PRIMS Full-text transcription (HTML)
Beutelſchneider / Oder Neue / warhaffte / vnd eigentliche Beſchreibung Der Diebs Hiſtorjen.
Ander Theil
Darinnen Der Beutelſchneider / Diebe vnd Rauber Argliſtigkeit / Verſchla - genheit / Boſſen / Rencke vnd Tuͤcke / auch was ſie fuͤr wunderbarliche ſeltzame Diebsgriffe / Pra - cticken vnd Fuͤndlein erdacht / gebraucht / vnd ſonſten fuͤr erſchreckliche Mordthaten in Franckreich ge - ſtifftet vnd begangen haben. In ſonderlichen waarhafften Hiſtorien vor Augen geſtellet. Mit ſonderbaren nuͤtzlichen Obſervationen / Erinnerungen vnd Warnungen der geſtalt zuge - richtet / daß ſich maͤnniglichen zu nothwendiger War - nung vnd Lehr / auch zu Ergoͤtzlichkeit vnd Luſt zu leſen dienen. Auß dem Frantzoͤſiſchen in die Hochteutſche Sprach uͤberſetzt.
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Erſtlich Gedruckt zuFranckfurt /1627.
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An den Guͤnſtigen Leſer.

FReundlicher lieber Le - ſer / Allhier haſtu das Zweyte Theil von der Diebshiſtorien / welche dein ſtetigs anhaltende vorwitzigkeit hat herauß gebracht. In dem Erſten Buch haſtu geſehen etliche betriegli - che vnd gemeine Funde vnd Rencke / deren ſich die Filous vnd Beutel - ſchneider / die Welt zu betriegen / ge - brauchen: Aber ich behielte die voll - koͤmliche Beſchreibung in diſes zwey - te Buch / auff daß / wann du ſie ſeheſt vnd leſeſt / dieſelbe deſto beſſer vermey - den koͤnneſt.

Das were ein groſſer Frevel an ei - nem Menſchen / wann er ſich ſelber in gefehrliche Abgrund vnnd Irrweg wolte ſtuͤrtzen / da man jhm doch den(:) ijrech -Vorꝛede.rechten ſichern Weg zeiget vnd offen - baret jhme den hinderhalt / ſo man in zufangen hat gemacht vñ angeſtellet.

Es iſt zwar war / das es gar ſchreck - lich iſt ſich fuͤr Dieben zu huͤten vnd vorzuſehen: Aber weil wir in einer ſolchen zeit leben / da das halbe theil der Welt das andere beſtihlet / vnd ſich anſehen laͤſt / als ob das meiſte Theil der Menſchen ſich in Voͤgel ha - be verwandelt / ſo wol koͤnnen ſie die Raubkunſt: Als ſoll man ſich fuͤr jh - rem nachſtellen fuͤrſehen / jhre gelegte Garn vnd Strick zerbrechen / jre dibi - ſche Kunſtſtuͤck erkennen lernen / auff daß man alſo neben den gefaͤhrlichen Steinfelſen / welche vns vmbgeben / moͤge ohne Schaden herfahren.

Das beſte vnd vornembſte mittel aber der diebiſchen Griff nur zu ſpottẽ vnd zu lachen / vnd ſich fuͤr jhnen deſto beſſer fuͤrzuſehen / iſt dieſes: Das manjhrVorꝛede.jhr Fund / Grieff / Art vnd weiß entde - cke / wiſſe vnd verſtehe: Dann ſie ſehen vnd vberwinden iſt ein ding.

Das iſt nun in dieſen Buch / da du ſolche Lection kanſt lehrnen / vnd an anderer Leut ſchaden weiß werden / durch die vnderſchiedliche Exempel vnd Hiſtorien / welche du in dieſem Buch wirſt hoͤren / vnd wir ſelber zu vnſerer zeit geſehen haben.

Neme derohalben guͤnſtiger Leſer / diſes kleine Buͤchlein fuͤr lieb vnd mit ſolchem gutem Heꝛtzen an / als es von dem jenigen / der dir vnd dem gemei - nen Nutzen zu dienen iſt geneyget / dir hiermit wird præſentiret vnd ange - botten. Gottbefohlen.

(:) iijVer -
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Verzeichnuß der Capitel dieſes Buchs.

  • VOn dem Meiſterſtuͤck vnd von der uͤber alle maſſen groſſen vnd wun - der lichen Argliſtigkeit / durch welche ein Beutelſchneyder fuͤnffhundert Kronen hat erwiſchet vnd erfiſchet. cap. 1. pag. 1
  • Von einer wunderſeltzamen vnverſchaͤmbkeit zweyer Dieben vnd Rauber. c. 2. p. 19
  • Von dem Leben deß Maillard / eines beruͤmb - ren Beutelſchneiders / von ſeinen Diebi - ſchen Meiſterſtuͤcken / deꝛen er ſich zu ſeinem rauben vnd ſtelen gebrauchet. c. 3. pag. 33
  • Ferꝛnere Beſchreibung deß Lebens vnd began - genen Bubenſtuͤcken deß Maillard. cap. 4. pag. 50
  • Von dem Meiſterſtuͤck vnd wunderſeltzamen Griffen eines Diebs vnnd Raubers / ge - nanut L Eſcluſe. cap. 5. p. 78
  • Von der Wunderſeltzamen Spitzfindigkeit deß Mutio / vnnd was er fuͤr ein Griff ge - braucht / ſein boͤß Vorhaben deſto artiger zu vermaͤnteln. cap. 6. pag. 94
  • Von einem groſſen Vngluͤck / welches einem armen Picarder / ſo ein ſchwere Rechtferti - gung zu Paris fuͤhrete / begegnete / vnd wie er durch etliche Filous oder Beutelſchnei - der vmb all ſein Gelt kame / cap. 7. p. 113
  • Hiſtorien von einem[ durchdriebenen] argliſti - gen Rauber genannt Aminthus / vnd was er ſonſten fuͤr meineydige Bubenſtuͤck hat begangen. c. 8. p. 129
  • Von einem erſchrecklichen Meuchelmordt / ſo zween Gewiſſensloſe vnnd beruͤhmbte Rauber an einer vornehmen Edelfrawen vnd jhrem Junckherꝛn vnnd Ehemann be - gangen haben. c. 9. p. 159
  • Von den Bubenſtuͤcken deß Adreſte vnnd ſei - ner Mitgeſellen / von den vnterſchiedlichen Rencken / deren er ſich gebrauchet. cap. 10. pag. 193
  • Ferꝛnere Beſchreibung vnnd Erzehlung etli - cher anderer Argliſtigen Griffen / vnd ſpitzt findigen Bubenſtuͤcken / ſo Agraſtus hat be - gangen c. 11. p. 229
  • Von den Boſſen deß Filemon / vnnd was er ſonſten fuͤr denckwuͤrdige Stuͤcke hatte be - gangen. c. 12. p. 255
  • Von der erſchrecklichen Boßheit vnd Todt - ſchlag deß Foreſtier / vnnd wie er endlich ſoſchaͤnd -ſchaͤndlich ſein Leben hat geendet. Cap. 13 pag. 289
  • Eine erſchreckliche Hiſtorien von einem alten Gewandkraͤmer / welche fuͤr kurtzer Zeit iſt geſchehen / vnd wie er ſein Leben ſo jaͤmmer - lich hat geendet. cap. 14. pag. 355
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Beutelſchneider / oder Continuation vnd fer - nere Beſchreibung deß allgemeinen Inventarii uͤber die Diebs-hiſtorien.

Das I. Capitel.

Von dem Meiſterſtuͤck vnd von der uͤber alle maſſen groſſen vnd wunderlichen Argli - ſtigkeit / durch welche ein Beutelſchneider fuͤnff hundert Cronen hat erwiſchet vnnd erfiſchet.

ES kan ſich fuͤrwar ein Menſch nicht gnugſam verwundern / wann er hoͤret die wunderſeltzame Grieff / Betrug / Argliſtig - keit vnnd Suͤnde / welche die Diebe vnd Raͤuber er - dacht haben jhr ſchaͤdliches vnd verdamliches vor - haben in das Werck zuſetzen: Ja wann man be - dencket / wie wunderbarlicher weiſſe ſie ſich in der Vornembſten Herꝛen Haͤuſer zu Pariß haben ein - geſchleichelt / vnd da ſie doch ſo leichtlich koͤnden er -Adappet2Beutelſchneider / oderdappet vnd ergriffen werden: Was mich anlanget / ſo muß ich ſelber bekennen / daß es nicht vieler ver - ſchlagenheit bedarffe / wann man einem ſchlechten albern Menſchen / der nicht noch iſt mitgenommen vnd gerollet worden / den Seckel mit dem Geldt will ablauſſen: Dann an ſolchen ſchlechten albern Leuten fangen die Beutelſchneider an zu lernen: A - ber den argliſtigen klugen verſchlagenen Weltkoͤpf - ſen hinder den Seckel zu niſten vnnd jhnen den Beutel mit dem Geldt vnſichtbar zu machen / dar - zu gehoͤret Kopff vnd verſchlagenheit / vnd befinde ich / daß in dieſen letzten vnd betruͤbten Zeiten vieler Menſchen gemuͤth vnd verſtandt in ſolcher Diebe - rey / wie auch ſonſten in allerley Boßheit vnd Vn - tugend gewaltig iſt geuͤbet: Man hette ſich billich verwundern muͤſſen / wann bey Belagerung der Statt Troja einer ſich hette gefunden / welcher den Vlyſſem / der ſich außtruͤcklich darvor außgabe / daß er jederman koͤndte vnd woͤlte betriegen / hette betrie - gen koͤnnen. Aber in dieſem Capitel werden wir vns mehr zu verwundern haben / daß die jenige / welche der Beutelſchneider / Raͤuber vñ dergleichen leicht - fertigen Voͤgel (deren es dann ſehr viel vnder vns giebet) art / natur / betrug vnd griff billich ſollen wiſ - ſen / ſich gleichwol von jhnen betriegen laſſen: Wir haben deſſen nicht allein eine gantz friſche / ſondern auch ein ſolche artige verſchlagene Hiſtorien / daß ich ſie allhie ſo bald im anfang dieſes Buchs hab er - zehlen woͤllen / auff daß ja jederman moͤge ſehen vnd erkennen / wie hoch die boßheit vnd vnverſchampt - heit der Menſchen iſt geſtiegen.

Es3Diebshiſtorien das II. Buch.

Es iſt noch nicht gar lang /daß ein junger Menſch zu Pariß (welchen ich Lucidas will nennen) ſich von ſeinem Vatter inn das Kriegsweſen begabe / vnd lieſſe ſich bey dem Marte / welcher bey den Hey - den der Kriegs Gott iſt / ein ſchreiben / damit er die

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Kriegskunſt lernen / vnd in ſeiner Jugend in allen Ritterlichen Waffen ſich uͤben moͤchte: Aber wie dem allem / daß er entweder ſein zuneigung zum boͤ - ſen gehabt / oder daß er es von den ſeinigen mag ge -A ijerbet4Beutelſchneider / odererbet haben (dann ſein Grosvatter wahr einer von den klugſten Koͤffen zu ſeiner zeit geweſen) verlie - ſe er ſeinen Capltaͤnen von Monteplier vnd kehre - te wiederumb gen Pariß: Vnd als er dahin kame / auch vnder deſſen ſein Vatter vnd Mutter geſtor - ben waren / ſienge er an zu ſchwermen / vnd ſein Er - erbtes Gut durch die Gurgel zu jagen: Tag vnnd nacht lage er in den Wirts vnd Hurenhaͤuſer / es vergienge auch kein Tag / da er nit alle freundſchafft vnd kundſchafft macht mit einem hauffen Bettler vnd Diebsgeſellen / welche dann gar gern mit jhme vmbgiengen / damit ſie das Maul vmbſonſt kuͤnden ſchwencken / vnd alſo kame er in einer ſehr kurtzen zeit gar auff den grund vnd boden ſeines Seckels: denn er pflegte von morgen an biß in die nacht hin - ein zu ſpielen.

Dieſes verurſachte nun / daß er an ſeinen Zu - ſtandt gedachte / vnd was er ins kůnfftig thun vnd anfangen wuͤrde: Aber weil er alle tag mit einem hauffen gottloſer ſauffbruͤder vnnd boͤſen Buben vmbgienge / fienge er an vnd begabe ſich auch in die Bruderſchafft der Feleus / auff daß er / gleich wie die andeꝛe auch an der Beut theil haben moͤchte. Wañ er bißweilen an ſeines Vatters Namen / wie auch an die groſſe ſchand / ſo jn〈…〉〈…〉 begegnen moͤchte / wañ er ſolte erdappet werden / gedachte / wachete jm das gewiſſen auff vnd name er jhm vor ſolche boͤſe ge - ſellſchafft zu verlaſſen: Aber / weil er einmal das ſchamhuͤtlein hatte abgezogen / vnnd ſich in ſolche boͤſe geſelſchafft begeben / ſchluge er alle die ſchand / ſchimpff / ſpott vnd gefahr / ſo jhm gar manchmalsvor -5Diebs Hiſtorien / das II. Buch.vorkamen / in den Wind / lieſſe ſeinen boͤſen begierdẽ den Zaum gantz vnd gar ſchieſſen / vnd begabe ſich gar in das bubenleben: Ich wil euch allhier nicht mehr als nur ein eintziges von ſeinen bubenſtuͤcken erzehlen / auff daß jhr darauß ſelber ſehet / was er fuͤr ein vnverſchaͤmbter Gaſt mag ſeyn geweſen / vnd ſchlieſſen ferꝛners / was er anderswo mag began - gen haben. Dann wie die Philoſophi ſagen: Ex cognitione unius devenitur in cognitionem al - terius. Wann man eines weiß / ſo kan man dar - nach das ander auch deſto beſſer faſſen vnnd ver - ſtehen.

Dieſer Lucldas / welcher eine ſchoͤne anſehnliche Perſon vnnd wol gekleydet ware / als er auff ein zeit ſahe / daß ein vornehmer Kauffmann von Ro - ven in den hallen einem andern Kauffmann dieſer Statt eine ſummen Gelts bezahlete / vnd zwar tau - ſent Cronen an lauterem Goldt / wegen allerley Wahren / ſo er jhm abgekauffet hatte; gehet er gantz vnverſchaͤmbter weiſe zu jhm / fraget jhn / ob er jhm will den dienſt vnd gefallen thun / vnd jhm ſolches Gold fuͤr ſo viel Carteſce geben / er wolte jhm auff jegliche Cron zween ſchilling auffwechſel geben Es gehoͤre ſolches Geld einem ſeiner Freund ſo ein fei - ner ehrlicher Mañ ſeye / zu / derſelbige wolle in Flan - dern ziehen / moͤge ſich aber nicht mit ſolchem Geld wegen vieler vngelegenheit / ſo einem auff dem we - ge begegnen koͤnnen / ſchleppen vnd beladen. Der Kauffmann / als er ſihet / daß er hundert Francken mit ſeinem Goldt koͤnn gewinnen / antwortet jhme: Er ſey es wol zu frieden / er woͤlle jhm ſolche Freund -A iijſchafft6Beutelſchneider / oderſchafft gern thun / vnd im helffen / wann er nur hin - wider all ſein Gelt koͤnne haben / vnd deſſelbigen ver - ſichert ſeyn.

O da behuͤte Gott fuͤr / ſagt zu jhm Lucidas / das ſolte mir hertzlich leyd ſeyn / daß der Herꝛ ſeines Gel - tes halben ſolte gefaͤhret werden: Ich wolte lieber das Leben tauſentmal / wenn es muͤglich were: ver - lieren: Schicket nur mit mir / wen jhr ſelber woͤllet / ſo will ich jm das Geld ſo bald zu ſtellen: Der Kauff - mann iſt deſſen zu frieden / ſchicket ſeinen Son mit den tauſent Cronen hin / daß er ſie jhm ſelber ſoll ge - ben: Dann er vermeynete dieſer Lucidas were viel - leicht einer auß den Rentmeiſtern / ſo viel als er von jme hatte veꝛnemen koͤnnen / dann ehe ſie deß Kauffs einig waren worden / hatte er jm alle Gelegenheit ei - nes vornehmen Herꝛn / von dem er geſagt / daß jhm ſolches Gelt zuſtunde / angezeigt.

Lucidas vnd deß Kauffmans Sohn gehen mit einander dahin: Damit aber Lucidas ſein Buben - ſtuͤck deſto beſſer bedecke / fanget er an den gantzen Weg zu reden mit deß Kauffmans Sohn / geden - cket / wie es den Leuten ſo uͤbel gehe / wann ſie etwas woͤllen gewechſelt haben / ſaget: die Wechßler ſeyen heutiges Tages gar zu wunderlich / man koͤnne uͤbel mit jhnen fortkommen / es ſey auch das Geldt ſo ge - waltig klein vnnd duͤnn geſeet vnter den Leuten inn Franckreich / vnnd viel tauſent andere Geſpraͤche / welche er mit jhm hielte / damit er jn allzeit auff der Meynung moͤchte erhalten / daß er hundert Fran - cken an ſeinem Gelt wuͤrde gewinnen.

Lucidas / der nun ein argleſtiger verſchlagenerKopff7Diebshiſtorien / das II. Buch.Kopff wahre fuͤhret ſeinen Kerles von einer Gaſſen zu der andern / vnd kommet endlich in der Gegendt deß Koͤniglichen Platzes vor eines Schatzmeiſters Hauſſe / welchen ich diß mahl mit Namen nicht wil nen nen / dann es bedarff es auch nicht / daß einer o - der der ander mit Namen von mir genennet wer - de: in ſolches Hauß gehet er nun / vnd fraget ob der Herꝛ zu Hauſſe ſey / er woͤlle gern wegen eines an - dern Schatzmeiſters (welchen wir ein weil Alphee woͤllen nennen / damit wir niemands ergern) mit jhm reden: Als nun deß Schatzmeiſters Diener jm oben auſſen in ſeines Herꝛen Loſament / (welcher deß mahls Leute bey ſich hatte) fuͤhret / ſagt Lucidas zu deß Kauffmans Sohn / er ſoll ein wenig auff der Stegen verziehen / biß er wider zu jm kom̃e: Spitzet allhie die Ohren vnd habt wol acht / wz ich euch jetzt erzehlen werde: dann es iſt ein ſolcher vber alle maſ - ſen wunderſeltzamer Griff vnd Streich / daß einer gedencken moͤchte / wie ein Menſch ſolches jmmer in ſeinem Kopff koͤnne erfinden.

Als nu Lucidas zu dẽ Schatzmeiſter in die Kam - mer kom̃et / machet er jm eine groſſe Reverẽtz / vñ re - det jn alſo an. Mein Herꝛ / ich bin deß Herꝛn Al - phee, welchen jr ſehr wol kennet. Diener / derſelbige leſt euch ſein gruß vnd dienſt anmelden / vnd bittet euch dieweil er in 2 oder 3 Tagen nach Lion wegen ſeines Generals wil reiſen / jhr woͤllet mir oder vil mehr jm durch mich tauſend Cronen an ſilberner Muͤntz geben fuͤr ſo viel guͤldene muͤntz / welche ich ſchon durch einen / ſo drunden auff ewer ſtegen met - ner wartet / habe hertragen laſſen.

A iijDer8Beutelſchneider / oder

Der Schatzmeiſter / welcher dieſen Diener noch niemals geſehen hatte / fraget jhn / wie lang er nun bey dem Herꝛn Alphe[o]ſeye / darauff jhm dann die - ſer Lucidas ſolchen beſcheydt vnnd antwort giebet / daß er im geringſten nicht kan gedencken / daß jhme durch jhn ein ſolcher boſſen vnd duͤck / wie hernacher geſchehen / koͤnne bewieſen werden: vnd dieweil er im Werck ſelber will beweiſen / daß er Herꝛn Alpheo all gefallen vnd dienſt gern woͤlle erzeigen / gucket er zu dem Fenſter hinauß / vnd ruſſet ſeinem Diener laut zu / er ſolte dem jenigen / ſo zu jm wegen H. Al - pheo ſeye kommen / geben / was er begeren werde / vnd ſoll jhm alle freundlichkeit erzeigen.

Der Dieb wird hieruͤber bey ſich ſelbſten ſehr froh / daß jhm ſein boß ſo wol angehet / thut ſich flei - fig gegen dem Herꝛn bedancken / nimmet ſeinen ab - ſchied von jm vnd gehet auß der Cammer hinweg: Deß Kauffmanns Sohn / welcher auff der Stegen den Schatzmeiſter hatte reden hoͤren / ware nicht weniger froh bey ſich ſelbſten: dann er meinete / er hette uͤber die tauſent Cronen die hundert Francken ſchon im Beutel. Auff der andern ſeiten / was deß Schatzmeiſters Diener anlangete / welcher ſchon befelch hatte das Geldt zu geben / gedachte er auch nicht / daß ein betrug darhinder ſolte ſtecken / vnnd wartete nur / daß man jhm ſagte / wie viel Geldt er darzehlen ſolte.

Nun iſt aber allhie zu mercken / daß in dieſes Schatzmeiſters Hauſe zween außgaͤnge waren: der eine außgang gieng auff einen groſſen Hoff / der an - dere aber gienge in ein kleines enges gaͤßlein hinein /welches9Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.welches vor der Zeit Lucidas wol außgeſehen vnd in acht genommen hatte: dann er hatte auch deß - wegen deß Kauffmans Sohn an ſolches Ort ge - fuͤhret / auff daß er jn deſto fuͤglicher betrigen koͤnde.

Aber als nun jetzo Lucidas ſeine Perſon ſpielen vnd ſein bubenſtuͤck will in das Werck richten / ſihe / da kommet der Schatzmeiſter Alphee / fuͤr deſſen Diener er zuvor ſich hatte außgeben: daruͤber wird Lucidas roth vnd beſtuͤrtzet: er weiß nicht / ob er ſoll darvon lauffen vnd den Braten auß dem Maul fallen laſſen / oder ob er lenger an ſolchem Orth ſoll verharꝛen (dann er kennete den Herꝛn Alpheum wol / fuͤr deſſen Diener er ſich außgegeben hatte:) Er beiſſet die Zeen zuſammen / er verfluchet die ge - ſtirn / daß ſie gleichſam zu ſeinem Vngluͤck ſich zu - ſammen geſchworen haben / vnd weiß nicht / was er ſoll anfangen: der Diener aber im Hauß / welcher den Schatzmeiſter wol kennete / gehet hin / thut jhm auff / vnd fuͤhret jhn in einen Saal / bißdaß ſein Herꝛ auß ſeinem Loſament / da er eine ehrliche geſelſchafft bey ſich hatte / wie wir zuvor gedacht haben / heraber zu jhm kaͤme.

Lucidas iſt in groſſer Noth vnd aͤngſten: es thut jhm in ſeinem Hertzen weh / daß das ſpiel / welches er ſo wol hatte angefangen / einen ſolchen vngluͤck - lichen außgang ſoll nemen: ſoll er darvon gehen ſo hette er ſich ſelber verrathen vnd in gefahr brin - gen muͤſſen. Endlich aber / nach dem er die ſachen in ſeinen Kopff lang uͤber vnd druͤber geworffen / vnd bey ſich diſputiret hatte / ob er ſolte bleiben oder dar - von lauffen / ſiehet er daß der Diener widerumb inA vſein10Beutelſchneider / oderſein Conduͤrlein gehet / gehet darauff zu deß Kauff - mans Sohn / der vnter deſſen alls noch vff der Ste - gen wartet / ſpricht / er ſoll im die 1000. Cronen ge - ben / vnd damit ja deß Kauffmans Sohn den Bra - ten deſto weniger riechen / vnd den betrug mercken moͤge / ſpricht er: es doͤrffe niemands mehr / als er / in das Conduͤrlein gehen / er ſolle nur da auff der Ste - ge ein kurtze zeit verziehen / ſo wolt er jhm ſein Geldt bringen. Dieſer Kauffmans Sohn / der im gering - ſten nit an einen ſolchen betrug gedachte / oder auch gedencken kuͤnde / gibet jm die 1000 Cron an Gold / welche in 2. Saͤcken waren gleichwol aber ſo hatte er ſo viel verſtandt bey ſich / daß er zu jhm ſagte: er koͤndte allein ſolche 1000 Cron. an ſilberner Muͤntz nicht tragen: Lucidas / welcher ſorg hatte / er moͤchte gar zu kartz kom̃en / ſaget zu jm alſo: es iſt war / jhr habt recht: es iſt auch beſſer daß ich nur einen Sack auff einmal neme vnd euch das Geld bringe: es be - darffe es nit / daß jhr mit mir in das Conduͤrlein ge - het: dann es moͤchte vielleicht / der Herꝛ ſich vnnuͤtz daruͤber machen: auff dieſe Wort gibt Lucidas deß Kauffmans Sohne den einen Sack mit den 500. Cron. wider / vnd gehet mit dẽ andern ſack / ſo er vn - der dem Arm trug / in das Conduͤrlein: vñ als jn der Diener fraget / was er begerete / antwort er jm alſo: Mein Herꝛ ich bin hieher geſchickt von dem Herꝛn Schatzmeiſter / welcher ewer Herꝛ 2000. Cronen ſchuldig iſt / vnd welchen Alidor heiſt. (ich bitte euch jhr wollet es mir nit fuͤr vngut auffnemen / daß ich dieſe Hiſtorien vnder erdichtẽ Namen beſchreibe:) Ir habt gehoͤrt /daß euer Herꝛ euch durch das Fenſter /geſagt11Diebshiſtorien das II. Buch.geſagt hat / daß jhr mir mit Geld ſollet helffen. Ich wolte /daß jr mir 500. Cronen an quadruples hettet gegeben / dann mein Herꝛ wil bald nach Lion zieben / vnd mag ſich nicht mit ſchwerer Muͤntze beladen.

Der Diener / welcher meinete / es were alles war wz Lucidas ſagte / auch ſehr wol kennete den jeni - gen / von welchem er redete / vnnd hatte ſchon auß - truͤcklich gehoͤret von ſeinem Herꝛn / daß er dieſem ſolte helffen / fanget an das Geld zu zehlen.

Deß Kauffmanns Sohn / welcher das Geld raſ - ſeln hoͤrete / bildete jm ein / man zehlete ſchon fuͤr jhn / ware jm ſo wol daruͤber /daß er die ſchuldern bewegete (dann / daß ich euch nit liege / ſo wolte jm etwas uͤbel werden bey der ſachen / ſonderlich / da er geſehen / daß Lucidas / als der Herꝛ Alpheus ware kom̃en / das ge - ſicht ſo wunderlich hatte verſtellet. Als nundaß Geld gezehlet iſt / vnd die 500. Cronen da liegen / ſchreibet Lucidas eine kleine Handſchrifft / weiſet auch dem Diener den andern ſack / den er vnter dem Arm traͤ - get / uͤberredet jhn / er habe alleweil ſolches Geld bey einem / den er jhm mit Namen nennet / auffdaß er jhn auff der meinung / ſo er von jm hatte / moͤge erhaltẽ / abgeholet: vnd als nun das packet gemacht iſt / pa - cket er ſein kegel ein / ſteckt das Geld bey ſich / thut / als wann er nicht wiſſe / durch welche Thuͤr er ſolle hinauß gehen / nimbt aber den abweg auffdaß er deſto ehe darvon kommen moͤge: laͤſt vnder deſſen deß Kauffmans Sohn auff der ſtegen warten / welcher jetzt meynet / Man wuͤrde jhm das Geldt zuſtellen: Als er aber an das End auff dem Gang kommet / welcher in das kleine Gaͤßlein gienge / iſt es zuge -ſchloſſen /12Beutelſchneider / oderſchloſſen / vnd muß alſo wider all ſeinen willen wi - derumb zu ruͤck gehen inn das Conduͤrlein zu dem Diener: Es ware jm aber ſo angſt vnd bang / daß er gleichſam fuͤr forcht nicht doͤrffte reden: Der Die - ner aber / der da meinete / das were der kuͤrtzeſte wege / gienge hin / ſchloſſe jhm auff vnd lieſſe jhn alſo ſelber ſeines Herꝛ Geldt hinweg tragen.

Vnnd da moͤget jhr nun ſelber gedencken / ob er gethan habe / als ſey er lahm an den Fuͤſſen / ob er auch ſeine Fuͤſſe habe finden koͤnnen: Dann er lieffe / als hette er Fewer auff dem Halß / ja es warekein Ader an ſeinem Leib / die nicht fuͤr groſſer forcht zit - terte: Summa / er machte ein ſolche Finſternuß / daß man inn langer Zeit nichts von jhm erfahren kunde.

Vnter deſſen aber ſo ſtehet deß Kauffmanns Sohn auff der Stegen vnd ſihet fuͤr die lange weil den Himmel an / ja er hette auch ſein Vngluͤck wol zuvor ſehen koͤnnen / wann er deß Hauſes gelegen - heit gewuͤſt hette wie Jean petit oder der junge Tro - janer: Dann da ware die Rechnung leicht zuma - chen / daß er ſein Geldt nimmermehr wuͤrde wider bekommen.

Zwar im anfang / da er Geld hoͤret zehlen / mach - te er jm keine gedancken /daß er vmb das ſeinige ſolte kommen: aber als er endlich ſihet / daß gar nimands wider kommet / vnnd Lucidas ſo lang verzohe jhm ſeine Carteſce zu bringen / fanget er an / vnd machet jhm Gedancken daruͤber / dencket / ob das vielleicht nicht lauter Betrug ſeye: Doch dencket er wider / es werde jhm ja in ſolchem vornehmen Hauß ſolcher ſchimpff nicht widerfahren.

Er13Diebshiſtorien / das II. Buch.

Er verzeucht noch ein zeitlang / nim̃et ſich nichts an / vnd wil doch ſehen / was das ding vor ein auß - gang werde gewinnen: vnter deſſen aber ſo kommet der Herꝛ im Hauß oben herabeꝛ / vnnd wil Herꝛn Alpheum willkomm heiſſen ſein: Vnd ſo bald als er jhn hat empfangen / frageter jn / wann er nach Lion woͤlle: Herꝛ Alpheus / der nichts von dem vorge - gangenen betrug wuͤſte / antwortet jhme: Er begere gantz vnd gar nicht nach Lion zu reyſen / fraget jhn wider / warumb er jhn ſolches frage: Der Schatz - meiſter verwundert ſich daruͤber / vnd ſaget jm: Al - le weil gehe ſein Diener auß ſeinem Hauſe vnd ha - be tauſent Cronen an Goltgebracht / daß man jhm ſo viel an ſiibener Muͤntz vnd Carteſei ſolle darvor geben / man habe jhm auch das Gelt ſchon gelief - fert. Alphee ſpricht / er wiſſe nicht / was das bedeute: dann ſein Diener ſey uͤber Fildgangen / vnd ſo weit von jhnen / daß er nicht inn einem Hauß habe ſein koͤnnen.

Der Schatzmeiſter dencke herauff / es werde vielleicht ein anderer ſein / laͤſt es alſo hingehen / vnd dencket / es werde Lucidas jhm ſenen Herꝛn nicht genennet / oder einen vor den andrn genennet ha - ben: Vnter deſſen aber dencket er a[u]ch / es werde ja ſein Diener dieſem Rauber[fuͤnffhundert] Cronen nicht gegeben haben: aber er wird ba[ld]newe zeitung daꝛvon haben. Dann auff der anderr Seiten (vnteꝛ deſſen daß der Schatzmeiſter mit Heꝛn Alpheo re - det von den Sachen / ſo deßmals voniengen) als deß Kauffmans Son ſihet / daß man tunmehr mit Gelt raſſelt / vnd daß ſein Mann nit wierkommet /gehet14Beutelſchneider / odergehet er in das Conduͤrlein zu dem Diener im Hau-L ſe / fragt jn wo das gemuͤntzte Gelt bleibe / vnnd die Carteſcu, ſo jm Lucidas ſolle bringen: der Diener a - ber ſpottet ſeiner / vnd fraget / was er woͤlle: hergegen aber / weil deß Kauffmans Sohn nichts guts trau - mete / vnd doch vermein〈…〉〈…〉 te / Lucidas were deß Rent - meiſters Diener / macht er ſich gar vnnuͤtz gegen dem Diener / vnd ſagt zu jm: Er wolle kurtz rund wi - der haben / die fuͤnff hundert Kronen / welche man jm in ſein Conduͤrlein habe getragen.

Der Diener meinet / der Menſch ſey nicht recht bey ſinnen: vnd ſolches zu gedencken / hatte er auch Vrſach: Dann er hette jhm nimmermehr einbilden koͤnnen / daß Lucidas jhm ſolchen Boſſen ſolte ge - riſſen vnd bewieſen habe[n]: Der ander wird zornig uͤber den Diener / vnd fragt jhn / warumb er jhm ſo offentlich fuͤnffhundert Kronen wolte ſtelen:

Der Herꝛ im Hauß doͤret ſolches Gezenck in ſei - nem Hoff / fibet zum Fenſter hinauß / vnd fraget was da vorgehe? Der Tiener gehet zu jm oben ins Hauß vnd ſaget alſo zu jn: Herꝛ / jr habt befohlen / ich ſolte dem jenigen / der[de]ſſen vnd deſſen Diener iſt / geben / was er begehren verde. Nun aber hat er mir ange - zeigt / ſein Her beduͤrffe fuͤnffhundert Cronen an Quadruples,[wol]lte euch derhalben gebetten haben / daß jr jm dam[it]helffet / er wolte euch ſolche in einem Tag oder zwec[k]zuſtellen: welches ich dann gethan / vnd daruͤber vn jm eine Handſchrifft habe genom - men / ich hoff auch / ich werde daran nit vnrecht ge - than haben /〈…〉〈…〉 ann er iſt vns ſonſten wol mehr ſchul - dig geweſer vnd jetzunder da kommet ein Bernheu -ter15Diebs Hiſtorien das II. Buch.ter daher / welchen ich nicht kenne / vnd fordert mir fuͤnffhundert Kronen ab / welcher / wie er ſagt / der Diener mir ſoll ſeinetwegen gegeben haben.

Der Schatzmeiſter / als er ſolches hoͤret / wird zor - nig uͤber ſeinen Diener / vnd ſagt alſo zu jm: Was / Herꝛ Narꝛ / wer hat euch befohlen fuͤnffhundeꝛt Cro - nen zu geben dem jenigen / welchen weder ich / noch jhr kennet; Es iſt zwar war: er iſt kommen / vnd hat mich wegen Herꝛn Alphee / welcher jetzt bey mir iſt / gebetten / ich ſolle jm tauſent Cꝛonen fuͤr andeꝛ Geld / welches er mitgebracht hette / wechſeln: ich hab euch auch befohlen / jr ſollet jm damit helffen aber ich ha - be nicht gemeynet / daß jr jm fuͤnffhundert Kronen auff eine bloſſe Handſchrifft ſollet geben. Wo wird man jetzunder den Kerlen ſuchen oder finden: Ge - wißlich iſt er ein Dieb vnd Rauber.

In dem aber /daß der Herꝛ alſo uͤber ſeinen Diener zuͤrnet / verſchweret ſich herꝛ Alphee hoch vnd teuer / er hab niemands zu jm dem Schatzmeiſter geſchickt man ſolle nur eins thun / in ſein Hauß ſchicken / vnd nach ſolchen Diener fragen / ſo werde man wol ſe - hen /daß der jenige / ſo da geweſen ſey / ein Landbetriger ſey: aber damit iſt der Sachen nit geholffen. Dann da fanget deß Kauffmans Son an zu hageln vnd zu donnern ſchꝛeyet / der Diener im Hauß ſey ein Dieb / er hab jm 500 Cron. diebiſcher weiſe geſtolen: daꝛuͤ - ber wird das gantz Hauß auffruͤriſch / die Lacqueyen / die Maͤgde / legen ſich an die Fenſter / hoͤren zu vnd koͤnnen ſich nit uͤber ſolchen betrug verwundern / ſie werden hieꝛuͤber gleichſam zu vnbewegliche Seulen: auff der andern ſeyten ſchreyet der Schatzmeiſter -ber16Beutelſchneider / oderber ſeinen Diener / deß Kauffmans Sohn gautzet vnd ſchreyet dem Schatzmeiſter nach / vnnd wiſſen alle miteinander nicht / was ſie gedencken odeꝛ ſagen ſollen: Es iſt da niemands frewdiger vnd beſſer ge - muthet als Lucidas; der lauffet von einer Gaſſen zu der andern wie ein Haͤßlein / deme die Hunde nach - lauffen.

Endlichen aber mercket vnnd ſihet jederman den Betrug: Deß Kauffmans Sohn erzehlet / wie Lu - eidas zu ſeinem Vatter ſeyt kommen / habe jhm zu verſtehn geben / daß wann er jhm Guͤldene fuͤr ſilber - ne Muͤntze wolte außwechſeln / wolte er jm auff jede Cron zween Schilling auffwechſel geben: vnd deß - wegen were er inn deß Schatzmeiſters Hauſe mit jhm kommen / hab auch tauſent Cronen mit ſich ge - nommen: Der Diener / als er das alles hoͤret / mer - cket den Betrug / vnd fellt jm ein / daß Lucidas durch die hinder Thuͤr ware hinauß gangen / vnnd hatte nicht fort durch den Hof gehen woͤllen / glaubet / daß er ein Rauber ſeyn muͤſte.

Der Rentmeiſter laͤſt allenthalben nachfragen / vnd ſuchen / ob er den Dieb moͤge finden: aber es iſt alles vmbſonſt: Dann Lucidas hatte ſich mit ſei - nem geraubten Geldt ſo wol verſtecket / daß man jhn nicht kundte finden / wiewol man allenthalben nachfragete vnd ſuchete: All jhr ſachen ware vmb - ſonſt.

Vnter deſſen aber fuͤhrete der Kauffman vnnd Schatzmeiſter eine groſſe Rechtfeꝛtigung wider ein - ander: Aber euch den außgang ſolcher Rechtferti - gung zuerzehlen / will ſich hieher nit ſchicken: Es iſtgnug17Diebs Hiſtorien / das II. Buch.gnug /daß ich euch nunmehꝛ hab eꝛzehlet /daß diebifche meiſterſtuͤck deß Lucidas / welcher ohne allen zweif - feln eineꝛ auß den veꝛſchmitzten Diebskoͤpffeuiſt / ſo man in der gantzen Welt mag finden. Aber all ſein betꝛug / vnd aꝛgliſtigkeit hat jhn doch voꝛ dem Ratt mit behuͤtẽ koͤnnen. Dañ da hoͤret nun ferners / wie eꝛ endlich iſt gefangen / vnd ſeine Buben-ja Diebs - ſtuck offenbar woꝛden. Auff ein zeit / als eꝛ in der ge - gend der Statt Paꝛiß war / waꝛe er ſo vnverſchaͤm̃t vnd hertzhafft /daß er einẽ Rentmeiſter in ſeinen Ho - ſenſach hinein grieffe: Als nũ ſolches der Rentmei - ſter merckete erwiſcht er jm die Hand im ſacke / ließ jhm nach dem Kopff greiffen vnd auffdaß Chaftelet fuͤhren. Da darff nun keiner fragen / ob er auch den weg hinauß hab holtz muͤſſen tragen dann der Ha - gel iſt niemals ſo ſtarck võ Him̃el heraber gefallen / als die grobe ſtoͤß / ſo man jhme mit bruͤgeln gabe / jhm auff die ſchulternvnd gaͤtzen Leib fielen: Dann deß Rentmeiſters Diener waren ſeine ſcherganten: Jederman pſteffe vnd ſchrye jhm nach auff der Wechſelbruͤcken / welche damals noch nit verbren - net ware / vnd war da kein ehrliches Kind welches nit ein ſonderliches gefallen hatte jhme einen gu - ten Naſenſtuͤber zu geben.

Aber / wie kein vngluͤck allein kommet / alſo da er jetzu ſolte in das Gefaͤngnus hienein gehen / ſihe da gieng ein Buͤrger vorvber / welcher jhd an ſeinem Kleyd erkennete / dahero / die weil er vor einer halben ſtunde ſein Beutel hatte vorloren: laſt darauff bey jhm ſuchen vnd findet / wz er verlohren hatte: Da - ruff wird er nu hart verklaget / vnd lieſſe ſich mit imBan18Beutelſchneider / oderan / als wann er ein ſpatziergang an Galgen wuͤrde thun muͤſſen: Aber als man jhn eben examiniret ſihe / da kamen noch zwo newe Klag wider jhn ein: Dann ein altes Weib / welches inn der Vorſtatt Montmarte wohnet / klaget jhn an er hette jhren Mann erſchlagen vnd hernacher in eine Steinkau - ten begraben: Ein anderer von Gentilli klagt jn an / er hette auff ein zeit mit 6. ſtarcken Bettlern jm ſein Hauß beraubet: Lucidas wuſte nicht wz er hierauff ſolte antworten: dann er kundte die Zeugen nit ver - werffen / derwegen weil er zum Galgen verordnet war / daß er bey dem Mond ſolte der Schaff huͤten vnd fuͤr einen Butzenmann an den Galgen Mont - faucon dienen / wurde er endlich auff das Rath ge - leget / da er dann lernete erkennen / daß deß Gluͤcks wirckung gar vngleich ſeyn: Dann die jenige / wel - che das gluͤck oben auf ſein Rad ſetzet / ſein die gluͤck - ſeligſten: Er aber war oben auff das Rad geleget / vnnd war der vngluͤckſeligſte Menſch auff Erden. Sehet das iſt der letzte Actus / vnnd das trawrig Spiel / welches endlich die jenigen ſpielen muͤſſen / welche deß Himmels vnd der Erden ſpotten / wel - che der Tugendt gute nacht ſagen vnnd ſich in das verdambliche Bubenleben ergeben.

Das III. Capitel.

Von einer wunderſeltzamen vnverſchaͤmbkeit zweyer Dieben vnd Rauber.

FElix, quem faciunt aliena pericula Cautum, ſagt das ſprichwort. Das iſt / ſelig iſt der jenige /welcher19Diebshiſtorien / das II. Buch.welcher durch andere Leut ſchaden ſich laͤſt warnen vnd weiß wird. Dann das iſt ein groſſer Vortheil / wann wir von vnſerer Nachbarn ſchaden ein an - fang machen / vnnd ein gewiſſes Gluͤck bawen auff die vnbeſtaͤndigkeit / ſo wir an andern Leuthen vorgehen ſehen; Dann Seneca recht vnnd wol ge - ſagt hat / der jenige / der von eines andern ſchaden weiß wirdt / der iſt auff zweyfache weiß verſtendig / vnd iſt werth / das er in das Tugendtregiſter der ver - ſtaͤndigen vnd weißen Leuten auffgeſchrieben wer - de: Dan die Klugheit vnd Weißheit hat dieſe Ey - genſchafft an ſich /daß ſie ſich artlich wiſſe widerumb auß dem Creutz vnd Vngluͤck auffzuraffen / vnnd da andere das Gifft erwiſchen / ergreifft ſie die Ar - tzeney ſelber wider das gifft / gleich wie man võ deß Scorpions ſchwantze ſchreibet / daß er zu einer zeit verletzet vnd zugleich auch widerumb heylet / vnnd von deß Achillis Lantzen daß ſie die Wunden / ſo ſie gemacht / auch habe geheylet.

Wz nun anlanget dieſes Buch welches handelt von der Diebekunſt oder Meiſterſtuͤck / ſo iſt nichts anders / als ein Præſervativ vnnd Artzney / ſo vor gifft bewahret / ja ein bewehrte Kunſt / mit welcher man jrer Diebſtuͤcken kan begegnen / vñ machen /daß jre Diebiſche anſchlaͤge in brunnen fallen muͤſſen: die jenige / ſo hin vnd wider zu reyſen vnd zu thũ ha - ben ſollen dieſes Buch fleiſig leſen / auff das / wie ſie an ort vnd end kommen / vnd ſolcher Maußgeſellen finden / ſich deſto beſſer vor jhnen vnnd derſelbigen wunderlichen fallſtricken huͤten vnd vorſehen moͤ - gen. Ir habt gehoͤrt / was fuͤr eine argliſtigkeit Lu -B ijcidas20Beutelſchneider / oderhat gebrauchet /daß er den jenigen / welche vermein - ten / ſie weren viel kluͤger als er / das Seyl uͤber die Hoͤrner hat geworffen. In diſem Capitel werbet jr auch ein ſchoͤne Hiſtory anhoͤren / vnd wie ſie noch gar friſch vnd new iſt. Alſo iſt ſie wol werth / daß ſie beſchrieben werde: dann dreyerley Kauffleut ſind in wenig Monat erdappet vnd betrogen worden.

Ihr ſollet vnd woͤllet derhalben wiſſen vnd mer - cken /daß vor kurtzer zeit einer auß den Filous / das iſt / auß der Diebsgeſellſchafft vnd zwar einer auß jren vornemſten / welcher ſich verkleidet / vnd 2. Laqueyen nachgehen hatte (denn hinfuͤro weꝛden die Dieb nit mehr zu Fuß gehen / ſondern allzeit mit einer Deck auff einen Pferd daher reyten vnd etliche ſtaꝛcke La - queyen nach haben lauffen) kame zu einem vorneh - men Kauffman / ſo in der Gaſſen S. Dionys wonet / vnd nach dem er nun ein gute zeit den Knebelbart auffgebutzet vnd auff einem Fuß (nach art der hoͤff - ling / welche wie die Gꝛanich auf einem Fuß bleiben ſtehen vnd miteinander reden) geſprachet hatte / re - dete er mit deß Kauffmans Weib (dann der Kauff - man war nit daheim: vnd ſagte zu jhr: er kaͤme al - leweil von Hoff / vnd daß / wann man ſich heutiges tags ein wenig wolte ſehen laſſen / es ſehr vil koſtete: Ja es gienge jm ſelber gewaltig viel auff / mit vnd bey den ſeinigen: vnd wann das nit were / das vnſer Herꝛ Gott jhm nit ſo ein ehrliches vermoͤgen hette gegeben / ſo wer es jhm vn muͤglich / ſeinen Standt zufuͤhren / klagte demnach ſehr uͤber die hoffart vnd pracht zu Hoff / deren Spiegel noch heutiges tags zuſehin / vnd viel tauſent andere erdichte geſpraͤch /welche21Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. welche er diſer Kauffmaͤnnin fuͤr baar Geld gabe: es ware jm die Zunge ſo wol geloͤſet / ja er koͤndte ſo gewaltig wohl reden / daß deß Kauffmans Weib nicht anderß meinete / als das alles gewißlich war were.

Als ſie aber noch alſo miteinander reden ſihe / da kompt der Herr im Hauß wider / welches dann vn - ſern vermeinten hoͤffling vervrſachte /daß er von ſei - nem geſpraͤche ablieſſe / vnd ſagte zu dem Kauff - mann / er were außtruͤcklich zu jhm kom̃en / jm et - liche wahren abzukauffen / dann er wolte jhm gern zwey Kleyde machen laſſen. Drauff langt man al - lerley Wahr hervor / vnd laͤſſet ſie jn ſehen: vnd als er erſehen hatte ein ſchoͤnes ſtuͤck gutes Spaniſchen Tuchs / welches der Kauffman erſt vor wenigen ta - gen hatte bekom̃en / nimmet er jhm vor / er woͤlle ſe - hen / wie er doch ſolches ſchoͤnes Stuͤck Tuch moͤ - ge erhaſchen vnnd darvon bekommen / dann es ſchicket ſich ſo gewaltig wol vor jn: er wird mit den Kauffmann einig / er woͤlle jhm ſo viel fuͤr die ehlen geben: vnnd damit er ſein betriegliches Vornemen deſto beſſer verbergen vnnd ſein Spiel außſpielen moͤge / zeucht er 6 Piſtolen auß ſeinem Hoſenſack / vnd gibet ſie dem Kauffmann. Saget zu jhm / er wohne auff der Gaſſen S. Anthonie in einer Her - berg welche er jm mit Namen nennete: Vnd die - weil er die gemarckte Wahr nicht ſo bald mit jhm kunde heimtragen / bate er jn / er wolte jm doch auff den Mittag durch ſein ladenbuben / das ſtuͤck Tuch ſchicken laſſen: Mann ſolte jhn gewiß an ſolchem Ort antreffen / ſo wolte er jm das uͤbrige Geldt ge -B iijben /22Beutelſchneider / oderben / welches dann auff die hundert Cronen lieffe / dann er name dsa gantze ſtuͤck Tuch hinweg.

Der Kauffman / der jhm nichts boͤſes traumen lieſſe / iſt darmit wol zufrieden / was jhme dieſer Rauber vorſchlaͤget / er dencket nicht witer als ſein Naß gehet / er will nicht mercken den Boſſen / ſo man jm gar bald wird reiſſen vnd beweyſen.

Ehe wir aber weiters fortſchreiten / iſt allhie zu - mercken / daß dieſer der Beutelſchneider Oberſte ware / vnd hatte noch einen andern ſehr frechen vnd muthwilligen Geſellen bey ſich / welcher in der Beutelſchneiderey vnd Diebskunſt gewaltig ge - vbet ware / wuſte auch gar wol die gelegenheit der Handtſchrauben vnd vieler anderer ſachen: Vnd wann man jhm nur mit dem kleinen Finger win - ckete / oder gab jhm ſonſten das geringſte zeichen / ſo ware er geſchwind wie ein Haaß: Dieſer Oberſte nun leſt dieſem ſeinem Mitgeſellen ſagen / er ſolle vmb den mittag in der Gaſſen S. Anthonie ſich in einem gewiſſen vnd jhnen bekanten Wirtshauß finden: vnd da werdet jhr nun ſehen vnd hoͤren / die ſchoͤne Tragedien / die ſie mit einander geſpielet ha - ben / vnd werdet darauß lernen / daß es heutiges ta - ges wo von noͤthen iſt / das man bald die Bruͤllen nicht allein auff die Naß / ſondern auch hinden auff die Ferßen ſetze / wie deß Luciani Voͤlcker / ſo gegen dem Mond vber wohnen.

Dann deß Kauffmans Junge kompt mit ſeinẽ Stuͤck Tuch in die Herberg in der Gaſſen S. An - thoine wie jhm geſagt ware worden: Er gehet hin -auff23Diebs Hiſtorien das II. Buch. auff in die Kammer dieſes Filou / bey welchen er fin det vnderſchiedliche Geſellen mit dem kurtzen De gen: er legt ſein war auß vnd meinet / er werde vie Geld mit ſich heimbringen.

Als nun L’Eſclair (dann alſo nennete ſich dieſer Raͤuber) ſiehet daß ſein Kerlen mit dem Tuch iſt kommen / vnd daß es nun zeit iſtdaß Spiel anzufan - gen / ſetzet er ſich nieder vnd fanget an das Geld zu - zehlen: Miſchet 6. falſche Italieniſche Piſtolen vn - der das ander Geld / welches er jhm ſolte geben: deß Kauffmans Jung aber / der ſich nicht wolte betrie - gen laſſen / fanget an vnd ſaget / er begere das Gold gantz vnd gar nit: Dann wann es ſchon alles gut were / ſo mangelte jhm doch nichts deſtoweniger ei - ne Cron an ſeiner Rechnung vnd deß ſchickete ſich eben recht fuͤr vnſern Rauber L’Eſclair: Dann er diſputirte mit dem Jungen / vnd ſagte / das Geld were gut / er hette auch kein ander Geld / koͤnde jhm auch kein anders geben: vnd als deß Kauffmans Junge noch nit mit dem Geld zu frieden ſein wol - te / ſagt er zu jhm: er ſolte hingehen zu ſeinem Vet - ter / welcher in der Gaſſen S. Martin / an einem ſol - chen Ort / welchen er mit Namen nennete / wohne - te / es ſolte auch ſein Laquey mit jhm gehen vnd jhn an daſſelbige Ort fuͤhren: Derſelbige ſolte jhm die ſechs Italieniſche Piſtolen gut machen vnd ander Geld darvor geben / dann er hette ſie jhm auch fuͤr gut Geld gegeben.

Als nun dieſer Wurff / ſo außbuͤndig wol iſt ge - ſpielet / leſſet deß Kauffmans Jung ſein Tuch in derB iiijHerberg24Beutelſchneider / oderHerberg bey dieſem Meiſter / Betrieger vnd Rau - ber / vnd dencket er werde in dem Hauß / davon man jhm geſagt hatte / andere Piſtolen vnd Geld fuͤr die ſechs boͤſe vnd falſche bekommen. Er gehet mit dem von L’Eſclair angeſtelten Laqueyen auß der Her - berg / vnd will in die Gaſſen S. Martin zu dem Vetter / darvon man jhm auch geſagt hatte / gehen.

Als er nun dahin kommet / triffet er an dem euſ - ſerlichen anſehen nach ein Edelmann / welcher toll außſahe / vnd wol gekleidet war / ja welcher ſo wun - der ſeltzam vnd doll außſahe / daß er auch wol den Richard auß Normandie / wann anderſt dieſelbige ſich leſt erſchrecken / hette erſchrecken vñ jagen moͤ - gen / vnd wer jhn hette anſehen ſollen / hette ſelber gemeynet: es were einer auß den aller vornembſten vnd ſtattlichſten Hof Jungkherꝛn. Aber Seneca lehret vns / daß die Kleider die Leute nicht voꝛnehm vnd ſtattlich machen / ſondern vielmehr Erbarkeit vnd Tugend / darmit deß Menſchen Seel vnd Ge - muͤth wird gezieret.

Da nun deß Eſclairs Laquey vor ſolchen ver - meinten Herꝛn vnnd Edelmann mit deß Kauff - mans Jungen kommet redet er jhn alſo an: Mein Herꝛ / mein Herꝛ leſt euch ſeinen Gruß vnd guten Tag vermelden / vnd ſchicket euch allhier die ſechs Piſtolen / welche jhr jhme habt gegeben / vnd gantz falſch ſeyn: er bittet euch / jhr wollet jhm andere gu - te darvor geben / dann er ſolle dem Herꝛn allhte et - liches Geld wegen jme abgekaufftes Tuchs bezahlẽ: Der vermeinere Edelman ſihet den Laqueyen an / fraget / was ſein Herꝛ thue / ob er noch wol auff ſey /vnd25Diebs Hiſtorien / das II. Buch. vnd wo er nach dem Mittageſſen hingehe: der La - quey antwortet vnnd ſpricht / ſein Herꝛ gehe heut nicht auß / welches dann der Laquey ſagte / auff daß er deß Kauffmans Jungen deſto lenger auff ſei - ner Meynung moͤge laſſen / vnd daß er deſto weni - ger den Betrug mercken koͤnne. Aber als hierauff der Laquey anhelt / daß jm der Herꝛ doch ſechs an - dere Piſtolen fuͤr die falſchen gebe / ſpricht der auff - ruͤhriſche Edelman / die Piſtolen / ſo er ſeinen Herꝛn habe gegeben / ſeyen gut / vnd wann ſein Herꝛ nicht wol ſehe / ſoll er jm ein Hollaͤndiſche Brillen kauf - fen / auff daß er ein ander mal das Geld deſto beſſer moͤge ſehen.

Auff diſe Antwort kehren ſie wider vmb in die Gaſſen S. Anthoine: vnd als ſie wider zu L Eſcair kommen / vnd der Laquey jm anzeigt was ſein Vet - ter in der Gaſſen S. Martin geſagt habe / ſtellet ſich L Eſclair als ſey er gar vnwillig / nim̃et einen guen Bruͤgel in die Hand / gehet auff ſeinen Laqueyen zu / vnd wil jetzo auff jn ſchlagen / ſchiltet jn gewal - tig (daß er fuͤr der Herꝛn / der ſo lang muͤſſe warten) kein gut Gelt gebracht habe: Der Laquey laufft mit deß Kauffmans Jungen wider in die Gaſſen S. Martin zu deß Eſclairs Vetter / in meinung / in ſeines Herꝛn Namen demſelbigen die 6. Piſtolen noch einmal abzufordern: Deß Kauffmans Junge wiewol er ſehr vnwillig war / daß er in der Statt alſo ſolte hin vnd her lauffen / merckte den Betrug noch nicht / kund auch jm nicht einbilden / daß jm ein ſolcher Strick / darinnen er hernacher gefangen wurde / ſolte geleget werden.

B vDer26Beutelſchneider / oder

Der Laquey kommet alſo zum zweytenmal in die Gaſſen S. Marttin vnd als er zu dem Edelman kommet / zeigt er jm an / ſein Herꝛ ſey gar vnwillig daruͤber / das er jm nit 6. anderegute Piſtolen hette gegeben: Weil nun den vermeynten Edelman vnd wahrhafftigen Rauber duncket / es ſey nunmehr zeit das Spil vollends außzuſpilen / ſaget er mit lachende Mund zu deß Kauffmans Jungen / er ſol jm die 6. Piſtolen vnd das ander Geld / ſo er em - pfangen hette / weiſſen / auffdaß er ſehe / was mangelt vnd nicht gut ſeye? Deß Kauffmans Jung zeucht das Geld herauß / ſchuͤttet es auff den Tiſch / vnd ſo bald zeucht dieſer Rauber das Geld mit einander zu ſich / ſagt zu deß Eſclairs Laqueyen: ſein Herꝛ ſey ein rechter Narꝛ / daß er jhm das Geld abfordere / da er jm doch mehr als hundert Cronen ſchuldig ſeye: Gehe hin zu deinem Herꝛn / ſagt er zu dem La - queyen / vnd ſage jhm / daß ich das Geld / daß er mir geſchicket habe / woͤlle zur Bezahlung einhaltẽ / dañ er wiſſe wol / was er mir ſchuldig ſeye / vnd morgen woͤlle ich jme einen Richter ſchicken / daß er mirdaß vbrige auch vollend ſolle vnd muͤſſe bezahlen.

Der Laquey / welcher der Bruͤderſchafft Latein gar wol verſtunde / nimbt ſich an / als kom̃e jm das gar wunderlich vor /daß der Edelmandaß Geld gar woͤlle behalten: aber noch wunderbarlicher kam das fuͤr deß Kauffmans Jungen / es finge jm an nichts gutes zu traumen / er gedachte / er wuͤrde vielleicht gar vmb ſein Tuch kom̃en. Sie gehen mit einander auß der Gaſſen S Mirtin, vnd woͤllen wider in die vorige Herberg gehen: Aber als ſie dahin kom̃en / finden ſie nichts mehr als das lehre ledige Neſt / der27Diebs Hiſtorien / das II. Buch. Vogel war ſchon auß geflohen: vnd kan man allhie wol ſagen / daß L’Eſclair ein groſſe Finſternuß hat gemacht / vnd daß er ſo geſchwind darvon gangen / wie ein blitz / der die wolckẽ ſpaltet vñ durchdringet.

Wie nun deß Kauffmans Junge hieruͤber ſey beſtuͤrtzet worden /daß koͤnnet jhr ſelber beſſer bey euch abnehmen / als ich es euch kan beſchreiben. Dann wann jhm ſchon Hoͤrner auff den Kopff / wie dem Actæoni, oder Eſelsohren / wie dem Midæ, weren angewachſen / ſo hette jhm der Kopff nit toͤller ſeyn koͤnnen: Er lieff in der Herberg auff vnd ab von ei - ner Kammer zu der andern / er wolte entweder ſein Tuch / oder ſein Geld: oder ſeinen Mañ haben: aber erkonde nichts anders habẽ als den Spruch jenes groſſen Fuͤrſten / welcher einem / ſo entweder von jne Geld oder Vrlaub begere / alſo antwortete: Du ſolt weder das eine noch daß andere haben. Eswar alle ſein rennen / lauffen vnd ſuchen vmbſonſt: Dañ der ehrliche Vogel / ſoll ich ſagen / von Adel / hatte ſeiner zeit wol in achtung genom̃en / war mit ſeinen guten Spanniſchen Tuch vnſichtbar worden / vnd kunde kein Menſch wiſſen / wohin er gangen were.

Der Laquey aber / der ſeine Sache ſo artig vnnd meiſterlich / als einer vnter der gantzen zunfft / kunde verrichten / redete jhm freundlich zu / troͤſtete jn vnd ſprach er ſoll im geringſten nit fuͤr ſein Geld ſorgen: dann ſein Herꝛ ſey nit ein ſolcher Man / der in beger - te vmbdaß ſeinige zu bringen / ſage jm auch ſein Herꝛ wuͤrde vnzweiffentlich den Abend widerumb in die Herberge kom̃en das machte nun das deß Kauff - mans Jung nit mehr ſo forchtſam war doch wolteer im28Beutelſchneider / oderer jm das nicht außreden laſſen / daß es redlich ſol - te zugangen ſeyn / es dauchte jhn doch / es muͤſte ein Schelmenſtuͤck darhinder ſtecken: Gehet darauff heim zu ſeinem Herꝛn klaget jhm / wie es jm ſo uͤbel vnd wunderlich ſey gegangen / vnd wiewoldaß ſchoͤ - ne Stuͤck Tuchs ſchon war vnſichtbar worden / ſo will doch der Kauffman ſelber nicht hoffen / daß der jenige / der ein ſolches dapfferes heroiſches Anſehen hatte / auch ſo gewaltig kundte von allerley Sachen reden / ſolte ein Rauber ſeyn.

Deß Abends gehet der Kauffmann ſelber hin in die Gaſſen S. Anthoine / da er dann hoffet entwe - der ſein Tuch oder ſein Geld zu finden / aber was ſeinem Laden Jungen war widerfahren /daß begeg - nete jhm auch / vnd muſte er ſelber bekennen / daß es heutigs Tages nicht mehr rathſam iſt / daß man den jenigen / welche man nicht kennet / etwas ver - trauet / dieweil man offtermals von den jenigen / welche man lange Zeit recht hat gekennet / vnd wel - che ſich fuͤr die beſte Freunde außgegeben haben / uͤbel wird betrogẽ. Diſes Bubenſtuͤck hat L’Eſcla - ir vnd ſein Mitgeſell dreyen vnterſchiedlichen Per - ſonen bewieſen. Aber laſt euch doch die Zeit nicht verdrieſſen anzuhoͤren / wie ſie endlich erkandt vnd gefangen ſeyn worden.

Es iſt jederman wol bekandt / wie ſo viel vnter - ſchiedliche Kauffleut / vnd ein groſſes maͤchtiges Volck võ allen Orten vnd Enden pflegen zu kom̃en auff den Jarmarckt zu S. Germain, dañ das iſt der groͤſte vnd vornembſte Marck / ſo in gantz Franck - reich wird gehalten. Nun truge es ſich zu / nachetli -29Diebshiſtorien / das II. Buch. etlichen Jahren / daß nach dem L’Eſclair vnd ſein Mitgeſell viel 1000 Bubenſtuͤck in der Statt Pa - ris / ſonderlich aber auff der neuen Bruͤcken (welche iſt der Albern Maͤußfall / vnd ein Labyrinth / da vil kluge ſich verjrꝛen / auch der Ort / da die Beutel - ſchneider pflegen zuſam̃en kom̃en) begangen hatten ſie ſich auch auff den Jarmarckt S. Germain bega - ben mit allem fleiß außzuſehen / welcher am meiſten Geld / vñ am wenigſten Klugheit vñ Verſtand het - te: Vñ als ſie auff dem Marck auff vñ ab ſpatziren / erſehen ſie einen Mahler von Antorff / welcher ein rotes Geſicht / vnd ein allmechtigen groſſen Bauch hatte: ſchlieſſen auch ſo bald auß ſeinem roten kopff / vñ groſſen Bauch /daß es in ſeinen Laden gut fuͤr ſie ſeyn werde zu handeln / vñdaß ſie vnzweiffentlich bey jhm eine gute Kuͤrbe werden erdappen koͤnnen.

L’Eſclair als der hertzhaffſte vnd vnverſchaͤmb - teſte gehet zu erſt hinein / nim̃et ſich an / als ſey er ein Kauffman / vñ ſagt zum Mahler / er ſey ein Mahler von Thoulouſe / vñ wolte gern etlicher ſolcher ſchoͤ - ner Stuͤcke mit ſich in ſein Land fuͤhren / wañ er ſie jm nur vmb ein billichs wolte zukom̃en laſſen. Der Mahler der an nichts anders gedencket / als daß er gern ſein Wahr wolte verkauffen / damit erdaß dicke Wambſt vnd feiſten Bauch noch lenger moͤchte erhalten / ſaget: Er ſey es gar wol zu friden / vñ woͤl - le jm ein dutzet der allerbeſten außerleſeneſten ſtuͤck - lein zukom̃en laſſen: L’Eſclair gehet in dem Laden auff vnd ab / beſihet die ſchoͤne Kunſtſtuͤcklein / vnd ſtehet ſtill in einer Ecken im Laden: Vnter deſſen aber ſo kommet deß Eſclairs Geſell auch in den La -den30Beutelſchneider / oderden hinein gegangen / gehet zum Mahler vnd bittet jn er ſol jm doch ein ſchoͤnes Stuͤcklein zeigen / dañ er moͤchte gern etwas von ſeinen Gemaͤhlen haben: Endlich ſehen ſie ein ſchoͤnes Taͤffelein in einer E - cken deß Ladens darauff Cleopatra gemahlet war: ſolches Taͤffelein wollen ſie alle beyde haben / vnnd hat doch keiner viel Luſt vmbs Gelt zu kauffen: L’E - ſclair ſagt / er hab zu erſt darumb gemaꝛcket / der an - der aber wil es auch mit gwalt haben. Endlich aber als deß Eſclairs Geſell den Kauffman auff ein ſey - ten zeucht / vnd ſich annimpt / als wann er wz heim - lichs mit jm woͤlle reden / gehet Eſclair auch hinden hernach / nimbt der Zeit in acht fehret dem Kauff - man vnvermerckter ſubtiler weiſe inn den Hoſen - ſack mit der Hand / vnd erwiſchete ein Wiſchtuch / darinn zwantzig Piſtoleten waren / welche der Ma - ler allweil hatte geloͤſet auß dreyen Taͤffelein / welche er einem Buͤrger ſo in der Gaſſen Dauphune wo - net / verkauffet hatte: L’Eſclair iſt nun mit dieſem Fang noch nicht zu frieden / ſondern wil widerkom - men / vnd es noch weiter wagen: greifft dem Kauff - man noch ein mal in den Hoſenſack / vnnd bekom - met einen Beutel / darinnen auch viel Gelt iſt: aber was geſchicht? Es wil der Kauffman in ſeinen Ho - ſenſack greiffen / vnnd das Wiſchtuch ſuchen / ſich darmit zu ſchneutzen / vnnd erdappet zu allem Vn - gluͤck den Eſclair die Hand inn ſeinem Hoſenſack / welche er jhm helt / vnnd fanget an vmb Huͤlff uͤber laut zu ſchreyen:

Als nun Eſclair ſihet / daß er eꝛdappet iſt / wincket er ſeinem Geſellen mit den Augen / daß er bey jn ge -he / vnd31Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. he / vnd gibt jm heimlich vnter ſeinem Mantel mit der andern Hand das Wiſchtuch mit dem geſtol - nen Gelt: dencket alſo bey ſich / wañ man nichts bey jhm finde / ſo koͤnte man nichts mit jhm anfangen. Der ander aber ſihet ſich vmb / wie er davon kom̃e / gehet den Laden hinauß / dringet durch das Volck hindurch / kompt alſo durch das groſſe zuſammen - lauffen deß Volcks darvon: der Kauffmann aber / der ſeinen Beutel verlohren hatte / ergreifft den E - ſclair beym Halß / vnd ſagt. Er hab ſein Wiſchtuch vnd Piſtoleten jm geſtolen / das Volck laufft zuſam - men: Als die Leut ſehen / daß Eſclair wie ein Buͤrger gekleidet daher gehet / meynet ein jeder / er ſey ein fei - ner ehrlicher Mann / als aber nun L’Eſclair lang dafuͤr gebeten hatte / er ſolte jn nit fuͤr ein Dieb anſe - hen / auch wuſte / daß der Diebſtal ſchon hinweg war / fangt er an ſo laut / als der Mahler / jmmer zu ſchreyen / ſchweret jm ein Eyd / er ſoll jn wider gut machen / vnd einen Widerꝛuff thun / oder wolle er nit leben: dann er habe kein Vrſach / ja keinen grund daß er jhn fuͤr einen ſolchen Rauber anſehe.

Hierauff ruffen etliche vnter dem Volck dem Mahler zu / er ſoll gemach thun vnd inhalten / mei - nen / der Kauffman habe vnrecht: vnter deſſen aber / da man den Eſclair beſuchet / vnd nichts bey jm fin - det / thut Eſclairs Geſell eins / vnnd (damit man ja wiſſen moͤge / wo das verlohrne Geld ſey hinkom̃en) laufft auff alle Ecken deß Marckts vnnd ſchreyet auß: Wer ein Wiſchtuch vnd Gelt darinnen ver - lohren habe / wann er nur koͤndte gewiſſe Muͤntze jhm geben / vnd die Species ſo im Wiſchtuch wereneigent -32Beutelſchneider / odereigentlich neñen koͤndte / der ſolte in der Statt in die Herberg zur Statt Clamor kommen / ſolten nach dem Herꝛn de Bois fragen / ſo ſolte jm ſein verlohr - nes Gelt wider werden. Vnd als dieſe Außruffung geſchehen / kommet er an das Ort / daß ſie miteinan - der beſtimmet hatten / vnd da jhre gantze Diebs Ge - ſellſchafft pflegte zuſammen zu kommen: Es war ſolche Herberg nit weit von der Herberg zur Statt Luxenburg.

Dieſe Außruffung erſchallet ſo bald auff dem gantzen Marck / es wird von einem Laden zu dem andern geredet von dem verlohrnen Gelt: der Ma - ler erfaͤhret ſolches auch / verlieret die Farb im An - geſicht / wird jm angſt vnd bang / daß er den Eſclair ſo hart hat zugeſetzt: hoffet auff der andern ſeyten / er werde in der Herberg zur Statt Clamar wider zu ſeinem Gelt kommen: entſchuldiget ſich wegen deß Argwohns vnd boͤſen Gedancken / ſo er von Eſclair gehabt hatte / bittet er woͤll es jm verzeihen: dañ weil er jhm gleichwol die Hand in ſeinen Hoſenſack er - dappet hatte / ſo hette er in ſolchen Noth nit anderſt gedencken koͤnnen / alsdaß er jm auch das Geld hette geſtolen: Eſclair, nach dem er ſich hoͤchlich beſchwe - ret uͤber den jm angelegten Schimpff / auch ſich er - klaͤret / er woͤlle ſolchs nit vngerochẽ laſſen / iſt gleich - wol ſehr wol zu frieden /daß er alſo kan darvon kom - men / gehet darvon / vnd ſuchet ſeinen Geſellen.

In wehren dem Tumult aber begibt es ſich /daß ein Soldat auß der Koͤniglichẽ Wach (welcher wie jn beduͤnckete / auch vor der Zeit von dieſem Filau war betrogen vnd beraubet woꝛden) auch da iſt auff demMarck /33Diebshiſtorien / das II. BuchMarck / er ſihet ſolchen Rauber / ſihet jm nach / vnd gehet jm von einer Gaſſn zur andern nach / leſt auch dem Maler ſagen / an was fuͤr ein Ort er ſey gegan - gen. Der Mahler ſchicket jemands ſo bald hin / vnd leſt inn der Herberg zur Statt Clamar nach dem Herꝛn de Bois fragen: Aber da war niem and zu finden / dann diſer Geſell war an einen andern Ort gegangen: Vnd hatte man niemal in ſolcher Her - berg etwas von dem Herꝛn de Bois gehoͤret: Weil nun der gedachte Soldat eine ſonderliche Feind - ſchafft wider den Eſclair hatte / dieweil er jm vor der Zeit ein mal vmb den Abend an der Auguſtiner E - cken den Mantel abgenommen hatte / nimbt er vnd der Kauffmann den Commiſſarium vnnd etliche Scherganten mit ſich / gehen in das Loſament / da der eine Geſell war hinein gegangen / finden die bey - de ehrliche Kauffmaͤnner beyeinander / welche ſo bald feſt gemacht / in das Gefaͤngnuß S. Germain de Pres geworffen / vnd nach geſchehener gnugſa - men Examinirung offentlich mit Ruthen außge - ſtrichen / vnd deß Lands verwieſen wurden.

Das III. Capitel.

Von dem Leben deß Maillard / eines beruͤhm - ten Beutelſchneideꝛs von ſeinen Diebiſchen Meiſterſtuͤcken / deren er ſich zu ſeinem rau - ben vnd ſtelen gebrauchete.

WEr ein außbuͤndiger guter Rauber ſeyn vnd werden will / der muß zuvor auch in der Bett - ler Zunfft ſeyn geweſen / er muß wiſſen alle die Liſt /CTuͤck34Beutelſchneider / oderTuͤck vnd Rencke der Boͤhmen / er muß wol kennen die Mercelots, die Bleches, die Caignats, die Bri - baulins, die Biſcarpens, vnd das andere heylloſe ſchelmmaͤſſige Lumpengefindlein / welches in der gantzen Welt pfleget vmbher zu ziehen.

Ein ſpitzfindiger Rauber verſtehet die Beut - Sprache vnd kan auff dem Naͤglein daher ſagen / alles was in dem Dictionario de Maraudaille, o - der in dem groſſen Bettler-Buch ſtehet: Er hat ſolche Art vnd Weiſſe zu reden / welche nur allein vnter vnd von jhren Bundsgenoſſen vnd Bruͤ - dern gebrauchet werden: So hat man auch zu allen Zeiten geſehen vnd erfahren / daß die jenige / ſo in der Rauberey Meiſter ſeyn geweſen / zuvor von Hauß zu Hauß vnd offentlich in den Kirchen gebettelt haben. Wir haben deſſen ein ſolches klares Exempel an dem Maillard / von welchem dieſes Capitel handelt / daß wer weit nach an - dern Exempeln wolte gehen / nichts anders thete / als wan er mit einer Fackel die helle Sonn wolte erleuchten.

Dieſer Rauber hatdaß Bettler Handwerck ſechs gantzer Jahr lang getrieben / vnnd iſt geweſen einer auß den heilloſen Schelmen / ſo jemals in Franck - reich ſein geweſen. Er ware ein Hoffbettler / folget dem Adel vnd dem Kriegsweſen nach / vnd befand ſich bey ſolchem Handwerck ſo wol / daß er es nicht hette wollen auffgeben / wann man jhm der gantzen Welt Guͤter darvor angebotten bette: Deß Mor - gens beſchmierrte er jm die Raß mit Ochſenblut / ſtellete ſich / als hette er die ſchwere Kraͤncke / ſetzeteſich35Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch. ſich gemeiniglich nah bey das Loaure, oder vmb den Koͤniglichen Pallaſt zu Paris: thete als wann er vom Teuffel beſeſſen were / vnd lieſſe ſich von vier Perſonen halten: Deß Abends verfuͤgete er ſich in die Vorſtatt Mont-maite (welches dann ſeine or - dentliche Herberg war / vnd lieſſe ſich wie ein groſſer vornehmer Herꝛ ſtattlich vnd wol tractiren vñ ſpei - ſen: bißweilen ließ er ſich anblaſſen / vnd alsdañ ſahe er auß / als wann er gantz waſſerſichtig were / ſo wol kundte er ſich darzu ſtellen vnd geberden: Bißweiln ſtrecket er alle ſeine Glieder von ſich / als wañ Oſſe uͤber Pelion wolte zuſam̃en legen / oder als wann er von neuem wolte den Him̃el erſteigen vñ den Gott Jovem auß dem oͤberſten Him̃el herab ſtuͤrtzen / vnd durch ſolche ſeine ſchelmichte kraͤnckliche Geberden ſtellen vnd verſtellen / bekam er ein mechtiges groſſes Geld: Aber nach dem er nun ein lange Zeit das ed - le Handwerck getrieben hette / nam er jhm vor ein ander Handwerck zu treiben / dann es gehet doch ohne das alſo in der Welt zu / dann ein Ding nicht lang Beſtandt pfleget zu haben: Aber er machte es wie die jenigen / von welchen der Poet ſaget:

Cœlum non animum mutant, qui trans marce currunt: Das iſt / Ein Ganß fleugt uͤber Rhein / ein Ganß daher wird fliegen /

Alſo gehet es allezeit / wann die Narren thun außziehen: Dann auß einem Landbettler wurde er hernach zu einem Beutelſchneider / vnd offentlichen Land / ſchelmen / vnd begieng ſolche Bubenſtuͤck /C ijdaß36Beutelſchneider / oderdaß wahr bleibet / was wir zuvor geſagt haben: daß / wer ein außbuͤndiger Rauber will ſeyn vnnd wer - den / der muß zuvor inn der Bettlerzunfft ſeyn ge - weſen.

Das allererſte / das er vornam / war dieſes: Daß er ſich inn der Beutelſchneider Geſellſchafft lieſſe einſchreiben / vnd daß er jm ſein Lehrbrieff lieſſe ma - chen bey den Bruͤdern der Samaritaine / welche ge - meiniglich deß Nachts auff der newen Bruͤcken jren Rahtſaͤß halten: Als er nun inn dieſe loͤbliche Geſellſchafft war auffgenommen / da trachtete er darnach / wie er ſich beruͤhmbt moͤchte machen / auffdaß man jn nit vnter die geringſte / ſondern vnter die vornembſte vnd kluͤgſte rechnete: ſpintiſirte Tag vñ Nacht / wie er doch die newe ankommende uͤber das Seyl wuͤrffe was thut er? Er geſellet ſich zu zween / welche man fuͤr die verſchlageneſte vnd ſpitzfindig - ſte in der gantzen Geſellſchafft hielte / vnd gehet mit - denſelbigen zu den Franciſcaner Muͤnchen / da er ein Geiſtlichen alſo uͤberꝛedet /daß er jm auch zu ſein Rauben / wiewol vnwiſſend / muß behuͤlfflich ſeyn.

Herꝛ Vatter (ſagt er zu jm) ich habe einen Bru - der / welcher in wenigen Tagen wegen deß Abſter - bens ſeines Eheweibs / welches er mehr als ſein ei - genes Leben liebte / ſich ſo ſehr hat bekuͤmmert / daß er gleichſam thut / als wann er nit mehr recht bey ſinnen ſey: Bißweiln ſagt er zu vnns / er ſehe jhren Geiſt / hoͤre auch / wie ſie ſo jaͤmmerlich heule vnnd ſchreye: bin derhalben außtruͤcklich allhero zu euch kommen / euch zu bitten / daß jhr jhn doch widerumb woͤllet zu recht bꝛingen / dann ich habe ſonſten groſſeSorg /37Diebs Hiſtorien / das II. Buch. Sorg / es werde jhn der boͤſe Feind / der jhm ſchon tauſenterley naͤrꝛiſche boͤſe Gedancken einbildet / gar beſitzen / vnd werde jhm der wenigen Vernunfft vnd Verſtand ſo er noch uͤbrig hat / berauben. Ich will jhn euch morgen hieher fuͤhren / auff daß jhr jn deßwegen ſtraffet / vnnd zerſtrewet die dicken Wol - cken / welche jhm ſeinen Verſtandt gantz vnnd gar verfinſtern: Dann das ſollet jhr wiſſen / daß / wann jhn das Narꝛenweſen ankommet / ſo ſchreyet er ſo ſchrecklich / daß wir meynen / die Koͤpff ſollen vnns darvon voneinander reiſſen: darff vnns bald Gelt abfordern / thut als wann wir jhm ſein Gelt geſto - len haben: Wir haben jn zwar etliche Sachen ein - gegeben / in Hoffnung jhm ſolche Fantaſeyen vnd Melancoley zu vertreiben: Aber es muß jhm ſeine Melancoley vnnd Verwirꝛung deß Haupts von etwas anders herkommen / dann alle vnſere Muͤhe vnd Arbeit iſt verlohren geweſen. Wir hoffen aber doch / daß jhr jhn widerumb werdet auff einen gu - ten Weg bringen / ja daß jhr vor vielen andern jhn widerumb werdet zu recht helffen koͤnnen.

Ihr koͤnnet jhn in dem Namen GOttes hieher bringen (ſagt zu jhm der gute Vatter) ich will all meine Kraͤffte vnd Verſtand dran ſtrecken / damit ich jhn widerumb zu recht bringe: Das kommet her von einer Verenderung vnd Trunckenheit deß Hiꝛn welche durch groſſe Schmertzen vnd uͤbermaͤſſige Trawrigkeit iſt verurſachet worden.

Auff dieſe Wort nimbt Maillard ſein Abſchied / gehet mit froͤlichem Hertzen davon /daß er ſein GarnC iijſo wol38Beutelſchneider / oderſo wol hat geſpannet /daß er auch one Hundedaß erſte Rebhuͤnlein / ſo jm wird begegnen / kan fangen: Er verfuͤget ſich widerumb zu ſeiner Geſellſchafft / zei - get jhnen an / wie er daß Garn habe geſtellet / vnd ſo bald als morgen der Tag angebrochen / nim̃et er zu ſich einen ſeiner Geſellen / welcher auch nit ſchlimm war gefallen / leſt denſelbigen wie einen geiſtlichen Meßpfaffen kleiden / gibt jm einen Rock vnd Man - tel (als wann er ein vornehmer gelehrter vnd wol - beredter Pater were) vnnd gehet mit demſelbigen auff die Wechſel-bruͤcke / wie man ſie nennet / kauf - fet bey einem Goldſchmidt einen vberguͤldeten Kirchenbecher / welcher hundert Cronen werth war: dann vber das Gold vnd Silber waren auch viel Edelegeſteine daran / welche jhn noch viel thew - rer machten.

Der Goldſchmidt dencket im geringſten nicht / daß jhm da ein Fallſtrick geleget ſolle oder koͤnne werden: dann er meynete / deß Maillard Geſell / welcher wie ein Prieſter gekleidet war / were der je - nige / der jhm den Becher hezahlen ſolte: Der Kauff wird geſchloſſen / Maillard ſagt zu dem Gold - ſchmidt / er woͤlle jhm ſo viel zu gefallen thun / vnd jhn in der Franciſcaner Kloſter tragen laſſen: dan ſie ſolten jhn nach Compiegne in jhr Convent vnd Kloſter ſchicken.

Der Kauffman oder Goldſchmid meinet / es ſey al - les war was der boͤſe Bub vorgabe: dann ſie waren wol gekleidet / vnd hatten ein ſolches ſeines Anſehẽ / als wann ſie rechtſchaffene ehrliche Leute waren: nimmet auch ſchon ſeinen Mantel vñ wil mit jnengehen39Dibshiſtorien / das II. Buch. gehen / ſein Geld im Kloſter fur den Becher zu em - pfangen: aber als er jetzo wil mitgehen / kommen zween vornehme ehrliche Maͤnner in ſeinen Laden gegangen / vnd woͤllen jm etliche Demant vnd an - dere Ring vor ein Hochzeit / ſo in viertzehen Tagen in der Gaſſen Quniquem poix ſolte gehalten wer - den / abkauffen.

Das hielte den Goldſchmid ein wenig auff / vnd verurſachete hernacher / daß er einen ſeines Volcks vnd Geſindes / welcher bey zimlichem Alter war / an ſeine flatt mit ſchickete / befahl jhm auch / er ſolte fuͤr ſolchen Kirchen Becher hundert Cronen em - pfangen / vnd wol zuſehen / daß das Gold oder Geld / ſo man jhm wuͤrde geben / gut vnd gengbar ſeye.

Dieſer Kerles / der nun mehrmals an dergleichen Ort vnd Ende mit geſchicket worden / dencket / er woͤlle das wol außrichtẽ / nimbt mit ſicheinen Sack ſampt ſeinem Kelch: Aber jhr werdet darnach hoͤ - ren / daß er nichts als Wind bekommen / vnd hat gar keines Refftraͤgers bedoͤrfft / ſein Geld heim zu tragen.

Sie gehen mit einander ſtracks zu dem Franciſ - caner Kloſter zu vngefehr deß Morgens vmb ze - hen Vhr / vnd auff dem gantzen Wege halten ſie ſo gut Geſpraͤch mit einander /daß auch der ſpitz findige Argus, der doch 100. Augen im Kopff ſoll gehabt haben / jhren Betrug nicht hetten ſehen oder mer - cken koͤnnen: Als ſie nun vor die Kloſterthuͤr kom - men / ſtellet ſich Maillard / als ſey er darinnen wol bekandt vnd wol daheim / ſchellet an vnnd fragetnach40Beutelſchneider / odernach dieſem Herꝛn Vatter / welchen er mit Namen nennet: Der Thorhuͤter gibt jm zur antwort er ſey mit einem vom Adel in der Kirchen: Mein Herꝛ (ſagte hierauff der Rauber zum Goldtſchmidt) laſſet nur im Namen Gottes den Kelch allhier: der Thorhuͤter wird jhn vns wol verwahren biß daß wir jhn widerumb bey jhm abholen: Ich wolte gern auch einmahl in die Meß gehen. Der Goldt - ſchmidt iſt deſſen zu frieden / vnd gibt ſeinen Kelch deß Maillards Geſellen / welcher jhn dem Thor - huͤtter wol zuverwahren in die Hande gabe / vnd ſagte zu jhm doch etwas heimlich vnd alſo / daß der Thorhuͤter an nichts boͤſes kundte gedencken / er wolte alſobald wider kommen / den Kelch abholen vnd die Meß auch halten.

Mein Gott / Iſt es muͤglich / daß die vnver - ſchaͤmbkeit vnd der Betrug der Menſchen ſoll ſo weit kom̃en daß ſie daruͤber auch Gottes vnd ſol - cher heyligen ſachen darzu mißbrauchen? Gehey - ligte ſachen mißbrauchen ſie jhre Boßheit vñ Be - trug darmit zubekraͤfftigen vnd zuverdecken. Him - mel / wo ſeyn deine donnerſchlaͤg / daß du ſie dieſen Schelmen nicht laͤſt auff jhre Koͤpffe fallen? Ey daß doch die Lufft nicht hagelt / vnd ſie mit Hagel erſchlegt vnd bedecket? Vnd wo zu nutzet die Er - den / daß ſie ſich nicht ſo bald auffthut vnd in Ab - grund der hellen verſchlingt einen ſolchen Bettler / der ſich in einen Prieſter verſtellet vnd verkleydet / damit er ſein boͤſes Vornehmen deſto beſſer ver - maͤnteln vnd ins Werck ſetzen moͤge? Noch dan - noch duncket jhn / er ſey auß aller Gefahr / weil ernur41Diebs Hiſtorien das II. Buch. nur ſeinen kurtzen Diebsdegen vnnd ſeine Diebs - ſchern vnter einem Rock kan verbergen. Heiſt das nicht ſeiner ſelber vergeſſen? heiſt das nicht / ſich einbilden / es ſey kein Gott mehr im Him̃el / der ſol - ches Laſter / ſolchen betrug ſtraffen werde / der doch ſonſten vns nach vnſerm Verdienſt ſtraffet / vnd vns vergilt nach dem wir gearbeitet haben.

Aber ich bitte euch laſt vns doch ein wenig zu ſe - hen / was dieſer betruͤglicher Vorſchlag vor ein en - de gewinnen werde? Nach dem Maillard den Kir - chenkelch von dem Thorhuͤter in der Franciſcaner Kloſter hat holen laſſen / fuͤhret er ſeinen Kerles / verſtehe den Goldſchmid / in die Kirche: (da er wu - ſtedaß dieſer Herꝛ Vatter / mit welchem er den vori - gen tag hatte geredet / pflegte zu ſitzen vnd Beicht anzuhoͤren. Als er jn aber im Beichtſtul nit findet / gehet er zu der Sacrifley / da er dañ mit einem vom Adel ware vnd ſich ſchickete / die Meſſe zu halten.

