleichſam flieſſet
Wie ein ſtrenger Waſſer-Fluß,
Vor dem alles weichen muß.
71.Doch ſo ſchrecklich auch von Staͤrke
Solche Stuͤrme manchmal ſind;
Spuͤr’t man gleichwol GOttes Werke
Augenſcheinlich, Der den Wind
Dennoch Maſſe zwingt zu halten,
Da dieß alles zu zerſpalten
Dem erzuͤrnten Luͤfte-Heer
Sonſten nicht unmoͤglich waͤr.
72.Daß der Weſt-Wind waͤrm - und naſſer,
Als der Oſt-Wind, komm’t daher:
Weil die Sonn’ ein duftig Waſſer
Aus dem Teil von Erd’ und Meer,
Die ſie kurz vorher beruͤhret,
Aufgezogen. Dadurch fuͤhret
Stets der Wind aus dieſem Strich
Viele Feuchtigkeit mit ſich.
73. Da25973.Da der Morgen-Wind hingegen
Stets aus ſolchem Orte blaͤſ’t,
Welcher in der Sonnen Wegen
Eine Zeitlang nicht geweſt;
Sinkt alſo der Dunſt hinwieder,
Durch der Naͤchte Kaͤlte, nieder,
Wannenher die Morgen-Luft
Kuͤl und leer von Dunſt und Duft.
74.Jn der Erden innern Gruͤnden,
Wo der Mittel-Punct ſich ſchlieſſt,
Soll ſich ein Behaͤlter finden,
Woraus ſtets ſich Luft ergieſſt,
Die aus Suͤden teils entſpringet,
Teils ſich durch den Nord-Pol dringet,
Woran dieſer Suͤd-waͤrts faͤhrt,
Jene ſich nach Norden kehrt.
75.Und durch dieſes Luft-Geiſts regen
Soll der leitende Magnet
Sich ſo wunderbar bewegen,
Daß er immer Nord-waͤrts ſteht,
Weil die Erd-Luft, wie man meinet,
Sich mit ſeiner Luft vereinet,
Weil ſie beyde gleiche klein
Und von einer Groͤſſe ſeyn.
R 276. Daß26076.Daß im Winter, wenn es frieret,
Es nicht immer gleiche kalt,
Daß man nicht im Sommer ſpuͤret
Gleicher Hitz’ und Gluht Gewalt;
Dieß, wie viele Weiſe glaͤuben,
Jſt dem Luft-Geiſt zuzuſchreiben,
Ja der frechen Winde Zucht
Jſt wol gar derſelben Frucht.
77.Dieſe Gruͤnd’ und mehr dergleichen
Glaub’t man: denn ſie ſcheinen klar.
Dennoch will ich gerne weichen,
Werd’ ich beſſere gewahr.
Denn, nur GOttes Werk zu preiſen,
Und nicht meinen Witz zu weiſen,
Schreib’ ich, und es hat mein Kiel
GOttes Ruhm, nicht ſich, zum Ziel.
78.GOtt, der Du der Winde Raſen
Faſſeſt als in einem Schlauch,
Du verſpaͤrr’ſt ihr ſtuͤrmiſch Blaſen
Jn der Erden dunkelm Bauch.
Woher aller Winde Scharen
Kommen, und wohin ſie fahren,
Faſſt kein Menſchlicher Verſtand.
Dir iſt es allein bekannt.
Der Kuͤrbis.
Jch gieng im Garten hin und her,
Und ſah von ungefehr,
Wie durch der Erlen dichte Wand
Von einem Kuͤrbs die Ranken durchgedrungen,
Sich artig hin und her geſchlungen,
Und in dem Steig’ auf den betret’nen Sand
Sich ausgeſtreckt und ausgebreitet hatten.
Dieweil ich nun der Ranke Stand,
So wie ſie lag, nicht ſicher fand,
Jndem ſie in Gefahr
An einem ſolchen Orte war
Vertreten und zerknickt zu werden;
Hub ich ſie von der Erden,
Um, daß ſie moͤchte ſicher liegen,
Sie wiederum dahin zu biegen,
Woher ſie kommen war; allein
Kaum mogte ſie von mir gefaſſet ſeyn;
So brach ſie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an,
Jſt das nicht Schad’? Ey haͤtt’ ich es gelaſſen!
Doch dacht’ ich, wie ich mich beſann,
Da der Verluſt nicht groß, kann ich mich leichtlich faſſen,
Und darf ja nicht verdrießlich ſeyn.
Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein,
Das mich zum oͤftern ſchon geruͤhret:
Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,
Jſt269Jſt eben der, ſo ihn zu ſolchem Etwas fuͤhret.
Wie ich hierauf die abgebroch’nen Ranken
So voller Fruͤchte fand, als ich ſie recht beſah;
Gieng es mir zwar aufs neue nah:
Doch troͤſteten mich folgende Gedanken:
Jch will bey dem Verluſt gewißlich nichts verlieren.
Es ſoll, geliebte Ranke, mich
Die kleine Frucht und Bluhmen, die dich zieren,
Zu dein - und meinem Schoͤpfer fuͤhren.
Wer weiß, warum du dich
Hieher gelenkt, warum in dieſer Stunde,
Da ich allein, ich dich in ſolchem Stande funde;
Warum ich ſo von dir gedacht, wie ich gedacht;
Wer weiß, warum ich dich zerbrochen; ob es nicht
Vielleicht darum geſchehn, daß mein Geſicht
Mein ſonſt unachtſames Gemuͤte
Doch zur Aufmerkſamkeit und zur Betrachtung braͤchte,
Und ich von GOttes Macht und Weiſheit, Lieb’ und Guͤte,
Zu Seinem Ruhm, was nuͤtzliches gedaͤchte.
Auf denn, mein Geiſt, betrachte mit Vergnuͤgen
Das fruchtbare Gewaͤchs, woran recht wunderlich
Verſchied’ne gruͤne Roͤren ſich
Am fuͤnf-geeckten Stengel fuͤgen!
Die Blaͤtter, ſo an dieſem Stengel ſitzen,
Sind, wie die Bluhmen ſelbſt, beſetzt mit zarten Spitzen,
Nicht weniger die Frucht, ſo lange ſie noch klein.
Aus dieſen Stengeln nun, die hol und lucker ſeyn,
Waͤchſt ein dem Reben-Laub an Bildung gleiches Blat,
Das tauſend kleine Adern hat,
Die270Die alle wiederum mit Spitzen reich verſehn,
Wodurch ſie teils von einem Ort zum andern
Mit den faſt ſtets verlaͤngten Ranken wandern,
Teils wie auf kleinen Fuͤſſen ſtehn.
An jedem Ort, woraus das Blat entſpringet,
Entſprieſſt zu einer Zeit die Bluhm’ und Frucht zugleich;
Wobey noch uͤberdem recht Wunder-reich
An eben ſolchem Ort ein Stiel mit Gaͤblein dringet.
Derſelbe teilet ſich in drey verſchied’ne Teile,
Die alle, recht wie kleine gruͤne Seile,
Wo ſie Gelegenheit nur finden,
Die Ranken ſuchen feſt zu binden.
Bewund’re doch, mein Herz, die Ordnung der Natur
Jn dieſem Kuͤrbs-Gewaͤchs aufs neu!
Erwege, daß nicht nur
Die Zierlichkeit, nein mehr hie zu bewundern ſey!
Damit dieß Ranken-Werk von wegen ſeiner Schwaͤche
So bald nicht braͤche,
Waͤchſt eine kleine Hand mit dreyen Fingern dran,
Wodurch ſie hie und da ſich halten kann.
Ach laſſt uns doch, wenn wir dergleichen ſehn,
Den, Der dieß alles macht, den weiſen GOtt, erhoͤhn!
An dieſes Stieles Fuß
Erblicket man, wiewol ſo wunderbarlich klein,
Daß jeder ſich darob verwundern muß,
Blat, Bluhme, Frucht und Stiel, die kaum zu ſehen ſeyn,
Und dennoch finden wir, daß die ſo an den Spitzen
Der langen Ranken ſitzen,
Noch unweit kleiner ſind, da nemlich man daran
Ein271Ein gruͤn verwirrtes Etwas findet,
Das unſer Auge nicht, der Geiſt nur, ſehen kann.
Die Bluhme, welche mich abſonderlich verbindet,
An ihrer Farb’ und artigen Figur
Mich zu ergetzen, ſtellet mir
Die wunderbare Kunſt der bildenden Natur
Jn ihrer brennenden Gold-gelben Farbe fuͤr.
Die Bluhmen zeigen ſich zuerſt bey andern Fruͤchten,
Hier zeigt ſich erſt die Frucht; hier ſieht man wunder-ſchoͤn
Die Frucht mit einer Kron’ aus Gold gekroͤnet ſtehn,
Doch nicht zur Zier allein, es ſcheinen die fuͤnf Spitzen
Der ſuͤſſen Frucht zugleich zu nuͤtzen.
Die Bluhme gleichet einer Hand,
Die mit fuͤnf Fingern ausgeſpannt,
Um Regen, Tau und and’re Feuchtigkeiten
Der durſt’gen Wurzel zuzuleiten,
Als welche ſie in einem groͤſſern Grad
Fuͤr Fruͤchte, die ſo groß, vor andern noͤtig hat.
Von auſſen ſiehet man,
Woſelbſt die Bluhme glatt,
An jedem Blatt
Viel tauſend, tauſend Adern gehen.
Von innen ſiehet man daran
Viel tauſend gelbe Spitzen ſtehen.
Noch ſieht man in der Bluhme Mitten,
Als waͤr’ es recht durch Kunſt geſchnitten,
Ein dreyfach guͤld’nes Herz. Ob die zur Zier allein,
Wie oder ob ſie ſonſt der Frucht auch nuͤtzlich ſeyn,
Jſt, wie ſonſt vielerley, uns unbekannt.
Jndeſ -272Jndeſſen hat ſich mein Gemuͤte
An ihrer Zierlichkeit vergnuͤg’t.
Es iſt die Allmacht, Weiſheit, Guͤte
Desjenigen, der durch die bildende Natur
So manche zierliche Figur
Aus Erd’ und Flut zuſammen fuͤg’t,
Jn allen Dingen zu verehren.
Mein GOtt! ach gib, ſo oft ich etwas ſchoͤnes ſehe,
Daß ich in meiner Luſt Dein herrlichs Werk erhoͤhe!
Gib, daß ich Deinen Ruhm moͤg’ uͤberall vermehren!
Die Frucht, die wol von allen Fruͤchten
Die allergroͤſſeſte, verdient mit allem Recht,
Daß wir auf ſie ſo Geiſt als Augen richten.
Ach daß ich ſie doch hier recht zierlich ſchildern moͤgt’!
Ach daß ſie zwar fuͤr mich, doch nicht fuͤr mich allein,
Wie Jonas Kuͤrbs, von mir moͤgt’ angeſehen ſeyn,
Nein, daß ich auch zugleich im Kuͤrbs des Schoͤpfers Macht,
Jndem ich ihn mit Luſt beſeh’, beſinge,
Und alſo Jhm vom Kuͤrbs, wenn ich ihn wol betracht’,
Ein wolgefaͤlligs Opfer bringe!
Daß an ſo niedrigem und duͤnnem Stiele
Solch eine groſſe Frucht, ja gar daß ihrer viele
Daran zugleich entſtehn, und wachſen koͤnnen,
Jſt wol mit Recht ein Wunderwerk zu nennen.
Wie lieblich glatt ſind ihren bunte Schalen,
Die bald ſo gelb als Gold, bald etwas bleich,
Bald gelb und bleich, und gruͤn zugleich,
Abſonderlich, wenn ſie der Sonne Stralen
Mit einem hellen Blick bemalen,
Wodurch273Wodurch ein heit’rer Glanz, recht Wunder-ſchoͤn
Auf ihrer glatten Ruͤnd’, als wie ein Stern, zu ſehn.
Jn Ungern ſah ich einſt mit innigem Vergnuͤgen
Ein ganzes Feld voll Kuͤrbſ’, als wie voll Spiegel, liegen,
Jndem der Sonnen Licht ſie ſchmuͤckte,
Und in die glatte Haut ihr herrlichs Bildniß druͤckte,
Wobey das ganze Feld durchs angeneme Gruͤn
Voll kleiner heller Blitze ſchien,
Die mir, ſo bald den Glanz die Augen ſpuͤr’ten,
Mit ihrem ſuͤſſen Stral die Sele ruͤr’ten,
Daß ich an Den, Der aller Schoͤnheit Pracht,
Der Farben, Formen, Licht und das Geſicht gemacht,
Mit Dank-erfuͤllter Ehrfurcht dachte,
Und Jhm ein froͤhlichs Herz dafuͤr zum Opfer brachte.
Noch macht uns die Natur in einem Kuͤrbis kund,
Wie ſehr ſie an Veraͤnd’rung reich,
Da dieſe Frucht zugleich
Bald lang, bald rund.
Kein zierlicher gewund’ner Tuͤrken-Bund
Kann an Figur ſo zierlich ſeyn,
Als wie ein runder Kuͤrbs. Er ſcheinet recht gewunden,
Und teilt die Striche richtig ein,
Die unterwaͤrts und oberwaͤrts mit Haufen
Jn einen Mittel-Punct zuſammen laufen.
Viel’ and’re werden noch gefunden,
Die, groſſen Flaſchen gleich, geſtreckt und laͤnglich ſeyn.
Es laͤſſt recht unvergleichlich ſchoͤn,
Wenn wir von ihnen viel’ auf einem Haufen ſehn,
Da ſo viel Farben, die ſie zieren,
Beſonders Aug’ und Herze ruͤhren.
Noch faͤll’t mir ein,
Was ich an dieſer Frucht bemerkt nicht ſonder Freuden.
Wenn wir in einen Kuͤrbs nur zarte Lettern ſchneiden;
So wachſen ſie. Ach haͤtt’ auch mein Gemuͤte
II. Theil. SDes274Des Kuͤrbſes Ahrt, daß von des Schoͤpfers Guͤte
Die holde Schrift, die Zuͤge ſeiner Lehren
Sich moͤgten ſtets in mir vergroͤſſern und vermehren!
Eh wir nun dieß Gedicht beſchlieſſen,
Werd’ ich, mein Leſer, dir noch was,
So ich einmal vom Kuͤrbs erbaulichs las,
Vorher erzaͤlen muͤſſen:
Ein Landmann ſahe mit Vergnuͤgen
Viel groſſe Kuͤrbſ’ auf ſeinem Acker liegen.
Die Groͤſſe dieſer Frucht, an ſolchen kleinen Ranken,
War ihm beſonders lieb. Voll froͤhlicher Gedanken
Sah er von ungefehr auf einem Eichen-Baum
Deſſelben kleine Frucht!
Pfuy! Schande, brach er los:
Des kleinen Strauches Frucht iſt ſo gewaltig groß;
Die deine ſieht man kaum,
Nichts-wehrtes faules Holz! Kaum hatt’ er dieß geſprochen
Mit recht erzuͤrn’tem Mut;
So fiel ein’ Eichel ihm auf ſeinen Hut.
Er ſtutzt’, und blieb ganz unbeweglich ſtehn.
Ach! fing er, wie er ſich beſann,
Aus einem andern Ton, wie folget, an:
Wie waͤre mir geſchehn,
Dafern nach meinem Wollen
Und meinem naͤrriſchen Verſtande
Die Frucht ſich haͤtte richten ſollen?
Jch laͤge ſchon zerſchmettert in dem Sande.
Er dankte GOtt, und nam ſich fuͤr,
Allein auf Jhn zu ſehn in allen ſeinen Sachen.
Mein GOtt! ach laß auch mich es allezeit, wie hier
er Landmann es gemachet, machen!
Beſchreibung einer anmutigen Ge - gend um Hamburg.
Rings um Hammoniens erhab’nen Waͤllen
Such’t die, der wehrten Stadt gewogene, Natur
Nicht von der Kunſt und von dem Reichtum nur;
Von ihrer Anmut auch ein Muſter vorzuſtellen
Jn ihrer ſchoͤnen Lag’ und lieblichen Gefilden.
Mein Garten, der nicht weit von ihr,
Giebt oft Gelegenheit, die Fruchtbarkeit, die Zier,
Und ihrer Felder Luſt-Revier
Mit Freuden anzuſehn, wodurch ſie abzubilden
Jch itzt entſchloſſen bin. Gib, daß es wol gelinge,
Du ew’ge Segens-Qvell, Du Schoͤpfer aller Dinge,
Damit der Landſchaft Pracht und Vollenkommenheit
Die Buͤrger Hamburgs oft, nebſt mir, zur Dankbarkeit
Jn froͤhlicher Empfindung bringe!
Man kann allhier mit faſt erſtaunendem Vergnuͤgen
Ein ſchoͤnes Stuͤck der Welt, das unvergleichlich ſchoͤn,
Jn einem bunten Glanz’ um deſto beſſer ſehn,
Als hier die Gaͤrten ſelbſt auf einer Hoͤhe liegen,
Und jeder in ſich ſelbſt, durch unterſchied’ne Stiegen
Geteilt, oft ſuͤnf bis ſechs verſchied’ne Gaͤrten macht,
Die alle von verſchied’ner Pracht.
Die Hoͤhe zeiget nun den faſt erſtaunten Augen
Von allen Seiten
Erſt Gaͤrten mancher Ahrt, voll tauſend Lieblichkeiten,
Zur348Zur Anmut teils, teils zum Gebrauch,
Die, nach verſchiedlichem Geſchmack verſchied’ner Herrſchaft,
auch
Verſchiedlich angeleg’t: wodurch ſie alle taugen,
Jn unterſchied’nem Schmuck den Schmuck noch zu verbeſſern,
Die Anmut dieſes Orts im Wechſel zu vergroͤſſern,
Und, der Natur und Kunſt allmaͤcht’gem HErrn zu Ehren,
Die nimmer ſatte Luſt der Augen ſtets zu mehren.
Hier kann man Bluhmen-Stuͤck’ und dort Gaſons entdecken,
Hier Gallerien, dort Statuͤen,
Hier Grotten, dort Orangerien,
Liguſtrum-hier, dort Taxus-Hecken.
Hier kann man Teiche, dort Alleen,
Da Pyramiden, Bogen-Gaͤnge,
Fonteinen, Steig’ in groſſer Menge
Und gruͤn-belaubte Planken ſehen,
Hier Garten-Haͤuſerchen, Portale dort und Lauben.
Der Reben Meng’, als Muͤtter-ſuͤſſer Trauben,
Der Apricoſen - und der Pfirſchen -
Der Qvitten-Pflaumen-Birnen-Kirſchen -
Und Aepfel-Baͤume zu geſchweigen,
Als die ſich hier in ſolcher Menge zeigen,
Daß ſie kaum zaͤlbar ſind. Der Farben Unterſcheid,
Vermiſchungen und Lieblichkeit,
Samt der Veraͤnderung der Formen ohne Zal,
Die auf einmal
An dieſem Ort’ uns in die Augen fallen,
Abſonderlich, wenn ſie der Sonnen Stral
Mit ſeiner hellen Gluht verguͤldet,
Und349Und ſie dadurch noch einſt ſo ſchoͤn,
So lieblich und ſo herrlich bildet;
Erregen denen, die es ſehn,
Ein ſuͤß Erſtaunen, ein Vergnuͤgen,
Das den unachtſamſten zuweilen achtſam macht:
Zumalen da der Wieſen Pracht,
Die hinten an den Gaͤrten liegen,
Zu deren Schmuck und Glanz den ihrigen noch fuͤgen,
Der unbeſchreiblich auch ſo wol als jener iſt.
Derſelben Breite, Flaͤch’ und Laͤnge,
Derſelben gruͤn’ und eb’ne Laͤnge,
Die das Geſicht mit Muͤh (doch froher Muͤhe) miſſt,
Jſt, da ſie faſt ſo flach und eben, faſt ſo ſchoͤn,
Als wie ein Firmament, das gruͤn iſt, anzuſehn:
Abſonderlich wenn ihr ſo dichter Klee
Jm guͤld’nen Licht der Sonne gluͤhet,
Da dann das Bluhmen-Heer auf Stellen, wo es bluͤhet,
Zumalen in der Naͤh,
Selbſt kleinen Sternen aͤnlich ſiehet.
Auf dieſen bloß mit Klee bedeckten Raſen
Sieht man viel glattes Vieh in ſanfter Stille graſen.
Es ſtellt deſſelben Ruh, zuſamt der Landſchaft Zier,
Ein angenemes Bild des lieben Friedens fuͤr.
Ach laſſet uns dieß holde Friedens-Bild,
Jhr Buͤrger Hamburgs, oft mit Luſt bedenken!
Jhr muͤſſt, hierdurch geruͤhrt, den Geiſt zum Schoͤpfer lenken,
Wenn ihr die Wieſen ſeht mit fettem Vieh’ erfuͤllt,
Das mit geſenktem Haupt hier friſſt, dort wiederkaͤuet
Mit halb geſchloſſ’nem Aug’ und regem Maul; ſo freuet,
Er -350Ergetzt, vergnuͤget euch, und denket dieß dabey:
Daß uns von GOtt allein Geſundheit, Ruh, Vermoͤgen,
Gewerbe, Handelſchaft, Fried’, Ueberfluß und Segen
Gegeben und erhalten ſey.
Die Wieſen machen ſonſt durch ihre Laͤng’ und Breite,
Wiewol mit Luſt, die Augen muͤde,
Auf welchen hinter den Alleen
Jn einer rechten Weite
Wir eine weiſſe Pyramide,
Als einen Aug-Punct, ſehen,
Die, ob ſie gleich von Brettern nur erricht’t,
Doch, wenn das Licht
Auf ihre weiſſe Farbe faͤllt,
Das weite Gruͤn gar lieblich unterbricht;
Und recht, als ob das Feld noch an dem Garten hinge,
Uns angenem vor Augen ſtellt.
Ja, wie die Felder Waſſer-Graben
Zu beyden Seiten haben,
Und deren Linien dadurch mit Haufen
Den Augen nach, die ſie von oben ſehn,
Nach einem Mittel-Punct von allen Seiten lauſen;
So wird dadurch recht unvergleichlich ſchoͤn,
So lange ſie voll Waſſer ſtehn,
Ein Stern, faſt Meilen lang, mit Stralen von Kryſtallen,
Worin gar oft
Des Himmels heller Schein und reine Farben fallen,
Bewunderns-wehrt formir’t.
Wann aber ſich die glatte Flut verliert;
So unterſcheiden ſich dennoch die langen Striche,
Jn -351Jndem des Schilfs und Binſen Dunkel-gruͤn
Jn eben der Figur noch einem Stern ſich gliche.
Zur Rechten ſtrecket ſich die Eb’ne gleichſalls fort,
Wo ſie den Deich und Damm der Stadt
Zum Schutz, zur Zier, zur Grenze hat.
Doch ſiehet man ſie hier und dort,
Um unſer Auge zu erfriſchen,
Mit Bleichen bald, und bald mit holden Buͤſchen,
Mit niedern bald, und bald mit hohen Weiden,
Mit niedern bald und ſchlecht-bald zierlichen Gebaͤuden
Unordentlich, doch ſuͤß und lieblich, unterbrochen.
Ein langes Dach, worunter Pech und Teer,
Damit, bey der Verbrennlichkeit
So ſchnell entzuͤndeter und heftig gluͤh’nder Waren,
Die Stadt, die Kaufmann ſchaft, und jeder fuͤr Gefahren
Geſichert waͤr’,
Jſt an des Deiches Fuß zu ſehn.
Nicht weit davon ſieht man, nicht ohn Vergnuͤgen,
Auch eine Wind - und Schneide-Muͤle ſtehn,
Die durch der langen Fluͤgel Drehn,
Womit ſie gleichſam ſcheint zu fliegen,
Auch nebſt dem Nutzen, Holz zu ſaͤgen,
Ein nicht unangenem Bewegen
Jn der ſonſt ſtillen Landſchaft macht.
Des Deiches Zirkel drehet ſich
Jn einer gruͤnen weiten Ruͤnde,
Auf deſſen hoch-erhab’nem Strich
Jch, wie in ſeinem Schoß, noch manche Schoͤnheit finde.
Man352Man ſieht daſelbſt von weitem mit Vergnuͤgen
Den Thurm, wie auch das Schloß von Harrburg liegen.
Zur rechten ſiehet man die Huͤgel voller Buͤſche,
Bey Moorburg, wo die Heidel-Beer
Jn ſolcher Menge faſt, als wie der Sand am Meer,
Geſammlet wird fuͤr unſ’re Tiſche.
