PRIMS Full-text transcription (HTML)
Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT,
beſtehend in Phyſicaliſch - und Moraliſchen Gedichten, nebſt einem Anhange verſchiedener dahin gehoͤrigen Ueberſetzungen.
Zweyter Teil.
Ueberſehen, zum Druck befoͤrdert, und mit einer Vorrede begleitet von Weichmann.
HAMBURG,in Verlegung Joh. Chriſtoph Kißners,1727.

Dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herrn, HERRN Friederich, Herzoge zu Braunſchweig und Luͤneburg, auch Herzoge zu Edinburg, etc. etc. etc. Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn.

Durchleuchtigſter Herzog, Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr!

Waͤre ich nicht ſo gluͤcklich, von Eur. Koͤnigl. Ho - heit eine gnaͤdigſte Er - laubniß zu haben, daß Deroſelben ich gegenwaͤrtiges Poe -tiſchesZuſchrift. tiſches Werk in Unterthaͤnigkeit wid - men duͤrfte; ſo wuͤrde hieſelbſt zufoͤr - derſt diejenigen Umſtaͤnde erzehlen muͤſſen, die zu Bezeugung meiner demuͤtigſten Ehrerbietigkeit mich nicht allein aufmuntern, ſondern zu - gleich berechtigen und verpflichten. Wenigſtens ſteht bis itzund kein an - deres und beſſeres Mittel in mei - nem Vermoͤgen, Eur. Koͤnigl. Ho - heit fuͤr Dero ausnemende Gnade gegen mich, und inſonderheit den ehedem ſo Huld-reich verſtatteten Zutritt zu Deroſelben meinen Dank - begierigſten Eifer zu zeigen, als eben dieſes.

Das Buch ſelbſt, welchem Dero Preis-wuͤrdigſten Namen hiemit vorzuſetzen die Ehre habe, iſt mei - nes wenigen Ermeſſens Jhren ho - hen Reigungen ſo wol als ihrer groſ - ſen Faͤhigkeit gemaͤß, und daher zu Beobachtung meiner ehrerbietigſten* 3PflichtZuſchrift. Pflicht eine nicht unwuͤrdige Gele - genheit.

Es iſt in reinem Teutſch geſchrie - ben: und Eu. Koͤnigl. Hoheit wuͤr - digen nicht allein Jhre Landes - Sprache einer ganz beſondern Hoch - achtung, ſondern beſitzen zugleich in vielen anderen Sprachen eine der - maſſen fertige Wiſſenſchaft, daß Sie die Schoͤnheit und den Nachdruck der Teutſchen deſto genauer daraus zu beurteilen wiſſen.

Es handelt von allerhand Din - gen aus der Natur-ſo wol als Sit - ten-Lehre: und es iſt zur Gnuͤge be - kannt, wie ſehr Eu. Koͤnigl. Hoheit dieſe beyderley Wiſſenſchaften lie - ben, ja daß Sie uͤberhaupt an der - gleichen Schriften ein hohes Ver - gnuͤgen finden, die mit denſelben auch nur in einiger Verwandſchaft ſtehen.

DieZuſchrift.

Die Ahrt des Vortrages in die - ſem Werke iſt nicht allein angenem, ſondern auch munter: und eben das ſchickt ſich fuͤr einen ſo aufgeweckten, lebhaften und feurigen Geiſt, als man ſchon lange an Eur. Koͤnigl. Hoheit hat bewundern muͤſſen.

Es fuͤhret zur Erkenntniß ſo wol GOttes als unſer ſelbſt: und Eur. Koͤnigl. Hoheit hoͤchſt-leutſelige Menſchen-Liebe gibt ſchon allen Dero Unterthanen eine freudige Ueberzeugung, daß Sie eines Teils eine Goͤttliche Ober-Herrſchaft uͤber Sich erkennen, andern Teils auch Sich Selber weniger als einen Prinzen, denn als einen Menſchen betrachten, Der einzig zu anderer Menſchen Gluͤckſeligkeit gebohren worden.

Es iſt uͤberdem von einem Ver - faſſer, dem Eu. Koͤnigl. Hoheit eben -* 4fallsZuſchrift. falls in hoͤchſter Perſon viele Gna - de erwieſen haben, und der ſelber in gegenwaͤrtigem Buche, mit Be - ruͤhrung Jhrer groſſen Vorzuͤge, daſſelbe ruͤhmlichſt erwehnet.

Dieſes, Durchleuchtigſter Her - zog, iſt zwar ein Teil desjenigen, was ich hieſelbſt umſtaͤndlicher ſagen muͤſte, falls nicht Jhre ausdruͤckliche hohe Erlaubniß dem allen zuvor ge - kommen waͤre; es iſt aber in der That nur ein gar kleiner Teil da - von. Die mit den erſten Jahren mir eingepflanzte Ehrfurcht fuͤr das nunmehro Koͤnigliche Haus Braun - ſchweig, und daß ich den Vorteil habe, nicht nur Deſſen gebohrner Unterthan zu ſeyn, ſondern auch Eur. Koͤnigl. Hoheit Huld-reiche Zuneigung ins beſondere zu genieſ - ſen, iſt die vornemſte Bewegniß, die mich ſchon lange zu dieſer Ahrt ei - ner unterthaͤnigſten Ehrerbietigkeitange -Zuſchrift. angefeuert hat. Jch ſchaͤtze auch wuͤrklich beſagten Vorteil ſo viel wichtiger, je mehr ich dadurch an demjenigen groſſen und allgemeinen Gluͤcke Teil nemen kann, welches, nebſt unſerm Teutſchlande, zugleich das entfernte Groß-Britannien von der kuͤnftigen, weiſen und gelin - den Regierung eines ſo gewuͤnſch - ten Prinzens in zuverlaͤſſigſter Hoff - nung ſich vorſtellet.

Wollte nur GOtt, daß Eu. Koͤ - nigl. Hoheit die zu Erfuͤllung dieſer Hoffnung gehoͤrige Zeit bey voll - kommenen Leibes - ſo wol als Ge - muͤts-Kraͤften erleben, und, wie an Verdienſten, ſo auch an Jahren Jhrem Aller-Durchleuchtigſten Groß-Herrn-Vater gleich kommen moͤgten! Mit wie eifrigem Ver - gnuͤgen wuͤrden alsdann Dero Un - terthanen die ſeltenen Eigenſchaf - ten, Chriſt-Fuͤrſtlichen Tugenden* 5undZuſchrift. und alle zur Wolfahrt des Menſch - lichen Geſchlechts abzielende Thaten Eur. Koͤnigl. Hoheit gleichſam in die Wette erzehlen, und Jhr ruͤhmlich - ſtes Beyſpiel, auch zu anderer Re - genten Aufmunterung, der Nach - Welt anpreiſen!

GOtt erhalte Dieſelben bey der - jenigen großmuͤtigen, billigen und liebreichen Gemuͤts-Beſchaffen - heit, die ſchon zum voraus ſo vieler Laͤnder Troſt und Freude iſt! Da - durch werden Eu. Koͤnigl. Hoheit Sich hauptſaͤchlich jederzeit als ei - nen groſſen Prinzen zu erkennen ge - ben, und Jhr hoher Name wird bey der itzigen Welt ein Segen, bey den Nachkommen aber ein Wunder ſeyn.

Jch ſehe dieß alles mit der emp - findlichſten Vergnuͤgung bereits als gegenwaͤrtig vor Augen, undver -Zuſchrift. verharre unterdeſſen in vollkomme - ner, demuͤtigſter Ehrfurcht

Eur. Koͤnigl. Hoheit, Meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn,

unterthaͤnigſter Knecht, Chriſtian Friedrich Weichmann.

Vor -

Vorrede.

So unbegreiflich GOtt in Seinem Weſen und in der Ahrt Seiner Regierung iſt; ſo augenſcheinlich hat Er gleichwol durch die groſſe Mannigfaltigkeit Seiner wunderbaren Ge - ſchoͤpfe Sich geoffenbaret, und auf ſolche uͤberzeugende Ahrt offenbaret Er Sich noch taͤglich durch deren beſtaͤndige Erhaltung, Fortpflanzung und Verſorgung. Die Ver - nunft erkennet ſolches nur gar zu wol, und das Goͤttliche Wort ſelbſt koͤmmt ihr dermaſ - ſen darin zu Huͤlfe, daß es vielmehr noch hinzu thut, wie GOtt nicht allein aus dieſer Ahrt Seiner Offenbarung ausdruͤcklich von den Menſchen erkannt ſeyn wolle, ſondern zugleich nach aͤuſſerſten Kraͤften deßwegen von ihnen geprieſen werden.

Zwar iſt es gewiß, was die Schrift ebenfalls erinnert, daß diejenigen, die ohnefer -Vorrede. fernere Anleitung aus der bloſſen Natur GOtt ſuchen und gern fuͤnden / die mit Seinem Geſchoͤpfe umgehen, und ihm nachdenken / im Anſehen koͤnnen ge - fangen werden / und irren / weil die Creaturen ſo ſchoͤne ſind:(a)Sap. XIII, 6, 7. daher auch GOtt Selber bewogen worden, den Befehl ergehen zu laſſen, daß du deine Augen nicht aufhebeſt gen Himmel / und ſeheſt die Sonne / den Mond und die Sterne / und das ganze Heer des Himmels / und falleſt ab / und beteſt ſie an / und dieneſt ihnen;(b)V. Moſ. IV, 19. doch erhel - let aus dem allen, daß man unter den Hey - den, und ehe noch die Goͤttlichen Gebote den Voͤlkern gegeben worden, wenigſtens viel emſiger GOtt in Seinen Werken geſuchet habe, als zu gegenwaͤrtigen Zeiten, da dieſt Gebote ſolches aufs deutlichſte von uns er - fodern. Beſagter Einwurf kann auch wuͤrk - lich itzund deſto weniger ſtatt finden, je mehr eines Teils eben dieſelben Gebote, bey Un - terſuchung der Goͤttlichen Werke, uns gegen allen Jrrtum in Sicherheit ſtellen, und je ernſtlicher wir andern Teils zu dieſer Un - terſuchung an vielen Orten dadurch an - gewieſen werden.

Ueber -Vorrede.

Ueberhaupt fuͤhret uns die Schrift gar haͤufig in die Natur, daraus ſie nicht allein die angenemſten Beſchreibungen, Gleich - niſſe, Parabeln und Erlaͤuterungen, ſondern auch oͤfters ſo gar Beweistuͤmer von dem Weſen, der Weiſheit, der Liebe und der All - macht GOttes hernimmt. Das erſte fin - den wir durchgehends in allen Buͤchern der - ſelben, vornemlich beym Hiob, in den Pſal - men, in den Spruͤchen Salomons, im Pre - diger Salomo, im hohen Liede, im Buche der Weiſheit, im Sirach, im Baruch, und in den Briefen, die Paulus geſchrieben. Weil es aber viel eher ein ganzes Buch, als bloß eine Vorrede ausmachen wuͤrde, dafern man auch nur die erleſenſten Stellen davon in gehoͤrigem Zuſammenhange anfuͤhrte; ſo bleibe ich billig fuͤr dießmal beym letzten, nemlich bey denjenigen Schrift-Oertern, die inſonderheit vom Beweis und Erkennt - niß GOttes aus Seinen Werken handeln.

Die Schrift ſaget nicht allein ausdruͤck - lich: der Welt-Kreis ſey voll Geiſtes des HErrn /(c)Sap. l, 7. ingleichen an einem an - dern Orte: Sein unvergaͤnglicher Geiſt ſey in allen /(d)Sap. XII, 1. und abermals: Er ſey es gar;(e)Sir. XLIII, 29. ſondern ſie gebrauchet ſich auchderVorrede. der Redens-Ahrten, daß man Jhn in den Geſchoͤpfen nicht nur ſehen und finden, ſon - dern zugleich fuͤlen, ſchmecken und hoͤren koͤn - ne. Daher ſpricht auch David: Die Him̃el erzaͤhlen die Ehre GOttes / und die Fe - ſte verkuͤndiget Seiner Haͤnde Werk. (f)Pſ. XIX, 2.Vornemlich aber erklaͤret ſie ſich uͤber dieß alles ſo wol in Abſicht auf die Werke ſelbſt, als in Abſicht auf unſere taͤgliche Verſorgung. Jn Abſicht auf das erſte ſa - get ſie: GOttes unſichtbares Weſen / das iſt / Seine ewige Kraft wird er - ſehen / ſo man deß wahrnimmt an den Werken / nemlich an der Schoͤp - fung der Welt. (g)Rom. I, 20.Und anderwaͤrts: Es kann ja an der groſſen Schoͤne und dem Geſchaͤffte der Werke deren Schoͤpfer / als im Bilde / erkennet wer - den. (h)Sap. XIII, 5.Man ſiehet Seine Herrlich - keit an der maͤchtigen groſſen Hoͤhe / an dem hellen Firmament / an dem ſchoͤnen Himmel. (i)Sir. XLIII, 1.Jn Abſicht auf das letzte hingegen heiſſet es: Und zwar hat Er Sich ſelber nicht unbezeugt gelaſſen, hat uns viel Gutes gethan / und vom Himmel Regen und frucht -bareVorrede. bare Zeiten gegeben / unſere Herzen erfuͤllet mit Speiſe und Freuden. (l)Act. XIV, 17.

Vornemlich iſt es merkwuͤrdig, daß GOtt Selber, wenn die Bibel in Seinem Namen redet, Sich beſonders auf Seine Werke zu beziehen, und ſie den Menſchen, als ein unleugbares Zeugniß Seiner All - macht, vor Augen zu ſtellen pfleget. Jch bin der HErr / ſind Seine Worte, Der alles thut; Der den Himmel ausbrei - tet allein / und die Erde weit machet ohne Gehuͤlfen. (*)Eſ. XLIV, 24.Jch habe die Er - de gemacht / und den Menſchen darauf geſchaffen. Jch bins / Deſſen Haͤnde den Himmel ausgebreitet haben / und habe alle ſeinem Heer geboten. (†)Eſ. XLV, 12.

Durch dieß alles aber hat der lieb - reiche GOTT nicht allein ſeit einigen tau - ſend Jahren Sich den Menſchen gezeiget, ſondern auch hauptſaͤchlich dabey den End - zweck gehabt, daß ſie Jhn daraus erkennen ſollten, oder, wie die Schrift ſelbſt redet, daß ſie den HERRN ſuchen ſollten / ob ſie doch Jhn fuͤlen und finden moͤg - ten. (m)Act. XVII, 27.Er hat ihnen Vernunft / Sprache / Augen / Ohren / VerſtandundVorrede. und Erkenntniß gegeben. Er hat ihnen beydes Gutes und Boͤſes gezei - get. Er hat ſie vor andern Thieren ſonderlich angeſehen; und zwar, wie die ſo gleich beygefuͤgte Urſache lautet, ih - nen zu zeigen Seine groſſe Maje - ſtaͤt. (n)Sir. XVII, 5-8.