Maillard nimbt der zeit wol in acht / laͤſt ſich mit dem vermeinten Prieſter / vnd dem Goldt - ſchmidt ſehen / gehet zu dem Moͤnche vnd ſaget jm heimlich in ein Ohr /daß / nemlich der Goldſchmidt / auff den er deutete / ſey ſein Bruder / vom welchem er jm den vorigen tag geredet hette: Darauff gehet der Geiſtliche (der im geringſten nicht dachte an einen ſolchen betrug / welcher darhinder ſtacke vnd welcher durch die gegenwart des andern vermein - ten Prieſters deſto mehr in ſeiner erſten meinung geſtaͤrcket wurde) zu dem Goldſchmidt vnd ſaget zu jhm alſo: Mein Freund / habt ein wenig gedult / biß daß ich die Meß habe gehalten: Nach der MeßC vvnd42Beutelſchneider / odervnd Opffer will ich euch allen guten willen erzeigẽ Der Goldtſchmidt / ſo da meinet / er wuͤrde ſo bald nach der Meß ſein Gelt empfangen / iſt mit ſolcher Antwort gar wol zu frieden / ſetzet ſich ein weil ni - der im Chor da Maillard vnd der vermeinte Peie - ſter auch ſtehen bleiben / biß daß der Muͤnch opffern wolte: Vnnd weil ſie dieſe gute gelegenheit jhnen nicht wolten entwiſchen laſſen / giengen ſie zu dem Goldtſchmidt vnnd ſagten jhm heimlich inn ein Ohr / ſie wolten hingehn vnd ein fruͤhſtuͤck in dem nechſten Wirtshauß / welches ſie jhm mit Namen nenneten vnd welches das vorne abſte Wirtshauß in ſolcher gegend iſt / zubereiten laſſen / vnddaß ſie ſel - ber ein Piſtolete zum fruͤſtuͤck wolten zum beſten geben: Der Goldtſchmidt iſt darmit abermals zu frieden / richtet ſie nach allem / das ſie jm ſagen / vnd will jm nit einfallen / daß ein eintziger betrug in al - lem jren Reden / noch in allem jrem vornehmen ſol ſtecken / bevorab dieweil der Franciſcaner Muͤnch / von welchem man geſagt hat / er were ein vorſteher vnd Oberſter zu Compiegne zu jm geſagt hatte / er wolte jm allen willen eꝛzeigen: Vnd er uͤber deß wu - ſte / daß der Thorhuͤter den Kelch vnter ſeinen Haͤn - den hatte.

Aber laſt euch die zeit nit lang werden: bald wird es im Hauß uͤber vnd uͤber hergehen: Dañ als Ma - illard vnnd ſein Geſell ſich allgemach auß der Kir - chen gemacht hatten / gienge der jenige ſo wie ein Prieſter gekleydet war / zu dem Thorhuͤter vnd for - derte ja name jm den Kelch ab / welchen er jm zuvor in ſeine Haͤnde hatte begeben / vorgewendt er woͤllein ei -43Diebshiſtorien / das II. Buch. in eine Capellen gehen / vnd allda eine Meß halten.

Dann da pflegt man ſolche Perſonen zu finden / welche nach der eygenen andacht der jenigen wel - che ſie die Meß laſſen leſen / jhnen ſolche oͤrter er - wehlen / welche jhnen ſelbſten wol gefallen.

Der Thorhuͤter meynt / der vermeynte Prieſter wolle nach ſolcher gewonheit auch an dergleichen Ort gehen vnd Meß halten / gibt jhm / was er begeh - ret: vnd ſo bald fangen Maillard vnnd ſein Geſell an jhre Fuͤſſe zu ſuchen vnd daruon zulauffen: Es wahre ein lunſt jhnen zuzuſehen / wie ſie die Gaſſen ſo dapffer mit der langen Meß ruth maſſen: Dann jhr moͤget mir das wol glauben /daß ſie das Zipper - len nit an den Fuͤſſen hatten.

Der gute Vatter der Moͤnche / welcher võ den vor - begangenẽ Betrug gãtz vnd gar nichts wuͤſte: nach dem er das Heylige Opffer verrichtet hatte / bleibet er ein zeitlang in der Sarriſten vnd thut ſein Ge - bet: Vnd als er endlich den Goldtſchmidt wide - rumb erſiehet / ruffet er jhm zu ſich: Der Goldt - ſchmidt recket die Ohren auff / wie ein Haas / vnd ſuchet ſchon ſeinen Sach / daß erdaß Geldt / welches er vermeinete zu empfangen / darinnenfaſſe / vnd folget jhm nach auß der Kirchen biß in das Cloſter hinein: Da dann der Geiſtliche den Goldtſchmidt auff ein ſeiten zeucht vnd fanget mit jm an alſo zu reden. Mein guter Freund (ſagt er zu jhm iſt es lang / deß ewer Weib iſt geſtorben / vnd daß jhr die - ſe Schwachheit an euch habt? Dann / wann mann ſoll helffen / muß mañ den Vrſprung vnd die rech - te Vrſach der Schwachheit wiſſen / ehe mann dieMittel44Beutelſchneider / oderMittel darzu gebrauchet. Was fuͤr eine Fraw (ſagt der Goldtſchmidt) ich hab kein Weib / ich bin noch ledig. Das iſt die Vrſach nicht / warumb ich hieher kommen vnd nunmehr ſo lang gewartet habe.

Ich weiß wol / daß jhr nicht verheurathet ſeyt (ſagt der gute Vatter) dann / wann das were / ſo hett jhr ewers erſten Weibs bald vergeſſen / vnnd leſt ſich auch nicht anſehen / daß jhr euch ſo bald veꝛ - heurathen werdet / weil jhr ſie in jhrem Leben ſo lieb vnnd werth gehabt hat: Es iſt aber doch gut daß man wiſſe die zeit / da ſie iſt geſtorben / auff daß man ewrem betruͤbten zuſtandt deſto eher vnd mehr huͤlff ſuchen moͤge.

Mein Herꝛ ſagt hierauff der Goldtſchmidt / ich glaube / daß jhr mich gantz vor einen andern verſe - het: Ich hab kein Weib / ich bin nicht verheurathet / ich bin hieher kommen das Gelt einzunemen / wel - ches man mir ſchuldig iſt.

Mein Freund (ſagt der Franciſcaner Muͤnch) ich weiß gar wol / daß jhr Gelt fordert: Gleichwol were es ſehr gut / daß man euch widerumb koͤndte zu recht bringen: Iſt es lang / daß jhr nicht ſeydt zur Beicht geweſen? weil jhr euch ſo uͤbel vnd beſtuͤrtzet befindet? Habt jhr ewer Gewiſſen gereiniget von al - len den ſchweren ſuͤnden / welche jhr moͤget began - gen haben? Dañ Gott der Herꝛ ſchickt vns manch - mals Creutz vnnd Truͤbſal vmb vnſerer Suͤnden willen / er ſtrafft vns / nach dem wir verdient haben / ich bitte euch / habt mir es nit vor vnqut / daß ich ſo weit ewer ſachen halben nachfrage: Dann / was ich thut vnd frage /daß thu ich euch zum beſten vnd vmb euer ſelbſten wolfahrt willen.

Mein45Diebs Hiſtorien / das II. Buch.

Mein Herꝛ / (ſagt hierauff der Goldiſchmidt: er ſtand aber zuvor auff von dem Orth / da er ſaſſe) verzeyhet es mir / wann mir die Wort entwiſchen: Es muß deren dingen eins ſeyn: Daß entweder der Herꝛ oder ich ein Narꝛ iſt / daß entweder einer oder der ander ſeines Verſtands iſt beraubet: Ich bedarff ewerer Narꝛenboſſen gantz vnd gar nicht? Ich begehre die Hundert Cronen / welche jhr mir ſchuldig ſeyt / oder will meine Wahr wider haben: Dann ich muß die Leut auch bezahlen / wie billich / ich bedarff deß vmbſchweiffens vnd deß Spottens gantz vnd gar nit.

Allgemach / guter Freund (ſagt der Vatter / o - der Franciſcaner Muͤnch) Ich will euch auch zu - frieden ſtellen: Aber / was ich euch ſage / das ſage ich euch zum beſten / jhr ſollet deßwegen nicht ſo zornig werden: Vnnd das ich euch mit zweyen Worten meines Hertzens meynung ſage / ſo were es ſehr gut daß jhr eine gute Artzeney ſuchet fuͤr ewere Seele / vnnd daß jhr darnach eweren Leib ein wenig lieſſet purgiren: Dann alle die wunderſeltzame einfaͤll kommen daher / daß ewer Hirn nicht recht beſchaf - fen vnd gar zu trucken iſt.

Sihe da warlich / das ſeyn mir ſtattliche ſtreich / ſagt der Goldtſchmidt. Iſt das die Muͤntz / darmit jhr mich bezahlen woͤllet: Ihr muͤſſet mir entweder allhie ſo bald die hundert Cronen geben / wie man deſſen mit meinem Herꝛn iſt einig worden / oder muͤſſet mir meinen Kirchenbecher wider geben: Es will ſich gar uͤbel ſchicken / daß nach dem jhr mei - nes Herꝛn Gut vnd Becher habt empfangen / jhrmir46Beutelſchneider / odermir jetzunder mit ſolchem geſpraͤch kommetauffge - zogen / vnd woͤllet an ſtatt baares Gelts mit bloſſen Worten vnd dergleichen Lamen boſſen vnnd vnge - reimbten Geſpraͤch bezahlen.

Der Franciſcaner Muͤnch ſihet den Goldt - ſchmidt wol an vnnd als er auß allen ſeinen Wor - ten / Geſicht vnd Geberden nicht kan ſehen / daß er im Kopff ſoll verirꝛet vnnd verwirꝛet ſeyn / fanget er an zu gedencken / ob nit ein Schalckheit vnd Be - trug darhinder ſtecke / vnnd als er bedencket / daß Maillard ſich darvon gemacht hat / will jm ſolches je laͤnger je mehr traumen: Von was fuͤr einem Kelch ſaget jhr mir / ſpricht er zum Goldtſchmidt? Habt jhr mir einen Kelch gegeben. Ich begere das Gelt (antwortet der Goldtſchmidt) fuͤr den Kelch / welchen jhr bey vnns habt abholen laſſen durch zween ehrliche Maͤnner / mit welchen jhr ſel - ber vor der Meß habt geredet / vnnd iſt der Kauff vmb hundert Cronen geſchehen: Wir haben den Kelch ewerem Throhuͤter in ſeine Haͤnde gegeben / daß er jhn euch ſolle geben / vnd hat man vns geſagt er ſey vor den Herꝛn als vor den Oberſten im Con - vent zu Compiegne.

Vnd wann jhr mir nicht glauben woͤllet / ſo redet deßwegen mit ewerem Thorhuͤter / oder laſt mir die zween der fuͤr mich kommen / die mich hieher gefuͤh - ret haben: ſie ſein nicht weit hiervon ſie waꝛten mei - ner allernechſt vnd woͤllen das Fruͤſtuͤck bezahlen.

Als nun der Franciſcaner Muͤnch dieſes Ge -[p]rech angehoͤret / wundert er ſich / vnd fanget gantzanderſt47Diebs Hiſtorien / das II. Buch. anderſt / als zuvor / zu reden: es iſt zwar war / ſpricht er zu dem Goldtſchmidt / daß der jenige / ſo mit euch vor einer halben Stund iſt hieher kommen / mit mir hat geredet: Aber er iſt zuvor vnd zwar geſtern bey mir geweſen vnd hat mir zuverſtehen geben / er habe einen Bruder / der ſey gar im Haupt verirꝛet / hat auch geſagt: Ich thet ein werck der Barmher - tzigkeit / wann jch jhn examinirte vnd ſehe / was jhm mangelte / ob er vielleicht widerumb moͤchte zu recht gebracht werden: Er hat mir auch erzehlet / daß das die vrſach ſey /daß ſein Eheweib / welches er ſehr Lieb vnnd werth gehabt habe / ſer vor kurtzer Zeit geſtor - ben: Es duͤncke jhn / er ſehe ſie deß nachts vmb ſich / vnnd hoͤre ſie reden: Derhalben (ſagte er zu dem Goldtſchmidt) bitte ich euch / jhr woͤllet mir es ver - zeihen / daß ich bißhero geglaubet habe / jhr ſeyt eben der jenige von welchem er mir ein langes vnd brei - tes zuvor hatte geſchwetzet Aber was den Kelch an - langet / darvon jhr mir redet / weiß ich im gerigſten nicht: Es kan ſeyn / daß er mich fuͤr einen andern hat angeſehen: Dann wann der Kelch vor den Convent de Compiegne ſoll gehoͤren / ſo iſt jr Hauß - Vatter jetzunder hie / vnd kan wol ſeyn / daß er ſel - ber durch jemands ſeiner Fꝛeunde daſſelb mag kauf - fen haben laſſen: Lieber ſaget mir / wo ſein ewere Ge - ſellen / dann ich ſehe daß das ding nicht recht zu ge - het / es ſtecket ein Betrug darhinder / dem ſey auch wie jm woͤlle.

Ich weiß / wo ſie ſein (ſagt der Goldtſchmidt) aber / weil der Haußvatter vnnd Oberſte deß Con -vents48Beutelſchneider / odervents zu Compiegne hier iſt / ſo bitte euch vnb Got - tes willen / ſehet doch / daß ich deßwegen mit jhm re - den moͤge.

Auff dieſe wort fuͤhret der gute Franciſcaner Moͤnche (welcher noch nicht durch dieſe Wolcke ſehen vnd die Warheit finden kundte) den Goldt ſchmidt in die Kammer zu dem Oberſten oder Haußvatter deß Convents von Compiegne / wel - cher / als er jhr begeren vernimmet / jnen antwortet er wiſſe von den dingen / die ſie jhm erzehlen / gantz vnd gar nicht / habe auch keinen Menſchen auff der Welt befohlen /daß er inn ſeinet wegen einen Kir - chenkelche ſolle kauffen.

Der Goldtſchmidt bleibt nicht deſto weniger auff ſeinen eylff Augen vnd betheueret / daßder Kelch in keines andern als in ſeinem Namen iſt gekauffet worden / dringet derohalben auff ſolchen Moͤnch von Compiegne vnd will kurtzrund ſeine bezahlung von jhm haben / dann er ſpricht / er habe den Kelch ſeinet wegen dem Thorhuͤter in ſeine Haͤnde gelief - fert.

Als nun der Haußvatter vnd Moͤnch von Com - piegne ſolche geſpraͤche hoͤret / ſpricht er jme freund - lich zue: Mein lieber freund / es iſt daran nichts ver - lohren: Es iſt gewißlich wahr daß ich keinem Men - ſchen hab befohlen / einen Kelch fuͤr mich zu kauf - fen: Aber weil ihr gleichwol ſaget / jhr habet den Kelch dem Thorhuͤter in ſeine Haͤnde gelieffert / ſo will ich jhn her kommen laſſen / auff daß er euch das euerige widerumb zuſtelle. Deſſen iſt der Goldt - ſchmidt zu frieden / Wiewol es jhn auch hoͤchlichverdreuſt49Diebs Hiſtorien / das II. Buch. verdreuſt / daß der Kauff ſolle zuruͤck gehen: Dann er vermeinete / er wuͤrde den Tag ſchon mehr als 20. Cronen gewonnen haben.

Man leſt hierauff den Thorhuͤter kommen: der - ſelbige bekennet vnd beſtehet zwar / daß man jhm ei - nen Kelch zu verwahren habe gegeben: Aber es ſey bald darauff der Prieſter ſo jhme den Kelch inn die Haͤnd habe gegeben / widerumb zu jhm kommen vnd hab jhn jhm widerumb abgefordert vnnd ge - ſagt / Er muͤſte an einen Ort gehen vnnd die Meß halten: Vnd ohne zweiffel werde man jhn inn der nechſten Capellen finden.

Als nun der Goldtſchmidt das hoͤret / fanget jm die Naß an zu ſchweiſſen / es will jhm bey der ſachen angſt werden vnnd fanget erſt an den Betrug zu - mercken: Vnnd das hette auch ein Kind mercken koͤnnen: Dann in die Kirche gehen vnd ſeine Geſel - len alda ſuchen / das war nichts anderſt / als muth - williger weiß die zeit verlieren / dieweil er jhm ſelber leichtlich kundte einbilden / daß er ſie allda nit fin - den wuͤrde. Solte er dann hingehen in das Wirts - hauß darinnen ſie jhn beſchiden hatten / das ware noch erger: Dann es fiele jhm ſchon ſelber ein / daß er nichts mehr als das laͤere Neſt wuͤrde finden: nichts deſto weniger aber macht er ſich vnnuͤtz uͤbeꝛ dem Thorhuͤter / trohet jhm / er ſolle jm die hundere Cronen wol bezahlen / er woͤlle eine Rechtfertigung mit jhm anfangen: Der Thorhuͤter aber vertheydi - get ſich vnd ſpricht / er hab zwar den Kelch empfan - gen / aber er habe jhn dem ienigen wider geben / von deme er jhn zuvor empfangen hatte.

DVnd50Beutelſchneider / oder

Vnnd alſo nach dem ſie auff beyden ſeiten viel Wort miteinander gewechſelt hatten / muſte der Goldtſchmidt alle Capellen inn der Franciſcaner Kirchen durchlauffen / gienge auch in das Wirts - hauß / in welches Maillard vnd der vermeinte Prie - ſter jn beſcheiden hatte / aber er kundte weder Hund oder Menſch antreffen. Vnd ſehet alſo wuſte Ma - illard ſein Perſon zu ſpielen vnd den Kirchenkelch argliſtiger weiſſe vnſichtbar zumachen.

Auß dem allem aber / was wir vmbſtaͤndiglich erzehlet vnd angehoͤret / haben wir dieſe Lection oder lehre zu behalten / daß wir auff den euſſerlichen Au - genſchein nit gehen ſollen / vnd vns wol vorſehen / daß wir jederman nicht leichtlich vertrawen. A - ber dieſer ſtreich hat Maillard noch ſehr viel began - gen / welche nit ſchlimmer / ſondern viel beſſer oder ſoll ich ſagen / erger ſein geweſen. Ehe wir dieſe Hi - ſtorien beſchlieſſen / ſo laſt vns derſelbigen noch etli - che anhoͤren.

Das IV. Capitel.

Ferꝛnere Beſchreibung deß Lebens vnnd der begangenen Bubenſtuͤcken deß Maillard.

ALs Maillard auff ein Zeit bey dem Lo - vore oder Koͤnigliche Pallaſt zu Paris ſtun - de die voruͤber gehende auß zu kundſchafften / erſahe er einen vom Adel / welcher vnverſehener weiſe mit dem Wiſchtuch auß dem Hoſenſack ſei - nen Beutel zoge vnd fallen lieſſe: Vnnd kundte einjegli -51Diebs Hiſtorien / das II. Buch.jeglicher ſelber auß dem klang deß Beutels vrthei - len / daß er voll Piſtolen vnd Geldt vnd nicht von Wind ware / wie deß Vlyſſes Geſellen vnnd etliche andere kahle hoͤffling jhre Beutel mit kleinen ſtei - nerlein / vnd mit Nuͤſſen fuͤllen / vnnd nehmen ſich hernacher an / der Beutel mit dem Gelt ſey ſo ſchwer / daß ſie jhn nit recht heben koͤnnen.

So bald als nun Maillard das koͤſtliche pfandt erſahe / bekame er ein gewaltigen Appetit vnd luſten darzu / Er wuͤnſchete nichts mehr als daß er die vier Finger vnd den Daumen nur ein wenig drauff koͤndte legen.

Was thut er aber? Er folget dem Edelmann nach bald auff der einen / bald auff der andern ſei - ten: Sein Hand ſtrecket er zwar auß / aber er darff ſich noch nicht darmit inn deß Edelmanns Se - ckel wagen.

Endlich aber / als er lang auff vnd ab ware ge - gangen / ſihe da kommet einer ſeiner Spießgeſellen daher gegangen. Zu dem geſellet er ſich / zeigt jhm / was er erſehen / vnd bereden ſich / wie ſie den Seckel zu fiſchen die Sache kluͤglich vnd kuͤnſtlich angreif - fen woͤllen.

Als nun der Anſchlag gemacht / nehmen ſie der Zeit wol inn acht: Vnnd als der vom Adel in der Mahler Galerey mit vielen Vornehmen vom A - del auff vnd ab ſpatzieret / vnnd dieſe beyde Diebs - geſellen ein Meiſterſtuͤck jhrer Diebskunſt mitten vnter ſo viel vornehmen Herꝛn / ſo deß mals allda waren beweiſſen woͤllen / thut deß Maillards Ge - ſell / welcher auff der andern ſeiten allein auff vnndD ijab ſpa -52Beutelſchneider / oderab ſpatzierte / eins / vnd gehet dem vom Adel entge - gen / vnd als er nun an jhn kommet / ſtellete er ſich / als habe er ſich vn erſehener weiſſe an ſeine Spo - ren geſtoſſen / felt oben auff den vom Adel / vnnd be - kuͤmmert ſich wenig darumb / ob jederman jhn vor einen groben vng ſchickten Doͤlpel werde halten o - der nicht: Dann es ware jhm vnd ſeinem Geſellen nur vmb deß Edelmans Seckel zu thun: Er felt a - ber ſo hart auff den vom Adel / daß er auch mit zur Erden muß niderfallen.

Als ſolches Maillard / der gar nahe hinder jhm gienge / ſihet / ſpringt er vollends herbey / hilfft mit der einen Hand dem vom Adel auff vnnd wiſchet mit der andren Hand mit ſolcher geſchwindigkeit dem Edelman im Hoſenſack / daß er ſo bald den Beutel erdappet vnd außfuͤhret.

Der Jenige aber / der das grobe Bawernſtuͤck begangen vnnd den vom Adel vmbgeſtoſſen hatte / will gleichwol nicht vor vnhoͤfflich angeſehen ſeyn / tritt zu dem vom Adel vnnd bittet jhn / er wolle es jhm doch nicht vor vngut auffnehmen / daß er jhn vmbgefallen / dann in der Galerien ſey er ſo hart ge - trucket worden / daß er mit den Sporen in einan - der ſey kommen / vnd habe alſo uͤber jhn fallen muͤſ - ſen. Dieſe entſchuldigung thaͤte er nun nicht auff gut Frantzoͤſiſch / ſondern wie ein Teutſcher / der nie recht Frantoͤſiſch wil / kan reden / oder wie ein En - gellaͤnder / der Frantzoͤſiſch reden / vnnd kan es nicht recht: vnd deßwegen wurde es jm deſto weniger fuͤr vngut auffgenommen vnd fiengen alle die jenige / die es geſehen hatten / an zu lachen: Aber endlichwird53Diebs Hiſtorien / das II. Buch.wird darauß werden ein Riſus Sardonius wir das ſprichwoꝛt lautet: Dann verliehren iſt fuͤr Lachen gut / das iſt ein ſolches lachen / daß einem die Augen daruͤber uͤbergehen

Als nun diſe beyde Beutelſchneider jhr Mei - ſterſtuͤck bewieſſen hatten / wahren ſie froͤlich vnd gutes muths / vnd nahmen jhn vor in das Koͤnig - reich de Quoniambes vnnd die weit abgelegene Calecutiſche Provintzen zulauffen: Aber ſie muͤſ - ſen endlich lernen erkennen / daß war iſt das ſpꝛich - wort: Qui trobembraſſe, mal eſtreinct: Wer im auff einmal gar zuvil wil auffladn / kan jm auch leichtlich ſelber den Hals brechẽ: Dan nach dem ſie einen jungen albern Kerles / der friſch ware ankom - men vnd der daß anſehen hatte / das er ohne allen zweiffel viel Gelds bey ſich hette / in dem vndern Saal in dem Louore erſehen hatten folgeten ſie im nach vnd bildẽ jnen ein der tag were von Gott ver - ſehen / daß ſie etwas erhaſchen muͤſten.

Vnddaß ware auch die warheit: Es war freylich der tag von Gott verſehen dan Maillard wurde den tag erhaſchet vnnd erdappet. Als ſie aber nun dem jungen Kerles mit fuͤſſen vnnd augen nachfolgen gienge er oben auff in den Saal der Mahler / alda allerley ſchoͤne vnd ſeltzame gemaͤhlte / welche deß Menſchen verſtandt kan er finden / zuſehen vnd ſich darinnen zu erluſtiern.

In dem aber ſie beyde den Anſchlag machten / wie ſie denn jungen friſchen Kerles erdappen moͤchten / wahre der von Adel / dem ſie zuvor den Beutel auß gefuͤret hatten / in die Kirche zuD iijSanct54Beutelſchneider / oderSanct Germain de Lauxerrois die Predigt an - zuhoͤren gegangen.

Vnnd als er in der Kirchen wolte in Sack nach ſeinem Beutel greiffen vnd zween oder drey frembden eine Allmoſſen geben wolte / fande er weder Geldt noch Beutel / daruͤber er dann ſo be - ſtuͤrtzet als ein glockengieſſer wuͤrde.

Er ſpintiſiret vnd bedencket ſich lange zeit wo jhm doch der Beutel moͤge außgefuͤhret ſein wor - den: Er bedencket ſich / wo er den gantzen Tage von fruͤh morgens an biß auff ſolche zeit ſeye gewe - ſen / vnd befindet endlich / daß es jhm an keinem andern Orth koͤnne geſchehen ſeyn / als eben in der Galerien / da einer jhn habe vmbgefallen vnd vmb - geſtoſſen.

Hierauff macht er ſich auff ſeine Fuͤß / gehet wi - der an den Ort / in meynug entwedre den jenigen zu finden / welcher jhn hatte vmbgefallen / oder den andern welcher im widerumb hatte auffgeholffen / oder ſie alle beyde anzutreffen vnd jhnen nach den Koͤpffen zu greiffen Er hatte auch ſolche zween ge - ſellen ſo wol in ſein Geſicht gefaſſet daß als er in der Galerey ſo bald den Maillard antriffe / nimmet er jhm vor / er wolle ſo bald vber jhn fallen vnd jhn beſuchen: Aber er helt doch ein / weiß nicht / wie er die ſachen ſoll anſtellen: Dann es gehet dieſer Rauber ſo ſtattlich daher / vñ hat ein ſolches Heroiſches an - ſehen / daß mann hatte meynen ſollen / er were der vornembſte vom Adel an dem gantzen Koͤniglichen Hoffe geweſen: Derohalben ſo getrawet der vom Adel jhm ſelber nicht / daß er jhn deßwegen ſoll an -ſpren -55Diebshiſtorien / das II. Buch.ſprengen: Dencket alſo / wann der jenige ſolte ein Rauber ſein / vnd ſolte jhm ſein Beutel gefiſchet haben / ſo wuͤrde er ſich nicht lang in der Galerey auff gehalten / ſondern ſo bald auß dem ſtaub dar - von gemacht haben.

Hergegen aber als er jhn ſo wol anſihet / nim - met ſeine geberden vnnd manter wol in acht / ſo duͤncket jhn doch / er muͤſſe jm ſein Seckel mit dem Gelde geſtolen haben.

Deß Maillards Geſell / welcher der erſte den Edelman hatte ſehen wideꝛ kommen / merckete wol / daß kein gute Lufft mehr fuͤr ſie were / allda laͤnger zu bleiben derhalben ſuchete er allgemach Gelegen - heit ſich darvon zu machen / gab auch dem andern ein Zeichen / daß er ſolte ſehen / daß er durch das Volck darvon kaͤme / ſonſten wuͤrde jhm eim groſ - ſes Vngewitter vber den Halß kommen: Mall - lard / welcher den Edelman noch nicht hatte wider geſehen / meynet / ſein Geſell wincke im deßwegen / daß es Zeit ſey eben das Meiſterſtuͤck / welches ſie zuvor an dem Edelman bewieſen / auch an dem jungen friſch ankommenden Herꝛn / von dem wir zuvor geredet haben / zu practiciren: Als er aber al - ſo auff vnd ab ſpatzieret / vnd bedencket ſich auff al - lerley Mittel vnnd Kunſt / wie er doch die Sach moͤge anſtellen / vnd dem gedachten jungen Herꝛn hinder den Beutel niſten / da ſtoͤſſet jhm der Edel - man / den er zuvor beraubet hatte / auff vnnd ſihet jm in ſein Angeſicht hienein / daruͤber dann Mail - lard alſo erſchricket / daß er gantz rot vnter dem An - geſicht wird: Es wird jhm ſo bang / daß er nichtD iiijweiß56Beutelſchneider / oderweiß / wie er ſich geberden / oder wo er ſein Angeſicht ſoll hinwenden: In ſolcher Angſt aber nimmet er den Beutel mit dem Geld / welchen er dem Edel - man geſtohlen hatte / vnd in ſeinem Sack bey ſich truͤge / vnd knuͤpffet jhn (welches fuͤrwar ein wun - de: barliches Werck iſt) mit Ehren zu melden / an den natuͤlichen Beutel: dann er gedencket / man werde ja den Beutel nimmer mehꝛ an ſolchem Ort ſuchen: vnd als er ſich nu alſo geſchicket hat / ſuchet er Gelegenheit darvon zu kommen / gehet der Gal - lerien vnd dem Saal hinauß vnd gar darvon.

Der Edelman / welcher gar wol geſehen hatte / daß der Rauber / als er ſeiner anſichtig worden / die Farb verendert hatte / wird darduꝛch in ſeiner mut - maſſung deſto mehr geſtaͤrcket / vnd hele gaͤntzlich darvor / er muͤſſ ſich ſchuldig befinden / vnd kein gut Gewiſſen haben / dieweil er ſo bald / als er ſeiner an - ſichtig / ſo roth vnter dem Angeſicht war worden: Bittel derhalben ein Edelman / ſo von ſeinen Freunden war / er woͤlle jm nachfolgen / vnd jm ei - nen Beyſtand leiſten / dann er bedoͤrffe jetzunder ſeiner gar wol.

Dieſer meynet nun / es woͤlle ſich der ander ſein Freund mit einem balgen / nimmet ſich derohalben erſtlich an / er ſey nicht allerdings wol auff: aber weil er ſich ſo bald widerumb erinnert / daß wann er jhm ſolch ſein Begehren abſchlage / vnnd jhme nicht einen Beyſtand leiſte / werde er fuͤr einen zag - hafftigen Memmen außgeſchryen vnd außge - lachet werden / gehet er mit jhm: vnd ſein Laquey / welcher verſtanden hatte das jenige / was der ande -re jm57Diebs Hiſtorien / das II. Buch.re jhm geſagt hatte / war aber der Meynung auch / wie ſein Herꝛ: machet darauff ein Geſchrey / daß ſich zween mit einander balgen wuͤrden / alſo / daß / als ſolches dem groſſen Obervogt fuͤr Ohren kah - me / er ſich auffmachte / ſolches jhr Seelengefaͤhr - liches Vornehmen vñ Balgen zu verhindern: aber der Streit / den ſie mit einander hatten / war nicht groß / dan jhr werdet hoͤren / daß kein Blut darbey iſt vergoſſen worden.

Der Edelman / welcher dem Lovure hinauß war gegangen / ſeinem Mann nachzufolgen / als er ſihet / daß er ſich vnter dem vielen Volck / welches von allen Enden vnd Ecken zulieffe / wil verſchlei - chen / vnd verliebren / folget im ſtrack nach / vnd als er nah bey S. Germain de Lauxerrois in de Kloſter jhm gar auff den Halß kommet / greiffet er zu ſei - ner Wehr / vnd redet jhn mit einer Kriegsmaͤn - niſchen Hertzhafftigkeit alſo an: Hoͤre / du Schelm / der du biſt: du muſt mir entweder den Beutel mit dem Geld / welchen du mir haſt genommen / wider geben / oder muſt allhier dein Leben verlieren / dann ich kenne dich gar wol.

Maillard / der ſchon hatte angefangen zu fliehen wie ein Hund / der den Schwantz zwiſchẽ den Bei - nen tregt / vnd ſich fuͤrchtet fuͤr den ſtoͤſſen / war ſehr beſtuͤrtzet / da er von den Edelman alſo angeſprenget wurde / vnd hatte auch widerumb zur Wehr gegrif - fen / wann er nit geſehen hette /daß er ſchon von zween oder drey Edelleuten / welche jhm auff den Ruͤcken nach folgetẽ / gantz vmbꝛinget weꝛe: Er ſpꝛinget aber zween oder drey Schrit zu ruͤck / vñ ſpricht alſo zumD vEdel -58Beutelſchneider / oderEdelman: Mein Herꝛ / ſehet zu / mit wem jhr redet / jhr ſehet mich fuͤr einen andern an: ich bin nicht der Geſellen einer / daß ich ſoll den Leuten die Seckel abſchneiden / vnd außfuͤhren.

Es iſt verlornen Arbeit vnd Zeit / ſagt zu jm der Edelman / daß du mir wiltdaß Gegentheil einbilden: dann kein anderer als du allein / haſt die Hand in meinem Hoſenſack gehabt: derohalben / ſo ſolt vnd muſtu mir das geſtohlene Geld widerumb geben: Auff dieſe Wort fanget Maillard an vnd ſetzet ſich auff ſeine groſſe Pferde / macht ſich ſo vnnuͤtz / als der Gaͤſt einer / ſaget: Man ſoll recht zuſehen / mit wen man es zu thun habe: er ſey kein Beutelſchnei - der / wie er jhn darvor anſehe / ſondern / ein ehrlicher vom Adel: vnnd wann man jhm etwas zu fuͤgete / daß ſich nicht gebuͤhrete / ſo wolte er es zu ſeiner zeit vnd an ſeinem Ort wiſſen zuſuchen / vnd zurechen: Deß Edelmans Geſell / als er ſolche Wort von Maillard hoͤrete / meynete ſelber / es geſchehe jm zu viel / ſagte zu dem Edelman: Er ſehe jhn fuͤr einen andern an / vnd hette dieſer das Anſehen nicht / daß er ein Dieb vnd Rauber ſeyn ſolte.

Ihr wiſſet nicht was jhr ſaget / antwortete jhm wider der Edelman / ich weiß ſo gewiß / als ich hie ſtehe / daß dieſer mein Seckel vnd Geld hat / oder hat er es nicht / ſo weiß er doch / wo es iſt / vnd wo es iſt hinkommen. Dann das Bubenſtuͤck / daß er mir in dem Louure vor einer halben Stunde hat bewieſen / iſt Zeugnuß gnugſam / deſſen / daß ich ſa - ge / vnnd kan meinen auff jhn geworffenen Arg - wohn vnnd Muthmaſſung gnugſam bekraͤffti - gen.

Als59Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.

Als ſie nun alſo miteinander diſputiren: Der eine ſagt Ja / der ander Nein: der eine bethewret es / der ander leugnet es / laufft das Volck zuſammen / vnd iſt bald jederman der Meynung / dem Mail - lard geſchehe vnrecht von dem Edelman: Weil man aber doch ſahe / wie er die Farbe im Angeſicht verlohre vnnd verenderte / gabe das vielen Vrſach zu glauben / daß er deß Diebſtahls ſchuldig ſeyn muͤſte: gleichwol aber ſo bleibt er ſtandhafftig / leugt wie Bartholus: Er ſchweret / wann er nur ſolchen jhm bewieſenen groſſen Schimpff koͤnne rechnen / wolte er es nicht vnterlaſſen / vnnd wolte erfahren laſſen die jenigen / welche jhm alſo zuſetzten / daß er nicht weniger Hertz als Recht vnd Gemuͤths ge - nug habe / ſolches vnbilliches vnnd ſchmaͤhliches Anfordern vnd Begehren an jhnen zu rechen.

Der groſſe Tumult vnd Geſchrey / welches im Kloſter vorgienge / wie auch das zuſammen lauf - fen deß Volcks machte vnd verurſachete / daß der Gommiſſarius auch zu ſolchem Handel vnnd Ge - zaͤnck kam: Als er aber dahin kame / vnd ſolchem Gezaͤnck ein wenig zuhoͤrete / meynete er / es were alles ein angeſtelltes Werck / auff daß / in dem daß ſich die zween zancketen / andere deſto beſſer in ſol - chem Tumuli / Zuſammenlauffung vnd druckung deß Volcks den Leuten die Beutel abſchneiden koͤndten: Dann das iſt ein Practick vnd Eygen - ſchafft der Diebe vnd Beutelſchneider / daß / wann ſie gern wollen einen Schnitt thun / vnnd Beutel ſuchen / ſo pflegen ſie an einer Gaͤſſen Ecken ein Ge - zaͤnck anzufangen / ſtellen ſich nicht anderſt / alswann60Beutelſchneider / oderwann ſie ſich vntereinander gar freſſen vnnd todt - ſchlagen woͤllen / auff daß in dem Tumult vnd Zu - ſammenlauffung deß Volcks / welches gemeinig - lich darbey vorgehet / ſie deſto beſſer jhr Diebsmeſ - ſer gebrauchen / den Leuten die Beutel abſchneiden / vnd die Einfeltige oder friſch ankommene deſto beſ - ſer betriegen koͤnnen.

Als aber der Commiſſarius ſahe / daß es Ernſt war / lieſſe er dem Maillard nach dem Kopff greif - fen / vnd in ſein Loſament fuͤhren als ſie dahin kom - men waren / fragete er die Edelleut / ob ſie jhre An - klag wolten vnd getraweten zu verfechten / vnd auß - zufuͤhren Vnd als jm ſo bald mit Ja / Ja / Ja / dar - auff geantwortet wurde / ließ er den Maillard al - lenthalben beſuchen: Als man aber nichts bey jhm kunte finden / weder in ſeinen Hoſen / noch in ſeinen Wameß / fangt Maillard alſo an zu ſchreyen / vnd ſich zu beklagen: Ihr Herꝛn (ſagt er zu dem Volck / das an deß Commiſſarii Thuͤr war / vnd zu denen / welche mit in das Hauß hinein gangen waren:) iſt das nit zu erbaꝛmen / daß einer / der gantz vnſchuldig iſt / wie ich / in der Warheit bin / ſol alſo tractirt vnd angeſehen werden / vnd ſolches zugefallen zwey Per - ſonen / welche meine Todfeinde ſeyn / vnd einen ſon - derlichen Haß wider mich tragen: ja welche beyde Perſonen / da ſie als wackere vom Adel nitdaß Hertz haben / mich mit Wehr vnd Waffen anzugreiffen / mich alſo vnverſehener weiſe anſprengen / vnd die Leute uͤberꝛeden woͤllen / als habe ich jnen jre Beutel geſtohlen (als wann ein Mann meines Stands vñ Herkommens ſolches Handwerck pflege zu treibenvnd61Diebshiſtorien / das II. Buchvnd jhr Herꝛ Commiſſart? Was warter jr weiter? warumb erlediget jhr mich nicht / warumb helffet jr mir nicht / daß mir weiter Schimpff nit zugefuͤget werde? habt jr mich nit gnug beſuchet? ich ſage euch das außtruͤcklich / daß wann jhr mich laͤnger hie auffhaltet / wil ich es mit euch zu thun haben / ich will mich an euch rechen?

Dieſe Wort deß Maillards bewegten ſo ſehr den Commiſſarium vnd das Volck / daß ſie alle an - fiengen wider die beyde vom Adel zu ſchreyen / daß es vor Gott vnd der Welt vnrecht were / daß man mit dem ehrlichen Mann alſo verfahren / vnd vmb - gehen ſolte: es war auch ſchon an dem / daß man jn widerumb auff freyen Fuß wolte ſtellen.

Der jenige aber / welcher beſtohlen war worden / ſagte außtruͤcklich / er wolte es mit Recht mit jhm außfuͤhren / es were auch einmal nicht anders / ſon - dern gar gewiß / daß er ſeinen Seckel hette / vnd weil man ohne das das Spiel auff ſein Gefahr ange - ben / vnd Vnkoſten ſo weit hette angefangen / ſo ſol - te mans vollends außfuͤhren / jm die Kleider abzie - hen / vnd gantz nackend beſuchen.

Dieſer Vorſchlag wolte bald keinem / die darbey waren / gefallen / aber es kamen zu allem Gluͤck drey oder vier vom Adel darzu / die den Edelman / der den Zanck mit dem Rauber angefangen hatte / gar wol kenneten: die Waren nit allein der Meynung / ſon - dern / ſie trieben auch hefftig vnd Ernſtlich darauff / man ſolte jn gantz biß auff das Hembd außziehen / vnd ferꝛners beſuchen.

Das geſchicht ſo bald: man zeucht jhm die Klei -der62Beutelſchneider / oderder biß auff das Hembd auß vnd als man nun dar - auff jhn wol beſucht hatte / vnd gleichwol nichts bey jhm finden kondte / war dem Edelman ſo angſt vnd bang / daß er nicht wuſte / was er ferꝛners anfangen ſolte: Er hette gewoͤllet / er hette das ding nimmer - mehr angefangen: dann er machte jhm die Rech - nung alſo bey ſich ſelber: werde man den Streich zu Hof erfahren / ſo werde jederman jhn verſpotten / vnd verlachen: Auff der andern Seyten dencket er das / es werde die anſehliche Perſon / ſo er gedachter maſſen angedaſtet habe / ſolches in keinen Vergeß ſtellen / ſondern eine ſchwere Rechtfertigung mit jhm anfangen / daß er jhm ſelber auff das Maul ſchlagen / vnd dem angedaſteten einen offentlichen Widerꝛuff thun muͤſſe.

Als nun der vom Adel / ſo Maillard angeſpren - get hatte / dieſes alles bey ſich inn der Eyl erweget / wird jhm je laͤnger je baͤnger bey der Sachen. Der ander aber / nemblich der Rauber Maillard / der den Leuten wol auff jre Wort / Geſicht vnnd Ge - berden achtung gabe / als er das mercket / trotzet er deſto mehr auff ſeine vermeinte Vnſchuld / zeugt den Schimpff / ſo man jhm angethan hatte / hoch an / vnd bittet den Herꝛn Commiſſarium / er woͤlle jm recht ſchaffen / vnd ſeine Vnſchuld rechen vnnd veꝛtheidigen: welchen Trotz / als jhn der Edelmann vom dem Dieb hoͤret / ſagt er alſo zu jm: Ich ſchwe - re vnd ſage dir das / daß weil ich ſo weit mit dir bin kommen / ſo will ich auch ferꝛners fortfahren / vnnd wil dir das Hembd gar von Leib abziehen laſſen / vnd ſo bald als er dieſe Wort geſagt / felt er jhm andas63Diebs Hiſtorien / das II. Buch.das Hembd / vnnd will es jhm abreiſſen: Vnnd als jhn beduͤncket / er ſehe etwas dickes vnd groſſes vmb ſein Gemaͤcht herumber / ſtrecket er warlich die Hand auß / vnd greiffet darnach.

Nun muß ewer einer allhie nicht fragen / ob auch dem armen Maillard im hindern / mit Ehren zu melden / ſey bang worden / vnnd ob er auch den hin - deꝛn zugehalten habe: Dann ich wil euch deſſen wol verſichern / daß auch nicht ein eintziger der jenigen / welche dieſes Capitel leſen werden / jre Naſen hetten hinein bringen koͤnnen) vnd / wann man die War - heit wil ſagen / ſo hatte er freylich vrſach zu zittern / vnd ſich zu foͤrchten: Dann der Edelman / als er jm das Hembd nur ein wenig aufhube / ſahe er / wie ſein Geltbeutel an deß Laſterſchelmen ſoll ich ſagen / Maillards natuͤrlichem Beutel war angebunden: Derhalben ſo fanget er an zu ſchreyen / er habe das Thier beym Kopff erwiſchet: Er greifft jhn darauff beym Halß / vnd ſchlegt jn nider zur Erden / vnnd zeucht jhn auch mit dem Beutel ſo wunderbarlich / daß ich mich verwundere / daß er jhm nicht zugleich ſein klein gezeuglein nicht mit hat herauſſer geriſ - ſen Dann daß ich euch die Warheit ſage / ſo gieng er ſo erbaͤrmlich mit dem Maillard vmb / daß ein Weib / welche in deß Commiſſarit Saale vnd Be - hauſung war / ein Mitleyden mit jm hatte / vnd ſtiſ - ſe diſe Wort herauſſer / ſagend: Mein Herꝛ / was ma - chet jr? Jr ſeyt vnrecht dran / jr verſehet vnd nemet einen Seckel fuͤr den andern: vnnd da jhr meynet / jr wollet jhm den Geltbeutel nehmen / werdet jr jm ſeinen natuͤrlichen Beutel außreiſſen.

Durch64Beutelſchneider / oder

Durch die Wort aber deß Weibes / die es fuͤr - war ernſtlich meynete / ließ der Edelman ſich wenig bewegen / ſondern er ſchleppet jn / wie ein offentlichs Opffer doch endlich muſte er ein Meſſer nemen / die Strick am Beutel abſchneiden / dann der Beutel war gar zu wol vnd hart angebunden: vnd muß ich mich abermal verwundern / daß er inn ſolcher Eyl vnd Zorn nicht einen Beutel mit dem andern ab - geſchnitten vnd außgegoſſen hat / wz in den beyden Beuteln war. Dann er war ſo eifferig auff die bey - de zuſammen kommene Beutel / daß es nicht war außzuſagen.

Zu dieſem newen Spectackel laufft das Volck je lenger je mehr zuſammen: Maillard aber wird daruͤber ſo beſtuͤrtzet / daß er nicht weiß / was er den - cken oder ſagen ſoll: Er wartet auff nichts anderſt / als auff die Leyter / daß man in oben auß zum Gal - gen fuͤhre. Vnd als er noch nicht recht iſt ange - than / ſtoͤſſet man jhn vnter dem Volck hinauß / da er dann ein groſſen Vortheil vor allen andern Leu - ten bekam vnd hatte: dann da die andern ſelber mu - ſten zu Fuß gehen / ſchleppet vnd zoge man jhn wie ein altes ſtinckendes Aaß / das man wil auff die Schindkaut fuͤhren: Ein jeglicher vnter dem gan - tzen Hauffen meynete / er thet ein ſonderlichs werck der Barmhertzigkeit / wann er jhm etliche außbuͤn - dige wolgemeſſene Stoͤß zu gefallen gebe / onderlich aber / was den Edelman anlanget / der ließ jm die Sach ernſtlich angelegen ſeyn / es verdroß in weder Zeit oder Muͤh auff jhn mit aller Macht zu ſchla - gen: Dann er war ſo eifferig uͤber Maillard / daß erſeinen65Diebs Hiſtorien / das II. Buch.ſeinen Degen herauſſer zoge / vnd liß ihn mit ſei - nem Degen die Großheit ſeines Adels ſehen / alſo daß ich wol mit warheit kan ſagen: daß deß Bile - ams Eſelinne nicht ſo ſehr / als Juncker Maillard iſt geſchlagen worden / ja daß ſein Lebenlang kein Refftraͤger de la Greve ſo viel Holtz auff ſeinem Leib / als eben vnſer Herꝛ Maillard / har tragen muͤſſen. Vnter deſſen aber thut der Herꝛ Com - miſſarius eines / vnd nach dem er genugſamen Be - richt eingenommen hatte examintret er den Mail - lard / vnd wer da hette einen geaͤngſtigten Men - ſchen ſehen woͤllen / der hette nur Maillard wol vn - ter den Augen anſehen moͤgen: dann er war ſo ſchamhafftig wie ein Fuchs / oder Wolff / der be - ſtricket vnd gefangen iſt worden

Man fuͤhꝛet Maillard mit groſſer Magniſitentz vnd Herꝛligkeit auff deß Chaſtelet oder Diebsge - faͤngnuß: Es lauffen jm ein groſſer hauffe Kinder nach: vnd als er uͤber die Wechſelbruͤcken gienge / erſahe jhn der Goldſchmidt / welchem er zuvor den Kirchenbecher hette geſtohlen / welches jhm dann ein neues Vngluͤck verurſachete: Dann der Gold - ſchmidt vnd die beyde vom Adel giengen mit ein - ander zu dem Richter in peinlichen Sachen / kla - gen jhn hart an / vnd baten / daß man wegen ſeiner ſchweren Verbrechen andern zu einem abſcheuli - chen Exempel jm ſein Recht thun wolte.

Als aber ſolches die gantze ehꝛliche Geſellſchafft der Beutelſchneider erfahꝛen hatten / daß Maillard ſolte gefangen ligen / machten ſie einen Schluß vn - tereinander / ſie wolten jhn widerumb ledig ma -Echen /66Beutelſchneider / oderchen / vnd jhm auß dem Gefaͤngnuß helffen / vnnd ſolte es auch koſten / was es jmmer wolte / damit ſie ja auß jhrer Geſellſchafft nicht ein ſolchen wackern vnnd vornehmen erfahrnen Soldaten verlieren moͤchten. Vnd daß ich euch kuͤrtzlich anzeige / ſo be - muͤheten ſie ſich in wenig Tagen ſoviel / daß ſie ei - nen auß jhrer gantzen Geſellſchafft wehleten / jhn wie einen Bawersman bekleideten / damit man jr Vornehmen deſto weniger mercken koͤndte: Vnnd durch diſen Bawersman lieſſen ſie jm vnteꝛſchied - liche Inſtrumenta vnd Werckgezeug geben / daß er die Schloſſe deß Gefaͤngnuß / darinnen er gefangen gehalten wurde / darmit auffmachte: Er arbeitete auch ſo fleiſſig / daß nach dem er zween Tag damit zubracht / vnd vnter deſſen inn einem Packet Lein - tuch Strick vnd Kordeln hatte bekommen / er die Schloß ſeines Gefaͤngnuß oͤffnete / uͤber die Mau - ren ſich herunter lieſſe / vnd darvon kam den Abend zuvor / da er deß morgens drauff ſolte en Greve ſein Halß dran ſtrecken. Damit man aber ſeiner vielleicht nicht vergeſſe / lieſſe er die Kordeln / mit welchen er ſich hinab gelaſſen hatte / am Gefaͤng - niß / zum Gedenckzeichen vnd zur Bezahlung / ja zu danck deſſen / daß man jhn an ſolchem Ort eine zeit - lang hatte verwahret.

Als nun dieſe newe Zeitung von dem Außbre - chen deß Maillards ſeine Widerpart erfuhren / wurden ſie trawrig daruͤber / ſonderlichen aber der Goldtſchmidt / der da gehoffet hatte / er wuͤrdt nicht allein ſeinen Kelch wider bekommen / ſondern es wuͤrde auch dieſer vnverſchaͤmbte Dieb ernſtlichgeſtraffe67Diebs Hiſtorien / das II. Buch.geſtraffet werden. Vnd wiewol man fleiſſig nach - fragte / vnd den Maillard ſuchte / kondte man doch nichts gewiſſes von jhm erfahren.

Da nun Maillard auß der Maͤußfalle wider - vmb war kommen / gieng er hin / vnd beſuchte ſeine Spießgeſellen / vnd von der Zeit an pflegte er nicht mehr deß Nachts außzugehen / vnnd ſich mit dem Mantel der Finſternuß zu bedecken. Damit er aber nicht zum zweyten mal erdappet wurde / ließ er ſich den Bart vnd Haar kurtz abſchneiden / alſo daß es vnmoͤglich war / jhn auff ſolche weiſſe zuerkennen: dann er gienge gemeiniglich wie ein Einſiedler ge - kleidet / vnd wann er ſolchen Einſiedlers Habit an - hattte / murmelte er etliche Vatter vnſer zwiſchen den Zaͤnen / vnd ſchnitte vnter deſſen den Bawers - leuten außbuͤndig die Beutel ab: Bißweilen ſtelle - te er ſich / als wann er gar naͤrꝛiſch were / ſetzete eine Narꝛenkappen auff / ſtellete ſich an einer Ecken ei - ner Gaſſen / damit die Leut zuſammen lieffen / deſſen Muſter in der Figur zu ſehen. Vnd wann dann die Leut ſeine kurtzweilige wunderſeltzame Narꝛenboſ - ſen ſahen / lieffe das Volck an allen Orten vnd E - cken zu.

Matres atque viri, pueri, Juveneſque ſeneſque Et nati natorum, &c.

Das iſt / Weiber vnd Maͤnner / Knaben / Junge
vnd Alten.
Vnnd die geborne der gebornen theten ſich bey
jhm lang auffhalten.
E ijVnd68Beutelſchneider / oder

Vnd wann dann ſo ein groſſe Weltvolck vmb Ma - illard herumb ſtunden / vnnd ſeinen kurtzwilligen Narꝛenboſſen zuſahen / ſo hatte er vnteꝛ deſſen fuͤnff oder ſechs Beutelſchneider / welche durchs Volck

[figure]

drangen / vnd außbuͤndig ſtattlich mit dem kurtzen Degen ſechteten / vnnd beſtohlen auff ſolche Weiſe viel Leut. Vnnd da laß ich einen jeglichen ſelbſt bedencken: Wann nach dem Feſt mancher ſeinen Beutel nicht mehr finden kundte / wie er dann ſol -chen69Diebshiſtorien / das II. Buchchen Narꝛen vnd Boſſentreiber dem Teuffel habe gegeben / aber ſie muſten gleichwol ſolches alles mit Gedult uͤberwinden / eben ſo wol / als die Weiber zu Fontaine bleau / welche / wann die Koͤnigliche Hof - haltung allda wird gehalten / ſich muͤſſen von ſich ſelber troͤſten.

Hier aber wil ich nicht vergeſſen zu erzehlen den außbuͤndigen ſtattlichen Streich / welche er à Mon - didier hat bewieſen / zween Monat zuvor / ehe er muſte zum Galgen ſpatzieren: dann er war luſtig / ja gar feig.

Etliche Zeit hernacher / da er auß dem Gefaͤng - nuß war kommen / wolte er ein wenig friſche Lufft ſchoͤpffen vnd ſich von Paris begeben: dann er hat - te Sorg / wann er laͤnger zu Paris bliebe / er moͤch - te vielleicht inn der That ſelber erfahren / daß der Hanff eben ſo ſchaͤdlich iſt / als das Kraut genannt Napelus, von welchem man ſchreibet / daß ein Menſch daꝛvon ſterbe / wann man es nur anruͤhre. [Derhalben] ſo machten ſich jhrer fuͤnff gute Geſel - len miteinander auff / vnnd da iſt nicht außzuſpre - chen / wie ſchrecklich ſie in dem Wald Senlis (wel - chen man den Zwibelwald nennet / raubeten: dann alle die jenige / welche auß Niderlandt / von Cam - bray / Antorff vnd von vielen andern oͤrtern kamen wurden in diſem Wald jaͤmmerlich vmbgebracht / vnd erſchlagen: dann es iſt garein dicker vnd finſte - rer vnnd deßwegen gefaͤhrlicher Wald fuͤr die jeni - gen / ſo in Picardien reiſen woͤllen.

Wie nun ſolche Geſellen hin vnnd her ſtreiffen /E iijdamit70Beutelſchneider / oderdamit ſie deſto eher etwas antreffen vnd erhaſchen moͤgen: Alſo gingen zween auß jhrer Geſellſchafft den andern weit vor / vnd verlieſſen jhre Fuͤhrer: Als ſie aber durch Royes vnnd Mondidier, da dann ein ſonderliches groſſes Schieſſen war ange - ſtellet / zogen / verhoffeten ſie / ſie wolten allda et - was ſtattliches erdappen / ehe ſie widerumb zu jh - ren Geſellen kaͤmen: derohalben blieben ſie allda bey ſolchem Schieſſen Aber das Gluͤck wolte jhnen deßmals nicht wol: dann als ſie einem Schießge - ſellen von Amiens / welcher zu ſolchem offentlichen Schieß-ſpiel auch war kommen / vnd dahin man auß dem gantzen Koͤnigreich Franckreich zeucht / ein Gabe durch Schieſſen zu erlangen / deßmahls ſeinen Mantel geſtohlen hatten / wurde jhnen ſo hart nachgeſetzet / daß ſie endlich erdappet / vnd uͤber zween Tage offentlich mit Ruthen auß geſtrichen / vnd mit der Lilien gezeichnet wurden. Vnd da muß man nicht fragen / ob ſie auch wol ſeyen geſtrie - gelt worden: dann wiewol ſie den Hencker fleiſſig baten / er ſolte doch ein wenig ſubtil mit jhnen vmb - gehen / wiewol ſie auch alle Mittel vnnd Wege ſu - cheten / damit die Streich nicht gar zu hart fallen moͤchten / wurden ſie doch wie ehrliche Kinder auß - buͤndig wol abgeſtriegelt / vnd jagte der Hencker jhnen die fliegen ſo ſtarck mit ſeinem fliegenwedel von jhren Rucken / daß man das Mahlzeichen len - ger als zwen Monat kuͤndte ſehen. Als ſie aber nun gar ehrlich von einem Quartier zu dem andern / võ einer Gaſſen zu der andern gefuͤhret vnd von einem groſſen hauffen Kinder vnd Buben begleitet wur -den /71Diebs Hiſtorien / das II. Buch.den welche jnen ins Angeſicht hinein ſpeyen / vnd ſie mit Dreck werffen / namen ſie jnen vor / ſie wol - ten ſich an jnen rechen. Vnd als ſie an der Pforten altem loͤblichem gebrauch nach / jhre 5. Schilling empfangen hatten / vnd wahren ewig von Mondi - dier verwieſen vnd verbannet / begaben ſie ſich zu jren andern Geſellen in den Wald de Pont / klag - ten denſelbigen das groſſe Vngluͤck / ſo jhnen wi - derfahren ware / wie ſie gezeichnet worden / auff daß man ſie nicht verliehren moͤchte.

Maillard / welcher von Natur gar Rachgierig ware / name jhm vor / er wolte ſich rechen / wo nicht an der Obrigkeit / doch auff das allerwenigſte an dem Hencker. Gehet darauff mit ſeinen Geſellen auß / vnd verkleydet ſich / wie ein Bauersmann: Nun muß man aber allhier das mercken / daß die Marcktaͤge der Hencker pflegt etwas zunemen von allem dem jenigen Eſſenſpeiß / ſo auff dem Marck wird verkaufftt / als Korn / Erbeſſen / Fruͤchte / Kraͤuter / Bieren / Aepffel vnd dergleichen Fruͤchte vnd mehr den tag / da er einen hinrichtet / pfleget er doppele maß zunemen.

Maillard gehet hin vnd kauffet jm etliche Saͤcke Korn / ſetzet ſich darmit auff den Marck / wie die an - dere auch: befihlet vnder deſſen ſeinen Geſellen / ſie ſollen allen moͤglichen fleiß anwenden / daß ſie eim den Beutel abſchneiden / vnd ſo bald ſie etwas erft - ſchet / ſollen ſie es jme bringen: Maillards geſellen feyren hierauff nit / ſondern gehn hin vnd ſchneiden deß Leutenam̃ts (welcher ein Richter der peinlichẽ ſachen ware) Weibe an dẽ ort / welche / jren ſpeicherE iiijzu72Beutelſchneider / oderzu fuͤllen wolte Korn kauffen den / Beutel / ſo an ei - ner ſilbernẽ ketten hienge / ab / ſo artig vñ gſchwind / daß ſies nit kunde mercken: bringen auch ſo bald dẽ abgeſchnitenen Beutel dem Maillard / welcher auff dem Marck ſaß / vnd ſie wie ein Bawersmann ſo wol ſtellete /daß wañ einer jm hete ſehen ſollen / ſo hete ergemeinet / ja geſchworen er were der groͤbſte Ba - wersmann in gantzem Santerre geweſſen.

Als er nun den abgeſchnittenen Beutel empfan - gen hatte / kame der Hencker zu jm vnd woltedaß ſei - nige von jhm auch haben: Wz thut aber Maillard? Er nimmet ſein maͤßlein / fuͤllet es voll Kron verſte - cker vnderdaß Kron den geſtolenen Beutel / vnd gibt dem Hencker ſein gebuͤr / vnd mit ſolchem auch den Beutel: damit aber der Hencker den Beutel nicht koͤnne ſehen / haͤlt Maillard oben die Hand vber dem Maͤßſein / thut als wann er es zu dem ende thue / da - mit nichts von dem Korn auff die Erden falle.

Der Hencker / als er ſein theil hat empfangen / ge - het er ſeinen weg fort vnd[k]om̃et zu allem gluͤck gar nah zu deß Leutenamvs Weibe vnd da er will eim Bauersman einen ſtoß geben / der jm ſein gebuͤhr nit will bezahln ſtoͤßt er das gedachte Weib ſo haꝛt daß ſie ſchir zur Erden wer gefallen: daruͤber dann Maillard / der ein fleiſſiges Auge auff jhn hatte / gar froͤlich wurde: Dann er gedachte wol / der Boß wurde wol angehen / vnd wuͤrde er ſich alſo in kurtzẽ an dem Hencker rechen: Sagte derhalben zu den jenigen / die nah bey jme auff dem Marck ſaſſen: Sehet / ich bitte euch vmb Gottes willen den Hen - cker an / wie er die Frau trucket / mich duͤcket / er woͤlle jr gern den Beutel außfuͤhꝛen.

73Diebs Hiſtorien das II. Buch.

Ein halbe ſtunde hernach / als deß Leutenampts Weib einen Korb vol Bieren gekauffet hatte / vnd denſelbigen bezahlen wolte / ſihet ſie / daß jꝛ der Beu - tel mit dem Geld vnd mit der ſilbeꝛn Kettn iſt auß - gefuͤhret: Sie ſihet ſich vmb / wer vmb ſie hero ſey / vnd ſihet niemand mehr / alß den Hencker / dañ die andere hatten ſchon lang Ferſengeld geben Nun hatte ſie kein argwohn oder boͤſe Gedancken auff den Hencker / dann ſie konte jr nicht einbilden wol - te es auch nicht glauben / daß die jenige / durch wel - cher Hand vnnd mittel die Vbelthaͤter geſtraffet werden / ſolten ſo boͤß vnd vnverſchaͤmbt ſeyn / vnd ſich mit Diebsnaͤgeln krawen: Sie gehet derhal - ben auff dem gantzen Maꝛck auff vnd abe / fraget ob niemands ein Beutel geſehen oder gefunden habe / vnd gehet darauff an alle die ort vnd ende / da ſie zu vor ware geweſen. Vnder deſſen aber ſagt Mail - lard zu ſeinen Nachbarn / er habe geſehen / daß der Hencker Diebsſchaͤrlein gehabt / vnd der Frauen nach der ſilbern Ketten gegriffen habe.

Daß geſchrey bricht ſo bald auß auff dem Maꝛck es ſagets eins dem andern biß ſo lang daß es deß Leutenampts Weib auch erfaͤhꝛet: Welche in jh - rem argwohn deſto mehꝛ wird geſtaͤrcker dieweil ſie den Hencker vmb ſich geſehen hatte: Sie leſt hier - auff den Hencker greiffen vnd jn allenthalben beſu - chen: Als man aber in ſeinen Kleideꝛn gantz nichts finden kunde / wird jederman daruͤber beſtuͤrtzet: Es iſt aber allhie vnmoͤglich zuerzehlen / wie der Hen - cker ſich ſo ſchrecklich verſchwure / er hette den Beu - tel nicht: Es were jm ſolche boͤſe that nie in ſeinenE vSinn74Beutelſchneider / oderin ſeinen Sinn kommen: Er were deß Diebſtals / deſſen man jn bezuͤchtigte / gantz vnſchuldig: Dann er dachte nicht / daß jm ein ſolcher Boß von dem Maillard ſolte geriſſen vnd bewiſſen werden.

Als man nun gar nichts bey dem Hencker in ſeinen Kleidern kan finden / iſt ein guter Geſell vn - der dem Volck / der ruffet uͤberlaut / man ſoll dem Hencker auch ſein Sack beſehen: Dann ohn allen zweiffel werde er den Beutel dahinein verborgen vnd verſtecket haben: Dieſer rath ware nun von jederman fuͤr gut angeſehen / ſonderlich aber von der Frauen / welcher der Beutel ware.

Hierauff laͤhret man nun dem Hencker ſeinen Sack: vnnd da hettet jhr wol moͤgen ſagen / ſein Sack were die Archen Noe geweſen: Dann da ka - me allerley ding auß dem Sack herauſſer: Getreyd / Korn / Habern / Gerſten Kraͤuter / Aepffel / Bieren vnd viel tauſend andere ſachen / welche er vff dem gantzen Marck wie eine gemeine Schatzung auff - gehoben hatte: Aber jederman verwundert ſich noch mehr / da man auff dem boden ſeines Sacks den Beutel vnd die Silbern Ketten fande.

Da gienge es nun an ein pfeiffen / außlachen / verfluchen deß Henckers / jederman ſchalte jhn gar vbel: Vnd wiewol er Him̃el vnd Erden als Zeugen ſeiner vnſchuld anrieffe: Wiewol er mit ſchreckli - chem vermaledeyen wolte beſtaͤttigen / ſein gefuͤhr - tes vnſtraͤffliches Leben / wolte es doch nichts heif - fen: kein Menſch wolte jm glauben zuſtellen.

Alle die jenige / ſo jn anſahen / ſchryen wider jn alß wider den groͤſten Dieb vnd Rauber auff Er -den /75Diebs Hiſtorien das II. Buch.den / alſo das der gute arme Hencker nicht wuſte / was er mehr ſolte ſagen / wie er ſich mehr ſolte ent - ſchuldigen.

Maillard ſtunde beneben andern auch vnder den Volck / ſtellete ſich / als were er ein Picard machte die wunder noch aͤrger vnd ſagte: Es ſey ein elend vnd zu erbarmen / er halte daruor /daß ende der Welt nahe ſich herbey / dieweil die Hunde / ſo die Schaff vnnd Schaffsſtaͤll ſelber ſollen verwaren / ſich in grewliche Woͤlffe verwechſeln ja dieweil die jenige / welche mit jhrer Handt den Diebſtall ſelber ſtraf - fen / ſelber zu Dieben werden: vnd hielte er daruor: das were am aller beſten / wann man dem Hen - cker mit der Maße maͤſſe / mit welcher er ſelber an - dern pflege zu meſſen / ja wann es je mangeln ſolte / wolte er ſelbſt Geldt zu ſchießen / daß man jhme einen ſtrick an den Halß daruor kauffen moͤchte: Ja ſagt er: Wann er es noch einen andern gethan het / ſo gienge es auch noch etlicher maſen hin: Aber daß er deß Leutenampts Weibe / welcher Richter in peinlichen ſachen ſeye den Beutel hab abgeſchnit - ten / das ſey gar zu grob / dañ da habe er ſeinen wi - derſacher ſelber zum Richter: daß war das geſpꝛaͤch deß gemeinen Volcks von dem Hencker / ja es ware da niemands / der den Hencker nit uͤbel ſchalte / vnd jm den Galgen an ſeinen Halß wuͤnſchete. Man fuͤhꝛet den armen Hencker in deß gedachten Leuten - ampts Hauſe / welcher / als er deß Henckers groſſe vnverſchaͤmheit ſihet / ſpꝛicht er jm ſo bald das Vr - theil /daß er an offentlichen ſtraſſen mit Ruhten auß geſtrichen vnd mit der Lilienblumen an ſeinem ortſoll76Beutelſchneider / oderſoll gezeichnet werden: vnd fuͤrwar / es hette der Leu - tenampt den Hencker ſo bald gar auffhencken laſſen wann er nit gewuͤſt hette / daß der Hencker hette von jm appelliren koͤnnen / ja wann er nit geſorget hette wann der Hencker todt were / ſo wuͤrde man an ſei - nen platz nicht ſo bald einen andern bekommen koͤn - nen: Dieſe betrachtung vnd vrſach verhindert daß der Hencker nit gar an den galgen wuͤrd geſchicket: Sprache derohalben der Leutenampt dem armen Hencker dieſes vrtheil: Man ſolte jhm die Schul - tern wol butzen vnd verhindern /daß jm die Spinnen keine ſpinweben auff dem Ruͤcken machten: aberdaß war auch ein Vngluͤck / daß man ſo bald auff deꝛ ſtatt keinen andern Hencker kondte haben: Dann man hette entweder nach Compiegne / oder nach Nayon nach einen Hencker muͤſſen ſchicken / weil kein andere naͤhere Statt war / ſo diſe wahr hatte.

Als aber nun deß Leutenampts Stattknecht an der Thaͤr vnter einander redeten von deß Henckers vn verſchaͤmten Diebsſtuͤck / vnd daß an niemands mehr mangelte / als an einem ſtarcken Kerlen / der den Hencker wol koͤndte abſtriegeln / ware auch da deß Maillards geſellen einer / welcher deßwegen von den andern gnugſam war vnterꝛichtet / wie er ſich in allem ſolte verhalten: derſelbige gabe ſich an vnd ſagte: Er moͤchte eben ſo wol als ein anderer ein ſtuͤck Geles verdienen vnd wann man es jm erlau - ben wolte / ſo wolte er den Hencker ſo wol als ein an - derer außſtreichen / ja daß jederman ſolte zufrieden ſeyn.

Man helt jhn bey ſeinem Wort / vnd zeucht denHen -77Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Hencker auß vnd da kan nun ein jeglicher ſelber ge - dencken wie der arme Hencker ſo jaͤmmerlich iſt ab - geſtriegelt worden. Jederman hatte ein ſonderli - ches wolgefallen daran: Aber wegen der vnſchuld meinte der Hencker / es wuͤrde jm ſein Hertz im Leib zerbrechen Dieſer Filou fieng mit den Hencker die lange Gaſſen hinab zu dantzen / vnd war da kein of - fentlicher platz / da er nit ein groſſe Ruth verſtriche: dann je mehr der Hencker jn bate / er ſolte jn nicht ſo vnbarmhertzig ſtreichen / je mehr ſtrich er drauff: vñ alſo wurden deß Maillards geſellen / welche von weitem diſem Beeren dantze zu ſahen / gerochen an dem Hencker / welcher ſich auch redlich hatte bezah - let vnd wol abgeſtriegelt. Wie es aber vnmoͤglich iſt den Zorn der Goͤttlichen gerechtigkeit zu entflie - hen / wann wir vorſetzlicher weiß anfangen GOtt zuerzuͤrnen vnd wann wir vns einbilden / wir ſeyn nur in der Welt /daß wir Him̃el vnd Erden mit vn - ſern Suͤnden erfuͤllen: Alſo wurde endlich Maillaꝛd nach tauſent begangenen buben vnd Diebsſtuͤcken gefangen von dem Blutrichter zu Seules / dieweil er etliche Leut auff der Kutſchen / ſo nach Amiens ge - het / in der gegend Claritemont hatte beraubet Dz Rad war ſein letztes lehrſtuͤck / daß er in ſeinen Le - ben thate. Ich kan darvon reden / als einer / der es mit Augen hat geſehen. Ich bin mit etlichen an - dern / da er hingerichtet iſt worden / gegenwertig ge - weſen / vnd weil ich ohne das durch Seulis durch - gienge / gienge ich auff das Rahthauß vnnd etliche ſtuͤck / ſo er begangen / auch was ſonſten dieſer Rau - ber begangen hatte / vnnd vnter vielen andern laſſeich78Beutelſchneider / oderich auch dieſes Bubenſtuͤck / welches ich euch alle - weil erzehlet habe.

Das V. Capitel.

Von dem Meiſterſtuͤck vnd wunderſeltzamen Grieffen eines Diebs vnnd Raubers / ge - nannt L Eſcluſe.

DIe Nahmen der Menſchen zeigen bißweilen zugleich an derſelbigen Com - plexion / Natur vnd Eygenſchafft / ſaget das alte ſprichwort. Das hat ſich nun ſein leben - lang nit mehr war befunden als an den jenigẽ / von welchem wir jetzunder reden wollen. Dann nach dem L Eſcluſe ein wenig zu ſeinem Verſtandt wa - re kommen / er ſahe / wer er were vnd wer er ſein ſolte / hatte auch das ſchamhuͤtlein gantz vnnd gar abge - zogen / begab er ſich gar in das verdambliche Suͤn - den Leben: Er vergaſſe ſeiner gantz vnd gar / damit ja nicht vergeſſen moͤchte werden alles das boͤſe / das in der Welt kan begangen werden: Hingehen vnd ſeiner Voreltern Graͤber durchſuchen zu finden / wer er ſey / den Namen ſeines Vatterlands / das war verlohrne Zeit vnd Arbeit / das hieſſe mit einem an - dern Icaro inn der Lufft ſchwimmen: Dann man hat ſein lebenlang nichts von ſeinem Stand vnnd herkommen wiſſen koͤnnen / ſo gar / daß er ſelber nit wuͤſte / wo er her war. Welches dann eine ſolche muthmaſſung iſt / daß man wol darauß kan ſchli - ſen / daß er dem Romulo entweder in der abſteigen - den oder ſeiten Linien iſt verwandt geweſen. Dero - halben ſo woͤllen wir das vergebliche ſuchen auffſeiten79Dibshiſtorien / das II. Buch.ſeiten ſetzen vnnd woͤllen ſehen vnd anhoͤren etliche wunderſeltzame ſtreich / welche dieſer Bub hat be - gangen / auff daß wir vns vor Gefahr deſto beſſer fuͤrſehen moͤgen / wann vns dergleichen ſolte begeg - nen. Erſtlich aber iſt allhie wol zu mercken / daß er ein ſondetliches vornehmes Ampt in der Diebs ge - ſellſchafft verwaltete / nemblich daß er ſich allent - halben gnugſam muͤſte befragen hin vnd wider in der Statt Pariß / wie es dieſem oder jenem Burger gienge wie reich vnd vermoͤglich er were / wo er wo - nete / was ſein Handthierung vnd Nahrung were / was ſein Hauß vor gelegenheit / außgaͤng vnd ein - gaͤng hette / was ſie fuͤr Guͤter auff dem Feld hetten / wer jre nechſte freund vnd verwandten weren / wie - viel derſelbigen weren / wie auch ein jeglicher inſon - derheit mit Namen hieſſe: Alſo daß durch dieſes mittel er manchen biſſen vnd trunck bekamt.

Als er nun auff ein Zeit wol außgekundſchaffet hatte / daß ein ehrlicher vornehmer Buͤrger / ſo in der Gaſſen S. Anthime wohnete / einen Hoffman hatte zu Lovore en Pariſis, gehet er an daſſelbige ort zuerkennen / den dritten vnd den vierdten / das iſt alles wol außzuſehen vnnd die Leut lernen zu er - kennen: Er ſihet auch alle gelegenheiten auß / die ſol - cher Hoff hatte / erfaͤhret / wie der Hoffmann vnnd alle ſeine Knecht hieſſen.

Vnd nach dem er diſes Fundament geleget hat - te nach dem Exempel der Jaͤger / welche deß Abends die Hoͤle beſtechen vnd beſehen / welche ſie deß mor - gens durchſuchen woͤllen: Kehret vnnd kommet er widerumb gen Paris / zeigt ſeinen Geſellen an / waser vnder80Beutelſchneider / oderer vnder deſſen außgeſpechtet vnd außgekundſchaf - fet habt / was er auch fuͤr ein Garn wolle ſtellen den Haſen darmit zufangen: Vnd als er gar wol wu - ſte / daß der Buͤrger zu Pariß zu Hauß ware / verklei - det er ſich wie ein Buͤrger vnd Bauꝛ nim̃t ein geiſ - ſel in die Hand / als wann er ein vornemer Fuhꝛmã were / zeucht auch einen langen Fuhrmans Kittel an (wie ein Windmuͤhle) verfuͤget ſich zu dem ge - dachten Buͤrger / gruͤſſet jhn / vnd redet in alſo an:

Mein Herꝛ ich wuͤntſche euch einen guten Tag. Ihr kennet mich zwar nit / vnd bin doch in euerem dienſte / vnd iſt nun acht Tage daß ich auff euerm Hofe de Lovore diene / bey Martin le Clatr / aber / Gott erbarme es / es iſt vns ein groſſes vngluͤck wi - derfahꝛen. Der Buͤrger vnd ſeine Haußfraue wer - den daruͤber ſehr beſtuͤitzet / fangen an zu zweiffeln vnd zugedencken: ob vielleicht der Hof ſey abgebren - net / oder aber der Hofman ſey geſtorben: Vnd was iſt es dañ / mein Freund / ſagt der Buͤrger zu jm / halte mich nicht lang auff ich bitte dich darumb.

Mein Herꝛ / antwortete L Eſcluſc / jhr ſollet wiſ - ſen / daß als euer Hofman vnd ich ſein Knecht / gen Pariß jetzund ſein kem̃en vnd haben etliche Fruͤch - te herfuͤhꝛen woͤllen / iſt vns das vngluͤck wegen deß ſehꝛ boͤſen wegs begegnet / daß mein Herꝛ ſich hat auff den Karn geſetzet: Aber als wir in die Fuͤrſtat S. Martin kom̃en / bricht vns ein Rad am Karn es fel: mein Herꝛ daruͤber von dem Karn heraber / vnd hat jhm ein Bein gebrochen.

Dieſes vngluͤck hat mich nun gewaltig erſchre - cket / aber wie man auß der noht ein tugend mußmachen /81Diebshiſtorien / das II. Buch.machen; Alſo iſt mir diſes ſo bald eingefallen / daß ich der Pferde eins genom̃en / vnd habe jn zu dem Bailleul / welcher nahe bey dem[Creutz] du Titoir wohnet / gefuͤhꝛet: Vnder deſſen aber habe ich ſeinen Sohn Petern le Clair bey dem Karn gelaſſen / der ſoll den Karn verwahren / vnd allda zwey neue Raͤ - der machen laſſen: Bin alſo hieher gekom̃en euch / meines Herꝛn wegen zu bitten / daß jhr jhn doch be - ſuchen woͤllet / dann es ſtehet ſehr uͤbel mit jhm. Als nun der Buͤrger diſe betruͤbte newe Zeitung hoͤret / ſtehet er auff vnd zeiget mit verenderung ſeine Far - be vnd Angeſicht an / daß jhm ſolch Vngluͤck hertz - lich leydt iſt: Deßgleichen iſt deß Buͤrgers Weib nit weniger daruͤber bekuͤmmert / vnd wolte ſo bald mit jrem Ehemann hingehen den Hoffman zube - ſuchen / aber L Eſcluſe machte / daß es nit geſchahe: Vnd alſo gienge der Buͤrger mit dem Fuhrknecht / wie ſich dann L Eſcluſe darvor außgabe.

Als ſie nun auff dem Weg ſein / reden dieſe beyde miteinander von den Aeckern vnd Guͤter zu Lovu - re er Pariſis ob ſie auch wol gebawet ſeyn / wie vnd wo ſie liegen vnd dergleichen: Da dann L Eſcluſe dem Burger als dem Hofherꝛn ſolche antwort kan geben / daß er der Burger es fuͤr ein groſſes Laſter hette gehalten / nur allein zu zweiffeln an der Redt - lichkeit vnd auffrichtigkeit dieſes vermeinten Fuhr - knechts. Als ſie aber nah an die Gaſſen S. Martin kommen vnd durch die Jacobsgaſſe durchbrechen / in die Gaſſen S. Honnore gehen woͤllen fengt LEſ - cluſe an vnd ſagt alſo zu dem Buꝛger als dem Hof - herꝛn: Mein Herꝛ jr wiſſet doch ſelber wol / wo Ba -Filleul82Beutelſchneider / odeilleul wonet / was mich anlanget / ſo muß ich wider - umb zu meinem Pferde gehen vnnd ſehen daß die Raͤder gemacht werden: Aber das iſt der mangel / daß ich kein Schilling habe / den Wagner zubezah - len: Derhalben / wann jhr Gelt bey euch hetet / wolte ich euch freundlich gebeten haben / jr woͤllet mir ein Cronen 3. oder 4. leyhen damit ich die Frucht inn die Kornhalle fuͤhren koͤnne. Dann ſonſten / wann ich komme / wird der Marck ſchon gehalten ſein: auß einem vngluͤck muß man nit zwey machen / mein Herꝛ wird euch / was jhr mir leyhen werdet / ſo bald wider geben Der Burger beſchwert ſich im gering - ſten nicht daruͤber: Er findet aber nicht mehr in ſei - nem Seckel als 2. Piſtolen / dieſelbige gibt er jhm / vnd gebet ſeinen Weg fort / vermeinte / er werde ſei - nen Hofman bey dem Wundartzt in groſſer Lebeus gefahr antreffen: Dann er hette nimmermehr ge - meinet / daß jhm ſolcher boß ſolte geriſſen werden koͤnnen: Dieweil L Eſcuſe allen beſcheyd auff dem Hof wuſte / wuſte auch die Aecker vnnd Guͤter mit namen / oder wo ſie lagen / zu nennen: zeiget jm auch an / wieviel fruͤchte er ſolches Jahr wuͤrde zuhoffen haben / vnd vil andeꝛe dinge / welche er zu Lovure hat - te außgekundtſchaffet bey dem Hofman / fuͤr deſſen Fuhrknecht er ſich außgabe. Sie ſcheiden alſo von einander: der Burger gehet hin zu dem Wundartzt Bailleul / welcher dañ der jenige iſt / welcher die ge - brochene Bein außbuͤndig wol kan heylen: LEſclu - ſe aber wendet ſtumpff vmb / gehet durch die Gaſſen S. Martin als woͤlle er wideꝛumb zu ſein Wagen vñ Pferden gehen / aber er gienge den kurtzeſten weg: erwar83Diebs Hiſtorien / das II. Buch.war noch nicht zufrieden /daß er dem gedachtẽ Bur - ger 2. Piſtolen durch ſein luͤgenhafftiges vorgeben hatte auß dem Beutel gelocket / ſonder nimmet jm vor / er woͤlle ſo bald auch ſo viel von deß Burgers Weib erhaſchen: Er bekuͤmmert ſich nit viel vmb ſeinen Wagen / oder vmb die zerbrochene Raͤder: (dañ es waren auch keine da / ja es war kein Menſch da:) bricht durch die erſte Gaſſen durch / ſetzet das - berige ſeiner hoffnung auff die geſchwindigkeit ſei - ner Fuͤſſe: gehet in deß gedachten Buͤrgershauß / da er dann die Fraw antraffe / da ſie ſich noch anzo - ge / thete / als wann er ſehr gelauffen hette / daß er nit recht kundte athemen / vnd ſagt alſo zu jhr: Meine Fraw / ewer Herꝛ hat mich hieher geſchickt: er iſt jetzt bey dem Balbierer / der vns hat verſprochen / er woͤl - le meinen Herꝛn bald wider geheilet haben: Er bit - tet euch / jhr woͤllet jhm ohn allen verzug 25. pfund Gelt ſchicken: mein Herꝛ wirds euch ſo bald bezah - len / als er die Frucht / welche ich jetzunder ſoll auff den Marck fuͤhren / wird verkauffet haben. Dieſe gute Fraw / welche nun gar alt ware / vnd anfienge Kindiſch zu werden / beſchweret ſich noch weniger / als jhr Ehemann / gibet jhm ſo bald was er begeh - ret. Vnd als er das hatte hinweg genommen / brau - chet er die Argliſtigkeit welche er zuvor bey dem Buͤrger gebrauchet hatte: Bate die Fraw / ſie ſol - te jhm doch noch zwo Piſtolen geben / daß er die ne - we Raͤder / ſo er an den Karn hette machen laſſen / bezalen koͤndte: Vnd da er ſolches Geld der Fraw - en abforderte / wuſte er ſich ſo trawrig zugeberden / daß es kein wunder were geweſen / wann auchF ijdie84Beutelſchneider / oderdie allerklugſten durch jhn betrogen weren worden.

Als er aber nun hatte / was er begehrte / gehet er auß deß Burgers Hauß zu ſeinen guten Zechgeſel - len: Erzehlet jhnen das groſſe Gluͤckdaß er erſchnap - pet habe: Fanget darauff an zu eſſen vnd trincken / auff deß gedachten Buͤrgers koſten / machen ſich lu - ſtig vnd guter dinge / vergeſſen nichts / was zu jhrer froͤlichkeit mag dienen.

Es iſt zwar war / daß es ein geringer Diebſtal iſt: Dann was ſeyn 25. pfund Gelts fuͤr eine ſolche ge - ſellſchafft? Gleichwol aber iſt es ſoviel / daß ſie dar - mit uͤber das waſſer fahren vñ ein kleines ſchmaͤuß - lein daꝛvoꝛ haben koͤnnen: So muß ich euchdaß auch allhie eꝛzehlen / daß / als dem Eſcluſe der Boß ſo wol ware zum zweyten mal angangen / nahme er jhm vor / er wolte es noch einmal wagen / vnnd auff ein ander manier ſein Perſon ſpielen / wie er hernacher ſelber hat bekennet.

Er name jhm vor / er wolte deß nachts uͤber bey dem Buͤrger ſein Herberg ſuchen / damit er deß nachts auffſtehn / vnd ſeinen mitgeſellen die Thuͤr im Hauß koͤndte auffthun: aber weil jn doch endlich ſelber dauchte / er muͤſte deß guten dings nit zuviel machen / das hieſſe auch ſich ſelber mutwilliger wei - ſe in gefahr ſtuͤrtzen / wendet er ſeinen Mutzen vmb vnd brauchet ein ander Meiſterſtuͤck / wie ich euch alleweil hab erzehlet: welches dann ein ſolches Mei - ſterſtuͤck iſt / das man wol ſoll betꝛachten. Dann wie jr in nachfolgenden hiſtorien weiters werdet anhoͤ - ren / hat er mehr als ein gantzes dutzet ſolcher ſtreich vnterſchiedlichen Perſonen / welche er betrogen / be -wieſen85Diebs Hiſtorien / das II. Buch.wieſen Aber laſſet jhn mit ſeinen Spießgeſellen noch ein Zeitlang gehen vnnd muthwillen treiben / endlich werden jn die Waͤchter erdappen vnd wer - den jn mit der that ſelber lehren / daß Gott der Herꝛ entweder bald oder langſam die Laſter ſtraffet / vnd daß es vnmoͤglich iſt der ſtraff zu entgehen / wann der Menſch ſich den Suͤnden gantz vnd gar ergibt.

Vnter deſſen aber daß L Eſcluſe alſo handelte / war der Buͤrger bey dẽ Bailleul / welchen er ſo bald / als er ſeiner anſichtig wurde / fragte / ob man jn den tag nit einen Bawersman hette zugefuͤhret / der ein bein hette gebrochen Der Balbierer antwortet im: Er habe im geringſten nichts darvon hoͤren ſagen: Das kam nun dem Buͤrger gar frembd vnd wun - derlich vor / vnd weil er den vermeinten Fuhrknecht gar fuͤr einen albeꝛen geſellen angeſehen hatte / dach - te er bey ſich ſelber: vielleicht hat der albere Geſell ei - nen Balbierer fuͤr den andern genennet / gleich wie manchmal die Apotecker nicht allein eines fuͤr das andere nennen / ſondern auch gar nehmen.

Er hat dir vielleicht ein Hauß fuͤr das ander ge - nennet: Vnnd als er alſo bey ſich gedencket / gehet er zu allen Balbirern / ſo inn der Gaſſen S. Honnore wohnen / fraget ſie auch / wie den erſten: Aber da iſt niemands / der etwas darvon will wiſſen: Man weiß nicht / was man darauß ſoll ſchlieſſen oder ge - dencken: Der Burger thut eins vnnd gehet zum zweiten mal zu dem erſten Balbierer / welcher den Betrug mercket / dieweil kurtz vor zween Tagen e - ben der ſtreich wahre durch etliche Diebsgeſellen practiciret worden: Saget derhalben zu dem Bur -F iijger:86Beutelſchneider / oderger: Aber / mein Herꝛ / wiſſet jhr gewiß / daß der jeni - ge / den jhr ſuchet / ſoll hierein ſein gefuͤhret worden? koͤnnet jhr den jenigen wol / der es euch der erſte hat angezeiget?

