PRIMS Full-text transcription (HTML)
Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT,
beſtehend in Phyſicaliſch - und Moraliſchen Gedichten, nebſt einem Anhange verſchiedener dahin gehoͤrigen Ueberſetzungen.
Zweyter Teil.
Ueberſehen, zum Druck befoͤrdert, und mit einer Vorrede begleitet von Weichmann.
HAMBURG,in Verlegung Joh. Chriſtoph Kißners,1727.

Dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herrn, HERRN Friederich, Herzoge zu Braunſchweig und Luͤneburg, auch Herzoge zu Edinburg, etc. etc. etc. Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn.

Durchleuchtigſter Herzog, Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr!

Waͤre ich nicht ſo gluͤcklich, von Eur. Koͤnigl. Ho - heit eine gnaͤdigſte Er - laubniß zu haben, daß Deroſelben ich gegenwaͤrtiges Poe -tiſchesZuſchrift. tiſches Werk in Unterthaͤnigkeit wid - men duͤrfte; ſo wuͤrde hieſelbſt zufoͤr - derſt diejenigen Umſtaͤnde erzehlen muͤſſen, die zu Bezeugung meiner demuͤtigſten Ehrerbietigkeit mich nicht allein aufmuntern, ſondern zu - gleich berechtigen und verpflichten. Wenigſtens ſteht bis itzund kein an - deres und beſſeres Mittel in mei - nem Vermoͤgen, Eur. Koͤnigl. Ho - heit fuͤr Dero ausnemende Gnade gegen mich, und inſonderheit den ehedem ſo Huld-reich verſtatteten Zutritt zu Deroſelben meinen Dank - begierigſten Eifer zu zeigen, als eben dieſes.

Das Buch ſelbſt, welchem Dero Preis-wuͤrdigſten Namen hiemit vorzuſetzen die Ehre habe, iſt mei - nes wenigen Ermeſſens Jhren ho - hen Reigungen ſo wol als ihrer groſ - ſen Faͤhigkeit gemaͤß, und daher zu Beobachtung meiner ehrerbietigſten* 3PflichtZuſchrift. Pflicht eine nicht unwuͤrdige Gele - genheit.

Es iſt in reinem Teutſch geſchrie - ben: und Eu. Koͤnigl. Hoheit wuͤr - digen nicht allein Jhre Landes - Sprache einer ganz beſondern Hoch - achtung, ſondern beſitzen zugleich in vielen anderen Sprachen eine der - maſſen fertige Wiſſenſchaft, daß Sie die Schoͤnheit und den Nachdruck der Teutſchen deſto genauer daraus zu beurteilen wiſſen.

Es handelt von allerhand Din - gen aus der Natur-ſo wol als Sit - ten-Lehre: und es iſt zur Gnuͤge be - kannt, wie ſehr Eu. Koͤnigl. Hoheit dieſe beyderley Wiſſenſchaften lie - ben, ja daß Sie uͤberhaupt an der - gleichen Schriften ein hohes Ver - gnuͤgen finden, die mit denſelben auch nur in einiger Verwandſchaft ſtehen.

DieZuſchrift.

Die Ahrt des Vortrages in die - ſem Werke iſt nicht allein angenem, ſondern auch munter: und eben das ſchickt ſich fuͤr einen ſo aufgeweckten, lebhaften und feurigen Geiſt, als man ſchon lange an Eur. Koͤnigl. Hoheit hat bewundern muͤſſen.

Es fuͤhret zur Erkenntniß ſo wol GOttes als unſer ſelbſt: und Eur. Koͤnigl. Hoheit hoͤchſt-leutſelige Menſchen-Liebe gibt ſchon allen Dero Unterthanen eine freudige Ueberzeugung, daß Sie eines Teils eine Goͤttliche Ober-Herrſchaft uͤber Sich erkennen, andern Teils auch Sich Selber weniger als einen Prinzen, denn als einen Menſchen betrachten, Der einzig zu anderer Menſchen Gluͤckſeligkeit gebohren worden.

Es iſt uͤberdem von einem Ver - faſſer, dem Eu. Koͤnigl. Hoheit eben -* 4fallsZuſchrift. falls in hoͤchſter Perſon viele Gna - de erwieſen haben, und der ſelber in gegenwaͤrtigem Buche, mit Be - ruͤhrung Jhrer groſſen Vorzuͤge, daſſelbe ruͤhmlichſt erwehnet.

Dieſes, Durchleuchtigſter Her - zog, iſt zwar ein Teil desjenigen, was ich hieſelbſt umſtaͤndlicher ſagen muͤſte, falls nicht Jhre ausdruͤckliche hohe Erlaubniß dem allen zuvor ge - kommen waͤre; es iſt aber in der That nur ein gar kleiner Teil da - von. Die mit den erſten Jahren mir eingepflanzte Ehrfurcht fuͤr das nunmehro Koͤnigliche Haus Braun - ſchweig, und daß ich den Vorteil habe, nicht nur Deſſen gebohrner Unterthan zu ſeyn, ſondern auch Eur. Koͤnigl. Hoheit Huld-reiche Zuneigung ins beſondere zu genieſ - ſen, iſt die vornemſte Bewegniß, die mich ſchon lange zu dieſer Ahrt ei - ner unterthaͤnigſten Ehrerbietigkeitange -Zuſchrift. angefeuert hat. Jch ſchaͤtze auch wuͤrklich beſagten Vorteil ſo viel wichtiger, je mehr ich dadurch an demjenigen groſſen und allgemeinen Gluͤcke Teil nemen kann, welches, nebſt unſerm Teutſchlande, zugleich das entfernte Groß-Britannien von der kuͤnftigen, weiſen und gelin - den Regierung eines ſo gewuͤnſch - ten Prinzens in zuverlaͤſſigſter Hoff - nung ſich vorſtellet.

Wollte nur GOtt, daß Eu. Koͤ - nigl. Hoheit die zu Erfuͤllung dieſer Hoffnung gehoͤrige Zeit bey voll - kommenen Leibes - ſo wol als Ge - muͤts-Kraͤften erleben, und, wie an Verdienſten, ſo auch an Jahren Jhrem Aller-Durchleuchtigſten Groß-Herrn-Vater gleich kommen moͤgten! Mit wie eifrigem Ver - gnuͤgen wuͤrden alsdann Dero Un - terthanen die ſeltenen Eigenſchaf - ten, Chriſt-Fuͤrſtlichen Tugenden* 5undZuſchrift. und alle zur Wolfahrt des Menſch - lichen Geſchlechts abzielende Thaten Eur. Koͤnigl. Hoheit gleichſam in die Wette erzehlen, und Jhr ruͤhmlich - ſtes Beyſpiel, auch zu anderer Re - genten Aufmunterung, der Nach - Welt anpreiſen!

GOtt erhalte Dieſelben bey der - jenigen großmuͤtigen, billigen und liebreichen Gemuͤts-Beſchaffen - heit, die ſchon zum voraus ſo vieler Laͤnder Troſt und Freude iſt! Da - durch werden Eu. Koͤnigl. Hoheit Sich hauptſaͤchlich jederzeit als ei - nen groſſen Prinzen zu erkennen ge - ben, und Jhr hoher Name wird bey der itzigen Welt ein Segen, bey den Nachkommen aber ein Wunder ſeyn.

Jch ſehe dieß alles mit der emp - findlichſten Vergnuͤgung bereits als gegenwaͤrtig vor Augen, undver -Zuſchrift. verharre unterdeſſen in vollkomme - ner, demuͤtigſter Ehrfurcht

Eur. Koͤnigl. Hoheit, Meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn,

unterthaͤnigſter Knecht, Chriſtian Friedrich Weichmann.

Vor -

Vorrede.

So unbegreiflich GOtt in Seinem Weſen und in der Ahrt Seiner Regierung iſt; ſo augenſcheinlich hat Er gleichwol durch die groſſe Mannigfaltigkeit Seiner wunderbaren Ge - ſchoͤpfe Sich geoffenbaret, und auf ſolche uͤberzeugende Ahrt offenbaret Er Sich noch taͤglich durch deren beſtaͤndige Erhaltung, Fortpflanzung und Verſorgung. Die Ver - nunft erkennet ſolches nur gar zu wol, und das Goͤttliche Wort ſelbſt koͤmmt ihr dermaſ - ſen darin zu Huͤlfe, daß es vielmehr noch hinzu thut, wie GOtt nicht allein aus dieſer Ahrt Seiner Offenbarung ausdruͤcklich von den Menſchen erkannt ſeyn wolle, ſondern zugleich nach aͤuſſerſten Kraͤften deßwegen von ihnen geprieſen werden.

Zwar iſt es gewiß, was die Schrift ebenfalls erinnert, daß diejenigen, die ohnefer -Vorrede. fernere Anleitung aus der bloſſen Natur GOtt ſuchen und gern fuͤnden / die mit Seinem Geſchoͤpfe umgehen, und ihm nachdenken / im Anſehen koͤnnen ge - fangen werden / und irren / weil die Creaturen ſo ſchoͤne ſind:(a)Sap. XIII, 6, 7. daher auch GOtt Selber bewogen worden, den Befehl ergehen zu laſſen, daß du deine Augen nicht aufhebeſt gen Himmel / und ſeheſt die Sonne / den Mond und die Sterne / und das ganze Heer des Himmels / und falleſt ab / und beteſt ſie an / und dieneſt ihnen;(b)V. Moſ. IV, 19. doch erhel - let aus dem allen, daß man unter den Hey - den, und ehe noch die Goͤttlichen Gebote den Voͤlkern gegeben worden, wenigſtens viel emſiger GOtt in Seinen Werken geſuchet habe, als zu gegenwaͤrtigen Zeiten, da dieſt Gebote ſolches aufs deutlichſte von uns er - fodern. Beſagter Einwurf kann auch wuͤrk - lich itzund deſto weniger ſtatt finden, je mehr eines Teils eben dieſelben Gebote, bey Un - terſuchung der Goͤttlichen Werke, uns gegen allen Jrrtum in Sicherheit ſtellen, und je ernſtlicher wir andern Teils zu dieſer Un - terſuchung an vielen Orten dadurch an - gewieſen werden.

Ueber -Vorrede.

Ueberhaupt fuͤhret uns die Schrift gar haͤufig in die Natur, daraus ſie nicht allein die angenemſten Beſchreibungen, Gleich - niſſe, Parabeln und Erlaͤuterungen, ſondern auch oͤfters ſo gar Beweistuͤmer von dem Weſen, der Weiſheit, der Liebe und der All - macht GOttes hernimmt. Das erſte fin - den wir durchgehends in allen Buͤchern der - ſelben, vornemlich beym Hiob, in den Pſal - men, in den Spruͤchen Salomons, im Pre - diger Salomo, im hohen Liede, im Buche der Weiſheit, im Sirach, im Baruch, und in den Briefen, die Paulus geſchrieben. Weil es aber viel eher ein ganzes Buch, als bloß eine Vorrede ausmachen wuͤrde, dafern man auch nur die erleſenſten Stellen davon in gehoͤrigem Zuſammenhange anfuͤhrte; ſo bleibe ich billig fuͤr dießmal beym letzten, nemlich bey denjenigen Schrift-Oertern, die inſonderheit vom Beweis und Erkennt - niß GOttes aus Seinen Werken handeln.

Die Schrift ſaget nicht allein ausdruͤck - lich: der Welt-Kreis ſey voll Geiſtes des HErrn /(c)Sap. l, 7. ingleichen an einem an - dern Orte: Sein unvergaͤnglicher Geiſt ſey in allen /(d)Sap. XII, 1. und abermals: Er ſey es gar;(e)Sir. XLIII, 29. ſondern ſie gebrauchet ſich auchderVorrede. der Redens-Ahrten, daß man Jhn in den Geſchoͤpfen nicht nur ſehen und finden, ſon - dern zugleich fuͤlen, ſchmecken und hoͤren koͤn - ne. Daher ſpricht auch David: Die Him̃el erzaͤhlen die Ehre GOttes / und die Fe - ſte verkuͤndiget Seiner Haͤnde Werk. (f)Pſ. XIX, 2.Vornemlich aber erklaͤret ſie ſich uͤber dieß alles ſo wol in Abſicht auf die Werke ſelbſt, als in Abſicht auf unſere taͤgliche Verſorgung. Jn Abſicht auf das erſte ſa - get ſie: GOttes unſichtbares Weſen / das iſt / Seine ewige Kraft wird er - ſehen / ſo man deß wahrnimmt an den Werken / nemlich an der Schoͤp - fung der Welt. (g)Rom. I, 20.Und anderwaͤrts: Es kann ja an der groſſen Schoͤne und dem Geſchaͤffte der Werke deren Schoͤpfer / als im Bilde / erkennet wer - den. (h)Sap. XIII, 5.Man ſiehet Seine Herrlich - keit an der maͤchtigen groſſen Hoͤhe / an dem hellen Firmament / an dem ſchoͤnen Himmel. (i)Sir. XLIII, 1.Jn Abſicht auf das letzte hingegen heiſſet es: Und zwar hat Er Sich ſelber nicht unbezeugt gelaſſen, hat uns viel Gutes gethan / und vom Himmel Regen und frucht -bareVorrede. bare Zeiten gegeben / unſere Herzen erfuͤllet mit Speiſe und Freuden. (l)Act. XIV, 17.

Vornemlich iſt es merkwuͤrdig, daß GOtt Selber, wenn die Bibel in Seinem Namen redet, Sich beſonders auf Seine Werke zu beziehen, und ſie den Menſchen, als ein unleugbares Zeugniß Seiner All - macht, vor Augen zu ſtellen pfleget. Jch bin der HErr / ſind Seine Worte, Der alles thut; Der den Himmel ausbrei - tet allein / und die Erde weit machet ohne Gehuͤlfen. (*)Eſ. XLIV, 24.Jch habe die Er - de gemacht / und den Menſchen darauf geſchaffen. Jch bins / Deſſen Haͤnde den Himmel ausgebreitet haben / und habe alle ſeinem Heer geboten. (†)Eſ. XLV, 12.

Durch dieß alles aber hat der lieb - reiche GOTT nicht allein ſeit einigen tau - ſend Jahren Sich den Menſchen gezeiget, ſondern auch hauptſaͤchlich dabey den End - zweck gehabt, daß ſie Jhn daraus erkennen ſollten, oder, wie die Schrift ſelbſt redet, daß ſie den HERRN ſuchen ſollten / ob ſie doch Jhn fuͤlen und finden moͤg - ten. (m)Act. XVII, 27.Er hat ihnen Vernunft / Sprache / Augen / Ohren / VerſtandundVorrede. und Erkenntniß gegeben. Er hat ihnen beydes Gutes und Boͤſes gezei - get. Er hat ſie vor andern Thieren ſonderlich angeſehen; und zwar, wie die ſo gleich beygefuͤgte Urſache lautet, ih - nen zu zeigen Seine groſſe Maje - ſtaͤt. (n)Sir. XVII, 5-8.

Demnach weiſet uns auch die Schrift ausdruͤcklich, zu dieſem Endzweck, auf die Natur, und hat gar haͤufige Vermanungen, ſie, zur Ehre Jhres groſſen Meiſters, in fleiſ - ſige Betrachtung zu ziehen. Siehe an die Werke GOttes! ſaget der Prediger,(o)Eccl. VIII, 14. und Jeſaias ſo wol als David laden ebenfalls jedermann zu Beobachtung die - ſer Pflicht ein. Hebet eure Augen in die Hoͤhe / ſpricht Jeſaias, und ſehet: wer hat ſolche Dinge geſchaffen? (p)Eſ. V, 11. 12.Bey dem Pſalmiſten heiſſet es: Schmecket / und ſehet / wie freundlich der HErr iſt! (q)Pſ. XXXIV, 9.Kommet her / und ſehet an die Werke GOttes / Der ſo wunder - barlich iſt mit Seinem Thun unter den Menſchen-Kindern! (r)Pſ. XLVI, 5.

Sie weiſet uns aber nicht allein auf den Zuſammenhang der Natur uͤberhaupt,**ſon -Vorrede. ſondern noch uͤberdem faſt auf alle einzelne Teile derſelben. Frage doch das Vieh! ſaget ſie, das wird dichs lehren; und die Voͤgel unter dem Himmel! die wer - den dirs ſagen; oder rede mit der Er - de! die wird dichs lehren / und die Fi - ſche im Meer werden dirs erzaͤhlen. (†)Job. XII, 7. 8.Schaue gen Himmel / und ſiehe / und ſchaue an die Wolken! (s)Job. XXXV, 5.Sie - he den Regen-Bogen an / und lobe Den / Der ihn gemacht hat! Denn er er hat ſehr ſchoͤne Farben! (t)Sir. XLIII, 12.GOtt donnert mit Seinem Donner graͤu - lich, und wird doch nicht erkannt. Hoͤret doch / wie Sein Donner zuͤr - net, und was fuͤr ein Geſpraͤch aus Seinem Munde gehet! (u)Job. XXXVII, 2. 5.Erken - net / daß der HERR GOTT iſt! Er hat uns gemacht / und nicht wir ſelbſt. (x)Pſ. CI, 3.Hebet eure Augen auf, und ſehet in das Feld! (y)Joh. VI, 35.Und wer kann ſich Seiner Herrlichkeit ſatt ſehen? (*)Sir. XLIII, 1.

Der Heyland Selber fuͤhret uns eben - falls auf die Natur, und durch dieſelbe auf GOTT, wenn Er uns die Sperlinge, dieRabenVorrede. Raben, die Voͤgel uͤberhaupt, und die Liljen vorſtellet, die ohne ihre einzige Sor - ge von GOTT ernaͤhret, und geſchmuͤckt werden. Kaufet man nicht zween Sperlinge / ſpricht Er, um einen Pfen - nig? Noch faͤllt derſelben keiner auf die Erde / ohne meinen Vater. (z)Matth. X, 29.Ne - met wahr der Raben! (aa)Luc. IIX, 24.Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an! Sie ſaͤen nicht / ſie erndten nicht / ſie ſamm - len nicht in die Scheunen; und euer Himmliſcher Vater ernaͤhret ſie doch. Schauet die Liljen auf dem Felde / wie ſie wachſen! Sie arbeiten nicht / auch ſpinnen ſie nicht; Jch ſage euch aber / daß auch Salomo in aller ſeiner Herr - lichkeit nicht iſt bekleidet geweſen / wie derſelben eins. (bb)Matth. VI, 26. 28. 29.

Ja die Schrift beſtrafet diejenigen ſehr hart, welche die Geſchoͤpfe GOttes ſo kaltſinnig uͤberſehen, oder, wie ſie ſelbſt redet, die an den ſichtbarlichen Guͤtern Den / Der es iſt / nicht erkennen / und an den Werken nicht ſehen / wer der Meiſter iſt. (cc)Sap. XIII, 1.David ſchilt ſie fuͤr Nar - ren, und Jeſaias rufet das Wehe uͤber ſie** 2aus.Vorrede. aus. Wehe denen / heiſſet es, die nicht ſehen auf das Werk des HErrn / und ſchauen nicht auf das Geſchaͤffte Sei - ner Haͤnde! (dd)Eſ. V, 11. 12.HErr, wie ſind Dei - ne Werke ſo groß! Ein Narr achtets nicht. (ee)Pſ. XCII, 6. 7.

Denen hingegen, welche dieſer Pflicht nachkommen, verſpricht ſie ein ſonderbares Vergnuͤgen daraus, wenn ſie mit einem freudigen Affect ausrufet: Groß ſind die Werke des HErrn! Wer ihrer achtet / der hat eitel Luſt daran. (ff)Pſ. CXI, 2.

Jndeſſen iſt es nicht genug, daß man die Geſchoͤpfe GOttes nur betrachte, und Jhn einiger Maſſen daraus kennen lerne, ſondern Er will zugleich ausdruͤcklich von den Menſchen daruͤber angebetet, gefuͤrch - tet und geprieſen ſeyn. Betet an / ſaget die Schrift, Den / Der gemacht hat Him - mel und Meer und die Waſſer-Brun - nen! (gg)Ap. XIV, 7.Laſſet uns doch den HErrn / unſern GOtt fuͤrchten / Der uns Fruͤh - Regen und Spat-Regen zu rechter Zeit gibt / und uns die Erndte treulich und jaͤhrlich behuͤtet!(hh)Jer. V, 24. JauchzetGOtt /Vorrede. GOtt / alle Lande! Lobſinget zu Eh - ren Seinem Namen! Ruͤhmet Jhn herrlich! Sprecht zu GOtt: Wie wunderlich ſind Deine Werke! (ii)LXVI, 1-3.Singet loͤblich / und lobet den HErrn in allen Seinen Werken! Preiſet Sei - nen Namen herrlich! Danket Jhm / und lobet Jhn mit ſingen und klingen / und ſprecht alſo im Danken: Alle Werke des HErrn ſind ſehr gut / und was Er gebeut / das geſchicht zu rech - ter Zeit. (ll)Sir. XXXIX, 19-21.

Daher ſehen wir auch, wie haͤufig, und mit welchem froͤhligen Eifer die heili - gen Maͤnner GOttes von den Werken dieſes groſſen Werkmeiſters anzuſtimmen pflegen. HERR / wie ſind Deine Werke ſo groß und viel! ſpricht David, Du haſt ſie alle weiſlich geordnet / und die Erde iſt voll Deiner Guͤter. (mm)Pſ. CIV, 24.HErr / Du laͤſſeſt mich froͤhlig ſingen von Deinen Werken / und ich ruͤhme die Ge - ſchaͤffte Deiner Haͤnde. HErr / wie ſind Deine Werke ſo groß!(nn)Pſ. XCII, 5. 6. Jch** 3wer -Vorrede. werde nicht ſterben / ſondern leben / und des HErrn Werk verkuͤndigen. (pp)Pſ. XIIX, 17.Der Stellen aber, auf welche Wei - ſe ſie ſolches thun, iſt eine viel zu groſſe An - zahl, als daß auch nur eine Wahl darunter zu treffen waͤre. Jndeſſen koͤnnen diejeni - gen zum Exempel dienen, die im erſten ſo wol als gegenwaͤrtigen Teile dieſes Buches, nebſt beygefuͤgter poetiſcher Uberſetzung, vorkommen.

Nachher zwar iſt die Ahrt, oder viel - mehr die Bemuͤhung, den Schoͤpfer aus den Geſchoͤpfen zu erkennen, und Jhn da - her zu preiſen, leider! faſt gaͤnzlich hindan geſetzt worden; doch finden wir, daß nicht allein die Kirchen-Vaͤter, und ſonderlich diejenigen, die uͤber die ſechs Tage-Werke GOttes geſchrieben, ſondern auch ver - nuͤnftige Heyden, und einige Natur-For - ſcher mit vielem Nachdruck darauf ge - drungen haben. Unter dieſen beziehe ich mich, der Kuͤrze wegen, vor allen andern auf das einzige Buch des Galenus, welches er vom Nutzen der menſchlichen Glied - maſſen(qq)Περὶ χρείας τῶν ἐν ἀνϑρώπου σώματι μορίων. geſchrieben, und davon einge -Vorrede. gewiſſer Gelehrter,(rr)Sebaſt. Meyerus, M. Dr. in Præf. libri, cui ti - tulus: Auguſtæ laudes divinæ Majeſtatis, cunctis penſandæ mortalibus, a 139. miraculis in homine, e divinis Galeni de uſu partium libris 17. ſelectæ. Friburgi Brisg. 1627. 12. der es ins kurze zuſammen gezogen, dieſes ruͤhmet, daß er, naͤchſt der Heiligen Schrift ſelbſt, niemals was beſſeres geleſen habe. Die erſten hin - gegen betreffend, ſo begnuͤge ich mich, von der unzaͤhligen Menge ihrer ſchoͤnen Ge - danken hieruͤber nur dasjenige anzufuͤhren, was Gregorius ſaget, daß wir nemlich zu GOtt kommen / wenn wir in den - jenigen Dingen / die Er geſchaffen hat / Seinen Fußſtapfen nachgehen. (ss)Veſtigia Creatoris per hæc, quæ ab Ipſo ſunt, ſequen - do, imus ad Ipſum. Moral. L. XXVI. Cap. 8.

Unter den GOttes-Gelehrten unſerer Kirche hat vornemlich der treffliche Johann Arndt in dem ganzen vierten Buche vom wahren Chriſtenthum eben dieſelbige Ma - terie mit gehoͤriger Wuͤrdigkeit abgehandelt; aber auch, ich weiß nicht warum, noͤtig ge - funden, in der Vorrede davon ſich deßwe - gen gleichſam zu entſchuldigen, und zum Voraus zu verteidigen. Jch will indeſſen** 4eini -Vorrede. einige Stellen aus dieſem Buche anfuͤhren, weil ſie vielleicht den meiſten deſto weniger bekannt ſind, je mehr ſonſt der Name ſo wol als der Verfaſſer deſſelben bekannt gewor - den, und je genauer ſie mit verſchiedenen Ge - danken in gegenwaͤrtigen Poeſien uͤberein ſtimmen. Wer ſiehet nun nicht, ſaget der er - leuchtete Mann, unter dem Erd-Gewaͤchſe allein (welches doch das geringſte iſt, davon er ſchreibet) viele tauſend Zeugen der Liebe, Guͤte und Allmacht GOttes? Da hat GOtt zugeruͤſtet eine groſſe Apothec und ein groſſes Kraͤuter-Buch, ganz wunderlich und voll - koͤmmlich geſchrieben. Das iſt ein lebendiges Buch, nicht wie man die Kraͤuter in Buͤchern beſchreibet; ſondern in GOttes Buche ſind es lebendige Buchſtaben, welche allen Menſchen, Gelehrten und Ungelehrten, vor Augen geſtellet werden. (tt)Auf der 875ſten Seite, der Leipziger-Edition von 1709.Siehe an, wie Gras und Kraut, ſo das Vieh und die Voͤgel eſſen, deine Speiſe werden durch Milch und Fleiſch der Thiere; ja wie dein Kleid und Bette aus der Erde waͤchſt, wenn Thiere und Voͤgel durch Gras und Kraut geſpeiſet werden; wie dem Schaͤf - lein ſeine Wolle waͤchſt durch gruͤne Weide, und den Voͤgeln ihre Federn! (uu)Auf der 877ſten Seite.So bald du auf einen gruͤnen Raſen trittſt, ſo haſt duunterVorrede. unter deinen Fuͤſſen deine Speiſe und Arzeney. Denn in dem allergeringſten Graͤslein und Saͤmlein, welches du gar unnuͤtze achteſt, iſt groͤſſere Weiſheit GOttes, Kraft und Wirkung, als du ergruͤnden kannſt. Darum ſiehe zu, daß du GOtt in Seinen Werken nicht verach - teſt! (ww)Auf der 876ſten Seite.

Auf dieſe Ahrt ſchreibet der theure Mann; und wie ſehr wuͤnſche ich, daß ich viele ſeines gleichen hieſelbſt anfuͤhren koͤnn - te! So aber iſt zu bedauren, daß wir nach mehr denn hundert Jahren, ſeitdem derſel - be ſchon todt iſt, in unſerer Sprache uͤber - haupt faſt nichts aufweiſen koͤnnen, das mit ſeiner Arbeit in einigen Vergleich komme, auſſer was etwa Lutherus ſelber beylaͤufig, und nach ihm die beruͤhmten Maͤnner, Dill - herr, Scriver, Scheuchzer, Loͤſcher und Tril - ler geſchrieben. Von den Teutſchen haben zwar verſchiedene auch in allerhand Lateini - ſchen, ſonderlich kleinen, Aufſaͤtzen dieſe Sa - che mit ziemlichem Eifer getrieben; doch muß ich ebenfalls zuſtehen, daß nicht allein andere nebſt uns bluͤhende Voͤlker noch vieles darin voraus haben, ſondern daß auch denenjeni - gen, ſo des Lateins unkuͤndig ſind, mit ſolchen Schriften nichts gedienet ſey. Die Franzo -** 5ſenVorrede. ſen und Hollaͤnder, ſonderlich aber die Eng - laͤnder, ſind in dieſem Stuͤcke, reichlicher und beſſer verſehen: wiewol wir doch auch bemuͤhet ſind, ſolche Vorteile ihnen abzu - borgen, und ihre Schriften in unſere Spra - che zu uͤbertragen. Demnach hat man nicht allein ſchon vor funfzig Jahren das bekannte Werk des beruͤhmten Mat - thiew Hale vom Urſprung des Menſch - lichen Geſchlechts, auf Befehl Chur - Fuͤrſt Friedrich Wilhelms, verteutſchet; ſondern itzund ebenfalls iſt ein gar geſchick - ter und in vielen Sprachen erfahrner Hof - Mann(xx)S. T. Hr. Friedetich Chriſtian Weber, Koͤ - nigl. Groß-Britanniſcher und Chur-Braun - ſchweigiſcher Raht und Reſident am Ruſſiſchen Hofe, Der, nebſt andern erleſenen Buͤchern und Uberſetzungen, auch das veraͤnderte Rußland ge - ſchrieben, welches bereits auf zweyerley verſchie - dene Ahrt ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt worden. beſchaͤfftigt, auch den Wolla - ſton von der natuͤrlichen Religion zu uͤber - ſetzen.

Was uns aber bey ſolchem Mangel an ausnemenden Originalien bisher noch aus - geholfen, iſt inſonderheit dasjenige Buch, wozu ich gegenwaͤrtig den zweyten Teil zu liefern die Ehre habe. Es ſind ſeit wenigenJah -Vorrede. Jahren auf viertehalb tauſend Exemplare davon in der Welt verteilet, wodurch ohne Zweifel in vielen Selen eine beſondere Er - bauung geſtiftet worden. Jn der That haͤtte auch der Herr Verfaſſer deſſelben nichts unſchuldigers und heylſamers unter - nemen koͤnnen, als da Er nach den ausdruͤck - lichen Befehlen des Goͤttlichen Worts und nach dem Exempel ſo vieler vernuͤnftigen, frommen, ja heiligen Maͤnner, Seine Leſer dahin anfuͤhret, wie ſie ihren Schoͤpfer aus ſich ſelbſt und andern Geſchoͤpfen zu erken - nen, auch Jhm deßwegen zu danken, und Seinen herrlichen Namen zu preiſen haben. Zum Zeugniß davon habe ich, vorhergehen - den Beweis aus der Schrift ſelbſt beyzu - bringen, deſto noͤtiger gefunden, je mehr man heutiges Tages dieſe Ahrt, von dem Goͤttli - chen Weſen zu handeln, nicht allein verab - ſaͤumet, ſondern auch wol gar verdaͤchtig zu machen ſuchet. Jch wuͤnſche von Herzen, daß alles, ſeinem abgezielten Zweck gemaͤß, zum Segen gedeye, und berichte nur noch ſchließl. mit vielem Vergnuͤgen, daß der Hr. Brockes, ſo viel Sein Amt Jhm Zeit erlaubet, nicht allein in dieſer Seiner Schreib-Ahrt un -ermuͤ -Vorrede. ermuͤdet fortfahre, ſondern zugleich an der Poëtiſchen Ueberſetzung eines auf gleich - maͤſſigen Zweck abzielenden Franzoͤſiſchen Werks(yy)Man hat daſſelbe ſchon etliche mal, in Frank - reich ſo wol als Holland, gedruckt. Der Ti - tel des erſten Drucks iſt dieſer: Principes de Philoſophie, preuves naturelles de l’exiſtence de Dieu, & de l’immortalité de l’âme par Mr. l Abbé Charles Claude Geneſt. Paris, 1716. 12. arbeite, welches die Franzoſen, gleichwie es in dieſer Ahrt zu ſchreiben noch nicht ſeines gleichen gehabt, den Werken des Lucretius ſelbſt bey weitem vorziehen. Es iſt die Annemlichkeit der Poeſie mit dem Nutzen der Welt-Weiſheit auf eine ausnemende Ahrt darin verbunden, und faͤllet unſer trefflicher Herr Fabricius das gegruͤndete Urteil davon, daß es zwei - felhaft ſey, ob man mehr die Buͤndigkeit und Lebhaftigkeit, oder die Kunſt und Deutlichkeit daran zu bewundern habe. (zz)In delectu argumentorum et Syllabo Scri - ptorum, qui veritatem Religionis Chriſtianæ aſſeruerunt. &c. p. 288.

Zu -

Zufaͤllige Poetiſche Gedanken bey Erblickung der vier erſten Bogen vom IIten Theile des Brockeſiſchen Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT, vornemlich in Abſicht auf die beydes in dem erſten, als auch ſonderlich dieſem andern Theile von dem Hochberuͤhmten Verfaſſer mehr nach dem Leben geſchilderten, als beſchriebenen verſchiedenen Bluhmen.

TIBI lilia plenis Ecce ferunt Nymphae calathis: TIBI candida Nais Pallentes violas, et ſumma papavera carpens Narciſſum et florem jungit beneolentis anethi: Tum, caſia atque aliis intexens ſuavibus herbis Mollia luteola pingit vaccinia, caltha. Virgilius. ()
Die Bluhmen kamen naͤchſt mit klagen zur Natur;
Was hilft es, riefen ſie, daß wir ſo ſchoͤn gebildet,
So Kunſt-reich ausgemal’t, verſilbert und verguͤldet,
Und ein ambrir’ter Geiſt in unſ’re Coͤrper fuhr?
Wenn man uns auf der Welt nur obenhin betrachtet,
Und im Voruͤbergehn, ſo oft man uns erblickt,
Als was vergaͤngliches und fluͤchtiges verachtet,
Und dannenher zertritt, zerreibet und zerpfluͤckt?
Kommt’s hoch; ſo braucht man uns etwa bey einem Schmauß,
Umkraͤnzt die Schuͤſſeln mit, belegt die Servietten,
Streu’t uns ins weiſſe Zeug, auf Kleider, in die Betten,
Und zwingt uns, Sclaven gleich, mit Band in einen Strauß:
ManMan macht uns auf dem Har und in der Hand zu Leichen,
Und giebt uns ohne Schuld noch vor der Zeit den Reſt;
Ja dieſes heiſſt ein Gluͤck, dem keines zu vergleichen,
Wenn eine Doris uns im Buſen ſterben laͤſſt.
Hierauf ſprach die Natur: ſtellt eure Klagen ein,
Jhr liebſten Kinderchen! die ihr an mir geſogen,
Die ich mit ſolcher Muͤh und Sorgfalt auferzogen.
Weil Menſchen, wie ihr ſag’t, ſo gar entmenſchet ſeyn,
Daß ſie aus Aberwitz und Blindheit euch verſchmaͤhen,
Da eure Trefflichkeit doch hoͤchſten Ruhmes wehrt;
So hab ich einen Mann zu eurem Schutz erſehen,
Der eure Schoͤnheit ehrt, und euren Ruhm verklaͤr’t.
Dort, wo HAMMONJA, Europens Tyrus, lieg’t,
Leb’t Er, mit Namen BROCKS, Der mich genau beſchauet.
Weil Er Sich nun daſelbſt ein Luſt-Revier erbauet;
So rat ich, daß ihr euch alsbald dahin verfuͤg’t,
Jn die Rabatten ſtell’t, und euren Schimmer zeiget.
Jch weiß, wenn Jhn die Luſt in dieſen Garten treib’t,
Daß Er Sein himmliſch Herz zu eurer Anmut neiget,
Und Sein erleuchtet Aug auf euch geheftet bleib’t.
Die Bluhmen eil’ten fort, und folgten dieſem Rat.
Die eine draͤngte ſich, der andern vorzukommen:
Als ſie nun kaum das Beet zuſammen eingenommen;
Geſchah es gleich, daß BROCKS in dieſen Garten trat,
Und weil ein jede ſich aufs herrlichſte geſchmuͤcket,
Blieb Er Verwund’rungs-voll bey einer jeden ſtehn,
Und rief, nachdem Er ſie mit Andacht angeblicket:
Nichts, was ſonſt ſchoͤne heiſſt, iſt gegen dieſe ſchoͤn!
Jhr Toͤchter der Natur! die ſie ſo ſchoͤn gezier’t,
Jhr ſeyd durch euren Schmuck nicht nur der Augen Freude,
Jhr macht, daß ich zugleich an euch die Sele weide,
Als die ihr auſſer ſich zum hoͤchſten Schoͤpfer fuͤhr’t.
Auf -Aufdaß die Menſchen nun euch kuͤnftig hoͤher ſchaͤtzen,
Und euch die alte Schmach nicht weiter wiederfaͤhrt;
So will ich euch hiermit ein ſolches Denkmal ſetzen,
Das eure Trefflichkeit im Ueberfluß bewaͤhrt.
Drauf nam er Kiel und Blat, und ſchrieb; doch nein! er nam
Den Pinſel und ein Brett, und fing an, abzuſchildern,
Und zwar mit ſolchem Gluͤck, daß jedes von den Bildern
Der wuͤrklichen Natur ſo gleich und aͤhnlich kam:
Daß der beruͤhmte Tamm, bey deſſen Bluhmen-Stuͤcken
Doch Zephyr ſich verirrt, und ſie als wahre kuͤſſt,
Der Bluhmen Eigenſchaft geſchickter auszudruͤcken,
Mit ſeiner ſelt’nen Kunſt nicht wol vermoͤgend iſt.
Kaum namen ſie den Fleiß des groſſen Meiſters wahr,
Als ſie, geſehn zu ſeyn, die Haͤupter aufwaͤrts reckten,
Und Jhm ihr innerſtes und zaͤrtlichſtes entdeckten.
Fuͤr andern ſtellten ſich die beyden Roſen dar,
Die Mah - und Mayen-Bluhm, Ranunkeln, die Cyrene,
Der Crocus, Kaiſer-Cron, Viol und Hyacinth,
Benebſt den uͤbrigen, die ſo vollkommen ſchoͤne,
Wie ſie natuͤrlich bluͤhn, von Jhm beſchrieben ſind.
Wer ſag’t, ihr Bluhmen! nun, daß ihr vergaͤnglich ſeyd?
Da euch der edle BROCKS in Seine Schrift verſetzet,
Und durch den Kiel verpflanzt, verbleibt ihr unverletzet,
Und trotzt verewiget nun der Vergaͤnglichkeit.
Denn euer Denkmal wird gewißlich laͤnger dauern,
Als Rhodus Saͤulen-Bild, mit dem der Wind itzt ſpiel’t,
Als der Semiramis faſt Himmel-gleiche Mauern,
Und was man ſonſten noch vor unvergaͤnglich hielt.
O! kaͤmen wiederum die alten Zeiten her,
Worinnen oft ein Menſch zum Bluhmen-Stock geworden!
Vielleicht traͤt mancher itzt freywillig in den Orden,
Daß er in BROCKSENS Schrift hierdurch verewigt waͤr.
DieDie Echo graͤme ſich nicht weiter um Nareiſſen!
Sie hat es nicht mehr noht, daß ſie als Schatten ſchweb’t.
Denn da BROCKS ihren Schatz ſo lebhaft abgeriſſen,
Erkennt ſie ja nunmehr, daß er von neuem leb’t.
Jhr Bluhmen, ſeyd daher nach Moͤglichkeit bedacht,
Euch fuͤr ein ſolch Verdienſt auch dankbar zu erzeigen!
So oft ihr BROCKSEN ſeht, muͤſſt ihr die Haͤupter neigen,
Weil ſich kein Menſch ſo ſehr um euch verdient gemacht.
Eroͤffnet euren Kelch, und laſſt die Balſam-Duͤfte,
So viel ihr bey euch hab’t, zu Seinen Ehren, aus,
Und ſchwaͤngert nicht allein darmit das Feld der Luͤfte;
Nein! ſondern ſendet ſie ſo gar bis in Sein Haus!
Beſtreuet Seinen Pfad mit eurem bunten Har,
Und laſſt Jhn Lebenslang auf ſanften Blaͤttern ſchreiten!
Geht er, GOtt gebe ſpaͤt! aus dieſem Kreis der Zeiten;
So werfet euch zum Schmuck auf Seine Todten-Bar!
Alsdann verpflanzet euch um Seine Ruhe-Staͤte,
Jn eurer ſchoͤnſten Pracht und groͤſten Herrlichkeit,
Und machet Seine Gruft zu einem Bluhmen-Beete,
Weil ihr Jhm auch im Tod annoch verbunden ſeyd!
Thraͤn’t Perlen auf Sein Grab, ſo oft die Milch der Nacht,
Der kuͤle Thau, euch traͤnk’t, daß man hieraus verſtehe,
Wie nah euch der Verluſt ſo eines Vormunds gehe,
Der euch verpfleg’t, beſchuͤtz’t, und ſo beruͤhmt gemacht!
Wehr’t aller Faͤulniß ab, und laſſt Jhn nicht verweſen,
Nein! ſondern dienet Jhm an ſtatt der Specerey!
Denn, weil wir euch durch Jhn nunmehr verewigt leſen;
So macht Jhn wiederum von der Verweſung frey!
Dieß fiel mir, groſſer BROCKS, bey den vier Bogen ein /
Die man von Deinem Werk mir neulich uͤberſchicket;
Gut iſts, daß ich noch nicht das ganze Buch erblicket,
Sonſt wuͤrd ich ganz gewiß ſtumm vor Verwund’rung ſeyn.
Jch weiß ohndem Dein Lob nicht recht empor zu treiben,
Das keinen Zuſatz braucht, und ſonder Grenzen iſt:
Doch muß ich noch einmal, trotz allen Neidern, ſchreiben,
Daß Du, erhab’ner BROCKS, ein Fuͤrſt der Dichter biſt.

Daniel Wilhelm Triller, Phil. et Med. D.

Jrdi -
[1]

Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT. Zweyter Theil.

[2]
Wofern du, lieber Menſch,
ein Atheiſt,
Wie oder bloß ein Thier
mit andern Thieren biſt;
So ſteht dir frey, daß du die Welt
Und was uns in die Sinne faͤllt,
Veraͤchtlich haͤlt’ſt, und nicht be -
trachteſt;
So ſteht dir frey, daß du die Zeit,
Darin man die Beſchaffenheit
Der Creatur und ihre Herrlich -
keit
Bewundert, fuͤr verloren achteſt.
Allein
Wofern du dir nicht ſelbſt die
Sele raubeſt,
Wofern du eine Gottheit glau -
beſt,
Die alles, Stern - und Sonnen -
Schein,
Die Himmel, Erd und Meer ge -
macht,
Die dich und alle Ding hervor
gebracht;
So kannſt du ja nicht anders
denken,
Als daß der Schoͤpfer weiß, daß
dich Sein Werk nicht ruͤhrt,
Daß du’s nicht wuͤrdigeſt, Jhm
einen Blick zu ſchenken,
Daß folglich GOTT, ſo viel an
dir, verliert
Macht, Weiſ heit, Lieb und Ehr.
Armſel’ge Creatur,
Wie elend iſt dein Stand? da du
noch nicht empfunden,
Daß GOTT hier auf der Welt
mit deiner Luſt nicht nur
Sein Lob ſo wunderbar, ſo Gna -
den - reich verbunden,
Nein, daß ſo gar dein Anmut
auf der Welt,
Die ſich auf GOttes Ehre gruͤn -
det,
Aus Gnaden Jhm ſo wol gefaͤllt,
Daß ſie auch dort gewiß unend -
lich Anmut findet.
Und dieß verſaͤumeſt du, und
willt mit Fleiß nicht ſehn,
Was durch des Hoͤchſten Lieb
und weiſe Macht geſchehn.
Bedenke, was du thuſt! ſo weiß
ich, du verſpuͤreſt,
Daß du nicht hier allein, auch
dort, dein Heyl verliereſt.
Die Strafe faͤngt bereits in die -
ſem Leben an.
Denn uͤberkommſt du gleich das
groͤſte Gluͤck auf Erden;
So kannſt du doch unmoͤglich
gluͤcklich werden.
Sprich ſelbſt: ob etwas dich wol
recht vergnuͤgen kann
Von allem, was du ſuch’ſt, von
allem, was du treibeſt!
Sprich, ob dasjenige, worauf
dein Sinn gericht’t,
Erlang es oder nicht,
Dich ruͤhr, und ob du nicht ſtets
ungluͤckſelig bleibeſt!
Die Unempfindlichkeit und die
Gewohnheit ſind
Harpyen, welche dich fuͤr alles
gute blind,
So bald du es beſitzeſt, machen.
Es friſſt ihr niſſier ſatter Rachen
Den Kern von deiner Luſt. Du
aber muſt die Schalen,
Die doch ſo ungeſchmackt, mit
Arbeit, Sorge, Muͤh,
Mit Schrecken, Furcht und Angſt
nur gar zu theur bezahlen.
Dieß iſt der Lohn fuͤr dein Betra -
gen hie;
Von kuͤnft’ger Reu, von kuͤnft -
gen Straf - und Plagen
Nicht einſt zu ſagen.
Mein GOtt, behuͤt uns doch
vor ſo verſtocktem Weſen,
Und einer Bruſt, die ſo verſteint,
ſo hart!
Ach laß uns Deine Gegenwart
Jm ſchoͤnen Buch der Welt
mit Freude leſen!
Die Schrift, die jeder Menſch
mit Ehrfurcht leſen ſoll,
Die auch die Engel ſelbſt mit
Furcht und Luſt bemerken,
Die lautet ſo: Es ſind von GOt -
tes Werken
Und Seiner Majeſtaͤt der Him -
mel Himmel voll,
Luft, Erd und Meer erfuͤllt. Nun
dieſe Fuͤll allein
Recht zu beherzigen, ſoll itzt mein
Endzweck ſeyn.
3

Der Wolken - und Luft-Himmel.

Pſ. CIV, 2. Du breiteſt aus den Himmel, wie einen Teppich.
Man ſiehet in dem frohen Lenzen
Nicht nur den Kreis der gruͤnen Erden,
Nein, auch den Kreis der Luft, in neuem Schimmer
glaͤnzen,
Und Wunder-wuͤrdig helle werden.
Damit ein allgemein gleichfoͤrmigs Einerley
Dem Herzen nicht gleich-guͤltig ſey,
Den Augen keinen Eckel braͤchte,
Und weniger gefallen moͤgte,
Wenn an des weiten Himmels Buͤhne
Nichts, als ein leeres Blau, erſchiene;
So zieren ſchoͤn geformt - und ſchoͤn gefaͤrbte Duͤfte
Das unermeſſ’ne Feld der reinen Luͤfte,
Durch GOttes Huld, zu unſ’rer Luſt allein,
Mit Farben, Bildungen, mit Klarheit, Glanz und Schein.
Noch mehr, indem wir bloß in Aend’rung Freude finden,
Bemuͤht ſich gleichſam die Natur,
Uns auch durch Aend’rung zu verbinden.
Darum muß manches Wolken-Bild
Veraͤnderlich ſowol an Farben als Figur
Sehr ſchnell entſtehn und ſchnell verſchwinden.
Dem allen ungeacht’t, wie groß, wie tief, wie weit
Des Himmels Schauplatz iſt; wie voller Lieblichkeit,
Wie praͤchtig, mancherley, wie herrlich und wie ſchoͤn
Der Wolken Coͤrper anzuſehn;
Wie rein der Silber-Glanz, wie hell der guͤld’ne Schein,
II. Theil. A 2Wie4Wie zierlich und wie klar Figur - und Farben ſeyn;
So ſehn wir leider doch, daß Menſchen auf der Erden
Gefunden werden,
Die ſolchen ungemeſſ’nen Platz,
Die einen ſolchen Schatz
Von Bildung, Farben, Glanz und Licht
Nicht ſo viel wuͤrdigen, daß ſie zu GOttes Ehren
Jhr bloß auf Geld erpicht Geſicht
Auf dieſes groſſe Wunder kehren.
Hoͤr auf, geliebter Menſch, den Schoͤpfer zu verachten!
Komm, laß uns, GOtt zum Ruhm, das Firmament betrachten!
Es wird der Himmel nicht ſo ſehr
Mit ſchoͤnen Farben ausgeſchmuͤcket,
Als man an ihm vielmehr
Ein buntes Licht, das allgemein, erblicket.
Man ſieht von ungezaͤhlten Bildern
Veraͤnderungen ohne Zahl,
Womit ſich itzund auf einmal
Die ungemeſſ’nen Tiefen ſchildern.
Der Wolken meiſtens halbe Kreiſe,
Die allzumal ihr glaͤnzend prangen,
Nachdem ſie hoch und dick, auf ganz verſchied’ne Weiſe
Vom Licht, das an ſie ſtral’t, empfangen,
Zerteilen ſich bald hie bald dort,
Wodurch wir Bruͤche, Tiefen, Hoͤhen
Und Oeffnungen an manchem Ort
Mit Luſt und mit Verwund’rung ſehen.
Man ſiehet oft, mit recht vergnuͤg’ter Selen,
Durch ſchwarze bald, und bald durch braune, Hoͤlen,
Ein den Sapphir weit uͤbertreffend Blau;
Jndem der Wolken Dunkelheit
Des5Des Firmaments verklaͤr’te Heiterkeit
Erheb’t und noch vermehrt. Ein Berg, der dunkel-grau,
Laͤſſt dort auf Purpur-farbnen Spitzen
Den aͤuſſern Rand, wie reines Silber, blitzen,
Den der ſapphirne Grund noch eins ſo helle macht.
Ein guͤld’ner Umſtrich ſchmuͤckt in ungemeiner Pracht
So manchen dunkel-braunen Kreis.
Rot, Purpur, Leibfarb, blau, grau, gruͤnlich, gelb und weiß
Erfuͤllt und ziert in dem beſtral’ten Duft
Anitzt die reine Luft.
Hier ſcheint ein groſſer Platz von Gold ein guͤld’nes Meer,
Das doͤrten glatt, und hier voll kleiner guͤld’nen Wellen,
Jn blauen Ufern vorzuſtellen.
Man ſiehet oͤfters mit Vergnuͤgen
Jn dieſem Luft-Meer, eben ſo
Als wie im Archipelago,
Viel Jnſeln, die zerſtreuet, liegen.
Jm Weſten ſiehet man bald halb - bald ganze Spuren
Von wunderlich geformten Creaturen,
Manch ungeheuren Wall-Fiſch ſchwimmen,
Und manchen feurigen ergrimmten Drachen glimmen.
Hier ſcheinet manch Gewoͤlk, als wenn’s ein wilder Baͤr,
Dort eins, als wenn’s ein Pferd in vollen Spruͤngen waͤr.
Ein Meilen langer Rieſ, umringt von kleinen Zwergen,
Entſtehet und vergeht. Auf hohen guͤld’nen Bergen
Waͤchſt Angeſichts ein Baum, der ſchwebet ſanft daher;
Allein im Augenblick erblickt man ihn nicht mehr.
Es wird aus ſeinem Stamm ein Vogel, ein Geſicht,
Und bald ein leeres Nichts. Hier ſieht man rote Schloͤſſer,
Da Tuͤrme ſtehn, dort Maſken, welche groͤſſer,
Als eine ganze Stadt. Bald laſſen ſich Armeen
Mit Fanen, Spieſſ - und Degen ſehen.
A 3Hier6Hier laſſen guͤld’ne Bilder ſich
Auf einem faſt ſapphirnen blauen,
Und blaue dort auf guͤld’nem, Grunde ſchauen.
Oft ſiehet man mit Purpur-farbnen Bildern
Ein Silber-weiſſes Feld ſich ſchildern.
Nicht weit davon kann man
Viel ungemeſſ’ne Gold - und Silber-Klumpen ſehen.
Jch wund’re mich, daß ſich hieran
Ein geizigs Auge nicht ergetzet,
Da es in Ueberfluß hier finden kann
Den Glanz, den es faſt mehr als ſeine Sele ſchaͤtzet.
Durch ein ſo zaͤrtlich blau, wie oͤfters mein Geſicht
Auf einem Roſen-Blat erblicket,
Jſt oͤfters uͤber mir der Kreis der Luft geſchmuͤcket,
Zumal wenns Abend wird. Nicht weit von dieſem ſchien
Ein ebenfalls uncoͤrperliches gruͤn,
Das ich nicht minder ſanft, gelinde,
Und gleichſam geiſtig finde.
Bey dieſem ſiehet man jedoch auch ohne Grenzen
Ein helles weiß in reiner Klarheit glaͤnzen.
Das fiel hierauf in einen guͤld’nen Schein,
Und der in Roſen-Farb, allmaͤlich ein,
Bis daß zuletzt vom flammenden Rubin
Ein unbeweg’ter Blitz die wahre Qvelle ſchien.
Ach! aber welch ein blitzend Licht
Bricht dorten, wo der Berg von dunklen Wolken bricht,
Als wie aus einer ſchwarzen Hoͤle?
Es ſtralet durch die Dunkelheit
Mir eine helle Herrlichkeit
Nicht in mein Aug allein, zugleich in meine Sele.
Der Mittel Punct des Lichts, das Erd und Himmel fuͤllt,
Woraus der Farben Pracht, Glanz, Waͤrm und Leben qvillt,
Der7Der Born der Fruchtbarkeit, der Creaturen Wonne,
Der Schoͤnheit Sele, Geiſt und Leben, kurz die Sonne,
Laͤſſt ſich an dieſem Ort, ohn uns zu blenden, ſehn.
Das Auge, durch den Flor der Dunkelheit beſchuͤtzt,
Sieht unverletzt, wie wunderſchoͤn
Die reine Gluht in kleiner Oeffnung blitzt,
Man ſiehet an der Wolken dunklen Grenzen
Die Sonne ſich mit einem bunten Glanz,
Recht als mit einem Sieges-Kranz
Von Millionen Stralen, kraͤnzen.
Ein unbeſchreiblich lieblich Blitzen
Von hundert tauſend zarten Spitzen,
Die alle bunt, die alle feurig ſeyn,
Erfuͤllet mein Gehirn und mein Gemuͤte
Mit einem holden Freuden-Schein.
Ein heller Andachts-Stral begeiſtert mein Gebluͤte,
Erheitert meinen Geiſt. Die Weiſ heit, Macht und Guͤte
Des ewig ſel’gen Lichts, des Schoͤpfers aller Welt
Beleb’t mich, ſtral’t mich an. Es flammt in meiner Selen
Ein Trieb, was herrliches vom Schoͤpfer zu erzaͤlen,
Der alle Dinge wirkt, beleb’t, regiert, erhaͤlt,
Deß Weſen ich mit Luſt in Seinen Werken ſehe.
Jch ſchwinge meinen Geiſt in die Sapphirne Hoͤhe,
Jch eil ins Firmament, ich fliege wie ein Stral
Durchs Boden-loſe Meer, durchs unumſchraͤnkte Thal
Des nie begriff’nen Raums, in deſſen holen Gruͤnden
Kein Ziel, kein Schluß, kein Grund zu finden.
Hier denk ich an die Tief, hier denk ich an die Weite,
Die ungeheure Laͤng und ungeheure Breite
Des Kreiſes, den allein der Sonnen Licht erfuͤllt,
Das unaufhoͤrlich ſtral’t und unaufhoͤrlich quillt
Aus einem Mittel-Punct von Millionen Meilen.
A 4Hilf8Hilf GOTT! was ſtellt ſich mir,
Jndem ich dieſes denk, fuͤr eine Groͤſſe fuͤr!
Kein Menſchlicher Verſtand kann hier ein Ziel ereilen.
O unermeſſlicher, o ungeheurer Raum,
Wer wird doch deine Groͤſſ und Tiefe faſſen koͤnnen!
Jndem die ganze Welt, Luft, Meer und Erde, kaum
Bey deinem Mittel-Punct ein Mittel-Punct zu nennen.
Nun iſt es ausgemacht,
Daß dieſe hole Tief (o Wunder!) Tag und Nacht
Beſtaͤndig angefuͤllt mit Licht und Sonnenſchein,
Wie die Planeten dieß mit ihren dunklen Kreiſen,
Die bloß durch ſie beſtral’t,
Uns augenſcheinlich weiſen.
Es faſſe doch ein Menſch einſt, ſeinem GOtt zur Ehr,
Das leider mehrenteils verſtreute Heer
Von ſeinen fluͤchtigen Gedanken,
So viel ihm moͤglich iſt, in ordentliche Schranken,
Und denke nur ein einzigs mal,
Wie ſo gewaltig lang muß doch der Sonnen-Stral,
Wie unermeſſlich groß des Lichtes Coͤrper ſeyn,
Der mit verbundenem und ungeteiltem Schein
Die allertiefſten tiefſten Tiefen
Von dieſem Raum beſtaͤndig fuͤllt!
Der ſich vor unſerm Blick nur dadurch bloß verhuͤllt,
Weil in des tiefen Raumes Gruͤnden
Kein Gegenſtand zu finden,
Wovon er koͤnne ruͤckwaͤrts prallen,
Und ſo in unſer Auge fallen!
Dieß aber hindert nicht, daß in den holen Hoͤh’n
Und in der Tiefe ſonder Grenzen,
Ob wir es gleich nicht ſehn,
Die Stralen doch nicht unaufhoͤrlich glaͤnzen.
Jndem ich dieſes uͤberlege,
Und von ſo groſſem Licht die Groͤſſ erwege;
So9So deucht mich, wuͤrd ein ſolcher Wunder-Schein
Faſt nur umſonſt erſchaffen ſeyn,
Wenn auſſer uns (den Planetar’ſchen Erden)
Jn der Natur ſollt anders nichts
Von aller Kraft des ungemeſſ’nen Lichts
Vergnuͤget und erleuchtet werden.
Es kommen, in Vergleich
Mit dieſes Lichtes weitem Reich,
Mit dieſem glaͤnzenden unmeßlichen Revier,
Uns die Planeten ja nicht anders fuͤr,
Als ſchwuͤmmen in dem weiten Meer,
Damit ſie wol gewaſchen werden moͤgten,
Nur ſechszehn Erbſen hin und her.
So wenig man
Von ſolchen Erbſen nun vernuͤnftig ſchlieſſen kann,
Daß ſich das Meer daran mit allen Tropfen reibe;
So wenig geht es auch mit Licht und Stralen an,
Daß von denſelben nichts als etwa ſechszehn Erden
Erleuchtet und getroffen werden.
Es geht der groͤſte Teil unendlich weit vorbey.
Mir kommts derhalben glaublich fuͤr,
Daß, ob gleich unſers Coͤrpers Augen
Jn dieſer Welt
Den Licht-Stral nicht zu ſehen taugen,
Wenn ſolcher nicht von Coͤrpern ruͤckwaͤrts faͤllt;
Es darum doch nicht folgen muͤſſe,
Daß nicht in der Natur Geſchoͤpfe ſollten ſeyn,
Die minder Coͤrperlich als wir,
Und die vielleicht allein
Sich an des Lichtes eig’nen Schaͤtzen,
So wie wir uns am Licht im Widerſchein, ergetzen.
Wenn ich demnach von der Sapphirnen Hoͤhe,
Wann ſie eutwoͤlkt, die tiefe Klarheit ſehe;
A 5So10So fuͤl ich mich vor Freuden kaum.
Mich deucht, ich ſeh mit Augen einen Raum,
Wo Millionen Millionen
Verklaͤr’te Geiſterchen und ſel’ge Selen wohnen,
Die all in einem Meer von Licht und Wonne ſchwimmen,
Die all in reiner Gluht von heil’ger Andacht glimmen,
Die all an GOTTES Huld, an Seiner Werke Pracht,
An Seiner Weiſheit, Lieb und Macht,
An Seiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Unendlicher Vollkommenheit,
Zu ihres groſſen Schoͤpfers Ehren,
Jn ſel’ger Luſt, ſich ewig naͤhren.
Kommt dieſe Meinung dir
Vielleicht zu Anfang fremde fuͤr?
So laß dich nur dadurch ſogleich nicht ſchrecken!
Dein Unempfindlichkeit erſchreckt mich noch vielmehr,
Da, zur Verkleinerung von GOTTES Ehr,
Jn ſelbiger betruͤbte Folgen ſtecken.
Jſt es genug,
Den Himmel oben hin nur als ein blaues Tuch,
Wie oder gar nicht, anzuſehn?
Zudem ſo kannſt du ja von den ſo hellen Sternen,
Die wuͤrklich Coͤrperlich, und die, ſo groß als ſchoͤn,
Des Himmels Raum unleugbar ſchmuͤcken,
Dennoch bey Tage nichts erblicken:
Wirſt du dich deßfalls ſie zu leugnen unterſtehn?
Hieraus nun ſiehſt du klar von deinem Blick die Schwaͤche.
Sprichſt du denn wol mit Recht zu meiner Meinung, nein,
Wenn ich, von Anmut heiß, voll Andacht glaub und ſpreche:
Es wird wol alles dort voll Mahanaim ſeyn.
Wie kann ein Menſch den Schoͤpfer beſſer ehren,
Wie kann man Seinen Ruhm doch mehr vermehren,
Wie koͤnnen wir Jhm doch ein beſſer Opfer ſchenken,
Als11Als wenn wir ſtets von Seiner Wunder-Macht,
Von Seiner Weiſ heit, Groͤſſ und Seiner Werke Pracht
Das allergroͤſſeſte, das herrlichſte, gedenken!
Ja wenn ich mich vielleicht auch irren moͤgte;
So iſt jedoch dein Jrrthum groͤſſer.
Denn das, was ich davon aus Ehrfurcht denk, iſt beſſer,
Als wenn ich nichts davon, wie du aus Faulheit, daͤchte.
Du undurchdringliches, allgegenwaͤrtiges Licht!
Der Du der Ewigkeit Unendlichkeit erfuͤlleſt,
Der Du Dich in Dir ſelbſt, zu unſerm Heil, verhuͤlleſt,
Aus welchem als ein Strom der Dinge Weſen bricht,
Du ewig-ſelige Vollkommenheit und Liebe,
Vermehre doch in mir der Andacht reine Triebe!
Ach gieb doch, daß, wenn ich des Himmels blaue Hoͤhe
Jn einem heitern Glanz und reiner Klarheit ſehe,
Es ſtets zu Deinem Ruhm mit frohem Ernſt geſchehe!
Merz -12

Merz-Veilchen und Marien - Bluhmen.

Auf den gevierten Garten-Betten
Sah ich zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Jn ſittſam ſchoͤner Niedrigkeit,
Viel kleine blaue Violetten
Durch ein Smaragden gleiches gruͤn,
Wie Purpurn Amethiſten, bluͤhn.
Jhr lieblich ſuͤſſer Duft
Erfuͤllte rings umher die Luft,
So daß mich der Geruch, noch eh ich ſie erblickte,
Vergnuͤg’t, erfriſcht, ergetzt, erqvickte;
Woruͤber ich mit Andachts-voller Bruſt,
Zum Denkmal der genoſſ’nen Luſt,
Dieß in mein Taſchen-Taͤflein ſchriebe:
Willkommen, liebſtes Fruͤhlings-Kind,
Du Bild der Demut und der Liebe.
Du biſt ſo niedrig und ſo klein,
Und dennoch nimmt die holde Kraft
Von deiner ſuͤſſen Eigenſchaft
Solch einen weiten Kreis in lauen Luͤften ein.
Du dienſt, und kommſt in ſolchem Ueberfluß
So manchem Menſchen zum Genuß;
Du ſollt auch mir in meinem Leben
Zu einem taͤglichen Gebrauch
Ein nuͤtzliches Exempel ſeyn.
Jch will mich Demuts-voll beſtreben,
Jn Sanftmut meinem Naͤchſten auch
Ein gut Exempel ſtets zu geben,
Jhn in der Liebe hoch zu ſchaͤtzen,
Damit er, wie ich mich an dir,
So auch an mir ſich moͤg ergetzen.
Man13Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Sele
Jn dieſer kleinen Purpur-Hoͤle
Ein etwas, das den Glanz vom aͤchten Golde hat.
Sehr zierlich iſt das groſſe Blat
Mit dunklen Aederchen durchſchnitten.
Der Stengel haͤlt, wie eine gruͤne Hand,
Die Bluhmen gleichſam in der Mitten,
Als mit fuͤnf Fingern, uͤberſpannt.
Weil ich hievon den Zweck nun nicht begreifenkann;
So ſeh ich es aufs wenigſt an
Als eine Spur,
Daß die ſtets wechſelnde Natur
Faſt nimmer einerley,
Nein, aber wol in ſtets veraͤnderlichen Bildern
Sowol zu zeichnen als zu ſchildern
An Reichtum unerſchoͤpflich ſey.
Dein Herzen-foͤrmig Blat,
So ich an deinen Stengeln ſehe,
Erinnert mich, daß, wenn ich GOttes Macht
Jn ſeiner Creatur betracht,
Es recht von Herzen ſtets geſchehe.
Noch ſah ich, wie in kleinen runden Hoͤhen
Viel Zungen-gleiche Blaͤtter ſtunden.
Gut, dacht ich, will man wol beſtehen;
So bleibe Zung und Herz zu einem Zweck verbunden.
Hiezu nun fand ich auch ſo gleich Gelegenheit.
Jch ſah, vor Luſt erſtaunt, in ſuͤſſer Zierlichkeit,
Den kleinen weiß - und rot - und bunten Roſen gleich,
Sehr viel Marien-Bluͤhmchen glaͤnzen,
Mit welchen Tellus Reich
Sich pfleg’t am fruͤh’ſten zu bekraͤnzen.
Der Farben Gluht, der Bildung Niedlichkeit,
Die ſich ſo wunderbar vermaͤlen,
Ergetzten durchs Geſicht das Auge meiner Selen.
Jch14Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab,
Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe
Mit aufmerkſamen Augen ſahe,
Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab.
Es ſcheint, daß die Natur,
Damit man GOttes Allmacht faſſe,
Jn dieſes Bluͤhmchens Farb und lieblicher Figur
Sichs gleichſam ſauer werden laſſe.
Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee,
Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen,
Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen.
Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit,
An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren,
Wodurch ſie denn den Unterſcheid
Der lieblichen Figuren mehren.
Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht,
Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen,
Und dann der Sonne guͤld’nes Licht
Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen,
Das Aug und Herz vergnuͤg’t.
Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein
Recht candiſirt zu ſeyn.
Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen,
Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen,
Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen,
Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!
Die15

Die Schnee - und Crocus-Bluhme.

Als neulich ich in ſtiller Luſt
Und mit recht inniglich geruͤhrter Bruſt,
Zuſammt der Purpurnen Hepatica,
Die Schnee - und Crocus-Bluhmen ſah
Aus der noch unbelaubt - und nackten Erde ſteigen;
Vergnuͤg’t ich mich zuerſt, ſie uͤberhaupt zu ſehn,
Da ihre Menge denn, der Farben Unterſcheid
Und Miſchung mir in holder Lieblichkeit
Ein buntes Ganz recht Wunder-ſchoͤn
Vor Augen ſtelleten. Jch ſah hernach
Die weiſſe Pracht von einer Schnee-Bluhm an,
Woruͤber man ſich nicht genug verwundern kann.
Man ſiehet die Natur auf ihren Blaͤttern ſcherzen.
Die innern ſind bemal’t mit kleinen gruͤnen Herzen,
Der frohen Hoffnung Lieberey.
Jch wuͤnſch, indem ich dieſes ſehe,
Daß, da der Fruͤhling in der Naͤhe,
Mein Herz auch voller Hoffnung ſey,
Den GOTT, durch den allein ſo Froſt als Sturm vergehen,
Jm Fruͤhling froͤhlich zu erhoͤhen.
Ein ander Ahrt, nicht minder Schimmer-reich,
Sieht kleinen Tulipanen gleich.
Jn deren Mitte ſtehn, von einer Groͤſſe
Auf kleinen Silber-weiſſen Fuͤſſen
Sechs kleine guͤldene Gefaͤſſe,
Die, allem Anſehn nach, den Balſam in ſich ſchlieſſen,
Der unſ’re Naſ erquickt,
Den jedes aus zwo kleinen Roͤhren,
Um unſ’re Luſt zu mehren,
Vermutlich immer aufwaͤrts ſchickt.
Jch16Jch brach darauf ein Crocus-Bluͤhmchen ab,
Wovon ein jeglichs mir, als ich es nahe
Mit Achtſamkeit beſahe,
Ein ſonderbar Vergnuͤgen gab.
Des gelben Bluͤhmchens Schein
Schien Gold, und die Figur ein kleiner Kelch, zu ſeyn.
Von eben dieſer Ahrt ſieht man mit tauſend Freuden
Verſchied’ne ſich in hohen Purpur kleiden.
Verſchiedliche ſind weiß, wie Silber, und zugleich
An Purpur aͤuſſerlich, an Gold von innen, reich.
Sie ſtellen all in Wunder-ſchoͤnem Flor
Des Reichtums und der Ehr beliebte Farben vor.
Wie ich nun bald den Glanz, bald ihrer Adern Zier,
Bald ihrer Farben bunten Schein
Mit Anmut uͤberſah; fiel unvermutet mir
Recht mitten in der Luſt was traurigs ein:
Jn wenig Stunden
Jſt alles ſchoͤne weg, iſt alle Pracht verſchwun -
den.
Ach! fuhr ich ferner fort, ach waͤret ihr allein
So unbeſtaͤndig und ſo fluͤchtig!
Ach daß auch wir nicht minder nichtig,
Hinfaͤllig und vergaͤnglich ſeyn!
Doch wie? begriff ich mich hierauf
Nach einem kurzen Trauren,
Jſt es auch recht, wenn wir der Dinge Lauf,
Den GOTT verordnet hat, bedauren?
Dieweil es GOTT, dem HERRN der Welt,
Alſo gefallen und gefaͤllt;
So muß die fluͤchtige Beſchaffenheit
Der Dinge beſſer ſeyn, als die Beſtaͤndigkeit.
Auch17Auch uͤberfuͤhret mich
Die Wahrheit, daß mein Leid und Tadel laͤcherlich.
Was wuͤrd auf unſ’rer Erden,
Vergingen Bluhmen nicht, doch fuͤr ein Zuſtand werden?
Sie wuͤrden uns nicht nur viel weniger vergnuͤgen,
Nein, allenthalben gar im Wege liegen.
Es kommt hinzu, daß, obs gleich nicht ſo ſcheint,
Und ob es gleich die Menſchheit nicht vermeint,
Sie jedennoch nicht ganz vergehen.
Es welkt die aͤuſſ’re Bildung nur;
Jhr Weſen, Sam und Geiſt beſtehen.
Die unzerſtoͤrliche Natur
Jm Waſſer, in der Luft und Erden
Laͤſſt nichts zunichte werden.
II. Theil. BEin18

Ein Bett voll Hyacinthen.

Jch ſahe juͤngſt mit Luſt im lauen Lenzen
Auf einem Garten-Bett viel Hyacinthen glaͤnzen.
Das allerfeinſt und rein’ſte Porcellein
Kann nicht ſo glatt, ſo rein,
So ſchoͤn von Farb und Waſſer, ſeyn,
Als die mit weiß vermiſchte blaue Glaͤtte
Das ganze Bette
Mit einem vielfach-blauen Glanz
So ſehr nicht ziert, als ganz
Bedeckt und uͤberzog. Jch ſah mit tauſend Freuden,
Wie lieblich ſich die ſchoͤnen Bluhmen kleiden.
Obgleich die meiſten blau, war es doch unterſchiedlich.
Wenn jene dort recht wie Ultra-Marin
Jm dunkel-blauen glaͤnzt und ſchien;
So wies die Nachbarinn recht ſanft und niedlich
Ein helles Himmel blau, und die bey dieſer ſtand,
Hatt ein faſt Purpurnes, ein roͤtlich blau Gewand.
Jndem ich dort verſchied’ne weiß wie Schnee,
Noch and’re, die mit etwas rot gemiſchet,
Jn Perl - und Fleiſch-Farb ſpielen ſeh;
Ließ ich von ungefehr den Blick den ganzen Hauſen
Auf einmal uͤberlaufen,
Und ward recht inniglich erfriſchet,
Als mir ihr ſchoͤnes Ganz
Des heitern Himmels Glanz
So gar auf Erden wies. Jhr Wunder-ſchoͤnes Blau,
Das ich, GOtt Lob! nicht, ohn an Den zu denken,
Der alles ſchoͤne ſchaffet, ſchau,
Bewog mich, mein Gemuͤt aufs neu auf GOtt zu lenken,
Und19Und Jhm, von Andachts-Flammen heiß,
Zum Opfer, meine Luſt zu ſchenken;
Weil ich nichts beſſers Dem zu ſchenken weiß,
Der alles bloß aus Gnad erſchaffen, Den die Liebe
Allein, ſo mancherley hervor zu bringen, triebe.
Jch roch darauf den Ambra-Duft,
Womit der Bluhmen Heer die laue Luft
So lieblich fuͤllete. Der ſaͤurlich ſuͤſſe Saft
Erfuͤllte mich mit neuer Kraft,
Daß ich dem Schoͤpfer dieſer Bluhme,
Durch die er mein Gehirn erqvickte,
Zum Dank und Ruhme
Den Othem, der, da ich ihn in mich zog,
Mich zur Erkenntlichkeit mit hoͤchſtem Recht bewog,
Jn Seufzern voller Dank zuruͤcke ſchickte,
Und GOtt, der mir ſo viele Gnad erwieſe,
Jm innerſten von meiner Sele prieſe,
Mit dieſem Wunſch: Laß mich, o Geber aller Gaben,
An Deinen Gaben ſtets zu Deinem Ruhm mich laben!
Noch fand ich mich aufs neu geruͤhret,
Und ward durchs gruͤne Laub ſo gar,
Das dieſe Bluhm umgiebt und zieret,
Aufs neu ergetzt, aufs neu zu GOtt gefuͤhret.
Jch ward recht eigentlich gewahr,
Wie an der Bluhme Fuß ſechs gruͤne Ecken
Sich rings, ſo uͤm als von dem Stengel ſtrecken,
Und einen gruͤnen Stern formiren,
Wodurch ſie das ſonſt nackte Land
Mit einem eig’nen Bilde zieren.
Jch ſahe jedes Blat aufmerkſam an, und fand,
Daß jedes etwas hol; daher vermutet ich,
Daß ſie abſonderlich gleich einer Hand
Sey ausgeſpannt,
B 2Damit20Damit die Feuchtigkeiten ſich,
Um ihre Zwiebel wol zu traͤnken,
Recht als durch kleine Rinnen ſenken;
Wie mir denn in die Augen fiele,
Daß unten an dem Stiele
Ein abgerolltes Waſſer ſtund,
Das wie ein Berg-Kryſtall ſo klar,
So weiß recht wie ein Silber war.
Hieran erfriſchte ſich mein Aug und mein Gemuͤte:
Jch fand in dieſer reinen Klarheit
Noch eine neu und unleugbare Warheit
Von GOttes Weiſheit, Macht und Guͤte.
Fruͤh -21

Fruͤhlings-Betrachtung.

DJe Zweige, die noch geſtern leer,
Die ſcheinen itzo recht, als ob in einer Nacht
Der jungen Blaͤtter gruͤne Pracht
Vom Himmel drauf geregnet waͤr.
Auf andern liegt es voll, als waͤren weiſſe Ballen
Vom zarten Schnee darauf gefallen.
Hier ſcheint der Bluͤhte Schnee die Blaͤtter zu verſtecken,
Dort ſcheint das gruͤne Laub der Bluͤhte Schnee zu decken.
Es war das junge Laub ſo klar,
Und zeiget ein ſo lieblich Gruͤn,
Zumalen wenn die Sonn auf deſſen Seite ſchien,
Daß alles, was man ſah, ſo gar
Durchſichtig und durchleuchtig war.
Durchleuchtig iſt das Laub, durchleuchtig iſt die Bluͤhte,
Durchleuchtig Gras und Kraut.
Daher bezaubert itzt faſt alles, was man ſchaut,
Das menſchliche Gemuͤte.
Es ſcheint, ob woll auf allen Zweigen
Kein irdiſches, ſo gar ein geiſtigs, Gruͤn ſich zeigen.
Man ſieht durch die belaubt - doch noch geſeh’nen Aeſte
Den glaͤnzenden Sapphir der Feſte.
Die Klarheit der durchſtral’ten Blaͤtter
Jſt das was uns bey heiterm Wetter
An der aufs neu belaubten Welt
So ſehr ergetzt, ſo wol gefaͤllt.
Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden,
Da auf dem zarten Laub ſelbſt mit des Himmels Licht
Die ird’ſchen Farben ſich verbinden,
So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne ſtral’t,
Den Augen groͤſſ’re Luſt verſchafft,
B 3Als22Als wenn durch einen duͤnnen Tafft,
Worauf des Kuͤnſtlers Hand mit Waſſer-Farben mahlet,
Bey dunkler Nacht ein helles Licht
Jn einem bunten Schimmer bricht.
Denn dieſe Blaͤtter ſind nicht nur illuminiret;
Nein, wenn die Sonn ihr Bild in ihre Flaͤche druͤckt,
Wird jedes Blat,
Wovon die eine Seite glatt,
Mit einem hellen Schein geſchmuͤckt,
Mit einem kleinen Glanz gezieret,
Der, wenn durch Zweig und Laub der laue Zephir kuͤlet,
Recht lieblich hin und her mit holdem Blitzen ſpielet.
Des funkelnden Smaragds durch Kunſt geſchliffne Spitzen
Die haben nie mein Herz ſo ſehr durchs Aug ergetzt,
Als wie der glatten Blaͤtter Blitzen
Durch ihren gruͤnen Glanz mein Herz in Freude ſetzt.
Wenn ſich nun noch die zarten Schatten
Mit aller dieſer Schoͤnheit gatten,
Und daß die ſanfte Dunkelheit
Nicht nur der Farben Glanz, der Lichter Lieblichkeit,
Nein, durch die Schatten-Bluͤht und Schatten-Blaͤtter gar,
Die wahren Bluͤht und Blaͤtter zu vermehren
Und zu erheben ſcheint; werd ich mit Luſt gewahr,
Wie auf den dicht belanbt - und reich bebluͤhmten Zweigen
Durch Schatten in der Sonnen Stral
Veraͤnderungen ohne Zahl
Sich jeden Augenblick an jedem Orte zeigen.
Die Stelle, die itzt weiß, wird dunkel; gelblich gruͤn
Wird die vorhero dunkel ſchien.
Hiedurch, wenn Zweig und Laub bald ſinken, bald ſich heben,
Scheint alles, was wir ſehn,
Jn gruͤner Daͤmm’rung bald zu ſtehn,
Und bald im gruͤnen Licht zu ſchweben.
Der23Der Grund, der hinter ihrer Pracht,
Und ſie um deſto ſchoͤner macht,
Jſt hier das reine Blau der Luft,
Das wie ein funkelnder Sapphir voll Glanz und Licht
Durch die ſo zart - und klaren Blaͤtter bricht,
Und eben durch die Dunkelheit
Der friſchen Blaͤtter Lieblichkeit
Um deſto mehr erhoͤht,
Jnzwiſchen daß an einem andern Ort
Der Blaͤtter gelbe Klarheit dort
An einer hellen Wolk in guͤld’nem Felde ſteht.
Hier ſticht ein dunkles Gruͤn vom gelblicht-Gruͤnen ab,
Ein helles nimmt ſich dort hingegen ſchoͤner aus,
Weil ein verdunkelt Gruͤn,
Damit es ſo viel heller ſchien,
Jhm gleichſam eine Fulge gab.
Die Buͤſche ſcheinen nun hiedurch noch eins ſo kraus,
Noch eins ſo Blaͤtter-reich. Nicht minder nimmt der Wald
Durch dieſen Unterſcheid
Vom gruͤnen Licht und gruͤner Dunkelheit
Die allerlieblichſte Geſtalt.
Ach liebſter GOtt! wie funkelt, glaͤnzet,
Wie prangt und gluͤht die gruͤne Welt,
Wenn auf das Laub, das ſie bekraͤnzet,
Das guͤld’ne Licht des Himmels faͤllt!
Wenn auf das Gruͤn der jungen Blaͤtter
Der Sonne himmliſch Feuer ſtral’t;
So ſchein’t in einem heitern Wetter
Das Paradis ſelbſt abgemahl’t.
B 4Bluͤ -24

Bluͤhende Pfirſchen und Aprikoſen.

Jch ſah an einer Garten-Wand
Juͤngſt einen Pfirſch-Baum ausgeſpannt,
Deß, dem Rubin Balaß an Farben gleiche, Bluͤhte
Jm angenemen Schimmer gluͤhte.
Es glich der ganze Baum ſo wol an Form und Glanz,
Als runder gruͤner Zierlichkeit,
Faſt einem glaͤnzenden erhab’nen Pfauen-Schwanz,
Nur bloß mit dieſem Unterſcheid:
Da dort des Pfauen gruͤnes Rad
Vom blauen funkelnden Sapphir
Viel hundert ſchoͤne Augen hat;
So prangt des Pfirſch-Baums Cirkel hier
Jn ſeinem ja ſo ſchoͤnen Gruͤnen
Mit tauſend Augen von Rubinen.
Nicht leicht kann man was ſchoͤners ſehn,
Als wenn wir etwan an der Seiten
Von einem bluͤhenden belaubten Pfirſch-Baum ſtehn.
Die Blicke, die ſodann
Gemaͤlich uͤber Bluhmen gleiten,
Die ſehn den ſonſt zerteilten Glanz
Nicht anders an,
Als ein vereintes Ganz,
Und ſcheint ſodann die ganze Wand
Mit Decken von Damaſt,
Die Roſen-farb gefaͤrbet, uͤberſpannt.
Wenn man dieſelbigen nun in der Naͤhe ſieht,
Erblickt mit tauſend Luſt ein aufmerkſam Gemuͤt,
Viel tauſend weiſſe Spitzen
Auf noch nicht off’nen Knoſpen ſitzen,
Die,25Die, wie ein weiſſer Pelz von Hermelinen,
Zum Schutz der zarten Bluͤhte dienen.
Wenn ſich dieſelbe nun zerteilet; ſiehet man
Zuerſt ein ſchoͤnes Rot, das man Rubinen
Mit allem Recht vergleichen kann.
Sie ſind ſodann recht Wunder-ſchoͤn
Wie Roſen-Knoͤſpchen anzuſehn.
Die roten Kuͤgelchen nun oͤffnen ſich,
Wenn ſie die Sonn anſtral’t, faſt ſichtbarlich.
Wann ich darauf die offne Bluͤhte ſchau;
Entdeck ich voller Luſt, und ſehe mit Vergnuͤgen
Ein weißlich rot, ein roͤtlichs blau
Jn ſuͤſſer Zaͤrtlichkeit ſich auf den Blaͤttern fuͤgen.
Es wird das Rot allmaͤlich blaß,
Recht, wie geſag’t, als ein Rubin-Balaß
Es ſieht der Roſe dann, die wild und roͤtlich-bleich,
An Form und Farb ein jedes Bluͤhmchen gleich.
Der ganze Pfirſch-Baum ſcheint in einem holden Schein
Ein groſſer Roſen-Buſch zu ſeyn;
Der aber (wie nicht leicht ein Roſen-Buſch ſonſt pfleget,)
Kein Laub und keinen Dorn, nein nichts als Bluhmen,
traͤget.
Noch war in gleicher Form zu ſchauen
Ein recht als wie mit Silber-Schaum
Geſchmuͤckter Aprikoſen-Baum;
Er gliech dem ſchoͤnen Schweif von einem weiſſen Pfauen.
Aus Knoſpen, wenn ſie noch nicht ganz
Geoͤffnet, ſieht man recht in einem weiſſen Glanz,
Gleich wie aus roͤtlichen zerborſt’nen Schalen,
Die Bluͤht als einen Stern mit weiſſen Spitzen ſtralen.
Wie aber die, ſo bald ſie aufgebluͤht,
Den weiſſen Roſen aͤhnlich ſieht;
So ſiehet auch der Baum, an ſchoͤnen Bluhmen reich,
B 5Dem26Dem weiſſen Roſen-Buſch ohn Laub und Dornen gleich.
Willt du nun recht was zaͤrtlichs ſehn;
So ſchau ein ſolches Blat
Aufmerkſam an, wie Wunder-ſchoͤn
Jn ſelben kleine Baͤume ſtehn,
Die ſich darin mit Staͤmm - und Zweigen
Verwunderlich und deutlich zeigen.
Von dieſen glaubet man, daß in den zarten Roͤhren
Die Saͤfte, ſo die Fruͤchte naͤhren,
Bereitet, ausgekocht und zugerichtet werden,
Ja daß ſo gar des Samens Geiſt und Kraft
Jn dem gelaͤuterten oft umgetrieb’nen Saft
Jn dieſer Blaͤtter zarten Decken
Geheimniß-voll verborgen ſtecken.
Die Bluhmen laſſen durch die Spitzen
Da, wo ſie an dem Kelch vereinet ſitzen,
Ein Sternen-foͤrmiges ein gruͤnlich Bluͤhmchen ſehn,
Jn deſſen Mitte ſich von kleinen Stangen
Ein netter Zirkel zeigt, worauf ſo zart als ſchoͤn
Mit einem duͤnnen Staub bedeckte Zaͤſer hangen,
Die durch den allerkleinſten Wind
Verwunderlich beweglich ſind,
Aus deren Mitte denn noch eine ſteiget,
Die als ein Mittel-Punkt der zarten Frucht ſich zeiget.
O wunderbar Gewebe der Natur!
Wer dich mit menſchlichem Gemuͤt
Und nicht mit vieh’ſchen Augen ſieht;
Der kann die Allmachts-volle Spur
Von einem ew’gen Wunder-Weſen
Auf deinen Blaͤttern deutlich leſen.
Demnach ſey dir, mein Herz, forthin jedwede Bluͤhte
Ein kleines Lehr-reich Buch von GOTTES Macht und
Guͤte!
Jch27
Jch ſah mit hoͤchſter Luſt und innigem Ergetzen
Des Schoͤpfers Werk an dieſen Fruͤhlings-Schaͤtzen;
Mir fiel zu gleicher Zeit bey ſolchem holden Schein
Mit Dank-erfuͤllter Selen ein,
Wie nuͤtzlich dieſe Bluhmen ſeyn;
Welch eine ſchoͤne Frucht aus ihrer Schoͤnheit ſprieſſet,
Von welcher man zur ſchwuͤlen Sommer-Zeit
Die wunderbare Lieblichkeit
Nicht mit dem Auge nur, mit Zung und Gaum, genieſſet.
Der Aprikoſen Silber-Bluͤht
Wird Gold in ihrer Frucht, und ſtral’t in gelber Zier,
Die oft recht wie Aurora gluͤht,
Zumal wenn man ſie recht gehaͤuft wie Trauben ſieht,
Aus ihrem gruͤnen Laub herfuͤr;
Jhr Saft erfriſcht das Blut und das Gemuͤte.
Wie herrlich glaͤnzt die Pfirſich, wenn ſie reif’t,
Auf welcher ſich der Schmuck verſchied’ner Farben haͤuf’t!
Bald funkelt ſie in ihrem holden Gruͤnen
Wie groſſe Kugeln von Rubinen;
Bald blitz’t ein Silber-weiß auf ihnen;
Bald glimmen ſie wie Gold; bald ſieht man, wie die Pracht
Von holden Roſen-roten Wangen,
Wenn ſie am allerſchoͤn’ſten prangen,
Bey holder Fleiſch-Farb uns anlacht.
Auf mancher zeiget ſich ein bunter Stral
Von allen Farben auf einmal.
Es iſt ein ſolcher Baum ſo Wunder-ſchoͤn,
Wenn viele Fruͤchte drauf, die reif ſind, anzuſehn,
Daß, uneracht der ſuͤſſen Luſt,
Die ihm durch den Geſchmack die heiſſe Bruſt
Und ſeinen trocknen Gaum erqvicket,
Ein Naͤſcher ſelbſt ſie faſt mit Unmut pfluͤcket.
Bewund’re ferner nun, mein Herz, zu GOttes Ehre,
Von28Von dieſer reifen Frucht die Groͤſſ und Schwere,
Da viele mehr als zwey Pfund am Gewicht,
Durch die gehaͤuf’te Meng der Feuchtigkeiten, haben:
Erkenn auch hierin doch des groſſen Gebers Gaben!
Vergiß dafuͤr des Dankens nicht!
Wenn den Mund die Pfirſich fuͤllet,
Und den Durſt mit Anmut ſtillet,
Daß die Zung in Honig ſchwimm’t;
Ach! ſo ſchaͤtz’t es nicht geringe!
Dankt dem Schoͤpfer aller Dinge,
Der euch ſo viel Gut’s beſtimm’t!
Kirſch -29

Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht.

Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte
Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te,
Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein;
Jch glaubt, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn.
Es ſchien, ob waͤr ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt
Trug gleichſam eine rechte Laſt
Von zierlich-weiſſen runden Ballen.
Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat,
Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht
Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht,
So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat.
Unmoͤglich, dacht ich, kann auf Erden
Was weiſſers ausgefunden werden.
Jndem ich nun bald hin bald her
Jm Schatten dieſes Baumes gehe:
Sah ich von ungefehr
Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe
Und ward noch einen weiſſern Schein,
Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar,
Faſt halb darob erſtaunt, gewahr.
Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn
Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht
Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht,
Das mir recht in die Sele ſtral’te.
Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze.
Die groͤſte Schoͤnheit dieſer Erden
Kann mit der himmliſchen doch nicht verglichen werden.
Noch30

Noch einige Betrachtung der Bluͤhte.

Seht, wie am Birn-Baum ſich die Blaͤtter-Knoſpen
ſpitzen,
Allmaͤlich ſich entwickeln und verbreiten!
Ey ſeht, wie dort, voll krauſer Zierlichkeiten,
Die ſchwangern Trage-Knoſpen ſitzen!
Man ſieh’t ihr ſanft-behar’t ihr weißlich gruͤn
Sich zaͤrtlich von einander beugen,
Und gleichſam ſichtlich ſich bemuͤhn,
Den Schatz der Bluhmen uns zu zeigen.
Der Apfel-Baum faͤngt gleichfalls an,
Auf eine lieblich ſuͤſſe Weiſe,
Die man nicht g’nug bewundern kann,
Zu unſ’rer Freude, GOtt zum Preiſe,
Sein Laub noch auf beſond’re Ahrt
Zugleich nebſt ſeiner Bluͤht uns vorzulegen.
Die Knoſpen, die ſo ſanft und zart
Sich allgemach zu oͤffnen pflegen,
Bemuͤhen ſich, auf allen Seiten
Mit gleicher Zierlichkeit ſich auszubreiten;
Da in der Mitte denn die Trage-Knoſpen ſtehn,
Woran zuerſt ein krauſes Weſen nur
Jn einer noch nicht ganz entwickelten Figur
Noch ungeform’t noch ungeteilt zu ſehn;
Die aber bald
Zu unſerm Nutzen und Bergnuͤgen
Ein angenem gebildete Geſtalt,
So bald ſie ſich zerteilen, kriegen.
Man ſieht ſodann derſelben viele
Aus einer Knoſp entſtehn. Man ſieht die zarten Stiele
Mit Silber-grauem Har bedecket und geſchmuͤckt,
Die31Die oben allgemach verdickt,
Sich in fuͤnf Spitzen abwaͤrts beugen,
Dadurch ſie denn die Form von Sternchen, welche gruͤn,
Und in dem Mittel-Punkt, als waͤr es ein Rubin,
Die Gluht der roten Bluͤhte, zeigen;
Die aber gleich, ſo bald ſie offen gehn,
Um unſer Auge mehr noch zu erfriſchen,
Jhr funkelnd rot mit reinem weiſſen miſchen,
Wodurch ſie, hier geſtreift und bunt, dort Wunder-ſchoͤn
Wie holde Leib-Farb anzuſehn.
Die noch nicht voͤllig off’ne Bluͤht
Formiret oft in netter Zierlichkeit
Von Roſen-Knoſpen einen Kranz,
Jn deſſen Mitte man in einem weiſſen Glanz
Ein off’ne weiſſe Roſe ſieht.
Der ſchoͤnen Form-ſowol als Farber Unterſcheid
Und angeneme Lieblichkeit
Von einer ſolchen Apfel-Bluͤhte
Kann auch faſt wider unſern Willen
Ein unaufmerkſam Aug, ein ſchlaͤfriges Gemuͤte
Mit Luſt (ach waͤr ſie ſtets mit Dank begleitet!) fuͤllen.
Nicht minder heben itzt zur Luſt verſchied’ner Sinnen,
Die man daran vergnuͤgen kann,
Die bis daher erſtorb’nen Reben an,
Viel tauſend Augen zu gewinnen;
Sie fangen itzt vor Freuden an zu weiten,
Da ſie der Sonnen Waͤrm und Licht aufs neu beſcheinen.
Ein braͤunlich zartes Har, weich wie der Serer Seiden,
Scheint die Gebaͤhrerinn der Blaͤtter zu bekleiden,
Woraus hernach und aus noch andern Sachen
Recht zierlich, aus der Maſſen ſchoͤn,
Nebſt manchem fliegenden Gewuͤrm,
Die Weſpen ihre Neſter machen,
Wie ich es oft Verwund’rungs-voll geſehn.
Aus32Aus dieſem ſteigt allmaͤlich manches Blat,
Das unvergleichlich nett und zierlich ausgekerbet,
Das gelblich-gruͤn geſaͤrbet,
Wobey es lieblich glaͤnzt. Es iſt ſo glatt,
Als waͤr es recht lackiret,
Worauf jedoch bald hier bald dar
Ein zartes Silber-graues Har
Es kraͤnzet, ſchmuͤckt und zieret.
Auf unſ’rer Kirſchen-Baͤum itzt reich beknoſpten Zweigen
Sieht man die runden Knoſpen ſich
Jn einer zierlichen Figur
Recht eigentlich
Als kleine gruͤne Trauben zeigen.
Man ſieht faſt uͤberall ein ſanft Bewegen,
Man ſieht die emſige Natur
Sich allenthalben regen.
Was heute gruͤn, ſteht morgen allbereit
Jn einer weiſſen Lieblichkeit.
Es ſehn ſodann die Federn von dem Strauß,
Auch die vom Schwan nicht einſt ſo weiß, ſo weichlich aus,
Abſonderlich, wenn man die weiſſe Bluͤht
Zu einer Zeit, da ungefehr
Die laue Luft vom Regen ſchwer,
Entgegen truͤbe, falb und dunkle Wolken ſieht.
Denn durch den Gegenſatz der Dunkelheit
Glaͤnzt, ſchimmert, glimmt und ſcheint der weiſſen Bluͤhte Zier
Noch einſt ſo hell berfuͤr.
Jndem die Zweige nun durchs Laub noch nicht verſtecket,
Wird der verſchreikten Aeſt und Blaͤtter Dunkelheit,
Die wie ein Netz ſich durch einander flicht,
Beym weiſſen Glanz der Bluͤht um deſto mehr entdecket,
So daß der Bluhmen weiſſes Licht
Mit ihrer dunk’len Zweige Nacht
Ein angeneme Daͤmm’rung macht.
Man33Man kann nichts angenemers ſehn,
Als wenn wir unter ſolchen Baͤumen,
Die in der beſten Bluͤhte ſtehn,
Spatziren gehn,
Und unſern Blick ſodann erhoͤhn,
Da gruͤn und weiſſe Schatten
Sich lieblich gatten,
Und uns ſo ſanft bedecken und ergetzen,
Daß ſie ein frommes Herz, das, in ſo holder Luſt,
Mit Andacht angefuͤll’ter Bruſt,
An ſeinen Schoͤpfer denkt; faſt aus ſich ſelber ſetzen.
Der Blaͤtter jung - und zaͤrtlichs Gruͤn,
Das mit den Bluhmen in die Wette
Zu wachſen ſchien,
Ließ recht, als ob es dieß zum Endzweck haͤtte,
Nicht nur ihr Gruͤn ins Weiß zu miſchen,
Um dadurch deſto mehr die Augen zu erfriſchen;
Es ſchein’t ſo gar mit Fleiß
Sich emſig zu bemuͤhn,
Um durch der holden Dunkelheit
Die Augen-ſtaͤrkende ſanft gruͤne Lieblichkeit,
(Damit uns nicht das gar zu ſtarke Weiß
Der hellen Bluͤhte moͤgte blenden)
Solch Uebel von uns abzuwenden.
Da denn zugleich die Miſchung deſto mehr
Die Augen durch die Aend’rung ruͤhret,
Und man ſowol vom Laub als durch der Bluhmen Heer
Ein unausdruͤcklich ſuͤß, ich weiß nicht was, verſpuͤret.
Verſchied’ne kleine Knoſpen blitzen
Durch noch nicht offene, doch ſchon getheilte Spitzen
Der gruͤnen Blaͤtterchen, als Sterne voller Licht.
Dort trifft man gleichſam einen Kranz,
Jn welchen die Natur, voll Klarheit Ruͤnd und Glanz
Viel Perlen zwiſchen Bluhmen flicht,
Voll angenehmer Schoͤnheit an.
II. Theil. CWen34Wen dieſer Glanz nun noch nicht treiben kann,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu preiſen,
Dem will ich Jhn noch ſchoͤner weiſen.
Er ſchau einſt einen Kirſchen-Baum,
Der an der Garten-Wand
Mit ſeinen Zweigen ausgeſpann’t,
Jn ſeiner Bluͤhte Schmuck bey Licht des Abends an!
Wofern die klare Pracht ſodann
Jhn aus dem ſchweren Traum
Der Unempfindlichkeit nicht reiſſet;
So weiß ich wahrlich nicht, ob man
Solch einen Menſchen wol mit Recht vernuͤnftig heiſſet,
Jndem er faſt mit Fleiß dem Schoͤpfer widerſtreb’t.
Es iſt ſo Bluͤht als Laub ſo zart und duͤnn geweb’t,
Und ſo durchleuchtig, ſo durchſichtig,
Daß ein daran gehalten Licht
Durch ihr ſubtiles Weſen bricht,
Und ſelbſt, dadurch gefaͤrb’t, die Luft illuminiret,
So daß man hie und dort ein buntes Feuer ſpuͤret.
Ja da zugleich der Blick durchs dunk’le noch geſtaͤrkt,
Wird an der Wand zugleich vermerkt,
Wie ſchnell ſich manches Bild daran formiret,
Wie viele ſanft - und klare Schatten,
Die bald ſich trennen, bald ſich gatten,
Die ſchnell entſtehn und ſchnell vergehn,
Durch ihre Dunkelheit
Des ſchoͤnen Urbilds Lieblichkeit
Und bunten Glanz noch mehr erhoͤhn.
Ach GOtt, da wir auf dieſer Erden
Durch Deine Creatur ſo oft vergnuͤget werden;
So gib doch, daß, ſo oft ich etwas ſchoͤnes ſehe,
Es, ohn an Dich, Quell aller Herrlichkeit,
Quell aller Schoͤnheit, Pracht und Vollenkommenheit,
Mit Andacht und mit Luſt zu denken, nie geſchehe!
Die35

Die Bienen.

Jndem ich juͤngſt vergnuͤget und allein
Bey einem Apfel-Baum in voller Bluͤhte,
Der angeſtralet war vom hellen Sonnen-Schein,
Voll froͤhlicher Betrachtung ſtand,
Und mein geruͤhretes Gemuͤte
Zu GOttes Ruhm darin ſo manchen Vorwurf fand;
Ward ich zugleich auf ungezaͤhlten Zweigen,
Die durch der Bluhmen Meng und Laſt ſich gleichſam
beugen,
Von Bienen eine ganze Schar,
Voll munt’rer Emſigkeit, gewahr.
Jch ſah und hoͤr’te ſie mit innigem Vergnuͤgen
Und lieblichem Gemurmel fliegen.
Jch ſah ſie, theils um ſich zu traͤnken,
Theils Honig und theils Wachs heraus zu ziehn,
Jn jede Bluͤht mit emſigem Bemuͤhn
Die kleinen rauhen Haͤupter ſenken.
Jch ſah, wie ſie die ſuͤſſe Laſt,
So bald ſie etwas aufgefaſſt,
Jndem ſie in der Luft mit frohem ſumſen ſchweb’ten,
An ihre Fuͤſſe kuͤnſtlich kleb’ten.
O wunderbarer GOtt! fing ich vor Freuden an,
O wunderbarer GOtt! wer leb’t auf dieſer Erden,
Der Deine weiſe Macht begreifen kann?
Die klein’ſte Creatur erheb’t des Schoͤpfers Preis,
Ein fliegend Wuͤrmgen zeig’t Witz, Vorſicht, Kunſt und Fleiß.
Es hat kein Sterblicher bishero noch entdecket,
Was fuͤr ein Wunderwerk in einer Biene ſtecket.
Kein Meuſch vermag ſo, wie die kleine Bien,
C 2Aus36Aus Bluhmen Honigſeim zu ziehn.
Wir wuͤſten nicht einmal ohn ihre Lehre,
Daß in den Bluhmen Honig waͤre.
Mein GOtt! ach laß das Heer der kleinen Bienen
Mir doch zu einem Lehr-Bild dienen!
Laß mein betrachtendes Gemuͤte
Doch auch, wie ſie, aus jeder Bluͤhte,
Durch die darauf mit Ernſt gewandten Augen,
Der wahren Andacht Honig ſaugen!
Laß meine Sele ſich, o GOtt! zu Deinen Ehren
Jn jeder Bluhme holden Pracht
An Deiner Weiſ heit, Lieb und Macht,
Mit ſroͤhlichen Gedanken naͤhren!
Die37

Die Muſcat-Hyacinthe.

Du faſt von Farb und Form entbloͤſſtes Fruͤhlings-Kind,
An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,
Ein ſchmutzig gruͤnlichs Braun, ohn allen Zierrat, ſchau,
Du unanſehnliche Muſcaten-Hyacinth!
Du ſiehſt im bunten Bluhmen-Reich
Kaum einer Bluhme gleich,
Und dennoch bricht aus dir
Ein recht balſamiſcher Geruch herfuͤr,
Der dem Ceyloniſchen Gewuͤrze faſt nicht weicht,
Und holdem Ambra ſelbſt an ſuͤſſer Staͤrke gleicht.
Du dieneſt mir, zu GOttes Preiſe,
Zum unumſtoͤßlichen Beweiſe
Der nicht zu zaͤhlenden Veraͤnd’rung der Figuren
Jn Seinen ſchoͤnen Creaturen,
Und dieß vermehr’t des Schoͤpfers Ehre.
Jm weltlichen gibſt du mir dieſe Lehre:
Mein Herz, laß dir den aͤuſſerlichen Schein
Kein Fall-Strick ſeyn!
Denn ein geflicktes Kleid und ſchmutz’ger Mantel decket
Gar oft ein Herz, in welchem Weiſ heit ſtecket.
C 3Die38

Die Tulpe.

Mein Gaͤrtner bracht im Januario
Mir eine Tulpe, die ſchon bluͤh’te,
Die, Zeit und Froſt zu Trotz, in dunklem Purpur gluͤh’te.
Derſelben Farben glaͤnzten ſo,
Daß ſie dem gierigen Geſicht
(Als in der Dunkelheit ein ſchnell erblicktes Licht)
Ein ganz allein geſeh’ner Vorwurf war.
Ach! Ey du lieber GOtt! iſts moͤglich? das iſt rar!
Rief jeder, der ſie ſah: Ey das iſt gar zu ſchoͤn;
Und kurz: Kein einziger vermogt ſich ſatt zu ſehn
An dieſer Bluhme fruͤhen Pracht.
Man nam ſo Bluͤht als Laub, ſo Farb als Form in acht,
Und zwar mit groſſer Luſt und ungemeinem Fleiß,
Da doch, wenn GOtt, wie itzt, uns Millionen ſchenket,
Man an derſelben Schmuck kaum einmal recht gedenket,
Und nichts von Anmut, Luſt, von Dank und Freuden weiß.
Ach zeiget denn nur bloß der Mangel unſern Augen,
Was Ueberfluß verbirgt? Jſt wenig mehr, als viel?
Hat unſ’rer Sele Kraft nur ein ſo kurzes Ziel?
Kann der Gewonheits-Dunſt uns ſo zu blenden taugen,
Daß wir, ſo bald uns GOtt viel giebet, nichts ermeſſen,
Und, weil die Gabe groß, des Gebers ganz vergeſſen?
Armſel’ge Creatur! bedaurens-wehrter Stand,
Du bindeſt ja hiedurch, ſo viel an dir, die Hand
Des milden Vaters ſelbſt, daß ſich Sein Gnaden-Fluß
Statt Strom - nur Tropfen-weiſ auf dich ergieſſen muß.
Ach mache du es doch, mein Herze, nicht alſo!
Beſchaue dieſe Bluhm in ihrer Pracht; ſey froh,
Und danke GOtt, daß er in deinem Leben
Dir39Dir dein Geſicht nicht nur;
So manche herrliche geſchmuͤckte Creatur
Zum Vorwurf des Geſichts, zu deiner Luſt, gegeben.
Fleh aber GOttes Huld, die alles will und kann,
Was dir erſprießlich iſt, doch zuverſichtlich an,
Daß Er dir deinen Geiſt auf Seine Wunder lenke,
Und dir den Geiſt der Luſt und der Betrachtung ſchenke!
Qvell aller Schoͤnheit! ew’ge Liebe,
Vermehr in mir die Faͤhigkeit,
Daß ich zur holden Fruͤhlings-Zeit
Mit einem angeflamm’ten Triebe
Der Tulpen Glanz, wie er ſo wunderſchoͤn,
Zu Deinen Ehren moͤg in tauſend Freuden ſehn!
Wie herrlich heiſſet GOtt, itzt im bebluͤhmten Lenzen,
Das Farben-reiche Heer der ſchoͤnen Tulpen glaͤnzen!
Von ihrer Schoͤnheit wird man gleichſam angelacht.
Wie pranget die Figur! wie gluͤh’t der Farben Pracht,
Jndem die Blaͤtter ſich nicht nur wie Flammen ſpitzen,
Nein gar die Farben ſelbſt, geform’t wie Flammen, blitzen,
Wenn hier ein funkelnd rot, und da ein blendend weiß,
Und dort ein gelber Schein,
(So alle Feuer-Farben ſeyn)
Zu unſ’rer Augen Luſt, zu ihres Schoͤpfers Preis,
Jn ungezaͤhlter Miſchung brennen.
Ach moͤgt ich ihre bunte Gluht
Mit ſelbſt entzuͤndetem vor Andacht heiſſen Mut
Nach ihrer Wuͤrdigkeit beſchreiben koͤnnen!
Wer an des Fruͤhlings bunten Schaͤtzen
Recht inniglich ſich will ergetzen,
Der muß ſich, wann die Tulpen bluͤh’n,
C 4So40So viel bemuͤh’n,
Und niedrig ſich bey ihnen ſetzen.
Hiedurch wird alſobald ſein Auge, ſehr erfreut,
Die Farben, die es ſonſt von oben nur verſtreu’t,
Und nur getheilt geſehn, verwunderlich verbinden,
Und, voll von ungemeinem Glanz,
Ein herrliches Geweb, ein unvergleichlichs Ganz,
Gleich einer koͤſtlichen Tapete, finden.
Der Grund von dieſer ſchoͤnen Decken
Jſt lieblich, weißlich, gruͤn. Es deckt ſo Stiel als Laub,
Die an ſich dunkler gruͤn, ein gruͤnlich weiſſer Staub,
Der ſich verwiſchen laͤſſt. Es ſchmuͤckt ein zierlich Blat,
Das oftermals ſich nett gedrehet hat,
Des riſchen Stengels Fuß. Ja wie man oft Papier
Mit Fingern zierlich druͤckt, ſo ſcheint in gruͤner Zier
Dieß ſpitzig lang - und breite Blat
Von Fingern der Natur ſehr zierlich eingedruͤcket,
Wovon die Bildungen der foͤrderſten allein
Zu unterſcheiden ſeyn,
Weil Laub und Stengel alſobald
Der Bildung liebliche Geſtalt,
Mit welcher ſie ſich alle zieren,
Jndem die Menge ſie vereint, verlieren.
Doch laſſen ſie recht wunderſchoͤn
Ein allgemeines Gruͤn ſodann den Augen ſehn.
Dieß Gruͤne ſieht man ſich jedoch nicht weit erſtrecken,
Jndem der Bluhmen helle Flammen
Den gruͤnen Schmuck durch bunten Schmuck verdecken.
Jn denen nun verbindet ſich zuſammen,
Was die Natur in unterſchied’nem Grad
Sonſt einzeln ſchoͤnes hat.
Der Teppich ſcheint von Farbe nicht,
Wol aber von gefaͤrb’tem Licht
Verwunderlich gewirkt. Wer Flammen ſehen will,
Die,41Die, wider die Natur der regen Flammen, ſtill
Und unbeweglich ſtehn: der ſeh ein Tulpen-Feld,
Das uns ein buntes Feu’r recht ſchoͤn vor Augen ſtellt.
Wie mannichfaltig nun der Tulpen Farben ſcheinen;
So findet ſich dennoch, (wer ſollt es meynen?)
Daß ſie nur bloß aus gelb, aus rot und weiß beſtehn,
Die aber die Natur ſo wunderbarlich miſcht,
Daß ſie den Blick ſo gar durch ihre Gluht erfriſcht.
Hier ſieht man gelbe Lichter blitzen,
Da weiſſe, rote dort;
Es haben rote weiſſ, und weiſſe rote, Spitzen;
Hier miſcht ſich rot mit Gold, mit weiß an jenem Ort,
Und zwar in ſo geformten Strichen,
Daß ſie geſpitzt, getheilt recht einer Lohe glichen.
Sie ſtell’ten einen ſuͤſſen Brand
Auf ihren Blaͤttern vor. Ein dunkles Feuer gluͤhet
Jn einigen, wenn dort man einen weiſſen Rand
Auf Purpur-farb’nen Bluhmen ſiehet.
Man ſieht ſo gar, und zwar nicht ohn Vergnuͤgen,
Oft in der Bluhme ſolch ein ſchwarz, wie Kolen, liegen.
Jn Kolen ſchein’t der Grund durchs Feur bereits verkehrt,
Dadurch des Feuers Glanz und Gleichheit ſich vermehrt.
Es ſcheinet die Natur, ob wolle ſie vor allen
Uns in der Tulpen Heer faſt mit Gewalt gefallen.
Jhr unvergleichlich ſchoͤnes Blat,
Das ſonſten breit und glatt,
Wird zur Veraͤnderung von ihr
An der Monſtroſ in einer neuen Zier
Nicht nur gekraͤuſ’t und eingekerbt,
Nein, auch zum Unterſchied der Farben, gruͤn gefaͤrbt.
Die Form der Bluhme ſelbſt iſt mehrenteils oval,
Sie ſcheint ein netter Kelch, ein zierlicher Pocal,
So bald ſie offen geht, das allezeit geſchicht,
Wenn ſie das warme Sonnen-Licht
C 5Und42Mit ſeinen Stralen trifft.
Es ſind verſchied’ne von den weiſſen,
Die, wegen ihres Schmucks und Schimmers, Schwaͤne heiſſen,
Oft, durch die Nachbarſchaft der dunkel-roten, ſchoͤn,
Und dieſe gleichfalls ſchoͤn, durch jener Glanz, zu ſehn.
So glaͤnzen ſie bey truͤbem Wetter.
Wer aber kann das Prangen ihrer Blaͤtter,
Wenn ſie, o Licht der Welt, von deinen Stralen
Verherrlicht ſind, beſchreiben oder mahlen?
Sie uͤbertreffen dann mit ihrem Scheine
Die allerfeurigſten geſchliffnen Edelſteine;
Jſt wenig nur geſag’t.
Durchleuchtig muß man ſie mehr als durchſichtig nennen.
Oft ſchein’ts, ob ſaͤhe man in einem jeden Blat,
Jn welches ſich das Licht geſenket hat,
Den Sonnen-Stral gefaͤrbet ſichtbar brennen.
Wenn ſolcher Tulpen Heer von aller Ahrt zuſammen
An einen Ort gepflanzt, ſo wol nicht prangt, als gluͤhet:
Jſt mir, als wenn mein Aug in vielgefaͤrbten Flammen,
Und unbeſchreiblich buntem Schein,
Zu unſers Schoͤpfers Ehr allein,
Ein unverbrennlichs Kunſt-Feu’r ſiehet.
Mayen -43

Mayen-Bluhmen.

