FReundlicher lieber Le - ſer / Allhier haſtu das Zweyte Theil von der Diebshiſtorien / welche dein ſtetigs anhaltende vorwitzigkeit hat herauß gebracht. In dem Erſten Buch haſtu geſehen etliche betriegli - che vnd gemeine Funde vnd Rencke / deren ſich die Filous vnd Beutel - ſchneider / die Welt zu betriegen / ge - brauchen: Aber ich behielte die voll - koͤmliche Beſchreibung in diſes zwey - te Buch / auff daß / wann du ſie ſeheſt vnd leſeſt / dieſelbe deſto beſſer vermey - den koͤnneſt.
Das were ein groſſer Frevel an ei - nem Menſchen / wann er ſich ſelber in gefehrliche Abgrund vnnd Irrweg wolte ſtuͤrtzen / da man jhm doch den(:) ijrech -Vorꝛede.rechten ſichern Weg zeiget vnd offen - baret jhme den hinderhalt / ſo man in zufangen hat gemacht vñ angeſtellet.
Es iſt zwar war / das es gar ſchreck - lich iſt ſich fuͤr Dieben zu huͤten vnd vorzuſehen: Aber weil wir in einer ſolchen zeit leben / da das halbe theil der Welt das andere beſtihlet / vnd ſich anſehen laͤſt / als ob das meiſte Theil der Menſchen ſich in Voͤgel ha - be verwandelt / ſo wol koͤnnen ſie die Raubkunſt: Als ſoll man ſich fuͤr jh - rem nachſtellen fuͤrſehen / jhre gelegte Garn vnd Strick zerbrechen / jre dibi - ſche Kunſtſtuͤck erkennen lernen / auff daß man alſo neben den gefaͤhrlichen Steinfelſen / welche vns vmbgeben / moͤge ohne Schaden herfahren.
Das beſte vnd vornembſte mittel aber der diebiſchen Griff nur zu ſpottẽ vnd zu lachen / vnd ſich fuͤr jhnen deſto beſſer fuͤrzuſehen / iſt dieſes: Das manjhrVorꝛede.jhr Fund / Grieff / Art vnd weiß entde - cke / wiſſe vnd verſtehe: Dann ſie ſehen vnd vberwinden iſt ein ding.
Das iſt nun in dieſen Buch / da du ſolche Lection kanſt lehrnen / vnd an anderer Leut ſchaden weiß werden / durch die vnderſchiedliche Exempel vnd Hiſtorien / welche du in dieſem Buch wirſt hoͤren / vnd wir ſelber zu vnſerer zeit geſehen haben.
Neme derohalben guͤnſtiger Leſer / diſes kleine Buͤchlein fuͤr lieb vnd mit ſolchem gutem Heꝛtzen an / als es von dem jenigen / der dir vnd dem gemei - nen Nutzen zu dienen iſt geneyget / dir hiermit wird præſentiret vnd ange - botten. Gottbefohlen.
(:) iijVer -Von dem Meiſterſtuͤck vnd von der uͤber alle maſſen groſſen vnd wunderlichen Argli - ſtigkeit / durch welche ein Beutelſchneider fuͤnff hundert Cronen hat erwiſchet vnnd erfiſchet.
ES kan ſich fuͤrwar ein Menſch nicht gnugſam verwundern / wann er hoͤret die wunderſeltzame Grieff / Betrug / Argliſtig - keit vnnd Suͤnde / welche die Diebe vnd Raͤuber er - dacht haben jhr ſchaͤdliches vnd verdamliches vor - haben in das Werck zuſetzen: Ja wann man be - dencket / wie wunderbarlicher weiſſe ſie ſich in der Vornembſten Herꝛen Haͤuſer zu Pariß haben ein - geſchleichelt / vnd da ſie doch ſo leichtlich koͤnden er -Adappet2Beutelſchneider / oderdappet vnd ergriffen werden: Was mich anlanget / ſo muß ich ſelber bekennen / daß es nicht vieler ver - ſchlagenheit bedarffe / wann man einem ſchlechten albern Menſchen / der nicht noch iſt mitgenommen vnd gerollet worden / den Seckel mit dem Geldt will ablauſſen: Dann an ſolchen ſchlechten albern Leuten fangen die Beutelſchneider an zu lernen: A - ber den argliſtigen klugen verſchlagenen Weltkoͤpf - ſen hinder den Seckel zu niſten vnnd jhnen den Beutel mit dem Geldt vnſichtbar zu machen / dar - zu gehoͤret Kopff vnd verſchlagenheit / vnd befinde ich / daß in dieſen letzten vnd betruͤbten Zeiten vieler Menſchen gemuͤth vnd verſtandt in ſolcher Diebe - rey / wie auch ſonſten in allerley Boßheit vnd Vn - tugend gewaltig iſt geuͤbet: Man hette ſich billich verwundern muͤſſen / wann bey Belagerung der Statt Troja einer ſich hette gefunden / welcher den Vlyſſem / der ſich außtruͤcklich darvor außgabe / daß er jederman koͤndte vnd woͤlte betriegen / hette betrie - gen koͤnnen. Aber in dieſem Capitel werden wir vns mehr zu verwundern haben / daß die jenige / welche der Beutelſchneider / Raͤuber vñ dergleichen leicht - fertigen Voͤgel (deren es dann ſehr viel vnder vns giebet) art / natur / betrug vnd griff billich ſollen wiſ - ſen / ſich gleichwol von jhnen betriegen laſſen: Wir haben deſſen nicht allein eine gantz friſche / ſondern auch ein ſolche artige verſchlagene Hiſtorien / daß ich ſie allhie ſo bald im anfang dieſes Buchs hab er - zehlen woͤllen / auff daß ja jederman moͤge ſehen vnd erkennen / wie hoch die boßheit vnd vnverſchampt - heit der Menſchen iſt geſtiegen.
Es3Diebshiſtorien das II. Buch.Es iſt noch nicht gar lang /daß ein junger Menſch zu Pariß (welchen ich Lucidas will nennen) ſich von ſeinem Vatter inn das Kriegsweſen begabe / vnd lieſſe ſich bey dem Marte / welcher bey den Hey - den der Kriegs Gott iſt / ein ſchreiben / damit er die
Kriegskunſt lernen / vnd in ſeiner Jugend in allen Ritterlichen Waffen ſich uͤben moͤchte: Aber wie dem allem / daß er entweder ſein zuneigung zum boͤ - ſen gehabt / oder daß er es von den ſeinigen mag ge -A ijerbet4Beutelſchneider / odererbet haben (dann ſein Grosvatter wahr einer von den klugſten Koͤffen zu ſeiner zeit geweſen) verlie - ſe er ſeinen Capltaͤnen von Monteplier vnd kehre - te wiederumb gen Pariß: Vnd als er dahin kame / auch vnder deſſen ſein Vatter vnd Mutter geſtor - ben waren / ſienge er an zu ſchwermen / vnd ſein Er - erbtes Gut durch die Gurgel zu jagen: Tag vnnd nacht lage er in den Wirts vnd Hurenhaͤuſer / es vergienge auch kein Tag / da er nit alle freundſchafft vnd kundſchafft macht mit einem hauffen Bettler vnd Diebsgeſellen / welche dann gar gern mit jhme vmbgiengen / damit ſie das Maul vmbſonſt kuͤnden ſchwencken / vnd alſo kame er in einer ſehr kurtzen zeit gar auff den grund vnd boden ſeines Seckels: denn er pflegte von morgen an biß in die nacht hin - ein zu ſpielen.
Dieſes verurſachte nun / daß er an ſeinen Zu - ſtandt gedachte / vnd was er ins kůnfftig thun vnd anfangen wuͤrde: Aber weil er alle tag mit einem hauffen gottloſer ſauffbruͤder vnnd boͤſen Buben vmbgienge / fienge er an vnd begabe ſich auch in die Bruderſchafft der Feleus / auff daß er / gleich wie die andeꝛe auch an der Beut theil haben moͤchte. Wañ er bißweilen an ſeines Vatters Namen / wie auch an die groſſe ſchand / ſo jn〈…〉〈…〉 begegnen moͤchte / wañ er ſolte erdappet werden / gedachte / wachete jm das gewiſſen auff vnd name er jhm vor ſolche boͤſe ge - ſellſchafft zu verlaſſen: Aber / weil er einmal das ſchamhuͤtlein hatte abgezogen / vnnd ſich in ſolche boͤſe geſelſchafft begeben / ſchluge er alle die ſchand / ſchimpff / ſpott vnd gefahr / ſo jhm gar manchmalsvor -5Diebs Hiſtorien / das II. Buch.vorkamen / in den Wind / lieſſe ſeinen boͤſen begierdẽ den Zaum gantz vnd gar ſchieſſen / vnd begabe ſich gar in das bubenleben: Ich wil euch allhier nicht mehr als nur ein eintziges von ſeinen bubenſtuͤcken erzehlen / auff daß jhr darauß ſelber ſehet / was er fuͤr ein vnverſchaͤmbter Gaſt mag ſeyn geweſen / vnd ſchlieſſen ferꝛners / was er anderswo mag began - gen haben. Dann wie die Philoſophi ſagen: Ex cognitione unius devenitur in cognitionem al - terius. Wann man eines weiß / ſo kan man dar - nach das ander auch deſto beſſer faſſen vnnd ver - ſtehen.
Dieſer Lucldas / welcher eine ſchoͤne anſehnliche Perſon vnnd wol gekleydet ware / als er auff ein zeit ſahe / daß ein vornehmer Kauffmann von Ro - ven in den hallen einem andern Kauffmann dieſer Statt eine ſummen Gelts bezahlete / vnd zwar tau - ſent Cronen an lauterem Goldt / wegen allerley Wahren / ſo er jhm abgekauffet hatte; gehet er gantz vnverſchaͤmbter weiſe zu jhm / fraget jhn / ob er jhm will den dienſt vnd gefallen thun / vnd jhm ſolches Gold fuͤr ſo viel Carteſce geben / er wolte jhm auff jegliche Cron zween ſchilling auffwechſel geben Es gehoͤre ſolches Geld einem ſeiner Freund ſo ein fei - ner ehrlicher Mañ ſeye / zu / derſelbige wolle in Flan - dern ziehen / moͤge ſich aber nicht mit ſolchem Geld wegen vieler vngelegenheit / ſo einem auff dem we - ge begegnen koͤnnen / ſchleppen vnd beladen. Der Kauffmann / als er ſihet / daß er hundert Francken mit ſeinem Goldt koͤnn gewinnen / antwortet jhme: Er ſey es wol zu frieden / er woͤlle jhm ſolche Freund -A iijſchafft6Beutelſchneider / oderſchafft gern thun / vnd im helffen / wann er nur hin - wider all ſein Gelt koͤnne haben / vnd deſſelbigen ver - ſichert ſeyn.
O da behuͤte Gott fuͤr / ſagt zu jhm Lucidas / das ſolte mir hertzlich leyd ſeyn / daß der Herꝛ ſeines Gel - tes halben ſolte gefaͤhret werden: Ich wolte lieber das Leben tauſentmal / wenn es muͤglich were: ver - lieren: Schicket nur mit mir / wen jhr ſelber woͤllet / ſo will ich jm das Geld ſo bald zu ſtellen: Der Kauff - mann iſt deſſen zu frieden / ſchicket ſeinen Son mit den tauſent Cronen hin / daß er ſie jhm ſelber ſoll ge - ben: Dann er vermeynete dieſer Lucidas were viel - leicht einer auß den Rentmeiſtern / ſo viel als er von jme hatte veꝛnemen koͤnnen / dann ehe ſie deß Kauffs einig waren worden / hatte er jm alle Gelegenheit ei - nes vornehmen Herꝛn / von dem er geſagt / daß jhm ſolches Gelt zuſtunde / angezeigt.
Lucidas vnd deß Kauffmans Sohn gehen mit einander dahin: Damit aber Lucidas ſein Buben - ſtuͤck deſto beſſer bedecke / fanget er an den gantzen Weg zu reden mit deß Kauffmans Sohn / geden - cket / wie es den Leuten ſo uͤbel gehe / wann ſie etwas woͤllen gewechſelt haben / ſaget: die Wechßler ſeyen heutiges Tages gar zu wunderlich / man koͤnne uͤbel mit jhnen fortkommen / es ſey auch das Geldt ſo ge - waltig klein vnnd duͤnn geſeet vnter den Leuten inn Franckreich / vnnd viel tauſent andere Geſpraͤche / welche er mit jhm hielte / damit er jn allzeit auff der Meynung moͤchte erhalten / daß er hundert Fran - cken an ſeinem Gelt wuͤrde gewinnen.
Lucidas / der nun ein argleſtiger verſchlagenerKopff7Diebshiſtorien / das II. Buch.Kopff wahre fuͤhret ſeinen Kerles von einer Gaſſen zu der andern / vnd kommet endlich in der Gegendt deß Koͤniglichen Platzes vor eines Schatzmeiſters Hauſſe / welchen ich diß mahl mit Namen nicht wil nen nen / dann es bedarff es auch nicht / daß einer o - der der ander mit Namen von mir genennet wer - de: in ſolches Hauß gehet er nun / vnd fraget ob der Herꝛ zu Hauſſe ſey / er woͤlle gern wegen eines an - dern Schatzmeiſters (welchen wir ein weil Alphee woͤllen nennen / damit wir niemands ergern) mit jhm reden: Als nun deß Schatzmeiſters Diener jm oben auſſen in ſeines Herꝛen Loſament / (welcher deß mahls Leute bey ſich hatte) fuͤhret / ſagt Lucidas zu deß Kauffmans Sohn / er ſoll ein wenig auff der Stegen verziehen / biß er wider zu jm kom̃e: Spitzet allhie die Ohren vnd habt wol acht / wz ich euch jetzt erzehlen werde: dann es iſt ein ſolcher vber alle maſ - ſen wunderſeltzamer Griff vnd Streich / daß einer gedencken moͤchte / wie ein Menſch ſolches jmmer in ſeinem Kopff koͤnne erfinden.
Als nu Lucidas zu dẽ Schatzmeiſter in die Kam - mer kom̃et / machet er jm eine groſſe Reverẽtz / vñ re - det jn alſo an. Mein Herꝛ / ich bin deß Herꝛn Al - phee, welchen jr ſehr wol kennet. Diener / derſelbige leſt euch ſein gruß vnd dienſt anmelden / vnd bittet euch dieweil er in 2 oder 3 Tagen nach Lion wegen ſeines Generals wil reiſen / jhr woͤllet mir oder vil mehr jm durch mich tauſend Cronen an ſilberner Muͤntz geben fuͤr ſo viel guͤldene muͤntz / welche ich ſchon durch einen / ſo drunden auff ewer ſtegen met - ner wartet / habe hertragen laſſen.
