PRIMS Full-text transcription (HTML)
Beutelſchneider / Oder Neue / warhaffte / vnd eigentliche Beſchreibung Der Diebs Hiſtorien.
Darinnen Der Beutelſchneider / Diebe vnd Rauber Argliſtigkeit / Verſchla - genheit / Boſſen / Rencke vnd Tuͤcke / auch was ſie fuͤr wunderbarliche ſeltzame Diebsgriffe / Pra - cticken vnd Fuͤndlein erdacht / gebraucht / vnd ſonſten fuͤr erſchreckliche Mordthaten in Franckreich ge - ſtifftet vnd begangen haben.
In ſonderlichen waarhafften Hiſtorien vor Augen geſtellet. Mit ſonderbaren[nuͤtzlichen] Obſervationen / Erjnnerungen vnd Warnungen der geſtalt zuge - richtet / daß ſich maͤnniglichen zu nothwendiger War - nung vnd Lehr / auch zu Ergoͤtzlichkeit vnd Luſt zu leſen dienen. Auß dem Frantzoͤſiſchen in die Hochteutſche Sprach uͤberſetzt.
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Erſtlich Gedruckt zuFranckfurt/1627.

An den Leſer.

GVnſtiger lieber Le - ſer / es iſt ein groſſer vor - theil dem jenigen / der zu Waſſer oder zu Land wil eine Reiß vornehmen / wann er die Landtaffel wol verſtehet / wann er weiß / wo dieſe oder jene Statt iſt ge - legen / oder wie gefaͤhrlich es iſt auff djeſem oder jenem Weg / dann jhm der jenigen / mit welchen er wil vmb - gehen / Humor / Art / Grillen: vnd[Eigenſchafften] nicht bewuſt ſeyn Er weiß auch nicht die Kunſt vnd Bu - benſtuͤcke / darinnen ein jegliche Na - tion alle Tag ſich uͤbet vnd Meiſter iſt / ſo kan er durch ſolche ſeine Vn - wiſſenheit gar leichtlich in groſſe ge - fahr vnd vngemach gerathen.

Dieſes iſt nun die einige VrſachA ijgewe -Vorꝛede.geweſen / welche mich bewogen / dir dieſes kleine Buͤchlein zu preſenti - ren: Dann weil dieſe Geſellſchafft heutiges Tages uͤber alle maſſen groß iſt / wie auch die argliſtige Ver - ſchlagenheit / die ſie zu ſtelen gebrau - chen / vnmenſchlich vnnd vnglaub - lich: Als habe ich darvor gehalten / jederman nuͤtzlich zu ſeyn / wann ich jhre Buben - vnnd Diebsſtuͤck oͤf - fentlich an die Sonn lege / auff daß man ſich deſto beſſer vor jhnen moͤge vorſehen.

Ein verſtaͤndiger Schiffmann ſpannet ſeine Segel nit auff / wann er nur im geringſten ein ſchweres Gewitter mercket kommen / vnnd wann er durch ein gefaͤhrliches ort ſoll duꝛchfahren / ſo bedencket er ſich wol / ob er nicht vielleicht da koͤnne Schiffbruch leyden / vnnd mit ſei - nem Schiff anfahren.

Alſo

Alſo iſt es gut / daß man jre Bu - benſtuͤck wiſſe / jren Anſchlaͤgen vor - komme / vnnd das ſeinige moͤge be - halten. Sihe / lieber Leſer / das iſt der Nutz / welchen du durch leſung die - ſes Buchs kanſt haben: Dann da wirſt du hoͤren vnd ſehen wunderſel - tzame Practicken / welche die Diebe zu ſtelen gebrauchet haben / welche du vnter deſſen wolleſt leſen / biß daß wir das zweyte Theil dieſer Hiſtori - en fertig machen / vnd welches zwey - te Theil wird ſeyn eine Continua - tion dieſer Hiſtorien / da du warlich ſolche ſtreich wirſt leſen / daß derglei - chen nicht mehr iſt gehoͤret wor - den. Hiemit Gott be - fohlen.

A iijVer -

Verzeichnuß der Capitel ſo in dieſem Buch begriffen.

  • Cap. I. Von dem erſchrecklichen Leben deß Capitainen Lycaon / als deß Oberſten der Diebe von ſeinem Geſchlecht vnd Herkom - men / vnnd wie er ſich in ſeiner Jugendt hat verhalten1
  • II. Ferꝛnere Beſchreibung deß Lebens / deß Hauptmans Lycaon / ſein boͤſes vorneh - men / ſeine Argliſtigkeit / Veꝛſchlagenheit vnd Kriegsliſte / vnd was er ſonſten vor ſchreckli - che dinge begangen / von der Zeit an / da eꝛ ſich auff das Straſſenrauben hat begeben. 8
  • III. Lycaon wird von dem Vogt von Ro - ven verfolget / begibt ſich in ſein Raubſchloß Machecoufti / da er dann wird vmbringet vnd belagert / vnd was er ferꝛners biß an ſein Todt gethan hat. 26
  • IV. Von dem Rougets vnnd Griſons / von jhren Sitten / Ordnungen vnnd Argli - ſtigkeit / deren ſie ſich gebrauchen / jhre boͤſe Bubenſtuͤck ins Werck zu ſetzen. 40
  • V. Von dem Rauben vnd Morden deß Cheſnay / als deß Oherſten der Rougets vnd Griſons: Was ſein Mitgeſell an vnter -ſchied -ſchiedlichen oͤrtern in Franckreich begangen: Wie er gefangen / vnd ſeine fuͤrnembſte Ge - ſellen ſey hingerichtet worden. 59
  • VI. Von einem erſchrecklichen Mord vnd Raub zu Paris / von Rochtaille begangen / vnd wie es endlich offenbar iſt worden. 82
  • VII. Von dem erſchrecklichen Leben deß Capitainen Carfour / von ſeinem rauben vnd morden / vnd wie er endlich iſt zur ſtraff gezo - gen worden. 96
  • VIII. Ferꝛnere Erzehlung deß erſchreck - lichen Lebens / Handels vnnd Wandels deß Courfour / als eines beruͤmbten Straſſen - raubers / vnnd wie er endlich ſein Lohn hat empfangen. 111
  • IX. Hiſtorien von einem Gaſconier / ei - nem beruͤmbten Rauber / vnd was er nicht al - lein zu Paris / ſondern auch an andern oͤrtern hat begangen. 130
  • X. Von den verdamblichen Thaten eines jungen Herꝛn von Guinne / genannt Alidor. 48
  • XI. Von den Bubenſtuͤcken eines Rau - bers / genannt Fleur / vn̄ wie er eine ſondeꝛliche Manier gebraucht / die Leute zubeꝛauben162
  • XII. Von den erſchrecklichen Vbeltha - ten / eines Tyranniſchen Moͤrders / genandt Franciſcus de la Biegne / welcher hernacher zu Lion iſt hingerichtet worden. 178
  • XIII. Von den Argliſtigen ſtreichen vnd Bubenſtuͤcken der Filous / vnd wie ſie einem jungen Lymoſin den Beutel mit dem Gelt erhaſchet haben. 196
  • XIV. Von dem rauben vnd ſtelen eines naſſen Zechbruders / der Vniverſitet / genant Poſtel / vnd was er fuͤr verdamliche Thaten in ſeinem Leben begangen. 220
  • XV. Von der Rauberey deß Grillons / welcher eines Rahts in dem Parlement zu Rennes Schreiber iſt geweſen. 244
  • XVI. Hiſtorien von einem falſchen Muͤn - tzer / vnd von ſeinem groſſen Betrug. 261
  • XVII. Von einem erſchrecklichen vnd wunderbarlichen Todtſchlag inn der Statt Paris begangen von Lachaſſine / welcher hernacher auff dem Kirchhoff S. Jean iſt Geradbrechet worden. 279
  • XVIII. Von einem andern vnerhoͤrten Mord zu Paris / inn der Gaſſen du Temple begangen / von einen Ertzrauber / genant Bo - rte / vnd wie er endlich iſt eꝛdappet wordē. 299
  • XIX. Hiſtoria von den wunderbarlichen ſeltzamen ſtreichen / vnd argliſtigkeit eines be - ruͤmbten vnnd wolbekandten Beutelſchnei - ders / genannt Ambroſij la Forge.
Beutel -
[1]

1. Beutelſchneider / Das iſt / Allgemeine Verzeichnuß uͤber die Hiſtorien von den Dieben.

Das I. Capitel.

Von dem erſchrecklichen Leben deß Ca - pitainen Lycaon / als deß Oberſten der Dieben / Von ſeinem Geſchlecht vnnd Herkommen / vnnd wie er ſich in ſeiner Jugendt hat verhalten.

WAnn ein Menſch ein - mal anfanget zu raſen / vnd in Ver[z]weifflung zu gerathen / oder einmal fol - get / wo jn ſein blinde Be - gierde hinreiſſen / ſo laͤſt er darnach den Zaum ſchieſ - ſen ſeinen boͤſen vnoꝛden - lichen boͤſen Affecten: Da kan man in der Welt niemands uͤbermuͤtiger vnd aͤrger / als einen ſol - chen Menſchen / ſehen: Dann ein ſelcher Menſch trotzt als dann den Himmel / er verſchmaͤhet Got - tes Schickung vnnd Ordnung / Er glaubet vnd bildet jhm ein / die Geſtirn am Himel muͤſſen jm nach ſeinem Kopff gehen vnd operieren / es dun - cket jhn die Erde ſey nicht werth / daß ſie jhn ſoltetragen2Beutelſchneider / odertragen: Das groſſe Meer iſt jhm nicht breit gnug / daß er allda ſich auffhalte: Er blaͤſet ſeine furcht uͤber diejenige / ſo ſich zu jhm nahen / ſeine Wort ſeyn Donnerſchlaͤge ſein anſehen Blitz / ſeine Ge - dancken haͤlt er fuͤr ſo viel vnwiderꝛuffliche Raht - ſchlaͤge. Gleich wie vor dieſem vnd noch herti - ges Tags die hartnaͤckige zu thun pflegen. Er bil - det jhm ein / die Berge ſollen ſich erſchuͤtten vnd bewegen durch das bloſſe anſchawen ſeiner Au - gen / vnnd iſt ſo Ehrgeitzig daß er jhme einbildet / die Baͤch vnd Waſſer ſollen vnnd muͤſſen ſich en - tzwey theilen / damit er nur hindurch gehen moͤge / vnd koͤnne.

Ein ſolcher uͤbermuͤtiger Eyſenfreſſer / iſt ge - weſen der Hauptmann Lycaon / welchen man mit gutem Titel kan nennen / den General vnd Ober - ſten aller Diebe / eben ſo wol / als den Mercurium / Dann Franckreich iſt niemal ſo ſehr geplaget / noch ſo uͤbel bedranget worden / als von eben die - ſem Tyrannen / gleichſamb alſo zu reden ſeyn muͤſ - ſem Tyrannen: Dann es hat Franckreich die - ſen / ein Fußſchemel ſeines Tobens vnnd Vnfin - nigkeit.

Es erzehlet Plutarchus / daß der Weg nach Athen vorzeiten ſo voller Dieb geweſen / daß man mit groſſer muͤh vnnd gefahr deßwegen da - hin hat kommen koͤnnen: Vnter andern inn dem Epidauriſchen Gebiet iſt einer geweſen / genannt Periphedes / welcher das gantze Land bedranget / außgepluͤndert / vnnd beraubet hat / ſo gar / Daß manchmals auch die Athe[n]ienſer ſeyn erdappetworden /3Diebs Hiſtorien / das I. Buch.worden / biß ſo lang daß endlich Theſeus jhn mit ſeinem eygnen Kolben ſchlaffen geleget / vnd ein Siegzeichen daruͤber hat auffgerichtet Aber die - weil Franckreich geſtanden / ja von der Zeit an / da Franckreich ſich auß der Roͤmer Gehorſam auß - gewircket / vnd von ſich hat abgeſchuͤttelt das Her - riſche Joch welches die Roͤmer uͤber dieſe Pro - vintzen vnd Landſchafften hatten / ſo glaub ich nicht / daß ein aͤrgerer / ſchaͤdlicher Rauber ſey je - mals gefunden worden / als eben dieſer: Dann wie ich euch wil ſehen laſſen in dem Muſter ſeines Lebens / ſo hat er allein mehr boͤſes vnd mehꝛ ſcha - den in achtzehen oder zwantzig jahren gethan / als von allen andern Raubern in fuͤnff hundert jah - ren wol iſt geſchehen.

Dieſer Bergſchrecker vnd Eyſenfreſſer wa - re ein Breton / buͤrtig auß der Inſel Narmon - tier / geboren von Adelichen Eltern / aber er hat gantz vnnd gar auß der Art geſchlagen / vnd iſt gantz abgewichen von dem alten Adel / welchen ſeine Vorfahren durch dapfferkeit vnnd ſchoͤne Tugenden erlanget / erhalten vnd fortgepflantzet hatten.

Da er noch nicht zehen oder zwoͤlff Jahr hat - te erreichet / hat er ſchon in ſeinem Geſicht ſe - hen laſſen / die gewiſſe Merckzeichen ſeiner Hertz - hafftigkeit / welche er zu ſeiner zeit die Feinde auff jhren Ruͤcken wuͤrde fuͤhlen laſſen: Dann niemands dorffte ſich ſeinem Raſen vnd Toben widerſetzen / Er ſahe in ſeiner Jugend ſchon auß / als wann er mit ſeinen Augen die jenigen / welchejhn4Diebs Hiſtorien das I. Buch.jhn ſcheel anſahen / wolte aufffreſſen / alſo daß je - derman ſagte: er were kein rechter Menſch / ſon - dern vil mehr ein Mißgeburt vnd Wunderthier / welches die Hoͤll ſelber auß jhrem Abgrund auß - geſpyen / die weil er ſo viel geraubet vnd geſtolen / daß er jhm endlich ſelber das Garn zu ſeinem Strick hat geſponnen / vnnd jhm ſelber verurſa - chet die Straff / mit welcher Gott endlich heim - ſuchet alle ſolche Gottloſe Tyrannen / wann er ſie lang vnd doch vmbſonſt zur Buß hat vermah - nen laſſen.

Seine Eltern als ehrliche Leut verwunderten ſich ſelber uͤber die boͤſe zuneygung / welche er ſchon in ſeiner Jugend zu allem Vbel vnd Suͤnden hatte: Dann wann er mit andern ſeins gleichen Kindern vmbgienge / ſo thaͤt er nichts anderſt als ſie ſchlagen peinigen vnd martern: ja er rauffete vnd ſchluge ſich ſtets mit jhnen / ſonderlich aber dorffte man jhn nicht allein laſſen / wegen der boͤ - ſen zuneygung / ſo er zum ſtehlen hatte.

Vnder deſſen ſo gieng fuͤr der Krieg in Franck - reich / durch welchen auch gantz Franckreich mit Rauben / Mord vnd Todtſchlag wurde erfuͤllet / vnd der Spanier / welcher Henrico dem Groſſen / als dem rechten Erben der Cron Franckreich / et - liche Laͤnder vnd Oerter / welche doch dieſem vn - ſterblichen Fuͤrſten rechtswegen zuſtunden / diſpu - tirte vnnd zu ſich ziehen wolte / brachte ein groß Kriegsvolck zuſammen / alſo daß gantz Franck - reich / wegen dieſes erſchroͤcklichen Sturmwinds deß Kriegs bebete vnd zitterte / dann es ware dasVnge -5Beutelſchneider / oderVngewitter ſo groß / daß kein Ort in dieſem gan - tzen Koͤnigreich ware zufinden / da es nicht rauche - te von dem erſchroͤcklichen Morden vnd Metzeln der Feinde gegen vnd wider einander.

Lycaon / der nun mehr groß wurde / vnnd von Natur ſo eigenſinnig ware / daß er nicht leyden kondte / wann jhn ſeine Eltern vmb ſeines boͤſen willen ernſtlich ſtrafften / vnd nur bedraͤweten / name jhm vor ſeine Eltern zuverlaſſen / vnnd in Krieg zu ziehen: Dann er bildete jhm eyn / wann er lenger bey dem Fewer in ſeines Vatters Hau - ſe muͤſſig ſolte ſitzen / wuͤrde er gar zu einem faulen Schlingel werden / vnd in ſeiner Jugend verder - ben vnd verfaulen. Welches dan̄ an vnd vor ſich ſelbſten ein loͤbliches Vornemen were geweſen / wann er dahin hette geſehen / daß er ſich im Krieg dapffer gehalten / vnd Ruhm vnnd Ehr erlanget hette: ja hette ſich alſo verhalten / daß er hernach nicht ein ſolches ſchmaͤhliches End hette nemen muͤſſen.

Aber dieſer hitzige vnruhige Kopff kondte nicht lang ſtill ſitzen vnd ruhen / er muſte etwas neues anfangen / dardurch er jhm ein ewiges Gedaͤcht - nuß machte / gleich wie auch zu ſeiner zeit der Ver - brenner deß ſchoͤnen groſſen Tempels zu Epheſo gethan hat / welcher ſolchen Tempel / als das ſchoͤ - neſte Gebaͤu der Welt verbrennet / vnd zu Aſchen gemacht / auff daß er jhm auch ein Gedaͤchtnuß bey allen Nachkoͤmmlingen moͤchte machen.

Als er aber nun mehr auff ſeyn / vnd ſein Vat - terland verlaſſen wolte / da ſpintiſiret er lang zeitbey6Beutelſchneider / oderbey ſich ſelbſten / bey wein er ſich im Krjeg wolte vnderſtellen / doch endtlichen entſchloſſe er bey ſich / er wolte ſich ins Kriegslaͤger deß Hertzogen Mercurij begeben / da er dann fuͤr ein Soldaten gedienet Vnd wie die Begird ſich ſehen zu laſſen / allgemach ſein Gemuͤht hat auffgewecket / alſo iſt hernach kein treffen vorgangen / kein Anſchlag vorgenommen worden / dabey er nicht allzeit ſich hette finden laſſen: Er achte die groſſe Gefahꝛ we - niger als nichts / er wagte ſich mitten vnder die Feinde / Er ware allenthalbē vorn d[r]an / er ſchlug vnd toͤdtet alles / was jhm nur furkame / alſo daß in weniger zeit er ſich in dem Kriegslaͤger ſo be - ruͤhmt vnd bekandt machte / daß man von nie - mands mehr als von dem Lycaon redete / ſein Hertz vnd Gemuͤht ware vnuͤberwindlich / vnnd der ſchrecken / welchen er bey ſemen Feinden mach - te / ware ſo groß daß / wann ſie nur von ſeinem Namen reden hoͤreten / erſchracken ſie vnd beger - ten viel mehr zu fliehen / als jhm zubegegnen vnd zu widerſtehen.

Nun dieſes Gluͤck / welches ſo bald im anfang jhm begegnet / machte / daß er bey den Vornemb - ſten Oberſten im gantzen Kriegslaͤger ſehr be - kandt wurde: Dieſelbige erlandten ſeinen vner - ſchrocknen Heldenmuht / ſie ſahen / daß er ein ſehr wol proportionirte Perſon ware / daß er ein He - roiſches anſehen hatte / vnd die Waffen uͤber alle maſſen wol fuͤhren kondte: Vnd dieweil er ſich al - ſo erzeigte / daß an Mannheit vnd Dapfferkeit er allen ſeinen Vorfahren nichts nachgabe / gabenſie7Diebshiſtorien / das I. Buch.ſie jhm ein Compagnia Volcks zu / da dann der Außgang mit deren von jm gefaſten hoffnung ſo wol uͤberein ſtimmere / daß er in kurtzer zeit ſein Namen weit außbreitet / vnd ſich im gantzen Koͤ - nigreich Franckreich beruͤmbt vnd erkandt mach - te / alſo daß ſeine Eltern hertzlich daruͤber erfrewet wurden. Dann weil er ſich in ſeiner Jugend ſo uͤbel angelaſſen hatte / ſo hetten ſeine Eltern jhnen nimmermehr traumen laſſen koͤnnen / daß der - mal eins jhr Sohn / der Lycaon / ſich ſo dapffer hal - ten vnd ſolche Heldenthaten außrichten wuͤrde. Hierauß aber koͤnnen wir ſehen vnd erkennen / daß ein eintziger Actus kein habitum machet / wie Ariſtoteles darvon redet / das iſt / daß ein Schwalb kein Sommer machet / vnd daß es gar nicht alſo folget: Der jenige hat ſich einmal wol gehaltē / der - halben ſo wirds auch allzeit alſo von jm geſchehē: ſondern daß wir vns manchmal ſelber ſchaͤndlich betriegen / in dem / daß wir von vielen ſachen nur nach dem euſſerlichen anſehen vrtheilen: Dann wer da hette den Lycaon zu Feld vnter dem Krigs - volck ſehen ſollen / wie er in ſeine Feinde hineyn hat gefetzet / gleich wie ein Adler auff ſeinen Raub / O - der hette wol nimmermehr gedencken / oder jhm traumen laſſen koͤnnen / daß er dermal eins ſich wuͤrde ſo uͤbel halten / vnd daß er / nach dem er ſol - chen Ruhm vnd Ehr durch ſeine Mannliche tha - ten erlanget / dermal eins durch Vbelthaten ei - nen ſolchen ſchaͤndlichen Geſtanck hinder ſich laſ - ſen wuͤrde / wie gleichwol hernacher von jhm iſt geſchehen. Aber die Vnbeſtaͤndigkeit in der Weltiſt8Beutelſchneider / oderiſt ſo groß / daß manchmals die jenige / welch man haͤlt fuͤr die beſte / edleſte vnd fuͤrtrefflichſte / ſeyn die jenige / welche am allermeiſten den Laſtern ſeyn ergeben. Mancher / der ſich im Kriegsweſen als ein dapfferer vnd ſtreitbarer Scipio vnnd Hannibal hat erzeiget / wird hernacher offtmals in Friedenszeiten / viel laſſer / faͤuler vnd verzagter als eine naſſe Hennen. Ja da leßt mancher ſeinen Heldenmuht vnd Hertzhafftigkeit / darmit jhn die Natur begabet vnd gezieret / fallen / vnd beſchleuſt ſeine Heldenthaten mit einer verzweiffelten Vn - ſinnigkeit: Laſt vns deſſen ein Exempel ſehen an dem Lycaon ſelber / weil wir ohne das ſeines Lebens vnd Herkommens anfang ſchon vernom - men haben.

Das II. Capitel.

Ferꝛnere Beſchreibung deß Lebens deß Hauptmanns Lycaon / ſein boͤſes Vor - nemen / ſeine Argliſtigkeit / Verſchlagen - heit vnd Kriegsliſte / vnd was er ſon - ſten vor ſchreckliche dinge begangen / von der zeit an / da er ſich auff das Straſ - ſenrauben hat begeben.

ES hat Epictetus recht vnd wol ge - ſagt: Der Krieg ſey einem Land vnd Koͤ - nigreich gleich wie ein Fieber / welches allgemach abmattet / die Kraͤffte ſchwechet vn̄ ni -der -9Diebshiſtorien / Das I. Buch.der ſchlaͤget: Dann was das Fieber fuͤr Wuͤr - ckung hat in deß Menſchen Leib / eben ſolche Wuͤr - ckung bringt auch mit ſich der Krieg inn einem Land vnd Koͤnigreich: Dann da iſt niemand der nicht habe erfahren / daß nach dem viertaͤglichen Fieber ein gewiſſe boͤſe Feuchtigkeit in dem Men - ſchen uͤbrig bleibet / welche ſich hernacher auff ein gewiſſes Glied thut ziehen / vnd hoͤret alſo auff den Leib zu plagen / damit es ſolches Glied gar eynne - me. Vnd alſo verhelt ſichs auch mit dem Krieg: Wann der GOtt deß Kriegs gnugſamb hat me - tzeln vnd allenthalben wuͤrgen laſſen / hat auch ein gantzes Koͤnigreich gnug mit dem Blut ſeiner Einwohner gefaͤrbet / ſo geſchichts endlich / daß all das uͤbrige Gifft deß Kriegs ſich an einen Ort verſamblet / vnnd ſich auff ein gewiſſes Ort thut ziehen.

Wir haben deſſen ein Exempel geſehen an der Perſon deß jenigen deſſen Leben wir jetzunder exa - minieren: Dann die jenigen / welche vermeinten / der Friede wuͤrde alle Fewers deß Kriegs außge - leſchet / vnnd alle Empoͤrung gedempffet haben / haben endlich erfahren / daß der Scorpion kein ſchaͤdlicher Gifft hat / als eben den Gifft / welchen er im Schwantz verwahret / vnnd daß man nim - mermehr alles gutes von einem Menſchen kan ſagen oder hoffen / man habe dann ſein Ende vnd Außgang geſehen vnd erlebet.

Lycaon der nun ein Soldat war worden / vnd ſich auch im Laͤger deß Hertzogen von Mercoeur zimlich bekandt gemacht / vnd Ehr vnd Rhum er -Blanget10Beutelſchneider / oderlanget hatte / verhoffete / es wuͤrde das Vngewit - ter der Buͤrgerlichen kriegen allzeit wehren / ja er bildet jhm ein / es koͤndte daran nicht mangeln o - der fehlen / ſo ferꝛn als nur die Vneinigkeit der Frantzoſen vnnd Spanier newe Vnordnungen / in dem Koͤnigreich erwecken vnd gebehren wuͤr - de: Vnd was anlangt deß Lycaons General vnd Oberſten / welcher die Zeit ſeines Lebens dapffere Leut ſehr hat geliebet / ſo erzeigt er jhm allzeit alles liebs vnnd gutes / wegen ſeiner Mannheit vnnd Dapfferkeit.

Aber wie der Himmel nit allzeit donnert vnd zuͤrnet / ſich an dem ſterblichen Menſchen zu re - chen / alſo hat der Außgang vnverhoffter weiſe be - zeuget / daß Gott ein Mitleyden hatte mit vns in vnſerm groſſen Vngluͤck / in dem daß er auff ein - mal die Vngewitter / ſo ſich auff vns zogē / hat ver - trieben: Welches dann Vrſach gegeben / daß man all dem Kriegsvolck abgedancket vnd Franckreich wider zur Ruh kommen / nach welcher man ſo lang ſich hatt geſehnet.

Als nun Lycaon ſahe / daß wegen deß gemach - ten Friedens / welcher die Wellen deß Vngewit - ters ſo bald ſtillete / er ſich nicht ferꝛners ins kuͤnff - tig / wie zuvor in wehrenden Krieg / kondte nehren vnd auffbringen / vnnd daß alle ſeine gefaſte Hoff - nung mit dem Kriegs Nebel verſchwunden wa - re / begabe er ſich auß Verzweifflung inn die Wil - de / Er lieſſe ſein vorigen dapfferen Heldenmuth fallen / auß Mangel der Mittel vnnd der Vbung ließ er die Kriegskunſt gar bey ſich verroſten / vndſtreck -11Diebshiſtorien / das I. Buch.ſtreckte ſein moͤrdliche Hand auß gegen allen bey jhm voruͤber reiſſenden Leuten / wurde alſo auß ei - nem[dapfferen] Theſeo ein vngehewrer ſchrecklicher Sinnis vnd Straſſenrauber: Darbey wir dann das ſehen vnd lehꝛen / wie manchmals die dapffer - ſte Gemuͤter ſich ſo ſchaͤndlich verendern. Dann wann ſie einmal durch Laſter ſich beſitzen vnd ein - nemen laſſen / da vergeſſen ſie ihrer ſo gar daruͤber / daß hernacher ſie keine ſchew mehr tragen die ſchrecklichſte Suͤnde auff Erden zu begehen.

Aber wie nun Lycaon ſehr ſtarck / vnd von jeder - man gefoͤrchtet wurde: Als bekame er ſo bald ein groſſen Anhang vnd Zulauff von allerley Volck / ſo ſeiner Gattung ware / welche jhr Gluͤck vnd Le - ben ſo wol als er das ſeinige in die Schantz ſchlu - gen: Vnter andern / hiengen jm auch an zwen ſei - ner Bruͤder: Vnd der Lycaon brachte zuſammen in ſolcher Zeit den Schaum vnd die Grundſuppe aller boͤſen Buben / ſo man zu der zeit in hoch vnd nider Bretagni / in Poictou / vnnd andern vmb - liegenden Orten hette finden moͤgen / alſo daß er mehr als vierhundert Mann bey ſich hatte / wel - che alle einer Gattung waren / vnd nichts anders / als auff Stelen / Rauben / Todtſchlagen ſich bege - ben wolten / derowegen dann man jn wol den an -[dern] Romulum hette nennen koͤnnen / welcher da wolte ein new Republic vnd Regiment auffrich - ten / vnd allerley Zwitracht in den Provintzen deß Koͤnigreichs Franckreichs ſein vnnd erwecken: Aber er wagte ſich gar zu ſehr vnd zu weit / ſeine Anſchlege waren zu hoch / vnd außzufuͤren gar zuB ijſchwer:12Beutelſchneider / oderſchwer: Er ware wie der Icarus / der ſich mehr als zu viel auff ſeine Kraͤffte verlieſſe. Derhalben ſo hat er auch endlich mit ſeinem ſchaden erfah - ren / daß es beſſer iſt in dem mittel Stande zu ver - bleiben / als gar zu hoch zufliegen / vnd uͤber ſein vermoͤgen etwas fuͤrzunemen. Man ſiehet heu - tiges tages wenig Tamberlaner / welche dieſes boͤ - ſen vngearten Frantzoſen Sprichwort fuͤhren: de Rien grande choſe, Auß nichts etwas groſſes / Vnd welche jhnen die Cron auff das Haupt geſe - tzet haben: Wir ſeyn nicht mehr in der alten Roͤ - mer oder Sabiner zeit / daß wir durch offentliches Rauben vnd Stelen vns groß machen koͤnnen: Aber gleichwol ſo hatte Lycaon ein ſolchen ſtoltzen vermeſſenen Geiſt / daß er jhm ſolches alles alſo einbildete: Es muͤſte ſein vornehmen fortgehen / vnd ſolte er auch daruͤber zerberſten / vnd vnderge - hen. Derohalben ſo laſt vns nun ſehen / was er mit ſeinen Waghaͤlſen vnd Freybeutern wird machen.

Als nun dieſer verzweiffelte boͤſe Menſch ſahe / daß er ſo viel Leut bey ſich hatte / welche alle mit jm einen gleichen boͤſen Vorſchlag im Sinn hatten / bedachte er ſich auff mittel vnd wege / wie er der je - nigen Fuͤrhaben ſo jhm ſchaden zufuͤgen koͤndten / hindern moͤchte. Derhalben ehe daß er einen eint - zigen Anſchlag ins Werck ſetzte / bauet er jhm ei - ne Veſtung in den Wald Machecou / welches ein veſter / wuͤſter vnd von dem gemeinen Weg weit abgelegner Ort iſt.

Es iſt mir all hie vnmoͤglich euch zu erzehlen /wie13Diebs Hiſtorien / das I. Buch.wie fleiſſig er ware dieſen Ort veſt zu machen: Seine Raubvoͤgel / welche nicht allein jhn voꝛge - ſetzet zu Rauben / ſondern auch den Raub an ſol - chen Ort zubewahren / arbeiteten tag vnd nacht an den Graͤben vnd gantzen Veſtung / biß ſo lang daß der Bau ſo weit wurde außgemacht / daß man in demſelbigen ein Anlauff außſtehen koͤnd - te. Vnd als nun ſolches alles fertig vnd außge - macht / theilten ſie ſich hauffen weiß voneinander / vnd fiengen an hin vnd wider zu ſtreiffen / vn̄ von dieſem boͤſen Omeyß hauffen theileten ſie ſich an allen orten auß in dem gantzen Koͤnigreich: Es wurde jederman daruͤber beſtuͤrtzet / daß man von tag zu tag von nichts anderſt redete / als von Morden / Rauben vnd Stelen / vnd kondte doch niemandts wiſſen / woher ſolche Suͤndflut von Raubern her kaͤme / vnd alſo in kurtzer zeit fuͤlleten ſie jr Raubſchloß mit einer vnmenſchlichen groſ - ſen Beute / von allerley Wahr / von Gelt vnd von allen andern Sachen / ſo ſie nur antraffen.

Das geſchrey bricht allenthalben darvon auß: Man fraget nach / wie es doch darmit beſchaffen ſey / wer doch ſolche vnerhoͤrte Morden vnd Rau - ben anſtelle: Es wolte es bald niemandts recht glauben / wann er nicht in ſeiner eygnen Perſon die Warheit ſolches Straſſenraubers hatte er - fahren.

Es iſt allhie vnmoͤglich Stuͤckweiſe zuerzeh - len das Rauben / Morden / Wuͤrgen / metzeln / wel - ches dieſe verzweiffelte boͤſe Rotte in Poict ou / Saintonge / Aulues / in Normandy vnd Bretai -B iijgne14Beutelſchneider / odergne hat begangen. Wann ſchon die Waſſerbaͤche außbrechen / oder Wolckenbruͤſten vom Himmel fallen / oder wann ſchon der Himmel ſelbſten ein - fallen / vnd auff die Fruͤchte der Erden / ja auff das wachſende Korn ſolte fallen / ſo wuͤrdē ſie doch ſolchen groſſen ſchaden nicht thun koͤnnen / wie dieſe Rotte gethan an allen orten / da ſie nur hin kamen: Es mangelt jhn an Wehr vnd Waffen nicht / ſich zuvertheidigen / vnd andere Leute anzu - greiffen: Dann weil ſie nicht allein von langer hand hero vnnd auß dem Kriegsweſen wuſten / wie man ſolte mit geſchicklichkeit ein Angrieff thun / ſondern ſie ſetzten auch in die Leut hinein mit einem groſſen Toben vnnd Vnſinnigkeit / machten ſie ſich dardurch vnuͤberwindlich / nie - mands kondte jhn widerſtehen: Vnd iſt das ein wunderliches dinge / daß ſie auff die hundeꝛt Meil wegs in der runde allenthalben vmbher ſtreiffe - ten: Bald giengen ſie wie Kauffleute / bald wie Trabanten oder Soldaten / bald kleideten ſie ſich wie die Edelleute / ſie ſchoneten keines Menſchen Leben: Wen ſie nur antraffen / vnnd vermuhten Gelt bey jhm zufinden / der muſte jn herhalten vnd ſein Leben laſſen.

Was aber inſonderheit Lycaon anlangēt / ſo waget er ſich nicht herauß / er were dann mit ſei - nen Leuten wol verſehen / vnd wol beritten / vnnd das thet er deßwegen / dieweil man jhm allenthal - ben nachſtellete: Sonſten ware er bißweiln gar freundlich: Dann er brachte nicht leichtlich vmb die jenige / ſo er beraubet. Doch muſte man jhmauch15Diebs Hiſtorien / das I. Buch.auch nichts verhelen / vnd verſchweigen / ſonſten ware man in gefahr nicht allein deß Beutels mit dem Gelt / ſondern auch deß Lebens ſelber.

Auff ein Zeit begabe ſich dieſer Lycaon gar al - lein auß ſeinem Raubſchloß / dieweil ſeine ande - re Mitgeſellen waren außgegangen in der Be - nachtbarten oͤrtern etwas zufiſchen vnd zu raubē / vnd machte ſich auff die Landſtraß ſo nach Nan - tes gehet: Verbarge ſich allein in einen dicken Wald / vnd blieb auff dem Bauch vngefehr eine gantze ſtund ligen: Als er nun alſo im dickē Wald lage vnd auffwaꝛtete / kam daher gegangen ein gu - ter Bauersmann / welcher das anſehen hatte / als were er nicht ohne Gelt: Lycaon ſteht ſo bald auff / geſellet ſich zu jhm / vnd nach dem er von jhm ver - ſtanden / daß er wolte gen Nantes gehen / wegen Rechts ſachen / welche jhm in kurtzer zeit zuge - wachſen / vnd zugefallen waren: ſagt er zu jm / ach du muſt dann Gelt bey dir haben: Dann die jeni - gen / zu welchen du wilt / haben ein veſtes Gebluͤt / ſie leben nur von ſolchen Rechtsſachen / vnd muß man jhn die Haͤnde wol ſchmieren wann ſie eine Sache ſchleunig befoͤrdern ſollen. Der gute ehrli - che Mann ſahe wol daß er uͤbel were ankommen / vnd in eine boͤſe Geſellſchafft gerathen / derohal - ben entſchuldiget er ſich / er habe kein Gelt: Man ſehe es ihm auch an ſeinen Kleidern vnd Worten an / daß er kein Mann ſey / der viel Gelt moͤge oder koͤnne haben: Vnd wann er viel bey ſich habe / ſo ſeyn es acht oder zehen Schilling / ſo vil daß er ein Mittagmalzeit darfuͤr koͤnn halten.

B iiijWas16Beutelſchneider / oder

Was mich anlanget / antwortete hierauff Ly - caon / ſo kan ich dich deſſen verſichern / daß ich an Gelt auch nit ſchwer trage / aber ich habe ein ſol - che Hoffnung zu GOtt / daß wann wir von Her - tzen mit einander beten / ſo wird er vns gewißlich Gelt beſchern.

Inn dieſem Geſprech wandern ſie alſo mitein - ander fort / aber Lycaon / der ſich den Vogel nicht wolte entfliegen / noch die Beut entwiſchen laſſen / fraget jhn noch einmal / ob er dann gar kein ande - re Muͤntz bey ſich trage / als eben das Gelt darvon er jm geſagt hette: Vnd als jm der gute Bawers - mann hierauff antwortete: Wann er uͤber Feld gehe / ſo pflege er nicht bald Gelt bey ſich zu tragen / dann das ſey nachmals Vrſach / daß ein Menſch gar vmb ſein Leben komme / vnnd vmb deß Gelts willen todt geſchlagen werde: Beſahl jhm Lycaon zu beten / vnd Gott anzuruffen / dann er wuͤſte ge - wiß / daß der Himmel jhr Gebet erhoͤren wuͤrde. Vnd hierauff zoge Lycaon ein kleines Handbuͤch - lein auß ſeinem Hoſenſack / vnd fiel auff ſeine Knie nider zu beten: Befahle auch dem guten Mann / er ſolte dergleichen auch thun. Was geſchi cht? der gute ehrliche Mann wuſte nicht / was ſolche art zu beten wuͤrde bedeuten vnnd mit ſich bringen: Er konnte ſolches Geheimnuß nicht begreiffen / vnnd hette gewoͤllet / daß er an einem andern Ort weit von ſeinem Mitgeſellen were geweſen / ſein Gebet deſto beſſer zuverꝛichten: Dann durch die groſ - ſe Forcht vnd Angſt / welche er wegen ſeines Mit - beters in ſeinem Hertzen hatte / wurde er gantz vndgar17Diebshiſtorien / das I. Buch.gar verſtoͤret vnnd verhindert in ſeiner Andacht: Gleichwol aber / weil es alſo ſeyn muſte / ſo faͤlt er auch auff die Knie nider zubeten / oder viel mehr den Außgang ſolchen ſeiner ſeyten trawrigen Spiels mit vngedult zu erwarten.

Als nun Lycaon drey oder vier Wort zwiſchen ſeinen Zaͤhnen gemummelt hatte / vnd ſich ſtellete als hette er gar andaͤchtig gebetet / fragte er dar - auff den Bawersmann / ob ihm noch nichts von Gelt in ſeinem Seckel were kommen / befahl jhm auch / er ſolte in ſeinem Hoſenſack ſehen / ob nicht vielleicht etlich Gelt ſchon ſey darein kommen. Dann er wuſte gar wol / daß der Himmel nicht vndanckbar were gegen den jenigen / welche an - daͤchtig beteten? Der gute Mann antwortet / er finde vnd habe nichts / darauff thut Lycaon ſein Hand in ſeinen Beutel / zeucht herauß ein Stuͤck Gelts von fuͤnff Schillingen / weiſet es dem Bau - ersmann / vnd ſpricht zu jhm / das ding gehe nicht recht zu / er muͤſſe nicht von Hertzen beten vnnd Gott anruffen / derhalben ſoll er eins thun / vnnd noch einmal nider fallen vnnd deſto inbruͤnſtiger beten: Dann er wuͤſte gar wol / daß / wann er ſei - ne Augen recht gen Himmel auffhuͤbe / ſo wuͤrde vufehlbarlich Gelt kommen: Es zeucht auch Ly - caon hierauff abermals zehen Schilling auß ſei - nem Hoſenſack / welche er durch ſein Gebet er - langet zu habē vorgab Aber der gute Mann ſan - de nimmer nichts in ſeinem Beutel / vnd hatte er mehr Andacht Gott zu bitten vnd anzuruffen / dz ſich zu der Zeit gar nichts in ſeinē Beutel moͤchtefinden18Beutelſchneider / oderfinden / als zu bitten / daß ſich etwas von Gelt da - rinnen moͤchte finden. Endlich ſo faͤlt Lycaon zum drittenmal auff die Knie nider zu beten / vn̄ zeucht nach ſeinem Gebett auß ſeinem Hoſenſack ein Teſton oder Kopffſtuͤck / vnd als er ſihet / daß der Bauersmann allzeit auff ſein eylff Augē bleibet / er laugnet noch / er habe nichts von Gelt in ſeinem Beutel befunden / ſo redet er jhn alſo an: Es muß einmal der zweyen dingen eines ſeyn: Nemblich / daß er entweder nicht recht einbruͤnſtig vnd ein - ſtendig habe gebetet / oder / daß er jhm nicht wolte ſagen / was GOtt jhm auff ſein Gebett habe be - ſcheret: Dann / ſagte Lycaon zum Bauersmann / wie kan es ſeyn / daß Gott viel mehr mein / als dein Gebett ſolte erhoͤret haben / dann was dich anlan - get / ſo haſtu von Hertzen gebetet / wie es der augen - ſchein ſelber hat gegeben / derhalben ſo kan es nicht anders ſeyn / du muſt ſchrecklich viel Gelt haben: Was aber mich anlanget / ſo habe ich nur fuͤr die lange weil gebetet / vnd du ſiheſt gleichwol ſelber / wie das Gelt vnvermerckter weiſe mir in meinen Beutel iſt kommen / derhalben ſo muß ich auff den augenſchein gehen / vnd als er dieſe Wort geredet / faͤlt er uͤber den guten Bauersmann / beſuchet ſei - ne Hoſenſaͤck / vnd findet bey jhm nicht mehr als vier hundert Kronē an gutem Golt / der Bauers - mann wie leichtlich zudencken / wird daruͤber ſehr beſtuͤrtzet / dann ſolte er vmb huͤlff ſchreyen ſo hette er ſich in Leib vnd Lebens gefahr geſetzet: Er hette gewertig ſeyn muͤſſen / daß er gar vmbgebracht were worden. Gleichwol aber ſo iſt es jhm beſſergangen /19Diebs Hiſtorien / das I. Buch.gangen / als er ſelber gemeinet hatte: Dann Ly - caon name nicht mehr als das halbe Theil deß Gelts / vnd gabe jhm die andere uͤbrige zwey hun - dert Kronen wider mit dieſen worten: Was / ſagt er / wilt du mich betriegen / vnd mir nicht ein Theil geben von dem jenigen / das dir GOtt in meiner Geſellſchafft hat beſchert? Iſt das der Bund / den wir mit einander gemacht haben / ehe wir zu beten angefangen? Aber daß du nicht koͤnneſt ſa - gen / ich ſey ſo vndanckbar / wie du / ſihe da haſt du fuͤnfftzehen Schilling / welche ich dir gebe / es iſt das halbe Theil von dem / das mir Gott hat gege - ben / damit du ja dich nicht uͤber mich zu beſchwe - ren vnd zu beklagen habeſt / dann das were die groͤſte vnbillichkeit in der Welt / wann ich dir das halbe Theil deines durchs Gebet erlangten Gelts ſolte abfordern vnd abnemen / vnd wolte dir nicht widerumb auch geben das halbe Theil meines durch gleiches Mittel erlangten vnd bekomme - nen Geltes: Vnd alſo wurde der gute Bauers - mann mit ſeinem Gelt ohne Ceremonien erdap - pet: Dann Lycaon ſtahle jhm die zwey hundert Kronen ab ſchertzweiß / durch kuꝛtzweil vnd fuͤr die lange weil.

Als aber nun dieſer Straſſenrauber ein Tag fuͤnff oder ſechs ſich von vnd mit dieſem geraub - ten Gelt / luſtig gemacht hatte / fienge er an ande - re Leute zu ſuchen nach den gelegenheiten / ſo jhm vorſielen. Dann ſo bald als an einem Ort ein Jahrmarck ware / dorffte man nicht gedencken / daß er außbliebe / ſondern er fande ſich wiewolverklei20Beutelſchneider / oderverkleidet / auch an allen ſolchen orten / da ſahe er alles wol auß / faſſet die Kauffleut wol in ſein Ge - ſicht / ſahe was ſie vor Wahren hatten / gab ach - tung / was vnd wieviel Gelt ſie loͤſeten / vnd wann ſie darnach widerumb nach Hauß wolten ziehen / pflegte er ſie bald an dieſer / bald an einer andern Wald ecke anzuſprengen. Als er aber mit vielen ſeiner Raubvoͤgeln hin vnd wider ſtreiffete / ka - me er in erfahrung / daß der Vogt vnnd Oberſte von Roven mit einem groſſen hauffen Solda - ten / jhn verfolgete / vnd in willens were den Wald Morſemont / darinnen er ſich deßmals[auffhielte] / zu vmbgeben / vnd ſich ſeiner Perſon maͤchtig zu - machen vnd jhn zugreiffen / derhalben ſo name er Vrſach durch ſolches außgeſprengtes geſchrey ſich deſto beſſer fuͤrzuſehen / lieſſe ſein Raubvolck zuſammen kommen / verfuͤgt ſich mit denſelbigen an ein ſolches Ort / da er vermeinete ſicher zu ſein: Vnd nach dem er den ſeinigen Ordinantz vnnd Befelch gegeben / was man thun vnd vornemen ſolte / ſchickte er auß ſolches Volck zu erkennen vnd zubeſehen / vnnd dieweil er ſein außgeſchickten Kundſchaffern allein nicht wolte trawen / kleidete er ſich in Lein Tuch / vnnd gieng wie ein ſchlechter Bawersmann da her / vnd nach dem er ſelber ſol - ches Volck wol beſichtiget hatte / auch ſahe daß ſie miteinander zu ſchwach waren jhm zu widerſte - hen / ergrieff er ſeine Waffen / mahnet ſein Volck auff / ſpricht jhnen ein Hertz ein / vnnd zeucht den Feinden ſelber entgegen / welche er auch mit ſol - chem Toben vnnd W[]ten angreiffet / daß ſie ſobald21Diebs Hiſtorien / das I. Buch.bald gezwungen werden die Flucht an die Hand zu nemen / vnd jhr uͤbriges Hertz auff jhre Ferſen vnd Fuͤſſe zu ſetzen: Ja er veꝛfolgte ſie ſo ſehꝛ daß er nicht allein etliche vnder denſelbigen niderhauet / ſondern auch ſieben gefangen bekommet / hinweg fuͤhret vnd nach dem er jhnen die Kleider vnd al - les außgezogen / laͤſt er ſie an Baum anbinden im Wald / da es am finſterſten ware.

Aber was thaͤte vnd fieng er an mit der ange - bundenen Libereyen vnd Kleidern / was fuͤr Vbel - thaten richtete er ferꝛners damit auß?

Es erzehlet Polienus in Beſchreibung der Kriegsliſten / daß als die Perſer wider die Egy - pter Krieg gefuͤhret / haben ſie dieſe Kriegsliſt er - dacht / welche jhn dann gluͤcklich iſt außgeſchlagē: Sie wuſten / daß gantz Egypten gar Abgoͤttiſch ware / vnd gewaltig viel auff jhre / wiewol falſche Goͤtter hielten / wo die Egyptier hin kamen / vnd jhre vermeinte Goͤtter Bilder ſahen / da fielen ſie nider auff die Erde vnnd beteten dieſelbige an. Derhalben ſo lieſſen die Perſer auff jhre Schild / Wehr vnd Waffen mahlen Katzen / Hunde / Cro - codilen / Fleder maͤuſe / Zwibeln / allerley Thierer / Kreuter / welche die Egyptier alle fuͤr Goͤtter hiel - ten: Als nun der Tag zu fechten herbey kame / vnd die Egyptier die Bilder jhrer Goͤtter auff den Waffen jhrer Feinden ſahen / waren ſie ſo Aber - glaubig / daß ſie die Haͤnde in einander ſchlugen / vnd wolten nicht wider die Perſer ſtreiten / vnnd wurden alſo von denſelbigen in ſtuͤcke zuhauen.

Ich weiß nicht ob Lycaon dieſe Kriegsliſt je -mals22Beutelſchneider / odermals mag geleſen haben / aber er hat gleichwol eben das jenige practiciret / nach dem er der auff - gehenckten Soldaten Libereyen vnd Kleider hatte bekommen: Dann er ſampt etlichen der ſeinigen Raubvoͤgeln hat ſich in ſolche kandbar Kleider verkleidet / vnnd iſt deß Nachts gangen vor ein Schloß / welches nicht weit von dieſem Wald liget / hat ſich angenommen er ſuche die Straſ - ſenrauber / welche in ſolcher Nachbarſchafft vmb - her ſtreifften: Hat auch begert vnd befohlen im Namen deß Koͤnigs / man ſoll jhm die Pforten auff machen / dann wie man jhm geſagt habe / ſo habe ſich Lycaon vnd ſeine Raubgeſellen / darin̄en ſalviret: Was geſchicht / auff ſolchen Befelch oͤff - net man jhm die Thor / vnd kan niemands geden - cken oder ſich eynbilden / daß ein ſolches Meiney - diges Schelmenſtuͤck darhinder ſtecke / vnd dar - durch geſuchet woͤlle werden.

Als nun Lycaon in das Schloß hinein kom - met / ſtellet er ſich als woͤlle er an allen orten vnd ecken die Straſſenrauber ſuchen / ſagt / es muͤſſen ſich die Raͤuber nohtwendig in Kiſten vnd Ka - ſten verborgen haben / derhalben ſo ſoll man jhm ſo bald ohne auffhalten die Schluͤſſel zu Kiſten vnd Kaſten bringen / vnd als er nun ſahe / daß er in dem Schloß mit den ſeinigen am ſtaͤrckeſten wa - re / da fandt er an alles außzuſuchen / nim̄t hinweg was er bedarff / Silber vnd guͤlden Geſchirꝛ / vnd das allerbeſte / das er in Kiſten vnd Kaſten funde: Vergaß auch nit mitzunemen alles das Gelt / das er fande / ſo gar / daß er durch dieſe Diebiſche Arg -liſtig -23Diebs Hiſtorien / das I. Buch.liſtigkeit das Schloß in euſſerſtes verderben ſetzete: Vnd als er nun ſolches außgerichtet / kehret er wi - derumb in ſeinen Wald zu ſeinen Geſellen / daß er ſie ſeiner Beut theilhafftig mache / vnd auff der Wahlſtatt leßt er den ſieben gefangenen Schuͤ - tzen vnd Soldaten jhre Kleider wider anziehen / vnd an die Baͤume vollends auffhencken / welches dann ein erſchroͤckliches vnd erbaͤrmliches Spe - ctackel geweſen.

Es erzehlet Eſopus / daß als auff ein Zeit die Arcadiſchen Voͤlcker einen Eſel angetroffen / der ſich in eine Loͤwenhaut verkleidet hatte / haben ſie jhm ſolches ſtattlich Kleid abgezogen / vnd mit Bruͤgeln wol abgeſchmiret / vnd hat alſo der Eſel den Kleiderzinß auff ſeinem Rucken bezahlen muͤſſen / das were nun auch ein ſtattlicher ſtreich geweſen / wan̄ man in dem gedachten Schloß deß Lycaons Diebiſches vornemen hette riechen koͤn - nen: Ich glaube / man hette jm auch wie dem Eſel ablohnen koͤn̄en: Wann vorzeiten groſſe vorneme Leitte einen Fehler begangē hatten / ſo pflegten die Alten jnen auff jre Roͤcke zu klopffen vnd zu ſchla - gen / als wann die Roͤcke an ſolchem begangenen Fehler ſchuldig weren geweſen: Aber bey dieſem groſſen Straſſenrauber hette man das gegentheil practiciren koͤnnen: Man hette jhm die entlehnete Kleider abnemen koͤnnen / auff daß man jhm Schultern vnnd Ruͤcke deſto beſſer hette reiben vnd ſalben koͤnnen / aber ſeine ſtunde ware noch nicht kommen / ſein Suͤndenmaß ware noch nicht voll: Gott laͤſſet die Gottloſen leben / er wartet vndgibt24Beutelſchneider / odergibt jhnen zeit / ob ſie vielleicht ſich beſſern wolten / aber gemeiniglich ſo mißbrauchen ſie die Zeit vnd die Gnade Gottes.

Vnder deſſen kompt dieſes alles dem Herꝛen dieſes Schloſſes gar wunderbarlich fuͤr. Er kan nit anderſt gedencken / als daß die Soldaten von Ro ven / vnder dem ſchein den ſie voꝛgeben den Ly - caon bey jhm zu ſuchen / jhm ſein Hauß gepluͤn - dert / vnd alle ſein Reichthumb vnd Vermoͤgen geraubet haben Das geſchrey wird allenthalben darvon außgebreitet: Er beklagte ſich bey dem Parlament zu Rouen / zeigt an / daß die Schuͤ - tzen vnd Soldaten alles gepluͤndert vnd abgeſto - len haben / vn̄ daß er mit allen den ſeinigen nichts mehr als das Leben habe darvon bringen vnd ſal - virn koͤnnen.

Was geſchicht? Man fraget den ſachen nach / etliche Soldaten werden gefaͤnglich eingezogen / als Straſſenrauber vnd Thaͤter ſolchs Raubs / offentlich angeklaget / ſie werden ſo ſchrecklich ge - foldert / daß groͤſſere Schmertzen zuvermeyden ſie bekennen / ſie haben gethan / das jenige / was jhnen niemals im Traume ware fuͤrkommen: Es ward auch einer vnter jhnen auffgehencket / den andern deſto mehr forcht vnd ſchrecken einzujagen.

Was hette nun einer jm wunde: barlicher eyn - bilden koͤnnen? Iſt auch jemals eine Tragœdi beſ - ſer[geſpielet] worden? Laͤſt es ſich nicht anſehen / als ob das gute Gluͤck ſelber ſolchem vngeheweren Wunderthier vnd ſchaͤdlichen Mißgeburt in al - lem ſeinem boͤſen Vornemen vnd Suͤnden bey -ſtehe /25Diebshiſtorien / das I. Buch.ſtehe / vnd jhm uͤberhelffe? Was kan man weiters thun? Er ſihet / daß er Meiſter im Feld iſt / jeder - man foͤrchtet ſich vor jhm / die Kauffleut doͤrffen ſich nicht hinwagen / wo er ſich ſehen laͤſſet: Er iſt gleichſam / wie der Kopff der Meduſæ / welcher ſie in Felſen verwandelt / das iſt / in ſeiner gegenwart blieben ſie ſtill ſtehen / ſie doͤrffen nit mucken oder ſich regen / Er nimpt jhn Gelt vnd Leben mitein - ander. Was wird er aber ferꝛners thun? Wird er dann auch den Mund mit den Zaͤnen ſaſſen: dann er bildet jhm ein / er habe nun die gantze Welt inn Sack gejaget / in forcht gebracht / vnd wil nun die ſiegreiche Reuterfahnen ſeiner Boßheit vnd Ty - ranney an allen Ecken der Erden auffſtecken vnd auffrichten. Aber er wird endlich erfahren / daß der Himmel ſelber ſich der Frommen ſachen annim - met / vnd ſtraffet die Suͤnde vnd Laſter / wie ſie wol verdienet haben. Laſt vns fortfahren vnnd ſehen / wie er ſich ferꝛners in ſeinem Leben verhalten habe.

Das geſchrey von dem Rauben / Stelen vnnd Morden dieſes vnmenſchlichen Raubers war in gantz Franckreich ſo groß / je lenger je mehr / daß ſich niemandts mehr in das Feld dorffte wagen: Anfaͤnglich forchteten ſich die Bawersleute jme zubegegnen vnd auffzuſtoſſen / vnd braucheten al - lerley neben Wege / damit ſie jhm ja nicht in ſein Netz fallen moͤchten: Aber es war alles vmbſonſt vnd verlohrne Arbeit: Dann er wuſte wol / wie er ſie erdappen ſolte / derhalben man darfuͤr hielte / er muͤſte ein Zauberer ſeyn: Dann er erdappete Leu - te / wo ſie ſich auch hin lencketen vnnd hinkehrten /Cvnd26Beutelſchneider / odervnd das gabe hernacher Vrſache / daß die jenige / ſo da in den benachbarten orten / dahin er zu ſtreif - fen pflegte / wohneten / ſich nicht mehr beſchwerten hin vnd her zu wandeln / ſondern was jr Gut vnd Blut / Leib vnnd Leben anlanget / befahlen ſie ſich der Gnade deß Himmels vnnd dem Gluͤck / wan - derten / wo hin ſie ſolten vnd wolten / vnd wurden darauff beſſer tractiret von dem Lycaon / als ſie nimmermehr hetten hoffen koͤnnen: dann er frag - te alles auß / wie es mit jhnen ſtuͤnde / vnnd wie es mit jhnen gienge / er bote jhnen ſeine Dienſt an / er troͤſtete ſie in jhrem Truͤbſal vnnd Elend / ja er ſelber ſtreckte jhn auch Gelt vor / aber mit dem be - ding / daß ſie jhm auff gewiſſe Zeit vnfehlbarli - chen ſolten wider geben / was er jnen gelehnet het - te: Vnd alſo gewann er vielen Bawersleuten das Hertz ab / in ſolcher gegend / daß ſie jhm hernacher alles zu wiſſen theten / was im Land hin vnd wider fuͤrgienge.

Das III. Capitel.

Lycaon wird von dem Vogt von Roven verfolget / begibt ſich inn ſein Kaub - ſchloß Machecouſti / da er dann wird vmbringet vnd belaͤgert / vnnd was er ferꝛners biß in ſein Todt gethan hat.

DEr Vogt zu Roven war ſehr / wie auch billich / erzuͤrnet uͤber dieſen Rau - ber / wegen deß Schimpffs / den er ſeinenSol -27Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Soldaten bewieſen hatte: Derhalben ſo name er jhm fuͤr (vnnd ſolte es auch koſten / was es wolle) ſich an jhm zu rechen / jhn heimlich außzuheben vnnd jhm auff ſeinen Kopff zuvergelten / alle das Stelen / Rauben vnd Morden / welches er die gan - tze Zeit ſeines Lebens begangen vnd getrieben het - te. Was geſchicht aber? Lycaon er faͤhrt ſolches von ſeinen Leuten / vnd nach dem er all ſein Volck in ſeine Veſtung Machecouſti / da er ſeine Vor - nembſte Wohnung hatte / kommen laſſen / machet er ſich allein an den Ort / da er vermeinte / dz man jhn wuͤrde kommen anzugreiffen: Vnd als er fuͤr gewiß vernommen / vnd erfahren den Tag vnd die Stunde / in welcher die Obrigkeit / jhn zu uͤberfal - len / mit einem groſſen hauffen Volcks kommen ſolte / da kleidet er ſich wie ein Bawersmann / legt an einen langen Leinen Kittel / ſetzet auff ein alten garſtigen Hut / nimpt ein vnanſehliches Rotes Pferd ohne Sattel / ohne Zaum / leget auff das Pferd einen alten Sack / ſetzet ſich darauff / vnnd reitet alſo mit ſolcher Ruͤſtung dem Vogt von Roven entgegen / welcher als er ſeiner anſichtig wird / fraget er jhn / wo er herkomme / vnnd ob er nichts geſehen habe? Er antwortet jm / er hab gar nichts geſehen / doch ſo rede man ſtarck von den Straſſenraubern / vnnd vnter andern von einem genannt Lycaon / der gar ein boͤſer Bub ſeyn ſolle: Die andern / welche vmb jhn her waren / fragten jhn / wo er hin wolte / vnd als ſie von jhm verſtun - den / er wolte nach Roven ziehen / allda Korn ein - zukauffen / lieſſen ſie jhn fort ziehen: Aber als er einE ijwenig28Beutelſchneider / oderwenig weiter fort kame / traffe er an ein hauffen Schuͤtzen / ſo dem Vogt von Roven nach folgten / dieſelbige fragten jhn / ob er mit dem Herꝛn Vogt geredet hette: Vnnd als er ſagte / ja / ſagten ſie mit harten worten zu jm / paſſe, paſſe, fort / fort: Hier - auff hielte er hinder jhnen ein wenig ſtill nam die zwo Piſtoln / welch er vnter ſeinem langen Leinen Kittel bey ſich verborgen fuͤhrete / inn die Hand / ſchoſſe ſie hinder ſich uͤber die Achſeln ab auff die Schuͤtzen / gleich wie man von den Parthern liſet / daß ſie manchmals in jhrer Flucht / vnd in dem ſie hinder ſich uͤber die Achſeln mit jhren Pfeilen auff die Feinde zugeſchoſſen / ein gantzes Heer erleget haben / vnd geſchach auch / daß ein jede Piſtol jhre Wirckung thete: Dann er warff zween darmit nider auff die Erden / vnd ſagte hernach zu den an - dern alſo: Ihr Herꝛn gedencket daran / daß jr den Lycaon habt angetroffen / vnnd als er das geſagt hatte / da theilte ſein Rots Pferd die Lufft mit ſol - cher geſchwindigkeit / daß einen hette duncken moͤ - gen / der Teuffel fuͤhrete es hinweg. Die jenige / mit welchen er geredet hatte / ritten jhm maͤchtig ſtarck vnd geſchwind nach / vnd ob wol dem anſe - hen nach der aller geringſte vnd ſchlimmeſte beſſer als er der Lycaon beritten / vnd mit ſeinem Pferd verſehen war / ſo thaͤten ſie doch alle nichts anderſt mit jhrem reiten / als daß ſie die Zeit verlohren: Sie matteten vnd ritten jhre Pferd ab / vnd kond - ten jhn doch nicht erꝛeichen: Lycaon hatte nur ſein kurtzweil mit jhnen / ſo lang als ſie jm nach ritten: Dann bald war er nah / bald uͤber alle maſſen weitvon29Diebshiſtorien / Das I. Buch.von jhnen / bald ritte er neben auff der ſeiten / bald ware er mitten vnter jhnen: Vnd das triebe er ſo lang an / biß daß endlich die Nacht ein fiele / vnd ſie noͤtiget wider zu ruͤck zu reiten / vnd hatten ſie alſo von jhren nachrennen nichts anderſt als ein Ge - ſpenſt vnnd einen vnnuͤtzigen verſchwindenden Rauche.

Aber wie endlich die Suͤnde ſich ſelber ſtraffet / vnnd gereicht zu ſpott vnd ſchaden deſſen / der ſie angefangen vnd getrieben hat: Alſo trug es ſich zu / daß als er auff ein Zeit in ſeinem Raubſchloß ware / lieſſe der Oberſte von Nantes auß den be - nachbarten Staͤtten vnd Oertern viel Schuͤtzen vnd Volcks zuſammen kommen / der gaͤntzlichen Meynung vnnd Hoffnung es wuͤrde Lycaon ihn fuͤr ſolches mal nicht entwiſchen koͤnnen: Sie ver - hielten ſich auch ſo weißlich vnd voꝛſichtiglich / als einer ſich hette einbilden koͤnnē: Dann als er auff ein Zeit ſehr wenig Volck vmb ſich hatte / erdappe - ten ſie jhn / welches jhm dann in ſeinem Gemuͤth nicht ein geringe Angſt vnd Bangigkeit erweckte / vnd war jm alſo nicht heimlich bey den Sachen: Dann er ſahe wol die Gefahr / darinnen er ſtacke / aber kein Mittel ſich auß derſelbigen loß zu wir - cken: Gleichwol aber ſo reſolvieret er ſich mit ſei - nem Volck zu ſtreiten / darzu er dann viel mehr auß Verzweiffelung vnd Vnſinnigkeit / als auß wahrer Hertzhafftigkeit wurde beweget: Vnd nach dem er den ſeinigen / ſo bey jm waren / befohlen ſich zu ruͤſten vnd zu kempffen / (wiewol ſeiner viel we - niger als der andern / ſo jhn angreiffen / waren) daC iijſetzte30Beutelſchneider / oderſetzte er mit ſolcher Furie / mit ſolchem Toben vnd Wuͤten in die Schuͤtzen hinein / vnnd ſchlug mit Fauſtrohren ſo ſtarck auff ſie zu / daß auch die al - ler hertzhafftigſten vor groſſer forcht zitterten Als aber nun der erſte Sturm außgeſtanden war / vnd Lycaon keine Hoffnung mehr hatte / entſetzet zu werden / vmbgaben in die Schuͤtzē vnd Solda - ten ſo ſehr / daß er endlich im Streit gar mitten vnter ſie geriethe vnnd von jhnen gefangen wur - de: Darauff dann ſo bald ſein Volck ſich zerſtre - wete / vnd lieffe man jhnen nach / ſie auch noch zu - erdappen vnnd zu fangen: Was thut aber vnter deſſen der gefangene Lycaon? Er[ſihet /] / daß jhn nicht mehr als zween Schuͤtzen oder Soldaten gefangen halten / derhalben ſo bedenck et er ſich / wie er doch vnter deſſen ſolche beyde Schuͤtzen moͤchte uͤbern Doͤlpel werffen / vnd ſich auß jren Haͤnden loß machen: Wie macht er es aber? Er leſt mit al - lem fleiß ſein Wiſchtuch fallen / vnnd bitten den jenigen / welcher jhn bey der rechten Hand hielte / er wolte jhm doch die Hand ein wenig gehen laſ - ſen / damit er ſein Wiſchtuch widerumb auffheben koͤndte: Welches als es jhm erlaubet / vnnd er der Lycaon thate / als wolte er ſich bucken / zeucht er ein Dolchen auß ſeinem Hoſenſack / vnnd ſtoſſet jhn dem Vogt / der nah bey jhm ſtunde in Leib hinein. Die Schuͤtzen ſo vnverhoffter weiſe ſolchen ſtich ſahen geſchehen / wolten jren Herꝛn / der ſchon fal - len wolte / halten / vnter deſſen wird Lycaon wider frey / wirfft ſich inn groſſer eyl auff derſelbigen Pferde eines / vnd ſcheuſt mit einem Karabiner /ſo er31Diebshiſtorien / das I. Buch.ſo er auff dem Pferd findet / auff einen ſolcher Schuͤtzen / erleget jhn / ſalviert ſich alſo / vnnd ent - wiſchet jhnen vor jhren Augen auß den Haͤnden. Sein elteſter Bruder aber / welcher mit dem uͤbri - gen Volck geflohen war / als er vernimpt / daß ſein Bruder Lycaon gefangen ware worden / reſolvie - ret ſich viel ehe im Streit zu ſterben / als ſeinen Bruder inn ſo euſſerſter Noth vnnd Gefahr zu - verlaſſen: Derhalben ſo bringt er ſo viel Volck zu - ſammen / als in der eyl muͤglich ware / vnd weil er vermeinte / ſein juͤngſter Bruder were noch vnter den Feinden gefangen / ſetzet er mit ſeinem Volck mitten vnter ſie / ſchwur vnd fluchte bey Himmel vnnd Erden / daß wann ſie ſeinen Bruder lenger behalten wuͤrden / ſolten ſie ihren Raub thewer be - zahlen: Aber er bedachte nicht / daß ſolches bravie - ren vnd trutzen ſo viel fuͤncklein waren / die Schuͤ - tzen deſto mehr zuerzuͤrnen / vnd in Harniſch zu ja - gen / welche nach dem ſie jhn gantz vmbgeben / jhn endlich fiengen / feſt bunden vnd gen Nantes inn Bretagnon fuͤhreten / da er dann mit dreyen ſei - ner Mitgeſellen lebendig iſt geradbrechet worden. Nun dieſer Fang erſchreckte die andere Freybeu - ter uͤber alle maſſen ſehr: Dann wiewol Lycaon als der juͤngſte Bruder jhr Capitaine / dieſer aber[nur] jhr Leutenant ware / jedoch hielten ſie viel von ſeinem Rath vnd Anſchlaͤgen: Dann er war inn ſeinen Anſchlaͤgen geſchwind vnnd Hertzhafft / Blutgierig / Tyranniſch / welches dann an einem ſo ſchaͤdlichen Straſſenrauber ſchoͤne Qualitaͤ - ten vnd Tugenden ſeyn.

C iiijEr32Beutelſchneider / oder

Er lieſſe ſich ſelber nennen Souffle en l’oil: Blaß mir ins Auge: Vmb dieſer vrſachen willen / dieweil er alle die jenige Perſonen / welche er mit ſeinem Vortheil erhaſchete vnd erdappete / zwan - ge jhm in ſein Piſtol oder Fauſtrohr zu blaſen / vnd alſo brachte er ſie darnach jaͤmmerlichen vmb.

Der junge Lycaon wird vnter deſſen deßwegen nicht kleinmuͤtig / laͤſt jhm auch das Hertz nicht entfallen (wann man anderſt auch kan ſagen / daß ſolche Leut ein Hertz haben) ſondern bringet ſein zerſtrewtes Volck / ſoviel als er kan / widerumb zu - ſammen / begibet ſich in ſein Raubſchloß vnd faͤh - ret fort zu leben / wie vorhin geſchehen war / Er be - dencket nicht / wie ſein Bruder ſo ein ſchmaͤhliches Ende von der Welt hatte genommen / daß er vor den Augen deß gantzen Lands Adel / ja mit groſſem frolocken alles Volckes / welches jm noch tauſend mal mehr wuͤnſchete / war ſo ſchaͤndlich vnnd ſchmaͤhlich Geradbrechet worden. Ich koͤndte ein gantzes vnd groſſes Buch ſchreiben von den Vbel - thaten dieſes Tyrannen / von ſeinem ſchrecklichen Rauben vnd Stelen / wo er nur iſt hinkommen: Aber ich wil ein gutes Theil mit ſtillſchweigen - bergehen / auff daß ich euch nicht verdrißlich wer - de mit erzehlung einerley Materien.

Auff ein Zeit begabe es ſich / daß einer von deß Lycaons Geſellſchafft / welcher ſich zu weit hatte hinauß begeben / auff den Marck zu Ponthoiſe ge - fangen wurde / vnd als jhn zween Kauffmaͤnner / welche er zu anderer Zeit beraubet hatte / gar wol kandten / thete man jhm ſo bald ſein Recht / vnndwurde33Diebs Hiſtorien / das I. Buch.wurde jhm das Vrtheil geſprochen / daß er wegen ſeiner begangenen Vbelthaten / welche er auch auff der Folter bekandt hatte / ſolte geradbrechet werden / welches dann auch ſo bald darauff geſche - hen. Nun truge es ſich aber zu / daß der Hencker zu Ponthoiſe in die nechſte Statt gienge / allda auch einen vmb ſeiner Miſſethat willen hinzurichten: Als er nun auff dem Weg ware / kam zu jhm Ly - caon / wie ein Kauffmann gekleidet / vnd als ſie al - ſo miteinander fortwanderten / fragte Lycaon jhn was doch fuͤr ein geſchrey zu Ponthoiſe were / vnd ob es nicht gefehrlich were / fuͤr die Kauffleut / jhre Wahren in ſolche weit abgelegene oͤrter zufuͤhren / der Henck er antwortet jhm / daß es nun lang we - re / daß man von einem ſchaͤdlichen vnd beruͤhm - ten Straſſenrauber / genandt Lycaon redete / wel - cher bald gantz Franck reich pluͤnderte vnd hart be - drangete: Aber es neme / GOtt lob vnd danck / die Zahl ſeiner Mitgeſellen von Tag zu Tag / je len - ger je mehr ab / vnd komme er alleweil von einem welchen er vmb ſeines Raubens willen auff das Rad habe geleget: Ha / ha / ſagt hierauff Lycaon / ſo biſt du dann der Hencker von Pontoiſe / warlich ich bin von grund meines Hertzens froh / daß ich dich / hab angetroffen: Dann es hat mich auff der gantzen Welt nach nichts mehr vnd ſehr verlan - get als zu wiſſen / was man doch von dem Gottlo - ſen vnd ſchaͤndlichen Rauber ſaget.

Als ſie aber alſo miteinander fort wandern vnd reden / da kommen ſie in einen Wald / vnd als Lycaon nur ein wenig anfieng auff ſeiner MoͤrderC vPfeiff34Beutelſchneider / oderPfeiff zu pfeiffen / ſihe / ſo waren ſo bald vmb vnd bey jhm zehen oder zwoͤlff ſeiner Geſellen: Aber der Hencker macht jhm noch im geringſten kein boͤſe oder ſchwere Gedancken daruͤber / dann ſie waren alle ſchoͤn vnd wol gekleidet / vnd hette jhm nim̄er - mehr traumen laſſen koͤnnen / daß er mitten vn - der ſo viel Moͤrdern ſeyn ſolte / ja daß er ſolte ſo nah ſeyn bey dem jenigen / von dem er alleweil re - det; vnd welchen er ſo ſchroͤcklich außmachte.

Nun was geſchicht? Lycaon der machet / daß der Hencker alles wider von anfang erzehlet / wie nemblich alle weil er einen Straſſenrauber auff das Rad hette geleget: Als er der Hencker aber in ſeinem Gemuͤht vnd Rede eifferig vnnd zornig wird uͤber ſolche vnd dergleichen Straſſenrauber vnd ſpricht / er wolle / daß er die andern Straſſen - rauber alle / ſo hin vnd wider in gantz Franckreich auff die Leute ſtreiffeten / hette / ſo wolte er jhnen allen / wie dem einen ſchon geſchehen / auch thun / da griffen auß dem hauffen die zween ſtaͤrckſten jhm nach dem Halß vnd ſprachen / weil zu allem Vngluͤck ſie keine Gelegenheit koͤnnen haben / jhn ſelber zu Rad brechen / ſo ſoll er doch auffs wenigſt auffgehencket werden / vnd das geſchihet auch auff der Wahlſtatt ohne alle Vrtheil vnd Recht: Dan̄ ſie binden jhn mit einem ſtarcken Hoſenbendel an die Eſte eines Baumes / vnd laſſen jhn alſo da ſterben.

Auff ein Zeit wolte Lycaon das Schloß de Saincte Hermine vnd Marevil uͤber fallen: Aber der Herꝛ deß Schloſſes wurde deſſen jnnen / vndließ35Diebs Hiſtorien / das I. Buch.ließ alle den Adel in den vmbligenden Oertern zu - ſammen kommen jhm zu widerſtehen: Er ſtellete auch zweyhundert Mann an den Weg / da Lycaon ſolte fuͤruͤberkommen: Vnder deſſen begabe es ſich / daß ein Bauersmann / welcher mit ſeiner Mußquet nicht wol vmbgehen kondte / ein fuͤnck - lein ließ auff die Pfann fallen / darvon dann die Mußquet von ſich ſelber loß gienge: Lycaon der ſolchen Schuß hoͤret / verwunderte ſich daruͤber / vnd ſchickte ſo bald zween ſeines Volcks auß zu ſehen / was were / vnd was vorgienge: Vnd nach dem er erfahren hatte / daß man jhm nachſtellete / wiche er zu ruck: Als er aber ſahe / daß man jhn ſo ſtarck verfolgete / vnd nicht weiter weichen kondte / auch nicht mehr als dreyſſig Kuͤriſſer bey ſich hat - te / ſetzet er in das Volck hinein / kaͤmpffet dapffer / ſchlaͤget vnd erleget alle / ſo jhm vorkommen: Als er aber endlich ſihet / daß die Bauersleute von al - len orten zu lauffen / nimpt er die Flucht vnd wer - den fuͤnff oder ſechs ſeiner Geſellen gefangen / welche zween Tag hernacher zu Beſſay auff das Rad ſeyn geleget worden.

Vnd was ſoll ich mehr von dieſem Rauber ſa - gen? Auff ein zeit fiengen ſie nicht weit darvon ei - nen vornemen Herꝛn / vnd nach dem ſie jhm die Augen wol verbunden hatten / fuͤhreten ſie jhn in ihr Raubſchloß / vnd zeigten jhm alle jhren Vor - rath vnd Munition / welche ſie ſo wol fuͤr die taͤgli - che notdurfft vnd leben / als Krieg zufuͤhren / bey - einander hatten / ſampt einer Handmuͤhl vnnd Backofen: Deßgleichen viel Mußqueten / Buͤch -ſen /36Beutelſchneider / oderſchen / Langeſpieſſe / Granaten / Petarden / Ketten / drey kleine Feldſtuͤcklein vnd andere Kriegs In - ſtrumenten / ſo wol ſich zu vertheidigen / als Krieg zufuͤhren: Man lieſſe jhn auch ſehen / wie ſolches Ort ſo wol allenthalben fortificiret vnd beveſtiget ware / ſonderlich aber die tieffe Waſſergraben / auffziehende Bruͤcke / Bollwerck vnd dergleichen: Endlich zeigte man jhm auch alles / was in der gantzen Veſtung denck wuͤrdigs zuſehen war / dar - uͤber er ſich dann nit gnugſam kondte verwun - dern: Dann alles was er ſahe / das vermeinet er were ein Traum / Spiegelfechten vnd Verblen - dung: Vnd als er nun ſolches alles geſehen hatte / fuͤhreten ſie jhn in ein groſſen Saal / welcher vmb vnd vmb behencket ware mit Spaniſchem Led - der / welches ſie kurtz zuvor auff dem Meer gerau - bet hatten / (dann jhre Rauberey erſtreckte ſich eben ſo wol auff das Meer / als ſie dieſelbige auff der Erden uͤbeten) vnd als er nun im Saal ware da richteten ſie jm ein ſtattliche Collation zu / vnd wurde jhm alles in Silbernen Schuͤſſeln vnd Gefaͤſſen vorgeſetzet: Endlichen / als ſie jhm nun alles in jhrem Raubſchloß gezeiget hatten / ver - bunden ſie jhm ſeine Augen wider / vnd fuͤhreten ihn ohne einigen ſchaden an den Ort / da ſie jn zu - vor gefangen hatten / doch ſetzte vnd hielte jhm Ly - caon ein ſehr gute weil ſein Rohr an die Gurgel vnd zwange jhn / daß er jhm muſt bey ſtraff vnd verluſt ſeines Lebens verheiſſen / daß er in alle E - wigkeit keinem Menſchen wolte ſagen alles das jenige / was jhm gezeiget were worden.

Aber37Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Aber endlich wurde doch das maß ſeiner Suͤn - den voll / Es ließ ſich an / als wuͤrde er nicht weiter vnd lenger alſo wuͤten vnd loben / dieſer ſchreck - liche Menſchenfreſſer hatte nun mehr ſeinen Lauff vollendet: Franckreich kondte dieſes Wunder - thier vnd ſchaͤdliche Mißgeburt nicht mehr dul - den vnd ertragen: Dieſe Peſte kam auff das Hertz / vnd kondte ſie nicht außſpeyen. Die Boßheit ſtol - tziert zwar ein Zeit lang / vnd wann der Menſch einmal ein Bund gemacht hat / mit ſeinen allge - meinen Feinden / der Suͤnden / ſo hoͤret er nit auff zu lauffen vnd zu raſen / vnd ſolte er auch den A - them daruͤber verlieren: Ja es hoͤret alsdann der Menſch nicht auff zu ſuͤndigen / biß daß er ſich endlich ſelber mit Leib vnnd Seel in das euſſerſte Verderben ſtuͤrtzet: Vnd alſo werden wir ſehen / daß es dieſem Lycaon endlich auch iſt ergangen. Dann auß ſeinen ſchroͤcklichen Vbelthaten hat er endlich ſelber gemacht ein Spiel einer ſchroͤck - lichen Leibsſtraff / vnd ein Spectackel einer er - baͤrmlichen Tragedien.