Auf! Herz und Aug, auf, auf! euch an der reinen Zier
Der Lilien-Convallien zu weiden!
Der groͤſſern Bluhmen Schmuck darfſt du bey mir,
Beliebtes Bluͤhmchen, nicht beneiden.
Man trifft in deiner Niedrigkeit
Ein angenemes Weſen an,
Wovon, wie uͤberall, man die Vollkommenheit
Mehr ſpuͤren als beſchreiben kann.
Mein GOtt! der Du, wie aller Dinge,
Auch dieſer Bluhme, Schoͤpfer biſt,
Gib, daß, da ſie ſo lieblich iſt,
Jch auch zu Deinem Ruhm von dieſer Bluhme ſinge,
So viel ich immer weiß und kann!
Jch ſehe dich mit Luſt, geliebtes Bluͤhmchen, an,
Da ich denn die Figur in der geformten Ruͤnde
Faſt kleinen Tulpen aͤhnlich finde:
Nur iſt der Unterſchied, daß hier derſelben viele,
Dort eine nur, an ihrem Stiele.
Doch nein, mich dencht anitzt, ich finde dieß in euch,
Jhr ſehet kleinen Glocken gleich,
Die ordentlich an gruͤnen Stangen
Jn einer Reihe hangen.
Ach moͤgte doch das Bild von dieſen kleinen Glocken
Mir eine Bet-Glock ſeyn,
Mich Dem zu danken locken,
Der ſo, wie dich, die ganze Welt,
Auch mich erſchaffen und erhaͤlt!
Jch wuͤnſch, daß dein Geruch das, was der Glocken-Schlag
Bey uns ſonſt wirken ſoll, bey mir verrichten mag!
Es gibt dieß Bluͤhmchen mir ein Bild der Einigkeit,
Da44Da all an einer Seite ſtehen,
Da all auf einen Vorwurf ſehen.
Sie haͤngen unter ſich, ſie ſcheinen ſich allein
Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.
Ach laſſet ſie auch uns ein Bild der Demut ſeyn,
Ach laſſet uns viel lieber in uns gehn,
Als neben andern uns erheben, ſie verachten!
Man uͤberhebe ſich der eig’nen Gaben nicht,
Und ſehe mehr auf ſich, als auf des Naͤchſten Fehler!
Erweg’t, wie oͤfters es geſchicht,
Daß GOtt ſowol die niedren Thaͤler
Als Berge fruchtbar werden ließ!
Aus unſers Bluͤhmchens Kelchen quillet
Ein angenemes Bitter-ſuͤß,
So unſer Hirn mit Nutz und Luſt erfuͤllet.
Man hat es lange ſchon bemerkt,
Wie dieſer Bluhmen Kraft ſo Hirn als Nerven ſtaͤrkt.
Wie in der Arzeney
Jhr Nutz ſo mannichfaltig ſey;
Hat ſich ſchon oftermals gewieſen.
Sie oͤffnet unſer Haupt im Nieſen,
Vertreib’t den Schlag, verjag’t die Gicht.
Jndem ich alſo denk, und bey den Bluhmen ſtehe,
Die Kraft erweg, und ihre Schoͤnheit ſehe;
So deucht mich, daß dieß Bluͤhmchen ſpricht:
Gedenk an GOtt und Seine Macht,
Der dich und mich hervor gebracht,
Der gegenwaͤrtig bey uns beiden,
Der allenthalben, nirgends nicht,
Und Dem durch deine Freuden
Der allerliebſte Dienſt geſchicht!
Die45

Die Ameiſe.

Jn dieſer holden Fruͤhlings-Zeit,
Da alles voller Glanz und neuer Herrlichkeit,
Trat ich, geruͤhrt durch ſolchen Schein,
Jn Frommholds ſchoͤnen Garten ein,
Woſelbſt in reinem Schmuck die ſaft’gen Baͤume bluͤhten,
Woſelbſt in bunter Gluht der Floren Kinder gluͤh’ten.
Ein jeder Vorwurf war recht unvergleichlich ſchoͤn,
Recht herrlich anzuſehn.
Ein Balſam-reicher Duft
Erfuͤllete die laue Luft.
Das Waſſer ſchien bemuͤht, mit tauſend bunten Bildern
Die glatte Flaͤche zu beſchildern.
Man ſah mit Luſt die ſchattigten Alleen
Jm gelblich-gruͤnen Schmuck der jungen Blaͤtter ſtehen.
Auf manchem Pomeranzen-Baum
Fand ich mit ungemeinem Prangen
Bey Silber-weiſſer Bluͤht faſt guͤld’ne Aepfel hangen,
Und kurz, mein Auge konnte kaum
Sich ſatt an ſolcher Schoͤnheit ſehen.
Jn dieſem holden Ort und ſchoͤnen Luſt-Revier
Erblickt ich einen Ameis-Haufen.
Jch ſah Verwund’rungs-voll dieß kleine Thier,
Mit unverdroſſ’nem Fleiß und eifriger Begier,
Sich ſtets bewegen, rennen, laufen.
Es eilte ſonder Ruh, und hatte keine Zeit,
Die ungemeine Pracht, die holde Zierlichkeit,
Veraͤnd’rung, Farben, Glanz, Schmuck, Ordnung, Seltenheit
Des Gartens anzuſehn. Ach! rief ich uͤberlaut:
Du ſcheinſt, wie ſehr mir auch vor der Vergleichung graut
Uns zum belehrenden Exempel vorgeſtell’t.
Die Ameiſ iſt der Menſch, der Garten iſt die Welt.
Der46

Der Froſch.

Jndem ich nun an dieſem ſchoͤnen Ort
Beſtaͤndig neue Wunder ſehe;
Erheb ich mich von meinem Sitz, und gehe
Mit ſanften Schritten wieder fort,
Worauf ich bald hernach
Jn einem nah geleg’nen Bach
Ein nicht unangenem Gewaͤſche
Geſchwaͤtziger und froher Froͤſche
Mit ungemeinen Freuden hoͤr’te,
Das, ob es gleich die Stille unterbrach,
Mich dennoch nicht in meinem Denken ſtoͤr’te.
Jch dachte dem verwirreten Geſchrey
Ein wenig nach,
Und fand, daß es nicht einerley,
Wol aber ſehr verſchiedlich, ſey.
Der eine qvackt, viel hundert qvarren,
Hier murret einer ſanft, wenn dorten tauſend knarren.
Wreckeckeckecks ſchrey’t der, dort einer, merk es, merk’s.
Merk’s, ſchrieen ihrer viel. Jch ſtutzte; rufeſt du,
Sprach ich, o kleiner Froſch, dem Menſchen: merk es, zu?
Gewißlich, du haſt recht: man macht ſo wenig Werks
Von aller Pracht und Schoͤnheit, die die Welt
Zumal im Fruͤhling, in ſich haͤlt,
Von allen goͤttlichen Geſchoͤpf - und Wunderwerken;
Daß wir nicht aufs[Geſchoͤpf], nicht auf den Schoͤpfer,
merken;
Daß47Daß man kaum einſt daran gedenket,
Sich ihrer nicht erfreu’t, noch weniger auf Den,
Der aller Dinge HErr, den Allgewaltigen,
Der alles herrliche geſchaffen und uns ſchenket,
Nebſt einem Dank die frohe Sele lenket.
Ach moͤgte man doch einſt, daß dieſes Suͤnde, faſſen,
Und ſich ſo gar vom Froſch daran erinnern laſſen!
Aufs wenigſte will ich, biſt du gleich noch ſo klein,
Beredter Froſch, dein aufmerkſamer Hoͤrer,
Du ſollt, ſo oft du ruf’ſt, mein Lehrer,
Dein merk’s ſoll meine Lehre, ſeyn.
Die48

Die Knoſpe.

Jch brach ein noch nicht ganz geoͤffnet Knoͤſpchen ab,
Das mir, als ich es recht beſchau’te,
Von GOttes weiſer Macht ſolch eine Probe gab,
Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau’te.
Jch ward daran ſo mancher Haut gewahr,
Die jede wie ein eigen Kleid,
Ja wie ein Pelz, der Bluͤhte Zaͤrtlichkeit
Fuͤr Froſt und andere Gefahr
Recht Wunder-wuͤrdig ſchuͤtzt und deckte.
Die Zahl derſelbigen, ſo ſich auf neun erſtreckte,
Wovon, ſo bald die Bluͤht zu ihrem Ausbruch eilet,
Sich jede wieder dreyfach teilet,
Doch allezeit an ſolchem Orte,
Woſelbſt der Oeffnung kleine Pforte
Ein and’re Haut, ſo alda ganz, entſprieſſt,
O Wunder! immer wieder ſchlieſſt;
Bewog mich, auf das neu, das albern Ungefehr
Der Atheiſten zu verlachen,
Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu
machen:
Ein Etwas, das vom Sinn und allem Denken leer,
Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits -
Schein
Fuͤr eine Sache Sorge tragen,
Und kluͤger, als die Klugheit, ſeyn.
Hier49Hier ſiehſt du Sonnen-klar,
Daß dieſer Haͤute Meng, ihr Rang, ihr zartes Har,
Zu nichts geſchaffen ſey, als dazu bloß allein,
Die zarte Bluͤhte fuͤr Gefahren
Der Kaͤlte, ſo die Luft noch fuͤllet, zu bewahren:
Jndem ſie, wenn die Bluͤht heraus, von allen
Gleich ab, und auf die Erde, fallen.
Laß, groſſer Schoͤpfer, mich doch oft in Deinen Werken
Von Deiner Weiſ heit, Lieb und Macht die Spuren
merken!
So oft wir junge Knoſpen ſehn,
So laß es Dir zur Ehr, in unſ’rer Luſt, geſchehn!
II. Theil. DDer50

Der Kuͤchen-Garte im Fruͤhlinge.

Das umgegrab’ne Garten-Land
Jſt kaum beſaͤ’t und wieder zugeeget;
So wird nicht lang hernach ein gruͤnliches Gewand
Daruͤber gleichſam hergeleget.
Es drenget ſich gar bald,
Und gleichſam mit Gewalt,
Jn einer zaͤrtlich-gruͤnen Zier,
Durch dunkel-braunen Grund, ein zartes Kraut herfuͤr.
Zu Anfang ſcheint das Grau der eb’nen Flaͤchen,
Wenn tauſend Blaͤtterchen, in ſtiller Emſigkeit,
An allen Orten durch ſie brechen,
Als waͤr ein gruͤner Staub daruͤber her geſtreu’t,
Der augenſcheinlich ſich verdicket,
Wodurch die milde Mutter ſich
Faſt ſichtbarlich
Mit einem gruͤnen Sammet ſchmuͤcket.
Man ſieht zugleich an ihnen mit Vergnuͤgen
Der Ordnung Zier, die ſchoͤnen Farben, an.
Es zeiget Saurampf, Kol, Spinat,
Kreß, Rettig, Peterſill, Salat,
Bey einem warm - und feuchten Fruͤhling-Wetter
Ganz unvermerkt die kleinen Blaͤtter.
Die meiſten ſieht man Wunder-ſchoͤn
Jn langen Linien in ſchoͤn’ſter Ordnung ſtehn.
Durch ſo gerade Zierlichkeit
Wird man nicht weniger, als durch die Farb, erfreut.
Man ſieht zugleich an ihnen mit Ergetzen
Die Ordnung, Zier und ſchoͤnen Farben an,
Zuſamt dem Unterſchied der Bildungen. Es kann
Ein51Ein wirtlich Herz zugleich hieran
Schon zum voraus den Nutzen ſchaͤtzen,
Da das, was aus der Erd in ſolchem Zierrat bricht,
Auch im Geſchmack uns tauſend Luſt verſpricht,
Jndem ein mannigfalt’ger Saft
Erfriſchung und auch Nahrungs-Kraft
Uns bey der Augen-Luſt zugleich verſchafft.
Wie daß denn nun, wenn ihr dieß alles ſehet,
Jhr Menſchen, es euch nicht zu Herzen gehet!
Wie daß ihr GOtt, der euch vergnuͤg’t und naͤhr’t,
Bey dieſer ſchoͤnen Augen-Weide
Aufs wenigſte zur Fruͤhlings-Zeit nicht ehr’t
Mit eurer Dank-begier’gen Freude!
Ach laſſt doch eure laue Bruſt
Durch ſolche Wunder dahin lenken,
Des groſſen Gebers, voller Luſt
Und froher Andacht, zu gedenken!
Erwaͤget Seine Lieb! Er will fuͤr alle Gaben
Ein Dank-begieriges und ſrohes Herz nur haben.
D 2Die52

Die Cyrene.

Erhebe doch aufs neu dein ſanftes Lob-Getoͤne,
Geruͤhrtes Herz! Der hohe Bluhmen-Baum,
Die Purpur-farbene Cyrene,
Verlangt mit Recht in deinen Liedern Raum.
Von allen Bluhmen weiß ich keine,
(Jndem ich keine Bluͤhte meyne)
Die hoͤher waͤchſt, die einen ſtaͤrkern Stiel,
Auch keine, die ſo viel
Zugleich gebohrne Kinder hat,
Die an Figur Ceylon’ſchen Naͤgelein,
Dem Amethiſt an Farben, aͤhnlich ſeyn.
Jhr ſonderlich Gewaͤchs koͤmmt mir nicht anders fuͤr,
Als ob in ihr
(Um durch Veraͤnderung zu ihrem Zweck zu kommen,
Die einzig unſ’re Luſt) ſich die Natur
Jn dieſer Bluͤhte vorgenommen,
Uns ein abſonderlich gebildete Figur
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm und unſ’rer Luſt zu zeigen.
Jch will demnach in deiner Pracht,
Zum Preiſe Deß, der dich gemacht,
O holdes Fruͤhlings-Kind, nicht ſchweigen.
Der Bluhmen kleiner Kelch, den man bewundern muß,
Jſt gleichſam angefuͤllt mit Gold; ihr zarter Fuß
Scheint kuͤnſtlich eingefaſſt
Jn einem gruͤnen Schmelz. Das Auge wird erfriſcht,
Wenn ich ein weißlich rot, ein rot und weißlich blau
So53So zart, ſo angenem vermiſcht
Auf ihren off’nen Blaͤttern ſchau.
Wie wenn der Sonnen Licht an reine Wolken ſtralet,
Jhr Glanz dieſelben oft als Purpur malet;
So ſcheint dein Gipfel in der Luft
Ein roͤtlich-blau gefaͤrbter Duft,
Ein purpurnes Gewoͤlk, zu ſeyn.
Wann aber ich ein wenig in der Naͤhe
Die ſchoͤnen Bluhmen, die ſo klein,
An einer Bluhm in ſolcher Ordnung ſehe;
So kann man nicht mit groͤſſerm Wolgefallen
Der Feder-Buͤſche lieblichs Wallen,
Als euren Bluhmen-Buſch, ſich ſanft bewegen ſehn.
Die praͤchtige Figur iſt, wie die Farbe, ſchoͤn;
Es iſt jedwede Bluhm ein ganzer Bluhmen-Strauß.
Es ſieht recht unvergleichlich aus,
Wenn in die tauſend oft an einem Stengel ſtehn,
Wodurch ſie, da ſie ſich ſo angenem vereinen,
Nicht nur an Farb und Bildung ſchoͤner ſcheinen;
Selbſt des Geruches Eigenſchaft
Wird ſo viel lieblicher durch die vereinte Kraft.
Man wird im bunten Bluhmen-Reich
Was ſtaͤrkers wol, nicht leicht was ſanfters, riechen koͤnnen.
Man wird nicht viel, ſo dir an Anmut gleich,
Noch minder, ſo dich uͤbertreffen, nennen.
Es kommt mir der Geruch, den mein Geruch in dir
Voll ſuͤſſer Lieblichkeit entdecket,
Faſt recht natuͤrlich fuͤr,
Wie ſuͤſſe Mandel-Milch der leckern Zunge ſchmecket,
D 3Die54Die unſer Blut, wie du das Hirn, erfriſcht;
Doch iſt in dir noch etwas eingemiſcht,
Woran ſich unſer Geiſt in tauſend Freuden,
Wenn er im Riechen denket, weiden,
Das aber, nach Verdienſt, kein Kiel beſchreiben, kann.
Ach GOtt! Der Du ſo groſſen Unterſcheid
Von Anmut und von Lieblichkeit
Den ſchoͤnen Bluhmen eingeſenket,
Und uns die Faͤhigkeit, zu riechen, haſt geſchenket;
Gib, daß ich nie die Anmut dieſer Bluhme
Genieſſen moͤg, als, HErr, zugleich zu Deinem Ruhme!
Zieh ihre Balſam-Kraft mit deinem Athen ein,
Geliebter Menſch, nebſt mir, damit du dich erqvickeſt:
Doch laß ihn ſtets, ſo oft du ihn zuruͤcke ſchickeſt,
Durch ein: GOtt Lob! begleitet ſeyn!
Anmu -55

Anmutige Fruͤhlings-Vorwuͤrfe.

Jch hoͤre die Voͤgel; ich ſehe die Waͤlder;
Jch fuͤle das Spielen der kuͤlenden Luft;
Jch rieche der Bluͤhte Balſamiſchen Duft;
Jch ſchmecke die Fruͤchte. Die fruchtbaren Felder;
Die glaͤnzenden Wieſen; das funkelnde Naß
Der thauigten Tropfen; das wallende Gras
Voll lieblicher Bluhmen; das ſanfte Geziſche
Der mancherley lieblich beblaͤtterten Buͤſche;
Das murmelnde Rauſchen der rieſelnden Flut;
Der zitternde Schimmer der ſilbernen Flaͤche
Durch gruͤnende Felder ſich ſchlaͤnglender Baͤche;
Der flammenden Sonne belebende Gluht,
Die alles verherrlichet, waͤrmet und ſchmuͤcket:
Dieß alles ergetzet, erqvicket, entzuͤcket
Ein Auge, das GOtt in Geſchoͤpfen erſieht,
Ein Ohr, das den Schoͤpfer verſtehet und hoͤret,
Ein Herze, das GOtt in den Wundern verehret,
Kein viehiſch, nur einzig ein Menſchlich, Gemuͤt.
D 4Die56

Die redende Bluhme.

Geliebter Menſch, komm, ſieh in mir
Des Schoͤpfers Lieb und Allmacht an!
Jſt’s moͤglich, daß ſich ſolche Zier,
Als wie die meinige, von ſelbſt wol bilden kann?
Nimm ein Vergroͤſſ’rungs-Glas, und ſiehe,
Was die Natur hervor gebracht!
Sieh gleichſalls alles an, was mit ſo groſſer Muͤhe
Und aller Kunſt der Menſch gemacht!
So wirſt du tauſend Lieblichkeiten
Jn jenen alſobald entdecken,
Und ſehn, wie Grob - und Unvollkommenheiten,
Die nicht zu zaͤhlen ſind, in dieſen ſtecken.
Du haſt ſo viel Vollkommenheit;
Du weiſt ſo manche Kunſt zu faſſen:
Sprich: kann wol deine Tuͤchtigkeit
Das kleinſte Bluͤhmchen werden laſſen?
Soll denn ein blindes Ungefehr,
Was du nicht kannſt, verrichten koͤnnen,
Und willt du lieber ihm die Ehr,
Als einer groͤſſern Weiſheit, goͤnnen?
Beſinne dich! es kann nicht ſeyn.
Wir ſind ja gar zu wol gebildet;
Zu ſchoͤn iſt unſ’rer Farben Schein.
Wenn wir verſilbert und verguͤldet,
Ja aus Rubinen, aus Sapphir
Geſchnitten und bereitet waͤren;
So57So wuͤrde ſich doch unſ’re Zier
Viel eher mindern, als vermehren.
Darum ſo ſchau noch heut uns an,
Weil keiner dich verſichern kann,
Daß du uns morgen wieder findeſt.
Ach wenn du dieß zugleich auch ſo verſtuͤndeſt,
Daß wir vermutlich dir:
Doch du uns ebenfalls kannſt, weichen.
So ploͤtzlich als wie wir,
So ploͤtzlich kannſt auch du, erbleichen.
Wer weiß, ob wir darum allein
Nicht bloß ſo fluͤchtig worden ſeyn,
Daß, die Betrachtung zu verſchieben,
Dir kein Entſchuldigungen blieben.
D 5Noch58

Noch eine Bluhme, die redet.

Mein Bruder, lieber Menſch, (verwundere dich nicht,
Daß meine Wenigkeit zu dir: mein Bruder! ſpricht.
Jch habe Recht dazu, du wirſt es ſelbſt geſtehen,
Wenn du mich angehoͤr’t, und mich recht angeſehen.)
Mein Bruder, ſprech ich denn noch einmal, ſage mir,
Wie kommſt du dir ſo groß, ich ſo veraͤchtlich, fuͤr?
Sind wir durch eines Schoͤpfers Macht
Nicht alle beyd hervor gebracht?
Jſt deine Mutter nicht die Erde, ſo wie meine?
Werd ich von ihr nicht auch ſo wol, als du, genaͤhrt?
Wie dein, iſt auch mein, Leib mit Adern ganz durch-roͤhrt,
Und dieſe ſind mit Saft ſo wol gefuͤllt, als deine.
Jch habe zwar nur eins, du aber haſt zwey Beine;
Doch uͤberhebe dich des Vorzugs halber nicht,
Weil ſonſt ein Ochs zu dir
Mit ja ſo groſſem Rechte ſpricht:
Wie karg iſt gegen dich die guͤtige Natur,
Armſelige zwey-beinigte Figur!
Hab ich nicht ihrer vier?
Sprich ferner nicht: ich kann mich ruͤhren, laufen, gehen;
Du arme Bluhme muſt beſtaͤndig ſtille ſtehen.
Sprich, ſag ich, nicht alſo: ſonſt werd ich Voͤgel kriegen,
Die ſagen: iſt der Menſch nicht plump? er kann nicht fliegen.
Ey, pochſt du, ganz von Eifer rot,
Wie elend, wie veraͤnderlich und fluͤchtig,
Seyd ihr, wie ſo vergaͤnglich und wie nichtig!
Biſt du nicht auch, wie wir, vielleicht ſchon morgen todt,
Und muſt du nicht ſo wol zu Erden,
Als ich mit meinen Blaͤttern, werden?
Mehr Faͤlle richten dich als uns zu Grunde.
Wir59Wir reden: du biſt ſtumm, ruſ’ſt du mir ferner zu.
Ach hoͤre, lieber Menſch! mit meinem ſtummen Munde
Lob ich den Schoͤpfer mehr, als du.
Jch will nicht einſt von meiner Schoͤnheit ſagen,
Worin der Vorzug ja unſtreitig mir gebuͤhrt,
Nicht von dem lieblichen Geruche, der dich ruͤhrt;
Denn, wie mich deucht, ſo hoͤr ich dich ſchon fragen,
Und zwar nicht ſonder Heftigkeit:
Armſeligs Nichts, bey der Vollkommenheit,
So die Natur dich wuͤrdigt, dir zu ſchenken,
Kannſt du gedenken?
Die Ahrt, wie ich gedenk, iſt anders zwar, als deine,
Das geb ich zu;
Alleine
Wofern auch du,
Wenn du mich ſiehſt, nicht gleich dein Denken lenkeſt
Auf Den, Der uns gemacht,
Und an den Schoͤpfer nicht gedenkeſt,
Der uns ſo wunderbar hervor gebracht,
Der dir dein Weſen ſo, wie meines mir, gegeben;
So haſt du, glaub es mir, in deinem ganzen Leben
Nicht weniger als ich, ſo gut als nichts, gedacht.
Die60

Die Narciſſe.

Der Abend brach bereits herein,
Man konnte durch der Erde Drehen
Nicht mehr der Sonne guͤld’nen Schein,
Kaum noch den Reſt der Abend-Roͤte, ſehen.
Die kuͤle Daͤmmerung wich allgemach,
Und trat nun nach und nach
Jhr Reich, worin es keine Schatten gab,
Der Koͤniginn der Schatten ab;
Als ich mich noch einmal
Jn meinen Garten hin verfuͤg’te,
Und an dem ſanften Reſt der Farben mich vergnuͤg’te,
Der kaum mehr ſichtbar war. Da fiel ein ſchnelles Licht
Von ungefehr mir in’s Geſicht.
Wie, dacht ich, ſeh ich denn im dunkeln
Auch Sternen auf der Erde funkeln?
Der ſchimmernden Narciſſen Schein,
Die an Figur und Glanz faſt Sternen aͤhnlich ſeyn,
Schien gleichſam mit der falben Nacht zu kaͤmpfen,
Bemuͤhte ſich, die ſchwarze Macht zu daͤmpfen.
Jch ſahe ſie, mit Anmut und Vergnuͤgen,
Bald hier bald dort zuerſt gewaltig ſiegen;
Allein ſtatt daß die Dunkelheit der Nacht
Der Sternen Heer uns hell und ſichtbar macht,
Ward dieſer ird’ſchen Sterne Glanz
Gar bald vom Schatten uͤberwunden,
Jhr Schimmer, Stral und Licht verſchwunden.
Dieß war mir Anfangs leid; doch fielen mir
Zu meinem Troſt zween Gruͤnde bey:
Der erſte war, daß der Narciſſen Zier,
Beruͤhmter Triller, ſchon von dir
Jn Deiner ſchoͤnen Schrift ſo ſchoͤn beſchrieben ſey,
Daß61Daß ihr dadurch nicht nur, weil ich euch nicht beruͤhret,
Geliebte Bluhmen, nichts verlieret:
Nein, ihr ſeyd wuͤrklich mehr,
Jndem ich ſchweig, als wenn ich euch geruͤhmt, geruͤhmet.
Der and’re Troſt war, daß des Himmels Buͤhne
Faſt weniger geſtirnt ſchien als bebluͤhmet,
Da an demſelben, GOtt zur Ehr,
Ein ungezaͤhltes Heer
Von himmliſchen Narciſſen ſchiene.
Muß ich gleich euren Schimmer miſſen,
Jhr Sternen-foͤrmige Narciſſen;
Darf ich darum nicht traurig ſeyn.
Jch ſeh an den Sapphirnen Zimmern
Der himmliſchen Narciſſen Schein
Jn noch weit hellerm Lichte ſchimmern.
Doch uͤbereilen mich Furcht, Anmut, Luſt und Grauen,
Ein etwas reizet mich, und ſchreckt zugleich, die Pracht
Des Gartens, welchen GOtt im Firmament gemacht,
Nur in Gedanken anzuſchauen.
Ach welch ein Garten! deſſen Raum
Selbſt die Unendlichkeit zu Grenzen, und an ſtatt
Der Bluhmen Welt und Sonnen, hat.
Ach welche Bluhmen! welche Groͤſſe!
Ach welcher Glanz! ach welcher Schein!
Mich nimmt ein heiligs Schaudern ein,
Wenn ich der Bluhmen Schmuck ermeſſe.
Sprich nicht, mein Leſer, hier: du denk’ſt nicht, wie man ſoll.
Wird der Unendlichkeiten Schoß
Mit Recht auch die Vergleichung wol
Von einem Garten leiden koͤnnen,
Und kannſt du etwas Bluhmen nennen,
Das Millionen Meilen groß?
Ach62Ach ja, geliebter Menſch! der Einwurf ſcheinet zwar
Nicht ungereimt zu ſeyn;
Alleine
Erwege nur,
Daß ich den Garten nicht von einer Creatur,
Nein, eines Schoͤpfers Garten meyne,
Vor welchem alles klein.
Du ſtelleſt dir
Den HErrn der Welt nicht anders fuͤr,
Als einen groſſen Herrn, ſo etwan hin und her
Jn ſeinem groſſen Garten gehet,
Der, wenn er mit dem Herrn als in Vergleichung ſtehet,
Je groͤſſer ſein Revier, ihn deſto kleiner macht.
Ach aber nein. Der Schoͤpfer aller Dinge
Jſt nicht, wie ein Monarch, nur bloß
An einem Ort allein;
Nein allenthalben groß,
Jndem er nirgends nicht. Er ſchlieſſt die Ewigkeiten,
Sie aber Jhn nicht, ein.
Es kennen Seine Groͤſſ und Vollenkommenheiten,
Als die unendlich, keine Schranken.
Wenn meine Sele nun von Seiner Werke Pracht
Sich in vergnuͤglichen Gedanken
Das Bild von einem Garten macht,
Und GOtt als wie den HErrn von ſolchem Garten ehret,
Dem Millionen Seraphinen,
Da ſie der Bluhmen-Heer als Gaͤrtner warten, dienen;
Wird Seine Groͤſſe mehr vermindert als vermehret,
Und es gereicht mehr mir zur Luſt, als Jhm zum Ruhme.
Denn alles was wir ſehn, ja aller Sonnen Raum
Jſt gegen unſern Schoͤpfer kaum
So groß, als gegen uns die allerkleinſte Bluhme.
Die63

Die Ranunkel.

Jm Fruͤhling, da das Feld und alles lieblich bluͤhte,
Zu Mittag, als im Stral der Sonnen alles gluͤhte,
Trat ich, ſowol von Luſt als froher Andacht heiß,
Jn meinen Garten ein. Von aller Blaͤtter Zungen,
Von aller Bluhmen Glanz ward GOttes Macht beſungen
Jn einem ſanften Ton. Ein recht lebendig Gruͤn
Der Kraͤuter, ſamt dem Schmuck der Bluhmen zeigten Jhn
Und Seine Gegenwart. Die weiſſ - und rote Bluͤhte,
Als Muͤtter ſuͤſſer Frucht, die ſtellten Seine Guͤte
Jm Schmuck und Nutzen dar. Die Luft, voll ſuͤſſer Gluht
Und heit’rer Fruchtbarkeit, die Silber-reine Flut
Voll Fiſche, Glaͤtt und Glanz, zumal die Pracht der Erde,
Verdien’t, ſprach ich, ja wol, daß Der beſungen werde,
Der ihren Schmuck gemacht, durch Deſſen Huld allein
Zu unſ’rem Nutz ſo viel Geſchoͤpf erſchaffen ſeyn.
Denn bloß in unſ’rer Luſt, zu ihres Schoͤpfers Ruhme
Entſprieſſet jede Pflanz, und faͤrb’t ſich jede Bluhme.
Jch wandte mich darauf zur Rechten, wo ein Heer
Von bunten Bluhmen ſtand, und ward von ungefehr
Verſchiedener gewahr,
Die alle roͤtlich bluͤh’ten,
Und doch in wunderbar
Verſchied’ner Roͤte gluͤh’ten.
Der Anemonen Rot war dem Zinnober gleich,
Wenn die Paͤonie von dunklem Purpur reich,
Die Roſ an Fleiſch-Farb war. Doch wurden ſie beſieget
Durch noch ein ſtaͤrker rot, das ich zur linken Hand
An einem andern Ort faſt mit Erſtaunen fand,
Als waͤr es wuͤrklich Feu’r. Jch ſah ein glimmend funkeln,
Geſchuͤr’ten Kolen gleich. Viel brennender Ranunkeln
Faſt lodernd-gluͤhender und dunkel-roter Schein
Schien nicht wie Feu’r gefaͤrb’t; recht wuͤrklich Feu’r, zu ſeyn,
Zu64Zu brennen, wie die Gluht, zu blenden, wann zumalen
Die Sonn ihr helles Feu’r mit unbewoͤlkten Stralen
Auf ihre Blaͤtter warf. So ſtark ſind wenig Augen,
Die dieſen roten Glanz ſtarr anzuſchauen taugen.
Ein Scharlach, Sammt, Damaſt, und waͤr er noch ſo rot,
Sind gegen dieſen Grad entfaͤrb’t, erbleichet, todt.
Man ſieht ein rotes Licht mit einem roten Schatten
Sich recht verwunderlich in ihren Blaͤttern gatten,
Und aus derſelben Band recht wunderſchoͤn
Ein roͤtlich Daͤmm’rungs-Licht bald hier bald dort entſtehn.
Durch dieſen roten Schein, durch dieſes Feuers Pracht
Ward mein geruͤhrter Geiſt zur Andacht angefach’t.
So wie des Feuers Gluht die ſtrenge Kaͤlte lindert,
Und vom verhaſſten Froſt den ſtarren Leib befrei’t;
So fuͤl ich, daß den Froſt der Unempfindlichkeit
Der Bluhmen roter Brand in meiner Sele mindert,
Daß ihre Feuer-Farb in mir ein Feu’r erweckt,
Ein geiſtigs Andachts-Feu’r, das ſich zu Dem allein
Der Anmut, Farben, Form, Licht, Schoͤnheit, Glanz und
Schein
Jn alle Dinge floͤſſt, mit frohen Flammen ſtreck’t.
Unerſchoͤpflichs helles Meer
Aller Vollenkommenheiten,
Schoͤnheit und Vortrefflichkeiten!
Deiner Creaturen Heer
Zeiget, in dem Unterſcheid
Jhrer Form - und Farben Pracht,
Wie ſo herrlich Deiner Macht,
Deiner Weiſ heit, Deiner Liebe
Und derſelben holden Triebe
Wahrheit und Unendlichkeit.
Die65

Die Wieſe.

Da, wo der gruͤnen Erlen-Waͤnde
So lieblich-dunkler Gang zum Ende,
Erblicket man ein flaches Feld.
Wenn dieſes die Natur mit Bluhmen malet,
Und es der Sonnen Glanz beſtralet,
Jſt faſt nichts ſchoͤner auf der Welt.
Jch hab es einmal wunderſchoͤn
Jn einem roten Glanz, vor Luſt erſtaunt, geſehn.
Viel hundert tauſend Bluhmen bluͤh’ten,
Die, weil ſie auf erhab’nen Stielen
Jn einer holden Roͤte gluͤh’ten,
Von weitem faſt allein mir in die Augen fielen.
Es war des Graſes friſches Gruͤn,
Durch ihre Menge, faſt verſtecket,
Und, weil von weitem ſie ſich zu vereinen ſchien,
Ließ es mit glaͤnzendem gefaͤrbten Taft bedecket,
Deß weißlich Rot am Glanz und ſanfter Lieblichkeit
Die Pfirſch-Bluͤht uͤbertraf. Noch ſah man hier und dort,
Wie ſchoͤn verſchied’ne Plaͤtz in ſehr verſchied’nem Gruͤnen
Hier wie ein gruͤner Taft, an einem andern Ort
Wie dunkel-gruͤner Sammet, ſchienen.
Es ſtellt ſich mancher Platz voll bunter Bluhmen dar.
Das Feld war unbeſchreiblich ſchoͤn,
Und faſt natuͤrlich anzuſehn,
Als ob in einem reich - und groſſen Kaufmanns-Laden
Ein bunter Schatz von guͤld - und ſilbernen Brocaden
Zur Schau geleget war.
Mich reizte dieſe Pracht, ſie naͤher zu beſchauen.
Jch trat mit frohem Fuß auf die begraſ’ten Auen;
Doch unterbrach mir oft die Schoͤnheit meinen Schritt,
II. Theil. EJch66Jch hinterhielt oft ſelbſt beſchaͤm’t den Tritt,
Der ſchon begonnen war. Das junge friſche Gras,
Vermiſcht mit zartem Klee, ſchien oͤfters meinen Fuͤſſen
Ein ſanft - und weiches zwar doch gar zu praͤchtigs Kuͤſſen.
Um nun nicht gar zu viel von ſelbem zu verletzen
Durch einen oͤftern Tritt, beſchloß ich mich zu ſetzen,
Und ſo zugleich
Jn froher Luſt, zu GOttes Ruhm allein,
Zu lernen und zu lehren,
Wie ſchoͤn der Wieſen Schmuck, wie Form - und Farben-reich
Die Kraͤuter, Gras und Bluhmen ſeyn.
O GOtt, allgegenwaͤrt’ge Quelle
Von aller Schoͤnheit, ſo die Welt
Jn ihrem weiten Kreiſ enthaͤlt,
Wie groß iſt Deine Macht! was zeiget jede Stelle
Uns fuͤr Veraͤnderung! wie iſt der Unterſcheid
So unbegreiflich groß! o Menſch, beſinne dich,
Der du bisher, betrogen durch den Schein,
Das Feld nur uͤberhin, als waͤr es gruͤn allein,
Unachtſam angeſehn, es bloß begraſ’t geachtet,
Und ſo, wie ohne Luſt, auch ſonder Dank, betrachtet.
Wie nuͤtzlich und wie mancherley
Der holde Schmuck der Felder ſey,
Wie angenem, wie ſchoͤn,
Denk ich, zu GOttes Ruhm, noch ferner zu beſehn.
Jndem in mancher gruͤnen Tiefe
Mein Auge hin und wieder liefe,
Macht eine dunkel-gruͤne Stelle
Die liebliche Vergiß mein nicht,
Faſt wie ein kleines blaues Licht,
Mit holdem Schimmer, gleichſam helle.
Die Himmel-blaue Farbe machte,
Daß ich, voll Froͤhlichkeit, auch an den Himmel dachte.
Der Sternen-foͤrmige faſt guͤld’ne kleine Schein
Jm67Jm blauen, ſchien mir recht ein Sternen-Bild zu ſeyn.
Jch freu mich uͤber dich, holdſeligs Bluͤhmelein!
Du kannſt, wenn wir in dir den Schoͤpfer preiſen,
Mir einen ſchoͤnen Weg zum Himmel weiſen.
Man kann in deinen kleinen Sternen
Den HErrn der Sterne ruͤhmen lernen;
Doch wie wir an des Himmels Hoͤhen
Nicht lauter guͤld’ne Sterne ſehen;
So ward ich neben ihnen
Bald einer weiſſen Sternen-Schar
Jn Marjen-Bluhmen auch gewahr,
Die in dem holden Dunkel-gruͤnen
An Bildung Sternen gleich, an Farben Silber, ſchienen.
Die Menge, die Figur, die Farben und der Glanz
Die uͤberredeten mich ganz,
Daß ihre Schoͤnheit nicht geſchaffen,
Damit wir ſie
Wie das gehoͤrnte Vieh
Nur noͤtig haͤtten an zu gaffen;
Nein aber wol, daß jeder Form und Schein
Zu Dem, Der ſie gemacht, uns ſollt ein Leit-Stern ſeyn.
Noch ſah ich mit Vergnuͤgen dort,
Die lieblich riechenden Camillen
So manchen Ort
Mit zwiefach holder Zierde fuͤllen.
Es ließ ihr gelb - und weiſſer Glanz ſo ſchoͤn,
Als wenn in ſilbernen polir’ten Schalen
Wir kleine guͤld’ne Aepfel ſehn.
Bey aller Schoͤnheit ſah ich auch,
Wie ein erhab’ner Dieſtel-Strauch
Sein zackigt Laub mit ſchoͤnen Bluhmen kroͤn’te,
Und wie derſelben Purpur-Glanz
Faſt alle niedern Bluhmen ganz
Beſieget und verhoͤn’te.
E 2Er68Er war, den holden Roſen gleich,
An ſcharfer Dornen Spitzen reich.
Jch ſahe ſeinen Stolz bewundernd an.
Denn ob gleich ſeine ſtarre Spitzen
Mehr Schaden bringen, als ſie nuͤtzen,
Und einem kleinen Stachel-Schwein
Jm Bluhmen-Reiche faſt ganz aͤhnlich ſeyn;
So iſt doch ihr Gewaͤchs ſehr kuͤnſtlich anzuſehn.
Es iſt der runde Knopf
Vortrefflich ſchoͤn,
Als wie mit einem Netz, umgeben,
Auf welchem an dem netten Bluhmen-Kopf
Viel duͤnne Blaͤtter ſich erheben,
Jn deren jedem noch viel duͤnne weiſſe Spitzen
Jn ſchoͤner Ordnung ſitzen.
Nachhero wandt ich Blick und Sinn
Auf die ſo mannigfach geformten Kraͤuter hin,
Jn welchen GOtt aufs neu ein ganzes Feld
Voll Wunder uns vor Augen ſtellt.
Wie reich erzeigt ſich doch die bildende Natur
Jn mannigfaltiger Figur,
Die ſie den Kraͤutern beygeleget,
Da manches recht wie ſcharfe Spieſſe
Mit ſeinen ſpitzen Blaͤttern lieſſe.
Dem war die Bildung eingepraͤget
Von einer Zung, und dort ſchien eines, wie ein Herz;
Hier ſahen unterſchied’ne Ahrten
Recht aus wie krauſe Helleparten;
Wie Loͤffel ſchienen ihrer viele,
Die allen Regen durch die Stiele
Gemaͤchlich nach dem Stamm und nach der Wurzel, fuͤhren,
Von welchen allen ich das Gras zuſamt dem Klee,
Jedoch am allerliebſten ſeh.
Wie lieblich ſind des Graſes gruͤne Spitzen,
Die69Die teils gebogen ſind, und teils gerade ſtehn;
Zumal wenn ſie, beſtral’t vom Licht der Sonne, blitzen,
Wodurch die Haͤlfte gelblich gruͤn,
Die and’re gruͤnlich weiß, ja oft wie Silber, ſchien.
Wobey ich, wie geſag’t, den drey-belaubten Klee
Mit Luſt ſo dicht verſchrenket ſeh,
Daß hin und wieder kaum durch ihrer Blaͤtter Ruͤnde,
Die ich bald groß, bald klein, mit tauſend Anmut finde,
Des Graſes zarte Spitzen dringen.
Gewiß, es kann ein ſolcher Platz,
Mit zartem Klee bedeckt, uns einen rechten Schatz
Von Anmut und Vergnuͤgen bringen.
Jndem ich nun das Feld in gelblich-gruͤner Gluht,
Jn einer blauen, Luft und Flut,
Vom Sonnen-Glanz beſtral’t, erblickte;
Sah ich, wie hie und da ſich mancher Ort
Mit kleinen Erlen-Buͤſchen ſchmuͤckte,
Durch deren Blaͤtter dunkel-gruͤn,
Abſonderlich an beyden Seiten,
Des Graſes gruͤnlich-gelb noch einſt ſo lieblich ſchien.
Wenn ein Buſch hier geteilet ſtund;
War dort ein anderer, der rund,
Bey welchem man oft fern, oft nah
Verſchied’nes nied’re Buſchwerk ſah,
Wovon der dunklen Schatten Menge
Jn unterſchied’ner Breit und Laͤuge
Sich Strich-weiſ auf die Wieſe ſtreckte,
Und hier und dort das helle Feld bedeckte,
Wodurch denn auf hell-gruͤnem Grunde,
Durch die im Licht vermengte Dunkelheit,
Ein Anmuts-reiche Luſtigkeit,
Die alles rings umher erfuͤllt, entſtunde.
Noch konnte man die Augen laben
An vielen langen Waſſer-Graben,
E 3Die70Die in geradem Strich die Wieſe teilten,
Jndem derſelben Rand
Voll ſchoͤner Waſſer-Bluhmen ſtand.
Wie manche gelbe Jris bluͤh’te!
Wie manche Purpur-Bluhme gluͤh’te!
Wie manche wilde Flieder ſchien
Durch das Smaragden-gleiche Gruͤn
Des ſchwanken Schilfs, der glatten Binſen,
Jn der durchſichtigen und klaren Flut,
Worauf von netten Waſſer-Linſen
Bald hier bald dort ein gruͤner Teppich ruht;
Da aber, wo das Waſſer klar
Und von dem Erlen-Buſch beſchattet war,
Verdoppelt ſich des Ufers bunte Zier.
Hier zeig’t ſich durch das Laub der himmliſche Sapphir
Samt weiſſer Wolken Silber-Schein,
Wobey denn oftermal
Der Sonne guͤld’ner Stral,
Der ſich bis auf den Grund erſtrecket,
Auch das, was auf dem Grund vorhanden,
Uns zeiget und entdecket.
O Schoͤpfer Himmels und der Erde,
Gib, daß mein Herz geruͤhret werde!
Daß ich, ſo oft ich ſchoͤne Wieſen
Erblicke, ſie mit Luſt und Andacht ſeh;
Daß ich, durch ſie vergnuͤg’t, Dich, ihren HErrn,
erhoͤh,
Und denke: Groſſer GOtt, ſey hier und dort ge -
prieſen!
Das71

Das Moß.

Es iſt kein gruͤner Sammt ſo ſchoͤn,
Als wie das dunkel-gruͤne Moß
Oft uͤm - oft in der Baͤume Schoß.
Man kann nicht leicht was netters ſehn,
Als die ſo zart formirten Spitzen,
Die dichter noch zuſammen ſitzen,
Als wie die Seid am Sammtenen Gewand.
Es iſt zugleich
So ſanft, ſo weich,
Daß, wenn man es nicht ſaͤh und wuͤſte,
Es ganz unfehlbar unſ’re Hand
Fuͤr wahren Sammet halten muͤſte.
Zuweilen waͤchſt mit neuer Farb und Zier
Aus altem Moß ein junges Moß herfuͤr,
Das wunderlich formir’t und aus der Maſſen ſchoͤn
Jm Unterſchied der Farben anzuſehn.
Denn wenn ein ſaftig dunkel-gruͤn
Das alte Moß gefaͤrb’t; ſo zeigt das neue ſich
Recht eigentlich
Als wie ein Seladon. Ein weißlich gruͤnes Blat,
Das zierlich, kraus und breit,
Da jenes laͤngliche gerade Blaͤtter hat,
Zeigt ſich in ſolcher Nettigkeit,
Daß die darob erſtaunten Augen
Sich dran kaum ſatt zu ſehen taugen:
Jndem ſie in den gruͤnen Gruͤnden
E 4Veraͤn -72Veraͤnderungen ohne Zal
Von allerhand Gewaͤchſen finden.
Bald ſieht man kleine Kolben ſtehn,
Bald kann man kleine Schwaͤmme ſehn,
Bald tauſend Kraͤuter, die ſo klein
Und doch ſo nett gebildet ſeyn.
Jch ſeh in dir ein unlaͤugbare Spur,
Wie emſig die geſchaͤfftige Natur,
Doch zeigſt du mir, geliebtes Moß, aufs neu,
Daß unſer GOtt auch groß im Kleinen ſey.
Die73

Die Korn-Bluhme.

Als Gott-lieb juͤngſt das reifende Getreide
Jn einer ſanften Luft, mit ſuͤſſer Freude,
So lieblich wallen ſah; fiel ihm ein blaues Licht,
Das hier und dort durchs Gold der Aeren ſpielte,
Ganz unvermutet ins Geſicht:
Wodurch er ſich aufs neu geruͤhret fuͤl’te.
Es glaͤnzte recht als ein Sapphir
Die Korn-Bluhm in der ſchoͤn’ſten Zier.
Durch dieſen Schmuck gereizt, brach er ein Bluͤhmchen ab,
Das ihm des ſchoͤnen Himmels Blau,
Wenn er erheitert iſt, mit Luſt zu ſchauen gab.
Jndem ich deinen Schmuck beſchau,
Sprach er, o angeneme Bluhme,
Werd ich zu dein - und meines Schoͤpfers Ruhme
Von neuen angefriſcht. Die netten Blaͤtter ſtehen
Jn Regel-rechter Ruͤnd, in ſolcher Zierlichkeit,
Daß wir in lieblicher Vollkommenheit
Recht einen nett-geflocht’nen Cranz
Jn jeder Bluhme ſehen.
Du giebſt, durch deinen reinen Glanz,
Von deinem Himmel-gleichen Kleide
Den Augen eine ſuͤſſe Freude.
Du wirſt zwar, ob du noch ſo ſchoͤn,
Ob deine Farb auch noch ſo lieblich pranget,
Vom Geizigen nicht gern geſehn,
Dieweil er da, wo du ſtehſt, Korn verlanget.
E 5Wenn74Wenn aber er jedoch mit Murren nichts gewinnt;
So ſey, geliebtes Menſchen-Kind,
Nicht ſo geſinnt!
Beſtrebe dich darnach, und bleib mit dem vergnuͤget,
Wie es im Zeitlichen dein Schoͤpfer fuͤget!
Denn auch im groͤſten Ueberfluß
Fel’t es doch nimmer an Verdruß.
Hingegen erndtet man ein ganz gewiſſes Gluͤck,
Wenn man den aufgeklaͤr’ten Blick
Mit Achtſamkeit auf alles lenket,
Weil alles ſchoͤn, was die Natur uns ſchenket,
Und, wenn man des Geſchoͤpfs ſich freut,
Bey ihrer Herrlichkeit
Zugleich auch an den Schoͤpfer denket.
Ein75

Ein alter umgeweheter Kirſch-Baum.

So muß dich denn zuletzt der wilde Nord zerſpalten,
Da dein Verdienſt, wodurch du dich erhalten,
Das Beil oft von dir abgekehrt,
Weil ſonſt dein Stand die Durchſicht mir verwehrt?
Ob ich nun gleich dadurch bey deinem Scheiden
Faſt mehr gewonnen, als verloren;
So ſeh ich dich doch mit betruͤbten Freuden
Jn deinem Lager an.
Es hat dich dein Verdienſt beſchuͤtzet:
Dieß dein Verdienſt begleitet dich
Zu der Zeit auch, da grimmiglich
Ein Wetter auf dich ſtuͤrmt und blitzet.
Dein laͤngſt-geborſt’ner Stamm hat eh nicht brechen wollen,
Als bis du mir zu guter letzt
Das, was ich an dir hoch geſchaͤtzt,
Die reifen Kirſchen, noch haſt koͤnnen zollen.
Die Kinder, die ſich bis daher
Mit aufgeſchlag’nem Aug an deiner Frucht ergetzet,
Betruͤben ſich; doch freuen ſie ſich mehr,
Jndem ſie ihren Wunſch, die reifen Kirſchen, nun,
Wodurch dein Haupt bisher ſich pflag zu ſchmuͤcken,
Jtzund, wie ſie mit Jauchzen thun,
Jn deinen Zweigen ſelber pfluͤcken.
Sie koͤnnen nunmehr, ohn Gefahr,
Auf deinen ſonſt erhab’nen Gipfel ſteigen.
Bald76Bald halb verdeckt, bald ganz und gar
Sieht man ſie in den gruͤnen Zweigen
Mit kindiſchem Gewuͤl und frohem Laͤrmen
Geſchaͤfftig ſchlupfen, huͤpfen, ſchwaͤrmen.
Kein einziger von ihnen denkt daran,
Wie es nun auch das letzte mal,
Daß er der ſuͤſſen Kirſchen Zal
Von dieſem Baume pfluͤcken kann.
Sie wiſſen nicht, daß oft Verdruß
Auch aus der Luſt ſo gar entſpringet,
Und daß ein kurzer Ueberfluß
Oft einen langen Mangel bringet.
GOt -77

GOttes Allgegenwart.

Groſſer GOtt! ich ſtehe ſtille,
Und erſtaun ob aller Fuͤlle
Aller Vollenkommenheit,
Aller Pracht und Lieblichkeit,
Die ich, wo ich geh und ſtehe,
Mit Ergetzen hoͤr und ſehe,
Sonderlich zu dieſer Zeit.
Laß mich ſehen, laß mich hoͤren,
Groſſes All, zu Deinen Ehren,
Alles, was ich hoͤr und ſehe!
Jch hoͤre die Voͤgel mit klingenden Kaͤlen,
Vom lieblichen Gruͤnen der Waͤlder entzuͤckt,
Mit Freuden erzaͤlen:
Der GOtt iſt hier, der alles ſchmuͤckt.
Man hoͤret, im lieblich-beweglichen Wallen,
Wann Zephir ſanft uͤber die Aeren hinfaͤhrt,
Mit Ziſchen erſchallen:
Der GOtt iſt hier, der alles naͤhrt.
Man hoͤret die Wellen in rauſchenden Baͤchen,
Wann jede ſich froͤhlich bald hebet, bald ſenkt,
Sanft murmeln und ſprechen:
Der GOtt iſt hier, der alles traͤnkt.
Man hoͤret die Sprache der liſpelnden Winde,
Es merkets der Selen aufmerkende Kraft,
Sie ſaͤuſeln gelinde:
Der GOtt iſt hier, der alles ſchafft.
Wir78
Wir koͤnnen in Taͤlern, auf Bergen und Hoͤhen,
Jn lieblicher Buͤſche beſchatteten Pracht
Dieß deutlich erſehen:
Ein GOtt iſt hier, der alles macht.
Wir ſehn, wenn wir ſehen beſtaͤndig getrieben
So viele Planeten, den Himmel, die Welt,
Jn ihnen geſchrieben:
Hier zeigt ſich GOtt, der uns erhaͤlt.
Wir koͤnnen, wenn liebliche Bluhmen uns ruͤhren,
Die Goͤttlicher Finger ſo herrlich geſchmuͤckt,
Recht deutlich verſpuͤren:
Hier iſt ein GOtt, der uns erqvickt.
Wenn niedliche Biſſen uns Anmut erwecken,
Und kuͤles Getraͤnke die Lippen uns netzt;
So koͤnnen wir ſchmecken:
Wie freundlich GOtt, der uns ergetzt.
So laſſet uns kuͤnftig im Schmecken und Hoͤren,
Nicht minder im Riechen, im Fuͤlen, im Sehn
Den Schoͤpfer verehren,
Und Sein Allgegenwart verſtehn!
Der79

Der Schatten.

Geliebter Menſch, du daureſt mich!
Luft, Erd und Flut bemuͤhen ſich,
Mit ihren ungezaͤl’ten Schaͤtzen
Dich zu belehren, zu ergetzen.
Es hat der groſſe Schoͤpfer dir
Jn deinen Sinnen manche Thuͤr
Zum Eintritt mancher Luſt gegeben,
Damit du moͤgteſt froͤhlich leben.
Es ſpaͤrren ſich die Thuͤren nie;
Es drengt ſich mit Gewalt durch ſie
Und ihre nie-geſchloſſ’nen Gaͤnge
Der Creaturen holde Menge.
Du biſt von dem, was Anmut bringt,
Recht eingeſchloſſen und umringt;
Du aber ſtreubeſt dich, und ſucheſt dich dagegen
Bloß durch Unachtſamkeit zu legen.
Du machſt bey ihrer Gegenwart
Dich ſelber fuͤhl los, blind und hart;
Du willt nicht riechen, ſchmecken, hoͤren,
Dich nicht vergnuͤgen, GOtt nicht ehren.
Was felet dir an deiner Luſt,
Die GOtt dich wuͤrdigt dir zu ſchenken?
Nichts als allein dein eig’nes Denken.
Erweg einſt in gelaſſ’ner Stille,
Wie ſo gar vielerley
Am Denken dir gelegen ſey!
Beſteht, o Menſch, dein freyer Wille,
Jm Denken nicht faſt bloß allein?
Sprich:80Sprich: Haͤtte GOtt dich zwingen ſollen,
So, wie zu ſeyn, auch froh zu ſeyn?
Es haͤngt an deinem eig’nen Wollen:
GOtt hat dir freye Wahl gelaſſen,
Ob du in deiner Luſt Sein Ehre willt erhoͤhn.
Willt du nebſt Jhm dein eigenes auch haſſen;
So laͤſſt es GOtt zu deiner Straf geſchehn.
Es ſteht dein Gluͤck in deiner Hand:
Du darfſt den denkenden Verſtand
Nur auf des Schoͤpfers Werke wenden;
So wird ſich deine Luſt nicht enden.
Unzaͤlich iſt es, was die Welt
Jn ſich fuͤr Anmuts-Schalen haͤlt,
Wovon, auf wunderbare Weiſe,
Der Kern, ſo GOtt, der Selen Speiſe.
Nicht nur die Bluͤht, nicht nur das Laub,
Nicht nur die Flut, nicht nur der Staub,
Nicht nur der Wald, nicht nur die Matten,
Es zeiget Jhn ſo gar der Schatten.
Die Anmut, die im Schatten ſteckt,
War mir bishero noch verborgen.
Es hat es mir ein heit’rer Morgen
Von ungefehr entdeckt.
Kaum hatt ich, nach verſchwund’ner Nacht,
Jns Garten-Land den Fuß geſetzet,
Als der beſtral’ten Bluhmen Pracht
Mich ruͤhret und ergetzet.
Wie in dem ſpielenden Opal
Sich aller Farben Schmuck vereinet:
So lieblich ſpiel’t, ſo herrlich ſcheinet
Der Bluhmen Schmuck im Sonnen-Stral.
Man ſiehet, wie ein ſchoͤnes Ganz
Aus81Aus tauſend Teilen ſich verbindet;
Man fuͤl’t, wie uns ein bunter Glanz
Nicht nur vergnuͤg’t, erqvickt, entzuͤndet.
Es trieb mich meine Schuldigkeit,
Auf GOttes Wunder-Werk zu achten,
Und dieſer Pracht Beſchaffenheit
Jn ihren Teilen zu betrachten:
Da ich denn voll Erſtaunen fand,
Daß an ſo holdem Schmuck die Schatten,
So ich bisher noch nicht erkannt,
Gar einen groſſen Anteil hatten.
Durch ihre ſanfte Dunkelheit
Wird aller Farben Herrlichkeit
Noch deſto mehr ins Licht geſetzet,
Und durch den ſtarken Unterſcheid
Der Menſchen Aug um deſto mehr ergetzet:
Abſonderlich wenn ſich die Luͤfte regen,
Da ihre Bilder ſich zugleich bewegen,
Und auf dem Boden, den ſie ſchwaͤrzen,
Dem Schein nach mit einander ſcherzen.
Hiedurch, da Bluhmen, Laub und Kraut
Samt ihnen hin und wieder ſchweben;
Scheint, was man in dem Garten ſchaut,
Sich alles gleichſam zu beleben.
Es kann kein Stengelchen ſo klein,
Kein Blat ſo ſchmal, kein Kraut ſo zaͤrtlich ſeyn,
Das, wenn’s des Himmels Licht beſtralet
Und mit der Stralen Gold verguͤldet,
Sich nicht im Schatten zierlich bildet,
Verdoppelt, zeichnet, ja ſelbſt malet.
Denn daß die Schatten ſchwarz allein,
So wie es ſcheinet, ſollten ſeyn,
Jſt nur ein Jrrtum. Es verlieret
Von ſeiner Farb ein Coͤrper nichts
II. Theil. FDurch82Durch den gehemmten Glanz des Sonnen-Lichts.
Jch hab es eigentlich verſpuͤret,
Als einſt ein Sonnen-Blick nicht gar zu ſchnell entſtand,
Und auch nicht gar zu ſchnell verſchwand.
Jch hatt auf eine gruͤne Stelle
Die Augen eben hingewandt;
Hierauf ward allgemach der Boden helle:
Jch ſah, als er von einem nahen Stamm
Die Bildung durch den Schatten nam,
Daß, durch den Stral der Sonnen unvertrieben,
Die vor’gen Farben alle blieben,
Und daß nur durch den Gegenſatz
Von einem groͤſſern Licht, was licht iſt, dunkel ſchien.
Bey Ueberlegung dieſer Sachen
Fiel folgendes von ungefehr mir ein:
Kann bloß ein ſtaͤrker Licht ein Licht zum Schatten machen;
Wie dunkel muß ſo gar der Sonnen Schein
Bey’m Stral der ew’gen Gottheit ſeyn!
Wie undurchdringlich licht, wie unbeſchreiblich helle
Muß aller Sonnen Sonn und Qvelle
Jn reiner Majeſtaͤt unendlich, ohne Grenzen,
Jn ew’ger reger Ruh, in ſel’ger Klarheit, glaͤnzen!
Doch wie! wohin verſteiget ſich mein Geiſt?
Jch weiß nicht einſt, was Nacht und Schatten heiſſt,
Und will das lichte Meer der Gottheit ſehn, ergruͤnden,
Und deren Eigenſchaften finden?
Halt! aus gerechter Furcht, nicht gaͤnzlich zu erblinden
Bey dieſem unerſchaff’nen Schein,
Zieht meine Demut ſchnell der Kuͤnheit Segel ein.
Mit Sonnen-Stralen kann kein Maulwurfs-Blick ſich
gatten.
Voll Ehrfurcht lenk ich mich denn wieder zu dem Schatten,
Jn welchem ich, Verwund’rungs-voll, entdecke,
Wie etwas herrliches in ſeinem Weſen ſtecke.
Vernimm83Vernimm, zu deiner Luſt und deines GOttes Ehre,
Den Jnhalt unſ’rer Schatten Lehre,
Und laß, geliebter Menſch, ſie dir zu Herzen gehn!
Wie unſ’re Coͤrperlichen Augen,
Wofern ſie recht ſehn, was ſie ſehn,
Jm Schatten Licht zu finden taugen:
So kann ein geiſtiges Geſicht,
Wenn wir die Creatur ergruͤnden,
Auch ein allgegenwaͤrtigs Licht
Selbſt in den dunkeln Coͤrpern finden.
F 2Die84

Die Waſſer-Linſen.

Den Garten nun verſchrenkt ein Graben, deſſen
Schoß
Umgeben war mit ſchwanken Binſen,
Mit feinem Klee und reinem Moß.
Man fieht mit ſuͤſſer Luſt, wie auf der klaren Fluk
Von gruͤnen Waſſer-Linſen
Ein wunderbar Geweb in glatter Stille ruht.
Jn Welſchland weiß die Kunſt von raren kleinen Steinen
Manch kuͤnſtlich Werk Muſaiſch zu vereinen,
Daß es geſchildert ſcheint. Doch iſt es nur ein Schatten
Bey dieſer Nettigkeit. Es thut den Augen wol,
Wenn dieſe Blaͤtterchen, wovon die Flut ſo voll,
Jn ſolcher Lieblichkeit ſich gatten,
Daß es gewebet ſcheint. Es fuͤget ſich ſo feſt,
Daß es an manchem Ort nicht anders laͤſſt,
Als wie ein gruͤnes Eis, worauf man mit Vergnuͤgen
Bald klein Gewuͤrm, bald kleine Fliegen
Vergnuͤglich glitſchen ſieht. Sein helles Gruͤn zumal
Gibt einer Landſchaft faſt die ſchoͤn’ſte Lieblichkeit,
Wann ſonderlich der helle Sonnen-Stral
Die glatte Flaͤche trifft, da oft die feuchten Spitzen,
Recht wie ein gruͤnes Erz, das eckigt, lieblich blitzen.
Oft ſchein’t die gruͤne naſſe Glaͤtte,
Als ob man Silber-Staub darauf geſtreuet haͤtte.
So lieblich glaͤnz’t dieß Schimmer-reiche Gruͤn.
Zur ſchwuͤlen Mittags-Zeit,
Als85Als es die Sonne ſtark beſchien,
Erblickt ich einſt dieß ſchoͤne Waſſer-Kleid,
Und zwar, wie es auf ſonderbare Ahrt
Durch ein gar helles Schatten-Spiel
Mit ſauberm Ranken-Werk bewirket ward.
Vom ſchwanken Rohr, vom Graſ und Bluhmen fiel
Ein dunkel-gruͤnes Bild auf manche Stelle.
Hiedurch verdoppelt ſich die liebliche Geſtalt
Und Anmut dieſes Orts;
Die Schoͤnheit ward dadurch noch einſt ſo mannigfalt.
Man ſieht mit innigem Vergnuͤgen
Auf dieſer lieblich-gruͤnen Glaͤtte,
Als wann ein Kuͤnſtler ſie darauf gezeichnet haͤtte,
Die zierlichſten Figuren liegen
Von Schilf, von Bluhmen, Gras und Kraut,
Von Straͤuchen und Gebuͤſch. Man ſchaut
Gar oft, und zwar nie ſonder Freuden,
Von glaͤnzenden und weiſſen Weiden
Den Schatten ſich mit dunkel-gruͤnen Bildern,
Als auf ein hell-gruͤn Tuch, gar deutlich ſchildern.
Es laͤſſt, als ob es eine Schilderey
Aus gruͤn in gruͤn gemalet ſey,
So lebhaft, daß man oft wie ſich die Bilder regen,
Und hin und her bewegen,
Mit aufgeheitertem Gemuͤt
Und recht vergnuͤg’ten Blicken ſieht.
Wenn ich in dieſer Luſt,
Daß nichts aus nichts entſteht, daß nichts ſich ſelber macht,
Und nichts von ungefehr entſteht, betracht;
F 3So86So dank ich GOtt fuͤr Schatten, Farb und Licht,
Abſonderlich fuͤr mein Geſicht,
Und wuͤnſche, daß dadurch, zu Seinen Ehren,
Sich meine Luſt moͤg augenblicklich mehren.
Wann die Welt ſo ſchoͤn, ſo praͤchtig,
Auch durch Schatten luſtig iſt;
Zeigt ſie, daß Du GOtt allmaͤchtig
Und allgegenwaͤrtig biſt.
Wann ich Gaͤrten, Wieſen, Waͤlder,
Waſſer, Huͤgel, Berg und Felder,
Buͤſche, Bluhmen, Gras und Klee
Mit vergnuͤg’ten Augen ſeh;
Deucht mich, kann ich in der Hoͤh,
So wie in den tiefſten Gruͤnden,
Ein unendlich Weſen finden.
Die87

Die Welt allezeit ſchoͤn.

Jm Fruͤhling prangt die ſchoͤne Welt
Jn einem faſt Smaragd’nen Schein.
Jm Sommer glaͤnz’t das reife Feld,
Und ſchein’t dem Golde gleich zu ſeyn.
Jm Herbſte ſieht man als Opalen
Der Baͤume bunte Blaͤtter ſtralen.
Jm Winter ſchmuͤckt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Flut und Land.
Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerkſam ſehn,
Jſt ſie zu allen Zeiten ſchoͤn.

Fruͤhlings-Seufzer.

Groſſer GOtt, in dieſer Pracht
Seh ich Deine Wunder-Macht
Aus vergnuͤg’ter Selen an.
Es gereiche Dir zu Ehren,
Daß ich ſehen, daß ich hoͤren,
Fuͤlen, ſchmecken, riechen kann!
F 4Die88

Die Lilie.

Soll ich allein denn uͤbrig bleiben?
Will deine Feder nichts von meiner Zierde ſchreiben?
Soll ich, ſo viel an dir, auf Erden
Umſonſt geweſen ſeyn? Soll meine ſchoͤne Bluhme,
Zu dein - und meines Schoͤpfers Ruhme,
Nicht angeſehn und nicht beſungen werden?
Soll ich, da du ſo Roſ - als Nelken
Zum Werkzeug angewandt, des Schoͤpfers Wunder-Macht
Zu ſehn und zu erhoͤhn, hindangeſetzt, veracht’t,
Und ſonder Nutz, verwelken?
So deucht mich, daß das ſchoͤne Heer
Der holden Liljen zu mir ſag’te,
Und ſich nicht ohne Recht beklag’te,
Als ich ſie juͤngſt von ungefehr
Jm Garten Wunder-wuͤrdig glaͤnzen
Und herrlich bluͤhen ſah. Die Farbe, die Figur,
Das Laub, der hohe Stiel, den ſie ſo ſchoͤn bekraͤnzen,
Der koͤſtliche Geruch, ſind alle der Natur
Vollkomm’ne Meiſterſtuͤck. Jch ſetzte mich bey ihnen,
Durch dieſen Vorwurſ halb beſchaͤm’t, im Gruͤnen
Vor einer nahen Laube nieder,
Und ſang, nachdem ich, wie ſo ſchoͤn
Sie in der Fern ſo wol als in der Naͤhe ſtehn,
Mit frohen Blicken angeſehn;
Von ihnen dieſe Lieder:
Jhr Liljen, die ihr gleichſam hier
An einem gruͤnen Himmel, ſchier
Wie Sternen erſter Groͤſſe ſtralet;
Wie herrlich hat euch die Natur
Faſt mehr verſilbert, als gemalet!
Die89Die Majeſtaͤtiſche, die praͤchtige Figur
Jſt recht bewunderns-wehrt.
Auch Salomonis Herrlichkeit,
Wie uns die Bibel ſelbſt belehrt,
Beſiegt nicht euer glaͤnzend Kleid.
Wie lieblich kann man euch von euren Hoͤhen
Als aufgeſchmuͤckte Feder-Buͤſche
An Form und Farben prangen ſehen!
Man ſiehet oftermals, wie ihr die gruͤnen Schatten,
Die von der nahen Baͤume Zweigen,
Um ſich mit eurem Schmuck zu gatten,
Mit Anmut gleichſam abwaͤrts ſteigen,
Durch euren weiſſen Glanz beſiegt;
Wie ihr dadurch auf mancher Stelle,
Jndem ihr Aug und Geiſt vergnuͤg’t,
Ein angeneme Daͤmm’rung zeuget,
Die ſich zumalen dann eraͤuget,
Wann wir von ungefehr
Einſt euer Silber-weiſſes Heer,
Durch ihren Gegenſatz erhoͤhet, wunderſchoͤn
Bey dunklen Taxus bluͤhen ſehn.
Von reinem Silber-Glanz, der gleichſam aus euch bricht,
Wird die ſonſt dunk’le Gegend helle.
Hiedurch nun zuͤndet euer Licht
Ein Licht in meiner Selen an,
Wodurch ich den allgegenwaͤrt’gen Geiſt,
Der euch und alles werden heiſſt,
Jn klarer Daͤmm’rung ſpuͤren kann.
Es giebt mir euer Glanz, und dieſe reine Pracht
Des Schoͤpfers Weiſheit, Lieb und Macht
Ja, da ich faſt vor Luſt erſtarrt,
Zugleich Deſſelben Gegenwart
Aufs neue deutlich zu erkennen,
F 5Weil90Weil etwas, das ſo wunderſchoͤn,
Nicht aus ſich ſelbſt entſtehn,
Sich ſelbſt nicht bilden, kann.
Dieß nem ich an
Als ein Erinnerung, mit Ernſt mich zu entfernen
Von Laſtern, weil ich in der Naͤhe
Den, welcher alles ſiehet, ſehe.
Drum wuͤnſch ich ſo von Laſtern rein,
Wie euer weiſſes Kleid von Schwaͤrz und Schmutz, zu ſeyn.
So oft wir euch, ihr holden Lilgen,
Jn eurer Unſchulds-Farb erblicken,
So laſſt uns alle Laſter tilgen.
Ach laſſt der Unſchuld reines Kleid,
Dem nahen GOtt zur Dankbarkeit,
Jn Jhm vergnuͤg’t, die Sele ſchmuͤcken!
Wenn ich euch nachmals in der Naͤhe,
Und zwar zuerſt den Stengel ſehe;
Bewunder ich die ganz gerade Hoͤhe
Samt ſeiner glatten Zierlichkeit,
Woraus recht wunderlich
Viel gruͤne glatte Blaͤtter dringen,
Und ohne Stiel den ganzen Stiel umringen,
Um welchen ſie mit ſanft gebog’nen Spitzen,
An Form den Flammen gleich, in ſchoͤn’ſter Ordnung ſitzen.
Auf ihrem Gipfel zeigt die ſchoͤne Bluhme ſich
Jn ſolcher Pracht und Majeſtaͤt,
Daß ſie ſo wol an Farb als an Figur
Faſt alle Bluhmen uͤbergeht.
Zu Anfang bildet ſie die ſpielende Natur
Jn lange Haͤupter, die zuletzt
Sich oͤffnen, und ſo dann,
Jndem ſie allgemach ſich abwaͤrts beugen,
Sechs Silber-weiſſe Blaͤtter zeigen,
Worau das Auge ſich ergetzt,
Wenn91Wenn es, als wie in ſilbernen Gefaͤſſen,
Auch guͤld’ne Koͤrner ſehen kann,
Die wunderbar an kleinen weiſſen Stangen
Nicht ſtehn, nicht liegen, auch nicht hangen,
Die feſt und los zugleich, bald ſtille ſtehn,
Bald ſich bewegen, bald ſich drehn.
Es faſſt es keiner noch, was ſie fuͤr Nutzen haben.
Jn ihrem Mittel-Punct ſteht, einer Saͤule gleich,
Ein runder Stiel, von Farbe gruͤnlich bleich,
Auf einem kleinen Berg erhaben,
Der oben dreyeckt iſt, den eine Crone ſchmuͤckt,
Worauf man Silber-gruͤn und weiß gemiſcht erblickt.
Das allerfeinſte Porcelein
Jſt bey der Liljen weiſſem Blatt
Nicht fein, nicht weiß, nicht glatt,
Hat keine Waͤſſ’rung, keinen Schein.
So gar der Perlen ſanfter Glanz,
Der unſern Augen ſo gefaͤllt,
Verlieret ſeinen Schimmer ganz,
Wenn man ſie bey einander haͤlt.
Wie angenem, wie lieblich und wie ſuͤß
Gleich der Geruch, der aus der Lilje qvillet,
Wird doch, wenn er das Haupt zu ſehr erfuͤllet;
Das Haupt mit Schwermut, mit Verdrieß,
Ja gar mit Schmerz erfuͤllt. Ein Lehr-Bild iſt mir dieß,
Daß auch bey zugelaſſ’nen Freuden
Man ſtets die Uebermaſſe meiden,
Und das zu viele fliehen muß.
Noch mehr, es giebt uns von der Ehre
Auch eine ſchoͤne Lehre.
So wie der Dunſt, der aus den Liljen ſteiget,
Uns anfangs ſehr ergetzt;
Jedoch zuletzt
Schlaf, Schwermut, Schmerz und Schwindel zeuget:
So92So giebt der ſuͤſſe Dunſt, wenn uns die Leute loben,
Uns faſt dieſelben Proben.
Es nimmt dadurch der Schlaf der Sicherheit
Die aufgeblaſ’nen Sinnen ein;
Man haͤlt ſich gar zu groß, und and’re gar zu klein,
Zu niedrig ſie, ſich ſelbſt zu ſehr erhoben.
Der Schwindel folgt darauf, wodurch Fall, Schimpf und Pein
Gar oft zugleich gebohren ſeyn.
Ach GOtt! wenn man mich etwan ehret,
So ſey mein froher Geiſt allein zu Dir gekehret;
Es denke ſtets mein Dir ergeb’ner Sinn:
Durch deine Gnad allein bin ich das, was ich bin!
Jn dieſer Bluhme wird noch gegen boͤſe Wunden
Ein heilſam Mittel ausgefunden;
Da, wenn man nur in Oel die reinen Blaͤtter leget,
Sie allgemaͤlig Schmerz und Pein
Zu lindern und zu heilen pfleget.
Ach moͤgt’ſt du mir ein Bild, geliebte Lilje, ſeyn,
Daß, wenn mein Naͤchſter, der ein Chriſt,
Durch Uebereilung fel’t, und als verwundet iſt;
Jch ihn nicht haſſe, nicht verfluche,
Nein, ſondern durch Geduld ihn ſuche
Zu heilen, zu verbinden,
Daß ſeine Sele moͤg in meiner Sele
Der linden Sanftmut Liljen-Oele,
Zu ſein - und meinem Nutz, zu GOttes Ruhme, finden!
Der93

Der Waſſer-Tropfen.

Juͤngſt ſah ich mit vergnuͤg’ten Blicken,
Nach allbereit verſchwund’ner Nacht,
Der guͤld’nen Morgen-Sonne Pracht
Die Luft, die Flut und Erde ſchmuͤcken.
Geruͤhrt durch dieſes Wunder-Prangen,
Schaut ich mit Freuden hin und her,
Und ſah zuletzt von ungefehr
An einem Zweig ein Troͤpfgen hangen,
Worin die Sonne ſelbſt ihr herrlichs Bildniß druͤckte,
Und es mit Gluht und Glanz, mit Licht und Schimmer
ſchmuͤckte.
Es war ſo klar, ſo rein, ſo rund,
Es glaͤnzt und war ſo feurig bunt,
Daß auch ein Diamant nicht rein, nicht klar
Bey dieſer reinen Klarheit war.
Jndem ich nun bewundernd ſtehe,
Und mit vor Luſt entzuͤcktem Sinn
Den ungemeinen Glanz beſehe;
War ploͤtzlich aller Glanz dahin,
Da wie ein Blitz, der Blitz, ſo meiner Augen Ziel,
Das Troͤpfgen, auf die Erde fiel.
Jch ſtutzt, und dachte, wie ſo bald
Verwelket Schoͤnheit und Geſtalt!
Wie ſchnell vergeht, verraucht, verſchwindet,
Was man auf Erden ſchoͤnes findet?
Allein bald troͤſtet ich mich wieder.
Denn der Gedanke fiel mir ein:
Faͤllt gleich des Lichtes ſchoͤner Schein
Zugleich mit dieſem Tropfen nieder;
So hat er mich dennoch vergnuͤg’t.
Jch wuſte nicht, daß auf derſelben Stelle,
Weil94Weil ohne Gegen-Wurf wir ihren Stral nicht ſehn,
Der Sonnen Glanz ſo unvergleichlich ſchoͤn,
So lieblich helle.
Ein Troͤpfgen hat es mir gezeigt:
Es ſteht bey mir, ich kann die Freude
Von dieſer ſchoͤnen Augen-Weide
Mir ſelbſt verlaͤngern, und gedenken
An GOtt, Der mir das Sonnen-Licht
Und das unſchaͤtzbare Geſicht
Aus lauter Gnaden wollen ſchenken.
Mein Herz, ſo ſey auch du geneigt,
Durch ein ſo rein - und unbeflecktes Leben
Dem Naͤchſten den Beweis zu geben,
Daß GOtt, Den ſonſt ſein Auge nirgend ſah,
Allgegenwaͤrtig ſey und nah!
Ach laß in reiner Andacht-Zier
Dein ganzes Weſen doch allhier
Von GOttes Weiſheit, Lieb und Macht,
Von aller Sonnen Sonn allgegenwaͤrt’gem Schein,
Ein ſolches ſpiegelnd Troͤpfgen ſeyn!
So wirſt du, faͤllſt du gleich herab
Aus dieſer Welt ins finſt’re Grab;
Jm ew’gen Licht - und Freuden-Meere
Der ſel’gen Gottheit dich vereinen,
Und in demſelben allezeit
Jn ungeſtoͤr’ter Herrlichkeit,
Verklaͤret, ſonder Ende ſcheinen.
Wir -95

Wirkung des Fruͤhlings im menſchli - chen Gemuͤte.

Wenn dort die Nachtigal die ſchlanke Zunge kraͤu -
ſelt;
Ergetzt das Ohr mein Herz. Weñ ein gelinder Wind
Mit ſanfter Schmeicheley in lauen Luͤften ſaͤuſelt;
Beſel’t mich das Gefuͤl. Wenn Floren Fruͤh -
lings-Kind
Zibet und Ambra dampft, die Kraͤuter Balſam
ſchwitzen;
Erqvickt mich der Geruch, und wenn gereifte Fruͤcht
Jhr ſaͤurlich ſuͤſſes Naß auf Gaum und Zunge ſpritzen;
Entzuͤckt mich der Geſchmack. Wenn aber mein
Geſicht
Jm hellen Sonnen-Stral und heiterm Fruͤlings -
Wetter
Der Felder guͤld’nen Schmuck, der Waͤlder zarte
Blaͤtter,
Zumal der Gaͤrten Pracht, der Bluhmen Glanz er -
blickt;
Ergetzt, erqvickt, beleb’t, beſel’t mich und entzuͤckt
Ein etwas, das mich ſelbſt mir ſelber faſt entruͤckt.
Ver -96

Verſchiedenes Gruͤn.

Mein Herz, ſchau, wie die ſchoͤne Welt,
So ſchoͤn im holden Fruͤhling glaͤnzet!
Schau, wie das vormals welke Feld
Ein gruͤner Kranz voll Bluhmen kraͤnzet;
Wie alle Stauden, jedes Kraut,
Und alle Zweige lieblich gruͤnen,
Ja wie man Bluͤhte, gleich Rubinen,
Auf Pfirſch - und Apfel-Baͤumen ſchaut;
Wie Kirſchen, Birnen, Aprikoſen
Voll Perlen-reiner Bluhmen ſtehn,
Die recht wie kleine weiſſe Roſen,
Wenn ſie ſich oͤffnen, anzuſeh’n!
Narciſſen, Tulpen, Kaiſer-Kronen,
Jonquilljen, Crocos, Primula,
Samt Hyacinthen, Anemonen,
Violen und Hepatica,
Aurikeln und viel ander Ahrten
Bedecken itzt den ganzen Garten.
Es ſcheint der Bluhmen buntes Heer
Der holden Farben Schmuck und Prangen
Vom Himmel, von der Gluht, vom Meer
Zu leih’n und gleichſam aufzufangen.
Wie mannigfalt, wie wunderbar
Sind ſie gefaͤrb’t, ſind ſie gebildet!
Wie ſind ſie doch ſo rein, ſo klar
Teils uͤberſilbert, teils verguͤldet!
Unmoͤglich kann ein ird’ſches Auge taugen,
Auf einmal ihre Pracht vollkommen zu beaugen.
Drum will ich nur das Gruͤn allein,
Womit in ſo verſchied’nem Schein
Sich itzo Laub und Kraͤuter ſchmuͤcken,
Zu97Zu GOttes Ruhm bemuͤht ſeyn anzublicken.
Wie kann das menſchliche Geſicht
Das Gruͤn in Waͤldern und in Buͤſchen
Mit holden Dunkelheiten nicht
Erqvicken, ſtaͤrken und erfriſchen!
Es glaubt kein Menſch, wie mancherley
Veraͤnd’rung nur im Gruͤnen ſey.
Wie lieblich glaͤnzt ein gruͤnes Feld,
Wenn es der Sonnen Licht beſtralet!
Durch Schatten wird der Blaͤtter Zelt,
Dieß durch ein gruͤnlich Licht, gemalet.
Nun laſſt uns mit Verwund’rung ſehn,
Wie viel verſchiedene Geſtalten
Und Miſchungen von Gruͤn entſtehn,
Und ſich im Laub und Kraut enthalten!
Es iſt das ſchoͤne Gruͤn der Erden
An Unterſchied unendlich reich.
Kein einzigs wird dem andern gleich,
Vollkommen gleich, gefunden werden.
Hier ſcheint aufs gelb ein luftig Gruͤn,
Ein ird’ſches dort auf gruͤne Dunkelheiten,
Und dort ſich eins aufs blau zu ziehn,
Voll waͤſſerichter Feuchtigkeiten:
Und alle die ſind abermal
Auf tauſend Ahrt gemiſcht, vertieft und auch erhoͤhet,
Nachdem der Sonnen Licht und Stral
Zur Seite bald, bald hoch, bald niedrig ſtehet.
Denn hat man ſeinen Stand ſo, daß der Sonnen Licht
Von jener Seite durch die Blaͤtter,
II. Theil. GDie98Die duͤnn und faſt durchſichtig, bricht;
So laͤſſt das holde Gruͤn, bey heiterm Wetter,
Wie eine gruͤne Gluht.
Weil man nun auf der Welt
Was herrlichs fuͤr durchleuchtig haͤlt;
So laſſt uns doch die Schoͤnheit hier betrachten,
Und hoͤher, als bishero, achten,
Da gelbe Blaͤtterchen beym holden Sonnen-Schein
Recht in der That durchleuchtig ſeyn.
Wenn wir hingegen
Sie von der andern Seite ſehn;
So iſt das ſchoͤne Gruͤn auf and’re Weiſe ſchoͤn,
Weil dann die lichten Sonnen-Stralen
Die Blaͤtter all mit einem Glanze malen,
Jndem man mit Vergnuͤgen ſieht,
Wie auf jedwedem Blat ein weiß-gruͤn Lichtgen gluͤht.
Seh ich, zu meinem Wolgefallen,
Viel kleine Lichter ruͤckwaͤrts prallen
Von jedem kleinen Graͤſelein;
So wuͤnſch ich, daß in meinen Werken
Mein Naͤchſter gleichfalls koͤnne merken
Der Sonnen-Sonne Gegenſchein.
Wie[unterſcheidet] ſich das Gruͤn, ſo wir auf Linden,
Von dem, ſo wir auf Weiden, finden!
Ein anders iſt des Bux-Baums gruͤne Zier,
Ein ander Gruͤn hat Taxus und Laurier,
Cypreſſen, Myrthen und Wacholder.
Es99Es hat ein ander gruͤn ein Maulbeer - und ein Pflaum -
Ein Birn - ein Nuß - ein Apfel-Baum,
Der Stachel-Beeren-Buſch, die Holder.
Es gleichet ſich das Laub der Kirſchen
An Farbe nicht den Blaͤttern rauher Pfirſchen.
Verſchied’ne gruͤne Farben zeigen
Der Quitten-Baum, Caſtanien und Feigen.
Die Tannen, Ypern, Birken, Eichen
Sind alle gruͤn, ob ſie ſich gleich nicht gleichen.
Welch ein verſchied’nes Gruͤn bedeckt die dunk’len Binſen,
Und welch ein gelbliches die hellen Waſſer-Linſen?
Was trifft man nicht fuͤr mannigfaltig gruͤn
An Bluhmen und an Kraͤutern an?
Wie unterſcheiden ſich die Blaͤtter am Jaſmin,
An Liljen, an Meliſſ, an Muͤnz und Majoran?
Wenn ſolch ein tauſendfaches Gruͤn
Die Augen in Verwund’rung ſetzet;
Glaub ich, daß ich dem Schoͤpfer dien,
Wenn ſich mein Herz daran ergetzet.
Ach GOtt, Du Urqvell aller Luſt,
Ach GOtt, Du Geber aller Gaben,
Ach laß an Dir mich Sel und Bruſt
Mit Ehrfurchts-voller Freude laben!
Gib, daß, ſo oft ich’s Gruͤne ſehe,
Es Dir zur Ehr, in meiner Luſt, geſchehe!
G 2Fra -100

Fragen.

Wer bringt itzt alles aus der Erden?
Wer iſt es doch, durch deſſen Kraft
Die ſchwanken Zweige voller Saft,
Und roͤtlich-braun gefaͤrbet, werden?
Jſt es ein bloſſes Ungefehr,
Wenn ihrer kleinen Knoſpen Heer
Sich ruͤndet und gemaͤlich ſchwellet,
Daß faſt auf jedem Platz,
Dem Anſehn nach, es einen Schatz
Von Perlen uns vor Augen ſtellet?
Wer oͤffnet dieſer Knoſpen Haut,
Die man nicht ohn Ergetzen ſchaut,
Wie vielfach ſie gedoppelt ſitzen;
Wie jede mit ſo zartem Har
Gefuͤllt, wodurch ſie vor Gefahr
Des Froſtes Laub und Bluhmen ſchuͤtzen?
Wer macht, daß ſo verwunderlich
Die Bluͤhte durch dieſelbe ſich
Zuſammen haͤlt, da ſie ſie ſtuͤtzet?
Wer weiß der Blaͤtter holdes Gruͤn
Aus Zweig und Knoſp hervor zu ziehn?
Wer formt und faͤrbt die zarte Bluͤhte
So ſchoͤn, ſo wunderſchoͤn, daß man
Sie ohne Luſt nicht ſehen kann?
Durch weſſen Weiſheit, Macht und Guͤte
Sind aus der weiſſen Bluhmen Pracht
So101So wunderbar hervorgebracht
So ſchoͤn und ſaͤurlich-ſuͤſſe Fruͤchte?
Durch weſſen holden Gnaden-Stral
Ergetzt ein Baum uns auf einmal
Die Naſe, Zung und das Geſichte?
Ja welcher bildet auch ſo gar
Schon Knoſpen fuͤr das kuͤnft’ge Jahr,
Die man itzund ſchon ſprieſſen ſiehet?
Frag’ſt du noch, wer dieß alles thut?
Nur GOtt, das allerhoͤchſte Gut.
G 3Der102

Der verſtockte Chryſander.

Als Gottlieb juͤngſt ins friſche Gras ſich ſetzte,
An einem reinen Bach, und ſahe, wie die Flut,
Beſtralet durch der Sonnen Gluht,
Beſchaͤumt, durch Schilf und Bluhmen rann;
Bezeugt er, wie ihn dieß recht inniglich ergetzte,
Und prieſe ſeine Luſt Chryſandern an,
Der, wegen einiger Proceſſen,
Jhn zu beſuchen kommen war.
Wer kann die Herrlichkeit, ſprach er, genug ermeſſen,
Die die Natur ſo wunderbar
An allen Orten uns vor Augen leget!
Mein Auge ſiehet ſich nicht ſatt, wenn es erweget
Den dick-belaubten Wald, den bunt-bebluͤhmten Klee,
Die helle Reinigkeit der glaͤnzenden Kryſtallen,
Woran den ganzen Tag ich mich nicht muͤde ſeh.
Das wuͤrde mir unmoͤglich fallen,
Fiel ihm Chryſander ein. Was ſeh ich mir daran?
Die Au iſt bunt, der Wald iſt gruͤn, der Bach iſt klar;
Recht ſchoͤn iſt alles, das iſt wahr.
Weil ich dieß aber ſchnell beſchauen kann;
Warum ſoll ich die Zeit, worin ich was verdienen
Und Geld erwerben mag, hier, wie ein Froſch im Gruͤnen,
Jm faulen Muͤſſiggang verderben?
Sollt ich nichts anders thun, ich wollte lieber ſterben,
Als hier ſo muͤſſig ſeyn.
Dem Gottlieb kamen zwar die Thraͤnen in die Augen;
Allein er ſag’te nichts. Jhm war bewuſt,
Daß nichts als Geiz Chryſanders Bruſt
Mit gelber Sucht erfuͤllt, daß folglich alle Lehren,
Jhn aus dem Labyrinth auf rechten Weg zu kehren,
Nur103Nur ganz vergeblich ſind, und nichts zu wirken taugen:
Weßwegen er von andern Dingen ſprach,
Jhm einig Hoͤflichkeit erwies,
Und, ohn ihn gar zu ſehr
Zu noͤtigen, ihn von ſich ließ.
Kaum war er fort, ſo dachte dieſer nach,
Was doch die Urſach ſey, daß aller Farben Schein,
Daß aller Bildung Pracht, der Menſchen Herz nicht ruͤhret;
Daß keiner faſt daran was recht behaglichs ſpuͤret;
Daß ſie faſt jedermann
Vor Augen zwar, doch nicht im Herzen, liegen,
Da jeder ſich daran
Mit einem blinden Blick vergnuͤgen,
Und ſo geſchwinde ſaͤtt’gen, kann;
Daß keiner ſie mit Luſt betrachtet,
Daß keiner ſie des Anblicks wuͤrdig achtet,
Muß gleich ein ieder, daß ſie ſchoͤn,
Bey’m erſten Anblick ſchon geſtehn.
Wiewol er ſich zuletzt auf folgendes beſann:
Die Ehrgier, Geld-Sucht, Fleiſches-Luſt,
Die uns im Geiſtlichen zu GOtt den Zugang wehren,
Verriegeln leider auch der Menſchen Bruſt,
Daß wir von GOttes Werk nichts ſehen und nichts hoͤren.
Ein altes Sprichwort ſag’t: Kein Auge ſieht,
Wenn das Gemuͤt
Beſchaͤfftigt iſt mit andern Dingen.
Mehr als zu wahr. Da wir von Jugend an
Die Sel auf Wolluſt, Ehr und Geld zu denken zwingen:
Wird durch die leidige Gewonheit jedermann
G 4Da -104Dadurch in ſolchen Stand geſetzt, daß wir
Jn aller Creatur Glanz, Ordnung, Pracht und Zier
Fuͤr GOttes Wunder taub, fuͤr GOttes Werke blind,
Geſchmack-Geruch - und fuͤl-los ſind:
Einfolglich iſt Sein Werk fuͤr uns vergebens.
Ob aber dieſes nun der Endzweck unſers Lebens,
Das Ziel der Sele, iſt, und ob man nicht die Spur
Von GOttes Gegenwart in Seiner Creatur,
Wenn man ſich ihrer freu’t, entdecket:
Hingegen, ob man ſie, wenn man ſie nicht betrachtet,
Nicht gleichſam von ſich ſtoͤſſ’t und ſie verachtet;
Jſt eine Frage, die mich ſchrecket.
Denn ſollte GOtt dich ſo an jenem Tage fragen,
Was meynſt du? wuͤrd’ſt du wol, ohn Angſt und Zittern, ſagen:
Mein GOtt, ich hab auf Erden
Mit ſolcher Emſigkeit getrachtet, reich zu werden,
Daß ich vor Sorgen, Fleiß, Muͤh, Arbeit, Laufen, Rennen
Unmoͤglich Dein Geſchoͤpf und Dich betrachten koͤnnen.
Der105

Der Fiſch-Teich.

Es ſtoͤſſ’t an meinen dicht belaubten Bogen-Gang
Ein Fiſch-Teich, der, ſo breit als lang,
Ein Regel-rechtes Viereck zeiget.
Das Ufer deckt bebluͤhmtes Gras,
Und, weil es allgemaͤlig ſteiget,
Schein’t jede Seit ein kleiner Huͤgel.
Das glatte Waſſer ſcheint ein Glas
Von einem rein polir’ten Spiegel,
Der an den Seiten uns der Erden gruͤne Zier
Und in der Mitte gar den himmliſchen Sapphir
Des Tages voller Glanz, des Nachts voll Sterne, zeiget,
Und ſo die ſchoͤne Pracht des Himmels und der Welt
Verdoppelt uns vor Augen ſtellt.
Ach daß man nicht den Schoͤpfer preiſet,
Wenn man ſo holde Schoͤnheit ſieht,
Womit ſich die Natur, auf Sein Geheiß, bemuͤht,
(Um es ins Aug uns recht zu praͤgen)
Sie uns gedoppelt vorzulegen!
Denn denket nicht, als ob von ungefehr
Des Waſſers Flaͤche ſolche Glaͤtte
Empfangen haͤtte.
Wie alles; kommt auch dieß von GOttes Allmacht her.
Ach daß ich oft an dieſe Wahrheit daͤchte!
Ach daß doch oͤfters mein Gemuͤte
Den Teich von meines Schoͤpfers Guͤte,
Als einen Spiegel, brauchen moͤgte!
Der Schatten hier, und dort der Wiederſchein
Von den geſchor’nen Taxus-Hecken,
Wodurch der Teich umfaſſt, bedecken
Jn einer Anmuts-reichen Pracht,
Mit gruͤner Daͤmm’rung hier, dort einer gruͤnen Nacht,
G 5Die106Die unbeweg’te Flut. So kraͤftig war das Gruͤn,
Daß es an manchem Orte ſchien,
Als naͤme wahres Schilf und Binſen,
Als naͤmen gruͤne Waſſer-Linſen
Des Waſſers Flaͤche wuͤrklich ein:
Recht leiblich ſchien der Schein zu ſeyn.
Wenn ich der gruͤnen Klarheit Grenzen
Mit aufmerkſamen Blick beſchau;
Seh ich des Himmels funkelnd Blau
Oft rein, oft hier und dort voll Wolken-Silber glaͤnzen.
Man kann, wenn man’s erwaͤget, finden,
Wie voller Licht und Klarheit hier
Des Himmels und der Erde Zier
Auf einer Stelle ſich verbinden.
So herrlich glaͤnzt, ſo lieblich prang’t die Flut,
So lange ſie in glatter Stille ruht.
Allein es ſpuͤret unſ’re Bruſt
Noch eine neue Luſt,
So bald von ungefehr
Das Schuppen-reiche Heer
Der feuchten Fiſch aus ihren Tiefen ſteiget,
Die Wunder-ſchoͤn gemal’te Flaͤche reg’t,
Und, da es Licht und Laub beweg’t,
Daß eins ins andre flieſſ’t, uns deutlich zeiget,
Wie das, ſo wir geſehn,
Nicht eine wahre Schilderey,
Weil ſie durchdringlich iſt, geweſen ſey.
Wir ſehn ſodann durch ſie mit Haufen
Bald hier, bald dort halb gruͤn-halb blaue Cirkel laufen,
Nachdem die regen Kreiſe
Der Laub - und Licht-Schein trifft. Jch ließ zu ihrer
Speiſe
Mir etwas Brodt, das ſie mit Luſt verſchlingen,
Von meinem Gaͤrtner bringen.
Mein107Mein GOtt, welch ein annemliches Gewuͤl,
So bald das Brodt ins Waſſer fiel,
Entſtund im Augenblick! Die groſſe Menge,
Womit der Teich erfuͤll’t, erreg’t ein lieblich Spiel,
Und ihre Gierigkeit ein luſtiges Gedraͤnge.
Es ſchien der ganze Teich zu leben,
Ein jedes Stuͤcklein Brodt war alſobald umgeben
Von funfzig auf einmal. Bald ſchien es Ernſt, bald Scherz,
Bald ſtieß ein Schwarm es vor ein and’rer hinterwaͤrts.
Man konnte voller Luſt die blauen glatten Ruͤcken
Oft hoͤher, als die Flut, in groſſer Meng erblicken.
Noch uͤber die ſieht man zuweilen
Verſchied’ne voller Eifer eilen.
Die lieſſen nun, dieweil ſie alſobald,
Gehemmet durch den Gegenhalt,
Nicht konnten in das Waſſer ſinken,
Von den beſchuppten glatten Seiten
Bald feuchtes Gold, bald Silber blinken.
Dort konnte man durch ihr behendes drehen
Auch in der dunk’len Flut das Silber ſchimmern ſehen;
Wie wenn man einen weichen Grund,
Der voller Fettigkeiten, ruͤhret,
Man alſobald von oben ſpuͤret
Was ſchwaͤrzliches ſich in die Hoͤhe heben:
So ſieht man oft, gleich einem Dunſt
Was ſchwaͤrzliches von unten aufwaͤrts ſchweben,
Bis daß es hoͤher ſteigt. Dann wird man erſt gewahr,
Daß es ein ungezaͤl’te Schar
Beſchuppter Fiſche ſey. So voll war dieſer Teich,
Daß ob er gleich
Sehr tief gegraben war,
Man dennoch glaubt, auf ihren dunk’len Ruͤcken
Kaum halbes Fuſſes tief den Grund ſchon zu erblicken.
Ein ſchwaͤrmendes Gewuͤl, ein liebliches Gewimmel
War uͤberall zu ſehn.
Man108Man ſpuͤret uͤberall ein froͤhliches Getuͤmmel;
Es ſchien auf einmal zu entſtehn
Ein allgemeiner Krieg von allen gegen alle.
Wie ſtum̃ auch ſonſt ein Fiſch; ward doch mit lautem Schalle
Ein ſchmatzen hier gehoͤr’t, das angenem zu hoͤren.
Dieß Anmuts-volle Waſſer-Spiel
War meiner Augen Ziel,
Bis ich zuletzt,
Nachdem ich mich daran recht ſehr ergetzt,
Die wunderbare Creatur,
Die ſonderlich gebildete Figur
Von einem Fiſch erwog; der ſonder Fuß und Hand
So ſchnell, ſo hurtig, ſo gewandt
Sich reget, ſtehet, gehet,
Sich ſenket, ſich erhoͤhet.
Es flieg’t ein Fiſch ja recht bald auf bald nieder,
Und ſolches ohn Gefieder.
Wer niemals einen Fiſch geſehn,
Und man erzaͤlet ihm, es waͤr ein Thier zu finden,
Das aus den tiefſten Gruͤnden
Sich ſonder Fluͤgel koͤnnt erhoͤh’n,
Auch ſonder Haͤnde ſich bewegen,
Und ſonder Fuͤſſe gehn und ſtehn;
Was mein’t ihr? wuͤrd er nicht mehr, als wir ſonſten pflegen,
Darob erſtaunen und gedenken:
Was muß das fuͤr ein Wunder ſeyn!
Ach GOtt! laß mich auf Dich allein,
So oft ich Fiſche ſeh, mein Andacht lenken,
Und denken: wie ſo groß iſt doch des Schoͤpfers Macht,
Der, nebſt der ungezaͤl’ten Schar
Beſchuppter Fiſch, und zwar ſo wunderbar,
Auch alle Ding aus Nichts hervor gebracht!
Der109

Der Spring-Brunn.

