GRoſſe Koͤnige / Fuͤrſten und Herren haben auch gemeiniglich groſſe Schaͤtze / wie ſolches nicht allein die taͤgliche Erfahrung / ſondern auch die H. Schrifft ſelbſten gnug - ſam bezeuget: Die Koͤnige in Juda und)? (ijJſraelDEDICATIO. Jſrael hatten ihre herꝛliche Schaͤtze; David der maͤchtige Koͤnig hatte in ſeiner Armuth verſchafft zum Hauſe des HErꝛn hundert tauſend Centner Golds / und tauſendmahl tauſend Centner Silbers / darzu Ertz und Eiſen ohne Zahl. 1. Paral. XXIII, 14. Er hat - te ſeine Schaͤtze auff den Laͤndern / in Staͤdten / Doͤrffern / und Schloͤſſern; Seine Wein-Keller / und darinnen die Schaͤtze des Weins; Seine Oel-Gaͤrten und Maulbeer - Baͤume / und neben dieſen ſeine Oel-Schaͤtze; Seine Weid - Rinder zu Saron; Seine Rinder in Gruͤnden / ſeine Ka - meel / Eſel und Schaafe / und alſo ſeinen Vieh-Schatz. 1. Par. XXVIII, 25. Seinen Edelgeſtein-Schatz; denn er ver - ſchaffte zum Hauſe des HErꝛn Onych-Steine / und Mar - mel die Menge. c. XXX, 2. ſeqq. Noch hoͤher iſt geſtiegen der Schatz ſeines Sohns Salomons / als welcher des Sil - bers und des Goldes zu Jeruſalem ſo viel gemacht / wie die Steine / und der Cedern wie die Maul - beer-Baͤume in Gruͤnden 2. Paral. I, 15.
Solche Schaͤtze hatten ſie in veſten Staͤdten / Schloͤſ - ſern / Haͤuſern / und anderen verſicherten Orten verwahret. David wie gehoͤret / hatte ſeine Schaͤtze in Staͤdten / Doͤrf - fern / und Schloͤſſern; Aſſa der Koͤnig in Juda hatte ſeinen Schatz in ſeinem Koͤniglichen Hauſe 1. Reg. XV, 18. Hiski - as hatte ſein Schatz-Hauß; dann er zeigete den Abge - ſandten von Babel das gantze Schatz-Hauß / Silber / Gold / Specerey / und das beſte Oel / und die Har - niſch-Kammer: 2. Reg. XX, 13. Sie haben alles geſe - hen / was in meinem Hauſe iſt / und iſt nichts in mei - nen Schaͤtzen / das ich nicht ihnen gezeiget haͤtte: ſpricht obgedachter Koͤnig zum Propheten Jeſaia v. 15. Die Geiſtliche Guͤter und Schaͤtze waren beygelegt in dem Tabernackel und Tempel; Das Silber undGold /DEDICATIO. Gold / und ehrin und eiſern Geraͤth (von Jericho er - obert) thaͤten ſie (die Kinder Jſrael zum Schatz in das Hauß des HErꝛn. Joſuæ VI, 24. Als Salomo den Tempel außgebauet hatte / bracht er hinein / was ſein Vater David geheiliget hatte / von Silber und Golde / und Gefaͤſſen / und legts in den Schatz des Haußes des HErꝛn. 2. Paral V, verſ. 1. Vier hundert Centner Silbers / und zwey hundert Centner Goldes lag in dem Tempel zur Zeit der Maccabeer / als Heliodorus kam den Schatz zu rauben. 2. Maccab. IV, 11.
Uber ſolche Koͤnigliche Schaͤtze und Schatz-Haͤuſer waren verſicherte Leute verordnet / welche man Schatz - oder Rentmeiſter hieſſe. Aßmaveth der Sohn Abdiel war uͤber den Schatz des Koͤnigs / welcher zu Hauß war; Jonathan der Sohn Uſia uͤber die Schaͤtze auff dem Lande; Sabdi der Siphimiter uͤber die Wein-Keller und Schaͤtze des Weins; Jaas uͤber den Oel-Schatz: Andere uͤber den Vieh-Schatz. 1. Paral. XXVIII, 25. Cores der Koͤnig in Perſien hatte ſeinen Schatzmeiſter / welcher Mithredath hieſſe. Eſr. I, 8. Deßgleichen hatte auch Arthahſaſtha ein an - derer Koͤnig in Perſien jenſeit des Waſſers. c. VII, 21. Sol - cher Schatzmeiſter Ampt war / die Guͤter nach Belieben und Befehl ihrer Herren außzutheilen: wie dann Arthah - ſaſtha dem Schatzmeiſter jenſeit des Waſſers befohlen / Eſra dem Schrifftgelehrten auß den Koͤniglichen Schatz - Kammern folgen zu laſſen / biß auff hundert Centner Silbers / und auff hundert Cor Weitzen / und auff hundert Bath Weins / und Saltzes ohne Maaß. v. 22. Zu dem Ende hatten ſie ihre anvertraute Schluͤſſel / damit die Thuͤren der Schatz-Kammern auff - oder zu zuſchlieſſen / den Schatz zu behalten / und zu be - wahren / oder außzutheilen; und ſcheinet / ſie haben ſolche): (iijSchluͤſ -DEDICATIO. Schluͤſſel / oder doch eine Copey davon / auff den Achſeln und Schultern getragen; dann Jeſai. XXII, 22. verſpricht GOtt der HERR Eliakim dem Sohn Hilkia; Jch wil die Schluͤſſel zum Hauſe David auff ſeine Schulter legen / daß er auffthue / und niemand zuſchlieſſe; daß erzuſchlieſſe und niemand auffthue. Warum aber auff den Achſeln und Schultern? Ohne zweiffel deßwegen / weil Schatz - und Rentmeiſter Ampt ein muͤhſam Ampt iſt / welches / wann es recht ſoll verwal - tet werden / den Gewiſſen als eine ſchwere Laſt auff dem Hals und Schultern ligt.
Jſt ein ſchoͤnes Bild und Beyſpiel geweſen der geiſtli - chen Schaͤtze / Schatz-Haͤuſer und Schatzmeiſter. GOtt der groſſe HERR / und Koͤnig aller Koͤnige / welcher reich iſt uͤber alle die ihn anruffen / hat auch ſeine Schaͤtze / nicht allein ſeine leibliche / als geweſen die / ſo im Tabernackel und Tempel beygelegt waren / ſondern auch ſeine geiſtliche; Seynd ſein Wort in H. Schrifft geoffenbahret; welches Paulus 2. Cor. IV, 7. einen Schatz nennet / und billich; dann es iſt koͤſtlicher denn Gold und viel feines Gold / und ſuͤſſer als Honig und Honigſeim; Pſalm. XIX, 11. Verbor - gen in Heil. Schrifft / als die Metall-Adern in Bergwer - cken. Joh. V, 39. Es iſt die koͤſtliche Perle / welche Chriſtliche Kauffleute ſuchen / und erkauffen. Matth XIII, 45. Es iſt die Ruͤſt-Kammer / darinnen die πα οπλία und Ruͤſtung in aller - ley Wehren fuͤr einen tapffern Streiter JEſu Chriſti anzu - treffen / Epheſ. VI Schaͤtze ziehen die Hertzen nach ſich: wo euer Schatz iſt / da iſt auch euer Hertz / ſpricht Chri - ſtus Matth. VI, 21. Alſo auch GOttes Wort die Hertzen der Frommen: HERR / ich gedencke des Nachts an deinen Nahmen / und halte dein Geſaͤtz: das iſt mein Schatz / daß ich deinen Befehl halte: ſprichtdasDEDICATIO. das fromme Hertz David / Pſal. CXIX, 55. 56. Und das nicht nur etwan eine Zeitlang / ſondern ewig: Es iſt ewiglich mein Schatz / ſagt er ferner v. 98. Dergleichen Schaͤtze ſeynd auch die heilige Sacramenten / welche Pau - lus 1. Corinth. IV, 1. Geheimnuͤſſe nennet den Dienern Chriſti / als Haußhaltern anvertrauet; Ja freylich ſeynd es Schaͤtze / dann ſie theilen uns GOtt / das hoͤchſte Gut / mit; Jn der H Tauff GOtt den H. Geiſt / den koſtbah - ren Schatz des Freuden-Oels / Pſalm. XLV. als welcher durch / in / und mit dem Tauff-Waſſer in groſſem uñ gnaden - reichem Geheimnuͤß uͤber den Taͤuffling außgegoſſen wird / Tit III, 5. Durch Jeſum Chriſtum unſern Heyland / auff daß wir durch deſſelben Gnade gerecht und Erben ſeyen des ewigen Lebens; und alſo eines unvergaͤnglichen / unbe - fleckten / und unverwelckten Erbs und Schatzes im Him - mel beygelegt / 1. Pet. l. 4. theilhafftig. Wird beſtaͤttigt im Heiligen Abendmahl mit dem erwuͤnſchten Brod - und Wein-Schatz / als in welchem uns gar der allerheiligſte Leib und Blut JEſu Chriſti / wormit Er uns ſo theur er - kaufft und erloͤſet / im Brod und Wein / nicht allein ange - botten / ſondern auch mitgetheilet werden / derſelben Nu - tzen ewig zu genieſſen.
Nun dieſe Geiſtliche / Goͤttliche / himmliſche Schaͤtze haben auch ihre Schatz-Haͤuſer / darinn ſie beygeleget. Jſt die Chriſtliche Kirche / als die rechte Hauß-Ehre / welche den Raub außtheilet / Pſ. LXVIII, 13 und das Hertze und Mund rechtſchaffener Lehrer und Prediger / als welche die - ſen theuren Schatz bey ſich / wiewohl in denen irꝛdiſchen Gefaͤſſen ihres Leibes tragen. 2. Cor. IV, 7. Seind aber auch zugleich der geiſtlichen Schaͤtze Verwalter / als Die - ner Chriſti / und Haußhalter uͤber GOttes Geheimnuͤſſe. 1. Cor. IV, 1. verſehen mit Schluͤſſeln / welche der allerhoͤch -ſteDEDICATIO. ſte Schatzmeiſter JEſus Chriſtus ihnen durch ordentlichen Beruff eingehaͤndiget / wann er zu Petro Matth. XVI, 19. ſagt: Jch wil dir des Himmelreichs Schluͤſſel ge - ben / alles was du auff Erden binden wirſt / ſoll auch im Himmel gebunden ſeyn / und alles / was du auff Erden loͤſen wirſt / ſoͤll auch im Himmel loß ſeyn. Dergleichen Wort Er hernach auch zu den uͤbrigen Juͤngern geredet / als Er ihnen und ihren Nachfol - gern ſo wohl als Petro die Schluͤſſel zu ſeinen Schaͤtzen uͤberreichet / Joh. XX, 23. Seynd die treuen und klugen Knechte. GOttes / die der HERR geſetzt hat uͤber ſein Geſinde / daß ſie ihnen zu rechter Zeit Speiſe geben. O ſelig iſt der Knecht / wann ſein Herꝛ kom̃t / und findet ihn alſo thun! ſpricht Chriſtus der HERR ſelbſten Matth. XXIV. verſ. 46.
Ein ſolcher getreuer / kluger / und demnach ſeliger Knecht GOttes iſt auch geweſen und erfunden worden der weyland Hoch-Ehrwuͤrdige / Großachtbare / und Hochgelehrte Herꝛ Johann Cunrad Dann - hauer / der H. Schrifft Doctor, und weitberuͤhmter Profeſſor auff der Straßburgiſchen Vniverſitaͤt / auch eines Wol-Ehrwuͤrdigen Kirchen-Convents da - ſelbſten Præſes, und Dechant zu St. Thomaͤ / mein getreuer Præceptor, eyferiger Befoͤrderer / Hertzgelieb - ter Vater in Chriſto / Collega, Schwager und Gevat - ter. Dieſem ſeinem getreuen Knecht hatte der groſſe HERR Himmels und der Erden zweyerley Schluͤſſel an - vertrauet; Erſtlich den Schluͤſſel des Erkaͤntnuͤß / Luc. XI, 52. bey einer loͤblichen Univerſitaͤt / hernach auch die Schluͤſſel des Himmelreichs / bey ſeiner Kirchen; Wann vor Zeiten bey den Hebraͤern einer zum Schrifftge -lehrtenDEDICATIO. lehrten und Schul-Lehrer geweihet wurde / uͤbergab man ihm einen Schluͤſſel / ſamt einer Schreib-Tafel / hiemit an - zudeuten / daß er die Weißheit / als einen Schatz in Buͤ - chern beygelegt / durch fleiſſige Leſung und Erklaͤrung an - dern auffſchlieſſen ſolle; Das Gegenbild dieſes Schluͤſſels iſt auch unſerm Seligen Dannhauer uͤbergeben worden / als GOTT durch ordentliche Vocation, Jhne zu einem Profeſſore erſtlich Eloquentiæ, hernach Theologiæ als einen Schrifftgelehrten zum Himmelreich gelehrt Matth. XIII, 52. beruffen. O wie manchen herꝛlichen Schatz der weltli - chen und Goͤttlichen Weißheit hat Er ſeinen Zuhoͤrern er - oͤffnet / daß ſie JEſum / und mit Jhme das Ewige Leben darinnen gefunden! Und / O wie manches verdraͤhetes Schloß widerwaͤrtiger Sophiſtereyen / hat Er durch den Schluͤſſel ſeiner ſcharffſinnigen Weißheit auffgeſchloßen / daß man die betruͤglichen Schluͤſſel / und heilloſe Wahr der Widerſacher hat koͤnnen erkennen und meiden! Mir zweif - felt auch nicht / daß viel hundert ſelige Seelen im Himmel jetzund ſich ſchon erfreuen der himmliſchen Schaͤtze / welche er ihnen Zeit ſeines im Muͤnſter getragenen Predig - und Pfarꝛ-Amts durch ſeine Himmel-Schluͤſſel auffgethan / und durch die kraͤfftige Vergebung ihrer Suͤnden reichlich mitgetheilet.
Was Er / der Selige Mann / von dieſer Schluͤſſel Gewalt geglaubet / gelehret / und geprediget / ſolches bezeugen dieſe ſeine hier vor Augen liegende Predigten / als in welchen Er das Sechſte Haupt-Stuͤck unſers Chriſtli - chen Straßburgiſchen Catechiſmi / vom Gewalt der Schluͤſſel / und der Chriſtlichen Buß-Zucht reichlich erklaͤret / und angezeiget dero Geheimnuß-reichen Nahmen / Goͤttlichen Urſprung / getreue Verwalter / uͤber -Zehender Theil. ): (): (natuͤr -DEDICATIO. natuͤrliche Krafft / unaußſprechlichen Nutzen / und was der Herꝛlichkeiten mehr ſeynd. Darzu kommen die Ein - gangs-Predigten / von dem verlohrnen Sohn / unter deſſen anmuhtigen Bilde der Greuel der Suͤnden / und die Freu - de des Himmels uͤber ein bußfertig reuendes Hertz / ſon - derlich der Jugend zum Nachricht / abgemahlet wird. Wuͤrdig und werth / daß man ſolche in acht nehme / ans Liecht bringe / und fleiſſig leſe / ſich je mehr und mehr in die - ſem Geheimnuͤße zu gruͤnden / zu verwahren / zu erbauen / zu troͤſten und auffzurichten.
Zwar bey den alten hebraͤern war es uͤblich / wann ein Rabbi oder Schrifftgelehrter ohne Kinder verſtorben / daß man ſeinen Schluͤſſel / und ſeine Schreib-Tafel mit ihm in einen Sarck gelegt / und begraben: Dergleichen Exem - pel man in Juͤdiſchen Hiſtorien findet von einem Rabbi / Samuel genant / als der verſtorben / und keinen Sohn hinterlaſſen / hat man ihme ſeinen Ampts-Ring und uͤbliche Schreib-Tafel mit ins Grab gegeben:〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉 i. e. Poſtquam mortuus eſt, poſuerunt clavem & pugillare ejus in loculo ejus, eo quod non habuerit filium: das iſt: Nach dem er geſtorben / haben ſie ſeinen Schluͤſſel und Schreib-Tafel in ſeinen Sarck gelegt / darum / dieweil er keinen Sohn hat hinterlaſſen. Ob nun wol unſer Seliger D. Dannhauer auch keinen leiblichen Sohn hinterlaſſen / wollen wir doch darum ſeine Schluͤſſel und Schreib-Tafel / das iſt / dieſe ſeine Predigten nicht vergraben / daß ſie der Verweßlichkeit zu theil werden; ſondern behalten zu Nutz und Troſt / und hertzlichem Vergnuͤgen ſeiner geiſtlichen Soͤhne und Toͤchter / deren dieſer Evangeliſche Schrifft - gelehrte eine nicht geringe Anzahl durch ſeine Lehr und Schrifften gezeuget / und zu ſeinem unſterblichen Ruhm nach ſich gelaſſen.
DamitDEDICATIO.Damit aber deſſen Schluͤſſel wohl und maͤchtig moͤchte verwahret ſeyn / habe ich mich erkuͤhnet / Euer Hochgraͤfl. Gnaden durch wohlgemeinte Dedication ſolche mit unterthaͤniger Obſervantz hiemit zu uͤbergeben. Es iſt mir noch in friſchem Andencken / was maſſen Jhre Genaden waͤhrender Zeit Sie auff der Straßburgi - ſchen Vniverſitaͤt zu dero ſtattlichem Ruhm ſich auff - gehalten / mir Unwuͤrdigen ſonderbahre groſſe Gnade er - wieſen; So gar / daß Jhr Gnaden / ſamt Dero damah - lichem Hoffmeiſter / dem Wohl-Edeln / Veſten / und Hoch - gelehrten Herꝛn Joh. Heinrich Hippen / meinen groß - guͤnſtigen Herꝛn / und werthen Goͤnner / in meinem Hauſe etlich mal mich gnaͤdig zu beſuchen / auch bey andern Gele - genheiten Jhr Gnaͤdiges Angeſicht gegen mir auff vieler - ley weiſe helle leuchten zulaſſen mich gewuͤrdiget; Ja / da - mit ich auch in Abweſenheit ſolcher Gnade verſichert waͤre / Jhren gnaͤdigen Gruß durch Jhren Herꝛn Hoff-Predi - ger / den Woh-Ehrwuͤrdigen / Großachtbaren und Wol - gelehrten Herꝛn M. Joh. Guilh. Gratianum, meinen Hoch - geehrten Goͤnner / ſehr werthen Freund / und hertzgeliebten Bruder in Chriſto / zum oͤfftern gnaͤdig mir zu entbieten laſſen: Will die hertzlichen Worte / mir zuentbotten / an - jetzo mit Stillſchweigen uͤbergehen / damit es nicht ſcheine / als wann ich mich deßwegen uͤberhebe. Darzu komt Jhr Gn. gruͤndliche Erkantnuß Evangeliſcher Religion / un - gefaͤrbte Liebe gegen GOttes Wort / und deſſen Diener / in - bruͤnſtiger Eyfer in der wahren Gottſeligkeit / und derer Fortpflantzung bey dero Land und Leuten. Dafuͤr dero gehorſame Unterthanen / dem groſſen GOTT / welcher ſich alſo ſelbſt erhoͤhet bey den Schilden auff Erden Pſal. XLVII. billich und hertzlich zu dancken haben. Jch aber habe dieſe und dergleichen Hoch Graͤfliche Gnaden und Tugenden mir einen kraͤfftigen Antrieb ſeyn laſſen / michdeſſen /DEDICATIO. deſſen / was ich bereits gemeldet / zu unterfangen / nicht zweifflend / es werde Jhr Gnaden Dero gnaͤdige Hand außſtrecken / und dieſe Schluͤſſel von Jhres unterthaͤnigen Dieners Hand gnaͤdig annehmen / und maͤchtig verwah - ren / warum ich dann mit unterthaͤnigem Reſpect will ge - betten haben.
GOtt ſegne Jhr Gnaden / und dero Hoch-Graͤff - liche Frau Gemahlin / ſamt dem gantzen Hoch Graͤfl. Hauß / und hohen nahen Anverwandten zu Leib und Seel. Erhalte ſie in beſtaͤndigem Eyffer reiner Religion / ungeaͤn - derter Augſpurgiſcher Confeſſion / und verleihe fried - liche Regierung / biß der groſſe Schluͤſſel-HErꝛ Chriſtus / wann Jhr Gnaden wird alt und Lebens-ſatt ſeyn / Jhr durch ein ſeliges Ende den Him̃el ſamt allen ſeinen Schaͤ - tzen allergnaͤdigſt auffſchlieſſe!
Euer Hoch Graͤffl. Gnaden Unterthaͤniger Diener und Fuͤrbitter bey GOTT Straßburg den 16. Februar. Anno 1673. Baltaſar Bebelius, der H. Schrifft Doctor und Profeſſor.
GEliebte in Chriſto: Jch wil meinen Mund auffthun in Spruͤchen: Ephtecha be-maſchal pi, ſagt der eingebohrne Sohn Gottes unter der Per - ſon Aſſaphs / Pſal. 78, 2. Wie das auß der collation und Vergleichung Matth. 13, 34. zu vernehmen; da der Evangeliſt meldet / wie JEſus alles durch Gleichnuß zum Volck / und ohne Gleichnuß nichts geredet habe / auff daß erfuͤllet wuͤrde / das geſagt iſt durch den Propheten / der da ſpricht: Jch wil meinen Mund auff - thun in Gleichnuſſen. Jn welchen Worten er zu verſtehen gibt / I. Affectum & παῤῥησίαν dicendi, die Freymuͤndigkeit und das uner - ſchrockene Hertz im Reden / er wolle kein Maͤmme ſeyn / der Paͤpp im Maul hat / er wolle kein Blatt fuͤrs Maul nehmen / ſondern redlich herauß ſag - en / wie es ihm um das Hertz iſt. Wie dann auch geſchehen / als ihm Marcus das Zeugnuß gibt c. 8, 32. Er redete das Wort frey offen - bar; deßgleichen ſeine Juͤnger Joh. 16, 29. Sihe / nun redeſt du frey herauß. Und Chriſtus ſelbſt ſagt c. 18, 20. Jch hab frey offentlich geredt fuͤr der Welt / und nichts im verborgenen / als Jhn die Hohe -A ijprieſter4Die Erſte Predigtprieſter um ſeine Juͤnger und ſeine Lehre gefragt. II. Zeiget er an mate - riam dicendi: be-maſchal, in Spruͤchen / oder / wie es die LXX. Dol - merſchen und Matthaͤus gibt / in Gleichnuſſen / Er wolle ſich bedienen parabolico dicendi modo, der Art durch Gleichnuͤſſe zu predigen / das iſt / Er wolle ratione materiæ nicht ſchlechte / geringe / irdiſche / weltliche Sach - en / heydniſche Hiſtorien / oder ohne das bekante moralia, die Ohren damit zu fuͤllen / auff die Bahn bringen / ſondern meſchalim, ἀξιώματα, κυρίας γνώμας, myſteria & magnalia DEI, guldene Aepffel / hohe / wichtige / uͤber - natuͤrliche / der Vernunfft unbegreiffliche himmliſche Geheimnuſſen vor - legen. Jn welchem Verſtand das Prophetiſche Geheimnuß Bileams Num. 24, 3. Maſchal genennet wird / deßgleichen nennet auch Hiob ſeine Spruͤche Meſchalim, c. 27, 1. III. Modum docendi parabolicum, diewei - len ſolche himmliſche Sachen uns Menſchen allzuſchwer / ſo waͤre vonnoͤ - then / daß Er / der λόγος, das Wort auch eine him̃liſche Eloquentz brauche / und ſich zu dem menſchlichen Unverſtand herab laſſe / welches / wie Mar - cus bezeuget / c. 4, 33. wuͤrcklich geſchehen / durch viel ſolche Gleich - nuͤſſe ſaget Er ihnen das Wort / καθὼς ἠδυή´αντο ἀκούειν, nach dem ſie es hoͤren kunten. Er legte es parabolicè, Gleichnuß-weiſe fuͤr / nach Art eines guten Redners / damit die Hertzen zu gewinnen. Und 1. die attention zu erhalten / als der etwas neues / ſeltzames und wunderſames fuͤrzubringen hatte. Die Erfahrung bezeugets / daß / wann man mit blo - ſen klaren Worten die Predigt verrichtet / die attention und das Auff - mercken nicht ſo groß und aifferig / als wann man ſchoͤne Gleichnuͤſſe / Ex - empel und Hiſtorien einſtreuet / dann wir ſeind alle von Natur alſo geſin - net / wie die Athenienſer / immer gern etwas neues zu hoͤren. Alſo / ſpricht der Meſſias wolle er auch thun / aber nicht die Ohren zu braͤuen / ſondern 2. zu erlangen docilitatem, die Gelehrſamkeit / ihren Verſtand zu ſchaͤrffen / daß ſie begierig ſeyen / je laͤnger je mehr zu forſchen und nachzufragen / zu bitten / daß Er ihnen auch die Außlegung ſagen wolle. Es hat eine Be - ſchaffenheit wie mit einem Raͤtzel / ſo bald man es hoͤret / verlanget man auch nach der Außlegung. Darum der Herr Marc. 4, 10. 11. als Jhn die Juͤnger / die um Jhn allein waren / gefragt: Warum redeſt du zu ih - nen durch Gleichnuͤſſe? geantwortet und geſagt: Euch / als mei - nen fleiſſigen Zuhoͤrern / die dem Verſtand nachdencken / und fleiſſig forſchen / euch iſts gegeben / das Geheimnuß des Reichs GOttes zu wiſſen / denen aber drauſſen wiederfaͤhret es alles durch Gleichnuͤſſe. 3. Benevolentiam, das Hertz zu gewinnen / in dem Er keine fremde Art zu lehren auff die Bahn gebracht / ſondern / wieers5Vom verlohrnen Sohn. ers gefunden / an ſich genommen. Familiare namque Syris, (wie Hie - ron. bezeugt in cap. 18. Matth.) & maximè Palæſtinis, ad omnem ſermo - nem parabolas jungere, ut quod per ſimplex præceptum teneri ab au - ditoribus non poteſt, per ſimilitudines & exempla teneatur. Dann es hatten die Syrer / und ſonderlich die Palaͤſtiner im Ge - brauch / was man etwa mit einfaͤltiger Vorlegung nicht faſſen kunte / mit Gleichnuſſen und Exempeln einzubilden. 4. Ad ef - ficaciam & energian, deſto baß damit durchzudringen / und die Gemuͤther gefangen zu nehmen / wie Nathan der Prophet den Koͤnig David ſeines Mords und Ehebruchs durch eine Parabel von einem Mann / der ſeiner Schaafe und Rinder geſchont / und des armen Mannes Schaaf genom - men / ſeinen fremden Gaſt damit zu ſpeiſen / uͤberzeugt 2. Sam. 12. Alſo da Chriſtus Matth. 21. den Hohenprieſtern und Schrifftgelehrten mit gutem Glimpff die Parabel von zween Soͤhnen erzehlet / deren der eine geſagt / er wolle nicht in den Weinberg gehen / und hat es doch hernach ge - than / der andere aber hats verſprochen / und ſich groſſer Streich außge - than / und ſeye nicht hingegangen / hat Er gefragt / welcher unter den zweyen hat des Vaters Willen gethan? da ſie nun geantwortet / der Erſte; ſprach er: warlich ich ſage euch / die Zoͤllner und Hu - rer moͤgen wol ehe ins Himmelreich kommen / dann ihr. Und eben dahin ſiehet auch Chriſtus in den drey Parabeln vom verlohrnen Schaaf / Groſchen und Sohn / Luc. 15. nachdem Er geſehen / wie ſcheel die Phariſaͤer und Schrifft gelehrten dazu gefehen / daß Er ſich der zu ihm na - henden Zoͤllner und Suͤnder angenommen / daruͤber gemurret und ge - ſprochen /: Dieſer nimmet die Suͤnder an / und iſſet mit ihnen: novum ac antea inauditum crimen! Dergleichen man niemals zuvor gehoͤrt. Fuͤhret eben darauff drey Parabeln ein / ſie zu uͤberweiſen / daß Gott groͤſſers Gefallen hab an einem bußfertigen Suͤnder / als an einem hoffaͤrtigen Heuchler; unter welchen Parabeln die letſte wir erwehlet / an ſtatt eines Eingangs uͤber das Sechſte Stuck unſers Chriſt - lichen Glaubens / darinnen die Art der wahren Buß gantz ſcheinbar / hell und lieblich beſchrieben / und illuminirt wird / auff daß wir alſo der Lehr vom Bind - und Loͤß-Schluͤſſel den Weg præpariren. Dißmal bleiben wir allein bey den Generalibus, und nehmen vor uns die promul - ſidem, oder Vorſchmack / anzuzeigen / welches dieſer Parabel Natur / Zweck und Art ſeye / und wie wir ſie prima fronte, im erſten Blick anzu - ſehen haben: Gott gebe ſeine Gnad und Segen / Amen.
A iijGeliebte6Die Erſte PredigtGEliebte im HErꝛn: Jn fuͤnff Stucken beſtehet der Vortrag unſers paraboliſchen Textes / da uns zu allerforderſt vorkom̃t I. Parabolæ Cortex, die Rinde gleichſam an dieſem paraboli - ſchen Baum / die Schelet / die Schaal / darinnen ſie fuͤrgetragen worden / dieſelbe iſt nun die narratio, die gantze Comoͤdi in unterſchiedlichen acti - bus, darinnen erzehlet wird von einem Vater / der zween Soͤhne hatte / deren einer dem Vater das Erb abgetrotzet / damit uͤber Land gezogen / und alles verpancketieret. Da er nun ange - fangen Mangel zu leiden / und ſich elend behelffen muͤſſen / ge - dachte er zuruck an ſeines Vaters Hauß / wie gut es daſelbſt die Tagloͤhner haͤtten / und er muͤßte in ſolchem Mangel leben. Deßwegen er umgekehret / ſeine vorige Heimath wieder beſucht / und von ſeinem Vater / auch wider ſeines aͤltern Bruders Wiſſen und Willen / freundlich bewillkommet und auffge - nommen worden. Das iſt alſo kuͤrtzlich die Hiſtori an ihr ſelbſt. Ob aber dergleichen jemalen geſchehen / und ἐν ὑϖοθέσει, im Wercke ſelbſten fuͤrgangen / daher der Herr Chriſtus das Exempel genommen / ab ὑϖο - ϑέσει ad ϑέσιν zugehen / oder ob Er ex fictione rei poſſibilis, auß Satz ei - ner moͤglichen Sache gegangen / und dieſe Parabel ſelbſten erdichtet / iſt nicht gnugſam offenbar / ligt uns auch daran gar wenig. Jſts alſo ge - ſchehen / ſo iſts parabola exemplar, ein Exempel-Gleichnuß / von Chriſto fuͤrgeſtellet / daß man ſich / jung und alt / daran ſpiegle. Jſts nicht ge - ſchehen / ſo hat es doch wol geſchehen koͤnnen / und iſt eine Comoͤdi / die von Anbegin der Welt geſpielet worden. Niemand laſſe ſich deßwegen irꝛ machen / wanns gleich alſo in ſolchen Umſtaͤnden nicht geſchehen waͤre. Dann zu gleicher weiß / wie in einer Comoͤdi / wann eine Perſon in einem Koͤniglichen Habit aufftritt / und ſich darſtellet als ein Koͤnig / niemand deßwegen verfuͤhret oder betrogen wird: Alſo / wann der Evangeliſt ſagt / der Herr habe dieſe Gleichnuß geſprochen / und ſie eben in der That mit ſolchen Umſtaͤnden nicht geſchehen / kan darum Chriſto kein Betrug oder crimen falſi auff gebuͤrdet werden.
II. Radix, die Wurtzel und Schluͤſſel des Verſtands / iſt der ſco - pus und Zweck / warum der Herr dieſe Parabel angefuͤhret / und wohin ſie gemeynet iſt. Urſach hat dem Herrn dazu gegeben / das Pariſaͤiſche / heuchleriſche / neidiſche Schalcks-Aug; dann dieſe murreten / daß Chriſtus der Zoͤllner und Suͤnder ſich annimmet / ſie aͤrgerten ſich darab / und ge - dachten / gleich und gleich geſelle ſich gern / ſie lieſſen ſich beduncken / das Himmelreich ſeye allein ihr / als die ein ſolch ſtreng und heiliges Lebenfuͤhre -7Vom verlohrnen Sohn. fuͤhreten / Zoͤllner und Suͤnder aber waͤren Außwerfflinge. Dieſelbe nun zubeſchlagen / fuͤhret der Herr dieſe Parabel ein / und verſtehet unter der Perſon des verlohrnen Sohns die bußfertigen Zoͤllner und Suͤnder / um dero willen Chriſtus in die Welt gekommen; unter der Perſon des Va - ters ſeinen himmliſchen Vater / ja auch ſich ſelbs; unter der Perſon des aͤltern Bruders die Heuchler und Werck-Heiligen / und iſt der gantzen Parabel Meynung dieſe: So dieſer irdiſche Vater ſeines boͤſen Kinds / aber bußfertigen Suͤnders / ſich ſo hertzlich angenommen. Und (ich frag euch) wann euerer einem / die ihr doch ſo arg und boͤß ſeyd / dergleichen Hertzenleid begegnet / wuͤrdet ihr auch euere Kinder außſchlagen? ich glaub es nicht; alſo ſolt ihr mich auch nicht verdencken / daß ich mich der armen Suͤnder ſo hertzlich annemme / als um dero willen ich in die Welt kom - men bin / zu ſuchen / das verlohren iſt. Jhr aber ſeyd die feindſelige Bruͤ - der des verlohrnen Sohns / die leidigen Schaden-Fro / meynet ihr / der Himmel ſeye allein fuͤr euch erbauet? nimmermehr. Jſt alſo dieſe Pa - rabel in Summa / ein Commentarius, ein Schluͤſſel des himmliſchen Vater-Hertzens / ein Liecht und illuminatio der Goͤttlichen Verheiſſung / Ezech. 18, 31. So wahr ich lebe / ich begehre nicht den Tod des Suͤnders und Gottloſen; Matth. 11. Kom̃t her zu mir alle / die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd / ich wil euch erauicken; Luc. 5. Die Geſunden bedoͤrffen keines Artzts / ſondern die Krancken / ich bin kommen zu ruffen den Suͤndern zur Buß / und nicht den Gerechten. Sie iſt eine rechte promulſis und Vorſchmack der Lehr vom Loͤß - und Bind-Schluͤſſel.
III. Nucleus, der Kern / Marck / Safft und Frucht dieſer Parabel (nam parabolæ aliud in medulla habent, aliud in radice pollicentur, ait Hieron. in cap. 12. Ezech. die Gleichnuͤſſe haben etwas anders in ſich / als ſie aͤuſſerlich bedeuten. ) iſt / der hoͤchſt-nothwendige Articul unſers Chriſtlichen Glaubens von der wahren Buß / und folgender Rechtfertigung eines armen Suͤnders fuͤr Gott / (da zugleich mit einlauffen die Articul vom freyen Willen und deſſen Kraͤfften / von der Suͤnd / von Gottes Gnad und dero Krafft / von beyderley Gerechtigkeit des Geſetzes und Evangelii /) als von welchen Articuln des Glaubens biß dato außfuͤhrlich zu handeln / ſich die Gelegenheit nit wollen præſentiren Reimet ſich gar wol hieher / dieweil wir naͤchſt darauff die Lehr von der Abſolution und excommunication antretten werden / alles uns zur Lehre und Troſt.
IV. Rami, die Aeſte an ſolcher Gleichnuß / die ſeind nun die jenige Stuͤcke / oder Theile / in welche ſich dieſe Parabel abtheilet / und ſeind deroſonderlich8Die Erſte Predigtſonderlich drey / der ungerathene / verlohrne aber bußfertige Sohn / der repræſentiret dich / mich / und einen jeden unter uns / es beredt ſich ja niemand / ob ſeye er um viel Haar beſſer / wir haben leider alle mit Gott den verlohrnen Sohn geſpielt / wiewol einer ſein Perſon beſſer oder viel - mehr aͤrger vertretten / als der andere; ah perditè vixi, ich habe ſchlimm gelebt! muͤſſen wir alle ſagen. 2. Der Vater des verlohrnen Sohns præſentiret den himmliſchen Vater / der agirt daſelbs ſeine Per - ſon / oͤffnet ſein Vater-Hertz faſt nirgend in der gantzen Bibel ſo klar / ſo be - weglich als allhie / indem er ſeinem Sohn / als er noch ferne geweßt / entge - gen gangen / ihm um den Hals gefallen und gekuͤſſet / ſeiner ſich erbarmet / und befohlen / ihme das beſte Kleid / einen Fingerreiff und Schuch zu bringen / und ein gemaͤſtet Kalb zu ſchlachten. 3. Der Bruder des verlohrnen Sohns ſeind die jenige groſſe Heiligen / die ihrer Einbildung nach nie kein Waſſer betruͤbet / die nicht noth haben zu betten auß Pſal. 25. Gedencke nicht HErꝛ der Suͤnde meiner Jugend und meiner Ubertrettung; Werffens auch bußfertigen Suͤndern fuͤr / nachdem ſie mit Gott ſich außgeſoͤhnet. Seind eine rechte idea und Muſter der alten Pelagianer und Novatianer / und der heutigen paͤpſtiſchen Semi - Pelagianer: die meynen / ſie bedoͤrffen keiner Buß / und wollen durch und durch recht haben. Ein lebendiges Controfet und Bildnuß der geiſt - lichen Hoffart und des ſchnoͤden Phariſaiſmi, davon aber zu ſeiner Zeit gruͤndlich wird gehandelt werden.
V. Kommen endlich dazu die folia und Emblemata, die Bey - und Neben-Perſonen / die Neben-Gemaͤhld / die zwar zum eigentlichen Weſen und Zweck nicht gehoͤren / werden aber ad complendam parabolam, die Gleichnuß zu ergaͤntzen mit eingefuͤhret / derſelben eine Geſtalt zu geben / darinnen man eben nicht alles außeckeln muß / wie bißweilen muͤſſige Leute zu thun pflegen. Als da iſt die condition des fremden Landes / dahin er gezogen / die Huren / mit denen er ſein Gut verthan / der Burger des Lands / an den er ſich gehaͤnget / die Tagloͤhner / die Brod die Fuͤlle haben / die Spiel - leut / die er bey der Mahlzeit gehalten / die Knechte / Kleid / Finggerreiff und Schuch / und dergleichen.
Hier ſtehet nun / M.L. der herꝛliche Paraboliſt / Ach welch ein Meiſter zu lehren! allen Predigern / ſonderlich aber Theologiæ Studioſis zu einem dapffern Lehrmeiſter / und weiſet den rechten Hand-Griff / wie man nach ſeinem Exempel lehren ſoll. Quid I. docendum, was man fuͤrtragen ſoll / nicht Menſchen-Tand / nicht weltliche / heydniſche Hiſtorien / die Ohr - en damit zu grauen / nicht lauter moralia und legalia, vom Geitz / Wucher /Un -9vom verlohrenen Sohn. Unkeuſchheit / ꝛc. damit man offtmal mehr nicht erlangt als den Phari - ſaiſmum und aͤuſſerliche Erbarkeit; ſondern die Meſchalim, ſublimia magnalia DEI, hohe / himmliſche / uͤbernatuͤrliche Geheimnuͤſſe / von der Perſon Chriſti / Gnaden-Wahl / den Kraͤfften des freyen Willens / von der Tauff-Krafft der Kinder / davon die Zwinglianer nichts hoͤren wollen / ꝛc. und daſſelbe ſoll vollkommen geſchehen / ſoviel davon in Gottes Wort ge - offenbahret iſt; es wird doch wohl in dieſer Welt ein ænigma, ein Spie - gel / dunckele Lehr und Stuck-Werck verbleiben / aber ſo viel geoffenbaret / ſoll man auch nicht verſchweigen. Solte darum ein Knab in der untern Schul ſein Elementale nicht recht lernen wollen / dieweil daſſelbe in der obern deutlicher erklaͤret wird? alſo laͤßt ſichs auch nicht thun / wann einer die Milch-Speiß wegen der harten Speiß in unterſchiedlichen Glaubens - Articuln nicht verſtehen lernen / ſondern verneinen wolte / wann man die ſchweren Sachen verſtehet / wuͤrde das leichtere ſich auch ergeben / wie es Auguſt, tract. 97. erklaͤret. 2. Quomodo? ſie ſollen Chriſto ab - lernen modum parabolicum, daß ſie auch Gleichnuß-Tichter ſeyen / wie Ezechiel dieſen loͤblichen Nahmen gehabt / daß er memaſchel meſchalim genennet worden / als der eitel verdeckte Wort geredet / c. 21. Und das heiſſet Knechten und Maͤgden / und Einfaͤltigen predigen. Dahin ſeind die Wort Lutheri in colloq. zu verſtehen / daß man ſchlecht und einfaͤltig predige / nur gedencke Knechten und Maͤgden zu predigen / um D. Jonæ, Philippi, oder der gantzen Univerſitaͤt willen nicht einmal auff - trette. Verſtehe aber nicht abſolutè, ſchlechter dings dahin / dann Er wußte wol / ſe debitorem eſſe omnium, daß er aller Schuldner ſeye / Rom. 1, 14. ſondern comparatè, Vergleichungs-weiß / in oppoſitione und Ge - genſatz wider die jenige / die lauter Rabbinos und Meiſterſtuck herauß werffen / mit Hebraͤiſch / Grichiſch es ſo krauß machen / daß das gemeine Volck da ſtehet / und zuhoͤret / wie ein Kuh ein neu Thor anplart. Mit wenig Worten viel anzeigen / das iſt groſſe Kunſt / Thorheit aber iſts mit vielen Worten nichts reden; Jch predige / ſpricht Luther. einfaͤltig den Ungelehrten / und es gefaͤllet allen wol. Man leſe ſeine Poſtill / ſo wird mans finden.
3. Qu id in parabola quærendum? Was in der Gleichnuß zu ſuchen? Eine jede Parabol hat ihren Kern / da hat man ſich nun wol zu huͤten vor dem Zweck-Fehler / daß man nicht neben dem Zweck hin - ſchieſſe / mit den Rinden und der Schelet die Zuhoͤrer abſpeiſe / ſondern das Marck recht herauß grabe. ᾽Ερευνᾶτε, οὐ συκοφαντει῀τε καὶ πολυπραγμο - νει῀τε ſchreibt Damaſcen. l. 4. D. O. F. 12. Chriſtus ſpricht / ſuchet / for - ſchet in der Schrifft / nicht / treibet Allefaͤntzerey / oder beleget euch mitZehender Theil. BSachen10Die Erſte Predigt. Sachen / die euch nicht gebuͤhren / bringet keine Sachen bey / die ſich daher eigentlich nicht ſchicken. Da trucke man nun die Poſtillen nicht zu wohl / dann ſie vagiren bißweilen allzuweit herum / und uͤberſchielen den Kern / ſie thun keine ſatisfaction, gehet eben mit ihnen / wie mit dem Geld / je we - niger man hat / je groͤſſern Fleiß legt man an / biß mans bekomt / je mehr man aber Geld hat / je weniger achtet man es; Es laßt ſich zwar mit den Poſtillen vor der Welt auffgezogen kom̃en / die eben die fremden Federn / (darinn ſich mancher ſpiegelt) nicht erkennen / aber vor Gott und dem Gewiſſen nicht. Was Gott der Herr dem Propheten Ezechiel geſagt c. 40, 4. Du Menſchen-Kind / ſiehe und hoͤre fleiſſig zu / und mercke eben drauff / was ich dir zeigen will. Dann darum biſt du hergebracht / daß ich dir ſolches zeige / auff daß du ſolches al - les / was du hie ſieheſt / verkuͤndigeſt dem Hauſe Jſrael; Das ſagen wir auch allen Theologiæ Studioſis, du Menſchen-Kind / ſiehe und hoͤre zu / was dir geſagt wird / und mercke eben drauff / was dir fuͤrkomt / auff daß du ſolches dem Hauſe Jſrael / deiner Gemeinde / die dir anver - trauet werden ſoll / treulich ohn alle Gefaͤhrde vortrageſt.
Es ſtehet aber Chriſtus auch hie / und rufft allen Zuhoͤrern zu / Matth. 13. Wer Ohren hat zu hoͤren / der hoͤre. Er verheißt; Wer da hat / dem wird gegeben / daß er die Fuͤlle habe: Dann wo das Wort Gottes verſtanden wird / da mehret es ſich / es beſſert den Menſchen / und macht ihn auffwachſen zur Chriſtlichen Vollkommenheit. Er draͤuet aber auch: wer aber nicht hat / von dem wird auch genommen / das er hat. Gleich wie in der Schul einem ungehorſamen Diſcipul / der alle Unterweiſung in Wind ſchlaͤgt / und keinen Unterricht mit Danck annehmen will / letſtlich ſolches benè rechtmaͤßiger weiſe entzogen wird; Ja wann die præmia werden auß getheilet werden / wirds heiſſen: du Schalcks-Knecht haſt das Gute in der Welt verachtet / nim nun auch mit der Straff vorlieb. Chriſtus der Herr begehret von uns cupidi - nem & promulſidem, eine Begierde nicht nur der Geſetz-maͤſſigen / ſon - dern auch Evangeliſcher Stuck und Geheinmuͤſſe / darum legte ers ſeinen Juͤngern κατ᾽ ἰδίαν, in ſonderheit auß / daß ſie deſto begieriger und eifferi - ger zur Nachforſchung werden ſolten. So hoͤret nun / M. L. dieſe Gleich - nuß: Chriſtus ladet die Alten ein / daß ſie in ſich ſelbſt gehen / und das γνῶϑι σεαυτὸν die ſelbs-Erkantnuß fleiſſig practiciren lernen / in ihrer Jugend hinderſich ſpatziren und auffs genaueſte alles pruͤffen ſollen. Sonder - lich aber agiret er dieſe Comœdi vor den jungen Geſellen und Jung - frauen / ſich daran zu ſpieglen / nicht zur Nachfolg / ſondern zur Flucht und Abſcheu. Terentii Epitaphium iſt in den Schulen bekant:
De -11vom verlohrnen Sohn.Deſcripſi mores hominum, juvenumque ſenumque,Qualiter à ſervis decipiantur heri.Quid meretrix, quid Leno dolis confingat avarus,Hæc quicunque fugit, ſic, puto, cautus erit.
Dieſem verlohrnen Sohn iſts gelungen / daß er zur Buß kommen / aber tauſenden ſeines gleichen gelingt es nicht / denen am allerwenigſten / die es auff die Gnade Gottes wagen wollen. Gott gebe / daß wir in dieſer fuͤrhabender Buß-Comoͤdi nicht bloſſe Seher und Hoͤrer / ſondern Thaͤter werden / daß wir uns nicht erkuͤhnen vom Thurn in dieſe boͤſe Welt freventlich herab zu ſpringen / dieweil nicht irgend einer mit dem Leben darvon komt / um ſein ſelbſt willen / Amen.
GEliebte in Chriſto. Wann Hug. de S. Victore, einer von den alten Lehrern / l. 2. de arca morali c. 4. eine artige und ſchoͤne proſopopœiam unter andern einfuͤhret / uns Menſchen-Kinder zu ſchuldiger Danckbarkeit gegen Gott im Himmel auffzumuntern / und ſchreibet: Audimus crea - turam tribus vocibus nobis loquentem; prima vox dicit, accipe; ſecunda, redde; tertia, fuge; accipe beneficium, redde de - bitum, fuge ſupplicium, das iſt: Wir hoͤren die Creatur mit drey Stim - men reden / die erſte ſagt / Nim̃; die andere / Gib; die dritte / Fleuch; Nim̃ die Gutthat an / leg deine Schuldigkeit ab / und fleuch die Straff. So præſentiret ſich die Creatur I. in der erſten Stimm tanquam fa - mulam, als eine Dienerin; Sihe Menſch / ſpricht ſie gleichſam / ich bin deine Dienerin / darzu erſchaffen / daß ich dir dienen ſoll / die Sonn / Mond und Sternen ſprechen / ich leuchte dir / der Wein / ich erquicke dich / die Fruͤchten / ich ſpeiſe dich; Seiden / Flachs / Hanff / Woll / ich kleide dich;B ijSilber12Die Andere PredigtSilber und Gold / ich diene dir in allerhand Contracten; die Blumen des Feldes / die froͤliche Fruͤhlings-Zeit / ich lache dich an / nim̃ hin / brich ab / iß / trinck / kleide dich / brauche mich / ich bin bereit / dir zur Freud und Nutz zu dienen. II. Jn der andern Stimm / præſentiret ſich die Creatur tanquam magiſtram, als eine Lehrmeiſterin / und ſpricht: redde 1. debitum gloriæ, gib mir die Ehren-Schuld / wiſſe / daß ich mich dir nicht vergebens zum Dienſt untergebe / ſondern daß du mich brauchen ſolt meinem Schoͤpffer zu Ehren / und dem Naͤchſten zu dienen / aſpice me, ſed oculis columbinis, ſihe mich an / aber vergiß Gottes des Schoͤpffers daruͤber nicht / amplexu Joſephico, wie Joſeph mich angenommen; ge - brauche meiner als ein Wandersmann und Pilgrim / uͤber Tiſch als ein Knecht und Diener / mach keinen Goͤtzen auß mir meinem Schoͤpffer zu Unehren. 2. Debitum juſtitiæ & exercendæ charitatis in proximum, die Liebes-Schuld / brauche mich als einen Brunnen / der jederman Waſſer gibt / verſtopffe mich nicht / und laß meine Baͤchlein auff die Gaſ - ſen flieſſen. Gott der Schoͤpffer iſt das Meer aller Guͤtigkeit / die Men - ſchen ſeind die Canaͤle und Roͤhre / durch welche alles Gute dem Naͤchſten zu gut wieder in Gott hinein flieſſen muß. 3. Debitum gratiæ, die Danck-Schuld / ſeyd nicht wie Roß und Maͤuler / die nicht verſtaͤndig ſeind / die den Habern freſſen / und dencken nicht einmal / wo er herkomt / oder wie die Schweine / ſo die Eychlen freſſen / ſehen aber niemals uͤber ſich auff den Baum / von dem ſie herab fallen / ſondern ſprich: Ach Gott / es iſt ja dein Geſchenck und Gab / mein Leib und Seel / und was ich hab. III. Jn der dritten Stimm præſentirt ſich die Creatur tanquam ar - borem vetitam, als einen verbottenen Baum / und ſpricht: fuge ſupplicium, meide die Straff / wegen des ſchaͤndlichen Muͤſſiggangs und Mißbrauchs / du kanſt an mir gar wol die Hoͤlle verdienen / wirſt du mich martern / und mit ſchaͤndlichem Mißbrauch quaͤlen / ſo klag ichs meinem Schoͤpffer / der uns Creaturen auch zur Rach erſchaffen / wie Bileams Eſelin geſagt Num. 22. Was hab ich dir gethan / daß du mich geſchlagen haſt nun dreymal; ſo ſagen auch in ihrer Maß alle andere Creaturen. Jſt M. L. eben das jenige / was uns Chriſtus in drey Parabeln ſchoͤn fuͤr - gebildet / und zu verſtehen gegeben; Matth. 25. an dem Exempel deſſen / der einen Centner zum Wucher empfangen / bey ihm war das accipe, aber vom redde wolt er nichts wiſſen. Luc. 16. am ungerechten Hauß - halter / der ſeinem Herrn die Guͤter umgebracht / bey welchem ſich das accipe auch befunden / aber nicht das redde und fuge; alſo auch ſonder - lich Luc. 15. in der ſchoͤnen Parabel vom verlohrnen Sohn / als bey wel -chem13vom verlohrnen Sohn. chem das accipe gar annehmlich war / aber das redde blieb auſſen / dar - um dann auch das ſupplicium, die Straff darauff gefolget / wie gerun - gen / ſo gelungen.
Wann wir nun heut acht Tag daran den Anfang gemacht / und von der Parabel ins gemein gehandelt / ſo folget nun nach gemachter Abthei - lung in Dramate parabolico die erſte Perſon / der verlohrne Sohn tan - quam peccator, in ſeiner Untugend / und zwar in drey Umſtaͤnden / 1. ut in DEUM ingratus. 2. in parentem impius. 3. in ſe ἄσωτος, als ein Undanckbarer / Gottloſer / unmaͤſſiger Geſell / da er grad umkeh - ret / was Paulus ſagt Tit. 2. daß wir ſollen σωφρόνως, δικαίως, καὶ ἐυσε - βῶς, zuͤchtig / gerecht / und Gottſelig leben / ſo heiſſet es bey ihm / ἀσωφρόνως, ἀδίκως, καὶ ἀσεβῶς, unzuͤchtig / ungerecht und gottloß. Diß - mal nehmen wir allein vor uns / Filium ingratum, ſeine Undanckbarkeit: darvon nun nutzlich und aufferbaulich zu reden / wolle uns Gott mit der Gnad / Liecht und Beyſtand des Heil. Geiſtes um Jeſu Chriſti willen mildiglich erſcheinen / Amen.
ZWey Stuͤck haben wir bey unſerm Vortrag zu mercken / des verlohrnen Sohns Gluͤckſelig - und Undanckbarkeit an ihr ſelbſt.
Belangend nun I. ſeinen geſegneten gluͤckſeligen Stand / ſo geben die Umſtaͤnde der Parabel zu verſtehen / es ſeye derſelbe geweßt 1. Felix Eccleſiæ communione, in dem Schoß der Kirchen. Dann iſts eine warhafftige Geſchicht geweſen / (welches wir heut acht Tag dahin geſtellt gelaſſen) ſo iſts von einem Juͤdiſchen Mann / und ſeinem Juͤdi - ſchen Sohn / der ſich ins Heydenthum hinauß begeben / zuverſtehen: Jſts aber eine bloße Parabel / ſo hat doch Chriſtus auff das Judenthum geſe - hen / und gleich wie der aͤltere Sohn ein Bild der Juden / alſo iſt der juͤnge - re ein Bild der Heyden geweßt. Ja unter anderm Elend / das er auß - geſtanden / wird auch vermeldet / daß er im fremden Land der Schwein hab huͤten muͤſſen. War ein gedoppeltes Elend / erſtlich das Schwein huͤten ſelbſt / und dann daß er als ein juͤdiſcher Menſch ſolches thun muͤſ - ſen / davor ſonſt die Juden ein Abſcheuen hatten. Wie nun Plato vor zeiten der Natur gedancket / daß er ein Menſch / keine beſtia, ein Manns - Bild / nicht ein Weibs-Bild / ein Griech / kein Barbarer / ein Athenienſer / kein Thebaner gebohren / alſo war das ein uͤberauß groſſes Gluͤck / daß er unter dem Volck Gottes / dem außerwehlten Geſchlecht geboren / das Sacrament der Beſchneidung empfangen / die Hoffnung der Seligkeit gehabt: Summa / ein Kind Gottes geweſen.
B iij2. Felix14Die Andere Predigt2. Felix nativitate temporali, gluͤckſelig ſeiner Ankunfft nach / daß er gleich in den freyen adelichen Stand geſetzet worden. Dann die Umſtaͤnde gebens / daß er nicht von geringen / ſchlechten Eltern / nicht von einem Bauren oder Leibeigenen / ſondern frey gebohren: iſt etlicher maſ - ſen abzunehmen ex inſigni annuli & ſtolæ, auß dem ſtattlichen Finger - Reiff und Kleid / das ihm der Vater bringen und anziehen ſaſſen / ςόλην τὴν ϖρώτην, das erſte / edelſte nnd beſte Kleid. Das waren inſignia nobilitatis, und wie vermuthlich / hat er es zuvor auch getragen. Alſo iſt der Unterſcheid zwiſchen den Soͤhnen / und dann den Knechten und Tagloͤhnern im Text fundiret.
3. Felix ingenio & indole, gluͤckſelig ſeinem Verſtand und Gaben nach / adeliches Gebluͤt und adeliches Gemuͤth war bey einander / iſt auß der guten freymuͤthigen Luſt zu reiſen abzunehmen / er wolt kein Stuben-Huͤter oder Mutter-Kind ſeyn / immer hinder dem Ofen ſitzen / ſondern ſich auch verſuchen in der Welt. Die Intention war bey ihm gar gut / und der Zweck nicht boͤß / aber der Schuß war nicht juſt / der des Zwecks verfehlet. Darauß abzunehmen / was noch fuͤr an - dere ſemina, virtutes & talenta darunter verborgen gelegen. Sonder Zweiffel wird er zum Schutz der Synagog angezogen worden ſeyn / dann damals hielten die Edel-Leute die Studia fuͤr eine Ehr.
4. Felix corpore & valetudine, er war guter Geſundheit: Dann ſo er nicht friſch / geſund / ſtarck und ſchoͤn von Leib geweſen / und irgends einen Breſten / Bruch / Hoffer / lames Glied / oder dergleichen Wehbengel einen am Halß gehabt / der Reyß-Kuͤtzel wird ihn nicht an - kommen ſeyn.
5. Felix opibus, reich an Guͤtern; Er begehret von ſeinem Va - ter das Theil ſeiner Guͤter / und erlangts / ſamlet alles zuſammen / und zie - het mit davon. Er erinnert ſich hernach in ſeiner Buß / daß die Tagloͤh - ner Brods die Fuͤlle haben: ſo muß der Vater auch nicht uͤbel geſtanden ſeyn / die reichen Gaben / der guͤldene Finger-Ring / das koͤſtliche Kleid / das gemaͤſte Kalb in parato, und die ſtattliche Mahlzeit / die Tagloͤhner und Knechte ſeind lauter Zeugen des Reichthums. Dazu komt die monadelphia, daß er nur einen einigen Bruder gehabt / da waͤre dann das Gut bald getheilet.
6. Felix favore, er hat gute Gunſt. Dann er war der juͤngſte / conſequenter der liebſte / wie Benjamin und Joſeph / Gen. 37. Das wußt ihm wol der aͤltere Bruder auffs Brod zu ſchmieren; Nun aberdieſer15vom verlohrnen Sohn. dieſer dein Sohn kommet / das ſchoͤne liebe Juͤnckerlein / der ehrbare Ge - ſell / ꝛc. Darum auch Jacob ehe alle ſeine zehen Soͤhne in Egypten laͤßt / biß auff den eintzigen Benjamin.
Folget nun II. Ingratitudo, die Undanckbarkeit. Wie hat ſich aber dieſer ſchoͤne Juncker erzeiget? als wie ein undanckbarer Geſell ge - gen Gott zuforderſt im Himmel / und gegen ſeinem lieben frommen Va - ter / wie er ſelbs bekennet / ich hab geſuͤndiget im Himmel und fuͤr dir. Und zwar war er undanckbar
1. Per gratiarum intermiſſionem, in dem er des Dancks ver - geſſen; Wie ſolte doch dieſer Menſch Gott gedancket haben / ſeinen gluͤckſeligen Stand gegen andern ſeines Alters Juͤnglinge und Jung - frauen verglichen und gedacht haben? ſihe / Gttt hat dich zum Junckern gemacht / du haͤtteſt wohl auch eines Bauren Sohn werden koͤnnen; du biſt reich / haͤtteſt aber auch gar wohl ein armes Wayſen - und Bettel - Kind ſeyn koͤnnen; du haſt eine ſchoͤne geſunde und grade Leibes pro - portion, da ein anderer ein Krippel / blind und lahm; Gott hat dir ein faͤhig ing〈…〉〈…〉 nium gegeben ſchoͤne Kuͤnſte zu lernen / deſſen ein anderer ent - rathen muß. Der jenige Gott / der dir diß alles gegeben / kan dirs auch bald wieder nehmen / fortunam rev[er]enter habe, haſt du ein groſſes Gluͤck / wiſſe / es hat auch ſein Tuͤck. Das alles hat er gedencken und fuͤr Lieb gegen Gott brennen ſollen, aber er achtet alles nicht / und mey - net / es muͤſſe eben ſo ſeyn / Gott ſeye es ihm ſchuldig / macht deswegen ſein computum bey Zeit auff ſeines Vaters Guͤter / dencket / da kan es ihm nicht fehlen.
2. Per ſuperbiam & inobedientiam, die Hoffart blieb nicht auß bey ſo hohen Gaben / ſeine Natur iſt gantz verderbt; er trotzet Gott nicht nur / ſondern ſpiegelt ſich auch in ſeinen Gaben / er wußt zeit - lich / daß er einen reichen Vater hatte / und machte ſeinen Concept fein bey zeiten auff ſeines Vaters Gut; es hats ihm ein Schalck geſagt / daß er einen guten Kopff habe / ſchoͤn von Leib ſeye / und ihm alles wohl anſtehe. Deſſen uͤberhebt er ſich. Divitiarum morbus eſt ſuperbia, ſagt Auguſt. grandis animus, qui inter divitias illo morbo non laborat. Omne pomum, omne gramen, omne frumentum, omnelignum habet ver - mem ſuum, alius vermismali, alius pyri, alius fabæ, alius tritici, ver - mis divitiarum ſuperbia; das iſt: Der Reichen Kranckheit iſt Hochmuth / es iſt ein ſeltzames Wildpret / wer bey groſſem Reichthum daran nicht danieder liget; ein jedes Obs / Graß / Frucht / Holtz hat ſeinen Wurm in ſich / ein anderer Wurmſteckt16Die Ander Predigtſteckt im Apffel / ein anderer in der Birn / ein anderer in ei - ner Bonen / des Reichthums Wurm iſt Hochmuth / darum je ſchoͤner Blum / je ſchaͤdlicher Ungeziffer. Summa: er hatte einen Wurm / der hieß φιλαυτία & contemptus proximi, ſelbſt-Lieb und Ver - achtung des Naͤchſten / da iſt an ihm / was ſonſt die Heyden von Narciſſo gedichtet / alles wahr worden.