Gantz Bretagne vnd Nider Poictou dorffte vnd kondte bald nichts mehr handlen wegen deß Streiffens vnd Raubens dieſes Lycaons / dero - halbē entſchloſſen ſie endlich bey ſich ſolchs zu Hof zu klagen vn̄ voꝛzubringen: Aber weil man gleich - wol den Ort / da man jhn moͤchte uͤberfallen vnd erdappen / nicht gewiß kondte wiſſen / dieweil er ei - nen ſpiritum familiarem vnd ſonderlichen Geiſt bey ſich hatte / vnd dieweil man auff einen Tag ihn an vnterſchiedlichen Orten ſahe: Dann jetzt ſaheman38Beutelſchneider / oderman jhn zu Nantes / bald bey Rennes / zwo ſtunde hernacher bey Rouen vnd Dieppe: Als wurde Herꝛn Parabelle / Amptman zu Niort / wie auch den Guaꝛniſonen vnd Beampten in den Benach - barten oͤrtern befohlen / ſie ſolten ſtracks Weges nach dem Wald Machecouſti zuzihen / doch ſo ſtill vnd vorſichtig als ſie jmmer koͤndten: Vnd zu ſol - chen verfuͤgten ſich ſehr viel andere / den es nit be - fohlen (nur zu ſehen / was es allda fuͤr ein Auß - gang gewinnen wuͤrde / vnd wie man Lycaon wuͤr - de fangen) alſo daß ohne die Oberſten / deren acht - zehen oder zwantzig mit jhren Soldaten waren / vier tauſent Mann ſich bey einander funden / wel - che der jenige vom Adel / welcher zuvor in der Veſtung ſolcher Straſſenrauber geweſen ware / ſtracks an ſolchen Ort fuͤhrete: Vnd als ſie nun dahin kommen waren / da pflantzt vnnd richtete man vier Schlangen oder Geſchuͤtz wider die Ve - ſtung / man fieng an ſtarck hinein zu ſchieſſen / vnd wehret ſolches einen gantzen Tag: Lycaon wurde uͤber alle maſſen ſehr daruͤber beſtuͤrtzet / daß er in ſolche euſſerſte vnvermeydliche Gefahr ware ge - rahten: Dann da muſt deren zweyen dingen eins ſeyn: Entweder daß er ſolte ein Außfall thun oder wuͤrde muͤſſen in ſeiner Veſtung zerbeſten: Dann die Apoſtem war nun mehr ſo groß worden / daß ſie einen Außgang ſuchte: Endlich aber da es mit jhm auff das euſſerſte kommen / vermahnet er ſei - ne Soldaten / deren auff die drey hundert beyein - ander waren / daß ſie mit jhm ein Außfall theten: Dann er koͤndte jhm die rechnung leichtlichen ſel -ber39Diebs Hiſtorien / das I. Buch.ber machen / daß in verbleibung ſeines Außfals die groſſe menge Volcks jhm gewaltig zu ſetzen wuͤrde: Was geſchicht? Sie ſeynd deſſen ſo bald zufrieden auß Verzweifflung fallen ſie auß / ohne einige Ordnung / aber ſie werden von allen ſeiten ſo bald vmbringet: Sie kaͤmpffen vnd ſtreiten dapffer: Aber wie ſie gleichwol auch mit keinen Kindern / ſondern mit dapffern Soldaten zu thun hatten / alſo haben dieſelbige jnen (nach dem dann Lycaon vnd den ſeinen die erſte Hitz ware vergan - gen) ſo ſtarck zugeſetzet / daß endlich / als Lycaon vermeinte durch das Volck durch zu dringen / vnd die Flucht an die Hand zunemen / er mit vielen den ſeinen uͤberfallen / gefangen vnd gen Saincte iſt gefuͤhret worden / da dann nach außgeſtande - ner Folter vnd darauff geſchehener Bekandtnuß vieler ſchroͤcklicher Vbelthaten jhm das Vrtheil iſt geſprochen worden / daß er ſolte lebendig ge - radbrechet werden / welches Vrtheil dann auch an jhm iſt vollſtrecket worden.

Allhie iſt vnmoͤglich zuerzehlen / wie alle Pro - vintzen / Laͤnder / Staͤtt vnd Doͤrffer ſo froh ſeyn worden / daß dieſer Ertzſtraſſenrauber endlich ein - mal iſt hingerichtet worden: Dann das kan man wol ſagen / daß man ſein lebenlang dergleichen ſchaͤdliches Wunderthier nicht hatte geſehen. In ſeinem Todt iſt er ſo ſtandhafftig geweſen / daß je - derman ſich daruͤber hat verwundern muͤſſen - Vnd wiewol wegen ſeiner ſchaͤdlichen Rauberey vnd erſchroͤcklichen Moͤrderey jederman jhm in ſeinem Leben ware zu wider geweſen / jedoch daman40Beutelſchneider / oderman geſehen wie er dem Todt vnter Augen gan - gen / vnd gehoͤret wie er ſo gewaltig hat geredet / ehe er ſein Geiſt auffgeben / hat jederman ein mit - leiden mit jhm haben muͤſſen. Vnd da bey haben wir nun diſes zu lernen / daß es nicht gnug iſt wol anfangen / ſondern man muß auch wol enden vnd ſchlieſſen: Dann / wie jener Heydniſche Phi - loſophus recht vnd wol geſagt hat: So iſt es beſſer ſein gefuͤhrtes boͤſes Leben endlich mit einem gu - ten Todt ſchlieſſen / als erſtlich wie ein ehrlicher Mann leben / vnd daraach mit ſchimpff / ſpott vnd ewiget vnehr ſein Leben ſchlieſſen.

Das IV. Capitel.

Von den Rougets vnd Griſons / von jren Sitten / Ordnungen vnd Argliſtigkeit / deren ſie ſich gebrauchen jhre boͤſe Bu - benſtuͤck ins Werck zu ſetzen.

ES kan ſich ein Menſch nit gnugſam verwundern / wann er betrachtet / wie es ſo ſeltzam in der Welt hergehet / ja wann er betrachtet den Vndergang der Regimenten / den Anfang vnd erhoͤhung der vier Monarchien / die Authoritet vnd das groſſe Anſehen / welches zu andern zeiten viel Republiquen vnd gemeine Nu - tzen gehabt haben / den Anfang der Koͤnigreiche / die Ordnung / durch welche ſolches alles ſo lange Zeit fortgepflantzet vnd erhalten iſt worden.

Wer hette jemals geglaubet / daß vier oderfuͤnff41Diebshiſtorien / Das I. Buch.fuͤnff verlauffene / vertriebener Voͤgel / ich weiß nicht woher / hetten die erſte Fundamenten deß Roͤmiſchen Reichs legen koͤnnen / vnd die ſtuͤck er ſolches groſſen Regiments vnd Coloſſi zuſam - men bringen / welches gleichwol hernacher den gantzen Erdboden vnter ſeinen Geh orſame ge - bracht? Wer hette jhm jemals eynbilden koͤnnen / daß ein geringer ſchlim̄er Kuͤhhirt / wie der Tam - berlan / welcher jhm ſolchen groſſen Anhang von Bettlern vnnd allerley boͤſen Buben machte / das gantze Orientaliſche Reich vnter ſein Zwang vnd Gehorſam hette bringen koͤnnen? Ja daß er den groſſen Bajazetem / welcher zuvor mit ſeinen Waffen gantz Europam kondte erſchrecken vnnd zittern machen / ſo ſehr hette demuͤtigen vnd erni - drigen ſollen? Gleichwol aber ſo ſehen wir durch dieſe Exempel / daß man nicht mehr als ein klei - nes Fuͤncklein bedarff ein groſſes Fewer anzu - zuͤnden / vnd ein groſſe Fewersbrunſt anzurich - ten / ja daß man nicht mehr manchsmal als einen einigen Mann bedarff / ein gantzes Koͤnigreich vmbzuſtuͤrtzen vnd in grund vnd boden zuverder - ben. Das habt jhr ſehen vnd lernen koͤnnen / in der vorhergehenden Hiſtorien / in welcher ich euch be - ſchrieben das Leben deß Lycaons: Vnd daher koͤn - net jhr auch ferꝛner ſchlieſſen / wie daß / wann man ſolches faules Glied nicht abgeſchnitten hette / ſol - ches faule Fleiſch vnd ſchaͤdliches Geſchwer je lenger je mehꝛ vmb ſich gefreſſen / vnd alle oͤrter diß Stands vnd Koͤnigreichs eingenom̄en hette.

Aber inn dieſem Capitel wil ich euch augen -Dſchein -42Beutelſchneider / oderſcheinlich ſehen / vnd mit Haͤnden greiffen laſſen: Wie dieſes nicht ein geringes ſtuͤcklein iſt einer Politiſchen Weißheit / wann Regenten ſo bald im Anlang eine Fewersbrunſt / ſo da wil auffge - hen / erſticken vnd leſchen: Dann wan̄ man nicht ſo bald gantz außgerottet hette die Wurtzel ſelder / der Geſellſchafft der Griſon vnnd der Rongets / welche ſchon die Fluͤgel in Wind wolte legen / ſo wuͤrden ohne zweiffel / die Nebenſchoß ſich biß an vns außgeſtrecket / vnd gantz Franck reich einge - nommen haben. Ehe wir aber weiter fortſchrei - ten / wil es von noͤthen ſeyn / daß man dieſer boͤſen Geſellſchafft anfang vnd vrſprung wiſſe: Der - halben ſo woͤllen wir euch auch ſo bald deſſen be - richten.

Die Rougets vnd Griſons waren junge ver - wegene Leute / welche ſich von vnterſchiedlichen Orten zuſammen geſchlagen hatten: Vnd wie - wol ſie anfaͤnglich ſich zum Kriegsweſen begaben / ſo verachteten ſie doch endlichen ſolche Adeliche - bung / vnd namen ihn voꝛ die uͤbrige Zeit jhres Le - bens zu zubringen mit Rauben vnd Stelen vmb Paris herumber. Sie fiengen an gar ſtarck zu werden von dem 1621. biß in das 1623. Jahr / vnd vergienge vnter deſſen kein Tag / da ſie nicht Raub vnd Mord / vnd dergleichen feindliche ne - we boͤſe Vbelthaten begiengen / vnd newe Buͤnd - nus mit mehrern jhres gleichens auffrichteten: Ihre Zuſam̄enkunfft ware in Paris / in der Vor - ſtatt Sainct Germain: Bißweilen ſahe man ſie deß Tages ſpatziern gehen auff der newen Bruͤ -cken /43Diebs Hiſtorien / das I. Buch.cken / vnnd vmb das Lovure herumber / oder auff dem Palais: Aber das geſchahe gleichwol gar langſam: Dann ſie machten es in dem fall wie die Schnecken / welche nicht leichtlich als zu ihrer be - ſten gelegenheit auß der Schale kriechen: Diſe ne - we Geſellſchafft legte nicht bald die Naſe an den Wind / als deß Nachts / als welche iſt eine Mut - ter der Schatten: vnd iſt viel bequemer Suͤnde vnd Laſter zubegehen / als das Liecht deß Tags / welcher wie der Poet davon redet / offenbaret die heimlichſte vnnd verborgene Sachen / ſo in der Welt voꝛgehen moͤgen: Aber wie die Boßheit vnd Vntugend nicht lange Zeit die Aeſt kan außſtre - cken vnd waͤren: Alſo wurde man bald jnnen der Diebiſchen vnd Rauberiſchen Argliſtigkeit / deren ſich die boͤſe Zunfft gebraucheten: Dann man erwiſchet bißweiln jhrer etliche / vnd ſatzte ſie her - nach auff die Schiltwacht an der Eck der newen Bruͤcken / in der Herberg zum Mond / zu dem en - de / hiemit jhren andern Mitgeſellen anzuzeigen / daß wann ſie durch Rauben vnd Stelen den Gal - gen ſucheten / die Leitern ſchon fertig vnd ange - ſtellet weren ſie auffzuhencken.

Der Oberſte vnter jhnen ließ ſich nennen Hers von der Cheſean / ein Blutgieriger vnd Tyranni - ſcher Menſch / welcher jhm nicht mehr Gewiſſen machte ſeine moͤrderiſche Haͤnde in Menſchen Blut / als in Waſſer zu baden vnnd zu waſchen. Alle die jenge / welche ſich in jhre Geſellſchafft be - geben wolten / muſten ſich bey jhm angeben / der pflegte ſie darnach in eine Kammer einzuſchlieſ -D ijſen /44Beutelſchneider / oderſen / vnd zween gantzer Tage ohn geſſen vnd ohn getruncken zu laſſen / ja er zwange ſie auch / daß ſie drey gantzer Nacht mit bloſſem Haupt in der freyen Lufft ligen muſten / ſie alſo zu probirn / ob ſie ſich in ſeine Geſellſchafft ſchicken wuͤrden / ja ſie zu ſeines Handwercks arbeit zugewehnen. A - ber ehe ich euch Stuͤckweiſe erklaͤre / was ſie auff dem freyen Feld getrieben / iſt es nicht vnrahtſam euch etwas zuerzehlen von dem / das ſie in Paris practiciret haben.

Auff ein Zeit / auff den Abend im Winter vn - gefehr vmb acht Vhren / theilten ſich dieſe boͤſe Buben in drey hauffen / vnd verfuͤgten ſich auff die newe Bruͤcken: Es ware aber ſchon gar dun - ckel vnd kalt / daß einer wol eines guten Naſenfu - ders hette beduͤrffet: Dann der Nordwind gienge ſo ſtarck / vnd der Schnee floge vnder dem Him - mel hin vnd wider mit ſolchen furien / daß deßwe - gen ſehr wenig Leute außgiengen / vnd auff die Gaſſen ſich machten.

Als ſie ſich nun alſo vertheilt hatten / vnd etli - che ſtunden vor der Samaritaier / etliche vor dem auß Ertz gegoſſenen groſſen Pferd / welches auch allda zu Paris auff der newen Bruͤcken ſtehet / die letzten aber auff der Auguſtiner Bruͤcken: Sihe da kam daher ein Advocat von Roven / welcher auff einem guten ſchoͤnen Pferd faſſe / vnd auch wol gekleidet ware / vnd wolte uͤber die Brucken reiten: ware auch ſonderlich zu dem ende gen Pa - ris kommen ſich allda zuverrathen / vnd wegen der groſſen Kaͤlt hatte er Naſe vnd Angeſicht in ſei - nen Mantel verborgen.

Als45Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Als er aber auff die newe Brucken kommet / auff der ſeiten der Gaſſen Dauphine / ſihe / da wird er ſo bald von ſechs Raubern vmbringet / deren drey Roth / vnd die andere drey Graw gekleidet waren / hatten aber alle hohe Federbuͤſch auff jh - ren Huͤten / dieſelbige befahlen jhm bey ſtraff ſei - nes Lebens vom Pferde abzuſteigen / ja ſie ſchwurn vnd fluchten bey Himmel vnd Erden / daß wann er nur das geringſte Wort ſagen / oder ſchreyen wuͤrde / ſo wolten ſie jhn entweder auff der Wahl - ſtatt Todt ſchlagen / oder in das Waſſer werffen: Daruͤber dann dieſer Advocat uͤber alle maſſen beſtuͤrtzet wurde: Er durffte ſie nicht recht anſe - hen / vnd die groſſe furcht ſampt der Kaͤlt / ſo er all - da muſte außſtehen / gienge jhm durch alle ſeine Glieder / alſo / daß er bald nicht mehr auff ſeinen Fuͤſſen kondte ſtehen.

Cheſney / welcher der Oberſte in ſolcher Geſell - ſchafft ware / ſetzet jhm die Piſtol auff die Bruſt / vnd befihlet jhm den Seckel mit dem Gelt herfuͤr zu ſuchen / welches er dann auch ſo bald thut / vnd gibt jhnen alles was er hat / damit er jhrer deſto eher moͤge loß werden. Vnd als er hierauff den Fuß in den Stegreiff wil ſetzen / vnd wider auff ſein Pferd ſteigen / kommet ein anderer hinder jm her / gehet vnd thut als wann er lahm ſey: Sagte zu jhm: Er muͤſſe jhm ſein Pferd lehnen / damit er wider nach Hauß moͤge kommen / dann er koͤn - ne nicht weiter zu Fuß gehen: Wiewol nun dem Advocaten dieſes ſeltzam vorkame / vnd ſehr daruͤber beſtuͤrtzet wurde / ſo muſte er doch die -D iijſe Her -46Beutelſchneider / oderſe Herbe Pillule ohne ſawer ſehen einſchlucken.

Er laͤſt dieſe Diebsgeſellſchaft fahren / vnnd dencket / er habe doch auff das allerwenigſte ſein Leben ſalviret / er habe ſich gleichwol noch auß ei - ner groſſen Gefahr / herauſſer gewickelt: Aber was geſchicht? Als er ein wenig weiter fortgehet / vnd kompt vor das groſſe auß Ertz gegoſſene vnd all - da auffgerichte Pferd / da ſtoſſen jhm zween oder drey andere Raubvoͤgel auff / ſehen jhn wol vnter dem Geſicht an / vnd fragen jhn: Wo er her kom - me / vnd wo er hin woͤlle / der Advocat erzehlet jh - nen hierauff / wie er da allernechſt von etlichē Die - ben were beraubet worden / vnd daß das Vngluͤck den Abend jhn hart habe betroffen / in dem / daß er ſolchen tyranniſchen vnd vnmenſchlichen Die - ben vnter die H[]nde were kommen.

Als ſie nun ſolches angehoͤret hatten / ſpricht einer vnter dem Hauffen zu jm: Wie tyranniſch? Seyd jhr noch ſo gehertzet / daß jhr ſolche Wort wider ſie doͤrfft außgieſſen / ja eben jhr? Wer hat euch ſo gehertzt gemacht / daß jr vor ſolchem Pferd doͤrfft ohne Hut abziehē voꝛuͤber gehen? Lernet vnd ſehet / daß jhr auff ein ander mal hoͤflicher als je - tzunder ſeyet: Felt hierauff uͤber jhn / nimpt jhm ſeinen guten Biberhut / vnd ein ſtattlichen De - mant von dem Finger / welcher jhn mehꝛ als zwey hundert Kronen gekoſtet hatte.

Was ſoll nun Lucider machen? Dann alſo wollen wir hinfuͤro dieſe Perſon nennen? Hette er woͤllen zu ruͤck kehren / ſo were er kommen de Scylla in Charybid, das iſt / auß dem Regē in denBach47Diebs Hiſtorien / das I. Buch,Bach / auß dem Rauch gar in das Fewer. So wuſte er auch wol die Hiſtorien von dem Barba - riſchen vnd tyranniſchen Caco: Derſelbige / wie Virgilius von jhm ſchreibet / brauchete dieſe Liſt / vnnd damit er ſeinen Diebſtahl deſto beſſer ver - maͤntelte / name er die geſtohlene Ochſen bey dem Schwantz / vnd zohe ſie alſo hinder ſich in ſeine Diebs Hoͤle / auff daß man deſto weniger die Fuß - ſtapffen erlernen koͤndte: Alſo ſolte er wider hinge - ben / wo er herkommen / das hieſſe ſeinen tritte ſa - chen / vnd jm ſelber ein groͤſſeres Vngluͤck / als das erſte / machen.

Er faͤhret vnd gehet fort / in Hoffnung / er wer - de nun mehr vor dem gefehrlichen Steinfelſen im Meer fuͤruͤber kommen ſeyn: Aber er kan kaum recht vor die Samaritaine kom̄en / ſibe da kompt jhm der dritte Diebshauffen / welcher an ſolchem Ort auff die Schildwacht geſtellet ware / entge - gen / vnd fuͤhren zu jhm einen Menſchen der nicht mehr als ſein Hembt an hatte: Welches dann ſo ſolcher Zeit in der nacht / vnd da es ſo kalt ware / abſchewlich vnd erſchrecklich iſt zuſehen geweſen.

Mein Herꝛ / ſaget zu jhm der Elteſte vnter jh - rem hauffen / ſehet da einen armen Jungen / den wir zu euch bringen: Erzeiget vnns doch dieſe Freundſchafft vnd Gunſt / vnd leyhet jhm ewern Mantel: Dann fuͤr groſſer grimmer Kaͤlte / die er außſtehet / kan er kaum auff ſeinen Fuͤſſen ſtehen / oder einen tritt recht fort gehen.

Lucider ſihet ſich hierauff vmb / ob es jhm nicht moͤglich ſey außzureiſſen vnnd Ferſengelt zu ge -D iiijben:48Beutelſchneider / oderben: Dan̄ er ſahe wol / daß die Gunſt vnd Freund - ſchafft / welche dieſe Moͤrder bey jhm ſuchten / lau - ter zwang ware: Aber ſie halten ſich ſo nahe vmb jhn her / daß er nicht kan außreiſſen: Sie nemen jhm hierauff ſein Mantel / vnd ſagen noch / ſie er - zeigten jhm noch ein groſſe Gnad daß ſie jhm das Leben nicht gar nemen. Ich weiß / daß diſe Hiſto - rien warhafftig iſt: Dann deß Lucidors Bruders hat mir ſie ſelber erzehlet / vnd hoch betheuret daß ſolches alles mit ſeinem Bruder erzehlter maſſen iſt vorgangen.

Dieſe ſchreckliche Diebsthat gab Vrſach / daß man von niemands anderſt redet / als von den Rougets vnd Griſons: Vnd wann man einen ſahe / der jhre Farbe an Kleidung truge / meinte ein jeglicher / er were auch jhrer Gattung.

Vnmoͤglich iſt es Stuͤcksweiſſe allhie zu erzehlen die Bubenſtuͤck / welche ſie ſolchen Winter uͤber auff dem Marck zu Sainct Germain begangen haben: Dann ſie verkleideten vnd verſtelleten ſich bald alle ſtund vnd augenblick: Bald giengen ſie daher wie Kauffleute / vnd lieſſen jhn die Wah - ren von dem Marck in jhre Haͤuſer tragen: Bald giengen ſie daher wie Bauersleute / ſpieleten auff den Jahrmaͤrckten mit den Leuten / durch ſolches Mittel die Beſchaffenheit jhrer Seckel zuerler - nen: Bald hettet jr ſie ſelber vor Mahler von An - torff verſehen / dan̄ ſie giengen in die Laͤden hinein / namen vor aller Menſchen Augen gemahlte Ta - feln hinweg / vnnd ſagte kein Menſch kein Wort darwider. Machten es wie jener ehrliche Vogel /welcher49Diebs Hiſtorien / das I. Buch.welcher wol ſo frech vnd vnverſchambt ware / daß er einem ehrlichen Herꝛen inn ſein Hauß gienge / vnnd thete jhm fuͤr ſeinen Augen alle Teppich ab in ſeinem Saal / vnd truge ſie hinweg gleich als wann er der Teppichmacher ſelber were.

Bald hettet jhr ſie vor vorneme dapffere Edel - leut angeſehen: Dann ſie dorfften wol zu einem Goldſchmid oder Jubilierer gehen / vnd vmb einen ſtattlichen Demant ſpieln / mit ſolcher Condition daß welcher inn drey wuͤrffen am meiſten Augen mit den Wuͤrffeln wuͤrffe / ſolte dem andern einen ſolch[e]n ſtattlichen Demant bezahlen / vnnd wann ſie darnach ſolten bezahlen / wie gieng es? Einer name den Demant / der andere fieng ein diſputa - tion vnd gezaͤnck an / vnnd alſo kam der Demant auß einer Hand in die andere / darauff dann off - termals ein groſſe angeſtelte ſchlaͤgerey erfolgete / aber mit groſſem Schaden vnd Verluſt deß jent - gen / dem der Demant zuſtunde.

Etliche Zeit hernacher / wie Cheſnay ein ver - ſchlagener argliſtiger Kopff ware / alſo practiciret er ein newes Bubenſtuͤck mit einem Laqueien in dem Palais / dann zu demſelbigen geſellete er ſich / vnd als er von jhm verſtunden / daß er bey einem vornehmen reichen Buͤrger / ſo vmb das Lovure vnd Koͤnigliche Schloß herumber wohnete / ge - dienet hatte / erforſchete er alles / wie es inn ſolchem Hauß ſtuͤnde / wo man auß vnd ein ginge / ſonder - lich aber / wo der Herꝛ im Hauß / den ich vor dieſes mal nicht wil nennen (dann es nicht von noͤthen iſt / daß ich jemandts allhie mit außgedrucktemD vNamen50Beutelſchneider / oderNamen nenne) ſein Gelt hinthaͤte: Vnnd als er das alles von dem Laqueyen wol außgeforſchet vnd verſtanden hatte / da ſtellet er einen ſeiner Ge - ſellſchafft an / er ſoll ſo bald zu ſolchem Herꝛn / (deſ - ſen Hauſes Gelegenheit vnnd alles andere er wol außgeſpehet hatte) gehen / jhm ſeinen Dienſt an - bieten vnd fragen / ob er nicht eines Dieners vnnd Laqueyen bedoͤrffte: Welches dann der abgefertig - te ſo bald ins Werck ſetze[t]e / vnnd wuſte ſich ſo freundlich und hoͤfflich zuſtellen / daß jhn derſelbi - ge Herꝛ zu ſeinem Laqueyen ſo bald anname / dann er kondte nimmermehr gedencken / daß ein ſolcher Betrug darhinder ſtecke: Aber es macht es da ſol - cher Herꝛ / als wann ein Schaͤſerhund wolte ei - nen buͤrger vnter den Woͤlffen ſuchen / die Schaf zuverwahren.

Nun dieſer vermeinte Laquei / als er nun ein Tag o[d]e[r]viertzehen bey ſeinem Herꝛn war gewe - ſen / nimpt die Hauptſchluͤſſel deß Hauſes / drucket ſie in einen Teig ab / vnd gibt ſie dem Cheſnay / wel - cher ſo bald durch den Schloſſer jhme gleichfoͤr - mige Schluͤſſel laͤſt machen: Vnd als ſolches ge - ſchehen / gibt er achtung auff die Zeit / da der Hauß - herꝛ mit ſeinem gantzen Haußgeſind ſpatzieren faͤhret uͤber Feld auff ſein Feldgut / welches nah bey Pontoiſe liget: Vnnd weil man deß Nachts beſſer als deß Tages ſolche Diebſtuͤck kan verꝛich - ten / gehet er ſampt den ſeinigen mit einer verbor - genen Laternen in das Hauß / vnnd ſanget an Thuͤr vnd Thor / Kiſten vnd Kaſten / darinnen ſie Gelt zu finden vermeinten / auffzuſchlagen: Aberwie51Diebs Hiſtorien / das I. Buch.wie dem allem / ob der Herꝛ deſſen berichtet / oder jm ſonſt nichts guts moͤge getraumet haben / oder wie es ſonſt muſte mit dem Gelt zugangen ſeyn / ſo finden ſie nichts als das ledige Neſt.

Derhalben ſo verfuͤgen ſie ſich in die nechſte Kammer darbey / vnd nach dem ſie eine groſſe Ki - ſte / welche man ſonſt muſte mit vier Schluͤſſeln auffſchlieſſen / auffgeſchlagen hatten / finden ſie vil Silbergeſchirꝛ / vnd ſtehlen auff die fuͤnff hundert Kronen werth darvon: Als ſie aber alleweil wider der Thuͤr mit jhrem geſtohlenen Gut hinauß ge - hen woͤllen / ſihe da kompt der Haußherꝛ mit zween Laqueyen / ſchleuſt auff vnd gehet dem Hauß hin - ein / dann er war kranck wordē von einer ſchwach - heit / welche jhn alle zween Manat ankame.

Den Rougats kompt das gar wunderbarlich fuͤr / daß der Herꝛ zwar ſo ſpat vnd langſam / aber jhnen allzu fruͤh wider heimkommet / vnnd wiſſen nicht / was ſie jmmeꝛmehr anfangen ſollen: Dann der Thuͤr hinauß mit der geſtohlenen Beute zu - lauffen das kondten ſie nicht thun: Ohne Beut darvon zugehen / das wolte jnen auch nicht ſchme - cken: Derhalben ſo verbergen ſie ſich auf das aller - geſchwindeſte vnnd beſte / als ſie koͤnnen: Aber zu allem Vngluͤck gerathen ſie in die Kammer / wel - che zwar weit von dem Ort / da der Herꝛ lage / ab - gelegen ware / aber gleichwol ſo lagen die Laqueyen in ſolcher Kammer: Nun / was ſollen ſie thun? Sie koͤnnen fuͤr dißmal nit anders / derhalben ſo verbergen ſie ſich ſo gut als ſie koͤnnen / etliche vn -ter52Beutelſchneider / oderder das Beth / etliche hinder das Ruͤſtgezeug.

Der Haußherꝛ / der von dieſem allem nichts wuſte / gehet zu Beth: Man hatte zwar ein geruͤm - pel gehoͤret / aber kein Menſch dachte dahin / daß Raͤuber vnd Dieb im Hauß ſeyn ſolten / dann ſie hatten das Hauß allenthalben wol verwahret vnd zugeſchloſſen gefunden.

Als aber die Laqueyen auch inn jhr Kammer kommen / ſich niderlegen vnnd ſo bald darauff ent - ſchlaffen / ſihe da fangen die jenige / welche ſich vn - ter das Beth verborgen hatten / allgemach an wi - der auß der Schalen zu kriechen / vnd gehen inn ei - ne Kammer ſtracks darbey / welche auff die Gaſſe gienge: Vnd als ſie darinn ſeyn / da binden ſie Tuͤ - cher zuſammen / vnd laſſen ſich alſo daran auß der Kammer auff die Gaſſe: Cheſnay aber vnd einer von der Geſellſchafft bleiben allein inn der Kam - mer mit jhrer Beut / damit ſie dieſelbige auch hin - ab laſſen / ehe ſie ſelber hernacher ſteigen.

Aber als ſie das geſtohlene Silbergeſchirꝛ alſo anbinden vnd hinab laſſen woͤllen / ſo wird der je - nige / ſo auch inn der Kammer bey dem Cheſnay war gewahr / daß er ſein Piſtol vnter der Laqueyen Beth vergeſſen hat: Vnnd weil er auch ſo ein ge - ringes nicht wil dahinden laſſen vnnd verlieren / wie der Hundt Eſopt / welcher da er im Waſſer zwey ſtuͤck Fleiſch wolte haben / gar keines darvon hekame / ſo begibt ſichs / daß inn dem er das Rohr wil angreiffen / gehet es loß / daruͤber erwachen die Laqueyen / ſpringen auß dem Bethe / vnnd lauffen zu jhren Wehren: Die zween Rauber / damit ſieauch53Diebshiſtorien / das I. Buch.auch nicht ergrieffen werden / gewinnen das Fen - ſter vnd das angemachte Seyl / gleich wie die jeni - ge / welche auß dem Huͤltzern Pferd herauſſer ka - men / vnd die Statt Trojam pluͤnderten.

Cheſnay hencket ſich am erſten an das Seyl vnd an die Tuͤcher / welche er aneinander gebun - den hatte / vnd laͤſt ſich in ſolchen groſſen ſchrecken allgemach dem Fenſter heraber: Aber als er nun gerad mitten auff dem Weg an dem Seyl iſt / ſi - he da gehen die zuſammen gebundene Tuͤcher auff vnd von einander / vnd faͤlt alſo Cheſnay von dem zweiten Stockwerck auff das Pflaſter: Vnd wie - wol er uͤbel verletzet iſt / ermuntert er ſich doch / macht ſich darvon / vnnd vermahnet ſeine Geſel - len / ſie ſollen ſich geſchwind auch auß den Fuͤſſen machen.

Wie ein magere Katz thut Cheſnai darvon gehen /

Begert auch nit einmal hinderſich da zu ſehen

Der andere aber wird gar beſtuͤrtzet vnd geaͤng - ſtiget / daß er mit dem Raub auff dem dritten Stockwerck allein ſoll bliebn / kan auch nicht hin - ab ſteigen / dieweil das Seylſchon mit Cheſnay gebrochen war / vnter deſſen ſo kommen die La - queyen mit Spieſſen / Hellbarden vnnd Wehren in die Kammer: Der Haußherꝛ erwachet auch daruͤber / vn̄ wiewol er uͤber alle maſſen ſehr kranck ware / jedoch ſo macht er ſich inn ſolchen ſchrecken auff / ſtellt ſich zu wehre: dann er meinete / ſein gan - tzes Hauß wer voll Rauber.

Labor vocat ultimus omnes.

Sol -54Beutelſchneider / oder

Solcher ſchrecken erwecket die andern / daß ſie alle zuſammen kommen. Endlich aber als ſie ſe - hen daß niemands als ein eintziger Menſch da iſt / gehen ſie bey jhn / vnnd nach dem ſie jhm Bauch vnd Ruͤcken mit der Helbarten wol geſalbet hat - ten / ſchlieſſen ſie jhn in eine Kammer / inn Mey - nung / jhn deß morgenden Tags der Obrigkeit zu lieffern: Vnter deſſen aber / da der Raͤuber ſihet / daß er in ſolcher Angſt vnd Gefahr ſtecket / nimbt er jhm fuͤr / er woͤlle zum Fenſter hinab ſpringen / vnd nach dem er zwo oder drey Servetten / vnd ſei - ne Hoſenbendel zuſammen gebunden hatte / laͤſt er ſich allgemach dem Fenſter hinab: aber die Cor - del bricht wider / vnnd faͤlt ſo uͤbel auffs Pflaſter / daß er jhm ſelber den halben Kopff ſpaltet.

In dem er aber ſo jaͤmmerlich auff der Gaſſen liget / ſo gehen die Nachtwaͤchter fuͤruͤber / vnd hoͤ - ren / daß man jnen ſo ſehr nach ſchreyet: derhalben ſo namen ſie diſen Dieb gefangen / vnd fuͤnff oder ſechs von jhnen / den Wechtern / lauffen den an - dern nach / welche ſchon auff der newen Bruͤcken waren.

Als nun ſolches Cheſnay ſihet / daß jm vnd ſei - nen entrunnenen Geſellen ſo ſtarck wird nachge - ſetzet / halten ſie ſtill / vnd ſtellen ſich zur Wehr wi - der die jenige / ſo ſie verfolgeten: Sie thun auch / als wann ſie je zu auff die Schuͤtzen zu ſchieſſen woͤllen: Aber wie es manchmals gehet / daß der je - nige / der in ſeinem Gewiſſen ſich einer Vbelthat ſchuldig weiß / weniger Hertz vnnd Gemuͤth hat widerſtand zu thun / als die jenige / welche mit ei -nem55Diebshiſtorien / das I. Buch.nem guten Gewiſſen vnd guten grund jre Feinde angreiffen: Alſo gehet es jhm allhie auch: Dero - halben fangen ſie an zufliehen / doch werden jhrer zween darvon beym Kopff erdappet / welche ſo bald all jhre Bubenſtuͤck vnd Dieberey bekennen.

Man fuͤhret ſie hier auff auff das Chaſtelet / vnd zween Tage hernacher werden ſie à la Greve auffgehencket / ſampt dem jenigen / der ſich dem Fenſter hinab geſtuͤrtzet hatte / wie wir erzehlet ha - ben. Dann wiewol derſelbige ein ſchweren Fall gethan / vnd ſich ſelber uͤbel verwundet hatt / ſo hat jhn doch ſolches nicht gehindert auff die Galgen - leyter zu ſteigen vnd ſein Leben ſo ſchaͤndlich zu en - den / als uͤbel er daſſelbige angefangen hatte.

Als nun Che[ſ]nay ſahe / daß man mit ſeinem Spießgeſellen ſo uͤbel vmbgienge / veraͤndert er ſo bald ſein Herberg / dieweil er vernommen hette / daß man jhn auch ſchon bey der Obrigkeit ſolte angeben / vnnd nach allen ſeinen Farben beſchrie - ben haben: Hielte ſich ein Zeit lang mit etlichen ſeinen Geſellen inn der Newſtatt Sanct Mar - ceau / vnnd deß Nachts begabe er ſich dann in die Vniverſitet allda auch zu fiſchen: Dann es ware auch ſehr gemein / daß man ſich an die Studenten machte / vnd das geſchahe gemeiniglich durch die Rougets vnd Griſons.

Hier kan ich mit ſtillſchweigen nicht uͤberge - hen die Argliſtigkeit / die ſie bewieſen an einem jungen Champaguer / welcher nach Paris ware kommen allda zu ſtudieren: Dann als ſie geſehen / daß er gar einfaͤltig ware vnnd zimlich Gelt beyſich56Beutelſchneider / oderſich hatte / welches jhm ſeine Eltern mitgegeben hatten in der Vniverſitet ſich an einen Ort in die Koſt zugeben / oder eine Kammer zubeſtellen / vnd ſich ſelber darinnen zuverkoͤſtigen / geſellen ſie ſich zu jhm / vnnd dieweil ſie ſo bald ſahen / daß er gar wol mit ſich vmbgehen lieſſe / fuͤhrten ſie jn etliche mal mit jhnen zu Tiſch / vorgebend / ſie ſeyen auch ſeines ſtands / vnd woͤllen auch allda ſtudieren. In dem aber das geſchahe / daß jn etliche alſo mit ſich zu Tiſch fuͤhreten / giengen die andern hin vnd ſta - len jhm alles was ſie finden / Kleider / Leinen ge - zeug / Hembder / Gelt vnd dergleichen / vnd ſchloſ - ſen ſolches alles in die nechſte Kammer / darzu ſie jhm einen Schluͤſſel gegeben hatten: Vnnd zwo ſtunde hernach / als ſie jhn das Colleginm de Na - varꝛa gefuͤhre hatten / ſchloſſen ſie mit einem fal - ſchen Schluͤſſel dieſelbige Kammer auff / vnd tru - gen jhm alle ſeine Sachen hinweg. Vnd alſo mu - ſte der gute Student mit ſeinem ſchaden lernen die Regel deß Deſpauterij / welcher alſo redet: Multa regunt ternum, quibus haud eſt regula certa: Er lernete biß auff den Ablativum von ſol - chen Geſellen decliniren.

Auff ein Zeit giengen dieſer Geſellen vier vn - verſchaͤmbter weiſe in eines reichen Buͤrgershau - ſe / welcher von der Pfarꝛ Sanct Eſtienne ware / vnd nach dem ſie die Zeit wol in achtung genom - men hatten / daß er gantz allein war / begehren ſie ſo bald mit jhme zu reden / die Magd / welche mei - nete / es weren vorneme vnd jrem Herꝛn bekandte vom Adel / laͤſt ſie ohne eintzige einrede zu jhremHer -57Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Herꝛen gehen: Sie gehen darauff in ſ[e]ine Kam - mer / erzeigten jhm eingans groſſe Reverentz / ziehen jhn auff eine ſeiten / als wann ſie jhm etwas wolten ſagen / daran viel gelegen were: Einer vn - ter jhnen / vnd zwar der anſehnlichſte kompt vnd ſagt jhm in das Ohꝛ. Es koͤnne nicht anderſt ſeyn / er muͤſſe jhm zwey hundert Kronen leyhen: Vnd als hierauff der Haußherꝛ zu ruͤck wil weichen / vnd vmb huͤlff ſchreyen / ſtopffen die andere jhm das Maul zu mit einer Servietten / ſetzen jhm ein Fauſtrohr an die Gurgel / ſchweren vnd traͤwen jhme / wann er ſich nur im geringſten mucke oder rege / ſolle er deß Todts ſeyn: Soll derhalben ge - dencken / vnd jhm das begerte Gelt geben: Hier - auff wegert ſich nun der Haußherꝛ im geringſten nicht / ſondern nimpt ein Sack in ſeiner Studter - ſtuben / gibt jhnen das begerte Gelt / vnd ſaſſet ſie wol in das Geſicht / damit er ſie deſto beſſer erken - nen moͤge: Als ſie nun auß ſeinem Hauß gehen / folget er jhnen ſo bald nach / machet ein Lermen auff der Gaſſen / vnd ſchreyet jhnen als Raubern nach: Darauff laufft man jhnen nach vnd helt ſie: Sie aber hergegen ſtellen ſich zur wehr / ſchieſ - ſen auff die Leut zu / vnd dringen durch das Volck durch / alſo daß nicht mehꝛ auß jnen als ein eintzi - ger wiꝛd gefangen / welcher hernach das geloch fuͤr ſeine Geſellen bezahlen muſte. Vnd was ſoll ich euch doch weiters ſagen? Auff ein Zeit traffen ſie an einen vom Adel / welcher jhnen wol bekand wa - re / vnd weil ſie gar wol wuſten / daß er viel Gelts bey ſich hatte / wegen einer ſchweren Rechtsferti -Egung /58Beutelſchneider / odergung / ſo er zu fuͤhren hatte / fuͤhreten ſie jhn mit ſich zum Nachteſſen heim: Vnd da er mit jhnen heim kame / ſtelleten ſie jhm ein gewiſſen Stuel vnd machten / daß er ſich darauff nider ſetzete / da er dann mit Hertzens luſt aſſe / dann er gedachte nit / daß ſie jhn in ein ſolches Vngluͤck / wie hernacher geſchahe / bringen wuͤrden: Als er aber wider vom Stuel auffſtehen wolte / fiengen die Feddern deß Vhrwercks in dem Stul an zu ſpielen / vnd wurd er in ſolchen Stul / wie ein Fuchs im Garn gefan - gen / vnd muſte dieſen hungerigen Jaͤgern das be - ſte / was er bey ſich hatte / geben. Wer alle dieſer boͤ - ſen Buben Diebsſtuͤck vnnd Betrug erzehlen wolte / der thete nichts anderſt / als daß er wolte ſecundam Iliadem ſchreiben: Dan̄ da vergienge kein Wochen / da man nicht etwas newes von jh - nen hoͤrete: Wann die Leut uͤber Tiſch oder ſon - ſten zuſammen kamen / ſo pflegte man bald von nichts anderſt als von der Verſchlagenheit / Boß - heit vnd Betrug dieſer Diebe vnd Rauber zu re - den: Aber der groſſe fleiß / welchen man in Paris anwendet / die State von dieſer Peſt zu reinigen / verurſachet / daß ſie alle zu Paris auß den Neſtern flogen / vnd freye Lufft auff dem Felde ſucheten.

Die Geſetz vnnd gute ſcharpffe Ordnungen ſeyn gleichſam wie ſtarcke Rachkolben / mit wel - chen man die Laſter vnd die jenige / ſo denſelbigen ergeben / gar kan zu Tach darnider ſchlagen: Vnd wann die Regenten dieſelbige gebuͤhrlich gebrau - chen / kan dardurch der Vntugenden vnd den La - ſtern gewehret werden: Da findet man nit leicht -lich59Diebs Hiſtorien / das I. Buch.lich einen / der den Tugend Geſetzen wider zuſte - hen ſich vnterfaͤnget: Es iſt waar / der groſſe fleiß welchen die Oberſten vnd Soldaten zu Paris an - wendeten / ſolchen Rotten vnd grawen Gottloſen Hauffen außzurotten / brachte ſo vil zu wegen / daß Paris ſolches Giffts bald erlediget wurde: Aber gleichwol kondte man ſie nicht vom Land vertrei - ben: Dann ſie theileten ſich allenthalben im Lan - de auß: Wir haben nunmehr angehoͤret etliche Diebſtuͤck / welche dieſe boͤſe Rott in Paris began - gen: Laſt vns nun auch vernemen / was ſie / nach dem ſie Paris verlaſſen / auff dem Land angeſtel - let haben / vnd was man vor Mittel hat gebrau - chet / ſie endlich außzurotten.

Das V. Capitel.

Von dem Rauben vnd Morden deß Che - ſnay / als deß Oberſten der Rougets vn̄ Griſons: Was ſein Mitgeſellen an[vnterſchidlichen] oͤrtern in Franckreich begangen: Wie er gefangen / vnd ſeine fuͤrnembſte Geſellen ſeyn hingerichtet worden.

DEr Menſch nimbt ein verlohrne Arbeit vor / wann er ſich der vnertraͤg - lichen Gewiſſens angſt wil entledigen / durch abweichung von dem Ort / da er ſeine heim - liche Bubenſtuͤck hat begangen. Dann wir ſelber verdammen vns jnnerlich in vnſern Hertzen: vn -E ijſer60Beutelſchneider / oderſer Hertz vnd Gewiſſen iſt vnſer Richter vnd An - klaͤger: Vnd wie ein gewiſſer Author redet: Sequi - tur nemeſis à tergo: die Straff Gottes folget der Suͤnden auff dem Fuß nach.

Wann ein Menſch einmal eine ſchwere Suͤn - de hat begangen / ſo wiſchet das Gewiſſen hinder jhm her / naget vnd quelet jhn / er mache auch was er woͤlle: Wann er ſchon bald dieſes / bald jenes fuͤr die Hand nimmet / deß Gewiſſensangſt dar - uͤber zuvergeſſen / ſo hilfft doch ſolches alles nichts: Sondern / wann das Gewiſſen einmal verwun - det iſt / ſo naget es den Menſchen ſtetig: Es ſtellet vns das Gewiſſen alsdann vor die Augen die er - ſchroͤcklichkeit vnſerer begangenen Suͤnden / vnd die Boßheit vnſer vorgenommenen Thaten / al - ſo / daß wann ein Menſch ſich ſchon wolte in die aller weit abgelegeneſte Wuͤſten Africam / oder Ly - bien verbergen / oder wolte ſeine Tag in Felſen vnd tieffen Loͤchern vnter der Erden zubringen / ſo wuͤrde doch allzeit der Schatten deß Laſters / das er begangen / jhme nachfolgen / jhn Tag vnd Nacht in ſeinem Hertzen ſchrecken / vnd ja endlich zwingen / daß er ſich wol ſelber inn ſeiner Feinde Netze werffe / vnd zu der Straff ſeiner Suͤnden einſtelle.

Ihr habt in dem voꝛhergehenden Capitel ange - hoͤret den Vrſprung vnd Herkommen der Rou - gets vnd Griſons / vnd wie von wenigen ſie ange - fangen / vnd ſo ſchroͤckliche Thaten begangen hat - ben: In dieſem Capitel aber werdet jhr vernemen was Cheſnay / welche der Oberſte in jhrer Diebs -geſell -61Diebshiſtorien / Das I. Buch.geſellſchafft ware / vnnd nach dem er von Paris hinweg kommen / an vnterſchiedlichen oͤrtern in Franckreich hat begangen / vnd wie er auch end - lich ſeinen wolverdienten Lohn hat empfangen.

Cheſnay / wie wir zuvor angehoͤret / muſte ſich von Paris hinweg machen: Derhalben name er jhm vor im Land vmbher zu fahren: Doch blieb er ein Zeitlang voꝛ Montauban / ſo lang als die Be - laͤgerung da werete: Aber weil es jm viel beſſer an - ſtunde in der Rauberiſchen Freyheit zu leben / in welcher er von ſeinen jungen Tagen an ware er - zogen worden / verlieſſe er das Kriegsweſen wider mit etlichen ſeinen Cammeraden / Samblete von ſeiner Geſellſchafft / ſo viel als er kondte / bey ein - ander / vnd fienge an mit denſelbigen hin vnd wi - der / vnd in den Benachbarten oͤrtern zu ſtreiffen vnd zu rauben. Die vornembſte vnter ſeinen Ge - ſellen hieſſen La Pointe, La Favetie vnd La Fon - taine, welche endlich auch mit jhm hingerichtet wurden / wie jhr hiernechſt bald werdet anhoͤren.

Der erſte Angriff / den ſie thaͤten in Guienne / geſchahe an zween vom Adel / welche / als ſie auß dem Kriegslaͤger nach Hauß ziehen wolten / von jhnen an einer Waldecken wurden angegriffen / vnd ermordet / vnd namen darnach alles / was ſie bey jhnen funden.

Als aber nun Cheſnay von allen Orten vnd Ecken ſeiner Geſellen gnugſam zuſammen ge - bracht hatte / vnd nun meinete / daß wann er ſolche vmb vnd bey ſich hette / ſo koͤndte er durchreiſſen / wo er auch hin kaͤme / gabe er jhnen alle dieſe In -E iijſtructi -62Beutelſchneider / oderſtruction vnd Regel / die ſie vnfehlbarlich practici - ren ſolten: Daß / wann ſie entweder einen Kauff - mann oder ſonſten eine vorneme Perſon / bey wel - cher ſie Gelt zu finden vermeineten / antreffen / ſo ſolten ſie ein Geig oder Zitter nemen / darauff ſpielen / machen daß derſelbige darnach muſte dantzen / vnd hernacher jhm den Beutel mit dem Gelt nemen. Welche Gewonheit vnd Regel ſie dann hernacher bey allen jrem Rauben vnd Ste - len practicirten / vnd in achtung namen: Dann wann ſie von weitem einen vornemmen feinen Mann ſahen daher kommen / bey welchem ſie eine gute Beut verhoffeten zu bekommen / geſelleten ſie ſich zu jhme / lieſſen ſich in allerley freundliche di - ſcurs mit jhm eyn / vnd endlich name einer vnter jhnen eine Geyge / oder Eyther in die Hand / vnd fienge an zu ſpielen.

So bald als nun jhr Geſellſchafft auff der Cy - ther oder Geygen zu ſpielen anfienge / da ſtelleten ſich die andere in die Ordnung fuͤr die lange weil / ja zur kurtzweil mit einander zu dantzen / vnd zo - gen den jenigen / welchen ſie berauben wolten / ent - weder mit guten worten / oder mit gewalt mitten vnter ſie / daß er auch mit dantzen muſte / welcher manchmals wider ſeines Hertzen willen dantzte / ja welcher nachmals lieber einen Curanten an ſtatt eines Galliarden hette gedantzet / das iſt wel - cher lieber darvon hette lauffen / als dantzen moͤ - gen: Aber ſie gaben jhm allzeit ſo wol achtung auff die Garn / daß er nicht entfliehen kondte. Vnd wann ſie darnach lang / wie die Bacchanten / her -umber93[63]Diebs Hiſtorien / das I. Buch.umber gedantzet hatten / zwangen ſie jhn / daß er muſte den Spielmann bezahlen / vnd namen jhm alles was ſie bey jhm funden.

Dieſes Stuͤcklein practicirten ſie an vnter - ſchiedlichen Orten / da ſie hinkamen / vnd ſonder - lich practicirten ſie es auff ein Zeit mit drey Kauff - m[]nnern von Paris (deren Namen ich allhier wil verſchweigen) dieſelbigen griffen ſie an in einē Wald bey Orleans (darinnen ſie ſich lange Zeit auffgehalten hatten) vnd zwangen die Kauffleu - te / daß ſie ſich uͤber jhrem ſchaden muſten luſtig machen / vnd noch Caprioln ſchneiden bey dem je - nigen / das jnen durch ſie ware abgeraubet wordē:

Aber / wie die Vorſchlaͤge nicht allzeit gerathen / wie wir begehren / alſo gienge es dieſen Raubern auch: Dann da begab es ſich auff ein Zeit / daß ein dapfferer Soldat / genannt / Eſpine / ein groſſe vnd anſehnliche Perſon / vn̄ der ein verſuchter Kriegs - mann ware / jhnen entgegen kame / in einem Thal nahe bey Sergeaut an der Leire / vnd als Cheſnay deſſelbigen gewahr wurde / vnd dem euſſerlichen anſehen nach wol kondte ſchlieſſen daß er nicht al - lein were / vnd ohn fehlbarlich Gelt bey ſich haben muſte / ſtiege er von ſeinem Pferde / winckte ſeinem Geſellen / er ſolte die Cyther in die Hand nemen / vnd kamen jhm alſo entgegen / vnd ſpielten vnd dantzeten: Der Soldat / welcher nicht wuſte / wo - hin das auffſpieln vnd dantzen angeſehen ware / weichet zu ruͤck / vnd wil ſich / ehe er ein ſchritt fort - ſchreitet / zur Wehrſtellen: Aber Cheſnai vnd ſeine Geſellen geben jhme ſolche gute vnd freundlicheE iiijWort /64Beutelſchneider / oderWort / daß ſie jhm alle forcht vnd argwohn von jhnen benemen / alſo daß / da ſie jhn nun nahe mit - ten vnter ſich bekommen ſie darauff anfiengen zu dantzen nach jhrer gewonheit. Aber der Soldat / der im durchreiſen zu Orleans ſchon etwas von ſolchem dantzen gehoͤret hatte / kondte jhm ſchon ſelbſt die Rechnung machen / was auff ſolches dantzen erfolgen wuͤrde / Derhalben ſo nimmet er ſich an / als woͤlle er ſeinen Hoſenbendel auffbin - den / wiſchet jhn wider alle jhre auffſichtigkeit von dem Dantz / laufft Spornſtreichs zu deß Cheſnay Pferd zu / welches an einen Baum angebunden ware / ſteiget auff / hawet mit ſeinem Degen deß Pferds Zaum entzwer / vnd reitet mit ſolcher vn - geſtuͤmmigkeit durch jhren Dantz hindurch / daß daruͤber zween zu boden fallen / vnd uͤbel an jhren Backen beſchaͤdiget werden / kehret darauff wider. auff Orleans / vnd zeiget der Obrigkeit allda an / was jhm begegnet ware / gibt auch Warzeichen deß Orts / an welchem man die Rauber erdappen koͤndte / Aber man kam aller zu langſam / Dann da Cheſnay ſahe / daß jhm ſein dantzen uͤbel ware be - kommen / vnd er in ſeiner Hoffnung betrogen wa - re / machte er ſich ſo bald auß dem Staub / kehret wider inn die Herberge / da ſeine Geſellen jhre Pferd hingeſtellet hatten / vnd zeucht darvon in Picardie / da er dann ſolches Dantzen auch ein Zeit lang getrieben / biß ſo lang / daß die Leut ſol - ches inn[e]n worden / vnd ſo bald / als ſie Cheſnay mit ſeinem Anhang erſehen / haben von weitemange -65Diebshiſtorien / das I. Buch.angefangen an ſtatt eines Galliarden / einen Cou - ranten zu dantzen / vnnd ſich durch die Flucht zu ſalviren

Es iſt auch wahr / daß dieſer Cheſnai / als er nicht mehr als zween ſeiner Cameraden bey ſich hatte / auff ein Zeit angrieffe einen Kauffmann von Beaurais welcher nach Paris wolte / vnnd brachte jhn vmb in der gegend bey Ponthoiſe / vnd name Pferd / Wahr vnnd alles / was er bey jhm fande: Lieſſe he[r]nacher zween ſeiner Geſellen ſich verkleiden die beraubte Wahr deſto beſſer vnnd vnvermerckter zu Paris zuverkauffen: Als ſie nun zu Paris ankommen waren / vnnd Cheſnat vnter deſſen auff den Roßmarck gienge / deſſen von jhm erſchlagenen Kauffmanns Pferd zu - verkauffen / da legten ſeine Geſellen jhren Kram vnnd Wahr auß / welches dann Vrſach war / daß ſie gegriffen wurden: Dann da man ſahe / daß ſie jhre vermeinte Wahr ſo Schand wolfeil gaben / ſchloſſe jederman darauß / es koͤndte nicht recht darmit zugehen / Es muͤſte ein Betrug darhinder ſtecken / wurden auch auff ſolchen Argwohn ge - griffen / vnd deßwegen zu rede geſtellet / da ſie dann auß trieb jhres boͤſen Gewiſſens ſo baldt alles be - kandten.

Cheſnay / der noch an einem andern Ort ſolte ſterben / komptwider vnnd wil in der Halle / zu ſei - nen Kauffleuten: Aber als er ſihet / daß das Volck ſo gewaltig zu laufft zu dem Ort / da er zuvor ſeine Geſellen gelaſſen hatte / machte er jhm ſelber die Rechnung / es werde ſeine Geſellen antreffen / vndE vwerde66Beutelſchneider / oderwerde man jhn vielleicht nach den Koͤpffen greif - fen / derhalben ſo machet er ſich ſo bald auff ſeine Fuͤß / vnnd nimpt die Flucht: Welches dann fuͤr dißmal ſein groſſes Gluͤck war / wann er ſonſten auch hette vermeyden koͤnnen das Vngluͤck / wel - ches wegen ſeiner Vbelthaten jhm ſolte auff ſei - nen Schaͤdel fallen: Dann nach dem ſeine beyde Geſellen waren ſchrecklich gefoltert worden / wur - den ſie endlich lebendig geradbrechet.

Gleichwol aber ſo laͤſt er jhm ſolches alles kein Warnung ſeyn / die Straff ſeiner Geſellen wil nichts bey jhm verfangen / er faͤhret in ſeinem boͤ - ſen verdamblichen Leben fort / vnd bildet ihm ein: Es ſey kein Donner mehr im Himel / ſeine Suͤn - de zu ſtraffen / er ſihet / daß er ſchon ſo mancher ge - fahr iſt entrunnen / ja daß er noch auß ſo man - chem Labyrinth iſt kommen / gleichwol aber ſo lieb - koſet er jhm ſelber in ſeinem betrieglichen Gedan - cken / faͤhret fort in ſeinem boͤſen Leben / vnnd bil - det jhm ein / es werde jhn auch niemandts wegen ſeiner Vbelthaten ſawer anſehen / oder anreden koͤnnen.

Er bringet ſeine Geſellſchafft wider zuſam - men / begibt ſich ferꝛners in ſein voriges Leben / ver - fuͤget ſich hinauß auff das Feld / vnnd als er drey Buͤrger antrifft ſprengt er ſampt fuͤnff oder ſechs ſeiner Spießgeſellen ſolche Buͤrger ſo hart an / daß ſie nichts anderſt darauß ſchlieſſen koͤndten / als daß es ſie Gelt / Pferd vnd Leben koſten wuͤrde: Zu dem anſehnlichſten vnter ſolchen dreyen Buͤr - gern ſpricht Cheſngy / das Pferd / das er habe / ſeyjhme67Diebs Hiſtorien / das I. Buchjhme innerhalb drey Tage geſtohlen worden: Vnd daß er entweder jhm ſolches Pferd ſo bald muͤſte wider geben / oder wolte er jhm ein Degen inn ſei - nen Leib hinein ſtoſſen / daß er es jhm nicht ſolte laͤugnen: La Fauerie, La Pointe & La Fontaine ſprenden die andere zween auch ſo vnverſchaͤmbt an / vnd woͤllen ſie uͤberꝛeden / ſie haben jhr Pferde: Alſo klagte auff ein Zeit beym Eſopo der Wolff das Schaf an / vnd beſchuldigte es / es hette ſeiner geſpottet: Alſo klagte auff ein Zeit der Fuchs ein Huhn an / vnnd ſagte es hette jhn geſcholten vnnd geſchmaͤhet / vnd alſo fallen gemeiniglich alle ſol - che klagen auff die vnſchuldigen / dieſelbige muͤſ - ſen gemeiniglich die Pfan placken / oder wie man im Sprichwort redet / das Geloch bezahlen. Die gute Buͤrger ſehen / daß ſie gefangen ſeyn / wiſſen nit / was ſie thun oderreden ſollen / ſteigen ab von jhren Pferden / vnd doͤrffen dieſen vnmenſchlichen Woͤlffen nicht mit einem Wort widerſprechen: Sie muͤſſen jhnen Gelt vnd Pferde laſſen / vnnd muͤſſen ſich noch darzu bedancken / daß ſie jhnen das Leben nicht gar genommen hatten. Dann der Cheſnay war ein Blutgiriger tyranniſcher Men - ſche / vnnd achtet deß Menſchen Leben nicht mehr als das Leben eines jungen Huͤnleins.

Es begabe ſich auff ein Zeit / daß als ſeine Mit - geſellen ſich auff ein Marck begeben hatten / allda mit fuͤnff Figuren einzukauffen / er ſich auffs Feld vnter deſſen begabe / nahe bey der Statt Maas ware gantz allein / vnnd ritte in dem Feld vmbher ſpatzieren: Vnd als der Abend herbey kame / kamer deß68Beutelſchneider / oderer deß Abends in derſelbigen gegend in ein Wirts - hauß / allda uͤber Nacht zu ligen: Da kant[ih]n nun niemand / kondte auch niemands gedencken oder jhm einbilden / daß er ein ſolcher Gaſt ſeyn ſolte: Dann er war wol gekleidet / kame mit einem ſchoͤ - nen Pferd daher geritten / vnd fragte / ob ſie jhn die Nacht uͤber herbergen wolten / vnnd etwas zu eſ - ſen hetten: Darauff man ihm dann auffmachte / vnd ließ jhm mit ſeinem Pferd in die Herberg ein - ziehen.

Nun trug es ſich zu / daß eben zu ſolcher Zeit in ſolcher Herberg auch war der Oberſte / oder der Amptmann von Mans / mit ſeinen Dienern vnd Soldaten / welcher mit ſeinen Dienern deß Tags vmbher zoge im Felde eben dieſen Straſſenrau - ber zuſuchen / vnd dermal eins zu erdappen: Aber weil keiner vnter jhnen war / der den Cheſnay je - mals weder hinden oder forn geſehen hatte / ſo kon - ten ſie auch jhn dißmal deſto weniger erkennen / o - der wiſſen / wer er were.

Als nun Cheſnay in die Herberg kompt / fragt er den Wirt / ob er keine frembde Gaͤſt mehr habe / vnd ob niemand bey jhm in ſeiner Kammer wer - de ſchlaffen / der Wirth antwortet ihm vnd ſagt / es ſeyen drey oder vier vornehme Perſonen ſchon bey jhm ankommen / vnd dieſelbige werden bey jhm in der Kammer ſchlaffen: Cheſnay / der nicht wuſte / was es fuͤr Leut ſeyn moͤchten / laͤſt ſie fragen / ob ſie es leyden moͤchten / daß er mit jnen zu Nacht eſſe.

Der Amptmann von Mans laͤſt im wider ſa - gen: Es geſchehe jhm darmit ein groſſe Ehr / vndmoͤge69Diebs Hiſtorien / das I. Buch.moͤge zu jhm kommen: Vnnd als er der Thuͤr zu jhnen hinein gehet / ſtehen ſie alle vom Tiſch auff / jhm Ehr vnd Freundſchafft zu erzeigen.

Cheſnay ſetzet ſich zu jhnen an Tiſch / vnd erzeh - let jhnen / wie daß er auß dem Laͤger komme vnnd daß er ſo ſtarck ſey fortgeritten / daß jhme ſeine La - queyen nicht haben nachfolgen koͤnnen / vnd ſeyen alſo im Nechſten Dorff geblieben.

Hierauff kommen ſie mit einander von einem Geſpraͤch in das ander / reden von dem / das inn Languedoc / Vivarees vnnd Rochelle geſchehen ware / vnnd auß den wackern Geſpraͤchen / welche Cheſnay mit jhm hielt / hette der Amptmann von Mans nimmermehr abnehmen oder gedencken koͤnnen / daß er ſo nahe ſolte ſeyn bey dem jenigen / welchen er ſo fleiſſig ſuchte: Dann er kondte ſich uͤber alle maſſen wol ſtellen / vnd verſahe jhn jeder - man vor niemands anderſt / als vor einen vorne - men vom Adel.

Als ſie aber weiter inn das Geſpraͤch hinein kommen / vnd fragen / was in den benachbarten oͤꝛ - tern vorgehe / da mercket Cheſnay / daß er mitten vnter den jenigen iſt welche jm nachſtelleten / der - halben ſtellete er ſich euſſerlich viel anderſt / als jm in ſeinen Hertzen zu muth ware: Felt auff andere Geſpraͤch / vnd verfluchet die Diebe inn Abgrund der Hellen: Erzehlet jhnen auch darauff / wie er ſelber / als er von Tholoſe außgezogen / ſey durch etliche boͤſe Buben beraubet worden / welche jhm all ſein Gelt abgenommen haben.

Der Amptmann / welcher nit ſahe / vnd merck -te /70Beutelſchneider / oderte / warumb er ſolche Geſpraͤch hielte / hoͤret jhm zu vnd haͤlt dem euſſerlichen anſehen nach / daß er die Warheit rede: Vnd als nun die Abendsmahlzeit gehalten / vnnd ſie auch lang miteinander ge - ſprachet / vnnd geredet hatten / von deß Koͤnigs Kriegsvolck / von der belaͤgerung Mantauban / wie Rochelle were Bliquiret / vnd von allen Or - ten ſo hart belaͤgert worden / von der Kriegsberei - tung ſo man mache / Krieg zu Waſſer vnd Meer zu fuͤhren / vnd von andern Sachen / ſo zu ſolcher Zeit vorgiengen / gehet ein jeglicher ſchlaffen. La Cheſnay lage auch in ſolcher Kammer / darinnen der Amptmann mit den ſeinigen ſchlieffe / vnnd dieweil er jm vorgenommen daß er ein kurtzweili - gen Boſſen wolte anſtellen / befihlet er dem Stall - knecht / er ſoll ſehen / daß den Morgen vmb vier Vhr ſein Pferd fertig vnd geſattelt ſey: Dann er wolte gern vmb den Mittag zu Mans ſeyn.

Als nun der Tag anbricht / ſtehet Cheſnay auff / gehet zu dem Wirth vnd rechnet mit jhm / fraget / was den Abendt inn allem ſey verzehret worden: Vnd als es jhm der Wirth ſagt / zahlt er fuͤr ſich / fuͤr den Amptmann vnd vor deſſelbigen Diener / vnd als er jetzund wil zu Pferd ſitzen / zeucht er den Wirth ein wenig auff ein ſeiten / ſagt jhm leiß inn ein Ohr / er ſoll dem Amptman von Mans vnnd deſſelbigen Dienern anſagen: Daß ſie geſtern A - bends mit dem Ebeſnai / den ſie ſo fleiſſig geſuchet hetten / haben zu Nacht geſſen / vnnd daß er auch das Geloch fuͤr ſie bezahlet habe.

Zwo ſtunde hernacher ſtehet der Amptmanauff /71Diebshiſtorien / das I. Buch.auff / vnd fraget / ob der jenige vom Adel / ſo geſtern mit jhnen gezehret / hinweg ſey: Man ſagt jhm darauff / daß er ſchon vmb vier Vhren ſey fortge - ritten / vnd nicht bezahlet habe: Sondern habe ge - ſagt / ſie werden ſein Geloch ſchon richtig machen vnd bezahlen.

Der Amptmann / als er ſolches hoͤret / wird er vngehalten daruͤber / vnd verwundert ſich / daß ein ſolcher dapfferer vom Adel / jhm ſolchen Boſſen ſoll bewieſen haben / vnd als der Wirth ſihet / daß erje laͤnger je vnwilliger daruͤber wird / zeigt er ihm an / daß der jenige / ſo mit jhnen zu Nacht ha - be geſſen / ſey der Cheſnay / vnd daß er die Zech fuͤr ſie alle hab bezahlet: Habe auch jhm befohlen / er ſolte ſolches dem Herꝛen Amptmann anzeigen: Der Amptmann wird hierauff noch vnwilliger / macht ſich vnnuͤtz uͤber den Wirth / daß er jhm ſol - ches nicht ſo bald habe angeſaget: Aber der Wirth entſchuldiget ſich vnd ſpricht: Er habe nichts von dem Rauben vnd ſtelen deß Cheſnay gewuſt / ha - be jhn auch fuͤr der Zeit ſein lebenlang mit Augen nicht geſehen / vnd daß er dem Herꝛn Amptmann gantz ſchlecht vnd einfaͤltiglich habe erzehlet / was jhm ſolcher Gaſt anzuzeigen deß Morgens fruͤhe habe befohlen.

Als nun der Amptmann vnd ſeine Diener ſa - hen / daß ſie alſo betrogen ſeyn worden / mahnen ſie die Bawren auff in allen vmbligenden Benach - barten oͤrtern / inn Hoffnung / ſie woͤllen dieſen Cheſnay noch erdappen: Aber ehe man anfienge[j]hm nachzuſetzen / hatte er ſich ſchoͤn ſalviret / vnndware72Beutelſchneider / oderwar ſchon auff die 10. Meilen wegs weit von jh - nen / vnd alſo entwiſchet er jhnen auß jhren Haͤn - den / da er doch zuvor gantz in jrer Gewalt war.

Aber Cheſnay bildet jhm vergeblich ein / daß er meinet / er woͤlle deß Himmels Zorn wol entge - hen / das vergoſſene Blut ſo viler ehrlichen Kauff - leute / welche er ſo moͤrderiſcher weiſe hatte vmb jhr Leben gebracht / ſchreyet vmb Rach bey Gott: Das geſchrey ſo vieler armen Weyſen / welche er Diebiſcher weiſe hat beraubet / vnd vmb das jhri - ge bracht / zeucht jhm deß Himmels Zorn vnnd Vngnad auff ſeinen Schaͤdel.

Wir leſen inn den Hiſtorien / daß als[auff] ein Zeit ein Fuͤrſt dem groſſen vnnd ſchweren Vnge - witter / das ſich auff jhn zoge / wolte entgehen vnnd ſich wider daſſelbe ſicher machen / vnd verwahren / hat er ein kleines Kind auff ſeine Achſeln geſetzt / vnd jhm eingebildet / er werde durch die Vnſchuld ſolches Kindleins wider das Vngewitter wol verwahret ſeyn: Aber wann Cheſnay / nach ſo vie - len begangenen Diebſtal vnnd Mordthaten die Vnſchuld ſelber nicht auff ſeine Achſeln / ſondern gar in ſein Hertz geſetzet hette / ſo hette er doch nit vermeyden koͤnnen den Zorn vnnd Vngnade deſ - ſen / welchen er ſo groͤblich erzuͤrnet vnnd beleydi - get hatte / dann es war einem gantzen Land vnnd Koͤnigreich daran gelegen / daß er nach ſeinem Verdienſt geſtraffet wuͤrde: Aber wie er mit ſeinen Geſellen gefangen / vnd endlich zur Straff ſey ge - zogen worden / das woͤllen wir bald anhoͤren.

Als73Diebshiſtorien / Das I. Buch.

Als Cheſnay in der gegend Fontaine bleau / vnd im Wald bey Orleans herumber ſtreiffete / kam zu jhm La Fontaine, welcher einer ſeiner Mitgeſellen ware / vnd gab jm dieſen Vorſchlag: Daß wann er begehret ein gute Beut zu erhaſchē / ſolte er ſich gen Perche / da ein groſſer Jahrmarck gehalten werde / begeben / auch ſeiner Geſellē fuͤnff oder ſechs mit ſich nemen / vnd ſtracks auff Ver - neuil zu ziehen / dann das lige nah bey dem Marck vnd ſey ein ſolcher Ort / da man ſich auff ein noht - fall auch verſtecken koͤndte.

Was geſchicht? der Vorſchlag iſt nicht ſo bald gegeben? er wird auch ins Werck geſetzet: Dann Cheſnay nimpt mit ſich La Faverit / vnd zween oder drey ſeiner Spießgeſellen / vnd halten ſich auff vngefehr ein Meyl von Verneuil / gibt vor / bey denen / ſo fuͤruͤber zogen / er muͤſte mit ſeinen fuͤnff oder ſechs Geſellen ſich allda ein wenig auff - halten / einem vom Adel einen Beyſtand zu ley - ſten / welcher ſich an ſolchem Ort mit einem an - dern wolte rauffen.

Vnter deſſen ſo zeucht La Fontaine / der dieſes alles angeſponnen hatte / gen Perche / beſucht den Marck / ſihet die Kauffleut / vnd in dem er ſich ſtel - let / als wolte er hin vnd dar bey einem vnd dem andern etwas kauffen / ſihet er vnter deſſen auß / welche am beſten ſtaffiret ſeyn / vn̄ welche am met - ſten Gelts loͤſen: Vnd als er geſehen daß ein ein - tziger Kauffmann fuͤr tauſent oder zwoͤlffhundert Pfund allerley Waar verkauffet hatte / verfuͤget er ſich an den Ort / da Cheſnay mit den ſeinigenFauff -74Beutelſchneider / oderauffwartete / vnd ſagt jhm: Der Juncker were jetzt auff dem Felde: Dann das ware jhꝛ Art zureden / wann ſie ſich vnter einander die Loſung geben wolten.

Darauff macht ſich Cheſnay mit ſeinem An - hang ſo bald auf / vn̄ verbergen ſich in eine Canin - ges gruben / welche ein halbe Meyl von Vernevil liget / allda außzu kundſchafften / wann der Kauff - mann werde voruͤber ziehen / daß ſie jhm ſein Gelt abnemen. Aber wie der gerechte GOtt endlich / durch die Vbelthaten / mit welchen wir die Ge - ſtirn deß Himmels ſchaͤnden / wirdt ſo erzoͤrnet / daß / wann er lange Zeit die Gottloſe zur Buſſe beruffen / ſie aber ſich nicht beſſern woͤllen / er die Gottloſen zur Straff zeucht / alſo verhaͤnget er auch allhie / daß etliche Perſonē deß Cheſnay Rau - beriſchen vornemens jnnen werden / gehen zu der Obrigkeit zu Vernevil / zeigen derſelbigen an / was Cheſnay mit ſeinen Geſellen fuͤrhabe / vnd wie er auffwarte an ſolchem Ort / den Kauffleuten das Gelt abzunemen.

Hieruͤber wird ſo bald die gantze Statt auffruͤ - riſch: Man ſchicket in die Herberg / da ſie den ver - gangenen Abend gelegen hatten / etwas von jhnen zu erfahren / vnd ob man vielleicht deſto beſſer hin - der ſie kommen moͤchte: Aber ſie erfuhren nichts anderſt von dem Wirth / als daß er darfuͤr hielte / daß ſie Edelleute waͤren / welche jhrer außſag nach dahin kommen weren / einem vom Adel / ſo ſich mit einem andern wolte balgen / Beyſtand zu ley - ſten.

Nun75Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Nun dieſes vorgeben lieſſe ſich wol hoͤren / vnd waren jhrer ſehr wenig / die darauff ſie zuverfol - gen begerten: Gleichwol / wie es allzeit noch Leut gibet / welche mehr vnd weiter / als andere / ſehen / vnnd welche mit mehrer klugheit einer Sachen außſchlag erkennen: Alſo funden ſich zween oder drey dapffere vnd verſuchte Maͤnner / welche dar - fuͤr hielten / die jenige muͤſten Straſſenrauber ſeyn / dieweil man von keinem Zancken / das vor - gangen were / vnd daß ſie gleichwol vorgeben het - te / nichts gehoͤret hette. Vnd were alſo jhr vorge - bens vnd eingebildetes Rauſſen vnnd Balgen nichts anderſt / als ein Deckmantel / jhre Raube - rey darmit zu zudecken: So kam auch das uͤber das darzu / daß man ſie auff dem Jahrmarck hat - te ſpatziern ſehen gehen / vnd daß ſie alle Waaren wol beſichtiget hetten: Derhalben ſo befande man endlich daß ein heimliches Bubenſtuͤck darhinder ſtecken muſte.

Auff dieſe angehoͤrte Muhtmaſſung ſahe man fuͤr gut an / ſie zu verfolgen / vnd die Caninges - gruben / in welche man geſehen hatte / daß ſie ſich hinein begeben hatten / wol durchzuſuchen.

Hierauff namen die vornembſten in der Statt zwantzig oder dreyſſig wolgeruͤſtete Mann / ſo wol zu Pferd als zu Fuß / mit ſich / zogen auff die Can - ninges gruben zu / woͤllen dieſelbige gantz vnd gar vmbgeben / auff daß ſie das Neſt mit den Voͤgeln deſto gewiſſer finden vnd außheben moͤgen.

Als aber ſolches Cheſnay vnd ſeine Spießge - ſellen vermercken / daß man ihnen nachſtelle / ma -F ijchen76Beutelſchneider / oderchen ſie ſich auff vnd darvon / auß ſolcher Kanin - ges gruben / werffen das Haſenpanier auff / vnnd verſtecken ſich / drey Meylen von ſolchem Ort / in einem Wirtshauß / da ſie dann meinen / ſie ſeyen nunmehr auſſer aller Gefahr / vnd haben ſich ſehr wol veꝛſtecket Aber als ſie ein wenig athem ſchoͤpf - fen woͤllen / vnd ſich herfuͤr thun / da ſehen ſie / daß ſie gantz vmbringet ſeyn / nicht allein von dem Volck / ſo von Vernevil ware kommen / ſondern auch von den Benachbarten Bauersleuten / wel - che durch ſolchen Rumor waren auffgewecket worden / vnd welche jhnen auff dem Fuß nachge - ſolget waren.

Als ſie nun ſahen / daß der Zulauff je lenger je groͤſſer wird / vnd daß das Volck ſehr auff ſie zu dringet / da ſeyn jhrer zween ſo geſchwind vnd hur - tig vnd ſehen / daß ſie noch darvon kommen: Die andere vier aber / welche noch da waren / vnd ſich zu Pferd ſetzen wolten / wurden alſo vmbringet / daß ſie jhre Pferd da muſten laſſen ſtehen / vnd ſpentiſiren / wie ſie entrinnen vnd darvon kom - men moͤchten: La Fane[ri]e vnd La Fontaine wa - ren im Hof / vnd wolten je zu Pferd ſitzen zu flie - hen / aber die Bauersleute / welche mit Flegeln / Gabeln / Karſten vnd Bengeln kamen / ſprachen jnen alſo zu / daß ſie ſich ohne ferꝛneren widerſtand gefangen geben muſten.

Als nun Cheſnay ſihet / daß ſeine zween Geſel - len ſchon gefangen ſeyn genommen / dencket er / es ſey nun nicht Zeit ſich lang zubedencken / ſondern muͤſte ſehen / wie er ſich mitten durch das Volckwage /77Diebs Hiſtorien / das I, Buch.wage / oder wie man ſonſten das wuͤten vnd toben deß Volcks moͤge ſtillen: Der Wirth aber im Hauß / welcher von dem Vrſprung dieſes Tu - mults nichts wuſte / iſt beſtuͤrtzet daruͤber: Dann ſein Hauß war aller voll Leute / Buͤrgern / Bau - ern / Soldaten vnd von allerley Volck / ſo der Obrigkeit von Vernevil nachgefolget ware: Man befiylet dem Wirth / er ſolle die jenige Perſonen / ſo in ſein Hauß kommen / vnd ſich darinnen ver - ſtecket haben / herauſſer geben / auff daß ſie der O - brigkeit gelieffert / vnd vmb jhrer Vbelthaten wil - len geſtraffet werden: Aber der Wirth weiß nicht / was er hierauff ſoll antworten: Er ſpricht / Er kenne ſie nicht / er wiſſe nicht wer ſie ſeyen

Was thut aber vnter deſſen La Cheſnay? Als er vnd ſein Mitgeſell La Pointe ſihet / daß ſie im Wirtshauß weder hinderſich oder vor ſich kom - men koͤnnen / da machen ſie mit Baͤncken / Tiſchē / Stuͤhlen vnd mit dem / was ſie in aller eyl finden / gleichſam ein Wagenburg vmb ſich her / vnd ver - ſchantzen ſich ſo wol / daß es vnmoͤglich iſt / daß ein Menſch zu jhn koͤnne kommen: Dann die Stege war aller voller Stuͤl / Baͤnck / Tiſche / alſo daß nie - mands der Stege hinauff kondte kommen: Nie - mandts dorffte ſich vnterſtehen ſie anzugreiffen / er wolte dann vorſetzlicher weiſe ſein Leben in die ſchantze ſchlagen: Darauff ſchreyen ſie oben den Fenſtern herauß / man thue jhnen gewalt vnd vn - recht / daß man alſo mit jhnen vmbgehe: Dann ſie ſeyen ehrliche vom Adel: Aber durch dieſe jhre Wort laͤſt ſich das Volck im geringſten nicht be -F iijwegen /78Beutelſchneider / oderwegen / ſondern ſie ſetzen jhnen je laͤnger je haͤrter zu / daß ſie endlich gar zur Wehr greiffen / vnnd oben herab auff die jenige / ſo zu jhnen ſteigen woͤl - len / zuſchieſſen / traffen aber niemands: Herge - gen fiengen die / ſo drunten warn / auch an auff ſie zu zu ſchieſſen ſo ſtarck / daß ein vornemer vō Adel / ſo nahe darbey wohnet / vnd Bruſſe genant wurd / ſolchen Tumult hoͤret / vnd weil er nicht wuſte / was ſolches ſchieſſen bedeutete / oder woher es kaͤ - me / ſetzet er ſich zu Pferd / nimpt zween oder drey ſeiner Diener zu ſich / vnd folget dem Tumult nach wo jhn daͤuchte / daß er ſeyn ſolte.