Jn eines gruͤnen Ganges Mitte,
Den in der Qveer ein and’rer Gang durchſchnitte,
Von welchem man die Ecken ausgeruͤndet,
Jſt durch die vier dadurch formir’te halbe Bogen
Ein gruͤner Cirkel-Platz gezogen,
Jn welchem man mit Luſt ſich eingeſchloſſen findet.
Jn dieſem ſtand ich einſt, und dachte:
Wenn man hier einen Brunnen machte;
Wie angenem, wie ſchoͤn
Wuͤrd alles nicht in klarem Waſſer ſtehn!
Wie lieblich wuͤrde hier, bey heiterm Wetter,
Das hell beſtral’te Gruͤn der dicht-verſchrenkten Blaͤtter
Sich in den reinen Fluten bilden!
Bald wuͤrde von der Sonnen Schein
Das reine Waſſer ſich verguͤlden;
Bald wuͤrd in ſanft beweg’t - und wallenden Kryſtallen
Ein gruͤn gefaͤrbter Schatten fallen.
Jch ſann dem Anſchlag ferner nach,
Und, weil der vorerwehnte Teich
Nicht mit der Erde gleich,
Nein, ſondern auf der Hoͤhe, lag;
Schien es zu meiner Luſt nicht koſtbar und nicht ſchwer.
Allein ich freute mich noch mehr,
Als ich ſo gar im Grunde,
Jndem ich graben ließ, von ungefehr
Vor dieſem ſchon dazu beſtimmte Roͤhren funde.
Hiedurch kam in gar kurzer Zeit
Das Waſſer-Werk zur Vollenkommenheit,
Und zwar weit ſchoͤner noch, als ich es ſelbſt gedacht.
Kaum war es vollenbracht;
Kaum,110Kaum, daß der ſchnelle Waſſer-Stral
Zum erſten mal
Sich in die Hoͤhe hub und ſpielte,
Als ich auch einen Trieb,
Zu GOtt mich zu erheben, fuͤl’te,
Und die Betrachtungen zu GOttes Ehren ſchrieb:
Groſſer GOtt! aus Deſſen Willen
Alle Meer, als Baͤchlein, qvillen,
Und durch Deſſen Wort allein
Sich die unergruͤnd’ten Gruͤnde,
Aller Tiefen dunk’le Schluͤnde,
Mit dem Schwall der Waſſer fuͤllen;
Dieſes kleine Waſſer-Spiel
Zeigt mir viel.
Du nur haſt der weichen Flut,
Deiner Creatur zu gut,
Dieſe Wunder-Eigenſchaft,
Daß ſie fluͤſſig iſt, gegeben,
Und durch eig’ner Schwere Kraft
Auch geſchickt iſt, ſich zu heben,
Um dann durch ihr ſtrenges Senken
Fuͤglicher die Welt zu traͤnken:
Wie wir auf der Berge Hoͤh’n
Lauter Waſſer-Kuͤnſte ſehn.
Alle Waſſer-Faͤll und Meere
Spielen, HErr, zu deiner Ehre.
Kein ſtarrer Eis-Zapf iſt ſo glatt, ſo klar, ſo feſt,
Als wie der neu-gebohrne Stral
Nicht111Nicht weit von ſeiner Roͤhre laͤſſt:
Welch holde Feſtigkeit er aber bald verlieret,
Wenn er ſich in die Hoͤhe fuͤhret,
Wo er, wenn er die Laſt der Luft mit Muͤhe traͤg’t,
Wie lebend Silber ſich beweg’t,
Das doch noch immer aufwaͤrts eilet,
Bis er ſich oben auf einmal
Beſchaͤumet von einander teilet.
Hier huͤpfen, ſpringen, ſteigen, fallen
Viel kleine Kugeln, die ſo rein,
Daß auch die rein’ſten Berg-Kryſtallen
Nicht rein bey ihrem Schimmer ſeyn;
Zumal,
Wenn ſie der Sonnen-Stral
An einer Seite trifft, und daß die blaue Pracht
Des tiefen Firmaments, in welchem jede ſchwebet,
Durch reine Dunkelheit die Schoͤnheit noch erhebet,
Und gleichſam ſich zu ihrer Fulge macht.
Man ſollte ſchweren,
Daß alle Diamanten waͤren,
Und wuͤrcklich fel’t auch nichts, als bloß die Haͤrt allein,
Sonſt waͤre jeder Tropf ein rechter Demantſtein.
Je mehr ich nun ihr helles Glaͤnzen ſchaͤtzte,
Je mehr der reine Glanz und Schimmer mich ergetzte;
Je ſtaͤrker ruͤhrte mich die Fluͤchtigkeit
So Farben-reicher Edel-Steine.
Jhr Weſen waͤhret eine kleine,
Und ihre Ruh gar keine, Zeit;
Jndem ſie, wenn ſie kaum entſtehn,
Von andern ſchon verdrungen gleich vergehn:
Woruͤber ich recht in mich gienge,
Und mit geruͤhrtem Geiſte dacht:
Wer112Wer kann von aller Hoheit, Pracht,
Und von dem Weſen ird’ſcher Dinge,
Ja ſelbſt von unſerm eig’nen Leben,
Ein gleicher Ebenbild uns geben?
Man kommt, man ruht nicht, man verſchwindet,
Und zwar faſt unvermerkt, indem die Welt,
Daß wir vergehen, nicht empfindet:
Es ſind ſtets and’re da, die gleich, ſo bald wir ſcheiden,
Die Stellen wiederum bekleiden.
Betrachtet doch, ihr Menſchen, was ich meyne,
Und denket bey der Flut beſtaͤnd’ger Fluͤchtigkeit:
Wir alle waͤhren eine kleine,
Und unſ’re Ruh waͤhrt keine, Zeit.
Der Stral, der in die Hoͤhe ſteiget,
Vergnuͤget das Geſicht.
Wenn er ſich aber oben bricht,
Und rauſchend ſich zum Fallen neiget;
Vergnuͤg’t er unſer Ohr.
Es koͤnnen, die es lange hoͤren,
Mit Muͤhe ſich des Schlaf’s erwehren.
Zuweilen unterbricht ein holes Plumpen
Das klatſchende Getoͤs, indem es ſchlurfet, ziſcht,
Und oft ein gurgelndes Gegluck darunter miſcht,
Wenn kleine weiſſe Waſſer-Klumpen
Jn die beſchaͤumte Flut,
Die gleichſam kocht, und nimmer ruht,
Wie Stuͤcke von geſchliffenen Kryſtallen,
Auf einmal ſchnell herunter fallen.
Dieß Sprudeln, Liſpeln, Schallen,
Dieß murmelnde Getoͤn
Wird jedem, der es hoͤr’t, gefallen,
Und ſuchet uns durch’s Ohr ans Herz zu gehn.
Am Fuß der Roͤhre ſchaͤumt und huͤpfet in der Flut
Ein reines Weiß, das ſtets entſtehet,
Stets113Stets iſt, und dennoch ſtets vergehet,
Das immer ſich beweg’t, ſich bricht und nimmer ruht.
Es huͤpft, es ſpringt, es ſpruͤtz’t, es ſcheint zu leben,
Und, kleinen weiſſen Flammen gleich,
Sich ſelber in die Hoͤh zu heben.
Rings um den regen Ort ſieht man dieſelbe Stelle
Durch Wellen, die daſelbſt kurz, recht wie Schuppen, gehn,
Nicht einen Augenblick in einer Farbe ſtehn.
Bald iſt ſie braͤunlich rot, bald gruͤnlich helle,
Bald ploͤtzlich Silber-weiß.
Zuletzt beruhiget ſich allgemach
Das rege Naß; es zeugt ſich nach und nach
Manch ſich vergroͤſſernder und ſtets beweg’ter Kreis.
Die Cirkel ſcheinen zwar vom Mittel abzuwallen,
Und allgemach ſich zu erheben,
Da ſie jedoch, wenn wir darauf recht Achtung geben,
Nach ihrem Mittel-Punct beſtaͤndig wieder fallen.
Die ſanft-erreg’te Glaͤtte zeiget,
Jndem ſie ſich gemach bald heb’t, bald neiget,
Der ſchoͤn’ſten Farben Glanz; es ſind allhier
Der irdiſche Smaragd, der himmliſche Sapphir
Blau, licht - und dunkel-gruͤn, weiß, hell und dunkel-braun
Recht wunderbar vermiſcht, vereinigt und verwirret.
Wo kurz vorher die Augen Schatten ſchau’n,
Verſpuͤren ſie, daß ſie geirret.
Denn es iſt weiß daſelbſt, nein wieder braun, nein gruͤn,
Nachdem die Kreiſe ſich in rege Spitzen ziehn
Dadurch, daß oft ein Kreis den andern unterbricht.
Auf vielen dunkel-braunen Stellen
Formir’ten weißlich-gruͤne Wellen
Die ſchoͤn’ſten Cirkel von Smaragd,
Die denn, je naͤher ſie dem gruͤnen Ufer kamen,
Von ſeiner gruͤn-bebluͤhmten Pracht
Stets deutlicher ſo Farb als Bildung namen.
II. Theil. HBeſtral’t114
Beſtral’t die Sonne dann vom Ufer eine Stelle;
So wird ſogleich des Waſſers Flaͤche helle,
Da denn das faſt Smaragd’ne Gruͤn
Sich Schlangen-weiſe zu bewegen
Und durch der Wellen ſanftes regen
Sich immer zu vergroͤſſern ſchien.
Mit einem dunkel-gruͤnen Schatten
Such’t ein beweglich gruͤnlich Licht
Jn regen Cirkeln hier ſich ſtets zu gatten,
Die uns der Baͤume Gruͤn zwar noch zu ſehn vergoͤnnen;
Doch, weil ſie den Zuſammenhang
Durch ſtetige Bewegung trennen,
Jſt keine deutliche Figur
Von Blaͤttern, Staͤmm - und Zweigen zu erkennen;
Man ſieht von ihnen nur
Den Schein von einem Schein,
Und kann man hier mit Wahrheit ſagen,
Daß ſie auch in den hell’ſten Tagen
Zu ſehn und doch nicht ſichtbar ſeyn.
Wann aber ſich der Sprung des Waſſers leget,
Und folglich ſich die Flaͤche nicht mehr reget;
Kann man mit tauſend Luſt ſo fort
Den runden angenem bewachſ’nen Ort
Jn ihr recht unbeſchreiblich ſchoͤn
Und lieblich widerſcheinen ſehn.
Es ſchien mir dieſes Bild von vieler Menſchen Leben
Ein lebend Eben-Bild zu geben.
Wie mancher auf der Welt
Hat Ehre, Faͤhigkeit, Geſundheit, Schoͤnheit, Geld,
Die durch des Schoͤpfers Huld ſich all in ihm verbinden;
Sein Naͤchſter aber kann
So wenig, als er ſelbſt, daran
Die billige Vergnuͤgung finden.
Wo kommt denn dieſes her? Weil mitten in der Bruſt
(Wie115(Wie hier im regen Born) der Born von Pein und Luſt
Die Leidenſchaft durch Leidenſchaft beweget,
Und deren Wut ſich unaufhoͤrlich reget;
Wodurch wir in veraͤnderlichem Wanken
Nichts, als verwirrete Begierden und Jdeen,
Und in nie ruhigen Gedanken
Stets unterbroch’ne Schoͤnheit, ſehen:
Da er, wenn ihn nicht ſtets die Unruh gleichſam trennte,
Bey einem ruhigen Gemuͤte
Ein Spiegel Goͤttlicher Macht, Weiſheit, Lieb und Guͤte
Sich und dem Naͤchſten werden koͤnnte.
Da ich nun alſo ſaß und ſann,
Und eine inn’re Regung fuͤl’te;
Sah ich dem Waſſer-Stral, als er von neuen ſpiel’te,
Noch etwas neues an,
Jndem er, als das Licht der Sonnen ihn beſtral’te,
Sich ſelber um den gruͤnen Rand
Auf dem Licht-grauen Sand
Jn dunk’len Schatten deutlich mal’te.
Jch ſah ihm Anfangs zu, und lachte,
Daß gleichſam dieſer Schatten mir
Mein Waſſer-Spiel gedoppelt machte;
Doch als ich noch darauf ein wenig laͤnger dachte,
Und merkte, daß des Schattens Stral
Sich allemal
Ein wenig von der Stell und in die Ruͤnde drehte;
So fiel mir ein,
Dieß koͤnnte wol ein Sonnen-Zeiger ſeyn.
Jch merkte denn bey jedem Seiger-Schlag
Die Stelle, wo ſodann der Schatten lag,
Und faud hernach, ſo oft ich zaͤl’te,
Daß es kaum um ein Haͤrchen fel’te.
Kann ſonſt von unſerm kurzen Leben
Des Waſſers rege Fluͤchtigkeit
H 2Uns116
Uns uͤberhaupt ein Lehr-Bild geben;
So zeigen hier die feuchten Fluten
So gar die fluͤchtigen Minuten
Von unſ’rer ſchnellen Lebens-Zeit.
Allein, was ſoll ich viel, bey dieſer Flut,
Von einem feuchten Seiger ſagen;
Da wir ja ſelbſt in unſerm Blut
Dergleichen feuchten Seiger tragen,
Da jeder Puls - und Ader-Schlag
Mir meine Zeiten richtig teilet,
Und folglich wol mit Recht, weil er beſtaͤndig eilet,
Mein Lebens-Seiger heiſſen mag.
HErr! gib, ſo oft ich Waſſer ſeh,
Daß ich ja nicht vergeſſen moͤge,
Daß ich, ſo lang ich mich bewege,
Aus reger Feuchtigkeit beſteh!
HErr! gib, ſo oft die Stunden ſchlagen,
Daß ich mag zu mir ſelber ſagen:
Von meinen kurzen Lebens-Stunden
Sind ſechzig Teil aufs neu verſchwunden.
Haſt du, mein Herz, darin auch einſt gedacht
An Deines Schoͤpfers Lieb und Macht?
Wenn man den ſtrengen Stral, der in die Hoͤhe eilet,
Durch etwas hartes hemm’t und teilet;
Zerteilt er ſich in Tropfen, die ſo klein,
Daß ſie kaum zu erkennen ſeyn.
Jn dem faſt unſichtbaren Duft
Der angefeuchteten durchſtral’ten Luft
Wird, wenn die Sonn ihn trifft,
Ein neues Wunder-Werk geſtift,
Und oft ein kleiner Regen-Bogen
Jn einem Augenblick gezogen.
An deſſen buntem Schein ſuch’t ich mit tauſend Freuden
Nicht117Nicht nur mein Aug, auch meinen Geiſt, zu weiden,
Und ward mit ſuͤſſer Luſt erſuͤll’t,
Weil ich allhier ſo nah
Das ſonſt entfernte Gnaden-Bild
Der feuchten Wolken bey mir ſah.
Wenn auf dem dunkel-gruͤn gefaͤrbten Waſſer-Spiegel
Viel kleine weiſſe Waſſer-Huͤgel,
Die wie ein Berg-Kryſtall ſo glatt, ſo klar, ſo rein,
Ja kleine Sonnen-Spiegel, ſeyn,
Bald einzeln, bald mit Haufen,
Wie Silber-Schaum, ſchnell hin und wieder laufen,
Bald ſanfte zitternd gleichſam ſchweben,
Nachdem die regen Waſſer-Kreiſe
Jtzt ſchnell, itzt allgemach und leiſe,
Sich bald vertiefen, bald erheben;
Vergnuͤg’t ihr ſchimmerd Licht,
Das auf dem klar - und dunkeln Grunde
Der glatten Flut in hellem Glanze ſtunde,
Durch ihren Gegenſatz, mir das Geſicht:
Doch fiel bey ihrem fluͤcht’gen Schein
Mir ferner ein,
Daß ſie von Keichtum, Wolluſt, Ehre
Recht eigentliche Spiegel ſeyn.
Es geben uns die Blaſen zu verſtehn,
Von welcher Ahrt die meiſten Schoͤnen ſind.
Jhr aͤuſſerſtes allein iſt ſchoͤn;
Jhr inners Eitelkeit und Wind:
Und zeigen ſie daher an jedermann
Den fluͤcht’gen Grund der weichen Wolluſt an.
Noch geben uns der Blaſen kleine Hoͤh’n
Der Ehrſucht Folge zu verſtehn.
Je hoͤher ſie an Glanz und Schimmer ſteigen,
Je mehr ſie Pracht und Schoͤnheit zeigen;
Je ploͤtzlicher ſie ſchwinden und vergehn.
H 3Kein118
Kein Silber iſt ſo weiß, ſo rein,
Als dieſe Waſſer-Blaſen ſeyn.
Kein Gold iſt, das ſo glaͤnzt und ſtral’t,
Als wenn der Sonnen Gold ſich ſelbſt in ihnen mal’t,
Und dennoch iſt ihr glaͤnzend prangen,
Recht wie der Reichtum, auch gar ſchnell vergangen.
Sprich nicht, Chryſander, voller Freuden:
Es kann mein Gold mit Recht nicht die Vergleichung leiden.
Der Blaſen Gold iſt fluͤchtig; meines feſt.
Doch hoͤr! erwaͤge nur, wie ſchnell das deine
Dich oftermals ſchon hier verlaͤſſt,
Und endlich, wenn du wirſt erblaſſen,
Wird es unfehlbar dich verlaſſen.
Dieß iſt die Luft, die man, ſo lang das Waſſer ſpielet,
Durch’s Ohr und durch das Auge fuͤlet;
Wenn aber ſich der Sprung des Waſſers leg’t,
Und folglich ſich die Flaͤche nicht mehr reg’t,
Wenn nemlich man den Ort, wodurch es flieſſet,
Durch umgedrehten Schluͤſſel ſchlieſſet,
Verſchwindet auf einmal,
Zuſamt dem reinen Silber-Stral,
Das lieblich klatſchende Getuͤmmel;
Hingegen faͤngt ſich dann,
So bald das Waſſer ſtill, ein ander Anmut an.
Man ſiehet einen Gegen-Himmel:
Es lieſſ als ob, in blauen Tiefen,
Viel weiſſe Wolken ſchwebend liefen:
Man konnt in ihren klaren Gruͤnden
Gar eine neue Sonne finden.
Bey dem ſo ſchoͤn - und dennoch eit’len Schein
Fiel mir von neuen ein:
Es leb’t mit muͤhſamem Getuͤmmel
Der Geld - der Luſt - der Ehr-Wurm in der Welt,
Und glaubt, in Ehre, Luſt und Geld
Den Himmel auf der Welt zu finden;
Al -119Allein
Es iſt ein Waſſer-Himmel,
Der nichts hat, als den bloſſen Schein.
Will aber jemand hier des Himmels Vorſchmack haben,
Der muß ſich am Geſchoͤpf des groſſen Schoͤpfers laben.
Man kann mit tauſend Luſt ſo fort
Den runden, angenem bewachſ’nen Ort
Jn ſtiller Flut recht unbeſchreiblich ſchoͤn
Und lieblich ſich verdoppeln ſehn.
Es ſtellt zugleich das unbeweg’te Naß,
Als wie vom Berg-Kryſtall das reinſte Spiegel-Glas,
Zuſamt des Firmaments Sapphir,
Den irdiſchen Smaragd belaubter Baͤume fuͤr.
Es bildet die Natur ſich ſelbſt in dieſer Flut,
Und zwar recht meiſterhaft. Denn iſt ihr Uhrbild ſchoͤn;
So iſt die Schilderey nicht minder ſchoͤn zu ſehn.
Selbſt in der Dunkelheit
Entwirft, formiret, zeichnet ſie
Mit unbeſchreiblich rein - und klarer Deutlichkeit
Die allerzierlichſte Copie.
Was dunkel-gruͤn, das ſcheint im Waſſer mehr verdunkelt:
Was hell-gruͤn, glaͤnzt noch mehr, und funkelt
Jn einem reinern Licht.
Des Brunnen Rand iſt hell und gelblich gruͤn,
Weil er von Raſen iſt. Das ganze Waſſer ſchien
Hingegen dunkel, gruͤn und klar,
Jndem darin ſich von den Erlen-Zweigen
Die dunkel-gruͤnen Blaͤtter zeigen.
Man ſah daſelbſt der Fiſche blaue Schar,
Die aus dem Teich hinein geſetzet war,
Durch gruͤne Zweige gehn, in gruͤnen Buͤſchen ſchweben,
Und, ſchnellen Voͤgeln gleich, auf Baͤume ſich erheben.
Das Auge wird durch die ſo klare Glaͤtte,
Als wie, wenn man Kryſtall darauf geleget haͤtte,
H 4Ver -120Vergnuͤg’t, geſtaͤrket und erfreuet.
Die faſt erſtaunten Blicke gleiten
Auf dieſer glatten Bahn mit tauſend Freuden fort,
Und treffen tauſend Lieblichkeiten
Auf jeder Stell, an jedem Ort
Jn netten Bildungen und ſanften Farben an.
Seh ich, wie lieblich, klar, durchſichtig, glaͤnzend, rein
Des Waſſers glatte Flaͤchen ſeyn;
So ruf ich, voll durch Luſt erzeugter Traurigkeit
Und ſuͤſſer Unzufriedenheit:
Wie dauret michs, daß dieſe Klarheit
Mein ſchwacher Kiel nicht bilden kann,
Und daß von der Copie die meinige mit Wahrheit
Ein elend Schmierwerk ſey, die jener gar nicht gleichet,
Jndem ſie der ſo ſchoͤn gemal’ten Zierlichkeit
Jm Waſſer (wie man ſpricht) nicht einſt das Waſſer reichet.
Jndem ich einſt bey dieſem Waſſer-Spiel,
Was ich geſchrieben uͤberlaſe;
Erblickt ich einen Froſch im Graſe:
Der rege Waſſer-Stral ſchien ſeiner Augen Ziel.
Die Stellung war, als ob er ſaͤſſ und lauſchte,
Ja mit Verwunderung bedaͤchte,
Woher es doch wol kommen moͤgte,
Daß hier das Waſſer ſtetig rauſchte,
Was doch davon die Urſach ſey.
Jch lachte bey mir ſelbſt, und dachte dieß dabey:
So wenig dieſer Froſch den wahren Grund wird finden,
So wenig kann ein Menſch des Schoͤpfers Weg ergruͤnden.
Menſch -121

Menſchliche Unachtſamkeit.

Jch wund’re mich, daß aller Menſchen Geiſt
Nicht eins beſorget iſt um das, was wachſen heiſſt.
Saͤh iemand einen Pallaſt ſtehn,
Der nimmer ein Gebaͤu geſehn,
Und fruͤg, indem er ihn beſchauet,
Wie ward dieß Haus? Wie gieng es zu?
Auf ſolche Frage ſag’teſt du
Jhm nichts, als nur: es iſt gebauet.
Was meynſt du, wuͤrd er ſich mit Recht
Daran begnuͤgen, und nicht fragen:
Was heiſſt gebaut? Wie hat ſich’s zugetragen?
Du ſprichſt: Es waͤchſt. Jſt dieß genug?
Du ſetzeſt nicht, o Menſch, mit Fug
Dem klugen Geiſt ſo enge Graͤnzen.
Sieht deiner Selen Auge hier
Jn ſolcher Ordnung, Nutz und Zier
Nicht einen Stral der Gottheit glaͤnzen;
So weiß ich nicht, warum dein Geiſt
Sich weiſe, klug, vernuͤnftig heiſſt.
H 5Der122

Der Geruch.

Juͤngſt oͤffnet ich von meinem Schlaf-Gemach
Die Fenſter fruͤh auf meinem Garten,
Da gleich ein Balſam-gleicher Duft
Von Bluhmen ungezaͤl’ter Ahrten
Mir in das Fenſter gleichſam brach.
Der Kreis der lauen Luft
War ganz mit Ambra-reichen Kraͤften,
Ziebet und Bieſam angefuͤllt.
Jch ſpuͤr’te den Geruch, der aus der Lilje qvillt,
Jn welchem ſich von bluͤh’nden Roſen-Buͤſchen
Die lieblichen, die holden Duͤnſte miſchen.
Mit dieſen mengte ſich aufs neu
Der ſuͤßliche Geruch von friſch-gemachtem Heu,
Den eine juͤngſt gemaͤh’te Wieſe,
Die an dem Garten nahe liegt,
Aus gruͤnen Schwaden von ſich blieſe.
Noch nicht genug: Dieß alles ſchien beſiegt,
Und mein Gehirn noch mehr erfreut,
Noch mehr geſchmeichelt und erqvicket
Durch die gewuͤrzte Lieblichkeit
Der koͤſtlichen Orangerie,
Die meines Nachbarn Garten ſchmuͤcket.
Ein balſamir’ter Rauch, ein unſichtbarer Schwall
Von Ambra, Moſcus und Zibeth,
Der ſich aus jeder Bluhm erhoͤht,
Verbreitete ſich uͤberall.
Die ganze Welt ſtellt einen Rauch Altar,
Zum123Zum Ruhm des groſſen Schoͤpfers, dar.
Es brannt in ſuͤſſer Gluht der ganze Kreis der Luft,
Jch ward dadurch recht innerlich geruͤhret,
Und zu der folgenden Betrachtung angefuͤhret:
Vermehr doch auch, mein Geiſt, ſo viel an dir, die Gluht,
Die zu des Schoͤpfers Ehren lodert!
Erwege doch, daß GOtt fuͤr alles, was er thut,
Faſt nichts von dir, als bloß ein frohes Herz, erfodert.
Laß ſolch ein ſtarkes Feu’r denn auch in deiner Bruſt
Ein frohes Andachts-Feu’r entzuͤnden!
So wird der Schoͤpfer Selbſt, im Rauchwerk deiner Luſt,
Auch einen lieblichen Geruch empfinden.
Das124

Das Welt-Buch.

Nachdem ich oͤfters uͤberdacht,
Woher es komme, daß die Pracht
Der Wunder-ſchoͤn geſchmuͤckten Welt
So wenig Eindruck bey uns macht;
Daß ſie ſo wenigen gefaͤllt;
Daß ſie faſt niemand recht vergnuͤget;
So deucht mich, daß es hieran lieget:
Es ſcheint, wir ſehen alles an,
Als einer, der nicht leſen kann,
Ein Buch, das ſchoͤn gedruckt, beſchauet.
Denn laß die Zuͤge noch ſo rein,
Die Lettern noch ſo zierlich ſeyn;
Er wird daraus doch nicht erbauet.
Er ſiehts, und, wann er es geſehn,
Spricht er, wenn’s hoch kommt: es iſt ſchoͤn,
Und leg’t es ſanfte bey ſich nieder.
So leider! iſt der Menſchen Brauch
Mit dem ſo ſchoͤnen Welt-Buch auch.
Kaum oͤffnet man die Augen-Lieder;
So gehet, wie der Blick, der Sinn
Schnell uͤber jeden Vorwurf hin.
Man eilt. Wenn jemand etwa fraget,
Jſt dieß nicht ſchoͤn? ſo glaubet man,
Man habe ſchon genug gethan,
Wenn man ein: das iſt wahr, geſaget.
Verwund’re dich denn ferner nicht,
Daß125Daß man von GOtt nichts ſieht, nichts ſpricht,
Daß Seine Werke niemand ruͤhren.
Denn, waͤr ein Buch auch noch ſo ſchoͤn;
Wie kann der Jnhalt dem zu Herzen gehn,
Der nicht einmal kann buchſtabiren?
Homerus und Virgilius,
Die jeder, der ſie lieſt, bewundern muß,
Sieht einer, der nicht leſen kann,
Gewiß mit keiner Luſt, mit keinem Nutzen an.
Der Kern, das geiſtige, ſo in den Schriſten ſtecket,
Jſt ihnen nicht, die Huͤlſen nur, entdecket.
Willt du nun von des Schoͤpfers Weſen,
Pracht, Allmacht, Weiſheit, Glanz und Schein
Nicht ewig unempfindlich ſeyn,
Geliebter Menſch; ſo lern um GOttes willen leſen!
Du wirſt, und zwar mit hoͤchſter Luſt
Und inn’rer Regung deiner Bruſt,
Des Welt-Buchs Jnhalt bald verſtehen;
Du wirſt mit faſt halb-ſel’gen Freuden
An dieſer Schrift die Sele weiden,
Jm irdiſchen was Goͤttlichs ſehen.
Du wirſt, ſo bald die ſchoͤne Welt
Dir mit Vernunft und Luſt gefaͤllt,
Jn ihren ſchoͤnen aͤuſſern Rinden
Den Schoͤpfer nicht allein, auch den Erhalter, finden.
Die Schrift iſt wunderbar, ſie uͤbertrifft
All and’re Schrift.
Ein jeder Buchſtab kann allein
Ein ganzes Buch voll Weiſheit ſeyn.
Je mehr man nun die groſſen Lettern ſieht,
Je mehr wird man dadurch ergetzet.
Je mehr man ſich damit bemuͤht,
Je126Je fleiſſiger man ſie zuſammen ſetzet;
Je mehr erhellt aus ganzen Worten,
Mit uͤberzeugender und fichtbarlicher Klarheit,
Unwiderſprechlich dieſe Warheit:
Daß GOtt der Schoͤpfer aller Orten
Wahrhaftig gegenwaͤrtig ſey.
Die Lettern nun ſind vielerley,
Die Zuͤge wunderſchoͤn formiret,
Und uͤberall illuminiret
Sind Kraͤuter, Wieſen, Steine, Waͤlder,
Sind Bluhmen, Haͤuſer, Staͤdte, Felder,
Sind Voͤgel, ſamt der Fiſche Heer
Sind Erde, Feuer, Luft und Meer,
Sind Millionen Welt und Sonnen in den Sternen.
Ach, HErr, gieb, daß ich dieß vor andern oft ermeſſe!
Ach, HErr, laß doch in dieſer Lettern Groͤſſe
Mich Deine Groͤſſe kennen lernen!
Ein127

Ein feſter Vorſatz.

Als meine Kinder einſt vor wenig Tagen,
Da es noch ziemlich fruͤh, in ſanfter Ruhe lagen,
Und ich, um ſie vom Schlafe zu erwecken,
Selbſt in die Cammer trat; ſah ich ſie voll Vergnuͤgen,
Vom lauen Schweiß gefaͤrb’t, in ſuͤſſer Roͤte liegen,
Und wie die Roſen bluͤhn. Teils hatten ſie die Decken
Jm Schlafe von ſich weggeſchoben,
Hier hatt ein kleiner Arm ſich um ſein Haupt gelenkt,
Ein and’rer lag auf ſeinem Pfuͤl erhoben,
Dort waren zwey mit Hand und Bein verſchrenkt,
Ein Aermchen ruhte dort auf ſeines Bruders Bruſt,
Wie es der Zufall gab. Jch ſahe ſie mit Luſt,
Jch dankte GOtt, daß Er ſie ſo geſund geſchaffen,
Auch daß ſie durch Deſſelben Macht,
So wol als ich die ganze Nacht
So fanft, ſo ruhig koͤnnen ſchlafen.
Kaum rief ich ihnen zu: Auf! als ich ſie
So bald, den Schlummer zu vertreiben,
Zugleich beſchaͤfftigt ſah. Doch wollte ſonder Muͤh
Der traͤge Schlaf nicht fort, ein ſanftes Augen-reiben
Erhub ſich uͤberall, hier ſtreckt ein Aermchen ſich,
Und dort ein kleines Bein.
Hier ſahe mich von dieſer kleinen Schar
Ein halb geoͤffnet Aug, indem des Tages Schein
Jhn anfangs blendete, mit holdem Laͤcheln zwar,
Doch kurzen Blicken an. Jch hoͤrete von allen
Ein froh verwirrt Papa! Papa! erſchallen.
Auf! rief ich, laſſt mich ſehn, wer von euch kann
Am erſten angethan,
Am ſchnellſten fertig werden.
Gleich war der Schlummer fort, ein emſiges Gewuͤl
Das jedem, der es ſah, gefiel,
Erhub ſich uͤberall, ſie ſprungen von der Erden,
Und128Und, eh ichs mich verſah,
Stund alles fertig da.
Mir fiel hieruͤber folgends ein:
Wie nuͤtzlich und wie gut in unſerm Leben
Die Leidenſchaften ſeyn;
Davon kan dieſes Kinder-Spiel
Mir eine gute Nachricht geben.
Welch eine Schlaͤfrigkeit wuͤrd an dem Menſchen kleben,
Wie traͤg und ungeſchickt wuͤrd er zu allem ſeyn,
Wenn eine Leidenſchaft, zumal der Trieb zur Ehre,
Nicht bey uns Menſchen waͤre.
Es flieſſt hieraus noch eine Lehre:
Ob gleich wir Menſchen ſchwach und unvermoͤgend heiſſen;
So ſind wir doch geſchickter, als man denkt,
Uns dem Gewonheits-Schlaf und Schlummer zu entreiſſen,
Wenn man die Sinne nur auf einen Vorwurf lenkt,
Der uns gefaͤllig iſt: man wird viel Unvergnuͤgen
Und Hinderniß geſchickt ſeyn zu beſiegen,
Mehr als man ſelbſt geglaubt.
Sprich nicht: dieß Gleichniß hier vom Schlafe geht nicht an,
Weil man denſelbigen des Morgens leicht bekriegen,
Und durch geringen Zwang vertreiben kann,
Da er ſich ohnedem hinweg pfleg’t zu verfuͤgen;
Wenn der Gewonheits-Schlaf hingegen
Beſtaͤndig an uns kleb’t, und immer zaͤher wird.
Dieß ſcheint zwar wahr zu ſeyn; doch, wenn wirs recht erwegen,
So haſt du dich dennoch geirrt.
Ob durch Gewonheit gleich die Leidenſchaft
Noch immer ſtaͤrker wird; kann gleichwol ihre Kraft
Die gegenſeitige Gewonheit wieder daͤmpfen.
Es liegt in dieſem Fall am feſten Vorſatz viel.
Fang du nur tapfer an, und fahre fort zu kaͤmpfen!
Du kommſt zuletzt gewiß zum vorgeſteckten Ziel.
Wahre129

Wahre Freude.

Moͤgten doch die Menſchen glaͤuben,
Welche Leib’s - und Selen-Luſt
Denen, die recht ſehn, bewuſt!
Keine Feder kanns beſchreiben.
Da es nun zu Tage lieget,
Daß, wenn etwas uns vergnuͤget,
Es dem Leib ein Arzeney,
So wie dem Gemuͤte, ſey;
Daß es das Gebluͤt verſuͤſſet,
Daß es in der muntern Bruſt
Ungeſperr’t und richtig flieſſet;
Alſo muß ja wol die Luſt,
So uns die Geſchoͤpfe geben,
Wenn wir ſie, zu GOttes Ehr,
Anzuſehen und zu merken
Uns mit rechtem Ernſt beſtreben,
Unſern Geiſt je mehr und mehr,
Ja ſelbſt die Geſundheit, ſtaͤrken.
Denn auf unſerm Welt-Gebaͤude
Jſt warhaftig alle Freude
Gegen dieſer Dunſt und Rauch,
Wenn man, wie ſichs deutlich weiſ’t,
Durch vernuͤnftigen Gebrauch
Unſ’rer Sinne, Leib und Geiſt
Mit des Schoͤpfers Werk verbindet,
Weil man dann auf jeder Stelle
Aller Freuden ew’ge Qvelle,
Aller Dinge Schoͤpfer, findet.
II. Theil. JDer130

Der Mond.

  • Ein anderes Gedicht vom Monde findet ſich bereits im vo - rigen Theile auf dem 41ſten Blate.
Jndem ich abermal, in ſtiller Einſamkeit
Und ruhiger Zufriedenheit,
Jm Mond-Schein itzt ſpatziren gehe,
Und die durch ſeinen Schein ganz angefuͤllten Felder,
Und die durch ſeinen Glanz ſanft angeſtral’ten Waͤlder,
Samt den dadurch ſo ſchoͤn geſchmuͤckten Gaͤrten, ſehe;
Fuͤl ich, geruͤhrt durch eine neue Luſt,
Auch einen neuen Trieb in meiner Bruſt,
Damit ſich dieſe Luſt ſo bald nicht mag zernichten,
Zu GOttes Ruhm noch einſt vom Mond ein Lied zu dichten.
Jch ſeh allhier, durch dunk’le Schatten,
Ein helles Licht auf weiſſe Latten
Begruͤn’ter Sommer-Lauben fallen:
Jch ſeh hierauf mit Luſt bald hier bald dort,
An manchem Ort,
Beweg’te Schatten-Blaͤtter wallen,
Wodurch von Licht und Dunkelheit
Ein ſanft Gemiſch, mit ſolcher Lieblichkeit
Und Anmut, dieſen Ort erfuͤllet;
Daß ein ſo ſuͤſſer Reiz, der aus dem Lichte qvillet,
Und ſich mit holden Schatten miſcht,
Jn der ſo angenem gebroch’nen Schwaͤrze,
Durch unſer Augen unſer Herze
Vergnuͤg’t, erqvicket und erfriſcht.
An131
An Haͤuſern laͤſſt es recht, als ob mit tauſend Bildern
Vom Silber-weiſſen Mond ſich alle Fenſter ſchildern.
Zuweilen ſcheint ſein rundes Licht,
Wenn das nicht eb’ne Glas den Schimmer unterbricht,
Als wenn es eckigt waͤr. Jtzt laͤſſt der glatte Stral,
Als waͤr er lang, bald recht oval.
Bey jedem Tritt
Veraͤndern ſich des Mondes Bilder mit.
Doch iſt der glatte Glanz noch einſt ſo ſchoͤn,
Wenn man durchs duͤſt’re Laub der Baͤum ihn ſieht,
Jndem durch ihre Dunkelheit
Und ſchwebende Beweglichkeit
Der Scheiben wiederſcheinend Licht
Bald heller wird, und bald ſich unterbricht,
Bald ſich erheitert, bald ſich ſchwaͤrzet,
Wenn gleichſam Nacht und Licht ſanft mit einander ſcherzet,
Wenn eins um’s and’re ſich entdeckt,
Und eins um’s and’re ſich verſteckt.
Jn den rings um begruͤn’t - und hell-beſtral’ten Steigen
Sieht man mit innigem Vergnuͤgen
So manchen Schatten-Strauch und Schatten-Buſch ſich
zeigen,
Jn ſolcher Nett - und Deutlichkeit
So lieblich und ſo zierlich liegen,
Daß in der Zeichnung man faſt keinen Unterſcheid
Mit den gewachſ’nen Baͤumen ſpuͤret:
Wodurch der Garten denn gedoppelt ausgezieret,
Noch einſt ſo luſtig ſcheint. Der Schatten-reiche Wald
Verdoppelt gleicher Weiſ im Schatten die Geſtalt
J 2Von132Von Staͤmmen, Blaͤttern und von Zweigen,
Die ſich von oben abwaͤrts neigen,
Und, um uns ihre Pracht recht deutlich auszudruͤcken,
Den gruͤnen Boden lieblich ſchmuͤcken.
Das ſanfte Licht, ſo allgemein
Mit einem gruͤnlich grauen Schein
Die ſchon bethau’ten Felder deckte,
Und ſich, ſo weit man ſah, erſtreckte,
Vergnuͤg’te mich
Recht inniglich.
Durch dieſes holde Licht, womit ſich klare Schatten
So angenem vermenget hatten,
Zuſamt der Stille Suͤſſigkeit,
Schien mir in unſ’rer Welt
Ein and’re Welt faſt vorgeſtell’t:
Denn durch des ſanſten Licht’s ganz ungewiſſen Schein
Schien jeder Vorwurf ungewiß,
Und geiſtig mehr als coͤrperlich, zu ſeyn.
Von den erdichteten Eliſer-Auen
War gleichſam hier, in ſtill - und lichter Finſterniß,
Das ſtille Schatten-Reich im Schatten-Riß zu ſchauen.
Doch ohne Scherz. Durch ein ſo reines Licht
Empfindet man, wie durchs Geſicht
Ein reizendes Vergnuͤgen dringet,
Das faſt ein uͤberird’ſche Luſt
Der dadurch ganz erfuͤllten Bruſt,
Jn ſuͤſſer Stille, bringet.
Es faͤngt der angeneme Glanz
Allmaͤlich an, ſich durch die Sehnen
Jm ganzen Coͤrper auszudehnen.
Dann wird ein achtſam Aug, ein frommes Herze, ganz
Von Andachts-Flammen angezuͤndet,
Jndem133Jndem es in dem ſanften Schein
Was ird’ſches nicht allein,
Nein, ein verhuͤll’tes Bild der Gottheit, die die Pracht
Der himmliſchen und ird’ſchen Coͤrper macht,
Und die allgegenwaͤrtig, findet.
Jch ſenkte mich hierauf, zu Seiner Ehr,
Jns tiefe Meer
Der unumſchraͤnkten Luft, und ward von ungefehr
Beym ungezaͤhlten Sternen-Heer
Den weit entlegenen Saturn gewahr.
Sein von dem Sonnen-Stral ſo weit entfernter Schein,
(Ob gleich fuͤnf Monden ſich beſtaͤndig um ihn lenken;
Sieht man gleich offenbar
Jhn einen hellen Kreis umſchraͤnken;)
Wird doch vermutlich nicht, dacht ich, recht heiter ſeyn.
Vermutlich handeln wir nicht unrecht, wenn wir ſagen,
Daß dort auch in den hell’ſten Tagen
Das Licht nicht groͤſſer ſey, als wenn bey uns die Nacht.
Ein heit’rer Mondſchein helle macht:
Wobey jedoch die es gewohnten Augen
Vermutlich ja ſo gut, als wir, zu ſehen taugen.
Denn dieß iſt ausgemacht, daß nirgend einerley
Der emſigen Natur nie ſtille Wirkung ſey.
Das gab mir nun aufs neu Gelegenheit,
Mit ernſtlicher Aufmerkſamkeit
Jn ſolche Tiefe mich mit Ehrfurcht zu verſenken,
Und an der Sterne HErrn mit Andacht zu gedenken,
Den man in Ewigkeit nicht g’nug bewundern kann.
Hierauf ſah ich noch einſt des Mondes Coͤrper an.
Als ich nun recht erwog, wie groß er ſey;
Fiel mir daruͤber dieſes bey:
Betrachte, lieber Menſch, die wunderbare Groͤſſe
Des Coͤrpers, welchen du, betrogen durch den Schein,
Mit Unrecht glaub’ſt ſo klein zu ſeyn!
J 3Er -134Erwaͤg und ſchau in ihm ein herrliches Gefaͤſſe
Der Wunder GOttes an, das nicht nur groß allein,
Nein, gleichfalls (wie die Welt) von Wundern angefuͤllet,
Die uns die Ferne nur verhuͤllet.
Gewaͤſſer, Thaͤler, Tiefen, Hoͤh’n,
Kann man in ihm durch’s Fern-Glas ſehn,
Faſt eben wie auf unſ’rer Erden.
Wie kann doch g’nug bewundert werden
Der majeſtaͤtiſch ſtille Gang,
Den keine Hind’rung je geſtoͤret,
Der unveraͤnderlich gewaͤhret
Schon ſo viel tauſend Jahre lang!
Ach GOtt! ach unbegreiflichs Weſen,
Von Deſſen Weiſheit, Lieb und Macht
Die Wunder in der Sterne Pracht,
Als wie in einer Schrift, am deutlichſten zu leſen,
Am wuͤrdigſten zu ſehn, am beſten zu verehren;
Ach laß uns doch den Ruhm von Deiner Herrlichkeit
Jn der Geſchoͤpfe Meng und Vollenkommenheit
Durch ſelige Betrachtung mehren!
Aber -135

Abermalige Betrachtung des Mond-Scheins.

Noch keinmal iſt mir zu Geſicht
Ein herrlicher Spectakel kommen,
Als juͤngſt, da bey dem vollen Licht
Des Mondes ein ſehr zarter Duft
Den weiten Raum der tiefen Luft
Mit hellen Wolken eingenommen.
Von einem weiſſen Flor, von einem duͤnnen Schleier
Ward der ſo hell-geſtirnte Bogen
Allmaͤlich uͤberzogen.
Des Mondes Silber-weiſſes Feuer,
So bis daher die Luft erfuͤllt,
War Anfangs etwas eingehuͤllt;
Nachher eroͤffnet ſich auf eine ſuͤſſe Weiſe
Der ſchoͤn’ſte Schauplatz, den die Welt
Den Augen jemals vorgeſtellt.
Viel faſt Schnee-weiſſe Wolken-Kreiſe,
Die bey viel Kreiſen von Sapphir
Jn recht verwunderlicher Zier
Und ordentlichem Wechſel ſchienen,
Erhub die dunk’le Pracht der tiefen Himmels-Buͤhnen.
Es bildeten ſich ſchoͤn, da ſich der Duft zerſtuͤckte,
Die groſſen Cirkel ſelbſt, wodurch der Himmel ſich
Ganz auſſerordentlich
Mit Regel-rechten Cirkeln ſchmuͤckte.
Von dieſen Kreiſen ſchien in einem reinen Schein
Der Mond der Mittel-Punct zu ſeyn.
Es kann am Himmel und auf Erden
Nichts praͤchtigers geſehen werden.
Der dunkeln Kreiſe Tief und Schwaͤrze
J 4Glich136Glich einem ſchwarzen Sammt,
Worauf ein Sternen-Heer in einer Herrlichkeit,
Die unbeſchreiblich, blitzt und flammt
Jn der ſo tiefen Dunkelheit.
Ein jedes ward durchs and’re noch verbeſſert,
Und durch den Gegenſatz ward jedes Pracht vergroͤſſert.
Jch ſtellte mir
Das dunk’le Schwarz der Boden-loſen Tiefe,
Die ich mit einem Geiſt voll Ehrfurcht uͤberliefe,
Als wie ein praͤchtigs Kleid von ſchwarzem Sammet fuͤr,
Das unermeßlich iſt, worauf (fuͤr Edelſteine,
Statt Perlen, Silber, Gold, Smaragd, Sapphir, Car -
bunkeln)
Jn unbeſchreiblich hellem Scheine,
Jn unaufhoͤrlichem Blitz, Schimmer, Glanz und Stral,
Ohn Ende, ſonder Maſſ und Zal,
Nur Sonnen und Planeten funkeln.
Durch ſolch ein unermeßlich Bild
Ward ich ſowol mit Freud als Furcht erfuͤllt.
Es kam mir Anfangs fuͤr,
O groſſer GOtt, als ob ſelbſt Dir
Und Deiner unumſchrenkten Ehre
Solch Bildniß nicht unwuͤrdig waͤre.
Will, dacht ich, nun die Menſchlichkeit,
Nach ihrer Weiſe, ſich ein Bild von GOtt formiren;
So ſcheinet durch ein ſolches Kleid
Von ihrer Torheit ſich noch etwas zu verlieren.
Allein, wie groß davon auch die Gedanken ſeyn;
Sind ſie doch viel zu klein.
Das Bild von einem Kleid ſchrenkt etwas groͤſſers ein,
Als der gekleidet iſt: drum iſt der Kleider Bild
Es ſey ſo groß es ſey, bey der Unendlichkeit
Der Gottheit, eben auch mit Torheit angefuͤllt.
Jedennoch, weil ſich unſer Geiſt,
Dem137Dem endlichen nur Stuffen-weiſ entreiſſt;
Mag ſolch ein herrlich Kleid von unſ’rer Gottheit Schein
Zum voͤlligen Begriff die erſte Staffel ſeyn.
Nachhero fiel mir ein,
Jn welcher herrlichen und ſtillen Majeſtaͤt
Der Mond mit ſeinem Silber-Schein
Seit ſo viel tauſend Jahren geht;
Mit welchem Gleich-Gewichte
Er ſich unwandelbar in wandelbarem Lichte
Mit unſ’rer Erd uͤm unſ’re Erde dreht.
Erweg es, liebſter Menſch! ach unterſcheide dich
Doch einmal von dem Vieh! Ein Kreis, der Tag und Nacht,
(Jndeß daß alles dieß, was leb’t, bald ſchlaͤf’t, bald wacht,)
Nicht eins, nicht hundert Jahr, viel tauſend, ordentlich,
Ohn daß er einmal ſtockt, ohn daß er einmal irrt,
Beweg’t und fort geſchoben wird,
Zeigt, ſag ich, ſolch ein Kreis nicht eine Wunder-Macht,
Ein unergruͤndlich Meer der Weiſheit, Lieb und Guͤte
Von einem Weſen an,
Das nimmermehr ein menſchliches Gemuͤte,
Ja aller Engel Witz nicht g’nug, verehren kann?
Ach denke ferner nach, wie auf dieſelbe Weiſe
Viel tauſend Millionen Kreiſe
Von groͤſſern Sonnen, groͤſſern Erden
Durch Deſſen maͤchtige Gewalt nicht nur beweg’t,
Erhalten auch, und auch regieret werden!
Ach laſſt uns kuͤnftig doch die Werke der Natur
Die GOttes Werke ſind, nicht wie vorhin verachten!
Ach laſſet uns zugleich in ihnen doch die Spur,
Auf welcher man ſich ſelbſt zum Schoͤpfer naht, betrachten!
Wie viele Menſchen ſehn des Mondes Prangen!
Die meiſten aber denken nicht,
Daß er ſein angenemes Licht
Bloß von dem Sonnen-Licht empfangen!
J 5So138So ſehen viel auch unſ’rer Sonne Schein,
Von denen kaum der Hunderte gedenket,
Daß GOtt, der Sonnen Sonn, allein
Der Sonne Waͤrm und Licht geſchenket.
Noch denkt von dieſen wieder kaum
Ein einziger, der Sterne ſchauet,
Daß GOtt der Himmel Himmel Raum
Unendlich tief und weit gebauet,
Und daß in dieſes Abgrunds Ferne
Die Jrrſtern und die feſten Sterne
Durchaus nicht, wie ſie ſcheinen, klein,
Nein, lauter Welt und Sonnen, ſeyn.
Allgegenwaͤrt’ger Schoͤpfer, lenke,
Ach lenke meinen Sinn
Durch Deine Gnade doch dahin,
Daß ich an Deine Groͤſſ und Allmacht oft ge -
denke!
Wir -139

Wirkung der Sonne.

Jch ſahe juͤngſt verwundernd an,
Wie ſehr das helle Sonnen-Licht
Jedweden Gegenwurf veraͤndern kann,
Da etwas, ſo Pech ſchwarz, noch weiſſer ward, als weiß.
Es ſchrieb ein Menſch mit groſſem Fleiß
Beſtaͤndig vor ſich weg, und zwar ſo, daß auf ihn
Die Sonne von der Seite ſchien:
Wodurch ihr Stral
Jhm allemal
Auf ſeine feucht - und neu-gezog’nen Lettern fiel.
Hiedurch nun druckte ſich ein weiſſer Schein
Den ſchwarzen Lettern ein.
Es ſchien ſelbſt das Papier, das faſt ſo weiß wie Schnee,
Bey ſolchem Schimmer ſchwarz zu ſeyn.
Jndem ich dieß Verwund’rungs-voll erſeh;
Gedenk ich, voll Zufriedenheit:
Die Sonne der Gerechtigkeit
Kann, will und wird auch in den ſchwaͤrz’ſten Suͤnden -
Schriften,
Wenn ſie von Thraͤnen feucht, ein gleiches ſtiften.
Kleine140

Kleine Anrede der Kinder bey den vier Zeiten-Mahlzeiten.

Liebſten Gaͤſte, ſeyd willkommen, Die ihr euch, nebſt uns allhier, Auch des
  • Fruͤhlings
  • Sommers
  • Herbſtes
  • Winters
Schmuck und Zier Zu betrachten vorgenommen! Braucht heut bey der
  • bunten
  • weiſſen
Pracht, Dem zum Ruhm, Der alles macht, Ein vernuͤnftiges Geſichte! Laſſet euch des
  • Fruͤhlings
  • Sommers
  • Herbſtes
  • Winters
Fruͤchte Und die wenigen Gerichte, Wie ſie euch gegoͤnn’t ſind, ſchmecken! Werdet ihr der Gottheit Stral Jn den Creaturen faſſen; Wird euch GOtt noch manches mal Dieſe Luſt erleben laſſen.
Fruͤh -141

Fruͤhlings-Cantata.

  • Die Arien dieſer und der folgenden zwo Cantaten ſind zwar bereits im vorigen Theile dieſes Werks hin und wieder zu finden; Weil aber der Welt-beruͤhmte Virtuoſe, Herr Hendel, dieſelben auf eine ganz beſondere Ahrt in die Muſic geſetzet: ſo hat der Herr Verfaſſer fuͤr gut gefun - den, durch neue dazu verfertigte Recitative ſie ſaͤmtlich in dreyen Cantaten zuſammen zu bringen.
Tirſander ſahe juͤngſt im bunt-bebluͤhmten Lenzen,
Durch holde Wiederkunft der reinen Sonnen-Gluht,
Die Erde, Luft und Flut, und alles herrlich glaͤnzen:
Es klopft und wallet ihm daruͤber Herz und Blut
Vor Luſt und heiſſer Dank-Begierde.
Jtzt ruͤhret ihn der Erden gruͤne Pracht,
Bald reizet ihn der hellen Wolken Zierde,
Bald ward er von dem Glanz der Flut recht angelacht.
Er ließ demnach, dem groſſen All zu Ehren,
Ein froͤhlich Lied von allen dreyen hoͤren,
Und zwar ward das bebluͤhmte Feld
Zuerſt, wie folget, fuͤrgeſtellt:
ARIA.
Vor unſ’rer Felder Schmuck erroͤten
Selbſt Babyloniſche Tapeten,
Die eine kluge Nadel ſtickt.
Ein gruͤner Sammt mit Gold verbraͤmet,
Mit Perlen und Rubin beſaͤmet,
Wird, durch den Glanz, der unſ’re Wieſen
ſchmuͤckt,
Wie Glas durch Diamant, beſchaͤmet.
Er142Er ſah hierauf an roter Wolken Spitzen
Ein buntes Licht im hellen Schimmer blitzen:
Er ſah an unterſchied’nen Stellen
Ein lieblich Feuer-Meer voll kleiner guͤld’ner Wellen.
Nichts war an den Sapphir’nen Hoͤhen
Als Silber und als Gold zu ſehen.
Der Schimmer, welcher ihm durchs Aug ins Herze drang,
Macht, daß er ihn, wie folgt, beſang:
ARIA.
Die ihr aus dunkeln Gruͤften
Den eiteln Mammon grab’t,
Seht, was ihr hier in Luͤften
Fuͤr reiche Schaͤtze hab’t!
Sprecht nicht: Es iſt nur Farb und Schein;
Man zehlt und ſchlieſſt es nicht im Kaſten ein!
2.
Des fein’ſten Goldes Schimmer,
Des rein’ſten Silbers Pracht
Erſaͤttiget euch nimmer.
Drum nem’t dieß Gold in acht!
Denn wer ſich dieſes Schimmers freu’t,
Den kroͤn’t dereinſt das Gold der Seligkeit.
Nachhero fiel ihm ins Geſicht,
Wie ſchoͤn das helle Sonnen-Licht
Die reine Flut beſtral’te,
Und wie der Erden Pracht, zuſamt des Himmels Zier,
Sich in derſelbigen ſo Wunder-wuͤrdig mal’te.
Hieruͤber bracht er dieß zu GOttes Ruhm herfuͤr:
ARIA. 143
ARIA.
Das zitternde Glaͤnzen der ſpielenden Wellen
Verſilbert das Ufer, beperlet den Strand.
Die rauſchenden Fluͤſſe, die ſprudelnden Quellen
Bereichern, befeuchten, erfriſchen das Land,
Und machen in tauſend vergnuͤglichen Faͤllen
Die Guͤte des herrlichen Schoͤpfers bekannt.
Wie er dieß alles nun noch einmal uͤberſah,
Da waren ihm die Freuden-Thraͤnen nah,
Jndem er in der Pracht, die alle Coͤrper ſchmuͤckte,
Ein etwas, welches mehr als coͤrperlich, erblickte.
Jhn daucht, als wenn er Schoͤnheit und Verſtand
Jn einem jeden Vorwurf fand,
So daß es ihn recht inniglich ergetzt.
Hieruͤber ſang er noch zuletzt:
ARIA.
Meine Sele hoͤr’t im Sehen,
Wie, den Schoͤpfer zu erhoͤhen,
Alles jauchzet, alles lacht.
Hoͤret nur!
Des bebluͤhmten Fruͤhlings Pracht
Jſt die Sprache der Natur,
Die ſie deutlich durchs Geſicht
Allenthalben mit uns ſpricht.
Zweyte144

Zweyte Cantata.

Mit einem aufgeweckt - und froͤhlichen Gemuͤte
Sah Beliſander juͤngſt die weiſſe Bluͤhte
Verſchied’ner Baͤum im Lenzen an.
Er ſetzte ſich in ihren Schatten nieder,
Und ſang dem GOtt, der aller Schoͤnheit Pracht
So wunderbar hervor gebracht,
Voll Ehrfurcht, Dank - und Freuden-Lieder.
ARIOSO.
Jch ſeh anitzo wunderſchoͤn
Auf manchem ſchwanken Aſt,
Auf ſo viel hundert Zweigen
Viel tauſend weiſſe Bluhmen ſtehn,
Die ſich, nebſt ihrer ſuͤſſen Laſt,
Vom Zephir ſanft beweg’t, ſanft auf - und nieder
beugen.
Sie gleichen, da ſie uns, zuſamt der Luft, erfriſchen,
Beweglich-wallenden Schnee-weiſſen Feder -
Buͤſchen.
Er ſah mit Luſt ihr ſanftes Wallen,
Zuweilen aber auch durch ſtetiges Bewegen
Ein groſſes Heer herunter fallen.
Ach! rief er, welch ein holder Regen,
Der145Der mich bedecket, doch nicht netzet,
Der mein Geſicht, Gefuͤl und den Geruch ergetzet.
ARIA.
Suͤſſer Bluhmen Ambra-Flocken,
Euer Silber ſoll mich locken
Dem zum Ruhm, Der euch gemacht.
Da ihr fallt, will ich mich ſchwingen
Himmel-waͤrts, und Den beſingen,
Der die Welt hervor gebracht.
Er ging hierauf ein wenig weiter fort,
Und kam an einen Ort,
Woſelbſt in einem roten Schein
Schon eine fruͤhe Roſe bluͤhte.
Der holde Glanz, der auf den Blaͤttern gluͤh’te,
Nam nebſt der Seltenheit ihm Herz und Sinnen ein.
Er brach von dieſem Buſch, um ſie recht zu beſehn,
Ein off’ne Roſe fertig ab,
Und fand, als er darauf recht Achtung gab,
Daß auf den Blaͤttern, wunderſchoͤn
Statt einer, viele Farben ſtehn,
Und daß, was auf den aͤuſſern Blaͤttern gluͤhet,
Jn einer blaulich-weiß - und roͤtlich-klaren Pracht
Faſt einer Fleiſch-Farb aͤhnlich ſiehet.
Hiedurch geruͤhrt und gleichſam angelacht
Ward er zu folgenden Betrachtungen gebracht:
ARIA.
Wenn man ſchoͤne Wangen ſiehet,
Und von Lieb entzuͤndet gluͤhet;
Spricht man: wie die Roſe bluͤhet,
Alſo bluͤhet dieß Geſicht.
II. Theil. KGibt146Gibt man alſo zu verſtehen,
Daß auf Erden nichts ſo ſchoͤn,
Und dennoch ſie anzuſehen,
Um den Schoͤpfer zu erhoͤh’n,
Wuͤrdigt man die Roſe nicht.
Ein Auge, das den Schmuck der Roſen ſiehet, fuͤlet
Solch einen ſuͤſſen Reiz, das Herz ſo ſuͤſſe Gluht,
Als wenn ein ſchoͤnes Blut
Durch eine zarte Haut
Der Roſin-farb’nen Jugend ſpielet,
Und man auf Armen, Bruſt und um den Mund und Wangen
Ein friſches roͤtlich weiß in ſuͤſſer Miſchung prangen
Und Lieb erregend glaͤnzen ſchaut.
Mein Herz, entreiſſe Dich aus der Gewohnheit Schlingen,
Und mache dich von ihren Banden frey!
Jch will mit frohem Mut der Roſen Schmuck beſingen,
Daß ihres Schoͤpfers Macht durch ſie verherrlicht ſey.
ARIA.
Flammende Roſe, Zierde der Erden,
Glaͤnzender Gaͤrten bezaubernde Pracht!
Augen, die deine Vortrefflichkeit ſehen,
Muͤſſen, vor Anmut erſtaunet, geſtehen,
Daß dich ein Goͤttlicher Finger gemacht.

Da Capo.

Drit -147

Dritte Cantata.

Des Himmels Zier, der Erden Sel und Geiſt,
Die Sonn, aus der des Lichts und Lebens Flut,
Als einer nie verſieg’nen Qvelle, fleuſſt,
Traf mit geradem Stral die Waͤlder, Feld und Matten,
Erfuͤllete die Welt mit ſuͤſſer Gluht,
Macht kleine, ja faſt keine, Schatten,
Als Tirſis, um der Kuͤlung Luſt zu finden,
Bey ſeiner Heerd, im Schatten einer Linden
Sich, frey von eit’len Sorgen, ſetzte,
Und bald ſich an dem Buſch, bald an dem Feld, ergetzte.
Das murmelnde Getoͤſe, ſo das Vieh
Mit wiederkaͤuenden, nie ſtillen Maͤulern machte,
Schien eine ſanft gedaͤmpfte Harmonie.
Die ſtille Heerde ſchien, als ob ſie lag und dachte.
Es ließ der ſanfte Laͤrm, der murmelnd gleichſam rollte,
Als ob ſie uns dadurch zur Lehre ſagen wollte:
ARIA.
Kuͤnft’ger Zeiten eit’ler Kummer
Stoͤr’t nicht unſern ſanften Schlummer;
Ehrgeiz hat uns nie beſiegt.
Mit dem unbeſorgten Leben,
Das der Schoͤpfer uns gegeben,
Sind wir ruhig und vergnuͤg’t.

Da Capo.

Jndem er nun, ſo wie er pfleg’te,
Noch ferner bey ſich uͤberleg’te:
Wie unſtet doch der Menſch, wie unvergnuͤg’t ſein Wille,
Wie ſehr vergnuͤg’t hingegen und wie ſtille
K 2Ein148Ein Herz, das im Geſchoͤpf am Schoͤpfer denket, ſey;
Fiel ihm, voll Andacht, folgends bey:
ARIA.
Hier in dieſen holden Buͤſchen,
Wo ſich Licht und Schatten miſchen,
Suchet ſich in ſtiller Luſt
Aug und Herze zu erfriſchen.
Dann erheb’t ſich aus der Bruſt
Mein zufriedenes Gemuͤte
Und lobſingt des Schoͤpfers Guͤte.
So lieblich ſang er dieß, daß Feld und Wald erklang,
Bis ihn ſein froher Mut zuletzt noch weiter brachte,
Daß er in dieſer Ruh auch an die kuͤnft’ge dachte,
Und, inniglich dadurch geruͤhrt, wie folget ſang:
ARIA.
Suͤſſe Stille, ſanfte Qvelle
Ruhiger Gelaſſenheit!
Selbſt die Sele wird erfreu’t,
Wenn ich mir, nach dieſer Zeit
Arbeitſamer Eitelkeit,
Jene Ruh vor Augen ſtelle,
Die uns ewig iſt bereit.

Da Capo.

Menſch -149

Menſchliche Unempfindlichkeit.

Es fuͤl’t die Luft zur holden Fruͤhlings-Zeit
Von der ſich naͤhernden beflammten Sonnen -
Gluht
Das rege Licht voll neuer Fruchtbarkeit.
Es fuͤlet ihre Kraft die feucht und kalte Flut:
Es fuͤlet ſie die Erd, es fuͤlet’s alles das,
Was ſie hervor bringt, Kraut und Gras.
Es fuͤlen Voͤgel, Fiſch und Thiere,
Daß ſich ein neuer Trieb in ihren Adern ruͤhre.
Kurz, alles fuͤlet itzt, wie alles angefuͤllt
Von einer Himmels-Kraft, vom Geiſt des Son -
nen-Lichts:
Nur bloß des Schoͤpfers Ebenbild,
Der Menſch, als Menſch, verſpuͤr’t von allem, leider!
nichts.
K 3Die150

Die beſte Dankbarkeit.

Jch ſeh das lieblich-gruͤne Gras,
Wenn es vom Thau des Morgens naß,
Als wie im bunten Feuer glimmen.
Jch ſeh der Sonne guͤld’ne Gluht
Auf reiner Baͤche glatter Flut,
Als wie ein flieſſend Silber, ſchwimmen.
Durch dieſen Schein, durch dieſes Glaͤnzen
Entreiſſet ſich die frohe Sele
Aus ihres ird’ſchen Coͤrpers Hoͤle,
Aus den ihr ſonſt gewohnten Grenzen.
Durch dieſes Feuers bunten Schein
Wird ſie recht als auf einem Wagen
Von Feu’r und Glanz empor getragen.
Sie ſteigt durch die ſo ſchoͤnen Flammen
Zu Dem, aus Deſſen tiefem Meer
Von Lieb und Licht ſo manches Heer
Von Sonnen und von Welten ſtammen.
Sie zuͤndet Jhm der Andacht Kerze,
Zu Seiner Ehr, in Ehrfurcht an,
Und, weil ſie ſonſt nichts geben kann,
So gibt ſie Jhm im Dank ihr Herze.
Das151

Das Getraide.

Der bunt-bebluͤhmte May war eben im Begriff,
Dem warmen Junius die Herrſchaft abzutreten,
Als ich, um einſt beym Korn den Schoͤpfer anzubeten,
Mich nebſt den Meinigen in einem kleinen Schiff
An einen Ort verfuͤg’t, woſelbſt die fetten Felder,
Rings um bekraͤnzt durch Schatten-reicher Waͤlder
Erhab’nes Eichen-Laub, ein rechtes Segens-Meer
Voll lieblich wallender, doch trockner Wellen
Den Augen ſuch’ten vorzuſtellen.
Es wankt die trockne Flut gemaͤlig hin und her.
Jch kann die Aeren hier vergnuͤglich wallen,
Dort ſich erheben, dorten fallen,
Da wieder in die Hoͤhe ſteigen,
Dort ſchweben, dort ſich neigen,
Wie Wirbel ſich in Kreiſe drehn,
Bald eine Zeitlang ſtille ſtehn,
Gleich aber wiederum ſich ſchwingen, ſehn.
Dieß unaufhoͤrliche, doch liebliche Gewuͤl,
Wodurch das Feld recht als zu leben ſchien,
Jſt dem Geſicht ein angenemes Spiel.
Der noch nicht reifen Halmen Gruͤn
Erheb’t das Purpur-Gruͤn der Aeren,
Die ſonſten nicht zu unterſcheiden waͤren.
Und eben dieſes Spiel von Schatten und vom Licht,
Das ſich beſtaͤndig unterbricht,
Sich nahet, ſich entfernt, ſich teilet, ſich vereinet,
Zu fliehen, und ſich ſelbſt zu jagen ſcheinet,
Jſt eins der lieblichſten, ſo wir auf Erden finden.
Ein ſonſt unachtſam Auge kann,
Es anzuſehn, ſich nicht entbrechen,
K 4Und,152Und (welches viel) man hoͤret jedermann,
Der dieſe Schoͤnheit ſieht, davon mit Freuden ſprechen.
Jch brach, ſie zu beſehn, auch ein paar Aeren ab,
Wovon mir jegliche viel zu betrachten gab.
Recht wunderbar und wol betrachtens wehrt
Sind nicht die langen nur, nein auch die kurzen Spitzen,
Die um die langen Halme ſitzen,
Durch deren Schaͤrfe ſie ſich ſelbſt beſchuͤtzen,
Daß weder Wurm noch Raupe ſie verſehrt.
Unglaublich iſt’s, wie ungemein
Voll Zaͤſern, wie ſo klein,
So daß ſie faſt unſichtbar, dieſe ſeyn.
Man neme ſich die Muͤh,
Beſchaue ſie
Durch ein Vergroͤſſ’rungs-Glas, ſo wird man Wunder ſehn,
Daß jede Spitz, als wenn es eine Aere
Mit allen ihren Teilen waͤre,
Recht wunderwuͤrdig ſcheint.
Was Anfangs gruͤn,
Wird allgemaͤlig grau.
So Blat als Halm wird gelblich, und die Aeren,
Woran ich, wenn ſie bluͤhn,
Mit aufmerkſam - und froͤhlichem Gemuͤte,
Nebſt der beweglichen faſt ungeformten Bluͤhte,
Ein lieblich Purpur ſchau,
Vermehren
Die Anmut des Geſichts, indem die platten Spitzen,
Dem Anſehn nach, geflocht’nen Litzen
Von purpurner von gruͤn - und grauer Seide
Natuͤrlich zu vergleichen ſtehn.
Nachdem ich dieß mit vieler Freude
Bewundernd angeſehn;
Ward meine Luſt noch mehr gehaͤuft,
Als ich auf andern Feldern,
Woſelbſt153Woſelbſt das Korn ſchon etwas mehr gereift,
Von nah geleg’nen Waͤldern
Jn vielen Buͤſchen hie und da
Ein Ueberbleibſel ſah.
Man ſieht viel Jnſeln mit Vergnuͤgen
Jm gruͤnen Schmuck in unſ’rer Elbe liegen,
Als wenn Smaragd in Silber liegt.
Hier ſchauet man mit inniglicher Freude
Jn reiſem gelblichen Getreide,
Das oͤfters wall’t und ſich beweg’t wie Wellen
Jn einem Glanz, als wenn er guͤlden waͤre,
(Ach ſaͤhe man es ſtets zu ſeines Schoͤpfers Ehre!)
Verſchied’ne gruͤn - und ſchoͤn bebuͤſchte Stellen
Als Jnſeln von Smaragd in einem guͤld’nen Meere.
Wenn dieſes Aeren-Meer nicht rauſcht, nein lieblich ziſcht,
Wird Aug und Ohr zugleich vergnuͤget und erfriſcht.
Ach GOtt, wann ich dieß ſanfte Ziſchen hoͤre,
So laß es doch, zu Deiner Ehre,
Mit einem frohen Lob-Geſang,
Als einem Dir beliebten Klang
Und ſuͤſſer Harmonie, mich reizen.
Ach GOTT, es giebt dein Gnaden-Wille
Dem menſchlichen Geſchlecht in ſolcher Fuͤlle
Korn, Gerſten, Habern, Rocken, Weizen.
So viel, ſo mancherley Getreide
Ernaͤhrt uns bloß durch Dich allein.
Ach laß, o GOTT, dafuͤr, aus Gnaden, unſ’re Freude
Dir ein gefaͤllig Opfer ſeyn!
K 5Ein154

Ein klares Waſſer.

  • Zwey andere Gedichte vom Waſſer finden ſich im vorigen Theile p. 26. und p. 268.
Es kann faſt nichts ſo ſehr das Herz durchs Auge laben,
Ja gar auch unſern Geiſt erfriſchen,
Als ein, von angenemen Buͤſchen
Bewachſener, beſchilſter Waſſer-Graben:
Zumal wenn auf der glatten Flut
Der Sonnen-Stralen guͤld’ne Gluht
Auf ſeiner Flaͤch in dunkler Klarheit ruht.
So herrlich ſtral’t ſo dann der Glanz, daß unſer Augen
Vor Klarheit ihn kaum anzuſehen taugen.
Wenn aber hie und da des Schilfes gruͤne Spitzen,
(Die oͤfters, wie wir es mit Freuden ſehn,
Recht mitten in dem Schimmer ſtehn,)
Uns vor dem Gegenſchlag von dem zu hellen Blitzen
Durch ihre gruͤne Farbe ſchuͤtzen,
Und uns ſo gar die Augen dadurch ſtaͤrken;
So kann man, wie die Gluht und Flut ſo ſuͤß vormiſcht,
Auf unterſchied’nen Stellen merken.
Wie werden wir zugleich entzuͤndet und erfriſcht,
Wenn auf dem Waſſer ſelbſt das Bild der Sonne ſchwimmet?
Wie lieblich funkelt es, wie ſtral’t und glaͤnzt es nicht,
Wenn kleiner Blitze glaͤnzend Licht,
Das ſich am Fuß von jedem Schilfe bricht,
Am Fuß von jedem Schilfe glimmet,
Der mitten aus der Flut die gruͤnen Stengel ſtrecket,
Und deſſen junges Blat der Stral, der ihn durchdringet,
Jn einer gelblichen, anmut’gen Farb entdecket!
Aus dieſer Schoͤnheit nun entſpringet
Noch eine neue Schoͤnheit wieder,
Da in der Flut, die wie ein Glas ſo glatt,
Das Bild von einem jeden Blat
Jn reiner Klarheit nieder,
Und155Und zwar ſo deutlich, faͤllt,
Daß es gedoppelt ſchoͤn ſich uns vor Augen ſtellt.
Auf runder Binſen glatten Spitzen
Sieht man zugleich manch kleines Lichtgen blitzen.
Wenn nun ihr ſchwankes Laub, vom Zephir ſanft erreget,
Sich hin und her beweget;
Vermehrt ſich in der Sonnen Stral
Die Schoͤnheit noch einmal,
Jndem von jedem Kraut ein Schatten-Kraut gebildet,
Das ſich bald ſenkt, bald ſich erhoͤht,
Und, als ihr Urbild ſelbſt, faſt nimmer ſtille ſteht.
Wie lieblich zeiget ſich im Spiegel, der ſie traͤnkt,
Der Bluhmen buntes Heer! Wie funkelt es und glaͤnzet,
Zumal, wenn es beſtral’t, und ſich bald heb’t, bald ſenkt,
Wie ſanfte Wellen thun! Es ſchmuͤcket, es bekraͤnzet
Das Ufer nicht allein,
Wie ſonſt ein ſchoͤner Ram bey einem Malwerk thut;
Es ſchmuͤckt ſo gar die klare Flut
Mit einem holden Wiederſchein.
Zuweilen ſtralet in dem Gruͤnen
Jn holder Schoͤnheit zwiſchen ihnen
Das kleine Himmel-blaue Licht
Der lieblichen Vergiß mein nicht,
Jn welcher ich nicht nur der ird’ſchen Schoͤnheit Bild,
Womit ſie, nebſt der Lehr, im Namen angefuͤllt,
Rein gar des Himmels Blau,
Wenn er voll Glanz und Gluht, mit Luſt und Andacht ſchau.
Wir koͤnnen, liebſte Bluhm, in dir
Die dunkel-gruͤne Zier
Der Erde mit der Pracht der Sternen
Verbinden lernen.
Da ich in Deinem ſchoͤnen Kleide
Ein bloͤmourant, ein ſterbend Blau,
Wie156
Wie man es nennet, ſchau;
Gedenk ich zwar ans Sterben: Doch dabey
Empfind ich eine ſuͤſſe Freude,
Jndem ſo Herz als Auge findet,
Wie ſo genau und liebreich ſich
Mit einem ſterbenden und blaſſen Blauen,
Das wir auf deinen Blaͤttern ſchauen,
Des Himmels ſchoͤnes Blau zugleich verbindet.
Dort aber, wo das Waſſer klar,
Und nicht ſo ſtark verwachſen war,
Stellt ſich ſo gar
Des hellen Firmaments Sapphir
Recht deutlich als ein Spiegel dar.
Man kann in dieſem Bach den Himmel klaͤrlich ſehn.
Was Wunder, daß er wunderſchoͤn?
Jch ſah der Erden Gruͤn, ich ſah des Himmels Blau
Und, ſamt der Sonnen Gold, der Wolken Silber-glaͤnzen
Auf der ſonſt dunklen Flut ſo engen Grenzen
So wunderbarlich ſich vereinen,
Und ſie bald auf einmal, bald Wechſel-weiſ erſcheinen.
Ein dunkel-gruͤner Wiederſchein,
Der von beſchatteten erhab’nen Baͤumen
Den Urſprung nam,
Und auf der klaren Flut durchſicht’ger Flaͤche ſchwamm,
Dient dort des niedern Schilfs, das an dem Ufer ſtunde,
Licht-gruͤnem Schein zu einem ſchoͤnen Grunde,
Worauf ſein lichtes Gruͤn noch einſt ſo rein, ſo klar,
Und faſt ſo deutlich gar,
Als wie das Urbild, war.
So kraͤftig war im Wiederſchein das Gruͤn,
Daß es an manchen Orten ſchien,
Ob naͤmen an dem Fuß von Schilf und Binſen
(War157(War gleich nicht eine da) viel gruͤne Waſſer-Linſen
Des Waſſers Flaͤche wuͤrklich ein;
Recht leiblich ſchien der Schein zu ſeyn.
Nicht weit davon formir’t ein praͤchtiges Gebaͤude,
So gleichfals auf der Flut im Wiederſchein zu ſehen,
Uns eine neue Augen-Weide.
Kaum aber daß die Flut ſich nur ein wenig reget:
Daß ſich der Schein zugleich mit hin und her beweget.
Hieruͤber ſchien mir dieſer Schein,
Da ich ihn recht beſah, ein lehrend Bild zu ſeyn.
Gleichwie das Waſſer-Haus ſo wackelhaftig laͤſſt;
So iſt ſein Urbild ſelbſt vergaͤnglich und nicht feſt.
Noch mehr. Das Waſſer ſcheint bis auf den Grund erfuͤllt.
Des Hauſes wiederſcheinend Bild
Laͤſſt recht, als ob ſich’s in die Tiefe ſenket.
Wenn man es aber recht bedenket,
So findet ſich, daß es ein bloſſer Schein,
Daß er ſich gar nicht tief ins Waſſer ſtrecket,
Nein, daß er nur allein
Den aͤuſſern Teil der Flaͤche decket.
Ach! daß das menſchliche Geſicht
Viel anders, als dieß Waſſer, nicht
Die Schoͤnheit der Natur
Jm Waſſer ſeiner Augen ſpuͤret,
Jndem der herrlichen Geſchoͤpfe Schoͤnheit nur
Sich oben auf der Flaͤch, ins Hirn ſich niemals, ſenket,
Daher uns kein Vergnuͤgen ruͤhret,
Weil man nicht einſt daran gedenket.
Noch158

Noch einige Betrachtungen des klaren Waſſers.

Mein Geiſt wird durch das Aug erfriſcht, ja faſt ge -
traͤnket,
Wenn er den Blick auf die beſtral’te Flut,
Und auch zugleich auf die ſo nahe Gluht,
Die auf dem glatten Waſſer ſchwimmet,
Wodurch es gleichſam gluͤht und glimmet,
Vor Anmut halb geblendet, lenket.
Ach ſehet doch, wie dort
An dem ſowol als dieſem Ort
Der Waſſer-Liljen Gold und Silber wiederſcheinet,
So deutlich, daß man oͤfters meynet,
Ob waͤren ſicherlich
Die wahren Bluhmen unter ſich,
Die Stengel uͤber ſich, gekehret:
Wodurch des Ortes Pracht und Anmut ſich noch mehret.
Denn die ſo glatt als gruͤn und klare Dunkelheit
Wird dort auf einer andern Stelle
Mit neuer Lieblichkeit,
Von abgefall’ner Bluͤhte helle.
Ein breiter Apfel-Baum
Beſchattet einen groſſen Raum,
Und laͤſſt auf dieſer Flut Kryſtallen
Sein deutlichs Bild im Schatten fallen.
Den Schatten-Baum ſah ich mit innigem Behagen,
So wie ſein Uhrbild ſelbſt, auch wahre Bluͤhte tragen,
Als weiſſe Blaͤtterchen auf ſchwarzen Zweigen lagen.
Das159
Das allerreinſte Spiegel-Glas
Stellt wahrlich nicht ſo deutlich und ſo klar
Die Vorwuͤrf unſern Augen dar,
Als hier und dort dieß ſtille Naß.
Die Augen ſehn darauf nicht nur
So manche liebliche Figur
Von Meer-Gras, Schilf und Binſen,
Von Waſſer-Liljen, Waſſer-Linſen;
Sie ſehn nicht nur die Flut mit ſo viel ſchoͤnen Bildern,
Teils ſilbernen, teils guͤld’nen Bluͤhmchen, ſich
Mit ungezaͤl’ten Farben ſchildern;
Sie ſehn zugleich recht eigentlich,
Was in der klaren Flut fuͤr manche Schoͤnheit ſtecket,
Die uns der Sonnen Stral entdecket,
Ob ſie gleich tief auf ihrem Boden ruht.
Sie ſehn mit innigem Vergnuͤgen,
Wie bald auf ſandigtem, bald auf bewachſ’nem Grunde
Manch Waſſer-Kraut mehr ſchwamm als ſtunde,
Und wie das Sonnen-Licht
So roͤtlich ſich in dieſem Waſſer bricht.
Sie ſehn bald glatt und bunte Steinchen liegen,
Bald einen blauen Schwarm geſchwinder Fiſche ſchweben,
Bald einen gruͤnen Froſch mit langen bunten Beinen,
Die er wie Ruder braucht, erſcheinen,
Und ſeinen feuchten Kopf ſanft aus dem Waſſer heben,
Da er die groſſen Augen dann
Weit von einander ſpaͤrrt, vermutlich das, was ſchoͤn,
So viel er immer ſehen kann,
Nur deſto beſſer anzuſehn.
Wie160Wie ich denn wuͤrklich einſt mit ſeiner kleinen Hand
Von ſeinem Aug ihn etwas wiſchen ſah.
Ach, dacht ich, da auch uns ſo manche Schoͤnheit nah,
Ach taugte doch ein Froſch uns anzufriſchen,
Auch ſo, wie er die Augen auszuwiſchen!
Ach laß, geliebter Menſch, des Waſſers klares Naß,
Wie es ein Spiegel iſt von GOttes Werken,
Worin wir ihren Glanz gedoppelt merken;
Zur Staͤrkung des Geſichts ein reines Brillen-Glas,
Um GOttes Wunder auf der Erden
Viel deutlicher zu ſchauen, ſeyn!
Ja laß es, um ſo gar den ſonſt verborg’nen Schein
Der Gottheit ſelbſt zu ſehn, ein Perſpectiv dir werden!
Die161

Die Elbe.

Wie angenem, wie glatt, wie praͤchtig und wie ſchoͤn
Jſt dieſe rege Laſt der Fluten anzuſehn!
So dacht ich, als ich juͤngſt an unſ’rer Elbe ſtand,
Und, da ich deren Breit und Tiefe
Jm Geiſt erwog, mit Blicken uͤberliefe,
Darin, zu GOttes Ruhm, was Wunder-wuͤrdigs fand.
Es waren mir die Thraͤnen nah,
Als ich, zu unſerm Nutz, Vergnuͤgen und Erſprieſſen,
Den groſſen Waſſer-Coͤrper ſah
So ſanft, ſo Majeſtaͤtiſch flieſſen.
O GOtt, fing ich, hiedurch geruͤhrt, vor Freuden an,
O GOtt, aus Dem ſo gar das Meer
Als wie ein Baͤchlein qvillt, unendlichs ewigs All;
Es ſtroͤm’t der flieſſende Kryſtall
Nur bloß durch Dich ſo ſanft daher.
Bewunderns-wuͤrdig iſt dem Geiſt und dem Geſichte
Des Waſſers Coͤrper und Gewichte.
Bewunderns-wuͤrdig iſt des Fluſſes Laͤnge,
Der mehr als hundert Meilen lang.
Bewunderns-wuͤrdig iſt ſein Gang.
Der Tropfen Meng iſt zwar, allein der Wunder Menge
Noch mehr Erſtaunens-wehrt.
Der feuchten Fluͤſſigkeit
Uns traͤnkende Beſchaffenheit;
Die ungezaͤl’te Zal von Fiſchen, die uns naͤhrt;
Die fette Fruchtbarkeit, die er den Laͤndern ſchenket,
Durch die er ſeine Fluten lenket;
Die Schiffahrt, die ſo viele Maſten,
Und mit denſelbigen der Waren ſchwere Laſten,
Bald zu, bald aus der Nord-See traͤg’t,
Verdient abſonderlich, daß man es recht erwaͤg’t,
II. Theil. LDa162Da GOtt noch uͤberdem in dieſer reichen Flut
Beſond’re Wunder an uns thut.
Sie flieſſ’t nicht nur vorbey; ſie kehrt auch wieder.
Sie fuͤhrt nicht nur von oben her
Der Laͤnder Mark zu uns hernieder;
Sie wendet wunderbar den Lauf,
Und bringet uns vom Weſten aus dem Meer
Gold, Silber, Moſt und Oel herauf.
Jn jedem Tag, in jeder Nacht
Wird zweymal dieſe Segens-Flut,
Und mit derſelbigen ſo vieles Kaufmanns-Gut
Von Hamburg weggefloͤſſ’t, nach Hamburg hergebracht.
Koͤmmt ſonſt verſchied’nen Weiſen fuͤr,
Es ſey die Flut
Ein Saft der Welt, der Erde Blut;
So kommt die Elbe mir,
Vornemlich auch in unſ’rer Stadt Canaͤlen,
Als Blut in Adern fuͤr. Denn wie der Adern Saft
Dem Coͤrper Nahrung, Wachstum, Kraft,
Geſundheit, Leben bringt; ſo wird der Handelſchaft
(Als unſ’rer Stadt und unſ’rer Boͤrſe Selen)
Kraft, Nahrung, Wachstum, Geiſt und Leben
Durch ihr Gebluͤt, durch ihren Strom, gegeben.
O reicher GOTT, Der Du in dieſem Fluß,
Der durch Dein Wort allein bald gehn bald kommen muß,
Dein Hamburg ſegneſt, naͤhreſt, traͤnkeſt,
Und uns ſo manche Fuͤll aus Deiner Fuͤlle ſchenkeſt;
Erhalt uns dieſe Segens-Qvelle!
Laß ihre Tief auf keiner Stelle
Sich mindern, oder gar verſeigen!
Gib auch, daß man’s erkennen mag,
Und laß uns keinen einz’gen Tag
Von Deinem Ruhm, fuͤr ſolche Gnade, ſchweigen!
GOt -163

GOttes Groͤſſe in den Waſſern.

Jch habe zwar bereits vom Waſſer was geſchrieben;
Doch iſt nur gar zu viel davon noch uͤbrig blieben,
Das nicht beruͤhrrt war:
Drum ſtellt das Meer ſich mir aufs neu zum Vorwurf dar,
Das ſeines Schoͤpfers Groͤſſ in ſeiner Groͤſſe weiſet,
Und Deſſen Macht in jedem Tropfen preiſet.
Ach GOtt! unendlichs All, Du Brunqvell aller Dinge,
Gib, daß ich noch einmal, was Dir gefaͤllig, ſinge
Vom feuchten Element! Es ſey, o GOtt, das Meer
Ein Spiegel abermal von Deiner Groͤſſ und Ehr!
Wie wunderbarlich weit, wie unbegreiflich groß,
Wie unergruͤndlich tief iſt doch des Meeres Schoß!
Wie dunkel iſt ſein Schlund, wie fluͤſſig und wie dichte
Die rege Waſſer-Welt! wie ſchwer iſt das Gewichte
Des Waſſer-Coͤrpers doch! was iſt dem weiten Reich
Der ungemeſſ’nen Tief an Weit und Groͤſſe gleich?
Mir ſchwindelt recht, wenn ich es uͤberdenke,
Und die faſt bange Sele ſenke
Jn dieſen finſtern Pful, in dieſes Abgrunds Gruft.
Mich ſchreckt von dieſer ſchwarzen Kluft
Die unbegreifliche Geſtalt: der Fluten Brauſen
Erreg’t mir, ob ichs gleich nicht hoͤr, ein furchtbar Grauſen.
Wie viele Wunder-Thier und groſſer Wallfiſch Heere
Sind in dem unbegrenzt - und Boden-loſen Meere!
Mit welcher drengenden Gewalt,
L 2Mit164Mit welchem ſchrecklichen Gewuͤl, Getoͤs und Laͤrmen
Muß in dem tiefen Schlund und dunkeln Aufenthalt
Ein Wallfiſch-Heer ſich drehn, und durch einander ſchwaͤr -
men:
Da, wenn ein ſolcher Fiſch aus ſeiner Tiefe bricht,
Und, wie es, wenn er ſpielt, in Groͤnland oft geſchicht,
Mit graͤulichem Geraͤuſch aus ſtillen Fluten ſteiget;
Er einen ſchwarzen Thurm erſtaun’ten Augen zeiget.
Jndem ich dieß mit Ernſt ermeſſe,
Stell’t ſolcher Beſtien faſt ungemeſſ’ne Groͤſſe
Sich gleichſam meinen Augen vor.
Mir iſt, als wenn ich recht die ungeheure Hoͤhe
Von einem ſchwarzen Berg, der lebet, in ihm ſehe;
Mich deucht, ich ſchaue recht die weiſſe Wut
Der durch das ſchreckliche Gewuͤl gepreſſten Flut,
Mit Schaum - und Wirbel-vollen Wellen,
Als waͤren es Gebuͤrge, ſchwellen.
Mich deucht, es hoͤre recht mein ſchuͤchtern Ohr
Mit einem innerlichen Grauſen
Ein wildes unertraͤglichs Brauſen.
Die braune Flut wird ploͤtzlich weiß, und ſchaͤumet;
Ein groſſes Teil des Meers erhebet, waͤlzet, baͤumet
Sich bruͤllend in die Hoͤh in einem Augenblick,
Und ſtuͤrzt mit ſolcher Laſt von oben ab zuruͤck;
Daß die gepreſſte Flut oft ganze Meilen weit
Sich reget, tobet, wall’t mit ſolcher Heftigkeit,
Daß Cirkel, Wirbel, Schaum ein ſchwuͤlſtiges Bewegen,
So weit man ſehen kann, in einem Kreiſ erregen.
Wer weiß ſich nun den Stand im dunk’len Reich der Wellen,
Wo ſie bey tauſenden ſich waͤlzen, vorzuſtellen?
Wie165Wie muͤſſen ſie den Schlamm des Abgrunds, wenn ſie ſpielen,
Mit ihrer fetten Laſt verwirren und zerwuͤlen?
Der Zuſtand ſchreckt mich recht, den dieſes Reich der Nacht
Mir ins Gemuͤte praͤg’t; bald aber denk ich wieder
Auf Den, der dieſe Tief und was ſie heg’t, gemacht,
Und ſing in Demut Jhm Lob-Dank - und Freuden-Lieder:
Die Waſſer ſehen dich, o GOtt, ſie ſehen Dich,
Sie aͤngſtigen und drengen ſich.
Ach hoͤr’t, wie ihren HErrn, bald ſtill und bald mit
toben,
Die dunkel-grauen Tiefen loben!
Voll ſolcher praͤchtigen Gedanken und Jdeen
Von GOttes Wunder-Groͤſſ und unumſchrenkter Macht
Fuͤl ich in meiner Bruſt ein Andachts-Feu’r entſtehen.
Jch denke nicht, wie ich zuvor gedacht.
Ein unbekanntes Etwas reiſſt
Mir meinen faſt erſtaun’ten Geiſt
Aus ſeinem Sitz, und fuͤret meinen Sinn,
O groſſes All! von Deinem Wunder-Weſen
Zur deutlichern Betrachtung hin,
Wozu ich denn das Meer zum Spiegel auserleſen.
Jch ſtelle mir,
Unendlich groſſer GOtt, dadurch aufs neu von Dir
Ein unbegreiflichs Weſen fuͤr,
So nebſt der Welt zugleich das weite Luft-Revier
An allen Orten fuͤll’t, und welches aller Meere
Verborg’ne Tiefe, Dicke, Breite,
Samt ſeiner aͤuſſern Flaͤch entſetzlich weiten Weite
Auf einmal uͤberſieht: vor Dem der Wallfiſch Heere
Bald in den dunkeln Tiefen wuͤlen,
L 3Bald166Bald auf der hellen Flaͤche ſpielen!
Ein Weſen, deſſen Blick die Menge
Von allen Schiffen, wenn ſie gleich
Auf dem geſchwoll’nen Waſſer-Reich,
So in der Breit als in der Laͤnge
Auf wie viel tauſend Meilen
Entfernet von einander gehn,
Zugleich ſieht, wie wir eines ſehn:
Ein Weſen, welches hier das Meer
Jn einer ſtillen Glaͤtte ſiehet,
Wie ſolches, da die Luft von Wolken leer,
Vom heitern Sonnen-Licht in reinem Schimmer gluͤhet,
Und wie ein Spiegel glaͤnz’t: das aber auch zugleich
Und in dem Augenblick das wilde Waſſer-Reich
An einem weit entfern’ten Ort,
Woſelbſt der grauſe Nord,
Daß alles brauſet, heulet, bruͤllet,
Die Luft mit Waſſer-Bergen fuͤllet,
Die, mit entſetzlich ſchnellem Wallen
Bald ſchrecklich ſich erhoͤh’n, bald ja ſo ſchrecklich fallen;
Gleich gegenwaͤrtig ſchaut: ein Weſen, welches hier
So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein,
Das aller Ewigkeiten
Unendlichkeiten fuͤllt.
Ein ſolches Weſen nun ſoll einzig und allein
Mein GOtt, und nicht das Goͤtzen-Bild
Von einem alten Greiſen, ſeyn.
Der Gottheit Groͤſſ indeß, die ich ſo dir als mir
Und zwar am deutlichſten im weiten Schoß der Wellen
Bemuͤht167Bemuͤht geweſen vorzuſtellen,
Die laß, geliebter Leſer, dir
Nicht ſeltſam und nicht fremde ſeyn!
Du kannſt ſo gar davon ein Beyſpiel wuͤrklich ſehen.
Muß nicht der helle Sonnen-Schein
Die Welt auf einmal uͤbergehen,
Auf einmal einen Kreis,
Den menſchlicher Verſtand nicht zu ermeſſen weiß,
Jn unbegrenzten Luͤften fuͤllen?
Erwaͤge denn um GOttes Willen,
Was bildeſt du dir wol von einer Gottheit ein?
Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforſchte Weiſe
Weit unermeßlicher allgegenwaͤrtig ſeyn?
Mich deucht, wie mancher hiezu ſpricht:
Die Sonne ſcheinet doch den Gegen-Fuͤſſern nicht.
Dann, wann ſie bey uns iſt; ſo iſt zwar dieſes wahr:
Allein, den Unterſchied der Saͤtze zu geſchweigen;
Kann man jedoch faſt Sonnen-klar
Davon ein Beyſpiel zeigen.
Man halte nur in einen Zimmer
Viel kleine Kugeln nah aus Licht;
So wird zum wenigſten ein Gegen-Schimmer
Vom Licht, das ſich an Waͤnden bricht,
Die dunk’len Seiten gleichfalls treffen.
Da nun viel hundert tauſend Welten
Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein
Der Gottheit, die allgegenwaͤrtig, ſchwimmen:
Wie ſollten ſie denn nicht von Deren Glanze glimmen,
Und nicht von Jhr beſtralet ſeyn?
Zudem heiſſt dein Exempel nichts,
Daß Gegen-Fuͤſſer nicht mit uns zu einer Zeit
Die Gegenwart des Sonnen-Lichts
L 4Empfin -168Empfinden und genieſſen.
Der Erden Dicht - und Dunkelheit
Verwehret ſolches nur: denn ihre Stralen ſchieſſen
Viel tauſend Meilen weiter fort.
Wie grob wuͤrd uͤberdem die Meynung ſeyn,
Als ob der ew’gen Gottheit Schein
Nicht unbegreiflich herrlicher,
Allgegenwaͤrtiger, durchdringender,
Als wie des Sonnen-Lichts
Erſchaff’ner Coͤrper waͤre?
Gewiß, es braͤchte dieß der Gottheit wenig Ehre,
Zu glauben: als waͤr etwas dichts,
Materialiſches und Coͤrperlichs geſchickt,
Von einem Ort ſie auszuſchlieſſen.
Ach hoͤre,
Wie David dieß weit anders ausgedruͤckt,
Und was davon fuͤr Wort aus ſeiner Feder flieſſen:
Wenn ich in den Himmel fuͤhre; groſſer GOtt, ſo biſt
Du da.
Bettet ich mich in der Hoͤlle; waͤreſt Du mir gleichfalls
nah.
Naͤm ich der Auroren Fluͤgel, floͤg ich bis ans aͤuſſ’re
Meer;
Fuͤnde mich doch Deine Rechte, weil ich nicht verborgen
waͤr.
Soll aller Sonnen Sonn und HErr, das ew’ge Licht,
Der Urſtand und die Qvell von allen Dingen,
Der Himmel, Erd und Meer erſchaffet, wenn Er ſpricht,
Nicht in denſelben ſeyn, nicht alles das durchdringen,
Was Er gemacht, was Er allein erhaͤlt?
Dieß iſt ja ſo gewiß, als daß das, was ich ſehe,
Mir in die Augen faͤllt.
Jnzwiſchen ſchrecke dich und troͤſte dich die Naͤhe
Der169Der Gottheit, welche dich umgiebet,
Worin du lebeſt, biſt und web’ſt, und Die dich liebet,
Fuͤr welcher aber auch das Jnnerſte der Selen
Sich nicht vermag zu bergen, zu verhelen,
Die dein Gemuͤt
So deutlich, wie dein Blick was Leiblichs ſiehet, ſieht.
Da GOtt nun alles weiß, was wir gedenken;
Ach daß denn dir und mir die mehr als wahre Lehre,
Von GOttes Gegenwart, auch ſtets ein Denkmal waͤre,
Um uns von Laſtern abzulenken!
Denn, daͤchten wir daran: auch dann, wann wir allein,
Sind wir jedoch von GOtt umgeben;
Unmoͤglich koͤnnten wir ſodann nicht anders leben,
Unmoͤglich wuͤrden wir ſo grobe Suͤnder ſeyn.
Ach laß, o Groſſes All, doch denen, ſo dieß leſen,
Nebſt mir, Dein wunderbar allgegenwaͤrtigs Weſen,
Das uns, ſo wie das Meer ein Fiſchlein rund umſchlieſſt,
Und in die Ewigkeit unendlich ſich ergieſſt,
Stets vor der Seelen Augen ſtehn!
Ach laß uns, da alhier des Coͤrpers Augen
Dein undurchdringlichs Licht nicht ſelbſt zu ſchauen taugen,
Doch Deiner Allmacht Groͤſſ in Deinen Wundern ſehn!
Es ſey, o groſſer GOtt, inſonderheit das Meer
Ein Prob-Stuͤck Deiner Macht, ein Spiegel Deiner Ehr!
Ach laß uns Geiſt und Blick auf Deine Werke lenken,
Und oftermals, wie Jeſaias denken:
Er ſchilt das Meer, ſo flieh’ts von dannen,
Daß ſeine graue Tiefe brauſ’t.
Er miſſt die Waſſer mit der Fauſt,
Er faſſt den Himmel mit der Spannen.
L 5Die170

Die Heerde Kuͤhe.

Auf bunt beluͤhmt - und dick begraſ’ter Erde
Erblickt ich juͤngſt in der gehoͤrnten Heerde
Ein Bild des Friedens und der Ruh.
Jch ſah dem ſanften Wieder-Kaͤuen,
Jch hoͤret ihm zugleich mit Anmut zu,
Und muſte mich recht herzlich druͤber freuen.
Wie lieblich laͤſſt es nicht,
Wenn ſie mit halben teils, teils ganz geſchloſſ’nen Augen
Den noch verhand’nen Saft voll ſanfter Wolluſt ſaugen,
Mit den beweglichen behar’ten Ohren ſpielen,
Und mit dem ſchlanken Schweif, ſo bald ſie Fliegen fuͤlen,
Um ſie, zuſamt dem Schwarm der Muͤcken, zu verjagen,
Mit regen Kreiſen ſtets die glatten Seiten ſchlagen.
Der Farben Unterſchied vergnuͤget das Geſicht.
Wie angenem, wie lieblich laͤſſt es nicht,
Wenn man an dieſer hier
Ein glattes Schwarz, an der ein gluͤhend Rot, erblicket,
Wenn eine blaͤulich graue Haut,
Dort eine Kuh, und ſie die Wieſe ſchmuͤcket.
Abſonderlich wird nicht ohn’Anmut angeſchaut,
Wenn ſchwarze bald, bald rote Flecken
Von mancher weiſſen Kuh die hell-beſtral’ten Seiten
Mit mancherley Figuren decken.
Recht herrlich glaͤnzen die, ſo ſcheckigt ſind, von weiten.
Die ſchoͤn gehoͤrnte Stirn iſt an den meiſten weiß,
Wobey das ſchwarze Maul in ſeiner feuchten Glaͤtte
Gar171Gar oft, als ob man es mit Fleiß
Mit Leib-Farb uͤberſtrichen haͤtte,
Recht artig anzuſehn.
Wenn ſie das friſche Gras
Mit ſcharfen Zungen maͤh’n;
Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn.
Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint
Die Sanftmut mit der Ruh vereint,
Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen.
Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt
Nicht oft zu unſrer Lehr in ſolcher Stellung ſieht!
Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden
Verſchied’ne glatte Kuͤh unangebunden,
Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen
Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen.
Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe,
Und, wie man dich melket, ſehe;
Faͤllt mir bey,
Auf was Weiſ es moͤglich ſey,
Daß in dir das Gras fuͤr mich
Auf ſo wunderſame Weiſe
So zum Trank als auch zur Speiſe
Zubereitet werd, und ſich,
Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire.
Sprich nun, Menſch, ob in der That
Dem, Der es geordnet hat,
Nicht unendlich Lob gebuͤhre!
Der172

Der wilde Roſen-Strauch.

Jch ſah von ungefehr
Juͤngſt einen Roſen-Strauch, der wild,
Und welcher rings umher erfuͤllt
Mit einem ganzen Bluhmen-Heer,
Auf vier und zwanzig Fuß hoch in die Hoͤhe ſteigen
Recht mitten zwiſchen Erlen-Zweigen,
Die ihn bisher mit Laub und Schatten
Bedecket und verſtecket hatten;
Und eben dieſe Dunkelheit
Erhub der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit
So ſehr, daß ich zuerſt recht ſtutzte, ſtehen blieb,
Und als ich ſie, wie ſie ſo wunderſchoͤn,
Hatt eine Zeitlang angeſehn;
Dieß voll Vergnuͤgen nieder ſchrieb:
Bewund’rungs-wehrter Strauch, wo kommſt du her?
Wer ſetzte, pflanzt und pfleg’te dich?
Er kam von ungefehr, wird mancher ſprechen.
Jch aber kann mich, hier zu ſagen, nicht entbrechen:
Dieß Ungefehr iſt nicht von ungefehr.
Jch kann aufs wenigſte nicht anders denken,
Als daß die ſpielende Natur
Beſchloſſen, dich hier einzuſenken,
Damit an deiner Pracht,
An deiner ſelt’nen Hoͤhe
Ein frommes Auge GOttes Macht
Voll Luſt und mit Verwund’rung ſehe.
Es173Es bluͤht an dir jedwede Bluhme,
Der ſo viel tauſend ſind, zu Deines Schoͤpfers Ruhme.
Jhr roͤtlich weiß, das wie ein Licht
Der Blaͤtter gruͤne Nacht durchbricht,
Ergetzet mein geruͤhrt Geſicht.
Es ſcheinet recht, als ob in einer gruͤnen Hoͤhe
Man ird’ſche Sterne ſchimmern ſaͤhe.
Wie iſt das bloſſe Laub ſo nett, ſo niedlich!
Sein oben blaͤulich gruͤn und unten weißlich Blat,
Das zierlich eingekerbt, iſt zart und glatt,
Und von dem Erlen-Laub an Farben ganz verſchiedlich,
Sowol als an Geſtalt, und von beſond’rer Ahrt.
Die Bluhme ſelbſt iſt aus der Maſſen zart.
Jhr roͤtlich-weiſſes fuͤnf-fach Blat,
Das die Figur von einem Herzen hat,
Vergnuͤg’t und ruͤhrte mir mein Herz, und dieſe Freude,
Die aus ſo holder Augen-Weide
Den ſchoͤnen Urſprung nam,
War Urſach, daß ich gleich auf die Gedanken kam:
Da GOtt uns auf ſo manche Weiſe
Durch Sein Geſchoͤpf ergetzt;
Wie daß man es dem Geber denn zum Preiſe
Nicht achtet und nicht hoͤher ſchaͤtzt,
Wann hier in weiß und rot der Blaͤtter Herzen bluͤhen!
Auf! laſſet uns denn auch uns doch mit Ernſt bemuͤhen,
Damit auch unſer Herz, in weiſſ - und roter Gluht
Der Unſchuld und der Andacht, brenne,
Und ſo, bey einem frohen Mut,
Dem groſſen GOtt gefallen koͤnne!
Der174

Der Regen.

  • Siehe ein Gedicht hievon im vorigen Theile p. 196.
1.
HErr, du Geber alles Guten,
Der der Luͤfte weiten Kreis
Mit ſo Nahrungs-reichen Fluten
Wunderbar zu fuͤllen weiß;
GOtt! ich bin, wenn ichs bedenke,
Daß der durſt’gen Welt Getraͤnke
Aus ſo weiten Hoͤhen qvillt,
Recht mit Andacht angefuͤllt.
2.
Wann das, durch des Sommers Blitze,
Und durch ſtrengen ſchwuͤlen Brand
Einer langen Sonnen-Hitze
Aufgeborſt’ne duͤrre Land
Nichts zeigt, als verſieg’ne Baͤche,
Nichts als eine graue Flaͤche,
Nichts zeigt, als verſengtes Laub,
Nichts, als heiſſen Sand und Staub.
3.
Und ein laͤngſt gewuͤnſchter Regen,
Der ſodann von oben faͤllt,
Fuͤllt mit ſicht - und fuͤhlbar’n Segen
Die faſt halb verbrannte Welt,
Die175Die er netzt, erfriſcht und kuͤlet,
Daß man’s ſiehet, hoͤr’t und fuͤlet;
Zeiget dieß nicht Sonnen-klar,
Wie Du, GOtt, ſo wunderbar?
4.
Tropfen, die erſt oben ſchweben,
Machen durch ihr fruchtbar Naß,
Daß die Erden-Kloͤſſe kleben,
Und daß Baͤume, Stauden, Gras,
Huͤlſen-Fruͤchte, Kraut und Aeren
Sich erſt, dann uns Menſchen naͤhren.
Wunderbarlich, wie man ſpuͤr’t,
Wird das Naß uns zugefuͤhrt.
5.
Wie ein Gaͤrtner ſeinen Garten,
Wenn es trocken iſt und heiß,
Mit dem Gieſſen wol zu warten,
Und ſo ſanft zu netzen weiß;
Alſo daucht mich, daß es gehe,
Wann ich mit Vergnuͤgen ſehe,
Da der Regen abwaͤrts flieſſt,
Daß der groſſe Gaͤrtner gieſſt.
6.
Einſt hab ich beym Sonnen-Scheine
Solchen Regen angeſehn,
Da die ſchoͤn’ſten Edelſteine
Nicht ſo rein, ſo bunt, ſo ſchoͤn,
Als176Als die groſſen Tropfen ſpielten,
Die der Sonnen Eindruck fuͤl’ten,
Ach! rief ich, wie viel ſeyd ihr
Beſſer, als der Steine Zier!
7.
Wenn ihr all Juwelen waͤret,
Jeder Tropf ein Diamant;
Blieb erbaͤrmiglich verheeret
Das vorhin verſengte Land.
Eure Fluͤſſigkeit und Naͤſſe
Traͤnk’t ſie: folglich iſt die Groͤſſe
Eures Wehrts viel herrlicher,
Als ein ganz Juwelen-Heer.
8.
Aller hohen Baͤume Blaͤtter,
Aller Buͤſche gruͤnes Laub
Werden nicht im feuchten Wetter
Nur gereiniget vom Staub,
Nein, man ſieht auf ihren Kraͤnzen
Einen klaren Firniß glaͤnzen,
Wodurch denn das Gruͤn, ſo ſchoͤn,
Noch viel ſchoͤner anzuſehn.
9.
Harte Coͤrper, Holz und Steine
Werden glatt, ſo bald ſie feucht,
Wodurch ſich mit einem Scheine
Alles gleichſam uͤberzeucht.
Hierin,177Hierin, recht als in Kryſtallen,
Sieht man viele Bilder fallen,
Wenn zumal des Himmels Licht
Sich drin als im Spiegel bricht.
10.
Oefters ſieht man mit Ergetzen
Durch ein feuchtes Scheiben-Glas,
Dran ſich kleine Tropfen ſetzen,
Das erfriſchte Laub und Gras.
Dann ſind Wieſen, Buͤſche, Felder,
Gaͤrten, Berge, Taͤler, Waͤlder
Jn der Tropfen klaren Hoͤh’n,
Wunderbar verklein’t, zu ſehn.
11.
Auch wird unſer Ohr ergetzet,
Durch des Regens Fall und Schall,
Wenn er hole Daͤcher netzet,
Und die Rinnen uͤberall,
Kleinen Baͤchen gleich, mit Haufen
Voller Waſſer uͤberlaufen:
Hiedurch wird die Luft beweg’t,
Und ein ſuͤſſer Ton erreg’t.
12.
Rauſchen, ziſchen, klatſchen, ſauſen
Miſchen ſich, und dieß Getoͤn
II. Theil. MZeugt178Zeugt ein angenemes Brauſen,
Klinget unſern Ohren ſchoͤn:
Ja es kommt, wenn wirs erwegen,
Da man trocken ſitzt, der Regen
Und ſein Schall nicht nur dem Ohr,
Sondern uns ganz, lieblich vor.
13.
Sonderlich im Regenwetter
Fuͤlet man an Haupt und Bruſt,
Wenn man aufgerollte Blaͤtter
Vom Tabac braucht, eine Luſt.
Denn wann ſich aus unſern Pfeifen
Kleine Wolken-Creyſe haͤufen,
Und man warmen Nebel ſchaut,
Schauret uns fuͤr Luſt die Haut.
14.
Kurz, der Luͤfte Saft, der Regen,
Womit GOtt die Erde traͤnkt,
Jſt nicht nur voll Kraft und Segen,
Sondern, wenn man’s recht bedenkt,
Dient es uns zu mancher Freude,
Mancher Luſt und Augen-Weide.
Denn ſelbſt aus der truͤben Zeit
Stammet eine Froͤhlichkeit.
15. Sey179
15.
Sey denn, Geber aller Gaben,
Tauſendmal dafuͤr gepreiſ’t,
Daß durch Dich wir Regen haben,
Der uns nicht nur traͤnkt, auch ſpeiſ’t,
Ja an welchem alle Sinnen
Mannichfalt’ge Luſt gewinnen!
Gieb, ſo oft ich regen ſeh,
HErr, daß Dir’s zum Ruhm geſcheh!
M 2Die180

Die himmliſche Schrift.