Die Ferne laͤſſet uns die angenemen Hoͤh’u
Jn gruͤner nicht, in blauer, Farbe ſeh’n.
Der Berge purp’richt Blau
Verlier’t ſich allgemach in einem ſichtbar’n Duft.
Jhr Umſtrich, der ſo zart und flau,
Vereinet ſich gemaͤchlich mit der Luft,
Schein’t mit dem Firmament ſich feſte zu verbinden,
Kaum kann man, zwiſchen Erd’ und Himmel, Grenzen finden,
So daß der Ort, wo ſich mein Blick verlier’t,
Den Blick zum Himmel gleichſam fuͤhr’t.
Den Deich nun ſiehet man nicht ſonder Freuden
Mit groſſen teils, teils klein - und zierlichen Gebaͤuden,
Mit hohen Baͤumen teils, teils niedrigen geziert,
Die luſtig anzuſehn: wodurch er eine Ruͤnde,
Die ich beſonders ſchoͤn, beſonders lieblich finde,
Rings um der Wieſen Schmuck formir’t.
Recht hinter dieſem Kreiſ’ erblicket man mit Luſt
Und inn’rer Regung unſ’rer Bruſt,
Der Elbe Segens-reiche Flut,
(Auf welcher mehrenteils ein Heer von Schiffen ſchwimmet,)
Die, wenn ſie von der Sonnen Gluht
Beſtral’t, als flieſſend Silber glimmet,
Ja oͤfters wie ein Spiegel-Glas,
Jn353Jn Ufern voller Klee und Gras,
Als in Smaragd’nen Rahmen, ſcheinet.
Es laͤſſt recht unvergleichlich ſchoͤn
Durch einen groſſen hellen Strich,
Der, wie geſag’t, dem ſchoͤn’ſten Silber glich,
Der Landſchaft ſchoͤnes Gruͤn, ſo ſchoͤn geteilt, zu ſehn:
Doch ſieht man ſelben Strich zuweilen
Recht angenem ſich wieder teilen
Durch mancher Buͤſch’ und Baͤume Hoͤh’n,
Die auf bemeld’tem Deiche ſtehn,
Durch deren Oeffnungen ich bald die blaue Flut,
Bald auch an jenes Ufers Seiten
Viel gruͤne teils, teils blaue Zierlichkeiten,
Beſtralet von der Sonnen Gluht,
Vergnuͤg’t erblicken kann.
Hier ſiehet man nicht ohn Vergnuͤgen
Auch uͤber dieſes Deiches Gipfel
Entfernter Baͤume blaue Wipfel,
Die jenſeits unſ’rer Elbe liegen.
Der Brandes-Hof, den hohe Baͤume ſchmuͤcken,
Laͤſſt auf dem Deiche ſich, als wie im Wald’, erblicken.
Hier ſieht man oͤfters hin und wieder
Bald hoch erhab’ne Maſten ſtehn,
Bald rote, weiſſe bald, vom Wind’ erfuͤllte Segel
Mit ſanftem flieſſen hin und wieder,
Ohn daß wir Schiff’ und Waſſer ſehn,
Recht zwiſchen gruͤnen Baͤumen gehn.
Hier graͤnzet nun der Deich der Bill’ am Elb-Deich an,
Worauf, ſo weit man ſehen kann,
II. Theil. ZAuch354Auch Haͤuſer um Gebuͤſch, Gebuͤſch um Haͤuſer liegen,
Die uns den klaren Fluß der Bille zwar verſtecken,
Jedoch in ihnen ſelbſt viel ſchoͤnes uns entdecken:
Der Daͤcher feurigs rot, der Baͤume vielfach gruͤn,
So ſonder Ordnung zwar, doch eben dadurch ſchoͤn
Stets wechſlend durch einander ſtehn,
Bemuͤhen ſich, allein auf ſich den Blick zu ziehn.
Dreh’ ich die Augen nun noch mehr zur linken Hand;
So ſieht man den erhab’nen Sand
Von Schiffbeck, deſſen Ruͤcken
Viel Eichen einzeln teils, und teils verſammlet ſchmuͤcken,
Ja was noch mehr, man ſiehet Steinbecks Spitze,
Die auch den Schiffenden als wie ein Pharus nuͤtze,
Gar deutlich. Ferner ſieht man noch
Ganz in der Fern’ ein rechtes Joch
Von Huͤgeln, die den Blick faſt bis auf Bergdorf fuͤhren,
Ganz blaͤulich, wie ein Duft, ſich in der Luft verlieren.
Man ſieht darauf hierherwaͤrts hin und wieder
Bald einen ſandigten, bald gruͤnen Strich mit Haufen
Bald gegen ſich, bald auf und nieder
Jn ſtetem Wechſel gleichſam laufen,
Bald blaue Linien von holden krauſen Buͤſchen
Den gelben Linien ſich untermiſchen,
Und bald die Hoͤhen, bald die Flaͤchen
Mit holdem Wechſel unterbrechen,
Jn deren Aenderung und Unterſcheid
Der ſchoͤnen Landſchaft Lieblichkeit
Am meiſten faſt beſtehet.
Wenn man nun weiter noch ſich nach der Linken drehet;
Wird355Wird Hamm und Horn, das ſich mit lauter Gaͤrten ſchmuͤckt,
Mit noch vermehrter Luſt erblickt.
Die Hoͤh’ und halbe Cirkel-Ruͤnde,
Worin ich ſie gelegen finde,
Die laſſen uns recht Wunder-ſchoͤn
Von bunten Tiefen, bunten Hoͤh’n
Ein recht Amphitheater ſehn.
Wenn ich darauf die frohen Blicke
Von dieſem ſchoͤnen Ort noch weiter herwaͤrts ſchicke;
Seh’ ich mit neuen Freuden
Den langen ſchoͤnen Weg im Ausſchlag, der mit Weiden
Recht lieblich ausgeſetzt, recht ſchoͤn geziert,
Und durch der Wieſen Pracht uns zum Billwaͤrder fuͤhrt.
Man ſiehet dieſen Weg in voller Laͤnge,
Weil man ihn von der Seite ſieht,
Wodurch der Baͤume groſſe Menge
Recht einen dunk’len Strich durch die bebluͤhmte Flaͤche
Der gelblich gruͤnen Wieſen zieht.
Noch naͤher her erblicket man,
So weit das Auge reichen kann,
Wie das begraſ’te Feld
Uns einen neuen Schmuck vor Augen ſtellt,
Judem auf ſeinen gruͤnen Decken
Sich ſchoͤne bunte Decken ſtrecken,
Die Jndien uns, weiß, in groſſer Menge ſchickt,
Und welche man bey uns mit ſolchen Farben ſchmuͤckt,
Daß Hollands Farben ſelbſt dabey nicht zu vergleichen.
Kurz, treffliche Cattonen-Bleichen
Vermehren noch der ſchoͤnen Landſchaft Zier,
Z 2Ab -356Abſonderlich, wenn man bald dort, bald hier
Jn lauer Luft, durch haͤufiges begieſſen
Sieht kleine Waſſer-Baͤche flieſſen,
Die, da ſie faſt recht wie Fontainen ſpielen,
Den Blick ſo gar von weitem lieblich kuͤlen.
Zuletzt beſchlieſſt der Blick die angeneme Reiſe,
Die er in einem groſſen Kreiſe,
Von wie viel Meilen groß, gethan:
Sieht aber noch vorher vier ſchoͤne Gaͤrten an,
Die mir zur linken Hand, und auf verſchied’ne Weiſe
Von Kunſt und von Natur geſchmuͤcket liegen,
Worunter der, ſo mir am naͤchſten,
An Kunſt ſo wol als Koſtbarkeit am hoͤchſten
Mit Recht zu ſchaͤtzen iſt.
Um mich nun auch am holden Gegenſtand
Der fernen Schoͤnheit zu vergnuͤgen:
Nam ich darauf ein Perſpectiv zur Hand,
Und ſah Verwund’rungs-voll viel Herrlichkeiten liegen,
Die mein geſchaͤrfter Blick, durchs klare Glas geſtaͤrkt,
Anitzt mit tauſend Luſt, und nie vorher bemerkt.
Das, ſo erſt fern und ganz unſichtbar war,
Ward nicht nur ſichtbar, deutlich, klar;
Es ward recht nah herzu gezogen:
Es ſchien hiedurch, als waͤr mir eine neue Welt
Auf einmal vorgeſtellt.
So mancher Ort, wo Licht mit gruͤner Dunkelheit,
Und dunkel-gruͤn mit Licht verwunderlich gemiſchet,
Ergetzet und erfriſchet
Mein ſehendes Geſicht
Mit357Mit tauſendfachem Licht’.
Jch ſah in ſehr entleg’ner Weite
Vom Elbe-Strom die and’re Seite:
Die Landſchaft war daſelbſt im gruͤnen nicht, im blauen
Nicht minder holden Schmuck zu ſchauen.
Hier unterſchiede ſich ein Baum recht, wie ein Duft,
Von der mit Licht erfuͤllten Luft.
Dort zeigten viele blaue Wipfel,
Daß manche purpricht blaue Gipfel
Der Berge noch entleg’ner ſeyn.
Allein indem ich alſo ſtehe,
Und hoͤchſt vergnuͤg’t durchs Fern-Glas ſehe;
Ging mir ein neues Licht in meiner Selen auf:
Mein, durch des Perſpectives Lauf
Und deſſen enge dunk’le Schranken
Verſchrenk’tes, Auge ſah nur einen kleinen Platz;
Allein er ſah ihn recht: es gingen die Gedanken,
So wie der Blick,
Auf einen Mittel-Punct, und hiedurch fiel mir bey:
Es ſtellt das Perſpectiv die ſchoͤn’ſte Schilderey,
Und zwar all’ Augenblick mir eine neue dar.
So bald ich mich kaum einen Stroh-breit rege,
So bald ich mich ein wenig nur bewege;
Entſtehet uͤberall,
Mit immer neuer Zierlichkeit,
Ein liebliches Gemaͤld, das gleichſam mit Kryſtall,
Wie man die ſchoͤn’ſten deckt, bedecket ſcheinet.
Es teilet ſich, was ſonſt vereinet,
Jndem von einer Landſchaft jetzt
Z 3Viel358Viel hundert, ja viel tauſend, werden,
An deren jeder man ſich mehr ergetzt,
Als wie wir leider thun, wenn unſer Augen-Stral
Die Herrlichkeiten auf einmal
Erblick’t und uͤberſieht. Nachdem ich mich nun matt,
Jedoch nicht ſatt,
An aller Pracht der Welt in dieſem Ort geſehn;
So fing ich allererſt mit meinen Selen-Augen,
Die tiefer einzudringen taugen,
Das ſchoͤne Teil der Welt noch einſt an zu beſchauen,
Und an der unſichtbaren Pracht
Desjenigen, Der alles dieß gemacht,
Mich voller Dank und Andacht zu erbauen.
Das groſſe Stuͤck der Welt, ſo hier mein Aug’ erblick’t,
Jſt bloß durch GOttes Wink gemacht und ſo geſchmuͤckt.
Denn was der Menſch auch ſchein’t dazu gethan zu haben;
Jſt er doch wuͤrklich nur
Ein Werkzeug der Natur,
Und alles, was er hat, o GOtt, ſind Deine Gaben.
Der Schoͤpfer gibt allein in allen Dingen
Das Wollen, Koͤnnen und Vollbringen.
Ach GOtt! rief mein darob faſt halb entzuͤckter Geiſt,
Ach GOtt! Den Firmament, Luft, Meer und Erde, preiſ’t,
Es zeiget uns der Creaturen Zier,
Glanz, Schoͤn - und Vollenkommenheit,
Jm Schatten Deine Herrlichkeit.
Dann muß man nicht allein,
Wann man die Welt beſieht, auf eine Welt nur denken,
Ach nein, man muß zugleich ſich in das Thal
Des359Des tiefen Firmamentes ſenken,
Und da die ungezaͤl’te Zal
Von Sonnen und Planeten finden.
Wer kann die Mannigfaltigkeit
Der Schoͤnheit, welche dort in allen iſt, ergruͤnden?
Wie unbegreiflich groß muß doch der Unterſcheid
Von Farben, Bildungen, von Schoͤnheit, Lieblichkeit,
Von Herrlichkeit, von Glanz und Schein,
Jn hundert tanſend Welten ſeyn?
Ach GOtt! ein holdes heiligs Schrecken
Bemaͤchtiget ſich meiner ganz.
Jch meyne ja, man kann mit Fug alſo entdecken
Jn der Geſchoͤpfe Pracht des ew’gen Schoͤpfers Glanz.
Die Malva.
Des Himmels kalter Scorpion,
Ein Feind von ſchoͤn belaubten Zweigen,
Fing ſeinen ſcharfen Stachel ſchon
So Bluhm-als Baͤumen an zu zeigen.
Er ſtach die gelb-gefaͤrbten Blaͤtter
Von ihrem vorigen beliebten Sitz’ herab,
Und ſenkte ſie ins finſt’re Grab;
Als ich, bey aufgeklaͤr’tem Wetter,
Derſelben bunten Reſt beſah:
Es waren mir durch ihr betruͤbtes Scheiden
Faſt ſelbſt die Thraͤnen nah.
Denn, dacht’ ich, alle Pracht und Schein
Wird bald verwelkt, verſchrumpft, entfaͤrbt, verfaulet ſeyn.
Jndem ich ſo voll Schwermut dachte;
Sah ich von ungefehr
Des kuͤlen Herbſtes Ehr’
Jn Blaͤttern, die noch friſch und gruͤn,
Die ſchoͤne Malva, lieblich bluͤhn.
Mir ward, als ob ich recht aus tiefem Schlaf’ erwachte,
Wie ſie mir auf dem hohen Stiel
Noch Roſen-gleiche Bluhmen zeigte,
Wodurch ſie mir um ſo vielmehr gefiel;
Weil mir ihr praͤchtiges und friſches glaͤnzen
Nicht den vergang’nen nur, nein auch den kuͤnft’gen Lenzen
So noch, als ſchon, zugleich vor Augen ſtellte.
Die Pracht verbindet mich, geliebte Bluhme,
Dem369Dem GOTT, Der dich gemacht, zum Ruhme,
Ein Opfer meiner Luſt zu bringen,
Und deine Schoͤnheit zu beſingen.
Der Sommer pflanzt’ in dir, eh’ er von hinnen ſchiede,
Zum Schmuck des Herbſtes, noch die ſchoͤn’ſte Pyramide,
Und ſchmuͤckte ſie zuletzt mit manchem gruͤnen Strauß,
Mit manchem Bluhmen-Knopf, mit vielen Bluhmen, aus.
Wann der Egypter Ehren-Seulen,
Wovon wir ſo viel Wunder leſen,
Ein Wunder von der Kunſt geweſen;
So biſt du, ſchoͤn’ſte Bluhm’, in allen deinen Teilen
Ein Wunder der Natur. Denn jene waren bloß,
Dieweil ſie ungeheuer groß,
So hoch geſchaͤtzet und beruͤhmet.
Wo aber war an ihnen was zu ſehn,
Das ſo gefaͤrbt, ſo lieblich und ſo ſchoͤn,
Als, da dich die Natur mit eig’ner Hand bebluͤhmet,
An dir, o ſchoͤne Malva, glaͤnzt?
Du biſt rings um gebluͤhmt, du biſt rings um bekraͤnzt,
Jndem von unten an bis oben zu den Spitzen
Stets Bluhm’ und Laub in gleichem Wechſel ſitzen.
Wenn Menſchen-Haͤnde ſie mit Fleiß gewunden,
Und Bluhmen in das Kraut gebunden;
So koͤnnten ſie unmoͤglich beſſer
Und richtiger geordnet ſeyn.
Die unterſten ſind immer groͤſſer,
Die oͤberſten hingegen klein.
Die unterſten, wenn ſie geoͤffnet ſtehen,
Sind faſt wie Roſen anzuſehen
II. Theil. A aAn.370An Farb’ und an Figur. Sechs Blaͤtter etwas blaß,
Wie ein Rubin-Balaß,
Umgeben die viel roͤt’re Bluhme,
Wodurch, wann hohes Rot mit einer tiefern ſpielet,
Das Menſchliche Geſicht was angenemes fuͤlet.
Ein gruͤner Knopf, von ſolcher Zierlichkeit,
Daß Kuͤnſtler, welche Knoͤpfe machen,
Zu dieſer Vollenkommenheit
Sie nicht zu bringen wiſſen,
Und ſich mit allen Handwerks-Sachen
Bey dem gewachſ’nen Knopf verkriechen muͤſſen;
Ein ſolcher Knopf ſchlieſſt erſt die jungen Bluhmen ein.
Dieſelben ſind, ſo lange ſie noch klein,
Als wie ein gruͤner Stern formiret,
Bis daß ich nach und nach an ihnen eine Ruͤnde,
Wie eine gruͤne Kugel, finde,
Die unterwaͤrts mit einem Kranz gezieret,
Und rings umher voll kleiner weiſſen Spitzen,
Wodurch das helle Gruͤn noch heller ſcheinet, ſitzen.
Dieß ſchoͤne Knoͤpfchen nun gebieret
Die holde Bluhme, die gemach
Durch lichtes Sittig-Gruͤn ihr holdes Rot uns zeiget,
Bis daß ſie nach und nach
Aus ihrer ſchoͤnen Huͤlſe ſteiget,
Der Huͤlſe, die denn alſobald
Die Sternen-foͤrmige Geſtalt,
So ſie zuerſt gehabt, aufs neue wieder krieget.
Ein jedes Knoͤpfchen hat
An einem eig’nen Stiel ein eig’nes gruͤnes Blat,
Das371Das jeden, der es ſieht, vergnuͤget,
Jndem an dieſer Ordnung bloß
Die vorgeruͤhmte Ordnung lieget.
Denn Blatt und Bluhme werden groß,
Wodurch ſich eines ſtets ſo nett aufs and’re fuͤget.
Wenn wir der Bluhmen Stoff ergruͤnden;
So werden wir bewundernd finden,
Daß alle Bluhmen, die ſo ſchoͤn,
Aus kleinen Luft - und Saft-gefuͤllten Roͤren
Und zarten Blaͤſchen bloß beſtehn.
Wer muß nicht GOttes Weiſ heit ehren,
Wenn er bedenkt,
Wie alle Bluhmen erſt umſchrenkt
Von einem kleinen Kelch, der, wenn ſie jung und zart,
Sie vor der aͤuſſern Luft verwahrt,
Ja ihnen noch hernachmals weiter nuͤtzet,
Da er nicht nur die Blaͤtter unterſtuͤtzet,
Sie noch dazu in netter Ordnung haͤlt,
Daß nicht ein jedes Blat, gedruͤckt von eig’ner Buͤrde,
Verwirret hin und wieder faͤllt,
Wie ſonſt gewiß geſchehen wuͤrde.
Man ſiehet einige von der Beſchaffenheit,
Als nemlich Lilien und Tulpen, ſich zwar trennen,
Die durch der Blaͤtter Steifigkeit
Sich ſelber ſtuͤtzen koͤnnen.
Drum zeigt uns dieß aufs neue, GOtt zum Preiſe,
Jn der Veraͤnd’rung an,
Daß GOTT auf mehr als eine Weiſe
Die Bluhmen herrlich ſchmuͤcken kann.
A a 2Nun372Nun laſſet uns, wie lieblich und wie ſchoͤn
Die Bluhme ſelbſt, beſehn!
Der roten Blaͤtter nette Falten,
Die in ſo vielerley Geſtalten
Sich lieblich lenken, drehn und biegen,
Vermehren, durch die Form und Farbe, mein Vergnuͤgen.
Denn da durch ſo viel Tief - und Hoͤhen
Das auf den Coͤrpern nur, ſonſt nicht, ſichtbare Licht
Sich ſo verſchiedlich bricht;
Sind tauſend Ahrten rot zu ſehen,
Wodurch mit ungezaͤl’tem Haufen
Viel Silber-weiſſe Adern laufen,
Die in dem aͤuſſern Blat ſo artig ſich verbinden,
Daß wir dadurch an jedes Blates Fuß
Ein gleichſam ſilbernes Gefaͤß mit Cirkeln finden.
Damit ſich die Natur
Zu unſ’rer groͤſſern Luſt noch guͤtiger erwieſe,
Und man um deſto mehr den Schoͤpfer prieſe;
So faͤrbt ſie dieß Gewaͤchs nicht nur
Mit Roſen-roter Farb’ allein:
Sie faͤrbt verſchied’ne weiß, verſchied’ne rot, wie Blut,
Verſchied’ne gelblich rot. Jn einer dunk’len Gluht
Stehn einige, wenn die dem Purpur aͤhnlich ſeyn.
Jhr fel’t zwar der Geruch; doch hat in Arzeneyen
Man ihrer ſich gar ſehr zu freuen.
Jhr fettes Oel verſuͤſſet, lindert,
Beſaͤnftigt, heil’t, vermindert,
Und ſtillt den heiſſen Brand,
Der oͤfters im Gebluͤt, im Halſ’ und an der Zungen
Mit373Mit groſſer Pein nimmt uͤberhand.
Ach GOtt! Du Schoͤpfer aller Dinge,
Gieb doch, daß dieſe ſchoͤne Bluhme,
Zu Deinem Ruhme,
Jn meiner Sele Fruͤchte bringe!
Laß meines Herzens Acker nicht
Noch haͤrter, als ein Stein,
Dem Samen Deiner Werke ſeyn,
Der allenthalben durch’s Geſicht,
Ja nicht durchs Aug’ allein, auch durch’s Gehoͤr
Und and’re Sinne mehr,
Jn uns geſaͤet wird! Laß dieſen ſchoͤnen Samen,
Zum Ruhm von Deinem groſſen Namen,
Bey mir verwahret ſeyn und aufgehoben,
Als wie in einer guten Erden!
Ach laß mich Dich in meiner Luſt
Mit inn’rer Regung meiner Bruſt,
Abſonderlich, wenn ich die Malva ſehe, loben!
Laß ihrer Pyramid’ erhab’ne Zier
Jn meiner Bruſt ſowol als auf der Erden,
O groſſes All, allmaͤcht’ger Schoͤpfer, Dir
Zu einer Ehren-Saͤule werden!
Noch einige Betrachtungen der Sonne.
Ein groſſes Gedicht von der Sonne findet ſich im vorigen Theile p. 107.
1.Unſers Himmels ſchoͤn’ſte Stelle,
Groſſer Mittels-Punct des Licht’s,
Farben-Vater, Freuden-Qvelle,
Geiſt und Sele des Geſicht’s!
Billig ſollte keiner leben,
Der in dir nicht GOTT erheben,
Und des Schoͤpfers Macht und Ehr
Stets zu ruͤhmen ſchuldig waͤr’.
2.Alle Dinge, die auf Erden
Unſern Augen lieblich ſeyn,
Und von uns bewundert werden,
Haben immer einen Schein,
Wodurch auf den aͤuſſern Grenzen
Sie gezieret ſind und glaͤnzen,
Und ein Schein iſt anders nichts,
Als ein Bild des Sonnen-Licht’s.
3. Sprich:3833.Sprich: wie kommts, daß in dem Gruͤnen
Alle Tropfen Thau ſo ſchoͤn?
Daher kommts, daß wir in ihnen
Kleine Sonnen-Bilder ſehn,
Daß ſie, wenn ſie dieß beſtralet,
Sich in allen Tropfen malet.
Bloß durch ihr ſo herrlich Bild
Wird das Herz mit Luſt erfuͤllt.
4.Daß ein Demant, daß Kryſtallen,
Kurz: die Coͤrper, welche glatt,
Uns empfindlicher gefallen,
Als die, welche rauh und matt,
Macht, daß auf den aͤuſſern Grenzen
Kleine Lichtes-Teile glaͤnzen,
Die daſelbſt ſo ſchoͤn zu ſehn,
Weil ſie ploͤtzlich ruͤckwaͤrts gehn.
5.Gold und andere Metallen,
Ja auch eine ſchoͤne Haut
Wuͤrden weniger gefallen,
Und ſo gerne nicht geſchau’t,
Wenn nicht ihre klare Glaͤtte
Geichſam einen Spiegel haͤtte,
Worin unſ’rer Sonnen Licht
Angenem ſich teilt und bricht.
6. Der3846.Der erhab’nen Berge Spitzen
Faͤrbt und ſchmuͤckt dein fruͤher Stral.