Ich kenne jn nicht / antwortet der Burger / al - lein das iſt gewiß / daß er bey meinem Hoffman die - net / dann wie ich auß allen ſeinen worten kan ab - nemen / ſo weiß vnd kennet er alle meine Acker vnd Guͤter: Dem ſey wie jhm woͤlle / ſagt darauff der Balbierer Bailleut / ſo ſage ich euch / daß vor zwen tagen ein Filou oder leichtfertiger Diebsgeſell der - gleichen Boſſen einem ehrlichen Mann / ſo auff der Wechſelbruͤcken wohnet / hat bewieſen: Vnnd das der jenige / ſo euch ſolches angezeiget / muͤſſe ein dieb vnd rauber ſein / vnd das kan man daher abnemen / daß er euch mitten auff dem Weg hat verlaſſen: Vnnd iſt er ohne zweiffel inn ewer Hauß zu ewer Haußfrawen gangen / vnnd hat ewrenthalben jhr auch noch Gelt darzu abgefordert: glaubet mir das zu gefallen / ja ſo gewiß als wann jhr es ſchon mit ewern Augen hettet geſehen. Als nun der Buͤr - ger ſolches alles hoͤret von dem Balbierer / wie vor zween Tagen dergleichen auch ſoll vorgangen ſeyn / fanget er an zweiffelhafftig zu werden / hoͤret zu / was der Balbierer ſagt / vnd gleichwol deuchte jhn / der vermeinte Fuhrknecht L Eſcluſe were ſo einfel - tig geweſen / daß er noch nit allerdings wolte glau - ben / daß ein Betrug ſolte darhinder ſtecken.

Endlich aber gehet er widerumb nach Hauß: vnnd fanget jhm auff dem Weg der Schweiß an außzubrechen / es wird jhm angſt vnd bang: Baldduncket87Dibshiſtorien / das II. Buch.duncket jhn L Eſcluſe ſey ein Rauber: Bald aber er ſey ſeines Hofmans Fuhrknecht / vnd daß er viel - leicht deß Balbierers Ramen / bey welchem ſein Herꝛ ſey / nicht habe behalten koͤnnen Einmal mey - nete er dieſes / wie geſagt / bald iſt er einer andern Meynung: Dann die Wort / die man ihm geſagt hatte / uͤberꝛedeten jhn eines andern / vnnd mach - ten / daß er gantz anderſt glaubete / vnnd jhm einbil - dete: doch verdroß es ihn mehr vmb deß Hons vnd Spottes / ſo jhm daruͤber war begegnet / als wegen deß Geldes / welches er verlohren hatte / dann die Summa war gering: Ja wegen deß Spottes / ſo jhm noch ſeine Nachbaurn anthun wuͤrden / wann ſie ſolches recht erfahren ſolten: dann er kondte jhm leichtlich die Rechnung ſelber machen / man wuͤrde in der Gaſſen / die mit Spottvoͤgeln zimlich wol be - ſetzet war / allenthalben ſehr viel darvon ſagen.

Als er aber nun vollends heimkame / erfuhre er / wie die Sach an jhm ſelber beſchaffen war: Sein Weib kommet jhm entgegen / will wiſſen / wie es mit jrem Hofman ſtehe. Nun wolan / ſagt ſie / Herꝛ wie ſtehet es mit vnſerm Hofman? iſt es gefehrlich mit jhm? Der Schaden iſt er groß? Der Buͤrger / welcher es anfangs wolte verhelen / antwortet jhr nicht auff jhre Frag / ſondern fraget ſeine Hauß - fraw / ob deß Hofmans Knecht nicht wider da ſey geweſen / ſeyt der Zeit / da er ſey außgeweſen. Es iſt noch kein viertheil Stunde / ſagte ſie herauff / daß er iſt hinweg gangen: ich hab jhm das Gelt geben / das er von mir hat begehret / wie jhr jhm ſelber habt be -F iiijfohlen.88Beutelſchneider / oderfohlen. Als das der Buͤrger hoͤret / verendert er die Farb im Angeſicht / dañ er ſahe wol / daß er ſchaͤnd - lich war betrogen worden. Was fuͤr Geld habt jr jm dann geben / ſagt der Buͤrger zu ſeinem Weibe? Er hat / ſagte ſie / von mir begehret 25. Pfund Geld dem Wundartzt fuͤr das erſte Gebaͤnde zu geben / deßgleichen fuͤnffzehen Pfund / daß er neue Raͤder an ſeinen Karn machen koͤnne laſſen / warumb fra - get jhr mich das? dann jhꝛ habt jm ja ſelber befoh - len / er ſoll hieher geben / vnd ſo viel Geld bey mir ab - fordern? Setzet jhr einen Zweiffel oder Argwohn in vnſern Hoffman vmb zwantzig Cronen willen / ſihe da warlich / er iſt wol mehr ſchuldig geweſen / vnd hat vns allzeit redlich vnd ehrlich bezahlet.

Der Buͤrger / welcher wol ſahe / daß er betrogen war / buckete die Schultern / vnd muſte wider ſeines Hertzen willen gedultig ſeyn: Lieber Schatz / ſagt er zu ſeinem Weibe / Gott woͤlle vns vor groͤſſerem Schaden behuͤten: aber der jenige / der als ein Fuhꝛ - knecht iſt bey vns geweſen / iſt ein Dieb vnd Rau - ber / dann ich habe jhn gantz vnd gar nit hergeſchi - cket: Er hat ſich artiger vnd betrieglicher weiſe von mir gemacht / vnd habe ich weder den Hoffman / noch ſeine Kinder / noch jemands von den ſeinigen angetroffen: es hat vns dieſer boͤſe Bub den Boſſen geriſſen / daß er vnſer Geld hat erhaſchet. Aber wir muͤſſen noch Gott dancken / daß er nicht mehr hat begehꝛet / dann ich ſehe wol / hette er mehr gefordert / ſo hette er mehr darvon hinweg gebracht.

Deß Burgers Weib kan ſich uͤber dieſen Be - trug nicht genugſam verwundern vnnd wiewoljhr89Diebs Hiſtorien / das II. Buch.jhr Ehemann jhr das fuͤr gewiß anzeigete / kundte ſie es doch noch nicht allerdings glauben / daß der ehrliche Fuhrknecht ſolte ein ſolcher Schelm vnd Dieb ſeyn. Derohalben / damit ſie beyde der Sa - chen gewiſſen Grund moͤchten haben / ſchicken ſie bald jhren Laqueyen vnd Diener hin gen Louure zu dem Hoffmann / zu hoͤren vnd zu erfahren / ob er ein Bein gebrochen habe / oder ob das ein angeſtel - te Sache ſey: ob jhnen das nur zum Boſſen ſey ge - ſchehen: Aber dieſe Reiſe gereichete jhnen allen beyden zum Schimpff: dann der Laqueye findet den Hofmann in guter Geſundheit / es war auch dem Hofmann noch nicht im Traume fuͤrkom - men / daß er zu der Zeit begerete Frucht gen Pariß zu fuͤhren / vnd allda zuverkauffen / hatte auch in langer Zeit keinen friſchen Fuhrknecht gedinget: welches dañ den Burger verurſachete / daß er hin - fuͤro beſſer auff ſeine Sachen achtung gabe: aber er iſt doch nicht allein geweſen / der alſo iſt mitge - nommen worden: dann einen gantzen Monat lang hoͤrete man nichts anders / als von ſolchen diebiſchen Betriegern reden. Vnd daß ich es kurtz mache / will ich euch noch einen dergleichen argli - ſtigen Streich erzehlen / welchen L’Eſcluſe einem Weinhaͤndler hat bewieſen.

Ihr habt den Eingang dieſer Hiſtorien angehoͤ - ret / daß in wehrender Zeit / da die Diebsgeſellen ſo viel Betrug erdacht haben / den Leuten das jhrige abzurauben (dann ſie verendern jhre Streich vnd Boſſen / alle Monat / gleich wie der Mond ſein An - geſicht verwandelt) ſolche Geſellen allenthalbenF vgute90Beutelſchneider / odergute Correſpondentz mit einander haben gehalten: vnd war in Paris kein Ort / deſſen Gelegenheit ſie nicht wuſten / wie es darinnen beſchaffen war.

Als nun L’Eſcluſe wol wuſte / daß ein vorneh - mer Weinhaͤndler / welche wohnete in der Gegend S. Euſtache / gute Correſpondentz vnnd Kund - ſchafft in Burgund in der Statt Auxerre hattte / vnnd daß man jhm eine groſſe menge Weins in kurtzer Zeit ſolte ſchicken / kleidet er ſich wie ein Schiffmann / gehet hin zu dem gedachten Kauff - mann / welchen ich L’Eſpine wil nennen vnnd re - det jhn alſo an: Mein Herꝛ / es iſt drauß am Waſ - ſer ein Schiff voll Wein / welches euch von Herꝛn Laulean / Kauffmann zu Auxerre wird zugeſchi - cket: jhr koͤnnet eins thun vnd an das Waſſer kom - men / vnd den Wein empfangen / wann es euch be - liebet / die Brieff / ſo an euch gehoͤren / hab ich drauſ - ſen im Schiff gelaſſen / vnnd mit hero zu nehmen / vergeſſen: jhr koͤnnet die Brieff leſen / vnd ſelber ſe - hen / was er euch ſchreibet / dann er meynete nicht /daß er euch den Wein ſo bald wuͤrde ſchicken koͤñen.

Ich meynete auch nicht / daß er es ſo bald ſolte abladen antwortete hierauff L Eſpine / Aber weil es nunmehꝛ gluͤcklich iſt ankommen / muß man die Anordnung thun / daß der Wein eingekellert wer - de: Vnd alſo bald laͤſt er alle die alte Weinfaſſe / ſo noch in ſeinem Keller waren / hinweg thun / Platz zu machen fuͤr den Wein / der ſo bald ſolte heimge - fuͤhret / vnd eingekellert werden: lieſſe auch das Fruͤhſtuͤck fuͤr jhn vnd den Schiffman zu bereitẽ.

L’Eſclu -91Diebs Hiſtorien das II. Buch.

L Eſcluſe iſt wolgemuth / daß jhm der Boſſen ſo wol angehet / fangt an mit ſeinen Backenzehnen zu mahlen / vnd auff den vermeintlich ankom̃enen Wein dapffer zu trincken: Vnter Eſſens aber er - zehlet er dem Herꝛn Eſpine, wie es jhm ſo uͤbel ſey gangen / wie groſſe Gefahr ſie außgeſtanden haben auff dem Waſſer Seine: Es ſey ſein Schiff auff den Sand kommen / vnd haben groſſe Muͤh vnd Arbeit gehabt / das Schiff widerumb darvon zu bringen: Er weiß auch ſeine Geſpraͤch mit ſolchen artigen Meiſterſtuͤcken zu vermiſchen / vnd zu ſpi - cken / daß es vnmoͤglich iſt / daß L Eſpine jm nicht ſoͤlle Glauben zuſtellen: Vnd als ſie nun wol vnd gnugſam gefruͤſtuͤcket hatten / gehen ſie zu dem Haffen S. Paul / da dann nach deß Eſcluſe Auß - ſag das Schiff mit dem Wein ſeyn ſolte.

L Eſpine nimmet etliches Geld bey ſich / auff daß er die Vnkoſten / ſo auff den Wein hin vnd wi - der lauffen wuͤrden / ſo bald bezahlen koͤnne: vnd hat ſchon Sorg / er werde nicht Fuhꝛleut gnug bekom - men koͤnnen / daß ſein Wein heimgefuͤhret werde: Aber er wird ſehr bald das Gegenſpiel befinden: Dann als ſie nun alle beyde gar nah kommen à la Greve, nim̃et ſich L Eſcluſe an / er habe vergeſſen mit zunemen ſein Wambß / welches er allernechſt an einem Ort habe gekaufft: ſagt zu dem Herꝛn de[L]Eſpine / er ſolle nur in dem Namen Gottes alſo fort gehen zu dem Hof S Paul / dann er woͤlle doch eben ſo bald / als er / auch da ſeyn.

Der Kauffmã / welcher im geringſten an nichts boͤſes oder an keinen Betrug gedachte / gehet ſeinenWeg92Beutelſchneider / oderWeg jmmer fort / wartete auch eine Zeitlang auff ſeinen Schiffman / welcher aber nicht begerte wi - der zu kommen: dann er kehrete ſtracks wider umb / kam in groſſer eyl in deß Kauffmanns Hauſe zur Frauen gelauffen / vnd ſagte jhr: jhr Herꝛ hette nit mehr als vor vier Stuͤck Wein Gelds bey ſich ge - nommen / vnd muͤſte noch viertzig Cronen haben / dann es were noch vier vnd zwantzig Stuͤck Wein in dem Schiffe Das gute ehrliche Weib nimmet ohne einiges Nachdencken den Schluͤſſel zur Ki - ſten / vñ gibt dem vermeinten Schiffman vñ war - hafftigen Rauber noch fuͤnff oder ſechs vnd viertzig Cronen / mit welchen er ſich zu feiner Geſellſchafft v[e]rfuͤget / vnd theilet die Beute auß vnrer die fuͤr - nembſten ſeiner Geſellſchafft dann was das ander kleine Lumpenbuͤrſchlein anlangete / welche noch in jhren Lehrjahren waren / denſelbigen wiſchete man den Schnabel / vnd muſten ſich von jhrer Hand - Arbeit nehren.

L’Eſpine wird vnter deſſen vnwillig / daß er ſo lang ſoll warten / nim̃et jm endlich vor / er woͤlle alle Schiff am Haffen beſehen / ob er vielleicht moͤchte antreffen das jenige / ſo jm zuſtuͤnde: aber er kundte nichts fuͤr ſich finden. Gleichwol aber kondte vnd wolte er das noch nit glauben / daß der Schiffman / mit welchen er gered hatte / jn hette betriegen woͤllẽ / bevorab / dieweil er jhm ſo viel vom Wein erzehlet / auch mit jm gefruͤhſtuͤcket hatte: dencket aber auch wider / wañ er je betrogen ſey worden / hab es ſo viel nit zu bedeuten / ja es koſte jn nit mehꝛ als die Mahl - zeit. Endlich aber / nach dem er am Waſſer auff vñab93Diebshiſtorien / das II. Buchab war gelauffen / vnd alles wol durch ſehen hatte / muſte er wider mit Schimpff vnd Spott heim ge - hen / vnnd ſelber bekennen / daß der Schiffman nur ſeiner geſpottet hatte.

Als aber der Weinhaͤndler zur Haußthuͤr hin - ein tritt / fraget jhn ſeine Haußfraw / warumb der Wein nicht komme / da ſie jhm doch mehr Gelt / als er begeret hette / geſchicket habe / die Vnkoſten da - mit außzurichten. L Eſpine erſchricket uͤber dieſe Wort / vnd fraget ſein Weib / was fuͤr Gelt ſie dañ meyne? Ob ſie jhm dann Gelt habe hernach geſchi - cket? vnd als ſie nun eines dem andern weitlaͤufftig erzehleten / was einem jeglichen widerfahren / ſahen ſie ſelber / daß ſie betrogen waren worden.

L Eſcluſe hat dergleichen ſtreich mehr bewieſen / ſonderlichen aber einem Apotecker / ſo nahe bey dem Palais oder Koͤniglichen Hof wohnet: Aber wer ſolches alles der laͤnge nach erzehlen wolte / der muͤ - ſte viel Zeit darzu haben / derhalben ſo woͤllen wir beſehen etliche andere boſſen / ſo dieſes Schelmen - geſindlein hat getꝛieben / auff daß wir vns deſto beſ - ſer vor jhnen huͤten koͤnnen / wann vielleicht wir auch vnverſehener Weiß vnter ſie gerahten vnd kommen ſollen.

Das94Beutelſchneider / oder

Das VI. Capitel.

Von der wunderſeltzamen Spitzfindigkeit deß Mutio, vnd was er fuͤr einen Griff gebraucht / ſein boͤſe Vorhaben deſto artiger zu vermaͤnteln.

DIe Noht iſt eine Mutter der Erfindung / ſagt ein groſſer Philoſophus, das iſt / die Noht gibt Vrſach / daß viel Dinge von den Menſchen erdacht / vnd erfunden werden: vnd daran hat nun ſolcher Philoſophus recht vnd wol geredet: Dann wann wir Menſchen in diſen La - byrinth vnd Irrgarten gerahten / ſo gibt vns vnſer eigenes Vngluͤck etliche Mittel an die Hand vns zu erretten: Vnd hat man das auch in achtung ge - nommen / daß manchmals die aller alberſte vnd Einfeltigſte durch die Noht / vnd da ſie in groſſes Elend vnd Vngluͤck ſeyn gerahten / argliſtig vnd verſchlagen ſeyn worden: Die Vrſach deſſen iſt offenbar vnd richtig: dann weil die Natur an vnd vor ſich ſelber alſo beſchaffen iſt / daß ſie die Erhal - tung jhꝛer ſelber liebet / vnd nach allem Vermoͤgen ſuchet / ſo gibt ſie den jenigen / welche ſie in jhrer euſ - ſerſten Noht vnd Gefahr ſihet ſtecken / tauſenterley Anſchlaͤg / Gedancken vñ Mittel an die Hand / wie ſie dem vngluͤck vnd ſchiffbruch / das ſie vor Augen ſehen / entgehen moͤgen: Deſſen hat man ein Exem - pel vnter vielen andern an den Schiffleuten: wañ ſich da auff dem Waſſer ein groſſes Vngewitter er - hebet / es leſt ſich anſehen / als habe der Himmel / dieLufft /95Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Lufft / vnd alle Elementen ſich zu jhrem Verderben vnd Vntergang zuſam̃en geſchworen / ſo ergrieffen ſie dieſes Mittel / daß ſie ſich manchmals auff ein zerbrochenes Faß oder ſonſten auff ein Bret legen / welches ſie hernacher an das Vfer anfuͤhret / vnd jhnen alſo das Leben hilfft erretten.

Wir haben deſſen auch ein denckwuͤrdiges Ex - empel an den Mutio, welcheꝛ / als er in ſolcher Angſt vnd Noth war / daß er nicht wuſte / wo auß oder ein / ein ſehr wunderliche Spitzfindigkeut erdachte / ſich auß dem Vngluck / darinnen jhn die vnvermaid - liche hatte fallen laſſen / heraußer zu reiſſen.

Dieſer Mntio war auß dem Land Chartres buͤr - tig: hatte ſeinen Vatter verlaſſen / vnd war gen Pa - ris kom̃en zu freſſen / zuſauffen / vnd allerley Muth - willen zu treiben: Nach dem er aber all ſein Geld durch die Gurgel gejagt hette / wuꝛde er gezwungen ſich auff die Gaſſen Eckẽ zuſtellen / vnd die voruͤber - gehende vmb ein Allmoſen zubitten: weil jhm aber dieſes Handwerck nit wol anſtehen wolte / begab er ſich zu zween Bettlern / welche neben jrer adelichen uͤbung in der Beutelſchneider Bruͤderſchafft Koſt - gaͤnger waꝛen / vnd wuſten artiger vnd ſpitzfindiger weiſe den Zinß den Leuten abzufordern / vnd einen andaͤchtigen den Beutel zu erhaſchen: Dieſe / weil ſie wuſtẽ / wo Mutio wohnete / wo er ſich gemeinig - lich pflegte auffzuhalten / namen jnen fur / ſolches zu jrem Vortheil zugebrauchen / gleich wie der Affe welcher deß Haͤßlein Pfotten gebrauchte die Keſten auß der Aſchen zu ziehen: derhalbẽ / nach dem ſie jm alle jhre Kunſt gewieſen / gelehꝛet / alle Meiſterſtuͤckvnd96Beutelſchneider / odervnd Griffe gezeiget hatten / wurde er in kurtzer Zeit ſo gelehrt / daß er vnter den Dieben Schulmeiſter ſeyn kundte: Vnd da hoͤret nun wol zu / was er ei - nem ſeiner Landsleute fuͤr einen ſtattlichen Boſſen hat bewieſen.

Er wuſte von langer Zeit hero /daß einer / genandt Charles Deſtampes wonete zu Paris in der Uni - verſitet / hatte einen groſſen Handel von Tuch / handelte auch ſonſten mit allerley kleinen Wahren in frembde vnd benachbarte Land vnd oͤrter / Weil er nun dieſem Kauffman eins wolte anſchmitzen / wiewol er jhn niemals recht gekand hatte / bedachte er ſich auff alle Weg vnd Mittel / die er in ſeinem Kopff kundte erfinden / wie er doch zu ſtreich moͤchte kommen / vnd ſein Vorhaben vollſtrecken: Ehe wir aber hie welter fortfahren / wil es von noͤhten ſeyn / daß wir euch alle Gelegenheit / Vm〈…〉〈…〉 ſtaͤnde vnnd Zuſtand dieſes Kauffmans Charles Deſtampes erzehlen / auff daß jhr den Grund dieſer Hiſtorien deſto beſſer verſtehen koͤnnet.

Iſt derhalben allhie zu mercken / daß er zwar ver - heurahtet war / hatte aber mit ſeinen Eheweib keine Kinder: hatte auch einen Bruder zu Chartres woh - nen / welcher jhm fuͤrgenommen hatte ſich zu ver - heurahten / hette auch ein feine ehrliche Weibsper - ſon bekommen koͤnnen / wann erſelber darzu hette verſtehen wollen.

Mutio, welcher / (weil er eben an ſolchem Ort da - heim war /) alle Gelegenheit deß geſagten Orts wu - ſte / nam jhm vor nachfolgendes Mittel zu gebrau - chen / damit eꝛ ſo wol bey dem einen / als bey dem an -dern97Diebshiſtorien / das II. Buch.dern / etliches Geld moͤchte erdappen. Was thete er aber / oder was nam er vor? wie er ſehr uͤbel geklei - det war / alſo gieng er hin zu dem geſagten Charles Deſtampes / zeigte jm an / daß er von Chartres kaͤ - me / da er dañ gute vnd boͤſe neue Zeitung / vnd zwar alle beyde vor jhn gehoͤret hette: boͤſe Zeitung hette er vor jn gehoͤꝛt / dieweil ſein Bruder Frantz geſtor - ben were / vnd thet jm ſolches ſchmertzlich weh / die - weil er jhm viel guts hette bewieſen: Gute Zeitung hette er auch vor jhn gehoͤꝛet dieweil der abgeſtor - bene Bruder jhn zu einem Erben aller ſeiner fah - renden vnd ligenden Guͤter hette eingeſetzet.

Der Kauffman wird wegen diſer neuen Zeitung gar traurig / vnd leſt es jm hart zu Heꝛtzen gehẽ: dañ wiewol auff der einen Seyten er ſeine Augen warff auff die Guͤter / ſo er durch diſen vermeinten Todt - fall zu erben hatte / ſo deuchte in doch / er koͤnde oder moͤchte nicht mehꝛ lenger leben: dann er hatte keine Kinder / vnd hatte uͤber das ſein ehꝛlichs vnd reich - liches Außkommen: In dem er aber widerumb be - dencket / daß kein Kraut fuͤr den Tod iſt gewachſen / vnd daß wir mit allem vnſern Seufftzen / Heulen vnd Weinen / nichts anders außrichten / alsdaß wir vns ſelbſten betruͤben / vnd bekuͤmmern / ſchlegt er es jhm ſo viel auß dem Sinn / als er jm̃er kan / dencket man muͤſſe mit gedult uͤber winden / wz man ſonſtẽ nit koͤnne endern: Sagt zu dem Mutio alſo: Mein Freund / habt jr dann keine Briefe / die jr mir ſoͤllet zuſtellen? wie habt jr das erfahꝛen / daß jr mir jetzun - der erzehlet? Mein Herꝛ / ſag〈…〉〈…〉 der gute Geſell / ich muß euch die Warheit be〈…〉〈…〉 eñen / ich bin geſtern deßGdeß98Beutelſchneider / oderAbends in dieſe Stattſohne eintzige Heller vnd Pfenning kommen / (dann auff dem Weg bin ich beraubet worden) vnd habe mein Wames / darin - nen ich einen Brieff an euch habe / in der Herberg zum Pfand laſſen muͤſſen: derhalben jhr (koͤnnet ja meine Eltern wol) bitte ich euch / jhr woͤllet mir / wann es euch beliebet / zwo oder drey Cronen leyhen ich wil hingehen mich ein wenig flicken laſſen vnd euch den Brieff bringen.

Dieſer Kauffman / als er von deß Mutio Vatter hoͤret reden / beſchweret er ſich im geringſten nicht / ſondern gibt jhm ſo bald das Gelt / das er begehret / vielmehr daß er den Brieff / welcher jhm ſolte zuſte - hen / bekommen vnd leſen moͤchte / als vmb anderer Vrſachen willen Als nun Mutio dieſen GOttes - pfenning alſo erwiſchet hatte / gehet hin auff dem Grempelmarck / leſt ſieh von der Fußſolen an biß an das Haupt new kleiden: Vnnd als darnach bey S Innocent voruͤber gehet / leſt er einen Brieff in deſſen Vettern Namen wegen deß vermeintlich ge - ſtorbenen Bruders an den gedachten Kauffman auff nachfolgende Weiſe ſchreiben.

An Herꝛn Charles Deſtampes / Kauffman / wohnend in der Harpf - ſen〈…〉〈…〉 ſſen zu Paris

MEin vielgeliebter heꝛtzlieber Enckel / Es iſt mir hertzlich leyd / daß ich euch fuͤr dieſes mahl mit einem ſolchen traurigen Briefe gruͤſſen / vnd euch wegen deß Tods - fals euers lieben Bruders / welcher garploͤtz -99Diebs Hiſtorien / das II. Buch.ploͤtzlicher weiſe iſt geſtorben / muß zu - ſchreiben: Er iſt nicht laͤnger als 3. S〈…〉〈…〉 n - ben kranck geweſen: vnd dieweil meine dchweſter / euere Mutter jetzunder nicht zu hauß iſt: dañ ſie iſt zu vnſer lieber Frauẽ de〈…〉〈…〉 A[n]d〈…〉〈…〉 ers gezogen: hab ich nicht vmb - gehen koͤñen / euch deſſen zu beꝛichten / nicht allein wegen eweret Sachen ſelber (dann ewer Bruder hat euch zum Erben aller ſei - ner Guͤter eingeſetzet) ſondern wegen vie - ler Dienſten / ſo jhr mir wegen vnd in mei - ner Rechtfertigung / (welche ich à la cham bre de Tourtelle gefuͤhret) habt erzeiget: Bitte derhalben jhr woller euch auff das allererſt / als jhr werdet kennen / zu vns all - hero verfuͤgen / auch Briffzeigern / der einer von vnſern guten vertrawten Freunden iſt alle Favor vnd guten Willen erzeigen.

Ewer lieber vnd dienſtgefliſſener Vetter Deſtampts.

Als nun der Kauffman dieſen Brieff geleſen / gibt er jn auch ſeinen Eheweib zu leſen / welche (weil ſie von Natur ſehr geitzig war / wiewol ſie gantz vnd gar keine Kinder hatte) vielmehr Frewd als Traw - rigkeit auß den Brieff ſchoͤpffete / ſonderlich / dieweil ſie vername / daß jhr Eheman alle ſeines Bruders Guͤter ſolte erben: derhalben ſo ließ ſie es ſich nicht dauren / ſondern empfienge vnd tractirte ſehr ſtate -G ijlich100Beutelſchneider / oderlich den jenigen / der jhr ſolche froͤliche Bottſchafft gebracht hatte. Vnnd dieweil Mutio dieſer An - ſchlag ſo gluͤcklich vorgienge / machte er jhm dieſe Hoffnung / wann man jhn uͤber Nacht in ſolchem Hauſe beherge / ſo wolte er deß Nachts ſeinen Ge - ſellen die Hauß vnd Ladenthuͤr fein heimlich auff - machen / wolte machen / daß ſie dem Kauffman in den Laden kaͤmen / vnnd jhm das allerbeſte darauß ſtelen / welches er hernacher auch in das Werck hat gerichtet.

Dann nach dem Charles Deſtampes dieſen Mutio zween oder drer Tage bey ſich hatte geher - berget (wie er jn dann daꝛumb hatte gebeten / auffdaß er ſeine Sach deſto beſſer moͤchte außrichten) ſtehet Mutio die zweyte Nacht heimlich auff auß ſeinem Bette / gehet in den Laden / nimmet ein ſtuͤck Tuch / vnd wirfft es zum Fenſter hinauß: Deß Morgens aber / als er meynet / er woͤlle ſeinen Sack vnd Pack machen / vnd darvon gehen / tregt es ſich zu / daß deß Kauffmans Fraw ſterben kranck wird / daruͤber er dann eine newe Hoffnung bekommet: dann er konte wol gedencken / daß ſolche Schwachheit jhres Ehe - mans Reiſe verhindern wuͤrde: Er ſpintiſiret einen newen Betrug in ſeinem Kopff / vnd zeucht darauff hin gen Chartres daß er eben den Boſſen / welchen er Charles Deſtampes ſchon hatte geriſſen / deſſelbi - gen Bruder auch bewieſe / vnd jhn uͤberꝛedete / ſein Bruder were geſtorben: vnd / wie geſagt / nach dem er dieſen ſeinen Anſchlag ſeinen Mitgeſellen hatte entdecket / macht er ſich auff / zeucht von Paris gen Chartres / da er dann alle Gelegenheit vnd Gaſſen wolkennete: dann ſein Vatter wohnete drey Meilen101Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.darvon. Vnd als er dahin kommet / ſetzet er ſich ni - der vnnd ſchreibet dieſen nachfolgenden Brieff an Herꝛn Deſtampes im Namen deſſelbigen Brudeꝛs

Inſonders hertzlieber Bruder / ſeyt der Zeit / daß ich euch nicht geſchrieben / oder etwas von vnſeꝛm Zuſtand habe wiſſen laſ - ſen / hat mich das Gluͤck erfahren laſſen / wie tieff es in Vngluͤck ein armes Welbs - bild / wie ich bin / kan ſtuͤrtzen: Dann der tod welcher den Menſchen jhren Wolſtandt vnd Frewde vergoͤnnet / hat mich meiner hoͤchſten vnd groͤſſeſten Frewde / ſo ich an meinem ließen Ehemann / ewerem Bruder hatte / beraubet vnd wiewol ich viel mittel vnd Artzneyjhme habe gebrauchen laſſen / hat daꝛduꝛch doch im geꝛingſten nicht koͤn - nen gewehret werden den Schmertzen / ſo er von einem Seitenſtechen empfunden / vnnd welches jhn letzten Mitwoch ange - griffen / vnnd darauff den Donnerſtag gar deß Lebens hat beraubet. O wie iſt mir das ein Hertzenleid / ja ein vnverſchmertzli - ches Ding: daß ich ſelber euch die Vrſach meines groͤſten Vngluͤcks muß zuſchrei - ben Aber die Liebe vnd Ehꝛe / ſo ich zu euch trage / haben mir ſolche Wort in die Feder zu ſchreiben vorgeſpꝛochen: bitte euch der -G iijhalben102Beutelſchneider / oderhalben Dienſtfreundlich / jhr woller euch zu thun moͤglich ſeyn wird / allhier zu vns gegen Paris begeben: Dann eh er iſt ge - ſtorben / hat er euch zum Executorn ſeines Teſtaments verordnet / euch auch ein gu - tes Theil ſeiner Guͤter vermachr / auff daß jhr euch ſeiner Sachen annemet / als werer jr er ſelber. Dañ weil ich den beſten Schatz / ſo ich auff diſer Welt gehabt / verlohren / ſo ſchreye ich euch an / vnnd hoffe ich durch euch mich in meinem groſſen Creutz vnd Truͤbſal zu troͤſten Bitte auch / jr woͤller meine Mutter meinet wegen freundlich gruͤſſen / vnd ſie bitten / daß ſie zu mir kom̃e / mich in meinem Creutz beſuche / vnd ein Tagacht oder viertzehẽ bey mir verbleibe / wann ſie es anderſt Zeit vnd Geſchaͤfften halben thun kan: dann vber die vielfeltige Gutthaten werder jhr mich euch hiermit verbinden / daß ich die Zeit meines Lebens begehre zu ſeyn.

Euer in Ehren vnd Gebuͤr liebe Schweſter vnd Dienerin Ieanna la Breſſe.

Als nun Mutio dieſen Brief durch einen ſeiner Geſellen / welche mit jhm an ſolchen Ort gezogen wahren / geſagter maſſen hatte ſchreiben laſſen / na -me103Diebs Hiſtorien / das II. Buch.me er jhm vor / er wolte den folgenden morgen den Brieff ſelber an dem Ort vnd Ende / da er hinge - hoͤrete einlieffern: Dann er hatte jhm dieſe Hoff - nung gemacht / wann er inn ſolches Hauß nur kaͤ - me / wolte er ſeinen Geſellen den Laden auffmachen vnd das beſte / ſo ſie finden wuͤrden / hinweg ſtelen.

Nun iſt aber allhie zu mercken / daß nach dem Charles Deſtampes die neue Zeitung von dem tod ſeines Bruders vnd von der jme vermachten Erb - ſchafft hatte erfahren / lieſſe er jm ſonderliche trawr - kleyder machen / hatte jhm auch vorgenommen / er woͤlle jnnerhalb drey oder vier Tagen nach Char - tres ziehen / aber die zufaͤllige Schwachheit ſeines Eheweibes verhinderte jhn / daß er nicht eher als acht Tage nach empfangenem Schreiben dahin kundte reyſen / in welcher zeit Mutio ſeiner ſachen in acht genommen vnd ware gen Chartres kommen / wie wir ſchon vernommen haben.

Als nun der Tag ware angebrochen / an wel - chem Mutio ſein Spiel zu halten wolte anfangen / gibt er ſeinen Geſellen Nachrichtung wie ſie ſich verhalten vnd wo ſie auff jhn warten ſollen: gehet darauff hin zu dem Herꝛn Deſtampes Bruder / wel - chem er die Vrſach ſeiner Reyſe erzehlet / uͤberꝛedet jhn / er ſeye ſeines Bruders welche zu Paris bey ſei - nem Leben wohnete / Diener: Were auch von ſeiner F〈…〉〈…〉 awen inn der Eyle zu jhm geſchicket worden / daß ſie nach Paris mit jhm ziehen vnd wegen der Erbſchafft vnd andern Sachen richtigkeit machen ſolten. Dieſer / als er ſolche trawrige zeitung veꝛnim - met l[]ſt er es ſo bald ſeinen nechſten Freunden an -G iiijzeigen104Beutelſchneider / oderzeigen / ſonderlichen aber ſeiner Mutter / welche dar - uͤber hertzlich betruͤbet wurde: Dann ſie hatte den Charles Deſtampes ſehr lieb / dieweil er jhr elteſter Sohn war: Es wurde auch hierauff Mutio auff - genommen in das Hauß / vnd wurde jm alles liebs vnd guts erzeiget / vnd hatte kein Menſch kein arg - wohn / Forcht oder boͤſe Gedancken ſeinet halben; Es bleibet Mutio zween oder drey Tag bey jhnen / biß daß die nechſten Freunde jhnen Trawrkleyder machen laſſen vnnd alſo hernacher jhren Freunde hinziehen / ehrlich zubeſtatten Endlich aber vñ zwar den Tage / da jhrer zwey oder drey ſich wolten auff - machen vnd nach Paris ziehen / name er der Zeit wol in acht / vnd weil ſie inn der Meß waren / auch ſonſten kein Menſch mehr als eine eintzige Magd beneben jhme im Hauß ware: Gehet er oben auff in die erſte Kammer da er vnter deſſen außgeſehen hatte / daß die beſten ſachen zu finden waren / nim - met ſein Diebsgezeug vnd bꝛicht das ſchloß auff an einer Laden / nimmet zween oder drey ſtattliche De - mant / ſo er in einem kleinen Buͤchslein fnnde: Er hette auch wol gern etliches Gelt genommen / aber weil er wuſte /daß die Demanten nit ſo ſchwer alsdaß Gelt zu tragen waren〈…〉〈…〉 er gedachte auch ſelber bey ſich / es wurde jrer keines bey ſolchem Leyd Demant antragen / begnuͤgte er ſich allein mit denſelbigen: vnd da er nun das jenige was ſich in ſeinen Kram ſchicket / bey ſich genommen hatte / ſchloſſe er die La - de fein huͤpſch wider zu / wie ſie zuvor auch geweſen war Vnd wer den Mutio hette ſehen koͤnnen / der hette dem euſſerlichen Anſehen nach zu vrtheilen /geſagt:105Diebs Hiſtorien / das II. Buch.geſagt: Er were der allereinfeltigſte Jung auff Er - den / ſo meiſterlich wuſte er ſich zu ſtellen / ſo wol kon - te er den Schalck verbergen. Derhalben wir ſehen daß nicht jederzeit dem euſſerlichen Schein / vnnd anſehen / als welches faſt betrieglich zu trawen / deſ - ſen die Figur anzeigung gibt.

[figure]

Daß wir hieran einen Schluß machen / ſo wa - re die Redkunſt dieſes Diebs ſo kraͤfftig / daß ſich der Herꝛ Deſtampes mit ſeiner Mutter auffmach -[t]e / nach Paris zu ziehen / jre Schnur vnd Schwe -G vſter106Beutelſchneider / oderſter zubeſuchen / vnd derſelbigen gemachtes Teſta - ment vnd letzten willen zu erkennen vnd demſelbi - gen genuͤgen zu thun: Wie ſie dann nicht anders meyneten / als daß er warhafftig geſtorben were. Welches dann ein uͤber alle maſſen groſſer Betrug iſt geweſen: Dann ſehet da begeben ſich zwo Perſo - nen auff dem Weg / ſie ſeyn alle beyde noch im Leben / vnd meinen ſie ſeyn all beyde / (eineꝛ von dem andern /) todt vnd geſtorben: Ein jeglicher bawet jhm in ſeinen Sinn groſſe Schloͤſſer inn Spani - en. Es dencket jeglicher bey ſich ſelber / wie er es mit der Erbſchafft vnd andern ſachen woͤlle anfangen / vnnd iſt keiner vnter jhnen beyden / der ſolchen Be - trug kan oder wil ſchmecken.

Aber der jenige / was noch weiters darauff erfol - get / iſt noch wunderlicher zu hoͤren. Dañ nach dem es mit deß Charles Deſtampes ſeinem Eheweib wi - derumb etwas beſſer wurde / name er jm vor er wol - te gen Chartres ziehen / damit er wegen ſeines Bꝛu - ders ſachen richtigkeit machte / welcher aber hinge - gen auch auff ſeiner ſeiten ſich ſchon hatte auff den Weg nach Paꝛis begeben / damit er deꝛgleichen mit ſeines Bruders ſachen vornehme vnd thete.

Nun truge es ſich zu / daß der Bruder / ſo zu Chartres wohnete / ſich nicht allein mit ſeineꝛ Mut - ter auff den weg machte / ſondern / weil er entweder beſſer beritten ware / oder weil ſie vielleicht einen halben Tag eher / als der ander / ſich hatten auff den Weg gemacht / kamen ſie bey guter Zeit in eine her - berg / welche gerad mitten auff den Weg liget / vnd weil ſie nicht weiter den Tag begehreten zu reyſen /dieweil107Diebs Hiſtorien / das II. Buch.dieweil ſie einen guten Weg ſchon gefahren / vnnd die Pferde muͤd waren worden / begehren ſie ein ey - gene Kammer fuͤr ſich? Man bereitet jhnen auch das Abendmal: vnd endlich als ſie wol geſſen hat - ten / ſchlieſſen ſie die Thuͤr zu vnd legen ſich zu Bett in zwey vnterſchiedliche Bette.

Charles Deſtampes der ander Bruder vnnd Kauffmann von Paris / welcher hergegen gen Chartres wolte ziehen / kommet vngefehr vnd zwar garſpat in eben das Dorff: vnd da er nach dem be - ſten Wirthshauß fraget / zeiget man jhm eben das Wirthshauß / darinnen ſein Mutter vnd Bruder / jhm aber gantz vnwiſſend waren: Er jſſet zu naͤcht vnd wird jm eingegeben eine Kammer / durch wel - che man muſte durchgehen / wann man inn die Kammer / darinnen ſein Mutter vnd Bruder wa - ren / wolte kommen.

Nun begab es ſich vngefehr vmb Mitternacht / daß dieſer Charles Deſtampes von Paris hoͤrete / daß ſein Bruder mit ſeiner Mutter redete / (dann es war nur ein ſchlechter Vnteꝛſchlag zwiſchen bey - den Kammern / alſo daß er gar wol verſtehen kond - te / was ſie beyde miteinander redeten /) das machte jhm nun angſt vnnd bang: Dann weil er noch nicht anderſt wuſte / als daß ſein Bruder ſolte ge - ſtorben ſeyn / bildete er jm ein / es were ſeines Bru - ders Geiſt / welcher wider kaͤme oder vielleicht ſonſt ein Geſpenſt / welches jhn nicht wolte ſchlaffen laſ - ſen: Weil er aber doch gar nichts ſahe / dachte er / es koͤndte vielleicht ſonſt ein Mann ſeyn / der ein ſolche Stimm vnd Rede / wie ſein Bruder gehabt / hette:Blaͤſet108Beutelſchneider / oderBlaͤſet hierauff das Liecht auß vnd entſchlaͤffet: Nim̃et jm vor er wolle doch deß morgens darnach fragen / wer der jenige ſeye / welchen er alſo habe re - den hoͤren. Was traͤget ſich aber ferner zu? Deß nachts vmb ein Vhꝛ wird dem jungen Herꝛn De - ſtampes / welcher in der andeꝛn Kammer lage / uͤbel / er bekommet ein Bauchweh welches jm ſo hart zu - ſetzet / daß er auffſtehen vnd von der Magd ein Licht muß fordern: Vnd als die Magd jm das Licht in die Kammer bringet / nim̃et er ſein Mantel hengt jn vmb / vnd gehet alſo voruͤber bey dem Bett ſeines Bruders / welcher daruͤber erwachet vnd in eine neue Furcht geraͤhtet. Dann es duͤncket jn / er habe nicht allein ſeinen Bruder deutlich hoͤren reden / ſondeꝛn er habe jn auch in das Angeſicht hinein ge - ſehen. Der ander aber fehꝛet als in ſeinem wege foꝛt. Als er aber widerumb in ſeine Kammer wil gehen / iſt er ſo vorwitzig / daß er dem jenigẽ / ſo in dem Bett bey welchen er muſte voruͤbergehen / lage / gar an die Naſen leuchtete: Welcher ſich bald vnder die Deck widerumb verſteckete: Dañ es wahre jm angſt vnd bang / daß jhm alle Glieder an ſeinem Leibe zitterten.

Der junge Deſtampes / welchen dauchte / er het - te auch ſeinen vermeinten todten Bruder in ſol - chem Bett geſehen / wird daruͤber ſo beſtuͤrtzet / daß er vor groſſer Furcht das Liecht leſt auß den Haͤn - den fallen / laufft darvon / vnnd wird jhm ſo angſt vnd bang / daß er auch fuͤr groſſer Furcht nicht kan reden / dann es hatte jhm die Furcht alle ſeine Glid - maſſen / ja Marck vnd Bein durchdrungen: Er hat eben die Gedancken von ſeinem Bruder / die erherge -109Diebs Hiſtorien / das II. Buch.hergegen von jhm hat: Er kann nicht anders ge - dencken / als daß es ſeines Bruders Geiſt ſeye / der jhn vnruhig wolle machen: Summa dieſe beyde haben die Nacht vber tauſenterley wunderliche Ge - dancken: Dieſer von Chartres ſaget ſeiner Mutter was er habe geſehen / welches als eine Weibesperſon vnd ſchwaches Werckzeug jhm tauſenterley wun - derliche Gedancken einbilden: Helt jhn auff der Meinung: Er muſte fleiſſig GOtt fuͤr jhn bitten: Es koͤnne ſeyn / daß er vielleicht noch etwas wolle haben / oder daß er vielleicht jhm eine Wahlfahrt fuͤr genommen. Vnd doch hernacher dieſelbige nicht habe verrichtet: Alſo daß es denen dreyen vn - moͤglich wahre eine eintzige Stunde deß Nachts zu ſchlaffen. Vund wann jhnen ſchon die Augen ein wenig wolten zugehen / ſo kahmen men ſolche wun - derliche Sachen vor / daß ſie daruͤber widerumb re - wachetẽ: Ja es ware jnen allen ſo[ bang] / daß ſie ſich foͤrchten nur in dem Bett zu regen / oder ſich von einer Seiten auff die andere zu wenden.

Endlichẽ aber koͤmbt wider herbey der Liebe Tage / welcher mit den Schatten der Nacht auch etlicher maſſen die Furcht vertriebe / aber den Argwohn doch nicht gaͤntzlich benahme Der elteſte Deſtam - pes ſtehet der erſte auff vnd zeucht ſein Trawerkleyd an: Der ander wirfft ſich auch auß dem Bett zu gleicher zeit: Vnd als ſie beyde angezogen waren / thut dieſer die Kammer Thuͤr auff vnd will hinab gehen den Wirth zu fragen / wer doch der jenige ſene geweſen welcher vor ſeiner kammer habe geſchlaf - fen als er aber ſeinẽ Bruder in einem gantz ſchwar -tzen110Beutelſchneider / odertzen Trawrkleyd erblicket / erſchricket er ſo ſehr daruͤ - ber / daß er widerumb in die Kammer zu ruͤck lauf - fet: Der ander aber der ſich nicht weniger als der el - teſte foͤrchtet / gehet hinab in das Hauß vnd fraget / wer doch die jenigen ſeyn / welche inn der hindern Kammer geſchlaffen haben: vnd alsman jm ſaget Es ſeyn Leut von Chartres / ein Mann vnnd ein Weib / dencket ex der ſachen weiter nach / vnd kom - met wider ein wenig zu ſich ſelber: Doch weiß er nicht / wie er das ſoll verſtehen / daß ſein Bruder Leydt traͤget / er weiß nicht / was er daruͤber ſoll ge - dencken. Dann die Augen waren jhm noch nicht hell genug / daß er den Grund der Sachen erſehen kundte vnd deß Mutio Bubenſtuͤck mercken:

Endlich aber iſt der Wirth im Hauß mittler vn - ter jhnen beyden; Die beyde Gebruͤder kommen zu - ſammen / erzehlen einer dem andern / das Buben - ſtuͤck / ſo Mutio jhnen bewieſen / ja die Brieff / ſo ei - ner wegen deß andern bekommen hatte / vnnd koͤn - nen ſich nicht gnug uͤber ſolche Argliſtigkeit ver - wundern. Kehren alſo ein jeglicher nach Hauß / ſo ſchamhafftig / als ſie zuvor betruͤbet vnnd beſtuͤrtzet waren geweſen.

Wie aber ſie ſelber jhnen dieſe Gedancken mach - ten / Mutio wurde jhnen nicht allein diſen ſchimpff bewieſen / ſondern auch bey einem vnd dem andern mit ſeinen fuͤnff Fingern ein gewiſſes Merckzei - chen hinderlaſſen haben / alſo befand es ſich heꝛnach im Werck ſelber: Dann als der eine heim kame vnd Haußſuchung thete / ſahe er / daß er jhm einen Laden auffgebrochen vnd etliche Demant daraußgeſtoh -111Diebshiſtorien / das II. Buch.geſtohlen hatte: Der andere befand / daß er jhm auß ſeinem Laden das beſte Stuͤck Tuch hatte genom - men: Aber ſie muſten alle beyde gedult haben: dann dem Ballen nach lauffen vnnd den Schelmen ſu - chen were jhn beſchwerlich geweſen vnd hetten jhn doch nicht erdappen koͤnnen: Dann nach dem er ſein Diebſtuͤck begangen vnd ſein Spiel außgeſpie - let hatte / ſpannete er ſeine Segel auff vnd zohe nach Roven / allda ſein Gelt zuverzehren: Da er dann fuͤnff oder ſechs Monat ſich auffhielte / vnnd ſich von den Demanten / welche ſehr viel werth waren / luſtig machte.

Nach dem er aber den Beutel gelehret hatte / vñ kein Mittel mehr wuſte / denſelbigen widerumb zu ſpieken / dieweil es gar ſchwerlich zugehet / daß ein Dieb den andern / der eben ſo verſchlagen als er iſt / betriege: Es auch uͤber das ſehr viel verſchlagener Leut in Normandien gibt / daß deßwegen allda das Handwerck der Beutelſchneiderey nicht viel gilt oder ſehr gehet / name er jm vor ſein voriges Hand - werck widerumb anzufangen vñ ſein elendes ſuͤnd - liches Leben fortzuſetzen.

Hierauff kommet er widerumb gen Pariß / da er dann in der Gaſſen S. Jacques dergleichen boſ - ſen einem ehrlichen Buͤrger / welcher inn der Ge - gend Sanct Benaiſt wohnet will reiſſen / vnnd will jhn uͤberꝛeden / er ſey ſein Vetter / ſolte jhm an - zeigen / daß inn ſeinem Landt jhm viel gutes were auffgeſtorben: Aber das Gluͤck ſchniede jhm das Kraut vnter den Fuͤſſen ab: Dann als er eben ſo gar wol ſein Spiel angefangen hatte / wurde er /der112Beutelſchneider / oderder Geſellſchafft zugefallen / deß abends mit zween andern Raubern / welche inn der Vniverſitet hin vnd wider geſtolen hatten / gefangen / vnd nach dem man ſie mit deß Koͤnigs zeichen gezeichnet hatte / (wie die Blinden / ſo die Lilien Blumen tragen) ſchicket ſie nach Marſeille / daß ſie der Geſellſchafft zu gefallen fuͤr die lange weil ſollen Rudern / daruͤ - ber ſie ſich dann in dem geringſten nicht zubeklagen haben Dann der Lateiniſche Poet lehret vns in ſei - nem ſechſten Buch Æneidos, daß man inn den Campis Elyſiis eben das Handwerck treibet / das man in ſeinem Leben hat getrieben. ---- Quæ cura nitentes Paſcere equos, eadem ſequitut tellure repoſtos. Das iſt. Was man in dieſem Leben getrieben / vnd der ſchoͤ - nen Pferde hat gewartet / alſo folget ſolche Arbeit auch / wann wir vnter der Erden begraben liegen: Das iſt / wie man hie arbeitet / ſo wird endlich die vnd dort darauff gelohnet: Es ſage auch Rabelois darwider was er wolle: welcher vorgibt / Alexander ſey in der andern Welt ein Schuflicker vnd ein ſol - cher / der alte fabein erzehle: Achilles aber ſeye dort ein ſolcher der das Hery muͤſſe zuſammen machen vnd auffladen: Dann Mutio vnd ſeine Spießge - ſellen welche auff Erden ſein geweſſen moll - zieher / ſein auff dem Meer Ru - derzieher worden.

Das113Diebs Hiſtorien das II. Buch.

Das VII. Capitel.

Von einem groſſen Vngluͤck / welches ei - nem armen Picarder / ſo eine ſchwere Rechtfertigung zu Paris fuͤhrete / be - gegnete / vnd wie er durch etliche Filous oder Beutelſchneider vmb all ſein Gelt kame.

ES iſt ein groſſes Vngluͤck / wann einer auß dem Rauch in das Feuer / vnd auß dem Regen gar in die Bach felt / vnd wann das ende eines Vngluͤcks iſt ein anfang eines andern vnd newen Creutzes. Dann das iſt fuͤrwar ein jaͤ - merliches ding / Wann man muß vor ſeinen Au - gen ſehen / wie ein Menſch auß einem Elend in das ander / nit anderſt als ein groſſer Schneeball wirdt geweltzet / vnd kan kein ort finden / da guter Windt fuͤr jhn ſeye.

Wann aber hierinnen vnd hierbey eine ſonder - liche ſchickung vnd verordnung iſt / muß man ſol - ches niemands anders zuſchreiben als dem Gluͤck / welches blind iſt / vnd deſſen Abwechslung vnd ſel - tzame Verenderung ſeyn gnugſame / ja vnfehlbar - liche Merck zeichen ſeiner Vnbeſtaͤndigkeit vnd vor - bildung ſeiner Herꝛſchafft: Gleichwol aber man ſa - ge von dem widerwertigen Gluͤck was man woͤlle / (Ich halte daß es vnmuͤglich iſt ein natuͤrlicher Gemaͤhles vorzumahlen deß Vngluͤcks / als wann man beſchreibet einen Mann / der mit ſchweren Rechtshaͤndeln zu thun / ſey ein Labyrinth / darin -Hnen114Beutelſchneider / odernen der meiſte theil der Frantzoſen heutiges Tages ſich verirꝛen vnd da ſich ſelber durch den Procura - torn gezenck als durch einen ſchrecklichen vnbarm - hertzigen Minotaurum aufffreſſen laſſen /) ſo iſt das uͤber alle maſſen gefehrlich / wann man den Fi - lous oder Beutelſchneidern / vnter jre Haͤnde kom - met: Dann da gehet es einem wie jener Aal〈…〉〈…〉 welche von der Fewrſchauffel gar in das Fewer fiele: Vnd daß ich euch gerad vnd auffrichtig meine Meinung darvon ſage: So glaube ich / daß es viel gefaͤhꝛlicher iſt / den Dieben in jhre Haͤnde / welche gantz trum - me ſeyn / als vnter die Procuratorn vnd Rechtsge - lehrten zu gerahten: Dann wann die Rechtsge - lehrten vnd Procuratores etwas haben uͤberſehen / kan man es (bißweilen / doch nicht allzeit verbeſſern oder deßwegen ſie anreden vnd anſehen aber wann etwas bey den Beutelſchneidern iſt verlohren / iſt kein mittel mehr ſolches nur wider zu ſehen: Dann ob wol die Procuratores vnd Rechtsgelehrte bald ſo viel Haͤnde als Briarcus haben / vnd es gewaltig duͤrꝛ vnnd drocken iſt inn dem Sack eines armen Bawrsmann / wann die Rechtsgelehrte vnd Pro - curatores ein mal druͤber ſein geweſen oder druͤber ſeyn gangen / ſo findet ſich doch ein ſehr groſſer vn - terſcheyd zwiſchen einem vnd dem andern: Dann die Beutelſchneider berupffen in warheit die Buͤr - ger / vnd ſetzen ſie auch in Gefahr jres Lebens: Vnd finden ſich ſehr wenig Leut / welche / wann ſie vnver - ſehener weiſe vnter die Beutelſchneider gerahten / vngerupffet darvon kommen / daß ſie nit ein merck - zeichen jhrer Dieberey mit ſich tragen muͤſſen.

Er -115Diebshiſtorien / das II. Buch.

Erlaubet mir / daß ich deſſen in dieſer Hiſtorien ein muſter weiſe / dann weil dieſe Hiſtorien bald je - dermau bekand iſt / ſo kan ſie deſto mehr bekraͤff[t]igen was ich euch allhie wil beſchreiben.

Es iſt noch nicht gar lang / daß einer genande Le Bref, ein alter durchtriebenr ſchalck in Rechts - ſachen vnnd deſſen Nam vnter den Advocaten ſo wol / als bey den Medicis vnd Apoteckern Rhebar - bara / bekandt iſt / gen Paris kame wegen einer Rechtfertigung / welche er in dem Ampt Amiens verlohren hatte; Appellirte von dem an ſolchem ort außgeſprochnen Vrtheil vnnd verhoffete er wuͤrde zu Paris beſſer Recht finden / wiewol ſeine Sache miſtfaul ware / vnd im grund vnd boden nit doch - te: Er begabe ſich aber allda in eine gedingte Kam - mer vnd verkoͤſtigte ſich ſelber / damit er ja deſto we - niger verzehrete: Er traffe aber zu allem Vngluͤck eine ſolche Wirtin an / welche uͤber das geld / das ſie von jm wegen Kammer vnd Bett habe / allzeit den Mauleſel ohne Naͤgel vnnd Hammer beſchluge / wie Frantzoſen in jhrem gemeinen Sprichwort re - den / das iſt / welche allezeit / wann ſie zu Marck gieng vnnd etwas fuͤr le Bref ſolte einkauffen et - was von ſeinem Gelt abzwackete / in jhren Scekel ſtieſſe vnnd uͤberꝛedete dann jhn / dieſes oder jenes hette mehr / oder ſo vnnd ſo viel gekoſtet: Dann ſie bildete jhr ein / weil ſie mit einem Picarden (von welchen man in gemein ſagt / daß ſie albere vnnd gar ſchlechte Leut ſein) zuthun hette / ſo wolte ſie jhn gar leichtlich uͤberꝛeden / das Waſſer lieffe den Berg hinauff / blaſen ſeyen Leuchten / CitronenH ijſeyn116Beutelſchneider / oderſeyn beſſer als Pfeben dieweil ſie dicker ſeyn: Aber ſie traff an dem Picard den rechten Mann nit an. Dann als er nach zween tagen die uͤberſetzung der eingekaufften Speiß wol geſpuͤꝛet hatte / wie ſie vor - geben / ſie hette ſo vnd ſo viel vor dieſes oder jenes ge - ben muͤſſen / ſagte er bey ſich ſelber.

Die Schweitzer theten recht vnnd wol / daß ſie ein Weib in jhrer Sprach nennetenr Fraude, dann ein Weib ſtecke gantz voll Betrug vnnd Argliſtig - keit: Wie dem / ſagter / vnd wie ſoll ich das verſte - hen / wann man mich ſicht barlicher weiſſe vnd vor meinen Augen will berauben? Was wuͤrde als - dann geſchehen / wann ich mein Gelt jhr auffzuhe - ben gebe? Oder wolte es inn jhr Treſſur / darzu ſie kan zween Schluͤſſel haben vnnd nehmen was ſie ſelber wolt einſchlieſſen? Nein / nein das ding muß nit alſo ſein: Ich muß den dingen voꝛkommen: Ich muß eins thun vnd meinen Beutel ſelbſt wol ver - wahren: Es iſt nicht rathſam / daß ich jhn andern Leuten / ſonderlich aber einem Weib / welche Bech vnd Leim hat an Fingern hangen vnnd an deſſen Finger alles / was ſie angreiffet / bleibt hangen ver - trawe. Vnd alſo nam diſer Le Bref jhm vor / er wol - te es machen / wie es vor alten Zeiten der Philoſo - phus Bias gemacht hatte / vnnd alſo bey ſich tra - gen / nicht allein wegen det Procuratorn / Advoca - ten / Schreiber / Copiſten / welche allezeit das Creutz zuvor als die Schrifften wollen ſehen / vnnd ziehen an / das Baar Gelt ſeye das vornembſte ſtuͤck bey jhrer Rechtfertigung / ſo ſie fuͤhren / vnd darauff ſie am meiſten ſehen; ſondern auch zu vermeiden denarg -117Dibshiſtorien / das II. Buch.argwohn / welchen er auff ſeiner Wirthin Trew vnd Auffrichtigkeit hatte geworffen.

Als er nun auff ein zeit / inn dem Saal deß Koͤ - niglichen Pallaſtes bey nah von dem vielen Volck erdrucket worden / name er jhm vor / er wolte auff die newe Bruͤcken gehen / nicht allein friſche Lufft allda zu ſchoͤpffen / ſondern / auch allerley newe zei - tungzu vernehmen vnnd anzuhoͤren (dann das iſt eben der rechte vnd gemeine Ort / da die vorwitzi - gen jhre Rathſtuben haben) vnd das gieng jm auch an: Dann er hoͤrete fuͤrwar ſonderliche newe Zei - tung / die jhn aber hernacher ſehr tewer an[k]amen.

Dann wiewol er ohne das ſubtil vnd verſchlagen war / vnd jm die Gerichtliche auffgangene vnkoſten ſein Hirn / ſonderlich aber ſeinen Beutel gar ſubtil vnd verſtaͤndig gemacht hatten / ſo traffe er doch auff der newen Bruͤcken ſolche Leut an / welche ver - ſchlagener / als er / waren: Dann als er dem Spiel / welches allda vorgienge / zu ſahe / fanden ſich auch da zween Maͤnner / deren der eine / wie ein Spanier / der andere aber wie ein Frantzoß gekleydet ware: Dieſelbigen bliben auch bey dem Spiel ſtehen vnd ſahen jhm zu: Vnd als ſie vnter deſſen dieſen Pi - card wol von vnten an biß oben auß beſehen vñ ſei - ne Geberd vnd alles wol betrachtet hatten / deuchte ſie beyde / es were ein rechter Kerles fuͤr ſie / er laſſe ſich ſo anſehen / daß ſie jhm wol Seyl uͤber die Hoͤr - ner woͤllen werffen koͤnnen / bevorab / da ſie ſahen / wie er dem Spiel ſo andaͤchtig zuſahe.

Derhalben ſo verfuͤgte ſich der vermeinte Spa - nier zu jhm vnd redete jhnen alſo an. Mauſſaur, dieH iijPiſtol118Beutelſchneider / oderPiſtol iſt gut? Ich ſie gebe dem Mauſſaur, Er mich ſoll fuͤhren in Loſament / dann ich Spagnol bin / ich weiß Weg nicht / ich verlohren die Mann / die Dolmetſch: Ich bin in Herberg zu drey weiß Thie - ren: (Er wolte aber ſagen Er lege zur Herberg zu den dreyen weiſſen Dauben.)

Le Bref nimmet die Piſtol / welche man jhm darhielte / vnd ſaget zu dem Spanier: Sie ſey gar gut / Es werde ſich niemands beſchweren / ſie fuͤr gut anzunehmzn: Vnd wann ſie niemands wolte annemen / wolte er ſie ſelber annemen: Auff dieſe Wort ſtellete ſich deß Spaniers Geſell / als triebe er ſehr an jhm / daß er mit jhm ſolle gehen / vnnd als ob er ſorg habe / daß der ander nemlich Le Bref jh - me vorkomme: Saget derhalben alſo zu dem Spa - nier: Kommet / kommet / mein Herꝛ / ich wil euch ſchon an das Ort / vnd in die Herberg fuͤhren es iſt gnug / daß der gute ehrliche Mann geſagt hat / daß die Piſtol gut iſt.

Der Spanier nimmet ſich hierauff euſſerlich an / als habe er nicht viel Luſten mit dem Frantzo - ſen zu gehen / oder jhme nachzufolgen / gehet dero - halben zu dem Bref / vnd ſaget jhm heimlich in ein Ohr. Er ſey ſchon ſo manchmals von den Beutel - ſchneidern erdappet vnd dargeſetzet worden / vnnd getrawe deßwegen dem jenigen / der ſich ſelber an - biete / jhn in die Herberg zu fuͤhren / nicht allerdings wol: bitte jhn derohalben / er woͤlle ein wenig mit jm gehen / vnd jhn helffen begleiten / er woͤlle jhm gern eine Piſtolen geben: dann er foͤrchte ſich / der jenige welchen er fuͤr ſeinen Dolmerſcher habe genom -men /119Diebs Hiſtorien / das II. Buch.men / moͤchte jhn / an ſtatt / daß er jhn in ſein Loſa - ment ſolle fuͤhren / an ein anders Ort fuͤhren / vnnd jhm all ſein Gelt abnehmen: vnd in dem er das ſa - get / zeucht er eine gantze Hand voll Gelts auß ſei - nem Sack: Welches dann den Bref hernach deſto mehr hat getroͤſtet: dann darbey hat er erkand / daß er es nit allein war / welcher von den Beutelſchnei - dern were betrogen worden.

Was thut aber nun dieſer gute Frantzoß? Wie - wol er ſonſten ein alter durchtribener Schalck war / der Renck vnd Streich gnug wuſte / kondte er doch nit mercken den Betrug vnd die Garn / ſo man ſtel - lete / jhn darmit zu fangen: ſondern / weil er ein ſon - derliches Mitleiden mit dieſem vermeinten Fremb - den hatte / welcher den Schalck wol verbergen kun - te / vnd ſtellete / als were er kranck / gehet er mit jhm / vnd will jhn in ſeine Herberg zu recht fuͤhren / be - vorab / dieweil er gedachte / er koͤndte eine Piſtolen gewinnen / dieſelbige einen Procuratori geben / vnd darmit ein Loch zuſtopffen.

Alſo machen nun dieſe drey ſich miteinander auff den Weg / vnd hatte einer gegen dem andern gar ſeltzame ja gantz widerwertige Gedancken. Der Spanier erzehiet dem Bref auff dem Wege / wie man inn ſeinem Lande den Frembden ſo viel Treu erzeige / vnnd daß es ein ſonderliches Werck der Barmhertzigkeit ſeye / wann man einem Frembden - auß der Rauber Haͤnde helffe / jhm den Weg zei - ge / ja an ſichern Ort fuͤhre vnd begleite. Dieſes ſagte nun der vermeinte Spanier mit ſolchen beweglichen Worten / daß Bref noch mehr dar -H iiijdurch120Beutelſchneider / oderdurch zum Mitleiden gegen jhm wuͤrde beweget / dann er hatte ſelber erfahren / wie es offtermals den Frembden inn frembden Landen pfleget ſo uͤbel zu gehen.

Als ſie nun alſo den Weg heraber beym Palais giengen / vnd durch die Schuflickerey woltẽ durch - brechen / vnd zu den drey weiſſen Dauben gehen / ſi - he / da kam zu jnen gegangen ein anderer Filou oder Beutelſchneider / war gekleidet wie ein Spanier / vnd kam auß der Galereyen herauſſer: Vnd als er dieſen / verflehe / den Spanier ſihet / gehet er zu jhm zu / felt jhm vmb den Halß / nimmet jhn vnter den Arm / vnd ſpricht alſo zu jhm: Moauſſaur / O lang Zeit iſts / daß ich nicht geſehen habe euch: wie euch gehet es: Ich mir wol gehet / ich muß einmal mit euch vnd die gantze Geſellſchafft trincken.

Der ander bittet jhn / er wolle jn entſchuldigen / dann er wolle vnnd muͤſſe in ſeine Herberg gehen: Endlich aber verſpricht er jhm / er wolle mit jhm zu Mittag eſſen / doch mit dem Beding / daß die je - nige / ſo in ſeiner Geſellſchafft waren / auch mit kom - men ſolten: Der Bref vnd ſein Geſell / welcher biß auff ſolche Zeit ſich gar einfeltig geſtellet /〈…〉〈…〉 vnnd kein Wort nicht hatte geredet / gehen endlich auch mit / wiewol ſie ſich deſſen zuvor ſehr bedancket hatten.

Hierauff bereitet man das Mittagmahl zu: die zween Spannier ſtellen ſich / als ſeyn ſie hertzlich froh / daß ſie ſich ein mal angetroffen haben / ſagen / es ſeye nun eine zimliche lange Zeit / daß ſie ſich vntereinander nicht geſehen haben vnnd alſo fan -get121Diebshiſtorien / das II. Buch.get ſich der angeſtelte Handel allgemach an: Der Bref aber iſt froh bey ſich ſelber / das er beneben ei - ner guten Mittagmahlzeit auch vermeinet er habe eine Piſtol erdappet. Der Spanter aber welcher der Erſte den Frantzoſen auff der newen Bruͤcken hatte angetroſſen / damit man jhren betruͤglichen Anſchlag deſtoweniger mercke / ſtellet ſich / als koͤn - ne oder moͤge er nicht eſſen / nimmet ſich an / es ſey jhm gar vbel / vnd wolte jhm die Speyſe gantz vnd gar nicht ſchmecken: Welches als es der andere Frantzoß / nemblich der Filau oder Beutelſchneider fihet / redet er jhme alſo: Ey / mein Herꝛ / jhr muͤſſet euch luſtig machen: wann jhr ſchon auſſerhalb ewern Lande jetzunder ſeyd / ſo ſeyd jhr doch ver - ſichert / das jhr bey guten Freunden ſeyd: ſpricht jm auch ein ſolches Hertz ein / daß ſie darauff anfan - gen wol zu eſſen vnd zu trincken / vnd vergiſſet der Bref fuͤrwar ſeiner auch nicht: dann die Picarden (wie ich dann von den jenigen / ſo auß Lion in Pi - cardien handeln) trincken gar trocken / vnd halten das fuͤr eine gemeine Regel / daß / wann ſie ſollen einen guten Soff thun

Qu’il ne faut point de baſton
De poudte, ny de meſche:
Car taus jours nu biberon
Ala langue aſſez ſeche.
Das iſt
Dem Piearden ein Luſt zu trincken zu machen
Darff man Pulver / Lunden / Briegel oder an -
der Sachen
Gar122Beutelſchneider / oder
Gar nicht darzu gebrauchen: Dann ſein Zung
alle Zeit.
Trocken vnnd ſehr duͤrꝛ iſt / vnnd zu trincken be -
reit.

Als ſie aber nun ein wenig bey einander geſeſ - ſen / vnd von dem Wein waren warm worden / leſ - ſet der Spanier jhme Karten bringen / die Zeit ein wenig mit dem Frantzoſen / der ein Filau oder beu - telſchneider war / zu vertreiben: Vnter deſſen aber hatte der Bref ſein Geſpraͤch mit dem andern Spanier / welcher jhm von allerley Sachen zu eſ - ſen gabe / ſonderlich aber von den Rechtfertigun - gen / dardurch Franckreich ſich ſelber verzehret / vnd das Eingeweid aufffriſſet.

Der Spanier zu den drey weiſſen Dauben nim - met die Karten / vnnd ſpricht zu dem Filau / dem Frantzoſen / er woͤlle jhm ein Spiel weiſſen / mit welchem er in kurtzer Zeit fuͤnfftzig Piſtolen habe verlohren: Aber er halte darvor / daß der jenige / ſo mit jhme geſpielet habe / ſeye ein Schwartzkuͤnſtler geweſen / daß ſein Spiel ſey ſo gut vnnd gewiß ge - weſen / daß er billich / wann es ſonſten recht were zu - gangen / hette ſollen oder koͤnnen verlieren.

Dieſes Spiel aber der gantzen Geſellſchafft zu weiſen / machet er drey Hauffen von Karten / vnnd ſpricht erſtlich / ſie ſollen die Karte / ſo oben auff dem erſten Hauffen lige / wol behalten darnach weiſt er jhnen die Karte / welche vnten vnter dem zweyten Hauffen lage / vnnd leſſet ſie den zweyten Hauffen auff den erſten Hauffen legen / vnnd alſo lage die Karte / welche ſie als die zweyte geſehen hatten / auffder123Diebs Hiſtorien / das II. Buch.der jenige Karten / welche ſie zum erſten geſehen hatten: Der Spanier nennet dieſe zweyte Karten die Sandvhr: Fuͤrs dritte gibt er jhm ein Karten von dem dritten Hauffen / vnnd ſagte zu jhnen / ſie ſolten ſie in dem Spiel hinlegen / wo ſie ſelber wol - ten. Als nun dieſes alles alſo geſchehen war / ſagte er: die erſte Karte wuͤrde ſich nicht finden nach der zweyte / welche die Sandvhr war: Noch gleichwol hette der Schwartzkuͤnſtler gemacht / daß ſie ſich all - zeit gefunden hette / vnd hette jhm alſo viel Gelt ab - gewonnen.

Der ander Spanier gehet vnter deſſen ein we - nig hinauß / nimmet ſich an / als habe er etwas drunden im Hauß zu verꝛichten / vnnd bleibet der Bref allein mit dem Filou dem Frantzoſen / welcher Filou ſagte / er verſtunde das Spiel gar wol / vnnd wolte mit jhm auff ſolchem Spiel vmb eine Kro - nen ſpielen / wann es dem Herꝛn Spanier beliebe - te / welcher / weil er nichts mehr als eben das begehr - te / darmit gar wol zu frieden ware:

Sie fangen hierauff miteinander an zu ſpielen / der Breff aber zu zuſehen vnd das Spiel auch zu lernen / welches er dann ſo bald lernete / dieweil es gar leicht ware / wiewol er ſein lebenlang nit mehr mit Karten geſpielet hatte.

So bald aber als er das Spiel verſtunde / fienge er an bey ſich ſelber zu beweinen das Gluͤck dieſes armen frembden: Dann er dachte bey ſich / er wurde all ſein Gelt verlieren mit ſolchem Spiel: Er mei - nete / der vermeinte frembde were entweder gantz truncken oder naͤrꝛiſch vnd hatte groſſes mitleyden mit ſeiner Thorheit.

Als124Beutelſchneider / oder

Als ſie aber nun alſo ferꝛners fortſpieleten / ka - men zween jhres Handwercks inn jhre Kammer hinein / baten aber / ſie ſolten es nit fuͤr vngut auff - nehmen / daß ſie alſo in jre Kammer hinein kaͤmen: Giengen nicht allein bey das Fewer / ſondern auch bey den Tiſch / vnd namen ſich an / als wann einer den andern gantz vnd gar nicht kennete: O wie wu - ſten aber dieſe Beutelſchneyder den Schalck ſo wol zu verbergen vnnd jhre Perſonen in dem Spiel zu vertretten:

Als ſie nun diſe beyde einem Spiel oder zwey zu - geſehen hatten / ſagten ſie zu dem Spanier: Mein Herꝛ / wir rahten euch / jhr ſollet auffhoͤren zu ſpie - len: Dann mit dem Spiel werdet jhr all ewer Gelt verſpielen.

Der Bref / als er dieſes hoͤrete / meinete er / die beyde erſten ankommene hetten auch ein ſolches Mittleyden mit dem Spanier / wie er / Vnnd ware wol zu frieden / daß es jhm dieſe beyde geſagt hatten: Dann er hatte Sorg er doͤrffte es jhm dem Spa - nier nicht ſagen vnd jn warnen. Der Frembde ſag - te aber hierauff / Er wuſte das Spiel wol / vnd wolte noch dreyſſig Piſtolen auffſetzen vnd ſpielen: Dann es war alſo angeſtellet.

Deß Brefs Geſelle / welcher lange zeit da geſtan - den / vnd kein Wort nicht darzu geſagt hatte / wen - det ſich herumb zu dem Bref vnnd ſpricht alſo zu jhm / inn dem daß der vermeinte frembde Spanier mit den andern zweyen / ſo darzu waren kommen / redete: Wann ich Gelt gnug hette ſolches Spiel außzuſpielen / wolte ichs auch ſpielen: Dann jhr ſe -het /125Diebs Hiſtorien / das II. Buch.het / daß ich es allzeit gewinne: Derhalben wann jr das halbe theil woͤllet einſetzen / ſo will ich geſchwind hingehen vnnd bey einem meiner Freunden / der ſtracks darvon wohnet / ſo vil holen vnd entlehnen / als mir wird von noͤthen ſeyn: Ey es were doch ein außbuͤndiger Luſt / wann vnſer jeglicher dem Spa - nier ſo viel koͤndte abgewinnen / daß er jhm ein gut ſtattliches Kleyd darvon koͤndte kauffen vnnd ma - chen laſſen.

Die zween ſo friſch ankommen waren / erbotten ſich auch / ſie wolten halben theil einſetzen / welches als es der Bref ſahe / daß nicht allein die beyde wol - ten mitſpielen / ſondern daß auch der vermeinte Frembde ſo hertzhafftig war zu ſpielen / dachte er al - ſo bey ſich: Es were eben ſo gut / daß er (als die an - dern) deß Frembden Gelt hette / ſagte derohalben / er wolte in das Spiel ſetzen alles was er hette: So bald gehet hierauff ſein Gefell zur Kammer hin - auß / vnd nimmet ſich an / er wolle hingehen / vnnd Gelt entlehnen / welches er thete / damit der Bref den Betrug deſto weniger koͤndte mercken: Vnter deſſen aber ſuchet der Bref in einem klemen neben - ſecklein in ſeinem Hoſenſack / macht ledig ein klei - nes Saͤcklein / in welchem zwantzig Cronen waren.

Der Filou der Frantzoß kompt ſo bald wider / vnd wirfft auff den Tiſch fuͤnfftzehen Piſtolen fuͤr ſeinen Theil / aber der Bref ſagt / er habe nicht mehr als zwantzig Cronen: Wiewol aber der Spanier ſich beſchwerete vmb vnnd vor ſo wenig zu ſpielen / doch ſagt er / er wolte wider ſie nicht weniger als viertzig Cronen ſetzen / vnd ſolten ſie beyde mit ein -ander126Beutelſchneider / oderander dergleichen viertzig Cronen einſetzen Er zeh - let hierauff ſeine viertzig Cronen / vnd thut ſie in ein Wiſchtuch / vnd jhr geſetztes Gelt thut er in ein an - ders / welches er zu dem Ende thete / auff daß er[d]e - ſto leichtlicher hernacher alles mit einander moͤch - te hinweg nehmen.

Der Filou ſagt zu dem Bref hierauff alſo: Nun wolan / nehmet jhr die Karten / jr ſpielet eben ſo wol als ich dann ich weiß / wir beyde werden gewinnen. Der Bref / der da nicht dachte / daß er ſolte verlieh - ren / nimmet die Karten in die Haͤnde / vnnd nach dem er ſie in drey Theil getheilet / vnd die erſte Kar - ten geſehen hatte / ſihet er die andere an / welche die Sandvhr war / das iſt / deß als dann / wann die erſte wuͤrde kommen / ſie jhm wuͤrde anzeigen / daß die erſte darauff folgen wuͤrde: Vnd damit er es ja nicht vergeſſe / ſahe er ſie mehr als drey mal an: Sein Geſell ſagt hierauff zu jhm: Weiſſet mich die Vhr / daß ich ſie erkenne / auff daß / wann es wird kommen / ich es euch ſage: Vnd als er dieſes ge - ſagt / nimmet er die Karten / ſtellet ſich / als ſehe er die Sandvhr an / vnter deſſen aber ſteckeꝛ er ge - ſchwind vnd vnvermerckter weiſe eine Karten zwi - ſchen die zwo / nemlich zwiſchen die Sandvhr vnd die erſte Karte / vnnd gibt jhm darauff die Karten wider: Der Bref / der ſich im geringſten keines Be - trugs verſahe / ſihet gar nicht darnach / hat jhm auch nicht acht auff die Garn / vnd / als er die dritte Karte genommen hatte / legt er ſie vnter die Sand - vhr / auff daß ſie ſich nicht zwiſchen den zwoen fuͤn - de: Darauff fanget er an die Karten / eine nach derandern127Diebs Hiſtorien das II. Buch.andern vmb zuſchlagen / vnd ſchluge zweymal auff jede / wie man thun muſte / alſo ſagend: Das iſt ſie nicht / das iſt ſie nicht / biß ſo lang als er die Sand - vhr gefunden / vnd ſeinen Geſellen deſſen erinnert hatte / da ſagt er: Das iſt ſie / das iſt ſie: dann er meynete / er hette das Spiel gar gewiß inn ſeinen Haͤnden: Aber die Sandvhr wurde zu einem Luͤg - ner / dann da ſie eine Vhr ſchlagen oder zeigen ſol - te / ſchluge ſie fuͤnffe / vnnd fuͤr ein as de cœur, daß er ſolte finden / bekahme er ein cinq de carreau.

Hie moͤget jhr nun ſelber gedencken / ob jm auch der Angſtſchweiß außgebrochen vnd der Schweiß dem Angeſicht ſey herunter gelauffen. Dann er veꝛ - ſtummete daruͤber wie ein Fiſch vnd verſtarꝛet / wie eine Saltzſeuel: Der Spanier aber ſtund auff von ſeinem ſitze / name die zwey Wiſchtuͤcher mit dem Gelt vnd kundte den weg in ſein Herberg / ohne ei - nige nachfrage gar wol finden.

Aber das ware noch nicht genug: Dann der an - dere Filou oder Beutelſchneider / der Frantzoß fien - ge an wider den Bref zu raſen vnd zu ſchreyen / ſag - te / er hette gemacht / daß ſie beyde das Spiel verlo - ren hetten Dann / da er die dritte Karte vnten vn - ter die ander hette ſollen legen / hette er ſie zwiſchen die beyde geleget / dann die dritte Karte ware auch ein cinq de carreau, gleichwol aber ſo ware es dem Frantzoſen mehr vmb Forcht als vmb ſchaden zu thun / vnd begehrete nur dem Bref angſt vnd bang zu machen.

Dann er traffe die Thuͤr eben ſo wol als die an - dern / aber Bref bliebe gantz allein vnd ſo beſtuͤrtzetals128Beutelſchneider / oderals ein Glockengieſſer: Dann er hatte das Recht ſeiner Rechtfertigung / das iſt / ſein Gelt verlohren / vnd vor einen Sambſtag die gantze Wochen ver - ſpielet.

Als er aber nun auß dem Wirtshauß herauß gienge vnd ſeine Freunde antraffe wolte er etlichen ſeinen Freunden ſein groſſes Vngluͤck / ſo jhm be - gegnet ware / klagen / aber ſie ſpotteten nur ſeiner vnd ſagten / er ſolte jhm das laſſen ein gar groſſen Troſt ſeyn daß er nicht der erſte were / der alſo gewi - tziget were worden: Dann etliche kommen vmb das jhrige / wann ſie gar zu viel das Damſpiel ſpielen / etliche werden durch die Beutelſchneider vmb jhr Gelt geſprenget: Et liche kommen vmb das jhrige / daß ſie es an naſſe Wahr legen / etliche / daß ſie dem Retzen vnd Spielen ſich gar zu viel ergeben: Vnd daß man das Spiel nimmermehr ſoll ſo hitzig an - fangen / wann man nicht die jenige / mit welchen man wil ſpielen / wol kennet Vnd ſehet / lieber Leſer / alſo wurde dieſer arme Picard betrogen vnnd ge - ſchneutzet / vnnd lernete mit ſeinem eigenen Scha - den / daß auff der ne[w]en Brucken eben ſo wol / als in Paris ſelber viel Dieb vnd Beu - telſchneider ſich befinden.

Das129Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.

Das VIII. Capitel.

Hiſtorien von einem durchtriebenen aꝛgli - ſtigen Rauber genannt Aminthus vnd was er ſonſten vor meineydige Buben - ſtuͤck hat begangen.

WIewol das nichts anders iſt / als ein alte Wunde / ſo anfaͤngt zu heilen / ernewern / wann ich auch beſchreibe die wunderſeltzame Bu - benſtuͤck deß Herꝛn Aminte welcher ein ſehr be - kandter Rauber in Franckreich iſt geweſen / wann jemals einer darinnen iſt geweſen: Jedoch ſo hat mich das gerecht Gericht Gottes / welches an ſei - nem Todt iſt vorgangen / gleichſam alſo zu reden / gezwungen / euch etliche ſonderliche Bubenſtuͤck / ſo er begangen / zu erzehlen / doch das ich weder ſei - nes Namens / noch ſeines Vatterlands gedencke / damit ich ſeine Aſchen nicht vervnruhige / noch den Schmertzen / welchen ſeine Verwandten deßwegen empfunden / vnd außgeſtanden / ernewere / dann ſol - cher Schmertz iſt fuͤrwar ſehr groß geweſen.

Ehe ich aber weiters fortſchreite / muß ich allhie ſtraffen die jenige / welche auß lauterm Ehrgeitz deß Koͤnigs Autoritet vnd Gewalt mißbrauchen / vnd welche durch den Schein / den ſie vorgeben / ſie ſeyn von dem Koͤnig ſelber inn dieſes oder jenes Ampt geſetzet / alle jhre Bubenſtuͤck vnnd Schinderey / ſo ſie an dem gemeinen Mann uͤben / bekraͤfftigen vnd vertheydigen: das iſt nichts anderſt / als wie ein an - derer Paethon den Zuͤgel vnnd den Wagen derJSon -130Beutelſchneider / oderSonnen nehmen / vnnd dieſem Liecht GOtt der Sonnen gleich wollen lauffen / vnd ſcheinen: Alſo muß man ſich auch nicht verwundern / wann die jenige / welche durch jhren Ehrgeitz dem Koͤnig ſei - ne Geldkaſten habe außgedruͤcknet / vnd außgeleh - ret / endlich von dem groſſen Gott Jove mit Hagel vnnd Donner getroffen / vnnd erſchlagen werden. Es were der Herꝛ Aminte nimmermehr dahin kommen / wohin jhm ſein Ehrgeitz ſtuͤrtzete / wann er deß Koͤnigs Macht vnnd Gewalt nicht ſo uͤbel hette mißbrauchet. Vnd wann er nicht wie ein an - derer Icarus mit den ſchwachen Fluͤgeln ſeines Ehrgeitzes ſich gar zu hoch in die Lufft begeben vnd geſchwungen hette: Aber wann wir gar oben auff dem Gluͤcksrade ſitzen / ſo machet vnns das gute Gluͤck ſo blind / daß wir darnach einen ſchaͤdlichen Fall heraber thun / vnnd manchmals daruͤber gar zu grunde gehen.

Aminte wohnete in der Gegend Picardien / vnd war geſetzet uͤber die Jaͤhrlichen Einkommen deß Saltz vnd Fruͤchten im Lande / vnd nam der Zeit ſo wol dabey in acht / daß er ſehr viel Gelt / Gut vnd Lande erꝛunge vnnd zuſammen brachte: Aber bey vnd mit ſolcher ſeiner Nahrung zoge vnnd lude er ſich auff den Halß einen groſſen Haß von allem vmbligenden benachbarten Volck: dann er bedran - gete vnd beſchwerete ſie uͤber alle maſſen mit aller - ley newen Aufflagen: Er zwange ſie ſolche Geſetz auff ſich zu nehmen / vnd ſolche Aufflagen zu bezah - len / daꝛan zuvor niemands gedacht hatte / oder auch hette gedencken koͤnnen: Nichts deſto weniger aberwar131Diebs Hiſtorien das II. Buch.war ſeine Authoritet vnd Anſehen ſo groß im gan - tzen Lande / daß ſeine Werck ſo hoch als vnwider - ruffliche Rathſchluͤß / vnnd ſeine Rahtſchluͤſſe ſo hoch als Geſetze gehalten wurden. Solon hat nie - mals ſo viel Gewalt vnd Macht uͤber die Antheni - enſer vnd gantz Griechenland / noch Lycurgus uͤber die Lacedemonier / noch Numa Pompilius uͤber die Roͤmer gehabt / als Aminte deßmals jhm ſelber - ber das Land vnd gemeine Volck nam / vnd zuſchri - be: Wann man von dem Herꝛn Aminte redet / ſo war es / als wann man von einem groſſen Oracu - lo oder Gott redete: Ja wann er ein Wort redete / ſo dorffte man weder zur Rechten noch zur Lincken darvon abweichen / oder hatte man ſeinen groſſen Zorn / ja den Todt ſelber daruͤber zugewarten: dann bey ſeinem Leben hat er mehr als dreiſſig Perſonen ſterben laſſen / dieweil ſie jm nicht bezahlen kundten die groſſe Stewer / ſo er dem Volck aufflegete: Vnd daß ich die warheit rund vnd richtig herauſſer ſage / ſo ware er wie ein ſchaͤdliche anſteckende Peſte / wel - che das gantze Land Picardien anſteckete: Der drey - koͤpffichte groſſe Hunde / von welchem die Poeten ſagen / daß er in der Heil ſey / hat niemals ſo ſchreck - lich gebollen / als Aminthe thete: Die Schlang Pi - thon iſt bey weitem nit ſo erſchrecklich zu ſehen ge - weſen / als Aminthe: Das Thier mit den ſiben koͤpf - fen / genannt Hydra / welches der Hercules in dem Morꝛaſt Lerna vnnd nahe bey der Hoͤllen vmb - bracht hat / iſt niemals ſo raſend vnd toll geweſen / als abermals dieſer gedachte Herꝛ Aminthe ware:J ijDann132Beutelſchneider / oderDann er name alles mit / wo eꝛ hinkame / gleich wie ein groſſes vngeſtuͤmmes Waſſer / wann es auß - bricht / die Daͤmme / ſo ſeinen Lauff auffhalten ſol - len / zerbricht / reiſt vnd wirfft vmb alles was es an - trifft / fuͤhret die Haͤuſer hinweg / vnd verderbet das Feld / vnd laͤſſet allenthalben ſchaͤdliche Merckzei - chen ſeiner gewaltthaͤtigen Vnſinnigkeit / wo es nur hinkommet.