Demnach weiſet uns auch die Schrift ausdruͤcklich, zu dieſem Endzweck, auf die Natur, und hat gar haͤufige Vermanungen, ſie, zur Ehre Jhres groſſen Meiſters, in fleiſ - ſige Betrachtung zu ziehen. Siehe an die Werke GOttes! ſaget der Prediger,(o)Eccl. VIII, 14. und Jeſaias ſo wol als David laden ebenfalls jedermann zu Beobachtung die - ſer Pflicht ein. Hebet eure Augen in die Hoͤhe / ſpricht Jeſaias, und ſehet: wer hat ſolche Dinge geſchaffen? (p)Eſ. V, 11. 12.Bey dem Pſalmiſten heiſſet es: Schmecket / und ſehet / wie freundlich der HErr iſt! (q)Pſ. XXXIV, 9.Kommet her / und ſehet an die Werke GOttes / Der ſo wunder - barlich iſt mit Seinem Thun unter den Menſchen-Kindern! (r)Pſ. XLVI, 5.

Sie weiſet uns aber nicht allein auf den Zuſammenhang der Natur uͤberhaupt,**ſon -Vorrede. ſondern noch uͤberdem faſt auf alle einzelne Teile derſelben. Frage doch das Vieh! ſaget ſie, das wird dichs lehren; und die Voͤgel unter dem Himmel! die wer - den dirs ſagen; oder rede mit der Er - de! die wird dichs lehren / und die Fi - ſche im Meer werden dirs erzaͤhlen. (†)Job. XII, 7. 8.Schaue gen Himmel / und ſiehe / und ſchaue an die Wolken! (s)Job. XXXV, 5.Sie - he den Regen-Bogen an / und lobe Den / Der ihn gemacht hat! Denn er er hat ſehr ſchoͤne Farben! (t)Sir. XLIII, 12.GOtt donnert mit Seinem Donner graͤu - lich, und wird doch nicht erkannt. Hoͤret doch / wie Sein Donner zuͤr - net, und was fuͤr ein Geſpraͤch aus Seinem Munde gehet! (u)Job. XXXVII, 2. 5.Erken - net / daß der HERR GOTT iſt! Er hat uns gemacht / und nicht wir ſelbſt. (x)Pſ. CI, 3.Hebet eure Augen auf, und ſehet in das Feld! (y)Joh. VI, 35.Und wer kann ſich Seiner Herrlichkeit ſatt ſehen? (*)Sir. XLIII, 1.

Der Heyland Selber fuͤhret uns eben - falls auf die Natur, und durch dieſelbe auf GOTT, wenn Er uns die Sperlinge, dieRabenVorrede. Raben, die Voͤgel uͤberhaupt, und die Liljen vorſtellet, die ohne ihre einzige Sor - ge von GOTT ernaͤhret, und geſchmuͤckt werden. Kaufet man nicht zween Sperlinge / ſpricht Er, um einen Pfen - nig? Noch faͤllt derſelben keiner auf die Erde / ohne meinen Vater. (z)Matth. X, 29.Ne - met wahr der Raben! (aa)Luc. IIX, 24.Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an! Sie ſaͤen nicht / ſie erndten nicht / ſie ſamm - len nicht in die Scheunen; und euer Himmliſcher Vater ernaͤhret ſie doch. Schauet die Liljen auf dem Felde / wie ſie wachſen! Sie arbeiten nicht / auch ſpinnen ſie nicht; Jch ſage euch aber / daß auch Salomo in aller ſeiner Herr - lichkeit nicht iſt bekleidet geweſen / wie derſelben eins. (bb)Matth. VI, 26. 28. 29.

Ja die Schrift beſtrafet diejenigen ſehr hart, welche die Geſchoͤpfe GOttes ſo kaltſinnig uͤberſehen, oder, wie ſie ſelbſt redet, die an den ſichtbarlichen Guͤtern Den / Der es iſt / nicht erkennen / und an den Werken nicht ſehen / wer der Meiſter iſt. (cc)Sap. XIII, 1.David ſchilt ſie fuͤr Nar - ren, und Jeſaias rufet das Wehe uͤber ſie** 2aus.Vorrede. aus. Wehe denen / heiſſet es, die nicht ſehen auf das Werk des HErrn / und ſchauen nicht auf das Geſchaͤffte Sei - ner Haͤnde! (dd)Eſ. V, 11. 12.HErr, wie ſind Dei - ne Werke ſo groß! Ein Narr achtets nicht. (ee)Pſ. XCII, 6. 7.

Denen hingegen, welche dieſer Pflicht nachkommen, verſpricht ſie ein ſonderbares Vergnuͤgen daraus, wenn ſie mit einem freudigen Affect ausrufet: Groß ſind die Werke des HErrn! Wer ihrer achtet / der hat eitel Luſt daran. (ff)Pſ. CXI, 2.

Jndeſſen iſt es nicht genug, daß man die Geſchoͤpfe GOttes nur betrachte, und Jhn einiger Maſſen daraus kennen lerne, ſondern Er will zugleich ausdruͤcklich von den Menſchen daruͤber angebetet, gefuͤrch - tet und geprieſen ſeyn. Betet an / ſaget die Schrift, Den / Der gemacht hat Him - mel und Meer und die Waſſer-Brun - nen! (gg)Ap. XIV, 7.Laſſet uns doch den HErrn / unſern GOtt fuͤrchten / Der uns Fruͤh - Regen und Spat-Regen zu rechter Zeit gibt / und uns die Erndte treulich und jaͤhrlich behuͤtet!(hh)Jer. V, 24. JauchzetGOtt /Vorrede. GOtt / alle Lande! Lobſinget zu Eh - ren Seinem Namen! Ruͤhmet Jhn herrlich! Sprecht zu GOtt: Wie wunderlich ſind Deine Werke! (ii)LXVI, 1-3.Singet loͤblich / und lobet den HErrn in allen Seinen Werken! Preiſet Sei - nen Namen herrlich! Danket Jhm / und lobet Jhn mit ſingen und klingen / und ſprecht alſo im Danken: Alle Werke des HErrn ſind ſehr gut / und was Er gebeut / das geſchicht zu rech - ter Zeit. (ll)Sir. XXXIX, 19-21.

Daher ſehen wir auch, wie haͤufig, und mit welchem froͤhligen Eifer die heili - gen Maͤnner GOttes von den Werken dieſes groſſen Werkmeiſters anzuſtimmen pflegen. HERR / wie ſind Deine Werke ſo groß und viel! ſpricht David, Du haſt ſie alle weiſlich geordnet / und die Erde iſt voll Deiner Guͤter. (mm)Pſ. CIV, 24.HErr / Du laͤſſeſt mich froͤhlig ſingen von Deinen Werken / und ich ruͤhme die Ge - ſchaͤffte Deiner Haͤnde. HErr / wie ſind Deine Werke ſo groß!(nn)Pſ. XCII, 5. 6. Jch** 3wer -Vorrede. werde nicht ſterben / ſondern leben / und des HErrn Werk verkuͤndigen. (pp)Pſ. XIIX, 17.Der Stellen aber, auf welche Wei - ſe ſie ſolches thun, iſt eine viel zu groſſe An - zahl, als daß auch nur eine Wahl darunter zu treffen waͤre. Jndeſſen koͤnnen diejeni - gen zum Exempel dienen, die im erſten ſo wol als gegenwaͤrtigen Teile dieſes Buches, nebſt beygefuͤgter poetiſcher Uberſetzung, vorkommen.

Nachher zwar iſt die Ahrt, oder viel - mehr die Bemuͤhung, den Schoͤpfer aus den Geſchoͤpfen zu erkennen, und Jhn da - her zu preiſen, leider! faſt gaͤnzlich hindan geſetzt worden; doch finden wir, daß nicht allein die Kirchen-Vaͤter, und ſonderlich diejenigen, die uͤber die ſechs Tage-Werke GOttes geſchrieben, ſondern auch ver - nuͤnftige Heyden, und einige Natur-For - ſcher mit vielem Nachdruck darauf ge - drungen haben. Unter dieſen beziehe ich mich, der Kuͤrze wegen, vor allen andern auf das einzige Buch des Galenus, welches er vom Nutzen der menſchlichen Glied - maſſen(qq)Περὶ χρείας τῶν ἐν ἀνϑρώπου σώματι μορίων. geſchrieben, und davon einge -Vorrede. gewiſſer Gelehrter,(rr)Sebaſt. Meyerus, M. Dr. in Præf. libri, cui ti - tulus: Auguſtæ laudes divinæ Majeſtatis, cunctis penſandæ mortalibus, a 139. miraculis in homine, e divinis Galeni de uſu partium libris 17. ſelectæ. Friburgi Brisg. 1627. 12. der es ins kurze zuſammen gezogen, dieſes ruͤhmet, daß er, naͤchſt der Heiligen Schrift ſelbſt, niemals was beſſeres geleſen habe. Die erſten hin - gegen betreffend, ſo begnuͤge ich mich, von der unzaͤhligen Menge ihrer ſchoͤnen Ge - danken hieruͤber nur dasjenige anzufuͤhren, was Gregorius ſaget, daß wir nemlich zu GOtt kommen / wenn wir in den - jenigen Dingen / die Er geſchaffen hat / Seinen Fußſtapfen nachgehen. (ss)Veſtigia Creatoris per hæc, quæ ab Ipſo ſunt, ſequen - do, imus ad Ipſum. Moral. L. XXVI. Cap. 8.

Unter den GOttes-Gelehrten unſerer Kirche hat vornemlich der treffliche Johann Arndt in dem ganzen vierten Buche vom wahren Chriſtenthum eben dieſelbige Ma - terie mit gehoͤriger Wuͤrdigkeit abgehandelt; aber auch, ich weiß nicht warum, noͤtig ge - funden, in der Vorrede davon ſich deßwe - gen gleichſam zu entſchuldigen, und zum Voraus zu verteidigen. Jch will indeſſen** 4eini -Vorrede. einige Stellen aus dieſem Buche anfuͤhren, weil ſie vielleicht den meiſten deſto weniger bekannt ſind, je mehr ſonſt der Name ſo wol als der Verfaſſer deſſelben bekannt gewor - den, und je genauer ſie mit verſchiedenen Ge - danken in gegenwaͤrtigen Poeſien uͤberein ſtimmen. Wer ſiehet nun nicht, ſaget der er - leuchtete Mann, unter dem Erd-Gewaͤchſe allein (welches doch das geringſte iſt, davon er ſchreibet) viele tauſend Zeugen der Liebe, Guͤte und Allmacht GOttes? Da hat GOtt zugeruͤſtet eine groſſe Apothec und ein groſſes Kraͤuter-Buch, ganz wunderlich und voll - koͤmmlich geſchrieben. Das iſt ein lebendiges Buch, nicht wie man die Kraͤuter in Buͤchern beſchreibet; ſondern in GOttes Buche ſind es lebendige Buchſtaben, welche allen Menſchen, Gelehrten und Ungelehrten, vor Augen geſtellet werden. (tt)Auf der 875ſten Seite, der Leipziger-Edition von 1709.Siehe an, wie Gras und Kraut, ſo das Vieh und die Voͤgel eſſen, deine Speiſe werden durch Milch und Fleiſch der Thiere; ja wie dein Kleid und Bette aus der Erde waͤchſt, wenn Thiere und Voͤgel durch Gras und Kraut geſpeiſet werden; wie dem Schaͤf - lein ſeine Wolle waͤchſt durch gruͤne Weide, und den Voͤgeln ihre Federn! (uu)Auf der 877ſten Seite.So bald du auf einen gruͤnen Raſen trittſt, ſo haſt duunterVorrede. unter deinen Fuͤſſen deine Speiſe und Arzeney. Denn in dem allergeringſten Graͤslein und Saͤmlein, welches du gar unnuͤtze achteſt, iſt groͤſſere Weiſheit GOttes, Kraft und Wirkung, als du ergruͤnden kannſt. Darum ſiehe zu, daß du GOtt in Seinen Werken nicht verach - teſt! (ww)Auf der 876ſten Seite.

Auf dieſe Ahrt ſchreibet der theure Mann; und wie ſehr wuͤnſche ich, daß ich viele ſeines gleichen hieſelbſt anfuͤhren koͤnn - te! So aber iſt zu bedauren, daß wir nach mehr denn hundert Jahren, ſeitdem derſel - be ſchon todt iſt, in unſerer Sprache uͤber - haupt faſt nichts aufweiſen koͤnnen, das mit ſeiner Arbeit in einigen Vergleich komme, auſſer was etwa Lutherus ſelber beylaͤufig, und nach ihm die beruͤhmten Maͤnner, Dill - herr, Scriver, Scheuchzer, Loͤſcher und Tril - ler geſchrieben. Von den Teutſchen haben zwar verſchiedene auch in allerhand Lateini - ſchen, ſonderlich kleinen, Aufſaͤtzen dieſe Sa - che mit ziemlichem Eifer getrieben; doch muß ich ebenfalls zuſtehen, daß nicht allein andere nebſt uns bluͤhende Voͤlker noch vieles darin voraus haben, ſondern daß auch denenjeni - gen, ſo des Lateins unkuͤndig ſind, mit ſolchen Schriften nichts gedienet ſey. Die Franzo -** 5ſenVorrede. ſen und Hollaͤnder, ſonderlich aber die Eng - laͤnder, ſind in dieſem Stuͤcke, reichlicher und beſſer verſehen: wiewol wir doch auch bemuͤhet ſind, ſolche Vorteile ihnen abzu - borgen, und ihre Schriften in unſere Spra - che zu uͤbertragen. Demnach hat man nicht allein ſchon vor funfzig Jahren das bekannte Werk des beruͤhmten Mat - thiew Hale vom Urſprung des Menſch - lichen Geſchlechts, auf Befehl Chur - Fuͤrſt Friedrich Wilhelms, verteutſchet; ſondern itzund ebenfalls iſt ein gar geſchick - ter und in vielen Sprachen erfahrner Hof - Mann(xx)S. T. Hr. Friedetich Chriſtian Weber, Koͤ - nigl. Groß-Britanniſcher und Chur-Braun - ſchweigiſcher Raht und Reſident am Ruſſiſchen Hofe, Der, nebſt andern erleſenen Buͤchern und Uberſetzungen, auch das veraͤnderte Rußland ge - ſchrieben, welches bereits auf zweyerley verſchie - dene Ahrt ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt worden. beſchaͤfftigt, auch den Wolla - ſton von der natuͤrlichen Religion zu uͤber - ſetzen.