Als er nun an das Ort kompt / da ſihet er da die Obrigkeit von Vernevil / fraget was die Vrſach ſey / daß ſie an ſolches Ort kommen ſeyen / vnd als er deſſen Vrſach vernommen / macht er daß er ſelbſt mit Cheſnay kompt zu reden Cheſnay / als er nun ſihet / daß dieſer Bruſſe ſo ein wackerer vnd dapfferer vom Adel iſt / bittet er jhn / er woͤlle jhm doch glauben / daß man jhm gewalt vnd vnrecht thue / daß man jhn alſo verfolge / vnnd daß es vor Gott vnd der Welt vnrecht ſey / daß er Cheſnay als ein ehrlicher vom Adel ſolchem vngeſtuͤm̄en Poͤbel vnd gemeinem Volck ſol zu einem Opffer dienen / bittet jhn derwegen zum demuͤtigſten / er wolle doch ſolches vngeſtuͤm̄e auffruͤriſche Volck ſtillen / vnd ſie beyde / auß den Haͤnden ſolcher wil - den vnd raſenden Bauern erretten.

Der Herꝛ de La Bruſſe / als er ſihet / daß ſie wol geruͤſtet ſeyn / vnd ſo gewaltig reden koͤnnen / kan er jhm nicht einbilden / daß ſie Straſſenrauber ſeyn ſolten / wie man ſie jhm gleichwol beſchrieben79Diebs Hiſtorien / das I. Buch.hatte: Derhalben nimpt er ſie in ſeinen Schutz vnd Schirm auff / vnd bittet den Oberſten von Vernevil / daß jhm erlaubet moͤge werden / ſie in ſein Loſament mit ſich zufuhren / weiter Auffruhr vnd vngelegenheit zuverhuͤten: Dann da koͤndte man ſie doch ferꝛners examiniren / vnd jhr ſchuld oder vnſchuld erkennen.

Der Oberſte oder Richter iſt darmit zu frie - den / doch mit dem beding / dz der Herꝛ de la Bruſ - ſe ſchrifftlich wolte verfaſſen / all das jenige / was vorgangen were / vnd ſich auch mit eigener Hand verſchreiben / daß er ſolche nit allein in ſeine Ver - wahrung nemen / ſondern auff begehren ſolte wi - der lieffern: Welches alles dann der Herꝛ de La Bruſſe eingienge / vnd alſo kehreten ſie alle mit - einander widerumb nach Vernevil.

Hierauff wurden nun dieſe vier Straſſenrau - ber in deß Herꝛen de La Bruſſe Loſament gefuͤh - ret / da ſie dann alle Liſt vnd Mittel erdachten / wie ſie auß deß Herꝛn de la Bruſſe Haͤnden ſich moͤch - ten loß vnd ledig machen: Aber weil er nit allein ein ſtarcken befelch bekommen hatte / ſondern ſich auch ſelber verbuͤrget / ſie zu verwahren / vnd auff begehren an gebuͤrende Ort vnd Ende zu uͤberlief - fern / wann ſie wuͤrden begehret werden / ließ er ſie Tag vnd Nacht deſto beſſer verwahren / daß ſie nicht kondten darvon kommen / erwartend vn - ter deſſen der Zeit / da ſie ſolten abgeholet werden.

Cheſnay / der allerley Argliſtigkeit erdachte ſich loß zu machen / gabe ſich vnter deſſen / wie auch zu - vor geſchehen / vor einen voꝛnemen vom Adel außvnd80Beutelſchneider / odervnd daß man jhm mit Grund der Warhelt nichts als alles liebs vnd gutes wuͤrde nachſagen koͤn - nen: Aber es ware doch alles vmbſonſt vnd ver - lohren / Dann als er wegen dieſer vier Rauber examiniret wurde / ſchriebe er dem Herꝛen de la Bruſſe wider / er hette ſie ſein lebenlang nit mehr / als dißmals geſehen kennete ſie auch gantz vnnd gar nicht / Derhalben ſchriebe nach zween oder drey Tagen der Herꝛ de la Bruſſe an die Obrig - keit zu Vernevil / vnd bate ſie / daß ſie ſolche Ge - ſellen bey jhm abholen wolte / damit er ihrer ledig wurde: Man lieſſe jhnen auch zu entbieten / ſie ſol - ten wol geruͤſtet kommen / Dann ſie moͤchten viel - leicht ein Anhang haben / vnnd koͤndte geſchehen / daß wann man ſie nicht wol verwahrte / ſie wider entwiſchen moͤchten: Hierauff ließ nun der Leute - nant zwey hundert Mann mit jhrer Ruͤſtung zu - ſammen kommen / vnd holete die Straſſenrauber von dem Ort / da ſie waren / ſie nach Vernevil zu - fuͤhren / damit jhnen jhr Recht widerſuͤhre.

La Cheſnay bliebe noch allzeit auff ſeiner vori - gen Meinung / warff auch mit troh Worten vmb ſich / daß er ſich an allen den jenigen / ſo jm ſolchen Schimpff vnd Spott bewieſen / wolte rechen / daß ſie es dermal eins wol erfahren ſolten: Dann er were einmal ein ehrlicher vom Adel / vnd ſolte man derhalben nicht alſo mit jm verfahren / vnd jhm ſolchen ſchimpff anthun.

Aber der gerechte Gott / der den Daniel erweck - te / die zuͤchtige Suſannam zu erloͤſen von den zween Meineydigen Alten Richtern / welche ſievnſchul -81Diebs Hiſtorien / das I. Buch.vnſchuldiger weiſe wolten toͤdten laſſen / erweckete auch in ſolcher gegend vnterſchiedliche Perſonen / welche kamen von vnterſchidlichen Orten / vnnd zeugeten wider dieſe vier Rauber / alſo daß ſie jh - res Raubens / Steiens vnd Mordens gnugſamb uͤberzeuget wurden / vnnd man jetzoſie wolte hin - richten laſſen: Aber als man alle weil wolt auff ſeyn / ſie hinzurichten / fiel ein ſtreit vor zwiſchen dem Oberſten vor Mortage / vnnd zwiſchen dem Amptmann von Paris: Aber es wurde ſolcher ſtreit bald eroͤrtert vnd hingeleget / vnd wurde das Vrtheil uͤber ſolche Rauber alſo außgeſprochen / daß ſie in einem bloſſen Hembd / vnd mit einer Fa - ckel in der Hand vor der groſſen Kirchen zu Ver - nevil ſolten offentliche Buß thun / vnnd darnach darauff an jhrem Ort lebendig geradbrechet wer - den: Welches Vrtheil dann ſo bald durch den Hencker vollſtrecket worden.

La Pointe / La Favere vnd La Fontaine bekand - te offentlich / vnnd mit rewendem Hertzen jhre V - belthaten / Mord / Pluͤndern vnd Diebſtahl / vnnd als ſie ſchon auff dem Rad lagen / warffen ſie dem Cheſnay vor / er waͤre ein Vrſach ſolches jhres ſchmaͤhlichen vnnd ſchmertzlichen Todts / er hette ſie auß dem Kriegslaͤger abgefuͤhret vnnd betro - gen / ſich mit jhm auff Rauben / Stelen vnd Mor - den zubegeben. Aber er wolte gleichwol gantz vnnd gar nichts offentlich bekennen: Vnnd darauß ſe - hen vn̄ lernen wir nun / wie die Gottloſen manch - mals ſelber Garn zu einem ſtrick ſpinnen / daß ſie darmit gefangen vnd wol gar auffgehencket wer -F vden:82Beutelſchneider / oderden: Es heiſt hie wie der Prophet redet: Er hat ei - ne Grube gegraben / vnd außgefuͤhret / vnd iſt inn die Gruben gefallen / die er gemacht hat. Sein Vngluͤck wird auff ſeinen Kopff kommen / vnnd ſein frevel auff ſeinen Schaͤdel fallen.

Die jenige / ſo von Vernevil ſeyn / koͤnnen die Warheit dieſer Hiſtorien ſelber bezeugen vnd be - kraͤfftigen / auch zeugnuß geben / als die ſolches al - les mit Augen geſehen / daß alles das jenige / was ich geſchrieben vnnd erzehlet / in der That alſo iſt vorgangen.

Das VI. Capitel.

Von einem erſchroͤcklichen Mord vnnd Raub zu Paris / von Rochetaille be - gangen / vnd wie es endlich offenbar iſt worden.

ES geſchicht offtermals / daß der vn - ſchuldige fuͤr den ſchuldigen muß bezah - ten / vnd daß der jenige / der ſich die gantze Zeit ſeines Lebens nicht anderſt als ein ehrlicher redlicher Mann hat gehalten / muß das Geloch bezahlen fuͤr die jenige / welche in jhrem gantzen Le - ben nichts als Vbels gethan / begangen vnnd alle Tugenden verachtet haben.

Vnd fuͤrwar ſo iſt es ein erbaͤrmliches ding zu ſehen / daß ein Menſch ohne alle Vrſach vnd Fun - dament / auff ein bloſſen wahn ſoll zum Raub die - nen / dem gemeinen Poͤbel / welcher ſo vieler vn - terſchiedlichen meynung iſt / als er Koͤpff hat / jawelcher83Diebs Hiſtorien / das I. Buchwelcher von einer Sachen nur obenhin vrtheilet / ohne recht gruͤndliche Erkandtnuß.

Wer da wil ein wenig mit ſeinen Augen inn die alte Hiſtorien hinein ſehen / der wird vnzehli - che viel Exempel finden der jenigen / welche nur auff einen bloſſen Argwohn / vnd da kein ſchein deß boͤſen geweſen ſeyn verdammet worden / vnnd iſt ſolches alles geſchehen / durch anſtifftung deß ge - meinen Poͤbels / welcher ſich vor ſeinem eigenen ſchatte foͤrchtet / vnnd von den Sachen / wie der Blinde von Farben redett.

Aber wir haben deſſen ſo ein denckwuͤrdiges E - xempel in der Hiſtorien / welche wir in dieſem Ca - pitel abhandeln / daß es gar nicht noͤtig iſt die alte Chronicken auffzuſchlagen / zu beweiſen das jeni - ge / was ich im eingang hab vorgebracht. Dann jhr werdet es ſelbſten in nachfolgendem Diſcurs vernemen / daß kein Menſch auff der Welt iſt vn - ſchuldiger als Periander geweſen / vnnd iſt doch gleichwol ſo gar uͤbel traetiret worden.

Ihr ſollet derhalben zum bericht wiſſen / daß nach dem zwiſchen dem vnuͤberwindlichſten Koͤ - nig in Franckreich Henrico dem Vierdten / vnnd zwiſchen dem Hertzog von Savoyen ein Fried iſt geſchloſſen worden / da haben ſich zwen Landſtreif - fer / welche gar newlich auß dem Kriegslaͤger wa - ren kommen / vnd welche die Zeit jhres Lebens von nichts anders / als von Rauben vnd Stelen gele - bet hatten / begaben nach Paris / als an einen ſol - chen Ort / der zu jhrem Diebshandwerck gar be - quem ware / vnd da ſie auch verhoffet jhr Raubenvnd84Beutelſchneider / odervnd Stelen deſto beſſer zu treiben / wegen der groſ - ſen menge deß Volcks / ſo alle Tag ſich an ſolchem Ort findet.

Der vornembſte vnter dieſen Raubern hieſſe Rochet aille / ein Tyranniſcher vnd Barbariſcher Menſch / welcher ein verſchlagenen Kopff hatte Vbelthaten zu erdencken vnd anzuſtellen: Dann da vergieng kein Tag / da er nicht ein Bubenſtuͤck ins Werck ſetzte: Allhier wil ich fuͤr dieſes mal nicht mehr als zwey oder drey ſeiner vornembſten Bubenſtuͤck erzehlen / auff daß jhr ſelbſt darauß moͤchte erkennen / was er fuͤr ein ehrlicher Vogel ſey geweſen.

Als dieſer vnmenſchliche Tyrann ein Monat lang inn allen Gaſſen zu Paris ware vmbher ge - lauffen / da hat er endlich erfahren / daß ein junger wackerer Mann ſich bey einem Becker in ſolchem Quartier auffhielte / vnd als er Rochetaille wuſte / daß derſelbige nicht allein viel Gelt hatte / ſondern daß er auch in Rechtsſachen dienete / vnd fuͤr die Advocaten vnd Parteyen ſchriebe / nimmet er jm fur / er mache es auch wie es woͤlle / ja es koſte auch was es woͤlle / mit huͤlff ſeiner Raubgeſellen ſol - chem jungen Mann das Liecht außzublaſen / vnd jhm alles das jenig / was er inn ſo vielen Jahren / da er ſich mit ſchreiben geuͤbet / erworben / abzune - men vnd zu rauben.

Was thut er aber? Er kleidet ſich wie ein vor - nemer vom Adel / gehet zu dem jungen Mann oder jungen Geſellen / nimpt ſich an / er ſey außtruͤck - lich gen Paris kom̄en wegen einer ſchwern Recht -ferti -85Diebshiſtorien / das I. Buch.fertigung / ſo er am Parlament habe hangen / vnd gibt jhm etliche Sachen abzuſchreiben.

Der junge Mann / genandt Johannes Proſt / von ehrlichen Geſchlecht vnd herkommen iſt fro / daß er Mittel vnd Gelegenheit bekompt etwas zu thun vnd zuverdienen / vnd verſpricht jhm nach aller moͤglichkeit zu dienen: er ſchreibet das jenige / was er empfangen / ab / vnd wil jm nicht einfallen daß der jenige / der jhm zu ſchreiben geben / ſein Ge - dancken mehr wirfft auff Gelt / wo er es moͤge haben / als auff ſeine faͤlſchlich vorgegebene Recht - fertiguug / mit welcher er jhn alſo betroge.

Aber der Anſchlag iſt ſchon gemacht: Roche - taille nimpt der Zeit wol in acht / erfuhre daß der Becker vnnd ſein Weib / bey welchem Johannes Proſt ſich auffhielte / nicht daheim ſeyn / vnd wie er dieſen Meineydigen Vorſchlag jhm ſchon hat - tt vorgenommen / alſo gehet er ſtracks hinauff inn die Kammer zu Johannes Proſt / welcher gar fleiſſig ware uͤber den Schreiben vnd Sachen / ſo Rochet aille jhm uͤbergeben hatte: Vnd eingangs ſo gruͤſſen ſie ſich gar freundlich / ſie ſetzen ſich ni - der vnd fangen an von allerley Sachen zu reden / Rochetaille / der nit weiß / was er doch fuͤr ein Vr - ſach von Zaun ſoll reiſſen / ſeinen Moͤrderiſchen vnnd Diebiſchen Vorſchlag ins Werck zu ſetzen / fraget den jungen Mann / ob er die jenige ſachen / ſo er jhm habe gegeben / abgeſchrieben habe: Jean Proſt antwortet jhm vnd ſpricht: Es ſey jhm vn - muͤglich geweſen / in ſolcher kurtzen zeit alles abzu - ſchreiben vnd zuverfertigen: Hierauff fanget Ro -cheta -86Beutelſchneider / oderchetaille an zu fluchen vnnd zu ſchweren / ſpricht: wann er die Rechtfertigung ſolte verlieren / ſo ſey er allein Vrſach daran / er woͤlle ſich an jhm erho - len / ſuchet vnd gibet alſo Vrſach / daß ſie mit wor - ten hart aneinander kommen: Endlich aber da er - greifft Rochetaille Jean Proſt beym Halß / ſetzet jhm ſein Rohr an den Halß / flucht vnnd ſchwert bey Gott / wann er jhm nicht ſo bald ſage vnd wei - ſe / wo er ſein Gelt habe / ſo wolle er jhn ſo bald fuͤr jhm erſchlagen: Dem jungen Mann bricht der Angſtſchweiß hieruͤber auß / wil anfangen vmb huͤlff zu ſchreyen / aber Rochetaille mit ſeinē Mo[r]d - geſellen ſtopffet jhm ſo bald den Mund zu / daß er nit kan ſchreyen / zeucht ſein Dolchen auß / vnnd ſtichet jhm zweymal ins Hertz hinein: Sein Mit - geſell thut auch dergleichen / vnd nach dem ſie jhn erſchlagen / werffen ſie jhn inn das heimliche Ge - mach / welches nah dabey ware: Darauff gehen ſie wider in ſeine Kammer / vnd ſchlagen ein Threſor auff / da er ſein Gelt pflegte hin zu thun / vnnd ne - men zwey hundert Kronen / welche ſie an lauter Piſtoleten in ein Sack funden: Vnd als ſie fertig ſchleicheln ſie ſich heimlich widerumb auß dem Hauß / daß ſie kein Menſch ſihet / gehen drauff hin / machen ſich zu Paris luſtig von dem Raub / den ſie an gedachtem Ort gethan hatten / vnnd bilden jhnen ein / es werde nimmermehr kein Hahn dar - nach kraͤhen.

Vnter deſſen verlauffen ſich etliche Tage / daß man Jean Proſt nicht ſihet / Man hoͤret vnnd er - faͤhret nichts von jhm: Der Becker verwundertſich /87Diebshiſtorien / das I. Buch.ſich / wie das moͤge zugehen / daß man jhn nicht ſe - he: Er weiß nicht / was er ſagen / oder gedencken ſoll / dann er war es nicht gewohnet / daß Jean Proſt ſo lang auß ſeinem Hauß ſolte auß bleiben: Er gehet etlichmal fuͤr ſeine Kammer / zu ſehen ob er kommen ſey / aber er findet die Kammer allezeit zu: Endlich ſo laufft er die Kammerthuͤr auff / vnd ſpuͤret ſo viel / daß er muͤſſe todt geſchlagen ſeyn / entweder etliches Gelts / welches Rochetaille ver - geſſen hatte / vnnd dieweil er ſorge hatte / er moͤchte deß Todtſchlags halben angeklaget werden / So ſchleuſt er die Kammer zu / wie ſie vorhin auch ge - weſen war / vnnd wartet / was es doch fuͤr einen Außgang mit ſolcher Tragedien werde gewinnen Wie er nun in ſolchen Gedancken ſitzet / kommen Jean Proſts Mutter fraget / wo jdr Sohn ſey hingangen / befraget ſich allenthalben / mit wem er doch habe pflegen vmbzugehen / vnd weil ſie ſo gar nichts von jhm kan erforſchen / laͤft ſie endlich den Schloſſer kommen / vnnd die Kammer auffma - chen / vnd als nun ſolches geſchehen / vnd ſie in die Kammer hinein tritt / da ſihet ſie ſo bald an dem Blut / welchs noch gantz geklebert / vnd hin vn̄ wi - der geſprenget ware / wie dann auch an dem auff - geſchlagenen vnd verderbten Threſor / das vnfaͤhl - barlich er muſte erſchlagen ſeyn worden inn der Kammer.

Daruͤber iſt nun die Mutter betruͤbet / vnnd weiß vor groſſem Hertzenleyd nicht / wo ſie ſich hin ſoll wenden: Sie heulet vnd weinet / ſie ſchlaͤgt die Haͤnde uͤber dem Kopff zuſammen / vnd weiß nitwas88Beutelſchneider / oderwas ſie thun ſoll: Man ſihet das Blut vnnd die Fußſtapffen / man ſihet / daß das Threſor aller iſt zerſchlagen: Alle anzeigung gaben es / daß er muß in der Kammer erſchlagen ſeyn worden: Aber den Todten Coͤrper kan man nicht finden.

Die Mutter deß Erſchlagenen weiß nicht / wen ſie deßwegen ſoll an[k]lagen / jedoch duncket ſie inn all jrem Sinn / daß der Becker vnd Haußherꝛ ſel - ber den Todtſchlag muͤſſe begangen haben: Dann man funde kein andere Warzeichen / auſſerhalb dem Hauß / alle anzeigung / die ſich finden / lieſſen ſich wol auff den Becker ziehen vnd außlegen.

Derhalben ſo thut die Mutter eines / machet ein Supplication / gibt dieſelbige ein wider den Becker / vnd klagt jhn offentlich an / deſſen an jrem Sohn begangenen Todtſchlages: Es wird auch der Becker darauff gefaͤnglich eingezogen / vnnd vor Gericht geſtellet / vnd iſt niemands in Paris / der jhn ſelber deß Todtſchlags halben nicht ver - daͤchtig halte: Hinc prima mali labes, vnd daher iſt jhm das erſte Vngluͤck entſtanden.

Vnter deſſen ſo gehet das geſchrey inn Paris daß / weil man den todten Coͤrper nicht koͤnne fin - den / ſo koͤnne es nicht anderſt ſeyn / es muͤſſe der Becker jhn in den Backoffen geworffen / vnd zu Aſchen verbrennet haben / welches dann durch ſei - ner eigenen Haußgenoſſen rede deſto mehr bekraͤff - tiget wurde: Dann etliche Maͤgde ſagten / ſie het - ten etwas im Backoffen geſehen / das hette wie Hoſen außgeſehen / vnd etwas hette auch wie eins Menſchen beyn geſehen / welches dann noch mehrbekraͤff -89Diebshiſtorien / das I. Buchbekraͤfftiget wurde durch die rede / welche auff ſein Befragung gefielen: Dann ſein leiblicher Sohn ſagte / daß er were in deß Erſchlagenen Kammer gegangen / vnd haͤtte etlichs Gelt entwendet / wel - ches er ſeinen Stiffbruͤdern geben haͤtte: Gleich - wol aber ſo laugnete der Becker alles: Dann er kondte jhm wol die Rechnung machen / daß wan er nur das geringſte beken̄ete / ſo wuͤrde jederman deſto mehr glauben / was durch das gemeine ge - ſchrey von jhm ware auß geſprenget worden / vnd alſo ergienge es auch: Dann die Muthmaſſung ware ſo ſtarck auff den Becker / daß man darvor hielt / es muͤſte der Becker ſolchen Mord ſelbſten begangen haben / oder muſte doch mit andern vn - der der Decken gelegen / vnd durch andere ſolchen Mord habe anſtellen helffen.

Dann die Mutter / welche den Becker deß Todtſchlags halben verklaget / vnd gefaͤnglich ließ ein ziehen / ſchloſſe alſo / wen ſoll ich deß Todſchlags meines Sons mehr anklagen / als eben die jenige / welche den Raub davon genommen haben: Ich finde keine andere Anzeigung deß geſchehenen Mords: Jederman ſagt / der Mord koͤnne von niemands frembdes ſeyn geſchehen / ſondeꝛn allein von jemands bekandtes auß vnd in dem Hauſe ſelber: Vnd weil der Becker in deß Erſchlagenen Kammer ſey gegangen / habe etliches Gelt ent - wendet / hab die Kammer darauff wider zuge - ſchloſſen / vnd habe vnder deſſen ſolches alles der Obrigkeit verſchwiegen / ſo muͤſſe einmal der Be - cker ſelber den Todtſchlag auch beganen haben /Gvnd90Beutelſchneider / odervnd ſoll man jhn billich zu ernſter wolverdienter Straffe ziehen.

Auff dieſe erzehlte Anklagung konte niemands nichts grundliches antworten / vnd die allerver - ſtaͤndigſte wuſten nicht was ſie bey ſolcher Sache gedencken oder ſagen ſolten: Der Becker ſelber wuſte nicht / was er darzu ſolte ſagen / wiewol er deſſen / das man jhm auffleget / gantz vnſchuldig ware: Gleichwol aber / weil er zu ſolcher ſchweren Klage ſo gar ſtill ſchwiege / ſchloſſe man darauß / er muͤſte den Mord begangen haben.

Was aber ſeine Nachbawern anlanget / gaben ſie alle jhm dieſes Zeugnuß / daß er die gantze Zeit vber in welcher er in jhrer Nachbarſchafft gewoh - net haͤtte / ſich nicht anderſt als ehrlich vnd wol verhalten haͤtte / alſo daß ſie jhm in geringſten nichts boͤſes oder vnehrliches nachſagen koͤndten: Hergegen aber ſo waren auff der andern ſeiten die Muthmaſſung ſo ſtarck / daß man nit anderſt dar - vor hielte / als daß er vnfehlbarlich den Mord muͤ - ſte begangen haben: Welches dann die Mutter beweget / jhn deſto haͤrter bey dem Parlament an - zuklagen / wurde auch endlich gevrtheilet / daß der Becker auff die Folter gezogen / vnd deßwegen mit der Schaͤrpffe ſolte examiniret werden / wel - ches dann auch ſo bald geſchahe: Aber was den Mord ſelber anlanget / kondte man gleichwol auß dieſem vnſchuldigen Becker nichts bringen: Vnd muß ich allhie ſelber ſeinen betruͤbten vnd traw - rigen Zuſtand beweinen: Dann er wurde alſo zer - foltert / daß er kein Glied mehr recht regen vnd be -wegen.91Diebs Hiſtorien / das I. Buch.wegen kondte / es wurde jhm ſein gantzer Leib alſo zerꝛiſſen / daß mich wunder nimmet / daß er in ſol - cher ſchrecklicher Marter ſein Geiſt nit hat auff - geben: Dann er wurde vber alle maſſen ſchrecklich zerfoltert / daß kein vbelthaͤter mehr kan gemar - tert werden / vnd ließ ſich auch ſeine Sach ſo boͤß anſehen / daß niemand ſich dieſelbige zu vertheidi - gen wolte vnderfangen: Das gemeine geſchrey gienge / er haͤtte ſolchen jungen Menſchen ermor - det / vnd haͤtte jhn in ſeinen Backoffen verbren - net / auff daß ja nimmermehr nichts von ſeinem Leibe zu Tag kaͤme / oder offenbar moͤchte werden. Ja es waren etliche vnder dem gemeinen Mann ſo erhitzet wider dieſen armen vnd vnſchuldigen Becker / daß ſie jhn angaben / er haͤtte jhn von ſol - chen Paſteten zu eſſen geben / da ſie darvor hielten / es muͤſte Menſchenfleiſch darinnen ſeyn geweſen / ſo lieblich zu eſſen waͤren ſie geweſen. Vnd was woͤllet jhr mehr / Es lieſſe ſich anſehen / als wann man ein groſſes Opffer thun wuͤrde / wann man nur dieſen armen vnſchuldigen Becker dem to - ben deß gemeinen Poͤbels vbergebe / vnd jhn in Greve offentlich lieſſe hinrichten Aber es hat jhn doch Gott endlich von dieſer falſchen Anklag wel - che der gemeine Mann von jhm geſchoͤpffet hatte / erloͤſet / vnd offentlich darmit bezeuget / daß er iſt ein Erꝛetter der Vnſchuldigen / vnd ein rechter Richter der Gottloſen vnd Boͤſen.

Wir leſen in den alten Hiſtorien / daß als auff ein Zeit Martianus deß Nachts ein todten Coͤr - ver angroffen / vnd denſelbigen auß ChriſtlicherG ijlieb92Beutelſchneider / oderlieb hat begraben woͤllen / welches dann ēine ehrli - che gewonheit iſt / ſo vnter den Chriſten wird ge - halten / iſt er daruͤber gegriffen / vnd auß einem boͤ - ſen Argwohn fuͤr Gericht gefuͤhret / zum Todt ver - dammet / vnnd ſo bald darauff hinauß zum Gal - gen gefuͤhret worden. Es hat ſich aber auß ſon - derlicher ſchickung GOttes zugetragen / daß der jenige / ſo den Mord begangen / eben inn ſolcher ſtunde gefangen / vnd weil er ſelber ſo bald ſolchen Mord bekandt / zum Todt verdammet / hingerich - tet vnd alſo Martianus iſt erꝛettet worden. Dar - auß wir dann ſehen / wie GOtt als ein gerechter Richter / endlichen die vnſchuldigen erꝛettet / die Gottloſen aber / ſie verkriechen vnd verſtecken ſich wie ſie woͤllen / zu wolverdienter Straff thut zie - hen: Wir woͤllen deſſen ein Exempel jetzunder inn vnſerer Hiſtorien anhoͤren:

Vnter deſſen aber / da der Becker / von welchem wir alleweil geredet haben / in ſolcher Gefahr vnd Aengſten ſitzet / vnd man Stuͤl vnnd Baͤnck zu - ſammen ſuchet / wie man jhn / deren wider jn an - geſtelten Anklage uͤberzeugen moͤchte / ſo helt ſich Rochetaille vm̄ Fontaine-bleau herumber in dem Wald / da er dann allzeit mordete vnd beraubete welche er antraffe / dieweil er allda die beſte Gele - genheit darzu hatte: Dann der Koͤnigliche Hoff ware deß mals zu Fontaine-bleau / vnd vnter dem ſchein / daß er ſich vor einen vom Adel außgabe / pflegte er manchen vom Adel an ſolchem Ort zu - berauben: Als er aber auff ein Zeit einen feinen ehrlichen Mann auff dem Weg / ſo von Melunauff93Diebshiſtorien / das I. Buch.auff Fontaine-bleau gehet / beraubet vnd todt ge - ſchlagen hatte / hat ſolches der Oberſte von Melun erfahren / vnnd weil man jhm dieſe Merckzeichen an Rochetaille hatte gegeben / daß er ſolte ein lan - gen Knebelbart haben / der jhm uͤber die Schulter herab hienge / hat er jhn ſo bald verfolget / erdap - pet / gefangen genommen vnd nach Melun gefuͤh - ret / da er dann zum Strang iſt verurtheilet wor - den: Vnd wiewol er von ſolchem Vrtheil gen Hof Appellirte / ſo iſt doch das vorige Vrteil be - kraͤfftiget / vnd uͤber jm vnd ſeinem Geſellen nach - mals außgeſprochen worden / dann ſie waren ſol - ches Todtſchlags alle beyde ſchuldig.

Als man ſie aber zum Gericht hinauß fuͤhrete / ſienge Rochetaille (darauß man billich dz gerech - te Gericht Gottes ſoll erkennen) an gantz uͤberlaut zu reden / vnd ſagte / er muͤſte ſelber bekennen / daß jhn GOtt billich vnnd recht alſo ſtraffete / wegen ſeiner vielfaltig begangenen Vbelthaten / dann er glaube nicht / daß ein Menſch auff der Welt ſey / der mehr Marter vnd Straff / als er verdienet ha - be: Dann er habe ja die Bluͤt ſeiner Jugendt vnd ſeines beſten Alters zugebracht / mit ſo viel Rau - ben / Stelen / mit ſo viel Mord vnd Todtſchlag / welche er nach einander erzehlete / vnnd welche al - le euch allhie zuerzehlen viel Zeit wuͤrde erfordern: Vnter andern aber erzehlet er / daß es jhn hoͤchlich inn ſeinem Hertzen ſchmertzete / daß man den ar - men Pariander (das war der Becker / von wel - chem wir geredet haben) ſo uͤbel hette zerfoltert / da er doch deß Mords / deſſen er were angeklaget wor -G iijden /94Beutelſchneider / oderden / gantz vnſchuldig were: Dann er mit ſeinen Geſellen / allein hette den gedachten jungen Ge - ſellen / Jean Proſt vmbgebracht / da der Be - cker mit den ſeinigen ware in die Meß gegangen: Vnd wann man nur im Hauß inn dem heimli - chen Gemach ſuchet / ſo wuͤrde man den todten Coͤrper gewißlich finden.

Dieſe freywillige vnd offentliche Bekandtnuß kam jederman gar wunderbarlich fuͤr / ſondeꝛlich aber der Mutter / welche den Becker hefftig ange - klaget hatte / auch tag vnd Nacht dahin trachtete / daß ſie es mit jhrer Anklag ſo weit bringen moͤch - te / daß es den Becker ſeinen Halß koſtete.

In dem aber nun / auff geſchehene freywillige Bekandnuß deß Rochetaille / der Becker vnſchul - dig erkandt / frey vnd loß geſprochen / vnnd wider - umb auff freyen Fuß wird geſtellet / durch eine be - ſondere vngewohnliche Gnad / welche jhm vom Himmel ſelber ware kommen / fienge er ein newe Rechtfertigung mit der Mutter deß Jean Proſts an / helt an / daß ſeine Widerſacherin jhm nicht al - lein alle erlittene vnkoſten vnnd ſchaden erſtattet / ſondern auch jhn an ſeiner Ehr / welche ſie jhm abſtehlen wollen / widerum̄ gut mache / bevorab da er wegen deß jhm zugeſchribenen Mords / der doch jhm nimmermehr im Traum were vorkommen / ſo ſchrecklich were zermartert vnnd zugerichtet worden.

Herꝛ Robert wurde dem Becker zugegeben ſeine Rechtfertigung zu fuͤhren: Herꝛ Arnauld aber der Mutter / vnd wurde dieſe Sach gewaltigvon95Diebs Hiſtorien das I. Buch.von beyden theilen getrieben. Dann etliche wenig Tage zuvor ware der Hertzog von Savoyen gen Paris kom̄en / den Frieden mit dem Koͤnig Hen - rico dem Vierdten / Gottſeliger Gedaͤchtnuß zu ſchlieſſen / welcher dann ſelbſten dieſer Rechtferti - gung beywohnete: Herꝛ Robert thaͤte ſein beſtes / vnd wuſte gewaltig hoch auff zumutzen / daß man mit dem Becker ſo uͤbel waͤre vmbgangen / ja daß man / ohnangeſehen ſeine Vnſchulden jhn ſo ſchrecklich zermartert vnd zerfoltert haͤtte: Deß - wegen dann das Parlament / billich die Verklaͤ - gerinne ſolte ernſtlich anweiſen / daß ſie jhm allen erlittenen ſchaden erſtattete / jhn widerumb an ſei - nen Ehrn gut machte / vnd einen offentlichen wi - derruff thaͤte. Aber auff der andern ſeiten da brau - chete ſich nicht weniger Herꝛ Arnauld. Der lieſſe ſein Wolredenheit ſehen / vnd fuͤhꝛet weitlaͤufftig auß / daß ein Mutter nicht vnrecht thaͤte alle Mit - tel zugebrauchen / darmit der jenige an jrem Sohn den begangenen Mordernſtlich geſtraffet wuͤrde / vnd daß gleichwol alle anzeigung vnd muthmaſ - ſung ſo beſchaffen waͤren geweſen / daß der Becker billich darauff auff die Folter waͤre erkennet wor - den: Endlich aber wurde beſchloſſen / daß man die beyden Partheyen ſolte von Hoff abweiſen / ohne eintzige Erſtattung der Vn[k]oſten / eines gegen dem andern.

Auß dieſem gantzen Diſcurs ſchließ ich nun: Daß der Menſchen Vrtheil manchmals gar weit fehlet / aber endlich / bald oder langſam / ſo laͤſt Gott der vnſchuldigen Sach an Tag kommen / vnd vn -G iiijterſchei -96Beutelſchneider / oderterſcheidet den vnſchuldigen mit dem ſchuldigen: Dann GOtt nimmet ſich endlich deß vnſchuldi - gen Sachen an / vnd weiß wol gelegenheit zu fin - den die Gottloſen nach jhrem Verdienſt vnd boͤ - ſen Arbeit zu ſtraffen vnd heimzuſuchen.

Das VII. Capitel.

Von dem erſchrecklichen Leben deß Ca - pirains Carfour / von ſeinem rauben vnd morden / vnnd wie er auch endlich iſt zur Straff gezogen worden:

ES iſt ein wunderbarliches ding zu hoͤren / mit was fuͤr einem groſſen eyffer alle Voͤlcker auff Erben den Diebſtahl zu jederzeit geſtraffet / vnnd was ſie auch fuͤr vnter - ſchiedliche Marter vnd Straffen erdacht haben / die Menſchen von ſolchem Laſter abzuhalten. Gleichwol aber alle der Schimpff / Spot vnnd Schad / welche alle die jenigen / ſo ſich ſolchem La - ſter ergeben / darvon tragen / ja alle die ſchreckliche Marter ſo man zu jederzeit geordnet hat / fuͤr die jenige / welche inn ſolchem Laſter ſolten ergriffen werden / koͤnnen nicht verhindern / daß nicht ein vnzehliche groſſe Zahl der Menſchen in dz ſchaͤnd - liche Garn ſolches Laſters gerahten / welches dann auß dem vnerſaͤttlichen Geitz / damit deß Menſchn Hertz beſeſſen / herfleuſſet / durch welches allerhand Stands Perſonen angetrieben / jhren hoͤchſten fleiß Gelt vnnd Reichthumb zuerlangen anwen -den /97Diebs Hiſtorien / das I. Buch.den / ob gleich ſolches mit recht oder vnrecht ge - ſchehe / wie beygeſetzte Figur außweiſet. Von ſol - chem Geitz werden ſie nachmals zu andern / vnd gemeiniglich zum Stelen angereitzet.

[figure]

Derhalben ſo muß man darauß ſchlieſſen / daß der Menſch gantzſtockblind iſt in ſeinem eigenen Vngluͤck: Dann fuͤr ſeinen Augen ſihet er die Gꝛuben / vnd gleichwol ſo hat er ſein luſt vnd wol - gefullen daran / daß er ſich ſelber daꝛinnen ſtuͤrtzet / auß einer naͤrꝛiſchen vn̄ falſchen einbildung / dar - mit er jhm ſelbſten alſo ſchmeichlet. Wann wirG vdie98Beutelſchneider / oderdie alte Hiſtorien ein wenig auffſchlagen / vnnd durch alle Nationes gehen woͤllen / ſo werden wir befinden / daß kein Laſter mehr auff der Welt iſt / wider welches man mehꝛ Straff vnd Marter ha - be erfunden.

Actiſaves ein Koͤnig in Egypten / nach dem er nun Egypten vnder ſein Gewalt gebracht vnd geſehen / daß der Diebſtahl ſo gemein war / hat er diſes Geſetz gemacht / dz allen den jenigen / ſo eines Diebſtahls wuͤrden uͤberwieſen weꝛden / ſolten die Naſen abgeſchnitten werden. Alſo daß die Zahl der abgeſchnettenen Naſen von Tag zu Tag groͤſ - ſer wurde: Vnd bawere er hernach ein Statt / in der wuͤſten genant Rinocera (welches ſo viel heiſt / als abgeſchnittene Naſen) vnd kan man das in warheit wol ſagen / daß alle die Inwohner ſolcher Statt eine ſonderliche Freyheit hatten / keine Brillen zutragen: Dann die Naſen waren jnen alle abgeſchnitten worden.

Die Indianer hatten ein ſolches abſchewen vordiſem Laſter / daß ſie darvor hielten / daß die ſich zum Stelen begeben / waͤre ein rechts Mittel die gantze menſchliche Geſellſchafft auffzuloͤſen vnd zuverſtoͤren. Derhalbē / wann man den geringſten Argwohn auff einen hatte / daß er ſolte geſtohlen haben / wurde er getoͤdtet.

Damit die Lycier deß Diebsgeſindleins / wel - ches den Leuten das jhrige abſtehle / deſto ehe vnd mehr loß werden / vnd die Dieberey vnder jhnen verhuͤteten / pflegten ſie diſe Straff zugebrauchen / daß ſie alle die jenige / ſo deß Laſters uͤberzeugetwurden99Diebshiſtorien / das I. Buch.wurden / auß freyen Leuten zu Sclaven vnd Leib - eigenen Knechten machten / welches dann bey den Alten fuͤr keine geringe Straffe gehalten wurde.

Die Inwohner in Phrygien hielten ſo ſcharpff uͤber jhren Geſetzen / daß wann einer vnder jhnen nur ein bloſſen Stecken / oder ſonſten ein Inſtru - ment / deſſen man ſich gebrauchen k[]ndt / geſtohlen hatte / ſo wurde er zum Todt verdammet.

Die Bactrianer / wie Rauiſius bezeuget / pfleg - ten diſe Stꝛaffe zugebrauchen / daß ſie den jenigen / ſo eines Diebſtahls beſchuldiget vnd vberzeuget ware / ins Angeſicht hierein ſpeyten / vnd jhnen die Backen mit Speicheln bedencketen.

Die Locrenſer pflegten den jenigen / ſo diſes Laſters ſchuldig erfunden wurden / die Augen gar außzuſtechen: Drauß wir dan̄ ſehen / wie ſcharpff ſie uͤber jhꝛen Geſetzen gehalten haben. Dann als deß Zaleuci (der doch ſelbſten ein Geſetzgeber wa - re /) Sohn eines Diebſtals uͤber wieſen wurde / wolte der Vatter / ſein Sohn ſolte die Straff außſtehen / welche jhm ſo wol als andern Dieben were geſetzet worden: Als aber das Volck ſehꝛ fuͤr ſeinen Sohn bate / daß ſeiner verſchonet moͤchte werden / er aber nicht gern wolte mit verſchonung ſeines Sons andern boͤſe Exempel geben / ergrief - fe er diſes Mittel / vnd lieſſe ein Aug jm ſelber / das ander aber ſeinem Sohn außſtechen / auff daß er nit allein dem Volck zugefallen were / vnd es fei - ner Vorbitt gewehret ſondern damit er auch auff der andern ſetten den Geſetzen ein gnuͤgen thaͤte.

Als100Beutelſchneider / oder

Als auff ein Zeit Zenon ſeinen Knecht inn ei - nem Diebſtahl hatte erdappet / hat er / ſolches ſein Laſter zu ſtraffen / jhn wol geiſſeln laſſen / vnd als der Knecht ſich noch wolte entſchuldigen / vn̄ ſag - te: Es were jhm angeboren / daß er muͤſte ſtelen: Antwortete er jhm darauff vnd ſagte: Wann jm das Stelen angeboren were / ſo muͤſte er jhm das auch angeboren ſeyn laſſen / daß er ſich deßwegen wol muͤſte abſtriegeln laſſen.

Zu Rom / was hat man nicht fuͤr Straffen er - dacht wider die Diebe? Manlius hat er nicht ſei - nen leiblichen Sohn enterbet / vnd auß der Statt Rom verban̄et / dieweil er eines Diebsſtahl ware bezuͤchtiget worden? Sertorius / hat er nicht ein gantze Compagny Kriegsknecht vmb jhrs Rau - bens vnd Stelens willen hinrichten laſſen? Was woͤllet jhr mehr?

Cato erzehlet / daß man den Dieben auch die zween Daumen hat abgehawen / welches dann fuͤrwar ein außbuͤndigs Mittel iſt geweſen / der - gleichen man nichts beſſers hette erfinden koͤn - nen / jhnen alſo das ſtelen zu wehren.

Der groſſe Tamberlan (welcher ſelber ein greu - licher Rauber war / wann je einer in der Welt iſt geweſen) ließ auff ein Zeit mitten vnter ſeinem Volck einem Soldaten den Bauch auffſchnei - den / dieweil er einem Weib ein wenig Milch ge - ſtolen / vnnd jhr dieſelbige nicht hatte bezahlen woͤllen.

Heutiges Tags hatte man nicht auch ſchwere Straffen geſetzet wider die Diebe vnnd Rauber /welche101Diebs Hiſtorien / das I. Buch.welche man endlich an Monfaucon vnd an Gal - gen ſchicket / daß ſie allda deß Nachts bey dem Mond der Schaaf huͤten? Oder welche man auch auff das Rad leget / daß ſie den vorvberꝛeiſſen - den fuͤr Wegweiſſer dienen: Gleichwol aber ſo iſt das ein ſchreckliches ding / daß man der Leute findet / welche ſich ſolchem Laſter alſo ergeben / daß ſie ſelber hernacher nicht darvon ablaſſen koͤnnen / wie ich euch dann wil ſehen laſſen in dieſer Hiſto - rien / von dem Carfour / welcher auch Guillery / (deſſen Leben wir in dem erſtē Capitel / vnder dem Namen Lycaon beſchrieben haben) der grewlich - ſte Rauber in Franckreich iſt geweſen.

Man muß ſich nicht zu Todt verwundern vber den Carfour / wann man ſeine ſchreckliche Mord - thaten hoͤret erzehlen / ja wan man hoͤret die viele vnnd erſchreckliche Moͤrd ſo er begangen / ſo lang als er in Franckreich hin vnd wider hat geſtreiffet: Dann er ware eines Metzgers Sohn / vnnd ware gleichſam alſo zu reden / in dem Blut / vnd in dem ſtetigen Metzlen von Jugendt auff erzogen wor - den. Der Ort ſeiner Geburt hieſſe Montigey an Armancon / nah bey Saincte Raine in Bur - gundt: Sein Vatter wolte jhn anfangs zum Bawersweſen vnd Ackerwerck ziehen vnnd an - halten / daß er etwas ehrlichs moͤchte lernen / ſich dermals eins mit Gott vnd Ehrn zu nehrē: Aber weil er eine ſonderliche innerliche Bewegung in ſich ſpuͤrte / welche jhn zu hohen dingen antriebe / wolte jm ſolches Bawernweſen nicht ſchmacken / vnd begab ſich darauff in das Kriegsweſen / hiel -te ſich102Beutelſchneider / oderte ſich fleiſſig zu den vom Adel / ſo im Lande her - umber waꝛen / alſo daß er in wenig Jaꝛn ſo dapffer ſich im Krieg verhielte / daß er fuͤr den Mannhaff - teſten vnd dapfferſten Cavalier in gantzem Bur - gund gehalten wurde: Dann er ware ein uͤber alle maſſen guter Reuter / vnd kondte ſich in alle Rit - terliche Exercitien ſo wol ſchicken / daß er deßwe - gen bey vornehmen Herꝛn / ſo inn ſolcher gegende wohneten / ſehr beruͤmbt vnd bekandt wurde: Vnd ließ er ſich ſo dapffer an / daß jederman vermeinte / er wuͤrde ein groſſer dapfferer Held werden / vnnd ein ehrliches feines Leben fuͤhren.

Endlich aber / als er die beſte Zeit ſeiner Jugend im Kriegsweſen hette zugebracht / vnd bald dieſe / bald jene beſucht / da bemuͤhe[t]en ſich die Edelleut in ſolcher gegend / daß jhme eine feine ehrliche E - del Jungfrawe / (welche deß Herꝛn de l aurel, ſo zu Bagane / nah bey Auxenne wohnet / vnnd ein ehrlicher vom Adel ware / Tochter ware) zur Ehe wurde gegeben. Was nun dieſe Edel Jung - fraw anlanget / ſo hatte ſie zwar nicht viel vermoͤ - gen / aber ſie ware von der Natur mit allerley ſchoͤ - nen Tugenden vnd Gaaben gezieret / vnd verhof - fet jederman daß in dieſer Ehe ſolche Kinder von beyden / als dapffern Eheleuten / wuͤrden geboren werden / daß ſich jederman daruͤber zu frewen het.

Carfour hielte ſich auch im Anfang gar beſchei - den vnd eingezogen: Er wurd von jederman hoch gehalten / erwarbe auch ein kleines uͤberauß ſchoͤ - nes Haͤußlein / nahe bey der Bruͤcken de Mailly / da er ſich dann etliche Zeit auffhielte.

End -103Diebshiſtorien / das I. Buch.

Endlich brachte er durch ſeine Freunde ſo viel zuwegen / daß er an den Hoff deß Hertzogen auß Lothringen kame / vnnd wurde ein Kriegsmann vnter dem Herꝛn von Roche born / welcher ſeiner Compagny Leutenant ware / vnd welcher jhn lan - ge Zeit gekennet hatte.

Vnnd von der Zeit fienge er an auß dem Ge - ſchirꝛ zu ſchlagen / vnd jhm ſelbſten ſein Vngluͤck zu bawen: Dann als er bey ſolchem Kriegsweſen jhm alle Freyheit name / vnnd ſich nicht mehr be - kuͤmmert / wann er ſchon etwas uͤbels begangen hatte / fienge er an allenthalben zuſtreiffen / vnnd bildet jm ein / es doͤrffte jhm niemand widerſtand thun: Seine Geſellen hieſſen jhn nicht anderſt / als den Boͤhmen: Dann er wuſte alle ſchlich vnd gelegenheit zu Rauben: Es vergienge kein Tag / da er nicht ein newe Liſt erdachte / einem den Se - ckel mit dem Gelt zu erhaſchen: Er ſchneutzet ſie vmb das Gelt: Er betroge ſie durch ſeine Argli - ſtigkeit / vnnd wuſte ſein Perſon ſo wol zu ſpielen / daß es vnmoͤglich ware jhm bey zu kommen.

Dieſes kame nun dem Herꝛn de la Rocheborn zu Ohren / daß nemblich Carfour ſo ein Muſter - Aff war / vnd weil er ſich foͤrchtete / es moͤchte jhm dergleichen tuͤck vnd ſtuͤck auch dermal eins von Carfour widerfahren / ließ er jhn zu ſich fordern in ſein Schloß Rochetaille / welches nah bey der Statt Langres liget / vnnd nach dem er jhme ſein boͤſes verhalten ernſtlich verwieſen / auch jhn ver - mahnet / hinfuͤro in einer andern Compagni vndGe -104Beutelſchneider / oderGeſellſchafft beſſer zu leben / vnd ſie zuverhalten / giebt er jhm ſeinen Abſchied vnd verbeut jm auch / er ſolle ſich hinfuͤro in ſeiner Geſellſchafft nicht mehr finden laſſen: Welches als er Carfour ver - nimmet vnd ſihet / daß er ſo ſchlecht ſoll abgeferti - get werden / ſchmertzet es jhn ſehr in ſeinem Her - tzen / vnd wird ſo toll vnnd raſend darvber / daß er zwoͤlff Landfaͤhrer vnd leichtfertige boͤſe Geſellen an ſich hencket / ſtreiffet in Lothringen hin vnd wi - der / biß an die Franckfurtter Pforten / da er dann viel Raub vnd Mord begienge.

Vnder andern ſo wird das von jhm erzehlet / daß als er auff ein Zeit einen Kauffmann von Paris / (welcher von einem Marck kame / welcher in ſolcher gegend alle Jahr wird gehalten / vnnd ſehr beruͤmbt iſt) angetroffen / kehret er ſo bald vmb / vnd ſaget vier ſeiner Geſellen / ſie ſollen auff die Lothringiſche Grentze in ein Wald / den er jh - nen genennet / ſich ſo bald begeben / vnd allda auff - warten: Er aber nimbt die Poſt zu eben ſolcher Zeit / vnd kommet zu einen ſehr alten Einſiedler / welcher in ſolchem Wald wohnete / vnd bittet jhn hefftig / er woͤlle jhm doch jeiner Roͤcke einen ley - hen: Der Einſiedler beſchweret ſich zwar daruͤber / Endlich aber / als jhn Carfour vberꝛedet hatte / er wolte ſeinen Rock zu nichts boͤſes brauchen / ley - het jhm der Einſtedler den Rock / aber mit dem beding / daß er jhme ſolchen jnnerhalb zween Ta - gen widerumb ſoll zuſtellen.

Hierauff verfuͤget er ſich zu ſeinen Geſellen an den Ort / da er ſie hinbeſcheiden hatte / kleidet ſichwie105Diebshiſtorien / Das I. Buch.wie ein Einſidler / vnd beſihlet jhnen ſie ſollen an ſolchem Ort im Wald bleiben / vnd zu ſeiner zeit thun / was er jhnen befehlen werde: Vnd diewell er ſo beylaͤufftig die Zeit wuſte / da der Kauffman̄ ſolte voruͤber reiten / machte er ſich vorn an den Weg / vnd thut / als wann er ein wenig woͤlle ru - hen: Der Kauffmann / als er auff jhn ſtoͤſt / fraget jhn / wo hin er woͤlle / dann er meinete / es waͤre ein guter einfaͤltiger Einſiedler: Carfour nimpt ſich an / er ſey gar muͤd von dem Weg / den er gegan - gen ſey / vnd ſagt zu dem Kauffmann / er komme auß der nechſten Statt / vnd habe ein Artzt geſu - chet / der ſolle kommen zu ſeinem Mitgeſellen / der hundert vnd funfftzehen Jahr alt ſey / jetzt in Tods noͤthen lige / vnd glaube er nicht / daß er jhn leben - dig widerumb werde finden.

Der Kauffmann fraget hierauff weiters / wie das zugangen ſey / daß der gute alte Einſidler / der doch von nichts anderſt als von Gemuͤſen / Wur - tzeln vnd Kraͤutern hab gelebet / gleichwol zu ei - nem ſolchen hohen Alter ſey kommen: Carfour / der ſeine Luͤgen wuſte meiſterlich zu bemaͤnteln / ſchneid dem Kauffman̄ wacker auff / erzehlet jhm nach der lenge / wie er habe pflegen zu leben / was er fuͤr Speiſe gebraucht / wie er ſich taͤglich habe ge - uͤbet / ja er ſpielet ſeine Perſon mit ſolcher veꝛſchla - genheit / daß der Kauffmann ein groſſes verlan - gen bekommet den Einſiedler / der zu ſolchem ho - hen Alter ſolte kommen ſeyn / zu ſehen.

Carfour iſt fro / daß jhm ſem Boß ſo wol an - gehet / bittet ſelber den Kauffmann / er woͤlle denHAlten106Beutelſchneider / oderAlten Einſiedler beſuchen / bevorab / dieweil ſeine Clauß nit weit ja uͤber funfftzig ſchritt nicht von dem Wege ſey abgelegen: Der Kauffmann fol - get: Dann es wolte jhm nicht einfallen das Vn - gluͤck / welches jhm ſchon uͤber den Kopff hienge: Als er aber zwantzig oder dreyſſig ſchritt in den finſtern Wald hinein kom̄et / da wird er ſo bald vō vier oder fuͤnff Freybeutern vmbgeben / welche mit bloſſen Degen / vnd mit einem Rohr an dem Arm auff jhn zugehen vnd ſagen: Er ſolle jhnen entweder Gelt oder Blut geben: Der Kauffman̄ wurde hieruͤber ſehr beſtuͤrtzet / vnd wil ſich hinder den vermeinten Einſidler verbergen / fraget jhn wo doch der Weg zur Clauſen ſey / dann er kondte noch nicht glauben / daß ſolches alles von dem je - nigen / der jhn fuͤhrete / alſo ſolte angeſtellet ſeyn: Was geſchicht? Als Carfour der vermeinte Ein - ſidler ſihet / daß der Kauffmann nun weit gnug von dem gemeinen Weg iſt / greifft er jhm ſelbſten nach dem Kopff / wirfft jhn heraber von ſeinem Pferd / welches er mit dem Zaum hatte foꝛtgefuͤh - ret / damit es jhn nicht kondte tretten: Vnd als nun der Kauffmann auff der Erden liget / ſetzet er jhm ein Rohr an den Halß / fluchet vnd ſchweret bey Himmel vnd Erden / daß / wann er jhm nicht ſo bald den Seckel mit all ſeinem Gelt gebe / ſo muͤſte er von ſeinen Haͤnden ſterben. Der Kauff - mann hatte zu allem Gluͤck nicht mehr als fuͤnff - tzig Kronen bey ſich / doch ehe er von dem Marck hinweg gezogen / hatte er bekommen ein Wechſel - brieff / vnd ſolte das Gelt zu Paris empfangen:Carfour107Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Carfour als er nun ſihet / daß jhn ſeine Hoffnung betrogen hatte (dann er hatte gehoffet / er wuͤrde auff das allerwenigſte / zwey oder drey hundert Kronen bey jm finden /) wird daruͤber ſo toll vnd raſend / daß er den Kauffmann vollens todt - ſchlaͤget: Leſt hernacher durch einen ſeiner Geſel - len den Einſidler Rock an ſeinen Ort einlief - fern / vnnd nach dem er das Pferd deß Kauff - manns zu Nancy verkauffet / begibet er ſich gen Paris.

Als aber Carfour zu Paris den Wechſelbrieff / welchen er bey dem erſchlagenen Kauffmann ge - funden / jhm wil bezahlen laſſen / wirfft man ein Argwohn auff jhn / daß er dem anſehen nach ein Straſſenrauber ſeyn muͤſſe: Man fragt jhn / was fuͤr Waaren er gelieffert habe / vnd wie er dieſen Wechſelbrief habe bekommen / vnd als man ſihet / daß er in ſeinen reden ſo vnbeſtaͤndig iſt / nimpt man jhn nach Mittag vmb zwey Vhr gefangen / ſchleuſſet jhn in ein Kammer / welche auff dem dritten Stockwerck deß Hauſes ware / in mey - nung / jhn den morgenden Tag der Obrigkeit in jhre Haͤnde zu lieffern.

Als nun Carfour ſihet / daß er alſo verſchloſſen iſt / es wachet jhm ſein Gewiſſen auff / vnd predi - get jhm / daß wann er einmal der Obrigkeit in die Haͤnde werde kommen / ſo werde jhm gewißlich ein ſolches Vrtheil geſpꝛochen werden / daß er dar - uͤber den Kopff werde einbuͤſſen: Da nimmet er jhm vor / er wolle viel lieber dem Fenſter hinauß ſpringen / wiewol es maͤchtig hoch vnd gefehrlichH ijware /108Beutelſchneider / oderware / vnd ſolte er auch daruͤber den Halß abſtuͤr - tzen / als daß er deß morgenden Tages wolte er - warten / vnd als er in ſolcher euſſerſten Leibes ge - fahr ſitzet / vnd dencket / wie er die Sach angreiffen ſolte / folget er nach der Koͤnigin von Carthagine / genandt Dido: Welche / als ſie ſoviel Erden vnd Land begehret hatte / als ſie mit einer Ochſenhaut vmbgeben kondte / hat ſie die Ochſenhaut in kleine lange Riemen zerſchnitten / vnd alſo betrogen die jenige / welchen ſie zu betriegen vermeinten: Alſo macht es nun Carfour auch: Er ſetzet ſich nider / zerſchneidet in lange Bendel ſein Mantel vnnd Hoſen / knuͤpffet ein ſtuͤck an das andere / bindet ſie darnach an das Fenſter / vnd laͤſt ſich alſo in ſei - nem Wambs vnd Schlaffhoſen fein ſeuberlich dem Fenſter hinab / vnnd errettet alſo ſem Leben von dem Todt / welcher jhm ſchon zugeſprochen ware: Aber es iſt doch alles vmb ſonſt vnd vergeb - lich: Er thut nichts anders / als daß er nur ſelber ſeinen Strang nachzeucht / vnd ein Galgenbuß ſuchte / dann endlich muß er doch herhalten: Ein Menſch der ſein Leben mit rauben anfanget / ja welcher nur allein von Morden vnd Rauben le - bet / kan dem Rad oder Galgen doch endlich nicht entlauffen.

Als nun deß Morgends die jenige / ſo jhn ver - meinet wol verſchloſſen vnd verwahret zu haben / in die Kammer kamen / vnd nichts als das Neſt ohne den Vogel fanden / wurden ſie ſehr vnwillig daruͤber vnd traurig / noch trauriger aber wur - den ſie acht Tag hernacher / als ſie erfuhren / daßder109Diebs Hiſtorien / das I, Buch.der Kauffmann todt ware / vnd daß er auff der Lothringiſchen Grentzen ware ermordet worden.

Als nun dieſes geſchehen / begibet ſich Carfour widerumb nach Hauß / laͤſt ſich ſtattlich kleyden / vnnd fanget ſich an wie ein vornemer vom Adel zu halten: Verkleidet ſich / thut eine Larven voꝛ / vnd reitet alle Tag auff die Beute auß / vnd brin - get alle mal ſeinem Weib viel koͤſtliche Sachen mit heim: Aber niemands vnter den Benachbar - ten vom Adel pflegte mit jhm vmbzugehen: Dan̄ jederman wuſte gar wol / daß er ſich zu einer ſehr boͤſen Geſellſchaft hielte / vnd daß es vnmoͤglich were / daß er ohne Rauben vnd Stelen in ſo kur - tzer Zeit ſolte ſo reich / ſtattlich vnd vornem ſeyn worden: Welches dann Vrſach ware / daß er hin - fuͤhr allzeit bey ſich hatte ein hauffen Moͤrder vnd Freybeuter / welche er ſpeiſete vnd vnterhielte / vnd dieſelbige ſtreiffeten auff die zwantzig / ja auff die dreyſſig meylen Wegs vmbher / durchſuchten alle Staͤtte / ſprengeten an die Kauffleute / pluͤnderten die Bauersleute / ſo offt als ſie darzu gelegenheit machen vnd haben kondten.

Nun begab es ſich / daß vnter deſſen der Krieg in Franckreich anfienge / ſonderlich aber im Lande Nivernois / wegen etlicher Empoͤrungen / ſo ſich allda anſponnen: Darauff dann ſolches Vngluͤck erfolgete / daß es am beſten iſt / wann man am al - ler wenigſten daran gedencket / wiewol der Roͤmi - ſche Orator alſo redet: habet præteriti dolores recordatio delectationem: das iſt / Es thut ei - nem gleichſam wol / wann man ſich erinnert /H iijwas110Beutelſchneider / oderwas man fuͤr Vngluͤck vnd Schmertzen hat auß - geſtanden.

Als nun Carfour ſahe / daß ſolche wiewol be - truͤbte Zeit / eine gewuͤnſchte gelegenheit fuͤr jhn war / ſein Rauben vnd Stelen fortzuſetzen / vnd in truͤbem Waſſer zu fiſchen Machte er jhm ein Anhang von boͤſen Buben / vnd von dergleichen henckermaͤſſigen Geſellen / vnd fuͤhrete dieſelbigen mit ſich heim in ſeine Wohnung / in Hoffnung / er wolte im Krieg nicht allein ein vornemes Ampt begehren / ſondern auch gewißlich erlangen: Be - gibet ſich hierauff zu der verſtorbenen Fuͤrſtin ſe - ligen von Nivernois / vnd erlanget ſo viel / daß ſie jhm vier hundert Piſtoleten auff die Hand gibet / ein Compagni Carabiner zu werben / welche er auch ſo bald zuſam̄en brachte. Als er aber wolte auff das Schloß Sanſoy gehen / ein Beſatzung dahinein zulegen / befahle jhm Herꝛ de Collange / welcher in der Provintz Nivernois General Leu - tenant ware / er ſolte ſich mit ſeiner Compagny von dannen nach Nevers / welches nah bey ſol - chem Fuͤrſtenthumb liget / begeben.

Carfour wird vngehalten / daß er ſo ſtumpff ſoll abziehen / vnd daß man jhm den Ort / den er verhoffete zuhaben / vnd den man jhme auch ver - heiſſen hatte / verſaget: Derhalben / da er billich hette deß Herꝛn von Collange Befelch nachkom - men ſollen / thete er eines vnd faͤngt an mit ſeiner Geſellſchafft durch das Land zu ſtreiffen / bedran - get das arme Bauers volck / brandſchaͤtzet vnd Rantzioniret einen jeglichen nach ſeinem vermoͤ -gen111Diebs Hiſtorien / das I. Buchgen vnd Reichthumb: Vnd darzu bedorffte er kein Schreiber nicht / dann er ſelber ware jhm Schreiber gnug: Dan̄ ſo bald als er in ein Doꝛff kame / muſte man jhm das Schatzung Regi - ſter bringen / vnd brandſchatzet einen jeglichen nach dem er ſahe / daß er viel oder wenig vermoch - te / vnd alſo ward dieſer Straſſenrauber in kur - tzer zeit mit deß gemeinen Landsſchaden ſehꝛ reich.

Das gantze Land Auxerrois kan deſſen / das ich allhie erzehle / gnugſam Zeugnuß geben: Dan̄ es finden ſich darinnen noch viel vnterſchiedliche Geſchlechter / welche wegen ſeiner jhnen abge - drungenen Rantzion vnd Schatzung biß an da - to noch nit widerumb zu kraͤfften kom̄en koͤnnen.

Das VIII. Capitel.

Ferꝛnere Erzehlung deß erſchrecklichen Lebens / Handels vnd Wandels deß Carfour / als eines beruͤhmbren Straſ - ſenraubers / vnd wie er endlich ſeinen Lohn hat empfangen.

SO lang als der Krieg in der Provintz Nivernois / wie auch in Champagnen waͤrete / wurde das gantze Land mit bren - nen vnd morden erfuͤllet? Der Wuͤrger / als der Elteſte Sohn der Kriegsgoͤttin machte / daß das gantze Land von dem Blut der Ermordeten vnd Todgeſchlagenen gleichſam gantz uͤberſchwem̄et.

Die Fuͤrſtin von Nivernois / als ſie ſahe / daß ſie von deß Koͤnigs Kriegsvolck / welches derH iiijMar -112Beutelſchneider / oderMarſchalck Herꝛ von Montigny fuͤhrete / gantz vnd gar vmbgeben vnd belagert ware / ſchickte ſie den Marggrafen von Gallerande / als der es mit jhr hielte / in Champagnen zu dem Fuͤrſten von Nevers / jhm anzuzeigen alles das jenige / was bey jhnen voꝛgienge.

Dieſer Marggraff aber von Gallerande / weil er ſich foͤrchtete er moͤcht ſeinen Feinden vnd Wi - derwaͤrtigen vnter die Haͤnde kommen / bevorab aber / weil er durch das Land Auxerrois durchzie - hen muſte / lieſſe ſich durch den Capitain Carfour mit zwantzig oder dreiſſig ſeiner Soldaten beglei - ten / vnd dachte / weil er ſolches Geleit bey ſich het - te / ſo wuͤrde jhm deſto weniger eintzige vngelegen - heit begegnen. Als aber Carfour nun vngefaͤhr zwo Meylen mit jhm ware gegangen / nimbt er jhm fuͤr ein kleines Bubenſtuͤcklein anzuſtellen / oder viel mehr ein rechtes Meineydiges Stuͤck - lein zubegehen / vnd greifft der erſte dem Marg - graffen nach dem Kopff / ſagt jhm / daß weil er deß Koͤnigs Diener ſey / ſo woͤlle er jhn hiemit fuͤr ſei - nen Gefangenen annemen / vnd vnfehlbarlichen dem Koͤnig in Franckreich uͤberlieffern.

Wie ſagt hierauff / der Marggraffe / wilt du al - ſo mit mir vmbgehen? Ich ſchwere euch / antwoꝛ - tet hierauff Carfour / daß jhr entweder mit mir muͤſſet kommen / oder ich ſchlage euch hie Todt / vnnd alſo fuͤhrete dieſer ſchroͤckliche Tyrann den Marggraffen von Gallerande in ſein Hauß vnd Wohnung de Mailly / vnd verwahrete jhn auch ſo wol / daß es dem Marggrafen vnmoͤglich ware auß ſeinen Haͤnden zu entgehen.

Als113Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Als nun der Herꝛ von Collange / vnd der gantze Lands Adel / welcher es mit den Fuͤrſten wider den Koͤnig hielte / ſolchen groſſen ſchimpff / welches Carfour dem Marggrafen von Gallerande hat - te bewieſen / erfuhren / namen ſie auff die hundert Reiſige zu ſich / kamen fuͤr deß Carfour Schloſſe / vnd wolten daſſelbige mit gewalt einnemen / den gebachten Marggrafen widerumb zu entledigen: Welches / als es Carfour ſahe / lieſſe er ſich oben auff der Mauren ſehen / vnd ſagte jnen / daß wann ſie jhm nur die geringſte Gewalt anlegten / ſo wol - te er den jenigen / ſo ſie begehrten / todtſchlagen / vnd jhnen denſelbigen hernacher uͤber die Mawer herauß inn die Waſſergraͤben darwerffen: Wel - ches tyranniſche vnnd vnverſchaͤmbte entbieten dann ſie bewoge / daß ſie mit jhm ein Aecord traf - fen / vnd jhm e[in]groſſe Summa Gelts fuͤr Ehrn - gedachten Marggrafen zur Rantzon verſprechen muſten: Es hielte auch Carfour den Marggra - fen ſo lang fuͤr ſeinen Gefangenen / biß daß er die jhme von jnen verſprochene ſumma Gelts in ſei - ne Haͤnde ſelber hatte empfangen.

Meinet jhr nun auch / daß jemals ein groͤſſer Meineyd von einem Menſchen ſey begangen wor - den / als eben allhier von Carfour iſt geſchehen? Gleichwol aber ſo hat er hernacher ſolchen Mei - neyd wol bezahlen vnd buͤſſen muͤſſen: Dann der Marggraf von Gallerande ließ jhn peinlich an - klagen / vnd zum Strang vnnd Galgen verdam - men: welches vrtheil dann auch / ſo bald zu Villec neufer le Roy Bildnußweiſe in abweſeu deß Car -H vfours114Beutelſchneider / oderfours vollnſtrecket wurde: Wiewol es viel beſſer geweſen were / daß Carfour ſelber perſoͤhnlich dar - bey geweſen were: Dann ſo hette er nimmermehr ſo viel Vbels begehen vnd Vngluͤck anſtellen koͤn - nen / wie er gleichwol von ſolcher Zeit an herna - chtr inn Franckreich an vnterſchiedlichen Orten gethan hat / hette auch ſein Leben nicht mit ſo ei - nem ſchmaͤhlichen oder auff das allerwenigſte nit mit ſo einem erſchrecklichen Todte / wie hernacher geſchahe / beſchlieſſen doͤrffen.

Als aber hernacher der Friede widerumb inn Franckreich beſchloſſen vnd gemacht ware / wurde Carfour ſehr trawrig daruͤber: Dann er hatte der Schiffknecht Natur an ſich / welche ſagen / es ſey nicht beſſer als in truͤbem Waſſer fiſchen: Er wa - re gleich den Salamandern vnd Piraliden / wel - che ſich nicht anderſt als im Fewer nehren vnnd erhalten koͤnnen: vnd alſo wolte diſer hitzige Kopff ſich auch nur allein mit Menſchenblut vnd Mor - den nemen: Derohalben ſo ſchmertzet es jn in ſei - nem Hertzen / daß durch den gemachten Frieden jhme alle Mittel / ſein Rauben vnd Morden fort - zuſetzen / benommen wurden.

Daß er ſich widerumb ſolte nach Hauß gen Mailly begeben / das wolte ſich nicht fuͤr jhn ſchi - cken: Dann er muſte ſich deſſen beſorgen / daß der Marggraff von Gallerande den groſſen jhm zu - gefuͤgten ſchimpff an jhm wuͤrde rechen / vnd dar - auff dringen / daß das ſchon wider jhn den Car - four erhaltene / bekraͤfftiget vnnd außgeſprochene Vrtheil vollnſtrecket moͤchte werden: Solte erdann115Diebs Hiſtorien / das I. Buch.dann auch ſo vmbher ſchweyffen / vn̄ nichts thun / das wolte ſich auch nicht fuͤr jhn ſchicken / als wel - cher gantz gewohnet ware / von Diebſtahl vnd von Raub zu leben. Derhalben ſo ſetzet er jhm den Ertzrauber Guilleni fuͤr zu einem Exempel / ſu - che[t]vnd bringet von allen Orten vnnd enden zu ſammen einen hauffen fauler Gottloſer verzweif - felte Buben / ſtreifft mit denſelbigen durchs gan - tze Land / mordet vnnd ſchlaͤget todt alles / deſſen er nur anſichtig wird / ja alles / was jhm begegnet: Bißweilen fiele er in die Meyerhoͤff / welche etwas von dem gemeinen Weg / wie auch Flecken vnnd Doͤrffern abgelegen waren / vnd ſagte zum Hoff - mann: Er muͤſte jhm entweder jnnerhalb zweyen tagen fuͤnfftzig Kronen verſchaffen / oder muͤſte todt geſchlagen werden / vnnd wann er auch das geringſte geſchrey darvon machte / oder dz gering - ſte Wort darvon ſagte / ſo ſolte er jhm nicht entge - hen / es ſolte jhn ſein Halß vnd Leben koſten. Vnd alſo ſchaͤtzte er die arme Bawersleute / metzelte vnd erwuͤrgete jaͤmmerlicher weiſe alle die jenigen / welche jhm nicht ſo bald wolten geben / was er von jhnen begehrete.

Auff ein Zeit traff Carfour einen jm ſehr wol - bekandten vom Adel an / welcher auß der Provintz Auxerꝛois / vnd gar trawrig ware / auch in ſchwe - ren Gedancken daher gieng: Vnnd als jhn Car - four fragte / wohin er wolte / antwortet er jhm vnd ſagte: Zu allen Teuffeln: Wie ſagt hierauff Car - four zu allen Teuffeln / jhr gehet dann in die Hell / dann die Teuffel ſeyn ja inn der Hellen / warlich /ſagt116Beutelſchneider / oderſagt hierauff der vom Adel / ich kan das wol ſagen / daß die Teuffel eben ſo wol auff Erden / als in der Hellen ſeyn. Dann ich hab nun in die vier Jahr ein ſchwere Rechtfertigung fuͤhren muͤſſen / vnnd dieſelbige hat mich ſo viel gekoſtet / daß ich bald al - les das meinige daruͤber hab einbuͤſſen muͤſſen: Alſo daß ich keine Hoffnung mehr / als die ver - zweifflung vor mir habe / ja ich wolte mir gern ein Meſſer in das Hertz hinein ſtoſſen / wann mich die forcht Gottes nit darvon abhielte: Dann ich hab keine ruh in meinem Hertzen / vnd lebe in ſtetiger Trawrigkeit vnd Hertzfreſſen.

Carfour (welcher dieſem vom Adel an ſeinem Geſicht anſahe / daß er in ſeinem Hertzen gar be - truͤbet ware) troͤſtet jhn / vnd erinnert jhn / in was groſſer Ehr vnd Anſehen er bißher bey dem gan - tzen Lands Adel waͤre geweſen / bittet jhn er wolle ja bey Leib ſolche Sachen vnnd Thaten / welche jhm hernacher zu ewigem Schimpff vnnd Spott ge - reichen moͤchten / nicht vornemen / oder jm in ſinn ſetzen: Erklaͤret ſich auch / wann er jhm mit etwas was das were / dienen koͤndte / ſo ſolte er wiſſen / daß er an jhm einen ſolchen Mann ſolte finden / wel - cher viel williger ſolte ſeyn jhm zu dienen / als er moͤchte ſeyn jhn vmb etwas anzuſprechen.

Der vom Adel dancket jhm hundert tauſent - mal / wegen ſeines guten erbietens / vnd bittet jhn er woͤlle jhm zwey hundert Kronen lehen / mit der Verheiſſung / daß er jhm ſolches Gelt jnnerhalb Monatszeit auffs allerlaͤngſte gewißlich widerwolt117Diebshiſtorien / das I. Buch.wolt geben: Carfour / der auch dem euſſerlichen anſehen nach vrtheilete / leyhet jhm das Gelt / das er begehret / auff ſein bloſſes begehren vnd gethane Verheiſſung / der vom Adel / welcher ſein Perſon auch trefflich wol ſpieln kondte / nimmet das Gelt / gehet nach Auxerꝛa / vnnd macht ſich auff Car - feurs Seckel vnd Vnkoſten luſtig: Darnach ge - het er von dannen zu dem Marggrafen von Gal - leranda / erzehlet jhm den vergangenen ſtreich / vnd wie er ſeinen Feind einmal erdappet / vnnd uͤber das Seyl geworffen hette: Zeiget jhm auch an / daß wann er jhm nur hundert dapffere Maͤnner vnd Soldaten wolte zugeben / ſo wolte er jhm den Carfour angeſeylet vnd angebunden lieffern / vnd ſolte jhm auch nicht entwiſchen koͤnnen.

Der Marggraf von Gallerande laͤſt jhm den Anſchlag wol gefallen / vnnd weil er nichts mehr wuͤnſchete / als daß das wider den Carfour außge - ſprochene vnd Bildnußweiſe zu Ville neufre le Roy an jm erfuͤllete Vrtheil endlich auch wuͤrck - lichen an jhm vollnſtreckt wurde / ſo nimpt er jhm vor / er woͤlle ſelber dem von Adel folgen / vnd dar - bey ſeyn: Vnd nach dem er zwantzig oder dreyſſig ſeiner beſten vertraweſten Freunden zu ſich hatte kommen laſſen / machen ſie ſich auff den Weg / zu dem Ort / da ſie verhoffeten den Rauber anzutref - fen: Aber es geſchah mit jhrem groſſen Schimpff vnd Schaden. Dann Carfour / welcher zween Tag zuvor durch ſeine außgeſchickte Kundſchaff - ter jhren wider jhn angenommenen Anſchlag er - fahren hatte / name ſeiner wol inn acht / ließ allVolck118Beutelſchneider / oderVolck vnnd Anhang zuſammen kommen / vnnd lauſtert auff ſie an einer Waldecken / da es dann ſo bald / als ſie einander aneraffen / an ein Schar - muͤtzeln gienge / vnd wurden etliche vom Adel dar - uͤber ſehr verwundet: Aber die Herꝛen miſchten ſich nicht drein: Vnd allhie muß man nicht fra - gen / ob auch der vom Adel von Carfour hernach ſey angefochten worden: Dann Carfour gieng auff ein Zeit vmb den Abend in ſein Hauß / vnnd ſtahle jhm alles das beſte / was er nur in deſſelbigen gantzen Hauß funde: Er ermordete zween oder drey Bawren / welche jhn nicht wolten dahinein gehen laſſen: Name auch mit ſich ſtattliche Tape - tzerey / welche mehr als vierhundert Kronen werth waren: vnd wann ſie denvom Adel auch in ſeinem Hauß erdappet hetten / ſo hette es jhn den Halß gekoſtet: Dann Carfour kondie gantz vnd gar nit verdaͤwen vnd verſchmertzen den groſſen ſchimpff welchen er jhm hatte bewieſen / fuͤr die groſſe gut - that / daß er jhm auff ſe in bloſſes Wort zwey hun - dert Kronen geliehen / vnd jm ſo freundlich zuge - ſprochen hatte.

Auff ein andere Zeit / als er inn Burgund hin vnd wider ſtreiffete / traffe er an einen vornemen Herꝛn / deſſen Namen ich allhie wil verſchweigen: Vnd wiewol Carfour ſo bald ſolchem Herꝛn den Beutel ſampt dem Gelt abforderte / meinete er doch / er ſpottete nur ſeiner / da er aber ſahe / daß ernſt darauß wolte werden / vnd jhm ſo hart zuge - ſetzet wurde / verſprache er wolte jhm etliche Ren - ten vnd Guͤlden / ſo er auff dem Rathhauß zu Pa -ris119Diebshiſtorien / das I. Buch. ris ſtehen hette / uͤberweiſen / welches dann Car - four anname: Es muſte auch gedachter Herꝛ ſo bald jhm durch einen Notarium Brieff auffrich - ten laſſen / vnd jhme in ſeine Haͤnde einlieffern.

Als aber der gedachte Herꝛ gen Paris zoge / ſich deßwegen bey dem Koͤnig zu beklagen / erfuhre ſolches Carfour auch / zoge jhm nach gen Paris / lauſterte auff jhn / vnnd als er jhn in einer engen Gaſſen erdappete / richtete er jhn alſo zu / daß er bald darauff inn der Vorſtatt Sainet Germain ſterben muſte.

Koͤndte auch ein Menſch jhm groͤſſere / vnver - ſchaͤmptere vnd ſchrecklichere Bubenſtuͤck einbil - den? Gleichwol ſo iſt das Bubenſtuͤck / welches er kurtze hernach an einer Kutſchen voll Leute von Nancy begienge / nicht geringer: Dann / wiewol er nicht mehr als zween ſeiner Freybeuter bey ſich hatte / ſo folget er doch ſolcher Kutſchen nach / ſchrye dem Kutſcher von weitem zu / er ſolte ſtill halten / dann er hette jhm was zu ſagen.