Dein nicht unterbroch’nes Blitzen
Fuͤllt des Mittags Berg’ und Tal.
Du verherrlicheſt die Felder,
Du erleuchteſt unſ’re Waͤlder;
Deiner warmen Stralen Gluht
Ueberguͤldet Meer und Flut.
7.Kurz: Es kann auf dieſer Erden
Nichts ſo groß und nichts ſo klein
Jrgendwo gefunden werden;
Es empfindet deinen Schein.
Ja, was in den Meeres-Schluͤnden,
Und den allertiefſten Gruͤnden
Die Natur erzeugt und ſchafft,
Fuͤl’t die Wirkung deiner Kraft.
8.Wenn der Schoͤpfer dieſer Erde
Tauſend Erden noch aus nichts
Machte durch ein neu: Es werde;
Jſt der Reichtum deines Lichts,
Und dein unerſchoͤpflichs Glaͤnzen
Doch ſo groß und ſonder Grenzen,
Daß ſie bloß durch deinen Schein
Koͤnnten all’ erleuchtet ſeyn.
9. Denn3859.Denn von deines Lichtes Schaͤtzen,
Und wie weit die Stralen gehn,
Kann man, faſt nicht ohn’ Entſetzen,
Proben, die unleugbar, ſehn.
Wenn wir mit geſchaͤrftem Denken
Unſ’re ſtumpfen Blicke ſenken
Jn die unergruͤnd’te Gruft
Der uneingeſchraͤnkten Luft;
10.Finden ſie ſolch eine Weite,
Worin gar kein Gegen-Stand,
Wie ein Welt-Meer, deſſen Breite
Sonder Ufer, ohne Strand.
Die darin verwirrten Blicke
Ziehn ſich in ſich ſelbſt zuruͤcke,
Und geſtehn im uͤbergehn,
Daß ſie was unendlichs ſehn.
11.Doch dringt durch den Raum der Luͤfte
Und des Abgrunds fernes Thal,
Wie durch alle dunk’le Gruͤfte,
Jhres Lichtes Wunder-Stral.
Nun betrachtet dieſe Ferne,
Da ſie ſo entleg’ne Sterne
Heiter macht durch ihren Schein;
Wie ſo lang ihr Stral muß ſeyn!
II. Theil. B b12. Wenn38612.Wenn ich unſ’rer Sonnen Groͤſſe,
Jm Vergleich mit dieſer Welt,
Nach der Stern - und Meß-Kunſt meſſe,
Die man nicht fuͤr trieglich haͤlt;
Wirkt ſolch denken, rechnen, ſchauen
So ein Anmuts-volles grauen,
Daß ich ob dem, was ich ſpuͤr’,
Jn mir ſelbſt mich ganz verlier.
13.Wenn wir unſ’ren Erd-Kreis teilen;
So iſt ſeine Flaͤch’ und Schoß
Viele Millionen Meilen
Jm Bezirk und Durchſchnitt groß;
Und der Sonnen Groͤſſ’ hingegen,
Wenn wir ſie genau erwaͤgen,
Uebertrifft noch dieſe Zal
Mehr als hundert tauſend mal.
14.Wenn wir uns an ihren Schaͤtzen,
Die durch ſie der Schoͤpfer ſchickt,
GOtt zu Ehren, uns ergetzen,
Wird Gemuͤt und Leib erqvickt:
Aber wenn wir, ſie zu ſehen,
Unſer freches Aug’ erhoͤhen;
Prall’ts, wie unſers Geiſtes Blick
Von der Gottheit, blind zuruͤck.
15. An38715.An dem Himmel, auf der Erden,
Jn den Cirkeln der Natur,
Kann nicht angetroffen werden
Eines ſchoͤnern Coͤrpers Spur,
Worin unſers Schoͤpfers Weſen
Jn ſo groſſer Schrift zu leſen,
Die von GOttes Groͤſſ’ und Pracht
Einen groͤſſern Eindruck macht.
16.Jch bin meiner ſelbſt nicht Meiſter,
Wenn mein ehrend Aug ſie ſieht.
Meine Sinne, meine Geiſter,
Witz, Gedanken und Gemuͤt
Werden, wenn ſie ſie erblicket,
Gleichſam aus mir weggeruͤcket,
Und in ihren hellen Schein
Senk’t ſich ſelbſt die Sel’ hinein.
17.Da ſie denn in ſtillen Freuden
Von dem Vorurteil der Welt
Allgemaͤlich ſuch’t zu ſcheiden,
Und nicht fuͤr unmoͤglich haͤlt,
Daß die wunderbare Stelle
Dieſer Lichts - und Lebens-Qvelle
Und derſelben Wunder-Schein
Nicht was Goͤttlichs koͤnne ſeyn.
B b 218. Spraͤ -38818.Spraͤche man hiewider: nimmer!
Dieß iſt faͤlſchlich offenbar.
Denn, wie herrlich gleich ihr Schimmer,
Wie belebend, hell und klar;
Hat dennoch derſelben Glaͤnzen
Endlich Maſſe, Ziel und Grenzen,
Da wir (wie du muſt geſtehn)
Jhres Coͤrpers Grenzen ſehn;
19.So erlaub’t mir dieſe Worte:
Es iſt wahr, der Sonnen Reich
Stral’t nur bloß an einem Orte,
Scheint nur einer Kugel gleich:
Doch wie, wenn es nur ſo ſchiene,
Wenn des Firmamentes Buͤhne
Etwan auf der Stelle mehr
Als wo ſonſten offen waͤr?
20.Koͤnnen wir den Sinnen trauen,
Die nicht unbetrieglich ſeyn?
Koͤnnen wir mit Recht wol bauen
Auf den bloſſen Augen-Schein,
Der uns faͤlſchlich hintergehet?
Deucht uns nicht, die Erde ſtehet?
Da doch bloß der Sonnen Gluht,
Und die Erde nimmer, ruht.
21. Recht38921.Recht wie wenn ein helles Zimmer,
Welches man mit Boy bedeckt,
Alsbald einen ſchnellen Schimmer
Durch die klein’ſte Oeffnung ſtreckt,
Und man glaubte, dieſe Stelle
Sey allein des Lichtes Qvelle,
Jrr’te man ſich dennoch ſehr,
Weil’s die Gluht des Zimmers waͤr.
22.Koͤnnte hinter dieſen Decken,
Die kein Augen-Stral durchbricht,
Nicht ein Meer von Stralen ſtecken,
Ein unendlich Reich von Licht,
Das in ſtillen Heiterkeiten
Ewiger Vollkommenheiten
Unergruͤndlich, unbegraͤnzt,
Ewig, unveraͤndert glaͤnzt?
23.Denn weil ird’ſcher Coͤrper Augen
Solchen Sitz der Gottheit ganz
Nimmer zu ertragen taugen;
Hat vielleicht GOtt Seinen Glanz
Jn das dichte Kleid der Feſten,
Bloß zu der Geſchoͤpfe beſten,
Jn gelind - und ſanfterm Grad
Eingehuͤllt aus lauter Gnad’?
B b 324. Alſo39024.Alſo daß man an dem Orte,
Wo der Glanz der Sonne gluͤh’t,
Gleichſam als durch eine Pforte
Einen Punct des Licht’s nur ſieht,
Das unendlich, unzertrennlich,
Undurchdringlich, unverbrennlich
Um den Thron des Schoͤpfers flamm’t,
Woraus alles alles ſtamm’t.
25.Wann ein Punct nur ſo viel Erden,
Als man itzt Planeten kennt,
Fruchtbar, hell und warm laͤſſt werden;
Wann dieſelbe Flamme brennt
Jn viel tauſend feſten Sternen;
Kann man voller Ehrfurcht lernen,
Wie ſo herrlich dieſer Schein
Da, woſelbſt er ganz, muß ſeyn.
26.Da, woſelbſt ohn’ alle Grenzen
Ein unendlich Stralen-Heer
(Deſſen unbeſchreiblichs Glaͤnzen
Wie ein helles Flammen-Meer
Aus des Schoͤpfers Einfluß qvillet)
Aller Himmel Himmel fuͤllet,
Das wie Gold, wenn’s ſchmelzet, blickt,
Das kein Aug zu ſehn geſchickt.
27. Man39127.Man muß GOtt in dir erheben.
Denn es ſtroͤmet auf einmal
Wonne, Waͤrme, Licht und Leben
Wuͤrklich aus der Sonne Stral.
Ja es ſchein’t dein Wunder-Weſen
Eigentlich dazu erleſen,
Daß uns von des Schoͤpfers Macht
Sey was groſſes beygebracht.
Neu-Jahrs-Gedanken auf das 1724ſte Jahr.
Das drey und zwanzigſte nach ſiebzehn hundert Jahr,
So, durch des Hoͤchſten Huld, ein Jahr des Segens
war,
Eil’t ſeinem Ende zu. Das letzte Koͤrnlein Sand
Der Sand-Uhr faͤllt nunmehr den Augenblick herab,
Und mit demſelbigen das alte Jahr ins Grab.
Das neue, ſo ſchon da, wird allbereits genannt
Das vier und zwanzigſte. Bey dieſer Wechſel-Zeit
Will ich im ſuͤſſen Feu’r vergnuͤg’ter Dankbarkeit,
Jn wahrer Andachts-Gluht und Jnbrunſt meiner Selen
Des groſſen Schoͤpfers Huld und Vater-Lieb’ erzaͤlen,
Mit welcher Er die Welt ſo gnaͤdig angeſehn,
Daß keiner leben wird, der nicht erfreut geſtehn,
Vergnuͤg’t erkennen muß, kein Jahr mit ſo viel Gaben,
So lang’ er auch geleb’t, ſchon einſt erleb’t zu haben.
Was Moſes Jſrael im Segen dort verſprach,
Dem gibt des vor’gen Jahrs Heil, Ueberfluß und Segen,
Wenn man es recht erweg’t, nicht das geringſte nach.
Jch will dir Sonnen-Schein, ſprach GOtt, ich will dir
Regen,
Jch will dir Landes-Frucht in reichem Ueberfluß,
Jch will dir Suͤſſigkeit von Oel, von Korn und Reben,
Und einem jeglichen den froͤhlichen Genuß
Von allen dieſen Guͤtern geben.
Der Krieg ſoll eurer Grenzen ſchonen.
Es430Es ſoll ein jeglicher, umringt von ſich’rer Ruh’,
Jn ſeines Feigen-Baums und Wein-Stocks Schatten
wohnen.
Ach Hamburg, merke drauf! was ſageſt du hiezu?
Hat es im vor’gen Jahr von dem, was ich erzaͤlet,
An einem Guten dir gefelet?
Hat ſich nicht uͤber dich der Segen recht ergoſſen?
Es iſt der Laͤnder Mark dir gleichſam zugefloſſen.
Wenn manchen ſchoͤnen Ort im abgewich’nen Jahr
Die ungeheuren Flammen fraſſen;
So haben wir, GOtt Lob! in unſern Straſſen
Den Anfang kaum der drohenden Gefahr,
Und unverletzt, erblickt. Ein fuͤrchterlicher Rauch
Erfuͤllete zwar unſer Raht-Haus auch;
Allein, durch GOttes Huld und vaͤterliches Lieben,
Jſt es beym Rauch’ allein (nur Jhm ſey Dank!) geblieben.
Das aͤngſtende Geſchwirr der wilden Kriegs-Poſaunen,
Das moͤrdliche Gebruͤll verheerender Carthaunen
Hat Luft und Erde nicht erſchuͤttert,
Der Bomben ſchmetternd Feu’r die Haͤuſer nicht zerſplittert;
Der Minen Schwefel-Gluht ſprengt’ unſ’re Waͤlle nicht;
Wol aber hat das ſuͤſſe Friedens-Licht
Mit reiner Heiterkeit, mit unbewoͤlktem Glaͤnzen
Jn holder Ruh’ Europens Grenzen
Voll Segen angeſtral’t. Der edlen Kaufmannſchaft
Bereicherndes Gewerb’ empfing aufs neue Kraft
Durch Ruh’ und Sicherheit, fing an, auf allen Seiten
Jn taͤglich wachſendem Credit ſich auszubreiten,
Da Peſt und Furcht vorbey. Die Schwerdter, Spieſſ’ und
Degen,
Die431Die vormals Stadt und Land verher’t,
Hat das vergang’ne Jahr in Sicheln, Pfluͤg’ und Egen,
Zu vieler Laͤnder Heil, verkehrt.
Wie ruhig, wie vergnuͤg’t,
Wie lieblich, ſanft und ſtille
Sah man das fette Vieh in tiefem Graſe gehn,
Wie emſig dort die Schar der Schnitter Aehren maͤh’n,
Voll hundert-facher Frucht! Mit Ueberfluß und Fuͤlle
Hat GOtt das Jahr gekroͤn’t, da Seiner Fuͤſſe Spur
Recht troff von Oel und Wein. Hat jemals die Natur
Uns freundlich angelacht, uns liebreich angeblicket;
So iſt es ja wol recht in vor’gem Jahr geſchehn.
Was haben wir fuͤr Wunder angeſehn?
Was hat der Himmel uns fuͤr Segen zugeſchicket,
Wann er durch Sonnenſchein uns holde Waͤrme gab,
Bald ſanfte Winde ſandt, bald lauen Regen ſpruͤhte?
Was wandte GOtt von uns fuͤr viele Plagen ab?
Kein Mehl-Thau ſengete das Korn, kein Blitz die Bluͤhte;
Es war ſo Luft als Land vom Ungeziefer leer.
Kein freſſigs Raupen-Heer
Zerbiß die junge Frucht, beſpann den krummen Aſt;
Kein Heuſchreck zeigte ſich, kein Kefer fraß die Maſt;
Man ſah gar keine Maden
Den mit der Bluͤht’ annoch bekroͤn’ten Aepfeln ſchaden,
Wie jaͤhrlich ſonſt geſchicht, da man die Bluhmen ſieht,
Wenn ſie der falſche Wurm gemach zuſammen zieht,
(Als waͤren ſie verbrannt) verdorren und vergehen,
Und die verhoffte Frucht vom duͤrren Stiel verwehen.
Nein, jede Bluhme blieb; nein, alle Fruͤchte reiften,
Und432Und, ob ſich hie und da gleich ein’ge Raupen haͤuften;
So waren ſie dennoch (o Wunder!) ſolcher Ahrt,
Daß keine Frucht durch ſie, nur Laub, verzehret ward.
Die Aeſte ſah mein Aug’ in vielen Gaͤrten ſtehen,
Worauf nur Frucht allein, und nicht ein Blat, zu ſehen.
Kein Erd-Floh zeigte ſich; es nag’ten keine Schnecken
Die Bohnen, noch den Kol. Den Boden ſahe man
Sich durch der Erd-Beer rot mehr, als durchs Laub, be -
decken.
Nie ſah man ſonder Luſt die Frucht in Huͤlſen an.
Wie voll, wie reich, wie ſuͤß, war alles, was man ſah!
An allen Enden war der Segen fern und nah.
Pfleg’t ſonſt das gruͤne Laub die Kirſchen zu verſtecken;
So ſah man Kirſchen itzt das gruͤne Laub bedecken.
Die Baͤume waren rot, indem ein zartes Gruͤn
Nur ſelten durch den funkelnden Rubin
Der, ſich ſelbſt drengenden gehaͤuften, Kirſchen ſchien.
Wie gluͤht’ und glaͤnzte nicht die rote, glatte Haut
Der aufgeqvoll’nen rund - und ſaft’gen Frucht? Zumal
Wenn ſie des Himmels Licht, der guͤld’nen Sonne Stral
Bey heiterm Wetter traf, die runden Schalen ſchmuͤckte,
Und ihr klein glaͤnzend Bild in deren Glaͤtte druͤckte!
So lieblich prangeten die ſaͤurlich ſuͤſſen Kirſchen;
Nicht minder war das Heer der Apricoſen-Pfirſchen -
Und Aepfel-Baͤume voll. Wie herrlich ſah es aus,
Wenn man ſie nicht, wie ſonſt, nur Stuͤck-nein Strauß -
Und Trauben-weiſe zaͤl’te,
Und, wegen ihrer Meng’, im zaͤlen doch noch fel’te!
Man ſah mit Luſt auf manchem Baum
Von Pyramiden-gleichen Birnen
Sich433Sich ganze Pyramiden thuͤrnen.
Auch hier hatt fuͤr die Frucht das Laub faſt keinen Raum.
Wie mancher ſchwank - und zaͤher Aſt
Ward durch der ſchweren Kinder Laſt
Nicht nur gebeugt; gebrochen und geſpalten!
Vor groſſer Menge konnten kaum
Der Qvitten - und der Feigen-Baum
Die Birnen-foͤrm’gen Toͤchter halten.
Wie unbeſchreiblich voller Trauben
Jm vor’gen Herbſt der Weinſtock war,
Wird niemand leichtlich koͤnnen glauben,
Da ich ſo gar,
So daß nicht eine d’ran gefelet,
Dreyhundert ſechszehn Stuͤck’ an einer Reb’ allein,
Jn meinem Garten ſelbſt, gezaͤlet.
Durch ſolche Fruchtbarkeit entſtand
Solch eine gute Zeit, daß ſonderlich
Die Armut es zu ihrem Troſt empfand.
So wolfeil war das Obſt, das Korn, die Huͤlſen-Fruͤchte,
Als ſie faſt nie geweſt. Es kam zur Stadt mit Haufen.
Man konnt’ an Kirſchen mehr, als zwoͤlf Pfund am Gewichte,
Um einen einz’gen Groſchen kaufen.
Faſt funfzig Birnen, die recht ſchoͤn,
Die kamen nur den halben Teil zu ſtehn.
Ein Himpen Aepfel galt nicht mehr, als wenig Dreyer.
Die Pfirſchen kaufte man nicht anders, als bey Maſſen,
Da ſelbſt die Bauren ſie, wie ſonſt die Pflaumen, aſſen;
Die Apricoſen auch und Trauben waren heuer,
So wenig, als die Qvitten, theuer.
II. Theil. E eJn -434Jnſonderheit war, zu der Armen Freude,
Auf gleiche Weiſe das Getraide
Sehr wolfeil, ja das Fleiſch von Schwein - und Ochſen auch.
Wie haͤufig war das Heu, der Kuͤh’ und Pferde Futter?
Wie wolfeil Zucker, Milch, Mehl, Honig, Kaͤſ’ und Butter?
Wie es denn mehrenteils der Brauch,
Daß alle Waren nach den Fruͤchten
Sich meiſt mit ihrem Preiſe richten.
Da GOtt Sich nun, daß wir Jhn moͤgten faſſen,
Bey uns nicht unbezeugt gelaſſen,
Uns ſo viel Gut’s gethan, uns aus den Wolken Regen,
Und ſolch ein fruchtbar Jahr voll Ueberfluß und Segen
Von Weizen, Korn, von Oel und Reben,
Von Gras, von Heu und Fleiſch gegeben;
Da GOTT auf wunderbare Weiſe
Uns Geiſt und Leib erfuͤllt mit Anmut und mit Speiſe,
Aufdaß die Menſchen ſuchen ſollen,
Weil ſie, wenn ſie nur wollen,
Jhn fuͤlen koͤnnen und Jhn finden;
Da GOTT auf Bergen, in den Gruͤnden,
Jn Luͤften, in dem tiefen Meer’,
Jn Fluͤſſen, Baͤchen, Seen ſo wol als auf dem Lande
So vieler Creaturen Heer
Zu unſerm Nutz hervor gebracht;
So waͤr’ es ja wol eine Schande,
Wenn Menſchen Seine Liebe, Macht,
Und tiefe Weiſ heit nicht einſt uͤberlegen ſollten,
Und, wilden Tieren gleich, nicht einmal denken wollten,
Woher der Segen kommt, aus wem die Fuͤlle flieſſt;
Von435Von wannen unſ’re Dau’r und unſer Heil entſprieſſt;
Durch wen die Sonne ſtral’t, aus wem der Regen qvillet;
Wer mit erſprieſſlichem, geſundem Narungs-Saft
Die Fruͤchte, Kraut und Fleiſch; ja wer mit Geiſt und Kraft
Nicht nur die Erd’ allein, der Himmel Himmel fuͤllet.
Was aber koͤnnen wir, o GOTT, Dir wieder ſchenken?
Ach leider nichts, als nichts; denn Alles iſt ja Dein.
Ach laß aus Gnaden Dir denn doch gefaͤllig ſeyn
Ein Ehrerbietiges und froͤhlichs Angedenken!
Ach laß Dir doch, o HErr, mein Demut-volles Lallen
Und dieſen Lob-Geſang zum Neuen Jahr gefallen!
O GOTT, wer iſt, wie Du? Wo iſt ein ſolcher GOtt,
Als Du, unendlichs All, Du Herrſcher Zebaoth,
Der Du den Himmel ſchuf’ſt, und aller Himmel Heer,
Der Du der Erden Kreis, Der Du das weite Meer,
Nebſt aller Creatur, ſo man darinnen findet,
Bloß durch ein einzigs Wort gebauet und gegruͤndet,
Der Du der wilden Flut den leicht - und ſchwachen Sand
Zum Riegel vorgeleg’t, Der Du zu ihr geſprochen:
Nicht weiter ſollt du gehn; An dieſem duͤrren Strand
Sey deine ſchwere Macht gebrochen!
Es ſoll ſich hier das wuͤtende Bewegen
Von deinen ſtolzen Wellen legen!
Allgegenwaͤrtiger, doch unſichtbarer Geiſt,
Jn welchem alles iſt, aus welchem alles fleuſſt,
Ohn’ Anfang, ſonder End ſelbſtſtaͤndigs ewigs Leben,
Jn Dem wir leben, ſind und weben;
Der Du die Creatur, ſo Du geſchaffen, liebeſt,
Der Du die Sel’ erhaͤlt’ſt, dem Leibe Speiſe giebeſt,
E e 2Der436Der Du auf Wolken faͤhrſt, und auf den Winden gehſt,
So Arm’ als Reiche machſt, erniedrigſt und erhoͤhſt,
Vernichtigeſt, beſchaͤdigeſt und heileſt,
Den Koͤnigen das Reich bald nimmſt und bald erteileſt:
Gericht und Regiment, Gerechtigkeit und Recht
Verwaltet man durch Dich. Fuͤrſt, Bauer, Herr und Knecht
Sind alle gleich vor Dir. Es faͤllt kein einzigs Har
Von unſerm Haupt’, o GOtt, zur Erd’ ohn Deinen Willen.
Die Thronen, die Gewalt, und aller Engel Schar
Sind, HErr, Dir unterthan, und fertig zu erfuͤllen
Was Du befielſt und willt. Der Sonnen Glanz und Licht,
Des Mondes Gegen-Schein erleuchteten uns nicht,
Falls Du es nicht befoͤl’ſt. Nur Du erteilſt allein
Dem ungezaͤl’ten Heer der Sterne Glanz und Schein,
Fuͤll’ſt die Unendlichkeit mit ſolchen Coͤrpern an,
Daß kein erſchaff’ner Geiſt, kein Witz ſie zaͤlen kann.
Luft, Erde, Finſterniß, Licht, Nebel, Froſt und Hitze,
Dampf, Feuer, Hagel, Schnee, Sturm, Waſſer, Donner,
Blitze
Sind Diener Deines Winks. Von und in Ewigkeit
Jſt Dein gewaltigs Reich. Du bleibeſt allezeit
Jn unveraͤnderlich - und ſel’ger Ruhe ſtehen.
Die Himmel aͤndern ſich, die Erde wird vergehen;
Sie werden alt, recht wie ein Kleid.
Die unumſchrenkte Kraft der Allmachts-vollen Haͤnde
Kann ſie, wenn ſie ſich aͤndern ſollen,
Wie ein Gewand zuſammen rollen;
Du aber biſt und bleibſt: Dein Weſen hat kein Ende.
Du biſt die Weiſ heit ſelbſt, unendlich an Verſtand,
Der437Der Sonnen Sonn’ und HErr, des Lichts ſelbſtſtaͤndigs Licht.
Was in der Erden Grund, ins Himmels Hoͤh geſchicht,
Und in des Meeres Tief’, iſt Dir allein bekannt.
Du ſiehſt die Menſchen an von Deinem heil’gen Thron’,
Und ſchaueſt auf ihr Thun, du weiſt, worauf ſie ſinnen.
Dein all-durchdringend Aug ſieht unſer Herz von innen,
Ja, eh man noch gedenkt, weiß es der Schoͤpfer ſchon.