Was uns aber bey ſolchem Mangel an ausnemenden Originalien bisher noch aus - geholfen, iſt inſonderheit dasjenige Buch, wozu ich gegenwaͤrtig den zweyten Teil zu liefern die Ehre habe. Es ſind ſeit wenigenJah -Vorrede. Jahren auf viertehalb tauſend Exemplare davon in der Welt verteilet, wodurch ohne Zweifel in vielen Selen eine beſondere Er - bauung geſtiftet worden. Jn der That haͤtte auch der Herr Verfaſſer deſſelben nichts unſchuldigers und heylſamers unter - nemen koͤnnen, als da Er nach den ausdruͤck - lichen Befehlen des Goͤttlichen Worts und nach dem Exempel ſo vieler vernuͤnftigen, frommen, ja heiligen Maͤnner, Seine Leſer dahin anfuͤhret, wie ſie ihren Schoͤpfer aus ſich ſelbſt und andern Geſchoͤpfen zu erken - nen, auch Jhm deßwegen zu danken, und Seinen herrlichen Namen zu preiſen haben. Zum Zeugniß davon habe ich, vorhergehen - den Beweis aus der Schrift ſelbſt beyzu - bringen, deſto noͤtiger gefunden, je mehr man heutiges Tages dieſe Ahrt, von dem Goͤttli - chen Weſen zu handeln, nicht allein verab - ſaͤumet, ſondern auch wol gar verdaͤchtig zu machen ſuchet. Jch wuͤnſche von Herzen, daß alles, ſeinem abgezielten Zweck gemaͤß, zum Segen gedeye, und berichte nur noch ſchließl. mit vielem Vergnuͤgen, daß der Hr. Brockes, ſo viel Sein Amt Jhm Zeit erlaubet, nicht allein in dieſer Seiner Schreib-Ahrt un -ermuͤ -Vorrede. ermuͤdet fortfahre, ſondern zugleich an der Poëtiſchen Ueberſetzung eines auf gleich - maͤſſigen Zweck abzielenden Franzoͤſiſchen Werks(yy)Man hat daſſelbe ſchon etliche mal, in Frank - reich ſo wol als Holland, gedruckt. Der Ti - tel des erſten Drucks iſt dieſer: Principes de Philoſophie, preuves naturelles de l’exiſtence de Dieu, & de l’immortalité de l’âme par Mr. l Abbé Charles Claude Geneſt. Paris, 1716. 12. arbeite, welches die Franzoſen, gleichwie es in dieſer Ahrt zu ſchreiben noch nicht ſeines gleichen gehabt, den Werken des Lucretius ſelbſt bey weitem vorziehen. Es iſt die Annemlichkeit der Poeſie mit dem Nutzen der Welt-Weiſheit auf eine ausnemende Ahrt darin verbunden, und faͤllet unſer trefflicher Herr Fabricius das gegruͤndete Urteil davon, daß es zwei - felhaft ſey, ob man mehr die Buͤndigkeit und Lebhaftigkeit, oder die Kunſt und Deutlichkeit daran zu bewundern habe. (zz)In delectu argumentorum et Syllabo Scri - ptorum, qui veritatem Religionis Chriſtianæ aſſeruerunt. &c. p. 288.

Zu -

Zufaͤllige Poetiſche Gedanken bey Erblickung der vier erſten Bogen vom IIten Theile des Brockeſiſchen Jrdiſchen Vergnuͤgens in GOTT, vornemlich in Abſicht auf die beydes in dem erſten, als auch ſonderlich dieſem andern Theile von dem Hochberuͤhmten Verfaſſer mehr nach dem Leben geſchilderten, als beſchriebenen verſchiedenen Bluhmen.

TIBI lilia plenis Ecce ferunt Nymphae calathis: TIBI candida Nais Pallentes violas, et ſumma papavera carpens Narciſſum et florem jungit beneolentis anethi: Tum, caſia atque aliis intexens ſuavibus herbis Mollia luteola pingit vaccinia, caltha. Virgilius. ()
Die Bluhmen kamen naͤchſt mit klagen zur Natur;
Was hilft es, riefen ſie, daß wir ſo ſchoͤn gebildet,
So Kunſt-reich ausgemal’t, verſilbert und verguͤldet,
Und ein ambrir’ter Geiſt in unſ’re Coͤrper fuhr?
Wenn man uns auf der Welt nur obenhin betrachtet,
Und im Voruͤbergehn, ſo oft man uns erblickt,
Als was vergaͤngliches und fluͤchtiges verachtet,
Und dannenher zertritt, zerreibet und zerpfluͤckt?
Kommt’s hoch; ſo braucht man uns etwa bey einem Schmauß,
Umkraͤnzt die Schuͤſſeln mit, belegt die Servietten,
Streu’t uns ins weiſſe Zeug, auf Kleider, in die Betten,
Und zwingt uns, Sclaven gleich, mit Band in einen Strauß:
ManMan macht uns auf dem Har und in der Hand zu Leichen,
Und giebt uns ohne Schuld noch vor der Zeit den Reſt;
Ja dieſes heiſſt ein Gluͤck, dem keines zu vergleichen,
Wenn eine Doris uns im Buſen ſterben laͤſſt.
Hierauf ſprach die Natur: ſtellt eure Klagen ein,
Jhr liebſten Kinderchen! die ihr an mir geſogen,
Die ich mit ſolcher Muͤh und Sorgfalt auferzogen.
Weil Menſchen, wie ihr ſag’t, ſo gar entmenſchet ſeyn,
Daß ſie aus Aberwitz und Blindheit euch verſchmaͤhen,
Da eure Trefflichkeit doch hoͤchſten Ruhmes wehrt;
So hab ich einen Mann zu eurem Schutz erſehen,
Der eure Schoͤnheit ehrt, und euren Ruhm verklaͤr’t.
Dort, wo HAMMONJA, Europens Tyrus, lieg’t,
Leb’t Er, mit Namen BROCKS, Der mich genau beſchauet.
Weil Er Sich nun daſelbſt ein Luſt-Revier erbauet;
So rat ich, daß ihr euch alsbald dahin verfuͤg’t,
Jn die Rabatten ſtell’t, und euren Schimmer zeiget.
Jch weiß, wenn Jhn die Luſt in dieſen Garten treib’t,
Daß Er Sein himmliſch Herz zu eurer Anmut neiget,
Und Sein erleuchtet Aug auf euch geheftet bleib’t.
Die Bluhmen eil’ten fort, und folgten dieſem Rat.
Die eine draͤngte ſich, der andern vorzukommen:
Als ſie nun kaum das Beet zuſammen eingenommen;
Geſchah es gleich, daß BROCKS in dieſen Garten trat,
Und weil ein jede ſich aufs herrlichſte geſchmuͤcket,
Blieb Er Verwund’rungs-voll bey einer jeden ſtehn,
Und rief, nachdem Er ſie mit Andacht angeblicket:
Nichts, was ſonſt ſchoͤne heiſſt, iſt gegen dieſe ſchoͤn!
Jhr Toͤchter der Natur! die ſie ſo ſchoͤn gezier’t,
Jhr ſeyd durch euren Schmuck nicht nur der Augen Freude,
Jhr macht, daß ich zugleich an euch die Sele weide,
Als die ihr auſſer ſich zum hoͤchſten Schoͤpfer fuͤhr’t.
Auf -Aufdaß die Menſchen nun euch kuͤnftig hoͤher ſchaͤtzen,
Und euch die alte Schmach nicht weiter wiederfaͤhrt;
So will ich euch hiermit ein ſolches Denkmal ſetzen,
Das eure Trefflichkeit im Ueberfluß bewaͤhrt.
Drauf nam er Kiel und Blat, und ſchrieb; doch nein! er nam
Den Pinſel und ein Brett, und fing an, abzuſchildern,
Und zwar mit ſolchem Gluͤck, daß jedes von den Bildern
Der wuͤrklichen Natur ſo gleich und aͤhnlich kam:
Daß der beruͤhmte Tamm, bey deſſen Bluhmen-Stuͤcken
Doch Zephyr ſich verirrt, und ſie als wahre kuͤſſt,
Der Bluhmen Eigenſchaft geſchickter auszudruͤcken,
Mit ſeiner ſelt’nen Kunſt nicht wol vermoͤgend iſt.
Kaum namen ſie den Fleiß des groſſen Meiſters wahr,
Als ſie, geſehn zu ſeyn, die Haͤupter aufwaͤrts reckten,
Und Jhm ihr innerſtes und zaͤrtlichſtes entdeckten.
Fuͤr andern ſtellten ſich die beyden Roſen dar,
Die Mah - und Mayen-Bluhm, Ranunkeln, die Cyrene,
Der Crocus, Kaiſer-Cron, Viol und Hyacinth,
Benebſt den uͤbrigen, die ſo vollkommen ſchoͤne,
Wie ſie natuͤrlich bluͤhn, von Jhm beſchrieben ſind.
Wer ſag’t, ihr Bluhmen! nun, daß ihr vergaͤnglich ſeyd?
Da euch der edle BROCKS in Seine Schrift verſetzet,
Und durch den Kiel verpflanzt, verbleibt ihr unverletzet,
Und trotzt verewiget nun der Vergaͤnglichkeit.
Denn euer Denkmal wird gewißlich laͤnger dauern,
Als Rhodus Saͤulen-Bild, mit dem der Wind itzt ſpiel’t,
Als der Semiramis faſt Himmel-gleiche Mauern,
Und was man ſonſten noch vor unvergaͤnglich hielt.
O! kaͤmen wiederum die alten Zeiten her,
Worinnen oft ein Menſch zum Bluhmen-Stock geworden!
Vielleicht traͤt mancher itzt freywillig in den Orden,
Daß er in BROCKSENS Schrift hierdurch verewigt waͤr.
DieDie Echo graͤme ſich nicht weiter um Nareiſſen!
Sie hat es nicht mehr noht, daß ſie als Schatten ſchweb’t.
Denn da BROCKS ihren Schatz ſo lebhaft abgeriſſen,
Erkennt ſie ja nunmehr, daß er von neuem leb’t.
Jhr Bluhmen, ſeyd daher nach Moͤglichkeit bedacht,
Euch fuͤr ein ſolch Verdienſt auch dankbar zu erzeigen!
So oft ihr BROCKSEN ſeht, muͤſſt ihr die Haͤupter neigen,
Weil ſich kein Menſch ſo ſehr um euch verdient gemacht.
Eroͤffnet euren Kelch, und laſſt die Balſam-Duͤfte,
So viel ihr bey euch hab’t, zu Seinen Ehren, aus,
Und ſchwaͤngert nicht allein darmit das Feld der Luͤfte;
Nein! ſondern ſendet ſie ſo gar bis in Sein Haus!
Beſtreuet Seinen Pfad mit eurem bunten Har,
Und laſſt Jhn Lebenslang auf ſanften Blaͤttern ſchreiten!
Geht er, GOtt gebe ſpaͤt! aus dieſem Kreis der Zeiten;
So werfet euch zum Schmuck auf Seine Todten-Bar!
Alsdann verpflanzet euch um Seine Ruhe-Staͤte,
Jn eurer ſchoͤnſten Pracht und groͤſten Herrlichkeit,
Und machet Seine Gruft zu einem Bluhmen-Beete,
Weil ihr Jhm auch im Tod annoch verbunden ſeyd!
Thraͤn’t Perlen auf Sein Grab, ſo oft die Milch der Nacht,
Der kuͤle Thau, euch traͤnk’t, daß man hieraus verſtehe,
Wie nah euch der Verluſt ſo eines Vormunds gehe,
Der euch verpfleg’t, beſchuͤtz’t, und ſo beruͤhmt gemacht!
Wehr’t aller Faͤulniß ab, und laſſt Jhn nicht verweſen,
Nein! ſondern dienet Jhm an ſtatt der Specerey!
Denn, weil wir euch durch Jhn nunmehr verewigt leſen;
So macht Jhn wiederum von der Verweſung frey!
Dieß fiel mir, groſſer BROCKS, bey den vier Bogen ein /
Die man von Deinem Werk mir neulich uͤberſchicket;
Gut iſts, daß ich noch nicht das ganze Buch erblicket,
Sonſt wuͤrd ich ganz gewiß ſtumm vor Verwund’rung ſeyn.
Jch weiß ohndem Dein Lob nicht recht empor zu treiben,
Das keinen Zuſatz braucht, und ſonder Grenzen iſt:
Doch muß ich noch einmal, trotz allen Neidern, ſchreiben,
Daß Du, erhab’ner BROCKS, ein Fuͤrſt der Dichter biſt.

Daniel Wilhelm Triller, Phil. et Med. D.

Jrdi -
[1]

Jrdiſches Vergnuͤgen in GOTT. Zweyter Theil.

[2]
Wofern du, lieber Menſch,
ein Atheiſt,
Wie oder bloß ein Thier
mit andern Thieren biſt;
So ſteht dir frey, daß du die Welt
Und was uns in die Sinne faͤllt,
Veraͤchtlich haͤlt’ſt, und nicht be -
trachteſt;
So ſteht dir frey, daß du die Zeit,
Darin man die Beſchaffenheit
Der Creatur und ihre Herrlich -
keit
Bewundert, fuͤr verloren achteſt.
Allein
Wofern du dir nicht ſelbſt die
Sele raubeſt,
Wofern du eine Gottheit glau -
beſt,
Die alles, Stern - und Sonnen -
Schein,
Die Himmel, Erd und Meer ge -
macht,
Die dich und alle Ding hervor
gebracht;
So kannſt du ja nicht anders
denken,
Als daß der Schoͤpfer weiß, daß
dich Sein Werk nicht ruͤhrt,
Daß du’s nicht wuͤrdigeſt, Jhm
einen Blick zu ſchenken,
Daß folglich GOTT, ſo viel an
dir, verliert
Macht, Weiſ heit, Lieb und Ehr.
Armſel’ge Creatur,
Wie elend iſt dein Stand? da du
noch nicht empfunden,
Daß GOTT hier auf der Welt
mit deiner Luſt nicht nur
Sein Lob ſo wunderbar, ſo Gna -
den - reich verbunden,
Nein, daß ſo gar dein Anmut
auf der Welt,
Die ſich auf GOttes Ehre gruͤn -
det,
Aus Gnaden Jhm ſo wol gefaͤllt,
Daß ſie auch dort gewiß unend -
lich Anmut findet.
Und dieß verſaͤumeſt du, und
willt mit Fleiß nicht ſehn,
Was durch des Hoͤchſten Lieb
und weiſe Macht geſchehn.
Bedenke, was du thuſt! ſo weiß
ich, du verſpuͤreſt,
Daß du nicht hier allein, auch
dort, dein Heyl verliereſt.
Die Strafe faͤngt bereits in die -
ſem Leben an.
Denn uͤberkommſt du gleich das
groͤſte Gluͤck auf Erden;
So kannſt du doch unmoͤglich
gluͤcklich werden.
Sprich ſelbſt: ob etwas dich wol
recht vergnuͤgen kann
Von allem, was du ſuch’ſt, von
allem, was du treibeſt!
Sprich, ob dasjenige, worauf
dein Sinn gericht’t,
Erlang es oder nicht,
Dich ruͤhr, und ob du nicht ſtets
ungluͤckſelig bleibeſt!
Die Unempfindlichkeit und die
Gewohnheit ſind
Harpyen, welche dich fuͤr alles
gute blind,
So bald du es beſitzeſt, machen.
Es friſſt ihr niſſier ſatter Rachen
Den Kern von deiner Luſt. Du
aber muſt die Schalen,
Die doch ſo ungeſchmackt, mit
Arbeit, Sorge, Muͤh,
Mit Schrecken, Furcht und Angſt
nur gar zu theur bezahlen.
Dieß iſt der Lohn fuͤr dein Betra -
gen hie;
Von kuͤnft’ger Reu, von kuͤnft -
gen Straf - und Plagen
Nicht einſt zu ſagen.
Mein GOtt, behuͤt uns doch
vor ſo verſtocktem Weſen,
Und einer Bruſt, die ſo verſteint,
ſo hart!
Ach laß uns Deine Gegenwart
Jm ſchoͤnen Buch der Welt
mit Freude leſen!
Die Schrift, die jeder Menſch
mit Ehrfurcht leſen ſoll,
Die auch die Engel ſelbſt mit
Furcht und Luſt bemerken,
Die lautet ſo: Es ſind von GOt -
tes Werken
Und Seiner Majeſtaͤt der Him -
mel Himmel voll,
Luft, Erd und Meer erfuͤllt. Nun
dieſe Fuͤll allein
Recht zu beherzigen, ſoll itzt mein
Endzweck ſeyn.
3

Der Wolken - und Luft-Himmel.