Ein ſolcher ware auch Aminte: Dann allent - halben / wo er hingienge oder hinkame / da wuſte man gewiß / daß der Hagel wurde ſchlagen / vnnd daß der ſchad / ſo darauff erfolgete / wurde ſo groß ſeyn / daß es jederman wol wurde fuͤhlen: Vnnd wann man jhn nur ſahe / ſo bildete ein jeglicher jh - me ein / er were wie ein Comet / welcher alle Zeit groß Vngluͤck bedeutet / oder wie ein Donner - ſchlag / welcher das Gelt im Beutel zerſchmeltzet / vnd die Schnuͤr vnverletzet laͤſſet In Summa / in ſolchem Land iſt dergleichen erſchreckliches vnnd ſchaͤdliches Wunder Thier nie geſehen noch gehoͤ - ret worden / vnd deſſen Gemeinſchafft man ſo ſehr foͤrchtete. Daß er aber ſolche Authoritet vnd groſſes Anſehen hatte / bey dem Volck kame daher / daß er uͤber vnterſchiedliche Flecken vnd Schloͤſſer Herꝛ ware / vnd dorffte alſo niemands wider jn mucken: Wie aber nach dem Sprichwort all zu ſtreng nit lang weret / alſo bekame er etliche Feinde / welche jn an gebuͤrendem Ort vnd Ende anklagten vnd jhm boͤſe Boſſen bey der Obrigkeit machten: Aber jeder - man foͤrchtete ſich ſo ſchrecklich vor jhm / daß keiner den Namen wolt haben daß er jhn ſolte angeklaget haben.

End -133Diebshiſtorien / das II. Buch.

Endlichen aber ſo name ſich die hohe Obrigkeit (welche jhr Authoritet ſehen laͤſſet durch dieſe alte Ruthe vnnd durch das Scepter der Perſen / auff welchem ein Aug gegraben waꝛe / jhren fleiß vnnd verſorge darmit anzudeuten /) der ſachen an / vnnd dieweil es ein gemein Landgeſchrey vnd Landklage ware / wie der Aminte wider alle jhm geſchehene verbot die Leut im Lande ſolte ſchinden vnd plagen / ließ ſie jhn fuͤr ſich fordern / jhn deßwegen Ernſtlich anzuſehen: Er erſchiene auch ſo bald vnverſchaͤmb - ter weiſe ſich deren jhme zugelegten ſachen vnd Ty - ranney halben zu entſchuldigen / vnnd machte ſich dem euſſeꝛlichen anſehen nach duꝛch ſeine argliſtig - keit gantz Engelrein vnnd glaß ſchoͤn / welches er dann gar leichtlich thun kundte:

Dann da war niemands zugegen der jhn ankla - gete / ſo dorffte auch keiner in ſeinem Land ſich vn - terſtehen / jhn zu verklagen: gleichwol aber ſo wurde jhm ernſtlich aufferleget / vnd geſagt: Er ſolte ſich hinfuͤro vor dergleichen Tyranney huͤten vnd ab - ſtehen dann wann man dergleichen mehr ſolte von jhm erfahren ſo wuͤrde man den Sachen nachfra - gen vnnd jhn ernſtlich nach ſeinem Verbrechen ſtraffen.

Aber das alles hieſſe bey jhm Waſſer in ein Sib gegoſſen: er beſſert ſich ſehr wenig auff ſolche ange - hoͤrte vermahnung vnd Trawung: Ja / da er billich hette dem guten Rath folgen ſollen: wendete er das Spiel vmb / vnd machte es aͤrger / als er zuvor ge - than hatte: er trachte Tag vnd Nacht darnach / wel - ches ein wunderliches Ding ware / wie er doch dieJ iijjenigt134Beutelſchneider / oderjenige wiſſen vnd erfahren moͤchte / welche jhn ver - klaget / vnd das jenige von jm außgebracht hatten / vnd muſten ſehr viel / welche jr lebenlang nit daran gedacht hatten / daß ſie jhn verklagen wolten / fuͤr jhre Geſellen das Geloch bezahlen.

Als er aber nun alſo in ſeiner Schinderey vnnd Tyranney foꝛtfuhre / vnd die Schatzung vnd Steu - er mehr als fich es gebuͤrete / erſteigerte / auch die ar - me Bauersleute zwunge / daß ſie zweymal ſo viel / als ſie vor jre Haußhaltung bedoͤrffen / Saltz neh - men / vnd jhm bezahlen muſten / trug es ſich zu / daß er inn einen Streit geriethe mit ſeinem oberſten Diener / welcher alle ſeine Tyranney vnd Schinde - rey wuſte / welcher alles mit ſeinen Augen ſelber ge - ſehen hatte / vnd all ſein ſtelen vnd rauben gnugſam kundte beweiſen / kamen auch mit Worten ſo hart zuſammen / daß dieſer ſagte vnd jm tꝛewete / er wolte jhm ſolchen boſſen machen / wann er jhn inn Har - niſch jagete / daß er vmb ſeinen Kopff ſolte ſprin - gen: Ja wann er jhm noch im geringſten etwas zu leyd thete / wolte er ſelber hingehen vnd jhn vor dem Koͤnig verklagen.

Aminte / welcher ſich fuͤr dieſem Streich ſehr foͤrchtete: Dann er wuſte wol / daß die vornehme Ra〈…〉〈…〉 esherꝛu / ſo von dem Koͤnig uͤber jhn geſetzet waren / deß Argi Augen hatten vnd kundten einem auch wol im Geſicht anſehen / was er im Schild fuͤhrete / nimmet jhm bey ſich ſelber vor / er woͤlle ſich ſeines oberſten Dieners ledig machen / damit jhm ſolcher Dorn auß dem Fuß gezogen werde vnd ſein Diener jhn nit mehr koͤnne oder moͤge verklagen.

Er135Diebshiſtorien / das II. Buch.

Er laͤſt ſich aber deß Dings im geringſten nicht mercken / verbirget ſein Zorn / thut als wann er nit mehr daran gedencke / damit ja ſein Diener den boͤ - ſen Vorſchlag / ſo er wider jhn vor hatte deſto weni - ger moͤge riechen.

Der Diener aber / welcher ein heimlichen Haß wider ſeinen Herꝛn hatte gefaſſet / ſchicket der O - brigkeit vnterſchiedliche Brieff vnd entdecket alſo viel boͤſe ſtuͤck / welche ſein Herꝛ an den armen Vn - terthanen begangen hatte / Er zeigete auch an: Wie jhm ſeinem Herꝛn zwar jederman zu wider ſeye: Es doͤrffe aber kein Menſch ſich mucken oder mer - cken laſſen / Es doͤrffe jhn niemands verklagen / dann er trohe den Leuten / er wolle ſie Kopffs kuͤrtzer machen laſſen.

Ehe aber das gewoͤlck ſich theile / vnd damit das vngewitter ſich nicht auff ſeinen Kopff ziehe: dann er wuſte wol / daß ſein Diener allein jhn koͤndte ſehr boͤſe boſſen machen vnd gar in deß Teuffels Kuͤchen bringen: Nimbt er der Zeit in acht / ſetzet jm vor / er wolle ſehen / daß ſein Diener moͤge abgethan vnnd hingerichtet werden. Hoͤret vnd mercket aber wol den betrug / deſſen er ſich gebrauchete ſein verdamb - liches Vornehmen in das Werck zu ſetzen.

Auff ein zeit vff einen Montag uͤbergibt Aminte deß morgens fruͤ den Schultheiſſen ſeines Dorffs ein Schreiben / in welchem er ſeinen Diener eines Diebsſtals halben anklaget: vnd bege et / er ſoll jhn gefaͤnglich einziehen / biß ſo lang / daß man der ſach rechten grund erfahꝛe vnd veꝛnehme / wer mehr mit im Spiel ſein moͤge: Dann er gabe vor / der Dieb -J iiijſta136Beutelſchneider / oderſtall lieffe allzeit auff die 1500. Cronen: Nun muß man allhier mehr fragen / ob der Schultheiß ſol - ches Schreiben habe vnterſchrieben vnd gut gehei - ſen / vnd ob er jm vollkoͤmliche Gewalt habe gegebẽ / mit ſeinen Diener nach ſeinẽ gefallen vmbzugehn: dann es were recht oder vnrechtgeweſſen / ſo hette es der Schultheiß jm nit doͤrffen abſchlagen / oder ſei - nen eigenen willen widerſtehen: Derohalben ſo ſchicket der Schultheiß 2. Stattknecht hin / welche den Diener in das Gefaͤngnuß / (welche inn deß Aminte Schloß war / vnd zu welchem er 2. Schluͤ - ſel hatte: Dann ehe dann er ſein verdamliches vor - haben ins Werck ſetzete / hatte er jhm ein newen Schluͤſſel zu dem Gefaͤngnuß machen laſſen / vnd vorgeben / der ander Schluͤſſel were verlohren wor - den: Vnd da hette einer fuͤrwar gar ſpitzfindig ſein muͤſſen / welcher da hette erꝛathen woͤllen / was er mit dem newen Schluͤſſel zum Gefaͤngnuß wuͤrde machen) hinein ſetzen.

Da lieget nun der arme Diener im Gefaͤngnuß vnd weiß ſelber nit / warumb / vnd weſſen man jhn will beſchuldigen / iſt auch vnſchuldig aller der din - ge / welche man jhm will zu meſſen / vnnd verdreuſt jhn am allermeiſten / daß ſein Widerſacher ſoll ſein Richter ſein / vnd daß er ſolchẽ Tyrannen der ſchon ſo viel vnterſchiedliche Perſonen hatte ſterben laſ - ſen / in ſeine Haͤnde iſt kommen: Doch dencket er wi - derumb er muͤſſe gedultig ſein / vnd muͤſte erwartẽ / was auff ſolches Gefaͤngnuß weiter erfolgen wer - de es iſt aber der Schmertz ſo groß / daß er ſich nit kan enthalten / ſondern verfluchet vnd vermaledey -et den137Dibshiſtorien / das II. Buch.et den Schultheiſſen vnd die Stattknecht / daß ſie ohne einige Vrſach (den Aminte nit zu erzuͤrnen) jn haben Geſaͤnglich eingezogen.

Nach dem nun dieſer Diener ware in das Ge - faͤngnuß geſetzet / hatte ſchon Aminte erlaget ein ſtuͤck von dem das ſein Hertz gewuͤnſchet hatte. A - ber das iſt noch nicht alles: Dann er will lieber ſei - nen Diener Todt als lebendig ſehen: Er bedencket ſich auff mittel vnd Weg / wie er doch deß Dieners moͤge loß werden vnnd hinrichten? Aber er kan nichts erdencken / vnd dardurch er jme nit zugleich ein Argwohn zuziehe: Dann ſolte er jhn inn dem Gefaͤngnuß gewaltthaͤtiger weiſe vmbringen: das wolte ſich nicht ſchicken: dann da hette jederman geſagt: es were auß feindſchafft geſchehen: Solte er jhm dann mit Gifft vergeben / das wolte ſich aller - dings auch nicht zu gar wol ſchicken / dann er hatte ſorg / es wuͤrde nicht angehen / der Diener wuͤrde jhm nicht getrawen.

Endlich aber ſo nimmet er dieſes verꝛaͤhteriſche boͤſe mittel an die Hand / daß er jhn wil im Gefaͤng - nuß erwuͤrgen / daß es kein Menſch jnnen werde. Ich bitte euch / jr woͤllet dieſe Hiſtorien mit fleiß le - ſen / vielmehr zu dem ende / daß / nach dem jhr dieſel - bige werdet geleſen haben / jhr ſolches meineydiges Stuͤck verfluchet / vnd ein Abſchewen darvor ha - bet / als daß jhr derſelbigen viel gedencket.

Er laͤſt ſeinen Gaͤrtner zu jhm kommen vnd ſa - get zu jhm: Er ſol machen / daß er morgends vmb fuͤnff Vhr fertig ſey: Dann er wolle jhn dreyſſig Meil Wegs hinweg ſchicken zu einem vornehmenHer -138Beutelſchneider / oderHerꝛn / den er jhm mit Nahmen nennete: Der Gaͤrtner welcher niemals mit Brieffen vnd ande - rer Sachen halben wahre verſchicket worden / ſa - get / er woͤlle ſich ſchon fertig machen / wann es dem Herꝛn gefaͤllig ſein werde / kundte aber jhm nicht einbilden / daß ſein Herꝛ ſo eine ſchreckliche boͤſe That ſolte vorgenommen haben: Leget ſich auch darauff ſo bald zu Bett / auff daß er deß morgends deſto fruͤher moͤge auff ſeyn.

Alß es aber nun gantz ſtich finſter wahre / nim - met der vnmenſchliche Tyrann auß einer verzweif - felten Vnſinnigkeit / ein Dolchen heimlich bey ſich / gehet hin mit ſeinem Labqueyen in das Gefaͤngnuß hinein / da der arme Diener / welcher den gantzen langen Tag kein Biſſen in ſein Leib gebracht hatte / lage: Nehmen ſich an / ſie wollen jhm etwas zu eſ - ſen vnd zu trincken geben: Aber Aminte nimbt der Zeit wol in acht / thut ſein Hand in ſeinen Hoſen - ſack nach dem Dolchen zugreiffen / aber er hel[t]doch ein darmit: Dann er dencket bey ſich ſelber al - ſo: Wann er jhm den Dolch ins Hertz oder in den Leib hinein ſtoſſe / ſo werde man das Blut an dem Ort ſehen / vnd werde dannenhero jederman ein Argwohn auff jhn haben.

In dem er ſich aber alſo bedencket / was er doch ſeinem Diener vor ein Todt woͤlle anthun / damit er ſeiner abkom̃e / ſihet der Diener ſeinem Herꝛn in das Angeſicht / vnd ſihet / daß er gantz ſchrecklich außſihet / daß er wunderliche grillen muß im Kopff haben vnd ahnet jm / es werde ſein Herꝛ jhme das Leben nemen: Dann die groſſe Finſternuß ſolcherNacht /139Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Nacht / wie auch das von den Leuten weit abgelege - ne Gefaͤngnuß / in welchem er lage / propheceyet jh - me / daß er ſein Leben jaͤmmerlicher weiſe werde laſ - ſen muͤſſen: Vnd dieſe Gedancken machen jhm ſo angſt vnd bang / daß er anfanget zu ſchreyen / als ſey er gantz doll / vnd vnſinnig: Er lauffet von einer Ecken zu / der andern in dem Gefaͤngnuß vnd ſihet / ob er koͤnne darvon kommen / aber ſie hatten das Gefaͤngnuß mit dem Schluͤſſel zugeſchloſſen vnd wol verwahret: Derohalben ſo nim̃et jm Amin - te vor / er woͤlle jhn erſticken vnd ſolches vmb der zwoen nachfolgenden Vrſachen willen: Erſtlich auff daß man in dem Gefaͤngnuß auch das gering - ſte Merckzeichen ſeines Todts nicht koͤnne ſehen oder finden: Zum andern / auff daß er jhm auß ſei - nen Haͤnd[e]n nicht komme:

Hierauff bindet Aminte ſeinen Hoſenbendel auff / wirffet jhn dem Diener vmb den Halß vnd ſpricht alſo zu jhm: Jetzunder ſolt vnd muſtu von meinen Haͤnden ſterben / jetzunder ſoltu mir buͤſſen vnd bezahlen den Schimpff / den du mir haſt an - gethan / vnd welchen ich dir ſo manchmals habe verziehen: Sihe / jetzt hab ich einmal gewuͤnſchte gelegenheit bekommen mich an dir zu rechen / we - gen diener heimlichen P[r]acticken vnnd Anſchlaͤ - gen / ſo du wider mich haſt fuͤr genommen: Vnd in dem er dieſe Wort redet / wirff er jhm den Hoſen - bendel an den Halß / zeucht jhn zur Erden nider vnd ſpringet mit Fuͤßen auff jhn: Der arme Die - ner will zwar anfangen vmb huͤlff zu ſchreyen / aber der Lacqueye / welchen Aminte bey ſich hatte trit jmmit140Beutelſchneider / odermit Fuͤſſen auff den Halß / ſchlaͤge er auff jn zu / vnd erſticken / vnd toͤdten jhn alſo: Vnd wiewol ſie mei - neten / ſie hetten jhn gar erſticket: Jedoch ſahen ſie nach einer guten weile daß der Pulß jhm noch ein wenig ſchluge in den Adern / derohalben machten ſie ſich von newem uͤber jhn / vnd in dem daß der La - quey / welcher nit weniger als ſein Herꝛ tyranniſch vnd blutgierig war / jhm mit den Fuͤſſen auff dem Halß ſtunde / hielte Aminte jhn mit ſeinen Haͤnden Mund vnd Naß wol zu / vnd erſteckten alſo den ar - men gefangenen Diener /daß er kein Fuß oder Glied mehr regete. O du Himmel / iſt es nit muͤglich /daß in der groͤſten Finſternuß der nacht die Vnſinnigkeit deiner Flammen uͤberzwerch durch die Wolcken dringe vnd diſen meineydigen Aminte in abgrund der hellen begrabe. Du groſſer Gott / warum̃ chlaͤg - ſtu nicht ſo bald mit dem Donner deines gerechten Zorns den meineidigen ſchelmẽ vnd Meuchelmoͤr - der auff ſein Kopff / vnd laſſet jn nit mehr anſchawẽdaß Licht deiner ſchoͤnen geſtirnen / O vnmenſchliche tyranney / welche erger iſt als der Cantbalen wohin leyteſt du / wohin fuͤhreſt du / wohin ſtuͤrtzeſt du einen Menſchen / daß er ſeiner ſo gar vergeſſet / ja das er nit mehr gedencket / daß ein Gott im Himmel ſey / der ſolche ſchreckliche Thaten / ja welcher alle boͤſe ſtuͤck offenbaret / vnnd vor der gantzen Welt den Menſchen / ſo ſie begangen / vor jhr Angeſicht ſtellet.

Die Roͤmer wuſten nichts erſchrecklichers noch wunderbarlichers zu erdencken / als jhre leibeigene Knecht zu ſtraffen / wann ſie etwas begangen hat - ten / als daß ſie jnen die Kleyder biß vnter den Guͤr -tel ab -141Diebs Hiſtorien / das II. Buch.tel abſchnitten vnd lieſſen ſie daꝛnach alſo von einer Gaſſen zu der andern gehen / wie die Hermaphro - diten: Waren halb nackendt vnnd halb gekleydet: Dann dieſer Schimpff / ſpott vnd ſchande / welche jhnen auff den Gaſſen von jederman wurde ange - than / ware ſo groß / daß ſie ſich lieber hetten foldern laſſen / oder ſonſten allerley ſchwere Pein vnd mar - ter außſtehen.

Aber was wird als dann mit dir / Aminte / ge - ſchehen / wann der Himel welcher durch deine mei - neydige Verꝛaͤtherey ſehr erzuͤrnet iſt / alle Sinn Krafft vnd Macht wird gebrauchen deine Mord - ſtuͤck zu ſtraffen. O wie ein groſſes hertzenleyd iſt es / daß man an ſolchen ort / vor allen Volck deine mei - neydige Bubenſtuͤck muß ſehen vnd dulden. Du ju - bilireſt / du erfreueſt / (beduncket mich) dich uͤber dei - nen Feind? Vnd weil derſelbige nun mehr todt iſt / bildeſt du dir ein / es ſey kein Menſch auff der Welt / der deine bubenſtuͤck koͤnne verꝛahten vnd offenba - ren? Aber Gott iſt ein gerechter Richter vnd wird dermal eins die vnempfindliche Creaturen gebrau - chen dein meineydige Schelmenſtuͤck zu offenba - ren vnd ſchrecklich zuſtraffen.

Dieſe Motiven vnd bedencken ſeyn kraͤfftig vnd maͤchtig gnug einem Menſchen / welcher die Forcht Gottes in dem Hertzen vnd der Welt ſchand vnnd Spott fleiſſig fuͤr Augen hat / von einem ſolchen blutgterigen verdamlichen vornemen abzuhalten: Aber bey deß Aminte vorſetzlich boͤſen Gemuͤthe wolte ſolches alles nicht verfangen: Die Vnſin - nigkeit vnd Rachgier wahren allein zween Braͤn -de / mit142Beutelſchneider / oderde / mit welchem er ſelber das Fewer ſeines verder - bens hat angezuͤndet / vnnd welche jhn auch verur - ſacheten zuverherbergen vnd zu verderben was jm nur auffſtieſſe.

Nach dem aber Aminte jaͤmmerlicher weiſe ſei - nen Diener hatte erſticket / deßwegen / dieweil er jm ſeine ſchaͤndliche Bubenſtuͤck vnd Tyranney nicht hatte gut heiſſen woͤllen / vnnd dieweil er nicht wie ſein Herꝛ / das arme Volck wolte bedrangen vnnd freſſen helffen: Nimmet er ein Kluppel Zangen vnd andere vnterſchiedliche Werckzeuge / zerbricht darmit ein eyſernes Gegitter / welches an dem Ge - faͤngnuß ware / vnnd machet an demſelbigen ein ſolches Loch / daß ein Menſch daꝛdurch kan auß vnd einkommen: Vnd dieweil dieſes Gefaͤngnuß auff die Waſſergraͤben hinauß giengt / machet er an das uͤbrige Gegittet ein langes Seyl / welches an der Mawr heraber gar biß auff die Erden gienge. Sein Laquey / welcher im hatte zu dieſem Meuchelmord geholffen / fraget jhn / warumb er an das Gegitter ein ſolches Seyl knuͤpffe? Aber er gibet jhm kein an - dere newe zeitung als dieſe / daß er den morgenden tag newe Zeitung darvon hoͤren werde.

Auff dieſe Wort vnnd antwort nimmet er den Todtencoͤrper diſes armen erſtickten Dieners / vnd ladet jhn dem Laqueyen auff ſeinen Halß / daß er jhn ſoll von dem Ort hinweg tragen vnnd in das heimliche Gemach werffen: Die ſchrecklichkeit die - ſes Laſters macht /daß mir die Haar auff dem Kopf - fe zu Berge ſtehen: Dann der Himmel ſelber bede - ckete ſein Angeſicht mit einer dicken Wolcken / da -mit143Diebshiſtorten / das II. Buch.mit er ſolchen Suͤnden grewel / nit doͤrffte anſehen / die geſtirne / welche mit einem freundlichen vñ lieb - lichen Auge die Erden anſahen vnd ſie jrer Stra - len vnud heimlichen wirckunge genieſſen lieſſen / wurden daruͤber finſter vnd trawrig vnd wann der Mond zu der zeit bey vns hette geſchienen / ſo hette dieſe vnmenſchliche Teuffliſche that von jhm ſeine ſchoͤnheit benommen vnd in eine groſſe Finſternuß eingewickelt. Als nun Aminte dieſe blutgierige ſchreckliche That außgerichtet hatte / leſt er die Thuͤr am Gefaͤngnuß offen ſteyen / ſihet ſeinem Laqueyen nach / welcher den armen Coͤrper in das heimliche Gemach wirffet / vnnd leget ſich in ſeines Herꝛn Kammer darauff ſchlaffen / welches dann der an - fang ſolches trawrigen Spiels iſt geweſen.

Aminte wolte auch hierauff ſchlaffen / aber es wolte jhm der Schlaff gar nicht in die Angen kom - men / dann die gantze Nacht wurde er inn ſeinem Hertzen vnd Gewiſſen geaͤngſtiget: Wie er ſich be - ſorgete / ſein begangener Meuchelmord moͤchte of - fenbar werden? Alſo ſchwebete er die gantze Nacht in groſſer Forcht vnd bangigkeit: Dann es deuch - te jhn / ſeines ermordeten Dieners geſtalt vnd An - geſicht ſtehe vor jhm vnd ſchꝛeye Rach wegen ſeines todtes: Ja es deuchte jhn / ſein Diener ſtuͤnde vor ſeinem Bett vnd fienge uͤberlaut an zu ſchreyen / de - rohalben ſo wurde er daruͤber ſo toll vnd vnſinnig / daß er jhm vornahme / er wolte ſeinen Laqueyen / als welcher darbey ware geweſen / auch opffern / damit die That deſto beſſer moͤchte verſchwiegen bleiben.

Aber / es iſt eine gantz vergebliche Arbeit / du vn -menſch,144Beutelſchneider / odermenſchlicher grawſamer Tyrann / daß du dir Ein - bildeſt / du woͤlleſt dem gerechten Zorn deß Aller - hoͤchſten / der die Geſtiern beweget vnd regieret / ent - fliehen: Dann ſihe / es wird nicht lang anſtehen / ſo wird er dir zu erkeñn geben / daß er ſich der vnſchul - digen annimmet vnd dieſelbige erectet: Du wirſt noch ſelber erfaren / daß gleich wie der gerechte Gott langſam iſt zur Rache vnd hat bleyerne Fuͤſſe dein Meuchelmord zu ſtraffen; Alſo iſt ſein Arme deſto ſchwerer vnd vnertraͤglicher / wann er anfanget zu ſtraffen: Sihe du Gottloſer vñ verdamlicher Meu - chelmoͤrder / wañ ſchon dein Mordſtuͤck aller Men - ſchen Augen vnd Hertzen verborgen vnd vnbewuſt were: Wann auch ſchon kein Menſch auff dem gantzen Erdboden etwas darvon hette gehoͤret oder geſehen: ſihe ſo iſt doch noch der Himmel vber dir / vnder welchem du dein Todſchlag haſt begangen: Derſelbige wird als ein vnverwerfflicher zeuge dei - ner vngerechtigkeit / dermal eins Vrſach vnd gele - genheit an die Hand geben / daß du moͤgeſt geſtꝛaffet werden: Der Himmel ſelber wird deinen eygenen Mund gebrauchen / daß du ſelber wirſt dein Meu - chelmord bekennẽ vnd zur Straffe offenbaren muͤſ - ſen. Sehet / alſo gehet es nun dem Meuchelmoͤrder Aminte: Er wird von newen in ſeinem Hertzen vñ Gewiſſen geaͤngſtiget; Tiſiphon, Megera vnd A - lecto, wie die Heyden dichten / quelen jhm mit jh - rem Fewr ſein Gewiſſen / ſie gieſſen jhm tauſenter - ley newe Furcht vnd aͤngſte in ſein Hertz vnd gewiſ - ſen: Summa an ſtat deß ſchlaffens / wird jhm in ſeinem Bett ſo angſt vnd bang / daß er nicht mehrdar -145Diebs Hiſtorien / das II. Buch.darinnen kan bleiben: Er ſtehet auff / gehet zu ſei - nem Laqueyen / ergreifft denſelben bey der Gurgel erſticket jn auch ſo bald / wiewol er ſich mit Haͤnden vnd Fuͤſſen ſchrecklich wehret: Dann damit er ſein moͤrderiſchen anſchlag deſto vnverhinderter an ſei - nem Laqueyen koͤnte vollbringen / hatte er jhn ſchon zuvor / ſo bald als er entſchlaffen ware / vnvermerck - ter weiſe die Fuͤſſe juſammen gebunden / (welches dann vngefehr vmb zwo Vhr nach Mitternacht geſchahe) vnd da er jhn je wolte erſticken / knyete er jhm mit den Knyen auff den Leib / vnnd griff jhm mit den Haͤnden nach der Gorgel / daß es dem ar - men Laqueyen vnmoͤglich ware ſich zu erꝛetten oder jemands vmb Huͤlffe anzuſchreyen: Muſte alſo jaͤmmerlicher weiſe ſein Leben enden.

Als aber Aminte ſeinen Laqueyen auch alſo er - ſticket hatte / truge er jhn〈…〉〈…〉 wiewol er ſich noch etli - cher maſſen regete vnd bewegete / inn das heimliche Gemach vnnd warffe ihn daſelbſten hinein: Wel - ches zwar eine ſcharpffe ſtraff ware / aber gleichwol eine ſolche / die er ſehr wol verdienet hatte: Dann wie er deß Aminte Diener hette erſticken helffen: al - ſo wird er ſelber erſticket? Wie er deß Aminte Die - ner ſelber hatte in das heimliche Gemach geworf - fen? Alſo truge vnd warffe jhn ſein Herꝛ Aminte auch drein: Vnd als nun ſolches geſchehen / begabe ſich Aminte widerumb zu Bett vnd hoffete / er wuͤr - de nun beſſer / als zu vor / ruhen vnd ſchlaffen koͤnnen Aber die ſchrecklichkeit ſeines begangenen Laſters nagete vnd plagete jhn tauſentmal mehr / als zuvor geſchehen war: Dann es kommet jhm vor vnndKduͤncket146Beutelſchneider / oderduͤncket jhn / ſeyn Schloß ſey gantz vnnd gar mit vielem Volck vmbgeben: Es kommet jhm vor vnd duncket ihn / man fuͤhre jhn ſchon / wie ein offentli - ches opffer auff die Richtſtaͤrte: Vnd wann er auch ſchon einmal in einen Schlaff fellet / ſo hat er ſo ſchwere vnd erſchreckliche Traͤume /daß er im ſchlaff mehr als einmal dardurch wird gepeiniget vnd ge - martert: Summa / alles was die Poeten vns er zeh - len von der Hoͤll / von den Raͤdern / von dem durch - loͤcherten Feſſern / von dem Fewer vnd erſchreckli - chen Fewerflammen / von dem Foltern / von der Hoͤlliſchen Qual vnd Pein: das alles kommet jhm vor / das alles quelet jhm ſein Hertz / naget jhm ſein gewiſſen vnd macht jm ſo angſt vnd Bang / daß er nit weiß / wo er ſich ſoll hinwenden.

Was thut er aber hierauff? Weil er vor groſ - ſer Forcht vnd Bangigkeit deß Hertzens / im Bett nit ſchlaffen oder bleiben kan / ſtehet er wiewol gantz beſtuͤrtzet vnd im Kopff verirꝛet / vmb vier vhr auff: Vnd dieweil er ſeinen Meuchelmord auff eine an - dere Manier will vermaͤnteln vnd jederman uͤber - reden / der Diener ſey außgebrochen vnnd darvon gelauffen / ſo erdencket er noch ein newes Buben - ſtuͤck vnnd nimmet jhm fuͤr er woͤlle ſeinen Gaͤrt - ner auch hinrichten / auff daß alſo kein Menſch auff der Welt etwas von ſeinen ſachen wiſſen oder ver - rathen koͤnne.

Er machet ein groß packet Brieff zuſammen / ſchreibet dieſelbige an einen Herꝛn / ſo in der gegen - wart de Diſcion ſolte wohnen (Aber es ware einer im Sinn vorgebildeter Herꝛ / vnnd ſein Name al -ſo von147Diebshiſtorien / das II. Buch.ſo von Aminte erdichtet) In dem Brieff ſtundte nichts mehr als die bloſſe Vberſchrifft / vnnd hatte Aminte auch ſeine Hand vnd Schrifft verfaͤlſchet / damit man ſie deſto weniger erkennen koͤndte: Das uͤberige aber an den Brieffen war nichts anderſt / als bloſſes weiſſes Papier: Bedencket allhier / ich bitte euch / die jhr dieſes werdet leſen / den Betrug vnd verſchlagenheit dieſes vnſinnigen Tyrannen / welcher zwo oder drey vnſchuldige Perſonen vmb jhr Leben bringet / nur allein / daß er ſeiner verdam - ten vnſinnigkeit vnd Rachgier ein gnuͤgen thue.

Es iſt nicht genug / daß er ſeinen Diener vnnd Laqueyen hat Meuchelmoͤrderiſcher weiſe vmbge - bracht: Er hat das Gegitter an dem Gefaͤngnuß ſelber zerꝛiſſen / zerſchlagen / auff daß er deſto beſſer ſeinen Diener koͤnne anklagen / als ſey er auß dem Gefaͤngnuß außgebrochen: Vnnd durch ſeinen Gaͤrtner / der deß morgens fruͤh ſolte außgehen vnd verꝛeiſen will er die Leut uͤberꝛeden / es ſey ſein Die - ner geweſen / der ſich deß morgens fruͤh auß dem Gefaͤngnuß habe darvon gemacht: Auff der ande - ren Seiten aber / damit ſein Gaͤrtner nimmer - mehr widerkomme / ſondern / vnfehlbarlich auff dem Weg ſterbe / ſo hatte er den abend zuvor Gifft bereitet / wolte es auch ſeinem Gaͤrtner / ehe er hin - weg reiſet / deß morgens fruͤ zu eſſen oder zu trincken geben / auff daß er alſo mitten auff dem Weg ſterbe vnnd nimmermehr widerumb heim kaͤme: Dann er machte jhm dieſe Gedancken vnnd Rechnung? Wann er ſeinen Diener vnd Gaͤrtner / als welcheK ijallezeit148Beutelſchneider / oderallezeit bey einander waren / einander gar gleich ſa - hen / vnd einander viel vertraweten / hette abge - ſchaffet / ſo wurde kein Menſch auff dem gantzen Erdbodem mehr ſeyn / der jhn entweder wurde an - klagen koͤnnen / oder etwas von ſeinen boͤſen Sa - chen wiſſen,

Der Gaͤrtner vergiſſet nicht / was jhm ſein Herr befohlen hatte / ſondern ſtehet des morgens auff vmb 5 Vhr / vnd gehet zu ſeinem Herꝛn / (welcher das Fruͤhſtuͤck ſchon bereitet hatte /) in die Kam - mer / zu fragen / was er witers ſolle außrichten? Als er aber in die Kammer hinein koͤmmet vnd fra - get / ob er etwas weiters ſolle außrichten / will auch die Brieffe abholen / ſaget ſein Herꝛ Aminte alſo zu jhm: Ich wil nicht haben / daß du vngeſſen auß - geheſt: Dann auff dem Weg den du muſt gehen / kanſtu auff vier Meylen kein Herberg antreffen / derohalben ſo iſt es am allerbeſten daß du ein Biß - lein Brod vnd Ey eſſeſt / ehe du dich ſolt vnd wilt auff den Weg machen: Da neme den Schluͤſſel / ſchließ das Treſor auff / du wirſt Eyer dariñen fin - den / gehe hin vnd laß etliche geſchwind ſieden.

Der Gaͤrtner thut alles / was jhm ſein Herꝛ be - fihlet vnd laͤſt zwey Eyer ſieden: Vnd als nun der Gaͤrtner die Eyer bringet / vnd wil ein Bißlein eſ - ſen / dencket Aminte jetzt ſey es zeit / daß er ſein vor - nehmen vollbringe / thut derhalben / als habe er ein groſſen Luſten zu Trincken / thut auch ein Ey auff / als wann er mit dem Gaͤrtner woͤlle fruͤhſtuͤ - cken / laͤſt den Gaͤrtner hingehen vnd Wein zapſ - ſen:

Vnder149Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.

Vnder deſſen aber bereitet er ſein Gifft / thut es dem Gaͤrtner in ein Ey / vnd damit der Gaͤrtner ſolches deſto weniger mercke / nimmet er das ande - re Ey / als der Gaͤrtner auß dem Keller wider kom - met / thut alß wann er es woͤlle eſſen vnd ſagte zu jhm alſo: Sihe / neme du das Ey / vnd eſſe es / dann es iſt gar zu weich vor mich: Ich will das meini - ge etwas haͤrter ſieten laſſen: Der Gaͤrtner nim - met hierauff ſein Ey / ſchlucket es ein vnd mei - net nicht / daß er ſein todt darmit einſchlurcken werde: Aminte nimmet das andere Ey / welches nicht vergifftet wahre / vnd iſſet es: Vnnd nach dem ein jeglicher ein guten Trunck darauff gethan hatte / machet ſich der Bott auff den Weg / in meinung / er woͤlle das jm uͤberlifferte packet brieff dem Edelmann / deſſen Nahme auff der Vber - ſchrifft ſtunde / bringen: Aber als er noch nit fuͤnff vnd ſechs meilen iſt gegangen / da wird jm ſo uͤbel vnd weh an ſeinem Hertzen / daß er nicht weiter ge - trauet fortzureiſen / begibt ſich in eine Herberg vnd laͤſet den Wundartzt zu ſich kommen.

Als er aber in die Herberg kahme / meineten die jenigen / ſo in der Herberg waren / Er hette die Peſt am Halße: Dann es war noch nit lang / daß man daruon geredet vnd geſagt hatte / Es fienge in der Nachbarſchafft ahn an der Peſte zu ſterben: Er a - ber betheuerte / er were an keinem Ort / da die Peſt regierete geweſen / vnnd wann er ſolte wiſſen / daß die Peſt ſein ſolte / ſo wolte er lieber tauſentmal ſterben / als daß er ſolte in jhr Hauß kommen vnd jhnen vngelegenheit vervrſachen / Als ſie aber al -K iijſo150Beutelſchneider / oderſo miteinander reden vnnd der Wundartzt jhn be - ſuchet / ſo traͤgt es ſich zu / daß ein feiner Mann / wie ein frembder gekleydet voruͤber reiſſet / in ſolche Her - berg einkehret vnd begeret / man woͤlle jhm einen trunck Wein holen vñ ein biſſen zu Mittag zu eſſen geben: In dem man nun jhm erwas zurichtet / auch ſeinem Pferd das ſeinige reichet / ſo ſihet er / daß die jenige in der Herberg ſo ſehr auff vnnd ab lauffen. Fraget darauff / ob vielleicht jemandt inn der Her - berg kranck ſeye / darauff im dann wird angezeiget / es ſeye jetzt ein frembder Gaſt ankommen / derſelbige ſeye todt kranck.

Dieſer / welcher ein Medicus ware / gehet oben auff zu dem krancken / ſihet den krancken wol an / be - trachtet ſeine Zufaͤ[ll]vnd die Ohnmacht / ſo jhn an - kommet / ſchleuſt vnd ſaget ſo bald darauff / er muͤſte entweder von einer gifftigen Schlangen ſeyn ge - biſſen worden / oder muß er ein gifftigen Trunck be - kommen haben.

Der Gaͤrtner aber will weder eines oder das an - dere geſtehen vnd zugeben: Saget / er ſey von keiner Schlang gebiſſen worden / ſo wiſſe er auch von kei - nem dergleichen vergifften Trunck / den er moͤge bekommen vnd gethan haben: Dann er hette nim - mermehr gemeinet? Daß ſein Herꝛ Aminte jhm ſolches meineydiges Stuͤck hette beweiſen ſollen: Als er aber ſihet / daß der Medicus auff ſeiner Mei - nung bleibet / vnnd es je laͤnger je mehr behauptet / fanget er endlich auch an daran zu zweiffeln: Vnd das jenige / das jhn je laͤnger je mehr bewegte zu zweiffeln / ja deſſen gar zu vergewiſſern / daß er hatteein151Diebs Hiſtorien das II. Buch.ein gifftigen Trunck eingenommen / ware dieſes: Daß nach dem der Medicus jhm eine Artzney wi - der den Gifft / ſo er ſonſten auch zu Rom gebrau - chet / hatte eingegeben / er eine viertheil Stunde her - nacher anfienge alles auß ſeinem Leib zu ſpeyen / warff auß den Gifft / ſo er in ſeinen Leib hatte einge - trancken / wie auch das gantze Ey / mit vielen an - dern abſchewlichen ſachen / deſſen ich mich foͤrchte vor groſſem grawen zu erzehlen.

Hierauff kame der Gaͤrtner allgemach wider zu ſich ſelbſten / vnd als er alles wol bey ſich bedachte / was vorgangen ware / wie ſein Herꝛ gehauſet vnd die arme Leute geplaget hatte / kundte er nicht an - ders gedencken vnd außſinnen / als daß ſein Herꝛ Aminte ſelber jhm ſolchen Gifft im Ey muſte bey - bracht haben: Bricht hierauff auff die Brieffe / ſo jhm ſein Herꝛ Aminte hatte gegeben / vnd als er nit mehr als ein bloſſe Vberſchriff findet / ſihet vnnd befindet er in der That ſelber / daß ſein Herꝛ jhm ſolches Gifft hatte beygebracht / damit er ſeiner moͤ - ge ledig werden. Derohalben / damit ſein Herꝛ nit Vrſach ſuche jhn vollends vmbzubringen kommet er nicht widerumb zu ihm / ſondern lauffet darvon vnnd begibt ſich zu einem vom Adel / welcher auff zwantzig Meilen darvon wohnete.

Vnter deſſen aber ſo meinet Aminte ſein Gaͤrt - ner ſey todt vnnd hoffet / dieweil er nun jhm dieſen Dorn / wegen deß Gaͤrtners auch auß dem Fuſſe habe gezogen / ſo werde nimmermehr kein Hahn nach ſeinem ermordeten Diener vnnd Laquenen mehr kraͤhen: Aber GOtt / der Hertzen vnnd Nie -K iiijren152Beutelſchneider / oderren pruͤffet / vnd der dem Menſchen in ſein verbor - genes Hertz kan hinein ſehen / wie ein groſſer Heilige dar von redet / der wird endlich das gantze Koͤnig - reich Franckreich lehren / daß vor jhm nichts kan verborgen ſeyn vnd bleiben.

So bald als es nun vmb ſieben oder acht Vhr ware / kommet Aminte / mit etlichen ſeinen Leu - ten / (welche von dem jenigen / was die Nacht uͤber ware vorgangen / im geringſten nichts wuſten o - der auch wiſſen kundten /) vnd nimmet ſich an als wann ſie mit jhm in das Gefaͤngnuß gehn vnnd dem armen Gefangenen zu Eſſen vnd zu Trincken ſolten bringen. Als er aber die Thuͤr der Gefaͤng - nuß ſihet angelweit auffſtehen / er ſihet / wie das Ge - gitter am Gefaͤngnuß iſt zerſchlagen vnd zerꝛiſſen / er findet auch das Seile / welches oben an dem Ge - gitter angebunden ware vnd biß vnten an die Graͤ - ben gienge? Da fanget er an zu raſen vnd zu toben / ſchreyet wie ein Blinder / der ſeinen Stecken hat verlohren / er ſchreyet wie ein Eſel / der ohn Hinder - beuge vnd Schwantzriemen iſt: Er thut nicht an - ders / als wann er ſeine Leute gar freſſen vnnd todt ſchlagen woͤlle / daß ſie jhm den Gefangenen nicht beſſer verwahret haben? Bald klagte er dieſe / bald jene an als die vornembſten Redleinsfuͤhrer vnnd als die jenige / ſo mit dem Gefangen zugehalten ha - ben: Saget / er woͤlle die jenige / ſo mit dem Gefange - nem Kuppel / Zangen vnd andere Werckzeug ge - geben haben / daß er ſey darvon kommen / noch wol erfahren vnd ſie alſo ſtꝛaffen / daß ſich andere gewiß - lich daran ſtoſſen ſolten: Alle ſeine Leute werdenhier -153Dibshiſtorien / das II. Buch.hieruͤber ſehr beſtuͤrtzet / ſie wiſſen nicht was ſie dar - zu ſagen ſollen / ſie ſehen einander an vnd iſt jhnen ſo angſt vnd bang / als wann der Himmel Stein regnete: Vnd wiewol ſie alle miteinander ſich vn - ſchuldig wiſſen / jedoch hat ein jeglicher ſorg / das loß fall auff jhn / dann ſie wuſten gar wol / was A - minte fuͤr ein wunderſeltzamer Tyranniſcher Man were Vnter deſſen aber leſt er den Schultheiſſen vnd Obrigkeit deß Orts kommen leſt alles wol heſe - hen / auffzeichnen vnnd auffſchreiben / wie das Ge - faͤngnuß ſey auff geſtanden vnd andere Vmbſtaͤnde mehr / damit er ſich deſſelbigen zu ſeiner Zeit vnnd an gebuͤhrendem Ort koͤnne gebrauchen / vnnd da - mit man jhn im geringſten nicht koͤnne anklagen / als habe er ſeinen Diener vmbbringen laſſen: Wel - ches dann ein ſchreckliche Boßheit an dieſem A - minte iſt geweſen.

Alſo iſt vnnd bleibet aber nun dieſer begangene Meuchelmord ein zeitlang begraben / vnd bildet A - minte jhm ein / es werde nun mehr kein Hahn nicht darnach kraͤhen / Es werde dieſer Stein nimmer - mehr verꝛucket werden: Fanget auch hierauſſ an viel aͤrger / als zuvor von jhm jem als ware geſche - hen / zu hauſen / bedranget die vm bliegende benach - barte Doͤrffer / beſchweret ſie von newen / mit vner - traͤglichen aufflag vnnd Schatzung / alſo daß viel Witwe dardurch gezwungen worden / ihr Tiſch vnd Bette zuverkauffen / damit ſie jhre Schatzung erlegen vnd deß Aminte vnerſaͤttliche begierd vnd Geltgeitz erſaͤttigen: Daruͤber aber ſeufftzen vnnd ſchreyen Witwe vnd Weyſen / jhr Geſchrey vnndK vſeuff,154Beutelſchneider / oderſeufftzen dringet durch die Wolcken vnd koͤmmet fuͤr Gottes Thron / welches dann gar bald den A. minre zur Straffe wird ziehen: Dann alß ſolches Geſchrey vor die Rent Kammer kahme / wie nemb - lich Aminte das Volck ſo gar viel ſolte plagen / wurden zwo vornehme vnd wolqualificirte Perſo - nen geordnet / welche der Sachen richtigen vnd be - ſtaͤndigen Grund ſolten erfahren / welches dann ſo bald geſchahe vnnd wurde Aminte darauff gehn Pariß gefangen gefuͤhret.

Vnder deſſen aber / da man wegen Aminte al - benthalben ließ nachfragen / wahre das gemeine Volck ſo furchtſam / daß ſie nichts wider jhn ſagen wolten: Dann es wuſte ein jeglicher das wol / daß / wann Aminte ſolte loß kommen / wurden die jeni - ge / welche jhn entweder angeklaget oder das ge - ringſt Wort jhm zu wider geredet hette / ſehr vbel anlauffen / ſie wurden nicht allein jhnen ſeinen zorn auff den Halß laden / ſondern ohnfehlbarlich auch vmb jhre Koͤpffe ſpringen muſſen: Alß ſie aber ſa - hen / daß es mit jhm recht ernſt wurde / daß er ge - faͤnglich eingezogen ware / da ware keiner vnder al - lem Volck / der jhm nicht begehrte ein guten ſtoß zugeben / vnd gieng da dem Aminte / wie einem Wolff / welchem / wann er gefangen iſt / alle Hunde den Hindern ſpicken / das iſt / auff welchen alle die Hunde zulauffen vnd jhn beiſſen woͤllen. Vnd daß wir die Warheit ſagen / ſo muß das folgen / daß das gemeine Volck einen groſſen haß wider jn gefaſſet hatte: Dann es funden ſich mehr als fuͤnffhundert Zeugen / welche hernacher offentlichen wider jhnzeu -155Diebshiſtorien / das II. Buch.zeugeten vnd gnugſam bewieſen / wie er das arme Volck hatte bedranget vnd geſchunden.

Er aber verharꝛet nichts deſto weniger fleiff vnd feſt auff ſeinem Nein / er leugnet alles / was man wider jhn angibet vnd außſaget / vnd vnderſtehet ſich die redlichkeit vnd auffrichtigkeit deren uͤber jn geſetzten Herꝛn vnd Richtern zubetriegen vnd ei - nes andern zu uͤberreden: Vber das alles helt man jm vor den Todſchlag ſeines Dieners / vnd ſaget jm / daß niemands anders / als er allein muͤſſe ſei - nen Diener heimlich hingerichtet vnd ermordet haben: Dann wiewol man keine zeugen wider jhn kondte auffſtellen welche ſolches mit Augen geſehn hetten; Jedoch gieng es bey Aminte, wie das alte Sprichwoꝛt lautet: Vox populi, vox Chriſti, das iſt / die Stimme deß gemeinen Volcks iſt die Stimm Chriſti: Wann ein gantze Gemeinde / ein gantzes Volck von etwas reden / ſo muß auff das allerwenigſte etwas daran war ſeyn; Dann jeder - man in ſolcher Gegend vnd Nachbarſchafft hielte darvor / es muſte Aminte ſelber heimlicher weyſe ſeinen Diener hingerichtet haben vnd das ware auch durch vnderſchiedliche vnd gantzglaubliche muthmaſſung ſehr betraͤfftiget: Dann von dem Tage an hatte man nichts von ſolchem Diener gehoͤret oder geſehen welches nicht hette geſchehen koͤnnen / wann er auß dem Gefaͤngnuß were außge - brochen: Dann da wurde ja jemands entweder jn geſehen / oder etwas von jm gehoͤret haben.

Aminte vertheydigt ſich hierwider hefftig / zei - get an / wie der Schulheiß vnd Obrigkeit ſelber dasGe -156Beutelſchneider / oderGefaͤngnuß offen haben gefunden / brauchet aller - ley Spitzfindigkeit vnd Luͤgen / das Gegentheil den Richtern einzubilden: Gibet vor / wann dem je alſo ſeyn ſolte daß ſein Diener ſolte ermordert ſeyn worden / ſo koͤnne es wol ſeyn / daß ſein Gaͤrtner / als welcher ſo bald darauff von jhm were hinweg gegangen vnd entlauffen / ſolches gethan hette: Iſt alſo diſes ein ſolche ſchwere / dunckele vnd verwor - ne Sache / daß die Richter ſelber bald nicht wiſſen wie ſie ſich darinnen verhalten ſollen: Gleichwol die Warheit / welche von den Egyptiern iſt vorge - bildet worden durch die Sonn / welche die Finſter - nuß vertreibet vnd dicke Wolcken zertheilet / wird endlich vns ſehen laſſen / daß ſich nichts vor jhrem hellglaͤntzenden Liecht kan verbergen / wann ſie ein - mal anfanget vnd laͤſt jhre Stralen glaͤntzen vnd ſchimmern.

In dem aber daß diſes alles mit dem Aminte vorgehet / (welches zwoͤlff Jahr nach ſeinem be - gangenen Meuchelmord geſchahe /) Erfahren ſei - ne Freunde / daß der gedachte Gaͤrtner ſolte zwan - tzig Meilen Wegs darvon wohnen: Schicken de - rohalben heimlich nach jhm / zeigen jhm an alles / was mit ſeinem geweſenen Herꝛn vorgehe / verheiſ - ſen jhm nicht allein fuͤnffhundert Kronen / wann er wolle gen Pariß ziehen vnd ſagen er ſey der Die - ner / von welchem jederman ſagte / daß er von ſei - nem Herꝛn Aminte muſte erſchlagen ſeyn wordẽ: (Ich habe euch aber droben ſchon angezeiget / daß der erſchlagene Diener vnd Gaͤrtner einander gar gleich ſahen: Derohalben ſo kundte der Gaͤrtnerſol -157Diebs Hiſtorien / das II. Buch.ſolches mit deſto mehrerm Schein der Warheit von ſich außgeben / bevorab / dieweil vnder deſſen / wie wir auch angeruͤhret / zwoͤlff gantzer Jahr ver - floſſen waren /) ſondern ſie uͤberreden jn auch / daß er auß Hoffnung ſolches Geld zu erlangen / jn ſol - ches zuſpricht vnd verheiſſet.

Er laͤſt ſich wol kleiden / zeugt auff die gethane Verheiſſung gen Pariß gibt ſich bey den Richtern an / zeiget / daß ſein Herꝛ gantz vnſchuldiger weiſe ſey angeklaget woꝛden / wegen eines an ſeinem Die - ner begangenen Todſchlages: Dann er ſelber in der Perſon ſey derſelbige ſein Diener / von welchem man ſolches / wiewol gantz ſaͤlſchlich / habe außge - geben: Es ſey zwar nicht ohn / daß er auß dem Ge - faͤngnuß ſeye außgebrochen vnd habe ſich mit ei - nem Seyl auß dem Gefaͤngnuß heraber gelaſſen; Aber er habe hernach durch vnwiderlegliche Zeug - nuß ſeine Vnſchuld alſo bewieſen / daß ſein Herꝛ wol widerumb mit jme ſey zu frieden geweſen / hab auch ſeinen Herꝛn offtermals vnder deſſen beſu - chet vnd ſey er durch ſeines Herꝛn beforderung zu einen ſolchen Herꝛen den er mit Namen nennete / kommen. Hic nova Judicii facies, Das iſt / hie wiſſen abermals die Richter nicht / was ſie zu den Sachen ſollen ſagen / wie ſie in ſolchen ſchweren Sachen weißlich gnug verfahren ſollen.

Dann es kunde der Gaͤrtner ſeine Sache ſo artig vnd zierlich vorbringen / daß man in dem ge - ringſten keinen Betrug darbey mercken oder ver - ſpuͤren kundte: Man bringet vnd helt jhm fuͤr die Regiſter vnd Brieffe / welche der Diener geſchrie -ben158Beutelſchneider / oderben hatte: Aber er ſpricht / ſolches ſeye ſeine Hand nicht: Man leſt auch Schreiber kommen / jhn den Gaͤrtner als den vermeinten Diener ſelber etwas ſchreiben / aber es findet ſich da kein Gleichheit zwi - ſchen den 2. Schrifften: Jederman ſihet es ſelber / daß es zwo gantz vnterſchiedliche Schrifften ſeyn.

Alſo daß man abermals zweiffelhafftig iſt / uͤber der Sachen / vnd meinet Aminte / er dabt die Rich - ter ſchon wider betrogen vnd werde bald auß jhren Haͤnden kommen: Aber / damit man ja der ſachen guten Grund habe / was deß Gaͤrtners Außſag an - langet / ſo ſchicket man an vnterſchiedliche Oerter / damit man ja alle Particulariteten vnd Vmbſtaͤn - de wol erfahren moͤge / ſo wol was den Gaͤrtner als den ermordeten Diener anlanget. Vnd wie nun die Warheit allzeit flaͤrcker iſt als die Luͤgen? Alſo befindet man / daß alles das jenige / was der Gaͤrt - ner vorgeben hatte / lauter Betrug / Luͤgen vnnd Falſchheit iſt: Wird derohalben der Stab uͤber A - minte gebrochen vnd jm diſes Vrtheil geſprochen: Daß er allenthalben ſoll offentliche Buß thun / vñ jm zu wolverdienter Straff der Kopff abgeſchlagen werden: Was aber den Gaͤrtner anlanget / weil er gantz vorſetzlicher weiſe die Richter betriegen vnd ſeines geweſenen Herꝛn Aminte Mordſtuͤck habt vertheydigen vnd vermaͤnteln woͤllen helffen / ſoll er in dem bloſſen Hembt vnd mit einem Strang an dem Halß ſeinem Herꝛn auff den Richtplatz nach - folgen. Vnd darauß ſehen vnd lernen wir nun / wie die Gottloſen der Straffe Gottes / es geſchehe bald oder langſam / nicht entgehen koͤnnen.

Das159Diebs Hiſtorien / das II. Buch.

Das I X. Capiel.

Von einem erſchrecklichen Meuchelmoꝛd ſo zwen Gewiſſensloſe vnd beruͤhmßte Rauber an einer vornemen Edelfrauen vnd jhrem Junckherꝛn vnd Eheman be - gangen haben.

[figure]

ES iſt das auſſer allem zweiffel vnd gar gewiß / daß die Liebe / wann ſie einmal inndem160Beutelſchneider / oderdem Hertzen deß Menſchen iſt Meiſter worden vnd helt vnſer Vernunfft gefangen vnter der ſchaͤrpffe jrer Geſetze ſie ſeltzame Wirckung hat vnd mit ſich bringet Dann ſie uͤber vnd beweiſet an vns das al - lerſchreck licheſte / daß ſie nur kan erdichten vnnd er - finden; Aber da iſt kein Toben vnd Raſen zu ver - gleichen der Zaumloſen vnd verzweiffelten Vnſin - nigkeit / welche ein von Lib eingenommener Menſch als dann hat vnd erfaͤhꝛet / wann er muß ſehen / daß er von dem jenigen / ſo er doch ſo hertzlich lieb hat / noch gering geſchaͤtzet / ja gar verſpottet vnnd ver - achtet wird: Ja daß die ſchmaͤhliche Verachtung ſoll ein Belohnung ſeiner getragenen Liebe ſeyn: Dann wann die verzweifflung vnd Hoffnung ſich antreffen vnnd zuſammen ſtoſſen / wann man ſich auch erinnert / deſſen was geſchehen iſt / vnd ſolches helt gegen dem / was zu gegenwertiger Zeit vorge - het / dardurch wird im Gemuͤht deß jenigen / der von Lieb iſt eingenommen / ein ſolches ſchreckliches Vngewitter erwecket / daß er nicht Straff genug kan finden / ſeine Vnſinnigkeit vnd Rache zuerſaͤt - tigen. Wir haben deſſen ein ſolches wunderliches vnd zugleich friſches Exempel geſehen an der Per - ſon deß Clario, eines uͤber alle maſſen ſpitzfindigen Diebs / (dergleichen wol nie in der Welt iſt gewe - ſen /) daß wer die alte Hiſtorien wolte deßwegen auffſchlagen vnd durchblettern / damit er beweiſen moͤge / was wir Eingangs allhie geſagt haben / der thete nichts anders / als wann er wolte den Hanni - bal zu Chartagine ſuchen / da er doch an vnſern Pforten iſt anzutreffen.

Dann161Diebs Hiſtorien / das II. Buch.

Dann wie jhr ſelber durch leſung dieſer Hiſto - rien werdet erkennen / ſo kone met all das Vngluͤck dieſes jungen Champagner von nichts anders / als von Lieb her.

Dieſer Junge Menſch war von einem ſehr ehr - lichen vnd vornehmen Geſchlechte / deſſen Namen vnd Reputation ich allhier nicht will beſchmuͤtzen (vnd deßwegen hab ich auch dieſem jungen Men - ſchen den Namen Clario gegeben) vnnd lieſſe ſich in ſeiner jugend ſehr wol an / alſo daß jederman eine gute Hoffnung von jhm ſchoͤpffete / hatte auch das anſehen / als wann er gar verſchlagen were: Als er aber das ſiebendaß ehende Jahr erꝛeichet hatte / fienge er an zu fuͤhlen die ſtechende Pfeile deß Gottes der Liebe / vnd wurde in ſeinem Hertzen durch Lieb ſehr verwundet: Er gienge von einer Geſellſchafft zu der andern / hielte ſich fleiſſig zu den Weibern vnnd Jungfrauen / ware luſtiger Natur vnd gabt allzeit zur vrſach Froͤligkeit / alſo daß ſein dapfferer Muth vnd Kuͤhnheit vieler Jungen vnnd ſchoͤnen Toͤch - ter Gunſt inn ſeiner Statt erlangete? Es reiſſen vnd zancketen ſich die Jungfrawen vmb jhn / vnd hette gern ein jegliche jhn zu jhrem Schatz gehabt: Aber an ſtatt daß er ſie widerumb ſolt lieb gewin - nen / verachtete er jhrer aller ſeufftzen vnnd klagen vnd warffe ſeine Liebe auff die ſchoͤnheit der Clori - de / einer jungen vnd ſchoͤnen Edel Jungfrawen / ſo in ſolcher Statt auch wohnete / vnd begehrte der - ſelbigen allein ſeine Geluͤbde zu opffern: Aber alle ſeine Seufftzen vnnd trawrige Beklagung kundte nicht erweichen das vnbarmhertzige Hertz dieſerLſchoͤ -162Beutelſchneider / oderſchoͤnen Jungfrauen / welche gleichſam ein Ab - ſchewen hatte jhn zuſehen oder mit jhme dem Clarlo zu reden / vnd achtete ſie ſeiner gar nichts / wie er es hergegen anderen Jungfrauen / ſo jhn lie - beten / auch machte.

Dieſes goſſe jhm nun die Verzweiffelung in ſei - ne Seele: Er laͤſt zwar durch ſeine Freunde Clori - de zu Ehren begehren / aber es iſt alles vmbſonſt: Sie hat gantz vnd gar keinen Luſten zu jhme. Sie will vnd mag jhn nicht haben.

Vnd iſt allhier vnmuͤglich euch zuerzehlen / wie dieſer junge Menſch dieſer Jungfrawen halben ſo hefftig anhielte / vnnd was er fuͤr Mittel erdachte / damit er ſie moͤchte bekommen: Es iſt gnug allhie zu ſagen / daß ſein lebelang kein Menſch verliebter iſt geweſen / als eben dieſer junge Menſch gegen der jungen vnd ſchoͤnen Edel Jungfrawen / vnd wann er ſich nicht beſorget hette / er moͤchte ſeinem ehrli - chen vnd vornehmen Geſchlecht einen Schandfle - cken anhencken / oder ſich in groſſes Vngluͤck vnd Gefahr ſelber ſtuͤrtzen / ſo hette er es gewaget vnnd mit Gewalt geſuchet / was er mit Liebe vnd gutem Willen nicht kundte erlangen: Aber dieſe Furcht verurſachete / daß er ein anderen boͤſen Anſchlag jhm in ſeinem Hertzen vornahme: Dann auß groſſer Vnſinnigkeit / in welche er geriethe / dieweil er ſeiner Liebe nicht kundte genieſſen / verlieſſe er ſei - ne Freunde vnnd Vatterlandt / vnnd zoge gehn Pariß.

Als aber das Geld verzehrẽt vnd dahin ware / fienge er ein ander Handwerck an vnd begabe ſichzu163Diebs Hiſtorien / das II. Buch.zu ſolchen boͤſen ſachen / welche er ſonſten vnd zuvor ſelbſten hatte verfluchet vnd verdammet: Dahin geriethe er aber durch die Vnſinnigkeit ſeiner Lie - be / vnd fiele endlich auß einem Vngluͤck in das an - dere.

Als er aber nun in die Diebs Geſellſchafft auff - genommen vnd auffgeſchrieben ware / name er durch die wenige Hoffnung / ſo er wegen eines beſ - ſern Gluͤcks hatte / Vrſach ſich zu boͤſen dingen zu - begeben: Da redete man von niemands andern als von dem Clario: Er gienge bey Tag vnd Nachs auß zu ſtehlen / vnd ware da kein Ort / da er nicht ein Merck zeichen ſeiner argliſtigen Dieberey hin - derlieſſe: Er ſchnitte die Beutel ab / er uͤberdoͤlpelte die Einfeltigtn / Er erdappet die Bauersleute / Er betroge die jenige / ſo friſch zu Pariß waren ankom - men: Ja er machte ſich auff der Kauffleute Vn - koſten allenthalben bekant vnd ſehr beruͤhmt: Vnd muͤſte ich allhier ſehꝛ viel Zeit haben / wann ich euch wolte vnd ſolte alle die Bubenſtuͤck / ſo er mit den andern Filous oder Beutelſchneidern begienge / er - zehlen: Dann ſie gebrauchten ſich ſeiner / wie auff ein zeit der Affe deß Haſenpfotten gebrauchte / die Kaſtanien auß der Aſchen zu ziehen / vnd wie es ge - meiniglich die Becker machen / welche die Offen - gabel gebrauchen daß ſie das Brodt darmit auß dem Offen ziehen:

Alſo gebrauchen die Beutelſchneider ſich deß jungen Glario / alle jhre Vorſchlaͤge durch jhn in das Werck zu ſetzen vnd außzurichten / vnd weil ſie ſahen / daß er Hertzhafftig ware / vnd es ohn alleL ijFucht164Beutelſchneider / oderFurcht hinein wagte / muſte er alles das jenige / was ſie in jhrer Zuſammenkunfft vnd erbarem weyſen Raht ſchloſſen / außrichten / alſo daß in kurtzer Zeit er fuͤr den beſten vornembſten Beutelſchneyder vnd fuͤr den loͤſeſten Schelmen / ſo in Pariß ware zufin - den / gehalten wurde. Vnder deſſen aber truge es ſich zu / daß Cloride deß Clario Lieb verachtet hat - te / welche zuvor ſich verheurahtete an einen an - dern vom Adel auß Champagne / vnd verhielten ſich dieſe beyde angehende Eheleut alſo / daß jeder - man hoffete / es wuͤrden jhre Freund alle Freude vnd Troſt an jhnen erleben. Aber wie der Edelman ſich fleiſſig zu Hoff hielte / (dann er hatte auch an / Koͤniglichen Hoff ein gewiſſes Ampt /) alſo gerie - the er auff ein Zeit in einen Streit / mit einem ſei - ner Mit geſellen / forderten einander herauſſer vnd erſtache dieſer Edelmann den andern ſeinen Geſel - len: Er wurde aber ſo bald von deß erſtochenen Freundſchafft ſo hart verfolget / daß er endlich erdappet / vnnd gehn Pariß gefungen gefuͤhret wurde.

Als nun Cloride ſolche trawrige Zeitung er - ſaͤhret / machet ſie ſich auff auß jhrem Land vnnd zeucht gehn Pariß / helt an fuͤr jhren Eheman / vnd erdencket alles / was jhr Menſchlich vnnd moͤglich iſt / jhrem Ehemann das Leben zu erhalten: Sie gehet zu der Obrigkeit vnd Richtern / erdencket al - lerley Mittel jhren vorgeſetzten Zweck zu erreichen / hoffet / ſie woͤlle durch jhre Freundliche vnnd liebli - che Wort die ſchoͤne Lichter / deren glantz ſich in die aller weit abgelegeneſte Provintzen vnnd Laͤnderder165Diebshiſtorien / das II. Buch.der Erden außſtrecket / verfinſtern vnnd verblen - den.

Als ſie nun in der Statt Pariß alſo auff vnd ab gehet / erſihet ſie auff ein zeit Clario in der Gaſſen S. Jacques / vnd ſo bald klopffet jhm ſein Hertz / die Farb im Angeſicht verendert ſich: Er erinnert ſich der vorigen Liebe / ſo er zu ihr hatte getragen / Er kan ſich nicht enthalten / er muß dieſe Junge E - delfraw wohl anſehen: Sie aber nimmet nicht wahr / daß dieſer Beutelſchneyder (welcher jhr von einer Gaß zu der andern nachfolget / hatte die Naß in den Mantel eingewickelt vnd wolte außſe - hen / wo ſie hingienge / vnnd warumb ſie ware gen Pariß kommen /) ſie ſo wol an ſiehet: Endlich a - ber als ſie nah zu S. Yves kommet / ſihet er / daß ſie mit einem Hoff Procuratore redet wegen jhres ge - fangenen Ehemanns Sachen vnnd Rechtferti - gung / gehet derohalben auch herbey vnd lauſtert / was ſie miteinander reden: In dem er aber alſo zu - hoͤret / vernimmet er / daß ſie den nechſtfolgenden Sambſtag ſoll vnd muß widerumb nach hauß zie - hen vnd fuͤnffhundert Kronen holen: Dann man ſetzte jhrem Ehemann ſo hart zu / daß / wann ſie nit wuͤrde eylends zu den Sachen thun / er vmb ſein Kopff moͤchte ſpringen: Als er nun ſolche newe Zeitung anhoͤret / ſchleichet er ſich allgemach wi - der darvon / vnd ſetzet jhm vor / er woͤlle ſich an der Cloride / wegen deß Schimpffs vnd verachtung / ſo jhm von jhr war widerfahren / rechen.

Er erwartet der vorgenommenen vnnd ange - ſtelten Zeit: Macht ſich auff vnd zeucht hinwegL iijden166Beutelſchneider / oderden Sambſtag / da ſie auch ſoll auff ſeyn / begibet ſich mit ſeinem Geſellen auff den Weg nach Cam - pagne: Aber ſie begeren fuͤr dieſes mal jhr boͤſes Vornehmen nicht ins Werck zu ſetzen: Dann ſie gedencken alſo bey ſich ſelber: Wann ſie die Clori - de ſo bald vmbbringen / ſo koͤnnen ſie keine andere Beut als jhren Leib darvon haben / dann ſie ſolte erſt hin ziehen vnd Geldt holen: Derohalben ſo machte die hoffnung (welche ſie haten / daß ſie ver - meinten ſie wolten die Cloride / wann ſie mit dem Geldt widerumb gen Pariß wolte ziehen / uͤberfal - len vnnd jhr die fuͤnffhundert Eronen abnemen) daß ſie anders Sinnes wurden / vnd jhr boͤſes vor - nehmen biß auff andere vnd beſſere gelegenh[i]it ver - ſpareten: Sie gehen auß jhrem hinderhalt / da ſie ſich an einer Waldt Ecken verſtecket hatten vnnd laſſen Cloride welche an nichts wenigers als an ſie dachte / fuͤruͤber gehen: Damit jhnen aber gleichwol der Braten nicht entgehe ſo laͤſt Clario der Cloride nachfolgen durch ſeinen Geſellen / welcher jhr vol - lends ein Champagnen nachzeucht / damit er moͤge außkundtſchafften / wann ſie widerumb nach Pa - riß werde ziehen: Vnd wañ er ſolches wuͤſte / wol - le er ein friſches Pferdt entlehnen vnd es dem Cla - rio zu wiſſen thun / dann Clario hatte jhm vorgeſe - tzet er woͤlle ſie vmbbringen vnd ſich an jhr rechen / deßwegen / daß ſie jhn verachtet vnd nicht zur Ehe hatte haben vnd nemen woͤllen.

Dieſer Vorſchlag wirdt auch in das Werck ge - ſetzet: Vnnd als Clario die Zeit weiß / da Cloride ſoll widerumb gen Pariß ziehen / macht er ſich auffvon167Diebshiſtorien das II. Buch.von Ponthoiſe, da er deßmals in deß Capitain Corfoirs (welcher zu derſelbigen zeit gar bekandt ware: Dann er bedrangete das gantze Land Vexin, gar ſehr: Er preſſete die arme Bauersleute / daß ſie jhm / was ſie nur erſcharꝛen vnd erkratzen kundren / geben muſten / wie wir in Beſchreibung ſeines boͤ - ſen Lebens angehoͤret haben) Geſellſchafft ware.

Als er nun mit ſeinem Geſellen auff Cloride lauſtert vnnd bedencket ſich mit jhm auff allerley mittel / wie er doch Cloride argliſtiger weiſe erdap - pen vnd machen moͤge / daß ſie jhm in ſeine Garn falle / ſaget er zu ſeinem Geſellen / welcher ein uͤbe - ler boͤſer vnd verſchlagener Schelm ware: Wann er die junge Edelfrau ſehe daher kommen / ſolle er jhr entgegen gehen / ſie freundlich empfangen / ja ſich ſtellen vnd ſie auch uͤberreden / er ſey jhr Vet - ter / vnd gehoͤre jhm das nechſte Schloß zu: Dann er hoffe / durch ſolche betriegliche Wort werde er ſie bewegen koͤnnen / daß ſie jhm in den Wald nachfol - ge: Vnd wann ſie Cloride in den Wald bekom - men / wollen ſie darnach offentlich mit jhr ſpielen / vnd die Maßquen oder Larven abziehen. Dann er woͤlle ſich nicht ſehen laſſen / biß daß er wircklich ſein meineydiges vornehmen an jhr koͤnne voll - bringen.

Filandre (dann alſo hieſſe deß Clario Geſell) folget dieſem Rath vnd Voꝛſchlag / gehet mit einem kleinen Staͤblein / als wolte er auff die Jacht ge - hen / auff dem Weg auff vnd ab ſpatziren / vnd als er Cloride erſihet / gehet er jhr entgegen / empfan - gen ſie freundlich / vnd redet ſie mit dieſen wortẽ an.

L iiijO Gott168Beutelſchneider / oder

O Gott mein liebe Baaß / wer hette heut dieſen Tag ſolches gꝛoſſes Gluͤck hoffen koͤnnen / daß ich euch allhie ſolte antreffen? Fuͤrwar / ich habe dem Gluͤck ſehr darvor zu dancken: Ir kennet mich viel - leicht nit / vnd ich hab euch doch vil in eweren ſchwe - ren Sachen gedienet ſonderlich aber / was meinen Vettern ewern lieben Herꝛn vnd Junckern anlan - get: Dann geſtern bin ich zu dem Koͤnig gangen vnd habe Gnad vor jhn erlanget / vnd hat man mir geſagt: Ihr ſeyt heimgezogen vnd woͤllet Geldt ho - len / welches jhr dem Anklager zu ſeiner befriedigung ſollet geben / aber Gott ſey lob vnd danck / das Haupt - ſtuͤck iſt nunmehr verꝛichtet: vnd dieweil ich euch e - ben zu rechter zeit antriſſe / ſolt jhr nicht fuͤruͤber ge - hen / ſondern wann es euch beliebet inn dieſem mei - nem Hauſe / das jr vor euch ſehet / ein armes ſchlech - tes Mittagmal genieſſen helffen: Dann meine Haußfraw wuͤrde gar vnwillig werden / wann jhr voruͤber ziehet vnd ſie nicht beſuchen wollet.

Cloride verwundert ſich ſehr / daß ſie von dem Filandre ſo freundlich wird empfangen vnd ange - redet: Sie weiß ſelber nicht was ſie darzu ſoll ſagen oder gedencken: Sie weiß wol daß ſie in ſolcher Ge - gendt Freund vnd Verwandten hat / vnnd das jh - res Ehemans Freund auch allda gewohnet haben / aber ſie hat jhr lebenlang den jenigen / der ſie alſo an - redet vnd jhr ſolche vnterſchiedliche Sachen / ſon - derlich aber / was jren Ehemann anlanget / erzehlet / mit Augen nit geſehen: gleichwol aber wird ſie hertz - lich frob da ſie anhoͤret die newe Zeitung / ſo Filan - dre jhr von jhrem Junckhern erzehlet vnnd daß erbey169Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.bey dem Koͤnig ſolte Gnad erlanget haben / derohal - ben ſpricht ſie alſo zu jhm.

Mein Herꝛ / wiewol ich noch niemalsdaß Gluͤck vnd die Ehr gehabt habe euch zu ſehen vnd zu ken - nen / jedoch ſo verurſachet die Hoffnung / die jhr von der Gnad / ſo mein Eheman ſoll erlanget haben / mir machet / daß ich tauſentmal geſegne den Tag / daß ich euch habe angetroffen: Dann das kan ich wol mit warheit ſagen / daß ſeit der Zeit / da ich von Pa - riß bin außgezogen / vnd ich nicht hab ſehen koͤnnen den jenigen / welcher die Vrſach meiner Reiſe iſt ge - weſen / hab auch ſonſten keine Zeitung von jhm ge - hoͤret / mich gedeucht hatte / die ſtunde ſeyn nit allein zu Monden / ſonder gar zu Jahren worden: Bitte euch derohalben / jhr woͤllet mich fuͤr entſchuldiget halten / daß ich bey euch fuͤr dißmal nit kan bleiben: Dann wann ich mich nur ein wenig auffhalte / ſo iſt es mir vnmoͤglich / heut noch gen Pariß zu kom - men / welches ich dann noch gern thun wolte / wann es euch beliebete mich gehen zulaſſen: Dañ ich ver - ſpreche euch / daß mein Ehemann vnd ich / wann wir wider vmbkehren werden / euch gewißlich beſu - chen woͤllen.

Meine liebe Baaß / ſagt hierauff Filandre / es iſt verlohrne Arbeit / daß jhr mir ſolche Geſpraͤch hal - tet: Dann ich laſſe es nicht zu / daß / wie jhr ohne das ſo nah bey meinem Loſament voruͤber reyſet / jhr mich nicht zu Hauß beſuchen ſollet: Vnd wann das mein Haußfraw erfuͤhre / daß ich euch nit mit mir hette heimgefuͤret / ſo wuͤrde ſie zornig werden vnd mir in vierzehen tagen nicht zu reden: DannL vmeine170Beutelſchneider / odermeine Haußfrawe hat mir nun bald ſechs gantzer Monat angelegen / ich ſolte doch einmal nach vnſer lieben Frawen de Lieſſe ziehen / damit ich bey euch voruͤber ziehe / vnd ewern Herꝛn / meinen lieben Vet - ter beſuche: Derohalben ſo bitte ich dienſtfreund - lich / jhr wollet mir dieſes fuͤr diß mal nicht abſchla - gen: Ihr ſollet mein ſchlimm Hauß vnnd Schloß beſehen: Aber alles / was darinnen iſt / das ſtehet zu ewerm Dienſt / wie auch der Herꝛ deß Hauſes ſel - ber.

Weil jhr mir dieſen gefallen erzeiget / antwortet Cloride / kan ich es euch nicht wol abſchlagen / dann das hieſſe ſich gantz vnhoͤfflich auff ſolche freundli - che Bitt vnd Einladung erzeigen: So wolte ich oh - ne das gern meine liebe Baaß / ewere Haußfraw ſe - hen / beſuchen vnd kennen lernen / dieweil ich doch noch niemal das Gluͤck vnd Ehr gehabt habe ſie zu ſehen vnd mit jhr vmbzugehen.

Auff dieſe Wort fuͤhret ſie Filandre ſtracks zu dem Wald / darinnen Clario jhrer mit feſtem Fuſſe wartete vnd wolt ſie lernen erkennen / wie ſein Zorn / den er wider ſie hette gefaſſet / ſo groß vnd vnertraͤg - lich were.

Hier aber in dem voruͤbergehenden haben wir zu mercken die Schwachheit dieſes Weibs / welche ſich ſo leichtlich laͤſt uͤberꝛeden vnd bewegen / wie die Fahnen auff den Haͤuſſern von dem Wind: Sie hat jhren Kopff gantz voll Wind / vnd koͤndte Vlyſ - ſes ſie fuͤr eine blaſe gebrauchen ſeine Wind darein zu thun / welche ſonſten der Æolus oder Koͤnige der Winden in ſeine Windechte Hoͤlen pfleget einzu -ſchlieſ -171Diebshiſtorien / das II. Buch.ſchlieſſen: Dann man bedarffe nicht mehr als ein wenig Stroh / die Weiber von jhrem Wege abzu - wenden: Saget nur zu jhnen / jhr habet ſie ſonſten einmal geſehen / ſo werden ſie es ſo bald glauben / vnd werden ſich ſelbſten uͤberꝛeden / es ſeye nahe Ver - wandtſchafft: Dann jhr zimlich alt ſeyt / vnnd habt vor der Zeit nahe bey jhrer Mutter gewohnet / doͤrf - fen ſie euch wol vor jren Vettern halten / dieweil ge - meiniglich jederman mit jhrer Elen wird abge - meſſen: Gebt jhr jhnen ein freundliches Geſicht vnd Anblick / ſo werden ſie glauben / jhre Anblick ſeyn ſo krefftig vnnd maͤchtig daß ewer Fett darvon zer - ſchmeltze vnd gar zu einer Bruͤ werde: Ja ſie doͤrf - fen jhnen dann einbilden ewer Hertz ſeye durch ihre ſchoͤnheit mit lib alſo gefangen vnd eingenommen / daß jr nicht mehr kennet leben / wann jr jrer Lieb nit koͤnnet genieſſen: Gebet jhn nur ein freundliches liebliches Wort / ſo werdet jr machen / daß ſie ſo bald hinderſich auff die Verſen fallen: Jr werdet mit dem Ariſtorele, als mit dem Außbund vnter allen Philoſophen / ſelbſt ſagen vnd erkennen muͤſſen / daß auff dieſer Welt vnnd auff dem gantzen Erdbodem nichts ſchwaͤchers / nichts beweglichers / nichts vn - beſtaͤndigers / nichts wanckelmuͤtigers iſt als ein Weibsbild? Dann jr kennet ſie wol uͤberꝛeden / es ſey vmb Mittag ſtick finſter / vnd ſchwartz ſey weiß / weiß ſey hergegen ſchwartz. Summa / ein Weibs - bild iſt ein ſchwaches elendes Werckzeug / ein Form vnd Muͤſter ohne Muſter / Irꝛend / uͤbel gemacht / vngezogen / uͤbel gefuͤhret / uͤbel zuſammen geſetzet vnnd hat allerley Vnvollkommenheit an ſich / ſoman172Beutelſchneider / oderman in der Welt kan finden oder erdencken.

Lieber ſaget mir / ich bitte euch / Cloride, welche ſich vor die vollkommenſte vnnd verſtaͤndigſte in gantz Champagnen hielte / was hatte ſie fuͤr vrſach / daß ſie dem Filandre in einen dicken gefaͤhrlichen Wald nachfolgete / nur allein deßwegen / daß er vorgeben hatte / er were jhr Vetter: Sahe ſie nicht fuͤr ſich den vnfreundlichen finſtern Walde: Kun - de ſie nicht gedencken / daß / wann jhr ein Vngluͤck in ſolchem Wald ſolte begegnen / ſie keinen Men - ſchen kuͤndte vmb huͤlff anſchreyen / ſondern muͤſte in der Gefahr ſterben vnd verderben Noch gleich - wol gehet ſie mit dem Beutelſchneider vnnd ge - dencket nit an die ſchreckliche groſſe Gefahr / darin - nen ſie ſich ſelber ſtuͤrtzet? kan ſie nicht gedencken / daß ein Betrug ein Bubenſtuͤck muͤſte darhinder ſtecken / in dem daß ſich der erſchreckliche Minotau - rus, den ſie jhr lebenlang nicht mehr hat geſehen / ſo freundlich gegen jhr ſtellet? Aber ſie wird gar bald erfahren / daß man von den Citronen vnnd Melo - nen nicht nur auß der bloſſen Schelen muß vrthei - len / ſonder daß man ſie inwendig wol muß beſehen vnd den Grund wol erfahren.

Dieſe junge Edelfrau hatte bey ſich ein Laqueyen ſo vngefehr 12 oder 13 jahꝛ alt war / derſelbige mer - ckete es ſo bald /daß die Sach nit richtig ware / ſonder daß Filandre ſeiner Frauen wolte ein Bubenſtuͤck beweiſen: Derohalben ſo ſagt er es jhr auch / vnd ba - te ſie / weil ſie den vermeinten Vetter jhr lebenlang nicht mehr geſehen hette / ſolte ſie ſich durch jhn von ihrem Wege nicht abwenden laſſen / vnd wann ſie ſich nur ein wenig auffhielte / koͤndte ſie den Tag173Diebshiſtorien das II. Buch.nicht gen Pariß kommen: Aber dieſe Erinnerung vnd Vermahnung galte nichts bey dieſem fliehen - den Kopffe: Sie meynet jhr gut Hertz vnd Ver - trauen werde ſie auch vor allem Vngluͤck vnd Ge - fahr behuͤten: Gleichwol aber da ſie in den Wald hinein gehen / (gleich als wann Gott ſelber jhr hette ein heimliche wahrnung geben vor dem Vngluͤck / das man jhr zubereitete) kommet ſie / ich weiß nit / was fuͤr eine kalte furcht ahn / welche jhr durch alle Glieder gehet / vnnd wird jhr darauff ſo angſt vnd bang /daß ſie gantz bleich vnder dem Angeſicht wird / vnd zu ſolcher furcht kame hernach der Argwohn den ſie von jhrem Vngluͤck hatte: Dann ſie mer - ckete wol / daß ſie Filandre nicht ſtracks zu dem Schloß / welches er jhr im Anfang gewiſſen hatte / zu fuͤhrte / ſondern daß er ſie je laͤnger je mehr in den dicken finſtern vnd vnfreundlichen Wald hinein fuͤhrete / derohalben fragte ſie jhn / ob das der rechte vnd ſtracke Wege zum Schloß zu were? Er ant - wortete jhr aber vnd ſagte: Es were zwar nicht der ſtraͤckeſte / aber doch der ſchoͤnſte vnd beſte Wege: Vnnd hette nichts zu bedeuten / daß ſie ein wenig von dem Wege abgewichen wehrn: Dann er thaͤte es darumb / damit ſie nicht durch ſo viel Waſſer gehn duͤrfften / dann den vorigen tage hatte es gar ſehr geregnet: Aber alſo kamen ſie je laͤnger je mehr in den Waldt vnd hette gewolt / daß ſie weit von jhme were geweſen: Dann je mehr ſie in den Wald hinein kame / je mehr erſchreckete ſie das / daß es ſo ſtill vnd vnfreundlich vmb ſie hero wahre: Doch hatte ſie noch alle weil ein kleines fuͤncklein der hoff -nung174Beutelſchneider / odernung inn jrem Hertzen: Dann Filandre hatte ſol - che gute vnd freundliche Geſpraͤch mit jr / er erzeh - lete jhr ſo viel vnterſchiedliche dinge / daß ſie es fuͤr ein groſſes Laſter ſelber hette gehalten / nur allein zu gedencken / daß er ſie ſolte oder wuͤrde inn Vngluͤck oder Gefahr fuͤhren.

Als ſie aber nun alle drey mitten in dem finſtern vnd dicken Wald ſe〈…〉〈…〉 n / da man dann nichts anders als groſſe Baͤum / allerley Geſtreuch / finſtere hoͤlen fuͤr ſich ſahe: Sihe da kommet Clario / (welcher ſich an ſolchem Ort verborgen hatte / der Jungen E - delfrawen das Garn zu ſtellen / vnd ſie zu fangen /) gantz vermummet vnnd mit einem Degen inn der Hand herfuͤr geſprungen: Fanget an / fluchet vnnd ſchweret bey Himmel vnd Erden / Er wolle von jh - nen allen beyden den Beutel ſampt dem Gelt ha - ben: Der junge Laquey / welcher ſeiner Frawen Pferd bey dem Zuͤgel fuͤhrete / entſpringet ſo bald vnd laufft darvon / vnd laͤſt ſeine Fraw Cloride mit - ten vnter dieſen zween reiſſenden Woͤlffen.

Filandre nimmet ſich an / als kenne er den Cla - rio nicht: Saget zu Cloride ſie ſolle deßwegen nicht ſo forchtſam ſeyn: Dann wann der Dieb nur al - lein ſeye / wolle er ſeiner wol maͤchtig vnnd bald mit jm fertig werden: Sie ſolle nur von dem Pferd abſteigen / es mit dem Zuͤgel an einen Baum bin - den vnd ſich als nur hinder jhm halten / dardurch dann Cloride abermals eine neue Hoffnung in jrem Hertzen bekame: Dann ſie meinete / Filandre were doch noch trew gegen Jr: Sie gedachte nicht / daß das alles ſolte oder koͤndte angeſtelt ding ſeyn.

Erſt -175Diebshiſtorien / das II. Buch.

Erſtlich zwar ſahen vnſere zween Beutelſchnei - der ſich vntereinander gar ſawer an / vnd hatte das anſehen / als wann einer dem andern das Leben gar nehmen wolte: Der klang jhrer Daͤgen / ſo ſie zu - ſammen ſchlugen / machte daß Cloride zu ruͤck wi - che / vnnd vnter einen groſſen Baum ſtellete zu ſe - hen / was es fuͤr einen außgang gewinnen vnd was das gluͤck mit jhrem Leben fuͤrnehmen wuͤrde: Aber der Streit dieſer zwen Kempffer werete nicht lang: Dann Filandre ſtellet ſich / als kenne er ſich nicht lenger wider den Clario wehren / nimmet die Flucht lauffet hin vnd verbirget ſich bey der Cloride: End - lich aber da legen dieſe zween Hencker jhre Daͤgen auff ſeiten / fallen uͤber dieſe arme Edelfraw / ſtoſſen jhr ein Wiſchtuch ins Maul / damit ſie nicht laut koͤnne ſchreyen / oder wann ſie ſchon ein wenig ſchreye / daß es niemandts inn ſolcher gegend koͤnne hoͤren.

Hie ſtehet nun ſtill jhr zween meineydige Schel - men / vnnd wann jhr noch ein Blutstropffen Menſchliches Gemuͤhts in euch habt / ſo hoͤret an die trawrige klage / die ſtumme Saͤufftzer der jeni - gen deren jhr den Mund zu haltet: Erinnert euch / daß jhr auch Menſchen ſeynt / wann euch anderſt die Natur nicht ein Tyger oder Loͤwenhertz hat ge - geben? Habt jhr wol das Hertz ein ſolche That vor zunehmen / dardurch dieſer jungen Frawen jhr Zucht / Ehr vnd Keuſchheit / die ſie ſo lange Zeit inn jhrem Hertzen hat verwahret / wird geraubet vnnd geſtolen? Iſt dem alſo / O Gott / O ſo ſchlag doch mit Donner vnnd Hagel dieſen Schelmenauff176Beutelſchneider / oderauff jhre Gottloſe Koͤpff / Laß ſich doch die Erden auffthun / auff daß ſie die Hell lebendig verſchlinge / dann du kanſt ſonſten deinen Donner / Hagel vnd Fewer nicht beſſer anwenden. Das ſeyn new Tita - nes welche durch jhre ſchreckliche Laſter jr Gewalt vnd Reich groß machen / vnd ſich dir ſelber woͤllen widerſetzen: Das hieſſe / auff einen ſtreich dem ſchaͤd - lichen Thier Hidræ / welches vns ſeinen ſchaͤdlichen Gifft vnterſtehet / beyzubꝛingen / den Kopff abhauen.

