Wofern du, lieber Menſch,
ein Atheiſt,
Wie oder bloß ein Thier
mit andern Thieren biſt;
So ſteht dir frey, daß du die Welt
Und was uns in die Sinne faͤllt,
Veraͤchtlich haͤlt’ſt, und nicht be -
trachteſt;
So ſteht dir frey, daß du die Zeit,
Darin man die Beſchaffenheit
Der Creatur und ihre Herrlich -
keit
Bewundert, fuͤr verloren achteſt.
Allein
Wofern du dir nicht ſelbſt die
Sele raubeſt,
Wofern du eine Gottheit glau -
beſt,
Die alles, Stern - und Sonnen -
Schein,
Die Himmel, Erd’ und Meer ge -
macht,
Die dich und alle Ding’ hervor
gebracht;
So kannſt du ja nicht anders
denken,
Als daß der Schoͤpfer weiß, daß
dich Sein Werk nicht ruͤhrt,
Daß du’s nicht wuͤrdigeſt, Jhm
einen Blick zu ſchenken,
Daß folglich GOTT, ſo viel an
dir, verliert
Macht, Weiſ heit, Lieb’ und Ehr’.
Armſel’ge Creatur,
Wie elend iſt dein Stand? da du
noch nicht empfunden,
Daß GOTT hier auf der Welt
mit deiner Luſt nicht nur
Sein Lob ſo wunderbar, ſo Gna -
den - reich verbunden,
Nein, daß ſo gar dein’ Anmut
auf der Welt,
Die ſich auf GOttes Ehre gruͤn -
det,
Aus Gnaden Jhm ſo wol gefaͤllt,
Daß ſie auch dort gewiß unend -
lich’ Anmut findet.
Und dieß verſaͤumeſt du, und
willt mit Fleiß nicht ſehn,
Was durch des Hoͤchſten Lieb’
und weiſe Macht geſchehn.
Bedenke, was du thuſt! ſo weiß
ich, du verſpuͤreſt,
Daß du nicht hier allein, auch
dort, dein Heyl verliereſt.
Die Strafe faͤngt bereits in die -
ſem Leben an.
Denn uͤberkommſt du gleich das
groͤſte Gluͤck auf Erden;
So kannſt du doch unmoͤglich
gluͤcklich werden.
Sprich ſelbſt: ob etwas dich wol
recht vergnuͤgen kann
Von allem, was du ſuch’ſt, von
allem, was du treibeſt!
Sprich, ob dasjenige, worauf
dein Sinn gericht’t,
Erlang’ es oder nicht,
Dich ruͤhr’, und ob du nicht ſtets
ungluͤckſelig bleibeſt!
Die Unempfindlichkeit und die
Gewohnheit ſind
Harpyen, welche dich fuͤr alles
gute blind,
So bald du es beſitzeſt, machen.
Es friſſt ihr niſſier ſatter Rachen
Den Kern von deiner Luſt. Du
aber muſt die Schalen,
Die doch ſo ungeſchmackt, mit
Arbeit, Sorge, Muͤh,
Mit Schrecken, Furcht und Angſt
nur gar zu theur bezahlen.
Dieß iſt der Lohn fuͤr dein Betra -
gen hie;
Von kuͤnft’ger Reu, von kuͤnft’ -
gen Straf - und Plagen
Nicht einſt zu ſagen.
Mein GOtt, behuͤt’ uns doch
vor ſo verſtocktem Weſen,
Und einer Bruſt, die ſo verſteint,
ſo hart!
Ach laß uns Deine Gegenwart
Jm ſchoͤnen Buch der Welt
mit Freude leſen!
Die Schrift, die jeder Menſch
mit Ehrfurcht leſen ſoll,
Die auch die Engel ſelbſt mit
Furcht und Luſt bemerken,
Die lautet ſo: Es ſind von GOt -
tes Werken
Und Seiner Majeſtaͤt der Him -
mel Himmel voll,
Luft, Erd’ und Meer erfuͤllt. Nun
dieſe Fuͤll’ allein
Recht zu beherzigen, ſoll itzt mein
Endzweck ſeyn.
Der Wolken - und Luft-Himmel.
Pſ. CIV, 2. Du breiteſt aus den Himmel, wie einen Teppich.
Man ſiehet in dem frohen Lenzen
Nicht nur den Kreis der gruͤnen Erden,
Nein, auch den Kreis der Luft, in neuem Schimmer
glaͤnzen,
Und Wunder-wuͤrdig helle werden.
Damit ein allgemein gleichfoͤrmigs Einerley
Dem Herzen nicht gleich-guͤltig ſey,
Den Augen keinen Eckel braͤchte,
Und weniger gefallen moͤgte,
Wenn an des weiten Himmels Buͤhne
Nichts, als ein leeres Blau, erſchiene;
So zieren ſchoͤn geformt - und ſchoͤn gefaͤrbte Duͤfte
Das unermeſſ’ne Feld der reinen Luͤfte,
Durch GOttes Huld, zu unſ’rer Luſt allein,
Mit Farben, Bildungen, mit Klarheit, Glanz und Schein.
Noch mehr, indem wir bloß in Aend’rung Freude finden,
Bemuͤht ſich gleichſam die Natur,
Uns auch durch Aend’rung zu verbinden.
Darum muß manches Wolken-Bild
Veraͤnderlich ſowol an Farben als Figur
Sehr ſchnell entſtehn und ſchnell verſchwinden.
Dem allen ungeacht’t, wie groß, wie tief, wie weit
Des Himmels Schauplatz iſt; wie voller Lieblichkeit,
Wie praͤchtig, mancherley, wie herrlich und wie ſchoͤn
Der Wolken Coͤrper anzuſehn;
Wie rein der Silber-Glanz, wie hell der guͤld’ne Schein,
II. Theil. A 2Wie4Wie zierlich und wie klar Figur - und Farben ſeyn;
So ſehn wir leider doch, daß Menſchen auf der Erden
Gefunden werden,
Die ſolchen ungemeſſ’nen Platz,
Die einen ſolchen Schatz
Von Bildung, Farben, Glanz und Licht
Nicht ſo viel wuͤrdigen, daß ſie zu GOttes Ehren
Jhr bloß auf Geld erpicht Geſicht
Auf dieſes groſſe Wunder kehren.
Hoͤr auf, geliebter Menſch, den Schoͤpfer zu verachten!
Komm, laß uns, GOtt zum Ruhm, das Firmament betrachten!
Es wird der Himmel nicht ſo ſehr
Mit ſchoͤnen Farben ausgeſchmuͤcket,
Als man an ihm vielmehr
Ein buntes Licht, das allgemein, erblicket.
Man ſieht von ungezaͤhlten Bildern
Veraͤnderungen ohne Zahl,
Womit ſich itzund auf einmal
Die ungemeſſ’nen Tiefen ſchildern.
Der Wolken meiſtens halbe Kreiſe,
Die allzumal ihr glaͤnzend prangen,
Nachdem ſie hoch und dick, auf ganz verſchied’ne Weiſe
Vom Licht, das an ſie ſtral’t, empfangen,
Zerteilen ſich bald hie bald dort,
Wodurch wir Bruͤche, Tiefen, Hoͤhen
Und Oeffnungen an manchem Ort
Mit Luſt und mit Verwund’rung ſehen.
Man ſiehet oft, mit recht vergnuͤg’ter Selen,
Durch ſchwarze bald, und bald durch braune, Hoͤlen,
Ein den Sapphir weit uͤbertreffend Blau;
Jndem der Wolken Dunkelheit
Des5Des Firmaments verklaͤr’te Heiterkeit
Erheb’t und noch vermehrt. Ein Berg, der dunkel-grau,
Laͤſſt dort auf Purpur-farbnen Spitzen
Den aͤuſſern Rand, wie reines Silber, blitzen,
Den der ſapphirne Grund noch eins ſo helle macht.
Ein guͤld’ner Umſtrich ſchmuͤckt in ungemeiner Pracht
So manchen dunkel-braunen Kreis.
Rot, Purpur, Leibfarb, blau, grau, gruͤnlich, gelb und weiß
Erfuͤllt und ziert in dem beſtral’ten Duft
Anitzt die reine Luft.
Hier ſcheint ein groſſer Platz von Gold ein guͤld’nes Meer,
Das doͤrten glatt, und hier voll kleiner guͤld’nen Wellen,
Jn blauen Ufern vorzuſtellen.
Man ſiehet oͤfters mit Vergnuͤgen
Jn dieſem Luft-Meer’, eben ſo
Als wie im Archipelago,
Viel’ Jnſeln, die zerſtreuet, liegen.
Jm Weſten ſiehet man bald halb - bald ganze Spuren
Von wunderlich geformten Creaturen,
Manch ungeheuren Wall-Fiſch ſchwimmen,
Und manchen feurigen ergrimmten Drachen glimmen.
Hier ſcheinet manch Gewoͤlk, als wenn’s ein wilder Baͤr,
Dort eins, als wenn’s ein Pferd in vollen Spruͤngen waͤr’.