A iijDer8Beutelſchneider / oderDer Schatzmeiſter / welcher dieſen Diener noch niemals geſehen hatte / fraget jhn / wie lang er nun bey dem Herꝛn Alphe[o]ſeye / darauff jhm dann die - ſer Lucidas ſolchen beſcheydt vnnd antwort giebet / daß er im geringſten nicht kan gedencken / daß jhme durch jhn ein ſolcher boſſen vnd duͤck / wie hernacher geſchehen / koͤnne bewieſen werden: vnd dieweil er im Werck ſelber will beweiſen / daß er Herꝛn Alpheo all gefallen vnd dienſt gern woͤlle erzeigen / gucket er zu dem Fenſter hinauß / vnd ruſſet ſeinem Diener laut zu / er ſolte dem jenigen / ſo zu jm wegen H. Al - pheo ſeye kommen / geben / was er begeren werde / vnd ſoll jhm alle freundlichkeit erzeigen.
Der Dieb wird hieruͤber bey ſich ſelbſten ſehr froh / daß jhm ſein boß ſo wol angehet / thut ſich flei - fig gegen dem Herꝛn bedancken / nimmet ſeinen ab - ſchied von jm vnd gehet auß der Cammer hinweg: Deß Kauffmanns Sohn / welcher auff der Stegen den Schatzmeiſter hatte reden hoͤren / ware nicht weniger froh bey ſich ſelbſten: dann er meinete / er hette uͤber die tauſent Cronen die hundert Francken ſchon im Beutel. Auff der andern ſeiten / was deß Schatzmeiſters Diener anlangete / welcher ſchon befelch hatte das Geldt zu geben / gedachte er auch nicht / daß ein betrug darhinder ſolte ſtecken / vnnd wartete nur / daß man jhm ſagte / wie viel Geldt er darzehlen ſolte.
Nun iſt aber allhie zu mercken / daß in dieſes Schatzmeiſters Hauſe zween außgaͤnge waren: der eine außgang gieng auff einen groſſen Hoff / der an - dere aber gienge in ein kleines enges gaͤßlein hinein /welches9Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.welches vor der Zeit Lucidas wol außgeſehen vnd in acht genommen hatte: dann er hatte auch deß - wegen deß Kauffmans Sohn an ſolches Ort ge - fuͤhret / auff daß er jn deſto fuͤglicher betrigen koͤnde.
Aber als nun jetzo Lucidas ſeine Perſon ſpielen vnd ſein bubenſtuͤck will in das Werck richten / ſihe / da kommet der Schatzmeiſter Alphee / fuͤr deſſen Diener er zuvor ſich hatte außgeben: daruͤber wird Lucidas roth vnd beſtuͤrtzet: er weiß nicht / ob er ſoll darvon lauffen vnd den Braten auß dem Maul fallen laſſen / oder ob er lenger an ſolchem Orth ſoll verharꝛen (dann er kennete den Herꝛn Alpheum wol / fuͤr deſſen Diener er ſich außgegeben hatte:) Er beiſſet die Zeen zuſammen / er verfluchet die ge - ſtirn / daß ſie gleichſam zu ſeinem Vngluͤck ſich zu - ſammen geſchworen haben / vnd weiß nicht / was er ſoll anfangen: der Diener aber im Hauß / welcher den Schatzmeiſter wol kennete / gehet hin / thut jhm auff / vnd fuͤhret jhn in einen Saal / bißdaß ſein Herꝛ auß ſeinem Loſament / da er eine ehrliche geſelſchafft bey ſich hatte / wie wir zuvor gedacht haben / heraber zu jhm kaͤme.
Lucidas iſt in groſſer Noth vnd aͤngſten: es thut jhm in ſeinem Hertzen weh / daß das ſpiel / welches er ſo wol hatte angefangen / einen ſolchen vngluͤck - lichen außgang ſoll nemen: ſoll er darvon gehen ſo hette er ſich ſelber verrathen vnd in gefahr brin - gen muͤſſen. Endlich aber / nach dem er die ſachen in ſeinen Kopff lang uͤber vnd druͤber geworffen / vnd bey ſich diſputiret hatte / ob er ſolte bleiben oder dar - von lauffen / ſiehet er daß der Diener widerumb inA vſein10Beutelſchneider / oderſein Conduͤrlein gehet / gehet darauff zu deß Kauff - mans Sohn / der vnter deſſen alls noch vff der Ste - gen wartet / ſpricht / er ſoll im die 1000. Cronen ge - ben / vnd damit ja deß Kauffmans Sohn den Bra - ten deſto weniger riechen / vnd den betrug mercken moͤge / ſpricht er: es doͤrffe niemands mehr / als er / in das Conduͤrlein gehen / er ſolle nur da auff der Ste - ge ein kurtze zeit verziehen / ſo wolt er jhm ſein Geldt bringen. Dieſer Kauffmans Sohn / der im gering - ſten nit an einen ſolchen betrug gedachte / oder auch gedencken kuͤnde / gibet jm die 1000 Cron an Gold / welche in 2. Saͤcken waren gleichwol aber ſo hatte er ſo viel verſtandt bey ſich / daß er zu jhm ſagte: er koͤndte allein ſolche 1000 Cron. an ſilberner Muͤntz nicht tragen: Lucidas / welcher ſorg hatte / er moͤchte gar zu kartz kom̃en / ſaget zu jm alſo: es iſt war / jhr habt recht: es iſt auch beſſer daß ich nur einen Sack auff einmal neme vnd euch das Geld bringe: es be - darffe es nit / daß jhr mit mir in das Conduͤrlein ge - het: dann es moͤchte vielleicht / der Herꝛ ſich vnnuͤtz daruͤber machen: auff dieſe Wort gibt Lucidas deß Kauffmans Sohne den einen Sack mit den 500. Cron. wider / vnd gehet mit dẽ andern ſack / ſo er vn - der dem Arm trug / in das Conduͤrlein: vñ als jn der Diener fraget / was er begerete / antwort er jm alſo: Mein Herꝛ ich bin hieher geſchickt von dem Herꝛn Schatzmeiſter / welcher ewer Herꝛ 2000. Cronen ſchuldig iſt / vnd welchen Alidor heiſt. (ich bitte euch jhr wollet es mir nit fuͤr vngut auffnemen / daß ich dieſe Hiſtorien vnder erdichtẽ Namen beſchreibe:) Ir habt gehoͤrt /daß euer Herꝛ euch durch das Fenſter /geſagt11Diebshiſtorien das II. Buch.geſagt hat / daß jhr mir mit Geld ſollet helffen. Ich wolte /daß jr mir 500. Cronen an quadruples hettet gegeben / dann mein Herꝛ wil bald nach Lion zieben / vnd mag ſich nicht mit ſchwerer Muͤntze beladen.
Der Diener / welcher meinete / es were alles war wz Lucidas ſagte / auch ſehr wol kennete den jeni - gen / von welchem er redete / vnnd hatte ſchon auß - truͤcklich gehoͤret von ſeinem Herꝛn / daß er dieſem ſolte helffen / fanget an das Geld zu zehlen.
Deß Kauffmanns Sohn / welcher das Geld raſ - ſeln hoͤrete / bildete jm ein / man zehlete ſchon fuͤr jhn / ware jm ſo wol daruͤber /daß er die ſchuldern bewegete (dann / daß ich euch nit liege / ſo wolte jm etwas uͤbel werden bey der ſachen / ſonderlich / da er geſehen / daß Lucidas / als der Herꝛ Alpheus ware kom̃en / das ge - ſicht ſo wunderlich hatte verſtellet. Als nundaß Geld gezehlet iſt / vnd die 500. Cronen da liegen / ſchreibet Lucidas eine kleine Handſchrifft / weiſet auch dem Diener den andern ſack / den er vnter dem Arm traͤ - get / uͤberredet jhn / er habe alleweil ſolches Geld bey einem / den er jhm mit Namen nennet / auffdaß er jhn auff der meinung / ſo er von jm hatte / moͤge erhaltẽ / abgeholet: vnd als nun das packet gemacht iſt / pa - cket er ſein kegel ein / ſteckt das Geld bey ſich / thut / als wann er nicht wiſſe / durch welche Thuͤr er ſolle hinauß gehen / nimbt aber den abweg auffdaß er deſto ehe darvon kommen moͤge: laͤſt vnder deſſen deß Kauffmans Sohn auff der ſtegen warten / welcher jetzt meynet / Man wuͤrde jhm das Geldt zuſtellen: Als er aber an das End auff dem Gang kommet / welcher in das kleine Gaͤßlein gienge / iſt es zuge -ſchloſſen /12Beutelſchneider / oderſchloſſen / vnd muß alſo wider all ſeinen willen wi - derumb zu ruͤck gehen inn das Conduͤrlein zu dem Diener: Es ware jm aber ſo angſt vnd bang / daß er gleichſam fuͤr forcht nicht doͤrffte reden: Der Die - ner aber / der da meinete / das were der kuͤrtzeſte wege / gienge hin / ſchloſſe jhm auff vnd lieſſe jhn alſo ſelber ſeines Herꝛ Geldt hinweg tragen.
Vnnd da moͤget jhr nun ſelber gedencken / ob er gethan habe / als ſey er lahm an den Fuͤſſen / ob er auch ſeine Fuͤſſe habe finden koͤnnen: Dann er lieffe / als hette er Fewer auff dem Halß / ja es warekein Ader an ſeinem Leib / die nicht fuͤr groſſer forcht zit - terte: Summa / er machte ein ſolche Finſternuß / daß man inn langer Zeit nichts von jhm erfahren kunde.
Vnter deſſen aber ſo ſtehet deß Kauffmanns Sohn auff der Stegen vnd ſihet fuͤr die lange weil den Himmel an / ja er hette auch ſein Vngluͤck wol zuvor ſehen koͤnnen / wann er deß Hauſes gelegen - heit gewuͤſt hette wie Jean petit oder der junge Tro - janer: Dann da ware die Rechnung leicht zuma - chen / daß er ſein Geldt nimmermehr wuͤrde wider bekommen.
Zwar im anfang / da er Geld hoͤret zehlen / mach - te er jm keine gedancken /daß er vmb das ſeinige ſolte kommen: aber als er endlich ſihet / daß gar nimands wider kommet / vnnd Lucidas ſo lang verzohe jhm ſeine Carteſce zu bringen / fanget er an / vnd machet jhm Gedancken daruͤber / dencket / ob das vielleicht nicht lauter Betrug ſeye: Doch dencket er wider / es werde jhm ja in ſolchem vornehmen Hauß ſolcher ſchimpff nicht widerfahren.
Er13Diebshiſtorien / das II. Buch.Er verzeucht noch ein zeitlang / nim̃et ſich nichts an / vnd wil doch ſehen / was das ding vor ein auß - gang werde gewinnen: vnter deſſen aber ſo kommet der Herꝛ im Hauß oben herabeꝛ / vnnd wil Herꝛn Alpheum willkomm heiſſen ſein: Vnd ſo bald als er jhn hat empfangen / frageter jn / wann er nach Lion woͤlle: Herꝛ Alpheus / der nichts von dem vorge - gangenen betrug wuͤſte / antwortet jhme: Er begere gantz vnd gar nicht nach Lion zu reyſen / fraget jhn wider / warumb er jhn ſolches frage: Der Schatz - meiſter verwundert ſich daruͤber / vnd ſaget jm: Al - le weil gehe ſein Diener auß ſeinem Hauſe vnd ha - be tauſent Cronen an Goltgebracht / daß man jhm ſo viel an ſiibener Muͤntz vnd Carteſei ſolle darvor geben / man habe jhm auch das Gelt ſchon gelief - fert. Alphee ſpricht / er wiſſe nicht / was das bedeute: dann ſein Diener ſey uͤber Fildgangen / vnd ſo weit von jhnen / daß er nicht inn einem Hauß habe ſein koͤnnen.
Der Schatzmeiſter dencke herauff / es werde vielleicht ein anderer ſein / laͤſt es alſo hingehen / vnd dencket / es werde Lucidas jhm ſenen Herꝛn nicht genennet / oder einen vor den andrn genennet ha - ben: Vnter deſſen aber dencket er a[u]ch / es werde ja ſein Diener dieſem Rauber[fuͤnffhundert] Cronen nicht gegeben haben: aber er wird ba[ld]newe zeitung daꝛvon haben. Dann auff der anderr Seiten (vnteꝛ deſſen daß der Schatzmeiſter mit Heꝛn Alpheo re - det von den Sachen / ſo deßmals voniengen) als deß Kauffmans Son ſihet / daß man tunmehr mit Gelt raſſelt / vnd daß ſein Mann nit wierkommet /gehet14Beutelſchneider / odergehet er in das Conduͤrlein zu dem Diener im Hau-L ſe / fragt jn wo das gemuͤntzte Gelt bleibe / vnnd die Carteſcu, ſo jm Lucidas ſolle bringen: der Diener a - ber ſpottet ſeiner / vnd fraget / was er woͤlle: hergegen aber / weil deß Kauffmans Sohn nichts guts trau - mete / vnd doch vermein〈…〉〈…〉 te / Lucidas were deß Rent - meiſters Diener / macht er ſich gar vnnuͤtz gegen dem Diener / vnd ſagt zu jm: Er wolle kurtz rund wi - der haben / die fuͤnff hundert Kronen / welche man jm in ſein Conduͤrlein habe getragen.
Der Diener meinet / der Menſch ſey nicht recht bey ſinnen: vnd ſolches zu gedencken / hatte er auch Vrſach: Dann er hette jhm nimmermehr einbilden koͤnnen / daß Lucidas jhm ſolchen Boſſen ſolte ge - riſſen vnd bewieſen habe[n]: Der ander wird zornig uͤber den Diener / vnd fragt jhn / warumb er jhm ſo offentlich fuͤnffhundert Kronen wolte ſtelen:
Der Herꝛ im Hauß doͤret ſolches Gezenck in ſei - nem Hoff / fibet zum Fenſter hinauß / vnd fraget was da vorgehe? Der Tiener gehet zu jm oben ins Hauß vnd ſaget alſo zu jn: Herꝛ / jr habt befohlen / ich ſolte dem jenigen / der[de]ſſen vnd deſſen Diener iſt / geben / was er begehren verde. Nun aber hat er mir ange - zeigt / ſein Her beduͤrffe fuͤnffhundert Cronen an Quadruples,[wol]lte euch derhalben gebetten haben / daß jr jm dam[it]helffet / er wolte euch ſolche in einem Tag oder zwec[k]zuſtellen: welches ich dann gethan / vnd daruͤber vn jm eine Handſchrifft habe genom - men / ich hoff auch / ich werde daran nit vnrecht ge - than haben /〈…〉〈…〉 ann er iſt vns ſonſten wol mehr ſchul - dig geweſer vnd jetzunder da kommet ein Bernheu -ter15Diebs Hiſtorien das II. Buch.ter daher / welchen ich nicht kenne / vnd fordert mir fuͤnffhundert Kronen ab / welcher / wie er ſagt / der Diener mir ſoll ſeinetwegen gegeben haben.