Jhr Sonnen, die ihr ohne Zal
Jm unergruͤndlichen unendlich-weiten Thal
Des holen Firmamentes ſtehet:
Jhr Welte, die ihr euch um dieſe Sonnen drehet,
Die voller Waͤrm und Licht, voll Stralen, Glanz und Gluht;
Es ſoll von euch mein faſt entzuͤckter Mut
Ein Andachts-volles Lied, ein Ehr-erbietigs ſingen
Dem Groſſen All zum Opfer bringen.
Jch fuͤle, daß mein angeflammter Geiſt
Dem groſſ - und kleinen Kreis der Erde ſich entreiſſt,
Zugleich ſich in die Tief ohn End und Anfang neiget,
Zugleich auch in die Hoͤh ohn End und Graͤnzen ſteiget.
Ein feur’ger Andachts-Trieb
Verſetzt mich in die Ewigkeit.
Mein denkend Weſen breitet ſich
Jn’s ungemeſſ’ne Sternen-Haus,
Vor Ehrfurcht ſtumm, vor Luſt erſtaunet, aus.
Da ich anitzt die allertiefſte Hoͤhe,
Den unbegrenzten Raum des holen Himmels, ſehe,
Die Weite ſonder Ziel, die GOtt allein erfuͤllet,
Wo Sein unendlich ewig Kleid,
Geweb’t aus Licht und Dunkelheit,
Sein Weſen zeiget und verhuͤllet;
So ſtellet dieſer Raum recht ſichtbar, hell und klar
Nicht unſerm Geiſte nur, den Augen ſelber, dar
Selbſt die Unendlichkeit,
Jn181Jn deren Tiefe Licht und Dunkel ſich vereinet,
Die ſonder Farbe blau, dicht ſonder Coͤrper, ſcheinet.
Vor ungeheurer Tiefe laͤſſt
Die ungeheure Tief, als waͤre ſie nicht tief:
Es ſchein’t der leere Raum, als waͤr er voll und feſt,
Da doch in dieſen holen Gruͤnden,
Wenn gleich ein ſchneller Blick beſtaͤndig vor ſich lief,
Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden:
Und dennoch koͤnnen wir ſo ungemeſſ’ne Hoͤhen
Mit unſern kleinen Augen ſehen.
O Wunder, das kein Menſch begreifen
Und keine Klugheit faſſen kann!
O Wunder-Werk, worin ſich alle Wunder haͤuſen!
Ach ſchauet es mit Ehrfurcht an!
Ein Schau-Platz, welcher Millionen
Und Millionen Meilen groß,
Ein Platz, in deſſen weitem Schoß
Viel Millionen Sonnen wohnen,
Kann, nebſt verſchied’nen Erden,
Auf einmal uͤberſehen werden,
Auf einmal in die ſpiegelnden Kryſtallen
Von unſern kleinen Augen fallen,
Und ſich ſo eng zuſammen ziehn.
Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernſt mich oft bemuͤhn,
Damit mein forſchendes Geſicht
Auch durchs Geſtirn oft ſey auf Dich gericht’t!
Durch dieſe Wunder-reiche Klarheit
Wird mein erſtaun’t Geſicht erqvickt;
Doch zittert Aug und Herz, wenn, halb entzuͤckt,
Jch dieſe Himmel-feſte Wahrheit
M 3Von182Von dieſer Lichter Wunder-Groͤſſe
Mit Augen der Vernunft ermeſſe;
Da, wenn ich nah bey einem jeden ſtuͤnde,
Jch einen jeden ja ſo groß,
Als wie ich itzt des ganzen Himmels Schoß,
So wie ich ihn hier ſehe, fuͤnde:
Jndem ja Jupiter allein,
Nach aller Stern-Verſtaͤndigen Beweis,
Mehr als acht tauſend mal ſoll groͤſſer ſeyn,
Wie unſer ganzer Erden-Kreis.
Ob gleich Huygenius, Caſſin,
Horoccius und Wendelin,
La Hire, nebſt Flamſtedius,
Auch Newton und Ricciolus
Von unſ’rer Sonnen Groͤſſe ſchreiben,
Sie ſey entſetzlich, und die Zahl,
Wodurch dieß helle Licht-Gefaͤſſe
An Groͤſſe dieſer Erden Groͤſſe
Noch uͤbertraͤf, auf viel viel hundert tauſend treiben;
So wollen wir jedoch das allerkleinſte ſetzen,
Und ſie auf hundert tauſend mal
Nur groͤſſer, als die Erde, ſchaͤtzen.
O GOTT! wo bin ich doch? wer bin ich? Jch ver -
ſchwinde,
Jndem ich nicht einmal die Welt,
Nebſt allem, was ſie in ſich haͤlt,
Nur in Vergleich mit einer Sonne, finde.
Solch eine Groͤſſe kommt, wie leicht zu glauben, mir,
Wenn ich ſie recht erwaͤg, entſetzlich herrlich fuͤr;
Ja, wenn wir endlich gar bey dieſer Groͤſſ und Laͤnge
Noch183Noch vollends erſt die ungezaͤl’te Menge
Ja die Unendlichkeit
So ungeheurer Lichts - und Sonnen-Coͤrper ſchauen
Mit Augen unſ’rer Sel; entſteht ein heiligs Grauen:
Jm Haupt wird das Gehirn, das Herz in unſ’rer Bruſt
Von einer frohen Augſt, von einer bangen Luſt
Geklemm’t, gedruckt, gepreſſt,
Jndem der Gottheit Bild,
Wodurch der ganze Bau der groſſen Welt erfuͤllt,
Sich nicht ohn Ehrfurcht ſchauen laͤſſt.
Es uͤberleg ein Menſch, wie ihm zu Mute ſeyn,
Welch ein Entſetzen ihn mit Luſt befallen wuͤrde,
Wenn ſeinem heiteren Geſicht
Von ſolchem hellen Schein,
Von ſolcher Groͤſſ und ſchrecklich ſchweren Buͤrde
Der Blitz-geſchwinde Flug und zwar von einer nicht,
Von tauſend Millionen Kreiſen,
Sich ſollt auf einmal weiſen.
Des groſſen Schoͤpfers Wunder-Werke
Vermehren ſich bey mir auf wunderbare Weiſe,
Wenn ich an die geſchwinde Reiſe
So groſſer Coͤrper denk und an die Staͤrke,
Die ſie bewegen kann: da erſtlich ausgemacht,
Und durch die Rechnung laͤngſt gefunden,
Daß ungefehr in achtzehn Stunden
Die Kugel, welche man aus einem Stuͤcke ſcheuſſt,
Wie ſchnell ſie gleich die Luft durchreiſſt,
Den Durchſchnitt unſ’rer Welt vollfuͤhren koͤnne.
Nun ſoll der Venus Schnelligkeit
M 4Auf184Auf hundert ſechs und vierzig mal ſo weit
Sich an Geſchwindigkeit erſtrecken.
Wer kann doch ſonder Schrecken
Solch ungemeſſ’ner Groͤſſ und ungeheurer Laſt
Und ungezaͤl’ter Meng entſetzlichs ſchnell Bewegen
Jn ſeiner Selen uͤberlegen?
Wer kann der ſo verſchied’nen Kreiſe
Verſchied’ne Groͤſſ und grauſam ſchnelle Reiſe
Ohn einen Selen-Schwindel ſehn
Entſetzlich durch einander gehn,
Und zwar ſo ordentlich ſich drehn,
Daß nach viel tauſend Jahren
Sie noch dieſelben ſind, die ſie vorhero waren?
Es hat ſie nichts verwirr’t, nichts ihre Kraft geſchwaͤcht,
Nichts ihren Lauf gehemm’t, der unaufhoͤrlich recht
Jn ſteter Ruͤnde fliegt.
Gewiß mich uͤberlaͤuft ein ſchreckendes Vergnuͤgen,
Wann ſich mein Geiſt dahin bloß in Gedanken lenkt,
Und nur von weitem einſt an einen Raum gedenkt,
Wo, in ſo groſſer Eil, ſo groſſe Coͤrper fliegen.
Sprich nicht: ich wuͤrde ja ſolch ein geſchwindes Rennen
Von ſo entſetzlichen Geſchoͤpfen ſehen koͤnnen.
Es folget nicht, indem ja unſ’re Augen
Nicht das, was ſich zu ſchnell beweg’t, zu faſſen taugen.
Wenn wir ein feurig Holz, das gluͤhet, drehen;
So ſchein’ts ein feur’ger Kreis, und gaͤnzlich ſtill zu ſtehen.
Es kommt hinzu, daß der Bewegung Stand,
So wie der Stand der Ruh uns gaͤnzlich unbekannt:
Da185Da von Geſchoͤpfen ja ein ruhiges Verweilen
Nicht mehr natuͤrlich iſt, als ein geſchwindes Eilen.
Durch GOttes Willen flieſſt ſo wol die rege Flut,
Als daß die Erd in ſich natuͤrlich liegt und ruht.
Erwaͤg’t nun die faſt grauſe Kraft,
Die bloß allein dazu gehoͤret,
Den ganzen Erden-Ball, daß er geſchwinder faͤhret,
Als eine Kugel, fort zu bringen!
Betrachtet eine Kraft, die durch ein ſtetes Schwingen
Viel tauſend Coͤrper mit ſich rafft,
Wovon verſchied’ne noch viel tauſend mal ſo groß!
Wer kann des Weſens Macht, das alles dieſes faſſt,
Erſchaffen hat, erhaͤlt und traͤget,
Allgegenwaͤrtig fuͤhrt, beweget,
Und zwar
Daß alles ſich in ſtiller Majeſtaͤt,
Und ſtets unwandelbar in ſolcher Eile, dreht,
So unbegreiflich wunderbar
Jn ſolcher Ordnung leiten kann,
Ohn einiges Erſtaunen ſehen!
Ach! wie verſchwinden hier die kindiſchen Jdeen
Von einem alten Mann,
Womit ſo mancher Menſch erbaͤrmlich ſich getragen,
Und, da er ſich dadurch ein Goͤtzen-Bild gemacht,
Sich um die Gottheit ſelbſt durch eig’ne Schuld gebracht!
Bedenke, lieber Menſch, um GOttes Willen,
Wie groͤblich du gefel’t! wie naͤrriſch deine Grillen,
Die, faſt wie Lucifern, dein eit’les Hirn erfuͤllt,
Da du, aus einem ſtolzen Triebe
M 5Der186Der abgeſchmackt’ſten Eigen-Liebe
Faſt mehr dich ſelbſt zum Gott, als GOtt zum Menſchen,
macheſt,
Und wuͤrklich, wenn mans recht erwaͤget, GOtt verlacheſt.
Dein alter Gott-Mann muß entweder klein,
(Der etwa wie ein Fuͤrſt durch andere regieret,
Durch and’re ſieht und hoͤr’t und ſeinen Zepter fuͤhret,)
Wo nicht, muͤſt er ein Mann von ſolcher Groͤſſe ſeyn,
Dem hundert tauſend tauſend Meilen
Nicht einſt ein Glied von ſeinem Finger teilen.
Ja waͤr er auch ſo groß; ſo waͤr er dennoch klein.
Denn haͤtt Er eine Form; ſo muͤſt Er endlich ſeyn.
Was endlichs aber nun von einer Gottheit glauben,
Heiſſt Jhr Allgegenwart, ja gar die Gottheit, rauben.
Unendlich ewigs All, laß unſ’rer Selen Augen
Durch Deine Lieb eroͤffnet ſeyn,
Daß wir der wahren Gottheit Schein
Jn Deinem Werk zu ſehn und zu verehren taugen!
Laß unſ’re Selen doch Dein unbegreiflichs Weſen
Jm Buch der Creatur erſtaun’t mit Ehrfurcht lefen!
Laß uns, auch in der finſtern Nacht,
Von Deiner unerſchaff’nen Macht
Jm funkelndem Geſtirn das herrliche Gepraͤnge,
Die ungeheure Groͤſſ und ungeheure Menge
Und ungeheure Schnelligkeit
Der himmliſchen Geſchoͤpf beſehen und beſingen!
So werden wir, wenn wir in allen Dingen
Dich, HERR, allgegenwaͤrtig ſehn,
Uns ſelbſt vernichtigen, und Dich allein erhoͤhn.
Seh187
Seh ich den Himmel an, ſo koͤmmt mir ſein Sapphir
Als eine Tafel fuͤr,
Die unermeſſlich iſt, auf welcher eine Schrift,
Die des allmaͤcht’gen Schoͤpfers Weſen,
Huld, Weiſ heit, Macht und Majeſtaͤt betrifft,
Jm ſchimmernden Geſtirn, in heller Pracht zu leſen.
Hilf GOtt, welch eine Schrift! O! welch ein Wunder-Buch,
Jn welchem die Geſtirne Zeilen,
Die Lettern groͤſſer ſind, als hundert tauſend Meilen,
Woran in wunderbarem Schein
Die Puncte ſelbſten Sonnen ſeyn!
Jch ſeh es ganz erſtaunt in tiefſter Ehr-Furcht an,
Und, ob den Jnhalt gleich mein Geiſt nicht faſſen kann;
Doch ſpuͤr ich, daß ſie mich alſo zu denken treibt:
So ſchreibt der Schoͤpfer, wenn Er ſchreibt.
O dreymal hoͤchſt begluͤckt-o dreymal ſel’ge Selen,
Die GOtt, das hoͤchſte Gut, dereinſt wird auserwaͤhlen,
Der ew’gen Weiſheit Licht noch tiefer einzuſehn,
Und Jhn, den Schoͤpfer Selbſt, den Jnhalt, zu verſtehn!
Jndeſſen muͤſſen wir,
Zu unſers Schoͤpfers Ruhm, ſo lange wir noch hier,
Das Wunder-A B C der Sternen
Jn Ehrfurcht buchſtabiren lernen.
Es iſt kein einzige Figur
Jm ganzen Reiche der Natur
Zu finden, ja nur zu erdenken,
Die, wenn wir Blick und Witz in dieſe Hoͤhe ſenken,
Jn dieſen tiefen Gruͤnden,
Jn188Jn dem unzaͤlichen Geſtirn, nicht auch zu finden.
Sprich nicht: Was Schrift, ich kann ſie nicht verſtehn,
Ja nicht einmal die Lettern ſehn.
Denn hoͤr! Kaunſt du die Lettern der Sineſen,
Der Araber, der Ruſſen leſen?
Und kommen ihre Schriften dir
Nicht ganz verwirrt, ja ſonder Ordnung fuͤr?
Die doch, wenn wir ſie erſt begreifen und entdecken,
Gar oft voll Geiſt und Weiſheit ſtecken.
Jch bin ob dieſer Schrift im denken und im leſen
Gar oft erfreu’t, gar oft erſtaun’t geweſen.
Noch juͤngſt, als ich im Buch der Sternen
Mit inniglicher Luſt ſtudir’te,
Und voller Ehrfurcht buchſtabir’te;
So deucht mich, daß ich hie und da
Und uͤberall geſchrieben ſah
Den groſſen Namen JEHOVAH.
Das189

Das Kind.

Ein kluger Wund-Arzt ſchneidet drein,
Eh er vom ſchneiden viel erzaͤlet.
Warum? er weiß, daß insgemein
Die Furcht mehr, als das Uebel, qvaͤlet.
Als juͤngſt mein Kind (wiewol GOtt Lob doch ohn Gefahr)
Durch einen Fall am Haupt verletzet war,
So, daß der Wund-Arzt ihm ein Oeffnung machen muſte;
Bekuͤmmert es ſich nicht, weil von dem Schmerz,
Der es betreffen ſollt, ſein unbeſorgtes Herz
Nicht das geringſte wuſte.
Der Schnitt geſchahe denn: drauf fing es zwar
Den Augenblick erbaͤrmlich an zu weinen;
Allein es ſahe kaum das Gold
Von einer Zucker-Puppe ſcheinen,
Als es auch ſchon getroͤſtet war:
Die Thraͤnen waren eh, als noch das Blut, geſtillt.
Das ſchien mir nun ein Lehr-reich Bild.
Denn erſtlich folgt daraus der Schluß,
Daß wir uns Kummer und Verdruß,
An ſtatt durch Denken ſie zu mindern und zu beſſern,
Durch Denken nur noch mehren und vergroͤſſern.
Man zieht die Plagen und die Pein,
Die noch entfernt und erſt zukuͤnftig ſeyn,
Jm Denken ſchon voraus herbey.
Die Phautaſey iſt ſtets beſchaͤfftiget und fertig,
Damit ein fernes Leid uns gegenwaͤrtig
Und, eh man’s fuͤlet, ſuͤlbar ſey.
Erwe -190
Erweget denn, geliebte Menſchen, doch,
Wie gluͤcklich wir in dieſem Stande noch,
Und wie wir GOtt dafuͤr von Herzen danken muͤſſen,
Daß Er, nach Seinem weiſen Rat
Uns das, was noch nicht iſt, verborgen hat,
Und wir vom kuͤnftigen nichts wiſſen!
Die Wolthat iſt fuͤrwar weit groͤſſer, als man meynet,
Und herrlicher, als ſie bey’m erſten Anblick ſcheinet.
Denn wuͤſten wir ein kuͤnftigs Gluͤck vorher;
So wuͤrden wir in ſteter Unruh ſeyn:
Ein jeder Augenblick
Wuͤrd uns ein Tag, ein Tag ein Jahr-lang waͤhren.
Hingegen wuͤrd ein kuͤnftigs Ungeluͤck
Uns mit ſtets gegenwaͤrt’ger Pein,
Durch eine ſchwarze Furcht, beſchweren.
Von meines Kindes Fall war dieß die erſte Lehre.
Die and’re folget itzt: So wie das Kind die Schmerzen
Durch einen Vorwurf, der ihm lieb,
Aus ſeinem Hirn und Herzen,
Und folglich wuͤrklich von ſich, trieb;
So moͤgten wir uns wol mit aller Kraft
Und allem Ernſt dahin bemuͤhen,
Uns durch die eine Leidenſchaft
Der andern zu entziehen!
Ein jeder Zuſtand wird gebeſſert,
Und folglich bald ertraͤglich ſeyn,
Wofern man ſich nur den Verdruß, die Pein,
Nicht durch Gedanken ſelbſt, vergroͤſſert.
Ach daß wir uns doch aͤndern moͤgten,
Und wann es etwa widrig geht,
Mit Ernſt auf etwas anders daͤchten,
Weil in Gedanken meiſt ſo Gluͤck als Leid beſteht!
Die191

Die Heide.

Es zeigt ſo gar die duͤrre Heide,
Wenn man ſie recht genau betracht’t,
Des groſſen Schoͤpfers Wunder-Macht.
Wenn wir ſie obenhin beſehn,
So ſcheint ſie traurig, ſchwarz, verdorrt und ſchlecht;
Allein betrachtet man ſie recht,
So iſt auch ſie nicht minder ſchoͤn,
Und ſieht man wunderbar in ihr
Der Farben Pracht, der Bildung Zier
Faſt unverbeſſerlich verbunden.
Jch habe dieſes wahr befunden.
Denn als ich juͤngſt, mich etwas zu vertreten,
Mich auf das Feld begab; befand ich alſobald,
Daß in des Heide-Kraut’s ſo zierlicher Geſtalt,
Nicht weniger als ſonſt, der Schoͤpfer anzubeten.
Jch ſetzte mich, und rupfte manchen Strauß,
Sie beſſer zu beſehen, aus.
Mein GOtt! wie viel, wie mancherley
Veraͤnd’rung, Schmuck und Zierlichkeiten
Fand ich in dieſem Kraut, das doch von weiten
Nicht anders laͤſſt, als ob’s nur braun gefaͤrbet ſey.
Jch ward zugleich, wie ſchoͤn, wie wunderbar,
Wie mannigfalt die Bildung ſey, gewahr.
Die groͤſten Baͤume trifft man hier
Jn ſolcher Schoͤn - und ſuͤſſen Kleinheit an,
Daß192Daß man der Staͤmme, Zweig und Blaͤtter holde Zier
Nicht g’nug beſehn, nicht g’nug bewundern kann.
Jch fand, daß, ob ſie gleich ſehr klein,
Die Staͤmme wares Holz, wie groſſe Staͤmme, ſeyn.
Es hat die Feſtigkeit, es brennet, eine Rinde
Umgiebt ſie, ja ich finde
Dieſelbe recht mit Moß, gleich den bejahrten Eichen,
Umgeben und geziert. Die Bluͤhmchen, die ſo ſchoͤn
Auf jedem kleinen Zweig, als Aepfel-Bluͤhte, ſtehn,
Sieht man der Bienen Heer die ſuͤſſe Narung reichen.
Betrachte denn forthin, geliebter Menſch, die Heide,
Nicht ſonder GOttes Lob, nicht ſonder Freude!
Die193

Die Erde.

1.
Wenn wir zu beſehn beginnen,
Worauf unſ’re Welt beruht;
Fallen gleich in unſ’re Sinnen
Erde, Waſſer, Luft und Gluht,
Die wir, weil wir ſie nicht kennen,
Die vier Elemente nennen:
Da doch, wenn man’s recht ermiſſt,
Alles ſtets in allem iſt.
2.
Aber dieß noch ausgeſetzet,
Und der Ordnung nach zu gehn,
So man fuͤr die beſte ſchaͤtzet,
Laſſet uns die Erde ſehn,
Nicht nach ihren Koͤnigreichen,
Laͤndern, Staͤdten, Fluͤſſ - und Teichen,
Sondern die Beſchaffenheit
Jhrer Groͤſſ und Feſtigkeit.
3.
Daß, nebſt vielen andern Kreiſen,
Sie auch ein Planete ſey,
Stehet leichtlich zu erweiſen.
Denn ſie hat ſo mancherley
Eigenſchaften, Kraͤft und Gaben,
So die andern Jrrſtern haben.
Die ſind feſt und ſonder Licht;
Sie iſt dunkel, hart und dicht.
II. Theil. N4. Es194
4.
Es mag nicht geleugnet werden,
War auch ſchon den Alten kund,
Daß der groſſe Bau der Erden
Und ſein Klumpe Cirkel-rund.
Aus des Mondes Finſterniſſen
Kann man es handgreiflich ſchlieſſen,
Drin ſie nemlich bey der Nacht
Einen runden Schatten macht.
5.
Hieraus dienet wol zu merken,
Daß des Hoͤchſten Wunder-Hand,
Wie in allen Seinen Werken
Unergruͤndlichen Verſtand,
Auch in dieſer Ruͤnde, zeiget.
Was vollkommen rund gebeuget,
Jſt, nach Ordnung der Natur,
Die vollkommenſte Figur.
6.
Alle Teil in einem Kreiſe
Sind in einer gleichen Ruh,
Senken ſich auf gleiche Weiſe
Nach dem Mittel-Puncte zu,
Wodurch ſie einander nuͤtzen,
Sich zwar drengen, doch auch ſtuͤtzen,
Daß die groſſe Laſt der Welt
Sich ſo in ſich ſelber haͤlt.
7. Fer -195
7.
Ferner dienet dieſe Ruͤnde,
Daß, wenn etwa Meer und Flut
Aufgebracht durch Sturm und Winde,
Es viel minder Schaden thut;
Sondern es muß gleich mit Haufen
Von der runden Erde laufen,
Weil die Welt ſonſt von dem Meer
Schon vorlaͤngſt verſchlungen waͤr.
8.
Nichts, als grauſer Berge Thuͤrme,
Wuͤrden nicht fuͤr Thier allein,
Auch fuͤr Menſchen, fuͤr Gewuͤrme,
Saͤmtlich unerſteiglich ſeyn,
Falls die Welt, wenn ihre Schwere,
Statt der Ruͤnde, winklich waͤre,
Ja ſie koͤnnte ſich nicht drehn,
Noch in gleicher Wage ſtehn.
9.
Vier und funfzig hundert Meilen
Jſt der Umkreis unſ’rer Welt,
Der, wenn wir den Durchſchnitt teilen,
Siebzehn hundert zwanzig halt,
Die, vermehrt mit beyden Zalen,
Auf neun tauſend tauſend malen
Zwey mal hundert tauſend acht
Und noch achtzig tauſend macht.
N 210. Die -196
10.
Dieſes iſt der Erden Flaͤche
Groͤſſ, und ihrer Meilen Zal.
Die begreifet Fluͤſſe, Baͤche,
Meere, Wuͤſten, Berge, Thal,
Jnſeln, Klippen, Aecker, Waͤlder,
Reiche, Staͤdte, Wieſen, Felder,
Das verbrannt - und kalte Land,
Was bekannt und unbekannt.
11.
So groß iſt die aͤuſſ’re Seite
Unſ’rer Welt, wenn man ſie miſſt,
Welche bey der inn’ren Weite
Noch nicht zu vergleichen iſt.
Denn wenn ich die ganze Groͤſſe
Mit des Durchſchnitts Sechsteil meſſe,
Uebertrifft ſie jene Zahl
Noch viel tauſend tauſend mal.
12.
Wenn die Ruͤnde dieſer Erden
Und die unter-ird’ſche Welt
Koͤnnte flach gemachet werden,
Zu Provinzen, Wald und Feld,
Und ſich deren Dick und Tiefe
Auf zwo Teutſche Meil beliefe;
So wuͤchſ ihre Groͤſſ und Zahl
Hundert drey und vierzig mal.
13. Jſt197
13.
Jſt es alſo zu erweiſen,
Daß der Bauch der Unter-Welt
Noch zu ſo viel Erden-Kreiſen
Raum in ſeiner Schoß enthaͤlt.
Wer begreift nun mit den Sinnen
Eigentlich des Raums von innen
Zuſtand und Beſchaffenheit,
Groͤſſe, Weit und Feſtigkeit?
14.
Welcher Geiſt wird wol verſtehen,
Welcher Witz ermiſſt den Platz?
Welche Klugheit kann erſehen
Den daſelbſt verſchloſſ’nen Schatz?
Nein, kein Sterblicher ergruͤndet,
Was ſich da verdeckt befindet,
Und kein Menſch koͤmmt auf die Spur
Der verborgenen Natur.
15.
Viele trachten zu verhelen,
Daß ſie nichts davon verſtehn;
Drum ſie freventlich erzaͤlen,
Laͤſtern, und ſich nicht entſehn,
Groͤblich ſo heraus zu plumpen:
Unſer Erd-Kreis ſey ein Klumpen,
Worin, auſſer Sand und Stein,
Nichts koͤnn anzutreffen ſeyn.
N 316. Da198
16.
Da doch bloß die aͤuſſ’re Rinde
(Weſſen man ſich auch vermiſſt)
Noch von keinem Menſchen-Kinde
Jemals durchgegraben iſt.
Keinem iſt es noch gelungen,
Daß er tiefer eingedrungen,
Als vielleicht zum halben Teil
Einer Teutſchen Viertel-Meil.
17.
Wollte man dem widerſprechen,
Weil ein Bergwerk tiefer geht;
Rechne man: daß von der Flaͤchen
Unſ’re Rechnung hier entſteht,
Und nicht von der Berge Gruͤnden:
Weil wir mehrenteils befinden,
Daß man nur Metalle graͤb’t,
Wo ſich ein Gebirg erheb’t.
18.
Sehn wir alſo, daß die Gruͤfte,
Daß der allertief’ſte Schacht,
Daß der Hoͤlen Tief und Kluͤfte,
Die ſo wol der Menſch gemacht,
Als der ſelbſt zerborſt’nen Schluͤnde,
Von der Erden aͤufſ’rer Rinde
Nicht den zehn’den Theil durchdring’t,
Wie unglaublich es auch kling’t.
19. Denn199
19.
Denn wie wuͤrd es ſich doch ſchicken,
Wenn ein Fuͤrſt ſein Fuͤrſtlich Haus
Nur von auſſen wollte ſchmuͤcken,
Und nur Kot, Staub, Stein und Grauß
Jn die Zimmer tragen hieſſe,
Sie nicht ſeh’n noch brauchen lieſſe?
Eben ſo iſt es beſtellt
Mit der unterird’ſchen Welt.
20.
Viel Verſtaͤndige vermeinen,
Daß wir einer innern Welt
Hol, wie uns die Himmel, ſcheinen:
Daß des Himmels holes Zelt
Oben ſo, wie unſer Erde,
Rund ſey und bewohnet werde,
Daß der Wechſel in die Hoͤh
Jns unendliche geſcheh.
21.
Daß der Schoͤpfer aller Sachen
Durch die wirkende Natur
Nichts vergebens wollen machen,
Zeiget jede Creatur;
Kann daher vom Grund der Erden
Feſtiglich bewieſen werden,
Daß ſie, wie die Ober-Welt,
Tauſend Wunder in ſich haͤlt.
N 422. Wie200
22.
Wie ich nun auf unſ’rer Flaͤche
Winde, Wolken, Regen, Schnee,
Seen, Felder, Berge, Baͤche,
Kraͤuter, Thier und Waͤlder ſeh;
So ſind in der Erden Rinden
Mit Verwund’rung auch zu finden
Gleichwie droben, Dunſt und Flut,
Ja ſo gar Blitz, Dampf und Gluht.
23.
Hier ſind in der groͤſten Menge
Schwefel-Adern, Kieß, Metall,
Eiſen-Bley - und Kupfer-Gaͤnge,
Erz, Cinober, Berg-Kryſtall,
Marmor-Gruben, Silber-Minen,
Chryſolithen und Rubinen,
Bunte Steine, guͤld’ner Sand,
Ja Smaragd und Diamant.
24.
Spalten, Gaͤnge, Hoͤlen, Gruͤfte
Bald von Erde, bald von Stein,
Schluͤnde, Loͤcher, Ritzen, Kluͤfte,
Welche teils verſchloſſen ſeyn,
Teils ſich bis zur Flaͤch erſtrecken,
Und ſich unſerm Aug entdecken,
Waſſer, das im Dunkeln flieſſt,
Und des Tages nie genieſſt.
25. Fluͤſ -201
25.
Fluͤſſe, die mit ſtarkem Sauſen,
Mit abſcheulicher Gewalt,
Und mit ſtuͤrmeriſchem Brauſen
Aus dem dunkeln Aufenthalt
Jhrer holen Schluͤnde ſchieſſen,
Wirbel, die im Cirkel flieſſen,
Deren Macht ſich drehend ſchwingt,
Und, was ſie beruͤhrt, verſchlingt.
26.
Heiſſe Duͤnſte, dunk’le Flammen,
Feuriger verzehr’nder Duft,
So die Teilgen treibt zuſammen
Von der Schwefel-reichen Luft,
Und mit ſolcher Macht und Krachen
Dieſer Luft ſuch’t Luft zu machen,
Daß oft mancher Ort der Welt
Bricht und in den Abgrund faͤllt.
27.
Da wann Gluht und Flut ſich miſchen,
Und aus deren Streit und Kampf
Mit ergrimmten Rauſchen ziſchen
Duͤnſte, Blaͤhungen und Dampf,
Sich ein Sturm und Wirbel zeuget,
Deſſen Wuͤten aufwaͤrts ſteiget,
Alles, was er trifft, verheert,
Und das unterſt oben kehrt.
N 528. Kurz,202
28.
Kurz, es iſt der Bauch der Erden
Ganz mit Wundern angefuͤllt,
Und kann nicht gezaͤlet werden,
Was ihr dunk’ler Schoß verhuͤllt.
Viele Weiſen, die drauf achten,
Und die Seltenheit betrachten,
Geben ganz erſtaunet fuͤr,
Sie ſey ein beſel’tes Thier.
29.
Dem zu Folge ſie denn ſchlieſſen,
Dieſer Stroͤm und Qvellen Flut
Die ſich durch die Welt ergieſſen,
Sey des Erden-Coͤrpers Blut,
Welches in ſehr groſſer Menge
Durch die vielen Waſſer-Gaͤnge,
Als durch ſo viel Adern, dringt,
Und der Welt die Narung bringt.
30.
Wie das Herz die lauen Saͤfte,
So ihm ſtetig eingefloͤſſ’t,
Durch uns unbekannte Kraͤfte
Bald empfaͤngt, bald von ſich ſtoͤſſ’t;
So ſey in des Meeres Gruͤnden
Solch ein Welt-Herz auch zu finden,
Das ſich eben ſo beweg’t,
Und uns Ebb und Flut erreg’t.
31. Jh -203
31.
Jhres Coͤrpers Fleiſch ſoll Leimen,
Jhre Knochen, Fels und Stein,
Und das Laub auf Straͤuch - und Baͤumen
Jhre Zier und Hare ſeyn,
Unſ’re Luft, die aus dem Boden
Stetig duftet, ſey ihr Oden,
Jhr Geſeufz ſey Sturm und Wind,
So man oft mit Furcht empfind’t.
32.
Dieſ und andere Gedanken
Sind zwar Anfangs anzuſehn,
Als ob ſie aus allen Schranken
Der vernuͤnft’gen Schluͤſſe gehn,
Denn ſolch einer Laſt das Leben
Geiſt und Sinne zuzugeben,
Die todt ſcheint, wie Holz und Stein,
Scheinet laͤcherlich zu ſeyn.
33.
Aber daß die Welt nicht gehet,
Daß ſie keine Schritte thut,
Daß ſie nicht auf Fuͤſſen ſtehet,
Daß ſie, wie es ſcheinet, ruht,
Und ihr ſeltenes Bewegen
Jſt dem Satze nicht zugegen,
Der ſo groſſe Kreis der Welt
Sey ein Thier, wie wir gemeld’t.
34. Kann204
34.
Kann man auch mit Recht verneinen,
Daß die Schnecke ſich nicht reg’t,
Ob ſie gleich ſich nicht mit Beinen,
Und faſt unvermerkt, beweg’t?
Allen Fiſchen fel’ts an Fuͤſſen;
Doch ſteht daraus nicht zu ſchlieſſen,
Daß ſie, weil ſie ſonder Bein,
Keine Thiere koͤnnen ſeyn.
35.
Sollten wir, die wir die Erden
Voller Vorurteil beſehn,
Nicht betrogen koͤnnen werden,
Und im Urteil uns vergehn?
Bloß weil keiner je geſpuͤret,
Wie und wann die Welt ſich ruͤhret;
Folgern wir zum Tag hinein,
Sie muͤſſ unbeweglich ſeyn.
36.
Gleich der Laus, ſo auf der Stirne,
Als auf einer Kugel, laͤuft,
Und die doch vom nahen Hirne
Das geringſte nicht begreift,
Sondern (falls ſie daͤchte) denket,
Daß nur ſie ſich reg’t und lenket,
Und das Haupt, wie wir die Welt,
Unbeweglich glaubt und haͤlt.
37. Da205
37.
Da doch gegen unſ’re Groͤſſe
Eine Laus noch nicht ſo klein,
Als wir armen Erden-Kloͤſſe
Gegen unſern Erd-Kreis ſeyn.
Sollten wir denn auch nicht koͤnnen
Uns vom Pfad der Wahrheit trennen,
Da wir wuͤrklich offt geirrt,
Wann der Zweifel uns verwirrt?
38.
Koͤnnen wir den Sinnen trauen?
Muͤſſen wir uns oͤfters nicht
Vom Geruch betrogen ſchauen?
Triegt nicht oftmals das Geſicht?
Kann man es nicht klar beweiſen,
Wenn wir auf dem Waſſer reiſen?
Scheint’s nicht, daß wir ſtille ſtehn,
Und die Ufer ruͤckwaͤrts gehn?
39.
Ein recht langſames Bewegen
Kann der Menſchen Aug nicht ſehn,
Und ein gar zu ſchnelles regen
Kann es gleichfals nicht verſtehn.
Laſſ’t (ein Beyſpiel beyzubringen)
Nur ein brennend Hoͤlzgen ſchwingen!
Wird der regen Spitze Schein
Nicht ein ſtiller Cirkel ſeyn?
40. Auch206
40.
Auch die ſchaͤrfſten Augenblicke
Koͤnnen nicht durch Coͤrper gehn,
Sondern prallen gleich zuruͤcke,
Weil ſie nur den Umkreis ſehn,
Ja, der Umkreis ſelbſt verſchwindet,
Und die ſeh’nde Kraft erblindet,
Wenn die Sonne ſich verhel’t,
Und ihr Glanz den Augen fel’t.
41.
Aefft nicht oͤfters unſer Ohren
Ein Geraͤuſch, ein Wiederhall?
Wer die Daͤuung hat verloren,
Dem ſchmeckt Honigſeim wie Gall.
Wer mit einer Kugel ſpielet,
Und mit doppeln Fingern fuͤlet,
Lernt, da ihm deucht eins wie zwey,
Daß auch Fuͤlen truͤglich ſey.
42.
Zeigen alſo unſ’re Sinnen,
Die nach aller Augenſchein
Unſers Witzes Lehrerinnen,
Des Verſtandes Meiſter, ſeyn,
Daß wir nicht einmal erleſen,
Auch des klein’ſten Koͤrnchens Weſen
Recht zu kennen, noch die Spur
Der drin wirkenden Natur.
43. Da207
43.
Da wir alles, was wir wiſſen,
Durch der Sinnen Sinnlichkeit
Faſſen und begreifen muͤſſen,
Wird man ohn Vermeſſenheit
Sich nicht unbetrieglich nennen,
Und ohnfehlbar ſchaͤtzen koͤnnen,
Sondern glauben, daß vom Schein
Wir leicht zu betriegen ſeyn.
44.
Wer nun zweyerley Gedanken
Jn dergleichen Sachen heg’t,
Und in ihm ein ſtetes Wanken
Wechſels-weiſe ſich erreg’t,
Der wird weniger ja felen,
Solche Meynung zu erwaͤlen,
Die von GOttes Groͤſſ und Pracht
Jhm den groͤſten Eindruck macht.
45.
Nun iſt ja nicht zu verneinen,
Falls man es recht uͤberleg’t,
Daß es groͤſſ’re Wunder ſcheinen,
Wenn man glaubet und erweg’t,
Daß GOtt ſolche groſſe Thiere
Hab erſchaffen und regiere,
Als wenn man den Kreis der Welt
Nur fuͤr einen Klumpen haͤlt.
46. Die -208
46.
Dieſes aber ausgeſetzet,
Laſſt uns etwas naͤher gehn,
Und, wie uns die Erd ergetzet
Und erhaͤlt, mit Ernſt beſehn,
Jhre Wirkungen betrachten,
Auf die Frucht und Nutzen achten,
Wie ſie uns die Koſt beſcher’t,
Uns erfreut, erqvickt und naͤhrt.
47.
Wann des Himmels Samen flieſſet,
Und in ihren milden Schoß
Durch den Regen ſich ergieſſet;
Gruͤnet jeder Erden-Kloß.
Thal und Huͤgel, Wieſ und Anger
Wird durchs feuchte Feuer ſchwanger,
Und gebieret durch das Naß
Bluͤht und Fruͤchte, Laub und Gras.
48.
Die gebaͤren nachmals wieder,
Wenn das Thier-Reich ſie verzehrt,
Aller Thier und Menſchen Glieder.
Jſt’s denn nicht der Muͤhe wehrt,
Dieſes Wunder zu erwaͤgen,
Wie durch Waͤrm und feuchten Regen
Aus der Erden unſ’re Koſt,
Ja ſelbſt Blut und Coͤrper, ſproſſ’t?
49. Soll -209
49.
Sollte man mit Recht nicht koͤnnen
Ochſen, Ziegen, Schaf und Kuͤh
Oefen, welche wandeln, nennen,
Worin Gras, ohn unſ’re Muͤh,
Zugerichtet uns zur Speiſe,
Welches ſonſt auf keine Weiſe,
Muͤh’te man ſich noch ſo ſehr,
Fuͤr uns Menſchen brauchbar waͤr?
50.
Wird nicht durch des Schoͤpfers Guͤte
Unſer Erde wunderbar
Zweige, Knoſpen, Blaͤtter, Bluͤhte,
Frucht und Samen alle Jahr?
Thier und Menſchen zu ernaͤhren,
Muß die Erde ſtets gebaͤhren.
Sie verjuͤnget die Geſtalt;
Alles wird, nur ſie nicht, alt.
51.
Auch die unfruchtbar’ſten Plaͤtze,
Ja die dick’ſte Wuͤſteney
Zeigen durch verborg’ne Schaͤtze,
Daß ſie unerſchoͤpflich ſey,
Jhre Guͤter uns zu geben.
Waͤrme, Fruchtbarkeit und Leben
Zieht ſie aus der Sonnen Gluht,
Etwa wie ein Schwamm die Flut.
II. Theil. O52. Wer210
52.
Wer erſtaun’t nicht fuͤr Ergetzen,
Wer verſtummet nicht fuͤr Luſt
Bey der Erden Fruͤhlings-Schaͤtzen?
Schein’t nicht unſer Herz und Bruſt
Sich fuͤr Wolluſt aufzublaͤhen,
Wann wir riechen, ſchmecken, ſehen,
Wie aus ſchlechtem Staub und Kieß
Bluͤhte, Frucht und Laub entſprieß?
53.
Wer begreift der Erden Kraͤfte,
Wer kann doch die Ahrt verſtehn,
Wie dergleichen Wunder-Saͤfte
Durch ſo kleine Roͤhrchen gehn,
Durch ſo duͤnne Stengel ſteigen,
Solche ſchoͤne Farben zeugen,
Drob das Herz recht wird entzuͤckt,
Wenn man ihren Schmuck erblickt?
54.
Was nun ihr uhrſpruͤnglich Weſen
Und den erſten Zeug angeht,
Jſt wol keiner ſo beleſen
Und ſo klug, der recht verſteht,
Wie der wahre Stoff der Erden
Kann und muß begriffen werden.
Keiner weiß, begreift und kennt
Die Natur im Element.
55. Den -211
55.
Dennoch, wann ichs recht beſehe,
Scheinet dieſes wahr zu ſeyn,
Daß ein Element beſtehe
Nicht aus einem Zeug allein,
Sondern aus den dreyen Gruͤnden,
So in der Natur zu finden,
Die ein Weiſer kennen muß,
Schwefel, Salz, Mercurius.
56.
Schwefel iſt ein feurigs Weſen,
Voller Luft und Fettigkeit,
Deſſen Tugend auserleſen
Herrlich von Beſchaffenheit.
Dieſer wirket unaufhoͤrlich,
Weil ſein Balſam unzerſtoͤrlich,
Deſſen Same, wenn er reift,
Leben, Waͤrm und Licht begreift.
57.
Dieſe Waͤrme, Licht und Leben,
Welche jeder Creatur
Jhre Daur und Weſen geben,
Sind das Werkzeug der Natur,
Sind die Selen aller Kraͤfte,
Sind die Flammen-reichen. Saͤfte,
Deren unſichtbare Gluht
Ewig wirket, nimmer ruht.
O 258. Daß212
58.
Daß nun dieſer Schatz beſtehe,
Und die feurige Natur
Nicht verbrenne, nicht vergehe;
Naͤhr’t der kraͤftige Mercur
Die ſonſt Nahrungs-loſen Flammen.
Sind ſie alſo ſtets zuſammen,
Und ihr unaufloͤſlichs Band
Mildert den zu ſtarken Brand.
59.
Dieſe, der geſchaff’nen Dinge,
Eingepflanzte Feuchtigkeit
Jſt, daß ſie durch alles dringe,
Aus dem erſten Stoff bereit’t,
Und die Lebens-vollen Saͤfte
Hegen ſo vollkomm’ne Kraͤfte,
Daß ſie jedes Weſen traͤn’kt,
Und ihm reiche Nahrung ſchenk’t.
60.
So die eingebohrnen Flammen,
Als den wurzelichten Saft
Haͤlt mit feſtem Leim zuſammen
Des geſchaff’nen Salzes Kraft,
Deſſen trocknes Wunder-Weſen
Nur allein dazu erleſen,
Daß es Gluht, Flut, warm und kalt
Unzertrenn’t zuſammen halt.
61. Durch213
61.
Durch dieß Salz beſteht und waͤhret,
Was der Schwefel zeug’t und macht,
Und Mercur erqvickt und naͤhret.
Alles, was hervor gebracht,
Koͤnnte ferner nicht beſtehen,
Sondern muͤſte gleich vergehen,
Buͤnd dieß Trockne der Natur
Nicht den Schwefel und Mercur.
62.
Dieſe ſind der Zeug der Sachen,
Draus Natur, der Geiſt des Lichts
Alle Dinge weiß zu machen.
Nichts wuͤrd; alles wuͤrde nichts,
Waͤren Waſſer, Salz und Flammen
Nicht ſtets unzertrennt zuſammen.
Daß, was iſt, beſtaͤndig ſey,
Macht dieß ſtets vereinte Drey.
63.
Aber das muß von der Erden,
Die man ſehn und fuͤlen kann,
Nicht ſo roh verſtanden werden.
Jn derſelben findet man
Dieſen Balſam eingepraͤget,
Den ſie als Behalter heget,
Da die Theilchen nichts ſonſt ſeyn,
Als ein klein zerrieb’ner Stein.
O 364. Die214
64.
Die ſich Wunder-wuͤrdig fuͤgen,
Und ſehr enge, dicht und feſt
Oefters auf einander liegen,
Von dem innern Geiſt gepreſſt.
Wann die Winkel und die Ecken
An und in einander ſtecken,
Stamm’t aus der Beſchaffenheit
Aller Coͤrper Feſtigkeit.
65.
Tauſend Bildungen zu nemen,
Die man fuͤlet und erblickt,
Sich zu allem zu beqvemen,
Jſt der Erden Stoff geſchickt.
Hundert-tauſend-fach geſtaltet,
Bald verjuͤnget, bald veraltet,
Bald getrennet, bald vereint,
Daß er recht ein Proteus ſcheint.
66.
Was wir Elemente nennen,
Wird aus dieſer Qvell erzeugt,
Und man wird nicht leugnen koͤnnen,
(Ob das Anſehn gleich betreugt)
Wenn ſie recht betrachtet werden,
Dieſer wahre Stoff der Erden
Sey ein Salz, worin die Gluht
Untermiſcht iſt mit der Flut.
67. Ob215
67.
Ob gleich Salz die erſte Stelle
Jn der Erden Coͤrper hat,
Und was feucht iſt oder helle
Nach ihm in geringerm Grad;
Senket dennoch Feu’r und Waſſer,
Da das heiſſer, dieſes naſſer,
So wie ſie vermiſchet ſeyn,
Jhr den rein’ſten Samen ein.
68.
Dieſer Same, der ſich floͤſſet,
Und in Schoß der Erden faͤllt,
Wo ihn koch’t und fortwaͤrts ſtoͤſſet
Der erwaͤrmn’de Geiſt der Welt,
Daß er aufwaͤrts auf der Erde
Ein beſond’rer Coͤrper werde,
Zeuget alles, was entſteht,
Waͤchſet, dauret und vergeht.
69.
Wie das aber recht geſchehe,
Sieht man zwar, doch faſſt man’s nicht.
Jch aufs wenigſte geſtehe,
Daß mir hier die Kraft gebricht,
Und will lieber dieß bekennen,
Als mich von der Wahrheit trennen,
Und aus Stolz und Eitelkeit
Suchen falſche Dunkelheit.
O 470. Alſo216
70.
Alſo haben wir beſehen,
Und, ſo weit es ſich erſtreckt,
Unſ’rer Erde Tief - und Hoͤhen,
Stand und Eigenſchaft entdeckt.
Da nun alle Erden-Kloͤſſe
Von des Schoͤpfers Wunder-Groͤſſe
Unzaͤlbare Zeugen ſeyn;
Laſſet auch uns Seiner freu’n!
71.
Wenn wir auf die Erde treten,
Wenn ihr feſter Grund uns traͤg’t,
Wird, den Schoͤpfer anzubeten,
Unfer Geiſt mit Recht beweg’t,
Da er folgend Lied erfindet:
GOtt der Du die Welt gegruͤndet,
So lang Erd und Himmel ſteht,
Sey Dein ew’ger Nam erhoͤht!
72.
Denn das ganze Rund der Erden
Koͤnnt ohn ihre Feſtigkeit
Nicht von uns bewohnet werden.
Ohne die Beſchaffenheit
Muͤſten wir zu Grunde ſinken,
Ja im Kot und Schlamm ertrinken,
Da wir nun auf ihren Hoͤh’n
Ohn Gefahr und Sorgen geh’n.
73. Waͤre217
73.
Waͤre ſie zu feſt hingegen,
Und nicht koͤrnigt, feucht und naß;
Wuͤchſen, ſolcher Haͤrte wegen,
Weder Baͤume, Laub noch Gras.
Was da leb’te, muͤſte ſterben,
Pflanzen, Thier und Menſch verderben.
Nemet denn mit Dank in Acht
Unſers Schoͤpfers weiſe Macht!
74.
Sprich, verwildertes Gemuͤte,
Koͤmmt dieß alles ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens, her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht einmal, daß man ſie merke?
Wer’s Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht.
O 5Der218

Der Sand.

So gar auf einem oͤden Lande,
Wo weder Baum, noch Strauch, noch Gras,
Selbſt in dem unfruchtbaren Sande
Find’t ein betrachtend Auge was,
Jn dieſem ſchoͤnen Welt-Gebaͤude,
Zu GOttes Ehr und eig’ner Freude.
Auf! laſſet uns denn weiter gehn,
Und GOTT zum Ruhm was ſehn, auch wenn wir nichts
faſt ſehn!
Es ſind ja Creaturen
Die Sandes-Koͤrner ſelbſt und Teilchen unſ’rer Erden,
Da, wenn man nichts faſt ſieht, doch allerley Figuren
Von eingedruckten Spuren
Jm duͤrren Sande ja gefunden werden.
Jn kleinen Tiefen, kleinen Hoͤh’n
Kann ein aufmerkſam Herz ſo Licht als Schatten ſehn.
Man kann, wenn man ſo gar allein,
Daß weder Laub, noch Kraut, noch Baͤume bey uns ſeyn,
Dennoch Veraͤnderung und auch Vergnuͤgen finden,
Wenn wir das Denken nur mit unſerm Blick verbinden.
Es kommet jeder Sand-Korn mir
Als wie ein kleines Glied
Der allgemeinen Mutter fuͤr.
Von unſ’rer Welt iſt es ein wuͤrklich Teilchen mit.
Die Kleinheit, Feſtigkeit, die Klarheit, Glaͤtt und Ruͤnde,
Die ich in manchem Sand-Korn finde,
Wo -219Wodurch ſie ſich nicht ganz verbinden koͤnnen,
Und eben dadurch allem Saft
Vom Regen oder Thau, zu der Gewaͤchſe Kraft,
Den Aufenhalt und Durchgang goͤnnen,
Jſt ja Bewunderns-wehrt. Noch mehr, da ſie vereint,
Und doch nicht ganz, (indem ſie ſonſt verſteint,)
So koͤnnen ſie den Pflanzen nuͤtzen,
Den Wurzeln Raum, ſich auszubreiten, geben,
Auch, wenn dieſelbigen ſich aufwaͤrts heben,
Dieſelben ſo viel beſſer ſtuͤtzen.
Jch nam hierauf ein Haͤuflein Sand,
Betrachtet es genau, und fand
Den Unterſchied, daß er nicht mancherley,
Nein, in der That unzaͤlig ſey.
Jch kunnte tauſend Form - und Ecken
Auch an dem klein’ſten Sand entdecken.
Teils ſind die Koͤrner lang, teils rund, teils groß, teils klein,
Teils ſchwarz, teils braun, teils gelb, teils grau,
Teils roͤtlich, weißlich teils, teils blau.
Es ſind die meiſten dicht und dunkel, viele helle,
Durchſichtig, glaͤnzend, rein.
Jch wurd auf mancher Stelle
Verſchiedener, die, wie Kryſtall ſo klar,
Mit Luſt und mit Verwunderung gewahr.
Jndem ich nun die Kleinheit uͤberſehe,
Und alles dieſes uͤberlege;
Erſtaun ich, wenn ich recht erwege,
Daß alle Groͤſſe dieſer Welt,
Ja ſelbſt die Welt aus Kleinigkeiten nur,
Wie220Wie groß ſie uns auch ſcheint und wuͤrklich iſt, beſtehe.
Es fiel mir ferner bey,
Wie Kleinigkeiten faſt in allen Sachen
Beſondere Veraͤnderungen machen.
Was iſt die ſchoͤne Kunſt der edlen Malerey,
Die guten Teils aus Farben nur beſtehet,
Und dieſe wiederum nur bloß aus Sand und Erden?
Wodurch jedoch die ſchoͤn’ſten Bilder werden.
Denn das, was unſer Aug erfriſcht
Auf ſolche wunderſame Ahrt,
Jſt bloß ein wenig Sand mit Oel gemiſcht,
Jſt ſo unglaublich duͤnn und zart,
Daß, wenn man es vom Tuche trennen wollte,
Man es fuͤr Coͤrperlich kaum halten ſollte.
Noch mehr, wie wunderbar
Erhell’t im Sande GOttes Macht,
Der alles nicht allein aus Nichts hervor gebracht;
Der auch ſo gar
Durch ſolche Kleinigkeit das allergroͤſte zwinget,
Jndem Er durch ſo kleinen Sand
Die ungeheure Fluten-Laſt
So wunderbarlich eingefaſſt,
Daß aller Wellen Wut nicht durch ihn dringet.
Hiemit ſtimmt alles uͤberein,
Daß, wie fuͤr uns das allerklein’ſte groß,
Alſo fuͤr GOtt das allergroͤſte klein,
Daher denn David auch recht unvergleichlich ſchloß:
Wie das Zuͤnglein an der Wage, ſo iſt, HERR, vor Dir
die Welt;
Wie der Tropfen aus dem Eimer, welcher auf die Er - de faͤllt.
Be -221

Betrachtung vieler Obſt-Baͤume.

Jndem ich juͤngſt im Garten hin und wieder,
Bald auf bald nieder,
Zumal bey ſeinen gruͤnen Schranken,
Den ganz mit Obſt bedeckten Planken,
Mit ſanften Schritten geh,
Und die ſo mannichfalt’gen Fruͤchte
Theils unreif noch, theils reif, in ſolcher Menge ſeh;
Vereinigt ich die forſchenden Gedanken
Mit meinem froͤhlichen Geſichte,
Betrachtete nicht nur
Die unterſchiedliche Figur
Des mannichfalt’gen Obſts, der Farben Unterſcheid,
Und uͤberleg’te
Die lieblich-ſuͤſſe Saͤurlichkeit,
Die uns erfriſchenden beliebt - und ſtarken Kraͤfte
Der Narungs-reichen Saͤfte,
Die jede Frucht beſonders heg’te.
Jch ſah derſelben Menge,
Die man unmoͤglich zaͤlen kann,
Abſonderlich bewundernd an.
Jch ſah nicht nur das niedliche Gedrenge
Der runden aufgeqvoll’nen Trauben,
Jch ſahe, welches kaum zu glauben,
Morellen, weiſſ - und rote Kirſchen,
Birn, Aepfel, Aprikoſen, Pfirſchen
Nicht einzeln, recht wie Trauben ſitzen,
Und222Und, welches recht verwunderlich,
Durch ihre Meng und Naͤhe ſich
Sehr drengen, jedennoch auch ſtuͤtzen.
Jch freute mich
Recht inniglich,
Denn es war gar zu ſchoͤn,
Auch nur von weitem, anzuſehn.
Doch uͤberwog noch eine neue Freude
Den holden Schmuck der ſchoͤnen Augen-Weide,
Die mich in ſuͤſſem Glanz anlachte,
Als ich mit froher Sele dachte:
Wo kommt dieß alles her? wer hat es ſo formiret?
Wer hat die Bildungen gefaͤrbt? wer diſtilliret
Die Saͤfte, daß ſie ſuͤſſe werden?
Wer bringt es aus der ſchwarzen Erden?
Ja was noch mehr, wer ſchenkt es mir?
Wer?
Der groſſe Schoͤpfer, GOtt der HErr:
Jhm ſey denn Preis und Dank dafuͤr!
Mor -223

Morgen-Gebet.

  • Die Morgen-Gebete nach den vier Jahres-Zeiten ſiehe im vorigen Theile p. 440. ſqq.
OGOTT, Der Du durch Deine Macht
Dieß groſſe Rund geſchaffen,
Jch habe dieſe ganze Nacht
So ruhig koͤnnen ſchlafen;
Jch bin vergnuͤget aufgewacht,
Geſund und ohne Schmerzen;
Jch ſeh der guͤld’nen Sonne Pracht,
Deß dank ich Dir von Herzen.
Gib, daß ich dieſen ganzen Tag
Nach Deinem Willen leben mag!
Hilf, daß mein Fuß ſonſt nirgends ruh,
Als nur auf Deinen Wegen,
Und gib zu allem, was ich thu,
Aus Gnaden Deinen Segen!
Mit -224

Mittags-Gebet.

GOTT, aus welchem alles qvillet,
Was ſo Flut als Erde fuͤllet,
Der Du, was uns not iſt, ſchenkſt,
Der Du Dein Geſchoͤpfe liebeſt,
Allem Fleiſche Speiſe giebeſt,
Alles naͤr’ſt, erhaͤlt’ſt und traͤnkſt;
Gib, daß wir an dieſen Gaben
Wie den Leib, die Sel auch laben!
Laß uns ſtets mit Dankbarkeit,
Nebſt des Eſſens Narungs-Segen,
Des Geſchmacks Verſchiedenheit
Jn der Speiſ und Zung erwegen!
Jeden Biſſen, den wir ſchmecken,
Laß uns Deine Huld entdecken!
So gereichet Trank und Speiſe
Uns zur Freude, Dir zum Preiſe.
Abend -225

Abend-Gebet.

OGOTT, von Dem wir ſo viel Gaben
Aus lauter Gnad empfangen haben,
Dir dank ich fuͤr die Ruhe-Statt,
Darin mein Leib, der muͤd und matt,
Sich wird auf wenig Stunden ſenken.
Ach laß inzwiſchen mein Gemuͤte
Sich bloß nach Dir, Du ew’ge Guͤte,
Als ſeiner wahren Ruhe, lenken!
Nimm, weil ich ſonſt nichts geben kann,
Mein bruͤnſtigs Abend-Opfer an!
Jch kann in weichen Feder-Decken
Gemaͤchlich meine Glieder ſtrecken.
Mein Herze, das dieß wol erkennet,
Wie viel Beqvemlichkeiten mir
O Schoͤpfer, Deine Gnade goͤnnet,
Ruf’t: Groſſer GOtt, hab Dank dafuͤr!
Wie mancher Menſch muß ſich anitzt
Auf einen harten Boden legen,
Wo er fuͤr Sturm, fuͤr Froſt und Regen
Sich kaum mit alten Lumpen ſchuͤtzt!
Hilf ihnen, HERR, ihr Elend tragen,
So lindern ſich auch ihre Plagen!
Laß mich in dieſer finſtern Nacht,
Durch Deine Liebe wol bewacht,
Fuͤr allem Unfall ſicher liegen!
So werd ich fruͤh die ſchoͤne Welt,
II. Theil. PWenn226Wenn ſie die guͤld’ne Sonn erhellt,
Mit Luſt aufs neu zu ſehen kriegen,
Und in der Creaturen Pracht,
O weiſer Schoͤpfer, Deine Macht
Betrachten, ruͤhmen und erheben.
Denn dazu ſcheint der Menſch allein
Geſchaffen und gemacht zu ſeyn,
Sonſt fuͤhrt er nur ein viehiſch Leben.
HERR, ſchaͤrfe dazu mein Geſicht.
Sonſt ſeh ich es, und ſeh es nicht,
Und mehre meines Geiſtes Triebe!
Schlaf ich denn, oder wach ich hier;
So leb und ſterb ich einzig Dir,
Unendlichs All! Du ew’ge Liebe.
Die227

Die Zufriedenheit.

Was muͤſſen doch die Menſchen ſeyn,
O groſſer GOTT! in Deinen Augen!
Sie kommen in die Welt hinein,
Sie weinen, wachen, ſchlafen, ſaugen.
Sie wachſen, und es waͤchſt zugleich
Die Luſt-die Ehr - und Geld-Begierde.
Es fraget weder arm noch reich,
Jn Deiner Creaturen Zierde,
Nach Deiner Ehr! Es ſtreb’t allein
Ein jeder, reich und groß zu ſeyn.
Ein jeder folget bloß dem Schein
Phantaſtiſcher Gluͤckſeligkeit.
Jhr Weſen waͤhret eine kleine,
Und ihre Ruhe keine, Zeit.
Ohn End iſt ihre Sorg und Muͤh;
Sie ſuchen vieles zu erwerben,
Nichts zu gebrauchen, ja ſie ſterben;
Und wiſſen nicht wo, wann und wie.
Ein jeder wuͤnſcht vergnuͤg’t zu leben,
Und jeder irrt in ſeiner Wahl.
Den einen ſieht man ſich beſtreben
Nach Reichtum ſonder Maſſ und Zal.
Der and’re ſuch’t mit heiſſer Bruſt
Die wilde Gluht verbot’ner Luſt:
Der dritte glaubt, daß Ehr und Pracht
Der Menſchen Herz vergnuͤglich macht.
P 2Es228Es lieget die Zufriedenheit
Warhaftig nicht an Pracht und Ehre,
Nicht in der Wolluſt Riedlichkeit,
Nicht daß ſich ſtets dein Gut vermehre.
Maͤcenas, Craſſus und Auguſt
Die haͤtten ſonſten ſtets gemuſt
Jn unverruͤckten Freuden leben,
Von deren Unluſt Schwermuts-Joch
Und Gram uns die Geſchichte doch
Gewiß ganz and’re Nachricht geben.
Drum hoͤre! die Zufriedenheit
Jſt die Geſundheit unſ’rer Selen.
Wie nun der Speiſen Niedlichkeit
Denjenigen gar ſchlecht erfreut,
Dem Hunger und Geſundheit felen:
So koͤnnen Ehre, Wolluſt, Geld,
Die Niedlichkeiten dieſer Welt,
Auch keiner kranken Sele ſchmecken.
Es wird ihr Mangel dir Verdruß,
Bemuͤhen, Sorg; und ihr Genuß
Noch immer groͤſſern Durſt, erwecken.
Was denn fuͤr Raht bey ſo beſtallten Sachen?
Geliebte Sele! faſſe Mut,
Und thue, was ein Kranker thut,
Der ſich verlangt geſund zu machen!
Was thut ein Kranker? Sorget er,
Wie er viel hundert tauſend Speiſen
Auf ſeiner Tafel koͤnne weiſen?
Ach nein: er iſt vernuͤnftiger.
Er229Er ſuch’t zufoͤrderſt ſich zu heylen,
Und nach vernuͤnftigem Gebrauch
Such’t er den Arzt. So laſſt uns auch
Zu GOTT, dem Arzt der Selen, eilen.
Um nun zu dieſem Arzt zu kommen,
Hab ich mir itzo vorgenommen,
Dir eine recht beqveme Spur
Und einen leichten Weg zu zeigen.
Du muſt zum groſſen Schoͤpfer ſteigen
Auf Leitern Seiner Creatur.
Du wirſt in Seiner Lieb und Allmacht tiefen Gruͤnden
Die irdiſche Zufriedenheit,
Ja gar dereinſt die Seligkeit,
Nachdem du ſie im Glauben braucheſt, finden.
Du wirſt von allem Gram geneſen,
Wirſt du das Buch der Welt zu GOttes Ehre leſen.
Der Menſchen Red iſt eine laute Schrift;
Die Schrift iſt eine ſtumme Rede.
Wer nun das Buch der Welt aufmerkſam lieſet, trifft
(Ach daß es jeder ſehn und keiner ſehen kann!)
Die Rede der Natur in allen Dingen an.
Sie preiſet GOttes Macht durch Ohren, Naſ und Augen,
Durch Zung und Hand den Selen an, und ſpricht:
O lieber Menſch, laß doch der Erde Schoͤnheit taugen,
Dich zu beluſtigen, um dich durch dein Geſicht,
Samt deiner andern Sinnen Thuͤren,
Zu dein - und meinem HErrn zu fuͤhren!
Du kannſt ja GOttes Macht, du kannſt ja GOttes Liebe,
Die Jhn zu dein-zu ihr - und aller Schoͤpfung triebe,
P 3Nicht230Nicht ohne ſie, in ihr mit Luſt und Anmut ſeh’n.
Schau ihre Farb und Form! ach ſchan, wie ſie ſo ſchoͤn!
Dieß ſind die lieblichen Geſpraͤche der Natur,
So ſie beſtaͤndig aller Welt
Mit laut - und ſanfter Stimme haͤlt.
Schau, hoͤre, ſuͤle, riech und ſchmecke nur,
Mit Andacht ihren Ton! So wird zu GOttes Ehren
Dein Selen-Ohr, o Menſch, die Sprache deutlich hoͤren,
Und ein beſtaͤndiges: GOtt Lob! GOtt Lob! allein
Wird deine beſte Antwort ſeyn.
Selbſt -231

Selbſt-Dienſt kein Gottes-Dienſt.

Was thuſt du, lieber Menſch, zu deines GOttes Ehren?
Worin beſteht dein Gottes-Dienſt?
Jch wund’re mich, daß du dich ſo erkuͤn’ſt,
Und laͤſſeſt dieſes Wort noch von dir hoͤren,
Da du jedoch auf dich aus Eigen-Lieb allein,
Und ſonſten faſt auf nichts, gedenkeſt,
Und all dein geiſtlich Thun auf nichts ſonſt lenkeſt,
Als daß du dort dereinſt moͤg’ſt ewig ſelig ſeyn.
Es ſag’te juͤngſt mit allem Recht
Ein wol-verdienter GOttes-Knecht,
Ein Prediger, ein frommer Lehrer:
Jhr irret ſehr, geliebte Hoͤrer,
Falls ihr auf dieſem Wahn beſteht,
Daß, wenn ihr in die Kirche geht,
Jhr eurem Schoͤpfer dient. Jhr dien’t euch ſelbſt vielmehr.
An ſtatt, o Menſch, wenn du vernuͤnftig handeln
wollteſt
Jn deinem Gottes-Dienſt, du GOttes Ehr allein
Zu deinem Endzweck haben ſollteſt;
So kehreſt du es um. Dort ewig wol zu ſeyn,
Jſt einzig dein Bemuͤh’n, das zwar erlaubet waͤre,
Wofern daruͤber nur des Allerhoͤchſten Ehre
Nicht ganz verſaͤumet wuͤrd. Ob GOtt geehret ſey,
Ob Seine ſchoͤnen Wunder-Werke,
Ob Seine Weiſheit, Lieb und Staͤrke
Betrachtet und geruͤhm’t mit Dank bewundert ſeyn,
Jſt deine klein’ſte Sorg. Allein
Erwaͤge, lieber Menſch: ſollt auch ein Bettler wol
Durch ſein alltaͤgliches Verlangen,
Von dir die Nahrung zu empfangen,
Dich wol dadurch mit Recht geehret nennen,
P 4Und232Und es als einen Dienſt, der dir geſchehn,
Da er ſich ſelbſt nur dien’t, wol rechnen koͤnnen?
Du ſchuͤttelſt hier den Kopf, und mich beduͤnkt, ich ſehe
Den Einwurf ſchon voraus:
Wie? ſoll man denn nicht beten,
Und ſoll man GOttes Haus
Forthin nicht mehr betreten?
Das iſt die Meinung nicht. Jch tad’le dieß allein,
Daß gegen GOttes Huld wir ſo undankbar ſeyn,
Und daß, da unſer Wunſch in anders nichts beſtehet,
Als daß wir reich allhier auf Erden,
Und dort im Himmel ſelig werden,
Wir doch, als wenn wir GOtt, dem groſſen Schoͤpfer, dienen,
Uns einzubilden uns erkuͤnen;
Daß wir des wahren Dienſt’s, des Dankens, ganz vergeſſen,
Und in der Creaturen Pracht
Des Schoͤpfers Weiſheit, Lieb und Macht,
Ob ſie gleich allenthalben prangt,
Nicht wuͤrdigen zu ſehn, noch ſie mit Luſt ermeſſen,
An allem, was man hat, ſich nimmer recht vergnuͤget,
Nur, was uns fel’t, verlangt.
Wir leben ſo, daß, wenn nicht Eigen-Liebe,
Um etwa kuͤnftig ohne Pein,
Auch ſelig und hier reich zu ſeyn,
Auf eine Gottheit uns zu denken triebe;
Man ganz gewiß auf keine Gottheit denken
Noch ſie verehren wuͤrd. Jſt der Beweis nicht klar,
Da wir kaum einen Blick auf Seine Werke lenken?
Da GOtt zum Ueberfluß ſo gar,
Wenn man es recht betrachtet,
Den Dienſt mit unſ’rer Luſt recht wunderbar verbunden;
So ſcheint es doch, dem allen ungeachtet,
Als ob wir lieber,
Eh wir auf ſolche Ahrt den Schoͤpfer ehren ſollten,
Uns233Uns unſ’rer eig’nen Luſt berauben wollten.
Dieß iſt des Hochmuts Sat,
Die nach dem Fall bey uns ſo tief gewurzelt hat,
Aus welchem ſcheußlichen verdammten Samen
Des Eigennutzes Bluͤht und Hoͤllen-Fruͤchte kamen,
Die, da wir bloß auf uns mit allen Kraͤften ſehn,
Jn goͤttlicher Verachtung bloß beſtehn.
Denn wenn wir auf den Urſprung denken,
Warum wir unſern Geiſt nie recht zum Schoͤpfer lenken,
So find ich keinen ſonſt, als dieſen bloß allein:
Weil wir mit unſerm Wol ſo ſehr beſchaͤfftigt ſeyn;
So haben wir nicht Zeit, die Dinge zu betrachten,
Die GOtt, zu Seinem Ruhm, auf dieſer ſchoͤnen Welt
Jn ſolcher Herrlichkeit uns vorgeſtellt.
Daruͤber faͤngt man an ſie gaͤnzlich zu verachten;
Daruͤber brauchen wir die Wunder unſ’rer Sinnen
Zu nichts, als Reichtum zu gewinnen,
Und das, was auf der Welt allein
Des Lebens Endzweck ſollte ſeyn.
Jn der Geſchoͤpfe Pracht den Schoͤpfer zu verehren,
Wird gaͤnzlich in den Wind geſchlagen.
Die Sorgen nun, die Unruh, Gram und Plagen,
Die durch die Lebens-Ahrt wir ſelbſt uns immer mehren,
Sind Folgen unſers Thuns, ſind Strafen, die ſchon hier
Die goͤttliche Verachtung raͤchen.
Von denen, die dort fuͤr und fuͤr
Euch vorbehalten find, will ich allhier nicht ſprechen.
Wenn die Propheten uns von dieſem Leben
Mehr, als vom kuͤnftigen, zu leſen geben;
So deucht mich, daß wir dieß daraus erlernen koͤnnen:
Es wolle GOtt, wenn wir auf dieſer Erden
Durch Seine Weiſheit, Lieb und Macht geruͤhret werden,
Und uns nur nicht vom wahren Glauben trennen,
Das kuͤnft’ge Leben uns als eine Folge goͤnnen.
P 5Da234
Da GOttes Liebe nun in jener Ewigkeit,
Nach deiner Meynung ſelbſt, ohn allen Streit
Der Seligen Beſchaͤfftigung wird werden;
Warum denn nicht bereits ſchon hier auf Erden
An GOttes Lob gedacht?
Soll etwa Seine Wunder-Macht,
Soll Seiner ſchoͤnen Werke Pracht
Auf dieſer Welt allein
Der Tiere Vorwurf ſeyn?
Da GOTT aus einem ew’gen Triebe
Dir nicht allein auf dieſer Welt
Von Seiner Weiſheit, Macht und Liebe
Unzaͤligen Beweistum vorgeſtellt,
Nein, ſondern gar
Jn das, was dich ergetzet,
Bloß Seine Ehr aus lauter Gnaden ſetzet,
Und Seinen Ruhm ſo wunderbar
Mit deiner eig’nen Luſt verbindet;
So macheſt du, da du ſie nicht betrachteſt,
Dich nicht daran vergnuͤg’ſt, und ſie dadurch verachteſt,
Daß all dein irdiſches Vergnuͤgen ſchwindet.
Ob nun hiedurch dereinſt nach dieſer Erde
Dein ewigs ſich befodern werde,
Dieß, ſag ich, kommet mir
Ganz unwarſcheinlich fuͤr.
Wollt ihr nun hier vergnuͤg’t, dort ewig ſelig ſeyn;
Ach ſo betrachtet hier des Schoͤpfers Wunderwerke!
Bewundert ſeine Gnad und Weiſheit, Lieb und Staͤrke
Jn eurer Jhm zum Ruhm empfund’nen Luſt allein!
So werdet ihr durch hieſigs Lob beyzeiten
Euch ſchon zu jenem Lob in Ewigkeit bereiten.
Die235

Die Luft.

1.
Sehen wir der duͤnnen Luͤfte
Groſſen Kreis und weite Bahn
Samt dem Weſen dieſer Duͤfte
Mit Verſtand und Sinnen an;
Spuͤr’t ein reges Herz aufs neue,
Wie ſich recht die Sele freue,
Weil ſie drin, fuͤr Luſt entzuͤckt,
GOtt unſichtbarlich erblickt.
2.
Dieſer unumſchrenkten Weite
Grenzen-loſem Wunder-Reich,
Dieſer Hoͤhe, Groͤſſ und Breite
Jſt kein ird’ſche Groͤſſe gleich,
Weil ſie alle Dinge fuͤllet,
Deck’t, umgibet und umhuͤllet,
Ja den ganzen Kreis der Welt,
Wie das Meer ein Fiſchlein, haͤlt.
3.
Jhre Kraft, wie ſchwach ſie ſcheinet,
Jſt dennoch unendlich groß,
Da ſie Felſen ſelbſt entſteinet
Ohne Schlag und ohne Stoß.
Stal wird durch die Luft zerriſſen;
Marmor wie ein Kleid verſchliſſen,
Und ſie heiſſt mit Billigkeit
Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.
4. Und236
4.
Und dennoch ſind ihre Teile
So behende, duͤnn und klein,
Daß, wie ſcharf der Augen Pfeile,
Sie doch nicht zu treffen ſeyn.
Ob ſie gleich rings um uns ſpielen,
Kann man ſie gleichwol nicht fuͤlen,
So daß zwiſchen Leib und Geiſt
Sie vielleicht ein Mittel heiſſt.
5.
Jhrer Groͤſſe unerachtet
Schein’t ſie dennoch unſichtbar.
Wie genau man ſie betrachtet,
Wird man ihrer kaum gewahr.
Dieß kann uns zur Lehre dienen,
Wenn wir uns ſo oft erkuͤnen,
Alle Dinge zu verſtehn,
Da wir doch ſo wenig ſehn.
6.
Wenn die Luͤfte duͤnner waͤren;
Koͤnnt die Duͤnn - und Seltenheit
Unſ’re Lunge nicht ernaͤhren
Durch die linde Feuchtigkeit.
Koͤnnte ſie ſich ſehr verdicken,
Muͤſten Vieh und Menſchen ſticken,
Ja der Sonnen Lebens-Schein
Wuͤrd uns dann geraubet ſeyn.
7. Den -237
7.
Dennoch kann man deutlich weiſen,
Daß derſelben Eigenſchaft
Jn den ausgedehnten Kreiſen
Aller ird’ſchen Coͤrper Kraft,
Daß das Weſen aller Luͤfte
Bloß aus Erd und Waſſer duͤfte:
Daß ſie von ſo mancherley
Ein Geruch und Ausfluß ſey.
8.
Worin Thier und Menſchen leben,
Der, was ahtmet auf der Welt,
Naͤhrt, erfriſchet und darneben
Deck’t, erfuͤllet und erhaͤlt.
Gar kein Feuer koͤnnte brennen,
Nichts wuͤrd einer hoͤren koͤnnen,
Naͤhrte nicht ſo Ton als Gluht
Unſ’rer Luͤfte zarte Flut.
9.
Wie man ſolches klaͤrlich ſiehet,
Wenn man ſie von einem Ort
Durch die Luft-Pump auswaͤrts ziehet,
Daß die Flammen alſofort
Loͤſchen, ſchwinden und vergehen.
Gleichfalls kann kein Ton entſtehen
Fuͤr das Menſchliche Gehoͤr,
Wenn ein Ort von Luͤften leer.
10. Die -238
10.
Dieſes Wunder muß vor allen
Wol erweg’t ſeyn und bedacht.
Aller Stimmen Saiten ſchallen,
Aller Toͤne ſuͤſſe Macht
Werden in der Luft erzeuget,
Wenn ſie ſich in Cirkeln beuget,
Und wie ſich ein Waſſer ruͤhrt,
So den Klang zum Ohre fuͤhrt.
11.
Wer kann dieſes Wunder faſſen,
Daß ſich einer Stimme Klang
So gar oft muß teilen laſſen,
Da ein Woͤrtgen, ein Geſang
Dergeſtalt die Luft erreget,
Daß ſie wallend ſich beweget,
Und viel tauſend Ohren fuͤllt,
Was aus einem Munde qvillt.
12.
Wie ein Prediger mit Worten
So die Luͤfte treiben kann,
Daß, an vielen tauſend Orten
Von viel tauſend, jedermann
Sein ganz Wort zugleich empfindet;
Hat kein Menſch annoch ergruͤndet.
Nur ſo viel kann man verſtehn;
Durch die Luft muß es geſchehn.
13. Wenn239
13.
Wenn ich dieſes uͤberlege,
Was fuͤr ungemeine Kraft
Unſer Luft-Kreis in ſich hege,
Und wie aller Pflanzen Saft,
Wie die Teil aus allen Dingen
Sich beſtaͤndig aufwaͤrts ſchwingen,
Und in Luft verwandelt ſeyn;
Nimmt mich ein Erſtaunen ein.
14.
Was wird nicht durch Gluht und Flammen
Jn die Luft hinein geſchickt?
Wenn ein Holz-Stoß faͤllt zuſammen,
Wird nur wenig Aſch erblickt.
Alles and’re wird verſtaͤubet,
Und dem Luft-Kreiſ einverleibet.
Alles, was der Brand verzehrt,
Wird durch Rauch in Luft verkehrt.
15.
Kurz, faſt alles, was entſtehet,
Stammet aus der Luͤfte Reich,
Und faſt alles, was vergehet,
Senkt ſich wiederum ſo gleich
Jn derſelben weiten Schluͤnden.
Welcher Menſch kann nun ergruͤnden,
Welch ein Schatz, wie vielerley
Jn der Luft verborgen ſey?
16. Es240
16.
Es vereint ſich und verbindet
Mit der all durchgeh’nden Luft,
Was man auf der Erde findet.
Aller Coͤrper Dunſt und Duft,
Die ſich, wenn ſie etwa brennen
Oder faulen, alsbald trennen,
Steigen in die Luft hinein,
Um mit ihr vereint zu ſeyn.
17.
Duͤnſte, die aus groſſen Seen,
Aus Moraſten, aus dem Meer,
Oder aus der Erd entſtehen,
Laſſen nie den Luft-Kreis leer.
Auch nebſt des Salpeters Teilen
Sieht man Schwefel aufwaͤrts eilen.
Alles, was man Coͤrper heiſſt,
Zinſ’t dem Luft-Kreis ſeinen Geiſt.
18.
Jſt demnach der Kreis der Luͤfte
Aller ird’ſchen Saͤfte Schatz,
Und der allgemeinen Duͤfte
Ungemeſſ’ner Sammel-Platz.
Suͤſſe, ſcharf und bitt’re Saͤfte,
Saur und ſalzig-fette Kraͤfte
Stecken in den duͤnnen Hoͤh’n,
Die zwar groß, doch nicht zu ſehn.
19. Hier241
19.
Hier ein Beyſpiel von zu geben,
Was fuͤr viele Coͤrperlein
Muͤſſen in den Luͤften ſchweben,
Die uns unbegreiflich ſeyn?
Und die dennoch von den Hunden
Wunder-wuͤrdig ſind empfunden.
Nimmer traͤfen ſie die Spur,
Thaͤt es nicht der Luft Natur.
20.
Daß die Luft, die uns umringet,
Und nur ein Geruch der Welt,
Uns nicht durch die Naſe dringet,
Uns nicht in die Sinne faͤllt,
Kommt daher, weil gleich auf Erden
Wir der Luft gewohnt ſchon werden;
Weil man ſie ſogleich empfind’t,
Wenn wir kaum gebohren ſind.
21.
Sie wirk’t in den Elementen
Mit ſo ſonderbarer Kraft,
Daß ſie nicht beſtehen koͤnnten
Sonder ihrem Lebens-Saft.
Waſſer faul’t, die Erde ſchwindet,
Wenn nicht jedes Luft empfindet.
Sie verlieren alſobald
Fruchtbarkeit, Kraft und Geſtalt.
II. Theil. Q22. Was242
22.
Was ſich aber ſonſt aus Dingen,
Welche riechen, aufwaͤrts drengt,
Und auf unſichtbaren Schwingen
Sich mit unſ’rer Luft vermengt,
Wird ſo bald von uns verſpuͤret,
Als es unſ’re Naſe ruͤhret,
Die die Suͤſſ - und Bitterkeit
Wunderbarlich unterſcheid’t.
23.
Alle Luft, die um uns ſchwebet,
Jſt zwar leib - und coͤrperlich,
Doch ſehr duͤnn und zart gewebet,
Und ihr Weſen dehnet ſich.
So hieß GOTT ſie ſich bereiten,
Daß ſie, ſtark ſich auszubreiten
Und zu ſpannen waͤr geſchickt,
Sich verduͤnnet und verdickt.
24.
Wann ſie Waͤrm und Hitze ſpuͤret,
Spann’t ſie ſich, und wird verduͤnn’t:
Jſt es aber kalt und frieret;
Wird, was ausgedehnt, geſchwind
Wieder in ſich ſelbſt gedruͤcket,
Stark gedrenget und verdicket.
Hat ſie alſo, wenn es kalt,
Einen kleinern Aufenthalt.
25. Wun -243
25.
Wunderbarlich iſt ihr Weſen,
Wenn man recht mit Ernſt bedenk’t,
Was wir von ihr ſehn und leſen.
So wann ſie uneingeſchrenk’t,
Als auch wann ſie in der Enge,
Sieht man an der Teilchen Menge
Eine ſonderbare Spur
Jhres Weſens und Natur.
26.
Wenn man Luft in ein Gefaͤſſe
Von Metall, das ſtark und feſt,
Von geraumer Maſſ und Groͤſſe
Durch ein Werkzeug drengt und preſſt,
Laͤſſt ſie ſich ſo feſte druͤcken,
Und ſo wunderbar verdicken,
Daß ſie fuͤhlbar, und ſo dicht,
Als ein Waſſer am Gewicht.
27.
Da ein Koͤrnchen Luft hingegen
Jm Gefaͤß, das ausgeleert,
Durch ein wunderbar Bewegen
Sich viel tauſendfach vermehrt,
Und ſich rings auf allen Seiten
Unvermerkt weiß auszubreiten,
Daß es tauſendmal ſo klein,
Ja ein nichts faſt, ſchein’t zu ſeyn.
Q 228. Alle244
28.
Alle Luft, die uns umſchrenket
Und den Erden-Kreis umfaſſt,
Da ſie ſich ſtets abwaͤrts ſenket,
Druͤck’t ſich ſelbſt durch eig’ne Laſt.
Daher wird durch ihr Gewichte
Unſ’re nied’re Luft ſo dichte,
Daß ſie leicht die ob’re traͤg’t,
Der ſie ſich zum Grunde leg’t.
29.
Wie man denn gar deutlich ſpuͤret,
Daß die Luft auf allen Hoͤh’n
Jhre Schwere gleich verlieret.
Wenn wir auf Gebirgen ſteh’n,
Kann kaum unſ’re Lung und Magen
Solche duͤnne Luft vertragen.
So ſchnell, ja faſt ſichtbarlich,
Aendert unſer Luft-Kreis ſich.
30.
Kann man alſo leicht erweiſen,
Daß die Luft nicht einerley,
Sondern in verſchied’nen Kreiſen
Gleichſam abgeſondert ſey.
Wie denn dieß die Wolken zeigen,
Die bald ſinken und bald ſteigen,
Bloß nachdem ſie duͤnn und feucht,
Frey, gepreſſet, ſchwer und leicht.
31. Wel -245
31.
Welches nicht geſchehen wuͤrde,
Wenn die Luft ſtets leicht, ſtets ſchwer
Und in allzeit gleicher Buͤrde
Jedes Orts verteilet waͤr.
Alle muͤſten auf uns liegen,
Oder ſaͤmtlich aufwaͤrts fliegen,
Wie nichts ſtill im Waſſer bleib’t,
Sondern ſinket oder treib’t.
32.
Dieſer Nutz iſt unbeſchreiblich.
Fiel der Wolken Laſt herab;
Fuͤnden wir unhintertreiblich
Ein beeiſ’tes ploͤtzlichs Grab
Jn derſelben Eingeweide.
Baͤume, Felſen und Gebaͤude
Wuͤrden unter ſich gedruͤckt,
Und was lebte wuͤrd erſtickt.
33.
Da der weiſe GOTT hingegen
Durch die Luft ſie droben haͤlt,
Daß ihr Leib allein im Regen,
Und zwar troͤpfelnd, abwaͤrts faͤllt,
Und die Welt nicht uͤberſchwemmet.
Durch die Luft wird auch gehemmet,
Daß ſie uns nicht naͤher ſtehn,
Sonſt muͤſt man fuͤr Froſt vergehn.
Q 334. Denn246
34.
Denn die Wolken ſind gezeuget
Bloß aus einem Duft, der friert,
Wenn er maͤlich aufwaͤrts ſteiget,
Und ſolch eine Hoͤh beruͤhr’t,
Wo die Waͤrme von der Erden
Nicht mehr kann empfunden werden,
Und der Stralen Gegenſchlag
Sie nicht mehr erreichen mag.
35.
Alsdann werden augenblicklich
Jhre Teilchen Schnee und Eis,
Welche denn die Luft geſchicklich
Traͤg’t und ſie zu ſtuͤtzen weiß,
Weil ſie ſie erfuͤll’t, umringet,
Jhren lockern Leib durchdringet,
Daß die Wolke droben bleibt,
Wie ein Rohr im Waſſer treibt.
36.
Bis ſie endlich ſich verdicket,
Wenn ſich Flock auf Flocken leg’t,
Da, von eig’ner Laſt gedruͤcket,
Sie zuletzt zu ſinken pfleg’t,
Und der Waͤrme Widerprallen
Sie zerſchmelzt im Niederfallen,
Daß ſie wieder auf die Welt
Tropfen-weiſ herunter faͤllt.
37. Wel -247
37.
Welche Tropfen oftmal frieren,
Nemlich dann wenn Blitz und Hitz
Mit zu ſtarkem Stral beruͤhren
Einer Wolken ob’re Spitz,
Alsdenn ſchmilzt das Eis; hingegen
Wird der ſchon formir’te Regen
Durch der Luͤfte kalten Kreis
Jn den Schloſſen wieder Eis.
38.
Ferner muß man nicht verſchweigen,
Was wir mehr in Luͤften ſeh’n,
Wie ſich Thau und Nebel zeugen,
Wie ſie uns zum Nutz entſtehn.
Dieſes recht zu uͤberlegen,
Muß man dieß erſt wol erwaͤgen:
Hitze, Kaͤlt und Feuchtigkeit
Steh’n, um Ruhe, ſtets im Streit.
39.
Ob ſie noch ſo widrig ſcheinen;
Sucht doch dieſe fort und fort
Sich mit jener zu vereinen
Durch des Hoͤchſten Wunder-Wort,
Und aus dieſem Triebe ſtammen
Die Bewegungen zuſammen,
Aller Witt’rung Unterſcheid
Und derſelben Fruchtbarkeit.
Q 440. Denn248
40.
Denn wenn Flut und Erde gluͤhet
Durch der Sonnen Lebens-Stral,
Und die Sonne ſich entziehet;
Wird der Luft-Kreis allemal
Kaͤlter als der Kreis der Erden:
Um nun gleich gemiſcht zu werden;
Steig’t die Hitz aus Erd und See
Alsbald wieder in die Hoͤh.
41.
Daher wir die Nebel-Duͤfte
Meiſt im Herbſt und Winter ſeh’n,
Als die nimmer, wenn die Luͤfte
Waͤrmer werden, auch entſtehn,
Sondern, wie mans taͤglich lernet,
Denn wenn ſich die Sonn entfernet,
Da ſodann ſo Waͤrm als Licht
Alſobald der Luft gebricht.
42.
Ferner, wie wir’s innen werden,
Druckt die Luft nicht ſich allein
Sondern alle Ding auf Erden,
Die ihr unterworfen ſeyn,
Und zwar dieß mit ſolcher Buͤrde,
Wie ein Waſſer drucken wuͤrde,
Welches zwanzig Ellen tief,
Wenn es uͤber etwas lief.
43. Daß249
43.
Daß wir aber dieß nicht ſpuͤren
Und empfinden, kommt daher,
Daß die Luͤfte, die uns ruͤren,
Allenthalben gleiche ſchwer,
Daß ſie uns nicht nur umringen,
Sondern ſelber durch uns dringen,
So daß, wenn mans recht erwegt,
Eine Luft die and’re traͤgt.
44.
Wie kein Fiſch im Meer erſticket,
Ob ihn gleich der Wellen Laſt
Unaufhoͤrlich preſt und druͤcket:
Dann weil ſie ihn rings umfaſt,
Kann er auch in tiefſten Gruͤnden
Kein zu ſchwer Gewicht empfinden;
Denn der Druck im Waſſer-Reich
Jſt von allen Seiten gleich.
45.
Dennoch iſt die Laſt der Luͤfte
Allemahl nicht gleiche ſchwer.
Sondern, wenn die naſſen Duͤfte
Von den Feuchtigkeiten leer.
Wenn die Welt vom Regen feuchte,
Wird ſodann der Luft-Kreiß leichte,
Und die Erde traͤgt und faſſt
Einen Theil von ihrer Laſt.
Q 546. Doch250
46.
Doch ſpuͤrt man auch nach dem Regen,
Daß ſie ſich noch abwerts ſenkt,
Weil ſonſt durch der Welt Bewegen,
Die ſich ſtets im Cirkel lenkt,
Sie bald wuͤrde von uns fliehen,
Und ſich in die Hoͤhe ziehen,
Drum ſchafft GOTTES weiſe Kraft,
Daß ſie ſtetig an uus hafft.
47.
Druͤckt ſie alſo und umringet,
Wie den Erd-Kreiß, auch die Fluht.
Daß ſie aber nicht durchdringet,
Sondern gleichſam auf ſie ruht,
Kommt, daß dieſe dicht und feuchter,
Da die Luft ſo duͤnn - als leichter,
Drum ſie ſie zwar ſanfte drengt,
Doch ſich nicht mit ihr vermengt.
48.
Wie ſich nun die Erde ruͤhret,
Und ſich Jaͤhr - und taͤglich dreht,
Wird die Luft auch umgefuͤhret,
Daß ſie nimmer auht noch ſteht:
Drum die Welt, die ſie bedecket,
Als in einer Schale ſtecket,
Welche Schal in einem Stuͤck,
Bis auf ſieben Meilen dick.
49. Wel -251
49.
Welches klaͤrlich zu erſehen
An der Daͤmm’rung Schimmer-Licht.
Denn die koͤnte nicht entſtehen,
Stieß der Stral der Sonne nicht
Auf des Luft-Leib’s aͤuſſ’re Graͤnzen,
Die denn widerprallend glaͤnzen:
Welches fruͤher wuͤrd geſchehn,
Wenn die Luft ſolt hoͤher ſtehn.
50.
Ja, wenn ſie nur zwanzig Meilen
Hoͤher, als ſie itzt iſt, waͤr;
Waͤr von allen Erden-Teilen
Keiner je von Daͤmm’rung leer.
Denn das Licht wuͤrd an ſie prallen,
Und drauf wieder abwaͤrts fallen;
Aber ohne Gegenſtand
Sieht man nicht der Sonnen Brand.
51.
Daß auch in der Luͤfte Kreiſe
Ein beſtaͤndig Feuer brennt,
Zeiget auf beſond’re Weiſe
Folgendes Experiment:
Wenn man in ein hol Gefaͤſſe,
Dran ein Hals von kleiner Groͤſſe,
Nur ein Licht von unten haͤlt,
Und es dann aufs Waſſer ſtellt;
52. Hoͤr’t252
52.
Hoͤr’t das Licht bald auf zu brennen.
Wenn wir durch ein krummes Rohr
Und den Blas-Balg Luft ihm goͤnnen,
Brennt es aber nach wie vor:
Doch erliſchet es zur Stunde,
Wenn man Luft aus unſerm Munde,
Die ſchon in der Lung geweſt,
Jn dieſelbe Roͤhre blaͤſ’t.
53.
Hieraus ſcheinet nun zu flieſſen,
Und, weils die Erfahrung lehrt,
Kann man draus ganz deutlich ſchlieſſen,
Daß die Luft, die uns genaͤhrt,
Durch die Lunge das verlieret,
Was dem Feu’r zur Koſt gebuͤret,
Und daß von der Luft das Blut
Eben das braucht, was die Gluht.
54.
Nun in dieſer Luͤfte Kreiſe,
Den man Atmosphera nennt,
Leb’t auf wunderbare Weiſe
Alles, was man ſieht und kennt.
Auſſer ihr muͤſt alles ſterben:
Alles wuͤrde ſchnell verderben,
Das ſich nun durch ſie erhaͤlt.
Sie iſt bloß der Geiſt der Welt.
55. Durch253
55.
Durch ſie ſchwinget ſich und ſchwebet
Jeder Vogel in der Hoͤh.
Was der Sonnen Stral erhebet
Von der Erd und aus der See,
Wird von ihr, als wie im Wagen,
Rings um unſ’re Welt getragen.
Was die Fruchtbarkeit gebiert,
Wird in ihr herum gefuͤhrt.
56.
Sie erhaͤlt die Lebens-Flamme,
Die in unſerm Blute brennt.
Sie wird wol mit Recht die Amme
Unſ’rer innern Waͤrm genennt,
Ja man ſieht, wie ſie die Fiſche
Und die Pflanzen ſelbſt erfriſche,
Welche durch ihr loͤchricht Gruͤn
Atem, wie die Tiere, ziehn.
57.
Luft iſt faͤhig anzunemen
Licht und Toͤne, ja ſie kann
Sich zu Hitz und Froſt beqvemen,
Gluht und Waſſer nimmt ſie an.
Der Geruch aus allen Dingen
Kann in ihr ſich aufwaͤrts ſchwingen,
Und es draͤnget ihr Gewicht
Ueber ſich Rauch, Flamm und Licht,
58. Wel -254
58.
Welche ſtets von ihr umgeben,
Rings umher gedrenget ſind:
Wie ſich Waſſer-Blaſen heben,
Nicht nur durch den innern Wind;
Sondern weilen ihre Leichte
An des Waſſers Laſt nicht reichte,
Druͤckt die Flut ſie heftiglich
Allenthalben uͤber ſich.
59.
Wann die Sonn uns nahe ſtehet,
Wird ſie warm, erhitzt, geſchwuͤl:
Wann der Wind hingegen wehet,
Wird ſie alsbald wieder kuͤl,
Wie man oft mit Schmerzen lernet,
Falls die Sonne ſich entfernet,
Daß die Luft, wenn ſie verdickt,
Uns beſchweret, ſticht und druͤckt.
60.
Aber, kehrt die Sonne wieder;
Aendert ſich ſo gleich die Luft:
Gleich empfinden unſ’re Glieder,
Wie derſelben lauer Duft
Uns mit ſuͤſſem Hauchen ſtreichelt,
Uns mit ſanftem Saͤuſeln ſchmeichelt,
Die zu ſtarke Hitze kuͤl’t,
Und, wie Wellen, um uns ſpielt.
61. Wol -255
61.
Wollen wir nun nach den Gruͤnden
Der Chymie die Luft beſehn;
So wird ſich gar deutlich finden,
Sie muß hieraus meiſt beſtehn:
Jhr unfuͤlbar-duͤnner Schleyer
Heget Feuchtigkeit und Feuer.
Jſt alſo der Luft Natur,
Etwas Schwefel und Mercur.
62.
Ferner hat man zu erwegen,
Wie die Luͤfte durch den Wind
Solch ein unſchaͤtzbarer Segen
Kraͤutern, Thier - und Menſchen ſind.
Durch die Winde werden droben
Alle Wolken fortgeſchoben,
Wodurch in der ganzen Welt
Allenthalben Regen faͤllt.
63.
Durch die Winde ſind die Luͤfte
Ohne Faͤulniß ſtets beweg’t
Und gereiniget vom Gifte,
Der ſich drin zu ſammlen pfleg’t.
Durch die Wind und durch die Blitze
Wird die gar zu groſſe Hitze,
Die man oft im Sommer fuͤl’t,
Ausgedehnt und abgekuͤl’t.
64. Durch256
64.
Durch die Winde ſind die Kraͤfte,
Die der Kreis der Luft begreift,
Und die Lebens-Balſam-Saͤfte,
Wenn ſie ſich durch ihn gehaͤuft,
Jn die Coͤrper eingetrieben;
Welche ſonſt unfruchtbar blieben.
Keine reiche Erndt entſteh’t,
Wenn die Winde nicht geweh’t.
65.
Keine Handlung koͤnnte bleiben;
Keine Schiffahrt vor ſich gehn,
Deren Nutz nicht zu beſchreiben,
Wie ein jeder muß geſtehn.
Trieben nicht der Winde Kraͤfte
Dieß ſo noͤtige Geſchaͤffte,
Wie ſo manches ſchoͤne Land
Waͤr uns ewig unbekannt?
66.
Alle Vorteil ſind unglaͤublich,
Die man durch den Wind verſpuͤr’t.
Jſt der Nutz nicht unbeſchreiblich,
Wenn er Waſſer aufwaͤrts fuͤhrt?
Wenn er Muͤlen-Raͤder treibet?
Laͤnder trocknet? Korn zerreibet?
Tuͤcher ſtampfet? Holz und Stein
Schneiden uns die Winde klein.
67. Frag’t257
67.
Frag’t man nun: was ſind die Winde,
Und wo kommen ſie doch her?
So bekenn ich, daß die Gruͤnde
Des Beweiſes etwas ſchwer.
Denn die meiſten ſind gebrechlich:
Doch dieß iſt unwiderſprechlich,
Daß die Winde bloß allein
Unſ’rer Luft Bewegung ſeyn.
68.
Welche durch der Sonnen Stralen
Oft gedehnet, oft gedruͤckt,
Oft geſpannet, oftermalen
Duͤnn gemachet, oft verdickt.
Wechſelt dieſes nun gelinde;
So entſteh’n gemeine Winde:
Aber wenn ein Sturm ſich reg’t,
Schein’t die Luft, wie folgt, beweg’t.
69.
Glaublich iſt, daß dieß entſtehet,
Wenn der Sonnen Wunder-Licht
Eine Menge Duͤnſt erhoͤhet,
Jhre Coͤrperchen zerbricht,
Und dadurch die Luft vermehret,
Da die erſte ruͤckwaͤrts faͤhret,
Aber bald, aufs neu gedehn’t,
Sich nach ihrer Stelle ſehn’t.
II. Theil. R70. Und258
70.
Und dadurch die neuern Teile
Von ſich drenget, ſtoͤſſ’t und treibt,
Deren jede nun in Eile
Sich an andern Teilen reibt,
Da ſich denn die Luft ergieſſet,
Und in Strichen gleichſam flieſſet
Wie ein ſtrenger Waſſer-Fluß,
Vor dem alles weichen muß.
71.
Doch ſo ſchrecklich auch von Staͤrke
Solche Stuͤrme manchmal ſind;
Spuͤr’t man gleichwol GOttes Werke
Augenſcheinlich, Der den Wind
Dennoch Maſſe zwingt zu halten,
Da dieß alles zu zerſpalten
Dem erzuͤrnten Luͤfte-Heer
Sonſten nicht unmoͤglich waͤr.
72.
Daß der Weſt-Wind waͤrm - und naſſer,
Als der Oſt-Wind, komm’t daher:
Weil die Sonn ein duftig Waſſer
Aus dem Teil von Erd und Meer,
Die ſie kurz vorher beruͤhret,
Aufgezogen. Dadurch fuͤhret
Stets der Wind aus dieſem Strich
Viele Feuchtigkeit mit ſich.
73. Da259
73.
Da der Morgen-Wind hingegen
Stets aus ſolchem Orte blaͤſ’t,
Welcher in der Sonnen Wegen
Eine Zeitlang nicht geweſt;
Sinkt alſo der Dunſt hinwieder,
Durch der Naͤchte Kaͤlte, nieder,
Wannenher die Morgen-Luft
Kuͤl und leer von Dunſt und Duft.
74.
Jn der Erden innern Gruͤnden,
Wo der Mittel-Punct ſich ſchlieſſt,
Soll ſich ein Behaͤlter finden,
Woraus ſtets ſich Luft ergieſſt,
Die aus Suͤden teils entſpringet,
Teils ſich durch den Nord-Pol dringet,
Woran dieſer Suͤd-waͤrts faͤhrt,
Jene ſich nach Norden kehrt.
75.
Und durch dieſes Luft-Geiſts regen
Soll der leitende Magnet
Sich ſo wunderbar bewegen,
Daß er immer Nord-waͤrts ſteht,
Weil die Erd-Luft, wie man meinet,
Sich mit ſeiner Luft vereinet,
Weil ſie beyde gleiche klein
Und von einer Groͤſſe ſeyn.
R 276. Daß260
76.
Daß im Winter, wenn es frieret,
Es nicht immer gleiche kalt,
Daß man nicht im Sommer ſpuͤret
Gleicher Hitz und Gluht Gewalt;
Dieß, wie viele Weiſe glaͤuben,
Jſt dem Luft-Geiſt zuzuſchreiben,
Ja der frechen Winde Zucht
Jſt wol gar derſelben Frucht.
77.
Dieſe Gruͤnd und mehr dergleichen
Glaub’t man: denn ſie ſcheinen klar.
Dennoch will ich gerne weichen,
Werd ich beſſere gewahr.
Denn, nur GOttes Werk zu preiſen,
Und nicht meinen Witz zu weiſen,
Schreib ich, und es hat mein Kiel
GOttes Ruhm, nicht ſich, zum Ziel.
78.
GOtt, der Du der Winde Raſen
Faſſeſt als in einem Schlauch,
Du verſpaͤrr’ſt ihr ſtuͤrmiſch Blaſen
Jn der Erden dunkelm Bauch.
Woher aller Winde Scharen
Kommen, und wohin ſie fahren,
Faſſt kein Menſchlicher Verſtand.
Dir iſt es allein bekannt.
Der261

Der Thau.

Noch ein Gedicht vom Thau ſiehe im vorigen Theile, pag. 209.
D der Thau ſo herrlich ſcheinet,
Kommt daher, dieweil das Licht
Jn dem Mittel-Punct ſich bricht,
Jn der Ruͤnde ſich vereinet.
Hier ſcheint oͤfters eine Stelle,
Wenn ich Aug und Haupt nicht dreh,
Und ſo lang ich ſtille ſteh,
Ganz wie Diamanten helle.
Ruͤhr ich mich; ſo iſt im Gruͤnen
Alles blau wie ein Sapphir.
Wenn ich mich noch einmal ruͤhr;
So gluͤh’t alles wie Rubinen.
Ja wenn an den ſchwanken Spitzen
Oft ein groſſer Tropfen haͤng’t,
Der den Sonnen-Stral empfaͤng’t,
Stral’t aus ihm ein buntes blitzen.
Denn indem die Blaͤtter zittern,
Zittert auch der Stral zugleich,
Daß ſie Blitz - und Farben-reich,
Recht wie Zitter-Nadeln, ſchuͤttern.
Mein vergnuͤg’tes Auge findet,
Daß der Urſprung ſolcher Zier
Sey, weil mit dem Jrd’ſchen hier
Sich was Himmliſches verbindet.
R 3Stra -262
Stralet nun ein Punct der Sonne,
Ein ſo kleiner Teil vom Licht
Jn die Sele durchs Geſicht,
Und erfuͤllet uns mit Wonne,
Die wir mit erſtaunen ſpuͤhren;
Welch ein Glanz und welcher Schein
Muß denn nicht dort oben ſeyn
Jn den himmliſchen Rivieren,
Wo des Lichtes ew’ge Qvelle
Unveraͤndert, unverhuͤll’t
Aller Himmel Himmel fuͤll’t,
Alles herrlich, alles helle,
Alles voller Glanz und Pracht,
Alles ewig froͤhlich, macht!
Das263

Das bethaute Gras.

Jch ſah noch auf ein ander mal
Der fruͤhen Morgen-Sonne Stral
An dick begraſ’t - und bunt bebluͤhmten Huͤgeln
Jm Thau ſich ſpiegeln.
Es ließ das friſch bethau’te Gras,
Als waͤr ein reines Glas
Daruͤber her gefuͤhret,
Und jedes Blaͤtchen ſchien candiret.
Welch heller Glanz, welch funkelnd Prangen,
Welch heit’res lieblichs Licht
Erqvicket das Geſicht,
Zumal
Wenn an dem langen Graſ oft groſſe Tropfen hangen!
Welch angenem gefaͤrbter Stral,
Wie viele ſchoͤne bunte Blitze
Zeug’t oft ein einz’ger Tropf an einer regen Spitze!
Ein ſchnell geſchuͤttelter geſchliff’ner Diamant
Wirft ſolche bunte Gluht, ſtreut ſolchen hellen Schimmer,
Als wie der Farben-reiche Brand
Der angeſtral’ten Tropfen, nimmer!
Seht! itzt iſt er Smaragden gruͤn,
Jtzt Purpur, itzo blau, itzt ein Rubin.
Ey ſeht! das ſchoͤne Gold, Topas und Chryſolith,
Stral’t ſo vortrefflich nicht, als er anitzo gluͤht
Jn einem gelben Licht. Schaut, wie er ſich verlieret,
Und ſolchen Demant-Glanz im Augenblick gebieret,
R 4Durch264Durch deſſen Reinigkeit und Wunder-hellen Schein
Die Augen faſt geblendet ſeyn.
Jch rief mein Jlschen aus dem Bette,
Damit ſie ſich zugleich mit mir
An dieſer holden Zier
Zu freu’n und zu ergetzen haͤtte.
Wir konnten uns nicht ſatt an dieſem Schimmer ſehn.
Es fuͤllet itzt nicht nur ein allgemeines Licht,
Sprach ſie, ſo Luft als Land; es fuͤll’t uns das Geſicht
Ein ganz beſond’rer Glanz, ein ungemeines Prangen.
Jch ſeh an jedem Blat ein eig’nes Troͤpflein hangen,
Jn welches ſich der Sonnen Stral,
Als wie in einen Spiegel, druͤcket,
Und tauſend Stellen auf einmal
Mit hellen bunten Flammen ſchmuͤcket.
Man kann, ſprach ich, in ihnen wunderſchoͤn
Viel tauſend kleine Sonnen ſehn,
Die aber all, um GOtt darin zu preiſen,
Uns auf der Sonnen Sonn, ihr herrlichs Urbild, weiſen.
Ein jeder ſuͤſſer Blitz trifft durch das Aug ins Herz.
Die Sel, hiedurch geruͤhrt, lenkt ſelbſt ſich Himmel-waͤrts,
Und denkt: Wie wunderſchoͤn, wie unergruͤndlich hell,
Wie undurchdringlich licht, wie unerforſchlich rein,
Wie unbegreiflich klar muß aller Dinge Qvell,
Muß aller Dinge Schoͤpfer, ſeyn!
Das265

Das Graſe-Pferdchen.

Jndem die Augen ſich mit tauſend Freuden
Bald am beſchatteten, bald am beſtral’ten Gruͤnen,
Die beyd illuminiret ſchienen,
Bald an der klaren Flut,
Bald an der ſchwimmenden und heit’ren Sonnen-Gluht
Bald an den tauſend-fach bebluͤhmten Kraͤutern weiden;
Worunter der Vergiß mein nicht
So lieblichs Himmel-blau,
Bey dem beſtaͤnd’gen Licht - und Schatten-Spiel,
Mir unvergleichlich wol gefiel;
Sah ich, zu mehren mein Vergnuͤgen,
So manches lieblich-blaues Licht
Jn mancher lebenden Vergiß mein nicht,
Wie Himmel-blaue Bluͤhmchen, fliegen,
Die das ſo holde Gruͤn und deſſen dunk’le Pracht
Um ſo viel lieblicher und angenemer macht.
Ein kleines blaues Heer von Graſe-Pferdchen zog
Durch den beweglichen beſtaͤndig regen Schein
Die Augen faſt auf ſich allein.
Jhr Jungſerlicher Schwarm, wie man ſie nennet, flog
Mit klaren Fluͤgeln hin und wieder.
Bald eilten ſie vorbey, bald ſetzten ſie ſich nieder,
Und ſchmuͤckten ihren Sitz wie Tuͤrkis und Sapphir.
Mein aͤlt’ſtes Toͤchtergen, mein Jlschen, lief geſchwinde,
Erhaſchte ſchnell ein kleines, bracht es mir,
Und freute ſich,
R 5Als266Als ob ſie einen Schatz von groſſem Wehrt gefunden.
Jch nam es hin, beſah es eigentlich,
Und fand auf ſeinen klaren Fluͤgeln,
Als wie in kleinen glatten Spiegeln,
Der ſchoͤn’ſten Farben Schmuck mit einem Glanz ver -
bunden.
Hierauf bewundert ich von dieſer Creatur
Die ſeltſame Figur,
Den runden klaren Kopf, der nichts als Auge ſcheint,
So manchen Fuß, der ſich faſt mit dem Kopf vereint,
Den duͤnnen langen Leib, der hier und dar
Sehr zierlich eingekerbt, und ſonſt ſo glaͤnzend war,
Daß er recht eigentlich als amailliret,
Und deſſen lieblich Blau
Noch durch ein ſchoͤnes Schwarz erhoͤhet und gezieret.
Jndem ich es nun mit Bedacht beſchau;
Fiel mir daruͤber ein:
Wozu mag ſolch ein Tier wol nuͤtzlich ſeyn?
Zu Anfang meynt ich zwar
So ſondern Nutzen nicht zu finden,
Und dachte ſchon: Wer kann des Schoͤpfers Weg er -
gruͤnden?
Und dieß iſt mehr als gar zu wahr.
Allein von ungefehr
Erblick ich, wie ſie kleine Muͤcken,
Um ſie zu freſſen, ſchnell beruͤcken.
Jch ſehe, ſag’t ich, itzt,
Wie und worin dieß kleine Tier
Der Welt, und folglich dir und mir,
Ob267Ob es gleich nicht ſo ſcheinet, nuͤtzt.
Daß ein zu groſſes Muͤcken-Heer
Dir nicht beſchwerlich moͤge ſeyn,
Macht es die Luft von Ungeziefer rein.
So zeig’t dieß Tierchen denn aufs neue,
Wie alles, was der Schoͤpfer macht,
So wunderbar hervor gebracht,
Woruͤber ich mich Seiner herzlich freue,
Jndem mein Herz es nicht geringe ſchaͤtzet,
Daß dieſes Tierchen uns ſo nuͤtzet als ergetzet.
Der268

Der Kuͤrbis.