Ein Meilen langer Rieſ’, umringt von kleinen Zwergen,
Entſtehet und vergeht. Auf hohen guͤld’nen Bergen
Waͤchſt Angeſichts ein Baum, der ſchwebet ſanft daher;
Allein im Augenblick erblickt man ihn nicht mehr.
Es wird aus ſeinem Stamm ein Vogel, ein Geſicht,
Und bald ein leeres Nichts. Hier ſieht man rote Schloͤſſer,
Da Tuͤrme ſtehn, dort Maſken, welche groͤſſer,
Als eine ganze Stadt. Bald laſſen ſich Armeen
Mit Fanen, Spieſſ - und Degen ſehen.
A 3Hier6Hier laſſen guͤld’ne Bilder ſich
Auf einem faſt ſapphirnen blauen,
Und blaue dort auf guͤld’nem, Grunde ſchauen.
Oft ſiehet man mit Purpur-farbnen Bildern
Ein Silber-weiſſes Feld ſich ſchildern.
Nicht weit davon kann man
Viel ungemeſſ’ne Gold - und Silber-Klumpen ſehen.
Jch wund’re mich, daß ſich hieran
Ein geizigs Auge nicht ergetzet,
Da es in Ueberfluß hier finden kann
Den Glanz, den es faſt mehr als ſeine Sele ſchaͤtzet.
Durch ein ſo zaͤrtlich blau, wie oͤfters mein Geſicht
Auf einem Roſen-Blat’ erblicket,
Jſt oͤfters uͤber mir der Kreis der Luft geſchmuͤcket,
Zumal wenns Abend wird. Nicht weit von dieſem ſchien
Ein ebenfalls uncoͤrperliches gruͤn,
Das ich nicht minder ſanft, gelinde,
Und gleichſam geiſtig finde.
Bey dieſem ſiehet man jedoch auch ohne Grenzen
Ein helles weiß in reiner Klarheit glaͤnzen.
Das fiel hierauf in einen guͤld’nen Schein,
Und der in Roſen-Farb’, allmaͤlich ein,
Bis daß zuletzt vom flammenden Rubin
Ein unbeweg’ter Blitz die wahre Qvelle ſchien.
Ach! aber welch ein blitzend Licht
Bricht dorten, wo der Berg von dunklen Wolken bricht,
Als wie aus einer ſchwarzen Hoͤle?
Es ſtralet durch die Dunkelheit
Mir eine helle Herrlichkeit
Nicht in mein Aug’ allein, zugleich in meine Sele.
Der Mittel Punct des Lichts, das Erd’ und Himmel fuͤllt,
Woraus der Farben Pracht, Glanz, Waͤrm’ und Leben qvillt,
Der7Der Born der Fruchtbarkeit, der Creaturen Wonne,
Der Schoͤnheit Sele, Geiſt und Leben, kurz die Sonne,
Laͤſſt ſich an dieſem Ort’, ohn’ uns zu blenden, ſehn.
Das Auge, durch den Flor der Dunkelheit beſchuͤtzt,
Sieht unverletzt, wie wunderſchoͤn
Die reine Gluht in kleiner Oeffnung blitzt,
Man ſiehet an der Wolken dunklen Grenzen
Die Sonne ſich mit einem bunten Glanz,
Recht als mit einem Sieges-Kranz
Von Millionen Stralen, kraͤnzen.
Ein unbeſchreiblich lieblich Blitzen
Von hundert tauſend zarten Spitzen,
Die alle bunt, die alle feurig ſeyn,
Erfuͤllet mein Gehirn und mein Gemuͤte
Mit einem holden Freuden-Schein.
Ein heller Andachts-Stral begeiſtert mein Gebluͤte,
Erheitert meinen Geiſt. Die Weiſ heit, Macht und Guͤte
Des ewig ſel’gen Lichts, des Schoͤpfers aller Welt
Beleb’t mich, ſtral’t mich an. Es flammt in meiner Selen
Ein Trieb, was herrliches vom Schoͤpfer zu erzaͤlen,
Der alle Dinge wirkt, beleb’t, regiert, erhaͤlt,
Deß Weſen ich mit Luſt in Seinen Werken ſehe.
Jch ſchwinge meinen Geiſt in die Sapphirne Hoͤhe,
Jch eil’ ins Firmament, ich fliege wie ein Stral
Durchs Boden-loſe Meer, durchs unumſchraͤnkte Thal
Des nie begriff’nen Raums, in deſſen holen Gruͤnden
Kein Ziel, kein Schluß, kein Grund zu finden.
Hier denk’ ich an die Tief’, hier denk’ ich an die Weite,
Die ungeheure Laͤng’ und ungeheure Breite
Des Kreiſes, den allein der Sonnen Licht erfuͤllt,
Das unaufhoͤrlich ſtral’t und unaufhoͤrlich quillt
Aus einem Mittel-Punct von Millionen Meilen.
A 4Hilf8Hilf GOTT! was ſtellt ſich mir,
Jndem ich dieſes denk, fuͤr eine Groͤſſe fuͤr!
Kein Menſchlicher Verſtand kann hier ein Ziel ereilen.
O unermeſſlicher, o ungeheurer Raum,
Wer wird doch deine Groͤſſ’ und Tiefe faſſen koͤnnen!
Jndem die ganze Welt, Luft, Meer und Erde, kaum
Bey deinem Mittel-Punct ein Mittel-Punct zu nennen.
Nun iſt es ausgemacht,
Daß dieſe hole Tief’ (o Wunder!) Tag und Nacht
Beſtaͤndig angefuͤllt mit Licht und Sonnenſchein,
Wie die Planeten dieß mit ihren dunklen Kreiſen,
Die bloß durch ſie beſtral’t,
Uns augenſcheinlich weiſen.
Es faſſe doch ein Menſch einſt, ſeinem GOtt zur Ehr,
Das leider mehrenteils verſtreute Heer
Von ſeinen fluͤchtigen Gedanken,
So viel ihm moͤglich iſt, in ordentliche Schranken,
Und denke nur ein einzigs mal,
Wie ſo gewaltig lang muß doch der Sonnen-Stral,
Wie unermeſſlich groß des Lichtes Coͤrper ſeyn,
Der mit verbundenem und ungeteiltem Schein
Die allertiefſten tiefſten Tiefen
Von dieſem Raum beſtaͤndig fuͤllt!
Der ſich vor unſerm Blick nur dadurch bloß verhuͤllt,
Weil in des tiefen Raumes Gruͤnden
Kein Gegenſtand zu finden,
Wovon er koͤnne ruͤckwaͤrts prallen,
Und ſo in unſer Auge fallen!
Dieß aber hindert nicht, daß in den holen Hoͤh’n
Und in der Tiefe ſonder Grenzen,
Ob wir es gleich nicht ſehn,
Die Stralen doch nicht unaufhoͤrlich glaͤnzen.
Jndem ich dieſes uͤberlege,
Und von ſo groſſem Licht die Groͤſſ’ erwege;
So9So deucht mich, wuͤrd’ ein ſolcher Wunder-Schein
Faſt nur umſonſt erſchaffen ſeyn,
Wenn auſſer uns (den Planetar’ſchen Erden)
Jn der Natur ſollt’ anders nichts
Von aller Kraft des ungemeſſ’nen Lichts
Vergnuͤget und erleuchtet werden.
Es kommen, in Vergleich
Mit dieſes Lichtes weitem Reich,
Mit dieſem glaͤnzenden unmeßlichen Revier,
Uns die Planeten ja nicht anders fuͤr,
Als ſchwuͤmmen in dem weiten Meer,
Damit ſie wol gewaſchen werden moͤgten,
Nur ſechszehn Erbſen hin und her.
So wenig man
Von ſolchen Erbſen nun vernuͤnftig ſchlieſſen kann,
Daß ſich das Meer daran mit allen Tropfen reibe;
So wenig geht es auch mit Licht und Stralen an,
Daß von denſelben nichts als etwa ſechszehn Erden
Erleuchtet und getroffen werden.
Es geht der groͤſte Teil unendlich weit vorbey.
Mir kommts derhalben glaublich fuͤr,
Daß, ob gleich unſers Coͤrpers Augen
Jn dieſer Welt
Den Licht-Stral nicht zu ſehen taugen,
Wenn ſolcher nicht von Coͤrpern ruͤckwaͤrts faͤllt;
Es darum doch nicht folgen muͤſſe,
Daß nicht in der Natur Geſchoͤpfe ſollten ſeyn,
Die minder Coͤrperlich als wir,
Und die vielleicht allein
Sich an des Lichtes eig’nen Schaͤtzen,
So wie wir uns am Licht’ im Widerſchein, ergetzen.
Wenn ich demnach von der Sapphirnen Hoͤhe,
Wann ſie eutwoͤlkt, die tiefe Klarheit ſehe;
A 5So10So fuͤl’ ich mich vor Freuden kaum.