Du kenneſt unſern Gang, du pruͤfeſt Puls und Nieren;
Dein liebend Vater-Herz iſt uͤberall zu ſpuͤren;
Dein Mitleid, Deine Gnad’, Huld und Barmherzigkeit,
Die ewiglich ohn’ End’ auf alles ſich erſtrecket,
Durchdringet und umgiebt, erfuͤllet und bedecket
Die Werke Deiner Hand. Du heilſt der Wittwen Leid;
Du biſt der Armen Troſt, ein Vater aller Wayſen,
Und Richter ihrer Sach’. Ach moͤgt’ ich Deine Macht,
Huld, Liebe, Majeſtaͤt und Weiſ heit ewig preiſen!
Es flammet bloß durch Dich in einer heitern Nacht
Das funkelnde Geſtirn, die ſonderbare Pracht
Des tiefen Firmaments, das ſonder Ziel und Grenzen.
Die Sonnen, die darin, als waͤren’s Sterne, glaͤnzen,
Sind Coͤrper, die an Groͤſſ den groſſen Kreis der Welt
Teils zehn-teils tauſendmal (o Wunder!) uͤbergehen.
Die haſt Du, Groſſes All! gemacht und hingeſtellt.
Aus ihrer Groͤſſ’ und Zal
Kann man, wie groß Du ſelbſt, am allerklaͤr’ſten ſehen.
Daß die Geſchoͤpfe ſich ſo wenig faſſen laſſen,
Daraus muß man ja wol, daß Du nicht zu verſtehen,
Und nicht zu faſſen ſeyſt, am allerbeſten faſſen.
Jndeſſen dank’ ich Dir, unendlichs ewigs Weſen,
E e 3Daß438Daß Du doch meiner Sel ſo groſſe Gnad’ erzeigt,
Da ſie, daß Deine Groͤſſ’ unendlich hoͤher ſteigt
Als Menſch und Engel denkt, kann uͤberzeuglich leſen
Jn Deiner Creatur. Es ſpuͤret mein Gemuͤte,
Daß Deine wahre Groͤſſ’ und Weſen nichts als Guͤte,
Dein Wollen Liebe, ſey. Vollkomm’ne Lieb’ allein
Kann Vollenkommenheit in einer Gottheit ſeyn
Nach menſchlichem Begriff. Dieß mehrt die Zuverſicht
Jn einer frommen Bruſt, daß Deiner Liebe Licht,
O GOTT, auch meine Lieb’ in mir auf dieſer Erde,
Und dort je mehr und mehr zu Dir entzuͤnden werde.
O meiner Augen Kraft und Licht, wodurch ich ſehe,
Daß ich in Dir allein, und bloß durch Dich beſtehe,
O unermeſſlichs Gut! laß mich ein Werkzeug ſeyn,
Wodurch Dein Wunder-Nam’ und Deiner Gottheit Schein
Geehret werden moͤg’! Ach fuͤlle meine Bruſt
Mit Deinem Freuden-Geiſt! Ach laß in Deinen Werken
Mich mit betrachtender und reiner Selen-Luſt,
HErr, Dein’ Allgegenwart empfinden, ſehn und merken!
Es ſey ſo Herz als Mund ſtets Deines Ruhmes voll,
Zumal zu dieſer Zeit! Ach laß mich Deinen Segen,
Den Du im vor’gen Jahr auch mir geſchenkt, erwegen!
Was hab’ ich, Groſſer GOtt, bey’m allgemeinen Wol,
Auch fuͤr beſonders Gut von Deiner Hand empfangen?
Es iſt, was ich begann, begluͤckt von ſtatten gangen.
Du ſegneteſt mein Amt, Du kroͤn’teſt meinen Stand,
Beſchirmeteſt mein Gut fuͤr Waſſer, Raub und Brand.
Mein liebſter Eh-Schatz leb’t vergnuͤgt und wol. Nicht
minder
Sind439Sind alle mir von Dir beſcher’te liebe Kinder
An Sel’ und Leib geſund. Wie manche Luſt
Empfand an ihrem Scherz und kindiſchen Gewuͤle,
Doch mehr noch, weil ſie ſich je mehr und mehr dem Zielt
Der Gottesfurcht und Kunſt ſich nahen, unſ’re Bruſt!
Ach, laß ſie mehr und mehr die Laſter-Brut beſiegen!
Floͤſſ’ ihnen Deinen Geiſt, den Geiſt der Weiſ heit, ein!
So werden ſie Dir hier und dort gefaͤllig ſeyn.
Mein einſt verfertigt Buch, das irdiſche Vergnuͤgen
Jn GOtt, iſt, o mein GOtt, zu Deinem Ruhm’, aufs neu’
Jm abgewich’nen Jahr vermehrt ans Licht gekommen.
Verleihe, Groſſes All, daß vieles vielen Frommen
Von jenem himmliſchen ein ſuͤſſer Vorſchmack ſey!
HErr, nimm den Dank von mir in tiefſter Ehrfurcht an,
Daß Du mir Deine Gnad’ und Huld dazu gegeben,
Weil keiner ohne Dich was Gut’s verrichten kann,
Und laß mich ferner ſo zu Deinen Ehren leben!
Unendlich reicher GOtt, Du Geber aller Gaben,
Laß nebſt den Meinigen auch mich geſegnet ſeyn
Jm angetret’nen Jahr’! Ach laß mich Dich allein
Jn meinem Amt ſo wol, als ſonſt, vor Augen haben,
Und Dein’ Allgegenwart zu aller Zeit bedenken!
So wirſt Du, was uns nuͤtzt, aus Gnad’ uns ferner ſchenken.
Die durch die Betrachtung des Menſchlichen Nichts verherrlichte Groͤſſe GOttes. Auf das Neu-Jahr 1725.
Es drehet ſich nunmehr der Erden ſtarre Flaͤche,
Die von der Qvell des Lichts bisher gewichen war,
Der Sonne wieder zu. Es faͤngt ein Neues Jahr,
GOtt gebe gluͤcklich! an. Jch denke, ſchreib’ und ſpreche
Mit Luſt zu dieſer Zeit von Deſſen Wunder-Macht,
Der aller Himmel Heer aus Nichts hervor gebracht,
Der ſie beweg’t, beleb’t, verſorg’t, erhaͤlt, regieret,
Der ſie unwandelbar, in ſtiller Majeſtaͤt,
Jn einer regen Ruh’ und ſolcher Ordnung fuͤhret;
Daß keines, um ein Har, aus ſeinen Schranken geht.
Die Ordnung, voller Macht und Weiſheit, zwinget mich,
Die Ordnungen, die auch im Jrdiſchen ſich weiſen,
Mit Demuts-voller Luſt zu loben und zu preiſen,
Als welche gar zu hoch und zu verwunderlich.
Unendlich-groſſer GOtt und Schoͤpfer, HErr der Tage,
Du Kreis und Mittel-Punct der Zeit!
Du hell - und dunk’le Qvell der tiefen Ewigkeit,
Vernimm mit Vater-Huld, was ich, Dein Kind,
Von Deinen lieblichen und weiſen Wegen ſage,
Die unerforſchlich zwar und unbegreiflich ſind,
Die ſich vom Menſchlichen Verſtande zwar nicht faſſen,
Und nicht ergruͤblen; nein, nur bloß bewundern, laſſen.
Mich441Mich treibet meine Pflicht, mit Andacht nachzudenken,
Ob nicht der Menſchliche Verſtand dahin zu lenken,
Daß er ohn Wider-Sinn und Murren faſſen lerne,
Wie es von Billigkeit und Recht ſich nicht entferne,
Ob man gleich oftmals ſieht, daß es in dieſer Welt
Den Boͤſen meiſtens gut, den Frommen uͤbel, gehe;
Wie gottlos folglich ſey, wenn mancher gar daher
Erbaͤrmlich folgern will, als wenn kein GOtt nicht waͤr,
Daß alles auf der Welt bloß durch ein Ungefehr,
Daß nichts durch GOttes Macht und weiſen Raht, geſchehe.
Wenn mancher alſo denkt: Wie geh’ts auf Erden zu?
Betrug und Boſheit herrſch’t, die Tugend wird gedruͤcket.
Wenn ſich die Froͤmmigkeit als Sclavinn, ohne Ruh,
Mit trocknem Brodt kaum lab’t, mit Waſſer kaum erqvicket;
So ſchwimm’t die Tyranney in einem Wolluſt-Meer,
Geſegnet und gekroͤn’t mit Reichtum und mit Ehr’.
Jſt nicht das Geld
Unwiderſprechlich itzt ein Herr, ein Gott der Welt?
Die Armut iſt allein, kein Laſter, eine Schande.
T .., der der groͤſte Schelm und Dieb im ganzen Lande,
Regiert des Fuͤrſten Hof. Er druͤck’t, er preſſ’t, er plag’t,
Was fromm und redlich iſt. Er qvaͤlet, er verjag’t
Das, was nicht laſterhaft. Berauben, Blut-vergieſſen,
Jſt ihm ein Kinder-Spiel. Der Wittwen Thraͤnen flieſſen
Vergebens uͤber ihn. Der Unterthanen Schweiß
Bethaut und duͤngt ſein Feld. Jhr aͤngſtlich-bitt’rer Fleiß,
Jhr Hunger naͤhret ihn
Wit Kummer-vollem Weh und taͤglichem Bemuͤhn.
Sein Fuͤrſt glaubt der verdammten Lehre,
E e 5Die442Die T … ihm beygebracht, als wenn auf dieſer Welt
Das Volk allein des Fuͤrſten halber waͤre;
Nicht aber, wie es ſich doch in der That verhaͤlt,
Daß jeder Fuͤrſt der Unterthanen wegen
Sein Amt empfangen hab’. Ach moͤgte nur allein
Sein Fuͤrſt auf dieſer Welt die Teufels Meynung hegen!
So aber iſt die Lehr’ anitzt faſt allgemein;
Und dieſes iſt die Qvell, woraus ein Jammer-Meer
Auf alle Menſchen flieſſt. Koͤnnt’ es nun aͤrger gehen,
Und wuͤrd’ auf dieſer Welt mehr Frevel faſt geſchehen,
Mehr Ungerechtigkeit, wenn durch ein Ungefehr
Die Welt regieret wuͤrd’? Jch muß noch etwas ſagen
Von Ungluͤcks-Faͤllen ſonſt und unverſeh’nen Plagen:
Wie ſehr betruͤb’t uns nicht der Elementen Wut!
Wie grauſam ſtuͤrzet oft die raͤuberiſche Flut
Uns in den Armuhts-Pful? Friſſt Hunger, Peſt und Brand
Nicht oft ein ganzes Land?
Wie mancher iſt wol eh’ als wie ein Dieb gehangen,
Der keinen Diebſtal je begangen,
Und deſſen Unſchuld erſt, nachdem ſie umgebracht,
Ans Licht gekommen iſt! Vergieſſt des Krieges Wut
Nicht ſonder Unterſchied unſchuld - und ſchuldigs Blut?
Koͤnnt’ es faſt aͤrger gehn, wenn durch ein Ungeſehr
Der Kreis der Welt regieret waͤr!
Deßgleichen Urteil wird ja, leider! oft gefaͤllt,
Und weil ſo gar oft fromme Selen
Sich mit ſo leidigen Gedanken qvaͤlen;
Hab’ ich mir itzo vorgeſtellt,
Und neme die Gelegenheit,
Um443Um meinen GOtt zu preiſen,
Die Uebereilungen und Ungerechtigkeit
Von ſolchen Schluͤſſen klar zu weiſen.
Um nun zu dieſem Zweck am ſicherſten zu kommen,
Hab’ ich fuͤr dieſes mal mir vorgenommen,
Zuerſt der Menſchen Nichts in Demut einzuſehn,
Weil aus dem eit’len Stolz und aufgeblaſ’nen Weſen
Die ungerechten Schluͤſſ’ und Folgen meiſt entſtehn,
Ob waͤren viele Ding, die auf der Welt geſchehn,
Hart, grauſam, ungerecht. Ach moͤgten, die es leſen,
Von dieſer Wahrheit doch recht uͤberzeuget ſeyn!
So wuͤrden ſie von mancher Selen-Pein,
Die ſie mit Schwermut plag’t, verhoffentlich geneſen.
Das Laſter, ſo vorhin den Engel Luciſer
Beſeſſen und gefaͤllt; der Stolz, der Adam ſtuͤrzte,
Da er ſich wuͤrdig hielt, zu ſeyn, wie GOtt der HErr,
Wodurch er Eden miſſt’, und ſich das Leben kuͤrzte,
Herrſch’t noch in unſ’rer Bruſt, ſteckt noch in unſern Luͤſten.
Wir fuͤhren uns im ganzen Lebens-Lauf
Wahrhaftig faſt nicht anders auf,
Als haͤtte GOtt, beym Regiment der Welt,
Uns Jhm zur Huͤlfe zugeſellt;
Als wenn wir beſſer faſt, wie GOtt, zu herrſchen wuͤſten.
Aus welcher Qvell kann nun ſo grober Jrrthum kommen,
Als daher, weil von GOtt ſo elend und ſo klein
Die Menſchlichen Jdeen insgemein,
Und weil wir von uns ſelbſt ſo ſtraͤflich eingenommen.
So elend und ſo klein
Wir arme Menſchen alle ſeyn;
Ver -444Vergeſſen wir uns doch ſo ſehr, daß wir allein
Nach unſerm Nutz und Witz die Dinge, die geſchehen,
Beurteln und beſehen.
Kein armes altes Weib, das bey der Waͤſche ſtehet,
Jſt ſo veraͤchtlich, tumm und elend, daß ſie nicht
Auf ihr Verdienſt bey GOtt ſo feſte Zuverſicht,
So ſteife Hoffnung ſetzt: wann’s regnet, oder wehet,
Und ſie ſchoͤn Wetter braucht; es werde Sturm und Regen
Um ihrent willen ſchon zu rechter Zeit ſich legen.
Was Wunder, daß ſo dann, wanns etwan anders faͤllt,
Und wann der taube Nord den heiſern Ton nicht hoͤret,
Sie ſich voll Widrigkeit und Gram, nicht g’nug geehret,
Und, ſonder ihrer Schuld, von GOtt verachtet haͤlt?
Da doch, wofern ſie das, warum ſie bittet, wuͤſte;
Sie ſelber finden wuͤrd, daß ſelbſt die ganze Welt
Um ihre Waͤſche ſich verdrehn und aͤndern muͤſte.
Du lachſt vielleicht, mein Leſer; aber hoͤre!
Wie wenn es etwan auch mit dir nicht anders waͤre?
Wie wenn ich auch bey dir ſo heil’ge Einfalt ſpuͤr’te?
Wie wenn ich dich allhie mit Wahrheit uͤberfuͤhrte,
Daß du, und zwar gar oft, den Waͤſcherinnen gleich,
An Witz und Wiſſen arm, an Eigen-Liebe reich,
So wunderliches Zeug, wie ſie, von GOtt begehreſt,
Und eben ſo, wie ſie, wanns felet, dich beſchwereſt?
Da dein Verdienſt jedoch und dein Verſtand ſo klein,
Daß faſt die Thiere ſelbſt in vielem kluͤger ſeyn,
Als wie die Menſchen ſind. Dich deß zu uͤberfuͤhren,
Wird mir allhier ſo leicht ſeyn, als gebuͤhren.
Zu mehrer Deutlichkeit
Will445Will ich, geliebter Freund, dich ſelber fragen,
Und du wirſt, ohne Zank und Streit,
Schon offenherzig g’nug mir deine Meynung ſagen.
Was biſt du, lieber Menſch? Du ſprichſt in deinem Sinn:
Jch bin das herrlichſte Geſchoͤpf, ein Herr der Erden,
Der Creaturen Fuͤrſt und ihr Monarch. Jch bin
Das vollenkommenſte, ſo die Natur ließ werden.
Jndem in meinem Geiſt, der gut und boͤſes kennet,
Die Fackel der Vernunft in hellen Stralen brennet;
Beleucht’ ich alle Ding’: Jch unterſcheid’, erwaͤge,
Verbeſſre, rechne, ſchreib’, erfind’ und uͤberlege,
Was nuͤtz - und ſchaͤdlich ſey. Jch bilde, ſchmuͤcke, ziere,
Jch male, meſſe, bau’, ich zwinge, leit’ und fuͤhre
Die Elemente ſelbſt. Gewiß, dieß klinget ſchoͤn,
Und wenn wirs recht beſehn;
Bild’ſt du dir von dir ſelbſt dieß alles wuͤrklich ein:
Es fel’t nicht viel, du glaͤub’ſt ein kleiner Gott zu ſeyn.
Doch, worauf fuſſeſt du ſo uͤbermuͤt’ge Schluͤſſe,
Daß alles, was du denk’ſt, ſich ſo verhalten muͤſſe?
Erlaube, daß ich dich ein wenig in der Naͤhe,
Was du denn eigentlich doch ſeyſt, mit Ernſt beſehe!
Du wirſt gebohren, leb’ſt und ſtirbſt. So auch ein Thier;
Ja viele gehn dir noch an Daur und Leben fuͤr.
Du iſſeſt, trinkſt und ſchlaͤf’ſt. Ein Thier ſo wol als du
Jſſt, trinket und genieſſt des Nachts der ſanften Ruh.
Du ziereſt deinen Leib mit manchem ſchoͤnen Kleide.
Sie ſind oft ſchoͤner noch, als du, gezieret. Schau
Des Tiegers bunten Pelz, ſchau den ſo ſchoͤnen Pfau!
Zudem ſo geben dir die Thiere Woll’ und Seide.
Mit446Mit deiner Weber-Kunſt wirſt du nicht viel gewinnen,
Weil Thiere ja ſo gut, als du, und beſſer ſpinnen.
Schau’ eine Spinn’! Ein Wuͤrmchen wirk’t und web’t
Mit groͤſſ’rer Kunſt, als du. Es baut der Menſch Pallaͤſte
Zur Sicherheit ſo wol als zur Beqvemlichkeit.
Sprich: Trifft man alles dieß in einem Vogel-Neſte
Nicht mit Verwund’rung an? Ein kleiner Schnabel bau’t,
Was man nicht ſonder Luſt, nicht ohn’ Erſtaunen ſchau’t,
Ohn’ Hand und Werkzeug auf. Noch mehr, die kleinen Bienen
Die werden ſtaͤrker noch zur Ueberzeugung dienen,
Daß alles, was ein Menſch an Bauwerk je geſtift’t,
Kaum ihrem Bau ſich gleicht, und ihn nicht uͤbertrifft.
Es kann der kluge Menſch die Schiffahrt ſo beſtellen,
Daß er in Sicherheit das tiefe Reich der Wellen
Durchreiſet und zerteilt. Das iſt zwar wahr; allein,
Daß Gaͤnſ’ und Endten noch dazu geſchickter ſeyn,
Vernein’ſt du ja wol nicht. Die Voͤgel aber fliegen,
Und ſchiffen durch die Luft, durchſtreichen mit Vergnuͤgen
Und ſonder alle Muͤh den Kreis der untern Welt,
Das dir mit aller Kunſt durchaus unmoͤglich faͤllt.
Jch ſorg’ aufs kuͤnftige; ich ſammle reiche Schaͤtze.
Wie wenn ich dir hierauf der Ameiſ’ Arbeit, Fleiß,
Und kluge Sorg’ entgegen ſetze?
Was meyn’ſt du, wem gebuͤhrt von beyden wol der Preis,
Da ſie nicht, ſo wie du, bloß in den Ueberfluß
Und in dasjenige, was ſie nicht braucht, vernarret;
Da ſie ihr noͤtig Korn bloß ſammlet zum Genuß;
Da ſie nicht ſo, wie du, bloß um zu ſcharren, ſcharret?
Mich deucht, du faͤhreſt fort: Kein Thier gedenk’t; ich denke.
Ja447Ja das iſt wahr, du denk’ſt. Allein was denkeſt du?
Viel unnuͤtz boͤſes Zeug. Wenn ich mein denken lenke
Aufs Vieh; ſo ſchreib’ ich ihm zwar nicht ſolch denken zu,
Als wie das deinige. Es denket nicht ſo viel,
So mancherley, wie du; allein von ſeinem Ziel
Entfernt ſich keines ſo. Das, was man Triebe nennet,
Jrr’t weniger, als das, was dein geſchwoll’ner Geiſt
Selbſt Schluͤſſe der Vernunft und ſich’re Folgen heiſſt,
Da ja der kluͤg’ſte Menſch faſt nichts recht gruͤndlich kennet.
Der Menſch erinnert ſich deß, was er einſt gethan.
Das wird ja, ſageſt du, gewiß den Thieren fehlen.
Ach nein: ich koͤnnte dir von Hunden viel erzehlen;
Denn wuͤrklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an.
Wie viel Vergnuͤglichkeit, wie viel Veraͤnderung
Hat nicht der kluge Menſch? Der Luſt Verwechſelung
Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht uͤber ſie.
Allein laͤſſt nicht ein Vieh
Hingegen eine Ruh’ und eine ſanfte Stille
Jn allem ſeinem Thun verſpuͤren? Jſt ſein Wille
Durch wilde Leidenſchaft, wie dein Gemuͤt, geplag’t?
Die Ruhe, die bey euch kein Philoſoph’ erjag’t,
Beſitz’t es ohne Muͤh’, und die Gelaſſenheit,
Die auch dem kluͤg’ſten fel’t, vermindert ihm ſein Leid.
Ey, faͤhr’ſt du weiter fort: da ich die klugen Thiere
Bezwingen, fangen kann, ſie ſtraf’ und ſie regiere;
So muß ich ja viel mehr und kluͤger ſeyn, als ſie.
Gefel’t! weil ſonſt ein Hecht, ein Habicht und ein Baͤr
Viel beſſer, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun waͤr:
Ja, ginge dieſer Schluß, den du hier macheſt, an;
So448So waͤr’ ein Araber, ein Raͤuber, ein Tyrann
Noch beſſer, als ein Menſch. Willt du noch weiter gehen,
Und ſprechen: Weil wir doch faſt mit erſtannen ſchen
Wie manches ſchoͤne Werk der Menſch erfunden hat;
So zeigt ſich ja von ſelbſt ſein Vorzug in der That.
So ſag’ ich nein. Du haſt auch hier nicht uͤberwunden.
Durch alles, was der Menſch bisher erfunden,
Sind wir von ihnen doch ſo weit noch nicht entfernt,
Da wir das mehreſte den Thieren abgelernt.
Hieruͤber muß ich ja von Herzen deiner lachen,
Sprichſt du: kann denn ein Vieh, wie wir, auch Uhren
machen?
Nein, dieſes eben nicht. Doch hoͤre nur!
Sie ſind noch witziger, als du, mit deiner Uhr.
Es zeigt die Uhr vielmehr ein’ Unvollkommenheit.
Sie wiſſen ſonder Uhr und Zeiger ihre Zeit.
Noch ſprichſt du: Singet denn und machet auch ein
Thier
Erbauliche Gedicht’ und Verſe, ſo wie wir?
Nicht eben ſolcher Ahrt; allein das ſuͤſſe Schallen
Der lieblich-ſingenden beliebten Nachtigallen,
Die auf ſo manche Weiſ’, als du der Lettern Menge
Veraͤnderſt, ihren Ton veraͤndern; ſollt’ es nicht
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm ein ſingendes Gedicht
Mit Recht zu nennen ſeyn? Daß wir es nicht verſtehen,
Beweiſet nicht ſo ſehr ihr Nichts, als unſ’re Schwaͤche,
Und zeiget unſ’re mehr, als ihre, Schwachheit an;
Da jedes Thier ja ſonſt von mir auch denken kann:
Jch waͤre tumm. Warum? Es weiß nicht, was ich ſpreche.
Ein Menſch verſteht der Zalen wehrt.
Wir449Wir rechnen; welche Kunſt! Kann dieſes auch ein Vieh?
Nein, und dennoch ſind wir kaum ſo gelehrt
Mit aller Wiſſenſchaft und Rechnung, als wie ſie.
Ein Storch weiß ſeine Zeit, und rechnet ſeine Stunde:
Und uͤberdem, wir wiſſen nicht einmal
Die Wunder-Tief’ und Hoͤh der Zalen aus dem Grunde;
Wir wiſſen nicht den Schluß noch Anfang einer Zal.
Die ſchlieſſen ja fuͤr dich was unbegreiflichs ein,
Da ſchon in einem 1. die Teil’ unendlich ſeyn.