Als aber der Kutſcher ſeinem Befelch nicht nachkame / ſondern ſeinen Weg fort fuhre / lieffe jhm Carfour mit ſeinen Geſellen nach / vnd als er bey die Kutſche kame / gab er dem Kutſcher ein ſol - chen ſtarcken ſtreich / mit einem Rohr uͤber den Kopff / daß er zur Erden ſancke / fiel darnach mit ſeinen Geſellen uͤber die / ſo inn der Kutſchen wa - ren / name jhnen alle Packet vnd Wahr / ſo ſie bey jhnen funden / weil ſie jhnen das Gelt / ſo ſie jhnen zuvor abgefordert / nicht hatten geben woͤllen /

Als er nun dieſes Diebsſtuͤck auch begangenhatte /120Beutelſchneider / oderhatte / entwieche er auß ſolcher gegend / vnd name ſeinen Weg nach Poictuo / damit er allda deſto vnverhinderter ſtelen vnnd rauben koͤndte / der al - lererſte / den er allda antraffe / ware ein Junger ge - ſell / welcher es wegen eines ſtreits / ſo er mit ſeinem Vatter gehabt hatte / darvon wolte ziehen: Vnnd als er jhn gefraget hatte / wo er hin wolte / fiele er uͤber jhn vnd beſuchte jhn: Vnnd weil er gar kein Gelt bey jhm fande / erkandte er ſelbſten / daß es ein junger Menſch were / der ſein Gluͤck zu ſuchen außziehen wolte: Derhalben ſo zohe er jhn auff ein ſeiten / vnd ſagte jhm / daß wann er luſt hette mit ſich zu nehren / ſo wolte er jhn inn ſeine Geſell - ſchafft auffnemen / ſo koͤndt er auch ein ſolches Le - ben fuͤhren / vnd ſolte alles deß Gluͤcks vnnd Vn - gluͤcks / das ſie haben wuͤrden / zugleich mit theil - hafftig werden.

Die Verheiſſunge / dieſes Mereurij vnnd Zau - berers / welcher wol ſonſten den Argum entſchlaͤf - fen hette koͤnnen / ja welcher auch kondte machen / daß den allerwackerſten der Schlaff in die Augen muſte kommen / wuͤrcketen auch ſo viel bey dieſem jungen Menſchen / daß er jm ein ſolch ding vorne - me / welches er ſonſten nimmermehr hette vorne - men woͤllen / wann nicht die Hoͤnigſuͤſſe Wort vnd Verheiſſung dieſes Raubers jhn gleichſamb alſo zu reden / darzu gezwungen hetten.

Hierauff wird nun dieſer junge Geſell inn die Diebszunfft eingeſchrieben / vnnd laͤſt ſich ſo bald alſo an / als hab er das Schamhuͤtlein gantz abge - zogen / vnd allen Chriſtlichen tugenden gute nachtgeſaget121Diebs Hiſtorien / das I, Buch. geſaget: Welches / als es Carfour an jhm ſihet / vnd ferꝛners ſpuͤret / daß ſein Hertz zu allem boͤſen vnd uͤbel iſt geneiget / gibt er jhm Brot zu eſſen / welches in deß erſten Kauffmanns Blut / welchen er darauff erſchluge / geduncket ware: Welches dann ein erſchroͤcklichs ding iſt zuhoͤren: Vnd faͤlt mir hiebey eyn die Hiſtoriē von den vnbarmhertzt - gen Mohrē / welche / wie Herodotus daꝛvon ſchrei - bet / die Kinder de Phanis ermordeten / vnd wann ſie ſtattliche Bancketen hielten / braucheten ſie an ſtatt deß Weins / ſolcher armen vnſchuldigen er - wuͤrgten Leut Blut / welches ſie mit gutem bedach - te trancken / nicht anderſt / als were es der beſte Wein / ja nicht anderſt / als were es der Goͤtter Tranck vnd Speiſe ſelber.

Von der zeit an / daß dieſer junge Geſell Men - ſchenblut alſo mit Brot eingefreſſen hatte / wurde er der vnbarmhertzigſte vnter dem gantzen hauf - fen: Solte vnd wolte man einen angreiffen vnd ſchlagen / ſo ware er allezeit mit den erſten vnd forderſten: Solte oder wolte man dann einem an einer gefaͤhrlichen Waldecken oder ſonſten auff den Dienſt warten / ſo botte er ſich ſelber an / als einer / der das Mordhandwerck am beſten ver - ſtande vnd koͤndte: Wie er dann auch in ſolchem Handwerck wol ware vnterꝛichtet worden / vnnd hernacher auch die ſtraffe / ſo er von Carfour ſel - ber empfienge / wol verdienet haͤtte.

Als aber dieſer junge hitzige Menſch / etliche Monat mit ſolchem verderblichen Exercitio vnd Handwerck zugebracht hatte / gedachte er ein we -Jnig122Beutelſchneider / odernig hinder ſich vnd fuͤr ſich: Er erkandte ſelbſten das groſſe Vngluͤck vnd verdam̄liches Leben / da - rinnen er ſich muhtwilliger weiſe geſtuͤrtzet / vnnd eingewickelt hatte / vnd dieweil ſein Gewiſſen jhm daruͤber auffwachet / vnd jhm weder Tag oder Nacht ruh lieſſe / name er jm vor / er wolte heimli - cher vnd vnvermerckter weiſe / ſich widerumb auß ſolchem boͤſen leben begebē / vnd Carfours Geſell - ſchafft gute nacht geben: Es ſey nun aber dem al - lem wie jhm woͤlle / daß entweder Carfour ſolches mag erfahren / oder jhm in ſeinem Angeſicht an - geſehen haben: Dann er ware nicht mehr ſo hitzig vnd begierig auff die Beut / wie er zuvor geweſen ware: So warffe Carfour deßwegen ein Arg - wohn auff jn / gab jm wol achtung auff die Garn / vnd als er auff ein Zeit jhn nicht vnter der Ge - ſellſchafft vnd Diebszunfft funde / gienge er jhm nach / erdappete jhn drey Meil wegs von dem ge - dachten Ort / ſchluge jhn todt / name ſein Pferd / ſein Kleider / vnd alles was er an Gelt bey jm fan - de: Kam darnach widerumb zu ſeinen Geſellen / vnd ſchwur jhnen hoch vnd thewer / daß der erſte / der von jhm vnd ſeiner Geſellſchafft alſo ohn er - laubnuß abſtehen wuͤrde / ſolte daruͤber ſeinen Halß vnd Kopff einbuͤſſen.

Von dannen an uͤber etlich Zeit / begab er ſich auff Paris / vnd ſtreifft allda herumber / gleich wie die Mucken / welche wann ſie wol vmbher geflo - gen ſeyn endlich zum Liecht zu fliehen / vnd ſich an demſelbigen verbrennen: Vnd iſt da nicht auß - zureden / wie ſchrecklich er raubete / vnd die arme Bauersleut bedrangete.

Man123Diebshiſtorien / Das I. Buch.

Man erzehiet von jhm / daß als auff ein Zeit der Blutrichter vernommen hatte / daß er ſich in dem Wald bey Fontaine-bleau ſolte auffhalten / vnd darauff jhn auch ſucht vnd verfolgete / da hat Carfour (als welcher wuſt / daß jhm auch ſonſten einmal der Boß wol ware angangen) ſich als ein Einſiedler verkleidet / vnd iſt jhm hierauff auff der Landſtraſſen entgegen gegangen.

Als nun die Schuͤtzen vnd Soldaten jhn an - traffen vnd fragten (dann ſie jhn fuͤr ein Einſied - ler verſahen) ob er nicht von dem Carfour hette hoͤren ſagen / vnd an welchem Ort in dem Wald er ſich pflegte auffzuhalten / da erzehlet er jhnen ein langes vnd breites von jhm / wie er ſo gar ein boͤſer Bube vnd Rauber were / wie er manchem das Liecht außgeblaſen hette / wie er bald ſelber in ſeiner Clauſen nicht vor jm ſicher were / dieweil er gar manchmals bey jhm uͤber nacht lege: Sagte auch / daß eben ſolche ſtund vnd augenblick / da er mit jme rede / er ohne allen zweiffel in ſeiner Clau - ſen were / vnd wann ſie jhm wolten folgen / ſo wol - te er ſie ſelber an ſolchen Ort fuͤhren.

Was geſchicht? Der Blutrichter meinet dem allem ſey alſo / vnd folget mit ſeinen Dienern die - ſem vermeinten andaͤchtigen Einſiedler: Als ſie aber zwey hundert ſchritt vngefehr in den dicken vnd finſtern Wald hinein kommen / da werden ſie ſo bald von dreiſſig oder viertzig henckmaͤſſigen Dieben vnd Schelmen vmbgeben / welche ſie an - ſprengen / vnd mit aller macht auff ſie zu hauen / ſtechen vnd ſchieſſen / verlaſſen auch ſo bald jꝛ NeſtJ ijvnd124Beutelſchneider / odervnd begeben ſich an einen andern Ort / auff daß man ſie deſto weniger erdappen moͤchte: Dann Carfour hielte das fuͤr eine gewiſſe Regel / daß ſie vnd ſeines gleichens nimmer mehr zweymal an einem Ort ſolten uͤber Nacht ligen / vnd ſich auff - halten.

Vnter deſſen redete man in Paris von nichts anderſt / als von dem ſchroͤcklichen Morden / vnd Rauben deß Carfours: Dann da ware kein Dieb / kein Beutelſchneider / kein Spitzbube / kein Landſtreicher / kein Rauber in Paris / der nicht vnter deß Carfours Regiment gehoͤrete Dann er gabe jhnen Geſetz vnd Ordnung / Er herꝛſchete uͤber ſie alle miteinander: Aber gleichwol kame er nimmermehr in Paris / er hette ſich dann verklei - det vnd verſtellet: Dann er forchtete ſich ſo ſehꝛ / er moͤchte einmalen Greve (das iſt an den Ort / da man den Dieben vnd Moͤrdern jhr Recht thut) vnverſehener weiſe kommen / daß er nimmer - mehr ruhe hette / biß daß er auff dem freyen Feld ware.

Endlich brach einmal das geſchrey auß / daß er zwar bey Melun ſolte erhaſchet ſeyn worden / er hette aber ſich durch ein ſonderliches Bubenſtuͤck widerumb auß der Nachfolger vnd Haſcher haͤn - de loß gewuͤrcket / vnd hette ſich in das Land Ve - rin begeben / da er dann groſſen ſchaden mit ſei - nem vmbher ſtreiffen den Innwohnern deſſelbi - gen Orts zufuͤge: Aber das ware nit war: Dann wann ſolche Vogelfaͤnger einmal ein Vogel ge - fangen haben / ſo laſſen ſie jhnen denſelbigen nichtſo125Diebs Hiſtorien / das I. Buch. ſo bald entwiſchen: Doch iſt das gleichwol waar / daß eben zu derſelbigen dieſer Ertzrauber Carfour zu einer ehrlichen vnd vornemen Edelfrauen / ſo vmb Corbeil herumber wohnet gienge / ſprache ſie an vmb eine ſumma Gelts / vnd gabe jhr zuverſte - hen / daß jhn die groſſe noht darzu triebe / ſolches von jr zubegehren / verſprache jhr auch ſolche ſum - men Gelts jnnerhalb viertzehen Tagen wider zu - geben: Wiewol nun dieſes begehren der Edelfrau anfangs gar frembd fuͤrkame / jedoch / wie ſie jhn endlich erkandte / wer er ware / vnd ſich beforch - ten muſte / er wuͤrde jhr mehr ſchaden als alle jhre Feinde zufuͤgen / wann ſie jhn nicht etlicher maſ - ſen ſeiner bitte gewehren wurde / gab ſie jhm fuͤnff - tzig Kronen / welche er jhr auch zu der beſtimpten vnd von jhm verſprochenen Zeit / in eben ſolchen Sorten vnd Muͤntze widerumb gabe vnnd zu - ſtellete.

In ſolcher Zeit gieng vnter deſſen der Krieg an mit den Auffruͤhrern in Franckreich / vnd die - weil Carfour wuſte / daß kein beſſer Gelegenheit fuͤr jhn ware / als in ſolchem truͤben Waſſer zufi - ſchen / begab er ſich widerumb zu dem Kriegswe - ſen / vnter den verſtorbenen Conneſtable / vnd wuꝛ - de allda ein Soldat: Aber von Tag zu Tag wurde vor Herꝛn de Luyne nichts mehr geklaget / als daß er vnter ſeinem Regiment den groͤſten Rauber auff Erden ſolte haben / nemblich den Carfour. Aber der Herꝛ von Luyne wolt jhn nicht verſtoſ - ſen oder außmuſtern / wegen ſeines groſſen Ge - muͤhts / daß er an jhm verſpuͤrete / verhoffete auchJ iijdaß126Beutelſchneider / oderdaß er ſich mit der Zeit wuͤrde beſſern / von ſeinem boͤſen Leben abſtehen / vnd ein newes Leben anfan - gen / darinnen aber er ſehr betrogen wurde: Dann nach dem er fuͤnff oder ſechs vornemme Herꝛen von Hof hatte auffgeopffert / machte er ſich auß dem Staub darvon / ehe es ein Menſch kondte wiſſen.

Hierauff beſchlieſſen nun die Blutrichter / daß wann er mehr vmb Paris herumb werde ſtreif - fen / wollen ſie jhm nachſetzen vnd verfolgen / biß ſo lang / daß ſie jhn erdappen / vnd ſolte es auch ko - ſten was es woͤlle: Sie namen auch zu vnter - ſchiedlichen malen Volck zu ſich / verfolgen vnd ſuchen jhn allenthalben / aber durch ſeine auß - geſchickte Kundtſchaffer wurde er deſſen allezeit adviſiret / daß er ſich mit der Flucht ſalviret.

Endlich begibt er ſich mit einem Soldaten / ge - nand Chanevaſſon oder la Roche in Languedoc / da er dann ſo viel Raub vnd Mord begienge / daß er endlich gezwungen war / ſich uͤber das Ge - buͤrge zubegeben / vnd in Savoyen zuziehen: Dan̄ in gantz Franckreich ware kein Ort mehꝛ / da er nicht geraubet vnd geſtolen hatte / vnd da man jn auch nicht kennete: Aber es iſt vmbſonſt / du Rau - ber vnd Moͤrder daß du auß Franckreich zeuchſt / vnd vermeineſt alſo zu vermeyden den ſtreich der Goͤttlichen Gerechtigkeit / welcher dir ſchon uͤber dem Kopff ſchwebet Es iſt vmb ſonſten daß du dir einbildeſt / du wolleſt den Himmel trotzen / vnd die Erd mit deinem Meineyd / Vbelthaten / Rau - ben vnd Morden ſo muhtwilliger weiſe erfuͤllen. Der127Diebs Hiſtorien / das I, Buch. Der jenige / deſſen Namen du entheiligeſt / vnd deſſen heilige Gebott du verachteſt / der wird wiſ - ſen vnd machen koͤnnen / daß du wider kehreſt an den Ort deiner Geburt / auff daß allda ein gu - tes theil deiner Vbelthaten / welche du begangen / von dir gebuͤſſet werde: Gott hat Pfeil von Bley gemacht / vnd laͤſt ſich nicht ſo bald zur Straff vnd Rach bewegen: Aber endlich ſo zwinget der Gott - loſe den gerechten Gott / daß er wider jhn außſtre - cket den Arm ſeiner Goͤttlichen Gerechtigkeit / weil er allzeit hat verachtet den Arm ſeiner barm - hertzigkeit.

Carfour iſt ſehr wunderlich gefangen wor - den: Dann wie ſein gantzes Leben war erſchreck - lich wunderlich geweſen / alſo lieſſe es ſich anſehen / daß es von noͤthen were / daß ein Wunder ſich zu - truͤge in ſeinem Todt: Vnd fuͤrwar / wer hette jmmer glauben vnd gedencken koͤnnen / daß weil Carfour einmal auß Franckreich ware / an einem ſolchen Ort / da er verhoffte ohne Anfechtung vnd Verfolgung zu ſeyn / daß er ſo vnverſehener weiſ - ſe ſolte gefangen / gen Diſſion / als die Hauptſtatt ſeines Lands gefuͤhret / vnd hernacher allda hinge - richtet werden / vor den Augen deß meiſten theils der jenigen / mit welchen er manchsmal ſo Tyran - niſch vnd Moͤrderiſch ware vmbgangen: Gleich wie aber Carfour in allen vmbligenden Benach - barten oͤrtern deß gantzen Koͤnigreichs von ſehr vieln ehrlichen vornemen Leuten / welche er hatte dargeſetzet / beraubet vnd beſtohlen / vnnd welche hernacher ſein Bildnuß an vnterſchiedliche oͤr -J iiijter128Beutelſchneider / oderter vnd Laͤnder in Franckreich vnd Europa ver - ſchicket hatten / ware beſchrieben vnd kandbar dar - durch gemacht woꝛden: Alſo begab es ſich auff ein Zeit / daß ein vornemer Rathsherꝛ von Chamber - ry / welcher ein vornemes Ampt allda verwaltete / deß Carfours anſichtig wurde / vnd nach dem er jhn wol ins Geſicht gefaſſet / auch ſein thun vnd laſſen gnugſam außgekundſchafft hatte / faͤllt es jhm ein / ja er ſihet es jhm am Angeſicht an / daß er ohn zweiffentlich der Carfour ſeyn muͤſſe / von welchem man ſo viel in Franckreich ſagte / vnnd als Carfour in der Hall deß gedachten Herꝛn von Chamberry mit einem Edelmann / (welcher auß dem Lande Charollois ware / vnd allda hin wegen einer heimlichen verbottenen Ehe ware geflohen) auff vnd ab ſpatzierte / nimpt gedachter Herꝛ etli - che Diener zu ſich / leſt jhm nach dem Kopff greif - fen vnd gefaͤnglich einziehen.

Das Parlement zu Diſion erfuhre dieſen gluͤcklichen Fang vnd Einziehung deß Carfours / vnd ſchrieben an gedachten Rahtsherꝛn / daß er jhnen ſolchen Vbelthaͤter wolte folgen laſſen vnd uͤberſchicken: Welches dann auch geſchahe: Vnd nach dem man jhn nicht allein peinlich anklagen / ſondern auch alſo fragen laſſen / vnd er darauff alle Diebſtahl / Mord vnd Rauberey / welche er zu Auxerres / Vezelay vnd an vielen andern Or - ten begangen / bekandt hatte / wurde jhm das Vrtheil geſprochen / daß er ſampt ſeinem Knecht lebendig ſolte geradbrechet werden / welches Vr - theil dann Anno 1622, den zwoͤlfften Tag Octo -bris /129Diebshiſtorien / das I. Buch. bris / durch den Hencker an jhm vollnſtrecket wor - den. Allhie iſt aber vnmoͤglich zu erzehlen / mit was groſſer ſtandhafftigkeit dieſer inn ſeinem Le - ben geweſene vnbarmhertzige Tyrann iſt geſtor - ben: Dann alle die jenige / die ſeinen Todt vnnd Marter geſehen / bezeugen ſelber daß ſie jhr leben - lang keinen Menſchen geſehen / der ein ſolches Hertz vnd Muth in ſeinem Todt gehabt habe / das wil ich allein ſagen: Daß wie erſchreckliche Vbel - thaten in ſeinem Leben hat begangen / alſo wirdt man nicht bald von einem Menſchen hoͤren / der ſolche hertzliche Rew vnd Leyd uͤber ſein Suͤnde / wie dieſer gehabt / vnnd alſo Bußfertig ſein Leben hab geendet.

Das IX. Capitel.

Hiſtoꝛien von einem Gaſconier / einem be - ruͤmbten Rauber / vnd was er nicht al - lein zu Paris / ſondern auch an andern oͤrtern hat begangen.

ES hat der Roͤmiſche Redner recht vnd wol alſo geredet: Die Gerechtigkeit ſey eine Koͤnigin aller Tugenden / vnd ei - ne Erhalterinne der Gemeinden: Dann wo die Grundgeſetze eines Koͤnigreichs wol ſein gefaſ - ſet / ſie werden auch wuͤrcklich vnd fleiſſig gehand - habet / da findet ſich keine Vnordnung vnnd wuͤ - ſtes weſen mehr: Da gruͤnet vnd bluͤhet alles / woJ vman130Beutelſchneider / oderman jhn begehret / wo man hin wil gehen / da fin - det man uͤber alle / Fried / Ruh vnnd Sicherheit / ſonderlichen aber / ſo viel die Diebe anlanget dann die Gerechtigkeit vnd Obrigkeit ſein gleichſamb die Geiſſel / mit welchem ſie die Diebe mitten in jh - rem vermeinten Diebsſieg darnider ſchlagen: Es haben auch die Diebe keinen groͤſſern Feind / als ein Regenten / der geſtreng uͤber die Gerechtigkeit helt: Dann wann ſich derſelbige helt nach dem / was jhn die Geſetze lehren / ſo vertreibet er das Diebsgeſind / ja er zertritt ſie mit ſeinen Fuͤſſen / als wie vnnuͤtze Rauppen / welche nichts anders thun / als daß ſie den gemeinen Mann aufffreſſen vnd verderben.

Es iſt zwar wahr vnd recht / daß der Menſch in allem ſeinem thun vnd vornehmen ſich ſoll erin - nern / daß er ein ſterblicher Menſch iſt / vnd deßwe - gen ſoll er guͤtig vnnd barm hertzig ſeyn gegen die jenige / ſo ſeines Geſchlechts ſein / er ſoll der Men - ſchen fehler / entſchuldigen vnd decken helffen / vnd ſich freundlich vnnd guͤtig gegen jhnen erzeigen: Aber was die Straff deß Diebſtahls anlanget / da ſoll man die ſchaͤrpffe gebrauchen / vnd ernſtlich ſtraffen die jenigen / welche ſolches Laſters ſtraff - faͤllig erfunden werden.

Als auff ein Zeit Bias / welcher einer auß den ſiben Weiſen in Grichenland iſt geweſen / jetz und ein Vrtheil ſolte außſprechen uͤber einen armen Suͤnder / welcher Diebhahls vnnd Raubens hal - ben angeklaget / vnnd deſſelbigen auch gnugſamb ware uͤberwieſen worden / hat er angefangen zuweinen131Diebs Hiſtorien / das I. Buch. weinen vnd zu klagen das groſſe Elend / vnnd die Vnbeſtaͤndigkeit deß Menſchens in ſeinem gan - tzen Leben / vnd wie ſo viel Vngemach vnnd Vn - gluͤck dem Menſchen / ſo lang als er lebet / zu han - den ſtoſſen Vnd als er von einem / ſo darbey ſaſſe / gefraget wurde / warumb er doch ſo bitterlich wei - net / vnd ſolches mit leyden mit dem armen Suͤn - der hette / da es doch in ſeiner Gewalt ſtuͤnde / ſol - chem Vbelthaͤter ſein Leben zu erhalten / ja daß es eben ſo wol in ſeiner Gewalt ſtuͤnde / den Vbelthaͤ - ter ledig zu ſprechen / als jn an Galgen zu ſchicken hat er darauff ein ſolche antwort gegeben / welche an einem Richter ſehr Lobwuͤrdig iſt / ja welche werth / daß man ſie mit guͤldenen Buchſtaben ſoll auffſchreiben: Neceſſarium (ſagt er) quidem eſt naturæ condolere, à lege autem & juftitiæ Re - gula diſcedere, magis pernicioſum, das iſt / auff Teuſch ſo viel geſagt: Es iſt wol recht vnd billich / daß man mit der Natur vnnd mit einem ſolchen armen Suͤnder ein mitleyden hat / aber von dem Geſetz vnd von der Gerechtigkeit abzuweichen / das iſt vnrecht vnd ſchaͤdlich.

Dieſen ſchoͤnen Spruch hab ich allhie im vor - uͤbergang einfuͤhren / vnnd etlichen vnter Regen - ten vnd Richtern vor die Augen legen woͤllen / ich ſage / etlichen vnder Richtern vnd Regenten / wel - che jhnen nicht einbilden / daß ein Parlament vnd noch ein anders Gericht uͤber jhnen ſey: Ja wel - che jhre Gewalt alſo mißbrauchen / daß ſie jhre ei - gene Wort fuͤr ſo viel Geſetze / vnnd jhre Vrtheil fuͤr vnwiderꝛuͤffliche Rahtſchluͤſſe halten: Sie laſ -ſen ſich132Beutelſchneider / oderſen ſich von jhren boͤſen Affecten vnd Begierden regiern vnd fuͤhren ſie thun manchmals ſehr viel ding wider die Geſaͤtze vnd jhr eigenes Gewiſſen / wie dann geſchehen iſt mit einer Perſon / von wel - cher wir inn dieſem Capitel reden woͤllen: Dann wann man ſolche Perſon geſtraffet hette / wie ſie wol verdienet hatte / ſo hette ſie nicht auß Gaſco - nien gen Paris kommen / vnnd ſo viel armer oder doch ehrlicher Leute beſtohlen / vnd berauben / vnd gar an Bettelſtab bringen koͤnnen. Wir woͤllen dieſelbige Perſon Filander nennen / damit wir ja niemands aͤrgern moͤgen: Dann / wie ich auch zuvor hab angeruͤhret / ſo iſt es nicht von noͤthen / außdruͤcklich nenne die Namen der jenigen / wel - che durch jhre boͤſe vnnd meineidige Vbelthaten die Reputation jhrer Voreltern verfinſtert / vnnd denſelbigen einen ſolchen ewigen Schandflecken angehencket haben.

Daß ich euch nun etliche Bubenſtuͤck von die - ſem Filandro erzehle / ſo muͤſſet jhr mercken / daß / als er Gaſconien wegen ſeines allda getriebenen Raubens vnnd Stelens verlaſſen muͤſſen / hat er geſehen / daß er durch einen / ich weiß nicht wen / von ſeinen jhm auffgelegten Bubenſtuͤcken iſt ab - ſolviret worden (ohnangeſehen der vnuͤerwerffli - chen Zeugen vnd Zeugnuß / ſo daruͤber waren ab - gehoͤret worden) ſich widerumb in ſeinen vorigen Stand zu ſetzen: Aber ſolches alles hat jhm gleich - wol die forcht / welche er ſtaͤtigs in ſeinem Hertzen hatte / daß er dermal eins / wegen eines Raubs vnd begangenen Mords / ſo er an einem vornehmenHerꝛn133Diebs Hiſtorien / das I. Buch. Herꝛn in ſeinem Land begangen hatte / moͤchte ge - ſtrafft werden / mit nichten benemen koͤnnen.

Er verlaͤſt aber gleichwol hier auff / vnd auß der Vrſachen ſein Vatterland / vnnd wie es ſich off - termals zutraͤget / daß wir in die Netz vnnd Stri - cke / ſo wir andern ſtellen / ſelber gerahten / alſo iſt es dieſem Filander auch gangen: Dann er wurde auff der Kutſchen / ſo nach Bordeaux gehet / be - raubet ſampt alln andern / ſo deßmals in der Kut - ſchen waren / vnd wurde gar biß auff das Hembd außgezogen / alſo daß er gen Paris gantz elendig vnd zerꝛiſſen / vnnd wie ein vertriebener vnnd ver - lauffener Bettler kame / ja alſo / daß man jhn wol fuͤr ein Butzenmann hette gebrauchen koͤnnen / die Voͤgel vnd die Tauben von einem Acker abzu - ſcheichen / oder wol in einem Spiel zu einem Nar - ren: Gleichwol aber ſo prangete vnnd machte er ſich breit vnd groß nach der gemeinen art der gaſ - conter / welche mit einem Pfenning in einer Fla - ſchen ſolches klingeln anfangen / als wann tau - ſent Kronnen darinnen weren.

Erſtlich aber ſo wolte es jhm nicht allerdings zu Paris gefallen / dann wer zu Paris entweder nicht Gelt oder gute Kundſchafft vnd Credit hat / der kan ſich allda nicht lang auffhalten: Was ge - ſchicht? Er trifft an einen Jungen Geſellen von Bery / welcher außtruͤcklich nach Paris ware kommen ein Handwerck zulernen: Vnnd nach dem er ein wenig mit jhm Kundſchafft gemacht hatte durch einen falſchen Ring: welchen er jhm verkauffet / vnnd vorgeben hette / es were ein ſtatt -licher134Beutelſchneider / oderlicher Demant / gehen ſie miteinander inn ein Wirtshauß / da ſie dann drey oder vier Tag eſ - ſen / trincken vnd ſich luſtig machen / vn̄ zwar alles auff den Ring: Aber weil Filander ſorg hette / man moͤchte jhn endlich kennen lernen / name er ſich einmal an / als wolte er ſeine notturfft thun / vnd wiſchete darvon mit zwo Kronen / welche jm noch im Beutel waren uͤbrig blieben / vnnd begab ſich in der Gaſſen Sanct Denys zu einem ehrli - chen Buͤrger / der vor kurtzem eine Wirtſchafft angefangen hatte.

Als er nun deß Abends vmb 9. Vhr dahinein kame / ließ er jhm ſein Abendeſſen geben / gabe ſich fuͤr einen vom Adel auß / vnnd ſagte / er kaͤme von der lieben Frawen / von Lieſſe / dahin er dann zu Fuß ein Wahlfahrt gethan hette: Der Haußherꝛ ſagte. Daß er nicht im gebrauch hette einen eintzi - gen Menſchen uͤber Nacht zu herbergen / vnd daß er auch keine Kammer hette jhn darinnen zule - gen: Gleichwol aber weil es ſchon zimblich ſpat war / vnd Filander ſich ſo jaͤmmerlich ſtellte / dach - te der Haußherꝛ / er thet ein Werck der Barmher - tzigkeit / wann er jn herbergte / vnnd das jhn auch noch am meiſten darzu bewegete / war dieſes / daß er wol bezahlete / wiewol er ſo zerꝛiſſen daher gien - ge. Aber als das Gelt je laͤnger je duͤnner in ſei - nem Seckel wolte werden / bedachte er ſich / wie er doch ſeine Sach anſtellte / daß er Gelt bekommen moͤchte: Geſellete ſich hierauff zu einem Fuhr - mann / welcher inn dieſes Hauß garofft zu eſſen vnnd zu trincken kame / vnd dieſem Kauffmannkondte135Diebshiſtorien / das I. Buch. kondte er ſo wol ſchwetzen vnnd uͤberꝛeden / daß er acht Kronen von jhm gelehnet bekame / verhteſſe jhm auch ſolche inn kurtzer Zeit wider zugeben: Dann er gabe ſich fuͤr einen vornemen vom Adel auß / er ſtellete ſich auch alſo / als wann kein beſ - ſerer vom Adel / als er / were / der ſich jhm koͤndte vergleichen / vnd ſo zerlumpt vnnd zerꝛiſſen als er daher gienge / ſo ſehr prangete er daher / gabe fuͤr in zween Tagen wuͤrde er ein Lad bekommen / da - rinnen er Seydene vnd Atlaſſe Kleider hette / vnd daß er inn Gaſconien ein ſchoͤnes feſtes Schloß hette / deſſen Saal vnd Gemach mit ſchoͤnen Taͤp - pichen gezieret weren / vnd haͤtte er auch uͤber alle maſſen ſchoͤne Silbergeſchirꝛ: In Summa: Es ware ein ander Cræſus / ein ander Mydas / wer es hette glauben moͤgen / kein Marggraf / kein Frey - herꝛ hatte einen ſolchen Anhang / wie er / vnd dar - innen loge er nicht: Dann er hatte ein ſtattliche Garniſon vnd Beſatzung in ſeinen Hoſen / nemb - lich von Floͤhen vnd Leuſen.

Als nun vnſer ehrliche Mann die acht Kronen hat / gehet er hin auff den Grempelmarck / ſihet jm ſchoͤne Kleider auß / marckte darumb / vnd zeucht ſie auch ſo bald an: Vnnd wer jhn da hette ſehen ſollen / hette jhn ſelber fuͤr einen vom Adel angeſe - hen / vnd weil jhm nichts beſſer anſtuͤnde / als daß er die Kleider ohn Gelt außlegen moͤchte haben / ſpricht er zu dem Diener im Hauß / da er die Klei - der gekauffet hatte / er ſolte doch ſo bald mit jhm in ſein Loſament gehen / ſo wolle er jhm das Gelt fuͤr die Kleider geben / dann er hab nicht ſo viel beyſich:136Beutelſchneider / oderſich: Aber wie der Diener oder Junge ein vnge - ſchickter Doͤlpel ware / der nur die Haͤuſer anſahe / vnnd der / wie ein fauler Eſel auff der Gaſſen her - nach zollete / fuͤhrete jhn Filander inn eine Halle / da viel Volcks jnnen ware / drang mit aller Ge - ſchwindigkeit durch das Volck hindurch / vnd ließ dieſen Lehrbuben hinder ſich / machte ſich vnſicht - bar fuͤr jhm / vnnd kam mit ſeinem Kleid darvon / als daß jhn dieſer Jung nicht mehr kondte finden / vnd hette er jhn lang muͤſſen ſuchen / wann er jhn hette finden ſollen: Ja wann er ſchon deß Philo - ſophi Diogenis Latern vnnd Leuchten hette ge - habt / ſo hette er jn doch nicht wider antreffen koͤn - nen / dann Filander machte ſich hurtig darvon.

Als er aber nun wider heim kompt inn ſein er - ſtes Loſament / ſagt er zum Wirth / es ſey jhm ein Kleid auß ſeiner Heymat vnnd Vatterlandt ge - ſchicket worden: Vnnd wer jhn reden hoͤrete / der hette nimmermehr glaubn koͤnnen / daß er ein ver - triebener Bettler vnd Dieb ſeyn ſolte / welcher ſich zu Paris begerte auffzuhalten.

Als er nun / wie geſagt / ſolche ſtattliche Kleider hat / begibt er ſich gen Hoff / menget ſich allenthal - ben ein / vnnd inn kurtz er Zeit / macht er ſich ſo be - kandt zu Hof / daß er ſich fuͤr deß Koͤnigs Kam - mer Junckern außgabe / practicieret auch durch ſeine Argliſtigkeit ſo viel / daß er ſolche Ehr erlan - gete / vnnd darauff fienge er an zu Retzen vnnd zu Spielen: Ein mal verlohre er / einmal gewonne er / einmal ſtahl er / das ander mal handelt er et - was anders: Dergleichen geſchwinder verſchla -gener137Diebs Hiſtorien / das I, Buchgener Kopff / wie er / ware keinem Menſchen je - mals vorkommen: heut hatte er fuͤnfftzig Kronen / morgen hat er gar nichts.

Vnd das allerwunderlichſte an jhm / war die - ſes / daß er ſich ſo gleißneriſch kondte ſtellen / daß man jn fuͤr den alleꝛheiligſten Menſchen der Welt hette verſehen: Dann er gieng fleiſſig vmb mit den Geiſtlichen / allzeit ſtellet er ſich / als wann er heimlich bey ſich ſelber betete / vnnd da war kein Kirch / die er nicht beſuchte: Vnd daß ich euch ſa - ge / was er fuͤr eine Andacht in ſeinem Gebet ge - habt habe / ſo kan ich euch deſſen wol verſichern / daß ſie in grund vnd boden nichts doͤchte / dann er gedachte an nichts anders / als wie er den allerer - ſten / der jm an einer Gaſſenecken moͤchte auffſtoſ - ſen / beſtelen vnd berauben koͤndte.

Bißweiln kamen die jenige / welchen er ſchul - dig ware / begerten jhr Gelt / vnnd ſetzten jhm hart zu / aber er ſchickete ſie wider mit einer ſolchen vn - verſchaͤmpten Manier nach Hauß / daß ſie zum zweytenmal nicht wider dorfften kommen: Was vexiret jhr mich viel ſagt er / vmb ewer Gelt: Mein Gelt iſt noch nicht kommen / oder muß mir auff der Kurſchen geſtohlen ſeyn worden: Habt jhr ſorge ich werde euch entlauffen / oder darvon zie - hen vnd nicht bezahlen: Begehret jhr es / ich wil euch fuͤr tauſent Kronen Pfand geben.

Alſo narꝛet vnd betroge er jederman mit ſeinē Worten / alſo daß er den Teuffel allzeit mit dem Schwantz zoge / vnd lebete zu Hoff / wie ein groſſer Herꝛ: Allenthalben machte er Kundtſchafft mitKjeni -138Beutelſchneider / oderjenigen / welche er wol ſein lebenlang nicht mehr geſehen hatte / vnnd die auch widerumb jhr leben - lang nichts von jm gewuſt / oder gehoͤret hatten.

Er pflegte auch ein anders Schelmengrieff - lein zubrauchen / die Kauffleut deſto beſſer zu er - dappen / vnd zu betriegen: Dann wann er ſahe o - der wuſte / daß ein vornehmer Herꝛ jhm wolte ein Kleid machen laſſen / vnd Zeug darzu außnemen / kame er demſelbigen entgegen vnnd ſagte zu jhm / er hette einen Kauffmann an der Hand / welcher die beſte Waar in Paris hette / gebe auch beſſeren kauff als alle andere. Wann nun der jenige / den er alſo anredete / ſich mit der Naſe durch dieſen Landbetrieger lieſſe fuͤhren / gieng Filander mit jhm in den erſten Laden den er antraffe / gruͤſſet den Kauffmann / als wann er lange Zeit mit jhm we - re vmbgangen / vnd als wann er jhn auch gar wol kennete: Mein Herꝛ / ſagte er zu jhm: Es iſt nun ein gute Zeit / daß wir vnns vntereinander ken - nen: Ich bitte euch jhr wollet mir zugefallen die - ſen Herꝛn mit guter Waar verſehen: Dieſen grieff brauchte er einmal oder zwey / oder drey: Er kam vnverſchaͤmpter weiß in einen Laden hinein ohn Gelt / vnd macht / daß er von dem beſten Zeug der im Laden ware / gekleidet wurde: allein daher / daß er vorgab / er kennere den Herꝛn gar wol / bey welchem der Zeug außgenommen wurde. Aber hernacher / wann man hingienge / wolte den Her - ren ſuchen / vnd das Gelt holen / da wolt ſich kein Menſch nicht finden laſſen: Aber den ſtreich / den ich euch jetzunder von jhm erzehlen wil / iſt gar zuſchlim139Diebs Hiſtorien / das I. Buch. ſchlim / ja ſo ſchlim daß man es nicht aͤrger erden - cken koͤndte. Dieſer Gaſconier / ſo ſchlimmer Bett - ler als er war / ſo wol wuſte er ſich zu ſtellen vnd zu - verhalten / daß er endlich zu einem Leutenant ge - ſetzet wurde uͤber den Zoll / ſo inn einer gewiſſen Provintz inn Franckreich einfaͤlt / vnnd ſolches Ampt verſahe er auch in die zwey oder drey Jahr: Aber die jenige / ſo den Zoll erlegen muſten / nach dem ſie jhn wol hatten kennen lernen / brachten ſo vil zuwegen / daß er ſeines Ampts widerumb ent - ſetzet wurde / vnnd kondte auch nit mehr darzu ge - langen So lang er aber an dem Ampt war / war er gar ein groſſer Herꝛ / dann er hatte ſein Diener vnd Laqueyen vmb ſich: Er war ein groſſer Herꝛ / vnd bildet jhm ein / es were bald keiner gut genug / daß er jhm nur dienen ſolte: Er bezahlete ſeine Schuldleut / ſo lang als er Gelt hatte / er eroberte viel Gelts vnd Guts / vnd ſtunden ſeine Sachen gar wol / wann er ſich nur nach alſo hette halten koͤnnen / daß er hette bleiben moͤgen / aber / wie ich zu vor habe erzehlet / ſo wurde er ſeines Ampts ent - ſetzet durch die jenige / welche eben ſo wol / als er / Hirn im Kopff hatten.

Laͤnger an ſolchem Ort zubleiben / vnnd gar nichts thun oder erwerben / das wolte ſich gar nit fuͤr Filandre ſchicken / derhalben ſo zeucht er wi - derumb gen Paris / vnd begibt ſich widerumb auff das vorige Handwerck / kehret ein bey den jenigen / bey welchem er ſich zuvor auffgehalten hatte / fan - get eine Rechtfertigung an wider die jenige / ſo jn vmb ſein Ampt bracht hatten / aber es war allesK ijvmb -140Beutelſchneider / odervmbſonſt vnd verlohren: Dann alles was er fuͤr - bracht / das war nit der importantz oder beſchaf - fenheit / daß er dardurch etwas hette erlangen moͤ - gen: Er ſuchete zwar die Voͤgel / aber ein anderer hub vnter deſſen das Neſt auß: Geraͤth alſo wi - derumb in ſeine vorige Armuth: Seine Laqueyen vnd Diener / die er zuvor vnterhalten hatte / ver - lieꝛen ſich pedetentim vnd fein allgemaͤchlich / ſie verlaſſen jhren Herꝛn / als deſſen Adel (ich verſtehe aber ſeine Kleider) ſich auch je laͤnger je mehr ver - ſchlieſſe vnd verdrieſſe. Vnnd da er nun mehr kein Gelt vnnd Huͤlff mehr wuſte / fienge er an bey naͤchtlicher weil die Leut anzugreiffen / vnd ſie jh - res Gelts zuentleichtern: Aber als er auff ein Zeit ſolches ſein Handwerck wolte treiben / vnnd ver - geſſen hatte ſein Meiſterbrieff vnd Freyzettel auff der newen Bruͤcken zuholen / wurde er[ſchaͤndlich] uͤbel empfangen / vnd vom Schaͤdel biß auff ſeine Fußſolen alſo zerſchlagen / daß er es ſelber nicht doͤrffte oder moͤchte laugnen: Dann er muſte mehr Holtz auff ſeinem Leibe tragen / als drey Eſel ſeiner groͤſſe nimmermehr hetten tragen koͤnnen / dann er ware zugerichtet / daß er zu thun hat / daß er allgemach vnd mit guter weil widerumb kond - te nach Hauß bißweiln ſchnappen / bißweiln krie - chen / ſo außbuͤndig wol hatten ſie jm ſein Rucken / vnnd gantzen Leib mit ſtarcker Waldſalben ge - ſchmieret: Aber wie es die Wuͤrme machen / daß ſie ſich gleichſam alſo zu reden widerumb zuſam - men knuͤpffen vnd wie es die Schlangen machen daß wann ſie ſchon von einander gehauen / daß ſiedie141Diebshiſtorien / das I. Buchdie zerhawene ſtuͤcker widerumb zuſammen vnnd an einander fuͤgen: Alſo thete er auch / biß daß er endlich widerumb geheilet wurde: Vnnd als er nun widerumb zu kraͤfften kommen / vnterfienge er ſich ein Procurator zu werden / vn̄ Rechtshaͤn - del zu fuͤhren / funde ſich auch alle Tag in dem Pa - lais bey allen Verhoͤrungen / vnd kam ſo weit inn kurtzer Zeit / daß man bald von niemands an - derſt mehr ſagte vnd hielte / als von dieſem P[r]ocu - rator.

Er wuſte in ſein Rechtsſachen / die er fuͤhrete / gewaltige vmbſchweiff zugebrauchen / vnd ſolche außflucht zu ſuchen / daß einer jhm ſich dieſelbige nimmermehr hette einbilden koͤnnen: Wann ſich ein ander auff eine Rencke vnnd Practick en be - dachte / ſo hatte er ſie ſchon ins Werck geſetzet: Al - le die Bawersleute / ſo vmb Paris herumb woh - neten / kamen mit groſſen hauffen in ſein Hauß / vnd begehreten / daß er jhnen doch in jren Rechts - haͤndeln / huͤlffe. Vnd alſo kame er zu kraͤfften / vnd verſtunde ſich wol auff ſolchen Handel / daß keiner kondte erꝛahten / woher er ſolches hatte. Vnd was woͤllet jhr mehr? Manchmals gieng er inn der Rentmeiſter Haͤuſer / name ſich an / als wann er dieſe oder jene Commiſſion vnnd Befeich hette / vnd durch jhn wurden viel bezahlt / welche ſonſten jhr lebenlang nicht waren bezahlet worden: Aber darbey muſt jhr gleichwol das wol mercken / daß er ſeiner nicht vergaſſe: Dann wann er etwas auß - theilet / ſo gab er allzeit das e[r]ſte vnd beſte jhm ſel - ber / nach jenes naͤrꝛiſchen Meynung vnnd Auß -K iijſpruch /142Beutelſchneider / oderſpruch / welcher alſo geſagt: Eligentis melior con - ditio, der die Wahl hat / kan ein ding allezeit beſ - ſer / als ein ander haben. Aber ich kan mich deß La - chens nicht enthalten / wann ich gedencke an den grewlichen artigen ſtreich vnd boſſen / den er auff ein Zeit einem jungen vnbeſunnenen Geſellen / welcher zu jhm ware kommen / etliche Characteres vnd Zaubereyſachen von ihm zu lernen: (Dann er meinete nicht anderſt / dann Filandre were ein Zauberer) hat bewieſen: Dann als Filandre mer - cket / daß der junge Geſell jhn vor einen Zauberer hielte / ließ er jhn auff der Meynung / vnnd fienge an jhn Augenſcheinlich zu narꝛen: Sagte jhm / daß in kurtzer Zeit alle Schwartzkuͤnſtler vnd Zau - berer zu Paris / von welcher Zahl er ſagte / daß er auch were / wuͤrden zuſammen kommen in der ge - gend bey Montmarte / wuͤrdē auch allerley Kraͤu - ter mit ſich bringen / allerley Sachen vnd Salben machen / vnd an dere ding mehr / vnd durch derſel - bigen gemachten dinge mittel hetten ſie hernach die Krafft / daß ſie ſich in die Lufft erheben / vnnd darinnen fliegen koͤndten / ja daß ſie zu groſſem Reichthumb kaͤmen / vnd vil andere wunderbarli - che Sachen außrichten / ja koͤndten auch dardurch die Feldmaͤuſe ſchlaffend machen.

Dieſer junge Narꝛ glaubete das ding alle mit - einander / gibt jhm zehen Pifloleten auff die Hand vnnd zuvorauß / damit er ja ſolches alles moͤge ſe - hen lernen vnd erfahren / vnd damit er ſolche Co - medien zuſehen Gelts halben deſto weniger abge - halten werden moͤge / verkauffet er ſeinen Mantelvnd143Diebshiſtorien / das I. Buch. vnd Kleider / vnd wird darauff ſo bloß vnd nack et als deß Eſopi Vogel.

Vnter deſſen nimpt vnſer ehrliche Mann Fi - landre das Gelt / gehet in ein Wirthshauß / vnd macht ſich darvon luftig / beffelt fuͤnff oder ſechs Geſellen ſeiner Gattung / welche auff ernannten Tag ſich in der gegend Montmorte finden / vnnd als der jenige / der die gantze Geſellſchafft muſte frey halten vnd die Pfanne hernacher placken / in die Kammer kom̄en / da fiengen ſie an Racketlein vnd allerley Fewerwerck zu werffen / lieſſen etliche Geſchuͤtz loß gehen / dardurch der junge albere Ge - ſell ſo erſchreck et wurde / daß er die Flucht name / darauff ſie jhm nachfolgeten / vnd jhn mit guten Bruͤgeln ſo jaͤmmerlich vnnd ſo lang ſchmieſſen / biß daß er widerumb auß jhrem Quartier kam.

Filandre / welcher noch nicht an beſtimptem Ort ware ankommen / vnnd dieſen jungen albern Menſchen mitten auff dem Weg antraffe / vnnd ſahe daß er ſo uͤbel zugerichtet war / fraget jn war - umb er ſo were gebutzet worden / vnd als er gehoͤ - ret / wie alles were hergangen / ſtraffet er jhn ernſt - lich darumb / warffe jhm fuͤr ſeine forchtſamkeit / vnd ſagte zu jhm / er muͤſte ſich nicht alſo foͤꝛchten / vnd das am allermeiſten zuverwundern / wiewol er ſo uͤbel ware empfangen worden / ſo hat er doch im Sinn / er wolte widerumb zuruͤck mit gehen / wann Filandre jn nur hette dahin begleiten woͤl - len: Da ich mich dann nicht gnugſam uͤber ſeine Thorheit kan verwundern / vn̄ kan nichts anderſt von ſolchem Menſchen ſagen / als daß er an ſtattK iiijeines144Beutelſchneider / odereines Kopffs nur ein Toͤpffen auff der Achſeln hat ſtehen gehabt / daß er geglaubet / was jhm ſolcher Landbetrieger harte geſaget / der jhm das Maul alſo voll gegeben / vnd den Kopff ſo voll hatte ge - plaudert: Aber das ware dieſes albern Menſchen Vngluͤck / daß er ſich ſo leichtlich lieſſe uͤberꝛeden: Gleichwol aber / da er endlich ſahe / daß auf deß Fi - landre groſſe verheiſſung nichts erfolgete / ſo wol - te er ſein Gelt widerumb von jm haben: Filandre der nit wuſte / wie er doch deß Narꝛen widerumb ſolte quit werden / oder wie er jhn ſolte befridigen / fuͤhrete jhn endlich auff den Grempelmarckt / vnd kauffte jhm ein Mantel / betroge den jenigen / den er kandte vnd uͤberꝛedete jhn / er wolte jhn deß er - ſten Tags bezahlen.

Vnter deſſen fuͤhrete er allzeit ſeine Rechtfer - tigung wider die jenige / welche jhn auß dem Sat - tel gehoben / vnd vmb ſeinen Dienſt gebracht hat - ten / er ſahe / daß er allenthalben Gelt aufferoſſete / wiewol er es nimmeꝛmehr begeꝛte wider zugeben / ware jedeꝛman mit ſeinem gewaͤſch uͤbeꝛlaͤſtig / biß daß er endlich die Carthaͤuſer Muͤnch eben ſo wol als andere betroge.

Dann nach dem er nun offtermals inn jhrem Kloſter ware geweſen / vnd hatte ſich als ein heili - ger andaͤchtiger Chriſt darinnen ſehen laſſen / - berꝛedete er ſie endlich / er wolte auch ein Muͤnch werden / Jedoch ſo gab er fuͤr Eh er den Muͤnchs - habit anzoge / vnd gar ins Kloſter hinein ſich bege - be / wolte er erſtlich gern ſeine angefangene Recht - fertigung außfuͤhren / welche auff die acht tauſentFran -145Diebs Hiſtorien / das I. Buch. Francken antreffe: Dann wann er die Sach ge - winne / ſo koͤndt er damit alle ſeine Schuldleute bezahlen / vnd koͤndte auch noch etwas mit in das Kloſter hinein bringen. Die gute Herꝛn vnd Pa - tres / welche dem euſſerlichen Augenſchein nach - giengen / fragten jn / wo er her were / wo er zur Her - berg lege / vnd als ſie ſolches erfuhren / lieſſen ſie ſei - nen Wirth zu jhnen kommen / liehen dem Filan - dre vier tauſent Pfund / doch alſo / daß ſein Wirt Buͤrg fuͤr jn wurde / welches er dann auch gern thete. Dann er verhoffere Filandre wuͤrde ſeine vorgegebene Rechtfertigung gewinnen / vnnd wuͤrde er alſo ſein Gelt mit groſſem nutzen wider - umb empfangen koͤnnen / oder doch auff das we - nigſte der geleiſteren Buͤrgſchafft ohn allen ſcha - den loß werden Aber es ſtunde nicht lang an / daß ſich der Wirth muſte ſelber vercreutzigen vnd verwundern / dz ſein Gaſt Filandre ga[n]tz vnſicht - bar war worden: Dann Filandre begab ſich von dannen gen Orleans / Saumur vnd andere Oer - ter gab ſich auß vor ein Kauffmann / handelte ein Zeitlang vnd macht es wie viel andere / welche an hundert Schilling vier Pfund / vnnd an vier Pfund gar nicht gewinnen / das iſt / welche drey - tzehen Schilling zum Gulden bringen. Endlich name er jm fuͤr wider gen Paris zu kommen / vnd kauffete allerley Guͤlden / vnnd Schuldbrieffe an ſich mit der außgedruckten Condition daß er ſol - che innerhalb ſechs Monat ſolte vnd auch wolte richtig vnd vnverzuͤglich bezahlen / oder ſolte der Contract vnd Kauff gantz nichtig vnd vnkraͤfftig ſeyn.

K vAls146Beutelſchneider / oder

Als er nun mit ſolchen Schuldbrieffen ſich wol verſehen hatte / kompt er wider gen Parts / be - ſuchte ſein alte bekanten / vnd bringet ſo viel durch ſeine Practicken zu wegen / daß er ſich verheura - thet an eine junge Wittib / ſo in der Gaſſen S. Anthome wohnet / vnd bringet jhr zu an ſtatt ſei - ner Guͤter ein groſſen hauffen vnd Sack voll ſol - cher Papier / nach dem Exempel der Normander welche manchmals zwantzig oder dreyſſig Rechts - haͤndel jhren Toͤchtern zur Morgengab geben / vnd meinen auch / ſie haben den jenigen / ſo jhre Toͤch - ter zur Ehe nemen / gewaltig vil mit gegeben: Aber endlich wurde all ſein Betrug offenbar: Dann ei - nen Monat hernacher / da man an die in den ver - meinten Schuldbrieffen gedachte oͤrter wolte vnd ſolte gehen / vnd die Renten einfordern / er aber fuͤr ſolcher Zeit ſich mehr als fuͤr den Hundstagen forchtete / machte er ſeinen Buͤndel / gieng darvon vnd verlieſſe ſein Weib vnd jhren Vatter / welche daruͤber ſo beſtuͤrtzet wurden / als wann ſie auß den Wolcken weren heraber gefallen: Dann ſie mei - neten nicht anderſt / als daß der Gaſconier ein vor - nemer vnd ſehr reicher vom Adel were / ſo ſtatt - lich wuſte er ſich zu halten: Aber nach der Zeit hat man keine Zeitung mehꝛ von jhm gehabt / als daß noch newlich man mir dieſe Perſon alſo ab - mahlete vnd ſagte: Man haͤtte jhn am Galgen ſehen hencken nah bey Lion / vnd ſolches deßwegen / dieweil er ſich haͤtte vnderſtanden eine Weibsper - ſon zu Nothzuͤchtigen / vnd alſo kan man wol ſa - gen / daß gemeiniglich das Ende pflegt zu ſeyn / wiezuvor147Diebs Hiſtorien das I. Buch. zuvor der Anfang iſt geweſen / vnd daß es alſo heiſ - ſe: Qui venit ex nihilo, deſinit in nihilum: wer auß nichts herkommet / der endet ſich endlich auch in ein nichts.

Das X. Capitel.

Von den verdamblichen Thaten eines jun - gen Herꝛn von Guienne genannt Alidor.

DIe Tugend allein iſt der rechte Adel deß Menſchen / ja wie das Alter kompt von der Jugend / alſo kompt nach auß - weiſung dieſer nachfolgender Figur / der Adel von der Tugendt. So bald als ein Menſch ſich den Suͤnden ergibet / vnd denſelbigen nachhen get / kan man das in Warheit von jhm ſagen / daß er von ſeinem erſten vnd hoͤchſten Adel abſchreytet: Dan̄ daß wir rund herauſſer ſagen / was die Warheit iſt / ſo macht alle der Adel / den wir von vnſern El - tern vnd Voreltern haben / ſo gar wenig vornem vnd Edel / daß es viel beſſer were / gar keine Ehr dem Nachkoͤm̄lingen zuerlangen / als daß man ſich wil bekleyden vnd zieren mit einem ſolchen vermeinten Adel / der nicht vnſer iſt / vnd der nur anders wo her iſt entlehnet: Dann da heiſſet es / wie der Poet ſaget:

--- Nam quæ nam fecimus ipſi,
Vix ea noſtra, puto.

das iſt / was wir nicht ſelbſten außgericht vnnd ge - than haben / das koͤnnen wir vns als das vnſerige mit nichten zuſchreiben.

Hier -148Beutelſchneider / oder

Hierauß werden wir ſehen / daß der jenige / von welchem wir in dieſem Capitel reden woͤllen / auff zweyfache weiß von ſeinem Adel iſt abgeſchritten: Dann da er billich hette nachfolgen ſollen den

[figure]

[dapffern] Thaten ſeiner Vorfahren / vnnd in jhre loͤbliche Fußſtapffen tretten / hat er ſich allen La - ſtern gantz vnd gar ergeben / vnd hat gleichſam al - len Tugenden ein groſſes Banckerott geſpielet.

Guien -149Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Guienne iſt das Ort / da dieſer ſtoltze Alidor gebohren wurde / vnd kan man das wol ſagen / daß Guienne in jhm das groͤſte Wunderthier hat ge - habt / welches jemals in der gantzen Provintz mag geweſen ſeyn: Dann wie jhr inn nachfolgendem Diſcurs werdet vernemen / ſo iſt kein Bubenſtuͤck / kein Vbelthat in der Welt / das er nicht begangen habe.

Dieſer grewliche Cyclopus war von einem ehꝛlichen voꝛnemen Geſchlecht / wann er nur auch hette der heilſamen Lehr vnnd Vermahnung ſei - ner Eltern folgen woͤllen: Aber wie allzeit vnter den guten Pflantzen vnd Baͤumen / ſich auch ein vngeſchlachter findet / welcher auch wol die ander Frucht zutragen verhindert / alſo gabe dieſer Ali - dor auch von ſeiner Kindtheit vnd Jugend an / durch ſein boͤſes verhalten zuverſtehen / daß er nie viel guter Fruͤchte bringen / vnd ſeinen Geſchlecht vil mehr ſchaden / ſchimpff vnd ſpott / als Ehr vnd Nutzen zuziehen wurde.

Er hatte viel Bruͤder vnd Schweſter / alſo daß hernacher das vermoͤgen ſeiner Eltern vnter vie - le muſte außgetheilet werden / wiewol dieſer gern alles allein hette zu ſich gezogen: Als nun die El - tern verſtorben waren / wurde die hinderlaſſene Erbſchafft vnter ſie außgetheilet: A[li]dor aber / als der Elteſte vnter den Kindern vnd Bruͤdern / da er ſahe / daß ſo viel Guͤter / die ſein Vatter zuvor allein gehabt hatte / alſo voneinander abgetheilet wurden / alſo daß er nit mehr als die andere dar - von bekame / wuͤnſchte alle Augenblick / daß dochſeine150Beutelſchneider / oderſeine Bruͤder ſterben moͤchten: Aber als er ſich in ſeiner hoffnung vnd wuͤnſchen betrogen ſahe / na - me er jhm vor ſich in den Krieg zubegeben / auff daß er durch die vber alle maſſen groſſe / vnnd vor Gott gleichwol gantz vnvera[n]wortlich Freyheit / ſo die Soldaten im Krieg haben / deſto leichtlicher vnd ohne alle Ergernuß mit anderer Leut ſchaden ſich bereichen moͤchte. Welchem ſeinem vorne - mē er auch allzeit nachkame / ſo lang als der Krieg werte Aber ſo bald als der Krieg ein Loch bekame / vnd dem Volck abgedancket wurde / muſte ein jeg - licher widervmb nach Hauß ziehen / welches dann Alidor auch thaͤt: Als er nun zu Hauß war / ver - gienge etliche Monat / daß er im geringſtē nichts thaͤte / das ſeiner Ehr vnd Reputation were ver - kleinerlich geweſen: Gleichwol aber weil er ein ſtoltzes boͤſes vornemen in ſeinem Hertzen hatte ſich hinfuͤro / wie zuvor / zu bereichen vnnd außzu - bringen / vnnd ſolte es jhm darvber gehen / wie es jmmer wolte / ſo truge es ſich zu / daß ein Frantzoͤ - ſiſcher Edelmann / ſo nicht mehr als einen Knecht bey ſich hatte / vnnd alle beyde wol beritten waren / garſpatt nah bey ſeinem Loſament ankame / als er eben bey ſeinem Schloß auff vnnd ab ſpatziern gienge. Als nun der Edel mann Alidor erfihet vnd zu jhm kommet / bittet er in freundlich / er woͤlle jhm doch den Weg zeigen: Alidor gibt jhm zur antwort: Wann er weiter fort reiten wolte / ſo wuͤrde er ſo bald kein Herberg antreffen koͤnnen / da er koͤndte vber Nacht bleiben / vnnd daß er ſich auch gar leichtlich in dem Wald / dardurch ernochmuſte151Diebs Hiſtorien / das I. Buch.muſte reiten / ehe er ein Herberg antreffe / koͤndte verirꝛen: Bote jhm die Nachtherberg an / vnd ba - te jhn ſehr / er ſolte uͤbeꝛ Nacht bey jhm bleiben: Der Edelmann thut ſich etliche mal dienſtfreundlich bedancken / wegen deß freundlichen anerbietens / jedoch aber / als er ſihet / daß es ſo ſpat iſt / vnd Ali - dor jhn ſo inſtaͤndig bittet / er ſolte bey jhm uͤber Nacht bleiben / laͤſt er ſich weiſen: Hierauff fuͤhret jhn der Alidor in ſein Schloß / laͤſt deß Edelmans beyde Pferd in Stall ziehen / vnd fuͤhret jhn in ei - ne Kammer / biß vnter deſſen das Abendeſſen fer - tig werde: Fangen an von allerley Sachen zu re - den / ſonderlich aber erzehlet der vom Adel / wie er ſich jetzund auff dem Weg begeben habe Italien / Spanien vnd andere Laͤnder zubeſehen / weil ohne das in Franckreich ſo guter Fried vnd Ruhe ſey / erzehlet jhm auch weitlaͤufftig / was er ſchon vor denckwuͤrdige Sachen geſehen habe: Vnd in dem ſie alle miteinander reden / wird vnter deſſen das Abendeſſen angerichtet: Sie ſetzen ſich miteinan - der zu Tiſch / vnd haben freundliche gute Geſpraͤ - che miteinander / vnd Alidor brauchet alle Mittel vnd Gelegenheit / dieſen ſeinen newen Gaſt luſtig zumachen: Es wird hernacher widerumb auffge - hoben / vnd der Edelman in ein Kammer gefuͤh - ret / darinnen zu ſchlaffen / vnd zu ruhen / vnnd ge - het Aidor vnter deſſen mit den ſeinigen auch zu Beth.

Als aber[nun] Alidor allein iſt / ſihe / da dencket er / wie er doch dieſen Gaſt moͤge berauben / vnd als er es uͤber vnd druͤber geworffen / vn̄ bedacht hatte /wie152Beutelſchneider / oderwie er die Sache wolte vnd ſolte anfangen laͤſt er ſo bald etliche ſeiner getreweſten Knecht (weiche aber gleichwol viel weniger als er ſelber dachten / ja nicht eines Haars beſſer / als jhr Herꝛ / war) zu ſich kommen / zeiget jhnen an / daß er haͤtte erfah - ren / daß der Vatter dieſes Edelmanns / wer ein Vrſach geweſen an dem Todt ſeines Vatters / welcher[auff] einer Reiß / ſo er naher Paris haͤtte thun woͤllen / geſtorben were / vnd daß deſſelbigen Sohn / welches dieſer von Adel were / ſich haͤtte vernemen laſſen vnd geruͤhmet / er wolte es jhm / nemblich / dem Alidor auch nicht beſſer machen / wie auch ſeinen Bruͤdern / wann er nur dieſelbige antreffen koͤndte: Alſo daß er jhm deßwegen vor - genommen haͤtte / weil er jhm ſelber ſo ſchoͤn ins Garn wer gelauffen / wolte er ſich ſeiner abthun / jhn erwuͤrgen vnd jhm alſo vorkommen: Ver - hieſſe auch ſolchen ſeinen Dieneꝛn vber viel andere dinge eine groſſe ſummen Gelts / wann ſie ſeinen Vorſchlag ins Werck ſetzen wolten.

Die Diener meinten / es ſey die pur lautere Warheit / was jhr Herꝛ jhnen geſagt hatte / vnd weil ſie von einer ſolchen groſſen ſummen Gelts hoͤren / welche er jhnen verheiſſen / ſetzen ſie jhnen vor / ſie wollen den Edelmann deß morgens fruͤh in ſeiner Kammer hinrichten: Einer ſoll ſich an - nemen / als wann er jhm ein Liecht woͤlle bringen / der ſoll jhm darauff jhres Herꝛn wegen einen gu - ten Morgen geben / daß jhm das Hirn darvber wackele / welches ſie dann gar leich[t]lich ins Werck gerichtet. Dann als ſie ſich mit Delchen vn̄ Roh -ren153Diebshiſtorien / Das I. Buch.ren wol verwahret / gehen ſie alle drey / doch einer nach dem andern in die Kammer / vnnd als der Edelmann jhnen einen guten Moꝛgen wil geben / gaben ſie jhm einen Schuß durch den Kopff hin - durch daß er ſo bald dahin faͤhret vnd ſtirbet.

Sein Knecht / als er ſihet / daß ſein Herꝛ todt auff der Erden liget / lauffet dem Fenſter zu / vnd wil hinab in den Hof ſpringen / aber die zween an - dere halten jhn / vnd geben jhm auch ein Schuß / daß er auch ſo bald darvon ſtirbet.

Als nun Alidor weiß / daß der Mord iſt geſche - hen / leſt er ſie werffen in einen Graben / welcher in einem Wald nicht weit von ſeinem Garten wa - re / vnd leſt den Graben hernacher mit Erden wi - der zu werffen: Vnd als nun etliche Tag vergan - gen waren / vnd niemands nichts von ſolchem be - gangenen Mord wuſte oder redete / ſchickte Alidor einen ſeiner Diener / welcher den Mord begangen hatte / in die nechſte Statt / die beyde Pferd deß hingerichten Edelman̄s zu verkauffen: Aber Gott der deſſen begangenen Mord vngeſtraffet nicht lange zeit wolte hingehen laſſen / verhaͤnget vnd ſchicket es / daß eben ein Laquey / (der von deß Er - ſchlagenen Edelmanns Vatter ware außgeſchi - cket worden) wegen etlicher Geſchaͤfften / durch dieſe Statt gehet / auch zu allem Gluͤck eben in das Wirthshauß kommet / da die jenige / welche die Pferd fuͤhreten / eingekehret waren.

Der Laquey kennet ſo bald die Pferd / vnd ſihet / daß ſie ſeines Junckern Pferd ſeyn: Jedoch nim̄t er ſich im geringſten deſſen nicht an / ſondern frageLwol154Beutelſchneider / oderwol auß / wem doch ſolche Pferd zuſtehen. Der Wirth erzehlet jhm ſo viel / als er darvon weiß / vnd was er darvon hielte: Hierauff gehet der La - quey zu der Obrigkeit deß Orts / vnd zeiget an / daß das ſeines Junckers Sohn Pferde ſeyen / zeiget jhnen die Brieff ſeines Herꝛn / vnd weiß nicht an - derſt / als daß die jenige / die ſeine Pferd haben / ſei - nes Herꝛen Sohn auch muͤſſen todt geſchlagen haben: Bittet derhalben die Obrigkeit / ſie wollen nit allein die Pferd veſt machen / ſondern auch die jenige / ſo dazu gehoͤren / gefaͤnglich einziehen / auff daß man deſto beſſer der Sachen grund erfahren moͤge: Darauff wird einer auß den jenigen / ſo die Pferd dahin gefuͤhret hatten / gefangen / der ande - re aber macht ſich auß dem Staub / kompt wider auff das Schloß zu ſeinem Herꝛn / vnd zeigt jhm ſolches alles an / welcher ſo bald ſich in ſeinem Schloß wol verwahret vnd verſchantzet / in mey - nung / wann ſie jhn je fangen wolten / ſo ſolte es ſie gar theuer ankommen: Vnter deſſen aber wird der jenige / der gefangen war woꝛden / examiniret / vnd weil man wol ſahe / auß den vnterſchidlichen vnd vnbeſtaͤndigen antworten / welche er gabe / daß er deß Mords ſchuldig ſeyn muſte / ſchickte man den Oberſten hin Alidor gefangen zunemen: Als nun der Oberſte hin kam / vnd Alidor den beſcheid an - zeiget / daß er ſich ſolte gefangen geben / gab er jhm dieſe Antwort / daß wann er nicht mit gutem wil - len wolte von ſeinem Schloß abziehen / ſo wolte er jhn wol mit gewalt darvon bringen: Als aber der Prevoſt an das Hauß mit aller Gewalt ſetzet /ſchoſſe155Diebs Hiſtorien das I. Buch.ſchoſſe Alidor mit den ſeinigen ſo ſtarck herauſſer daß der Oberſte mit den ſeinigen in aller eyl mu - ſte abziehen vnd ablaſſen: Endlich aber als ſolchs alles deß Erſchlagenen Vatter / von ſeinem La - queyen erfuhre / machte er ſich auff den Weg mit vielem Volck / in meynung ſich wegen ſeines er - ſchlagenen Sohns / an dem Alidor zu rechen: Welches als es Alidor auch erfuhr / ware er nicht faul / ſondern beveſtiget ſein Schloß je laͤnger je mehr / vnd name jhm auch vor / er wolte ſich nicht ehe auß dem Schloß / ſein Leben zu ſalviren / bege - ben / er hette dann jhrer etliche erleget / vnnd mit dem Werck ſeinen vnerſchrockenen Muht gegen ſeinen Feinden bezeuget: Endlich kommet der Herꝛ mit dem Oberſten / mit vielen von Adel / als ſeinen guten Freunden / vnd mit vielem anderem Volck / als jhren Vnterthanen fuͤr das Schloß vnd Wohnung deß Alidors Man fanget an das Schloß zu ſtuͤrmen / vnd dapffer hinein zuſchieſ - ſen / aber nicht weniger geſchicht auch von denen / ſo darinnen waren / die wehreten ſich dapffer dar - innen: Man lieff zwar zum zweitenmal Sturm / aber man kondte doch noch nichts gewinnen: Als aber Alidor ſah / dz man auch zum drittenmal ſein Schloß ſtuͤrmen wolte / da dachte er wol / er wuͤrde ſich in die laͤnge nicht mehr auffhalten koͤnnen / ſondern endlich gefangen werden / berathſchlagete ſich derhalben mit einem ſeinen getreueſtē Knech - te / daß er jhm ſeine Pferd ſolte fertig machen / vnd deß Abends bey die Pforten deß Gartens fuͤhren / ob er alſo darvon kommen moͤchte: Hierauff ſacktL ijvnd156Beutelſchneider / odervnd packte ſich Alidor / nimpt all ſein Gold vnd Silber / vnd was er von Gelt hatte bey ſich / macht ſich deß Nachts darvon mit vier ſeiner Knechten / welche wol beritten warē / vnd das gienge ſo heim - lich zu / daß es weder die jenige / ſo im Schloß / noch auch die jenigen / ſo drauſſen vor dem Schloß wa - ren gewahr wurden: Ritten hierauff Tag vnd Nacht / biß daß ſie endlich in einen ſtarcken finſte - ren Wald kamen / vnd ſich darinnen ſalvireten: Vnd als ſie an ſolchem Ort waren / vnd ſonſt kein Mittel hatten / ſich zu ernehren / fiengen ſie an widerumb ſchroͤcklichen zu rauben vnd zu mor - den / vnter andern aber kam jhnen auch in jhre moͤrderiſche Haͤnde ein vornemer reicher Kauff - mann / welche / als ſie jhn je zu ermorden wolten / vnd vngefehr ſahe ein Hauffen Kraͤhen voruͤber fliegen / da er dann alſo anfienge zu ſchreyen vnd zu ſagen: O jhr Kraͤhen / ich ruffe euch zu Zeugen an / rechet mich an dieſen Moͤrdern / welche mir mein Leben allhie nemen.

Dieſe boͤſe Buben kondten vnd wolten nicht darmit zu frieden ſeyn / daß ſie alles / was ſie bey dieſem Kauffmann funden / jhm abnamen / ſon - dern ſie ſchlugen jhn auch noch uͤber das ſo bald todt. Etliche Tag aber hernach wurden jhrer zwen in ein Flecken geſchickt / allda etwas zu kauffen: Als ſie aber in einer Herberg an demſelbigen Ort einen Trunck miteinander theten / ſihe / da kame geflogen ein hauffen Kraͤhen / welche ſich auff die ſpitzen deß Hauſes ſetzten / vnd anfiengen zu krach - tzen: Welches als es die beyden Moͤrder hoͤreten /vnd157Diebs Hiſtorien / das I. Buch.vnd ſahen / fiengen ſie miteinander an zu lachen / vnd einer zu dem andern alſo zu ſagen: O / ho / Ge - ſell / ſihe da die Zeugen / welche den Todt deß jeni - gen / den wir die Tag uͤber hingerichtet haben / re - chen ſollen.

Der Haußknecht hoͤrete dieſes Lachen vnnd Geſpraͤch der zween Gaͤſte / vnd zeigete es ſeinem Herꝛn an / welcher ſo bald hingienge zu der Obrig - keit in dem Flecken / vnd als er ſolches angezeiget / ſchicket die Obrigkeit ſo bald jhre Diener hin / wel - che dieſe zween Geſellen grieffen vnnd gefangen fuͤhreten. Vnd als man ſie hernacher examinirte / vnd auff die Folter ein wenig ſpannete / bekandten ſie ſo viel / daß ſie darauff zum Todt verurtheilet / vnd ſo bald hingerichtet wurden. Man vermeine - te zwar / man wuͤrde die andere jhre Mitgeſellen auch erdappen / aber ſie hatten ſich ſo bald / als ſie ſolche Londen gerochen / auß dem Staub ge - macht.

Alidor begabe ſich hierauff in einen andern Wald / ſo nah bey Lion iſt / da dann viel andere Rauber vnd Moͤrder (weil ſie ſo viel von jhm ge - hoͤret hatten) ſich zu jhm begaben / vnd da erdach - ten ſie tauſenterley Bubenſtuͤck / wie ſie die vor - uͤbergehende deſto fuͤglicher berauben moͤchten: Vnter andern ware einer in jhrer Geſellſchafft / ein junger Geſell vngefaͤhr zwantzig oder mehr Jahr alt / der pflegte ſich vor einem Stum̄en auß - zu geben / truge ein Gloͤcklein in der Hand / vnd in dem er ſich anname / als zoͤge er von einem Ort zum andern / das Brot zu betteln / ſahe er vnterL iijdeſſen158Beutelſchneider / oderdeſſen alles auß / wo Gelegenheit zu rauben vnd zu ſtelen vorfiele / vnd dienete alſo ſeinen Mordge - ſellen zu einem Merckzeichen: Dan̄ auff dieſe wei - ſe erfuhren ſie / ob der jenigen / ſo voruͤber reiſeten / wenig oder viel weren / vnd alſo begiengen ſie viel Mord vnd Todtſchlaͤg. Gott aber ſtraffete auch endlich ſolche ſchroͤckliche Vbelthaten. Dann der Gottloſe vermeinte Stumm / wurde endlich er - haſchet vnd gefangen / vnd lebendig geradbrechet da er dann in ſeiner Marter / da man jm die Bein radbrechet / wie ein grimmiger Ochs bruͤllete: Aber die uͤbrige andere / waren ſo verſtocket in jh - ren Hertzen / daß ſie durch deß vermeinten hinge - richten Stummen ſchroͤcklich Marter wenig vr - ſach namen ſich zu beſſern / ſondern fuhren nichts deſts weniger fort in jhrem Moͤrderiſchen vnnd verdamblichen Leben.

Als auff ein Zeit Alidor uͤberzwerch durch ei - nen Wald gienge / traff er an einen Laqueyen / ließ ſich mit jhm in Geſpraͤch an / vnnd erfuhre nicht allein von jhm / daß er im aller nechſten Schloß daſelbſt herumb wohnete / ſondern daß auch deß - mals die Edelfrau deß Schloſſes daheim wa - re / vnd wenig Leute bey ſich hatte: Darauff name er zwoͤlff oder dreyzehen ſeiner Raubgeſellen zu Pferd mit ſich / kame ins Schloß hinein / vnd be - gerete / die Edelfrau ſolte doch ein wenig zu jhm kommen / dann er hette etwas mit jhr zu reden: Als jhn nun die Edelfrau ſahe / meinte ſie es were ein vornemer Herꝛ oder Capitain / hieſſe jhn will - kom̄en ſeyn: Er aber name ſich an / er hette jhrenJun -159Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Junckern geſehen / vnd wuͤrde bald kommen / vnd hielt ſie alſo mit Geſpraͤchen lange Zeit auff: Die Edelfrau aber bittet jhn / er woͤlle abſteigen / in jh - ren Saal gehen / vnd ein wenig ruhen / welches er dann ſo bald thaͤte: Vnd als er mit zween ſeiner Geſellen ware hinein gegangen / winckete er ſei - nem andern Geſellen ſie ſolten die Thuͤr deß Lo - ſaments / darinnen die Edelfrau mit einer jhrer Tochter / ſo vngefehr ſechtzehen oder ſiebenzehen Jahr alt ware / zu machen: Hierauff nohtzuͤchtig - ten ſie Mutter vnd Tochter / wie ſehꝛ ſie darvoꝛ ba - ten / vnd ſchroͤcklich zu ſchreyen anfiengē: Ja nach ſolcher begangenen Schand zwangen ſie noch die Mutter / daß ſie jhnen alle jhr Haab / Silberge - ſchirꝛ vnd Gelt muſte zeigen / welches alles ſie mit ſich namen / vnd nach dem ſie nicht allein ſolche Schand mit Mutter vnd Tochter begangen / ſon - dern auch den Thuͤrhuͤter im Schloß tod geſchla - gen hatten / ſatzten ſie Mutter vnd Tochter hinder ſich auff jhre Pferd / fuͤhreten ſie hinweg in jhren Wald / da ſie ſich mit einander auffhielten / vn̄ als ſie alle mit einander / vnd einer nach dem andern jhre verdambliche Vnzucht mit Mutter vnnd Tochter gnugſam getrieben hatten / fuͤhreten jh - rer drey oder vier ſie widerumb deß Nachts nah bey jhr Schloß / da man ſie dann alle beyde deß Morgens Todt funde.

Als nun der Juncker deß Schloſſes / ſolche hertztraurige Zeitung von ſeinem lieben Weib vnd Tochter erfuhre / wurde er daruͤber ſo betruͤ - bet / daß man mein ete / er wuͤrde vor HertzenleydL iiiivnd160Beutelſchneider / odervnd Bekuͤmmernuß ſterben / Doch raffete er ſich widerumb auff / name jhm ein Hertz / vnd ſetzet jm vor / er wolte die zugefuͤgte Schand vnd Todt ſei - nes Weibes vnd Tochter rechen / vnd ſolte es auch koſten / Gut vnd Blut / vnd was es jmmer mehr wolte: Kehrete darauff wider nach Hauß / verſetz - te vnd verpfaͤndet das meiſte Theils ſeiner Guͤ - ter / vnd nach dem er ſich mit Vorꝛath wol verſe - hen hatte / begibet er ſich auff den Weg mit zwan - tzig oder dreyſſig wol berittenen Perſonen / vnd nach dem er nach langem vmbfragen den Ort / da ſich ſolche Dieb vnd Schelmen hielten / erfraget vnd angetroffen / laͤſt er jhn gantz vmbgeben / vnd uͤberfaͤllt ſie gantz vnverſehener vnd vnverhoffter weiſe: Als nun ſolche Moͤrder ſehen / daß ſie / gleich - ſam alſo zu reden / dem Hencker ſchon vnter den Haͤnden ſeyn / da thun ſie eines / doch viel mehr auß Verzweiffelung als auß Dapfferkeit / ruͤſten vnd ſetzen ſich zu Pferd / wagen ſich mitten vnter ſie / vn̄ nach dem ſie jhren Ort lang gnug verthei - diget / aber ferꝛners zu veꝛtheidigen zu ſchwach ſich befinden / ſalvirn ſich etliche mit der Flucht / vnd ſo gut als ſie koͤnnen / was aber die uͤbrigen anlan - get / wurden jhre etliche auff der Wahlſtadt todt geſchlagen / etliche aber gefangen / vnd hernacher geradbrechet / wie ſie dann wol verdienet hatten.