Mich deucht, ich ſeh mit Augen einen Raum,
Wo Millionen Millionen
Verklaͤr’te Geiſterchen und ſel’ge Selen wohnen,
Die all’ in einem Meer von Licht und Wonne ſchwimmen,
Die all’ in reiner Gluht von heil’ger Andacht glimmen,
Die all’ an GOTTES Huld, an Seiner Werke Pracht,
An Seiner Weiſheit, Lieb’ und Macht,
An Seiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Unendlicher Vollkommenheit,
Zu ihres groſſen Schoͤpfers Ehren,
Jn ſel’ger Luſt, ſich ewig naͤhren.
Kommt dieſe Meinung dir
Vielleicht zu Anfang fremde fuͤr?
So laß dich nur dadurch ſogleich nicht ſchrecken!
Dein’ Unempfindlichkeit erſchreckt mich noch vielmehr,
Da, zur Verkleinerung von GOTTES Ehr’,
Jn ſelbiger betruͤbte Folgen ſtecken.
Jſt es genug,
Den Himmel oben hin nur als ein blaues Tuch,
Wie oder gar nicht, anzuſehn?
Zudem ſo kannſt du ja von den ſo hellen Sternen,
Die wuͤrklich Coͤrperlich, und die, ſo groß als ſchoͤn,
Des Himmels Raum unleugbar ſchmuͤcken,
Dennoch bey Tage nichts erblicken:
Wirſt du dich deßfalls ſie zu leugnen unterſtehn?
Hieraus nun ſiehſt du klar von deinem Blick die Schwaͤche.
Sprichſt du denn wol mit Recht zu meiner Meinung, nein,
Wenn ich, von Anmut heiß, voll Andacht glaub’ und ſpreche:
Es wird wol alles dort voll Mahanaim ſeyn.
Wie kann ein Menſch den Schoͤpfer beſſer ehren,
Wie kann man Seinen Ruhm doch mehr vermehren,
Wie koͤnnen wir Jhm doch ein beſſer Opfer ſchenken,
Als11Als wenn wir ſtets von Seiner Wunder-Macht,
Von Seiner Weiſ heit, Groͤſſ’ und Seiner Werke Pracht
Das allergroͤſſeſte, das herrlichſte, gedenken!
Ja wenn ich mich vielleicht auch irren moͤgte;
So iſt jedoch dein Jrrthum groͤſſer.
Denn das, was ich davon aus Ehrfurcht denk’, iſt beſſer,
Als wenn ich nichts davon, wie du aus Faulheit, daͤchte.
Du undurchdringliches, allgegenwaͤrtiges Licht!
Der Du der Ewigkeit Unendlichkeit erfuͤlleſt,
Der Du Dich in Dir ſelbſt, zu unſerm Heil, verhuͤlleſt,
Aus welchem als ein Strom der Dinge Weſen bricht,
Du ewig-ſelige Vollkommenheit und Liebe,
Vermehre doch in mir der Andacht reine Triebe!
Ach gieb doch, daß, wenn ich des Himmels blaue Hoͤhe
Jn einem heitern Glanz und reiner Klarheit ſehe,
Es ſtets zu Deinem Ruhm mit frohem Ernſt geſchehe!
Merz-Veilchen und Marien - Bluhmen.
Auf den gevierten Garten-Betten
Sah ich zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Jn ſittſam ſchoͤner Niedrigkeit,
Viel kleine blaue Violetten
Durch ein Smaragden gleiches gruͤn,
Wie Purpurn’ Amethiſten, bluͤhn.
Jhr lieblich ſuͤſſer Duft
Erfuͤllte rings umher die Luft,
So daß mich der Geruch, noch eh’ ich ſie erblickte,
Vergnuͤg’t’, erfriſcht’, ergetzt’, erqvickte;
Woruͤber ich mit Andachts-voller Bruſt,
Zum Denkmal der genoſſ’nen Luſt,
Dieß in mein Taſchen-Taͤflein ſchriebe:
Willkommen, liebſtes Fruͤhlings-Kind,
Du Bild der Demut und der Liebe.
Du biſt ſo niedrig und ſo klein,
Und dennoch nimmt die holde Kraft
Von deiner ſuͤſſen Eigenſchaft
Solch einen weiten Kreis in lauen Luͤften ein.
Du dienſt, und kommſt in ſolchem Ueberfluß
So manchem Menſchen zum Genuß;
Du ſollt auch mir in meinem Leben
Zu einem taͤglichen Gebrauch
Ein nuͤtzliches Exempel ſeyn.
Jch will mich Demuts-voll beſtreben,
Jn Sanftmut meinem Naͤchſten auch
Ein gut Exempel ſtets zu geben,
Jhn in der Liebe hoch zu ſchaͤtzen,
Damit er, wie ich mich an dir,
So auch an mir ſich moͤg’ ergetzen.
Man13Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Sele
Jn dieſer kleinen Purpur-Hoͤle
Ein etwas, das den Glanz vom aͤchten Golde hat.
Sehr zierlich iſt das groſſe Blat
Mit dunklen Aederchen durchſchnitten.
Der Stengel haͤlt, wie eine gruͤne Hand,
Die Bluhmen gleichſam in der Mitten,
Als mit fuͤnf Fingern, uͤberſpannt.
Weil ich hievon den Zweck nun nicht begreifenkann;
So ſeh’ ich es aufs wenigſt’ an
Als eine Spur,
Daß die ſtets wechſelnde Natur
Faſt nimmer einerley,
Nein, aber wol in ſtets veraͤnderlichen Bildern
Sowol zu zeichnen als zu ſchildern
An Reichtum unerſchoͤpflich ſey.
Dein Herzen-foͤrmig Blat,
So ich an deinen Stengeln ſehe,
Erinnert mich, daß, wenn ich GOttes Macht
Jn ſeiner Creatur betracht’,
Es recht von Herzen ſtets geſchehe.
Noch ſah ich, wie in kleinen runden Hoͤhen
Viel Zungen-gleiche Blaͤtter ſtunden.
Gut, dacht’ ich, will man wol beſtehen;
So bleibe Zung’ und Herz zu einem Zweck verbunden.
Hiezu nun fand ich auch ſo gleich Gelegenheit.
Jch ſah, vor Luſt erſtaunt, in ſuͤſſer Zierlichkeit,
Den kleinen weiß - und rot - und bunten Roſen gleich,
Sehr viel Marien-Bluͤhmchen glaͤnzen,
Mit welchen Tellus Reich
Sich pfleg’t am fruͤh’ſten zu bekraͤnzen.
Der Farben Gluht, der Bildung Niedlichkeit,
Die ſich ſo wunderbar vermaͤlen,
Ergetzten durchs Geſicht das Auge meiner Selen.
Jch14Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab,
Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe
Mit aufmerkſamen Augen ſahe,
Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab.
Es ſcheint, daß die Natur,
Damit man GOttes Allmacht faſſe,
Jn dieſes Bluͤhmchens Farb’ und lieblicher Figur
Sichs gleichſam ſauer werden laſſe.
Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee,
Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen,
Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen.
Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit,
An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren,
Wodurch ſie denn den Unterſcheid
Der lieblichen Figuren mehren.
Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht,
Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen,
Und dann der Sonne guͤld’nes Licht
Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen,
Das Aug’ und Herz vergnuͤg’t.
Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein
Recht candiſirt zu ſeyn.
Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen,
Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen,
Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen,
Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!
Die Schnee - und Crocus-Bluhme.
Als neulich ich in ſtiller Luſt
Und mit recht inniglich geruͤhrter Bruſt,
Zuſammt der Purpurnen Hepatica,
Die Schnee - und Crocus-Bluhmen ſah
Aus der noch unbelaubt - und nackten Erde ſteigen;
Vergnuͤg’t’ ich mich zuerſt, ſie uͤberhaupt zu ſehn,
Da ihre Menge denn, der Farben Unterſcheid
Und Miſchung mir in holder Lieblichkeit
Ein buntes Ganz recht Wunder-ſchoͤn
Vor Augen ſtelleten. Jch ſah hernach
Die weiſſe Pracht von einer Schnee-Bluhm’ an,
Woruͤber man ſich nicht genug verwundern kann.
Man ſiehet die Natur auf ihren Blaͤttern ſcherzen.
Die innern ſind bemal’t mit kleinen gruͤnen Herzen,
Der frohen Hoffnung Lieberey.
Jch wuͤnſch’, indem ich dieſes ſehe,
Daß, da der Fruͤhling in der Naͤhe,
Mein Herz auch voller Hoffnung ſey,
Den GOTT, durch den allein ſo Froſt als Sturm vergehen,
Jm Fruͤhling froͤhlich zu erhoͤhen.
Ein’ ander’ Ahrt, nicht minder Schimmer-reich,
Sieht kleinen Tulipanen gleich.