Pſ. CIV, 2. Du breiteſt aus den Himmel, wie einen Teppich.
Man ſiehet in dem frohen Lenzen
Nicht nur den Kreis der gruͤnen Erden,
Nein, auch den Kreis der Luft, in neuem Schimmer
glaͤnzen,
Und Wunder-wuͤrdig helle werden.
Damit ein allgemein gleichfoͤrmigs Einerley
Dem Herzen nicht gleich-guͤltig ſey,
Den Augen keinen Eckel braͤchte,
Und weniger gefallen moͤgte,
Wenn an des weiten Himmels Buͤhne
Nichts, als ein leeres Blau, erſchiene;
So zieren ſchoͤn geformt - und ſchoͤn gefaͤrbte Duͤfte
Das unermeſſ’ne Feld der reinen Luͤfte,
Durch GOttes Huld, zu unſ’rer Luſt allein,
Mit Farben, Bildungen, mit Klarheit, Glanz und Schein.
Noch mehr, indem wir bloß in Aend’rung Freude finden,
Bemuͤht ſich gleichſam die Natur,
Uns auch durch Aend’rung zu verbinden.
Darum muß manches Wolken-Bild
Veraͤnderlich ſowol an Farben als Figur
Sehr ſchnell entſtehn und ſchnell verſchwinden.
Dem allen ungeacht’t, wie groß, wie tief, wie weit
Des Himmels Schauplatz iſt; wie voller Lieblichkeit,
Wie praͤchtig, mancherley, wie herrlich und wie ſchoͤn
Der Wolken Coͤrper anzuſehn;
Wie rein der Silber-Glanz, wie hell der guͤld’ne Schein,
II. Theil. A 2Wie4Wie zierlich und wie klar Figur - und Farben ſeyn;
So ſehn wir leider doch, daß Menſchen auf der Erden
Gefunden werden,
Die ſolchen ungemeſſ’nen Platz,
Die einen ſolchen Schatz
Von Bildung, Farben, Glanz und Licht
Nicht ſo viel wuͤrdigen, daß ſie zu GOttes Ehren
Jhr bloß auf Geld erpicht Geſicht
Auf dieſes groſſe Wunder kehren.
Hoͤr auf, geliebter Menſch, den Schoͤpfer zu verachten!
Komm, laß uns, GOtt zum Ruhm, das Firmament betrachten!
Es wird der Himmel nicht ſo ſehr
Mit ſchoͤnen Farben ausgeſchmuͤcket,
Als man an ihm vielmehr
Ein buntes Licht, das allgemein, erblicket.
Man ſieht von ungezaͤhlten Bildern
Veraͤnderungen ohne Zahl,
Womit ſich itzund auf einmal
Die ungemeſſ’nen Tiefen ſchildern.
Der Wolken meiſtens halbe Kreiſe,
Die allzumal ihr glaͤnzend prangen,
Nachdem ſie hoch und dick, auf ganz verſchied’ne Weiſe
Vom Licht, das an ſie ſtral’t, empfangen,
Zerteilen ſich bald hie bald dort,
Wodurch wir Bruͤche, Tiefen, Hoͤhen
Und Oeffnungen an manchem Ort
Mit Luſt und mit Verwund’rung ſehen.
Man ſiehet oft, mit recht vergnuͤg’ter Selen,
Durch ſchwarze bald, und bald durch braune, Hoͤlen,
Ein den Sapphir weit uͤbertreffend Blau;
Jndem der Wolken Dunkelheit
Des5Des Firmaments verklaͤr’te Heiterkeit
Erheb’t und noch vermehrt. Ein Berg, der dunkel-grau,
Laͤſſt dort auf Purpur-farbnen Spitzen
Den aͤuſſern Rand, wie reines Silber, blitzen,
Den der ſapphirne Grund noch eins ſo helle macht.
Ein guͤld’ner Umſtrich ſchmuͤckt in ungemeiner Pracht
So manchen dunkel-braunen Kreis.
Rot, Purpur, Leibfarb, blau, grau, gruͤnlich, gelb und weiß
Erfuͤllt und ziert in dem beſtral’ten Duft
Anitzt die reine Luft.
Hier ſcheint ein groſſer Platz von Gold ein guͤld’nes Meer,
Das doͤrten glatt, und hier voll kleiner guͤld’nen Wellen,
Jn blauen Ufern vorzuſtellen.
Man ſiehet oͤfters mit Vergnuͤgen
Jn dieſem Luft-Meer, eben ſo
Als wie im Archipelago,
Viel Jnſeln, die zerſtreuet, liegen.
Jm Weſten ſiehet man bald halb - bald ganze Spuren
Von wunderlich geformten Creaturen,
Manch ungeheuren Wall-Fiſch ſchwimmen,
Und manchen feurigen ergrimmten Drachen glimmen.
Hier ſcheinet manch Gewoͤlk, als wenn’s ein wilder Baͤr,
Dort eins, als wenn’s ein Pferd in vollen Spruͤngen waͤr.
Ein Meilen langer Rieſ, umringt von kleinen Zwergen,
Entſtehet und vergeht. Auf hohen guͤld’nen Bergen
Waͤchſt Angeſichts ein Baum, der ſchwebet ſanft daher;
Allein im Augenblick erblickt man ihn nicht mehr.
Es wird aus ſeinem Stamm ein Vogel, ein Geſicht,
Und bald ein leeres Nichts. Hier ſieht man rote Schloͤſſer,
Da Tuͤrme ſtehn, dort Maſken, welche groͤſſer,
Als eine ganze Stadt. Bald laſſen ſich Armeen
Mit Fanen, Spieſſ - und Degen ſehen.
A 3Hier6Hier laſſen guͤld’ne Bilder ſich
Auf einem faſt ſapphirnen blauen,
Und blaue dort auf guͤld’nem, Grunde ſchauen.
Oft ſiehet man mit Purpur-farbnen Bildern
Ein Silber-weiſſes Feld ſich ſchildern.
Nicht weit davon kann man
Viel ungemeſſ’ne Gold - und Silber-Klumpen ſehen.
Jch wund’re mich, daß ſich hieran
Ein geizigs Auge nicht ergetzet,
Da es in Ueberfluß hier finden kann
Den Glanz, den es faſt mehr als ſeine Sele ſchaͤtzet.
Durch ein ſo zaͤrtlich blau, wie oͤfters mein Geſicht
Auf einem Roſen-Blat erblicket,
Jſt oͤfters uͤber mir der Kreis der Luft geſchmuͤcket,
Zumal wenns Abend wird. Nicht weit von dieſem ſchien
Ein ebenfalls uncoͤrperliches gruͤn,
Das ich nicht minder ſanft, gelinde,
Und gleichſam geiſtig finde.
Bey dieſem ſiehet man jedoch auch ohne Grenzen
Ein helles weiß in reiner Klarheit glaͤnzen.
Das fiel hierauf in einen guͤld’nen Schein,
Und der in Roſen-Farb, allmaͤlich ein,
Bis daß zuletzt vom flammenden Rubin
Ein unbeweg’ter Blitz die wahre Qvelle ſchien.
Ach! aber welch ein blitzend Licht
Bricht dorten, wo der Berg von dunklen Wolken bricht,
Als wie aus einer ſchwarzen Hoͤle?
Es ſtralet durch die Dunkelheit
Mir eine helle Herrlichkeit
Nicht in mein Aug allein, zugleich in meine Sele.
Der Mittel Punct des Lichts, das Erd und Himmel fuͤllt,
Woraus der Farben Pracht, Glanz, Waͤrm und Leben qvillt,
Der7Der Born der Fruchtbarkeit, der Creaturen Wonne,
Der Schoͤnheit Sele, Geiſt und Leben, kurz die Sonne,
Laͤſſt ſich an dieſem Ort, ohn uns zu blenden, ſehn.
Das Auge, durch den Flor der Dunkelheit beſchuͤtzt,
Sieht unverletzt, wie wunderſchoͤn
Die reine Gluht in kleiner Oeffnung blitzt,
Man ſiehet an der Wolken dunklen Grenzen
Die Sonne ſich mit einem bunten Glanz,
Recht als mit einem Sieges-Kranz
Von Millionen Stralen, kraͤnzen.
Ein unbeſchreiblich lieblich Blitzen
Von hundert tauſend zarten Spitzen,
Die alle bunt, die alle feurig ſeyn,
Erfuͤllet mein Gehirn und mein Gemuͤte
Mit einem holden Freuden-Schein.
Ein heller Andachts-Stral begeiſtert mein Gebluͤte,
Erheitert meinen Geiſt. Die Weiſ heit, Macht und Guͤte
Des ewig ſel’gen Lichts, des Schoͤpfers aller Welt
Beleb’t mich, ſtral’t mich an. Es flammt in meiner Selen
Ein Trieb, was herrliches vom Schoͤpfer zu erzaͤlen,
Der alle Dinge wirkt, beleb’t, regiert, erhaͤlt,
Deß Weſen ich mit Luſt in Seinen Werken ſehe.
Jch ſchwinge meinen Geiſt in die Sapphirne Hoͤhe,
Jch eil ins Firmament, ich fliege wie ein Stral
Durchs Boden-loſe Meer, durchs unumſchraͤnkte Thal
Des nie begriff’nen Raums, in deſſen holen Gruͤnden
Kein Ziel, kein Schluß, kein Grund zu finden.
Hier denk ich an die Tief, hier denk ich an die Weite,
Die ungeheure Laͤng und ungeheure Breite
Des Kreiſes, den allein der Sonnen Licht erfuͤllt,
Das unaufhoͤrlich ſtral’t und unaufhoͤrlich quillt
Aus einem Mittel-Punct von Millionen Meilen.
A 4Hilf8Hilf GOTT! was ſtellt ſich mir,
Jndem ich dieſes denk, fuͤr eine Groͤſſe fuͤr!
Kein Menſchlicher Verſtand kann hier ein Ziel ereilen.
O unermeſſlicher, o ungeheurer Raum,
Wer wird doch deine Groͤſſ und Tiefe faſſen koͤnnen!
Jndem die ganze Welt, Luft, Meer und Erde, kaum
Bey deinem Mittel-Punct ein Mittel-Punct zu nennen.
Nun iſt es ausgemacht,
Daß dieſe hole Tief (o Wunder!) Tag und Nacht
Beſtaͤndig angefuͤllt mit Licht und Sonnenſchein,
Wie die Planeten dieß mit ihren dunklen Kreiſen,
Die bloß durch ſie beſtral’t,
Uns augenſcheinlich weiſen.
Es faſſe doch ein Menſch einſt, ſeinem GOtt zur Ehr,
Das leider mehrenteils verſtreute Heer
Von ſeinen fluͤchtigen Gedanken,
So viel ihm moͤglich iſt, in ordentliche Schranken,
Und denke nur ein einzigs mal,
Wie ſo gewaltig lang muß doch der Sonnen-Stral,
Wie unermeſſlich groß des Lichtes Coͤrper ſeyn,
Der mit verbundenem und ungeteiltem Schein
Die allertiefſten tiefſten Tiefen
Von dieſem Raum beſtaͤndig fuͤllt!
Der ſich vor unſerm Blick nur dadurch bloß verhuͤllt,
Weil in des tiefen Raumes Gruͤnden
Kein Gegenſtand zu finden,
Wovon er koͤnne ruͤckwaͤrts prallen,
Und ſo in unſer Auge fallen!
Dieß aber hindert nicht, daß in den holen Hoͤh’n
Und in der Tiefe ſonder Grenzen,
Ob wir es gleich nicht ſehn,
Die Stralen doch nicht unaufhoͤrlich glaͤnzen.
Jndem ich dieſes uͤberlege,
Und von ſo groſſem Licht die Groͤſſ erwege;
So9So deucht mich, wuͤrd ein ſolcher Wunder-Schein
Faſt nur umſonſt erſchaffen ſeyn,
Wenn auſſer uns (den Planetar’ſchen Erden)
Jn der Natur ſollt anders nichts
Von aller Kraft des ungemeſſ’nen Lichts
Vergnuͤget und erleuchtet werden.
Es kommen, in Vergleich
Mit dieſes Lichtes weitem Reich,
Mit dieſem glaͤnzenden unmeßlichen Revier,
Uns die Planeten ja nicht anders fuͤr,
Als ſchwuͤmmen in dem weiten Meer,
Damit ſie wol gewaſchen werden moͤgten,
Nur ſechszehn Erbſen hin und her.
So wenig man
Von ſolchen Erbſen nun vernuͤnftig ſchlieſſen kann,
Daß ſich das Meer daran mit allen Tropfen reibe;
So wenig geht es auch mit Licht und Stralen an,
Daß von denſelben nichts als etwa ſechszehn Erden
Erleuchtet und getroffen werden.
Es geht der groͤſte Teil unendlich weit vorbey.
Mir kommts derhalben glaublich fuͤr,
Daß, ob gleich unſers Coͤrpers Augen
Jn dieſer Welt
Den Licht-Stral nicht zu ſehen taugen,
Wenn ſolcher nicht von Coͤrpern ruͤckwaͤrts faͤllt;
Es darum doch nicht folgen muͤſſe,
Daß nicht in der Natur Geſchoͤpfe ſollten ſeyn,
Die minder Coͤrperlich als wir,
Und die vielleicht allein
Sich an des Lichtes eig’nen Schaͤtzen,
So wie wir uns am Licht im Widerſchein, ergetzen.
Wenn ich demnach von der Sapphirnen Hoͤhe,
Wann ſie eutwoͤlkt, die tiefe Klarheit ſehe;
A 5So10So fuͤl ich mich vor Freuden kaum.
Mich deucht, ich ſeh mit Augen einen Raum,
Wo Millionen Millionen
Verklaͤr’te Geiſterchen und ſel’ge Selen wohnen,
Die all in einem Meer von Licht und Wonne ſchwimmen,
Die all in reiner Gluht von heil’ger Andacht glimmen,
Die all an GOTTES Huld, an Seiner Werke Pracht,
An Seiner Weiſheit, Lieb und Macht,
An Seiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Unendlicher Vollkommenheit,
Zu ihres groſſen Schoͤpfers Ehren,
Jn ſel’ger Luſt, ſich ewig naͤhren.
Kommt dieſe Meinung dir
Vielleicht zu Anfang fremde fuͤr?
So laß dich nur dadurch ſogleich nicht ſchrecken!
Dein Unempfindlichkeit erſchreckt mich noch vielmehr,
Da, zur Verkleinerung von GOTTES Ehr,
Jn ſelbiger betruͤbte Folgen ſtecken.
Jſt es genug,
Den Himmel oben hin nur als ein blaues Tuch,
Wie oder gar nicht, anzuſehn?
Zudem ſo kannſt du ja von den ſo hellen Sternen,
Die wuͤrklich Coͤrperlich, und die, ſo groß als ſchoͤn,
Des Himmels Raum unleugbar ſchmuͤcken,
Dennoch bey Tage nichts erblicken:
Wirſt du dich deßfalls ſie zu leugnen unterſtehn?
Hieraus nun ſiehſt du klar von deinem Blick die Schwaͤche.
Sprichſt du denn wol mit Recht zu meiner Meinung, nein,
Wenn ich, von Anmut heiß, voll Andacht glaub und ſpreche:
Es wird wol alles dort voll Mahanaim ſeyn.
Wie kann ein Menſch den Schoͤpfer beſſer ehren,
Wie kann man Seinen Ruhm doch mehr vermehren,
Wie koͤnnen wir Jhm doch ein beſſer Opfer ſchenken,
Als11Als wenn wir ſtets von Seiner Wunder-Macht,
Von Seiner Weiſ heit, Groͤſſ und Seiner Werke Pracht
Das allergroͤſſeſte, das herrlichſte, gedenken!
Ja wenn ich mich vielleicht auch irren moͤgte;
So iſt jedoch dein Jrrthum groͤſſer.
Denn das, was ich davon aus Ehrfurcht denk, iſt beſſer,
Als wenn ich nichts davon, wie du aus Faulheit, daͤchte.
Du undurchdringliches, allgegenwaͤrtiges Licht!
Der Du der Ewigkeit Unendlichkeit erfuͤlleſt,
Der Du Dich in Dir ſelbſt, zu unſerm Heil, verhuͤlleſt,
Aus welchem als ein Strom der Dinge Weſen bricht,
Du ewig-ſelige Vollkommenheit und Liebe,
Vermehre doch in mir der Andacht reine Triebe!
Ach gieb doch, daß, wenn ich des Himmels blaue Hoͤhe
Jn einem heitern Glanz und reiner Klarheit ſehe,
Es ſtets zu Deinem Ruhm mit frohem Ernſt geſchehe!
Merz -12