3. Ingratus per otium, matrem nugarum & novercam vir - tutum, der Muͤſſiggang / eine Muter der Allefaͤntzerey und Stieffmutter aller Tugenden / ſteckte ihm in dem Rucken / er mocht nicht gern dicke Brettlein boren / ließ ſich duncken / er haͤtte Gelds genug / die Bauren-Kinder moͤchtens ihnen laſſen ſaur werden / warum ſolte er ſich außmaͤrglen. Sein Thun war zweiffels ohn ſchlaffen / biß ihm die Sonne ins Bett geſchienen / er hat nicht viel nach dem Haber - mann / nach den Buͤchern und der Kirchen gefragt / ſondern nach dem Kellermann / nach dem Fruͤhſtuͤck / darauff die Gaſſen getrett / enſpatzieren gegangen / Muſicen angeſtellet / iunckerirt / geloͤffelt / graſſatum gangen / und mit. Schlinglen die liebe Zeit zugebracht. Jſt alles darauß abzu - nehmen / daß er / da es ihm hernach an den Bund-Riemen gangen / kein ehrlich Handwerck ergriffen. Dann weil er die Bluͤht ſeiner Jugend dem Teuffel auffgeopffert / hat er nichts rechtſchaffenes ſtudieret / damit er ſich haͤtte moͤgen durchbringen / mußte des wegen der Schwein huͤten / und ſich mit den Saͤuen luſtig machen. War alſo in Summa ingra - tus hoſpes in DEI aula, ein undanckbarer Koſtgaͤnger an GOttes Taf - fel / ihm war re ipſa in der That auff ſein Hertz und in ſein Gewiſſen ge - brant das ſtigma, ingratus homo, danckeſt du alſo deinem Gott? Gleich wie vor zeiten der Koͤnig Philippus einem Soldaten / der ſeinem Koſt-Wirth / von dem er viel Gutes empfangen / einen rothen Hahn auffs Hauß geſetzt / ein ſtigma laſſen auff die Haut brennen / ingratus hoſpes, undanckbarer Gaſt / auff daß / wer ihn anſihet / ſich an ihm ſpieglen moͤchte; alſo ſtellet uns auch Chriſtus dieſen Juͤngling ut ingratum ſtigmate hoſpitem, als einen undanckbaren Geſellen vor / an dem wir uns allzumal wohl beſpieglen und ſchamroth werden ſollen.
Nun / M. L. der verlohrne Sohn iſts nicht allein / wir alle ſind in ge - wiſſen Stucken auch ſolcher Art und Haar gegen Gott / wir wollen die Deu - tung deſſen nit weit auß dem Paradiß her holen / da wir alle das Brand - mal / ingratus hoſpes, in unſern Hertzen erholt. Wieviel verlohrner Soͤhn gibts noch unter uns / bey denen das accipe, die Geb-Hand Gottesgar17Vom verlohrnen Sohn. gar angenehm / aber das redde, und die ſchuldige Wieder-Erſtattung auß - bleibet? Keiner iſt unter uns / der nicht ſonderbare Gutthaten von Gott hat; ſeinds nicht Gemuͤths-Gaben / ſo iſts geſunder / friſcher / ſtarcker Leib; iſts nicht Reichthum / ſo ſeinds Gemuͤths-Gaben / oder anders der - gleichen. Ja wir alle ſeind Kinder GOttes worden / die da hoͤchſt ge - adelt ſeind: Aber ô des ſchnoͤden Mißbrauchs! ach wie viel Falliten und Banckerotierer gibt es / die mehr eingenommen als außgegeben / die neben dem Zweck hinſchieſſen / und ſich ſelbs treffen. O der ſchaͤdlichen Traͤg - heit! Eine Dienſtmagd wann ſie nur eine Suppe beſſer kochen kan als die andere / wie groß duncket ſie ſich zu ſeyn. Ein jeder zielet jetzt auff ſich ſelbs / und erſchießt ſich ſelbs; Was wollen wir von hoͤhern Gaben ſagen? wie duncket ſich der Adel ſo groß / wer einen Pfenning mehr hat als der ander / der meynet / daß er nicht um ein Haar weichen darff / und wil gleich allenthalben oben ſchwimmen / wie das Fett auff der Supp. Jhr alten Jani ſehet doch zuruck in euere vorige Zeiten vor der allgemeinen teutſchen blutigen Suͤndfluth / wie habt ihr da haußgehalten? gedencket / was ihr vor Gaben von Gott gehabt? nemlich ihr hattets wie die zu Sodoma / Hoffart und alles vollauff / und guten Fried / wolfeile Zeiten / einen edlen Sitz und Paradiß GOttes / ein rechtes Schlauraffen-Land. Aber ô der ſchnoͤden Undanckbarkeit! ich wil nicht ſagen von dem groben un - danckbaren Baurs-Volck / das mitten in der Cron des Goͤttlichen Se - gens geſeſſen / mit deme aber Gott den Kehrauß gemacht; Von uns / die es beſſer haben verſtehen koͤnnen / rede ich / wo ſeind die fœnora? wo iſt geblieben die Danckbarkeit gegen Gott / in Erkanntnuß GOttes / Lieb / Forcht / Gebet / Lob / Heiligung des Sabbaths / Demut und dergleichen? Da hat man ſich verlaſſen auff Proviant / Feſtungen / Waͤhl / Geſchuͤtz / Mannſchafft / und getrotzt / wann ſchon drey Kriegs-Heer fuͤr die Stadt kaͤmen / koͤnten ſie ſie doch nicht gewinnen; man hat / mit einem Wort / gelebet wie Schweine / gefreſſen / geſoffen / pancketieret / geſprungen / ge - tantzt / und alſo haußgehalten / daß die Creaturen daruͤber geſeufftzet und geaͤchtzet. Daß aber jetzt dergleichen nicht geſchicht / mangelt nicht am guten Willen / ſondern an Mitteln. Jſts dann Wunder / wann Schwein - Suͤnden mit Schwein-Straffen bezahlet werden / und was mancher ein - gebrockt / anjetzo außfreſſen muß?
Es ſtehet aber dieſer ingratus hoſpes, und undanckbare Gaſt auch fuͤr Augen als ein Schreck - und Warnungs-Spiegel / allen jungen Leuten / Studenten und Unſtudenten / Edeln und Unedeln / Soͤhnen und Toͤch - tern / Knechten und Maͤgden. I. Den Handwercks-KnechtenZehender Theil. Cund18Die Andere Predigtund Maͤgden / die ſich beduncken laſſen / das Junckern-Handwerck ſeye das beſte / ſie muͤßten wol Narren ſeyn / daß ſie ſich von ihren Meiſtern ſolten hudlen laſſen / ſie wollen lieber in Krieg ziehen / da ſeye es um ein Stund Schildwacht zu thun / ſo laßt man ſie im uͤbrigen zu frieden. Gehets nun ſolchen wie dem verlohrnen Sohn / ſo moͤgen ſie hernach den Werth daran haben; ja werden ſie mit Leib und Seel verdam̃t / ſo dencken ſie nur nicht anders / als es ſey ihres Undancks Schuld. 2. Den Ed - len von Adelichem Gebluͤt / die ſich beduncken laſſen / der Schul - Rauch moͤchte den Glantz ihrer Schild und Helm verdunckeln / duͤncken ſich beſſer als Moſes / Salomo / Alexander M. lernen nichts rechts / bring - en die edle Zeit mit Raßlen / Spielen / Freſſen / Schlinglen / und muͤſſig gehen zu. Gehets ihnen alsdann wie dem verlohrnen Sohn / ſo muͤſſen und moͤgen ſie es haben. Sprichſtu: es wird eben mir nicht ſo ergehen / ich traue gutes Gluͤck zu haben. Antwort: quod cuiquam potuit ac - cidere, poteſt etiam cuivis, was einem begegnet / das kan auch dir und allen andern wiederfahren. Es ſeind wol Edlere Geſchlechter in den Staub gefallen / darauß ſie erhebt worden / wil man dergleichen wiſſen / ſo wird man ſie in der Tuͤrckey / wie Busbequius bezeugt / antreffen: Die Nachkommende der Bulgariſchen Fuͤrſten und Griechiſchen Kayſer / die anjetzo hinter dem Pflug gehen / Habern-Brod eſſen / und mit Zwilchenen Kleidern fuͤr lieb nehmen muͤſſen. 3. Unſere Studenten / ſonderlich die von Mitteln ſeind / ſollen ſich auch daran ſpieglen / und gedencken / man habe ſie nicht hergeſchickt zu tantzen / zu ſpielen / ſchlinglen / freſſen / fechten / rauffen / junckerieren / ſtutzieren / allamodiſiren / Ballen ſchlagen / graſſatum gehen / loͤfflen und dergleichen / ſondern etwas rechtſchaffenes zu lernen / damit ſie zu ſeiner Zeit dem gemeinen Weſen / Kirchen und Schulen bedienet ſeyn. Unſere Straßburger / die es wol haben / ſollen an ihre condiſcipulos, commilitones gedencken / an die Wayſen - und Gutleut-Kinder / an Wilhelmiten und Marciten / und die reſolution faſſen / etwas rechtes zu lernen / und den Ehren-Grad mit Ruhm zu er - langen. Wo ſie es nicht thun / ſo moͤchte wol der Reimen des verlohrnen Sohns an ihnen wahr werden: Studierſtu uͤbel / ſo muſtu eſſen mit den Saͤuen auß dem Kuͤbel. Es iſt aber 4. den Toͤchtern geſagt / denen es ein Schalck eingeblaſen / ſie ſeyen wunder-ſchoͤn / Adelichen hohen Standes / reich und nahrhafft / ſie muͤßten ſich herfuͤr thun / ſeye nicht von noͤthen / daß ſie / wie die Maͤgde / die Arbeit angreiffen / ſondern bey zeiten ſpieglen / Pracht treiben / und es andern gleich - oder auch gar vor machen. Solche ſollen hoͤren / wie der verlohrne Sohn hinter den Schweinen her -fuͤr19Vom verlohrnen Sohn. fuͤr ihnen zurufft / und ſagt: Diſce meo exemplo ſapere, mein Sohn / meine Tochter / lerne an meinem Schaden witzig werden / nondum omnium dierum Sol occidit, es iſt noch nicht alle Tag Abend / es kan uͤber 20. Jahr geſchehen / was ſie ihnen jetzt nicht eingebildet / es hat wol mehr - mal manche ſtoltze Dirne das ihre verthan / und mit Schaden erfahren muͤſſen / woran ſie niemal gedacht. Die Armen troͤſten ſich mit dem Exempel Joſephs / und Mariaͤ / ergeben ſich Goͤttlicher Providentz / denck - en / es ſeye beſſer / arm ſeyn / als ſich mit Reichthum verwunden / contenti - ren ſich mit dem / was ſie haben; doch alſo / daß ſie auch fromm ſeyn und demuͤtig / dann manche Dienſt-Magd iſt in ihrem Hertzen ſo ſtoltz / ſolte ſie die Mittel haben / ſie wuͤrde ſich ſehen laſſen / und keinem Menſchen kein gut Wort geben. Aber from̃e und demuͤtige Hertzen dencken anders / in Betrachtung / daß ſie deſtoweniger zu verantworten / da iſt die geringſte Vieh-Magd bey ihrem geringen Lohn und truckenen ſtuͤck Brod viel gluͤckſeliger / als der / welcher der gantzen Welt Reichthum beſitzet. Das Magnificat der Gottſeligen Mariaͤ iſt ihr Symbolum / mit welcher ſie taͤglich ſprechen:
Wer Demut / Gedult und Hunger hat /Die wil GOtt gaͤntzlich ſpeiſen /Hoch ſetzen ſie / und machen ſatt /Damit ſein Gewalt beweiſen /Die Reichen ſchon laͤßt leer hingohn /Thut ſie in Trauren ſetzen:Doch was arm iſt / dem hie gebriſt /Wil Er mit Freud ergoͤtzen.
Si non eſſe potes, quod te fore ſorte putabas,Tum benè contentus, quod potes, eſſe velis.
Gehts dir nicht allzeit nach deim Will.Sey zu frieden / GOtt heißt dich ſchweigen ſtill.
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Ob wol die ἀτεκνία, der Kinder - Mangel oder die Erbloſigkeit kuͤmmerlich und beſchwer - lich / bey Gottloſen Leuten eine Goͤttliche gerechte Straff / und ein Zeichen Goͤttlicher Ungnad / als bey Abſalon / 2. Sam. 18. der ſeinen eigenen Vater durchaͤchtet und ver - folget; bey From̃en und Gottsfoͤrchtigen aber ein ſchmirtz - endes und weh-thuendes Creutz / als wann Abraham / Hanna eine lange Zeit ohne Kinder hingehen / Job dieſelbe in einer Nacht verlieret / Hißkias ohne Kinder geſtorben waͤre / wo ihm nicht durch ein extraordinari mira - cul ein Sohn / wiewol ein boͤſer Sohn / waͤre beſchehret worden / dann darum wars ihm zu thun / in ſeinem ernſtlichen Gebet / 2. Reg. 20. daß er einen Stul-Erben haben moͤchte; ſintemal Manaſſes erſt im dritten Jahr nach ſeiner Kranckheit gezeuget worden. Ob wol / ſag ich / die ἀτεκνία, die Erbloſigkeit ein kuͤmmerlicher und faſt unſeliger Zuſtand / ſo iſt er doch nicht ohn allen Troſt / wann wir bedencken die groſſe Gefahr / ſo Eltern mit ihnen zu beſorgen / und zwar 1. die gemeine Gefahr / wann allgemeine Straffen und Noth fuͤrhanden / und es ſonderlich an dem ſeyn wil / daß der erzoͤrnte Gott ſein Wort und Kirch wendet / da dann die Kinder mit eingeflochten ſeind; darum Luc. 23. die Unfrucht - baren / und die Leibe / die nicht gebohren / und die Bruͤſte / die nicht geſaͤuget haben / ſelig geprieſen werden. 2. Wegen der ſpecial - und ſonder - baren Gefahr; es moͤchte irgend das Kind des Vaters Namenſtinck - end machen / nach den alten Sprich-Woͤrtern / Chomez ben jajin, He - roum filii noxæ, fuͤrnehmer Leut Kinder gerathen ſelten wol. Die Ex - empel beweiſens / was hat Noah an Cham / Jſaac an Eſau / Jacob an Simeon / Levi / Ruben erlebet? Die Soͤhne Eli und Samuels / Davids Abſalon machten eitel Hertzenleid; Von M. Antonino, einem tugendſa - men Kaiſer ſchreibet ein H[i]ſtoricus, felix Imperator, niſi filios habuiſſet, haͤtte unſer Kayſer keine Kinder gehabt / er waͤre ein gluͤckſeliger Mann geweſen. Sonderlich aber 3. wegen der ewigen Seelen Gefahr / wann ein mancher frommer Vater ſich beſorgen muͤßte / es werde ſein un - gerathener Sohn / oder ungerathene Tochter der Hoͤllen dermal eins zu theil werden / und im Außgang erfahren muͤſſen / er hab ein Hoͤllen-Brandund21Vom verlohrnen Sohn. und Kind des Verderbens gezeuget; wie dann freylich David die Tag ſeines Lebens ſich gekraͤncket und bekuͤmmert / daß ſein Sohn Abſalon in ſeinen Suͤnden geſtorben und umkommen! wuͤrde er nicht manchmal gewuͤnſchet haben / ô daß das boͤſe Kind nie gebohren waͤre / welches Hertzenleid / wie Philipp Melanchthon davor haͤlt / groͤſſer als keines in der Welt / und nechſt dem hoͤlliſchen Feur am allermeiſten ſchmirtzet. Al - lermaſſen wie auch zweiffels frey der Vater des verlohrnen Sohns in ſol - cher groſſen Gefahr geſtanden / da er ſein ungerathenes Kind fuͤr Augen geſehen / und ſich der Verfuͤhrung befahret / wann er ihm einen Sprung in die Welt vergoͤnnen wuͤrde; wann er auch erfahren muͤſſen / daß an ſei - nem Sohn das Sprichwort wahr worden / Heroum filii noxæ, fuͤrneh - mer Leuth Kinder gerathen ſelten wol; Ja wann er ſich der Verdamnuß befahren muͤſſen / nachdem er ſich hinauß gewagt / und der Vater ihn all - bereit fuͤr todt und verlohren gehalten. Wird er nicht manchmal ge - wuͤnſchet haben; O daß der ungerathene Boͤßwicht nie waͤre gebohren worden / und haͤtte von ihm nicht auch moͤgen geſagt werden / was man wie oben erzehlet / von M. Antonino vor Zeiten geſagt / er waͤre gluͤckſelig geweſen / wann er nur keine Kinder gehabt.
Wann wir nun annoch auff dem Theatro in der Schau des verlohr - nen Sohns ſtehen / und heut acht Tag vernommen / wie er ſich mit Un - danck an Gott im Himmel vergriffen / ſo folget anjetzo in der Ordnung Impietas & iniquitas in parentem, ſeine Untreu und Gottloſigkeit gegen ſeinem Vater. Daß wir nun hievon aufferbaulich reden moͤgen / wolle Gott ſeine Gnad und Segen verleihen. Amen.
SO erſcheinet nun der verlohrne Sohn abermal und praͤſentiret ſich I. ut Filius perditus inobediens, als ein ungehorſames Kind / darauff deutet ſein aͤlterer Bruder / dann wann er vom Feld heimkomt / und vernimt / daß die ſchoͤne Zucht / das verlohrne Kind / wieder gekommen / ſo fuͤhret er unter andern ſeinen Verweiſungs-Worten ſeinem Vater auch zu Gemuͤth ſeinen Gehorſam / ꝟ. 29. Jch habe dein Gebott noch nie uͤbertretten / als wolt er ſprechen: aber dieſer dein Sohn / das ehrbare Buͤrſchlein / das dir allezeit zuwider geweſen / und dir in der Jugend groß Hertzenleid gemacht / wie vielmal hat er dein Gebott veracht / und ſeinem Kopff nachgelebet. Auſſer zweiffel / wie es pflegt zu geſchehen / wann der Vater ihm befohlen in die Kirch und Schulen zu gehen / hat er ſich bey ſeiner Geſellſchafft in Spiel - und Wuͤrths-Haͤuſern antreffen laſſen. Wann der Vater gemeynt / der Sohn ligt im Bett / iſtC iijer22Die Dritte Predigter irgend graſſatum gegangen. Dazu dann Geld vonnoͤthen war; da wird er heimliche Muten gemacht haben / und dem Vater uͤber den Seckel gekommen ſeyn / Schulden eingenommen oder gemacht haben / die er her - nach quittiren und bezahlen muͤſſen. Es wolte der Juncker nach ſeinem Plaiſir leben / ließ ihm nicht gern einreden / ſolte er zu Hauß bleiben / ſo wars ihm wie einem Vogel im Kaͤffig. Er wolte ſich nach ſeiner Ma - nier in alle neue Gattung kleiden / hieng boͤſe Geſellſchafft an ſich; Was / gedachte er / ſolte ich mich laſſen in ein Bockshorn treiben / ſolte ich mich von dem oder jenem Schulfuchſen viel foppen laſſen / das laß ich wol blei - ben / diſrumpamus vincula eorum, wir wollen ſie ſchoͤn finden / es muß gehen / oder muß brechen.
II. Ut audacter & ferociter ſuperbus, als ein freches / hoffaͤr - tiges Kind. Bey dem bloſen Ungehorſam und Halsſtarrigkeit blieb es nicht / ſondern es kam dazu die contumacia, der Frevel / Trotz und Hof - fart / wie auß ſeiner eigenen Beicht abzunemmen / da er bekante / ἥμαρτον ἐνώϖιὀν σου, das heißt / ich habe geſuͤndiget fuͤr deinen Augen / mit auffge - habener Hand / trotziglich / ohne Stirn und Scheu; anders als die Soͤhne Jacobs / die ihre Boßheit noch verdutſchet; Und / welches das aͤrgſte / hat er den Vater laſſen reden / er ſeinen Kopff auffgeſetzet und geſchuͤttelt / fuͤr die Naß geſchnellt und gedacht / er thue doch / wie es ihm gefaͤllt.
III. Ut extremè iniquus, als ein gar gottloſes und ungerechtes Kind. Dann durffte ers einmal dem Vater zumuthen / ſo iſt er ihm ge - wiß oͤffters unter die Angen getretten / und hat zu ihm geſagt: Vater / gib mir das Theil der Guͤter / das mir gehoͤrt. Er bittet den Vater nicht / ſon - dern expoſtulirt mit ihm / trotzts ihm herauß / δός μοι, gib mirs her / grad als waͤre ers ihm ſchuldig / als gebuͤhrte es ihm von Gott und Rechts wegen. Er begehret nicht irgend ſein Muͤtterliches / das ihm von Rechts wegen ge - buͤhrte / wie ſonſt dem Rechten nach mit Beſcheidenheit den Kindern zu begehren wol erlaubet. Jſt abzunehmen auß des Bruders Klag / wann er v. 30. ſagt: er habe τὸν βίον σου, all ſein Gut mit Huren verſchlungen. Er begehret nicht bloß die Legitimam, was ihm eigentlich gehoͤrte / oder einen ehrlichen Wechſel / ſondern τὸ ἐπι〈…〉〈…〉 άλλον, q. d. βάλλον ἐϖ᾽ ἐμὲ, ſo viel ihn auff dem Fall im Erb treffen moͤchte. War wol facinus im - pium, ein leichtfertiges Begehren / daß er ſich geluͤſten laſſen / den Vater bey lebendigem Leib zu erben. Es wolte ihm der Vater faſt zu alt werden / er wolte nicht einmal ſterben; er gedachte / ſit divus, dummodo non vivus, wann er nur einmal tod waͤre / wie dorten Antoninus Cara - calla pflegte zu ſagen; ich mag ihm das ewige Leben wol goͤnnen / wann ernur23Vom verlohrnen Sohn. nur einmal gieng. Und nachdem ers ihm zu lang machen wil / ſo reſol - virt er ſich erſt-erzehlter maſſen; Er gedachte / wer wolte ſo lang warten / biß der Vater ſtirbt / er moͤcht noch wol zwantzig Jahr leben / indeſſen muß ich mich immer fretten laſſen. Es war facinus iniquum, ein ungerech - tes Begehren / indem er das geſucht / was ihm nicht gebuͤhret. Es war facinus deſperatum, ein verzweiffelt boͤß Begehren. Er dacht bey ſich / ich wil mein Heil anderwerts verſuchen / ich kom̃ doch nicht mehr wie - der / ich wil mit meinem Gutſchalten und walten / wie ich wil / anders wo iſt auch gut Brod eſſen. Summa: er gibt ſeinem Vater den Abſag - Brieff / Ade Vater. Er verkaufft alles um einen wolfeilen Preiß / nur daß er bald davon komt / er wolte ſeinem Vater angſt und bang machen / als ſolte er ihn ſo bald nimmer wieder ſehen. Dannhaͤtte er Hoffnung ge - habt wieder zu kommen / ſo wuͤrde er mit einem ehrlichen viatico und Wechſel vorlieb genommen haben. Ey / moͤchte jemand ſagen / das muß gleichwol ein thoͤrichter Vater geweſen ſeyn / der ſich ſo bald hat bereden laſ - ſen; ein unverſtaͤndiger Mann / der ſeinem jungen unerfahrnen Sohn das Schwerd in die Hand gegeben / ſich ſelbs zu beſchaͤdigen? Solte mir ein Sohn das thun / ſolte mir einer ſo kommen / ich wolte ihm den Weg wei - ſen / es ſeye dann kein Farrenwadel mehr in der Welt? Antwort: Ja frey - lich / wann wir allein in cortice hiſtoriæ, an der Schelet der bloſen Erzehl - ung bleiben / ſo ſcheinets faſt thoͤricht gehandelt ſeyn. Wir muͤſſen aber auf den nucleum und den Kern gehen / und ſehen / was Chriſtus damit gemey - net / und was er unter des verlohrnen Sohns Vater verſtanden / nemlich den him̃liſchen Vater / ſein uͤber-gutes und uͤberflieſſendes Vater-Hertz zu erkennen zu geben / als der uns allen mehr gutes thut / als wir werth ſeind. Er vertraͤgt den Mißbrauch ſeiner Guͤter und Gaben mit groſſer Lang - muth / aber hernach ſtrafft Er um ſo viel ſchroͤcklicher / als herꝛlicher die Gab - en ſeind. Zu gleicher weiſe wie ein Ehemann / dem ſein Ehegatt zum Kirſchbaum worden / dieſelbe nicht ſchuldig iſt wieder anzunemmen / auch nach Goͤttlichen und weltlichen Rechten nicht annemmen ſoll; aber der him̃liſche Braͤutigam / damit er ſeine uͤberflieſſende Liebe bezeugte / thut mehr als einem Menſchen zu thun waͤre / und rufft uns zu / Jerem. 3 / 1. Du haſt mit vielen Bulern gehuret / doch komme wieder zu mir. Alſo wil auch Chriſtus hier zu erkennen geben / daß Gott auch den Gottloſen mehr gebe / als Er ſchuldig geweßt. Zum Exempel / es wird manchmal gefragt: Warum Gott der Herr den Saul zum Koͤnig gemacht / da er doch wol gewußt / daß er es mißbrauchen wuͤrde / und in ſeinen Suͤnden ſterben? Warum hat Er Judam zum Juͤnger angenommen / da Er doch wol ge -wußt /24Die Dritte Predigtwußt / daß er Jhn wuͤrde verrathen? alſo noch heutigs Tags gibt Gott der Herr manchem Ehre / Schoͤnheit / Reichthum / ꝛc. der es doch miß - braucht. Hieron. l. 3. contra Pelag. c. 2. gibt die Antwort: DEUS præſen - tia judicat, non futura, nec condemnat ex præſcientia, quem noverit talem fore, qui ſibi poſtea diſpliceat; ſed tantæ bonitatis eſt & ineffa - bilis clementiæ, ut eligat eum, quem interim bonum cernit & ſcit ma - lum futurum, dans ei poteſtatem converſionis & pœnitentiæ, das iſt: GOtt richtet gegenwaͤrtige / nicht zukuͤnfftige Dinge / er ver - dammet auch niemand nach ſeiner Allwiſſenheit / ob er wol wußte / daß der / ſo ihm nachgehends mißfallen / ſo werden wuͤr - de; ſondern er iſt von ſo groſſer und unaußſprechlicher Guͤtig - keit / daß Er den erwehlet / welchen Er zur Zeit fromm befindet / weiß aber / daß er Gottloß werden wird / nur daß Er ihm Ge - legenheit gebe ſich zu bekehren und Buße zu thun. Die beſte Antwort ſtehet Rom. 11. O welch eine Tieffe des Reichthums bey - de der Weißheit und des Erkantnuß GOttes / wie gar unbe - greifflich ſeind ſeine Gerichte / und unerforſchlich ſeine Wege! Jſt eine von den Fragen / die unter die ἀνεξιχνίαςα, oder unerforſchliche Dinge gehoͤrt. Gnug iſts / zu wiſſen / daß Gott manchmal auß heiligen Urſachen ſeinen Segen unter boͤſe Buben außſtreuet / da gemeiniglich die aͤrgſten die beſten Beuten davon tragen / wie wir in der vierten Bitt un - ſers Vater Unſers bekennen; aber denen / die es Jhm herauß bochen / be - komt es ex accidenti, wie dem Hund das Graß. Num. 11, 20.
Nun es hat ſich / M. L. der verlohrne Sohn abermal præſentiret / 1. Uns alleſamt ſchamroth zu machen / dann wir ja alle Gott dem himmliſchen Vater den ſchuldigen Gehorſam nie geleiſtet / ſondern clar das Widerſpiel gethan / die Goͤttliche Diſciplin veracht / nach dem Wort / das auß GOttes Munde gegangen / uns nicht gehalten / mit auffgehabe - ner Hand manche ſchwere Suͤnde begangen / uns trotziglich der fuͤrge - ſchriebenen Ordnung GOttes / die da heiffet / ora & labora, bete und arbeite / widerſetzet. Ja viel haben auch wol Gott ſeine Gaben herauß getrotzet / das ſind die / ſo durch unordentliche Mittel entweder Geſundheit / oder ſonſten ein Stuͤck Brod bekommen / da es auch manchmal geheiſſen / δός μοι, gib mirs; denenes oͤffters Gott gibt / folget aber darum gar nicht / daß / wann einem ſein Bubenſtuͤck abgegangen / es mit GOttes Willen geſchehen. 2. Machet er in ſpecie ſchamroth die Alten Erlebten / die / wann ſie hinder ſich gedencken an die Suͤnde ihrer Jugend / wie ſie manchmal mit ihren Eltern / Vormuͤndern / Lehrern / Praͤceptoren /Obrig -25Vom verlohrnen Sohn. Obrigkeiten / Herren und Frauen umgegangen / das Gelt abgetrotzt / ſie belogen / betrogen / beſtohlen / die Ubertrettung des erſten Gebotts in der an - dern Taffel auff ihrem Gewiſſen ſchwer befinden. Ja wann ſie auch Kin - der haben / dieſelbe mit dem Mutter-Pfenning verzaͤrtlen / da es hernach ſo ſchoͤne Fruͤchtlein gibt. Er machet ſchamroth 3. alle ungehorſame Kinder / Soͤhn und Toͤchter ins gemein / die ihren Eltern Hertzenleyd machen / ihnen widerbefftzen / oder wol gar fluchen. Sonderlich die jenige / denen die Eltern zu lang leben wollen / die auch gedencken / wann ſie nur einmal todt waͤren / ſie wolten ihnen gern ein langes Leben goͤnnen: Sind ſolche Kraͤutlein wie der verlohrne Sohn auch: preſſen das Geld von ih - nen herauß zum Pracht / nehmen ihr Erb vorauß / oder lehnen darauff / ihren eigenen Kindern zum Nachtheil / wann ſie gehofft noch etwas zu er - ben. 4. Machet er ſchamroth alle junge Studenten / die ihren Eltern die Ducaten wechslen / die Chymiſten / ſo das aurum potabile machen / ihrer Eltern ſauren Schweiß und Blut verzehren / pochen das Geld herauß / oder machen Schulden / und dencken / wils der Vater nicht zahlen / ſo mag ers ſtehen laſſen. Die aͤrgſte ſeind die jenige / die ihre Muͤtter und albere Eltern bereden / ſie ſtudieren fleiſſig / ſaugenihnen das Marck auß den Beinen / be - ſtehlen ihre arme Geſchwiſtrige; ja / wie man wol dergleichen Geſellen fin - det / machen falſche Rechnungen / ſchreiben ein X. fuͤr ein V. wann der Vater meynet / es gehe auff Collegia und Buͤcher / ſo gehets auff Pancke - ten / Paſteten-Haͤuſer und dergleichen Lumpereyen. Er machet 5. ſcham - roth alle Handwercks-Burſche / Knecht und Maͤgde / welche die Frey - heit ſuchen / wie ein Vogel / der nicht im Keffich bleiben wil. Die ſeind et - wan an einem guten ehrlichen Ort / da ſie zur Kirchen / Gottesdienſt / Ar - beit / Haußhaltung angehalten / auch mit Worten / im Fall der Nachlaͤſſig - keit / geſtrafft werden / da ſchmecket es ihnen nicht / ſeind trotzig / ſetzen ihre Koͤpffe auff / und blitzen davon; da heißt es / man laßt mich am Sontag mit keinem ehrlichen Menſchen ſchwaͤtzen / ich werd auff ſolche weiſe keinen Mann bekommen. Darum ſeind ſie lieber an Orten / da es drunter und druͤber hergehet / da heißt es auch bey ihnen / δός μοι, gib mir meinen Lohn / ſo kan ich einen andern Herꝛn ſuchen. Daß es ihnen nun offt eben nicht gehet / wie dem verlohrnen Sohn / iſt an der Urſach kein Mangel / ſondern nur an dem zufaͤlligen Außgang / daß es ihnen eben beſſer gelungen / es ſolte ſonſt einem manchen truͤbſelig gnugergehen.
Nun das ſeind lauter verlohrne Soͤhn und Toͤchter / ungehorſame Kinder / die trifft alle fulmen Moſaicum, der Moſaiſche Fluch / Deut. 21, 18. Wann jemand einen eigenwilligen und ungehorſamenZehender Theil. DSohn26Die Dritte PredigtSohn hat / der ſeines Vaters und Mutter Stimme nicht ge - horchet / iſt ein Schlemmer / ein Trunckenbold / den ſoll man ſteinigen / daß er ſterbe. Und Prov. 30, 17. Ein Aug / das den Vater verſpottet / und verachtet / der Mutter zu gehorchen / das muͤſſen die Raben am Bach außhacken / und die jungen Adler freſſen. Ja / Gott ſtrafft manchmal ſchroͤcklich / ſonderlich ju - re talionis, wann die Kinder die Eltern außziehen / vertreiben / bey leben - digem Leib erben / ſo verhaͤnget Gott dergleichen auch uͤber ihre Kinder / die muͤſſen hernach ihre Groß-Eltern raͤchen. Wollen nun ſolche Leute ſich nicht am verlohrnen Sohn ſpieglen / ſo erſchrecken ſie doch an Cham / den Soͤhnen Eli / an Abſalon und ihres gleichen / oder ſie werdens mit ihrem Exempel erfahren muͤſſen.
Fromme Kinder / ſo quaſi ſacerdotes in fano domeſtico, ſacrati pa - rentibus, ut Diis latibus, als Hauß-Prieſter und Heilige ſeyn / haben zum Exempel fuͤr ſich den Bruder des verlohrnen Sohns / ſie ſtrecken ſich nach der Decke / ſparen wo zu ſparen iſt / ſie troͤſten ſich Goͤttlicher Verheiſſung / dann ihnen iſt verheiſſen langes Leben im Lande / das ihnen der Herr geben wird / Gluͤck und Heyl in ihrem Stand / Handel und Wandel. Dann es iſt ja billig / daß der lang lebet / der ſeines Lebens Urſprung recht verehret. Aber gnug fuͤr dißmal / Gott dem himmliſchen Vater / dem Vater aller Barmhertzigkeit / der der rechte Vater iſt uͤber alles das Kin - der heiſſet / ſey Ehre und Preiß jetzt und in Ewigkeit. Amen.
GEliebte in Chriſto. Obwol peregriniren und reißen fuͤr und an ſich ſelbs ein adiaphorum und Mittel-Ding / wann man es recht braucht und anlegt / nutzlich und heilſam 1. ad Anagogen ſpiritualem, dabey wir uns unſerer geiſtlichen Wallfarth / in deren wir begriffen / und als Pilgram dem himmliſchen Vaterland zuwandern und wallen / erinneren koͤnnen: Nutzlich und heilſam 2. ad propagandam religionem, zu Fort - pflantzung der Religion / wie dann diß der vornemſte Zweck ſeyn ſoll / wann wir von fremden Nationen zeitlichen Segen abholen / wie wir denſelbenden27Vom verlohrnen Sohn. den geiſtlichen Segen kramen und mitbringen moͤgen. 3. Ad mercis communicationem, einander das ſeine zu uͤberbringen und mitzutheilen; quia non omnis fert omnia tellus, es waͤchſet nicht alles in einem Land. Zu welchem End auch Salomo das Ophiriſche Gold abzuholen Schif - farten angericht / 1. Reg. 9. wie hernach Joſaphat auch thun wollen. 1. Reg. 22. 4. Ad prudentiam politicam comparandam, etwas zu ler - nen / ſo fern junge Leute / nicht als wie die Schrepffhoͤrnlein das boͤſe un - geſunde Gebluͤt an ſich ziehen / ſondern als wie die Jmmen und Bienen den guten Honig-Safft ſaugen und ſamlen. 5. Ad linguas exteras addiſcendas, fremde Sprachen zu begreiffen; wie es dann bey einem Regiment loͤblich / bey Koͤniglichen Cantzleyen ruͤhmlich / wann Eliakim der Hoffmeiſter / Sebna der Cantzler / und Joah der Schreiber ſich ver - nehmen laſſen / Rabſacke / der Aſſyriſche Ertz-Schenck ſoll auff Syriſch und nicht Juͤdiſch mit ihnen reden / dann ſie verſtuͤnden es wol. Eſa. 36 / 11. Dannenhero die jenige Voͤlcker / die ihre Leut nicht reißen laſſen / ſonderlich die Chineſer / die niemand auß ihrem Reich zuruck laſſen / ihre Kuͤnſte nicht zu vertragen / rechte monſtra naturæ zu nennen / als welche die na - tuͤrliche κοινωνίας und eingepflantzte Zuneigung daͤmpffen und verſtecken.
Ob nun wol das peregriniren erſt-erzehlter maſſen / wanns recht ge - braucht und angelegt wird / loͤblich / gut / heilſam und nutzlich; ſo iſt doch im Gegentheil nichts ſchaͤdlichers / nichts verdamlichers / als ſolche ra - ſende Reiß-Sucht / wann ſie ohne Forcht GOttes und Chriſtliche Klug - heit gefuͤhret wird. Wann junge Leut unvorſichtig ſich hinauß in die Fremde wagen / ſine viatico fidei, geben ſich bloß / und nemmen den beſten Zehrpfenning des wahren Glaubens nicht mit ſich / verwahren ſich nicht recht wider alle Verfuͤhrung / gerathen anderswo in den Atheiſmum oder Anti-Chriſtianiſmum, geben der Babyloniſchen Huren irgends auch ei - nen Kuß / heuchlen mit / und verſehren ihr Gewiſſen. Sine viatico pru - dentiæ, befleiſſen ſich nicht der recht loͤblichen Klugheit / begeben ſich an ſolche Ort / da Tugend / Gottesforcht und Ehrbarkeit ein Ende / in fremde Lande / da Frau Mundus in gloria ſitzet / da das liſtige / unbaͤndige wilde Weib / Fleiſches-Luſt an allen Ecken lauret / Proverb. 7. Wann ein un - vorſichtiger Juͤngling komt / demſelben rufft ſie zu / und ſagt: Jch hab mein Bett ſchoͤn geſchmuͤckt mit bunten Teppichen auß Egy - pten. Jch habe mein Lager mit Myrrhen / Aloes und Cinna - men beſprenget / komm / laß uns gnug buhlen biß an den Mor - gen / und laß uns der Liebe pflegen. Da folget dann der albere Juͤngling / wie ein Ochs / der zur Fleiſch-Banck gefuͤhret wird /D ijwie28Die Vierte Predigtwie zum Feſſel / damit man die Narren zuͤchtiget. Da ſolte man doch ſolcher Ort / als der allergefaͤhrlichſten Syrten / muͤſſig gehen / wie ein mancher gehet von Jeruſalem gen Jericho / und faͤllt unter die Moͤrder. Sicut ſaltus infamantur latrociniis, ita mundus propter peccata mun - di, ſpricht Hieronym. Gleichwie die Waͤlder wegen der Moͤrder ver - ſchreyt werden / alſo auch die Welt wegen ihrer Suͤnden. Sine viatico abſtinentiæ, ohne Behutſamkeit. Es gibt leyder gar wenig unter un - ſern jungen reyfenden Leuten / die / wie Ulyſſes, die Ohren verſtopffen vor den Syrenen. Darum es auch hernach ſo ſchoͤn bey manchem Hoff - Regiment und Gemeinen Weſen hergehet / daß der Atheiſmus, Epicu - reiſmus, Welſche Untreu / Frantzoͤſiſche Leichtfertigkeit / Allemoderey und anderer Wuſt und Unflath gleichſam als eine Suͤndflut alles uͤber - ſchwemmet. Und ein ſolcher raſender unſinniger Reiſer war auch der verlohrne Sohn / nachdem er dem Vater den Seckel mit dem Geld herauß gebocht / und ſein uͤbrige Nahrung verſilbert / macht er ſich είς χώραν μακρὰν, in ein fernes Land / daß der Vater nicht ſo leichtlich nachfragen / oder etwas von ihm erfahren kan / er macht ſich in die Heydenſchafft hin - auß auſſer dem Volck GOttes; iſt darauß abzunehmen / daß in demſelben Land Schwein geweßt / die er hernach einem Buͤrger huͤten muͤſſen / wie er nun da ſeine Zeit verfuͤhrt / wie er nicht nur ἀσε〈…〉〈…〉 ῶς, ἀδίκως, ſondern auch ἀσωφρόνως gelebt / wie er ſeine Seel verunreiniget / ſein Gewiſſen beſchwaͤ - ret / den Leib befudelt / und den Saͤckel gelaͤhrt / davon ſoll dißmal unſere Betrachtung ſeyn / Gott gebe ſeine Gnad und Segen / daß es fruchtbar - lich geſchehe; Amen.
WJe nun der verlohrne Sohn in der Fremde ſein Leben zuge - bracht / das zeiget der Evangeliſt ins gemein an mit zweyen Woͤrtern / wann er ſpricht: ζῶν ἀσώτως, er bracht ſein Gut um mit Praſſen / er lebte als ein Filius belial und beſtia, unordentlich / ungezogen / unflaͤtig / wuͤſt / wild und frech / in Schwelgen und Pancketie - ren / achtet weder GOttes im Himmel / noch der weltlichen Erbarkeit / er war homo deſperatæ ſalutis, ein verzweiffelt boͤſer Menſch; allermaſſen wie in ſolchem Verſtand das Wort ἀσώτως, nicht nur in H. Schrifft ge - braucht wird / Eph. 5. Sauffet euch nicht voll Weins / darauß ἀσωτια ein unordentliches Weſen folget. Tit. 1, 6. da Paulus an - zeiget / wie die Elteſten ſollen beſchaffen ſeyn / nicht ἐν κατηγορίᾳ ἀσωτίας, nicht beruͤchtiget / daß ſie Schwelger. 1. Petr. 4, 4. da Petrus al - lerhand heydniſche Laſter erzehlet und ſpricht: Es iſt genug / daß wirdie29Vom verlohrnen Sohn. die vergangene Zeit des Lebens zubracht haben nach heydni - ſchem Willen / da wir wandelten in Unzucht / Luͤſten / Truncken - heit / Freſſerey / Saͤufferey und greulichen Abgoͤtterey. Das befremdet ſie / daß ihr nicht mit ihnen lauffet / in daſſelbige wuͤſte unordentliche Weſen. εἰς την ἀυτὴν τῆς ἀσωτίας ἀνάχυσιν; Sondern es brauchen auch in ſolchem Verſtand dieſes Wort die weltlich - en Autores; Ariſtoteli in moralibus heiſſet ἄσωτος ſo viel / als der nichts behaͤlt / alles wegſchencket und verthut. Cicero l. 2. de fin. nennet die je - nige aſotos, die / nachdem ſie ſich voll geſoffen / wider ergeben / und hernach widerkommen / und von neuem ſich anfuͤllen. Jſt alſo ſein Leben geweßt / wie geſagt / ein ſicheres / beſtialiſches Leben / und war er eine rechte beſtia, Schwein / und filius Belial. Da dann unter ſolchen Laſtern den Fahnen getragen / und das præ gehabt / Frau Securitas, die rohe Gott - und Ehrloſe Sicherheit. Es gieng dem verlohrnen Sohn / wie einem Voͤgelein / das im Keffig geſteckt / nachdem es loß worden / wer war alsdann froͤlicher? da ſchlug er alle traurig-machende Gedancken auß dem Sinn / GOttes allſehendes Rach-Aug achtet er nicht / GOttes Gebott waren ihm fulgura ex pelvi, Lufft-Streiche / die Hoͤlle war ihm als ein Schatten /; er wußte von keinem Sabbath nichts mehr / das Beten unterließ er / fluchen und ſchwoͤren war ſein taͤglich Brod; er vergaß ſeines Catechiſmi / gedachte nicht mehr an die ſchoͤnen Lehren / die er in den Schulen auß den Spruͤch - en Salomonis / Syrach und andern gehoͤrt. Er ließ ſich beduncken / er haͤtte mit dem Tod einen Bund / und mit der Hoͤllen einen Verſtand ge - macht / er ſprach ſeinem Hertzen zu ex Eccl. 12. So freue dich / Juͤng - ling / in deiner Jugend / und laß dein Hertz guter Ding ſeyn / thue / was dein Hertz luſtet / und deinen Augen wol gefaͤllet; er laßt aber auß / was folget; Wiſſe / daß dich GOtt um diß alles wird fuͤr Gericht fuͤhren. Summa: er war gantz loß von Gott und aller Ehr / und ſang das Epicuriſche Liedlein:
Nachdem nun Frau Securitas eingeniſt / war ihm keine Untugend zu viel / als der ſchier alle Laſter folgen. Da fand ſich II. ihre Schweſter / Prodigalitas, διεσκόρϖισε, ſagt Chriſtus / er ſtreuet das Gelt auß ohne dau - ren / legt ihm keinen Pantzer an / grad als haͤtte er fortunam im Seckel ge -D iijhabt /30Die Vierte Predigthabt / er wechſelt ſeinem Vater die alten Ducaten / und ließ es dapffer ge - hen: er ſpendirt auff Kleidung / ςόλα πρώτη, die er daheim getragen / war ihm nimmer gut genug / er mußt allamodiſch hergehen / daß er gar fuͤr ei - nen Graafen moͤchte angeſehen und geehret werden. Er ſpendierte auff Diener und Laqueyen / auff allerhand Exercitia und Ritter-Spiel / Fechten und Tantzen / auff Pferd und Hund / auff Muſicken / Taͤntz / ſchoͤne Weibs - Bilder und Damen / auff convivia und Mahlzeiten / auff Compagnien und Geſellſchafften / ſonderlich auff Karten - und Doppel-Spiel / und war ihm nicht zuviel / auff einen Satz ein groß Stuck Geld zu verdoppeln und zu verſpielen / und kratzet nicht einmal am Kopff. Alles dieſes begreifft der διασκοϖισμὸς in ſich.
Dazu kam III. Luxuria, die wuͤtende crapula und Fraß / dann er war καταφαγὼν, ꝟ. 30. da gieng das Pancketieren / das ſchwelgen / praſſen und ſauffen an / er lebte als der reiche Schlemmer taͤglich im Sauß / da muß - ten die Geſundheiten herum fliegen; Wol her / (hat es geheiſſen / wie bey jener gottloſen Burſch / Sap. 2.) laßt uns wol leben / weils da iſt / und unſers Leibs gebrauchen / weil er noch jung iſt / wir wollen uns mit dem beſten Wein und Salben fuͤllen / laßt uns die Meyen-Blumen nicht verſaumen / laßt uns Kraͤntze tragen von jungen Roſen / ehe ſie welck werden / unſer keiner laß ihm fehlen mit Prangen / daß man allenthalben ſpuͤren mag / wo wir froͤlich geweßt ſeind / wir haben doch nichts mehr davon / dann das. Manchmal giengs auch wol nicht ohne Stoͤße ab / es gab Stein-Regen / provocationes, duella, Rauff-Haͤndel / Nacht-Geſchrey. Summa: es gieng ἀσώτως her.
IV. Blieb nicht auß Libido, er gerieth gar ins Huren-Leben / war ein templum Veneris, wann der Wein vom Baccho entzuͤnd / Frau Ve - nus ſich bald auch einſind; das Venus-Spiel mußte nicht außbleiben; in den Lupanaribus Huren-Haͤuſern war er vielleicht auch wol bekant. Es bleibt alſo ja dabey / was Hieron ſchreibet ep. 83. ad Ocean. Venter mero æſtuans cito deſpumat in libidines &c. & in c. 1. ad Tit. 7. Nun - quam ebrium caſtum putabo, ſpecta ventrem & genitalia, qualis ordo membrorum, talis & vitiorum. Wann der Bauch voller Moſt / bleibet die Geilheit nicht auß ꝛc. geſtalt dann ihm ſein Bruder ſolches vorwirfft / er habe ſein Geld mit den Huren verſchlungen / q. d. Ey das ſchoͤne Venus - Kind / daß man ihn nit auch ſo bewillkom̃et von ſeinem wuͤſten Hurenleben.
Sehet / M. L. ein ſolch ehrbares Fruͤchtlein war der verlohrne Sohn / das war die κατηγορία ἀσωτίας, ein ſolches Belials-Kind war er / ſo hielt erhauß /31Vom verlohrnen Sohn. hauß / er ſtehet da / als auff dem Pranger mit den Augen / damit er her - nach in der Buß ſich ſelbs angeſehen. Zu wuͤnſchen were abermal / er were es allein / aber es gehet ihm eben / wie einem / den man an den Pranger ſtellet / da ſtehen manchmal ſolche Perſonen um ihn herum / die keines Haars beſſer. Solte er noch reden koͤnnen / er wuͤrde mit Fingern auff uns deuten / uns ſchamroth machen / und ſagen: was ſehet ihr mich an / was lacht ihr meiner / γνῶϑι σεαυτὸν, ein jeder ſehe in ſeinen Spiegel / und fege fuͤr ſeiner Thuͤr. Und zwar I. uns alleſamt. Durch den traurigen Suͤndenfall haben wir ja eine gefaͤhrliche Reiſe gethan / vom Vaterland in die Fremde: von Jeruſalem gen Jericho / vom Himmel in die Hoͤll / vom Paradiß in die groſſe Welt und Moͤrder-Grub. Was iſt unſer Leben als ἀσωτίᾳ? Wir bringen noch / wie die ungerechte Haußhalter / Gott ſeine Gaben um? πρώτη ςόλη war uns auch nicht gut genug / des Teuffels Alamoderey verblendete uns die Augen. Und was iſt Teutſch - land bißher geweßt als manipulus hominum perditiſſimorum, ein Hand und Land voll boͤſer Buben? welche Religion iſt die groͤſſeſte? atheiſmus. Wer war der groͤſte und geehrteſte Heilige? Bachhus. Es muß ein jeg - liches Land ſeinen eigenen Teuffel haben / Welſchland ſeinen / Franckreich ſeinen. Unſer Teutſcher Teuffel wird ein guter Weinſchlauch ſeyn / und muß Sauff heiſſen / der ſo durſtig und hellig / daß er nicht anderſt als mit ſo groſſen Suffen Weins und Viers kan gebuͤhnet werden; dem opffern die aſotes, die den Wein / wie Hunde / wieder von ſich ſpeyen. Welche Goͤttin war biß dato die liebſte? Frau Venus, davon zeugen die Kinder in der Wiegen; ja am Juͤngſten Tag werden die Stein und Balcken re - den. Summa: wie es gieng zur Zeit Noaͤ / ſie aſſen / ſie truncken / ſie freyeten / und lieſſen ſich freyen / biß daß Noah in die Arche gieng / und die Suͤndflut uͤber alle kam. Seind alſo um ſo viel aͤrger als der verlohrne Sohn / der in ſich gieng / und nachließ vor ſeinem Ende; aber hie liegen die gottloſen Kinder und laſſen doch nicht ab.
Es ziehet der verlohrne Sohn in die κατηγορίαν ἀσωτίας, in ſein Regi - ſter / 2. auch die jenigen adultiores, die dergleichen in ihren juͤngern Jahr - en auch gethan; ja die Alten / Herren und Frauen / die jetzt ſprechen: O thut man das noch / da man es vielleicht auß Mangel der Gelegenheit nicht ſo arg machet / als ſie zu ihren Zeiten. Wann ſie ihrem Gewiſſen keinen Maul-Korb vorhaͤngeten / es wuͤrde gewiß reden / wie man manch - mal bey Spatzieren-Fahrten / bey Burgerlichen Schieß-Feſten / bey Hoch - zeiten und Taͤntzen / haußgehalten: Solche ſollen wiſſen / Gott ſeye ein Wuͤrth / der die Zech lang borget / aber es heißt auch bey ihm / lang geborgtiſt32Die Erſte Predigtiſt nicht geſchenckt. Was wollen wir ſagen von den prodigis und Schwelgern / die bey guten Zeiten nichts geſparet / laſſen es noch wacker hergehen / und die kleinen Wald-Voͤgelein ſorgen / beſchweren aber eine gantze Stadt und Freundſchafft / gedencken / das Waiſenhauß ſeye nicht vergebens gebauet. Hieher gehoͤret auch der uͤbermachte / unverantwort - liche Weiber-Pracht / auch offt bey denen / denen es nicht gebuͤhret den hal - ben Theil zu tragen / die in ihrem Schanddeckel / ſtattlichen Hauben daher prangen / in ihren breiten Hauben-Strichen auffziehen / davor man gar wol in ehrbarer Kleidung es doppelt haben koͤnte; welche in koͤſtlichen groſſen Leinwad-Kroͤßen ſich ſperren / davon einer gnug zu einem Hembd haͤtte / und ſich darein einwicklen koͤnte / die mehr von einem Kroͤß zu waͤſchen geben / als ein anderer zu einem gantz neuen brauchete. Sum - ma / es bleibet dabey / was Luther ſagt in c. 24. Gen. Es iſt ſolches Thier um ein Weib / das mit Schmuck nicht zu ſaͤttigen / es ſeind heutigs Tages faſt keine Evaͤ / ſondern lauter Adaͤ und Zillaͤ.
Es bringet 3, der verlohrne Sohn in ſeine Geſellſchafft alle die junge Leute / die unvorſichtig / toll und naͤrriſch in die Fremde / Franckreich und Jtalien reißen / bringen aber nichts mit ſich zuruck als ein verſehrt Ge - wiſſen / unredliches Hertz / naͤrriſche Phantaſien und Ceremonien / un - geheure / abſcheuliche Kleidung / und ein Dutzet Welſche Phraſes, damit pralen ſie / als wann ſie ihrer Mutter-Sprach daruͤber vergeſſen haͤtten. Alle die junge Soͤhne / die ihrer Eltern ſauren Schweiß verzehren / oder in den Krieg ziehen. Alle die Handwercks-Burſche / welche / was ſie am Werck-Tag verdienen / am Sontag dem Wuͤrth auffzuheben geben / der ihnen aber hernach nichts mehr geſtehet. Die Maͤgde / welche allen ihren Lohn auff den ſtinckenden Pracht wenden / deren mancher es an dem guten Willen nicht mangelt / wann ſie nur durch gute Ordnung nicht davon abgehalten wuͤrden. Sonderlich aber gehoͤren 4. hieher in dieſes Regiſter die jenige Studioſi, Edle und Unedle / die zwar auff Hohe Schulen reißen / aber wie Cicetonis Sohn nach Athen / ſchaͤ - men ſich der Federn / ihre Dinten iſt der rothe Wein / ihre Federn Ta - back-Pfeiffen / ihr Papier die Karten / ihre auditoria, die Reit - und Fecht-Schulen / lernen aber nichts dabey / als Freſſen / Sauffen / Spie - len / reiten / fechten / tantzen / und mit dem Venus Spiel umgehen. Stu - dieren ſie etwas / ſo iſts nur pro forma, einen Diſcurs zu formiren / einen blauen Dunſt fuͤr die Augen zu machen / verlaſſen ſich auff ein gut Mundſtuͤck. Solche thun hernach zu Hoff / im Regiment / bey Fuͤrſten und Herren unſaͤglichen Schaden: bereden die junge Herꝛſchafft / ſiemuͤſſen33Vom verlohrnen Sohn. muͤſſen eben vom Schul-Rauch nicht ſchwartz werden / auff daß ſie ihnen hernach nicht in die Karten ſehen / machens wie jener Fuchs / der keinen Schweiff hatte / und wolte andere Thiere bereden / es ſtuͤnde alſo beſſer. Andere Hohe Schulen haben dergleichen monſtra viel gehabt / die auß Tugend-Tempeln Moͤrder-Gruben und ſchroͤckliche Schau-Plaͤtz aller Laſter gemacht. Straßburg iſt aber auch nicht allerdings befreyet / da mancher wol mehr auff die Reit-Schul / des Monats / als auff Collegia ſpendiret. Wem uͤber zwantzig Jahr gedencket / der wird ſich ſonderlich zweyer verlohrner Soͤhn erinnern koͤnnen / die den verlohrnen Sohn un - geſcheut / ſo dapffer agieret / als weren ſie dazu gedingt geweſen. Wer eine rechte Ideam und Muſter des verlohrnen Sohns wil ſehen / der ge - dencke / wie es noch bißweilen hergehet / Gott weiß es / und der Außgang bezeugets. Aber Gott verzeihe es und gebe es zu erkennen allen den jeni - gen Hoffmeiſtern / Exercitienmeiſtern / Handwercksleuten / und ſonder - lich Koſt-Wuͤrthen / und Koſt-Wuͤrthinnen / die dapffer hin und wieder dazu helffen / ein X fuͤr ein V anſchreiben / und welches ſchroͤcklich zu hoͤ - ren / ein groß Faß anſtechen / das extra auffgeſchrieben / nicht ſo viel einem beliebt zu nehmen / ſondern nach der proportion des Faſſes. Wann das Faß ein Fuder gehalten / ſo hat mans unter die Koſtgaͤnger außge - theilet / da hat einem ein Ohmen oder mehr getroffen / hat ers nicht / ſo hats der ander geſoffen / und hat es doch jener bezahlen muͤſſen / da hats ge - heiſſen / ſauffſt du nicht / ſo helff dir Gott nicht. Da gehen die jungen Leut gern zu Koſt / moͤgen nicht in der Pferch ſeyn / und calmeiſen. Aber was fuͤr Segen dabey / das bezeuget der Außgang / der Juͤngſte Tag wird das meiſte offenbaren / und werden ſolche Koſt-Wuͤrthe von ſolchen jung - en Bluͤtern ſchwere Rechenſchafft zu geben haben.
So ſeyd nun gewarnet alleſamt ihr junge Leute / ſo raſet nicht / dencket was ihr vor euch habt / Lupanaria, Lazareth, Jericho, &c. machets wie Ulyſſes, ihr ſtehet auff dem bivio Herculeo, habt zween Wege vor euch / ſehet nun zu / welchen ihr erwehlet zu gehen; oder vielmehr wie Joſeph / der geſagt / wie ſolt ich ein ſo groß Ubel thun / und wider Gott ſuͤndigen / humilis fuit, ſchreibt Ambroſius l. 1. offic. 17. von ihm / uſque ad ſervitu - tem, verecundus uſque ad fugam, patiens uſque ad carcerem, er war demuͤtig biß zur Knechtſchafft / ſchamhafftig biß zur Flucht / gedultig biß in den Kercker; wie Daniel / Sadrach / Meſach und Abed Nego / die ſich mit keiner Abgoͤtterey beflecken wolten / ſondern ihren Kuͤnſten und Sprachen zu lernen abgewartet. So ſollen es junge Studenten wider alle Verfuͤhrungen auch machen / wann man zu ihnen ſagt; Du biſt wolZehender Theil. Eein34Die Fuͤnffte Predigtein Narꝛ / was wilt jetzt in der Kirchen thun; oder was laßſt du dich viel pochen / du haſts doch zu bezahlen / es iſt jetzt der Welt Lauff alſo; ſo ſollen ſie antworten: Nein / das iſt wider Gott / ſeine Ehr / Wort und Gebott / es laufft Chriſtlicher Zucht zuwider / darum laßt ſichs nicht thun. Als - dann werdet ihr Cantzeln und Catheder wol zieren mit euerer Weißheit / Cantzleyen und Rath-Stuben werden mit euerer Klugheit und Eloquentz prangen; ihr werdet ehrlichen Stellen wol anſtehen / Segen und Gluͤck haben / hie zeitlich und dort ewig / dann ja auch euere Gottſeligkeit zu allen Dingen nutz ſeyn wird / und die Verheiſſungen dieſes und des zukuͤnff - tigen Lebens haben. Gott ſpreche das kraͤfftige Amen dazu. AMEN.
GEliebte im HErꝛn. Es vergleichet ſo wol Zophar von Naema / Job 20 / 6. als auch Aſſaph / Pſalm. 73. der Welt Gluͤck und gluͤckſeligen Stand der Gottloſen einem ſuͤſſen Traum. Wie ein Traum vergehet und ein Ge - ſicht in der Nacht verſchwindet / ſo wird auch der Gottloß / wann gleich ſeine Hoͤhe an den Himmel reichet / und ſein Haupt an die Wolcken ruͤhret / nicht funden werden / ſagt Zophar von Naema. Wie ein Traum / wann einer erwacht / ſo macheſt du / HErꝛ / der Gottloſen Bild in der Stadt verſchmaͤcht / ſagt Aſſaph.
Es beſtehet aber die Gleichnuß in folgenden Stuͤcken / 1. in phan - taſmatum ſuavitate, in der Einbildung der Lieblichkeit; Einem Menſch - en / wann er ſich zur Ruhe begeben / die aͤuſſerliche Sinne ihre Werckſtatt beſchloſſen / die Phantaſi allein Meiſter iſt / ſo hat dieſelbe ihre abentheur - liche Comoͤdien und Spiel / fangt allerhand Kurtzweil an / bald erzeigen ſich ihr koͤſtliche Pancketen und liebliche Muſicken / einem andern praͤ - ſentirt ſich ein Sack mit Geld / der dritte nim̃t Koͤnigreich und Herꝛ - ſchafften ein; alldieweil der Traum waͤhret / iſt ihm uͤber die maſſen wol / er iſt froͤlich und gutthaͤtig. So hat es auch eine Beſchaffenheit mit dem Gluͤck / Reichthum / Gelt / Gut / Hoffart / Wolluͤſten des Gottloſen / allſein35Vom verlohrnen Sohn. ſein Leben / ſo er damit zubringt / ſeind ſolche ſuavia ſomnia, es iſt ihm gar wol / er meynt / er ſey es / es werde keine Noth haben; Jederman applau - diret ihm / und ſagt: Wol denen / denen ihre Soͤhne auffwachſen in ihrer Jugend / wie die Pflantzen / und ihre Toͤchter / wie die außgehauene Ercker / gleichwie die Pallaͤſte. Deren Kam - mern voll ſeyn / die herauß geben koͤnnen einen Vorrath nach dem andern / daß ihre Schaafe tragen tauſend und hundert tauſend auff ihren Doͤrffern. Derer Ochſen viel erarbeiten daß kein Schade / kein Verluſt noch Klage auff ihren Gaſſen ſey / wol dem Volck / dem es alſo gehet. Pſal. 144. 2. In Phan - taſmatum van tate, in der Eitel - und Nichtigkeit; Wie ein Traum nichts mehr iſt als ein Schatten; Narren verlaſſen ſich auff Traͤum / ſagt Syrach c. 34. Wer auff Traͤume haͤlt / der greifft nach dem Schat - ten / und wil den Wind haſchen / Traͤume ſeind nichts anders als Bilde ohne Weſen. So iſt auch die gantze Welt ein ſolches Schema, ein Puppen-Spiel / der Satan hats ἐν ςιγμῇ, in einem Augenblick praͤſen - tirt / Matth. 4. 3. In Phantaſmatum fallacia, Jn der Betriegerey; Traͤume betriegen den Menſchen / nicht allein non præſtando, wann ſie nicht geben / was ſie einem einbilden / ſondern contrarium potius confe - rendo, das Gegentheil bedeuten. Einem Hungerigen traͤumet / er eſſe / wann er aber auffſtehet / iſt ſeine Seele noch laͤr / und wie ein Durſtiger / iſt er matt und durſtig. Eſa. 29. Quem ſomnium divitem fecit, evigi - latio facit pauperem; tenuit illum ſomnus fortaſſe in terra, dormien - tem & in duro jacentem pauperem & forte mendicum. In ſomnio vidit ſe jacere in lecto eburneo, & in plumis aureis, ſagt Auguſtin. in Pſalm. 73. Welchen die Traͤume reich gemacht / der iſt arm / wann er auffſteht. Er hat vielleicht auff dem harten Boden gelegen und geſchlaffen / iſt dazu arm und wol gar ein Bettler; im Traum aber meynet er / er liege in einem helffenbeinern Bette / und auff guldenen Federn. Wann der gantze Welt-Schlaff auß ſeyn / und wir am Juͤngſten Tag aufferſtehen werden / dann wird ſich der Gottloſe ſchaͤndlich betrogen finden. Ein Traͤumender achtet und fuͤhlet ſeinen elenden Zuſtand nicht; ein Gefangener fuͤhlet ſeine Feſſel im Schlaff nicht; Es kan einem wol traͤumen er ſeye bey einer ſtattlichen Mahlzeit / und iſt irgend mit einer Feurs-Brunſt umgeben; die von den Syrenen eingeſchlaͤffert werden / hoͤren der Muſick zu / unterdeß fallen ſie ins Waſſer. Alſo betreugt ſich auch der Gottloſe mit ſeinem Welt-Gluͤck / er preiſet ſich in ſeinem Hertzen gluͤckſelig / aber fuͤr GOttes Gericht iſt erE ijder36Die Fuͤnffte Predigtder unſeligſte. Da Haman in ſeinem groͤſten Gluͤck ſchwebete / und bey Eſther an der Taffel war / wird ihm der Keſſel uͤbergehengt / und er bald darauff zum Galgen erkant / auß hoͤchſter Ungnaden des Koͤniges und der Koͤnigin. Und eben alſo gieng es auch dem verlohrnen Sohn / als er bißher in der Categoria aſotias, in der Sicherheit dahin gelebet / da er die Ducaten gewechſelt / auff Pracht ſpendiret / auff Lackeyen / Pancketen / Muſicken / Hunde / Pferde / Karten / ſchoͤne Damen / das Runda dinellula geſungen / das Venus-Spiel geuͤbet / an ſtatt des Morgen-Segens das Liedlein geſungen:
Das applaudite mangelte auch nicht; ey iſt das nicht ein dapfferer Menſch / wie nim̃t er ſein reputation ſo wol in acht. Da war er im Traum / da fand ſich ſuavitas & vanitas phantaſmatum, da ſaß er dem Gluͤck im Schoß / es fuͤgte ſich ſo zu ihm / daß er meynte / es wuͤrde ſich mit ihm vermaͤhlen. Aber er ward heßlich betrogen / da er wachte / befand ers viel anders / er meynte / die Welt waͤre eitel Gelt / nun war es aber viel anders. Ja ſonderlich war er gleichſam obſtupefactus, gantz thumm und unempfindlich: er ward nicht nur betrogen / ſondern ſein offenbar Welt-Gluͤck war bey ihm ein Vorbott des Zorns GOttes. Haͤtte er nicht geſchlaffen / ſondern gewacht / er wuͤrde ſich in ſeinem Stand wol be - trogen gefunden haben. Es gieng ihm wie Damocli, der uͤber der Koͤ - niglichen Taffel Dionyſii geſeſſen / und den Koͤnig verweßt / aber ein bloß ſcharpffes Schwerdt uͤber dem Haupt an einem Roßhaar hangend gehabt / als wolte es alle Augenblick ihm auff den Kopff fallen; da ſchmeckte ihm weder Eſſen noch Trincken.