Jn deren Mitte ſtehn, von einer Groͤſſe
Auf kleinen Silber-weiſſen Fuͤſſen
Sechs kleine guͤldene Gefaͤſſe,
Die, allem Anſehn nach, den Balſam in ſich ſchlieſſen,
Der unſ’re Naſ’ erquickt,
Den jedes aus zwo kleinen Roͤhren,
Um unſ’re Luſt zu mehren,
Vermutlich immer aufwaͤrts ſchickt.
Jch16Jch brach darauf ein Crocus-Bluͤhmchen ab,
Wovon ein jeglichs mir, als ich es nahe
Mit Achtſamkeit beſahe,
Ein ſonderbar Vergnuͤgen gab.
Des gelben Bluͤhmchens Schein
Schien Gold, und die Figur ein kleiner Kelch, zu ſeyn.
Von eben dieſer Ahrt ſieht man mit tauſend Freuden
Verſchied’ne ſich in hohen Purpur kleiden.
Verſchiedliche ſind weiß, wie Silber, und zugleich
An Purpur aͤuſſerlich, an Gold von innen, reich.
Sie ſtellen all’ in Wunder-ſchoͤnem Flor
Des Reichtums und der Ehr beliebte Farben vor.
Wie ich nun bald den Glanz, bald ihrer Adern Zier,
Bald ihrer Farben bunten Schein
Mit Anmut uͤberſah; fiel unvermutet mir
Recht mitten in der Luſt was traurigs ein:
Jn wenig Stunden
Jſt alles ſchoͤne weg, iſt alle Pracht verſchwun -
den.
Ach! fuhr ich ferner fort, ach waͤret ihr allein
So unbeſtaͤndig und ſo fluͤchtig!
Ach daß auch wir nicht minder nichtig,
Hinfaͤllig und vergaͤnglich ſeyn!
Doch wie? begriff ich mich hierauf
Nach einem kurzen Trauren,
Jſt es auch recht, wenn wir der Dinge Lauf,
Den GOTT verordnet hat, bedauren?
Dieweil es GOTT, dem HERRN der Welt,
Alſo gefallen und gefaͤllt;
So muß die fluͤchtige Beſchaffenheit
Der Dinge beſſer ſeyn, als die Beſtaͤndigkeit.
Auch17Auch uͤberfuͤhret mich
Die Wahrheit, daß mein Leid und Tadel laͤcherlich.
Was wuͤrd’ auf unſ’rer Erden,
Vergingen Bluhmen nicht, doch fuͤr ein Zuſtand werden?
Sie wuͤrden uns nicht nur viel weniger vergnuͤgen,
Nein, allenthalben gar im Wege liegen.
Es kommt hinzu, daß, obs gleich nicht ſo ſcheint,
Und ob es gleich die Menſchheit nicht vermeint,
Sie jedennoch nicht ganz vergehen.
Es welkt die aͤuſſ’re Bildung nur;
Jhr Weſen, Sam’ und Geiſt beſtehen.
Die unzerſtoͤrliche Natur
Jm Waſſer, in der Luft und Erden
Laͤſſt nichts zunichte werden.
Ein Bett voll Hyacinthen.
Jch ſahe juͤngſt mit Luſt im lauen Lenzen
Auf einem Garten-Bett viel Hyacinthen glaͤnzen.
Das allerfeinſt’ und rein’ſte Porcellein
Kann nicht ſo glatt, ſo rein,
So ſchoͤn von Farb’ und Waſſer, ſeyn,
Als die mit weiß vermiſchte blaue Glaͤtte
Das ganze Bette
Mit einem vielfach-blauen Glanz
So ſehr nicht ziert’, als ganz
Bedeckt’ und uͤberzog. Jch ſah mit tauſend Freuden,
Wie lieblich ſich die ſchoͤnen Bluhmen kleiden.
Obgleich die meiſten blau, war es doch unterſchiedlich.
Wenn jene dort recht wie Ultra-Marin
Jm dunkel-blauen glaͤnzt’ und ſchien;
So wies die Nachbarinn recht ſanft und niedlich
Ein helles Himmel blau, und die bey dieſer ſtand,
Hatt’ ein faſt Purpurnes, ein roͤtlich blau Gewand.
Jndem ich dort verſchied’ne weiß wie Schnee,
Noch and’re, die mit etwas rot gemiſchet,
Jn Perl - und Fleiſch-Farb ſpielen ſeh;
Ließ ich von ungefehr den Blick den ganzen Hauſen
Auf einmal uͤberlaufen,
Und ward recht inniglich erfriſchet,
Als mir ihr ſchoͤnes Ganz
Des heitern Himmels Glanz
So gar auf Erden wies. Jhr Wunder-ſchoͤnes Blau,
Das ich, GOtt Lob! nicht, ohn’ an Den zu denken,
Der alles ſchoͤne ſchaffet, ſchau,
Bewog mich, mein Gemuͤt aufs neu’ auf GOtt zu lenken,
Und19Und Jhm, von Andachts-Flammen heiß,
Zum Opfer, meine Luſt zu ſchenken;
Weil ich nichts beſſers Dem zu ſchenken weiß,
Der alles bloß aus Gnad’ erſchaffen, Den die Liebe
Allein, ſo mancherley hervor zu bringen, triebe.
Jch roch darauf den Ambra-Duft,
Womit der Bluhmen Heer die laue Luft
So lieblich fuͤllete. Der ſaͤurlich ſuͤſſe Saft
Erfuͤllte mich mit neuer Kraft,
Daß ich dem Schoͤpfer dieſer Bluhme,
Durch die er mein Gehirn erqvickte,
Zum Dank und Ruhme
Den Othem, der, da ich ihn in mich zog,
Mich zur Erkenntlichkeit mit hoͤchſtem Recht bewog,
Jn Seufzern voller Dank zuruͤcke ſchickte,
Und GOtt, der mir ſo viele Gnad’ erwieſe,
Jm innerſten von meiner Sele prieſe,
Mit dieſem Wunſch: Laß mich, o Geber aller Gaben,
An Deinen Gaben ſtets zu Deinem Ruhm mich laben!
Noch fand ich mich aufs neu geruͤhret,
Und ward durchs gruͤne Laub ſo gar,
Das dieſe Bluhm’ umgiebt und zieret,
Aufs neu’ ergetzt, aufs neu zu GOtt gefuͤhret.
Jch ward recht eigentlich gewahr,
Wie an der Bluhme Fuß ſechs gruͤne Ecken
Sich rings, ſo uͤm als von dem Stengel ſtrecken,
Und einen gruͤnen Stern formiren,
Wodurch ſie das ſonſt nackte Land
Mit einem eig’nen Bilde zieren.
Jch ſahe jedes Blat aufmerkſam an, und fand,
Daß jedes etwas hol; daher vermutet’ ich,
Daß ſie abſonderlich gleich einer Hand
Sey ausgeſpannt,
B 2Damit20Damit die Feuchtigkeiten ſich,
Um ihre Zwiebel wol zu traͤnken,
Recht als durch kleine Rinnen ſenken;
Wie mir denn in die Augen fiele,
Daß unten an dem Stiele
Ein abgerolltes Waſſer ſtund,
Das wie ein Berg-Kryſtall ſo klar,
So weiß recht wie ein Silber war.
Hieran erfriſchte ſich mein Aug’ und mein Gemuͤte:
Jch fand in dieſer reinen Klarheit
Noch eine neu’ und unleugbare Warheit
Von GOttes Weiſheit, Macht und Guͤte.
Fruͤhlings-Betrachtung.
DJe Zweige, die noch geſtern leer,
Die ſcheinen itzo recht, als ob in einer Nacht
Der jungen Blaͤtter gruͤne Pracht
Vom Himmel drauf geregnet waͤr’.
Auf andern liegt es voll, als waͤren weiſſe Ballen
Vom zarten Schnee darauf gefallen.
Hier ſcheint der Bluͤhte Schnee die Blaͤtter zu verſtecken,
Dort ſcheint das gruͤne Laub der Bluͤhte Schnee zu decken.
Es war das junge Laub ſo klar,
Und zeiget’ ein ſo lieblich Gruͤn,
Zumalen wenn die Sonn’ auf deſſen Seite ſchien,
Daß alles, was man ſah, ſo gar
Durchſichtig und durchleuchtig war.
Durchleuchtig iſt das Laub, durchleuchtig iſt die Bluͤhte,
Durchleuchtig Gras und Kraut.
Daher bezaubert itzt faſt alles, was man ſchaut,
Das menſchliche Gemuͤte.
Es ſcheint, ob woll’ auf allen Zweigen
Kein irdiſches, ſo gar ein geiſtigs, Gruͤn ſich zeigen.
Man ſieht durch die belaubt - doch noch geſeh’nen Aeſte
Den glaͤnzenden Sapphir der Feſte.
Die Klarheit der durchſtral’ten Blaͤtter
Jſt das was uns bey heiterm Wetter
An der aufs neu belaubten Welt
So ſehr ergetzt, ſo wol gefaͤllt.