Jch gieng im Garten hin und her,
Und ſah von ungefehr,
Wie durch der Erlen dichte Wand
Von einem Kuͤrbs die Ranken durchgedrungen,
Sich artig hin und her geſchlungen,
Und in dem Steig auf den betret’nen Sand
Sich ausgeſtreckt und ausgebreitet hatten.
Dieweil ich nun der Ranke Stand,
So wie ſie lag, nicht ſicher fand,
Jndem ſie in Gefahr
An einem ſolchen Orte war
Vertreten und zerknickt zu werden;
Hub ich ſie von der Erden,
Um, daß ſie moͤchte ſicher liegen,
Sie wiederum dahin zu biegen,
Woher ſie kommen war; allein
Kaum mogte ſie von mir gefaſſet ſeyn;
So brach ſie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an,
Jſt das nicht Schad? Ey haͤtt ich es gelaſſen!
Doch dacht ich, wie ich mich beſann,
Da der Verluſt nicht groß, kann ich mich leichtlich faſſen,
Und darf ja nicht verdrießlich ſeyn.
Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein,
Das mich zum oͤftern ſchon geruͤhret:
Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,
Jſt269Jſt eben der, ſo ihn zu ſolchem Etwas fuͤhret.
Wie ich hierauf die abgebroch’nen Ranken
So voller Fruͤchte fand, als ich ſie recht beſah;
Gieng es mir zwar aufs neue nah:
Doch troͤſteten mich folgende Gedanken:
Jch will bey dem Verluſt gewißlich nichts verlieren.
Es ſoll, geliebte Ranke, mich
Die kleine Frucht und Bluhmen, die dich zieren,
Zu dein - und meinem Schoͤpfer fuͤhren.
Wer weiß, warum du dich
Hieher gelenkt, warum in dieſer Stunde,
Da ich allein, ich dich in ſolchem Stande funde;
Warum ich ſo von dir gedacht, wie ich gedacht;
Wer weiß, warum ich dich zerbrochen; ob es nicht
Vielleicht darum geſchehn, daß mein Geſicht
Mein ſonſt unachtſames Gemuͤte
Doch zur Aufmerkſamkeit und zur Betrachtung braͤchte,
Und ich von GOttes Macht und Weiſheit, Lieb und Guͤte,
Zu Seinem Ruhm, was nuͤtzliches gedaͤchte.
Auf denn, mein Geiſt, betrachte mit Vergnuͤgen
Das fruchtbare Gewaͤchs, woran recht wunderlich
Verſchied’ne gruͤne Roͤren ſich
Am fuͤnf-geeckten Stengel fuͤgen!
Die Blaͤtter, ſo an dieſem Stengel ſitzen,
Sind, wie die Bluhmen ſelbſt, beſetzt mit zarten Spitzen,
Nicht weniger die Frucht, ſo lange ſie noch klein.
Aus dieſen Stengeln nun, die hol und lucker ſeyn,
Waͤchſt ein dem Reben-Laub an Bildung gleiches Blat,
Das tauſend kleine Adern hat,
Die270Die alle wiederum mit Spitzen reich verſehn,
Wodurch ſie teils von einem Ort zum andern
Mit den faſt ſtets verlaͤngten Ranken wandern,
Teils wie auf kleinen Fuͤſſen ſtehn.
An jedem Ort, woraus das Blat entſpringet,
Entſprieſſt zu einer Zeit die Bluhm und Frucht zugleich;
Wobey noch uͤberdem recht Wunder-reich
An eben ſolchem Ort ein Stiel mit Gaͤblein dringet.
Derſelbe teilet ſich in drey verſchied’ne Teile,
Die alle, recht wie kleine gruͤne Seile,
Wo ſie Gelegenheit nur finden,
Die Ranken ſuchen feſt zu binden.
Bewund’re doch, mein Herz, die Ordnung der Natur
Jn dieſem Kuͤrbs-Gewaͤchs aufs neu!
Erwege, daß nicht nur
Die Zierlichkeit, nein mehr hie zu bewundern ſey!
Damit dieß Ranken-Werk von wegen ſeiner Schwaͤche
So bald nicht braͤche,
Waͤchſt eine kleine Hand mit dreyen Fingern dran,
Wodurch ſie hie und da ſich halten kann.
Ach laſſt uns doch, wenn wir dergleichen ſehn,
Den, Der dieß alles macht, den weiſen GOtt, erhoͤhn!
An dieſes Stieles Fuß
Erblicket man, wiewol ſo wunderbarlich klein,
Daß jeder ſich darob verwundern muß,
Blat, Bluhme, Frucht und Stiel, die kaum zu ſehen ſeyn,
Und dennoch finden wir, daß die ſo an den Spitzen
Der langen Ranken ſitzen,
Noch unweit kleiner ſind, da nemlich man daran
Ein271Ein gruͤn verwirrtes Etwas findet,
Das unſer Auge nicht, der Geiſt nur, ſehen kann.
Die Bluhme, welche mich abſonderlich verbindet,
An ihrer Farb und artigen Figur
Mich zu ergetzen, ſtellet mir
Die wunderbare Kunſt der bildenden Natur
Jn ihrer brennenden Gold-gelben Farbe fuͤr.
Die Bluhmen zeigen ſich zuerſt bey andern Fruͤchten,
Hier zeigt ſich erſt die Frucht; hier ſieht man wunder-ſchoͤn
Die Frucht mit einer Kron aus Gold gekroͤnet ſtehn,
Doch nicht zur Zier allein, es ſcheinen die fuͤnf Spitzen
Der ſuͤſſen Frucht zugleich zu nuͤtzen.
Die Bluhme gleichet einer Hand,
Die mit fuͤnf Fingern ausgeſpannt,
Um Regen, Tau und and’re Feuchtigkeiten
Der durſt’gen Wurzel zuzuleiten,
Als welche ſie in einem groͤſſern Grad
Fuͤr Fruͤchte, die ſo groß, vor andern noͤtig hat.
Von auſſen ſiehet man,
Woſelbſt die Bluhme glatt,
An jedem Blatt
Viel tauſend, tauſend Adern gehen.
Von innen ſiehet man daran
Viel tauſend gelbe Spitzen ſtehen.
Noch ſieht man in der Bluhme Mitten,
Als waͤr es recht durch Kunſt geſchnitten,
Ein dreyfach guͤld’nes Herz. Ob die zur Zier allein,
Wie oder ob ſie ſonſt der Frucht auch nuͤtzlich ſeyn,
Jſt, wie ſonſt vielerley, uns unbekannt.
Jndeſ -272Jndeſſen hat ſich mein Gemuͤte
An ihrer Zierlichkeit vergnuͤg’t.
Es iſt die Allmacht, Weiſheit, Guͤte
Desjenigen, der durch die bildende Natur
So manche zierliche Figur
Aus Erd und Flut zuſammen fuͤg’t,
Jn allen Dingen zu verehren.
Mein GOtt! ach gib, ſo oft ich etwas ſchoͤnes ſehe,
Daß ich in meiner Luſt Dein herrlichs Werk erhoͤhe!
Gib, daß ich Deinen Ruhm moͤg uͤberall vermehren!
Die Frucht, die wol von allen Fruͤchten
Die allergroͤſſeſte, verdient mit allem Recht,
Daß wir auf ſie ſo Geiſt als Augen richten.
Ach daß ich ſie doch hier recht zierlich ſchildern moͤgt!
Ach daß ſie zwar fuͤr mich, doch nicht fuͤr mich allein,
Wie Jonas Kuͤrbs, von mir moͤgt angeſehen ſeyn,
Nein, daß ich auch zugleich im Kuͤrbs des Schoͤpfers Macht,
Jndem ich ihn mit Luſt beſeh, beſinge,
Und alſo Jhm vom Kuͤrbs, wenn ich ihn wol betracht,
Ein wolgefaͤlligs Opfer bringe!
Daß an ſo niedrigem und duͤnnem Stiele
Solch eine groſſe Frucht, ja gar daß ihrer viele
Daran zugleich entſtehn, und wachſen koͤnnen,
Jſt wol mit Recht ein Wunderwerk zu nennen.
Wie lieblich glatt ſind ihren bunte Schalen,
Die bald ſo gelb als Gold, bald etwas bleich,
Bald gelb und bleich, und gruͤn zugleich,
Abſonderlich, wenn ſie der Sonne Stralen
Mit einem hellen Blick bemalen,
Wodurch273Wodurch ein heit’rer Glanz, recht Wunder-ſchoͤn
Auf ihrer glatten Ruͤnd, als wie ein Stern, zu ſehn.
Jn Ungern ſah ich einſt mit innigem Vergnuͤgen
Ein ganzes Feld voll Kuͤrbſ, als wie voll Spiegel, liegen,
Jndem der Sonnen Licht ſie ſchmuͤckte,
Und in die glatte Haut ihr herrlichs Bildniß druͤckte,
Wobey das ganze Feld durchs angeneme Gruͤn
Voll kleiner heller Blitze ſchien,
Die mir, ſo bald den Glanz die Augen ſpuͤr’ten,
Mit ihrem ſuͤſſen Stral die Sele ruͤr’ten,
Daß ich an Den, Der aller Schoͤnheit Pracht,
Der Farben, Formen, Licht und das Geſicht gemacht,
Mit Dank-erfuͤllter Ehrfurcht dachte,
Und Jhm ein froͤhlichs Herz dafuͤr zum Opfer brachte.
Noch macht uns die Natur in einem Kuͤrbis kund,
Wie ſehr ſie an Veraͤnd’rung reich,
Da dieſe Frucht zugleich
Bald lang, bald rund.
Kein zierlicher gewund’ner Tuͤrken-Bund
Kann an Figur ſo zierlich ſeyn,
Als wie ein runder Kuͤrbs. Er ſcheinet recht gewunden,
Und teilt die Striche richtig ein,
Die unterwaͤrts und oberwaͤrts mit Haufen
Jn einen Mittel-Punct zuſammen laufen.
Viel and’re werden noch gefunden,
Die, groſſen Flaſchen gleich, geſtreckt und laͤnglich ſeyn.
Es laͤſſt recht unvergleichlich ſchoͤn,
Wenn wir von ihnen viel auf einem Haufen ſehn,
Da ſo viel Farben, die ſie zieren,
Beſonders Aug und Herze ruͤhren.
Noch faͤll’t mir ein,
Was ich an dieſer Frucht bemerkt nicht ſonder Freuden.
Wenn wir in einen Kuͤrbs nur zarte Lettern ſchneiden;
So wachſen ſie. Ach haͤtt auch mein Gemuͤte
II. Theil. SDes274Des Kuͤrbſes Ahrt, daß von des Schoͤpfers Guͤte
Die holde Schrift, die Zuͤge ſeiner Lehren
Sich moͤgten ſtets in mir vergroͤſſern und vermehren!
Eh wir nun dieß Gedicht beſchlieſſen,
Werd ich, mein Leſer, dir noch was,
So ich einmal vom Kuͤrbs erbaulichs las,
Vorher erzaͤlen muͤſſen:
Ein Landmann ſahe mit Vergnuͤgen
Viel groſſe Kuͤrbſ auf ſeinem Acker liegen.
Die Groͤſſe dieſer Frucht, an ſolchen kleinen Ranken,
War ihm beſonders lieb. Voll froͤhlicher Gedanken
Sah er von ungefehr auf einem Eichen-Baum
Deſſelben kleine Frucht!
Pfuy! Schande, brach er los:
Des kleinen Strauches Frucht iſt ſo gewaltig groß;
Die deine ſieht man kaum,
Nichts-wehrtes faules Holz! Kaum hatt er dieß geſprochen
Mit recht erzuͤrn’tem Mut;
So fiel ein Eichel ihm auf ſeinen Hut.
Er ſtutzt, und blieb ganz unbeweglich ſtehn.
Ach! fing er, wie er ſich beſann,
Aus einem andern Ton, wie folget, an:
Wie waͤre mir geſchehn,
Dafern nach meinem Wollen
Und meinem naͤrriſchen Verſtande
Die Frucht ſich haͤtte richten ſollen?
Jch laͤge ſchon zerſchmettert in dem Sande.
Er dankte GOtt, und nam ſich fuͤr,
Allein auf Jhn zu ſehn in allen ſeinen Sachen.
Mein GOtt! ach laß auch mich es allezeit, wie hier
er Landmann es gemachet, machen!
Betrach -275

Betrachtung der Baͤume.

Siehe den Wald im vorigen Theile, pag. 185. ()
Jndem ich juͤngſt im gruͤnen Graſe,
Von einem Linden-Baum beſchattet, ſaß und laſe;
Schlug ich von ungefehr die Augen auf, und ſah
Verſchied’ne Baͤume hie und da,
Teils fern, teils nah,
Teils halb, teils ganz im Licht, teils halb, teils ganz im
Schatten,
Samt ihren durch das Laub gebog’nen Aeſten, ſtehn.
Jch ſah, wie ſie ſo wunderſchoͤn
Die Luft ſo wol als die bebluͤhmten Matten
Geſchmuͤcket und bekroͤnet hatten.
Damit ich nun die gruͤne Zier
Und das dadurch ſo luſtige Revier
Der Landſchaft, wenn ichs uͤberdaͤchte,
Beſchreiben und zugleich die Luſt verlaͤngern moͤgte,
Zog ich, nebſt einem Blat Papier,
Ein wenig Reiß-Bley auch herfuͤr,
Und ſuch’te, GOtt zum Ruhm, in ſchoͤner Baͤume Bildern
Des Schoͤpfers Werk in Reimen abzuſchildern.
Gewiß von allem dem, was uns die Welt
Als ſchoͤn vor Angen ſtell’t,
Jſt nichts, das nicht dem Schmuck begruͤn’ter Zweige weichet,
Jſt nichts, das einem Wald an holder Zierde gleichet.
Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Bruſt
S 2Die276Die Luft mit gruͤnen Decken prangen,
Und GOtt zur Ehr und uns zur Luſt
Voll lebender Tapeten hangen.
Von Blaͤttern ſind dieſelbigen ſo dicht,
(Als die ſich Schuppen gleich zuſammen fuͤgen;)
Daß ſie dem ſtrengen Sonnen-Licht
Den heiſſen Durchgang nicht vergoͤnnen,
Wodurch ſie uns vor deſſen hellem blitzen
Durch ihr ſo liebliches Gewebe ſchuͤtzen,
Und einen kuͤlen Sitz verſchaffen koͤnnen.
Man ſpuͤr’t hiedurch zugleich mit Anmut, und befindet,
Jndem wir die beſtral’ten Blaͤtter ſehn,
Wie ſich der Sonnen Gold in ihnen
Mit dem ſo zarten Gruͤnen
Faſt ſichtbarlich verbindet;
So daß man aus der Maſſen ſchoͤn
Und mit recht inniglich geruͤhretem Gemuͤt
Ein gruͤn - mit Gold gemiſcht-durchleuchtigs Etwas ſieht.
Von dieſen angenemen, hellen,
Durchſtral’ten, gelblich-gruͤnen Stellen
Sticht ein beſchattet Gruͤn, ſo mitten in dem Baum,
Durch eine holde Dunkelheit,
Doch mit nicht mind’rer Lieblichkeit,
Recht angenem ſich ab, und heb’t ſich, daß mans ſehen,
Und deutlich unterſcheiden kann,
Wie Aeſte, Licht und Luft in gruͤnem Schatten ſtehen,
Die um den Stamm daſelbſt in ſtiller Klarheit ruhn.
Von denen nun
Sticht abermal
Des277Des Baumes Vorderteil ſich ab,
Das, weil es nicht ſo dunkel-gruͤn,
Auch es der Sonnen Stral
Unmittelbar, nein bloß des Tages Licht, beſchien;
Noch einen andern Schmuck von gruͤner Farbe gab,
Die gleichfalls unſern Augen
Die ſuͤſſeſte Empfindlichkeit,
Durch ihren ſanften Grad von Farb und Licht, erweckte.
Der gruͤnen Farben Unterſcheid,
Der dreyfach uͤberhaupt, drin ins beſond’re noch
Ein ungezaͤlte Zal von Aenderungen ſteckte,
Erhub, vertieft und zierte ſich ſo ſchoͤn,
Daß ein bedachtſam Aug an ſolcher Pracht
Sich kaum vermoͤgte ſatt zu ſehn.
Man ſieht, (ach ſehets mit Bedacht!)
Wie lieblich hier
So wol ein Gruͤn im Licht, als auch ein Gruͤn im Dunkeln,
Und beid in ihrer ſchoͤn’ſten Zier,
Auf ganz verſchied’ne Weiſe, funkeln:
Jndem ſo mancher Ort durch den ſo holden Brand
Des hellen Sonnen-Lichts beſchienen,
Ein and’rer dort in einem dunkel-gruͤnen
Und lieblich-kuͤlen Schatten ſtand.
Die Blaͤtter der beſtral’ten Seiten
Erfuͤll’ten das Geſicht mit hellen Lieblichkeiten,
Da nemlich, wenn durch ſie die Gluht der Sonne faͤll’t,
Jhr zart Geweb, illuminiret
Ein gelblich feurig gruͤn vor Augen ſtell’t;
Jnzwiſchen die, worauf die Sonne ſtralet,
S 3Ein278Ein gruͤnlich weiſſer Schimmer malet.
So dann ſcheint wuͤrklich manches Blat,
Abſonderlich wann’s feucht und glatt,
Als ob ſich die beſtral’te Glaͤtte
Verſilbert haͤtte.
Man ſieh’t die Flaͤchen bald und bald allein die Spitzen,
Wenn ſie ſich regen, gleichſam blitzen.
Der gelblich gruͤn-ſo wol als weißlich gruͤne Glanz
Wird oft zum Teil, oft ganz
Von kleiner Blaͤtterchen und zarter Stengel Schatten
Verdunkelt und erhoͤh’t, geſchwaͤrzt und doch geziert,
Wenn ſie ſich oft mit ihnen ſchwebend gatten.
Von dieſen ſchattigten und dunkeln Zierlichkeiten,
Die ſich an manchem Ort bald mindern, bald verbreiten,
Wird man nicht weniger geruͤhrt.
Jſt gleich daſelbſt das Gruͤn ſo hell, ſo feurig nicht;
Vergnuͤg’t dennoch ihr unbeſtral’tes Laub,
Ja ſtaͤrkt zugleich uns das Geſicht.
Durch manchen Baum, der ſehr belaubt und dicht,
Erblick’t man weder Luft noch Licht.
Nur bloß allein
Faͤll’t hier und dort ein kleiner heller Schein,
Den hellen Sternen gleich, durch ſeine dichten Blaͤtter,
Der bald wie Gold, wie Silber bald, bald blau,
Nachdem der Grund, der hinter ihm, beſtral’t
Vom Sonnen-Licht, bey heiterm Wetter,
Bald gelb, bald weiß, bald blau gemal’t.
Der Staͤmme zierliche Figur
Jſt recht ein Wunder der Natur.
Der279Der dicht belaubten Zweige Menge,
Derſelben Ruͤnde, ſamt der Laͤnge,
Sind Wunder, wenn wirs uͤberlegen.
Wofern ein Stamm und Zweig nicht rund; wuͤrd ihm der
Regen
Ohn allen Zweifel ſchaden muͤſſen.
Die Feuchtigkeit wuͤrd auf ihm ſtehen bleiben,
Und ſein Gewaͤchs bald aufzureiben,
Ja durch Vermoderung ihn aufzuloͤſen, wiſſen.
Waͤr er nun auch nicht lang hingegen;
Wo ſollte ſolch ein milder Segen
Von Fruͤchten, die zur Speiſe nuͤtzen,
Wo ſollten ſo viel Blaͤtter, ſitzen?
Ach nimm denn, lieber Menſch, des Schoͤpfers weiſe Macht
Bey jedem Baum, mit Luſt und Dank, in acht!
S 4Zu280

Zu viel und zu wenig.

Was mag doch wol die Urſach ſeyn
Vom Jrrtum, der ſo grob, ſo allgemein,
Daß fuͤr die Creatur faſt alle Menſchen blind,
Gehoͤr-Geruch-Geſchmack - und Fuͤhl-los ſind?
Da doch die Bibel ſelbſt uns deutlich lehret,
Wie ſehr man GOtt in Seinen Werken ehret,
Und wie die Creatur, zu ihres Schoͤpfers Preiſe,
Den groſſen Schoͤpfer Selber weiſe.
Giebt uns Sanct Paulus dieß nicht deutlich g’nug zu leſen?
*Roͤm. 1: 19, 20.
*
Er ſaget: Daß man weiß, daß GOtt ſey, iſt ja klar,
Und allen Menſchen offenbar.
GOtt offenbar’t es Selbſt, und gab es zu verſtehn,
Daß GOTTES unſichtbares Weſen,
Das iſt, Sein ew’ge Kraft und Gottheit, wird erſehn,
So man deß wahrnimmt an den Werken,
Wie von der Welt Erſchaffung an zu merken,
So daß ſie keinen Grund, ſich zu entſchuld’gen, haben.
Doch halt, mir faͤllt ein Urſach bey,
Wovon ich uͤberfuͤret,
Daß ſie gewiß der klein’ſten keine ſey:
Daß nemlich alle Pracht von unſers Schoͤpfers Gaben
Auch fromme Selen ſelbſt ſo wenig ruͤhret,
So wenig reizt und lockt, weil ich bemerke,
Daß GOttes und des Teufels Werke
Jm281Jm Worte Welt nur einen Namen haben.
Man heiſſet Welt, was gottlos, laſterhaft,
Was boͤs und eitel iſt. Von unſ’rer Leidenſchaft
Der Mißbrauch, Hochmut, Neid, die Wolluſt, Schmaͤh -
ſucht, Geld
Und Ungerechtigkeit heiſſt weltlich, nennt man Welt.
So bald man nun die Welt, das herrliche Gefaͤſſe
Der ſchoͤnen Creatur, die unſers Schoͤpfers Groͤſſe
Und Weiſheit, Lieb und Macht uns recht mit Fingern zeigt,
Mit ihrem Namen nennt,
Wird leider auch ſo gar von Frommen
Das eine fuͤr das andere genommen.
Der ungluͤckſel’ge Gleich-Laut macht,
Daß, da man ohne dieß gewon’t, nicht drauf zu achten,
Man ſo verfaͤhrt mit der Geſchoͤpfe Pracht,
Als waͤr es Suͤnde, ſie betrachten.
Die Heyden machten es ſo arg noch lange nicht,
Wovon das Weiſheits-Buch recht unvergleichlich ſpricht:
*Cap. 13: 1 -- 9.
*
Natuͤrlich eitel iſt zwar jedes Menſchen-Kind,
Weil alle nichts von GOTT verſtehen,
Und an der Guͤter Zal, die ſichtbar ſind,
Den, Der es iſt, nicht kennen. Sie erſehen
An allen ſchoͤnen Werken nicht
Den Meiſter, der ſie zugericht’t.
Teils halten ſie die Gluht,
Teils ſchnelle Luft, teils maͤcht’ge Flut,
Teils Lichter, die den Himmel zieren,
Fuͤr Goͤtter, ſo die Welt regieren.
S 5 Allein,282 Allein, da ſie von ihrer Zier
Und lieblichen Geſtalt ſo viel Vergnuͤgen fuͤl’ten,
Und ſie alſo fuͤr Goͤtter hielten:
So haͤtten ſie ja billig muͤſſen,
Wie gar viel beſſer Der, der aller HErr iſt, wiſſen.
Denn Der, ſo Meiſter iſt von aller Schoͤnheits Pracht,
Hat ſolches alles ja gemacht,
Und ſo ſie ſich der Macht und Kraft
Verwunderten: ſo ſollten ſie
Ja billig auch die Eigenſchaft,
Und wie viel maͤchtiger Der ſey, der alle Gaben
Bereitet hat, gemerket haben.
Denn es kann am Geſchoͤpf und Schmuck der Erden
Jhr Schoͤpfer, als im Bild, erkennet werden.
Wiewol doch uͤber die
Nicht ſo gar hoch zu klagen,
Jndem auch ſie
Wol irren koͤnnen, wenn ſie hie
GOtt ſuchen, und nach Jhm Verlangen tragen.
Denn ſo ſie ihren Geiſt auf die Geſchoͤpfe lenken,
Um ihnen nachzudenken:
So werden ſie im Anſehn ihrer Pracht
Gefangen, weil ſo ſchoͤn
Die Creaturen, die wir ſehn.
Doch ſind ſie damit nicht entſchuldigt. Denn da ſie
So viel erkennen, daß ſie hie
Die Creatur zu achten, ſind verbunden:
Warum283 Warum denn haben ſie nicht noch viel eh
Den HErrn derſelbigen gefunden?
Die Heyden trieben’s ohne Maſſen
Mit ſichtbaren Geſchoͤpfen, und vergaſſen
Des Schoͤpfers, der unſichtbar, ganz.
Wir aber, leider!
Vergeſſen aller beyder,
Und ſind dahero von den Heyden
Gar wol zu unterſcheiden.
Abgoͤtter waren ſie; Hingegen viele Chriſten
Sind, durch der Creatur Verachtung, Atheiſten.
Die284

Die Sinne.

Wie kuͤnſtlich unſer Leib von innen zugericht’t,
Wie unbeſchreiblich wunderbar;
Zeigt die Zerglied’rungs-Kunſt uns klar.
Dieß aber zeigt ſie jedem nicht,
Daß auch die allerklein’ſten Gaͤnge,
Daß aller Darm - und Adern Laͤnge,
Daß aller Druͤſ - und Sehnen Menge,
Daß auch die allerduͤnn’ſten Saͤfte,
Daß unſers Herz - und Magens Kraͤfte,
Daß alle Muſkeln, Fleiſch und Bein
Nur das allein
Zu ihrem Endzweck haben,
Daß unſ’re Coͤrper ſinnlich ſeyn.
Es laͤuft das Blut in unſ’rer Adern Roͤren;
Man fuͤl’t den geiſt’gen Saft in unſern Sehnen rennen,
Nur bloß damit wir hoͤren,
Sehn, riechen, fuͤlen, ſchmecken koͤnnen.
Ja wenn wir es wol uͤberlegen,
So finden wir, daß auf der Welt
Faſt alles unſ’rer Sinne wegen
Gemacht ſey und uns vorgeſtell’t:
Daß ſelbſt die Luft, das Licht, die Erde,
Ein Werkzeug unſ’rer Sinne werde.
Dieß alles zeig’t uns nun aufs neu,
Wie vielerley
Zu unſern Sinnen noͤtig ſey;
Daß aller Pflanzen, aller Tiere
Kunſt-reiche Coͤrper faſt allein,
Damit man ſehe, ſchmecke, ſpuͤre,
Auch hoͤr und fuͤl, erſchaffen ſeyn;
Daß, wie geſag’t, auch unſer Leib von innen,
So285So als von auſſen, bloß den Sinnen
Mit ſo verſchiedenem Bemuͤhn,
Beſchaffenheit und Kraͤften dien.
So Wunder-volle Wunder-Werke,
Die Menſchen-Witz nicht faſſen kann,
Die zeigen GOTTES Weiſheit, Staͤrke,
Auch in dem Wehrt der Sinnen, an.
Ach laſſet uns denn beſſer, als wir pflegen,
Mit Ernſt erwaͤgen,
Was an den Sinnen doch gelegen!
Wir ſind bloß durch die Sinne nur
Verbunden mit der Creatur.
Wir haften bloß durch ſie am ſchoͤnen Welt-Gebaͤude,
Und ohne ſie empfuͤnde man vom Licht
Des Himmels ſelber keine Freude.
Wir waͤren und wir waͤren nicht:
Der Erde Pracht, des Himmels Lauf,
Die ganze Creatur, hoͤr’t, ohne Sinnen, auf
Fuͤr uns zu ſeyn.
Selbſt die Erfahrung ſpricht,
Und zeiget, daß GOtt unſ’re Sele
Bloß durch die Sinne nur
Mit Seiner ſchoͤnen Creatur
Verbind und gleichſam ſelbſt vermaͤle.
Wenn man nun ſeine Sinne wol
Zum Nutzen und zur Luſt gebrauchet, wie man ſoll;
Entſprieſſt aus unſ’rer Luſt des Schoͤpfers Ehr.
O ſuͤſſe Wurzel einer Frucht,
Die uns ein ſolch Vergnuͤgen bringet,
So man auf Erden ſonſt vergebens ſuch’t,
Aus welchem gar dereinſt die Seligkeit entſpringet!
Die286

Die fuͤnf Sinne.

I. Das Geſicht.
1.
D GOtt dieſes Rund der Erden,
Wie uns Schrift und Bibel lehr’t,
Durch ein Woͤrtchen laſſen werden,
Jſt ja wol erſtaunens-wehrt:
Doch nicht minder iſt zu preiſen,
Daß in zwey ſo kleinen Kreiſen
Alles, was der groſſe heg’t,
Sich in unſ’re Selen praͤg’t.
2.
Was der Erden Grenzen faſſen,
Muß ſich durch beſond’re Kraft
Von zwey Puͤnctchen faſſen laſſen;
Deren ſelt’ne Eigenſchaft
Auch die allergroͤſten Sachen
Dergeſtalt weiß klein zu machen,
Daß, was nicht zu meſſen ſteh’t,
Jns Gehirn durchs Auge geh’t.
3. Aug,287
3.
Aug, in deinen engen Schranken
Sieht man, was das Herze ſpricht.
Rege Zunge der Gedanken,
Witz des Coͤrpers, Selen-Licht,
Richter der Vollkommenheiten,
Spiegel aller Seltſamkeiten,
Die der Erd-Kreis in ſich haͤlt,
Fuͤhrer der ſonſt blinden Welt!
4.
Goͤttlichs Glied, kein Stral, kein Blitzen
Teil’t die Luft ſo ſchnell, als du.
Du bleib’ſt, wo du ſitzeſt, ſitzen,
Flieg’ſt und ſteh’ſt in ſteter Ruh:
Alle Bilder, die der Selen
Sich ſo wunderbar vermaͤlen,
Was Verſtand und Weiſheit weiß,
Zeug’t dein Stralen-ſchwang’rer Kreis.
5.
Wer auf dieſes Wunder achtet,
Wenn der Selen rege Kraft
Durch das Aug ein Aug betrachtet;
Wird faſt aus ſich ſelbſt gerafft,
Weil er mit Erſtaunen ſiehet,
Wie ſich die Natur bemuͤhet,
Und ſo unſchaͤtzbaren Schatz
Schlieſſt in ſolchen kleinen Platz.
6. Jm288
6.
Jm Gehirn, der Nerven-Qvelle,
Wird der Mittel-Punct gezeugt,
Der ſich von der Urſprungs-Stelle
Jn zween zarte Gaͤnge beugt,
Draus die aufmerkſamen Augen
Die Bewegungs-Kraͤfte ſaugen,
Daß daher, wenn eins ſich reg’t,
Auch das and’re ſich beweg’t.
7.
Unſ’rer Augen waͤſſricht Weſen
Samt der Haut iſt ungefaͤrbt,
Damit, was wir ſehn und leſen,
Nicht veraͤndert, nicht verderbt
Unſ’rer Sele ſcheinen moͤgte;
Sie alſo nur faͤlſchlich daͤchte,
Wie, wenn wir durch Glaͤſer ſehn,
Die gefaͤrb’t, pfleg’t zu geſchehn.
8.
Hinter einem jeden Kreiſe
Find’t ſich eine ſchwarze Wand,
An der, auf beſond’re Weiſe,
Da ſie gleichſam ausgeſpann’t,
Durch die waͤſſ’richten Kryſtallen
Mancherley Geſtalten fallen,
Wann das Licht, ſo ſie beſtral’t,
Tauſend Bilder daran mal’t.
9. Lin -289
9.
Linſen gleich zu beyden Seiten,
Zur Befoͤrderung des Lichts,
Wollt es die Natur bereiten,
Daß die Stralen des Geſicht’s,
Die vom Gegenſtand erſcheinen,
Sich in einen Punct vereinen,
Daß durch doppeln Gegenſchlag
Alles deutlich ſcheinen mag.
10.
Beyde Traͤubchen in den Augen
Haben ſolche ſelt’ne Kraft,
Daß ſie ſich zu oͤffnen taugen,
Und, nach Muſkeln Eigenſchaft,
Wiederum zuſammen ziehen.
Dieſes, wenn ſie ſich bemuͤhen,
Starkem Lichte zu entgehn,
Das, um in die Fern zu ſehn.
11.
Alles dieſes kann man weiſen;
Aber, wie das Auge ſieht,
Ob das Sehn in ſeinen Kreiſen,
Oder auſſerhalb, geſchieht;
Davon, wie von vielen Sachen,
Jſt kein feſter Schluß zu machen.
Vielen ſcheinets, wenn wir ſehn,
So, wie folget, zu geſchehn:
II. Theil. T12. Unſer290
12.
Unſer Auge treibt zuſammen
Alle Geiſter, die es braucht:
Seine Stralen ſind wie Flammen,
Die der Geiſt ſtets von ſich haucht,
Die, in Form der Flammen-Seulen,
Stetig aus den Augen eilen,
Wodurch es uns ins Gemuͤt
Allerley Geſtalten zieht.
13.
Hat man auf verborg’ne Weiſe
Dieſes Feuer weggeſandt,
Und es findet auf der Reiſe
Einen dichten Gegenſtand,
Wovon lichte Teilchen ſpringen;
Wird es dieſe ruͤckwaͤrts dringen,
Und die prall’n im Augenblick
Durch den Gegenſtand zuruͤck.
14.
Da ſpuͤr’t’s durch beſond’re Kuͤnſte
Seines Gegenſtandes Bild,
Welches gleichſam als durch Duͤnſte
Stets aus allen Coͤrpern qvillt,
Sich beſtaͤndig draus erhebet,
Und auf allen Flaͤchen ſchwebet:
Da, ſpricht man, ſieht das Geſicht,
Aber in dem Auge nicht.
15. Jch291
15.
Jch hingegen koͤnnte weiſen,
Wie das Fuͤlen, wenn ich ſeh,
Jn der Augen regen Kreiſen
Und beym Vorwurf nicht geſcheh,
Wie die Bildung aller Dinge
Durch das Licht ins Auge dringe,
Welches, wenn man es betracht’t,
Dieß Exempel glaublich macht:
16.
Alle Coͤrper auf der Erden,
Die rund, glatt und dunkel ſeyn,
Wenn ſie recht betrachtet werden,
Haben einen kleinen Schein:
Dieſer faͤnget wie ein Spiegel
Waͤlder, Wolken, Thal und Huͤgel,
(Wenn die Sonn auf ſelbe ſtral’t)
Als wenn ſie darin gemal’t.
17.
Ja bey aufgeklaͤr’tem Wetter
Hab ich einſt von ungefehr,
Wie ſich Felder, Baͤume, Blaͤtter
Gar in einer Heidelbeer
Faſt unſichtbar’s Scheinchen druͤckten,
Jhn mit Farb und Zeichnung ſchmuͤckten,
Unvergleichlich, rein und ſchoͤn,
Mit Erſtaunen angeſehn.
T 218. Wie292
18.
Wie nun ſolche Bilder fallen
Auf was dichtes; alſo faͤllt
Jn die glaͤnzenden Kryſtallen
Unſ’rer Augen, was die Welt
Durch die Sonne ſichtbar heget;
Daß ſich’s aber in uns praͤget,
Komm’t, weils ſich durchs Auge ſpielt,
Da der Sinn die Bilder fuͤl’t.
19.
Welches nun von beyden Teilen
Unrecht ſey, und welches wahr,
(Wenn wir uns nicht uͤbereilen)
Jſt nicht eben allzuklar.
GOttes Wege ſind verborgen;
Darum will ich minder ſorgen,
Wie die Wunder zu verſtehn,
Als erfreut ſie anzuſehn.
20.
Mit wie vielerley Geweben,
Adern, Nerven, Fleiſch und Haut
Jſt durchflochten und umgeben
Das, was man im Auge ſchaut!
Groſſe Faͤden, kleine Koͤrner,
Netze, Knoten, Trauben, Hoͤrner,
Waſſer, zaͤhe Feuchtigkeit,
Daͤmmerung und Dunkelheit,
21. Gei -293
21.
Geiſter, Waſſer, Blut-Gefaͤſſe.
Nimmer, nimmer glaubte man,
Daß ſo viel im Auge ſaͤſſe,
Als man kaum erzehlen kann.
Maͤuslein, Haͤute, Nerven, Druͤſen
Werden uns darin gewieſen.
Kurz: es wird des Schoͤpfers Hand
Wunderbar im Aug erkannt.
22.
Doch das herrlichſte von allen,
Das verwirr’t Verſtand und Witz,
Sind die ſtralenden Kryſtallen,
Die des Lichtes Thron und Sitz.
Helle Cirkel, kleine Sterne,
Die ihr ſo was nah als ferne
Unterſcheidet; euer Schein
Scheint was Goͤttliches zu ſeyn!
23.
Ferner ſind die edlen Glieder
Mit ſechs Muſkeln noch verſehn;
Da das Par der Augenlieder,
Die bald auf-bald nieder gehn,
Durch ihr nimmer muͤdes regen,
Und ihr ewiges Bewegen
Macht, daß Kaͤlte, Staub und Wind
Nie den Augen ſchaͤdlich ſind.
T 324. Daß294
24.
Daß kein Zufall es verletzen,
Keine Not ihm ſchaden mag;
Hat’s der Schoͤpfer wollen ſetzen
Unter ein gewoͤlbtes Dach:
Wo der Augenbraunen Bogen
Sich zur Zierde vorgezogen,
Unter deren halbem Kreiſ
Es von keinem Schaden weiß.
25.
Ja daß uns das Licht nicht moͤge
Hinderlich am Schlafe ſeyn,
Schuͤtzet GOTT durch dieſe Wege
Unſer Aug vor deſſen Schein,
Da vor des Geſicht’s Kryſtallen
Sie recht wie ein Vorhang fallen,
Der ſich fruͤh, damit man ſieht,
Wunderbar zuſammen zieht.
26.
Wer kann ohn Erſtaunen faſſen,
Wie die Augen-Lieder ſich
So geſchwind bewegen laſſen!
Seht doch, wie verwunderlich
GOTT den Augen einen Bogen
Jn den Liedern vorgezogen,
Der ſo nett aufs Aug ſich ſchickt,
Das er druͤckt, und doch nicht druͤckt.
27. Huͤben295
27.
Huͤben ſich die Augen-Lieder
Durch die Muſkeln ſelbſt nicht auf,
Sondern ſuͤnken immer wieder,
(Ach man achte doch darauf!)
Wie erbaͤrmlich wuͤrd es laſſen,
Wenn man ſie mit Haͤnden faſſen,
Und erſt aufwaͤrts ſchieben muͤſt!
Merks, verſtockter Atheiſt!
28.
Der du keine Gottheit glaͤubeſt,
Und bisher verblendet biſt,
Wo du hier im Jrrtum bleibeſt,
Und dieß Wunder nicht ermiſt;
So willt du mit Fleiß nichts ſehen.
Kann dieß von ſich ſelbſt geſchehen?
Zieht ſich ſelbſt von ungefehr
Wol ein Vorhang hin und her?
29.
Daß die Trockenheit nicht wehre
Die Bewegung dem Geſicht,
Jſt im Auge manche Roͤhre
Wunderbarlich zugericht’t,
Welche ſtetig Feuchtigkeiten
Unterm Lied aufs Auge leiten:
Daher, weil es glatt verbleibt,
Nicht verſehrt wird, noch ſich reibt.
T 430. Daß296
30.
Daß hiernaͤchſt durch ſtete Guͤſſe
Unſer Aug ohn Unterlaß
Nicht in Thraͤnen ſtehen muͤſſe;
Wird ein uͤberfluͤſſigs naß,
Wie man es ja ſtetig ſpuͤret,
Durch die Naſe weggefuͤhret,
Welches, da es ſo verſeigt,
Eine groſſe Weiſheit zeigt.
31.
Daß auch, jedes Ding zu ſehen,
Welches man zu ſehn gedenkt,
Man den Kopf nicht duͤrfe drehen;
Wird das Auge ſelbſt gelenkt
Auf ſo wunderbare Weiſe,
Unter-aufwaͤrts, rings im Kreiſe,
Rechts und Links durch Muſkeln, die
Sich bewegen ſonder Muͤh.
32.
Schaut die Weiſheit und das Lieben
Unſers Schoͤpfers, der dem Licht
Solch Geſetze vorgeſchrieben,
Daß es ſich im Waſſer bricht,
Daß die Stralen folglich taugen,
Jn dem Waſſer unſ’rer Augen
Sich zu brechen: Da die Spitz
Alles zu verkleinern nuͤtz.
33. Wie297
33.
Wie ſich durch des Lichtes Stralen,
Durch ein Glas im dunkeln Ort
Alle Bilder deutlich malen;
So begreift man alſofort,
Daß, zu dieſem Zweck alleine,
Eine wunderbarlich kleine
Zierlich-runde ſchwarze Wand
Jn den Augen ausgeſpannt.
34.
Drauf viel tauſend Schildereyen
Schneller, als der ſchnell’ſte Blitz,
Sich formiren, ſich zerſtreuen,
Und ſich in der Selen Sitz
Ehe noch, eh wirs gedenken,
Durch das kleine Nervgen ſen ken,
Da denn, was ſo lieblich ſcheint,
Mit der Sele ſich vereint.
35.
Sollten alle dieſe Sachen
Wol von ungefehr geſchehn,
Oder, um ſie nachzumachen,
Sich wol Kuͤnſtler unterſtehn,
Sie aus Fiſchen, Fleiſch und Speiſe
Auf ſo wunderbare Weiſe
Zu formiren? Sehet dann
GOTTES Werk in ihnen an?
T 536. Daß298
36.
Daß der Sinne Kraft nicht groͤſſer,
Stell’t ein neues Wunder dar.
Saͤhen unſer Augen beſſer
Jn der Naͤhe ſcharf und klar,
Und als durch Vergroͤſſ’rungs-Glaͤſer
Aller Dinge klein’ſte Zaͤſer;
Ueberſaͤh der Augen-Stral
Kaum ein Sand-Korn auf einmal.
37.
Waͤren Gegenteils die Augen
Wie ein Fern-Glas zugericht’t;
Wuͤrd ich zwar zu ſehen taugen
Manch entfern’tes Sternen-Licht:
Aber Sachen in der Naͤhe,
Die ich itzo deutlich ſehe,
Wuͤrden, auch beym Sonnen-Schein,
Dunkel und unſichtbar ſeyn.
38.
Welch Ergetzen, welche Freuden
Bringt uns Menſchen das Geſicht,
Wenn man das, nach langem Scheiden,
Was man liebet, ſieht und ſpricht!
Denkt, wie das Geſicht uns nuͤtzet,
Wenn’s uns fuͤr Gefahr beſchuͤtzet,
Die durch Straucheln, Stoß und Fall
Uns ſonſt drohet uͤberall.
39. Wenn299
39.
Wenn wir es genau betrachten,
Jſt die Kraft von dieſem Sinn
Mit dem hoͤchſten Recht zu achten,
Als der Sinne Koͤniginn,
Da ja Kuͤnſt und Wiſſenſchaften
All an unſern Augen haften:
Kuͤnſtlich, ja gelehrt, zu ſeyn,
Wirkt faſt das Geſicht allein.
40.
Alles wuͤrd uns Menſchen felen,
Fel’t uns Menſchen das Geſicht.
Ja wenn wir von ihm erzaͤlen,
Daß es unſers Leibes Licht,
Jſt es wahr: doch wird man’s koͤnnen
Gar ein Licht der Sele nennen,
Weil es uns, wenn man ſtudir’t,
Auf den Weg der Weiſheit fuͤhr’t.
41.
Daß wir ferner durch die Augen
Jn des Himmels Abgrunds-Tal
Deutlich zu erkennen taugen
Sonnen, ſonder Maß und Zal:
Daß wir in dem Heer der Sternen
GOttes Groͤſſe kennen lernen,
Jſt ein Wunder, welches man
GOtt nicht g’nug verdanken kann.
42. Koͤnn -300
42.
Koͤnnten wir es dahin bringen,
Daß man (ach daß es geſcheh!)
GOTT durchs Aug in allen Dingen
Jmmer gegenwaͤrtig ſeh!
GOttes Weiſheit, Lieb und Staͤrke
Zeiget ſich durch aller Werke
Kuͤnſtlichen Zuſammenhang,
Lieblichen Zuſammenklang.
43.
Wer die Wunder nicht erwaͤget,
Die in uns, der kleinen Welt,
GOtt uns in das Auge leget,
Und vor Kleinigkeiten haͤlt;
Ach daß der bedenken wollte,
Wenn ihm etwas mangeln ſollte,
Wie ſein Schad und ſeine Pein
So empfindlich wuͤrden ſeyn!
44.
Alle Schoͤnheit dieſer Erden,
Selbſt der Sonnen Wunder-Pracht,
Wuͤrd in nichts verwandelt werden,
Und in ewig-finſt’re Nacht:
Allen Dingen, die wir ſehen,
Wuͤrde die Geſtalt vergehen:
Alles waͤr und waͤre nicht,
Fel’t uns Menſchen das Geſicht.
45. Unbe -301
45.
Unbedachtſames Gemuͤte,
Sprich, kommt dieß von ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht ſo viel, daß man ſie merke?
Wers Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht,
II. Der Geruch.
46.
Nach Erforſchen, Sehn und Achten
Auf der Augen Trefflichkeit,
Wollen wir nun auch betrachten
Des Geruchs Beſchaffenheit;
Worin, wenn wir ihn ergruͤnden,
Wir nicht minder Wunder finden,
Weil auch den kein Witz, kein Fleiß
Faſſt und zu begreifen weiß.
47.
An der Augen rege Spiegel
Grenzt und teil’t der Wangen Feld
Ein erhab’ner kleiner Huͤgel.
Dieſer, wie ein Pfeiler, haͤlt
Die gewoͤlbten Augenbrauen:
Hier kann man zween Wege ſchauen:
Dadurch drenget durch die Stirn
Der Geruch ſich ins Gehirn.
48. Halb302
48.
Halb von Knorpel, halb von Knochen
Jſt die Naſe zugericht’t,
Daß ſie, waͤr ſie leicht gebrochen,
Nicht verſtellte das Geſicht.
Doppelt ſind die off’nen Thuͤren,
Den Geruch nicht zu verlieren,
Wenn vom Schleim von ungefehr
Eine wo verſtopfet waͤr.
49.
Ferner dienen dieſe Roͤren,
Die zu zarte Feuchtigkeit
Des Gehirnes auszuleeren;
Ja noch groͤſſ’re Nutzbarkeit
Spuͤr’t man von dem Athem-ziehen,
Wenn durch der Natur Bemuͤhen
Luft durch ihre Roͤren faͤhrt,
Und dadurch die Lunge naͤhrt.
50.
Wo nicht Luft iſt, riecht man nimmer.
Welche Weiſheit! darum ſteht
Der Geruch da, wo faſt immer
Luft im Athem in uns geht.
Um die Eigenſchaft der Speiſen
Auch zugleich mit anzuweiſen,
Naht der Mund der Naſe ſich,
Welches recht verwunderlich.
51. Wenn303
51.
Wenn der Speiſe Lieblichkeiten
Unſ’re Zung erſt ruͤhren muß,
Hat man im Geruch von weiten
Schon von Coͤrpern den Genuß.
Schicken in Provence Kraͤuter
Zwanzig Meilen, ja noch weiter,
Jhren Dufts-Geruch in’s Meer
Nicht von ihren Kuͤſten her?
52.
Wie ſich der Geſchmack entdecket
Mehr, wenn man die Coͤrper teilt;
Alſo was in Coͤrpern ſtecket,
Welches riecht, wird eh ereilt
Und durch den Geruch empfunden,
Wenns durch Reiben iſt entbunden,
Und beweget wird: den Brauch
Mehren Waͤrm und Feuer auch.
53.
Ein zu heftiges Bewegen,
Auch die Kaͤlt und Feuchtigkeit
Hindern den Geruch: hingegen
Macht der Bluhmen Lieblichkeit
Uns bey aufgeklaͤr’ten Tagen
Ein weit groͤſſeres Behagen,
Als wenns Wetter kalt und feucht.
Man verſpuͤr’t ſie dann nicht leicht.
54. Ueber304
54.
Ueber alle dieſe Kraͤfte
Jſt in ihr die groͤſte Kraft,
Und ihr nuͤtzlichſtes Geſchaͤffte
Des Geruches Eigenſchaft;
Wodurch ſie aus allen Dingen
Weiß den Geiſt heraus zu bringen,
Den, ſo bald ſie ihn verſpuͤr’t,
Sie nach dem Gehirne fuͤhrt.
55.
Maſſen denn die innern Teile
Wunderbarlich zugericht’t:
Daß nicht in zuſchneller Eile
Dampf und Luft das Hirn vernicht’t;
Muß, was ins Gehirn will dringen,
Durch ein Sieb vorher ſich zwingen,
Welches hier an dieſem Ort
Mit viel Loͤchern durchgebohrt.
56.
Ferner muß die Luft gebrochen
Durch ein ſchwammigt Weſen gehn,
Welches denn an dieſen Knochen
Mit Verwund’rung anzuſehn.
Hier in dieſen kleinen Gaͤngen
Da ſich Geiſt und Luft durchdrengen,
Wird die Luft, die hier gebracht,
Zum Geruch geſchickt gemacht.
57. Wel -305
57.
Welche drauf durch zweene Straſſen,
Die vom zaͤrt’ſten Fleiſch formir’t,
Und ſich nimmer ſpaͤrren laſſen,
Ganz wird ins Gehirn gefuͤhr’t.
Hier nun wirk’t die Kraft der Selen,
Abzuſondern und zu waͤlen
Das, was ſie fuͤr ſchaͤdlich haͤlt,
Von dem, was ihr wol gefaͤllt.
58.
Wer kann unbewundert laſſen,
Da die Naſen-Loͤcher ſind
Unten weit, mehr Luft zu faſſen,
Wie man es bey allen find’t,
Oben aber ſchmal und enge,
Daß der Duft durch ein Gedrenge,
Als durch einen ſanften Schlag,
Mehr das Nervgen ruͤhren mag?
59.
Ferner iſt noch zu erwaͤgen,
Welche Tugend, welche Kraft
Unterſchied’ne Coͤrper hegen,
Deren ſelten Eigenſchaft
Stets die Luft, die ſie umhuͤllet,
Mit Geruch und Duͤnſten fuͤllet,
Die ſie recht, als wenn es raucht,
Doch unſichtbar, von ſich haucht.
II. Theil. U60. Daß306
60.
Daß nun von verſchied’nen Dingen
Der Geruch ſich nie verzehr’t,
Sondern ſtetig Duͤnſte dringen,
Jſt wol recht Bewunderns wehrt.
Saſſafraß kann nach viel Jahren
Dieſe Kraͤfte noch bewahren,
Daß, wenn man ihn gleich nicht ruͤhr’t,
Man ihn doch von ferne ſpuͤr’t.
61.
Ein Beweistum laͤſſt ſich hoͤren,
Warum nicht der Dunſt verfleucht,
Ob’s vielleicht durch eig’ne Roͤren
Stets Luft wieder an ſich zeucht,
Und durch and’re von ſich treibet,
Weil dieſelbe Schwere bleibet,
Wenn, wie lang es immer liegt,
Man daſſelbe wieder wiegt.
62.
Oder, ob auf ſelbe Weiſe
Dieſer ſtrenge Dunſt vielleicht
Allezeit in einem Kreiſe
Um den eig’nen Coͤrper fleucht;
Oder ob man koͤnn erzwingen,
Daß der Stoff von allen Dingen,
Alſo auch der Specerey,
Ganz unendlich teilbar ſey.
63. Daß307
63.
Daß nun manches ſuͤß und ſauer,
Widrig, lieblich, ſtark und ſchwach,
Fluͤchtig und von langer Dauer,
Kommt, der meiſten Meinung nach,
Von der Coͤrperchen Figuren.
Denn was rund, laͤſſ’t and’re Spuren
Jn der ſchwach beweg’ten Luft,
Als ein mehr geſpitzter Duft.
64.
Alle Wunder zu entdecken,
Alle Kraͤft und Seltenheit,
Die in dieſem Sinne ſtecken,
Jſt wol keine Moͤglichkeit.
Wer kann doch die Kraft verſtehen,
So wir an den Hunden ſehen,
Die uns durch die Naſ allein
Wunderwuͤrdig nuͤtzlich ſeyn?
65.
Daß wir riechen, doch mit Maſſen,
Jſt ein Wunder. Sollte man
Alle Duͤnſte ſchaͤrfer faſſen,
Die man itzt nicht ſpuͤren kann;
Wuͤrden ſo viel tauſend Sachen
Uns Verdruß und Eckel machen,
Deren Dampf uns itzt nicht ruͤhr’t,
Weil man gar zu ſcharf nicht ſpuͤr’t.
U 266. Wel -308
66.
Welchen Nutzen in dem Leben
Bringet der Geruch uns nicht?
Will ſich eine Brunſt erheben;
Nutz’t er mehr, als das Geſicht.
Manche Gluht waͤr ausgebrochen,
Haͤtte man ſie nicht gerochen,
Und zu recht dem Feu’r gewehr’t,
Das ſonſt Hab und Gut verzehr’t.
67.
So viel hundert tauſend Bluhmen,
So viel ſuͤſſe Specerey,
Was in Jndien, Jdumen
Waͤchſt und in der Barbarey,
Koͤnnte kein Geſchoͤpf gebrauchen,
Und muͤſt, ohne Nutz, verrauchen,
Waͤr die Naſe nicht geſchickt,
Daß ſie ſich dadurch erqvickt.
68.
Sprich, verwildertes Gemuͤte,
Kommt dieß wol von ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht ſo viel, daß man ſie merke?
Wers Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht.
III. Das309
III. Das Gehoͤr.
69.
Da wir alſo auch beſehen
Des Geruchs Beſchaffenheit;
Wollen wir nun weiter gehen,
Und uns mit Aufmerkſamkeit
Zu dem dritten Sinne kehren,
Auch vom Hoͤren was zu hoͤren,
Deſſen Nutz und Eigenſchaft
Von verwunderlicher Kraft.
70.
Die Natur hat unſern Ohren,
Wie uns die Erfahrung zeig’t,
Einen hohen Sitz erkoren,
Weil der Ton ſtets aufwaͤrts ſteig’t,
Der, gezeug’t von ſtoſſ - und ſchlagen,
Durch die Luft wird fort getragen,
Die in Kreiſen ſich beweg’t,
Als wenn man ein Waſſer reg’t.
71.
Wenn nun dieſe regen Kreiſe
Sich erſtrecken bis ans Ohr;
Dringen ſie auf ſelt’ne Weiſe
Durch das nie geſpaͤrrte Thor,
Wodurch ſie ſich ſelber fuͤhren,
Bis ſie an ein Haͤutgen ruͤhren,
Das daſelbſt, wie eine Wand,
Die da toͤnet, ausgeſpann’t.
U 372. Die -310
72.
Dieſes ſcheint zwar feſt und dichte,
Als ob das geringſte Loch
Auch vom ſchaͤrfeſten Geſichte
Nicht darin zu ſehn; dennoch
Hat ſichs offenbar gezeiget,
Daß ſich lebend Silber ſeiget,
Und, wenn mans daruͤber gieſſt,
Es dadurch gar leichtlich flieſſt.
73.
Wann der Ton ſich hier gebrochen
Und gereinigt, wird geſpuͤr’t,
Daß er drauf drey kleine Knochen,
Die ſehr kuͤnſtlich ſind, beruͤhrt.
Denn in dieſer kleinen Kammer
Haͤngt ein Amboß und ein Hammer,
Und der dritte gleichet bald
Einem Stegreif an Geſtalt.
74.
Wann der Ton nun hieher kommen,
Wird er von der innern Luft
Augenblicklich aufgenommen,
Und in manche Hoͤl und Kluft,
Durch verſchied’ne Gaͤng und Stege,
Labyrinthen, krumme Wege,
Die hier die Natur gemacht,
Jn ein Schnecken-Haus gebracht.
75. Dar -311
75.
Darin kann er noch nicht bleiben,
Sondern wird heraus gefuͤhrt,
Und laͤſſt ſich noch weiter treiben,
Bis er an ein Nervgen ruͤhrt;
Welches, ob es gleich ſo duͤnne
Als der Faden einer Spinne,
Doch den Ton, durch den es kling’t,
Jn den Sitz der Sinne bring’t.
76.
Hier bey dieſer kleinen Sehnen
Soll man mit Verwund’rung ſehn,
Wie viel Aeſt aus ihr ſich dehnen,
Ja den ganzen Leib durchgehn,
Die nicht nur im Gaum und Munde,
Zaͤhnen, Augen, Naſ und Schlunde,
Nein, ſie endigen ſich auch
Jn der Bruſt und in dem Bauch.
77.
Ja ſo gar bis in die Fuͤſſe
Sollen kleine Zweige gehn,
Wannenher ich leichtlich ſchlieſſe,
Wie die Wirkungen geſchehn,
Welche die Muſic erreget,
Da der Ton das Ohr uns ſchlaͤget,
Und im Nervgen, das er ruͤhrt,
Durch den ganzen Leib ſich fuͤhrt.
U 478. Doch312
78.
Doch muß auch ſtets aus der Selen
Etwas wieder ruͤckwaͤrts gehn:
Denn man ſpuͤret in den Hoͤlen
Unſ’rer Ohren ein Getoͤn,
Das man wie ein Murmeln hoͤret,
Wenn man gleich den Eingang wehret
Aller Luft, die auswaͤrts ſchweb’t,
Wenn die Ohren zugekleb’t.
79.
Es geſcheh mit Wachs entweder,
Oder mit der holen Hand,
Folglich muß der Pauken Leder,
Das darinnen ausgeſpann’t,
Von der Luft nicht ſeyn getroffen,
Sondern, wenn das Ohr nicht offen,
Muͤſſen Teilchen ruͤckwaͤrts geh’n,
Die von innen ſtets entſteh’n.
80.
Hieraus waͤre nun zu ſchlieſſen,
Wie man, was man hoͤr’t, verſpuͤr’t,
Weil die Geiſter Strich-weis flieſſen,
Die das Luft-Reich ſtets gebiert,
Welche ſich an allen Seiten
Auf den Ohren auswaͤrts breiten,
Wodurch in das Ohr, was kling’t,
Wie in einen Trichter, dring’t.
81. Denn313
81.
Denn was toͤn’t, ſtral’t gleicher Weiſe
Durch verſchied’ne Striche fort,
Stoſſen alſo auf der Reiſe
Viele Strich, am rechten Ort,
An ſo manchen Strich der Ohren,
Sonſt waͤr mancher Ton verloren:
Denn nur einer, und nicht mehr,
Traͤfe ſonſten das Gehoͤr.
82.
Da die Ohren offen ſtehen,
Koͤnnt ein Ungeziefer leicht,
Uns zur Plag, in ſelbe gehen;
Aber ſie ſind immer feucht
Durch ein bitter fettes Weſen.
Dieß iſt recht dazu erleſen,
Daß es allen Paß verleg’t,
Weil kein Tier leicht Fett vertraͤg’t.
83.
Welch ein Wunder, daß der Ohren
Kleine Trummel oder Wand,
Eh ein Kind zur Welt gebohren,
Koͤnne dennoch ausgeſpannt
Jn der Feuchtigkeit beſtehen!
Hierzu iſt ein Stoff verſehen,
Der ſie, bis ein Kind zur Welt,
Schuͤtzet und verſtopfet haͤlt.
U 584. Eben314
84.
Eben ſo, wie unſer Augen
Nichts erblicken ſonder Licht,
Kann man nichts zu hoͤren taugen,
Wenn die Luft dem Ohr gebricht.
Und darum iſt GOttes Wille,
Daß die Luft die Welt erfuͤlle:
Darum ſchweb’t der Luͤfte Meer
Wunderbarlich um uns her.
85.
Wenn die Luft ſich langſam reget,
Wird ein ernſter Ton geſpuͤr’t,
Und wenn ſie ſich ſchnell beweget,
Oder ſchleunig circulir’t,
Wird in unſern zarten Ohren
Ein geſchaͤrfter Ton gebohren,
Der die Geiſter, die er zwing’t,
Schneller in Bewegung bring’t.
86.
Durch das Zittern kleiner Teile,
So die Luft ſtets aufwaͤrts fuͤhrt,
Wird der Ton in ſchneller Eile
Und den Augenblick verſpuͤr’t.
Wenn nun durch ein ſtark Bewegen
Solcher Teile viel ſich regen,
Wird der Schall mit ſtarker Macht
Unſern Ohren zugebracht.
87. Daß315
87.
Daß die Toͤne, die wir ſpuͤren,
Durch die Sel in unſerm Ohr,
Und nicht auswaͤrts, ſich formiren,
Stellet dieſes deutlich vor:
Wenn ein Fluß das Haupt verſtopfet,
Hoͤr’t man, wie es brauſ’t und klopfet,
Welches nicht von auſſen klingt,
Sondern in uns ſelbſt entſpringt.
88.
Viele, ja die meiſten lehren,
Und die Lehr ſcheint wahr zu ſeyn,
Daß Hirn, Nerv und Ohr nicht hoͤren;
Sondern daß die Sel allein,
Wenn ein Schall die Luͤfte ruͤhret,
Nichts, als die Bewegung, ſpuͤret:
Aber ſelbſt durch eig’ne Kraft
Jeden Ton formir’t und ſchafft.
89.
Wenn wir auf der Schaubuͤhn hoͤren,
Daß man jammert, ſeufzt und klag’t,
Und, an ſtatt uns zu beſchweren,
Solch ein Klagen uns behag’t,
Weil es keine wahre Schmerzen;
Sehn wir, daß in unſerm Herzen
Nicht der Ton den Reiz gebiert,
Nein, daß ihn der Geiſt formir’t.
90. Kann316
90.
Doch kann man durchs Ohr die Selen
Reizen, aͤrgern und erfreu’n,
Troͤſten, und empfindlich qvaͤlen:
Ja der rege Ton allein
Zwingt, verſchlimmert und verbeſſert,
Naͤhrt, verkleinert und vergroͤſſert,
Schaͤrft und daͤmpft die Leidenſchaft,
Mehrt und mindert ihre Kraft.
91.
So wie dieſer Coͤrper jenen
Oefters hemmet, oft beweg’t,
Alſo wirkt ein kuͤnſtlichs Toͤnen,
Daß ſichs Blut bald reg’t, bald leg’t.
Durch ein ſchnell und heftigs Klingen
Wird man es in Wallung bringen,
Und durch einen ſanften Klang
Wieder in den vor’gen Gang.
92.
Alexander greift zum Degen
Durch ein krieg’riſches Getoͤn,
Da durch ſanfte Toͤn hingegen
Saul ſo Wut als Zorn vergehn.
Welch ein angenemes ſehnen
Wirkt das Singen einer Schoͤnen
Dem, den ihre Schoͤnheit ruͤhrt,
Wo ein and’rer nichts von ſpuͤr’t?
93. Gan -317
93.
Ganzen Krieg’riſchen Armeen,
Voll Bellonens Grimm und Wut,
Die zum Kampfe fertig ſtehen,
Macht ein einzigs Woͤrtgen Mut
Mehr, als Pauken und Trompeten,
Daß ſie ſich mit Freude toͤdten.
Wenn ein Fuͤhrer, Bruͤder, ſpricht;
Achten ſie kein Sterben nicht.
94.
Sollte das Gehoͤr uns felen,
Fel’t und blieb uns unbekannt
Alle Wirkung unſ’rer Selen,
Und der denkende Verſtand
Wuͤrd, als in ſich ſelbſt vergraben,
Keine Kraft und Wirkung haben:
Der Geſellſchaft Nutz und Luſt
Blieb uns ewig unbewuſt.
95.
Sprich, verwildertes Gemuͤte,
Kommt das Ohr von ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht ſo viel, daß man ſie merke?
Wers Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht.
IV. Der318
IV. Der Geſchmack.
96.
Da wir dieſes Sinnes Gaben
Auch betrachtet, werden wir
Den Geſchmack zu pruͤfen haben,
Drin ich neue Wunder ſpuͤr,
Die nichts minder ſind, wie jene.
Denn der Mund, die Zung und Zaͤhne,
Gaum und Lippen, Kaͤl und Schlund
Machen ſelt’ne Sachen kund.
97.
Jn der regen Zunge ſtecket
Eine Kraft, ſo wunderbar,
Weil ſie fuͤlet, redet, ſchmecket,
Rauh und glatt iſt, ja ſo gar
Sich auf tauſend Ahrten reget,
Sauget, lecket, Speichel heget.
GOtt hat ſie, wie man es ſpuͤr’t,
Recht verwunderlich formir’t.
98.
Auswaͤrts trifft man mit Ergetzen
Kleine ſpitze Waͤrzgen an,
Welche ſich im Speichel netzen,
Der durch ſie leicht ſchaͤumen kann.
Wenn nun die, ſich zu erfriſchen,
Speiſen mit dem Speichel miſchen,
Fuͤl’t die Sel es gar geſchwind,
Weil es lauter Nervgen ſind.
99. Der319
99.
Der zerkaͤuten Speiſe Teile
Sind teils glatt, gelind und rund,
Teils recht ſpitz wie kleine Pfeile,
Wodurch, wann ſie Zung und Mund
Mit verſchied’ner Schaͤrfe ruͤhren,
Wir was ſaur - und herbes ſpuͤren,
Da, was rund, was weich und leicht,
Uns hingegen ſuͤſſe deucht.
100.
Ungeſchmackt ſind alle Sachen,
Die zu fluͤſſig und zu feſt,
Weil ſie keinen Eindruck machen,
Da ſich dieß nicht loͤſen laͤſſt,
Und das feuchte kein Bewegen
Jn den Nerven kann erregen;
Aber Salz ſchmeckt allen wol,
Weil es zarter Spitzen voll.
101.
Daß die innerlichen Flammen
Uns nicht toͤdten vor der Zeit,
Zieht ſich in den Mund zuſammen
Eine laue Feuchtigkeit,
Welche dieſe Hitze lindert,
Und die heiſſe Brunſt vermindert,
Daß des Menſchen fluͤſſigs Blut
Nicht gerinne von der Gluht.
102. Jn320
102.
Jn des Mundes Purpur-Hoͤle,
Die das Par der Lippen ſchlieſſ’t,
Zeiget ſich die kluge Sele,
Die in ſuͤſſe Worte flieſſ’t,
Und in dieſen engen Schranken
Nemen geiſtige Gedanken,
Wenn wir reden, Coͤrper an;
Daß man ſie begreifen kann.
103.
Wer erſtaunt nicht, wenn er denket,
Wie der Zunge Fertigkeit
Sich auf tauſend Ahrten lenket,
Um der Selen Unterſcheid
Wunder-wuͤrdig zu formiren,
Daß von andern auch zu ſpuͤren,
Wie, was hier der Geiſt gedacht,
Coͤrperlich wird kund gemacht?
104.
Glied, das uns durch ſein Erzaͤlen
Fremde Geiſter einverleibt,
Rege Feder unſ’rer Selen,
Die mit lauten Schriften ſchreibt,
Der Gedanken Zaum und Riegel,
Wunder-Pinſel, Goͤttlichs Siegel,
Das, was unſre Sele heg’t,
Andern in die Sele praͤg’t!
105. Mer -321
105.
Merket, wie ſie ſich zu regen,
Und zum ſprechen fertig ſey,
Wenn zehn Muſkeln ſie bewegen,
Deren immer zwey und zwey
Hinter, vor, zu beyden Seiten,
Auf - und niederwaͤrts ſie leiten,
Und ein angewachſ’ner Zaum
Laͤſſt ihr nicht zu weiten Raum.
106.
Dieſes Glied recht zu bewahren,
Hat es die Natur verſehn,
Daß ſtets, wie geharn’ſchte Scharen,
Rings um ſie die Zaͤhne ſtehn.
Dieſe kleine Marmor-Klippen
Decken wiederum die Lippen,
Unter deren Schutz und Hut
Unſ’re Zung auf Polſtern ruht.
107.
An der Zung iſt noch zu preiſen,
Daß derſelben rege Kraft
Uns in ſo viel tauſend Speiſen
Tauſendfache Luſt verſchafft.
Sie kann durch ihr forſchend Schmecken
Solch Vergnuͤgen uns erwecken,
Daß ſo gar der Geiſt verſpuͤr’t,
Wie ein ſuͤſſer Trieb ihn ruͤhrt.
II. Theil. X108.322
108.
Herbe ſind nicht reife Fruͤchte;
Saͤurlich-ſuͤß iſt guter Wein;
Bitter-ſuͤß ſind viele Fruͤchte,
Die Oliven aͤhnlich ſeyn;
Saur ſind Saurampf und Citronen;
Suͤß hingegen ſind Melonen,
Honig, Zucker, Milch und Moſt.
Mark und Oel ſind fette Koſt.
109.
Wo uns eine Sach auf Erden
Unſers Schoͤpfers Liebe weiſ’t,
Jſt es, da verbunden werden
(Wenn ſich unſer Coͤrper ſpeiſ’t)
Mit der Not ſo ſuͤſſe Luͤſte.
Wenn man ekelnd ſpeiſen muͤſte;
Wuͤrd es, wie wir gern geſtehn,
Nie zu rechter Zeit geſchehn.
110.
Was die unverdroſſ’nen Bienen
Und was der verbrannte Mor
Zieh’n aus Roſen und Jeſminen
Und Maderens Zucker-Ror,
Alle Suͤſſigkeit der Reben
Waͤr der Welt umſonſt gegeben,
Schmeckte nicht der Zungen Kraft
Jedes Dinges Eigenſchaft.
111.323
111.
Menſch, erwaͤge doch und merke,
Wenn dein Mund was gutes ſchmeckt,
Deines Schoͤpfers Wunder-Werke!
Was darin fuͤr Weiſheit ſteckt,
Jſt nicht leichtlich zu ermeſſen,
Da Er nicht nur in das Eſſen
Und in alles, was uns traͤnkt,
So verſchied’nen Saft geſenkt;
112.
Sondern auch in deinem Munde
Gaum und Zunge ſo gemacht,
Daß, recht eben in dem Schlunde,
Wenn man es genau betracht’t,
Uns die Speiſ erſt Anmut bringet,
Eben wenn man’s nieder ſchlinget;
Jſt demnach, mehr als man meint,
Narung, Nutz und Luſt vereint.
113.
Denke doch, wenn Schmerz und Fieber
Uns in Blut und Adern ſteckt,
Wie erbaͤrmlich uns daruͤber,
Was man iſſt und trinket, ſchmeckt!
Muß der Ekel vor den Speiſen
Uns nicht augenſcheinlich weiſen,
Daß man nie ſein Gluͤck ermiſſt,
Wenn uns ſchmecket, was man iſſt?
X 2114.324
114.
Ew’ge Liebe, ſey geprieſen,
Dir ſey Ehre, Lob und Dank,
Da Du ſolche Huld gewieſen
Jm Geſchmack, in Speiſ und Trank!
Gib, daß wir, ſo oft wir eſſen,
Deine Wunder-Kraft ermeſſen,
Die uns nicht nur Koſt beſcher’t,
Sondern auch mit Luſt uns naͤr’t.
115.
Sprich, verwildertes Gemuͤte,
Kommt die Zung auch ungefehr,
Oder aus der Macht und Guͤte
Eines weiſen Weſens her?
Sprich: verdienen ſolche Werke
Nicht ſo viel, daß man ſie merke?
Wers Geſchoͤpfe nicht betracht’t,
Schaͤndet ſeines Schoͤpfers Macht.
V. Das Gefuͤl.
116.
Hiemit ſtellen wir dem Denken
Auf das Schmecken auch ein Ziel,
Unſ’re Geiſter hinzulenken
Aufs empfindliche Gefuͤl,
Deſſen Kraͤfte den Gedanken
Ohne Maſſ und ohne Schranken
Allenthalben, allgemein,
Und im ganzen Coͤrper ſeyn.
117.325
117.
Eines Coͤrpers Leichte, Schwere,
Glaͤtte, Feſt - und Fluͤſſigkeit,
Was gefuͤllet iſt, das leere,
Hart und weich, lang, ſchmal und breit;
Was ſich biegt, was ſtumpf, das ſpitze,
Was erfuͤll’t von Froſt und Hitze,
Naß und trocken, warm und kuͤl
Zeigt der Sele das Gefuͤl.
118.
And’re Sinne koͤnnen truͤgen;
Jhm iſt minder Trug bewuſt.
Alles Menſchliche Vergnuͤgen,
Anmut, Wolluſt, Freud und Luſt
Flieſſen bloß aus dieſer Qvelle,
Und die allerklein’ſte Stelle
Unſers Coͤrpers hat die Kraft,
Daß ſie Luſt der Selen ſchafft.
119.
Die vier andern Sinne ſcheinen
Kinder des Gefuͤl’s zu ſeyn,
Und es wird kein Menſch verneinen,
Daß ſie gegen dieſes klein;
Daß die Kraͤfte jener Sinnen
Bloß aus dem Gefuͤle rinnen,
Weil ihr Urſprung und ihr Ziel
Selbſt ein zaͤrtliches Gefuͤl.
X 3120.326
120.
Die ſo groſſ - als kleinen Sehnen
(Die in dem Gehirn entſtehn,
Sich in tauſend Zweige dehnen,
Unſern ganzen Leib durchgehn,
Und nur in der Haut aufhoͤren,)
Sind der Geiſtigkeiten Roͤren,
Wodurch ſo vor Luſt als Pein
Alle Coͤrper fuͤlbar ſeyn.
121.
Wo ſich dieſe Roͤren enden,
Trifft man kleine Waͤrzgen an,
Welche man in unſern Haͤnden
Noch am meiſten merken kann.
Hiedurch ſcheinen wir zu ſpuͤren:
Wenn ſie was, ſo hart, beruͤhren;
Bieg’t ſich jede zarte Spitz,
Und beweg’t des Sinnes Sitz.
122.
Davon kommt’s, wie ich ermeſſe,
Daß die Coͤrper fuͤlbar ſind,
Wenn die Haͤrte mit der Groͤſſe
Jn dem Vorwurf ſich verbind’t.
Luft kann man daher nicht faſſen:
Auch kann ſich nicht fuͤlen laſſen
Was zwar hart, doch gar zu klein,
Wie gewiſſe Pulver ſeyn.
123.327
123.
Daß wir unſ’re Glieder regen,
Daß die Menſchen Menſchen ſeyn,
Stammet, wenn wirs recht erwaͤgen,
Nur aus dem Gefuͤl allein.
Unſ’rer Eltern zarte Triebe
Kamen aus der Luſt der Liebe,
Und der Liebe Scherz und Spiel
Jſt ein kitzelndes Gefuͤl.
124.
Weil der Bey-Schlaf alle Teile
Zu des Kindes Weſen fuͤhr’t,
Wird auch jedes Glied in Eile
Aufs empfindlichſte geruͤhr’t.
Dieß vermehret das Begehren,
Uns beſtaͤndig zu vermehren,
Welches, wenn man’s recht ermiſſ’t,
Ein beſonders Wunder iſt.
125.
Merkt, wozu der Sinn uns tauge!
Es iſt gleichſam das Gefuͤl
Aller unſ’rer Glieder Auge,
Unſers Wolſeyns einzigs Ziel.
Will uns Hitz und Froſt verſehren;
Eilt ihr Trieb, es abzuwehren,
Unſer Leib wird der Gefahr
Auch ſo gar im Schlaf gewahr.
X 4126.328
126.
Daß wir Schmerzen koͤnnen leiden,
Und empfindlich ſind fuͤr Pein,
Lehrt uns alle Sachen meiden,
Die uns ſchaͤd - und toͤdtlich ſeyn.
Dieſem Sinn iſt zuzuſchreiben,
Wenn wir unverſehret bleiben.
Daß man ſein Erhaltung ſuch’t,
Jſt nur des Gefuͤles Frucht.
Beſchluß.
127.
Dieſes iſt’s, was von den Sinnen
Unſern Sinnen iſt bekannt.
Hat man aber gleich hierinnen
Alles Sinnen angewandt;
Bleibt das Weſen doch verborgen,
Ungeachtet aller Sorgen.
Muß der Kluͤg’ſte doch geſtehn,
Daß wir kaum den Schatten ſehn.
128.
Daß wir aber dieß nicht faſſen,
Duͤrfen wir uns warlich nicht
Gar zu ſehr befremden laſſen.
Haͤtten wir nur vier gekriegt,
Sag’t, wer wuͤrde dann wol koͤnnen
Auch des fuͤnften Kraft nur nennen?
Daß uns alſo viel verhel’t,
Kommt, weil uns der ſechſte fel’t.
129.329
129.
Welchen, nebſt viel andern Gaben
Kraͤft - und Sinnen, gar vielleicht
And’rer Erden Buͤrger haben,
Die GOTT ihnen dargereicht,
Daß auf mancher Ahrt und Weiſe
Die verſchied’nen Himmels-Kreiſe
Seine Groͤſſe ſollten ſehn,
Und Sein Allmachts-Kraft erhoͤhn.
130.
Ja wer weiß, wann wir verklaͤret
Durch den Tod ins Leben gehn,
Was alsdann uns wiederfaͤhret,
Ob uns GOTT nicht auserſehn,
Uns in jenem ſel’gen Leben
And’re Sinne noch zu geben,
Und zwar immer mehr und mehr
Zur Vermehrung ſeiner Ehr.
131.
Warum will man denn ergruͤnden,
Was nicht zu ergruͤnden ſteht?
Laſſ’t ſo ſaure Muͤhe ſchwinden,
Drin die Zeit umſonſt vergeht!
GOTT hat uns in dieſem Leben
Die fuͤnf Sinne bloß gegeben,
Um in Jhm vergnuͤg’t zu ſeyn,
Und ſich Seiner zu erfreu’n.
X 5132.330
132.
Laſſet uns doch uͤberlegen,
Daß faſt alles auf der Welt
Bloß um unſ’rer Sinne wegen,
Sey gemacht und vorgeſtellt;
Daß die Luft, das Licht, die Erde
Unſ’rer Sinne Werkzeug werde;
Daß ſo viel ſo vielerley
Zu den Sinnen noͤtig ſey;
133.
Daß der Pflanzen, daß der Tiere
Abſicht, Nutz und Zweck allein,
Bloß damit man ſehe, ſpuͤre,
Schmecke, hoͤr und fuͤle, ſeyn;
Daß ſelbſt unſer Leib von innen
Und von auſſen bloß den Sinnen
Mit ſo mancherley Bemuͤhn
Kraͤft - und Eigenſchaften dien.
134.
Wenn wir unſern Leib von innen
Mit Aufmerkſamkeit beſehn;
Spuͤren wir, daß fuͤr die Sinnen
Alle Wirkungen geſchehn;
Daß ſich unſer Herze reget,
Daß ſich unſer Blut beweget,
Daß es wie ein Brunnen ſpringt,
Und durch tauſend Adern dringt;
135.331
135.
Die beſond’re Kraft der Nieren,
Daß die Leber das Gebluͤt,
Nebſt der Milz, weiß zu formiren,
Daß die Lung uns Atem zieht;
Unſ’rer Nerven zarte Gaͤnge,
Der Gedaͤrme Laͤng und Menge,
Daß des Magens rege Kraft
Allen Teilen Narung ſchafft.
136.
Aller dieſer Eingeweide
Unerforſchliche Natur
Zielet auf des Coͤrpers Freude,
Dienet den fuͤnf Sinnen nur.
Denn die uns verborg’nen Saͤfte
Geben unſern Sinnen Kraͤfte,
Und ihr Endzweck iſt allein,
Daß die Sinne ſinnlich ſeyn.
137.
Zeigen ſolche Wunderwerke,
Die kein Menſch begreifen kann,
Keine Weiſheit, Liebe, Staͤrke,
Noch den Wehrt der Sinnen an?
Jch erſchrecke, wenn ich denke,
Wie ſo wenig dieß Geſchenke
Und des groſſen Gebers Macht
Jn denſelben wird geacht’t.
138.332
138.
Sprich, verſtockter Atheiſte,
Wenn ein Menſch auf Erden waͤr,
Welcher ſolche Kuͤnſte wuͤſte,
Daß er Augen, das Gehoͤr,
Riechen, Fuͤlen, Schmecken, Denken
Dir vermoͤgend waͤr zu ſchenken,
Und er ſchenkte ſie denn dir,
Dankteſt du ihm nicht dafuͤr?
139.
Sollteſt du wol ſagen koͤnnen:
Alles dieß iſt keine Kunſt,
Und was er mir wollen goͤnnen,
Rechne ich fuͤr keine Gunſt?
Nein, unmoͤglich wird auf Erden
Solch ein Vieh gefunden werden.
Da es aber GOTT gemacht,
Schlaͤg’t man’s leider aus der Acht.
140.
Laſſt uns doch den Schoͤpfer ehren,
Wenn wir recht was ſchoͤnes ſehn!
Wenn wir etwas lieblichs hoͤren,
Laſſt uns Seinen Ruhm erhoͤhn!
Wenn uns Riechen, Fuͤlen, Schmecken
Anmut, Luſt und Freud erwecken;
Laſſt uns in Zufriedenheit
Zeigen unſ’re Dankbarkeit!
141.333
141.
Solch ein Dank-erfuͤlltes Lallen,
Wenn’s auch denkend nur geſchicht,
Muß dem Schoͤpfer wolgefallen.
Dieß iſt aller Menſchen Pflicht;
Denn wenn man es nicht erkennet,
Wie viel Gutes GOtt uns goͤnnet,
Und es nicht einmal bedenkt;
Jſt’s, als waͤr uns nichts geſchenkt.
142.
Nach der Menſchen Ahrt zu ſprechen,
Scheint zwar dieſes Laſter klein;
Aber warlich kein Verbrechen
Kann GOTT mehr zuwider ſeyn.
Solche Wunder nicht betrachten,
Heiſſt ja, ſelbige verachten,
Und aus dieſem Undanks-Meer
Flieſſen alle Suͤnden her.
143.
Wir ſind Sinn-reich, uns zu qvaͤlen,
Und vergroͤſſern unſ’re Pein;
Dennoch wuͤnſchen unſ’re Selen,
Allezeit vergnuͤg’t zu ſeyn.
Nun, zu dieſem Zweck zu kommen,
Thut, was ihr anitzt vernommen!
Zur Vergnuͤgung eurer Bruſt,
Ehret GOTT in eurer Luſt!
144.334
144.
Sollten unſ’re Sinne taugen,
Tiefer, als ſie thun, zu gehn,
Koͤnnten wir durch unſer Augen
Als durch ein Vergroͤſſ-Glas ſehn;
Wuͤrd uns fuͤr uns ſelber grauen,
Sollten wir die Haut beſchauen,
Die ja dann, als wie ein Baͤr,
Rauch und recht abſcheulich waͤr.
145.
Zwar man wuͤrd auf ſolche Weiſe
Viele Kleinigkeiten ſehn;
Doch wie duͤrft es um die Kreiſe
Jener groſſen Coͤrper ſtehn?
Von den ſchoͤnen Himmels-Lichtern
Wuͤrde menſchlichen Geſichtern
Nichts, bey allem Glanz und Schein,
Jm geringſten ſichtbar ſeyn.
146.
Waͤr ein Auge ſo gebeuget,
Wie ein Fern-Glas, das allein
Dieſe Ding uns deutlich zeiget,
Die von uns entfernet ſeyn;
Wuͤrden dann die nahen Sachen
Uns nicht ganz verwirret machen?
Alſo geht’s mit dem Gebrauch
Unſ’rer andern Sinnen auch.
147.335
147.
Koͤnnten wir viel ſchaͤrfer hoͤren,
So, wie oftermals geſchicht,
Wenn man durch die Ohren-Roͤren
Oder Sprach-Trompeten ſpricht;
Welch verworr’nes lautes Schallen
Wuͤrd uns in die Ohren fallen?
Ein ſo wild Geraͤuſch allein
Wuͤrd uns unertraͤglich ſeyn.
148.
Waͤr auch des Gefuͤles Weſen
Schaͤrfer, und von ſolcher Ahrt,
Wie uns GOTT zum Aug erleſen;
Vieler Coͤrper Gegenwart
Waͤr uns ſchmerzlich und verdrießlich.
Gleichfalls waͤr es nicht erſprießlich,
Wenn der Zungen Kraft, die ſchmeckt,
Weiter ſich, als itzt, erſtreckt.
149.
Wenn auch der Geruch ſich ſchaͤrſte,
So daß man, den Hunden gleich,
Alle Dinge riechen doͤrfte;
Wie verdrießlich wuͤrden euch
Allerley Geruch der Erden,
Ja der meiſten Dinge, werden?
Wir empfuͤnden jederzeit
Ekel, Abſcheu, Widrigkeit.
150.336
150.
Wer kann GOttes Lieb ergruͤnden?
Wer kann Seine Macht verſteh’n?
Daß wir ohne Muͤh empfinden,
Hoͤren, riechen, ſchmecken, ſeh’n
Sonder Arbeit und Studiren,
Kann man durch die Sinne ſpuͤren.
Dieſe Gab allein iſt wehrt,
Daß man GOTT allein verehrt.
151.
Wie der Sonnen Geiſt die Hoͤlen
Unſ’rer Luft im Stral durchbricht;
Alſo ſtral’t aus unſern Selen
Ein beſtaͤndig ſinnlich Licht,
Wodurch aller Menſchen Sinnen
Die Empfindungs-Kraft gewinnen.
Alles, was man ſinnt und thut,
Stammt aus dieſer innern Gluht.
152.
Dieſen wiederhol’ten Lehren
Folge denn doch jedermann!
Braucht dieß Licht zu GOttes Ehren!
Seht die Welt mit Andacht an!
Such’t mit GOttes Werk die Selen
Durch die Sinne zu vermaͤlen,
Und erzielt, wenn ihr euch freu’t,
Kinder bruͤnſt’ger Dankbarkeit!
153. Muͤſſt337
153.
Muͤſſt ihr nicht auch, wider Willen,
Zu des Hoͤchſten Preiſ und Ehr
Alles, was er will, erfuͤllen?
Wollet ihr denn nicht vielmehr
Jhm von ſelbſt zu Dienſte leben,
GOTT in eurer Freud erheben,
Seines Namens Ehr erhoͤhn,
Und mit Luſt Sein Werk beſehn?
154.
Wenn der Schoͤpfer nichts, als Schmerzen,
Statt der Luſt uns eingepraͤg’t,
Und nur bloß fuͤr Pein im Herzen
Ein Empfindlichkeit geleg’t;
Waͤr uns unſer Leben taͤglich
Nur ein Scheuſal, unertraͤglich,
Ein abſcheulich ſchwere Laſt,
Ja mehr, als der Tod, verhaſſt.
155.
Sey denn, groſſer GOTT, geprieſen!
Daß aus lauter Gnaden nur
Du uns ſo viel Gnad erwieſen,
Und der menſchlichen Natur
So viel Freud und Anmut ſchenkeſt,
Sie mit Luſt und Wonne traͤnkeſt,
Da uns jedes Sinnes Kraft
Tauſendfach Vergnuͤgen ſchafft.
II. Theil. YDie338

Die, durch eine ſchoͤne Landſchaft in der Luft, vermehrte Schoͤnheit einer ir - diſchen Landſchaft.

Ein kuͤler Regen war gefallen,
Die Luft war ganz von Duͤften rein,
Es herrſchet uͤberall ein heit’rer Sonnen-Schein,
Man ſahe, was man ſah, als ſaͤh mans durch Kryſtallen,
Es glaͤnzt und ſchien, bey aufgeklaͤr’tem Wetter,
Die Luft noch einſt ſo blau, das Feld noch einſt ſo gruͤn,
Es glaͤnzten die getraͤnkten Blaͤtter,
Es funkelt iedes feuchte Kraut,
Wenn ſie der Sonnen Licht beſchien,
Und ſich in jedem Tropfen bildet:
Daher das helle Gruͤn zugleich verguͤldet
Mit Farben nicht allein, mit hellem Glanz, bemal’t,
Und recht illuminiret ließ,
Jnzwiſchen daß am Himmel ſich,
Nach ird’ſcher Ahrt, auch eine Landſchaft wies.
Der Himmel ſchien bemuͤht, durch manchen Wolken -
Strich,
Bald hohe Berge, flache Felder,
Bald nied’re Buͤſche, dicke Waͤlder,
Ja bald ein Meer voll kleiner guͤld’ner Wellen,
Bald Tier und Voͤgel vorzuſtellen.
Die Farben nun der zierlichen Figuren
Von allen dieſen Creaturen
Sind339Sind Purpur, Silber, Gold, Carmin.
Das Feld, an ſtatt daß unſers gruͤn,
War blauer, als Ultramarin:
Jch ſah zugleich zwey weite Felder an,
Von welchen man des einen Zier
Mit einem glaͤnzenden Sapphir,
Das andere mit Smaragd, gar wol vergleichen kann.
Jch ſahe beyder Glanz von einer Hoͤh: Jch ſtutzte
Vor Anmut und vor Luſt, daß die Natur
Mit Bildern, Farb und Licht ſo Erd als Himmel putzte.
War unſ’re Landſchaft Wuͤnder-ſchoͤn;
So war die ob’re faſt noch ſchoͤner anzuſehn.
Verband man aber beyder Zier;
So ſtellten ſie dem froͤhlichen Geſicht
Von Bildung, Farben, Glanz und Licht
Das herrlichſte Spectakel fuͤr.
Es ſchien, ob wollte die Natur,
Damit wir GOtt, den Schoͤpfer, moͤgten preiſen,
Wie ſie ſo wol an Farben als Figur
Ganz unerſchoͤpflich ſey, uns weiſen.
Man ſieht die Bilder dort, jedoch nicht minder ſchoͤn,
Jn andern, als bey uns gewohnten, Farben ſtehn.
Man ſiehet guͤld’ner Berge Spitzen,
Gebaͤud aus hellem Silber blitzen:
Man ſiehet Roſen-farb’ne Waͤlder,
Man ſiehet Purpur-rote Felder,
Man ſiehet Buͤſche von Carmin,
Ja Tier und Voͤgel von Rubin.
Ach, daß ein ſolches Farben-Spiel
Y 2Uns340Uns doch ins Herz durchs Auge fallen moͤgte!
Ach, daß es uns doch nur ſo viel gefiel,
Daß man, dadurch geruͤhrt, am groſſen Schoͤpfer daͤchte.
Jndem ich nun bewundernd ſtehe,
Und Welt und Himmel glaͤnzen ſehe;
Werd ich gewahr, daß ſich das Licht
Auf unſ’rer Welt durch Schatten artig bricht,
Und dieß vermehrte noch die liebliche Geſtalt.
Hier ſtund ein Teil der Wieſen ſanft verdunkelt,
Und dort ein halber Wald,
Jnzwiſchen daß die and’re Haͤlfte funkelt,
Die durch den Gegenſatz
Noch ſo viel heller ſcheint. Hier ſah ich manchen Platz
Jn einem gelben Licht, und einen dunkeln dort;
Beyd aber aͤndern ſich. Ein itzt beftral’ter Ort
Wird ſchattigt, und was itzt noch dunkel war,
Tritt allgemach ins Licht, und ſtellt ſich Wunder-ſchoͤn
Jn einem hellen Schimmer dar.
Ein angenem Gemiſch von Schatten und von Licht
Erweckte dem Geſicht,
Das an Veraͤnderung am meiſten ſich ergetzet,
Ein ungemeine Luſt. Jch dachte nach, woher
Die Schatten ihren Urſprung namen,
Und freute mich noch mehr,
Als ich verſpuͤrete, wie ſie
Von oben von den Wolken kamen.
Jn welcher Einigkeit und ſuͤſſen Harmonie
Steht, ſprach ich, itzt der Himmel und die Welt!
Sie wird, da uns allhier der Schatten auch gefaͤllt,
Nicht341Nicht nur mit Licht, mit Schatten auch geſchmuͤckt.
Durch dieſen lieblichen Verband
Des Himmels mit der Welt,
Den ich ſo herrlich vorgeſtellt
Und mir vor Augen liegen fand,
Ward meine Seleſelbſt, mein innerſtes, geruͤhret,
Und durch der Creaturen Pracht
Zu Dem, Der alles ſchoͤne macht,
Jn froher Ehrfurcht ſo zu denken angefuͤhret:
Groſſes All! unendlichs Weſen,
Der Natur Buch giebt mir hier,
Voller Wunder, Glanz und Zier,
Deine Herrlichkeit zu leſen.
Unſ’re Selen wiſſen nicht,
Sich was ſchoͤners vorzubilden;
Aber ach, was muß Dein Licht
Jn den himmliſchen Gefilden
Ohne Schranken, ſonder Grenzen,
Wo es unverhuͤllet, glaͤnzen!
Welch ein Abgrund voller Luſt,
Welche Tiefen voller Wonne
Sind, o aller Sonnen Sonne,
Denen, die Dich ſehn, bewuſt!
Welch ein Meer von heil’ger Gluht
Muß aus Deinem Throne qvillen!
Welche ſel’ge Liebes-Flut
Y 3Muß342
Muß der Himmel Himmel fuͤllen!
Ach wie muß ſo uͤberſchwenglich
Dort des Schoͤpfers eig’ner Schein,
Da ſchon das, was nur vergaͤnglich
So gar herrlich iſt, doch ſeyn!
Ach laſſt uns in dieſem Leben
Deine Weiſheit, Lieb und Macht
Jn der Creaturen Pracht
Zu bewundern uns beſtreben!
Sind wir bey den ird’ſchen Schaͤtzen
Ueber wenig treu geweſen;
Wird Er uns zu mehr erleſen,
Und dort uͤber vieles ſetzen.
Die343

Die Trauben.

Gewiß, es wird ein Menſch kaum glauben,
Wie manche Farbe ſich auf reifen Trauben
Mit Licht und Schatten miſcht,
Und ein drauf achtend Aug erfriſcht.
Hier ſiehet man ſo manches kleine Licht,
Das durch der Blaͤtter Oeffnung bricht,
Dort ſieht man manchen kleinen Schatten
Bald von den Beeren ſelbſt, bald von den Stengeln,
Die nebſt den Haͤklein ſich ſo artig drehn und ſchlaͤngeln,
Sich mit viel bunten Farben gatten.
Hier wird ein helles Rot, und dort ein lieblich Grau
Span-Saft - und dunkel-gruͤn, gelb, weißlich, Purpur, blau,
Wenn durch den Sonnen-Stral jedwede glaͤnzt und funkelt,
Durch kleine Schatten ſchnell zerteilet und verdunkelt.
Es ſcheinet, wenn auf einer glatten Beere
Der Sonnen Licht oft eine Stell erhellt,
Und dann von Stengeln drauf ein kleiner Schatten faͤllt;
Als ob ein Stengel recht darauf gezeichnet waͤre.
So wie der Mond, nachdem auf ihn die Sonne ſtral’t,
Sich bald im halben Licht, und bald im ganzen mal’t;
So wird von dieſen runden Beeren
Die eine Seiten-waͤrts, die and’re ganz,
Nachdem bald Seiten-waͤrts, bald vorn der Sonnen Glanz
Sie ruͤret; angeſtral’t und hell gemacht,
So daß ich oft in ihrer kleinen Ruͤnde
Y 4Zu -344Zugleich ein kleines Bild von Mond und Sonne finde.
So viel Vertiefungen und Hoͤh’n
Als wir an einer Traube ſehn,
So mancher Grad vom halben Licht,
Von zartem Wieder-Schein,
Gebroch’nen Farben, klaren Schatten,
Die, da ſie ſich ſo lieblich gatten,
Nur bloß den Kuͤnſtlern ſichtbar ſeyn;
Vergnuͤgen ein drauf achtendes Geſicht.
Der Trauben zierliche Figur,
Da ſie, wie wir mit Anmut ſehn,
Aus vielen Kuͤgelchen beſtehn,
Jſt recht ein Kunſtwerk der Natur,
Das wol betrachtens-wehrt,
Jndem ein Stengel ſolche Menge
Von Beeren traͤget und ernaͤhrt,
So daß ſie durch ihr eigenes Gedraͤnge
Da ſie ſo nah beyſammen ſitzen,
Sich nicht verdraͤngen, ſondern ſtuͤtzen.
Die vollenkommenſte Figur
Jſt ja die Ruͤnd in der Natur.
Da an den Trauben nun ſich alle Beeren ruͤnden;
Jſt faſt kein lieblicher Gewaͤchs zu finden.
Wird Jſis als ein viel-gebruͤſtet Weib
Uns vorgeſtellt; ſo kommt oft eine Traube mir
Als wie ein ſolcher Jſis-Leib,
Mit vtelen kleinen Bruͤſten, fuͤr.
Das zierlich eingekerbt - und nett-gezackte Laub,
Wodurch die Adern ſich bis an die Ecken,
Voll345Voll klares Safts, wie Blut, erſtrecken,
Jſt recht verwunderlich geweb’t. Solch eine Menge
Stets wieder auf das neu geteilter zarter Gaͤnge
Durchflicht das ganze Blat, wodurch es ſich vereint,
Und, wie ein gruͤnes Fleiſch, voll gruͤner Adern ſcheint.
Ein Blat beſchattet oft das ander, und vermehret,
Durch ſeine dunk’le Zierlichkeit
Der Schatten, Bildungen und Farben Unterſcheid.
Jch werd hiedurch aufs neu geruͤhret und belehret,
Daß, wie ſich nichts von ſelbſten macht,
Aufs wenigſte fuͤr ſolche Pracht
Dem Schoͤpfer Lob und Preis gehoͤret.
Y 5Die346

Die Sterne.

Jhr Puncte, die ihr auf einmal
So wunderbarlich groß und klein!
So klein, daß ihr faſt nicht zu teilen,
So groß, daß euer Wunder-Schein
Noch groͤſſer, als viel tauſend, tauſend Meilen;
Jhr ſtellet mir
Ein aͤhnlichs Bild von unſ’rer Sele fuͤr.
Wir ſind, wie ihr, auf einmal groß und klein:
So klein, daß wir uns ſelbſt verlieren,
Wenn wir des Schoͤpfers Groͤſſe ſpuͤren;
So groß hingegen,
Wenn wir der Gottheit Lieb erwegen,
Die uns die Faͤhigkeit
Von Goͤttlicher Vollkommenheit,
Und Seinen Wundern was zu denken,
Aus lauter Huld gewuͤrdiget zu ſchenken.
Ach GOTT, laß uns, zu Deinem Preiſe,
Doch oft auf ſolche Weiſe
Durch Deiner Allmacht Glanz, durch Deiner Liebe
Schein
Vernichtigt und verherrlicht ſeyn!
Beſchrei -347

Beſchreibung einer anmutigen Ge - gend um Hamburg.