Wird nicht von unſ’rem Witz begriffen und gefaſſt
Manch Handwerk, manche Kunſt? Auch dieß iſt wahr;
allein
Erwege doch die Laſt,
Die Arbeit, Plage, Muͤh, den Schweiß, den Gram, die
Sorgen,
Den Kummer und Verdruß,
Die mancher Handwerks-Mann vom Abend bis zum Morgen,
Bloß um ein Bißgen Brodt, beſtaͤndig dulden muß,
Und ob auf ſolche Weiſ’ ein Thier
Ohn’ Handwerk, ſonder Kunſt, nicht gluͤcklicher, als wir!
Der Menſch iſt ja gelehrt. Wir haben Profeſſores
In omni ſcibili, Philoſophos, Doctores.
Wir unterſuchen ja die Wirkung der Natur,
Ergruͤnden ihre Kraft, und kommen auf die Spur
Von ihrer Heimlichkeit. Sind das nicht Wunder - Sachen?
Vortrefflich, wunderbar! Nur eines fel’t daran,
Daß keiner nicht einmal dir recht erklaͤren kann,
Was Feu’r, was Waſſer ſey. Jch muß von Herzen lachen,
Daß die gelehrte Welt ſich ſelbſt ſo ſehr erhoͤht,
II. Theil. F fDa450Da ſie von der Natur und allen ihren Wegen
Die Urſach nicht, nicht einſt das A B C verſteht,
Wie ihre Widerſpruͤch’ es ſelbſt vor Augen legen.
Noch eins: was jedes Thier am Guten einzeln hat,
Das hat der Menſch nicht nur in einem hoͤhern Grad;
Er hat nicht nur den Trieb, den Geiſt, die Faͤhigkeiten,
Und alle Thieriſche Vollkommenheiten
Jn ihm allein vereint, nein noch viel mehr dazu.
Es iſt auch dieſes wahr; allein wie braucht er ſie?
Wird auch von einem Thier, wird auch von allem Vieh
Dem Menſchen ſo viel Plag’ und Schaden zugefuͤget,
Als wie vom Menſchen ſelbſt? Kaum iſt ein Wolf ſo wild,
Kaum iſt ein frecher Baͤr mit ſolcher Wut erfuͤllt,
Als Menſchen, die ſich ſelbſt zerfleiſchen und zerreiſſen
Durch Pulvec, Stal und Bley, weil ihnen die Natur
So Klau’ als Zahn verſag’t. Mein, uͤberleg’ es nur!
Wie wuͤrdeſt du den Krieg ergrimmter Katzen heiſſen,
Wenn du in einem Thal durch Beiſſen und durch Kratzen
Die todten Aeſer ſaͤhſt von funfzig tauſend Katzen?
Wie man doch leider oft geſehn,
Daß es mit groſſem Mut und groſſem Ruhm geſchehn
Vom menſchlichen Geſchlecht’. Jch ſchweige vom Betriegen,
Vom Stolz, vom Neid’ und Geiz, Verraͤterey und Luͤgen.
Wollt’ ich die Menſchen ſo, wie du, beſchauen;
Moͤgt’ einem Menſchen ja faſt vor den Menſchen grauen.
Doch hoͤr’ ein einzigs noch, wodurch dein harter Schluß
Ob waͤr der Menſch ſo ſchlecht, gewiß ſich aͤndern muß,
Weß du dich, gegen ihn zu ſchreiben, auch erkuͤn’ſt.
Wie groß auch gleich die Gleichheit zwiſchen beyden;
Wird451Wird die Religion uns dennoch unterſcheiden.
Sprich: haben denn die Thier’ auch einen Gottesdienſt?
Nein: dennoch ehren ſie die Gottheit nach der Weiſe,
Die ihnen eingepflanzt, ohn’ allen Zank und Streit,
Verfolgung, Ketzerey. Sie leben, Jhr zum Preiſe,
Jn Einfalt und Gelaſſenheit.
Bis hieher geht jedoch, was ich mir vorgenommen,
Zu zeigen den Vergleich mit dir und Thieren, nur,
Und wuͤnſch’ ich, daß du doch dadurch magſt auf die Spur
Zur wahren Ehr’ und Ruh, durch wahre Demut, kommen.
Du wirſt erkennen koͤnnen,
Da du ſo wenig taugſt, da du ſo wenig biſt,
Daß du auch nichts verdienſt, daß, was dir GOtt zu goͤnnen
Dich noch gewuͤrdigt hat, nur bloß ein Merkmal iſt
Von Deſſen Lieb’ und Huld, Der weiſer, beſſer,
Unendlich herrlicher und groͤſſer,
Als du mit Sel’ und Leib: daß du ja tauſendmal
Noch ungluͤckſeliger, zernag’t von groͤſſ’rer Qval
Mit Recht noch koͤnnteſt ſeyn. Jſt GOtt dir etwas ſchuldig?
Es koͤmmt ja dir
Nicht einmal ungerecht, nein unanſtoͤſſig, fuͤr,
Ob du gleich glaubſt, daß der Verdammten Pein
Wird ewig und unleidlich ſeyn:
Hier aber auf der Welt,
So bald dir etwan Ehr’ und Geld,
Wie oder ſonſt was felet,
So bald ein kurzer Schmerz dich etwa qvaͤlet;
Vermeyneſt du, daß dir zu nah geſchehe,
Ob du dich gleich nicht hier wirſt ohne Suͤnde nennen,
F f 2Auch452Auch folglich dich nicht frey von Strafe ſchaͤtzen koͤnnen.
Ja, ſprichſt du, weil ich gleichwol ſehe,
Daß vielen, die weit aͤrger noch, als ich,
Es doch weit gluͤcklicher, als mir, ergehe;
Murr’ ich mit Recht, und aͤrg’re mich.
Allein, koͤmmt dir denn nie der Vorwurf in den Sinn:
Da dein ſo kleines ganz in ſolchen engen Schranken
Sich eingeſchloſſen ſieht, und ſich faſt ſelbſt nicht find’t;
Auf, faſſe denn von GOtt auch andere Gedanken,
Als du bisher von Jhm, durch Eigenliebe blind,
Durch Hochmut aufgebleht, geheget!
Sey nicht, ſo wie vorhin, nur voll von dir allein!
Reiß ein, und ſtuͤrze doch ſo Tempel als Altar,
Der deinem Goͤtzen Jch bisher geheiligt war,
Voll edlen Eifers, um, und laß der Selen Triebe
Nur Dem gewidmet ſeyn,
Der nicht nur dich und etwan hier die Welt,
Nein aller Himmel Heer, erſchaffen und erhaͤlt;
Der die Unendlichkeit mit Seiner Weiſheit fuͤllet;
Aus Dem das kuͤnftige, nebſt dem vergang’nen, qvillet;
Der alles ſieht und weiß, Der Herz und Nieren kennt,
Der aller Creatur, aus Liebe, Gutes goͤnnt!
Verſenke dich in Jhm, und tad’le ferner nicht,
Wenn etwan etwas auf der Welt
Das du nicht faſſen kannſt, und das dir nicht gefaͤllt,
Wanns dich betrifft, geſchicht.
Mit welchem Recht will doch ein Menſch, dem nichts gehoͤr’t,
Der ſelber nichts iſt, und nichts wehrt,
Sich453Sich etwas, das geſchicht, zu tadeln unterſtehen,
Da nichts geſchehen kann, was nicht vorher verſehen?
Heiſſt dieſes nicht, das Nichts der Menſchen ganz vergeſſen,
Wenn wir des Schoͤpfers Geiſt nach unſerm Geiſte meſſen?
Da die Gerechtigkeit der Menſchen, wie ein Kleid,
Das ganz beſudelt, iſt; kann die Gerechtigkeit
Des Allerhoͤchſten, die allein
Vollkommen heilig iſt, damit verglichen ſeyn?
Aus dieſer Hochmuts Qvell entſpringt und kommt ein Meer
Von Ungeduld und Boſheit her.
Denn waͤr die Menſchheit uͤberfuͤhret,
Daß GOtt auf and’re Weiſ’ und zwar mit Recht regieret;
So ſaͤhen wir gewiß mit mehr Gelaſſenheit,
Die GOtt allein gefallen kann,
Die Goͤttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit,
Gerechtigkeit und Weiſheit an.
Denn daß ich dieß nicht weiß,
Dieß eben ſtellet mir
Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit fuͤr,
Und zeigt mir, daß kein Menſch, ein GOtt, den Zepter fuͤhret,
Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Menſch, regieret.
Denn, daß der Menſch von Dingen, die geſchehen,
Den Grund, Zuſammenhang und Endzweck zu verſtehen,
Auch gar nach ſeinem Witz ſie abzumeſſen ſucht,
Und folglich unrecht heiſſt, was er gleichwol nicht faſſt,
Jſt des verfluchten Hochmuts Frucht.
Verſtuͤnden wir, warum die Dinge
Auf Erden ſo und anders nicht geſchehn,
Und wie aus jenem dieß, aus dieſem das, entſpringe,
F f 3Ja454Ja wozu jenes auserſehn,
Wovon nach ſo viel tauſend Jahren
Der Endzweck erſtlich zu erfahren,
Wo, ſag’ ich, wir an Wiſſenſchaft ſo reich;
So waͤr die Menſchheit faſt der Gottheit gleich.
Drum huͤte dich, ſey nicht ein and’rer Lucifer,
Und wuͤnſche nicht zu ſeyn wie GOtt der HErr!
Dieß find’ ich, wenn ich es mit Andacht uͤberlege:
Des Schoͤpfers Wege ſind nicht unſ’re Wege.
Kein’ Eul und Fledermaus, kein Maulwurf iſt ſo blind,
Als wie wir, im Vergleich mit GOttes Weiſ heit, ſind,
Die allenthalben iſt; die das, was dein Verſtand
Ergruͤbelt und erkennt, erkennt und laͤngſt erkannt,
Das ew’ge Weiſ heits-Meer, worin der kluͤg’ſte Geiſt,
Ja aller Engel Witz, als wie ein Troͤpfgen, treibet.
Da nun im weiten Meer’ ein Troͤpfgen ſich nicht ſtreubet,
Und anders flieſſen will, als wie die Tiefe fleuſſt;
Mit welchem Rechte denn kann unſer Witz verlangen,
Daß der gewalt’ge Lauf des Wirbels der Natur,
Den GOtt allein beweg’t, ſich aͤndr’ in ſeiner Spur,
Daß alles anders geh’, als es bisher gegangen?
Weil aus Beqvemlichkeit er etwa lieber wollte,
Daß es, wie GOtt will, nicht, nein anders, gehen ſollte.
Ja denke ferner nach: was wuͤrd’ aus dieſer Erden,
Sollt’ es nach jedes Wuͤnſchen gehn,
Fuͤr ein verwirrter Zuſtand werden!
Unmoͤglich koͤnnte ſie beſtehn.
Ein jeder wuͤrde ja, wie du, geehret, reich,
Jhr wuͤrdet all’ einander gleich
An455An Macht und Wuͤrde ſeyn, und keiner dienen wollen.
Es ſiehet jedermann
Faſt alles, was er ſieht, nach ſeinem Nutzen an,
Und keiner denkt von uns aufs ganze: keiner denket,
Daß Der, durch Deſſen Wink ſich Zeit und Erde lenket,
Unendlich weiſe ſey;
Daß Er von Ewigkeit auf alle Dinge ſehe,
Daß alles, was geſchicht, in einer langen Reih’
Und gleichſam unzerteilt in einer Kette ſtehe,
Wovon das Menſchliche Gemuͤt
Nicht den Zuſammenhang der vielen Glieder ſieht.
Es felen ihm davon zu viel; daher ſein Schluß
Unwiderſprechlich felen muß.
Der aber ſieht’s allein, Der alles, was vorbey,
Was iſt, was kuͤnftig koͤmmt, auf einmal deutlich ſchauet,
Und folglich weiß nur Der, wozu das nuͤtzlich ſey,
Was allezeit geſchicht, was Er zerbricht und bauet.
O HErr, wenn man mit Ernſt Dein’ Allmacht, Weiſheit,
Liebe,
Die all’ unendlich ſind, und die Du Selber biſt,
Mit unſerm eitlen Nichts nur im Vergleich ermiſſt;
So kann’s nicht anders ſeyn, man wird ſich ſelbſt nicht finden:
Denn aller Creatur Verſtand und Witz verſchwinden,
Und werden bey der Quell des ew’gen Weiſ heit-Lichts
Zu Nacht, zu Finſterniß, zu Schatten und zu Nichts.
Um die verborg’nen Weg’ ein wenig zu erklaͤren;
So faͤllt mir itzt aus eines Weiſen Lehren
Ein nuͤtzliches Exempel bey.
Derſelbe ſchreib’t, wie folgt: ein frommer Pilgrim ſey
Auf einem Berg’ einmal mit beten und mit leſen
F f 4Be -456Beſchaͤfftiget geweſen,
Woruͤber er auch einſt auf die Gedanken kommen,
Wie es doch in der Welt ſo wunderlich,
So unbegreiflich mit den Frommen
Und ihrem Gluͤcke ſtehe;
Wie oft im Gegenteil es Boͤſen gluͤcklich gehe!
Hieruͤber ſiehet er
Von ungefehr
Vom Berg’ herab auf eine Stelle,
Wo eine reine Waſſer-Qvelle
Aus duͤrrem Sand’ entſprang.
Zu dieſer naͤhert ſich ein Reuter, ſteigt vom Pferde,
Trinkt, ſchwingt ſich wiederum aufs Pferd, und reitet fort.
Ein Juͤngling koͤmmt darauf an dieſen Ort,
Trifft einen Beutel auf der Erde
Voll Gold mit Freuden an, den der Soldat verloren.
Den nimmt er mit ſich fort. Ein alter Greis,
Der kaum vor Muͤdigkeit, vor Alter und vor Gram,
Den krummen Leib zu tragen weiß,
Und bald vor Durſt verſchmachtet waͤre, kam
Nachher und ſetzte ſich, um etwas auszuruhn.
Der vorige Soldat,
Der ſeinen Schatz verloren hatt,
Kehr’t, ihn zu ſuchen um, und fraget
Den Alten, wo ſein Gold. Der ſaget:
Jch habe nichts geſehn. Als meiner Unſchuld Zeugen
Ruf’ ich den Himmel an. Allein
Der Reuter, der hievon nichts glaubte, ward ſo gleich
Vor Grimm und Eifer bleich,
Und457Und ſpaltet’ ihm den Kopf. Kann dieſes moͤglich ſeyn,
Kann dieß, was ich geſehen,
Mit der Gerechtigkeit des Schoͤpfers wol beſtehen?
Rief unſer Heiliger vor Schrecken. Aber bald
Vernam er eine Stimm, die ſag’te: Lieber, halt!
Verwundere dich nicht, daß GOtt, Der alles weiß,
Durch Seine Macht
Solch einen Frevel nicht verwehre!
Denn hoͤre:
Es hat vordem der alte Greis
Des Juͤnglings Vater umgebracht.
Laß dieß Exempel dir doch ein Exempel ſeyn,
Und glaube ganz gewiß, daß alles, was geſchicht,
Es ſey und ſcheine dir ſo groß, ſo klein,
So fremd, ſo wunderlich; kein’ Ordnung unterbricht,
Die Der, Der alle Ding’ erſchaffen und erhaͤlt,
Der Creatur zur Richtſchnur vorgeſtellt.
Wo man von GOttes Weg’ ein’ and’re Meinung heget;
So glaubet man ſuͤrwahr an keinen wahren GOtt.
Denn Dem gereichet es gewiß zu keiner Ehre,
Nein zur Verkleinerung, Verachtung und zu Spott,
Wenn man, an Seiner Statt, ein albern Ungefehr
Auch in dem kleinſten nur erkennen wollte.
Wo waͤre GOtt ſodann, wenn etwas anders waͤr,
Das ohne GOtt was thun und laſſen ſollte?
Spricht nicht die Bibel klar:
Ohn GOttes Willen faͤllt kein einzigs Har
Von euren Haͤuptern auf die Erde?
Dieß iſt ein groſſer Troſt, wenn man bedenket:
F f 5Durch458Durch ein allmaͤchtiges, allweiſes Weſen werde
Auch das, was boͤſe ſcheint, zum guten Zweck gelenket,
Weil Er das Hoͤchſte Gut. Denn ſelber Schmerz und Pein,
Die auf der Welt ja wol die groͤſten Plagen ſeyn,
Sind, wegen ihrer Daur, ſo arg noch lange nicht,
Als man ſie glaubt zu ſeyn.
Es iſt die ganze Zeit
Vom Anbeginn der Welt
Nicht eine Stunde lang, wo man der Ewigkeit
Die Zeit zur Seite ſtellt,
Und die mit ihr vergleicht. Was gegen eine Stunde
Der allerkleinſte Teil der fluͤchtigen Secunde,
Das iſt des Menſchen Zeit, mit jener Zeit verglichen,
Noch lange nicht einmal.
Wird nun die ſchwer’ſte Pein,
Wird auch die groͤſte Qval,
So je ein Menſch auf dieſer Welt empfunden,
Wenn man der Zeiten Folg’ erwaͤg’t, nicht leicht und klein!
So gar gebrannte Wunden,
Gicht, Podagra und Stein,
Sind ja, ſo bald ſie heil, verſchmerzt.
Dieß denk’ ein jeglicher, wenn etwa GOtt ihm Plagen
Und Schmerzen aufgeleg’t! Er ſuche ſie beherzt,
Durch die Betrachtungen der kurzen Daur, zu tragen!
Er denke, wie ſo leicht ein Schmerz, wenn er vorbey,
Zu dulden ſey!
Doch deucht mich, hoͤr’ ich ſchon, daß mancher hierzu ſpricht:
Der du die Lehren ſchreibſt, du haſt gut ſagen,
Jndem dir nichts gebricht.
Du459Du fuͤleſt keine Pein und Plagen.
Dich druͤcken Schimpf und Armut nicht.
Wenn du in unſ’rer Stelle waͤreſt;
So wuͤrde dir die Zeit gewiß ſo kurz nicht ſcheinen.
Du wuͤrdeſt nicht, wie itzo, meynen,
Es waͤre leicht, was du uns lehreſt.
Drauf ſprech’ ich: Jhr hab’t Recht. Jch danke meinem GOtt,
Daß weder Armut, Schimpf noch Spott,
Noch Pein und Krankheit mich verletzen,
Und iſt es meine Schuldigkeit,
Solch eine Gnade hoch zu ſchaͤtzen.
Allein verarget mir doch nicht,
Wenn auch bey einem ſolchen Segen
Mein Mund von fremden Plagen ſpricht;
Denn es geſchicht
So eur-als meinet wegen.
Jch denke nicht in meinem Sinn,
Daß ich des Guten wuͤrdig bin,
Nein, daß GOtt bloß, weil’s Jhm beliebet,
Mirs ohn Verdienſt aus lauter Gnaden giebet.
Jch denke nicht, daß Kummer und Verdruß
Von mir ſtets ferne bleiben muß.
Jch weiß, es kann im Huy geſchehen,
Daß Sturm - und Ungluͤcks-Winde wehen,
Weßhalben ich, GOtt Lob! mich ja nicht uͤberhebe,
Wol aber oft mit bangem Geiſt
Das, was mir die Erfahrung weiſ’t,
Mir zum Exempel gebe.
Und fleh’ ich GOtt, den GOtt, Der alles kann,
Um460Um die zween Gaben taͤglich an;
Sie ſind auch eben itzt der Endzweck meiner Lehren.
Ach GOtt! verleihe mir, zu Deinen Ehren,
Jm Gluͤck’ ein frohes Herz voll froher Dankbarkeit,
Und, wann es widrig geht, Gelaſſenheit!
Man halte ſolches nicht geringe!
Durch dieſe Tugend bloß allein
Kann unſer GOtt, der Schoͤpfer aller Dinge,
Am herrlichſten verehret ſeyn.
Es ſag’ten ehemals die Heyden,
Jhr Jupiter ſeh ſelber voller Frenden
Des Cato ſtandhaft Herz und tapfern Helden-Mut
Recht mitten in dem Schutt, recht mitten in der Gluht
Von ſeiner Vater-Stadt. Ob aber Eigenſinn
Und bitt’rer Haß nicht Cato mehr regieret,
Als wahre Tapferkeit, ſtell’ ich dahin.
Jndeſſen iſt gewiß, und ſind wir uͤberſuͤhret,
Daß keiner GOtt in ſeinem Leben
Ein ſuͤſſer Opfer koͤnne geben,
Als eine gaͤnzliche Gelaſſenheit,
Die ſich nach aller Moͤglichkeit
Aus Ehrfurcht-vollem Triebe
Geduldig, ſtill,
Auf GOttes Weiſheit, Macht und Liebe
Allein verlaͤſſt und ſtuͤtzt. Wer GOtt verehren will,
Muß wenigſtens von Jhm ſo viel Erkenntniß haben.
Denn hierin nur allein beſteht Sein wahrer Preis:
Daß ER
Ein ſolcher Geiſt, ein ſolcher GOtt und HErr,
Der461Der alles Gute kann, der alles Gute weiß,
Der alles Gute will, Der Sein Geſchoͤpfe liebet.
Denn es iſt alles gut,
Was GOtt, die ew’ge Quell des ew’gen Guten, thut.
Kommt es dir anders fuͤr; ſo denke, wer du biſt,
Und wer Derjenige, Der alles wirket, iſt!
Dich wirſt du eitel, tumm, ſchwach, elend, voller Suͤnden;
Jhn aber ewig, weiſ’, allmaͤchtig, liebreich ſinden.
Wenn du dieß uͤberzeuglich glaubeſt,
Wie beydes deine Schuldigkeit;
So weiß ich, daß zu keiner Zeit
Du ferner, wie vorhin, des Schoͤpfers Ehre raubeſt,
Die darin bloß, ſo viel an dir, beſteht,
Daß man von GOtt, wie es auch immer geht,
Weil Er es allezeit zum Beſten lenket,
Auch allezeit das Beſte denket.
Das Beſte nun iſt dieß: recht uͤberzeuget ſeyn,
Daß alles gut,
Was die ſelbſt-ſtaͤnd’ge Lieb’ und ew’ge Weiſheit thut.
Befleiſſige dich denn ins kuͤnftige darauf
Jn deinem ganzen Lebens-Lauf,
Dasjenige, was GOtt thut, gut zu finden!
Dieß iſt ein Gottesdienſt. Hiedurch wird GOtt geehrt
Weit mehr, als wenn man ſelbſt will alle Ding’ ergruͤnden,
Weit mehr, als wenn man ſich allein,
Um ſelig dort und hier begluͤckt zu ſeyn,
Zu ſeinem Vorwurf hat.
Wirſt du nun gegen GOtt hierauf gelaſſen ſeyn:
So wird Er deinen Gram, Schimpf, Armut, Krankheit, Pein
Entweder lindern oder heben,
Wo462Wo nicht, dir doch Geduld und die Verſich’rung geben,
Daß es dir nuͤtz und gut, und daß dein hieſigs Leiden
Werd’ eine Wurzel ſeyn der ewig-langen Freuden.
Doch rufe GOtt, weil man
Nichts aus ſich ſelber kann,
Um die Verſicherung in deiner Selen
Von dieſer ew’gen Wahrheit an;
So wird es wenigſtens dir nicht an Lind’rung felen.
Derjenige, der gruͤndlich uͤberfuͤhret,
Daß der Monarch, Der alle Welt regieret,
Allgegenwaͤrtig, gut, und kurz: ein Vater, iſt,
Und dann zugleich die kurze Daur der Zeit,
Zuſamt dem tiefen Meer der langen Ewigkeit,
Jn welchem keine Pein, ermiſſt;
Wird, wenn ſonſt Huͤlf’ und Troſt verſchwinden,
Den ſtaͤrkſten Troſt unfelbar finden.
Ein Vater, welcher ſeinem Kinde
Ein ſcharfes Meſſer nimmt, damit es ſich nicht ſchneide,
Thut ihm ja nichts zu leide.
Wie manchem wuͤrd’ auf dieſer Welt
Das ſonſt von jedermann gewuͤnſchte Geld
Nicht anders, als ein Meſſer, ſeyn,
So, neben mancher Sorgen-Buͤrde,
Nur Ungluͤck, Jammer, Angſt und Pein
Jhm mehrenteils erwecken wuͤrde?
Wie manchem laͤſſet GOtt den Tod ein Kind entfuͤhren,
Um ſolches nur nicht ewig zu verlieren?