Der Schatzmeiſter / als er ſolches hoͤret / wird zor - nig uͤber ſeinen Diener / vnd ſagt alſo zu jm: Was / Herꝛ Narꝛ / wer hat euch befohlen fuͤnffhundeꝛt Cro - nen zu geben dem jenigen / welchen weder ich / noch jhr kennet; Es iſt zwar war: er iſt kommen / vnd hat mich wegen Herꝛn Alphee / welcher jetzt bey mir iſt / gebetten / ich ſolle jm tauſent Cꝛonen fuͤr andeꝛ Geld / welches er mitgebracht hette / wechſeln: ich hab euch auch befohlen / jr ſollet jm damit helffen aber ich ha - be nicht gemeynet / daß jr jm fuͤnffhundert Kronen auff eine bloſſe Handſchrifft ſollet geben. Wo wird man jetzunder den Kerlen ſuchen oder finden: Ge - wißlich iſt er ein Dieb vnd Rauber.
In dem aber /daß der Herꝛ alſo uͤber ſeinen Diener zuͤrnet / verſchweret ſich herꝛ Alphee hoch vnd teuer / er hab niemands zu jm dem Schatzmeiſter geſchickt man ſolle nur eins thun / in ſein Hauß ſchicken / vnd nach ſolchen Diener fragen / ſo werde man wol ſe - hen /daß der jenige / ſo da geweſen ſey / ein Landbetriger ſey: aber damit iſt der Sachen nit geholffen. Dann da fanget deß Kauffmans Son an zu hageln vnd zu donnern ſchꝛeyet / der Diener im Hauß ſey ein Dieb / er hab jm 500 Cron. diebiſcher weiſe geſtolen: daꝛuͤ - ber wird das gantz Hauß auffruͤriſch / die Lacqueyen / die Maͤgde / legen ſich an die Fenſter / hoͤren zu vnd koͤnnen ſich nit uͤber ſolchen betrug verwundern / ſie werden hieꝛuͤber gleichſam zu vnbewegliche Seulen: auff der andern ſeyten ſchreyet der Schatzmeiſter uͤ -ber16Beutelſchneider / oderber ſeinen Diener / deß Kauffmans Sohn gautzet vnd ſchreyet dem Schatzmeiſter nach / vnnd wiſſen alle miteinander nicht / was ſie gedencken odeꝛ ſagen ſollen: Es iſt da niemands frewdiger vnd beſſer ge - muthet als Lucidas; der lauffet von einer Gaſſen zu der andern wie ein Haͤßlein / deme die Hunde nach - lauffen.
Endlichen aber mercket vnnd ſihet jederman den Betrug: Deß Kauffmans Sohn erzehlet / wie Lu - eidas zu ſeinem Vatter ſeyt kommen / habe jhm zu verſtehn geben / daß wann er jhm Guͤldene fuͤr ſilber - ne Muͤntze wolte außwechſeln / wolte er jm auff jede Cron zween Schilling auffwechſel geben: vnd deß - wegen were er inn deß Schatzmeiſters Hauſe mit jhm kommen / hab auch tauſent Cronen mit ſich ge - nommen: Der Diener / als er das alles hoͤret / mer - cket den Betrug / vnd fellt jm ein / daß Lucidas durch die hinder Thuͤr ware hinauß gangen / vnnd hatte nicht fort durch den Hof gehen woͤllen / glaubet / daß er ein Rauber ſeyn muͤſte.
Der Rentmeiſter laͤſt allenthalben nachfragen / vnd ſuchen / ob er den Dieb moͤge finden: aber es iſt alles vmbſonſt: Dann Lucidas hatte ſich mit ſei - nem geraubten Geldt ſo wol verſtecket / daß man jhn nicht kundte finden / wiewol man allenthalben nachfragete vnd ſuchete: All jhr ſachen ware vmb - ſonſt.
Vnter deſſen aber fuͤhrete der Kauffman vnnd Schatzmeiſter eine groſſe Rechtfeꝛtigung wider ein - ander: Aber euch den außgang ſolcher Rechtferti - gung zuerzehlen / will ſich hieher nit ſchicken: Es iſtgnug17Diebs Hiſtorien / das II. Buch.gnug /daß ich euch nunmehꝛ hab eꝛzehlet /daß diebifche meiſterſtuͤck deß Lucidas / welcher ohne allen zweif - feln eineꝛ auß den veꝛſchmitzten Diebskoͤpffeuiſt / ſo man in der gantzen Welt mag finden. Aber all ſein betꝛug / vnd aꝛgliſtigkeit hat jhn doch voꝛ dem Ratt mit behuͤtẽ koͤnnen. Dañ da hoͤret nun ferners / wie eꝛ endlich iſt gefangen / vnd ſeine Buben-ja Diebs - ſtuck offenbar woꝛden. Auff ein zeit / als eꝛ in der ge - gend der Statt Paꝛiß war / waꝛe er ſo vnverſchaͤm̃t vnd hertzhafft /daß er einẽ Rentmeiſter in ſeinen Ho - ſenſach hinein grieffe: Als nũ ſolches der Rentmei - ſter merckete erwiſcht er jm die Hand im ſacke / ließ jhm nach dem Kopff greiffen vnd auffdaß Chaftelet fuͤhren. Da darff nun keiner fragen / ob er auch den weg hinauß hab holtz muͤſſen tragen dann der Ha - gel iſt niemals ſo ſtarck võ Him̃el heraber gefallen / als die grobe ſtoͤß / ſo man jhme mit bruͤgeln gabe / jhm auff die ſchulternvnd gaͤtzen Leib fielen: Dann deß Rentmeiſters Diener waren ſeine ſcherganten: Jederman pſteffe vnd ſchrye jhm nach auff der Wechſelbruͤcken / welche damals noch nit verbren - net ware / vnd war da kein ehrliches Kind welches nit ein ſonderliches gefallen hatte jhme einen gu - ten Naſenſtuͤber zu geben.
Aber / wie kein vngluͤck allein kommet / alſo da er jetzu ſolte in das Gefaͤngnus hienein gehen / ſihe da gieng ein Buͤrger vorvber / welcher jhd an ſeinem Kleyd erkennete / dahero / die weil er vor einer halben ſtunde ſein Beutel hatte vorloren: laſt darauff bey jhm ſuchen vnd findet / wz er verlohren hatte: Da - ruff wird er nu hart verklaget / vnd lieſſe ſich mit imBan18Beutelſchneider / oderan / als wann er ein ſpatziergang an Galgen wuͤrde thun muͤſſen: Aber als man jhn eben examiniret ſihe / da kamen noch zwo newe Klag wider jhn ein: Dann ein altes Weib / welches inn der Vorſtatt Montmarte wohnet / klaget jhn an er hette jhren Mann erſchlagen vnd hernacher in eine Steinkau - ten begraben: Ein anderer von Gentilli klagt jn an / er hette auff ein zeit mit 6. ſtarcken Bettlern jm ſein Hauß beraubet: Lucidas wuſte nicht wz er hierauff ſolte antworten: dann er kundte die Zeugen nit ver - werffen / derwegen weil er zum Galgen verordnet war / daß er bey dem Mond ſolte der Schaff huͤten vnd fuͤr einen Butzenmann an den Galgen Mont - faucon dienen / wurde er endlich auff das Rath ge - leget / da er dann lernete erkennen / daß deß Gluͤcks wirckung gar vngleich ſeyn: Dann die jenige / wel - che das gluͤck oben auf ſein Rad ſetzet / ſein die gluͤck - ſeligſten: Er aber war oben auff das Rad geleget / vnnd war der vngluͤckſeligſte Menſch auff Erden. Sehet das iſt der letzte Actus / vnnd das trawrig Spiel / welches endlich die jenigen ſpielen muͤſſen / welche deß Himmels vnd der Erden ſpotten / wel - che der Tugendt gute nacht ſagen vnnd ſich in das verdambliche Bubenleben ergeben.
Von einer wunderſeltzamen vnverſchaͤmbkeit zweyer Dieben vnd Rauber.
FElix, quem faciunt aliena pericula Cautum, ſagt das ſprichwort. Das iſt / ſelig iſt der jenige /welcher19Diebshiſtorien / das II. Buch.welcher durch andere Leut ſchaden ſich laͤſt warnen vnd weiß wird. Dann das iſt ein groſſer Vortheil / wann wir von vnſerer Nachbarn ſchaden ein an - fang machen / vnnd ein gewiſſes Gluͤck bawen auff die vnbeſtaͤndigkeit / ſo wir an andern Leuthen vorgehen ſehen; Dann Seneca recht vnnd wol ge - ſagt hat / der jenige / der von eines andern ſchaden weiß wirdt / der iſt auff zweyfache weiß verſtendig / vnd iſt werth / das er in das Tugendtregiſter der ver - ſtaͤndigen vnd weißen Leuten auffgeſchrieben wer - de: Dan die Klugheit vnd Weißheit hat dieſe Ey - genſchafft an ſich /daß ſie ſich artlich wiſſe widerumb auß dem Creutz vnd Vngluͤck auffzuraffen / vnnd da andere das Gifft erwiſchen / ergreifft ſie die Ar - tzeney ſelber wider das gifft / gleich wie man võ deß Scorpions ſchwantze ſchreibet / daß er zu einer zeit verletzet vnd zugleich auch widerumb heylet / vnnd von deß Achillis Lantzen daß ſie die Wunden / ſo ſie gemacht / auch habe geheylet.
Wz nun anlanget dieſes Buch welches handelt von der Diebekunſt oder Meiſterſtuͤck / ſo iſt nichts anders / als ein Præſervativ vnnd Artzney / ſo vor gifft bewahret / ja ein bewehrte Kunſt / mit welcher man jrer Diebſtuͤcken kan begegnen / vñ machen /daß jre Diebiſche anſchlaͤge in brunnen fallen muͤſſen: die jenige / ſo hin vnd wider zu reyſen vnd zu thũ ha - ben ſollen dieſes Buch fleiſig leſen / auff das / wie ſie an ort vnd end kommen / vnd ſolcher Maußgeſellen finden / ſich deſto beſſer vor jhnen vnnd derſelbigen wunderlichen fallſtricken huͤten vnd vorſehen moͤ - gen. Ir habt gehoͤrt / was fuͤr eine argliſtigkeit Lu -B ijcidas20Beutelſchneider / oderhat gebrauchet /daß er den jenigen / welche vermein - ten / ſie weren viel kluͤger als er / das Seyl uͤber die Hoͤrner hat geworffen. In diſem Capitel werbet jr auch ein ſchoͤne Hiſtory anhoͤren / vnd wie ſie noch gar friſch vnd new iſt. Alſo iſt ſie wol werth / daß ſie beſchrieben werde: dann dreyerley Kauffleut ſind in wenig Monat erdappet vnd betrogen worden.
Ihr ſollet vnd woͤllet derhalben wiſſen vnd mer - cken /daß vor kurtzer zeit einer auß den Filous / das iſt / auß der Diebsgeſellſchafft vnd zwar einer auß jren vornemſten / welcher ſich verkleidet / vnd 2. Laqueyen nachgehen hatte (denn hinfuͤro weꝛden die Dieb nit mehr zu Fuß gehen / ſondern allzeit mit einer Deck auff einen Pferd daher reyten vnd etliche ſtaꝛcke La - queyen nach haben lauffen) kame zu einem vorneh - men Kauffman / ſo in der Gaſſen S. Dionys wonet / vnd nach dem er nun ein gute zeit den Knebelbart auffgebutzet vnd auff einem Fuß (nach art der hoͤff - ling / welche wie die Gꝛanich auf einem Fuß bleiben ſtehen vnd miteinander reden) geſprachet hatte / re - dete er mit deß Kauffmans Weib (dann der Kauff - man war nit daheim: vnd ſagte zu jhr: er kaͤme al - leweil von Hoff / vnd daß / wann man ſich heutiges tags ein wenig wolte ſehen laſſen / es ſehr vil koſtete: Ja es gienge jm ſelber gewaltig viel auff / mit vnd bey den ſeinigen: vnd wann das nit were / das vnſer Herꝛ Gott jhm nit ſo ein ehrliches vermoͤgen hette gegeben / ſo wer es jhm vn muͤglich / ſeinen Standt zufuͤhren / klagte demnach ſehr uͤber die hoffart vnd pracht zu Hoff / deren Spiegel noch heutiges tags zuſehin / vnd viel tauſent andere erdichte geſpraͤch /welche21Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. welche er diſer Kauffmaͤnnin fuͤr baar Geld gabe: es ware jm die Zunge ſo wol geloͤſet / ja er koͤndte ſo gewaltig wohl reden / daß deß Kauffmans Weib nicht anderß meinete / als das alles gewißlich war were.
Als ſie aber noch alſo miteinander reden ſihe / da kompt der Herr im Hauß wider / welches dann vn - ſern vermeinten hoͤffling vervrſachte /daß er von ſei - nem geſpraͤche ablieſſe / vnd ſagte zu dem Kauff - mann / er were außtruͤcklich zu jhm kom̃en / jm et - liche wahren abzukauffen / dann er wolte jhm gern zwey Kleyde machen laſſen. Drauff langt man al - lerley Wahr hervor / vnd laͤſſet ſie jn ſehen: vnd als er erſehen hatte ein ſchoͤnes ſtuͤck gutes Spaniſchen Tuchs / welches der Kauffman erſt vor wenigen ta - gen hatte bekom̃en / nimmet er jhm vor / er woͤlle ſe - hen / wie er doch ſolches ſchoͤnes Stuͤck Tuch moͤ - ge erhaſchen vnnd darvon bekommen / dann es ſchicket ſich ſo gewaltig wol vor jn: er wird mit den Kauffmann einig / er woͤlle jhm ſo viel fuͤr die ehlen geben: vnnd damit er ſein betriegliches Vornemen deſto beſſer verbergen vnnd ſein Spiel außſpielen moͤge / zeucht er 6 Piſtolen auß ſeinem Hoſenſack / vnd gibet ſie dem Kauffmann. Saget zu jhm / er wohne auff der Gaſſen S. Anthonie in einer Her - berg welche er jm mit Namen nennete: Vnd die - weil er die gemarckte Wahr nicht ſo bald mit jhm kunde heimtragen / bate er jn / er wolte jm doch auff den Mittag durch ſein ladenbuben / das ſtuͤck Tuch ſchicken laſſen: Mann ſolte jhn gewiß an ſolchem Ort antreffen / ſo wolte er jm das uͤbrige Geldt ge -B iijben /22Beutelſchneider / oderben / welches dann auff die hundert Cronen lieffe / dann er name dsa gantze ſtuͤck Tuch hinweg.