Rings um Hammoniens erhab’nen Waͤllen
Such’t die, der wehrten Stadt gewogene, Natur
Nicht von der Kunſt und von dem Reichtum nur;
Von ihrer Anmut auch ein Muſter vorzuſtellen
Jn ihrer ſchoͤnen Lag und lieblichen Gefilden.
Mein Garten, der nicht weit von ihr,
Giebt oft Gelegenheit, die Fruchtbarkeit, die Zier,
Und ihrer Felder Luſt-Revier
Mit Freuden anzuſehn, wodurch ſie abzubilden
Jch itzt entſchloſſen bin. Gib, daß es wol gelinge,
Du ew’ge Segens-Qvell, Du Schoͤpfer aller Dinge,
Damit der Landſchaft Pracht und Vollenkommenheit
Die Buͤrger Hamburgs oft, nebſt mir, zur Dankbarkeit
Jn froͤhlicher Empfindung bringe!
Man kann allhier mit faſt erſtaunendem Vergnuͤgen
Ein ſchoͤnes Stuͤck der Welt, das unvergleichlich ſchoͤn,
Jn einem bunten Glanz um deſto beſſer ſehn,
Als hier die Gaͤrten ſelbſt auf einer Hoͤhe liegen,
Und jeder in ſich ſelbſt, durch unterſchied’ne Stiegen
Geteilt, oft ſuͤnf bis ſechs verſchied’ne Gaͤrten macht,
Die alle von verſchied’ner Pracht.
Die Hoͤhe zeiget nun den faſt erſtaunten Augen
Von allen Seiten
Erſt Gaͤrten mancher Ahrt, voll tauſend Lieblichkeiten,
Zur348Zur Anmut teils, teils zum Gebrauch,
Die, nach verſchiedlichem Geſchmack verſchied’ner Herrſchaft,
auch
Verſchiedlich angeleg’t: wodurch ſie alle taugen,
Jn unterſchied’nem Schmuck den Schmuck noch zu verbeſſern,
Die Anmut dieſes Orts im Wechſel zu vergroͤſſern,
Und, der Natur und Kunſt allmaͤcht’gem HErrn zu Ehren,
Die nimmer ſatte Luſt der Augen ſtets zu mehren.
Hier kann man Bluhmen-Stuͤck und dort Gaſons entdecken,
Hier Gallerien, dort Statuͤen,
Hier Grotten, dort Orangerien,
Liguſtrum-hier, dort Taxus-Hecken.
Hier kann man Teiche, dort Alleen,
Da Pyramiden, Bogen-Gaͤnge,
Fonteinen, Steig in groſſer Menge
Und gruͤn-belaubte Planken ſehen,
Hier Garten-Haͤuſerchen, Portale dort und Lauben.
Der Reben Meng, als Muͤtter-ſuͤſſer Trauben,
Der Apricoſen - und der Pfirſchen -
Der Qvitten-Pflaumen-Birnen-Kirſchen -
Und Aepfel-Baͤume zu geſchweigen,
Als die ſich hier in ſolcher Menge zeigen,
Daß ſie kaum zaͤlbar ſind. Der Farben Unterſcheid,
Vermiſchungen und Lieblichkeit,
Samt der Veraͤnderung der Formen ohne Zal,
Die auf einmal
An dieſem Ort uns in die Augen fallen,
Abſonderlich, wenn ſie der Sonnen Stral
Mit ſeiner hellen Gluht verguͤldet,
Und349Und ſie dadurch noch einſt ſo ſchoͤn,
So lieblich und ſo herrlich bildet;
Erregen denen, die es ſehn,
Ein ſuͤß Erſtaunen, ein Vergnuͤgen,
Das den unachtſamſten zuweilen achtſam macht:
Zumalen da der Wieſen Pracht,
Die hinten an den Gaͤrten liegen,
Zu deren Schmuck und Glanz den ihrigen noch fuͤgen,
Der unbeſchreiblich auch ſo wol als jener iſt.
Derſelben Breite, Flaͤch und Laͤnge,
Derſelben gruͤn und eb’ne Laͤnge,
Die das Geſicht mit Muͤh (doch froher Muͤhe) miſſt,
Jſt, da ſie faſt ſo flach und eben, faſt ſo ſchoͤn,
Als wie ein Firmament, das gruͤn iſt, anzuſehn:
Abſonderlich wenn ihr ſo dichter Klee
Jm guͤld’nen Licht der Sonne gluͤhet,
Da dann das Bluhmen-Heer auf Stellen, wo es bluͤhet,
Zumalen in der Naͤh,
Selbſt kleinen Sternen aͤnlich ſiehet.
Auf dieſen bloß mit Klee bedeckten Raſen
Sieht man viel glattes Vieh in ſanfter Stille graſen.
Es ſtellt deſſelben Ruh, zuſamt der Landſchaft Zier,
Ein angenemes Bild des lieben Friedens fuͤr.
Ach laſſet uns dieß holde Friedens-Bild,
Jhr Buͤrger Hamburgs, oft mit Luſt bedenken!
Jhr muͤſſt, hierdurch geruͤhrt, den Geiſt zum Schoͤpfer lenken,
Wenn ihr die Wieſen ſeht mit fettem Vieh erfuͤllt,
Das mit geſenktem Haupt hier friſſt, dort wiederkaͤuet
Mit halb geſchloſſ’nem Aug und regem Maul; ſo freuet,
Er -350Ergetzt, vergnuͤget euch, und denket dieß dabey:
Daß uns von GOtt allein Geſundheit, Ruh, Vermoͤgen,
Gewerbe, Handelſchaft, Fried, Ueberfluß und Segen
Gegeben und erhalten ſey.
Die Wieſen machen ſonſt durch ihre Laͤng und Breite,
Wiewol mit Luſt, die Augen muͤde,
Auf welchen hinter den Alleen
Jn einer rechten Weite
Wir eine weiſſe Pyramide,
Als einen Aug-Punct, ſehen,
Die, ob ſie gleich von Brettern nur erricht’t,
Doch, wenn das Licht
Auf ihre weiſſe Farbe faͤllt,
Das weite Gruͤn gar lieblich unterbricht;
Und recht, als ob das Feld noch an dem Garten hinge,
Uns angenem vor Augen ſtellt.
Ja, wie die Felder Waſſer-Graben
Zu beyden Seiten haben,
Und deren Linien dadurch mit Haufen
Den Augen nach, die ſie von oben ſehn,
Nach einem Mittel-Punct von allen Seiten lauſen;
So wird dadurch recht unvergleichlich ſchoͤn,
So lange ſie voll Waſſer ſtehn,
Ein Stern, faſt Meilen lang, mit Stralen von Kryſtallen,
Worin gar oft
Des Himmels heller Schein und reine Farben fallen,
Bewunderns-wehrt formir’t.
Wann aber ſich die glatte Flut verliert;
So unterſcheiden ſich dennoch die langen Striche,
Jn -351Jndem des Schilfs und Binſen Dunkel-gruͤn
Jn eben der Figur noch einem Stern ſich gliche.
Zur Rechten ſtrecket ſich die Eb’ne gleichſalls fort,
Wo ſie den Deich und Damm der Stadt
Zum Schutz, zur Zier, zur Grenze hat.
Doch ſiehet man ſie hier und dort,
Um unſer Auge zu erfriſchen,
Mit Bleichen bald, und bald mit holden Buͤſchen,
Mit niedern bald, und bald mit hohen Weiden,
Mit niedern bald und ſchlecht-bald zierlichen Gebaͤuden
Unordentlich, doch ſuͤß und lieblich, unterbrochen.
Ein langes Dach, worunter Pech und Teer,
Damit, bey der Verbrennlichkeit
So ſchnell entzuͤndeter und heftig gluͤh’nder Waren,
Die Stadt, die Kaufmann ſchaft, und jeder fuͤr Gefahren
Geſichert waͤr,
Jſt an des Deiches Fuß zu ſehn.
Nicht weit davon ſieht man, nicht ohn Vergnuͤgen,
Auch eine Wind - und Schneide-Muͤle ſtehn,
Die durch der langen Fluͤgel Drehn,
Womit ſie gleichſam ſcheint zu fliegen,
Auch nebſt dem Nutzen, Holz zu ſaͤgen,
Ein nicht unangenem Bewegen
Jn der ſonſt ſtillen Landſchaft macht.
Des Deiches Zirkel drehet ſich
Jn einer gruͤnen weiten Ruͤnde,
Auf deſſen hoch-erhab’nem Strich
Jch, wie in ſeinem Schoß, noch manche Schoͤnheit finde.
Man352Man ſieht daſelbſt von weitem mit Vergnuͤgen
Den Thurm, wie auch das Schloß von Harrburg liegen.
Zur rechten ſiehet man die Huͤgel voller Buͤſche,
Bey Moorburg, wo die Heidel-Beer
Jn ſolcher Menge faſt, als wie der Sand am Meer,
Geſammlet wird fuͤr unſ’re Tiſche.
Die Ferne laͤſſet uns die angenemen Hoͤh’u
Jn gruͤner nicht, in blauer, Farbe ſeh’n.
Der Berge purp’richt Blau
Verlier’t ſich allgemach in einem ſichtbar’n Duft.
Jhr Umſtrich, der ſo zart und flau,
Vereinet ſich gemaͤchlich mit der Luft,
Schein’t mit dem Firmament ſich feſte zu verbinden,
Kaum kann man, zwiſchen Erd und Himmel, Grenzen finden,
So daß der Ort, wo ſich mein Blick verlier’t,
Den Blick zum Himmel gleichſam fuͤhr’t.
Den Deich nun ſiehet man nicht ſonder Freuden
Mit groſſen teils, teils klein - und zierlichen Gebaͤuden,
Mit hohen Baͤumen teils, teils niedrigen geziert,
Die luſtig anzuſehn: wodurch er eine Ruͤnde,
Die ich beſonders ſchoͤn, beſonders lieblich finde,
Rings um der Wieſen Schmuck formir’t.
Recht hinter dieſem Kreiſ erblicket man mit Luſt
Und inn’rer Regung unſ’rer Bruſt,
Der Elbe Segens-reiche Flut,
(Auf welcher mehrenteils ein Heer von Schiffen ſchwimmet,)
Die, wenn ſie von der Sonnen Gluht
Beſtral’t, als flieſſend Silber glimmet,
Ja oͤfters wie ein Spiegel-Glas,
Jn353Jn Ufern voller Klee und Gras,
Als in Smaragd’nen Rahmen, ſcheinet.
Es laͤſſt recht unvergleichlich ſchoͤn
Durch einen groſſen hellen Strich,
Der, wie geſag’t, dem ſchoͤn’ſten Silber glich,
Der Landſchaft ſchoͤnes Gruͤn, ſo ſchoͤn geteilt, zu ſehn:
Doch ſieht man ſelben Strich zuweilen
Recht angenem ſich wieder teilen
Durch mancher Buͤſch und Baͤume Hoͤh’n,
Die auf bemeld’tem Deiche ſtehn,
Durch deren Oeffnungen ich bald die blaue Flut,
Bald auch an jenes Ufers Seiten
Viel gruͤne teils, teils blaue Zierlichkeiten,
Beſtralet von der Sonnen Gluht,
Vergnuͤg’t erblicken kann.
Hier ſiehet man nicht ohn Vergnuͤgen
Auch uͤber dieſes Deiches Gipfel
Entfernter Baͤume blaue Wipfel,
Die jenſeits unſ’rer Elbe liegen.
Der Brandes-Hof, den hohe Baͤume ſchmuͤcken,
Laͤſſt auf dem Deiche ſich, als wie im Wald, erblicken.
Hier ſieht man oͤfters hin und wieder
Bald hoch erhab’ne Maſten ſtehn,
Bald rote, weiſſe bald, vom Wind erfuͤllte Segel
Mit ſanftem flieſſen hin und wieder,
Ohn daß wir Schiff und Waſſer ſehn,
Recht zwiſchen gruͤnen Baͤumen gehn.
Hier graͤnzet nun der Deich der Bill am Elb-Deich an,
Worauf, ſo weit man ſehen kann,
II. Theil. ZAuch354Auch Haͤuſer um Gebuͤſch, Gebuͤſch um Haͤuſer liegen,
Die uns den klaren Fluß der Bille zwar verſtecken,
Jedoch in ihnen ſelbſt viel ſchoͤnes uns entdecken:
Der Daͤcher feurigs rot, der Baͤume vielfach gruͤn,
So ſonder Ordnung zwar, doch eben dadurch ſchoͤn
Stets wechſlend durch einander ſtehn,
Bemuͤhen ſich, allein auf ſich den Blick zu ziehn.
Dreh ich die Augen nun noch mehr zur linken Hand;
So ſieht man den erhab’nen Sand
Von Schiffbeck, deſſen Ruͤcken
Viel Eichen einzeln teils, und teils verſammlet ſchmuͤcken,
Ja was noch mehr, man ſiehet Steinbecks Spitze,
Die auch den Schiffenden als wie ein Pharus nuͤtze,
Gar deutlich. Ferner ſieht man noch
Ganz in der Fern ein rechtes Joch
Von Huͤgeln, die den Blick faſt bis auf Bergdorf fuͤhren,
Ganz blaͤulich, wie ein Duft, ſich in der Luft verlieren.
Man ſieht darauf hierherwaͤrts hin und wieder
Bald einen ſandigten, bald gruͤnen Strich mit Haufen
Bald gegen ſich, bald auf und nieder
Jn ſtetem Wechſel gleichſam laufen,
Bald blaue Linien von holden krauſen Buͤſchen
Den gelben Linien ſich untermiſchen,
Und bald die Hoͤhen, bald die Flaͤchen
Mit holdem Wechſel unterbrechen,
Jn deren Aenderung und Unterſcheid
Der ſchoͤnen Landſchaft Lieblichkeit
Am meiſten faſt beſtehet.
Wenn man nun weiter noch ſich nach der Linken drehet;
Wird355Wird Hamm und Horn, das ſich mit lauter Gaͤrten ſchmuͤckt,
Mit noch vermehrter Luſt erblickt.
Die Hoͤh und halbe Cirkel-Ruͤnde,
Worin ich ſie gelegen finde,
Die laſſen uns recht Wunder-ſchoͤn
Von bunten Tiefen, bunten Hoͤh’n
Ein recht Amphitheater ſehn.
Wenn ich darauf die frohen Blicke
Von dieſem ſchoͤnen Ort noch weiter herwaͤrts ſchicke;
Seh ich mit neuen Freuden
Den langen ſchoͤnen Weg im Ausſchlag, der mit Weiden
Recht lieblich ausgeſetzt, recht ſchoͤn geziert,
Und durch der Wieſen Pracht uns zum Billwaͤrder fuͤhrt.
Man ſiehet dieſen Weg in voller Laͤnge,
Weil man ihn von der Seite ſieht,
Wodurch der Baͤume groſſe Menge
Recht einen dunk’len Strich durch die bebluͤhmte Flaͤche
Der gelblich gruͤnen Wieſen zieht.
Noch naͤher her erblicket man,
So weit das Auge reichen kann,
Wie das begraſ’te Feld
Uns einen neuen Schmuck vor Augen ſtellt,
Judem auf ſeinen gruͤnen Decken
Sich ſchoͤne bunte Decken ſtrecken,
Die Jndien uns, weiß, in groſſer Menge ſchickt,
Und welche man bey uns mit ſolchen Farben ſchmuͤckt,
Daß Hollands Farben ſelbſt dabey nicht zu vergleichen.
Kurz, treffliche Cattonen-Bleichen
Vermehren noch der ſchoͤnen Landſchaft Zier,
Z 2Ab -356Abſonderlich, wenn man bald dort, bald hier
Jn lauer Luft, durch haͤufiges begieſſen
Sieht kleine Waſſer-Baͤche flieſſen,
Die, da ſie faſt recht wie Fontainen ſpielen,
Den Blick ſo gar von weitem lieblich kuͤlen.
Zuletzt beſchlieſſt der Blick die angeneme Reiſe,
Die er in einem groſſen Kreiſe,
Von wie viel Meilen groß, gethan:
Sieht aber noch vorher vier ſchoͤne Gaͤrten an,
Die mir zur linken Hand, und auf verſchied’ne Weiſe
Von Kunſt und von Natur geſchmuͤcket liegen,
Worunter der, ſo mir am naͤchſten,
An Kunſt ſo wol als Koſtbarkeit am hoͤchſten
Mit Recht zu ſchaͤtzen iſt.
Um mich nun auch am holden Gegenſtand
Der fernen Schoͤnheit zu vergnuͤgen:
Nam ich darauf ein Perſpectiv zur Hand,
Und ſah Verwund’rungs-voll viel Herrlichkeiten liegen,
Die mein geſchaͤrfter Blick, durchs klare Glas geſtaͤrkt,
Anitzt mit tauſend Luſt, und nie vorher bemerkt.
Das, ſo erſt fern und ganz unſichtbar war,
Ward nicht nur ſichtbar, deutlich, klar;
Es ward recht nah herzu gezogen:
Es ſchien hiedurch, als waͤr mir eine neue Welt
Auf einmal vorgeſtellt.
So mancher Ort, wo Licht mit gruͤner Dunkelheit,
Und dunkel-gruͤn mit Licht verwunderlich gemiſchet,
Ergetzet und erfriſchet
Mein ſehendes Geſicht
Mit357Mit tauſendfachem Licht.
Jch ſah in ſehr entleg’ner Weite
Vom Elbe-Strom die and’re Seite:
Die Landſchaft war daſelbſt im gruͤnen nicht, im blauen
Nicht minder holden Schmuck zu ſchauen.
Hier unterſchiede ſich ein Baum recht, wie ein Duft,
Von der mit Licht erfuͤllten Luft.
Dort zeigten viele blaue Wipfel,
Daß manche purpricht blaue Gipfel
Der Berge noch entleg’ner ſeyn.
Allein indem ich alſo ſtehe,
Und hoͤchſt vergnuͤg’t durchs Fern-Glas ſehe;
Ging mir ein neues Licht in meiner Selen auf:
Mein, durch des Perſpectives Lauf
Und deſſen enge dunk’le Schranken
Verſchrenk’tes, Auge ſah nur einen kleinen Platz;
Allein er ſah ihn recht: es gingen die Gedanken,
So wie der Blick,
Auf einen Mittel-Punct, und hiedurch fiel mir bey:
Es ſtellt das Perſpectiv die ſchoͤn’ſte Schilderey,
Und zwar all Augenblick mir eine neue dar.
So bald ich mich kaum einen Stroh-breit rege,
So bald ich mich ein wenig nur bewege;
Entſtehet uͤberall,
Mit immer neuer Zierlichkeit,
Ein liebliches Gemaͤld, das gleichſam mit Kryſtall,
Wie man die ſchoͤn’ſten deckt, bedecket ſcheinet.
Es teilet ſich, was ſonſt vereinet,
Jndem von einer Landſchaft jetzt
Z 3Viel358Viel hundert, ja viel tauſend, werden,
An deren jeder man ſich mehr ergetzt,
Als wie wir leider thun, wenn unſer Augen-Stral
Die Herrlichkeiten auf einmal
Erblick’t und uͤberſieht. Nachdem ich mich nun matt,
Jedoch nicht ſatt,
An aller Pracht der Welt in dieſem Ort geſehn;
So fing ich allererſt mit meinen Selen-Augen,
Die tiefer einzudringen taugen,
Das ſchoͤne Teil der Welt noch einſt an zu beſchauen,
Und an der unſichtbaren Pracht
Desjenigen, Der alles dieß gemacht,
Mich voller Dank und Andacht zu erbauen.
Das groſſe Stuͤck der Welt, ſo hier mein Aug erblick’t,
Jſt bloß durch GOttes Wink gemacht und ſo geſchmuͤckt.
Denn was der Menſch auch ſchein’t dazu gethan zu haben;
Jſt er doch wuͤrklich nur
Ein Werkzeug der Natur,
Und alles, was er hat, o GOtt, ſind Deine Gaben.
Der Schoͤpfer gibt allein in allen Dingen
Das Wollen, Koͤnnen und Vollbringen.
Ach GOtt! rief mein darob faſt halb entzuͤckter Geiſt,
Ach GOtt! Den Firmament, Luft, Meer und Erde, preiſ’t,
Es zeiget uns der Creaturen Zier,
Glanz, Schoͤn - und Vollenkommenheit,
Jm Schatten Deine Herrlichkeit.
Dann muß man nicht allein,
Wann man die Welt beſieht, auf eine Welt nur denken,
Ach nein, man muß zugleich ſich in das Thal
Des359Des tiefen Firmamentes ſenken,
Und da die ungezaͤl’te Zal
Von Sonnen und Planeten finden.
Wer kann die Mannigfaltigkeit
Der Schoͤnheit, welche dort in allen iſt, ergruͤnden?
Wie unbegreiflich groß muß doch der Unterſcheid
Von Farben, Bildungen, von Schoͤnheit, Lieblichkeit,
Von Herrlichkeit, von Glanz und Schein,
Jn hundert tanſend Welten ſeyn?
Ach GOtt! ein holdes heiligs Schrecken
Bemaͤchtiget ſich meiner ganz.
Jch meyne ja, man kann mit Fug alſo entdecken
Jn der Geſchoͤpfe Pracht des ew’gen Schoͤpfers Glanz.
Z 4Die360

Flos Africanus und Ritter-Sporn.

Der Sommer war ſchon mehrenteils vorbey,
Als ich in Amianders Garten
An einem Morgen trat. Jch ſah, ſtatt tauſend Ahrten
Gefaͤrbter Bluhmen, itzt, daß nun im Bluhmen-Reich
Faſt alles einerley,
Und meiſtens gelb gefaͤrbet ſey:
Jndem das holde Prangen
Der Roſen, Lilien und Nelken ſchon vergangen.
Doch war das Gelb ſo glaͤnzend und ſo niedlich,
So mancherley, ſo unterſchiedlich,
Und in dem gleichfalls ſchoͤn - und unterbroch’nen Gruͤnen
So feurig und ſo wunderſchoͤn,
Daß ich, ſie recht mit Freuden anzuſehn,
Mich nicht entbrechen konnt. Jm Anfang fiele mir
Von einem groſſen Buſch die mehr als guͤld’ne Zier
Der Bluhme, welche man Plos Africanus nennet,
Jn mein geruͤhr’t Geſicht. Sie ſchein’t, als ob ſie brennet;
So voll iſt ihre Farb, abſonderlich
Wenns helle Licht der Sonne ſich
Jn ihre Blaͤtter ſenkt; zumal glaͤnzt in der Mitten
Ein kraͤftigs roͤtlichs gelb. Es ſieht ein jedes Blat,
Als deren ſie viel hundert hat,
(Nur bloß, daß es nicht eingeſchnitten,)
Sonſt wie die Nelken-Blaͤtter aus.
Statt daß die eingekerbt, ſind ſie gebogen, kraus,
Und361Und zierlich umgeleg’t: woruͤber ich aufs neue,
Den Reichtum der Natur bewundrend, mich erfreue,
Daß ich in ihrem Bildungs-Werke
Noch eine neue Ahrt bemerke.
Es giebet zweyerley:
Die eine iſt noch heller, als Citronen,
Und laͤſſt, als ob dieſelbige von Cronen -
Die and’re von Ducaten-Golde ſey.
Die Form, ſo man an dieſer Bluhme ſiehet,
Jſt, wenn ſie voͤllig aufgebluͤhet,
Faſt einer Centifolje gleich;
Jedoch iſt die Natur, zu ihres Schoͤpfers Ruhme,
Jn dieſer Bluhme
Noch ferner an Veraͤnd’rung reich.
Man findet einige, die klein,
Und ganz von and’rer Farb, auch and’rer Bildung ſeyn.
Der allerſchoͤn’ſte Sammt iſt nicht ſo brennend ſchoͤn,
Als wie derſelben aͤuſſ’res Blat,
Das die Natur ſo weich, ſo glatt,
So glaͤnzend hat formiret.
Die dunk’le Farbe, die ſie zieret,
Jſt ein ſchoͤn roͤtlich-braun von ſolcher Lieblichkeit,
Daß ſie, trotz ihrer Meng, ein jedes Aug erfreut.
Was ihren dunkeln Glanz noch mehrt,
Jſt, wenn man ſolche bloß verkehrt,
Daß man ein lieblich gelb auf jener Seite findet.
Verwunderlich ſind noch die mittelſten geruͤndet,
Und ſehn von innen braun, von auſſen gelblich bleich,
An Bildung kleinen Trichtern gleich.
Z 5Die362
Die Stengel nun der groſſen und der kleinen,
Die unten eckigt ſind, und oben ſich vereinen,
Sind ziemlich hart und feſt, woran das nette Kraut,
So man bey beyden gleich an Form und Farben ſchaut,
Jn lieblich gruͤner Dunkelheit
Und Regel-rechter Zierlichkeit,
Jndem ein jedes Blat
Sich zweyfach eingeteilet hat,
Den Bluhmen ſelbſt zur ſchoͤnen Fulge dienet,
Und weils zumal in ſolcher Menge, Pracht
Und dunk’len Schoͤnheit gruͤnet;
Sie deſto heller macht.
Jn dieſem Kraut, von welchem viele
Nicht den Geruch vertragen koͤnnen,
Muß in der Bitterkeit ein ſtarkes Feuer brennen,
Weil es ſo ſtreng, wenn man es reibet, reucht;
Daß am Geruch es faſt den bittern Myrrhen gleicht.
Nachher bekam mein Aug ein noch faſt ſchoͤner Ziel,
Jndem das Gold der Ritter-Sporen,
Wie man ſie nennt, mir ins Geſichte fiel.
Du muſt von mir, ſprach ich, geliebte Bluhm, erkoren,
Betrachtet und beſungen ſeyn.
Jch brach denn einen Strauß von ihnen ab,
Der mir zu folgenden Gedanken Anlaß gab:
Du liebliches Geſchoͤpf, wie ungemein
Biſt du geſchmuͤckt, gefaͤrbet und gebildet!
Zu wenig ehret dich, wer dich verguͤldet,
Ja ſelbſt auch guͤlden nennt.
Wenn ſich der ſtolze Pabſt mit dreyen Cronen croͤnet;
Wird363Wird er von dir beſchaͤmet und verhoͤnet,
Jndem dich die Natur, wie man es oft erblickt,
Mit fuͤnf, mit ſechs, ja wol mit ſieben Cronen ſchmuͤckt.
Sind alle Bluhmen ſonſt geteilt und oben breit;
So ſpitzen recht verwunderlich
Die deinen ſich,
Die aus drey Blaͤttern zwar beſtehen,
Wovon wir doch das eine jederzeit
Zuruͤck und abgeſondert ſehen,
Jnzwiſchen, daß in ſteter Einigkeit
Die andern beyde
Zwar oben nicht, nicht unten, bloß nur vorn
Recht kuͤnſtlich ſich verbinden,
Worin, recht als in einer guͤld’nen Scheide,
Wir einen ſcharfen Sporn
Nicht ſonder Luſt, nicht ohn Erſtaunen, finden.
Die Spitze, welche wir darin verborgen ſchauen;
Gleicht recht natuͤrlich einer Klauen.
Sie iſt gekruͤmmt, und hinten platt und breit,
Sie iſt geſpitzt, ſie glaͤnzt, iſt ſchwaͤrzlich. Druͤckt man ſie;
So faͤhrt ſie allezeit
Geſchwind heraus, und zieht ſich ohne Muͤh
Faſt in dem Augenblick
Von ſelbſten wiederum zuruͤck.
Der liebliche Geruch, den ſie ſtets von ſich blies,
War angenem und ſuͤß,
Und ſchien den lieblichen Violen faſt zu gleichen;
Doch muſten ſie ihr noch an Anmut weichen.
Jhr gruͤnes Kraut iſt lieblich von Figur,
Man364Man ſieht, wie die Natur
Mit einem neuen Bildungs-Spiele
Auf jedem langen Stiele
Ein rundes Blat
Jn neun ſanft ausgehoͤl’ten Spitzen
Sehr ordentlich geteilt. Wenn es geregnet hat,
Sieht man daraus nicht ohn Vergnuͤgen
Die runden Tropfen lieblich blitzen,
Teils rollen und teils ſtille liegen,
Die, wenn ſie ſich zum Mittel-Puncte ſenken,
Vermutlich ſich und ihre Bluhme traͤnken.
Ach moͤgt ich doch das Gold der African’ſchen Bluhm
Mehr, als man es bishero ſchaͤtzet, ſchaͤtzen!
HErr, laß mich doch an ihr zu Deinem Ruhm,
Wenn ich ſie ſehe, mich ergetzen.
Ach laß der Ritter-Sporn Geruch, Form, Farb und Schein
Mir einen Sporn zugleich zu froher Andacht ſeyn!
Die365

Die Sonnen-Bluhme.

Auf, auf, mein Herz, auf, auf! betrachte, GOtt zum Ruhme,
Das Majeſtaͤtiſche Gewaͤchs, die Sonnen-Bluhme,
Die, wenn man ſie mit ernſtem Blick beſieht,
Jn ſolcher Pracht, in ſolchem Schimmer bluͤht,
Daß, wenn man ſie nach Wuͤrden ehren wollte,
Man ſie die Kaiſerinn der Bluhmen heiſſen ſollte.
Sie ſitzt nicht nur auf einem hohen Throne;
Sie prangt nicht nur mit einer guͤld’nen Crone;
Sie unterſcheidet ſich nicht durch die Groͤſſe nur:
Ganz ungemein iſt die vortreffliche Figur.
Sie traͤg’t das Bild von aller Bluhmen Wonne,
Ernaͤhr - und Zeugerinn, Glanz, Sel und Licht, der Sonne.
Wenn man die Zeit bedenket,
Jn welcher ſie erſcheint; ſo iſt es eben die,
Da ſich die Sonn, ihr Urbild, von uns lenket.
Es ſcheint daher, als wenn die Sonne ſelbſt durch ſie
Sich ein Gedaͤchtniß ſtiften wolle,
Damit man, was ihr Wunder-Licht
Zur Sommer-Zeit bey uns verricht’t,
So ſchleunig nicht vergeſſen ſolle.
Ach ſaͤh doch jedermann
Alſo die Sonnen-Bluhmen an!
Man wuͤrde wahrlich ſich beſtreben,
Fuͤr die empfang’ne Huld den Schoͤpfer zu erheben,
Voll Hoffnung, unſer GOTT werd uns die Gnade geben,
Den Sommer wiederum mit Freuden zu erleben.
Man heiſſt die Bluhme Sonnen-Wende;
Man366Man ſieht ſie auch meiſt gegen Mittag ſtehn.
Ach moͤgt auch ich von dieſer Bluhme lernen,
Und ſtets nach GOTT, dem Licht und Born der Sternen,
Der aller Sonnen Sonne, ſehn!
Mein Herz, ſey immer dazu fertig!
Es iſt die Sonn allgegenwaͤrtig,
Man brauchet nicht, ſich nach ihr hin zu drehn.
Kein Menſch, der wie ein Menſch gedenkt, kann ſonder
Freude
Das zierliche Gewaͤchs, das kuͤnſtliche Gebaͤude
Von dieſer Wunder-Pflanze ſehn.
Der ſtarre Fuß gleicht eines Baumes Stamm,
Die gruͤne Rinde deckt ein rechtes Holz. Voll Roͤren
Jſt das Schnee-weiſſe Mark, und loͤchricht, wie ein Schwam̃.
Ein groſſes, Herzen-formigs Blatt,
Das nicht, wie and’re Blaͤtter, glatt,
Nein, das zuſammt dem Stiel mit Zaͤſerchen umringt;
Bedeckt den Urſprung von den Zweigen,
An deren Spitzen ſich die gelben Bluhmen zeigen
Auf einer gruͤnen Bluhm, aus der das Gold entſpringt,
So unſer Aug ergetzt.
Die Bluhme ſelbſt ſieht aus, wie wir die Sonne mahlen.
Jhr Leib iſt rund, wie ſie; es gleichen guͤld’nen Stralen
Der gelben Blaͤtter nette Spitzen,
Die rings um ihren Coͤrper blitzen,
Der meiſtens gelb, oft aber, wann er reift,
Und ſich das kleine Heer der braunen Bluhmen haͤuft,
Das ihn zuletzt bedeckt; dem Purpur aͤhnlich ſiehet.
Schau, wie in dieſer Dunkelheit,
Als wie durch ein Gewoͤlk, in holder Zierlichkeit
Und einem mehr als guͤld’nen Glanz,
Ein rechter Stralen-reicher Kranz
Von kleinen Sternen bluͤht und gluͤhet!
Seh367
Seh ich der Sonnen-Bluhme Pracht,
Und in derſelbigen ſolch eine Sternen-Menge;
So denk ich an das ſchimmernde Gepraͤnge
Des funkelnden Geſtirns in einer heitern Nacht:
Da nemlich (wie wir es nicht leugnen koͤnnen)
Jn dem unendlich tief - und weiten Abgrunds-Thal
Viel helle Sonnen ohne Zahl
Jn unerloſch’nem Schimmer brennen:
Und wie wir ſolche Sterne nennen;
So ſieht die Sonnen-Bluhm auch Sternen-foͤrmig aus,
Ja, wie die Sterne dort verſchied’ner Groͤſſe ſeyn,
So trifft auch dieß bey Sonnen-Bluhmen ein,
Jndem wir einige bey ihnen
Jn angenemen, holden, gruͤnen,
So wie wir dort in blauen Gruͤnden
Von dritter, anderer und erſter Groͤſſe finden.
Ach moͤgt ich doch durch dieſes Sternen-Bild
Mein Sinnen oft in jene Tiefe ſenken,
Und an die Majeſtaͤt gedenken,
So die unendlich tiefe Gruft
Der unergruͤndlich-weiten Luft
Mit hundert tauſend Sonnen fuͤllt,
Und welche Millionen Erden
Daß ſie von ihrem Licht erwaͤrmt belebet werden,
Durch bloſſes Wollen macht!
Vor dieſem hellen Glanz und wunderbarer Pracht
Des undurchdringlichen ſelbſt-ſtaͤndig ew’gen Lichts
Wird meine Sel im Denken ganz zu Nichts.
Ach laß doch, groſſes All, zu Deinem Ruhm allein
Auf ſolche Weiſ in Dir mich oft vernichtigt ſeyn!
Die368

Die Malva.

Des Himmels kalter Scorpion,
Ein Feind von ſchoͤn belaubten Zweigen,
Fing ſeinen ſcharfen Stachel ſchon
So Bluhm-als Baͤumen an zu zeigen.
Er ſtach die gelb-gefaͤrbten Blaͤtter
Von ihrem vorigen beliebten Sitz herab,
Und ſenkte ſie ins finſt’re Grab;
Als ich, bey aufgeklaͤr’tem Wetter,
Derſelben bunten Reſt beſah:
Es waren mir durch ihr betruͤbtes Scheiden
Faſt ſelbſt die Thraͤnen nah.
Denn, dacht ich, alle Pracht und Schein
Wird bald verwelkt, verſchrumpft, entfaͤrbt, verfaulet ſeyn.
Jndem ich ſo voll Schwermut dachte;
Sah ich von ungefehr
Des kuͤlen Herbſtes Ehr
Jn Blaͤttern, die noch friſch und gruͤn,
Die ſchoͤne Malva, lieblich bluͤhn.
Mir ward, als ob ich recht aus tiefem Schlaf erwachte,
Wie ſie mir auf dem hohen Stiel
Noch Roſen-gleiche Bluhmen zeigte,
Wodurch ſie mir um ſo vielmehr gefiel;
Weil mir ihr praͤchtiges und friſches glaͤnzen
Nicht den vergang’nen nur, nein auch den kuͤnft’gen Lenzen
So noch, als ſchon, zugleich vor Augen ſtellte.
Die Pracht verbindet mich, geliebte Bluhme,
Dem369Dem GOTT, Der dich gemacht, zum Ruhme,
Ein Opfer meiner Luſt zu bringen,
Und deine Schoͤnheit zu beſingen.
Der Sommer pflanzt in dir, eh er von hinnen ſchiede,
Zum Schmuck des Herbſtes, noch die ſchoͤn’ſte Pyramide,
Und ſchmuͤckte ſie zuletzt mit manchem gruͤnen Strauß,
Mit manchem Bluhmen-Knopf, mit vielen Bluhmen, aus.
Wann der Egypter Ehren-Seulen,
Wovon wir ſo viel Wunder leſen,
Ein Wunder von der Kunſt geweſen;
So biſt du, ſchoͤn’ſte Bluhm, in allen deinen Teilen
Ein Wunder der Natur. Denn jene waren bloß,
Dieweil ſie ungeheuer groß,
So hoch geſchaͤtzet und beruͤhmet.
Wo aber war an ihnen was zu ſehn,
Das ſo gefaͤrbt, ſo lieblich und ſo ſchoͤn,
Als, da dich die Natur mit eig’ner Hand bebluͤhmet,
An dir, o ſchoͤne Malva, glaͤnzt?
Du biſt rings um gebluͤhmt, du biſt rings um bekraͤnzt,
Jndem von unten an bis oben zu den Spitzen
Stets Bluhm und Laub in gleichem Wechſel ſitzen.
Wenn Menſchen-Haͤnde ſie mit Fleiß gewunden,
Und Bluhmen in das Kraut gebunden;
So koͤnnten ſie unmoͤglich beſſer
Und richtiger geordnet ſeyn.
Die unterſten ſind immer groͤſſer,
Die oͤberſten hingegen klein.
Die unterſten, wenn ſie geoͤffnet ſtehen,
Sind faſt wie Roſen anzuſehen
II. Theil. A aAn.370An Farb und an Figur. Sechs Blaͤtter etwas blaß,
Wie ein Rubin-Balaß,
Umgeben die viel roͤt’re Bluhme,
Wodurch, wann hohes Rot mit einer tiefern ſpielet,
Das Menſchliche Geſicht was angenemes fuͤlet.
Ein gruͤner Knopf, von ſolcher Zierlichkeit,
Daß Kuͤnſtler, welche Knoͤpfe machen,
Zu dieſer Vollenkommenheit
Sie nicht zu bringen wiſſen,
Und ſich mit allen Handwerks-Sachen
Bey dem gewachſ’nen Knopf verkriechen muͤſſen;
Ein ſolcher Knopf ſchlieſſt erſt die jungen Bluhmen ein.
Dieſelben ſind, ſo lange ſie noch klein,
Als wie ein gruͤner Stern formiret,
Bis daß ich nach und nach an ihnen eine Ruͤnde,
Wie eine gruͤne Kugel, finde,
Die unterwaͤrts mit einem Kranz gezieret,
Und rings umher voll kleiner weiſſen Spitzen,
Wodurch das helle Gruͤn noch heller ſcheinet, ſitzen.
Dieß ſchoͤne Knoͤpfchen nun gebieret
Die holde Bluhme, die gemach
Durch lichtes Sittig-Gruͤn ihr holdes Rot uns zeiget,
Bis daß ſie nach und nach
Aus ihrer ſchoͤnen Huͤlſe ſteiget,
Der Huͤlſe, die denn alſobald
Die Sternen-foͤrmige Geſtalt,
So ſie zuerſt gehabt, aufs neue wieder krieget.
Ein jedes Knoͤpfchen hat
An einem eig’nen Stiel ein eig’nes gruͤnes Blat,
Das371Das jeden, der es ſieht, vergnuͤget,
Jndem an dieſer Ordnung bloß
Die vorgeruͤhmte Ordnung lieget.
Denn Blatt und Bluhme werden groß,
Wodurch ſich eines ſtets ſo nett aufs and’re fuͤget.
Wenn wir der Bluhmen Stoff ergruͤnden;
So werden wir bewundernd finden,
Daß alle Bluhmen, die ſo ſchoͤn,
Aus kleinen Luft - und Saft-gefuͤllten Roͤren
Und zarten Blaͤſchen bloß beſtehn.
Wer muß nicht GOttes Weiſ heit ehren,
Wenn er bedenkt,
Wie alle Bluhmen erſt umſchrenkt
Von einem kleinen Kelch, der, wenn ſie jung und zart,
Sie vor der aͤuſſern Luft verwahrt,
Ja ihnen noch hernachmals weiter nuͤtzet,
Da er nicht nur die Blaͤtter unterſtuͤtzet,
Sie noch dazu in netter Ordnung haͤlt,
Daß nicht ein jedes Blat, gedruͤckt von eig’ner Buͤrde,
Verwirret hin und wieder faͤllt,
Wie ſonſt gewiß geſchehen wuͤrde.
Man ſiehet einige von der Beſchaffenheit,
Als nemlich Lilien und Tulpen, ſich zwar trennen,
Die durch der Blaͤtter Steifigkeit
Sich ſelber ſtuͤtzen koͤnnen.
Drum zeigt uns dieß aufs neue, GOtt zum Preiſe,
Jn der Veraͤnd’rung an,
Daß GOTT auf mehr als eine Weiſe
Die Bluhmen herrlich ſchmuͤcken kann.
A a 2Nun372
Nun laſſet uns, wie lieblich und wie ſchoͤn
Die Bluhme ſelbſt, beſehn!
Der roten Blaͤtter nette Falten,
Die in ſo vielerley Geſtalten
Sich lieblich lenken, drehn und biegen,
Vermehren, durch die Form und Farbe, mein Vergnuͤgen.
Denn da durch ſo viel Tief - und Hoͤhen
Das auf den Coͤrpern nur, ſonſt nicht, ſichtbare Licht
Sich ſo verſchiedlich bricht;
Sind tauſend Ahrten rot zu ſehen,
Wodurch mit ungezaͤl’tem Haufen
Viel Silber-weiſſe Adern laufen,
Die in dem aͤuſſern Blat ſo artig ſich verbinden,
Daß wir dadurch an jedes Blates Fuß
Ein gleichſam ſilbernes Gefaͤß mit Cirkeln finden.
Damit ſich die Natur
Zu unſ’rer groͤſſern Luſt noch guͤtiger erwieſe,
Und man um deſto mehr den Schoͤpfer prieſe;
So faͤrbt ſie dieß Gewaͤchs nicht nur
Mit Roſen-roter Farb allein:
Sie faͤrbt verſchied’ne weiß, verſchied’ne rot, wie Blut,
Verſchied’ne gelblich rot. Jn einer dunk’len Gluht
Stehn einige, wenn die dem Purpur aͤhnlich ſeyn.
Jhr fel’t zwar der Geruch; doch hat in Arzeneyen
Man ihrer ſich gar ſehr zu freuen.
Jhr fettes Oel verſuͤſſet, lindert,
Beſaͤnftigt, heil’t, vermindert,
Und ſtillt den heiſſen Brand,
Der oͤfters im Gebluͤt, im Halſ und an der Zungen
Mit373Mit groſſer Pein nimmt uͤberhand.
Ach GOtt! Du Schoͤpfer aller Dinge,
Gieb doch, daß dieſe ſchoͤne Bluhme,
Zu Deinem Ruhme,
Jn meiner Sele Fruͤchte bringe!
Laß meines Herzens Acker nicht
Noch haͤrter, als ein Stein,
Dem Samen Deiner Werke ſeyn,
Der allenthalben durch’s Geſicht,
Ja nicht durchs Aug allein, auch durch’s Gehoͤr
Und and’re Sinne mehr,
Jn uns geſaͤet wird! Laß dieſen ſchoͤnen Samen,
Zum Ruhm von Deinem groſſen Namen,
Bey mir verwahret ſeyn und aufgehoben,
Als wie in einer guten Erden!
Ach laß mich Dich in meiner Luſt
Mit inn’rer Regung meiner Bruſt,
Abſonderlich, wenn ich die Malva ſehe, loben!
Laß ihrer Pyramid erhab’ne Zier
Jn meiner Bruſt ſowol als auf der Erden,
O groſſes All, allmaͤcht’ger Schoͤpfer, Dir
Zu einer Ehren-Saͤule werden!
A a 3Die374

Die Qvitte.

Kaum tritt der kuͤle Herbſt mit Segen-reichen Schritten,
Gekroͤn’t mit reifem Obſt, in Feld und Garten ein;
So brech ich insgemein
Mit meinen Kindern reife Qvitten.
Sie pflegen ſich
Dabey recht inniglich zu freuen.
Sie ſtellen ſich geſchwind in einer langen Reyhen.
Und zwar gemeiniglich
Mein Hans, mein zweyter Sohn, voran,
Und reichen ſich die abgebroch’ne Frucht
Einander froͤhlich zu, da ſie die Mutter dann
Zuletzt in einen Korb, wenn ſie ſie ausgeſuch’t,
Und abgewiſchet, leget,
Den, wenn er voll, zuletzt der ganze Hauf
Mit einem angenem-unordentlichen Lauf,
Mit froͤhlichem Gehuͤpf und munterm Lermen traͤget.
Es bilden ſich hiebey die Kinder, die noch klein,
Und ſelbſt kaum gehen koͤnnen, ein,
Als ob auch ſie die ſchwere Laſt
Die ſie jedoch kaum angefaſſ’t,
Mit ihren zarten Fingern truͤgen.
Dieß ſah ich an mit laͤchelndem Vergnuͤgen,
Und dachte: Liebſter GOtt! die Kinder ſtellen hier
Ganz eigentlich erwachſ’ne Menſchen fuͤr.
Die Erd iſt unſer Korb, und, ob wir noch ſo klein,
So ſchwach, gering und ſchmaͤchtig ſeyn;
So bilden wir uns doch, und zwar recht ernſtlich ein,
Ob huͤlfen wir ſie mit regieren,
Da375Da wir doch nur auf ihr und kaum mit fort ſpatziren.
Denn ob wir gleich daran die ſchwachen Haͤnde ſchlagen;
So wird jedoch die ungeheure Laſt
Von ſtaͤrkern Haͤnden aufgefaſſt,
Beweg’t, regieret und getragen.
Jch bitte dich, o GOtt! mir dieſes doch zu goͤnnen,
Daß ich mag Deine Macht und meine Schwaͤche kennen!
Es lacht indeß der Qvitten ſchoͤne Frucht
Mich gleichſam an. Drum macht ich alſobald,
Nachdem ich erſt davon die ſchoͤn’ſten an Geſtalt
Und Farben ausgeſucht,
Dieſelbigen zum Vorwurf meiner Lieder,
Und ſetzte ſie auf meinem Schreib-Tiſch nieder.
Wer kann doch deine Schalen
(Rief ich gleich aus)
So ſchoͤn, beliebte Qvitte, mahlen
Jch ſag’te faſt ſo gut, verguͤlden?
Wer kann die liebliche Figur
Bald Birnen-gleich, bald Apfel-foͤrmig bilden?
Wer ſonſt, als die durch GOtt bloß wirkende Natur?
An dir iſt vielerley Bewunderns-wehrt:
Du biſt zwar glatt, jedoch auch rauch und eingehuͤllet
Jn einem weiſſen Pelz, der, wenn man d’ruͤber faͤhrt,
Der Hand nicht gerne weicht; doch ſich vermiſchen laͤſſt,
Falls man ihn ſtaͤrker druͤckt, weil er nicht gar zu feſt.
Ob dieſes zarte Har
Von auſſen an ihr kleb’t, von innen aus ihr qvillet,
Jſt noch nicht offenbar;
Doch ſieht es artig aus, daß als in weicher Seiden
A a 4Sich376Sich dieſe gelbe Fruͤchte kleiden.
Wenn jemand, welches ſonſten rar,
Auch gruͤne Bluhmen ſehen will;
Der ſtehe bey den Qvitten ſtill!
Er wird auf ihren gelben Rinden
Da, wo vorhin die weiſſ - und rote Bluͤhte war,
Ein zierlich gruͤnes Bluͤhmchen finden,
Das wie ein kleiner Stern formir’t,
Und welches mir, wenn ichs mit Anmut ſehe,
Zuweilen zur geſtirnten Hoͤhe
Die froͤhlichen Gedanken fuͤhrt.
Jch ſehe dieſe Frucht als wie ein Lehr-Bild an:
Daß, wie dem Apfel-Heer ſich ſtets ein Stern verbindet,
Man auch im Jrdiſchen was Himmliſches ſtets findet,
Aufs wenigſt immer finden kann.
Nun komm ich auf die Ahrt, wie man die Frucht ge -
nieſſet,
Die, wenn mans recht ermiſſt,
Von andern abermal ganz unterſchieden iſt;
Woraus denn die Betrachtung flieſſet:
Wer iſt, ſo der Natur Veraͤnd’rung g’nug ermeſſen,
Und g’nug bewundern kann? Menſch, uͤberleg es wol!
Man kann, wie Miſpeln faul, ſo Qvitten gar, nur eſſen;
Wobey man denn zugleich erwegen ſoll,
Wie dieſer Frucht Geſchmack ſo unterſchiedlich
Von aller andern Frucht, wie ſaͤurlich und wie niedlich,
Geſund und angenem die ed’le Qvitte ſey.
Wie wird durch ſie das Blut erfriſchet,
Wenn ſich’s erhitzet hat? Wie mancherley
Wird377Wird aus den Qvitten nicht hervor gebracht,
Wenn man zu ihnen Zucker miſchet;
Wie manche Marmelad aus ihrem Saft gemacht?
Ach GOTT, Du Brunnqvell aller Kraͤfte,
Du Schoͤpfer ſo verſchied’ner Saͤfte,
Gib, wenn ich Qvitten ſeh und eſſe,
Daß ich nicht nur Geſicht und Zung an ihnen weide;
Nein, daß ich auch mit innerlicher Freude
Dein Allmacht, Weiſ heit, Lieb, o HERR, mit Dank
ermeſſe!
A a 5Der378

Der Zahn.

Um groͤſſ’re Schmerzen zu vermeiden,
Entſchloß ich mich, daß mir ein Zahn
Der mir bishero weh gethan,
Wuͤrd ausgebrochen, zu erleiden.
Wann aber die Natur bey ſtarken Gliedern
(So ich dem Schoͤpfer nie durch Dank kann g’nug erwiedern)
Auch ſtarke Zaͤhne mir verliehn;
So ſchien es erſt, als ob, ihn auszuziehn
Der kluge Carpſer ſelbſt, der an Geſchicklichkeit
Kaum ſeines gleichen kennt, ſich etwas ſcheu’t; allein,
Weil ich darauf beſtund, war er dazu bereit.
Jch nam mir vor, die ſtrenge Pein
Ohn alles Zucken, ſonder Schrey’n
Beherzt und ſtandhaft auszuſtehen.
Er ſetzte drauf den Pelican,
Den ich vorhero wol beſehen,
Mit Kraft und Vorſicht an.
Wir hielten uns zu Anfang beyde gut:
Er brach; ich hielte feſt, noch feſter doch der Zahn.
Er knackt, ich wiche nicht. Doch endlich war mein Mut
Noch eher, als der Zahn, gebrochen.
Es riß ein graͤßliches Gekrach,
Wodurch des ganzen Hauptes Knochen
Zu ſpalten ſchien, ein kurz doch klaͤglichs Ach
Mir aus der Bruſt. Die feurig-wilde Pein,
Der bitt’re Schmerz, durchdrang ſo Fleiſch als Bein.
Dieß379Dieß ſplittert, jenes riß, jedoch, zu meinem Leide,
Kein einzigs ganz entzwey;
Der Sehnen Zaͤhigkeit band ſie noch alle beyde.
Den meiſt geloͤſ’ten Zahn ergriff der Arzt aufs neu,
Und ich, vor Unmut, Mut. Er waͤl’t aus zweyen Boͤſen
Das kleineſt, und fing an, das Zahn-Fleiſch abzuloͤſen.
Ob ich nun gleich die ſcharfen Schmerzen fuͤl’te,
Wie er mir dazumal in friſcher Wunde wuͤl’te,
Wie er das Fleiſch zerſchnitt; ſo wirkete jedoch
Der noch weit groͤſſ’re Schmerz, den, wie es ſo gekracht,
Der Bruch mir kurz vorher gemacht,
Zuſamt der Furcht, es wuͤrd annoch
Dergleichen graͤßliches Geknirſch von neuen kommen,
Daß ich die Pein des Schnitts, wie herbe ſie auch war,
Doch nicht ſo gar
Empfindlich aufgenommen.
Allein,
Mit welcher Luſt nam ich, bey aller Pein,
Den Urſprung meiner Qval, den nunmehr loſen Zahn,
Aus Carpſers blut’gen Haͤnden an!
Kaum konnte mir, ihn hin und her zu kehren,
Die Zacken anzuſehn, ein kalter Schauer wehren,
Der ploͤtzlich mich befiel. Jch leget ihn denn nieder.
Jtzt aber nem ich ihn aufs neue wieder:
Beſchaue ſeine Kron, und meſſe
Derſelben Breit und Feſtigkeit,
Beſeh der Wurzeln Staͤrk und Groͤſſe,
Betrachte die Beſchaffenheit,
Wie er im Fleiſch geſteckt,
Und380Und werde nun ſo gar
Dadurch, weil etwas Fleiſch daran geblieben war,
Wie eine Haut annoch den ganzen Knochen deckt,
Erſtaunt gewahr, woraus ganz klar erſcheinet,
Auf welche Weiſe Fleiſch und Knochen ſich vereinet.
Es zeiget mir der Reſt
Von einer Sehn, auf welche Weiſe
An dieſer zarten Haut ſo Fleiſch als Sehne feſt;
Doch geht ſie nur ſo weit, als im Gehaͤuſe
Der Zahn vorher geſteckt. Dieß ſtellt mir nun von neuen
Ein weiſes Wunder dar; es ſcheint abſonderlich
So weiſlich zugericht’t, damit die Haut nicht ſich
Verſchoͤb und nicht verletzet wuͤrd im Kaͤuen.
Noch mehr, es kann in der Natur
An freyer Luft ein Knochen nicht beſtehen:
Daher wir denn, o Wunder! ſehen,
Wie eine kuͤnſtliche beſondere Glaſur,
Die ihn ſo zieret als ihm nuͤtzet,
Den Zahn von auſſen deckt und ſchuͤtzet.
Daß aus des Kiefers feſter Lade
Man Zaͤhne hebet ſonder Schade,
Und daß die Wunden, ohn Verweilen
Und fern’re Schmerzen, wieder heilen;
Jſt auch ein groſſes Gluͤck.
Je mehr ich nun auf unſ’re Zaͤhne merke,
Je mehr find ich in ihnen Wunderwerke.
Daß unſ’re vordern Zaͤhn im Munde
Die duͤnn’ſten, ſcharf und ſchneidend ſeyn;
Das hat vermutlich dieß zum Grunde,
Und381Und gibt es ſelbſt der Augen-Schein:
Damit die Speiſen deſto beſſer,
Ja gleichſam als mit einem Meſſer,
Dadurch geſchnitten werden koͤnnen.
Bewundert auch die andern ſpitzen,
Die nahe bey den erſten ſitzen,
Und die wir Hunde-Zaͤhne nennen!
Durch dieſe wird was zaͤh ereilet,
Zerdruͤckt, zermalmt, zerteilet.
Jſt dieſes noch nicht Weiſ heit g’nug;
So laſſt uns auch die Backen-Zaͤhn
Und ihre ſond’re Form beſehn!
Daß wir beqvemlich und mit Fug
Das Eſſen
Zermalen koͤnnen, reiben, preſſen;
Sind dieſe nicht nur platt und breit,
Nein, zu beſond’rer Nutzbarkeit,
Mit kleinen Tiefen und mit Hoͤh’n
Recht wunderbar verſehn.
Wenn nur allein die ſcharf - und ſpitzen Zaͤhne hinden,
Die breiten forn, im Munde ſtuͤnden;
Wie muͤhſam wuͤrd alsdann uns allen
Das itzt ſo leichte Kaͤuen fallen!
Bewund’re doch, o Menſch, dieß Wunder! ſtell es dir
Dem Schoͤpfer, der’s gemacht, zum Ruhm doch oͤfters fuͤr!
Bey jedem Biſſen freu dich Seiner Guͤte,
Und weilen Er fuͤr das, was Er beſcher’t,
Nichts als ein froͤhlichs Herz begehrt,
So opfer Jhm ein dankbares Gemuͤte!
Noch382

Noch einige Betrachtungen der Sonne.

Ein groſſes Gedicht von der Sonne findet ſich im vorigen Theile p. 107.
1.
Unſers Himmels ſchoͤn’ſte Stelle,
Groſſer Mittels-Punct des Licht’s,
Farben-Vater, Freuden-Qvelle,
Geiſt und Sele des Geſicht’s!
Billig ſollte keiner leben,
Der in dir nicht GOTT erheben,
Und des Schoͤpfers Macht und Ehr
Stets zu ruͤhmen ſchuldig waͤr.
2.
Alle Dinge, die auf Erden
Unſern Augen lieblich ſeyn,
Und von uns bewundert werden,
Haben immer einen Schein,
Wodurch auf den aͤuſſern Grenzen
Sie gezieret ſind und glaͤnzen,
Und ein Schein iſt anders nichts,
Als ein Bild des Sonnen-Licht’s.
3. Sprich:383
3.
Sprich: wie kommts, daß in dem Gruͤnen
Alle Tropfen Thau ſo ſchoͤn?
Daher kommts, daß wir in ihnen
Kleine Sonnen-Bilder ſehn,
Daß ſie, wenn ſie dieß beſtralet,
Sich in allen Tropfen malet.
Bloß durch ihr ſo herrlich Bild
Wird das Herz mit Luſt erfuͤllt.
4.
Daß ein Demant, daß Kryſtallen,
Kurz: die Coͤrper, welche glatt,
Uns empfindlicher gefallen,
Als die, welche rauh und matt,
Macht, daß auf den aͤuſſern Grenzen
Kleine Lichtes-Teile glaͤnzen,
Die daſelbſt ſo ſchoͤn zu ſehn,
Weil ſie ploͤtzlich ruͤckwaͤrts gehn.
5.
Gold und andere Metallen,
Ja auch eine ſchoͤne Haut
Wuͤrden weniger gefallen,
Und ſo gerne nicht geſchau’t,
Wenn nicht ihre klare Glaͤtte
Geichſam einen Spiegel haͤtte,
Worin unſ’rer Sonnen Licht
Angenem ſich teilt und bricht.
6. Der384
6.
Der erhab’nen Berge Spitzen
Faͤrbt und ſchmuͤckt dein fruͤher Stral.
Dein nicht unterbroch’nes Blitzen
Fuͤllt des Mittags Berg und Tal.
Du verherrlicheſt die Felder,
Du erleuchteſt unſ’re Waͤlder;
Deiner warmen Stralen Gluht
Ueberguͤldet Meer und Flut.
7.
Kurz: Es kann auf dieſer Erden
Nichts ſo groß und nichts ſo klein
Jrgendwo gefunden werden;
Es empfindet deinen Schein.
Ja, was in den Meeres-Schluͤnden,
Und den allertiefſten Gruͤnden
Die Natur erzeugt und ſchafft,
Fuͤl’t die Wirkung deiner Kraft.
8.
Wenn der Schoͤpfer dieſer Erde
Tauſend Erden noch aus nichts
Machte durch ein neu: Es werde;
Jſt der Reichtum deines Lichts,
Und dein unerſchoͤpflichs Glaͤnzen
Doch ſo groß und ſonder Grenzen,
Daß ſie bloß durch deinen Schein
Koͤnnten all erleuchtet ſeyn.
9. Denn385
9.
Denn von deines Lichtes Schaͤtzen,
Und wie weit die Stralen gehn,
Kann man, faſt nicht ohn Entſetzen,
Proben, die unleugbar, ſehn.
Wenn wir mit geſchaͤrftem Denken
Unſ’re ſtumpfen Blicke ſenken
Jn die unergruͤnd’te Gruft
Der uneingeſchraͤnkten Luft;
10.
Finden ſie ſolch eine Weite,
Worin gar kein Gegen-Stand,
Wie ein Welt-Meer, deſſen Breite
Sonder Ufer, ohne Strand.
Die darin verwirrten Blicke
Ziehn ſich in ſich ſelbſt zuruͤcke,
Und geſtehn im uͤbergehn,
Daß ſie was unendlichs ſehn.
11.
Doch dringt durch den Raum der Luͤfte
Und des Abgrunds fernes Thal,
Wie durch alle dunk’le Gruͤfte,
Jhres Lichtes Wunder-Stral.
Nun betrachtet dieſe Ferne,
Da ſie ſo entleg’ne Sterne
Heiter macht durch ihren Schein;
Wie ſo lang ihr Stral muß ſeyn!
II. Theil. B b12. Wenn386
12.
Wenn ich unſ’rer Sonnen Groͤſſe,
Jm Vergleich mit dieſer Welt,
Nach der Stern - und Meß-Kunſt meſſe,
Die man nicht fuͤr trieglich haͤlt;
Wirkt ſolch denken, rechnen, ſchauen
So ein Anmuts-volles grauen,
Daß ich ob dem, was ich ſpuͤr,
Jn mir ſelbſt mich ganz verlier.
13.
Wenn wir unſ’ren Erd-Kreis teilen;
So iſt ſeine Flaͤch und Schoß
Viele Millionen Meilen
Jm Bezirk und Durchſchnitt groß;
Und der Sonnen Groͤſſ hingegen,
Wenn wir ſie genau erwaͤgen,
Uebertrifft noch dieſe Zal
Mehr als hundert tauſend mal.
14.
Wenn wir uns an ihren Schaͤtzen,
Die durch ſie der Schoͤpfer ſchickt,
GOtt zu Ehren, uns ergetzen,
Wird Gemuͤt und Leib erqvickt:
Aber wenn wir, ſie zu ſehen,
Unſer freches Aug erhoͤhen;
Prall’ts, wie unſers Geiſtes Blick
Von der Gottheit, blind zuruͤck.
15. An387
15.
An dem Himmel, auf der Erden,
Jn den Cirkeln der Natur,
Kann nicht angetroffen werden
Eines ſchoͤnern Coͤrpers Spur,
Worin unſers Schoͤpfers Weſen
Jn ſo groſſer Schrift zu leſen,
Die von GOttes Groͤſſ und Pracht
Einen groͤſſern Eindruck macht.
16.
Jch bin meiner ſelbſt nicht Meiſter,
Wenn mein ehrend Aug ſie ſieht.
Meine Sinne, meine Geiſter,
Witz, Gedanken und Gemuͤt
Werden, wenn ſie ſie erblicket,
Gleichſam aus mir weggeruͤcket,
Und in ihren hellen Schein
Senk’t ſich ſelbſt die Sel hinein.
17.
Da ſie denn in ſtillen Freuden
Von dem Vorurteil der Welt
Allgemaͤlich ſuch’t zu ſcheiden,
Und nicht fuͤr unmoͤglich haͤlt,
Daß die wunderbare Stelle
Dieſer Lichts - und Lebens-Qvelle
Und derſelben Wunder-Schein
Nicht was Goͤttlichs koͤnne ſeyn.
B b 218. Spraͤ -388
18.
Spraͤche man hiewider: nimmer!
Dieß iſt faͤlſchlich offenbar.
Denn, wie herrlich gleich ihr Schimmer,
Wie belebend, hell und klar;
Hat dennoch derſelben Glaͤnzen
Endlich Maſſe, Ziel und Grenzen,
Da wir (wie du muſt geſtehn)
Jhres Coͤrpers Grenzen ſehn;
19.
So erlaub’t mir dieſe Worte:
Es iſt wahr, der Sonnen Reich
Stral’t nur bloß an einem Orte,
Scheint nur einer Kugel gleich:
Doch wie, wenn es nur ſo ſchiene,
Wenn des Firmamentes Buͤhne
Etwan auf der Stelle mehr
Als wo ſonſten offen waͤr?
20.
Koͤnnen wir den Sinnen trauen,
Die nicht unbetrieglich ſeyn?
Koͤnnen wir mit Recht wol bauen
Auf den bloſſen Augen-Schein,
Der uns faͤlſchlich hintergehet?
Deucht uns nicht, die Erde ſtehet?
Da doch bloß der Sonnen Gluht,
Und die Erde nimmer, ruht.
21. Recht389
21.
Recht wie wenn ein helles Zimmer,
Welches man mit Boy bedeckt,
Alsbald einen ſchnellen Schimmer
Durch die klein’ſte Oeffnung ſtreckt,
Und man glaubte, dieſe Stelle
Sey allein des Lichtes Qvelle,
Jrr’te man ſich dennoch ſehr,
Weil’s die Gluht des Zimmers waͤr.
22.
Koͤnnte hinter dieſen Decken,
Die kein Augen-Stral durchbricht,
Nicht ein Meer von Stralen ſtecken,
Ein unendlich Reich von Licht,
Das in ſtillen Heiterkeiten
Ewiger Vollkommenheiten
Unergruͤndlich, unbegraͤnzt,
Ewig, unveraͤndert glaͤnzt?
23.
Denn weil ird’ſcher Coͤrper Augen
Solchen Sitz der Gottheit ganz
Nimmer zu ertragen taugen;
Hat vielleicht GOtt Seinen Glanz
Jn das dichte Kleid der Feſten,
Bloß zu der Geſchoͤpfe beſten,
Jn gelind - und ſanfterm Grad
Eingehuͤllt aus lauter Gnad?
B b 324. Alſo390
24.
Alſo daß man an dem Orte,
Wo der Glanz der Sonne gluͤh’t,
Gleichſam als durch eine Pforte
Einen Punct des Licht’s nur ſieht,
Das unendlich, unzertrennlich,
Undurchdringlich, unverbrennlich
Um den Thron des Schoͤpfers flamm’t,
Woraus alles alles ſtamm’t.
25.
Wann ein Punct nur ſo viel Erden,
Als man itzt Planeten kennt,
Fruchtbar, hell und warm laͤſſt werden;
Wann dieſelbe Flamme brennt
Jn viel tauſend feſten Sternen;
Kann man voller Ehrfurcht lernen,
Wie ſo herrlich dieſer Schein
Da, woſelbſt er ganz, muß ſeyn.
26.
Da, woſelbſt ohn alle Grenzen
Ein unendlich Stralen-Heer
(Deſſen unbeſchreiblichs Glaͤnzen
Wie ein helles Flammen-Meer
Aus des Schoͤpfers Einfluß qvillet)
Aller Himmel Himmel fuͤllet,
Das wie Gold, wenn’s ſchmelzet, blickt,
Das kein Aug zu ſehn geſchickt.
27. Man391
27.
Man muß GOtt in dir erheben.
Denn es ſtroͤmet auf einmal
Wonne, Waͤrme, Licht und Leben
Wuͤrklich aus der Sonne Stral.
Ja es ſchein’t dein Wunder-Weſen
Eigentlich dazu erleſen,
Daß uns von des Schoͤpfers Macht
Sey was groſſes beygebracht.
B b 4Die392

Die ſchnelle Veraͤnderung.

Es war bereits im Herbſt, als mich ein heit’rer Morgen,
Nachdem der Schatten Heer ſich Weſten-waͤrts ge -
borgen,
An meines Zimmers Fenſter trieb;
Jch oͤffnet es mit meiner rechten Hand,
Und meine linke rieb
Mein noch halb-ſchlaͤfrig Aug; allein
Wie bald vertrieb der helle Schein,
Der Waſſer, Luft und Erde fuͤllte,
Des Schlummers Reſt, der meinen Blick verhuͤllte!
Es hatte, nebſt dem Thau, ein ſtarker Nebel-Duft
Aus der dadurch verklaͤr’ten Luft
Sich auf die Erd herab geſenket,
Und nicht nur Kraͤuter, Stauden, Gras,
Nein auch der Baͤume Haupt, getraͤnket.
Faſt alle Blaͤtter waren naß,
Und glaͤnzten durch den Sonnen-Schein,
Jn ſolcher Wunder-ſchoͤnen Pracht,
Daß alles, was man ſah, in heit’rer Wonne lacht.
Jhr Schimmer war faſt allgemein.
Nie hab ich auf der Welt ſolch einen Glanz verſpuͤret,
Und niemals iſt mein Geiſt empfindlicher geruͤret.
Es ſchien itzt die Natur der Baͤume gruͤnen Kraͤnzen,
Damit ſie noch viel ſchoͤner glaͤnzen,
Und unſer Aug ergetzen moͤgten,
Viel393Viel bunte Bluhmen einzuflechten.
Auf vielen Blaͤttern prangt ein gruͤn mit gelb gemengt;
Viel andre waren gelb mit gruͤn und rot beſprengt;
Verſchied’ne Baͤume ſtunden ganz
Jm gelben teils, und teils im roten Glanz:
Von denen wiederum verſchied’ne durch den Schatten,
Verſchied’ne durch das Licht, vertiefet und erhoͤht,
Jn bunter Harmonie ein herrlichs Anſehn hatten.
Ein jeder Baum ſchien lauter Diamanten
Auf jedem Blat hervor zu bringen,
Und reg’te ſich die Luft; ſo ſchien es, daß Brilljanten
Voll Schimmer, Gluht und Glanz an allen Blaͤttern hingen,
Jndem ihr gelb und rot, wodurch der Herbſt ſie ſchmuͤckte,
Sich in die glatten Tropfen druͤckte,
Die denn, da ſie den bunten Eindruck fuͤl’ten,
Noch deſto lieblicher und ſchoͤner ſpielten.
Die ganze Landſchaft ſchien durch dieſen bunten Schein,
Wodurch der Sonnen Licht, als allgemein,
Sich noch vermehrete, noch heller ſtral’te;
Nichts irdiſches, was himmliſches zu ſeyn.
Jndem ich nun voll Freuden ſtand,
Und alle Herrlichkeit, vor Luſt erſtaunt, beſahe;
Ach hoͤret, was mir da geſchahe,
Was ich verwunderlichs empfand!
Jn einem Augenblick verſchwand
Licht, Himmel, Sonne, Waſſer, Land.
Ein unvermutete Pech-ſchwarze Dunkelheit
Verſchlang das reine Licht,
Begrub des Himmels Pracht,
B b 5Ver -394Vernichtigte vor mir
Der ganzen Erde ganze Zier,
Ja raubte gleichſam mich mir ſelbſt, ich fand mich nicht.
Hier deucht mich, hoͤr ich dich, mein Leſer, fragen:
Wie ging denn dieſes zu? Jch will dir’s ſagen.
Der ſchnelle Wechſel-Sprung zur Finſterniß vom Licht,
Vom Schmuck der Welt zu Nichts, entſtand daher,
Weil ich mein Augen-Lied ein wenig mehr
Geſchloſſen hielt, als insgemein geſchicht;
Und bloß dadurch allein
Verging fuͤr mich die Welt, verſchwand des Himmels Schein.
Ob dieß nun gleich von mir viel tauſendmal geſchehen;
So hatt ich doch, weil ich noch nie daran gedacht,
Es wuͤrklich auch noch nie geſehen:
Nun aber nam ich es in acht.
Jch wiederhol’te dieß verſchied’ne male wieder,
Und fand, daß allemal der Schluß der Augen-Lieder
Mich ſtuͤrzt in eine finſt’re Nacht.
Mein GOtt! rief ich ſo gleich, iſt dieſes wol zu glauben?
Vermag ein wenig Haut
Mir, was Dein Allmachts-Hand gebaut,
Des Himmels Licht, der Erden Pracht zu rauben?
Vermag ſie mich von Millionen Freuden,
Ja gleichſam ſelber von der Welt,
Von aller Pracht, ſo ſie enthaͤlt,
Und zwar ſo Wunder-ſchnell, zu ſcheiden?
Nachdem ich mich hierob ein wenig noch beſann;
Fing ich beſtuͤrzt von neuen an:
Ach wie ſo ſchwach, wie ſo geringe
Jſt395Jſt der Zuſammenhalt der Dinge,
Wodurch ich an der Erde feſt,
Und waͤren ſie auch noch ſo ſehr mein eigen!
Wie ſchnell, was irdiſch, mich verlaͤſſt;
Kann jeder Augenblick mir zeigen.
Allein
Bey dieſem Kummer fiel mir etwas anders ein:
Jch ſchlieſſe ja die Augen-Lieder
Nicht ſtetig zu, ich oͤffne ſie auch wieder.
Will ich denn bloß an eines denken?
Will ich denn bloß allein den Sinn
Auf das, ſo mir verdrießlich ſcheinet, lenken?
Warum erweg ich nicht,
Daß alles das, was meiner Augen Schluß
Mir raubt, die Oeffnung mir ja wieder geben muß?
Es uͤberkommt ja mein Geſicht,
Jndem ſichs ſchlieſſet, neue Staͤrke.
Erweg es, liebſter Menſch, und ſchau des Schoͤpfers Werke,
Mit neuer Froͤhlichkeit, bey jeder Oeffnung an!
Je mehr ich in der Augen Schluß
Und ihren Oeffnungen erwege
Die Ordnung der Natur;
Je mehr ich es bewundern muß:
Denn da der Menſchen Lebens-Zeit
Ohn all Empfindlichkeit
Ganz unvermerkt von hinnen eilet;
So ſcheinet es, daß jeder Augenblick
Recht ordentlich dieſelbe teilet,
Und ſo zu ſagen uns ein wahres Stuͤck
Von396Von unſ’rer Dauer zeiget.
Ach ſey derhalben doch bereit,
Die Teile deiner fluͤcht’gen Zeit,
Geliebter Menſch, wol anzuwenden!
Ach ſey bereit,
Dasjenige mit Freuden zu vollenden,
Weßhalben die Natur mit ſolcher Muͤh
Dich ſinnlich macht!
Ach unterſcheide dich doch von dem Vieh!
Beſchau die Wunder-reiche Pracht
Der Goͤttlichen Geſchoͤpf in allen Dingen!
Hieraus wird dir
Nicht dorten nur, ach nein ſchon hier,
Bey jedem Augenblick ein neues Gluͤck entſpringen.
Noch mehr: ſo gar im Schluß der Augen ſtecket
Ein ſonderbarer Troſt fuͤr dich,
Der ſich
Aufs kuͤnftige zugleich erſtrecket;
Jndem ja bey geſchloſſ’nen Augen
Die Selen ungeſtoͤr’t von innen
Viel ſchaͤrfer nachzuſinnen,
Und ihre Kraft auf Den zu lenken taugen,
Deß ewig-ſtete Pracht kein Sterblicher ermiſſt,
Der Alles und nicht ſichtbar iſt.
Was werden wir denn nicht fuͤr ſtille Luſt genieſſen,
Wenn ſich die ird’ſchen Augen ſchlieſſen,
Und vom Vergaͤnglichen ſich trennen!
Wie ſanſte wird in GOtt die Sele ſich verſenken?
Was wird ſie herrliches von Jhm gedenken,
Und397Und welche Seligkeit in GOtt verſpuͤren koͤnnen,
Wenn ſie, nicht eingeſpaͤrrt, wie itzt, da ſie annoch
Des dichten Leibes ſchweres Joch
Des Coͤrpers finſt’rer Kerker druͤcket:
Der ew’gen Sonne ſel’gen Glanz,
Nicht durch die Augen nur, nein ganz
Jn ewig-ſel’ger Luſt erblicket.
Ach GOTT! unendlichs ewigs All!
Selbſtſtaͤndig-ſelige Vollkommenheit,
Gib, daß, ſo lang ich hier mein Auge ruͤhre,
Jch Dich, verhuͤllt in ird’ſcher Herrlichkeit,
Mit Andachts-voller Luſt verſpuͤre,
Bis daß dereinſten dort in den geſtirnten Hoͤhen
Jch Deine Majeſtaͤt mag ungehindert ſehen,
Und bloß an Dir in ewig-ſel’gen Freuden
Ganz ungeſtoͤr’t ſo Sel als Augen weiden!
Noch398

Noch andere Herbſt-Betrachtungen.

Durch aller Farben Unterſcheid,
Worin itzt Buſch und Wald in buntem Schimmer ſtehet,
Verſchoͤnert ſich annoch der Erde ſchoͤnes Kleid.
Durch’s gruͤne wird dort gelb, da gruͤn durch gelb erhoͤhet,
Und hier und dort miſcht ſich ein roter Schein,
Der dunkel bald, bald hell, oft zwiſchen beiden ein,
Die gleichfalls alle beid hier hell, dort dunkel ſeyn.
Wie bunt ſie nun gefaͤrb’t; jedennoch ſtehen ſie,
Wenn man ihr ganzes ſieht, in ſanfter Harmonie.
Die Blaͤtter, die von Zweigen abgeſtreift,
Sind, unter Baͤumen aufgehaͤuft,
An vielen Orten ſchoͤn zu ſehen.
Die ſcheinen nun, indem wir durch ſie gehen,
Als wenn ſie unſern Schritt uns hemmen wollten,
Damit wir ſie zuletzt noch einſt beſchauen ſollten.
Es ſchien ihr raſchelndes und lautes Ziſchen
Mich gleichfalls dazu anzufriſchen.
Zuweilen ſpielt ein ſanfter Wirbel-Wind
Mit Blaͤttern, die ſchon trocken ſind;
Da durch ihr rollen denn und durch ihr fluͤchtig drehen,
Womit ſie durch einander gehen,
So vielerley Veraͤnd’rungen entſtehen,
Daß es ein achtſam Aug ergetzet und vergnuͤg’t.
Schau, wie der Blaͤtter Schnee dort in den Luͤften fliegt!
Die Schoͤnheit, die ein jedes Blaͤtchen heg’t,
Ver -399Vergnuͤg’te mich ſo ſehr, daß ich verſchied’ne nam,
Und zwiſchen zwey papir’nen Blaͤttern leg’te,
Woſelbſt, von aller Luft und Feuchtigkeit befreit,
Sie Form und Farben lange Zeit
Ohn Aenderung behielten;
Da ſie denn oftmals mein Geſicht
Vergnuͤg’ten, wenn zumal beym Licht
Deſſelben Stralen durch ſie ſpielten:
Doch reichet nichts an ihren Schimmer,
Wenn man dergleichen bunte Blaͤtter,
Bey heiterm Wetter,
Ans Fenſter kleb’t von einem Zimmer,
Das von der Sonnen Licht beſtral’t wird. Dann entdecket
Sich nicht allein der Schmuck, der in denſelben ſtecket;
Der Adern bunte Meng und zierliches Gewebe,
Die Farben, brennen recht. Man kann mit tauſend Freuden
An ihrer bunten Gluht Geſicht und Sele weiden.
Verſuch es einer nur! Er wird geſtehn,
Daß auf der Welt faſt nichts ſo ſchoͤn.
Es wird kein Gold ſo zart, ſo rein,
Wie kuͤnſtlich man’s auch ſpinn’t, geſponnen,
Als wie vom gelben Laub im hellen Stral der Sonnen
Die zarteſten durchſicht’gen Adern ſeyn,
Die, wenn wir ſie mit Achtſamkeit beſehen,
Recht lieblich durch einander gehen;
So daß es kein Verſtand, kein Fleiß
So zierlich nachzuweben weiß.
Man kann, wie ich es denn probiret,
Da ein Verſuch uns immer weiter fuͤhret,
Die400Die Blaͤtter nach der Groͤſſ und nach den Farben kleben,
Um ihren Schmuck dadurch noch hoͤher zu erheben:
Da denn (was ſonderlich) ſie Farben und Geſtalten
Am Fenſter lange Zeit behalten,
Wodurch der Sonne lichte Gluht
Und mehr als Firniß-gleicher Schimmer
Schoͤn bunt gefaͤrbt im ganzen Zimmer
Beſond’re Wirkung thut.
Man ſah ſchon hier und dort, wie ſtatt des vor’gen gruͤnen
Die Zweig im neuen Schmuck erſchienen.
Ein ſaftig dunkel-rot, ein braun, ſo gleichfalls ſchoͤn,
War, angenem vermiſcht, ſchon hier und da zu ſehn;
Durch deren friſche Dunkelheit
Der gelben Blaͤtter Lieblichkeit,
Die hier und dort noch manchen Aſt bekraͤnzet,
Erhoben noch viel ſchoͤner glaͤnzet.
Es ſchein’t, als waͤr im Herbſt das Jahr nunmehr
Jn einer ſanften Zier, von Fruͤchten ſchwer,
Zu ſeinem reifen Alter kommen.
Ach, daß zu meinem auch und meines Naͤchſten Frommen
Mir dieß doch ein Exempel waͤr!
Soll ich, nach Deinem Raht, des Lebens Herbſt erleben;
So laß mich, HERR, ein Beyſpiel auch
Von einem nuͤtzlichen und ſchoͤnen Alter geben!
Ein401

Ein neblichtes und ſchlackriges Wetter.

Jeſaiæ L, 3. GOtt kleider den Himmel mit Dunkel, und macher ſeine Decke als einen Sack.
Weit minder aufgeraͤumt, als ich ſonſt pflag,
Begab ich mich im Herbſt, an einem truͤben Tag
Ans Fenſter, um durch deſſen Scheiben,
Jn der Veraͤnderung der Vorwuͤrf, eine Schwerde,
Die meine Sinne druͤckt, ein wenig zu vertreiben:
Allein, Verwund’rungs-voll, fand ich nicht Luft, nicht Erde.
Des Himmels ſonſt ſo heit’res Blau
Verhuͤllt ein kaltes feucht - und truͤbes Grau:
Ein Etwas, das man ſehn und doch nicht ſehen kunnt,
Hatt alles gleichſam eingeſchluckt.
Mein, ſonder Gegenſtand, verwirretes Geſicht
Ward durch den falben Duft,
Der weder ſchwarz noch weiß, und durch die ſchwere Luft,
Worin faſt gar kein Licht,
So wie die Erd und Flut, gedruckt.
Die Coͤrper ſchienen recht ein Blendwerk und ein Schein,
Ja ganz uncoͤrperlich, zu ſeyn:
Gebaͤude ſahen aus, wie ein verdickter Duft,
Ja recht wie Schloͤſſer in der Luft;
Die Wagen konnte man nicht ſehen, bloß nur hoͤren.
Ein allgemeine Daͤmmerung,
II. Theil. C cDie402Die alles ſichtbare verſchlung,
Schien ſich faſt immer zu vermehren.
Die Augen, die auf ſolche Weiſe
Zu ſehen nicht gewohnet ſind,
Die wurden truͤb und gleichſam blind.
Der Nebel ſchien (doch ſonder Wolken-Kreiſe,
Und ohne ſich im minſten zu bewegen)
Ein feuchter Rauch, er ſchien ein trock’ner Regen,
Der keine Tropfen hat, zu ſeyn.
Ein recht verdrießlichs greiſes Ein
War allgemein.
Jndem ich nun verworren ſteh,
Und etwas ſeh, und doch nicht ſeh;
Da zog der Nebel ſich ein wenig in die Hoͤh:
Wodurch ich erſt die Vorwuͤrf, welche nah,
Hernach ein wenig weiter, ſah;
Jedoch war alles braun und traurig anzuſehen.
Die ganz entblaͤtterten Alleen,
Die, wenn ſie voller Laub, wie gruͤne Waͤnde ſtehen,
Die ſchienen nun, da jeder Zweig genetzt,
Zwar Waͤnde, wie vorhin - allein
Von rauhem Torf, der ſchwarz-braun, aufgeſetzt.
Der Baͤume Staͤmme ſamt den Zweigen,
Von Duft und Regen feucht, die zeigen
Ein ſchwarz, recht wie ein Pech. Die Trauer-Farbe nam
Faſt alles ein, was mir vor Augen kam.
Es ließ, als ob die truͤben Schatten
Auf meinen Geiſt ſelbſt einen Einfluß hatten.
Die Sele ſchien das Trauren
Der403Der gleichſam weinenden Natur
Selbſt zu bedauren.
Denn alles, was man ſah, war ſchlackrig, alles naß.
Beſchmutzt, beſpruͤtzt war Kraut und Gras,
Moraſtig, ſchluͤpfrich, tief der Weg,
Unbrauchbar faſt von Glaͤtte Pfad und Steg.
Des naſſen Wand’rers Fuß bekleb’te;
Oft loͤſet er ſich kaum, wie ſehr er ſich beſtreb’te,
Dem Sumpf ſich zu entziehn.
Wie oft war ſein Bemuͤhn
Umſonſt, wenn ſein betrog’ner Schritt
Jhm glitſcht und wieder dahin glitt,
Wo er ihn kurz vorher mit Muͤh heraus gezogen?
Wodurch denn aus der Spur, von der gedraͤngten Flut,
Die, ſeit ſie ſich darin vereint, noch nicht geruht,
Viel kleine Tropfen ziſchend flogen.
Bey dieſer widrigen Geſtalt der Welt
Empfindet man jedoch ein Etwas, das uns eben
Nicht mißgefaͤllt;
Und das uns durch die Haut ſanft an die Nerven geht.
Wir finden etwas um uns ſchweben,
Zumal wenn man gedeckt am off’nen Fenſter ſteht,
Das uns, wenn wir drauf Achtung geben,
Ein ſchaudrigtes Vergnuͤgen bringet.
Noch mehr, es zeig’t ſich dem Geſicht
Selbſt in der truͤben Zeit ein Licht,
Das itzt faſt uͤberall entſpringet,
Und deſſen man auf Erden ganz und gar,
Wann’s trocken, nimmer wird gewahr.
C c 2Auf404Auf einem jeden Holz, auf einem jeden Stein
Entdeckt ſich, wenn ſie feucht, ein ſanfter Schein.
Die Pfuͤtzen, die voll Waſſer ſtehn,
Die laſſen uns das Licht noch ſtaͤrker ſehn,
Jndem ſo gar die Wagen-Gleiſ - und Lachen,
Samt jeder Fuß-Spur, ſich zu kleinen Spiegeln machen,
Worin nicht nur ein Licht in weiſſem Schimmer faͤll’t,
Nein auch manch Schatten-Bild von Haͤuſern, Straͤuchen,
Zweigen,
Die ſich recht eigentlich auf naſſen Stellen zeigen,
Jm Wider-Schein ſich uns vor Augen ſtell’t.
Jedoch iſt alles teuͤb und ungewiß
Jn einer Daͤmmerung und lichten Finſterniß.
Jndem ich nun des Nebels duftig Grau,
Womit die Luft annoch erfuͤllet war, beſchau;
Gedenk ich hin und her, und endlich faͤllt mir ein,
Was fuͤr ein heller Wunder-Schein
Doch hinter dieſem Nebel ſtecke,
Und welche Herrlichkeit der dunk’le Duft verdecke.
Wer, dacht ich, ſollte glauben,
Daß ſolchen Glanz, der in dem ganzen Firmament
Jn ſolcher heitern Klarheit brenn’t,
Ein Nebel und ein Duſt uns koͤnnte rauben?
Ein Dunſt, der ein unfehlbar Nichts,
Jſt maͤchtig, uns vom hellen Born des Lichts,
Vom guͤld’nen Sonnen-Feur, dem Urſprung aller Freuden,
Als waͤr er nicht mehr da, zu ſcheiden.
Auf gleiche Weiſe raub’t des Ungluͤcks Nebel-Duft
Uns, auf der Sonnen Sonn und HErrn, oft das Vertrauen,
Daß405Daß wir von Seiner Gnad und Seiner Liebe Licht
Faſt das geringſte nicht,
Vor Gram und Kleinmut, ſchauen.
Allein
Wie, wenn die feuchte Luft
Auch noch ſo ſchwer vom Dunſt und Duft;
Man doch des Tages weiſſen Schein
So in der Luft als auf der feuchten Erde ſiehet;
So iſt, wenn man ſich nur ſo viel bemuͤhet,
Und Achtung darauf hat, der Gottheit Gnaden-Licht,
Das alle Ding erhaͤlt, regieret und erfuͤllet,
(Scheint es gleich noch ſo ſehr verhuͤllet,)
Uns unauſhoͤrlich nah,
Und ſtets allgegenwaͤrtig da,
Ja ſcheinet oͤfters gar in unſern feuchten Zaͤhren,
Wie auf der naſſen Erd, ſein Licht noch zu vermehren.
Ach ſtaͤrke, groſſer GOtt, doch meiner Selen Augen,
Daß ſie Dich, auch wenn Truͤbſals Duͤft entſtehn,
Mit froher Zuverſicht zu ſehn,
Und kindlich zu verehren, taugen!
So wird gewiß zu rechter Zeit
Der Nebel aller Widrigkeit,
Recht wie ein Nebel, ſchnell verſchwinden,
Und werden wir, wo nicht an dieſem Ort,
Doch unausbleiblich dort,
Der Freuden lichten Glanz und heitern Himmel finden.
C 3Der406

Der Winter.

Groſſer GOtt! ich kann mit Freuden,
Auch beym Froſt, die Augen weiden
Jn der weiß beſchney’ten Welt,
Die, wenn’s klar iſt oder ſchneyet,
Mich auf beyde Weiſ erfreuet,
Und, zu Deinem Ruhm, gefaͤll’t.
Es ſcheinet, wenn es ſchneyt, die ganze Luft beleb’t.
Hier flieg’t, dort ſpiel’t, hier ſchieſſt, dort ſchweb’t,
Hier ſteigt, dort faͤllt, da wirbelt ſich
Ein krauſer Flocken-Schwarm; dort wird er grimmiglich
Jn einem Sturm vorbey geriſſen,
So daß wir uns verwundern muͤſſen,
Wenn wir halb bang, und halb vergnuͤget ſehn,
Wie ſo viel tauſend Teile,
Mit ſolcher Emſigkeit und Eile,
Verwirret durch einander gehn.
Wie wenn verſchied’ne Stroͤm ergrimmt zuſammen flieſſen,
Und als ein raſcher Pfeil ſchnell auf einander ſchieſſen,
Ein jeder mit Gewalt ſich gegen jenen ſpreiſſt,
Mit ſtrengem dunk’len Strich den weiſſen Schaum zerreiſſt,
Den ihm ſein Gegner macht, und, daß das Ufer bruͤllet,
Mit heulendem Geraͤuſch die Wirbel teilt und fuͤllet;
So ſieht man in der Luft am Schnee, wie grimmiglich
Ein Wind-Strom jenen bricht,
Jndem die Flocken ſich
Bald407Bald ſtoſſen, bald ſich drehn, bald, uͤber ſich geriſſen,
Von einem ſtaͤrkern Fluß bezwungen, weichen muͤſſen.
Hier treibt ein Wirbel-Wind, wie einen weiſſen Rauch,
Den Schnee im Wirbel um, dort ſpruͤtz’t mit ſtrengem Hauch
Aus dem beeiſ’ten Bart, voll ſteif gefror’ner Locken,
Der dunkel-graue Weſt den Schnee in groſſen Flocken.
Wild, froſtig, grimmig, ſcharf, verdrießlich und doch ſchoͤn
Jſt das verwirrte Spiel der Flocken anzuſehn,
Zumal wenn etwan uns das dunk’le gruͤn
Des Bux-Baums und der Taxus-Hecken,
Worauf der weiſſe Schnee noch deutlicher erſchien,
Des regen Schwarms Figur recht eigentlich entdecken.
Wann ich in warmer Stub alsdann am Fenſter ſteh,
Und, wie der kalte Nord ſo ſtrenge drauſſen ſchnaubet,
An manchem krummen Wand’rer ſeh,
Der ſeines Athems faſt, wie aller Waͤrm, beraubet,
Mit ſteif-bereiftem Har, mit krumm gebog’nem Knie,
Tief eingezog’nem Halſ und ganz erſtarr’ten Gliedern,
Mit faſt geſchloſſ’nen Augen-Liedern,
Mit blauen Wangen, Naſ und Kinn,
Sehr langſam und mit Muͤh das Schnee-Geſtoͤber trennet;
Denk ich, und zwar mit Recht, in meinem Sinn,
Wie gluͤcklich ich in meiner Stube bin,
Wie die Beqvemlichkeit ſo groß, die GOtt mir goͤnnet.
Wann endlich nun die Luft von Duft und Flocken leer,
Die Wolken ſich zerteilt, der Winde ſtuͤrmiſch Heer
Ermuͤdet ausgeraſ’t, der Sonnen helle Stralen
Durch’s ausgeklaͤr’te Blau, die Erde zu bemalen
Auf einmal ſich vereint; dann glaͤnzt die weiſſe Welt,
C c 4Und408Und ſchein’t faſt, wie der Mond. Es deckt das flache Feld
Ein Licht, das mit dem Schnee ſcheint aus der Luft gefallen;
Des Waſſers Flaͤche blitzt, wie ſchwimmende Kryſtallen.
Wird aus der Erde durch die Gluht
Das klare Spiegel-Glas gemacht;
So wird durch Kaͤlte von der Flut
Auch Spiegel-Glas hervor gebracht,
Und zwar das auf verſchied’nen Stellen
Viel tauſend Ellen,
O groſſes Wunder! lang und breit.
Es ſcheint, ob ſuche die Natur
Auf eine neue Weiſ uns zu ergetzen,
Und alle Schoͤnheit zu erſetzen,
Womit ſie ſich bisher geſchmuͤckt;
Die ſie uns aber nun entruͤckt,
Weßhalben ſie die Feuchtigkeit verdickt,
Damit auf der gefror’nen Flaͤche
Der holde Sonnen-Stral ſich breche,
Und ſo das Licht, das ſonſt nicht ſichtbar war,
Jm Widerſcheinen hell und klar
Sich unſern Augen zeigen moͤgte:
Wodurch ein denkend Aug, ein ſehendes Gemuͤt
Jm bunten Wider-Schein viel helle Farben ſieht,
Jndem viel tauſend kleine Spitzen,
Wie kleine Diamanten, blitzen.
Vom Silber, welches ausgebrannt,
Wird in dem luckern Schnee ein aͤhnlich Bild erkannt.
Abſonderlich, wann ſich die Sonne neiget,
Und ſich ſo dann am heitern Firmament
Ein409Ein lieblichs Bild der Abend-Roͤte zeiget;
Sieht man die roͤtliche Geſtalt
Sich alſobald
Jn glatt - und braunem Eiſe bilden.
Hiedurch wird manche Stelle
Cinober-rot und helle,
Ja ſcheinet gar ſich zu verguͤlden.
Bey dieſer Glaͤtte nun, die glaͤnzend wie ein Spiegel,
Sieht man den weiſſen Glanz der kleinen ſchroffen Huͤgel
Von Bruch - und Schiefer-Eis, wie Silber, mit Vergnuͤgen
Jm Purpur und im Golde liegen.
Noch wird zur Winters-Zeit auf der beſchneyten Welt
Ein and’re Luſt den Augen vorgeſtell’t,
Jndem auf keinem Grund ſo nett, ſo rein
Die Schatten vorgeſtellt und anzuſehen ſeyn,
Als auf dem weiſſen Schnee.
Die Weiſſe ſtellt das Schwarz noch einſt ſo zierlich
Den Augen vor. Der Schatten laͤſſt natuͤrlich,
Als waͤr er coͤrperlich; daher denn auf der Erden
Der Baͤume Staͤmm und Zweige doppelt werden,
Wodurch im Gegenſatz, wenn ſie zuſammen liegen,
Sie ein vernuͤnftig Aug um deſto mehr vergnuͤgen.
Noch mehr: Wir ſehn zu dieſer Zeit
Auch allenthalben auf der Erden
Den Schnee zu kleinen Spiegeln werden:
Weil alles ſchimmern, alles blitzen
Ja anders nichts,
Als wie ein Gegenſchein des Sonnen-Lichts.
Ach moͤgt uns jeder Staub vom nahen Sonnen-Schein
C c 5Ein410Ein Spiegel, ein Beweis und ein Erinn’rung ſeyn,
Den Geiſt in unſ’rer Luſt zum Schoͤpfer hinzulenken,
Und auf der Sonnen Sonn in Ehrfurcht zu gedenken!
Die von der Sonnen Glanz beſtral’te ſtarre Flut
Scheint oft in einer weiſſen Gluht,
Als wie ein Feuer-Werk zu brennen;
Doch ruͤhren dieſe Flammen und ihr Licht,
Als welche gleichfalls ſtarr, ſich nicht.
Dieß ſtille Naß und Feur, nebſt ihrer Reinigkeit,
Scheint mir von einem ſtill - und unbefleckten Leben
Ein lieblichs Bildniß abzugeben.
Es ſuͤllet meine Bruſt dieß ungemeine Prangen
Mit dieſem ſehnlichen Verlangen,
Daß auch mein Geiſt in ſtill - und reinem Widerſchein
Von jener geiſt’gen Sonn ein Spiegel moͤge ſeyn,
Worin an meinen guten Werken
Mein Naͤchſter GOttes Macht und Liebe moͤge merken.
Der411

Der Schnee.

Wer etwas liebliches zu ſehn verlanget,
Der ſehe mit Aufmerkſamkeit,
Wie zu gewiſſer Zeit
Jn ſolcher zierlichen Vollkommenheit
So manche kleine Schnee-Flock pranget.
Es iſt warhaftig nicht zu glaͤuben,
Noch minder zu beſchreiben,
Wie manche nett und zierliche Figur
Die ſpielende Natur
Uns in geſror’nen Duͤften weiſet,
So daß ein iegliche des Schoͤpfers Weiſheit preiſet.
Jch hab es mit Erſtaunen oft geſehn.
Bald ſind ſie, wie der klein’ſte Sand,
Bald wie ein kleiner Stern, woran die weiſſen Spitzen
Jn ſolcher fuͤſſen Ordnung ſitzen,
Daß ſie ein menſchlicher Verſtand
So zart, ſo Regel-recht unmoͤglich bilden kann.
Sechs Ecken ſieht man insgemein daran,
Die ſpitzig bald, bald rund, von denen auf das neue
An einer jeglichen, in ordentlicher Reihe,
Noch and’re Spitzen, gleich den Zweigen,
Sich mit Verwunderung den Augen zeigen.
Ein halbes Sternchen ſtellt in ungemeiner Zier
Ein nettes Bild von einer Crone fuͤr.
Jch ſahe juͤngſt von ungefehr
Viel412Viel ſolcher Cronen mit Vergnuͤgen
Auf meinen Fenſter-Baͤnken liegen.
Jch ſah mit Luſt ihr zierlichs prangen;
Jedoch gab ihre Fluͤchtigkeit
Zu einer Lehre mir Gelegenheit.
Sie waren ja ſo ſchnell, als andere, vergangen.
Mich deucht, es gaͤb ihr fluͤchtigs Weſen
Die groſſe Warheit mir zu leſen:
Es iſt ein Koͤnig und ein Bauer
Von einer Dauer.
An einigen hab ich bald zwoͤlf bald achtzehn Ecken
Sich von dem Mittel-Puͤnctgen ſtrecken,
Und zierlich in der Ruͤnde ſtehn,
Mit vielen Freuden oft geſehn.
Verſchiedene ſind kleinen Roſen gleich;
Sie ſind an Aenderung und Unterſchied ſo reich,
Man wird gewiß nicht fehlen,
Wenn man von ihnen ſag’t, daß ſie gar nicht zu zaͤlen.
Bey aller Zierlichkeit faͤllt mir jedennoch ein:
Wie bald iſt aller Schein,
Den man an ſolchem Schnee nicht ſonder Luſt ermiſſt,
Wie bald iſt all ſein zierlich Prangen,
Zuſamt der Nettigkeit der Bildungen, vergangen?
Sprich aber darum nicht, verweg’ner Atheiſt:
Da, was ich an dem Schnee,
So ſauber und ſo kuͤnſtlich ſeh,
Da das, was man daran ſo nett, ſo zierlich findet,
Nichts nuͤtzet, und ſo ſchnell verſchwindet;
Wozu denn dient ſolch kuͤnſtlich Flocken-Heer?
Zeigt413Zeigt es vielmehr nicht an,
Daß auch von ungefehr
Was kuͤnſtliches entſpringen kann?
Ach nein, geliebter Menſch! beſinne dich!
Du ſprichſt zu wild und zu vermeſſentlich
Von Deines Schoͤpfers Wunderwerken,
Die du mit Ehrfurcht ſollteſt ſehn;
Weil ſie warhaftig nicht von ungefehr geſchehn.
Zween Gruͤnde kann ich nur in deinem Einwurf merken.
Der erſte geht dahin: weil Schnee ſo ſchnell vergeht,
Der and’re, weil kein Nutz aus ſeiner Zier entſteh’t;
So flieſſe ganz gewiß daher,
Es komm im Schnee die Zier von ungefehr.
Ja du entſieh’ſt dich nicht, hieraus auf and’re Sachen
Auch Folgen, die viel ſchlimmer noch, zu machen.
Allein, bedenke wol, wie elend, ſchwach und klein
Die angefuͤhrten Gruͤnde ſeyn!
Zeigt nicht der Unterſcheid
Der Dau’r, ſelbſt in verſchied’nen Dingen,
Ein Merkmal groͤſſerer Vollkommenheit,
Als wenn ſie alle gleich beſtuͤnden und vergingen?
Kann man, mit Recht, es einen Fehler nennen,
Daß Bluhmen nicht ſo lang, als Baͤume, dauren koͤnnen?
Daß Baͤume nicht ſo lang beſtehen, als ein Stein?
Stimmt nun der Coͤrper Dau’r nicht uͤberein;
So muß notwendig eins an Dau’r das klein’ſte ſeyn.
Zudem zeig’t ſolch ein ploͤtzliches Verſchwinden
Der Dinge, die wir doch ſo ſchoͤn, ſo kuͤnſtlich finden,
Mehr einen Ueberfluß, als einen Mangel, an.
Es414Es weiſ’t, daß es dem Schoͤpfer einerley,
Und keine groͤſſ’re Muͤhe, ſey:
Ob Wunder-Ding entſtehn,
Wie oder ob ſie wiederum vergehn.
Was nun den Nutzen anbelanget,
Der aus ſo kuͤnſtlicher Figur entſteht;
So ſchleuß nicht alſofort von dir
Auf jedermann, und bilde dir nicht ein,
Daß ſie mit dir gleich unempfindlich ſeyn,
Daß ſie ſo wol, als du, Geſicht und Witz verloren,
Daß alle Welt, wie du, es gleichſam recht verſchworen,
Auf GOttes Werke nicht zu achten.
Ach nein!
Es giebt noch einige, die GOttes Werk betrachten
Jn ihrer Luſt, zu GOttes Ehr,
Und die ſich nicht am Jrd’ſchen bloß vergaffen.
Ja wenn von allen auch nur einer waͤr,
Der in der Zierlichkeit des Schoͤpfers Weiſheit ſaͤh;
Waͤr ſolche Zierlichkeit doch nicht umſonſt geſchaffen.
Wie aber und auf welche Weiſ im Schnee
Solch eine kuͤnſtliche Figur entſteh,
Geſteh ich gern, das faſſ ich nicht,
Und gibt mir die Unwiſſenheit
Von meiner Wenigkeit
Aufs neu getreuen Unterricht.
Kann aber man gleich GOttes Werk nicht faſſen;
Muß man es doch nicht unbewundert laſſen.
Der415

Der Tannen-Wald.

Wie neulich mich mein Vaterland
Jm Winter nach Berlin geſandt;
Hab ich mit hundert tauſend Freuden
Mein Aug an manchem Gegenſtand
Der Erde koͤnnen weiden:
Da nemlich ich auf dieſer Reiſe,
Dem Schoͤpfer aller Welt zum Preiſe,
Die ſchoͤne Welt, die auch im Schnee und Eiſe
Recht wunder-wuͤrdig ausgeſchmuͤcket,
Mit ſtets veraͤndertem Vergnuͤgen angeblicket.
Ein helles Abend-Rot, des Morgens guͤld’ne Pracht,
Das Silber der geſtirnten Nacht,
Des Mondes ſanftes Licht, hat mir die ſchoͤne Welt
Jn allzeit neuem Schmuck und Farben vorgeſtellt.
Bald ſah ich fruͤh die weiß-beſchneyten Gipfel
Der Berge, von dem Glanz des Firmaments, beſtral’t.
Bald ſah ich ſpaͤt die weiß-bereiften Wipfel
Der Baͤume, recht wie Gold vom Abend-Rot, gemal’t.
Bald zeigt ein hoͤher Licht auf Straͤuchern, Kraut und Laub
Und auf des Graſes Reſt Kryſtallen-gleichen Staub.
Der ganze Boden war mit tauſend kleinen Spitzen,
Jn welchen ſich das Licht mit angenemem blitzen
Und buntem Schimmer bricht, bedecket und erfuͤllt.
Der Erde weiſſe Bruſt war gaͤnzlich eingehuͤllt
Jm Diamant’nen Schmuck. Es waren ohne Zal
Die416Die Luͤſte, die mir bald ein Berg gab, bald ein Thal.
Mein Surland, deſſen Geiſt nicht Seines gleichen kennet,
Ward, wie er neben mir ſo manche Schoͤnheit ſpuͤr’t,
Die GOtt allein durchs Aug uns auf der Erde goͤnnet,
Nicht weniger, als ich, geruͤhr’t.
Vor andern fuhren wir an einem heitern Tage
Durch einen Tannen-Wald, deß nie verwelkend Gruͤn
Den Sommer vorzuſtellen ſchien
Selbſt in dem ſtreng’ſten Froſt. Das Thal, worin er lage,
War uͤberaus vergnuͤglich anzuſehn.
Die gruͤnen teils, und teils die weiſſen Hoͤh’n
Erhuben Wechſel-weiſ ihr Licht und ſchattigt Gruͤn
Durch ihren Gegen-Satz. Jn einer weiten Laͤnge
(Jndem der weiſſe Schnee ſehr hell von weiten ſchien)
Erblickte man noch eine groͤſſ’re Menge
Von Staͤmmen, als man ſonſt erblicket,
Wenn ein faſt allgemeines Gruͤn
Den dick-begraſ’ten Boden ſchmuͤcket.
Wann ich (fing Surland an) die ſo gerade Hoͤhe
Der riſchen Tannen-Baͤume ſehe,
Und merke, wie ſie ſich bey Zeiten
Hoch in die Hoͤh zu gehn dadurch bereiten,
Daß jeder ſolche Zweig und Aeſt
Jm Anfang alsbald fallen laͤſſt,
Die ſeinen Wachstum ſonſt vermindern,
Gen Himmel an zu ſteigen ſehr verhindern,
Und ihn nur uͤber nied’re Huͤrden
Sich auszubreiten zwingen wuͤrden;
So deucht mich, daß er uns zum Beyſpiel dienen wolle,
Daß417Daß auch der Menſch es alſo machen ſolle.
Denn wuͤnſchet man das ganze zu erhoͤhn;
So muß man nicht auf Kleinigkeiten ſehn.
Noch fiel uns ein: Wer auf das kuͤnftige gedenk’t,
Und an den Zweck, wozu das Leben uns geſchenk’t,
Muß mit dem Jrdiſchen ſich nicht zu ſehr befaſſen,
Muß, was vergaͤnglich, fallen laſſen,
Damit man, deſto mehr von dieſer Erde
Und aus dem Staub hervor zu dringen,
Sich froͤhlich Himmel-an zu ſchwingen,
Je mehr und mehr geſchickt gemachet werde.
Wir fuhren drauf an dieſem ſchoͤnen Ort
Mit froͤhlicher Betrachtung ferner fort.
Ein holder Stral der Sonne ſchien
An mancher hocherhab’nen Stelle
Auf das ſonſt ſchoͤne dunkel-gruͤn,
Und macht es unvergleichlich helle.
Was nicht beſtralet war, ward zwar dadurch verdunkelt;
Jedoch nicht haͤßlicher; vielmehr erhub die Schwaͤrze
Das Licht nur deſto mehr. Zuweilen glaͤnzt und funkelt
Ein nur beſtral’ter Aſt, wie eine Kerze,
Jn gruͤner Dunkelheit.
Bey vielen Staͤmmen fiel gar oft der Sonnen-Schein
Auf einen nur allein,
Wodurch er bey den andern, die um ihn,
Wie eine Feuer-Seule, ſchien.
Noch wurden wir gewahr,
Daß bey den Tannen hier und dar
Entlaubte Birken-Baͤume ſtunden,
II. Theil. D dAuf418Auf deren ſchwanken Zweigen wir
Zuweilen einen Reſt verwelkter Blaͤtter funden;
Die aber Wunder-ſchoͤn, in einer gelben Zier,
An Farben kaum den ſchoͤn’ſten Bluhmen wichen,
Und, bey der gruͤnen Dunkelheit
So mannigfalt’gem Unterſcheid,
Oft einer reifen Frucht, ja guͤld’nen Aepfeln, glichen.
Es glaͤnzten wie im Spiegel
Verſchied’ne Stellen, wo der Schnee
Geſchmolzen war und wiederum gefroren,
Darin ich, voller Luſt, nicht nur die nahen Huͤgel
Jm Wider-Schein, nein ſelbſt der Baͤume Menge ſeh.
Die ſchien daher in deutlichſter Geſtalt
Recht als ein unter-ird’ſcher Wald.
Da war ein gruͤnes Licht, dort eine gruͤne Nacht,
Hier eine Daͤmmerung, die gleichfalls gruͤn zu ſehn.
Die dreyfach untermiſchte Pracht
War untermiſcht ſo wol als einzeln Wunder-ſchoͤn.
Die hohen Staͤmme glichen Seulen
An Hoͤhe, Glaͤtt und runder Zierlichkeit.
Die rechte Maſſe herrſcht in allen ihren Teilen,
Bis zur Vollkommenheit.
Jn Welſchland wird ein Stein gefunden,
Den man das alte Gelb, antico giallo, heiſſt,
Der klar und glatt, und mehr als Marmor gleiſſt.
So glaͤnzten gelbe Staͤmm, und die erhaben ſtunden,
So daß der Sonnen-Stral die glatte Rinde ziert,
Die lieſſen recht, als wenn man ſie verguͤldet haͤtte.
Die roͤtlichen verglichen ſich an Glaͤtte,
An Farb und Glanz dem Marmor, der polir’t.
Es419Es ſtachen beyde ſich von dem ſo holden Gruͤnen
Recht unvergleichlich ab. Die gruͤnlich-blaue Schatten,
Die faſt die ganze Luft als wie benebelt hatten,
Vermehrten, bey dem Stral, den Schmuck an mancher Stelle.
Bald war ein Zweig halb dunkel und halb helle,
Und kurz, ein ſanftes licht - und gruͤnes Schatten-Spiel
War unſers Herzens Luſt, und unſ’rer Augen Ziel;
Woruͤber wir auf GOtt, den weiſen Schoͤpfer, dachten,
Und Jhm, in unſ’rer Luſt, ein frohes Dank-Lied brachten:
Darum, daß nicht allein
So vieler Form - und Farben Schein
Die Wunder-ſchoͤne Welt erfuͤllet;
Daß uns das helle Sonnen-Licht
Derſelben ſchoͤnen Schmuck enthuͤllet;
Daß unſer forſchendes Geſicht
Zum Schutz, zur Luſt in unſerm Leben
Er uns gegeben;
Nein, daß auch die Geſchoͤpf, durch unſ’rer Sinne Thuͤren,
Jn holder Luſt uns zu dem Schoͤpfer fuͤhren;
Daß uns die Faͤhigkeit geſchenkt iſt, GOtt zu Ehren,
Zu ſchmecken, fuͤlen, ſehn, zu riechen und zu hoͤren.
D d 2Gar -420

Garten-Bluhmen aus bloſſem Waſ - ſer, ſonder Erde, gewachſen.

Wie wunderbar, o GOtt, ſind Deine Werke!
Wie unbegreiflich ſind die Spuren Deiner Staͤrke!
Wie groß iſt alles das, ſo die Natur uns weiſ’t;
Wie klein hingegen unſer Geiſt!
So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt
Faſt fuͤr ein Wunder haͤlt,
Mein Richey, der hieſelbſt mit ſolchem Ruhme lehret,
Mir etwas, ſo ich nie geſeh’n,
Und welches doch ſo rar als ſchoͤn,
Juͤngſt zugeſchicket und verehret.
Ein angenemes Fruͤhlings-Kind,
Das ohne Mutter war gebohren
Zu einer Zeit, da alles noch gefroren,
Ein Ambra-volle Hyacinth,
Die unvergleichlich bluͤht, auch unvergleichlich roch,
Und die, o Wunder! jedennoch
Die Erde nie in ihrem Schoß geheget,
Noch ſie mit ihrem Narungs-Saft
Und der in ihr verborg’nen Kraft
Geſaͤugt, ernaͤhrt, verpfleget,
Sah ich vor meinen Augen ſtehn.
Die Zwiebel war, ſo wie die Bluhme, bloß
Ohn Erd in freyer Luft zu ſehn.
Ein Glas, ſo nicht beſonders groß,
Erfuͤllt mit klarer Feuchtigkeit,
Ließ421Ließ mir zu gleicher Zeit
Die Wurzeln, die ſo weiß, wie Silber, ſchauen.
Sie ſahen ſelbſt faſt wie ein Bluhmen-Straus,
Jn den ſo angenem geſchlung’nen Zaͤſern, aus;
Kaum konnt ich meinen Augen trauen.
Wie ſehr bewundert ich, daß etwas wachſen koͤnnte
Ganz auſſer ſeinem Elemente!
Ja was noch mehr, daß menſchlicher Verſtand
Jn ſo viel tauſend Jahren
Dergleichen niemals noch erkannt,
Und nichts davon erfahren,
Da es jedoch ſo leicht, daß jedermann,
Der es nur einmal ſieht und hoͤr’t, es machen kann!
Man ſetzet auf ein Glas,
Das voller Waſſer iſt,
Die Bluhmen-Zwiebel auf, ſo daß ſie kaum das Naß
Mit ihrem untern Teil beruͤhret.
Das iſt die ganze[Kunſt], worauf in kurzer Friſt
Das Glas voll Wurzeln wird, der Stie! ſich aufwaͤrts fuͤhret;
Und kommt ſodann in wenig Zeit
Die Bluhme zur Vollkommenheit.
Derſelben felet nichts an Farb, an Zierlichkeit,
Am lieblichen Geruch, der kraͤftig uns zu ruͤhren.
Mein Gaͤrtner hat, hiedurch bewogen,
Auf gleiche Weiſe Lilien
Narciſſen, Kayſer-Cron - und Tulpen aufgezogen.
Und ich, um dieſes Werk noch weiter zu probiren,
Hab einſt ein duͤnnes Bley an manchem Ort
Mit kleinen Loͤcherchen durchbohrt,
D d 3Und422Und mit denſelbigen ein ſolches Glas bedeckt,
Drauf Haber-Koͤrnerchen genommen,
Und in die Loͤcher eingeſteckt;
Wodurch ich denn nach nicht gar langer Zeit
Auch reifen Habern uͤberkommen.
Mich deucht, du ſprichſt bey dieſer Seitenheit:
Wirkt denn die Erde nichts bey Bluhmen und bey Fruͤchten,
Und kann das Waſſer es allein verrichten;
So hat man ja bisher
Der Erde groͤſſer Ehr
Erwieſen, als wie ihr mit Recht gebuͤhret,
Jndem ſie alles das verlieret,
Was man, aus Unverſtand getrieben,
Bisher ihr zugeſchrieben.
Allein,
Mein Herz, halt ein,
Und uͤbereile dich in deinem Urteil nicht!
Vielmehr nimm dieſen Unterricht:
Die Erde, die von Dem, Dem ewig Preis gebuͤhret,
Recht wunderbar erſchaffen und formiret,
Verliert bey der Entdeckung nichts. Sie bleibet
Ein Wunderwerk des Hoͤchſten, wenn die Kraft
Auch gleich nichts anders waͤr, als wie man’s itzt beſchreibet;
Das ſich jedoch nicht ſo verhaͤlt,
Wie einem ieglichen es in die Augen faͤllt.
Denn wenn derſelben Eigenſchaft
Nur bloß darin, daß ſie aus Teilchen, die ſo klein,
Beſtehen ſollt, allein beſtuͤnde;
So iſt es doch gewiß, wenn man es recht ergruͤndet,
Daß423Daß man auch darin bloß allein
Was unbegreifliches und nuͤtzlichs findet.
Denn daß ſolch eine Meng von Teilchen in der Erde
Zu einem groſſen Coͤrper werde,
Und ſich zwar wol, jedoch nicht ganz, verbindet,
Wodurch denn Platz entſteht, daß ſich die Feuchtigkeiten
Darin verſammlen, halten, ſenken,
Mit Maſſ ohn Ueberfluß die Wurzeln traͤnken,
Die eben dadurch auch, ſich auszubreiten,
Gelegenheit und Platz gewinnen;
Jſt ja wol recht Bewunderns-wehrt.
Wer aber kann nur eine Ahrt,
Die Pflanzen, die ſo klein, ſo zart,
Gerade zu erhalten, wol erſinnen,
Und, ohne ſie zu drucken, zu verletzen,
Dieſelbigen ſo feſt zu ſetzen,
Daß ſie ſo gar vor Sturm und Wind
Genug geſichert ſind?
Dieß alles ſcheinet uns zwar, leider! nur gemein,
Und weder Weiſ heit, Macht, noch groſſe Kunſt zu ſeyn;
Allein das eben iſt die Unahrt unſ’rer Sinnen,
Daß alles, was wir taͤglich ſehn,
Von auſſen kaum, viel weniger von innen
Von uns betrachtet wird. Die Urſach zu verſtehn,
Wodurch, wozu und wie die Dinge hie geſchehn,
Jſt ja das einzige, ſo uns vom Vieh
Allein vermag zu unterſcheiden;
Doch nimmt man ſich damit nicht die geringſte Muͤh.
Die milde Mutter ſiehet man
D d 4Als424Als einen ſchwarz - und groben Klumpen an.
Je mehr ein Werk, das groſſen Nutzen bringet,
Uns etwas einzelnes und einfachs weiſet;
Je mehr Dem, Ders gemacht, d’raus Ehr und Lob entſpringet,
Je mehr es ſeinen Meiſter preiſet.
Denn daß das Feuer heiß und leicht,
Das Waſſer fluͤſſig, ſchwer und feucht,
Die Erde feſt, und doch nicht allzufeſt,
Durchdringlich, koͤrnig iſt, und ſich handtieren laͤſſt;
Sind Eigenſchaften, die allein
Von GOtt darin geleget ſeyn,
Sind Wunder, welche wir bewundern ſollen,
Wofern wir Menſchen heiſſen wollen.
Ach GOtt! Allmaͤchtig-weiſes Weſen,
Aus welchem alles Gute qvillt,
Ach laß uns doch, durch Deinen Geiſt erfuͤllt,
Von der Gewohnheits-Peſt geneſen,
Damit von uns zu aller Zeit
So wol des Waſſers Fruchtbarkeit,
Als auch die kuͤnſtliche Beſchaffenheit
Der wunderbar formir’ten Erde
Mit Ehrfurcht, Ernſt und Luſt bewundert werde!
Das425

Das Treib-Eis.