Alle diſe Gedancken kundten bey diſen vnmenſch - lichen Tyrannen kein ſtart finden: Sie vergeſſen al - ler Gottsforcht vnd Barmhertzigkeit / ſie tretten mit Fuͤſſen die Guͤte vnd Liebe: Sie werffen dieſe arme junge Edelfraw nider zur Erden / welche / weil ſie nicht mehr kan reden / ſtrecket ſie jhre Arm auß ſie vmb Barmhertzigkeit anzuruffen / aber das wil keine ſtatt bey jhnen finden: Mit groſſen Kordeln binden ſie dieſe arme Edelfraw an vier kleine Baͤumlein ſo ſtarck / daß die Kordeln ſchier jhr jhre zarte Haͤnd - lein hette durchſchnitten.

O lieber Gott / muß dann meine Feder ſich noch lenger auffhalten / in Beſchreibung eines ſo trawri - gen Spectackels? Muß ich allhier beſchreiben den Leſern / ſo dieſes Blat werden leſen mit was fuͤr vn - ſinnigkeit dieſe zwen hungerige Loͤwen dieſe arme Cloride empfangen vnnd tractiret haben? O jhr Baͤume in dem Wald jhr wiſſet es? Hettet jhr euch regen / bewegen / ſchreyen oder reden koͤnnen / ſo hettet jhr ſelber dieſer armen Eloride vngluͤck beweinen muͤſſen: Dann da kan ich wol ſagen / daß ſie alle jre Rach / Zorn vnnd Vnſinnigkeit uͤber dieſer armen Cloride lieſſen außgehen.

Wie177Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.

Wie es nun der Cloride ſehr weh thete / nicht al - lein / daß ſie ſich auff deß Filandre Wort hatte ver - laſſen / ſondern / daß ſie ſich ſolte ſchaͤnden laſſen? Alſo thete jhr das noch mehr weh / daß ſie den je - nigen / der mit ſolcher Vnſinnigkeit alle Gelegen - heit ſie zu toͤdten ſuchte / nicht kundte erkennen: A - ber da er nun ſeine Larven abgezogen vnd ſich ent - decket hatte / da erkandte ſie jhn vnd wurde daruͤber noch mehr erſchrecket vnd beſtuͤrtzet: Sie meinete / der Todt ſolte ſie ankommen: Dann ſie wuſte das ſelber wol / daß die Liebe ſich in Rach vnd verzweif - felung verkehret / vnd daß ein Liebhaber / wann er ſi - het / daß er noch von der jenigen / ſo er liebet / wird verachtet / daruͤber gantz toll vnd raſend wird / alſo / daß er vornimmet alles / was jhm ſeine Vnſinnig - keit eingibet: Sie ſahe vor jhren Augen den jeni - gen / deſſen gegenwart jhr allezeit war widerſpen - ſtig / gefehrlich vnd verhaſt geweſen: Sie ſihet das Blut vnd den Meuchelmord an ſeiner Stimme / den Zorn in ſeinen Augen vnnd die Vnſreundlig - keit in ſeinen Worten.

Endlich aber da arbeitete vnd bewegte ſich Clo - ride ſo ſehr / daß ſie das Wiſchtuch / (ſo ſie jhr inn den Mund geſtecket hatten / damit ſie nicht ſchreyen vnd ruffen koͤndte /) auß dem Mund hinweg thete / vnnd fienge alſo an zu dieſen Tyrannen zu ſeuff - tzen vnd zu ſagen. Ihr vnmenſchliche Tyrannen / die jhr ſeyt / es iſt moͤglich / daß jhr ſo ſchrecklich / ſo vnbarmhertzig / ſo barbariſch ſollet vmbgehen mit einer armen Weibsperſon / die euch einen Fußfall thut vnd euch vmb jhr Leben ſo hertzlich hittet: VndMdu /178Beutelſchneider / oderdu / ôClario, wann hie bevor die Liebe / welche du zu mir haſt getragen / noch ein Fuͤncklein einer recht - ſchaffnen Freundſchafft an vnd in ſich gehabt hat / warumb kommeſtu dann jetzunder alſo zu mir / mit dem Degen in der Hand / eine arme Weibsperſon welche ſchon geſchlagen iſt / zu uͤberwinden? Weil du eine ſolche ſchꝛeckliche Mordthat wider mich fuͤr haſt / ſo gedencke doch / ôClario, daß du hiebevor mir alle deine Geluͤbde haſt geopffert? Die jenige / welche dich jetzunder vmb Huͤlff vnd Barmhertzig - keit anſchreyet / iſt die jenige / zu welcher du all deine Klagen vnd Gebet richteteſt / O daß es Gott in dem Himmel erbarme / O in was groſſes Vngluͤck bin ich jetzundergerahten / Solte ich glauben den freundlichen Worten dieſes vermeinten Vetters / welcher mich verkauffet vnd mich vberlieffert in die Hand deß jenigen / der außtruͤcklich ſaget / Er koͤn - ne nicht leben / er haſſe vnd veꝛfolge mich dann: Iſt es vielleicht vmb meinen Seckel mit dem Geld zu thun / begehret jr denſelbigen? So gebe ich jhn euch hiermit ſo bald / allein laſt doch ewer toben vnd ra - ſen nicht weiter kommen / vnd wann jhr noch ein Fuͤncklein eines Menſchlichen Hertzens vnd mit - leidens bey euch habt / ach ſo ſehet an mein Elend / ich bitte euch / jhr ſelber woͤllet mir mein Leben vnd meine Ehr retten vnd erhalten helffen.

Clario, der jhm dieſe Hertzbrechende Wort ſehr wenig lieſſe zu Hertzen gehn / antwortet jhr alſo: Wir ſeyn jetzunder mit einander in einer Zeit vnd an einem ſolchen Ort / da das Bitten vnnd Bet - ten kein platz oder gehoͤr mehr kan finden: Weil duhie179Diebshiſtorien / das II. Buch.hiebevor meines Willens nicht haſt geleben woͤl - len / vnd hiebevor meiner freundlichen Bitt nit haſt ein genuͤgen thun woͤllen / ſo muß es jetzunder mit gewalt geſchehen: Jetzunder wil ich dich lernen er - kennen / was ein blutiger Zorn thut / wo man zu vor alle ſeufftzen bitten vnd klagen ſo gar nicht hat hoͤren woͤllen.

Auff dieſe wort binden ſie die Cloride an Haͤn - den vnd Fuͤſſen mit newen Stricken vnnd Ban - den / thun jhr das Wiſchtuch in den Mund hinein / damit ſie nicht ſchreyen koͤnne / vnd ſchicken ſich darzu / mit jhr Vnzucht zu treiben vnd ſie zu Noth - zuͤchtigen. Cloride aber fanget an vor groſſer Vn - ſinnigkeit mit jhrem Mund zu ſchammen / ſie ruffet den Himmel vnd die Geſtirn an zu Zeugen: Sie arbeitet ſich / ob ſie die Bande / mit welchen ſie ange - feſſelt ware / koͤnne loß machen vnnd dieſen Bar - bariſchen Tyrannen entgehen: Sie arbeitet ſich / ſie wendet ſich von einer Seiten zu der andern: Aber es war alles vergebens vnd vmb ſonſt. Dann Clario vnd Filandre ware gar zu verhitzet auff die - ſes Wildpret vnd wolte es jhnen nicht entgehen laſſen.

Erlaubet meiner Fedder / wann es euch beliebet / daß ſie mit ſtillſchweigen die ſchreckligkeit vnd den Grewel dieſes Laſters vbergehet: Dann ich muſte blutige Dinten vnnd eine Eyſerne Fedder haben / wann ich nur das hunderſte theil aller der Grewel / der Schand / der Mateer / welche dieſe beyde Hen - cker der armen Cloride anthaͤten / wolte beſchrei - ben: Ich will es lieber haben / daß ewere Gemuͤ -M ijter180Beutelſchneider / oderter ſelber ſehen vnd bey ſich ſelbſten bedencken das traurige vnnd erſchreckliche Spectackel / als daß ich es euch allhie auff dieſem weiſſen Papier ſoll be - ſchreiben.

Clario vnnd Filandre wolten jetzo jhr Viehl - ſches vornehmen an der Cloride erfuͤllen: Der Laquey aber / welcher ſo bald die Flucht genom - men hatte / ſtunde am eingang deß Waldes / da - mit / wann er jemandes ſehe voruͤber wandern / er denſelbigen vmb huͤlff anſchrye / vnd ſeiner Frauen eylendts moͤge Huͤlff geſchehen. Als er aber alſo ſchreyet / erſihet er drey Maͤnner zu Pferd / wel - che gar geſchwind auff dem Wege daher ritten / vnnd ſchreyet denſelbigen zu / ſie ſollen jhm doch zu Huͤlff kommen: Als ſie nun ſehen / daß der La - quey ſo ernſtlich ſchreyet / kehren ſie von dem Weg ab vnnd Reitten ſtracks auff jhn zu: Aber er er - ſchracke ſehr / als ſie nahe zu jhm kamen: Dann er ſahe / daß es ſein Herꝛ ware / welcher noch Reutter vnnd gute Geſellen bey ſich hatte / hatten treffliche gute Pferde / waren wol beritten / vnd mit Piſtolen vnd guten Daͤgen wol verſehen.

Als er nun ſeinen Herꝛen erſihet / Redet er jhn alſo an: Mein Herꝛ / wann jhr woͤllet ewerm Ehe - weib das Leben retten / ſo kommet geſchwind mit mir in dieſen Wald: Dann es ſeyn zwen Rauber uͤber jhr /[ vnnd] woͤllen ſie hinrichten: Madincourt (dann alſo hieſſe der von Adel) als er ſolche trauri - ge Zeitung hoͤret / bittet die jenige / welche bey jhm waren / ſie wollen jhm doch in dem Wald nachfol - gen / vnd einen Beyſtand leiſten: Hierauff reitenſie181Diebs Hiſtorien das II. Buch.ſie ſporen ſtreich dem Wald hinein uͤber dickes vnd dinnes vnd kom̃en endlich an den Ort / da Clario vnd Filandre bey ſeinem Weibe ſeyn: Vnd als er ſein liebes Eheweib / welcher die Haar dem Kopff heraber hiengen vnd ſich uͤbel gehobe (welches dann dem Edelmann ein trauriges Spectackel iſt gewe - ſen /) wie auch die zween Rauber / ſo da ſaſſen vnnd das Geld / das ſie der Cloride abgenommen hat - ten / zehleten / erſiehet; ergrimmet er ſich daruͤber / machet die Bande loß / darmit ſein Eheweib ware angebunden / vnd dieweil er ſich wegen ſolcher jhm zugefuͤgten Schmach vnnd Vnehr will Rechen / verfolget er Clario vnd ſeinen Mitgeſellen.

Cloride, welche uͤber ſolche vnverſehene Huͤlff ſo beſtuͤrtzet als erfrewet wurde / leget jhr Haͤnde zu hauff / hob ſie auff gen Himmel / vnd dancket Gott / daß er ſie ſo gnaͤdiglich hat errettet / vnd als ſie ſich herumber wendet / vnd jhres lieben Jungkern vnd Ehemanns / wie auch der beyden anderen / ſo ſie wi - derumb auffgebunden hatten / anſichtig wird / da ſpricht ſie alſo zu jhnen! O wie ſeyt jhr ſo zu einer gluͤckſeltgen ſtunde ankommen: Gelobet ſey Gott in ewigkeit / der euch an dieſes Ort hat hergefuͤhret / dann wann jhr nicht jetzo weret darzu kommen / ſo hetten mich dieſe Rauber ermordet: Ihr ſehet / wie dieſe Rauber mit mir ſeyn vmbgangen: Sie ha - ben mich geſchaͤndet / ſie haben mich beraubet vnd mir all mein Geld abgenommen: Es iſt mir vn - moͤglich euch zuerzehlen / wie ſie ſo vnbarmhertzig / ſo ſchaͤndlich / ſo tyrañiſch mit mir ſeyn vmbgangẽ.

Die Wort der Cloride bewogen MadincourtM iijſo182Beutelſchneider / oderſo ſehr / daß er Clario vnnd ſeinem Geſellen hart nachſetzet / vnd als er Clario antrifft / ſtoͤſſet er jhm den Degen durch den lincken Arm hindurch / vnnd da er den Filandre auch antrifft / hawet vnd ſchlaͤ - get er mit aller macht auff jhn zu vnnd verletzet jhn vnter den Magen / ſetzet jhnen beyden alſo zu / daß ſie ſo bald auff der Wahlſtatt den ſeinem lieben E - heweib abgenommenen Seckel mit dem Gelt wider - geben muͤſſen.

Sehet alſo gehet es nun vnſern zween Schel - men vnd Raubern: Da ſeyn ſie nun inn euſſerſter Gefahr: Sollen ſie die Flucht nemen / ſo koͤnnen ſie es nicht: Dann da waren jhnen drey dapffere Reu - ter auff dem Halß / die hetten ſie gar bald widerumb erdappen koͤnnen / uͤber das / ſo waren ſie auch alſo zugerichtet vnnd gebutzet / daß ſie nicht weit lauffen kundten: Solten ſie ſich dann zur Wehre ſtellen / das wolte auch nicht angehen: Dann es war einer von dem andern gar zu weit: Derohalben iſt das das beſte: Daß ſie auff die Erden nider fallen / ein Fußfall thun vnnd vmb Gnade bitten: Welches als es Mandicourt ſihet / nimmer er jhme vor / er woͤlle ſie inn die nechſte Statt fuͤhren vnnd auff - hencken laſſen: Er bindet ſie hierauff ſo feſt vnnd ſtarck / daß ſie nicht entwiſchen koͤnnen / vnnd mit ſeinen andern zween Geſellen / deren wir zuvor ge - dacht haben / machte er / daß die zween Rauber mit auß dem Wald gehen muͤſſen / ſchlagen mit den fla - chen Degen auff ſie zu vnnd meſſen jhnen den Ruͤ - cken ſo wol / daß ſie wol fortgehen muͤſſen: Vnd all - hier muß man nicht fragen / ob Clario vnd Filan -dre /183Diebshiſtorien / das II. Buch.dre / welche nicht gewonet waren / ſolche harte Speiß zu eſſen / ſolches alles inn jhren Maͤgen haben ver - daͤwen koͤnnen / dann fuͤr die lange weil muſten ſie ein wenig gedultig ſeyn / weil ſie doch ſelber ſolches Vngluͤck jnen zugerichtet hatten.

Cloride fraget vnter deſſen jhren lieben Ehe - man / wie er doch were ledig worden / vnd vermeine - te noch / Filandre / der ſie inn den Wald verfuͤhret hatte / hette etwas darzu geholffen / bevorab / dieweil er geſagt hatte / er ſelber hette von dem Koͤnig gnad vor jhren Ehemann erlanget: Sie kondte jhr auch noch nicht einbilden / daß wiewol Filandre ſolche ge - walt an jhr geuͤbet hatte / er ſolcher Schelm / wie Clario ſeyn ſolte.

Ich kan euch das wol ſagen / antwortete Madin - court, daß ich gar gluͤcklich bin herauſſer kommen / vnd hat nicht viel gefehlet / Ich were ſchier wider - umb erdappet worden: Dann da ich noch inn der Gefaͤngnuß ware / wie jhr wiſſet / hatte ich nichts anders als gewiß den Todt zugewarten: Derohal - ben ſo gedachte ich bey mir ſelber / ich muͤſte etwas erdencken / wie ich mich ledig machen moͤchte: Vnd vmb den Mittag / da alle Gefangenen wider inn jh - re Loͤcher ſich hinein machen / lieſſe ich mir den Bart gantz abſcheren / wie jhr es auch an mir ſehet / vnnd mich ewer Lebenlang nicht mehr inn ſolcher Ge - ſtalt habt geſehen / name ein andern Mantel / ein ſchaͤndliches Kleyd / ein garſtigen ſchaͤndlichen Hut vnnd ein Flaſch inn die Hand / als wann ich were außgeſchicket Wein zu holen / vnd bin alſo darvon kommen / daß es auch der Thorhuͤter vnd PfoͤrtnerM iiijkeiner184Beutelſchneider / oderkeiner iſt gewahr worden / vnd zu allem Gluͤck hab ich dieſe beyde Herꝛn antroffen / welche vnſern weg ziehen / Endlich hab ich auff dem Weg ewern La - queyen erſehen / der hat mir vnd den beyden Herꝛen von weitem vmb Huͤlffe zugeſchryen / vnnd glaube ich / daß der Himmel ſelber mich zu allem Gluͤck hieher an dieſen Ort hat gefuͤhret zu euch / da ihr meiner Huͤlff vnd Beyſtand am meyſten habt be - doͤrffet: Dann ich glaube / wann ich nicht ſo bald were darzu kommen / ſo hetten euch dieſe Moͤrder die Gurgel abgeſchnitten: Vnd hierauff wendet er ſich zu Clario / gibt ihm vnd ſeinen Geſellen etliche außbuͤndige gute Kropff vnnd Ruͤckſtoͤſſe / vnnd ſpricht alſo zu jhnen: Ihr Gottloſe Schelmen / jhr habt mir eine groſſe Schmach bewieſen / Aber Ich wil es euch wol bezahlen / weil ihr noch inn dieſem Wald ſeyt / die Holtzwellen ſollen euch nichts koſten / dann ich wil euch ſo viel aufflegen / daß jhr ſie nicht alle ſolt tragen koͤnnen.

Filandre hette gewoͤllet / daß er hundert Meilen weit darvon were geweſen / als er ſahe / daß er ſo feſt gebunden vnnd ſo ſehr gepruͤgelt wurde: Dann er doͤrffte eben ſo wenig / als ſein Geſell / das Maul auffthun: Er muſte das alles einſchlucken vnd mit groſſer Gedult leyden: Vnd daß in am meiſten ver - droſſe / ware dieſes: Daß er muſte ſehen / wie man jn zum Galgen zu ſchleppet: Dann Er kundte jhm die Rechnung ſelber machen / wann jhr verdambliches verbrechen der Obrigkeit wurde angezeiget werden / wurden ſie ohne allen zweiffel inn de〈…〉〈…〉 Herberg zum Mond der Haͤmel huͤten muͤſſen / oder an einemGalgen185Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Galgen auff die Schildwacht geſtellet werden: A - ber ich weiß nicht / was fuͤr ein gutes Gluͤck jhnen auffſtieſſe / daß ſie auß dieſer Gefahr widerumb erloͤſet wurden.

Dann als ſie den Wald herauſſer gehen / erſihet Maudicourt fuͤnff oder ſechs Perſonen zu Pferd / welche wol beritten waren / vnd dieweil er nicht ey - gentlich ſie erkennen kundte / wer ſie waren / ſihet er hernach / da er ein wenig naͤher zu jhnen kommet / daß es Schuͤtzen vnd wolgeruͤſtete Leu[t]ſeyn / welche gar geſchwind daher reyten / als wolten ſie zu[i]hme reiten: So bald fallen Mandicourt dieſe ſchwere Gedancken ein: Es werde ohn allen zweiffel der O - berſte Blutrichter erfahren haben / daß er ſey auß - gebrochen / vnnd werde dieſe Reyſige jhm nachge - ſchicket haben / jhn zu ſuchen: Wendet hierauff vmb laͤſt die zween Gefangene fahren / ſetzet ſein Weib hinder ſich auff das Pferd vnd gibet dem Pferd die Sporen.

Die andere / als ſie ſehen / daß Mandicourt die Flucht gibet / theilen ſie ſich in zween hauffen vnd ſe - tzen jhm ſtarck nach / alſo / daß / da ſie noch auff ein fuͤnfftzig Schrit von einander ſeyn / Mandicourt ſein Weib muß vom Pferd auff die Erden nider ſe - tzen / damit er deſto beſſer entfliehen vnnd entgehen moͤge: Aber es ware doch ſolches alles vmbſonſt / dann er hatte mit ſchrecklichen Reutern zuthun / welche / als ſie jn erdappet hatten / jme ſo bald im na - men deß Koͤnigs befahlen / er ſolte jnen nachfolgen / vnd das Wehr von ſich geben.

Mandicourt erſchricket uͤber dieſe traurige Zei -M vtung186Beutelſchneider / odertung uͤber alle maſſen vnnd will jhnen all ſein Gelt geben / damit ſie jhn laſſen gen vnnd darvon fliehen: dann er hatte bey ſich die fuͤnff hundert Cronen an lauterm Golt / welches ſein Eheweib jhm hatte gen Pariß woͤllen bringen / damit er deſto ehe moͤchte ledtg werden: Aber ſie woͤllen das Gelt auch nicht annemen ſie wuͤſten dann zuvor / warumb er ſolche Gefangene / welche noch an dem Wald angebunden vnd angefeſſelt waren / mit ſich fuͤhren / vnd ſonder - lich / wer jhm ſolche gewalt gegeben hette die Leute alſo anzufeſſeln vnd gefangen zu nehmen.

Mandicourt welcher ſich ſchuldig wuͤſte / wuſte nicht was er darauff ſolte antwoꝛten: ob er ſich ſolte entſchuldigen / oder ob er jhn den Verlauff deß gan - tzen Handels ſolte erzehlen / vnnd was jhn darzu bewogen hette: Hergegen aber ſo ware dem Clario vnd Filandre auch nicht heimlich bey den Sachen / dann das zittern jhres gantzen Leibs vnd aller jrer Glieder gabe genugſam zu erkennen / daß jr Hertz von forcht gantz eingenommen ware: dann zween auß den Schuͤtzen vnd Reiſſigen waren bey Cla - rio vnd Filandre blieben / ſie zuverwahren / vnter deſ - ſen / daß die andere vier dem Mandicourt vnnd ſei - nen Geſellen nachfolgeten.

Endlich aber / damit ich euch nicht lang auffhal - te / fuͤhrete der Capitaͤn dieſer Reyſigen Mandi - court inn den dicken vnnd finſtern Wald hinein: Lieſſe jhn gantz / biß auff das Hembd / außziehen / name ſeinem Weib alles was ſie vmb vnnd bey ſich hatte vnd ſich in jhren Kram ſchickete: Vnd warter noch187Diebshiſtorien das II. Buch.er noch froh / daß er mit dem Leben ſolte darvon kommen: Vnd als er an den Ort kame / da Clario vnd Filandre waren / thaͤten Clario vnd Filandre dem Capitanen ein Fußfall vnd ſprache Clario al - ſo zu jhm:

Mein Herꝛ / Geſegnet vnd Gebenedeyet ſey die Stunde / da jhr hieher zu allem Gluͤck in dieſen wuͤſten Wald kommet: Dann die Vnſinnigkeit deß jenigen / den jhr verfolget vnd erdappet habt / ware ſo groß gegen vns (wie er dann deſſen Vr - ſach gehabt hat: Dann wir haben jhm ſein Ehe - weib beraubet vnd genohtzuͤchtiget) daß er vns wol - te hinfuͤhren vnd auffhencken laſſen / wann jhr nit darzu kommen weret: Derohalben ſo bitte ich euch / jhr woͤlltt vns vnſere vorige Freyheit widerge - ben / vnd vns in ewre geſellſchafft auffnemen: Dañ wann dieſer Edelmann / welchen jhr habt verfolget / noch nicht tod iſt / ſo muß er noch von meiner Hand ſterben / vnd muß ſein Weib eben das auch außſte - hen: Dann jhr ſehet wie er vns gebunden vnd ſo uͤbel hat gebutzet vnd zugerichtet.

Der Capitaͤn dieſer Reyſigen oder vielmehr die - ſer Moͤrder vnnd Rauber befih et hierauff ſo bald / man ſoll ſie ledig machen / vnd dieweil er ſelber die - ſe beyde an dem Madincourt will rechen / iſt er wi - der auff / reitet zu Madincourt vñ deſſelbigen Wei - be / welche allein ſitzen / jhr Vngluͤck beweinen vnd ſo ſehr ſchreyen / daß ſie ſich in jhren Traͤnen hetten baden koͤnnen / (dann die zween andere hetten ſich bey guter Zeit auß dem Staube gemacht) vnd als er jhrer anſichtig wird / ſtoͤſſet er jhnen beyden Ehe -leuten188Beutelſchneider / oderleuten auß einer Vnſinnigen Rache den Degen durch den Leib hindurch / daß ſie ſo bald todt ſeyn vnd dahin fallen: Vnnd alſo gienge es nun dem Madincourt: Dann da er meinite / er were nun le - dig auß dem Gefaͤngnuß worden / damit er ſeinen Kopff nicht zu Pariß en Greve verloͤhre / geriethe er in ſein groͤſtes Vngluͤck / da er ſein liebes Ehe - weib wolte retten: Ja da ſie alle beyde vermeineten / eines dem andern ſein Leben zu erhalten vnnd auß der groſſen Gefahr / darinn ſie gerathen waren / zu erloͤſen / kundten ſie doch dem Todt nicht entgehen / ſondern muſten alle beyde beyeinander ſo ſchaͤnd - lich vmb jhr leben kommen.

Jetzt ſehe ich ſchon wol / daß jhr mit Vngedult erwartet vnnd gern wiſſen woͤllet / wer doch der ſchreckliche Rauber vnd Moͤrder ſey geweſen / wel - cher vnder dem Schein eines Schuͤtzen ſolche ſchroͤckliche That wegen ſeiner Geſellen / dieſelbige an Madincourt zu rechen hat begangen?

Weil jhr es zu wiſſen begehret / will ich euch ſa - gen: Es iſt niemands anders als der Carfour ge - weſen / welchen Clario ſehr wol kennete / vnnd von welchem er (wann man anders alſo ſoll reden) ſei - ne Lehrbrieff hatte bekommen.

Dieſer Carfour wie er in dem erſten Buch ein Beſchreibung ſeines Lebens habt angehoͤret / wart nach dem Guillerij der vornembſten vnd beruͤhm - ſten Rauber einer / ſo jemals in Franckreich ſeyn geweſen / vnd pflegte von einem Land zu dem an - dern zu ſtreichen vnd zu ziehen: Er name mit alles / was er nur antraffe: Aber vierzehen tage zuvor / ehtClario189Diebshiſtorien / das II. Buch.Clario dieſes meineydige Mordſtuͤck begienge / hatt er jhm ſechs Reuters Roͤck / wie deß Oberſten Blut Richters Diener pflegen zutragen / machen laſſen / dieſelbigen ließ er ſeine Mitgeſellen anle - gen / zoge alſo vnverſchaͤmbter weiſe durch alle Haͤuſer der Bauern vnnd der Hoffleuthe vnder dem ſchein als wann er dieſen oder jenen Vbel - thaͤter ſuchete / vnnd ſtale deß Nachts was er deß Tags nicht hette mitnehmen doͤrffen / ja das beſte das er fande vnd ſich in ſeinen Kram ſchickte: Alſo daß das Gluͤck dem Clario ſonderlich wol wolte /daß Carfour eben an dẽ Ort kame / da er ſeiner am mei - ſten beduͤrffte / vnd Carfour machte es fuͤr ſein muͤh vnd arbeit nach dem alten Sprichwort. Eligentis melior eſt cõditio: Der die wahl hat / kan allzeitdaß beſte darauß leſen: Dann von den fuͤnffhundert Cronen name er nicht mehꝛ als vier hundert / vnd ließ Clario vnd Filandre die uͤbrige hundert Cro - nen / alſo daß ein jeglicher funfftzig darvon bekame: welches dann auch billich ware〈…〉〈…〉 wegen der auß - buͤndigen ſtattlichen Stoͤſſe / ſo ſie von Madincourt daruͤber empfangen hatten.

Wie aber die Hunde / je mehr man ſie in einer Kuchen ſchlaͤget / je erger werden / vnd man die Stecken vnd Bruͤgel zu nichts anders als wider die Hunde will gebrauchen; Alſo nach dem dieſe zwen Schelmen wol waren abgepruͤgelt worden / vnd ſie jhnen einbildeten / ſie weren nun Meiſter auff dem Diebshandwerck worden / zogen ſie gen Pariß ſo frewdig als wann ſie auß Perou wider kommen weren: Doch lage das dem Clario nochim190Beutelſchneider / oderim Magen / daß der Carfour ſo vngleich die Beu - te mit jhnen abgetheilet / vnd jhnen von fuͤnffhun - dert nicht mehr als ein hundert Cronen hatte gege - ben: Derohalben name er jhm fuͤr / er wolte ſolches an Carfour rechen / vnd ſolte er auch daruͤber ſein Leben einbuͤſſen.

Er macht ſich auff von Paris vnnd zeucht in Champagnen / da Carfour ſich auffhielte vnd alles verhergete vnd verderbete / wie ein groſſes Waſſer / welches alle Daͤmme zerreiſt vnd mit ſich hinweg fuͤhret / alles was es nur antrifft: Vnd dieweil ſein vnverſchaͤmkeit jhn hatte hertzhafft gemacht / mach - te ſer in kurtzer zeit ſo viel kundſchafft vnd freundt - ſchafft mit dem Carfour, daß er Carfour jhn den Clario fuͤr ſeinen beſten Geſellen hielte / fuͤhrete jhn mit hinauß auff die Beute / entdecket jhme ſein An - ſchlaͤge vnnd erzeiget jhm alle Ehr vnnd Freund - ſchafft Aber Clario ſihet vnder deſſen alles auß / wo Carfour ſein Gelt hinthaͤte / wo er die Schluͤſ - ſel zu ſeiner Laden hatte / vnd nimmet jhm vor / er wolle es wider wett machen / wegen der vierhundert Cronen / ſo er von dem Madincourt bekommen hatte.

Hierauff bricht Clario dem Carfour ein Lade vnden auff / thut ein ſtuͤck Bodem vnden hinweg / vnd nimmet jhm nicht mehr als hundert Piſtolen / welche Carfour den Abend zuvor in deß Clario gegenwart hingeſchloſſen hatte: Machen ſich mit ſolchem Geldt darvon / aber er kan nicht weit hin - weg kommen: Dann Carfour, welchem Clario das Geldt genommen hatte / ſchmecket den Bra -ten /191Diebshiſtorien das II. Buch.ten / als der viel verſchlagener als Clario ware / Reitet ſeinem / Kerlen nach / erdappet jhn / vnnd fuͤhret jhn in einen dicken finſtern Wald / vnd will jhn allda erkennen lehren: Daß / wann jhn ſein hertzhafftigkeit habe beweget / jhn zubeſtelen vnnd zu berauben / ſo kõnne ſein Zorn / vnd Toben jhn den Carfour auch bewegen ſich an jhme zu rechen / vnd jhn todt zuſchlagen: Bindet jhn alſo in dem Wald an einen Baum / vnnd will ſeine Geſellen holen / auff daß ſie auch an deß Clario Exempel lehrnen / daß ſich nimmermehr keiner an ſeinen Lehrmeiſter ſoll reiben / vnd daß es gar gefaͤhrlich iſt / wann man einen der viel verſchlagener iſt als wir ſeyn / wil angreiffen.

Als aber jhrer einer oder vier kommen vnd woͤl - len den Clario, welchen Carfour ſchon uͤbel zer - ſchlagen / vnd jhm ſeinen Leib mit ſtarcken Strei - chen wie einen Capaunen von Maes ſchoͤn het - te geſpicket / vollendts fertig machen vnd todtſchla - gen: Sihe da kommen ein hauffen Reutter von Diſion daher geritten / vnd wollen Carfour fan - gen: Dann weil ſie den Abend zuvor erfahren hat - ten / daß er ſich in der Gegend Auxerre in einem Wald / ſo zwen oder drey Meilen davon ligt / ſolte auffhalten / hatten ſie ſich mit Piſtolen / Daͤgen vnd Waffen wol verſehen / damit ſie auff allen nothfall ſich genugſam vertheydigen vnd verwahren koͤnd - ten / vnd Ritten auff ſolchen Wald zu.

Als aber Carfour ſihet / daß jhme dieſe Reuter gar zu nahe auff den Hals kommen woͤllen / gibt er ſeinem Pferd die Sporen ſo hart / daß er in einerviertel192Beutelſchneider / odervirtel ſtund jnen gar entgehet / vnd auß dem Geſicht kommet〈…〉〈…〉 Zwen aber von ſeiner Geſellſchafft / welche wegen jrer abgematteten Pferde jm nicht folgen kundten / muſten zum Pfande bleiben / vnd zeigeten jn an den Ort / da Clario angebunden war / auch jꝛen vorſchlag / daß ſie Clario tod zuſchlagen vorgenom - men hatten / wann ſie nicht darzu kommen weren. Als nun diſes die Reuter hoͤreten / kehreten ſie vmb / ritten in den Wald hinein / vnnd fanden den ehrli - chen Mann an dem Baum angebunden / welcher auff nichts anders wartete / als daß je zu Carfour vnd ſeine Geſellen kommen vnd jhm den Kopff ein - ſchlagen wuͤrden / welches er dann wegen ſeiner be - gangenen ſchelmenſtuͤck wol verdienet hatte: Aber der Himel behielte jn zu einer andern augenſchein - lichen ſtraff / auff daß alle die jenige welche jn wuͤrdẽ ſterben ſehen / an ſolchem Exempel ſich ſpiegelten vñ vor dergleichen Vbelthaten ſich huͤteten: Derohal - ben / wiewol Clario gantz blutig vnd von Carfour blaw vnnd ſchwartz geſchlagen ware: Es zeugett auch die Erde / ſo von ſeinem Blut war geferbet / wie uͤbel er von Carfour ware zerſchlagen vnd era - ctiret worden: wurde er doch von den Reutern hin - weg genommen: Dieſelbige ſetzeten jn ſampt ſeinen zween andern Geſellen hinde ſich auff die Pferde vnd fuͤreten ſie in die Statt Diſion / da dann nach außgeſtandener Folter vnnd darauff erfolgten be - kandtnuß ſie miteinander zum Rad verdammet wurden damit ſie / wie jhre verbrechen wol verdie - net hatten / andern zum Exempel geſtraffet wurden deß Carfours Geſellen klagten den Clarto an we -gen vie -193Diebs Hiſtorien / das II. Buch.Clario an wegen vieler Mordſtuͤck / ſo jhme vor ſeinem todt vorgehalten worden.

Auß dieſer erzehlten Hiſtorien aber ſehen vnnd lehrnen wir / daß GOtt als ein gerechter Richter die jenige endtlich ernſtlich vnd ſchrecklich ſtraf - fet / welche muthwilliger vnd vorſetzlicher weiſe den Laſtern vnd Vntugenden ſich ergeben / uͤbertretten ſeine heilige Geſetze vnd Ordnung: Vnnd wann die Menſchen das Schamhuͤtlein ſo gar abziehen / vnd die Geſetz Gottes uͤbertretten / ſo hat er ſeinen Donner in der Hand / Er iſt ein Allmaͤchtiger Gott / der ſie nach jhrem Verdienſt belohnet: Vnd wann ſich da einer verberget vnd verſtecket ſo gut als er kan weiß jhn der Allwiſſende Gott gar fein widerumb zu finden: dann deß Clario Mitgeſell wurde zwen Monat hernach in der Gaſſen San - cto Dees an ſeinen Hals auffgehencket wegen ei - nes Mords / ſo er an einem ehrlichen Kauffmann / als er deß Abends wolte nach Hauß gehen / began - gen hatte.

Das X. Capitel.

Von den Bubenſtuͤcken deß Adraſte vnd ſei - ner Mitgeſellen / von den vnterſchiedlichen Rencken / deren er ſich hat gebrauchet.

IN erzehlung der zwoen vorhergehenden Hiſtorien habt jhr angehoͤret / die ſchreckli - che traurige vñ blutige Mordſtuͤck / welche etliche gottloſe verzweiffelte Buben vnd PerſonenNbegan -194Beutelſchneider / oderbegangen haben: In dieſer Hiſtorien aber werdet jhr lehrnen / daß das Hertz vnd Gemuͤth deß Men - ſchen / welcher einmal ein Bubenſtuͤck hat began - gen / ſich darnach zu allerley Suͤnden leſet gebrau - chen: Jene Hiſtorien waren voll ſchrecken / Mord - ſtuͤck / Metzeln vnd Blutvergieſſen: Da hoͤret man von nichs anders als von Todtſchlagen / von vn - ſinnigkeit toben vnnd raſen: Dieſe Hiſtorien aber werden etwas lieblicher zuhoͤren vnnd luſtiger ſeyn zu leſen: Dann da wil man nichts mehr von Blut - vergieſſen hoͤren / ſondern von dem Durchlauff / ſo die Beutel bekommen haben: Da wird man nichts mehr hoͤren / wie den Leuthen die Koͤpff abgeſchla - gen werden / ſondern wie die Beutel ſein vnſichtbar worden: Vnd ſeyen doch ſolche geſchehene ding in jhrem Geſchlecht nicht weniger als die andere / voll Boßheit / wiewol Adraſtus in allen ſeinen Rath - ſchlaͤgen das fuͤr eine gemeine Regel hat gehalten / man ſolle ſein Heꝛtz vnd Haͤnde nit mit Menſchen - blut beſudlen vnd beſchweren.

Ich erinnere mich jetzunder deſſen / daß ich hiebe - vor hab geleſen in der Fabeln Eſopi / daß als Xan - thus einen Knecht auff eine zeit ſuchete / fande er ei - nen vnder vielen andern / der ſich ruͤhmete / er wuͤſte vnd kuͤndte alles.

Auff dem Kornſpeicher thaͤte er wunder: Dann da bekame er die Maͤgde vnd ſpielete alſo mit jnen / daß es jhr Bauch nicht laͤugnen kunde: Gleich wie viel zuthun pflegen / welche wann ſie die hohe Oerter ſuchen / hernacher gar in finſtere Gruben heraber ſteigen.

In195Diebshiſtorien das II. Buch.

In der Kammer ware er ein Wunderwerck Daß Cornici Tapanda hat niemals ſo viel wiſſen koͤnnen. Was die Kuͤche anlanget / thaͤte er ſein Ampt auch: Dann damit ja niemand ſeinem Herꝛn mit Gifft in der Speiſe vergeben koͤndte / pflegete er zuvor alle Bruͤh vnd Gericht in der Kuͤ - chen wol zuverſuchen / damit er alſo den Speiſſen die bitterkeit / vnd zugleich auch den Argwohn be - nehme.

In dem Weinkeller da kundte es jhm niemands vorthun: Dann er kundte den Wein ſo meiſterlich außpfeiffen / daß es ein luſt ware: Man findet viel Leute / welchen es uͤbel gehet / wann ſie ein Glaß voll Wein ſollen auß trincken / dieſer aber kondte ohne Seyl vnd Strick den Wein wol inn ſeinen Magen hinab laſſen: Xanthus hat wol ſein leben - lang einen ſolchen Weinſauffer nicht geſehen / vnd kundte man wol von jhm ſagen / daß er alles kundte.

Aber das iſt alles weniger als nichts / gegen dem Adraſto / welcher in ſeinem Leben mehr Kunſt vnd Handwercker gelernet hat / als Archimedes mit allen ſeinen Mathematicis in einer Stunde het - te erzehlen koͤnnen. Es war viel ein ander Werck mit jhm / als mit jenem Engliſchen Landfahrer / welcher von einem Gluͤck in das andere wie ein Schneeball / der von einem hohen Berg heraber lauffet / ware geweltzet worden: Dann wie ein vornehmer Hiſtorienſchreiber zu ſeiner zeit / wel - cher es von Sandelo gelehrnet hat geſchrieben / ſoN ijware196Beutelſchneider / oderware er ein Meßner / Allmoſenpfleger / Biſchoff / Ertzbiſchoff / Cantzler / Cardinal / Apt / Legat / Key - ſers Caroli deß Fuͤnfften Koſtgaͤnger / Hauß - vatter / Bettler / vnd endtlich alles vnd gar nichts geweſen.

Aber Adraſtus wuſte noch tauſentmal ſo viel: es iſt zwar war / daß er nicht ſo hoch ware geſtiegen: Aber er hat ſich beſſer in der Welt vmbgeſehen / er hatte viel Land vnd Koͤnigreich durch zogen: Es ware jhm nicht genug / daß er ware geweſen ein Sticknadel macher / daß er kleine Bilder auß Pa - pier gemacht vnd ſolches Kunſtreiche Handwerck getrieben hatte / daß er war geweſen ein rechter Fabelhans / der die Leute mit alten verlegenen vnd verlogenen Fabeln kundte erluſtiren / daß er die Schwartze vnd dirlint die dint guter lint die dinten hatte außgeruffen / daß er ein Lumpenſam - ler / ein Schuhflicker mie dreyfachen Solen / ein Wollzieher / ein Laquey / ein Wambsmacher / ein Grempeler war geweſen / daß er die Oſtern mit den Schalen verkauffet / daß er ein Hock vnnd Speßikremer / ein Hurenwirth / ein Vhr - macher vnnd vollkommener Bettler were gewe - ſen / dardurch ein gemeiner Mann kan geadelt vnd ſo groß hoch vnd vornehme / als der Koͤnig võ Juetot kan gemacht werden: Sondern er war al - les / er wuſte alles / er verſtunde alles / nichts war jhm zu kalt oder zu warm: Heut ware er zu Hoff / morgen ſtunde er vor einer Kirchen vnnd bettelte / bald ware er einer vom Adel / bald gar ein Bettel - mann / bald gieng er wol gekleydet / bald gieng er ſozerlum -197Diebs Hiſtorten / das[ II. ]Buch.zerlumpet vnd ſo zerriſſen daher /daß er die Schwar - te oder Haut nicht recht bedecken kundte: Vnd das ich es euch mit einem Wort ſage: So ware er einer von den beſtẽ Beutelſchneidern / ſo man in der gan - tzen Bruderſchafft kundte finden. Er hat ſo vil Bu - benſtuͤck angeſtellet / ſo viel Schelmenſtuͤck began - gen ſo viel Renck vnd Schwenck gebrauchet / daß niemandts ſich bald wird finden / der nicht von jh - me als von dem vornembſten vnnd beruͤhmbſten Dieb / ſo jemal auff Erden mag ſeyn geweſen / habe reden vnd ſagen hoͤren.

Er ware von Ponthoiſe buͤrtig / vnd da er vier - zehen Jahr alt war / hatte er ſchon viel Land vnd Koͤnigreich durchlauffen / alſo daß er in allen ſtuͤ - cken wol fuͤr einen Meiſter paſſiren kuͤndte. Ich wil anfangen von ſeinen ſtuͤcken / ſo er ſo bald im an - fang hat getrieben / vnd will mein Geſpraͤch mit ſei - nem Leben enden.

Die Goſettes ſagen vnd erzehlen (wann man anders auch allerley Fabeln / welche man vns uͤber das Gebirg herbringet / ſoll glauben) daß er auff ein Zeit in Italien in der Statt Panzano dem All - leroberſten vnd vornembſten der Statt ſein Leben hat errettet / als drey ſeiner Feinde an einer Gaſſen - Ecken auff jhn warteten vnd jhm ſein Leben ne - men wolten: Dann nach dem er jhren heimlichen Anſchlag außgekundeſchaffet hatte / gienge er hin zu dem Oberſten in der Statt vnd zeigte jm ſolches an / welcher auch im Werck ſelber befunde / daß A - draſtus die Warheit geſaget hatte: Dann als ſol - ches der Obriſte erfahren hatte / name er fuͤnff oderN iijſechs198Beutelſchneider / oderſechs wol geruͤſtete vnd ſtarcke Maͤnner bey ſich / er - griffe vnd fienge die jenige / welche jhn hatten uͤber - fallen woͤllen: Er ließ in Gefaͤngnuß werffen die je - nige / welche jhm das Hertz im Leibe hatten durch - ſtechen woͤllen: Vnnd von derſelbigen Zeit an ſahe man auff allen Gaſſen auffgerichtete Galgen / als offentliche Zeugnuß / daß der Obriſte in der Statt ſolche Mordſtuͤck ernſtlich wolte ſtraffen laſſen.

Seyt der Zeit aber / daß Adraſtus ſolche heimli - che Zuſammenſchwerung hatte verꝛahten vnd ent - decket / wurde er von dem geſagten Oberſten ſo lieb vnd werth gehalten / daß er ledig geſprochen wurde / wann er auch ſchon das aller vnverantwortlichſte Bubenſtuͤck hatte begangen: Er wuſte wol / daß er nicht gefangen geleget wurde / wann er ſchon aller - ley Renck vnd Liſte gebrauchet / den Italienern jh - re Beutel zuerdappen: Vnnd ob wol die Italiener ſonſten ſpitzfindige arge Koͤpff ſeyn / ſo kundten ſie doch dieſem Geſellen nicht klug genug ſeyn / daß er ſie nicht wie die Gaͤnß ropffete vnnd jhnen die Beutel außfuͤhrete: Dann wie ich es ſchon in dem Anfang habe gedacht / ſo begerte er keinen / den er be - raubete vnd beſtahle / et was an dem Leben zu thun: Ja er hette ſich lieber hencken laſſen / als daß er ſein Haͤnde mit eines Menſchen / den er deß Nachts auff ſeinem wege antraffe / Blut ſolte beſudeln vnd be - ſchweren.

Das Geſchrey von ſeinem rauben vnd ſtelen wa - re ſo groß / daß der Oberſte in der Statt gleichſam gezwungen wurde jhn zur ſtraffe zu ziehen / damit alſo dem Geſchrey deß gemeinen Volckes welches jn gern in der Lufft hette ſehen dantzen ein gnuͤgen199Diebshiſtorien / das II. Buch.geſchehe: Ehe er jhn aber gefangen name / ließ er jm auff ein Zeit ein Botten ſchicken vnd jm ſagen / er ſolle ein gang zu jhm kommen / dann er habe jhm et - was nothwendigs zu ſagen: Vnnd als er ſich nun einſtellete / redete er jhn alſo an.

Du weiſt wie ſehr ich dich liebe vnd ehre / deßwe - gen / daß du mir mein Leben haſt erꝛettet: So wolte ich auch nicht gern etwas fuͤrnehmen / daß dir zu wider were / oder daß zu deinem Schimpff / Spott / Schaden vnnd Lebensgefahr ſolte außſchlagen: Du biſt in der gantzen Stat Panzano / wie der boͤ - ſe Pfenning beſchreyet: Jederman klaget vber dein ſtelen vnd duncket jederman / Es ſeyen nicht Raͤder oder Galgen genug dich darmit zu ſtraffen: gleich - wol aber ſo wil ich nichts wider dich fuͤrnehmen / ich habe dich dann deſſen zuvor vnnd zwar genug - ſam erinnert: Derohalben ſo erinnere vnnd bitte ich dich / du woͤlleſt hinfuͤro dich der ſchaͤndlichen boͤſen Gewonheit / welche du zu ſtehlen haſt / du kom - meſt oder geheſt hin / wo du woͤlleſt / abthun: Dann ſonſten wirdt mich das Gemeine Geſchrey deß Volckes vnnd der Buͤrger zwingen die ſchaͤrpf - fe der Gerechtigkeit wider dich zugebrauchen / vnnd werde die Hand anlegen laſſen / wie du ſonſten dei - ne Hand uͤber alle Dinge / ſo du nur erſiheſt / pflegeſt zu legen.

Mein Herꝛ / antwortet hierauff Adraſtus / jhr koͤnnet vnd moͤget thun / was euch ſelbſten wolge - faͤllet: Aber weil wir eben von der ſachen reden / ſo kan ich nicht voruͤber / ſondern muß es euch ſelber bekennen vnnd ſagen / daß ich ſolche Zuneigung zuN iiijdem200Beutelſchneider / oderdem ſtehlen habe / daß mich beduͤncket / gleich wie die Vogel zum fliehen / alſo ſeye ich zum ſtehlen geboh - ren: Vnd kan mich nicht erinnern / daß ich mein lebenlang an einem eintzigen Ort ſey geweſen / da ich nicht etwas habe vnſichtbar gemacht vnd mit - gehen heiſſen: Verzeyhet mir es / daß ich ſo frey vor euch allhier rede: Dann die Ehr die jhr mir bewei - ſet in dem / daß jr mir alles liebs vnd gutes erzeiget / zwinget mich gleichſam dieſe ding zu reden / welche ich viel mehr als ein Verſtaͤndiger ſolte verſchwei - gen: Aber ich verwundere mich uͤber mich ſelber / daß ich mich ſo gar nicht zwingen vnnd enthalten kan / wann ich an einen Ort komme / da etwas iſt mitzunemen. Ihr ſollet bald ſagen / meine Haͤnde weren von Magnet gemacht: Dann ſie ziehen al - les an ſich / was ſie nur finden vnd antreffen: Dann was ſie anruͤhren / das bleibt an jhnen hencken / vnd verlieret ſich vor mir.

Ich bin deßwegen auß dem Koͤnigreich / Franck - reich verwieſen vnd verbannet vnd alſo gezwungen worden mich hiehero in Italien zubegeben / dieweil mein Nam vnd meine begangene Stuͤck zu Pariß viel bekandter / als die Barmhertzigen Weiber in Italien ſeyn: Vnd wann jhr das mit mir woͤllet probiren / ſo verſpꝛich ich euch / daß ich euch ein recht Meiſterſtuͤck meines Handwercks wil ſehen laſſen; Ihr ſollet es mit ewren Augen ſehen / daß kein Menſch / er ſeye ſo verſchlagen als er jmmer woͤlle / ſich vor mir vnd meinen Haͤnden ſoll vorſehen koͤn - nen / wann ich einmal mir in meinen Sinn hab vorgeſetzet jhn zubeſtehlen.

Dann201Diebshiſtorien / das II. Buch.

Dann da wil ich vmb fuͤnfftzig Kronen mit euch wetten / daß ich euch (ſo fern als jhr allein inn ewer Schlafkammer ſeyt) das Bett vnter dem Leib will hinweg ſtelen / vnd ſollet mich auch daran nit hin - dern koͤnnen: Vnd da ſolt jhr ein recht Meiſterſtuͤck meiner verſchlagenheit ſehen.

So muſtu dañ (ſagt der Oberſte) ein Schwartz - kuͤnſtler ſeyn / es kan nicht anders ſeyn / du muſt et - was von der Schwartzen kunſt wiſſen:

Ich verſichere euch / mein Herꝛ / antwortet hier - auff Adraſtus / daß ich mein Lebenlang nicht in der ſchwartzen Land bin geweſen / die Schwartze Kunſt allda zu ſehen oder zu lernen: Aber dieſen Abend ſol - let jr in der That erfahren / daß ich euch die warheit habe geſagt / vnd jr ſelber werdet mir alsdann geſte - hen muͤſſen / daß die Rauber vnd Diebe in Franck - reich die Rauber in Italien weit mit jrer Verſchla - gendeit uͤbertreffen.

Der Oberſte Regent ſaget / Er woͤlle ſeiner mit feſtem Fuß warten / woͤlle auch die Thuͤr ſo wol ver - wahren / daß er nicht ſoll inn ſein Hauß kommen koͤnnen / vnd alſo gaben ſie das Gelt / darumb ſie ge - wettet hatten / in die dritte Hand / damit wer das Gelt wuͤrde gewinnen / es bald haben moͤge: Vnd das geſchahe vngefehr nach Mittag vmb vier vhr / alſo daß Adreſtus wenig Zeit zum beſten hatte ſei - ne Bereitſchafft zu ſeinem Vorhaben zu machen: Er hatte da niemands als ſich ſelber / der jm etwas hette koͤnnen erfinden helffen: Er ſpintiſiret bey ſich ſelbſten / wie er die Sach ſoll angreiffen / Er gehet auff vnd ab / vnd weiß nicht was er ſoll anfangen /N vdamit202Beutelſchneider / oderdamit er ſeiner Verheiſſung ein gnuͤgen thue / vnd das Geldt / darumb ſie mit einander gewettet / ge - winnen moͤge: Endlich aber ſihet er ſich vmb / daß er ein Leyter / Klippel / Zangen / vnd andere Maͤurer Gezeug bekoͤmmet / laͤdet dieſelbige auff ſein Halß / vnd iſt darmit / wie ein Mauleſel von Auvergne be - laden / vnd gehet mit ſeiner Geſellſchafft zu deß O - berſten Regenten Hauß zu.

Nun iſt aber allhie zu mercken / daß deß gedach - ten Herꝛn Hauß gar nidrig war / dann es hatte nicht mehr als zwey Stockwerck / vnd pflegte der Herꝛ gemeiniglich inn der hoͤchſten Kammer zu ſchlaffen / vnnd ware zwiſchen ſolcher Kammer vnd den Dachziegeln nichts als ein ſchlechter ge - bretterter Soͤller / welcher gar leichtlich kundte durchboret werden.

Nach dem nun Adraſte ſeine Leyter angeſchla - gen hatte / ſteiget er oben auff den Haußgiebel / fan - get an mit ſeinen Inſtrumenten zu arbeiten vnd zu blaſen / damit er Wind in die Orgel der Barfuͤſſer Muͤnch zu Pariß bringe / Er thut die Dachziegek ab / zerreiſſet das Dach / thut oben den Bodem hin - weg vnd fraget nichts darnach / wann er ſchon das Hauß gar einreiſſe / wann er nur das Bett / dar - umb ſie gewettet hatten / mit bekommen moͤge.

Der Herꝛ vnd Regent / welcher in ſeinem Bett liget / hoͤret das klopffen vnd bochen / vnd ſaget bey ſich ſelber alſo: Man ſihet wol / Adraſte / daß du die ſachen uͤbel verſteheſt / deine funfftzig Kronen ſeyn verlohren: Dann das geboͤch vnd das gekloͤpff das du oben im Hauß macheſt / koͤndte mich erwe -cken /203Diebshiſtorien / das II. Buch.cken / wann ich ſchon hart eingeſchlaffen were: Vñ meineſt du wol du wolleſt mich jetzunder betriegen / da ich die Augen offen habe / vnnd da du mich auß dem erſten Schlaff haſt erwecket?

Das waren die Gedancken / welche der Herꝛ bey ſich ſelber hatte: Vnder deſſen aber arbeitete A - draſtus gar fleiſſig mit ſeinen Werckzeugen in hof - nung / er wolte ſeinen vorgenommenen Raub indaß werck ſetzen: Wiewol es auch den Herꝛn im Hauß etwas verdroſſe / daß man jhm die Dachziegel ab - hobe / vñ das Hauß oben ſehr verderbete / jedoch weil er hoffete / er wolte die geſchehene Wettung gewin - nen / liede er es mit gedult vnd ſagte kein Wort dar - wider / ſchwiege gar ſtill in ſeinem Bett / als wann er in einem Franciſcaner Cloſter were geweſen: Vnd gemanet mich wie der jenige / ſo vor vergangenen Jahren / weil er ſich wolte ſtellen / als were er Maͤuß tod / jhm alle Gliedmaſſen / welche jn zu einem Men - ſchen machten / lieſſe abſchneiden.

Als nun das Loch oben an der Kammer durch Adraſtum gemacht ware / wartet der Herꝛ oder Regent mit Vngedult zu ſehen / was doch das ſpiel faͤr ein Ende wurde nemen / vnnd meinete nicht anders / als daß er gewißlich die Wettung gewon - nen hette: Schrye oben zu dem ſpitzfindigen Raͤu - ber / welcher im den Boden oben ſchon hatte durch - loͤchert / er moͤge ſo lang arbeiten als er woͤlle / dann es werde doch alle ſeine Arbeit vergeblich vnd vmb ſonſt ſeyn: Als er aber das Wort noch nicht hat recht hat außgeredet / ſihe da fellt der arme Tropff oben durch das Loch heraber / iſt maͤußtod / vnd reget kein Hand noch Fuß mehr.

Der204Beutelſchneider / oder

Der Vogt oder Oberſte erſchricket ſehr uͤber die - ſem Spectackel vnd weiß nicht / was er ſoll anfan - gen: Er ſtehet auff / beſihet den Todten Coͤrper vnnd ſihet endlich / daß es der arme Adraſtus iſt / welcher gantz todt iſt: Er ruffet ſo bald ſeinen Leuten / ſonder - lich aber ſeinem Diener / welchem er den gantzen Handel erzehlet / welcher ſehr daruͤber erſchricket vnd ſich verwundert: Man wendet den Coͤrper von einer Seiten zu der andern / aber da iſt kein regen / kein bewegen / kein leben mehr. Vnd was woͤllen wir nun mit dieſem todten Coͤrper anfangen / ſagt der Diener zu ſeinem Herꝛn / man wird vns anklagen / als haben wir ihn todt geſchlagen: Wir muͤſſen jn an ſolches Ort / da man vns nicht kan kennen / werf - fen: Dann wann wir daruͤber ſolten erdappet wer - den / wiewol dieſer iſt ein Dieb vnd Rauber geweſen / wurde man jhn vnns beſſer abfordern / als er ſelber iſt geweſen. Sihe da / ſagt hierauff ſein Herꝛ / das were ein feiner Handel / wird vns das Recht Zeug - nuß gnug ſeyn / wann wir zeigen werden die Dach - ziegel / die er abgethan vnd zerbrochen / vnnd die Loͤ - cher / ſo er mich zuberauben / gemacht hat? Ich wil ſagen / er ſey kommen mich zu ermorden / vnnd wer wird ſich auch dem jenigen / der ſelber Richter iſt / widerſetzen? Wie ſolte jemands kommen / mich ſu - chen vnd ſtraffen / da ich ſelber der jenige bin / der an - dere Vbelthaͤter ſuchet vnd ſtraffet.

Auff dieſe Wort namen ſie den todten Coͤrper / welcher ſchon aller kalt ware worden / gehen heim - lich vnd ſtillſchweigens der Thuͤr hinauß / woͤllen jhn ein Schritt oder fuͤnfftzig von dem Hauſe hin -werffen205Diebs Hiſtorien / das II. Buch.werffen / vnd ſich der ſchweren Laſt / ſo ſie trugen ent - ledigen. Vnd dauchte ſie / er hette vor ſeinem Todt das Ingeweyd nicht außgelehret / dann er war zim - lich ſchwer: Aber als ſie je zu jhn an ein Ort / da al - lerley Vnraht zuſammen floſſe / werffen woͤllen / ſihe da kommen fuͤnff oder ſechs Nachtwaͤchter / (wel - che in der Statt Panſano deß Nachts durch alle Gaſſen gehen allem Mord vnd Todtſchlag / ſo biß - weilen fuͤrgehet / zu wehren vnd vorzukommen) da - her gegangen / welche als ſie ein gemurmel hoͤren vnd ſehen / daß jhrer zween einen todten Coͤrper tra - gen / gehen ſie mit jhrem Liecht darbey vnd greiffen den beyden nach den Koͤpffen.

Dem Oberſten inn der Statt kommet das gar frembd vor / daß er auff ſolche Manier ſoll gegruͤſ - ſet vnd empfangen werden dann er hatte ſich nicht angezogen / daß man jhn hette fuͤr den jenigen der ers ware / erkennen moͤgen: Schaͤmete ſich auch / daß er ſich ſolte zu erkennen geben / dieweil ſie jhn inn einer ſolchen Arbeit / darvon er nichts anders als Schimpff / Spott vnd Schand wurde haben / antraffen: Als er aber ſihet / daß es gar Ernſt will werden vnd ſie jn ſampt ſeinem Diener weiter fort - ſchleppen woͤllen / wird er gezwungen ſich zu erken - nen zu geben / ſaget zu jhn: Er appellire von jhnen vor ſich ſelber / dann er ſeye der Statt Oberſte: Vnnd als er auch zu ſeinem Hauß / welches er vn - ter deſſen hatte offen ſtehen laſſen / kommet vnd der Thuͤr hinein gehet / weiſet er ſie mit ſtarcken Droh - worten ab.

Die Waͤchter / als ſie ſehen / daß ſie ſich an jhrenMeiſter206Beutelſchneider / oderMeiſter vnd Oberſten gemacht hatten / nemen ſo bald die Flucht vnd gehen darvon / wie ein Hund / ſo den Schwantz zwiſchen die Beine ſchlaͤgt: ſie fan - gen an vnd dantzen einen Couranten de Poictou, Sie ſeyn ſo beſtuͤrtzet vnd naͤrꝛiſch daruͤber wie der Paßquil vnd wie der Marforio von Rom / ja die groſſe Forcht / ſo ſie wegen jhres Laſters ankame (wann man anderſt das ſoll ein Suͤnde oder Laſter heiſſen / wann man die Suͤnde verfolget vnd ſtraf - fet /) machet / daß ſie nicht getrawen nur ein mal hinder ſich zuſehen. Der Oberſte aber gehet hierauff wider in ſein Bett in meinung zu ſchlaffen vnd zu ruhen: Wie er aber zu vor ware ſehr erſchrecket wor - den nicht allein durch den herab gefallenden Tod - ten Menſchen / ſondern auch durch die Nachtwaͤch - ter / welche jhm vnd ſeinem Diener hatten gefan - gen fuͤhren woͤllen; Alſo kompt jhm das noch wun - derlicher vnd ſeltzamer vor / daß / da er in ſeine Kam - mer kompt / er ſein Bett nit mehr findet / vnd muß alſo / will er ſich nider legen / auff der harten Erden in ſolcher Kammer liegen.

Ihr moͤget mir das wol glauben / daß der ge - dachte Herꝛ hieruͤber nicht weniger erſchracke: Es ware der Schrecken bey jhm ſo groß / daß wann er nicht ſchon Hoͤrner gehabt hette / ſo weren jhm die - ſelbige Nacht noch gewachſen: Er gehet inn ſeiner Kammer auff vnd ab / Er fihet alle Ecken vnd win - ckel auß / Er beſichtiget die Thuͤr vnd weiß nicht / ob das jenige / was er ſihet ein Traume oder Zau - berey ſeye: Er kan nichts anders gedencken / als daß es Zauberey vnnd deß Teuffels Werck ſeyn muͤſſe:Biß -207Diebs Hiſtorien das II. Buch.Bißweilen bildet er jhme ein / Adraſtus hab ſich ge - ſtellet / als wann er todt ſeye / auff daß vnter deſſen / daß man jhn als einen todten hinweg trage / einer ſeiner Geſellen komme vnnd jme das Bett hinweg trage: Wann er aber widerumb bedencket / wie der todte Coͤrper gantz kalt iſt geweſen / wie kein Glied am Leibe ſich mehr hat gereget vnd beweget / wird er einer gantz andern Meinung: Inn dem er aber in ſolchem Zweiffel ſtehet vnd vngefehr auff den Tiſch ſihet / da findet er ein kleines Briefflein / in welchem alſo geſchrieben ſtehet.

Mein Herꝛ / Es iſt mir ſelber leyd / daß ich euch dieſe Nacht in ewerem Schlaff vnd Ruhe habe verhindert: Dann die wettung / ſo ich mit euch gethan / hat mich gezwungen euch ewer Bett hinweg zu tragen: Es iſt aber ſolches zu keinem andern Ende geſchehen / als euch wuͤꝛck - lich zu bezeugen / daß keine Argliſtigkeit oder Schalckheit iſt / welche ich nicht wiſſe anzuſtel - len: Vnd wie wol jhr mich gantz todt geſehen vnd gefunden habt / ſo will ich doch Vrſach nemen / euch den morgenden Tage zubeſuchen / ewere Befelch anzuhoͤren vnnd außzurichten / auch zu beweiſen / daß ich allzeit bin vnnd blei - ben will.

Mein Herꝛ Ewer demuͤtigſter Diener Adreſtus.

Der208Beutelſchneider / oder

Der Oberſte erſchricket vber diſen Brief nicht an - ders / als wann man jhme den Kopff hette entzwey gehauen: Er ſihet vnd lieſet den Brief / Er weiß nicht / ob das jenige / was er ſihet / Gauckelwerck ſey / oder ob der Teuffel ſelber diſes alles hab angeſtellet:

Vnd jr ſelber / die jr jetzunder diſes leſet / doͤrffet vielleicht auch ſelber gedencken / Adraſtus muß ein Zauberer oder Doctor Fauſten Schuler geweſen ſeyn. Aber jr werdet in Erzehlung diſer Hiſtorien ſelber vernemen / daß gantz vnd gar / wie jr vielleicht moͤget meinen / kein Zauberey dahinder iſt / ſondern allein die ſpitzfindigkeit / vnd nicht die Schwartze - Kunſt / hat dieſes alles / was jr angehoͤret / zu wegen gebracht: Habet ein wenig gedult / biß daß jhr die gantze Hiſtorien habet auß gehoͤret.

Deß morgends kommet Adraſtus zu der ver - ſprochenen zeit mit einem Refferaͤger / welcher dem Heꝛrn das Bett widerbringet / vnd fordert er Adra - ſtus die Funfftzig Kronen / welche er gewuñen hatte.

Mein Freund / ſagt zu jhm der Herꝛ / jhr ſeyt ein rechter beſcheiſſer / (verzeihet mir es / das ich alſo re - de) Ihr ſolt das Geld darumb wir gewettet haben / heut nicht bekommen: Dann ich hab außdruͤcklich das in meinem Kauff oder wettung außgedinget / jhr ſollet keine Zauberey darbey brauchen / welches jhr aber nicht gehalten habet: Dann ich ſehe euch jetzunder lebendig vnnd bey guter Geſundheit / da ich euch doch die vergangene nacht Tod geſehen vnd fur Tod auch gehalten habe: Derohalben ziehet nur widerumb hin / wo jhr ſeyt herkommen. Ich begehre euch nichts zugeben: Es iſt mit dem genug / ja zuviel /209Diebshiſtorien das II. Buch.viel / daß jhr mir die vorige Nacht mein Dach vnd Bodem zerbrochen vnd durchloͤchert habt / wil ge - ſchweigen daß ich euch noch Geldt fuͤr ewre muh vnd arbeit ſoll geben / vnd muß auch noch dem Steindeck er vnd Zimmermann Geld geben / daß ſie mir Hauß vnd Dach widerumb machen.

Mein Herꝛ / antwortet hierauff dieſer Stoͤrger vnd Plauderer / jhr moͤget thun / was euch beliebet: Wann ich aber mache / daß jhr es ſelber muͤſſer be - kennen / daß es mit keiner zauberey oder Schwartz - kunſt iſt zugangen / ſeyt jhr dann zu frieden / daß man mir die funfftzig Kronen / darumb wir beyde miteinander gewettet haben / lieffere vnd gebe? Ja / ja / ſagt hierauff der Oberſte / das ſoll geſchehen: A - ber jhr werdet das nicht zu wegen bringen koͤnnen / daß ich mit meinem Munde bekenne / daß das alles richtig vnd ohne Zauberey ſeye zugangen: Dann das iſt ein ding / welches natuͤrlicher weiſe nicht al - ſo kan geſchehen.

Damit ich euch nun den rechten Grund der ſa - chen ſage / antwortet widerumb Adraſtus / vnd euch beweiſe / daß ich nichts als die Warheit geſagt ha - be: So wiſſet jhr euch ja ſelber zu entſinnen / daß geſtern morgen jhr einem Menſchen habt das Vr - theil geſprochen / daß er iſt auffgehencket worden: So wiſſet jhr auch ſelber wol daß er mir gar gleich hat geſehen / ſonderlich aber / was die Naß vnd den Bart anlanget. Da ſollet jhr euch ſelber einbilden / daß / als ich nicht wuſte / was ich doch fuͤr ein Renck ſolte erdencken / wuſte auch nicht / was ich doch fuͤr tinen Anſchlag ſolt machen in ewer Hauß zu kom -Omen /210Beutelſchneider / odermen / daß jhr es gleichwol nicht mercken koͤndtet / da fiele mir das ein / daß ich euch am allererſten wur - de erdappen vnnd meinen Anſchlag ins Werck ſe - tzen koͤnnen / wann ich ein wunderliches / ſeltzames Barlament in ewrem Hauß koͤndte anſtellen:

Bin alſo hingangen vnd habe den jenigen / wel - chen jhr habt hencken laſſen / von dem Galgen ab - genommen / jhm meine Kleyder angezogen (wie jhr dann ſelber ſehet / daß ich von einer anderen Farbe Kleyder als der Todte / welchen jhr ſelber auß ewe - rer Kammer habt hinweg getragen / gehabt / jetzun - der anhabe) vnnd hab jhn durch Huͤlff meiner Mitgeſellen oben auff ewer Hauſe geſchleppet: vnnd wehre all meine Vorbereitung / Anſchlag / Muͤh vnd Arbeit gantz vmb ſonſt geweſen / wann jhr nicht oben auff dem oberſten Stockwerck hettet gelegen: Aber als ich ſahe / daß ich nicht mehr / als ein Loch doͤrffte machen / hinein zukommen / name ich mir vor meinen Vorſchlag in das Werck zuſe - tzen: Vnnd nach dem ich das Loch oben an der Kammer gemacht hatte / lieſſe ich deß gehenckten Todten Coͤrper hinab in ewer Kammer fallen / dañ ich wuſte gar wol / daß jhr jhn wurdet hinweg tra - gen / oder auß ewrer Kammer tragen laſſen / vnnd wurde ich alſo vnder deſſen mein Streich verrich - ten koͤnnen: Welches mir dann ſo gluͤcklich iſt an - gangen / daß / wiewol ich im anfang mir hette vor - genommen / nichts mehr als nur den Vorhang am Bett hinweg zu nemen / die weil mir es ſchwer fal - len wolte / euch das gantze Bett hinweg zu nemen / jedoch als ich ſahe / daß jhr ſo lang auß bliebet / hat -te ich211Diebshiſtorien / das II. Buch.te ich vnder deſſen zeit vnd weil genug durch huͤlff meines Mit geſellen das gantze Bett hinweg zu - tragen / wie jhr ſolches ſelber geſehen vnd erfahren habt.

Ihr koͤnnet nun eines thun / hingehen vnd den todten Coͤrper deß gehenckten ſelber beſichtigen: Dann jhr kennet jhn ja wol: Er iſt noch an dem Ort / da jhr jhn die vergangene Nacht habt hinge - worffen: Vnd koͤnnet mir darnach das Geld / ſo ich gewunnen / geben.

Der Oberſte wurde hieruͤber noch mehr / als zu - vor / beſtuͤrtzet: Schluge dem Adraſto dreymal vff die Achſel / vnd ſagte: Er muͤſte ſich ſelber uͤber ſol - ches Meiſterſtuͤck verwundern: Vnd dieweil er doch nicht ſo bald ſeinen Worten wolte glauben / auch jhm das Geld nicht geben / er hette dann zuvor alles wol Examiniret vnd beſehen / giengen ſie mit einander hin deß erhenckten todten Coͤrper zubeſe - hen / welcher dann noch ein ſtuͤck von dem Strick / damit er ware gehencket worden / an ſeinem Halß hatte / vnd jhm in ſeinem Buſem hinab hienge. A - draſtus aber / weil er wol wuſte / daß er gewonnen hatte / auch ſo viel Geld bekame / daß er jhm ande - re Kleyder davor machen kundte laſſen / wolte ſeine Kleyder nicht wider von dem todten Coͤrper nemẽ.

Seyt der zeit nun / daß Adraſtus dieſen ſpitzfin - digen Streich hatte gethan / hielte der Oberſte ſehꝛ viel von dieſem Meiſter Rauber / vnd ſaget man: er hab jhn zu einem Trabanten gemacht: Dann er wolte gern allezeit einen bey ſich haben / der allerley argliſtigkeit koͤnne erdencken / vnnd mit welchemO ijdie212Beutelſchneider / oderdie Spitzfindigkeit ſelber ware geboren worden:

Das iſt / das man von Adraſto erzehlet / da er noch in der Statt Panzano ſich auffhielte: Ihr moͤget nun glauben / was jhr ſelber wollet: Dann was mich anlanget / ſo halte ich es nicht fuͤr erlo - gen / noch auch fuͤr warhafftig: Dann ich pflege nichts mehr zu glauben / als das jenige / was ich mit meinen Augen ſelber ſehe / vnnd wann ich auch ſchon etwas ſelber ſehe / ſo glaube ich doch nicht mehr als das halbe Theil / was Hiſtorien anlanget: Man ſaget aber gleichwol / Es ſey gar gewiß war / vnd laͤſt ſich auch die Hiſtorien anſehen / daß ſie war ſeye / dann es iſt nichts vnmuͤgliches darin - nen zu finden: Vnd iſt es nicht geſchehen / ſo iſt es doch alſo beſchaffen / daß es noch kan geſchehen / ſonderlich aber von einem ſpitzfindigen Frantzoſen gegen einem doͤlpiſchen Italiener / wie der Oberſte zu Panzano ware: Dann die jenige / welche jhn ſonſten ſelber geſehen haben / haben mir geſagt / Es ſey viel mehr ein groſſes Stuͤck Fleiſch als ein Menſch geweſen / ſey auch ſo fett geweſen / daß er mit den Backen die Augen habe bedecket: Aber das jenige / das ich von eben dieſem Adraſto wil erzeh - len / vnd welches er in der Statt Panzano nah bey Florentz hat begangen / iſt gewiß lich war / vnnd hab es von dem jenigen / der es ſelber mit ſeinen Augen hat geſehen.

Es iſt niemandts / der da nicht wiſſe / daß man Italiam wol kan nennen / der Welt allgemei - nes Hurenhauß / dieweil von allen Ecken vnnd Orten der Welt die Maͤnner vnd die Weiber zueinan -213Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.einander gehen / die eine zu ſuchen / die andere aber zu warten: Ob aber das herkomme von deß Lands eygenſchafft oder von dem ort ſelber / oder daher / das man ſaget die Goͤttin Venus habe vor der zeit ſol - ches Land regieret / davon weiß ich nicht zu ſagen: Aber das weiß ich gleichwol gar wol / daß es viel Huren in ſolchem Land gibet / vnd findet man der Kinder ſehr viel / welche deß Nebucadnezars Bild / welches von allerley Materien vnnd auß vnder - ſchiedlichen ſtuͤcken ware zuſammen geflickt vnd gemacht: Dann wann ſchon die Kammern wol ſeyn zugeſchloſſen / oder die Fenſter mit Gegitter wol verwahret / es iſt auch nicht ein Loch da / daß man eine Katz kan ein oder außbringen; ſo wiſſen doch die Italiaͤni[ſ]che Weiber mittel zu finden / daß ſie die Thuͤren auffbringen: Wann ich es ſelber nicht mit meinen Augen geſehen hette / ja wann ich es ſelber nicht in meiner letzten Reyſe / welche ich im Jahr ein tauſent ſechshundert vnd fuͤnffzehen dahin gethan habe / probieret vnnd erfahren hette / koͤnote ich es ſelber nicht glauben: Dann alles was die alten Fabeln von der Danae vnd dem Oberſten Gott Jove / welcher ſie in der geſtallt eines Gulde - nen Regens beſuchte / erzehlen / das geſchiehet vnd gehet vor in Italien / vnnd iſt den Maͤnnern vnd Weibern vnmuͤglich / daß ſie ſich vor dieſem Vn - gluͤck huͤtten: Dann ſie ſeyn vnter einander ſo ſchrecklich verliebet / daß nach dem Exempel jener dicken groben Magd / welche jhr von jhrem Die - ner vnd Schatz den Hindern durch ein Thuͤrloch Heſſe kuͤſſen / ſie die aller ſchaͤndlichſte vnd verdam -O iijlichſte214Beutelſchneider / oderlichſte Wolluſt an die Hand nemen / jhr Viehi - ſches begier vnd vornehmen zu erfuͤllen.

Es iſt genug mit dem / das ich euch geſagt habe daß gantz Italien nicht anders iſt als ein allgemei - nes Hurenhauß / vnd bedarff es allhier nicht / daß ich euch erzehle alle die ſachen vnd Suͤnde / welche in Italien in einer jeglichen Statt / Flecken vnnd Dorff zu gehen / da die Weiber mit Eſſenſpeiß han - deln vnd dieſelbige verkauffen / als mit Pfraumen vnd dergleichen / vnd haben das fuͤr den Metzgen / zum beſten / daß ſie ein Schincken deß Tags wo hundert mal verkauffen / vnd geben jhn doch nicht dem jenigen der jhn kauffet: Aber die jenige / ſo jhre Kauffleut ſeyn / haben das widerumb zum[beſten] / daß ſie auß Italien bringẽ das jenige / was die Ita - liaͤner vns uͤberreden woͤllen / daß ſie es von vns ha - ben: Dann jhr ſeydt / wo jhr woͤllet / entweder zu Rom / in Calabrien / zu Toſcan / Florentz / Meyland / vnd an andern oͤrtern / ſo bald als jhr in ein Huren - hauß hinein gehet / ſo ſeyt jr verfichert / daß wañ jhr ſchon die Poſt nicht nemet / jhr zu Neaples eher als in einer viertel Stund ſeyn koͤnnet: Vnd wann jhr ſchon nicht friſche Pferdt auff dem Wege findet / ſo habet jhr auff das aller wenigſte keinen mangel an Fuͤllen / die jhꝛ dann verkoͤſtigen vnd verſoꝛgen muͤſ - ſet / dañ das gebuͤret den jenigen / welche gute Reiß - leuth vnd Reuter ſeyn.

Aber ich ſehe wol / daß ich gar auß vnd von mei - nem vorigen Geſpraͤch komme / vnd daß ich / in dem ich will von Adraſto euch reden / ich euch auffhalte mit einem andern Geſpraͤch / daß wir alle meydenvnd215Diebs Hiſtorien / das II. Buch.vnd fliehen ſollen: Aber gedencket auch daran / wañ ein Mahler will ein ſchoͤn Stuck mahlen / ſo ſpan - net er erſtlich das Tuch auff: Alſo / will ich euch auch erzehlen ein argliſtiges Bubenſtuͤck / welches Adraſtus an einer Italiaͤniſchen Frauen hat be - gangen / ſo erinnert euch / daß man erſtlich das Ort / da ſolches iſt geſchehen / ein wenig zuvor muß ein - bilden vnd abreiſſen / vnd mit einem Benſel grob abreiſſen vnd vormahlen die Eygenſchafft / ſo die Weiber in ſolchem Lande haben.

Nach dem nun Adraſtus ein zeitlang inn der Statt Panzano deß oberſten an ſolchem Ort Tra - bandt vnd Auffwaͤrter ware geweſen / vnd hatte zugleich das Trabanten vnd Rauber handwerck bey einander getrieben / nach der alten gewonheit ſolcher Leuthe / welche ſolche Handwercker gemel - niglich bey einander treiben / als welche / auch jhre beſoldung von der Beutelſchnelder Geſellſchafft davon haben / lehrnte er alle vornehme vnd gute Oerter in der gantzen Statt kennen / ſonderlich aber wo die ſchoͤnen Donnes vnd Frauen zufinden waren.

Er machet kundtſchafft mit einer / welche ſehr reich war / vnd welche lange zeit zimblich Geld von jhm einname: Aber er gabe jhr allezeit ein Erbeſen ein gute Bonen darfuͤr zu haben / vnd einen kleinen Fiſch / zween groſſe darfuͤr zubekommen: Dann er hoffete / er wolte vnder deſſen etwas erdichten / da - mit er ſie erdappen kuͤndte: Vnd ſeit der zeit / daß Adraſtus mit der geſagten Donna oder Frauen / (welche groſſe Correſpondentz mit vielen Ita -O iiijliaͤnt -216Beutelſchneider / oderliaͤniſchen Herꝛen / welche von Florentz kamen / vnd ſie beſuchet hatten /) gemeinſchafft vnd kandt - ſchafft gemacht hatte / ſpuͤrete daß ſich allezeit ein mangel an ſeiner arbeit befunde: Es bliebe jetzo ein Silberner Deller oder Becher auff dem Weg dahinden / welcher nicht widerumb in das Threſor wolte kommen: Aber ſie hette gleichwol Adraſtum deßwegen nicht anklagen doͤrffen / welcher jhr alle - zeit reichlich gab / vnd welcher den Raub / den er bey jhr thaͤte / jhr widerumb gar wol vergalte / dann er pflegete ſie nicht mehr als deß Nachts zu beſuchen / vnd ſahe ſich wol fuͤr / daß er von niemandts er - kandt wurde / damit jhm der Schwantzriemen nicht abgehauen wuͤrde: Dann er hatte dieſe Eygen - ſchafft an ſich / daß er ſeiner wol in achtung name.

Als nun dieſes deß Adraſti beſuchen ein zeitlang gewehret / vnd die Frau vnter deſſen jhn ein wenig hette lernen erkennen / dauchte ſie / Adraſtus gieng darmit ſchwanger / wie er jhr eines anſchmitzen moͤge / name derohalben fleiſſig achtung auff ſich ſelber: Vnnd wann er bey jhr ſchlieffe / ware ſie ſorgfeltig gnug / lieſſe Kammer vnd Thuͤren wol verwahren / damit er jhr ja nicht entwiſchen vnd etwas auß jhrem Hauß mit ſich heim nemen koͤnd - te: Aber als nun allgemach der Beutel anfienge die Schwindſucht zubekommen / ſtellete er ſich als wañ er gar verliebet gegen jhr were / gabe auch auß / wiewol er weit von ſeinem Land were / jedoch wolte er alle ſeine Freund vnnd freundlichkeit darzu ge - branchen / damit er ſie moͤge zur Ehe bekommen: Dieſe Frau aber / welche ſich ſtellete / als were ſiegar217Diebshiſtorien das II. Buch.gar verſchlagen / hielte darvor / es were nun Zeit et - was zu ruͤck zu weichen / vnd dieweil ſie hoͤrete / daß er von heurathen redete / ſtellete ſie ſich mit Geſicht vnd Worten ſo freundlich / daß ſie ſich vnter ein - ander die Ehe verheiſſen: Adraſtus hatte aber in ſei - nem Hertzen keinen andern Vorſchlag / als daß er ſie vnter dieſem ſchoͤnen ſchein wolte betriegen: Ent - lehnet derhalben etliches Gelt von ſeinen Freunden / vnd ſtellet ſeine Sach alſo an / daß ſie Hochzeit ma - chen vnd zur Kirchen gehen: Vnd da iſt nun nicht mehr als ein Hertz an dieſen beyden Eheleuten man redet von nichts an ders als von jhrer Heurath: Et - liche hoffen / es werde einen gluͤcklichen fortgang gewinnen / andere aber ſagen / daß eine Hur vnnd ein Dieb niemals gute Frucht gebracht vnd getra - gen haben vnd daß ſich die Goͤttin Venus mit dem Mercurio njemals habe vertragen koͤnnen: Dieſe Fraw froh ſey / daß ſie ein ſolchen Hurndeckel habe bekommen: Sie habe Adraſtum genommen daß ſie nur ſeiner ſpotte vnd mache / daß jhm ſo viel Hoͤr - ner wachſen / als Hirſchen in dem gantzen Wald E - rymante ſich finden.

Aber das Geſchrey vergehet ſich alſo Adraſtus wartet auff nichts anderſt / als auff Zeit vnnd gele - genheit ſein Weib zu pluͤndern vnnd zu berauben. Der jenige / der ſich zuvor jhren Diener ſelbſt nen - nete / heiſt ſich jetzunder Herꝛ / er hat den Schluͤſſel zu allem: Der jenige welche zuvor keinem Men - ſchen auff der Welt vertrawete / vererawet dem je - nigen / der ſie durch ſeinevermeinte Liebe hat gefan - gen. Der Name deß Ehemanns vnd deß Ehe -O vſtandts218Beutelſchneider / oderſtands machet / daß ſie alle Furcht vnd Gedancken auß jhrem Hertzen laͤſt fahꝛen / daß er ſie nunmehr berauben vnd beſtehlen werde. Aber als auff ein zeit ſie war in die Kirche gangen / thut mein guter Mañ eins / nim̃t die Schluͤſſel / ſchleuſt Kiſten vnd Kaſtẽ auff / vnd ſtiehlet jhr nicht mehr als 800. Cronen / welche diſe gute Gevatterin mit muͤh vnd ſchweiß jhꝛes Leibs hatte errungen / vnd ſtahl jr alſo in einer ſtund das jenige / an welchem ſie lenger als 6. gan - tzer Jar hatte geſamblet: Vnd als er nun diſes ge - than / ſuchet er ſeine Kegel zuſammen / macht ſein Sack vnd Pack / vnd zeucht gen Florentz / da man dann der Wahren eben ſo wol / als an andern Or - ten in Italien findet: Nach dem er ſich wie ein vor - nehmer vom Adel hatte gekleydet / fengt er ſein vori - ges Gottloſes Leben wider an / vnd als er ſich zu 3. oder 4. loſen Schelmen (daß iſt auff gut Frantzoͤſiſch / Hurenwirt) geſellet hatte fuͤhrt man jm die ſchoͤn - ſte Weiber in Florentz zu: Vnd da laß ich euch nun ſelber bedencken / ob die 800. Cronen / welche er zu Panzano hatte gefiſchet / lang geweret haben: dann das Spiel / Wirth vnd Hurenhauß war ſein ſtaͤti - ges Loſament / alſo / daß wann man jn nicht kundte an einem Ort finden / ware es gewiß / daß man jhn an einem andern Ort funde: Vnd gienge mit dem Gelt zu / wie es ſonſten mit vnrechtem Gut pfleget herzugehen / daß es nit lang wehret / dann es kame wider in das Loch / darauß es zuvor war kommen: Es ware in der gantzen Statt Florentz / kein Hu - renhauß / kein Ballhauß / da er nicht ſeine Racket - vnd Ballen mit brachte.

Daß219Diebshiſtorien das II. Buch.

Daß ich es allhie im voruͤbergang mit kurtzen Worten beruͤhre / ſo iſt das die ſchoͤne vbung vn - ſerer jungen Frantzoſen / welche / wann ſie in Ita - lien zihen / einen guten hauffen Geldts mit hinein fuͤhren: Wann ſie wider herauſſer ziehen / ſo brin - gen ſie gar gewiß die Frantzoſen mit / vnd wann ich auch die jungen Schnautzhanen ſehe / welche durch vnſere Statt Lion durch reiſen / vnnd uͤber das Ge - birge inn Italien woͤllen / ſage ich manchmals bey mir ſelber alſo: O jhr meine liebe Kinder / jhr kom - met auß einem Labyrint oder Irꝛ Garten / vnnd ſtuͤrtzet euch gar inn einen Abgrundt: Ihr kommet auß einem etwas uͤbelriechenden Ort / vnnd ſtuͤrtzet euch ſelber in ein ſtinckendes heimliches Gemach: Ehe jhr da widerumb herauſſer kommet / werdet jhr euch ſo dreckicht machen / vnnd euch ſelber ver - brennen / wie ſich das Inſchlit an einem Liecht ver - zehret.

Aber es will da nie anderſt ſein: Man will es nit derſt vnd beſſer haben: Das iſt die vnreinigkeit der Zeit / der Welt lauff / vnd die vermiſchung der din - gen in der Natur / welche vns in ſolche ſchaͤndliche ſtinckende vnd vergiffte Ocrter fuͤhret.