Der Kauffman / der jhm nichts boͤſes traumen lieſſe / iſt darmit wol zufrieden / was jhme dieſer Rauber vorſchlaͤget / er dencket nicht witer als ſein Naß gehet / er will nicht mercken den Boſſen / ſo man jm gar bald wird reiſſen vnd beweyſen.
Ehe wir aber weiters fortſchreiten / iſt allhie zu - mercken / daß dieſer der Beutelſchneider Oberſte ware / vnd hatte noch einen andern ſehr frechen vnd muthwilligen Geſellen bey ſich / welcher in der Beutelſchneiderey vnd Diebskunſt gewaltig ge - vbet ware / wuſte auch gar wol die gelegenheit der Handtſchrauben vnd vieler anderer ſachen: Vnd wann man jhm nur mit dem kleinen Finger win - ckete / oder gab jhm ſonſten das geringſte zeichen / ſo ware er geſchwind wie ein Haaß: Dieſer Oberſte nun leſt dieſem ſeinem Mitgeſellen ſagen / er ſolle vmb den mittag in der Gaſſen S. Anthonie ſich in einem gewiſſen vnd jhnen bekanten Wirtshauß finden: vnd da werdet jhr nun ſehen vnd hoͤren / die ſchoͤne Tragedien / die ſie mit einander geſpielet ha - ben / vnd werdet darauß lernen / daß es heutiges ta - ges wo von noͤthen iſt / das man bald die Bruͤllen nicht allein auff die Naß / ſondern auch hinden auff die Ferßen ſetze / wie deß Luciani Voͤlcker / ſo gegen dem Mond vber wohnen.
Dann deß Kauffmans Junge kompt mit ſeinẽ Stuͤck Tuch in die Herberg in der Gaſſen S. An - thoine wie jhm geſagt ware worden: Er gehet hin -auff23Diebs Hiſtorien das II. Buch. auff in die Kammer dieſes Filou / bey welchen er fin det vnderſchiedliche Geſellen mit dem kurtzen De gen: er legt ſein war auß vnd meinet / er werde vie Geld mit ſich heimbringen.
Als nun L’Eſclair (dann alſo nennete ſich dieſer Raͤuber) ſiehet daß ſein Kerlen mit dem Tuch iſt kommen / vnd daß es nun zeit iſtdaß Spiel anzufan - gen / ſetzet er ſich nieder vnd fanget an das Geld zu - zehlen: Miſchet 6. falſche Italieniſche Piſtolen vn - der das ander Geld / welches er jhm ſolte geben: deß Kauffmans Jung aber / der ſich nicht wolte betrie - gen laſſen / fanget an vnd ſaget / er begere das Gold gantz vnd gar nit: Dann wann es ſchon alles gut were / ſo mangelte jhm doch nichts deſtoweniger ei - ne Cron an ſeiner Rechnung vnd deß ſchickete ſich eben recht fuͤr vnſern Rauber L’Eſclair: Dann er diſputirte mit dem Jungen / vnd ſagte / das Geld were gut / er hette auch kein ander Geld / koͤnde jhm auch kein anders geben: vnd als deß Kauffmans Junge noch nit mit dem Geld zu frieden ſein wol - te / ſagt er zu jhm: er ſolte hingehen zu ſeinem Vet - ter / welcher in der Gaſſen S. Martin / an einem ſol - chen Ort / welchen er mit Namen nennete / wohne - te / es ſolte auch ſein Laquey mit jhm gehen vnd jhn an daſſelbige Ort fuͤhren: Derſelbige ſolte jhm die ſechs Italieniſche Piſtolen gut machen vnd ander Geld darvor geben / dann er hette ſie jhm auch fuͤr gut Geld gegeben.
Als nun dieſer Wurff / ſo außbuͤndig wol iſt ge - ſpielet / leſſet deß Kauffmans Jung ſein Tuch in derB iiijHerberg24Beutelſchneider / oderHerberg bey dieſem Meiſter / Betrieger vnd Rau - ber / vnd dencket er werde in dem Hauß / davon man jhm geſagt hatte / andere Piſtolen vnd Geld fuͤr die ſechs boͤſe vnd falſche bekommen. Er gehet mit dem von L’Eſclair angeſtelten Laqueyen auß der Her - berg / vnd will in die Gaſſen S. Martin zu dem Vetter / darvon man jhm auch geſagt hatte / gehen.
Als er nun dahin kommet / triffet er an dem euſ - ſerlichen anſehen nach ein Edelmann / welcher toll außſahe / vnd wol gekleidet war / ja welcher ſo wun - der ſeltzam vnd doll außſahe / daß er auch wol den Richard auß Normandie / wann anderſt dieſelbige ſich leſt erſchrecken / hette erſchrecken vñ jagen moͤ - gen / vnd wer jhn hette anſehen ſollen / hette ſelber gemeynet: es were einer auß den aller vornembſten vnd ſtattlichſten Hof Jungkherꝛn. Aber Seneca lehret vns / daß die Kleider die Leute nicht voꝛnehm vnd ſtattlich machen / ſondern vielmehr Erbarkeit vnd Tugend / darmit deß Menſchen Seel vnd Ge - muͤth wird gezieret.
Da nun deß Eſclairs Laquey vor ſolchen ver - meinten Herꝛn vnnd Edelmann mit deß Kauff - mans Jungen kommet redet er jhn alſo an: Mein Herꝛ / mein Herꝛ leſt euch ſeinen Gruß vnd guten Tag vermelden / vnd ſchicket euch allhier die ſechs Piſtolen / welche jhr jhme habt gegeben / vnd gantz falſch ſeyn: er bittet euch / jhr wollet jhm andere gu - te darvor geben / dann er ſolle dem Herꝛn allhte et - liches Geld wegen jme abgekaufftes Tuchs bezahlẽ: Der vermeinere Edelman ſihet den Laqueyen an / fraget / was ſein Herꝛ thue / ob er noch wol auff ſey /vnd25Diebs Hiſtorien / das II. Buch. vnd wo er nach dem Mittageſſen hingehe: der La - quey antwortet vnnd ſpricht / ſein Herꝛ gehe heut nicht auß / welches dann der Laquey ſagte / auff daß er deß Kauffmans Jungen deſto lenger auff ſei - ner Meynung moͤge laſſen / vnd daß er deſto weni - ger den Betrug mercken koͤnne. Aber als hierauff der Laquey anhelt / daß jm der Herꝛ doch ſechs an - dere Piſtolen fuͤr die falſchen gebe / ſpricht der auff - ruͤhriſche Edelman / die Piſtolen / ſo er ſeinen Herꝛn habe gegeben / ſeyen gut / vnd wann ſein Herꝛ nicht wol ſehe / ſoll er jm ein Hollaͤndiſche Brillen kauf - fen / auff daß er ein ander mal das Geld deſto beſſer moͤge ſehen.
Auff diſe Antwort kehren ſie wider vmb in die Gaſſen S. Anthoine: vnd als ſie wider zu L Eſcair kommen / vnd der Laquey jm anzeigt was ſein Vet - ter in der Gaſſen S. Martin geſagt habe / ſtellet ſich L Eſclair als ſey er gar vnwillig / nim̃et einen guen Bruͤgel in die Hand / gehet auff ſeinen Laqueyen zu / vnd wil jetzo auff jn ſchlagen / ſchiltet jn gewal - tig (daß er fuͤr der Herꝛn / der ſo lang muͤſſe warten) kein gut Gelt gebracht habe: Der Laquey laufft mit deß Kauffmans Jungen wider in die Gaſſen S. Martin zu deß Eſclairs Vetter / in meinung / in ſeines Herꝛn Namen demſelbigen die 6. Piſtolen noch einmal abzufordern: Deß Kauffmans Junge wiewol er ſehr vnwillig war / daß er in der Statt alſo ſolte hin vnd her lauffen / merckte den Betrug noch nicht / kund auch jm nicht einbilden / daß jm ein ſolcher Strick / darinnen er hernacher gefangen wurde / ſolte geleget werden.
B vDer26Beutelſchneider / oderDer Laquey kommet alſo zum zweytenmal in die Gaſſen S. Marttin vnd als er zu dem Edelman kommet / zeigt er jm an / ſein Herꝛ ſey gar vnwillig daruͤber / das er jm nit 6. anderegute Piſtolen hette gegeben: Weil nun den vermeynten Edelman vnd wahrhafftigen Rauber duncket / es ſey nunmehr zeit das Spil vollends außzuſpilen / ſaget er mit lachende Mund zu deß Kauffmans Jungen / er ſol jm die 6. Piſtolen vnd das ander Geld / ſo er em - pfangen hette / weiſſen / auffdaß er ſehe / was mangelt vnd nicht gut ſeye? Deß Kauffmans Jung zeucht das Geld herauß / ſchuͤttet es auff den Tiſch / vnd ſo bald zeucht dieſer Rauber das Geld mit einander zu ſich / ſagt zu deß Eſclairs Laqueyen: ſein Herꝛ ſey ein rechter Narꝛ / daß er jhm das Geld abfordere / da er jm doch mehr als hundert Cronen ſchuldig ſeye: Gehe hin zu deinem Herꝛn / ſagt er zu dem La - queyen / vnd ſage jhm / daß ich das Geld / daß er mir geſchicket habe / woͤlle zur Bezahlung einhaltẽ / dañ er wiſſe wol / was er mir ſchuldig ſeye / vnd morgen woͤlle ich jme einen Richter ſchicken / daß er mirdaß vbrige auch vollend ſolle vnd muͤſſe bezahlen.
Der Laquey / welcher der Bruͤderſchafft Latein gar wol verſtunde / nimbt ſich an / als kom̃e jm das gar wunderlich vor /daß der Edelmandaß Geld gar woͤlle behalten: aber noch wunderbarlicher kam das fuͤr deß Kauffmans Jungen / es finge jm an nichts gutes zu traumen / er gedachte / er wuͤrde vielleicht gar vmb ſein Tuch kom̃en. Sie gehen mit einander auß der Gaſſen S Mirtin, vnd woͤllen wider in die vorige Herberg gehen: Aber als ſie dahin kom̃en / finden ſie nichts mehr als das lehre ledige Neſt / der27Diebs Hiſtorien / das II. Buch. Vogel war ſchon auß geflohen: vnd kan man allhie wol ſagen / daß L’Eſclair ein groſſe Finſternuß hat gemacht / vnd daß er ſo geſchwind darvon gangen / wie ein blitz / der die wolckẽ ſpaltet vñ durchdringet.
Wie nun deß Kauffmans Junge hieruͤber ſey beſtuͤrtzet worden /daß koͤnnet jhr ſelber beſſer bey euch abnehmen / als ich es euch kan beſchreiben. Dann wann jhm ſchon Hoͤrner auff den Kopff / wie dem Actæoni, oder Eſelsohren / wie dem Midæ, weren angewachſen / ſo hette jhm der Kopff nit toͤller ſeyn koͤnnen: Er lieff in der Herberg auff vnd ab von ei - ner Kammer zu der andern / er wolte entweder ſein Tuch / oder ſein Geld: oder ſeinen Mañ haben: aber erkonde nichts anders habẽ als den Spruch jenes groſſen Fuͤrſten / welcher einem / ſo entweder von jne Geld oder Vrlaub begere / alſo antwortete: Du ſolt weder das eine noch daß andere haben. Eswar alle ſein rennen / lauffen vnd ſuchen vmbſonſt: Dañ der ehrliche Vogel / ſoll ich ſagen / von Adel / hatte ſeiner zeit wol in achtung genom̃en / war mit ſeinen guten Spanniſchen Tuch vnſichtbar worden / vnd kunde kein Menſch wiſſen / wohin er gangen were.
Der Laquey aber / der ſeine Sache ſo artig vnnd meiſterlich / als einer vnter der gantzen zunfft / kunde verrichten / redete jhm freundlich zu / troͤſtete jn vnd ſprach er ſoll im geringſten nit fuͤr ſein Geld ſorgen: dann ſein Herꝛ ſey nit ein ſolcher Man / der in beger - te vmbdaß ſeinige zu bringen / ſage jm auch ſein Herꝛ wuͤrde vnzweiffentlich den Abend widerumb in die Herberge kom̃en das machte nun das deß Kauff - mans Jung nit mehr ſo forchtſam war doch wolteer im28Beutelſchneider / oderer jm das nicht außreden laſſen / daß es redlich ſol - te zugangen ſeyn / es dauchte jhn doch / es muͤſte ein Schelmenſtuͤck darhinder ſtecken: Gehet darauff heim zu ſeinem Herꝛn klaget jhm / wie es jm ſo uͤbel vnd wunderlich ſey gegangen / vnd wiewoldaß ſchoͤ - ne Stuͤck Tuchs ſchon war vnſichtbar worden / ſo will doch der Kauffman ſelber nicht hoffen / daß der jenige / der ein ſolches dapfferes heroiſches Anſehen hatte / auch ſo gewaltig kundte von allerley Sachen reden / ſolte ein Rauber ſeyn.
Deß Abends gehet der Kauffmann ſelber hin in die Gaſſen S. Anthoine / da er dann hoffet entwe - der ſein Tuch oder ſein Geld zu finden / aber was ſeinem Laden Jungen war widerfahren /daß begeg - nete jhm auch / vnd muſte er ſelber bekennen / daß es heutigs Tages nicht mehr rathſam iſt / daß man den jenigen / welche man nicht kennet / etwas ver - trauet / dieweil man offtermals von den jenigen / welche man lange Zeit recht hat gekennet / vnd wel - che ſich fuͤr die beſte Freunde außgegeben haben / uͤbel wird betrogẽ. Diſes Bubenſtuͤck hat L’Eſcla - ir vnd ſein Mitgeſell dreyen vnterſchiedlichen Per - ſonen bewieſen. Aber laſt euch doch die Zeit nicht verdrieſſen anzuhoͤren / wie ſie endlich erkandt vnd gefangen ſeyn worden.
Es iſt jederman wol bekandt / wie ſo viel vnter - ſchiedliche Kauffleut / vnd ein groſſes maͤchtiges Volck võ allen Orten vnd Enden pflegen zu kom̃en auff den Jarmarckt zu S. Germain, dañ das iſt der groͤſte vnd vornembſte Marck / ſo in gantz Franck - reich wird gehalten. Nun truge es ſich zu / nachetli -29Diebshiſtorien / das II. Buch. etlichen Jahren / daß nach dem L’Eſclair vnd ſein Mitgeſell viel 1000 Bubenſtuͤck in der Statt Pa - ris / ſonderlich aber auff der neuen Bruͤcken (welche iſt der Albern Maͤußfall / vnd ein Labyrinth / da vil kluge ſich verjrꝛen / auch der Ort / da die Beutel - ſchneider pflegen zuſam̃en kom̃en) begangen hatten ſie ſich auch auff den Jarmarckt S. Germain bega - ben mit allem fleiß außzuſehen / welcher am meiſten Geld / vñ am wenigſten Klugheit vñ Verſtand het - te: Vñ als ſie auff dem Marck auff vñ ab ſpatziren / erſehen ſie einen Mahler von Antorff / welcher ein rotes Geſicht / vnd ein allmechtigen groſſen Bauch hatte: ſchlieſſen auch ſo bald auß ſeinem roten kopff / vñ groſſen Bauch /daß es in ſeinen Laden gut fuͤr ſie ſeyn werde zu handeln / vñdaß ſie vnzweiffentlich bey jhm eine gute Kuͤrbe werden erdappen koͤnnen.