Etliche Zeit hernacher / begibt ſich Alidor wider vmb die Statt Paris herumber / vnd als es auff ein Zeit gar ſpat war / vnd er mit ſeinen Geſellen wolte eine Nachtherberge ſuchen / trifft er an ein ſchoͤne junge Burgersfrau / welche widerumbvon161Diebs Hiſtorien / das I. Buch.von dem Feld / da ſie ein Hauß hatte / in die Statt wolte gehen / wandert mit derſelbigen fort / vnnd als er ſihet / daß er gar allein bey jhr iſt / vnd nie - mands mehr weder vor jhnen gehet / noch hinden hernach folget / auch uͤber das er nah bey Mont - marte iſt / vnterſtehet er ſich dieſelbige zu Noth - zuͤchtigen / vnd damit ſie ſeines Willens deſto eher gelebe / ſo ſetzet er jhr die Piſtol an die Gurgel: Sie aber / dieweil ſie ſihet / daß ſie kein huͤlff nicht kan haben / ſtellet ſich / als wann ſie ſeines Willens wolle geleben / doch bittet ſie jhn / er woͤlle ſie doch an einen heimlichen Ort fuͤhren / auff daß ja nie - mands darzu komme / welches er dann thut / ſteigt ab von ſeinem Pferd / vnd in dem er ſie bey den Ar - men fuͤhret / vnd ſich gar freundlich bey jhr ma - chet / kommen ſie vnter deſſen zu einer rieffen Steingruben / da man Stein b[r]ache: Da ſihet die junge Frau jhren Vortheil auß / vnnd als er ſichs am wenigſten verſihet / ſtoͤſſet ſie jhn in die tieffe Steinkauten hinein / daß er daruͤber ein Bein bricht / kan auch nit wider herauß kom - men / biß ſo lang / daß die Obrigkeit / welcher ſie es darauff geklaget / kommet / jhn herauß zeucht / vnd nach dem er examiniret worden vnd alles be - kandt / jhn laͤſt zu wolverdienter Straff lebendig Radbrechen vnd hinrichten.

L vDas162Beutelſchneider / oder

Das XI. Capitel.

Von den Bubenſtuͤcken eines Raubers / genannt la Fleur / vnd wie er eine ſon - derliche Manier gebraucht die Leute zuberauben.

JEner Alte hat ſein lebenlang kein wa - rer Wort geſagt / als da er lehret: Die Be - gierd zu haben / vnd der Geitz ſey ein Vr - ſprung vnd Wurtzel alles Vngluͤcks / ſo inn der Welt vorgehe: Dann wann wir bedencken alles das Vngluͤck / welches von dieſem Laſter / als von einer Wurtzel herkommet / ja wann wir betrach - ten die vnterſchiedlich Vngemach vnnd Vngele - genheiten / welche dieſe boͤſe Begierd ſelber in dem Gemuͤth der Menſchen hat vervrſachet / ſo wuͤrde da keiner ſeyn / der nicht ſelber wird bekennen vnnd ſagen muͤſſen: Daß eben der Ehrgeitz vnnd Gelt - geitz / welcher vns beweget nach Reichthumb zu - trachten / vns eben dardurch in Vngluͤck ſtuͤrtzet / vnd vnns durch ſein verblendung gantz Viehiſch machet / alſo daß wir darnach nicht widerumb zu - recht kommen koͤnnen.

La Fleur / du koͤndteſt noch wol ein Zeitlang jetzunder das Leben / das das koͤſtliche Ding in der Welt iſt / haben vnd dein Nam / den du anfiengeſt erſtlich ſo weit außzubreyten / were nimmermehr ſo ſchaͤndlich verdunckelt worden / durch die boß - heit deines Lebens / wann du nicht an dieſem La - ſter im Spital hetteſt kranck gelegen: Aber derſchaͤd -163Diebs Hiſtorien / das I. Buch.ſchaͤdliche Durſt / welchen du nach dieſem garſti - gen Metall hatteſt / vnd welcher die Leut inn der Welt zu Narꝛen machet / iſt Vrſach / daß du dei - nen boͤſen Begierden den Zaum ſchieſſen laſſen / vnd daß du dich endlich ſelber in Schand vnnd Vngluͤck haſt geſtuͤrtzet.

La Fleur war einer vnter den vornemſten Beu - telſchneidern in Paris / vnd kan bald nicht alles erzehlet werden / was er inn ſeinem gantzen Leben fuͤr boͤſes hat außgerichtet / vnd zwar ſolches alles vnter dem ſchein der Gottſeligkeit vnnd Froͤm - migkeit: Dann er wuſte ſich uͤber alle maſſen freundlich / vnnd hoͤfflich gegen jederman zuerzei - gen: Allezeit fande man jhn in der Kirchen / vnnd ſahe jhn / wiewol auß lauter Heucheley / ſein Gebet verꝛichten: Aber gemeiniglich / wann man hette meynen ſollen / er were am andaͤchtigſten vnnd gleichſamb vor Andacht entzucket / machte er ſich vnter die Weiber vnd fegte jhnen die Beutel: Ja wil euch in dieſem Capitel nur etliche / vnd zwar zwey oder drey ſeiner vornembſten vnd beſten Bu - benſtuͤck erzehlen: Dann auß denſelbigen werdet jhr darnach ſelber ſehen koͤnnen / was er vor ein er - barer Geſell mag geweſen ſeyn.

Als er nun mehr die ſiebentzehen Jahr erꝛeichet hatte / begabe er ſich muthwilliger weiſe vnter ei - nen hauffen Freybeuter / welche ſich einmal in dem Wald de Compiegne / ein andermal in dem Wald Senlis pflegten auffzuhalten / vnnd trieben viel Dieb vnd Mordſtuͤcke an ſolchen oͤrtern / aber ich wil euch jetzt nur ein Bubenſtuͤck vnnd zwar das vornembſte erzehlen.

Als164Beutelſchneider / oder

Als dieſer La Fleur noch ein ſchoͤner Jung wa - re / vnd kein Bart hatte / kleidet er ſich wie eine Jungfrau / vnd weil er gar wol wuſte / daß ein ge - wiſſer Kauffmann von Paris auß Niderland wi - der war kommen / auch nothwendig da voruͤber reiſſen muſte (welches alles dann er von zween Burgern von Compiegne gehoͤret hatte) begibt er ſich mit ſeinen Mitgeſellen in ſolchen Wald / in Hoffnung gar bald eine gute Beut zu erwiſchen: Warten auch in der gegend de Verbene zween gantzer Tage auff den Raub: Vnd da nun der Kauffmann daher kompt / ſo ſetzet ſich la Fleur / der ſich ſchon wie ein Jungfrau verkleidet hatte / auff den Weg / fanget an jaͤmmerlich zu heulen vnd zu ſchreyen / klaget bald Himmel vnd Erden an / daß ſie gleichſam zu ſeinem Vngluͤck vnd Ver - derben zuſammen geſchworen haben / ſagt: Ihr Bruder habe ſie verlaſſen / vnd ſey von jhr hin - weg gezogen / vnd wiewol ſie jhn ſo hertzlich ange - ruffen vnd gebetten habe / habe er ſie doch nit mehr hoͤren woͤllen.

Der Kauffmann / der noch ein junger friſcher Mann ware / als er dieſer vermeinten Weibsper - ſonen ſchoͤnheit anſihet / vnd dencket / das ſey ein guts friſches Wildpret vor jhn / ſteigt von ſeinem Pferd heraber / fragt was jhr mangel / vnd was ſie fuͤr eine Bekuͤmmernuß auff dem Hertzen habe.

La Fleur / (der ſich ſo wol als ein Weibsperſon in Worten / Wercken vnd Geberden wuſte zu - ſtellen / daß man im geringſten nichts anderſt hettdencken165Diebshiſtorien / das I. Buch.dencken koͤnnen) erzehlet dem Kauffmann gantz weitlaͤufftig / all jhr Vngluͤck vnd Vngemach / (doch daß er die Masque vnd Larve vom Ange - ſicht nicht abthete) ſaget jhm / ſie ſey von Paris / vnd daß einer vom Adel (ſo ſie vor dreyen Tagen habe in Picardien hinweg gefuͤhret / ſeine Eltern zubeſuchen) ſey von jhr hinweg gezogen / vnd koͤn - ne ſie nicht wiſſen noch erfahren / wo er jmmer - mehr ſey hin kommen: Derhalben ſo ſitze ſie nun da / beſchreye jhr Vngluͤck / vnd beweine jhr Elend.

Der Kauffmann hoͤret dieſes Geſpraͤch an / vnd bildet jhm nicht anderſt eyn / als es muͤß alles wahr ſeyn / was die vermeinte Jungfrau jhm er - zehlet: Setzet ſich gar zu jhr / vnd fanget an einen Appetit zubekommen.

La Fleur wegert ſich deſſen nicht zu ſehr / doch weiß er nach Art der Hofffrauen vnd Jungfrau - en ſich gar fein zu klagen / vnnd ſolche Geſpraͤch mit jhm zutreiben / daß er dardurch noch ein groͤſ - ſere Liebe vnd Begierde in deß Kauffmanns Her - tze erwecket.

Ach lieber Gott / ſagte zu jhme dieſe Jungfrau vnd Blindſchleiche: Mein Herꝛ / was wollet jhꝛ mir doch thun jhr werdet mir wehe thun ich bin noch eine Jungfrau / O lieber GOtt / was wird mein Vatter ſagen / wann er das ſolte erfahren? O wie bin ich doch ſo gar zu einer vngluͤckſeligen Stunde außgegangen: Mein Herꝛ / ich laß es euch nicht / daß jhr mich anruͤhret: Es iſt mir an mei - ner Ehr mehr / als an meinem Leben gelegen.

Als ſie aber nun diſes Geſpraͤch treiben / ſihe dakompt166Beutelſchneider / oderkompt einer daher von Compiegne / welcher auch voruͤber wil reiſen / ein wackerer friſcher Geſell / der ſonſten mehr in dergleichen truͤben Waſſer ſich gebadet hatte: Vnd als er ſihet / daß der Kauff - mann ſo freundlich mit dieſer ſchoͤnen Jungfra - wen vmbgehet / dencket er / er wollt ſein Theil auch darvon haben: Als aber la Fleur jn ſihet / ſo ſchreyt er als eine vermeinte Jungfrau jaͤmmerlich / daß ſie ſo huͤlffloß ſey: Vnd wann der Himmel ſelber ſich jhrer nicht anneme / ſo ſey es vmb ſie ſchon ge - ſchehen. Dieſe beyde aber ſprechen / ſie ſolle doch zu frieden ſeyn / ſie woͤllen jhr ja kein leyd nicht zufuͤ - gen / ſchweigen ſie mit guten vnd freundlichen worten / vnd weil ſie gleichwol alle beyde gern woͤl - len. jhr boͤſes vornemen erfuͤllen / vnd mit jhꝛ ſol - che Schand begehen / fuͤhren ſie ſie vnter den Ar - men / vnd geleyten ſie alſo biß zum Eingang deß Waldes.

Als nun la Fleur ſihet / daß es Zeit iſt ſein Spiel anzufangen / ſagt er als eine vermeinte Jungfrau alſo: Weil dann das Vngluͤck ſie alſo habe getroffen / daß ſie in dieſe vngelegenheit kom - me / ſo ſolten ſie doch ein wenig weiter mit jhr in den Wald gehen / auff daß es ja niemands moͤch - te ſehen: Seufftzet vnd ſchreyet vnter deſſen hertz - lich / wuͤnſchet jhr tauſentmal den Todt / vnd thut / als wann ſie ſehr darumb bekuͤmmert ſey / daß ſie ſolche vngluͤckſelige Stunde zu jhrer Außfahre habe angetroffen.

Der jenige von Compiegne / welcher am hitzi -[g]iſten vor der Stirn ware / machte ſich am erſtenher -167Diebshiſtorien / das I. Buch.herbey: Der Kauffmann aber hatte nicht ſehꝛ vnd mehr groſſen Luſten weiters in den dicken vnd fin - ſteren Wald hinein zugehen / dann es wolte jhm nichts gutes ſchon traumen. Gleichwol aber wie ſonſten ein Waſſerquelle die andere treibet vnd fort ſtoͤſſet: Wie es auch ſonſten in der Welt her - gehet / daß der meiſte Theil der Menſchen ſich nach Exempeln reguliret vnd regieret / vnd dem boͤſen nachhanget: Alſo folget der Kauffmann dem je - nigen von Compiegne: Als ſie aber nun mitten in einem finſtern Wald ſeyn vnd meynen / ſie woͤllen jetzund der Liebe pflegen / vnd jr voꝛnemen erfuͤllē / ſihe da zeucht la Fleur vnter ſeinem Rock ein Pi - ſtol herfuͤr / vnd erſcheuſt den Kauffmann auff der ſtatt: Ja es iſt der Schuß noch nicht recht alſo zu reden geſchehen ſihe ſo iſt der andere von Compie - gne von vier groſſen Schelmen vmbgeben / welche mit Dolchen alſo auff jn zuſtechen / daß er auch ſo bald todt auff die Erden niderfaͤlt / Hierauff fan - gen ſie nun mit einander an die zween ermordete zubeſuchen / vnd bekommen bey jhnen ſampt den zweyen Pferden auff die drey hundert Kronen. Als ſie aber den Raub vnter ſich theilen woͤllen / werden ſie vntereinander vneinig / Dann weil la Fleur die vornembſte Perſon in ſolcher Tragœ - dien vnd Spiel war geweſen / vnd verurſachet hat - te / daß die zween erſchlagene jhnen in die Haͤnde kommen waren / wolte er ein Pferd vnd hundert Kronen darzu haben / die andere aber wolten das nicht eingehen / kamen darauff mit woꝛten ſo hart zuſam̄en / daß endlich drey wider die andere zweenwaren /168Beutelſchneider / oderwaren / vnd fiengen ſich an zu rauffen vnnd zu ſchlagen / vnter dem Creutz Sainet Oien / wel - ches ein kleiner Flecken iſt / vngefehr zwo Me[y]len von Compiegne ligend: La Fleur / welcher ein gu - ter Fechter war / ſticht den einen durch vnd durch / vnd nach dem er den andern auch toͤdtlich ver - wundet hatte / ſetzet er ſich auff eines der geraube - ten Pferde / vnd begibet ſich allein nach Paris.

So bald als er nun nach Paris iſt kommen / be - gibet er ſich zu den Beutelſchneidern / handelt vnd wandelt mit jhnen / beſihet jhre Geſetz vnd Poli - cey / vnd machet ſonderliche Commentarios vom rauben vnd ſtelen / kommet einer friſch zu Paris an / ſo geſellet er ſich zu jhm vnd ſihet / daß er jhn bey dem Seckel erhaſchet / ja es vergehet kein Tag / daß er nicht einen / oder den andern redlich dar - ſetzet.

Vnter vielen andern aber erzehlet man von jhm / gar ein artigen ſtreich: Dann als er auff ein Zeit verſtanden hatte / daß etliche junge Advoca - ten wolten in dem Wirthshauß / genandt zum Fichtenapffel / zu Mittag eſſen / vnd ſich ein wenig erluſtiren / gehet er geſchwind von dem Palois (welches iſt der Koͤnigliche Hof zu Pariß / da ſich die Advocaten finden) lauffet Spornſtreich zum Wirthshauſe zu / vnd bittet den Wirth / er wolte doch geſchwind ein gutes Mittagmahl fuͤr zehen oder zwoͤlff Perſonen anſtellen / welche ſo bald zu jhm kommen werden / vnd thut la Fleur als wann er ſelber von den Advocaten ſey abgefertiget wor - den / die Mittagmalzeit vor ſie wol zubeſtellen.

Als169Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Als nun die Advocaten in das Wirthshauß hinein kommen / ſtellet ſich la Fleur / als wann er der Haußknecht ſey / vnd wie der Wirth meinte la Fleur gehoͤrete zu den Advocaten / vnd were mit jhnen bekandt / weil er das Mittagmahl fuͤr ſie be - ſtellet hatte? Alſo meineten hinwiderumb die Ad - vocaten / la Fleur were wol mit dem Wirth be - kandt / dieweil er jnen ſo fleiſſig auffwarte / mit Eſ - ſen aufftragen vnd einſchencken: Aber ſie kondten auff beyden ſeyten nicht mercken oder ſchmecken / was la Fleur im Schild fuͤhrete: Dan̄ als ſie ſich nun zu Tiſch nider geſetzet hatten / ſie aſſen / tran - cken vn̄ machten ſich luſtig / da thut la Fleur eins / ſuchet die beſte Taffete Maͤntel der Advocaten / welche er in der eyle kondte außleſen vnd macht ſich mit denſelbigen darvon: Als nun das Mit - tagmahl bald g[e]endet ware / mercket man / daß es nicht recht muſte zugehen / oder etwas darhinder ſtecken / weil der vermeinte Haußknecht nit mehr ſich ſehen lieſſe: Sie fragen / wo jhre Maͤntel ſeyn / wer ſie hinweg getragen habe? Aber da iſt nie - mands der etwas darvon wil wiſſen. Die Leut im Hauſe erſchrecken daruͤber / wiſſen nicht was ſie darzu ſagen ſollen. Doch da ſie ſehen / daß der je - nige / ſo das Mittagmahl beſtellet hatte / muͤſte die Maͤntel hinweg genommen haben / lauffet man jhm nach / ob man jn vielleicht noch an einem oder dem andern Ort moͤge erdappen: Aber er ware ſchon auff dem Grempelmarck / vnnd wolte die Maͤntel verkauffen / auff daß er ſich hernacher auch von ſolchem auß den Maͤnteln erloͤſeten GeltMmoͤchte170Beutelſchneider / odermoͤchte luſtig machen. Als[ſie] nun auff den Grem - pelmarck kommen / da erdappen ſie jhn inn dem Hauß eines ſolchen Grempelkraͤmers / welcher al - lerley Kleyder verkauffte / vnnd dergleichen Geſel - len / Rauber vnd Beutelſchneider bey ſich inn ſei - nem Hauß pflegte auffzuhalten / vnnd zu Herber - gen. Als man jn aber nun wil auffs Chaſtelet vnd in das Diebsgefaͤngnuß fuͤhren / vnd ſolches ſeiner Geſellen drey jnnen werden / da kamen ſie jhnen entgegen / fiengen ein vnverſehene ſchlaͤgerey an / thun als woͤllen ſie ſich vntereinander erſtechen / vnd erhawen woͤllen / darauff laufft das Volck zu - ſammen: Seine Geſellen aber machen dardurch / daß la Fleur / den jenigen / ſo jhn gefangen wolten fuͤhren / in ſolchem Tumult vnd Auffruhr auß den Haͤnden entwiſchet / vnd darvon kommet.

Als nun dieſes ſchwere Gewitter voruͤber wa - re / ſuchet la Fleur allerley Buͤrſchlein ſeiner Haar vnd Natur zuſammen / begibt ſich auß Paris gen Sainct Clou / vnd gehet in die erſte Herberg / ſo er antrifft / vnd als er in die Heꝛberg hinein kommet / begehret er / man ſoll jhn doch inn eine Kammer weiſen: Die Wirthin im Hauß / welche meinet / es ſein ehrliche Leute / weiſet ſie oben auff in eine Kam - mer / vnd als ſie ſehen / daß die Wirthin im Hauß gar allein iſt / namen ſie jhnen vor / ſie wollen die Wirthin nothzuͤchtigen / wollen es auch je zu inn das Werck ſetzen / aber der Wirth kommet daruͤber widerumb heimb: Derhalben ſolches offentlich al - ſo vorzunemen / wolte ſich nicht ſchicken / dieweil ſie darnach ſich ſelber in groſſe Gefahr geſtuͤrtzet /hetten171Diebs Hiſtorien / das I. Buch.hetten / namen jhnen deßwegen fuͤr / ſie woͤllen auff eine andere vnd bequemere Zeit warten.

Vmb die Mitternacht / da ſie wuſten / daß jnen die Finſternuß zu jhren Suͤnden am bequemlich - ſten ware / nimpt ſich einer vnter jhnen an / als ſey er gar gefaͤhrlich Kranck / wecket hierauff den Wirth vnd Wirthin im Hauß auff: Aber zu al - lem Gluͤck oder Vngluͤck ſihet der Wirth / da er auß ſeinen Beth wil auffſtehen / einen ſeiner Nach - barn in ſeine Kammer / wird daruͤber ſo eyfferig / daß er jhm nachlauffet / ob er jhn moͤge erdappen. In dem aber der Wirth dem jenigen nachlauffet / ſo begehn die andere jre Schand mit der Wirthin / welche ſelber inn die Kammer / da ſie lagen / ohne Liecht war kommen. Vnd kan man darauß ſehen / daß an der Wirthin ſelber auch nicht viel guts iſt geweſen. Als aber der Wirth wider heim kompt / vnd ſein Weib nicht im Beth findet / gehet er oben auff ins Hauß / vnd weil er wol mercket / daß ſie in der Kammer bey den Gaͤſten ſein muͤſſe / wird er ſo eyfferig daruͤber / daß er ſie wil vmbbringen: Darauff wird ſie aber hergegen ſo meineydig an jhrem Mann / daß ſie jhn durch einen auß dieſen Raubern laͤſt todt ſchlagen / vnd dencket / ſie wolle wol ſehen / wie ſolches verduſchet moͤge werden. Was thut aber vnter deſſen la Fleur? Er thut nicht als wann er das Sviel verſtehe / vnd weil er wol wuſte / daß Gelt im Wirthshauß ware / ſetzet er der Wirthin ein Piſtol an die Gurgel / vnd ſa - get zu jhr: Wann ſie jhm nicht ſo bald alle dasM ijGelt172Beutelſchneider / oderGelt / ſo im Hauß were / gebe / ſo ſey es vmb jhr Le - ben geſchehen? Wiewol nun anfaͤnglich die Wir - thin ſich etwas wegern wolte / ſo war es doch vmb ſonſt / dann von dem erſten ſtreich / den er jhr gab / fiel ſie ſelber zu Boden: Hierauff gibts ein groß geſchrey im Hauß / die Nachbarſchafft wirds ge - wahr vnd macht ſich auff / welches / als es die Rau - ber hoͤren / woͤllen ſie ſich mit der Flucht ſalviren / aber die Magd im Hauß verwahret Hauß / Ste - gen vnd alles ſo wol / daß ſie nicht darauß kom - men koͤnnen. Zu allem Vngluͤck aber waren alle Fenſter mit Eyſſeren Gegittern / ſo wol verwah - ret / daß ſie entweder im Hauß ſterben / oder ſich ge - fangen geben muͤſſen: Dann zu entfliehen / ſahen ſie kein Mittel vor jhren Augen.

In dem ſie aber in dem Hauß alſo vmbher ge - hen / vnd ſuchen wie vnd wo ſie doch hinauß moͤ - gen kommen / da werden ſie gewahr / daß in einer Kammer hinder dem Betth ein Fenſter iſt / wel - ches in Garten gienge / vnd vor weniger Zeit war zugemacht worden: Solches Fenſter lauffen ſie mit Baͤncken auff / nach dem Exempel der Roͤ - mer / welche mit gewiſſen Kriegs Inſtrumenten die Mauren vmbworffen / ſpringen dem Fenſter hinauß / vnd eylen ſich alſo / daß jhꝛ zween darvon kummen / welche darnach das Waſſer erlangen / vnd alſo vollends darvon ſchwimmen: Die an - dern aber werden gegriffen / gefangen gefuͤhret / vnd viertzehen Tag hernach hingerichtet vor dem Hauß / darinnen ſie die Schand vnd Mord be - gangen hatten.

Als173Diebs Hiſtorien das I. Buch.

Als nun la Fleur ſihet / daß er abermals dem Vngluͤck iſt entgangen / bildet er jhm eyn / es ſey kein Gewalt auff der gantzen Welt / die jhn koͤnd - te fangen / ja er bildet jhm eyn / die Geſtirn haben ein wolgefallen an ſeinen Bubenſtuͤcken: Er fol - get wo jhn der Weg hinfuͤhret / endlich aber kompt er deß Morgens vmb vier Vhren / gantz naß / in ein kleine Fiſcherhuͤtten / dann mit ſeinen Klei - dern war er duꝛch das Waſſer hindurch geſchwū - men. Aber was ſeinen Geſellen anlanget / der ſich zwar auch mit jhm ins Waſſer begeben hatte / in meynung durch zu ſchwimmen / hatte das Gluͤck nicht / wie la Fleur / ſondern muſte im Waſſer er - ſauffen / dieweil er ſich nicht am rechten end hatte ins Waſſer hinein begeben.

Als nun la Fleur widerumb ein wenig zu ſich ſelbeſt kom̄en vnd trocken ware worden / begibt er ſich widerumb gen Paris (dann das iſt der Rau - ber vnd Diebe ordentliche Herberg / daß wann ſie lang hin vnd her geſtreiffet / ſie endlichſich wider - umb gen Paris begeben) vnd vnter tauſent Rau - bern / die ſich in Franckreich finden / duncket ſie / ſie gehoͤren nicht zu jhrer Bruderſchafft / wann ſie nicht die Brieff zu Paris geholet / oder auch ſon - ſten jhre Waare en Greve außgeleget haben.

Etliche Tag verkleidet ſich la Fleur / vnd gieng nicht mehr als deß Nachts auß zuſtelen: Als er aber wider neue Kundtſchafft mit etlichen andern ſeines Handwercks gemacht hatte / triebe er ſein Diebshandwerck ſtaͤrcker als er zuvor jemals ge - than hatte: Da war keiner in der gantzen Diebs -M iijgeſell -174Beutelſchneider / oderGeſellſchafft / der jhn in argliſtigkeit hette uͤbertrof - fen: Dann er erdachte allzeit newe grieff / daß er auch die aller verſchlageneſte uͤber den Doͤlpel warffe / ja es wurde manchmal einer von jhm er - dappet / der frey ſtillſchweigens darvon gienge / wie ein Hund / der den Schwantz zwiſchen den Bey - nen traͤget. Ich wuͤrde es gar zu lang machen / wann ich wolte erzehlen alle vnterſchiedliche Bu - benſtuͤck / welche er in ſeinem gantzen Leben hat be - gangen: Welches ich fuͤr dißmal gar mit ſtill - ſchweigen wil uͤbergehen / wil euch nur allein erzeh - len / wie er iſt gefangen vnnd hingerichtet worden / welches dann eben ſo ſchrecklich / als ſein Leben boͤß iſt geweſen.

Der Krug gehet ſo lang zum Brunnen / biß daß er bricht / ſagt man in dem Sprichwort: Vnnd wann wir meynen / wir ſitzen gar oben auff dem Gluͤcksrad / ſo laͤſt Gott das Rad herumber gehen / daß wir heraber fallen / von vnſerer faͤlſchlich ein - gebildeten Hochheit / vnnd darauff gerahten wir manchmals in groſſes Vngluͤck / daß wir daruͤber ſo beſtuͤrtzet vnnd betruͤbet werden / als wir zuvor froͤlich vnnd luſtig geweſen / da wir oben auff dem Gluͤckrad geſeſſen haben. La Fleur war nun mehr zu vnterſchiedlichen malen darvon kommen / aber endlich iſt er auch hangen blieben.

La Fleur kennete wol einen vornemen Buͤr - ger von Rennes / welcher fleiſſig zu Paris ware / vnnd ſich bey einem Rentmeiſter inn der Gaſſen Sainet Martin / dieweil er ſein Blutsfreund vnd Verwandter war / auffzuhalten pflegte: Da dich -tet175Diebs Hiſtorien / das I. Buch.tet vnd dencket nun la Fleur / wie er doch die Sach angreiffe / vnnd anſtelle / damit er heimlicher vnnd vnvermerckter weiſe / in deß Rentmeiſters Hauß / welcher dazumal zu Fontaine-bleau / da der gan - tze Koͤnigliche Hof auch war / ſich auffhielte / kom - men moͤcht: Was thut er? Er kandte ſolches vor - nemen Buͤrgers Hand wol / hatte auch derſelbigen Copey vnd Abſchrifft / welche jhm vngefaͤhr in die Haͤnde ware kommen deßmals / da er in der Ge - gend Vaugirand deſſelbigen Buͤrgers Laqueyen beraubet hatte. Darauff gehet er hin zu einem Schreiber / welcher auch nicht viel ſchatzes mag werth ſeyn geweſen / vnd uͤberꝛedet denſelbigen / daß er ſolche Schrifft artig nachmahlet / vnd jm nach - folgenden Brieff ſchreibet.

Mein Herꝛ /

es iſt mir von Hertzen le[yd]/ daß ich wegen etlicher Geſchaͤfften / ſo mir zu - kommen / euch nicht eher als inn viertzehen ta - gen kan beſuchen vnd zu euch kommen. Ich hette es mir vor ein groſſes Gluͤck gehalten / wann ich ſelber euch den Brieff uͤberlieffern / euch meine Dienſt preſentiren / ja euch wuͤrck - lich hette dienen koͤnnen / wie dann wegen vie - ler mir von euch erzeigten Gutthaten zu thun ich mich ſchuldig vnd willig erkenne: Ich will aber gleichwol nicht vnterlaſſen ſolchen Fehler auffs eheſte widerumb zuver - beſſern vnd dahin trachten / daß jhr im WerckM iiijſelber176Beutelſchneider / oderſelber ſolt ſpuͤren / daß ich mich begehre danck - bar gegen euch zuerzeigen. Vnter deſſen ſchicke ich euch allhie ein groſſe Laden / wel - che ich bitte meinet wegen anzunemen / vnnd ſie wol zuverwahren / wegen etlicher Schriff - ten vnd Waaren / ſo darinnen ſeynd: Dann ůber alle mir erzeigte Wolthaten wil ich dieſe nicht fůr die geringſte halten / auch dannen - her Vrſach nemen im Werck zu beweiſen / das ich begere zu ſeyn vnd zu bleiben.

Mein Herꝛ Ewer getreweſter vnd dienſt - gefliſſener Diener.

Als nun dieſer Brieff geſchrieben vnd verſie - gelt iſt / nimbt la Fleur ein groſſe lange Lade / vnnd leget ſich ſelber darein / doch alſo / daß er ſie kan[a]uffſchlieſſen / wann er wil / vnd laͤſt durch einen Fuhrmann vnnd einen ſeiner Geſellen die Lade ſam̄t ſich ſelber fuͤhren in deß Rentmeiſters Hau - ſe / welcher deßmals am Koͤniglichen Hof zu Fon - taine-bleau ſich auffhielte / wie wir zuvor angezei - get haben.

Deß Rentmeiſters Fraw empfaͤnget vnd liſet den Brieff / befihlt / man ſoll die Lade abladen / vnd in Hof ſetzen / biß daß man ſie an ein ander Ort koͤnne ſetzen: Nun war es eben vmb Johannes Tag / da das Volck zu Paris ſich erluſtiret / vnndman177Diebs Hiſtorien / das I, Buch.man allerley Fewerwerck vnd Racketlein pfleget zu werffen / vnd war in ſolchem Hauß ein Laquey / welcher / weil er wolte en Greve gehen / vnd allda das Fewerwerck ſehen / zuvor wolte im Hauß ſein Rohr abſchieſſen / vnnd widerumb friſch laden: Was geſchicht? Als er wider die Erden ſcheuſt / vnd nicht weiß / daß das Rohr mit einer Bleyer - nen Kugel iſt geladen / zerſchmettert ſich die Ku - gel vnd ſchmeiſt ein ſtuͤck von der Kugel durch die dargeſtelt Lade hindurch / vnd verletzet la Fleur / der in der Laden verborgen lage / an einem Bein / welches er gleichwol mit aller gedult vnnd ſtill - ſchweigen alſolitte vnd außſtunde.

Deß Abends aber wird der Laden vergeſſen / vnd bleibt alſo im Hof ſtehen / vnd als nun la Fleur ſihet / daß ſie in dem Hauſe alle zu Beth ſeyn / kreuchet er auß ſeinem Neſt herfuͤr / wiewol er ſo uͤbel an ſeinem Bein verletzet war / vnd nach dem er das Bein / ſo gut als er kondte / verbunden hatte / gehet er vnd wil ſeinen Geſellen die Thuͤr deß Hauſes auffmachen. Aber zu allem Vngluͤck waren alle Thuͤren im Hauß ſo wol verwahret / daß man ſie nicht kondte auffthun / außgenom - men die Kuͤchenthuͤr / dieſelbige kondte er noch auffthun / vnd namen ſie auß der Kuͤchen hinweg etliches Zinn / wie auch ein S[i]lbernes Handbe - cken / welches auß vergeſſenheit in der Kuͤchen wa - re ligen blieben. Aber die groſſe Begierd die dieſe Raubvoͤgel hatten / dem Rentmeiſter uͤber ſeinen Schatz vnd Geltkiſt zukommen / bewegte ſie daß ſie ſich noch weiter in das Hauß hinein wagten /M vſchla -178Beutelſchneider / oderſchlagen hierauff die Thuͤr an der Stegen eyn / vnd woͤllen vollends in deß Rentmeiſters Kam - mer hinein: Vber ſolchem ſchlagen aber erwachen die Laqueyen / vnnd nimmet einer eine Hellbarte / der ander ein Rohr / vnd lauffen im Hauß oben heruͤber / vnd als ſie die Nachtdiebe ſehen / ſchlagen ſie ſo ſchꝛoͤcklich auff ſie zu / daß die Diebe ſich nicht lenger auffhalten koͤnnen / ſondern wollen darvon lauffen. Als ſie aber an die Thuͤr kommen / da ge - het zu allem Gluͤck die Nachtwacht voruͤber / vnd als ſie ſolches vorgehen ſahen / greiffen ſie dieſen Nachtdieben nach den Koͤpffen / vnnd fuͤhren ſie auff das Chaſtelet / da ſie dann nach ſechs Tagen zum Todt verdammet / vnnd auffgehencket ſeyn worden. Was aber anlanget la Fleur / welcher auff der Folter alles bekandt / was er die Zeit ſei - nes Lebens begangen hatte / iſt er auff dem Platze Maubert geradbrechet worden.

Das XII. Capitel.

Von den erſchroͤcklichen Vbeltharen eines Tyranniſchen Moͤrders / genandr Fran - ciſcus de la Vigne / welcher hernacher zu Lion iſt hingerichtet worden.

IN erzehlung der vorhergehenden Hiſto - rien habt jhr angehoͤret / die groſſe Argli - ſtigkeit / welche la Fleur in ſeinem rauben vnd morden hat gebrauchet / vnd wie ſchroͤcklich der Menſch in Suͤnde je lenger je mehr faͤlt / wel -cher179Diebs Hiſtorien / das I. Buch.cher einmal muhtwilliger weiſe allen Tugenden hat abgeſaget: In dieſer Hiſtorien aber werdet jhr hoͤren die groͤſte Bubenſtuͤck die ein Menſch je - mals in der Welt jhm in ſeinen Sinn hat genom - men: Es iſt zwar nicht ohn / daß dieſe Hiſtorien ſich nicht in newlichkeit / ſondern vor etlichen Jahren hat zugetragen: Aber die dinge / ſo darinnen[v]o[r]- fallen / haben mich beweget / ſolche hieher zu ſchrei - ben / vnd euch dieſelbige der laͤnge nach zuerzehlen / wie ich dieſelbige von einem guten ehrlichen alten Mann / welche das meiſte Theil der Hiſtorien zu ſeiner Zeit ſelber gehoͤret / vnd mit ſeinen Augen geſehen / hab erzehlen hoͤren.

Ihr woͤllet demnach allhie zum Eingang mer - cken / daß als auff ein Zeit der Koͤnig zu Fontaine - bleau ware / da begibt es ſich / daß ein junger Herꝛ / ſo von den vornem̄ſten am Koͤniglichen Hof wa - re / von Paris außzeucht / in meynung gen Fon - taine bleau zu jhrer Koͤniglichen Majeſtaͤt zu zie - hen: Als er aber auff dem Weg iſt / vnd einem Wild / ſo er erſehen / nachreitet / kommet er ſo weit von ſeinem Volck vnd Dienern / daß / in dem er alſo uͤber vnd druͤber in dem Wald / dem Wild nach reitet / er endlich ſihet / daß er ſich gar hat ver - jrꝛet / vnd es vnverſehener weiſe gar nacht wirdt: Derhalben ſihet er ſich allenthalben vmb / wo er doch moͤge ein Hauß oder Wohnung erſehen / da er deß Nachts uͤber im trockenen ſeyn moͤge: End - lich erſihet er ein kleines Bauernhaͤußlein / vnnd reitet zu demſelbigen zu / vnd als er nun zu dem Bauersmann / der darinnen wohnete / kommet /bittet180Beutelſchneider / oderbittet er jhn / er wolle jhn doch die Nacht herber - gen / welches jhm dann der Bauersmann zuſagt / vnnd nimbt jhn auff in ſein kleines Haͤußlein / in welchem ſechs Menſchen waren / als nemblich / der Bauersmann / ſein Frau / ſein elteſter Sohn /[vn - gefaͤhr] von zwantzig Jahren / ſeine Schnur / ſo gar neulich war verheurathet woꝛden / ein Knecht / der deß Viehs huͤtete / ein ſtarcker / vnd dem euſ - ſerlichen anſehen nach / ein verzweiffelter boͤſer Menſch / wie auch ein kleines Toͤchterlein.

Hierauff ſteige der junge vorneme Herꝛ von ſeinem Pferd ab / vnd gibt es dem Knecht / bittet jhn / er ſoll es doch wol verſorgen. Darnach gehet er in das Bauernhaͤußlein / ſetzet ſich ſo lang bey das Fewer / biß daß man jhm etwas zu Nacht zu eſſen gebe / vnd dencket er am geringſten nicht / daß jhm an ſolchem Ort etwas uͤbels begegnen ſolte oder werde. Die Leute aber im Hauß kennen jhn nicht / wiſſen auch nit / wer er nur ſeyn moͤge / doch / weil ſie ſehen / daß er ſo ſchoͤn vnd ſtattlich iſt ge - kleidet / ſo dencken ſie es muß ein reicher Mann ſeyn / vnd weil es jhnen einfaͤlt / es werde gar eine gute Beute vor ſie ſeyn / ſo bereden ſie ſich mitein - ander / wie ſie doch die Sach angreiffen / damit ſie jhn todt ſchlagen / vnd Kleider vnd alles an - dere / was er bey ſich haben werde / bekommen moͤgen.

Nach dem er nun zu Nacht geſſen hatte / berei - ten vnd decken ſie jhm ein Beth in der nechſten Kammer / welche gar ein ſchlechte / ja ein ſolche Thuͤr hatte / die man gar leichtlich kondte auff -lauf -181Diebs Hiſtorien / das I. Buch.lauffen: In dem aber die Tochter oder Schnur im Hauſe / welche gar kuͤrtzlich war verheurathet worden / im Hauß jhren Geſchaͤfften nach auff vnd abgehet / hoͤret ſie etwas von ſolchem jhrem boͤſen vnd tyranniſchen Anſchlag / vnd dieweil ſol - cher junger Herꝛ / ein ſchoͤne dapffere anſehnliche Perſon ware / dawert es ſie in jhrem Hertzen / daß er ſo ſchaͤndlich vmb ſein Leben ſoll kommen / vnd vnter deſſen / daß der Vatter / Sohn vnd Knecht im Stall miteinander ſich bereden / wie ſie ſolchem jungen Herꝛn das Liecht außblaſen woͤllen / zeucht ſie jhn auff eine ſeyte / vnd nach dem ſie jhn gebe - ten / er wolle doch bey ſich verſchwiegen behalten / was ſie jhm heimlich wolte ſagen / erzehlet ſie jhm den gantzen boͤſen Anſchlag deß jenigen / ſo ſie im auff vnd abgehen vernommen hatte.

Der junge Herꝛ / welcher dieſe warnung anna - me vnd glaubte / wurde daruͤber ſehr beſtuͤrtzet / vnd hatte jhm ſchon vorgenommen / er wolte darvon lauffen / vnd ſolte er auch daruͤber in der Finſter - nuß den Halß abſtuͤrtzen? Aber endlich beſinnet er ſich eines andern vnd beſſern / vnd gedencket / es woͤlle ſich nicht gebuͤhren / daß er ſein Leben alſo wage / vnd alſo eher vnd mehr den Gottloſen Leu - ten in die Haͤnde gerathe / welche in jhrem Hertzen aller Gerechtigkeit / vnd Freundlichkeit vergeſſen / vnd jhnen vorgeſetzet hatten / eine ſolche Perſon zuerwuͤrgen / welche ſo dapffer daher gienge / wol beritten war / welche ſie ſo freundlich empfangen hatten / ja welche jhnen jhr lebenlang kein Leyd ge - than hatte: Derhalben dencket er / er woͤlle ſeinHoff -182Beutelſchneider / oderHoffnung auff Gott allein ſetzen / vnd im fall / daß er ſolte angetaſtet werden / ſich lieber dapffer weh - ren als die Flucht nemen / vnd doch daruͤber noch erſchlagen werden.

Derhalben ſo laͤſt er[ſich] durch den Bauersman̄ in das kleine Kaͤmmerlein weiſen / vnd nach dem er die Thuͤr hinder ſich zugeſchlagen / zeucht er ein zimlich groſſe vnd ſtarcke Lade / welche eben zu al - lem Gluͤck in der Kammer ware / fuͤr die Thuͤr / ladet / vnd ſpannet ſein Rohr / legt ſein Degen zur Hand / wachet vnd wartet zuſehen / was nach der Haußtochter warnung erfolgen werde.

Als nun der Bauersmann meinet / der junge Herꝛ / als welcher deß Tags vom Reiſen vnd Ja - gen war ſehr muͤd worden / wuͤrde nun mehr ein - geſchlaffen ſeyn / ſchleichet er allgemach fuͤr die Thuͤr der Kammer / taſtet vnd fuͤhlet / vnd meinet / er wolle die Kammer ohne alle muͤhe gar leichtlich auffthun: Als jhm aber der Boß nicht wil ange - hen / ſo ruffet er dem Herꝛen in der Kammer zu / vnd ſpricht / er ſoll jhm doch die Kammer ein we - nig auffthun / dann er wolle in einer Laden / ſo in der Kammer ſtehen / ein Decktuch holen / daß er es moͤchte uͤberdecken vnd gebrauchē. Der Herꝛ aber / der noch gar wenig geſchlaffen haͤtte / ſagt zu jhm alſo / du vnbeſcheidener Mann / gehe jetzt wider - umb hin / ich ruhe / vnd wil dir fuͤr diſes mal nicht auffthun. Welches / als es der Bauersmann hoͤ - ret / macht er ſich vnnuͤtz vor der Thuͤr / fanget an zu toben / zu raſen vnd zu ſchreyen / ſpricht: Man wolle jhn in ſeinem eigenen Hauß bochen vnd tru -tzen /183Diebs Hiſtorien das I. Buch.tzen / nimbt die Wehr in die Haͤnd / vnd traͤwet dem Herꝛen in der Kammer: Wann er nicht ſo bald jhm woͤlle die Thuͤr auffthun / vnnd ſich in ſeine Gnade ergeben / ſo woͤlle er die Thuͤr nicht allein aufflauffen / ſondern jhn auch gar todtſchlagen in der Kammer. Hierauff kommet nun der Bauer vnd Knecht fuͤr die Thuͤr / vnd woͤllen ſie aufflauf - fen / vnter deſſen aber gehet der Sohn hin / wil ein Leiter anſchlagen / vnd durch das Fenſter in die Kammer zu dem Herꝛn ſteigen.

Als nun der junge Herꝛ inn ſolcher euſſerſten Noth vnnd Gefahr iſt / nimbt er ſein geſpannets vnd verfertigtes Rohr in die Hand / trucket loß / vnd erſcheuſt durch die Kammerthuͤr den Bauern auff der ſtatt: Ruͤcket hernacher in aller eyle die Lade hinweg fuͤr der Thuͤr / vnd richtet den Knecht auch hin / vnd als ſolches geſchehen / laufft er dem Sohn nach / aber er macht ſich eylends auß dem Staub vnd darvon. Aber das Spiel war deßwe - gen noch nit auß / dann das geſchrey deß Wirths / vnd das vngewoͤhnliche geduͤmmel das im Hauß vorgienge / erweckete die benachbarte Hirten / wel - che alle mit jhren Wehren gelauffen kamen / vmb - ringeten das Hauß / vnd wolten den Moͤrder ha - ben: Der junge Herꝛ ſahe ſich wol fuͤr vor jhnen / vnd litte ſich biß auff den Morgen: Vnd als er ſa - he / daß die auffruͤhriſche Rotte / je laͤnger je ſtaͤr - cker wurde / ſagte er jhnen / wer er were / troete auch / er wolte ſie alle hencken laſſen / wann ſie jhm nicht die Hand in ſolcher ſein Noht bieten / vnnd jhn widerumb zu ruͤck begleiten wuͤrden: Vnndwann184Beutelſchneider / oderwann ſie je jhm nicht glauben wolten / ſo ſolten ſie zur Obrigkeit in den nechſten Flecken oder Statt gehen: Ja wann ſie auch nicht / was er begehrete eingehen wuͤrden / ſo ſolten ſie gewißlich erfahren daß jhr Vngluͤck vnd Verderben nicht lang ſolte außbleiben.

Die Bauersleute / als ſie nicht allein dieſe He - roiſche Perſon ſahen / ſondern auch hoͤren / wie er jhnen ſo gewaltig zuredet / werden dardurch bewe - get / daß ſie es etwas wolfeiler / als zuvor / gaben. Jedoch greiffen ſie jhm nach dem Kopff / vnd ma - chen ſich mit jhm auff den Weg / jhn nach Melun zu dem Oberſten allda zu fuͤhren. Hierzu kom - men nun dieſes Herꝛn Diener / welche jhn am vo - rigen Tag verlohren hatten / vnnd alle weil noch ſuchen / vnd als ſie ſahen / daß jhꝛ Herꝛ als ein Ge - fangener daher wirdt gefuͤhret / werden ſie ſo er - bittert daruͤber / daß ſie die Bauren zu ſtuͤcken zer - hauen wollen: Aber er wehrete jhnen / daß ſie ſol - ches nicht theten.

Als nun ſolches alles der Obrigkeit angezeiget wurde / wurden darauff deß Bauersmann Mit - geſellen nach jhrem verdienſt geſtraffet / außge - nom̄en der Sohn / der ſich ſo bald auß dem Staub gemacht hatte / derwegen er dann nicht kondte ſei - nem Verdienſt nach geſtraffet werden: Das Hauß dieſer Moͤrder wurde zu Aſchen verbren - net / die Tochter aber / welche ſolches dem iungen Herꝛn entdecket hatte / wuꝛde reichlich begabet vnd belohnet.

Weil aber der entlauffene Sohn deß ſo balderſchoſ -185Diebshiſtorien / das I. Buch.erſchoſſenen Bauersmanns nicht wol widerumb dorffte nach Hauß kommen / begab er ſich zu einem ſeiner Freunde / welcher fuͤnff oder ſechs Meylen darvon wohnete / vnd welcher von dem allen / was mit ſolchem vornemen jungen Herꝛn vorgangen ware / nichts gehoͤret oder vernommen hatte / vnd als auff ein Zeit ſein Vetter vnd Baß / welche eine Mannbare feine Tochter / vnd ein kleines Knaͤblein hatte / auff den Marck gen Corbeil ge - gangen waren / vnd Er der entlauffene jhm ein - bildete / ſein Vetter muͤſte viel Gelt haben / auch ſie allein im Hauß waren / ſetzet er an die Tochter / vnd erſchlaͤget ſie mit dem kleinen Knaben / jrem Bruͤ - derlein / ſuchet darauff das gantze Hauß auß / vnd nach dem er in einem Beutel etliches Gelt fun - den / laufft er darvon / vnd begibt ſich in den nech - ſten Wald / ſo darbey liget.

Deßgleichen / als er etliche Zeit hernacher er - fahren / daß ſein vnd ſeines Vatters moͤrderiſcher Anſchlag durch ſein Weib war entdecket worden / wuſte er wol / daß es nicht rahtſam noch ſicher fuͤr jhn ſeyn wurde / widerumb gen Hauß zu ſeinem Weib zu ziehen / vnd weil auch ſein junges Weib nichts mehr von jhm hoͤren noch erfahren kondte / wurde jhr nach etlichen Monat erlaubet / ſich an - derwerts / vnd an wen ſie wolte / zuverheyrathen: Darauff begibt es ſich / daß ein alter vnd zugleich etwas wunderlicher vom Adel (als er vernom̄en / daß er von dem jungen vornemen Herꝛn ſo ſtatt - lich war begabet worden / darumb daß ſie duꝛch jh - re vermahnung jm das Leben erꝛettet hatte) ſie zurNEhe186Beutelſchneider / oderEhe begerte / welches jhm dann auch ſo bald wur - de zugeſaget. Als aber ſolche junge Fraw ſahe / daß es jhr zwar beſſer als zuvor gienge / aber jhr Jun - cker ein wunderlicher vnd melancholiſcher Kopff ware / vergaſſe ſie daruͤber jhrer Ehr / vnnd macht ſich mit jederman gemein / Vnzucht mit denſelbi - gen zutreiben: Vnd als ſie nach etlicher Zeit heim - lich gewahr wuͤrde / daß jr erſter Ehemann la Vi - gne ſolte wider ſeyn kommen / vnnd ſich inn einem nicht weit abgelegenen Ort auffhalten / bekame ſie ein Luſt jhn einmal widerumb zu ſehen / practicir - te auch ſo viel durch jhre Kammer Jungfraw / daß er heimlich zu jhr kame.

Nun ſtunde in dieſes Gottloſen verzweiffelten Weibes Kammer eine Lade / in welcher ſie jhre be - ſte Sachen vnd Gelt verwahrete / vnd eben in die - ſe Lade verbarge ſich der Ehebrecheriſche Huren - jaͤger / wann er nicht anderſt außreiſſen / oder dar - von kommen kondte: Vnd dieſe Lade hatte an ei - nem heimlichen verborgenen Ort ein Loch / vnnd alſo auch Lufft / alſo daß manchmals la Vigne ein gantzen Tag darinnen verborgen lage vnnd bliebe.

Es begab ſich aber nach verlauffung etlicher Zeit / daß die Goͤttliche Gerechtigkeit anfienge die - ſe Ehebrecherinnen durch eine groſſe vnd vnheilſa - me Schwachheit zur Rechnung zu fordern / vnnd wie ſie von den Artzten gantz verlaſſen wurde / al - ſo wurde ſie mehr in jhrer Seel mit Troſt verlaſ - ſen / vnnd wegen jhrer ſchrecklichen begangenen Suͤnden geaͤngſtiget / vnnd als auff ein Zeit vmbMitter -187Diebs Hiſtorien / das I, Buch.Mitternacht jhr Ehemann / der Edelmann zu jhr wolte gehen / vnnd la Vigne als der ſich deßmals auch noch bey jhr hielte / nicht wuſte / wo er hinauß ſolt / verbarge ſich eylends widerumb inn ſolche La - de / vnd ſchloß ſie nach jhm hart zu / das Weib aber wurde noch mehr geaͤngſtiget / fienge an vnd thaͤt gleichſamb eine lange Predigt / vnnd bate jhren Herꝛn vnd Junckern / er wolte jhr die Bitt / ſo ſie an jhn thun wolte / nicht allein nicht abſchlagen / ſondern auch mit einem Eyd bekraͤfftigen / daß er ſeine auff jhre gethane Bitt verheiſſung vnver - bruͤchlich halten wolte: Die Bitte aber war dieſe: Daß nemblich nach jhrem Todt er inn das Grab neben ſie wolte ſtellen vnnd begraben laſſen / eben die Lade / ſo in der Kammer ſtuͤnde / vnd ſie jhm zei - gete / ſolte auch dieſelbige nicht beſichtigen vnnd auffſchlieſſen / noch auch zu laſſen / daß ſie von je - mandts auffgeſchloſſen oder beſichtiget wuͤrde: Dann ſie habe darinnen ſolchen Haußrath vnnd Dinge / daß ſie nit wolte / daß ein eintziger Menſch auff Erden dieſelbige ſolte gebrauchen / welches dann jhr Ehemann vnd Juncker jhr ſteiff vnnd feſt verhieſſe.

Der arme la Vigne als er inn der Laden ſolche Geſpraͤch vnd ſolches trawriges Vrtheil anhoͤre - te / fienge an zu fluchen vnnd zuvermaledeyen / die tauſentliſtigkeit ſolcher Ehebrecherin / ſeiner Mit - geſellin / welche vngefehr zwo ſtunde hernach ſtar - be / vnnd ohne Buß vnnd Bekandtnuß jhrer ſehr ſchweren Suͤnden jhren Geiſt auffgabe / vnd wolte alſo mit ſich inn den Todt ziehen den jenigen / wel -N ijcher188Beutelſchneider / odercher jhr Geſell in jhrem Gottloſen verdam̄lichen Leben ware geweſen.

Vnter deſſen aber waren etliche Haußgenoſ - ſen / man ſolte die Lade im Hauß laſſen / oder wann man ſie wolle mit begraben laſſen / ſolte man ſie auff das aller wenigſte auffthun vnd beſichtigen: Aber der Juncker / weil er es ſeinem Weib ſo ſteiff vnd veſt verheiſſen / wolte ſeine Verheiſſung auch halten / ließ auch nit zu / daß die Lade von jemands geoͤffnet wuͤrde: Vnd nach dem er ſein Weib hat - te ehrlich begraben laſſen / laͤſt er die Lade auch in das Grab hinein ſetzen / vnnd ein groſſen Stein darauff legen / doch wurde das Grab nicht gar zu - gemauert / dieweil es ſchon nacht war / vnd ſolches den folgenden Tag ſolte geſchehen.

Der arme la Vigne / welcher in der Kirchen hatte hoͤren ſingen / machte jhm keine andere rech - nung / als daß er in ſolcher Laden ſterben muͤſte / vnd in dem er ſich ſo herumber in der Laden warf - fe / mercket er / daß fein Weib noch etliches Geldt darinnen gelaſſen hatte: Aber er dachte weder an Golt noch an Gelt / ſondern bate Gott hertzlich / er wolte jhm doch mittel verſchaffen / auß der Laden herauſſer zu kommen / auff daß er ſeinem Gewiſ - ſen moͤchte ruh ſchaffen: Dann da bedachte er in der Laden ſein Gewiſſen beſſer / als er zuvor die Zeit ſeines Lebens gethan hatte. Was geſchicht? In dem la Vigne in der Laden in ſolchen Gedan - cken liget / begibt es ſich / daß ein Juͤngling von den Haußgenoſſen der Abgeſtorbenen / welcher verhoffet inn ſolcher mitbegrabenen Laden einegute189Diebs Hiſtorien / das I, Buch.gute Beute zu finden / zwiſchen eylff vnnd zwoͤlff Vhren deß Abends in die Kirche / da das Grab der Abgeſtorbenen / ſampt der Laden ware / kom - met / hebet mit ſeinen zw[e]en Geſellen / ſo er in die Kirch mit ſich genommen hatte / den Stein auff / fanget an die Lade auffzubrechen vnnd auffzuma - chen. Vnd als ſie jetzund den Ladendeckel auffhe - ben woͤllen / da faſſet jhm la Vigne in ſolchem wunderlichen Zuſtand ein Hertz / ſtehet auff / vnd fanget ein ſolches geſchrey an / auß der Laden in der Kirchen / daß die andern meynen / es ſey der leydige vnd lebendige Teuffel ſelber / vnd lauffen alle miteinander darvon / vnd der Kirchen hin - auß.

Als nun la Vigne widerumb zu ſich ſelber kom - met / zuͤndet er eine Fackel an / beſuchet die Lade / ſte - cket bey ſich das Gelt / ſo er darinnen findet / ſchleuſt die Lade widerumb zu / legt den Stein auff das Grab / gehet der Kirchen hinauß / vnd ſalviret ſich durch die Gaͤrten / ſo gut als er jmmer kan / vnd ob er ſich damals wider er[k]andt habe / gebe ich euch ſelber zu bedencken. Gleichwol aber / als er ſihet / daß er beſſer als er zuvor ſein lebenlang war gewe - ſen ſtaffiret iſt / vnd darbey be encket / daß er an ſol - chem Ort nicht lang werde ſicher ſeyn koͤnnen / be - gibt er ſich in die Gegend der Statt Lion / trifft all - da an einen ſehr reichen vnd mit dem Gubernato - re von Lion wolbekandten Edelmann / welchem er fuͤr einen Knecht dienet.

Nun begabe es ſich / daß ſein Herꝛ eine ehrliche Jungfraue in ſolcher Gegend / welche uͤber alleN iijmaſſen190Beutelſchneider / odermaſſen ſchoͤn / aber doch geringes Stands ware / lieb gewanne: Solches entdecket er ſeinem Knecht vnd bittet jhn / er woͤlle doch auff mittel vnnd wege ſich bedencken / wie er ſolcher Jungfrawen moͤge maͤchtig werden / vnnd ſolte es auch koſten / was es woͤlle: Aber es war alles vmbſonſt: Dann die Jungfraw lieſſe jhr jhre Ehr ſo wol angelegen ſeyn / daß ſie ſolchem Edelmann alles miteinan - der kurtz rund abſchluge: Welches als es der Edel - mann ſahe / vnd gleichwol mit ſeiner Lieb von jhr nicht kondt ablaſſen / auch dieſen Gottloſen Knecht / welcher alles nach ſeinem willen vnd begeren the - te / bey ſich hatte / ſihet er / daß er auff ein Zeit bey naͤchtlicher weyle inn der Tochter Vatters Hauß kommet / reiſſet ſie dem Vatter auß ſeinen Armen / vnd wiewol ſie gar klaͤglich ſich verhielte / ſetzet er ſie auff ſein Pferd / vnnd fuͤhret ſie an ein Ort auff ſein Landgut / da ſie dann von jhm genothzuͤchti - get wurde.

Der arme betruͤbte Vatter macht ſich hierauff in aller eyl auff den Weg nach Lion / vnnd als der Tag herbey kommet / wartet er auff den Guber - nator / wann er widerumb werde auß der Meß kommen / vnd als er jhn ſihet / thut er ſeine Klage vnd bittet jhn / er wolle jhme doch inn ſolcher Sa - chen die Hand bieten: Der Gubernator entdecket dem Vatter ſeinen Vorſchlag nicht / doch ſchicket er jhn widerumb nach Hauß / vnnd verheiſt jhm / er wolle ſchon den Sachen rath finden. Vnd ſo bald als er hat zu Mittag geſſen / ſetzet er ſich zu Pferd / vnd nimmet ſich an / er woͤlle auff die Jagtreiten:191Diebs Hiſtorien / das I. Buch.reiten: Zeugt auff deß Edelmanns Schloß zu / vnd helt ſich allda ein wenig auff / an einem ſehr ſchoͤ - nen vnd luſtigen Ort.

Der Edelmann als er gewahr wird / daß der Gubernator ſo nahe bey ſeinem Schloß ſeyn ſoll / vnnd aber den Kopff ſo voll Lieb hat / daß er nicht meinet / daß der Weingaͤrtner ſo gehertzt ſolt ſeyn geweſen / vnnd jhn wegen ſeiner Tochter bey dem Gubernator verklaget haben / nimmet die Tochter vnd ſchleuſt ſie ein an einem Ort / da nicht bald je - mands pflegte hinzukommen. Gehet darauff hin zu dem Gubernator / heiſt jhn willkommen ſeyn / beut jm ſein Schloß zur Herberg an / welches dann der Gubernator annimmet / nimpt ſich an / als habe er ein ſonderlichen Wolgefallen an dem Ge - baͤw ſolches ſchoͤnen Luſthauſes / gehet durch das gantze Schloß / beſichtiget alle Ort vnnd Ende / wie alles ſo ſchoͤn gemacht vnd gezieret iſt / laͤſt jh - me alle Kammern vnd Gemach auffſchlieſſen / ſie znbeſehen.

Endlich kommet er in ein langen vnd ſchoͤnen Saal / an deſſen ende ein verſchloſſene / aber uͤber alle maſſen ſchoͤn gemachte Pfort ware[:]Der Gu - bernator nimmet ſich an / als gefalle jhme das beſ - ſer als das ander alle miteinander / welches er ſchon beſehen hatte / ſagt zu dem Junckern mit la - chendem Mund: Er halte darvor / daß er darin - nen ſeine beſte Sachen / ſeinen Schatz / ſeine Guͤl - dene ringe vnd andere ſtattliche Sachen habe (Es ſaſſe aber eben an ſolchem Ort die ſchoͤne Jung - f[r]aw / welche der Edelmann dem BawersmannN iiijent -192Beutelſchneider / oderentfuͤhret hatte / eingeſchloſſen vnnd gefangen)

Als aber der Edelmann nicht gern dran kame / daß er ſolches Gemach oͤffnete / dachte der Guber - nator ſo bald bey ſich / Es muͤſte eben an ſolchem Ort ſeyn das jenige / was er ſuchete: Bate derhal - ben den Edelmann / er ſolte jhm doch noch den ge - fallen erzeigen / vnnd jhm ſolches Gemach auff - ſchlieſſen / auff daß / weil er ſonſten alles beſehen / er ſolches auch beſehen moͤchte: Der Edelmann ga - be darauff vor / einer auß ſeinen Dienern ſey gen Lion gangen / vnnd bab den Schluͤſſel zu ſolchem Gemach auß vergeſſenheit mitgenommen: Weil aber der Gubernator noch anhielte / er ſolte doch ſehen / daß er ſolches Gemach auch beſehen moͤch - te / gehet er nah bey den Gubernator / vnd nach dem er jhm geſaget: Wann er es jhm nicht woͤlle vor vngut halten vnd auffnemen / wolte er es jhm wol weiſen: Zeiget er jhm an / daß er eben an dem Ort ein Hur habe fitzen / welche er nicht gern wolte / daß ſie von jederman geſehen wuͤrde: Vnd wann es dem Herꝛen Gubernator beliebe ſie zu ſehen / wolte er ſie jhn weiſen. Der Gubernator antwortet: ja / ja / gar gern / dann das iſt eben das Kraut / das ich ſuche.

Der Edelman (welcher vermeinete / das wuͤr - de ſo fuͤr einen Boſſen hingehen / dieweil bald der meiſte Theil deß Adels in ſolchem Spital kranck ligen / vnd alſo zu hauſſen pflegen) ſchleuſt die Thuͤꝛ auff / Was geſchicht? Die arme Tochter welche das Haar vmb den Kopff hatte hengen / vnd gar kleinmuͤtig außſahe / als ſie den Gubernator erſi -het /193Diebs Hiſtorien das I. Buch.het / thut ſie jhm ein Fußfall / vnd bittet jhn / er wol - le jhr Recht ſchaffen / wegen der Schand ſo jr von dem Edelmann Gwaltthaͤtiger weiſe ſey zugefuͤ - get worden.

Hierauff laͤſt der Guberbator ſo bald nach dem Weingaͤrtner ſchicken / ſtraffet den Edelmann ernſtlich wegen ſeiner begangenen ſchweꝛen Suͤn - de / vnd ſchlaͤgt jhm zwey Mittel vor[/]das eine oder das andere darauß zu erwehlen: Entweder daß er den Kopff jhm zu wolverdienter Straff laſſe ab - ſchlagen / oder daß er die entfuͤhrete ehrliche Toch - ter Heurathe vnd ehrlich mache. Der Edelmann / als er ſihet / daß er nunmehr iſt gefangen / vnd kan weder hinderſich noch vorſich kommen / erklaͤret ſich ſo bald / daß er ſie wolle Ehelichen / vnnd wird jm von dem Gubernator geboten / er ſoll ihr auch zwey tauſent Kronen vor jhr Morgengaab ver - machen vnd geben. Welches dann alles ſo bald in gegenwart deß Gubernators / ſeiner Diener vnd deß Weingaͤrtners muß geſchehen. Die Tochter wird ſchoͤn geſchmucket vnd gebutzet / ſie werden ſo bald zuſammen gegeben / Er helt ſie[fuͤr] ſein eheli - ches We[i]be / hat ſie auch lieb vnd werth / ſie verhelt ſich auch alſo / daß ſie inn der gantzen Nachbar - ſchafft wird geehret vnd geliebet: Der Gubernator aber iſt wegen ſeines gerechten vnd außgeſproche - nen denckwuͤrdigen Vrtheils hochgelobet vnd ge - ehret worden.

La Vigne / welcher ſchon zum vierdten mal der Straffe / welche er vmb ſeiner Vbelthaten willen wol verdienet hatte / ware entgangē / beſſert ſich imN vgering -194Beutelſchneider / odergeringſten nicht / ſondern faͤhret inn ſeinem Gott - loſen verdamblichen Leben je laͤnger je mehr fort: Dann / als auff ein Zeit ſein Herꝛ mit all ſeinem Anhang gen Lion ware gezogen / er aber allein im Schloß bey ſeines Herꝛn Frawe / deß Weingaͤrt - ners Tochter / vnd etlichen Kammer Jungfrawen waren / ſuchet er Mittel zu ſeiner Frawen zu kom - men / gibt jhr zuverſtehen / wie daß ſie vor der Zeit einmal inn ſeiner Gewalt ſey geweſen: Bittet ſie / daß / weil doch ohne das jhr Ehemann nicht da ſey / ſie ſeines Willens woͤlle geleben / vnd jhn auch einmal mit gutem Willen deß jenigen / was er zu - vor wol mit Gewalt von jhr haͤtte haben koͤnnen / genieſſen laſſen.

Die Junge Fraw / als ſie ſihet / daß der loſe Schelm ſie vmb jhr Ehr anſpricht / ſtraffet ſie jhn ernſtlich mit Worten / traͤwet jm auch / daß wann er hinfort mehr dergleichen ding an ſie begehren wuͤrde / wolte ſie es jhrem Herꝛn anzeigen / welcher ſolche Bubenſtuͤck jhm vngeſtraffet nicht wuͤrde hingehen laſſen: Nichts deſto weniger aber ſetzet jhm der Boͤßwicht fuͤr / er wolle ſein boͤſes vorne - men erfuͤllen / vnnd als er ſie einmal deß Morgens inn einem von dem Schloß / etwas abgelegenen Garten / da ſie vnter den Baͤumen in der Kuͤhle ſpatzieren gienge / antrifft / bittet er ſie abermals / ſie woͤlle ſeines Willens geleben / vnnd als ſie jhm auß den Haͤnden wil entgehen / ergreiffet er ſie / ſte - cket jhr mit Gewalt ein Wiſchtuch in den Mund / daß ſie nicht kan ſchreyen / wirfft ſie auff die Erden nider / vnd begehet die Schand vnd Vnzucht mitjhr /195Diebshiſtorien / das I. Buch.jhr / vnd weil er ſelbſten jhm die rechnung leichtlich kondte machen / es wuͤrde jn die Fraw beydem Her - ren deßwegen verklagen / ſchlaͤget er ſie darauff gar zu Todt / vnd in ſolchem toben vnd raſen gehet er widerumb inn das Schloß hinein / ruffet einer auß den zwoen Kammer Jungfrawen / welche in jhrer Frawen Kammer waren / vnd ſchlaͤget die - ſelbige auff der Stegen Tod / vnd als die ander das Geſchrey gehoͤret / vnd auß der Kammer zu der an - dern wil lauffen / wird ſie auch ſo bald von dieſem Moͤrder erſchlagen / vnnd als ſolches ein Magd / welche in der Kuͤchen war / vnd jhr Kuͤchengezeug ſaͤuberte / hoͤrete vnnd dem Geſchrey nach wil lauf - fen / wird ſie gleicher maſſen / wie die vorigen / todt geſchlagen. Vnd als dieſer raſende ſo viel Mord gethan / ſtecket er endlich das Schloß mit Fewer an: In dem er aber wil darvon lauffen / erdappen jhn die Bawersleute / nemen ihn gefangen / vnnd fuͤhren jhn in ein altes Gefaͤngnuß / welches nah an dem Schloß war / da er dann alles bekandt / was er begangen hatte.

Die folgende Nacht macht ſich dieſer Boͤß - wicht durch gar ein vngewoͤhnliches Mittel loß / von allen angelegten Eyſen vnnd Feſſeln / kompt auß dem Gefaͤngnuß / vnnd lauffet darvon / wel - ches als es der Edelmann erfaͤhret / ſetzet er ſich zu Pferd / vnnd laͤſt jhn an allen Orten vnnd Ecken ſuchen / aber alles vmbſonſt: Dann laͤnger als inn einem gantzen Monat hat man nicht wiſſen noch erfahren koͤnnen / wo er hin war kommen: End - lich aber / da jhn GOtt ſelber wolte zur Straff zie -hen196Beutelſchneider / oderhen / ſchicket es Gott / daß er von deß Weingaͤrt - ners (dem die Tochter war zuvor durch den Edel - mann enifuͤhret worden) Nachbaurn wurde er - kandt vnd geſehen / als er vmb den Abend vor ei - nem vngefehr von deß Edelmans Schloß ein Meyl wegs abgelegenen Dorff voruͤber gienge: Welches dann der Nachbar ſo bald dem Wein - gaͤrtner / vnd der Weingaͤrtner dem Edelman zu - wiſſen thete. Der Edelmann ſaumet ſich nicht / ſondern name in der eyl ſeine Bawern vnnd Vn - terthanen zu ſich / folgten dem Boͤßwicht ſo ſtarck vnd ſo lang nach / biß daß ſie jhn endlich in einem dicken vnd finſtern wald / da er ſich vnter die Doͤr - ner vnd Geſtreuch verſtecket hatte / ergriffen: wur - de darauff gen Lion gefuͤhret / vnd nach dem er ſei - ne Mord vnd Bubenſtuͤck alle bekandt / wurde er nach der Gewonheit ſolcher Zeit / in heiſes ſieden - tes Oel geworffen / vmb der verdamblichen vnnd ſchrecklichen Vbelthaten willen / welche er inn ſei - nem Leben getrieben vnd begangen hatte.

Das XIII. Capitel.

Von den Argliſtigen ſtreichen vnd Buben - ſtuͤcken der Filous / vnnd wie ſie einem Jungen Limoſin den Beutel mit dem Gelt erhaſchet haben.

LIſander pflegte zu ſagen: Man muͤſ - ſe deß Fuchſes Schwantz daran haͤfften / wann die Loͤwenhaut nicht weit gnug woltereichen /197Diebs Hiſtorien / das I. Buch.reichen / das iſt / wann man nit mit gewalt an ein Ort koͤnne kom̄en / muͤſſe man ſehen / daß es durch Liſt vnd Practicken geſchehe. Was nun Lyſander geſagt vnd gelehret / das hat vor jhme Vlyſſes mit groſſem Nutzen vnd Vortheil in Einnemung der Statt Troja practiciret: Dann er allein hat durch ſeine Kriegsliſte vnnd Verſchlagenheit in einem Monat zu wegen gebracht / was das gantze / groſſe vnnd gewaltige Griechiſche Kriegsheer / welches von ſo vornemen vnd verſtaͤndigen Eapitainen iſt gefuͤhret vnd regieret worden / inn 10 gantzer Jaren nit hat erlangen moͤgen: Dann er hat dieſe ſtoltze vnd gewaltige Statt erobert / vmbgeſtuͤr - tzet / alles mit dem Schwert darnider gehawen / vnd hernacher die gantze Statt außpluͤndern laſ - ſen: hat alſo durch ſeine Argliſtigkeit vnd kuͤnſtli - che Kriegsliſte die Statt erobert / welches hundert tauſent Mann / vnd tauſent Schiffe inn ſo vielen Jahren nicht hatten thun koͤnnen.

Wer aber recht bey dem Liecht beſihet / die groſ - ſe Argliſtigkeit vnd Betrug der Diebe / ſonderlich aber der Filous / vnd der Beutelſchneider / der wird ſelbſten bekennen muͤſſen / daß ſie deß Lyſandri Lehr fleiſſig vnd wuͤrcklich nachkommen / vnnd daß viel mehr die Fuchshaut / als die Loͤwenklawen gebrau - chen: Ich wil euch deſſen in dieſem Capitel gar ein artige vnd luſtige Hiſtorien erzehlen: Vnd weiß ich das / daß jhr euch alle miteinander werdet ver - wundern uͤber die Verſchlagenheit / welche die Herꝛen Beutelſchneider mit jhren kurtzen De - gen pflegen zugebrauchen / vnnd auch die aller wi -tzigſte198Beutelſchneider / odertzigſte wiſſen dardurch / vnnd damit zubetriegen.

Es iſt nun etliche Jahr / daß in dieſer Statt wohnete ein junger Limoſin / welcher viel Reich - thumb vnd vermoͤgen hatte: Aber er war ein rech - ter karger Filtz / ein Geitzhalß vnd vnfreundlicher Tropffe: Man gieng zwar gern mit jm vmb / aber wer mit jhm einmal oder zwey ware vmbgangen / vnnd geſehen hatte / was er fuͤr ein wunderlicher Gaſt ware / der war fro / daß er ſeiner widerumb le - dig wurde. Als er aber auff ein Zeit mit zween oder dreyen guten Zechbruͤdern angefangen hatte zu ſpielen / auch denſelbigen auff die fuͤnff vnd zwan - tzig Piſtoleten hatte abgewonnen / vnd war doch ſo Hundskarg darbey / daß er jhnen nicht eine ſchlech - te Collation oder drey Vhr Brot wolte bezahlen / (welches dann ein vnfreundliches grobes Bau - ernſtuͤck von jhm ware) entſchloſſen ſie miteinan - der / ſie wolten jhm eines anſchmitzen / daß jhm ſein Bauerngeitz thewer genug ſolte ankommen. Vnd darauff thut einer vnter den dreyen / welcher ein friſche gute Haut war / eins / gehet hin zu einem Filou / den er lange Zeit gekandt hatte / zeiget vnnd weiſet jhm den Limoſin vnd gibt jhm zuverſtehen / daß / wann er wolte darzu helffen / ſo weren zwey - hundert Kronen allda zu gewinnen.

Der Filou / als er von ſolcher Beut hoͤret / recket er die Ohren auff / vnd bildet jhm ein / er habe den Bern ſchon gefangen / vnnd die Beut erhaſchet / verſpricht dem guten Geſellen / er woͤlle ſehen / daß er der Sachen rath finde / zeiget es ſeinen Mitge - ſellen an / beſchreibet jhnen die Perſon / ja als er auffein199Diebs Hiſtorien das I. Buch.ein Zeit auß einem Laden / in welchem er ſtets auß vnd ein gienge / herauſſer tratte / zeigt er jhnen ſol - chen Limoſin / damit ſie jhn ja wol vor andern er - kennen moͤchten.

Vnd allhie muß man nun nit fragen / ob man dieſem Limoſin auch nachgefolget ſey / ob auch die Filous alle jhre Gedancken darauff geſchlagen ha - ben / wie ſie doch dieſem Limoſin beykommen / vnd jhn einmal erdappen moͤchten: Aber er war ſo arg - woͤhniſch / vnnd getrawet ſo gar uͤbel / daß ſie nicht kondten zu ſtreich kommen.

Als er aber auff ein Zeit inn der Gaſſen Sainet Jacques voruͤber gienge / lieſſe ein Filou ein Pa - cket mit allem fleiß auff die Erden fallen: Vnd inn ſolchem Packet war ein Ring / eine Guldene Ket - te / aber doch von falſchem Golt / vnd ein Brieff / welcher alſo lautet:

Hochgeachte liebe Fraw /

ich uͤberſchicke euch allhie durch meinen Laqueyen den De - mant / ſo jhr von mir begehret habt / vnd frewe mich von Hertzen / daß ich hierdurch Vr - ſach bekomme / euch angeneme vnd wolgefel - lige Dienſt zuerzeigen: Ich wil mir es aber noch fuͤr ein groͤſſer Gluͤck halten / wann ich im Werck ſelbſt kan erweiſen / dz kein Heuch - ley vnd Betrug iſt in dem allem / das ich euch habe verſprochen. Ich bitte die Goͤttlichkeit deß Himmels ſelber / daß ſie uͤber euch das al -lerbe -200Beutelſchneider / oderlerbeſte jhꝛe Wuͤrckung uͤber euch woͤlle auß - gieſſen / vnd euch / mir allezeit die Ehr ewer Liebe vnd Gunſt zuerhalten vnd zugenieſſen / vnd mir verguͤnſtigen / daß ich mich moͤge nennen

Ewer vnterthaͤniger Diener La Foſſe.

Der Limoſin thut das Packet auff / ſihet die ver - meinte Guldenekett vnd den Demant / vnd nach dem er den Brieff geleſen / gehet er in die Berga - mentgaſſen hinein: Es folget jhm aber auff dem Fuß ein Filou / der ſchreyet jhm laut nach: Ge - mach / Geſell / jhr habt alleweil ein Packet auff der Gaſſen auffgehoben: Es iſt billich / daß ich das halbe Theil darvon habe / oder daß ich auff das we - nigſte mit euch abtheile / vnd etwas darvon be - komme.

Als nun der Limoſin ſihet / daß er erdappet wird / vnd andere ſolches auch geſehen haben / den - cket er in ſich ſelbſten / ob nicht ein Betrug vnd Bubenſtuck darhinder ſtecke: Dann man hatte jhm mehr von dergleichen Bubenſtuͤcken geſaget: Gehet derhalben in den nechſten Laden / vnd ſaget zu dem Filou / es ſey ja billich / daß er mit jhm thei - le / vnd den halben theil darvon bekomme / weil er haͤtte geſehen / daß er ſolches auff der Gaſſen auff - gehoben vnd gefunden hatte: Vnd nach dem er die gefundene Waar außgeleget / fraget er jhn ſelber / welches vnter ſolchen beyden ſtuͤcken er begehre / ob er woͤlle den Demant oder die Guͤldene kettenhaben?201Diebs Hiſtorien / das I. Buch.haben. Filou nimpt den Demant / vnd ſaget / er laſſe jhm die Ketten / dieweil ſie mehr als der Demant werth ſey vnd wann er jhm fuͤr den De - mant / der dem anſehen nach mehr als zwey hun - dert Kronen werth ſey / dreyſſig Piſtoleten woͤlle geben / ſo woͤlle er jhm den auch laſſen.

Dem andern das Packet / ſagt der Limoſin / wem verkauffet jhr ewere Schaln / wolt jhr mich gar fuͤr einen Narꝛen halten / ich weiß all eweren Betrug vnd Argliſtigkeit gar wol / ich will euch ſonſt nichts geben / ſondern weil ſichs alſo hat zu - getragen / daß jhr ſeyd darzu kommen / da ich das Packet gefunden vnd auffgehobē habe / ſo gebe ich euch die Wahl / vnd moͤget jhr ſelber auß den bey - den ſtuͤcken eines nemen / welches jhr ſelber woͤllet / vnd welches euch am beſten gefaͤlt / ich hab ſonſt kein Gelt / das ich euch gebe.

Der Kauffmann merckte ſo bald / daß das ein Spitzbuͤbiſches ſtuͤcklein ware / vnnd weil er ſorg haͤtte / man moͤchte durch ſolche Gelegenheit jhm etwas auß dem Laden vnvermerckter weiſe hin - weg ſtelen / hieſſe er jedermann auß ſeinem Laden gehen / vnd jagete den Limoſin vnd ſeinen Geſellen auch zugleich dem Laden hinauß / vnd daran thaͤ - te er gar wol: Dann es waren ſchon zween oder drey Beutelſchneider in Laden durch ſolche Ge - legenheit hinein kommen / vnnd hatten ſchon ein ſtuͤck Tuch zu jhrem Vortheil erſehen.