Merz-Veilchen und Marien - Bluhmen.

Auf den gevierten Garten-Betten
Sah ich zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Jn ſittſam ſchoͤner Niedrigkeit,
Viel kleine blaue Violetten
Durch ein Smaragden gleiches gruͤn,
Wie Purpurn Amethiſten, bluͤhn.
Jhr lieblich ſuͤſſer Duft
Erfuͤllte rings umher die Luft,
So daß mich der Geruch, noch eh ich ſie erblickte,
Vergnuͤg’t, erfriſcht, ergetzt, erqvickte;
Woruͤber ich mit Andachts-voller Bruſt,
Zum Denkmal der genoſſ’nen Luſt,
Dieß in mein Taſchen-Taͤflein ſchriebe:
Willkommen, liebſtes Fruͤhlings-Kind,
Du Bild der Demut und der Liebe.
Du biſt ſo niedrig und ſo klein,
Und dennoch nimmt die holde Kraft
Von deiner ſuͤſſen Eigenſchaft
Solch einen weiten Kreis in lauen Luͤften ein.
Du dienſt, und kommſt in ſolchem Ueberfluß
So manchem Menſchen zum Genuß;
Du ſollt auch mir in meinem Leben
Zu einem taͤglichen Gebrauch
Ein nuͤtzliches Exempel ſeyn.
Jch will mich Demuts-voll beſtreben,
Jn Sanftmut meinem Naͤchſten auch
Ein gut Exempel ſtets zu geben,
Jhn in der Liebe hoch zu ſchaͤtzen,
Damit er, wie ich mich an dir,
So auch an mir ſich moͤg ergetzen.
Man13Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Sele
Jn dieſer kleinen Purpur-Hoͤle
Ein etwas, das den Glanz vom aͤchten Golde hat.
Sehr zierlich iſt das groſſe Blat
Mit dunklen Aederchen durchſchnitten.
Der Stengel haͤlt, wie eine gruͤne Hand,
Die Bluhmen gleichſam in der Mitten,
Als mit fuͤnf Fingern, uͤberſpannt.
Weil ich hievon den Zweck nun nicht begreifenkann;
So ſeh ich es aufs wenigſt an
Als eine Spur,
Daß die ſtets wechſelnde Natur
Faſt nimmer einerley,
Nein, aber wol in ſtets veraͤnderlichen Bildern
Sowol zu zeichnen als zu ſchildern
An Reichtum unerſchoͤpflich ſey.
Dein Herzen-foͤrmig Blat,
So ich an deinen Stengeln ſehe,
Erinnert mich, daß, wenn ich GOttes Macht
Jn ſeiner Creatur betracht,
Es recht von Herzen ſtets geſchehe.
Noch ſah ich, wie in kleinen runden Hoͤhen
Viel Zungen-gleiche Blaͤtter ſtunden.
Gut, dacht ich, will man wol beſtehen;
So bleibe Zung und Herz zu einem Zweck verbunden.
Hiezu nun fand ich auch ſo gleich Gelegenheit.
Jch ſah, vor Luſt erſtaunt, in ſuͤſſer Zierlichkeit,
Den kleinen weiß - und rot - und bunten Roſen gleich,
Sehr viel Marien-Bluͤhmchen glaͤnzen,
Mit welchen Tellus Reich
Sich pfleg’t am fruͤh’ſten zu bekraͤnzen.
Der Farben Gluht, der Bildung Niedlichkeit,
Die ſich ſo wunderbar vermaͤlen,
Ergetzten durchs Geſicht das Auge meiner Selen.
Jch14Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab,
Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe
Mit aufmerkſamen Augen ſahe,
Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab.
Es ſcheint, daß die Natur,
Damit man GOttes Allmacht faſſe,
Jn dieſes Bluͤhmchens Farb und lieblicher Figur
Sichs gleichſam ſauer werden laſſe.
Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee,
Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen,
Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen.
Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit,
An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren,
Wodurch ſie denn den Unterſcheid
Der lieblichen Figuren mehren.
Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht,
Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen,
Und dann der Sonne guͤld’nes Licht
Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen,
Das Aug und Herz vergnuͤg’t.
Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein
Recht candiſirt zu ſeyn.
Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen,
Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen,
Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen,
Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!
Die15

Die Schnee - und Crocus-Bluhme.

Als neulich ich in ſtiller Luſt
Und mit recht inniglich geruͤhrter Bruſt,
Zuſammt der Purpurnen Hepatica,
Die Schnee - und Crocus-Bluhmen ſah
Aus der noch unbelaubt - und nackten Erde ſteigen;
Vergnuͤg’t ich mich zuerſt, ſie uͤberhaupt zu ſehn,
Da ihre Menge denn, der Farben Unterſcheid
Und Miſchung mir in holder Lieblichkeit
Ein buntes Ganz recht Wunder-ſchoͤn
Vor Augen ſtelleten. Jch ſah hernach
Die weiſſe Pracht von einer Schnee-Bluhm an,
Woruͤber man ſich nicht genug verwundern kann.
Man ſiehet die Natur auf ihren Blaͤttern ſcherzen.
Die innern ſind bemal’t mit kleinen gruͤnen Herzen,
Der frohen Hoffnung Lieberey.
Jch wuͤnſch, indem ich dieſes ſehe,
Daß, da der Fruͤhling in der Naͤhe,
Mein Herz auch voller Hoffnung ſey,
Den GOTT, durch den allein ſo Froſt als Sturm vergehen,
Jm Fruͤhling froͤhlich zu erhoͤhen.
Ein ander Ahrt, nicht minder Schimmer-reich,
Sieht kleinen Tulipanen gleich.
Jn deren Mitte ſtehn, von einer Groͤſſe
Auf kleinen Silber-weiſſen Fuͤſſen
Sechs kleine guͤldene Gefaͤſſe,
Die, allem Anſehn nach, den Balſam in ſich ſchlieſſen,
Der unſ’re Naſ erquickt,
Den jedes aus zwo kleinen Roͤhren,
Um unſ’re Luſt zu mehren,
Vermutlich immer aufwaͤrts ſchickt.
Jch16Jch brach darauf ein Crocus-Bluͤhmchen ab,
Wovon ein jeglichs mir, als ich es nahe
Mit Achtſamkeit beſahe,
Ein ſonderbar Vergnuͤgen gab.
Des gelben Bluͤhmchens Schein
Schien Gold, und die Figur ein kleiner Kelch, zu ſeyn.
Von eben dieſer Ahrt ſieht man mit tauſend Freuden
Verſchied’ne ſich in hohen Purpur kleiden.
Verſchiedliche ſind weiß, wie Silber, und zugleich
An Purpur aͤuſſerlich, an Gold von innen, reich.
Sie ſtellen all in Wunder-ſchoͤnem Flor
Des Reichtums und der Ehr beliebte Farben vor.
Wie ich nun bald den Glanz, bald ihrer Adern Zier,
Bald ihrer Farben bunten Schein
Mit Anmut uͤberſah; fiel unvermutet mir
Recht mitten in der Luſt was traurigs ein:
Jn wenig Stunden
Jſt alles ſchoͤne weg, iſt alle Pracht verſchwun -
den.
Ach! fuhr ich ferner fort, ach waͤret ihr allein
So unbeſtaͤndig und ſo fluͤchtig!
Ach daß auch wir nicht minder nichtig,
Hinfaͤllig und vergaͤnglich ſeyn!
Doch wie? begriff ich mich hierauf
Nach einem kurzen Trauren,
Jſt es auch recht, wenn wir der Dinge Lauf,
Den GOTT verordnet hat, bedauren?
Dieweil es GOTT, dem HERRN der Welt,
Alſo gefallen und gefaͤllt;
So muß die fluͤchtige Beſchaffenheit
Der Dinge beſſer ſeyn, als die Beſtaͤndigkeit.
Auch17Auch uͤberfuͤhret mich
Die Wahrheit, daß mein Leid und Tadel laͤcherlich.
Was wuͤrd auf unſ’rer Erden,
Vergingen Bluhmen nicht, doch fuͤr ein Zuſtand werden?
Sie wuͤrden uns nicht nur viel weniger vergnuͤgen,
Nein, allenthalben gar im Wege liegen.
Es kommt hinzu, daß, obs gleich nicht ſo ſcheint,
Und ob es gleich die Menſchheit nicht vermeint,
Sie jedennoch nicht ganz vergehen.
Es welkt die aͤuſſ’re Bildung nur;
Jhr Weſen, Sam und Geiſt beſtehen.
Die unzerſtoͤrliche Natur
Jm Waſſer, in der Luft und Erden
Laͤſſt nichts zunichte werden.
II. Theil. BEin18

Ein Bett voll Hyacinthen.

Jch ſahe juͤngſt mit Luſt im lauen Lenzen
Auf einem Garten-Bett viel Hyacinthen glaͤnzen.
Das allerfeinſt und rein’ſte Porcellein
Kann nicht ſo glatt, ſo rein,
So ſchoͤn von Farb und Waſſer, ſeyn,
Als die mit weiß vermiſchte blaue Glaͤtte
Das ganze Bette
Mit einem vielfach-blauen Glanz
So ſehr nicht ziert, als ganz
Bedeckt und uͤberzog. Jch ſah mit tauſend Freuden,
Wie lieblich ſich die ſchoͤnen Bluhmen kleiden.
Obgleich die meiſten blau, war es doch unterſchiedlich.
Wenn jene dort recht wie Ultra-Marin
Jm dunkel-blauen glaͤnzt und ſchien;
So wies die Nachbarinn recht ſanft und niedlich
Ein helles Himmel blau, und die bey dieſer ſtand,
Hatt ein faſt Purpurnes, ein roͤtlich blau Gewand.
Jndem ich dort verſchied’ne weiß wie Schnee,
Noch and’re, die mit etwas rot gemiſchet,
Jn Perl - und Fleiſch-Farb ſpielen ſeh;
Ließ ich von ungefehr den Blick den ganzen Hauſen
Auf einmal uͤberlaufen,
Und ward recht inniglich erfriſchet,
Als mir ihr ſchoͤnes Ganz
Des heitern Himmels Glanz
So gar auf Erden wies. Jhr Wunder-ſchoͤnes Blau,
Das ich, GOtt Lob! nicht, ohn an Den zu denken,
Der alles ſchoͤne ſchaffet, ſchau,
Bewog mich, mein Gemuͤt aufs neu auf GOtt zu lenken,
Und19Und Jhm, von Andachts-Flammen heiß,
Zum Opfer, meine Luſt zu ſchenken;
Weil ich nichts beſſers Dem zu ſchenken weiß,
Der alles bloß aus Gnad erſchaffen, Den die Liebe
Allein, ſo mancherley hervor zu bringen, triebe.
Jch roch darauf den Ambra-Duft,
Womit der Bluhmen Heer die laue Luft
So lieblich fuͤllete. Der ſaͤurlich ſuͤſſe Saft
Erfuͤllte mich mit neuer Kraft,
Daß ich dem Schoͤpfer dieſer Bluhme,
Durch die er mein Gehirn erqvickte,
Zum Dank und Ruhme
Den Othem, der, da ich ihn in mich zog,
Mich zur Erkenntlichkeit mit hoͤchſtem Recht bewog,
Jn Seufzern voller Dank zuruͤcke ſchickte,
Und GOtt, der mir ſo viele Gnad erwieſe,
Jm innerſten von meiner Sele prieſe,
Mit dieſem Wunſch: Laß mich, o Geber aller Gaben,
An Deinen Gaben ſtets zu Deinem Ruhm mich laben!
Noch fand ich mich aufs neu geruͤhret,
Und ward durchs gruͤne Laub ſo gar,
Das dieſe Bluhm umgiebt und zieret,
Aufs neu ergetzt, aufs neu zu GOtt gefuͤhret.
Jch ward recht eigentlich gewahr,
Wie an der Bluhme Fuß ſechs gruͤne Ecken
Sich rings, ſo uͤm als von dem Stengel ſtrecken,
Und einen gruͤnen Stern formiren,
Wodurch ſie das ſonſt nackte Land
Mit einem eig’nen Bilde zieren.
Jch ſahe jedes Blat aufmerkſam an, und fand,
Daß jedes etwas hol; daher vermutet ich,
Daß ſie abſonderlich gleich einer Hand
Sey ausgeſpannt,
B 2Damit20Damit die Feuchtigkeiten ſich,
Um ihre Zwiebel wol zu traͤnken,
Recht als durch kleine Rinnen ſenken;
Wie mir denn in die Augen fiele,
Daß unten an dem Stiele
Ein abgerolltes Waſſer ſtund,
Das wie ein Berg-Kryſtall ſo klar,
So weiß recht wie ein Silber war.
Hieran erfriſchte ſich mein Aug und mein Gemuͤte:
Jch fand in dieſer reinen Klarheit
Noch eine neu und unleugbare Warheit
Von GOttes Weiſheit, Macht und Guͤte.
Fruͤh -21

Fruͤhlings-Betrachtung.