L’Eſclair als der hertzhaffſte vnd vnverſchaͤmb - teſte gehet zu erſt hinein / nim̃et ſich an / als ſey er ein Kauffman / vñ ſagt zum Mahler / er ſey ein Mahler von Thoulouſe / vñ wolte gern etlicher ſolcher ſchoͤ - ner Stuͤcke mit ſich in ſein Land fuͤhren / wañ er ſie jm nur vmb ein billichs wolte zukom̃en laſſen. Der Mahler der an nichts anders gedencket / als daß er gern ſein Wahr wolte verkauffen / damit erdaß dicke Wambſt vnd feiſten Bauch noch lenger moͤchte erhalten / ſaget: Er ſey es gar wol zu friden / vñ woͤl - le jm ein dutzet der allerbeſten außerleſeneſten ſtuͤck - lein zukom̃en laſſen: L’Eſclair gehet in dem Laden auff vnd ab / beſihet die ſchoͤne Kunſtſtuͤcklein / vnd ſtehet ſtill in einer Ecken im Laden: Vnter deſſen aber ſo kommet deß Eſclairs Geſell auch in den La -den30Beutelſchneider / oderden hinein gegangen / gehet zum Mahler vnd bittet jn er ſol jm doch ein ſchoͤnes Stuͤcklein zeigen / dañ er moͤchte gern etwas von ſeinen Gemaͤhlen haben: Endlich ſehen ſie ein ſchoͤnes Taͤffelein in einer E - cken deß Ladens darauff Cleopatra gemahlet war: ſolches Taͤffelein wollen ſie alle beyde haben / vnnd hat doch keiner viel Luſt vmbs Gelt zu kauffen: L’E - ſclair ſagt / er hab zu erſt darumb gemaꝛcket / der an - der aber wil es auch mit gwalt haben. Endlich aber als deß Eſclairs Geſell den Kauffman auff ein ſey - ten zeucht / vnd ſich annimpt / als wann er wz heim - lichs mit jm woͤlle reden / gehet Eſclair auch hinden hernach / nimbt der Zeit in acht fehret dem Kauff - man vnvermerckter ſubtiler weiſe inn den Hoſen - ſack mit der Hand / vnd erwiſchete ein Wiſchtuch / darinn zwantzig Piſtoleten waren / welche der Ma - ler allweil hatte geloͤſet auß dreyen Taͤffelein / welche er einem Buͤrger ſo in der Gaſſen Dauphune wo - net / verkauffet hatte: L’Eſclair iſt nun mit dieſem Fang noch nicht zu frieden / ſondern wil widerkom - men / vnd es noch weiter wagen: greifft dem Kauff - man noch ein mal in den Hoſenſack / vnnd bekom - met einen Beutel / darinnen auch viel Gelt iſt: aber was geſchicht? Es wil der Kauffman in ſeinen Ho - ſenſack greiffen / vnnd das Wiſchtuch ſuchen / ſich darmit zu ſchneutzen / vnnd erdappet zu allem Vn - gluͤck den Eſclair die Hand inn ſeinem Hoſenſack / welche er jhm helt / vnnd fanget an vmb Huͤlff uͤber laut zu ſchreyen:
Als nun Eſclair ſihet / daß er eꝛdappet iſt / wincket er ſeinem Geſellen mit den Augen / daß er bey jn ge -he / vnd31Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. he / vnd gibt jm heimlich vnter ſeinem Mantel mit der andern Hand das Wiſchtuch mit dem geſtol - nen Gelt: dencket alſo bey ſich / wañ man nichts bey jhm finde / ſo koͤnte man nichts mit jhm anfangen. Der ander aber ſihet ſich vmb / wie er davon kom̃e / gehet den Laden hinauß / dringet durch das Volck hindurch / kompt alſo durch das groſſe zuſammen - lauffen deß Volcks darvon: der Kauffmann aber / der ſeinen Beutel verlohren hatte / ergreifft den E - ſclair beym Halß / vnd ſagt. Er hab ſein Wiſchtuch vnd Piſtoleten jm geſtolen / das Volck laufft zuſam - men: Als die Leut ſehen / daß Eſclair wie ein Buͤrger gekleidet daher gehet / meynet ein jeder / er ſey ein fei - ner ehrlicher Mann / als aber nun L’Eſclair lang dafuͤr gebeten hatte / er ſolte jn nit fuͤr ein Dieb anſe - hen / auch wuſte / daß der Diebſtal ſchon hinweg war / fangt er an ſo laut / als der Mahler / jmmer zu ſchreyen / ſchweret jm ein Eyd / er ſoll jn wider gut machen / vnd einen Widerꝛuff thun / oder wolle er nit leben: dann er habe kein Vrſach / ja keinen grund daß er jhn fuͤr einen ſolchen Rauber anſehe.
Hierauff ruffen etliche vnter dem Volck dem Mahler zu / er ſoll gemach thun vnd inhalten / mei - nen / der Kauffman habe vnrecht: vnter deſſen aber / da man den Eſclair beſuchet / vnd nichts bey jm fin - det / thut Eſclairs Geſell eins / vnnd (damit man ja wiſſen moͤge / wo das verlohrne Geld ſey hinkom̃en) laufft auff alle Ecken deß Marckts vnnd ſchreyet auß: Wer ein Wiſchtuch vnd Gelt darinnen ver - lohren habe / wann er nur koͤndte gewiſſe Muͤntze jhm geben / vnd die Species ſo im Wiſchtuch wereneigent -32Beutelſchneider / odereigentlich neñen koͤndte / der ſolte in der Statt in die Herberg zur Statt Clamor kommen / ſolten nach dem Herꝛn de Bois fragen / ſo ſolte jm ſein verlohr - nes Gelt wider werden. Vnd als dieſe Außruffung geſchehen / kommet er an das Ort / daß ſie miteinan - der beſtimmet hatten / vnd da jhre gantze Diebs Ge - ſellſchafft pflegte zuſammen zu kommen: Es war ſolche Herberg nit weit von der Herberg zur Statt Luxenburg.
Dieſe Außruffung erſchallet ſo bald auff dem gantzen Marck / es wird von einem Laden zu dem andern geredet von dem verlohrnen Gelt: der Ma - ler erfaͤhret ſolches auch / verlieret die Farb im An - geſicht / wird jm angſt vnd bang / daß er den Eſclair ſo hart hat zugeſetzt: hoffet auff der andern ſeyten / er werde in der Herberg zur Statt Clamar wider zu ſeinem Gelt kommen: entſchuldiget ſich wegen deß Argwohns vnd boͤſen Gedancken / ſo er von Eſclair gehabt hatte / bittet er woͤll es jm verzeihen: dañ weil er jhm gleichwol die Hand in ſeinen Hoſenſack er - dappet hatte / ſo hette er in ſolchen Noth nit anderſt gedencken koͤnnen / alsdaß er jm auch das Geld hette geſtolen: Eſclair, nach dem er ſich hoͤchlich beſchwe - ret uͤber den jm angelegten Schimpff / auch ſich er - klaͤret / er woͤlle ſolchs nit vngerochẽ laſſen / iſt gleich - wol ſehr wol zu frieden /daß er alſo kan darvon kom - men / gehet darvon / vnd ſuchet ſeinen Geſellen.
In wehren dem Tumult aber begibt es ſich /daß ein Soldat auß der Koͤniglichẽ Wach (welcher wie jn beduͤnckete / auch vor der Zeit von dieſem Filau war betrogen vnd beraubet woꝛden) auch da iſt auff demMarck /33Diebshiſtorien / das II. BuchMarck / er ſihet ſolchen Rauber / ſihet jm nach / vnd gehet jm von einer Gaſſn zur andern nach / leſt auch dem Maler ſagen / an was fuͤr ein Ort er ſey gegan - gen. Der Mahler ſchicket jemands ſo bald hin / vnd leſt inn der Herberg zur Statt Clamar nach dem Herꝛn de Bois fragen: Aber da war niem and zu finden / dann diſer Geſell war an einen andern Ort gegangen: Vnd hatte man niemal in ſolcher Her - berg etwas von dem Herꝛn de Bois gehoͤret: Weil nun der gedachte Soldat eine ſonderliche Feind - ſchafft wider den Eſclair hatte / dieweil er jm vor der Zeit ein mal vmb den Abend an der Auguſtiner E - cken den Mantel abgenommen hatte / nimbt er vnd der Kauffmann den Commiſſarium vnnd etliche Scherganten mit ſich / gehen in das Loſament / da der eine Geſell war hinein gegangen / finden die bey - de ehrliche Kauffmaͤnner beyeinander / welche ſo bald feſt gemacht / in das Gefaͤngnuß S. Germain de Pres geworffen / vnd nach geſchehener gnugſa - men Examinirung offentlich mit Ruthen außge - ſtrichen / vnd deß Lands verwieſen wurden.
Von dem Leben deß Maillard / eines beruͤhm - ten Beutelſchneideꝛs von ſeinen Diebiſchen Meiſterſtuͤcken / deren er ſich zu ſeinem rau - ben vnd ſtelen gebrauchete.
WEr ein außbuͤndiger guter Rauber ſeyn vnd werden will / der muß zuvor auch in der Bett - ler Zunfft ſeyn geweſen / er muß wiſſen alle die Liſt /CTuͤck34Beutelſchneider / oderTuͤck vnd Rencke der Boͤhmen / er muß wol kennen die Mercelots, die Bleches, die Caignats, die Bri - baulins, die Biſcarpens, vnd das andere heylloſe ſchelmmaͤſſige Lumpengefindlein / welches in der gantzen Welt pfleget vmbher zu ziehen.
Ein ſpitzfindiger Rauber verſtehet die Beut - Sprache vnd kan auff dem Naͤglein daher ſagen / alles was in dem Dictionario de Maraudaille, o - der in dem groſſen Bettler-Buch ſtehet: Er hat ſolche Art vnd Weiſſe zu reden / welche nur allein vnter vnd von jhren Bundsgenoſſen vnd Bruͤ - dern gebrauchet werden: So hat man auch zu allen Zeiten geſehen vnd erfahren / daß die jenige / ſo in der Rauberey Meiſter ſeyn geweſen / zuvor von Hauß zu Hauß vnd offentlich in den Kirchen gebettelt haben. Wir haben deſſen ein ſolches klares Exempel an dem Maillard / von welchem dieſes Capitel handelt / daß wer weit nach an - dern Exempeln wolte gehen / nichts anders thete / als wan er mit einer Fackel die helle Sonn wolte erleuchten.
Dieſer Rauber hatdaß Bettler Handwerck ſechs gantzer Jahr lang getrieben / vnnd iſt geweſen einer auß den heilloſen Schelmen / ſo jemals in Franck - reich ſein geweſen. Er ware ein Hoffbettler / folget dem Adel vnd dem Kriegsweſen nach / vnd befand ſich bey ſolchem Handwerck ſo wol / daß er es nicht hette wollen auffgeben / wann man jhm der gantzen Welt Guͤter darvor angebotten bette: Deß Mor - gens beſchmierrte er jm die Raß mit Ochſenblut / ſtellete ſich / als hette er die ſchwere Kraͤncke / ſetzeteſich35Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. ſich gemeiniglich nah bey das Loaure, oder vmb den Koͤniglichen Pallaſt zu Paris: thete als wann er vom Teuffel beſeſſen were / vnd lieſſe ſich von vier Perſonen halten: Deß Abends verfuͤgete er ſich in die Vorſtatt Mont-maite (welches dann ſeine or - dentliche Herberg war / vnd lieſſe ſich wie ein groſſer vornehmer Herꝛ ſtattlich vnd wol tractiren vñ ſpei - ſen: bißweilen ließ er ſich anblaſſen / vnd alsdañ ſahe er auß / als wann er gantz waſſerſichtig were / ſo wol kundte er ſich darzu ſtellen vnd geberden: Bißweiln ſtrecket er alle ſeine Glieder von ſich / als wañ Oſſe uͤber Pelion wolte zuſam̃en legen / oder als wann er von neuem wolte den Him̃el erſteigen vñ den Gott Jovem auß dem oͤberſten Him̃el herab ſtuͤrtzen / vnd durch ſolche ſeine ſchelmichte kraͤnckliche Geberden ſtellen vnd verſtellen / bekam er ein mechtiges groſſes Geld: Aber nach dem er nun ein lange Zeit das ed - le Handwerck getrieben hette / nam er jhm vor ein ander Handwerck zu treiben / dann es gehet doch ohne das alſo in der Welt zu / dann ein Ding nicht lang Beſtandt pfleget zu haben: Aber er machte es wie die jenigen / von welchen der Poet ſaget:
Cœlum non animum mutant, qui trans marce currunt: Das iſt / Ein Ganß fleugt uͤber Rhein / ein Ganß daher wird fliegen /
Alſo gehet es allezeit / wann die Narren thun außziehen: Dann auß einem Landbettler wurde er hernach zu einem Beutelſchneider / vnd offentlichen Land / ſchelmen / vnd begieng ſolche Bubenſtuͤck /C ijdaß36Beutelſchneider / oderdaß wahr bleibet / was wir zuvor geſagt haben: daß / wer ein außbuͤndiger Rauber will ſeyn vnnd wer - den / der muß zuvor inn der Bettlerzunfft ſeyn ge - weſen.
Das allererſte / das er vornam / war dieſes: Daß er ſich inn der Beutelſchneider Geſellſchafft lieſſe einſchreiben / vnd daß er jm ſein Lehrbrieff lieſſe ma - chen bey den Bruͤdern der Samaritaine / welche ge - meiniglich deß Nachts auff der newen Bruͤcken jren Rahtſaͤß halten: Als er nun inn dieſe loͤbliche Geſellſchafft war auffgenommen / da trachtete er darnach / wie er ſich beruͤhmbt moͤchte machen / auffdaß man jn nit vnter die geringſte / ſondern vnter die vornembſte vnd kluͤgſte rechnete: ſpintiſirte Tag vñ Nacht / wie er doch die newe ankommende uͤber das Seyl wuͤrffe was thut er? Er geſellet ſich zu zween / welche man fuͤr die verſchlageneſte vnd ſpitzfindig - ſte in der gantzen Geſellſchafft hielte / vnd gehet mit - denſelbigen zu den Franciſcaner Muͤnchen / da er ein Geiſtlichen alſo uͤberꝛedet /daß er jm auch zu ſein Rauben / wiewol vnwiſſend / muß behuͤlfflich ſeyn.