Wer jemals einen Strom voll Treib-Eis flieſſen ſehn,
Mit welch gewaltig ſtreng - und dennoch ſtillem
Drange,
Jn einem ungehemmt - und Wirbel-reichen Gange
Die Flut die Schollen fuͤhrt; der muß geſtehn,
Daß es den Augen Luſt, dem Herzen Schrecken
Zugleich vermoͤgend zu erwecken,
Jndem es in der That
Was Majeſtaͤtiſches, was graͤßlich-ſchoͤnes hat.
Den Augen ſchwindelt recht, wenn ſie ein flaches Feld
(Wie es von weitem ſcheint) geborſten, ſich bewegen,
Die Erde nicht mehr ruh’n, den Boden ſelbſt ſich regen,
Und Felſen ſchwimmen ſehn. Es reiſſt die Waſſer-Welt,
Jn ſchroffen, ungeformt - und ungeheuren Stuͤcken,
Selbſt Berge mit ſich fort. Ein wuͤſtes, kaltes Grau
Deckt Waſſer, Land und Strand. Veroͤdet, wild und rauh
Jſt alles, was man ſieht. Der Sonne Stralen ſchmuͤcken
Jedennoch manchen Ort,
Da denn bald hier, bald dort,
Zumal an den verſteinten Wellen,
Manch ſchneller Blitz, manch heller Glanz erſcheint,
So daß man faſt nicht anders meint,
Als wenn an unterſchied’nen Stellen,
Selbſt in der kalten Flut,
Man eine bunte Gluht,
Gefaͤrbte Flammen funkeln, ſaͤhe.
D d 5Dieß426
Dieß alles ſah ich juͤngſt, und, wie ich in der Naͤhe
Jm ſtrengen Fluß das Eis ſchnell vor mir uͤberſchieſſen.
Und eilend, dennoch ſanft, beſtaͤndig vor ſich flieſſen
Und ſich verlieren ſah; kam mir
Des Strom’s nie ſtiller Zug und ſanfte Strengigkeit
Recht, wie der ſtreng und ſtille Lauf der Zeit,
Die Schollen wie wir Menſchen, fuͤr.
Wir werden durch die Flut der Zeit dahin gefuͤhret,
Und weil, was um uns iſt, beſtaͤndig mit uns geht;
Wird die gewaltige Bewegung nicht geſpuͤret,
Ob gleich nicht einer ſtille ſteht.
Gebrechlich iſt das Eis; wir auch. Die Schollen werden
Zu ihrem erſten Stoff, zu Waſſer; wir zu Erden.
Die wenigſten ſind groß, die meiſten klein;
So geht es auch mit uns. Es werden von den groſſen
Die kleinen mitgefuͤhrt und fortgeſtoſſen;
Jſt dieß der Groſſen Brauch
Nicht bey den Menſchen auch?
Verſchied’ne ſetzen ſich zuſammen, und formiren,
Dem Anſehn nach, ein feſtes Land;
Doch wird das ſcheinbar-ſich’re Band
Die Feſtigkeit gar bald verlieren.
Mit dieſen kommt ein Regiment, ein Reich,
Das aus ſo mancherley Gemuͤtern auch beſtehet,
Das auch, wie ſtark es ſcheint, doch oͤfters bald vergehet,
Jn billigen Vergleich.
Jch ſah mit Luſt viel kleine ruhig flieſſen,
So lange ſie ſich nicht mit andern ſtieſſen.
Wann aber das geſchach;
Erhob427Erhob ſich alſobald ein Wirbel in der Flut,
Ein fuͤrchterlichs Gekrach,
Daß ein Stuͤck hier, das and’re dorten, brach,
Und beyde wurden von der Wut
Erzuͤrnter Wellen umgeſchwungen,
Zuweilen auch wol gar verſchlungen.
Hieraus nam ich mir dieſe Lehre,
Und dacht: Ach daß doch das auch uns ein Beyſpiel
waͤre,
Wie nichts ſo ſehr, als Zank und Streit,
Die ruhige Zufriedenheit
Auf dieſer Welt vermind’re,
Und alle Luſt des Lebens hind’re!
Dagegen wenn man mit der Zeit
Und ihrem Strom gelaſſen flieſſet,
Man vielerley Vergnuͤglichkeit,
Zu GOttes Ruhm, Der ſie uns ſchenkt, genieſſet.
Noch ward ich einiger aufs neu gewahr,
Die (von der Sonnen Glanz beſtralet) heiter, klar,
Und lieblich funkelten, in blauen, bald in gruͤnen,
Und bald in roͤtlichen, bald gelben, Flammen ſchienen.
Ein jedes Stuͤckgen Eis, ein jeder kleiner Huͤgel
Schien recht ein klarer Sonnen-Spiegel,
Der uns bald hier, bald dort der Stralen heit’re
Pracht,
So ſonſt nicht ſichtbar, ſichtbar macht.
Es praͤg’te deren reiner Schein
Recht tief ſich den Gedanken ein,
Und428Und wuͤnſch ich, daß in meiner kurzen Fahrt,
Von aller Sonnen Sonn erleuchtet und beſchienen,
Jch auf dergleichen Ahrt,
Als wie ein Licht, dem Naͤchſten moͤge dienen!
Gib, GOtt, daß ich auf meines Lebens Wege
Jm Tugend-Glanze ſanft voruͤber flieſſen moͤge,
Und auf der nimmer ſtillen Reiſe
Zum ſel’gen Meer der Ewigkeit,
Von aller Laſter Ruß befrey’t,
Jn reinem Widerſchein des Schoͤpfers Allmacht weiſe!
Neu -429

Neu-Jahrs-Gedanken auf das 1724ſte Jahr.

Das drey und zwanzigſte nach ſiebzehn hundert Jahr,
So, durch des Hoͤchſten Huld, ein Jahr des Segens
war,
Eil’t ſeinem Ende zu. Das letzte Koͤrnlein Sand
Der Sand-Uhr faͤllt nunmehr den Augenblick herab,
Und mit demſelbigen das alte Jahr ins Grab.
Das neue, ſo ſchon da, wird allbereits genannt
Das vier und zwanzigſte. Bey dieſer Wechſel-Zeit
Will ich im ſuͤſſen Feu’r vergnuͤg’ter Dankbarkeit,
Jn wahrer Andachts-Gluht und Jnbrunſt meiner Selen
Des groſſen Schoͤpfers Huld und Vater-Lieb erzaͤlen,
Mit welcher Er die Welt ſo gnaͤdig angeſehn,
Daß keiner leben wird, der nicht erfreut geſtehn,
Vergnuͤg’t erkennen muß, kein Jahr mit ſo viel Gaben,
So lang er auch geleb’t, ſchon einſt erleb’t zu haben.
Was Moſes Jſrael im Segen dort verſprach,
Dem gibt des vor’gen Jahrs Heil, Ueberfluß und Segen,
Wenn man es recht erweg’t, nicht das geringſte nach.
Jch will dir Sonnen-Schein, ſprach GOtt, ich will dir
Regen,
Jch will dir Landes-Frucht in reichem Ueberfluß,
Jch will dir Suͤſſigkeit von Oel, von Korn und Reben,
Und einem jeglichen den froͤhlichen Genuß
Von allen dieſen Guͤtern geben.
Der Krieg ſoll eurer Grenzen ſchonen.
Es430Es ſoll ein jeglicher, umringt von ſich’rer Ruh,
Jn ſeines Feigen-Baums und Wein-Stocks Schatten
wohnen.
Ach Hamburg, merke drauf! was ſageſt du hiezu?
Hat es im vor’gen Jahr von dem, was ich erzaͤlet,
An einem Guten dir gefelet?
Hat ſich nicht uͤber dich der Segen recht ergoſſen?
Es iſt der Laͤnder Mark dir gleichſam zugefloſſen.
Wenn manchen ſchoͤnen Ort im abgewich’nen Jahr
Die ungeheuren Flammen fraſſen;
So haben wir, GOtt Lob! in unſern Straſſen
Den Anfang kaum der drohenden Gefahr,
Und unverletzt, erblickt. Ein fuͤrchterlicher Rauch
Erfuͤllete zwar unſer Raht-Haus auch;
Allein, durch GOttes Huld und vaͤterliches Lieben,
Jſt es beym Rauch allein (nur Jhm ſey Dank!) geblieben.
Das aͤngſtende Geſchwirr der wilden Kriegs-Poſaunen,
Das moͤrdliche Gebruͤll verheerender Carthaunen
Hat Luft und Erde nicht erſchuͤttert,
Der Bomben ſchmetternd Feu’r die Haͤuſer nicht zerſplittert;
Der Minen Schwefel-Gluht ſprengt unſ’re Waͤlle nicht;
Wol aber hat das ſuͤſſe Friedens-Licht
Mit reiner Heiterkeit, mit unbewoͤlktem Glaͤnzen
Jn holder Ruh Europens Grenzen
Voll Segen angeſtral’t. Der edlen Kaufmannſchaft
Bereicherndes Gewerb empfing aufs neue Kraft
Durch Ruh und Sicherheit, fing an, auf allen Seiten
Jn taͤglich wachſendem Credit ſich auszubreiten,
Da Peſt und Furcht vorbey. Die Schwerdter, Spieſſ und
Degen,
Die431Die vormals Stadt und Land verher’t,
Hat das vergang’ne Jahr in Sicheln, Pfluͤg und Egen,
Zu vieler Laͤnder Heil, verkehrt.
Wie ruhig, wie vergnuͤg’t,
Wie lieblich, ſanft und ſtille
Sah man das fette Vieh in tiefem Graſe gehn,
Wie emſig dort die Schar der Schnitter Aehren maͤh’n,
Voll hundert-facher Frucht! Mit Ueberfluß und Fuͤlle
Hat GOtt das Jahr gekroͤn’t, da Seiner Fuͤſſe Spur
Recht troff von Oel und Wein. Hat jemals die Natur
Uns freundlich angelacht, uns liebreich angeblicket;
So iſt es ja wol recht in vor’gem Jahr geſchehn.
Was haben wir fuͤr Wunder angeſehn?
Was hat der Himmel uns fuͤr Segen zugeſchicket,
Wann er durch Sonnenſchein uns holde Waͤrme gab,
Bald ſanfte Winde ſandt, bald lauen Regen ſpruͤhte?
Was wandte GOtt von uns fuͤr viele Plagen ab?
Kein Mehl-Thau ſengete das Korn, kein Blitz die Bluͤhte;
Es war ſo Luft als Land vom Ungeziefer leer.
Kein freſſigs Raupen-Heer
Zerbiß die junge Frucht, beſpann den krummen Aſt;
Kein Heuſchreck zeigte ſich, kein Kefer fraß die Maſt;
Man ſah gar keine Maden
Den mit der Bluͤht annoch bekroͤn’ten Aepfeln ſchaden,
Wie jaͤhrlich ſonſt geſchicht, da man die Bluhmen ſieht,
Wenn ſie der falſche Wurm gemach zuſammen zieht,
(Als waͤren ſie verbrannt) verdorren und vergehen,
Und die verhoffte Frucht vom duͤrren Stiel verwehen.
Nein, jede Bluhme blieb; nein, alle Fruͤchte reiften,
Und432Und, ob ſich hie und da gleich ein’ge Raupen haͤuften;
So waren ſie dennoch (o Wunder!) ſolcher Ahrt,
Daß keine Frucht durch ſie, nur Laub, verzehret ward.
Die Aeſte ſah mein Aug in vielen Gaͤrten ſtehen,
Worauf nur Frucht allein, und nicht ein Blat, zu ſehen.
Kein Erd-Floh zeigte ſich; es nag’ten keine Schnecken
Die Bohnen, noch den Kol. Den Boden ſahe man
Sich durch der Erd-Beer rot mehr, als durchs Laub, be -
decken.
Nie ſah man ſonder Luſt die Frucht in Huͤlſen an.
Wie voll, wie reich, wie ſuͤß, war alles, was man ſah!
An allen Enden war der Segen fern und nah.
Pfleg’t ſonſt das gruͤne Laub die Kirſchen zu verſtecken;
So ſah man Kirſchen itzt das gruͤne Laub bedecken.
Die Baͤume waren rot, indem ein zartes Gruͤn
Nur ſelten durch den funkelnden Rubin
Der, ſich ſelbſt drengenden gehaͤuften, Kirſchen ſchien.
Wie gluͤht und glaͤnzte nicht die rote, glatte Haut
Der aufgeqvoll’nen rund - und ſaft’gen Frucht? Zumal
Wenn ſie des Himmels Licht, der guͤld’nen Sonne Stral
Bey heiterm Wetter traf, die runden Schalen ſchmuͤckte,
Und ihr klein glaͤnzend Bild in deren Glaͤtte druͤckte!
So lieblich prangeten die ſaͤurlich ſuͤſſen Kirſchen;
Nicht minder war das Heer der Apricoſen-Pfirſchen -
Und Aepfel-Baͤume voll. Wie herrlich ſah es aus,
Wenn man ſie nicht, wie ſonſt, nur Stuͤck-nein Strauß -
Und Trauben-weiſe zaͤl’te,
Und, wegen ihrer Meng, im zaͤlen doch noch fel’te!
Man ſah mit Luſt auf manchem Baum
Von Pyramiden-gleichen Birnen
Sich433Sich ganze Pyramiden thuͤrnen.
Auch hier hatt fuͤr die Frucht das Laub faſt keinen Raum.
Wie mancher ſchwank - und zaͤher Aſt
Ward durch der ſchweren Kinder Laſt
Nicht nur gebeugt; gebrochen und geſpalten!
Vor groſſer Menge konnten kaum
Der Qvitten - und der Feigen-Baum
Die Birnen-foͤrm’gen Toͤchter halten.
Wie unbeſchreiblich voller Trauben
Jm vor’gen Herbſt der Weinſtock war,
Wird niemand leichtlich koͤnnen glauben,
Da ich ſo gar,
So daß nicht eine d’ran gefelet,
Dreyhundert ſechszehn Stuͤck an einer Reb allein,
Jn meinem Garten ſelbſt, gezaͤlet.
Durch ſolche Fruchtbarkeit entſtand
Solch eine gute Zeit, daß ſonderlich
Die Armut es zu ihrem Troſt empfand.
So wolfeil war das Obſt, das Korn, die Huͤlſen-Fruͤchte,
Als ſie faſt nie geweſt. Es kam zur Stadt mit Haufen.
Man konnt an Kirſchen mehr, als zwoͤlf Pfund am Gewichte,
Um einen einz’gen Groſchen kaufen.
Faſt funfzig Birnen, die recht ſchoͤn,
Die kamen nur den halben Teil zu ſtehn.
Ein Himpen Aepfel galt nicht mehr, als wenig Dreyer.
Die Pfirſchen kaufte man nicht anders, als bey Maſſen,
Da ſelbſt die Bauren ſie, wie ſonſt die Pflaumen, aſſen;
Die Apricoſen auch und Trauben waren heuer,
So wenig, als die Qvitten, theuer.
II. Theil. E eJn -434Jnſonderheit war, zu der Armen Freude,
Auf gleiche Weiſe das Getraide
Sehr wolfeil, ja das Fleiſch von Schwein - und Ochſen auch.
Wie haͤufig war das Heu, der Kuͤh und Pferde Futter?
Wie wolfeil Zucker, Milch, Mehl, Honig, Kaͤſ und Butter?
Wie es denn mehrenteils der Brauch,
Daß alle Waren nach den Fruͤchten
Sich meiſt mit ihrem Preiſe richten.
Da GOtt Sich nun, daß wir Jhn moͤgten faſſen,
Bey uns nicht unbezeugt gelaſſen,
Uns ſo viel Gut’s gethan, uns aus den Wolken Regen,
Und ſolch ein fruchtbar Jahr voll Ueberfluß und Segen
Von Weizen, Korn, von Oel und Reben,
Von Gras, von Heu und Fleiſch gegeben;
Da GOTT auf wunderbare Weiſe
Uns Geiſt und Leib erfuͤllt mit Anmut und mit Speiſe,
Aufdaß die Menſchen ſuchen ſollen,
Weil ſie, wenn ſie nur wollen,
Jhn fuͤlen koͤnnen und Jhn finden;
Da GOTT auf Bergen, in den Gruͤnden,
Jn Luͤften, in dem tiefen Meer,
Jn Fluͤſſen, Baͤchen, Seen ſo wol als auf dem Lande
So vieler Creaturen Heer
Zu unſerm Nutz hervor gebracht;
So waͤr es ja wol eine Schande,
Wenn Menſchen Seine Liebe, Macht,
Und tiefe Weiſ heit nicht einſt uͤberlegen ſollten,
Und, wilden Tieren gleich, nicht einmal denken wollten,
Woher der Segen kommt, aus wem die Fuͤlle flieſſt;
Von435Von wannen unſ’re Dau’r und unſer Heil entſprieſſt;
Durch wen die Sonne ſtral’t, aus wem der Regen qvillet;
Wer mit erſprieſſlichem, geſundem Narungs-Saft
Die Fruͤchte, Kraut und Fleiſch; ja wer mit Geiſt und Kraft
Nicht nur die Erd allein, der Himmel Himmel fuͤllet.
Was aber koͤnnen wir, o GOTT, Dir wieder ſchenken?
Ach leider nichts, als nichts; denn Alles iſt ja Dein.
Ach laß aus Gnaden Dir denn doch gefaͤllig ſeyn
Ein Ehrerbietiges und froͤhlichs Angedenken!
Ach laß Dir doch, o HErr, mein Demut-volles Lallen
Und dieſen Lob-Geſang zum Neuen Jahr gefallen!
O GOTT, wer iſt, wie Du? Wo iſt ein ſolcher GOtt,
Als Du, unendlichs All, Du Herrſcher Zebaoth,
Der Du den Himmel ſchuf’ſt, und aller Himmel Heer,
Der Du der Erden Kreis, Der Du das weite Meer,
Nebſt aller Creatur, ſo man darinnen findet,
Bloß durch ein einzigs Wort gebauet und gegruͤndet,
Der Du der wilden Flut den leicht - und ſchwachen Sand
Zum Riegel vorgeleg’t, Der Du zu ihr geſprochen:
Nicht weiter ſollt du gehn; An dieſem duͤrren Strand
Sey deine ſchwere Macht gebrochen!
Es ſoll ſich hier das wuͤtende Bewegen
Von deinen ſtolzen Wellen legen!
Allgegenwaͤrtiger, doch unſichtbarer Geiſt,
Jn welchem alles iſt, aus welchem alles fleuſſt,
Ohn Anfang, ſonder End ſelbſtſtaͤndigs ewigs Leben,
Jn Dem wir leben, ſind und weben;
Der Du die Creatur, ſo Du geſchaffen, liebeſt,
Der Du die Sel erhaͤlt’ſt, dem Leibe Speiſe giebeſt,
E e 2Der436Der Du auf Wolken faͤhrſt, und auf den Winden gehſt,
So Arm als Reiche machſt, erniedrigſt und erhoͤhſt,
Vernichtigeſt, beſchaͤdigeſt und heileſt,
Den Koͤnigen das Reich bald nimmſt und bald erteileſt:
Gericht und Regiment, Gerechtigkeit und Recht
Verwaltet man durch Dich. Fuͤrſt, Bauer, Herr und Knecht
Sind alle gleich vor Dir. Es faͤllt kein einzigs Har
Von unſerm Haupt, o GOtt, zur Erd ohn Deinen Willen.
Die Thronen, die Gewalt, und aller Engel Schar
Sind, HErr, Dir unterthan, und fertig zu erfuͤllen
Was Du befielſt und willt. Der Sonnen Glanz und Licht,
Des Mondes Gegen-Schein erleuchteten uns nicht,
Falls Du es nicht befoͤl’ſt. Nur Du erteilſt allein
Dem ungezaͤl’ten Heer der Sterne Glanz und Schein,
Fuͤll’ſt die Unendlichkeit mit ſolchen Coͤrpern an,
Daß kein erſchaff’ner Geiſt, kein Witz ſie zaͤlen kann.
Luft, Erde, Finſterniß, Licht, Nebel, Froſt und Hitze,
Dampf, Feuer, Hagel, Schnee, Sturm, Waſſer, Donner,
Blitze
Sind Diener Deines Winks. Von und in Ewigkeit
Jſt Dein gewaltigs Reich. Du bleibeſt allezeit
Jn unveraͤnderlich - und ſel’ger Ruhe ſtehen.
Die Himmel aͤndern ſich, die Erde wird vergehen;
Sie werden alt, recht wie ein Kleid.
Die unumſchrenkte Kraft der Allmachts-vollen Haͤnde
Kann ſie, wenn ſie ſich aͤndern ſollen,
Wie ein Gewand zuſammen rollen;
Du aber biſt und bleibſt: Dein Weſen hat kein Ende.
Du biſt die Weiſ heit ſelbſt, unendlich an Verſtand,
Der437Der Sonnen Sonn und HErr, des Lichts ſelbſtſtaͤndigs Licht.
Was in der Erden Grund, ins Himmels Hoͤh geſchicht,
Und in des Meeres Tief, iſt Dir allein bekannt.
Du ſiehſt die Menſchen an von Deinem heil’gen Thron,
Und ſchaueſt auf ihr Thun, du weiſt, worauf ſie ſinnen.
Dein all-durchdringend Aug ſieht unſer Herz von innen,
Ja, eh man noch gedenkt, weiß es der Schoͤpfer ſchon.
Du kenneſt unſern Gang, du pruͤfeſt Puls und Nieren;
Dein liebend Vater-Herz iſt uͤberall zu ſpuͤren;
Dein Mitleid, Deine Gnad, Huld und Barmherzigkeit,
Die ewiglich ohn End auf alles ſich erſtrecket,
Durchdringet und umgiebt, erfuͤllet und bedecket
Die Werke Deiner Hand. Du heilſt der Wittwen Leid;
Du biſt der Armen Troſt, ein Vater aller Wayſen,
Und Richter ihrer Sach. Ach moͤgt ich Deine Macht,
Huld, Liebe, Majeſtaͤt und Weiſ heit ewig preiſen!
Es flammet bloß durch Dich in einer heitern Nacht
Das funkelnde Geſtirn, die ſonderbare Pracht
Des tiefen Firmaments, das ſonder Ziel und Grenzen.
Die Sonnen, die darin, als waͤren’s Sterne, glaͤnzen,
Sind Coͤrper, die an Groͤſſ den groſſen Kreis der Welt
Teils zehn-teils tauſendmal (o Wunder!) uͤbergehen.
Die haſt Du, Groſſes All! gemacht und hingeſtellt.
Aus ihrer Groͤſſ und Zal
Kann man, wie groß Du ſelbſt, am allerklaͤr’ſten ſehen.
Daß die Geſchoͤpfe ſich ſo wenig faſſen laſſen,
Daraus muß man ja wol, daß Du nicht zu verſtehen,
Und nicht zu faſſen ſeyſt, am allerbeſten faſſen.
Jndeſſen dank ich Dir, unendlichs ewigs Weſen,
E e 3Daß438Daß Du doch meiner Sel ſo groſſe Gnad erzeigt,
Da ſie, daß Deine Groͤſſ unendlich hoͤher ſteigt
Als Menſch und Engel denkt, kann uͤberzeuglich leſen
Jn Deiner Creatur. Es ſpuͤret mein Gemuͤte,
Daß Deine wahre Groͤſſ und Weſen nichts als Guͤte,
Dein Wollen Liebe, ſey. Vollkomm’ne Lieb allein
Kann Vollenkommenheit in einer Gottheit ſeyn
Nach menſchlichem Begriff. Dieß mehrt die Zuverſicht
Jn einer frommen Bruſt, daß Deiner Liebe Licht,
O GOTT, auch meine Lieb in mir auf dieſer Erde,
Und dort je mehr und mehr zu Dir entzuͤnden werde.
O meiner Augen Kraft und Licht, wodurch ich ſehe,
Daß ich in Dir allein, und bloß durch Dich beſtehe,
O unermeſſlichs Gut! laß mich ein Werkzeug ſeyn,
Wodurch Dein Wunder-Nam und Deiner Gottheit Schein
Geehret werden moͤg! Ach fuͤlle meine Bruſt
Mit Deinem Freuden-Geiſt! Ach laß in Deinen Werken
Mich mit betrachtender und reiner Selen-Luſt,
HErr, Dein Allgegenwart empfinden, ſehn und merken!
Es ſey ſo Herz als Mund ſtets Deines Ruhmes voll,
Zumal zu dieſer Zeit! Ach laß mich Deinen Segen,
Den Du im vor’gen Jahr auch mir geſchenkt, erwegen!
Was hab ich, Groſſer GOtt, bey’m allgemeinen Wol,
Auch fuͤr beſonders Gut von Deiner Hand empfangen?
Es iſt, was ich begann, begluͤckt von ſtatten gangen.
Du ſegneteſt mein Amt, Du kroͤn’teſt meinen Stand,
Beſchirmeteſt mein Gut fuͤr Waſſer, Raub und Brand.
Mein liebſter Eh-Schatz leb’t vergnuͤgt und wol. Nicht
minder
Sind439Sind alle mir von Dir beſcher’te liebe Kinder
An Sel und Leib geſund. Wie manche Luſt
Empfand an ihrem Scherz und kindiſchen Gewuͤle,
Doch mehr noch, weil ſie ſich je mehr und mehr dem Zielt
Der Gottesfurcht und Kunſt ſich nahen, unſ’re Bruſt!
Ach, laß ſie mehr und mehr die Laſter-Brut beſiegen!
Floͤſſ ihnen Deinen Geiſt, den Geiſt der Weiſ heit, ein!
So werden ſie Dir hier und dort gefaͤllig ſeyn.
Mein einſt verfertigt Buch, das irdiſche Vergnuͤgen
Jn GOtt, iſt, o mein GOtt, zu Deinem Ruhm, aufs neu
Jm abgewich’nen Jahr vermehrt ans Licht gekommen.
Verleihe, Groſſes All, daß vieles vielen Frommen
Von jenem himmliſchen ein ſuͤſſer Vorſchmack ſey!
HErr, nimm den Dank von mir in tiefſter Ehrfurcht an,
Daß Du mir Deine Gnad und Huld dazu gegeben,
Weil keiner ohne Dich was Gut’s verrichten kann,
Und laß mich ferner ſo zu Deinen Ehren leben!
Unendlich reicher GOtt, Du Geber aller Gaben,
Laß nebſt den Meinigen auch mich geſegnet ſeyn
Jm angetret’nen Jahr! Ach laß mich Dich allein
Jn meinem Amt ſo wol, als ſonſt, vor Augen haben,
Und Dein Allgegenwart zu aller Zeit bedenken!
So wirſt Du, was uns nuͤtzt, aus Gnad uns ferner ſchenken.
E e 4Die440

Die durch die Betrachtung des Menſchlichen Nichts verherrlichte Groͤſſe GOttes. Auf das Neu-Jahr 1725.

Es drehet ſich nunmehr der Erden ſtarre Flaͤche,
Die von der Qvell des Lichts bisher gewichen war,
Der Sonne wieder zu. Es faͤngt ein Neues Jahr,
GOtt gebe gluͤcklich! an. Jch denke, ſchreib und ſpreche
Mit Luſt zu dieſer Zeit von Deſſen Wunder-Macht,
Der aller Himmel Heer aus Nichts hervor gebracht,
Der ſie beweg’t, beleb’t, verſorg’t, erhaͤlt, regieret,
Der ſie unwandelbar, in ſtiller Majeſtaͤt,
Jn einer regen Ruh und ſolcher Ordnung fuͤhret;
Daß keines, um ein Har, aus ſeinen Schranken geht.
Die Ordnung, voller Macht und Weiſheit, zwinget mich,
Die Ordnungen, die auch im Jrdiſchen ſich weiſen,
Mit Demuts-voller Luſt zu loben und zu preiſen,
Als welche gar zu hoch und zu verwunderlich.
Unendlich-groſſer GOtt und Schoͤpfer, HErr der Tage,
Du Kreis und Mittel-Punct der Zeit!
Du hell - und dunk’le Qvell der tiefen Ewigkeit,
Vernimm mit Vater-Huld, was ich, Dein Kind,
Von Deinen lieblichen und weiſen Wegen ſage,
Die unerforſchlich zwar und unbegreiflich ſind,
Die ſich vom Menſchlichen Verſtande zwar nicht faſſen,
Und nicht ergruͤblen; nein, nur bloß bewundern, laſſen.
Mich441Mich treibet meine Pflicht, mit Andacht nachzudenken,
Ob nicht der Menſchliche Verſtand dahin zu lenken,
Daß er ohn Wider-Sinn und Murren faſſen lerne,
Wie es von Billigkeit und Recht ſich nicht entferne,
Ob man gleich oftmals ſieht, daß es in dieſer Welt
Den Boͤſen meiſtens gut, den Frommen uͤbel, gehe;
Wie gottlos folglich ſey, wenn mancher gar daher
Erbaͤrmlich folgern will, als wenn kein GOtt nicht waͤr,
Daß alles auf der Welt bloß durch ein Ungefehr,
Daß nichts durch GOttes Macht und weiſen Raht, geſchehe.
Wenn mancher alſo denkt: Wie geh’ts auf Erden zu?
Betrug und Boſheit herrſch’t, die Tugend wird gedruͤcket.
Wenn ſich die Froͤmmigkeit als Sclavinn, ohne Ruh,
Mit trocknem Brodt kaum lab’t, mit Waſſer kaum erqvicket;
So ſchwimm’t die Tyranney in einem Wolluſt-Meer,
Geſegnet und gekroͤn’t mit Reichtum und mit Ehr.
Jſt nicht das Geld
Unwiderſprechlich itzt ein Herr, ein Gott der Welt?
Die Armut iſt allein, kein Laſter, eine Schande.
T .., der der groͤſte Schelm und Dieb im ganzen Lande,
Regiert des Fuͤrſten Hof. Er druͤck’t, er preſſ’t, er plag’t,
Was fromm und redlich iſt. Er qvaͤlet, er verjag’t
Das, was nicht laſterhaft. Berauben, Blut-vergieſſen,
Jſt ihm ein Kinder-Spiel. Der Wittwen Thraͤnen flieſſen
Vergebens uͤber ihn. Der Unterthanen Schweiß
Bethaut und duͤngt ſein Feld. Jhr aͤngſtlich-bitt’rer Fleiß,
Jhr Hunger naͤhret ihn
Wit Kummer-vollem Weh und taͤglichem Bemuͤhn.
Sein Fuͤrſt glaubt der verdammten Lehre,
E e 5Die442Die T ihm beygebracht, als wenn auf dieſer Welt
Das Volk allein des Fuͤrſten halber waͤre;
Nicht aber, wie es ſich doch in der That verhaͤlt,
Daß jeder Fuͤrſt der Unterthanen wegen
Sein Amt empfangen hab. Ach moͤgte nur allein
Sein Fuͤrſt auf dieſer Welt die Teufels Meynung hegen!
So aber iſt die Lehr anitzt faſt allgemein;
Und dieſes iſt die Qvell, woraus ein Jammer-Meer
Auf alle Menſchen flieſſt. Koͤnnt es nun aͤrger gehen,
Und wuͤrd auf dieſer Welt mehr Frevel faſt geſchehen,
Mehr Ungerechtigkeit, wenn durch ein Ungefehr
Die Welt regieret wuͤrd? Jch muß noch etwas ſagen
Von Ungluͤcks-Faͤllen ſonſt und unverſeh’nen Plagen:
Wie ſehr betruͤb’t uns nicht der Elementen Wut!
Wie grauſam ſtuͤrzet oft die raͤuberiſche Flut
Uns in den Armuhts-Pful? Friſſt Hunger, Peſt und Brand
Nicht oft ein ganzes Land?
Wie mancher iſt wol eh als wie ein Dieb gehangen,
Der keinen Diebſtal je begangen,
Und deſſen Unſchuld erſt, nachdem ſie umgebracht,
Ans Licht gekommen iſt! Vergieſſt des Krieges Wut
Nicht ſonder Unterſchied unſchuld - und ſchuldigs Blut?
Koͤnnt es faſt aͤrger gehn, wenn durch ein Ungeſehr
Der Kreis der Welt regieret waͤr!
Deßgleichen Urteil wird ja, leider! oft gefaͤllt,
Und weil ſo gar oft fromme Selen
Sich mit ſo leidigen Gedanken qvaͤlen;
Hab ich mir itzo vorgeſtellt,
Und neme die Gelegenheit,
Um443Um meinen GOtt zu preiſen,
Die Uebereilungen und Ungerechtigkeit
Von ſolchen Schluͤſſen klar zu weiſen.
Um nun zu dieſem Zweck am ſicherſten zu kommen,
Hab ich fuͤr dieſes mal mir vorgenommen,
Zuerſt der Menſchen Nichts in Demut einzuſehn,
Weil aus dem eit’len Stolz und aufgeblaſ’nen Weſen
Die ungerechten Schluͤſſ und Folgen meiſt entſtehn,
Ob waͤren viele Ding, die auf der Welt geſchehn,
Hart, grauſam, ungerecht. Ach moͤgten, die es leſen,
Von dieſer Wahrheit doch recht uͤberzeuget ſeyn!
So wuͤrden ſie von mancher Selen-Pein,
Die ſie mit Schwermut plag’t, verhoffentlich geneſen.
Das Laſter, ſo vorhin den Engel Luciſer
Beſeſſen und gefaͤllt; der Stolz, der Adam ſtuͤrzte,
Da er ſich wuͤrdig hielt, zu ſeyn, wie GOtt der HErr,
Wodurch er Eden miſſt, und ſich das Leben kuͤrzte,
Herrſch’t noch in unſ’rer Bruſt, ſteckt noch in unſern Luͤſten.
Wir fuͤhren uns im ganzen Lebens-Lauf
Wahrhaftig faſt nicht anders auf,
Als haͤtte GOtt, beym Regiment der Welt,
Uns Jhm zur Huͤlfe zugeſellt;
Als wenn wir beſſer faſt, wie GOtt, zu herrſchen wuͤſten.
Aus welcher Qvell kann nun ſo grober Jrrthum kommen,
Als daher, weil von GOtt ſo elend und ſo klein
Die Menſchlichen Jdeen insgemein,
Und weil wir von uns ſelbſt ſo ſtraͤflich eingenommen.
So elend und ſo klein
Wir arme Menſchen alle ſeyn;
Ver -444Vergeſſen wir uns doch ſo ſehr, daß wir allein
Nach unſerm Nutz und Witz die Dinge, die geſchehen,
Beurteln und beſehen.
Kein armes altes Weib, das bey der Waͤſche ſtehet,
Jſt ſo veraͤchtlich, tumm und elend, daß ſie nicht
Auf ihr Verdienſt bey GOtt ſo feſte Zuverſicht,
So ſteife Hoffnung ſetzt: wann’s regnet, oder wehet,
Und ſie ſchoͤn Wetter braucht; es werde Sturm und Regen
Um ihrent willen ſchon zu rechter Zeit ſich legen.
Was Wunder, daß ſo dann, wanns etwan anders faͤllt,
Und wann der taube Nord den heiſern Ton nicht hoͤret,
Sie ſich voll Widrigkeit und Gram, nicht g’nug geehret,
Und, ſonder ihrer Schuld, von GOtt verachtet haͤlt?
Da doch, wofern ſie das, warum ſie bittet, wuͤſte;
Sie ſelber finden wuͤrd, daß ſelbſt die ganze Welt
Um ihre Waͤſche ſich verdrehn und aͤndern muͤſte.
Du lachſt vielleicht, mein Leſer; aber hoͤre!
Wie wenn es etwan auch mit dir nicht anders waͤre?
Wie wenn ich auch bey dir ſo heil’ge Einfalt ſpuͤr’te?
Wie wenn ich dich allhie mit Wahrheit uͤberfuͤhrte,
Daß du, und zwar gar oft, den Waͤſcherinnen gleich,
An Witz und Wiſſen arm, an Eigen-Liebe reich,
So wunderliches Zeug, wie ſie, von GOtt begehreſt,
Und eben ſo, wie ſie, wanns felet, dich beſchwereſt?
Da dein Verdienſt jedoch und dein Verſtand ſo klein,
Daß faſt die Thiere ſelbſt in vielem kluͤger ſeyn,
Als wie die Menſchen ſind. Dich deß zu uͤberfuͤhren,
Wird mir allhier ſo leicht ſeyn, als gebuͤhren.
Zu mehrer Deutlichkeit
Will445Will ich, geliebter Freund, dich ſelber fragen,
Und du wirſt, ohne Zank und Streit,
Schon offenherzig g’nug mir deine Meynung ſagen.
Was biſt du, lieber Menſch? Du ſprichſt in deinem Sinn:
Jch bin das herrlichſte Geſchoͤpf, ein Herr der Erden,
Der Creaturen Fuͤrſt und ihr Monarch. Jch bin
Das vollenkommenſte, ſo die Natur ließ werden.
Jndem in meinem Geiſt, der gut und boͤſes kennet,
Die Fackel der Vernunft in hellen Stralen brennet;
Beleucht ich alle Ding: Jch unterſcheid, erwaͤge,
Verbeſſre, rechne, ſchreib, erfind und uͤberlege,
Was nuͤtz - und ſchaͤdlich ſey. Jch bilde, ſchmuͤcke, ziere,
Jch male, meſſe, bau, ich zwinge, leit und fuͤhre
Die Elemente ſelbſt. Gewiß, dieß klinget ſchoͤn,
Und wenn wirs recht beſehn;
Bild’ſt du dir von dir ſelbſt dieß alles wuͤrklich ein:
Es fel’t nicht viel, du glaͤub’ſt ein kleiner Gott zu ſeyn.
Doch, worauf fuſſeſt du ſo uͤbermuͤt’ge Schluͤſſe,
Daß alles, was du denk’ſt, ſich ſo verhalten muͤſſe?
Erlaube, daß ich dich ein wenig in der Naͤhe,
Was du denn eigentlich doch ſeyſt, mit Ernſt beſehe!
Du wirſt gebohren, leb’ſt und ſtirbſt. So auch ein Thier;
Ja viele gehn dir noch an Daur und Leben fuͤr.
Du iſſeſt, trinkſt und ſchlaͤf’ſt. Ein Thier ſo wol als du
Jſſt, trinket und genieſſt des Nachts der ſanften Ruh.
Du ziereſt deinen Leib mit manchem ſchoͤnen Kleide.
Sie ſind oft ſchoͤner noch, als du, gezieret. Schau
Des Tiegers bunten Pelz, ſchau den ſo ſchoͤnen Pfau!
Zudem ſo geben dir die Thiere Woll und Seide.
Mit446Mit deiner Weber-Kunſt wirſt du nicht viel gewinnen,
Weil Thiere ja ſo gut, als du, und beſſer ſpinnen.
Schau eine Spinn! Ein Wuͤrmchen wirk’t und web’t
Mit groͤſſ’rer Kunſt, als du. Es baut der Menſch Pallaͤſte
Zur Sicherheit ſo wol als zur Beqvemlichkeit.
Sprich: Trifft man alles dieß in einem Vogel-Neſte
Nicht mit Verwund’rung an? Ein kleiner Schnabel bau’t,
Was man nicht ſonder Luſt, nicht ohn Erſtaunen ſchau’t,
Ohn Hand und Werkzeug auf. Noch mehr, die kleinen Bienen
Die werden ſtaͤrker noch zur Ueberzeugung dienen,
Daß alles, was ein Menſch an Bauwerk je geſtift’t,
Kaum ihrem Bau ſich gleicht, und ihn nicht uͤbertrifft.
Es kann der kluge Menſch die Schiffahrt ſo beſtellen,
Daß er in Sicherheit das tiefe Reich der Wellen
Durchreiſet und zerteilt. Das iſt zwar wahr; allein,
Daß Gaͤnſ und Endten noch dazu geſchickter ſeyn,
Vernein’ſt du ja wol nicht. Die Voͤgel aber fliegen,
Und ſchiffen durch die Luft, durchſtreichen mit Vergnuͤgen
Und ſonder alle Muͤh den Kreis der untern Welt,
Das dir mit aller Kunſt durchaus unmoͤglich faͤllt.
Jch ſorg aufs kuͤnftige; ich ſammle reiche Schaͤtze.
Wie wenn ich dir hierauf der Ameiſ Arbeit, Fleiß,
Und kluge Sorg entgegen ſetze?
Was meyn’ſt du, wem gebuͤhrt von beyden wol der Preis,
Da ſie nicht, ſo wie du, bloß in den Ueberfluß
Und in dasjenige, was ſie nicht braucht, vernarret;
Da ſie ihr noͤtig Korn bloß ſammlet zum Genuß;
Da ſie nicht ſo, wie du, bloß um zu ſcharren, ſcharret?
Mich deucht, du faͤhreſt fort: Kein Thier gedenk’t; ich denke.
Ja447Ja das iſt wahr, du denk’ſt. Allein was denkeſt du?
Viel unnuͤtz boͤſes Zeug. Wenn ich mein denken lenke
Aufs Vieh; ſo ſchreib ich ihm zwar nicht ſolch denken zu,
Als wie das deinige. Es denket nicht ſo viel,
So mancherley, wie du; allein von ſeinem Ziel
Entfernt ſich keines ſo. Das, was man Triebe nennet,
Jrr’t weniger, als das, was dein geſchwoll’ner Geiſt
Selbſt Schluͤſſe der Vernunft und ſich’re Folgen heiſſt,
Da ja der kluͤg’ſte Menſch faſt nichts recht gruͤndlich kennet.
Der Menſch erinnert ſich deß, was er einſt gethan.
Das wird ja, ſageſt du, gewiß den Thieren fehlen.
Ach nein: ich koͤnnte dir von Hunden viel erzehlen;
Denn wuͤrklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an.
Wie viel Vergnuͤglichkeit, wie viel Veraͤnderung
Hat nicht der kluge Menſch? Der Luſt Verwechſelung
Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht uͤber ſie.
Allein laͤſſt nicht ein Vieh
Hingegen eine Ruh und eine ſanfte Stille
Jn allem ſeinem Thun verſpuͤren? Jſt ſein Wille
Durch wilde Leidenſchaft, wie dein Gemuͤt, geplag’t?
Die Ruhe, die bey euch kein Philoſoph erjag’t,
Beſitz’t es ohne Muͤh, und die Gelaſſenheit,
Die auch dem kluͤg’ſten fel’t, vermindert ihm ſein Leid.
Ey, faͤhr’ſt du weiter fort: da ich die klugen Thiere
Bezwingen, fangen kann, ſie ſtraf und ſie regiere;
So muß ich ja viel mehr und kluͤger ſeyn, als ſie.
Gefel’t! weil ſonſt ein Hecht, ein Habicht und ein Baͤr
Viel beſſer, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun waͤr:
Ja, ginge dieſer Schluß, den du hier macheſt, an;
So448So waͤr ein Araber, ein Raͤuber, ein Tyrann
Noch beſſer, als ein Menſch. Willt du noch weiter gehen,
Und ſprechen: Weil wir doch faſt mit erſtannen ſchen
Wie manches ſchoͤne Werk der Menſch erfunden hat;
So zeigt ſich ja von ſelbſt ſein Vorzug in der That.
So ſag ich nein. Du haſt auch hier nicht uͤberwunden.
Durch alles, was der Menſch bisher erfunden,
Sind wir von ihnen doch ſo weit noch nicht entfernt,
Da wir das mehreſte den Thieren abgelernt.
Hieruͤber muß ich ja von Herzen deiner lachen,
Sprichſt du: kann denn ein Vieh, wie wir, auch Uhren
machen?
Nein, dieſes eben nicht. Doch hoͤre nur!
Sie ſind noch witziger, als du, mit deiner Uhr.
Es zeigt die Uhr vielmehr ein Unvollkommenheit.
Sie wiſſen ſonder Uhr und Zeiger ihre Zeit.
Noch ſprichſt du: Singet denn und machet auch ein
Thier
Erbauliche Gedicht und Verſe, ſo wie wir?
Nicht eben ſolcher Ahrt; allein das ſuͤſſe Schallen
Der lieblich-ſingenden beliebten Nachtigallen,
Die auf ſo manche Weiſ, als du der Lettern Menge
Veraͤnderſt, ihren Ton veraͤndern; ſollt es nicht
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm ein ſingendes Gedicht
Mit Recht zu nennen ſeyn? Daß wir es nicht verſtehen,
Beweiſet nicht ſo ſehr ihr Nichts, als unſ’re Schwaͤche,
Und zeiget unſ’re mehr, als ihre, Schwachheit an;
Da jedes Thier ja ſonſt von mir auch denken kann:
Jch waͤre tumm. Warum? Es weiß nicht, was ich ſpreche.
Ein Menſch verſteht der Zalen wehrt.
Wir449Wir rechnen; welche Kunſt! Kann dieſes auch ein Vieh?
Nein, und dennoch ſind wir kaum ſo gelehrt
Mit aller Wiſſenſchaft und Rechnung, als wie ſie.
Ein Storch weiß ſeine Zeit, und rechnet ſeine Stunde:
Und uͤberdem, wir wiſſen nicht einmal
Die Wunder-Tief und Hoͤh der Zalen aus dem Grunde;
Wir wiſſen nicht den Schluß noch Anfang einer Zal.
Die ſchlieſſen ja fuͤr dich was unbegreiflichs ein,
Da ſchon in einem 1. die Teil unendlich ſeyn.
Wird nicht von unſ’rem Witz begriffen und gefaſſt
Manch Handwerk, manche Kunſt? Auch dieß iſt wahr;
allein
Erwege doch die Laſt,
Die Arbeit, Plage, Muͤh, den Schweiß, den Gram, die
Sorgen,
Den Kummer und Verdruß,
Die mancher Handwerks-Mann vom Abend bis zum Morgen,
Bloß um ein Bißgen Brodt, beſtaͤndig dulden muß,
Und ob auf ſolche Weiſ ein Thier
Ohn Handwerk, ſonder Kunſt, nicht gluͤcklicher, als wir!
Der Menſch iſt ja gelehrt. Wir haben Profeſſores
In omni ſcibili, Philoſophos, Doctores.
Wir unterſuchen ja die Wirkung der Natur,
Ergruͤnden ihre Kraft, und kommen auf die Spur
Von ihrer Heimlichkeit. Sind das nicht Wunder - Sachen?
Vortrefflich, wunderbar! Nur eines fel’t daran,
Daß keiner nicht einmal dir recht erklaͤren kann,
Was Feu’r, was Waſſer ſey. Jch muß von Herzen lachen,
Daß die gelehrte Welt ſich ſelbſt ſo ſehr erhoͤht,
II. Theil. F fDa450Da ſie von der Natur und allen ihren Wegen
Die Urſach nicht, nicht einſt das A B C verſteht,
Wie ihre Widerſpruͤch es ſelbſt vor Augen legen.
Noch eins: was jedes Thier am Guten einzeln hat,
Das hat der Menſch nicht nur in einem hoͤhern Grad;
Er hat nicht nur den Trieb, den Geiſt, die Faͤhigkeiten,
Und alle Thieriſche Vollkommenheiten
Jn ihm allein vereint, nein noch viel mehr dazu.
Es iſt auch dieſes wahr; allein wie braucht er ſie?
Wird auch von einem Thier, wird auch von allem Vieh
Dem Menſchen ſo viel Plag und Schaden zugefuͤget,
Als wie vom Menſchen ſelbſt? Kaum iſt ein Wolf ſo wild,
Kaum iſt ein frecher Baͤr mit ſolcher Wut erfuͤllt,
Als Menſchen, die ſich ſelbſt zerfleiſchen und zerreiſſen
Durch Pulvec, Stal und Bley, weil ihnen die Natur
So Klau als Zahn verſag’t. Mein, uͤberleg es nur!
Wie wuͤrdeſt du den Krieg ergrimmter Katzen heiſſen,
Wenn du in einem Thal durch Beiſſen und durch Kratzen
Die todten Aeſer ſaͤhſt von funfzig tauſend Katzen?
Wie man doch leider oft geſehn,
Daß es mit groſſem Mut und groſſem Ruhm geſchehn
Vom menſchlichen Geſchlecht. Jch ſchweige vom Betriegen,
Vom Stolz, vom Neid und Geiz, Verraͤterey und Luͤgen.
Wollt ich die Menſchen ſo, wie du, beſchauen;
Moͤgt einem Menſchen ja faſt vor den Menſchen grauen.
Doch hoͤr ein einzigs noch, wodurch dein harter Schluß
Ob waͤr der Menſch ſo ſchlecht, gewiß ſich aͤndern muß,
Weß du dich, gegen ihn zu ſchreiben, auch erkuͤn’ſt.
Wie groß auch gleich die Gleichheit zwiſchen beyden;
Wird451Wird die Religion uns dennoch unterſcheiden.
Sprich: haben denn die Thier auch einen Gottesdienſt?
Nein: dennoch ehren ſie die Gottheit nach der Weiſe,
Die ihnen eingepflanzt, ohn allen Zank und Streit,
Verfolgung, Ketzerey. Sie leben, Jhr zum Preiſe,
Jn Einfalt und Gelaſſenheit.
Bis hieher geht jedoch, was ich mir vorgenommen,
Zu zeigen den Vergleich mit dir und Thieren, nur,
Und wuͤnſch ich, daß du doch dadurch magſt auf die Spur
Zur wahren Ehr und Ruh, durch wahre Demut, kommen.
Du wirſt erkennen koͤnnen,
Da du ſo wenig taugſt, da du ſo wenig biſt,
Daß du auch nichts verdienſt, daß, was dir GOtt zu goͤnnen
Dich noch gewuͤrdigt hat, nur bloß ein Merkmal iſt
Von Deſſen Lieb und Huld, Der weiſer, beſſer,
Unendlich herrlicher und groͤſſer,
Als du mit Sel und Leib: daß du ja tauſendmal
Noch ungluͤckſeliger, zernag’t von groͤſſ’rer Qval
Mit Recht noch koͤnnteſt ſeyn. Jſt GOtt dir etwas ſchuldig?
Es koͤmmt ja dir
Nicht einmal ungerecht, nein unanſtoͤſſig, fuͤr,
Ob du gleich glaubſt, daß der Verdammten Pein
Wird ewig und unleidlich ſeyn:
Hier aber auf der Welt,
So bald dir etwan Ehr und Geld,
Wie oder ſonſt was felet,
So bald ein kurzer Schmerz dich etwa qvaͤlet;
Vermeyneſt du, daß dir zu nah geſchehe,
Ob du dich gleich nicht hier wirſt ohne Suͤnde nennen,
F f 2Auch452Auch folglich dich nicht frey von Strafe ſchaͤtzen koͤnnen.
Ja, ſprichſt du, weil ich gleichwol ſehe,
Daß vielen, die weit aͤrger noch, als ich,
Es doch weit gluͤcklicher, als mir, ergehe;
Murr ich mit Recht, und aͤrg’re mich.
Allein, koͤmmt dir denn nie der Vorwurf in den Sinn:
[Wie?] ſiehſt du darum ſchel, daß ich ſo guͤtig[ bin? ]
Da dein ſo kleines ganz in ſolchen engen Schranken
Sich eingeſchloſſen ſieht, und ſich faſt ſelbſt nicht find’t;
Auf, faſſe denn von GOtt auch andere Gedanken,
Als du bisher von Jhm, durch Eigenliebe blind,
Durch Hochmut aufgebleht, geheget!
Sey nicht, ſo wie vorhin, nur voll von dir allein!
Reiß ein, und ſtuͤrze doch ſo Tempel als Altar,
Der deinem Goͤtzen Jch bisher geheiligt war,
Voll edlen Eifers, um, und laß der Selen Triebe
Nur Dem gewidmet ſeyn,
Der nicht nur dich und etwan hier die Welt,
Nein aller Himmel Heer, erſchaffen und erhaͤlt;
Der die Unendlichkeit mit Seiner Weiſheit fuͤllet;
Aus Dem das kuͤnftige, nebſt dem vergang’nen, qvillet;
Der alles ſieht und weiß, Der Herz und Nieren kennt,
Der aller Creatur, aus Liebe, Gutes goͤnnt!
Verſenke dich in Jhm, und tad’le ferner nicht,
Wenn etwan etwas auf der Welt
Das du nicht faſſen kannſt, und das dir nicht gefaͤllt,
Wanns dich betrifft, geſchicht.
Mit welchem Recht will doch ein Menſch, dem nichts gehoͤr’t,
Der ſelber nichts iſt, und nichts wehrt,
Sich453Sich etwas, das geſchicht, zu tadeln unterſtehen,
Da nichts geſchehen kann, was nicht vorher verſehen?
Heiſſt dieſes nicht, das Nichts der Menſchen ganz vergeſſen,
Wenn wir des Schoͤpfers Geiſt nach unſerm Geiſte meſſen?
Da die Gerechtigkeit der Menſchen, wie ein Kleid,
Das ganz beſudelt, iſt; kann die Gerechtigkeit
Des Allerhoͤchſten, die allein
Vollkommen heilig iſt, damit verglichen ſeyn?
Aus dieſer Hochmuts Qvell entſpringt und kommt ein Meer
Von Ungeduld und Boſheit her.
Denn waͤr die Menſchheit uͤberfuͤhret,
Daß GOtt auf and’re Weiſ und zwar mit Recht regieret;
So ſaͤhen wir gewiß mit mehr Gelaſſenheit,
Die GOtt allein gefallen kann,
Die Goͤttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit,
Gerechtigkeit und Weiſheit an.
Denn daß ich dieß nicht weiß,
Dieß eben ſtellet mir
Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit fuͤr,
Und zeigt mir, daß kein Menſch, ein GOtt, den Zepter fuͤhret,
Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Menſch, regieret.
Denn, daß der Menſch von Dingen, die geſchehen,
Den Grund, Zuſammenhang und Endzweck zu verſtehen,
Auch gar nach ſeinem Witz ſie abzumeſſen ſucht,
Und folglich unrecht heiſſt, was er gleichwol nicht faſſt,
Jſt des verfluchten Hochmuts Frucht.
Verſtuͤnden wir, warum die Dinge
Auf Erden ſo und anders nicht geſchehn,
Und wie aus jenem dieß, aus dieſem das, entſpringe,
F f 3Ja454Ja wozu jenes auserſehn,
Wovon nach ſo viel tauſend Jahren
Der Endzweck erſtlich zu erfahren,
Wo, ſag ich, wir an Wiſſenſchaft ſo reich;
So waͤr die Menſchheit faſt der Gottheit gleich.
Drum huͤte dich, ſey nicht ein and’rer Lucifer,
Und wuͤnſche nicht zu ſeyn wie GOtt der HErr!
Dieß find ich, wenn ich es mit Andacht uͤberlege:
Des Schoͤpfers Wege ſind nicht unſ’re Wege.
Kein Eul und Fledermaus, kein Maulwurf iſt ſo blind,
Als wie wir, im Vergleich mit GOttes Weiſ heit, ſind,
Die allenthalben iſt; die das, was dein Verſtand
Ergruͤbelt und erkennt, erkennt und laͤngſt erkannt,
Das ew’ge Weiſ heits-Meer, worin der kluͤg’ſte Geiſt,
Ja aller Engel Witz, als wie ein Troͤpfgen, treibet.
Da nun im weiten Meer ein Troͤpfgen ſich nicht ſtreubet,
Und anders flieſſen will, als wie die Tiefe fleuſſt;
Mit welchem Rechte denn kann unſer Witz verlangen,
Daß der gewalt’ge Lauf des Wirbels der Natur,
Den GOtt allein beweg’t, ſich aͤndr in ſeiner Spur,
Daß alles anders geh, als es bisher gegangen?
Weil aus Beqvemlichkeit er etwa lieber wollte,
Daß es, wie GOtt will, nicht, nein anders, gehen ſollte.
Ja denke ferner nach: was wuͤrd aus dieſer Erden,
Sollt es nach jedes Wuͤnſchen gehn,
Fuͤr ein verwirrter Zuſtand werden!
Unmoͤglich koͤnnte ſie beſtehn.
Ein jeder wuͤrde ja, wie du, geehret, reich,
Jhr wuͤrdet all einander gleich
An455An Macht und Wuͤrde ſeyn, und keiner dienen wollen.
Es ſiehet jedermann
Faſt alles, was er ſieht, nach ſeinem Nutzen an,
Und keiner denkt von uns aufs ganze: keiner denket,
Daß Der, durch Deſſen Wink ſich Zeit und Erde lenket,
Unendlich weiſe ſey;
Daß Er von Ewigkeit auf alle Dinge ſehe,
Daß alles, was geſchicht, in einer langen Reih
Und gleichſam unzerteilt in einer Kette ſtehe,
Wovon das Menſchliche Gemuͤt
Nicht den Zuſammenhang der vielen Glieder ſieht.
Es felen ihm davon zu viel; daher ſein Schluß
Unwiderſprechlich felen muß.
Der aber ſieht’s allein, Der alles, was vorbey,
Was iſt, was kuͤnftig koͤmmt, auf einmal deutlich ſchauet,
Und folglich weiß nur Der, wozu das nuͤtzlich ſey,
Was allezeit geſchicht, was Er zerbricht und bauet.
O HErr, wenn man mit Ernſt Dein Allmacht, Weiſheit,
Liebe,
Die all unendlich ſind, und die Du Selber biſt,
Mit unſerm eitlen Nichts nur im Vergleich ermiſſt;
So kann’s nicht anders ſeyn, man wird ſich ſelbſt nicht finden:
Denn aller Creatur Verſtand und Witz verſchwinden,
Und werden bey der Quell des ew’gen Weiſ heit-Lichts
Zu Nacht, zu Finſterniß, zu Schatten und zu Nichts.
Um die verborg’nen Weg ein wenig zu erklaͤren;
So faͤllt mir itzt aus eines Weiſen Lehren
Ein nuͤtzliches Exempel bey.
Derſelbe ſchreib’t, wie folgt: ein frommer Pilgrim ſey
Auf einem Berg einmal mit beten und mit leſen
F f 4Be -456Beſchaͤfftiget geweſen,
Woruͤber er auch einſt auf die Gedanken kommen,
Wie es doch in der Welt ſo wunderlich,
So unbegreiflich mit den Frommen
Und ihrem Gluͤcke ſtehe;
Wie oft im Gegenteil es Boͤſen gluͤcklich gehe!
Hieruͤber ſiehet er
Von ungefehr
Vom Berg herab auf eine Stelle,
Wo eine reine Waſſer-Qvelle
Aus duͤrrem Sand entſprang.
Zu dieſer naͤhert ſich ein Reuter, ſteigt vom Pferde,
Trinkt, ſchwingt ſich wiederum aufs Pferd, und reitet fort.
Ein Juͤngling koͤmmt darauf an dieſen Ort,
Trifft einen Beutel auf der Erde
Voll Gold mit Freuden an, den der Soldat verloren.
Den nimmt er mit ſich fort. Ein alter Greis,
Der kaum vor Muͤdigkeit, vor Alter und vor Gram,
Den krummen Leib zu tragen weiß,
Und bald vor Durſt verſchmachtet waͤre, kam
Nachher und ſetzte ſich, um etwas auszuruhn.
Der vorige Soldat,
Der ſeinen Schatz verloren hatt,
Kehr’t, ihn zu ſuchen um, und fraget
Den Alten, wo ſein Gold. Der ſaget:
Jch habe nichts geſehn. Als meiner Unſchuld Zeugen
Ruf ich den Himmel an. Allein
Der Reuter, der hievon nichts glaubte, ward ſo gleich
Vor Grimm und Eifer bleich,
Und457Und ſpaltet ihm den Kopf. Kann dieſes moͤglich ſeyn,
Kann dieß, was ich geſehen,
Mit der Gerechtigkeit des Schoͤpfers wol beſtehen?
Rief unſer Heiliger vor Schrecken. Aber bald
Vernam er eine Stimm, die ſag’te: Lieber, halt!
Verwundere dich nicht, daß GOtt, Der alles weiß,
Durch Seine Macht
Solch einen Frevel nicht verwehre!
Denn hoͤre:
Es hat vordem der alte Greis
Des Juͤnglings Vater umgebracht.
Laß dieß Exempel dir doch ein Exempel ſeyn,
Und glaube ganz gewiß, daß alles, was geſchicht,
Es ſey und ſcheine dir ſo groß, ſo klein,
So fremd, ſo wunderlich; kein Ordnung unterbricht,
Die Der, Der alle Ding erſchaffen und erhaͤlt,
Der Creatur zur Richtſchnur vorgeſtellt.
Wo man von GOttes Weg ein and’re Meinung heget;
So glaubet man ſuͤrwahr an keinen wahren GOtt.
Denn Dem gereichet es gewiß zu keiner Ehre,
Nein zur Verkleinerung, Verachtung und zu Spott,
Wenn man, an Seiner Statt, ein albern Ungefehr
Auch in dem kleinſten nur erkennen wollte.
Wo waͤre GOtt ſodann, wenn etwas anders waͤr,
Das ohne GOtt was thun und laſſen ſollte?
Spricht nicht die Bibel klar:
Ohn GOttes Willen faͤllt kein einzigs Har
Von euren Haͤuptern auf die Erde?
Dieß iſt ein groſſer Troſt, wenn man bedenket:
F f 5Durch458Durch ein allmaͤchtiges, allweiſes Weſen werde
Auch das, was boͤſe ſcheint, zum guten Zweck gelenket,
Weil Er das Hoͤchſte Gut. Denn ſelber Schmerz und Pein,
Die auf der Welt ja wol die groͤſten Plagen ſeyn,
Sind, wegen ihrer Daur, ſo arg noch lange nicht,
Als man ſie glaubt zu ſeyn.
Es iſt die ganze Zeit
Vom Anbeginn der Welt
Nicht eine Stunde lang, wo man der Ewigkeit
Die Zeit zur Seite ſtellt,
Und die mit ihr vergleicht. Was gegen eine Stunde
Der allerkleinſte Teil der fluͤchtigen Secunde,
Das iſt des Menſchen Zeit, mit jener Zeit verglichen,
Noch lange nicht einmal.
Wird nun die ſchwer’ſte Pein,
Wird auch die groͤſte Qval,
So je ein Menſch auf dieſer Welt empfunden,
Wenn man der Zeiten Folg erwaͤg’t, nicht leicht und klein!
So gar gebrannte Wunden,
Gicht, Podagra und Stein,
Sind ja, ſo bald ſie heil, verſchmerzt.
Dieß denk ein jeglicher, wenn etwa GOtt ihm Plagen
Und Schmerzen aufgeleg’t! Er ſuche ſie beherzt,
Durch die Betrachtungen der kurzen Daur, zu tragen!
Er denke, wie ſo leicht ein Schmerz, wenn er vorbey,
Zu dulden ſey!
Doch deucht mich, hoͤr ich ſchon, daß mancher hierzu ſpricht:
Der du die Lehren ſchreibſt, du haſt gut ſagen,
Jndem dir nichts gebricht.
Du459Du fuͤleſt keine Pein und Plagen.
Dich druͤcken Schimpf und Armut nicht.
Wenn du in unſ’rer Stelle waͤreſt;
So wuͤrde dir die Zeit gewiß ſo kurz nicht ſcheinen.
Du wuͤrdeſt nicht, wie itzo, meynen,
Es waͤre leicht, was du uns lehreſt.
Drauf ſprech ich: Jhr hab’t Recht. Jch danke meinem GOtt,
Daß weder Armut, Schimpf noch Spott,
Noch Pein und Krankheit mich verletzen,
Und iſt es meine Schuldigkeit,
Solch eine Gnade hoch zu ſchaͤtzen.
Allein verarget mir doch nicht,
Wenn auch bey einem ſolchen Segen
Mein Mund von fremden Plagen ſpricht;
Denn es geſchicht
So eur-als meinet wegen.
Jch denke nicht in meinem Sinn,
Daß ich des Guten wuͤrdig bin,
Nein, daß GOtt bloß, weil’s Jhm beliebet,
Mirs ohn Verdienſt aus lauter Gnaden giebet.
Jch denke nicht, daß Kummer und Verdruß
Von mir ſtets ferne bleiben muß.
Jch weiß, es kann im Huy geſchehen,
Daß Sturm - und Ungluͤcks-Winde wehen,
Weßhalben ich, GOtt Lob! mich ja nicht uͤberhebe,
Wol aber oft mit bangem Geiſt
Das, was mir die Erfahrung weiſ’t,
Mir zum Exempel gebe.
Und fleh ich GOtt, den GOtt, Der alles kann,
Um460Um die zween Gaben taͤglich an;
Sie ſind auch eben itzt der Endzweck meiner Lehren.
Ach GOtt! verleihe mir, zu Deinen Ehren,
Jm Gluͤck ein frohes Herz voll froher Dankbarkeit,
Und, wann es widrig geht, Gelaſſenheit!
Man halte ſolches nicht geringe!
Durch dieſe Tugend bloß allein
Kann unſer GOtt, der Schoͤpfer aller Dinge,
Am herrlichſten verehret ſeyn.
Es ſag’ten ehemals die Heyden,
Jhr Jupiter ſeh ſelber voller Frenden
Des Cato ſtandhaft Herz und tapfern Helden-Mut
Recht mitten in dem Schutt, recht mitten in der Gluht
Von ſeiner Vater-Stadt. Ob aber Eigenſinn
Und bitt’rer Haß nicht Cato mehr regieret,
Als wahre Tapferkeit, ſtell ich dahin.
Jndeſſen iſt gewiß, und ſind wir uͤberſuͤhret,
Daß keiner GOtt in ſeinem Leben
Ein ſuͤſſer Opfer koͤnne geben,
Als eine gaͤnzliche Gelaſſenheit,
Die ſich nach aller Moͤglichkeit
Aus Ehrfurcht-vollem Triebe
Geduldig, ſtill,
Auf GOttes Weiſheit, Macht und Liebe
Allein verlaͤſſt und ſtuͤtzt. Wer GOtt verehren will,
Muß wenigſtens von Jhm ſo viel Erkenntniß haben.
Denn hierin nur allein beſteht Sein wahrer Preis:
Daß ER
Ein ſolcher Geiſt, ein ſolcher GOtt und HErr,
Der461Der alles Gute kann, der alles Gute weiß,
Der alles Gute will, Der Sein Geſchoͤpfe liebet.
Denn es iſt alles gut,
Was GOtt, die ew’ge Quell des ew’gen Guten, thut.
Kommt es dir anders fuͤr; ſo denke, wer du biſt,
Und wer Derjenige, Der alles wirket, iſt!
Dich wirſt du eitel, tumm, ſchwach, elend, voller Suͤnden;
Jhn aber ewig, weiſ, allmaͤchtig, liebreich ſinden.
Wenn du dieß uͤberzeuglich glaubeſt,
Wie beydes deine Schuldigkeit;
So weiß ich, daß zu keiner Zeit
Du ferner, wie vorhin, des Schoͤpfers Ehre raubeſt,
Die darin bloß, ſo viel an dir, beſteht,
Daß man von GOtt, wie es auch immer geht,
Weil Er es allezeit zum Beſten lenket,
Auch allezeit das Beſte denket.
Das Beſte nun iſt dieß: recht uͤberzeuget ſeyn,
Daß alles gut,
Was die ſelbſt-ſtaͤnd’ge Lieb und ew’ge Weiſheit thut.
Befleiſſige dich denn ins kuͤnftige darauf
Jn deinem ganzen Lebens-Lauf,
Dasjenige, was GOtt thut, gut zu finden!
Dieß iſt ein Gottesdienſt. Hiedurch wird GOtt geehrt
Weit mehr, als wenn man ſelbſt will alle Ding ergruͤnden,
Weit mehr, als wenn man ſich allein,
Um ſelig dort und hier begluͤckt zu ſeyn,
Zu ſeinem Vorwurf hat.
Wirſt du nun gegen GOtt hierauf gelaſſen ſeyn:
So wird Er deinen Gram, Schimpf, Armut, Krankheit, Pein
Entweder lindern oder heben,
Wo462Wo nicht, dir doch Geduld und die Verſich’rung geben,
Daß es dir nuͤtz und gut, und daß dein hieſigs Leiden
Werd eine Wurzel ſeyn der ewig-langen Freuden.
Doch rufe GOtt, weil man
Nichts aus ſich ſelber kann,
Um die Verſicherung in deiner Selen
Von dieſer ew’gen Wahrheit an;
So wird es wenigſtens dir nicht an Lind’rung felen.
Derjenige, der gruͤndlich uͤberfuͤhret,
Daß der Monarch, Der alle Welt regieret,
Allgegenwaͤrtig, gut, und kurz: ein Vater, iſt,
Und dann zugleich die kurze Daur der Zeit,
Zuſamt dem tiefen Meer der langen Ewigkeit,
Jn welchem keine Pein, ermiſſt;
Wird, wenn ſonſt Huͤlf und Troſt verſchwinden,
Den ſtaͤrkſten Troſt unfelbar finden.
Ein Vater, welcher ſeinem Kinde
Ein ſcharfes Meſſer nimmt, damit es ſich nicht ſchneide,
Thut ihm ja nichts zu leide.
Wie manchem wuͤrd auf dieſer Welt
Das ſonſt von jedermann gewuͤnſchte Geld
Nicht anders, als ein Meſſer, ſeyn,
So, neben mancher Sorgen-Buͤrde,
Nur Ungluͤck, Jammer, Angſt und Pein
Jhm mehrenteils erwecken wuͤrde?
Wie manchem laͤſſet GOtt den Tod ein Kind entfuͤhren,
Um ſolches nur nicht ewig zu verlieren?
Wie mancher wird, zu GOttes Ehre,
Dereinſt ſo an zu ſingen fangen:
Jch463Jch waͤre ganz gewiß vergangen,
Wofern ich nicht vergangen waͤre.
Es kann unmoͤglich anders ſeyn.
Die Plagen ſelber, ſo die Frommen
Auf Erden etwan uͤberkommen,
Verachtung, Armut, Schmerz und Pein,
Die muͤſſen ganz unfelbar ihnen
Entweder hier noch in der Zeit,
Wo nicht; doch in der Ewigkeit,
Zu ihrem Gluͤck und Beſten dienen.
Wer anders glaubt, thut nichts, als daß er GOttes Ehre
Recht ſtraͤflich zu verringern ſucht:
Denn der verfluchte Satz iſt ſeiner Meinung Frucht,
Als ob nicht GOtt die ew’ge Liebe waͤre.
Ach GOtt, gieb, daß ich thu nach meinen eig’nen Lehren!
Verleihe mir, zu Deinen Ehren,
Jm Gluͤck ein frohes Herz, voll froher Dankbarkeit,
Und, wann es widrig geht, Gelaſſenheit!
Abſonderlich wenn etwa Gram und Leid,
Schmerz, Mangel, Widerwaͤrtigkeit
Mich auch, wie and’re, treffen;
So gib, o wahrer GOtt, daß ich ſodann
Das Dir verkleinerliche Bild
Von einem alten greiſen Mann,
Womit ſo manches Herz erfuͤllt,
Aus meinem Herzen reiſſen kann!
Von dieſer Schwachheit zu geneſen,
Gib, daß ich meinen Geiſt und meine Sele hefte
An464An ein allgegenwaͤrt’ges Weſen,
Dem aller Himmel, Himmel Kraͤfte,
Ja ſelbſt der Abgrund, unterthan!
Ach gib, o groſſes All, daß ich
Oft Deine weiſen Wege faſſe!
Ach gib, daß ich mich bloß auf Dich
Und Deine Lieb allein verlaſſe!
Gib, was mir nuͤtzlich iſt, nicht, was mir nuͤtzlich ſcheinet!
Nicht ich, nur Du allein
Erkenneſt, was mir gut. Drum bitt ich, HErr! behuͤte,
Durch Deine maͤchtige, durch Deine weiſe Guͤte
Mich ſelbſt fuͤr das, was ich begehre,
Wenn es mir ſchaͤdlich waͤre!
Hierauf nun will ich mich anitzo wieder
Zum Endzweck dieſer meiner Lieder,
Zum Loben und zum Danken, kehren,
Und GOtt fuͤr ſo viel Gut’s, das ich empfangen, ehren.
GOtt Lob! dieß Jahr iſt abermal
Ein Segens-Jahr fuͤr mich geweſen.
Jch war zwar einmal krank; allein ich bin geneſen.
Du heilteſt mich, o HErr. Ohn End und ſonder Zal
Sind Deine Wunder-Werk und Deiner Gnaden Gaben,
Die alle Meinige nebſt mir empfangen haben.
Mein GOtt, wie manche Viertel-Stunde,
Wie manche fluͤchtige Secunde
Verflieſſt in einem Jahr, worin ein Ungeluͤck
Mir und den Meinen ſchaden koͤnnen!
Du aber ſchuͤtzteſt uns in jedem Augenblick,
Und haſt uns lauter Gluͤck und Segen wollen goͤnnen.
Du465Du haſt mir abermal mein Haus vermehrt,
Und mir in dieſem Jahr noch einen Sohn beſcher’t.
HErr, gib doch, daß auch der, zuſamt den andern allen,
Ein Werkzeug moͤge ſeyn zu Deinem Wolgefallen!
Mich hat in dieſem Jahr mein liebes Vaterland
Zu Groſſen dieſer Welt verſchied’ne mal geſandt;
So gar daß ich anitzt, indem ich dieſes ſchreibe,
Noch wuͤrklich auf der Reiſ und in Geſandtſchaft bin,
Vielleicht auch eine Zeitlang bleibe.
Jch ward zu erſt zum Koͤnige der Daͤnen
Nach Gluͤckſtadt zwey mal hingeſchickt.
Du haſt mich beyde mal fuͤr Ungluͤck und fuͤr Schaden
(Stund Hamburg damals gleich nicht in des Koͤnigs Gnaden)
So gnaͤdiglich bewahrt, und mich begluͤckt
Den Meinen wieder zugefuͤhret;
Wofuͤr nur Dir Lob, Ehr und Preis gebuͤhret.
Man ſchickte mich hernach, nebſt Surland, ferner hin
Zum maͤcht’gen Koͤnige der Preuſſen, und von dort
Geht unſ’re Reiſ itzt nach Hannover fort.
Mein Surland, dem die Stadt, was er fuͤr ſie gethan,
Geſchrieben und geredt, nicht g’nug vergelten kann,
Hat neben mir zugleich daſelbſt verſpuͤret,
(Woſuͤr nur Dir, o GOtt, Lob, Preis und Ruhm gebuͤhret)
Wie viele Gnade wir gefunden
Beym Koͤnige ſo wol als bey der Koͤniginn,
Der Mutter Jhres Volks, auch bey der Prinzeſſinn,
Wie viele Gunſt uns ſonſt der ganze Hof erzeiget.
Wer hat die Herzen doch ſo ſehr zu uns geneiget,
Als Du, o GOtt, allein? Die Reiſe von Berlin
II. Theil. G gBis466Bis nach Hannover hin
Jſt gleichfalls (Dir ſey Dank!) recht gluͤcklich abgeloffen.
Wir haben uͤberall nichts widrigs angetroffen.
Die einzige Gefahr
Vom Poſt-Knecht, der des Weg’s nicht kundig war,
Und in der dunk’len Nacht
Jm Wald uns irre fuhr,
Dient ſelber uns zu einer ſichern Spur
Von GOttes Lieb und Macht,
Daß Er auch dazumal fuͤr uns geſorget hat,
Jndem von ungefehr ein reiſender Soldat,
Der Weg und Stege wuſte,
Uns auszuhelfen kommen muſte;
Auch daß ein ſchon gebrochen Rad
Nicht ehe gaͤnzlich brach, als nahe bey der Stadt.
Jch danke Dir demnach fuͤr ſo viel Gnad und Guͤte,
O Groſſes All, die Du mir haſt erzeigt.
Ach ſey doch fernerhin uns gnaͤdig und geneigt!
Beſchuͤtze Hamburg, und behuͤte
Mich und die Meinigen vor Kummer und Gefahr,
Wann es uns nuͤtzt, in dieſem neuen Jahr!
Neu -467

Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1726ſte Jahr.

Es wechſeln abermals die Zeiten;
Das Jahr heiſſt nicht mehr, wie vorhin.
Laß, HErr der Zeiten, meinen Sinn
Sich doch zu dieſer Zeit zu Deinem Ruhm bereiten!
Durch Deine Gnade weiß ich dieß,
Daß aller Menſchen Thun vergehet,
Daß alles fluͤchtig, nichts beſtehet:
Dabey weiß ich doch auch gewiß,
Daß bloſſerdings die Zeit allein,
Jn welcher wir beſchaͤfftigt ſeyn,
Des Schoͤpfers Ehre zu erheben,
Die einz’ge Zeit ſey, die wir leben.
Ach haltet denn die Zeit nicht ferner fuͤr verloren,
Wenn ihr des Hoͤchſten Werk betrachtet und beſeht!
Bedenkts! ihr ſeyd ja bloß zu GOttes Ruhm gebohren,
Und Der wird bloß, o Lieb! in eurer Luſt erhoͤh’t.
Ach wuͤſteſt du, welch Anmut, welch Vergnuͤgen
Jn den Betrachtungen von GOttes Werken liegen,
Und welche Luſt die Selen ſelber ruͤhret,
Was ein vernuͤnftiges Gemuͤt,
Das ſie zu GOttes Ruhm beſieht,
Fuͤr ſuͤſſe Freud in ihnen ſpuͤret:
Du wuͤrdeſt ſie wahrhaftig hoͤher achten,
Du wuͤrdeſt ſie viel fleiſſiger betrachten,
Du unterſucheteſt ſie immer beſſer.
G g 2Man468Man findet immer mehr, die Luſt wird immer groͤſſer,
Je laͤnger man ſie ſieht. Jch muß es ſelbſt geſtehn:
Jch hab es gleichfalls nicht vorher geſehn,
Jch hab es nicht geglaubt, daß ſie ſo vielerley
Vergnuͤgen hegeten, daß gar mit ihrer Zier
Auch unſ’re Freude wuͤchſ und jedes Graͤsgen ſchier
An Anmut unerſchoͤpflich ſey;
Da man zuletzt mit Freuden in der That
Sich durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer naht.
Abſonderlich hat GOtt in unſ’re Bruſt
Empfindlichkeit und Luſt
Fuͤr Wechſel und Veraͤnderung geleg’t:
Doch die Gewohnheit, wie ſie pfleg’t,
Weiß auch ſo gar dieß herrliche Vergnuͤgen
Bey Menſchen, leider! zu beſiegen.
Es aͤndert ſich das nimmer ſtille Jahr,
Und bringt uns immer neuen Segen;
Man wird es aber nicht gewahr,
Weil wir die Aenderung der Zeiten nicht erwegen.
Lenz, Sommer, Herbſt und Winter kommen
Durch’s nah - und ferne Sonnen-Licht;
Weil aber alles dieß nur allgemach geſchicht;
So wird es nicht in Acht genommen.
Hat GOtt gleich durch den Mond das Jahr ſelbſt einge -
teilet;
So achtet man doch nicht darauf:
Nachdem dieß rege Licht bald zu bald von uns eilet;
Nimmt jeder Monat ſeinen Lauf:
Wir laſſen ihn gelaſſen gehn,
Und, nicht viel beſſer als das Vieh,
Nimmt469Nimmt man ſich kaum die Muͤh,
Des Wechſels Nutzbarkeit und Ordnung anzuſehn,
Das doch zu unſ’rer Luſt, zu GOttes Ehre,
So nuͤtzlich und ſo noͤtig waͤre.
Drum will ich itzt, beym Wechſel unſ’rer Zeiten,
Zufoͤrderſt Dir zum Ruhm, Qvell aller Herrlichkeiten,
Die Zeiten nuͤtzlich einzuteilen,
(Damit ſie nicht verloren von uns eilen)
Mit Ernſt und Luſt bemuͤhet ſeyn.
Mein Vorſatz iſt, (GOtt laſſ ihn wol gelingen!)
Von jedem Monat hier ein kurzes Lied zu ſingen:
Damit dadurch, nebſt mir, ein ieder
Durch froͤhliche, beqveme, kurze Lieder
Beym erſten Monats-Tag an GOttes Wunder-Wege
Mit Luſt gedenk und froͤhlich uͤberlege,
Wie GOtt die Welt durch uns, uns durch die Welt, verpfleg’t,
Wie GOtt in uns ſo viel Verſtand und Witz geleg’t,
Daß wir, zu unſerm Nutz, aus allen ird’ſchen Dingen,
Und zwar ſo ordentlich, viel Gutes koͤnnen bringen,
Auch daß man in der Stadt doch einigen Bericht
Von dem, was auf dem Land und uͤberall geſchicht,
Wovon wir, leider! ſonſt gar wenig wiſſen, habe.
Da Ordnung, Witz und Fleiß, ja alles GOttes Gabe;
So laſſt uns doch dafuͤr an GOtt, den Geber, denken,
Und Jhm fuͤr ſo viel Gut’s ein froͤhlichs Herze ſchenken!
G g 3Janu -470
Januarius.
GOtt Lob! das Neue Jahr tritt, mit dem Jenner, ein.
Ach moͤgt es uns, zu einem neuen Leben,
Ein Freuden-reicher Anfang ſeyn,
Und neue Kraͤft erneu’ter Andacht geben!
Ach moͤgten wir von GOttes Wunder-Werken
Die Suͤſſ - und Herrlichkeit auf and’re Weiſe merken,
Als wie bisher geſchehn!
Ach moͤgten wir in aller Creatur
Von Seiner Weiſheit, Macht und Gegenwart die Spur
Empfinden, ſchmecken, hoͤren, ſehn!
So gar der ſtrenge Froſt, der Reif, der Schnee, das Eis,
So itzt die Erde deckt, die Luft und Flut verdicket,
Durch welche ſich nicht nur der Erden Flaͤche ſchmuͤcket,
Gar fruchtbar durch ſie wird; erheb’t des Schoͤpfers Preis.
Des regen Feuers Eigenſchaft,
Wodurch der Kaͤlte wilde Kraft,
Wie ſcharf auch gleich der Nord-Wind drauſſen tobet,
So bald gebrochen wird, verdient ja wol,
Daß man den weiſen GOtt in dieſem Monat lobet;
Da gegen einen Feind, der uns ſo ſtark verletzt,
Er ſolchen ſtarken Feind, zu unſerm Troſt, geſetzt,
Und, wenn mit dieſem jener ſtreitet,
Durch einen lauen Duft
Aus Ofen und Camin in der erwaͤrmten Luft,
So gar aus einer Plag uns eine Luſt bereitet.
Auf! laſſt uns itzt denn auch die Ding aufmerkſam ſehen,
Die uns zum Nutzen auf der Welt
Und auf dem Land anitzt ſo ordentlich geſchehen!
Jn471
Jn dieſem Monat duͤngt der Ackers-Mann ſein Feld,
Bemuͤhet ſich, des Schnees zu ſtarke Feuchtigkeiten
Von ſeinem Acker abzuleiten,
Macht kuͤnft’gen Samen rein, flickt ſeine Zaͤune, driſcht,
Faͤll’t Holz und faͤnget Wild, er ſpinnet itzt, er fiſcht,
Und giebt den Fiſchen Luft.
Wird ihm nun gleich anitzt die Arbeit oͤfters ſauer,
Beſtuͤrmet Froſt und Schnee und mancher Hagel-Schauer
Jhm oͤfters Hand und Haupt; ſo trocknet er die Glieder
Jn ſeinem Hauſe doch mit Luſt bey’m Feuer wieder,
Und wechſelt Muͤh und Ruh.
Der Gaͤrtner faͤngt den Garten
Mit fetter Duͤngung an zu warten.
Jm Miſt-Bett kann er ſchon Salat und Zwiebeln ſaͤen;
Doch deckt er es mit Stroh und Schilf noch fleiſſig zu.
Die Kraͤuter und Gewaͤchſe ſtehen
Und liegen gleichſam itzt in Ruh.
Es ſammlen die zuruͤck gehalt’nen Saͤfte
Jn ihnen gleichſam neue Kraͤfte;
Sie warten auf den lieben Lenzen,
Um dann, zu GOttes Ruhm, in neuer Pracht zu glaͤnzen.
Ach haͤtten wir auch die Beſchaffenheit,
Jm Creuz und Kummer ſtill zu ſeyn,
Um wieder neue Kraft zu faſſen,
Damit, bey Gluͤck und Sonnen-Schein,
Wir unſer Licht um deſto mehr,
Zu unſers GOttes Preis und Ehr,
Jm Dank auch moͤgten leuchten laſſen!
G g 4Februa -472
Februarius.
Es faͤnget heute ſich der Februarius,
Des Winters lang verlangter Schluß,
GOtt ſey gedankt! ſchon an. Jch ſehe voller Freude
Die Welt in ihrem weiſſen Kleide,
Das, wenn wir es bedachtſam ſehn,
(Wie wir wahrhaftig thun, und es betrachten ſollten,
Wenn wir als Menſchen leben wollten)
Jn ihrem reinen Glanz recht unvergleichlich ſchoͤn.
Vom zarten Reife ſind die Waͤlder,
Vom reinen Schnee die flachen Felder,
Die hier und dort
Manch unbedeckter Strich, der ſchwarz an manchem Ort,
Jm Gegenſatz erheb’t; anitzt geſchmuͤckt.
Die eb’ne Flut, durch glattes Eis bebruͤckt,
Glaͤnzt, wenn darauf die Sonnen-Stralen fallen,
Recht als ein Spiegel von Kryſtallen,
Die in der Landſchaft denn durch Striche, welche glaͤnzen,
Jn ſchwarzen bald, doch meiſt in weiſſen, Grenzen,
Bald in Kryſtall-bald Silber-gleicher Pracht,
Ein angeneme Miſchung macht.
Der Landmann leeret itzt die Boͤden und die Scheune,
Er driſcht mit allem Fleiß, er beſſert ſeine Zaͤune,
Verfertigt Bienen-Koͤrb, er ſparet keine Muͤh,
Beſorgt ſein Acker-Zeug, verſchafft ſich neues Vieh,
Er faͤhret Miſt aufs Land, er faͤnget manch Stuͤck Wild,
Auch wird ſein Netz noch oft mit Voͤgeln angefuͤllt.
Ob473Ob gleich die ſcharfe Luft die Luſt ihm oft verleidet,
Wenn ſie die ſproͤde Haut faſt wie ein Meſſer ſchneidet;
So iſt jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd,
Das Holz zur Luſt und Linderung beſcher’t.
Der Gaͤrtner faͤngt itzt an, die Weiden,
Auch and’re Baͤume, zu beſchneiden,
Verſtoͤr’t der Raupen Neſt, ſo an den Zweigen klebet,
Er ſaͤubert, er verſetzt, er duͤngt die Baͤum, er graͤbet
Verſchied’ne Beeten um, wanns Wetter leidlich iſt,
Beſorgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Miſt,
Saͤ’t Zwiebeln, Selleri, Salat und Peterſilgen,
Und ſuch’t das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen.
Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar
Der weiſe Schoͤpfer herrſcht, indem der Froſt ſo gar
Nicht nur das Aug ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet!
Ach daß die Menſchheit denn dem groſſen Schoͤpfer nicht,
Von welchem ihr doch ſo viel Gut’s geſchicht,
Jn ihrer Luſt manch Dank - und Lob-Lied ſinget!
Ach laß mich doch, mein Schoͤpfer, Deinen Segen
Jn dieſem Monat oft, vor Luſt erſtaunt, erwegen;
Abſonderlich wenn ich durchs Feur im Froſt nicht friere,
Und denken, wenn ich ſolche Wunder ſpuͤre,
Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr und Preis gebuͤre!
G g 5Mar -474
Martius.
Es bricht der Martius, der uns den Fruͤhling bringet,
Nachdem der Winter fort, heut abermal herein.
Es dringt der Saft ins Holz, nachdem der Sonnen Schein
Mit ihrem Lebens-Feur die laue Luft durchdringet.
Man ſiehet itzt mit Luſt das Feld aufs neu beleb’t,
Der Acker wird geduͤngt, man ſiehet, voll Vergnuͤgen,
Das Land zum Sommer-Korn mit Pferd - und Ochſen pfluͤgen,
So Erbſ-als Linſen ſaͤ’n, Hanf, Haber, Hirſ und Lein:
Die Graben reinigt man, man macht die Wieſen rein,
Man radet Unkraut aus, man koͤpft die ſchlanken Weiden,
Man faͤnget gleichfalls an, den Hopfen zu beſchneiden,
Jndem der Gaͤrtner dort den fetten Garten graͤb’t,
Beſchneidet, ſaͤ’t und pflanzt. Ach! moͤgt auch ich verſpuͤren,
Jndem ſich uͤberall die Kraͤft und Saͤfte ruͤhren,
Daß auch in mir ſo Geiſt als Blut,
Beleb’t durch neuer Andacht Gluht,
Sich, GOtt zum Ruhm, aufs neue regen moͤgte!
Ach daß ich doch, mit neuem Fleiß,
Dem Schoͤpfer der Natur Lob, Ehrfurcht, Ruhm und Preis
Jn einer durch Sein Werk erfreuten Sele braͤchte!
Ach! moͤgt ich doch zu dieſen Zeiten
Mich auch, ſo wie das Land, bereiten!
Ach moͤgt ich doch zugleich in mir,
So wie anitzo von den Weiden,
Von aller eitelen Begier
Den wilden Ausſchuß wol beſchneiden!
HErr, laß mich doch in dieſem Merz,
Mit frohem Eifer, in mein Herz,
Da Dein Geſchoͤpf ſo wunderſchoͤn;
Den Samen der Betrachtung ſaͤ’n!
Apri -475
Aprilis.
Jn dieſer holden Zeit, im glaͤnzenden April,
Da alles gruͤnet, bluͤht und ſich erneuren will;
Erſcheinet die Natur in einem neuen Kleide.
Laſur-blau ſchmuͤckt die Luft, das Feld ein lieblich gruͤn;
Das Waſſer wall’t und glaͤnzt, die ſaft’gen Baͤume bluͤhn;
Kurz: Himmel, Erd und Flut wird uns zur Augen-Weide.
Selbſt die Veraͤnderung des Wetters dieſer Zeit
Vermehrt, durch Warm und Naß, der Erde Fruchtbarkeit.
Schau, Sele, dieß mit Luſt zuſamt der Arbeit an,
Die itzt ein Gaͤrtner treibt, wie auch der Ackers Mann!
Jn dieſem Monat druͤckt annoch ein krummes Joch
Der Ochſen ſtarken Hals, man pfluͤg’t und eget noch,
Man ſaͤet Sommer-Korn, Gerſt, Habern, Wicken, Weizen,
Durch nette Furchen wird das fette Land gebant,
Man ſaͤet Wurzel-Werk, man pflanzt und ſaͤet Kraut.
Ach moͤgte dieſes doch uns zur Empfindung reizen,
Und dann Demjenigen zum Ruhm, Der Kunſt und Kraft,
Der Saft und Faͤhigkeit uns und der Erde ſchafft!
Der Gaͤrtner propfet itzt, vertreibt den Garten-Floh,
Der zarten Kraͤuter Feind, mit Aſch und Gaͤrber-Loh;
Die Leinwand wird gebleicht, ein ſchwacher Baum genetzt
Mit Feuchtigkeit vom Miſt, ſo ihm die Kraft erſetzt,
Die Schafe ſcheeret man, man raͤumt und waͤſſert Wieſen.
Da alles im April uns nuͤtzet und ergetzt;
So ſey auch ſonderlich heut, im April, geprieſen,
O Vater der Natur, Der alles auf der Welt,
Nicht nur durch Weiſheit, Lieb und Macht
Aus einem tiefen Nichts hervor gebracht;
Nein, Der auch alle Ding in ſolcher Ordnung haͤlt!
Majus. 476
Majus.
Willkommen, liebſter May! wie lieblich und wie ſchoͤn
Jſt alles, was wir in dir hoͤren,
Empfinden, ſchmecken, riechen, ſehn!
Jn reinen Luͤften flamm’t ein faſt Sapphir’nes Blau,
Jn welchem ich mit Luſtviel guͤld’ne Berge ſchau.
Der Erden runde Bruſt, das fette Land,
Bedeckt ein liebliches Smaragden-gleich Gewand.
Der Bluhmen-Heer durchwirkt ein faſt lebendig Gruͤn.
Ein reines Silber blinkt in der beſtral’ten Flut,
Und auch zugleich auf Baͤumen, welche bluͤhn.
Die ſuͤſſe Macht der holden Liebe
Erfuͤll’t das faſt erſtarrte Blut
Mit der ſo angenemen Gluht
Der lieblichen Vermehrungs-Triebe.
Ach ſehet, wie in den bebluͤhmten Feldern
So manches munt’re Laͤmmchen ſpringt!
Ach hoͤr’t, wie in begruͤn’ten Waͤldern
So manche Nachtigal, ſo manche Droſſel ſingt!
Ach riecht die balſamir’ten Duͤfte!
Ach fuͤhlt das Schmeicheln lauer Luͤfte!
Ach ſchmeckt in Kraͤutern, im Spinat,
Jn Spargel, Hopfen und Salat
So mancherley Blut-reinigende Kraft,
So manchen angenemen Saft,
Und denkt in dieſer Fruͤhlings-Luſt,
Mit Dank - und Luſt-erfuͤll’ter Bruſt,
An Den, Der alle Pracht
Zu477Zu eurer Luſt hervor gebracht!
Laſſt euer froͤhliches Gemuͤte
Auch Bluͤhte tragen bey der Bluͤhte!
Auf, laſſt uns recht mit Andacht ſehn
Die Dinge, die mit Emſigkeit
Jn dieſer holden Mayen-Zeit
Zu unſ’rer Luſt, zu unſerm Nutz geſchehn!
Man ſammlet im bebluͤhmten Mayen,
Zu mannigfalt’gen Arzeneyen,
Auf manchem Berg, in manchem Thal
Geſunde Kraͤuter ohne Zahl.
Es muß die beſte Gerſten-Sat
Jm fruͤhen May geſaͤet ſeyn,
Und um Urbani etwas ſpat
Buch Weizen, Hirſe, Hanf und Lein.
Die Schafe ſcheeret man bey holder Fruͤhlings-Waͤrme,
Man rupft die Gaͤnſ, und nimmt die Schwaͤrme
Der fluͤcht’gen Bienen itzt abſonderlich in acht.
Ach laſſt des Schoͤpfers Lieb und weiſe Wunder-Macht,
Die wir anitzt an allen Orten ſpuͤren,
Uns doch zu Seinem Ruhm, die Seele ruͤhren!
Bedenkt! Fuͤr ſo viel Gut’s, fuͤr ſolche Wunder-Gaben
Verlangt der Schoͤpfer nichts, als eure Luſt, zu haben.
Junius. 478
Junius.
Mit welchem Schatz von Luſt, mit welchem Ueberfluß
Von Anmut ſtellet ſich der holde Junius
Der ſechſte Monat ein! Es glaͤnzt die Fruͤhlings-Zeit
Nun erſt in lieblicher Vollkommenheit.
Die Luft iſt voll von Licht, von Waͤrm und Heiterkeit,
Voll Lebens-Oel, voll Narungs-Saft,
Voll Fruchtbarkeit, voll Thau, voll Balſam-reicher Kraft,
Voll lieblichen Geruchs, voll heller Voͤgel-Stimmen.
Jſt nicht die Flut voll Glanz, voll heller Reinlichkeit,
Und auch zugleich voll gruͤner Dunkelheit,
Voll Fiſche ſonder Zahl, die Heerden-weiſe ſchwimmen,
Voll von den allerſchoͤn’ſten Bildern,
Die ſich von Buͤſchen, Kraut und Gras,
Von Wolken, Luft und Laub in ihr geglaͤttet Naß,
Den ſchoͤnen Schmuck der Welt noch zu verdoppeln, ſchildern?
Mit Garten-Fruͤchten ſuch’t die Erd uns zu erfriſchen:
Sie iſt voll Erd-Beern, Erbſen, Bohnen,
Voll Balſam-reicher Bluhmen-Cronen
Jn weiſſ - und roten Roſen-Buͤſchen.
Wie alles nun voll von des Schoͤpfers Guͤte;
So laß, o GOtt, auch mein Gemuͤte
Voll Deines Lobes werden!
Ein froͤhlichs Herz ſingt GOtt die angenem’ſten Lieder.
Ach ſuche denn mit Luſt des Schoͤpfers Werk zu faſſen,
Und danke GOtt, daß Er dich wieder
Die479Die ſchoͤne Zeit erleben laſſen!
Du muſt zugleich anitzt, auch in des Landmans Werken,
Die Ordnung der Natur und GOttes Finger merken.
Man brachet itzt das Feld, man ſaͤet ſpaͤten Lein,
Man pflanzet Kohl, man macht die Scheuren rein,
Beſorgt das Lager-Bier, und ſorget fuͤr die Bienen.
Den Schafen muß man itzt mit Salze reichlich dienen.
Das Brenn-Holz wird gehaut, damit es trocknen koͤnne,
Und es im kuͤnft’gen Froſt geſchwind und helle brenne.
Man richtet alles itzt in dieſem Monat ein,
Damit das liebe Gras moͤg eingeerndtet ſeyn.
Ach liebſter Vater, gieb zu allem Dein Gedeyen,
Und laß die Menſchen doch ſich Deiner Guͤte freuen!
Julius. 480
Julius.
Der Junius iſt weg; der Julius erſcheint,
Und bringt uns neue Luſt, und bringt uns neuen Segen.
Ach laſſt uns beydes doch mit Andacht uͤberlegen,
Und denken, wie anitzt ſich Nutz und Luſt vereint!
Seht, wie die Gaͤrten itzt mit neuen Bluhmen bluͤhen!
Seht, wie die Kirſchen dort, recht wie Rubinen, gluͤhen,
Und zwiſchen gruͤnem Laub, an tief-gebog’nen Zweigen,
Auf ihrer glatten Haut, manch glaͤnzend Sonnen-Bild
Dem aufmerkſamen Aug, in kleinen Spiegeln, zeigen!
Ach moͤgte doch derſelben kleiner Schein,
Ach moͤgt ihr reiner Stral, uns ein Erinn’rung ſeyn,
Erſt an die Sonn, und dann auf Den zu denken,
Der aller Sonnen Sonn und HErr, und Dem allein,
Jn einer Dank-begier’gen Bruſt,
Das Opfer unſ’rer Luſt
Fuͤr ſo viel Gut’s hinwiederum zu ſchenken!
Man ſieht mit Luſt auf den bebluͤhmten Raſen
Die Kuͤh und Schaf anitzt in ſanfter Unſchuld graſen.
Man bringt itzt, aus dem Moor,
Den ſchon gegrab’nen Torf, Holz aus dem Wald, hervor.
Noch mehr, woruͤber ich mich recht von Herzen freu;
Jn dieſem Monat maͤht man Gras, man machet Heu,
Wodurch, indem der Bau’r ſein Vieh damit ernaͤhrt,
Der weiſe GOtt, durch ſie, uns ſelbſt die Koſt beſcheert.
Man ſieht es, wenn mans ſieht, mit innigem Vergnuͤgen
Jn Schwaden hier, und dort in Schobern liegen.
Da481Da ſieht man, es mit Luſt auf groſſen Leiter-Wagen
Mit munt’rer Emſigkeit auf langen Gabeln tragen.
Den groſſen Fudern ſind die Scheunen faſt zu klein,
Die Thuͤren allzu eng: ein lieblich-ſuͤſſer Duft,
Erfuͤll’t die Luft,
Und reizet uns zur Ruh. Wann’s Heu kaum eingebracht;
Wird zu der Rocken-Erndt die Anſtalt auch gemacht,
Und, bey des Monats Schluß, faͤngt man ſchon wuͤrklich an,
Den Segen, den kein Menſch genug bewundern kann,
Und welchen uns das Feld zur Narung bringt, zu maͤhen.
Ach laß uns doch, zu dieſer frohen Zeit,
O GOtt, Du Segens-Born, Quell aller Fruchtbarkeit,
Auf Dich allein mit Dank und Freuden ſehen!
II. Theil. H hAugu -482
Auguſtus.
So tritt’ſt du denn nun auch zum Nutzen und zur Luft
Mit fetten Schritten ein, vermehrender Auguſt!
Wir ſehen dir und deinem reichen Segen
Mit inniglicher Freud entgegen.
GOtt Lob! daß wir die frohe Zeit erleb’t,
Jn welcher die Natur, gekroͤn’t mit reifen Aeren,
Uns ihre Bruͤſte beut. Der Ackers-Mann erheb’t
Den Lohn fuͤr ſeine Muͤh, die, ſich und uns zu naͤhren,
Er fleiſſig angewandt. Hier wird das Korn gemaͤht,
Um reiche Garben dort ein Band von Stroh gedreht.
Es koͤnnen ſtarke Leiter-Wagen
Nur kaum die ſchwere Laſt der groſſen Garben tragen:
Man fuͤhrt, mit ſuͤſſer Muͤh, ſo hohe Fuder ein,
Daß jedes Schenn-Thor faſt zu niedrig und zu klein.
Ach moͤgte doch kein Menſch auf Erden erndten ſehn,
Ohn, innerlich dadurch geruͤhret,
Den groſſen Segens-Born, Dem ewig Ruhm gebuͤret,
Mit froher Andacht zu erhoͤh’n!
Man ziehet Hanf und Flachs itzt auf, man ruffelt, rauft,
Und leg’t ihn in die Flut, man erndtet Hirſ und Heiden.
Auf Stoppeln treibt man itzt das Vieh, darauf zu weiden.
Die reife Huͤlſen-Frucht wird itzt mit Nutz verkauft.
Den Acker ruͤhret man, und ſorgt, daß er aufs neu
Geduͤnget ſey.
Man ſammlet fuͤr das Vieh das Laub vom Ulm und Wein,
Von483Von Erlen, Birken, Eſch - und Eichen ein.
An Fluͤſſen ſoͤdet man anitzo Deich und Daͤmme,
Daß die geſchwoll’ne Flut das Land nicht uͤberſchwemme.
Jn Gaͤrten hebet man die Zwiebeln aus der Erde;
Man ſaͤ’t noch Peterſil, Spinat,
Rapunzel, Selleri, Endivien, Salat.
Man ſtuͤtzt den Obſt-Baum itzt, damit er durch die Schwerde
Von ſeiner eig’nen Frucht nicht abgebrochen werde.
Die Birnen fangen ſchon, ſamt Pfirſchen, Zwetſchen, Feigen,
Jn dieſem Monat an, ſich muͤrb und reif zu zeigen.
Man nimmt itzt Honig aus, die Gaͤnſe rupfet man,
Auch geht bereits das Vogel-Stellen an.
Ach GOtt, fuͤr ſo viel tauſend Gaben,
Die wir aus Deiner Hand allein
Jn ſolchem Ueberfluß empfangen haben;
Laß mich doch im Auguſt oft froh und dankbar ſeyn!
H h 2Septem -484
September.
Da wir heut abermal in den September treten;
So laß es, liebſtes Herz, doch GOtt zum Ruhm ge -
ſchehn!
Laß uns nicht ſonder Dank und Beten,
Wie ſchoͤn die Welt in dieſem Monat, ſehn!
Laß uns, durch GOttes Macht und Ordnungen geruͤhret,
Nicht, wie ein Vieh, die Zeit verflieſſen laſſen!
Laſſt uns mit frohem Sinn bemuͤht ſeyn, dieß zu faſſen,
Daß unſerm Schoͤpfer ſtets Ruhm, Ehr und Dank gebuͤhret!
Mein GOtt, in welchem Ueberfluß
Bringt dieſer Monat doch, uns Menſchen zum Genuß,
Manch ſaͤurlich ſuͤſſes Obſt! Vermag man doch die Ahrten
Der Fruͤchte, die uns Feld und Garten
Jn dieſem Monat reicht, kaum recht zu zehlen:
Viel weniger wird man die Maſſen nennen,
Und ihre Menge rechnen koͤnnen.
Erweg’t nur einſt, wie mancherley
Von Ahrt und von Geſchmack ein Apfel ſey,
Nicht minder eine Birn, da in beſonderm Grad,
Das wol bewunderns wehrt, vom ſauren und vom ſuͤſſen
Ein jedes ein Gemiſch mit and’rer Anmut hat.
Von Pfirſchen, Pflaumen, Qvitten, Nuͤſſen,
Und was wir ſonſt von andern Baͤumen brechen,
Will ich anitzt nicht ſprechen.
So oft wir denn nun Fruͤcht in dieſem Monat eſſen,
Laſſt uns bey unſ’rer Luſt des Schoͤpfers Huld ermeſſen!
Jm485
Jm Felde faͤngt man itzt die Arbeit wieder an.
Es ackert wiederum der Ackersmann
Und ſaͤ’t ſein Winter-Korn. Er ſorget, daß die Erde
Zum Sommer-Korn, indem ſie feucht,
Damit die Stoppeln leicht
Verfaulen, wol gewendet werde.
Man zieht den Hopfen auf, man fiſchet itzt, und jaͤg’t
Die Schweine hin zur Maſt. Man maͤſtet Gaͤnſ, und leg’t
Den Voͤgeln Sprenkel, Netz und Schlingen.
Bey Schafen laͤſſet man
Den Widder wieder zu. Der Gaͤrtner faͤnget an,
Die Kuͤchen-Kraͤuter itzt in Keller ein zu bringen,
Entlaubt und raupt den Kohl, verſetzet Baͤum, und ſtecket
Birn-Aepfel-Pfirſchen-Kern.
Ja kuͤrzlich, man entdecket
Den Schoͤpfer uͤberall. Denn Ordnung und Verſtand,
So wol als Segen und Gedeyen,
Daß ſich die Creaturen freuen,
Die kommen bloß allein aus GOttes Allmachts-Hand.
H h 3Octo -486
October.
Es tritt bey uns, mit Trauben, Moſt und Wein,
Heut der October froͤhlich ein.
Es bringt zugleich ſein Segen-reicher Tritt
Viel and’re reife Fruͤchte mit.
Ach laſſt uns doch, zu dieſer Zeit
An Den zu denken, nicht verſaͤumen,
Durch Deſſen Lieb und Macht, in ſteter Fruchtbarkeit,
Auf Pflanzen, Reben, Baͤumen,
Jn ſo verſchied’ner Frucht, ſo gar verſchied’ner Saft,
Und in ſo manchem Saft ſo gar verſchied’ne Kraft,
Wodurch Er uns ergetzet, naͤhrt und traͤnket,
O groſſes Wunder! eingeſenket!
Ach laſſt uns GOtt, dem ewig weiſen Weſen,
So oft wir ſuͤſſe Trauben leſen,
Voll Luſt und Andacht dankbar ſeyn,
Der uns nicht Waſſer nur und Bier zum Trank beſcheret,
Nein, Der das Waſſer gar in ſuͤſſen Wein verkehret!
Laſſt uns, zu Seinem Ruhm, doch dieß dabey erkennen,
Daß, auch in unſerm Trank, er einen Unterſcheid
Von mancherley Geſchmack, von mancher Lieblichkeit,
Nicht nur zur Not allein, zur Luſt, uns wollen goͤnnen!
Noch ferner kommt in dieſem Monat fuͤr,
(Worauf wir, leider! ſonſt in Staͤdten nicht viel achten)
Den Land-Bau und das Werk des Gaͤrtners zu betrachten;
Worin doch GOtt abſonderlich ſich dir,
O Menſch, im Segen ſo als in der Ordnung weiſet,
Jndem487Jndem Er ja dadurch uns traͤnket, kleidet, ſpeiſet.
Der Gaͤrtner bringt itzt Kuͤrbſ und ſolch Gewaͤchs ins Haus,
Er pfluͤckt das Winter-Obſt, nimmt Kraut und Wurzeln aus.
Er ſchneidet itzt den Kol, auch macht er ihn zum gaͤren
Mit Salz und Kuͤmmel ein, er ſammlet Ruͤben, Moͤhren,
Verſetzet junge Baͤum, und mit vergnuͤg’ter Muͤh
Beduͤnget er und ſchneidet ſie.
Jn dieſem Monat pfluͤg’t der Landmann, daß die Erde
Zur Sat aufs neu bereitet werde,
Rupft Hopfen, ſpinnet Flachs, macht Malz, befiſcht die Teiche,
Den Schweinen gibt er itzt die Frucht der Buͤch und Eiche,
Brenn’t Kolen, faͤllet Holz. Man ſieht den Jaͤger hetzen
Dachs, Haſen, Fuchs und Schwein. Ein Vogler faͤngt
mit Netzen,
Und zwar in ungezaͤl’ten Scharen,
Die Droſſeln, Zeiſchen, Lerchen, Staren.
Du Segen-reicher GOtt, Der Du ſo Lieb als Macht,
Jn dieſem Monat uns ſo gnaͤdiglich gewieſen,
Sey im October auch mit Luſt und mit Bedacht
Geehrt, gelobet und geprieſen!
H h 4Novem -488
November.
Jtzt, da der erſte Tag ſich vom November zeigt,
So ſey doch Dem, draus alle Ding entſpringen,
Auch deine Erſtlinge mit Luſt und Dank zu bringen,
Mein Herz, ſo willig als geneigt!
Auch dieſer Monat bringt aufs neue reichen Segen,
Da er das Maſt-Vieh uns in unſ’re Kuͤche fuͤhrt.
Sprich, lieber Menſch, ſprich, ob nicht dieſerwegen
Dem Groſſen Vater Dank gebuͤhrt,
Der auf ſo wunderbare Weiſe
Uns, ſeine Kinder, naͤhrt! Es wird, ohn unſ’re Muͤh,
Das Gras, o Wunder! durch das Vieh
Recht zubereitet uns zur Speiſe.
Dieſelben ſind daher
Als Kuͤchen, welche gehen, ſtehn,
Und leben, fuͤglich anzuſehn.
Auch iſts ja nicht von ungefehr,
Daß ſich die Milch zu unſerm Trank
Jn Ziegen, Schaf - und Kuͤhen diſtilliret.
Ach daß man dieß oft ohne Dank,
Ja wol gar nicht einmal, verſpuͤret;
Da doch nur bloß durch Seinen Willen
Die Thier im Froſt fuͤr uns ſo Kuͤch als Keller fuͤllen!
Ach moͤgten wir in der Natur
Die Wunder ihres HErrn betrachten,
Und in derſelbigen die Spur
Von Seiner Weiſheit, Lieb und Allmacht nicht verachten!
Laß489
Laß ſehn, wie es anitzt im Feld und Garten ſteht!
Jn dieſem Monat wird noch Winter-Korn geſaͤ’t,
Der Hopfen zugedeckt, der Acker umgeſtuͤrzet,
Das ſchnelle Wild gejag’t, das Brenn-Holz zugekuͤrzet,
Den Voͤgeln nachgeſtellt, Wacholder-Beer geſchlagen.
Die Schweine pfleg’t man noch in ſpaͤte Maſt zu jagen.
Die Gaͤnſe maͤſtet man, beſteigt das Dach, man driſchet.
Der Bienen wartet man, deckt ihre Koͤrb und fiſchet.
Der Gaͤrtner graͤb’t nunmehr, was keinen Widerſtand
Dem Froſt zu thun vermag von Wurzeln, in den Sand.
Geliebte Menſchen, wenn ihr ſehet,
Wie der nie muͤſſigen Natur
Verborg’ne Kraͤft und Wirkungen nicht nur
Ohn Jrrtum ſtets und ſonder Fehler gehet,
Nein, daß ſo gar von unſerm Geiſte
Das allermeiſte
Jn ſolcher ſchoͤnen Ordnung ſtehet;
So dankt doch Dem, Der uns in unſerm Leben
Die Schaͤtze der Natur, auch den Verſtand, gegeben,
Und laſſt uns, ſie wol anzuwenden, ſtreben!
H h 5Decem -490
December.
Der rauhe, froſtige, doch froͤhliche December
Vertreibet itzt den ſchlackrigen November,
Und zeigt im Sturm und Froſt, daß, wenn ein Unfall da,
Die Huͤlfe mehrenteils auch wieder nah.
Die Erde, ſo bisher ſich von der Sonne wandt,
Wodurch denn Nebel, Froſt und Traurigkeit entſtand,
Veraͤndert ihren Gang in dieſem Monat wieder,
Und dreht ſich allgemach zur Sonne wieder hin.
Ach ſinge, liebſter Menſch, mit Andacht-vollem Sinn
Dem GOtt, Der dieſes wirk’t, in Demut frohe Lieder,
Der, nebſt viel tauſenden, auch unſ’re Sonn und Welt
Jn ſolch unwandelbar - und feſter Ordnung haͤlt,
Daß ſchon viel tauſend Jahr
Kein einzigs um ein Hat
Aus ſeinen Schranken geht!
Betrachte doch mit redlichem Gemuͤte
Des Schoͤpfers vaͤterliche Guͤte,
Da, wenn in dieſer rauhen Zeit
Die Luft von Froſt erſtarr’t, das Land beſchneit;
Er dir nicht nur die Gluht, den wilden Froſt zu lindern,
Nein, auch denſelbigen zu mindern,
So vieles Pelzwerk, mildreich ſchenkt,
Darin Er eine Kraft, die waͤrmend iſt, geſenkt.
Jn dieſem Monat duͤngt und pfleg’t man noch die Felder,
Wenn es der Froſt erlaubt.
Die Zaͤune beſſert man, behaut die dicken Waͤlder,
Und491Und ſchneidet Weiden ab. Man driſcht, verſorgt das Vieh
Mit Futter und mit Stroh. Der Jaͤger ſpuͤr’t im Schnee
Dem Wild am beſten nach, und manches munt’re Reh,
Und mancher Haſ und Wolf bezahlt ihm itzt die Muͤh.
Der Gaͤrtner kann noch Kreß und Peterſilgen ſaͤen.
Die Baͤume, die anitzt voll Moß und Unrat ſtehen,
Beſchab’t und ſaͤubert er. Der Haus-Wirth ſchlachtet ein
So manche fette Gans: ſo manch gemaͤſtet Schwein
Fuͤllt Keller, Kuͤch und Haus. Wenn wir des Schoͤpfers
Segen
Jn allem dieſem nicht mit Luſt und Dank erwegen;
Sind wir den Schweinen gleich, die keines Eichbaums
achten,
Wie ſuͤß die Eicheln auch, die ſeine Zweig ihm brachten.
Ach laſſt von dieſem Vieh uns doch uns unterſcheiden,
Und ja des Undanks Laſter meiden!
Soll Der, von welchem man faſt ungezaͤl’te Gaben
An Narung, Notdurft, Luſt, Verſtand, Beqvemlichkeit
Umſonſt empfaͤngt, nicht einſt Zufriedenheit,
Nicht einſt von uns ein dankbar Herze haben?
Schluß. 492
Schluß.
Nachdem ich die zwoͤlf Teile nun
Von einem Jahr in ernſter Luſt beſungen;
Soll Hand und Herz doch eh nicht ruh’n,
Bis ſich mein Geiſt vorher empor geſchwungen,
Und fuͤr ſo Gnaden-reiche Gaben,
Die wir im vor’gen Jahr von GOtt empfangen haben,
Dem groſſen GOtt, voll Weiſheit, Lieb und Macht,
Lob, Ehre, Ruhm und Preis gebracht.
Und ob dieſelbigen gleich nicht zu zaͤlen;
Will ich doch nach der Monden Zal,
Dem groſſen GOtt zum Ruhm und Preiſe,
Fuͤr dieſes mal
Jnſonderheit nur zwoͤlf erwaͤlen.
Jm Januar vollzog ich meine Reiſe,
Und kam, ſo viel ich mich erinnern kann,
Den zweyten in Hannover an.
Daſelbſt nun hat uns abermal
Von GOtt ſo mancher Gnaden-Stral
Zu unſerer Verrichtung angeſchienen.
Wie Huld - und Lieb-reich zeigte Sich
Auch gegen uns Hannovers FRJEDERJCH,
Europens Hoffnung, Luſt und Ehre!
Wie gluͤcklich fuhren wir von dannen wieder ab,
Da uns das Reiſen faſt ſo viel Vergnuͤgen gab,
Als wenn es eine Luſt-Fahrt waͤre!
Wie froͤhlich trafen wir die lieben Unſern an,
Daß ich ohn innerlichs Bewegen
Und Freuden-Zaͤhren kaum daran gedenken kann!
Jm493
Jm Februario, wie es bey uns der Brauch,
Daß Aemter umgeſetzet werden;
So hab ich auch,
GOtt Lob! geſund und ohn Beſchwerden
Die meinen froͤhlich uͤbernommen,
Und bin damit recht wol und bald zum Ende kommen.
Jm Martio hab ich geſehn
Mein erſtes Werk, den Kinder-Mord, verbeſſert
Und ſtark vergroͤſſert
Von neuen aus der Preſſe gehn.
Vielleicht geling’t es mir, noch das davon zu tragen,
Was die zwey letzten Verſ in deſſen Zuſchrift ſagen.
Es ward mir im April von hoher Hand
Ein treffliches Geſchenk geſand’t.
Der Gvelfen Ober-Haupt, Auguſtus Wilhelm, ſchickte
Mir Selbſt Sein Bildniß zu, das ſo der Farben Glanz,
Als wie der Tugend Glanz das Urbild ſchmuͤcket, ſchmuͤckte,
Und welches ich daher am allermeiſten ſchaͤtze,
Weil ich mich oft daran, als an der Froͤmmigkeit
Selbſt-eig’nem Conterſeit, recht inniglich ergetze.
Der Majus drohte mir ein ſehr empfindlich Leid
Jn meiner kraͤnklichen zu fruͤh entbund’nen Frauen;
Weil aber, GOtt ſey Dank! die Krankheit ohn Gefahr
Und ſie gar bald geneſen war;
So konnt ich darin auch des Schoͤpfers Guͤte ſchauen.
Jn dieſem Monat traf das hohe Fuͤrſten-Par
Aus Braunſchweig, voller Huld, in Hamburg ein, und zwar
Die ſchoͤne Herzoginn zu erſt, die, wie bekannt,
Mit Recht ein Jnbegriff von Tugenden zu nennen.
Und wie ſich dieſe Zwey nicht lange trennen;
So494So war Jhr theurer Fuͤrſt auch bald darauf erſchienen.
Nebſt Surland ward auch ich vom Raht ernannt,
An deſſen Statt, Dieſelben zu bedienen.
Jm Junio beſchloß die Herzoginn, ein Zeichen
Von Jhrer Gnad uns Selbſt zu uͤberreichen.
Sie haͤndigt uns darauf Jhr ſchoͤnes Bildniß ein,
Mit manchem Edelſtein
Verſetzt und ausgeziert. Jm Monat Julio
Ward, nebenſt mir und Surland, jeder froh,
Daß dieſes Feſt, womit der Magiſtrat
Die Herrſchaft oͤffentlich bewirthet hat,
So gluͤcklich ausgefuͤhrt mit ſonderbarer Luſt.
Statt daß ich haͤtte bald gemuſt
Mich abermal beqvemen,
Ein unvermutete Geſandtſchaft anzunemen;
Bracht ich dennoch den folgenden Auguſt
Jn ungeſtoͤr’ter Ruh
Auf meinem Garten zu,
Woſelbſt ich manches Lied, zum Ruhm von Deiner Macht,
(Dir, HErr ſey Dank dafuͤr!) hab aufs Papier gebracht.
Nebſt anderm Guten, ſo Du mir,
HERR, im September zugeteilet,
Haſt Du mir auch mein Kind geheilet.
Mein GOtt, ich danke Dir dafuͤr.
Denn wie es ſtark gefallen war;
Hat Deine Hand doch die Gefahr
So gnaͤdig von ihm abgekehret,
Daß es, an Gliedern unverſehret,
Kein ſonderlicher Schmerz beſchweret.
Wann495
Wann einer viele Keller Wein
Haͤtt im October eingefuͤhret;
Koͤnnt er dadurch nicht mehr geruͤhret
Und herzlicher erfreuet ſeyn,
Als dieſer Monat mich erfreut,
Da Trillers treffliche Gedichte,
Voll Geiſt und voll Erbaulichkeit,
Voll Feu’r, und voll vom Weiſheits-Lichte
Die Ahrt, womit ich GOtt zu loben
Mir vorgeſetzt, durch eine Folg erhoben,
Gebilliget, befeſtigt, und ſie mir
Zum Ueberfluß ſelbſt zugeſchrieben;
Wodurch ich denn verſpuͤr,
Daß ich, wie vor, noch mehr werd angetrieben,
Den groſſen Schoͤpfer zu beſingen.
Mein GOtt, ach laß es doch noch ferner wol gelingen!
Nebſt vielem Guten, ſo Du mir
Auch im November mitgeteilet,
Haſt Du mich auch (Dir, HErr, ſey Dank dafuͤr!)
Von einer Schwachheit bald geheilet.
Jn dieſem Monat ward ein Zahn,
Der mir bishero weh gethan,
Mir gleichfalls gluͤcklich ausgezogen,
Worauf man insgemein zwar nicht viel achtet;
Allein,
Wenn man es recht betrachtet,
Daß ſolche ſtrenge Pein
Jn einem Augenblick von uns kann abgenommen,
Und ohne ſchlimme Folg ein Glied getrenuet ſeyn,
Daß496Daß es uns ferner nicht beſchwer’t,
Jſt dieſes allerdings ſo Dank als Wunderns wehrt.
Es ſchloß ſich kaum der ſchlackrichte November,
Als in des Jahres Schluß, dem froſtigen December,
Zur Weyhnacht-Zeit, da er bald war verfloſſen,
Ein abermal nicht zeitigs Wochen-Bette
Mir meiner Frau die Augen bald geſchloſſen,
Mein Jlſgen bald geraubet, haͤtte.
Allein wie groß auch die Gefahr,
Wie nahe ſie bereits dem Grabe, war;
Hat es dem Schoͤpfer doch gefallen,
Sie mir aufs neu zu ſchenken,
Wofuͤr denn auch, ſo wie fuͤr allen,
An Jhn mit Dank und Ruhm in Ehrfurcht zu gedenken,
Das wenigſte nur iſt von meiner Schuldigkeit.
Das ſind nun zwoͤlferley.
Ach aber was iſt alles dieß,
Da es ja mehr als zu gewiß,
Daß ihre Meng unzaͤlig ſey?
Wie viel geſchah in dieſer Zeit
Mir und den Meinen nicht noch ſonſt zu gute?
Jedwede Stund, und jegliche Minute
War mir ein Segens-Bach, der mich mit Anmut traͤnkte,
Jndem mich Deine Huld mit allem dem beſchenkte,
Was man
Vernuͤnftig wuͤnſchen kann.
Jch lobe, GOtt, und danke Dir,
Recht inniglich geruͤhrt, dafuͤr.
Ach gib, o Groſſes All, daß ich, auf gleiche Weiſe
Zu Ende dieſes Jahrs mit gleicher Luſt Dich preiſe!
Un -497