DJe Zweige, die noch geſtern leer,
Die ſcheinen itzo recht, als ob in einer Nacht
Der jungen Blaͤtter gruͤne Pracht
Vom Himmel drauf geregnet waͤr.
Auf andern liegt es voll, als waͤren weiſſe Ballen
Vom zarten Schnee darauf gefallen.
Hier ſcheint der Bluͤhte Schnee die Blaͤtter zu verſtecken,
Dort ſcheint das gruͤne Laub der Bluͤhte Schnee zu decken.
Es war das junge Laub ſo klar,
Und zeiget ein ſo lieblich Gruͤn,
Zumalen wenn die Sonn auf deſſen Seite ſchien,
Daß alles, was man ſah, ſo gar
Durchſichtig und durchleuchtig war.
Durchleuchtig iſt das Laub, durchleuchtig iſt die Bluͤhte,
Durchleuchtig Gras und Kraut.
Daher bezaubert itzt faſt alles, was man ſchaut,
Das menſchliche Gemuͤte.
Es ſcheint, ob woll auf allen Zweigen
Kein irdiſches, ſo gar ein geiſtigs, Gruͤn ſich zeigen.
Man ſieht durch die belaubt - doch noch geſeh’nen Aeſte
Den glaͤnzenden Sapphir der Feſte.
Die Klarheit der durchſtral’ten Blaͤtter
Jſt das was uns bey heiterm Wetter
An der aufs neu belaubten Welt
So ſehr ergetzt, ſo wol gefaͤllt.
Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden,
Da auf dem zarten Laub ſelbſt mit des Himmels Licht
Die ird’ſchen Farben ſich verbinden,
So, daß ein jedes Blat, wodurch die Sonne ſtral’t,
Den Augen groͤſſ’re Luſt verſchafft,
B 3Als22Als wenn durch einen duͤnnen Tafft,
Worauf des Kuͤnſtlers Hand mit Waſſer-Farben mahlet,
Bey dunkler Nacht ein helles Licht
Jn einem bunten Schimmer bricht.
Denn dieſe Blaͤtter ſind nicht nur illuminiret;
Nein, wenn die Sonn ihr Bild in ihre Flaͤche druͤckt,
Wird jedes Blat,
Wovon die eine Seite glatt,
Mit einem hellen Schein geſchmuͤckt,
Mit einem kleinen Glanz gezieret,
Der, wenn durch Zweig und Laub der laue Zephir kuͤlet,
Recht lieblich hin und her mit holdem Blitzen ſpielet.
Des funkelnden Smaragds durch Kunſt geſchliffne Spitzen
Die haben nie mein Herz ſo ſehr durchs Aug ergetzt,
Als wie der glatten Blaͤtter Blitzen
Durch ihren gruͤnen Glanz mein Herz in Freude ſetzt.
Wenn ſich nun noch die zarten Schatten
Mit aller dieſer Schoͤnheit gatten,
Und daß die ſanfte Dunkelheit
Nicht nur der Farben Glanz, der Lichter Lieblichkeit,
Nein, durch die Schatten-Bluͤht und Schatten-Blaͤtter gar,
Die wahren Bluͤht und Blaͤtter zu vermehren
Und zu erheben ſcheint; werd ich mit Luſt gewahr,
Wie auf den dicht belanbt - und reich bebluͤhmten Zweigen
Durch Schatten in der Sonnen Stral
Veraͤnderungen ohne Zahl
Sich jeden Augenblick an jedem Orte zeigen.
Die Stelle, die itzt weiß, wird dunkel; gelblich gruͤn
Wird die vorhero dunkel ſchien.
Hiedurch, wenn Zweig und Laub bald ſinken, bald ſich heben,
Scheint alles, was wir ſehn,
Jn gruͤner Daͤmm’rung bald zu ſtehn,
Und bald im gruͤnen Licht zu ſchweben.
Der23Der Grund, der hinter ihrer Pracht,
Und ſie um deſto ſchoͤner macht,
Jſt hier das reine Blau der Luft,
Das wie ein funkelnder Sapphir voll Glanz und Licht
Durch die ſo zart - und klaren Blaͤtter bricht,
Und eben durch die Dunkelheit
Der friſchen Blaͤtter Lieblichkeit
Um deſto mehr erhoͤht,
Jnzwiſchen daß an einem andern Ort
Der Blaͤtter gelbe Klarheit dort
An einer hellen Wolk in guͤld’nem Felde ſteht.
Hier ſticht ein dunkles Gruͤn vom gelblicht-Gruͤnen ab,
Ein helles nimmt ſich dort hingegen ſchoͤner aus,
Weil ein verdunkelt Gruͤn,
Damit es ſo viel heller ſchien,
Jhm gleichſam eine Fulge gab.
Die Buͤſche ſcheinen nun hiedurch noch eins ſo kraus,
Noch eins ſo Blaͤtter-reich. Nicht minder nimmt der Wald
Durch dieſen Unterſcheid
Vom gruͤnen Licht und gruͤner Dunkelheit
Die allerlieblichſte Geſtalt.
Ach liebſter GOtt! wie funkelt, glaͤnzet,
Wie prangt und gluͤht die gruͤne Welt,
Wenn auf das Laub, das ſie bekraͤnzet,
Das guͤld’ne Licht des Himmels faͤllt!
Wenn auf das Gruͤn der jungen Blaͤtter
Der Sonne himmliſch Feuer ſtral’t;
So ſchein’t in einem heitern Wetter
Das Paradis ſelbſt abgemahl’t.
B 4Bluͤ -24

Bluͤhende Pfirſchen und Aprikoſen.

Jch ſah an einer Garten-Wand
Juͤngſt einen Pfirſch-Baum ausgeſpannt,
Deß, dem Rubin Balaß an Farben gleiche, Bluͤhte
Jm angenemen Schimmer gluͤhte.
Es glich der ganze Baum ſo wol an Form und Glanz,
Als runder gruͤner Zierlichkeit,
Faſt einem glaͤnzenden erhab’nen Pfauen-Schwanz,
Nur bloß mit dieſem Unterſcheid:
Da dort des Pfauen gruͤnes Rad
Vom blauen funkelnden Sapphir
Viel hundert ſchoͤne Augen hat;
So prangt des Pfirſch-Baums Cirkel hier
Jn ſeinem ja ſo ſchoͤnen Gruͤnen
Mit tauſend Augen von Rubinen.
Nicht leicht kann man was ſchoͤners ſehn,
Als wenn wir etwan an der Seiten
Von einem bluͤhenden belaubten Pfirſch-Baum ſtehn.
Die Blicke, die ſodann
Gemaͤlich uͤber Bluhmen gleiten,
Die ſehn den ſonſt zerteilten Glanz
Nicht anders an,
Als ein vereintes Ganz,
Und ſcheint ſodann die ganze Wand
Mit Decken von Damaſt,
Die Roſen-farb gefaͤrbet, uͤberſpannt.
Wenn man dieſelbigen nun in der Naͤhe ſieht,
Erblickt mit tauſend Luſt ein aufmerkſam Gemuͤt,
Viel tauſend weiſſe Spitzen
Auf noch nicht off’nen Knoſpen ſitzen,
Die,25Die, wie ein weiſſer Pelz von Hermelinen,
Zum Schutz der zarten Bluͤhte dienen.
Wenn ſich dieſelbe nun zerteilet; ſiehet man
Zuerſt ein ſchoͤnes Rot, das man Rubinen
Mit allem Recht vergleichen kann.
Sie ſind ſodann recht Wunder-ſchoͤn
Wie Roſen-Knoͤſpchen anzuſehn.
Die roten Kuͤgelchen nun oͤffnen ſich,
Wenn ſie die Sonn anſtral’t, faſt ſichtbarlich.
Wann ich darauf die offne Bluͤhte ſchau;
Entdeck ich voller Luſt, und ſehe mit Vergnuͤgen
Ein weißlich rot, ein roͤtlichs blau
Jn ſuͤſſer Zaͤrtlichkeit ſich auf den Blaͤttern fuͤgen.
Es wird das Rot allmaͤlich blaß,
Recht, wie geſag’t, als ein Rubin-Balaß
Es ſieht der Roſe dann, die wild und roͤtlich-bleich,
An Form und Farb ein jedes Bluͤhmchen gleich.
Der ganze Pfirſch-Baum ſcheint in einem holden Schein
Ein groſſer Roſen-Buſch zu ſeyn;
Der aber (wie nicht leicht ein Roſen-Buſch ſonſt pfleget,)
Kein Laub und keinen Dorn, nein nichts als Bluhmen,
traͤget.
Noch war in gleicher Form zu ſchauen
Ein recht als wie mit Silber-Schaum
Geſchmuͤckter Aprikoſen-Baum;
Er gliech dem ſchoͤnen Schweif von einem weiſſen Pfauen.
Aus Knoſpen, wenn ſie noch nicht ganz
Geoͤffnet, ſieht man recht in einem weiſſen Glanz,
Gleich wie aus roͤtlichen zerborſt’nen Schalen,
Die Bluͤht als einen Stern mit weiſſen Spitzen ſtralen.
Wie aber die, ſo bald ſie aufgebluͤht,
Den weiſſen Roſen aͤhnlich ſieht;
So ſiehet auch der Baum, an ſchoͤnen Bluhmen reich,
B 5Dem26Dem weiſſen Roſen-Buſch ohn Laub und Dornen gleich.
Willt du nun recht was zaͤrtlichs ſehn;
So ſchau ein ſolches Blat
Aufmerkſam an, wie Wunder-ſchoͤn
Jn ſelben kleine Baͤume ſtehn,
Die ſich darin mit Staͤmm - und Zweigen
Verwunderlich und deutlich zeigen.
Von dieſen glaubet man, daß in den zarten Roͤhren
Die Saͤfte, ſo die Fruͤchte naͤhren,
Bereitet, ausgekocht und zugerichtet werden,
Ja daß ſo gar des Samens Geiſt und Kraft
Jn dem gelaͤuterten oft umgetrieb’nen Saft
Jn dieſer Blaͤtter zarten Decken
Geheimniß-voll verborgen ſtecken.
Die Bluhmen laſſen durch die Spitzen
Da, wo ſie an dem Kelch vereinet ſitzen,
Ein Sternen-foͤrmiges ein gruͤnlich Bluͤhmchen ſehn,
Jn deſſen Mitte ſich von kleinen Stangen
Ein netter Zirkel zeigt, worauf ſo zart als ſchoͤn
Mit einem duͤnnen Staub bedeckte Zaͤſer hangen,
Die durch den allerkleinſten Wind
Verwunderlich beweglich ſind,
Aus deren Mitte denn noch eine ſteiget,
Die als ein Mittel-Punkt der zarten Frucht ſich zeiget.
O wunderbar Gewebe der Natur!
Wer dich mit menſchlichem Gemuͤt
Und nicht mit vieh’ſchen Augen ſieht;
Der kann die Allmachts-volle Spur
Von einem ew’gen Wunder-Weſen
Auf deinen Blaͤttern deutlich leſen.
Demnach ſey dir, mein Herz, forthin jedwede Bluͤhte
Ein kleines Lehr-reich Buch von GOTTES Macht und
Guͤte!
Jch27
Jch ſah mit hoͤchſter Luſt und innigem Ergetzen
Des Schoͤpfers Werk an dieſen Fruͤhlings-Schaͤtzen;
Mir fiel zu gleicher Zeit bey ſolchem holden Schein
Mit Dank-erfuͤllter Selen ein,
Wie nuͤtzlich dieſe Bluhmen ſeyn;
Welch eine ſchoͤne Frucht aus ihrer Schoͤnheit ſprieſſet,
Von welcher man zur ſchwuͤlen Sommer-Zeit
Die wunderbare Lieblichkeit
Nicht mit dem Auge nur, mit Zung und Gaum, genieſſet.
Der Aprikoſen Silber-Bluͤht
Wird Gold in ihrer Frucht, und ſtral’t in gelber Zier,
Die oft recht wie Aurora gluͤht,
Zumal wenn man ſie recht gehaͤuft wie Trauben ſieht,
Aus ihrem gruͤnen Laub herfuͤr;
Jhr Saft erfriſcht das Blut und das Gemuͤte.
Wie herrlich glaͤnzt die Pfirſich, wenn ſie reif’t,
Auf welcher ſich der Schmuck verſchied’ner Farben haͤuf’t!
Bald funkelt ſie in ihrem holden Gruͤnen
Wie groſſe Kugeln von Rubinen;
Bald blitz’t ein Silber-weiß auf ihnen;
Bald glimmen ſie wie Gold; bald ſieht man, wie die Pracht
Von holden Roſen-roten Wangen,
Wenn ſie am allerſchoͤn’ſten prangen,
Bey holder Fleiſch-Farb uns anlacht.
Auf mancher zeiget ſich ein bunter Stral
Von allen Farben auf einmal.
Es iſt ein ſolcher Baum ſo Wunder-ſchoͤn,
Wenn viele Fruͤchte drauf, die reif ſind, anzuſehn,
Daß, uneracht der ſuͤſſen Luſt,
Die ihm durch den Geſchmack die heiſſe Bruſt
Und ſeinen trocknen Gaum erqvicket,
Ein Naͤſcher ſelbſt ſie faſt mit Unmut pfluͤcket.
Bewund’re ferner nun, mein Herz, zu GOttes Ehre,
Von28Von dieſer reifen Frucht die Groͤſſ und Schwere,
Da viele mehr als zwey Pfund am Gewicht,
Durch die gehaͤuf’te Meng der Feuchtigkeiten, haben:
Erkenn auch hierin doch des groſſen Gebers Gaben!
Vergiß dafuͤr des Dankens nicht!
Wenn den Mund die Pfirſich fuͤllet,
Und den Durſt mit Anmut ſtillet,
Daß die Zung in Honig ſchwimm’t;
Ach! ſo ſchaͤtz’t es nicht geringe!
Dankt dem Schoͤpfer aller Dinge,
Der euch ſo viel Gut’s beſtimm’t!
Kirſch -29

Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht.

Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte
Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te,
Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein;
Jch glaubt, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn.
Es ſchien, ob waͤr ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt
Trug gleichſam eine rechte Laſt
Von zierlich-weiſſen runden Ballen.
Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat,
Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht
Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht,
So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat.
Unmoͤglich, dacht ich, kann auf Erden
Was weiſſers ausgefunden werden.
Jndem ich nun bald hin bald her
Jm Schatten dieſes Baumes gehe:
Sah ich von ungefehr
Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe
Und ward noch einen weiſſern Schein,
Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar,
Faſt halb darob erſtaunt, gewahr.
Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn
Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht
Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht,
Das mir recht in die Sele ſtral’te.
Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze.
Die groͤſte Schoͤnheit dieſer Erden
Kann mit der himmliſchen doch nicht verglichen werden.
Noch30

Noch einige Betrachtung der Bluͤhte.

Seht, wie am Birn-Baum ſich die Blaͤtter-Knoſpen
ſpitzen,
Allmaͤlich ſich entwickeln und verbreiten!
Ey ſeht, wie dort, voll krauſer Zierlichkeiten,
Die ſchwangern Trage-Knoſpen ſitzen!
Man ſieh’t ihr ſanft-behar’t ihr weißlich gruͤn
Sich zaͤrtlich von einander beugen,
Und gleichſam ſichtlich ſich bemuͤhn,
Den Schatz der Bluhmen uns zu zeigen.
Der Apfel-Baum faͤngt gleichfalls an,
Auf eine lieblich ſuͤſſe Weiſe,
Die man nicht g’nug bewundern kann,
Zu unſ’rer Freude, GOtt zum Preiſe,
Sein Laub noch auf beſond’re Ahrt
Zugleich nebſt ſeiner Bluͤht uns vorzulegen.
Die Knoſpen, die ſo ſanft und zart
Sich allgemach zu oͤffnen pflegen,
Bemuͤhen ſich, auf allen Seiten
Mit gleicher Zierlichkeit ſich auszubreiten;
Da in der Mitte denn die Trage-Knoſpen ſtehn,
Woran zuerſt ein krauſes Weſen nur
Jn einer noch nicht ganz entwickelten Figur
Noch ungeform’t noch ungeteilt zu ſehn;
Die aber bald
Zu unſerm Nutzen und Bergnuͤgen
Ein angenem gebildete Geſtalt,
So bald ſie ſich zerteilen, kriegen.
Man ſieht ſodann derſelben viele
Aus einer Knoſp entſtehn. Man ſieht die zarten Stiele
Mit Silber-grauem Har bedecket und geſchmuͤckt,
Die31Die oben allgemach verdickt,
Sich in fuͤnf Spitzen abwaͤrts beugen,
Dadurch ſie denn die Form von Sternchen, welche gruͤn,
Und in dem Mittel-Punkt, als waͤr es ein Rubin,
Die Gluht der roten Bluͤhte, zeigen;
Die aber gleich, ſo bald ſie offen gehn,
Um unſer Auge mehr noch zu erfriſchen,
Jhr funkelnd rot mit reinem weiſſen miſchen,
Wodurch ſie, hier geſtreift und bunt, dort Wunder-ſchoͤn
Wie holde Leib-Farb anzuſehn.
Die noch nicht voͤllig off’ne Bluͤht
Formiret oft in netter Zierlichkeit
Von Roſen-Knoſpen einen Kranz,
Jn deſſen Mitte man in einem weiſſen Glanz
Ein off’ne weiſſe Roſe ſieht.
Der ſchoͤnen Form-ſowol als Farber Unterſcheid
Und angeneme Lieblichkeit
Von einer ſolchen Apfel-Bluͤhte
Kann auch faſt wider unſern Willen
Ein unaufmerkſam Aug, ein ſchlaͤfriges Gemuͤte
Mit Luſt (ach waͤr ſie ſtets mit Dank begleitet!) fuͤllen.
Nicht minder heben itzt zur Luſt verſchied’ner Sinnen,
Die man daran vergnuͤgen kann,
Die bis daher erſtorb’nen Reben an,
Viel tauſend Augen zu gewinnen;
Sie fangen itzt vor Freuden an zu weiten,
Da ſie der Sonnen Waͤrm und Licht aufs neu beſcheinen.
Ein braͤunlich zartes Har, weich wie der Serer Seiden,
Scheint die Gebaͤhrerinn der Blaͤtter zu bekleiden,
Woraus hernach und aus noch andern Sachen
Recht zierlich, aus der Maſſen ſchoͤn,
Nebſt manchem fliegenden Gewuͤrm,
Die Weſpen ihre Neſter machen,
Wie ich es oft Verwund’rungs-voll geſehn.
Aus32Aus dieſem ſteigt allmaͤlich manches Blat,
Das unvergleichlich nett und zierlich ausgekerbet,
Das gelblich-gruͤn geſaͤrbet,
Wobey es lieblich glaͤnzt. Es iſt ſo glatt,
Als waͤr es recht lackiret,
Worauf jedoch bald hier bald dar
Ein zartes Silber-graues Har
Es kraͤnzet, ſchmuͤckt und zieret.
Auf unſ’rer Kirſchen-Baͤum itzt reich beknoſpten Zweigen
Sieht man die runden Knoſpen ſich
Jn einer zierlichen Figur
Recht eigentlich
Als kleine gruͤne Trauben zeigen.
Man ſieht faſt uͤberall ein ſanft Bewegen,
Man ſieht die emſige Natur
Sich allenthalben regen.
Was heute gruͤn, ſteht morgen allbereit
Jn einer weiſſen Lieblichkeit.
Es ſehn ſodann die Federn von dem Strauß,
Auch die vom Schwan nicht einſt ſo weiß, ſo weichlich aus,
Abſonderlich, wenn man die weiſſe Bluͤht
Zu einer Zeit, da ungefehr
Die laue Luft vom Regen ſchwer,
Entgegen truͤbe, falb und dunkle Wolken ſieht.
Denn durch den Gegenſatz der Dunkelheit
Glaͤnzt, ſchimmert, glimmt und ſcheint der weiſſen Bluͤhte Zier
Noch einſt ſo hell berfuͤr.
Jndem die Zweige nun durchs Laub noch nicht verſtecket,
Wird der verſchreikten Aeſt und Blaͤtter Dunkelheit,
Die wie ein Netz ſich durch einander flicht,
Beym weiſſen Glanz der Bluͤht um deſto mehr entdecket,
So daß der Bluhmen weiſſes Licht
Mit ihrer dunk’len Zweige Nacht
Ein angeneme Daͤmm’rung macht.
Man33Man kann nichts angenemers ſehn,
Als wenn wir unter ſolchen Baͤumen,
Die in der beſten Bluͤhte ſtehn,
Spatziren gehn,
Und unſern Blick ſodann erhoͤhn,
Da gruͤn und weiſſe Schatten
Sich lieblich gatten,
Und uns ſo ſanft bedecken und ergetzen,
Daß ſie ein frommes Herz, das, in ſo holder Luſt,
Mit Andacht angefuͤll’ter Bruſt,
An ſeinen Schoͤpfer denkt; faſt aus ſich ſelber ſetzen.
Der Blaͤtter jung - und zaͤrtlichs Gruͤn,
Das mit den Bluhmen in die Wette
Zu wachſen ſchien,
Ließ recht, als ob es dieß zum Endzweck haͤtte,
Nicht nur ihr Gruͤn ins Weiß zu miſchen,
Um dadurch deſto mehr die Augen zu erfriſchen;
Es ſchein’t ſo gar mit Fleiß
Sich emſig zu bemuͤhn,
Um durch der holden Dunkelheit
Die Augen-ſtaͤrkende ſanft gruͤne Lieblichkeit,
(Damit uns nicht das gar zu ſtarke Weiß
Der hellen Bluͤhte moͤgte blenden)
Solch Uebel von uns abzuwenden.
Da denn zugleich die Miſchung deſto mehr
Die Augen durch die Aend’rung ruͤhret,
Und man ſowol vom Laub als durch der Bluhmen Heer
Ein unausdruͤcklich ſuͤß, ich weiß nicht was, verſpuͤret.
Verſchied’ne kleine Knoſpen blitzen
Durch noch nicht offene, doch ſchon getheilte Spitzen
Der gruͤnen Blaͤtterchen, als Sterne voller Licht.
Dort trifft man gleichſam einen Kranz,
Jn welchen die Natur, voll Klarheit Ruͤnd und Glanz
Viel Perlen zwiſchen Bluhmen flicht,
Voll angenehmer Schoͤnheit an.
II. Theil. CWen34Wen dieſer Glanz nun noch nicht treiben kann,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu preiſen,
Dem will ich Jhn noch ſchoͤner weiſen.
Er ſchau einſt einen Kirſchen-Baum,
Der an der Garten-Wand
Mit ſeinen Zweigen ausgeſpann’t,
Jn ſeiner Bluͤhte Schmuck bey Licht des Abends an!
Wofern die klare Pracht ſodann
Jhn aus dem ſchweren Traum
Der Unempfindlichkeit nicht reiſſet;
So weiß ich wahrlich nicht, ob man
Solch einen Menſchen wol mit Recht vernuͤnftig heiſſet,
Jndem er faſt mit Fleiß dem Schoͤpfer widerſtreb’t.
Es iſt ſo Bluͤht als Laub ſo zart und duͤnn geweb’t,
Und ſo durchleuchtig, ſo durchſichtig,
Daß ein daran gehalten Licht
Durch ihr ſubtiles Weſen bricht,
Und ſelbſt, dadurch gefaͤrb’t, die Luft illuminiret,
So daß man hie und dort ein buntes Feuer ſpuͤret.
Ja da zugleich der Blick durchs dunk’le noch geſtaͤrkt,
Wird an der Wand zugleich vermerkt,
Wie ſchnell ſich manches Bild daran formiret,
Wie viele ſanft - und klare Schatten,
Die bald ſich trennen, bald ſich gatten,
Die ſchnell entſtehn und ſchnell vergehn,
Durch ihre Dunkelheit
Des ſchoͤnen Urbilds Lieblichkeit
Und bunten Glanz noch mehr erhoͤhn.
Ach GOtt, da wir auf dieſer Erden
Durch Deine Creatur ſo oft vergnuͤget werden;
So gib doch, daß, ſo oft ich etwas ſchoͤnes ſehe,
Es, ohn an Dich, Quell aller Herrlichkeit,
Quell aller Schoͤnheit, Pracht und Vollenkommenheit,
Mit Andacht und mit Luſt zu denken, nie geſchehe!
Die35

Die Bienen.

Jndem ich juͤngſt vergnuͤget und allein
Bey einem Apfel-Baum in voller Bluͤhte,
Der angeſtralet war vom hellen Sonnen-Schein,
Voll froͤhlicher Betrachtung ſtand,
Und mein geruͤhretes Gemuͤte
Zu GOttes Ruhm darin ſo manchen Vorwurf fand;
Ward ich zugleich auf ungezaͤhlten Zweigen,
Die durch der Bluhmen Meng und Laſt ſich gleichſam
beugen,
Von Bienen eine ganze Schar,
Voll munt’rer Emſigkeit, gewahr.
Jch ſah und hoͤr’te ſie mit innigem Vergnuͤgen
Und lieblichem Gemurmel fliegen.
Jch ſah ſie, theils um ſich zu traͤnken,
Theils Honig und theils Wachs heraus zu ziehn,
Jn jede Bluͤht mit emſigem Bemuͤhn
Die kleinen rauhen Haͤupter ſenken.
Jch ſah, wie ſie die ſuͤſſe Laſt,
So bald ſie etwas aufgefaſſt,
Jndem ſie in der Luft mit frohem ſumſen ſchweb’ten,
An ihre Fuͤſſe kuͤnſtlich kleb’ten.
O wunderbarer GOtt! fing ich vor Freuden an,
O wunderbarer GOtt! wer leb’t auf dieſer Erden,
Der Deine weiſe Macht begreifen kann?
Die klein’ſte Creatur erheb’t des Schoͤpfers Preis,
Ein fliegend Wuͤrmgen zeig’t Witz, Vorſicht, Kunſt und Fleiß.
Es hat kein Sterblicher bishero noch entdecket,
Was fuͤr ein Wunderwerk in einer Biene ſtecket.
Kein Meuſch vermag ſo, wie die kleine Bien,
C 2Aus36Aus Bluhmen Honigſeim zu ziehn.
Wir wuͤſten nicht einmal ohn ihre Lehre,
Daß in den Bluhmen Honig waͤre.
Mein GOtt! ach laß das Heer der kleinen Bienen
Mir doch zu einem Lehr-Bild dienen!
Laß mein betrachtendes Gemuͤte
Doch auch, wie ſie, aus jeder Bluͤhte,
Durch die darauf mit Ernſt gewandten Augen,
Der wahren Andacht Honig ſaugen!
Laß meine Sele ſich, o GOtt! zu Deinen Ehren
Jn jeder Bluhme holden Pracht
An Deiner Weiſ heit, Lieb und Macht,
Mit ſroͤhlichen Gedanken naͤhren!
Die37

Die Muſcat-Hyacinthe.

Du faſt von Farb und Form entbloͤſſtes Fruͤhlings-Kind,
An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,
Ein ſchmutzig gruͤnlichs Braun, ohn allen Zierrat, ſchau,
Du unanſehnliche Muſcaten-Hyacinth!
Du ſiehſt im bunten Bluhmen-Reich
Kaum einer Bluhme gleich,
Und dennoch bricht aus dir
Ein recht balſamiſcher Geruch herfuͤr,
Der dem Ceyloniſchen Gewuͤrze faſt nicht weicht,
Und holdem Ambra ſelbſt an ſuͤſſer Staͤrke gleicht.
Du dieneſt mir, zu GOttes Preiſe,
Zum unumſtoͤßlichen Beweiſe
Der nicht zu zaͤhlenden Veraͤnd’rung der Figuren
Jn Seinen ſchoͤnen Creaturen,
Und dieß vermehr’t des Schoͤpfers Ehre.
Jm weltlichen gibſt du mir dieſe Lehre:
Mein Herz, laß dir den aͤuſſerlichen Schein
Kein Fall-Strick ſeyn!
Denn ein geflicktes Kleid und ſchmutz’ger Mantel decket
Gar oft ein Herz, in welchem Weiſ heit ſtecket.
C 3Die38

Die Tulpe.