Herꝛ Vatter (ſagt er zu jm) ich habe einen Bru - der / welcher in wenigen Tagen wegen deß Abſter - bens ſeines Eheweibs / welches er mehr als ſein ei - genes Leben liebte / ſich ſo ſehr hat bekuͤmmert / daß er gleichſam thut / als wann er nit mehr recht bey ſinnen ſey: Bißweiln ſagt er zu vnns / er ſehe jhren Geiſt / hoͤre auch / wie ſie ſo jaͤmmerlich heule vnnd ſchreye: bin derhalben außtruͤcklich allhero zu euch kommen / euch zu bitten / daß jhr jhn doch widerumb woͤllet zu recht bꝛingen / dann ich habe ſonſten groſſeSorg /37Diebs Hiſtorien / das II. Buch. Sorg / es werde jhn der boͤſe Feind / der jhm ſchon tauſenterley naͤrꝛiſche boͤſe Gedancken einbildet / gar beſitzen / vnd werde jhm der wenigen Vernunfft vnd Verſtand ſo er noch uͤbrig hat / berauben. Ich will jhn euch morgen hieher fuͤhren / auff daß jhr jn deßwegen ſtraffet / vnnd zerſtrewet die dicken Wol - cken / welche jhm ſeinen Verſtandt gantz vnnd gar verfinſtern: Dann das ſollet jhr wiſſen / daß / wann jhn das Narꝛenweſen ankommet / ſo ſchreyet er ſo ſchrecklich / daß wir meynen / die Koͤpff ſollen vnns darvon voneinander reiſſen: darff vnns bald Gelt abfordern / thut als wann wir jhm ſein Gelt geſto - len haben: Wir haben jn zwar etliche Sachen ein - gegeben / in Hoffnung jhm ſolche Fantaſeyen vnd Melancoley zu vertreiben: Aber es muß jhm ſeine Melancoley vnnd Verwirꝛung deß Haupts von etwas anders herkommen / dann alle vnſere Muͤhe vnd Arbeit iſt verlohren geweſen. Wir hoffen aber doch / daß jhr jhn widerumb werdet auff einen gu - ten Weg bringen / ja daß jhr vor vielen andern jhn widerumb werdet zu recht helffen koͤnnen.
Ihr koͤnnet jhn in dem Namen GOttes hieher bringen (ſagt zu jhm der gute Vatter) ich will all meine Kraͤffte vnd Verſtand dran ſtrecken / damit ich jhn widerumb zu recht bringe: Das kommet her von einer Verenderung vnd Trunckenheit deß Hiꝛn welche durch groſſe Schmertzen vnd uͤbermaͤſſige Trawrigkeit iſt verurſachet worden.
Auff dieſe Wort nimbt Maillard ſein Abſchied / gehet mit froͤlichem Hertzen davon /daß er ſein GarnC iijſo wol38Beutelſchneider / oderſo wol hat geſpannet /daß er auch one Hundedaß erſte Rebhuͤnlein / ſo jm wird begegnen / kan fangen: Er verfuͤget ſich widerumb zu ſeiner Geſellſchafft / zei - get jhnen an / wie er daß Garn habe geſtellet / vnd ſo bald als morgen der Tag angebrochen / nim̃et er zu ſich einen ſeiner Geſellen / welcher auch nit ſchlimm war gefallen / leſt denſelbigen wie einen geiſtlichen Meßpfaffen kleiden / gibt jm einen Rock vnd Man - tel (als wann er ein vornehmer gelehrter vnd wol - beredter Pater were) vnnd gehet mit demſelbigen auff die Wechſel-bruͤcke / wie man ſie nennet / kauf - fet bey einem Goldſchmidt einen vberguͤldeten Kirchenbecher / welcher hundert Cronen werth war: dann vber das Gold vnd Silber waren auch viel Edelegeſteine daran / welche jhn noch viel thew - rer machten.
Der Goldſchmidt dencket im geringſten nicht / daß jhm da ein Fallſtrick geleget ſolle oder koͤnne werden: dann er meynete / deß Maillard Geſell / welcher wie ein Prieſter gekleidet war / were der je - nige / der jhm den Becher hezahlen ſolte: Der Kauff wird geſchloſſen / Maillard ſagt zu dem Gold - ſchmidt / er woͤlle jhm ſo viel zu gefallen thun / vnd jhn in der Franciſcaner Kloſter tragen laſſen: dan ſie ſolten jhn nach Compiegne in jhr Convent vnd Kloſter ſchicken.
Der Kauffman oder Goldſchmid meinet / es ſey al - les war was der boͤſe Bub vorgabe: dann ſie waren wol gekleidet / vnd hatten ein ſolches ſeines Anſehẽ / als wann ſie rechtſchaffene ehrliche Leute waren: nimmet auch ſchon ſeinen Mantel vñ wil mit jnengehen39Dibshiſtorien / das II. Buch. gehen / ſein Geld im Kloſter fur den Becher zu em - pfangen: aber als er jetzo wil mitgehen / kommen zween vornehme ehrliche Maͤnner in ſeinen Laden gegangen / vnd woͤllen jm etliche Demant vnd an - dere Ring vor ein Hochzeit / ſo in viertzehen Tagen in der Gaſſen Quniquem poix ſolte gehalten wer - den / abkauffen.
Das hielte den Goldſchmid ein wenig auff / vnd verurſachete hernacher / daß er einen ſeines Volcks vnd Geſindes / welcher bey zimlichem Alter war / an ſeine flatt mit ſchickete / befahl jhm auch / er ſolte fuͤr ſolchen Kirchen Becher hundert Cronen em - pfangen / vnd wol zuſehen / daß das Gold oder Geld / ſo man jhm wuͤrde geben / gut vnd gengbar ſeye.
Dieſer Kerles / der nun mehrmals an dergleichen Ort vnd Ende mit geſchicket worden / dencket / er woͤlle das wol außrichtẽ / nimbt mit ſicheinen Sack ſampt ſeinem Kelch: Aber jhr werdet darnach hoͤ - ren / daß er nichts als Wind bekommen / vnd hat gar keines Refftraͤgers bedoͤrfft / ſein Geld heim zu tragen.
Sie gehen mit einander ſtracks zu dem Franciſ - caner Kloſter zu vngefehr deß Morgens vmb ze - hen Vhr / vnd auff dem gantzen Wege halten ſie ſo gut Geſpraͤch mit einander /daß auch der ſpitz findige Argus, der doch 100. Augen im Kopff ſoll gehabt haben / jhren Betrug nicht hetten ſehen oder mer - cken koͤnnen: Als ſie nun vor die Kloſterthuͤr kom - men / ſtellet ſich Maillard / als ſey er darinnen wol bekandt vnd wol daheim / ſchellet an vnnd fragetnach40Beutelſchneider / odernach dieſem Herꝛn Vatter / welchen er mit Namen nennet: Der Thorhuͤter gibt jm zur antwort er ſey mit einem vom Adel in der Kirchen: Mein Herꝛ (ſagte hierauff der Rauber zum Goldtſchmidt) laſſet nur im Namen Gottes den Kelch allhier: der Thorhuͤter wird jhn vns wol verwahren biß daß wir jhn widerumb bey jhm abholen: Ich wolte gern auch einmahl in die Meß gehen. Der Goldt - ſchmidt iſt deſſen zu frieden / vnd gibt ſeinen Kelch deß Maillards Geſellen / welcher jhn dem Thor - huͤtter wol zuverwahren in die Hande gabe / vnd ſagte zu jhm doch etwas heimlich vnd alſo / daß der Thorhuͤter an nichts boͤſes kundte gedencken / er wolte alſobald wider kommen / den Kelch abholen vnd die Meß auch halten.
Mein Gott / Iſt es muͤglich / daß die vnver - ſchaͤmbkeit vnd der Betrug der Menſchen ſoll ſo weit kom̃en daß ſie daruͤber auch Gottes vnd ſol - cher heyligen ſachen darzu mißbrauchen? Gehey - ligte ſachen mißbrauchen ſie jhre Boßheit vñ Be - trug darmit zubekraͤfftigen vnd zuverdecken. Him - mel / wo ſeyn deine donnerſchlaͤg / daß du ſie dieſen Schelmen nicht laͤſt auff jhre Koͤpffe fallen? Ey daß doch die Lufft nicht hagelt / vnd ſie mit Hagel erſchlegt vnd bedecket? Vnd wo zu nutzet die Er - den / daß ſie ſich nicht ſo bald auffthut vnd in Ab - grund der hellen verſchlingt einen ſolchen Bettler / der ſich in einen Prieſter verſtellet vnd verkleydet / damit er ſein boͤſes Vornehmen deſto beſſer ver - maͤnteln vnd ins Werck ſetzen moͤge? Noch dan - noch duncket jhn / er ſey auß aller Gefahr / weil ernur41Diebs Hiſtorien das II. Buch. nur ſeinen kurtzen Diebsdegen vnnd ſeine Diebs - ſchern vnter einem Rock kan verbergen. Heiſt das nicht ſeiner ſelber vergeſſen? heiſt das nicht / ſich einbilden / es ſey kein Gott mehr im Him̃el / der ſol - ches Laſter / ſolchen betrug ſtraffen werde / der doch ſonſten vns nach vnſerm Verdienſt ſtraffet / vnd vns vergilt nach dem wir gearbeitet haben.
Aber ich bitte euch laſt vns doch ein wenig zu ſe - hen / was dieſer betruͤglicher Vorſchlag vor ein en - de gewinnen werde? Nach dem Maillard den Kir - chenkelch von dem Thorhuͤter in der Franciſcaner Kloſter hat holen laſſen / fuͤhret er ſeinen Kerles / verſtehe den Goldſchmid / in die Kirche: (da er wu - ſtedaß dieſer Herꝛ Vatter / mit welchem er den vori - gen tag hatte geredet / pflegte zu ſitzen vnd Beicht anzuhoͤren. Als er jn aber im Beichtſtul nit findet / gehet er zu der Sacrifley / da er dañ mit einem vom Adel ware vnd ſich ſchickete / die Meſſe zu halten.
Maillard nimbt der zeit wol in acht / laͤſt ſich mit dem vermeinten Prieſter / vnd dem Goldt - ſchmidt ſehen / gehet zu dem Moͤnche vnd ſaget jm heimlich in ein Ohr /daß / nemlich der Goldſchmidt / auff den er deutete / ſey ſein Bruder / vom welchem er jm den vorigen tag geredet hette: Darauff gehet der Geiſtliche (der im geringſten nicht dachte an einen ſolchen betrug / welcher darhinder ſtacke vnd welcher durch die gegenwart des andern vermein - ten Prieſters deſto mehr in ſeiner erſten meinung geſtaͤrcket wurde) zu dem Goldſchmidt vnd ſaget zu jhm alſo: Mein Freund / habt ein wenig gedult / biß daß ich die Meß habe gehalten: Nach der MeßC vvnd42Beutelſchneider / odervnd Opffer will ich euch allen guten willen erzeigẽ Der Goldtſchmidt / ſo da meinet / er wuͤrde ſo bald nach der Meß ſein Gelt empfangen / iſt mit ſolcher Antwort gar wol zu frieden / ſetzet ſich ein weil ni - der im Chor da Maillard vnd der vermeinte Peie - ſter auch ſtehen bleiben / biß daß der Muͤnch opffern wolte: Vnnd weil ſie dieſe gute gelegenheit jhnen nicht wolten entwiſchen laſſen / giengen ſie zu dem Goldtſchmidt vnnd ſagten jhm heimlich inn ein Ohr / ſie wolten hingehn vnd ein fruͤhſtuͤck in dem nechſten Wirtshauß / welches ſie jhm mit Namen nenneten vnd welches das vorne abſte Wirtshauß in ſolcher gegend iſt / zubereiten laſſen / vnddaß ſie ſel - ber ein Piſtolete zum fruͤſtuͤck wolten zum beſten geben: Der Goldtſchmidt iſt darmit abermals zu frieden / richtet ſie nach allem / das ſie jm ſagen / vnd will jm nit einfallen / daß ein eintziger betrug in al - lem jren Reden / noch in allem jrem vornehmen ſol ſtecken / bevorab dieweil der Franciſcaner Muͤnch / von welchem man geſagt hat / er were ein vorſteher vnd Oberſter zu Compiegne zu jm geſagt hatte / er wolte jm allen willen eꝛzeigen: Vnd er uͤber deß wu - ſte / daß der Thorhuͤter den Kelch vnter ſeinen Haͤn - den hatte.
Aber laſt euch die zeit nit lang werden: bald wird es im Hauß uͤber vnd uͤber hergehen: Dañ als Ma - illard vnnd ſein Geſell ſich allgemach auß der Kir - chen gemacht hatten / gienge der jenige ſo wie ein Prieſter gekleydet war / zu dem Thorhuͤter vnd for - derte ja name jm den Kelch ab / welchen er jm zuvor in ſeine Haͤnde hatte begeben / vorgewendt er woͤllein ei -43Diebshiſtorien / das II. Buch. in eine Capellen gehen / vnd allda eine Meß halten.
Dann da pflegt man ſolche Perſonen zu finden / welche nach der eygenen andacht der jenigen wel - che ſie die Meß laſſen leſen / jhnen ſolche oͤrter er - wehlen / welche jhnen ſelbſten wol gefallen.
Der Thorhuͤter meynt / der vermeynte Prieſter wolle nach ſolcher gewonheit auch an dergleichen Ort gehen vnd Meß halten / gibt jhm / was er begeh - ret: vnd ſo bald fangen Maillard vnnd ſein Geſell an jhre Fuͤſſe zu ſuchen vnd daruon zulauffen: Es wahre ein lunſt jhnen zuzuſehen / wie ſie die Gaſſen ſo dapffer mit der langen Meß ruth maſſen: Dann jhr moͤget mir das wol glauben /daß ſie das Zipper - len nit an den Fuͤſſen hatten.
Der gute Vatter der Moͤnche / welcher võ den vor - begangenẽ Betrug gãtz vnd gar nichts wuͤſte: nach dem er das Heylige Opffer verrichtet hatte / bleibet er ein zeitlang in der Sarriſten vnd thut ſein Ge - bet: Vnd als er endlich den Goldtſchmidt wide - rumb erſiehet / ruffet er jhm zu ſich: Der Goldt - ſchmidt recket die Ohren auff / wie ein Haas / vnd ſuchet ſchon ſeinen Sach / daß erdaß Geldt / welches er vermeinete zu empfangen / darinnenfaſſe / vnd folget jhm nach auß der Kirchen biß in das Cloſter hinein: Da dann der Geiſtliche den Goldtſchmidt auff ein ſeiten zeucht vnd fanget mit jm an alſo zu reden. Mein guter Freund (ſagt er zu jhm iſt es lang / deß ewer Weib iſt geſtorben / vnd daß jhr die - ſe Schwachheit an euch habt? Dann / wann mann ſoll helffen / muß mañ den Vrſprung vnd die rech - te Vrſach der Schwachheit wiſſen / ehe mann dieMittel44Beutelſchneider / oderMittel darzu gebrauchet. Was fuͤr eine Fraw (ſagt der Goldtſchmidt) ich hab kein Weib / ich bin noch ledig. Das iſt die Vrſach nicht / warumb ich hieher kommen vnd nunmehr ſo lang gewartet habe.