Wie mancher wird, zu GOttes Ehre,
Dereinſt ſo an zu ſingen fangen:
Jch463Jch waͤre ganz gewiß vergangen,
Wofern ich nicht vergangen waͤre.
Es kann unmoͤglich anders ſeyn.
Die Plagen ſelber, ſo die Frommen
Auf Erden etwan uͤberkommen,
Verachtung, Armut, Schmerz und Pein,
Die muͤſſen ganz unfelbar ihnen
Entweder hier noch in der Zeit,
Wo nicht; doch in der Ewigkeit,
Zu ihrem Gluͤck und Beſten dienen.
Wer anders glaubt, thut nichts, als daß er GOttes Ehre
Recht ſtraͤflich zu verringern ſucht:
Denn der verfluchte Satz iſt ſeiner Meinung Frucht,
Als ob nicht GOtt die ew’ge Liebe waͤre.
Ach GOtt, gieb, daß ich thu nach meinen eig’nen Lehren!
Verleihe mir, zu Deinen Ehren,
Jm Gluͤck’ ein frohes Herz, voll froher Dankbarkeit,
Und, wann es widrig geht, Gelaſſenheit!
Abſonderlich wenn etwa Gram und Leid,
Schmerz, Mangel, Widerwaͤrtigkeit
Mich auch, wie and’re, treffen;
So gib, o wahrer GOtt, daß ich ſodann
Das Dir verkleinerliche Bild
Von einem alten greiſen Mann,
Womit ſo manches Herz erfuͤllt,
Aus meinem Herzen reiſſen kann!
Von dieſer Schwachheit zu geneſen,
Gib, daß ich meinen Geiſt und meine Sele hefte
An464An ein allgegenwaͤrt’ges Weſen,
Dem aller Himmel, Himmel Kraͤfte,
Ja ſelbſt der Abgrund, unterthan!
Ach gib, o groſſes All, daß ich
Oft Deine weiſen Wege faſſe!
Ach gib, daß ich mich bloß auf Dich
Und Deine Lieb’ allein verlaſſe!
Gib, was mir nuͤtzlich iſt, nicht, was mir nuͤtzlich ſcheinet!
Nicht ich, nur Du allein
Erkenneſt, was mir gut. Drum bitt’ ich, HErr! behuͤte,
Durch Deine maͤchtige, durch Deine weiſe Guͤte
Mich ſelbſt fuͤr das, was ich begehre,
Wenn es mir ſchaͤdlich waͤre!
Hierauf nun will ich mich anitzo wieder
Zum Endzweck dieſer meiner Lieder,
Zum Loben und zum Danken, kehren,
Und GOtt fuͤr ſo viel Gut’s, das ich empfangen, ehren.
GOtt Lob! dieß Jahr iſt abermal
Ein Segens-Jahr fuͤr mich geweſen.
Jch war zwar einmal krank; allein ich bin geneſen.
Du heilteſt mich, o HErr. Ohn’ End’ und ſonder Zal
Sind Deine Wunder-Werk’ und Deiner Gnaden Gaben,
Die alle Meinige nebſt mir empfangen haben.
Mein GOtt, wie manche Viertel-Stunde,
Wie manche fluͤchtige Secunde
Verflieſſt in einem Jahr, worin ein Ungeluͤck
Mir und den Meinen ſchaden koͤnnen!
Du aber ſchuͤtzteſt uns in jedem Augenblick,
Und haſt uns lauter Gluͤck und Segen wollen goͤnnen.
Du465Du haſt mir abermal mein Haus vermehrt,
Und mir in dieſem Jahr noch einen Sohn beſcher’t.
HErr, gib doch, daß auch der, zuſamt den andern allen,
Ein Werkzeug moͤge ſeyn zu Deinem Wolgefallen!
Mich hat in dieſem Jahr mein liebes Vaterland
Zu Groſſen dieſer Welt verſchied’ne mal geſandt;
So gar daß ich anitzt, indem ich dieſes ſchreibe,
Noch wuͤrklich auf der Reiſ’ und in Geſandtſchaft bin,
Vielleicht auch eine Zeitlang bleibe.
Jch ward zu erſt zum Koͤnige der Daͤnen
Nach Gluͤckſtadt zwey mal hingeſchickt.
Du haſt mich beyde mal fuͤr Ungluͤck und fuͤr Schaden
(Stund Hamburg damals gleich nicht in des Koͤnigs Gnaden)
So gnaͤdiglich bewahrt, und mich begluͤckt
Den Meinen wieder zugefuͤhret;
Wofuͤr nur Dir Lob, Ehr’ und Preis gebuͤhret.
Man ſchickte mich hernach, nebſt Surland, ferner hin
Zum maͤcht’gen Koͤnige der Preuſſen, und von dort
Geht unſ’re Reiſ’ itzt nach Hannover fort.
Mein Surland, dem die Stadt, was er fuͤr ſie gethan,
Geſchrieben und geredt, nicht g’nug vergelten kann,
Hat neben mir zugleich daſelbſt verſpuͤret,
(Woſuͤr nur Dir, o GOtt, Lob, Preis und Ruhm gebuͤhret)
Wie viele Gnade wir gefunden
Beym Koͤnige ſo wol als bey der Koͤniginn,
Der Mutter Jhres Volks, auch bey der Prinzeſſinn,
Wie viele Gunſt uns ſonſt der ganze Hof erzeiget.
Wer hat die Herzen doch ſo ſehr zu uns geneiget,
Als Du, o GOtt, allein? Die Reiſe von Berlin
II. Theil. G gBis466Bis nach Hannover hin
Jſt gleichfalls (Dir ſey Dank!) recht gluͤcklich abgeloffen.
Wir haben uͤberall nichts widrigs angetroffen.
Die einzige Gefahr
Vom Poſt-Knecht, der des Weg’s nicht kundig war,
Und in der dunk’len Nacht
Jm Wald’ uns irre fuhr,
Dient ſelber uns zu einer ſichern Spur
Von GOttes Lieb’ und Macht,
Daß Er auch dazumal fuͤr uns geſorget hat,
Jndem von ungefehr ein reiſender Soldat,
Der Weg’ und Stege wuſte,
Uns auszuhelfen kommen muſte;
Auch daß ein ſchon gebrochen Rad
Nicht ehe gaͤnzlich brach, als nahe bey der Stadt.
Jch danke Dir demnach fuͤr ſo viel Gnad’ und Guͤte,
O Groſſes All, die Du mir haſt erzeigt.
Ach ſey doch fernerhin uns gnaͤdig und geneigt!
Beſchuͤtze Hamburg, und behuͤte
Mich und die Meinigen vor Kummer und Gefahr,
Wann es uns nuͤtzt, in dieſem neuen Jahr!
Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1726ſte Jahr.
Es wechſeln abermals die Zeiten;
Das Jahr heiſſt nicht mehr, wie vorhin.
Laß, HErr der Zeiten, meinen Sinn
Sich doch zu dieſer Zeit zu Deinem Ruhm bereiten!
Durch Deine Gnade weiß ich dieß,
Daß aller Menſchen Thun vergehet,
Daß alles fluͤchtig, nichts beſtehet:
Dabey weiß ich doch auch gewiß,
Daß bloſſerdings die Zeit allein,
Jn welcher wir beſchaͤfftigt ſeyn,
Des Schoͤpfers Ehre zu erheben,
Die einz’ge Zeit ſey, die wir leben.
Ach haltet denn die Zeit nicht ferner fuͤr verloren,
Wenn ihr des Hoͤchſten Werk betrachtet und beſeht!
Bedenkts! ihr ſeyd ja bloß zu GOttes Ruhm gebohren,
Und Der wird bloß, o Lieb’! in eurer Luſt erhoͤh’t.
Ach wuͤſteſt du, welch’ Anmut, welch Vergnuͤgen
Jn den Betrachtungen von GOttes Werken liegen,
Und welche Luſt die Selen ſelber ruͤhret,
Was ein vernuͤnftiges Gemuͤt,
Das ſie zu GOttes Ruhm beſieht,
Fuͤr ſuͤſſe Freud’ in ihnen ſpuͤret:
Du wuͤrdeſt ſie wahrhaftig hoͤher achten,
Du wuͤrdeſt ſie viel fleiſſiger betrachten,
Du unterſucheteſt ſie immer beſſer.
G g 2Man468Man findet immer mehr, die Luſt wird immer groͤſſer,
Je laͤnger man ſie ſieht. Jch muß es ſelbſt geſtehn:
Jch hab’ es gleichfalls nicht vorher geſehn,
Jch hab’ es nicht geglaubt, daß ſie ſo vielerley
Vergnuͤgen hegeten, daß gar mit ihrer Zier
Auch unſ’re Freude wuͤchſ’ und jedes Graͤsgen ſchier
An Anmut unerſchoͤpflich ſey;
Da man zuletzt mit Freuden in der That
Sich durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer naht.
Abſonderlich hat GOtt in unſ’re Bruſt
Empfindlichkeit und Luſt
Fuͤr Wechſel und Veraͤnderung geleg’t:
Doch die Gewohnheit, wie ſie pfleg’t,
Weiß auch ſo gar dieß herrliche Vergnuͤgen
Bey Menſchen, leider! zu beſiegen.
Es aͤndert ſich das nimmer ſtille Jahr,
Und bringt uns immer neuen Segen;
Man wird es aber nicht gewahr,
Weil wir die Aenderung der Zeiten nicht erwegen.
Lenz, Sommer, Herbſt und Winter kommen
Durch’s nah - und ferne Sonnen-Licht;
Weil aber alles dieß nur allgemach geſchicht;
So wird es nicht in Acht genommen.
Hat GOtt gleich durch den Mond das Jahr ſelbſt einge -
teilet;
So achtet man doch nicht darauf:
Nachdem dieß rege Licht bald zu bald von uns eilet;
Nimmt jeder Monat ſeinen Lauf:
Wir laſſen ihn gelaſſen gehn,
Und, nicht viel beſſer als das Vieh,
Nimmt469Nimmt man ſich kaum die Muͤh,
Des Wechſels Nutzbarkeit und Ordnung anzuſehn,
Das doch zu unſ’rer Luſt, zu GOttes Ehre,
So nuͤtzlich und ſo noͤtig waͤre.
Drum will ich itzt, beym Wechſel unſ’rer Zeiten,
Zufoͤrderſt Dir zum Ruhm, Qvell aller Herrlichkeiten,
Die Zeiten nuͤtzlich einzuteilen,
(Damit ſie nicht verloren von uns eilen)
Mit Ernſt und Luſt bemuͤhet ſeyn.
Mein Vorſatz iſt, (GOtt laſſ’ ihn wol gelingen!)
Von jedem Monat hier ein kurzes Lied zu ſingen:
Damit dadurch, nebſt mir, ein ieder
Durch froͤhliche, beqveme, kurze Lieder
Beym erſten Monats-Tag’ an GOttes Wunder-Wege
Mit Luſt gedenk’ und froͤhlich uͤberlege,
Wie GOtt die Welt durch uns, uns durch die Welt, verpfleg’t,
Wie GOtt in uns ſo viel Verſtand und Witz geleg’t,
Daß wir, zu unſerm Nutz, aus allen ird’ſchen Dingen,
Und zwar ſo ordentlich, viel Gutes koͤnnen bringen,
Auch daß man in der Stadt doch einigen Bericht
Von dem, was auf dem Land’ und uͤberall geſchicht,
Wovon wir, leider! ſonſt gar wenig wiſſen, habe.
Da Ordnung, Witz und Fleiß, ja alles GOttes Gabe;
So laſſt uns doch dafuͤr an GOtt, den Geber, denken,
Und Jhm fuͤr ſo viel Gut’s ein froͤhlichs Herze ſchenken!
G g 3Janu -470Januarius. GOtt Lob! das Neue Jahr tritt, mit dem Jenner, ein.
Ach moͤgt’ es uns, zu einem neuen Leben,
Ein Freuden-reicher Anfang ſeyn,
Und neue Kraͤft’ erneu’ter Andacht geben!
Ach moͤgten wir von GOttes Wunder-Werken
Die Suͤſſ - und Herrlichkeit auf and’re Weiſe merken,
Als wie bisher geſchehn!
Ach moͤgten wir in aller Creatur
Von Seiner Weiſheit, Macht und Gegenwart die Spur
Empfinden, ſchmecken, hoͤren, ſehn!
So gar der ſtrenge Froſt, der Reif, der Schnee, das Eis,
So itzt die Erde deckt, die Luft und Flut verdicket,
Durch welche ſich nicht nur der Erden Flaͤche ſchmuͤcket,
Gar fruchtbar durch ſie wird; erheb’t des Schoͤpfers Preis.
Des regen Feuers Eigenſchaft,
Wodurch der Kaͤlte wilde Kraft,
Wie ſcharf auch gleich der Nord-Wind drauſſen tobet,
So bald gebrochen wird, verdient ja wol,
Daß man den weiſen GOtt in dieſem Monat lobet;
Da gegen einen Feind, der uns ſo ſtark verletzt,
Er ſolchen ſtarken Feind, zu unſerm Troſt, geſetzt,
Und, wenn mit dieſem jener ſtreitet,
Durch einen lauen Duft
Aus Ofen und Camin in der erwaͤrmten Luft,
So gar aus einer Plag’ uns eine Luſt bereitet.
Auf! laſſt uns itzt denn auch die Ding’ aufmerkſam ſehen,
Die uns zum Nutzen auf der Welt
Und auf dem Land’ anitzt ſo ordentlich geſchehen!
Jn471Jn dieſem Monat duͤngt der Ackers-Mann ſein Feld,
Bemuͤhet ſich, des Schnees zu ſtarke Feuchtigkeiten
Von ſeinem Acker abzuleiten,
Macht kuͤnft’gen Samen rein, flickt ſeine Zaͤune, driſcht,
Faͤll’t Holz und faͤnget Wild, er ſpinnet itzt, er fiſcht,
Und giebt den Fiſchen Luft.
Wird ihm nun gleich anitzt die Arbeit oͤfters ſauer,
Beſtuͤrmet Froſt und Schnee und mancher Hagel-Schauer
Jhm oͤfters Hand und Haupt; ſo trocknet er die Glieder
Jn ſeinem Hauſe doch mit Luſt bey’m Feuer wieder,
Und wechſelt Muͤh’ und Ruh.
Der Gaͤrtner faͤngt den Garten
Mit fetter Duͤngung an zu warten.
Jm Miſt-Bett kann er ſchon Salat und Zwiebeln ſaͤen;
Doch deckt er es mit Stroh und Schilf noch fleiſſig zu.
Die Kraͤuter und Gewaͤchſe ſtehen
Und liegen gleichſam itzt in Ruh.
Es ſammlen die zuruͤck gehalt’nen Saͤfte
Jn ihnen gleichſam neue Kraͤfte;
Sie warten auf den lieben Lenzen,
Um dann, zu GOttes Ruhm, in neuer Pracht zu glaͤnzen.
Ach haͤtten wir auch die Beſchaffenheit,
Jm Creuz’ und Kummer ſtill zu ſeyn,
Um wieder neue Kraft zu faſſen,
Damit, bey Gluͤck und Sonnen-Schein,
Wir unſer Licht um deſto mehr,
Zu unſers GOttes Preis und Ehr’,
Jm Dank’ auch moͤgten leuchten laſſen!
G g 4Februa -472Februarius. Es faͤnget heute ſich der Februarius,
Des Winters lang verlangter Schluß,
GOtt ſey gedankt! ſchon an. Jch ſehe voller Freude
Die Welt in ihrem weiſſen Kleide,
Das, wenn wir es bedachtſam ſehn,
(Wie wir wahrhaftig thun, und es betrachten ſollten,
Wenn wir als Menſchen leben wollten)
Jn ihrem reinen Glanz recht unvergleichlich ſchoͤn.
Vom zarten Reife ſind die Waͤlder,
Vom reinen Schnee die flachen Felder,
Die hier und dort
Manch unbedeckter Strich, der ſchwarz an manchem Ort’,
Jm Gegenſatz erheb’t; anitzt geſchmuͤckt.
Die eb’ne Flut, durch glattes Eis bebruͤckt,
Glaͤnzt, wenn darauf die Sonnen-Stralen fallen,
Recht als ein Spiegel von Kryſtallen,
Die in der Landſchaft denn durch Striche, welche glaͤnzen,
Jn ſchwarzen bald, doch meiſt in weiſſen, Grenzen,
Bald in Kryſtall-bald Silber-gleicher Pracht,
Ein’ angeneme Miſchung macht.
Der Landmann leeret itzt die Boͤden und die Scheune,
Er driſcht mit allem Fleiß, er beſſert ſeine Zaͤune,
Verfertigt Bienen-Koͤrb’, er ſparet keine Muͤh,
Beſorgt ſein Acker-Zeug, verſchafft ſich neues Vieh,
Er faͤhret Miſt aufs Land, er faͤnget manch Stuͤck Wild,
Auch wird ſein Netz noch oft mit Voͤgeln angefuͤllt.
Ob473Ob gleich die ſcharfe Luft die Luſt ihm oft verleidet,
Wenn ſie die ſproͤde Haut faſt wie ein Meſſer ſchneidet;
So iſt jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd,
Das Holz zur Luſt und Linderung beſcher’t.
Der Gaͤrtner faͤngt itzt an, die Weiden,
Auch and’re Baͤume, zu beſchneiden,
Verſtoͤr’t der Raupen Neſt, ſo an den Zweigen klebet,
Er ſaͤubert, er verſetzt, er duͤngt die Baͤum’, er graͤbet
Verſchied’ne Beeten um, wanns Wetter leidlich iſt,
Beſorgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Miſt,
Saͤ’t Zwiebeln, Selleri, Salat und Peterſilgen,
Und ſuch’t das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen.
Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar
Der weiſe Schoͤpfer herrſcht, indem der Froſt ſo gar
Nicht nur das Aug’ ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet!
Ach daß die Menſchheit denn dem groſſen Schoͤpfer nicht,
Von welchem ihr doch ſo viel Gut’s geſchicht,
Jn ihrer Luſt manch Dank - und Lob-Lied ſinget!
Ach laß mich doch, mein Schoͤpfer, Deinen Segen
Jn dieſem Monat’ oft, vor Luſt erſtaunt, erwegen;
Abſonderlich wenn ich durchs Feur im Froſt nicht friere,
Und denken, wenn ich ſolche Wunder ſpuͤre,
Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr’ und Preis gebuͤre!
G g 5Mar -474Martius. Es bricht der Martius, der uns den Fruͤhling bringet,
Nachdem der Winter fort, heut abermal herein.
Es dringt der Saft ins Holz, nachdem der Sonnen Schein
Mit ihrem Lebens-Feur die laue Luft durchdringet.
Man ſiehet itzt mit Luſt das Feld aufs neu beleb’t,
Der Acker wird geduͤngt, man ſiehet, voll Vergnuͤgen,
Das Land zum Sommer-Korn mit Pferd - und Ochſen pfluͤgen,
So Erbſ-als Linſen ſaͤ’n, Hanf, Haber, Hirſ’ und Lein:
Die Graben reinigt man, man macht die Wieſen rein,
Man radet Unkraut aus, man koͤpft die ſchlanken Weiden,
Man faͤnget gleichfalls an, den Hopfen zu beſchneiden,
Jndem der Gaͤrtner dort den fetten Garten graͤb’t,
Beſchneidet, ſaͤ’t und pflanzt. Ach! moͤgt’ auch ich verſpuͤren,
Jndem ſich uͤberall die Kraͤft’ und Saͤfte ruͤhren,
Daß auch in mir ſo Geiſt als Blut,
Beleb’t durch neuer Andacht Gluht,
Sich, GOtt zum Ruhm, aufs neue regen moͤgte!
Ach daß ich doch, mit neuem Fleiß,
Dem Schoͤpfer der Natur Lob, Ehrfurcht, Ruhm und Preis
Jn einer durch Sein Werk erfreuten Sele braͤchte!
Ach! moͤgt’ ich doch zu dieſen Zeiten
Mich auch, ſo wie das Land, bereiten!
Ach moͤgt’ ich doch zugleich in mir,
So wie anitzo von den Weiden,
Von aller eitelen Begier
Den wilden Ausſchuß wol beſchneiden!
HErr, laß mich doch in dieſem Merz,
Mit frohem Eifer, in mein Herz,
Da Dein Geſchoͤpf ſo wunderſchoͤn;
Den Samen der Betrachtung ſaͤ’n!
Apri -475Aprilis. Jn dieſer holden Zeit, im glaͤnzenden April,
Da alles gruͤnet, bluͤht und ſich erneuren will;
Erſcheinet die Natur in einem neuen Kleide.
Laſur-blau ſchmuͤckt die Luft, das Feld ein lieblich gruͤn;
Das Waſſer wall’t und glaͤnzt, die ſaft’gen Baͤume bluͤhn;
Kurz: Himmel, Erd’ und Flut wird uns zur Augen-Weide.
Selbſt die Veraͤnderung des Wetters dieſer Zeit
Vermehrt, durch Warm und Naß, der Erde Fruchtbarkeit.
Schau, Sele, dieß mit Luſt zuſamt der Arbeit an,
Die itzt ein Gaͤrtner treibt, wie auch der Ackers Mann!
Jn dieſem Monat druͤckt annoch ein krummes Joch
Der Ochſen ſtarken Hals, man pfluͤg’t und eget noch,
Man ſaͤet Sommer-Korn, Gerſt, Habern, Wicken, Weizen,
Durch nette Furchen wird das fette Land gebant,
Man ſaͤet Wurzel-Werk, man pflanzt und ſaͤet Kraut.
Ach moͤgte dieſes doch uns zur Empfindung reizen,
Und dann Demjenigen zum Ruhm, Der Kunſt und Kraft,
Der Saft und Faͤhigkeit uns und der Erde ſchafft!
Der Gaͤrtner propfet itzt, vertreibt den Garten-Floh,
Der zarten Kraͤuter Feind, mit Aſch’ und Gaͤrber-Loh;
Die Leinwand wird gebleicht, ein ſchwacher Baum genetzt
Mit Feuchtigkeit vom Miſt, ſo ihm die Kraft erſetzt,
Die Schafe ſcheeret man, man raͤumt und waͤſſert Wieſen.
Da alles im April uns nuͤtzet und ergetzt;
So ſey auch ſonderlich heut’, im April, geprieſen,
O Vater der Natur, Der alles auf der Welt,
Nicht nur durch Weiſheit, Lieb’ und Macht
Aus einem tiefen Nichts hervor gebracht;
Nein, Der auch alle Ding’ in ſolcher Ordnung haͤlt!
Majus. 476Majus. Willkommen, liebſter May! wie lieblich und wie ſchoͤn
Jſt alles, was wir in dir hoͤren,
Empfinden, ſchmecken, riechen, ſehn!
Jn reinen Luͤften flamm’t ein faſt Sapphir’nes Blau,
Jn welchem ich mit Luſtviel guͤld’ne Berge ſchau.
Der Erden runde Bruſt, das fette Land,
Bedeckt ein liebliches Smaragden-gleich Gewand.
Der Bluhmen-Heer durchwirkt ein faſt lebendig Gruͤn.
Ein reines Silber blinkt in der beſtral’ten Flut,
Und auch zugleich auf Baͤumen, welche bluͤhn.
Die ſuͤſſe Macht der holden Liebe
Erfuͤll’t das faſt erſtarrte Blut
Mit der ſo angenemen Gluht
Der lieblichen Vermehrungs-Triebe.
Ach ſehet, wie in den bebluͤhmten Feldern
So manches munt’re Laͤmmchen ſpringt!
Ach hoͤr’t, wie in begruͤn’ten Waͤldern
So manche Nachtigal, ſo manche Droſſel ſingt!
Ach riecht die balſamir’ten Duͤfte!
Ach fuͤhlt das Schmeicheln lauer Luͤfte!
Ach ſchmeckt in Kraͤutern, im Spinat,
Jn Spargel, Hopfen und Salat
So mancherley Blut-reinigende Kraft,
So manchen angenemen Saft,
Und denkt in dieſer Fruͤhlings-Luſt,
Mit Dank - und Luſt-erfuͤll’ter Bruſt,
An Den, Der alle Pracht
Zu477Zu eurer Luſt hervor gebracht!
Laſſt euer froͤhliches Gemuͤte
Auch Bluͤhte tragen bey der Bluͤhte!
Auf, laſſt uns recht mit Andacht ſehn
Die Dinge, die mit Emſigkeit
Jn dieſer holden Mayen-Zeit
Zu unſ’rer Luſt, zu unſerm Nutz geſchehn!