Die Urſach’ iſt leicht zu ergruͤnden,
Da auf dem zarten Laub ſelbſt mit des Himmels Licht
Die ird’ſchen Farben ſich verbinden,
So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne ſtral’t,
Den Augen groͤſſ’re Luſt verſchafft,
B 3Als22Als wenn durch einen duͤnnen Tafft,
Worauf des Kuͤnſtlers Hand mit Waſſer-Farben mahlet,
Bey dunkler Nacht ein helles Licht
Jn einem bunten Schimmer bricht.
Denn dieſe Blaͤtter ſind nicht nur illuminiret;
Nein, wenn die Sonn’ ihr Bild in ihre Flaͤche druͤckt,
Wird jedes Blat,
Wovon die eine Seite glatt,
Mit einem hellen Schein geſchmuͤckt,
Mit einem kleinen Glanz gezieret,
Der, wenn durch Zweig’ und Laub der laue Zephir kuͤlet,
Recht lieblich hin und her mit holdem Blitzen ſpielet.
Des funkelnden Smaragds durch Kunſt geſchliffne Spitzen
Die haben nie mein Herz ſo ſehr durchs Aug’ ergetzt,
Als wie der glatten Blaͤtter Blitzen
Durch ihren gruͤnen Glanz mein Herz in Freude ſetzt.
Wenn ſich nun noch die zarten Schatten
Mit aller dieſer Schoͤnheit gatten,
Und daß die ſanfte Dunkelheit
Nicht nur der Farben Glanz, der Lichter Lieblichkeit,
Nein, durch die Schatten-Bluͤht’ und Schatten-Blaͤtter gar,
Die wahren Bluͤht’ und Blaͤtter zu vermehren
Und zu erheben ſcheint; werd’ ich mit Luſt gewahr,
Wie auf den dicht belanbt - und reich bebluͤhmten Zweigen
Durch Schatten in der Sonnen Stral
Veraͤnderungen ohne Zahl
Sich jeden Augenblick an jedem Orte zeigen.
Die Stelle, die itzt weiß, wird dunkel; gelblich gruͤn
Wird die vorhero dunkel ſchien.
Hiedurch, wenn Zweig und Laub bald ſinken, bald ſich heben,
Scheint alles, was wir ſehn,
Jn gruͤner Daͤmm’rung bald zu ſtehn,
Und bald im gruͤnen Licht zu ſchweben.
Der23Der Grund, der hinter ihrer Pracht,
Und ſie um deſto ſchoͤner macht,
Jſt hier das reine Blau der Luft,
Das wie ein funkelnder Sapphir voll Glanz und Licht
Durch die ſo zart - und klaren Blaͤtter bricht,
Und eben durch die Dunkelheit
Der friſchen Blaͤtter Lieblichkeit
Um deſto mehr erhoͤht,
Jnzwiſchen daß an einem andern Ort
Der Blaͤtter gelbe Klarheit dort
An einer hellen Wolk’ in guͤld’nem Felde ſteht.
Hier ſticht ein dunkles Gruͤn vom gelblicht-Gruͤnen ab,
Ein helles nimmt ſich dort hingegen ſchoͤner aus,
Weil ein verdunkelt Gruͤn,
Damit es ſo viel heller ſchien,
Jhm gleichſam eine Fulge gab.
Die Buͤſche ſcheinen nun hiedurch noch eins ſo kraus,
Noch eins ſo Blaͤtter-reich. Nicht minder nimmt der Wald
Durch dieſen Unterſcheid
Vom gruͤnen Licht’ und gruͤner Dunkelheit
Die allerlieblichſte Geſtalt.
Ach liebſter GOtt! wie funkelt, glaͤnzet,
Wie prangt und gluͤht die gruͤne Welt,
Wenn auf das Laub, das ſie bekraͤnzet,
Das guͤld’ne Licht des Himmels faͤllt!
Wenn auf das Gruͤn der jungen Blaͤtter
Der Sonne himmliſch Feuer ſtral’t;
So ſchein’t in einem heitern Wetter
Das Paradis ſelbſt abgemahl’t.
Bluͤhende Pfirſchen und Aprikoſen.
Jch ſah an einer Garten-Wand
Juͤngſt einen Pfirſch-Baum ausgeſpannt,
Deß, dem Rubin Balaß an Farben gleiche, Bluͤhte
Jm angenemen Schimmer gluͤhte.
Es glich der ganze Baum ſo wol an Form und Glanz,
Als runder gruͤner Zierlichkeit,
Faſt einem glaͤnzenden erhab’nen Pfauen-Schwanz,
Nur bloß mit dieſem Unterſcheid:
Da dort des Pfauen gruͤnes Rad
Vom blauen funkelnden Sapphir
Viel hundert ſchoͤne Augen hat;
So prangt des Pfirſch-Baums Cirkel hier
Jn ſeinem ja ſo ſchoͤnen Gruͤnen
Mit tauſend Augen von Rubinen.
Nicht leicht kann man was ſchoͤners ſehn,
Als wenn wir etwan an der Seiten
Von einem bluͤhenden belaubten Pfirſch-Baum ſtehn.
Die Blicke, die ſodann
Gemaͤlich uͤber Bluhmen gleiten,
Die ſehn den ſonſt zerteilten Glanz
Nicht anders an,
Als ein vereintes Ganz,
Und ſcheint ſodann die ganze Wand
Mit Decken von Damaſt,
Die Roſen-farb gefaͤrbet, uͤberſpannt.
Wenn man dieſelbigen nun in der Naͤhe ſieht,
Erblickt mit tauſend Luſt ein aufmerkſam Gemuͤt,
Viel tauſend weiſſe Spitzen
Auf noch nicht off’nen Knoſpen ſitzen,
Die,25Die, wie ein weiſſer Pelz von Hermelinen,
Zum Schutz der zarten Bluͤhte dienen.
Wenn ſich dieſelbe nun zerteilet; ſiehet man
Zuerſt ein ſchoͤnes Rot, das man Rubinen
Mit allem Recht vergleichen kann.
Sie ſind ſodann recht Wunder-ſchoͤn
Wie Roſen-Knoͤſpchen anzuſehn.
Die roten Kuͤgelchen nun oͤffnen ſich,
Wenn ſie die Sonn’ anſtral’t, faſt ſichtbarlich.
Wann ich darauf die offne Bluͤhte ſchau’;
Entdeck’ ich voller Luſt, und ſehe mit Vergnuͤgen
Ein weißlich rot, ein roͤtlichs blau
Jn ſuͤſſer Zaͤrtlichkeit ſich auf den Blaͤttern fuͤgen.
Es wird das Rot allmaͤlich blaß,
Recht, wie geſag’t, als ein Rubin-Balaß
Es ſieht der Roſe dann, die wild und roͤtlich-bleich,
An Form und Farb’ ein jedes Bluͤhmchen gleich.
Der ganze Pfirſch-Baum ſcheint in einem holden Schein
Ein groſſer Roſen-Buſch zu ſeyn;
Der aber (wie nicht leicht ein Roſen-Buſch ſonſt pfleget,)
Kein Laub und keinen Dorn, nein nichts als Bluhmen,
traͤget.
Noch war in gleicher Form zu ſchauen
Ein recht als wie mit Silber-Schaum
Geſchmuͤckter Aprikoſen-Baum;
Er gliech dem ſchoͤnen Schweif von einem weiſſen Pfauen.
Aus Knoſpen, wenn ſie noch nicht ganz
Geoͤffnet, ſieht man recht in einem weiſſen Glanz,
Gleich wie aus roͤtlichen zerborſt’nen Schalen,
Die Bluͤht’ als einen Stern mit weiſſen Spitzen ſtralen.
Wie aber die, ſo bald ſie aufgebluͤht,
Den weiſſen Roſen aͤhnlich ſieht;
So ſiehet auch der Baum, an ſchoͤnen Bluhmen reich,
B 5Dem26Dem weiſſen Roſen-Buſch’ ohn Laub und Dornen gleich.
Willt du nun recht was zaͤrtlichs ſehn;
So ſchau ein ſolches Blat
Aufmerkſam an, wie Wunder-ſchoͤn
Jn ſelben kleine Baͤume ſtehn,
Die ſich darin mit Staͤmm - und Zweigen
Verwunderlich und deutlich zeigen.
Von dieſen glaubet man, daß in den zarten Roͤhren
Die Saͤfte, ſo die Fruͤchte naͤhren,
Bereitet, ausgekocht und zugerichtet werden,
Ja daß ſo gar des Samens Geiſt und Kraft
Jn dem gelaͤuterten oft umgetrieb’nen Saft
Jn dieſer Blaͤtter zarten Decken
Geheimniß-voll verborgen ſtecken.
Die Bluhmen laſſen durch die Spitzen
Da, wo ſie an dem Kelch vereinet ſitzen,
Ein Sternen-foͤrmiges ein gruͤnlich Bluͤhmchen ſehn,
Jn deſſen Mitte ſich von kleinen Stangen
Ein netter Zirkel zeigt, worauf ſo zart als ſchoͤn
Mit einem duͤnnen Staub bedeckte Zaͤſer hangen,
Die durch den allerkleinſten Wind
Verwunderlich beweglich ſind,
Aus deren Mitte denn noch eine ſteiget,
Die als ein Mittel-Punkt der zarten Frucht ſich zeiget.