Ich weiß wol / daß jhr nicht verheurathet ſeyt (ſagt der gute Vatter) dann / wann das were / ſo hett jhr ewers erſten Weibs bald vergeſſen / vnnd leſt ſich auch nicht anſehen / daß jhr euch ſo bald veꝛ - heurathen werdet / weil jhr ſie in jhrem Leben ſo lieb vnnd werth gehabt hat: Es iſt aber doch gut daß man wiſſe die zeit / da ſie iſt geſtorben / auff daß man ewrem betruͤbten zuſtandt deſto eher vnd mehr huͤlff ſuchen moͤge.
Mein Herꝛ ſagt hierauff der Goldtſchmidt / ich glaube / daß jhr mich gantz vor einen andern verſe - het: Ich hab kein Weib / ich bin nicht verheurathet / ich bin hieher kommen das Gelt einzunemen / wel - ches man mir ſchuldig iſt.
Mein Freund (ſagt der Franciſcaner Muͤnch) ich weiß gar wol / daß jhr Gelt fordert: Gleichwol were es ſehr gut / daß man euch widerumb koͤndte zu recht bringen: Iſt es lang / daß jhr nicht ſeydt zur Beicht geweſen? weil jhr euch ſo uͤbel vnd beſtuͤrtzet befindet? Habt jhr ewer Gewiſſen gereiniget von al - len den ſchweren ſuͤnden / welche jhr moͤget began - gen haben? Dañ Gott der Herꝛ ſchickt vns manch - mals Creutz vnnd Truͤbſal vmb vnſerer Suͤnden willen / er ſtrafft vns / nach dem wir verdient haben / ich bitte euch / habt mir es nit vor vnqut / daß ich ſo weit ewer ſachen halben nachfrage: Dann / was ich thut vnd frage /daß thu ich euch zum beſten vnd vmb euer ſelbſten wolfahrt willen.
Mein45Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Mein Herꝛ / (ſagt hierauff der Goldiſchmidt: er ſtand aber zuvor auff von dem Orth / da er ſaſſe) verzeyhet es mir / wann mir die Wort entwiſchen: Es muß deren dingen eins ſeyn: Daß entweder der Herꝛ oder ich ein Narꝛ iſt / daß entweder einer oder der ander ſeines Verſtands iſt beraubet: Ich bedarff ewerer Narꝛenboſſen gantz vnd gar nicht? Ich begehre die Hundert Cronen / welche jhr mir ſchuldig ſeyt / oder will meine Wahr wider haben: Dann ich muß die Leut auch bezahlen / wie billich / ich bedarff deß vmbſchweiffens vnd deß Spottens gantz vnd gar nit.
Allgemach / guter Freund (ſagt der Vatter / o - der Franciſcaner Muͤnch) Ich will euch auch zu - frieden ſtellen: Aber / was ich euch ſage / das ſage ich euch zum beſten / jhr ſollet deßwegen nicht ſo zornig werden: Vnnd das ich euch mit zweyen Worten meines Hertzens meynung ſage / ſo were es ſehr gut daß jhr eine gute Artzeney ſuchet fuͤr ewere Seele / vnnd daß jhr darnach eweren Leib ein wenig lieſſet purgiren: Dann alle die wunderſeltzame einfaͤll kommen daher / daß ewer Hirn nicht recht beſchaf - fen vnd gar zu trucken iſt.
Sihe da warlich / das ſeyn mir ſtattliche ſtreich / ſagt der Goldtſchmidt. Iſt das die Muͤntz / darmit jhr mich bezahlen woͤllet: Ihr muͤſſet mir entweder allhie ſo bald die hundert Cronen geben / wie man deſſen mit meinem Herꝛn iſt einig worden / oder muͤſſet mir meinen Kirchenbecher wider geben: Es will ſich gar uͤbel ſchicken / daß nach dem jhr mei - nes Herꝛn Gut vnd Becher habt empfangen / jhrmir46Beutelſchneider / odermir jetzunder mit ſolchem geſpraͤch kommetauffge - zogen / vnd woͤllet an ſtatt baares Gelts mit bloſſen Worten vnd dergleichen Lamen boſſen vnnd vnge - reimbten Geſpraͤch bezahlen.
Der Franciſcaner Muͤnch ſihet den Goldt - ſchmidt wol an vnnd als er auß allen ſeinen Wor - ten / Geſicht vnd Geberden nicht kan ſehen / daß er im Kopff ſoll verirꝛet vnnd verwirꝛet ſeyn / fanget er an zu gedencken / ob nit ein Schalckheit vnd Be - trug darhinder ſtecke / vnnd als er bedencket / daß Maillard ſich darvon gemacht hat / will jm ſolches je laͤnger je mehr traumen: Von was fuͤr einem Kelch ſaget jhr mir / ſpricht er zum Goldtſchmidt? Habt jhr mir einen Kelch gegeben. Ich begere das Gelt (antwortet der Goldtſchmidt) fuͤr den Kelch / welchen jhr bey vnns habt abholen laſſen durch zween ehrliche Maͤnner / mit welchen jhr ſel - ber vor der Meß habt geredet / vnnd iſt der Kauff vmb hundert Cronen geſchehen: Wir haben den Kelch ewerem Throhuͤter in ſeine Haͤnde gegeben / daß er jhn euch ſolle geben / vnd hat man vns geſagt er ſey vor den Herꝛn als vor den Oberſten im Con - vent zu Compiegne.
Vnd wann jhr mir nicht glauben woͤllet / ſo redet deßwegen mit ewerem Thorhuͤter / oder laſt mir die zween der fuͤr mich kommen / die mich hieher gefuͤh - ret haben: ſie ſein nicht weit hiervon ſie waꝛten mei - ner allernechſt vnd woͤllen das Fruͤſtuͤck bezahlen.
Als nun der Franciſcaner Muͤnch dieſes Ge -[p]rech angehoͤret / wundert er ſich / vnd fanget gantzanderſt47Diebs Hiſtorien / das II. Buch. anderſt / als zuvor / zu reden: es iſt zwar war / ſpricht er zu dem Goldtſchmidt / daß der jenige / ſo mit euch vor einer halben Stund iſt hieher kommen / mit mir hat geredet: Aber er iſt zuvor vnd zwar geſtern bey mir geweſen vnd hat mir zuverſtehen geben / er habe einen Bruder / der ſey gar im Haupt verirꝛet / hat auch geſagt: Ich thet ein werck der Barmher - tzigkeit / wann jch jhn examinirte vnd ſehe / was jhm mangelte / ob er vielleicht widerumb moͤchte zu recht gebracht werden: Er hat mir auch erzehlet / daß das die vrſach ſey /daß ſein Eheweib / welches er ſehr Lieb vnnd werth gehabt habe / ſer vor kurtzer Zeit geſtor - ben: Es duͤncke jhn / er ſehe ſie deß nachts vmb ſich / vnnd hoͤre ſie reden: Derhalben (ſagte er zu dem Goldtſchmidt) bitte ich euch / jhr woͤllet mir es ver - zeihen / daß ich bißhero geglaubet habe / jhr ſeyt eben der jenige von welchem er mir ein langes vnd brei - tes zuvor hatte geſchwetzet Aber was den Kelch an - langet / darvon jhr mir redet / weiß ich im gerigſten nicht: Es kan ſeyn / daß er mich fuͤr einen andern hat angeſehen: Dann wann der Kelch vor den Convent de Compiegne ſoll gehoͤren / ſo iſt jr Hauß - Vatter jetzunder hie / vnd kan wol ſeyn / daß er ſel - ber durch jemands ſeiner Fꝛeunde daſſelb mag kauf - fen haben laſſen: Lieber ſaget mir / wo ſein ewere Ge - ſellen / dann ich ſehe daß das ding nicht recht zu ge - het / es ſtecket ein Betrug darhinder / dem ſey auch wie jm woͤlle.
Ich weiß / wo ſie ſein (ſagt der Goldtſchmidt) aber / weil der Haußvatter vnnd Oberſte deß Con -vents48Beutelſchneider / odervents zu Compiegne hier iſt / ſo bitte euch vnb Got - tes willen / ſehet doch / daß ich deßwegen mit jhm re - den moͤge.
Auff dieſe wort fuͤhret der gute Franciſcaner Moͤnche (welcher noch nicht durch dieſe Wolcke ſehen vnd die Warheit finden kundte) den Goldt ſchmidt in die Kammer zu dem Oberſten oder Haußvatter deß Convents von Compiegne / wel - cher / als er jhr begeren vernimmet / jnen antwortet er wiſſe von den dingen / die ſie jhm erzehlen / gantz vnd gar nicht / habe auch keinen Menſchen auff der Welt befohlen /daß er inn ſeinet wegen einen Kir - chenkelche ſolle kauffen.
Der Goldtſchmidt bleibt nicht deſto weniger auff ſeinen eylff Augen vnd betheueret / daßder Kelch in keines andern als in ſeinem Namen iſt gekauffet worden / dringet derohalben auff ſolchen Moͤnch von Compiegne vnd will kurtzrund ſeine bezahlung von jhm haben / dann er ſpricht / er habe den Kelch ſeinet wegen dem Thorhuͤter in ſeine Haͤnde gelief - fert.
Als nun der Haußvatter vnd Moͤnch von Com - piegne ſolche geſpraͤche hoͤret / ſpricht er jme freund - lich zue: Mein lieber freund / es iſt daran nichts ver - lohren: Es iſt gewißlich wahr daß ich keinem Men - ſchen hab befohlen / einen Kelch fuͤr mich zu kauf - fen: Aber weil ihr gleichwol ſaget / jhr habet den Kelch dem Thorhuͤter in ſeine Haͤnde gelieffert / ſo will ich jhn her kommen laſſen / auff daß er euch das euerige widerumb zuſtelle. Deſſen iſt der Goldt - ſchmidt zu frieden / Wiewol es jhn auch hoͤchlichverdreuſt49Diebs Hiſtorien / das II. Buch. verdreuſt / daß der Kauff ſolle zuruͤck gehen: Dann er vermeinete / er wuͤrde den Tag ſchon mehr als 20. Cronen gewonnen haben.
Man leſt hierauff den Thorhuͤter kommen: der - ſelbige bekennet vnd beſtehet zwar / daß man jhm ei - nen Kelch zu verwahren habe gegeben: Aber es ſey bald darauff der Prieſter ſo jhme den Kelch inn die Haͤnd habe gegeben / widerumb zu jhm kommen vnd hab jhn jhm widerumb abgefordert vnnd ge - ſagt / Er muͤſte an einen Ort gehen vnnd die Meß halten: Vnd ohne zweiffel werde man jhn inn der nechſten Capellen finden.
Als nun der Goldtſchmidt das hoͤret / fanget jm die Naß an zu ſchweiſſen / es will jhm bey der ſachen angſt werden vnnd fanget erſt an den Betrug zu - mercken: Vnnd das hette auch ein Kind mercken koͤnnen: Dann in die Kirche gehen vnd ſeine Geſel - len alda ſuchen / das war nichts anderſt / als muth - williger weiß die zeit verlieren / dieweil er jhm ſelber leichtlich kundte einbilden / daß er ſie allda nit fin - den wuͤrde. Solte er dann hingehen in das Wirts - hauß darinnen ſie jhn beſchiden hatten / das ware noch erger: Dann es fiele jhm ſchon ſelber ein / daß er nichts mehr als das laͤere Neſt wuͤrde finden: nichts deſto weniger aber macht er ſich vnnuͤtz uͤbeꝛ dem Thorhuͤter / trohet jhm / er ſolle jm die hundere Cronen wol bezahlen / er woͤlle eine Rechtfertigung mit jhm anfangen: Der Thorhuͤter aber vertheydi - get ſich vnd ſpricht / er hab zwar den Kelch empfan - gen / aber er habe jhn dem ienigen wider geben / von deme er jhn zuvor empfangen hatte.
DVnd50Beutelſchneider / oderVnnd alſo nach dem ſie auff beyden ſeiten viel Wort miteinander gewechſelt hatten / muſte der Goldtſchmidt alle Capellen inn der Franciſcaner Kirchen durchlauffen / gienge auch in das Wirts - hauß / in welches Maillard vnd der vermeinte Prie - ſter jn beſcheiden hatte / aber er kundte weder Hund oder Menſch antreffen. Vnd ſehet alſo wuſte Ma - illard ſein Perſon zu ſpielen vnd den Kirchenkelch argliſtiger weiſſe vnſichtbar zumachen.
Auß dem allem aber / was wir vmbſtaͤndiglich erzehlet vnd angehoͤret / haben wir dieſe Lection oder lehre zu behalten / daß wir auff den euſſerlichen Au - genſchein nit gehen ſollen / vnd vns wol vorſehen / daß wir jederman nicht leichtlich vertrawen. A - ber dieſer ſtreich hat Maillard noch ſehr viel began - gen / welche nit ſchlimmer / ſondern viel beſſer oder ſoll ich ſagen / erger ſein geweſen. Ehe wir dieſe Hi - ſtorien beſchlieſſen / ſo laſt vns derſelbigen noch etli - che anhoͤren.
Ferꝛnere Beſchreibung deß Lebens vnnd der begangenen Bubenſtuͤcken deß Maillard.
ALs Maillard auff ein Zeit bey dem Lo - vore oder Koͤnigliche Pallaſt zu Paris ſtun - de die voruͤber gehende auß zu kundſchafften / erſahe er einen vom Adel / welcher vnverſehener weiſe mit dem Wiſchtuch auß dem Hoſenſack ſei - nen Beutel zoge vnd fallen lieſſe: Vnnd kundte einjegli -51Diebs Hiſtorien / das II. Buch.jeglicher ſelber auß dem klang deß Beutels vrthei - len / daß er voll Piſtolen vnd Geldt vnd nicht von Wind ware / wie deß Vlyſſes Geſellen vnnd etliche andere kahle hoͤffling jhre Beutel mit kleinen ſtei - nerlein / vnd mit Nuͤſſen fuͤllen / vnnd nehmen ſich hernacher an / der Beutel mit dem Gelt ſey ſo ſchwer / daß ſie jhn nit recht heben koͤnnen.
So bald als nun Maillard das koͤſtliche pfandt erſahe / bekame er ein gewaltigen Appetit vnd luſten darzu / Er wuͤnſchete nichts mehr als daß er die vier Finger vnd den Daumen nur ein wenig drauff koͤndte legen.