Wann wir dann biß dato den verlohrnen Sohn auffs Theatrum ge - bracht tanquam ingratum, iniquum & ἄσωτον, als einen undanckbaren / gottloſen / und unmaͤſſigen Geſellen / ſo folget nun / daß wir beſehen / was derſelbe fuͤr ein Anſehen fuͤr GOttes Augen gehabt / und wie die Divina Nemeſis, Goͤttliche Rach ihm auff dem Fuß nachgefolget / und alſo diß - mal ins gemein de Αϖωλείᾳ, von dem Verderben des verlohrnen Sohns / Gott gebe Gnad und Segen / Amen.
So37Vom verlohrnen Sohn.SO deutet nun Chriſtus auff den elenden Zuſtand / in welchem der verlohrne Sohn fuͤr Gott begriffen geweſen / in zweyen Worten / die der Vater hernach zweymal wiederholet / und ſagt: Dieſer mein Sohn war νεκρὸς καὶ ἀϖολωλὼς, todt und verlohren / ja κατ ἐξοχηὺ, ein verlohrner Sohn. Nicht wie Joſeph / der auch in den Augen und Hertzen ſeines Vaters todt und verlohren war / aber unſchul - diger weiß; ſondern dieſer war verlohren um und von wegen ſeines Un - gehorſams / Boßheit und eigenthaͤtlichen Suͤnden. Jſt alſo der Zuſtand des verlohrnen Sohns geweßt 1. Status deſperatæ ſalutis, & reatus da - mnationis, ein verdam̃ter Zuſtand / ἀϖολωλως ηὖ, er war verdam̃t / dann das heiſſet eigentlich in H. Schrifft verlohren ſeyn / Joh. 3. Alſo hat GOtt die Welt geliebet / daß Er ſeinen eingebohrnen Sohn gab / auff daß alle / die an ihn glauben / nicht verlohren werden. 2. Cor. 4. 3. Jſt unſer Evangelium verdeckt / ſo iſts in denen / die verlohren werden / verdeckt. Er war in der Zunfft Judaͤ begriffen / der ιἱὸς τῆς ἀϖωλείας, i.e. dignus perditione, das verlohrne Kind genen - net worden / Joh. 17 / 12. Er ſteckte der Hoͤllen ſchon im Rachen / war nur um ein Augenblick zu thun / um ein einiges Stoͤßel / ſo waͤre er in Abgrund der Hoͤllen gefallen. Nicht aber hat es die Meynung / als waͤre er ſine ſpe veniæ, ohne Hoffnung der Gnad verlohren geweßt / ſondern der Buß - Weg ſtund ihm noch fuͤr. Der Vater ſchloß ihn ſo fernauß dem Hertzen / weil er ihn fuͤr verlohren hielt / und nicht wußte / wo er hin gekommen; doch aber blieb die Vaͤtterliche ςοργὴ, Blut-Lieb und wuͤnſchete: Ach daß er doch wieder kaͤme / und wieder umkehrete. Alſo auch Gott / der nicht wil / daß jemand ſoll verlohren werden / hat deß wegen ſeinen Sohn geſandt / σῶσαι τὸ ἀϖολωλὸς, ſelig zu machen das verlohren iſt / Luc. 19. War alſo der verlohrne Sohn damnatus nondum quoad actum, ſed reatum, die Axt war ſchon dem Baum an die Wurtzel gelegt / haͤtte er nicht Buße ge - than / ſo waͤre er abgehauen worden.
II. Status Excommunicationis, er war ein geiſtlicher Bandit / ein verlohrner Menſch / von deme Gott / auß gerechtem Gericht / die Hand abgezogen / und ihn auff ſeinen Beinen tantzen laſſen. Ein Schaaf / wann es verlohren iſt / welches niemand huͤtet oder verwahret / verirret und verlauffet ſich / das gerathet dem Wolff in den Rachen / und wird ihm zur Außbeut: Alſo wurde auch dieſer gottloſe Menſch von Gott verlaſſen / gehet irꝛ / und geraͤth dem hoͤlliſchen Raub-Wolff in die Klauen. Der iſt der Αϖολλύων, Apoc. 9. Dem wird er uͤbergeben / als ein Wildpret dem Jag-Hund / Rom. 1. als ein Sclav einem unbarmhertzigen Tyrannen. E iij2. Chron.38Die Fuͤnffte Predigt2. Chron. 12. ſchickt Gott der Herr den Siſack uͤber Rehabeam mit 1200. Waͤgen und 60000. Reutern / und ließ ihm durch den Propheten Semaja ſagen: Jhr habt mich verlaſſen / darum hab ich euch auch verlaſſen / in Siſacks Hand / dem ſollen ſie unterthan ſeyn / daß ſie innen werden / was es ſey mir dienen / und den Koͤnigen in Landen dienen. Alſo ſchickte auch Gott noch den hoͤlliſchen Si - ſack / der mißbrauchte des verlohrnen Sohns nicht nur zur Verrichtung allerhand Bubenſtuͤck und Leichtfertigkeit / ſeines Leibes zur Uppigkeit / ſeiner Gliedmaſſen zum Dienſt der Ungerechtigkeit / ſeines Seckels mit Geld zur Verſchwendung; Er war verkaufft nur Ubels zu thun / wie Achab / 1. Reg. 20. Er war ein rechter Sclav ſo vieler Herren / als viel Laſter er an ſich hatte; ein rechter vom Teuffel beſeſſener Menſch / gleichwie jener leiblich beſeſſene Marc. 5 / 2. der ſeine Wohnung in den Graͤb - ern hatte / der ſich nicht binden ließ / die Ketten zuriß / und ſich ſelbs mit Steinen ſchlug; Ein filius Belial, und Teuffels-Kind / war mehr nicht uͤbrig / als der Suͤnden-Sold / der ewige Tod. Dann er war auch
III. In ſtatu mortis, im Stand des Tods; Zwar dem natuͤrlichen Le - ben nach war er friſch und geſund / aber das Leben / das auß Gott iſt / man - gelte ihm / er war todt morte gratiæ, war nur noch uͤbrig / daß die Seele vom Leib abſcheidete / der reatus lag ihm auff dem Hals / das Urtheil und Blut - Gericht war ſchon in der Schrifft uͤber ihn gefaͤllet / und das Weh uͤber ihn geſchrien / Eſai. 1. Hoͤret ihr Him̃el / und du Erde nim̃ zu Ohren / ich habe ein Kind aufferzogen / und erhoͤhet / und es iſt von mir abgefallen / O wehe des ſuͤndigen Menſchen / des Menſchen von groſſer Miſſethat / des boßhafftigen Saamens / des ſchaͤdlichen Kindes / das ſeinen Herꝛn verlaſſen / gelaͤſtert / und von ihm zu - ruck gewichen iſt. Der Stab war uͤber ihn gebrochen / daß er ſolte ge - ſteiniget werden / Deut. 21. Prov. 30 17. die ἀσωτία, hat ihre Straff in der Goͤttlichen Halsgerichts-Ordnung / 1. Cor. 9. Laſſet euch nicht ver - fuͤhren / weder die Hurer / noch die Abgoͤtter / noch die Truncken - bold werden das Reich GOttes ererben / Gal. 5, 21. Der Hurer Theil wird ſeyn in dem Pfuhl / der mit Feur und Schwefel brennet / welches iſt der ander Tod. War alſo nichts mehr uͤbrig / als die Execution, dazu er ſchon reiff genug war / weil die Straff vor der Thuͤr / die Axt dem Baum an die Wurtzel gelegt / das Schwerdt ge - ſchaͤrpfft / daß es ſchneiden ſoll / der Bogen geſpannt / daß er loß gehen ſoll.
Dazu kam nun IV. auff dieſen Tod Status ἀναισϑησίας miſerrimus, die Fuͤhl-Loſigkeit. Er dunckte ſich ein groſſer Juncker ſeyn / war aber in derThat39Vom verlohrnen Sohn. That der elendeſte Sclav / excæcatus, induratus, verblendt / verſtockt / und Eiß-hart gefroren / hatte cauteriatam conſcientiam, Brandmal im Ge - wiſſen / das aber noch ruhete / unterdeſſen war er ſtinckend worden nicht nur vor ehrlichen Leuten / gleichwie zu Hoff / wenn ſich zwey Augen wen - den / ſo wendet ſich der gantze Hoff, ſondern auch vor ſeinen eigenen Luſt - Freunden / die von ihm geloffen / wie die Laͤuſe von ſterbenden und lebloſen Leibern / und nachdem ſie ihm das Blut außgeſogen / ihn nicht mehr ken - nen wollen. Er war impotens ad ſui converſionem, er iſt gefallen / kun - te ihm aber ſelber nicht wieder auffhelffen. Alſo war das weyland liebe Schoß-Kind verlohren / todt / in Bann gethan / ein Sclav / und gantz ſtinckend vor jederman.
Hie ſtehet nun abermal der verlohrne Sohn am Pranger / und hat ei - ne dreyfache Ruthe / ein dreyfaches Schwerdt uͤber ihm hangen. Wir ha - ben ihm biß dato ſein Wapen hoͤren viſiren / laßt uns nun auch die Ruthe uͤber ſeinem Haupt beſchauen / und ſehen / was Suͤnde fuͤr ein Trinck-Geld hinter ſich laſſe / was des Teuffels Danck ſey / wann man ihm gedienet? nemlich ſie iſt eine Schlang / komſtu ihr zu nah / ſo ſticht ſie dich / ſie hat Loͤwen-Zaͤhn / und toͤdtet den Menſchen. Syr. 21. Wie Cleopatra eine gifftige Schlang in einem Korb voll Blumen ins Gemach verbergen laſſen / ſich an den Arm geſetzt / und ſich toͤdten laſſen. Eine jeg - liche Suͤnde / ſpricht Syrach / iſt wie ein ſcharpff Schwerdt / und verwundet / daß niemand heilen kan. Jſt ein anders Urtheil / als die ſichere Welt von den Suͤnden hat / die gedencket / man muß junge Leut eben nicht in ein Bocks-Horn treiben / man muß ſie nur verraſen laſſen / ſie wer - den hernach ſchon gut thun. Aber hieher alle Menſchen / ſehet an den ver - lohrnen Sohn 1. als euer Schroͤck-Bild; Wir ſeind ja alle verlohrne Schaafe / Kinder des Todes / hoſpites ingrati, undanckbare Gaͤſte / die ihr Gott / der euch ſo viel ſchoͤne / Gemuͤths-Leibs-Gluͤcks-Gaben gegeben / mit Undanck bezahlet; Danckeſtu alſo deinem Gott? Wer dencket an ſei - ne Ampts-Pflicht? niemand boret gern dicke Brettlein / das Junckern - Handwerck wil das beſte ſeyn / bey Edel und Unedel / Jung und Alt / Mann und Weib / Soͤhnen und Toͤchtern / Knechten und Maͤgden wil der Muͤſſig - gang und das Herren-Handwerck getrieben ſeyn; Wolte Gott / daß alle verlohrne Soͤhne / die auß Ungedult davon in Krieg gezogen; alle praͤch - tiſche Toͤchter / denen der Schalck der Einbildung allerhand Concepten von ſich ſelbſt einblaſet; alles trotzige / ungehorſame Geſind / die ihren Lohn her - auß pochen / den Stul fuͤr die Thuͤr ſetzen / wann man ſie nicht machen laſ - ſen wil / wie es ihnen gefaͤllt / zur Erkantnuß ihres Unrechts kaͤmen! Hieherihr40Die Fuͤnffte Predigtihr Atheiſten / Schwelger / Abendzehrer / Bacchus - und Venus-Knecht / hoffaͤrtige Puppen / und alle die ihr dazu helffet / per conniventiam & oc - caſionem, durch Stillſchwigen oder gegebene Gelegenheit / ihr Koſtwuͤrth / ihr Extra-Schreiber / ſehet an den Zuſtand des verlohrnen Sohns / welchem ihr es nachmachet. Was ſeyd ihr / die ihr euch einbildet / groſſe Leute / freye Junckern / dapffere Leute / vornehme reiche Toͤchter zu ſeyn / anders als ιἱοὶ ἀϖωλείας, Kinder des Verderbens? ihr laßt euch von hohen Dingen traͤu - men / und ſeyd dem Sturtz ſo nah. Das alles ſolt ihr anſehen / είς τὸ γνῶϑι σ〈…〉〈…〉 αυτὸν, die Selbſt-Erkantnuß zu lernen. Es gibt Leute / die um Prachts willen hinten und vornen Spiegel ſtehen haben / ſich darinnen zu beſchau - en. Hier haſtu einen zwiefachen Spiegel / der praͤſentiret dir vornen her monſtrum peccati, wer du biſt deiner Natur nach / von hinden aber mon - ſtrum iræ & pœnarum, was du mit deinen Suͤnden verdienet.
Dafuͤr erſchrecke nun / und laß dirs 2. auch ſeyn einen Warnungs - Spiegel / daß wir GOttes Langmuth recht lernen kennen / die Er an dem verlohrnen Sohn erwieſen / wie Er ſeinen Bogen geſpannet / gezie - let / und darauff gelegt toͤdtliche Geſchoß / wie Er ſeine Pfeile zugericht zum Verderben / wann man ſich nicht bekehren wil. Pſalm. 7. aber nicht gleich zugeſchoſſen / ſondern gewartet / biß er zur Buße gekommen. Jſt groſſe Langmuth GOttes / deren libera menſura, Maß und Laͤnge auch zu mercken; dem verlohrnen Sohn ſahe er lang zu / wie er ſich in der Welt herum getummelt / und noch manchem / wie den Amori - tern / Gen. 15. andere aber kommen ploͤtzlich um / wie Belſazer / Simri / Abſalon / laßts ſich derowegen darauff nicht wagen; ein Baum iſt jeher auffrecht als der andere / eine Frucht eher zeitig zur Ernde als die andere: ſo verhaͤlt es ſich auch mit GOttes Langmuth / bey deren Beweiſung Er nicht mehr auff uns als ſich ſelbſten ſiehet. Der Zweck und Abſehen ge - het dahin / nicht zur Pharaoniſchen Verſtockung / der / wann er Lufft ge - kriegt / es eben ſo ſchlimm gemacht als zuvor / ſondern zur Buß und Be - kanntnuß der Suͤnden. Verachteſtu den Reichthum der Guͤte / Gedult und Langmuth GOttes? weiſſeſtu nicht / daß dich GOttes Guͤte zur Buße leitet? Rom. 1.
Es ſoll aber 3. auch ſeyn ein Anmahnungs-Bild / Gottes Gnade wol auffzuheben. Jn Bezæ Schul wird zwar gelehret / es koͤnne ein Rechtglaubiger ſeinen Glauben / den Heiligen Geiſt und GOttes Gnade nicht verlieren. Auff dem Colloquio zu Moͤmpelgard hat er alſo gelehrt: Jch ſage / daß David / da er den Ehebruch begangen / den Glaub - en und Heiligen Geiſt behalten / und nicht verlohren habe. Welches41Vom verlohrnen Sohn. Welches ich dir mit einer Gleichnuß erklaͤren wil. Ein vol - ler Mann verleurt ſeinen Verſtand oder Vernunfft nicht / ob ſich wol dieſelbe / ſo lang er voll iſt / und der Wein ſein Haupt eingenommen / nicht erzeiget / ſondern als ein unvernuͤnfftiges Thier iſt / und wie ein Feur / das mit Aſchen bedecket / nicht außgeloͤſchet / ſondern ein verborgen Feur iſt: Alſo auch / wann die Außerwehlte GOttes in Suͤnde fallen / werden die Gnade GOttes / der Glaub / und Heiliger Geiſt eine Zeitlang ver - deckt / und von ſolchen ſuͤndigen Menſchen nicht empfunden / biß ſie wiederum zu ſich ſelbſt kommen / ihre Suͤnde erkennen / und Buße thun / welches auch in Davids Ehebruch geſchehen iſt / in dem die Gnade GOttes eine Zeitlang bedecket / aber nicht verlohren geweßt iſt. Biß hieher Beza. Andreas Rivetus ſchreibet in medit. ad Pſal. 51. Spiritum tuum, quamvis triſtitia affecerim, à me non recepiſti. Darum nennen ſie es auch nur eine λειϖοθυμίαν, oder ſyncopen, eine geiſtliche Ohnmacht. Chriſtus aber urtheilet anders davon / der verlohrne Sohn war todt / nemlich in Suͤnden. E. ſo hatte er ja GOttes Gnade verlohren. Zwar iſts wahr / daß die Gnade GOttes von einem Außerwehlten nicht endlich kan weggenommen werden / jedoch kan ſie gaͤntzlich ihm entzogen werden. Sprichſtu: die Gaben GOttes ſeind ἀμεταμέλητα, ſie laſſen ſich nicht bereuen oder wieder wegnemmen. Aber man muß wiſſen / daß ſolches gelte / was den Bund und Verſpruch betrifft; nicht aber was die Goͤttliche Ordnung und Beſchaffenheit des Menſchen / ſo GOtt von ibm fordert / anbelangt. Dienet demnach alles zur Anmahnung / dieſen Schatz wol in acht zu nemmen; dann ja kein groͤſſerer Schatz iſt / als die Gnade Gottes / mit Gottes Gnad auffſtehen und ſchlaffen gehen. Wie bemuͤhet ſich der Menſch um Menſchen-Huld / ad ἀποθέωσιν uſque, daß er ja niemand erzuͤrne / er kraͤncket ſich darum / wann er ſie nicht haben kan. GOttes Zorn / o Menſch / iſt ein Bott zum Tode / der Glaub / ohne welchen ohnmoͤglich iſt GOtt zu gefallen / iſt das Liecht der fuͤnff klugen Jungfrauen / und der Heilige Geiſt iſt der einige rechte Weg-Leiter / der uns wider die Verfuͤhrung des Satans ſchuͤtzen kan. Ach ſo laßt uns dann die Reſolution faſſen / von GOtt nicht zu laſ - ſen / laßt uns beten auß dem 51. Pſalm. Verſtoß mich nicht von dei - nem Angeſicht / (wie Cain / der von GOtt fluͤchtig worden) und nim̃ deinen Heiligen Geiſt nicht von mir. Auß dem 119. Pſalm. Jch bin wie ein verirret und verlohren Schaaf / ſuche HErꝛ deinen Knecht. Laſſet uns der raudigen Schaafe muͤſſig gehen / die StimmeZehender Theil. Funſers42Die Sechſte Predigtunſers Ertz-Hirten hoͤren / Jhme folgen / ſo wird uns niemand auß ſeiner Hand reiſſen / und wir werden Kinder ſeyn des ewigen Lebens. Nun GOtt gebe / daß niemand unter uns allen verlohren / ſondern alle zur ewigen Seligkeit erhalten werden. Amen.
GEliebte im HErꝛn. Obwol die Comoͤdien und Tragoͤ - dien / die auff offentlichen Theatris und Schau-Plaͤtzen ge - ſpielet werden / in Heiliger Schrifft und bey den Patribus einen ſchlechten Namen und Ruhm fuͤhren / und uͤbel hoͤ - ren muͤſſen. Dann es werden von ihnen geſcholten ludi idololatrici, die Abgoͤttiſche Spiele / Exod. 32. Davon Paulus ſagt 1. Cor. 10. Werdet auch nicht Abgoͤttiſche / gleichwie jener etliche worden / als geſchrieben ſtehet / das Volck ſatzte ſich nieder zu eſſen / und zu trincken / und ſtunde auff zu ſpie - len. Denen es heutigs Tages nachthun die Sabbath-Schaͤnder / die alle ihre Kurtzweil und Spiele auff den Sontag verlegen. Es werden verworffen die Blut-Spiele / 2. Sam. 2. Da Abner im Laͤger den Vorſchlag thut gegen Joab / und ſagt: Laß ſich die Knaben auff - machen / und fuͤr uns ſpielen; Da machten ſich auff zwoͤlff auß Ben - jamin auff Jſboſeths Seiten / und zwoͤlff auß den Knechten Davids / die ſpieleten mit einander / das ihnen das Blut uͤber die Koͤpffe herab lieff / einer ergrieff den andern beym Kopff / und ſtieß ihm ſein Schwerdt in ſei - ne Seite / und fielen mit einander. Denen es die Heyden nachgethan auff ihren Amphitheatris die ſolche Fechter auff der Straͤu gehalten / und hat ſich ſolcher Unflath auch unter die Chriſten in dero Fecht-Spiele gezo - gen. Es werden geſcholten ludi levitatis, Huren-Spiele / wie der - gleichen von Weibs-Bildern mit nackenden Leibern geſpielet worden / in Gymnaſiis Græcorum, als Lactantius bezeuget l. 1. de falſ. relig. c. 30. Dergleichen Spiel-Haͤuſer hernach der Hoheprieſter Jaſon unter der Burg zu Jeruſalem gebauet / daß ſich nach Griechiſcher weiſe die ſtaͤrckſten Junge Geſellen darinnen uͤben mußten; es ſtehet aber dabey / ſie muß - tens auch wol bezahlen / dann Gott ſchickte uͤber ſie eben die / welchenſie43Vom verlohrnen Sohn. ſie ſolche Spiele wolten nachthun / daß ſie ſie mußten ſtraffen. Eben wie es uns Teutſchen auch ergangen / nachdem wir die Engliſche / die Welſche / die Frantzoͤſiſche Maſcarada / Taͤntze / Mummereyen und Faßnacht - Spiel nachgeaͤfft.
Jedoch aber / wann Comoͤdien und Spiele nach der Chriſtlichen Pru - dentz / ohne Aergernuß / zu ſeiner Zeit / mit gebuͤhrender Beſcheidenheit angeſtellet werden / ſo werden ſie in H. Schrifft gar nicht verdammet / ſon - dern ſeind 1. conſecrati à Spiritu S. von dem H. Geiſt geweihet / und gut geheiſſen / exemplis, mit Exempeln / als da iſt das Weiber - und Sing - Spiel / welches die Weiber David zu Ehren angeſtellet 1. Sam. 18 / 7. das Kinder-Spiel auff den Gaſſen / Zach. 8 / 5. Similitudinibus, mit Gleich - nuſſen / Prov. 8 / 30. da die Himmliſche Weißheit ſpricht / ſie habe fuͤr GOtt geſpielet. Matth. 11 / 17. da ſich Chriſtus den Kindlein ver - gleicht / die auff dem Marckt ſitzen und gegen ihre Geſellen ruffen: Wir haben euch gepfiffen / und ihr wolt nicht tantzen / wir haben euch geklagt / und ihr wolt nicht weinen. Ja was wollen wir ſagen von der gantzen Offenbarung Johannis / die wird anderſt nicht als eine Comoͤdie praͤſentirt? 2. Uſitati in populo DEI, unter dem Volck GOt - tes geuͤbet. Wie dann Lutherus in der Meynung begriffen / es ſeye das Buch Judith keine warhafftige Geſchicht / ſondern ein politiſch Gedicht geweßt / das ſie geſpielet / und darinnen den Zuſtand der Juͤdiſchen Kirch - en entworffen / und der Jugend fuͤrgehalten / Judith ſeye eine Tragoͤdi / Tobias aber eine Comoͤdi. 3. Seind ſie ornamenta pacis & otii negotia, die zum Frieden wol ſtehen / und fuͤr den Muͤſſiggang ſeyn. Zu Kriegs - Zeiten / wann man mit Canonen ſpielt / laßt ſichs nicht thun / da muß das Theatrum feyren. Nun Gott mit uns die Tragoͤdi angefangen zu ſpielen / ſo noch nicht außgeſpielt / muͤſſen wir inhalten; Und wer weiß / ob nicht das letſte Feurwerck bald nachfolgen und der Welt abdancken wird. 4. Seind ſie ſalutares in Republica, nutzlich / nicht nur die Ge - muͤther auffzumuntern / ſchoͤne Hiſtorien ad vivum zu praͤſentiren / ſon - dern auch ſonderlich die affecten zu erwecken und zu gewinnen / nach dem eines jeden Stands und Handels / Sitten und Eigenſchafften moͤgen gar artig gewieſen werden. Und eben zu ſolchem Ende haben wir neulich auffs Theatrum producirt den verlohrnen Sohn / und bißher in der Hi - ſtori den erſten Actum geendet / der geheiſſen / Filius impius, iniquus, pro - digus, perditus & mortuus; folget nun der andere Actus, der uns præ - ſentirt Filium peccatorem pœnitentiarum, den reuenden Sohn; nicht die Ohren dadurch kuͤtzlend zu machen / ſondern die hohe Lehr von derF ijBuß44Die Sechste PredigtBuß und Rechtfertigung fuͤr GOtt / E. L. recht einzubilden in ei - nem lebendigen Exempel / daß es beſſer zu Hertzen dringe / und feſter be - halten werde. So man nun dem Puppen-Spieler manche gute Stun - de ſchencket / auch nicht leichtlich einem dabey der Schlaff ankommet / wel - ches wol zu erbarmen / ſo laßt uns auch dem ſchoͤnen Geiſtreichen Spiel / welches der Himmliſche Prophet Chriſtus auff die Bahn gebracht / ferner ohne Verdruß / ohne Schlaff / alldieweil unſere Seligkeit daran hafftet / zuhoͤren und zuſehen. Dieſes mal wollen wir allein erzehlen / von der erſten Cataſtrophe des Gluͤcks / von den Straff-Flagellen / Buß-Glocken / Gewiſſens-Wecker und Zucht-Ruthen / die Gott gebraucht. Gott erſcheine uns mit dem Liecht des Heiligen Geiſtes / Amen.
GEliebte in Chriſto. Die Geißlen und dero Zweck / womit der verlohrne Sohn gezuͤchtiget worden / werden uns fuͤr dieſes mal praͤſentiret.
Was nun I. die Flagella Geißlen betrifft / ſo iſt die erſte Haupt-Geißel und gleichſam der Preß-Reuter Fames, λιμὸς ἰσχυρὸς, die groſſe Theurung durch daſſelbe gantze Land; iſt einer von den vier Reutern / die Johannes in ſeiner Offenbarung geſehen / nemlich der ſchwartz-hungerige Reuter / der eine Waag in der Hand gehabt. Vor dem außgeruffen worden / ein Maß Weitzen um einen Groſchen / und drey Maß Gerſten um einen Groſchen. Wird einem ſchwartzen Reuter verglichen / weil der Hunger ſchwartz machet / Thren. 4, 8. Das Maß bedeutet ein Gewicht - Maß / und ſolche Theurung / da man die Fruͤchten nicht mit Seſtern / ſon - dern mit Wurtz-Waagen außmeſſet / und um ein ſtuͤck Brod ein groß Geld geben muß. Dieſer Reuter zog ein in daſſelbige Land / auß was Ur - ſachen wird nicht gemeldet. Da geriethen alle Victualien in groſſen Auff - ſchlag / Juncker Wucher wird ſich dapffer dabey getum̃elt und nichts ver - ſaumet haben. Wer damal in Rohren geſeſſen / der hat Pfeiffen geſchnit - ten. Dieſer hungerige / magere Reuter hatte nun ſeine unterſchiedliche Ruthen / damit er auff den verlohrnen Sohn getroffen. 1. Ein laͤhrer Seckel / dann er hatte alles verzehrt / der ſaure Schweiß ſeines Vaters war dahin / es war durch / was er mit ſich genommen hatte. Waͤre der Seckel noch geſpickt geweßt / haͤtte er wenig nach der Theurung gefragt / es haͤtte doch alles muͤſſen vorhanden ſeyn / es koſte auch was es wolle; aber der laͤhre Seckel that ihm wehe / er mußte den Cornelium ſpielen. 2. Der Hunger / ἀυτὸς ἤρξατο ὑςερ ει̃οϑαι, er fieng an zu darben / er hat nir -[g]end kein Credit / keinen Wechſel zu hoffen / ſeine Lauß-Freunde haben vonihm45Vom verlohrnen Sohn. ihm außgeſetzt / die Huren haben ihn zum Hauß hinauß geſchlagen / ſo hat - te der arme Tropff nichts redliches gelernet / daß er einem Herrn dienen und auffwarten / und nur das Maul-Futter davon bringen moͤchte. Nichts deſtoweniger wolte der Magen ſeine Nothdurfft und ſatisfaction haben. Aber er fieng an zu darben / und miſeriam zu ſchmeltzen. 3. Servi - tus ignominioſa, ſchaͤndliche ſchimpffliche Dienſtbarkeit / ἐκολλήϑη, er gieng und hieng ſich an einen Burger deſſelbigen Landes / der ſchicket ihn auff ſeinen Acker / der Saͤue zu huͤten. O des ſchlech - ten Dienſts! wie ſaur muß es dem Junckern fuͤrkom̃en ſeyn. Der Text ſagt: ἐκολλήθη / bedeutet ein aͤngſtiges Nachlauffen / Flehen und Bitten / er wolle ſich doch ſeiner erbarmen; eine gewiſſe Verdingung / wie Matth. 19 / 5. Der Mann wird ſeinem Weib anhangen / ex pacto ſcil. wegen des Verſpruchs: Alſo auch dieſer hat ſich zweiffels frey auff gewiſſe Zeit verſprechen muͤſſen / iſt eben nicht ſo bald loß worden / er mußte recht buͤſ - ſen. Was erlangt er aber fuͤr ein officium? macht er ihn irgend zu einem Lackeyen / oder Trabanten / Keller oder Koch? Nein / dann er kunte nichts / er hatte nichts gelernet; ſondern hinauß auff den Acker mußte er. Was thun? pfluͤgen / zu Acker fahren? nein / das waͤre noch traͤglicher geweſen; Solte er irgend Schaffe oder Kuͤhe huͤten? nein / ſondern / welches das allerunertraͤglichſte / er / als ein Jud / mußte der Schwein huͤten. Und das war noch nicht alles / welches ihm nicht nur ſchimpfflich / ſeiner Ade - lichen Reputation zuwider / ſondern es war ihm auch ein Greuel.
Dazu kam 4. Cibus abjectiſſimus ac inſufficiens, die veraͤchtliche / elende Speiß / deren er doch nicht gnug haben kunte. Dann er begehr - te ſeinen Bauch zu fuͤllen mit Traͤbern / die die Saͤue aſſen / und niemand gab ſie ihm. Traͤbern waren es / wie es Lutherus gibt / das Griechiſche κεράτια, was es eigentlich geweßt / ſeind die Dolmetſchen nicht eins / gewiß iſts eine Sau-Speiß / Spulet / Eicheln / Kleyen oder der - gleichen / das man ſonſt den Schweinen fuͤrwirfft / geweſen. Bedencklich ſagt Chriſtus / er habe den Bauch fuͤllen wollen / es ſeye womit es wolle / damit der Magen nur etwas habe / und ſich zur Ruhe begebe: er habe be - gehrt / und niemand habs ihm gegeben / wann man zu gewiſſen Zeiten den Schweinen zu eſſen gebracht / und dargeſchuͤttet / ſo ſolt er mit ihnen eſſen / man gab ihm ſonſt nichs mehr; aber er hatte gar unhoͤffliche commenſa - les, und Tiſch-Genoſſen / die Schwein waren ihm viel zu hurtig / ehe er ſei - nen Hunger geſtillt / waren die Traͤbern ſchon hin. Jſt alſo durch Got - tes heilige und gerechte Gericht auß dem weyland reichen und wolhaͤbigen Sohn ein armer Halunck und Bettler worden; auß einem wolluͤſtigenF iijEpicurer /46Die Sechste PredigtEpicurer / der in Malvaſier gebadet / und das Brod mit Fuͤſſen getretten / ein Hungerleider; auß einem freyen Herꝛn ein Sclav und elender Knecht; auß einem Junckern ein Saͤu-Hirt / auß einem Hirten der Schwein ein Schwein / als der zuvor als ein Schwein gelebt / ja der als ein Schwein worden / und nicht einmal ſo gut geachtet wurde / daß er der Traͤbern genug gehabt haͤtte. O des elenden Wechſels / des armſe - ligen Lebens! an ihm iſt wahr worden / womit einer ſuͤndiget / damit wird er auch geplaget. Sap. 2. Folget nun
II. Finis & Scopus. Was hat der gerechte Gott mit dieſer ſeiner ſcharpffen und harten Ruthen gemeynet? wohin hat er gezielet und ſein Abſehen gehabt? Warum wars ihm zu thun? keinen andern Zweck hat - te er / als ein Vater / der ſeinen Sohn zuͤchtiget / daß er nicht gar verderbe; das / was hernach auch ſelbs gefolget / nemlich Buß und Bekehrung. Es war dieſe groſſe Blut-Armut und elender Stand 1. Gottes Straff - Peitſche / er ſolte es fuͤhlen / es ſolte ihm wehe thun / er ſolte ſein Hertz nicht verhaͤrten / wie Pharao / und ſich gleichſam faͤſt machen. 2. GOt - tes Buß - und Weck-Gloͤcklein / er ſolte in ſich ſelbs gehen / ſolte ge - dencken / ſihe / wo komt mir das her / hab ichs nicht ex talione nach dem Recht der Widervergeltung verdienet / daß / womit ich geſuͤndiget / ich auch geſtrafft werde? die Augen ſolten ihm auffgehen / daß er das unbeſtaͤndige Gluͤck verfluchte / und gedaͤchte / es ſeye ſeiner Boßheit Schuld / daß er ſo geſtraffet werde; und darnach gutem Rath folgen.
3. Waren ſie als lictores, Haͤſcher / die ihn in Goͤttliche Hafft ge - zogen / und fuͤr Gericht citiret / zur Tortur / daß er da lernte ſchwaͤtzen / ſie haben das compelle mit ihm geſpielet / er war beſchloſſen gleichſam unter der Suͤnden reatum, in den Bann gethan / und in die Acht GOttes er - klaͤrt / Gal. 3 / 22. wie Manaſſes in den Ketten und Banden. 4. Solte er es anſehen als ein Zeichen des ewigen Jammers / da ſolte er gedencken / wann er nicht Buße thun wuͤrde / ſo werds damit noch nicht außgericht ſeyn / er habe noch fuͤr ihm den ewigen Hunger und Durſt / wie der reiche Schlemmer / Luc. 16. Summa / es meynte es Gott gut mit ihm; den reichen Schlemmer und ſeine Bruͤder weiſet GOtt in folgendem Capitel auff Moſen und die Proph[et]en / aber das war eine extraordinari Gna - de / ſo gut wirds ihnen nicht / den naſſen Bruͤdern / die mit dem verlohrnen Sohn unten und oben gelegen / geſchicht der gleichen nicht; wie dann Gott ihm hierinnen ſeine Weiſe vorbehalten. Er zuͤchtiget ihn / daß er ſich nicht fuͤr unſchuldig hielt / und mit der Welt verdamt wuͤrde / er ſolte die Ruthe kuͤſſen und ſprechen; O eine gute Ruth / wie machſtu boͤſe Buben ſo gut.
Wie47Vom verlohrnen Sohn.Wie nun junge Leute ſich abermal hier ſpieglen ſollen / ſonderlich un - ſere Stutzer / die nichts ſtudieren / und das ihrige mit muͤſſig gehen verthun / bey denen es gewiß heiſſen wird / wie die Ameyß in den Fabeln Æſopi zu der Haͤuſchrecke geſagt: æſtate ceciniſti, hyeme ſalta, haſtu im Sommer ge - pfiffen / ſo tantze im Winter / daß dir der Hunger vergehet; Das ſtoltze Weiber-Volck / bey denen es mehrmalen geſchehen / daß ſie jetzt das Brod nicht zu eſſen haben / die vor dieſem alle Schleck - und niedlichſte Bißlein ge - koſtet / da muͤſſen ſie mit guten Zaͤhnen uͤbel eſſen; Alſo / wann wir die Aug - en auffthun wollen / werden wir befinden / daß auff gleiche Suͤnde gleiche Straffe folge / und daß Gott auch mit uns biß dato den verlohrnen Sohn geſpielt / weil wir den verlohrnen Sohn mit ihm geſpielt / und da man auff Moſen und die Propheten nichts mehr geben wollen / ein neuen Text fuͤr - gelegt / nemlich / ſeine vier boͤſe Straffen / die vier Reuter; und ſonderlich auch bey uns allhie den ſchwartzen Reuter der Theurung einloſirt / der Kiſten und Kaͤſten / Seckel und Beutel gelaͤhrt / und manches Mutter - Kind in das Kriegs-weſen geiagt / da ſie fremden Herren dienen muͤſſen / anderer Particular-Straffen zu geſchweigen. Ja es iſt dahin gekom̃en / daß mancher vor dieſem in der Nachbarſchafft gern mit den Schweinen Traͤbern eſſen wolte / aber ſie haben ihm nicht werden moͤgen; Eychel - und Kleyen-Brod / ja unmenſchliche / unnatuͤrliche Speiſen mußten fuͤr den Hunger dienen.
Felix, quem faciunt allena pericula cautum.
Und wann wir die Augen auffthun wollen / haben wir auch bißhero Urſach / den λιμὸν ἰσχυρὸν zu beklagen; Und obwol der liebe Gott die Theur - ungetwas gemiltert / und verhoffentlich / darum wir ihn flehentlich bitten / noch ferner miltern moͤchte / wiewol wir noch nicht juh ſchreyen doͤrffen; Multa caduntintra lances & pocla diſerta:
So iſt doch der Saͤckel laͤhr / und die Mittel ſind verſchwunden. Was wuͤrde es dich nutzen / wann du gleich das Viertel Frucht um einen Batzen oder Schilling kauffen koͤnteſt / du haͤtteſt aber denſelben nicht; Brod - Mangel und Hunger heißt auch der Mittel-Mangel. Wann einem Kauffmann ſein Gewerb geſteckt iſt / daß er mehr einbuͤſſen und Verluſt leiden muß / als Gewinn haben / wann ihm die Wahren liegen bleiben. Wann ein Handwercks-Mann gern arbeitete / niemand aber gibt ihm zu thun / daß ſie einander in ihrer Kunſt neiden / und ſehen / wie je einer dem andern ſein ſtuck Brod vor dem Maul abſchneiden mag; Wann dem Gelehrten ſeine Beſoldung / davon er leben muß / nicht einkomt / wann Wittwen und Waiſen ihrer Penſionen nicht koͤnnen faͤhig werden;wann48Die Sechste Predigtwann der papierne Goͤtz im Trog ligt / und mancher daruͤber panckerotirt; Wann man ſchon Mittel hat / davon man Geld machen koͤnte / und ſie aber nichts gelten wollen / iſt das nicht λιμὸς ἰσχυρὸς, Hungers genug? Es hat freylich der Herr Jus Talionis, das Recht der Widervergeltung mit uns geſpielt / da Er Wolluſt und Uberfluß mit Mangel und Armut / frey - en Stand mit Sclaverey / Sau-Leben mit Sau-Speiße geſtrafft. Ja / ſprichſtu / das trifft zwar etliche / und den meiſten Theil / aber wie kommen davon 1. fœneratores, die Wucherer / die beym Kriegs-weſen profiti - ren und gewinnen / die von dem Außgeliehenen einen unchriſtlichen Zinß nemmen / die nicht allein alles vollauff haben / ſondern auch anderer Leute Mittel durch unbarmhertzigen Wucher an ſich erkauffen / durch ungerech - te Kaͤuffe / und andere contractus innominatos, ſed ad extremum diem reſervatos, des armen Naͤchſten Ubriges an ſich ziehen / ſonderlich wo man weiß / daß man geſteckt iſt / die mit dem Getreyd Wucher treiben? Wie kommen davon 2. Voluptuoſi, die Wolluͤſtler / denen man nichts an - ſiehet / und leben in der Fuͤlle / die es machen / wie der Jud Aaron zu Franckfurt / und gedencken / je theurer / je wolluͤſtiger / es muß dieſer oder jener Biſſen auff der Taffel ſtehen / und ſolte er auch weiß nicht was koſten? Und was wollen wir ſagen 3. de Superbis, von dem ſchnoͤden uͤber - teuffelten Pracht / ſonderlich des Weiber-Volcks? Welches / wann Haußrath wolfeil iſt / mit Schmertzen zuſchen. Unter die auch 4. die im - miſericordes & ἀσυμϖαθοῦντες gehoͤren / die auß Unbarmhertzigkeit Augen und Hertzen vor dem nothleidenden Naͤchſten zuſchlieſſen. Solche alle / weil ſie es noch nicht trifft / fuͤhlen ſie es auch nicht. Aber / Antwort / ſie ſoltens dennoch wol fuͤhlen ex Chriſtiana συμϖαθείᾳ, auß Chriſtlichem Mitleiden / und gedencken / hat mir Gott noch einen Segen beſchehret / ſo wil ich ihn auffheben / vielleicht werde ich meinem Naͤchſten noch koͤn - nen damit zu Huͤlff kommen. Weil ſie es aber nicht fuͤhlen / ſeind und bleiben ſie die unſeligſte Leute / es wird ſich finden / wann der Schnee ihres Uberfluſſes vergehet: Gott laͤßt ſie noch eine weile / als Maſtvieh in der Weyde / gehen / aber Er wird ſie endlich zur Schlachtbanck fuͤhren / und auff den Kopff ſchlagen. Sie ſeynd unſeliger als der verlohrne Sohn / der Sohn / den der Vater nicht ſtaͤupet / ſtehet uͤbel: O wie wol gieng es manchem verlohrnen Sohn / der nicht gut thun wil / wann er die Straff bey Zeiten fuͤhlete.
Multi perpetrant, qualia Sodomorum cives, ſed ignis pluvia non deſcendit: Viel begehen / was die Buͤrger zu Sodom / aber dir feurige Re - gen fallt nicht auff ſie. Chryſoſt. hom. 27. ad pop. Apud ſuos filiosclemen -49Vom verlohrnen Sohn. mentiſſimus DEUS carnoſa vulnera adurit cauterio, non parcit, ut parcat, non miſeretur, ut miſereatur, Hieronym. in c. 7. Ezech. Bey ſeinen Kindern brennet der allguͤtige Gott die gefaͤhrliche Wunden mit einem Brand-Eyſen / und ſchonet nicht / damit er ſchone / und erbarmet ſich nicht / damit er ſich erbarme. Origenes in c. 20. Exod. wann er die Wort Oſe. 4 / 14. widerholet: & propter hoc non viſitabo ſuper filios veſtros, ruffet er auß: hoc eſt terribile, hoc eſt extremum, cum jam non corripimur pro peccatis. i. e. Das iſt erſchroͤcklich / das iſt die aͤuſſerſte Gefahr / wann wir auch nicht einmal geſtrafft werden.
Gedencke derowegen / mein lieber Menſch / hats die Meynung / ſo wil ich ſagen / hîc ure, hîc ſeca, ich wils mit dem verlohrnen Sohn halten / und lieber mit den Schweinen eſſen / daß meine Seel erhalten werde / als in der Theurung wol leben / und mit Leib und Seele verderben. Wo aber ſolche Straffe ſich erzeigen / ſo lernen wir hiebey / wie und wofuͤr wir ſie ſol - len anſehen / wie wir ſie empfahen und annemmen ſollen / nemlich als Straff-Ruthen / die wir wol fuͤhlen und kuͤſſen ſollen / nicht wie Pha - rao der ſein Hertz verhaͤrtet / bevorab wann er Lufft bekommen / oder wie die Zuhoͤrer Jeremtaͤ / von denen er ſagt c. 5. Du HErꝛ / ſchlaͤgeſt ſie / aber ſie fuͤhlens nicht / du plageſt ſie / aber ſie beſſern ſich nicht / ſie haben ein haͤrter Angeſicht / dann ein Felß / und wollen ſich nicht bekehren. Gehet noch heutiges Tages alſo / wann man ein wenig gute Zeitung vom Frieden oder Wolfeile hoͤret / wird man ſicher und ſuͤn - diget wieder auff das vorige Kerbholtz. Sondern wie ein Vater ſein Kind zuͤchtiget / auß Hoffnung / daß es ſich beſſern / und die ſtraffbare Un - tugenden fahren laſſen wird; ſo gehet auch Gott mit uns um / da iſt nun unſere kindliche Schuldigkeit / ihn in ſeiner Hoffnung und gutem Abſehen nicht zu verhindern oder zu erfaͤhren. 2. Als Buß-Gloͤcklein / und Citanten; Gott hat viel Wege / dadurch Er die Suͤnder fuͤr Gericht ci - tiret / 1. per conciones legales, durch ſeine Goͤttliche Geſetz-Stimme / wie er alſo Adam und Cain / Vater und Sohn / Gen. 3. Adam wo biſt du? haſtu nicht gegeſſen ꝛc. ? und c. 4, 10. Cain was haſtu gethan / die Stim - me deines Bruders ꝛc. fuͤrberuffen hat. Wollen nun dieſe nichts helf - fen / ſo gebraucht er 2. die innere Gewiſſens-Schlaͤge / daß / zum Exempel / das Hertz David ſchlagen / und er ſelbſt bekennen muß / er habe ſchwerlich geſuͤndiget / 2. Sam. 24 / 10. Er citirt 3. per pœnas epi - demicas, durch Krieg und andere graſſirende Straffen / die uns allen auß Mitleiden zu Hertzen ſchneiden / und wir ſagen ſollen: Jch habs ja ſo wol verdienet / als andere Leute / ich bin kein Haar beſſer als der Baursmann /Zehender Theil. Gder50Die Sechste Predigtder des Tages ſchneidet und des Abends droͤſchet / aber augenblicklich in Gefahr ſeiner Pferde / Viehes und Nahrung ſchweben muß. 4. Per pœ - nas talionis, mit dem Recht der Widervergeltung / wie Manaſſen / der von dem Aſſyriſchen Koͤnig im Triumph gen Babel gebracht / und mit Ketten angeſchmiedet wird; alſo auch den Schaͤcher am Creutz / der ſelbſt bekennet / er verdiene was ſeine Straffen werth ſeynd. Komt nun dergleichen auch an dich / ſo dencke / nun wolan / jetzt iſt es Zeit / jetzt eitiret mich Gott fuͤr Gericht / berede dich nicht faͤlſchlich / als waͤrs ein unſchul - diges Creutz / keine wolverdiente Straff. Und das iſt citatio perempto - ria, wer dieſe verſaumt / wer dieſen Botten verachtet / der hat vor ſich den Tag des ſchroͤcklichen Gerichts / und wiſſe / daß ihme ſolches alles prælu - dium æternæ pœnæ ſeye / ein Vorſchmack der ewigen Hoͤllen-Pein / es wird ihm gehen / wie einem Ubelthaͤter / der dem Hencker entgehet / der zeit - lichen Straff entfliehet / und der ewigen entgegen lauffet. Gott gebe / daß wir nicht auß Gewonheit / ſondern von Hertzen die tieffe Stimm an - ſtimmen:
Auß tieffer Noth ſchrey ich zu dir /HErꝛ GOtt erhoͤr mein Ruffen:Dein gnaͤdig Ohren kehr zu mir /Und meiner Bitt ſie oͤffen.Dann ſo du wilt das ſehen an /Was Suͤnd und Unrecht iſt gethan.Wer kan HErꝛ vor dir bleiben.
Weil nun Buße thun kein Menſchen-Werck / ſo laßt uns zuvor recht præpariren / und ſprechen: Bekehre du uns HErꝛ / ſo werden wir bekehret / hilff du uns / ſo wird uns geholffen / Jerem. 31. O HErꝛ / wer kan das boͤſe Hertz aͤndern / und ein neues ſchaffen / du kanſt es dem alles muͤglich / das ſteinerne Hertz von mir nem - men / und ein fleiſchernes geben:
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Es war die jenige Frag / welche Chriſti Juͤnger Marc. 8. ihrem Herrn und Meiſter fuͤrgelegt und geſagt: Woher nemmen wir Brod hie in der Wuͤſten? (nach dem Er ſeiner Zuhoͤrer / die nun drey Tag ungegeſſen bey ihm verharret / ſich gejammert und be - ſorget / wo Er ſie ungeſſen von ſich ließ / ſie moͤchten auff dem Wege verſchmachten / ſo tretten ſeine Juͤnger auff / und ſprechen: Woher nemmen wir Bord hie in der Wuͤſten? oder wie es Matt - haͤus c. 15. beſchreibet / Woher moͤgen wir ſo viel Brods nemmen hie in der Wuͤſten / daß wir ſo viel Volck ſaͤttigen?) I. Zwar Quæſtio diffidentiæ, eine mißtrauiſche Frag / herkommend von der unverſtaͤndigen Naͤrrin / der fladerenden / zagenden und unglaubigen Bauch-Sorg. Es hatten zuvor die Juͤnger das Wunderwerck geſehen von den fuͤnff Gerſten-Broden / Joh. 6 / 11. noch gleichwol ſprechen ſie: ϖ〈…〉〈…〉 θεν δυνήσεταί τις τούτους ᾧδε σχορτάσαι ἄρτων ἐϖ᾽ ἐρημίας; Woher nem - men wir ꝛc. Jſt eben die Frag / welche die Kinder Jſrael in der Wuͤſten auff die Bahn gebracht / Pſalm 78 / 20. Ja ſolte wol GOtt koͤnnen einen Tiſch bereiten in der Wuͤſten? wie kan Er Brod geben / und ſeinem Volck Fleiſch verſchaffen? Und der Ritter zu Sama - ria 2. Reg. 7. Dann als Eliſa geſagt: Morgen um dieſe Zeit wird ein Scheffel Semmel-Meel einen Seckel / und zwey Scheffel Gerſten einen Seckel gelten unter dem Thor zu Samaria: Da antwortet der Ritter: Und wann der HErꝛ Fenſter am Him - mel machet / wie koͤnte ſolches geſchehen? Es iſt aber dieſe Frag II. quæſtio fidei & informationis, eine Glaubens - und Lehr-Frag / wann ſie auß glaubigem Hertzen gehet / duo cum quærunt idem, ſæpè non eſt idem, es koͤnnen wol oͤffters ihrer zween einerley fragen / aber nicht mit einerley Sinn und Gedancken. Auß einem andern Hertzen kam das Quomodo Nicodemicum, Joh. 3. auß einem andern das Quomodo Marianum, Luc. 1. alſo auch / wann ein Menſch in ſchweren Land-Plag - en / wann Gott den Vorrath des Brods wegnim̃t / und muͤſſige Zaͤhne gibt / wann ein mancher Hauß-Vater auch eine Wuͤſte findet in ſeinemG ijBrod -52Die Siebende PredigtBrod-Korb / auff ſeinem Acker / in ſeiner Werckſtatt / wolte gern arbeiten / hat aber die Mittel nicht / kan er ſich auß GOttes Wort / das unſer Rath - geber iſt / Raths erholen und fragen / woher nim̃ ich Brod? III. Quæſtio neceſſitatis & opportunitatis, eine Zeit - und Noth-Frag / dann ob zwar wol der Vater des Liechts / von dem alle gute und vollkommene Gaben von oben herab kommen / ſeinen Himmels-Schatz auffge - than / und den Himmel / der Himmel aber die Erde erhoͤret / und eine reiche und wolgebige Ernde beſchehret / ſo iſts doch noch nicht außgetheilet / der unerſaͤttliche Geitz-Wolff bloͤckt ſchon die Zaͤhn darnach / und wetzet die Klauen; es mangelt etwan manchem duͤrfftigen Hauß-Vater an Geld - Mitteln zu kauffen; Und wañ gleich das Viertel Frucht auff einen Schil - ling kaͤm / ſo hat doch mancher denſelben nicht / wo wil er denn Brod her / nemmen? Vom Lufft kan ja niemand leben / und das Stehlen iſt ihm bey Hencken verbotten. So heiſſet demnach allhie Brod ins gemein alles das jenige / was zur Leibes-Nahrung und Nothdurfft gehoͤret. Der Nackende fragt / woher nemme ich Kleider auff den Winter fuͤr mich und die meini - gen? der Krancke ſagt / wodurch werd ich geſund? Ja woher nehmen wir den Frieden in dieſer allgemeinen Land-Wuͤſten / da alles eroͤdet und ver - wuͤſtet? in dieſer allgemeinen Reich-Wuͤſten / da alles von Kriegs-Flam - men brennet? in dieſer Kirchen-Wuͤſten / da aller Gottes dienſt ligt / und das Wort GOttes Noth leidet? in der Wuͤſten alles Vorraths / in der Seckel-Wuͤſten? wo ſpare ich einen Pfenning auffs Alter? wo kan ich im Sommer mit den Ameiſen ſamlen / daß ich auch im Winter mit ihnen zu eſſen habe? Jſt jemals eine Zeit geweſen / da man ſich auff Mittel und Wege einen Vorrath zu ſamlen zu bedencken gehabt / ſo iſts gewißlich die - ſe / da die Voͤgel außgeflogen / wie man Zinß abſtatten / die Salaria und Beſoldungen bezahlen / Zinß und Guͤlden einbringen moͤchte. Aber es heißt: ſera in fundo parſimonia, es iſt zu ſpat: Wo nemme ich Brod bey meinen Zinß - und Guͤlt-Brieffen / ſie ſeind zu Mam̃elucken worden / haben panckerotirt / ſie ſeind nicht giebig / niemand gebe mir ein ſtuͤck Brod auff ein manchen Brieff / der von etlich hunderten ſagt.
Und dieſes iſt eben die Frage / die den verlohrnen Sohn auch geplagt und gequaͤlt / da die Ruthen GOttes uͤber ihm zuſammen geſchlagen / und unbarmhertzig auff ihn geſchmiſſen / daß ers empfunden / der laͤhre Seckel / das darben / die ſchimpffliche Dienſtbarkeit / und der greuliche Hunger / alles zu dem Ende / daß er die Ruthe kuͤſſen / zum Creutz kriechen / und das Pater peccavi, Vater ich habe geſuͤndiget / das miſerere mei, er - barme dich mein / ſprechen ſolte. Ja da er mitten unter den Schwei -nen /53Vom verlohrnen Sohn. nen / wie Orpheus unter den wilden Thieren geſeſſen / nicht mit der Harpf - fen / ſondern mit einem Hirten-Stecken / und mit den Schweinen fuͤr lieb nemmen muͤſſen / die als gar unhoͤffliche Tiſch-Genoſſen mit ihme umge - gangen. Da hat es freylich auch geheiſſen: ach wo nim̃ ich zu eſſen in dieſer Wuͤſten? ach welch gut Brod genieſſen meines Vaters Tagloͤh - ner / und ich muß darben; Sein Wald-Liedlein / das er geſungen / war dieſes / ἐγὼ λιμῷ ἀϖόλλυμαι, ich verderbe fuͤr Hunger / ach daß ich vor mei - nem Tod nur noch einmal gnug eſſen moͤchte! ach der guten Zeit / die ich daheim hatte / und nicht erkandte! es ſchmeckte mir in meinem vorigen Leben / da es alles herꝛlich und koͤſtlich hergegangen / kein rauhes und ſchwartzes Brod / Semmel und Weiß-Brod mußte man mir vorlegen. Da ſchmeckte mir kein gemeiner Hauß-Koſten / es mußte das niedlichſte ſeyn / ſolte es mein Maul koſten. Ach ſaͤße ich nur eine Stunde unter meines Vaters Tagloͤhnern! O Hunger / wie bitter biſtu; jetzt weiß ich / was Hunger iſt / haͤtte ich nur die Speiſen / die ich manchmal mit Fuͤſſen trat; den Wein / den ich außgeſchuͤttet; ja die Speiß / die ich Unflat wie - der außgeſpyen! aber was hilffts? λιμῷ ἀϖόλλυμαι, ich weiß keinen Rath / wo nemme ich Brod? Drey Rathgeber fanden ſich damalen / die ihm (aber ungleiche) Raͤthe ertheilt / nemlich der Satan / die Vernunfft / und der gute Geiſt GOttes / deren Oracula und Vorſchlaͤge wir fuͤr dieſes mal anhoͤren / und was wir dadurch gebeſſert ſeyn moͤgen / kuͤrtzlich anzeigen wollen. GOtt der H. Geiſt laß uns kraͤfftiglich lehren / erbau - lich hoͤren / alles zu ſeinen Ehren / Amen.
SO iſt nun / Geliebte im Herrn / das I. Oraculum Satanicum, der Satan meldet ſich bey ihm zum erſten an / der in ſolchen Faͤl - len von Anbegin geſchaͤfftig und beyraͤthig iſt / der feyret und ſaͤu - met ſich nun hier auch nicht. Wie er ſich dann eben in ſolchem Fall an den Sohn GOttes ſelbſten gemacht / Matth. 4. ſo macht er ſich auch an den Menſchen; es ſtehet zwar in unſerm Text nicht klar außgedruckt / iſt aber auß den faſt verzweiffelten Worten wol abzunem̃en / wann er ſpricht: ἐγὼ λιμῷ ἀϖόλλυμαι, ich verderbe im Hunger; das war nicht Gott / als der nicht wil / daß jemand verlohren werde. Dann der Satan iſt ein Geiſt / ex affectibus, tanquam unguibus leo, agnoſcendus, den man an ſeinen Wercken / gleich als einen Loͤwen an ſeinen Klauen / erkennen kan: als wolte er ſagen: Jch muß verzweiffeln und vergehen / da hilfft nichts fuͤr. Zweiffels frey wird er ihm auch das dilemma fuͤrgelelegt haben / welches er Chriſto fuͤrgelegt; da er ſagt: Biſtu GOttes Sohn / ſo ſprich /G iijdaß54Die Siebende Predigtdaß dieſe Steine Brod werden / das iſt / entweders biſt du GOttes Sohn / und das muſt du mit einem Wunder beweiſen / ſoll man es glauben / wo nicht / ſo muſt du verzweiffeln. Alſo hat es auch hier geheiſſen; fac pa - nes, ſi non miraculosè, ſaltem inordinatè, ſihe / daß du Brod bekommeſt / wil dir keines vom Himmel fallen / ey ſo greiffe zu / wo du zukom̃en kanſt / auch wann es ſchon durch unrechte Fug / und unordentliche Mittel geſche - hen muß / ſtihl / raub / mach Beuten / zwings auß einem Stein herauß / im Fall der Noth / wann man ſich des Hungers anderſt nicht erwehren kan / wird ſich ſolches wol entſchuldigen laſſen. Es mag auch wol der liſtige Geiſt die Schrifft angezogen / und auß Proverb. 6 / 30. geſagt haben: Es iſt einem Dieb nicht ſo groſſe Schmach / ob er ſtielet / ſeine Seele zu ſaͤttigen / weil ihn hungert.
Weil nun irgend ein gutes Fuͤncklein in dem Schwein-Hirten ge - weßt / und der erſte Griff nicht angehen wil / greiffet er zu dem andern ex - tremo, und ſpricht: wann dir das nicht angehen wil / ſo wird dich nie - mand verdencken koͤnnen / wann du wider Gott murreſt / ungedultig wirſt / verzweiffelſt / und dir etwas am Leben thuſt: ſiehe da / hie iſt der Strick / nim̃ ihn hin / und erhencke dich / oder hie iſt das Waſſer / ertraͤncke dich / hie haſtu ein Meſſer / ſchneide dir die Gurgel ab / ſo komſtu deines Elends ab. Deine Suͤnde ſeind doch groͤſſer / als daß ſie dir koͤnnen ver - geben werden / du biſt verlohren. Das war eine Art der Sataniſchen Verſuchung / haͤtte er nun dieſem Rath gefolget / ſo waͤre er freylich ſein eigener Prophet geweſen / ἐγὼ λιμῷ ἀπόλλυμαι, ich verderbe im Hunger / haͤtte er dem hoͤlliſchen Apoliyon und Verderber gefolget / ſo waͤre er zwar dem zeitlichen Hunger entgangen / aber dem ewigen entgegen geloffen / da er unauffhoͤrlich haͤtte ſchreyen muͤſſen / ἐγὼ ἀϖόλλυμαι, ach ich bin ver - lohren und verdamt!