Mein Gaͤrtner bracht im Januario
Mir eine Tulpe, die ſchon bluͤh’te,
Die, Zeit und Froſt zu Trotz, in dunklem Purpur gluͤh’te.
Derſelben Farben glaͤnzten ſo,
Daß ſie dem gierigen Geſicht
(Als in der Dunkelheit ein ſchnell erblicktes Licht)
Ein ganz allein geſeh’ner Vorwurf war.
Ach! Ey du lieber GOtt! iſts moͤglich? das iſt rar!
Rief jeder, der ſie ſah: Ey das iſt gar zu ſchoͤn;
Und kurz: Kein einziger vermogt ſich ſatt zu ſehn
An dieſer Bluhme fruͤhen Pracht.
Man nam ſo Bluͤht als Laub, ſo Farb als Form in acht,
Und zwar mit groſſer Luſt und ungemeinem Fleiß,
Da doch, wenn GOtt, wie itzt, uns Millionen ſchenket,
Man an derſelben Schmuck kaum einmal recht gedenket,
Und nichts von Anmut, Luſt, von Dank und Freuden weiß.
Ach zeiget denn nur bloß der Mangel unſern Augen,
Was Ueberfluß verbirgt? Jſt wenig mehr, als viel?
Hat unſ’rer Sele Kraft nur ein ſo kurzes Ziel?
Kann der Gewonheits-Dunſt uns ſo zu blenden taugen,
Daß wir, ſo bald uns GOtt viel giebet, nichts ermeſſen,
Und, weil die Gabe groß, des Gebers ganz vergeſſen?
Armſel’ge Creatur! bedaurens-wehrter Stand,
Du bindeſt ja hiedurch, ſo viel an dir, die Hand
Des milden Vaters ſelbſt, daß ſich Sein Gnaden-Fluß
Statt Strom - nur Tropfen-weiſ auf dich ergieſſen muß.
Ach mache du es doch, mein Herze, nicht alſo!
Beſchaue dieſe Bluhm in ihrer Pracht; ſey froh,
Und danke GOtt, daß er in deinem Leben
Dir39Dir dein Geſicht nicht nur;
So manche herrliche geſchmuͤckte Creatur
Zum Vorwurf des Geſichts, zu deiner Luſt, gegeben.
Fleh aber GOttes Huld, die alles will und kann,
Was dir erſprießlich iſt, doch zuverſichtlich an,
Daß Er dir deinen Geiſt auf Seine Wunder lenke,
Und dir den Geiſt der Luſt und der Betrachtung ſchenke!
Qvell aller Schoͤnheit! ew’ge Liebe,
Vermehr in mir die Faͤhigkeit,
Daß ich zur holden Fruͤhlings-Zeit
Mit einem angeflamm’ten Triebe
Der Tulpen Glanz, wie er ſo wunderſchoͤn,
Zu Deinen Ehren moͤg in tauſend Freuden ſehn!
Wie herrlich heiſſet GOtt, itzt im bebluͤhmten Lenzen,
Das Farben-reiche Heer der ſchoͤnen Tulpen glaͤnzen!
Von ihrer Schoͤnheit wird man gleichſam angelacht.
Wie pranget die Figur! wie gluͤh’t der Farben Pracht,
Jndem die Blaͤtter ſich nicht nur wie Flammen ſpitzen,
Nein gar die Farben ſelbſt, geform’t wie Flammen, blitzen,
Wenn hier ein funkelnd rot, und da ein blendend weiß,
Und dort ein gelber Schein,
(So alle Feuer-Farben ſeyn)
Zu unſ’rer Augen Luſt, zu ihres Schoͤpfers Preis,
Jn ungezaͤhlter Miſchung brennen.
Ach moͤgt ich ihre bunte Gluht
Mit ſelbſt entzuͤndetem vor Andacht heiſſen Mut
Nach ihrer Wuͤrdigkeit beſchreiben koͤnnen!
Wer an des Fruͤhlings bunten Schaͤtzen
Recht inniglich ſich will ergetzen,
Der muß ſich, wann die Tulpen bluͤh’n,
C 4So40So viel bemuͤh’n,
Und niedrig ſich bey ihnen ſetzen.
Hiedurch wird alſobald ſein Auge, ſehr erfreut,
Die Farben, die es ſonſt von oben nur verſtreu’t,
Und nur getheilt geſehn, verwunderlich verbinden,
Und, voll von ungemeinem Glanz,
Ein herrliches Geweb, ein unvergleichlichs Ganz,
Gleich einer koͤſtlichen Tapete, finden.
Der Grund von dieſer ſchoͤnen Decken
Jſt lieblich, weißlich, gruͤn. Es deckt ſo Stiel als Laub,
Die an ſich dunkler gruͤn, ein gruͤnlich weiſſer Staub,
Der ſich verwiſchen laͤſſt. Es ſchmuͤckt ein zierlich Blat,
Das oftermals ſich nett gedrehet hat,
Des riſchen Stengels Fuß. Ja wie man oft Papier
Mit Fingern zierlich druͤckt, ſo ſcheint in gruͤner Zier
Dieß ſpitzig lang - und breite Blat
Von Fingern der Natur ſehr zierlich eingedruͤcket,
Wovon die Bildungen der foͤrderſten allein
Zu unterſcheiden ſeyn,
Weil Laub und Stengel alſobald
Der Bildung liebliche Geſtalt,
Mit welcher ſie ſich alle zieren,
Jndem die Menge ſie vereint, verlieren.
Doch laſſen ſie recht wunderſchoͤn
Ein allgemeines Gruͤn ſodann den Augen ſehn.
Dieß Gruͤne ſieht man ſich jedoch nicht weit erſtrecken,
Jndem der Bluhmen helle Flammen
Den gruͤnen Schmuck durch bunten Schmuck verdecken.
Jn denen nun verbindet ſich zuſammen,
Was die Natur in unterſchied’nem Grad
Sonſt einzeln ſchoͤnes hat.
Der Teppich ſcheint von Farbe nicht,
Wol aber von gefaͤrb’tem Licht
Verwunderlich gewirkt. Wer Flammen ſehen will,
Die,41Die, wider die Natur der regen Flammen, ſtill
Und unbeweglich ſtehn: der ſeh ein Tulpen-Feld,
Das uns ein buntes Feu’r recht ſchoͤn vor Augen ſtellt.
Wie mannichfaltig nun der Tulpen Farben ſcheinen;
So findet ſich dennoch, (wer ſollt es meynen?)
Daß ſie nur bloß aus gelb, aus rot und weiß beſtehn,
Die aber die Natur ſo wunderbarlich miſcht,
Daß ſie den Blick ſo gar durch ihre Gluht erfriſcht.
Hier ſieht man gelbe Lichter blitzen,
Da weiſſe, rote dort;
Es haben rote weiſſ, und weiſſe rote, Spitzen;
Hier miſcht ſich rot mit Gold, mit weiß an jenem Ort,
Und zwar in ſo geformten Strichen,
Daß ſie geſpitzt, getheilt recht einer Lohe glichen.
Sie ſtell’ten einen ſuͤſſen Brand
Auf ihren Blaͤttern vor. Ein dunkles Feuer gluͤhet
Jn einigen, wenn dort man einen weiſſen Rand
Auf Purpur-farb’nen Bluhmen ſiehet.
Man ſieht ſo gar, und zwar nicht ohn Vergnuͤgen,
Oft in der Bluhme ſolch ein ſchwarz, wie Kolen, liegen.
Jn Kolen ſchein’t der Grund durchs Feur bereits verkehrt,
Dadurch des Feuers Glanz und Gleichheit ſich vermehrt.
Es ſcheinet die Natur, ob wolle ſie vor allen
Uns in der Tulpen Heer faſt mit Gewalt gefallen.
Jhr unvergleichlich ſchoͤnes Blat,
Das ſonſten breit und glatt,
Wird zur Veraͤnderung von ihr
An der Monſtroſ in einer neuen Zier
Nicht nur gekraͤuſ’t und eingekerbt,
Nein, auch zum Unterſchied der Farben, gruͤn gefaͤrbt.
Die Form der Bluhme ſelbſt iſt mehrenteils oval,
Sie ſcheint ein netter Kelch, ein zierlicher Pocal,
So bald ſie offen geht, das allezeit geſchicht,
Wenn ſie das warme Sonnen-Licht
C 5Und42Mit ſeinen Stralen trifft.
Es ſind verſchied’ne von den weiſſen,
Die, wegen ihres Schmucks und Schimmers, Schwaͤne heiſſen,
Oft, durch die Nachbarſchaft der dunkel-roten, ſchoͤn,
Und dieſe gleichfalls ſchoͤn, durch jener Glanz, zu ſehn.
So glaͤnzen ſie bey truͤbem Wetter.
Wer aber kann das Prangen ihrer Blaͤtter,
Wenn ſie, o Licht der Welt, von deinen Stralen
Verherrlicht ſind, beſchreiben oder mahlen?
Sie uͤbertreffen dann mit ihrem Scheine
Die allerfeurigſten geſchliffnen Edelſteine;
Jſt wenig nur geſag’t.
Durchleuchtig muß man ſie mehr als durchſichtig nennen.
Oft ſchein’ts, ob ſaͤhe man in einem jeden Blat,
Jn welches ſich das Licht geſenket hat,
Den Sonnen-Stral gefaͤrbet ſichtbar brennen.
Wenn ſolcher Tulpen Heer von aller Ahrt zuſammen
An einen Ort gepflanzt, ſo wol nicht prangt, als gluͤhet:
Jſt mir, als wenn mein Aug in vielgefaͤrbten Flammen,
Und unbeſchreiblich buntem Schein,
Zu unſers Schoͤpfers Ehr allein,
Ein unverbrennlichs Kunſt-Feu’r ſiehet.
Mayen -43

Mayen-Bluhmen.

Auf! Herz und Aug, auf, auf! euch an der reinen Zier
Der Lilien-Convallien zu weiden!
Der groͤſſern Bluhmen Schmuck darfſt du bey mir,
Beliebtes Bluͤhmchen, nicht beneiden.
Man trifft in deiner Niedrigkeit
Ein angenemes Weſen an,
Wovon, wie uͤberall, man die Vollkommenheit
Mehr ſpuͤren als beſchreiben kann.
Mein GOtt! der Du, wie aller Dinge,
Auch dieſer Bluhme, Schoͤpfer biſt,
Gib, daß, da ſie ſo lieblich iſt,
Jch auch zu Deinem Ruhm von dieſer Bluhme ſinge,
So viel ich immer weiß und kann!
Jch ſehe dich mit Luſt, geliebtes Bluͤhmchen, an,
Da ich denn die Figur in der geformten Ruͤnde
Faſt kleinen Tulpen aͤhnlich finde:
Nur iſt der Unterſchied, daß hier derſelben viele,
Dort eine nur, an ihrem Stiele.
Doch nein, mich dencht anitzt, ich finde dieß in euch,
Jhr ſehet kleinen Glocken gleich,
Die ordentlich an gruͤnen Stangen
Jn einer Reihe hangen.
Ach moͤgte doch das Bild von dieſen kleinen Glocken
Mir eine Bet-Glock ſeyn,
Mich Dem zu danken locken,
Der ſo, wie dich, die ganze Welt,
Auch mich erſchaffen und erhaͤlt!
Jch wuͤnſch, daß dein Geruch das, was der Glocken-Schlag
Bey uns ſonſt wirken ſoll, bey mir verrichten mag!
Es gibt dieß Bluͤhmchen mir ein Bild der Einigkeit,
Da44Da all an einer Seite ſtehen,
Da all auf einen Vorwurf ſehen.
Sie haͤngen unter ſich, ſie ſcheinen ſich allein
Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.
Ach laſſet ſie auch uns ein Bild der Demut ſeyn,
Ach laſſet uns viel lieber in uns gehn,
Als neben andern uns erheben, ſie verachten!
Man uͤberhebe ſich der eig’nen Gaben nicht,
Und ſehe mehr auf ſich, als auf des Naͤchſten Fehler!
Erweg’t, wie oͤfters es geſchicht,
Daß GOtt ſowol die niedren Thaͤler
Als Berge fruchtbar werden ließ!
Aus unſers Bluͤhmchens Kelchen quillet
Ein angenemes Bitter-ſuͤß,
So unſer Hirn mit Nutz und Luſt erfuͤllet.
Man hat es lange ſchon bemerkt,
Wie dieſer Bluhmen Kraft ſo Hirn als Nerven ſtaͤrkt.
Wie in der Arzeney
Jhr Nutz ſo mannichfaltig ſey;
Hat ſich ſchon oftermals gewieſen.
Sie oͤffnet unſer Haupt im Nieſen,
Vertreib’t den Schlag, verjag’t die Gicht.
Jndem ich alſo denk, und bey den Bluhmen ſtehe,
Die Kraft erweg, und ihre Schoͤnheit ſehe;
So deucht mich, daß dieß Bluͤhmchen ſpricht:
Gedenk an GOtt und Seine Macht,
Der dich und mich hervor gebracht,
Der gegenwaͤrtig bey uns beiden,
Der allenthalben, nirgends nicht,
Und Dem durch deine Freuden
Der allerliebſte Dienſt geſchicht!
Die45

Die Ameiſe.

Jn dieſer holden Fruͤhlings-Zeit,
Da alles voller Glanz und neuer Herrlichkeit,
Trat ich, geruͤhrt durch ſolchen Schein,
Jn Frommholds ſchoͤnen Garten ein,
Woſelbſt in reinem Schmuck die ſaft’gen Baͤume bluͤhten,
Woſelbſt in bunter Gluht der Floren Kinder gluͤh’ten.
Ein jeder Vorwurf war recht unvergleichlich ſchoͤn,
Recht herrlich anzuſehn.
Ein Balſam-reicher Duft
Erfuͤllete die laue Luft.
Das Waſſer ſchien bemuͤht, mit tauſend bunten Bildern
Die glatte Flaͤche zu beſchildern.
Man ſah mit Luſt die ſchattigten Alleen
Jm gelblich-gruͤnen Schmuck der jungen Blaͤtter ſtehen.
Auf manchem Pomeranzen-Baum
Fand ich mit ungemeinem Prangen
Bey Silber-weiſſer Bluͤht faſt guͤld’ne Aepfel hangen,
Und kurz, mein Auge konnte kaum
Sich ſatt an ſolcher Schoͤnheit ſehen.
Jn dieſem holden Ort und ſchoͤnen Luſt-Revier
Erblickt ich einen Ameis-Haufen.
Jch ſah Verwund’rungs-voll dieß kleine Thier,
Mit unverdroſſ’nem Fleiß und eifriger Begier,
Sich ſtets bewegen, rennen, laufen.
Es eilte ſonder Ruh, und hatte keine Zeit,
Die ungemeine Pracht, die holde Zierlichkeit,
Veraͤnd’rung, Farben, Glanz, Schmuck, Ordnung, Seltenheit
Des Gartens anzuſehn. Ach! rief ich uͤberlaut:
Du ſcheinſt, wie ſehr mir auch vor der Vergleichung graut
Uns zum belehrenden Exempel vorgeſtell’t.
Die Ameiſ iſt der Menſch, der Garten iſt die Welt.
Der46

Der Froſch.

Jndem ich nun an dieſem ſchoͤnen Ort
Beſtaͤndig neue Wunder ſehe;
Erheb ich mich von meinem Sitz, und gehe
Mit ſanften Schritten wieder fort,
Worauf