O wunderbar Gewebe der Natur!
Wer dich mit menſchlichem Gemuͤt
Und nicht mit vieh’ſchen Augen ſieht;
Der kann die Allmachts-volle Spur
Von einem ew’gen Wunder-Weſen
Auf deinen Blaͤttern deutlich leſen.
Demnach ſey dir, mein Herz, forthin jedwede Bluͤhte
Ein kleines Lehr-reich Buch von GOTTES Macht und
Guͤte!
Jch27Jch ſah mit hoͤchſter Luſt und innigem Ergetzen
Des Schoͤpfers Werk an dieſen Fruͤhlings-Schaͤtzen;
Mir fiel zu gleicher Zeit bey ſolchem holden Schein
Mit Dank-erfuͤllter Selen ein,
Wie nuͤtzlich dieſe Bluhmen ſeyn;
Welch eine ſchoͤne Frucht aus ihrer Schoͤnheit ſprieſſet,
Von welcher man zur ſchwuͤlen Sommer-Zeit
Die wunderbare Lieblichkeit
Nicht mit dem Auge nur, mit Zung’ und Gaum, genieſſet.
Der Aprikoſen Silber-Bluͤht
Wird Gold in ihrer Frucht, und ſtral’t in gelber Zier,
Die oft recht wie Aurora gluͤht,
Zumal wenn man ſie recht gehaͤuft wie Trauben ſieht,
Aus ihrem gruͤnen Laub’ herfuͤr;
Jhr Saft erfriſcht das Blut und das Gemuͤte.
Wie herrlich glaͤnzt die Pfirſich, wenn ſie reif’t,
Auf welcher ſich der Schmuck verſchied’ner Farben haͤuf’t!
Bald funkelt ſie in ihrem holden Gruͤnen
Wie groſſe Kugeln von Rubinen;
Bald blitz’t ein Silber-weiß auf ihnen;
Bald glimmen ſie wie Gold; bald ſieht man, wie die Pracht
Von holden Roſen-roten Wangen,
Wenn ſie am allerſchoͤn’ſten prangen,
Bey holder Fleiſch-Farb’ uns anlacht.
Auf mancher zeiget ſich ein bunter Stral
Von allen Farben auf einmal.
Es iſt ein ſolcher Baum ſo Wunder-ſchoͤn,
Wenn viele Fruͤchte drauf, die reif ſind, anzuſehn,
Daß, uneracht der ſuͤſſen Luſt,
Die ihm durch den Geſchmack die heiſſe Bruſt
Und ſeinen trocknen Gaum erqvicket,
Ein Naͤſcher ſelbſt ſie faſt mit Unmut pfluͤcket.
Bewund’re ferner nun, mein Herz, zu GOttes Ehre,
Von28Von dieſer reifen Frucht die Groͤſſ’ und Schwere,
Da viele mehr als zwey Pfund am Gewicht,
Durch die gehaͤuf’te Meng der Feuchtigkeiten, haben:
Erkenn’ auch hierin doch des groſſen Gebers Gaben!
Vergiß dafuͤr des Dankens nicht!
Wenn den Mund die Pfirſich fuͤllet,
Und den Durſt mit Anmut ſtillet,
Daß die Zung’ in Honig ſchwimm’t;
Ach! ſo ſchaͤtz’t es nicht geringe!
Dankt dem Schoͤpfer aller Dinge,
Der euch ſo viel Gut’s beſtimm’t!
Noch einige Betrachtung der Bluͤhte.
Seht, wie am Birn-Baum ſich die Blaͤtter-Knoſpen
ſpitzen,
Allmaͤlich ſich entwickeln und verbreiten!
Ey ſeht, wie dort, voll krauſer Zierlichkeiten,
Die ſchwangern Trage-Knoſpen ſitzen!
Man ſieh’t ihr ſanft-behar’t ihr weißlich gruͤn
Sich zaͤrtlich von einander beugen,
Und gleichſam ſichtlich ſich bemuͤhn,
Den Schatz der Bluhmen uns zu zeigen.
Der Apfel-Baum faͤngt gleichfalls an,
Auf eine lieblich ſuͤſſe Weiſe,
Die man nicht g’nug bewundern kann,
Zu unſ’rer Freude, GOtt zum Preiſe,
Sein Laub noch auf beſond’re Ahrt
Zugleich nebſt ſeiner Bluͤht’ uns vorzulegen.
Die Knoſpen, die ſo ſanft und zart
Sich allgemach zu oͤffnen pflegen,
Bemuͤhen ſich, auf allen Seiten
Mit gleicher Zierlichkeit ſich auszubreiten;
Da in der Mitte denn die Trage-Knoſpen ſtehn,
Woran zuerſt ein krauſes Weſen nur
Jn einer noch nicht ganz entwickelten Figur
Noch ungeform’t noch ungeteilt zu ſehn;
Die aber bald
Zu unſerm Nutzen und Bergnuͤgen
Ein’ angenem gebildete Geſtalt,
So bald ſie ſich zerteilen, kriegen.
Man ſieht ſodann derſelben viele
Aus einer Knoſp’ entſtehn. Man ſieht die zarten Stiele
Mit Silber-grauem Har bedecket und geſchmuͤckt,
Die31Die oben allgemach verdickt,
Sich in fuͤnf Spitzen abwaͤrts beugen,
Dadurch ſie denn die Form von Sternchen, welche gruͤn,
Und in dem Mittel-Punkt, als waͤr’ es ein Rubin,
Die Gluht der roten Bluͤhte, zeigen;
Die aber gleich, ſo bald ſie offen gehn,
Um unſer Auge mehr noch zu erfriſchen,
Jhr funkelnd rot mit reinem weiſſen miſchen,
Wodurch ſie, hier geſtreift und bunt, dort Wunder-ſchoͤn
Wie holde Leib-Farb’ anzuſehn.
Die noch nicht voͤllig off’ne Bluͤht
Formiret oft in netter Zierlichkeit
Von Roſen-Knoſpen einen Kranz,
Jn deſſen Mitte man in einem weiſſen Glanz
Ein’ off’ne weiſſe Roſe ſieht.
Der ſchoͤnen Form-ſowol als Farber Unterſcheid
Und angeneme Lieblichkeit
Von einer ſolchen Apfel-Bluͤhte
Kann auch faſt wider unſern Willen
Ein unaufmerkſam Aug’, ein ſchlaͤfriges Gemuͤte
Mit Luſt (ach waͤr ſie ſtets mit Dank begleitet!) fuͤllen.
Nicht minder heben itzt zur Luſt verſchied’ner Sinnen,
Die man daran vergnuͤgen kann,
Die bis daher erſtorb’nen Reben an,
Viel tauſend Augen zu gewinnen;
Sie fangen itzt vor Freuden an zu weiten,
Da ſie der Sonnen Waͤrm’ und Licht aufs neu beſcheinen.
Ein braͤunlich zartes Har, weich wie der Serer Seiden,
Scheint die Gebaͤhrerinn der Blaͤtter zu bekleiden,
Woraus hernach und aus noch andern Sachen
Recht zierlich, aus der Maſſen ſchoͤn,
Nebſt manchem fliegenden Gewuͤrm,
Die Weſpen ihre Neſter machen,
Wie ich es oft Verwund’rungs-voll geſehn.
Aus32Aus dieſem ſteigt allmaͤlich manches Blat,
Das unvergleichlich nett und zierlich ausgekerbet,
Das gelblich-gruͤn geſaͤrbet,
Wobey es lieblich glaͤnzt. Es iſt ſo glatt,
Als waͤr’ es recht lackiret,
Worauf jedoch bald hier bald dar
Ein zartes Silber-graues Har
Es kraͤnzet, ſchmuͤckt und zieret.
Auf unſ’rer Kirſchen-Baͤum’ itzt reich beknoſpten Zweigen
Sieht man die runden Knoſpen ſich
Jn einer zierlichen Figur
Recht eigentlich
Als kleine gruͤne Trauben zeigen.
Man ſieht faſt uͤberall ein ſanft Bewegen,
Man ſieht die emſige Natur
Sich allenthalben regen.
Was heute gruͤn, ſteht morgen allbereit
Jn einer weiſſen Lieblichkeit.
Es ſehn ſodann die Federn von dem Strauß,
Auch die vom Schwan nicht einſt ſo weiß, ſo weichlich aus,
Abſonderlich, wenn man die weiſſe Bluͤht
Zu einer Zeit, da ungefehr
Die laue Luft vom Regen ſchwer,
Entgegen truͤbe, falb’ und dunkle Wolken ſieht.
Denn durch den Gegenſatz der Dunkelheit
Glaͤnzt, ſchimmert, glimmt und ſcheint der weiſſen Bluͤhte Zier
Noch einſt ſo hell berfuͤr.