Daß ich aber widerumb auff vnſere Hiſtorien komme / ſo gieng Adraſtus ſo lang zum Brunnen / biß daß endlich ſein Krug davon zerbrache / das iſt / er bekame mehr / als er hatte dargeleget: An ſtatt der Rubinſtein / welche er den Florentiniſchen Donnes vnd Frawen hatte gegeben / vnd jhnen an die Finger geſtecket / ſtecketen ſie jm an die Stirn andere / welche ſo ſchendlich vnd abſchewlich außſahen / als kaͤmenſie220Beutelſchneider / oderſie vielmehr auß der Hellen Loch / als auß den Ori - entaliſchen Indien: Summa / er ware mit ſolchen Rubinen / welche er von den Florentiniſchen Frau - en hatte bekommen / ſo ſchoͤn gebutzet / daß er ge - zwungen wurde (doch alſo daß er von der ſtatt nit kame oder ſich recht regen doͤrffte) ein Reiß vorzu - nehmen von ſechs Wochen / oder von drey Nonat inn Schweden inn der Zahnklaͤpper Inſel / vnd in das Land / da der Brengekochet wird / fuͤr die jeni - ge / welche zwar Zaͤhne haben aber nicht recht kewen koͤnnen: Da lernete er mit ſeinem groſſen ſchaden / was ein Quintlein Wolluſten gilt gegen ſo vielem Schmertzen / die gemeiniglich darauff erfolgen: Ja wie theuer wir die vergebliche Fleiſchliche Wollu - ſten kauffen. Dann er ſcheumete bißweilen / wie ein Eber: Vnnd weiß ich nicht / ob er ſo viel ſpatzier - gaͤng hatte gethan / als jenes Hollaͤndiſches Schiff / welches den gantzen Erdbodem hat vmbſchiffet. Das weiß ich wol / daß er durch die Equinoctiali - ſchen Linien iſt hindurch kommen / vnnd durch Zo - nam Torridam, das iſt durch das theil der Welt / darinnen allezeit groſſe Hitz iſt: Dann er hat die merckzeichen auch mit auff die Galgenleiter ge - bracht.

Wiewol er aber ſo vnaußſprechliche Schmertzen an ſeinem Leib außgeſtanden hatte / ſo hat er jhm doch ſolches keine warnung ſein laſſen / ſondern / da er widerumb iſt geheilet geweſen / hat er ſein vo - riges leben wider angefangen: Dann er hielte das fuͤr ein gewiſſe Regel / daß deß Pelei Speiß die ge - machte Wunden wider heilen kuͤndte / vnnd wanneiner221Diebs Hiſtorien / das II. Buch.einer von einem Hund oder Wolff iſt gebiſſen / das nichts beſſers iſt / ſolchen biß zu heilen / als daß man von ſolches Thiers Haaren nimmet vnnd ſie auff die Wunden leget.

Er fanget / wie geſagt / ſein voriges Leben wider - umb an / vnnd dieweil er noch etliche hundert Cro - nen von ſeinem gethanen Raub uͤbrig hat / meinet er / er habe Gelts genug / das Koͤnigreich Chine o - der das Land Perou darvor zukauffen: Er ſihet / daß er kundtſchafft machet mit einer Italtaniſchen Donne oder Weibsbild / welche jhn noch nicht ge - ſehen hatte: Dann es kommen jhm alle Tag friſche an / eben ſo wol / als die Oſtern vnd Seefiſch an dem Hafen S Malo.

Wie nun dieſe ſehr ſchoͤn war / als hatte ſie viel guldene Ketten / Demant vnd andere koͤſtliche Sa - chen. Adraſtus der ſolche Edelgeſtein vnd toͤſtliche ding ſahe / bedencket ſich / wie er doch die Sach kluͤg - lich moͤge anſtellen / damit er etliche bekommen moͤ - ge: Aber ſolche in ſeinen Hoſenſack zuſtecken / das wer ſo viel geweſen / als wann er jhm ſelber ein Gal - gen auffrichten vnd ein Strick an ſeinen Halß het - te ſpinnen wollen.

Nun truge es ſich zu allem gluͤck / daß / in dem Adraſtus alle mittel vnd wege ſuchete ſeinen ſtreich zuthun / die ſchoͤne Kette von Demanten / welche ſie hiebevor von einem fuͤrnehmen Florentiniſchen Herꝛen hatte bekommen / zerbrache: Ließ derhalben ſo bald zu ſich kom̃en einen Goldſchmid / welcher ſie uͤberꝛedete / er muͤſte das Gold all miteinander auff - machen / vnd die Ketten auff ein newe Manier / ſodeß -222Beutelſchneider / oderdeßmals gebraͤuch lich ware / machen: Er thut auch ſo bald die Demanten ab / in Meinung er wolle es gantz von neuem machen vnd fuͤnfftzig Cꝛonen dar - an verdienen: Als er ſie aber auff den Diſch geleget hatte / ſihe da kommet ein ſehr fuͤrnehmer Herꝛ / der will die Donna Laura (dann ſo heiſt ſie mit Na - men / eben ſo wol als deß Plutarchi Schatze) ein - mal beſuchen: Derohalben / ſaget ſie zu dem Goldt - ſchmid / er ſolle dieſes mal heimgehen vnnd den an - dern Tag fruͤh widerkommen / dann ſie habe jetzun - der ſonſten etwas noͤtiges zuverrichten / vnnd koͤn - ne ſeiner nit außwarten / beduͤrffte auch keines Zeu - gens zu dem ding / daß ſie jetzunder zuverꝛichten het - te: Vnter deſſen aber wickelt ſie jhre Demant inn ein Papier / ſtecket ſie bey ſich in den Sack vnnd ge - het zu dem Florentiniſchen Herꝛn / welcher jhrer in der Kammer wartet / jhn zu empfangen / vnnd mit freundtlichen Geſpraͤchen auffzuhalten.

In dem aber dieſes alles alſo vorgienge / hatte deß Adraſti Weib / welche zu Panzano wohnet er - fahren / daß er ſolte zu Florentz ſeyn / macht ſich auff von Panzano vnnd kommet deß Abendts gen Flo - rentz / in meinung jhn allenthalben zu ſuchen / vnnd nach dem ſie etliche Hurenwirth angetroffen / gefra - get vnd jhnen ein ſtuͤck Gold gegeben hatte / erfuhre ſie von jhnen / daß jhr Vogel mit der Donna Laura gute kundtſchafft hatte / vnd daß man jn vor wenig Tagen bey jhr geſehen hatte.

Dieſe newe Zeitung gabe jhr ein wenig Troſt: Dann ſeyd fuͤnff oder ſechs Monat ware ſie in ſtaͤ - tiger trawrigkeit geſeſſen / nicht deßwegen / daß ſiejhren223Diebshiſtorien / das II. Buch.jhren newlich genommenen Ehemann / ſondern viel mehr / daß ſie jhr Golt / welches jhr lieber als al - les in der Welt ware / verlohren hatte.

Adraſtus ware deßmals bey der Donna Laura, dann er wolte denſelbigen Abend bey jhr ſchlaffen / bevorab / dieweil er nicht allein geſehen hatte / daß die Demant an einem ſolchen Ort waren / daß er ſie leichtlich kundte erfiſchen / vnd dieweil auch der vor - nehme Herꝛ / von welchem wir geredet haben / nicht mehr als ein ſpatzirgang da gethan hatte vnd ſchon hinweg ware gangen.

Als nun der Abend herbey kommet / da eſſen die - ſe beyde miteinander / Donna Laura auff deß Adra - ſti Seckel / welcher aber hoffete er wolte das jenige was er ſpendiren wuͤrde / gar bald widerumb haben: Was geſchicht? Vmb die Mitternacht ſtehet A - draſtus auff auß dem Bett / nimmet ſich an / als wolle er auff das heimliche Gemach gehen / oder die Bruntzſcherbe ſuchen: Er aber begehrete nichts an - ders / als der Donna Laura jhren Rock vnd die De - mant / welche ſie in dem Sack bey ſich geſtecket hat - te / zu ſuchen: Er findet den Rock / greifft ſubtiler weiß in den Rock hinein vnd findet / was er begerte: vnd weil er nicht weiß / wo er ſie ſoll hin verſtecken / damit man ſie bey jhm nicht finden moͤge / nim: met er ſie in daß Maul vnnd verſchlinget ſie als wann es Pillen oder Provintz Pfraumen weren / vnnd leget ſie darauff widerumb in das Bett: Aber als er widerumb zu dem Bett wil zugehen / ſtehet ein Stuel im wege / vber den faͤllet er ſohart /224Beutelſchneider / oderhart /daß Donna Laure im Bett daruͤber erwachet / welche als ſie im Bett nach jhrem Bulen greiffet / findet ſie nichts als die Leylduͤcher: Sie ruffet hier - auff dem Adraſto / wo er ſeye / welcher / ob er wol noch ein wenig an den Diamanten hatte einzu - ſchlingen / muſte er jhr doch endtlich antworten / vnd ſaget / er habe die Bruntzſcherbe geſuchet / wel - ches dann die Donna Laura widerumb zu frieden ſtellete daß / ob ſie wol meinete / es weren Diebe in der Kammer / ſo entſchlieffen ſie doch alle beyde wi - derumb daruͤber.

Deß Morgendts aber / als ſie in jhrem Sack ſuchete / vnd nichts als daß bloße Papier vnd das Neſt der Deamant funde / ehe ſie ein geſchrey dar - von macht / rieffet ſie jhꝛem Maͤgden / nimmet ſie al - lein vor vnd fraget ſie: Ob ſie jhre Demanten nit geſehen oder genommen haben: Vnd als ſie an jh - rer Maͤgden worten vnd geberden wol ſihet / daß ſie vnſchuldig ſeyn / gehet ſie in die Kammer / darin - nen Adraſtus auch lage vnd ſchnarcket als wann er noch hart ſchlieffe / nimmet ſeine Kleyder / vnnd gibt ſie den Meyden / daß ſie dieſelbige wol durch - ſuchen ſollen. Als ſie nun dem Adraſto ſeine Kley - der alſo durchſuchen / erwachet[Adraſtus] daruͤber / fraget was da ſey / vnd was ſie thuen? Aber er wird heßlich von der Frawen Laura angeſchnautzet: Sie fallt vber jhn in das Bett / ſpricht ſie woͤlle jhm die Augen auß dem Kopff kratzen / vnnd ſolle jhr auch auß jhrem Bett nicht kommen / er habe jhr dann geſagt / wo die Demanten ſeyen. Adraſtur macht ſich hierauff auch vnnuͤtz: Sagt er wuͤſtenicht /225Diebs Hiſtorien das II. Buch.nicht / weſſen man jhn anklage / vnnd thue ſie jhm groß vnrecht / daß ſie nur allein an ſeiner trew vnd auffrichtigkeit zweiffele: Dann ſeit der zeit / daß er das Gluͤck vnd die Ehr gehabt habe / mit jhr ſo weit in kundtſchafft zugerathen / habe ſie ſelber an jhm geſpuͤret / wie hertzlich lieb er ſie habe / wie er jhr allen willen vnd gefallen erzeiget habe / wil geſchweigen / daß er jhr ſolches ſtuͤck ſolle beweiſſen / vnd was der - gleichen Wort mehr waren / welche aber Donna Laura, die jhre gantze Wochen fuͤr vnd durch einen Sambſtag hatte verlohren / fuͤr baar Gelt nit wolt annemen / noch ſich mit denſelbigẽ befridigẽ laſſen.

In dem nun diſes alles vorgehet / vnd Adraſtus ſich alleweil anzeucht / Donna Laura aber jhm draͤ - wet / wann er jhr die geſtolene Demant nit wider - gebe / woͤlle ſie den Commiſſarium holen / vnd jhn ins finſtere ſetzen laſſen / ſihe da kommet deß Adra - ſti Eheweib (welche außtruͤcklich von Panzano gen Florentz ware kommen daß ſie jhren Ballen nach - lauffe / vnd die achthundert Kronen / welche ſie ver - lohren hatte / widerbekaͤme) dem Hauß hinein ge - gangen / vnd weil ſie bey der Obrigkeit erlanget hat - te / daß man jhn ſolt greiffen vnd einziehen / laͤſt ſie jhm durch die jenige Leute welche ſie mit gebracht hatte / nach dem Kopff greiffen / vnd wirfft jm tau - ſent mal ſeine Vntrew vnd Meineyd vor.

Wer da einen erſchrockenen Menſchen hette gern ſehen wollen / der hette nur Adraſtum vnnd ſeine wunderliche Geberden anſehen moͤgen Dann auff einer ſeiten wolt jhn Donna Laura uuß jhrẽ Hauß nicht gehen laſſen / er hette jhr dann zuvor jhre geſto -Plene226Beutelſchneider / oderlene Demant widergegeben: Auff der andern ſeiten aber ſtunde die Bulerine von Panſano / vnd wolte jhn geſangen ſetzen laſſen. Der Commiſſarius vnd ſeine Diener werden daruͤber zweiffelhafftig / vnd wiſſen nicht / was ſie mit dem Adraſto anfangen ſollen: Dann ſolten ſie jhm nach dem Kopff greif - fen vnd gefangen hinfuͤhren / das wolte ſich ohne gewiſſen grund vnd beweißthumb nicht thun laſ - ſen: Solten ſie jhn dann laſſen darvon lauffen / das wolle ſich auch nit ſchicken / dieweil eine Anklag - ber die andere kame: Die Donna Laura ruffet vn - der deſſen die Obrigkeit auff jhrer ſeyten vmb huͤlff an / vnd erlanget ſo viel / daß die Richter vnd Re - genten zu Florentz befahlen / man ſolle Adraſtum auff der Donna Laura anklag gefaͤnglich einziehen / vnnd jhn darnach wegen der geſchehenen Anklag ferꝛners Examiniren vnd fragen: Aber etliche an - dere ſpitzfindige Koͤpff lieſſen der Donna Laura heimlich ſagen / daß / weil ſie von jhren Demanten nichts in ſeinem Wambſt / Hoſen vnnd Kleydern gefunden hette / er ſie ohn allen zweiffel wie Pillen wurde in ſeinen Leib eingeſchlucket haben: Solte derohalben jhme ein ſtarck es treibendes Clyſtir ein - geben laſſen: Dieſer rath wurde von jederman fuͤr gut angeſehen / außgenommen von der erſten Frau - en / deß Adraſti Eheweib / welche jhn lieber vnter deß Kerckermeiſters / als vnter der Commiſſarien Haͤn - de hette geſehen.

Wiewol nun Adraſtus wider die geſchehene an - klag allerley einwendete / vnnd ſich entſchuldigte / Himmel vnd Erden zu zeugen ſeiner vnſchuld an -rieffe /227Diebshiſtorien / das II. Buch.rieffe / vnd ſich dem Teuffel verhieſſe vnd gar erge - ben wolte / wann er die Demant nur geſehen hatte / (wie er dann hierinnen die Warheit ſagte: Dann weil er ſie in der Finſternuß / ja in der ſtichfinſtern Nacht genommen hatte / hatte er ſie nicht / wiewol ſie ein kleines Liechtlein oder ſchein an ſich hatten / ſehen koͤnnen) jedoch lieſſe man nichts deſto weni - ger den Apotecker kommen / vnd jhm ein ſcharpffes treibendes Clyſtir zu bereiten: Allhie laß ich euch nun ſelber bedencken / wie Adraſtus ſich ſtellete / vnd ſo wunderlich geberdete / als man jhme dieſe koͤſt - liche Materien hinden einſpruͤtzete: Dañ der Teuf - fel den man vnter S. Michel niderwirffet / hat ſein lebenlang nicht ſo ſauer außgeſehen: Er ſchloſſe mit ehren zu melden den Hindern zu / vnd verdroß jhn gar ſehr / das man jhm mitten in ſeinem Eingeweid vnd Daͤrme die Demant / welche er eingeſchlucket hatte / ſuchen wolte: Er ſchwur bey Himmel vnnd Erden / er were vnſchuldig / vnd wolte ſich dermal eins wegen ſolches ſchimpffs rechẽ: Aber das gluͤck wolte jm gleichwol noch wol: Dann weil entweder die Demanten jhme noch nit auß dem Magen wa - ren kommen / oder ſonſten nicht hatten fortgehen koͤnnen / gabe er nichts wider als die bloſſe Clyſtir: Verzeyhet es mir / daß ich euch die Naſen in ſol - che vnfreundliche ſtinckende Materien muß ſte - cken: die worte ſtincken nit / vnd haben keinen boͤſen gſchmack an ſich: Es iſt nit der ſtinckende See Me - phitis, oder der Gott Stercurius, das ich euch allhie vorhalte: Donna Laura wird ſehr beſtuͤrtzet / als ſie ſahe / daß ſie in jrer hoffnung betrogen war: Dañ ſieP ijhoffete228Beutelſchneider / oderhoffete / ſie wurde ohnzweiffentlich die verlohrene Demant in deß ehrlichen Vogels (wie ſie gleich - wol auch nicht viel ſchatzes werth war) vnreinig - keit finden. Aber noch beſtuͤrtzter vnd betruͤbter wur - de ſie / da ſie ſahe / daß die andere Frau / deß Adraſti vermeintes Eheweib jhn lieſſe in das Gefaͤngnuß legen: Dann da wurde ſie beraubet alles deß jeni - gen / was ſie ſuchete: Doch wurde ſie noch etwas durch dar jenige / was hernach folget / getroͤſtet: Dann als er nun in dem Gefaͤngnuß ſaſſe) vnder deſſen daß man jhm ſein Vrtheil faſſete) vnd jhm im Bauch etwas uͤbel wurde / lehrete er auß / nicht allein die Demantẽ / welche die andere ſo fleiſſig bey jhm geſuchet hatten / ſondern auch das ander ding / deſſen ich mich ſchaͤme allhie zugedencken / oder daſ - ſelbige zuneñen. Mit 2. Demanten aber weichete er dem Pfoͤrtner ſein Hertz alſo /daß er jhm deß nachts die Thuͤr deß Gefaͤngnuß auffmachte / vnd jhn lieſſe davon lauffen: Vñ da muß keiner fragen / ob er auch ſeine Fuͤſſe habe finden koͤnnen: Dañ ich wil mit dẽ jenigen / welche dieſe Hiſtorien leſen werden / das ge - wiß glauben /daß er ſeine Fuͤß nit hat auff die Achſeln geleget: Sondern er lieffe mit ſolcher geſchwindig - keit darvon / als er ſonſten niemals gethan hatte: Von dannen begabe er ſich hernacher in Franck - reich / in die Statt Lion / da wir bald von jhm andert newe Zeitungen anhoͤren werden: Dann innerhalb acht Tagen hatte er ſchon zwen oder drey Raube be - gangen / vnd mehr als dreyſſig Beutel deren ſchnuͤr vnd Riemen in das Waſſer Roßne geworffen wur - den / geſtohlen: Weil er aber nicht mehr gedachtean229Diebshiſtorien das II. Buch.an das groſſe Vngluͤck welches er vor der zeit zu Pariß hatte außgeſtanden / begabe er ſich wider - umb dahin / da er dann mehr als zuvor / argliſtige Dieb - vnd Schelmenſtuͤck begienge / wie jhr ſol - ches in dem nachfolgenden Capitl werdet anhoͤren.

Das XI. Capitel.

Ferꝛnere Beſchreibung vnd Erzehlung etli - cher anderer argliſtigen Griffen / vnnd ſpitzfindigen Bubenſtuͤcken / ſo Adraſius hat begangen.

DAs waren nun / wie jhr in dem vorher ge - henden Capitel angehoͤret habt / die ſpitz - findige Boſſen / mit vnnd durch welche Adraſtus die Italiener ein wenig witzig macht / vnd die Fuͤnde / deren er ſich gebrauchet jhnen jhꝛ Geld vnd Beutel zu erdappen: Vnd wiewol es ſich an - ſehen laͤſt / als ob der Ort eines Lands die Lufft / die man an ſich zeucht / die Hitz / welche ein gantzes Jar lang in ſolchem Land iſt / viel darzu helffe / daß die Leute ſo an ſolchem Ort wohnen / ſo ſpitzfindig vnd verſchlagen werden; Jedoch ſo findet man eben ſo wol da / als in Franckreich grobe vngehobelte / vnge - ſchickte Doͤlpel vnd Eſel / welche ſich wol doͤrffen verwundern uͤber eine Fliege / oder uͤber den Fluͤgel eines Sommer Vogels / als uͤber das letzte vnnd vollko / meneſte Meiſterſtuͤck der Natur: Ja uͤber das aller geringſte dinge / welches ſie wider die ge -P iijmeine230Beutelſchneider / odermeine Gewonheit ſehen / doͤrffen ſie ſich wol gar verwundert ſtellen / vnd ſolche Geberde / wie Mu - hamedes machen / nit anderſt / als wann der Him̃el einfiele / oder als wann die Erde wolte in die Ge - ſtirn hinein lauffen: Derohalben ſo ware das dem Adraſto nicht ſchwer / daß er ſolche Geſellen uͤber - doͤlpeln / vnd jhnen Beutel vnd Geld kundte ablau - ſen. Jetzunder aber / da er widerumb in Franckreich kommet / vnd von nichts anders / als von Rauben vnd Stehlen kan leben / da wird er zu thun haben / daß er ſich alſo verhalte / daß er nicht an den Gal - gen komme: Dann wie das kein groſſer Sieg iſt / wann man einen ort / der von niemands wird be - ſchuͤtzet vnd vereheydiget / einnimmet; Alſo iſt das kein groſſe Kunſt / einen alberen Troppen zu uͤber - doͤlpeln vnd einem newen Ankommenen / in dem daß er die Bilder vnnd Gemaͤhls angaffet / in den Hoſenſack wiſchen vnd jhm das Geld außſuͤhren: Alſo ware das auch keine groſſe Kunſt dem Adra - ſto einen Italiener anzufuͤhren / wiewol ſie vermei - nen gar ſpitzfindig vnd verſchlagen zu ſeyn: Dann jhre groͤſte Spitzfindigkeit iſt doch alle zeit mit einer natuͤrlichen Alberkeit vermiſchet: Sie koͤnnen wol die Argliſtigkeit der jhrigen / als welche gemeinig - lich mit weiſſen Zwirn ſeyn genaͤhet / erkennen / a - ber ſie koͤnnen nicht erſehen vnd erkennen die Argli - ſtigkeit jrer Nachbarn / wiewol ſie manchmals nur von Hanff vnd Stopffwerck gemacht ſeyn.

Wie Adraſtus ſich im geringſten nicht daruͤber bekuͤmmerte / daß er vor ſeiner Reyſe in Italien / (gleich wie die Hunde / vor welchen man ſich be -ſorget /231Diebs Hiſtorien / das II. Buch.ſorget / daß ſie raſend moͤgen werden /) in der Statt Pariß auff ſeiner Achſeln mit einem gewiſſen Merck ware gezeichnet worden: Alſo befande Er das bey ſich / daß Pariß ein ſolcher Ort iſt / da die gantze Welt / gute vnd boͤſe ſich auffhalten koͤnnen: Name jhm derohalben fuͤr / er wolte ſich wider - umb dahin begeben / vnd ſolte er auch daruͤber ſeine Stiffeln vnd Sporen im Stich laſſen muͤſſen.

So bald aber als er gen Pariß kommet / beſu - chet er ſeine alte gute Freunde vnd Mitgeſellen / richtet mit denſelbigen newe Freundſchafft vnnd Buͤndnuß auff: Weil er aber bey ſeinen Geſellen hatte erfahren daß zu Pariß ein Wechßler ware / welcher nahe bey dem Koͤniglichen Hofe wohnete vnd ein grewlicher Wucherer vnd Schinder wa - re / name er jhm fuͤr / er wolle jhm hinder ſeinen Seckel mit dem Geld niſten vnd jhn lehren / daß vnder deſſen / daß er in Italien ware geweſen / er nichts vergeſſen hatte / vnd daß der alte Verß war bleibet / welcher alſo lautet:

Cœlum non animum mutant, qui trans maro
currunt.

Das iſt / auff Frantzoͤſiſch.

Que bon cheval ny meſchant himme.
N amende prim d aller à Rome,

Das iſt / auff Deutſch /

Ein gutes Pferd / ein boͤſer Menſch kein beſſerung
erwirbt /
Wann er ſchon gen Rom zeucht vnd bleibt / lebt
oder gar da ſtirbt.

Dieſer Wechßler hatte gute CorreſpondentzP iiijvnd232Beutelſchneider / odervnd Freundſchafft mit einem Italiener / vnnd ge - wanne ſehr viel bey ſeinem wechſelen: Aber es ware der Wucher / gleichſam alſo zu reden / mit jhme ge - boren / daß man jhm allzeit doppelt ſo viel / als an - dern muſte bezahlen / vnnd durch ſeine argliſtige Practicken gewonne er allzeit die halbe Summa / ſo er einem liehe.

Es hatte ſchon vor der Zeit die gantze Bruͤder - ſchafft der Beutelſchneider all jhre Kraͤfften / Sinn vnnd Verſtandt daran geſtreck et / wie ſie jhm doch beykommen moͤchten: Aber er ware jnen allezeit zu - verſchlagen vnd fielen jnen alle jre Anſchlaͤg wider in den Brunnen Er machte es wie die Hirſche / welche den Hunden / ſo ſie verfolgen / auch wider - umb Stoͤſſe mit jren Hoͤrnern geben / das iſt / ſpot - ten jrer vnd jrer Verfolgung.

Als aber dieſes dem Adraſto / welcher auß Ita - lien friſch ware ankommen / vorkame / ſetzet er jhm vor bey ſich ſelbſten / er wolte den Anſchlag inns Werck ſetzen vnnd ſehen / daß er dieſem Wechßler ein ſtattliches anſchmitzete: Aber es gehoͤrete gu - te Zeit darzu / den Sachen recht vnnd wol nach zu - dencken.

Was thut aber Adraſtus? Vnnd wie ſtellet Er ſeine Sach an? Er ſihet / daß er einen feinen Jun - gen Menſchen / welcher von ehrlichen Eltern vnnd Herkom̃ens war bringet zu dem gedachten Wechß - ler / daß er bey jme ſolte dienen: Dann ſonſten hette er dieſem Wechßler nicht beykommen koͤnnen: Der - ſelbige junge Menſch hielte ſich nun ſo wol bey dem gedachten Wechßler / daß er jhme all ſeine Brieff /ſeine233Diebshiſtorien / das II. Buch.ſeine Rechnung vnd ſachen vertrawete; Er fande jhn auch in allen ſachen ſo trew vnd fleiſſig / daß er keine vrſach hatte im gringſten an ſeiner trew vnd auffrichtigkeit zu zweifflen: Vnd daß ich euch die warheit ſage / ſo merckete dieſer junge Menſch ſelber nit / warumb Adraſtus jhm hatte nicht allein das Hauß dieſes Wechßlers gewiſen / ſondern auch ge - rahten / er ſolte ſich zu ſolchem Herꝛn verdingen vnd jhme dienen / vnnd warumb er ſo fleiſſig jhm hatte eingebildet / er wuͤrde zu ſeinem Gluͤck keinen beſſern Herꝛn finden koͤnnen: Dann dem euſſerlichen an - ſehen vnd Kleidern nach zu vrtheilen ſo verſahe die - ſer junge Menſch den Adraſtum fuͤr einen fuͤrneh - men vnd dapffern vom Adel / vnd hette er nimmer - mehr gedencken koͤnnen an den Betrug / welchen Adraſtus durch jn in ſeinem Hertzen ſich hatte vor - genommen: Ader nach verlauffung etlicher Mona - ten gewann jhn Adraſtus / daß er jhn zu ſeinem ge - machten anſchlag gebrauchte: Er fuͤhrete jhn / alß er zeit hatte / auß ſeines Herꝛn Laden in ein Wirths - hauß / daß ſie allda einmal mit einander eſſen / trin - cken vnd ſich erluſtireten / vnd als ſie nun den Kaͤß bekommen hatten / vnd von allerley ſachen redeten / ſuchet er vrſach vnd gelegenheit auff ſein vornehmẽ zu kommen / finge an mit jhm zu reden vnd ſagte / wann er jhm wolte folgen / wolte er jhm Mittel vnd Wege zeigen / daß er bald ſolte reich werden koͤnnen / vnd nimmermehr die Haͤnde ledig haben: Vnd als er das mit jhm geredet hatte / fuͤhret er jhn an ein ſolches Ort / da er ſo bald mit einem Strick gefangen wurde: Dann wiewol er ſich in der erſtP vetwas234Beutelſchneider / oderetwas wegerte / ſo kundte jhm Adraſtus doch mit Worten alſo begegnen / daß er gleichſam wider ſei - nen willen jhm folgete.

Du ſiheſt ſelber / ſagte er zu jhme / daß der jenige / bey dem du biſt / ein alter Greiner vnd wunderbarli - cher ſeltzamer Mann iſt / er iſt gantz vnd gar in dem Geitz erſoffen / Er iſt ein rechter Schinder / Er iſt ein alter Mißtrawiger Mann / der dich an deiner Wolfahrt verhindert / Er ſtihlet dir gleichſamb die Frewde deiner Jugend ab: Er verhindert es / daß wir beyde nicht zuſammen kommen vnnd vns ein wenig auff ſeinen Vnkoſten luſtig machen koͤnnen. Mein lieber Freund: Wir ſeyn nunmehr inn einer ſolchen Zeit / da ein jeglicher auff ſich ſelber ſehen vñ ein jeglicher Fuchs ſeinen Balck verwahren: Es iſt niemands / der fuͤr vns ſorget vnd ſich vmb vns bekaͤmmert:

Der jenige der heutiges Tages in der Poſſeſſion vnd beſitzung eines Dienſts iſt / der iſt der ſtaͤrcke - ſte: Du haſt treffliche gute Mittel / nicht allein dir / ſondern auch deinen Freunden Dienſt vnd Gefal - len / vnd zwar ohn alle Muͤh / Arbeit vnd Gefahr zu erzeigen.

Allein thue eins / vnd folge meinen Raht / thue nur / was ich dir ſagen werde / ſo wird alles wol auß - ſchlagen.

Dieſer junge Kerles / welcher ſich auch gern lu - ſtig machte / vnd lieber in den Wirthshaͤuſern / als in ſeines Herꝛn Laden ware / lieſſe jhm dieſen vor - ſchlag nicht uͤbel gefallen / vnnd hoͤrete jhm deßwe - gen gar fleiſſig zu: Dann er ſahe vnd bedachte daſ -ſelbe /235Diebs Hiſtorien / das II. Buch.ſelbe / daß wann er ſolte laͤnger zu Pariß bleiben / ſo thaͤte er nichts anders / als daß er ſeine Jugend vn - nuͤtzlicher Weiſe zubraͤchte / vnd ware er von ſei - ner Kindheit ſchon gewohnet / in dem Lande vmb - her zu ſtreichen:

Fraget derohalben Adraſtum / was fuͤr mittel vnd wege er dann ſolte gebrauchen / damit er ſei - nen Herꝛn / den Wechßler betroͤge: Dann er ſagte / er were ſo ſpitzfindig vnd verſchlagen / daß jhn nicht baldt ein Menſch koͤndte betriegen / ja er koͤndte ei - nem Menſchen an ſeinen Augen anſehen / was er im Schild fuͤhrete vnd in ſeinem Sinn vorhette.

Mein lieber Freund / antwortete jhme hierauff Adraſtus die erſte vornembſte Haupt Regel / wel - che wir den jenigen / ſo ſich in vnſer Orden vnnd Zunfft begeben / geben / iſt dieſe / daß einer nicht ſo bald uͤber einem ding / deſſen er wird angeklaget / roth werde oder erſchrecke / man traͤwe jhm auch / wie man woͤlle / er komme auch in Noth vnd Ge - fahr / wie die Namen haben moͤge: Sonder man zeyhe jhn / was man woͤlle / ſo muß er ſteiff vnd veſt vnd alles wie ein Brenner leugnen / er muß / wañ es ſchon nit war iſt / Himel / Hell zu zeugen anruffen / er muß nicht viel in ſeinen Reden ſtutzen oder vnbe - ſtaͤndig ſeyn / er muß ſeyn hertzhafft / dollkuͤhn / vn - verſchaͤmbt / verſchlagen / vorſichtig vnd muhtig. Sehe / lieber Freund / das iſt die erſte Farbe / welche wir dem jenigen / der in vnſere hochgelobte Bruͤ - derſchafft begert auftgenommen zu werden / geben.

Darnach vnd fuͤr das andere / wann wir ſehen / daß ſich ein ſolcher / der in vnſer Bruderſchafft willkom -236Beutelſchneider / oderkommen / wol ſchicket / iſt artig vnnd verſchwiegen ein Anſchlag in das Werck zu richten: Er iſt ſpitz - findig vnd anſchlaͤgig etwas zu erdencken vnnd zu erfinden: Er iſt beſtaͤndig vnd alſo genaturet / daß er eine Folter / darauff er moͤchte geſpannet werden / wann er ſolte in einem vnſeꝛer ſtuͤcke ergriffen wer - den / kan außſtehen vnd außdauren: alsdann lernen wir ihn all vnſere gemeine Meiſter - vnd Kunſtſtuͤck / vnnd mag er darnach auff dieſelbige ſelber mehr er - dichten vnd erfinden.

Ferners vnd zum dꝛitten ſo laſſen wir ein ſolchen darauff in vnſere Zunfft vnnd Verſamblung kom - men: Da dann niemands mehr / als den jenigen / welche vnſere Bundsgenoſſen vnnd Zunfftbruͤder ſeyn / iſt erlaubet die Naſen drein zu ſtecken / Vnnd wann das geſchehen iſt / ſo muß ein jeglicher anzei - gen / wo er einen guten Ort weiß vnd erfahren hat / da man etwas kan fiſchen vnd fangen: Der Capi - taͤn / wann er ſolches hoͤret / bedencket vnnd beraht - ſchlaget mit den ſeinigen / ob es leicht oder ſchwer ſey zu verꝛichten: Vnnd nach dem er die Sache befin - det / erwehlet vnd ordnet er ſolche Perſonen darzu / durch welche er vermeinet / den Anſchlag zu volln - bringen: Vnd wann die Sach wol iſt außgerichtet / ſo hat der jenige / der ſie anbracht vnnd vorgeſchla - gen / ſein Theil darvon / der Capitaͤn / wie auch die je - nige / ſo Kopff vnd Hand angeleget / haben das uͤbe - rige / welches darnach abermals vnter wenig oder viel wird außgetheilet / nach dem der Diebſtal iſt groß geweſen.

Wie viel Gewinn meineſtu wol / daß du darvonhaben237Diebs Hiſtorien / das II. Buch.haben koͤnneſt / wann du dich zu vns geſellen woͤlleſt. Dann es vergehet bald keine Woche / da wir nicht mehr als tauſent oder zwey tauſent Kronen bekom - men? Dann / weil vnſerer ſehr viel ſeyn / theilen wir vns in gewiſſe Hauffen auß / vnnd ſeyn daß gewiß / daß es vns nimmer mangelt: Dann wann ſchon der eine Hauff vnd Geſellſchafft nichts bekommet / ſo bekommet doch auff das aller wenigſte die ande - re etwas. Kuͤrtzlich darvon zu reden / ſo iſt vnſer Handwerck ſo gut / daß die jenige / ſo einmal ſolches anfangen / nicht widerumb begehren darvon abzu - laſſen / dann / baar Gelt zu haben / ſo doͤrffen wir nit inn Perou ziehen / noch den Vnterthanen ſchwere vnnd newe Stewer aufflegen / noch das arme ge - meine Volck beſtehlen / ſondern wir brauchen ein - tzig vnd allein vnſer Handwerck / vnd machen vnns nur an die groſſe vnd vornehme Herꝛn / die es wol außdawren koͤnnen / dann wir wiſſen ſelber wol / daß bey den gemeinen armen Leuten nicht viel iſt zu erlauffen: Vnd was meineſtu / daß vor ein groſſer Gotteslohn ſeye / wann man ein ſolchen groſſen Dieb / Wechßler / Schinder / wie dein Herꝛ iſt / ein wenig beſtihlet:

On dit gu à voler ur larron
On gai gne Cent ans de pardon.
Das iſt / auff Deutſch:
Hundert Jahr all ſein Suͤnd verziehen ſeyn dem
Mann /
Der die ſtattliche Dieb auch recht beſtehlen kan.

Vnnd wann dem ſchon nicht alſo were / wie ich nach dem Sprichwort geſagt habe: Ja wann esſchon238Beutelſchneider / oderſchon gantz falſch wehre / wie es vielleicht ſeyn mag / jedoch ſo thu man gleichwol noch ein gutes Weick in dem / daß man die jenige / ſo die gantze Welt beſte - len / auch widerumb beſtiehlet:

Dieſes alles ſoll dich billich bewegen meinen tre - wen Raht vnnd in dienen eigenen Seckel wolge - meinte Vermahnung anzunehmen / vnd dahin zu trachten / daß du die Schluͤſſel / welche dein Herꝛ zu den Kiſten vnd Laden / darinnen er ſeine Kauffbuͤ - cher / ſeine Schrifften / Brieff vnd Handſchrifften hin thut / brauchet / bekommeſt / dieſelbige in ein Wachß wol abdruckeſt vnnd mir den Model oder Muſter vberſchickeſt: Laß mich darnach fuͤr das v - brige ſorgen / ſo will ich wol mittel finden / daß wir auch zu etwas kommen vnd reich moͤgen werden.

Als nun deß Wechßlers Jung auff angehoͤrte Weiß vnterꝛichtet / angefuͤhret vnnd auch ſchon gantz vnd gar uͤberꝛedet iſt / daß er ſich in deß Adra - ſti Bruderſchafft woͤlle begeben / verheiſt er dem A - draſto / er wolle thun / alles was er an jhn begehre / vnd mit ſeiner geſchwinden Verꝛichtung jhn ver - gewiſſern / daß er einen ſonderlichen Luſt zu ſolcher edlen Rauber-uͤbung habe: Wie dann auch ſeine El - tern in ſeiner Jugend an jhm gemercket hatten / daß er ein groſſe zuneygung zu dem Boͤſen / ſonderlich aber zu dem Diebſtal hatte.

Acht Tage nach dieſem Eingang vnnd Anfang kommet Adraſtus / (der bey dem Naucles) alſo hieſ - ſe dieſer junge Kerles / welcher dem Wechßler die - nete (ſchon durch ſeinen Raht viel guts geſchaffet vnd gewircket hatte) zu dieſem jungen Kerles vndfraget239Diebshiſtorien / das II. Buch.fraget jhn / ob er ſeiner Verheiſſung ein gnuͤgen ge - than hette: Naucles antwortet jhm vnnd ſpricht: Was verſprochen vnnd befohlen ſeye worden / das habe er zum aller fleiſſigſten auß gerichtet / gibt jhm hierauff das in has Wachs gedruckte Muſter der Schluͤſſel zu ſeines Herꝛn Condor / zeiget jhm auch / wie er ſo groſſe Muͤh gehabt habe ſolche Schluͤſſel in ſeine Haͤnde zubekommen / dann ſein Herꝛ habe ſie allezeit mit einer Armbruſt Nuß an dem Guͤr - tel hangen gehabt: Er habe aber das Vortheil erſe - hen / daß als ſein Herꝛ geſchlaffen / habe er ſie jhm vnter ſeinem Hauptkuͤſſen / darunter er ſie alle - zeit pflege zu legen / herfuͤr gezogen vnnd in aller eyl abgedrucket.

Adraſtus iſt froh / daß der Streich ſo wol iſt an - gangen / vnnd daß jhm ſein Anſchlag ſo gluͤcklich fortgehet? Verfuͤgt ſich derhalben zu einem Schloſ - ſer, vnd laͤſt jhm ſolche Schluͤſſel machen / welche deß Wechßlers Schluͤſſel gleich ſeyn: Vnd als ſie gemacht / gibt er ſie dem Naucles / daß er ſie wann jederman zn Bett vnd ſchlaffen ſey / probiere / ob ſie auch recht ſeyen / vnd gern auß vnd ein gehen: Wel - ches als es nun mehr auch geſchehen / vnd die ſchluͤſ - ſel recht waren / mangelt es an nicht mehr / als daß nun jhr Anſchlag ins Werck gerichtet wurde.

Adraſtus erinnert / oder beſiehlet vielmehr dem Naucles (dann er kundte nun mehr den Naucles regieren vnd fuͤhren / wie er ſelber wolte) Er ſoll es jhm zu wiſſen thun / wann ſein Herꝛ / der Wechßler / eine groſſe Summen Geldts werde empfangen / die er nach Rom ſoll uͤbermachen: Auff daß er ebenſolche -240Beutelſchneider / oderſolchen Tag ſein Journal moͤge haben vnd auß richten was er jhm vorgeſetzet hatte: Dann wie wol Naucles falſche Schluͤſſel hatte zu ſeines Her - ren Condor vnd Geld / kundte auch wol / wie man in dem gemeinen Sprichwort redet / ein Loch in die Nacht machen / das iſt / hette darvon lauffen koͤn - nen / ehe es ein eintziger Menſch were gewahr wor - den / oder daß er eintzige Gefahr daruͤber hette auß - ſtehen moͤgen. Jedoch wolte er ſolches Mittel nicht gebrauchen / ſondern / was er vorgenommen hatte / das wolte er offentlich vnd vor aller Welt außrich - ten: Darauß jhr dann habt zu erkennen die groſſe vnverſchaͤmkeit vnnd vorſetzlichen Betrug dieſes jungen Vogels / welcher / da andere nicht als deß Nachts zuſtehlen außgehen / wolte / daß der helle Tage / der Himmel / die Sonn / die Erde vnd gantze Welt ſeines meineydigen Vornehmens Zeugen weren.

Acht Tage verlauffen ſich / daß in das Hauß des geſagten Wechßlers keine Summa Gelds / die jh - res Anſchlags were werth geweſen / kame Endlich aber auff einen Sontag bringet man jhm tauſent Kronen an purem guten Gold / welche er nach Rohm an einen Prelaten / welcher fuͤr weniger zeyt dahin wahre gezogen / vnd welchen man hie nicht darff mit Nahmen nennen / ſolte vbermachen: Vnd ſoſches Geld ware in zween Saͤcken.

Dieſes wurde nun ſo bald dem Adraſto / der alle Tag fleiſſig darauff wartete / angeſagt / jm darbey erzehlet die Summ alle vnd a Vmbſtaͤnde ſolches eingeli efferten Geldes: Vnder deſſen aber / daßder241Diebs Hiſtorien das II. Buch.der Wechßler wahre außgegangen / mit einem ſei - ner Freunde zu Nacht zu eſſen / gabe Naucles jhm ſeines Herꝛn Buch / dariñen alles auffgeſchrieben war / was er fuͤr Geld empfangen hatte: Er ſagte jhm auch die Spccies / ſo in den zween Saͤcken wa - ren: Nemblich lauter Kronen / vnd ſchriebe er ſol - che Wort darein:

Ich Firmin Adraſte / hab heut dieſen Tag gegeben dem Herꝛn Martin le Noir, Ordi - nari-Wechßler von Pariß nach Rom / die Summa zwoͤlff Tauſent Kronen / in zween Saͤcken: Nemblich Fuͤnff hundert Kronen an Gold / vnd Kronen / vnnd Fuͤnff hundert Kronen an Piſtolen / die Piſtole fuͤr ſieben Pfundt ſechs Schilling: Deſſen ſeyn Zeu - gen Frantz Timon vnd Peter le Reux: Wel - che Sum̃en Geldts er mir verſprochen von Pariß gehn Rohm zu vbermachen auff ein ſolche Zeit / welche ich werde begehren / vnd ſo bald / alß ich allda werde ankommẽ ſeyn. Ge - ſchehen den 10. Aprilis / vnd hat es dieſer vnd dieſer vnderſchrieben.

Vnden an dieſer Schrifft verwandelt er die Buchſtaben / vnd wie er in dieſem Handwerck wol geuͤbet ware / alſo machte er dem geſagten Wechß - ler ſein Hand vnd Schrifft ſo artig nach / daß man geſchworen hette / es were ſeine eygne Hand gewe -Qſen /242Beutelſchneider / oderſen / vnd ſchriebe dieſe Wort drunder: Ich habe die - ſe Summen Golds dem Herꝛn Carre Wechßler uͤberlieffert / daß er ſie in meinem Abweſen gen Rom ſolle uͤbermachen.

Als nun Naucles dieſe Wort lieſet / ſaget er / der Handel werde ſich gar wol ſchicken / aber er hette die Species nicht recht geſetzet / dann in den zwey - en Saͤcken ſey gar keine Piſtole / ſondern die gan - tze ſum̃en Gelds ſey an lauterm Gold vnd Kronen.

Vnd das iſt eben das Mittel / ſagt Adraſtus / dardurch ich den Wechßler will erdappen: Dann ich will jetz ſo bald hingehen vnd die fuͤnffhundert Kronen an Piſtolen holen vnd geben: Vnder deſ - ſen aber / daß dein Herꝛ nicht daheim iſt / ſolt du die zween Saͤcke nemen vnnd fuͤnff hundert Kro - nen darauß thun / auß einem jeglichen Sack / zwey hundert vnd ſunfftzig / vnd ſolt die Piſtolen / die ich dir jetzunder will holen / an der hinweg genomme - nen Kronen platz thun: Es iſt Gold / welches ich geſtern vmb den abend außdruͤcklich zu dieſem vn - ſern Anſchlag hab entlehnet: Was das uͤbrige an - langet / ſo vergeſſe es bey leib nicht / ſondern thue die zwey kleine Zettelein / ſo an den Saͤcken ſeyn ab / vnd thue hergegen dieſe zween Zettel / ſo ich dir jetzt ge - ben will / in die Saͤck hinein: Vnd als er dieſes ſa - get / gibet er jhm zwey kleine Zettelein / auff welchen alſo geſchrieben ſtunde: Fuͤr Herꝛn Adraſtum.

Als nun Naucles gnugſam vnderrichtet wa - re / wie er alles anfangen ſolte / vnder deſſen / daß ſein Herꝛ nicht daheim were / nimpt er hierauff der Zeit wol in acht: Vnd als ſein Herꝛ / wie Ichſchon243Diebs Hiſtorien das II. Buch.ſchon gedacht / ware bey einem ſeiner Freunde / welcher ſeine Tochter verheurahtet / bey dem A - bendeſſen / es ware auch ſonſten kein Menſch mehr als eine eintzige Magd im Hauſe / ſchleuſt er mit dem falſchen Schluͤſſel / welchen er zu ſeines Her - ren / deß Wechßlers Condor hatte machen laſſen / daſſelbige auff / wie auch die Kiſten / darinnen ſein Herꝛ pflegte all ſein Geld / ſein Kauffb uͤcher / Ver - ſchreibungen / Handſchrifften vnnd dergleichen Sachen / daran viel gelegen ware / zu ſchlieſſen vnd zubewahren / thut das Buch / welches er dem Adra - ſto gegeben hatte / wider hinein / lehret die zween Saͤcke / deren iſt gedacht worden / auß / nimmet fuͤnffhundert Kronen hinweg / vnd thut an derſel - bigen ſtatt hinein die Piſtolen / ſo jhme waren ge - gegeben worden / vnd nach dem er die Thuͤr allge - mach vnd fein leiß widerumb hatte zugeſchloſſen / wirffet er die Schluͤffel in das heimliche Gemach / wie jhme war befohlen worden / gehet hin vnnd bringet dem Adraſto / welcher ſeiner in der nech - ſten Herberg wartete / die fuͤnff hundert Kronen / an welcher ſtatt er die Piſtolen gethan hatte: Adraſtus nimmet ſolche fuͤnffhundert Kronen / vnd gibet ſie ſo bald wider den jenigen / welche jhm den vergangenen Abend die gedachte Piſtolen geliehen hatten: Dann die gantze Bruͤderſchaffe der Beutelſchneider hatte zu ſammen geſchoſſen / darmit ſolcher kuͤhner Anſchlag inn das Werck moͤchte gerichtet werden: Vnnd ware auch daran gar nichts zu verlieren / dieweil Adraſtus nun die Fuͤnffhunde[r]t Kronen ſchon widerumbQ ijzu244Beutelſchneider / oderzu ſich hatte gezogen / ſondern ware noch viel daran zugewinnen / wann man anderſt auch Gewinn kan nennen / was geſtohlen wird.

Daß ich euch aber hiervon auch meine meinung ſage / ſo hette man wol ſagen moͤgen / Naucles were ein argliſtiger Verſchlagener Kopffe / wann er an ſtatt / daß er hingienge vnd brachte die Fuͤnffhun - dert Kronen dem Adraſto / durch eine andere Thuͤr ware mit dem Geld hinauß gegangen / vñ hette ſich heimlich auß deß Wechßlers ſeines Herꝛn Hauſe darvon gemacht: Dann uͤber das / daß er kein Vr - ſach an dem verderben ſeines Herꝛn were geweſen / wie auch deß groſſen Schimpffs / welcher jhm her - nach widerfuhre / wie wir anhoͤren werden: So hat - te es das anſehen gehabt / als wann er nicht ſo gar uͤbel daran gethan hette: Dann er hette niemands anders / als ein Raͤuber ſelber beraubet: Aber wann man alles wol bedencket / daß er / in dem er ſeinen Herꝛn beraubet / er ein Rauber hat beſtolen / eben ſo wol als Adraſtus / ſo kan man jhn nicht vor vnſchuldig erkennen / oder von dem Galgen loß ſprechen: Wann er entweder nur daruͤber were er - dappet worden / oder wann man jhn ſeines Dieb - ſtals hette uͤberzeugen koͤnnen.

Vnder deſſen aber ſo kompt der Wechßler wider hinein / vnd gedencket im geringſten nicht / daß jhm in ſeinem abweſen ein ſolches Bubenſtuͤck ſolte be - wieſen oder angerichtet ſeyn worden: Deß Mor - gendts aber ſehr fruͤh / bekame er von einem / ich weiß ſelber nicht wer / hundert Cronen / welche er nach Rom ſolte verſchicken / oder durch einẽ Wech -ſelbrieff245Diebshiſtorien / das II. Buch.ſelbrieff uͤbermachen: Schriebe ſolches auch in ſein Buch / ſahe aber nicht an was man jhm dahin ge - leget hatte: Dañ da ſein wir Menſchen manchmals ſo geitzig vnd begierig / auff das Geld vnd den Ge - win / daß wir ein ding ſelber nicht recht anſehen o - der bedencken.

Etliche Tage hernacher / als Adraſtum duncke - te / es were zeit ſeinen Anſchlag ins Werck zu ſetzen / vnnd Einzuerndten / die Frucht deren er zuvor ein ſolchen guten Samen geſaͤet hat / kommet er mit etlichen vnd zwar mit den vornembſten Filaus oder Beutelſchneidern / inn das Hauß deß gedachten Wechßlers / begeret ein Wort mit jhm zu reden / vnd als er kommet / redet er jhn alſo an.

Mein Herꝛ / Es ſeyn mir in dieſer Statt / ſeyt deß letzten Sambſtages da ich mit euch geredet ha - be / etliche Geſchaͤffte zu verrichten vorgefallen / wel - che mich verhindern / daß ich in Italiam / wie ich mir zwar gaͤntzlich vorgenommen hatte / nicht kan ziehen: Derohalben / ſo bitte ich euch / jhr woͤllet mir das Geldt / ſo ich euch / mir nach Rom zu uͤberma - chen / hab gegeben / widerumb zuſtellen: Ich will euch ewer Gebuͤr gern darvon geben / vnd will ſol - che Gutthat zu erkennen nicht vnterlaſſen.

Mein Herꝛ / antwortet der Wechßler / es iſt hie nicht / das jhr recht ſuchet: Es wird vielleicht da vn - den bey einem andern ſeyn / zu dem jhr ſollet vnd woͤllet gehen: Ihr kommet nicht zu ewerem rechten Mann (verzeyhet mir es / daß ich euch ſolches wort ſage) es wird vielleicht Herꝛ Carre ſeyn / nach wel - chem jhr fraget / dann der iſt eben ſo wol als ich / einQ iijWechß -246Beutelſchneider / oderWechßler / er wohnete auch eben in dieſer Gaſſen: Ich weiß nicht / antwortet Adraſtus / wer Herꝛ Carre iſt / aber ich weiß keinen andern Mann / der mein Geld hat empfangen / als jhr allein: Euch / ſage ich / hab ich newlich tauſent Cronen geben / fuͤnffhundert an Cronen / fuͤnff hundert an Pi - ſtolen.

Der Wechßler / welcher wol wuſte / daß er tau - ſent Cronen empfangen hatte / aber nicht in was fuͤr ſpeciebus, antwortet jhm mit groſſem vnwil - len vnd ſagte / er kennete jhn nit / er moͤchte wol ein vnverſchaͤmbter Geſell ſeyn / daß er jhm ein ſolches doͤrffte abfordern: Was / ſagte hierauff Adraſtus / vnverſchaͤmbter Geſell? haltet jhr mich fuͤr einen albern Geſellen oder Narꝛen? wollet jhr mir mein Geldt auch leugnen / wie jhr vielen andern ehrli - chen Leuthen gethan habt. Ich bitte euch / laſt vns nicht viel mit einander zancken: Wann jhr durch laut ſchreyen vnd ruffen ewer Sachen gewinnen kuͤndtet / ſo were es zwar gut / aber alſo wird es nicht gehen? Geſtehet jhr nicht daß jhr vor acht Tagen tauſent Cronen von mir empfangen habet / welche jhr in Italien mir nach Rom ſoltet uͤbermachen? Mein Freund / antwortet der Wechßler / ich weiß nicht / ob jhr voll Wein / oder gar naͤrꝛiſch ſeyet? A - ber dem ſey / wie jhm wolle / daß jhr mich entweder fuͤr einen andern anſehet / oder daß jhr das alſo ſa - gtt / mich offentlich zu betriegen / ſo ſage ich euch das hiermit: Daß ich euch nit kenne / euch auch niemals mit meinen Augen hab geſehen. Das Volck lauff auff dieſes gezaͤnck zuſammen / ein jeglicher will ſehen /247Diebshiſtorien / das II. Buch.hen / was das Spiel fuͤr ein ende werde gewinnen: Dañ / wie ohne das dieſer Wechßler bey den Bur - gern vnd bey der gantzen Nachbarſchafft ein boͤſes Geſchrey hatte: Alſo wuſte Adraſtus[ dermaſſen] zu reden vnd auffzuſchneyden / daß kein Menſch ge - glaubet haͤtte / daß ein betrug darhinder ſolte ſtecken: So bedorffte Adraſtus auch keiner Larven / ſein Bubenſtuͤck darmit zu verdecken / dann er hatte ein ſolches Geſicht / das allerley Geberden an ſich neh - men kundte: Er kundte ſich euſſerlich alſo ſtellen vnd geberden / daß mancher ein Eyd geſchworen / hette / er meinete es auch alſo in ſeinem Hertzen.

Laſt vns nicht ſo laut ſchreyen / ſpricht Adraſtus zum Wechßler: Heiſt jhr nit Martin le Neir? Der Wechßler / als er ſeinen Namen hoͤret nennen / wird er ſo beſtuͤrtzet / daß er nicht weiß / was er darauff ſoll ſagẽ: es zittern jm alle ſeine Glieder: vñ als er ſaget: Ja / er heiſſe alſo: Da fanget Adraſtus an jhm recht zu zuſetzen / vnd zu draͤwen / wann er jhm ſein Geld nicht ſo bald wider gebe / wolle er jhm vorge - bieten laſſen / vnd wolle ſich an jhme aller ſeiner vn - koſten / ſo jhm daruͤber auffgehen wurden / erholen: Vnd wann er ſchon alle ſeine renck vnd ſchwenck gebrauchete / jhn vmb ſein Geld zubringen / ſolte er doch darmit nichts gewinnen / ſondern jhm ſein Geld wider geben.

Wie ſagt der Kauffmann zu jhm / kommet jhr hieher zu mir / mich alſo zu uͤbergeben? Wollet jhr mich vor aller Menſchen Augen beſtehlen vnd be - rauben? Werdet jhr euch nit hinweg packen / ſo will ich den Commiſſarium holen / vnd euch einſteckenQ iiijlaſſen?248Beutelſchneider / oderlaſſen? Nicht ſo boͤß / nicht ſo zornig / ſagt Adraſtus wider zu jhm: Meinet jhr / ich ſey ewer Narꝛ? Nein / jhr habt vnrecht bey mir angetroffen: Mit ewerem groſſen gewaͤſch werdet jhr die ſach nicht gewinnen noch mir Gelt abſtelen koͤnnen.

Als nun die jenige / welche Adraſtus als Zeugen mit ſich gebracht hatte / vermeinten / es were Volck gnug beyeinander / ſetzen ſie auch an den Wechß - ler / ſagen jhm / inn ſein Angeſicht / er ſey ein loſer Mann / der nit werth ſey / daß er ſolle leben: Dann er ernehre ſich von nichts andets als von verdambli - chen Wucher vnnd Rauben: Vnd ſie ſelber haben es mit jren Augen geſehen / daß er die tauſent Cro - nen empfangen habe: Derhalben ſoll man die O - brigkeit vmb huͤlff erſuchen vnd anſchreyen.

Der Commiſſarius / ſo in ſolcher Gegendt woh - nete / als er dieſes Gezaͤnck vnnd Geſchrey inn deß Wechßlers Hauß hoͤrete / machet ſich auff / vnd ge - het mit etlichen Dienern / ſo er zu allem gluͤck auff dem Wege antraffe / in deß Wechßlers Hauß hin - ein / welches als es Adraſtus ſihet / daß nemblich der Commiſſarius daher kommet / machet er ſich noch viel vnnuͤtzer / vnnd will kurtz rund ſein Gelt von dem Wechßler haben / auff daß jederman / ſo da ware / moͤge ſehen / daß er billiche Vrſach habe ſein Gelt widerumb zu fordern / vnd ſich zubeklagen uͤber den Raub / ſo der Wechßler / welcher ſchon bey jederman ſtancke vnnd verhaſſet war / an jhm ſolte begangen haben.

Mein Herꝛ / ſagte er zu dem Commiſſario / ich bitt mich nur ein wenig mit gedult anzuhoͤren: Esiſt nun249Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.iſt nun mehr acht Tage daß ich inn Italien zuver - reiſen / mir gentzlich vorgeſetzet hatte / vnnd habe dem Herꝛen le Nair allhier zugegen tauſendt Cro - nen zugeſtellet / auff daß er mir ſolche gen Rom uͤbermache: Aber vnter deſſen ſein mir andere Ge - ſchaͤffte vorkommen / vmb welcher willen ich noch zween Monat allhier in dieſer Statt muß verblei - ben / vnd da ich nun herkomme / vnd will mein Geld von dieſem Mann wider haben / ſchicket er mich nach Niord ſpricht er kenne mich nicht / ich ſey ein Landbetrieger.

Mein Herꝛ / ſagt der Wechßler / ich ſage euch das daß dieſer ein rechter Rauber iſt / vnd ſoll man jhn billich gefangen nehmen: Allgemach / allge - mach / antwortete hierauff das Volck / welches vmb ſie herumber ſtunde) jhr redet gar hertzhafftig: Ja freylich / ſagt der Wechßler / vnd warumb nicht? Er will mich uͤberꝛeden / er habe mir Gelt gegeben vnd hab ihn doch mein lebenlang nit geſehen? Hab ich nit vrſach / mich uͤber jn zu beklagen / vnd die Obrig - keit deßwegen an zuruffen?

Adraſtus aber antwortet hierauff alſo: Wiewol ich das jenige / was ich ſage vnd begere / mit Zeugen genugſam kan beweiſen / wie ich dann endtlich ſol - ches mittel auch werde gebrauchen muͤſſen jedoch / wann er mir mein Gelt weiters wil leugnen / ſo be - gehre ich meinem beweißthumb nicht mehr zu ſe - hen als ſein eigenes Buch / darinnen er ſeine Auß - vnd Eingaben pfleget einzuſchreiben / ſo weiß ich / daß jhr allemiteinander dieſes Manns betrug wer - det mit augen ſehen: Ob er nit vielleicht das Blat /Q vdar250Beutelſchneider / oderdarauff meine Summen Geldts geſchrieben ſte - het / habe außgeriſſen / damit ich jhm ja nichts ab - fordern koͤnne.

Der Wechßler / welcher nichts anderſt wuͤnſche - te vnd begehrte / als deß er auß dem argwohn / wel - chen alle das Volck ſo vor ſeinem Hauß ware vnd dieſem gezaͤnck zuhoͤrete / durch deß Diebſtals fal - ſche Anklag auff jhn hette geworffen / kaͤme / vnnd das alle Welt ſeine vnſchuld moͤchte ſehen vnd er - kennen / ſaget alſo: Wiewol er gantz vnd gar nicht ſchuldig ſeye jhm ſeine Regnung / Regiſter vnnd handelsbuͤcher zuzeigen / jedoch / weil er jhn ſo faͤlſch - lich vor aller Welt anklage / ſo wolte er ſie gern ſe - hen laſſen / auff daß ja niemandts zweiffelt an ſeinẽ Nahmen / noch auch an dem jenigen / mit welchem er zuthun habe / vnd welcher ſich Adraſtum nenne: laͤſt auch hierauff ſeine Regiſter vnnd Buͤcher her - fuͤr bringen.

In dem aber / das der Wechßler ſeine Buͤcher leſtholen / nimmet Adraſtus der zeit wol in acht / zeucht den Commiſſatium auff eine Seyt / vnd ſa - get zu jhm: Sein Geld ſey in zween Saͤcken / zeiget jhm auch an / wie die Saͤck ſeyen / was ſie fuͤr eine farbe vnd merck zeichen haben / nennet jhme die ſpe - cies, ſo in den Saͤcken ſeyen / wilches gerad ein tau - ſent Cronen machte: wuſte auch nicht anderſt / als daß er ſolches ſein Geld in eineviereckigte doppelte Laden / ſo er in ſeiner Kammer ſtehen habe / vnd all - zeit zwen Schluͤſſel darzu bey ſich trage / hinge - ſchloſſen habe.

Das Buch wird gebracht vnd auffgethan: A -dra251Diebs Hiſtorien / das II. Buch.draſtus ſuchet den Tag / an welchem dem Wechs - ler ſolche ſummen Gelts ware zugeſtellet worden / vnd nach dem er es wol durchblettert hatte / ſpricht er zu dem Commiſſario: Mein Herꝛ ich bitte euch / jhr woͤllet dieſe Elauſul leſen vnd mir darnach ſa - gen: Ob das nicht ein rechtes metneydiges Schel - menſtuͤck ſeye von dem Mann / daß er mir mein Gut verleugnen / vnd mich auff ſolche weiß will be -[ ſtehlen.] Der Commiſſarius nimmet das Buch inn die Hand / liſet uͤberlaut das jenige / was Adraſtus zuvor durch gelegenheit deß Naucles inn ſolches Buch hatte geſchrieben.

Der Wechßler wird hieruͤber ſo beſtuͤrtzet / als wann jhm ſeine Fuͤſſe / wie dem Acteoni, weren ge - ſpalten worden: Er weiß nicht was er darauff ſoll antworten / Er wird vnter ſeinem Angeſicht gantz bleich / jederman klaget jhn an / vnnd in dem ein jeg - licher jhn inn den Abgrundt der Hoͤllen verfluchet vnd vermaledeyet / weiß er nichts anders zu thun / als daß er Gott / Sonn / Mond / Himmel vnnd Er - den zu Zeugen anruffet / daß er Adraſtum niemals hat geſehen.

Ihr moͤget ſo lang ſchweren als jhr woͤllet / ſagt Adraſtus / einem ſolchen falſchen meineydigen Schinder vnd Wucherer / der den Geitz / Golt vnd Silber fuͤr ſein GOtt helt / will ich auff ſein ſchwe - ren nicht getrawen: Man muß auff der Statt hin - gehn zu dem Wechßler Herꝛen Carre, ewerem Bundtsgenoſſen / zu ſehen / ob jhr jhm mein Gelt nicht habt gegeben / oder jhn ewere Kiſten habt auff - ſchlieſſen laſſen / vnd ob ſich die zwen Saͤck mit denbeſchrie -252Beutelſchneider / oderbeſchriebenen ſpeciebus nit bey jhm finden: Dann dieſem vnſerem Streit kan leichtlich abgeholffen werden. Der Augenſchein / ſo das Volck / welches vmb vns herſtehet daruͤber wird einnehmen / wird ſelbſt machen / daß wir one allen Streit vnd Recht - fertigung von einander werden kommen koͤnnen.

Man gehet ſo bald zu Herꝛn Carre, aber da will er von allen ſolchen Sachen im geringſten nichts wiſſen: Man ſchleuſt hernach dem angeklagten Wechßler die Kiſten vnnd Kaſten auff / wiewol er ſich ſehr daruͤber beſchwerte: Dann er hatte ſorg / es moͤchte jhm ein ſchimpff / vnnd ſchaden dardurch widerfahren / aber das Volck / ſo dabey ware / uͤber - taubete jhn mit ſeinem ſchreyen vnnd draͤwen: Je - derman ſchalt jhn / vnd gabe jhm vnrecht: Der al - lergeringſte rotzigſte Lehrbub fluchet jhm / vnd gab jhm ſtichrede: Aber da erſchracke er noch mehr / da die zween Saͤcke auff gethan / vnnd kleine Zettelein / welche nicht allein anzeigten / daß das Gelt dem Herꝛn Adraſto zuhoͤrete / ſondern auch der ſpecie - rum inn ſolchen Saͤcken gedachten / darinnen ge - funden wurden: Das machte Adraſtus / weil er oh - ne das auch Zeugen / welche außſagten / ſie wehren darbey geweſen / da das Geld dem Wechßler were zugeſtellet worden / bey ſich hatte / uͤber die zween Saͤck mit Gelt fiele / ſie zu ſich zoge / ſagte / ſie ge - hoͤrten ihm zu / vnd gabe jhm ſein gebuͤr vnnd auff - wechſel darvon.

Als nun der Wechßler ſihet daß Adraſtus mit aller Gewalt jhm die Saͤck mit Gelt nimmet / ver - fluchet er ſich ſchrecklich / ſagt / der Teuffel ſoll jhnmit253Diebshiſtorien das II. Buch.mit Leib vnd Seel hinweg fuͤhren / wann das Gelt deß Adraſti ſeye: Aber ſo ſehr als er ſchrye vnnd ſich verfluchte / ſo wenig wurde es geachtet: Dann der Commiſſarius vnd der gemeine allda vmbherſte - hende vnd zuhoͤrende Poͤbel ſchryen jhn auß vor ei - nen loſen Mann / vnd gabe der Commiſſarius dem Adraſto das Gelt in ſeine Haͤnde / welcher jhm die Saͤck wolte laſſen / auff daß er auch mit den Wechs - ler moͤchte zu thun bekommen: uͤberꝛedet alſo Adra - ſtus das Volck / was er ſelber wolte. Vnd ſehet / alſo hat Adraſtus nun dieſen Wechßler vor aller Welt Augen betrogen / vnd jm argliſtiger weiſe ſein Gelt hinweg geſtolen.

Ich muͤſte ſehr viel Zeit haben / wann ich alle die argliſtige Diebſtuͤck / welche er zu Paris vnd in vie - len andern Staͤtten in Franckreich hat begangen / ſolte erzehlen: Da iſt kein Ort / kein End / da er nicht etliche Merck vnd Gedenck zeichen ſeiner Dieberey vnd boßheit hinder ſich hat gelaſſen: Aber wie alle Suͤnde vnd Laſter entweder bald oder langſam von Gott geſtraffet werden / vnd ein ende nehmen / alſo / nach dem Naucles auß ſeines Herꝛn / deß Wechß - lers Hauſe / ſich hinweg gemacht / vnd jhm vorge - nommen hatte / das Land durchzuſtreichen: Wur - de er zu Senlis, da er etliche Beutel abgeſchnitten hatte / gefangen vnd durch eine Appellation / welche wider jhn ware vorgenommen / hieher in dieſe Statt Paris gefuͤhret / da dann nach gnugſamer vorge - gangener Examinirung befunden wurde / daß er bey fuͤnff vnnd ſechs groſſen begangenen Rauben ware geweſen: Wurde hierauff von der Obtigkeitzum254Beutelſchneider / oderzum Strang verdammet: Als er aber anff die Gal - genleyter kame / klaget er Adraſtum hefftig an / vnnd ſagte nicht allein das Ort vnd das Ende / wo jhn der Blutrichter wurde gewißlich antreffen / damit er auch auff gehencket wuͤrde / ſondern / daß et Adra - ſtus allein vrſach were daß er in ſolches Diebsleben gerahten wer / vnd daß auch dem gedachten Wechß - ler ſolcher groſſer ſchimpff vnnd ſpott vnſchuldiger weiſe widerfahren were.

Die Schuͤtzen vnd Trabanden gehen ſo bald in das Loſament / welches Naucles verꝛathen vnd an - gezeiget hatte / vnd finden Herꝛn Adraſtum / welcher noch wol auff iſt / vnd ſich mit zween ſeiner Spieß geſellen gar luſtig machet / vnnd will all ſeines Her - tzens Trawrigkeit vnd Schwermut mit dem Wein vergraben: Wird ſo bald in das Gefaͤngnuß hinge - fuͤhret / vnd als man jhn auff die Folter ſpannet / be - kennet er einen vnzehlichen groſſen hauffen Buben - vnd Diebſtuͤck / welche noch in der Regiſtratur ſein zu finden: Zur belohnung aber ſeiner vielfaltigen gehabten Muͤhe vnd zum Troſt ſeines Creutzes vnd Elendes verkuͤrtzete man jm die forcht / ſo er hatte deßwegen / dieweil er ſorget / er moͤchte geraͤdert wer - den / vnd lieſſe jhn nur ſchlechts hinweg an Galgen auffhencken vnd ſolches auff hefftige klage / welche wider jhn gefuͤhret wurde durch den offtmals ge - dachten Wechßler / welcher zwar durch ſolches mit - tel ſich alles argwohns / ſo man wider jhn hatte / ent - ſchuͤttete vnd ſein Ehr wider bekame / aber doch nit die tauſent Cronen / als welche Adraſtus vnd ſeine Mitgeſellen ſchon durch die Gurgel gejagt hatten.

Sehet /255Diebshiſtorien das II. Buch.

Sehet / das iſt das ſchmaͤhliche End deß Adra - ſti vnd aller der jenigen / welche der Tugendt abſa - gen / vnnd ſich allen Laſtern ergeben / ja welche alle Freyheit ſuchen / vnnd ſich den Goͤttlichen vnnd Menſchlichen Geſetzen nicht vnterwerffen woͤllen. Dieſe Hiſtorien iſt zwar etwas lang / aber die vnter - ſchiedliche Materien hat mich gezwungen / ſie ſo weitleufftig zubeſchreiben / vnd hab ich ſie euch ohne eintzige Schwenck vnd Farbe vorgehalten / wie ſie zu vnſern Zeiten iſt geſchehen.

Das XII. Capitel.

Von den Boſſen deß Fillemon / vnnd was er ſonſten fuͤr denckwuͤrdige Stuͤcke hatte[be - gangen].

DIe vnverſchaͤmbkeit vnnd Diebſtal ſein Bruder vnd Geſchwiſter / vnnd wer in dem einen will vollkommen ſeyn / der muß[das] ander auch wiſſen: Dann man hat ſein lebenlang keine Diebe geſehen / die nicht zu gleich vnverſchaͤmbt vnd dollkuͤhn geweſen ſeyn: Vnnd langſam ſihet man einen vnverſchaͤmbden Men - ſchen / der nicht zugleich auch ein Dieb ſeye: Das ſein zwey Synonima oder gleichgiltige dinge: Die zwey ſtuͤck finden ſich gemeiniglich beyeinander / wie Theſeus, Pirithous, Pilades vnd Oreſtes, wel - che allezeit an einem Orr beyeinander ſeyn.

Ihr habt dieſes in dem vorhergehenden Hiſtori - en verſtanden / vnnd ich halte darvor / ich hab ge - nugſamb bewieſen / daß ein verſchlagener Dieb einuͤbe -256Beutelſchneider / oderuͤber alle maſſen vnverſchambter Schelm iſt / vnd das will ich noch ferꝛners beweiſen mit der Perſone deß Fillemon / welcher einer iſt geweſen auß den ve[r]ſchlageneſten Dieben / ſo jemals auff die Gabeln zu Montfaucon ſein auffgeſtecket / oder an Galgen gehencket worden: Dieſer ſchlimme Schelm ſahe ſehr gleich dem Mercurio / von welchem wir ange - hoͤret haben / daß die zuneigung zum ſtehlen ſo groß bey jhm ware / daß / ſo bald als er den hinden auß der Schalen hatte / die Haͤnde ſich fuͤr den Fuͤſſen ſe - hen lieſſen / vnnd name alles / was er nur antraffe / außgenommen / daß er es nicht macht / wie jene A - meriſche Voͤlcker / welche als ſie Roſen ſahen / dar - fuͤr fuͤrchteten vnd dieſelbige nicht getraueten an - zugreiffen / dann ſie meineten / es were Fewer: Dañ als er auff ein zeit mit ſeinen Haͤnden dem oberſten Gott Jovi wolte ſeinen Stral ſtehlen / verbrennet er die Haͤnd alle miteinander daran / vnd daher kompt es / daß er noch auff den heutigen Tage (eben ſo wol als die andere Diebe / deren Gott / Schutzherꝛ vnd Patron er iſt) krumme Haͤnde hat: Vnd das kan ich eben ſo wol von dem Filemon ſagen: Dañ von ſeiner bluͤhenden Jugend an / war jhm nichts zu kalt / noch zu warm: Er lieſſe die Haͤnde ſincken allenthalben / wo er nur hin kaͤme: Vnd wiewol er jhm die Haͤnde nicht verbrennen hatte laſſen / ſo hatte er es doch ſo weit verſehen / daß er auff dem Ruͤck gezeichnet wurde / welches dann jhme zum be - ſten geſchahe / auff daß er ſelber wuſte / daß er vnder die gemeine Herde gehoͤrete vnd ſich deſto weniger verlieren moͤchte: Ich will anfangen euch ſeine er -ſte Boſ -257Diebshiſtorien / das II. Buch.ſte Boſſen zu erzehlen / vnd will endtlich zu den letz - ten auch kommen.

Als er auff ein Zeit wol gekleydet ware / vnnd in dem Palais oder Koͤniglichen Hauſe zu Paris da - her auff vnnd ab ſpatzirete / erſahe er einen Buͤrger auß vnſerer Statt Lion / welcher / ob er wol zimlich ſchlecht gekleydet ware / doch zimlich viel Piſtolen in ſeinem Hoſenſack bey ſich hatte: Dann dem ſey wie jhm wolle / daß er ſich entweder nicht beſſer hat kleyden wollen / oder daß er vielleicht verliebet iſt geweſen / ſo hette jederman jhn fuͤr einen armen ſchlechten Droppen / ja wol gar fuͤr ein Haluncken angeſehen.

Filemon ſihet jhn an / vnd achtet ſeiner ſehr we - nig Dann ſolche Leut begeren keine Lerchen zu ropf - fen / wann ſie ein Rebhun haben koͤnnen: Aber einer auß ſeinen Mitbruͤdern kommet zu jhm / vnd ſaget jhm heimlich in das Ohr / bey dem Mann / ſey wol etwas zufiſchen / wiewol ſein Adel / das iſt ſeine Klei - der (dann viel ſuchen jhren Adel nur in ſtattlichen Kleydungen) ſo gar zerlumpt vnd zerꝛiſſen ſeye / ja es gebe heutiges Tages viel dreckichter Edelleut / welche den Seckel nicht ſo wol / als der Mann / ge - ſpicket haben: Dann / ſagt er zu jhm / ich hab ſein Gelt bey einem Handtſchuchmacher geſehen / da er vmb ein par Handſchuch gemarcket vnd mehr als 25. Piſtolen auß ſeinem Sack hat gezogen.

Iſt es moͤglich / ſagte hierauff Filemon / daß ein ſolcher zerꝛiſſener Mantel ein ſolches altes zerſchabe - nes Sammetes Wambs ſo viel Gelt vermoͤge? Das hette ich nimmermehr gemeinet: Wann erRSche -258Beutelſchneider / oderScheren vnd ein kurtzen Degen bey ſich truͤge / wol - te ich gern ſagen / er gehoͤrete in vnſere Bruͤder - ſchafft: Vnd als er dieſe Wort ſagete / machen ſie einen Bund mit einander / ſie wollen dieſen Kauff - mann betriegen: Vnd hoͤret doch / ich bitte euch darumb alle miteinander zu den newen Fund / den ſie erdachten jhn zuerdappen: Ich will eins thun / ſagete Filemon, vnd will jm meinen Beutel mit dem Geld in ſeinen Hoſenſack ſtoſſen / da hergegen wir pflegen nach vnſerer alten loͤblichen gewonheit andern die Saͤckel außzufuͤhꝛen auch vnſere Mit - bruͤder andern Leuten die Piſtolen abnehmen: das iſt ein neues Stratagema oder liſt die Beutel abzu - ſchneyden vnd die Buͤrger anfuͤhren: Ich will auch das gantze Spiel ſo wol fuͤhren / das ich die fuͤnff vnd zwantzig Piſtolen / ſo du geſehen haſt / auch will bekom̃en: Allein folge mir auff dem Fuß nach / vnd wann du wirſt ſehen / daß ich meinem Kerlen werde nach dem Kopff greiffen ſo ſchreye / vnd neme dich an / als habeſtu deinen Beutel verloren.

Als nun Filemon diſe Inſtruction vnd Anlen - tung ſeinem Geſellen gegeben hatte / ſihet vnd fol - get er dem Kauffman von Lion allgemach nach / (welcher / wie ich euch zuvor hab erzehlet / in Kley - dung ſo ſchlecht daher gienge / daß man jn vielmehꝛ vor einen Landſtreicher / fuͤr einen Allchymeyblaͤſer / fuͤr ein Italiaͤniſchen Arbeiter / als fuͤr einen Kauff - man angeſehen hette) vnd als ſie ſahen / daß er ſich in einem Laden bey einem Leinwandkraͤmer auff - helt / thun ſie als woͤllen ſie fuͤruͤber gehen / blicken jn aber doch uͤber die Schulter an / auff daß ſie dieSchnuͤr259Diebshiſtorien das II. Buch.Schnuͤr an ſeinem Beuttel deſto beſſer erkennen / vnd deſto weniger an jhrem vornemen verhindert werden: Deß Filemons Geſell gehet auch gar nah bey jhn / auff daß er ſehe wie viel Geld vnd was fuͤr ſpecies er im Seckel habe.

Als nun diſes alles wol iſt außgekundſchaffet / vnd Filemon ſihet / daß der Kauffman in den groſſen Saal du Palais (da es gemeiniglich wegen deß vielen Volcks ein groſſes dringen vnnd druͤ - cken gibet / wegen der Audtentz / vnd der dreckigten Procuratorn, die ſich da finden / vnd welche auß Goſcognen kommen / jhre Rechtfertigung allda zu - fuͤhren) hingebet / gehet er jhm gar auff der Seitten her / hatte in ſeiner Hand ein par kleiner ſubtiler Schaͤrlein / welche außbuͤndig wol ſchnitten / ja ſo gut waren / daß man in der gantzen Bruderſchafft keine beſſere hette finden koͤnnen / wie auch einen blawen Beutel darvon die Schnuͤr abgeſchnitten waren / vnd waren in ſolchem Beutel acht Cronen / vier ſtuͤck Gelds von zwantzig Schillinge: Sol - ches Werckgezeugk vnd Beutel miteinander ſtoͤſ - ſet er jhm ſo geſchwind in den Hoſenſack hinein / daß auch kein Menſch nicht kundte gewahr wer - den / vnd laͤſt jhn darauff zwey oder dreymal in dem groſſen Saal auff vnd ab ſpatziren / vnd ſihet jhm fleiſſig nach: Dann es were jhm leyd geweſen / daß / weil er ſeinen Angel ſo wol hette geworffen Fiſche zu fangen / der Kauffmann jhn ſolte in ſeiner hoff - nung betriegen.

Endtlichen aber / da Filemon duncket / es ſey zeit das Spiel anzufangen / thut er als wann er ſehrR ijerſchre -260Beutelſchneider / odererſchrecke / ſihet ſich von einen Seiten zu der andern vmb / wie ein Menſch der halb voll iſt / er verendert das Angeſicht in ſo vil Farben als der Mond wann er verfinſtert wird: Er lauffet auff vnd ab / ſihet ſich vmb vnnd ſuchet / ſchreyet uͤberlaut es habe jhm je - mands den Beutel geſtolen: Sihet den Kauffman wol an vnter dem Geſicht vnd ſpricht zu jhm fuͤr al - len Menſchen / Er habe jhm den Beutel geſtolen: Dann da er inn der heiligen Capellen ſey geweſen vnd er ſeinen Beutel geſuchet habe / ſey niemands mehr vmb vnd bey jme / als der Kauffman allein ge - weſen: Derhalben ſo muͤſſe er ſeinen Beutel haben / vnd da doͤrffe es nicht viel beweiſens. Man ſehe es jm an ſeinem Geſicht vnnd an ſeinen geberden an / daß er den Beutel geſtolen habe.

Der Kauffman verneinet es beſtaͤndig / als ein Mann / der ſich auff ſein gut Gewiſſen verlieſſe: Si - het Filemon wol an in ſein Angeſicht / ſagt zu jm er ſolle wol ſehen / was er thue / dann er vergreiff vnnd verſehe ſich an ime: Er ſey ein ehrlicher Mann / vnd wann er nit ablaſſe / wolte er jme zu erkennen geben daß er ſich gewaltig jrꝛe / jme ſolches Laſter / daran er jederzeit ein grewel gehabt hatte / auffzulegen.

Mein Freund / (ſagte Filemon / der ſich ſtelete / als were er einer vom Adel vnd welcher auch /) Ich bitte euch die ihr dieſe Hiſtorien leſet / jhr wollet doch ſelber bedencken die Boßheit vnnd das Schelmen - ſtuͤck dieſes Menſchen) vnder ſeinem Arm ein groſ - ſen Sack voll Brieff vnnd Schrifften truge / als wann er vielleicht inn der groſſen Kammer der aux Tuornelles eine Rechtfertigung hette:) Alles wasdu mir261Diebs Hiſtorien / das II. Buch.du mir ſageſt / ſeyn nichts als bloſſe Wort: Aber warlich / du vnd kein ander Menſch wareſt bey mir / da mir mein Beutel iſt abgeſchnitten worden: Ich bitte dich / gib mir jhn wider / damit dir nicht ein Schimpff widerfahre: Dann wiewol wenig Geldt darinnen iſt / ſo iſt es doch gnug / daß dir deßwegen kan nach dem Kopff gegriffen vnnd du da hinab in der Loͤcher oder Gefaͤngnuſſen eines kanſt geſtecket werden / wann du mir jhn nicht mit guten Worten willſt widergeben.

Iſt das Ernſt oder Spott / ſagte der Kauffman / daß jr mir eweren Seckel abfordert? Oder geſchicht es nur / mich alſo zu verſuchen? Ich bin nit der Voͤ - gel einer / wie jhr meinet?

Alles / was du ſageſt iſt gar gut / ſagt Filemon / a - ber du haſt gleichwol meinen Beutel / er iſt von ro - tem Sammet / ich will es ein mal allhie auff der Wahlſtatt wiſſen / ohne weiters diſputiren vnd zan - cken / wo du jhn haſt hingethan: Ey ſihe da / mein lieber Geſell / das were mir ja ein ſchoͤner Handel / wann mir einer den Biutel hette genommen / vnd ich ſolte jn nit doͤrffen ſuchen noch abfordern den je - nigen / welche mir jhn außgefuͤhret haben.

Ein ander Filou oder Beutelſchneider / ſtehet e - ben zu der Zeit auch vnter dem Volck / vnd als er ſi - het / daß vmb Filemon ſo viel Leute herumber ſtehen / thut er / als wann er ſich deß Kauffmanns ernſtlich annehme vnd ſpricht alſo zu Filemon: Mein Herꝛ / ſehet ein wenig zu / was jhr thut? Ich halte nit dar - fuͤr / daß dieſer ehrliche Mann ewern Beutel habe / es wird euch uͤbel bekommen / jhr werdet uͤbelanlauf -R iijfen /262Beutelſchneider / oderfen / wann jhr den Beutel nicht bey jhm findet: Er wird das an euch rechen daß jhr jhn an ſeiner Ehr vnnd guten Namen andaſtet / ja daß jhr jhm vor jederman ſolchen Schimpff anthut: Ihr thaͤtet viel beſſer / daß jhr euch auß dem Staube maͤcht / vnd ewern Beutel anderſtwo ſuchtet: Dieſer Mañ hat das anſehen gar nicht / daß er ein Dieb vnnd Rauber ſeyn ſoll: Vnd als er dieſes geſagt / ſchlei - chelt er ſich allgemach vnder dem Volck hinweg.

Hierauff fanget Filemon zu ſchreyen vnd thut / als wann er mit dem Filou oder Beutelſchneider / welcher ſich allgemach vnder dem Volck hinweg machte / wolle reden / vnd ſpricht alſo: Sihe da / das iſt dein Advocat / ohne allen zweiffel iſt das einer von der Geſellſchafft vnd Bruderſchafft der Beu - telſchneyder / dann er vertheydiget ſeinen Geſellen / aber wo iſt er ſo geſchwind hinkommen? Er ttaͤwet mir / es ſoll ſolches an mir gerochen werden / ich a - ber will es nicht dahinden laſſen / ich will dieſen Ker - les nicht gehen laſſen / biß ich habe das jenige / was mir zuſtehet.

Mein Gott / was fuͤr ein Vnverſchaͤmkeit iſt das / daß man mir das ding wil zu legen! Bin ich ein Dieb oder Rauber / ſagt der Kauffmann / daß ich ſoll Beutel abſchneyden? Jederman ken - net mich wol / wer ich bin? Mein Herꝛ / ich will es mit euch zu thun haben / jhr ſollet mir deß angetha - nen Schimpffs halben vor der Obrigkeit Rechen - ſchafft thun / ich will hiermit den gantzen vmbſtand zu Zeugen angeruffen haben.

Mein Freund / ſagt Filemon / du magſt ſagen /was263Diebshiſtorien / das II. Buch.was du wilt / dein Betrug iſt mit Hanff vñ Stopff - werck genaͤhet: Ich wil dich einmal beſuchen laſ - ſen / vnd zu allem Gluͤck trifft er einen Stattknecht an / bittet denſelbigen / er woͤlle jhm ein Beyſtand leiſten vnd den Bernhaͤuter / (alſo nennete er den ehrlichen Kauffmann /) ſo jhn beraubet habe / be - ſuchen: Mein Beutel / ſagt er / iſt von rotem Sam - met: Es ſeyn darinnen acht Kronen vnd vier ſtuͤck Gelds von zwantzig Schilling: Ich will euch ewer Gebuͤr vnd Belohnung ge[r]n geben.

Der Stattknecht / welcher gewaltig durftig vnd hungerig war / dieweil er den gantzen Tag noch kein Broͤckel oder Tropffen in den Leib brachte hatte / iſt nicht faul hier auff / greifft dem Kauffmann nach dem Halſe / wirffet jhn nider / beſuchet jhm ſeine Hoſenſaͤcke / vnd das aller erſte / das er in den Ho - ſenſaͤcken findet / ſeyn kleine ſcharffe Diebsſchaͤrlein.

Hierauff ſchreyet Filemon uͤberlaut / ſehet da / jhr Herꝛen / ob ich gejrret habe? Sehet das iſt das Werck gezeug / mit welchem denehrliche Vogel den Leuten die Beutel abſchneydet? Noch dannoch wa - re er ſo gehertzet / daß er zu mir durffte ſagen / er wol - te es mit mir zu thun haben / Ich ſol〈…〉〈…〉 e jhm ein Wi - derruff thun. Ja warlich / ſey zu frieden / ich wil dir es machen / du Kerles.

Mein Herꝛ / ſagt der Statt[k]necht / von was fuͤr einer Farbe iſt ewer Beutel? Ich hab es euch doch ſchon geſagt / ſpricht Filenon / er iſt von rote〈…〉〈…〉 Sammet / es ſeyen acht Kronen an Gold darinnen mit etlicher anderer Muͤntze.