II. Meldete ſich bey ihm an Ratio, die Vernunfft / mit ihren hoͤltzernen Anſchlaͤgen / ſie traͤgt auch ihren Rath bey / und ſagt / was ihrer Meynung nach zu thun waͤre. Es gedencket zwar die Parabel und Gleich - nuß nur eines Vernunfft-Raths / nemlich / labora, arbeite / ſuche dir einen Herꝛn / haͤnge dich an einen reichen Burger / und diene ihm. Dann es war doch noch ein Fuͤncklein eines redlichen Gemuͤths in ihm / daß er gedachte / biſtu gleich arm / ſo haſtu doch einen geſunden Leib / daß du dich mit arbeiten ernehren kanſt. Aber es iſt auch kein Zweiffel / es werde die Vernunfft / da es ſo uͤbel um ihn geſtanden / andere Gedancken erſonnen und geſponnen haben: Was plageſt du dich lang? wil dir dein Herꝛ nicht recht zu eſſen geben / ſo biſtu ihm auch nicht ſchuldig zu dienen / zeuch davon /reiß55Vom verlohrnen Sohn. reiß auß / gib Verſe-Gelt / ziehe bettlen herum / oder ſuche dein Gluͤck an - derswo / gehe in den Krieg / wirſtu erſchoſſen / ſo kommeſtu des Jammers ab / komſtu aber davon / ſo kan dir irgend eine gute Beute beſchehret ſeyn / und kanſt es wieder anfangen / wo du es gelaſſen; wo nicht / und gehets dir uͤbel / ſo kan es dir doch nicht aͤrger gehen / als auff dieſe Weiſe. Ach wieviel tauſend haben biß dato dieſem Rath gefolget / aber die Pferd ſchaͤnd - lich hinter den Wagen geſpannet / und ſeind / bevorab zu dieſen Zeiten / in GOttes Zorn umkommen.
Es komt aber auch III. Spiritus DEI ex excelſis, der Geiſt GOt - tes mit ſeinem Goͤttlichen Oraculo, der Mund des Herrn that ſich ge - gen ihm auff / und bließ ihm zwey heilſame conſilia und Huͤlffs-Mittel ein / deren das eine heiſſet / revertere in te, kehre wieder du abtruͤn - niger Sohn / Jerem. 3. ſo wil ich mein Antlitz nicht gegen dich verſtellen / dann ich bin barmhertzig / und wil nicht ewiglich zuͤr - nen / allein erkenne deine Miſſethat / daß du wider den HErꝛn deinen GOtt geſuͤndiget haſt. Gehe in dich ſelbs / in domum inte - riorem, kehre wieder um / biß dato biſt du ein exul und auſſer dir ſelber ge - weßt / haſt deiner ſelbs vergeſſen / gehe in dich ſelbs / zuͤnde ein Liecht an / das Liecht des Worts GOttes / und des Catechiſmi / den du in deiner Ju - gend gelernet haſt. Das iſt das Wort / davon Chriſtus ſagt / Matth. 4. Der Menſch lebet nicht allein vom Brod / ſondern von einem jeglichen Wort / das auß dem Munde GOttes gehet. Ge - dencke / wo ſolche Straffen herkommen / nemlich von dem eifferigen Gott / der da ſagt / ich ſuche heim / die Miſſethat der Vaͤtter biß in das dritte und vierte Glied / wieviel mehr dann peccata propria, eigene Suͤnden. Mercke wol / was Gott damit gemeynet / nemlich Buß / Bekehrung / Rechtfertigung / oſcula virgæ, du ſolleſt die Ruthe kuͤſſen.
Der 2. Rath iſt reverſio ad domum Patris, kehre wieder um zu deinem Vater / und demuͤthige dich fuͤr ihm / wie dorten der Engel des Herrn zu Hagar ſagt / Gen 16, 9. Alſo gehe du auch zu deinem Va - ter / und ſprich: Vater / ich habe geſuͤndiget im Himmel und fuͤr dir: Und da der verlohrne Sohn haͤtte koͤnnen außnemmen und ſagen: Ja / aber mein Vater hat geſagt / ich ſolle nicht mehr widerkommen / ich ſolle ihm nicht fuͤr Augen tretten / ich ſoll nicht mehr ſein Kind ſeyn; Zu dem habe ich mein Vaͤtterliches Erbtheil dahin / und nichts mehr daheim zu holen. Da antwortet der Geiſt GOttes: Ach nein! es jammert deinen Vater / du daureſt ihn / es wird ihn gewiß reuen / ſo du dich nur wieder ein -ſtelleſt /56Die Siebende Predigtſtelleſt / ſey verſichert / er dencket offt und mehr an dich / als an deinen Bru - der / den er allezeit fuͤr Augen hat; koͤnte er dich mit groſſem Geld rantzio - niren / er unterließ es nicht. Er beweiſet ihm ſolches / à minori ad ma - jus; dein Vater hat ſo viel Tagloͤhner / die ihm weder von Haut noch Haar zugehoͤren / und thut ihnen ſo viel gutes; du biſt ihm ja naͤher ver - wandt / du biſt gleichwol ſein Kind / ſein Fleiſch und Blut / die natuͤrliche ςοργὴ und Blut-Liebe leidets nicht / daß er dich verſtoſſen oder ſein Hertz vor dir verſchlieſſen ſolte. Wil er dich aber nicht tractiren als einen Sohn / ey ſo wird er dich doch beſſer tractiren / als dieſer harte Herꝛ / beſſer als die Tagloͤhner; er wird eben keinen Sauhirten auß dir machen / und wann ſchon / ſo wird er dir doch gnug Brod zu eſſen geben. Das waren die heimliche Bewegungen und Zuſpruch in ihm / wie ſolche auß dem Auß - gang koͤnnen abgenommen werden.
Was thut nun der verlohrne Sohn; er folget gutem Rath / laſſet die andere boͤſe und ſchlimme Raͤthe fahren / und widerſtehet dem H. Geiſt nicht / er gehet in ſich ſelbs / ſchlug nicht hinauff gen Himmel wider Gott / ſondern in ſich / und ſagt bey ſich ſelbs: Wieviel Tagloͤhner hat mein Vater / die Brods die Fuͤlle haben / und ich verderbe im Hunger; ich wil mich auffmachen / und zu meinem Vater ge - hen / und er machte ſich auff. Wie aber in ſpecie ſolche Bekehrung geſchehen / darinnen der gantze Buß-Handel beſtehet / werden wir mit nechſtem vernemmen.
Alſo haben wir nun die 3. Conſilia und Raͤthe / des Satans / der Ver - nunfft / und GOttes / ligt aber das beſte an der Wahl / daß man nach dem rechten greiffe. Wir lernen hiebey in dieſer Raths-Schul I. Conſilio - rum diverſitatem, daß es vielerley Raͤthe gibt / wie es in der Welt hergehet / da der eine ſo / der andere anders rathet / ſo gehets auch in den innerlichen tentationibus und Anfechtungen / in Mangel des Brods / Geſundheit und Friedens ꝛc. Wann auch der Menſch anſtehet / und bey ſich ſelbs fraget / woher nemme ich Brod / Geſundheit und andere Noth durfft? da iſt nun der Hunger maleſuada, es finden ſich freylich auch conſilia Satanica Sa - taniſche Rathſchlaͤge / mache auß Steinen Brod / ſiehe / wo du etwas be - komſt / Noth bricht Eiſen: Und wann ſchon Brod vorhanden / und Gott ſeinen Segen reichlich gibet / ſo ſeind doch Leute / die auß Brod Steine ma - chen / nicht phyſicè, ſondern moraliter, wann man armen Leuten die Arbeit ſchwer machet / ſie nicht bezahlet / daß ihnen ihr ſaurer Schweiß noch ſaurer wird / wann man die liebe Fruͤchten auffſchuͤttet / einſperret / und zu groſſem Auffſchlag ſparet / daß der Arme zu nichts kommen kan. Wannnun57Vom verlohrnen Sohn. nun / ſag ich / dergleichen geſchicht / da iſt der Satan geſchaͤfftig / er ſaget auch / mache Brod / greiff zu / wo und wie du kanſt / durch Dieberey / Be - trug / Allefaͤntzerey / laß deinen ordentlichen Beruff fahren / Weib und Kinder ſitzen / und ziehe davon / murre wider Gott / kratze / ſchinde und ſchabe per fas & nefas, wann es nur Brod gibt; fluche GOtt und dem Koͤnig / welches eines von den gerechten Straffen GOttes iſt / Eſa. 8, 21. wie die Kinder Jſrael gethan / Exod. 16. und geſprochen: Jhr habt uns darum außgefuͤhret auß Egypten / in dieſe Wuͤſten / daß ihr dieſe gantze Gemeine Hungers ſterben laſſet. Das iſt Teuffels-Rath / wer ihme folget / traͤgt des Teuffels Danck davon.
Die Vernunfft hat auch ihre Anſchlaͤge / ſiehet auff cauſas ſecun - das, die eben nicht alle zu verwerffen / und heiſſet; labora, renne / lauffe / laß dirs ſaur werden; wil das nicht helffen / urge debita, bring Schulden ein / erzwings / thue den Heimgang / wie 2. Reg. 4. der armen Wittwen zu Sarepta geſchehen; verſetze / verkauffe alles / was du haſt / wie die Egyptier / Gen. 47. Haußrath / Vieh / Feld / hernach dich ſelbs / wie den Juden wider - fahren / Nehem. 5. Thren. 1, 11. Schreye den Koͤnig an / hilff mir mein Herꝛ Koͤnig. 2. Reg. 6, 26. Nim̃ mein Kind ins Wayſenhauß / in Spittal / zu St. Marx. Wil das nicht helffen / oder dergleichen / mendi - ca, ſo bettele / liege andern Leuten uͤber den Hals / wandere fort / zeuch auß dem Land / wie Abraham und Jſaac gethan. Seind alle gute Anſchlaͤge / aber weil ſie das ὕςερον πρότερον ſpielen / und die Pferde hinter den Wagen ſpannen / ſo taugen ſie nicht; Arbeit ohne Gebet iſt Lufft-Fiſcherey / und Nacht-Arbeit / vergebens iſt es / wann man fruͤh auffſtehet. Wer ver - ſetzet / iſt bald fertig / und bleibet endlich im Reſt numero nichts / o von o gehet auff; wo nichts iſt / da hat der Kayſer ſein Recht verlohren: Bet - teln bringet Gott helff auff dem Rucken mit / hilfft dir der Herr nicht / woher ſoll ich dir helffen? in fremdem Land iſt man nicht angenehm und willkomm / man wird gedruckt und geneidet.
Jſt noch uͤbrig 2. Conſilii electio, welches iſt der beſte Rath? den der verlohrne Sohn ergriffen / nemlich / converſio in ſe per contritionem, daß man in ſich ſelbſt ſchlage / nicht in Gott / oder in die Ruthe / nicht nach den Menſchen / die einem Unrecht thun / ſondern in ſich ſelbs / nicht dem blinden Gluͤck es zuſchreibe / wann es uͤbel gehet / ſondern der Suͤnde / zu - ruck gedencke / wie man in vorigen Zeiten haußgehalten / und Buße thue / ihme zu allerforderſt einen gnaͤdigen GOtt zu wegen bringe / auß GOttes Befehl / thut Buß / und bekehret euch zu mir / ſo werdet ihr ſelig aller Welt Ende / Eſ. 54, 22. Jch ſage euch / werdet ihr euch nichtZehender Theil. Hbeſſern /58Die Siebende Predigtbeſſern / ſo werdet ihr alle umkommen / Luc. 13. Es iſt aber dieſes eine ſchwere Kunſt: Ambroſius ſchreibet l. 2. de pœnit. Facilius ſe inve - niſſe, qui ſervaverit innocentiam, quàm qui congruè egerit pœniten - tiam, er habe eher einen gefunden / der ſich in ſeinem Leben un - ſtraͤfflich gehalten / als einen / der rechtſchaffene Buße gethan / wie ſichs gebuͤhret.
Das andere Stuck iſt reverſio ad Patrem Cœleſtem per fidem, die glaubige Zunahung zu GOTT / Er iſt der reiche Herr / der Raben-Vater / der Brod beſchehret / nicht nur aber beſchehret / ſondern auch wachſen laſſet / und in die Tenne lieffert / von dem wir ſingen:
Weil du mein GOtt und Vater biſt /Dein Kind wirſtu verlaſſen nicht /Du Vaͤtterliches Hertz.
Er iſt der Allmaͤchtige GOtt / der Himmel und Erden erſchaffen / und noch erhaͤlt; Kom̃t nun / laßt uns zum HErꝛn gehen / Er hat uns geſchlagen / und wird uns wieder verbinden / Er hat uns verwundet / und wird uns auch wieder heylen. Oſe. 6, 2. Er iſt der barmhertzige Herr / σϖλαγχνιζομαι, ſpricht Er / Marc. 8. Mich jammert des Volcks / das Hertz in ſeinem Leib kehrte ſich um / wie die Bruͤder Joſephs ihrem Bruder nachgeloffen / ſo ſollen wir unſerm GOtt auch nachlauffen / Er iſt ja noch heut ſo reich / als er geweſen ewiglich. Da / da / vor ſeiner Thuͤr muͤſſen wir anklopffen durchs Gebet / ſo wird uns auffgethan / Luc. 11. und nicht nachlaſſen / wie das Cananeiſche Weiblein / biß er uns erhoͤret. So nun ein irdiſcher Vater ſeinem Sohn / ſo er ihn darum bittet / alles Gute gibt / warum wird nicht vielmehr unſer Himm - liſcher Vater ſeinen Kindern geben / was ihnen nutzlich iſt.
Endlich und 3. iſt zu mercken Conſiliorum ordo, Gott iſt ein Gott der Ordnung / der ſagt / Trachtet am erſten nach dem Reich GOt - tes / Matth. 6. hoc elige, darnach folgen die obige Vernunffts-Mittel / die alsdann durchs Wort und Gebet werden geſegnet ſeyn. Hierauff nun fahre auff die Hoͤhe / und wirff dein Ampt-Netz auß / greiff an das Werck mit Freuden / dazu dich Gott hat beſcheiden / in deinem Beruff und Stand / ſo wird das Gedeyen nicht mangeln. Schaͤme dich keiner Arbeit / wie der verlohrne Sohn auch fuͤr lieb genommen haͤtte / wann er nur als ein Tagloͤhner waͤre gehalten worden / nicht wie jener ungerechte Haußhalter / der geſagt / graben mag ich nicht / Luc. 16. Es ſchadet niemand nichts / wann man gleich den Kragen-Rock ableget / und die nied -lichen59Vom verlohrnen Sohn. lichen Bißlein meidet / und die Haͤnde arbeiten laͤſſet. Jener Koͤnig in Sicilia, Dionyſius, (apud Gottfried pag. 132.) der vorhin 400. Gallee - ren ſamt Land und Leuten beſeſſen hatte / dem iſt kaum ein klein Schiff zu theil worden / daß er darauff gen Corinthum kommen / da hat er ſein we - niges / das er mit ſich auß Sicilia gebracht / bald verzehret / und damit er nicht bittern Hunger leiden muͤßte / hat er eine Schul zu Corintho auffge - richtet / und Kinder gelehret / iſt alſo auß einem maͤchtigen Koͤnig ein ar - mer Schulmeiſter worden. Welches Exempel groſſe Herren billig ſich zu Gemuͤth fuͤhren ſolten. Da er alſo zu Corintho im Elend ſaß / hoͤnet ihn einer / und ſprach / was hilfft dichs nun / daß du den Philoſophum Platonem an deinem Hoffe gehabt / und was haſtu fuͤr Nutzen an ſeiner Lehr? Antwortet Dionyſius, das hab ich von ihm / daß ich diß mein Un - gluͤck und Widerwaͤrtigkeit mit Gedult ertragen kan / und mich darein zu ſchicken weiß. Wil nun Arbeit nicht von ſtatten gehen / ſo brauche man 2. andere erlaubte Mittel / die Gott und Gelegenheit an die Hand gibt / wie jener Wittwen geſchehen / der von Gott gebotten worden / ſie ſolle Eliam ſpeiſen / er wolle ihren Oel-Krug und Brod-Korb ſegnen 1. Reg. 17. Seye aber 3. zu frieden mit dem / was Gott beſchehret / und meiſtere den Heiligen in Jſrael nicht / Pſalm 78 / 41. Er hat das σιτομέτριον und Maß in ſeiner Hand / damit Er einem jeglichen zumiſſet / ſo viel er bedarff. Solte aber auch das nicht geſchehen / und du muͤßteſt 4. auch gar bettlen / wie Lazarus / troͤſte dich mit ihm; Und wann du auch ſchon durch die or - dinari Unmuͤglichkeit ſolteſt Hungers ſterben muͤſſen / Jerem. 15 / 2. ey ſo wiſſe / daß dich doch weder Truͤbſal noch Angſt / oder Verfolg - ung / oder Hunger / oder Bloͤße und dergleichen / von der Liebe GOttes ſcheiden mag / Rom. 8, 35. Chriſtus ſagt Luc. 6, 21. Se - lig ſeyd ihr / die ihr hie hungert / dann ihr ſollt ſatt werden.
Nun dieſes alles wird geprediget zu Troſt der lieben Armuth / deren / die in Noͤthen / Schulden / Kummer und Mangel ſtehen / und iſt auch kuͤrtzlich die Antwort auff die Frag / Woher nemmen wir Brod? Es laßt ſich aber auch gar wol auff alle andere leibliche Noͤthen ziehen / zum Exempel Kranckheiten / ꝛc. Teuffels Rath iſt / brauch unordentliche / Zauberiſche Mittel / oder gar nichts / du muſt doch ſterben / iſt dir dein Stuͤndlein beſtim̃t / ſo kanſtu es durch Artzney weder auffziehen / noch zu - ruck treiben. Die Vernunfft gibt auch ihren verkehrten Rath / und ſpricht / ja gebrauche Artzney / wollen die nichts helffen / ſo laß es gehen / wie es gehet. Aber das beſte iſt der Goͤttlichen Ordnung nachgeleben / Jhn zu allerforderſt anruffen nach ſeinem Willen / und das ſeinige verrichten /H ijſo60Die Achte Predigtſo iſt kein Zweiffel / es wird wol gerathen. Alſo in gegenwaͤrtigen Frie - dens-Tractaten geben ſich auch drey Conſulenten an; der jenige ſchoͤne Geſell / der auch am Perſianiſchen Hoff beyraͤthig / und am Koͤniglichen Hoff in Perſenland einer der vornemſten Raͤthe geweſen / Dan. 10. Die - ſer Hoff-Teuffel lebet noch / ſeine moͤrderiſche Loͤwen-Klauen ſeind ſince - rationes, betruͤgliche Hoffnung / Blutdurſtigkeit / und allerhand Extre - mitaͤten. Der Vernunfft Rath iſt / ſo ſie zu Athen vom Thraſybulo ſtudiert / die ἀμνηςεία, und Vergeſſenheit aller Injurien; Der dritte Rath iſt der beſte / nemlich Buß und Gebet / die Bekehrung zu GOtt / und ſehn - liche hertzliche Seufftzer zu GOtt um den lieben / edlen und guldenen Frie - den. Nun GOtt erleuchte unſere Augen / daß wir ja nicht ohne den Mund des Herrn rathſchlagen / und ſein Wort allezeit unfern Rath - geber ſeyn laſſen. Dem aber der uͤberſchwenglich thun kan / uͤber alles das wir bitten oder verſtehen / nach der Krafft / die in uns wuͤrcket / dem ſey Ehre in der Gemein / die in Chriſto JEſu iſt / nun und zu allen Zeiten / von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen.
GEliebte im HErꝛn. Es hat / gleich wie in H. Schrifft alſo auch bey Kirchen-Lehrern und profan Scribenten das menſchliche Gewiſſen / das unbegreifflich groſſe Ge - heimnuß / viel und unterſchiedliche Nahmen / deſſen Art und Natur etlicher maſſen außzuſpaͤen und zu erkennen. Jns gemein wird es genennet DEI Theatrum, GOttes Schau-Platz / darauff Er / als ein Hertzenkuͤndiger / gar genaue Achtung gibet / und ſichet was fuͤr Geſchichten da geſpielet werden: Lumen mentis, des Gemuͤths Liecht / durch welches nicht allein offenbar wird / was verborgen ligt / ſondern auch der Weg gezeiget / was zu thun. Ante pec - catum, vor dem Suͤnden-Fall wurde das Gewiſſen genennet Legis præco, des Geſetzes Herold / animæ pædagogus, ein Zuchtmeiſterder61Vom verlohrnen Sohn. der Seelen. Jn dem Fall und Suͤnden-Stand iſt es worden Nota - rius cordis, ein Hertzens-Schreiber und Auffmercker / der trefflich gut Protocoll haͤlt. Nach dem Suͤnden-Fall macht es bleiche Naſen / und rothe Backen / iſt ein brennende Fackel / Geiſel und ſcharffe Ruth / es wuͤtet wie furjen / deren Haupt an ſtatt des Haars mit Schlangen um - geben. Die Poeten haben ein ſolches boͤſes Gewiſſen Titii im Hertzen ſchoͤn verglichen / wann ſie fuͤrgegeben; es habe ein Geyer in ihm gewoh - net / der immer mit ſeinem ungeheuren Schnabel an ihm genagt / und hab ihm das Hertz doch nicht abnagen koͤnnen / ſondern ſeye immer wieder ge - wachſen.
Wie dann die jenige Gleichnuß / die Bernhardus gefuͤhret / vor allen ſehr ſchoͤn und anmuthig / wann er in einer ſonderbaren meditation de do - mo interiori, das Gewiſſen ein inneres Hauß nennet / und ſagt: Sicut corpus noſtrum tabernaculum noſtrum, in quo militamus, ſic conſci - entia noſtra domus, in qua poſt militiam acquieſcimus. Idcirco quia domus illa in brevi eſt caſura, alia nobis eſt ædificanda, quæ & domus perpetua eſt, inſeparabilis vel gloria, vel confufio. Redeamus igitur ad nos, & diſcutiamus conſcientiam noſtram. Wie unſer Leib eine Zelt iſt / in welcher wir kriegen / alſo iſt unſer Gewiſſen das Hauß / in welchem wir nach dem Krieg ruhen. Deßwegen weil jenes Hauß kurtz waͤhret / und bald zufaͤllet / ſollen wir uns ein anders bauen / welches ewig iſt; dergleichen von ungetrenn - ter Ehre oder Schand iſt. Laſſet uns demnach wieder in uns ſelbſt kehren / und unſer Gewiſſen pruͤffen. Es iſt ja freylich das menſchliche Gewiſſen ein rechtes inneres Hauß / und iſt die Gleichnuß ge - nommen 1. à domo vulgari, von einem gemeinen Hauß / ein manches Hauß ſihet von auſſen ſchoͤn / herꝛlich / magnific, inwendig aber iſt es faul / wurmſtichig / caduc, halb eingefallen / alt / außwendig ein getuͤnchtes Grab / inwendig voll Todtenbein; im gegentheil hat manches Hauß von auſſen ein ſchlecht Anſehen / inwendig aber iſt es wol verwahret; Alſo ſcheinet ein mancher Menſch von auſſen der allerfroͤmſte / der ſein Lebtag kein Waſſer betruͤbet / darff ſich auch wol kuͤhner weiſe dafuͤr außgeben / und die Leute bereden / wie man ihn von auſſen befindet / ſo ſeye und meyne er es auch im Hertzen / aber er iſt doch ein Schalck in der Haut / hat ein brandmaͤliges / boͤſes und beiſſendes Gewiſſen; das nimmer ruhet: Jm gegentheil muß ein mancher in foro exteriori politico, nach dem aͤuſſerlichen Schein unrecht haben / und ein Suͤnder ſeyn / dem man aber Gewalt und unrecht thut / wie die Exempel der H. Maͤrtyrer ſolches außweiſen. 2. à domoH iijſacra62Die Achte Predigtſacra, von einem Gottes-Hauß. Das Gewiſſen iſt ein Hauß und Tem - pel / da entweder Gott oder dem Teuffel ſeine Opffer verrichtet werden; gleichwie der Salomoniſche Tempel zuforderſt eine Wohnung der Ehre GOttes ſeyn ſolte / nachmals aber ſchandlicher weiſe mißbrauchet / und den fremden Goͤtzen ihre Opffer darin verrichtet wurden: Alſo ſolte des Menſchen Gewiſſen das Sanctum Sanctorum, das Allerheiligſte ſeyn / welches Gott allein zu ſeinem Sitz einhaben und bewohnen ſoll / aber man ſtoͤſſet Jhn oͤffters darauß / und laßt einen andern einniſten. Der Gottloſen Hertz iſt gleich jenem innern Hoff / davon zu leſen Ezech. 8. da der Prophet / als er in den Tempel gegangen / erſtlich durch ein Loch der Wand hinein geſchauet / und hernach gar in den innern Vorhoff hinein gegang - en. Da ſahe er die Greuel und allerley Goͤtzen des Hauſes Jſrael / Weiber / die uͤber den Thamus weineten / Maͤnner / die Wein-Reben an die Naſen hielten / und allerhand verdrießliche Abgoͤtterey trieben: Ein ſolcher Greuel iſt auch ein boͤſes Gewiſſen vor Gott. 3. à domo fori, vom Gericht - Hauß / von dem innern Hauß der gar geheimen Rath-Stuben / die nicht zulaͤßt / daß man unter dem Huͤtel ſpiele. Vor Zeiten wurden die Blut - Gerichte gehalten ad portas unter den Thoren / damit maͤnniglich denſel - ben beywohnen und zuſehen moͤchte / obs recht oder unrecht hergieng / gleich wie man noch auff den heutigen Tag an manchem Ort unter dem freyen Himmel Gericht haͤlt. Hernach aber werden die Malefiz Perſonen in domum interiorem gezogen / wie auß der Paſſions-Hiſtori abzunemmen / da Pilatus Chriſtum den Herrn bald herauß / bald wieder hinein ge - fuͤhret; Petrus mußte drauſſen ſtehen bleiben / und durffte nicht in des Hohenprieſters Pallaſt hinein kommen. Alſo hat auch GOtt zweyerley judicia geordnet / judicium ſoli & poli, von jenem an dieſes zu appelli - ren / kan keinem gewehret werden / manche Sach wird dort gewonnen / und da verlohren; hingegen auch manche dort verlohren / und hie gewon - nen / da geſchicht keinem um ein Haar unrecht.
Und dieſes iſt das jenige Hauß / in welches der verlohrne Sohn ſpa - ziert / nach dem er / wie wir bereits in voriger Predigt vernommen / drey un - terſchiedliche Conſulenten gehoͤrt / die als Buß-Wecker an ſeiner Hertzens - Thuͤr angeklopfft / und ihme gewieſen was zu thun / wann er wieder zuruck wil / davon der Text ſagt: εἰς ἑαυτὸν ἑλθὼν, er gieng in ſich ſelbs / und fieng gleichſam mit und in ſich ſelbs einen Rechts-Handel an / er nam articu - lum juſtificationis den Articul von der Rechtfertigung fuͤr ſich / er gieng erſtlich in das innere Hauß ſeines Gewiſſens / darnach in domum patris, in das Hauß ſeines Vaters. Mit welchen zweyen Haͤußern gar ſchoͤnrepræ -63Vom verlohrnen Sohn. repræſentiret werden duæ partes contritionis, & duæ actus pœnitentiæ; die zwey Stuͤcke der Reu und der Buß. Auff Art und Weiſe / wie E. L. mit mehrerm ſoll berichtet werden; Dieſes mal machen wir den Anfang am erſten Stuck / und ſtehen allein ſtill bey dem innern Gewiſſens - Gericht. Gott der Herr regiere und ruͤhre unſer aller Hertzen / daß wir theils heilſam lehren / theils fruchtbarlich hoͤren / und lernen / was zu Befoͤrderung hertzlicher Buß uns dienen mag. Amen.
ΕΙς ἑαυτὸν δὲ ἐλθὼν, ſpricht der Evangeliſt / er ſchlug oder gieng in ſich ſelbſt. Seind wenig Wort / aber von ſehr weitem Begriff / dann ſie begreiffen in ſich den gantzen ambitum juſtificationis, der Buß und zween actus oder Handlungen / die zur Rechtfertigung gehoͤren. So gehet er nun in ſich ſelbs tanquam pœnitentiarius & ſuimet judicialis accuſa - tor, ἀυτοκατάκριτος, als ſein Selbſt-Richter / und bußfertiger Selbſt - Verdammer / als ein reuender Buͤſſer; allermaſſen wie nicht nur die Um - ſtaͤnde es geben / ſondern auch dieſe phraſis von dem H. Geiſt ſelbs alſo er - klaͤret wird / wann Salomo in ſeinem Weyh-G[e]bet 1. Reg 8, 47. GOtt dem Herrn den Fall fuͤrlegt; wann ſich die Kinder Jſrael an Jhm ver - ſuͤndigen werden / und deßwegen ihren Feinden uͤbergeben / und in fremde Lande weg gefuͤhret wuͤrden / ſo wolle Er ihr Flehen erhoͤren / und ihnen wieder gnaͤdig ſeyn / wann ſie in ihr Hertz ſchlagen / in dem Land / da ſie gefangen ſind / und bekehren ſich / und Flehen in ihrer Gefaͤngnuß. Da ſtehet die phraſis clar. Deßgleichen Eſ. 46 / 8. Gehet in euer Hertz ihr Ubertretter. Jſt eine Gleichnuß genommen von einem Traͤumen - den / der im Schlaff uͤber Feld geweſen / und wieder heim gekommen / wann er erwacht / weiß er nicht wie ihm geſchehen / Act 12, 11. Da Petrus zu ihm ſelber kam / und gedacht / was ihm getraͤumet. So war der verlohrne Sohn auch auß dem Traum der Sicherheit erwacht / und ange - fangen mit ſich ſelbs zu reden in ſeinem Hertzen / wie GOtt der Herr uͤber das Juͤdiſche Volck geklaget / daß es nicht einmal in ſeinem Hertzen ſpricht: Laßt uns doch den Herrn unſern GOtt foͤrchten / Jerem. 5 / 24. Er hatte guten Raum und Weyl / da er unter den Schweinen geſeſſen / allda corneliſirt / auff - und abgegangen / und gedacht: Ach wie ein groſſer Narꝛ bin ich doch geweßt / warum hab ich das und das gethan? Jſt ferner eine Gleichnuß genommen von einem trunckenen Nacht-Schwaͤrmer und Staͤncker / der in die Stein gehauen / ſich unnuͤtz gemacht / und denen Schaarwaͤchtern in die Haͤnde gerathen / die ihn ins Keffich geſetzt / biß er nuͤchtern worden; da ihm aber der Rauſch vergangen / und der Wein außdem64Die Achte Predigtdem Kopff gekommen / fangt er an zu grilliſiren / und Calender zu machen. Ja es iſt ein Gleichnuß genommen von einem aberwitzigen Menſchen / von einem Hundstags-Narren / den eine Weil die Narren-weiß ankomt / ſich aber bald wieder beſinnet / und ſelbs ſeiner Thorheit entweder lachen oder ſich ſchaͤmen muß. Ariſtoteles l. de moral. auſcult. gedencket eines ſol - chen Phantaſten / der zur Zeit ſeines paroxyſmi auff das Thea[t] rum ge - gangen / allda agiret und phantaſiret / da er aber zu ſich ſelbs gekommen / geſagt / es waͤre ihm niemals beſſer geweßt. Gleichfals gedencket Athe - næus l. 12, 32. eines / nahmens Thraſylai, der ſich an der Athenienſer Py - reum oder Seeport gemacht / und daſelbſt die Schiffe commandirt / und angefangen abgehen zu laſſen / grad als waͤren ſie ſein eigen. Da er nun wieder zu ſich ſelber gekommen / bekante er / er waͤre nie froͤlicher noch ihme beſſer geweßt. Aber ſo wars dem verlohrnen Sohn nicht / ſondern es folget ein ſchroͤckliches Blut-Gericht in ſeinem Hertzen / das macht ihm angſt und bang / er muß bekennen / perditè vixi, ich habe uͤbel gelebet / es gieng auff ein lami bey ihm auß / das forum conſcientiæ gieng an / die Gewiſſens-Marter fieng an zu foltern. Wie nun bey weltlichen Blut-Gerichten / ſonderlich an andern Orten / oder auch hier / wann ein Stand-Gericht gehalten worden / ſich erſtlich der Richter / der Blut-Rich - ter / der Regiments-Schultz / der Oberſte ſamt ſeinen Aſſeſſoren und Bey - ſitzern niederſetzet / und das Stand-Recht haltet / haben die Bibel und die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung vor ſich liegen / den Regiments-Sce - pter oder Stab in der Hand: Alſo hat ſich auch bey dem verlohrnen Sohn herfuͤr gethan mens & intellectus, ſein Gemuͤth / Sinn und Verſtand. In hac curia mens ad thronum conſcientiæ conſcendit regalem, ſchrei - bet Chryſoſt. homil. 1. de Lazaro, i. e. in dieſem Gericht ſteiget des Men - ſchen Gemuͤth auff den Koͤniglichen Gewiſſens-Thron / hat vor ſich liegen das Geſes Moſis / nach welchem es den Beſchuldigten verurtheilet; Und vor dieſem muß der arme Suͤnder erſcheinen / und ſich richten laſſen.
II. Der Anwald und Blut-Schreiber / der ſchlaͤgt das Protocoll auff / liſet die Articul nacheinander herab / fanget an zu receſſiren / beſchreibet die groſſe begangene Laſter / wie ſie es verdienet. Wer vertritt nun dieſe Stelle beym verlohrnen Sohn? Paulus ſagt Rom. 2. die verklagende Ge - dancken / ſonderlich GOttes Dienerin / die memo[r]ia und Gedaͤchtnuß / die Gott als ein characterem indelebilem, unaußloͤſchliches Merckzeichen in das Hertz gelegt / das nicht ſchweiget / noch ihm das Maul verbinden laßt / der legt nun ſein libell ſamt beyliegender Handſchrifft ſeiner eigenen Bekantnuß vor / wann er es etwa laͤugnen wolte / Col. 3. Und das iſteigentlich65Vom verlohrnen Sohn. eigentlich libellus conſcientiæ, ſo dermal eins am Juͤngſten Gericht ſoll auffgethan werden / Apoc. 20, 11. darinnen ſtunden ſeine delicta, Verbrech - en nachemander geſchrieben / und hieß: Jtem war er ſeinen Eltern und Praͤceptoren in ſeiner Jugend ungehorſam / und trug ihnen heimlich ab; Jtem hieng er ſich an boͤſe Geſellſchafft; Jtem ſpiegelte er ſich in ſeinen Gaben; Jtem war er ein Schlingel / Gaſſen-Tretter / Doppler / Loͤffler / ꝛc. Jtem brauchte er ſeine Talenta nicht recht / und war Gott undanckbar; Jtem trotzte und pochte er ſeinen Vater / ohne Scheu und Stirn / er ſchnellte ihm vor die Naſen / und wolte ihn bey lebendigem Leib erben; Jtem lebte er ἀσώτως, unmaͤſſig / in Hoffart wie ein Pfau / in Unzucht wie ein Hund / in Saͤufferey und Fuͤllerey wie ein Schwein; Jtem er war ein Sabbath-Schaͤnder / Flucher / Schwoͤrer / ein Staͤncker und Venus - Kind; Summa / er war ein boͤſer Bub. Es praͤſentiret ihm aber dieſes Buch gleichſam als in einer mappa, in gantz greßlicher Geſtalt / und zeig - te ihm / wie man ſonſt pflegt zu ſagen / den Teuffel im Glaß / als ein feind - ſeliges Kriegs - ja ſchaͤndliches / greuliches Laſter-Heer.
III. Sitzen auch dabey perſonæ offenſæ, wann Stand-Recht ge - halten wird / befinden ſich irgends auch dabey die Perſonen / ſo beleidiget worden / als der Baur / dem das Pferd geſtohlen / der Handwercks-Geſell ſo gepluͤndert / oder das Weibs-Bild ſo geſchaͤndet und genothzuͤchtiget worden. Alſo auch allhie iſt I. der beleidigte Gott / der Allmaͤchtige / der laßt ſich per συγκατά〈…〉〈…〉 ασιν gleichſam von ſeinem Thron herunter / fangt an zu klagen und zu ſagen auß Eſa. 1 / 18. Komm / laß uns mit einander rechten; was haſtu doch Fehls an mir gebabt / daß du von mir gewichen / und dich an die Huren gehaͤnget / du undanckbarer Menſch? Jer. 2 / 5. Was hab ich dir gethan? und womit hab ich dich beleidiget? das ſage mir / Mich. 6 / 3. Hab ich dich nicht von ehrlichen El - tern laſſen gebohren werden / und in Adelichen Stamme geſetzt? Du haͤt - teſt auch wol ein Bauren Sohn werden koͤnnen? Hab ich dir nicht Leib und Seel / ſchoͤne / grade und geſunde Glieder gegeben / da du auch wol ein Krippel haͤtteſt werden koͤnnen? Hab ich dir nicht reiche Eltern beſchehret / da du eines blut-armeu Bettlers Kind haͤtteſt werden moͤgen? Hab ich nicht durch die Beſchneidung dich in meinen Bund / Kirche und zu mei - nem Gnaden-Kind auffgenommen / da du ein Fremdling auß der Vor - haut haͤtteſt werden koͤnnen? Danckeſtu nun alſo deinem Gott / O du undanckbarer Geſell? Ein Ochs kennet ja ſeinen Herꝛn / und ein Eſel die Krippe ſeines Herꝛn / aber du wilt nicht kennen noch vernehmen / was ich dir Gutes gethan / Eſa. 1. Das haſtu eineZehender Theil. JZeit -66Die Achte PredigtZeitlang gethan / und ich habe geſchwiegen / da haſt du gemey - net / ich werde ſeyn gleich wie du / aber ich wil dich ſtraffen / und wil dirs unter die Augen ſtellen / Pſalm. 50. O wehe nun des ſuͤndigen Menſchen / des boßhafftigen Saamens / der ſchaͤd - lichen Kinder! Der 2. Offenſus iſt der Vater / der komt ihm fuͤr / und ſchilt ihn unter Augen: du ſchoͤner Juncker / unartiger Boͤßwicht / hab ichs dir nicht vielmal geſagt / es werde dir alſo ergehen. Du haſt mich manchmal getrutzt / jetzt haſtu deinen verdienten Lohn; Schad iſt es / daß es dir nicht aͤrger ergangen. Da wir gar wol errathen koͤnnen / wie der Vater des verlohrnen Sohns unterdeſſen manches Klag-libell wird gen Himmel haben abgehen laſſen. Wie manchmal / meynen wir / wird ihme der Vater im Traum fuͤrkommen ſeyn / und ihn erſchroͤckt haben / wie Neroni ſeine ermordete Mutter. Der 3. Offenſus waren die Crea - turen / ſo er mißbraucht / und zu ſeinem Suͤnden-Dienſt genoͤthiget / welche dawider geaͤchtzet / und ſich geaͤngſtiget; die Glider ſeines Leibes / auß welchen er garſtige Huren-Glieder gemacht / der Wein / ſo er ohne maß in ſich geſchuͤttet / das Brod / ſo er vielleicht mit Fuͤſſen getretten / oder ſonſt verderben laſſen / Silber und Gold / welches er ſchnoͤder unnuͤtzer weiſe außgegeben. Das alles waren ſeufftzende Creaturen / welche in dieſem Gerichtlichen Gewiſſens-Proceß wider ihn geklaget / und ihm ſeine Suͤnde / wie Bileams Eſelin / ins Angeſicht verwieſen.
IV. Finden wir auch Teſtes, die Zeugen / dann im Fall der Be - klagte es laͤugnen ſolt / weſſen er beſchuldiget wird / ſo ſtellet man ihm Zeug - en unter die Augen / zween oder drey. Nun allhie befand ſich ein unum - ſtoßliches / undiſputirliches Zeugnuß / welches gibt das allſehende Aug GOttes / das nicht irren; die Engel / die nicht liegen; das Hertz ſelbſt / welches nicht triegen / und ſo viel gilt als ſonſt tauſend Zeugen; die eigene Handſchrifft / ſo niemand außloͤſchen oder zerreiſſen kan. Dieſe alle nem - men kein Blat fuͤrs Maul / ſie laſſen ſich nicht beſtechen / oder mit Affecten einnemmen / und ſagen trucken herauß: ja / ja / du haſt es gethan / da und da / ſo und ſo / ſo offt und ſo offt / ꝛc.
V. Da ſtehet nun der arme Reus, er muß es geſtehen / und kan es nicht laͤugnen. Sonſt bey weltlichen Gerichten geſchichts / daß der Reus ſeinen contrari Anwald begehrt / der laͤugnets entweder / oder entſchuldigt es / ſo gut er kan / legt die Schuld auff andere / oder macht die Sach ge - ringer als ſie iſt. Aber bey dem verlohrnen Sohn findet ſich dergleichen nicht / er ſtehet da / und gibt Gott die Ehre / wie Achan / und ſagt / ja / ſo und ſo hab ich geſuͤndiget / es iſt wahr / ich kan es nicht laͤugnen. Ermachts67Vom verlohrnen Sohn. machts nicht / wie jener Wolff / der kein Waſſer wolte truͤb gemacht haben / oder wie ein mancher / der / wann er ſchon die Wort des Fluchs hoͤret / ſich in ſeinem Hertzen ſegnet / Deut. 20, 19. und ſagen darff: Botz / es iſt wol ein greulicher Handel / daß man ſo viel Maulwaͤſchens davon haben mag / man macht ja auß einer Mucken einen Elephanten. Andere deckens mit Feigen-Blaͤttern zu / ſagen / es ſeyen delicta juventutis, man habe es in der Jugend gethan / da man es wol verzeihen oder zu gut halten kan; oder ſie ſchiebens auff andere / wie Adam und Eva. Alſo machets der verlohrne Sohn nicht / ſondern er erkennets / und wie er hernach in ſeiner Confeſſion ſich vernem̃en laſſen / ſpricht er: Vater / ich habe geſuͤndiget / ꝛc.
Was folgt nun confitente reo, wann die Bekanntnuß richtig? V. Sententia condemnatoria, das Verdamnuß - und Todes-Ur - theil / der Tod iſt der Suͤnden-Sold. Alſo wußte der verlohrne Sohn ſeinen Sententz wol / der ſtehet Exod. 20. und Deut. 21. Er ſoll verflucht ſeyn. Welcher Fluch unter die jenige mit eingeruckt worden / die laut Deut. 27. auff dem Berg Ebal geſchehen / und heiſſet: Verflucht ſey / wer ſeinem Vater und Mutter flucht / makle, vilipendens, wer ſie verachtet / und gebuͤhrenden Reſpect nicht gibet / und alles Volck ſoll ſagen / Amen. Da iſt er nun worden ἀυτοκατάκριτος, ſein Hertz hat ihn verdamt; wie wir ſolche ἀυτοκατάκρισιν und Selbſt-Verdammung in terminis terminantibus haben / wann er ſpricht: ich bin fort nicht mehr werth / daß ich dein Sohn heiſſe / ich habe das Erb-Recht der Kindſchafft verlohren. Das iſt das Facit in dieſer δοκιμασίᾳ und Rechnung / die concluſio in dieſem Syllogiſmo practico, das End-Urtheil und Malefitz-Sententz; darauff folgte alſobald die Ubergab dem Pro - foßen / der Stab wurde gebrochen / das Urtheil abgeſprochen / und er dem Scharffrichter uͤbergeben / iſt nicht mehr uͤbrig als das Supplicium, daß man das Urtheil ſollte vollziehen.
Dieſe waren M. L. des verlohrnen Sohns Gedancken / da er unter den Schweinen im Wald herum ſpatzirete. Jſt auch zugleich primus actus juſtificationis, die erſte Handlung in dem hohen Werck der Recht - fertigung fuͤr Gott / und fuͤrwar kein Spiegel-fechten / keine Idea noch bloße Einbildung / ſondern ein groſſes Goͤttliches Geheimnus des Gewiſ - ſens / wann es recht auffwacht / und reg wird. Sichere Leute / die in den Tag hinein leben / die da hoͤren die Wort dieſes Fluchs / und ſegnen ſich doch / ſchlagen nicht in ſich ſelbs / ſondern uͤber und neben ſich / die machen brandmaͤhlige und boͤſe Gewiſſen.
J ijWir68Die Achte PredigtWir nemmen ſolches alles an ad Theotiam Juſtificationis, die ei - gentliche Natur der Rechtfertigung zu lernen / was ſie ſeye / nemlich nicht juſtitia infuſa, eine eingegoſſene / eingeſchuͤttete / eingezwungene Gerechtig - keit / ſondern / wie die Schrifft durch und durch davon handelt / und die Gleichnuͤſſe es allenthalben außweiſen / ein ſolcher Rechts-Handel / der zween actus in ſich begreifft / actum condemnationis & abſolutionis; iſt ein juriſtiſch Werck und Loß-Zehlung / wie zu ſehen auß Eſa. 5 / 23. Wehe euch / die ihr den Gottloſen Recht ſprechet oder rechtfertiget um Geſchencke willen. Prov. 17. Wer den Gottloſen Recht ſpricht oder rechtfertiget / und den Gerechten verdamt / die ſind beyde dem Herꝛn ein Greuel. Luc. 10. Der Zoͤllner gieng ge - rechtfertiget hinab in ſein Hauß vor dem Phariſaͤer. Rom. 8. Wer wil die Außerwehlten GOttes beſchuldigen? GOtt iſt hie / der gerecht macht. Allwo clar zu ſehen / was Rechtfertigen heiſſe / und worinnen es beſtehe.
2. Haben wir zu mercken neceſſitatem ἀυτοκατακρίσεως, wie noth - wendig es ſeye / daß ein Menſch ſich ſelbſt richte und verdamme. Einmal wollen wir nicht am Juͤngſten Tag gerichtet ſeyn / und ins Gericht kom - men / ſo muͤſſen wir uns hier ſelbſt richten / uns ſelbs und unſern alten Adam auff Leib und Leben verklagen / es muß uns zuvor heiß werden / und das Gewiſſen gereget ſeyn / ehe wir ad Thronum gratiæ, an den Thron der Gnaden appelliren; Der Menſch muß zuvor in die Hoͤlle / ehe er ge - dencket in den Himmel zu kommen / prius deſperare quàm aſpirare, ehe an ſich ſelbſten verzweifflen / als ſich hinauffwerts Hoffnung und Ge - dancken machen. Es iſt Gottes klarer Befelch / mit angehaͤngter Draͤu - ung und Verheiſſung / auff den Fall / ſo wir es thun / oder nicht thun wer - den. Paulus ſpricht 1. Cor. 11 / 31. So wir uns ſelber richten / ſo werden wir nicht gerichtet. Die Kirch GOttes vermahnet dazu Thren. 3, 40. Laſſet uns forſchen und ſuchen unſer Weſen / und uns zum HErꝛn bekehren. Syr. 18, 20. Straffe dich vor ſelber / ehe du andere urtheileſt / ſo wirſtu Gnade finden / wann andere geſtrafft werden. Es iſt GOttes weiſe Ordnung alſo / Rom. 2 / 15. daß die Gewiſſen und Gedancken die Menſchen uͤberzeugen ſollen 1. Cor - 2 / 11. Deut. 6 / 8. Es gehet dahin die Vermahnung der H. Kirchen-Vaͤter / Hieron. l. 3. apolog. Rufin. Duorum temporum quam maxime ha - benda cura, manè & veſperi, manè ad præteritæ noctis exactionem, (wie Bernhard. redet I. de vit. ſolit) & venturæ diei cautionem, veſperi ad rationis exactionem. das iſt: Auff zwo Zeiten ſolle man ſonder -lich69Vom verlohrnen Sohn. lich fleiſſige Achtung geben / nemlich morgens und abends / des Morgens zwar / daß man bedencke / wie man die vergangene Nacht zugebracht / und den angehenden Tag uͤber ſich zu ver - halten; des Abends aber / weil man um alles muß Rechenſchafft geben. Die Vernunfft gibts doch; Ein Knecht muß fuͤr ſeinen Herꝛn ſtehen / wann ihm etwas leyds geſchehen / alſo das Gewiſſen fuͤr Gott / wann Er beleydiget worden. Die Exempel der Heyden ſolten uns be - ſchaͤmen. Der Gymnoſophiſten dißmal zu geſchweigen / faciebat hoc Sextius, ſchreibet Seneca l. 3. de Ira, cumſe ad nocturnam quietem rece - piſſet, interrogavit animum, &c. Das that Sextius, wann er ſich ſchlaf - fen legte / fraget er ſein Gewiſſen / ꝛc. Richtige Rechnung behalt gute Freunde.
3. Jſt zu mercken Ordo, die Ordnung / ſo bereits oben zum theil angedeutet / zuvor in die Hoͤlle / hernach in den Himmel / zuvor ſoll man auß Schamhafftigkeit unter ſich ſehen / ehe man auß gutem Vertrauen die Augen uͤber ſich hebt. Man ſoll nicht das hinderſte zum foͤrderſten angreiffen / à foro gratiæ ad thronum Juſtitiæ appelliren; von dem Thron der Gnaden an den Richter-Stul appelliren. Gleichwie es nicht recht gethan waͤre / wann man eine Sache / ſo fuͤr den groſſen Rath gehoͤ - ret / wolte bey dem kleinen Rath anbringen. Man ſoll aber auch nicht bey dem foro juſtitiæ ſtehen bleiben / wie Judas gethan / den hernach die Verzweifflung zur Hoͤllen geſtuͤrtzet.
4. Proceſſus ἀυτοκατακρίσεως, den Proceß / welchen Gott wil obſervirt haben / es heißt / ſis tibi ipſi accuſator & judex, nec indulgeas, verklage und richte dich ſelbs / ſchone deiner ſelbs nicht. Wahr iſt es / der alte Adam ruͤmpfft ſich / wann man ihn irgends auff der Cantzel trifft / und wil doch keiner in ſich ſelbs gehen / und ſprechen / was mach ich doch? Aber man ſoll ſich eben deßwegen auch nicht wundern / wann wenig ſelig werden / Luc. 13. Lege die Schuld nicht auff andere / oder behilff dich nicht mit anderer boͤſem Exempel / daß du wolteſt ſagen / der und der machts doch auch alſo / und es gehet ihm ab; dann es iſt mißlich und gefaͤhrlich darauff zu wagen; es gehet hier viel in foro ſoli, fuͤr menſchlichem Gericht vor / das dort in foro poli, fuͤr dem himmliſchen Gericht nicht gut geheiſ - ſen wird. Gleichwie nun der Menſch ihme ſelbs immer gnaͤdiger iſt als andern Leuten / wie zu ſehen auß Gen. 38, 24. 2. Sam. 12. Matth. 7. und die taͤgliche Erfahrung ligt vor Augen / da viel dergleichen geſchicht / darauff man aber wenig Achtung gibt: Alſo ſoll ein Menſch in Gewiſſens-Sachen fuͤr GOtt ihme ſelbſt viel haͤrter und herber ſeyn als andern Leuten / einJ iijanderer70Die Neunte Predigtanderer wags auff ſein Abentheur / es iſt beſſer ihme ſelbs hier weh thun / als dort in Ewigkeit weh leiden / ich wil lieber hier das ite in conſcientiam, gehet in euer Gewiſſen / als dorten das ite in ignem, gehet hin in das ewige Feur hoͤren und practiciren. Wer das thut / der hat den Troſt / daß er nicht ſoll gerichtet werden / und wird Gnade finden zur Zeit / wann ihme Huͤlffe von noͤthen ſeyn wird. Nun GOtt gebe / daß wir alle ein rein Ge - wiſſen zur Außbeut davon tragen / und nicht in das endliche letſte Verdam - nuß-Gericht kommen. Amen.
GEliebte im HERRN. Was ſollen wir thun? ſprechen Act. 2. die Maͤnner zu Jeruſalem / Petri Zuhoͤ - rer / nachdem ſie derſelbe offentlich des Gottes-Mords / als der allergreulichſten Suͤnde uͤberzeuget und angezeigt / daß dieſer JEſus / den ſie gecreutziget / zu einem Herrn und Chriſt gemacht ſey / dabey ſie ihnen leichtlich die Rechnung machen kunten / weſſen ſie ſich zu befahren oder zu verſehen / darum ihr Maͤnner / lieben Bruͤder / ſprechen ſie / was ſollen wir thun? Jſt ein Gleichnuß genommen von einem Schlaffenden und Schlummeren - den / der nicht erwachen wil / wann man ihm gleich lang zuruffet / biß man ihn mit der Spitz-Ruthen zwickt / oder wol gar / wie zu Kriegs-Zeiten zu geſchehen pflegt / mit einem Spieß durchſticht. Alſo / nachdem der Apoſtel Petrus den Juden den Eyſſen geruͤhrt / und es ihnen durchs Hertz gegangen / κατενύγησαν, da er Spieß und Naͤgel gebraucht / wie die Wort der Weiſen genennet werden / Eccl 12, 11. ſo mundern ſie ſich auff / und ſprechen: Was ſollen wir thun? Jſt eben die Frage / welche Paulus auch dem Herrn fuͤrgelegt / Act. 9. als er die Goͤttliche Stim - me gehoͤret: Saul / Saul / was verfolgeſtu mich? Jch bin JEſus / den du verfolgeſt / es wird dir ſchwer werden wider den Stachel lecken; nach dem ihn ploͤtzlich ein Liecht vom Himmel umleuchtet / daß er auff die Erden darnieder gefallen / ſo rufft er auch mit Zittern und Zagen: HErꝛ / was wilt du / das ich thun ſoll? Jſt eine Gleichnuß genommen von zween Duellanten da einer dem andern den Fuß untergeſchlagen und zu Bodengebracht /71Vom verlohrnen Sohn. gebracht / da der unten ligende perdon begehret / und um Friſtung ſeines Lebens bittet / mit Verſprechen zu thun / was der Uberwinder begehren wuͤrde / wie dort Turnus l. 12. Æn. equidem &c. Alſo ergibt ſich Paulus auch / da er nimmer weiter gekunt / und ſpricht: Was wiltu / das ich thun ſoll? Jam ſe parat ad obediendum, qui prius ſæviebat ad perſe - quendum: jam formatur ex perſecutore prædicator, ex lupo ovis, ex hoſte miles, ſchreibet Auguſtin. ſerm. 14. de Sanctis. Jetzt ſchickt er ſich zum Gehorſam / da er zuvor wuͤtete / andere zu verfolgen. Jetzt wird auß einem Verfolger ein Prediger / auß einem Wolff ein Schaff / auß einem Feind ein Verfechter. Jſt eben auch die jenige Frag / die wir in unſerm Chriſtlichen Leich-Lied fuͤhren:
Mitten in der Hoͤllen-AngſtUnſer Suͤnd uns treiben.Wo ſollen wir dann fliehen hin /Da wir moͤgen bleiben?Zu dir HErꝛ Chriſt alleine / ꝛc.
Jſt auſſer zweiffel auch die Frage geweßt / ſo der verlohrne Sohn da - mals gefuͤhret / nachdem er auß ſeinem Suͤnden-Schlaff erwacht / und durch die Spiß-Ruthen der Theurung auffgewecket worden / nachdem ihm der Spengler auß den Augen gekommen / und ihn der Strahl des Geſetzes zu Boden geſchlagen / da er ſeine Suͤnde erkant / und GOttes Zorn gefuͤhlet / hat er auch unter dem Winſeln und Kirren / mit Hand - ringen / und Bruſt-ſchlagen dieſe Weh-Klag gefuͤhret: Ach wo ſoll ich hin? was ſoll ich doch thun? lieff ich gleich weit herum / ſo finde ichs viel - leicht doch nicht beſſer. Die Antwort hierauff haben wir bereits droben vernommen / was ihm der himmliſche Conſulent fuͤr einen Anſchlag ge - geben / er ſoll ſich auff machen / ſoll hin zu ſeinem Vater gehen / ſoll argu - mentiren à minori ad majus, ernehret mein Vater ſo viel Tagloͤhner reichlich / ey ſo wirſt du vielleicht auch noch einen guten Willen finden / und wieder zu Gnaden angenommen werden. Jſt eben das jenige was wir ſonſt zu ſingen pflegen:
Jſt72Die Neunte PredigtEs wird die Suͤnd durchs Gſatz erkandt /Und ſchlaͤgt das Gewiſſen nider /Das Evangelium komt zu Hand /Und troͤſt den Suͤnder wieder.Es ſpricht: nur kreuch zum Creutz herzu /Jm Gſatz iſt weder Raſt noch RuhMit allen ſeinen Wercken.
Jſt Conſilium reditus, die gethane Wahl des verlohrnen Sohns / und ſeine Ruckfahrt zum Vater / conſilium appellationis à Throno ju - ſtitiæ ad thronum gratiæ; conſilium reconciliationis & juſtificationis Evangelicæ, davon Eſa. 1. Komt laßt uns mit einander rechten / wann eure Suͤnde gleich blutroth iſt / ſoll ſie doch ſchnceweiß werden / ꝛc. Wie nun der verlohrne Sohn dieſem Rath nach gekom - men / werden wir ins kuͤnfftig zu vernehmen haben / dißmal bleiben wir al - lein bey den præparatoriis, und der Vorbereitung. Gott eroͤffne unſer aller Mund / Hertzen und Ohren / kraͤfftig zu lehren / und nutzlich zu hoͤren / Amen.
WAs nun / Geliebte in Chriſto dem Herrn / die vorhabende præparation des verlohrnen Sohns betrifft / ſo ſpricht er davon alſo: Jch wil mich auffmachen / und zu meinem Va - ter gehen. Jſt peregrinatio reconciliatoria, juſtificatoria & appel - latocia, eine verſoͤhnliche / nach der Rechtfertigung ſtrebende und appellirende Reiſe; da wir zu mercken I. Terminum ad quem, wo - hin? iſt patria Eccleſiæ, das himmliſche Vaterland / ich wil rectà zu meinem Vater gehen / als offenſum, iratum, juſtum, den ich beleidi - get / erzoͤrnet / und zu Straffen gereitzet / dem ich in ſeine gerechte Straffe gefallen; aber auch miſericordem, der wiederum barmhertzig iſt. Zu dem nun wil ich gehen / mich fuͤr ihm demuͤtigen / und ſprechen: Vater ich habe geſuͤndiget ꝛc. Columbæ requies in arca, aviculæ in nido, ſpricht ein andaͤchtiger Lehrer / Die Dauberuhet in dem Ka - ſten Noaͤ / und ein jedes Voͤgelein iſt gern in ſeinem Neſt. Wie ihm nun der verlohrne Sohn fuͤrgenommen / ſo hat er auch gethan. Jſt aller armer Suͤnder Wegweiſer / wo ſie hingehen ſollen: nicht ſollen ſie zu den Heiligen lauffen / dem Strick oder Waſſer zueilen: Nicht vor Gott fliehen / wie Adam und Cain / wie ein Dieb vor dem Hencker / wie ein Hund vor dem / der ihn ſchlaͤgt. Nicht alſo / ſondern wie ein Kind die Ruthe in die Hand nim̃t / ſie kuͤſſet / und zum Vater gehet / ihn um Verzeihung bit - tet / und kuͤnfftige Beſſerung verſpricht; Ein tugendſames Huͤndlein liebet ſich wieder: Alſo ſollen wir auch zu dem gehen / der uns geſchlagen: Wo ſoll ich hingehen fuͤr deinem Geiſt / und wo ſoll ich hinflie - hen vor deinem Angeſicht? Fuͤhre ich gen Himmel / ſo biſt du da / betet ich in die Hoͤlle / ſo biſt du auch da / ꝛc. Pſalm. 139. Dieſer iſt zwar Offenſus, der Beleidigte / aber Paulus ſagt: καταλλά - γητε τῷ Θεῷ, laßt euch wieder verſoͤhnen mit GOtt. 2. Cor. 5 / 20. Er73Vom verlohrnen Sohn. Er iſt zwar iratus, erzoͤrnt / und in ſeinem Zorn wie ein verzehrendes Feur / Er iſt gerecht / und ſtraffet nach Verdienſt; aber Cr iſt auch wieder barmhertzig / gnaͤdig / gedultig / und von groſſer Guͤte / und reuet ihn bald der Straffe / Joel. 2 / 13.
II. Scopum, ſeinen Zweck / warum? der iſt nun nicht mit ſeinem Vater zu bochen / zu trotzen / ſondern ſich demuͤtig zu erzeigen / und zu ſpre - chen: Vater ich habe geſuͤndiget in Himmel und fuͤr dir / und bin nicht mehr werth / daß ich hinfort dein Kind heiſſe / mache mich nur wie einen deiner Tagloͤhner; tantum gratia, gratia, re - conciliatio, ach nur Gnad / Gnad / und Vergebung! ſonſten duͤrffte es bald heiſſen / fuͤr der Thuͤr iſt drauß. Alſo iſt auch der ſcopus noſtræ appellationis, das Abſehen unſerer Appellirung nicht / re - vocatio prioris judicii, daß man auffs neue wolte anfangen mit Gott zu rechten / wiein der Welt von einem Richter zum andern appelliret wird / da es heißt / uͤbel geſprochen / wol appellirt. Nein / ſondern GOttes Gericht iſt gerecht / unwandelbar / gleichwie der Perſer und Meder Recht. Dan. 6. Es iſt appellatio ad reconciliationem, der Friede mit Gott / den wir ſuchen / wie die arme Buͤrger zu Cremona / welche Stricke an ihren Haͤlſen habend um Verzeihung gebetten: Jm Pabſtthum reiſet man zu St. Jacob gen Compoſtell / was bringen ſie aber mit davon? ihrer Meynung nach Jndulgentz und Ablaß / aber in der Warheit nichts als Menſchen-Tand. Oder zum H. Grab; was bringt man da mit ſich? Weltliche Ehr / den Ritter-Orden / oder Heiligthum / Todten-Bein. Vor Zeiten brachten die blinden Leute blutige Koͤpffe zuruck; gemahnet mich eben an Cajum Caligulam, der einsmals einen Zug in Franckreich ge - than. Da er dahin gekommen / ſtellet er das Volck an das Ufer des Meers in eine Schlacht-Ordnung / als wolte er einen Zug in Britannien thun. Da nun jederman wartet / was es doch endlich geben wird / ließ er viel Muſcheln und Schnecken-Haͤuſer auffheben / und marſchieret damit wieder gen Rom / als mit vielen ſtattlichen Beuten.