Jndem die Zweige nun durchs Laub noch nicht verſtecket,
Wird der verſchreikten Aeſt’ und Blaͤtter Dunkelheit,
Die wie ein Netz ſich durch einander flicht,
Beym weiſſen Glanz der Bluͤht’ um deſto mehr entdecket,
So daß der Bluhmen weiſſes Licht
Mit ihrer dunk’len Zweige Nacht
Ein’ angeneme Daͤmm’rung macht.
Man33Man kann nichts angenemers ſehn,
Als wenn wir unter ſolchen Baͤumen,
Die in der beſten Bluͤhte ſtehn,
Spatziren gehn,
Und unſern Blick ſodann erhoͤhn,
Da gruͤn’ und weiſſe Schatten
Sich lieblich gatten,
Und uns ſo ſanft bedecken und ergetzen,
Daß ſie ein frommes Herz, das, in ſo holder Luſt,
Mit Andacht angefuͤll’ter Bruſt,
An ſeinen Schoͤpfer denkt; faſt aus ſich ſelber ſetzen.
Der Blaͤtter jung - und zaͤrtlichs Gruͤn,
Das mit den Bluhmen in die Wette
Zu wachſen ſchien,
Ließ recht, als ob es dieß zum Endzweck haͤtte,
Nicht nur ihr Gruͤn ins Weiß zu miſchen,
Um dadurch deſto mehr die Augen zu erfriſchen;
Es ſchein’t ſo gar mit Fleiß
Sich emſig zu bemuͤhn,
Um durch der holden Dunkelheit
Die Augen-ſtaͤrkende ſanft gruͤne Lieblichkeit,
(Damit uns nicht das gar zu ſtarke Weiß
Der hellen Bluͤhte moͤgte blenden)
Solch Uebel von uns abzuwenden.
Da denn zugleich die Miſchung deſto mehr
Die Augen durch die Aend’rung ruͤhret,
Und man ſowol vom Laub’ als durch der Bluhmen Heer
Ein unausdruͤcklich ſuͤß, ich weiß nicht was, verſpuͤret.
Verſchied’ne kleine Knoſpen blitzen
Durch noch nicht offene, doch ſchon getheilte Spitzen
Der gruͤnen Blaͤtterchen, als Sterne voller Licht.
Dort trifft man gleichſam einen Kranz,
Jn welchen die Natur, voll Klarheit Ruͤnd’ und Glanz
Viel Perlen zwiſchen Bluhmen flicht,
Voll angenehmer Schoͤnheit an.
II. Theil. CWen34Wen dieſer Glanz nun noch nicht treiben kann,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu preiſen,
Dem will ich Jhn noch ſchoͤner weiſen.
Er ſchau’ einſt einen Kirſchen-Baum,
Der an der Garten-Wand
Mit ſeinen Zweigen ausgeſpann’t,
Jn ſeiner Bluͤhte Schmuck bey Licht des Abends an!
Wofern die klare Pracht ſodann
Jhn aus dem ſchweren Traum
Der Unempfindlichkeit nicht reiſſet;
So weiß ich wahrlich nicht, ob man
Solch einen Menſchen wol mit Recht vernuͤnftig heiſſet,
Jndem er faſt mit Fleiß dem Schoͤpfer widerſtreb’t.
Es iſt ſo Bluͤht’ als Laub ſo zart und duͤnn geweb’t,
Und ſo durchleuchtig, ſo durchſichtig,
Daß ein daran gehalten Licht
Durch ihr ſubtiles Weſen bricht,
Und ſelbſt, dadurch gefaͤrb’t, die Luft illuminiret,
So daß man hie und dort ein buntes Feuer ſpuͤret.
Ja da zugleich der Blick durchs dunk’le noch geſtaͤrkt,
Wird an der Wand zugleich vermerkt,
Wie ſchnell ſich manches Bild daran formiret,
Wie viele ſanft - und klare Schatten,
Die bald ſich trennen, bald ſich gatten,
Die ſchnell entſtehn und ſchnell vergehn,
Durch ihre Dunkelheit
Des ſchoͤnen Urbilds Lieblichkeit
Und bunten Glanz noch mehr erhoͤhn.
Ach GOtt, da wir auf dieſer Erden
Durch Deine Creatur ſo oft vergnuͤget werden;
So gib doch, daß, ſo oft ich etwas ſchoͤnes ſehe,
Es, ohn’ an Dich, Quell’ aller Herrlichkeit,
Quell’ aller Schoͤnheit, Pracht und Vollenkommenheit,
Mit Andacht und mit Luſt zu denken, nie geſchehe!
Die Tulpe.
Mein Gaͤrtner bracht’ im Januario
Mir eine Tulpe, die ſchon bluͤh’te,
Die, Zeit und Froſt zu Trotz, in dunklem Purpur gluͤh’te.
Derſelben Farben glaͤnzten ſo,
Daß ſie dem gierigen Geſicht’
(Als in der Dunkelheit ein ſchnell erblicktes Licht)
Ein ganz allein geſeh’ner Vorwurf war.
Ach! Ey du lieber GOtt! iſts moͤglich? das iſt rar!
Rief jeder, der ſie ſah: Ey das iſt gar zu ſchoͤn;
Und kurz: Kein einziger vermogt ſich ſatt zu ſehn
An dieſer Bluhme fruͤhen Pracht.
Man nam ſo Bluͤht’ als Laub, ſo Farb’ als Form in acht,
Und zwar mit groſſer Luſt und ungemeinem Fleiß,
Da doch, wenn GOtt, wie itzt, uns Millionen ſchenket,
Man an derſelben Schmuck kaum einmal recht gedenket,
Und nichts von Anmut, Luſt, von Dank und Freuden weiß.
Ach zeiget denn nur bloß der Mangel unſern Augen,
Was Ueberfluß verbirgt? Jſt wenig mehr, als viel?
Hat unſ’rer Sele Kraft nur ein ſo kurzes Ziel?
Kann der Gewonheits-Dunſt uns ſo zu blenden taugen,
Daß wir, ſo bald uns GOtt viel giebet, nichts ermeſſen,
Und, weil die Gabe groß, des Gebers ganz vergeſſen?
Armſel’ge Creatur! bedaurens-wehrter Stand,
Du bindeſt ja hiedurch, ſo viel an dir, die Hand
Des milden Vaters ſelbſt, daß ſich Sein Gnaden-Fluß
Statt Strom - nur Tropfen-weiſ’ auf dich ergieſſen muß.
Ach mache du es doch, mein Herze, nicht alſo!
Beſchaue dieſe Bluhm’ in ihrer Pracht; ſey froh,
Und danke GOtt, daß er in deinem Leben
Dir39Dir dein Geſicht nicht nur;
So manche herrliche geſchmuͤckte Creatur
Zum Vorwurf des Geſichts, zu deiner Luſt, gegeben.
Fleh’ aber GOttes Huld, die alles will und kann,
Was dir erſprießlich iſt, doch zuverſichtlich an,
Daß Er dir deinen Geiſt auf Seine Wunder lenke,
Und dir den Geiſt der Luſt und der Betrachtung ſchenke!
Qvell’ aller Schoͤnheit! ew’ge Liebe,
Vermehr’ in mir die Faͤhigkeit,
Daß ich zur holden Fruͤhlings-Zeit
Mit einem angeflamm’ten Triebe
Der Tulpen Glanz, wie er ſo wunderſchoͤn,
Zu Deinen Ehren moͤg’ in tauſend Freuden ſehn!
Wie herrlich heiſſet GOtt, itzt im bebluͤhmten Lenzen,
Das Farben-reiche Heer der ſchoͤnen Tulpen glaͤnzen!
Von ihrer Schoͤnheit wird man gleichſam angelacht.
Wie pranget die Figur! wie gluͤh’t der Farben Pracht,
Jndem die Blaͤtter ſich nicht nur wie Flammen ſpitzen,
Nein gar die Farben ſelbſt, geform’t wie Flammen, blitzen,
Wenn hier ein funkelnd rot, und da ein blendend weiß,
Und dort ein gelber Schein,
(So alle Feuer-Farben ſeyn)
Zu unſ’rer Augen Luſt, zu ihres Schoͤpfers Preis,
Jn ungezaͤhlter Miſchung brennen.
Ach moͤgt’ ich ihre bunte Gluht
Mit ſelbſt entzuͤndetem vor Andacht heiſſen Mut
Nach ihrer Wuͤrdigkeit beſchreiben koͤnnen!
Wer an des Fruͤhlings bunten Schaͤtzen
Recht inniglich ſich will ergetzen,
Der muß ſich, wann die Tulpen bluͤh’n,
C 4So40So viel bemuͤh’n,
Und niedrig ſich bey ihnen ſetzen.
Hiedurch wird alſobald ſein Auge, ſehr erfreut,
Die Farben, die es ſonſt von oben nur verſtreu’t,
Und nur getheilt geſehn, verwunderlich verbinden,
Und, voll von ungemeinem Glanz’,
Ein herrliches Geweb’, ein unvergleichlichs Ganz,
Gleich einer koͤſtlichen Tapete, finden.