Das Menſchliche Wiſſen.

A.
Du biſt bemuͤhet, auszufinden
Der Creatur verborg’ne Spur;
Du haſt geſuchet, zu ergruͤnden
Die Wiſſenſchaften der Natur;
So ſage mir nun einſt die Wahrheit,
Doch ohne Dunkelheit, mit Klarheit:
Was iſt denn eigentlich das Licht?
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Was iſt das Waſſer? was iſt Erde?
Erzehle mir, wie beides werde,
Und wie ein jedes zugericht’t!
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Was iſt das Feu’r? was ſind die Luͤfte?
Was iſt das Trock’ne? was ſind Duͤfte?
Was iſt ihr Zweck, was ihre Pflicht?
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Was iſt doch eigentlich von innen
Die wunderbare Kraft der Sinnen;
Was das Gehoͤr, was das Geſicht?
B.
Das weiß ich nicht.
II. Theil. J iWie498
A.
Wie koͤmmt’s, daß Speiſen, die wir ſchmecken,
Uns ſo verſchied’ne Luſt erwecken?
Gib davon deutlichen Bericht!
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Wie kommt es, daß man fuͤl’t und ſpuͤret?
Wie wird des Menſchen Leib formiret?
Mein, ſage mir, wie das geſchicht!
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Wie kommt’s, daß etwas lieblich klinget;
Die Nachtigal ſo lieblich ſinget;
Ein Papagoy und Rabe ſpricht?
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Wie kann, wie wir erſtaunet ſchauen,
Ein Vogel ſolch ein Neſtgen bauen,
Das er ohn Hand ſo kuͤnſtlich flicht?
B.
Das weiß ich nicht.
A.
Wie koͤnnen denn der Menſchen Selen
Mit ihrem Coͤrper ſich vermaͤlen?
Gib mir doch davon Unterricht!
B.
Das weiß ich nicht.
A.
So wirſt du mir doch Nachricht geben:
Wie kommt es, daß der Tod das Leben
Oft ſo gar ploͤtzlich unterbricht?
B.
Das weiß ich nicht.
Kannſt499
A.
Kannſt du auf alle meine Fragen
Mir denn gar nichts zur Antwort ſagen;
So zeige mir nun ſelber an:
Was weiſt du dann?
B.
Jch weiß: ich bin. Warum? ich denke.
Jch weiß, daß GOtt die Erde lenke,
Die Himmel, und auch die Natur.
Dieß weiß ich nur.
Jch weiß, daß GOtt, der Schoͤpfer, lebe,
Und uns ſo viele Guͤter gebe,
Daß man dafuͤr Jhm danken ſoll.
Das weiß ich wol.
Daß unſer Schoͤpfer alles wiſſe,
Und daß man Jhn bewundern muͤſſe;
Daß Er ſo liebreich, als Er groß;
Dieß weiß ich bloß.
Er will ſich hier von uns nicht faſſen,
Und nur allein bewundern laſſen.
Dahin nur gehet unſ’re Pflicht,
Und weiter nicht.
J i 2Troſt. 500

Troſt.

Juͤngſt dacht ich bey mir ſelbſt: wie kommt’s, daß deine
Schriften,
Ob ſie gleich noch ſo wahr,
Ob alles, was du ſchreib’ſt, gleich Sonnen-klar;
Doch bis daher ſo wenig gutes ſtiften?
Daß man ſie lieſ’t, und daß faſt jedermann,
Wie gut du es gemeint, nachdem er ſie geleſen,
Jn allen Stuͤcken bleibt, wie er vorher geweſen?
Allein,
Fiel mir daruͤber ein,
Hab ich auch Recht, mich deßfalls zu betruͤben,
Da ja das ſchoͤne Buch der Welt,
Das GOttes Finger ſelbſt geſchrieben,
Das Urbild ſelbſt, den Menſchen nicht gefaͤllt?
Wie kann mein Schatten-Riß, wie kann mein ſtammlend
Lallen,
Der ecklen Welt gefallen?
Zudem geh in dich ſelbſt! Bemuͤh dich, zu entdecken,
Ob Leidenſchaften nicht in deinem Trauren ſtecken,
Und ob, ſtatt GOttes Ruhms, wie du vermeinſt, dein Leid
Nicht etwan einen ſtarken Grad
Von Eigen-Lieb und Eitelkeit
Zum Grunde hat!
Unmoͤglich iſt es nicht. Jch bin ein Menſch, nichts
mehr,
Der folglich fuͤr die Luſt, fuͤr Ueberfluß und Ehr
Nicht501Nicht unempfindlich iſt; der tauſend Feler hat;
Den oft ein Vorurteil und oft ein Feu’r verwirr’t;
Der oft ſich uͤbereilt; der tauſend mal geirrt;
Ja der vielleicht ſelbſt itzt, ob er gleich auf ſich ſchmaͤlet,
Und ſelbſt geſtehen muß, daß, und wie oft er felet,
Nicht unzufrieden iſt. Waruͤm? Er denkt, erzelet,
Und ſchreibt von ſeinem Jch.
Der Schoͤpfer kenn’t allein, wie in dem Labyrinth
Des Menſchlichen Gemuͤt’s ſo viele Winkel ſind.
Ach GOTT, der Du das Herz ergruͤndeſt,
Die Nieren pruͤſ’ſt, und klaͤrlich findeſt,
Weßwegen und wodurch ich denke, was ich denke,
Weßwegen und wodurch ich thue, was ich thu;
Erbarme Du Dich mein, erleuchte, fuͤhre, lenke,
Bereite meinen Sinn, formir und richte Du
Mein Herz nach Deinem Willen zu!
Ach laß, o Groſſes All, Du Schoͤpfer aller Dinge,
Wenn ich von Deinen Werken ſinge,
Nicht mich, mein elend mich, bloß Deine Groͤſſ allein,
Den Endzweck meiner Lieder ſeyn!
Gib zu der Abſicht Deinen Segen,
Daß viele ſich, nebſt mir, dadurch erbauen moͤgen;
Daß ich nebſt vielen ſtets, o HErr, zu Deinen Ehren,
Empfinden, riechen, ſehn, auch ſchmecken mag, und hoͤren!
J i 3Auf -502

Aufmunterung an andere, zu gleich - maͤſſiger Betrachtung der Werke GOTTES.

Unwandelbares All! allgegenwaͤrtigs Weſen,
Selbſt-ſtaͤndigs, ewigs Licht,
Erleuchte doch derjenigen Geſicht,
Die irgend dieſe Blaͤtter leſen!
Ach laß mein Dir zum Ruhm bisher erſcholl’nes Lallen
Von dem, was Du gemacht, aus G’naden Dir gefallen!
Laß nicht die Leſer nur allein
Durch Deine Werk in Luſt zu Dir gefuͤhret ſeyn;
Laß denen auch, die kraͤftiger, als ich,
Dasjenige, ſo ſie bewundern muͤſſen,
Jn Verſen auszudruͤcken wiſſen,
Es ein Ermunterung zu ſolchen Liedern werden!
Beſingt in hoͤherm Ton, als ich, die Pracht der Erden,
Wofern ihr noch nicht angefangen,
Jhr Bruͤder, die ihr Geiſt und Feu’r von GOTT dem
HERRN
Zur edlen Dichter-Kunſt empfangen!
Erweiſet, daß die Poeſie
Kein leeres Stroh, nein, daß ein Kern
Jn ihr verborgen ſey! Verlohnt ſichs nicht der Muͤh,
Wie Salomo und Job mit ihr zu handeln?
Dem Moſes, Joſua und David nachzuwandeln?
Die alle GOTT, dem Schoͤpfer, ihre Lieder
Mit Freuden opferten: die, faſt vor Luſt entzuͤckt,
Die Schoͤnheit der Natur, wodurch die Welt geſchmuͤckt,
Mit Ruhm verherrlichten. Wir finden hin und wieder,
Wie503Wie ſie, zu GOttes Ehr,
So unverbeſſerlich des Schoͤpfers Werk beſungen.
Sprich ſelber: wer wird nicht beweget,
Wofern man mit Aufmerkſamkeit
Der Lieder Vollenkommenheit,
Die GOttes Creatur betrifft, wol uͤberleget!
Auf, laſſt uns ihrer Spur,
Jn froͤhlicher Betrachtung der Natur,
Zu folgen unverdroſſen ſeyn!
Stimmt mit dem trefflichen, beruͤhmten Triller ein,
Der jeden, ſo ihn lieſ’t, erbauet und ergoͤtzt,
Erquickt und in Verwund’rung ſetzt!
Was koͤnnen ſo viel edle Schriften
Nicht in der Welt dereinſt fuͤr gutes ſtiften!
Auf, groſſer Beſſer! auf! laß einen neuen Schein
Von Deiner edlen Gluht, die ſonſt in Dir gelodert,
Jn heil’gen Flammen ſehn! Der groſſe Schoͤpfer fodert
Ein Dank-Lied ſelbſt von Dir. Die Werke Seiner Haͤnde
Verdienen Deinen Geiſt, verdienen Deinen Fleiß.
Erheb’t Dein edler Vers des Schoͤpfers Wunder-Preis;
So kroͤneſt Du Dein Thun mit einem ſchoͤnen Ende.
Auf, heller Kirchen-Stern, geprieſener Neumeiſter,
Erheit’re Deinen Sinn, befluͤg’le Deine Geiſter!
Laß auch vom Schoͤpfer einſt Dein Saiten-Spiel erklingen!
Bey dem Erloͤſungs-Werk die Schoͤpfung zu beſingen,
Kann wol beyſammen ſtehn, und ſtimmt gut uͤberein.
Wenn wir von Deinem Geiſt dergleichen Lieder leſen;
So wirſt Du, wie Du ſtets geweſen,
Ein groſſer ſo als neuer Meiſter ſeyn.
J i 4Du504
Du Flammen-reicher Schmolck, gelehrter Kruͤſike,
Mich deucht ich hoͤre ſchon
Auch eurer Saiten Klang in dieſem Ton:
Die reine Lohe ſchwingt bereits ſich in die Hoͤh.
Geſchaͤtzer Brandenburg, itzt wend ich mich zu Dir,
Du Zierde Meklenburgs, dem GOTT ſo ſelt’ne Gaben
Jn reichem Maß verliehn; auf, laß den edlen Geiſt,
Der aus ſo hohen Qvellen fleuſſt,
Sich wiederum zu Dem, Der ihn gegeben,
Durch die Betrachtungen der Creatur erheben!
Es muß ja GOTT gefaͤllig klingen,
Wenn Seine Diener auch von GOttes Werken ſingen.
Du unvergleichlicher Philander von der Linde,
Jn welchem ich ſo Salz als Suͤſſigkeit
Jn lieblicher Vollkommenheit
Mit einem edlen Feu’r verbunden finde;
Erlaube, daß ich Dich in dieſem Buche,
Da Du auch andr’er Orts, zum Ruhm von GOttes Macht,
Viel herrliches bereits hervor gebracht,
Auch um ein Lied in dieſem Ton erſuche!
Ein ſolcher Mann, wie Du, wirkt bey dem klugen Chor,
Der Dich als Lehrer ehrt, zur Folge ja nicht wenig.
Auch Dich, beruͤhmter Dichter, Koͤnig,
Der Du, trotz Neid und Feind, ein koͤnigliches Ohr
Mit ſuͤſſem Ton vergnuͤg’ſt. Jch weiß, wie ſtark Dein Geiſt
Dem niedern Schwarm der Dichter ſich entreiſſt,
Wie ſehr er ſich erheb’t, und wie er als ein Licht,
Das hoch erhaben ſteht, durch Macht und Nebel bricht.
Ver -505Verarge mir mein klein Erinnern nicht!
Gebrauch auch einſt der munt’ren Geiſter Kraft!
Beſing in Deiner Kunſt der Coͤrper Eigenſchaſt!
Laͤſt Du ein Lied von GOttes Creatur,
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, erſchallen;
Wird’s Deinem Koͤnige nicht nur,
Nein auch dem Koͤnige der Koͤnige, gefallen.
Preis-wuͤrdiger Heraͤus, deſſen Geiſt
Mit Recht ein Sammel-Platz
Von Kuͤnſt - und Wiſſenſchafften heiſſt,
Bey Dem ein ſolcher Schatz,
Als Du in Deinem Bergwerks-Gruͤnden
Kaum finden wirſt, zu finden;
Auf, fahre ferner fort, und bring uns auf die Spur,
Der unterirdiſchen Natur!
Du auch, belebter Geiſt des Feuer-reichen Hancken,
Du wirſt der letzten keiner ſeyn,
So wenig als auch der, den Du, nebſt Lohenſtein,
Jn Deinen juͤngſt der Welt gelieferten Gedanken,
Mit ſo viel Ruhm als Recht in einem hellen Scheine
Als einen Phoͤnix zeig’ſt. Jch meine,
Nie g’nug geprieſener, beruͤhmter Neukirch, Dich.
Auf, laſſet beide denn, zu Goͤttlichem Gefallen,
Jn dieſem Ton auch Eure Lieder ſchallen!
Vor andern, edler Pietſch, den ich nicht g’nug zu ſchaͤtzen,
Noch zu erheben weiß, laß Deine Lieder ſchallen
J i 5Von506Von GOttes Wunder-Werk! Sie werden GOTT gefallen,
Und uns in Andacht, Luſt und in Verwund’rung ſetzen.
Auch Dich, mein Sommer, Dich, der Du die reifen
Fruͤchte
Bereits im Fruͤhling zeigſt, beſchwer ich gleichfalls hier:
Laß Deine feurigen Gedichte
Des Himmels Pracht, der Erde Zier,
Der Creaturen Unterſcheid,
Der Sinne Nutz und Lieblichkeit,
Samt andern ungezaͤhlten Gaben,
Zu unſers Schoͤpfers Ruhm, zu ihrem Vorwurf haben!
Und Du, der ſchon ſo fruͤh was Wunderns wehrt
veruͤbet,
Den ich ſchon laͤngſt zugleich bewundert und geliebet,
Geſchickter Wilkens, fahre fort!
Wer Deine Verſe ſieht, erſtaunt; wer aber hoͤret,
Daß Du annoch ſo jung, der glaubet dem Bericht
Zu Anfang nicht,
Und ſein Erſtaunen wird dadurch noch mehr vermehret.
Es hat in Dich der Schoͤpfer aller Dinge
Was auſſerordentlichs geleg’t.
Es ſey dadurch Dein Geiſt zur Dankbarkeit beweg’t!
Mich deucht, ich hoͤr auch ſchon, wie rein Dein Ton erklinge
Von Deſſen Lieb und Wunder-Macht,
Der alle Ding hervorgebracht.
Jch wende gleichfalls mich,
Beliebter Gottſched, hin zu Dir; doch nicht allein
Mit einem eifrigen Erſuchen: nein,
Jch507Jch danke Dir zugleich hier oͤffentlich,
Daß Du, zum Ruhm des Schoͤpfers, allbereit
Nebſt des Franzoͤſiſchen beruͤhmten Fontenelle
Auch Deines Geiſtes Trefflichkeit
Jn Noten an ſo mancher Stelle
Ans Licht geſtellet haſt. Laß ferner aus den Reimen,
Zum Ruhm Desjenigen, Der Welt und Sonnen macht,
Der alles ſo erhaͤlt, als Er’s hervorgebracht,
Die Frucht der Luſt und Ehrfurcht keimen!
Jhr Geiſter insgeſamt, die ihr vom Himmel ſtammet,
Jn deren Bruſt ein reines Feuer flammet,
Und die man mehrentheils nicht g’nug bewundern kann:
Corvinus, Kaͤtzler, Gerz, von Seelen, Telemann,
Stockhauſen, Huͤbner, Horn, Stiev, Abel und
Leander,
Auch Mayer, Wagener, nebſt Beccau und Picander,
Nicht weniger auch Du, beruͤhmter, groſſer Melle,
Nebſt Rambach, Bluͤmel, Muͤller auch;
Beſingt von eurem Geiſt den Urſprung und die Qvelle,
Und opfert Jhm der Lieder ſuͤſſen Rauch.
Stimmt Jhm, nebſt einer Schar von andern edlen Dichtern,
Die mein Gedicht nicht faſſt, ein helles Dank-Lied an,
Und laſſet Den, Der Euch ein ſolch Talent gegeben,
Von Eurem Dichter-Feu’r ein wuͤrdigs Opfer heben!
Nicht weniger auch Jhr, Jhr holden Dichterinnen,
Erheb’t zu gleichem Zweck die aufgeweckten Sinnen!
Du helles Nord-Geſtirn, du Zierde Cron und Ehre
Des weiblichen Geſchlechts, beruͤhmte Brennerinn,
Die508Die ich Verwund’rungs-voll ſo lieblich ſingen hoͤre;
Beliebte Curtia, und fromme Eckartinn;
Tiefſinnige gelehrte Zieglerinn,
Auch edle Breßlern Du; ſtimmt froͤhlich mit uns ein!
Die Lieblichkeit und Schoͤnheit dieſer Erden
Muß auch von Euch, von Maͤnnern nicht allein,
Empfunden und beſungen werden.
Zuletzt erwehn ich Dein, beruͤhmter Richey, hier,
Den, wenn ich nach Verdienſt haͤtt ieden nennen wollen,
Jch mit am erſten nennen ſollen;
Der Du ein heit’rer Stern und eine wahre Zier
Von Nieder-Sachſen biſt; der Du an Feuer reich,
Reich an Gelehrſamkeit und Einſicht; Deſſen Geiſt,
Dem ſchnellen Adler gleich,
Sich in die Hoͤhe ſchwingt,
Der Erde ſich entreiſſt,
Und wie ein Pfeil aufs ploͤtzlichſte durchringt,
Was undurchdringlich ſcheint; Der keinen gleichen kennet,
Doch ihn bald kennen wird, indem Sein munt’rer Sohn
Mit unerhoͤr’ter Fahrt in gleichen Schranken rennet;
Jch bitte Dich, laß einſt im hoͤchſten Ton
Von Deines Schoͤpfers Werk ein helles Lied erklingen!
Dem Schoͤpfer wird es Ruhm, Dir einen groſſen Lohn,
Und allen Leſern Nutzen, bringen.
Wie viel ein Vers vermag, welch eine Wunder-Kraft,
Welch ein geheimes Feu’r, und welch ein Lebens-Saft
Jn wolgeſetzten Liedern ſtecket,
Jſt dem, der es erweg’t, gar leicht endecket;
Da509Da ja bekannt genug, daß in der Menge
Geiſt-reicher, lieblicher, vortrefflicher Geſaͤnge,
Die wir im Lutherthum vor andern Chriſten haben,
Ein groſſer Teil des GOttes-Dienſt’s beſteht,
Und viele Selen ſich daran recht herzlich laben.
Stimmt nicht ſo mancher Handwerks-Mann
Ein frohes Lied bey ſeiner Arbeit an?
Verſuͤſſet er ſich nicht dadurch die ſaure Muͤh?
Er fuͤl’t nicht einſt den Schweiß;
Es mehrt in ihm die Poeſie
Die Luſt zuſammt dem Fleiß,
Und mindert ihm ſein Unvergnuͤgen.
Wie wuͤrde nicht Verdrießlichkeit
Und oftermals die lange Zeit,
Bey ihrem ſtillen Werk, das Frauen-Volk beſiegen,
Wenn nicht ein Vers in ſuͤſſer Melodie
Und etwan ein: wer nur den lieben GOTT laͤſſt walten;
Die ſonſt ausſchweifenden Gedanken
Jn ihren angewieſ’nen Schranken,
Beſchaͤfftig waͤren, zu erhalten.
Dergleichen Lieder nun ſind kraͤftig, GOttes Werke,
Und in denſelbigen des Schoͤpfers Weiſ heit, Staͤrke,
Huld, Lieb und Guͤt uns beyzubringen;
Wovon man leider ſelten ſpricht,
Wovon wir ja ſo ſelten ſchreiben,
Und die dahero faſt uns ganz verborgen bleiben.
Jn Schulen treibt mans nicht,
Und iſt es gar dahin gebracht,
Daß faſt kein Geiſtlicher des Schoͤpfers Wunder-Macht
Jn510Jn Seiner Creatur in Predigten erhoͤh’n
Und von den Canzeln GOTT in Seinem Werk zu ſehn,
(Will er kein Neuling ſeyn) ſich unterſtehen darf.
Als jener Gottholds Schrift von ungefehr geleſen;
Bewundert er, daß es ein Geiſtlicher geweſen,
Der dieſes Buch gemacht. Sprich, wer bemuͤht ſich nur,
Vom Buche der Natur
Ein wenig Nachricht zu erwerben?
Wie viele tauſend Chriſten ſterben,
Die von der Herrlichkeit der Creatur,
Und folglich von des Schoͤpfers Herrlichkeit
Nicht die geringſte Spur,
So lange ſie geleb’t, verſpuͤret,
Weil man ſie faſt zu keiner Zeit
Darauf gefuͤhret?
Zwar hoͤr und leſ ich itzt zween tapfre GOttes-Helden
Auch von dem Buch der Welt erſtaunten Hoͤrern melden,
Der theure Loͤſcher wagt’s nicht weniger, als Du,
Nie g’nug geprieſ’ner Wolf, den Sterblichen zu zeigen,
Daß man zum Schoͤpfer auch auf Leitern muͤſſe ſteigen
Von Seiner Creatur. Jhr beide zeigt den Frommen
Den Vorhof, der um recht ins Heiligſte zu kommen,
Ganz unumgaͤnglich iſt. Ach GOTT, gieb Deinen Segen,
Daß ſie durch ihre Lehr viel Folger machen moͤgen,
Damit die blinde Welt, zu Deinen heil’gen Ehren,
Dein ſchoͤn - und herrlichs Werk mag ſehen, fuͤlen, hoͤren!
Und hieran zweifl ich nicht. Du, theurer Wolf, allein
Biſt, durch des Hoͤchſten Huld, fromm, exemplariſch, klug,
Erfahren, redlich, treu, beredt, gelehrt genug,
Den511Den in der Hoͤrer Sinn faſt gantz erloſch’nen Schein
Von GOttes Allmachts-Werk aufs neue zu entzuͤnden.
Du weiſſt auch im Geſchoͤpf den Schoͤpfer Selbſt zu finden,
Und mit dem Himmliſchen das Jrd’ſche zu verbinden.
Jch hoͤr aus Deinem Mund, als eine reine Flut,
Als einen Lebens-Strom, des Himmels Lehren flieſſen;
Jch fuͤl ein Goͤttlich Feu’r, ein uͤberird’ſche Gluht,
Und einen hellen Stral mir in die Sele ſchieſſen;
Jch ſeh ein blitzend Licht,
Das alles heiter macht, wenn Deine Zunge ſpricht:
Die Himmel preiſen GOtt, und du, o
Menſch, willt ſchweigen;
Da Weiſheit, Gnad und Macht ſich ſo
verherrlicht[ zeigen? ]
Aus nichts erhellt ſo klar die Goͤttliche Ge -
walt,
Macht, Groͤſſ und Majeſtaͤt,
Als wenn ihr die vortrefflichſte Geſtalt,
Die Weite, Tief und Hoͤh im Firmamente
ſeht;
Wenn ihr der Coͤrper Meng und dieſe Groͤſſ
erweget,
Nebſt dem ſo weiten Raum, der ſie im
Schoſſe heget,
Der Grenz - und Boden-los.
Die Sonn iſt ja viel tauſend mal ſo groß,
Als unſer Erden-Kreis. Die unbeweg’ten
Sterne
Jn512
Jn jener ungemeſſ’nen Ferne
Sind lauter Sonnen, die an Schein
Vermutlich gleich ſo groß, ja noch wol groͤſ -
ſer, ſeyn;
Und alles dieſes wird von euch,
Jhr blinde Menſchen, nicht betrachtet,
Da ihr doch oftermals ein Zimmer, ob es
gleich
Nicht einſt ausnemend ſchoͤn, Bewunderns -
wuͤrdig achtet.
Das Wunder-wuͤrdige Gebaͤude
Des Himmels und der Welt,
Die GOttes Finger Selbſt euch vorgeſtellt,
Erreg’t hingegen euch kein Anmut, keine
Freude.
Das heiſſt geprediget, das heiſſt gelehr’t,
Wie man den Schoͤpfer recht auf eine Weiſe ehr’t,
Die Seiner wuͤrdig iſt. Ach moͤgten ſolche Lehren
Sich in der Chriſtenheit doch taͤglich mehren!
Ach moͤgte man, wenn man vom andern Teil
Des Glaubens uns den Jnhalt vorgetragen,
Und von dem groſſen Sohn, zu unſ’rer Selen Heil,
Was froͤhliches gelehrt, auch was vom erſten ſagen,
Den Groſſen Vater auch in Seinem Werk erhoͤhn!
Selbſt Chriſtus laͤſſt an euch ja den Befehl ergehn;
Denn alſo lehrt Er oͤffentlich:
Wer Meinen Vater ehrt, der ehret Mich.
Anhang[513]

Anhang verſchiedener Ueberſetzungen.

II. Theil. K kDer514

Der 92ſte Pſalm.

1. 2. Ach das iſt ein koͤſtlich Ding, GOtt dem HErrn ein
Dank-Lied bringen,
Und mit Freuden Deinem Namen, o Du hoͤchſter GOtt,
lobſingen,
2. 3. Zu verkuͤndigen des Morgens Deiner Gnade helle
Klarheit,
Und des Nachtes Deine Wahrheit.
3. 4. Mit dem ſpielen auf der Harfen, auf dem Pſalter und
zehn Saiten
4. 5. Laͤſſ’ſt Du, HErr, mich froͤhlich fingen, und Dein herrlich
Lob ausbreiten,
Und ich ruͤhme die Geſchaͤffte Deiner Haͤnd und ihre
Staͤrke.
Wie

Der 92ſte Pſalm.

2. Das iſt ein koͤſtlich Ding, dem HErrn danken, und lob -
ſingen Deinem Namen, du Hoͤchſter.
3. Des Morgens Deine Gnade, und des Nachts Deine
Wahrheit verkuͤndigen.
4. Auf den zehen Saiten und Pſalter, mit ſpielen auf der
Harfen.
5. Denn, HErr, Du laͤſſeſt mich froͤhlich ſingen von Dei -
nen Werken, und ich ruͤhme die Geſchaͤffte Deiner Haͤnde.
6. HErr,515
5. 6. Wie ſo groß ſind Deine Werke!
Wie ſo unbegreiflich tief ſind die Goͤttlichen Gedanken!
6. 7. Dieſes glaubt kein Thoͤrigter, und ein Narr verachtet
das.
7. 8. Alle Uebelthaͤter bluͤhen, und es gruͤnen, wie das Gras,
Die da gottlos ſind, ſo lange, bis ſie alle von der
Erden
Ewiglich vertilget werden.
Der
6. HErr, wie ſind Deine Werke ſo groß! Deine Gedanken
ſind ſo ſehr tief.
7. Ein Thoͤrichter glaͤubet das nicht, und ein Narr achtet
ſolches nicht.
8. Die Gottloſen gruͤnen wie das Gras, und die Uebelthaͤ -
ter bluͤhen alle, bis ſie vertilget werden immer und ewiglich.
K k 2Der516

Der 104te Pſalm.

1. Lobe den HErrn, meine Sele!
HErr, mein GOtt, Du biſt ſehr maͤchtig,
Herrlich, ſchoͤn geſchmuͤckt und praͤchtig.
2. Nichts, als Licht, iſt Dein Gewand;
Selbſt der Himmel iſt durch Dich, als ein Teppich,
ausgeſpannt.
3. Oben woͤlbſt Du es mit Waſſer, faͤhrſt auf Wolken ſo
geſchwinde,
Recht als wie auf einem Wagen, gehſt auf Fittigen der
Winde.
4. HErr, durch Den die Engel Winde, Deine Diener
Flammen werden,
5. Der Du feſt auf ſeinen Boden gruͤndeſt unſern Kreis
der Erden,
Daß

Der 104te Pſalm.

Lobe den HErrn, meine Sele. HErr, mein GOtt! Du biſt
ſehr herrlich, Du biſt ſchoͤn und praͤchtig geſchmuͤckt.
2. Licht iſt Dein Kleid, das Du an haſt, Du breiteſt aus
den Himmel, wie einen Teppich.
3. Du woͤlbeſt es oben mit Waſſer, Du faͤhreſt auf den
Wolken, wie auf einem Wagen, und geheſt auf den Fittigen
des Windes.
4. Der Du macheſt Deine Engel zu Winden, und Deine Die -
ner zu Feuer-Flammen.
5. Der Du das Erdreich gruͤndeſt auf ſeinen Boden, daß
es bleibet immer und ewiglich.
6. Mit517
Daß er immer bleibt und ewig;
6. Mit der Tiefe
deckeſt Du
Jhn, als wie mit einem Kleide, wunderbar und kuͤnſt -
lich zu,
Und die Waſſer ſtehen oben auf den Bergen.
7. Doch
vor Dir
Fliehen ſie; von Deinem Schelten und von Deines
Donners Kraft
Fahren ſie dahin, und werden augenblicklich weggerafft.
8. Der erhab’nen Berge Gipfel gehen alle hoch herfuͤr,
Und die Breiten ſetzen ſich, mit der ungeheuren Laſt,
Zu dem Orte, welchen Du ihnen, HErr, gegruͤndet haſt.
9. Du nur ſetzeſt ihnen Grenzen, d’ruͤber ſie ſich nicht er -
ſtrecken,
Und ſie muͤſſen nimmer nicht wiederum das Erdreich
decken.
10. HErr, Du laͤſſeſt mildiglich Brunnen qvellen in den
Gruͤnden,
Daß die Waſſer zwiſchen Bergen flieſſen;
11. Daß
auf dem Geſilde
Alle Thiere teinken koͤnnen, und nebſt dem zerſtreuten
Wilde,
Wann
6. Mit der Tiefe deckeſt Du es, wie mit einem Kleide, und
Waſſer ſtehen uͤber den Bergen.
7. Aber von Deinem Schelten fliehen ſie, von Deinem
Donner fahren ſie dahin.
8. Die Berge gehen hoch hervor, und die Breiten ſetzen
ſich herunter, zum Ort, den Du ihnen gegruͤndet haſt.
9. Du haſt eine Grenze geſetzt, daruͤber kommen ſie nicht,
und muͤſſen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
10. Du laͤſſeſt Brunnen qvellen in den Gruͤnden, daß die
Waſſer zwiſchen den Bergen hinflieſſen.
11. Daß alle Thiere auf dem Felde trinken, und das Wild
ſeinen Durſt loͤſche.
K k 312. An518
Wann ſie durſtig, Labſal finden.
12. An denſelben ſitzt und ſinget unter ihren gruͤnen
Zweigen
Eine groſſe Menge Voͤgel, die von Deinem Ruhm nicht
ſchweigen.
13. Die erhab’nen Berge feuchtet, her von oben, Deine Hand,
Und Du fuͤlleſt mit den Fruͤchten, die Du ſchaffſt, das
ganze Land.
14. HErr, Du laͤſſeſt fuͤr das Vieh Gras und Kraut die
Menge werden,
Und die Sat zu Nutz den Menſchen, daß du Brodt
bringſt aus der Erden.
15. Daß der Wein des Menſchen Herz wenn es traurig iſt,
erfreu,
Und ihm die Geſichts-Geſtalt lieblich, ſchoͤn von Oele
ſey,
Und das Brodt den Menſchen ſtaͤrke;
16. Daß voll
Saft die Baͤume ſtehen,
Und die Cedern Libanon, die der HErr gepflanzet hat;
17. Wo wir groſſe Voͤgel niſten, Reiger auf den Tannen,
ſehen.
Ber -
12. An denſelben ſitzen die Voͤgel des Himmels, und ſin -
gen unter den Zweigen.
13. Du ſeuchteſt die Berge von oben her, Du macheſt
das Land voll Fruͤchte, die Du ſchaffeſt.
14. Du laͤſſeſt Gras wachſen fuͤr das Vieh, und Sat zu
Nutz den Menſchen, daß Du Brodt aus der Erden bringeſt.
15. Und daß der Wein erfreue des Menſchen Herz, und
ſeine Geſtalt ſchoͤn werde von Oele, und das Brodt des Men -
ſchen Herz ſtaͤrke.
16. Daß die Baͤume des HErrn voll Safts ſtehen, die Ce -
dern Libanon, die Er gepflanzet hat.
17. Daſelbſt niſten die Voͤgel, und die Reiger wohnen auf
den Tannen.
18.519
18. Berge ſind der Gemſen Zuflucht; dieſe wohnen hoch in
Luͤften,
Und Caninichen hingegen unten in den Felſen-Kluͤften.
19. HErr, Du macheſt auch den Mond, um das Jahr dar -
nach zu teilen;
Es weiß ihren Gang die Sonne.
20. Du machſt
Finſterniß und Nacht,
Da ſich wilde Thiere regen, und aus ihren Hoͤlen eilen;
21. Junge Loͤwen, die da bruͤllen nach dem Raube, die allein,
Groſſer GOtt, von Deiner Macht
Jhrer Koſt gewaͤrtig ſeyn.
22. Aber wenn die Sonn hervor bricht, heben ſie ſich weg,
und legen
Sich in ihre Loͤcher nieder.
23. Dann ſo geht der
Menſch herfuͤr
An ſein Tag - und Acker-Werk, und wirkt unter Deinem
Segen,
Bis es wieder Abend wird. Dieſes alles kommt von
Dir.
HErr,
18. Die hohen Berge ſind der Gemſen Zuflucht, und die
Stein-Kluͤfte der Caninichen.
19. Du macheſt den Mond, das Jahr darnach zu theilen,
die Sonne weiß ihren Niedergang.
20. Du macheſt Finſterniß, daß es Nacht wird, da regen
ſich alle wilde Thiere.
21. Die jungen Loͤwen, die da bruͤllen nach dem Raub, und
ihre Speiſe ſuchen von GOtt.
22. Wann aber die Sonne aufgehet, heben ſie ſich davon,
und legen ſich in ihre Loͤcher.
23. So gehet dann der Menſch aus an ſeine Arbeit, und
an ſein Ackerwerk, bis an den Abend.
K k 424. HErr,520
24. HErr, wie ſind doch Deine Werke ſo vortrefflich, viel
und groß!
Weiſlich haſt Du ſie geordnet, und der Erden weite
Schoß
Jſt erfuͤllt mit Deinen Guͤtern.
25. Das ſo groſſ und
weite Meer,
Wo es wimmelt ohne Zal, heg’t ein ungemeſſ’nes Heer
Beydes groſſ - und kleiner Thiere.
26. Dorten ſieht
man Schiffe gehen;
Da ſind Wallfiſch, und Du haſt ſie, o HErr, hervor
gebracht,
Daß ſie in dem Waſſer ſcherzen.
27. Alles, was wir
lebend ſehen,
Wartet, HErr, auf Deine Macht,
Daß Du ihnen Speiſe gebeſt, jeglichem zu ſeiner Zeit.
28. Wenn Du giebſt, ſo ſammlen ſie, was Dein Segen ih -
nen beut.
Wenn Du Deine Hand eroͤffneſt, werden ſie mit Deinem
Gute
Recht geſaͤttiget.
29. Allein,
Wenn Du Dein Geſicht verbirgeſt, nimmt ſie gleich ein
Schrecken ein.
Du
24. HErr, wie ſind Deine Werke ſo groß und viel! Du
haſt ſie alle weiſlich geordnet, und die Erde iſt voll Deiner
Guͤter.
25. Das Meer, das ſo groß und weit iſt, da wimmelts
ohne Zahl, beyde groſſe und kleine Thiere.
26. Daſelbſt gehen die Schiffe, da ſind Wallfiſche, die Du
gemacht haſt, daß ſie darinnen ſcherzen.
27. Es wartet alles auf Dich, daß Du ihnen Speiſe gebeſt
zu ſeiner Zeit.
28. Wann Du ihnen giebſt; ſo ſammlen ſie. Wann Du
Deine Hand aufthuſt; ſo werden ſie mit Gut geſaͤttiget.
29. Verbirgeſt Du Dein Angeſicht; ſo erſchrecken ſie. Du
nimmſt521
Du nimmſt ihren Odem weg, ſo vergehen ſie, und werden
Wiederum zu Staub und Graus.
30. Laͤſſ’ſt Du Deinen Odem aus,
HErr; ſo werden ſie geſchaffen. Du verneu’ſt den
Schmuck der Erden.
31. Unſers GOttes Ehr iſt ewig. Er hat Luſt an Seinen
Werken.
32. Schauet Er die Erden an; ſo erbeb’t ſie.
Ruͤhret Er
Die Gebirge; rauchen ſie.
33. All mein Lebenlang,
o HErr,
Will ich Dir mit Freuden ſingen,
Und, ſo lang ich immer bin, meinem GOtt ein Lob -
Lied bringen.
34. Meiner Rede froͤhlichs Lallen
Muͤſſe nur Jhm wolgefallen.
Jch erfreue mich des HErrn.
35. Aller Suͤnder muͤſſ
auf Erden
Bald, ja bald ein Ende werden,
Und es ſeyn ins kuͤnftige die Gottloſen nicht mehr da!
Lobe denn nun, meine Sele, lobe GOtt! Halleluja.
Der
nimmſt weg ihren Odem; ſo vergehen ſie, und werden wie -
der zu Staub.
30. Du laͤſſeſt aus Deinen Odem; ſo werden ſie geſchaf -
fen, und verneuerſt die Geſtalt der Erden.
31. Die Ehre des HErrn iſt ewig, der HErr hat Wol -
gefallen an ſeinen Werken.
32. Er ſchauet die Erden an; ſo bebet ſie. Er ruͤhret die
Berge an; ſo rauchen ſie.
33. Jch will dem HErrn ſingen mein Lebenlang, und mei -
nen GOtt loben, ſo lange ich bin.
34. Meine Rede muͤſſe Jhm wohlgefallen, ich freue mich
des HErrn.
35. Der Suͤnder muͤſſe ein Ende werden auf Erden, und
die Gottloſen nicht mehr ſeyn. Lobe den HErrn, meine
Sele, Halleluja.
K k 5Der522

Der 148ſte Pſalm.

1. Lob’t, ihr Himmel, GOtt den HErrn, lob’t Jhn in
der hohen Ferne!
2. Lob’t Jhn alle Seine Engel! Lob’t Jhn alle Seine
Heere!
3. Lobet Jhn ſo Sonn als Mond! Lob’t Jhn, alle helle
Sterne!
4. Lobet Jhn, ihr Himmel alle, und die groſſen Wolken -
Meere,
Die am Himmel ſind dort oben!
5. Dieſe ſollen GOttes Namen, ihres Herrſchers Namen,
loben.
Er gebeut; ſo wirds geſchaffen.
6. Ewig haͤlt Er ſie
und immer.
Er verordnet, daß ſie nimmer
An -

Der 148ſte Pſalm.

Lobet, ihr Himmel, den HErrn, lobet Jhn in der Hoͤhe.
2. Lobet Jhn alle Seine Engel, lobet Jhn alle Sein
Heer.
3. Lobet Jhn, Sonne und Mond, lobet Jhn, alle leuch -
tende Sterne.
4. Lobet Jhn, ihr Himmel allenthalben, und die Waſſer,
die oben am Himmel ſind.
5. Die ſollen loben den Namen des HErrn, denn Er gebeut,
ſo wirds geſchaffen.
6. Er haͤlt ſie immer und ewiglich, Er ordnet ſie, daß ſie
nicht anders gehen muͤſſen.
7. Lo -523
Anders gehen, als ſie muͤſſen.
7. Lobet denn den
HErrn auf Erden,
Alle Wallfiſch, alle Tiefen!
8. Feuer, Hagel, Dampf
und Schnee,
Winde, welche GOtt geordnet, daß durch ſie Sein Wort
geſcheh;
9. Alle Berge, Huͤgel, Cedern, Baͤume, die befruchtet
werden;
10. Das Gewuͤrm und alle Voͤgel, alle Thier und alles
Vieh:
11. Alle Leut, ihr Koͤnige, Fuͤrſten und ihr Richter
hie!
12. Von den Juͤnglingen und Jungfern, von den Alten mit
den Jungen
13. Sey des HErrn und Schoͤpfers Name, der allein nur
hoch, beſungen!
Denn
7. Lobet den HErrn auf Erden, ihr Wallfiſche und alle
Tiefen.
8. Feuer, Hagel, Schnee und Dampf, Sturm-Winde, die
Sein Wort ausrichten.
9. Berge und alle Huͤgel, fruchtbare Baͤume und alle
Cedern.
10. Thiere und alles Vieh, Gewuͤrme und Voͤgel.
11. Jhr Koͤnige auf Erden, und alle Leute, Fuͤrſten und
alle Richter auf Erden.
12. Juͤnglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen,
13. Sollen loben den Namen des HErrn, denn Sein Na -
me524
Denn Sein Lob geht weit, ja weiter, als ſelbſt Erd und
Himmel gehet.
14. Seines Volkes Segens-Horn wird von Jhm zum
Heyl erhoͤhet.
Unſern Herrſcher ſollen loben Seine Heil’gen fern und
nah,
Und Jſraels ganzes Volk, das Jhm dient. Halle -
luja.
Das
me allein iſt hoch, Sein Lob gehet, ſo weit Himmel und Er -
den iſt.
14. Und Er erhoͤhet das Horn Seines Volks, alle Seine
Heiligen ſollen loben, die Kinder Jſrael, das Volk, das Jhm
dienet, Halleluja.
Das525

Das 11te Capitel aus dem Buche der Weiſheit, vom 22ſten Verſe an.

v. 22. Alles haſt Du, GOtt, geordnet mit Gewicht, mit Maß
und Zal.
Denn bey Dir iſt allemal,
Groſſer Schoͤpfer, groß Vermoͤgen,
Und wer kann ſich doch der Macht Deines Arm’s zu -
wider legen?
23. Wie das Zuͤnglein an der Wage; ſo iſt auch vor Dir die
Welt,
Wie ein Tropf des Morgen-Thaues, welcher auf die
Erde faͤllt.
24. Aber Du erbarmeſt Dich uͤber alles, biſt gelinde,
Du haſt uͤber alles Macht, uͤberſiehſt der Menſchen
Suͤnde,
Nur daß ſie ſich beſſern ſollen.
25. Alles

Das 11te Capitel.

Aber Du haſt alles geordnet mit Maß, Zal und Gewicht.
Denn groß Vermoͤgen iſt allezeit bey Dir, und wer kann
der Macht Deines Arms widerſtehen?
23. Denn die Welt iſt vor Dir wie das Zuͤnglein an der
Wage, und wie ein Tropf des Morgenthaues, der auf die Er -
de faͤllt.
24. Aber Du erbarmeſt Dich uͤber alles, denn Du haſt Ge -
walt uͤber alles, und verſieheſt der Menſchen Suͤnde, daß ſie
ſich beſſern ſollen.
25. Denn526
25. Alles liebſt Du, das da iſt, und von dem, was Du ge -
macht,
Haſſeſt Du nicht das geringſte. Du haſt nichts hervor
gebracht,
Da Du Haß und Zorn zuhaͤtteſt.
26. Wie wuͤrd et -
was bleiben koͤnnen,
Wollteſt Du ihm nicht ſein Weſen, das Du einſt gegeben,
goͤnnen,
Oder wie koͤnnt auf der Erden
Etwas, das Du nicht gerufen, ohne Dich erhalten
werden?
27. Du verſchoneſt aber aller, denen Du das Weſen giebeſt:
Denn ſie ſind ja Dein allein, HErr, der Du das Leben
liebeſt,
28. Und Dein Geiſt, der unvergaͤnglich, iſt mit gnaͤdigem
C. 1211. Gefallen
Stets in allen.
Das
25. Denn Du liebeſt alles, das da iſt, und haſſeſt nichts, was
Du gemacht haſt: denn Du haſt freylich nichts bereitet, da
Du Haß zuhaͤtteſt.
26. Wie koͤnnte etwas bleiben, wenn Du nicht wollteſt? oder
wie koͤnnte erhalten werden, das Du nicht gerufen haͤtteſt?
27. Du ſchoneſt aber aller, denn ſie ſind Dein, Du Liebhaber
des Lebens.
Cap. 12. v. 1. Und Dein unvergaͤnglicher Geiſt iſt in allen.
Das527

Das 28ſte Capitel, aus dem Buche Jeſus Sirach.

1. Wer ſich raͤcht, an ſolchem wird GOtt der HErr
ſich wieder raͤchen,
Und denſelben nimmermehr los von ſeinen Suͤnden
ſprechen.
2. Ach vergib dem Naͤchſten doch, wenn er dich verletzt, im
Leben!
Bitte dann; ſo werden dir deine Suͤnden auch vergeben.
3. Ein Menſch zuͤrnet mit dem andern, und er will doch
GOtt erweichen,
4. Er iſt hart und unbarmherzig gegen and’re ſeines
gleichen,
Und will doch fuͤr ſeine Suͤnde bitten.
5. Er iſt Fleiſch
und Blut,
Und haͤlt gegen ſeinen Naͤchſten Rachgier, Hader, Zorn
und Wut.
Wer

Das 28ſte Capitel.

Wer ſich raͤchet, an dem wird ſich der HERR wieder raͤ -
chen, und wird ihm ſeine Suͤnde auch behalten.
2. Vergib deinem Naͤchſten, was er dir zu leide gethan hat,
und bitte dann, ſo werden dir deine Suͤnden auch vergeben.
3. Ein Menſch haͤlt gegen dem andern den Zorn, und will
bey dem HErrn Gnade ſuchen.
4. Er iſt unbarmherzig gegen ſeines gleichen, und will
uͤr ſeine Suͤnde bitten.
5. Er iſt nur Fleiſch und Blut, und haͤlt den Zorn: wer
will denn ihm ſeine Suͤnde vergeben?
6. Ge -528
Wer will ihm denn ſeine Schuld doch vergeben?
6. Denk
aus Ende,
Und laß alle Feindſchaft fahren!
7. Die ſuch’t nur
Verderb und Tod;
Und verbleib in den Geboten.
8. O gedenk an das
Gebot,
Und laß doch hinfort dein Draͤuen ſchwinden wider dei -
nen Naͤchſten.
9. Liebe Sanftmut, und gedenke an den Bund des Aller -
hoͤchſten!
Der Unwiſſenheit Vergebung laß jedweden leichtlich
finden!
10. Laß vom Hader ab! Als dann unterbleiben viele Suͤnden.
11. Denn ein Menſch voll gaͤhen Zorns zuͤndet immer Ha -
der an,
Und wer gottlos iſt verwirret die, ſo ſich in Freund -
ſchaft laben,
Und verhetzet an einander die, ſo guten Frieden haben.
12. Wenn des duͤrren Holzes viel iſt, wird des Feuers deſto
mehr,
Und
6. Gedenke an das Ende, und laß die Feindſchaft fahren,
7. Die den Tod und das Verderben ſucht; und bleibe in
den Geboten.
8. Gedenke an das Gebot, und laß dein Draͤuen wider dei -
nen Naͤchſten.
9. Gedenke an den Bund des Hoͤchſten, und vergib die
Unwiſſenheit.
10. Laß ab vom Hader, ſo bleiben viele Suͤnden nach.
11. Denn ein zorniger Menſch zuͤndet Hader an, und der
Gottloſe verwirret gute Freunde, und hetzet wider einander,
die guten Frieden haben.
12. Wenn des Holzes viel iſt, wird des Feuers deſto mehr,
und wann die Leute gewaltig ſind, wird der Zorn deſto groͤſ -
ſer,529
Und bey Leuten, die gewaltig, waͤchſt der Zorn noch einſt
ſo ſehr,
Und wenn Leute reich, wird er deſto heftiger genaͤhret,
Und es brennet deſto mehr, wenn der Hader lange
waͤhret.
13. Jaͤch zum Hader ſeyn, erreget und entzuͤndet eine Gluht,
Und wer jaͤch zum zanken iſt, der vergieſſet leichtlich Blut.
14. Wenn du in ein Fuͤnklein blaͤſeſt; iſt ein Feuer bald
entglommen,
Welches das Verderben draͤuet.
Doch wenn man aufs Fuͤnklein ſpeyet;
So verloͤſchet es, und beydes kann aus deinem Munde
kommen.
ſer, und wann die Leute reich ſind, wird der Zorn deſto hef -
tiger, und wann der Hader lange waͤhret, ſo brennets deſto
mehr.
13. Jaͤch ſeyn zu hadern, zuͤndet Feuer an, und jaͤch ſeyn zu
zanken, vergieſſet Blut.
14. Blaͤſeſt du ins Fuͤnklein, ſo wird ein groß Feuer draus;
ſpeyeſt du aber ins Fuͤnklein, ſo verloͤſchet es, und beydes kann
aus deinem Munde kommen.
II. Theil. L lL’Eter -530

L Eternité. Par un Anonyme.

Sujet effrayant & ſublime,
Dont l’immenſité me confond!
Goufre, ou l eſprit ſe perd, inconcevable abime;
Quelles couleurs te depeindront!
Du Tems qui paſſe, mer profonde!
Tout age ſort de toi, tout ſiécle y doit finir.
Tombeau futur de nòtre monde!
Source des mondes à venir.
Finir, commencer, mourir, vivre,
S’arrêter, differer, pourſuivre,
Ne ſont chez toi que mots vuides de sens;
Tout incident de la Nature,
Les tems paſſés, l’exiſtence future
En toi comme en un point concentrent leur in -
ſtant.
Heures, & jours, ſemaines, mois, années,
L’un ſur l’autre accumulez-vous!
Couréz remplir vos deſtinées,
Par vòtre nombre étonnez-nous!
Quelle ſuite prodigieuſe!
En vain l Algebre ingenieuſe
Dans ce calcul veut s’abimer.
Mais qu’êtes vous au prix de la durée immenſe,
Dont vous tirâtes la naiſſance?
Vous ne ſauriés ſeulement l’entamer.
Ce -531

Die Ewigkeit.

OVorwurf, der ſo hoch als fuͤrchterlich,
Deß Unermaͤßlichkeit das Herz mit Schrecken ruͤhret!
O Abgrund, den kein Menſch begreift, in welchem ſich
Mein ganz verwirrter Geiſt verlieret;
Mit welchen Farben mahl ich dich!
Du tiefes Meer der Zeiten, die vergehen;
Aus dir kommt jedes Jahr, das wieder in dich faͤllt.
Du kuͤnftig’s Grab von unſ’rer Welt,
Du Quell, woraus dereinſt die kuͤnſt’gen Welt entſtehen!
Entſtehn, ſich enden, ſterben, leben,
Verweilen, folgen, Aufſchub geben,
Sind Woͤrter, die bey dir nichts heiſſen und nichts ſeyn.
Die Folge der Natur, die Zeiten, ſo verſchwunden,
Verſenken, ſamt den kuͤnft’gen Stunden,
Jhr kurzes Seyn in dich, als einen Punct, hinein.
Jhr Stunden, Tag, ihr Wochen, Monden, Jahr,
Fort, haͤuft euch auf einander auf!
Eilt, fliegt, erfuͤllet euren Lauf!
Erſchreckt uns durch die Zahl der ungezaͤhlten Schar.
Welch ein gewaltigs Heer! Vergebens ſuch’t das Denken
Der tiefen Algebra darin ſich zu verſenken.
Allein, was ſeyd ihr doch bey der Unendlichkeit,
Aus welcher ihr gebohren ſeyd?
Jhr ſeyd nicht einſt geſchickt, ſie anzufangen.
L l 2Die532
Ces nobles faits, fruits des coeurs intrepides,
Periront avec les Heros.
Mille reflexions brillantes & ſolides
Suivront leurs auteurs aux tombeaux.
Cette immortalité, dont leur âme eſt ſuperbe,
N’eſt auprès de l Eternité
Que le moindre ruiſſeau, qui ſe trainant ſur
l’herbe,
Se perd dans l Ocean, ſon cours l a porté.
Durables monumens, orgueuilleux Mauſolées,
En vain vos fondemens & de marbre & d’airain
Pretendent-ils porter aux races reculées
La gloire ou bien l’orgueil du Grec & du Romain.
Vous paſſerés tous comme une ombre;
L Eternité dans sa nuit ſombre
De mille être paſſés Cahos triſte & confus,
Confond ce qui n’eſt point avec ce qui n’eſt
plus.
Eh pourquoi donc avec tant de foibleſſe
Te livres-tu mon ame, à ton affliction?
Pourquoi d’une langue traitreſſe
Crains tu la perſecution?
Attache toi ſans trouble à la ſageſſe auſtére!
Mepriſe un moment de miſere!
Perce de l’avenir le voile redouté
Que de tes douleurs la durée
A l infini ſoit meſurée;
Croi, que ce qui finit n a jamais exiſté.
Que533
Die Thaten, wovon itzt ſo viele melden,
Der edlen Geiſter Frucht, verſinken ſamt den Helden
Jn eine finſt’re Nacht.
Viel tauſend herrliche, vortreffliche Gedanken
Verſenken ſich mit dem, der ſie gedacht,
Jn ſeines Sarges enge Schranken.
Die Unvergaͤnglichkeit, mit welcher ihre Selen
Sich, voll von eitlem Stolz, vermaͤhlen,
Jſt bey der Ewigkeit ein kleines Baͤchlein nur,
Von deſſen kriechen man im Graſe kaum die Spur
Gewahr wird, und das ſich im Ocean verlieret,
Wohin ſein Lauf es fuͤhret.
Jhr feſten Ehren-Mahl, ihr ſtolzen Mauſoleen,
Umſonſt ſuch’t euer Grund von Erz und Marmor-Stein
Bey Voͤlkern, die annoch von uns entfernet ſeyn,
Den Ruhm, nein mehr den Stolz, der Griechen zu erhoͤhen.
Jhr werdet alle ſchnell, dem Schatten gleich, vergehen;
Die Ewigkeit in ihrer duͤſtern Nacht,
Jn welcher ſie aus tauſend Dingen,
Die allbereit dahin ſind und vergingen,
Ein traurig wuͤſtes Chaos macht,
Vermiſcht, was niemal war, mit dem, was nicht mehr iſt.
Wie, daß du denn, mein Herz, ſo voller Schwachheit biſt,
Und uͤbergiebſt dich ſelbſt der Traurigkeit! Waruͤm
Willt du ſo ſehr den Gift und Grimm
Verlaͤumderiſcher Zungen ſcheuen?
Folg immer unbeweg’t der ernſten Weiſheit Stimm!
Veracht ein augenblicklich Leid!
Durchdringe von der kuͤnft’gen Zeit
Die grauſe Dunkelheit,
Und ſuche das, was wahr, darin zu leſen!
Vergleich die Dauer deiner Pein
Mit der Unendlichkeit,
Und glaube feſt, daß das, ſo endlich, nie geweſen!
L l 3Mit534
Que du ſouverain bien la ſolide eſperance
T’arme d’une noble conſtance;
Bientòt tu recevras de l’immortalité
La ſupréme felicité,
Et la veritable exiſtence.
The535
Mit edler Feſtigkeit bewaffne deinen Muht
Die Hoffnung zu dem hoͤchſten Gut;
So wirſt du bald, von hinnen weggenommen,
Jn unverwelklicher Unſterblichkeit
Der ſeligſten Vollkommenheit,
Dein wahres Weſen uͤberkommen.
L l 4Ge -536

The Spectator. Vol. V. No. 387. Voiez le Spectateur, Tome IV. Diſcours 26.

If we conſider the World in its Subſerviency to Men, one woud think, it was made for our uſe; but if we conſider it in its natural Beauty and Harmony, one woud be apt to con - clude, it was made for our pleaſure.

The Sun, which is as the great Soul of the Univerſe, and produces all the Neceſſaries of Life, has a particular Influence in chearing the Mind of Men, and making the Heart glad.

Thoſe ſeveral living creatures, which are made for our ſervice or ſuſtenance, at the ſa - me time either fill the woods with their Mu - ſick, furnish us with Game, or raiſe pleaſing Ideas in us by the delightfulneſs of their Appea - rance. Fountains, Lakes and Rivers are as re - freshing to the Imagination, as to the Soil, throug which they paſs.

There are writers of great diſtinction, who have made it an Argument for Providence,

that537

Gedanken von der Welt Schoͤnheit.

Sieht man die Welt
Nach ihren Guͤtern an, wodurch ſie uns erhaͤlt;
So ſcheint ſie uns zum Nutz hervor gebracht.
Doch ſchauet man
Sie bloß nach ihrer Pracht,
Nach ihrer Harmonie und Schoͤnheit an;
So ſcheinet ſie zu unſ’rer Luſt gemacht.
Die Sonne, ſo der Erde Sel und Geiſt
Mit allem Rechte heiſſt,
Aus welcher das, was Nutz und Narung bringet,
Unſtreitig groͤſten Teils entſpringet,
Erfuͤllet durchs Geſicht und durchs Gefuͤl die Bruſt
Mit Anmut, Lieblichkeit und Luſt.
Die ungezaͤl’te Schar der Tiere, der Gefluͤgel,
Die GOtt der HErr in unſerm Leben
Uns zum verſchiedenen Gebrauch gegeben,
Erfuͤllet auch zu gleicher Zeit
Die Waͤlder, Felder, Thal und Huͤgel
Mit mannigfalt’ger Lieblichkeit.
Sie dienet uns zur Luſt, zum jagen,
Und durch die Schoͤnheit, ſo ſie ſchmuͤckt,
Erreget ſie uns mancherley Behagen.
Die klaren Baͤche, Fluͤſſ und Seen,
Erfriſchen, wenn man ſie erblickt,
Nicht minder das Geſicht und den Verſtand,
Als das durch ſie erfriſchte Land,
Wodurch ſie rieſeln, flieſſen, gehen.
Verſchied’ne groſſe Geiſter meinen,
Daß es durchaus nicht ſey von ungeſehr geſchehen,
Wann GOtt, den Kreis der Welt zu ſchmuͤcken,
L l 5Beſchloſ -538

that the whole Earth is covered with Green, rather then with any other Colour, as being ſuch a right Mixture of Light and Shade, that it com - forts and ſtrengthens the Eye, inſtead of weak - ning or grieving it. All Colours that are more luminous, overpower and disſipate the animal ſpirits, which are employed in ſight; on the contrary, thoſe that are more ob - ſcure, do not give the animal ſpirits a ſufficient Exerciſe; whereas the Rays, that produce in us the Idea of green, fall upon the Eye in ſuch a due Proportion, that they give the animal ſpi - rits their proper Play, and by keeping up the Struggle in a juſt Balance, excite a very pleaſing and agreeable ſenſation.

For this Reaſon ſeveral Painters have a green Cloth hanging near them, to eaſe the Eye upon after too great an Application to their Colouring.

To conſider further this double End in the works of Nature, and how the are at the ſame Time both uſeful and entertaining, we find that the moſt important parts in the vege - table world are thoſe, which are the moſt beau - tiful. Theſe are the Seeds, by which the ſeve - ral Races of Plants are propagated and conti -

nued,539
Beſchloſſen hat, das holde Gruͤn
Den andern Farben vorzuziehn.
Ach nein! das Gruͤn, woran wir uns erqvicken,
Jſt ein ſo ſuͤß Gemiſch vom dunkeln und vom Licht,
Daß es das Menſchliche Geſicht
Nicht ſchwaͤcht durch gar zu hellen Schein.
Die Farben, welche heller ſeyn,
Die machen ſtumpf, zerſtreuen und zerteilen
Die Coͤrperlichen Geiſterlein,
Die, um zu ſehen, ſtets aus unſern Augen eilen.
Was aber dunkel iſt, beweg’t die Geiſter nicht.
Da uns im Gegenteil die Stralen,
Die unſerm Sinn das Gruͤne malen,
Jn unſ’rer Augen ſpiegelnde Kryſtallen
So wol gemiſcht, ſo ſanft gemildert fallen,
Daß ſie
Den Geiſtern, die wir Thieriſch nennen,
Ein angenemes Spielwerk goͤnnen;
Jndem durch dieſes Gleich-Gewicht,
Jn welches ſie ſich ſtets durch ſanften Stoß bewegen,
Sie unſerm emſigen Geſicht
Ein angenem Gefuͤl erregen.
Wir ſehn ja, daß den Schilderern das Gruͤne
Zur Staͤrkung des Geſichtes diene.
Wie ſie denn guten Teils, um ihr Geſicht zu laben,
Ein gruͤnes Tuch bey ihrer Werkſtatt haben.
Um nun den doppeln Zweck und Abſicht der Natur
Jn ihren vollenkomm’nen Werken
Noch etwas deutlicher zu merken,
Wie ſie bemuͤht, ſo Nutzen als Ergetzen
Zuſammen mehrenteils zu ſetzen;
So laſſt uns noch ein wenig weiter gehn!
Wir ſehn,
Daß ſich die noͤtigſten und allerbeſten Stuͤcken,
Die wir im Pflanzen-Reich erblicken,
Am540

nued, and which are always lodged in Flow - ers or Bloſſoms. Nature ſeems to hide her principal deſign, and to be induſtrious in making the Earth gay and delightful, while ſhe is car - rying on her great Work, and intent upon her own Preſervation. The Husband-Man after the ſame Manner is employed in laying out the whole Country into a Kind of Garden or Land - skip, and making every thing ſmile about him, whilſt in Reality he thinks of nothing, but of the Harveſt, and Encreaſe which is to ariſe from it.

We may further obſerve, how Providen - ce has taken Care, to keep up this Chearfulneſs in the Mind of Men, by having formed it after ſuch a manner, as to make it capable of concei - ving Delight from ſeveral Objects, which ſeem to have very little uſe in them, as from Wildneſs of Rocks and Deſarts, and the like grotesque Parts of Nature. and why has Providence given it a Power of producing in us ſuch imaginary Qualities, as Taſtes and Colours, Sounds and Smells, Head and Cold, but that Man, while he is converſant in the lower Stations of Nature, might have his Mind cheared and delighted with agreeable ſenſations? In short, the whole Univerſe is a Kind of Theatre filled with Objects, that either raiſe in us Pleaſure, Amuſement, or Admiration.

The541
Am allerſchoͤn’ſten ſchmuͤcken.
Man ſeh den Samen an, wodurch die Pflanze ſich
Fuͤr ihrem Untergang beſchirmen kann;
Ob ſelber nicht gemeiniglich
Jn einer ſchoͤnen Bluhme ſtecke!
Es ſcheint, daß die Natur ihr groſſes Werk verdecke,
Und daß ſie emſig ſey, damit die Erde
Ein lieblich Anſehn hab, und ſchoͤn geſchmuͤcket werde:
Jnzwiſchen, daß ſie ins geheim bemuͤht,
Jhr Haupt-Werk herrlich auszufuͤhren,
Jn welchem ſie auf ihr Erhaltung ſieht.
Man kann am Ackersmann von ihr ein Beyſpiel ſpuͤren,
Als welcher, da er pfluͤg’t und graͤb’t,
Mit vieler Muͤhe ſich beſtreb’t,
Recht wie ein Garten-Feld den Acker auszuzieren,
Ob er gleich in der That
Die Erndte bloß zu ſeinem Endzweck hat.
Man kann noch ferner ſeh’n,
Daß, wie es die Erfahrung weiſ’t,
Der groſſe Schoͤpfer unſern Geiſt
Auf ſolche Weiſe bilden wollen,
Daß auch ſelbſt ſchroffe Klippen, Wuͤſten
Mit fremden und geheimen Luͤſten
Jhn ruͤhren und erfuͤllen ſollen.
Unſtreitig iſt es ja, da GOtt die Kraft
Jn Seine Creatur geleget,
Daß jede Sinnlichkeit und Leidenſchaft
Durch Farben, Toͤne, Kaͤlt und Waͤrm in uns erreget;
Daß es nur bloß darum geſchehen ſey,
Damit der Menſch durch ſuͤſſe Sinnlichkeiten
Derſelben ſich erfreu.
Mit einem Wort: es iſt die Welt
Ein Schau-Platz voller Seltenheiten,
Die uns Verwund’rung, Luſt und Zeit-Vertreib bereiten.
Ach542

The Reader’s own Thoughts will ſuggeſt to him the vicisſitude of Day and Night, the Change of Seaſons, with all that Variety of Scenes, which diverſify the Face of Nature, and fill the Mind with a perpetual Succesſion of beautiful and pleaſing Images.

I shall not here mention the ſeveral En - tertainments of Art, with the Pleaſures of Friendſchip, Books, Converſation, and other accidental Diverſions of Life, becauſe J woud only take Notice of ſuch Incitements to a chear - ful Temper, as offer themſelves to Perſons of all Ranks and Conditions, and which may ſuf - ficiently shew us, that Providence did not de - ſign, this world ſhoud be filled with Mur - murs and Repinings, or that the Heart of Men ſhoud be involved in Gloom and Melancholy.

The543
Ach man bedenke doch einmal
Den ſteten Wechſel unſ’rer Zeiten,
Des Tages und der Nacht,
Zuſamt der Aend’rungs-reichen Pracht
Der Scenen, die den Schau-Platz der Natur
Mit ſo verſchied’nem Schmuck von mancherley Figur
Und unſern Geiſt, fel’t es nur nicht am Willen,
Mit tauſend lieblichen und ſchoͤnen Bildern fuͤllen!
Jch rede hier nicht einſt von aller Luſt,
Die aus der Wiſſenſchaft und Kuͤnſten uns entſpringet,
Die Freundſchaft und Geſellſchaft bringet,
Dieweil ich bloß in eure Bruſt
Wuͤnſch ein Empfindlichkeit von Dingen einzupraͤgen,
Die einem jeden ſich von ſelbſt vor Augen legen,
Und die uns augenſcheinlich weiſen,
Wie GOtt (der ewiglich dafuͤr zu preiſen)
Durchaus nicht wolle,
Daß man die Welt mit Gram und Murren fuͤllen ſolle,
Noch daß in graͤmliche Melancholey
Der Menſchen Herz verſenket ſey.
Ande -544

The Guardian, Vol. II. No. 169. Voiez le Mentor moderne, Tome III. Diſcours 141.

In fair Weather, when my Heart is cheered and I feel that Exaltation of Spirits, which reſults from Light and Warmth, joined with a beautiful Proſpect of Nature, I regard my ſelf as one placed by the Hand of God in the midſt of an ample Theatre, in which the Sun, Moon and Stars, the Fruits alſo, and Vegetables of the Earth, perpetually changing their Poſitions or their Aſpects, exhibit an elegant Enter - tainment to the Underſtanding as well as to the Eye.

Thunder and Lightning, Rain and Hail, the painted Bow, and the glaring Comets, are Decorations of this mighty Theatre. And the ſable Hemiſphere ſtudded with Spangles, the blue Vault at Noon, the glorious Gildings and rich Colours in the Horizon, I look on as ſo many ſucceſſive Scenes.

When545

Andere Gedanken von Betrachtung der Welt.

Bey aufgeklaͤr’ter Luft, wenn mein Gemuͤt geruͤhret,
Die Wallung meiner Geiſter ſpuͤret,
Die Waͤrm und Licht, zuſamt der Pracht
Der gruͤnenden Natur, von neuen rege macht;
Alsdann betracht ich mich,
Als haͤtte mich die Hand des Schoͤpfers aller Welt
Jn ein fuͤrtreffliches Theater hingeſtellt,
Worauf die Sonn und Mond, die Sterne, Bluhmen,
Fruͤcht,
Jn ſtetiger Veraͤnd’rung ihres Standes,
Verſchiedliche Verbindungen formiren,
Und dadurch nicht allein das leibliche Geſicht,
Auch meiner Selen Aug, empfindlich ruͤhren.
Der Donner ſelbſt, der Blitz, der Hagel und der Regen,
Ja der Cometen Schein, der Bogen, der ſo ſchoͤn,
Die laſſen ſich zum Schmuck auf dieſem Schau-Platz ſehn.
Jch ſeh im ausgeſpannt - und glaͤnzenden Laſur
Der Wolken guͤld’nen Glanz, der reichen Farben Spur,
Die man nicht g’nug bewundern kann,
Jn ihrer Aenderung als ſo viel Scenen an.
II. Theil. M mWann546

When I conſider Things in this Light, me - thinks it is a Sort of Impiety, to have no atten - tion to the Courſe of Nature, and the Revolu - tions of the Heavenly Bodies.

To be regardleſs of thoſe Phænomena, that are placed within our View, on purpoſe to entertain our Faculties, and diſplay the Wisdom and Power of their Creator, is an Af - front to Providence

And yet how few are there, how attend to the Drama of Nature, its artificial Structure, and thoſe admirable Machines, whereby the Pasſions of a Philoſopher are gratefully agitated, and his Soul affected with the ſweet Emotions of Joy and Surprize?

Le547
Wann ich in ſolchem Stand auf die Geſchoͤpfe ſehe;
So find ich, daß, da man ſie nicht betrachtet,
Noch auf die herrlichen Geſetze der Natur,
Und die ſo wunderbare Spur
Der Coͤrper an dem Himmel achtet;
Es ſonder einer Ahrt von Boſheit nicht geſchehe.
Nicht einſt die Augen zu erheben
Auf alle Wunderwerk, die uns in Meng umgeben,
Um uns, in ihrer Schoͤnheit Pracht,
Des Schoͤpſers Weiſheit, Lieb und Macht,
Zu Deſſen Preiſe, vorzuſtellen,
Jſt, meiner Meynung nach,
Nicht eine kleine Schmach
Der Goͤttlichen Verſehung angethan.
Allein,
Wie iſt die Zahl derſelben doch ſo klein,
Die der Natur ſo herrlichs Schau Werk achten,
Die mannigfalt’ge Kunſt deſſelbigen betrachten,
Die Pracht der trefflichen Machinen uͤberlegen,
Die einen weiſen Mann zu GOttes Ruhm bewegen,
Und die in ſeiner Bruſt
So von Verwund’rung als von Luſt
Die allerſuͤſſeſten Bewegungen erregen?
M m 2Die548

Le Mariage. Par l Abbé Regnier.

Pour vous dire mon ſentiment
Sur le ſujet du mariage,
C’eſt un état doux & charmant,
Quand l époux & l épouſe à la fleur de leur âge
Apportent tous deux en ménage,
Avec un bien commode & de facile uſage,
Un corps propre, bienfait, de bon temperament,
Un cœur de part & d autre exemt d engage -
ment,
Une humeur douce, aiſée, un eſprit doux & ſage,
Qui ſache au ſerieux joindre le badinage,
Et, ſans aimer le monde avec attachement,
Le connoiſſe, le goûte & s en paſſe aiſément.
Dans une liaiſon telle, que je l ai dite,
Tous les jours ſont heureux, les nuits ont leur
mérite;
Et lorsque le Soleil reparoit dans les Cieux,
C’eſt avec un plaiſir ſenſible,
Que l épouſe & l époux, aprés le tems paiſible
D un ſommeil doux & gracieux,
Tournent à leur réveil l un ſur l’autre les yeux.
Dès qu’il s’agit de quelque affaire;
En ſecret tout ſe delibére:
Et s ils ont quelque fois des avis differens,
L autorité, l humeur n eſt point ce qui decide.
On s éclaircit l’un l’autre, on s inſtruit, on ſe
guide,
Sans trop abonder en ſon ſens;
Et549

Die Ehe.

So viel mir von der Eh bekannt,
Will ich euch itzt zu wiſſen ſuͤgen.
Es iſt ein angenemer Stand,
Ein Stand voll Anmut und Vergnuͤgen,
Wenn Mann und Frau, in ihrer Jahrer Bluͤhte,
Nebſt einem billigen vertraͤglichen Gemuͤte,
Und guten Mitteln, in die Eh
Geſunde, wohlgebildete,
Und ſtarke friſche Coͤrper bringen,
Auch ein von anderer Verbindung freyes Herz
Samt einem ſanften Geiſt in allen Dingen,
Der auch beym Ernſt zuweilen Scherz
Herfuͤr zu bringen weiß, und der die Welt,
Ohn daß ſie ihm zu wol gefaͤllt,
Kennt, braucht, und gleichwol auch es unterlaſſen kann.
Jn ſolcher Ehe nun, davon ich ſage,
Sind alle Naͤchte ſuͤß, und gluͤcklich alle Tage.
Kaum bricht der kuͤle Morgen an;
So kehren Mann und Frau, nach einer ſanften Ruh,
Jhr laͤchlend Auge ſchon einander froͤhlich zu.
Koͤmmt etwas ernſtes vor; erwaͤg’t mans in der Stille,
Und ſtimmt man etwan einſt nicht uͤberein;
So muß nicht die Gewalt, nicht Eigenwille,
Jn ihren Sachen Richter ſeyn.
Man unterweiſet ſich, man leitet,
Man ſtellt’s einander vor, erklaͤr’t ſich, und bedeutet,
Ohn daß man ſich dabey zu weiſe duͤnken laſſe.
M m 3Wie550
Et comme ils ont tous deux l eſprit juſte & ſolide,
Ils discutent ſi bien leurs differens avis,
Que la droite raiſon préſide,
Et voit toûjours les ſiens ſuivis.
En cet étât digne d envie,
Ils partagent toûjours entr eux
Les biens & les maux de la vie;
Ils ſe rendent ainſi tous deux
Et les biens plus piquans, & les maux moins
facheux.
Que ſi de leur hymen illeur vient quelque gâge,
Ils ſentent redoubler leur amour conjugal,
Ils ſe plaiſent á leur ouvrage,
Qu’ils elevent enſemble avec un ſoin egal.
Ils ſont charmez d’yvoir leur portrait, leur viſage,
Et deja par avance òſent en eſpérer
Tout ce qu’un tendre amour les porte à deſirer.
Paſſons aus nœuds, je ſuppoſe
Que l’épouſe & l’époux ſe rendent malheureux,
Sans nul ſujet, ſans nulle cauſe,
Que le peu de raiſon des deux.
Quelle union, grands Dieus! qu une union
ſemblable!
Qu’une union, qui n aboutit,
Qu’à ſe gronder toûjours mangeant à même table,
Qu à ſe tourner le dos couchant au même lit.
Survient-il des enfans; car enfin la nature
Se551
Wie ſie nun beide feſt und wol gedenken;
So wiſſen ſie in ſolcher Maſſe
Die Unterſuchung einzulenken,
Daß der Verſtand
Die Oberhand
Und das Vergnuͤgen hat, zu ſehen, wie ſein Raht
Jn allem ſtets gefolget werde.
Jn dieſem Stande-nun, der faſt beneidens wehrt,
Teilt jeder unter ſich die Luſt und die Beſchwerde,
Die ihnen beiden wiederfaͤhrt,
Und alſo machen ſie noch ſuͤſſer das, was ſuͤſſe;
Das bitt’re mindern ſie. Wenn ſich nun ihre Kuͤſſe
Durch eine Frucht geſegnet ſehn;
Verdoppeln ſich die zarten Triebe
Von ihrer ehelichen Liebe.
Sie haben ihre Luſt und freuen ſich
An ihrem eig’nen Werk gemeinſchaftlich,
Das ſie mit froͤhlichem und emſigem Bemuͤhn
Zugleich verſorgen und erziehn.
Sie ſind recht inniglich geruͤhrt, von Luſt entzuͤndet,
Wenn jeder ſein Geſicht darin gebildet findet;
Wobey ſie zum voraus das an zu hoffen fangen,
Was ihre Zaͤrtlichkeit ſie treibet zu verlangen.
Nun laſſt uns auch den Eheſtand beſchauen,
Worin der Mann mit ſeiner Frauen
Jhr Leben ſelber ſich verleiden,
Ohn Urſach und ohn andern Grund,
Als den zu wenigen Verſtand von beiden.
O Himmel, welch ein Band iſt doch ein ſolches Band!
Ein Band, das dazu bloß gebunden ſcheint,
Daß man an einem Tiſch ſich zanke ſonder Ende,
Jn einem Bette ſtets ſich nur den Ruͤcken wende!
Giebts Kinder; (weil doch oft ſie die Natur vereint,
M m 4Und552
Se mêle quelque-fois de les raccommoder:
Autre matiére de gronder!
L’épouſe incommodée à toute heure murmure,
S’en prend ſans ceſſe à ſon époux,
Qui, ſans amitié, ſans tendreſſe,
La plaint peu, de ſoufrir les maux d’une groſſeſſe,
Dont il faut nuit & jours qu’il ſente les degoûts.
Mais lorsque tous les deux jaloux
D amertume & de fiel ſe nouriſſent ſans ceſſe;
Quel ſupplice, quel enfer eſt-ce!
L’hymen à ce pris-là mérite-t-il la preſſe?
C’eſt ainſi cependant qu’ils ſont faits presque
tous.
Le553
Und ſich bemuͤht, ſie zu vertragen.)
Gelegenheit, aufs neu zu zanken und zu klagen!
Die Frau murr’t allezeit
Mit ihrem Mann, und ſchmaͤlet,
Daß er, ohn alle Lieb und Zaͤrtlichkeit
Sie nicht beklag’t, wie ſehr die Schwangerſchaft ſie quaͤlet,
Die ihm gleichwol ſo Tag als Nacht
Verdruß und Eckel macht.
Wenn ſie nun beide gar, voll Eiferſucht zumal,
Mit Gall und Bitterkeit ſich naͤhren;
Was iſt das fuͤr ein Creuz! welch eine Hoͤllen-Qual!
Jſt nun der Eheſtand, da er ſo ſehr beſchwehrt,
Wol, daß man ſich dazu ſo aͤngſtlich draͤnge, wehrt?
Von dieſer Ahrt jedoch ſind, leider! wie wir ſehen,
Die meiſten Ehen.
M m 5Das554

Le Jeu. Par Madame Des-houliéres.

Les plaiſirs ſont amers d abord qu’on en abuſe:
Il eſt bon, de jouer un peu;
Mais il faut ſeulement, que le jeu nous amuſe.
Un joueur, d un commun aveu,
N’a rien d’humain que l’apparence,
Et d’ailleurs il n eſt pas ſi facile, qu’on penſe,
D’être fort honnête homme, & de jouer gros jeu.
Le deſir de gagner, qui nuit & jour l’occupe,
Eſt un dangereux aiguillon.
Souvent, quoique l’esprit, quoique le cœur ſoit
bon,
On commence par être dupe,
On finit par être fripon.
Le555

Das Spiel.

Mißbrauchet man der Luſt; ſo wird ſie gleich zu Gallen.
Ein wenig ſpielen ſchadet nicht;
Doch muß das Spiel nur bloß zum Zeit-Vertreib gefallen.
Ein Spieler hat, nach aller Welt Bericht,
Gar nichts, was menſchlich iſt, als nur den bloſſen Schein.
Recht ehrlich, und ein Spieler ſeyn,
Jſt ſchwerer, als man glaubet.
Die heiſſe Sucht, nur immer zu gewinnen,
Die ihn des Tages plag’t, des Nachts der Ruh beraubet,
Jſt ihm ein ſteter Sporn und Stachel ſeiner Sinnen.
Und waͤr er von Natur der Redlichkeit gewogen;
So iſt doch dieß der allgemeine Lauf:
Man faͤnget an, und wird betrogen,
Und hoͤr’t als ein Betrieger auf.
Der556

Le Songe. Par Mſr. Patru.

Je ſongeois cette nuit, que, de mal conſumé,
Còte à còte d’un pauvre on m’avoit inhumé,
Et que n’en pouvant pas ſoufrir le voiſinage,
En mort de qualité je lui tins ce langage:
Retire-toi, Coquin, va pourir loin d’icy;
Il ne t appartient pas, de m’approcher ainſi.
Coquin, ce me dit-il, d’une arrogance extrême,
Va chercher tes coquins allieurs, Coquin toi -
même;
Ici tous ſont égaux, je ne te dois plus rien:
Je ſuis ſur mon fumier, comme toi ſur le tien.

Le doute. Par un Anonyme.

Un DIEU, le ciel, l enfer, ſont peut-être
des fables;
Ce doute calme-t-il des eſprits raiſonnables?
Examine, ou trop tard disſipant ton erreur
L’affreuſe verité te remplira d horreur.
557

Der Traum.

Mir traͤumte dieſe Nacht, daß, aus der Welt’gerafft,
Bey einem Armen ich mich eingeſcharret fuͤl’te,
Und daß ich, voll Verdruß ob ſeiner Nachbarſchaft,
Als ein verſtorb’ner Herr ihm dieſe Rede hielte:
Geh, packe dich, du Schurk! verfaule weit von hier!
Dir kommts durchaus nicht zu, daß du ſo nah bey mir.
Du Schurk? Sprach er darauf recht grob und freventlich,
Such deine Schurken ſonſt, Schurk, der du ſelber biſt.
Hier ſind wir alle gleich; ich ſchier mich nichts um dich.
Jch bin auf meinem, ſo wie du auf deinem, Miſt.

Der unvernuͤnftige Zweifel.

GOTT, der Himmel und die Hoͤlle ſind vielleicht nur
eit’le Grillen.
Jſt es moͤglich, daß ein Menſch bey dem Zweifel ruhig bleibt?
Unterſuch’s! Sonſt wird zu ſpaͤt, wenn ſie deinen Wahn
vertreibt,
Die nur gar zu grauſe Wahrheit dich mit Angſt und Qual
erfuͤllen.
Regi -[558]

Regiſter der in dieſem Buche befindlichen Poeſien, nach dem Alphabet.

Die mit bezeichneten handeln von gleicher Materie mit verſchiedenen Stuͤcken aus vorigem Teile.

  • Abend-Gebet. 225
  • GOttes Allgegenwart. 77
  • Die Ameiſe. 45
  • Kleine Anrede der Kinder bey den vier Zei - ten-Mahlzeiten. 140
  • Apricoſen. v. Pfirſchen.
  • Aufmunterung an andere zu gleichmaͤſſi - ger Betrachtung der Werke GOttes. 502
  • Betrachtung der Baͤume. 257
  • Baum v. Kirſch-Baum.
  • v. Obſt-Baͤume.
  • Die Bienen. 35
  • Noch einige Betrachtung der Bluͤhte. 30
  • Bluͤhte. v. Kirſch-Bluͤhte.
  • v. Pfirſchen.
  • Die redende Bluhme. 56
  • Noch eine Bluhme, die redet. 58
  • Bluhmen. v. Cytene.
  • v. Flos Africanus.
  • v. Garten-Bluhmen.
  • v. Hyacinthen.
  • v. Korn-Bluhme.
  • v. Lilje.
Bluh -[559]Regiſter.
  • Bluhmen v. Malva.
  • v. Mayen-Bluhmen.
  • v. Merz-Veilchen.
  • v. Muſcat-Hyacinthe.
  • v. Narciſſe.
  • v. Ranunkel.
  • v. Roſen-Strauch.
  • v. Schnee - und Crocus-Bluhme.
  • v. Tulpe.
  • Buch. v. Welt-Buch.
  • Der verſtockte Chryſander. 102
  • Crocus-Bluhme. v. Schnee-ꝛc.
  • Die Cyrene. 52
  • Die beſte Dankbarkeit. 150
  • Die Elbe. 161
  • Die Erde. 193
  • Eis. v. Treib-Eis.
  • Der Fiſch-Teich. 105
  • Flos Africanus, und Ritter-Sporn. 360
  • Fontaine. v. Spring-Brunn.
  • Fragen. 100
  • Wahre Freude. 129
  • Der Froſch. 46
  • Fruͤhlings-Betrachtung. 21
  • Wirkung des Fruͤhlings im Menſchlichen Gemuͤte. 95
Fruͤh -[560]Regiſter.
  • Fruͤhlings-Cantata. 141
  • Noch eine. 144
  • Noch eine. 147
  • Fruͤhlings-Seufzer. 87
  • Anmutige Fruͤlings-Vorwuͤrfe. 55
  • Fruͤhling. v. Kuͤchen-Garte.
  • Garten-Bluhmen, aus bloſſem Waſſer, ſonder Erde, gewachſen. 420
  • Garten. v. Kuͤchen-Garten.
  • Gebet. v. Abend-Gebet.
  • v. Mittags-Gebet.
  • v. Morgen-Gebet.
  • Das Gefuͤl. 324
  • Beſchreibung einer anmutigen Gegend um Hamburg. 347
  • Gegend. v. Landſchaft.
  • Das Gehoͤr. 309
  • Der Geruch. 122. 301
  • Der Geſchmack. 318
  • Das Geſicht. 286
  • Das Getraide. 151
  • GOtt. v. Allgegenwart.
  • v. Groͤſſe.
  • GOttes-Dienſt. v. Selbſt-Dienſt.
  • Das bethaute Gras. 263
Das[561]Regiſter.
  • Das Graſe-Pferdchen. 265
  • GOttes Groͤſſe in den Waſſern. 163
  • Die, durch die Betrachtung des Menſchli - chen Nichts, verherrlichte Groͤſſe GOttes. Auf das 1725ſte Jahr. 440
  • Verſchiedenes Gruͤn. 96
  • Die Heide. 191
  • Noch andere Herbſt-Betrachtungen. 398
  • Der Wolken - und Luft-Himmel. 3
  • Himmel. v. Schrift.
  • Ein Bett voll Hyacinthen. 18
  • Hyacinthe. v. Muſcat-Hyacinthe, Auf das neue Jahr, 1724. 429
  • Auf das neue Jahr, 1725. v. Groͤſſe.
  • Auf das neue Jahr, 1726. 467
  • Jahrs-Zeiten. v. Anrede.
  • Das Kind. 189
  • Ein alter, umgeweheter Kirſch-Baum. 75
  • Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht. 29
  • Die Knoſpe. 48
  • Die Korn-Bluhme. 73
  • Der Kuͤchen-Garte im Fruͤhlinge. 50
  • Die Heerde Kuͤhe. 170
  • Der Kuͤrbis. 268
  • Die, durch eine ſchoͤne Landſchaft in derII. Theil. N nLuft,[562]Regiſter. Luft, vermehrte Schoͤnheit einer irdiſchen Landſchaft. 338
  • Dir Lilie. 88
  • Die Luft. 235
  • Luft. v. Himmel.
  • Die Malva. 368
  • Mayen-Bluhmen. 43
  • Merz-Veilchen und Marien-Bluhmen. 12
  • Mittags-Gebet. 224
  • Der Mond. 130
  • Abermalige Betrachtung des Mond - Scheins. 135
  • Das Mooß. 71
  • Morgen-Gebet. 223
  • Die Muſcat-Hyacinthe. 37
  • Nacht. v. Kirſch-Bluͤhte.
  • v. Mond.
  • Die Narciſſe. 60
  • Neu-Jahr. v. Jahr.
  • Betrachtung vieler Obſt-Baͤume. 221
  • Bluͤhende Pfirſchen und Apricoſen. 24
  • Die Ovitte. 374
  • Die Ranunkel. 63
  • Der Regen. 174
  • Ritter-Sporn. v. Flos Africanus.
Der[563]Regiſter.
  • Der wilde Roſen-Strauch. 172
  • Der Sand. 218
  • Der Schatten. 79
  • Der Schnee. 411
  • Die Schnee - und Crocus-Bluhme. 15
  • Die himmliſche Schrift. 180
  • Selbſt-Dienſt, kein GOttes-Dienſt. 231
  • Die Sinne. 284
  • Die fuͤnf Sinne. 286
  • Die Sinne. v. Gefuͤl.
  • v. Gehoͤr.
  • v. Geruch.
  • v. Geſchmack.
  • v. Geſicht.
  • Wirkung der Sonne, 139
  • Noch einige Betrachtung der Sonne. 382
  • Die Sonnen-Bluhme. 365
  • Der Spring-Brunn. 109
  • Die Sterne. 346
  • Der Tannen-Wald. 415
  • Teich. v. Fiſch-Teich.
  • Der Thau. 261
  • Thau. v. Gras.
  • Die Trauben. 343
  • Das Treib-Eis. 425
N n 2Trop -[564]Regiſter.
  • Tropfen. v. Waſſer-Tropfen.
  • Troſt. 500
  • Die Tulpe. 38
  • Veilchen. v. Merz-Veilchen.
  • Die ſchnelle Veraͤnderung. 392
  • Zu viel und zu wenig. 280
  • Violen. v. Merz-Veilchen.
  • Menſchliche Unachtſamkeit. 121
  • Menſchllche Unempfindlichkeit. 149
  • Ein feſter Vorſatz. 127
  • Wald. v. Tannen-Wald.
  • Ein klares Waſſer. 154
  • Noch einige Betrachtung des klaren Waſſers. 158
  • Waſſer v. Groͤſſe.
  • Die Welt, allezeit ſchoͤn. 87
  • Das Welt-Buch. 124
  • Ein neblichtes und ſchlackriches Wetter. 401
  • Die Wieſe. 65
  • Der Winter. 406
  • Das Menſchliche Wiſſen. 497
  • Wolken. v. Himmel. 378
  • Der Zahn. 378
  • Die Zufriedenheit. 227
Regi -[565]Regiſter.

Regiſter der Ueberſetzungen in ihrer Ordnung.

  • Der 92ſte Pſalm. 514
  • Der 104te Pſalm. 516
  • Der 148ſte Pſalm. 523
  • Das 11te Cap. aus dem Buche der Weiſ - heit. 525
  • Das 28ſte Capitel aus dem Buche Jeſus Sirach. 527
  • Die Ewigkeit, aus dem Franzoͤſiſchen ei - nes unbekannten Verfaſſers. 531
  • Gedanken von der Welt Schoͤnheit, aus dem Engliſchen des Spectators. 537
  • Andere Gedanken von der Welt, aus dem Engliſchen des Guardians. 545
  • Die Ehe, aus dem Franzoͤſiſchen des Abts Regnier. 549
  • Das Spiel aus dem Franzoͤſiſchen von Ma - dame Des-houliêres. 555
  • Der Traum, aus dem Franzoͤſiſchen von Mr. Patru. 557
  • Der unvernuͤnftige Zweifel, aus dem Franzoͤſiſchen eines unbekannten Ver - faſſers. 557
N n 3Cor -[566][567]

Corrigenda.

  • Pag. 9. lin. 3. von unten: So wie wir uns am Licht im Widerſchlag ergetzen.
  • p. 114. lin. 20-26. Wann aber etc. Und lieb - lich widerſcheinen ſehn. Bleibt weg.
  • p. 358. lin. 3. von unten: Denn man muß nicht allein,
  • p. 362. lin. 8. Sich vielfach eingeteilet hat,
  • p. 375. lin. 24. Der Hand nicht gerne weicht; doch ſich verwiſchen laͤſſt.
  • p. 390. lin. 9. Wann ein Punct nur, addatur Comma.
  • p. 392. lin. 3. Nachdem der Schatten Heer ſich Weſten-waͤrts verborgen,
  • p. 404. lin. 6. von unten: Ein Dunſt, der ein un - fuͤlbar Nichts,
  • p. 442. lin. 10. von unten: Und deſſen Unſchuld erſt, nachdem er umgebracht,
  • p. 453. lin. 21. Daß GOtt als wie ein Gott etc.
  • p. 488. lin. 14. Als unſ’re Kuͤchen, welche gehen, del. ſtehen,
  • p. 504. lin. ult. Das hoch erhaben ſteht, durch Nacht etc.
[568][569][570][571][572][573]

About this transcription

TextJrdisches Vergnügen in Gott
Author Barthold Heinrich Brockes
Extent609 images; 95375 tokens; 13962 types; 635250 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationJrdisches Vergnügen in Gott Bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten, nebst einem Anhange verschiedener dahin gehörigen Uebersetzungen Zweyter Teil Barthold Heinrich Brockes. . [16] Bl., 557 S., [5] Bl. KißnerHamburg1727.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM III, 4720:2

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:18Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM III, 4720:2
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.