III. Scopi fundamentum, ſein Fundament und Grund / das iſt nun keine gerechte Sache / er kunte den Appellations-Eyd nicht præſti - ren / brachte nichts mit ſich als Suͤnde / Unluſt / Elend / zerriſſene Lumpen / Unziffer / Hunger und Mangel; ſondern er gruͤndet ſich 1. auff ſein Kinds - Recht: er ſchlieſſet alſo: ſo viel Tagloͤhner hat mein Vater / die Brods die Fuͤlle haben / und ich verderbe im Hunger / als wolt er ſagen / Wahr iſts / ich bin nicht werth / daß ich ſein Sohn heiſſe / unterdeß bin ichs doch re ipſa, vinculum eſt naturale, das Band zwiſchen mirZehender Theil. Kund74Die Neunte Predigtund meinem Vater hat die Natur gemacht / das kan nicht ſo leicht - lich auff gehaben werden / andere Freunde mag er beurlauben / ich aber bin ſein Fleiſch und Blut / ſein neceſſarius, er wird ja mich nicht haſſen oder heiſſen fortgehen. 2. Gruͤndet er ſich auff paternam ςοργην, des Va - ters natuͤrliche Liebe / ich wil ſagen / Vater / damit wil ich ihm das Hertz ruͤhren / und die Liebes-Fuͤncklein auffblaſen / das Schwartz in der Scheiben treffen. Es ſihet der verlohrne Sohn 1. auff die natuͤrliche συμπάθειαν, des Gebluͤts / wie ſich das Vater-Hertz nicht kan vrrlaͤug - nen; ſolte ein Vater ſein Kind im Feur ſehen / oder in Waſſers-Noth / und ihm nicht helffen? das iſt nicht glaublich / er wagt das Leben fuͤr es / darnach auff die Exempel / vornemlich Abſalons / dann unangeſehen / daß er ein ungerathener Sohn war / und in flagrantiſſimo perſecutionis cur - ſu, zu der Zeit / da er ſeinen Vater auffs hefftigſte verfolgte / er - ſtochen worden / beklaget ihn doch ſein Vater David auß Vaͤtterlicher Liebe. Drittens auff die Exempel der wilden Thier / nicht nur des Adlers und der Hennen / ſondern auch der Loͤwen / Woͤlff / Pantherthier. Quæ fera pro catulis non ipſa ſe offert morti? ingruat licet telorum ſeges, fera ta - men parvulos ſuo corporum muro ſeptos immunes præſtat periculi, fraget und antwortet Ambroſ. l. 6. hexaem. c. 4. Welches wildes Thier ſetzet ſich nicht in Todes-Gefahr fuͤr ſeine Jungen? laſ - ſe die toͤdtliche Pfeile daher ſchneyen / ſo ſchuͤtzet doch ein wildes und unvernuͤnfftiges Vieh ſeine Jungen fuͤr Gefahr. Der Exempel finden ſich bey barbariſchen Unmenſchen / die das Gegentheil gethan. Erixonem equitem Rom. memoriâ noſtrâ, quia Filium ſuum flagellis occiderat, populus in foro graphiis confodit; vix illum Au - guſti Cæſaris autoritas infeſtis tàm patrum quàm filiorum manibus eri - puit. Seneca l. 1. de clem. 14. Es iſt noch zu unſerer Zeit geſchehen / daß das Volck einen Ritter / Erixon genennet / weil er ſeinen Sohn peitſchen laſſen / auff dem Marckt mit Schreib-Meſſer - lein wollen erſtechen; Alſo daß die Hoheit des Kayſers Auguſti ihn kaum den Haͤnden der verbitterten Eltern und Kindern entreiſſen koͤnnen. Man ſiehets doch unter uns / wann ein Vater ſein Kind allzuhart tractirt / es gehet den Nachbarn zu Hertzen.
Nun alſo macht auch hiemit der verlohrne Sohn allen armen Suͤn - dern ein Hertz / er zeigt ihnen die rechte anchoram poſt naufragium. Ancker nach dem Schiffbruch / woran ſie ſich im Glauben halten ſollen / nemlich nicht an eigene Gerechtigkeit / die vor Gott iſt wie ein beflecktes Tuch / ein verwuͤſtes Kleid voller Unziffer der boͤſen Luͤſten / und daß um ſo viel we -niger75Vom verlohrnen Sohn. niger / als feſter unſere Gerechtigkeit verwahret ſeyn ſoll. Der verlohrne Sohn verlaſſet ſich auff ſein Kindes-Recht / wie vielmehr ſollen wir uns darauff gruͤnden / die wir auß Gott gebohren ſeynd / und die Macht be - kommen haben / GOttes Kinder zu werden in der H. Tauff. Joh. 1. So wir nun mit GOtt verſoͤhnet ſind dur den Tod ſeines Sohns / da wir noch Feinde waren / wieviel mehr werden wir ſelig wer - den durch ſein Leben / ſo wir nun verſoͤhnet ſeind. Rom. 5 / 10. Jſt unſer Kindes Recht gleich nicht gegruͤndet in der Natur / ſo iſts doch ge - gruͤndet in dem feſten Bund Gottes / Eſa. 54 / 10. Es ſollen wol Berge weichen / und Huͤgel hinfallen / aber meine Gnade ſoll nicht von dir weichen / und der Bund meines Friedens ſoll nicht hin - fallen / ſpricht der HErꝛ dein Erbarmer. Jch bin ja doch dein liebes Kind / trotz Tod / Teuffel und der Suͤnd / doͤrffen wir kuͤhnlich ſagen. Er verlaßt ſich auff ſeines Vaters Hertz / wieviel mehr wir / dann hier iſt unendlich / unvergleichlich mehr als ein irdiſcher Vater / der vertroͤſtet uns ja / daß / wann auch eine Mutter ihres Kindes vergeſſen ſolte / daß ſie ſich nicht erbarmen wolte uͤber den Sohn ihres Leibes / und ob ſie gleich deſſelben vergeſſe / ſo wolle Er doch unſer nicht vergeſſen / dann in ſeine Haͤnde habe Er uns gezeichnet / Eſa. 49. Er iſt weder der Raben noch junger Strauſſen Vater / der ſeine Eyer auff die Erden fallen laͤſſet / und laͤſſet ſie die heiſſe Sonne auß - bruͤten / der vergiſſet / daß ſie moͤchten zutretten werden / und ein wild Thier ſie zubrechen; der ſo hart gegenſeine Jungen wird / als waͤren ſie nicht ſeyn. Hiob 39. ſondern ein liebreicher Vater / der ſich uͤber die / ſo ihn foͤrchten / erbarmet / wie ein Va - ter uͤber ſeine Kinder / Pſalm. 103. Uber das haben wir noch nechſt dem Gnaden-Thron die Verheiſſung / Eſa. 1. Wann euere Suͤnde gleich blutroth iſt / ſoll ſie doch ſchneeweiß werden / und wann ſie gleich iſt wie Roſinfarbe / ſoll ſie doch wie Wolle werden. Jer. 3 / 12. Kehre wieder du abtruͤnnige Jſrael / ſpricht der HErꝛ / ſo wil ich mein Antlitz nicht gegen euch verſtellen / dann ich bin barmhertzig / ꝛc. Ezech. 18. & 33. So wahr ich lebe / ich habe kein Gefallen am Tode des Sterbenden und Gottloſen / ſon - dern wil / daß er ſich bekehre und lebe. Mal. 3, 7. Bekehret euch zu mir / ſo wil ich mich auch zu euch kehren. 2. Pet. 3. GOtt wil nicht / daß jemand verlohren werde / ſondern daß ſich jeder - man zur Buße kehre. Um wieviel hoͤher nun GOttes Vater-Lieb / um ſo viel troͤſtlicher ſeind auch ſeine Verheiſſungen / und um ſo viel ſtaͤr -K ijckere76Die Neunte Predigtckere Gruͤnde und Pfeiler hat man. Deßwegen hat Er auch das Evan - gelium predigen laſſen / und daſſelbe mit dem Tod ſeines lieben Sohns / mit einem Eyd-Schwur / und Sacramenten befeſtiget / viel feſter als das Wort des Geſetzes / welches / als auß der Natur bekandt / den Menſchen in den Anfechtungen hefftig zuſetzet / und ihn aͤngſtiget.
Es lehret uns der verlohrne Sohn mit ſeinem Exempel 2. reconci - liationis poſſibilitatem, die Moͤglichkeit der Vorſoͤhnung / daß wahr ſey / was wir im dritten Articul bekennen / ich glaube Ablaß der Suͤnden / und zwar nicht nur der Suͤnden / die vor der Tauff begangen / wie Novatus, hoſtis gratiæ, interfector pœnitentiæ, der Gnaden - Feind / und Buß-Moͤrder vor Zeiten geſchwaͤrmet; dann der ver - lohrne Sohn war ja beſchnitten / und ſtunde zuvor mit Gott im Bund der Gnaden; er hat aber ſeinen Vater nicht nur einmal erzoͤrnet / und doch / ſo offt ers ihme leyd ſeyn laſſen / ihn wieder verſoͤhnet. Abſalon hat viel boͤſes veruͤbet / ſo offt er aber wieder kam / und um Vergebung bat / wurde er wieder zu Gnaden angenommen. Nicht nur der geringen / kleinen / Sand - oder Staub - und Splitter-Suͤnden / wie der verlogene Cain in dem Wahn geſtanden / ſondern auch der groſſen baum-ſtarcken Berg - und Balcken-Suͤnden. Chriſtus der Herr antwortet Matth. 18 / 22. auff die vorgelegte Frag Petri: HErꝛ / wie offt muß ich dann / mei - nem Bruder / der an mir ſuͤndiget / vergeben? iſts gnug ſieben mal? alſo / und ſpricht: Jch ſage dir / nicht ſieben mal / ſondern ſiebentzig mal ſieben mal. χιλιάκις μετανοήσας εἰσέλθε, Chryſoſt. Moͤchte hier jemand einwenden / warum redet dann der Prophet Joel alſo zweiffelhafftig davon / als ſtuͤnde es noch dahin / und waͤre ein Menſch nicht gewiß / ob ihn Gott wiederum zu Gnaden annemmen werde? wann er c. 2. ſpricht: Zureiſſet eure Hertzen / und nicht eure Kleider / nnd bekehret euch zu dem HErꝛn euerm GOtt /? Wer weiß / es mag ihn wiederum gereuen / und einen Segen hinter ſich laſ - ſen? Da iſt aber zu wiſſen / daß ſolche Prophetiſche Wort keine zweiffel - haffte oder Zweiffel erweckende / ſondern Wunſch - und Hoffnungs - Worte feind / wie ſie Luth. Tom. 3. Lat. erklaͤret: eſt vox perterrefactæ conſcientiæ, quæ incipit reſpirare ad ſpem & DEI bonitatem. Es iſt die Stimme eines zaghafften Gewiſſens / welches anfahet nach der Hoffnung und Guͤte GOttes zu ſchnappen. Und ſeind zu verſtehen / wie etwan einer / der in der Ohnmacht ligt / doch aber ſich allge - mach wieder erholet / und ſpricht: Es wird / ob Gott wil / ſich ſchon wen - den / und wieder beſſer werden. Darnach gilt allhier die Regul: duocum77Vom verlohrnen Sohn. cum faciunt idem, ſæpè non eſt idem: Wann zween ein Ding thun / iſt es darum nicht gleich ein Ding. Dann ein unglaubiger Menſch ſpricht ſolche Wort auß Mißtrauen / weil er mit Cain meynet / Gott koͤnne oder wolle ihm ſeine Suͤnde nicht verzeihen. Ein Glaubiger aber redet ſie auß freudigem Geiſt und guter Zuverſicht / der bey ihm die Goͤttliche Verheiſſungen Ja und Amen ſeyn laͤßt / und gewiß weiß / Gott koͤnne und wolle alle bußfertige Suͤnder zu Gnaden annemmen. Des theuren Apoſtels Pauli Wort / Hebr. 6 / 4. 5. Unmuͤglich iſts / daß die ſo einmal erleuchtet ſind / ꝛc. wo ſie abfallen / ſolten wiederum erneuert werden zur Buß / wird und kan niemand anders annem - men / als von den Suͤnden in den H. Geiſt / welche fuͤr ihre Suͤnde kein ander Opffer forthin mehr haben / Hebr. 10 / 26. Gleichwie / zum Exempel / die Soͤhne Eli ſolche Geſellen waren / die ſich an den Mitt - len der Verſoͤhnung mit Gott vergriffen / das wußte ihr Vater wol / dar - um ſagt er zu ihnen: Wann jemand wider einen Menſchen ſuͤn - diget / ſo kans der Richter ſchlichten. Wann aber jemand wi - der den HErꝛn ſuͤndiget / wer kan fuͤr ihn bitten? 1. Sam. 2, 25.
Das iſt ja freylich eine Milch - und Honig-ſuͤſſe Lehre / ein Geruch des Lebens zum Leben / ein herꝛlicher Troſt in allen Anfechtungen / und ſonder - lich in den letſten Zuͤgen / wann wir zum Vater gehen. Wolan nun / moͤchte hier ein ſicheres Welt-Kind gedencken / das iſt eine gute Predigt fuͤr mich: dergleichen haͤtte ich laͤngſt gern gehoͤret. Dann alſo wird es nichts zu bedeuten haben / wann ich ſchon im̃er hin ſuͤndige / meinem Fleiſch und Blut zu gefallen thue / wornach es immer geluͤſtet / weilen ich allezeit wiederum zu Gnaden kommen / und Vergebung erlangen kan? Ant - wort: Jrre dich nicht / Gott laͤßt ſich nicht ſpotten; das iſt eben das rechte Schwerdt / das ſchon viel tauſend erſchlagen / das Meſſer / damit ſich ſchon ihrer viel ſelbs erwuͤrget / und ums Leben gebracht; iſt eine rech - te teuffeliſche Verſuchung / da der leidige Geiſt den armen Menſchen è dif - fidentia in profidentiam, von dem Zweiffel und Mißtrauen in die gottloſe Sicherheit / und alſo von einem Garn ins ander treibet / biß er ihn verſtricken und knicken mag. Da ſolle der Menſch bedencken 1. con - tritionis neceſſitatem, die hohe Nothwendigkeit einer wahren Reu und Buße / und zuſehen / daß er auch beſchaffen ſeye / wie der ver - lohrne Sohn. 2, Divinæ juſtitiæ libertatem, der Goͤttlichen Ge - rechtigkeit Freyheit / GOtt hat nicht einem jeden Menſchen verſproch - en allezeit die Gnade Buß zu geben; niemand / der dieſelbe einmal muth - willig verachtet / kan oder foll ihm die gewiſſe Rechnung machen / daß erK iijeben78Die Zehende Predigteben grad wieder darzu kommen werde. Dann da gehets als dann oͤff - ters / wie Eſai c. 6. ſtehet: daß die Hertzen verſtocket / die Ohren dick / und die Augen geblendet werden / daß ſie nicht ſehen mit ihren Augen / noch hoͤren mit ihren Ohren / noch verſtehen mit ihrem Hertzen / und ſich bekehren und geneſen. Derer Urtheil und Verdamnuß iſt gantz recht. Dann wer mich verachtet / ſpricht Chriſtus Joh. am 12. und nimt meine Wort nicht auff / der hat ſchon / der ihn richtet / das Wort / welches ich geredt habe / das wird ihn richten am Juͤngſten Tag. 3. Mor is incertitudinem & velocitatem, die ungewiſſe und ſchnelle Todes-Stunde. Man dencke nur an Abſalon / an dem ſich alle freche / frevele Suͤnder ſpieglen ſollen; dann ehe er ſichs verſah / kam er in den Abgrund der Hoͤllen / und da er gedachte noch ſo lang zu leben / uͤberfiel ihn die Rach GOttes in ei - nem Augenblick. Darum ſo wachet in taͤglicher Buß / dann ihr wiſſet nicht / wann es Zeit iſt / Marc. 13 / 33. Chriſtianus nulli rei, niſi pœ - nitentiæ natus, ſagt Tertullianus, ein Chriſt iſt zu nichts / als zur Buße gebohren. Buße thun iſt eines rechtſchaffenen Chriſten ἔργον, und eigentliche Arbeit / alles andere ſeind πάρεργα und Nebens-Wercke. Wachet nun alle / daß es uns nicht gehe / wie dorten den thoͤrichten Jung - frauen / welche die Ankunfft des Braͤutigams verſchlaffen / mit denen es nachmals geheiſſen / vor der Thuͤr iſt drauſſen. Sondern wachet; O ſelige Knechte / die der HErꝛ / ſo Er komt / wachend findet / warlich / ich ſage euch / er wird ſich auffſchuͤrtzen / und wird ſie zu Tiſche ſetzen / und fuͤr ihnen gehen / und ihnen dienen / Amen.
GEliebte im HErꝛn. Zu gleicher weiſe wie allezeit zwo wie - drige Seeten in der Welt geweßt / die ſichere Epicurer und aber - glaubiſche Phariſaͤer / alſo ſeind auch zweyerley remedia, Mit - tel erdacht worden dem nagenden und wuͤtenden Gewiſſens-Wurm zubegeg -79Vom verlohrnen Sohn. begegnen. 1. Sag ich / waren die ſichere Epicureer / ſo ſich den wuͤ - tenden Gewiſſens-Wurm mit fleiſchlichen Wolluͤſten zu daͤmpffen un - terſtanden. Vom Koͤnig Demetrio in Aſia ſchreibet der Hiſtoricus, als er von Seleuco in Verhafftung gezogen worden / habe er luſu & ebrieta - te acriores de infortuniis cogitationes begraben / geſpielt und geſoffen / damit er ſeines Ungluͤcks vergeſſen / und alſo der wuͤtenden Schlang gleichſam Milch zu trincken gegeben / die Wunden mit anodynis cutirt / aber nicht allerdings geheilet. 2. Superſtitioſi Phariſæi, die aberglau - biſche Phariſaͤer / die zwar dafuͤr gehalten / es muͤſſe GOtt mit etwas verſoͤhnet werden / aber mit ihren eigenen erwehlten Wercken / Verdienſt und Satisfaction ſolches verrichten wolten: Gleichwie die Philiſter 1. Sam. 5. gethan. Dann als ſie die Lade des Bundes des GOttes Jſrael gen Aſdod gebracht / und entheiliget / darum ſie der Herr an heimli - chen Oertern geſchlagen / und ſonſten ihr Land verderbet / ſo gaben ihre Prieſter und Weiſſager den Rath / ſie ſolten die Lade GOttes nicht leer zuruck ſenden / ſondern ein Schuld-Opffer beylegen / nemlich 5. guldene Erſe / und 5. guldene Maͤuſe / den GOtt Jſrael zu verſoͤhnen c. 7. Als es vor Zeiten ohngefaͤhr 1200. und etliche Jahr in der Chriſtenheit bund und uͤbel genug hergieng / entſtunden die Flagellanten / die bey viel tauſend ſich zuſammen gerottet / auff den Gaſſen und Straſſen herum geloffen / und ſich ſelbs gantz unbarmhertzig gegeiſſelt. Denen vor Zeiten die Baals-Pfaffen vorgangen / und die heutige Flagellanten im Pabſtthum es nachthun. Dabey hat es aber der hoͤlliſche Blut-Hund nicht bleiben laſſen / ſondern die ἀνθρωϖοθυσίαν und Menſchen-Opffer auff die Bahn ge - bracht / wie bey den Maſſilienſern und andern / ꝛc. ſo gar / daß ſie auch ihre eigene Kinder dem Moloch auffgeopffert. Geſtalt dann auch Meſa der Moabiter Koͤnig gethan / als ihme die drey Koͤnige zu nahe auff den Hals gekommen / und ſeinen eigenen Sohn geopffert / 2. Reg. 3. Dieſes iſt nicht der rechte Weg / GOtt der H. Geiſt ſchreibet ein anderes Mittel fuͤr / das heißt μετάνοια, Theſchubha, Buß und Widerkehr Eſa. 1. Wa - ſchet und reiniget euch / ꝛc. ſo komt dann und laßt uns mit einanden rechten. Jſt ein bewaͤhrtes Mittel / in vielen Exempeln der Juͤdiſchen Kirchen practicirt / und heylſam befunden worden / der Kinder Jſrael / Niniviten / Davids / Manaſſis / Petri / der armen Suͤnder und Zoͤllner; ſonderlich aber wurde daſſelbe Jaͤhrlich an dem Verſoͤhnungs - Feſt ſolenniſſimè hochfeyrlich widerholet / Lev. 16. Es ligt aber ſehr viel an der rechten Buß / Ambroſius ſchreibet l. 2. de pœn. c. 10. ſe facilius inveniſſe, qui ſervaverit innocentiam, quàm qui congruè egerit pœni -tentiam. 80Die Zehende Predigttentiam. Er habe leichtlicher einen gefunden / der unſtraͤfflich gelebet / als der rechtſchaffene Buße gethan. Cain und Judas erkanten auch ihre Suͤnden / aber es halff keinen nichts. Bey den Kin - dern Jſrael ſcheinete es auch / ſie thaͤten Buß / als ihnen Moſes Num. 14. einen harten Beſcheid gegeben / dann da ſtund das Volck und traurete ſehr / daß es aber Heucheley geweßt / hat der Außgang bezeuget / und das eigenthaͤtliche hinauff ziehen. Achab ſtellete ſich auch klaͤglich / als ihm Elias ein harter Botte geweßt / und die tragica fata, bevorſtehende trau - rige Faͤlle ſeines Hauſes ihme angez iget / er zuriß ſeine Kleider / legte ei - nen Sack an ſeinen Leib / faſtete / und ſchlieff im Sack / und gieng jaͤmmer - lich einher; aber es gieng nicht von Hertzen / wie ſeine Propheten-Schin - derey an Micha ſolches bezeuget 1. Reg. 21. Der Koͤnig Saul that zwar eine ſchoͤne Bekanntnuß / und ſprach: Jch habe geſuͤndiget / daß ich des HErꝛn Befehl und deine Wort uͤbergangen hab. Aber es mangelte ihm an der Demuth / das Hertz war ihm nicht recht zer - ſchlagen. Jch habe geſuͤndiget / ſpricht er / aber ehre mich doch jetzt fuͤr den Elteſten meines Volcks / und fuͤr Jſrael. Er war ὀφ〈…〉〈…〉 αλμόδουλος, ein Augendiener / wann er nur ſeine Reputation be - hielte / wuͤrde es ſeiner Meynung nach ſchon gut ſeyn. Judas Jſcha - rioth that eine gantz vollkommene Paͤbſtiſche Buß / aber es war pœniten - tia caſſa, wie es die Alten genennet / eine Buß ohne Kern und Marck / das beſte mangelte ihr. GOtt wil / wie geliebt / alſo auch gebuͤſſet haben / toto corde, von gantzem Hertzen / Joel 2 / 12. So ſpricht der HErꝛ: Bekehret euch zu mir von gantzem Hertzen / mit Faſten / mit Weinen / mit Klagen / zureiſſet euere Hertzen / und nicht euere Kleider. GOtt begehret es aber nicht von uns appreciativè, ver - dienſtlicher weiſe / dann wer kan mercken / wie offt er ſuͤndiget? Pſalm. 19. wil geſchweigen / daß er ſeine Suͤnde alle recht vollkommen bereuen ſolte; ſondern ſeriò & ſincerè, ein auffrichtiges / Evangeliſch - redliches Hertz / das ohne falſch iſt. Allermaſſen wie uns eine ſolche Idea und Muſter eines Buͤſſers am verlohrnen Sohn fuͤrgeſtellet wird; dem ſollen wir die rechte Buß-Kunſt ablernen. Er lieget da auff der Erden unter den Schweinen / welches darauß abzunemmen / wann er ſagt: ἀναςὰς πορ〈…〉〈…〉 σουαι ich wil mich auffmachen oder auffſtehen. E. lag er zuvor auff der Erden; und zwar als conſcientiæ flagellantis obje - ctum, wie dort Heliodorus 2. Maccab. 3. auff welchen zween Eng - liſche Junge Geſellen getroſt geſchlagen / daß er fuͤr Ohn - macht zur Erden geſuncken / und ihm das Geſicht vergangen. Voller81Vom verlohrnen Sohn. Voller Schrecken / Forcht / Scham und Verzweiffelung an ihm ſelbs. Da hieß es auch bey ihm: Ach HErꝛ / wann du wilt Suͤnde zu - rechnen / wer kan fuͤr dir beſtehen? Er lag da als damnatus & reus, als ein Malefitz-Perſon und armer Suͤnder / dem das Leben ab - geſprochen worden / deren etliche / wie die Exempel es bezeugen / einen Fuß - fall gethan / oder auch gar auß Forcht geſtorben. Er ligt da in pulvere, im Staub / tanquam victima & holocauſtum, als der ſich ſelbs als ein Brand-Opffer darwirfft / und das Opffer eines durchs Geſetz zerknirſchten und zerſchlagenen / wie Wachs zerſchmoltzenen Hertz - ens Gott dem Herrn dargibt / auß guter glaubiger Hoffnung auff Goͤttliche Gnade und heiligem Verlangen nach der Vergebung / mit thaͤtlicher Befleiſſigung des neuen Gehorſams. Wir wollen M. L. zu ihm in die Schule gehen / und die Art rechter Buße ihm ablernen. Gott gebe ſeines Heiligen Geiſtes Gnad / daß es nutzlich und fruchtbar - lich Jhme zur Ehre / uns zur Lehre geſchehen mag / Amen.
SO erzeiget ſich nun / Geliebte im Herrn / bey dem’ verlohrnen Sohn I. in intellectu agnitio & ſenſus doloris, eine hertzliche Erkantnuß und ſchmertzliche Bereuung ſeiner Suͤnd - en. Ein Malefitz Perſon / ehe man ihr das Leben abkuͤndet / meynet nicht / daß ihr Verbrechen ſo groß / und des Todes wuͤrdig / aber wann der Her - renknecht des Todes Urtheil ihr anzeiget / und die Pfarrer zu ihr geſchicket werden / da gehet ihr das Gewiſſen auff / und wird reg gemacht: Alſo da der verlohrne Sohn ſich fuͤr den Feur-Spiegel des Geſetzes ſtellet / der ihne mit ſeinem Fluch ins Hertz gebrennet / da erkante er allererſt ſein Un - recht / und ſagt: peccavi, Jch habe geſuͤndiget. O HErꝛ / deine Pfeile ſtecken in mir / und deine Hand drucket mich / ich empfin - de / daß nichts geſundes in meinem Leibe fuͤr deinem Draͤuen / und iſt kein Friede in meinen Gebeinen fuͤr meiner Suͤnde. Meine Suͤnde gehen uͤber mein Haupt / wie eine ſchwere Laſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Meine Wunden ſtincken und eytern / ꝛc. ich gehe krum̃ und ſehr gebuckt / den gantzen Tag gehe ich traurig ꝛc. Pſalm. 38. Zahnweh iſt ein groſſes Wehe / aber das Gewiſſens-Wehe iſt noch daruͤber: Der Stachel der Suͤnden / wann er recht angehet / iſt unertraͤglich. Schroͤcklich iſt es / wann ein groſſes Kriegs-Heer auff eine Stadt zuzeucht / aber viel ſchroͤcklicher / wann die Suͤnden nach einander in der Schlacht-Ordnung auffziehen / wie in dem 50. Pſalm der Gottloſen Suͤnden nacheinander erzehlet werden. Zehender Theil. LDas82Die Zehende PredigtDas Zahnwehe thut der aͤuſſerlichen Empfindlichkeit weher als ein lang - wieriges Fieber / und wird doch dieſes bey einem vernuͤnfftigen Mann groͤſſer gehalten / dann es gehet zum Tod. Alſo thut zeitlicher Schaden ſchmertzlich wehe / aber noch weher der innerliche Seelen-Schaden einem zarten Buͤſſer. Schimpff / Undanck / abgegangene gute Freunde / Jn - jurien / ungerechter Gewalt / thun wehe / aber die Suͤnde bey einem buͤſſen - den Suͤnder vielmehr. II. In affectibus, 1. triſtitia, in ſeinen Affeeten: Traurigkeit / die auffrechte Erkantnuß folget; nicht die Tod - wuͤrckende Traurigkeit der Welt / dann er trauret nicht uͤber ſeinen Seckel und Geld / das er verloren / nicht auß Ungedult uͤber GOttes Straff / weil er ſelber ſagt / er habe alles wol und noch aͤrger verdienet; er ſagt nicht wie Cain / nun verſtoſſeſt du mich / und treibeſt mich heute auß dem Lande / und ich muß mich fuͤr deinem Angeſicht ver - bergen / und muß unſtaͤt und fluͤchtig ſeyn auff Erden / ſo wird mirs gehen / daß mich todt ſchlage / wer mich findet / Genel. 4. Sondern iſt triſtitia, ϑεικὴ, die Goͤttliche Traurigkeit / die eine Reue wuͤrcket zur Seligkeit / die niemand gereuet. 2. Corinth. 7. entſtehet uͤber dem abſcheulichen Suͤnden-Greuel / uͤber dem Verluſt des hoͤchſten Gutes / und der Furcht des erzoͤrnten GOttes; welche / weil der innerliche Troſt des H. Geiſtes ſich erzeiget / der da wohnet bey denen / ſo zuſchlagenes und demuͤthiges Geiſtes ſeind / auff daß er den Geiſt der Gedemuͤtigten / und das Hertz der Zerſchlagenen er - quicke / Eſa. 57 / 15. und mit zuflieſſet / ſo wuͤrckete ſie eine heilſame Reue zur Seligkeit / nicht eine Cains / ſondern Thamar-Reu / welche / als ſie von Ammon geſchwaͤcht worden / Aſchen auff ihr Haupt geworffen / ihren bunten Rock zerriſſen / ihre Hand auff das Haupt geleget / daher gegangen und geſchryen / und in Abſalons ihres Bruders Hauß ledig geblieben / das iſt / nicht mehr wie eine Jungfrau im Krantz unter die Leute gegangen. Es war bey ihm 2. Odium non ſolum actus, ſed & effectus ein laute - rer / beſtaͤndiger / unverſoͤhnleher und hefftiger Haß wider die Suͤnde. Die Karten / damit er geſpielet / die Weiber / damit er gebuh - let; die Geſellſchafften / mit denen er umgegangen; verſpeyet und verma - ledeyet er in ſeinem Hertzen / und ſagt gleichſam: O du unſelige Stund / als ich da und da hingekommen / als ich dieſe oder jene Gelegenheit gehabt / mich alſo zu verſuͤndigen! 3. Timor, eine Furcht / aber nicht eine knecht - iſche ſondern abermal mit dem Glau[b]en verbundene Furcht / er furchte ſich fuͤr ſeinem Vater / als fuͤr einem Vater / nicht als fuͤr einem Hencker / er fleucht nicht wie Cain / ſondern ſagt / ich wil mich auffmachen / auff Gnadund83Vom verlohrnen Sohn. und Ungnad ergeben. 4. Pudor, eine Scham / er ſpricht gleichſam: Jch bin zu ſchanden worden / und ſtehe ſchamroth / Jer. 31, 19. Jetzt muß ich leiden den Hohn meiner Jugend / Num. 12, 14. mein Vater hat mich ins Angeſicht geſpien / ich muß mich fuͤr ihm verkriechen und ſchaͤmen. Hæc eſt reſurrectio prima, das war bey ihm die erſte Aufferſtehung / auß dem Schlaff der Sicherheit zum Fuͤrſatz des neuen Gehorſams / und deſſen beſtaͤndige Ubung. Surgam, ſprach er / è peccato, ſurgam voto conſtanti, è peccati cloaca, è vinculis conſuetudinis, è ſervitio & compedibus, ex occaſionibus peccandi, nun wil ich mich verſprechen fuͤr Suͤnden zu huͤten / boͤſe Gewonheiten ablegen / und ſuͤndlicher Gelegenheit muͤſſig gehen / das Aug / Hand und Fuß / das mich hinfuͤro aͤrgern wird / wil ich außreiſſen / und von mir werffen / Matth. 18.
III. In voluntate ſubjectio ad pœnam, er erbietet ſich freywil - lig zur Straff / und ſpricht: Jch bin nicht werth / daß ich dein Sohn heiſſe / mache mich nur gleich einem deiner Tagloͤhner. Luam in corpore, quod non habeo in ære, ich wil an meinem Leibe buͤſ - ſen / was ich mit Gelt nicht gut machen kan. Nim̃ mich nur wieder zu Gnaden an / und laß mich fuͤr deine Augen kommen / ich wil gern buͤſſen / und dein Tagloͤhner ſeyn / Jch wil dir die Schuld mit der Haupt - Summa verſuͤhnen / und daruͤber das fuͤnffte Theil dazu thun / nach GOttes Befehl. Num. 5, 7. Nam, cum res aliena (fama, pe - cunia,) quæ reddi poteſt, non redditur, non agitur ſed fingitur pœui - tentia, ſpricht Auguſt. Wann eine fremde Sach / die wiedergebig iſt / (als ein guter Nahm / Gelt /) und aber nicht wieder gegeben wird / ſo iſt es keine rechte / ſondern eine heuchleriſche Buße. Kan mans aber nicht den Menſchen wieder geben / ſo ſoll mans dem Herrn geben / nach dem Exempel Zachaͤi / Luc. 19, 8.
IV. In Locomotiva, in denen Bewegungs-Kraͤfften / haben ſich auch erzeiget ſigna pœnitentiæ, die Zeichen der wahren Buße / jejunium ſaccus, pulvis, Faſten / ein Sack und Staub; daß er 1. ge - dultig und willig gefaſtet / er haltet ſich nicht werth anderer Speiſen / als der Traͤberen / die er genoſſen / er begehret keine niedliche Speiſen / ſondern nur das ſchwartze harte Tagloͤhner-Brod. 2. Humicubatio, daß er ſich auff die Erden gelegt / und die Augen nieder geſchlagen / und ſich nicht werh haltet / den Himmel anzuſchauen. 3. Schlaͤgt er in ſich / wie es Lutherus gedolmetſchet / an die Bruſt / dabey uns Chriſtus zu bedencken gibt das Kurren / das lamentiren / weheklagen / aͤchtzen / ſeufftzen und hand -L ijringen;84Die Zehende Predigtringen; ſonderlich aber die heiſſen Thraͤnen / die ihm uͤber die Wangen herab gefloſſen. Es ſeind zwar manchmal die groſſen Schmertzen ſtum̃ / und die Thraͤnen-Quellen verſtopfft / man muß offt ſein Leyd in ſich freſſen / die temperamen a ſeind unterſchiedlich; aber gewiß / wer ſonſten leichtlich zu bewegen / der bewegt ſich da / iſt anderſt die Buße recht. Wer ſeinen zeitlichen Schaden beweinen kan / und weinet nicht um die Suͤnde / bey dem ſcheinet die Buß nicht rechtſchaffen. Quid illis o[c]ulis formoſius, ſchreibet Chryſoſt. hom. 30. in Geneſ. perpetuo lachrymorum imbre & quaſi margatitarum decore. Was iſt ſchoͤner als die jenigen Augen / welche von unauff hoͤrlichen Thraͤnen Regen flieſſen / und mit denen Troͤpfflein als mit Perlein gezieret?
Und das iſt / M. L. die rechte Suͤnden-Reu / ſo muß das Hertz zer - knirſcht ſeyn. Soll ein metallin Gefaͤß / das roſtig iſt / wuͤſt / alt und un - formlich worden / wieder huͤbſch werden / ſo muß mans zerſchlagen / zer - brechen / umſchmeltzen / und in einen neuen Model gieſſen. Soll ein ar - mer Suͤnder begnadet werden / ſo muß er einen Fußfall thun; ſoll der Wurm des Gewiſſens ruhen / ſo muß man ihn fuͤhlen / in die Wunden ſcharffen Eſſig oder Wein gieſſen; ſoll man ſich zu Gott kehren / ſo muß man von der Welt und Suͤnden ſich abkehren. Alſo muß dann die Buße geartet ſeyn / ſoll ſie rechtſchaffen ſeyn / nicht zwar meritoriè daß wir etwas damit verdienen wolten / ſondern iſt pars ordinis, ein Theil der Ordnung / alſo hat es Gott geordnet / wann jemand zu ihm kommen wil. Jſt demnach Contritio, die Reu anders nichts / als eine ſolche von dem H. Geiſt erweckte / hertz-brechende und zuknirſchende Bewegung / da der Menſch in allen ſeinen Kraͤfften veraͤndert wird / die Augen auffthut / ſein Unrecht erkennet / haſſet und laſſet / alles zu GOttes Ehre / damit ſein geraubtes Gut wieder erſtattet / er GOtt / und der Menſch Staub und Aſche bleibet.
Wo wollen wir aber ſolche Buß finden? der jenigen gibts wol viel / die den Wurm des Gewiſſens mit Wein erſaͤuffen / oder mit Wolluſt daͤmpffen / bey denen aber der kleine Wurm zu einem groſſen feurigen Drachen wird. Fuͤr den Spiegel ſtellet man ſich wol / ſtellet denſelben hinden und vornen / zu ſchauen wie der Pracht anſtehet; aber niemand ſtehet fuͤr den Spiegel des Geſetzes / man ſchauet wol / aber niemand uͤbet das παρακύψαι, und durchſchauen; ſo genau follen wir in den Spiegel des Geſetzes ſchauen / als fleiſſig die Maria ins Grab gegucket / Joh. 20 / 11. hinden und fornen / durch und durch / alle Flecken und Runtzeln beſchauen. Domitianus hatte in dem Palatio oder Gang / da erſpatzier -85Vom verlohrnen Sohn. ſpatzierte / allenthalben die Waͤnde mit dem Edelgeſtein ſphengite behaͤngt / das er hinden und fornen alles ſehen / und ihm niemand zukom̃en moͤchte. Aber da hat bey uns der Phariſaiſinus allenthalben uͤberhand genommen / daß niemand ſich recht beſchauet / nur die groben Fehler und Balcken - Suͤnden nim̃t man wahr / die andern uͤberſiehet man / und bildet ſich offt viel ſchoͤner ein / als der Spiegel præſentiret / iſt man in foro ſoli, fuͤr dem weltlichen Gericht abſolvirt / wie Saul / ſo laßt man ſich beduncken / es habe in foro poli, fuͤr GOttes Gericht auch keine Noth mehr. Und wann man die Fehler ſchon ſiehet / ſo ſchaͤmet man ſich doch derſelben nicht / man empfindets nicht / und erſchrickt nicht daruͤber / gehet von ſtund an davon / und vergiſſet / wie man geſtalt war / niemand komt mit dem Buß - Schwammen darhinder ſie abzuwiſchen. Man trauret wol / aber um das Zeitliche / nicht um die Suͤnde: Mancher Menſch ſtecket in Schulden - Laſt / er aͤchtzet und kraͤchtzet / ſeufftzet und klaget daruͤber; aber es iſt nur eine Galgen-Buß / geſchicht nicht um der Suͤnden willen. Was wollen wir von den Joſephs-Bruͤder ſagen / die ſich um den Schaden ihres Bru - ders gar nichts bekuͤmmern? von den Herodianiſchen Taͤntzern / die laſſen Johannem im Blut liegen / unterdeſſen ſpielen und jubiliren ſie? Wann Gott irgend eine gute Zeitung hoͤren laͤßt / dancken ſie ihm mit Suͤnden / machens wie Pharao / wann er Lufft kriegte; wie ein Wuͤrtshauß voller trunckener Bauren / welche zwar / wann das Wetter einſchlaͤgt / erſchrecken / wann es aber fuͤruͤber / fangen ſie es wieder an / wo ſie es zuvor gelaſſen. An ſtatt des Haſſes und der Scham / uͤber die begangene Suͤnden / an ſtatt der Forcht ruͤhmet ſich noch mancher der Suͤnde ſeiner Jugend / an ſtatt der Traurigkeit lachet er daruͤber / erzehlets andern / und kuͤtzelt ſich damit / tanquam re benè geſtâ, als haͤtte er gar recht gethan. Die mei - ſten fuͤhren zwar guten Fuͤrſatz auff der Zung / aber machens wie Achab / der bald darauff den Propheten Micham gefaͤnglich einſetzen / und mit Brod und Waſſer der Truͤbſal abſpeiſen laſſen; ſie beurlauben ihre alte lang geuͤbte Suͤnden nicht / ſondern herbergen ſie noch immer / da iſt keine Veraͤnderung / bleiben fort und fort auff den alten Suͤnden-Hefen liegen. Wer erſtattet dem / dem er unrecht gethan? noch bleibet das unrecht Gut in des Gottloſen Hauß / und muß man manchem auff den Tod warten / ſonſt bringt man nichts auß ſeinen Wolffs-Klauen herauß. Wo iſt Faſten? vielmehr wuͤrgen / Ochſen ſchlachten / wie zur Zeit Noaͤ / eitel Feud und Wonne / Fleiſch eſſen / Wein trincken / da heißt es: Laßt uns eſſen und trincken / dann Morgen ſeind wir doch todt / und ha - ben nichts mehr davon / dann das: Wo gehet man im Sack? aberL iijHoffart86Die Zehende PredigtHoffart treiben kan jederman / in den Leinwad-Laͤden und bey den Waͤſchen ſiehet man es: Manche Maden-Saͤcke haben Saͤcke an / die / wann mans zuſammen rechnet / wol etlich hundert Gulden antreffen. Wo ſind die Thraͤnen? Es iſt die heutige Welt aͤrger als die Juden / die beweinen ihr Vaterland Jaͤhrlich auff den Tag / als Jeruſalem eingenommen worden. Uſque ad præſentem diem, perfidi coloni, poſt interfectionem ſervo - rum, & ad extremum Filii DEI, excepto planctu prohibentur ingredi Hieruſalem; & ut ruinam ſuæ eis flere liceat civitatis, precio redimunt; ut qui quondam emerant ſanguinem Chriſti, emant lachrymas ſuas. Et ne fletus quidem eis gratuitus ſit; videas in die, quo capta eſt à Ro - manis, & diruta Hieruſalem venire populum lugubrem; conflnere decrepitas mulierculas, & ſenes pannis anniſque obſitos, in corporibus & in habitu ſuo, iram domini demonſtrantes, &c. Das iſt: Die un - treuen Reebleute / nach dem ſie die Knechte (GOttes /) und endlich gar ſeinen Sohn ermordet / doͤrffen biß auff den heutig - en Tag in Jeruſalem nicht kommen / als mit Thraͤnen; und muͤſſens mit Gelt bezahlen / daß ſie den Untergang ihrer Stadt / und Steinhauffen beweinen moͤgen; Alſo daß ſie auch die Thraͤnen nicht umſonſt haben; Man ſiehet auff den Tag / da Jeruſalem von den Roͤmern iſt eingenommen und verſtohret worden / wie das betruͤbte Volck daher kommet / die alten Wei - ber herzu ſchneyen / die von ſchlechter Kleidung und Jahren verſchimmelte alten Greiſe herzu kriechen / und auch mit ihren Leibern und Kleidern von GOttes Zorn predigen: das elende Volck komt zu Hauff / und nach dem das Creutz des HErꝛn von ſeiner Aufferſtehung ſchimmert und ſtrahlet / und als ein Sieges-Faͤhnlein auff dem Oelberg glaͤntzet / beweinen die elenden Leute den Untergang ihrer Stadt / und iſt niemand der Mitleiden mit ihnen hat; Wann die Thraͤnen noch auff de - nen Wangen ſtehen / und die Arme noch voller Streich-Maͤ - ler / und das Haar noch zerſtreuet / iſt ſchon der Soldat da / und fordert Geld / daß ſie nur mehr weinen doͤrffen. So ſchreibet Hieronym. uͤber das Erſte Cap. Sophoniæ.
Nun unſer Vaterland ligt in der Aſchen / wo iſt ein Jeremias / der Thraͤnen vergießt? Der Thraͤnen-Brunn iſt allenthalben verſtopfft / nie - mand iſt / der es ihme zu Hertzen gehen laͤßt: Solte der verlohrne Sohn ſich alſo erzeigt haben / er wuͤrde nimmer keine Gnad haben zu hoffen ge - habt; ſolte er fuͤr ſeinen Vater gekommen ſeyn mit Spielleuten / und ge -tantzet87Vom verlohrnen Sohn. tantzet haben / wuͤrde er wol Gnade erlanget haben? ja einen Strick an den Hals. Nun man ſagts genug / wer ihme nicht wil rathen laſſen / der mag den Werth daran nehmen / es wird eine μετάνοια folgen ſine miſeri - cordia, eine Reu ohne Barmhertzigkeit / die Nachwitz wird als dann zu ſpat ſeyn. Nun der hohe und erhabene GOtt / der ewiglich wohnet / deſſen Name heilig iſt / der in der Hoͤhe und Heiligthum wohnet / und bey denen / ſo zuſchlagenes und demuͤtiges Geiſtes ſind: Gott der H. Geiſt wolle unſere eiß-kalte Hertzen anhauchen / daß ſie zerſchmeltzen / und anwehen die Berge / daß es thaue. Chriſtus wolle uns anſchauen / daß wir mit Petro bitterlich weinen / und mit Au - guſtino beten: Domine da mihi irriguum ſuperius & irriguum infe - rius, ut ſint mihi lacrymæ meæ panes die ac nocte, HErꝛ gib mir ein waͤſſeriges Unten und Oben / daß meine Thraͤnen ſeyen meine Speiſe Tag und Nacht. Daß wir hie mit Thraͤnen ſaͤen / und dort mit Freuden ernden / auff das Ejulate das himmliſche Jubilate, auff das Kyrie eleiſon das himmliſche Alleluja anſtimmen moͤgen. Amen.
GEliebte im HErꝛn. Ein klares Exempel menſchlicher Unart und Vergleiſterung des Boͤſen ſtellet uns Moſes der uhralte Hiſtoricus fuͤr Augen / Gen. 37. da er meldet / welcher maſſen die treuloſe und leichtfertige Bruͤder Jo - ſephs - nach dem ſie denſelben den Midianitern um 20. Sil - berling verkaufft / ihre Boßheit vor ihrem Vater bemaͤn - telt; ſie nahmen / berichtet Moſes / Joſephs Rock / und tunckten ihn in eines geſchlachteten Ziegenbocks Blut / ſchickten den bunten Rock hin / und lieſſen ihn ihrem Vater bringen / und ſagen: die - ſen haben wir funden / ſiehe / obs deines Sohns Rock ſey oder nicht?
Hierauß erſcheinet 1. Conſcientiæ morſus, ihr beiſſendes boͤſes Gewiſſen / das verwundet war. Dann warum bringen ſie den Rock nicht ſelbs? warum ſchicken ſie ihn durch fremde Haͤnd? Es war ihnennicht88Die Eilffte Predigtnicht geheur bey der Sach / ſie hatten ein boͤſes verwundetes Gewiſſen / ſie gedachten / wie wollen wirs verantworten bey unſerm Vater / daß wir Jo - ſeph nicht mitbringen? Machen es eben / wie unſere erſte Eltern / die ſich / nachdem ſie ſich verſuͤndiget / ihr Gewiſſen verwundet / und die Stimme GOttes des Herrn gehoͤret / fuͤr dem Angeſicht GOttes des Herrn unter die Baͤume im Garten verſtecket / und durfften Gott nicht unter die Augen kommen. 2. Cura palliativa, die Vermaͤntelung; ſie ſchlachten einen Ziegenbock / duncken den Rock Joſeps ins Blut / und wie Joſephus bezeuget / ſo zerreiſſen ſie ihn / auff daß der Vater deſto eher glaub - en moͤchte / es waͤre Joſeph von einem wilden Thier zerriſſen worden. Wie er dann alsbald außgeruffen: es iſt meines Sohnes Rock / ein boͤſes Thier hat ihn gefreſſen / ein reiſſend Thier hat Joſeph zuriſſen. Das war wol cura palliativa, ein liſtige Bemaͤntelung / dem alten guten Vater machen ſie unaußſprechlich Hertzenleyd / laſſen ihn uͤber die 22. Jahr auff dem falſchen Wahn / martern ihn / hoͤren ihn offt ſeufftzen / nicht aber nur ihn / ſondern auch ihren Großvater Jſaac / daß er ſich (illud decus mundi) daruͤber zu todt weinen mußte. Sie verkleiben ihm die Augen / und gedencken nicht einmal an GOttes allſehendes / Hertzen-forſchendes Aug. Jſt je und allezeit der Menſchen Art / (vielmehr Unart) geweſen / da ſie ſich vor der Welt ihrer Gebrechen geſchaͤmet / und nicht wollen zu Schanden werden / und offt viel Eyd uͤbereinander geſchworen / aber nicht einmal an das ſtrenge Gericht GOttes gedacht. Dazu dann 3. geſchla - gen / cauteriatio, daß ſie auff die 22. Jahr ohne Buß / ohne Erkanntnuß / ohne Gnad / ohne geiſtliche Ubung geweßt / gantz entſchmertzet: waͤren auch gewißlich darinnen verdorben / wo nicht endlich der Gewiſſens-Wurm in ihnen auffgewacht / und die Straff ihnen die Augen geoͤffnet / ſo uͤber dieſe Suͤnde beſchloſſen geweßt / Gen. 42. daß ſie ſich ſelber angeklagt: das ha - ben wir an unſerm Bruder verſchuldet / da wir ſahen die Angſt ſeiner Seelen / da er uns flehet / und wir wolten ihn nicht erhoͤ - ren / darum komt nun dieſe Truͤbſal uͤber uns. Nun die Bruͤder Joſephs haben dieſe Unweiſe nicht geſtohlen / ſondern ererbt von unſern erſten Eltern / wie auch David / der es eben alſo gemacht. Dann da er vernommen / daß Bathſeba von ihm ſchwanger worden / ſo ſchicket er nach Uria ins Lager / der ſolte kommen / und das Ey außbruͤtlen. Machet ihn truncken / und vermeinet / er ſolte nun heim gehen / bey ſeinem Weibe ſchlaffen / und der Liebe pflegen. Da aber der Poß nicht wolte angehen / laͤßt er ihn an die Spitze des ſtuͤrmenden Heers ſtellen / daß er umkaͤme. Alles zu dem Ende / daß David unſchuldig gehalten / und das Kind /ſo89Vom verlohrnen Sohn. ſo Bathſeba gebaͤhren wuͤrde / fuͤr Uriæ Kind erkennet werden ſolte.
So macht es der verlohrne Sohn nit / ſondern ſo bald ſich das Gewiſſen in ihm gereget / ſo ergreiffet er die rechte edelſte Medicin / verhaͤrtet ſein Hertz nicht / ſagt / er wolle das Scham-Huͤtlein ablegen / der Untugend kei - ne tinctur anziehen / ſeinem Hertzen recht raumen / und ſeinem Vater kein Aug verkleiben / ſondern frey und rund bekennen; er habe geſuͤndiget im Himmel und fuͤr ihm / ach mache mich nur gleich einem dei - ner Tagloͤhner. Zwar hat er die letztere Wort nicht außgeſprochen / iſt aber Zweiffels frey daher geſchehen / dieweil ihm der Vater in die Rede gefallen / und ihn nicht hat außreden laſſen. Nun wir haben biß dato in der Schul des verlohrnen Sohns viel ſchoͤne lectiones ſtudirt und gelernet / anjetzo wollen wir demſelben die edle Beicht-Kunſt ablernen / und an - zeigen / wie man beichten muß / daß es auch Gott gefaͤllig. GOtt der H. Geiſt erwecke auffmerckſame Ohren und Hertzen / daß viel dadurch auff - gemuntert und zum ewigen Leben erhalten werden / Amen.
SO haben wir / Geliebte im Herrn / zu betrachten I. Confeſſio - nem, die Beicht an ſich ſelbs / wann der verlohrne Sohn ſpricht: Vater / ich habe geſuͤndiget im Himmel und fuͤr dir / ꝛc. Er theilet ſeinen Suͤnden-Catalogum und Suͤnden-Regiſter ab nach den zwo Taffeln des Geſetzes / in peccata cœli, in Himmel-Suͤnden / ich habe geſuͤndiget in Himmel. Himmel heißt hier ſoviel als GOtt ſelbs / wie dann das Hebraͤiſche Wort Schamajim, cœli, von GOtt gebraucht wird / Dan. 4, 23. Wann du erkennet haſt die Gewalt im Himmel; Matth. 21, 25. Woher war die Tauffe Johannis? war ſie vom Himmel / oder von den Menſchen. Daher die Juden Cœlicolæ, Himmels-Buͤrger / Einwohner des Himmels genennet worden. Das ſeind nun die Suͤnden wider das erſte Gebott / als wolt er ſagen / ich habe GOtt im Himmel nicht geehret / und gelebet als ein ἄθεος, ohne Gott / wie ein Schwein; Undanckbar fuͤr ſeine Goͤttliche Wolthaten / ich habe nicht ihm / ſondern auff meinen Seckel und geſunde Jugend getrauet / ſei - ne Gaben verſchwendet / verdoppelt / verſpielt und verzehrt: ich hab ihn nicht gefoͤrchtet noch geliebet / was er mir verbotten / das hab ich gethan / und ſeine Gebott verachtet; ich habe gelebet ἀθέως, ἐθνικῶς, ἀσεϐῶς, ἀδίκως, und ἀσώτως, Gottloß / Heydniſch / frech / unzuͤchtig / ungerecht und unheilig / beſttaliſch / als ein Pfau in Hoffart / als ein Schwein in Saͤufferey / als ein Hund in Unzucht; Karten waren mein Bett-Buch / fluchen / ſchweren mein Ge - wonheit / Wuͤrths-Spiel - und Tantzhauß meine Kirchen / Summa:Zehender Theil. Mperditè90Die Eilffte PredigtPerditè vixi, ich habe uͤbel gnug gelebet / und kunte es nicht aͤrger ma - chen. Hernach in peccata patris, ἐνώϖιόν σου ſpricht er und fuͤr dir / fuͤr deinen Augen; wider die andere Taffel / ohne Scheu / ohne Forcht / ich habe dir das patrimonium herauß gepocht / und mich unterſtanden dich bey lebendigem Leib zu erben / habe deinen ſauren Schweiß mit Huren ver - praßt / manch ſchoͤnes Geld / das du auffgehoben / durchgejagt / ich bin / mit einem Wort / ein boͤſer Bub geweßt / da ligt der gantze Plunder fuͤr deinen Augen. Alſo ſpeyet er eben alles herauß / wie der jenige / der etwa eine giff - tige / unreine / und ſonſt ungeſunde Speiße zu ſich genommen / keine Ruh hat / biß ers alles herauß gewurgt.
II. Haben wir zu mercken Confeſſionis modum, die Art zu beich - ten: Er berichtet 1. ingenuè, redlich / teutſch herauß / laͤugnet nichts / be - ſchoͤnet ſeinen Suͤnden-Greuel nicht / verringert oder vergleiſtert nichts / viel weniger legt er die Schuld auff andere. 2. Plenè, er ſchuͤttet ſein gan - tzes Hertz auß / wie einer / der Gifft zu ſich genommen / alles von ſich geben muß / biß daß der gantze Plunder da vor Augen ligt. 3. παῤῥησιαςικῶς, freymuͤndig / und ungeſcheut; er ſagt / Vater / beichtets nicht dem Scharffrichter an der Tortur oder Folter / in der Schwaͤtz-Schul / da man auch beichtet / aber je mehr man beichtet / je ſchwerere Straffe man zu ge - warten hat; Sondern gantz vertraulich / ohne Zwang / ſeinem Vater / je mehr er da beichtete / je mehrere und groͤſſere Gnad er erlangte. Sonderlich aber 4. humiliter, gantz demuͤtig / dann ohne die Demuth iſt die Beicht keine confeſſio und Bekantnuß / ſondern profeſſio mali, ein offentlicher Ruhm der Suͤnden. Er ſpricht: Jch bin forthin nicht mehr werth / daß ich dein Sohn heiſſe; halte mich werth der Enterbung / ich habe das Erb-Recht verlohren. Auſſer zweiffel haͤtte er fortgefahren / und ſich als einen Tagloͤhner angegeben / wann ihm der Vater nicht in die Rede gefallen waͤre / wie auch der Keyſer Mauritius gethan und geſagt: Juſtus es Domine, &c. HErꝛ du biſt gerecht / und alle deine Gerichte ſind recht. 5. Apertè, er hat ſeine Bekantnuß offentlich / gleich wie er zu - vor ενώϖιον του῀ πατρὸς, vor dem Vater gefrevelt / ſo beichtete er ihm anjetzo unter dem freyen Himmel / wie es dann auch offentlich auffgezeichnet wor - den / daß wir es ihm alle nachthun ſollen. Gleich wie auch David gethan / der ſeine Suͤnde offentlich ſingen laſſen / und dem Vorſaͤnger zu ſingen uͤbergeben / Pſ. 51. Jch erkenne meine Miſſethat / an dir allein hab ich geſuͤndiget / und uͤbels fuͤr dir gethan. Paulus 1 Tim. 1. nennet ſich den groͤſten Suͤnder / ſchreyet ſich offentlich auß / er ſeye der fuͤrnem - ſte unter allen Suͤndern / aber mir / ſpricht er / iſt Barmhertzigkeitwieder -91Vom verlohrnen Sohn. wiederfahren / auff daß an mir fuͤrnemlich JEſus Chriſtus er - zeigete alle Gedult / zum Exempel denen / die an Jhne gkauben ſollen zum ewigen Leben. Er machet es / wie einer der Zahnweh hat / dann der meynet / ſein Schmertz ſeye der groͤſte / weil er ihn auß der Erfah - rung hat / andern aber nur glaubet auß ihren Worten. Auguſtinus hat 13. Buͤcher von ſeinen eygenen Suͤnden geſchrieben / und in denſelben ge - beichtet peccata infantiæ, inhiabam uberibus plorans, l. 7. die Suͤn - den ſeiner unmuͤndigen Kindheit / wie er auß Boßheit gewei - net / wann er ſeiner Mutter Bruͤſte geſogen; peccata pueritiæ, da er ein wenig aͤlter worden / wie er ungern in der Schule gelernet / lieber ge - ſpielt und gedockt / ſonderlich aber die Griechiſche Sprache nicht lernen wollen / ſeye lieber mit politiſchen Fabeln umgegangen / habe ſich mehr ge - ſchaͤmet uͤber einen ſolœciſmum linguæ, einen Sprach - fehler / als vitæ, Lebens fehler / wann er nicht ſchoͤn geredet / als wanner nicht ſchoͤn gelebet. In adoleſcentia, in ſeinen Juͤnglings-Jahren habe Fleiſch und Blut und die unziemlichen Begierden mit ihm den Meiſter geſpielet; er wolte nicht zu frieden ſeyn / daß er ein Vater waͤre / er ſahe mehr darauff / wie er beredt als keuſch und zuͤchtig waͤre. Seinem Nachbarn hat er die Birn abge - macht / und ſagt / er habe geſtohlen / gar nicht auß Armut / ſondern nur / weil ich nicht gern ſahe / daß es recht ſolte hergehen / und mich die boͤſe Luſt kuͤtzelte; wann ich nun daran gedencke / ſchaͤme ich mich von Hertzen / an - derſt / als mancher / der die Suͤnde ſeiner Jugend noch ruͤhmet. Jn ſeinem mannlichen Alter eckelte ihm vor der Heiligen Schrifft / er achtete ſie nicht werth / daß er ſie mit des Ciceronis Wohlredenheit vergleichen ſolte; Er bekennet l. 6. c. 15. daß er eine Concubin und unehlichen Sohn gehabt / non amator conjugii, ſed libidinis ſervus eram, ich war kein Lieb ha - ber des ehelichen Standes / ſondern ein Sclav meiner ſchaͤnd - lichen Luͤſten. Wo ich nun dieſes nicht bekennen wolte / ſo verbirgte ich dich vor mir / und nicht mich vor dir. l. 10. c. 2.