Als ſie nun miteinander darauß ſeyn / nimpt der Limoſin die Ketten / vnd gibt ſeinem Geſellen den Demant / vnd muſte alſo der Filou voꝛ dieſesOmal202Beutelſchneider / odermal mit ſpott vnd ſchimpff abziehen / vnd mangel - te jhm nichts mehr / als daß Accurſius jhm das Geſetz hette außgeleget: Quinque pedum: Dann ich verſichere euch / er hett den Brill wol auffſetzen vnd tragen koͤnnen.

Wiewol nun jhm vor das erſte mal der ſtreich nicht war angangen / ſo waren ſie doch daruͤber nicht vnluſtig oder vngedultig: Sondern ſie na - men jhnen fuͤr / ſie wolten den Limoſin deß dinges gantz ſatt machen / vnd ſolte es bald oder langſam geſchehen: Deꝛhalben ſo ſteltē ſie andere an / die al - le Mittel vnd Weg ſuchten jhm ein ſtattlichs an - zumachen / vnnd jhn hinder das Liecht zufuͤhren:[Sie] wuſten / daß er ſich fleiſſig in der Gaſſen S. Jacques lieſſe finden / derhalben ſo warten ſie auff ein Zeit auff jhn an der Ecken der Kirchen der Mathuſeos / vnd als ſie jhn von weitem ſa hen da - her gehen / gehet einer auß jhrer Geſellſchafft jhm entgegen / thut jhm ſeine Ehrerbietung / gruͤſſet jn gar freundlich / als wann er jhn wol koͤnne / vnd ſpricht jhn an: Mein Herꝛ / wie gehts / wie ſtehet es mit euch / ſeyt jhr auch noch wol auff: Es iſt bald zehen tauſent Jahr / daß ich einmal euch gern geſe - hen vnd bey euch were geweſen.

Mein Herꝛ / jhr werdet mich fuͤr entſchuldiget haben / wann es euch beliebet / antwortet der Limo - ſin / ich hab niemals die Ehr vnd Gluͤck gehabt / euch zu kennen vnnd mit euch vmbzugehen / viel - leicht verſehet jhr mich fuͤr einen andern.

Heiſt jhr dann nicht Herꝛ la Roche / ſagt der Filou / ſeyd jhr nicht von Compagne: Nein / meinHerꝛ /203Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Herꝛ / ſagt der Limoſin / ich heiſſe la Truffle / vnnd bin buͤreig von Limoge: Sihe / da / warlich / ſagt hierauff der andere / ich bitt jhr wollet mir es nicht fuͤr vngut halten / ich hab euch fuͤr einē andern an - geſehen: Es iſt wahr / jhr ſeydt zuentſchuldigen: Dann es iſt nun mehr ſechs Jahr / daß ich jn nicht habe geſehen / aber er ſihet euch gar gleich inn allen ſtuͤcken.

Hierauff nimpt einer von dem andern ſein Ab - ſchied / vnd gehen von einander: Der Limoſin ge - het fort vnd gedencket ben ſich alſo: Sihe / was be - deut das / daß der Menſch dich alſo hat angeredet / wie dem / wann er vielleicht einer were / auß den Spitzbuben vnd wolte dir eines anmachen. Iſt dem alſo / ſo wilt du dich ja ſo wol vorſehen / daß dir keiner ſoll beykommen / vnnd dich betriegen koͤn - nen: Vnd in dem er alſo in ſeinen Gedanckē fort - gehet / kommet er vnter deſſen zu Sainct Benoiſt: Als er aber noch nicht recht darbey iſt kommen / ſi - he da kommet jm entgegen ein guter alter Mann / gekleidet wie ein Kauffman / der gruͤſſet in freund - lich / nennet jhn mit ſeinem Namen (welches jhm dann der ander ſchon geſagt hatte) der Limoſin / welcher dieſen alten ſein lebenlang nicht mehr ge - ſehen hatte / verwundert ſich erſtlich ſehr daruͤber / gleichwol ſo dancket er jhm widerumb gar freund - lich Hierauff ſanget der Alte an jhm zuerzehlen / wie es nun mehr auff die zwantzig Jahr ſey / daß er ſeinen Vatter gekandt habe / es habe ſein Vatter jhme auch viel liebs vnd guts erzeiget / alſo daß er ſchuldig ſey / ſich widerumb danckbar zuerzeigen /O ijvnd204Beutelſchneider / odervnd wann er auch die Gelegenheit jhm vnnd den ſeinigen zu dienen hette / wolte er ſich gewißlich nit ſparen / ſondern ſich alſo erzeigen / daß man im Werck ſelber ſolte ſpuͤren / daß einem danckbaren Menſchen were liebs vnnd guts erzeiget worden: Es daͤuchte jhn auch / wann er den Sohn anſehe / ſo ſehe er den Vatter ſelber / wann er den Sohn gruͤſſe / ſo gruͤſſe er den Vatter ſelber / vnd ernewere die alte Freundſchafft.

Wie wol nun dieſe Butterſuͤſſe vnnd freundli - che Wort auß einem falſchen argliſtigen Hertzen herkommen / jedoch ſo wuͤrck ten ſie ſo viel inn dem Hertzen deß Limoſin / daß er meinete es were alles wahr / was der Alte jhm der lenge nach erzehlet hatte / alſo daß ſie darauff inn ein ander Geſpraͤch kamen / vnd ſich beyeinander lang auffhielten / biß endlich der alte Mann (welcher ſich auff rauben vnd ſtelen wol verſtunde / vnnd ohne Voͤgel vnnd Falcken wol jagen kondte) bey jhm ſoviel erhielte / daß er mit jhm hingieng / miteinander an einem Ort zu Mittag eſſen: Aber als ſie kaum recht zu Tiſch geſeſſen waren / ſihe da kamen fuͤnff oder ſechs daher / giengen in die Kammer hinein / vnd nach dem ſie ein wenig Kundtſchafft mit dem Alten gemacht hatten / ſetzten ſie ſich auch an den Tiſch / vnnd fiengen miteinander an von allerley Sachen zureden.

Der Limoſin / der von Natur gar argwoͤh - niſch vnd mißtrawig ware / wuſte nicht / was er auß ſolchen Ceremonien ſolte vrtheilē / vnd ſchlieſ - ſen / vnnd hatte groſſe ſorg / es wuͤrde das Spieluͤber20[205]Diebshiſtorien / das I. Buch.uͤber ſeinen Beutel / welcher deßmals den Bauch - fluß hatte / außgehen: Als ſie aber nun mehr bald zu Mittag geſſen hatten / ſihe da kommet der erſte Filou / welcher zuvor den Limoſin an der Gaſſen - ecken angeſprochen hatte / auch hinein / vnd als der Limoſin jhn erſihet / da machet er jhm kein andere Rechnung / als daß er mitten vnter ſo viel Spitz - buben vnd Beutelſchneidern ſitze / dencket derhal - ben / er muͤſſe einmal mit machen / vnd der Schan - tzen ſo in acht nemen / daß er auß dem Spiel ohne ſchaden komme.

Er nimmet ſich aber euſſerlich deſſen alles nichts an / er machet ſich luſtig / tꝛincket einem vnd dem andern zu / vnnd ſtellet ſich als ſteige jhm der Wein ſchon in Kopff / daruͤber dann die Filous fro waren / dann ſie bildeten jhnen ein / das Wild were jhn ſchon in das Garn gefallen.

Damit ſich aber der Limoſin deſto beſſer von ſolcher boͤſen Geſellſchafft moͤge loß machen / ſpricht er zu jhnen: Weil er noch niemals die Ehr gehabt habe in jhrer Geſellſchafft zu ſein / vnnd ſie jhn auch zu Mittag zu Gaſt geladen haben / ſo wol - le er eines thun / vnd wolle zwo Flaſchen deß beſten Weins / den man inn Paris finde / fuͤllen laſſen: Dann der Wein / den ſie getruncken haben / ſey nicht vom beſten geweſen / bittet / es ſoll doch einer auß der Geſellſchafft ſeinen Mantel nemen / vnnd mit jhm gehen: Dann nicht uͤber zween Stein - wuͤrffe weit / wuͤſte er an einem Ort außbuͤndigen guten Wein / vnnd weil doch ohne das der Tag meiſtestheils ſey verderbet / woͤllen ſie ſich vollendsO iijmitein -206Beutelſchneider / odermiteinander luſtig machen. Darmit dann ein jeglicher gar wol zu frieden iſt: Vnd damit er jh - nen ja deſto mehr Hoffnung mache / ſo thut er / als dutzele er ein wenig / vnnd koͤnne die Thuͤr nicht finden.

Nun hierauff gehen ſie fort / vnnd gehn ſtracks inn ein Wirthshauß / welcher den Limoſin wol kandte / vnd nach dem er die Flaſchen fuͤllen laſſen / ſagt er zu dem Filou / er ſoll doch in dem Wirths - hauß ſo lang warten / biß daß er daheim Gelt ge - holet habe: Dann er woͤlle die gantze Zech bezahlen / vnd ſich den Tag einmal luſtig machen. Der Fi - lou glaubet dem Limoſin / aber als Limoſin wider kommet / muß er ſich verwundern / daß er zween ſtarcke Kerlen mit ſich bringet: Die fallen ſo bald uͤber den Filou / falben jhm ſeine Schuldern vnd gantzen Leib / mit ſtarcker Waldſalben / ja ſie zer - ſchmeiſſen jhn ſo jaͤmmerlich / daß er ſo eben allge - mach / vnd mit guter weile widerumb in das ande - re Wirtshauß zu ſeinen Geſellen kan kommen: Vnd als er zu ſeinen Spießgeſellen / vnnd zwar ſo ſchamhafftig als ein Glock engieſſer kommet / da erzehlet er jhnen das groſſe Vngluͤck / ſo jhm vn - ter deſſen begegnet ware: Welche nicht anderſt theten / als wann ſie Toll vnd Raſend daruͤber wol - ten werden.

Wie (ſagte der Alte / welcher den Anfang am Spiel gemacht hatte) ſoll vnns der ein ſolchen ſchimpff bewieſen haben? Sollen wir dann nichts mehr in vnſern Koͤpffen ſpentiſiren vnnd erden -cken207Diebs Hiſtorien / das I. Buchcken koͤnnen / ſoll ein ſolcher noch vnſerer Argliſtig - keit ſpotten? Haben wir dann alle vnſere Kunſt vnnd Argliſtigkeit / deren wir vns an ſo manchem Ort anderſtwo gebraucht haben / außgegoſſen / daß wir nichts mehr erdencken moͤgen / wie wir vnns an einem ſolchen ſchlimmen Geſellen der vnſer in das Angeſicht hinein ſpottet / rechen vnd jhm das Liecht außblaſen moͤgen? Ich wil einmal das nit vngerochen laſſen: Dieſer mein Greiſer vnd weiſe Kopff ſoll der nicht noch ſoviel erdencken koͤnnen / wie man ſich an den Geſellen rechen vnnd jhn er - dappen moͤge?

Nach dem ſie nun vntereinander jhr Leyd alſo geklaget / ſcheiden ſie auß den Wirtshauß vnnd zwar ſo trawrig / wie Schafhunden: Dann jhrer zwen muſten die Maͤntel zum Pfand fuͤr das mit - tagmal[z]eit laſſen / vnd hette nicht viel gefehlet / der Commiſſarius hette ſie außgehaben / vnd auff das Chaſtelet geſangen gefuͤhret.

Etliche Zeit hernacher kommen ſie zu einem / der deß Limoſin guter Freund ware / vnnd welcher jhn zum erſten mal von dem Limoſin geſagt / vnnd ſie gebetten hatte / ſie ſolten jhm ein Tuͤck vnd Boſ - ſen beweiſen: Dieſem klagten ſie / daß ſie durch alle jhre Argliſtigkeit jhm noch nichts hatten abge - winnen koͤnnen: Gaben jhm auch den Rath / er ſolte den Limoſin einmal deß Abends zu Gaſt la - den / ſo wolten ſie dann auff jn warten / vnd (wann er ſich wider nach Hauß wolte begeben) Mantel / Gelt vnd alles nemen / welches dann der jenige eingienge / vnnd verhieſſe: Dann er bekuͤmmerteO iiijſich208Beutelſchneider / oderſich nit daꝛumb / was es auch koſten moͤchte / wann er nur einmal ſo viel kaͤndte zuwegen bringen / daß ſein Kerlen wol bezahlet wuͤrde: Aber der Anſchlag wurde jhnen zum drittenmal zu Waſſer. Dann da er alleweil wolte zur Abendmalzeit hingeben / kame ſein Vetter zu jhm / welcher all jhren boͤſen Vorſchlag verhinderte: Aber hoͤret doch / wie er endlich iſt erdappet worden / wiewol er ſich ſo fleiſ - ſig hat vorgeſehen.

Auff ein Zeit erſahen zween Filou dieſen Limo - ſin auff der Kauffmans Bruͤcken / eben inn der Zeit / da er mit Leinwadt handelte / vnnd auff die fuͤnfftzig oder ſechtzig Cronen in dem Seckel hat - te: (denn er pflegte es / wie Bias / zu machen vnnd zu ſagen: Omnia mea mecum porto: Alles was ich hab / trag ich bey mir:) Darauff gaben ſie nun gute achtung / vnd als er auß dem Laden / daꝛinnen er etwas verꝛichtet hatte / herauſſer gienge / verfuͤg - te ſich ein Filou / welcher wie ein Teutſcher geklei - det ware / zu jhm vnd redet jhn auff boͤß Fꝛantzoͤſiſch alſo an.

Monſieur / ich nicht bin Frantzoß: Wann es euch beliebete mir zeigen den Weg inn Vorſtatt Sainct Germain / ich geben wil euch eine Pi - ſtolet.

Limoſin recket die Ohren auff / hoͤret dem Ker - len zu / wie er redet vnd duͤncket jhn / es ſey ein Be - trug darhinder: Aber weil er es nicht fuͤr gewiß kondte wiſſen / ob es ein Filou von der Newen Bruͤcken ſey / dieweil er jhre gantze Geſellſchafft nicht kandte oder geſehen hatte / antwortet er jhmealſo209Diebs Hiſtorien das I. Buch.alſo: Mein Herꝛ / ihr werdet mich entſchuldigen / wann es euch beliebet / dann ich bin allhie nicht da - heim / vnd gehet mein Weg nicht in die Vorſtate Sainet Germain / derhalben / ſo bitte ich euch / jhr woͤllet mich entſchuldigen / daß ich nicht mit euch dahin kan gehen.

Als nun Filou ſich abermal inn ſeiner Hoff - nung betrogen ſahe / name er jhm vor / er woͤlle das Spiel gar bleiben laſſen: Es faͤlt jhm aber ſo bald etwas anders ein / vnnd ſpricht auff boͤß Frantzoͤ - ſiſch / wie zuvor auch / alſo zu jhm: Monſieur / O jhr wacker Mann ſeyd / ich gehn wolte zu Pferde auff Brucken / O groß Pferd groß Mann drauff / O ſchoͤn ſtuͤck / inn Teutſchland man ſagt darvon viel / wann mich jhr weiſet / ich nicht vndanck bar wil ſeyn

Der Limoſin / welcher auff die newe Bruͤcken / vnd von dannen in die Gaß Daulphine wolte ge - hen / da er dann etwas zuverꝛichten hatte / gedachte im geringſten nicht / daß jm ein Vngluͤck / welches durch dieſes Mittel die Filous jm zurichteten / ſol - te oder koͤndt begegnen / ſagt derhalben zu dem ver - meinten Teutſchen / daß weil er das groſſe Pferd auff der Bruͤcken wolte ſehen / ſolte er mit ihm kommen / dieweil es ohne das ſein Weg were / vnd koftete jhn nichts ſolches zuweiſen: Hierauff ge - hen ſie nun miteinander zu der Brucken zu / vnnd reden vnter deſſen von allerley Sachen:[Bund] kondte der Filou ſich ſo wol wie ein Teutſcher vnd Frembder ſtellen / wie er dann auch auff Teutſch gekleydet daher gienge / daß er Limoſin im gering -O vſten210Beutelſchneider / oderſten nichts kondte mercken / oder ein argwohn auff jhn werffen: Ja hette auch nimmermehr glauben koͤnnen / daß jhm ein ſolcher Boß widerfahren ſol - te / wie gleichwoͤl hernacher darauff geſchahe.

Als ſie aber nun auff der Brucken ſeyn / vor dem Pferd ſtehen / vnd daſſelbige anſehen / da ſtre - cket der vermeinte Teutſche ſein Arm auß / leget die Haͤnde zuhauff / vnd macht verwunderung / wie der Mahomet: Saget auch zu dem Limoſin auff geradbrecht Frantzoͤſiſch alſo: Monſieur / O ſchoͤn ſtuͤck bey meiner Seel / O jhr wacker Mann ſeyd / daß jhr mich hergefuͤhret / ich danck ſage euch / vnnd auff dieſe Wort faͤlt er jhn vmb den Halß / vnd kuͤſſet jhn.

Dem Limoſin kompt dieſes Kuͤſſen fuͤr / wie der Katzen / welche / man jhr mit der Hand uͤber den Schwantz ſtretchet vnd fehret / jhn pflege zu ſtre - cken: Nimpt derhalben mein guten Teutſchen bey der Hand / fuͤhret jhn zu der Pforten / welche an dem Gelender iſt / ſo vmb ſolches Pferd iſt her - vmber gemacht / wil jhn weiſen / was ſonderlich an ſolchem Pferd iſt zuſehen / die ſchoͤne F[i]guren / ſo vnten daran ſtehen / vnd was dergleichen denck - wuͤrdiges mehr allda iſt zu ſehen / das zeiget er jhm durch einen groſſen Riß an ſolchem Gelender.

Als ſie nun alda ſtehen / vnb ſolche wunderliche ding b[e]ſehen / bleiben auch ſo vnbeweglich / als die Goͤtzen ſtehen / zubeſehen alles / was da denck wuͤr - dig zubeſehen ſich befindet / ſihe da kommet ein an - der Filou / (ſo wie einer vom Adel gekleidet ware /) auch211Diebs Hiſtorien das I. Buch.auch daꝛzu / ſtebet ſtill vnd fanget auch an ſich uͤber ſolches ſchoͤnes ſtuͤck zuverwundern.

Warlich / (ſagt dieſer Vogel) es iſt jmmermehr ſchad / daß das ſchoͤne Werck vnnd Gebaͤw nicht außgemacht wird: Dan̄ das iſt eins von den ſchoͤ - neſten Coloſſen / ſo man wol in gantzem Europa mag finden / ja es iſt ein ſolche Coloß / daß ſie allen Bilder Coloſſen / ſo inn der alten Statt Rom ge - funden m[]gen werden / wolkan vorgezogen wer - den: Ich bitte euch / ſehet doch / wie ſie ein ſo ſchoͤnes anſehen hat / ſehet doch / wie der Koͤnig ſo wol auff dem Pferd ſitzet / wie er ſo ein Heroiſches vnd Ma - jeſtaͤtiſches anſehen hat / wie er den Regementsſtab in der Hand helt: Es habe es gegoſſen / wer es auch wol / ſo muß er ein rechtſchaffener kuͤnſtlicher Mei - ſter ſeyn geweſen.

Warlich / mein Herꝛ / ſagte hierauff der Teut - ſche: Ihr wahr geſagt habt: Ich mein lebenlang nit dergleichen geſehen / vnd in dem er ſolche Wort redet / faͤlt er nider zur Erden gantz matt / thut nit anderſt / als wann er in eine ſtarcke Ohnmacht we - re gefallen / (ich bitte euch / bedencket doch dieſen fund wol: Dann das iſt eine ſolche Verſchlagen - heit vnd Argliſtigkeit / daß einer inn ewigkeit nicht aͤrger vnd wunderlicher hette erfinden vnd erden - cken koͤnnen) Le Filou / ſo nah bey jhm war / als er jhn auff die Erden ſihet fallen / ſpricht er zu dem Li - moſin: Mein Herꝛ / ich weiß nicht / was jhr allhie gedencket zuthun / aber ſehet euch gleichwol ein wenig vmb nach ewerem Geſellen / ſehet / wie er da liget vnd ſo kranck iſt / es were gut / daß jhr bedaͤch -tet /212Beutelſchneider / odertet / wo jhr jhn irgend inn ein Hauß moͤchtet brin - gen.

Was mein Geſell / ſagt der Limoſin / ich ſage euch das / daß ich jhn nicht kenne: Ich hab in mein Lebenlang nicht mehr / als eben jetzunder geſehen: Vnd als er dieſe Wort redete / ſuchte er Vrſach ſich darvon zu machen: Aber als Filou ſahe / daß jederman hinzu lieffe / ſagte er zu dem Limoſin: Es were ja eine groſſe ſchand / daß man einen Fremb - den Menſchen ſo gar ſolte in ſolcher groſſen noth verlaſſen / bate derwegen den Limoſin / weil er doch auch von der Geſellſchafft were / er wolte jhn bey ei - nem Arm nemen / ſo wolte er ihn bey dem andern nemen / vnd alſo an ein gewiſſes Ort fuͤhren.

Niemals hat ſich ein Menſch beſſer als ein Tod - ter halten vnd ſtellen koͤnnē / als eben der vermein - te Teutſche thete: Dann er wurde gantz bleich vn - ter dem Angeſicht / ſtellete ſich / als wann er nicht mehr athemen koͤndte / ja mancher hette ein Eyd geſchworen / er were Todtkranck: Sie fuͤhren jhn in die erſte Herberg / die ſie in der Inſel du Palais antreffen / vnd ſo bald er inn das Wirtshauß ge - bracht wird / laͤſt man Wein geben jhn damit zu laben / vnd als er nun wider dem euſſerlichen anſe - hen nach / zu ſich ſelber kommet / laͤſt er den Wirth kommen vnd bittet jhn / er wolle jhm ein Mittag - mahl zurichten / ſagt in ſeiner Sprache / es haben jhm die beyde Herꝛen viel guts erzeiget inn ſeiner noth / ſie ſeyen jhm beygeſprungen / haben jhn da - hinein gefuͤhret / vnd wiſſe er nicht / wie er es wider gegen ſolchen Herꝛn verdienen koͤnne.

Der213Diebs Hiſtorien / das I. Buch

Der ander Filou name ſich an / als wolte er hinweg gehen / vnnd der Limoſin thete dergleichen auch: Aber weil er dachte / er wuͤrde den Tag eine freye Malzeit haben / lieſſe er jhm den Mantel nit zerꝛeiſſen / ſondern bliebe da Sie ſetzen ſich zu Tiſch / eſſen vnd trincken miteinander: Der Teut - ſche / als er nun ſeines vorigen Leyds vnd ſchwach - heit ein wenig vergeſſen / ſetzet an den Limoſin / trincket jm zu: Der Limofin ſparet ſich auch nit / trincket ohne Traͤchter vnd Seyl / vnd macht ſich zimlich luſtig / vnd als ſie nunmehr zu Mittag geſ - ſen / fangen ſie mit einander an zu reden / wie ſie ſo wunderbarlicher weiß zuſammen ſeyn kommen: Der Teutſche aber thut ſich gantz dienſtfreundlich gegen den beyden Herꝛen bedancken / ſonderlich a - ber gegen dem Limoſin / ſaget / ſie moͤgen jhm das wol glauben / daß wann ſie gethan hetten / ſo hette er fuͤrwar ſterben muͤſſen.

Le Filou / welcher ſich fuͤr einen Frantzoͤſiſchen Edelman außgabe / als er ſihet / daß der Teutſche jhnen ſo viel Ehr erzeiget / zeucht er den Limoſin auff eine ſeyten vnd ſaget zu jhm: Weil jhnen bey - den der Frembde ſo viel Ehr hab erzeiget / ſo wolte es ſich auch gebuͤhren / daß ſie jhm dergleichen auch beweiſen / vnnd wann er es zufrieden ſey / ſo wollen ſie beyde widerumb eine Collation bezah - len / oder woͤllen darumb ſpielen / welcher vnter jh - nen beyden ſie bezahlen ſolte / nemblich der jenige / welcher auff dreymal mit den Wuͤrffeln am we - nigſten wuͤrde werffen. Der Limoſin iſt darmit zu frieden / vnd dencket an nichts boͤſes oder arges /das214Beutelſchneider / oderdas jhm wider fahren koͤnde: Dann der Wein - dampff ſtiege jhm ſchon etlicher maſſen in den Kopff / daß er nicht mehr / ſo forchtſam / als er ſon - ſt en zu ſeyn pflegte / ware.

Le Filou macht / daß er in vier oder fuͤnff wuͤrf - fen verlieret / der Limoſin gewinnet die Collation welches in dann ſehr erfrewet: Vnd haͤtte er nim - mermehr geglaubet / daß ſolche Geheimnuſſen / wie hernacher geſchahe / darauß erfolgen wuͤrde: Als nun ſolches geſchehen / ſagt der Teutſche zu dem Limoſin: Mein Herꝛ / ſpielet mit dem Herꝛn da / ich weiß / jhr gewinnen werdet. Le Filou thaͤte / als wann er gar kein luſten zu ſpielen haͤtte / damit er ſeinen Man̄ deſto mehr herauß locken / vnd zum ſpielen bringen moͤchte / ſagte / der Limoſin were gar Gluͤckſelig im ſpielen: Gleichwol aber / wann es jhn beliebete in dreyen wuͤrffen mit Wuͤrffeln vmb eine Kronen zu ſpielen / wolte er mit jhm ſpielen.

Der Limoſin / wiewol er ſchon halb truncken war / hatte gleichwol noch ſo viel Verſtand bey ſich / daß er ſagte: Es were ſeine gewonheit oder gele - genheit nicht / daß er es alſo ſolte mit ſpielen wa - gen / ſo haͤtte er auch vber das kein Gelt: Die Fi - lous / als ſie ſahen / daß der Limoſin ſo gar nicht ans ſpielen wolte kommen / hatten ſorge / ſie wuͤr - den jhn nicht erdappen koͤnnen: Der halben ſagte der Teutſche zu ſeinem Geſellen: Weil der Herꝛ verſtehe der Limoſin nicht wolte ſpielen / ſo ſolte er mit jhm ein weil ſpielen: Vnd hierauff fangen ſie an miteinander zu ſpielen / der Limoſin aber ſahe zuvnd215Diebshiſtorien / das I. Buch.vnnd vrtheilete / welcher gewinnen oder verlieren wuͤrde / vnd als der Teutſche mit ſeiner Narꝛen - weiß mehr als zehen Cronen gewunnen hatte / the - te er / als wann er ſpielens muͤd were / vnnd ſagt zu dem Limoſin: Mein Seel / du gut Frantzoß bift / Spiele mein ſpiel wider Herꝛn da / ich weiß wol / du mich nicht betriegen wirſt.

Der Limoſin / weil er jhm nichts boͤſes traumen lieſſe / vnnd ſahe / daß er da nicht verlieren kondte / fanget an wider den Filou zu ſpielen / vnnd gewin - nen jm uͤber die vorige zehen / noch zwantzig Kro - nen an Golt ab / le Filou ſtellet ſich / als wolle er Himmel vnd Erden verfluchen / wirfft die Wuͤrf - ſel auff den Tiſch / thut / als wann er Toll vnd thoͤ - richt wolle werden / geberdet ſich / als wann er dem Gluͤck die Haar gar wolle außrupffen.

Diſes alles machte dem Limoſin ein Hertz vnd Mut / vnd weil er ſahe / daß der Teutſche ſein Beu - tel fuͤllet ohne ſpielen (dann der Limoſin ſpielete vor jhn) ſagte er zu jm: Er ſolte jhn vmb das hal - be theil mit ſpielen laſſen / welches er jhm dann ſo bald erlaubete / doch mit dem beding / daß er jhn nicht ſolte betriegen. Hierauff fangen ſie beyde an wider den Filou zu ſpielen / vnnd ſetzet ein jeglicher zehen Kronen ein / wider den Filou. Im Anfang verſpielete le Filou mit fleiß / damit er darnach den Limoſin deſto beſſer erdappen moͤchte / aber allge - mach wendete ſich das Spiel / vnd verlohre ein jeg - licher vnter jnen beyden in zehen oder zwoͤlff wuͤrf - fen zehen Kronen: Der Teutſche fragt nichts dar - nach / vnd ſpricht dem Limoſin ein Hertz ein / daß ernoch216Beutelſchneider / odernoch zehen Kronen einſetzet / welche Filou bald zu ſich zohe / vnd alſo war mein guter Limoſin ſchon vmb zwantzig Cronen geſchneutzet / vnd wolte von dem Spiel hinweg gehen: Aber der Teutſche rede - te jhm ein / daß er muſte außſpielen: Sagt / er muͤ - ſte gedencken / daß das Spiel ſich leichtlich koͤndte wenden / vnd daß er auch nicht allzeit gewinnen koͤndte: Spieleten ſo lang mit jhm / biß daß ſie jhm auff das allerwenigſte / fuͤnfftzig Kronen an Golt auß dem Beuttl herauſſer gelocket hatten. Vnd als der Teutſche nun ſihet / daß nichts mehr an dem Limeſin iſt zu gewinnen / (dann er gantz feꝛtig war) ſanget er an uͤber den Limoſin zu fluchen vnd zu ſchweren / ſaget / er habe in vmb ſein Gelt bracht / vnd jhm daſſelbige verſpielet. (Aber der vermein - te Teutſch hatte mit fleiß verlohren / damit ſie nur dieſen Limoſin butzen moͤchten) ſpricht zu jhm / du verꝛaͤther Frantzoß / du gemacht haſt / daß ich mein Gelt hab verſpielet: Ich gewonnen wolte haben zwantzig Kronen / aber ich hergegen fuͤnfftzig Kro - nen verſpielet / du mir warlich muſt zahlen / oder ich mich rechen vnd ſchmeiſſen wil.

Der Limoſin weiß nicht / was er hierauff ſoll ſagen / beklaget ſein Vngluͤck / vnnd fanget an ſich mit dem Teutſchen zu zancken / vnter deſſen aber / als le Filou ſie gefraget / ob ſie nicht lenger mit jhm ſpielen wolten / gewinnet er die Stegen vnnd wi - ſchet darvon.

Dieſe beyde ſetzen ſich auff jhre groſſe Pferde vnd fangen an mit Tellern vnnd Schuͤſſeln auff - eingnder zu zuwerffen. Nun waren (auff deß Li -moſin217Diebs Hiſtorien / das I. Buchmoſin ſeyten zu allem Vngluͤck) eben in ſolcher Kammer noch zween oder drey andere Filous / welche an einem andern Tiſch zu Mittag aſſen / vnd kein Wort darzu ſagten / waren auch deßwe - gen dahin kommen / daß / wann man jꝛervielleicht bedoͤrffte / ſie ſich gebrauchen lieſſen / vnd dz Spiel helffen außfuͤhren. Vnd als ſie ſehen / daß der Li - moſin dem vermeinten Teutſchen ſo hart zuſetzet / ſtehen ſie vom Tiſch auff / thun als wann ſie es auff beyden ſeyten gut meynen / vnd ſie von einander ſcheiden woͤllen: Fallen aber uͤber den Limoſin / zerſchlagen jhn jaͤm̄erlich mit groſſen Bruͤgeln / jagen jhn auß der Kammer / alſo daß der gute Li - moſin in Leib vnd Lebens gefahr geraͤth / als er nun heraber kompt / vnd auff der Gaſſen iſt / gantz Blaw vnd Schwartz geſchlagen / ohne Hut vnd Mantel / fanget er ein groſſes geſchrey an / bittet / man wolle jhm wider die Rauber im Wirts hauß zu huͤlff kommen.

Als nun die Filous ſehen / daß jederman her - bey lauffet / dencken ſie / das werde kein gut end ge - winnen / rechnen in aller eyl mit dem Wirth / vnd dringen durch das Volck hindurch: Aber ſo heim - lich als ſie ſich verſchleichen / vnd durch das Volck hindurch dringen woͤllen / ſo wol kennet ſie Limo - ſin / erſihet ſeinen Teutſchen / erwiſchet in bey dem Kopff / vnd wirfft jhn zu boden nider / das gibt nun ein groſſes geſchrey / jederman laufft herzu / der Commiſſarius kompt darzu / vnnd nimmet zween gefangen: Der vermeinte Teutſch aber klaͤ - get uͤber den Limoſin / vnnd dieſer uͤber den Teut -Pſchen /218Beutelſchneider / oderſchen / alſo daß man bald zweiffelte (wie ſie beyde ſich ſtelleten / vnnd einer uͤber den andern klagte) welcher vnter jhnen were beraubet worden / wel - cher recht oder vnrecht hette / dann ſie ſagten alle beyde / ſie hetten fuͤnfftzig Kronen verlohren mit einem Edelmann / ſo mit jnen geſpielet hette: Der Teutſche ſtellet ſich allzeit / als wann er nicht gut Frantzoͤſiſch reden koͤndte: Endlich aber / als man nicht wuſte / war an es henckete oder lehnete / man kondte auch auß jhren Geſpraͤchen nicht ſehen / wer vnrecht hette / liſſe man ſie allbeyde widerumb darvon lauffen.

Wie es aber nicht allzeit Zeit iſt zu Lachen / vnd der Himmel ſich der vnſchuldigen Sachen end - lich wider die ſchuldige annimmet: Alſo begab es ſich auff ein Zeit / daß dieſe beyde Filous / welche den Limoſin alſo gebutzet hatten / auff der newen Bruͤcken zuſammen kamen / vnnd beraubeten ei - nen Kammerherꝛn in dem Hauß deß Herꝛn von Nemours. Hierzu kame die Nachtwache / namen ſie gefangen / vnd fuͤhreten ſie auff das Chaſtelet / vnd als man jhnen daſelbſten die Wammeſer ab - zoge / ſahe man / daß ſie gebrandtmahlet vnnd ge - zeichnet waren / vnd hatten das Koͤnigliche Merck auff dem Rucken / vnd kondten ſie wol ſagen / daß ſie als Blinde wider kommen waren: Dann die Blinden deß Quinze Vingts tragen die Lilien vorn / ſie aber hatten ſie hinden auff dem Rucken: Dieſes gabe nun Vrſach / daß man ſie ſo bald inn die Vorſtatt Sainct Henore ſchickete a la Chaiſ - ne / damit ſïe von dannen weiter auff die Gallerenver -219Diebshiſtorien / das I. Buchverſchicket worden: Vnd an ſolchem Ort ſeyn ſie noch auff den heutigen Tag / vnd ſchreiben in das Meer jhr groſſes Vngluͤck / mit einer Feder / ſo fuͤnfftzehen Schuh lang iſt / Dinten vnd Streich werden an jnen nicht geſparet / wie billich: Dann es gebuͤhret ſich in alle weg / daß man ſie auch we - gen jhrer gethanen Arbeit belohnet: Vnter deſ - ſen aber ſo hat deꝛ gute Limoſin ſein Theil auch vor ſein Gelt bekommen / iſt wol außgelachet worden von den jenigen / ſo jhn kandten / ſonderlich aber von dem jenigen / welcher das Spiel hatte anfan - gen helffen: Derſelbige / als ein vnverſtaͤndiger vnbedachtſamer Menſch (wie dann gemeiniglich junge Leut nicht bedencken / was ſie thun oder re - den (hatte ſich etliche Tag hernacher geruͤhmet / er hette den Boſſen angeſtellet / vnd er were der erſte Anfaͤnger ſolcher Tragædien geweſen.

Als nun ſolches der Limoſin erfaͤhret / laͤſt er jn als einen Straſſenrauber vnnd Beutelſchneider anklagen / vnnd wie ich zu vor habe angedeutet / ſo hatte er vor der Zeit das Handwerck auch getrie - ben. Hierauff wird er nun auff das Chaſtelet ge - fuͤhret / aber ſeine Freunde bemuͤhen ſich ſo viel / dz er widerumb loß gemacht wird / ſonderlich aber dieweil man nicht kondte beweiſen daß er jemals entweder weit oder nah bey einer Rauberey gewe - ſen were.

Auß dem allem aber / was ich bißher hab erzeh - let / ſchlieſſe ich dieſes / daß wir in einer ſolchen Zeit leben / da es wol von noͤthen iſt / daß einer Luchs - augen habe / oder mit dem Argo hundertaugig ſey /P ijja daß220Beutelſch neider / oderja daß einer nicht allein vorn / ſondern auch hin - den auff dem Ruͤcke Augen habe / wie deß Luciani Voͤlcker. Dann es gibet heutiges Tages der Leu - te / welche meiſterlich ſtelen / vnnd dem Nechſten den Beutel mit dem Gelt vnſichtbar machen koͤnnen.

Das XIV. Capitel.

Von dem rauben vnd ſtelen eines naſſen Zechbruders / der Vniverſitet / genannt Poſtel / vnnd was er fuͤr verdambliche Thaten in ſeinem Leben begangen.

BIßweilen zwinget vnns die Noth zu groſſem Vngluͤck / vnd beweget vns / daß wir vns zu ſolchen dingen begeben / vor welchen wir ſonſten ein abſchewen habe / vnd vns ein Grewel ſeyn. Poſtel hette ſein lebenlang nicht ſo viel uͤbels gethan / wann jhn nicht die Noth / o - der ſoll ich viel mehr ſagen / Die Naſcherey je len - ger je mehr darzu hette bewogen / vnnd in ſolches Armut geſtuͤrtzet / daß er kaum ſo viel hatte / daß er das Leben kondte erhalten / wann er nicht ſtaͤhle / wiewol er von einem ehrlichen vnd fuͤrnemen Ge - ſchlecht ware.

Dieſer ſtudierte ein Zeitlang zu Paris / wie er dann deßwegen außdruͤcklich dahin ware verſchi - cket worden: Nach dem aber er ſich in der Solda - ten vnd andere nichtswuͤrdigē Leut / welche nichts zuverlieren haben / Geſellſchafft begeben hatte:Ver -221Diebs Hiſtorien / das I. Buch.verlohre er allgemach die Lieb vnnd Zuneigung / welche er zu dem guten vnd zu der Tugendt hatte / vnd ergabe ſich allen Suͤnden vnd Laſtern: Alles / was jm ſeine Eltern fuͤr ſeine Koſt vnnd Noth - durfft ſchicketen / wurde ſo bald in zween oder drey Tagen verthan vnd vernaſchet / vnd darnach mu - ſte er ſich der hoͤfflichkeit gebrauchen / das iſt / er muſte ſtelen: Dann das iſt ein ſonderlich Art ei - ner hoͤfflichkeit / daß einer dem andern den Hut abthut vnd abzeucht: Vnd kan man das wol ſa - gen / daß das die Beutelſchneider vnd jre Spieß - geſellen ſey die allerhoͤfflichſte Leut auff der Welt / dann ſie thun nicht allein einer dem andern den Hut ab / ſondern auch zugleich den Mantel.

Solches Handwerck triebe Poſtel ein Zeit - lang: Deß Nachts gieng er auß / ſtreiffet vmbher in der gegend de Saincte Geneſcieve / vnnd de la Sorbonne / Morgends kroche er widerumb in ſei - ne Hoͤle / wie ein Fuchs / der auff der Huͤnerjagt iſt geweſen / vnd wie ein Wolff / der deß Nachts auff dem Feld vmbher iſt gelauffen: Dann deß Tages - liecht iſt jhnen ſchaͤdlich / hergegen aber ſo ſeyn die Finſternuß vnd Schatten deß Nachts jhnen be - quem / vnd zu jhren boͤſen Sachen dienlich.

Der allererſte / welcher durch dieſen newen an - kommenden jungen Rauber erdappet wurde / wa - re eines Buchfuͤhrers (ſo auff dem Palots feyl hat) Junge / welcher etliche Buͤcher einem vorne - men Herꝛn ſolte bringen: Weil er aber nicht zu Hauß war / muſte der Jung ſeine Buͤcher wider - vmb mit ſich nach Hauß in die Gaß S. JacquesP iijtragen /222Beutelſchneider / odertragen / vnd das geſchach deß Abends vmb acht Vhr / mitten im Winter. Als jhn nun Poſtel an - traff / fragte er jn / was er fuͤr Buͤcher truͤge / vnnd als der Junge ſie im zeiget / marckete er mit jm / als wolte er ſie jhm abkauffen / fuͤhrete jhn in eine Kammer / welche er nah bey dem Collegio de S. Barbe beſtanden hatte / gab jhm eine falſche Pi - ſtolete / vnd ſagte er ſoll doch hingehen / vnd ſie jm wechſeln laſſen: Vnter deſſen aber ſchleuſt er ſei - ne Kammer zu / vnd als der ander jm die Piſtolet widerbrachte / ließ er ſich weder ſehen noch hoͤren: Aber deß Morgens widerfuhr jm ein groſſes Vn - gluͤck: Dann da er wil hingehen / vnd einē Buch - fuͤhrer die geraubte Buͤcher verkauffen / kompt er eben zu dem Buchfuͤhrer / dem die Buͤcher zu - ſtunden / welcher jhm nach den Kopff griffe / vnd wann er nicht mit ſeinen Fuͤſſen ſo hurtig vnd ge - ſchwind were geweſen / vnnd hette die Hoffnung ſeiner Beut nicht auff die geſchwindigkeit ſeiner Fuͤſſe geſetzet / ſo hette jhm das leichtlich begegnen koͤnnen / daß er auff dem Chaſtelet ein Biblioteck hette auffrichten muͤſſen: Aber er wuſte die Gaſſen ſo wol zu meſſen / daß es vnmoͤglich war jhn zuer - dappen.

Dieſes hette er jhm billich zur warnung die - nen laſſen / vnd deſto ehe vnd mehr von der boͤſen Zuneigung / ſo er zum ſtelen hatte / abſtehen ſollen: Aber er war gantz vnnd gar von ſolcher Suͤnden eingenommen / vnd hat ſich aller Boßheit ſchon muthwilliger weiſe ergeben / daß er nicht ablaſſen kondte: Dann wann ein junger Menſch nur ein -mal223Diebs Hiſtorien / das I. Buch.mal ſich von der Suͤnden leſt einnemen / ſo iſt her - nacher keine Boßheit die er nicht erdencke: Es iſt auch kein Bubenſtuͤck daß er ſich nicht vnterſtehe ins Werck zuſetzen vnd zubegehen.

Das ſahe man auch an dem Poſtel / derſelbi - ge / weil er das erſte mal ſo uͤbel ware angelauffen / hette / wie geſagt / billich dann enher Vrſach vom ſtelen abzuſtehen nemen ſollen / aber er thete viel mehr das gegenſpiel / dann / nach dem er erfahren hatte / dz ein junger Gaſſenwirt / welcher ſich auch gar newlich verheurathet hatte / in die Gaſſen S. Jacques ware gezogen / ſuchte er ſampt etlichen Geſellen Vrſach vnnd Gelegenheit mit ſolchem Wirt gute Kundſchafft zu machen: Waren auch gar willkommen / ſo offt ſie in ſolches Wirtshauß kamen: Ja weil ſie ſo fleiſſig hinein kamen / vnnd bekandt wurden / pflegte jn der Wirth offtermals ein Zech zu borgen.

Als nun Poſtel ſahe / daß der Wirth manch - mals ſein Weib gar im Hauß allein lieſſe / wurde er gegen der Wirthin verliebet / vnnd bildete ſich ein / durch ſeine freundliche vnd ſuͤſſe Wort / wolte er wol erlangen was von jr begehren wurde. Si - het hierauff alle Gelegenheit auß / vnnd als er wol wuſte / daß der junge Wirth auff ein Zeit bey ſei - nen Freunden zu Nacht aſſe / nimpt er einen ſei - ner Kammeraden vnnd Spießgeſellen mit ſich / vngefehr deß Abends vmb eylff Vhr / klopffet an an der Thuͤr / welche jhm auch ſo bald wird auff - gethan: Er fanget an mit ſeinem Geſellen zu trin - cken / vnnd wartet auff gelegenheit / wie er zu derP iiijWirthin224Beutelſchneider / oderWirthin allein moͤge kommen / vnd ſein Vnzucht mit jhr treiben: Dann die Wirthin war gar al - lein vnd daheim blieben / weil ſie nicht allerdings wol auffware / vnd dieweil ſich das Abendeſſen bey jhres Manns Freunden gar lang inn die Nacht verzogen.

Als ſie nun in Gedancken ſitzen / vnd jetzund jr boͤſes vornemen eꝛfuͤllen woͤllen / ſihe da kompt der Wirth der Thuͤr herein gegangen / iſt ein wenig luſtig: Dann bey ſeinen Freunden hatte er ein zimlichen ſtarcken Trunck gethan / vnd weil er nit gedencket / daß die Geſellen etwas boͤſes ſollen oder werden vorhaben / ſetzet er ſich bey ſie / vnnd trin - cket mit jhnen / vnd gedachte ſie wuͤrden ſelber zu rechter zeit wideꝛumb heimbgehen woͤllen Dann das waꝛe nicht das erſte mal / daß ſie bey jhm ge - truncken hatten: Aber einer vnter jhnen ſtellet ſich / als ſey er gar truncken / entſchlaͤffet an einer Tiſchecken / ſtellet ſich / als hab er kein gewalt mehr in Beinen / ja thut als ein Mann / der gantz voll Wein iſt. Poſtel aber bittet den Wirth / er wolle jhn doch in ein Kammer weiſen / daß ſie ſchlaffen moͤgen gehen: Der Wirth beſchweret ſich deſſen zwar erſtlich / aber weil er jhn ein zeitlang gekandt hatte / fuͤhrt er jn oben im Hauß in eine Kammer / vnd als er in die Kammer kommet / ſo leget er ſich ſo bald ſchlaffen.

Mitten in der Nacht zwiſchen ein vnd zwoͤlff vhren / als nun jedermann zu Beth iſt vnd ſchlaͤf - fet / gehen ſie beyde auß der Kam̄er oben hinuͤber / vnd hat ein jeglicher ein kurtzes Fauſtrohr in derHand225Diebs Hiſtorien das I. Buch.Hand / vnd veꝛhoffen / ſie weꝛden deß Wirts Kam - mer offen finden / aber wegen eines groſſen ſtuͤck Eyſens koͤnnen ſie nicht zu der Kammer kommē: Da ſtehen ſie nun lang beyeinander / berathſchla - gen ſich / was ſie doch fuͤr einen Liſt anſtellen ſol - len / damit ſie zum Wirth / oder Wirthin inn die Kammer kommen: Endlich ſagt Poſtel zu ſeinem Geſellen / er ſoll widerumb hinauff inn die Kam - mer ſchlaffen gehen / vnd ſich ſtellen als koͤnne er kaum athemen / vnd als ſey er gar kranck / welches er dann ſo bald ehut: Poſtel aber klopffet vnnd po - chet im Hauß / vnd bittet den Wirth / er wolle jm doch Wein oder Eſſig fuͤr ſeinen krancken Geſel - len geben.

Der Wirth ſpringt im ſchlaff auff / vnd bringt Eſſig fuͤr den krancken: Poſtel aber ſaget zu ihm / es were beſſer / wann er jhm von dem beſten Wein auß ſeinem Keller braͤchte / dann er wiſſe wol was es fuͤr eine Gelegenheit mit ſeines Geſellen Schwachheit habe? Darauff gehen ſie alle beyde auß der Kammer heraber: Poſtel der ſchon ein klein Fauſtrohr mit dreyen Kugeln vnd weiſſem Pulffer geladen / bey ſich hatte / nimpt das Liecht in die Hand / in meynung mit dem Wirth in Kel - ler zugehen / vnd jhme zu leuchten: Vnnd als der Wirt ſich bucket / vnd den Wein zapffet / gibt Po - ſtel jm ein ſchuß durch die Schlaͤffe / daß es durch vnd durch gehet / der Wirth faͤlt von ſolchē ſchuß ſo bald zur Erden / vnd faͤlt das Liecht auß: Poſtel aber kan lenger als in einer viertel ſtund die Ste - ge nicht finden: Doch endlich da er wider auff dieP vStege226Beutelſchneider / oderStege kommen / zuͤndet er das Liecht wider an / ge - het hinauff zu ſeinem Geſellen / vnd zeigt jhm an / wie die ſachen ſtehen.

Die Wirthin ſihet den Poſtel / meinet aber / es ſey jhr Mann / vnd wil jhr nicht einfallen / daß die zween Gaͤſte ein ſolchen Mord an jrem Mann ſol - len begangen haben: Sie gehen darauff heraber auß jhrer Kammer / vnd gehet Poſtel der erſte in der Wirthin Schlafkammer / vnd wil ſich bey die Wirthin in das Beth legen: Die Wirthin / als welche nicht anderſt meinet / dann es ſey jhr Eye - mann / ſpricht zu jhm / er ſoll das Liecht außblaſen / vnd laͤſt jhn auch darauff bey ſich in das Beth li - gen. Als er aber ſich herumber wendet / vnnd den Vorhang wil vorziehen / da ſihet ſie / daß er kein Bart hat: Fanget an zuſchreyen / vnd jrem Mann zu ruffen: Poſtels Geſell / als er ſolches hoͤret / kom - met auch in die Kammer / vnd fallen ſie beyde auff ſie ſtopffen jhr das Maul mit Tuͤchern zu / vnd be - gehen jhre Schand vnd Vnzucht mit ihr / vnd als ſolches geſchehen / gaben ſie jr ſechs ſtich mit Dol - chen in Leib / vnd erwuͤrgen ſie vollends inn dem Beth.

Nun ware zu allem Vngluͤck die Magd im Hauß nicht daheim: Dann ihre Fraw hatte jhr erlaubet auff jhres Bruders Hochzeit / der ſich zu Sainct Denis verheurathet / zu gehen / vnnd die - weil dieſe beyde Moͤrder gar allein im Hauß wa - ren / durchſuchen ſie vnd rauben alles / was jhnen dienlich iſt: Schlagen alle Kiſten vnd Kaſten im Hauß auff / ſuchen ſo lang / biß daß ſie inn einerauff -227Diebs Hiſtorien / das I. Buch.auffgeſchlagenen Laden funden vier hundert Kro - nen / welche der junge Wirth acht Tage zuvor von ſeinem Schwehervatter entlehnet hatte / in Bur - gund zu ziehen / vnnd allda Wein darvor einzu - kauffen.

Als ſie nun jhre gute Beut gemacht / gehen ſie deß Morgens vmb drey Vhr hinauß / ſchlieſſen nicht allein alle Gemach im Hauß / ſondern auch die Thuͤr heimlich nach jhnen zu / vnnd thun / als wann ſie kein Waſſer betruͤbet haben: Als nun deß Morgends uͤber die Zeit / vnnd wider die gewon - heit Hauß vnnd Laden bleibet zugeſchloſſen / ver - wundert ſich jederman daruͤber / vnnd weiß man nicht / was das bedeutet: Dann es pflegten viel Leut in diſes Wirtshauß zu kommen / dieweil die - ſer junge Wirth das Lob hatte / daß er den Wein nicht vermiſchete / ſondern reinen vnverfaͤlſchten Wein pflegte außzuſchencken: Welches dann bey den Wirthen zu Paris gar ſelten geſchicht: Dann auß einer Ohm machen ſie zwo / vnd vermiſchen den Wein ſo wol / daß ſie jhn doch endlich den Leu - ten fuͤr gut verkauffen.

Die Nachbarn / als ſie ſehen / daß den erſten Tag Hauß vnd Laden zugeſchloſſen bleibet / ſagen nichts / laſſen jhnen auch nicht boͤſes traumen: Da ſie aber ſahen / daß den zweyten vnnd dritten Tag noch alles zugeſchloſſen bleibet / dencken ſie / es muß kein recht Sach darbey ſeyn / faͤllet jhnen ein / ob nicht vielleicht ein Todtſchlag eines oder deß andern moͤge im Hauß ſein vorgangen: Laſ - ſen ſolches jhren beyden Eltern anzeigen / wel -che ſo228Beutelſchneider / oderche ſo bald kommen / vnd als ſie die Thuͤren auff - geſchlagen / finden ſie das geronnen Blut der Wirthin in dem Beth / vn̄ an den Tuͤckern: Das Geſchrey bricht ſo bald allenthalben auß inn der Statt / der Commiſſarius kompt auch darzu / vnd erkennet ſo bald / daß da ein Todtſchlag muͤſſe ge - ſchehen ſeyn: Jedeꝛman ſchleuſt ſo bald / der Wirt / weil er ſich nit ſehen laſſe / muͤſſe ſein eigen Weib vmbgebracht haben: Sagen / es ſey den Tag oder deß Abends / da der Todtſchlag geſchehen ſey / der Wirt truncken heimkommen vnd weil der Wirt ſelber ſich nicht mehꝛ finden vnd ſehen laſſe / muſte darauß folgen / daß ſie beyde Eheleute ohn allen zweiffel vneins ſeyn worden / vnnd daß der Zorn in Trunckenheit den Wirth werde alſo uͤbernom - men haben / daß er ſie werde Todt geſchlagen ha - ben: Man laͤſt ſolches ſeinen nechſten Freunden anzeigen / welche uͤber ſolches Vngluͤck ſo beſtuͤr - tzet werden / daß ſie nicht wiſſen / was ſie darzu ſa - gen ſollen: Sie doͤrffen vnd koͤnnen jhn den Wirt weder entſchuldigen noch anklagen / gleichwol ge - ben ſie jhm alle das Zeugnuß / daß er ſich noch nie - mals / ſo viel als ſie wiſſen koͤnnen / mit ſeinem Weib habe gezancket / er ſey auch die Zeit ſeines Lebens nicht zanckiſch / ſondern allzeit ſtill / einge - zogen vnd friedfertig geweſen.

In dem ſie aber auff beyden ſeyten alſo mitein - ander reden / wil der Commiſſarius den Todten - leichnam auff dz Chaftelet fuͤhren laſſen: Ehe aber das geſchaht / bitten beyderſeyts Freunde / er woͤl - ſe doch zuvor das gantze Hauß wol durchſuchen /vnd229Diebshiſtorien / das I. Buch.vnd beſehen / welches dann ſo bald geſchicht: Vnd als ſie in den Keller hinein kommen / werden ſie ſo beſtuͤrtzet / daß ſie nicht wuſten / was ſie ſagen oder dencken ſollen: Dann da finden ſie den jungen Werth auff der Erden todt liegen / daruͤber erhebt ſich ein heulen vnd zettergeſchrey von allen mit - einander: Niemand kan wiſſen oder gedencken / wie das moͤge zu ſein gangen / wer ſolchen Mord moͤge begangen haben: Man fraget zwar allent - halben nach / aber da kan man nichts gruͤndliches darvon hoͤren oder vernemen.

Vnter deſſen aber / ſo lang als das geraubte Gelt vnnd Gut bey den zween Gottloſen Voͤgeln wehret / machen ſie ſich luſtig darvon / ſie ſparen nichts / ſie eſſen vnd trincken / ſie retzſchen vnd ſpie - len / huren vnd buben ohn vnterlaß / wo ſie nur ge - legenheit darzu finden koͤnnen: Aber ſolches jhr Epicuriſches Leben wehrete nicht lang / dann ſie funden bey guter Zeit den Boden in jhren Beu - teln. Aber als ſie nun mehr fertig waren / bedach - ten ſie ſich auff andere vnnd newe Mittel / wie ſie den Seckel widerumb ſpicken / vnd jhr voriges Le - ben fortſetzen moͤchten.

Poſtel hatte zu Paris einen Vettern wohnen / welcher ein reicher Mann war / vnd ſehr wol ſtun - de: Weil nun dieſer gute ehrliche Mann nit wu - ſte / auch nicht wiſſen kondte / daß ſein Vetter Po - ſtel ſich ſo gar uͤbel hielte / erzeigete er jm alles liebs vnd guts / vnd dorffte Poſtel bey jhm auß vnd ein - gehen / mit jhm eſſen vnd trincken / wann er wolte. Als nun Poſtel ſahe / daß ſein Seckel lehr ware /[machte]230Beutelſchneider / odermachte er / daß er den Schluͤſſel zu einer Laden / in welcher ſeine Baaß das meiſte theil jhres Gelts hin zulegen pflegte / bekame / weil aber ſeine Baaß meinte / der Schluͤſſel zur Laden werꝛ verlohren / wolte auch jhr nicht einfallen / daß entweder je - mands auß jhrem Geſinde / oder jhr Vetter Po - ſtel ſolte den Schluͤſſel hinweg genommen haben / lieſſe ſie ihr ein andern vnd newen Schluͤſſel ma - chen. Poſtel aber / als er den Schluͤſſel hatte / na - me der Zeit wol in acht / vnnd ſahe / daß alle Son - tag nach dem Mittageſſen ſein Vetter vn̄ Baaß / wie auch jr Magd pflegten in die Kirche zu gehen / vnnd laſſen niemands mehr im Hauß / daſſelbige zu verwahren / als ein kleines Toͤchterlein / welches von jhrer Freundſchafft ware.

Als er nun auff ein Zeit gar wol wuſte / daß ſein Vetter vnd Baaß in die Kirchen gangen waren / gehet er in ſeines Vettern Hauß / vnd als er ſihet / daß die Magd noch in der Kuͤchen auff - waſchet / vnd das gebrauchte Kuͤchengezeug rei - niget vnd reibet / ſo redet er der Magd zu / ſie ſolle ſich dapffer eylen vnd fertig machen / auff daß ſie nach ſeines Vettern beſelch vnd gewonheit in die Kirche komme / dann man habe ſchon in der Kir - chen den Gottesdienſt angefangen: Die gute alte Magd / welche jhres Herꝛn Vettern nichts boͤſes zutrawet / glaubet alles / was er ſagt / eylet ſich vnd gehet in die Kirchen / vnd er Poſtel auch mit jhr / laſſen niemands mehr als das kleine Toͤchterlein im Hauß / daſſelbige zuverwahren: Als ſie aber miteinander in die Kirchen hinein kommen / wi -ſchet231Diebs Hiſtorien / das I. Buch.ſchet Poſtel geſchwind widerum̄ der Kirchen hin - auß / vnd gehet darauff in ſeines Vettern Hauſe / darein niemands mehr als das kleine Toͤchterlein ware / vnd als er anklopffet / wird jhm / als einem Vettern / vnnd im Hauß wol bekandten ſo bald auffgethan: Gegen dem kleinen Toͤchterlein nim - met ſich aber an / er hab ſein Gebet / vnd Geſang - buch daheim vergeſſen / vnd wolle ſeines Vettern oder ſeiner Baalen Buͤcher eins holen / vnd weil er kein Buch in dem vnterſten Saal kan finden / ſpricht er / er wolle eins oben inn der Kammer ſu - chen / nimmet geſchwind eine Leyter / ſo im Hoff ſtunde / ſteiget in ſeines Vettern Kammer vnnd verꝛichtet / was er jhm vorgenommen hatte. Er thut die Lade auff mit dem geſtolnen Schluͤſſel / findet vnd nimmet vnter andern ein Sack / da - rinnen nicht mehr als eben zwey hundert Kronen waren / vnd nach dem er alles ſein ordentlich wi - derumb hingelegt / vn̄ an ſein Ort geſtellet / ſchleuſt er wider zu / gehet auß der Kammer / ſpricht zu dem kleinen Toͤchterlein in deß Vettern Hauſe / er habe das Geſangbuch funden / thut als wann er ſein lebenlang nicht uͤber der Laden ſey geweſen / vnd gehet mit dem geſtolen Gelt heim / vnd gemiſ - ſet es ſein Vetter vnd Baaß in etlicher Zeit nit / daß jhn der Sack mit dem Gelt auß der Laden ware geſtolen worden.

Vngefehr uͤber ſechs Wochen oder zween Mo - nat hernach wil die Fraw Baaſe einmal uͤber jhr Laden gehen / ein wenig auffbutzen vnnd auffrau - men / aber ſo bald ſie auffſchleuſt / ſihet ſie einLuͤck -232Beutelſchneider / oderLuͤcklein / vnd daß der Sack mit dem Gelt hinweg iſt. Sie weiß nicht / was ſie ſoll ſagen oder geden - cken / ſie erzehlet es jhrem Eheman̄ / der nicht weiß / wen er deß Diebſtals ſoll zeihen / doch faͤlt jm eyn / daß ein armer junger Menſch ein zeitlang in ſei - nem Hauß ſey auß vnnd eingangen / werffen ein Argwohn auff jhn / daß er es ohne allen zweiffel muͤſſe gethan haben.

Der junge Menſch / ob er wol vor Gott vnd in ſeinem Hertzen ſich deß Diebſtals vnſchuldig wu - ſte / vnnd nichts deſto weniger ſo betruͤbet / daß er nicht weiß was er jm mermehr ſoll anfangen / vnd wie er ſich gnugſam ſoll entſchuldigen: Thut ei - nes aber / vnd nimmet fleiſſig in acht alle die jeni - gen / welche bey gedachtem Herꝛn vnd Buͤrger zu Paris auß vnnd eingehen / erfaͤhret endlich / von deß Poſtel Spießgeſellen / daß er Poſtel viel ſpendiret vnd verthut / ja ſo viel / daß es vnmoͤglich ſey / daß es ſein Seckel ſoll vnnd koͤnne ertragen: Zeiget ſolches ſeinem Vettern an / welcher den Sachen ferꝛners / vnnd weit nachfraget / daß er endlich darhinder kommet vnd erfaͤhret / daß dem alſo ſey. Weil er aber ſeinen eigenen Vetter nicht wil oder mag zu ſchanden machen / verweiſet er jhm ſolches ernſtlich / laͤſt ſolches auch ſeinen Vat - ter vnd Mutter wiſſen / auff daß ſie den Sachen vnd mehrer Schand bey Zeit vorkommen.

Der Vatter vnd die Mutter deß Poſtels kom - men mit betruͤbtem Hertzen gen Paris / ſeyn gar vngehalten uͤber jhren boͤſen Gottloſen Sohn / woͤllen jhn auch ſo zuͤchtigen laſſen / daß er hinfuͤrVrſach233Diebshiſtorien / das I. Buch.vrſach habe deſto mehr ſich fuͤr dergleichen Suͤn - den zu huͤten: Aber der Vetter / (der nicht wenig vnwillig war / daß er alſo vmb ſein Gelt ſolte kom - men) riethe gleichwol nicht darzu / darmit wann etwas anderſt ferꝛners darauß entſtehen ſolte / jm keine ſchuld moͤchte gegeben werden: Sondern ſagte / daß man jhn vielleicht beſſer mit vnd durch guͤte / als durch ſchaͤrpffe koͤndt widerumb zu recht bringen: Aber es iſt gar ein ſchweres Werck / ein Menſchen von ſeiner alten boͤſen Geygen abge - wehnen / vnnd wie man im Sprichwort ſagt / ei - nen alten Hund bendig zumachen: Dann wie der Poet ſaget:Quo ſemel eſt imbuta recens, ſervabit odo - rem Teſta diu. das iſt / Jung gewohnet / Alt gethan: Vnnd kan man auß einem Haffen den einmal angenomme - nen geſchmack nit leichtlich wider bringē. Dann alles was er verhieſſe / das begehrte er nicht zu hal - ten: Ja was er ſo hoch vnd thewer verſprache / das hielte er im geringſten nicht. Dann wie er einmal in ſolchem verdamlichen Leben ware erſoffen / alſo kandte er nicht darvon ablaſſen / vnd begabe ſich je lenger je mehr wider alle ſeine Verheiſſung inn leichtfertige Geſellſchafft vnd Bubenleben.

Etliche Monat gehen alſo dahin: Weil er aber ſolches Leben ohne einen wolgeſpickten Beutel nicht kondte fuͤhren / namen jhrer drey oder vier jhnen vor / ſie wolten jhre Beutel fuͤllen / vnd ſolte es auch koſten / was es jmmer wolte: Solchen jh - ren verdamlichen Zweck zuerꝛeichen / namen ſieQjhnen234Beutelſchneider / oderjhnen vor / ſie wolten Leut in einem gewiſſen Hau - ſe / das ſie darzu beſtanden hatten / ſpeiſen vnd her - bergen: Solches fiengen ſie auch an / erzeigten ſich gegen jederman freundlich / willig vnd dienſthaff - tig / alſo daß viel Studenten ſo friſch ankommen waren / fro waren bey jhnen einzukehren / vnd mit jhnen vmbzugehen: Sie erzeigten den jenigen ſo bey jhnen einkehreten / allen guten Willen / biß ſo lang daß ſie erfahren / welcher vnter jhnen Speck in der Taſchen hatte. Vnd wann ſie das bey ei - nem oder dē andern wuſten / machtenſie / daß ſie jn all ein in ein Loſament brachten / vnd wann ſie da - hin waren kommen / vnd die Gaͤſt hattē willkom - men ſeyn heiſſen / fiengen ſie an zu ſpielen biß ſo lang / daß die Malzeit fertig ware / oder die Colla - tion / wie es nun die Zeit erforderte / vnter deſſen aber ſo lauſterte einer vnter jnen allzeit den Gaͤſtē auff den Beutel / wie ſie entweder den Beutel mit dem Gelt / oder auffs allerwenigſte etwas darvon erhaſchen koͤndten.

Einer / auß dieſer boͤſen Geſellſchafft / ſo gar ar - me Eltern hatte / nach dem er ſich gantz vnd gar in das verdamblich Epicuriſch Leben ergeben hatte / vnd aber wegen deß gar geringen vermoͤgens ſol - ches Leben nicht koͤndte fortfuͤhren / name jhm vor auß einem gantz Teuffliſchen Gemuͤth nachfol - genden Mord begehen.

In der Statt Paris wohnete ein Haͤndſchuch - macher / ein feiner ehrlicher Mann / ſo ein gantz vnſtraͤffliches Leben fuͤhrete / vnd welcher diſes boͤ - ſen Bubens Vormuͤnder / vnd gleichſam alſo zureden /235Diebs Hiſtorien / das I. Buch.reden / ſein Vatter ware geweſen. Da nimmet im nun dieſer boͤſe verzweiffelte Bub vor / er woͤlle deß Morgens fruͤ zu dieſem Haͤndſchuchmacher inn ſein Hauß gehen / in todſchlagen vnd darauff das gantze Hauß pluͤndern vnd berauben / welches er auch ſo bald ins Werck hat geſetzet: Dann am Morgen ſehr fruͤ / gehet er hin zum Hauß dieſes Haͤndſchuchmachers / klopffet an der Thuͤr an / vnd als jhm die Magd / welche jhn wol kennete / auffthut / vnd ſie nichts boͤſes von jhm gedencket / gehet er ſtracks zu dem Haͤndſchuchmacher in ſei - ne Kammer / vnd findet jhn noch in ſeinem Beth ligen.

Der gute alte fraget jhn / wie ſein gebrauch hlelte / woher vnd warumb er ſo fruͤh kaͤme / wie es im gienge / vnd ob er auch fleiſſig in ſeinem ſtudie - ren fortfuͤhre: Aber an ſtatt der antwort nimpt der verzweiffelte Boͤßwicht ſeinen Dolchen / ſticht jhn wider alles bitten vnnd flehen / dem Haͤnd - ſchuchmacher in Leib hinein / vnnd erwuͤrget jhn in ſeinem Beth.

Die Magd / welche jhm die Thuͤr auffgemacht hatte / war eine ehrliche junge Tochter genennet Maria / war dem Haͤndſchuchmacher verwandt / vnd fuͤhret jhm ſeine gantze Haußhaltung / hatte ſich auch vor etlichen Tagen Ehelich verſprochen / mit einem ehrlichen Geſellen / ſo jhres Vetters Handwerck ware. Als ſie nun ein Geſchrey in jh - res Vettern Kammer hoͤret / lauffet ſie der Kam - mer zu / wird aber auch von dem Boͤßwicht mire - ben demſelbigen Dolchen / damit der Haͤndſchuch -O ijmacher236Beutelſchneider / odermacher ſchon war hingerichtet worden / erwuͤrget Vnd als nun dieſe That geſchehen / beſuchte er das gantze Hauß durch vnd durch / ſchleuſt vnnd ſchlegt die Laden auff / findet zwar etliche Silberne Becher / aber ſehr wenig Gelt / vnd ſtecket / was er findet / vnd mit ſich kan hinweg tragen bey ſich.

Damit er aber ſeine erſchreckliche vnd ver - dambliche That deſto beſſer verdecken vnd verber - gen moͤge / ſo ſtecket er die Kammer mit Fewer an / vnd hoffet / es werden alſo mit vnd in der Fewers - brunſt die beyde erſchlagene Coͤrper zu Aſchen ver - brennen: Aber nach dem von den Nachbarn dem Fewer gewaltig war gewehret worden / gehen ſie in das Hauß hinein / zu ſehen / wie es darinnen ſte - het / vnd finden / daß die beyde Perſonen Meuchel - moͤrderiſcher weiſe ſeyn erſchlagen worden: Was aber den verzweiffelten Buben vnd Moͤrder an - langet / wird er daruͤber inn ſeinem Gewiſſen alſo geaͤngſtiget / vnd gleichſam alſo zu reden / mit den ſtricken ſeines boͤſen Gewiſſens alſo gebunden / dz es jhm vnmoͤglich iſt inn ſein Hauß zu kommen / vnd weil die Nachbarn nicht allein vor der Zeit geſehen hatten / daß er bey ſolchem Haͤndſchuch - macher war auß vnd ein gangen / auch uͤber das gantz beſtuͤrtzet allda vmbher gienge / namen ſie jn gefangen / wiewol ſie nicht wuſten / ob er den Moꝛd begangen hette oder nicht: Als man jhn aber ge - fangen genommen hatte / fande man noch alles bey jhm / was er im Hauß geraubet hatte / wurde hierauff der Obrigkeit uͤberlieffert / von welcher er nach ſeiner peinlichen Außſag vnd Bekandtnußwegen237Diebshiſtorien / das I. Buch.wegen ſeines Diebſtals / Mord vnd Brennens wurde zum Strang vnd zum Fewer verdammet / vnd ſolches Vrtheil wurde durch den Hencker en Greve an jhm vollzogen / den letzten Tag eben ſol - ches Monats.

So bald als nun Poſtel vnd ſeine Geſellen er - fahren hatten / daß dieſer Boͤßwicht war gefaͤng - lich eingezogen worden / machen ſie ſich auß dem Staub / vnd auß Paris: Gleichwol aber ſo kondte Poſtel nicht auß Pariß kommen / er hette dann noch zuvor ein klein Schelmēſtuͤck / oder vil mehr Diebſtuͤck begangen: Er hielte ſich gar fleiſſig inn einem Wirtshauß in ſeiner Nachbarſchafft / vnd als er wolte auff ſeyn / bate er denſelbigen Wirth (welcher den Poſtel allzeit hoch / vnd fuͤr ein ehrli - chen Geſellen / vnd von gutem Geſchlecht herkom - mend (wie er dan̄ ſeiner Eltern halben auch war) gehalten hatte) er wolte jhm doch ſein Pferd ein Tag zween oder drey leihen / dann er wolte ein we - nig zu ſeinem Vatter reiſen / vnd denſelbigen be - ſuchen Der Wirt / der / wie geſagt / jn allzeit hoch - hielte / dieweil er fleiſſig bey jhm geweſen / vnd viel bey jhm verzehꝛet hatte / lehnet jm ſein Pferd ohne einige Einred vnd Beſchweꝛung / Poſtel zeucht alſo mit dem Pferd auß Paris / vnnd als er gen Beauvais kommet / verkauffet er das Pferd ei - nem ehrlichen vornemen Kauffmann / welcher meinet / er habe gar einen guten Kauff gethan: Veꝛdauſchet es wider ſo bald gegen einem andeꝛn Pferd / welches jhm beſſer anſtuͤnde: Der jenige aber / mit welchem er das von Poſtel gekauffteQ iijPferd238Beutelſchneider / oderPferd verdauſchet hatte / kommet etliche Monat hernacher gen Paꝛis / vnd als er ſolches eingedau - ſchete Pferd wideꝛumb allda wil verkauffen / kompt der Wirth / der dem Poſtel das Pferd gelehnet hatte / darzu / ſihet / daß es ſein Pferd iſt / daruͤber dann der ander ſehr wird beſtuͤrtzet: Dann der Wirt arꝛeſtiret das Pferd / beweiſet es daß es ſein Pferd iſt / vnd muß alſo der ander ohne Pferd vnd ohne Gelt widerumb zu Fuß nach Beauvois zie - hen: Da dann der Kauffmann / welcher das Pferd ſelber von Poſtel gekauffet hatte / dem andern ſei - nen Schaden muſte kehren vnd gut thun.

Vnter deſſen hatte ſich Poſtel abermal auß dem Staub darvon gemacht / vnd nach Abbeville begeben: Als er aber deß Abends gar ſpat / gantz allein / ohne Wehr vnd Waffen / zu einem Wald kam / hatte auch nicht ein Stecken inn der Hand / mit dem er ſich hett wehren koͤnnen / ſihe da ſtoſ - ſen jm auff zween Moͤrder / welche nach der Beut hungerig waren / vnd meineten / ſie wuͤꝛden finden was ſie ſo haͤfftig ſucheten / da ſie Poſtel ſahen da - her kommen: Poſtel / der ſich ſo bald nicht erſchre - cken lieſſe / wiewol er auch nicht einen Stecken in den Haͤnden hatte ſich zu wehren / begehrete gantz vnd gar nicht vmbzukehren / ſondern wanderte jmmer fort / vnd als er gar an die Straſſenrauber kam / da ſagten ſie zu jhm Er ſolte vnnd muͤſte ih - nen entweder Blut oder Gelt geben vnnd laſſen. Dem Poſtel / der ſonſten gewohnet war nicht zu - geben / ſondern zu nemen / kame dieſe Sprach gar wunderlich vor / jedoch erſchrack er gantz vnd garnicht239Diebs Hiſtorien / das I. Buch.nicht daruͤber / ſondern gab jhnen dieſe ſtumpffe antwort / vnd ſagte: Er hette nichts / vnd in dem er das ſaget / ſo reiſſet er einen auß ſolchen beyden Raubern das Wehr auß den Haͤnden / gibt jhm ein ſolchen ſtattlichen ſtꝛeich uͤber den Arm daß er ſich nicht mehr kan wehren: Darauff macht ſich Poſtel an den andern auch / der weniger Hertz als der vorige hatte / redet jhm ſolche Wort mit dem Degen zu / daß er darauff die Flucht muß nemen vnd entlauffen / welchem Poſtel nachfolget ſo hart daß er ſich endlich jhm muß ergeben. Vnd alſo er - retteer ſich auß den Haͤnden dieſer beyden Straſ - ſenrauber / welche ohne allen zweiffel das Hand - werck nicht ſo wol gelernet hatten / als der jenige / den ſie wolten uͤbeꝛfallen vnd berauben: nach dem aber Poſtel wider kommet zu dem jenigen / wel - cher er am erſten hatte darnider geſchlagen / auch noch da lage / ſtellet er ſich / als woͤlle er jn vollends erwuͤrgen / wann er jhm nicht ſo bald den Seckel mit all ſeinem Gelt gebe: Diſer entſchuldiget ſich / er habe gar nichts bey ihm / jedoch wann eꝛ[jh]n woͤl - le auß dem Wald inn das nechſte Dor[ff]fuͤhren / wolle er jhm allda zehen Kronen geben: Poſtel / der nicht gedencket / daß vielleicht ein Betrug dar - hinder ſtecke / folget jm /[vnd nach] dem ſie duꝛch ein Wald uͤberzwerch gangen / kompt er mit dieſem Dieb in eine Herberg / da der Wirt ſelber ein Moͤr - der war / Straſſenrauber vnd Moͤrder heimlich in ſeinem Hauß pflegte auffzuhalten.

Als Poſtel nun in die Herberg kam / wurde er freundlich empfangen / vnd ſehr wol tractiret vonQ iiijdem240Beutelſchneider / oderdem Wirth / welcher ſagte / er were deß Raubers / welcher Poſteln dahin hatte gefuͤhret / Fꝛeund vnd nechſter Verwandter / vnnd nach dem die Malzeit auß war / empfienge er ſeine jm verſprochene Kro - nen: Vnd als Poſtel ſich hierauff zuerkennen gab / wer er wer / war er noch viel willkommener / vnnd angenemer / vnnd erzeigten jhm noch mehr Ehr / machten[auch] einen Bund miteinander / er Po - ſtel ſol[t]e bey jhnen bleiben / vnd ſich in jhre Geſell - ſchafft begeben / ſo ſolte er allzeit wol tractiret vnd vnder halten werden / ſolte auch ſein gebuͤrendes theil an allen jhren Beuten die ſie erdappen wuͤr - den haben: Welches ſie dann auch alſo thaͤten / wie ſie miteinander accordiret vnd abgeredet hat - ten.

Etliche Tag nach dieſem getroffenen Accord begab es ſich / daß ein vornemmer von Adel auß Picardien /) welcher ein ſolcher dapfferer Mann war / daß man ſeines gleichens weit vnd bꝛeit nicht wuſte zu finden) nach dem er ſich ein zeitlang zu Calais hatte auffgehalten / widerumb auß Engel - land kam / vnnd weil er ſein Weg nach Amiens vorgenom̄en / durch Abbeville zoge / da er ſich aber nit wolte auffhalten / gleichwol aber da er herna - cher in den Wald kam / vnd die Nacht jhn vnver - hoffter weiſe uͤberfiele / muſte er eben in dieſer Her - berg / deren wir jetzund gedacht / einkehren.

Als er nun in die Herberg kam / wieſe man jhn in ein Kammer / in welcher er auch mit Eſſen ſehr wol tractieret wurde / vnd als die Magd inn die Kammer auch kam / jhm ſein Beth zumachen /fienge241Diebs Hiſtorien / das I. Buch.fienge ſie an zu weinen / ſagte jhm heimlich vnnd vertrawter weiſe / wie er in ſo groſſer gefahr were: Dann jhr Herꝛ / der Wirt / pflege ein kleine Schel - len zu leuten / vnd ſo bald als ſolche geleutet weꝛde / kommen ein hauffen Moͤrder zuſammen: Dar - auff neme ſich einer an / als ſey er der Haußknecht / gehet inn die Kammer / darinnen die Gaͤſte ſeyn / thut als wann er das Liecht woͤlle butzen / thut es aber mit gantzem fleiß gar auß: Vnnd wann das geſchehen / ſo gehē die andeꝛn moͤrder in die Kam - mer / uͤber fallen die Gaͤſte / vnnd ſchlagen ſie jaͤm - merlicher weiſe zu Todt / alſo daß nicht bald einer mit dem Leben darvon koͤnne kommen.

Der Capitain / als er das von der Magd hoͤret / dencket / es ſey da zeit achtung auff ſich ſelber zuge - ben / laͤſt jhm durch die Magd ein Leuchte ſampt ei - nem angezuͤndeten Liecht darinnen geben / verſte - cket ſolche Leucht vnter die Banck / macht ſein Wehr fertig / vnnd wartet / wann der Einfall ge - ſchehen werde.

Als er ſich aber kaum recht wider an den Tiſch hat geſetzt / kompt ein Bawersmann der Thuͤr hinein / thut als wann er der Haußknecht ſey / wil das Liecht butzen / vnd blaͤſt es gar auß: Hierauff laͤſt der Capitain jm ſo bald durch ſeinen Diener die Leucht mit dem Liecht herfuͤr bringen / treibet die Moͤrder zu ruͤck / erſchlegt etliche / andere aber muͤſſen die Flucht nemen / was aber den Wirth anlanget / erwiſchet er in bey ſeinem Halß / nimpt jhn gefangen / vnd lieffert jhn der Obrigkeit in jre Haͤnde.