Der Grund von dieſer ſchoͤnen Decken
Jſt lieblich, weißlich, gruͤn. Es deckt ſo Stiel als Laub,
Die an ſich dunkler gruͤn, ein gruͤnlich weiſſer Staub,
Der ſich verwiſchen laͤſſt. Es ſchmuͤckt ein zierlich Blat,
Das oftermals ſich nett gedrehet hat,
Des riſchen Stengels Fuß. Ja wie man oft Papier
Mit Fingern zierlich druͤckt, ſo ſcheint in gruͤner Zier
Dieß ſpitzig lang - und breite Blat
Von Fingern der Natur ſehr zierlich eingedruͤcket,
Wovon die Bildungen der foͤrderſten allein
Zu unterſcheiden ſeyn,
Weil Laub und Stengel alſobald
Der Bildung liebliche Geſtalt,
Mit welcher ſie ſich alle zieren,
Jndem die Menge ſie vereint, verlieren.
Doch laſſen ſie recht wunderſchoͤn
Ein allgemeines Gruͤn ſodann den Augen ſehn.
Dieß Gruͤne ſieht man ſich jedoch nicht weit erſtrecken,
Jndem der Bluhmen helle Flammen
Den gruͤnen Schmuck durch bunten Schmuck verdecken.
Jn denen nun verbindet ſich zuſammen,
Was die Natur in unterſchied’nem Grad
Sonſt einzeln ſchoͤnes hat.
Der Teppich ſcheint von Farbe nicht,
Wol aber von gefaͤrb’tem Licht
Verwunderlich gewirkt. Wer Flammen ſehen will,
Die,41Die, wider die Natur der regen Flammen, ſtill
Und unbeweglich ſtehn: der ſeh’ ein Tulpen-Feld,
Das uns ein buntes Feu’r recht ſchoͤn vor Augen ſtellt.
Wie mannichfaltig nun der Tulpen Farben ſcheinen;
So findet ſich dennoch, (wer ſollt’ es meynen?)
Daß ſie nur bloß aus gelb, aus rot und weiß beſtehn,
Die aber die Natur ſo wunderbarlich miſcht,
Daß ſie den Blick ſo gar durch ihre Gluht erfriſcht.
Hier ſieht man gelbe Lichter blitzen,
Da weiſſe, rote dort;
Es haben rote weiſſ’, und weiſſe rote, Spitzen;
Hier miſcht ſich rot mit Gold, mit weiß an jenem Ort’,
Und zwar in ſo geformten Strichen,
Daß ſie geſpitzt, getheilt recht einer Lohe glichen.
Sie ſtell’ten einen ſuͤſſen Brand
Auf ihren Blaͤttern vor. Ein dunkles Feuer gluͤhet
Jn einigen, wenn dort man einen weiſſen Rand
Auf Purpur-farb’nen Bluhmen ſiehet.
Man ſieht ſo gar, und zwar nicht ohn Vergnuͤgen,
Oft in der Bluhme ſolch ein ſchwarz, wie Kolen, liegen.
Jn Kolen ſchein’t der Grund durchs Feur bereits verkehrt,
Dadurch des Feuers Glanz und Gleichheit ſich vermehrt.
Es ſcheinet die Natur, ob wolle ſie vor allen
Uns in der Tulpen Heer faſt mit Gewalt gefallen.
Jhr unvergleichlich ſchoͤnes Blat,
Das ſonſten breit und glatt,
Wird zur Veraͤnderung von ihr
An der Monſtroſ’ in einer neuen Zier
Nicht nur gekraͤuſ’t und eingekerbt,
Nein, auch zum Unterſchied der Farben, gruͤn gefaͤrbt.
Die Form der Bluhme ſelbſt iſt mehrenteils oval,
Sie ſcheint ein netter Kelch, ein zierlicher Pocal,
So bald ſie offen geht, das allezeit geſchicht,
Wenn ſie das warme Sonnen-Licht
C 5Und42Mit ſeinen Stralen trifft.
Es ſind verſchied’ne von den weiſſen,
Die, wegen ihres Schmucks und Schimmers, Schwaͤne heiſſen,
Oft, durch die Nachbarſchaft der dunkel-roten, ſchoͤn,
Und dieſe gleichfalls ſchoͤn, durch jener Glanz, zu ſehn.
So glaͤnzen ſie bey truͤbem Wetter.
Wer aber kann das Prangen ihrer Blaͤtter,
Wenn ſie, o Licht der Welt, von deinen Stralen
Verherrlicht ſind, beſchreiben oder mahlen?
Sie uͤbertreffen dann mit ihrem Scheine
Die allerfeurigſten geſchliffnen Edelſteine;
Jſt wenig nur geſag’t.
Durchleuchtig muß man ſie mehr als durchſichtig nennen.
Oft ſchein’ts, ob ſaͤhe man in einem jeden Blat’,
Jn welches ſich das Licht geſenket hat,
Den Sonnen-Stral gefaͤrbet ſichtbar brennen.
Wenn ſolcher Tulpen Heer von aller Ahrt zuſammen
An einen Ort gepflanzt, ſo wol nicht prangt, als gluͤhet:
Jſt mir, als wenn mein Aug’ in vielgefaͤrbten Flammen,
Und unbeſchreiblich buntem Schein,
Zu unſers Schoͤpfers Ehr’ allein,
Ein unverbrennlichs Kunſt-Feu’r ſiehet.
Mayen-Bluhmen.
Auf! Herz und Aug’, auf, auf! euch an der reinen Zier
Der Lilien-Convallien zu weiden!
Der groͤſſern Bluhmen Schmuck darfſt du bey mir,
Beliebtes Bluͤhmchen, nicht beneiden.
Man trifft in deiner Niedrigkeit
Ein angenemes Weſen an,
Wovon, wie uͤberall, man die Vollkommenheit
Mehr ſpuͤren als beſchreiben kann.
Mein GOtt! der Du, wie aller Dinge,
Auch dieſer Bluhme, Schoͤpfer biſt,
Gib, daß, da ſie ſo lieblich iſt,
Jch auch zu Deinem Ruhm von dieſer Bluhme ſinge,
So viel ich immer weiß und kann!
Jch ſehe dich mit Luſt, geliebtes Bluͤhmchen, an,
Da ich denn die Figur in der geformten Ruͤnde
Faſt kleinen Tulpen aͤhnlich finde:
Nur iſt der Unterſchied, daß hier derſelben viele,
Dort eine nur, an ihrem Stiele.
Doch nein, mich dencht anitzt, ich finde dieß in euch,
Jhr ſehet kleinen Glocken gleich,
Die ordentlich an gruͤnen Stangen
Jn einer Reihe hangen.
Ach moͤgte doch das Bild von dieſen kleinen Glocken
Mir eine Bet-Glock ſeyn,
Mich Dem zu danken locken,
Der ſo, wie dich, die ganze Welt,
Auch mich erſchaffen und erhaͤlt!
Jch wuͤnſch, daß dein Geruch das, was der Glocken-Schlag
Bey uns ſonſt wirken ſoll, bey mir verrichten mag!
Es gibt dieß Bluͤhmchen mir ein Bild der Einigkeit,
Da44Da all’ an einer Seite ſtehen,
Da all’ auf einen Vorwurf ſehen.
Sie haͤngen unter ſich, ſie ſcheinen ſich allein
Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.
Ach laſſet ſie auch uns ein Bild der Demut ſeyn,
Ach laſſet uns viel lieber in uns gehn,
Als neben andern uns erheben, ſie verachten!
Man uͤberhebe ſich der eig’nen Gaben nicht,
Und ſehe mehr auf ſich, als auf des Naͤchſten Fehler!
Erweg’t, wie oͤfters es geſchicht,
Daß GOtt ſowol die niedren Thaͤler
Als Berge fruchtbar werden ließ!
Aus unſers Bluͤhmchens Kelchen quillet
Ein angenemes Bitter-ſuͤß,
So unſer Hirn mit Nutz und Luſt erfuͤllet.
Man hat es lange ſchon bemerkt,
Wie dieſer Bluhmen Kraft ſo Hirn als Nerven ſtaͤrkt.
Wie in der Arzeney
Jhr Nutz ſo mannichfaltig ſey;
Hat ſich ſchon oftermals gewieſen.
Sie oͤffnet unſer Haupt im Nieſen,
Vertreib’t den Schlag, verjag’t die Gicht.
Jndem ich alſo denk’, und bey den Bluhmen ſtehe,
Die Kraft erweg’, und ihre Schoͤnheit ſehe;
So deucht mich, daß dieß Bluͤhmchen ſpricht:
Gedenk an GOtt und Seine Macht,
Der dich und mich hervor gebracht,
Der gegenwaͤrtig bey uns beiden,
Der allenthalben, nirgends nicht,
Und Dem durch deine Freuden
Der allerliebſte Dienſt geſchicht!