Wir lernen hiebey 1. Confeſſionis neceſſitatem, die Nothwendig - keit der rechten wahren Beicht / vor dem / welchen wir mit unſern Suͤnden beleidiget / ſie ſtehet gar nicht in unſerer freyen Willkur. Und zwar 1. Confeſſionis coram DEO abſolutè, daß wirs vor Gott ſchlechter dings / ohne Bedingung oder geſuchte Durchſchleiffe bekennen / ſo wills Gott haben / und wills alſo haben. Num. 5, 7. Er hat Gnade verheiſſen denen / die es alſo thun / 1. Joh. 1, 9. So wir ſagen / wir haben keine Suͤnde / ſo verfuͤhren wir uns ſelbſt / und die Warheit iſt nicht in uns. So wir aber unſere Suͤnde bekennen / ſo iſt GOtt treuM ijund92Die Eilffte Predigtund gerecht / daß Er uns die Suͤnde vergibt / und reiniget uns von aller Untugend. Es ſtehet auch groſſe Gefahr darauff allen / die es unterlaſſen / Pſalm. 32., 5. wie es David erfahren / darum ſaget er: Da ichs wolte verſchweigen / verſchmachten mir meine Ge - beine. Und da ſollen abgelegt werden ſonderlich die bekandte und ſchwe - re Suͤnden / wie die Jſraeliten darinnen vorgegangen / und zu Samuel ge - ſprochen: Bitte fuͤr deine Knechte den HErꝛn deinen GOtt / daß wir nicht ſterben. Dann uͤber alle unſere Suͤnde haben wir auch das Ubel gethan / daß wir uns einen Koͤnig gebetten haben / 1. Sam. 12, 19. Und damit niemand einwende / Gott wiſſe vor - hin alles wohl / ſo gibt darauff Auguſtinus die Antwort l. 11. conf. 1. Num - quid Domine, cum tua ſit æternitas, ignoras, quæ tibi dico, aut ante tem - pus vides, quod fit in tempore? cur ego tot tibi narrationes digero? &c. Wie / mein HErꝛ und GOtt / weil du ewig biſt / wuſteſtu nicht / was ich dir ſage: oder ſieheſtu nicht vor der Zeit / was geſchicht in der Zeit? Warum hab ich dir ſo viel zu erzehlen? 2. Coram proximo, vor dem Naͤchſten / den wir beleidiget / und zwar zu allerforderſt vor der Kirchen / als unſerer Mutter / die man geaͤrgert / welches eigentlich die Kirchen-Buß heiſſet / Matth. 18. wie Achan / Joſ. 7. Die Suͤnderin / Luc. 7. der unzuͤchtige Blut-Schaͤnder / 1. Cor. 5, 5. 2. Cor. 2, 6, 7. ſolche Buße thun muͤſſen. Dahin auch zu ziehen confeſſio juſta & politica, die politiſche Beicht / davon Jac. 5, 16. Bekenne einer dem andern ſeine Suͤnde / Matth. 5, 23. Wann du deine Gabe auff den Altar opfferſt / und wirſt allda eingedenck / daß dein Bruder etwas wider dich / oder du wider ihn / ſo laß allda fuͤr dem Altar deine Gabe / und gehe zuvor hin / und verſoͤhne dich mit deinem Bru - der. Was / ſprichſtu / iſt aber von der Beicht / die man vor dem Kirchendie - ner / als ſeinem Beicht-Vater / inſonderheit und in geheim ableget / zuhaltẽ? Antwort: Da muß man zwiſchen zweyen extremis durchſeglen / daß man theils nicht zu hart darauff treibe / und ſie den Gewiſſen als ſchlechter dings nothwendig aufftringe, theils aber ſie nicht mit Calvino gar verwerffe / und das Kind ſampt dem Bad außſchuͤtte / welcher defenſ. 2. contra Weſtphal. ſagt: ſie ſeye von dem Teuffel auß den ſtinckenden Pfuͤtzen des Roͤmiſchen Anti Chriſts in die Kirch eingefuͤhret worden. Nicht ſo ſtreng und blind-eyfferig / Calvine, moͤgen wir wohl ſagen; dann iſt dieſe privat-Beicht / wie wir ſelbſt geſtehen / eben nicht bloß von noͤhten / weil davon kein eigentlicher und deutlicher Befehl außtruck - entlich geſetzt worden; doch gleichwol / weil wir die Exempel in der Schrifft2. Sam.93Vom verlohrnen Sohn. 2. Sam. 12, 13. Matth. 3, 6. und der alten Chriſtlichen Kirchen haben / und weil ſie zu mehrerem Troſt der forchtſamen Gewiſſen und mehrerem Unterricht dienet / ſo ſoll mans nicht unterwegen laſſen / wo ſie kan auffkom - men. Zu dem End / ſchreibet B. Rhenanus uͤber Tertull. de pœnit. ſeye vor zeiten die Beicht auffkommen / ubi horulæ ſpatio plus proficit laicus, quàm triduana, &c. weil da in einer Stund ein gemeiner Lay mehr außrichten und erbauet werden kan / als ſonſten in drey - en Tagen Daher die Augſpurgiſche Confeſſion artic. 11. ſagt: von der Beicht wird alſo gelehret / daß man in der Kirchen privatam abſolutionem erhalten / und nicht fallen laſſen ſoll / wiewol in der Beicht nicht noth iſt alle Miſſethat und Suͤnden zu erzeh - len / dieweil doch ſolches nicht muͤglich. Pſ. 19. Wer kennet die Miſſethat? Und in den Schmalkaldiſchen Articulen: Die Beicht ſoll nimmer abgeſchaffet werden wegen der zarten und ſchwa - chen Gewiſſen / und wegen der Jugend / damit ſie in der Chriſt - lichen Lehre unterrichtet werde. Darum auch dieſelbe auß Chriſt - licher Freyheit behalten wird / und ſollen die Diener des Worts treulich gewarnet ſeyn / in ſolchen Faͤllen reinen Mund zuhalten; nicht zwar wie im Pabſtthum / da ohne einige exception alles verſchwiegen wird / auch die Verraͤhterey ſub ſigillo Confeſſionis, außgenommen / wann man etwas wider den Papſt fuͤr hat; Sondern wann offentliche Gefahr darauff ſtuͤn - de / als da iſt Verraͤtherey / Mord-Brand / Brunnen-Vergifftung / ſo mag man die Sache wol offenbaren / aber die Perſon unvermeldet laſſen; ſonſt heiſſet es / ich hab es nicht gehoͤret / er hat es Chriſto gebeichtet / es iſt ein de - poſitum Divinum, eine Goͤttliche Beylag; wil es GOtt offenbahren / ſo werdenſich ſchon Mittel finden. Der Kirchendiener ſitzet da an Chriſtus ſtatt / nicht aber an ſtatt der Obrigkeit / als ein Blutſchreiber. So ſtehet es auch einem jeden frey / ſeine Suͤnde vertraulich zu beichten oder nicht / ſonderlich die ihm anliegen zu eroͤffnen.
2. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis auricularis abſurditatem, wie ungereimt die Ohren-Beicht ſeye. Der verlohrne Sohn erzehlet nicht alle Suͤnden in particulari, ein jede abſonderlich / ſondern bleibet bey der ge - neralitaͤt / und beichtet alle ſeine Suͤnde ins gemein. Jſt zu mercken wi - der das Paͤpſtiſche Beicht-Weh / da alle Suͤnden muͤſſen bekant werden / alles / deſſen man ſich erinnern mag / alle Tod-Suͤnde mit allen ihren Um - ſtaͤnden der Zeit / des Orts / wie / womit / ꝛc. ſie halten gar Regiſter druͤber / damit ihnen nichts außfalle / ja die allerheiligſten beichten auch ihre Gedan -M iijcken /94Die Eilffte Predigtcken / und laſſen ſich bereden / die ungebeichte Suͤnden werden nicht verziehẽ. Jſt aber 1. ἀγραφος, eine Schrifft-Loſe Lehr / die mit keinem einigen bewaͤhrten Zeugnuß mag bewieſen werden. 2. Impoſſibilis, unmuͤglich zu halten / dann entweder kan man alle und jede / oder aber nur etliche Suͤn - den erzehlen und beichten: Jenes iſt unmuͤglich / laut des 19. Pſ. wer kan mercken / conſequenter beichten / erzehlen / wie offt er fehlet? E. muß dieſes wahr ſeyn. Nun fraget ſichs weiter: Entweder werden die nicht bekandte und nicht gebeichtete Suͤnden vergeben oder nicht vergeben? Werden ſie vergeben / wann ſie ſchon nicht erzehlet worden / ey warum nit auch andere / die man weiß / ob man ſie ſchon nicht beichtet? Werden ſie aber nicht vergeben / ſo iſt und bleibet ſolche Beicht eine carnificina, ein Zweif - fels-Strick / damit die Menſchen in Verzweifflung und folgens in die ewi - ge Verdamnuß gezogen werden. 3. Jſt ſie nova in primitiva Eccleſia da - mnata, eine in der erſten Chriſtlichen Kirchen ſchon verdammte / jetzt aber wieder erneuerte Lehre. Nectarius, Biſchoff zu Conſtantinopel / hat dergleichen Beicht wegen einer mit einer edlen Frauen von einem Ca - plan in der Kirchen begangenen Unzucht abgeſchafft / und hat es ſein Suc - ceſſor Chryſoſtomus gebilliget; ſolus te DEUS confitentem videat, DE - US, qui non exprobrat peccata tua, ſed ſolvit peccata propter confuſio - nem, das iſt: Beichte allein GOtt / GOtt / der keinem ſeine Suͤnden vorwirfft / ſondern ſie erlaſſet um der Schande wil - len. Dabey laſſen wir es auch bleiben / und dancken Gott / der uns von ſolcher Gewiſſens-Tortur erloͤſet hat.
3. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis ingenuæ, plenæ, parriſia - ſticæ humilis & apertæ fructuoſitatem, den Nutzen einer auffrichti - gen / voͤlligen / freudigen / demuͤhtigen und offentlichen Beicht. Gleich wie der Vater des verlohrnen Sohns ſeinem Sohn mit dem oſculo Kuß / und alſo mit der Abſolution vorgekommen / und denſelben nicht auß - reden laſſen / votum confeſſionis erat inſtar confeſſionis, der gute Will und Vorhaben zu beichten / war ſo viel als die Beicht ſelbſt. Daß er geſagt / er wolle zum Vater gehen / das war ihm genug: So ſollen wir uns auch unſern himmliſchen Vater einbilden / ehe dann wir ruf - fen / will Er uns hoͤren / und ehe wir zu ihm ſchreyen / will Er uns antworten.
‘Im Geiſtlichen Rechten findet ſich ein ſchoͤner locus cauſ. 33. q. 3. de pœnit. diſt. 3. Omnis qui &c. Non ergò in confeſſione peccatum remittitur, ſed iam re - miſſum eſſe probatur. Fit itaque confeſſio ad oſtenſionem pœnitentiæ, non ad impetrationem gratiæ & veniæ. Et ſicut circumciſiodata Abrahæin ſignum95Vom verlohrnen Sohn. in ſignum Iuſtitiæ, non in cauſam juſtificationis: ita confeſſio Sacerdoti offertur in ſignum veniæ acceptæ, non in cauſam temiſſionis accipiendæ. ’ ()Laſſet uns unſere Suͤnden recht erkennen / und fuͤr Gott unſer Hertz außſchuͤtten / ſo wird uns Gnade wiederfahren. Was iſt wohl die Ur - ſach ſo vieler ſchuͤchtern / erſchrockenen und zaghafften Gemuͤhter / als vielleicht eben dieſe / weil niemand nicht einmahl redlich beichtet / und ſeine Suͤnde auffrichtig bekennet. Es gibt Prediger / die mehr auff ihr und der Zuhoͤrer Meel als ihr Seel ſehen; Obrigkeiten / die den Eigen-Nutz mehr / als die gemeine Wohlfahrt bedencken. Wer iſt unter uns allen / der ſagen kan / er habe GOtt jemahlen gebeichtet / wie Daniel c. 9. Ja HErꝛ / wir / unſere Koͤnige / unſere Fuͤrſten und unſere Vater muͤſſen uns ſchaͤmen / daß wir uns an dir verſuͤndiget haben. Sondern wir machens alle / wie der ungerechte Haußhalter / und ſchreiben gern fuͤr 100. Pfund 50. an / wir reden uns auß / und verglimpffens ſo gut wir koͤnnen / oder troͤſten uns mit andern Exempeln. Wann man je einmahl recht beichtete / ſo doͤrffte Gott nicht ſolche ſchroͤckliche Torturen gebrauch - en. Sum̃a: Si tu ipſe fueris accuſator, & DEUS liberator, quid erit diabolus niſi calumniator? ſagt Auguſtin. ſerm. 48. das iſt: Wann du dich ſelber als einen Suͤnder darſtelleſt / und dich GOtt von der Suͤnd erloͤſet / was wird der Teuffel alsdann ſeyn als ein Verleumder? Nun wolan / der Allerhoͤchſte regiere unſere Hertzen / und oͤffne uns unſern Mund / daß wir uns nicht ſcheuen noch ſchaͤmen / unſere Suͤnde zu beichten und zu bekennen / ſo wird es recht heiſſen:
Der Menſch fuͤr GOtt wohl ſelig iſt /Dem die Suͤnd iſt vergeben /Auß lauter Gnad durch JEſum Chriſt /Der uns erwarb das Leben /Deckt zu all unſer Miſſethat /Zahlt / was er nicht verſchuldet hatDurch ſein Blut / Tod und Wunden / ꝛc.
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Drey unterſchiedliche appellatio - nen und Gnaden-Throͤne hat der Aberglaub im Papſtthum̃ erfunden / dabey man in Noͤthen Huͤlff / Ablaß und Verge - bung der Suͤnden hoffet zu erlangen. Der 1. iſt Thronus Matris Miſericordiatum, der Marien-Thron / den ſie als das ultimum appellationis forum als das allerletzte und beſte Mittel ihren Leuten anbefehlen; ſonderlich Jacobus de Vo - ragine Archiepiſcopus Januenſis ſchreibet: ad Mariam ab omni grava - mine appellandum eſſe, tanquam ad Dominam & Auguſtam, ſive quis gravetur ab ipſo DEO & à juſtitia; Man muͤſſe in allen Truͤb - ſalen an Mariam appelliren / ſolte auch gleich ein Menſch von GOtt ſelbs und ſeiner Gerechtigkeit heimgeſucht werden. Das heiſſet ja viel anders gelehret / als Chriſtus der HErr uns vorgelegt / welcher Matth. 11. ſagt: Kommt her zu MJR / alle die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd / JCH will euch erquicken. Anders / als der H. Apoſtel Paulus ſich vernehmen laſſen / Hebr. 4, 16. Wir haben nicht einen ſolchen Hohenprieſter / der nicht koͤnte Mit - leiden haben mit unſerer Schwachheit / ſondern der verſucht iſt allenthalben / gleich wie wir / doch ohne Suͤnde. Hat doch Maria ſelber ſolche Ehre nicht begehret / ſondern ihrem Sohn / dem Herrn Chriſto anheim gewieſen / Johan. 2. Was Er / nicht ich / euch ſaget / das thut. 2. Thronus indulgentiarum, der Ablaß-Thron / der im Gegentheil weiſet auff einen groſſen / unerſchoͤpfflichen / auß Chri - ſti / Mariæ und der Heiligen Verdienſt zuſammen gefloſſenen und geſpaͤt - telten Ablaß-Schatz und Kaſten / der zu Rom in St. Peters / Pauli / Johannis Lateranenſis und S. Mariæ Kirchen hinderlegt / und dem Papſt die Schluͤſſel darzu vertrauet ſeyn ſollen. Welcher denſelben ſonderlich im Jubel-Jahr mit einem guldenen oder verguldeten Ham - mer eroͤffnet. Anders lehret die Schrifft abermahls / die uns allein weiſet auff pretioſum ſanguinem, das theure Blut Chriſti / als eines unſchuldigen und unbefleckten Laͤmmleins / 1. Pet. 1. davon zu diſpen - ſiren allen getreuen Haußhaltern GOttes befohlen worden / welchesder97Vom verlohrnen Sohn. der Herr im Himmel zu ratificiren verſprochen. 3. Thronus imagi - num & reliquiarum, der Bilder - und Heiligthuͤmmer Thron / als das Hauß der Empfaͤngnuß Chriſti zu St. Loretto / die Hoͤhle zu Bethle - hem / da Er gebohren worden / ſeine Krippen / Wiege / Gebaͤnde / Creutz / Cron / Naͤgel / Grab / ꝛc. Der Mutter Gottes Haußrath / Guͤrtel / Haube / Handſchuh / Milch / Haar / Spindel / Rock / Ring / Sohlen / und andere Reliquien von den Leibern der Heiligen. Da ſoll man ſich im Ablaß erholen / wann man dafuͤr niderfaͤllt / ſie kuͤſſet / die Pater noſter daran oder außwendig ans Glaß reibet / damit das Gebet zu demſelben deſto ſtaͤrcker ſeye. Da doch die Schrifft uns weiſet auff das Wort des Evange - lij / welches iſt eine Krafft GOttes ſelig zu machen / alle die da - ran glauben / Rom. 1. Auff die Abſolution, welchen man da die Suͤnde vergibt / denen ſollen ſie vergeben ſeyn; Auff die Tauff und Abendmahl. Dieſes ſeind ſo die Throni appellationum in dem Papſtthum / welche der Roͤmiſche Ἀντίϑεος fuͤrgeſtellet zu Gnaden - Stuͤhlen; das ſeind die Kaͤlber zu Dan und Bethel / die man anbetet und verehret. Gleichwie Gott im Alten Teſtament den Gnaden-Thron nach ſeinem Model machen laſſen / und zu Moſi geſagt: Wie ich dir ein Fuͤrbild zeigen werde / ſo ſoltu es machen: Alſo wil es der Pabſt zu Rom von ſeinen Creaturen auch haben / daß ſie es machen muͤſſen nach ſeinem Kopff und Abriß / wie es ihm wolgefaͤllet.
Allein / es wil in Summa die gantze heilige Schrifft von keinem an - dern Gnaden-Thron und Fuͤrſprecher / durch den wir Heyl erlangen muͤſ - ſen / etwas wiſſen / ohn JEſum Chriſtum. Dann wir werden ohne Verdienſt gerecht / auß der Gnade GOttes / durch die Erloͤß - ung / ſo durch JEſum Chriſtum geſchehen iſt / welchen GOtt hat fuͤrgeſtellet zu einem Gnaden-Stuhl durch den Glauben in ſeinem Blut / ſchreibet Paulus Rom. 3. und Hebr. 4. Wir haben nicht einen Hohen-Prieſter der nicht konte Mitleiden haben / mit unſerer Schwachheit / ſondern der verſucht iſt allenthalben / gleich wie wir / doch ohne Suͤnde. Darum laſſet uns hinzu tretten mit Freudigkeit zu dem Gnaden-Stuhl / auff daß wir Barmhertzigkeit empfahen / und Gnade finden / auff die Zeit / wann uns Huͤlffe noth ſeyn wird. Und der iſt auch der jenige Gnaden-Thron / Mittler und Reconciliator, den wir in unſerm Verſoͤhn - Werck / und Lehre der Rechtfertigung fuͤr Gott / bey abgeleſener Para - bel / fuͤr dißmal fuͤrtragen werden. Unſer Intent und Meynung iſt / Meine Liebſten / gar nicht in cortice zu verbleiben / und gleichſam denZehender Theil. NApffel98Die Zwoͤlffte PredigtApffel nur zu ſchaͤlen / die Hiſtori bloß dahin zu erklaͤren / dann da haͤtten wir ſchon laͤngſt koͤnnen fertig werden / und waͤre freylich nicht von noͤthen geweßt / ſich ſo lang in dieſer Parabel zu verweilen; Sondern unſere Meynung iſt / die hohe Lehr von der Buß und Rechtfertigung zu erklaͤren / das laßt ſich aber ſo bald nicht außmachen / wie zwar albere / unverſtaͤndige Leute ihnen einbilden. Wer nur um der Hiſtori Willen des verlohrnen Sohns in die Kirche gehet / der iſt gleich einem / der Krebs fuͤr ſich hat / die Schaalen und Scheeren ablegt / aber das Fleiſch nicht koſtet / der Aepffel und Birn ſchelet aber keinen Geſchmack davon hat. Wir ſuchen das Korn - lein in den Aehren / den Kern in der Schelet / den Dotter in der Schaal / und die quintam eſſentiam, das beſte im Kraut. Es iſt zwar immer einerley Text / aber wann E. L. hat Achtung darauff gegeben / ſo finden ſich immer neue Lehren / ja unſer gantzes Chriſtenthum iſt darinnen begriffen. Wir haben in voriger Predigt von der guten Sache gehandelt / gleichwie Paulus / wann er ſagt: ich beruffe mich auff den Kayſer / confi - dentiam bonæ cauſæ, ein Vertrauen auff ſelne gute Sache hatte: Alſo weil wir / zwar nicht ex lege, auß dem Geſetz / ſondern auß dem Evangelio wiſſen / daß wir einen gnaͤdigen Gott um Chriſti willen haben / ſo beruf - fen wir uns darauff / auff unſer Kindes-Recht und Vaters Namen / und wiſſen / wohin wir appelliren ſollen / daß wir eine gute Sache behalt - en / nemlich / auff den Gnaden-Thron / JEſum Chriſtum / davon anjetzo weiter ſoll gehandelt werden. Nun Chriſtus JEſus / unſer außerwehl - te Gnaden-Thron gebe dazu Segen und Gedeyen um ſein ſelbſt willen / Amen.
WAhr iſt es / Geliebte im Herrn / es wird in dieſer Parabel Chriſti als des Mittlers und Verſohners zwiſchen Gott und Menſchen und des Gnaden-Throns clar und außtruck - lich mit keinem Wort gedacht / ſcheinet deßwegen / als zoͤgen wirs mit Haaren herzu / und legten dem Text Gewalt an; Ja es ſcheinet / es habe Chriſtus gleichſam in 3. Parabeln die Gutthaten der hoch-gebenedeyten Drey-Einigkeit unterſchiedlich erzehlen wollen. Jn der erſten von dem verlohrnen Schaaf ſtellet er ſich ſ[e]lbſten als den Hirten dar / welcher das verlohrne Schaaf geſucht / das gefundene auff die Achſel genommen / und wieder zu der Heerde getragen. Jn der andern Parabel leget er die Gut - that des H. Geiſtes vor / der den verlohrnen Groſchen durch Frau Eccle - ſiam wiederum ſuchet / das Liecht des Glaubens anzuͤndet / und das Hauß mit dem Buß-Baͤſen kehret. Jn der dritten deutet er ſonderlich an dieBarm -99Vom verlohrnen Sohn. Barmhertzigkeit ſeines himmliſchen Vaters / und habe deßwegen ſeiner als der mittlern Perſon ſonderlich nicht gedencken wollen.
Wann wir aber die Augen recht auffthun / und der Sache eigentlich recht und fleiſſig nachdencken / ſo befinden wir / daß / wie ſonſten die opera ad extra indiviſa & inexcluſa, die aͤuſſerlichen Werck in der Gottheit gemein ſeyn / und allen dreyen Perſonen koͤnnen beygelegt werden / alſo ge - ſchicht auch Chriſti / als des Mittlers / in unſerer Parabel genugſam Mel - dung / welches wir beweiſen 1. ex ore recitantis, dieweil er die Parabel ſelbſten erzehlet / der uns gemacht iſt / von Gott zur Weißheit / Gerechtig - keit / Heiligung und Erloͤſung / 1. Cor. 1. Gleichwie er der Hirt geweſen / der das verlohrne Schaaf geſucht / ſo iſt Er nun auch der Mittler / der den verlohrnen Sohn außgeſoͤhnet. 2. In vitulo ſaginato, in dem geſchlach - teten Kalb geſchicht ſeiner auch Meldung; dann ob zwar der Herr des gemaͤſteten Kalbs anderſt nicht gedenckt / als doni, einer Gab / (δώρου non λύτρου) ſo hat Er doch ſubintellectivè das Abſehen auff ſich ſelbſt / weil Er nicht nur das Speiß-Kalb / ſondern auch das Opffer-Kalb fuͤr uns ge - ſchlachtet iſt / der Antitypus und das Gegen-Bild aller Opffer-Kaͤlber im Alten Teſtament. 3. In fundamento reconciliationis, in dem Verſoͤhnungs-Grund. Dann wie E. L. heut acht Tag gehoͤrt / ſo verlaßt ſich der verlohrne Sohn auff zwey Fundamenten / ſeines Kindes - Recht / und den Vaters-Namen. Wir haben aber noch zwey mehr / nemlich GOttes Eyd und Himmel-feſte Verheiſſung / und den Mittler und Gnaden-Thron Chriſtum. Ja daß wir auffs Kinds-Recht und Vaters-Namen uns verlaſſen doͤrffen / das haben wir in Chriſto / Joh. 1. Dann wieviel Jhn auffnemmen / denen gibt Er Macht GOttes Kinder zu werden / die an ſeinen Namen glauben. Sonderlich aber erſcheinets 4. ex ſcopo parabolæ, auß dem Zweck der Parabel; Chriſtus wil uns ja lehren die Art unſerer Recht - fertigung und Verſoͤhnung mit Gott. Nun iſt ordinariè keine Ver - ſoͤhnung ohne Mittel-Mann; Soll Abſalon bey ſeinem Vater außgeſoͤh - net werden / ſo mußte Joab und das kluge Weib zu Thekoa das beſte thun / 2. Sam. 14. Alſo iſt GOttes Barmhertzigkeit zwar infinita, unendlich / aber temperata cum juſtitia, mit der Gerechtigkeit temperirt / welches wi - der die Photinianer wol zu mercken. Gehoͤret alſo Chriſtus in dieſes Spiel als der Mittler / Fuͤrſprech und Gnaden-Thron / durch welchen wir alle und der verlohrne Sohn verſoͤhnet worden.
Damit wir aber die Wort Pauli Rom. 3. und Hebr. 5. recht verſtehen moͤgen / muͤſſen wir nothwendig einen Blick thun ins Alte Teſtament /N ijund100Die Zwoͤlffte Predigtund zwar in c. 25. Exod. und Num. 7, 89. alwo der Gnaden-Stuhl be - ſchrieben wird / und unſere geiſtliche Appellations-Kunſt daſelbſt ſtudi - ren; Da wir zu beobachten
1. Subſtantiam & materiam, das Weſen und die Materi. Der Gnaden-Deckel des Alten Teſtaments war der Materi nach von feinem Gold / lamina aurea, ein Goldſtuck / an beyden Enden war ein Cherub / das iſt / ein Bild eines gefluͤgelten Juͤnglings / 2. Chron. 3 / 13. die ihre Fluͤgel oben her uͤber dem Gnaden-Stuhl gegen einan - der außbreiteten / und den Gnaden-Stuhl damit bedeckten / daß eines jeglichen Antlitz gegen dem andern ſtunde / und ihre Ant - litz ſolten auff den Gnaden-Stuhl ſehen. Waren alſo die Fluͤgel formirt wie ein Seſſel / Thron oder Wagen / 1. Chron. 29 / 18. darauff Gott geſeſſen / der Gnaden-Stuhl ſelbſt war der Fuß-Schemel / wie ab - zunemmen auß Pſalm. 99 / 1. 5. Der HErꝛ ſitzet auff dem Cherubim / betet an zu ſeinem Fuß-Schemmel; und Thren. 2 / 1. 2. Dadurch wird nun anders nichts bedeutet als Chriſtus / deſſen heilige und vollkom - mene Menſchheit aber durch den Deckel / in deren die Gottheit leib - hafftig wohnet / Col. 2. 2. Cor. 5 / 19. GOtt war in Chriſto / und verſoͤhnet die Welt mit ihm ſelber. Die Engel als dienſtbare Geiſter warten Jhm auff / und ſchauen mit Freuden in dieſes Ge - heimnuß / 1. Pet. 1 / 2. Sie bezeugen mit ihrer Gegenwart / daß durch Chriſtum Engel und Menſchen wieder mit einander verſoͤhnet / Col. 1 / 20. Es iſt alles durch Jhn verſoͤhnet zu Jhm ſelbſt / es ſey auff Erd - en oder im Himmel / ꝛc.
2. Figuram, Die Geſtalt und Form / Dritthalb Ehlen ſolte die Laͤnge / und anderhalb Ehlen die Breite ſeyn / nemlich ſo lang und breit / als ein Menſch ſeyn kan / nicht laͤnger oder breiter / wann derſelbe ſeine Hand außſtrecket / gleichſam nach dem Menſchen ab emeſſen / auff daß ſich der Menſch daran wieder abmeſſe / und die Haͤnde dagegen außſtrecke. Bedeutet gar ſchoͤn die am Creutz Chriſti außgedaͤhnte Arme / und juſti tiæ imputationem, daß die guldene Hetligkeit Chriſti uns ſoll applicirt / zugeeignet und zugemeſſen werden / maſſen uns Chriſtus gemacht iſt zur Weißheit / Gerechtigkeit / Heiligung und Erloͤſung 1. Cor. 1.
3. Officium / ſein Ampt / das war ins gemein mediatorium & imputatortum, das Mittler - und Verſoͤhnungs-Ampt. Der Gnaden-Deckel oder Gnaden-Stuhl lag gleichſam zwiſchen Himmel und Erden / zwiſchen dem Richter-Stuhl und dem Schwerdt / das zur Schlacht gewetzet iſt / Pſalm. 11. Gen. 3. zwiſchen dem Richter und demKlaͤger /101Vom verlohrnen Sohn. Klaͤger / der in der Bunds-Lade verborgen war / und wider uns zeugete. Wie aber ein Mittler und Verſoͤhner zwiſchen zwo Partheyen / wo eine rechte vollkommene Verſoͤhnung Platz hat / erſtlich fuͤr die Perſon ſtehet / daß ſie nicht geſehen werde; Zum andern dem Richter ins Schwerdt faͤl - let / und / wie gemeiniglich / der Friede machen wil / die beſten Stoͤße bekomt / und alsdann bittet / er wolle doch das Schwerdt einſtecken / und nicht ſo grimmig ſeyn. An Moſe haben wir etlicher maſſen ein Exempel / Exod. 32. Dann da Gott der Herr die ſchroͤckliche Abgoͤtterey Aarons und der Kinder Jſrael geſehen / iſt er ſehr erzuͤrnet worden / und ſprach zu Moſe: Laß mich / daß mein Zorn uͤber ſie ergrimme und ſie aufffreſſe. Aber Moſes faͤllet Jhm gleichſam in den Arm / ſtellet ſich fuͤr ſie alle dar / und ſpricht: Nun vergib ihnen ihre Suͤnde / wo nicht / ſo tilge mich auß deinem Buch / das du geſchrieben haſt. Er bittet fuͤr ſie flehentlich / und erweichet Gott dem Herrr das Hertz. Was Paulus zwiſchen Philemone und Oneſimo gethan / in dem er ſich auch als einen Schiedmann zwiſchen ſie hinein gelegt / und begehret / Philemon wolle ihm ſeines unnuͤtzen Knechtes Schaden / ſeinem Knecht aber die Gunſt und Gnade / die er bey ihm habe / zurechnen / laͤßt ſich gar fein auff vorha - bende materiam appliciren / wie uͤber das Evangelium am 6. Sontag nach Trin. gewieſen worden / Memor. p. 577. So muͤſſen wir uns auch einen armen Suͤnder einbilden / der in foro legali, vor dem Thron der Gerechtigkeit geſtanden / da vindicta, oder die Rache geruffen; Laß mich / daß ich mich raͤche / und den Ehren-Raub bezahlt mache. Aber Chriſtus der Gnaden-Stuhl ſtehet im Weg / 1. tegendo, mit zudecken / gleich - wie im Alten Teſtament der Gnaden-Stuhl operculum ein Deckel war / ſo unmittelbar auff der Lade des Bundes / darinnen das Zeugnuß ge - weßt / gelegen / coaptatum arcæ, nulla ex parte prominens, der ſich juſt auff die Lade ſchickte / und nirgends daruͤber hinauß gieng / wie Joſephus redet l. 3. antiq. c. 6. Er decket aber zu Erſtlich die Strahlen des Geſetzes; gleichwie Moſes ſein glaͤntzendes Angeſicht / das den Glantz und Feur-Spiegel des Geſetzes repræſentirte / welches unſere Suͤnde illumi - nirt / und ans Liecht ſtellet / mit einer Decke bedecket / alſo decket Chriſtus die verdammende verfluchende Strahlen des Geſetzes / fanget ſie auff / daß ſie uns nicht treffen. Darnach decket er zu Calendarium noſtrorum peccatorum memoriæ divinæ inſoriptorum, unſern GOtt wolbe - kanten Laſter-Calender und Suͤnden-Regiſter. Es iſt die Menſch - heit Chriſti in ſuo merito conſiderata, in ihrem Verdienſt gleichſam operculum divinitatis, wie Theophyl. redet / ſie bedecket unſere Suͤnden -N iijFlecken /102Die Zwoͤlffte PredigtFlecken / Geſtanck und abſcheulichen Anblick vor Gott / er iſt gleichſam die Decke GOttes / als des verzehrenden Feurs / Pſ. 32. Rom. 4. 2. Pla - cando, mit Verſoͤhnen / wird deßwegen außtrucklich ἱλαςήριον genen - net / Hebr. 9 / 5. aber in ſanguine victimali, in dem Opffer-Blut / dann der Gnaden-Stuhl mußte vom Hohenprieſter mit Opffer-Blut be - ſprenget werden ſiebenmal / Lev. 16 / 14. Dahin er auch ſein Abſehen hatte / und wer nach dem Gnaden-Stul ſich wenden wolte / der mußte zuvor opf - fern; Alſo iſt Chriſtus auch als ein Gnaden-Stuhl von Gott fuͤrgeſtel - let worden in ſeinem Blut / mit welchem er einmal in das Allerheiligſte eingegangen / und eine ewige Erloͤſung erfunden / dieweil unmuͤglich / daß ohne Blutvergieſſen ſolten die Suͤnden vergeben werden / Rom. 3. Hebr. 9. darum mußte er ſein Rantzion-Blut dargeben. 3. Intercedendo. mit Fuͤrbitt / Gott der Herr ſpricht: Von dem Ort wil ich dir zeu - gen / und mit dir reden / nemlich von dem Gnaden-Stuhl zwi - ſchen den zween Cherubim / der auff der Laden des Zeugnuß iſt / alles was ich dir gebieten wil an die Kinder Jſrael. Exod. 25. Das war GOttes oraculum, da Er nicht nur predigen / ſondern auch Gebet erhoͤren wollen. Wann die Lade zog / ſprach Moſe: HErꝛ / ſtehe auff / laß deine Feinde zerſtreuet / und die dich haſſen / fluͤch - tig werden fuͤr dir. Und wann ſie ruhete / ſprach er: Komme wieder HErꝛ zu der Menge der Tauſenden Jſrael / Num. 10. Salomo bittet 1. Reg. 8. GOtt wolle das Flehen und Gebet derer / die gegen dem Weg zur Stadt / die er erwehlet / und zum Hauſe / das er ſeinem Namen gebauet / beten werden / erhoͤren vom Himmel / vom Sitz ſeiner Wohnung / und ihnen Recht ſchaf - fen. Durch den Gnaden-Stuhl iſt all ihr Gebet erhoͤrlich angefangen worden / wie zu ſehen auß Pſ. 99. und auß der Ubung der Jaͤhrlichen Wallfarthen nach dem Tempel / und an den Exempeln warzunehmen / ſonderlich derer / die im Gefaͤngnuß waren / als Daniels / der oben an ſeinem Sommer-Hauß offene Fenſter gen Jeruſalem hatte / und daſelbſt taͤglich betete / Dan. 6, 10. Alſo iſt auch Chriſtus unſer Fuͤrſprech / der uns bey Gott vertritt / und mit ſeinem Blut verſoͤhnet / 1. Joh. 2. Rom. 8. Hebr. 9. So verſtehet E. L. was Paulus mit dem Gnaden-Stuhl meyne / was er ſeye / durch was fuͤr einen Mittler und Fuͤrſprech wir fuͤr GOttes Angeſicht tretten im Glauben / Gebet / und deſſen gnaͤdige Erhoͤrung erlangen.
So wiſſen und haben wir auch unſern Gnaden-Thron JEſum Chriſtum. Es mache ſich ja niemand an den bloſen Gott / dann er iſtein103Vom verlohrnen Sohn. ein verzehrendes Feur / darinnen die Muͤcklein ſich verbrennen: Er hat ſein Schwerdt gewetzet / und ſeinen Bogen geſpannet / und darauff gelegt toͤdliche Geſchoß gegen die Suͤnder / ſo boͤſes im Sinn haben / Pſalm. 11. Man ſihets etlicher maſſen / an ſchweren groſſen Wettern / wie ſchwer und ſchroͤcklich GOttes Zorn ſeye. Das iſt nur ein kleines Bild deſſelben / und der Menſch weiß dabey nicht wo er hinauß ſoll / wie wird es dann de - nen ergehen / die ohne Mittler fuͤr Gott kommen wollen? Nun Chriſtus iſt unſer Gnaden-Stuhl / welchen 1. Gott ſelbſt neben den Thron ſeiner Gerechtigkeit geſetzet hat / und ſeinen Zorn daruͤber fahren laͤßt. 2. Jſt es thronus apertus, ein offentlicher Gnaden-Stuhl / dann Gott hat ihn geſetzet oder fuͤrgeſtellet / Rom. 3. Er ſtehet nicht mehr hinter dem Fuͤrhang und Fuͤrbildern / ſondern wir haben nunmehr alle / nicht nur der Hoheprieſter / einen Zugang und Zutritt zu Jhm. 3. Jſt er thronus ve - rus, ein warhafftiger / nicht eingebildeter falſcher Gnaden-Stuhl / nicht wie die Kaͤlber zu Bethel und Dan. Wir laſſen den Heyden ihre ſtum - me Goͤtzen / denen ſie nachlauffen; den Juden ihre Wallfarthen / denen ſie wie eine Camelin in der Brunſt nachlauffen / Jer. 2 / 24. Den Tuͤrcken ihres Mahomets Grab zu Mecha; Die Papiſten laſſen wir lauffen zum H. Grab / nach Compoſtel / Loretto / Einſidel / ꝛc. Wir bleiben an Chriſto / ſo fehlet es uns nicht. 4. Thronus omniſcius & omnipræſens, ein allgegenwaͤrtiger und allwiſſender Gnaden-Stuhl / nicht nur zu Samaria / oder Jeruſalem / ſondern allenthalben / wo man Jhn im Geiſt und in der Warheit anbetet / Joh. 4. Zwiſchen Gott und allen Menſch - en / 1. Tim 2. 5. Thronus unicus, ein einiger / alleiniger Gnaden - Thron / ſtellet man ihm Dagon oder einen andern an die Seite / ſo wird er zu Schanden / 1. Sam. 4. 6. Thronus mediatorius, tectorius, pla atorius, oratorius, ein Mittler-Schutz-Verſoͤhn - und Bet - Thron / dabey man der Goͤttlichen Fuͤrbitt / Schutzes / Gnade und Er - hoͤrung gewiß verſichert iſt. Dahin laßt uns nun fliehen / und mit Paulo ſprechen; ich beruffe mich darauff / der iſt uͤber den Kayſer. Wann von oben her der Zorn GOttes / innerhalb das verletzte Gewiſſen wuͤtet / ſo laßt uns dahin ſehen / auff dieſem Thron reichet Gott ſeinen guͤldenen Abſolutions-Scepter gegen uns / da finden wir den rechten Mitt - ler und Fuͤrſprech / zu dem laßt uns mit der Chriſtlichen Kirchen ruffen:
Und:104Die Zwoͤlffte PredigtAllein zu dir HErꝛ JEſu Chriſt /Mein Hoffnung ſteht auff Erden /Jch weiß / daß du mein Heyland biſt /Kein Troſt mag mir ſonſt werden / ꝛc.
Und:
HErꝛ JEſu Chriſt du hoͤchſtes Gut /Du Brunnquell aller Gnaden /Sieh doch wie ich in meinem MuthMit Schmertzen bin beladen /Und in mir hab der Pfeile viel /Die im Gewiſſen ohne Ziel /Mich armen Suͤnder druͤcken.Erbarm dich mein in ſolcher Laſt /Nim̃ ſie auß meinem Hertzen /Dieweil du ſie gebuͤſſet haſt /Am Creutz mit Todes-Schmertzen /Auff daß ich nicht in groſſem WehJn meinen Suͤnden untergeh /Noch ewiglich verzage.
Hinauß nun / ihr unglaubige Philiſtaͤer / euch bekomt dieſer Gnaden - Stuhl / wie dem Hund das Graß / 1. Sam. 5. Hinauß ihr Widerſpenſtige und Halsſtarrige / die ihr in euern Hertzen ſaget / wir wollen nicht / daß dieſer uͤber uns herꝛſche; Wiſſet ihr nicht / daß er ſanfftmuͤtig iſt / Matth. 11. Hinauß mit euch / ihr Werckheilige und Verdienſtler / die ihr wie die Kin - der Jſrael 1. Sam. 4. euch geſchickt und wuͤrdig genug achtet / ohne dieſen Gnaden-Thron alles wol außmachen. Aber hieher alle rechtſchaffene bußfertige und glaubige Suͤnder / trettet hieher mit aller Freudigkeit zu dieſem Gnaden-Stuhl / auff daß ihr Barmhertzigkeit em - pfahet und Gnade findet / auff die Zeit / wann euch Huͤlffe noth ſeyn wird. Hebr. 5. O ſelig iſt der Mann / dem die Suͤnde alſo bedecket iſt / Pſalm 32. Geſegnet werdet ihr ſeyn / wie das Hauſe Obed - Edom / 1. Sam. 6, 11. der allerley geiſtliche Segen in himmliſchen Guͤtern iſt uͤber euch / Epheſ. 1. Die Goͤttliche Gnaden-Wahl / Kindſchafft / Erloͤß - ung / und Vergebung der Suͤnden / das Pfand des H. Geiſtes: Sum - ma / die ewige Seligkeit. Nun
Uns ſegne Vater und der Sohn /Uns ſegne GOtt der H. Geiſt /Dem alle Welt die Ehre thut /Fuͤr Jhm ſich foͤrchte allermeiſt /Nun ſprecht von Hertzen / Amen.
WAs koͤnte / Geliebte in Chriſto / troͤſtlichers geſagt wer - den / was haͤtte Chriſtus ſeinen Juͤngern fuͤr eine ſchoͤnere Letze hinterlaſſen koͤnnen / als daß er eben dazumal / da Er in procinctu geſtanden / und auff dem Wege war / ſeinen Blut - und Creutz-Gang fuͤrzunehmen / und alſo in ſeine Herꝛligkeit eingehen wolte / geſagt / Joh. 14. Jch bin der Weg / die Warheit und das Leben. Dann als der Herr kurtz zuvor geſagt: Wo ich hingehe / das wiſſet ihr / und den Weg wiſ - ſet ihr auch; und aber Thomas daruͤber geſtutzt / und geſagt: HErꝛ / wir wiſſen nicht / wo du hingeheſt / und wie koͤnnen wir den Weg wiſſen / ſo ſagt Er: Jch bin der Weg die Warheit und das Leben. Der wahre lebendige und lebendig-machende Weg und Wegweiſer / ja der terminus ſelbs mit meinem Exempel / die Warheit in meinen Verheiſ - ſungen / und das Leben in meinem Verdienſt.
I. Ego ſum via, Jch bin der Weg; ey wie der Weg? ſagt er doch kurtz zuvor / und hernach / Er gehe zum Vater? Er ſeye der Viator oder Wandersmann / und Prodromus, der Vorgaͤnger? Antwort: Gleich - wie Er ſonſt iſt der Prieſter und das Opffer / der Wuͤrth und die Speiß / in ſeinem Sacrament zugleich / alſo iſt Er auch der Wandersmann und der Weg. Und zwar via ſola, allein / dann niemand kom̃t zum Vater ohne durch ihn. Was martern ſich doch die Leute im Pabſt - thum / daß ſie andere Wege ſuchen / Kloſter-Geluͤbde / Wallfarthen / An - ruffung der Heiligen / koſtbare Reißen / ꝛc. Gleichwie Pharao ſeine Leute allein zu Joſeph gewieſen / zu dem gehet / alſo ſollen und muͤſſen arme Suͤnder allein zu Chriſto gewieſen werden. 2. Ego ſum via vera, Jch bin der wahre Weg / nicht nur / in oppoſitione viæ præfiguratæ, im Gegenſatz auff die fuͤrgebildete Wege / zum Exempel der Jacobs - Letter / die Chriſtus clar auff ſich gezogen / als durch welchen wir hinauff zu GOtt ſteigen / und Gott zu uns mit ſeinen H. Engeln herab komt / durch welchen Gott und Menſchen / Himmel und Erden vereiniget wer - den; ſondern auch viæ falſæ, des falſchen Lugen-Wegs / wer von ihm weicht / der gerath auff Holtz-Wege / und tappet in der Jrre. Chriſtus iſt der Weißheits-Weg / Sap. 4, 11. der uns gemacht iſt zur Weißheit /Zehender Theil. O1. Cor.106Die Dreyzehende Predigt1. Cor. 1. Viæ nebuloſæ & lubricæ, eines nebelichten / finſtern und ſchluͤpfferigen Wegs / darauff man Hals und Bein abfallen kan; Chriſtus iſt via lucida & ſerena, ein ſchoͤner / heller / wolgebahnter Weg / wie die Wolcken-Saͤule in der Wuͤſten den Kindern Jſrael ein Weg-Liecht geweſen / alſo iſts auch Chriſtus mit ſeiner Lehr und Exempel allen Glaubigen. 3. Ego ſum via viva, vivifica, Jch bin der leben - dige / lebendig-machende Lebens - und Heyl-Weg / Act. 16, 17. dann Er iſt unſer Heyl / Eſa. 49 / 6. Via meritoria, regia, vitæ col - latoria, & Paradiſi reparatrix, Er iſt der verdienſtliche Lebens - und Paradiß-Weg / davon die Epiſtel an die Hebraͤer redet / cap. 10 / 19. So wir dann nun haben / lieben Bruͤder / die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige / durch das Blut Jeſu / welchen Er uns zubereitet hat / zum neuen und lebendigen Weg / durch den Vor - hang / das iſt / durch ſein Fleiſch. So laſſet uns hinzu gehen / mit warhafftigem Hertzen / in voͤlligem Glauben / beſprengt in unſern Hertzen / und loß von dem boͤſen Gewiſſen. Jſt eine Gleichnuß genommen vom Hohenprieſterlichen Eingang durch das neu - vergoſſene Blut in das Allerheiligſte; Gleichwie man den Gang des Hohen-Prieſters an den Bluts-Tropffen ſpuͤren koͤnnen / daß er hinein gegangen in das Allerheiligſte; alſo auch wir an dem Blut JEſu Chriſti / und ſollen uns daruͤber freuen / mehr als jene im Alten Teſtament.
Jſt demnach der Weg / den alle arme bußfertige Suͤnder gehen ſol - len / zum Gnaden-Thron / und von dannen zum Vater. Gleichwie Er der Prodromus, Fuͤrlaͤuffer / durch ſeinen Blut-Gang zum Vater ge - gangen meritoriè, verdienſtlicher Weiſe / ſo ſollen wir Jhme nachgehen auff dem Weg und Gang des Glaubens / als deſſen Geheimnuß wie in andern Stellen H. Schrifft einem Aug / Geſchmack / Geruch / Gehoͤr / Er - greiffung / Kuß / Eſſen / Trincken / ꝛc. alſo auch einem Fuß-Pfad und Gang verglichen wird / Hebr. 11 / 1. der Glaub iſt ὑπόςασις, ein feſter Stand / einer Zukunfft zu Gott / v. 6. Wer zu GOtt kommen wil / der muß glauben. Durch Chriſtum haben wir Freudigkeit und Zugang in aller Zuverſicht durch den Glauben an Jhn / Rom. 5 / 2. Eph. 3 / 12. Und in ſolcher Gleichnuß wird uns auch in vorha - bender Parabel das Geheimnuß des Glaubens praͤſentirt in denen Wort - en / und er machte ſich auff / und kam zu ſeinem Vater. Wann wir nun biß dato in actu primo ihn beſehen Filium prodigum peccato - rem, als einen reuenden Buͤſſer / wie hertzlich / ernſtlich / und willig er Buße gethan / nicht auß Zwang oder Mangel der Mittel / wie heutigesTages107Vom verlohrnen Sohn. Tages ein mancher nicht mehr ſaufft / weil er die Mittel nicht mehr hat; nicht mehr geitzet / weil die inſtrumenta zerſtoben. Das naͤchſte mal aber das conſilium appellationis, den gefaßten Rath zu appelliren geendet / und biß auff den Gnaden-Thron Chriſtum gekommen ſeind / den wir ge - funden in ore, in vitulo, in parabolæ ſcopo, & reconciliationis funda - mento, darauff unſer Kindes-Recht und die Zuverſicht des Vater - Hertzens beſtehet; ſo erzeiget er ſich jetzt in idea viæ, auff dem Weg zu ſeinem Vater / wie allbereit angefuͤhret worden / ligt nur daran / daß wir dieſen Weg des Glaubens recht tretten / gehen / wandern / lauffen / und ankommen / und folgends im dritten actu abſolutionis unſere Perſon auch recht vertretten. Nun Chriſtus JEſus unſer einige / wahre und lebendige Lebens-Weg / verleihe Geiſt und Gnade / von dem ſeligen Glaubens-Weg aufferbaulich zu reden / damit wir auff demſelben ler - nen moͤgen ſein Ende / der Seelen Seligkeit / zu erreichen / Amen.
SO lauten nun / Geliebte im Herrn / unſere Wort alſo: Und er machte ſich auff und kam zu ſeinem Vater. Seind verba terminantia & initiantia, Schluß - und Anfangs - Wort / und moͤgen deßwegen ſo wol zum erſten als andern Haupt-Stuck der Parabel gezogen werden. Es werden uns aber darinnen die gradus des ſeligmachenden Glaubens gar artig adumbrirt und entworffen / und zwar 1. Ανάςασις καταληϖτικὴ καὶ ἐλϖιςικὴ, die freudige / Hoffnung - volle Aufferſtehung: Dann nachdem er den Suͤnden-Laſt von ſich abgelegt / und Chriſto dem Gnaden-Thron auff gebunden / ſtund er auff gleichſam als ein Todter oder Lahmer / oder als einer / der von einer groſ - ſen Laſt zur Erden geſchlagen worden / einen Stab ergreifft / und ſich dar - mit auffrichtet. Ein leiblich todter Menſch / wann er wieder erwachen ſoll / thut zu erſt die Augen auff / ſchnappet nach der Lufft / darnach richtet er ſich auff die Fuͤſſe / Ezech. 37. Alſo ein geiſtlich todter ſiehet zu erſt das Liecht der ſeligmachenden Erkantnuß / darnach ſchnappet er nach der aura gratiæ, nach dem erfriſchenden Gnaden-Lufft / und richtet ſich im Glauben auff / und das iſt ἀναςασις prima, die erſte Aufferſtehung. Ein lahmer Krippel muß fremde Huͤlffe haben / ſoll er fortkommen / wie auß Act. 3, 7. zu ſehen / als Petrus den lahmen Menſchen bey der Hand ergriffen / und auffgerichtet / da ſprang er auff / und ſeine Schenckel und Knoͤchel ſtun - den feſt. Alſo auch / wen Gott durch ſeinen Geiſt ziehet / der haltet ſich an die Verheiſſungen / und ergreifft dieſelbe per κατάληψ〈…〉〈…〉, durch eine glaubige Auffnahm / Joh 1. Hebr. 13. er kuͤſſet die Geb-Hand GOttes / undO ijlaßt108Die Dreyzehende Predigtlaßt ſie nimmer gehen. Ein zu Boden geſchlagener Laſt-Traͤger muß entweder den Laſt von ſich werffen / oder nach einem Stock greiffen / da - ran er ſich auffrichtet. So macht es ein glaubiger Menſch / er wirfft den Suͤnden-Laſt von ſich / und greiffet nach dem Stab der Grund-Himmel - und Eyd-feſten Verheiſſungen GOttes / den ihm der H. Geiſt darreichet. Darauß wachſet die Hoffnung / die nicht laßt zu Schanden werden. Gleichwie Saulus / ſo bald er die Stimme gehoͤret / ſtehe auff / ſich auff - gerichtet / Act. 9. Gott der Herr entdeckt uns ſein gantzes Hertz / auß welchem Er ſeines Hertzens Crone und Wonne uns geſchencket / wie ſolte Er mit ſeinem lieben Sohn uns nicht zugleich alles mit ſchencken. Er reichet uns die Hand vom Himmel / da klettert dann ein armer gefallener und nidergeſchlagener Suͤnder / an dem Gnaden-Thron Chriſto JEſu hinauff / biß er ſie erreichet. Es bleibet dabey / was / und wie Chriſtus ſaget / Joh. 6. Niemand kommet zu mir / es ſey dann / daß ihn der Vater ziehe. Der einige Spruch / daran ſich Paulus der Chriſten - Moͤrder gehalten / kan nicht mit Gold bezahlet werden / und wann die Welt voll guldener Berge waͤr; er iſt aber uns vielmehr geſchrieben / und nicht ihm / zum Exempel / denen die an Chriſtum glauben ſollen / wann er 1. Tim. 1. ſpricht: das iſt je gewißlich wahr / λόγος πάσης ἀϖοδοχῆς ἄξιος, gewiſſer als aller Menſchen / ja als GOttes Wort / als das Ge - ſetz / ein Himmel - und Eyd-feſtes Wort / daß JEſus Chriſtus / als unſer Mittler / Buͤſſer zu unſerer Gerechtigkeit / in die Welt kommen iſt / die Suͤnder / nicht die Gerechten / ſelig zu machen. 1. Reg. 1. leſen wir die ſchoͤne Hiſtori: Nachdem Salomo auff den Koͤniglichen Stuhl an ſeines Vaters ſtatt geſetzet worden / Adonia aber ſeiner argliſtigen Pra - cticken und Auffruhr halber ihme uͤbel bewußt / weil er ſich ſelbſt zum Koͤ - nig gemacht / den Tod fuͤr Augen geſehen / ſo machte er ſich auff / gieng hin / und faſſete die Hoͤrner des Altars / appellirte an ſeinen Bruder Salo - mon / und ſpricht: der Koͤnig ſchwoͤre mir / daß er ſeinen Knecht nicht toͤdte mit dem Schwerdt. Salomo laßt ihm ſagen: wird er Ben Chail, filius fortitudinis, redlich ſeyn / ſo ſoll kein Haar von ihm auff die Erden fallen. Alſo ſollen wir auch / die wir uns alle nichts guts bewußt / den Gnaden-Thron Chriſtum ergreiffen / als unſere Freyheit / damit wir nicht in dem ſtrengen Malefitz-Gericht GOttes verdamt werden / wir ſollen Bene Chail, ſtarcke Helden im Glauben und guter Zuverſicht ſeyn / ſo wird die Loßſprechung erfolgen.
2. Ὑϖόϛασις ἀσάλευτος, ἀγκυρικὴ, ἀντιϛατικὴ, ἰσχυρὰ, ϑαῤῥοϖοιητικὴ, καυχητικὴ, die unbewegliche / unumſtoßliche / feſte / getroſte undruͤhmen -109Vom verlohrnen Sohn. ruͤhmende Stand-Feſte. Der verlohrne Sohn ſtehet feſt / halt ſich an ſeinen Stab / und unter deſſelben Gleichnuß / an ſein Kindes-Recht / und Vaters-Namen. Er widerſtehet allen ungleichen Gedancken / wancket nicht / iſt ſtockfeſt in ſeinem Hertzen / ja ruͤhmet ſich noch und ſpricht: ich weiß / es wird meine fuͤrhabende Reiß wol abgehen. Das iſt die ὑϖόςασις fidei ſalvificæ, Hebr. 11. die Standfeſte des ſeligmachenden Glaubens / da der Menſch / wann er ſich an den Goͤttlichen Verheiſſungen da Gott verſprochen / Er begehre nicht den Tod des Suͤnders / ꝛc. Chri - ſtus iſt in die Welt kommen / die armen Suͤnder ſelig zu mach - en / und der H. Geiſt das Pfand unſers Erbes unſere Hertzen verſiegelt / auffgericht und daran haͤlt / feſt ſtehet / wie dorten der lahme Menſch / Act. 3, 7. als ein Schiff an einem Ancker. Gleichwie daſſelbe / wann es mit Wellen umfangen / feſt ſtehet an dem Ancker / der in den Abgrund des Meers verſencket iſt; alſo verſencket ſich der Glaube in den Abgrund des Meers Goͤttlicher Barmhertzigkeit / daran ſich des glaubigen Menſchen Hertz feſt und unbeweglich haͤlt / wie Abrahams Hertz feſt geweßt / Sap. 10, 5. Er faſſet ein Hertz / wann der Herr ſagt: Jn der Welt habt ihr Angſt / aber ϑαρσει῀τε, ſeyd getroſt / ich habe die Welt uͤberwun - den / ſo erzeiget ſich ϑάρσος, eine feſte Staͤrcke und Zuverſicht / Joh. 17, ult. Ja wir ruͤhmen uns der Hoffnung der zukuͤnfftigen Herꝛligkeit / die Gott geben ſoll / Rom. 5 / 2. des ſchoͤnen Erbes / das uns beygeleget iſt im Himmel / und ſagen Rom. 8. Wer wil mich beſchuldigen? mein Gewiſſen nicht / dann das iſt ja gereiniget durch das Blut Chriſti / Hebr. 9 / 4. Die Goͤttliche Gerechtigkeit nicht / dann ſie iſt durch Chriſtum auß - geſoͤhnet / und ihr fuͤr mich ein uͤberguͤltiges Genuͤgen geſchehen. Der Satan auch nicht / ja laͤſtern kan er wol / aber mich nichts beſchuldigen / er muß vom Recht ſchweigen. Wer wil mich verdammen? Das Geſetz nicht / dann es iſt durch Chriſtum an meine ſtatt erfuͤllet; Der Richter nicht / dann Chriſtus hat mich bey ihm vertretten und außgebet - ten. Wer wil mich dann ſcheiden von der Liebe GOttes die da iſt in Chriſto JEſu? Gar nichts / weder Truͤbſal / noch Angſt / weder Verfolgung / weder Tod noch Leben / ꝛc.
3. Πόρ〈…〉〈…〉 υσις ἀϖοςατικὴ, ſeine fortgeſetzte Reiſe / er ſihet nicht zu - ruck / wie Loths Weib / nach den Wolluͤſten / nach den Traͤbern / als die ihm zimlich verſaͤuert worden. War πόρ〈…〉〈…〉 υσις κατερητικὴ, eine Glaub-feſte Reiß / wie Moſis / Hebr. 11 / 27. Er gehet σϖουδαίως, ſeinen Weg ſtracks fort; ἀκλινῶς, unabgewandt / er warff ſein Vertrauen nicht weg / Hebr. 10 / 35. Laͤßt ſich nicht irꝛ machen / weder zur Rechten noch zur Lincken / obO iijer110Die Dreyzehende Predigter ſchon arm / blutt und bloß / und manches ſtuͤck Brod unterwegs heiſchen muͤſſen / ob es ſchon auff ihn geſchneyet und geregnet / und boͤſe Geſell - ſchafften unterwegs ſich befunden / die ihn in ihre Compagnie und Karten - Spiel ziehen wollen / ſo laßt er ſich doch nicht erſchroͤcken / wandert fort / nahet je laͤnger je naͤher an ſeine Heimath / es mag auch der curſ〈…〉〈…〉 s dazu gekommen ſeyn / daß er geloffen / und ſich ſelbs uͤber Macht getrieben / da - mit er nur bald heim kaͤme. Wann ihm ſchon ein Dornen in den Fuß kommen / achtete er es nicht / und gieng immer fort. Er zog zwar / wie vermuthlich / zu Pferd auß / aber / leider / zu Fuß wieder heim. Auff gleiche weiſe laufft ein mancher dem Teuffel ſporenſtreich zu / aber der Weg zur Seligkeit komt uns kuͤmmerlich und bitter ſaur an / und heiſſet / der ſchmale Weg iſt Truͤbſal voll / den ich zum Himmel wandern ſoll. Aber laßt nur unſern Glauben geartet ſeyn / wie des verlohrnen Sohns / laſ - ſet uns nur abtretten von der Ungerechtigkeit / wer den Namen Chriſti nennet / ἕκαςος ἀϖοςήτω, ein jeglicher trette davon ab / 2. Tim. 2 / 19. Wie Paulus gethan Phil. 3 / 13. Jch vergeſſe was da - hinten / und ſtrecke mich nach dem / das da fornen iſt. Er gedencket / es iſt boͤß genug / daß ich die vorige Zeit in Unbußfertigkeit und wuͤſtem Suͤnden-Leben zugebracht / nun iſt es auch einmal Zeit umzukehren / und Buße zu thun. So muß ein geiſtlicher Wandersmann je laͤnger je mehr ſeinem himmliſchen Vaterland zugehen / in allerhand Ubungen des Glaubens zunemmen / durch Erkanntnuß / Verlangen und Nachforſchen / in dem himmliſchen Reiß-Buch nachfragen / wo der Weg hinauß gehet. Durch geiſtliche Ritterſchafft im Gebet und Gedult / zur Rechten und zur Lincken / zwiſchen der Freyheit und Verzweifflung durchgehen / wie ein Seyl-Taͤntzer im Gewicht und Waag ſtehen; Er muß allezeit bey ſich recolligiren und wiederholen die oben angezeigte Fundamenten / das Kindes-Recht / Vater-Hertz / theuren Verheiſſungen GOttes / den Gna - den-Thron / der da iſt der Weg und das Leben / Chriſtum JEſum. Ja er muß jagen nach dem fuͤrgeſteckten Kleinod / wie ein durſtiger und lechzen - der Hirſch / der in der Brunſt lauffet; Wie ein Hirſch ſchreyet nach friſchem Waſſer / ſo ſchreyet meine Seele GOtt zu dir / ꝛc. Pſalm. 42.
4. Προσ〈…〉〈…〉 λευσις πληροφορικὴ〈…〉〈…〉 παῤῥησιαςικὴ, die erfreuliche und Freuden-volle Ankunfft. Da er noch ferne war / ſahe ihn ſein Va - ter / und er zweiffels frey ihn auch / je naͤher er zu ihm gekommen / je mehr brandte das Hertz gegen ihm / und je mehr lauffet er; es war eine voͤllige πληροφορία da / er ſchiffete gleichſam mit vollen Seglen auff ihn zu; es warda111Vom verlohrnen Sohn. da die παῤῥησία, und Freymuͤndigkeit / er gedachte; jetzt wil ich mein Hertz außſchuͤtten / und alles ſagen / wie mirs um das Hertz ſeye: Vater / ich habe geſuͤndiget im Himmel und fuͤr dir / ꝛc. Eben alſo ſoll es auch bey uns ſeyn / je aͤlter wir werden / je mehr wir ſollen zunemmen in un - ſerm Chriſtenthum / je mehr uns ſtrecken / nahen / wann uns Gott noch von ferne ſiehet / wanns zum Hauſe des Herrn gehet / daß wir mit David ſagen auß dem 122. Pſalm. v. 1. Jch freue mich deß / das mir geredt iſt / daß wir werden ins Hauß des HErꝛn gehen. Sonderlich aber / wanns an den Port des Lebens gehet / da ſoll Freude ſeyn / wie auff einem gluͤcklich anfahrenden Schiff / mit vollen Segeln anzulenden in den inſulis fortunatis des ewigen Lebens / da ſoll die παῤῥησία im Gebet er - ſchallen:
Mit Fried und Freud ich fahr dahin /Nach GOttes Willen /Getroſt iſt mir mein Hertz und Sinn /Sanfft und ſtille /Wie GOtt mir verheiſſen hat /Der Tod iſt mein Schlaff worden.
Es iſt ja der Tod doch nichts anders / als ein ἔξοδος und ε〈…〉〈…〉 σοδος, ein Außgang auß dieſem Leben / und ein Eingang / ein Lauff und Sprung zum Vater ins himmliſche Paradiß.
Das iſt nun / M. L. der ſeligmachende Glaube / nicht ein Traum / Einbildung / ſchema, ſondern eine Goͤttliche Bewegung / und ε〈…〉〈…〉 οδος, Hingang und Eingang zu Gott. Es wird der Glaube nicht vergebens vom H. Geiſt in vielen Figuren und Gleichnuſſen beſchrieben / auff daß / wer es nicht in einem verſtehet / in der andern faſſe. Auß dem holdſeligen Gleichnuß unſers Texts lernen wir auch die Natur des ſeligmachenden Glaubens / ſo richtet er ſich auff / ſo wachſet er / ſo laͤndet er an / das iſt ſeine Art / und ſo ſtehet er in circo juſtificationis, in dem Handel der Rechtfer - tigung / wider alle Anklag / wie wir auß dem Bilde des verlohrnen Sohns abzunemmen. Er ſpricht getroſt: Wer wil die (mich) Außerwehl - ten GOttes beſchuldigen? GOtt iſt hie / der gerecht machet; Wer wil ſie (mich) verdammen? Chriſtus iſt hie der geſtorben iſt / ꝛc. Er fordert Teuffel / Hoͤll / Welt / und alles herauß / und ſagt: Hie iſt der Gnaden-Thron / Trutz dem / der mir da etwas ſolte oder wolte abgewinnen. Eben alſo gehet der Glaub auch fort auff dem Weg / den Chriſtus mit ſeinem Blut conſecrirt / ins Allerheiligſte zum Gnaden -Thron /112Die Dreyzehende PredigtThron / Chriſto JEſu / und ſpricht mit St. Paulo: Wir werden ohne Verdienſt gerecht / auß der Gnade GOttes / durch die Erloͤß - ung / ſo durch JEſum Chriſtum geſchehen iſt / welchen GOtt hat fuͤrgeſtellet zu einem Gnaden-Stuhl durch den Glauben in ſeinem Blut. Alſo machet der Glaube auch ſelig / nicht meritoriè, verdienſtlicher weiſe / ſondern organicè, als ein Mittel und Werckzeug. So wenig der Gang des verlohrnen Sohns die Huld ſeines Vaters ver - dienet / ſondern nur das Mittel dazu war; eben ſo wenig verdienen wir mit unſerm Glauben / daß uns Gott gnaͤdig ſeyn muß. Das iſt der ſola fides, der allein ſeligmachende Glaube / davon das Papſtthum nichts wiſſen noch hoͤren wil / machet auß der ignorantia, auß der thum - men unverantwortlichen Unwiſſenheit ein Heiligthum / eine heilige Gott wolgefaͤllige Einfalt / confundiren die fiduciam das glaubige Vertrauen mit der ſpe und Chriſtlichen Hoffnung. Die es ihnen hierinnen begeh - ren nachzuthun / die wird ihre Unwiſſenheit gar nicht entſchuldigen.