Q vPoſtel242Beutelſchneider / oder

Poſtel wirfft das Haſenpanier auff / vnd kom - met wider gen Paris / nimmet ſein Herberg bey einem frembden Edelmann in der Newſtatt S. Germain. Dieſer Edelmann hatte nun zimlich Gelt bey ſich / wie auch eine groſſe guldene Kette / vnd viel koͤſtliche Ringe / welche er gemeiniglich antruge. Weil nun vnſer Schuler / Poſtel / auch ein Diebs Appetit zu ſolchen Ringen vnnd Gelt bekame / practicirte er es / daß der frembde vom A - del auff ein Zeit mit jhm an den Wald de Vin - cenne ſpatziern gieng / vnd als ſie da mitten in den Weingarten waren / ſprengete er jhn an / faͤlt vn - verſehener weiß uͤber jhn / hawet jhm zween Fin - ger an der Hand ab / gibt jhm mit ſeinem Dolch zwen ſtick in den Ruͤcken / vnd meinet alſo / er ha - be jhn gantz Todt geſchlagen: Nimpt darauff deß frembden Edelmanns Gelt / guͤldene Kette vnnd die koͤſtliche Ringe: Vnnd kompt darmit wider - vmb in die Statt: Der frembde Edelmann / wel - cher ſich in den Weingarten geſtellet / als wann er gar Todt wer / richtet ſich wider auff / vnd kreucht ſo lang fort / biß daß er inn eines Bawern Hauß kommet / der jhn auß Barmhertzigkeit auffnim - met / vnd mittel veꝛſchaffet / daß er wideꝛumb wiꝛd geheilet.

Von dannen wird der Edelmann nach dem er geheilt worden / widerumb gen Paris gefuͤhret / da er dann den Prevoſt del Isle / als deſſelbigen Orts Obrigkeit / laͤſt zu ſich kommen / welchem er alles erzehlet / was jm mit ſolchem Poſtel war be - genet / beſchreibet jn auch den Poſtel nach allenvmb -243Diebs Hiſtorien das I. Buch.vmbſtaͤnden / vnd mit allen Merck vnd Kennzei - chen: Hierauff wird Poſtel in der gantzen Vni - verſitet ſo fleiſſig geſuchet / biß daß er endlich wird erdappet / da er jetzund auff dem Collegto der Ly - fieux in die Graͤben wolte ſpringen. Man fuͤhret jhn auff das Chaſtelet / vnd als er da auff die Fol - ter wird geſpannet / bekennet er alle Bubenſtuͤck vnd Moͤrd / ſo er die Zeit ſeines Lebens begangen hatte / ſonderlich aber den Mord / welchen er an dem jungen Wirth vnd deſſelbigen Eheweib be - gangen hatte / daruͤber ſich dann jederman ver - wunderte: Hierauff wurde nun jhm das Vrtheil geſprochen / daß er ſolte geradbrechet werden: Aber wie das nun mag zugangen ſeyn / daß er entweder im Gefaͤngnuß ſelber mag Gifft eingenommen vnd ſich ſelbſt alſo vmbbracht haben / oder daß jm ſonſten ein Zufall begegnet / ſo ſtarb er ſechs ſtund zuvor / ehe man jn ſolte zum Gericht / vnd zu ſeiner Mar[t]er hinauß fuͤhren / vnnd uͤberhube alſo dem Hencker einer Muͤhe / daß er jhm die Bein nicht doͤrffte brechen: Es iſt bald niemands in Paris / der diſe Hiſtorien nicht wiſſe / dann ich hab nichts erzehlet / daß nicht jederman wiſſe / vnd ſelber auch mit ſeinem Mund bekraͤffti - gen koͤnne.

Das244Beutelſchneider / oder

Das XV. Capitel.

Von der Rauberey deß Grillons / welcher eines Ratzts in dem Parlament zu Ren - nes ſchreiber iſt geweſen.

ES iſt ein wunderliches ſeltzames din - ge / daß der Menſch in boͤſen dingen viel fruchtbarer iſt / als in den guten / vnd daß deß Menſchen Geiſt viel ſpitzfindiger iſt etwas boͤ - ſes als etwas gutes zu erdencken: Es iſt nit mehr / als ein Weg / ſo zu der Tugend fuͤhret / vnd derſel - bige hat kleine Abwege / iſt luſtig / anmuͤtig / vnnd kan der Menſch auff ſolchem Tugendtweg / viel Troſt fuͤr ſeine Seele finden: Aber hergegen ſeyn tauſent krummer Weg / die zu dem Laſter vnd der Suͤnde fuͤhren: Der Weg zur Tugend iſt ſchnur - ſtracks / vnnd haben die jenige / ſo ſolchen Weg ge - hen / all Gluͤck / Segen vnd Wolfahrt zugewar - ten: Aber der Weg / ſo zur Suͤnde vnd zu dem boͤ - ſen fuͤhret / iſt Krum / Vneben vnd ſehr lang vnnd weit: Gleichwol aber ſo gehet es alſo zu / daß wann einer auff den Tugenweg ſich begibet / ſo ſeyn her - gegen tauſent / welche den Suͤndenweg gehen / ha - ben jhren ſonderlichen Luſten vnnd Wolgefallen ſich in einen Labyrinth vnd Irꝛgarten / darauß ſie darnach ſelber nicht wider kommen koͤnnen / zu be - geben.

Sehet ein wenig zu ruck / auff die alte Hiſto - rien vnd[Exempel] / ſo werdet jhr finden / daß kein Laſter iſt / fuͤr welches man mehr Liſt vnd Betrughabe245Diebshiſtorien / das I. Buch.habe erfunden / als eben vor den Diebſtal: Da iſt bald kein Jahr vergangen / da man nicht ein newe Diebsliſt habe außgebruͤtet vnd erdacht: Etliche haben jr Diebiſches vornemen mit einem ſchoͤnen ſchem verdecket / vnd haben jhre eigene Nachbarn beſtolen / vnd jhnen Land vnnd Gut abgnommen: Andere ſeyn wol offentlich kommen / vnnd haben dem Nechſten das ſeinige hinweg genommen / ſo haben ſich auch der jenigen Leut gefunden / welche andere haben vberreden woͤllen / es ſey ein ſtuͤck der Liebe / wann man einem oder dem andern artig oder kuͤnſtlich das ſeinige koͤnne abſtelen: vnd das die Natur vns ſelber lehre vnd darzu anweiſe / daß man die albere Leute / ein wenig mitneme / ſie betriege auff daß ſie dardurch deſto verſtaͤndiger vnd verſchlagener moͤgen werden: Vnd wann wir auff die gegenwertige boͤſe Zeit darinnen wir leben / kommen / was hat man nicht fuͤr Argliſtig - keit / Betrug / Vortheil vnd Renck erdacht / mit der lincken vnd rechten Hand dem Nechſten nach dem ſeinigen zugreiffen (ich rede allhier nicht al - lein von Filous vnnd andern gemeinen Dieben / ſondern auch von den jenigen / welche dem euſſer - lichen anſehen nach den Diebſtal ernſtlich ſollen ſtraffen) dann heutiges Tags vnteꝛſtehet ein jegli - cher ſeinen Freund vnd Nachbarn zubetriegen / vnd jhm (wann er nur gelegenheit darzu kan ha - ben) das beſte / ſo er hat / zunemen vnd zu ſtelen: ſo viel Rechtfertigung / ſo viel Gericht / ſo vil Wider - ſpruch / Befeſtigung der Brieff vnd Inſtrumen - ten / falſche Vnterſchrifft vnnd Siegelung / Be -kraͤffti -246Beutelſchneider / oderkraͤfftigung vnnd viel tauſend andere Mumme - rey / was iſt daß alles anders / als ein recht Teuffli - ſcher fund / welchē man hat erdacht / auff / daß man dem Nechſten vnder dem ſchein aller Gerechtig - keit das ſeinige abſtele / vnd den rechemeſſigen Be - ſitzer auß ſeinem eigenen Erbgut ſtoſſe vnd treibt - Heiſt das nicht gar am hellen Mittag rauben vnd ſtelen / vnnd vor aller Welt das jenige begehen / was ein Beutelſchneider nimmermehr jm in ſei - nem Sine zuthu nemen wuͤrde: Es gehet heutiges Tags alſo her / daß die jenige / ſo am aller meiſten ſtraffwuͤrdig ſeyn / am wenigſten geſuchet vnd ge - ſtraffet werden.

Wo iſt vnd bleibet[jetz un der] Eſopus / der da ſagte: Die Geſaͤtze / welche die Diebe verdammen / ſeyn an einer Eyſernketten angeſchloſſen / vnnd die jenige / fuͤr welche ſie gemacht ſeyn / lauffen ob - ne vnderſchied / ohne rew vnnd ſchew der Straffe mitten vnder den Leuten: Iſt jemals ein Zeit ge - weſen / da dieſes deß Eſopi Wort wahr iſt gewe - ſen / ſo iſt es fuͤrwahr jtzunder: Dann jederman hanget dem Boͤſen nach / vnderſtehet ſich ſeines gleichen zuverfuͤhren / vnnd nur allein von dem raube zu leben.

Aber ich komme vnvermerckter weiſe von mei - nem vorigen Geſpraͤch / vnd gerathe in ein ſolches Geſpraͤch / da es etwas gefaͤhrlich iſt / viel darvon zu reden: Dann da iſt gantz vnd gar kein zweiffel / wer ſich wolte in Paris / vnd in allē andern Staͤt - ren vnd Orten deß gantzen Koͤnigreichs Franck - reich vmbſehen / der wird ſolcher Leut viel finden. Aber247Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Aber ich hab einmal gelehrnet / daß es nit gut iſt / alle Warheit zu ſagen / dann wer die Warheit gar zu viel wil geygen / dem wird nach der alten Fran - cken Sprichtwoꝛt die Geygen auff dem Kopff ge - meiniglich zerſchlagen: Alle ding hat ſein zeit / laſt vns in vnſerer Hiſtorien fortfahren / auff einan - dermal woͤllen wir ferꝛners darvon reden / wann wir beſſer gelegenheit bekommen werden.

Grillon war buͤrdig auß der gegend Angoules - me / vnd hielte ſich lange Zeit auff zu Rennes / in Bretaignen / da er eines vornemen Raths am Parlement in ſolcher Statt ſchreiber war: Er lieſſe ſich im anfang ſehr wol an / alſo daß jeder - man dieſe Hoffnung von jhm ſchoͤpffete / es wuͤr - de dermal eines ein vornemmer nuͤtzlicher Mann auß jm werden: Aber der Poet lehret vns / Quo[d]non bene Ripæ creditur: Daß man dem Geſtad eines flieſſenden Waſſer oder Sees nicht gar zu wol ſoll vertrawen: Vnd ein ander Paet lehret vns an einem andern Ort alſo: Nimium ne cre - de colori: Verlaſſe dich nicht zu viel auff die euſ - ſerliche ſchoͤne Farbe: Vnd wiewol Seneca leh - ret / daß vnſere Wort vnd euſſerliche Werck vn - fehlbare gewiſſe Zeugen ſeyn deſſen / das wir im Hertzen geſinnet ſeyn / vnd meynen / ſo iſt es doch vnmoͤglich / daß man auß dem euſſerlichen anſe - hen allzeit von einem Menſchen recht vnd vnfehl - barlich koͤnne vrtheilen: Dann da heiſſet es / wie Cicero recht vnd wol geſagt hat: Frons, vultus & oculi perſæpe mentiuntur, die ſtirn / Angeſicht vnd Augen liegen vnd betriegen manchesmal:Vnd248Beutelſchneider / oderVnd deſſen haben wir auch ein Exempel an dem Grillon. Dann wer den Grillon anfaͤngliches haͤtte ſehen koͤnnen oder ſollen / der haͤtte jhn fuͤr den allergetreweſten / auffrichtigſten vnd einfaͤl - tigſten Jungen in der Welt angeſehen vnnd ge - halten: Dann er ſuchte nichts anders / als ſeines Herꝛn Nutzen / er lieff vnd rennete vnd arbeitete fuͤr ſeinen Herꝛen / er war jhm in allen Sachen ſo getrew / daß ſein Herꝛ ſelber es jhm fuͤr ein groſſes Laſter gehalten haͤtte / nur allein ein wenig an ſei - nes Dieners vnd Schreibers trew vnd auffrich - tigkeit zu zweiffeln.

Wie es aber gemeiniglich pfleget herzugehen / daß / wann junge Leut in boͤſe Geſellſchafft gera - then / ſie dardurch verderben / dieweil es heiſt: Infi - cic omne pecus morbida ſola pecus: Ein eintzi - ges grindiges Schaff / kan eine gantze Herd ver - vnreinigen vnnd anſtecken: Alſo nach dem Gril - lon in leichtfertige boͤſe Geſellſchafft kommen / ge - riethe er in das Bubenleben hinein / da gienge kein Tag / da er nicht muſte ſauffen vnd ſpielen / vnnd vom ſauffen vnd ſpielen gienge er darnach an an - dern vnehrliche oͤrter: Dann das iſt die gemeine Landſtraſſe / welche die jungen Spiel - vnd Sauff - bruͤder gehen.

Wie aber nichts mehr iſt / das den Beutel auß - drucknet vnnd außleeret / als das ſauffen / ſpielen vnd Lotterbuͤbiſche Leben: Alſo kam vnſer Kerles in kurtzer Zeit / mit dem jenigen Gelt / ſo er die Zeit vber bey ſeinem Herꝛn / dem vornemen Rath hat - te geſamblet vnd zuſammen geſparet / zum endevnd249Diebs Hiſtorien / das I. Buch.vnd auff den boden: Alſo daß er ſein Sauff vnd Spielleben / doch viel mehr auß noth vnd Gelt mangel / als auß guten freyem Willen ein zeit - lang vnderlieſſe.

Sein Herꝛ / welcher von ſeinem boͤſen Leben nichts wuſte / hatte jhn wie zu vor / alſo auch noch werth vnd lieb / gab jhm auch zu verſtehen / daß wan[n]er ins kuͤnfftige / wie ſonſten bißher were von jhm geſchehen / trewlich wuͤrde dienen / ſo wol - te er ſelber auff Mittel vnd Weg bedacht ſeyn / wie er zu einem ſeinen ehrlichen Heurath kommen / vnd gelangen moͤchte.

Grillon erklaͤret ſich hierauff / er wolte jhm ohn zweiffentlich / wie zu vor geſchehen / alſo auch ins kuͤnfftig trewlich dienen / Aber eben zu der Zeit / da er kein Speck mehr in der Daſchen haͤtte / trug es ſich zu / daß der Gerichts Anſtande wurde auß ge - ruffen / welches dann Vrſach gab / daß viel auß dem Parlement ſich auff das Feld hinauß auff jhre Luſthaͤuſer begaben / ſich allda zu erluſtiren / vnd Herbſt zu machen.

Der Rath begibet ſich nach ſeiner gewonheit auch hinauß / vnd weil er noch etliche Geſchaͤffte in den Feyertagen an der Kammer zuverrichten hatte / laͤſt er ſeinen Schreiber daheim / ſolches al - les zuverrichten: Wann ich nun euch allhie ſolte erzehlen / was dieſer Schreiber in abweſen ſeines Herꝛn fuͤr Bubenſtuͤck begangen / muͤſte ich fuͤr - wahr viel Zeit darzu haben / vnd ein groſſes Buch darvon ſchreiben: Dann er wuſte den Bauers - leuten die Federn ſo wol auß zurupffen / daß ſieRdar -250Beutelſchneider / oderdarnach nicht mehr fliegen kundten: Icarus / dem auff ein Zeit die von Wachs angemachte[Fluͤgel] von der groſſen Sonnenhitz zeꝛſchmoltzen vnd ab - fielen / hette ſie nimmermehr beſſer braten koͤnnen: Er uͤberꝛedete ſie / ſein Herꝛ begerte dieſes vnnd je - nes von jhnen / vnd alſo ſchmierete man jhm die Haͤnde / hernacher aber bezahlet er ſie mit boſſen vnd andern ſchwencken.

Alle Tag hatte er in ſeines Herꝛen Hauß Ge - ſellſchaffe bey ſich: Da muſte der Keller ſtetig of - fen ſtehen / vnnd da koͤnnet jhr ſelber bey euch ver - nuͤnfftig abnehmen / wie ſeines Herꝛen Wein hat herhalten muͤſſen / vnd wie ſie verhuͤtet haben / da - mit ja der Wein den Faſſen die Boden nit auß - ſtoſſe: Dann ſie fraſſen vnd ſoffen ſtets miteinan - der / vnd waren jre Ruͤſſel oder ſoll ich ſagen Maͤu - ler / ſo rot / wie eine Herbſtſchuͤſſel / darinnen man Rothetrauben liſet: Man hette jhnen nimmer - mehr mit der Rothen September Weinfarb jhr Angeſicht ſo ſchoͤn vnd roth mahlen koͤnnen / als wie ſie jhn auß ſolches Herꝛn Keller ſchoͤne rothe Backen ſoffen: Dann daß ich auch einmal die Warheit frey recht heꝛauſſer ſage / ſo iſt dz Schrei - bergeſindlein gemeiniglich ſo durſtig / wie die Er - de / wann es in langer Zeit nicht hat geregnet / vnd haben allzeit noch anderthalb Elen ledige Gedaͤr - me einem Gaſt etwas zugefallen zu eſſen vnnd zu trincken.

Von Morgen an biß auff den Abend thete er nichts anders / als freſſen vnd ſauffen / entſchuldi - get ſich aber / daß er es nit were / ſondern viel mehrdie251Diebshiſtorien / das I. Buch.die groſſe Hitz / welche ſtets zu trincken forderte: Der allererſte / den er antraff / muſte mit jm gehē / vnd wann er jhm gab zu eſſen / ſo gab er jhm auß ſeines Herꝛn Keller zu trincken vnd doͤrfften kei - ne ſonderliche Seyl dazu / daß ſie ſolches alles inn jhre Maͤgen hinab lieſſen / dann ſie kondten auß - buͤndig wol freſſen vnd ſauffen: Aber das Feſt we - rete nicht lenger als viertzehen Tage: Dann weil entweder dem Herꝛn etwas zuthun war fuͤrkom - men / oder jm ſonſten etwas mag eingefallen ſeyn / ſo ließ er ſeinem Diener vnnd Schreiber entbie - ten / er ſoll das Hauß wol verwahren / vnd hinauß zu jhm auff ſein Luſthauß kommen.

Als nun der Diener ſeines Herꝛn befelch ver - nommen / wird er ſehr trawrig daruͤber / gleichwol aber ſo muſte er ſeines Herꝛn Befelch nachkom - men / ſeine Kegel einpacken / vnd zu ſeinem Herꝛn ziehen / da er dann auff die viertzehen Tag verblie - be: Aber weil vnter deſſen wider etwas newes war vorgefallen / ſchicket jhn ſein Herꝛ widerumb gen Rennes: Als er aber dahin kam fienge er ſein vo - riges boͤſes Leben wider an / nicht allein mit freſ - ſen vnd ſauffen / ſondern auch mit ſpielen / dann er fienge ſo ſtarck an zu ſpielen mit ſeinen Spießge - ſellen daß er all ſein voriges Gelt verlohre / vnnd daher kam darnach ſein Vngluͤck vnnd Verder - ben. Dann weil er ſich nicht mehr / wie zuvor / kondte ſtattlich halten / vergaſſe er ſeiner ſelbſten / vnd gedachte nicht mehr an die Trewe / welche er ſeinem Herꝛn ſo hoch vnd tewer verſprochen hat - te: Vnd dieweil er wuſte / daß inn ſeines HerꝛenR ijSchlaf -252Beutelſchneider / oderSchlaffkammer die Fraw in einer ſtarcken wol - verwarten Kiſten / alle ihre beſte Sachen / Armge - ſchmeid koͤſtliche Ring vnd jhr Gelt hatte / gehet er in ſolche Kammer deß nachts / nimpt ſeinen Dolchen vnd macht mit demſelbigen das Schloß mit gewalt auff / vnd als die Lade auff iſt / nimpt er hundert Kronen / vnd ein Roſe von koͤſtlichen Demantē gemacht / welches ein ſolches ſtuͤck wa - re / daß dergleichen nicht mehr war zufinden fan - get an widerumb / wie zuvor / zu freſſen / ſauffen vnd zu ſpielen.

Nun muß man aber allhie meꝛcken / daß als er das Ladenſchloß mit ſeinem Dolchen abgebro - chen hatte / war die Spitz an ſeinem Dolchen ab - gebrochen / vnd im Holtzſtecken blieben / welches er aber nicht in acht genommen hatte: Gleichwol aber iſt ſolche im Holtz vom Dolchē abgebrochene vnd gebliebene Spitz Vrſach geweſen / daß er ſei - nes Diebſtals iſt bezuͤchtiget vnnd vberwieſen worden / wie wir hernacher anhoͤren werden.

Nach dem nun der Schreiber ſich etliche Tag widerumb hatte luſtig gemacht / laͤſt jm ſein Herꝛ abermals entbieten / er ſolle hinauß zu jhm kom - men / dann Martins Tag ſey vor der Thuͤr / vnd wolle er auch gern widerumb nach Hauß ziehen - Der Schreiber / als er jetzund wil auff ſeyn / vnd zu ſeinem Herꝛn ziehen / bedencket ſich / ob es nicht rathſam ſey / daß er etliche Schloß vnd Thuͤren auffſchlage / als wann Diebe im Hauß ſeyen ge - weſen / auff daß / wann ſein Herꝛ wider heimkom - me / er deſto weniger die gedancken auff jhn werf -fen /253Diebs Hiſtorien / das I. Buch.fen / vnd jhn im verdacht moͤge haben: Thut eines hierauff / ſchlaͤgt das Schloß ab an ſeines Herꝛn Schlaffkammer / hebet die Thuͤr an der Stegen auß / wirfft ſie uͤber vnd uͤber / verderbet auch das Schloß an der groſſen Pforten im Hauß / doch macht er es alſo / daß er noch nach jhm kan zu - ſchlieſſen: Vnd als nun das alles geſchehen / nim - met er alle Schluͤſſel mit ſich / vnd zeucht zu ſeinem Herꝛen / welcher nach zween Tagen widervmb in die Statt kame: Aber als man fuͤr daß Hauß kompt / vnd wil auffſchlieſſen / wil der Schluͤſſel nicht mehr auffſchliſſen / man laͤſt einen Schloſ - ſer kommen / der das Schloß abmacht / vnd ſaget zu dem Herꝛn / es ſer nicht recht zugangen / es muͤ - ſte jemandts mit gewalt die Thuͤr auffgemacht haben / dann die Federn am Schloß ſeyen alle mit einander zerbrochen.

Der Herꝛ im Hauß wil ſolches noch nit glau - ben / als er aber oben in das hauß kommet / vnd ſihet / daß die Thuͤren außgehoben / vnd die Thuͤr - Angel auff der Erden ligen / es iſt alles zerſchlagen vnd verderbet / wird er daruͤber ſo beſtuͤrtzet / daß er nicht weiß was er ſagen oder gedencken ſoll: Er beſihet wie alles iſt verderbet / er ſihet die Thuͤren an / endlich / da er auch an ſeiner Haußfrauen La - den kommet / vnd dieſelbige beſihet / findet er im Holtz / nah an dem Schloß / die Spitzen eines Dolchens / mit welchem das Schloß war auffge - brochen worden: Solche Dolchſpitzen nimmet er ſtillſchweigend / vnnd ſchleuſt ſie in ſein Studier - ſtuͤblein: Laͤſt ſeine Nachbarn kommen / vnd fragetR iijſie254Beutelſchneider / oderſie / ob ſie nichts gehoͤꝛet oder geſehen haben: Dann das vnd das ſey in abweſen ſeiner in ſeinem Hauß geſchehen vnd vorgangen: Die Nachbarn / welche von allen denen Sachen nichts wiſſen / ſagen / ſie haben im gringſten nichts gemercket noch geſpuͤ - ret: Sie haben auch weil er ſey außgeweſen / n[ie]- mands in ſeinem Hauß ſehen auß vnd ein gehen / als ſeinen Schreiber / vnnd deſſelbigen Mitge - ſellen.

Der Schreiber / als er daruͤber wird zu rede ge - ſtelt vnd gefragt / wer die jenigen ſeyn / ſo er vnter deſſen in dem Hauß hab auß vnnd ein gefuͤhret / antwortet vnd ſpricht: Es ſeyen die vnnd die ge - weſen / nennet ſie mit Namen / vnnd ſagt vnver - ſchampter weiſe zu ſeinem Herꝛn: Er woͤlle ſelber / fuͤr ſie gut ſeyn / vnnd wann es ſich auch befinde / daß er oder ſeine Geſellen / ſo mit jhm vnter deſſen inn das Hauß ſeyn kommen / nur an etwas oder dergleichen boͤſes gedacht haben / ſo wolle er alle die Marter / ſo man jhm koͤndte aufflegen / willig vnd gern außſtehen.

Der Rath vnd Herꝛ im Hauß / weiß nicht was er dencken oder ſagen ſoll / dann es war jhm ſein Schreiber allzeit Trew geweſen / vnd hatte jhn in vielen wichtigen Sachen probieret / alſo daß er auch ſein lebenlang kein vntrew an jhm gemer - cke[t]vnd geſpuͤret hatte: Weil aber er ſein Schrei - ber im Hauß gantz allein hatte gelaſſen / Es hat - ten auch die Nachbarn im geringſten nichts ge - hoͤret oder geſehen / ſo waren die Muthmaſſung gar ſtarck wider den Schreiber / doch ließ man dasalſo255Diebshiſtorien / das I. Buch.alſo ſtillſchweigend hingehen / vnd name ſich der Herꝛ im geringſten deſſen nicht an / gegen einem odeꝛ dem andeꝛn / ſahe auch / daß es ſo ſtill gehalten wurde / als es jmmer ſeyn kondte.

Zween Monat verlauffen ſich vnter deſſen / vnd meinet nun jederman / Es werde kein Hahn mehr nach ſolchen Diebſtal krehen: Gleichwol ſo wurde der Schreiber allzeit fuͤr verdaͤchtig gehal - ten / vnd die jenige / welche fleiſſig mit dem Schrei - ber vmbgiengen / gaben jhm ſelber bißweilen ein ſtich / der nicht blutete / vnd werffen es jhm fuͤr: A - ber er warffe das Beyel allzeit weit von ſich / vnd thete / als wann es jhn nicht angienge: Vnter deſſen aber ſo laͤſt der Rath vnd Haußherꝛ heim - licher vnvermerckter weiſe nachfragen / wie ſich ſein Schreiber in ſeinem Leben / handel vnd wan - del habe verhalten / vnd erfuhren ſo viel / daß er ein boͤſes Leben ein lange Zeit gefuͤhret hatte / vnd daß er inn ſeinem abweſen ſein Hauß nur zu einem Spielhauß gemacht hatte / als wann er Eigen - thumbsherꝛ were geweſen / aber ſo ſehr als man nachforſchet / kondte man gleichwol mit keinem grund hinder den Schreiber kommen.

Hier muͤſſen wir aber mercken / daß wie der Schreiber mit ſeinem Dolchen die Lade hatte auffgebrochen / Alſo begab es ſich hernacher / daß / als einer ſeiner Mitgeſellen jhm anlage / vnd jhn vnablaͤßlich bate / er ſolte jhm doch etwas ſchen - cken / er jhm eben ſolchen Dolchen verehrete: Die - ſer aber / als er ſahe / daß dem Dolchen die Spitz war abgebrochen / gienge er zu einem Schwerdſe -R iiijger256Beutelſchneider / oderger vnnd vertauſchet jhnen gegen einem andern Dolch / ſo eine beſſere Klinge als der ſeinige hatte / vnnd gab dem Schwerdfeger eine Kronen auff / vnnd dardurch wurde der Schreiber nicht allein verꝛahten / ſondern auch hernacher gefangen ge - nommen / vnnd darbey ſehen wir / wie GOtt der HErꝛ nicht allein ein Allmaͤchtiger / ſondern auch Allwiſſender Herꝛ iſt der offenbarē kan die heim - lichkeit vnſerer Gewiſſen / vnnd an Tag bringen / was wir wol verdecket zu ſeyn vermeinen: Dann der Rath / welcher mit keinem grund hinder ſein Schreiber wegen deſſen jhm geſchehenen Dieb - ſtals kondte kommen / ſchickete jhn ein Tag oder acht uͤber Feld: Vnnd in dem nun der Schreiber auß war / ſchickte er zu allen Schwerdfegern / ſo zu Rennes waren / vnd liſſe jhm alle die Dolchen / ſo ſie hatten bringen / auff daß er einen ſeinem be - lieben nach / wie er vorgab bey jhnen / moͤchte auß allen denſelbigen außwehlen vnd nemen.

Die Schwerdfeger brachten jhm alle die Dol - chen / ſo ſie in jren Werckſtaͤtten hatten / vnd dach - ten / es wuͤrde vielleicht der Herꝛ etwan einem ſei - ner Freunde einen verehren / oder ſonſten an ein Ort veꝛſchicken woͤllen Aber vnter allen den Dol - chen / die ſie jm brachten / wolte jm keiner gefallen / fraget derhalben / ob nit einer vnter jnen ein Dolch habe / dem die Spitze ſey abgebrochen / vnd als jm hierauff etliche gebracht wurden / er auch dieſelbi - ge an die in ſeiner Laden gefundenen Spitzen hiel - te / ſahe er wol / daß ſie nicht zuſammen gehoͤreten: Endlich aber bracht jm ein guter alter Schwerd -feger257Diebshiſtorien / das I. Buchfeger einen Dolchen dem die Spitze abgebrochen ware / vnd als er den Dolch vnnd ſeine gefundene Spitz zuſammen hielt / ſahe er / daß es der Dolch ſeyn muſte / mit welchem ſein Lade war auffgebro - chen worden.

Der Rath behelt den alten Schwerdfeger bey ſich in ſeinem Hauß / fraget jhn / woher jm ſolcher Dolch kommt / vnd als er hoͤrete / daß er jhn einem ſolchen / den er mit Namen nennete / vnnd welcher in der Statt ſchreiberey ware / abgekauffet hatte / laͤſt man ſo bald nach jhm ſchicken vnd jm ſagen / daß er ein wenig in deß Rahtshaͤuſe ſoll kommen: Welcher als er kommet / vnd deß Dolches halben zu rede wird geſetzet / ſo bekennet er / daß deß Raths Schreiber jhm ſolchen gegeben / vnnd darzu dieſe Wort darbey geſagt hatte: Wann er ſein nutzen ſo wol / als er der Schreiber / mit ſolchem Dolchen koͤndt oder wuͤrde ſchaffen / ſo wuͤrde das ein groſ - ſes Gluͤck vor jhn ſein.

Als nun der Schreiber vnter deſſen wider heimkommet / ſo wird er auff dieſe Wort Exami - niret vnd feſt gemacht / vnd wiewol er alles laͤu - gnete / ſagte auch / er hette ſolchen Dolchen ſein le - benlang mit Augen nicht geſehen / viel weniger dem andern geſchencket / jedoch wurde er auff dieſe Muthmaſſung zur Folter erkandt / da jhm dann alſo wurde zugeſprochen / daß er die That bekandt vnd geſtunde: Sagt auch / es hette jn kein Menſch darzu gereitzet / ſondern er ſelber hab ſolches Bu - benſtuͤck allein erdacht vnd außgerichtet. Hierauf wird nun erkandt / daß er mit dem Strang vomR vLeben258Beutelſchneider / oderLeben zum Todt ſoll gerichtet werden. Es namen ſich aber ſeine Freunde ſeiner an / vnnd weil ſein Herꝛ nicht allein im Parlament ſelber Raht vnd Richter war / ſondern er hatte auch viel Freunde vnd Schwaͤger an ſolchem Ort / bringen ſie es ſo weit / daß ſolches Vrtheil wird vmbgeſtoſſen / vnd er in das Gefaͤngnuß gen Paris wird verſchicket: Da dann ſeine Freund ſeine Rechtfertigung fuͤh - ren vnd beweiſen / daß alles das jenige / was er zu - vor auff der Folter habe bekandt / viel mehr die groſſe ſchmertzen / als die Warheit ſelber verurſa - chet haben: Als ſie aber endlich ſehen / daß das inn dem Parlament vnd Rath zu Rennes gefaſtetes Vrtheil zu Paris beſtaͤttiget vnd vollſtrecket ſolte werden / vnd daß ſie gar vnrechter vnd vnbillicher weiß appelliret hatten / namen ſie einen andern Weg vor / vnd ſolches alles auß Raht vnd Einge - bung deß Schreibers / jhres Vettern / welcher uͤber alle maſſen argliſtig vnd verſchlagen war.

Einer vnter jhnen / als er Zeit vnnd Gelegen - heit wol außgeſehen hatte / kommet inn das Ge - faͤngnuß / fragt nach dem Schreiber / nimmet ſich an / er woͤlle ein weil mit dem Schreiber ſprachen / vnnd als die andern oben auſſ ſeyn / die Stern zu ſehen / gibt er jhm ſeine Kleider / vnd einen langen groſſen Hut / vnd ein Weinflaſch in die Hand: Welches der Schreiber in eyl anzeucht annim̄et / vnd gehet hinauß auß dem Gefaͤngnuß / ſtellet ſich als woͤlle er Wein holen: Begehrete aber nit wi - der zukommen / vnd als er in den Hoff du Palois kommet / wirfft er die Weinflaſche fuͤr alle Truffelhinweg /259Diebs Hiſtorien / das I. Buch.hinweg / thut ſolche ſpruͤng / wie ein wilde Geiß / ſo auff dem Feld ſich luſtig machet: Was geſchicht aber weiters? Als der andere / welcher im Gefaͤng - nuß war geblieben / vnnd mit dem Schreiber die Kleider verwechſelt hatte / wil herauſſer gehen / vnnd zum kleinen Thuͤrlein kommet / da kommet der Thorhuͤter darzu / vnd als er ſeine Kleider ſi - het / ſpricht er zu jhm: Er ſoll ſtill ſtehen vnnd blei - ben / oder wolte er jhn in ein rechtes finſteres Neſt ſtecken / wann er nur einen Fuß noch fortſetzet: Daͤruͤber wird der jenige / ſo dem Schreiber auß - geholffen / beſtuͤrtzet / fluchet vnd ſchweret / er ſey der Gefangene nicht ſelber / ſondern habe nur den ge - fangenen Schreiber beſuchen woͤllen: Aber als man den Schreiber nicht finden kondte / wurde er an ſeine ſtatt gefangen geſetzet.

Vnter deſſen kommet Grillon darvon / vnnd wartet drauſſen / biß daß der andere komme: Aber da wil nicht niemands kommen / dann er war ſo wol veꝛwahret vnd eingeſchloſſen / daß er nit kond - te kommen / vnnd empfienge nichts mehr als das jenige / was er wol verdienet hatte.

Als nun dieſer Meiſter Schreiber ſihet / daß er dem Tod iſt entwiſchet / verfuͤget er ſich anders wohin / vnd fanget ein recht Teuffliſches Leben an / handelt mit Menſchenfleiſch / vnd liget Tag vnd Nacht in den Hurenhaͤuſern / da er dann die albe - re vnd einfaͤltige betreugt vnnd beſtilet: Endlich aber wird er durch den Commiſſarium außgeho - ben / vnd auff das Chaſtelet gefuͤhret / weil er eine junge Tochter in der Gaſſen S. Denis verfuͤh - ret hatte.

Etli -260Beutelſchnelder / oder

Etliche Tag hernacher begibt ſich es / daß / da man an nichts odeꝛ an nimands gedencket / komt der Kerckermeiſter der Geſaͤngnuß im Palois / vnd wil den Kerckermeiſter auff dem Chaſtelet beſuchen / vnd als ſie etliche ſtunde beyeinandeꝛ ge - ſeſſen hatten / ſihet er von vngefehr auff dem Tiſch ligen ein Regiſter der jenigen / ſo wegen Schulden vnd anderer Verbrechens halben allda gefangen waren: Vnd als er vnter andern findet den Namē deß Grillons / fraget er den Kerckermeiſter / wer doch der Grillon ſey / vnd warumb er gefangen ſi - tze / vnd als er nun außgefraget hatte / wie er geklei - det were / was er fuͤr eine Statur hette / vnd daß er vor wenig Tagen dahinein gefangen ware ge - bracht worden / begehret er jn zu ſehen: Vnd als er jn geſehen vnd gekandt / zeiget er ſolches dem Par - lament an / nemlich daß es der Grillon ſey / wel - cher zuvor auß dem Gefaͤngnuß war kommen.

Das Parlement laͤſt jhn hier auff abholen / auff daß jhm ſein Recht widerfahre: Man ſetzet jn wi - derumb in ſein voriges Gefaͤngnuß / vnd als er da ſeinen Freund antrifft / wird er ſo toll vnd raſend daruͤber / daß er thet als woͤlle er jhn freſſen: Vnd hetten ohne allen zweiffel dieſe beyde ſich vnterein - ander todtgeſchlagen / wann ſie die Mittel darzu gehabt hetten: Aber ſie hatten weder Wehr noch Waffen / vnnd wurden von einander geſcheiden: Etliche Tag aber hernach / wurde deß Schreibers Sachen vorgenommen / Examinieret vnd erwo - gen / vnd als der Schreiber durch ſeine eigene Be - kandtnuß deſſen in ſeines Herꝛn Hauß von jhmgeſche -261Diebs Hiſtorien / das I. Buch.geſchehenen Raubs vnd Diebſtals / mehr als zu viel / uͤberzeuget wurde / wurde jhm das Vrtheil geſprochen / daß er en Greve ſolte gehencket / vnnd hernacher zu Monfaucon am Galgen auff die Schildwacht geſteller werden / damit die voruͤber reiſſende nicht zu nah am Galgen gehen / vnnd etwas von weitem erkennen lernen / daß es biß - weilen gut iſt / zu dantzen vnd zuſpringen / ſich zu erluſtiren / aber daß das gleichwol ein arm ding iſt / wann man den cinq. pas in deꝛ Lufft muß dan - tzen: Vnd daß es beſſer iſt / wann man der Katzen Natur an ſich hat / welche allzeit widerumb auff die Fuͤſſe fallen / man werffe ſie auch / wie man woͤlle.

Das XVI. Capitel.

Hiſtorien von einem Falſchen Muͤntzer / vnd von ſeinem groſſen Betrug.

ES wird in der Griechen Anthologia erzehlet / daß auff ein Zeit / einer / ich weiß nicht wek / ſich hat nider vnd ſchlaffen ge - le get / vnten an eine Mawer / welche ſchon ſo ſehr war vntergraben / daß / wann nur der geringſte Wind were gangen / ſie darvon hette vmbfallen moͤgen: Das hat nun ein anderer geſehen / vnnd dem jenigen / ſo ſich darhinder hatte ſchlaffen ge - leget / zugeſprochen / er ſoll eylends auffſtehen / vnd darvon lauffen / ſonſten werde jhm die Mauer den Kopff einſchlagen / vnd vmb ſein Leben bringen.

Dieſer262Beutelſchneider / oder

Dieſer warnung hat nun der jenige gefolget / vnd als er noch kein zehen ſchritt von der Maurn iſt kommen / hat ſich ein ſtarcker Wind erhoben / der die Mawer vmbgewo[r]ffen / alſo daß alles / was von der Mawer iſt ergriffen worden / ſo bald vnter jhr iſt begraben worden.

Dieſer gute Geſell / wer er nun mag gewe - ſen ſeyn / als er nun ſihet / dz er einem ſolchen groſ - ſen Vngluͤck iſt entgangen / fengt er an / legt ſeine Haͤnde zuſammen / hebt ſie auff gen Himmel / vnd dancket Gottes Vorſehung vnd Schickung / daß er einem ſo groſſen Vngluͤck war entgangen / welches er nicht hette abwenden koͤnnen / wann er nicht von obenheraber wer deſſen erinnert wor - den: Aber als er am andaͤchtigſten iſt inn ſeiner Danckſagung / hoͤret er eine Stimme / die jm alſo zuredet: Mein Freund du betreugſt dich ſelber / wann du glaubeſt / daß die Schickung GOttes dich hat erꝛettet auß dem groſſen Vngluͤck / wel - ches dir uͤber dem Kopff ſchon hienge / ſondern du ſolt vil mehr das wiſſen / daß du auß ſolchem Vn - gluͤck biſt erꝛettet worden derwegen / dieweil ſchon in den Goͤttlichen Geſetzen vnd vnwiderꝛufflichē Rathſchluͤſſen iſt beſchloſſen worden / daß du ſol - leſt gehencket werden / vnd alſo iſt es deinethalben nicht geſchehen / daß du ſolchem Vngluͤck biſt ent - gangen / ſondern auff daß die Goͤttliche Rath - ſchluͤſſe moͤgen warhafftig ſeyn vnd bleiben.

Dergleichen Hiſtorien haben wir jetzunder vor vns in dieſem Capitel an dem Deſpreau: Wie - wol derſelbige einmal iſt vom Galgen erloͤſet wor -den /263Diebs Hiſtorien / das I. Buch.den / (wie wir ſolches in dieſem Capitel anhoͤren werden) ſo hat er ſich alſo gehalten / daß er / gleich - wol an demſelbigen endlich ſein boͤſes Leben hat geendet / nicht anderſt / als wann die zeit vnd ſtun - de ſeiner Geburt jhm haͤtte propheceyet / daß der - mal eines der Henckerſtrang jhn ſolte vmb ſein Leben bringen / vnd jhm der Galgen angebohren ware.

Dieſer Deſpreau war ein Normand / der juͤng - ſte Sohn von einem ehrlichen vnd vornemmen Geſchlechte / vnd war von ſeiner Jugend an in der Statt Roven lange Zeit ein Laquey geweſen / biß daß endlich ſein Herꝛ / (der ſein Wolfahrt be - dachte / vnd damit er die vberige Zeit ſeines Lebens moͤchte mit Ehren zubringen vnd außkommen) das Schloſſerhandwerck lieſſe lernē: Aber er bliebe nicht lang bey ſolchem Handweꝛck / ſondern begab ſich zu einem Alchymiſtē (welche wie die Philoſo - pht ſie beſchreiben / ſein animam verſuta vnd cre - dula, das iſt / verſchlagene vnd baldglaubige Thie - rer) vnd ſolcher Thierer gibt es in Normandien / dann Normandien verſihet Paris mit ſolchen Leuten / wie auch ſonſten mit allerley Fiſchwerck.

Er war kaum acht Tag mit dieſem Alchimi - ſten vmbgangen / da bekam er ein ſolchen luſten zu ſeiner Lehre / daß er alles / was er inn zehen oder zwoͤlff Jahren jhm hatte ſawer laſſen werden / vnd zuſammen geſparet hatte / widerumb ließ hinweg blaſſen.

Man verhieſſe jhm / daß durch Vermiſchung der Metallen vnd andere vnterſchiedliche Natu -ren264Beutelſchneider / oderren vnd Sachen ſie ohn zweiffentlich wurden fin - den den Lipidem Philoſophicum oder den Philo - ſophiſchen Goltſtein: Ja was woͤllet jhr mehr? Er bildet ſich ein / er wolte durch Krafft vnd Eigen - ſchafft der Kraͤuter zu wegen bringen / daß die Waſſer ſolten zu ruͤck lauffen / daß er den Mond wolte vom Hummel heraber ziehen / vnd Zukuͤnff - tige ding verkuͤndigen / vnnd viel tauſent andere Narꝛenboſſen / welche man jm in ſeinē Kopff ein - ſchwetzete: Ja alle ſeine Schloſſe / ſeine Schluͤſſel waren nicht gnug den Vnkoſten zuertragen / wel - che er auff zerbrochene Toͤpff / Alchimiſtiſche Oef - fen vnd dergleichen Alchimiſtiſchen ſachen muſte auffwenden / alſo daß nach dem er ſich wie vil an - dere / durch ſolches verfluchte Handwerck gantz vnnd gar hatte verderbet / muſte er endlich ſein Hauß / welches er von ſeinem Vatter ererbet het - te / verkauffen / die Schulden vnd V[n]koſten / ſo er auff die Alchimiſterey hatte gewendet / zube - zahlen.

Seine Freunde thaͤten das ihrige: Sie predig - ten jhm gar manchmals von dem verderben / das bey ſolcher ſeiner Kunſt gewißlich erfolgen wurde. Sie baten jn / er ſolte ſich doch nicht in ſolchen La - byrinth / da ſo viel vornemer Leute / vnd welche tauſend mal reicher / als er / geweſen waren / alle jhre Schaͤtze / Reichthumb vnd Vermoͤgen ein - geſtecket vnd verthan hatten / ſtecken: Denn wer ſich in ſolches gefaͤhrliche weſen ſteckete / der thaͤte muthwilliger weiſe nichts anderſt / als daß er ſich ſelber auff den groſſen Weg zum Spital begebe:Ja265Diebshiſtorien / das I. Buch.Ja daß ein jeglicher / der ſich auff ſolche Sachen woͤlle begeben / beneben all ſeinem Gelt das er da - hinein ſtecket / jhm zugleich vnd ſo bald ſolte ma - chen / ein Stab in die Hand / eine Schuͤſſel vnd ei - nen Bettelſack / das gebettelte Brod darinnen zu thun / wie Diogenes Cynicus: Dan̄ alle die jeni - ge / ſo ſich barein geſtecket / vnd zuvor in Sammet vnd Seyden ſeyn daher gangen / ſeyn darnach wi - der kommen mit eines armen Bettlerskleid / vnd ſeyn / wie die Windmuͤhlen / mit Leinentuch ge - kleidet geweſen

Deſpreau hoͤret zwar ſolche Geſpraͤch / vnnd Vermahnung an / aber er kan nicht darvon ablaſ - ſen: Den jenigen / ſo jhm riethen / er ſolte darvon abſtehen / gab er diſe antwort: Es mangelte nicht mehr als ein eintz[i]ge gluͤckſelige ſtunde wider reich zu werden / oder eine eintzige Zuſammenfuͤgung der Geſtirn / oder ein Oppoſition vnd Entgegen - ſaͤtzung der Planeten / ein gutes Temperament auß den vier Qualiteten / oder ſonſten eine gute Compoſition / ſo zu rechter Zeit gemacht wurde: Wann das geſchehe / ſo wuͤrde nicht allein er / ſon - dern alle ſeine Nachkoͤm̄linge / die Zeit jres Lebens reich gnug ſeyn: Muͤſte derhalben er noch ein Zeit lang gedult haben: Vnd wann er auch ſchon ſolte betrogen werden / nun wolan / ſo wer er nicht der erſte noch der letzte: Es were das auch noch ein guter Troſt im Elend vnd Vngluͤck / wann man ſeines Vngluͤcks Mitgeſell habe.

Als nun ſolches ſeine Freunde ſahen vnd hoͤre - ten / daß er jm gar nicht wolte rathen laſſen / lieſſenSſie266Beutelſchneider / oderſie jhn ſo lang blaſen / biß daß er ſelber ſatt moͤchte werden: Aber es ſtunde nicht lang an / deß er in ſei - nem Seckel auff den Boden kame. Ward ſo vn - gehalten vnd zornig vber die Alchimiſterey / daß er Toͤpffen / Oeffen / Alembic / vnd andere darzu ge - hoͤrige Juſtrumenten vnd Haußrath in ſtuͤcken zerſchluge vnd dem Teuffel gar gabe: Vnnd weil daruͤber er ſo nackend / vnd bloß als deß Eſopi Vo - gel wurde / zoge er hinweg von Raven / da er ſich lenger zu ble[i]ben vor den Leuten ſelber ſchaͤmet / vnd begabe ſich in die Geſellſchafft zweyen Gott - loſer Buben / welche wegen jhres raubens vnd ſte - lens ſchon einmal auff die Galeen verdammet / aber von jhren Eltern vnd Freunden widervmb waren loß gekauffet worden: Diſe 3. boͤſe Buben waren gleichſam wie Cerberus mit dreyen Koͤpf - fen / welche die vorvberrei[ſe]nde ſo ſtarck anbellen / deß / gleich wie der Kopff der Meduſæ in Stein vnd Felſen alle die jenige / ſo ſie anſahen / verwand - delte / Alſo muſten die jenige / welche ſie auch als moͤrderiſche Hunde anbellen / wie die Stoͤck vnd Ploͤck ſtehen bleiben / ja pflegtē ſie alſo durch jr an - bellen zuerſchrecken / daß ſie heiſſer darvber wur - den / vnd manchmals die Stimme gar darvber vorlohꝛen: Gleichwol wie man ſchꝛeibet / daß / wan̄ die Woͤlffe der erſte einen Menſch ſehen / ſie jm die Stimme benemme / derwegen man dann / in Lateiniſchem Sprichwo[r]t alſo pfleget zu reden vnd zu ſagen: Lupi illum videre priores, daß iſt / die Woͤlffe haben jhn am am erſten geſehen.

Dieſer dreyleibichte Gerion ſtreffete lange zeithin267Diebs Hiſtorien / das I. Buch.hin vnd wider in Normandien / vnd von dannen ſtrecketen ſie jhre Fluͤgel auß biß gen Paris / da ſie dann die Kauffleute / ſo auff den Marck gen S: Germain kamen / vberfielen / vn̄ hinder dem Char - tꝛeux beraubeten / ja ſie ſchlugen auff ein Zeit auch einen gar Todt / welcher war von Chriſtres / ſo von Paris vngefehr zehen oder zwoͤlff Meilen legete

Als aber dieſe Rauber vmbher flogen / wie die Sommervoͤgel / welche an einem Ort nicht blei - ben / ſondern von einer Blum zu der andern flie - hen / vnd den Safft herauſſer ziehen: Alſo kamen ſie endlich ſelber vnd verbrenneten ſich am Liecht in der Statt Chaſtres / da einer auß den Kauff - leuten / welchen ſie beraubet hatten / vnnd welcher die jenigen / ſo ſie vor der Zeit erſchlagen hatten / verwand ware / ſie erkandte / vnd ließ ſie gefangen nemen vnd einzeihen.

Dieſe drey aber faſſen ein Hertz / ſonderlich aber Deſpreau / ſagen / ſie ſeyen vnſchuldig / ſie wiſſen auch nicht / warumb man ſie anklage. Etliche auß den Rathsherꝛn vnd Raͤthen deß Orts / weil ſie keinen andern beweiß / als von dem Kauffmann hoͤren / ſeyn der meynung / man ſolle ſie widerumb ledig laſſen: Der Kauffmann aber verharrete in ſeiner meynung / klaget ſie an / vnnd bringt es ſo weit / daß ſie alle drey auff die Folter geſpannet werden: Deſpreau vnd der eine auß ſeinen Ge - ſellen gedachten / es wer hoch zeit[zu ſchweigen] / vnd wiewol ſie vbel zerfoltert wurden / hielten ſie doch reinen Mund: Aber der dritte / welcher etwas forchtſamer vnd vnleydlicher als ſie waren / foͤꝛch -S ijtete268Beutelſchneider / odertete ſich ſo ſehr fuͤr der Folter / daß er alles bekand - te / vnd ſeine beyde Geſellen auch verriethe vnd anklagte: Welche aber / als ſie zu rede darvber ge - ſtellet wurden / alles laͤugneten / ſagten auch / ſie weren niemals mit jm vmbgangē: Aber es waren die Muthmaſſungen ſehr ſtarck wider ſie / ſo klagte der Kauffmann ſampt deß Erſchlagenen Wittib ſie ſo hart an / daß / weil ohne das der eine viel von ſich ſelber / vnd von dem andern bekandt hatte / man darvor hielte / man haͤtte mehr als zu viel vr - ſache ſie zum Todt zuverdammen / vnd hinrichten zulaſſen.

Es wurde auch darauff das Vrtheil auß ge - ſprochen / daß ſie drey auff einen Tag vnd an ei - nen Galgen ſolten auffgehencket werden: Als ſie aber hinauß gefuͤhret wurden / vnd zum Galgen kamen / wurde der jenige / welcher den Todtſchlag bekandt hatte / der erſte zum Galgen hinauff ge - fuͤhret / vnd als er ſahe / daß ſeine Geſellen noch all - zeit den Todtſchlag gelaͤugnet / vnd reinen Mund gehalten hatten / war es jhm leid / daß er ſo viel auß der Schulen hatte außgeſchwaͤtzet: Dann er bil - det jhm ein / wann er nichts bekandt haͤtte / vnd haͤtte die Folter auch ſo ſtandhafftig wie ſeine Ge - ſellen außgeſtanden / ſo weren ſie nicht zum Todt verdammet worden. Aber es war zu lang gewar - tet / ſolchem jhrem vngemach vorzukom̄en: Dann das Vrtheil war ſchon geſprochen / vnd ſolte nun mehr vollnzogen werden.

Als er aber ſihet / daß es nun mehr an dem iſt / daß er ſeinen Geiſt ſoll auffgeben / ruffet er demRichter269Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Richter vnd Stattſchreiber / vnd ſaget jhnen / daß ſie alle drey deß Laſters / deſſen man ſie beſchuldi - get haͤtte / vnſchuldig ſeyen / vnd daß er zwar ſelber die That vnd den Mord habe bekennet / aber was er gethan oder bekant habe / das habe er viel mehr geſagt auß forcht der Folter vnd vnaußſprechli - chen groſſen ſchmertzen / die er haͤtte ferꝛners auß - ſtehen muͤſſen / als daß er ſich oder ſeine Geſellen ſchuldig wuͤſte / vnd auff dieſe Wort rieffe er auch Gott zum Zeugē an / daß er vnſchuldig were / vnd vnverſchuldeter weiſe ſterben muͤſte: Deſpreau vnd ſein Geſell / welche vnden an der Galgenlei - ter ſtunden waren froh / da ſie dieſe Wort hoͤreten: Aber es war gar zu langſam alſo zureden: Ja es thete jhnen weh / daß er nicht auch zuvor alſo gere - det hatte: Nichts deſto weniger aber ſo faͤhꝛet man mit dem / ſo ſchon auff der Leyter war / vnd ſeine vnſchuld betewerte / fort / vnd lernet jhn in der Lufft Capriolen machen / vnd wann er haͤtte reden koͤn - nen / ſo iſt das gewiß / er haͤtte geſagt: Daß Napel - lus vnd Ciguei / welche doch ſo vergiffte Kraͤuter ſeyn / daß / wann ſie der Menſch nur anruͤhret / er darvon muß ſterben / nicht ſo ſchaͤdlich ſey / als der Hanff: Dann man macht / ich weiß nicht bald was darauß / ja ſolches ding / daß / wann es einem ein viertheil ſtund vnter der Gurgel bleibet / einem der Athem darvber außgehet: So ſagt man auch / daß die Diebe nicht bald Hanff in jhre Gaͤrten pflantzen / dieweil ſie ſich beſoꝛgen / man moͤge ſtꝛick darauſſer machen / vnd laſſe ſi auffhencken mit dem jenigen / das ſie gepflantzethaben.

S iijVnder270Beutelſchneider / oder

Vnter deſſen aber wird Deſpreau auff die Leyter hinauff gefuͤhret: Man fingt ſchon das Salve / vnd als er ſihet / daß das Volck anfanget zu murmeln / fanget er an zu ſchreyen / man thue jhm vnrecht / vn̄ wolte die jenigen / ſo jn zum Todt verurtheilet hetten / vor Gottes Gericht jnnerhalb dreyen Tagen fordern: Ihr Herꝛn ſagt er / iſt das nicht zuerbarmen / daß jhr ein Menſchen woͤllet ſterben laſſen / der gantz vnſchuldig iſt / vnd im mit ſolcher vnbarmhertzigkeit gar inn verzweifflung ſtuͤrtzen: Ihr habt es gehoͤret / daß der jenige / ſo al - leweil iſt gehencket worden / iſt vnſchuldiger weiſe geſtorben: Er hat ſelbſt bekandt / daß das jenige / was man jhm zugeleget vnnd ſchuld geben / gantz falſch vnd erdacht iſt / vnd was er bekandt / das hat er geſagt mehrer ſchmertzen auff der Folter zuver - huͤten: Wollet jhr euch dann nicht vnſers Elends erbarmen? Ihr ſehet / daß wir allhie ſterben ſollen / vnd haben es doch nicht verſchuldet / wir ſeyn wil - lig vnd beꝛeit vnſers handels vnd wandels halben rechenſchafft zugeben / vor dem Richtſtul der Goͤttlichen Gerechtigkeit / glaubet jhr auch wol / daß wann wir ſchuldig weren / wir vnſere arme Seelen beſchweren wolten mit verlaͤugnung der Laſter / die man vns zu ſchreibet.

Dieſer gute Prediger brachte ſo viel zuwegen / durch ſein Zauberiſche Wort / vnnd durch ſeine heuchliſche verweiſung / daß das Volck je lenger je mehr anfienge zu murmeln: Welches als es der Oberſte Vogt ſahe / befahle er dem Hencker / er ſoll mit jhm ein ende machen. Aber Deſpreau ſchlegtdie271Diebshiſtorien / das I. Buch.die Fuͤſſe vmb die Leyter herumb / vnnd klemmet ſich ſo hart an die Leyter / daß dem Hencker vn - moͤglich iſt jhn mit den Fuͤſſen von der Leyter ab - zureiſſen: Darauff ſchreyet Deſpreau vmb huͤlffe vmb Gottes willen: Iſt dann niemand vnteꝛ dem gantzen hauffen / der ſich meiner Vnſchuld wil an - nemen / vnd meinen Todt rechen an den vnbarm - hertzigen Richtern / die mich woͤllē hinrichten laſ - ſen / da ich es doch nicht verdienet habe?

Als er nun dieſe Wort redete / da ware vnter dem Volck ein heꝛtzhafftiges Weib / welches mehr Hertz vnnd Gemuͤth hatte / als die Amazoniſche Weiber / welche jhnen pflegten die rechte Bruſt abzuſchneiden / auff daß ſie deſto beſſer vnd vnver - hinderter wider jhre Feinde ſtreiten koͤndten Die - ſelbige machte die jenige / ſo zuſahen gantz auff - ruͤhriſch / alſo daß ſie gantz einhellig durch das Volck hindurch drangen / zur Leyter lieffen / den Henck er von der Leyter heraber warffen / vnd De - ſpreau vnd ſeinen Geſellen erretten / welche die Flucht namen / vnnd ſich ſalvireten / da ſie ſahen / daß das Volck es mit jhnen hielte / vnd die Hand botte: Dann ſie hielten darvor / es were die hoͤchſte vnbilligkeit in der Welt / daß man die vnſchuldi - gen alſo hinrichten vnd ſterben laſſen ſolte.

Hierauff wird ſo bald die gantze Statt auff - ruͤhriſch: Der Blutrichter wil ſolchen groſſen muthwillen vnd vnverantwortliche Freyheit nit vngeſtrafft hingehen laſſen Er mahnet den Auß - ſchuß in der Statt auff / die Vrſacher vnnd Red - linsfuͤhrer ſolcher Auffruhr zuſuchen / vnnd nachdem272Beutelſchneider / oderdem er wird berichtet / daß ein eintziges Weibe die - ſen Auffruhr hatte eꝛwecket / laͤſt er ſie gefaͤnglich einziehen / vnd laͤſt ſie in ein ſolches finſteres dun - ckels Loch werffen / dz ſie weder Sonn oder Mond kan beſcheinen / wiewol die vornembſten inn der gantzen Statt fuͤr ſie baten / vnd nach acht Tagen wird jhr das Vrtheil geſprochen / daß ſie an ſtatt der jenigen / welche ſie durch jhren Tumult vom Galgen hatte gleichſam alſo zu reden / abgeriſſen / ſolte auffgehencket werden.

Vber dieſem Vrtheil wird appellieret / vnd ge - ſchicht / daß alles was wider Deſpreau vnd ſeine Geſellen / wie auch wider die Fraw / war ein vnnd vorgebracht worden / gen Paris dem Parlement wird uͤberſchicket / vnd a la Tournelle alles wider - umb wol erwogen vnd examiniret. Dieſe Hiſto - rien iſt ſo friſch vnd new / daß wer daran zweiffeln wolte / thete nichts anderſt / als daß er vorſetzlicher weiſe der Warheit wolte die Augen verkleiben vnd verfinſtern.

Als nun das Parlament alle Acta geleſen / wol erwogen / vnd befunden / daß gantz vnverantwort - licher weiſe das Weib ein ſolchen auffruhr erwe - cket / vnd die Execution mit den zweyen zum Todt verurtheileten Raubern verhindert hatte / bekraͤff - tiget es ſelber / das von dem Blutrichter außge - ſprochene Vrtheil / vnd befihlet / daß man mit dem Weib zur Exicution ſoll ſchꝛeiten / es ſetze ſich auch darwider wer da woͤlle: Vnd wird das Weib wi - derumb gen Chaſtres geſchicket / daß ſie nach dem bekraͤfftigen Vrtheil ſoll hingerichtet werden. Als273Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Als nun das zu Chaſtres offenbar wird / verwun - dert ſich jederman daruͤber: Dann jederman hat gehoffet / das Weib wurde jhr Sach a la Tour - nelle zu Paris gewinnen.

Aber die jenige / welche Nachteulen Augen ha - ben / koͤnnen nit ſehen die Rathſchluͤß deß groſſen Rahts / welche rechte ſcharpffe Luxaugen haben / vnd welche den Gottloſen Vbelthaͤtern gar in jhr Hertz hinein ſehen koͤnnen: Dann weil ſie augen - ſcheinlich geſehen hatten / daß Deſpreau vnd ſei - ne Mitgeſellen rechtmaͤſſiger weiſe zum Todt wa - ren verdam̄et woꝛden / vnd daß das eintzige Weib Vrſach war / daß das rechtmaͤſſige Vrtheil nicht an jhnen war vollnſtrecket worden / haben ſie ſie billich wider an jren Ort geſchicket / damit ſie / wie ſie wol veꝛdienet hatten / hingeꝛichtet wurden / vnd daß jederman moͤge ſehen / daß ſie vnbillicher wei - ſe appellieret hatte.

Als nun das Weib widerumb gen Chaſtres war kommen / da redete man von nichts anders / Als von dem Tag / da man ſie hinrichten wurde. Nun iſt aber allzeit zu mercken / daß dieſes Weib eine uͤberauß ſchoͤne Tochter hatte / welche auch gen Paris war kommen / jhrer Mutter Rechtfer - tigung zu fuͤhren / vnnd ſich zu bemuͤhen / daß jhre Mutter widerumb moͤchte loß vnd ledig werden: Aber all jhr anbringen war ſo gar vnbillich / vnnd die Kuͤhnheit ſo ſie darbey gebrauchete / ſo groß daß ſie nichts kondte erlangen / wiewol ſie fleiſſig anhielte / ſondern es wurde jhr all jhr begehren kurtz rund abgeſchlagen: Vnd als ſie nun ſolchesS vſahe /274Beutelſchneider / oderſahe / kehrete ſie wider vmb nach Chaſtres / vnd hat - te kein Hoffnung mehr / als die Verzweifflung: Dan̄ jre Mutter ſolte den nachfolgenden Sam̄s - tag hingerichtet werden.

Was geſchicht aber hierauff ferꝛners? Die Tochter weiß / daß der Koͤnig nahe vmb die Statt herumber iſt auff der Jagt: Derhalben ſo machet ſie ſich Freytags ſehr fruͤ auff / den Tag zuvor / ehe jhre Mutter ſolte hingerichtet werden / vnd trifft den Koͤnig vier Meylen von der Stadt an / vnnd als ſie jhn erſihet / thut ſie jhm ein Fußfall / bittet vmb gnad vnd verzeyhung / daß er doch der jent - gen / von welcher ſie das Leben hab empfangen / das Leben woͤlle ſchencken: Da verwundert ſich nun jederman uͤber diſer Tochter vngewoͤnlichen hertz - hafftigkeit / vnd wie der Koͤnig ein Spiegel iſt der Guͤte / vnd ein Contrafaict der Barmhertzigkeit / alſo / nach dem er von jhrer Mutter Sachen ſich gnugſam hatte berichten laſſen / lobet er dieſer jun - gen vnd ſchoͤnen Tochter hertzhafftigkeit / vnd er - theilet jhr Gnade voꝛ jhre Mutter. Der Blutrich - ter zu Chaſtres / weil er weiß vnd hoͤret / daß die Tochter hin zum Koͤnig iſt gegangen / jhn fuͤr das Leben der Mutter anzuruffen / nimmet er jm vor / er woͤlle deß Morgens fruͤh / nemblich den Sam̄s - tag / die gedachte Frau hinrichten laſſen / wider die allgemeine Gewonheit in Franckreich: Dann in Iialien richtet man die Vbelthaͤter deß Mor - gens hin: Aber in Franckreich pflegt man ſie nach Mittag hinzurichten: Welches / als es die Tochter erfaͤhret / kommet ſie wider zu dem Koͤnig / vndbittet275Diebs Hiſtorien / das I. Buch.bittet jhn / er woͤlle doch einen ſeiner Leibtraban - den oder Offieirer hin ſchicken damit die Execu - tion mit jhrer Mutter verhindert werde: Dann es ſey gewiß daß der Blutrichter ſie Morgens fruͤ werde vnd woͤlle hinrichten laſſen. Weil nun der Koͤnig nach ſeiner Vollkommenen engenen Ge - walt vnd Macht diſer Tochter will gefallen erzei - gen / ſchicket er einen von ſeinen Capitainen hin / deß Sambſtag ſehr fruh / welcher das Weib ſchon auff der Galgenleyter findet / errettet jhr das Le - ben / weiſt dem Blutrichter die Gnade deß Koͤ - nigs / ſo er mit eygener Hand vnderſchrieben vnd verſiegelt hatte.

Vnter deſſen aber / da Deſpreau darvon kom - met / fuͤhrete er kein beſſer Leben als zuvor (dann wie ich auch zuvor hab angeruͤhret / ſo lieſſe es ſich mit jhm anſehen / als wann er von ſeiner Geburt an zum Galgen were verordnet) ja die jenige / wel - che ſehr mit jhm ſeyn vmbgangen / haben das ſel - ber von jhm geſagt / daß / wan̄er jey in ein Wirts - hauß oder ſonſten an einen Ort kom̄en / er nichts anders habe pflegen zuthun / als an die Waͤnde / welche gemeiniglich der Narꝛen Papier ſeyn / Galgen vnd Raͤder zu mahlen / als wolte er damit zuverſtehen geben / daß er zum Galgen vnd hen - cken ſey geboren worden.

In dem aber das alles oben angeruͤhrte mit dem Weib / ſo jhm das Leben hatte errettet / vor - gienge begab er ſich gen Paris / in die Gaſſen S. Martin / beſtunde allda eine Kammer / vnd wur - de / ich weiß nicht von was fuͤr einem Geiſt getrie -ben /276Beutelſchneider / oderben / daß er ſein voriges Blaßhandwerck der Al - chimiſterey widerumb anfienge: Vnd wie es ge - meiniglich pfleget herzugehen / daß die Alchimiſtē endlich falſche Muͤntzer werden / dieweil ſolche Leu - te wol wiſſen / wie ſie die Metallen ſchmeltzen / ſchei - den / vntereinander miſchen / die Spiritus / Quin - tam Eſſentiam / vnd andere particulariteten dar - auß ziehen vnnd bringen ſollen: Alſo fienge De - ſpreau an dem Exempel Pifiſtrati welcher den La - cedemoniern Bley vnd Zinſtuͤcker pflegte fuͤr gut Golt zu geben / nach zu folgen. Vnd nach dem er in eben ſolcher Gaſſen einen Keller beſtanden vnnd vorgeben / er wolle allerley Faß darinnen ſtellen / fienge er an zu ſchmitten / die Metallen zu vermi - ſchen / die Carteſcij zubeſchneiden / vnd auß denſel - bigen andere newe zumachen / welches er dann mit ſolchem fleiß / verſchlagenheit vnd betrug thaͤte / daß man es nicht mercken kondte: Er verſteckete ſein Muͤntzgezeug gemeiniglich in ein Faß / darin - nen er einen Hahn ſtecket / den man mit einem Schluͤſſel muſte auffſchlieſſen / vnd wann er wol - te arbeiten / thaͤte er ſein Faß vnden auff dem Bo - den auff / thaͤte die Kellerloͤcher zu / vnd fienge dar - auff an zu arbeiten vnd zu Muͤntzen: Solches Handwerck triebe er gar ein lange Zeit / vnd fan - de ſich doch nichts deſto weniger bey allen guten Geſellſchafften / die Beutel ſeiner Mitgeſellen zu erhaſchen.

Wann er wolte ein Bubenſtuͤck anrichten / gienge er deß Morgens fruͤh zu einem Kauff - mann / vnd bate / man wolte jm doch ein gut ſtuͤckTuch277Diebs Hiſtorien / das I, BuchTuch zeigen / vnd in einer Hand hatte er fuͤnfftzig oder ſechtzig Carteſcu in einem Wiſchtuch / wel - che gut waren: In der andern Hand hatte er eben ſo viel / aber welche alle falſch waren / vnd wann er vmb etwas gnugſam gemarcket hatte / zehlet er ſein Gelt auff deß Kauffmanns Laden / thaͤte ſein Wiſchtuch auff / darinnen die gute Carteſcu wa - ren / vnnd wann die Rechnung gemacht war / wi - ckelt er alles miteinander wider in dz Wiſchtuch / ſchickte den jungen / ſo im Laden ware / zu ſeinem Herꝛn / langete das ander Wiſchtuch / ſo er vn - ter dem Arm hatte / herfuͤr auff den Tiſch: Der Diener zehlete das Gelt / vnd wann er ſahe / daß es recht gezehlet war / vnd das Gelt nicht gar wol vnd gnugſam anſahe / (dann wie jhn dauchte / ſo hatten ſie es vorhin gnugſam miteinander beſe - hen) wurde er alſo betrogen.

Auff ein Zeit brachte man dem Koͤnig ein ſol - ches außbuͤndiges ſchoͤnes Rohr / daß dergleichen man ſonſten noch nie hatte geſehen: Dann man kondte es ſiebenmal nach einander abſchieſſen / vnd lude es auch mit ſieben Kugeln / welches dan̄ ein wunderbarliches ding iſt: Deſpreau / welcher ſich anname / als were er ein Schloſſer / ſuchte vnd fande auch gelegenheit dieſes Meiſterſtuͤck zu ſe - hen / vnd nach dem er es wol beſehen hatte / brachte er ſieben Tag hernacher eins dergleichen Rohr / welches auch voꝛ dem Koͤnig abgeſchoſſen / vn̄ von dem gantzen Koͤniglichen Hof hochgehalten wur - de / vnd als etliche den Deſpreau wol angeſehen / vnd ſein Rohr beſehen hatten / ſagte einer zu demandern:278Beutelſchneider / oderandern: Wann dieſer nicht ein falſcher Muͤntzer iſt / ſo ſoll es mich wunder nemen / dann er hat das anſehen darzu: Alſo triebe er nun dieſes Hand - werck ein gute geraume Zeit zu Paris Vnter vielen andern Bubenſtuͤcken aber / ſo er began - gen / machte er kundtſchafft mit eines Rentmei - ſters Diener / welchen ich allhie mit Namen nicht begere zunennen / vnd nach dem er ein gewiſſen accord mit jm gemacht hatte / gab der Diener dem Deſpreau von ſeines Herꝛn Gelt alſo / daß er all - zeit zehen Schilling zu gewinn auff einer Kronen hatte / darauff wird Deſpreau in kurtzer zeit zu einē groſſen Herꝛn / vn̄ bließ in ſeiner Alchimy mehr als er ſein lebenlang gethan hatte / biß daß er endlich erdappet wurde / da er bey einem Notario ein Ver - ſchreibung ließ machen / uͤber zwey hundert Kro - nen / ſo er wolte auff Renten legen: Dann da er den Notarium ſolte bezahlen / vnd kein anderes als falſches Gelt bey ſich hatte / gab er dem Nota - rio etliche falſche Carteſcu / daruͤber man jm dann ſo bald nach dem Kopff grieff / vnd als man jhn beſuchte / vnd noch fuͤnfftzig falſcher Carteſcu bey jhm funde / wurde er von dem Commiſſario ge - fangen gefuͤhret. Darauff gehet man in ſein Lo - ſament / vnd nach dem man alles duꝛchſuchet hat - te / gehet man endlich in den Keller / da er ſeine Sa - chen pflegte zu verwahren / vnnd findet allda ſein Schmeltzoffen / vnd andere dergleichen Werckge - zeug / vnd als er ſeiner Vbelthaten gnugſam uͤber - zeuget war worden / wird jhm das Vrtheil geſpro - chen / daß er an einen Galgen / ſo zum Creutz duTiroir279Diebshiſtorien / das I. Buch.Tiroir auffgerichtet wurde / ſolte auffgehencket werden / welches Vrtheil dann ſo bald an jm voll - zogen wurde: Als er aber auff der Leyter ſtunde / warffe man ein groſſen hauffen ſeiner falſchen vn̄ in ſtuͤck zerſchniten Carteſcu vnter das Volck auß / auff daß ja jederman den Betrug dieſes boͤ - ſen Buben moͤchte wiſſen vnd erfahren: Er be - kandte auch den Todtſchlag / vmb welches willen er hatte gemeinet / er wurde zu Chaſtres jetzund auffgehencket werden / vnd gabe allen den jenigen / ſo jhn ſterben ſahen / zu erkennen / daß wer anfan - get in der Alchimiſterey zublaſen / der thut nichts anderſt / als daß er ein Fewer auffblaͤſet / darinnen er endlich ſelber muß ſterben vnd verderben.

Das XVII. Capitel.

Von einem erſchrecklichen vnd wunderbar - lichen Todtſchlag in der Stadt Paris be - gangen von Lachaſſine / welcher hernacher auff dem Kirchhoff Sainet Jean iſt ge - radbrechet worden.

BIßweilen iſt das groſſe Gluͤck vnnd der Wolſtand / darinnen wir vns finden ein Vrſach vnſers Verderbens / vnnd die Ruh / die wir haben / iſt manchmals ein Vrſach vnſerer Vnruh: Dann deß Menſchen Gemuͤth vnd Hertz iſt vnbeſtaͤndig / vnd hat ſein wolgefal - len an der Abwechſelung: Es bleibet nimmer - mehr beſtaͤndig / wir weltzen vns ſelber auß einemvnge -280Beutelſchneider / odervngemach in das andere: vnnd das ende vnſers vermeinten Gluͤcks / iſt ein anfang vnſers Vn. gluͤcks: Wir koͤnnen deſſen eim Exempel ſehen an dem Lachaſſine / welcher viel ſchreckliche Vbeltha - ten in ſeinem Leben hat begangen: Dann wann jemals ein Menſch ſich hette wol halten / vnd auff den Weg der Tugend ſich begeben ſollen / ſo hette es diſer Lachaſſine billich thun ſollen / dann es jm wol gieng Aber wie zuvor iſt angeruͤhret worden: Die zu gar gute Tag ſeyn Vrſach vnſers ver - derbens / vnd wann wir einmal wol ſitzen / ſo kitzelt vns die vnbeſtaͤndigkeit ſo ſehꝛ / daß wir vns ver - leyten vnd fuͤhren laſſen / wohin vnſert blinde boͤſe Affecten vnd begierden vns weiſen.

Lachaſſine wohnete in der Gegend der newen Gaſſen Sainet Medric / bey einem ſehr feinen vnd ehrlichen Mann in der Statt / genannt Herꝛ Rambovillet / welcher jn lieb vnd weꝛth hatte / weil er ſahe / daß er ſo getrew vnd fleiſſig ware: Vnnd fuͤrwahr es hette der Herꝛ Rambovillet nimmer - mehr gedacht / daß Lachaſſine ein ſolches Schel - menftuͤck / wie er gleichwol hernach gethan / jhm nur ſolt in ſeinen Sinn oder Gedancken kommen laſſen: Dann wie jhr werdet vernemen / ſo war er gar ſtill vnd eingezogen / freundlich mit Worten vnd Geſpraͤchen / ja es hette einer wol von jhm ſa - gen moͤgen: Daß er were wie ein Contrefait der Guͤte vnd Freundlichkeit: Aber man muß nicht allzeit auff das euſſerliche anſehen gehen / man ſoll nicht allzeit vnnd allein von den Menſchen auß dem euſſerlichen anſehen vrtheilen: Dann derMen -281Diebshiſtorien / das I. BuchMenſchen Geſicht iſt manchmals ein recht ver - ftelte Larven / mit welcher ſie jre Perſon im Spiel ſpielen / vnd die jenige / ſo ſie allein euſſerlich anſe - hen / betriegen.

Nun war Lachaſſine bey geſagtem Herꝛen Rambovillet Kammerdiener / wie wir zuvor an - gedeutet / vnd hielte ſich fleiſſig zu einem / genannt Monſieur deß Caves / ein ſehr frommer vnd wol - verdienter Mann / welcher fleiſſig mit jhm vmb - gienge / vnnd jhm alle ſeine heimlichſte Sachen vertrawete / dann er hette nimmermehr gedacht / daß er durch verfuͤhrung deß leydigen Teuffels ein ſolche That wie hernacher von jhm geſchahe / begehen wuͤrde.

Es begab ſich aber auff ein Zeit / daß jhn der Teuffel gar ritte vnd fuͤhrete / vnd dieweil er wu - ſte / daß der Herꝛ des Caves uͤber Feld war gan - gen / wil er in daſſelbige Hauß gehen / als inn wel - chem er wuſte / daß viel Gelt vnd Edelgeſtein war zu finden: Als er aber an die Thuͤr kommet / trifft er deſſelbigen Herꝛn des Caves Laqueyen an / vnnd da er von demſelbigen nachmals hoͤrete / daß ſein Herꝛ ſolte uͤber Feld ſein gangen ſpricht er zu jm / er habe einen guten luſt mit jhm zu eſſen / vnd ſich den Tag uͤber mit jhm luſtig zu machen / deſſen dann der Laquey auch wol zu frieden iſt: Thut jm die Thuͤr auff / gehen alle beyde miteinander in die Kuͤchen / da jhm dann der Laquey ein ſtuͤck von ei - ner Wildpret Paſteten zum anfang zu eſſen pre - ſentiret.

Hierbey iſt aber zu mercken / daß noch ein an -Tderer282Beutelſchneider / oderderer Schneider Jung war / welcher inn ſolchem Hauß wol bekandt war / vnnd kenneten ſie beyde / nemblich er vnd Lachaſſme ſich gar wol vnterein - ander / hatten auch manchmals / nach dem ſich die gelegenheit begeben hatte / miteinander geſſen vnd getruncken Als nun der Laquey ſolchen Schnei - derjungen wil holen / helt jhn Lachaſſine auff / vnd ſaget jhm / er woͤlle den Tag einmal allein mit jm eſſen vnnd ſich luſtig machen: Schicket auch den Laqueyen hin zu einem Garkoch / jhnen ein Du - tzet Bratwuͤrſt zu holen: Vnnd wann er gewuſt hette / daß er ſeinen vorgenommenen Diebſtal hette verꝛichten koͤnnen / ehe dann der Laquey mit den Bratwuͤrſten hette heimkommen koͤnnen / ſo hette ohn allen zweiffel er es ins Werck geſetzet / vnd nicht ſolche ſchreckliche That / wie wir herna - cher anhoͤren werden / an dem Laqueyen began - gen: Aber weil er ſorg hatte / es moͤchte jhm der La - quey zu bald auff den Halß kommen / ſchobe er ſein Meineydiges vornemen auff / biß auff eine andere bequemere zeit vnd ſtunde.