So iſt es dann dieſer Beutel nicht / ſagt derR iiijStatt -264Beutelſchneider / oderStattknecht / dann er hat blawe Schnuͤr / man muß weiters ſuchen / vnnd inn dem er dieſe Wort redet / zeucht er den rohten Beutel herauſſer: Man thut jn auff vnd befihet das Geld / das darinnen iſt / vnd fin - det die acht Kronen vnd die andere ſpecies / wie Fi - lemon geſagt hatte.

Der Kauffmann / als er dieſen Betrug ſihet / wird daruͤber ſo roth wie ein Fewer. Filemon aber macht ſich luſtig mit dem kleinen Diebsſchaͤrlein / weiſet ſolche dem Volck / wie auch den Beutel / an welchem die Schnuͤr abgeſchnitten waren / alſo daß es vnmuͤglich iſt allhie außzuſprechen / wie uͤbel die - ſer arme vnſchuldige Kauffmann mit Faͤuſten ge - ſchlagen / mit Fuͤſſen getretten vnd mit ſtꝛeichen von jedermann wurde empfangen / dann da ware kein Kind / kein Laqey / der nicht ſein Hut dahinden lieſ - ſe / damit er nur weydlich auff dieſen vermeinten Dieb koͤndte zuſchlagen.

Der arme Mann ſchreyet vmb Rach vnd Bey - ſtandt / ſpricht / man habe jhm das Bubenſtuͤck be - wieſen vnnd jhm ein frembden Beutel ſampt den Diebsſchaͤren in ſeinen Hoſenſack geſtoſſen. File - mon ſey ein loſer Schelm / er muͤſſe jhm vielleicht etwas zu wider gethan haben / daß er aber doch nit koͤnne wiſſen / weil er jm ſolches Meineydiges Schel - menſtuck habe bewieſen. Was woͤllet jhr mehr? Er ruffet Himmel vnnd Erden zu Zeugen an / daß er vnſchuldig ſeye / aber da iſt niemands / der jhm wil glauben.

Der Stattknecht fraget Filemon / ob er begebre / daß man den jenigen / bey deme der Beutel ſeye fun -den265Diebshiſtorien das II. Buch.den worden / in das Gefaͤngnuß werffe / vnd ob er es woͤlle verantworten: Filemon aber gibt jhm eine Krone zur Belohnung vnnd ſaget / er begehre es nicht / er ſey damit wol zufrieden / daß er ſein Beu - tel vnnd Gelt wider habe bey einem ſolchen Mann / welcher ſich fuͤr ſo gerecht vnd heilig habe außgege - ben: Vnnd ſolche Rede / welche File mon fuͤhrete / machten / daß jemandts den angeſtelten Betrug / (ſo ferꝛners wird folgen) kundte mercken / auch der Kauffmann ſelber nicht / der doch als ein Dieb vnd Rauber ſo jaͤmmerlich ſchon ware zerſchlagen wor - den / vnd ſtunde noch in der Gefahr / daß er ſolte ge - fangen gefuͤhret werden.

Als aber das Volck widerumb will von einan - der lauffen / ſihe da kommet deß Filemon Spießge - ſelle / fanget an gantz hitzig[z]u ſchreyen vnd uͤberlaut zu ruffen / Es habe jhm einer fuͤnff vnd zwantzig Pi - ſtolen / ſo in einem blawen Beutel ſeyn / geſtolen. Je - derman ſagt hierauff / es werde vielleicht der jenige ſein / ſo alle weil beſuchet vnd ſo uͤbel ſeye zerſchlagen worden: Das Volck laufft hierauff widerumb zu - ſammen / Filemon kommet auch darzu vnd ſaget zu dem jenigen (gegen welchem er ſich ſtellete / als ken - nete er jn gar nit / wiewol er ſein Diebs vnd Spieß - geſell ware) da er in der naͤhe ſey ein Schelm / der habe jm alleweil ſeinen Beutel geſtohlen / er habe jn wider bey jm bekommen / vnd ſey fuͤr ſein Gelt wol abgeſtriegelt worden.

Hierauff gehet dieſer Vogel / deß Filemons Ge - ſell / ſtracks zu dem Kauffmann zu / vnd weil er gar wol gekleydet ware / meinete iedermann / er hette /R vwie266Beutelſchneider / oderwie er / wiewol faͤlſchlich außgeben hatte / ſeinen Beutel verlohren.

Der arme[ vnſchuldige] Leonniſche Kauffmann / als er aber ſihet / daß man jhn noch ein mal will an - ſprengen / nimmet jhm vor / er woͤlle ſeinen Beutel in ſeine Hoſen verſtecken: Dann er dachte bey ſich ſelber alſo: Hat man mir einen frembden Beutel mit Diebsſchaͤren in meinen Hoſenſack geſtoſſen / ſo doͤrffte man wol auch uͤber dich fallen vnnd ſich vnterſtehen / dir deinen eygenen Beutel zu neh - men.

Was nun der Kauffmann bey ſich gedachte / das widerfuhre jhm auch hernacher: Dann deß Filemons Geſell kame mit den jenigen / welche jhn ſo uͤbel geſchlagen vnnd blutruͤſtig gemacht hat - ten / zu jhme vnd ſagte jhm in ſein Angeſicht hinein: Er were ein Dieb / er hette jhm ohne allen zweiffel ſeinen Beutel geſtohlen: Das vmbſtehende vnnd zuſammenlauffende Volck ſchreye Haraut uͤber dieſen armen Teuffel / das iſt / man ſoll jhn fangen vnd angreiffen: Man wirfft jhn ſo bald nieder auff die Erden vnd ſchleppet jhn fort / vnnd iſt da keiner vnter dem Volck / der ſich nicht ſelber angebe jhn inn ſeinen Hoſenſaͤcken zu beſuchen: Ja der jenige Stattknecht / welcher auch geitzig vnd begierig dar - auff war / kommet darzu vnnd ſaget zu dem Kauff - mann er ſolle gedencken vnd den geſtohlenen Beu - tel wider geben.

Der Kauffmann meinet / er muͤſte hieruͤber ver - zweifflen / er verfluchet vnnd vermaledeyet die jeni - gen / welche jn alſo halten vnd ſchleppen: Saget / erwolle267Diebs Hiſtorien das II. Buch.wolle das nicht vngerochen laſſen / vnd ſolte er dar - uber an ſeinen Halß gehenckt werden Wie ſagt er / ſoll ich das verſtehen / daß man mich vor aller Men - ſchen Augen will berauben? Soll die Vnverſchaͤ - migkeit fo ſehr uͤberhand nehmen / daß mir mein Gelt offentlich geſtolen werde? Vnnd in was fuͤr einer Zeit leben wir jetzunder? Aber auff alle dieſe ſeine Wort weiſet man jhm die Diebsſchaͤren vnd ſaget zu jhm: Die enige / welche ſolche Waffen bey ſich tragen / pflegen nicht mit laͤhren Haͤnden dar - von zugehen: Summa: Man will jhn mit gantzer Gewalt uͤberꝛeden / er ſeye ein Beutelſchneider. Man ſuchet in ſeinen Hoſenſaͤcken / aber es findet ſich nichts: Der Beutel ware nicht mehr da: Es durffte aber dieſer arme vnſchuldige Kauffmann weder ja noch nein ſagen: Es wolte ſich nicht ſchi - cken / daß er ſein Beutel verleugnete oder aber ſel - ber anzeigete: Dann ſolte er es leugnen / ſo hette er ſelber Vrſach gegeben / ſeinen Beutel zu verliehren: Dann er kondte jhm die Rechnung wol ſelber ma - chen daß wann er ſein Beutel verleugnete / vnd dar - auff ſie jhn beſucheten vnnd jhn bey jhme funden / daß ſie jn den nehmen wuͤrden: Solte er dann ja ſa - gen / er hette den Bentel ſo hette er jhn ſo bald dem jenigen / der jhn begehrete / geben muͤſſen / weil er den Beutel vnd Gelr nach allen Farben vnd vmbſtaͤn - den beſchrieben hatte.

Auff der andern ſeiten ware dem Filemon vnnd ſeinen Geſellen / welche dieſem ſpiel zu ſahen / angſt vnd bang / vnd hatten ſorg / jhre Crone / welche ſie dem Stattknecht den Kauffmann zu beſuchen ge -ben268Beutelſchneider / oderben hatten / wuͤrde uͤbel angeleget ſeyn: Aber vnder dieſem ſchoͤnen Schein / den ſie vorgaben / befihlet Filemon dem Stattknecht / er ſoll jhn allenthalben wol beſuchen / ſonderlich aber ſagte es auch der je - nige / welcher ſich anname / als hette er den Beu - tel verlohren / ja er verhieſſe jhm eine Piſtole zu geben / wann er den Beutel wuͤrde finden.

Ohn allen zweiffel / ſagt er hierauff / hat er den Beueel in ſeinen Hoſen verſtecket / auff daß man jhn ja nicht finden moͤge: Ich wil jhn gantz außzie - hen laſſen.

Als nun der Kauffmann das ſihet / daß man jhn will gantz außziehen vnd beſuchen / ſpricht er alſo zu jhnen: Ja es iſt war / ich hab einen Beu - tel von einer ſolchen Farbe / wie jhr ſaget vnd ein ſolchen von mir begehret / zeucht jhn auch auß dem Hoſenſack / weiſet denſelbigen jhnen / vnd ſpricht: Sehet / da ſehet jhr jhn: Aber er iſt mein vnd keines andern Menſchen / ich wil es mit mehr als dreyſſig Zeugen beweiſen / daß der Beutel mein iſt vnd mir zuſtehet.

O der heylloſe Landbetrieger / ſchreyet hierauff Filemon / ſehet jhr nun / daß ich den rechten Mann habe erdappet: Du Schelm / du Dieb / du Bern - heuter / wann du den geſtohlenen Beutel ſchon lang verbirgeſt / ſo hilffet es dich doch nichts: Die warheit iſt allezeit viel ſtaͤrcker / als die Luͤgen: Du muſt mir doch endlich den Beutel wider geben.

Vnnd in dem er dieſe Wort ſaget / ergreifft er den Beutel vnd wil jhn dem Kauffmann / welcher - wie halb verzweiffelt ware auß den Haͤnden reiſ -ſen /269Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.ſen / welcher aber jhm widerſtehet: Doch endlich fellet das Volck zu / vnnd ſchlagen ſo ſchrecklich auff den armen Kauffmann / daß er den Beutel muß folgen vnd Gewalt fuͤr Recht gehen laſſen.

Mein GOtt! O was fuͤr ein groſſes vntraͤgli - ches Hertzenleyd ware das dieſem armen vnſchul - digen Mann / daß er ſo vnverſchaͤmbder weyſe / fuͤr mehr als ſechshundert Perſonen / mitten in dem Koͤniglichen Hofe / da die Gerechtigkeit ſelber woh - net / da die Stattknecht / gantz vnwiſſend dieſem Laſter die Hand bieten / ſoll beſtohlen / beraubet vnd ſo uͤbel zerſchlagen werden Hieſſe das nicht Elen - dig ſeyn / in Anfechtung gerahten / vnd gar vn - der einem vngluͤckſeligen Planeten geboren ſeyn worden.

Der verdammliche Beutelſchneider ware mit dem noch nicht zu frieden / ſondern ſein Schelmen - ſtuͤck deſto beſſer zu bemaͤnteln / ſagte er gantz uͤber - laut: Er muͤſſe auch ſehen / ob er ſeiner Rechnung zu kaͤme / vnd ob das Geld auch noch all im Beutel tel ſeye: Dann es muͤſten fuͤnff vnd zwantzig Pi - ſtolen darinnen ſeyn: Man beſihet den Beutel / vnnd findet die gedachte Zahl: Vnnd gabe ſol - ches abermals Vrſach / daß der arme Kauffmann von newem uͤbel zerſchlagen vnnd elendiglichen in das Gefaͤngnuß als ein Beutelſchneider gefuͤhret wurde:

Vnder deſſen daß Filemon vnnd ſeine Diebsge - ſellen ſich auff deß Kauffmanns Vnkoſten luſtig machten: Vnd hette ohn allen zweiffel der gute Mann uͤber Nacht im Gefaͤngnuß bleiben muͤſſen /wann270Beutelſchneider / oderwann er nicht zween[ Kauffmaͤnner] welche ſeine gu - te Freund waren / in der Gaſſen S. Sents anſpre - chen vnd zu ſich hette kommen laſſen / welche ſo bald gut fuͤr jhn ſprachen vnd bezeugeten / daß man jhn wider alle Recht vnd Billigkeit da hinein hette ge - worffen / begereten auch / daß die Stattknecht jn wi - der gut machen ſolten / aber das alles wolte nit ſtatt finden. Endlich wuꝛde auff anhaltung vnd außſpꝛe - chung ſeiner Freunden / der beyden Kauffleute / der gute Mann ledig gelaſſen welcher zwar allen moͤg - lichen fleiß anwendete / ob er Filemon vnnd ſeinen Geſellen koͤndte antreffen / aber es ware alles vmb - ſonſt: Dann ſie pflegten alle Tag jre Kleyder jhr Herberg / jr Angeſicht zu verendern / ja wie der Pro - theus vnnd Cameleon veraͤnderten ſie alle Tag jhr Haut vnd jhre Herberg.

Sehet / jhr Leſer / da habt jhr nun angehoͤret ein ſehr argliſtigen Streich / welchen Filemon einem ehrlichen vnſchuldigen Kauffmann hat bewieſen / vnnd wie er vor aller Menſchen Augen verſchlage - ner weiſe hatt geſtolen / was andere heimlich / vnnd mit groſſer Forcht vnd Gefahr muͤſſen ranben vnd ſtelen.

Der ander Streich vnd Boſſen / den ich euch je - tzunder wil erzehlen von eben der Perſon / iſt nicht weniger vnverſchaͤmbt vnnd ſtecket eben ſo wol voll Betrug / als der vorige.

Wie der Beutelſ[ch]neider allenthalben jre kundt - ſchafft vnd Corꝛeſpondentz haben? Alſo begabe es ſich / daß einer auß den vorneinbſten vnd verſchla - geneſten vnter der Bruͤderſchafft kame zu einemvor -271Diebs Hiſtorien / das II. Buch.vornemen Raht (ober am Parlament oder inn der Re〈…〉〈…〉 kammer Raht ſeye geweſen / weiß ich eben nit: Es iſt nichts daran gelegen / ob wir es wiſſen oder nit: Das dienet doch ohne das nichts zu vnſern ſa - ehen) vnd ſahe / daß einer / der eine ſchwere Recht - fertigung zu fuͤhren hatte / dem gedachten Raht / der ſein Referent ware / einen ſolchen ſchoͤnen uͤber - guͤldeten Becher / dergleichen wol niemals auff dem Jahrmarckt zu Sanct Germain iſt geſehen wor - den / brachte vnd verehrete inn Hoffnung / er wolte ſeine Sach deſto eher vnd mehr gewinnen / wolte doch dem gedachten Raht die Augen mit Golt zu - decken / damit er ſeine boͤſe Sache deſto weniger ſe - hen vnd erkennen moͤchte: Aber er kame da gar zu dem vnrechten Mañ: Dann dieſe Herꝛn vnd Raͤht ſein halbe Goͤtter / vnnd wann dieſe ſchoͤne Goͤttin die Gerechtigkeit / von welcher die Poeten ſagen / ſie ſeye von der Erden gen Himmel geflogen / ſich bey j[h]nen nicht findet / ſo mag man das wol ſagen / daß ſie inn der gantzen Welt nicht mehr iſt zu fin - den Der Fiſch genannt Torpedo / entſchlaͤffet gantz vnvermerckter weiſe den Fiſcher / der ſeinen Angel außwirffet / jhn zu fangen: Aber inn dieſem Edlen vnd Weiſen Raht kan das Goldt / ſo man alda hin - ein wirffet / die Richter nicht ſchlaffendt machen noch die ſchoͤne Liechter / ſo allda ſcheinen / verfin - ſtern: Aber dieſes ſey nur im voruͤbergehen geſagt fuͤr einen hauffen Narꝛen / welche vermeinen / wann ſie ſchon die allerſchlimmeſte / vnd boͤſeſte Sach auff der Welt haben / wollen ſte doch dieſelbige durch jre Geſchenck / ſo ſie dieſem vnd jenem thun / gewinnen vnd erhalten.

Daß272Beutelſchneider / oder

Daß ich aber wider zu vnſer Hiſtorien komme / ſo ſagt der Raht uͤber laut zu dem jenigen / der jhm ſolches Guͤldene Geſchirꝛ wolte verehren / er woͤl - le es nicht annemen / Er ſolte es kurtz rund wider - umb heim tragen / er ſeye nicht ein ſolcher Richter / der ſich mit Geld beſtechen laſſe: Der Filou oder Beutelſchneider aber / der dieſes alles hoͤrete vnd ſahe ſagte bey ſich ſelber alſo: Wann ich an ewerer ſtatt were / wolte ich es gern thun vnnd ſolchen ſchoͤnen Becher annemen / dann es iſt ein außbun - diges ſchoͤnes Stuͤcke.

Endlich wurde der Raht ſo ſehr gebeten / daß er zu dem jenigen / der jhm den Becher zur Preſent wolte auffdringen / ſagte / er wolte jhn zwar behal - ten / aber doch mit dem bedinge / daß er jhm wolte darfuͤr geben / was er gekoſtet hette.

Als nun der Filou oder Beutelſchneider / welcher auß der Kundſchaffer Bruderſchafft ware / geſehen hatte / daß der Becher von dem Raht auff den Ti - ſche ware geſtellet worden / gehet er hinweg ſich zu bedencken / wie er jhn doch bekommen moͤchte: Dann er ſahe ſelbſt wol / daß es vnmuͤglich war jhn alſo zu erhaſchen / dann es ware allenthalben gar zu Tag / ſolchen Diebſtahl zubegehen: Es muß zimlich finſter ſeyn / wann man ſolche Sa - chen will anfangen: Gleichwol aber / als er der Thuͤr herauſſer gehet / trifft er zu allem Gluͤck an den Filemon / welchem er alles / was er geſehen hat - te / erzehlet: Saget auch das guldene Geſchirꝛ / weil es entweder von purem Gold / oder uͤberguͤldet ſeye / vnd viel Demanten vnd Edelgeſteine daran ſeyen /muͤſſe273Diebs Hiſtorien / das II. Buch.muͤſſe mehr als dreyhundert Kronen wert ſein. Als das Filemon hoͤret / thut er ſeine Ohren ſo weit / als Midas auff / ja er ſpitzet ſeine Ohren / wie ein Haaß / der von den Hunden wird verfolget: Er fraget / was vor Leut bey dem Herꝛn ſeyn: Darauff zeigt jhm der Beutelſchneider an / es ſey niemands mehr bey jme als zwo Perſonen / welche jhn bitten / daß er doch jre Sachen woͤlle befordern helffen / damit ſie einmal ein Außgang gewinne: Es ſey der Herꝛ mit dem Guldenen Geſchirꝛ gar allein in der Kammer / wel - ches dann dem Filemon deſto mehr Hoffnung machet / das Geſchirꝛ zu erdappen:

Er nimmet jhm vor / er woͤlle zu dem Herꝛn in ſein Hauß gehen vnd ſehen / daß er ſeine vier Finger vnd den Daumen auff das gedachte guldene Ge - ſchirꝛ legen moͤge.

Er nimmet die Sache vor / gehet in deß gedach - ten Herꝛn Hoff hinein. Vnnd als er an die Thuͤr kommet / ſihet er die Parteyen heraber gehen / wel - ches jhm abermals eine newe Hoffnung vnd Hertz machet: Er verfuͤget ſich zu jhnen; fraget ſie / was ſie fuͤr eine Rechtfertigung haben / vnd nimmet ſich an / als ſey er deß gedachten Rahts Freund vnd ver - wandter: Dieſe Parteyen meineten erſtlich es were jhr Widerſacher / oder wolte ſonſten wegen ſeiner Sachen den Raht auch anſprechen: Aber als ſie ſe - hen / daß er es nicht iſt / ſondern / daß er ſich fuͤr deß Rahts Freund vnd Verwandten außgibet / erzeh - len ſie jhme jhre gantze Sache vnd Rechtfertigung / welcher jhnen auch darauff verſpricht / Er woͤlle jh -Srent -274Beutelſchneider / oderrenthalben mit gedachtem Herꝛen reden vnnd ſo viel bey jhm erlangen moͤgen / daß er jhre Sache euſſerſtem Vermoͤgen nach gewißlich ſolte befor - dern helffen.

Deſſen thun ſich nun die Parteyen zum aller - freundlichſten bedancken / vnd gehen mir freudigem Hertzen darvon / dann ſie meinen / jhr Sache ſtehe nun gar wol / weil auch jhres Referenten Freunde das beſte darzu zu reden verſprochen habe.

Als nun Filemon der gantzen Sachen Bericht eingenommen hatte / gehet er / (wie er dann wol ge - kleidet war) in deß Rahts Kammer hinein / thut jm ſeine Ehrerbietung vnd redet jn alſo an.

Mein Herꝛ / Ich komme hieher zu dem Herꝛn von wegen meines gnedigen Herꝛn von Nemours / bey welchem ich die Ehre habe ſein Diener zu ſeyn deſſelbigen gnaͤdiges Anſinnen vnnd Begehren a[n]den Herꝛn iſt dieſes / daß er ſich doch deß Herꝛn R[i -]gnolet / welcher alle weil von dem Herꝛn iſt gangen〈…〉〈…〉 Sachen vnd Rechtfertigung wolle anbefohlen ſey[n]laſſen / vnd dieſelbige helffen nach aller moͤglichke[it]befoͤrdern. Dann es iſt ein ſolcher Mann / welche[m]mein gnaͤdiger Herꝛ ſehr gewogen iſt vnd wird d[ie]Gunſt / ſo der Herꝛ dem Herꝛ Rignolet hierin erze[i -]gen wird / alſo auffnehmen / als were es jhm ſelb[e]geſchehen.

Mein Herꝛ / antwortet hierauff der Raht / J[ch]bin meines Gnaͤdigen Herꝛn / deß Fuͤrſten von N[e -]mours vnterthaͤnigſter Diener / vnd were nit vo[n -]noͤhten geweſen ſich deßwegen ſo ſehr zubemuͤhe[n /]vnd mir gedachte Sachen Herꝛn Rignolets an zu[-]befeh[-]275Diebs Hiſtorien / das II. Buch.befehlen: Dann mein Ampt vnd Gewiſſen verbin - det vnd treibet mich ſelber Recht zuſprechen dem je - nigen dem es gebuͤhret: Vnd eben das jenige habe ich alleweil zur Antwoꝛt gegeben den Parteyen / vmb welcher willen jr mich anſprechet: Dieſelbige haben mich gleichſam zwingen vnd noͤhtigen woͤllen / das Guͤldene Geſchirꝛ / welches jhr allda fuͤr Augen ſe - het / anzunehmen / welches ich jnen aber bezalen will: Einem guten Richter darff man eine ſolche Sache nit ſo ſehr befehlen: Derhalben / ſo koͤnnet jr das mel - nem gnaͤdigen Herꝛn anſagen / daß ich jhm zum al - lervnterthaͤnigſten die Haͤnde kuͤſſe vnd wil die ſach alſo außfuͤhren / daß deßwegen niemands wird vr - ſach haben ſich uͤber mich zubeklagen: Ich wil auch die Sach ſo klar machen / daß entweder man wird blind ſeyn muͤſſen / wer ſie nicht verſtehen will / oder mein Vrtheil gut heiſſen vnd annehmen.

Hierauff ſihet Filemon das Guͤldene Geſchire an / wendet ſein Rock vmb / das iſt / kommet von dem erſten geſpraͤch auff dieſes vnd ſpricht: Mein Herꝛ / das iſt ein uͤberauß ſchoͤnes ſtuͤckle ich bitte vm̃ ver - zeihung / ich muß es ein wenig beſehen. Man hat mir newlich eines inn meiner Kammer geſtolen / welches zwar noch nicht halb ſo groß war / als die - ſes: Aber es hatte eben die Form / wie dieſes / vnnd kan wol ſeyn / daß ſie beyde ein Meiſter gemacht hat. Vnd dieweil mir eben allhie ſolcher Streich einfellt / muß ich machen / daß jhr ein mal lachet / Dann es iſt ein ſolcher außbuͤndiger Streich / als ich mein lebenlang gehoͤret.

Es kame zu mir ein Mann / welcher ſehr wol ge -S ijkleydet276Beutelſchneider / oderkleydet war / vnd brachte mir einen Brieff / von me[i]- nem gnaͤdigen Herꝛn von Nemours, vnnd als er das guldine Geſchirꝛ auff meinem Tiſch ſahe / ſagte er alſo: Sihe / das iſt fuͤrwar ein Excellent ſchoͤnes Stuͤckle: (Erlaubet mir / mein Herꝛ / da[s]ich doch zeige die wort vnd geberde / ſo er gebrau[-]chete / mein guldenes Geſchirꝛ vor meinen Auge[n]zu ſtelen) was hat es / ſagt er / wol gekoſtet? Es i[ſt]allezeit hundert Piſtolen werth: Nein es hat nich[t]ſo viel gekoſtet / ſagte ich darauff zu jhme / vnd d[a]ich mich ein wenig vmbſahe / name er das G[e]ſchirꝛ / vnd lieffe ſo geſchwind darvon / daß ich jh[n]nicht ereylen kundte.

In dem aber Filemon dieſe wort zu dem Ra[th]ſaget / vnd jhm weiſet die Geberde / welche er v[or -]gab / daß ſie der ander gegen jhme ſolte gebrauch[et]vnd jhm das Geſchirꝛ geſtohlen haben / ehe er d[en]betrug recht hatte mercken koͤnnen / weichet er all[ge -]mach zuruͤck vnd der Thuͤr zu / hebet den Depp[ich]ſo gemeiniglich bey ſolchen Herꝛen fuͤr vnnd [ber]den Thuͤren hencken / ſchleuſt die Thuͤr deß Sa[als]ſo bald nach jhm zu: Vnd wie ſolche Geſellen a[lle -]zeit jhren Haußrath vnd ſonderliche Werckzeu[ge]bey ſich haben; alſo / (damit der Rath jhm nicht bald hernach kuͤndte auß dem Saal herauſſer[ge -]hen) greiffet er in ſeinen Hoſenſack / zeucht ein[en]Weinboͤrer herauſſer / vnd bohret jhn in die Th[uͤr]am Saal mit ſolcher geſchwindigkeit / das nicht〈…〉〈…〉 außzuſprechen / vnnd ſchleuſt alſo den Saal a[]wendig zu / vnd laufft mit dem guldenen Geſch[irꝛ]darvon: Ich bitte euch jhr Leſer / bedencket doch[all -]hie277Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.hie die geſchwinde argliſtigkeit dieſes Diebs: Dañ ich ſelber koͤndte es bald nicht glauben / daß das ſol - te geſchehen ſeyn / wann ich es nicht gar wol wuſte.

Der Rath / welcher anfaͤnglich lachet deß Be - trugs / vnd ſich verwunderte uͤber die vnverſchaͤm - keit deß Diebs / daß er dieſem vermeinten Edel - mann / der mit jhm redete / auff ſolche Diebiſche weiſe ſolte das Geſchirꝛ geſtolen haben / fanget an den Sachen nachzudencken vnd gedencket / der er - zehlte Boſſen doͤrffte wol falſch ſeyn bey dem ver - meinten Edelmann / ſo jhm denſelbigen erzehle / vñ nichts deſto weniger bey jhm waar werden / ſtehet derhalben auff von ſeinem Orth / gehet hinder die Tapezerey / vnd will ſehen / wo der Edelman bleibe / aber da kan er weder ſtumpff oder ſtiel mehr ſehen oder finden.

Nun giengen zu allem vngluͤck die Fenſter nicht auff den Forderhoff / ſondern in einen Garten / vnd wann man wolte in den Saal hinein gehen / muſte man erſtlich uͤber eine hohe auffgerichte Seul ſtei - gen vnd hinuͤber gehen / alſo daß weil die Thuͤr zu - geſchloſſen ware / er niemand von ſeinen Leuthen kandte zuruffen.

Er hebet die Tapezerey auff vnd will hingehen vnd die Thuͤr auff machen / aber es iſt zugeſchloſ - ſen / der Weinboͤrer / welcher ſampt einem zimb - lichen langen Stecken an die Thuͤr angemacht ware / verhinderte / daß die Thuͤr nicht kundte auffgehen / welches Filemon mit allem fleiß alſo angemacht hatte / vff daß vnder deſſen / da der Rath ſich wurde bemuͤhen / die Thuͤr auffzumachen / er dieS iijflucht278Beutelſchneider / oderflucht nemen vnnd darvon lauffen koͤndte / welches jhm dann gar gluͤcklich abgienge: Dann wiewol ſo bald darauff vnd lange Zeit hernacher der Rath jhm lieſſe fleiſſig nachſtellen vnnd nachfragen / ſo kundte er doch weder Mann noch Geſchirꝛ antref - fen: Wie er aber inn ſeinem Leben / Handel vnnd Wandel auffeichtig ware / vnnd nicht wolte / daß durch das aller geringſte geſchenck / jhm ſein ehrli - cher Name beſchmitzet wuͤrde? Alſo bezahlete er her - nacher den jenigen / welche jhm das Guͤldene Ge - ſchirꝛ hatten verehren wollen / daſſelbige / ſagte auch / er wolle ſich jhrer Sachen gantz vnd gar nicht an - nehmen / wann ſie nicht von jhme das Gelt vor den Becher annehmen: Dann weil er jhm ſelber ware geſtolen worden / ſo kundt er jhn jhnen nicht wider zuſtellen: Solten derhalben das Gelt darvor von jhm annemen.

Sehet das ſein zwey vnverſchaͤmbte ſtuͤck / der - gleichen wol nie gehoͤret ſein worden / welche File - mon hat begangen / aber den Streich / welchen ich euch jetzunder wil beſchreiben vnd erzehlen / iſt in ſei - nem Geſchlecht nicht geringer.

Es iſt ein allgemeine alte Regel: Daß das Gelt vnd Gut / ſo vnbillicher weiſe wird er obert nicht viel nutzen bringet oder lang weret. Vnd die jenige / wel - che von Rauben vnd Stelen leben vnnd ſich berei - chen / bluͤhen zwar ein zeitlang vnd haben gute Ta - ge / aber endtlich zerſchmeltzen vnd gehen ſie vnter / wie die Sonn / welche von Morgen gen Abend / von Mittag gen Mitternacht gehet. Sol oritur & occi - di〈…〉〈…〉 girat per Meridiem, & vertitur ad Aquilo -nem279Diebshiſtorien / das II. Buch.nem & ad idem recidit, das iſt / die Sonn gehet auff vnd vnter / ſie wendet ſich von Mittag gegen Mitternacht / vnnd kommet allezeit wider zu jhrem vorigen Puncten. Alſo gehet es mit ſolchen Leuten auch / ſie gerahten wider an den Ort / da ſie her ſein kommen / ſie ſein vnd bleiben Bettler vnd verdorbe - ne Leute / wie ſie zuvor auch ſein geweſen / ſie ma - chen auß hundert Schilling vier Pfund / vnnd auß vier Pfund gar nichts.

Filemon war eben der Haar / vnd hett einem auch ein Liedlein darvon fingen koͤnnen: Dann wann er einmal ein Raub gethan hatte / ſo ſahe man jhn nit auff der Gaſſen / ſo lang als ſein Gelt werete: Er thet alle Tag nicht mehr als einen ſprung auß dem Bett an den Tiſch / vnd von dem Tiſch in das Bett hin - ein / er lage Tag vnd Nacht in den Wirthshaͤuſern / biß daß er endlich kein Oel mehr in ſeiner Lampen / vnd keinen Geldſamen mehr in dem Beutel hatte: Dann da ware er alsdann gezwungen etwas new - es zu erdichten / damit er ſich erhielte: Dann daß er ſolte hungersſterben / das hatte er jhm auch nie inn ſeinen Sinn kommen laſſen.

Aber jetzunder werdet jhr anhoͤren ein Argliſti - gen boſſen / darauß jhr werdet erkennen / wie deß Menſchen Geiſt ſo fruchtbar iſt in Boßheit vnnd Argliſtigkeit / vnd wolte Gott im Himmel / daß er nimmermehr lein ergers Bubenſtuͤck hette began - gen als eben dieſes / das ich euch jetzunder will be - ſchreiben: Dann wann er nichts mehr / als das het - te begangen / ſo were er jetzunder noch im Leben vndS iiijhette280Beutelſchneider / oderhette das Beinhauß oder Schinkaut zu Montfau - con mit ſeinen Beinen nicht doͤrffen fuͤllen: Dann wie daß ein außbuͤndiger ſtattlicher Streich iſt; al - lein hatte er jn nit beſſer / als an dem Spanier / wie wir hoͤren werden / anlegen vnd beweiſen koͤnnen.

Es wahr / ein vornehmer Spanier / welchen ich fuͤr dieſes mal will nennen Don Richardo damit ich ja niemandts erergere: Dann eben diſer Boß / den jhr jetzunder anhoͤren werdet / iſt geſchehen / vnd ſehr gelobet worden / von einem vnder den groͤſten Fuͤrſten / die jemals in Franckreich die Kron auff jhrem Haupt tragen werden

Wie nun dieſer Don Richardo, entweder deß - wegen das er gar Melancoliſch vnd mit ſchwartzer feuchtigkeit in ſeinem Leiben ware beladen / oder die - weil er von Jugendt darzu gewehnet ware worden / oder dieweil er ſonſten eine jnnerliche ſchwachheit an ſeinem Leib hatte / allzeit pflegete / Eſels milch zu trincken: Alſo / nach dem er gehn Paris kame / kunde er nirgendts kein Eſeleine nach ſeinem Kopff vnd Sinn / antreffen / ſonderlich aber zu Paris / da es doch bald eben ſo viel Eſell / als im Arcadien vnd Spanin gibet.

Man muſte alle Doͤrffer vmb Paris vmbher durchlauffen / damit man die aller reineſte vnnd beſte Milch / ſo zu finden ware / fuͤr jhn bekommen moͤchte: Dann wer dieſem Spanier die Eſelmilch hette abgeſprochen / der hette jhm zugleich ſein Le - ben genommen: Dann von ſeiner Kindheit an / ware er gewohnet Eſelsmilch zu trincken: Ja da er an ſeiner Mutter oder Waͤrterin Bruſt nochhie281Diebshiſtorien das II. Buch.hienge / trancke er ſchon die Eſelsmilche: Wie dann ſolche Leut nicht ſpitzfindig / ſondern etwas alber ſein vnd haben inn vielen ſtuͤcken der Eſelinnen Natur vnnd Eygenſchafft an ſich: Es iſt aber ein ſolches ding / wie man von dem Romulo vnd Remo erzeh - let / daß ſie von einer Woͤlffine ſeye gezeuget wor - den: Welches man nicht alſo muß verſtehen / als wann ſit von einer Natuͤrlichen Woͤlffine ſeyn ge - ſauget worden: Sondern es iſt von einem Weib zu - verſtehen / welche entwederden Namen hatte vnnd Wolffin hieſſe / oder ſonſten ein ſolche Eigenſchafft wie die Woͤlffinne / an ſich hatte: Alſo gab Don Ri - chardo auch auß / er were mit Eſelsmilch auffgezo - gen worden: Aber das ware auch alſo zuverſtehen / daß ſeine Mutter viel Elgenſchafften der Eſel vnd Eſelinnen an ſich gehabt hatte: Summa vnd kuͤrtz - lich darvon zu reden / es ware dieſer wiewol vorneh - me Spannier ein ſolcher Eſelsmann / daß man jm ſchwartze Eſelinne ſolte ſuchen / vnd ſolte es auch ko - ſten / was es jmmer wolte: Welches aber in Franck - reich gar ſchwerlich iſt zu finden.

Es iſt zwar war / daß es ſehr viel Rothe Eſel inn Franckreich gibet / wann anderſt das Sprichwort / nach welchem wir von einem Menſchen / ſo ſich al - len Laſtern hat ergeben / pflegen zu ſagen: Er iſt ſo[a]rg wie ein Rother Eſel / war iſt: Aber ſchwartze[E]ſelinnen zu finden / were es von noͤthen / daß man[z]u den Gobelin gienge vnd ſie ferben lieſſe / wer der - ſelbigen wolte haben: Gleichwol aber ſo muſte man fuͤr Don Ri[ch]ardo haben / vnd ſolt es auch noch ſo viel koſten: Alle Marcktage muſte ſeinetwegen je -S vmandts282Beutelſchneider / odermandts auß gehen vnnd ſehen / ob er derſelbigen koͤndte finden vnd antreffen.

Als nun Filemon das ding gemercket hatte / nahme er jhm vor / weil Don Richardo ſo einen groſſen luſten darzu hette / er wolte jhm zuwegen bringen / vnd ſolte es auch mit ſeines Lebens gefahr geſchehen / ja er wolte machen / daß es ſich ſatt ge - nug daran ſolte eſſen vnd trincken.

Er gehet auff ein zeit auff den Marck / kauffet eine grawe Eſellinne (dann andere darff man in Franckreich nicht ſuchen) vnnd wiewol jhr die Haar auß fielen / vnd mehr als halb kahl wahre: Dann jhr Haut ſchickte ſich nun mehr viel beſſer zu einem Sack oder Trommen / als zu etwas an - derſt / jedoch ſo koſtete ſie jhn funfftzig Schilling: Er aber dachte / er wolte daran nichts verliehren / ſondern ſein Geldt noch mit groſſem Wucher vnd Nutzen davon bekommen.

Er fuͤhet die Eſelinne mit ſich heim in ſein Herberg / vnd thaͤte acht gantzer Tage nichts an - ders / als daß er ſie ſchwaͤrtzete / reibt vnd butzete / als / daß wer die Eſelinne hette ſehen ſollen / hette wol geſagt / die Natur hette in der geburt jhr eine andere Farbe gegeben: Dergleichen hatte man niemahls in Franckreich geſehen.

Die jenige / welche dem Filemon zu ſahen wie er ſeine Eſelinne riebe vnd zerbutzete / kundten nicht erachten / was er doch mit der Eſelinne vorhette / oder was er jmmer mehr an ſolchem Excellenten vnnd wunderſeltzamen Thier wurd anfange〈…〉〈…〉 Man ſagt zwar im Frantzoͤſiſchen Sprichwor〈…〉〈…〉alſo283Diebs Hiſtorien das II. Buch.alſo: A laver la teſte d’au Aſne on n’y perd que la lexive: das iſt / wenn man einem Eſel will den Kopff waſchen / verlieret vnd verderdet man nichts als die gute Laugen: Aber ich kan euch das mit Warheit wol ſagen / daß Filemon weder ſeine Lau - gen noch ſeine arbeit an ſolcher ſeiner Eſelinne hat verlohren.

Dann als nun mehr die Eſelinne / wol gerie - ben / ſchoͤn gebutzet / vnd außbuͤndig ſchwartz ware / kleydet ſich Filemon wie ein Bauersmann / legt einen Sack auff die Achſel / nimpt einen Stecken in die Hand / vnd gehet mir ſeiner Eſelinne vor - uͤber fuͤr dem Hauſe deß Don Richardo, fuͤr wel - chem Hauß viel Laqueyen vnd andere Leute ſtun - den / dann dieſer Spanier war gar ein groſſer vor - nehmer Herꝛ.

Als er nun dahin kame / hatte er es mit einem alten Weib angeſtellet / daß jhm entgegen kom - men vnd von jhm ſeiner Eſelinen Milch ſolte be - geren: Vnd hatte er auch die Sachen ſo wol be - ſtellet / daß das alte Weib zu jhme kommet / vnd bit - tet jhn / er wolle jhr ein halbe Maß Eſelsmilch ge - ben: Vnd als nun Filemon jhr eine halbe Maß hatte gegeben will ſie jhm ein ſtuͤck Gelds von ze - hen Schillingen darfuͤr geben: Filemon machet ſich vnnuͤtz daruͤber vnnd ſpricht / er woͤlle jhr die halbe maß nicht wolfeyler als vmb zwey quart ei - ner Cronen geben: Dann was er jhr gebe ſey keine ſchlechte vnd gemeine Eſelsmilch / alſo daß darauff zwiſchen dem Filemon vnd dem alten Weibe / als rechtem Diebsgeſindlein / ein groſſes Gezaͤnck vndStreit284Beutelſchneider / oderStreit entſtunde: (Dann das alte Weibe gehoͤ - rete eben ſo wol in die Schweſterſchafft als File - mon, in die Bruͤderſchafft der Beu telſchnelder /) welches Vrſach vnd Gelegenheit gabe / daß alle die Spanier / ſo in deß Don Richardo Hauß wa - ren / herauſſer lieffen: Wie ſie aber ſonſten von Na - tur albere Leut ſeyn / alſo kundten ſie dieſen betrug nicht mercken.

Vnder den jenigen aber / welche auß deß Don Richardo Hauß herauß gelauffen kamen / ware einer / welcher mehr als zehenmal auff dem gantzen Marck ſchwartze Eſeline hatte geſuchet / wie auch auff allen Flecken vnd Doͤrffern vmb gantz Paris herumber: Als nun derſelbige die ſchwartze Eſelin - ne deß Filemon ſahe / ſienge er an / vnd machte ſol - che wunderbarliche Geberden wie Mahometh / ja er ſperrete fuͤr groſſer ſchrecklicher verwunderung das Freß ſo weit auff / als wann er die gantze groſſe Brod von Goneſſe, ſo alle Mittwoch auff den Marck kommen / wolte einſchlucken: O Gott ſey lob vnd danck ſagt er / daß ich einmal finde / was wir lange zeit geſuchet haben? Er lauffet geſchwind vnnd ruffet dem Hoffmeiſter deß Don Richardo: Der Koch kommet auch mit einem Doͤpffen / vnd fuͤr die Milch / fuͤr welche das Weib nicht mehr als zehen Schilling hatte geben wollen / gibt er viertzig.

Filemon macht ſich gar tewer mit ſeiner Milch vnnd weiß ſeine Perſon außbuͤndig wol in dem Spiel zu vertretten / ja ſo wol / als einer vnder der gantzen Diebsgeſellſchafft: Mein Herꝛ / ſagt er / wann jhr mir ſchon ſo ſchwer Gold fuͤr das Thiergebet /285Diebshiſtorien / das II. Buch.gebet / koͤndet jhr mir doch ſeine Guͤte nicht bezah - len: Das Thier kommet weiter als von hundert Meilen her / vnnd kan das wol ſagen / daß ſein Milch die allerbeſte iſt / ja die aller kraͤfftigſte / ſo man in gantz Franckreich kan finden.

Der eine Spanier / als er die Milch verſuchet / beweget die Achſeln vnnd ſpricht fuͤr groſſer ver - wunderung alſo: O wie ein liebliche / ſuͤſſe / außbuͤn - dige vnd herꝛliche gute Milch iſt / O das wirdt ein trefflicher trunck fuͤr vnſern Herꝛn ſeyn!

Endtlich fraget man Filemon / ob er ſeine Eſe - linne nicht wolle verkauffen / vnd wie thewer er ſie halte? Sie iſt mir ſo lieb vnnd nutzlich / ſpricht Fi - lemon / daß ich ſie bald ſelber nicht weiß zu ſchaͤtzen: Ihr habt ewer lebenlang kein beſſer Thier geſehen: Wann ich ſie verkauffete / thaͤte ich nichts anders als daß ich mir das Leben ſelber nehme: Dann ſie ernehret mich vnd die meinige: Alle Tag kan ich mehr als vier Francken gewins von jhr haben: O jhr glaubet mir es nicht / wie mir die Leut ſo ſehr angelegen haben / ich ſoll ſie verkauffen: Man hat mir mehr als tauſentmal Geldt darauff gebot - ten / wann ich ſie nur hette verkauffen woͤllen.

In dem aber dieſer dapffere Kauffmann ſeine Wahr ſo ſehr lobet / vnd ſich ſo thewer machte we - gen ſeiner ſchlechten geringen Wahre / welche er vmb funfftzig Schilling gekauffet hatte / wird deſ - ſen durch ſeinen Diener gewahr Don Richardo, kommet heraber vnd will ſelbſten ſehen / daß er den marck mache vnd beſchlieſſe.

Als286Beutelſchneider / oder

Als man aber dem Filemon ſo ſehr anliget / er ſolle ſeine ſchwartze Eſelinne verkauffen / ſpricht er / wann jhnen je darmit gedienet ſeye / ſo woͤlle er ſie dem Herꝛn verkauffen / aber nicht anderſt / als vmb fuͤnff vnd zwantzig Piſtolen: Spricht / es ſey ein rechtes excellent gutes Thier / vnnd weiß ſeine Sachen ſo wol anzuſtellen / daß er (welches fuͤr - war ein wunderſeltzames ding iſt) fuͤnff vnd zwan - tzig Piſtolen darvon bekommet: Ja wol dreyſſig / wann er ſie nur im anfang gefordert hette / ſo gar lieb hette der Spanier die Eſel / ſo viel hielte er von fuͤnff Schilling ſchwaͤrtze / welche dieſer Beutel - ſchneider angewendet hatte das grawe Haar an ſeiner Eſelinne damit zu faͤrben.

Als nun Filemon ſeine fuͤnff vnd zwantzig Pi - ſtolen hat / leget er ſeine leine Juppen vnd Rock wi - der ab / vnnd leget an ſeine vorige ſchoͤne Kleyder / fangt an zu eſſen vñ zu trincken auff deß Spaniers vnkoſten.

Hettet jhr da Filemon ſehen ſollen / ſo hettet jhr geſagt / er were der luſtigſte Menſch auff Erden / dann er war ſo luſtig wie ein Doͤpffen voll Maͤuſe mitten vnder zwoen Flaͤſchen / auff daß jhm nicht uͤbel moͤchte werden: Summa / er war ein ſolcher Menſch / der ſich wuſte luſtig zu machen / vnd ſeine Traurigkeit zu vertreiben / vnnd ſein zukuͤnfftiges vngluͤck mit der Weinkannen zuvergeſſen: Er hat - te ſo rothe Augen vnd ein ſolche ſchoͤne rothe Naß / als wann ſie inn Scharlack were geduncket wor - den / die Rubinſtein ſtunden jhm in ſeinem gan - tzen Angeſicht / wie dem Koͤnig von Calecut: Kurtz -lich287Diebshiſtorien das II. Buch.lich darvon zu reden / ſo ware er ein rechter Barchen ſo lang als er Geldt hatte.

Aber das ware ein rechtes Elend zu ſehen / als zween oder drey Tage hernacher deß Don Richar - do Stallknecht die Eſelinne ſtrigeln vnd waſchen wolten / damit ſie nicht ſo dreckicht außſehe: Dann ſie war der Streich mehr / als deß waſchens vnd bu - tzens gewohnet: Die Haar fielen jhr von den Schultern / wie die Pfraumen von einem Baum / wenn man jhn ſchuͤttelt.

Vnd da ſie die Eſelinne in ein Waſſer gefuͤh - ret hatten / wurden alle jhre Glieder / welche im Waſſer geweſen waren / wider grawe / vnd namen jhre vorige Farbe wider an.

Da das Don Richardo ſahe / fienge er an zu verfluchen vnd zu vermaledeyen die Crapaux Fran - cho (dann alſo hieſſe er vns) ſagte: Es were doch in der gantzen Statt Paris nicht anders / als be - trug / vervortheilung / Schelmen - vnd Diebſtuͤcke: Vnd was woͤllet jhr mehr: Er hette eine Rechtfer - tigung wegen der Eſelinne angefangen / wann er jhren vorigen Herꝛn hette antreffen koͤnnen: Aber das alles ware vergebliche Arbeit: Dann er hette jhn nicht finden koͤnnen / wann er ſchon alle Wirtshaͤuſer in Paris außgeſuchet hette.

Das Geſchrey dieſes Betrugs erſchalle ſo bald in der gantze Statt Paris / vnnd kame auch gen Hoff / dahin dann der Spanier alle Tage gienge wegen etlicher Sachen / die er allda begerete zu pra - c〈…〉〈…〉 ciren vnd zu erlangen: Vnnd da laß ich euch ſelber bedencken / wie dieſer Spanier / ſo ſchaͤndlichwurde288Beutelſchneider / oderwurde außgelachet / wie jhn vnſer Frantzoſen mit ſchimpff vnnd ſpott widerumb in ſein Land ſchick - ten / daß er eine kahle Eſelinne fuͤr fuͤnff vnd zwan - tzig Piſtolen / darfuͤr man ein ſtattliches Spani - ſches Pferd hette kauffen koͤnnen / gekauffet hatte: Dieſer Eſelinnen ſchreyen war ſo groß vnd ſtarck / daß wir es auch bey vns zu Lion hoͤreten: Es iſt zwar war / daß deß Filemons Eſelinne nicht iſt von Gold geweſen / wie deß Apuleij guldener Eſel: Aber er hatte gleichwol ſeine fuͤnfftzig Schilling wol angeleget / vnd wolte ich / daß / ſo wenig Ren - ten als ich habe / ich ſie auch wol anlegen / vnd in acht oder viertzehe Tage eine Piſtolen fuͤr zween Schilling kondte haben; ſo wolte ich in zwantzig Jaren ſo reich als Crœſus werden: Nach dieſem allem aber / daß Filemon ſampt ſeine Geſellen viel loſe Schelmſtuͤcklein geſpielet / auch viel Beutel er - dappet vnd abgeſchnitten haben / wurden ſie kurtz hernacher ergriffen / vnd auff die Galeen geſchicket / daß ſie allda die vbrige Brocken / ſo ſie eingeſchlun - gen hatten / verdaͤwen moͤchten. Auß dieſen Diſco - urs aber vnnd Geſpraͤch koͤnnet jhr ſelber erkennen die groſſe Vnverſchaͤmbkeit deß Filemon / vnd daß die vnverſchaͤmbkeit vnd Diebſtal ſich gemeiniglich beyeinan - der finden.

Das289Diebshiſtorien / das II. Buch.

Das XIII. Capitel.

Von der erſchrecklichen Boßheit vnd Todt - ſchlag deß Foreſtler / vnd wie er endlich ſo ſchaͤndlich ſein Leben hat geendet.

WAnn ich bedencke die Boßheit / welche alle Tag in der Welt voꝛgehen / das tod - ſchlagen / morden / metzeln / das rauben / ſtelen / pluͤndern / die barbarey vnd grew - ligkeit / ſo verwundere ich mich / daß nicht der Don - ner deß Him̃els vns in Abgrund der Hoͤllen ſchlaͤ - get / vnd dieſen gantzen groſſen Weltbau uͤber vnd druͤber wirffet. Aber alles das Vbel / alle die Suͤn - de / die ſonſten in der Welt geſchehen vnd verneh - men / daß ſie anderſtwo vorgehen / iſt nichts als ein Rauch gegen allem dem jenigen / was vnſere Au - gen alle tag in Pariß ſehen: Pariß iſt ein Abgrund alles deß Vngluͤcks / das vnder dem Himmel kan geſchehen Sie iſt der Hoͤllen Loch / ja ich kan das wol ſagen / daß ſie iſt der Berg Veſuve oder Helce welcher nichts anders als Fewer vnd Flammen wider den Himmel außſpeyet / vnd deſſen vnſinni - ges Gewitter ſich wider die Geſtirn will aufflegen.

Vergehet auch wol ein eintziger Tage in dieſer boͤſen Statt Pariß / da nicht ein Todſchlag vorge - he? Seyn nicht alle Gaſſen vnd Pflaſter geferbet von den rohten Waſſerbaͤchen / welche von dem morden ſo vieler Menſchen herkommen? In was fuͤr einer elenden vnd betruͤbten Zeit leben wir je - tzunder? Wir leben / die warheit zu ſagen / in einerTeyſer -290Beutelſchneider / odereyſernen ja pleyernen Zeit / oder vielmehr inn einer vnbarmhertzigen Tyranniſchen Blutzeit / da die Menſchen einen ſonderlichen Luſt vnnd wolgefal - len haben / jhre Haͤnde inn Menſchen Blut zu wa - ſchen vnd zu baden / vnd kommet der Menſchen Ty - ranney ſo weit / daß auch am hellen Mittag (wel - ches ein ſchreckliches vnerhoͤrtes ding iſt) vor dem Himmel / vnnd den Geſtirnen zehen oder zwoͤlff Meuchelmoͤrder ſich auff der newen Bruͤcken ver - ſamblen vnd einen armen vnſchuldigen vom Adel doͤrffen vmbringen: Drey vom Adel doͤrffen wol zuſammen thun / vnd uͤber einen armen Teuffel fal - len vnd jhn mit jhren Degen zu einer ſolcher Zeit / da er ſich nicht kan vertheydigen / zu todt ſchlagen: Es gehet heutiges Tages bald alſo zu / daß wer fuͤr einen vom Adel will angeſehen vnd gehalten ſeyn / der darff nichts mehr thun / als daß er ſeinen gra[-]wen Mantel inn eines armen erſchlagenen Men - ſchen Blut duncket vnd faͤrbet / alſo daß er auch rot / als ein Merck vnd Kennzeichen deß Adels / trage.

Was woͤllet jhr mehr? Es iſt noch nicht zu gar lang / daß zu Pariß ein Geſchrey außkame / daß ſich allda ein Geſellſchafft Reuber ſolte finden / wel - che man vmb eine gewiſſe Summen Geldts din - gen koͤndte: Von demſelbigen ſagte man / daß wann man einem oder dem andern wolte das Liecht auß[-]blaſen laſſen / ſo dorffte man nichts mehr thun / al[s]nur mit ſolchen Raubern den Marck machen / w[ie]viel ſie Gelt wolten nehmen / dieſen oder jenen zuer[-]ſchlagen / darnach jhnen ſolche Perſonen zeigen / da[-]mit die Moͤrder dieſelbige nur wol eꝛkenneten / ſo we[-]re den291Diebshiſtorien das II. Buch.re den Sachen ſchon geholffen / vnd koͤndte man ſei - ne Widerſacher leichtlich hinrichten laſſen. Meinet ihr aber wol / daß auch ſchrecklichere Barbarey koͤn - te erfunden werden? Die Seyther vnd Tartarn ſein zwar tyranniſche vnd vnbarmhertzige Voͤlcker ge - weſen / aber niemals haben ſie ſolche Mordſtuͤcke er - funden? Das iſt nichts anders / als ein Geſchlecht der Canibalen vnd wilden Leute / welche ſich ſelber vnder einander freſſen / widerumb pflantzen vnd auffkommen laſſen.

Eben von d[i]ſer verdamlichen Geſellſchafft iſt es / daß ich etwas mit wenigen Worten will reden / in dem ich euch deß Foreſtiers Leben vnd ſeine vor - nembſte boͤſe Stuck thue beſchreiben.

Erſtlichen / halte ich das fuͤr gewiß / daß alle die vorige Zeyten niemals ſo arg vnd boͤſe ſeyn gewe - ſen / als die gegenwertige / darinnen wir jetzunder le - ben: Dann vnſere Zeit iſt ſo verzweiffelt boͤſe / daß auff der gantzen Welt kein Zeit hat erger ſeyn koͤn - nen: Man ſagt zwar viel von der Verbannung deß Syllæ vnd Marij / welche mit vnwiderbringli - chem Schaden deß gemeinen Nutzens vnd jhres gantzen Vatterlands geſpielet haben / wie einer den andern auß dem Sattel koͤnnte heben / nicht an - derſt / als wann jhr eygenes Vatterlands jh - nen ſolte darzu dienen / daß ſie ſich mit einan - der vmb die Hochheit vnnd Herꝛligkeit zanckten; vnd jhren vngezaumbten Begierden ein gnuͤgen thaͤten: Aber uͤber das alles / daß ſie von jhrer Na - tur vnd Geburt greuliche Tyranniſche Leute / ja viel barbariſcher als die Voͤlcker / welche ſie uͤber -T ijwun -292Beutelſchneider / oderwunden hatten / waren: Kan man das wol von jhnen ſagen / daß ſie kein Mord oder Todſchlag / als nur vmb jhres eygenen Nutzens willen gethan vnd begangen haben.

Was anlanget die Verbannung deß Triumvi - rats / geſchahe es eben auch vmb ſolcher Vrſachen willen / daß die Parteyen einander verfolgeten: Vnnd gleichwol aber ware es ein ſehr jaͤmmerli - ches Spectackel zu ſehen / daß die Gaſſen voll Blut von den erwuͤrgten Burgern waren / ja daß man ſahe / daß auff die tauſendt tapffere Leute vnd Per - ſonen / welche ſich vmb den gemeinen Nutzen wol verdienet hatten / auff den Gaſſen außgeſtrecket vnd todt da lagen.

Aber zu vnſerer zeit iſt die Tyranney vnd Grew - ligkeit viel hoͤher geſtiegen: Dann es hat ſich eine Company oder Geſellſchafft von gantz vnbekand - ten Leuten (welchen ich wol den Namen deß Ty - gerthiers kan geben) auffgeworffen / welche ſich dem aller erſten / ſo zu jhnen kame vnd ſie / ein Tod - ſchlag ins Werck zu richten / gebrauchen wolte / ver - kaufften; ſo gar / daß wann einer wider einen an - dern eine Feindſchafft hatte / vnd ſich gern an jhm gerochen hette / dorffte er nichts anders thun / als gienge nur zu jhnen / holete / acht / zehen / zwoͤlff / ſo vil als er zu dem vorgenommenen Todtſchlag bedurff - te / vnd ſagte: Er wolte jhnen von einem Kopff ſo vnd ſo viel geben; ſo waren dieſe Loͤwen ſchon fer - tig / ſtelleten ſich an eine Gaſſen Ecken / warteten auff ihren Mann / vnd wann ſie jhn ſahen daher kommen / fielen ſie vor aller Welt Augen uͤber jhnam293Diebs Hiſtorien / das II. Buch.am hellen liechten Tage / vnd ſchlugen jhn wie ei - nen Hund todt / vnd dorffte kein Menſch ſich zu jhn nahen oder ſie ſauer anſehen / alſo daß es ſich anlieſ - ſe / daß ein Menſch an einer Waldt Ecken viel ſiche - rer als zu Pariß an einer Gaſſen Ecken ſeyn wurde.

Das alles haben wir mit vnſern Augen geſehen / vñ die jenige / ſo deßwegen en Greve auff dem platz Maubert / auff der Bruͤcken S. Michel ſeyn hinge - richtet worden / koͤndten auch newe zeitung darvon erzehlen / wann ſie wider an dieſe Welt noch einmal kommen koͤndten: Das Laſter hat nicht mehr / als ein zeit / die Vntugend muß doch endlich vnderge - hen vnd der Tugend weichen: Der groſſe Fleiß der Obrigkeit hat eylends vnd ſchnell zerſtrewet dieſes Gewurme vnd außgeſtaubert vnd außgejaget die Raͤdlinsfuͤhrer dieſer ſchaͤdlichen vnd verdam̃li - chen Geſellſchafft / durch ernſte ſcharffe Straffe der jenigen / ſo daruͤber ſeyn erdappet vnd ergriffen worden.

Nach dem ich euch nun zwey Wort geſagt habe von der boßhafftigen vnnd verdam̃lichen Geſell - ſchafft / ſollet jhr wiſſen / daß Foreſtier der vornemb - ſten einer in ſolcher Geſellſchafft iſt geweſen / vnd hat ſich zu ſolchem Handwerck begeben / nach dem er das Beutelſchneyden hatte auffgeben: Dann ſein Leben zuerhalten pflegte er andern Ehrlichen Leuten das jhrige zu nemen: Es ware ein groſſe lange Perſon / mager vnd ſchwartz / ein Naſenab - ſchneider / ein ſolcher Menſch / der mehr raſend vnd vnſinnig / als hertzhafft ware: Wir woͤllen allhie erſtlich ſein Leben ein wenig beſchreiben vnd was erT iijhat294Beutelſchneider / oderhat begangen / darnach woͤllen wir auch anhoͤren / das gerechte Gericht Gottes / ſo endlich uͤber jhn iſt ergangen / das erſte Stuck /daß ergangen / iſt ſchreck - lich vnd iſt wol werth / daß es auffgezeichnet werde.

Als diſer auff eine zeit erfahren hatte / daß einer / genant Votris / gen Poictou zohe / auch ſehr viel Gelt bey ſich hatte / nimmet er ein Pferd / gibet ſich fuͤr einen Kauffmann auß / reitet jhm nach vnnd triffe jhn an inn der Gegend Fontaine - bleau: Da machen ſie Kundſchafft miteinander vnd weiſt Fo - reſtier den Schalck ſo wol zuverbergen / ſich euſſer - lich alſo zu geberden vnd zu ſtellen / gegen dem Vo - tris / daß er hette gemeinet / man ſolte den jenigen / welcher an deß Foreſtiers Redligkeit vnd Auffrich - tigkeit nur zweiffeln wolte / fuͤr keinen ehrlichen Mann halten: Wie dann auch dieſer Rauber der freundlichſte vnnd verſchlageneſte vnter dem gan - tzen Handwerck vnd Zunfft ware.

Sie waren aber noch nit recht vor Orleans fuͤr - uͤber kommen / kame einer / ich weiß ſelber nit wer / zu jnen / gienge jren weg auch vnd kehreten deß Abends nicht allein in einem Wirthshauß ein / ſondern la - gen auch deß Nachts uͤber alle drey in einer Kam̃er.

Deß morgends aber wolte der jenige / welcher am letzten ware kommen / bey guter Zeit fortwan - dern / vnd nimmet vnverſehens vnnd vnwiſſentlich deß Votris Satteldaſch vnnd laͤſt hergegen die ſei - nige in der Kammer liegen / gehet hin / wo jhme ſei - ne geſchaͤffte hinzugehen befahlen: Votris / dieweil er auch eine Satteldaſchen an dem Ort / da er die ſeinige den vorigen Abend hatte hingeleget / findet /meinet295Diebs Hiſtorien das II. Buch.meinet nit anders / als daß es die ſeine ſeye / nimmet ſie ohne weiters bedencken fuͤr die ſeinige vnd wen - det ſeinen weg fort.

Foreſtier aber / welcher auff ſeiner ſeiten auß etli - chen Worten / ſo Votris geſagt hatte / ſpuͤrete vnnd merckete / daß Votris in ſeiner Satteldaſchen Gelt hatte / nimmet jhm vor / er wolte jhm zwar wol das Gelt außfuͤhren / aber doch nichts am Leben thun: Derohalben / als ſie widerumb in die erſte Herberg kommen vnnd Votris hingehet / das Abendmal zu beſtellen vnd zubefehlen / daß Kammer vnnd Bett zubereitet werden / nimpt Foreſtier eylends deß Vo - tris Satteldaſchen / vnnd thut ſie auff / zu ſehen / ob ſo viel Gelt darinnen were / wie man jhme auch geſagt hatte / da er deßwegen von Paris zoge vnnd er vermeinete / er wolte Zeit vnnd Muͤhe bey ſol - chem Votris nicht vergeblich anwenden: Aber was geſchicht? Da er die Satteltaſche auffthut vnnd vermeinete Geldt zu ſehen / da ſiehet er an ſtatt deß Gelts / einen Kopff eines Menſchen / welcher ware enthauptet worden: Daruͤber erſchrickt er ſchreck - lich / die Haar ſtehen jhm daruͤber zu Berg vnd weiß nit / was er ſoll gedencken oder ſagen uͤber das jeni - ge / das er in deß Votris Satteldaſch ſihet: Dann er hatte nimmermehr gemeinet / daß er in deß Vo - tris Satteldaſche ſolche ſachen ſehen oder antreffen wurde.

Er thut allgemach die Satteltaſchen wider zu / nimmet ſich nicht an / als wann er etwas darvon wiſſe: Gehet hinab in das Wirthshauß / ſuchet Vo - tris / welcher vnter deſſen etwas lieſſe zubereiten / wo:T iiijer ſey296Beutelſchneider / oderer ſeye: Nimmet jhm aber fuͤr / er wolle Votris vn - verſehener weyſe uͤberfallen vnd todtſchlagen / zu ſe - hen / ob er ſein Geld nicht anderswo bey ſich als in ſeiner Daſchen habe: Sie eſſen mit einander zu nacht vnd gehen auch zu Bett miteinander: Mor - gends als der Tag anbricht / flehen ſie auff vnd woͤl - len ſich ferꝛners zu jhrer Reyſe ſchicken: Aber als Votris das Gloch will bezahlen vnd an ſtatt ſeines gelds in ſeiner Satteltaſchen eines Menſchenkopff / ſo abgehauen vnnd noch gantz blutig ware findet / wird er ſo beſtuͤrtzet /daß er nit weiß / wz er jmmermehꝛ ſoll gedencken vnd ſagen: Dann er kundte jm nicht einbildẽ / wo dochdaß Wunderwerck ſolte herkom̃en.

Man ſaget / daß als man den Tempel in dem Cavitolio zu Rom gebauet / habe man dergleichen wunderliches ding gefunden: Aber ich halte doch nicht darfuͤr / daß die Roͤmer ſich ſo ſehꝛ daruͤber als Votris uͤber ſeine Satteldaſch / verwundert haben: Dann er beſiehet ſie auch widerumb zum zwey - ten mal vnd weiß nicht / was er darauß ſoll machen oder gedencken / er weiſet ſie auch dem Foreſtier / wel - cher anfangs thut / als wann er ſich auch ſehr dar - uͤber verwunderte / ja thut als wann er es noch nit geſehen habe: Aber als ſie hernacher in der gegend Saumur an einer Wald Ecken kommen / ſihe / da greiffet dieſes vnmenſchliche Tigerthier / welches bißhero ein freundliches Schafsgeſicht gehabt hat - te / dem Votris nach dem Kopff / heiſt jhn von dem Pferd heraber ſteigen / wirffet jhn vnder ſich ohne einigen widerſtandt / dann. Votris ware vielmehr beſtuͤrtzet uͤber die Vnſinnigkeit vnd Moͤrderiſchesanta -297Diebs Hiſtorien / das II. Buch.antaſten deß Foreſtiers / welcher ſo viel Tage lang ſich alles liebs vnd gutes gegen jm hatte angenom - men / als uͤber den abgehauenen Menſchen Kopff / welchen er in ſeiner Satteldaſchen an ſtatt ſeines Gelds geſehen vnd funden hatte.

Foreſtier fordert jhm das Geld ab / ſo er bey ſich gefuͤhret hatte / aber er kan es jhm nicht geben / die - weil es jhm ware genommen worden / da man jh - me ſeine Satteldaſchen hatte genommen. Was thut aber vnder deſſen diſer leibhafftige Teuffel / Fo - reſtier? Er trit mit Fuͤſſen auff jhn / er ſchaumet vor vnſinnigkeit / er ſetzet jhm ein Rohr auff die Bruſt / vnd dieweil er ſihet / daß er ſeiner Hoffnung welche er jhm zu Pariß uͤber Votris Satteltaſch gemacht hatte / ſoll beraubet ſeyn / laͤſt er ſeinen Zorn uͤber jh - me außgehen / gibt jhm einen Schuß durch den Kopff / vnd mit ſeinem Dolchen vier ſtiche in das Hertz hinein / vnd nimmet jhm alſo / wiewol er jhn ſo hertzlich darfuͤr bittet / das leben: Dann er mei - net / wann er jhn beſuche / ſo woll er noch wol finden / was er ſuche vnd begehre: Aber als er jhn nun wol durchſuchet hat / findet er gleichwol nichts mehr bey jhm / als ein kleines Vhrlein / welches von Silber vnd uͤberguldet / vnd ohngefehr viertzig oder funff - tzig Kronen werth ware.

Als er nun den Todſchlag an dem Votris began - gen / begraͤbet er jhn ſelber an dem Ort / da er jhn er - ſchlagen hatte (welches dann bald nicht zu glauben were / wann Foreſtier in ſeiner Gefaͤngnuß ſolches nicht ſelber bekennet hette / nimmet deß Votris Pferd vnd verkauffet es in der negſten Statt / zeugtT vdarauff298Beutelſchneider / oderdarauff gen Orleans vnnd helt ſich allda ein Zeit - lang auff.

Daß wir nun widerumb auff das vorige Ge - ſpraͤch kommen / ſo ſoller jhr wiſſen / daß der abge - hawene Menſchenkopff / welchen Foreſtir inn der Satteldaſchen hatte funden / ware der Kopff ei - nes Edelmanns / welcher zu Orleans ware ent - hauptet worden / vnd dieweil auch in dem uͤber den Edelmann außgeſprochenen Todts Vrtheil ſtun - de / daß der Hencker ſolte hingehen vnnd denſelbi - gen Kopff auff einen Pſal vor deſſelbigen gerich - ten Edelmanns Schloſſe auffſtecken / hatte ſich der Hencker auff den Weg gemacht ſolchem Vrtheil nachzukommen / ware vngefehr in deß Votris vnd Foreſtier Geſellſchafft kommen / vnd hatte alſo deß morgends / da er fort wenden woͤllen / vnverſehens vnd vnwiſſend eine Satteldaſch fuͤr die andere ge - nommen.

Als nun Foreſtier ſich ein zeitlang zu Orleans auffhielt / erfuhre er / daß der gedachte Edelmann ware enthauptet worden / vnnd als er fragete / was der Hencker fuͤr eine Perſon were / vnd wie er geſtalt vnd gekleydet were befunde er endlich bey ſich ſelb - ſten / daß der jenige / welcher ben jhm vnd Votris in einer Kammer uͤber nacht gelegen hatte / muͤſte der Hencker zu Vrleans ſeyn / vñ daß der Todtenkopff / welchen Votris in ſeinem Sack funden hatte / deſ - ſen enthaupteten vom Adels ſeyn Kopff were: De - rohalben ſo gehet er vnverſchaͤmbdter weyſe hin zum Hencker vnd alß er jhn daheim antrifft / ſpricht er zu jhm: Er ſolle gedencken vnnd ſolle jhm ſein〈…〉〈…〉299Diebshiſtorien das II. Buch.Satteldaſch / welche er fuͤr die ſeinige hette hinweg genommen / wider geben.

Der Hencker wolte ſich deſſen im anfang etwas beſchweren / aber endlich wurde er auff deß Fore - ſtiers anklag nicht allein durch die Oberigkeit ge - zwungen dem Foreſtier Sack vnnd Geld wider zu zuſtellen / ſondern er wurde auch / wiewol heimlich vnd in dem Gefaͤngnuß mit Ruthen geſtrichen / die - weil er wider alle billigkeit einem andern ſein Geld vnd gut hatte vorbehalten woͤllen.

Da nimmet nun dieſer Ranber das Geld deß Votris / welchen er zuvor todt geſchlagen hatte / vñ zeucht widerumb gehn Pariß: Vnd da hoͤret man in ſeiner Geſellſchafft von nichts anders / als von freſſen vnd ſauffen / ſchwermen vnd die zeit luſtiger weiſe zuzubringen / vnnd bekuͤmmerte ſich Foreſtier wenig vmb die Todten.

Vnder deſſen aber laͤſt man fleiſſig nachf[r]agen wegen deß Votris / dann er wahre von einem ehr - lichen vnnd vornehmen Geſchlechte. Man ſchicket allenthalben Botten auß / ob man etwas von jhm erfahren koͤnne wo hin er ſey gezogen / vnd wo man jhn vielleicht moͤge geſehen haben〈…〉〈…〉 aber man kund - te nichts anders vnnd mehrers von jhm erfahren / als daß ſein Pferd einem Bawersmann nah bey Saumur wehre verkauffet wordẽ / welcher Bawers - mann nur auff ſolchen bloſſen argwon eingezogen vnnd gefoltert wurde / aber endlich wurde er gantz vnſchuldig erfunden.

Foreſtier aber kundte nicht ablaſſen von ſeinem Grewel / ſondern triebe das Mord Handwerck jm -mer300Beutelſchneider / odermer fort: Es iſt jhm niemals beſſer nach ſeiner Einbildung / als wann er ſeine moͤrderiſche Haͤnde in Menſchenblut hat geduncket: Alle Tag begehet er einen neuen Mord / aber er bleibet nimmermehr zween Monat lang in einem Quartier / damit Er nicht moͤge erdappet werden. Vnd was woͤllet jhꝛ mehr von jhme hoͤꝛen / Er hat auch ſeine eigene vnd leibliche Mutter meuchelmoͤrdiſcher weyſe vmbge - bracht? Mein GOtt / was iſt das fuͤr ein vnauß - ſprechliche Teuffliche Tyranney / vnbarmhertzig - keit vnd vnmenſchligk[ei]t: Vnd das hat er alſo vol - bracht / daß es kein Menſch kunde wiſſen oder of - fenbahren: Es wuſte es niemands mehr als Gott allein / derohalben werden wir auch hoͤꝛen / wie Got - tes gerechtes Gericht uͤber jhn iſt ergangen.

Aber laſt vns allhie ein wenig ſtill ſtehen / vnd er - zehlen hoͤren den verdamblichen Mord / welchen er auff der newen Bruͤcken hat begangen: Da er dann nicht allein den Laqueyen / welcher ſolte heimgehen vnd die Kutſchen fuͤr ſeinen Junckern holen / ſon - dern auch den Junckherꝛn ſelber / welchem ſolcher Laquey dienete / hat Meuchelmoͤrderiſcher weiſe er - ſchlagen. Laſt vns ein wenig anhoͤren / wie ſolches alles iſt zugangen:

Zwen vom Adel hatten einen ſtreit miteinander / vnd waren ſo weit kommen / daß ſie nicht allein ſich herauß gefordert hatten / ſondern daß ich auch ſchon an dem beſtimpten Ort waren zuſammen kommen / jhren Streit mit dem Daͤgen außzufuͤhren vnnd zuvergleichen: Aber das erfuhre der Koͤnig ſo bald: Derohalben ſchickete er etliche von ſeinen Leib-tra -ban -301Diebshiſtorien / das II. Buch.banten / jhnen zu befehlen / daß ſie einhalten / vnnd das Schwerdt widerumb inn die Scheiden ſolten ſtecken: Welches / als es der eine vom Adel ſahe / daß er ſich offentlich an ſeinem Widerſachern nicht kundte rechen / ſuchet er / wie er gantz verbittert wi - der jhn ware / alle mittel vnd gelegenheit / jhn heim - lich hinzurichten / nach der alten ſchoͤnen Regel / dolus en virtus, quis in hoſte requirat, das iſt / Betrug oder Tugendt / wer will das bey einem fein - de ſuchen oder jhme abfordern. Er gewinnet vnnd ſtellet an den Foreſter / von welchem er wol wuſte / daß er ein loſer Schelm vnnd Moͤrder ware / gibt jhm ſo bald auff die Hand fuͤnfftzig Cronen / vnnd verheiſſet jhm noch fuͤnfftzig darzu / wann er den E - delmann / ſo er jhm nennete / kuͤndte vnd wuͤrde hin - richten.

Foreſter / als er von ſo viel Geldt hoͤret reden / iſt nicht faul / ſondern verheiſt dem Edelmann / er wol - le ſehen / daß er den andern ſeinen Widerſacher er - dappe / vnnd jhm das Liecht außblaſe: Wolle auch die Sache alſo anſtellen / daß nimmermehr kein Hahn ſolle darnach kraͤhen: Vnnd als er die halbe ſummen deß Gelts / nemblich funfftzig Cronen inn ſeine Haͤnde bekommen / gehet er geſchwind hin / in deſſen vom Adel (welcher in dem Quartier S Hon - nore wohnete) ſein Hauß / fraget vnvermerckter weiſe alles auß / wie der vom Adel hieſſe / wie ſeine Diener hieſſen / wie viel er derſelbigen habe / wie reich vnnd vermoͤglich er ſeye / was er fuͤr fuͤrnehme Freund vnd Verwandten habe. Vnd nach vielem vnnd langem außfragen erfaͤhret er / daß er einSchwe -302Beutelſchneider / oderSchweſter inn der Gegend der Auguſtiner hat wohnen / zu welcher er alle Sontag pfleget zu kommen / vnd deß Abends mit jhr zu Nacht zu eſſen.

Als er nun dieſes alles genugſam hat außge - kundtſchaffet / gehet er hin zu dem Edelmann / wel - cher mit jhm den marck gemacht hatte / den andern vmbzubringen / vnd fraget jhn: Ob er nicht auſſer - halb der Statt Paris ein Landgut hette / daß / in dem er den Todtſchlag wurde verrichten / er doch dahin mit ſeinem gantzen Haußweſen zoͤge / auff daß man deſto weniger gedancken vnnd argwohn wegen ſolches Todtſchlags auff jhn haben moͤch - te.

Dieſer Edelmann / welcher mit groſſer vngedult erwartete biß daß Foreſtier ſeine verheiſſung wur - de erfuͤllet vnd den andern vom Adel auffgeopffert haben / machte ſich auff Paris / vnd zeucht auff ein Landgut / welches er nahe bey Rouen hatte / vnnd welches auff die funfftzig Meil wegs von Pa - ris lage: Vnnd zwar vngefaͤhr vierzehen Tage zu vor machte er ſich hinweg / ehe dann der Todtſchlag mit ſolchem anderen vom Adel fuͤr - gienge.

Da ſeyn nun alle Vorbereitung vor der band / ſolchen ſchroͤcklichen Mord in das Werck zurich - ten: Foreſtier thut ſolches ſechſen ſeiner Mitgeſel - len zuwiſſen / welche ſich ſo bald den Tag / den er jh - nen beſtimmet hatte / auff der newen Bruͤcken fin - den vnd auffwarten / vnder deſſen daß Foreſtier hin - gienge auß zu kundiſchafften / ob auch der vom A -del303Diebs Hiſtorien / das II. Buch.del nach alter gewonheit wurde zu ſeiner Schwe - ſter fahren vnd mit jhr zu Nacht eſſen.

Als es nun deß Abends zehen geſchlagen / vnd der vom Adel zu Nacht mit ſeiner Schweſter geſ - ſen hatte / will er ſich widerumb nach Hauß bege - ben / ſchicket ſeinen Laqueyen hin / vnd ſoll die Kut - ſchen holen: Foreſtier aber / der den Laqueyen wol kandte (dann er wuſte / wie er gekleydet gienge / vnd hatte ein verborgene Latern bey ſich / mit welcher er den voruͤbergehenden kundte in das Angeſicht ſe - hen) ſchlaͤgt jhn auff der Brucken todt / vnd wirf - fet jhn in das Waſſer hinein. Sein Herꝛ verwun - dert ſich / daß der Laquey ſo lang außbleibet / vnnd die Kutſchen nicht einmal bringet / nimmet jhm auch fuͤr / er wolle die Nacht in ſeiner Schweſter Hauſe bleiben: Als aber Foreſtier ſihet / daß jhm ſein Edelmann gar zu lang wil außbleiben / vnnd nicht gern wolte in ſeiner Hoffnung betrogen wer - den / viel weniger daß einem andern der uſus fru - ctus vnd ſolche abnutzung ſolte in die Haͤnde kom - men / er dencket er ein argliſtigen Fund damit er den Edelmann auß ſeiner Schweſter Hauß herauſſer locke vnd in ſein Garn bringe.

Er ſchicket zwen ſeiner Geſellen hinein in das Hauß / darinn der Edelmann zu nacht aſſe / vnd laͤſt jm im Namen ſeines Ehegemahls anzeigen / es koͤn - ne jetzunder weder der Laquey noch die Kutſche kom - men / dañ es habe in deß nechſten Hauſe angefangen zu brennen / vnd muſten ſie fleiſſig auff jhr Hauß achtung geben: Vnnd ſeyen ſie beide außtrucklichzu304Beutelſchneider / oderzu jhm dem Junckern geſchicket / daß ſie jhn holen vnd heim begleyten ſollen.

Die jenigen / welche nun auff jhre Sachen wol abgericht waren / wollen jhren anſchlag vollbrin - gen: gehen zu deß Jungkern Schweſter Hauſe / klopffen ſo ſtarck an / als wann ſie naͤrꝛiſch ſeyen / ja wie ſolche Leute die nichts fuͤrchten: Man thut jh - nen auff: Sie fragen nach dem Junckern ob er nit da ſeye: Sagen / er ſolle doch eylendts mit jhnen heim gehen: Dann ſie ſeyen zu dem ende abgeferti - get worden / jhn zu holen vnd heim zu gleyten / we - gen der Fewers Brunſt / ſo in deß nechſten Nach - bars Hauſe ſey angangen / vnnd ſey groſſe Gefahr / daß das Fewer auch nicht deß Jungkern Hauſe ergreiffe / vnd das ſey auch die Vrſach / warumb jhm die Kutſche nicht ſeye geſchicket worden / dann es laſſe deß Jungkern Haußfrau allen jhren Hauß - rath außtragen vnnd an ein ſicheres Ort verwah - ren: Es gehe alles uͤber vnd druͤber: Es ſeye ein groſſer Jammer ſolches zu ſehen: Die gantz Gaſ - ſe S. Honnore ſtehe in der Ruͤſtung / vnd ſeyn die Gaſſenketten vorgeſpannet / derohalben ſoll er nur ſein Degen nemen vnd eylends mit jhnen gehen.

Der Edelmann nimmet das fuͤr baar Geld an vnd meinet es ſey alles das jenige / was jhm wird erzehlet / war: Gibt ſeiner Schweſter ein guten Abend / welche jhn mit einem Laqueyen laͤſt begley - ten / welches dieſe beyde Dieb vnd Moͤrder ſehr ver - droſſe: Dann ſie hatten ſorge / jhr anſchlag moͤchte jhnen zu ruͤck gehen / dieweil jhrer ſo viel waren: Gleichwol aber / damit der Edelmann keinen arg -wohn305Diebs Hiſtorien / das II. Buch.wohn auff ſie werffen moͤchte / namen ſie ſich an / als weren ſie darmit wol zu frieden / daß der Laquey mit gienge: Aber ſie theten als wolten ſie (mit Eh - ren zu melden) das Waſſer ein wenig abſchlagen / blieben zu ruͤck / vnd berathſchlagten ſich alſo vnter - einander / daß wann Foreſtier ſich mit ſeinen Kam - merraden ſehen lieſſe / ſolte jhrer einer dem Edel - mann / vnnd der andere dem Laqueyen nach dem Halß greiffen.

Sie koͤnnen kaum recht auff die newe Bruͤcken kommen / ſihe da kommet Foreſtier vnd ſeine Geſel - len / dem Edelmann entgegen / vnnd ſpricht alſo zu jhm / halt ſtill / oder ich ſchlage dich todt. Der E - delmann will zu ſeinem Wehr greiffen / vnd befih - let den dreyen andern / ſie ſollen ſich auch zur Wehr ſtellen: Aber er vnd der Laquey wurden ſehr beſtuͤr - tzet / als ſie ſahen / daß die beyde / welche ſie vermein - ten auff jhrer ſeyten zu haben / jhnen ſelbſten inn die Wehr fielen: Derohalben ſagt der Laquey zu dem Junckern: Herꝛ laſt vns fliehen / dann hie ſein wir vmb vnſer leben. In dem aber / daß die andere den Edelmann halten / nimmet Foreſtier ſein Rohr in die Hand / vnnd ſcheuſt jhn durch den Kopff hin - durch / daß er ſo bald zur Erden todt nider felt: Be - ſuchet jhn hierauff inn ſeinen Kleydern / vnter deſ - ſen daß die andere den Laqueyen mit jhren Dol - chen todt ſtachen / vnnd findet bey jhm fuͤnff vnnd zwantzig Piſtoleten / wie auch einen Demant an einem Finger / welcher hundert vnd zwantzig Cro - nen werth ware.

Aber das gabe hernacher einen newen StreltVvnter306Beutelſchneider / odervnter jhnen / da ſie die Beut ſolten theilen: Dann es wolte einer ſo groß als der ander ſein / es wolte einer ſo wol als der ander Meiſter ſeyn vnnd gleiche theil ein jeglicher darvon haben / zogen an / Fore - ſtier hette nicht mehr als ſie gethan: Er aber ſagte / er wolte jhnen allen zum trotz den Demant zu vor außhaben / vnnd darnach in dem uͤbrigen gleichen theil mit den andern haben: Dann er hette ſolchen Mord practiciret vnnd angeſtellet / er hette den er - ſten Sereich gethan: Dieſer Streit weret ſo lang / biß daß ſie endtlichen zu den Streichen kommen / fangen vnter einander an ſich zu balgen vnnd zu ſchlagen / alſo daß zween daruͤber auff der Wahl - ſtatt todt blieben: Foreſtier wird an einem Arm verletzet / doch gleichwol thut er ſich mit der Flucht ſalviren.

In dem ſie ſich aber alſo vntereinander hauen vñ zermetzeln / gehet die Nachtwacht voruͤber ſie theilen ſich von ein ander / einer laufft hie / der ander dort hinauſſen: Aber zween armer Teuffel vnter jhnen / welche nicht aller dings wol zu Fuß waren / koͤnnen nicht entlauffen: Werden ſo bald auff das Chaſte - let gefangen gefuͤhret / hernacher gehet man hin vnd beſihet den todten Coͤrper: Deß Edelmanns Kutſche kommet auch daher uͤber die Brucken / den Junckeꝛn abzuholen / aber der Kurſcher ſihet ſo bald / daß es ſein Juncker iſt / der ſo jaͤmmerlich iſt erſchla - gen worden / har ein ſchuß in Kopff vnd ein ſtich in Leib vnd in das Hertz hinein: Er ſchreyet nach den Moͤrdern vnd machet einen Aufflauff: Die Nach - barn / ſo von dem geſchrey erwachen vnnd herauſſerlauffen /307Diebshiſtorien das II. Buch.lauffen / ſagen ſie haben ein groſſes geſchrey gehoͤret: Die Nacht wach iſt auch noch da. Aber man kan nicht wiſſen wer der Thaͤter iſt / wer ſolches Mords anfaͤnger iſt geweſen: Deß erſchlagenen Edelmans Schweſter erfaͤhret auch ſolches hertzenleyd / da ſie je zu in jr Bett will ſteigen / laufft mit fliegenden Haa - ren auß jhrem Hauſe auff die newe Bruͤcke / laͤſt jh - res Bruders todten Coͤrper in die Kutſchen legen / vnd jhren erſchlagenen Laqueyen in jhr Hauß tra - gen / vnd faͤhret inn die Gaſſen S. Honnore, da ſie dann jres Bruders Eheweib vnd Kinder antrifft / welche an nichts weniger / als an ſolchen Meuchel - mord gedencken.

Darauff fanget ſich nun im gantzen Hauß ein heulen / vnd zettergeſchrey an / man kan weder Mut - ter noch Kinder troͤſten oder ſtillen: Vnnd das jh - nen am weheſten thut / iſt dieſes / daß ſie noch nicht wiſſen koͤnnen / wer ſolchen Mord begangen habe? Gleichwol aber hoffen ſie / es werden die jenigen / welche gefangen gefuͤhret ſein worden / newe Zei - tung darvon ſagen koͤnnen / oder werde die Nacht - wache / welche zu ſolchem Handel ſeyen kommen / die Meuchelmoͤrder erfahren haben. Deß mor - gends aber / als man die jenigen / ſo gefangen waren worden / fragete wer ſolchen Mord begangen hette / ſagten ſie wuͤſten gar nichts von dem erſchlagenen vom Adel / geben vor / ſie weren / als ſie hetten uͤber die Bruͤcken gehen wollen / vnter einen hauffen Dieb geweret / hetten ſich auch wider dieſelbige al - ſo gerechnet / daß daruͤber der Diebe zween weren auff dem platz geblieben / vnnd daß ſie / was den er -V ijſchla -308Beutelſchneider / oderſchlagenen Edelman anlanget / nicht wiſſen koͤn - nen / wie es mit demſelbigen wehr zu gegangen.