Das iſt die geiſtliche Pilgrims-Kunſt / ligt nur an der praxi und Ubung / daß wir demſelben begehren nachzuarten. Wolte Gott / daß / wie lieblich dieſes Geheimnuß in der Schrifft uns vorgetragen / und wie freundlich / wie ernſtlich wir darzu vermahnet werden / wir auch einen gleichen Eyffer / demſelben nicht zu widerſtreben / bey uns ſehen lieſſen. Soll uns demnach dienen zur Nachfolge / ςήκετε τῇ ϖίςει, γρηγορει῀ - τε, &c. Wachet / ſtehet im Glauben / ſeyd mannlich und ſeyd ſtarck / 1. Cor. 16, 13. 2. Cor. 1, 24. ruͤhmet Paulus die Corinthier / daß ſie im Glauben ſtehen / und darum begehre er kein Herꝛ uͤber ſie zu ſeyn / ſondern ein Gehuͤlffe ihrer Freude. Wir ſol - len in unſerer Pilgrim - und Wanderſchafft jederzeit und allenthalben einkehren zur heiligen Hoſtia, und zum rothen Blut. Zur Warnung aber ſoll es dienen allen / die ſich verſaͤumen / und auff dieſer Reiße dahin - den bleiben / welchen Gott geſchworen / ſie ſollen nicht zu ſeiner Ruhe kommen; als da ſeind 1. onere peccati adhuc preſſi, die noch in Suͤnden todte und von dem Suͤnden-Laſt getruckte Menſchen / die nicht ablegen die Suͤnde / ſo ihnen anklebet / und ſie traͤge macht / und ſie verhindert zu lauffen / durch Gedult in dem Kampff / der ihnen verordnet iſt / Hebr. 12, 1. Dann wo dieſe depoſitio nicht iſt / da iſt kein Glaube. Die nicht abtretten von der Ungerechtigkeit / 2. Tim. 2. 2. Falſo fundamento nixi, die ihrer Sachen nicht gewiß ſeynd / ſich halten an einen ſchwachen Rohr-Stab ihres ei - genen Verdienſtes / gehen auff das ſchluͤpffrige / und ſincken endlichdaruͤber113Vom verlohrnen Sohn. daruͤber zu Boden / wie die Waghaͤlſe / die ſich auff das glatte Eyß wagen / endlich aber ein Bein brechen / oder unterſincken. 3. Cadentes, die einen Suͤnden-Sturtz nach dem andern thun / apoſtatæ fidei & vitæ, die am Glauben und Leben Schiffbruch leiden / wie die abgoͤttiſche Jſraeliten in der Wuͤſten / welche noch auff dem Weg dem gelobten Land und edlen Canaan zu ſich verſuͤndiget; denen gilt es / was Paulus 1. Cor. 10. ſaget: Wer ſich laͤßt duncken / er ſtehe / der ſehe wohl zu / daß er nicht falle. Man laſſe nur ein haͤrter Creutz an ſolche ſetzen / ſo wird mans ſe - hen / wie ſtandhafftig ſie ſeyen. Es gehoͤren hieher 4. Stationarii, Retro - gradi, die entweder immer ſtille ſtehen / und nicht fortſchreiten / oder gar wider zuruck begehren / wie Loths Weib / Gen. 19. oder wie die Kinder Jſrael / die ihnen einen Haupt-Mann erwehlet / und wieder zu - ruck ziehen wolten / Num. 14, 4. 5. Deſperantes & impatientes, die auß Ungedult Stab und Stecken fallen / und allen Muth ſincken laſſen / machens wie die / ſo mit Joſua und Caleb das gelobte Land be - ſchauet / da ſie aber wieder zuruck kamen / geſagt: Wir vermoͤgen nicht hin - auff zu ziehen gegen diß Volck / dann ſie ſeind uns zu ſtarck / ꝛc. das ſeind die jenige / welche in ihrem Chriſtenthum faul ſeind / und eine geringe dem Anſehen nach ſcheinbare Truͤbſal ſich ſchroͤcken laſſen. Alle die gehet an der Goͤttliche Schwur / Pſ. 95. ſie ſollen nicht zu ſeiner Ruhe kom̃en.
Ach / ſprichſtu / wie komm aber ich fort / ich befinde mich einmahl zu ſchwach? ich komme viel zu ſpaͤth? Antwort: daran ligt nichts / GOTT erfreuet ſich auch uͤber die letzten / wann ſie nur gehen / ſo viel und weit ſie durch GOttes Gnad koͤnnen / er verſpricht / ſie bey den Armen zu neh - men / zu leiten / zu gaͤnglen / wie ein Mutter ihr Kind gehen lch - ret / nnd bey den Armen fuͤhret / Oſ. 11, 3. Deut. 25. wird gedacht der Schwachen / die dem Heer der Kinder Jſrael hinten nach gezogen / weil ſie muͤd und ſchwach waren / und von denen Amalekitern geſchlagen worden ſeind. Aber es heiſſets Gott der Herr nicht gut / ſondern befihlt / ſie ſol - len / ſo ſie zur Ruhe kommen ſind / das Gedaͤchtnuß der Amalekiter unter dem Himmel vertilgen. Wir haben einen Vor - und Nachgaͤnger Chri - ſtum / der uns nicht dahinden laßt / Hebr. 12, 2. Er laßt ſich auch damit begnuͤgen / wann man nur wuͤnſchet fort zukommen / und ſeine Begierde ſe - hen laͤſſet / wie abzunehmen auß Marc. 9, 23. Luc. 17, 6. c. 19, 5. 2. Cor. 2, 9. Das Exempel Petri iſt bekant / Matth. 14. 25. da er auff dem Meer ge - hend einen ſtarcken Wind ſahe / erſchrack er / hub an zu ſincken / und ſprach: Herr hilff mir! JEſus aber recket bald die Hand auß / ergriff ihn und ſprach: O du kleinglaubiger / warum zweiffelſtu?
Zehender Theil. PLaſſet114Die Dreyzehende PredigtLaſſet nun / M. L. uns lauffen den Weg des Glaubens / zu erlangen des Glaubens Ende / und zu kommen in unſers Vaters Hauß / da viel Wohnungen ſeynd. Wir haben ja den beſten Vorgaͤnger / Weg-Leiter und Weg-Liecht / von dem wir ſingen:
Du biſt der Weg / das Liecht / die Pfort /Die Warheit und das Leben /Des Vaters Rath und ewiges Wort /Den er uns hat gegeben /Zu einem Schutz /Daß wir mit Trutz /An Jhn feſt ſollen glauben /Darum uns baldKein Macht noch GwaltAuß ſeiner Hand wird rauben.
Dieſem laßt uns nachwandern / ſo wird die Ankunfft und der Ein - gang in den ſichern Himmels-Pfort deſto freudiger ſeyn. Nun Gott der H. Geiſt erleuchte unſere Hertzen mit ſeinem Goͤttlichen Wort / und ent - zuͤnde ſie mit dem Liecht des wahren Glaubens / Er ziehe uns nach ihm / ſo lauffen wir. Amen.
GEliebte in Chriſto dem HErꝛn. Jn dem ſehr bekan - ten / offt widerholten / aber niemal gnug außſtudierten Troſt - Spruch des lieben GOttes / in welchem Er ſein Lieb-flam - mendes Mutter-Hertz gleichſam außſchuͤttet / und dem trauri - gen / wehmuͤtigen und klagenden Zion zuſpricht und ſagt / Eſ. 49. Kan auch ein Weib ihres Kindleins vergeſ - ſen / daß ſie ſich nicht erbarme uͤber den Sohn ihres Leibes? Und ob ſie deſſelben vergeſſe / ſo will ich doch dein nicht vergeſſen / ſiehe / in die Haͤnde hab ich dich gezeichnet / werden uns drey fuͤr -nehme115Vom verlohrnen Sohn. nehme Stuck fuͤrgehalten. I. Impoſſibile ordinarium, ein natuͤrlicher weiſe unmuͤgliches Ding / die Verlaͤugnung und Vergeſſenheit der muͤtterlichen ςοργῆς und Blut-Liebe / nicht nur bey den Menſchen / ſondern auch den wilden Thieren. So wenig das Feur ſein brennen / und Waſſer das Flieſſen laſſen kan / eben ſo wenig koͤnne auch die Mutter-Liebe ſich ver - ſtellen / daß ſie ſich nicht erbarmen ſolte uͤber den Sohn ihres Leibes. Zwey ſchoͤne und beruͤhmte Exempel deſſen haben wir in Heil. Schrifft / ſonderlich an dem Weib / das vor dem Koͤnig Salomon mit einem an - dern Weib um das lebendige Kind geſtritten. Da ihr Kind geweinet / und ſie das gefaͤlte Koͤnigliche Urtheil gehoͤret / ſo moͤchte ihr das Hertz in tauſend Stuͤcke zerſpringen; Jhr muͤtterliches Hertz / ſagt die Hiſtori / entbrand uͤber ihren Sohn / daß ſie es ehe dem andern Weib laſſen / als todt haben will / ſpricht deswegen: Ach mein Herꝛ / gebet ihr das Kind lebendig / und toͤdtet es nicht Desgleichen an Rizpa / einem zarten Weib / das ſonſten der Pflaum-Federn gewohnet /2. Sam. 21 10. zu ſehen / dieſe legte ſich auff den harten Boden / wachet ihren erhenckten Soͤhnen / und wehrete / daß des Tages die Voͤgel ſie nicht beruͤhrt / noch ihnen des Nachts die wilden Thiere ſchadeten / allen Spott noch Geſtanck achtete ſie nicht / die Mutter-Liebe trang bey ihr hindurch. Wieviel mehr liebreicher / meynen wir / und weichhertziger daß Gott ſey / der ſolche ςοργὴν den Menſchen eingepflantzet / und gegen der Goͤttlichen Liebe nur wie ein Staͤublein oder Troͤpfflein zu achten iſt.
II. Poſſibile extraordinarium, ein auſſerordentlicher weiße muͤgliches Ding / daß nemlich die Vergeſſenheit der muͤtterlichen Liebe bißweilen geſchehe / und geſchehen koͤnne. Dann daher fuͤhret der Herr das Argument à minori ad majus an / und beweiſet das Groͤſſere auß dem geringern. Es geſchicht die Verlaͤugnung der muͤtterlichen Blut-Liebe theils ex barbara monſtroſitate, auß barbariſcher unmenſchlicher Raſerey und Wuth / wie die wilden Leuthe / wann wahr iſt / was die Hiſtori-Schreiber erzehlen / die ihre eygene Kinder ſchlachten / und verzeh - ren; theils ex affectu, auß ſuͤndlichen Affecten / wie Athalia auß eyteler Regier-Sucht ihre eygene Enckel umgebracht / 2. Reg. 11. da doch ſonſten Groß-Muͤtterliche Liebe viel zarter und feuriger zu ſeyn pflegt; theils auß Unwiſſenheit / allermaſſen wie ſich allererſt vor 23. Jahren eine ſolche traurige Geſchichte zu Leipzig begeben / da ein Soldat / der etlich und zwantzig Jahr außgeweſen / nach Hauß gekommen / und ſich niemand als ſeiner Schweſter / ſo an einem andern Ort gewohnt / zu erkennen gegeben / bey ſei - nem Vater und Mutter aber / ſo die Wuͤrthſchafft getrieben / eingekehret /P ijund116Die Vierzehende Predigtund ſich als ein gantz Land-fremder Gaſt geſtellet. Da er aber ſeinem Vater ein Paquet mit Geld / 300. Thaler werth / auffzuheben gegeben / in Meynung / morgenden Tages zu ſagen / wer er ſeye / und ſich mit ihnen lu - ſtig zu machen / ſo geſchichts / daß der Teuffel Vater und Mutter durch den Geitz die Augen verblendet / daß ſie ihren eygenen leiblichen Sohn zu Nacht im Beth erwuͤrgen und ermorden. Am morgens / da die Schweſter ge - kommen / nach dem Bruder gefragt / und den Eltern zu verſtehen gegeben / es waͤre ihr verlohrner Sohn wieder gekommen / er habe ſich bey ihr geſtern angemeldet / und geſagt / er wolle dieſe Nacht bey ihnen herbergen / da wachet ihnen das Gewiſſen auff / gerathen in ſolche Verzweiffelung / daß der Vat - ter ſich ſelbs erhencket / die Mutter ſich ſelbs erſtochen / und die Schweſter / nach dem ſie es gehoͤret / ſich ſelbs in einen Brunnen geſtuͤrtzet und erſaͤuffet. Theils auß Aberglauben / wie die Eltern gethan / ſo ihre Kinder dem Moloch auffgeopffert und verbrandt haben / und wie Meſa ſeinen Sohn auff der Mauren geſchlachtet / vor den Augen der Kinder Jſrael / daß ſie von der Belaͤgerung ablieſſen / 2 Reg. 3, 4, 27.
III. Impoſſibile Divinum, ein Goͤttlicher weiſe unmuͤgliches Ding. Wann / ſpricht Gott der Herr / es gleich geſchehen ſolte / daß eine Mutter ihres leiblichen Kindleins vergeſſe / ſo wolle Er doch ſeines Zions / Bund - und Gnaden-Kindes nicht vergeſſen / Er wolle ſeine Va - ter-Liebe nicht wenden / Er habe nicht Strauſſen-Art an ſich; davon Hiob 39, 16. der ſeine Eyer auff die Erde fallen / und ſie die heiſſe Erde auß - bruͤten laßt / er vergiſſet aber / daß ſie moͤchten zutretten werden / und ein wil - des Thier ſie zubrechen; nicht Katzen-Art / die ihre eygene Jungen freſ - ſen. Er ſeye nicht geſinnet wie Jonas / der nichts darnach gefraget / wann ſchon Gott die Statt Ninive mit Jung und Alt haͤtte untergehen laſſen / und ſelbſt lieber todt ſeyn wolte / als leben / Jon. 4, 1. & 8. Er habe Sion in ſeine Hand gezeichnet / daß Er ſeiner nimmer vergeſſen koͤnne. Jſt ein Gleichnuß hergenommen von den Juden / welche deſſen Bildnuß / ſo ſie lieb gehabt / an ihren Finger-Ringen getragen / daher ſprechen die gefangene Juden Pſalm. 137, 5. Vergeſſe ich dein Jeruſalem / ſo werde mei - ner Rechten vergeſſen. Eben ſo wenig / ſpricht GOtt / will Er auch Sions vergeſſen / dann ſeine Barmhertzigkeit gehet uͤber alle Welt / Syr. 18.
Und eben dieſen Affect hat der Allerhoͤchſte GOtt gegen einem ar - men bußfertigen Suͤnder und Sions-Burger / abgeriſſen und entworffen in dem Vater des verlohrnen Sohns. Eine groſſe Emphaſin und Nach - truck haben die erſte Wort unſerer Parabel: Es war ein Menſch / der hatte zween Soͤhne / ꝛc. So nun ein Menſchein ſolch Hertz hat gegenſeinem117Vom verlohrnen Sohn. ſeinem verlohrnen Sohn / wieviel mehr traͤgt GOtt gegen bußfertigen Suͤndern unendlich groͤſſern Affect / der ein Vater iſt aller Barmhertzig - keit / grund-gut / deſſen eygentliches Werck die Barmhertzigkeit / ja der die weſentliche Barmhertzigkeit ſelber iſt / der ſich ſo hoch obligiret und verbin - det / wann ein Weib ihres Kindes nicht vergeſſen kan / ſo wolle er unſer viel weniger vergeſſen. Darum ſpricht Chriſtus Luc. 11. So ihr / die ihr doch arg ſeyd / koͤnnet dennoch euern Kindern gute Gaben geben / wievielmehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen / die ihn darum bitten. Dieſen ſo groſſen Troſt recht zu behalten / und wohl einzubilden / nehmen wir dißmahl fuͤr uns / miſeri - cordem Patris affectum & geſtum, den barmhertzigen Affect und Geberde des Vaters / wie ſich derſelbige gegen ſeinem verloffenen / ver - lohrnen und verirꝛten / aber nunmehr wiederum ankommenden / demuͤ - thigen Sohn erzeiget. Der Gott alles Troſtes und Vater aller Barm - hertzigkeit wolle uns hierzu mit dem Liecht und Krafft ſeines Heil. Geiſtes mildiglich erſcheinen. Amen.
BElangend nun das ſchoͤne Contrafet der Goͤttlichen Barmhertzig - keit / die uns der Sohn GOttes durch das Vater-Hertz des Vat - ters des verlohrnen Sohns abbildet / durch ein Perſpectiv durch - ſchauen laßt / ſo befinden ſich bey demſelben 5. unterſchiedliche gradus, Ra - ritaͤten und Kunſt-Stuͤcke / unter welchen das I. Viſio, der Blick: Da er aber noch fern von dannen war / ſpricht der Text / ſahe ihn ſein Vater. Welcher maſſen der verlohrne Sohn zuruck gekommen / ſeine Aufferſtehung / Standfeſt / Reiß und Ankunfft / hat E. L. neulich vernom - men. Seinen Auffzug / wie er zu Pferd weg gezogen / zu Fuß aber wieder gekommen / und zwar barfuß / dann der Vater laßt ihm Schuh geben; nackend und blutt / dann der Vater laßt ihm ein Kleid bringen; hungerig und durſtig / dann er laßt ihn ſpeiſen; Jaͤmmerlich / aber ein Hertz voll Reu und Leyd / gekraͤnckt / und durch gutes Vertrauen wider auffgericht. Die - ſes alles ſiehet nun der Vater mit Augen / πόῤῥωθεν, von ferne / da er noch ein gutes ſtuck wegs von ihme war / dauchte ihn / confuſè, er ſolle dieſen Menſchen kennen / und ſagt: das iſt einmahl gewiß mein juͤngſter / ver - lohrner Sohn / biß er ihm naͤher gekommen / und er ihn diſtinctè, eygentlich hat erkennen moͤgen. Jſt ein holdſeliges Kunſt-Stuͤck / darinnen der Sohne GOttes die πρόγνωσιν, die Vorſchau ſeines himmliſchen Vat - ters uns fuͤr die Augen ſtellet. Dann es hat auch der allſehende GOtt das gantze menſchliche Geſchlecht geſehen von ferne / in der Ewigkeit / eheP iijes118Die Vierzehende Predigtes erſchaffen worden; Er hat nachmals geſehen die gantze maſſam, unſere verderbte und grund-boͤſe Natur / unſern elenden Stand / unſere Bloͤße und groſſen Mangel / da wir ruffen mußten:
Dem Teuffel ich gefangen lag /Jm Tod war ich verlohren /Mein Suͤnd mich quaͤlet Nacht und Tag /Darinn ich bin gebohren /Jch fall auch immer tieffer drein /Es iſt kein Guts am Leben mein /Die Suͤnd hat mich beſeſſen.
Da hat es geheiſſen: Ecce Adam, ſiehe Adam iſt worden als unſer Einer! Ja hinderſich nauß! Ach wie iſt doch der Menſch / die edle Creatur / das ſchoͤne Bild / ſo ſchaͤndlich verderbet / wie iſt es ſo haͤßlich zugericht! Aber es ſahe uns Gott an nicht oculo nequam & maligno, mit einem Schalcks-Aug / als ein Schaden-Froh / wie die Feinde Chriſti / Pſalm. 40. & 41. und Matth. 27. Nicht otioſo, mit einem muͤſſigen Schau-Aug / wie dorten Luc. 10. der Prieſter und Levit den armen Menſchen in ſeinem Blut ligend geſehen / die aber voruͤber gegangen / und ihn liegen laſſen; ſondern oculo ἐγγυτέρῳ, mit einem nahen Gnaden-Aug / Er hat uns gleichſam in die Wunden hinein geſchauet / und ſie ihm recht vaͤtterlich zu Hertzen gehen laſſen / Er hat auff Mittel ſich bedacht / wie uns wiederum moͤchte geholffen werden. Jſt
II. Motio affectus, die hertzliche Bewegung und Erbarmen gegen ihm; es jammerte ihn. Es ſiehet der Vater ſeinen Sohn von ferne kommen / cordis commotione mit ſonderbarer Bewegung des Hertz - ens / mit Samariters Augen / Luc. 10. Zweiffels frey hat er ihn eben alſo - bald nicht gekennet / er ſiehet einen armen elenden Menſchen daher kom̃en / das gieng ihm zu Hertzen / je naͤher er aber zu ihm gekommen / je mehr dun - cket ihn / er ſoll den Menſchen kennen / er ſiehet ihn auch je laͤnger je friſcher darauff tretten / biß er ihn endlich eygentlich in das Geſicht gefaßt und er - kant / daß er es ſeye. Da wird er bey ſich geſagt haben: Ey / behuͤte Gott / iſt das mein Sohn? O des elenden Anblicks! das heißt hinauß reißen / mit ſo ſchoͤnem Gut wegziehen / und ſo elend wieder heimkommen? Nun was ſoll ich thun? ſoll ich ihn wiederum heiſſen fortziehen / wo er hergekommen? ſoll ich ihn auch laſſen fuͤr meine Augen kommen? da gieng die lucta, der Streit des vaͤtterlichen Hertzens und Gerichts an / endlich aberbehielte119Vom verlohrnen Sohn. behielte die ςοργὴ die vaͤtterliche Liebe die Oberhand / nein / er iſt mein Kind / mein Fleiſch und Bein / ich will ihn wieder auff - und annehmen; da ruͤh - mete ſich die Barmhertzigkeit wider das Gericht. Alſo hat auch GOtt / nach dem Er von Ewigkeit ſeine Creatur / den verderbten Menſchen / ange - ſehen / ſich ſeiner erbarmet / 1. miſericordiâ generali, ins gemein / wenn wir ſingen:
Da jammerts GOtt in Ewigkeit /Unſer Elend uͤber die maſſen /Er dacht an ſein Barmhertzigkeit /Er wolt uns helffen laſſen /Er wand zu uns ſein Vater-Hertz /Es war bey ihm fuͤrwar kein Schertz /Er ließ ſein Beſtes koſten.
Und davon iſt auch eygentlich zu verſtehen das Gulden Kleinod Johannis cap. 3. Alſo hat GOtt die Welt geliebet / daß Er ſei - nen Eingebohrnen Sohn gab / auff daß alle / die an Jhn glau - ben / nicht ſollen verlohren werden / ſondern das ewige Leben haben. Alſo hat GOtt / nicht ein ſterblicher / wandelbarer Menſch / deſſen Gunſt leichter als ein Pflaum-Federlein: Er hat geliebet die Welt / das iſt / ein Spittal voller Krancken / Außſaͤtzigen und Tollen / den Kercker voll boͤſer Buben / das lupanar, das garſtige Hauß voll Un - flaͤter / die Gottloſe Sodomam / Glaubige und Unglaubige / nicht nur die Außerwehlten / ſondern omnes illos, qui periére primò, die alle / ſo zu an - fang durch die Suͤnde verdorben. Dann waͤren ſie alle bloß-Außerwehlte / ſo haͤtte es die Gefahr nicht / daß jemand verlohren wuͤrde. Was hat er ihnen gegeben? Nicht einen Engel / angelum ſi dediſſet, non res parva fuiſſet, eò quod Angelus miniſter Dei fidelis & ſervus, nos autem inimici & Apoſtatæ: Wann Er ihnen einen Engel gegeben haͤtte / waͤre es keine geringe Sache geweſen; darum / dieweil die Engel GOttes getreue Diener ſeynd / wir aber Feinde und Mamme - lucken. Theophyl. Sondern Filium, ſeinen Sohn / non unum ex muliere, ſed unigenitum, deditum in pretium & mortem.
Es hat ſich aber 2. Gott auch unſer erbarmet miſericodia ſpeciali, inſonderheit / nach einer ſonderlichen Barmhertzigkeit / davon Eph. 1. v. 6. Durch ſeine Gnade hat uns GOtt ihme angenehm gemacht in dem Geliebten. Dann nach dem der Menſch naͤher herzu gekom - men / durch Buß und Glauben dem himmliſchen Vater entgegen gegan -gen /120Die Vierzehende Predigtgen / ſo brennet dem Allerhoͤchſten ſein Hertz. Und ob zwar wol auch lu - cta juſtitiæ & miſericordiæ, ein Streit zwiſchen der Gerechtigkeit und Barmhertzigkeit GOttes ſich erzeiget / welcher Oſe. 11. gar ſchoͤn beſchrie - ben ſtehet: Was ſoll ich auß dir machen Ephraim? ſoll ich dich ſchuͤtzen Jſrael? ſoll ich nicht billich ein Adama auß dir ma - chen / und dich wie Zeboim zurichten? Aber mein Hertz iſt anders Sinnes / meine Barmhertzigkeit iſt zu bruͤnſtig / daß ich nicht thun will nach meinem grimmigen Zorn / noch mich kehren Ephraim gar zu verderben / dann ich bin GOtt / und nicht ein Menſch. Und Jerem. 31. Jſt nicht Ephraim mein theurer Sohn / und mein trautes Kind? dann ich dencke noch wohl daran / was ich ihm geredt habe / darum bricht mir mein Hertz gegen ihm / daß ich mich ſeiner erbarmen muß.
III. Schlaͤgt dem Vater das Feur in ſeine Geberde / daß er das dritte Kunſt-Stuͤck beweiſet / nemlich præcurſionem, den Vorlauff. Der Vater lieff / und zwar alſo / daß er dem Sohn vor und ſtaͤrcker geloffen. Vermuthlich iſt zwar / der Sohn ſeye dem Vater alsdann auch entgegen geloffen / gleichwol aber deutet die Parabel auff den Præcurſum und Vor - lauff des Vaters / er ſeye auß feuriger Liebe dem Sohn fuͤrgekommen. Das that David nicht / ſondern per gradus nach und nach ließ er ſeinen Sohn fuͤr ſich kommen / 2. Sam. 14, 24. Zwey Jahr mußte Abſolon zu Jeruſalem ſich halten / ehe er des Koͤnigs / ſeines Vaters Angeſicht ſehen durffte. Aber hier vergißt gleichſam der Vater ſeiner vaͤtterlichen Au - toritaͤt und ſeines Rechten / nach welchem er den verlohrnen Sohn gar wol haͤtte verſtoſſen koͤnnen / und nicht fuͤr ſich doͤrffen kommen laſſen. Ach wie troͤſtlich iſt das / M. L. wann wir bedencken / wie auch der himmliſche Va - ter ſeines ſtrengen Rechten uͤber uns ſich begeben / uns mit ſeiner fuͤrgehen - den Gnade zuvor kommt. Wie die Sonne am morgens eher ſcheinet / als mancher Menſch erwachet / alſo iſt auch Gottes Barmhertzigkeit alle mor - gen neu / Thren. 3, 23. Der Vater ziehet uns zu ſich / und wir nicht Jhn zu uns. Wann Gott warten ſolte / biß wir zu Jhme kaͤmen / muͤßte Er lang warten / darum hat Er ſeine Apoſtel / d[r]omeda[r]ios und Laͤuffer auß - geſandt zu holen die / ſo noch in der Ferne ſeind.
Das IV. Kunſt-Stuͤck iſt Amplexio, Umfahung / er fiel ihm um den Halß. Was fuͤr Wort da gefallen / koͤnnen wir leichtlich ermeſſen: Ach / biß willkom̃ / mein lieber Sohn / welche Freude iſt es mir / daß ich dich noch lebendig wiederum fuͤr meinen Augen ſehe / du ſolt mir hinfuͤhro lieber ſeyn als zuvor jemals. Auguſtinus leget dieſen Arm von demSohn121Vom verlohrnen Sohn. Sohn GOttes auß l. 2. qq. Evang. c. 33. Quid eſt ſuper collum ejus ca - dere? niſi inclinare & humiliare in amplexum ejus brach[i]um ſuum, & brachium Domini, cui revelatum eſt? Quod eſt utique Dominus nolter Jeſus Chriſtus. Was iſt um den Hals fallen? als neigen und buͤck - en ſeinen Arme ihn zu umfahen? und wem iſt der Arm des HErꝛn ſo offenbahret? das iſt unſer Heyland JEſus Chri - ſtus. Wir haben aber droben angezeiget / warum man nicht viel ſcrupo - lieren ſoll; Wir laſſens dabey verbleiben / daß es eine Anzeigung groſſer brennender Liebe und Barmhertzigkeit ſeye / und damit geſehen werde auff die Goͤttliche συγκατά〈…〉〈…〉 ασιν, wie GOtt ſo nahe ſich zu uns gethan / wie noth es Jhm nach uns geweſen / als wolte ihm ſein Goͤttlichs Weſen daruͤber zerrinnen. Alſo laſſen wirs auch dahin geſtellet ſeyn / was
V. Andere von dem oſculo und Kuß fuͤr Gedancken haben / wann es heiſſet: und kuͤſſete ihn. So nun durch den Arm der Sohne Gottes verſtanden wird / mag auch durch den Kuß des Vaters der Heil. Geiſt ver - ſtanden werden; Qui enim ſe oſculantur, non ſunt libatione labiorum contenti, ſed ſpiritum ſuum ſibi invicem videntur infundere, Ambroſ. l. de Iſaac. c. 3. Welche ſich kuͤſſen / ſeind mit Beruͤhrung der Lip - pen nicht zu frieden / ſondern es ſcheinet / als wolten ſie einander die Seelen mittheilen. Jns gemein aber verſtehen wirs de oſculo pacis, von dem Friedens-Kuß / mit welchem er ſeinem Sohn Frieden zu - ſagte / und bezeugete / daß alles / ſo vorgegangen / todt und ab ſeyn / und deſ - ſelben nimmer gedacht werden ſolte. Gleich wie Eſau / da ihm ſein Bruder Jacob begegnet / ihm entgegen geloffen / und ihn gehertzet / um den Hals gefallen / und ihn gekuͤſſet / Geneſ. 33, 4. Gleich wie Joſeph ſeinem Bru - der Benjamin und den uͤbrigen um den Hals gefallen / und ſie gekuͤſſet. Gen. 45, 14. Oder wie David ſeinen Abſolon / da er wieder fuͤr ihn gekom - men / gekuͤſſet hat / 2. Sam. 14, 33. Alles zu Bezeugung hertzlicher Liebe und Ablegung aller Feindſchafft. Wie nun ein Kuß ein Zeug / ja Grund / der Liebe / alſo haben wir uns auch alle zu unſerm lieben GOtt nicht anders zu verſehen / als zu unſerm beſten Freund / das hat Er bezeuget mit dem Kuß ſeines lieblichen und honig-ſuͤſſen Evangelii / mit dem Wort der Ver - ſoͤhnung / und des Friedens mit GOtt / davon der weiſe Salomo ſein Lied anſtim̃et / und ſagt: Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes / mit dem heiligen Kuß ſeiner Evangeliſchen Zuſage / da Er uns den Frie - den verſprochen / und auch wuͤrcklich verkuͤndigen laſſen.
Alſo haben wir nun hier den beſten Kern dieſer Parabel / die eygentli - che Abbildung und Contrafeit der Barmhertzigkeit GOttes. An dieſemZehender Theil. QGemaͤhld122Die Vierzehende PredigtGemaͤhld laſſet uns unſere Gemuͤther beluſtigen / es iſt uͤber alle Raritaͤten und Kunſt-Stuͤcke Apelles mahlete vorzeiten eine Stutte oder Mutter - Pferd ſo artig / daß die Hengſte / ſo man darbey gefuͤhret / daſſelbe angewie - hert. Zeuxis mahlte eine Traube ſo eygentlich / das die Voͤgel herzu geflo - gen / und davon freſſen wollen. Parrhafius mahlte einen Fuͤrhang an die Taffel ſo ſchoͤn / zierlich und kuͤnſtlich / gleich als ob es ein Gemaͤhld bedeckte. Darum Zeuxis hinzu gieng / und wolte den Vorhang wegnehmen. Da er ſich aber betrogen fand / gab er Parrhaſio den Vorzug / weil er ſelbſt nur die Voͤgel / dieſer aber die Menſchen betrogen. Aber es iſt und bleibet dieſes Gemaͤhlde der Barmhertzigkeit GOttes uͤber alles; wie nun niemand den Vater geſehen / als allein der Eingebohrne Sohn GOttes / der in des Vat - ters Schooß iſt / ſo mahlet er ihn auch am beſten. Herr zeige uns den Vater / ſpricht Philippus dorten Joh. 14. hier zeiget ihn Chriſtus / als ei - nen ſolchen GOtt / der da iſt der Vater aller Barmhertzigkeit / kein Blut - hund / kein harter Mann / der uns anſchnauet / ſondern ein verſoͤhnlicher GOtt / Nehem. 9. Solte einem manchen Menſchen der Spott und Trutz begegnen / den GOtt manchmal leiden muß / er ſchluͤge mit Donner und Blitz darein. Jſt der typus und das Bild ſo troͤſtlich / moͤgen wir recht und wohl ſchlieſſen / ey wie ſchoͤner / anmuthiger / und bruͤnſtiger wird dann der prototypus und Gegenbild ſeyn. Ja / ſo unendlich groͤſſer GOtt iſt als ein Menſch / ſo unendlich groͤſſer iſt auch ſeine Barmhertzigkeit. Gleich wie ein Sand-Koͤrnlein gegen der gantzen Welt / wie ein Staͤublein gegen der groſſen Erden / wie ein Troͤpfflein gegen dem breiten und tieffen Meer / ſo iſt auch unſere Barmhertzigkeit zu rechnen gegen GOttes Barmhertzigkeit / der die rechte weſentliche Barmhertzigkeit ſelber iſt. Sprichſtu auch in dei - nem Hertzen mit Zion: der HErꝛ hat mein vergeſſen / Gott kennet mich nit mehr / Er hat ſeine Barmhertzigkeit fuͤr mir verſchloſſen / er haltet ſich hart gegen mir / ich kan nicht mehr zu Jhm kommen / meine Suͤnde ſcheiden mich und Jhn von einander; ſo hoͤre / mein leiber Chriſt / ſiehe nur zu / daß du dich in die Poſitur des verlohrnen Sohns ſtelleſt / nicht nur miſer und elend / ſondern auch miſerabel, Erbarmens wuͤrdig ſeyeſt / ſo wird ſich Gott auch deiner wieder annehmen / und gewiß erbarmen / du muſt nicht zweif - feln an GOttes gnaͤdigem Willen / und mit feſtem Vertrauen dich auff Jhn verlaſſen / ſo wirds nicht fehlen. Jm gegentheil haben ſichere Leute dieſes in acht zu nehmen / daß ſie GOtt nicht verſuchen / mit Heuchlers-Poſ - ſen / ſondern in der jenigen Poſitur erſcheinen / in welcher der verlohrne Sohn erſchienen iſt und in GOttes Ordnung ſich ſchicken. Einmahl / waͤre der verlohrne Sohn hochmuͤtig herein gegangen / haͤtte den Vateranfangen123Vom verlohrnen Sohn. anfangen zu trutzen / oder ihm irgends eine Schand-Pehck und Hure mit - gebracht / ich meyne / er wuͤrde ſchlecht willkom̃ geweßt / und wie eine Sau ins Juden Hauß kommen ſeyn. Nein / das thut er nicht / ſondern er er - ſcheinet in wahrer hertzlicher Buße und glaubigem Vertrauen. Ach ſo wage es ja niemand auff GOttes Barmhertzigkeit zu ſuͤndigen. Dann ſo barmhertzig Er iſt gegen den Frommen und Bußfertigen / ſo zornig iſt Er auch uͤber die Gott - und ruchloſen Suͤnder / Syr. 16. 12. Er iſt zwar die Liebe ſelbſt / aber wie der Jmmen Koͤnig Stachel-Jmmen um ſich her hat / ſo hat ſeine Majeſtaͤt Feuer / Schwerdt / Hunger / Theurung / Peſtilentz und den Teuffel ſelbs / damit Er ſtraffet. Derohalben wann man zu ihm ſich nahen will / muß es geſchehen 1. contritione, mit wahrer Reue / Warum̃ wilt du / O Menſch / den Reichthum der Guͤte / Gedult und Langmuth GOttes verachten? weiſtu nicht / daß dich GOt - tes Guͤte zur Buße leitet. Rom. 2, 4. Dann eben darum ſcheinet die hertzliche Barmhertzigkeit Gottes gegen uns in Teutſchland hart zu halten / und will die unerſaͤttliche / unbarmhertzige Kriegs-Furi nicht nachlaſſen / daß wir dadurch ſollen zur Buße kommen. Wer da nicht will / uͤber den wird dies Juſtitiæ, der Tag der ſtrengen Gerechtigkeit Gottes ploͤtzlich kom - men / damit dann auch die Barmhertzigkeit ein Ende nim̃t. Jetzt zwar hat ſie noch kein Ende / aber alsdann werden ihrer viel an jenem Tag bey Jhme anklopffen / und nicht hinein gelaſſen werden / weil die Thuͤr bereits verſchloſſen. 2. Jm Glauben; Ariſtoteles ſoll auch geruffen haben: ô Ens entium miſerere mei, O du Ding aller Dinge erbarme dich mein; deßgleichen Servetus, als er Anno 1553. zu Genff wegen ſeiner Gottslaͤſte - rung verbrandt worden / ô miſericordia, miſericordia, O Barmher - tzigkeit / Barmhertzigkeit! Chemnit. LL. de DEO edit. in fol. p. 34. aber es hat ſie wenig geholffen / weil jener als ein blinder Heyd / dieſer aber als ein Ertz-Ketzer im Unglauben geſtorben. Kommen wir aber im Glau - ben / ſo ſollen wir willkom̃ ſeyn / mit den Armen der Goͤttlichen Barmher - tzigkeit umfaſſet / von der gantzen Hoch-Heiligen Drey-Einigkeit und allen heiligen Engeln umarmet und gekuͤſſet werden / da wird uns Gutes und Barmhertzigkeit in jenem Leben nachlauffen / wie ſie uns in dieſem Leben vorgeloffen / was wir hie Troͤpffleins weiß / das werden wir dorten Stroms-weiß genieſſen; was wir hie nur erblicket / das werden wir dort von Angeſicht zu Angeſicht zu ſehen bekommen; hier iſt die ποόγευσις und der Vorſchmack / dort aber der voͤllige Genuß und Guß. GOtt erhalte uns alle mit ſeiner Gnade zum Ewigen Leben / daß wir hie ſchmecken die Suͤſſigkeit ſeiner Gnade / dort aber davon trincken / und mit Wolluſt als mit einem Strom getraͤncket werden / Amen.
GEliebte in Chriſto. Menſchliche reconciliationes und Verſoͤhnungen ſind offtmahlen 1. ta[r]dæ & moroſæ, es ge - het langſam damit her / werden auff die lange Banck geſcho - ben. David laͤßt ſich zwar 2. Samuel. 14. auff Unterhand - lung Joab / und die kluge Fuͤrbitt / ſo das Weib von Thekoa eingelegt / mit ſeinem Sohn Abſalon beguͤtigen / er erlanget zwar Gnad / aber mit langer Hand / alſo / daß er ihm nicht durffte alsbald fuͤr Augen tretten; dann zwey Jahr blieb er zu Jeruſalem / ehe er ſeines Vaters Angeſicht anſchauen durffte. So will oder muß noch ein mancher lange Zeit haben / biß der alte grollen verſchwindet / und man ſich wieder zu frieden begibt. 2. Fallaces & moleſtæ, was die zeitliche Reputation betrifft / betrieglich und beſchwerlich / da eine Parthey auff ihren Nutzen / Ehr / Vor - theil und Reputation ſiehet / daß demſelben kein Abbruch geſchehe. Als im Jahr 1276. Kayſer Rudolph der Erſte wider den Koͤnig Ottocar in Boͤh - men zu Felde gezogen / dieſer aber befunden / er waͤre jenem zu ſchwach / und deßwegen ſich zur guͤtlichen Handlung anerbotten / da ward die Sache durch Pfaltz-Graffen Ludwig / Churfuͤrſten / und etliche Geiſtliche alſo ge - mittelt / daß Ottocar die Oeſterreichiſche Lande dem Reich abtretten / Maͤhrẽ und Boͤhmen von Kayſer Rudolphen zu Lehen empfahen ſolte. Als aber die Zeit der Huldigung und Inveſtitu[r]vorhanden / der Kayſer in ſeinem Ge - zelt in ſeiner Majeſtaͤt geſeſſen / die Curfuͤrſten und Fuͤrſten um ihn her ge - ſtanden / der Koͤnig Ottocar aber vor dem Kayſer auff den Knien lag / fiel das Gezelt / welches mit fleiß alſo gemacht war / vrploͤtzlich rings umher auff den Boden / daß jederman ſehen kunte / wie Ottocar der ſtoltze Koͤnig mit bloſem Haupt vor dem Kayſer auff den Knien gelegen; welche Schmach hernach einen blut-trieffenden Krieg verurſacht. Jch geſchweige der jenigen fallaciarum, Luͤſte / Betruͤg und Raͤncke / die taͤglich vorgehen. 3. Emptæ & mercenariæ, erkaufft oder auch nur gelehnet / da man zwar Friede ma - chet / aber mit hoͤchſter Beſchwehrung der andern Parthey. Wolte Me - nahem der Koͤnig in Jſrael Frieden haben vor Phul dem Koͤnig von Aſ - ſyrien / ſo mußte er ihn mit 1000. Centn Silbers erkauffen / dadurch eine ſchwere Contribution verurſacht worden / dann 50. Seckel Silbers ſetzt er auff einen jeden Mann unter den Reicheſten in Jſrael / 2. Reg. 15, 19. Anderer125Vom verlohrnen Sohn. Anderer Dienſtbarkeiten zu geſchweigen. 4. Imperfectæ, unvollkom̃en / da man ſich zwar verſoͤhnet / aber mit gewiſſen Reſervaten und Beding - ungen / Tribut und Dienſtbarkeit / dergleichen die Tuͤrcken auffzulegen pflegen, eine und die andere Servitut zu tragen / oder andere Beſchwerde auff ſich zu nehmen / Unvernunfft zu buͤſſen / dergleichen in Hiſtorien und Exempeln zu leſen / und iſt in der taͤglichen Erfahrung nichts gemeiner / daß zwar das Feur etlicher maſſen geloͤſchet / aber die Funcken gluntzen noch / da heiſſet es / ich will wohl vergeben / aber nicht vergeſſen.
Viel anders iſt die Goͤttliche καταλλαγὴ und Verſoͤhnung geartet / wem deñ der himmliſche Vater perdonirt und vergibt / dem vergibt er citò, gar bald / ja prævenienter, Er laufft mit ſeiner Vergebung vor / wie Er ſol - ches an dem Vater des verlohrnen Sohns abgebildet. Er vergibt ſincerè, hertzlich / ohne Falſchheit / will nit nur alſo bereden / voluntate ſigni, als ſeye es ihm alſo ums Hertz / und iſt doch nit / ſondern es iſt voluntas bene - placiti, ſein ernſtlicher Will / und Goͤttliches Wohlgefallen uns zu ver - geben. Gratuitò & perfectè, auß Gnaden / umſonſt / ohne einige Entgel - tung oder Buß / vollkommen / Er verſencket alle Suͤnde in die Tieffe des Meers / und gedencket unſerer Ubertrettung nicht mehr. Geſtalt dann ſol - che Goͤttliche Abſolution, und alſo juſtificatio Evangelica, die Evange - liſche Rechtfertigung in unſerer Parabel fuͤrgeſtellet iſt. Dann nach dem der verlohrne Sohn appellirt / in gutem Vertrauen zu ſeinem Vater gegangen / ſeine Confeſſion und Beichte abgelegt / ſo verweißt ihm der Va - ter ſein uͤbel verhalten nicht / wie ſein Bruder / er hat keinen Grollen und Widerwillen wider ihn / ſondern der Vater umfaſſet ihn nicht allein / ziehet ihn zu ſich / umhalſet und kuͤſſet ihn / ſondern er kleidet ihn auch / gibt ihm einen Ring an den Finger / Schuh an die Fuͤſſe / ſchlachtet ein Kalb / hal - tet eine Mahlzeit / und machet ſich froͤlich mit ihm. Seind lauter offen - bahre ſymbola pleniſſimæ reconciliationis, Zeichen der vollkommenſten Verſoͤhnung; Jſt die Geiſtliche Inveſtitur eines armen Suͤnders / darauß die vollkommene Abſolution abzunehmen / davon wir fuͤr dißmahl zu hand - len uns vorgenommen. GOTT gebe Gnad und Segen / daß es frucht - barlich geſchehe / Amen.
BElangend nun I. die geiſtliche Jnveſtitur des verlohrnen Sohns / die auß unterſchiedlichen Zeichen abzunehmen: à poſte - riori, ſo ſeind derſelben zweyerley / etliche antecedentes confeſ - ſionẽ, die vor der gethanen Beicht hergegangen / als die Umfaſſung und der Kuß / davon in voriger Predigt Meldung geſchehen; etliche con -Q iijſequentes,126Die Fuͤnffzehende Predigtſequentes, die darauff gefolget / und zwar I. veſtis indumentum, ἡ ςόλη ἡ πρώτη, das beſte vornehmſte Kleid: Aber der Vater ſprach zu ſeinen Knechten: bringet das beſte Kleid herfuͤr / und thut ihn an. τὴν ςόλην τ〈…〉〈…〉 ν πρ〈…〉〈…〉 ην, iſt eine gar bedenckliche Rede / mit zween articul[i]s gleichſam verbremt; er nennet es τὴν πρώτην, das beſte Kleid / 1. ratione coloris, wegen der Farb / weil es vielleicht weiß geweßt / ſolte es das beſte Kleid ſeyn / hatte es gewißlich auch die beſte ſc. weiße / Farb / welche die gnaͤdige Abſolution bedeuten ſoll. Ein ſchwartz und Traur-Kleid war vor zei - ten bey den Roͤmern veſtis reatus, ein Zeichen der Schuld und des Ver - brechens / daher bey Joſepho l. 14. cap. 17. der alten Geſchichten / Sameas der Juͤdiſche Redner / da Herodes / als der Beklagte / vor Gericht erſchienen / ſich zum hoͤchſten beſchweret / daß er ſich erkuͤhnen doͤrffte / mit bewehrter Hand / und einem Purpur-Kleid zu erſcheinen / er ſagt / ſolchen Frevel habe er niemahls geſehen / daß eine Malefitz-Perſon ſolte fuͤr Gericht ge - tretten ſeyn / wie Herodes / in einem Purpur-Kleid / um den Kopff mit zuſammen gelegtem Haar geſchmuͤcket / es gebuͤhre ihm anders zu erſchei - nen / in einem ſchwartzen Kleid und laugem Haar. Wie nun ſchwartze Kleider ein Zeichen der Betruͤbnuß und Traurigkeit / alſo[i]ſt ein weiſſes Kleid eine Anzeigung der troͤſtlichen Abſolution / und gegebenen oder be - zeugten Unſchuld / Luc. 23. 2. Jſt es das beſte Kleid ratione excell[e]ntiæ, pretioſitatis, & dignitatis, was die Wuͤrde / Zierde und Koſtbar - keit antrift / ein uͤberaußkoͤſtliches Kleid / das beſte edelſte Feyer-Kleid / das Hoheprieſterliche adeliche Kleid des erſtgebohrnen im Hauſe / derglei - chen Eſau auch gehabt / die aber Jacob auß Angebung ſeiner Mutter zum Betrug ſeines Vaters angezogen / Gen. 27, 5. Joſeph / als der juͤngſte und liebſte Sohn / trug auch derglechen / die ihm ſein Vater auß ſonder - bahrer Liebe machen laſſen / c. 37. 3. Wird es genennet ἡ πρώτη, das beſte oder erſte Kleid / ratione temporis, der Zeit nach / weil ers / wie vermuht - lich / zuvor auch getragen / welches ihm aber der Vater bey ſeiner eygen - willigen Abreiß außgezogen / und unterdeſſen im Kleider-Kaſten auffge - hoben. Was mag nun wohl der Sohn GOttes hiedurch verſtanden haben? anders nichts / als ſich ſelbs / den wir in der H. Tauff angezogen / zur Erſetzung deſſen / was wir durch die Suͤnde wider das Gewiſſen ver - lohren. Es wird damit gemeynet veſtis innocentiæ, das weiße Kleid ſeiner Unſchuld / das Er in der Paſſion angezogen / fuͤr uns zu buͤſſen / und uns zu abſolviren. Veſtis juſtitiæ imputatæ, das Kleid der zu - gerechneten Gerechtigkeit JEſu Chriſti / davon Eſ. 61, 10. Jch freue mich im HErrn / und meine Scele iſt froͤlich in meinemGOtt.127Vom verlohrnen Sohn. GOtt. Dann er hat mich angezogen mit den Kleidern des Heyls / und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet. Wie einen Braͤutigam mit Prieſterlichem Schmuck gezieret / und wie eine Braut in ihrem Geſchmeide berdet. Veſtis imaginis divinæ amiſſæ, das Kleid des verlohrnen Goͤttlichen Ebenbilds / das muͤſſen uns die Knechte / das miniſterium, vermittelſt glaubiger Auffnahm der anerbottenen Gnaden-Mittel / anziehen / und uns damit zieren / daß wir fuͤr GOtt wieder ein Anſehen bekommen. 2. Annuli ornamentum, ὁ δακτύλιος, und gebt ihm einen Finger-Reiff an ſeine Hand. Der Finger-Ring hat ſonſt viel und mancherley Be - deutung / ſo wohl in H. Schrifft / als auch Profan-Buͤchern. Die vornemſte und hieher ſonderlich gehoͤrige Bedeutung iſt ſignificatio pi - gnoratoria, Pfands-Bedeutung. Als Gen. 38. Judas der Thamar einen Zigenbock von der Heerde verſprochen / daß ſie ihn bey ihr liegen laſſen / ſo wil ſie ſich damit nicht begnuͤgen laſſen / und ſprach: gib mir ein Pfand / biß daß du mir ihn ſendeſt / unter andern aber begehrte ſie auch ſeinen Ring zum Pfand. Alſo wurde Eſth. 8. der Koͤnigliche Wi - derruff / daß die Juden nicht ſolten getoͤdet werden / mit des Koͤnigs Ring verſiegelt und guͤltig gemacht. Auff ſolche weiſe war damahls dem verlohrnen Sohn der Finger-Reiff auch an ſtatt arrhæ filiationis & hæreditatis, eines Pfands / daß ſein Kind - und Erb-Recht / die Kind - und Erbſchafft bey ſeinem Vater wieder richtig ſeye / und er ſich keiner Enterb - ung oder Außſtoſſung zu befahren haͤtte / er ſolte wiederum ſein Kind und Erbe ſeyn. Geiſtlicher weiſe wird dadurch anders nichts verſtanden / als GOtt der H. Geiſt / der da iſt die arrha, das Pfand unſers Erbs / mit welchem uns GOtt in unſern Hertzen verſiegelt / 2. Cor. 1, 22. c. 5, 5. Eph. 1, 14. c. 4. 30. Dieſes heilige Pfand-Siegel / GOtt den H. Geiſt wil uns GOtt abermahls und immerdar offeriren und darbieten / durch ſeine Knechte und Diener mittheilen laſſen / ligt nur an der Glaubigen Auffnahm und Verwahrung. 3. Pedum calceamentum, ὑποδήματα, und gebet ihm Schuh an ſeine Fuͤſſe. Gleich wie baarfuß-gehen bey den Morgen-Laͤndern ein Zeichen geweßt der Dienſtbarkeit und elenden Servitut / wie zuſehen Eſ. 20. 2. ſeqq. da GOtt der Herr dem Propheten befohlen / er ſolle den Sack von ſeinen Lenden ab - und die Schuch von ſeinen Fuͤſſen auß ziehen / und er thaͤt alſo / gieng nacket und baarfuß. Da ſprach der HERR: Gleich wie mein Knecht Jeſaia nacket und baarfuß gehet zum Zeichen und Wunder dreyer Jahr / uͤber Egypten und Morgenland / alſo wird der Koͤ -nig128Die Fuͤnffzehende Predigtnig zu Aſſyrien hintreiben das gefangene Egypten / und ver - triebene Morgenland / beyde jung und alt / nacket und darfuß / mit bloſſer Scham / zur Schande Egypten. Alſo bedeuten im gegentheil die Schuh eine erfreuliche cataſtrophen und Wechſel des be - truͤbten Standes mit einem ſeligen / gluͤcklichen und froͤlichen / ja mit der edlen Freyheit. Hat demnach der Vater damit wollen andeuten / nun ſeye der verlohrne Sohn wiederum auß einem Bettler ein Herꝛ / auß ei - nem Knecht frey / auß einem Sau-Hirten ein Juncker worden / er ſoll nicht als ein Tagloͤhner / ſondern als ein Sohn gehalten werden. Geiſt - licher weiſe wird auch durch die Diener und Knechte GOttes / durch die Botten / derer Fuͤſſe lieblich ſeind auff den Bergen / die da Friede verkuͤn - digen / Gutes predigen / und Heyl verkuͤndigen / Eſ. 52, 7. das Evangeliſche Jubilæum und Erlaß-Jahr außgeblaſen / daß wir von der Knechtſchafft des Geſetzes / der Suͤnden / und des Teuffels erloͤſet / allerſeits in die Evan - geliſche Freyheit der Kinder GOttes geſetzet worden ſeind. 4. Vituli ſacramentum, das geſchlachtete Kalb / bringet τὸν μόσχοντὸν σιτευτὸν, ein gemaͤſtet Kalb her / und ſchlachtets / ein ſonderlich koͤſtlich guts Kalb / den Sohn zu erquicken / und ein Feſt anzuſtellen. Dadurch ver - ſtehen die Lehrer meiſtentheils anders nichts / als das Opffer Chriſti: Vitulus ſaginatus ipſe eſt Salvator, cuius quotidie carne paſcimur, ctuore potamur, ſchreibet Hieronymus, das geſchlachtete Kalb iſt der Heyland ſelber / deſſen Fleiſch wir taͤglich eſſen / und ſein Blut trincken. Occiditur & vitulus ſaginatus, ut Domini ſpirituali opi - mum vircute per gratiam Sacramenti myſteriorum conſortio reſtitu - tus, epuletur, ſpricht Ambroſius: Es wird auch ein gemaͤſtet Kalb geſchlachtet / daß das Fleiſch unſers HERRN (Chriſti) / welches voller geiſtlicher Tugenden iſt / durch das Sacra - ment der / ſo wieder zur Gemeinſchafft der Geheimnuͤß ge - kommen / eſſe und genieſſe. Hier ligt alſo Chriſtus ut λύτρον & δῶρον, als ein Loͤß-Geld und Opffer / als ein Geſchenck und Gabe / ut Sacrificium & Sacramentum, als ein blutiges Schlacht-Opffer und Geheimnuß-reiches Liebes - und Gnaden-Band / von ſeinem himm - liſchen Vater fuͤr uns dargegeben. 5. Epularum oblectamentum, die koͤſtliche Mahlzeit: Laſſet uns eſſen und froͤlich ſeyn / dann dieſer mein Sohn war todt / und iſt wieder lebendig worden / er war verlohren / und iſt funden worden / und fieng an froͤ - lich zu ſeyn. Das war ein froͤliches Mahl ob intenſionem gau - dii, wegen der groſſen Freuden / ſo Vater und Sohn bey ſich befunden. Dann129Vom verlohrnen Sohn. Dann gemeiniglich freuet man ſich daruͤber / wann man etwas verlohren / und daſſelbe wieder bekom̃t / mehr als uͤber alles / das man noch hat / wann es auch ſchon viel beſſer oder koͤſtlicher iſt. Wer kranck geweſen / und wie - der geſund worden / der freuet ſich uͤber die wieder erlangte Geſundheit viel - mehr / als zuvor jemahlen. Ein Wittwer oder Wittwe freuet ſich oͤffters mehr uͤber die andere Ehe als uͤber die erſte / ſonderlich wann jene beſſer ſchei - net zu gerahten als dieſe. Dannenhero ſagt auch Chriſtus / Luc. 15, 7. Es wird Freude ſeyn im Him̃el uͤber einen Suͤnder / der Buße thut / mehr dann uͤber neun und neuntzig Gerechten / die der Buße nicht bedoͤrffen. Gregorius M. ſtimmet mit zu / wann er ſagt: Fit plerumque gratior Deo amore ardens poſt culpam vita, quàm ſecu - ritate torpens innocentia, in paſtoral. c. 29. Gemeiniglich wird das Leben eines Menſchen GOtt dem HErꝛn / wann es nach dem Fall vor Liebe gegen Jhm gleichſam brennet / viel angeneh - mer / als ein unſtraͤfflicher Wandel bey groſſer Sicherheit. Summa: Es freuet ſich Gott der Vater uͤber einen neuen Sohn / gleich wie ſich Jacob uͤber ſeinen gefundenen Sohn Joſeph gefreuet / und geſagt: Jch wil nun gerne ſterben / nach dem ich dein Angeſicht geſe - hen habe / daß du noch lebeſt / Gen. 46, 30. Gott der Sohn freuet ſich uͤber einen neuen Bruder / an dem ſein Leyden und Serben nicht ver - lohren iſt. GOtt der H. Geiſt freuet ſich uͤber einen neuen Tempel / in dem er zu wohnen Luſt hat. Es gieng auch froͤlich her ob congratulationem amicorum & vicinorum, wegen des Gluͤck-Wunſches / den die Be - kandte / Freunde und Nachbaren gegen ihm abgelegt. Dann eben darum hat er ein gemaͤſtet Kalb ſchlachten laſſen / dieweil er ihm fuͤr - genommen / Nachbaren und Freunde zu Gaſt zu laden. Daß iſt die Chriſt - liche Mit-Freude / die ein Chriſt gegen dem andern tragen und bezeugen ſoll; Ein recht Engliſches Werck / weil es groſſe Freude iſt auch bey den Englen GOttes uͤber einen Suͤnder / der Buße thut. Endlich gieng es froͤlich her ob Muſicam, Symphoniam & Chorum, wegen des Geſangs und Reyens / das angeſtellet worden / da je einer dem an - dern durch freundlichen Zuſpruch ein gut Hertz gemacht / und zur Mit - Freude auffgemuntert. Jſt das jenige / welches wir auch in unſern Chriſt - lichen Gemeinden zu thun pflegen / wann die gantze Kirch / als auß einem Munde / zuſamen ſtimmet:
Nun freut euch lieben Chriſten g’mein /Und laßt uns froͤlich ſpringen /Zehender Theil. RDaß130Die Fuͤnffzehende PredigtDaß wir getroſt und all in einMit Luſt und Liebe ſingen /Was GOtt an uns gewendet hat /Und ſeine groſſe Wunderthat /Gar theur hat Ers erworben /
Und eine jede glaubige Seele ſpricht ihr ſelbs im Geiſt einen Muth zu / daß ſie ſingt:
Nun lob mein Seel den HErꝛn /Was in mir iſt den Nahmen ſein /Sein Wolthat thut Er mehren /Vergiß es nicht O Hertze mein /Hat dir dein Suͤnd vergeben /Und heylt dein Schwachheit groß /Errett dein armes Leben /Nim̃t dich in ſeinen Schoß /Mit reichem Troſt beſchuͤttet / ꝛc.Wie ſich ein Vater erbarmet /Uber ſein junge Kindlein klein /So thut der HErꝛ uns armen /So wir Jhn kindlich foͤrchten rein / ꝛc.
Das ſeynd / M. L. die Zeichen / darauß die vollkommene Abſolution kraͤfftiglich mag geſchloſſen werden; Folget nun
II. Abſolutio ipſa, die Loßſprechung oder Loßzehlung an ſich ſelbs. Welcher maſſen der verlohrne Sohn todt und verlohren geweßt / haben wir ſchon in vorigen Predigten vernommen. Todt war er in corde Patris, in dem Hertzen ſeines Vaters / der zwar wohl oͤffters wird an ihn gedacht haben / aber ihme nicht einbilden koͤnnen / daß er ſeinen Sohn wieder lebendig ſehen ſolte / er ſchlug ihn zweiffels ohn ſo viel auß dem Sinn und Gedancken / ſo viel er kunte / damit er ſich nicht ſelbs nur quaͤlete / und betruͤbete. Er war todt morte gratiæ, geiſtlicher weiß / auſſer der Gnaden GOttes / deren ſich kein muthwilliger / in Suͤnden erſoffener Suͤnder in ſeinem Suͤnden-Stand zu getroͤſten hat / er war außgethan zur ſelbigen Zeit auß dem Buch des Lebens. Todt war er reatu, in den Suͤnden und Suͤnden-Straffen / das ewige Todes-Urtheil des uͤber - gangenen Geſetzes hat ihm gegolten / und waͤre unfehlbar vollzogen wor - den wo er nicht umgekehret / und ſich eines beſſern bedacht haͤtte. Er war todt in ſeculo, politicè, weltlicher weiß / niemand hielt mehr etwasauff131Vom verlohrnen Sohn. auff ihn / jedermann ſcheuete ſich mit ihm umzugehen / ſein guter Nahme / der ſonſt eben ſo gut gehalten wird als das Leben / war dahin / er hatte ſich ſelbs vor der Welt ſtinckend und zu einem Scheu-Saal gemacht. Nun aber iſt er wieder lebendig / friſch und geſund / er lebet im Hertzen ſeines Vaters / durch einen froͤlichen Anblick / er lebet in Unſchuld / loß von Suͤnden und Sraffen / ſeine Suͤnde ſind todt / er durffte ehrlichen Leu - ten auch wiederum unter die Augen ſehen / mit ihnen reden und umge - hen. Da dann in effectu der Vater anders nichts ſagen wollen / als: Sey getroſt mein Sohn / dir ſeynd deine Suͤnde vergeben / du biſt mein Sohn / mein angenehmes Kind / und Erb / ſo ſey nun froͤlich und guter dinge. Eben alſo leben wir / die wir todt waren / durch Ubertrettung und Suͤnde / Eph. 2. in Chriſto / in dem Leben der Gnade GOttes / und der Unſchuld JEſu Chriſti / fuͤr allen heiligen Englen / die ſich uͤber und mit uns freuen / und gleich - ſam Gluͤck wuͤnſchen. Jch gienge fuͤr dir fuͤruͤber / ſpricht Gott der HErr Ezech. c. 16, 6. und ſahe dich in deinem Blut liegen / und ſprach zu dir / da du ſo in deinem Blut lageſt / du ſolt leben / ja zu dir ſprach ich / da du ſo in deinem Blut lageſt / du ſolt leben / ꝛc. Und c. 18, 21. Wo ſich aber der Gottloſe bekehret von allen ſeinen Suͤnden / die er gethan hat / und haͤlt alle meine Rechte / und thut recht und wohl / ſo ſoll er le - ben / und nicht ſterben. Es ſoll aller ſeiner Ubertrettung / die er begangen hat / nicht gedacht werden / ſondern ſoll leben um der Gerechtigkeit willen / die er thut. Meyneſtu / daß ich Ge - fallen habe am Tode des Gottloſen / (ſpricht der HErꝛ HErꝛ) und nicht vielmehr / daß er ſich bekehre von ſeinem Weſen / und lebe?