Man ſammlet im bebluͤhmten Mayen,
Zu mannigfalt’gen Arzeneyen,
Auf manchem Berg’, in manchem Thal
Geſunde Kraͤuter ohne Zahl.
Es muß die beſte Gerſten-Sat
Jm fruͤhen May geſaͤet ſeyn,
Und um Urbani etwas ſpat
Buch Weizen, Hirſe, Hanf und Lein.
Die Schafe ſcheeret man bey holder Fruͤhlings-Waͤrme,
Man rupft die Gaͤnſ’, und nimmt die Schwaͤrme
Der fluͤcht’gen Bienen itzt abſonderlich in acht.
Ach laſſt des Schoͤpfers Lieb’ und weiſe Wunder-Macht,
Die wir anitzt an allen Orten ſpuͤren,
Uns doch zu Seinem Ruhm, die Seele ruͤhren!
Bedenkt! Fuͤr ſo viel Gut’s, fuͤr ſolche Wunder-Gaben
Verlangt der Schoͤpfer nichts, als eure Luſt, zu haben.
Junius. 478Junius. Mit welchem Schatz von Luſt, mit welchem Ueberfluß
Von Anmut ſtellet ſich der holde Junius
Der ſechſte Monat ein! Es glaͤnzt die Fruͤhlings-Zeit
Nun erſt in lieblicher Vollkommenheit.
Die Luft iſt voll von Licht, von Waͤrm’ und Heiterkeit,
Voll Lebens-Oel, voll Narungs-Saft,
Voll Fruchtbarkeit, voll Thau, voll Balſam-reicher Kraft,
Voll lieblichen Geruchs, voll heller Voͤgel-Stimmen.
Jſt nicht die Flut voll Glanz, voll heller Reinlichkeit,
Und auch zugleich voll gruͤner Dunkelheit,
Voll Fiſche ſonder Zahl, die Heerden-weiſe ſchwimmen,
Voll von den allerſchoͤn’ſten Bildern,
Die ſich von Buͤſchen, Kraut und Gras,
Von Wolken, Luft und Laub in ihr geglaͤttet Naß,
Den ſchoͤnen Schmuck der Welt noch zu verdoppeln, ſchildern?
Mit Garten-Fruͤchten ſuch’t die Erd’ uns zu erfriſchen:
Sie iſt voll Erd-Beern, Erbſen, Bohnen,
Voll Balſam-reicher Bluhmen-Cronen
Jn weiſſ - und roten Roſen-Buͤſchen.
Wie alles nun voll von des Schoͤpfers Guͤte;
So laß, o GOtt, auch mein Gemuͤte
Voll Deines Lobes werden!
Ein froͤhlichs Herz ſingt GOtt die angenem’ſten Lieder.
Ach ſuche denn mit Luſt des Schoͤpfers Werk zu faſſen,
Und danke GOtt, daß Er dich wieder
Die479Die ſchoͤne Zeit erleben laſſen!
Du muſt zugleich anitzt, auch in des Landmans Werken,
Die Ordnung der Natur und GOttes Finger merken.
Man brachet itzt das Feld, man ſaͤet ſpaͤten Lein,
Man pflanzet Kohl, man macht die Scheuren rein,
Beſorgt das Lager-Bier, und ſorget fuͤr die Bienen.
Den Schafen muß man itzt mit Salze reichlich dienen.
Das Brenn-Holz wird gehaut, damit es trocknen koͤnne,
Und es im kuͤnft’gen Froſt geſchwind und helle brenne.
Man richtet alles itzt in dieſem Monat ein,
Damit das liebe Gras moͤg’ eingeerndtet ſeyn.
Ach liebſter Vater, gieb zu allem Dein Gedeyen,
Und laß die Menſchen doch ſich Deiner Guͤte freuen!
Julius. 480Julius. Der Junius iſt weg; der Julius erſcheint,
Und bringt uns neue Luſt, und bringt uns neuen Segen.
Ach laſſt uns beydes doch mit Andacht uͤberlegen,
Und denken, wie anitzt ſich Nutz und Luſt vereint!
Seht, wie die Gaͤrten itzt mit neuen Bluhmen bluͤhen!
Seht, wie die Kirſchen dort, recht wie Rubinen, gluͤhen,
Und zwiſchen gruͤnem Laub’, an tief-gebog’nen Zweigen,
Auf ihrer glatten Haut, manch glaͤnzend Sonnen-Bild
Dem aufmerkſamen Aug’, in kleinen Spiegeln, zeigen!
Ach moͤgte doch derſelben kleiner Schein,
Ach moͤgt’ ihr reiner Stral, uns ein’ Erinn’rung ſeyn,
Erſt an die Sonn’, und dann auf Den zu denken,
Der aller Sonnen Sonn’ und HErr, und Dem allein,
Jn einer Dank-begier’gen Bruſt,
Das Opfer unſ’rer Luſt
Fuͤr ſo viel Gut’s hinwiederum zu ſchenken!
Man ſieht mit Luſt auf den bebluͤhmten Raſen
Die Kuͤh’ und Schaf’ anitzt in ſanfter Unſchuld graſen.
Man bringt itzt, aus dem Moor,
Den ſchon gegrab’nen Torf, Holz aus dem Wald’, hervor.
Noch mehr, woruͤber ich mich recht von Herzen freu’;
Jn dieſem Monat maͤht man Gras, man machet Heu,
Wodurch, indem der Bau’r ſein Vieh damit ernaͤhrt,
Der weiſe GOtt, durch ſie, uns ſelbſt die Koſt beſcheert.
Man ſieht es, wenn mans ſieht, mit innigem Vergnuͤgen
Jn Schwaden hier, und dort in Schobern liegen.
Da481Da ſieht man, es mit Luſt auf groſſen Leiter-Wagen
Mit munt’rer Emſigkeit auf langen Gabeln tragen.
Den groſſen Fudern ſind die Scheunen faſt zu klein,
Die Thuͤren allzu eng’: ein lieblich-ſuͤſſer Duft,
Erfuͤll’t die Luft,
Und reizet uns zur Ruh. Wann’s Heu kaum eingebracht;
Wird zu der Rocken-Erndt die Anſtalt auch gemacht,
Und, bey des Monats Schluß, faͤngt man ſchon wuͤrklich an,
Den Segen, den kein Menſch genug bewundern kann,
Und welchen uns das Feld zur Narung bringt, zu maͤhen.
Ach laß uns doch, zu dieſer frohen Zeit,
O GOtt, Du Segens-Born, Quell aller Fruchtbarkeit,
Auf Dich allein mit Dank und Freuden ſehen!
II. Theil. H hAugu -482Auguſtus. So tritt’ſt du denn nun auch zum Nutzen und zur Luft
Mit fetten Schritten ein, vermehrender Auguſt!
Wir ſehen dir und deinem reichen Segen
Mit inniglicher Freud’ entgegen.
GOtt Lob! daß wir die frohe Zeit erleb’t,
Jn welcher die Natur, gekroͤn’t mit reifen Aeren,
Uns ihre Bruͤſte beut. Der Ackers-Mann erheb’t
Den Lohn fuͤr ſeine Muͤh, die, ſich und uns zu naͤhren,
Er fleiſſig angewandt. Hier wird das Korn gemaͤht,
Um reiche Garben dort ein Band von Stroh gedreht.
Es koͤnnen ſtarke Leiter-Wagen
Nur kaum die ſchwere Laſt der groſſen Garben tragen:
Man fuͤhrt, mit ſuͤſſer Muͤh, ſo hohe Fuder ein,
Daß jedes Schenn-Thor faſt zu niedrig und zu klein.
Ach moͤgte doch kein Menſch auf Erden erndten ſehn,
Ohn’, innerlich dadurch geruͤhret,
Den groſſen Segens-Born, Dem ewig Ruhm gebuͤret,
Mit froher Andacht zu erhoͤh’n!
Man ziehet Hanf und Flachs itzt auf, man ruffelt, rauft,
Und leg’t ihn in die Flut, man erndtet Hirſ’ und Heiden.
Auf Stoppeln treibt man itzt das Vieh, darauf zu weiden.
Die reife Huͤlſen-Frucht wird itzt mit Nutz verkauft.
Den Acker ruͤhret man, und ſorgt, daß er aufs neu
Geduͤnget ſey.
Man ſammlet fuͤr das Vieh das Laub vom Ulm und Wein,
Von483Von Erlen, Birken, Eſch - und Eichen ein.
An Fluͤſſen ſoͤdet man anitzo Deich’ und Daͤmme,
Daß die geſchwoll’ne Flut das Land nicht uͤberſchwemme.
Jn Gaͤrten hebet man die Zwiebeln aus der Erde;
Man ſaͤ’t noch Peterſil, Spinat,
Rapunzel, Selleri, Endivien, Salat.
Man ſtuͤtzt den Obſt-Baum itzt, damit er durch die Schwerde
Von ſeiner eig’nen Frucht nicht abgebrochen werde.
Die Birnen fangen ſchon, ſamt Pfirſchen, Zwetſchen, Feigen,
Jn dieſem Monat’ an, ſich muͤrb’ und reif zu zeigen.
Man nimmt itzt Honig aus, die Gaͤnſe rupfet man,
Auch geht bereits das Vogel-Stellen an.
Ach GOtt, fuͤr ſo viel tauſend Gaben,
Die wir aus Deiner Hand allein
Jn ſolchem Ueberfluß empfangen haben;
Laß mich doch im Auguſt oft froh und dankbar ſeyn!
H h 2Septem -484September. Da wir heut’ abermal in den September treten;
So laß es, liebſtes Herz, doch GOtt zum Ruhm ge -
ſchehn!
Laß uns nicht ſonder Dank und Beten,
Wie ſchoͤn die Welt in dieſem Monat, ſehn!
Laß uns, durch GOttes Macht und Ordnungen geruͤhret,
Nicht, wie ein Vieh, die Zeit verflieſſen laſſen!
Laſſt uns mit frohem Sinn bemuͤht ſeyn, dieß zu faſſen,
Daß unſerm Schoͤpfer ſtets Ruhm, Ehr’ und Dank gebuͤhret!
Mein GOtt, in welchem Ueberfluß
Bringt dieſer Monat doch, uns Menſchen zum Genuß,
Manch ſaͤurlich ſuͤſſes Obſt! Vermag man doch die Ahrten
Der Fruͤchte, die uns Feld und Garten
Jn dieſem Monat reicht, kaum recht zu zehlen:
Viel weniger wird man die Maſſen nennen,
Und ihre Menge rechnen koͤnnen.
Erweg’t nur einſt, wie mancherley
Von Ahrt und von Geſchmack ein Apfel ſey,
Nicht minder eine Birn, da in beſonderm Grad,
Das wol bewunderns wehrt, vom ſauren und vom ſuͤſſen
Ein jedes ein Gemiſch mit and’rer Anmut hat.
Von Pfirſchen, Pflaumen, Qvitten, Nuͤſſen,
Und was wir ſonſt von andern Baͤumen brechen,
Will ich anitzt nicht ſprechen.
So oft wir denn nun Fruͤcht’ in dieſem Monat’ eſſen,
Laſſt uns bey unſ’rer Luſt des Schoͤpfers Huld ermeſſen!
Jm485Jm Felde faͤngt man itzt die Arbeit wieder an.
Es ackert wiederum der Ackersmann
Und ſaͤ’t ſein Winter-Korn. Er ſorget, daß die Erde
Zum Sommer-Korn’, indem ſie feucht,
Damit die Stoppeln leicht
Verfaulen, wol gewendet werde.
Man zieht den Hopfen auf, man fiſchet itzt, und jaͤg’t
Die Schweine hin zur Maſt. Man maͤſtet Gaͤnſ’, und leg’t
Den Voͤgeln Sprenkel, Netz’ und Schlingen.
Bey Schafen laͤſſet man
Den Widder wieder zu. Der Gaͤrtner faͤnget an,
Die Kuͤchen-Kraͤuter itzt in Keller ein zu bringen,
Entlaubt und raupt den Kohl, verſetzet Baͤum’, und ſtecket
Birn-Aepfel-Pfirſchen-Kern.
Ja kuͤrzlich, man entdecket
Den Schoͤpfer uͤberall. Denn Ordnung und Verſtand,
So wol als Segen und Gedeyen,
Daß ſich die Creaturen freuen,
Die kommen bloß allein aus GOttes Allmachts-Hand.
H h 3Octo -486October. Es tritt bey uns, mit Trauben, Moſt und Wein,
Heut der October froͤhlich ein.
Es bringt zugleich ſein Segen-reicher Tritt
Viel and’re reife Fruͤchte mit.
Ach laſſt uns doch, zu dieſer Zeit
An Den zu denken, nicht verſaͤumen,
Durch Deſſen Lieb’ und Macht, in ſteter Fruchtbarkeit,
Auf Pflanzen, Reben, Baͤumen,
Jn ſo verſchied’ner Frucht, ſo gar verſchied’ner Saft,
Und in ſo manchem Saft ſo gar verſchied’ne Kraft,
Wodurch Er uns ergetzet, naͤhrt und traͤnket,
O groſſes Wunder! eingeſenket!
Ach laſſt uns GOtt, dem ewig weiſen Weſen,
So oft wir ſuͤſſe Trauben leſen,
Voll Luſt und Andacht dankbar ſeyn,
Der uns nicht Waſſer nur und Bier zum Trank beſcheret,
Nein, Der das Waſſer gar in ſuͤſſen Wein verkehret!
Laſſt uns, zu Seinem Ruhm, doch dieß dabey erkennen,
Daß, auch in unſerm Trank, er einen Unterſcheid
Von mancherley Geſchmack, von mancher Lieblichkeit,
Nicht nur zur Not allein, zur Luſt, uns wollen goͤnnen!
Noch ferner kommt in dieſem Monat fuͤr,
(Worauf wir, leider! ſonſt in Staͤdten nicht viel achten)
Den Land-Bau und das Werk des Gaͤrtners zu betrachten;
Worin doch GOtt abſonderlich ſich dir,
O Menſch, im Segen ſo als in der Ordnung weiſet,
Jndem487Jndem Er ja dadurch uns traͤnket, kleidet, ſpeiſet.
Der Gaͤrtner bringt itzt Kuͤrbſ’ und ſolch Gewaͤchs ins Haus,
Er pfluͤckt das Winter-Obſt, nimmt Kraut und Wurzeln aus.
Er ſchneidet itzt den Kol, auch macht er ihn zum gaͤren
Mit Salz und Kuͤmmel ein, er ſammlet Ruͤben, Moͤhren,
Verſetzet junge Baͤum’, und mit vergnuͤg’ter Muͤh
Beduͤnget er und ſchneidet ſie.
Jn dieſem Monat pfluͤg’t der Landmann, daß die Erde
Zur Sat aufs neu bereitet werde,
Rupft Hopfen, ſpinnet Flachs, macht Malz, befiſcht die Teiche,
Den Schweinen gibt er itzt die Frucht der Buͤch’ und Eiche,
Brenn’t Kolen, faͤllet Holz. Man ſieht den Jaͤger hetzen
Dachs, Haſen, Fuchs und Schwein’. Ein Vogler faͤngt
mit Netzen,
Und zwar in ungezaͤl’ten Scharen,
Die Droſſeln, Zeiſchen, Lerchen, Staren.
Du Segen-reicher GOtt, Der Du ſo Lieb’ als Macht,
Jn dieſem Monat’ uns ſo gnaͤdiglich gewieſen,
Sey im October auch mit Luſt und mit Bedacht
Geehrt, gelobet und geprieſen!
H h 4Novem -488November. Jtzt, da der erſte Tag ſich vom November zeigt,
So ſey doch Dem, draus alle Ding’ entſpringen,
Auch deine Erſtlinge mit Luſt und Dank zu bringen,
Mein Herz, ſo willig als geneigt!
Auch dieſer Monat bringt aufs neue reichen Segen,
Da er das Maſt-Vieh uns in unſ’re Kuͤche fuͤhrt.
Sprich, lieber Menſch, ſprich, ob nicht dieſerwegen
Dem Groſſen Vater Dank gebuͤhrt,
Der auf ſo wunderbare Weiſe
Uns, ſeine Kinder, naͤhrt! Es wird, ohn’ unſ’re Muͤh,
Das Gras, o Wunder! durch das Vieh
Recht zubereitet uns zur Speiſe.
Dieſelben ſind daher
Als Kuͤchen, welche gehen, ſtehn,
Und leben, fuͤglich anzuſehn.
Auch iſts ja nicht von ungefehr,
Daß ſich die Milch zu unſerm Trank
Jn Ziegen, Schaf - und Kuͤhen diſtilliret.
Ach daß man dieß oft ohne Dank,
Ja wol gar nicht einmal, verſpuͤret;
Da doch nur bloß durch Seinen Willen
Die Thier’ im Froſt fuͤr uns ſo Kuͤch’ als Keller fuͤllen!
Ach moͤgten wir in der Natur
Die Wunder ihres HErrn betrachten,
Und in derſelbigen die Spur
Von Seiner Weiſheit, Lieb’ und Allmacht nicht verachten!
Laß489Laß ſehn, wie es anitzt im Feld’ und Garten ſteht!
Jn dieſem Monat wird noch Winter-Korn geſaͤ’t,
Der Hopfen zugedeckt, der Acker umgeſtuͤrzet,
Das ſchnelle Wild gejag’t, das Brenn-Holz zugekuͤrzet,
Den Voͤgeln nachgeſtellt, Wacholder-Beer geſchlagen.
Die Schweine pfleg’t man noch in ſpaͤte Maſt zu jagen.
Die Gaͤnſe maͤſtet man, beſteigt das Dach, man driſchet.
Der Bienen wartet man, deckt ihre Koͤrb’ und fiſchet.
Der Gaͤrtner graͤb’t nunmehr, was keinen Widerſtand
Dem Froſt zu thun vermag von Wurzeln, in den Sand.
Geliebte Menſchen, wenn ihr ſehet,
Wie der nie muͤſſigen Natur
Verborg’ne Kraͤft’ und Wirkungen nicht nur
Ohn’ Jrrtum ſtets und ſonder Fehler gehet,
Nein, daß ſo gar von unſerm Geiſte
Das allermeiſte
Jn ſolcher ſchoͤnen Ordnung ſtehet;
So dankt doch Dem, Der uns in unſerm Leben
Die Schaͤtze der Natur, auch den Verſtand, gegeben,
Und laſſt uns, ſie wol anzuwenden, ſtreben!
H h 5Decem -490December. Der rauhe, froſtige, doch froͤhliche December
Vertreibet itzt den ſchlackrigen November,
Und zeigt im Sturm und Froſt, daß, wenn ein Unfall da,
Die Huͤlfe mehrenteils auch wieder nah.
Die Erde, ſo bisher ſich von der Sonne wandt,
Wodurch denn Nebel, Froſt und Traurigkeit entſtand,
Veraͤndert ihren Gang in dieſem Monat wieder,
Und dreht ſich allgemach zur Sonne wieder hin.
Ach ſinge, liebſter Menſch, mit Andacht-vollem Sinn
Dem GOtt, Der dieſes wirk’t, in Demut frohe Lieder,
Der, nebſt viel tauſenden, auch unſ’re Sonn’ und Welt
Jn ſolch unwandelbar - und feſter Ordnung haͤlt,
Daß ſchon viel tauſend Jahr
Kein einzigs um ein Hat
Aus ſeinen Schranken geht!
Betrachte doch mit redlichem Gemuͤte
Des Schoͤpfers vaͤterliche Guͤte,
Da, wenn in dieſer rauhen Zeit
Die Luft von Froſt erſtarr’t, das Land beſchneit;
Er dir nicht nur die Gluht, den wilden Froſt zu lindern,
Nein, auch denſelbigen zu mindern,
So vieles Pelzwerk, mildreich ſchenkt,
Darin Er eine Kraft, die waͤrmend iſt, geſenkt.
Jn dieſem Monat duͤngt und pfleg’t man noch die Felder,
Wenn es der Froſt erlaubt.
Die Zaͤune beſſert man, behaut die dicken Waͤlder,
Und491Und ſchneidet Weiden ab. Man driſcht, verſorgt das Vieh
Mit Futter und mit Stroh. Der Jaͤger ſpuͤr’t im Schnee
Dem Wild’ am beſten nach, und manches munt’re Reh,
Und mancher Haſ’ und Wolf bezahlt ihm itzt die Muͤh.
Der Gaͤrtner kann noch Kreß und Peterſilgen ſaͤen.
Die Baͤume, die anitzt voll Moß und Unrat ſtehen,
Beſchab’t und ſaͤubert er. Der Haus-Wirth ſchlachtet ein
So manche fette Gans: ſo manch gemaͤſtet Schwein
Fuͤllt Keller, Kuͤch’ und Haus. Wenn wir des Schoͤpfers
Segen
Jn allem dieſem nicht mit Luſt und Dank erwegen;
Sind wir den Schweinen gleich, die keines Eichbaums
achten,
Wie ſuͤß die Eicheln auch, die ſeine Zweig’ ihm brachten.
Ach laſſt von dieſem Vieh uns doch uns unterſcheiden,
Und ja des Undanks Laſter meiden!
Soll Der, von welchem man faſt ungezaͤl’te Gaben
An Narung, Notdurft, Luſt, Verſtand, Beqvemlichkeit
Umſonſt empfaͤngt, nicht einſt Zufriedenheit,
Nicht einſt von uns ein dankbar Herze haben?
Schluß. 492Schluß. Nachdem ich die zwoͤlf Teile nun
Von einem Jahr’ in ernſter Luſt beſungen;
Soll Hand und Herz doch eh nicht ruh’n,
Bis ſich mein Geiſt vorher empor geſchwungen,
Und fuͤr ſo Gnaden-reiche Gaben,
Die wir im vor’gen Jahr von GOtt empfangen haben,
Dem groſſen GOtt, voll Weiſheit, Lieb’ und Macht,
Lob, Ehre, Ruhm und Preis gebracht.
Und ob dieſelbigen gleich nicht zu zaͤlen;
Will ich doch nach der Monden Zal,
Dem groſſen GOtt zum Ruhm und Preiſe,
Fuͤr dieſes mal
Jnſonderheit nur zwoͤlf erwaͤlen.
Jm Januar vollzog ich meine Reiſe,
Und kam, ſo viel ich mich erinnern kann,
Den zweyten in Hannover an.
Daſelbſt nun hat uns abermal
Von GOtt ſo mancher Gnaden-Stral
Zu unſerer Verrichtung angeſchienen.
Wie Huld - und Lieb-reich zeigte Sich
Auch gegen uns Hannovers FRJEDERJCH,
Europens Hoffnung, Luſt und Ehre!
Wie gluͤcklich fuhren wir von dannen wieder ab,
Da uns das Reiſen faſt ſo viel Vergnuͤgen gab,
Als wenn es eine Luſt-Fahrt waͤre!
Wie froͤhlich trafen wir die lieben Unſern an,
Daß ich ohn’ innerlichs Bewegen
Und Freuden-Zaͤhren kaum daran gedenken kann!
Jm493Jm Februario, wie es bey uns der Brauch,
Daß Aemter umgeſetzet werden;
So hab’ ich auch,
GOtt Lob! geſund und ohn Beſchwerden
Die meinen froͤhlich uͤbernommen,
Und bin damit recht wol und bald zum Ende kommen.
Jm Martio hab’ ich geſehn
Mein erſtes Werk, den Kinder-Mord, verbeſſert
Und ſtark vergroͤſſert
Von neuen aus der Preſſe gehn.
Vielleicht geling’t es mir, noch das davon zu tragen,
Was die zwey letzten Verſ’ in deſſen Zuſchrift ſagen.
Es ward mir im April von hoher Hand
Ein treffliches Geſchenk geſand’t.
Der Gvelfen Ober-Haupt, Auguſtus Wilhelm, ſchickte
Mir Selbſt Sein Bildniß zu, das ſo der Farben Glanz,
Als wie der Tugend Glanz das Urbild ſchmuͤcket, ſchmuͤckte,
Und welches ich daher am allermeiſten ſchaͤtze,
Weil ich mich oft daran, als an der Froͤmmigkeit
Selbſt-eig’nem Conterſeit, recht inniglich ergetze.
Der Majus drohte mir ein ſehr empfindlich Leid
Jn meiner kraͤnklichen zu fruͤh entbund’nen Frauen;
Weil aber, GOtt ſey Dank! die Krankheit ohn Gefahr
Und ſie gar bald geneſen war;
So konnt’ ich darin auch des Schoͤpfers Guͤte ſchauen.