Dieſe von den beyden gefangenen geebene antwort gabe nichts deſto weniger den jenigen / ſo ſie Examinirten / groſſe vrſach zu zweiffeln: Dann wie ich euch ſchon erzehlet habe / ſo waren zwen von jhrer Geſellſchafft auff der Wahlſtatt todt blieben / vnd zwar eben an dem Ort auch / da der Edelmann ware erſchlagen worden: Vber das / ſo ſpuͤrete man an jhnen ein ſonderliche furcht vnd bangig - keit / wie dann auch ein verwechſelung der Farbe in jren Angeſichten / derohalben ſo ließ man ſie auff die Folter ſpannen / vnd ließ jnen alſo die warheit / ſo ſie verhelen wolten / mit marter vnd gewalt her - auß preſſen / da ſie dann bekandten / daß ſie vnder ſolche Diebsgeſellſchafft gehoͤreten / vnd daß der rechte Anfaͤnger vnd Vrſaͤcher ſolches geſchehenen Mordts were einer genannt Foreſtier: Aber auß was fuͤr vrſachen / er zu ſolchem Meuchelmord we - re bewogen worden / ſagten ſie hette er jhnen nicht offenbaret: Sie aber hetten ſich vnder einander ge - ſchlagen / weil Foreſtier das meiſte vnd beſte theil von der Beut hette haben woͤllen / vnd auch bekom - men: hette ſich mit der flucht ſalviret / vnd koͤnnen ſie nicht wiſſen / wo er hingegangen were.

Sie erzehleten auch noch viel andere boͤſe ſtuͤck von dem Foreſtier / vnd ſagten den jenigen / ſo ſie examinirten / er pflege nimmermehr zweymal an einem Ort uͤbernacht zu ligen vnd zu bleiben / halte ſich gar heimlich vnd entdecke keinem Menſchen ſeine anſchlaͤge.

Vnder309Diebshiſtorien / das II. Buch.

Vnder deſſen aber lieſſe man auff der betruͤb - ten Wittib begehren / welche alle jhre kraͤffte vnd vermoͤgen darauff wendete / ſolchen Meuchelmoͤr - der zu erfaren / allenthalben fleiſſig nachfragen: Aber Foreſtier / der ſich ſonſten keinem Menſchen entdeckete / auch den jenigen nicht / welche ſeines Handwercks vnd beſte Freund waren / ware vn - der deſſen / da ſie jhn zu Paris ſucheten / weit von jhnen: Dann als er geſehen hatte / daß man zwen ſeiner Geſellen gefangen gefuͤhret / hat er die neben - gaſſen troffen / vnd ſich Angeſichts auß dem Stau - be gemacht / vnnd ware hinauß gezogen zu dem Edelman (der den Meuchelmord durch jhn vmb gewiſſes Geld hatte angeſtellet) ſein vbriges ver - ſprochenes Geld jhme abzufodern / weil er ſolchen Anſchlag in das Werck geſetzet hatte. Es wolte aber der Edelman jhm das vbrige verſprochene Geld nicht geben / er wuſte dann zu vor gewiß / daß ſein Widerſacher were durch Foreſtier auffgeopf - fert worden: Derhalben nahme er ſich an / er muͤſte zu Paris etliche Wahren einkauffen laſſen / ſchick - te darauff ſeinen Laqueyen gehn Paris / vnnd be - fahle jhm nicht allein die Wahren ein zukauffen / ſondern zugleich ſich auch zu erkuͤndigen / wie es mit ſolchem Edelman ſtunde: Hielte vnder deſſen Foreſtier bey ſich auff / fuͤhrete jhn mit ſich auff die Jacht / jhm die zeit zu vertreiben / biß vnder deſſen ſein Laquey wider kahme / vnd wegen deß erſchla - genen vom Adels gewiſſe Zeittung mitbrachte / vnd er alſo die warheit erfuͤhre: Aber jhr beyde / moͤ - get ſo lang vnd weit fliehen / als jhr immer wollet /V iijGott310Beutelſchneider / oderGott wird euch doch entweder bald oder langſam zu finden wiſſen: jhm iſt nichts verborgen: Er kan vnſere verborgene Hertzensgedancken ergruͤnden: Er weiß vnſere heimlichkeiten zu forſchen / vnſer geheimbſte anſchlag kann vor aller Wellt Augen offenbahren vnd vnſere Angeſicht voll ſchande zu - machen.

Als nun der Edelman gewiß weiß / daß ſein Feind todt geſchlagen iſt / gibet er dem Foreſtier die vbrigen ſummen Goldts nach ſeiner geſchehe - nen verheiſſung / auff daß er ſie hinweg machen moͤge: Stehet aber lang in dem zweiffel / ob er jhn den Foreſtier ſolle todtſchlagen / oder hingehen laſ - ſen: Dann da machet er jhm die Rechnung alſo: Schlegt er jhn todt / ſo ziehe er jhm ſelber einen Dorn auß dem Fuß / vnd ſchaffe ruhe ſeinem Ge - wiſſen / welches jhm angſt vnd bang machet / jhn Tag vnd Nacht quelete / vnnd ſtetigs predigte / er moͤchte offenbaret vnnd verꝛathen werden: Nicht zwar alſo / als wañ er ſich beſorgte Foreſtier moͤch - te ſelber hingehen vnd jhn verꝛathen / ſondern die - weil er ſorgte / wann Foreſtier (welcher von kei - nem andern Handwerck ſich erhielte / als von Morden vnd Todtſchlagen: Dann man kundte mit warheit das wol von jhm ſagen / daß er nicht ein biſſen aſſe oder trancke / daß nicht dieſes oder je - nes erſchlagenen Menſchen Blut koſtete: wie er dann auch deß Menſchen leben nicht mehr als ei - nes Hunes leben achtete) in einem Mord ſolte er - griffen / vnnd darnach auff die Folter geſpannet werden / ſo durffte er alles vnnd alſo auch ſeinesdurch311Diebshiſtorien / das II. Buch.durch jhn angeſteltes Mordſtuͤck bekennen: Dero - halben ſo kame er ſo weit in ſeinen Gedancken / daß er jhn auß ſeinem Landgut geleitet / hielte einen De - gen inn der Hand vnter dem Mantel jhn zu erſte - chen: Aber dieſer Meiſter Rauber hatte auff ſeiner Stirn ein ſolche vnverſchaͤmbkeit / inn ſeinen Au - gen ein ſolche erſchrecklich grimmigkeit / vnd an ſei - nem Leib vnd allen Gliedern ein ſolche tyranniſche vnbarmhertzigkeit / daß er ſich doch nicht wagen durffte / jhn die geringſte vngelegenheit zuzufuͤgen: Dann er wuſte das gewiß / daß wann er ſeines Stichs verfehlen ſolte / ſo wuͤrde es vmb ſein Leben ſein geſchehen. Sie namen alſo den Abſchied von einander: Foreſtier aber ſtreichet ſechs Monat lang im Lande vmbher: Dann ſo bald widerumb nach Paris zuziehen / da hette er nichts anders gethan / als daß er ſelbſten vmb den Galgen gebuhlet vnnd gefryen hette: Er ſtreiffet durch gantz Normandien / Er pluͤndert / er raubet / er ſtelet alles / was er antraff / vnd handelt gar wie der Teuffel ſelber: Niemals hat man einen ſolchen Ertzrauber geſehen: Wann er ſchon gar allein were / vnd zwen wolberittene Maͤn - ner in einem Wald antraffe / forderte er jnen nichts deſto weniger gantz vnverſchembdt den Beutel ab / ſie muſten jme jhn auch geben oder jhr leben auff der Wahlſtatt laſſen / ſo gar ein ſchrecklicher Teuffel ware dieſer Rauber Foreſtier.

Es wolte zwar auff ein Zeit die Wachte zu Caen jhn außheben: Aber er ſpottet nur jhrer: Er ware jhnen all zugeſchwind vnnd zuverſchlagen / Dann er gabe einem Bawern inn ſolcher GegendV iiijſeine312Beutelſchneider / oderſeine Kleyder / vnnd zoge hergegen an deſſelbigen Bawern Kleyder / vnnd gienge alſo mitten durch ſie hin wie ein Blitz / ehe man ſich es verſehen kund - te: Lieſſe auch nach jhm fallen ein Briefflein / in wel - chem er die Wach erinnerte / ſie ſolten achtung auff jn geben wann es zeit were / aber jr lebenlang ſolten ſie in nit mehr in jrem Lande ſehen.

Dann hierauff zoge er ſtracks in Picardien / vnd fienge an von newem zu rauben vnnd zu ſtelen / be - zeugete alſo im Werck ſelber / daß je elter ein Aff wird / je aͤrger vnnd boßhafftiger pfleget er auch zu werden? Die vnterſchiedliche groſſe Waͤlde de Compiegne, de Sentis vnd de Sciſſans daͤmpffen / ja ſie bluten noch von dem Blut / das er allda hat vergoſſen.

Vnter deſſen aber fuhre man mit ſeinen Geſel - len fort vnd lieſſe ſie raͤdern / vnnd verhoffete man / ſie wurden inn jhrem Todt offenbaren die anſtiffter deß Meuchelmords / welcher an dem vom Adel / dar - von wir zuvor geredet haben / ware begangen wor - den: ſechs Monat hernacher kommet Foreſtier wi - derumb gen Paris / da er ſich dann mit nichts an - ders als mit dem Mantel der Nacht vnnd Finſter - noß bedecket vnd fanget ſein voriges verdambliches Leben wider an: Dann er hielte darfuͤr / der Todt deß erſchlagenen vom Adel were an ſeinen zween Geſellen / ſo geradbrechet waren worden / genugſam gerochen worden: Aber Gott laͤſſet die Gottloſen ein zeitlang in jhrer blindheit / daß er ſie darnach / wann ſie ſich nicht beſſern / zu deſto ſchwerer Straff ziehe.

Als313Diebs Hiſtorien / das II. Buch.

Als Foreſtier auff ein Zett durch die Statt ge - het / vnd ſehr wenig Geldt im Seckel hatte / trifft er auff der Bruͤcken Sanct Michel an einen fremb - den Kauffmann / welcher gar uͤbel gekleydet ware / vnnd ſein Geldt auff der Gaſſen auff einem Laden zehlete: Solchen Kauffmann ſihet er wol an / ſihet auch daß er mehr als fuͤnfftzig Cronen bey ſich hat: Er aber hatte deßmals eine Lauten vnter dem Arm welche er verkauffen wolte / damit er etwas zu Mit - tag zu eſſen jhm darfuͤr kauffete: Dann er hatte gantz vnnd gar nichts mehr zu leben / er wartet biß daß der Kauffmann ſein Geldt wol gezehlet vnnd widerumb inn den Hoſenſack ſein bey ſich hatte ge - ſtecket. Vnd als er ſihet wo er hinauß will / folget er jhm auff dem Fuß nach / vnd wie er nun wol gekley - det ware / alſo / da er zu jhm kommet / gruͤſſet in / vnd bittet jhn er wolle jm doch ſolche ſeine Laute inn ſein Loſament tragen / er wolte es jhm gern verlohnen: Der frembde Kauffmann / als er in Seyden vnnd Sammet jhn ſo ſtattlich gekleydet ſiehet / helt jhn fuͤr einen fuͤrnehmen vom Adel (wiewol er ein loſer Schelm war) ſpricht derhalben zu jhm: Ja er wol - te es gern thun / was er an jhn begere: Dann er dachte / er wolte vielleicht auff ſolche weiß ein freyes mittagmal haben Foreſtier fuͤhret jhn mit ſich inn ſein Loſament / welches nichts anderſt / als ein gan - tzes Neſt voll Rauber / wie es auch ware: Vnnd als ſie da hinein kommen / fuͤret er jn oben in eine Kam - mer / vnd ſchleuſt ſo bald die Stegenthuͤr hinderſich zu / welches dann ſo bald dem Kauffman wunder - lich vnd ſeltzam fuͤrkame / dann er wuſte nicht / wasV ver dar -314Beutelſchneider / oderer darauß ſchlieſſen ſolte: Aber Foreſtier kundte jhm ſo freundliche vnd liebliche wort geben (wie die Sy - renen / oder Meerthier / welche durch die lieblichkeit vnnd ſuͤſſigkeit jhres Geſangs die Menſchen betrie - gen) daß er jhn auch mit auff das dritte ſtockwerck / da ſein Kammer ware / brachte: Als ſie aber in ſol - che Kammer mit einander kom̃en / ſchleuſt Foreſtier abermals hinder ſich zu / vnd fuͤhret jhn in ein klei - nes Kaͤmmerlein darinnen drey Rauber waren / dieſelbige / an ſtatt daß ſie jhn willkom heiſſen ſolten / fallen miteinander uͤber jhn auff ein mal / alſo daß ſich der Kauffmann gantz vnd gar nit kan wehren: vnd da er will vmb huͤlff ſchreyen / ſtoſſen ſie jhme in den Mund ein Angſtbier ein recht Teuffliſches Inſtrument / deſſen ſich die Diebe lang gebrauchet habẽ. Es iſt aber ſolche poire d’anhoiſe, oder angſt - bier formiret vnd gemacht wie ein Mahlſchloß / vnd hatte ſeine gewiſſe Federlein: Vnd wann ſie einem Menſchen in Mund wird geſtoſſen / ſo fangen die Federlein an zu ſpielen / darauff gehen durch vnder - ſchiedliche Loͤchlein / welche außdruͤcklich darzu ge - macht ſeyn kleine ſpitzlein herauſſer / welche wañ ſie die Backen anruͤhren vnd treffen den Menſchen / der ſolchen harten biſſen muß einſchlingen / zwingẽ / daß er Lefftzen / Backen / ja das gantz Maul ſo weit wie ein Backoffen muß auffſperꝛen / vnd kan doch kein wort nit reden. Der Kauffmann / als er ſihet / daß er auff dieſe Manier wird gegruͤſſet / vnd will - kommen geheiſſen / er kan auch nit mehr reden / vnd kan ſelber gedencken / was man mit ihm will anfan - gen / nim met alles was er in ſeinem Beutel hat /vnd315r[315]Diebshiſtorien das II. Buch.vnd gibt es dem Foreſtier / vnd dieweil er nit mehr kan reden / gibt er mit ſeinen gen Himmel auffge - habenen Haͤnden / vnd andern traurigen erbaͤrm - lichen gebaͤrden ſo viel zu verſtehen / daß er ſie alle vmb ſein Leben bitte: Aber dieſer vnmenſchliche Tyrann laͤſt ſich ſo wenig durch ſolche rechtmeſſige bitte vnd erbaͤrmliche Geberden bewegen / daß er vielmehr ſo bald nach ſeinem Dolchen griff vnd dem Kauffmann denſelbigen mitten durch ſein Hertz ſtoſſet / daß er ſo bald darvon muß ſterben / wie er dann hernacher ſolches ſelber hat bekennet: Vnd als nun dieſer Streich geſchehẽ / zeucht er jhn gantz nackend auß vnd wirfft jn in das heimlich Gemach hinein / da viel andere auch hingeworffen / vnd alſo verlohren weren worden / zu geſchweigen der jeni - gen / welche durch huͤlff ſeiner Mitgeſellen deß Nachts auff die Gaſſen getragen vnnd geworffen ware worden.

Auff eine andere zeit name er zu ſich vier oder fuͤnff ſtarcke Galgenſchwengel / deren zwen waren darbey geweſen / als der Edelmann ware erſchla - gen worden / wie wir zuvor angehoͤret haben / vnd gienge mit denſelbigen in die Gaß Sanct Hon - nore vnder deſſen / daß der Herꝛ in einem Hauß mit ſeinem Haußgeſinde nicht daheim wahre: Vnd name ſich alſo an / als were er deß jenigen / dem das Hauß zuſtunde / leiblicher Vetter / vnnd ſagte vnverſchaͤmbter weiſe alſo zu der Magd: Wo iſt mein Vetter? Iſt er noch drauß auff ſei - nem Landgut mit ſeinem Haußgeſinde? Ja / mein Herꝛ antwortet die Magd: Es iſt nun vier Tage /daß12[316]Beutelſchneider / oderdaß er da iſt: Ich bitte dich / ſpricht er hierauff / mei - ne liebe Tochter / lege doch diſes Packet in ſeine kam - mer: Ich will es heut oder morgen wider holen.

Auff dieſe Wort / gibt er jhr ein Packet / welches vngefehr zwantzig Pfund wiget / thut als wann er den Herꝛn im Hauſe gar wol kenne / vnd fraget vnder deſſen alles wol auß / als wann er gute kund - ſchafft im Hauß hette.

Die Magd / welche gar zu ſchlecht vnd einfeltig ware / laͤſt ſich uͤberreden vnd glaubet / er ſey der je - nige / ſo mit jhr rede / jhres Herꝛn Vetter / weil er von allen jhres Herꝛn ſachen ſo wol wuſte zu reden vnd nach allen dingen ſo wol zu fragen / nimmet jhm das Packet ab / vnd tregt es oben auff in die Kammer / ſagte zu jhm: Wann er widerumb vor - uͤber gehe vnd es abholen wolle / ſolle er ſie allezeit daheim finden.

Dieſer Raͤuber laͤſt jhm das wol geſagt ſeyn: kommet deß Abendts vmb neun Vhr mit einer Fackel / als wann er ein ehrlicher vornehmer vom Adel were / vnd hat zwen Diebsgeſellen bey ſich / die Magd thut jhm die Thuͤr auff / vnder dem ſchein aber / den er vorgibet ſein Packet abzuho - len / bindet er mit ſeinen Geſellen die Magd / vnd ſtecken jhr etwas in das Maul / daß ſie nicht kan ſchreyen / durchſuchen alles vnd tragen hinweg al - les was ſie ſelber woͤllen / ſilberne vnd guͤldene Ge - ſchirꝛ / Perlen / Demant vnd das allerbeſte / das ſie finden in den Kiſten vnd Kaſten / welche ſie auffge - ſchlagen vnd verherget hatten: Gehen hernacher hin vnd verkauffen ſolche Sachen jhren Hehlernauff31 [317]Diebshiſtorien / das II. Buch.auß der Wechſelbruͤcken / darauß dann hernacher ein groſſer Streit entſtunde: Dann als der Hauß - herꝛ widerkommet / vnd ſihet ſeine Magd in ſolchen traurigen Zuſtande / vnd wie das gantze Hauß be - ſtohlen ware / laͤſt er allenthalben nachfragen vnd trifft endlich etliche Perlen bey einem Goldſchmid an / welche er fuͤr die ſeinige hielte vnd erkandte / fan - get mit demſelbigen eine Rechtfertigung an / welche lange zeit wehrete; Aber das Hauptſtuͤck / welches Foreſtier ware / wolte ſich nicht finden / dann er hat - te ſich darvon gemacht / vnnd ware nachgefolget dem Exempel der Hunde / welche / wann ſie ſich der Streich befuͤrchten / lauffen ſie darvon vnd tragen den Schwantz zwiſchen den Beinen.

Vnder deſſen aber lieſſe die Wittib deß Edel - manns / welchen Foreſtier ſampt ſeinen Geſellen auff der newen Bruͤcken meuchelmoͤrdiſcher weiſe hatte vmbgebracht / fleiſſig nachforſchen / damit ſie den jenigen / welcher den Mord angeſtifftet vnd ge - than / finden / vnd jhn nach der ſchaͤrffe vnd beſchaf - fenheit der ſchroͤcklichen groſſen Suͤnde ſtraffen moͤchte laſſen: Sie ſchickte bald alle Tag friſche Leut auß auff das Land / zuerfahren / wo ſich doch Foreſtier hielte / damit ſie den Tod jhres lieben Ehe - mans / welcher ſo vnſchuldiger vnnd vnverſehener weiſe ware erſchlagen worden / rechen koͤndte: Dann wiewol ſchon vnder deſſen ſechs gantzer Monat waren verlauffen / daß ſolches geſchehen ware / je - doch ſo ware dieſer Kohl noch nicht außgeleſche[t]/ ſondern rauchete als noch in der Wittiben He[r]tz vnd Gedaͤchtnuß: Es ware die Wunde in jhremHertz[en]318Beutelſchneider / oderHertzen noch ſo friſch / daß ſie gern hette ſterben moͤ - gen / wann ſie nur zuvor geſehen vnnd erlebet hette / daß jhres lieben Jungkern Todt were gerochen worden.

Dieſe Edelfrau ware nicht geſinnet / wie heu - tiges Tages ein groſſer hauff Weiber / welche die eheliche Lieb gegen jhren Maͤnnern nur auff jhren Lefftzen im munde vnd vorn her haben / hinden her aber verfluchen ſie die gegenwart jhrer Ehemaͤnner vnd woltẽ ſie lieber in einem todtenbaar als in dem Ehebett ſehen: Sie ware nicht auß der zahl der je - nigen weiber / welche Crocobils weinen haben / vnd welche hent fuͤr den Leuten ſchreyen / morgen aber lachen ſie mit dem erſten / den ſie antreffen: Dañ ſie ware ſo betruͤbet uͤber den Todt jhres lieben Jung - herꝛn / welcher allerley ſchoͤne Gaben vnd Tugenden an ſich hatte / daß ſie kein ruh in jrem Hertzen kund - te haben / biß daß ſie die jenige / ſo jhn ſo jaͤmmerlich erſchlagẽ / erfahrẽ vnd ſich an denſelbigen gerochen hette. Als ſie nun erfuhre / daß Foreſtier widerumb zu Pariß ſeyn ſolte / vñ ſein voriges Leben widerumb anfienge / ſuchet ſie alle gelegenheit jhme nach dem Kopff zu greiffen: Aber das ſey nun zugangen / wie es woͤlle / daß er entweder Lunden mag gerochen ha - ben / oder daß jhn die jenige ſelber / ſo jhn fangen ſollen / gewarnet haben / name jhme fuͤr Pariß zu - verlaſſen vnd noch einmal in dem Land vmbher zu ſtreiffen / damit alſo das Gedaͤchtnuß deß vorge - gangenes Todſchlags moͤchte deſto beſſer vergraben werden / gerad in / als wann ein ſolches Laſter der Gerechtigkeit Gottes entlauffen koͤndte / wie auchder319Diebs Hiſtorien / das II. Buch.der Straffe / ſo er vmb vieler Suͤnden willen biß auff gegenwertige zeit wol verdienet hatte.

Nun muͤſſet jhr euch aber allhie erinnern / wann es euch beliebet / daß als er in der Gegend Saumur den Votris todtſchluge (wie ihr im anfang habt angehoͤret) vnd er nach ſeiner Hoffnung kein Geld bey jhm fande / name er jhm ein kleines uͤbergulde - tes Vherlein / welches er allezeit auff die zehen Jahr bey ſich truge Nun begab es ſich / daß an dem ge - dachten Vhrlein etwas zerbrochen ware / dero - halben truge er ſie auff das Palais oder Koͤnigliche Hauſe zu Pariß zu einem kleinen Vhermacher / daß er ſie wider machen ſolte vnd das geſchahe e - ben den Abend zuvor / da er deß morgends wolte auff ſein vnd darvon ziehen.

Nun kame zu allem Gluͤck auch an ſolchen ort auff das Palais deß Votris leiblicher Vetter / vnd wolte ſich einen Pitſchier Ring vnd ſonſten noch etwas deſſen er beduͤrfftig ware / machen laſſen: Vnnd als er bey einem kleinen Vhermacher / wel - cher ſich dran gemacht / das kleine jhm von dem Foreſtier gebrachte Vherlein zuverbeſſern / fuͤruͤber gehet / erſihet er ſolches Vherlein / gehet widerumb zu ruͤck / erinner[t]ſich / daß er ſolches Vherlein fuͤr der zeit bey einem ſeiner Freunde hat geſehen / gehet zu dem Vhermacher / nimmet ſolches Vherlein in die Hand / beſihet es gar wol vnd fraget endlich / wem doch das Vherlein zuſtehe: Der Vhrmacher antwortet jhm: Es habe ein Edelmann jhm ſolches gebracht / widerumb außzubeſſern / kenne jhn aber nicht / dech hab er jhm ſo viel angeſehen / daß er ein verſchlagener arger Mann ſeye.

Das340[320]Beutelſchneider / oder

Das iſt gewißlich ein Raͤuber / ſpricht der ander zu dem Vhermacher / dann das Vherlein ſtehet zu meinem leiblichen Vetter / welcher nunmehr vor zehen Jahren iſt erſchlagen worden / vnd hat man nie erfahren koͤnnen / wer ſolchen Mord habe began - gen. Ihr werdet ſehen / daß das gerechte Gericht Gottes jhn wird zur Straff ziehen / vnd daß der je - nige der euch ſolches Vhrlein zu machen gebracht hat / iſt der Thaͤter ſelber / der meinen Vetter hat er - ſchlagen: Derohalben ſo bitte ich euch / jhr wollet jhn / wann er kommet / auffhalten / vnd mir es zuwiſ - ſen thun: Wir woͤllen jhn einſetzen laſſen / ich halte gewißlich darfuͤr / er wird die That geſtehen; Dann der Diebſtal vnnd Mord muͤſſen ſich doch ſelber entweder bald oder langſam verrahten: Die war - heit iſt doch endlich ſtaͤrcker als die Lugen: Gott hat vnderſchiedliche Wege die Menſchen zu Bekandt - nuß jhrer boͤſen Stuͤcke vnd Tuͤcke zubringen / ſon - derlich aber die Meuchelmoͤrder vnd Todtſchlaͤger.

Als nun der Vhermacher ſo fleiſſig wird gebe - ten / verſprichet er deß Votris Vetter / er wolle jhn ſeiner Bitt gewehren vnd ſo bald / als er nur zu jhm komme das Vherlein abzuholen / jhm ſolches zu - wiſſen thun: Dann es ware dieſer Vormacher von einem ehrlichen Geſchlecht vnd Herkommen vnd hatte ein groſſen-Argwohn auff den Foreſtier deßwegen / dieweil / als er jhme die Vher gebracht / er jhm hatte verbotten / keinem Menſchen vnder der Sonnen ſie zu zeigen oder zu weiſen.

Aber der Anſchlag gienge weder bey dem einen / noch bey dem andern an: Dann da Foreſtier mer -ckete /341[321]Diebs Hiſtorien das II. Buch.ckete / daß man jn allenthalben ſuchete vnd nachſtel - lete / lieſſe er ſein kleines Vherlein im ſtich / traff das Thor vnd zoge in Brie / da er dann ſein boͤſes Leben jmmer fortfuͤhrete / raubete / ſtahle vnd mordete / wie wir jetzt weiters hoͤren werden.

In der Gegend der Statt Meaux ware auff ein Sontag eine Hochzeit / da vnter den jenigen / ſo auff der Hochzeit waren / auch ſich fande eine ſchoͤne junge Wittib auß der Statt Meaux / welche deß morgends ſich auff machte vnd auff die Hochzeit zo - ge / damit ſie jhren Freunden nach Chriſtlicher Ge - wonheit auch zu ehren erſchiene. Die Hochzeit fan - get ſich an / man iſt luſtig / man ſpringet vnnd dan - tzet / jederman iſt luſtig vnd iſt niemands / der nicht ein ſonderliche hertzliche Frewde hat an den jungen Eheleuten / vnd wuͤnſchet jnen jederman Gluͤck vnd Heyl zu jhrem Eheſtand: Der Tag gehet alſo da - hin / deß nachts fanget ſich das Feſt noch mehr an; Da iſt allenthalben nichts als Frewde vnnd luſtig - keit: Die eingeladene Gaͤſt aber ſein / weder inn deß Breutigams noch in der Braut Hauſe / ſondern inn dem fuͤrnembſten Wirthshauſe / ſo inn dem Dorff iſt / vnd ſolches deßwegen / dieweil der Wirth deß Braͤutigams leiblicher Vetter ware / hatte auch gute gelegenheit vnnd feine luſtige gemecher die Hochzeit darinnen zu halten: Vnnd als man nun die Nacht mit allem frewden zugebracht / nimmet ein jeglicher jm fuͤr / widerumb nach Hauſe zuziehen wann ſie deß morgends zuvor gefruͤhſtuͤcket wer - den haben: Das geſchicht auch / vnd ſchicket ſich ein jegliches auff den wege / vnter anderen auch die ge -Xdachte342[322]Beutelſchneider / odergedachte junge Witrib von Meaux: Dieſelbige ſagt Braut vnd Braͤutigam gute Nacht vnd will widerumb nach Hauß ziehen / wegen jhrer zweyen kleinen Kindern / die ſie zu Hauß gelaſſen hette.

Wie es nun der brauch iſt / daß man den Hoch - zeitgaͤſten etwas von der Hochzeit mit heimzutra - gen gibet; Alſo wird dieſer Witwen auch etwas fuͤr jhre kleine Kinder mitgegeben: Ein Servietten voll Tarten / Kuchen vnd dergleichen: Darauff macht ſie ſich nun auff den Weg / aber ſie wird nimmer - mehr heimkommen / dann ſie begibet ſich auff einen ſehr gefehrlichen Weg / da ſie auch jhr Leben muß laſſen.

Nun ware zu allem Vngluͤck fuͤr dieſe junge Wittib Foreſtier mit einem ſeiner diebsgeſellen von Paris gezogen / dieweil / wie jhr habt zuvor gehoͤret / jhm allenthalben ſo ſehr nachgeſtellet wurde: Der erſihet diſe Wittib / daß ſie an einem Wald her gantz allein gehet / er eylet jhr nach / vnd als er zu jhr kom - met vnd ſihet / daß ſie noch ſo ſchoͤn vnnd jung iſt / fanget er an jhr von der Liebe zu reden / vnd ſihet da - hin / ob er ſie durch ſeine leibliche wort betriegen vnd ſo weit bringen moͤge / daß ſie ſeines willens lebe vnd vnzucht mit jhm begehe: Aber, weil ſie nichts weni - gers als ſolche geſpraͤch mag anhoͤren / ſie will auch nicht zugeben / daß ſie im geringſten an jhrer Ehre / die ſie in jrem gantzen leben ſo fleiſſig verwahꝛet hat - te / geſchaͤndet werde; Gibet ſie jhm kurtze Antwort vnd ſtumpffen beſcheid darauff / vnnd gibt jhm mit jhren vnfreundlichen Worten ſo viel zuverſtehen / daß ſie jhr eh vnd lieber das Leben / als jhr Ehre ſol - ten nemen.

Fore -343[323]Diebs Hiſtorien / das II. Buch.

Foreſtier / als er ſihet / daß er von dieſer jungen Wittib gar verachtet vñ verſchmaͤhet wird / wendet ſich auch gegen jhr: Sein Lieb verkehret ſich in eine vnſinnigkeit / das Fewer vnd die Flammen zuͤnden ſich an in ſeinen Augen / zeucht ſein Wehr auß vnd macht / daß dieſe arme Frawe muß zu ruͤck gehen: Er vnd ſein Geſell fuͤhren ſie mit Gewalt in einen dicken vnd finſteren Wald / vnd da fie ſie allda mit jhren Hoſenbaͤndeln gebunden / begehren ſie zum zweyten mal / ſie ſolle ſie mit gutem willen genieſſen laſſen / was ſie hernacher mit gewalt von jr empfin - gen: Aber das zuͤchtige keuſche Hertz dieſer jungen Wittib erklaͤret ſich ſie wolle lieber jhr junges Leben daruͤber auffopffern / als daß ſie jhnen in einem ſol - chen verdamlichen begehren wolle willfahren.

Ich uͤbergehe all hie mit ſtillſchweigen die groſ - ſe Gewalt / ſo ſie dieſer jungen Wittib angeleger haben: Dann ich halte darfuͤr / daß keine ſchreck - lichere Tyranney auff der Welt ſeye / als eben die - ſe / welche einem Hertzen vorkommet / wann es inn ſolche Angſt vnd Noth geraͤthet: Inn Summa / als ſie nun jhr viehiſches begehren erfuͤllet / ſchlagen ſie die junge Wittib gar zu todt vnd geben jhr fuͤnff Stich in die lincke Bruſt / auff daß ſie nicht von jhr koͤnnen verꝛahten vnnd offenbahret werden: Vnnd damit man ja kein argwohn deßwegen auff ſie werffen moͤge / ſo binden ſie jhre Hoſenbendel / darmit ſie die Wittib angebunden hatten / wider - umb ab / werffen ſie in einen Graben / ſo allda friſch gemacht war worden / fuͤllen es hernach voll Er - den / gehen daruͤber vnd machen das Grab der ErdẽX ijgleich /344[324]Beutelſchneider / odergleich / auff daß man es deſto weniger ſpuͤren koͤnne.

Nun iſt allhie zu mercken / daß dieſe junge Wit - tib ein Hund bey ſich hatte / welcher vnter deſſen / daß Foreſtier vnnd ſein Geſell ſo uͤbel mit jhr vmb - giengen / jnen allezeit nachbellete / vnd fiele auch etli - che mal dem Foreſtier gar an die Bein: Aber er wa - re ſo verblendet vnnd in ſeinen Suͤnden verſtocket / daß er jhm nicht der Zeit name ſolchen Hund ent - weder abzujagen oder gar zu erſchlagen: Vnnd das hat auch hernach vrſach gegeben / daß Foreſtier iſt erdappet worden.

Man erzehlet viel vnterſchiedliche dinge von der groſſen Trewe der Hunde / als von dem Hund / welcher als er ſahe / daß ſein Herꝛ im waſſer in groſ - ſer Lebens gefahr ware / in das waſſer zu ſeinẽ Herꝛn hinein ſprange / kame ſeinem Herꝛn vnter dem Leib / vnd wolte lieber vnter ſeinen Herꝛn ſterben / als daß er ſeinen Herꝛn im Waſſer ſolte ſehen vntergehen vnd erſauffen: Deßgleichen von einem andern Hunde / welcher drey Jahr nach dem ſein Herꝛ wa - re erſchlagen worden / den Meuchelmoͤrder hat er - kennet / hat jn angefallen vnd gethan / als wann er jhn freſſen vnd verderben woͤlle: aber alle ſolche wun - der hielte ich ſelber fuͤr Fabeln / wann ich nit wuſte / daß dergleichen bey der Hiſtorien / ſo ich euch allhie erzehle were vorgangen.

Als Foreſtier den Todten Coͤrper der gedachten Wittib begraben / vnd jhre Servietten / Tarten vnd Kuchen genommen: Dieweil er vielleicht noch nit zu morgen geſſen hette / gehen ſie beyde miteinander auff das erſte Dorff / welches ſie vor jhren Augenſahen:345[325]Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.ſahen: Als aber ſie noch nicht recht von dem Gra - be hinweg kommen waren / kompt der erſchlagenen Wittib Hund auff das Grabe / heulet / kratzet vnnd thut nicht anders / als wann er den todten Coͤrper woͤlle auß dem Grabe widerumb ziehen: Vnnd als er die Erden nicht kan hinweg bringen / folget er den Meuchelmoͤrdern allgemach vnd ohne einiges bel - len nach.

Foreſtier nimmet Stein vnd wirfft nach dem Hunde etliche mal / vnd will jhn von ſich jagen / a - ber er kan jhn doch nicht vertreiben / ſondern folget jhm auff dem Fuſſe nach. Sie kommen alſo eben in das Dorff / darauß die Wittib ware gegangen nach Hauß zu gehen: (Ich bitte euch / jhr woͤllet allhier ſelber bey euch bedencken / daß wann vns GOtt will fangen / ſo kan er vns gar leichtlich erdappen) vnd als ſie nach der beſten Herberg im Dorff fragen / weiſet man ſie eben in das Wirthshauß / darinnen die Hochzeit gehalten wurde: Sie gehen dahinein / man gibet jnen oben eine Kammer ein / vnd will jh - nen auch zu eſſen geben / aber ſie ſagen / ſie haben ſel - ber eſſen mit gebracht vnd doͤrffen nichts mehr als einen drunck Wein: Sie decken jhr Tiſchtuch auff vnd fangen an zu eſſen Trote vnnd die Kuchen der Wittib / ſo ſie im Wald erſchlagen hatten.

Vnter deſſen aber ſo kompt der Hund / ſo jhnen allezeit nachgefolget ware / auch in die Herberg ohn allen zweiffel durch GOttes gerechtes Gericht: Er laufft auff vnd aber lauff in die Kammer vnnd wi - der heraber: Er fanget an zu bellen vnnd thut / als wenn er woͤlle Raſendt werden: Der Haußwirt er -X iijſihet346[326]Beutelſchneider / oderſihet den Hund vñ ſpricht er: Sihe da / das iſt vnſer Baſen Hundt: Ohne allen zweiffel hat ſie jn auff dem Wege verlohren: Dann er ſuchet ſeine Fraw allenthalben: ich bitte euch / ſpricht er bedencket die Freundſchafft vnd trewe dieſes Hundes. Ich weiß wol / ſpricht ein anderer / daß er mit jhr iſt hinweg gelauffen: Es muß etwas anders darhinder ſtecken daß der Hund wider kommet.

Je mehr ſie nun den Hund anſehen / je weniger ſie wiſſen / was ſie darzu ſagen ſollen / dann er heulet vnd thaͤte als wann er entweder ſchon raſend weh - re / oder als wann er auff das aller wenigſte von ei - nem Raſenden Hund were gebiſſen worden.

Vnder deſſen aber dienet man dem Foreſtier vnd bringt jm Wein hinauff in ſeine Kam̃er: Als aber der Haußknecht auff den Tiſch ſihet / vnnd er ſihet den Kuchen vnd die Servietten / welche er ſel - ber mit ſeiner Handt der geſagten Wittib von Me - aux hatte gegeben / erſchricket er daruͤber ſo ſehr daß er nicht weiß was er darauß ſoll gedencken: Er gehet hinab / zeiget ſeinem Herꝛen an / was er bey dem Foreſtier geſehen habe: Alſo daß ſie ein Arg - wohn deß wegen auff Foreſtier werffen / ſonderlich auch / weil der Hunde nach je zu ſo grewlich balle vnd tobete:

Der Haußherꝛ gehet ſelber in die Kammer / thut als wann er ſonſten etwas droben zu thun habe / vnd als er auch / wie ſein Haußknecht / die Serviet - ten vnd Kuchen ſiehet / ſchicket er eylens nach Me - aux vnd laͤſt etliche Schuͤtzen vnd Perſonen holen / zu erfahren / wo doch die gedachte Wittib moͤge hin -kom -347[327]Diebshiſtorien / das II. Buch.kommen ſeyn: Der jenige / welcher hingienge / na - me den Hund mit ſich: Aber an ſtatt / daß der Hund die Landſtraſſen ſolte lauffen / lauffet er in den Wald hinein da der Wind jn hinfuͤhrete: Vnd als er auff ſeiner Frawen Grabe kommet / fanget er an mehr als zuvor zu heulen / kratzet die Erden auff / gleichſam als wann er wolte huch vnd herfuͤr ziehen den tod - ten Coͤrper der jenigen / welche in jrem Leben jhn ſo lieb gehabt hatte: Welches als es der jenige / ſo nach Meaux / wegen der geſagten Wittib nach / zu fra - gen gehet / ſihet / folget er dem Hund nach biß auff das Grabe / vnd wie er ſihet / daß ſolches Grab noch gar friſch iſt / nimmet er einen Stecken / ſticht hin - ein / ſo weit als er kan vnd weil dieſe arme Fraw nit dieff vnter der Erden lage / kommet er jhr auff die Fuͤſſe: welches als er es ſihet / lauffet er eylends vom Grabe hinweg nach Hauß damit die Moͤrder nicht entwiſchen moͤgen / ſaget zu ſeinem Herꝛn / die ge - dachte Wittib ſey erſchlagen worden / vnd muß es niemands anders gethan haben / als eben die jenige ſo noch droben in der Kammer ſeyn.

Hierauff laͤſt ſo bald der Haußherꝛ den Statt - knecht holen / vnnd bindet man dieſe zween Rauber durch Huͤlff zehen oder zwoͤlff Bawern / welche mit Gabeln / Hellbardten / Stangen vnd Degen kom - men waren / biß ſo lang / daß man weitere nach - richtung habe: Man nimmet jhn die Servietten vnd das halbe Theil deß Kuchens / welchen fie der erſchlagenen Wittib genommen hatten: Vnd vn - der deſſen daß etliche nach Meaux lieffen / die wacht vnd Schuͤtzen zu holen / lieffen andere mit HaugenX iiijvnd348[328]Beutelſchneider / odervnd mit Stangen in den Wald die arme Witwen außzugraben vnd in dem das alles vorgienge / heu - lete vnd winſelte der Hund ſo jaͤmmerlich / daß alle die jenige / welche es hoͤreten nicht allein daruͤber be - truͤbet ſondern auch ſo zornig wurden / daß ſie den Foreſtler inn der Kammer darinnen man jhn ge - bunden vnd gefangen hielte / wolten todtſchlagen: Aber das ware hernacher noch ſchrecklicher zu ſe - hen vnnd ein gnugſamer beweißthumb / daß Fore - ſtier vnnd ſein Geſell den Mord begangen hatten: Dann da man der Witwen todten Coͤrper inn die Herberg brachte / vnd dem Foreſtier fuͤr ſein Moͤr - deriſches Angeſicht legte / fienge er an zu ſchweiſſen vnd zu bluten / gleichſam als wann er noch eine em - pfindligkeit bey ſich hette vnd bey Gott vmb Rache ſchrye vnd anhielte.

Da muſte Foreſtier erkennen / daß die zeit ware kommen / daß GOtt ſein Suͤnde ſtraffen vnnd jhn zur Rechnung wolte fordern: Da hettet jhr geſehen die bleichheit auff ſeiner Stirnen / die grewligkeit in ſeinem Geſicht / der ſchrecken verblendete jhm die Augen: er leugnet zwar / er hab den mord nit began - gen: Aber auß ſeinen worten vnd an ſeinen gebeꝛden ſahe man wol / daß er der thaͤter allein ware: Das Gewiſſen / ſo ſich ſchuldig befindet / kan ſich nit ver - bergen / ſondern muß ſich doch endlich ſelber verꝛah - ten: Endlich laͤſt ſich die Warheit ſehen / vnd ſolte ſie auch inn dem allerdieffeſten Brunnen deß De - mocriti ſtecken.

Inn dem man aber dem Foreſtier alſo Exami - niret / wegen deß geſchehenen Todſchlags / kommendie349[329]Diebs Hiſtorien / das II. Buch.die Wacht vnd Schuͤtzen von Meaux / welche nach dem ſie den gantzen verlauff angehoͤret / ſie alle bey - de gefangen nehmen / ſetzen ſie auff zwey Pferde / auff daß ſie deſto ehe vnd mit weniger beſchwerlich - keit ſie gehn Meaux moͤgen bringen.

Aber laſt vns widerumb ein wenig zu ruͤck in vn - ſere Hiſtorien gehen vnd laſt vns anhoͤren / wie die Edelfraw den Foreſtier wegen jhres von jhm auff der newen Bruͤcken erſchlagenen ehemans hat ver - foͤlget: Dann als dieſelbe vernommen hatte / daß dieſer dieb gen Brye ware gezogen / fertigte ſie zehen oder zwoͤlff Perſonen ab jhn zu verfolgen / vnd vn - der jhnen wahre einer / der den Foreſtier wohl ken - nete / vnd welcher von der Edelfrawen zehen Piſto - len hatte bekommen / daß er jhn den andern auch ſolte zeigen. Als nun die Schuͤtzen von Meaux dem Foreſtier vnnd ſeinen Geſellen alſo gefangen daher fuͤhren da kom̃en zu allem gluͤck die von Pa - riß abgefertigte Perſonen darzu / vñ der jenige / wel - cher die zehen Piſtolen empfangen hatte / fanget an zu ſchreyen man fuhre eben den jenigen gefangen / vmb welches willen ſie ſeyn auß gezogen: Weiſſen auch jhre Brieff vnd Commiſſiones auff warumb ſie von Paris ſeyen abgefertiget / nemlich den jeni - gen zu ſuchen / welchen ſie ſchon gegriffen hatten / begehren auch man ſoll Foreſtier jhnen in jre Haͤn - de lieſſern,

Die Schuͤtzen von Meaux beſchweren ſich zwar deſſen im Anfang / daß ſie ſolchen Raub ſollen jnen entgehen laſſen / ſonderlich aber da ſie hoͤreten / daß Foreſtier der voꝛnembſten Rauber einer in Fꝛanck -X vreich350[330]Beutelſchneider / oderreich ſeyn ſolte: Aber endlich muſten ſie jn doch fol - gen laſſen: Dann es ware jhrer 10 wider 5 vnd hett gewaltige ſtoͤß gegeben / wenn ſie gleich geweſen weren: Aber ſie muſten dem ſtaͤrckſten weichen: man uͤbergibet jn aber zugleich die bericht / ſo ſie von dem Hund vnd Servieten hatten: Vnd wurde alſo Foreſtter gen Paris gefangen gefuͤhret / da dann das geſchrey von ſeiner Ankunfft ſo bald in der gan - tzen Statt erſchalle vnd Vrſach gabe / daß jederman ſich an die Fenſter legete: Dann da ware jederman fro / daß ſolcher boͤſer Bube einmal gefangen were: Doch waren das die Anklagen nicht alle / die man wider jn fuͤhrete / dann es muſten alle ſeine Buben - ſtuck offenbart vnd geſtraffet werden: Muſte der je - nige / der ſeine Mutter ſo jaͤm̃erlich hatte ermordet / vñ alle gottesforcht auß ſeinem Hertzen geſetzet hat - te / die ſtraffe außſtehen / ſo er wol verdienet hatte.

Als man jn nun fuͤruͤber fuͤhrete in das Palais / vnd jederman jn ſehen wolte / fande ſich auch vnter dem Volck der Vhrmacher / welchem Foreſtter ein kleines Vhrlein zumachen gegeben hatte / wuſte es aber nit daß es Foreſtier / von welchem je derman re - dete / ware: Als er jn aber recht vnter dem Angeſicht anſihet / ſihet er daß es der Edelman iſt / welcher jm die Vhr zu machen gegeben hatte. Das Blut lauf - fet jm in alle Adern / er ſihet jn noch einmal an vnd meinet / er habe nicht recht geſehen: Aber er befindet daß es ſein Mann iſt / vnd daß man jhn gefangen fuͤhret / wegen eines Mords / welchen er auff der neu - en Brucken vor ſechs Monat ſolte begangen ha - ben: Daruͤber erſchricket er nun vnd befindet / daßder351[331]Diebshiſtorien / das II. Buch.der jenige / ſo das klein Vhrlein bey jhm geſehen vnd geſagt hatte / der jenige / ſo es jhm bracht hette / muſte ein Rauber ſeyn / die warheit geſagt hatte: Derhal - ben als Votris Vetter wider zu jhm kame / vnd jhn fragete / ob der jenige ſein Vhrlein noch nicht hette abgeholt / ſagte er zu jm der jenige / ſo ſie jm gebracht ſey gefangen gefuͤhrt woͤrden. Hierauff gehen deß Votris Freunde indaß Gefaͤngnuß / daß ſie dẽ Moͤr - der ſehen vnd erkennen / klagen jn bey der Obrigkeit an / zeigen jhm auch die Vhr ob er ſie kenne / vñ ob er nit dem Vhrmacher ſolches uͤhrlein hab zugeſtellet.

Foreſtier als er ſihet / daß man jhm ſo hart zuſetzt / leugnet alles: Sagt er kenne die Vhr nit / hab ſie jm auch nicht gegeben / verwirffet alle Zeugen / die man jm fuͤrſtellet / ſaget / ſie ſeyen alle betrieger / er habe die Leut / ſo man jm fuͤrſtellt / ſein lebenlang nit geſehen.

Die Wittib deß erſchlagenen Edelmans ſetzte jm auch hart zu / vnd macht jm viel zuſchaffen / will jetzunder geſchweigen der anderen vielfaltigen kla - gen / ſo wegen ſeines Mordes auß Brye wider jhn einkamen: So druckete jhn auch ſein eygenes Ge - wiſſen wegen deß Todtſchlags / ſo er an ſeiner leibli - chen Mutter hatte begangen / welches dann eine ſchreckliche That ware: Wird alſo Foreſtier allent - halben angefochten: Der Himmel / die Erde / die Lufft vnd das Waſſer ſeyn wider jhn / Gott vnd die Menſchen klagen jhn an / vnd er ſihet auch / daß jhn ſein eygenes Gewiſſen anklaget.

Man Examiniret jhn wegen der jenigen wider jhn eingegebenen anklagen: Als man jhm aber redet von dem Mord an dem Edelmann began -gen352[332]Beutelſchneider / odergen / leugnet er alles / vnd ſagt / er wiſſe nichts von den dingen / vnd von Votris noch weniger: Er ge - ſtehet nicht mehr / als was in Brien iſt fuͤrgangen: Dann das kan er nicht leugnen: Dieweil man jh - me ſolche ding fuͤrhelt / da er nicht kan voruͤber: Er vnd ſein Geſell werden auff die Folter geſpannet / vnd bekennen zwar daß ſie den Todſchlag in Brien an der jungen Wittib begangen haben / aber was anlange den Edelmañ / ſo auff der newen Bruͤcken ſoll erſchlagen ſeyn worden / woͤllen ſie nichts wiſ - ſen / ſagen auch / das werde man vff ſie nicht bringen koͤnnen: Man Examiniret ſie zwar wegen der zwen letzten Moͤrd / aber ſie wollen nichts geſtehen. Fore - ſtier hat ein gutes Maul / welches wol ſchweigen kundte: Deß Votris Freund weiſen jhm die kleine Vhr / man helt jm vor / daß zwen ſeiner Mitgeſellen / ſo geraͤdert ſeyn worden / ſolches auff jhn bekannt hetten / aber er leugnet alles / biß endlich der hencker jm die ſeiden etwas beſſer ſpannete vnd alſo zuſpra - che / daß er zwar bekandte / er hette dem Vhrmacher das uͤhrlein geben / aber er hett ſie einem Edelmann abgekauffet / welcher vorgeben hett / er hette ſie in der Gegend Orleans gefunden: Aber was den erſchla - genen Edelmann anlanget / wolte er im geringſten nichts geſtehen / dann er wuſte wol / daß er darmit ſein Sache noch erger machen wurde / wann er nur das geringſte darvon bekennete: Dann alsdann wurde man von jhm wiſſen wollen / was jhn darzu beweget hatte / vnd alſo wurde er den andern vom Adel welcher jhn hatte angeſtellet / in groſſe Gefahr flecken.

Die353[333]Diebshiſtorien / das II. Buch.

Die Edelfrau / welche jhn hart verklaget / als ſie ſahe / daß er ſo gar nichts bekennen wolte / hatte ſorge / ſie wurde nicht erfahren koͤnnen / wer der Thaͤter wer: Gleichwol aber hielte ſie an / man ſol - te jhn zum Todt verdam̃en / dann ſie hoffete / er wur - de noch an ſeinem letzten Ende bekennen / was er in ſeinem Leben geleugnet hatte: Acht tage her - nacher wird er wider fuͤrgeſtellet / vnd von deß Vo - tris Freunden / von der Edelfraue / vnd von den je - nigen auß Bryehan angeklaget / es wird jhm auch nach vielfaltiger geſchehener Exam ination das Vrtheil geſprochen / daß er auff dem platz de la Groix du Tiroir lebendig ſoll geraͤdert werden / ſein Geſell ader wird auff einen andern Tag gehalten.

Als nun Foreſtier auff dem Richtplatz iſt / da ſchweiget er ein zeitlang gantz ſtill / gedencket an ſein boͤſes gefuͤhrtes Leben / vnd an das gerechte Gericht Gottes / wendet ſeine Augen zu dem vmbſtehenden Volck / vnd fanget alſo an zu reden: Meine liebe Freunde / Es iſt das auſſer allen zweiffel / daß ich hiehero durch das gerechte Gericht GOttes kom - me: Dann eben dieſen Tag / eben dieſe Stunde / da jhr mich allhie an dieſem Ort ſehet / hab ich jaͤm - merlicher weiſe ermordet die jenige / die mich in jh - rem Leib hat getragen / welches nun mehr fuͤr zwoͤlff Jahren iſt geſchehen: Eben zu dieſer Stunde hab ich nun mehr fuͤr zehen Jahren den Herꝛn Votris todt geſchlagen: Ich erkenne nunmehr / daß kein Laſter vngeſtrafft kan bleiben / Alle Suͤnde werden entweder bald oder langſam geſtraffet. GOtt al - lein weiß das jenige / ſo ich hab begangen: Was denEdel -354[334]Beutelſchneider / oderEdelmann anlanget / welches ich bißhero hab ge - taugnet / hat niemands anders / als ich den Mord gethan: Der vnd der vom Adel hat mich darzu an - gereget / vnnd mir deßwegen hundert Kronen ge - ben. Zum Beſchluß meines Lebens bitte ich euch / jhr wollet Gott im Himmel fuͤr mich bitten / vnd auff dieſe Wort leget er ſich nider auff das Creutz / vnd wurde vom Hencker angebunden vnd lebendig geradbrechet. Der Schreiber / welcher alle ſeine begangene Stuͤck hatte auffgeſchrieben / lieſſe ſol - ches der Edelfrauen zu wiſſen thun / dieſelbige lieſſe ſo bald den anderen vom Adel / welcher jhren Ehe - mann durch Foreſtier hatte todtſchlagen laſſen / ein - ziehen / vnd wiewol ſich ſeine Freunde ſehr bemuͤ - heten / jhme das Leben zu erhalten / wurde jhme doch nach dreyen Mona - ten der Kopff abge - ſchlagen.

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Das355[335]Diebshiſtorien das II. Buch.

Das XIV. Capitel.

Ein erſchreckliche Hiſtorien von einem alten Gewandkraͤmer / welche fuͤr kurtzer zeit iſt geſchehen / vnd wie er ſein Leben ſo jaͤm̃er - lich hat geendet.

SEneca hat niemals ſchoͤner geredt / als wann er ſpricht: Daß die Goͤtter vns das Vbel / das wir dem Nechſten zufuͤgen / mit groſſem Wucher vergelten. Dann wann wir entweder anſehen die jenige welche durch deß gemeinen Volcks Schaden groß vnd reich werden / oder welche / weil ſie das nit langen koͤnnen / ſich alſo verhalten / als ob ſie nur in dir Welt ſeyen / daß ſie boͤſes thun ſoͤllen / ſo befinden wie allzeit / daß ſie in die Grube / ſo ſie andern gegra - ben / endlich ſelber ſeyn gefallen / vnd daß das Garn / das ſie andern geſtelt haben / ſie endlich ſelber gefan - gen vnd geſtuͤrtzet hat.

Wir haben deſſen ein ſo friſches vnd zu gleich ſchreckliches Exempel zu vnſer zeit / daß das ein of - fentlicher vorwitz ware von weitem Exempel zu holen: Dann ich wil euch in dieſem Capitel ſe - hen laſſen / daß der jenige / ſo vermeinet hat / er habe fuͤr zwen ſeiner Geſellen ein Grube gegraben / end - lich ſelber darein iſt gefallen / vnd hat ſein Leben ſo jaͤmmerlich geendet / als jemals / ich ſage nicht ein Chriſt / ſondern Seyter oder ſonſten Barbariſcher Menſch gethan hat.

Ehe ich aber dieſe Tragedien anfange / Iſt es nicht vnachtſam daß ich laſſe fuͤr euch fuͤruͤber ge -hen356[336]Beutelſchneider / oderhen die Perſonen / ſo in diß Spiel gehoͤren / auff daß jhr ohne verwirrung alles deſto beſſer behalten moͤget Es iſt ein Vatter deſſen Tochter zween Ehemaͤnner hat: Ein Sohn wird jaͤmmerlicher weiſe von zween ſeiner Geſellen vmbgebracht: Ei - ner auß den Ehemaͤnnern verzweiffelt in dem Ge - faͤngnuß / damit er die Straffe vermeyde / vnd nit vor aller Welt doͤrffte ſo ſchmaͤlich ſterben.

Der Vatter ſoll heiſſen Filandre, die Tochter Clione, der erſte Eheman / Alcandre: der zweyte / Cratilis, vnd der Sohn auß der erſten Ehe / wel - cher in den Weingarten de Charonne auß anre - gung deß Cratilis iſt erſchlagen worden / ſoll heiſ - ſen Floridor.

Das ſeyn die vnderſchiedliche Perſonen / welche in dieſem Spiel werden herauß vnnd herfuͤr kom - men / daß jhr ſehet vnd hoͤret die traurige Hiſto - rien / ſo ſeyd zwantzig Jahren iſt fuͤrgangen. Laſt vns anfangen ab ovo, vom Ey / wie die Latiner zu reden pflegen / vnd laſt vns die Hiſtorien von jhrem anfang recht erzehlen.

Filandre, welcher ein vermoͤglicher Mann ware / hatte eine Tochter (deren Ehr ich nicht will beſchmitzen / noch jhre Verdienſt zu hoch erheben / Damit ich die lebendige nicht erzuͤrne / noch mich an den Todten vergreiffe) welche / als ſie zu jhrem Alter kame / wegen jhrer Schoͤnheit alſo beſchaffen ware daß jhrer viel ſie zur Ehe hetten haben moͤgent Ich will euch allhier mehr reden von jhres Vat - ters Handwerck: Dann jedermann weiß gar wol / daß er ein alt Gewandtkraͤmer ware: Doch will icheuch357[337]Diebs Hiſtorien / das[ II. ]Buch.euch das wol ſagen / daß wie es deß Handwercks gar viel Meiſter gibet; Alſo haben ſie ſehr kleine Haͤußlein / vnd muß manchmals eins auff dem an - dern liegen / ſo gar ſtecken ſie ineinander.

Dieſer Filandre hatte einen Landbuben / wel - cher gar verſchlagen ware vnnd Alcandre hieſſe: Verhielte ſich auch alſo / daß jhm die gantze Hauß - haltung vertrawet / vnnd ſo lieb als das Kind im Hauſe gehalten wurde: Ja weil er ſich ſo gar wol aulieſſe / lieſſe man ſich deſſen gegen jm vermercken / daß wann die Haußtochter / welche auffs hoͤchſte nicht mehr als zehen Jahr alt ware / ein wenig elter were / vnd er der Zeit erwarten wolte / ſolte er ſie zur Ehe bekommen / wegen ſeines wolverhaltens: Vnd ſagt man das von jnen (wañ es anderſt war iſt / wie die Leute darvon reden) daß wegen deß engen Pla - tzes ſo ſie im Hauſe hatten / Vatter / Tochter / vnnd Alcandre, ſie drey miteinander nicht mehr als ein Bett hielten: Als aber Clione ein wenig elter wur - de / legte man ſie widerumb von einander; Aber die natuͤrliche Zuneygung / ſo ſie zu einander hatten / verurſachete / daß ſie ſolche Gemeinſchafft ſucheten / welche nicht als in dem Eheſtandt kan ſtatt haben: Welches als es Filandre ſpuͤrete / verheurathete er ſie zuſammen / damit er ſeinem Geſchlecht keinen Schandflecken anhenckete vnnd der Dochter der Bauch nicht fuͤr der zeit geſchwuͤlle.

Sie werden alſo verheurathet: Vnd da iſt nicht mehr als ein Seel in zween Leibern / vnnd ein Hertz in zween Seelen: Sie fuͤhren jhr Haußhaltung in der Still vnd ohne viel Geſchrey: Endlich bekom -Ymen358[338]Beutelſchneider / odermen ſie einen Sohn / der Floridor hieſſe: Derſelbi - ge lieſſe ſich wol an / wann man jhm das Graß nicht vnder den Fuͤſſen hette abgeſchnitten: Aber wann wir anfangen zu leben / wiſſen wir nicht die Zeit daß wir ſterben muͤſſen.

Nach dem nun Alcandre etliche Jahr ware ver - heurathet geweſen / begabe er ſich gar in ein boͤſes Leben / welches dahero kame / entweder dieweil er von jugendt auff zum Diebſtahl geneyget ware / (wie man dann der jenigen findet / welche ſich deß ſtehlens nicht enthalten koͤnnen) oder dieweil er mit boͤſer Geſellſchafft vmbgienge: Begienge einen Raub / vnnd wurde zu allem Vngluͤck nicht allein erkandt / ſondern auch ergriffen vnd verdammet / daß er neun gantzer Jahr ſolte auff die Galten ge - ſchicket werden. Als ſie nun von einander ſolten ſcheyden / da gienge es an ein heulen vnd ſchreyen: Da ſchrye Schwervatter vnd Tochtermann / Vat - ter vnd Sohn / Mann vnd Eheweib / vnd hetten ſie jhn gern mit all jhrem Gut auß ſolchem Elend er - kauffet / damit er nicht Weib vnd Kind verlieſſe: Dann das kleine Kind ſchrye vnd reichet jhm die Haͤnde / nicht anders / als wann jhm das groſſe Vn - gluͤcke / ſo jm hernacher widerfuhre / ſchon traumete.

Sie bringen etliche zeit zu in ſolcher traurigkeit / vnd die Schande / welche Alcandre vnnd Clione davon batten / thaͤte jnen weher / als wann ſie das halbe theil jhres Guts verlohren hetten: Aber je len - ger je mehr vergiſſet Clione jhres Elends vñ Trau - rigkeit / begibet ſich wider / wie zuvor / zu der Geſell - ſchafft / ſie bekuͤmmert ſich nicht mehr / was manvon359[339]Diebshiſtorien / das II. Buch.von jhr mag ſagen: Entſchuldiget ſich / die Schuld ſey nicht jhr / ſondern jhres Ehemanns ſelber / daß er in ſolches vngluͤck ſeye kommen dann er keinem gu - ten rath folgen woͤllen / vnnd hab alles wider den Strom gethan. In ſum̃a die groſſe gemeinſchafft verurſachet bey Clione, daß ſie jres vorigen Man - nes gar vergiſſet vnnd hergegen lieb gewinnet den Cratilis, welcher ſich ſtellete / als hette er ſie auch - ber alle maſſen lieb: Dann er ware nicht luſtig / als wann er bey jhr ware: Er kame zu jhr vnd ſchertzet mit jhr an der Thuͤr: Er fuhrere ſie bißweilen auch ſpatzieren vnd gefiele jm wol / daß ſie den Narꝛen ſo gar an jhm gefreſſen hatte: Clione aber hergegen ware auch wol darmit gedienet: Dann wie ſonſten die Weibsperſonen luſt vnnd lieb zu ſolchen ſachen haben / alſo hoͤrete ſie auch ſeinen Liebs geſpraͤchen gern zu / erzeigt jhm allen guten willen / ſagt es were jhr leyd / daß ſie jhn nit zur Ehe toͤndte haben / dann jhr Ehemann ſeye vnd lebe noch zu Marſillen / doch thaͤte ſie jhm ſonſten / was ſie kundte vnd ich allhier vnbeſchrieben will laſſen: Kurtzlich darvon zu re - den / vnder deſſen / daß der arme Alcandre das Meer maſſe vnd ſein vngluͤck beweinete / machte ſein Wei - be jhr gute Tag / das iſt ſie machte ſich luſtig / gien - ge zu den Leuten / bekuͤmmert ſich wenig vmb jhren auff die Galeen geſchickten Ehemann: Dann ich will hie nicht uͤbel von jhr vrtheilen / weil die Obrig - keit ſie ſelbſten in jhren Standt hat gelaſſen / vnnd koͤnnen auch am beſten darvon reden vnd vrtheilen die jenige / welche vertraute gute kundtſchafft mit jhr gehabt haben.

Y ijAls360[340]Beutelſchneider / oder

Als nun Cratilis ſihet / daß er ſie nicht zur Ehe kan haben / weil jhr Ehemann noch im leben iſt wie - wol er weltlicher weiſe todt ware / vnd ſie gleichwol vor kurtzer zeit von jhm newe Zeitung angehoͤret hatten: Erdencket er einen fund (ob ſolches aber mit wiſſen vnd willen der Clione ſey geſchehen / weiß ich nicht / dann die Weiber ſeyn bißweilen auch gar boͤß / wann ſie jhren Kopff auffſetzen) vnd ſchreibet einen Brieff / als wann er von einem Kauffmann von Machillen komme / an Filandre, vnnd zeiget jhm an / daß weil Arcandre ſolcher lufft vnd arbeit nicht ſeye gewobnet geweſen / ſeye er geſtorben vnd nach dem Gebrauch / ſo man auff den Galten hal - te begraben worden / an einen ſolchen Ort / welchen er jm mit Namen nennet / vnd nah am Hafen ſeye.

Als nun der Clione Vatter ſolches Schreiben bekommet ſampt dem Zeugnuß deß Meßvrieſters / welcher jhn hatte begraben laſſen / vnd welches alles von dem Eratilis / (wiewol kein Menſch auff der Welt mehr / als er / etwas darvon wuſte) angeſtellet ware / zeigt er es ſeinen Freunden / laͤſt jhnen ſagen / ſein Tochtermann ſey geſtorben: Die Tochter / ſein Weib Clione trauet jhme auch (ob ſie aber etwas von ſolchem Betrug gewuſt / weiß ich nicht) man laͤſt auch etliche Meſſen zu S. Euſtache fuͤr Alcan - dre leſen / wiewol er noch im Leben ware. Vnter deſſen aber in wehrender ſolcher traur Zeit meidet Cratilis der Clione Hauß / auff daß man ja den Betrug deſto weniger mercke: Oder wann er ſie ſchon beſuchte / ſo geſchahe es deß Nachts: Zween oder drey Monat verlauffen ſich alſo / nach welcherzeit361[341]Diebshiſtorien das II. Buch.zeit Cratilis wider anfanget Clione zu beſuchen / erlanget auch ſo viel durch mittel ſeiner Freunde daß ſie jm zur Ehe wird verſprochen / vnd wird die Hochzeit bald darauff angeſtellet. Gibt alſo ein neue Heurath zwiſchen den beyden / vnd wiewol et - liche den Cratiles gar fuͤr einen Narren hielten / daß er ein ſolchs Weib name / deren Eheman auff die Galeen ware geſchicket worden / bekuͤmmerte er ſich doch wenig daruͤber vnd fuhre in ſeinem vor - nemen fort / wie angezeiget iſt worden.

Vor der Zeit wahre ein Mann fuͤr zwey oder drey Weiber / ja biß weilẽ auch fuͤr hundert / aber hie ſehen wir das gegenſpiel: Dann allhie iſt ein Weib fuͤr zween Maͤnner / vnnd wird das Ehebet durch eine zweyte Ehe geſcheiden / welches nochjer ger iſt als das erſte.

Aber bey dem allem muß Floridor allein leiden: Dann was da in dem gantzen Hauß geſchihet vnd vorgehet / wann ein Lehrjung oder Knecht ein Glaß zerbricht das alles muß vber den Sohn auß gehen: derſelbige ſtraffet bißweilen ſeine Mutter ſelbſten wegen der geringen Liebe die ſie zu jm hatte: Doͤꝛſſte jr auch wol in daß Angeſicht hinein ſagen / daß wañ ſchon ſein Vatter auff den Galeen geſtorben were / ſolte ſie ſich doch erinnern / daß ſie jn in jhren Leibe getragen hette / vnd daß ſie ſeine Mutter wehre. Der alte Filandere, als er ſeines newen Eydams grillen ſahe vnd daß er mit ſeinen Enickel vil tyranniſcher als mit einem Ladenbuben vmbgienge / wolte jhn etliche mal zu ſich nehmen / aber die Mutter / welche deſſen von jhrem Eheman auch muſte rede hoͤren /Y iijbehiel -362[342]Beutelſchneider / oderbehielte jhn doch bey ſich / verhieß auch jrem Vatter ſie wolte jren Sohn beſſer / als zuuor geſchehen wa - re halten.

Vnter deſſen aber traͤgt ſich ein ſehr wunder - licher Fall zu / nemlich das Alcandre als er zu Marſillen auff dem Meer ſeine neun Jahr auß ge - ſtan den hatte / wider umb nach Paris kommet / will in ſein altes Loſament gehen vnd begehre / daß man jhme die Thuͤr auffmache: Daruͤber erſchrecken Gratilis vnd Clione vber allemaſſen / der Altvatter Filandre weiß auch nicht / was er darzu ſol ſagen: Er wolte lieber todt ſeyn / als ſolches Vngluͤck er - leben: Er ſihet das groſſe ergernuß / daß in ſeinem Hauſſe fuͤr gehet vnd weiß nicht / was er ſoll anfan - gen / dañ wie ers mache / was er auch anfange ſihet er wol / daß es vber vnd druͤber wird gehen. Clione wird ſehr daruͤber beſturtzt / dann ſie kan jhr die rech - nung ſelber leichtlich machen / daß lederman jhr werde Vnrecht geben / doch hoffet ſie es werden die an jhrem Vatter abgangner Brieff vnd Zeugnuß ſie entſchuldigen vnnd Loß ſprechen von aller An - klag / ſo man deß wegen wider ſie vornehmen moͤge: Auff drr andern Seiten ſchreyet Floridor auch wi - der Cratilis, ſagt / er ſey nicht ſein Vatter / die Ehe / ſo er mit ſeiner Mutter habe angefangen / ſey vnkraͤff - tig vnd vndultig / dann jr erſter Mann ſey noch im Leben / vnd koͤnne wol ſeyn / daß er Cratilis ſelber ſolche falſche Brieff habe geſchrieben.

Alcandre wil einmal in ſein Hauß vnd Gut vnd das jenige genieſſen / was Cratilis jm mit falſchem Titel zuſchreibet: Ich laſſe euch allhier ſelber beden -cken /363[343]Diebshiſtorien / das II. Buch.cken / was das fuͤr ein wunderliches gefraͤß vnd ge - werꝛ hat gegeben bey dem Vatter vnd bey der Toch - ter: Dann da kundte ſich der Vatter wol ruͤhmen / daß er zween Tochtermaͤnner hatte / eben ſo wol als jener Fuͤrſt von Albanien / aber ſie waren nicht ſol - che dapffere Helden: Dann zu der zeit der Palla - diner der Rodomons vnd Roges hetten ſie ſich dar - umb geſchlagen / wer die Clione allein ſolte haben.

Der Fortgang dieſes Anſchlags gereichet zum beſten. Filandre wil lieber etwas / als alles verlie - ren: Er nimmet Alcandre auff ein ſeiten vnd ſagt zu jhm: Weil er nun mehr auff die neun Jahre ſey auß geweſen / vnnd inn der Welt fuͤr todt gehalten worden / ſo ſey es gantz vmbſonſt / daß er den Cratilis woͤlle außtreiben / vnd ſein Weib wider haben: Dañ weil er ſo lang auff den Galeen ſey geweſen / vnnd ſie ſchon deß jetzigen Manns wol gewohnet ſey / wuꝛ - de ſie jn nimmer mehr verlaſſen / jhn aber allezeit mit einem Schelen Auge anſehen: Derohalben ſo ſey das beſte das / daß er widerumb hinweg ziehe: Man ſolte jm deßhalben eine ſum̃en Gelds geben / damit allenthalben groß Ergernuß verhuͤtet werde / vnd der gantzen Freundſchafft ſolcher Schandflecken nicht angehencket werde: Was dann ſeinen Sohn anlange / ſo ſeye ein Inventarium uͤber alle ſein ver - moͤgen auffgerichtet / welches er bey ſich habe / vnnd wolle er ſelber ſeines Enckels Vormunder ſeyn.

Alcandre laͤſt ſich durch dieſe ſuͤſſe Wort uͤber - reden / vnd dieweil er doch ſihet / daß er zu Paris nit hoch wird geehret / nimmet er jhm fuͤr / er wolle ein gewiſſe ſummen Gelds nehmen / vnnd widerumbY iiijnach364[344]Beutelſchneider / odernach Marſilien ziehen / da er dann gute kundſchaffe ſchon gemacht hatte: Der Kauff wird geſchloſſen. Er gibt ſeinen Schwervatter vnd Weib gute nacht Sein Sohn geleytet jhn auß Paris / vnd redet mit jhm von allem dem Vbel / das im ſein newer Vat - ter zufuge / halte jhn gar wie ein Bettler vnd loſen Schelmen: Alcandre troͤſtet jhn vnnd macht jhm Hoffnung / daß ſolches nicht lang mehr ſolle weren: Dann er woͤlle ſelber ſehen / daß er jhm ein Heu - rath zu wegen bringe. So muͤſſe man jm dann ſein Gut geben vnd komme er auß einer Dienſtbar vnd Leibeigenſchafft / vnd koͤnne alsdann ſelber Herꝛ ſeyn Sie hatten auch ſonſt allerley Geſpraͤche mit ein - ander / vnnd da es an ein abſcheiden gienge / gabe es auff beyden ſeiten naſſe Augen. Dann es thete Flo - ridor uͤber alle maſſen wehe / daß ein anderer ſeines Vatters Ehebett beſudeln ſolte.

Floridor kehret nach dem von ſeinem Vatter genommenen Abſcheid widerumb nach Hauß / vnd wird Cratilis ſo feind daß er alles mit vnluſten vnd widerwillen thut Befihlet jhm Cratilis ſein Stiff - vatter etwas / ſo grautzet er darwider / vnd zeiget mit Worten vnd Geberden an daß er jhm gar feind iſt: Er kommet auch auff ein Zeit ſo weit mit worꝛen an Cratilis, daß er jhm in das Geſicht hinein ſagt: er ſey ein loſer Mann: Er habe falſche Brieff ge - macht vnd geſchrieben / ſein Vatter ſey geſtorben / er verthut jhm das ſeinige / vnnd viel andere Wort mehr: Welche den Cratilis bewegeten / daß er jhm vornahme / er wolte ſolchen ſeinen Stieffſohn hin - richten laſſen / vnd ſolte es auch koſten / was es jm̃erwoͤl -365[345]Diebs Hiſtorien / das II. Buch.woͤlle: Darzu bewogen jhn aber zwey Stuͤck: Erſt - lich der groſſe Vngehorſamb / den jhm ſein Stiff - ſohn erzeiget: Wie auch das taͤgliche traͤwen / daß jhm ſein Sohn traͤwete er wolte jn bey der Obrigkeit oerklagen: Darnach / die Hoffnung die er jm mach - te / daß wann ſein Stieffſohn todt were / er deß alten Filandre vnd deß Alcandre Gut alle mit einander vnd allein koͤnnte haben / vnd genieſſen.

Ob er nun dieſen erſchrecklichen vnd boͤſen Fuͤr - ſchlag ſeinem Weib der Clione hab entdecket / kan ich nit wiſſen / vnd hat jederman daran gezweiffelt: Dann weil er hernacher im Gefaͤngnuß ſich den Todt ſelber anthate / wurde dardurch der Obrigkeit das mittel benommen / die Warheit ſolcher That zu erfahren.

Was thut aber dieſer verzweiffelte boͤſe Menſch / daß er ſein boͤſen Anſchlag ins Werck ſetze? Er be - kommet zween Schneider Jungen / welche fuͤr der Zeit bey jm gearbeitet hatten / vnd dieweil er ſie wol kannte / daß es gute Droppen waren / vnnd vmb Gelts willen ſich zu ſolcher That wol ſolten uͤberꝛe - den laſſen / fuͤhret er ſie auff ein Zeit in das Wirts - hauß / vnd nach dem ſie wol getruncken hatten / er - zehlet er jnen ſeinen Anſchlag / verheiſt jhnen auch fuͤnfftzig Cronen / wann ſie ſolchen Anſchlag wolten ins Werck richten vnd machen / daß man Floridor nimmermehr moͤchte reden hoͤren.

Dieſe beyde erſchrecken erſtlich uͤber ſolcher zu - muthung / jedoch / als jhnen ſo viel Geldt wird ver - ſprochen / verſprechen ſie Cratilis ſie wollen ſein be - gehren außrichten vnd Floridor, welcher nicht eltelY〈…〉〈…〉als366[346]Beutelſchneider / oderals funffzehen Jahr ware / das Liecht außblaſſen.

Der Kauff wird beſchloſſen: Kurtze darauff auff einen Feyertag (dann ſie hatten gute Kundſchafft mit einander) kamen ſie zu Floridor / bitten jn / daß er doch ein weil mit jhnen woͤlle ſpatziren gehen.

Floridor will erſtlich nit mit jhnen gehen: Es iſt jhm ſolchs ſpatzieren gehen gantz vnd gar zu wider / gleichſam als wann jhm ſein Gewiſſen etwas ſage von dem groſſen Vngluͤck welches man jm zu rich - tet: Doch lagen ſie jhm ſo lang an / biß daß er mit jhnen gienge.

Sie gehen alle drey der Pforten S. Anthoine hin - auß (vnd ich glaube auch ſie haben mit einander zu - vor geſſen vnd getruncken) vnnd dieweil ſie friſche Lufft ſchoͤpffen woͤllen / gehen ſie in die Weingaͤrten de Charonne, da die zween Schneyder Jungen der Zeit wol in acht nehmen / vnd als ſie ſehen / daß gar niemands vmb ſie iſt / ſchlagen ſie jhn mit jhren Degen todt / geben jhm im Anfang einen ſolchen ſtarcken ſtreich uͤber den Kopff / daß er ſo bald zur Erden ſincket / vnd nider ſellet / ſchlagen jhn dar - auff vollendts todt / laſſen jhn in den Weingarten liegen / vnd kehren wider nach Paris / ſo friſch als wenn ſie einen Trauben geſſen hetten. Hierauff ge - hen ſie zu Cratilis, vnd wollen den Lohn wegen jrer verrichteten verdamblichen Arbeit haben / aber ſie werden heßlich in jhrer Hoffnung betrogen: Dann da ſie vermeinen hundert Cronen / welche jhnen ver - heiſſen waren worden / gab jhn Cratilis nicht mehꝛ als vier vnd zwantzig / ſagte jhnen / ſie ſolten mit ſol - chem Gelt zu frieden ſeyn.

Aber367[347]Diebs Hiſtorien das II. Buch.

Aber dieſe vnmenſchliche Moͤrder wolten dar - mit ſich nicht abſpeiſen laſſen / ſondern ſetzten Gra - tili alſo zu / daß er jhnen in vierzehen Tagen noch ſo viel ſolt geben / vnd giengen alſo darvon: Vnd wie man das boͤſe gar leichtlich kan gewohnen / wann man nur einmal etwas boͤſes begehet / alſo / da ſie ſolten jrer arbeit abwarten / vnd ſich wider bey jrem Meiſter einſtellen / da giengen ſie in das Wirtshau - ſe / fiengen an zu Freſſen vnd zu Sauffen / vnd als ſie all da vnter die Beutelſchneyder vnd Diebe gerieh - ren / erſtachen ſie jhr ehrliches Handwerck vnd be - gaben ſich gar in die Diebsgeſellſchafft.

Clione vnd Gratilis verwunderten ſich aber vn - ter deſſen gar ſehr / daß jhr Floridor nicht wider ka - me: Vnd wann man ſie fragte / wo er were hin - gegangen / ſagten ſie / er wurde ohn allen zweiffel in ein boͤſe Geſellſchafft gerathen / vnd damit darvon gezogen ſeyn: Oder koͤndte wol ſeyn / daß er gen Marſillen zu ſeinem Vatter were gezogen: Aber Cratilis wuſte gar wol / daß er ein ſolche Reiß hatte vorgenommen / daß er nicht wider kommen koͤnnte.

Vierzehen Tage verlauffen ſich alſo: Vnd die jenige / welche den jungen Knaben erſchlagen het - ten / verhoffen / ſie wollen bey Cratilis den uͤbrigen verſprochnen Gelt Reft ſchon gezehlet finden: Aber Cratilis har andere Tauben vnnd Grillen in dem Kopff / dann es duncket jhn: Deß Floride Geiſt ſchwebe jhm ſtets fuͤr Augen vnd ſchrey bey Gott vmb Rach wegen deſſen an jhm geuͤbten Todſchla - ges: Er kan ſich in der Haut nicht behalten / baldtlauffet368[348]Beutelſchneider / oderlauffet er hieher bald anderſtwo hin / aber er kan doch kein Ruh in ſeinem Hertzen haben: Als er aber auff ein zeit / nach dem Mittag eſſen ein wenig iſt außgegangen / kommen die zween Meuchelmoͤrder deß Floridor, vnd begehren das uͤberige Gelt / ſo er jhnen verſprochen habe: Glione ſagt ſie wiſſe nicht was ſie woͤllen: Haben ſie vor der zeit jhnen gear - beitet / ſo hette man ſie auch bezahlet: Was / ſagt a - ber einer aus dieſen zween Schelmen / wollet jr vns alſo betriegen / vnd vmb vnſer Gelt ſprengen? Bey dem Todt / ja bey meinem Leben / ich wils euch nicht vergeſſen / ewer Mann mag wol auff ſich ſelber ach - tung haben / dann wir woͤllen jhn bey der Obrigkeit verklagen.

Als die Nachbarn ſolches Gezaͤnck vnnd Ge - ſchrey hoͤren / lauffen ſie zuſammen / vnd iſt das gar gewiß / daß wann Cratilis were daheim geweſen / wuͤrden ſie den Todſchlag / darzu er ſie beweget hat - te / fuͤr jedermann offenbaret haben: Aber nach dem alten Sprichwort / lang geborget iſt nicht ge - ſchencket: Es wird doch endlich offenbar werden: Dann ein Diebſtal vnd Mordſtuͤck kan man doch in die laͤnge nicht verhelen.

Als nun Cratilis widerumb heim kommet / er - zehlet jhm Glione das Spiel / das vnder deſſen wa - re fuͤrgangen / welcher aber jhr antwortete / wann die Schneidergeſellen widerkaͤmen / wolte er ſie ge - fangen laſſen legen.

Lange zeit aber hernacher / als nun Cratilis mel - nete / Es were alles vergeſſen / were auch kein Menſch inn der Welt / der es offenbaren koͤndte / traͤgt es ſichzu /369[349]Diebshiſtorien das II. Buch.zu / daß auß gerechtem Gericht GOttes dieſe zween Moͤrder deß Floridor mit andern Raubern einge - zogen werden (dann von der Zeit an / da ſie an Flo - ridor den Mord begangen hatten / hatten ſie kein an - der Handwerck / als Rauben vnd ſtelen / getrieben) vnd als ſie auff die Folter geſpannet werden / beken - nen vnd ſagen ſie / ſie haben zwar das jenige / deſſen man ſie anklage / nicht begangen / doch erkennen ſie Gottes gerechtes Gericht an jnen: Dann ſie haben ſonſt einen erſchrecklichen Mord an einem jungen Knaben begangen / vnd hab ſie einer / genant Crati - lis, darzu angereitzet vnd beweget. Erzehlen auch hierauff der Obrigkeit den gantzen Verlauff / Zeit vnd alle Vmbſtaͤnde ſolches begangenen Mordes / wie wir ſolchen erzehlet vnd beſchrieben haben / vnd klagen allzeit Cratilis an / daß er ſie darzu hab gerei - tzet vnd angefuͤhret.

Als nun Cratilis dieſes heimlich erfehret / daß man jhn ſo hart anklaget / ſchweret er / er wolle die jenige / ſo jhn anklagen / hencken laſſen: Fanget auch eine Rechtfertigung mit jhnen an / klaget ſie an / als haben ſie jhn beſtohlen / vnd meinet / weil er ſie ſelber anklage / vnd ſich zu ihrem Widerſacher mache / wer - de er der Obrigkeit darmit ein Auge verkleyben koͤn - nen / vnd werde jre wider jn gethane Klag fuͤr nich - tig gehalten werden. Hatte auch ſeine Sach ſo ver - ſchlagen vnd angeſtellet vnd ſagte / weil er die beyde anklagte / ſo wuͤften ſie nicht / was ſie wider jn ſagen ſollen / wolten jhme derohalben einen ſolchen Mord aufflegen / ſie moͤchten noch mehr auff jhn liegen / je - derman wuͤſte wol / wer es were / vnd wie er ſich inn ſeinem Leben verhalten hette.

Durch370[350]Beutelſchneider / oder

Durch dieſes mittel machte Cratilis, daß alle Anklagen der beyden Moͤrder fuͤr nichtig gehalten / ſie aber wegen jhres raubens / ſtelens vnd mordens zum Tod vervrtheilet vnd geraͤdert wurden.

Als man aber ſahe / daß dieſe beyde in jhrem todt / vnnd da jhnen die Seel auff der Zungen ſchwebete / noch darauff verharꝛeten vnd bekandten / Cratilis allein were Vrſacher / daß ſie in ſolche Suͤnde vnd Hertzenleyd gerahten weren: Er hette ſie angereget / den Floridor todtzuſchlagen. Er hette jnen weg vnd mittel ſolchen mord zu begehen / gezeiget; Hielte je - derman darfuͤr / er muſte an ſolchem todſchlag auch ſchuld haben: Wurde auch ſo bald darauff auff das Chaſtelet gefangen gefuͤhret / mit groſſer verwun - derung aller der jenigen / ſo jn kandten.

Ich will euch all hier nichts ſagen von dem groſ - ſen Schrecken vnd Schand / darinnen Cratilis ge - riethe: dann er ſahe ſich in Lebensgefahr / ſein eigenes Gewiſſen klaget jhn an / vnd warffe jhm heimlicher weiſſe ſeine Vndanckbarkeit fuͤr: Niemands duͤrffte fuͤr jhn bitten / oder die Obrigkeit anlauffen: Dann man ſahe es jhm an ſeinem Angeſicht an / daß ein hoͤher Richter / als die Menſchen / jhn wegen ſeiner Suͤnde wolte ſtraffen Ja Cliena, ſein eigenes Ehe - weib / damit ſie auch nicht in einen Argwohn kaͤme / dorffte nit fuͤr jhn bitten Aber die Schand / ſo man allezeit will vermeyden / viel kan zu wegen bringen / Alſo da er hoͤret / daß er lebendig ſoll geraͤdert / vnnd hernach verbrennet werden: Alſo name er jhm fuͤr / er wolte durch ein anders Vngluͤck ſolcher Schan - de zuvor kommen.

Vnd371[351]Diebshiſtorien / das II. Buch.

Vnd weil er im Gefaͤngnuß einen Strang beka - me / erhenckete er ſich ſelber / verlohr alſo Leib vnnd Seel / vnd opfferte ſich ſelber allen Teuſſeln: Die O - brigkeit wurde daruͤber ſehr beſtuͤrtzet / aber man ließ nichts deſto weniger das wider jhn außgeſprochene Todts Vrtheil an jhm vollnſtrecken: Wurde alſo auff einer Hurde an den Galgen Montfaucon ge - ſchleppet / damit jederman ſehen vnd erfahren moͤchte / den Mord / welchen dieſer ver - damliche Moͤrder an ſich ſelbſten begangen hatte.

ENDE.

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About this transcription

TextBeutelschneider/ Oder Neue/ warhaffte/ vnd eigentliche Beschreibung Der Diebs Historjen
Author François de Calvi
Extent366 images; 84086 tokens; 9733 types; 547621 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationBeutelschneider/ Oder Neue/ warhaffte/ vnd eigentliche Beschreibung Der Diebs Historjen Darinnen Der Beutelschneider/ Diebe vnd Rauber Arglistigkeit/ Verschlagenheit/ Bossen/ Rencke vnd Tücke/ auch was sie für wunderbarliche seltzame Diebsgriffe/ Practicken vnd Fündlein erdacht/ gebraucht/ vnd sonsten für erschreckliche Mordthaten in Franckreich gestifftet vnd begangen haben. Jn sonderlichen waarhafften Historien vor Augen gestellet Mit sonderbaren nützlichen Observationen/ Erinnerungen vnd Warnungen der gestalt zugerichtet/ daß sich männiglichen zu nothwendiger Warnung vnd Lehr/ auch zu Ergötzlichkeit vnd Lust zu lesen dienen. Auß dem Frantzösischen in die Hochteutsche Sprach übersetzt Ander Theil François de Calvi. . [4] Bl., 371 [i.e. 351] S. : Ill. (Kupferst.) FitzerFrankfurt (Main)1627.

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Universitäts- und Landesbibliothek Halle ULB Halle, Pon IIk 3854 (1/2)

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LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Prosa; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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