Was thut er aber? Er folget dem Edelmann nach bald auff der einen / bald auff der andern ſei - ten: Sein Hand ſtrecket er zwar auß / aber er darff ſich noch nicht darmit inn deß Edelmanns Se - ckel wagen.
Endlich aber / als er lang auff vnd ab ware ge - gangen / ſihe da kommet einer ſeiner Spießgeſellen daher gegangen. Zu dem geſellet er ſich / zeigt jhm / was er erſehen / vnd bereden ſich / wie ſie den Seckel zu fiſchen die Sache kluͤglich vnd kuͤnſtlich angreif - fen woͤllen.
Als nun der Anſchlag gemacht / nehmen ſie der Zeit wol inn acht: Vnnd als der vom Adel in der Mahler Galerey mit vielen Vornehmen vom A - del auff vnd ab ſpatzieret / vnnd dieſe beyde Diebs - geſellen ein Meiſterſtuͤck jhrer Diebskunſt mitten vnter ſo viel vornehmen Herꝛn / ſo deß mals allda waren beweiſſen woͤllen / thut deß Maillards Ge - ſell / welcher auff der andern ſeiten allein auff vnndD ijab ſpa -52Beutelſchneider / oderab ſpatzierte / eins / vnd gehet dem vom Adel entge - gen / vnd als er nun an jhn kommet / ſtellete er ſich / als habe er ſich vn erſehener weiſſe an ſeine Spo - ren geſtoſſen / felt oben auff den vom Adel / vnnd be - kuͤmmert ſich wenig darumb / ob jederman jhn vor einen groben vng ſchickten Doͤlpel werde halten o - der nicht: Dann es ware jhm vnd ſeinem Geſellen nur vmb deß Edelmans Seckel zu thun: Er felt a - ber ſo hart auff den vom Adel / daß er auch mit zur Erden muß niderfallen.
Als ſolches Maillard / der gar nahe hinder jhm gienge / ſihet / ſpringt er vollends herbey / hilfft mit der einen Hand dem vom Adel auff vnnd wiſchet mit der andren Hand mit ſolcher geſchwindigkeit dem Edelman im Hoſenſack / daß er ſo bald den Beutel erdappet vnd außfuͤhret.
Der Jenige aber / der das grobe Bawernſtuͤck begangen vnnd den vom Adel vmbgeſtoſſen hatte / will gleichwol nicht vor vnhoͤfflich angeſehen ſeyn / tritt zu dem vom Adel vnnd bittet jhn / er wolle es jhm doch nicht vor vngut auffnehmen / daß er jhn vmbgefallen / dann in der Galerien ſey er ſo hart ge - trucket worden / daß er mit den Sporen in einan - der ſey kommen / vnd habe alſo uͤber jhn fallen muͤſ - ſen. Dieſe entſchuldigung thaͤte er nun nicht auff gut Frantzoͤſiſch / ſondern wie ein Teutſcher / der nie recht Frantoͤſiſch wil / kan reden / oder wie ein En - gellaͤnder / der Frantzoͤſiſch reden / vnnd kan es nicht recht: vnd deßwegen wurde es jm deſto weniger fuͤr vngut auffgenommen vnd fiengen alle die jenige / die es geſehen hatten / an zu lachen: Aber endlichwird53Diebs Hiſtorien / das II. Buch.wird darauß werden ein Riſus Sardonius wir das ſprichwoꝛt lautet: Dann verliehren iſt fuͤr Lachen gut / das iſt ein ſolches lachen / daß einem die Augen daruͤber uͤbergehen
Als nun diſe beyde Beutelſchneider jhr Mei - ſterſtuͤck bewieſſen hatten / wahren ſie froͤlich vnd gutes muths / vnd nahmen jhn vor in das Koͤnig - reich de Quoniambes vnnd die weit abgelegene Calecutiſche Provintzen zulauffen: Aber ſie muͤſ - ſen endlich lernen erkennen / daß war iſt das ſpꝛich - wort: Qui trobembraſſe, mal eſtreinct: Wer im auff einmal gar zuvil wil auffladn / kan jm auch leichtlich ſelber den Hals brechẽ: Dan nach dem ſie einen jungen albern Kerles / der friſch ware ankom - men vnd der daß anſehen hatte / das er ohne allen zweiffel viel Gelds bey ſich hette / in dem vndern Saal in dem Louore erſehen hatten folgeten ſie im nach vnd bildẽ jnen ein der tag were von Gott ver - ſehen / daß ſie etwas erhaſchen muͤſten.
Vnddaß ware auch die warheit: Es war freylich der tag von Gott verſehen dan Maillard wurde den tag erhaſchet vnnd erdappet. Als ſie aber nun dem jungen Kerles mit fuͤſſen vnnd augen nachfolgen gienge er oben auff in den Saal der Mahler / alda allerley ſchoͤne vnd ſeltzame gemaͤhlte / welche deß Menſchen verſtandt kan er finden / zuſehen vnd ſich darinnen zu erluſtiern.
In dem aber ſie beyde den Anſchlag machten / wie ſie denn jungen friſchen Kerles erdappen moͤchten / wahre der von Adel / dem ſie zuvor den Beutel auß gefuͤret hatten / in die Kirche zuD iijSanct54Beutelſchneider / oderSanct Germain de Lauxerrois die Predigt an - zuhoͤren gegangen.
Vnnd als er in der Kirchen wolte in Sack nach ſeinem Beutel greiffen vnd zween oder drey frembden eine Allmoſſen geben wolte / fande er weder Geldt noch Beutel / daruͤber er dann ſo be - ſtuͤrtzet als ein glockengieſſer wuͤrde.
Er ſpintiſiret vnd bedencket ſich lange zeit wo jhm doch der Beutel moͤge außgefuͤhret ſein wor - den: Er bedencket ſich / wo er den gantzen Tage von fruͤh morgens an biß auff ſolche zeit ſeye gewe - ſen / vnd befindet endlich / daß es jhm an keinem andern Orth koͤnne geſchehen ſeyn / als eben in der Galerien / da einer jhn habe vmbgefallen vnd vmb - geſtoſſen.
Hierauff macht er ſich auff ſeine Fuͤß / gehet wi - der an den Ort / in meynug entwedre den jenigen zu finden / welcher jhn hatte vmbgefallen / oder den andern welcher im widerumb hatte auffgeholffen / oder ſie alle beyde anzutreffen vnd jhnen nach den Koͤpffen zu greiffen Er hatte auch ſolche zween ge - ſellen ſo wol in ſein Geſicht gefaſſet daß als er in der Galerey ſo bald den Maillard antriffe / nimmet er jhm vor / er wolle ſo bald vber jhn fallen vnd jhn beſuchen: Aber er helt doch ein / weiß nicht / wie er die ſachen ſoll anſtellen: Dann es gehet dieſer Rauber ſo ſtattlich daher / vñ hat ein ſolches Heroiſches an - ſehen / daß mann hatte meynen ſollen / er were der vornembſte vom Adel an dem gantzen Koͤniglichen Hoffe geweſen: Derohalben ſo getrawet der vom Adel jhm ſelber nicht / daß er jhn deßwegen ſoll an -ſpren -55Diebshiſtorien / das II. Buch.ſprengen: Dencket alſo / wann der jenige ſolte ein Rauber ſein / vnd ſolte jhm ſein Beutel gefiſchet haben / ſo wuͤrde er ſich nicht lang in der Galerey auff gehalten / ſondern ſo bald auß dem ſtaub dar - von gemacht haben.
Hergegen aber als er jhn ſo wol anſihet / nim - met ſeine geberden vnnd manter wol in acht / ſo duͤncket jhn doch / er muͤſſe jm ſein Seckel mit dem Gelde geſtolen haben.
Deß Maillards Geſell / welcher der erſte den Edelman hatte ſehen wideꝛ kommen / merckete wol / daß kein gute Lufft mehr fuͤr ſie were / allda laͤnger zu bleiben derhalben ſuchete er allgemach Gelegen - heit ſich darvon zu machen / gab auch dem andern ein Zeichen / daß er ſolte ſehen / daß er durch das Volck darvon kaͤme / ſonſten wuͤrde jhm eim groſ - ſes Vngewitter vber den Halß kommen: Mall - lard / welcher den Edelman noch nicht hatte wider geſehen / meynet / ſein Geſell wincke im deßwegen / daß es Zeit ſey eben das Meiſterſtuͤck / welches ſie zuvor an dem Edelman bewieſen / auch an dem jungen friſch ankommenden Herꝛn / von dem wir zuvor geredet haben / zu practiciren: Als er aber al - ſo auff vnd ab ſpatzieret / vnd bedencket ſich auff al - lerley Mittel vnnd Kunſt / wie er doch die Sach moͤge anſtellen / vnd dem gedachten jungen Herꝛn hinder den Beutel niſten / da ſtoͤſſet jhm der Edel - man / den er zuvor beraubet hatte / auff vnnd ſihet jm in ſein Angeſicht hienein / daruͤber dann Mail - lard alſo erſchricket / daß er gantz rot vnter dem An - geſicht wird: Es wird jhm ſo bang / daß er nichtD iiijweiß56Beutelſchneider / oderweiß / wie er ſich geberden / oder wo er ſein Angeſicht ſoll hinwenden: In ſolcher Angſt aber nimmet er den Beutel mit dem Geld / welchen er dem Edel - man geſtohlen hatte / vnd in ſeinem Sack bey ſich truͤge / vnd knuͤpffet jhn (welches fuͤrwar ein wun - de: barliches Werck iſt) mit Ehren zu melden / an den natuͤlichen Beutel: dann er gedencket / man werde ja den Beutel nimmer mehꝛ an ſolchem Ort ſuchen: vnd als er ſich nu alſo geſchicket hat / ſuchet er Gelegenheit darvon zu kommen / gehet der Gal - lerien vnd dem Saal hinauß vnd gar darvon.
Der Edelman / welcher gar wol geſehen hatte / daß der Rauber / als er ſeiner anſichtig worden / die Farb verendert hatte / wird darduꝛch in ſeiner mut - maſſung deſto mehr geſtaͤrcket / vnd hele gaͤntzlich darvor / er muͤſſ ſich ſchuldig befinden / vnd kein gut Gewiſſen haben / dieweil er ſo bald / als er ſeiner an - ſichtig / ſo roth vnter dem Angeſicht war worden: Bittel derhalben ein Edelman / ſo von ſeinen Freunden war / er woͤlle jm nachfolgen / vnd jm ei - nen Beyſtand leiſten / dann er bedoͤrffe jetzunder ſeiner gar wol.
Dieſer meynet nun / es woͤlle ſich der ander ſein Freund mit einem balgen / nimmet ſich derohalben erſtlich an / er ſey nicht allerdings wol auff: aber weil er ſich ſo bald widerumb erinnert / daß wann er jhm ſolch ſein Begehren abſchlage / vnnd jhme nicht einen Beyſtand leiſte / werde er fuͤr einen zag - hafftigen Memmen außgeſchryen vnd außge - lachet werden / gehet er mit jhm: vnd ſein Laquey / welcher verſtanden hatte das jenige / was der ande -re jm57Diebs Hiſtorien / das II. Buch.re jhm geſagt hatte / war aber der Meynung auch / wie ſein Herꝛ: machet darauff ein Geſchrey / daß ſich zween mit einander balgen wuͤrden / alſo / daß / als ſolches dem groſſen Obervogt fuͤr Ohren kah - me / er ſich auffmachte / ſolches jhr Seelengefaͤhr - liches Vornehmen vñ Balgen zu verhindern: aber der Streit / den ſie mit einander hatten / war nicht groß / dan jhr werdet hoͤren / daß kein Blut darbey iſt vergoſſen worden.
Der Edelman / welcher dem Lovure hinauß war gegangen / ſeinem Mann nachzufolgen / als er ſihet / daß er ſich vnter dem vielen Volck / welches von allen Enden vnd Ecken zulieffe / wil verſchlei - chen / vnd verliebren / folget im ſtrack nach / vnd als er nah bey S. Germain de Lauxerrois in de Kloſter jhm gar auff den Halß kommet / greiffet er zu ſei - ner Wehr / vnd redet jhn mit einer Kriegsmaͤn - niſchen Hertzhafftigkeit alſo an: Hoͤre / du Schelm / der du biſt: du muſt mir entweder den Beutel mit dem Geld / welchen du mir haſt genommen / wider geben / oder muſt allhier dein Leben verlieren / dann ich kenne dich gar wol.
Maillard / der ſchon hatte angefangen zu fliehen wie ein Hund / der den Schwantz zwiſchẽ den Bei - nen tregt / vnd ſich fuͤrchtet fuͤr den ſtoͤſſen / war ſehr beſtuͤrtzet / da er von den Edelman alſo angeſprenget wurde / vnd hatte auch widerumb zur Wehr gegrif - fen / wann er nit geſehen hette /daß er ſchon von zween oder drey Edelleuten / welche jhm auff den Ruͤcken nach folgetẽ / gantz vmbꝛinget weꝛe: Er ſpꝛinget aber zween oder drey Schrit zu ruͤck / vñ ſpricht alſo zumD vEdel -58Beutelſchneider / oderEdelman: Mein Herꝛ / ſehet zu / mit wem jhr redet / jhr ſehet mich fuͤr einen andern an: ich bin nicht der Geſellen einer / daß ich ſoll den Leuten die Seckel abſchneiden / vnd außfuͤhren.
Es iſt verlornen Arbeit vnd Zeit / ſagt zu jm der Edelman / daß du mir wiltdaß Gegentheil einbilden: dann kein anderer als du allein / haſt die Hand in meinem Hoſenſack gehabt: derohalben / ſo ſolt vnd muſtu mir das geſtohlene Geld widerumb geben: Auff dieſe Wort fanget Maillard an vnd ſetzet ſich auff ſeine groſſe Pferde / macht ſich ſo vnnuͤtz / als der Gaͤſt einer / ſaget: Man ſoll recht zuſehen / mit wen man es zu thun habe: er ſey kein Beutelſchnei - der / wie er jhn darvor anſehe / ſondern / ein ehrlicher vom Adel: vnnd wann man jhm etwas zu fuͤgete / daß ſich nicht gebuͤhrete / ſo wolte er es zu ſeiner zeit vnd an ſeinem Ort wiſſen zuſuchen / vnd zurechen: Deß Edelmans Geſell / als er ſolche Wort von Maillard hoͤrete / meynete ſelber / es geſchehe jm zu viel / ſagte zu dem Edelman: Er ſehe jhn fuͤr einen andern an / vnd hette dieſer das Anſehen nicht / daß er ein Dieb vnd Rauber ſeyn ſolte.
Ihr wiſſet nicht was jhr ſaget / antwortete jhm wider der Edelman / ich weiß ſo gewiß / als ich hie ſtehe / daß dieſer mein Seckel vnd Geld hat / oder hat er es nicht / ſo weiß er doch / wo es iſt / vnd wo es