Als aber nun der Laquey komet / vnd die Brat - wuͤrſte bringet / ſagt Lachaſſine zu jm er ſolle ein gut Fewer anmachen / auff daß ſie die Bratwuͤrſt braten koͤnnen: Der Laquey nimpt eine gute Wel - le vnd zimlich viel Kolen / vnd machet ein ſolches Fewer / daß man auch wol ein Ochſen darbey het - te braten koͤnnen: Er zeucht etliche Kolen zuruͤck (erlaubet mir es / daß ich alle vmbſtaͤnde erzehle: Dann es iſt nichts ſo gering / das nicht wol dar - bey ſey zubedencken) legt die Bratwuͤrſt auff denRoſt.283Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Roſt. Lachaſſine aber weiß vnter deſſen nicht / wie er die Sach ſoll anſtellen / es wird jhm inn ſeinem Hertzen ſelber angſt vnd bang / er hanget zwiſchen forcht vnd verzweifflung / vnnd bedencket ſich ein gute zeit vnten im Hoff / wie er doch ſein vorge - nommenes Diebſtuͤck ins Weꝛck moͤge ſetzen / vnd weil der verdam̄te Geitz vnd die Begierd deß Gol - tes jm die Augen gar auff einmal verblendet hat - te / gehet er wie ein vnſinniger vn̄ raſender hinein in die Kuͤchen / da der Laquey war / vnd die Brat - wuͤrſt briete / nimpt einen groſſen Bruͤgel / ſo bey der Thuͤr ſtunde / vnnd ſchlegt dem Laqueyen dar - mit ſo ſtarck uͤber den Kopff / dz er auff der Wahl - ſtatt beym Fewer darnider ſincket / vnd auch ſein lebenlang kein Wort mehr redet.

Iſt das nun nicht ein erſchreckliche That / wel - che Lachaſſine jm hat vorgenommen[? ]Billich ſoll man beſchreyen vnnd beweinen dieſen armen La - queyen / weicher / da er an nichts wenigers / als an ſolchen Todtſchlag hette gedenckē koͤnnen / ſo jaͤm - merlicher weiſſe iſt ermordet worden / von dem[j]e - nigen der euſſerlich ſich ſtellete / als wann er ſein beſter Freund wer / ja der auch mit ſeinem Herꝛn ſo wol bekandt war: Wie hette doch dieſer Laquey jhm ſollen traumen laſſen / daß Lachaſſine hette ſollen mit einem ſolchē Mordſtuͤck ſchwanger ge - hen? Aber das iſt nur ein eintziges ſtuͤck ſeiner an - geſtelten vnd geſpielten Tragædien: Wir muͤſſen das gantz Spiel ſehen vnd anhoͤren / alles / was er hat auß gerichtet: Dann dieſe Hiſtorien iſt werth dz man ſie wol erwege / vnd der leng nach beſchrei -T ijbe[:]284Beutelſchneider / oderbe: Dann das kan ich in Warheit wol ſagen / daß jnnerhalb hundert Jahren dergleichen ſchreckli - che vnd vnerhoͤrte Thaten / wie jhr hoͤren werdet / in gantzem Paris nicht ſeyn vorgangen.

Als nun Lachaſſine dem Laqueyen ein ſolchen ſtreich bey dem Fewer gegeben hatte / daß er ſich nit mehr kondte auffrichten oder widerumb auff - ſtehen / nimpt er die Fewerzangen oder Fewer - klufft / welche inn der Ecken an dem Schorſtein ſtunde / vnd ſtoſt den Laqueyen in das Fewer hin - ein / bedecket jhn auch mit Kolen / biß auff den hal - ben Leib dann es ſtacken nicht mehr als der Kopff vnd die Arm im Fewer.

Da dieſes geſchehen (O es ſtehen mir die Haar zu berge / wann ich nur an dieſe Moͤrderiſche vnd Barbariſch That gedenck: Dann wie mich dun - cket / hetten es die Canibales nicht aͤrger machen koͤnnen) iſt Lachaſſine ſo verblendet vnd verfuͤhret in ſeinem Geiſt / daß er hingehet / holet ein hauffen Wellen / wirfft ſie auff deß erſchlagenen Coͤrper / vnd wil jhn zu Aſchen verbrennen / auff daß ja ſein Name vnd Gedaͤchtnuß zugleich mit dem Rauch dem Schornſtein hinauß fliehe. Aber das Fett welches von dieſem erſchlagenen Coͤrper triffet / vnd auff die gluͤende Kolen faͤlt / leſchet die Kolen vnd das Fewer / welches den todten Coͤrper zu A - ſchen zuverbrennen / angezuͤndet ware / gantz vnd gar auß: Lachaffine aber wil mit aller macht / vnd mit dem Blaßbalck das Fewer widerumb auff - blaſen / dann er bildete jhm ein / es ſey kein beſſer Mittel ſolchen Todtſchlag zubedecken vnnd zube -maͤnteln /285Diebs Hiſtorien / das I Buch.maͤnteln / als wann er den erſchlagenen Coͤrper ſo bald zu Aſchen verbrenne: Er nimpt den Blaß - balck in die Hand / blaͤſet von all ſeiner Macht / ob er koͤnne machen / daß das Fewer recht brenne: Aber je mehr er blaͤſet / je weniger da[s]Fewer wil brennen / vnd als er endlich ſihet / daß ſolcher ſein boͤſer Vorſchlag jhm nicht wil angehen / hat auch ſorg / er moͤchte daruͤber erdappet vnnd ergriffen werden / wird er ſo toll vnd raſend in ſeinem Sin̄ / daß er nit weiß / was er ſoll anfangen: Die ſchreck - lichkeit ſeines Laſters ſchwebet jhm vor ſeinen Au - gen / er ſihet / den jaͤmmerlichen Spectaael / das Gewiſſen fanget an vnd wachet jm auff uͤber ſol - chem ſeinem Mord: Er weiß bald nicht / wo er ſich ſoll hinauß wenden: Dann ſoll er den Laquey im Feweꝛ ligen laſſen vnd daꝛvon gehen / das deuchte jn erſtlich / es wuͤꝛde ſich nicht wol ſchicken: Dann er wuſte gar wol / daß jhn der Schneider / von dem wir zuvor geredet haben / hatte ſehen in das Hauß hinein gehen / vnd daß er ohn zweiffentlich der O - brigkeit ſolches anzeigen wurde: Derhalben ſo hette er jhn gern ſelber zu Pulver vnnd Aſchen verbrennet / auff daß man ſein lebenlang weder Stumpff oder Stiel von jhm hette ſehen vnd hoͤ - ren moͤgen: Aber alle ſeine Arbeit / all ſein blaſen war verlohrne Arbeit / dann die Fettigkeit trieffe - te ſo ſtarck auß dem todten Coͤrper auff das Fewer vnd Kolen / daß es jhm vnmoͤglich war / das Fewr zuerhalten vnd zu machen / daß es recht brennete.

Was thut er gleichwol aber? Es faͤlt jhm ein an derer fund ein: Er nimpt die Fewerklufft vndT iijzeucht /286Beutelſchneider / oderzeucht / ſo gut als er kan / den todten Leichnan auß der Aſchen herauſſer / halb geroͤſtet vnd halb ge - braten: Vnnd als er jhn von dannen weiter wil fortſchleppen / vnd in das heimlich Gemach[werf -] fen / faͤlt deß Laqueyen Kopff / der ſchon halb gar vnd gebraten war / gar ab von dem Coͤtper: Wie - wol nun Lachaſſine ſehr darvber erſchricket / ſol - ches ſchreckliches Specktakel zu ſehen: Dann auff einer ſeiten ſahe er den todten Coͤrper / auff der an - dern ſeiten den halb gebratenē vnd geroͤſten Kopff deſſelbigen liegen / jedoch wil er jn vollends in das heimliche Gemach werffen: Faſſet demnach mit der Hand den Kopff an dem Ort da noch ein we - nig Haar ware / welche noch nicht gar von dem Feuer abgeſenget woꝛden / laufft oben auß / vnd wil jhn in das heimliche Gemach werffen. Aber was geſchicht?

Wie das Gericht Gottes wunderbarlich iſt / al - ſo kommet jn ein ſolcher ſchrecken an / es wird jm ſo angſt vnd bang bey dem Kopff / den er mit ſei - ner Hand traͤget / daß er fuͤr groſſer bangigkeit ſo ſehr fangt an zu zittern / daß er / ſein boͤſes vorne - men zu vollbꝛingen / nicht zum heimlichē Gemach kan kommen: Heꝛtz vnd Haͤnd zittern jhm ſo ſehr / daß er den Kopff auff einem Gang laͤſt fallen / vnd bleibt er da ſtehen / als wann er auch gantz ohn - maͤchtig woͤlle werden / ſo angſt vnd bang machte jhm ſchon ſein eigenes boͤſes Gewiſſen: Dan̄ da heiſt es alſo Sequitur Nemeſis à tergo Deus: die Straff folget der Suͤnden ſo bald auff dem Fuß nach: Er gehet wie ein verjrreter Menſch imHauß287Diebshiſtorien / das I. Buch.Hauß vmbher / er kommet wider inn die Kuͤchen / das Blut deß erſchlagenen Laqueyen erſchrecket vnd naget jhn ſchon: Er wil jn nachmals in Feu - er werffen vnnd ſehen / ob er jhn zu Aſchen koͤnne verbrennen / aber als er jhn bey den Beinen wil faſſen / kan er jhn nicht tragen / er laufft wider oben auff ins Hauß / die Forche vnd Bangigkeit ſo jn wegen ſeines beg angenen Mords ankommet / ver - blendet jn gantz vnd gar / vnd macht / daß er ſelber nicht mehr weiß / wer er iſt / oder was er jhm fuͤr hat genommen: Endlich / nach dem er lang im Hauß vmbher gelauffen / vnd ſich beſorgen muß / er moͤchte noch inn dem Hauß ſelber uͤber ſeiner Vbelthat ergriffen werden / gehet er hinauff inn deß Herꝛn des Caves Kammer / ſchlaͤgt die Thuͤr ſeines Conduͤrleins mit gewalt auff vnd hoffet / er werde allda Gelt finden: Welches er dann auch gar wol hette finden koͤnnen / wann er inn ſeinem Hertzen vnd Gemuͤth nicht ſo gar wer beſtuͤrtzet geweſen: Endlich abeꝛ nimbt er ein kleins Buͤchs - lein / darinnen etliche Demant vnnd Edelgeſteine waren: Vnnd als er dieſen Schatz bey ſich geſte - cket / gehet er gantz ſchwabelhafftig vnd beſtuͤrtzet dem Hauß hinauß / ſchleuſt die Thuͤr hinder jhm zu / vnnd wird ſeiner auch kein Menſch gewahr: Dann man hatte im Hauß im geꝛingſten kein ge - ſchrey oder getuͤmmel gehoͤret: So hette auch kein Menſch jhm eintzige gedancken gemacht / daß ſol - cher ſchreckliche Mord in ſolchem Hauß were be - gangen worden / ohne allein das / daß jn die Nach - barn wol koͤnneten / vnnd hatten jhn zum offtern -T iiijmal288Beutelſchneider / odermal in ſolchem Hauß auß vnd eingehen ſehen.

Es war vmb vier Vhꝛ nach Mittag / da er auß dem Hauß gieng / vnd weil er nicht ſo bald wider - vmb wolte in ſeines Herꝛn Hauß gehen / gienge er vor die Pforien ein wenig ſpatziren / damit jm die ſchwere Gedancken vergehen / vnd er widerumb ein wenig beſſer moͤchte zu ſich ſelber kommen: Aber es war alles vmb ſonſt / ſein Gewiſſen nagete vnd plagete jhn gar zu ſehr: Er kondte kein ruh in ſeinem Hertzen haben: Dan̄ wie Virgilius ſchrei - bet / ſo haben Tiſiphone vnd Alecto in jhren Haͤn - den Geiſſel / Raͤder / Galgen / Stricke zu ſtraffen die jenigen / welche ſich den Suͤnden gantz vnd gar ergeben Er ſahe ſtarꝛ mit ſeinen Augen / ſein Ge - ſicht war nicht mehr / wie zuvor / alle ſeine Glieder zitterten jhm / vnd war er in einer ſolchen vnauß - ſprechlich groſſen forcht / daß er auch nit getraw - te hinder ſich zu ſehen: So ſehr hatte er ſorg / er moͤchte jetzund angegriffen vn̄ gefangen werden / dann es daͤuchte jhn alle ſtunde vnd augenblick / der Blutrichter were jhm mit ſeinen Leuten auff den Ferſſen / vnd wolten jhn jetzund angreiffen.

In ſolche vnaußſprechliche groſſe forcht geraͤth der jenige ſo / vbels begehet / dann ſein eigenes Ge - wiſſen verraͤthet vnd ſoltert jhn / ſein Gewiſſen geuſt jhm tauſent kalte ſchrecken vnd forcht in die Seele / vnd ſtellet jhm allezeit fuͤr Augē die ſchreck - lichkeit / vnd den Grewel ſeiner Suͤnden / in ſeiner Seel kan er weder raſt noch ruh haben / wann er hoͤret ein Blaͤtlein rauſchen / ſo duͤncket jn / man wolle jhn fangen / vnd der Himmel woͤlle auff jhnfallen289Diebs Hiſtorien / das I. Buch.fallen: Ein kieines Kind das jhn anſihet / erſchre - cket jhn / er dorfft niemands gehertzt anſehen / er hat ſorg / wann jhn jemands recht anſihet / moͤchte er erſchrecken / roth werden / vnnd jederman dar - nach mercken / daß er dieſes oder jenes uͤbel be - gangen habe.

Die Fraw im Hauß / welche ſo bald jhm anſi - het / daß er gantz verfuͤhret vnd beſtuͤrtzet iſt / ſihet jhn recht an vnter die Augen: Verwundert ſich / daß er ſo gar trawrig vnd elendig wider ſeine alte gewonheit außſihet: Vnnd dieweil ſie ſich ſo gar nicht weder in ſeine Geberde / noch in ſeine Wort kan richten / ſpricht ſie zu jhm / er muß voll ſeyn / vnd ſoll gedencken / daß er jr hinfuͤr nicht mehr zu Tiſch kaͤme / auff ſolche weiſe: Dann die zwantzig gantzer Jahr / da er bey jhrem Herꝛn gedienet / hat - te ſie jhn nicht ſo beſtuͤrtzet / noch in gedancken alſo verfuͤhret geſehen: Ja die andere Diener alle im Hauß meineten nicht anders / dann er were gantz naͤrꝛiſch vnnd vnſinnig worden: Dann ſie ſahen wol / daß er nicht zu viel Wein getruncken hatte. Sein Herꝛ Rambovillet fraget jhn ſelber / wo er herkomme / wo er zu Mittag geſſen / oder deß Mor - gends gefꝛuͤhftuͤcket hatte: Aber darauff gab er kei - ne andere antwort / als / er wer nirgends / vnd an keinem andern Ort / als in ſeinem Conduͤrlein ge - weſen / da wer er ein wenig entſchlaffen: Summa ſie wuſten alle miteinander nicht / was das bedeu - tet / daß Lachaſſine ſo wunderbarlich veraͤndert ware: Dann ſonſten war er frewdig / hurtig / lu - ſtig / freundlich vnd geſpraͤchlich / vnd wuſte allzeitT vetwas290Beutelſchneider / oderetwas vorzubringen / daß man daruͤber lachen muſte: Wer jhn nur anſahe / der kondt ſelber ge - dencken vnnd die rechnung machen / es muͤſte ein vnverſehenes groſſes Vngluͤck darhinder ſtecken / aber man kondte nicht auff die Spur kommen / vnd der Sachen grund erfahren.

Hierbey iſt abermals zu mercken / daß in dem / daß Lachaſſine nit allein wolte mit dem Laqueyen in deß Herꝛen deß Caves Hauß die Bratwuͤrſte braten / ſondern auch in dem / daß er / den erſchlage - nen Laqueyen zu Pulver vnnd Aſchen zuverbren - nen / hernacher ein groſſen hauffen Wellen ins Fewer warffe / vnd alſo ein groſſes Fewer machte / ein Fuͤncklein ſich oben im Schornſtein anhen - cket / vnd drey oder vier ſtunde ja ſo lang gluͤmme - te / biß daß endlich der gantze Schornſtein / welcher voll Ruſſes / vnd alſo in langer zeit nicht war gefe - get woꝛden / darvon angienge: Dieſes iſt zwar der Hiſtorien nicht zu wider / ſondern wol glaublich / jedoch / was mich anlanget / halt ich gaͤntzlich dar - vor / daß ſolches von etwas hoͤhers iſt herkommen: Vnd daß / nach dem Lachaſſine auß dem Hauß iſt hinauß gangē / vnd hat den Laqueyen halb gebra - ten im Fewer laſſen ligen / es Gott der Herꝛ ſelber geſchicket / daß ſich das Fuͤncklein am Schorn - ſtein gefangen / vnd darauff der Schornſtein iſt angangen / auff daß durch ſolches Mittel der Tod - ſchlag offenbaret / vnd hernach auch ernſtlich ge - ſtraffet moͤchte werden Ein anderer mag nun vr - theilen / wie er ſelber wil / das iſt mein meynung / das ſeyn daruͤber meine gedancken.

Das291Diebs Hiſtorien / das I, Buch

Das Volck / als es das Fewer in deß Herꝛen des Caves Schornſtein ſihet / fanget an zu ſchreyē / lauffet zuſammen / daß man das Fewer leſche vnd dampffe. Aber als ſie zu der Haußthuͤr kamen / vn̄ in das Hauß woͤllen / iſt kein Menſch da der da be - gehret auffzumachen: Die Nachbarn wuſten wol / daß der Herꝛ mit ſeiner Haußhaltung war uͤber Feld gezogen / vnnd daß niemands mehr daheim war geblieben / als der Laquey / daß er das Hauß ſolte verwahren: Aber ſeyd Morgen fruͤh hat man jhn nicht ſehen auß oder einge - hen / man hatte auch kein Thuͤr auffgeſehen: Derhalben ſo hielten ettliche darfuͤr / der Laquey wuͤrde im Hauß darinnen ſeyn / vnd hart ſchlaf - fen / ſagten / man ſolte etwas ſtaͤrcker anklopf - fin: Man klopffet auch an der Thuͤr mit Ham - mern vnd mit Steinen / aber der arme Tropff kondte nicht antworten oder auffthun: Dann es war jhm nicht allein ſeine Zunge gebraten / ſon - dern ſein Kopff lage hie vnd ſein Leib dort an ei - nem andern Ort im Hauß.

Als nun im Hauß niemands ſich reget oder antwortet / ſagen etliche / es werde vielleicht der La - quey ein weil ſpatzieren ſeyn gegangen / werde das Fewer nicht wol verwahret haben / wie manch - mals dergleichen Fewersbrunſte durch fahrlaͤſſig - keit der Dienſtboten entſtehen.

Vnder deſſen aber ſo wird das Fewer je lenger je groͤſſer / das Volck laufft zuſammen je lenger je mehr / vnd wil endlich die Haußthuͤr mit gewalt aufflauffen / alſo daß ſie ſolten zuſehen / vnd dasHauß292Beutelſchneider / oderHauß gantz abbren̄en laſſen welches auch ſo bald geſchicht / wiewol etliche Nachbarn nicht darin̄en wolten willigen / auch nicht zulaſſen / daß ohne vn - derſchid jederman hinein lieffe / wegen deß ſchreck - lichen ſtelens vnd raubens / ſo bey dergleichen Feu - ersbrunſten pflegen zu geſchehen.

Aber ſolches hilfft nichts / man laufft mit groſ - ſem hauffen hinein / man thut die Schloͤſſer auff / man macht Tag / zu ſehen / woher das Fewer ſey kommen vnd entſtanden: Als man aber in die Kuͤ - chen hinein kommet / vnd ſihet den erbaͤrmlichen Spiegel / das jaͤmmerliche Spectackel / ein halb verbrandten todten Coͤrper / ohn Kopff vnd Arm / die Kolen von Fettigkeit vnd Blut von deſſen ar - men Coͤrper da fangt jederman an zu ſeufftzen vn̄ zu klagen / es weiß keiner / was er darzu ſoll ſagen / man ſihet ſich allenthalben vmb / auff einer ſeiten findet man die Bratwuͤrſte / auff der anderen ſei - ten den Roſt / ein ſtuͤck von einer Wildprets Pa - ſteten auff dem Tiſche / etliche zerſchlagene Glaͤſer / ein groſſen Bruͤgel an der Kuͤchenthuͤr: Vnd alle die jenige / welche den Todtſchlag betrachteten / wurden ſo beſtuͤrtzet daruͤber / als wan̄ ſie ein Don - nerſchlag getroffen haͤtte: Sie ſeyn daruͤber ſo be - ſtuͤrtzet / daß ſie viel mehr den Steinernen vnbe - weglichen Seulen / als vernuͤnfftigen Creaturen gleich ſeyn: Sie haben zwar ſo viel verſtanden / daß ſie ſich alle uͤber ſolche ſchreckliche That ver - wundern / aber ſie koͤnnen nicht e[r]ſinnen noch außdencken / wer ſolchen Todtſchlag begangen moͤge haben.

Man293Diebs Hiſtorien das I. Buch.

Man laufft in dem Hauß auff vnd ab / vnd fin - det auff einem Gang deß Laquenen Kopff / deß Herꝛn des Caves Kammer / vnd ſeine Laden ſe[y]n alle zerbrochen vnd auffgeſchlagen: Darauff ſagt nun jederman: Es koͤnne nicht anders ſeyn / es muͤſſen noch Diebe im Hauß ſeyn / es ſey auch von noͤthen daß man nachfrage / wer doch ſolchen ſchrecklichen Mord moͤge begangen haben.

In dem man aber am Fewer arbeitet vnd le - ſchet / daß es nicht weiter moͤge vmb ſich greiffen / wie es dann den Nachbarn ſchon ein groſſen ſchrecken angethan hatte / lauffet jederman herzu / als das geſchrey von ſolchem Todtſchlag offenbar wird: Wer es ſihet / der verwundert ſich uͤber ſolche ſchreckliche vnd mehr als Barbariſche Thate / viel woͤllen oder koͤn̄en nicht glauben / daß ein Menſch vnter der Sonnen ſolch ſchreckliche Thaten zube - gehen jhm ſolte haben vornemen koͤnnen.

Es wird dieſes ſo bald der Obrigkeit angezei - get / welche jhr Ampt thut / laͤſt alle vmbſtaͤnde / vnd particulariteten wol außfragen / beſihet das Hauß ond todten Coͤrper: Fraget die Nachbarn / wer der jenige ſey / ſo in ſolchem Hauß fleiſſig auß vnd ein - gehe: Vnd als ſie ſagen / es ſey ein Schneider / der nicht weit darvon wohne / wird er ſo bald beym Kopff ergriffen: Aber / als er ſich erklaͤret / daß er der Thaͤter nicht ſey / gibt auch deſſen vnfehlbarli - che Merckzeichen / fuͤhret man jhn nicht auff das Chaſtelet / biß daß man der Sachen beſſern grund moͤge haben.

Was nu den Schneider ſelber anlanget / hat ernim -294Beutelſchneider / odernimmermehr gemeinet oder gedacht / daß Lachaf - fine ſolchen Mord ſolte begangen haben: Dann er ſahe jhn taͤglich in ſolchem Hauß auß vnd einge - hen: Vber das bedorffte er deß ſtelens nicht / dann ſeine Sachen ſtunden wol / vnnd gieng jhm ſehr wol: Gleichwol als die Obrigkeit dem Schneider ſo hart zuſetzet / ſpricht vnd bezeuget er / er habe deß Morgends zwiſchen neun vnd zehen Vhrn / ein[e]n in ſolches Hauß ſehen gehen / der hieß Lachaſſine / halte ſich an einem ſolchen Ort / vnd bey ſolchem Herꝛen auff: Habe auch geſehen / daß der Laquey Bratwuͤrſte habe geholet / welches dann auch be - kraͤfftiget wird / durch den Garkoch / welcher eben ſolches auch ſagte.

Nun war es zimlich ſpat / vnd zu ſolchem Herꝛn Rambovillet ſolchen tag noch zugehen / wer gar zu weit geweſen: Derhalben wird es auff den mor - genden Tag verſchoben / in welcher Zeit vnter deſ - ſen Lachaſſine wol ſich haͤtte auß dem Staub dar - von machen koͤnnen / wann nicht Gott ſelber / als ein gerechter Recher der Suͤnden vnd Vbeltha - ten jhn haͤtte auffgehalten / damit er nach der ſcherpffe deß Geſetzes moͤchte geſtraffet werden / vn̄ andern zu einem Exempel vnd Beſſerung dienen / ſonderlich aber denen / welche den Tugendweg ver - laſſen / vnd ſich auff den verdamblichen Suͤnden - wege begeben.

Lachaſſine bildet jhm eyn deß Nachts / als er in ſeiner Kammer allein war / daß weil jn niemands haͤtte ein oder außgehen ſehen / ſo wuͤrde nimmer - mehr kein Menſch an jhn gedencken / oder ein arg -wohn295Diebshiſtorien / das I. Buch.wohn auff jhn werffen: Aber GOtt / der biß auff den grund vnſers Gewiſſens ſihet / vnnd wie der Prophet ſaget: Qui ſerutatur corda & renes, der Hertzen vnd Nieren pruͤffet / der weiß wol / wie vnd wann er vnſere heimliche begangene Suͤnde ſoll offenbaren / vnd an das Liecht bringen.

Allhier iſt vnmoͤglich zuerzehlen / die groſſe angſt vnnd bangigkeit / welche dieſer Moͤrder dieſelbige Nacht / als er hernacher in ſeine Schlaffkammer allein kame (wie er ſolches hernacher ſelber hat be - kandt) außſtunde: Dann da dauchte jhn / er ſehe die verbrandte Zunge vnd Haͤnde deß armen La - queyen / welchen er erſchlagen hatte / die ſchrien Rache uͤber jn / vmb ſein Beth herumber / welches jhn dan̄ nicht wenig beſtuͤrtzet machte / ja es wurde jhm daruͤber ſo bange / daß er nicht wuſte / wo er ſolte bleiben: Bald ſtunde er auß dem Beth auff / bald legte er ſich wider nider / ja hatte die gantze Nacht weder raſt noch ruh: Als aber der Tag her - bey wider kame / vergiengen jm zwar ſolche ſchwe - re Gedancken / welche jhm deß Nachts im Traum fuͤrkommen waren / aber im geringſten nicht die groſſe forcht / welche er hatte / wegen der Straff / die jhm noch vmb ſeines Mords willen widerfah - ren wurde.

Wiewol aber jnnerlich vnd in ſeinem Hertzen jhm ſo angſt vnd bang iſt / ſtellet er ſich doch euſſer - lich viel anders / folget ſeinem Herꝛn allenthalben / wo er hin wil gehen / nimpt ſich nicht an / daß jhm ſein Hertz ſo ſchrecklich klopffe / angſt vnd bang mache: Sein Herꝛ begibt ſich zur Kutſchen / vndwil296Beutelſchneider / oderwil wegen etlicher Geſchaͤfften an einen Ort fah - ren / Lachaſſine folget jhm nach: Aber als ſie mit - ten auff der Gaſſen ſeyn / kompt der Blutrichter daher / mit fuͤnff oder ſechs Schuͤtzen / befihlet dem Kutſcher er ſoll ſtill halten / gehet zu dem Herꝛen Rambevillet / gruͤſſet jhn freundlich vnd bittet jn / er wolle es jhm doch nicht fuͤr vngut auffnemen / daß er ſein Kutſcher hab ſtill halten laſſen: Fra - get jhn / ob er nicht einen bey ſich habe / der Lachaſſi - ne hieſſe? Herꝛ Rambovillet wendet ſich vmb / vnd zeiget jhm den jenigen / den er ſuchete: Welcher ſo bald daruͤber verbleichet / vn̄ hernacher widerumb roth wird / vnd gibt mit ſeinem Geſicht zuverſte - hen / wie jhm in ſeiner Seel vnd Hertzen were / der Herꝛ Ramborillet fraget / warumb er nach ſeinem Diener Lachaſſine frage? Darauff wird jhm ge - antwortet / daß den geſtrigen Tag ein ſchrecklicher Todtſchlag in dem Hauß deß Herꝛen des Caves ſey begangen worden / vnd fall der Argwohn vnd Muthmaſſung auff Lachaſſine / daß er ſolches Mords ſchuldig ſey / als der denſelbigē Tag eintzig vnd allein in ſolchem Hauſe ſey auß vnd einge - gangen / habe auch die Thuͤr hinder jhm ſelber zu - geſchloſſen / vnd ſey ſonſten den Tag kein Menſch mehr in das Hauß kommen.

Als nun Lachaſſine ſo viel Schuͤtzen vmb ſich ſihet / vn̄ reden wil / faͤlt er vmb im reden / doch laͤu - gnet er ſteiff vnd veſt / er hab die That nicht began - gen: Sein Herꝛ ſihet jhn an / vnd als er ſihet / daß er ſo ſchranckelt / ſagt er zu jhm / er ſoll ſein Gewiſ - ſen wol bedencken / wann er ſich ſchuldig befinde:Dann297Diebs Hiſtorien das I. Buch.Dann er wuͤrde der Obrigkeit nicht wehren koͤn - nen daß ſie jhn Feſt machten / vnd gefaͤnglich ein - zoͤgen / were er aber vnſchuldig / ſo koͤndte er ſich all - zeit noch vertheidigen / vnd er wolte jhm hiermit verheiſſen / daß er jhm nach euſſerſten vermoͤgen beyſtehen wol e. Aber er wirdt hierauff: Feſt ge - macht vnd gefangen gefuͤhret.

Vnder deſſen aber kompt der Herꝛ des Caves wider heim / ſihet den ſchrecklichen Mord / ſo vnder deſſen in ſeinem Hauß war begangen worden vn̄ als er nachfraget / hoͤret vnd erfaͤhret er / daß La - chaſſine ſolches ſoll gethan haben / daruͤber er ſich dann nicht gnugſam kan verwundern / dann er hatte jhn lenger als zehen gantzer Jahr gekandt / daß er ſich wol verhalten hatte.

Er laͤſt jhn peinlich anklagen / aber der ander gehet allzeit den groſſen Weg von Rochelle gen Nioꝛt / vn̄ duꝛch ein hauffe ich weiß nicht was fuͤr Leute vnderſtehet er ſich (wie das ſprichwort lau - tet / cornicum oculos configere, das iſt / mehr als die alte wiſſen vnd thun / als wan̄ die alten gar nichts gewuſt / oder gar Narꝛen ſeyen geweſen) die Richter zubetriegen / vnd jhre ſpitzfindigkeit abzulernen: Er wird Examiniret / vnd wird jhm der Schneider vor Augen geſtellet / welcher auß[ſ]a - get / er habe jhn eben denſelbigen Tag in das Hauß ſehen hinein gehen / vnd er hab auch den Laqueyen verhindert / daß er nicht zu jhm ſey kommen vnd jhn / den Schneider / nicht habe zum fruͤheſſen ge - betten / auff daß er allein ſein Bubenſtuck habe deſto vnverhinderter verrichten koͤnnen: Aber La -Vchaſſine298Beutelſchneider / oderchaſſine laͤugnet jmmer fort / vnd braucht all ſein Verſtandt / alles was jhm ward zugeſchrieben / zu widerlegen.

Der Herꝛ des Caves beſihet ſein Conduͤrlein vnd Laden / zu ſehen / was jhm moͤge geſtolen ſeyn worden: vnd findet endlich / daß jm einkleines Laͤd - lein voll Demant / Ketten vnd andern Jubeln iſt geſtolen worden[:]So bald gehet man darauff inn die Schlaffkammer deß Lachaſſine bey dem Her - ren Rambovillet / vnnd findet auff deß Moͤrders Tiſch das kleine Laͤdlein mit Demant / vnd daß im geringſten nichts auß dem Laͤdlein mangelt / vnd das war hernacher mehr als zu viel Beweißthum wider jn: Es ſahe vnd erkandte darauß jederman / daß er die That begangen hatte: Man ſpannet jn hierauff auff die Folter / aber / als er die Folter noch nicht recht geſchmackt hatte / bekennet er alles / wie er den Laqueyen vmbgebracht hatte / berewet vnd beweinet ſeinen ſchweren Fall / daß er ſich durch den Teuffel ſo gar hatte verblenden vnnd verfuͤh - ren laſſen: Dann biß auff ſolche Zeit / hatte er ſich allzeit / ehrlich / wol vnd vnſtraͤfflich verhalten / es war auch nicht ein eintziger Menſch / mit dem er jnnerhalb zwantzig Jahren war vmbgangen / der jhm das geringſte hette vorwerffen koͤnnen.

Endlich iſt jhm ſein Vrteil geſprochen / vnd er auff dem Kirchhoff Sainct Jean hingerichtet worden / in gegenwart eines vnzehlichen groſſen Volcks / welche von allen Orten dahin kommen waren / jhn zu ſehen: Er war ein ſehr ſchoͤner wol proportionirter Menſch / vngefehr viertzig Jahralt:299Diebshiſtorien / das I. Buch.alt: Viel verwunderten ſich / als ſie jhn auff dem Richtplatz ſahen / dan̄ weil er ein ſolche ſchoͤne an - ſehnliche Perſon war / hette man nimmer meynen oder gedencken ſollen / daß er ein ſolche ſchreckliche That hette begehen ſollen: In ſeinem Todt bezeu - get er mit der That ſelbſten / wie es jhm ſo hertzlich leyd were / daß er ein ſolche ſchrecklich That hatte begangen / vnd gab zuverſtehen / daß der jenige / der Gott verlaͤſt / vnd durch freventliche Suͤnde vnd Laſter von jhm abweichet / endlich in ſolches Vn - gluͤck fallet / welches jm zu ewigem ſchimpff / ſpott vnd ſchand gereichet vnd außſchlaͤgt.

Das XVIII. Capitel.

Von einem andern vnerhoͤrten Mord zu Paris / in der Gaſſen du Temple began - gen / von einem Ertzrauber / genandt Bo - ree / vnd wie er endlich iſt erdappet worden.

INdem vorhergehenden Capitel habt jr angehoͤret ein erſchreckliche Hiſtorien / welche von lauter Menſchenblut / gleich - ſam zu reden / iſt gefuͤllet vn̄ geſpicket geweſen: In dieſem Capitel werdet jhr eine Hiſtorien verne - men / welche eben ſo ſchrecklich / als die vorige iſt: dann da werdet jhr hoͤren / wie ein armer alter Mann von ſeinem eigenen Knecht iſt erſchlagen worden / vnd hat man in etlicher Zeit nit darhin - der kommen koͤnnen / wer ſolchen TodtſchlagV ijhatte300Beutelſchneider / oderhatte begangen. Zwar was die vorige Hiſtorien anlanget / ſo iſt ſie viel jaͤmmerlicher vnd trawri - ger / auch vil friſcher vnd erſchrecklicher: Aber die - ſe iſt nicht weniger / als die vorige warhafftig ge - ſchehen / wiewol ſie nicht ſo new vnd friſch iſt: Die jenige / welche ſie geſeben vnd gehoͤret haa en / vnd welche noch bey der Pforten Sainet Maꝛtin woh - nen / koͤnnen einem gewiſſe Zeitung darvon ſagen vnd erzehlen.

Ihr ſollet derhalben wiſſen / daß nah bey dem Ort du Temple vor etlichen Jahren wohnete ein Buͤrger / welcher zwar gar reich / aber noch ledig vnd vnverheurahtet / doch ſchon eines zimlichen Alters war / welchen ich Merinthe wil nennen: Derſelbige hat ſeine Jugendt zugebracht mit Reiſen / daß er die Land beſehen / vnnd darbey ſich auch luſtig gemacht hat / vnd hatte einen Diener / genandt Boree / welcher / wie ſolches dann einem ehrlichen Diener anſtehet / ſeinem Herꝛn trewlich dienete / vnd wie er ſich erſtlich ſo fleiſſig vnd trew - lich erzeigete gegen ſeinem Herꝛn / hette niemants ſein lebenlang gedacht / daß eꝛ ſolche Vbelthat / wie hernacher geſchahe / im in ſeinen Sinn ſetzen vnd vornemen wurde. Als er aber nun ſeinem Herꝛn ein Zeitlang gedienet hat / name er jm vor in den Eheſtand zu tretten / vn̄ ſich zuverheurathen / wel - ches dann ſeinem Herꝛn nicht zuwider war / ſon - dern viel mehr wol gefiele: Dann er ſein Herꝛ ſu - chet ſeines Dieners wolfahrt ſelber / vnd war jm auch im anfang ſeiner Haußhaltung mit vnd in vielen Sachen bedienlich.

Als301Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Als er nun verheurathet war / gieng er nichts deſto weniger in ſeines Herꝛn Hauß ein vnd auß / kam offter mals mit ſeinem jungen Eheweib zu ſeinem Herꝛn / vnd beſuchte jhn inn allem guten: Aber die Geſellſchafft vnd Gemeinſchafft / welche er mit einem hauffen leicht fertiger vnd Gottloſer Voͤgel hatte vnd hielte / machte / dz er auch leicht - fertig vnd Gottloß wurde / ja verurſachte jhn / daß er es nicht beſſer als ſeine Geſellen machte / das iſt / daß er ſich auch auff die boͤſe ſeite legte / vnd zu rauben vnd ſtelen anfienge.

Nun iſt allhie zumercken / daß dieſer gute alte Merinthe nicht verheurater / ſondern noch ein al - ter junger Geſell war / wolte ſich auch nicht ver - heurath en / wiewol ſeine Freunde jhm ſtetigs deß - wegen anlagen: Dann ſie hielten jhm fuͤr / daß er gleichſam wie ein Vieh lehete / daß er keine Geſell - ſchafft hette / deren er ſich vertrawen kondte / vnnd daß er ſich ſelber beraubete der eꝛgetzlichkeit / welche man im Ehſtandt hat / vnd die Natur ſelber vns preſentiret vnd anleytet.

Aber auff alle dieſe Bedencken / warffe vnd ſtel - lete Merinthe jhnen vor das Vngluͤck vieler Ehe - maͤnner / welche bißweilen im Eheſtand nit Wei - ber / ſondern gar Teuffel antreffen vnd bekommen / vnnd welches vmb jhrer ſchoͤnen Augen willen vielem Elend vnnd Vngluͤck muͤſſen vnterwor f - fen ſeyn: Ja er gab jhnen deſſen nicht allein viel / ſondern auch zugleich friſche vnnd erſchreckliche Exem pel / alſo daß ſie / die Freunde ſelbſten geſte - hen muſſen / daß manchmals auß dem EheſtandV iijgroſſes302Beutelſchneider / odergroſſes Vngluͤck vnd Hertzenleid pfleget zuerfol - gen / wann man ſich nicht weiß recht darein zu - ſchicken.

Vnd fuͤrwahr ſo ſehen wir alle Tag / wie es in dem Eheſtand hergehet / daß ſich viel wegen deß ſtaͤtigen zanckens von einander ſcheiden / da gibts allerley vnwillen / trackeln vnd gezaͤnck / welches fuͤr wahr die eheliche Lieb / ſo billich zwiſchen Man̄ vnd Weib ſeyn ſoll / gantz vnd gar außlaͤſchet.

Wann einer darnach verheurathet iſt / ſo muß ſich einer darinn ergeben / daß er dermals eins ſich auch noch werde begeben muͤſſen / in die Bruͤder - ſchafft deren / ſo jhrer Weiber Hurendeckel ſeyn / welche Bruͤderſchafft denn in der Welt gar groß iſt / vnd ſich allenthalben außgebreitet hat: Ja daß er allemal ſich muͤſſe buͤcken / wann er eine Thuͤr wil hinein gehen / damit jhn ſeine Hoͤꝛneꝛ / deꝛ Thuͤꝛ hinein zugehen / nicht verhindern / vnd da gebe ich es euch ſelber vernuͤnfftig zu bedencken / was das vor ein Luſt vnd Ergetzlichkeit ſeyn mag / wann ei - nem Mann / wie dem Actæoni / Hoͤrner auff dem Kopff wachſen / vnd er ſeines Weibs Hurndeckel ſeyn ſoll: Wie man denn ſagt von denen zu Com - piegne / welche alle ſechs Monat Waͤgen voll Hoͤr - ner zu ſchicken / vnd iſt das gewiß / daß ſie gantz Chaſtelleraut zehen gantzer Jahr / von heut an zu rechnen / mit Hoͤrnern verſehen koͤndten / wan̄ ſie ſchon alle Tag an tauſend Meſſer die Haͤffte ma - chen ſolten.

Solche bedencken waren Vrſach / daß Merin - the ſich nicht wolte oder begerete zuverheurathen /vnd303Diebshiſtorien / das I. Buch.vnd verachtete den guten Rath ſeiner Freunde: Welche als ſie ſahen / daß er ſo gar eigenſinnig war / vnd jnen nit wolte folgen / jn auch verlieſſen vnd ſich ein wenig zu jhm hielten: Vnter deſſen a - ber ſo vnterlieſſe er nit ſich luſtig zumachen / vnnd hielte allzeit eine ſchoͤne Magd / welcher er das hal - be Theil ſeines Bethe liehe vnnd wann er her - nach jhr das Baͤllichen hat auff geblaſen / vnd das Baͤuchlein gefuͤllet / gab er jr zwey oder drey hun - dert Kronen: Da kam dann ein armer einfaͤltiger Tropff / vnd kauffte Kuh vnd Kalb miteinander / fragete auch nicht viel darnach / wann ſchon ſeine Schewer voll war fuͤr der Seezeit / wann er nur Gelt bekame / ein kleines Kraͤmlein darmit anzu - fangen.

Boree war auch auff dieſe weiſe genarꝛet wor - den / doch fragte er nichts darnach / daß jhm ſein Herꝛ den Weg gezeiget hatte / weil er ſeines ſcha - dens ergetzet wurde: Dann von ſeinem Herꝛn be - kame er vier hundert Kronen zur Haußſtewer / nit allein wegen ſeiner trewen Dienſten / ſo er ſeinem Herꝛn lange zeit bewieſen hatte / ſondern auch we - gen ſeines Weibs / welche deß Herꝛen Merinthe Magd war geweſen.

Aber wie gemeiniglich bey ſolchem Gelt kein Gluͤck oder Segen iſt / vnd das Gut vnd Gelt / ſo von der lincken ſeiten herkommt / nit auff die rech - te ſeiten wil kommen: Alſo hatte Boree in kurtzer Zeit alle ſolches Gelt / mit einem hauffen Gottlo - ſer leichtfertiger Voͤgel vnd Rauber / durch die Gurgel gejaget: Dann / wie ich geſagt / ſo lage erV iiijTag304Beutelſchneider / oderTag vnd Nacht in den Wirtshaͤuſern / retzte / ſpie - lete vnd ſoffe war koftfrey / vnnd bezahlet fuͤr jeder - man: Doch hielte er ſich gegen ſeinem Herꝛn gar weißlich / vnd weil Merinthe nicht anderſt wuſte vnd meinete / als daß er ſich wol in ſeiner Hauß - haltung hielte / ließ er jhn fleiſſig zu ſich kommen / daß er entweder mit jm zu Mittag / oder zu Nacht muſte eſſen.

Nun trug es ſich zu / daß ſein Herꝛ jm vnd ſein Eheweib zum Nachteſſen geladen batte / vnd als jhm das angeſaget wurde / ließ er ſein Weib da - heim bleiben / er aber gieng zu einem Schiffman / der ſein Vetter war / vnnd noch zu dreyen andern leichtfertigen Geſellen / welche ſich von nichts an - ders / als von morden vnd rauben nehreten / zeige - te jnen an / daß er ein ſchoͤnes Neſt wuͤſte / verhieſ - ſe jnen auch / er wolte zu wegen bringen / daß ſie in ſolches Hauß / da gnug zu Beuten were / ſolten kommen. Dieſe erbare Geſellen folgen jm ſo bald nach / vnd gedenck en / ſie woͤllen entwedeꝛ Fuͤß oder Fluͤgel darvon bekommen: Es geſchahe aber mit - ten in dem Winter / da die Tage am allerkuͤrtze - ſten ſeyn / vnd wie ſie die Nacht vnd Finſternuß zu jhrem Vortheil vnnd Wegweiſer gebraucheten / alſo kamen ſie vmb ſieben Vhr / deß Abends fuͤr das Hauß / vnd klopffeten an.

Die Magd im Hauß / (welche Merinthe vn - terbielte vnd ſehr ſchoͤn war) fragte ſie / eh ſie jnen auffthut / wer ſie ſeyn / vnnd als ſie Boree ſo bald an der Stimme hoͤret vnd kennet / thut ſie jhm die Thuͤr auff / aber ſo bald die Thuͤr iſt auffgethan /kom -305Diebshiſtorien / das I. Buch.kommen zween auß jhrer Geſellſchafft vngeſtuͤm - mer weiſe hinein / greiffen der Magd nach dem Kopff / halten jhr Mund vnd Gurgel zu / daß ſie nicht reden oder ſchreyen kan: Boree aber nimpt ſeinen Dolch vnd ſtoͤſſet jhn jhꝛ zwey oder dreymal durch das Hertz hindurch / daß ſie bald Todt vmb vnd darnider faͤllt / vnd gehet dieſes alles ſo ſtill - ſchweigens zu / daß Merinthe im geringſtē nichts darvon mercket oder hoͤret / dann er war oben auff in einer Kammer.

Als nun dieſer ſtreich geſcheben / gehen ſie oben auff zu der Kammer zu darinnen Merinthe war / gleich wie die hungerige Loͤwen auff den Raub vnnd Beute: Boree aber gehet der erſte in die Kammer hinein / vnd laͤſt er vnder deſſen ſeine Mordgeſellen fuͤr der Kammer / welche auffwar - ten / biß er jhnen ein Zeichen gebe / jhr moͤrderiſche That zu vollbringen.

Merinthe / welcher meinete / Boree wer deßwe - gen zu jhm kom̄en / daß er mit jhm wolte zu Nacht eſſen / fraget in / wo ſeine Frau bleibe / dan̄ ſie pfleg - te ſonſten auch mit zukom̄en: Boree nimmet ſich an ſie ſey nicht allerdings wol auff / derhalben ſo hab er ſie nicht mit jhm moͤgen nemen / damit ſie ja nicht kraͤncker moͤchte werden: Weil nun das Eſſen ſchon auff dem Tiſch ſtunde / vnd Merinthe zu Nacht eſſen wolte / ruffet er ſeiner Magd daß ſie jhnen Waſſer auffgieſſe / die Haͤnde zu waſchen: Da nimmet Boree der Zeit wol in acht / vnd als ſich Merinthe ein wenig herumber vnd von jhm wendet / nimpt Boree ſeinen Dolchen vnd ſtichetV vdem306Beutelſchneider / oderdem Merinthe mitten in den Halß hinden hinein / daß von dem vielen Blut / ſo herauſſer lauffet / Merinthe nicht mehr kan reden / verkehret aber die Augen im Kopff / als wann er uͤber ſolches Mein - eydiges Bubenſtuͤck ſich woͤlle ſehr verwundern.

Die drey andere kommen vnd tretten darauff auch ſo bald in die Kammer hinein / vnd ſchlagen auff Merinthe zu / als wann ſie vnſinnig ſeyen: Als nu Merinthe ſihet / daß er von ſo vielen Moͤr - dern vnnd Raubern in ſeinem eigenen Hauß iſt vmbgeben / weret er ſich ſo viel vnd lang als er kan / erdappet Boree bey dem Arm / vnd beiſſet jhm in ſolcher angſt ſo hart in den Arm / daß man auch die Zeichen darnach daran ſihet: Aber alle ſein beiſſen vnd wehren iſt vmbſonſt / er kan nicht mehr vmb huͤlff ſchreyen / dann da war kein Hund oder Menſch mehr im Hauß / ſo lieffe jhm das Blut ſo ſehr dem Mund herauſſer / daß er kein Wort mehr darvor kondte reden / wurde alſo in ſeinem eygenen Hauß jaͤmmerlich ermordet / ehe dann ein eintzi - ger Nachbar das geringſte darvon haͤtte hoͤren / o - der mercken koͤnnen.

Als nun ſolches auch geſchehen / laͤſt es jm Bo - ree ſehr wenig zu Hertzen gehen / ſondern wiewol jhm die Haͤnde noch gantz blutig waren / von dem geſchehenen Todtſchlag ſeines Herꝛn / ſetzte er ſich nichts deſto weniger zu Tiſch / thaͤte / als wolte er Thieſtes oder Lycaons Bancket anftellē / von wel - chem wir leſen / dz er den Goͤttern Menſchenfleiſch zu eſſen hat vorgeſetzet: Vmb welcher vnmenſchli - chen Tyranney willen er dann in einen Wolff iſt vorwandelt worden.

Hier -307Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Hier auff fangen ſie an ſich luſtig zu machen / gehen in den Keller vnd holen den beſten Wein / ſeyn wol ſo gehertzet / daß ſie hingehen vnd nemen die Schluͤſſel von der Magd Guͤrtel / welch in dem eingange deß Hauß todt vnd erſchlagen lage / vnd als ſie die Schluͤſſel haben / ſuchen ſie das beſte / was ſie nur finden koͤn̄en / zu eſſen vnd zu trincken.

Als ſie aber auch bey vnd vor ſolchem trauri - gen Spectackel zu Nacht geſſen / ſchlieſſen ſie alle Gemach im Hauß auff / gehen von einer Kam - mer zu der andern / von einem Cabinet zu dem an - dern / vnd nemen das allerbeſte / das ſie finden / als da iſt / gemuͤntztes Gelt Ring / Silbergeſchirꝛ vnd viel andere dinge / die ſich in jhren Kram ſchicken.

Nach dem aber nun ſolches auch geſchehen / vnd ſie ire Beutel wol geſpicket / vnd ſich wol verſehen hatten / ſchlieſſen ſie das uͤbrige als gute Haußhaͤl - ter / wider hin / heben den Tiſch auff / ſetzen uͤbrige Speiß vnd Tranck an ihren gebuͤrenden Ort / den armen erſchlagenen alten Mann / der ſchon aller kalt war worden / nemen jhrer vier / der eine bey den Fuͤſſen / der andere bey dem Kopff / ſchleppen jhn in ſeine Schlaffkammer / nemen auch noch die muͤh uͤber ſich (welches ein wunderbarliches ding iſt) daß ſie jhn fein außziehen / ſetzen jhm eine Schlaff - hauben auff / vnd legen jhn in ſein Beth / daß er all - da den ewigen Schlaff moͤg ſchlaffen: Gehen hier - auff fein ſeuberlich vnd ſtill in das Hauß heraber / ſuchen die Magd / ziehen ſie ſtaubnackend auß / vnd legen ſie neben Merinthum in ſein Betth: Ver - wahren alle Thuͤren vnd Fenſter im Hauß / vndweil308Beutelſchneider / oderweil auch im Eingang deß Hauſes die Erde vnd Stein ſehr mit Blut beſpruͤtzet waren / nemen ſie Waſſer / waſchen allenthalben das Blut fein ſau - ber auß vnd ab / auff daß man ja deſto weniger an einen ſolchen Mord gedencken moͤchte: Vnd als ſolches alles geſchehen / gehen ſie in aller ſtill vmb die Mitternacht auß dem Hauß / ſchlieſſen nach jhnen die Thuͤr zu / alſo daß es kein Menſch gewahꝛ wird / oder mercket.

Zween Tag gehen darauff hin / daß kein Menſch in ſolchem Hauß weder auß oder eingehet / vnnd zwar / was die Nachbarn anlanget / ſo achten ſie es ſo hoch nicht im anfang: Dann Merinthe hatte allzeit den brauch / daß er ſeine Haußthuͤr zuge - ſchloſſen hielte: Etliche auß den Nachbarn ſa - gen / er werde vielleicht widerumb eine newe friſche Magd haben / vnd ſich in dem Hauß mit jhr luſtig machen: Etliche aber meynen / er werde vielleicht ein wenig ſeyn uͤber Feld gezogen / friſche Lufft zu ſchoͤpffen / vnd ſich zu erluſtieren / werde demnach bald wider kommen / ja ſeine Freunde achten ſol - ches ſelber nicht hoch / dieweil ſie ſeine Huͤner / Ei - genſchafft vnd gebrauch wol wuſten.

Vnter deſſen aber ſo machen ſich vnſere vier Moͤrder luſtig mit vnd von dem jenigen / das ſie in deß ermordeten Hauß geraubet hatten: Es iſt aber keiner uͤbeler ankommen / als Boree / welchen der Merinthe alſo hatte in Arm gebiſſen / daß man die Zaͤhne noch ſahe auff dem Arm ſtehen: Dann wie jhm die grewlichkeit ſeines Laſters Tag vnnd Nacht vorkame / vnd ſein Gewiſſen jhm kein ruhruh309Diebs Hiſtorien / das I. Buch.lieſſe / ſondern ſtetigs von der Straff predigte: Al - ſo war er an ſeinem Arm verletzet / vnd war der ge - dachte Biß gantz gefaͤhrlich: Dann als er dieſen Biß dem Wundartzt zeigete / ſagte jm der Wund - artzt / daß der Biß ſo gefaͤhrlich were / daß er leicht - lich darvon ſterben koͤndte: Es muͤſte ſolcher Biß von einem vnſinnigen vnd raſenden Menſchen ſeyn geſchehen / vnd wann der Kaltebrand darzu ſchluͤge / wie ſolches gar leichtlich koͤndte geſche - hen / ſo wer es vmb ſein Leben geſchehen.

Boree / damit er ſich ein wenig entſchuldige / ſagt / er ſey kommen an das Vfer S. Paul / da er ſonſten pflegte ſpatzieren zu gehen / vnd ſey mit ei - nem / er wiſſe bald ſelber nicht wer / in ein ſtreit ge - rahten / vnd mit demſelbigen von den Worten zu den Streichen kommen / vnd derſelbige hab jhn ſo uͤbel in den Arm gebiſſen. Gleichwol aber ſo nim - met jhn der Wundartzt an / braucht allerley Re - medien / vnd heylet jhm den Biß / vnnd verhuͤtet auch / daß der Brand nicht darzu ſchlaͤget. Vnd als er nun etlicher maſſen wider geheylet iſt / ne - men ſich die vier Moͤrder an / ſie wollen ein Wahl - fahrt rhun / nach vnſer lieben Frauen de Lieſſe / auff daß vnder deſſen der Tumult vnnd das ge - ſchrey / welches uͤber ſolcher That entſtehen muſte / voruͤber moͤchte rauſchen vnd vergehen: Dann ſie wuſten gar wol / daß uͤber vier oder fuͤnff Tag der Todtſchlag wuͤrde offenbar werden / vnnd haben wir allhie jhre verzweiffelte Boßheit zuerkennen: Dann da namen jhnen die ehrvergeſſene Voͤgel ein Wahlfahrt fuͤr / auff daß ſie dardurch allemargwohn310Beutelſchneider / oderargwohn vnd verdacht / ſo auff ſie fallen moͤchte / deſto beſſer ableinen vnd von ſich abwenden moͤ - gen / mit einem gantz heuchliſchen Geſicht ſtellen ſie ſich / als weren ſie die andaͤchtigſtē in der Welt / damit ſie vermeyden die gerechte Straff / welche jhre Miſſethaten wol verdienet haben. Aber Gott / der gar auff den grund vnſerer Gewiſſen kan ſe - hen / wird ſie wol wiſſen zu erdappen: Sie moͤgen ſo lang vnd ſo weit lauffen / als ſie woͤllen / dann ſie werden doch ſelber wider kommen muͤſſen / vnnd ſich zur ſtraffe anbieten.

Es waren ſchon ſechs Tag voruͤber / daß man noch nichts von dem begangenen Todtſchlag wu - ſte: Aber nach verflieſſung ſolcher Zeit kamen deß Merinthe Freunde / vnd wolten jhn einmal beſu - chen: Vnd als ſie ſich bey den Nachbarn befraget / ob er vielleicht nicht wer uͤber Feld gezogen / auch von jhnen vernommen hatten / daß ſie in etlichen Tagen niemands haͤtten auß oder ein ſehen ge - hen / thun ſie eins vnd ſchlagen die Haußthuͤr mit gewalt auff: So bald aber als ſie in das Hauß hin - ein tretten / ſehen ſie gerunnē Blut auff den Stei - nen / welches Boree vnd ſeine Mitgeſellen entwe - der im auffwaſchen uͤberſehen / oder vielleicht in ſolcher eyl nicht hatten auffwaſchen koͤnnen: Hier - uͤber bricht jhnen der kalte ſchweiß auß / vnd ma - chen ihnen die Gedancken / ſie werden vielleicht in dem Hauß jaͤmmerlicher weiſe ermordet vnd er - ſchlagen ſeyn worden: Sie lauffen darauff im gantzen Hauß vmbher / vn̄ als ſie alle Fenſter auff - machen / ſehen ſie / daß die Vorhaͤng vor allenBethen311Diebs Hiſtorien / das I. Buch.Betthen ſeyn vorgezogen / vnd daß ſich kein Hund oder Menſch reget: Einer aber auß den Freunden / als ſie das Blut im Eingang deß Hauſes ſehen / ſaget zu den andern: Man werde vielleicht ein Hun / Taub oder etwz anders zur ſpeiſe geſchlach - tet / den Halß abgeſchnitten / vnd alſo an ſolchem Ort Blut vergoſſen haben / vnnd werde ohn allen zweiffel Merinthe noch in dem Beth bey ſeiner Magd ligen vnd ſchlaffen: Was geſchicht? Man gehet in deß Merinthe Schlaffkammer / hebt den Vorhang allgemach auff an einem Ort / vnd als ſie im erſten anblick den Kopff mit der Schlaff - hauben erſehen / meynen ſie nicht anderſt / er ſchlaf - fe noch: Aber das war ein ewiger ſchlaff / ja ein rechter eyſener ſchlaff / wie der Poet darvon redet: Olli dura quies oculos & ferreus urget Somnꝰ, in æternam clauduntur lumina noctē. das iſt auff Teutſch ſo viel geſagt:

Ein harter Schlaff fuͤrwar jhn da iſt kom -
men an /
Daß er nicht widrumb wil oder kan auffer -
ſtahn.

Dann der Todt hatte jhn ſo gar ſtarck eingenom - men / daß er nicht widrumb erwachen kondte.

Sie ſtehen eine zimliche Zeit fuͤr dem Beth / vnd woͤllen warten / ob er vielleicht ſelber erwachen werde: Aber als ſie lang da ſtehen vnd warten / vnd ſeinen Athem nicht ſpuͤren oder mercken koͤnnen / ziehen ſie den Vorhang deß Betths zu ruͤck / vnd ſehen ein gantzes verblichenes Angeſicht / vnd als ſie darauff das Beth gar auffbecken / ſehen ſie / daßdas312Beutelſchneider / oderdas Beth / Leytuͤcher vnd alles voll Blut ſeyn / ja es gehet ein ſolcher vnertraͤglicher Geſtanck auß dem Bethe / daß ſie nicht mehr bleiben koͤnnen.

Als ſie nun das alles ſehen / werden ſie ſo beſtuͤr - tzet daruͤber / daß ſie nicht wiſſen / was ſie ſagen oder gedencken ſollen / ſie ſehen ſich vndereinander an / vnd ſeyn ſo verfuhret daruͤber / daß bald keiner mit dem andern kan ein Wort reden / die Nachbarn erfahren es auch / kommen in das Hauß hinein ge - lauffen / vnd als ſie ſolches jaͤmmerliche Specta - ckel ſehen / daß Merinthe vnd ſeine Magd in ei - nem Beth ſo uͤbel zugerichtet bey einander ligen / werden ſie uͤber ſolchem vnfall hertzlich betruͤbet / koͤn̄en alle miteinander nichts anders gedencken / als daß ſie beyde im Beth / bey einander muͤſſen uͤberfallen vnd todt geſchlagen ſeyn worden / wel - ches dann allen den jenigen / welche ſolches jaͤm̄er - liche Spectackel anſehen / mehr forcht / ſchrecken vnd traurigkeit erwecket: Der Commiſſarius / ſo in ſolchem Quartier wohnet / wird hierzu geruffen / welcher / als er den begangenen Todtſchlag an ſol - chen Perſonen ſihet / ſein Ampt thut / forſchet fleiſ - ſig nach / wer in ſolchem Hauß habe pflegen auß vnd ein zu geben / vnd wie nan der gerechte GOtt wil / daß alle Vbelthaten endlich an Tag kommen: Alſo erfuhre man ſo viel / daß einer / genandt Bo - ree / welcher vor der Zeit ſein Diener ſey geweſen / fleiſſig vnd zu jeder zeit in ſolchem Hauß ſey auß vnnd eingangen / ſonderlich aber dieweil er noch allzeit ſeinem Herꝛen ſeine geſchaͤfften habe ver - richtet.

Auff313Diebs Hiſtorien / das I. Buch

Auff dieſen kleinen argwohn gehet man in ſein Hauß / mit jm zu reden / vnd die Sachen ferꝛners zuerkuͤndigen Aber ſein Weib / welches ſchon we - gen deß geſchehenē Todtſchlags wiſſenſchafft hat - te / vnd vnterꝛichtet war / wie ſie ſich auff alle nach - frage verhalten ſolte / ſaget jhnen: Es ſey nun len - ger als acht Tage / daß jr Mann hinweg gezogen / vnnd ein Wallfahrt zu vnſer lieben Frawen de Lieſſe habe vorgenommen: Welches dann bey et - lichen ſo viel galte / daß ſie nicht wuſten / was ſie darauff ſagen ſolten / auch nicht vermeineten / daß Boree an ſolchem Todtſchlag ſolte ſchuldig ſeyn: Aber die anderen / welche der Sachen ein wenig weiter nachdachten / auch uͤber das erfahren hat - ten / wie Boree ein gute geraume Zeit / ſo ein boͤſes Leben gefuͤhret hat / wie er mit niemands anderſt / als mit heilloſen Leuten ware vmb gegangen / vnd wie er Tag vnd Nacht / gefreſſen / geſoffen / geſpie - let hatte / hielten jn ſchuldig deß Todtſchlags / vnd entſchloſſen auch bey ſich / jhn zuverfolgen.

Man ſchicket ihm Leut nach / jhn zuergreiffen / vnd auff das Chaſtelet zu fuͤhren / vnd als ſie bey Soiſſen jhn vnnd ſeine andern drey Geſellen er - dappen / binden ſie jn vnd ſeine Mitgeſellen Haͤn - de vnd Fuͤſſe ſetzen ſie auff einen Karꝛen / vnd fuͤh - ren ſie nach Paris: Aber es findet ſich ſo gar keine anzeigung oder argwohn bey jnen / daß es ſich laͤſt anſehen / als haben ſie jr lebenlang die Haußthuͤr ſolches Hauſes nicht geſehen / vnd ſeyn alſo gantz vn̄ gar vnſchuldig: Aber ſie ſtellen ſich ſo vnſchul - dig als ſie woͤllen / ſo koͤnnen ſie doch der WarheitXdie314Beutelſchneider / oderdie Augen nicht verkleiben / noch die Richter deß gegentheils uͤberreden: Dann ſie fiengen ſchon ſelber an zu zittern vnd zu zagen.

Hierbey iſt aber zu mercken / daß deß Boree Mutter vor der Zeit einen auß den vornembſten von dem Chaftelet hatte aufferzogen / vnd war ſei - ne Saͤugamme geweſen: Als ſie nun ſahe / daß man jhrem Sohn ſo gewaltig zuſetzt / vnd an dem ware / daß er ſolte auff die Folter geſpannet werdē / verfuͤgete ſie ſich zu jhm / vnd bate jn / er wolte doch machen / daß jhr Sohn auß dem Gefaͤngnuß ka - me: Sie wolte Buͤrgſchafft vor jhn leiſten / vnd jn wider ſtellen / wann es jhm belieben vnnd gefallen wuͤrde.

Dieſer / welcher nun ein ſehr vornemer Herꝛ / vnd in groſſem anſehen war / nimmet ſich deß Bo - ree an / gibt vor / er ſey vnſchuldig / vnd vertritt jhn ſo weit / daß er auff freyen Fuß wird geſtellet / doch daß ſolche Buͤrgſchafft wird geleiſtet / daß man jn wider wolte ſtellen / wann es die noth vnd die O - brigkeit werde erfordern.

Die drey andere aber bleiben vnter deſſen in den finſtern Gefaͤngnuſſen / vnd laͤugnen allzeit / daß ſie an dieſer Mordthat ſchuldig ſeyn ſollen: Aber Boree als er noch nicht recht auß dem Ge - faͤngnuß war kommen / lieffe er darvon / vnd ſal - viret ſich mit der Flucht: Verlieſſe Paris auß angſt vnd trieb ſeines boͤſen Gewiſſens / vnd be - kuͤmmerte ſich wenig vmb den jenigen / der die Buͤrgſchafft vor jhn geleiſtet hatte / nach dem er[L]ufft bekommen / vnd das Kuͤht hor troffen hatte.

Die -315Diebshiſtorien / das I. Buch.

Dieſe Flucht aber deß Boree verurſachete / daß deſto ehe vnd mehr ſeine Mitgeſellen hingerichtet wurden. Dann als die Obrigkeit ſahe / daß Boree ſo bald nach ſeiner Gefaͤngnuß ſich hatte vnſicht - bar gemacht / kondten ſie ſelber darauß wol ſchlieſ - ſen / daß es keine rechte Sach mit jhm war / vnd daß er ohn zweiffentlich muſte an dem begange - nen Mord ſchuldig ſeyn / dieweil er ſich ſo bald nach ſeiner Gefaͤngnuß auß der Statt Paris be - geben hatte: Dann wann er gantz vnd gar were vnſchuldig geweſen / ſo haͤtte er ſich nicht doͤrffen befoͤrchten / daß man jhn widerumb wuͤrde gefan - gen nemen / oder der Obrigkeit vorſtellen.

Man ſpannet hierauff ſeine drey Geſellen auff die Folter / welche / weil ſie die Schmertzen der Fol - ter nicht außſtehen kondten / ſo bald bekandten al - les / was ſie begangen / vnd wie ſie den armen Me - rinthum ſo jaͤmmerlicher weiſe ermordet hatten / zeigten auch an die Zeit / den Ort / die Gelegenheit vnd alle andere Vmbſtaͤnde / wie wir ſolche zuvor angezeiget vnd beſchrieben haben: Vnd als nun dieſe Bekandtnuß von den dreyen war geſchehen / vnd gnugſam bekraͤfftiget / ſuchet man Boree an allen Orten vnd Enden / damit man jhn wider - umb gefaͤnglichen einziehe: Man ſetzet auch dem jenigen / der die Buͤrgſchafft vor jhn geleiſtet hat - te / jhn wider zu ſtellen / hart zu: Aber da war nie - mands zu finden noch zuerfraͤgen / der Vogel war einmal entflogen / vnnd haͤtte man ein groſſes Garn muͤſſen außſpannen / Boree darinnen zu fangen: Gleichwol aber ſo muß er doch endlich imX ijNetz316Beutelſchneider / oderNetz hangen bleiben / dann er kan den Zorn der Gerechtigkeit GOttes nicht vermeyden / als wel - cher jhn vnd ſeinen Suͤnden auff dem Fuß nach folgen.

Nichts deſto weniger aber faͤhret man mit den andern dreyen fort / vnd nach dem man ſie gnug - ſam hat Examiniret / wird jhnen das Vrtheil ge - ſprochen / daß ſie ſollen geradbrechet werden: Ei - ner aber auß jhnen / welcher ein Schiffmann wa - re / vnd ſein Gewiſſen hart vnd ſehr beſchweret be - fande / wegen ſehr vieler Mord vnd Todtſchlaͤge / welche er in ſeinem Leben begangen hatte / ſaget / er muͤſſenunmehr erkennen / daß Gott ein gerechter Gott ſey / vnd daß er entweder bald oder langſam die Suͤnde an den Menſchen pflege heimzuſu - chen vnd zu ſtraffen: Dann was den gedachten Mord anlanget / ſo war er zwar darbey geweſen / hatte aber keine Hand nicht angeleget: Nichts de - ſto weniger / hatte der Himmel / als ein gerechter Recher der Suͤnde dannenher Vrſach genom̄en / jhnen wegen vieler anderer Suͤnden vnd Vbel - thaten / ſo er die Zeit ſeines Lebens begangen hat - te / zuſtraffen: Vnd fienge alſo an vnd thaͤte eine lange groſſe Predigt von ſeinen Meineydigen boͤ - ſen Stuͤcken vnd Vbelthaten / ſagte er haͤtte ge - meiniglich die jenigen / welche er vmb den Abend vnd in der Nacht antroffen / jaͤmmerlich ermor - det / vnd hernacher in das waſſer geworffen: Vn - der vielen andern ſtuͤcken nagete jhm nichts mehr das Hertz / vnd quelete jhn ſeine Gewiſſen / als / eben dieſes / daß er ein junge ſchoͤne Kam̄er Jungfraw /bey317Diebs Hiſtorien / das I. Buch.bey welcher er dem euſſerlichen anſehen nach haͤtte vermeinet viel Gelt zu finden / haͤtte todtgeſchla - gen / vnd hernach nicht mehr bey jhr als zween Schilling / vnd etliche Pfenning gefunden / vnd als er nun ſolche Bekandtnuß gethan hatte / fuͤh - ret man ſie hin zum Gericht / vnnd wurden wegen jhrer Miſſethat willen vom Leben zum Todt ge - richtet: Damit alle andere / ſonderlich aber die jē - nige / welche dergleichen Suͤnde zubegehen jhnen vornemen wollen / ein Abſchrifft darvon nemen / vnd ſich vor dergleichen vnd allen andern Suͤn - den huͤten.

Vnder deſſen aber ſo ſtellet man dem Boree Tag vnd Nacht nach / all ſeine Guͤter werden con - fiſciret / ſein Weib vnd Kinder gerahten daruͤber in groſſes Hertzen / eyd / vnd iſt da niemands / der nicht deß Boree Gedaͤchtnuß verfluche ſo gar verhaſſet war er ben den jenigen / ſo jhn kandten: Wie es aber endlich vnmoͤglich iſt / daß man Gott im Himmel wolle entfliehen / dann er iſt allenthal - ben gegenwertig / vnd erfuͤllet mit ſeiner Goͤttli - chen Majeſtaͤt alles / iſt er mehr als fuͤnfftzig Mey - len von Paris gefangen / an Haͤnden vnd Fuͤſſen gebunden / auff ein Pferd geſetzet / vnd auff Paris zu gefuͤhret worden / auff daß er allda empfienge / was ſeine Miſſethaten verdienet hatten.

Aber wie dem allem / daß er entweder von wei - tem ſein Vngluͤck ſelbſt hat vorgeſehen / oder daß jhm ſonſten ein Leibs vngelegenheit mag wider - fahren ſeyn (wie man ſonſten der Exempel lieſet vnd hoͤret / daß vil nur vor groſſer Forcht der PeinX iijſeyn318Beutelſchneider / oderſeyn geſtorben) ſo helt man darvor / er babe jhm ſelber mit Gifft vergeben / auff dem Wege / auff daß er ja nicht die groſſe ſchand moͤchte erleben / welche ſein Mordthat wol verdienet hatte / er ſtarb ehe er gen Paris kame / daruͤber dann deß Merin - the Freund ſehr trawrig wurden / daß man nicht von jm ſelber auch kondte anhoͤren / alle vmbſtaͤnd ſeines an jrem Vettern begangenen Todtſchlags / vnd daß ſie nicht ſehen kondten / daß er auch ſelber ſein Leben / wie die andere / hette auff dem Rad ge - endet: Er wurde aber Tod. auff das Ehaſtelet gefuͤhret / man ſprach jhm auch ſein Vrtheil / als wann er noch lebendig were geweſen: Mann fuͤh - rete jhn fuͤr das Hauß / darinnen er den Todt - ſchlag begangen hatte: Vnnd von dannen wurde er gefuͤhret / auff dem Richtplatz / vnd drey oder vier Tage mit einem vnertreglichen Geſtanck auf das Rad geleget: Dann es war ſchon lang / daß er war geſtorben.

Ein ſolches jaͤmmerliches Ende pflegen zu ne - men alle die jenige / welche jhren blinden vnd boͤ - ſen Begierden nachfolgen / vnd den Zaum ſchieſ - ſen laſſen: Dann wann ſie endlich Himmel vnd Erden mit jhren Bubenftuͤcken erfuͤllet haben / ſo muͤſſen ſie hernacher aller Welt zum Spectackel dienen / daß man jhre verdambliche Miſſethaten verfluche / vnd ſie auch ein verftuchte Gedaͤcht - nuß wegen ihrer vielfaltigen begange - nen Schelmenſtuͤcken hinder ſich verlaſſen.

Das319Diebs Hiſtorien / das I. Buch.

Das XIX. Capitel.

Hiſtorien von den wunderbarlichen ſeltza - men ſtreichen / vnnd argliſtigkeit eines be - ruͤmbten vnd wolbekanten Beutelſchnei - ders / genannt Ambroſij la Forge.

ES erzehlet Plinius / daß Ariſtomenes zu ſeiner Zeit einer auß den verſchlagene - ſten vn̄ ſpitzfindigſten iſt geweſen / ſo man hette finden koͤnnen: Dann er warff jederman uͤber das Seyl vnd kondte ſeinen Garn vnd Ne - tzen keiner entzogen / wann er jhm nur vorſetzete / denſelbigen zufangen. Aber das war ein wunder - lichs ſeltzames ding / daß / als man nach ſeinem Todt ſein Leib oͤffnet / ſein Hertz gantz voll Haar war / vnd gleichſam alſo zu reden / wegen der Haar wie ein Igel außſahe.

Wann nun nach dieſer Regel / oder viel mehr nach dieſem Exempel alle die jenige / welche argli - ſtig vnnd verſchlagen ſeyn / ja welche tauſenterley Liſt / Betrug / Renck vnnd Schwenck wiſſen den Nechſten zubetriegen / vn̄ zu uͤberdoͤlpeln / auch ſol - che haͤrichte Hertzen haben / iſt das gewiß / vn̄ darf man im geringſten daran nit zweiffeln / daß man in der Diebsgeſellſchafft ſo viel harichte Hertzen wol wird finden koͤnnen / dz man ein dutzet Stau - chen vor ſo viel Frawen zu Paris darauß wird machen koͤnnen / vnd wird man nach Maderfell oder dergleichen koͤſtlichem Beltzwerck ſich nicht bemuͤhen doͤrffen: Wie ſich dann auch der jenigenX iiijviel320Beutelſchneider / oderviel finden / welche liber dem Vlyſſt als dem Achil - le nachfolgen: Gehen lieber mit einer Larven als mit auffgedeckter Stirnen: Dann ſie diſes fuͤr jre Regel halten: Dolus an virtus, quis in hoſte re - quirat, das iſt / Betrug oder Tugend / wer wil das an einem Feinde erfordern? In dieſem Capitel wil ich euch deſſen ein Exempel hoͤren vnd ſehen laſſen / auff daß ich auch bey den erſchrecklichen Todtſchlaͤgen / welche jhr in den vorhergehenden Capiteln habt geleſen / eine frewdige Hiſtorien er - zehle vnd einmenge.

La Forge wohnet ſonſt in der gegend Breteiul in Picardien / vnd gienge da kein luſtiger oder ar - tiger ſtreich vnd boß fuͤr / den er nicht außrichtete: dann er hatte keine Kinder / vnd wann er inn die Lufft ſprunge / kondte man wol von jm ſagen / daß all ſein Gut vnd Vermoͤgen auch in der Lufft wa - re (wie ein anderer Bias) ich wil euch erſtlich er - zehlen etliche ſtreiche / die er in Picaꝛdie hat began - gen / vnd darnach wil ich kommen auff die jenige / welche er zu Paris hat außgerichtet.

Auff ein Zeit gienge er deß Nachts auß Paris / vnd begab ſich zu einem Hoffmann / der nah bey Caſtilon wohnet / vnd ſtale demſelbigen vil junge Huͤner / vnd Indianiſche Hanen / vnd von dieſem gieng er zu einem Metzger / welcher auch in ſolcheꝛ gegend wohnete / vnd betroge jhn auch vmb etli - ches Fleiſch / von diſem Metzger gieng er zu einem ſeinem Nachbarn / ſahe / daß eꝛ demſelbigen in den Keller kam / ſtale jhm fuͤnff oder ſechs Kruͤg voll Wein / vnnd fienge an / GOtt geſegne es euch / zumachen:321Diebs Hiſtorien / das I. Buch.machen: Den folgenden Morgen lude er alle ſol - che ſeine Leut zu gaſt / vnnd zwar / wie angehoͤret / auff jhren vnkoſten / tractirete ſie auch ſo wol / daß ſich die Gaͤſt ſelber daruͤber verwundern muͤſſen: dann ſie wiſſen wol / daß er mit Gelt / wie ein Krot mit Federn war beladen.

Als ſie aber nun meiſtes theils zu Mittag geſ - ſen vnnd jhren Hunger mit den guten Bißlein zimlich geſtillet hatten fanget La Forge ſelber an / erzehlt jn den gantzen verlauff / ſagt er hab ſie zwar zu gaſt geladen gefalle jhm auch hertzlich wol / daß es jn ſo wol hab geſchmack et / dann ſie haben doch nur von dem jrigen geſſen / doch waꝛen zween oder drey in der Geſellſchafft / die uͤber ſolche vnbeſchei - dene kuͤhnheit gar vngehaltē waꝛen / giengen auch mit groſſem vnwillen auß ſeinem Hauß hinweg: Aber er hielt jhn widerpart / vnd zeigete jn an / daß ſie vnrecht theten / daß ſie deßwegen uͤber jhn wol - ten vnluſtig vnd vnwillig ſeyn / dann ſie hetten ja das jhrige nicht beſſer anwenden / vnnd in keiner beſſern Geſellſchafft / als ſchon geſchehen war / ver - zehren koͤnnen: Folget alſo nach dem Exempel je - nes jungen Griechen / welcher / als er gewiſſe nach - richtung hatte / daß die jenigen in ſeineꝛ Statt die Schlacht verlohren hatten / kam er in die Statt / lieffe durch alle Gaſſen vnd ſchr[y]e offentlich auß / die Buͤrger der Statt hetten den Sieg wider jh - re Feinde erhalten: Vnnd durch ſolches falſches geſchrey macht er / daß die gantze Statt drey gan - tzer Tag luſtig vnd guter ding war. Endlich aber da erfuhre man das Widerſpiel: vnd als gewiſſeX vZei -322Beutelſchneider / oderZeitung auß dem Kriegslaͤger kamen / daß ſie die Buͤrger die Schlacht verlohren / vnd gewaltig eingebuͤſſet hatten / wolte ein[j]eglicher vber den je - nigen (welcher die falſche Zeitung außgeſchryen / vnd ſie zur Frewde vor vrſachet hatte / da er doch viel mehr in ſolcher betruͤbten Zeit ſie haͤtte ver - mahnen ſollen / daß ſie trawern / vnd die groſſe Niderlag vnd Verluſt beweinen haͤtten ſollen) fallen vnnd jhn wegen / ſeiner außgeſprengten Landluͤgen ſchlagen: Aber er gabe jhnen zur ant - wort vnd ſagte: Sie haͤtten viel mehr Vrſach ſich gegen jhm zubedancken / als vber jhn zuklagen: Dann er haͤtte jhre trawrigkeit in Frewde / jhrer Hertzen Schwermuth in eine offentliche gemeine Frewde verwandelt.

Aber dieſes Lehrſtuͤck iſt nichts / gegen dem / das la Forge hernacher hat außgerichtet: Dann er war wol ſo vnverſchampt / daß er ſich auch dorffte an die allerſchoͤneſte Fraw im Dorff reiben / vnd jhr Vnehr vnd Vnzucht anmuthen / vnd wiewol ſie erſtlich auff ſein vnzimliches vn̄ ſuͤndliches be - gehren keine gute Muͤntz wolt ſchlagen / ſo erlan - get er doch ſo viel endlich bey jhr durch ſeine Bitt oder Boßheit / daß / weil er jhr zehen Kronen ver - ſprach / ſie ſeines Willens gelebete. Diſer la Forge nun / welcher kein Gelt hatte / machet den Marck mit dem Thier vmb zwo Piſtoleten / vnd als ſol - ches geſchehen / gehet er hin zu dem Gloͤckner in ſolcher Pfarꝛ / vnd fraget jhn / ob er niche vor zwo Piſtoleten Muͤntz haͤtte / vnd wann er es jhm in ſein Loſament wolte bringen / wolte er jhm zween