Jn dieſem Monat traf das hohe Fuͤrſten-Par
Aus Braunſchweig, voller Huld, in Hamburg ein, und zwar
Die ſchoͤne Herzoginn zu erſt, die, wie bekannt,
Mit Recht ein Jnbegriff von Tugenden zu nennen.
Und wie ſich dieſe Zwey nicht lange trennen;
So494So war Jhr theurer Fuͤrſt auch bald darauf erſchienen.
Nebſt Surland ward auch ich vom Raht ernannt,
An deſſen Statt, Dieſelben zu bedienen.
Jm Junio beſchloß die Herzoginn, ein Zeichen
Von Jhrer Gnad’ uns Selbſt zu uͤberreichen.
Sie haͤndigt’ uns darauf Jhr ſchoͤnes Bildniß ein,
Mit manchem Edelſtein
Verſetzt und ausgeziert. Jm Monat Julio
Ward, nebenſt mir und Surland, jeder froh,
Daß dieſes Feſt, womit der Magiſtrat
Die Herrſchaft oͤffentlich bewirthet hat,
So gluͤcklich ausgefuͤhrt mit ſonderbarer Luſt.
Statt daß ich haͤtte bald gemuſt
Mich abermal beqvemen,
Ein’ unvermutete Geſandtſchaft anzunemen;
Bracht’ ich dennoch den folgenden Auguſt
Jn ungeſtoͤr’ter Ruh
Auf meinem Garten zu,
Woſelbſt ich manches Lied, zum Ruhm von Deiner Macht,
(Dir, HErr ſey Dank dafuͤr!) hab’ aufs Papier gebracht.
Nebſt anderm Guten, ſo Du mir,
HERR, im September zugeteilet,
Haſt Du mir auch mein Kind geheilet.
Mein GOtt, ich danke Dir dafuͤr.
Denn wie es ſtark gefallen war;
Hat Deine Hand doch die Gefahr
So gnaͤdig von ihm abgekehret,
Daß es, an Gliedern unverſehret,
Kein ſonderlicher Schmerz beſchweret.
Wann495Wann einer viele Keller Wein
Haͤtt’ im October eingefuͤhret;
Koͤnnt’ er dadurch nicht mehr geruͤhret
Und herzlicher erfreuet ſeyn,
Als dieſer Monat mich erfreut,
Da Trillers treffliche Gedichte,
Voll Geiſt und voll Erbaulichkeit,
Voll Feu’r, und voll vom Weiſheits-Lichte
Die Ahrt, womit ich GOtt zu loben
Mir vorgeſetzt, durch eine Folg’ erhoben,
Gebilliget, befeſtigt, und ſie mir
Zum Ueberfluß ſelbſt zugeſchrieben;
Wodurch ich denn verſpuͤr,
Daß ich, wie vor, noch mehr werd’ angetrieben,
Den groſſen Schoͤpfer zu beſingen.
Mein GOtt, ach laß es doch noch ferner wol gelingen!
Nebſt vielem Guten, ſo Du mir
Auch im November mitgeteilet,
Haſt Du mich auch (Dir, HErr, ſey Dank dafuͤr!)
Von einer Schwachheit bald geheilet.
Jn dieſem Monat ward ein Zahn,
Der mir bishero weh gethan,
Mir gleichfalls gluͤcklich ausgezogen,
Worauf man insgemein zwar nicht viel achtet;
Allein,
Wenn man es recht betrachtet,
Daß ſolche ſtrenge Pein
Jn einem Augenblick von uns kann abgenommen,
Und ohne ſchlimme Folg’ ein Glied getrenuet ſeyn,
Daß496Daß es uns ferner nicht beſchwer’t,
Jſt dieſes allerdings ſo Dank als Wunderns wehrt.
Es ſchloß ſich kaum der ſchlackrichte November,
Als in des Jahres Schluß, dem froſtigen December,
Zur Weyhnacht-Zeit, da er bald war verfloſſen,
Ein abermal nicht zeitigs Wochen-Bette
Mir meiner Frau die Augen bald geſchloſſen,
Mein Jlſgen bald geraubet, haͤtte.
Allein wie groß auch die Gefahr,
Wie nahe ſie bereits dem Grabe, war;
Hat es dem Schoͤpfer doch gefallen,
Sie mir aufs neu zu ſchenken,
Wofuͤr denn auch, ſo wie fuͤr allen,
An Jhn mit Dank und Ruhm in Ehrfurcht zu gedenken,
Das wenigſte nur iſt von meiner Schuldigkeit.
Das ſind nun zwoͤlferley.
Ach aber was iſt alles dieß,
Da es ja mehr als zu gewiß,
Daß ihre Meng’ unzaͤlig ſey?
Wie viel geſchah in dieſer Zeit
Mir und den Meinen nicht noch ſonſt zu gute?
Jedwede Stund’, und jegliche Minute
War mir ein Segens-Bach, der mich mit Anmut traͤnkte,
Jndem mich Deine Huld mit allem dem beſchenkte,
Was man
Vernuͤnftig wuͤnſchen kann.
Jch lobe, GOtt, und danke Dir,
Recht inniglich geruͤhrt, dafuͤr.
Ach gib, o Groſſes All, daß ich, auf gleiche Weiſe
Zu Ende dieſes Jahrs mit gleicher Luſt Dich preiſe!
Aufmunterung an andere, zu gleich - maͤſſiger Betrachtung der Werke GOTTES.
Unwandelbares All! allgegenwaͤrtigs Weſen,
Selbſt-ſtaͤndigs, ewigs Licht,
Erleuchte doch derjenigen Geſicht,
Die irgend dieſe Blaͤtter leſen!
Ach laß mein Dir zum Ruhm bisher erſcholl’nes Lallen
Von dem, was Du gemacht, aus G’naden Dir gefallen!
Laß nicht die Leſer nur allein
Durch Deine Werk’ in Luſt zu Dir gefuͤhret ſeyn;
Laß denen auch, die kraͤftiger, als ich,
Dasjenige, ſo ſie bewundern muͤſſen,
Jn Verſen auszudruͤcken wiſſen,
Es ein’ Ermunterung zu ſolchen Liedern werden!
Beſingt in hoͤherm Ton, als ich, die Pracht der Erden,
Wofern ihr noch nicht angefangen,
Jhr Bruͤder, die ihr Geiſt und Feu’r von GOTT dem
HERRN
Zur edlen Dichter-Kunſt empfangen!
Erweiſet, daß die Poeſie
Kein leeres Stroh, nein, daß ein Kern
Jn ihr verborgen ſey! Verlohnt ſichs nicht der Muͤh,
Wie Salomo und Job mit ihr zu handeln?
Dem Moſes, Joſua und David nachzuwandeln?
Die alle GOTT, dem Schoͤpfer, ihre Lieder
Mit Freuden opferten: die, faſt vor Luſt entzuͤckt,
Die Schoͤnheit der Natur, wodurch die Welt geſchmuͤckt,
Mit Ruhm verherrlichten. Wir finden hin und wieder,
Wie503Wie ſie, zu GOttes Ehr,
So unverbeſſerlich des Schoͤpfers Werk beſungen.
Sprich ſelber: wer wird nicht beweget,
Wofern man mit Aufmerkſamkeit
Der Lieder Vollenkommenheit,
Die GOttes Creatur betrifft, wol uͤberleget!
Auf, laſſt uns ihrer Spur,
Jn froͤhlicher Betrachtung der Natur,
Zu folgen unverdroſſen ſeyn!
Stimmt mit dem trefflichen, beruͤhmten Triller ein,
Der jeden, ſo ihn lieſ’t, erbauet und ergoͤtzt,
Erquickt und in Verwund’rung ſetzt!
Was koͤnnen ſo viel edle Schriften
Nicht in der Welt dereinſt fuͤr gutes ſtiften!
Auf, groſſer Beſſer! auf! laß einen neuen Schein
Von Deiner edlen Gluht, die ſonſt in Dir gelodert,
Jn heil’gen Flammen ſehn! Der groſſe Schoͤpfer fodert
Ein Dank-Lied ſelbſt von Dir. Die Werke Seiner Haͤnde
Verdienen Deinen Geiſt, verdienen Deinen Fleiß.
Erheb’t Dein edler Vers des Schoͤpfers Wunder-Preis;
So kroͤneſt Du Dein Thun mit einem ſchoͤnen Ende.
Auf, heller Kirchen-Stern, geprieſener Neumeiſter,
Erheit’re Deinen Sinn, befluͤg’le Deine Geiſter!
Laß auch vom Schoͤpfer einſt Dein Saiten-Spiel erklingen!
Bey dem Erloͤſungs-Werk die Schoͤpfung zu beſingen,
Kann wol beyſammen ſtehn, und ſtimmt gut uͤberein.
Wenn wir von Deinem Geiſt dergleichen Lieder leſen;
So wirſt Du, wie Du ſtets geweſen,
Ein groſſer ſo als neuer Meiſter ſeyn.
J i 4Du504Du Flammen-reicher Schmolck, gelehrter Kruͤſike,
Mich deucht ich hoͤre ſchon
Auch eurer Saiten Klang in dieſem Ton:
Die reine Lohe ſchwingt bereits ſich in die Hoͤh.
Geſchaͤtzer Brandenburg, itzt wend’ ich mich zu Dir,
Du Zierde Meklenburgs, dem GOTT ſo ſelt’ne Gaben
Jn reichem Maß verliehn; auf, laß den edlen Geiſt,
Der aus ſo hohen Qvellen fleuſſt,
Sich wiederum zu Dem, Der ihn gegeben,
Durch die Betrachtungen der Creatur erheben!
Es muß ja GOTT gefaͤllig klingen,
Wenn Seine Diener auch von GOttes Werken ſingen.
Du unvergleichlicher Philander von der Linde,
Jn welchem ich ſo Salz als Suͤſſigkeit
Jn lieblicher Vollkommenheit
Mit einem edlen Feu’r verbunden finde;
Erlaube, daß ich Dich in dieſem Buche,
Da Du auch andr’er Orts, zum Ruhm von GOttes Macht,
Viel herrliches bereits hervor gebracht,
Auch um ein Lied in dieſem Ton erſuche!
Ein ſolcher Mann, wie Du, wirkt bey dem klugen Chor,
Der Dich als Lehrer ehrt, zur Folge ja nicht wenig.
Auch Dich, beruͤhmter Dichter, Koͤnig,
Der Du, trotz Neid und Feind, ein koͤnigliches Ohr
Mit ſuͤſſem Ton vergnuͤg’ſt. Jch weiß, wie ſtark Dein Geiſt
Dem niedern Schwarm der Dichter ſich entreiſſt,
Wie ſehr er ſich erheb’t, und wie er als ein Licht,
Das hoch erhaben ſteht, durch Macht und Nebel bricht.
Ver -505Verarge mir mein klein Erinnern nicht!
Gebrauch auch einſt der munt’ren Geiſter Kraft!
Beſing’ in Deiner Kunſt der Coͤrper Eigenſchaſt!
Laͤſt Du ein Lied von GOttes Creatur,
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, erſchallen;
Wird’s Deinem Koͤnige nicht nur,
Nein auch dem Koͤnige der Koͤnige, gefallen.
Preis-wuͤrdiger Heraͤus, deſſen Geiſt
Mit Recht ein Sammel-Platz
Von Kuͤnſt - und Wiſſenſchafften heiſſt,
Bey Dem ein ſolcher Schatz,
Als Du in Deinem Bergwerks-Gruͤnden
Kaum finden wirſt, zu finden;
Auf, fahre ferner fort, und bring’ uns auf die Spur,
Der unterirdiſchen Natur!
Du auch, belebter Geiſt des Feuer-reichen Hancken,
Du wirſt der letzten keiner ſeyn,
So wenig als auch der, den Du, nebſt Lohenſtein,
Jn Deinen juͤngſt der Welt gelieferten Gedanken,
Mit ſo viel Ruhm als Recht in einem hellen Scheine
Als einen Phoͤnix zeig’ſt. Jch meine,
Nie g’nug geprieſener, beruͤhmter Neukirch, Dich.
Auf, laſſet beide denn, zu Goͤttlichem Gefallen,
Jn dieſem Ton auch Eure Lieder ſchallen!
Vor andern, edler Pietſch, den ich nicht g’nug zu ſchaͤtzen,
Noch zu erheben weiß, laß Deine Lieder ſchallen
J i 5Von506Von GOttes Wunder-Werk! Sie werden GOTT gefallen,
Und uns in Andacht, Luſt und in Verwund’rung ſetzen.
Auch Dich, mein Sommer, Dich, der Du die reifen
Fruͤchte
Bereits im Fruͤhling zeigſt, beſchwer’ ich gleichfalls hier:
Laß Deine feurigen Gedichte
Des Himmels Pracht, der Erde Zier,
Der Creaturen Unterſcheid,
Der Sinne Nutz und Lieblichkeit,
Samt andern ungezaͤhlten Gaben,
Zu unſers Schoͤpfers Ruhm, zu ihrem Vorwurf haben!
Und Du, der ſchon ſo fruͤh was Wunderns wehrt
veruͤbet,
Den ich ſchon laͤngſt zugleich bewundert und geliebet,
Geſchickter Wilkens, fahre fort!
Wer Deine Verſe ſieht, erſtaunt; wer aber hoͤret,
Daß Du annoch ſo jung, der glaubet dem Bericht
Zu Anfang nicht,
Und ſein Erſtaunen wird dadurch noch mehr vermehret.
Es hat in Dich der Schoͤpfer aller Dinge
Was auſſerordentlichs geleg’t.
Es ſey dadurch Dein Geiſt zur Dankbarkeit beweg’t!
Mich deucht, ich hoͤr’ auch ſchon, wie rein Dein Ton erklinge
Von Deſſen Lieb’ und Wunder-Macht,
Der alle Ding’ hervorgebracht.
Jch wende gleichfalls mich,
Beliebter Gottſched, hin zu Dir; doch nicht allein
Mit einem eifrigen Erſuchen: nein,
Jch507Jch danke Dir zugleich hier oͤffentlich,
Daß Du, zum Ruhm des Schoͤpfers, allbereit
Nebſt des Franzoͤſiſchen beruͤhmten Fontenelle
Auch Deines Geiſtes Trefflichkeit
Jn Noten an ſo mancher Stelle
Ans Licht geſtellet haſt. Laß ferner aus den Reimen,
Zum Ruhm Desjenigen, Der Welt’ und Sonnen macht,
Der alles ſo erhaͤlt, als Er’s hervorgebracht,
Die Frucht der Luſt und Ehrfurcht keimen!
Jhr Geiſter insgeſamt, die ihr vom Himmel ſtammet,
Jn deren Bruſt ein reines Feuer flammet,
Und die man mehrentheils nicht g’nug bewundern kann:
Corvinus, Kaͤtzler, Gerz, von Seelen, Telemann,
Stockhauſen, Huͤbner, Horn, Stiev’, Abel und
Leander,
Auch Mayer, Wagener, nebſt Beccau und Picander,
Nicht weniger auch Du, beruͤhmter, groſſer Melle,
Nebſt Rambach, Bluͤmel, Muͤller auch;
Beſingt von eurem Geiſt den Urſprung und die Qvelle,
Und opfert Jhm der Lieder ſuͤſſen Rauch.
Stimmt Jhm, nebſt einer Schar von andern edlen Dichtern,
Die mein Gedicht nicht faſſt, ein helles Dank-Lied an,
Und laſſet Den, Der Euch ein ſolch Talent gegeben,
Von Eurem Dichter-Feu’r ein wuͤrdigs Opfer heben!
Nicht weniger auch Jhr, Jhr holden Dichterinnen,
Erheb’t zu gleichem Zweck die aufgeweckten Sinnen!
Du helles Nord-Geſtirn, du Zierde Cron’ und Ehre
Des weiblichen Geſchlechts, beruͤhmte Brennerinn,
Die508Die ich Verwund’rungs-voll ſo lieblich ſingen hoͤre;
Beliebte Curtia, und fromme Eckartinn;
Tiefſinnige gelehrte Zieglerinn,
Auch edle Breßlern Du; ſtimmt froͤhlich mit uns ein!
Die Lieblichkeit und Schoͤnheit dieſer Erden
Muß auch von Euch’, von Maͤnnern nicht allein,
Empfunden und beſungen werden.
Zuletzt erwehn’ ich Dein, beruͤhmter Richey, hier,
Den, wenn ich nach Verdienſt haͤtt’ ieden nennen wollen,
Jch mit am erſten nennen ſollen;
Der Du ein heit’rer Stern und eine wahre Zier
Von Nieder-Sachſen biſt; der Du an Feuer reich,
Reich an Gelehrſamkeit und Einſicht; Deſſen Geiſt,
Dem ſchnellen Adler gleich,
Sich in die Hoͤhe ſchwingt,
Der Erde ſich entreiſſt,
Und wie ein Pfeil aufs ploͤtzlichſte durchringt,
Was undurchdringlich ſcheint; Der keinen gleichen kennet,
Doch ihn bald kennen wird, indem Sein munt’rer Sohn
Mit unerhoͤr’ter Fahrt in gleichen Schranken rennet;
Jch bitte Dich, laß einſt im hoͤchſten Ton
Von Deines Schoͤpfers Werk ein helles Lied erklingen!
Dem Schoͤpfer wird es Ruhm, Dir einen groſſen Lohn,
Und allen Leſern Nutzen, bringen.
Wie viel ein Vers vermag, welch eine Wunder-Kraft,
Welch ein geheimes Feu’r, und welch ein Lebens-Saft
Jn wolgeſetzten Liedern ſtecket,
Jſt dem, der es erweg’t, gar leicht endecket;
Da509Da ja bekannt genug, daß in der Menge
Geiſt-reicher, lieblicher, vortrefflicher Geſaͤnge,
Die wir im Lutherthum vor andern Chriſten haben,
Ein groſſer Teil des GOttes-Dienſt’s beſteht,
Und viele Selen ſich daran recht herzlich laben.
Stimmt nicht ſo mancher Handwerks-Mann
Ein frohes Lied bey ſeiner Arbeit an?
Verſuͤſſet er ſich nicht dadurch die ſaure Muͤh?
Er fuͤl’t nicht einſt den Schweiß;
Es mehrt in ihm die Poeſie
Die Luſt zuſammt dem Fleiß,
Und mindert ihm ſein Unvergnuͤgen.
Wie wuͤrde nicht Verdrießlichkeit
Und oftermals die lange Zeit,
Bey ihrem ſtillen Werk, das Frauen-Volk beſiegen,
Wenn nicht ein Vers in ſuͤſſer Melodie
Und etwan ein: wer nur den lieben GOTT laͤſſt walten;
Die ſonſt ausſchweifenden Gedanken
Jn ihren angewieſ’nen Schranken,
Beſchaͤfftig waͤren, zu erhalten.
Dergleichen Lieder nun ſind kraͤftig, GOttes Werke,
Und in denſelbigen des Schoͤpfers Weiſ heit, Staͤrke,
Huld, Lieb’ und Guͤt’ uns beyzubringen;
Wovon man leider ſelten ſpricht,
Wovon wir ja ſo ſelten ſchreiben,
Und die dahero faſt uns ganz verborgen bleiben.
Jn Schulen treibt mans nicht,
Und iſt es gar dahin gebracht,
Daß faſt kein Geiſtlicher des Schoͤpfers Wunder-Macht
Jn510Jn Seiner Creatur in Predigten erhoͤh’n
Und von den Canzeln GOTT in Seinem Werk zu ſehn,
(Will er kein Neuling ſeyn) ſich unterſtehen darf.
Als jener Gottholds Schrift von ungefehr geleſen;
Bewundert’ er, daß es ein Geiſtlicher geweſen,
Der dieſes Buch gemacht. Sprich, wer bemuͤht ſich nur,
Vom Buche der Natur
Ein wenig Nachricht zu erwerben?
Wie viele tauſend Chriſten ſterben,
Die von der Herrlichkeit der Creatur,
Und folglich von des Schoͤpfers Herrlichkeit
Nicht die geringſte Spur,
So lange ſie geleb’t, verſpuͤret,
Weil man ſie faſt zu keiner Zeit
Darauf gefuͤhret?
Zwar hoͤr’ und leſ’ ich itzt zween tapfre GOttes-Helden
Auch von dem Buch der Welt erſtaunten Hoͤrern melden,
Der theure Loͤſcher wagt’s nicht weniger, als Du,
Nie g’nug geprieſ’ner Wolf, den Sterblichen zu zeigen,
Daß man zum Schoͤpfer auch auf Leitern muͤſſe ſteigen
Von Seiner Creatur. Jhr beide zeigt den Frommen
Den Vorhof, der um recht ins Heiligſte zu kommen,
Ganz unumgaͤnglich iſt. Ach GOTT, gieb Deinen Segen,
Daß ſie durch ihre Lehr viel Folger machen moͤgen,
Damit die blinde Welt, zu Deinen heil’gen Ehren,
Dein ſchoͤn - und herrlichs Werk mag ſehen, fuͤlen, hoͤren!
Und hieran zweifl’ ich nicht. Du, theurer Wolf, allein
Biſt, durch des Hoͤchſten Huld, fromm, exemplariſch, klug,
Erfahren, redlich, treu, beredt, gelehrt genug,
Den511Den in der Hoͤrer Sinn faſt gantz erloſch’nen Schein
Von GOttes Allmachts-Werk’ aufs neue zu entzuͤnden.
Du weiſſt auch im Geſchoͤpf den Schoͤpfer Selbſt zu finden,
Und mit dem Himmliſchen das Jrd’ſche zu verbinden.
Jch hoͤr’ aus Deinem Mund’, als eine reine Flut,
Als einen Lebens-Strom, des Himmels Lehren flieſſen;
Jch fuͤl’ ein Goͤttlich Feu’r, ein’ uͤberird’ſche Gluht,
Und einen hellen Stral mir in die Sele ſchieſſen;
Jch ſeh’ ein blitzend Licht,
Das alles heiter macht, wenn Deine Zunge ſpricht:
„ Die Himmel preiſen GOtt, und du, o
Menſch, willt ſchweigen;
„ Da Weiſheit, Gnad und’ Macht ſich ſo
„ Aus nichts erhellt ſo klar die Goͤttliche Ge -
walt,
„ Macht, Groͤſſ’ und Majeſtaͤt,
„ Als wenn ihr die vortrefflichſte Geſtalt,
„ Die Weite, Tief’ und Hoͤh’ im Firmamente
ſeht;
„ Wenn ihr der Coͤrper Meng’ und dieſe Groͤſſ’
erweget,
„ Nebſt dem ſo weiten Raum, der ſie im
Schoſſe heget,
„ Der Grenz - und Boden-los.
„ Die Sonn’ iſt ja viel tauſend mal ſo groß,
„ Als unſer Erden-Kreis. Die unbeweg’ten
Sterne
„ Jn512„ Jn jener ungemeſſ’nen Ferne
„ Sind lauter Sonnen, die an Schein
„ Vermutlich gleich ſo groß, ja noch wol groͤſ -
ſer, ſeyn;
„ Und alles dieſes wird von euch,
„ Jhr blinde Menſchen, nicht betrachtet,
„ Da ihr doch oftermals ein Zimmer, ob es
gleich
„ Nicht einſt ausnemend ſchoͤn, Bewunderns -
wuͤrdig achtet.
„ Das Wunder-wuͤrdige Gebaͤude
„ Des Himmels und der Welt,
„ Die GOttes Finger Selbſt euch vorgeſtellt,
„ Erreg’t hingegen euch kein’ Anmut, keine
Freude.
Das heiſſt geprediget, das heiſſt gelehr’t,
Wie man den Schoͤpfer recht auf eine Weiſe ehr’t,
Die Seiner wuͤrdig iſt. Ach moͤgten ſolche Lehren
Sich in der Chriſtenheit doch taͤglich mehren!
Ach moͤgte man, wenn man vom andern Teil
Des Glaubens uns den Jnhalt vorgetragen,
Und von dem groſſen Sohn, zu unſ’rer Selen Heil,
Was froͤhliches gelehrt, auch was vom erſten ſagen,
Den Groſſen Vater auch in Seinem Werk’ erhoͤhn!
Selbſt Chriſtus laͤſſt an euch ja den Befehl ergehn;
Denn alſo lehrt Er oͤffentlich:
Wer Meinen Vater ehrt, der ehret Mich.