Er war aber 2. auch ein verlohrner Sohn / geiſtlicher weiſe / er ſteckte / dem Verdienſt nach / obwohl noch nicht wuͤrcklich / der Hoͤllen ſchon im Rachen / und dem hoͤlliſchen Wolff in den Zaͤhnen. Er war verlohren auß dem Hauſe ſeines Vaters / auß ſeinem Teſtament außgethan / excommuniciret und verbannet / wo er nicht gebuͤhrender maß ſich wieder einſtellen wuͤrde. Aber er iſt worden ein wieder gefundener Sohn / der ſich auß dem Verderben erholet / und wieder zuruck gewendet. Alſo waren wir weyland todt und verlohren geweßt / ohne CHri - ſto / Fremdlinge / und auſſer der Burgerſchafft Jſraelis / und fremde von den Teſtamenten der Verheiſſung / daher wir keine Hoffnung hatten / und ohne GOtt in der Welt waren. R ijAber132Die Fuͤnffzehende PredigtAber GOtt ſey Danck / der auß uns als Gaͤſten und Fremd - lingen / Buͤrger mit den Heiligen / und GOttes Haußgenoſ - ſen gemacht / Eph. 2. Daß wir wieder angenehme Gnaden-Kinder und Erben GOttes worden ſeynd. Wann derowegen ein Prediger ſagt: ſo verkuͤndige ich euch Vergebung aller euerer Suͤnden / ꝛc. iſt es eben ſo viel / als wann ein Hirt ſein verlohrenes und verirꝛtes Schaͤfflein durch die Evangeliſche Lock-Pfeiffe wieder zur Heerde lockete; oder als ſpreche er: ſtehet auff ihr todte und verlohrne / wachet auff / die ihr ſchlaffet / auff daß euch JEſus Chriſtus erleuchte / Eph. 5. v. 14.
Sehet / M. L. das iſt Juſtificatio Evangelica, die Evangeliſche Rechtfertigung / iſt nicht actus phyſicus per infuſionem, eine natuͤr - liche Handlung / die durch eine Eingieſſung verrichtet wird / ſondern eine ſolche Handlung der Goͤttlichen Barmhertzigkeit / da ein reuender und glaubiger Suͤnder / der bloß und arm / von dem Thron der Goͤttlichen Gerechtigkeit appelliert an den Gnaden-Thron Chriſtum / ſich im Glau - ben auffmacht / und auff GOttes Eydfeſte Verheiſſung fuſſet / gehet hin zu der H. Abſolution / thut ſeine Confeſſion und Beicht / und em - pfaͤhet alsdann durch den Mund und Hand des Dieners ſtolam juſtitiæ, den Rock der Gerechtigkeit Chriſti / das Kleid des Heyls / den Ring und Pfand des H. Geiſtes / die Schuh der Freyheit / und geneußt des Leibes und Blutes des geſchlachteten Laͤmleins JEſu Chriſti; Alles GOtt im Himmel und den H. Englen zur Freude. Da wird der Menſch auß dem Stand des Todes ins Leben / auß dem Fluch in den Segen / auß dem Rachen der Hoͤllen in den Gnaden - Schoß GOttes / auß der Jrꝛ und Exilio ins Paradiß verſetzet / ein Kind und Erbe des ewigen Lebens / und mit GOtt unverzuͤglich auß Gnaden / gantz vollkommen außgeſoͤhnet. Das iſt die beſſere / Geheim - nuß-reiche Gerechtigkeit / die allein im Glauben muß ergriffen werden / das froͤliche Sions-Evangelium / und die gute Bottſchafft von dem Alle - mans-Heyden-Troſt.
Welches / wie wir es nicht mißbrauchen ſollen wider die weltliche Rechts-Ordnung / dann da folget gar nicht / es iſt vor GOtt verziehen / darum darffs die Obrigkeit nicht ſtraffen / andern zum Exempel und Ab - ſcheu; der Schaͤcher am Creutz hat die Abſolution von Chriſto ſelbs em - pfangen / die politiſche Straff aber wurde darum nicht auffgehoben / Ev - angelium non abolet politias, das Evangelium hebt das weltliche Recht nicht auff. Alſo haben wirs entgegen zu ſetzen I. Cacangelio Papiſtico, der Paͤpſtiſchen Gerechtigkeit / die ihre eigene Genugthuung / Buſ -ſen133Vom verlohrnen Sohn. ſen und Wercke mit einmiſchen / nach der proportion der begangenen Suͤnden / mit Roſen-Kraͤntzen / Wallfahrten / Kertzen / Stifftern / Moͤnchs - kutten / Saͤcken und Aſchen das gemaͤſtete Kalb gleichſam ſpicken / vorge - bend / ob wohl durch Chriſtum die Suͤnde und ewige Straff weggenom - men worden / ſo bleibe doch noch reatus pœnæ temporalis, die zeitliche Straff auff dem Menſchen liegen / fuͤr die er ſelbſt buͤſſen muͤſſe. Jch ge - ſchweige nun / daß ſolches dem Verdienſt Chriſti uͤberauß ſchmaͤhlerlich und wider GOttes Wort / wie zu andern Zeiten außgefuͤhret worden / ſo ſage nur kuͤrtzlich dieſes: Es ſeynd ſolche Wercke entweder gut / und ſeynd alſo keine Stuͤck / ſondern Fruͤchten der Buß / die man als neue gute Wer - cke zu leiſten ſchuldig / damit aber fuͤr die begangene Suͤnden nichts abge - tragen werden mag; oder es ſind Menſchen-Wercke und Menſchen-Tand / als einen oder mehr Roſen-Kraͤntz betten / da und dorthin wallfahrten / in Moͤnchs-Kutten ſchlieffen / ſich aͤſchern laſſen / haͤrinne Hemder anziehen / faſten / Kertzen ſtifften / und alſo ſeynd es Greuel fuͤr Gott. Und was Ambroſius von Petro ſagt: Lacrymas Petri lego, ſatisfactionem non lego, ich leſe wohl / daß Petrus geweinet / aber nicht / daß er damit fuͤr ſeine Suͤnde gnug gethan; Das moͤgen wir hier auch ſagen: Re - ditum in ſe & ad Patrem lego, ſatisfactionem non lego, ich leſe wohl / daß der verlohrne in ſich ſelbs und zu ſeinem Vater gegangen / aber daß er damit etwas verdienet / oder genug gethan / das finde ich nicht. Das Gegentheil iſt auß der Hiſtori ſelbs clar genug / und darff nicht viel beweiſens. 2. Setzen wir es entgegen Cacangelio cor - dis noſtri, dem boͤſen Fuͤrgeben unſers Hertzens / das uns immer verdammt / und die alte getoͤdtete Suͤnden wiederum herfuͤr grabt; will GOtt nicht recht vertrauen / zaget und zappelt / ſonderlich wann die Straf - fen nicht auffhoͤren wollen. Zwar ein frecher und vermeſſener Menſch waͤre der / der ſeiner Suͤnden allerdings nicht wolte gedencken / ob ſie ſchon vergeben, der verlohrne Sohn hats gewiß auch nicht allerdings vergeſſen. David gedenckt der Suͤnden ſeiner Jugend / Pſ. 25. GOtt der Herr ſagt ſelbs Deut. 9, 7. Gedencke und vergiß nicht / wie du den HErꝛn deinen GOtt erzuͤrneteſt in der Wuͤſten / ſo ſollen wir auch der unſerigen Suͤnden nimmer vergeſſen / es dienet zur Demuth fuͤr GOtt / wie Paulo ein Stachel ins Fleiſch gegeben worden / nem - lich des Satans Engel / der ihn mit Faͤuſten geſchlagen / auff daß er ſich nicht der hohen Offenbahrung uͤber hebe / 2. Cor. 12, 7. Darum ſpricht er 1. Cor. 15, 9. Jch bin nicht werth / daß ich ein Apoſtel heiſſe / darum daß ich die Gemeine GOttes verfolgetR iijhabe.134Die Fuͤnffzehende Predigthabe. Es dienet zum Mitleiden gegen dem Naͤchſten / dann wir wa - ren auch weyland unweiſe / ungehorſame / irꝛige / dienende den Luͤſten und mancherley Wolluͤſten / und wandelten in Boßheit und Neid / und haſſeten uns unter einander. Tit. 3, 3. ſo machets der Schenck Pharaonis / und ſpricht Gen 41 9. 10. Jch gedencke heute an meine Suͤnde / da Pharao zornig ward uͤber ſeine Knechte / ꝛc. Es iſt nutzlich zur Gedult / wann GOtt auch noch nach der Bekehrung zuͤchtiget / dann die cicatrix, das Wundmahl bleibet / und die Mackeln kan man nicht allerdings außloͤſchen; dem verlohrnen Sohn iſt der gleichen begegnet / er mußte es von ſeinem Bruder hoͤren / und ihm auffs Brod ſtreichen laſſen: dieſer Juncker / das ſchoͤne Fruͤchtlein / welches ſich ſo ehrbar ſc. gehalten / daß es nicht ſo herꝛlich bewillkommet wird / ey ja wohl / daß man ihm nicht ſo groſſe Ehr anthut / quo merito, womit hat ers ver - dienet? hinauß mit ihm / wir haben doch nur Schande von ihm / ꝛc. Die liebe Gedult aber vertraͤgt alles dergleichen / und machet behutſame Chri - ſten / daß ſie ſich ins kuͤnfftige vor Suͤnden huͤten. Es ſoll aber ſolche re[c]or - dation und Erinnerung nicht geſchehen ad dubicationem vel deſperatio - nem, zum Zweiffel und zur Verzweifflung; Man ſoll auß ſolchem kein pabulum infidelitatis, Nahrung des Unglaubens machen / ſeinen Unglauben damit zu haͤgen. Dann das hieß GOtt zu einem Lugner ma - chen / der ſagt / dieſer mein Sohn war todt / jetzt lebet er / darum ſeind ſeine Suͤnden getoͤdtet / und in die Tieffe des Meers verſencket. Ja / wie jener hertz - haffte Theologus, der mit einem Beſeſſenen zuthun hatte / aber von dem - ſelben hoͤren mußte / daß er ihm ein Stuͤckel ſeiner Jugend / um welches willen er den 25. Pſalm beten muͤſſen / fuͤrgeworffen / geantwortet: O Teuffel / du kom̃ſt jetzt viel zu ſpaht / es iſt mir ſchon vergeben worden / dabey wirs auch verbleiben laſſen. Ach daß wir dieſe Wort / ſchreibet Lyſerus Harm. p. 81. ſonderlich in den letzten Noͤthen (da die tentationes und Verſuchungen am haͤrteſten anhalten / da die Hertz - Stoͤße und Puͤffe am ſtaͤrckſten gehen / wann wir uns auffmachen / und zum Vater gehen muͤſſen) uns eriñerten / und an dieſe Parabel gedaͤchten / auff daß / wann wir heimfahren auß dieſem Elende / wir alsdann froͤlich ſeyen / in den Engliſchen Chor und den Reyen der Außerwehlten auffge - nommen / in him̃liſcher Herꝛlichkeit GOtt ewig preiſen und loben moͤgen. Nun der GOTT alles Troſtes verſiegle dieſen Troſt in unſern Hertzen hier in der Zeit / biß wir zu Jhm kom̃en in die ſelige Ewigkeit.
AMEN.
GEliebte in Chriſto. Wann Johannes der Taͤuffer / nach dem er geſehen die Phariſaͤer und Sadducaͤer zu ſeiner Tauffe kommen / unter andern mit dieſen Worten ſie an - redet / und ſagt: Sehet zu / thut rechtſchaffene Fruͤchte der Buße; So fuͤhret er zwar dieſelbe ἐν ὑποϑέσει, gleichſam in die Schul / ſtellet ſie ins Examen / fuͤhret ſie auff den Augenſchein / begehret von ihnen / ſo es anderſt ihnen mit der Buß ein Ernſt / ſie wolten derſelben ſpecimina und Proben thun / und rechtſchaffene Fruͤchte der Buſſe bringen. Er wil ſo viel ſagen: Jhr ſeyd Otter-Gezuͤchte und Schlangen-Art / Schlangen-Gifft iſt unter eu - eren Zungen / Pſ. 140, 4. Dencket nur nicht / daß ihr bey euch wolt ſagen / wir haben Abraham zum Vater; Jhr ſeyd Otter-Gezuͤchte in der War - heit. Jch zweiffle ſehr / obs euch Ernſt ſey / dem zukuͤnfftigen Zorn zu ent - rinnen? Dann Art laͤßt von Art nicht / kan auch ein Mohr ſeine Haut wandlen / oder ein Parder ſeine Flecken? Jer. 13 23. Eben ſo wenig koͤnnet auch ihr enere boͤſe Unart laſſen. Aber nun wolan / ich bin kein Hertzen-Kuͤndiger / iſts euch ein Ernſt / ſo beweiſets im Werck / zeiget eu - ern Glauben in den Wercken. Wie auch Jacobus eben ein ſolch Ge - ſpraͤch mit den ſcheinglaubigen Heuchlern angeſtellet / c. 2. Es moͤchte jemand ſagen: du haſt den Glauben / und ich habe die Wercke: zeige mir deinen Glauben mit deinen Wercken / ſo will ich auch meinen Glauben dir zeigen mit meinen Wercken.
Εν ϑέσει aber und ins gemein zeiget Johannes an / welches die cha - racteres und Merckzeichen der rechten / wahren / und unverfaͤlſchten Kern - Buße ſeyen / nemlich 1. fructus, Fruͤchten / nicht als wie der Dorn-Buſch oder Dorn-Strauch / davon Feuer außgehet / und die Cedern in Libanon verbrennet / das iſt / ſchaͤdliche Fruͤchten / von denen man unverletzt und un - beſtochen nicht wohl kommen kan / dadurch alles verderbet wird / wie dor - ten Jud. 9. Jotham den Abimelech vergleichet. 2. καρποὺς ἀξίους τῆς μετα - νοίας, rechtſchaffene Fruͤchte der Buße / die der Buße werth ſeynd / ra - tione efficientis, ihrem Urſprung nach / verſtehet dadurch fructus ci - cures. zahme / und nicht wilde Fruͤchten / die von einem Wildfang her - kommen / ſondern als von einem neu-gepfantzten Garten-Baum zeugen /nicht136Die Sechzehende Predigtnicht harte / ſaure / unmuhtige Fruͤchten / wilde Birn / Holtzaͤpffel / Ey - cheln / die den Mund verderben dem / der darein beiſſet / geſtalt dann ſolche Fruͤchten ſeind die Wercke der Heyden; ſondern gute / ſuͤſſe / liebliche / geſun - de und nutzliche Fruͤchten / die in den Garten GOttes transplantirt und verſetzet worden ſeynd; Καρποὺς ἀξίους, rechtſchaffene Fruͤchte / ratione materiæ & formæ, ihrem Weſen und Eigenſchafft nach / nicht be - triegliche / vergifftete Schein-Fruͤchten / wie die Aepffel zu Sodom am rothen Meer / die außwendig ſchoͤn / inwendig aber Aſchen ſeyn ſollen / Sap. 10, 7. oder wie die Blaͤtter des Feigenbaums / Matth. 21, 19. welchen der Herꝛ ver - flucht / daß er als bald verdorret iſt / und damit erwieſen / daß er alle Heucheley verfluchen und verdammen wolle / wann es heiſſet / die Stimme iſt Jacobs Stimme / aber die Haͤnde ſeind Eſaus Haͤnde. Καρποὐς ἀξίους, recht - ſchaffene Fruͤchten / ratione ſinis, der End-Urſach und ihrem Zweck nach / Fruͤchten der Gerechtigkeit / die nicht zu eigenem Lob und eiteler ſelbſt-pralerey / ſondern Gott zu Ehren und allem Gefallen geſche - hen durch JEſum Chriſtum / Philip. 1, 11. wie die Trauben von Natur Gott zum Lob / und dem Menſchen zu Nutze wachſen.
Ein Exemplar einer ſolchen fruchtbaren Buß ſtellet uns abermal unſer Herr und Seligmacher Chriſtus fuͤr die Augen / an dem verlohrnen Sohn / in dem er denſelben durch den Vater als einen biß dato erſtorbenen und verdorꝛten / nunmehr aber wieder lebendigen und geſunden Baum ſei - nen Nachbauren und Freunden fuͤrſtellet / und ſagt mit Frolocken / und hertzlicher Freude zum zweyten mahl / dieſer mein Sohn war todt / und iſt wieder lebendig worden / er war verlohren / und iſt funden worden. Gleich wie der Juͤngling zu Nain todt geweſen / und das Leben verlohren hatte / daß er ſchon geſtuncken / da man ihn hinauß getragen; alſo hatte der ver - lohrne Sohn das Leben auß Gott nicht mehr in ſich / er war vor Gott und der ehrbaren / tugend-liebenden Welt ſtinckend gemacht. Wie jener ſeine Seele und damit das Leben wieder erlangt auß der extraordinari Gnade und Macht GOttes; alſo hatte es auch dieſer der widerruffenden und ziehenden Gnade GOttes ſeine Bekehrung einig und allein zu dan - cken. So froh die betruͤbte Mutter des verſtorbenen Juͤnglings geweſen / daß ihr lieber Sohn wieder geleibt und gelebet / ſo froh war auch der Va - ter des verlohrnen Sohns / daß er wieder umgewandt / und die Ruck-kehr auß dem Verderben vorgenommen. Wir wollen / M. L. damit wir ja keine gute Lehre uͤberhupffen / in der Gleichnuß fortfahren / und die renovationem vitæ & ſtatum novæ obedientiæ, das neue Leben / welches auff die Buße folgen ſoll / zu dieſem mahl fuͤrtragen / und alſo noch anjetzoden137Vom verlohrnen Sohn. den verlohrnen Sohn zu einem Lehrmeiſter fuͤr uns nehmen / und ſo es Gott beliebet / uͤber acht Tage den Phariſaiſmum an ſeinem Bruder angreif - fen. Daß es aber Gott zu Lob und Ehre / uns zu Nutz und Lehr geſchehe / gebe der Vater aller Gnaden ſeines H. Geiſtes Beyſtand um Jeſu Chriſti / willen / Amen.
ES zeiget / Geliebte im Herrn / anfangs der Vater des verlohr - nen Sohns den Zuſtand ſeines Sohns in und nach der Buß / fuͤr - nemlich in dreyen Worten an; ἀνέζησε, ὑγιαίνει, ἑυρέϑη, er iſt le - bendig / er iſt geſund / er iſt funden worden. Jſt alles nicht nur dem Buchſtaben nach leiblich / ſondern auch geiſtlicher weiſe zu verſtehen / und wird mit einem Wort ſo viel geſagt / als juſtificatus eſt, er iſt gerecht ge - macht / er ligt nicht mehr unter den Todten / ſondern iſt geiſtlicher weiſe auff - geſtanden; er iſt nicht mehr kranck und ſchwach an ſeiner Seelen / ſondern heyl und geſund; er gehet nicht mehr in der irre / ſondern iſt gefunden. Ha - ben alſo hiebey ideam juſtificati, ein Muſter oder Bild eines gerecht - fertigten oder gerecht gemachten Menſchen / an dem wir ex ſignis & ſpeciminibus, auß den Zeichen und Proben abnehmen koͤnnen / daß er gelebet; und damit auch wir von uns und andern ſagen moͤgen / wir leben in Gott / ſeind geſund an der Seel / und gefunden worden / ſo ſollen wir von dieſem Baum Fruͤchten abbrechen / und die Kernen davon in unſern Garten verſetzen. Es deutet aber Chriſtus auff dreyerley Fruͤchten / die ſich bey einem rechten Buͤſſer erzeigen muͤſſen / und ſeynd I. fructus vitæ novæ ſpiritualis, des geiſtlichen und neuen Lebens Fruͤchten: Wann ein todter Menſch wieder lebendig worden / ſo erzeigen ſich folgende characteres und Merckzeichen: I. Calor vitalis, die Lebens-Waͤrme. Gleich wie dorten der Sunamitin Kind zu erſt wiederum warm worden / die natuͤrliche Hitze wiederum in ſein Hertz zum Leben gekommen / und das Gebluͤt ſich wieder gereget / 2. Reg. 4. Alſo wurde auch der verlohrne Sohn wiederum zu allerforderſt warmhertzig / das Liebes-Feur gienge in ihm auff / daß / ſo ſehr er zuvor ſeinen Vater gehaſſet / ſo hertzlich liebte er ihn hernach. Jſt nun die Buß eines Menſchen recht / ſo folget die Liebe gewiß darauff / ἄνω καὶ κάτω, uͤber ſich gegen Gott / und unter oden neben ſich ge - gen dem Naͤchſten; Dann je mehr Suͤnde verziehen worden / je bruͤnſtiger die Liebe ſich erzeigen ſoll. Daher ſagt Joh. 1. Ep. 3, r4. Wir wiſſen / daß wir auß dem Tod in das Leben kommen ſeynd / dann wir lieben die Bruͤder / wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Tode. Darum ſagt Chriſtus Luc. 7, 47. von der armen reuenden Suͤn -Zehender Theil. Sderin:138Die Sechzehende Predigtderin: Jhr ſind viel Suͤnde vergeben / dann ſie hat viel geliebet: als wolte Chriſtus ſagen: daß ihr viel Suͤnde vergeben ſeind / das beweiß ich darauß; wem viel geſchencket wird / der hat auch Urſach mehr zu lie - ben / welchem aber wenig vergeben wird / der liebet auch wenig / wie das an - gezogene Exempel des Schuldners außweiſet. v. 41. Es hatte ein Wu - cherer zween Schuldner / einer war ſchuldig 500. Groſchen / der ander 50. da ſie aber nicht hatten zu bezahlen / ſchencket ers bey - den. Sage an / welcher unter dieſen beyden wird ihn am mei - ſten lieben? Simon antwortet und ſprach: Jch achte / dem er am meiſten geſchencket hat. Er aber ſprach zu ihm: Du haſt recht gerichtet. Jch bin kommen in dein Hauß / du haſt mir nicht Waſſer gegeben zu meinen Fuͤſſen. Dieſe aber hat meine Fuͤſſe mit Thraͤnen genetzet / und mit den Haaren ihres Haupts getruͤcknet. Du haſt mir keinen Kuß gegeben / dieſe aber hat nicht abgelaſſen meine Fuͤſſe zu kuͤſſen. Du haſt mein Haupt nicht mit Oel geſalbet / ſie aber hat meine Fuͤſſe mit Salben ge - ſalbet. Derohalben ſag ich dir: Jhr ſind viel Suͤnde verge - ben / dann ſie hat viel geliebet / welchem aber wenig vergeben wird / der liebet wenig. Man erfahrets noch heutiges Tages / wie eyf - ferig die jenige werden / die zuvor in Jrꝛthum geſtecket / den Teuffel kennen gelernet / und ſeinen Verfuͤhrungs-Netzen entgangen. Das achten aber unſere Leute nicht / dann ſie gehen wie die Kuͤhe im Graß biß an die Wei - che / niemand wills glauben / biß ihm die leidige Erfahrung nicht ohne groſſe Seelen-Gefahr den allzuſpaͤthen Glauben in die Hand gibt. 2. Vigor cor - dis & lætitia, die Ermunterung und Freude des Hertzens. Der Geiſt Jacob ward wieder lebendig / ſtehet Gen. 45 / 27. das iſt / er ward froͤlich und gutes Muths / als er vernommen / daß ſein Sohn Joſeph noch lebet. Alſo bekam der verlohrne Sohn / nach dem er wieder zu Gnaden angenommen ward / und mit ihm ein jeder rechtſchaffener Buͤſſer und bußfertiger Suͤnder / ein neues Hertz und Muth / er ſihet wieder um ſich / und dencket / nun weil Gott mir verziehen / ſo darff ich mich wieder - um ſehen laſſen / ſo hab ich alle Creaturen zu Freunden; hat mir Gott ver - ziehen / und iſt Er fuͤr mich / ey was wollen mir dann Menſchen thun. Jſt die Apoſtoliſche Lehre Pauli / Rom. 5, 1. Nun wir dann gerecht ſeynd worden durch den Glauben / ſo haben wir Friede mit GOtt / durch unſern HErꝛn JEſum Chriſtum / Eph. 3, 12. Hebr. 4, 16. 3. Reſpiratio, die Erholung / wann man wieder zu Athem kom̃t. Das139Vom verlohrnen Sohn. Das Kind der Sunamitin ſchnaubete ſiebenmahl / ehe es recht wieder zu leben anfieng. Das ſeynd bey Gottſeligen Buͤſſern die ſancti gemitus & deſideria, die heilige Seufftzer und Wuͤnſche nach der vollkom - menen Erloͤſung / nach dem Leben / das auß Gott iſt; der beſtaͤndige Fuͤr - ſatz / die hinderſtellige Zeit im Fleiſch / heilig / gerecht und unſtraͤfflich zu leben / das bußfertige Gedaͤchtnuß / daß es boͤß genug / daß man die vori - gen Zeiten zubracht nach heydniſchem Willen / in Unzucht / Luͤſten / Trun - ckenheit / Freſſerey / Saͤufferey / ꝛc. 1. Pet. 4 / 2. & 3. 4. Apertio oculo - rum die Augen-Oeffnung; gleich wie der Koͤnigliche Printz Jona - than / der von der Philiſter Schlacht ermuͤdete Held / nach dem er ein we - nig Honig gekoſtet / wiederum wacker worden / 1. Sam. 14, 27. Alſo trieb die bußfertige Widerkehr in ſich ſelbs dem verlohrnen Sohn die Schlaff - ſucht auß den Augen / er gab den Traͤumen gute Nacht / daß er uͤber ſich geſehen / nach dem Zweck deß Goͤttlichen Zugs; vor ſich / nach dem Liecht des Goͤttlichen Willens; Zuruck hinder ſich / auff das vergan - gene Leben; weit hinauß / auff die quatuor noviſſima, die vier zukuͤnffti - ge ſchroͤckliche Dinge; in ſich / durch wahre Buß; um ſich / auff den Naͤchſten / den er beleidiget / und geaͤrgert; auff den Teuffel / der ihn verfuͤhret / und deſſen Trieb er gefolget. 5. Remotio funeralium & foetoris, die Ablegung ſeiner lumpichten Kleidung / und garſti - gen Geſtancks. Lazarus ſtancke / da er ſchon vier Tag im Grab gele - gen mit Grab-Tuͤchern an Haͤnden und Fuͤſſen gebunden / und das Ange - ſicht mit einem Schweiß-Tuch verhuͤllet war; Joh. 11. aber er ließ ſich auff - loͤſen / und gieng zweiffels frey / als er den Todten-Geſtanck verlohren / unter die Leute: Alſo ſtanck der verlohrne Sohn auch nicht mehr / er gieng mit und unter den Leuten als ein anderer ehrlicher Menſch wieder herum. Darmit die taͤgliche mortificatio carnis, Toͤdtung unſers ſuͤndli - chen Fleiſches abgebildet worden; dann wir haben noch viel todtes / faules und ſtinckendes Fleiſch im Buſen / welches wir immer ablegen muͤſ - ſen. Das iſt das Abſterben der Suͤnden / davon St. Paulus Rom. 6, 11. redet: Haltet euch dafuͤr / daß ihr der Suͤnden geſtorben / ſeyd und lebet GOTT in Chriſto JEſu unſerm HErꝛn. Und geſchicht ſolch ſterben per deſuetudinem vitiorum conſuetudina - riorum, quæ tanquam vinculum mortis nos ligant, durch Ablegung oder Abgewoͤhnung der in die Gewonheit gebrachter Suͤnden / die uns wie ein Todten-Band verknuͤpffen. Das iſt ein harter Knotten / wer den auffhauet und erzwinget / der hat gewonnen. Dazu 6. S ijnoch140Die Sechzehende Predigtnoch kommen muß erectio corporis, locutio & ambulatio, die Auff - richtung des Leibes / Rede und Fortgang. Gleich wie der vom Tod erweckte Juͤngling zu Nain ſich auffgerichtet / zu reden angefangen / und ſeiner Mutter entgegen gegangen / Luc. 7 / 15. wie Lazarus friſch wieder davon gegangen / Joh. 11 / 44. Alſo ſollen wir auffſtehen vom Schlaff der Suͤnden / und unſere Glieder GOtt zu Waffen der Ge - rechtigkeit begeben / als die wir auß den Todten lebendig worden / Rom. 6 / 13. und gleich wie Chriſtus iſt aufferwecket von den Todten / alſo ſollen wir auch in einem neuen Leben wandlen / Rom. 6 / 4.
Die II. Fruͤchten ſeind characteres ſanitatis, Geſundheits-Fruͤch - ten / als da ſeynd 1. vires, gute Kraͤfften / zuvorderſt der Sinnen und Affecten / und des gantzen geiſtlichen Leibes / gern ſehen was recht iſt / Got - tes Wort gern hoͤren / vom Baum des Lebens eſſen / vom friſchen Waſſer trincken / die Speiſſen wohl verdauen / nicht wie die Hunde wieder von ſich geben / oder wie ein undaͤuender Magen darab ecklen / und von ſich ſchuͤt - ten; arbeitſame Haͤnde haben / etwas redliches zu arbeiten / auff daß man habe zu geben dem Duͤrfftigen; ſchnelle Fuͤſſe / nicht Schaden zu thun / ſon - dern dem Duͤrfftigen zuhelffen; froͤliche Zunge zum Lob und Preiß Got - tes. 2. Colores, gute / ſchoͤne / rohte und lebhaffte Farb / eine froͤliche Stirn / color conſcientiæ, beſtaͤndige Gewiſſens-Farb / der Chriſtlichen Schamhafftigkeit / weiß und roht iſt der Tugend Leib-Farb; Wann man an ſeinen und anderer Fall gedencket / ſo ſchaͤmet man ſich / es erwecket Demuht und Gedult / und macht geſchlachte Hertzen. Manet cicatrix, etſi vulnus ſanatum, wann ſchon etwa die Wunde gehey - tet / ſo bleibet doch das Wundmal / die Narb / welche mit ihrem An - blick immer zur Buß-Ubung antreibet. 3. Diœta, geſunde Diet. Jſt der Menſch ungeſund / ſo iſt die Diet bey ihme nichts nutz / zuviel oder zuwe - nig / wann man morgens fruͤh trincket / unordentlich iſſet / oder bey verderb - tem Magen nicht eſſen mag / wie Timotheus 1. Ep. 5 / 23. Die Geiſtliche Diet wird erhalten durchs Gebett / und rechten Gebrauch der H. Sacra - menten / durch ordentliche Verrichtung ſeiner Ampts - und Beruffs-Ge - ſchaͤfften / dadurch dem Muͤſſiggang geſteuret / und das Kleinod der Gna - de GOttes bewahret wird. Ein mancher Menſch halt gute Diet ſein zeit - lich Leben zu erhalten / und hoch zu bringen; aber um die geiſtliche Diet iſt man wenig oder gar nit bekuͤmmert / fuͤr welche man doch am meiſten ſorgen ſolte / und ſagen: Ach HErr / zeige mirden rechten Weg / zu wandlen gute Straſſen / leite mich auff deinem Tugend-Steg / wolleſt mich nicht irren laſſen / ꝛc.
III. Jſt141Vom verlohrnen Sohn.III. Jſt noch uͤbrig Character inventionis factæ, Fund-Fruͤch - ten / iſt vigilans prudentia, die wachſame Klugheit / oder kluge Wachſamkeit; vulpes non iterum capitur laqueo, quo ſemel ſe exuit, man fangt nicht leichtlich einen Fuchſen wiederum / wann er dem Strick einmahl entgangen.
‘— — quæ bellua ruptis, Quum ſemel effugit, reddit ſe prava catenis? ’ ()ſagt Horatius l. 2. ſerm. Sat. 7. Wo iſt ein Thier / das ſich wieder - um anlegen laͤßt / wann es ein mahl loß worden? Gebrandte Kin - der foͤrchten das Feur: wer dem Teuffel einmahl in den Klauen geweßt / und ihn recht kennen lernen / der kom̃t ihm nicht mehr. Darum ſoll man ſich fuͤr ihme huͤten / und auff alle ſeine Schritt und Tritt / auff alle Gaͤnge und Raͤncke / ſo viel muͤglich / gute Achtung geben. Die boͤſe Gelegen - heiten und den Muͤſſiggang fliehen:
‘Otia ſi perdas, periêre cupidinis arcus:’ ()Boͤſer Geſellſchafften muͤſſig gehen / den uͤberfluͤſſigen Trunck meiden / wie der verlohrne Sohn / der mit ſeinen Augen / Zunge und uͤbrigen Glied - maſſen einen Bund gemacht / auff alle ſeine Gaͤnge und Wege geſehen / da - mit er nicht wiederum̃ in die Jrre gerahten. Componamus nos ipſos undique; quemadmodum ſuper funem extenſum ambulantibus non licet vel parum negligentibus eſſe; ita neque nobis pigreſcere licet; viam enim incedimus anguſtam, & utrinque præcipitiis obnoxiam, pedumque duorum ſimul non capacem; ſpricht Chryſoſtomus hom. 9. ad Theſſal. Das iſt: Laßt uns allenthalben unſer ſelbſt wohl wahr - nehmen / gleich wie die Seyl-Taͤntzer nit unachtſam ſeyn / und das geringſte verſehen doͤrffen: alſo laſſet ſichs auff unſerer Seiten auch nicht faullentzen / dann wir gehen auff einem en - gen / beyderſeits gaͤhen und ſchmalen Weg / der nicht zwey Schuch breit. Siehe deßwegen / lieber Menſch / welchen Fleiß wir anzulegen haben. Summa / wir ſollen uns huͤten à recidivatu, daß wir nicht wieder umſchlagen / und in das alte Suͤnden-Weſen gerahten. Siehe zu / ſpricht Chriſtus Joh. 5 zu dem geſund-gemachten 38. jaͤhrigen Bett-Rießen / du biſt geſund worden / ſuͤndige forthin nicht mehr / daß dir nicht etwas aͤrgers wiederfahre. Damit nicht das letztere aͤrger werde als das erſte geweſen iſt / Matth. 12 / 45. Der Hund riechet daran / und friſſet wieder / was er geſpeyet / und die Sau waͤltzet ſich nach der Schwaͤmme wieder im Koth. 2. Pet. S iij2 / 22.142Die Sechzehende Predigt2 / 22. Aber du / O lieber Chriſt / nicht alſo / lerne an fremdem Schaden witzig werden; Abſalon iſt deſſen ein lebendiges Exempel / der ward von ſeinem Vater / dem Koͤnige David / wieder begnadet / daß er ſein Angeſicht wieder ſehen / und vor ihn kommen dorffte / aber er ſchlaͤgt um / geraͤht in vorige Suͤnde / und kom̃t endlich mit Leib und Seel um / O Zetter / Feu - rio / Mordio!
Jſt alſo in einer Sum̃a die Frucht des neuen Gehorſams der Buß / inbruͤnſtige Liebe / hertzliche Freude / ſehnliche Begierde / geiſtliche Klugheit und Wackerheit / taͤgliche Buße und Toͤdtung des Fleiſches / demuͤhtiger Dienſt aller Kraͤfften Leibes und der Seelen. So dann auch neue Kraͤff - ten / rechter Gebrauch der Augen / Ohren / Haͤnde und Fuͤſſe / geſunde Ver - dauung und rechte application der geiſtlichen Speiſe / angelegener Fleiß in ſeinem Ampt und Beruff / ungefaͤrbter Glaube / rein und weiſſes Gewiſ - ſen / rohte Tugend-Tinctur, gute Diœt / und kluge Wachſamkeit.
Wie nun dieſe Lehre uns dienet zur Wiederlegung der Paͤpſtiſchen ca - lumnien / die von uns außſchreyen / als verbieteten wir die gute Wercke / und wollen den atheiſmum ein fuͤhren / wie ſolches Bellarminus l. 4. de juſtif. 1. einiger Noth wider der Augſpurgiſchen Confeſſion proteſtation unter - ſtehet zu erweiſen; Wider alle unſere Predigten / und auch dieſe gegenwaͤr - tige / da wir ſagen / opera non eſſe merita, ſed fructus, fructuum abſen - tiam damnare; die Wercke ſeyen keine Verdienſt / ſondern Fruͤch - ten der Buße / ihre Abweſenheit oder Mangel ſeye verdamm - lich; dann ſo wenig Leben ohne reſpiration, oder Athem / Geſundheit oh - ne Farb / ein guter Baum ohne Fruͤchten ſeyn kan / ſo wenig kan auch eine rechtſchaffene Buße ſeyn ohne gute Wercke: Wir ſeynd ja nit nur Oſtern - ſondern auch Pfingſten-Prediger / ſo wohl Sinaiſche Geſetz - und Laͤrmen - als Sioniſche Friedens-Blaͤſer; wir treiben nicht nur auff die Rechtfertig - ung / ſondern auch auff die Heiligung / ſo auff jene folgen ſoll; nicht nur auff den Glauben / ſondern auch auff die Glaubens-Fruͤchten / die guten Wercke / ſo auß dem Glauben herkommen ſollen. Wir ſagen und lehren / wie der Menſch vor der Rechtfertigung nichts Gutes thun koͤnne / es ſeyen lauter ſaure Holtz - oder Sodomiſche Aſchen-Aepffel; alſo habe er nach der Rechtfertigung durch das Geſetz des lebendig-machenden Geiſtes die Krafft und Fruchtbarkeit von GOtt mit zu wuͤrcken / und Frucht zu brin - gen / wiewol nicht ad perfectionem gradus, doch ſinceritatis, ob ſchon nicht in hoͤchſter Vollkommenheit / doch mit auffrichtigem redlichem Hertzen. Die Fruchtbarkeit ſelbs iſt und bleibet ein Geſchoͤpff GOttes; dann ſo we - nig ein wilder Baum Pomerantzen tragen kan / ſo wenig koͤnnen wir ohneChriſto143Vom verlohrnen Sohn. Chriſto etwas Gutes thun / Joh. 15 / 5. Ohne Jhn moͤgen wir nichts Gutes gedencken / 2. Cor. 3 / 5. aber in Chriſto und durch Chriſtum koͤnnen wir alles / und bringen unſere eygene Fruͤchten / Pſ. 1. Ein Todter / wann er lebendig, ein Krancker / wann er geſund; ein Jrꝛender / wann er gefunden wird / hat es niemand als Chriſto dem Herrn zu dancken / die anklebende Unvollkom̃enheit will er uns zu gut halten / gleich wie ein Vater mit ſeinem krancken Kind / ein Herꝛ mit ſeinem Knecht / der erſt auß dem Siech-Bett auffgeſtanden / Gedult traͤgt; oder gleich wie man mit Trauben fuͤr lieb nimmt / wann ſie gleich nicht gar reiff ſeynd.
Wie wir nun lernen / was unſere gute Wercke ſeynd / nemlich kein Verdienſt / wie wir mit naͤchſtem zu vernehmen / ſondern Fruͤchten der Buße / alſo fuͤhret uns Chriſtus in dieſer Erklaͤrung in die Schul und auff den Augenſchein / die wir uns pruͤffen und erkennen ſollen / ob wir auch ſol - che Fruͤchte der Buße an uns haben. Sonderlich aber ſiehet er auff die / ſo zum Tiſch des Herrn gehen / und den Nahmen haben wollen / daß ſie from̃ worden. Ey wolan nun / ſo zeiget euere Fromkeit mit euern gu - ten Wercken / thut rechtſchaffene Fruͤchten der Buße. Chriſtus gehet un - ter uns herum / und ſuchet ſie / wie man jetzt die Trauben und die Fruͤchten des Feldes ſuchet / wie er Matth. 21 / 19. Feigen am Feigenbaum geſucht / aber er findet Haͤrlinge / Eſ. 5. Dornſtraͤuche / Holtzaͤpffel / die andern neben ſich das Leben ſaur machen; er findet todte Leute / die gantze Welt iſt ein Tod - ten-Gerner / ein lauterer Spital / und Wildnuß / die Suͤnde lebt in den Menſchen / niemand begehret der Suͤnden abzuſterben / es heiſet mit ihnen / wie mit einem leiblichen Todten: Es iſt alles Eyß-kalt / die warme Lieb iſt erfroren / es iſt nirgend keine Freude im H. Geiſt; wo iſt Begierde / Klug - heit / Toͤdtung des Fleiſches / rechte Bereitſchafft / neue Kraͤfften / Tugend - Farb / geſunde Diœt und Wachſamkeit? es iſt alles verblichen und verlo - ſchen. Wo ſolte man einen finden / der ſo begierig und eyfferig uͤber ſein Chriſtenthum waͤre / wie Archimedes uͤber ſeiner Matheinatiſchen Kunſt? Johannes der Taͤuffer ruffet noch: thut rechtſchaffene Fruͤchten der Buße ihr Sadducaͤer / die ihr keine Aufferſtehung der Todten glaubet; dann wann ihrs glaubetet / ſo wuͤrdet ihr auch nach dem neuen Leben der renova - tion trachten / und euch begehren zu erneuren im Geiſt euers Gemuͤths. Niemand wird dort aufferſtehen auß dem Grab der Erden zum Leben / er ſeye dann hie aufferſtanden durch wahre Buße. Wollen wir aber mit Chriſto aufferſtehen / ſo muͤſſen wir auch mit ihm der Suͤnden abſterben / Rom. 6. Thut Buß ihr ſichere Epicuraͤer und Welt-Kinder / die Axt iſt ſchon dem Baum an die Wurtzel gelegt / wird er nicht gute Fruͤchtebringen /144Die Sechzehende Predigtbringen / ſo ſoll er abgehauen und ins Feur geworffen werden / Luc. 3. Der Weingaͤrtner hat euch ſchon lang verbetten / endlich wird es ſeyn muͤſſen / Luc. 13. Jhr werdet verflucht werden / wie der unfruchtbare Feigenbaum / Matth. 21. in euern Suͤnden ſterben / wie Saul / 1. Chron. 11. und ob ihr ſchon hier eine ſchoͤne Leich-Predigt bekom̃t / dañoch werdet ihr dort einen er - ſchroͤcklichen Gerichts-Sententz anhoͤren muͤſſen. Thut Fruͤchten der Buße ihr Phariſaͤer. Mit euern Schein-Fruͤchten iſt es nit außgericht / die Heyden ſeynd zehenmahl froͤmmer geweßt als ihr. Dencket nicht / wir ſeynd Abrahams Kinder / Gott kan dem Abraham auch auß den Stei - nen Kinder erwecken / Luc. 3. und den wilden Oelzweig in den zahmen Oelbaum einpfropffen / Rom. 11. Qui ſtat, videat, ne cadat, wer ſich laͤßt duncken / er ſtehe / der ſehe ja wohl zu / daß er nicht falle / 2. Cor. 10. Darum haben wir niemand ſeinen Fall vor zurucken; Biſt du nie gefallen zur Rechten auff ſolche weiſe / ſo kanſtu zur Lincken ſincken auff eine andere weiſe / durch rothe Fuͤchſe / geharniſchte Maͤnner / Pocal / durch Weiber-Lieb / wie Salomo / ꝛc. DEUS quos ſcit in bono perman - ſuros, frequenter prius ſunt mali, & quos ſcit malos permanſuros, fre - quenter ſunt boni, ſchreibet Ambroſ. in cap. 9. Rom. Das iſt / welche GOtt erſiehet / daß ſie im Guten werden verharren / die ſeynd gemeiniglich zuvor boͤß / und von welchen er weiß / daß ſie wer - den Gottloß verbleiben / die ſeynd zuvor oͤffters fromm. Wir ſprechen mit Johan. auß 1. Ep. 2 / 29. Wer recht thut / der iſt von GOtt gebohren. Darum wer Buße thut / der fahre immer darinn fort / qui juſtus, juſtificetur adhuc, wer gerecht iſt / der bleibe gerecht / und verſichere ſich / daß er nach der Buß GOtt dem Herrn viel lieber ſeye / wann er Jhn hertzlich liebet / als wann er zuvor niemahl nichts Boͤſes be - gangen / und aber dabey ſicher lebet. Fit plerumque DEO gratior amore ardens poſt culpam vita, quàm ſecuritate torpens innocentia, Greg. M. das iſt: Ein Leben / welches nach begangener Suͤnde / GOtt in - bruͤnſtig liebet / iſt Jhme gemeiniglich angenehmer / als die Un - ſchuld / welche in Sicherheit todt und erſtorben; Er wird es auch vor der ehrbaren Welt zu genieſſen haben / und am Juͤngſten Tag den himmliſchen Gnaden-Lohn / das Ende ſeines Glaubens / der Seelen Se - ligkeit zur Außbeut auß Gnaden davon tragen.
Und das iſt alſo / M. L. auch der andere Theil unſerer vorhabenden Parabel / in welchem wir durch die Gnade GOttes ἐν ϑέσει die Aufferſte - hung / das hertzliche Vertrauen / die Fort-Reiß und den Eingang des ver -lohrnen145Vom verlohrnen Sohn. lohrnen Sohns in ſeines Vaters Hauß; den inbruͤnſtigen affect und Vaters Liebe gegen ſeinem Sohn / und die vorlauffende Gnade GOttes; die Beicht und Abſolution / neben den Gnaden-Zeichen und Buß-Fruͤch - ten gluͤcklich abſolvirt; ins kuͤnfftige wird folgen ἀντίϑεσις, die Jrꝛ - thumme / ſo der rechten Buß-Lehre zu wider lauffen / und wie wir ſie an dem aͤltern Bruder befinden. Nun Gott gebe / daß wir durch ſolche Arbeit und den Segen Gottes zur wahren ungeheuchelten Buße moͤgen erbauet / und endlich ewig ſelig werden:
O GOtt du Hoͤchſter Gnaden-Hort /Verleyh / daß uns dein Goͤttlich Wort /Von Ohren ſo zu Hertzen dringDaß es ſein Krafft und Schein verbring.
AMEN.
GEliebte in Chriſto dem HErꝛn. Es gibt ſo wohl Johannes der Taͤuffer / als auch Chriſtus unſer Heyland / Matth. 3, 7. & 23, 33. den Phariſaͤern einen ſehr bedencklichen Nahmen: Jhr Schlangen - und Ottergezuͤcht; und ſihet damit 1. auff originem Sectæ, der Phariſaͤer Urſprung und Herkommen. Sie prangeten zwar mit der Antiqui - taͤt / wolten Abrahams Kinder ſeyn und heiſſen / Johan. 8. Moſis Juͤn - ger / c. 9. Propheten-Kinder / als die deroſelben Graͤber ſchmuͤckten / Matth. 23. branten ſich weiß / und machten ſich glaß-rein; Aber Chriſtus und Johannes ſagen Nein dazu / ſie thun den Deckel vom Hafen / und ſprechen: Jhr ſeyd von dem Vater dem Teuffel / Joh. 8. der al - ten Schlangen Saamen / Otter-Gezuͤchte. Jhr ſeyd nicht weit her / es ſeind noch nicht viel hundert Jahr / daß euer Orden auß geheckt und auß - gebruͤtet worden / von Antigono Sochæo, wie etliche wollen / oder wie Joſe - phus Scaliger meynet / von den alten Haſidæis zur Zeit der Maccabeer entſtanden / wie bey Joſepho l. 13. c. 9. der alten Geſchichten zuſehen. Zehender Theil. THaben146Die Siebenzehende PredigtHaben einen ἑκουσιασμὸν, und freywilligen Gottesdienſt erdacht / außge - heckt und außgebruͤtelt / κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον ein boͤſes Ey von einem boͤſen Vogel. II. Indolem anguino - vipetinam, auff die Schlan - gen - und Ottern-Art / welche iſt 1. homiridialis, moͤrderiſch zu wuͤr - gen und zu toͤdten durch ſcharffe und brennende Zungen / Pſalm 140, 3. Num. 21, 6. durch Drachen-Gifft und wuͤtender Ottern-Gall / Deut. 32, 33. alſo / wie der blut-rohte / blut-durſtige Hoͤllen-Drach ein Moͤrder von An - begin geweſen / waren ſie Seelen-Moͤrder / die ſich zwar ſehr bemuͤhet / Waſſer und Land umzogen / daß ſie einen Juden-genoſſen machten / und wann ers worden / machten ſie auß ihm ein Kind der Hoͤllen / zwiefaltig mehr dann ſie waren / Matth. 23, 15. 2. Malitioſè contumax, halßſtarrig und widerſpenſtig zu widerſtreben / unbaͤndig ſich erzeigen / wie die taube Otter / die ihre Ohren zuſtopfft / daß ſie nicht hoͤren die Stimme des Zauberers / des Beſchwerers / der wol beſchweren kan / Pſ. 58 5. Die Pha - riſaͤer lieſſen Johannem den Taͤuffer und Chriſtum ruffen und ſchreyen / aber ſie waren blind und taub / und wolten nicht hoͤren. 3. Hypocritica, heuchleriſch / ſich anders zu ſtellen als mans meinet; ſerpentis facies blandiens, cauda mordens, die Schlangen ſchmeichlen / und ſtellen ſich freundlich mit dem Geſicht / aber in deſſen ſtechen ſie mit dem Schwantz; Die Paradiß-Schlang war ein ſchoͤnes liebliches Thier / aber auch ſtachelicht / ſie hat einen ſtimulum und Stich hinter ſich gelaſſen / den wir noch fuͤhlen. Der Satan verſtellet ſich auch in einen Engel des Liechts / daß man ihn nicht ſo leichtlich erkennen kan. Alſo machtens die Phariſaͤer auch / ſie waren Ertz-Schaͤlcke in der Haut / Ehr - und Geld-geitzige Leute / ſtoltze / auffgeblaſene / neidiſche / rachgierige Men - ſchen / die den Schalck meiſterlich verbergen kunten / das außwendige ihres Leibes war rein und ſauber / aber inwendig ſteckte ein groſſer Unflath; Becher und Schuͤſſeln hielten ſie außwendig reinlich / aber das inwendige war voll Raubes und Fraßes / Matth. 23 / 25.
Wie nun Chriſtus der Herr erſterzehlter maſſen den Phariſaͤern das Wappen viſiret / und mit einem Wort angezeiget / was ſie im Schilde fuͤhren; alſo hat er auch indolem Phariſaicam, die Phariſaͤiſche Art / oder vielmehr Unart / in vorhabender Gleichnuͤß / (weil eben damahls die Zoͤllner und Suͤnder ſich zum Herrn genahet / daß ſie Jhn hoͤreten / die Phariſaͤer und Schrifftgelehrten aber daruͤber gemurret und geſpro - chen: dieſer nimmet die Suͤnder an / und iſſet mit ihnen) abgemah - let / und ſtellet uns dieſelbe vor an dem Bruder des verlohrnen Sohns / welcher eine rechte idea und Spiegel eines werckheiligen Phariſaͤers / jades147Vom verlohrnen Sohn. des gantzen Phariſaiſmi iſt / den wir / als die ἀντίϑεσιν doctrinæ de Juſtifica - tione, den Gegenſatz der Lehre von der Rechtfertigung E. L. an - jetzo und ins kuͤnfftige auß dem dritten Theil oder actu unſerer parabo - liſchen Comœdi fuͤrtragen wollen. Wir haben bißhero gehabt noviſſi - mum & Epicureum, ſed pœnitentem, einen letſten und ſicheren Epicu - rer / aber bußfertigen Suͤnder / jetzt folget primus & Phariſæus, der der erſte ſeyn wolte / ein Phariſaͤer / auff daß wir an ihme lernen / was weiß oder ſchwartz / Liecht oder Finſternuß / grad oder ſchlimm ſeye. Dann gleich wie die gantze Welt ſich in drey Hauffen abtheilet: der groͤſte iſt der Epicuraͤer / der mindere aber doch groſſe der Phariſaͤer / der kleineſte der glaubigen Buͤſſer und rechten Kern-Chriſten; alſo hat der verlohrne Sohn bißhero zwo Perſonen vertretten / jetzt kommt im letſten actu ſein Bruder auffs Theatrum, an welchem uns ſonderlich vier groſſe Untu - genden fuͤr Augen geſtellet werden: nemlich cœcitas & ignorantia, Blind - und Unwiſſenheit; ex cœcitate juſtitiæ perſuaſio, ſelbſt eingebildete Gerechtigkeit; ex perſuaſione juſtitiæ ſuperbia, ange - maßter Hochmuth; exſuperbia hypocriſis, angenommene Heu - cheley. Dißmal bleiben wir allein bey dem erſten / dieweil es je beſſer / ein wenig Speiß wohl verdauen / als den Magen und Kopff uͤberfuͤllen / und ob wir uns zwar ſchon lang auffgehalten / ſo hat man doch allezeit etwas gelernet / das man zuvor nicht gewußt / oder nicht geachtet. Gott gebe zu fernerer Betrachtung ſeines Heiligen Geiſtes Gnad und Segen / daß es alles aufferbaulich geſchehen moͤge / Amen.
BElangend nun Phariſaicam cœcitatem, die Phariſaͤiſche Blindheit des aͤlteſten Sohns / ſo iſt es zwar an dem / der Bruder des verlohrnen Sohns war in weltlichen und haͤußlichen Sachen klug / fuͤrſichtig und geſchickt genug / er hatte ſcientiam œconomi - cam, eine Wiſſenſchafft vom guten Hauß-weſen. Dann er be - findet ſich drauſſen auff dem Acker / arbeitet fleiſſig / wartet ſeinem Ampt ab / halt ſeinem Vater wohl hauß / er gedencket / je mehr er werde zu Rath halten und gewinnen / je beſſer und fetter werde hernach das Erbe ſeyn. Aber in andern und hoͤhern Sachen war er ignorans, ein unwiſſender Thor; es meldet die Parabel / er ſeye auff dem Felde geweſen / und habe nicht gewußt / was ſich daheim zugetragen. Darum als er nach Hauß gekommen / das Geſang und Reyen gehoͤrt / ſo ruffet er zu ſich der Knechte einen / und fraget / was das waͤre? Die Umſtaͤnde gebens / daß bey ihme geweßt 1. ignorantia remiſſibilitatis, er hat nichts gewußt von Ver -T ijgebung148Die Siebenzehende Predigtgebung der Suͤnden. Er gedachte / nun iſt mein Bruder davon / ich bin jetzt allein / er hat ſich ſo ſchwartz beym Vater gemacht / daß er ihm wol nimmer wird verzeihen / er iſt auß dem Teſtament außgeloͤſcht die Suͤnde iſt zu groß / als daß ſie ihm mag vergeben werden. 2. Pœnitentiæ factæ, er wußte nicht / daß / und wie / ſein Bruder gebuͤßt / wie ihn die Schweine haben mores gelehrt / wie hefftig er ſeine Suͤnde bereuet / wie er ſeinem Vater einen Fußfall gethan / und zum Creutz gekrochen iſt. 3. War bey ihm ignorantia cordis paterni, er wußte nicht / was Vaters - Hertz und Vaters-Liebe vermag / er gedachte bey ſich / ich bin der aͤlteſte / der erſtgebohrne / und conſequenter der Liebſte. 4. Ignorantia medii conſequendi hæreditatem, er wußte das Erb nicht recht zu bekommen / und meynte / der Vater ſeye ihm das Erb triplici nomine, auff dreyfache weiſe ſchuldig. Erſtlich jure primogenituræ, weil er der Erſtgeborne / der Oberſte im Opffer und Recht / ſeines Vaters erſte Krafft / deme von Rechts wegen zween Theil in der Erbſchafft gebuͤhren / Deut. 21, 16. 17. Darnach jure obedientiæ, dieweil er dem Vater jederzeit gehorſam geweßt / und ſeine Gebott noch nie uͤbertretten. Endlich auch jure operum & ſervitutis, dieweil er dem Vater gedie - net / Knechts-Arbeit gethan / den Meiſter-Knecht verweßt / und daſſelbe viel Jahr lang. 5. Ignorantia ſui, er kante ſich ſelbſt nicht mehr / er vergaß wer er waͤre / der ſelbſt-Betrug verblendete ihn; er gedachte nit / daß ihm ſein Vater nichts ſchuldig / daß es ein lauter Gnaden-Werck mit ihm ſeye; er erinnerte ſich nicht ſeiner anderer heimlichen Fehler und Maͤngel / und dann ſonderlich ſeiner Unvermoͤglichkeit; Was Vater und Mutter an ihm gethan / da gedacht er nicht an. Darzu endlich gekom - men 6. Ignorantia compoſita, eine gedoppelte muthwillige Un - ſinnigkeit. Dann unangeſehen der Vater ihn berichtet / wie es herge - gangen / ihn vermahnet / er ſolle froͤlich und gutes Muhts ſeyn / dann dieſer ſein Bruder war todt / und iſt wieder lebendig worden / er war verlohren / und iſt wieder funden; ſo bleibet er doch auff ſeinem Kopff / es will ihm nicht ein / er kan es nicht verſtehen.
Alſo / will Chriſtus ſagen / ſeyd ihr Phariſaͤer und Schrifft gelehrten geartet und beſchaffen. Zwar Welt-verſtaͤndige Leute ſeyd ihr / in groſſem Anſehen bey allem Volck; Alſo daß Alexander der Juͤdiſche Koͤnig / auß der Maccabeer Gebluͤt / ſeinem Weibe befohlen / ſie ſolle nach ſeinem Tod ſich nur zu der Secte der Phariſaͤer halten / ſo werde ſie alles koͤnnen durch - bringen / und in ihrem Regiment ſicher ſeyn; dann er habs auß der Erfah - rung / was es ſchadet / wann ſie einem nicht guͤnſtig ſeynd / wie zu leſen beyJoſe -149Vom verlohrnen Sohn. Joſepho l. 13. der alten Geſchichten c. 23. darum ſie auch auff dem Ca - theder Moſis geſeſſen / und in groſſen Ehren geſchwebt; ſie lieſſen ſich dun - cken / ſie haͤtten den Schluͤſſel der Weißheit / und aller Erkantnuß / Luc. 11. die Schluͤſſel des Himmelreichs; ohne ſie komme niemand in den Him - mel und wen ſie nicht hinein lieſſen / der muͤſſe wohl drauſſen bleiben. Aber unterdeſſen waren ſie ſtarꝛ - und ſtock-blind in Goͤttlichen Sachen / Jo - han. 9. deßwegen ſie nicht allein cœci & ſtulti, blinde Thoren / ſondern auch gar duces cœcorum, blinde Leiter / genennet werden / Matth. 23.
Blind waren ſie / wie in andern Jrꝛthummen / die ſie defendirt / alſo ſonderlich in defenſione fati & μετεμψυχώσεως, daß ſie das nothzwingen - de blinde Geſchick / und die Außziehung der Seelen von einem Leib in den andern behauptet / ſie verkehrten das Geſetz Moſis / daß dannenhero Chri - ſtus mit einer ſcharffen Feyel darhinder her gemuͤßt / Matth. 5, 10. ſeqq. ſonderlich aber irreten ſie im Fundament und Grund der Seligkeit. Sie wußten viel vom Geſatz / aber nichts vom Evangelio / ſie ſprachen den Heyden / Zoͤllnern und Suͤndern den Himmel glatt ab / die waren noviſſi - mi, die letſten bey ihnen. Sie wußten nichts von der Buß / noch von der Barmhertzigkeit GOttes / und auß derſelben flieſſenden Schenckung des Meſſiæ; nichts von ſeinen Kenn-Zeichen und Ampts-Wercken / wel - ches ihnen Chriſtus vorgeworffen: Jhr Heuchler / des Himmels Geſtalt koͤnnet ihr urtheilen / koͤnnet ihr dann nicht auch die Zeichen dieſer Zeit urtheilen? Matth. 16, 3. Sie hielten dafuͤr / der Meſſias werde ein Welt-Reich anrichten / und weil ſie dergleichen an Chriſto nicht gefunden / wolten ſie ihn nicht annehmen. Sie bochten auch auff ihre Primogenitur und Erſte Geburt / daß ſie GOttes Erb-Volck / ſein Eigenthum / ſein Außerwehltes Volck ſeyen / denen das Goͤttliche Ge - ſetz zu verwahren anvertrauet worden / darum koͤnne es ihnen nicht fehlen. Sie trotzen auff ihre ſtrenge obedienz und hartes Orden-Leben; auff ihre gute Wercke und Bußen / die ſie ihnen ſelbs gauffleten / wie wir uͤber acht tag vernehmen werden. Sie wußten nichts / welches erſchroͤcklich / von der Widergeburt / daß der Menſch Fleiſch vom Fleiſch / und wann er gleich alles thue / ſo gefalle es doch Gott nicht ohne die Widergēburt. Alſo daß Nicodemus der Meiſter in Jſrael in dieſem Stuck ein pur lauteres Kind geweßt / Joh. 3. und davon nicht das geringſte verſtanden. Dazu dann auch gekommen die Verblendung und die Verſtockung; unangeſehen der himmliſche Vater ihnen ſeinen Sohn geſchicket / ſeine Vocation, Beruff mit himmliſcher Stimme und kraͤfftigen Wundern verſiegelt und be - kraͤfftiget / ſie auch ſelbs ἀυτοκατάκριτοι in ihrem Gewiſſen uͤberzeuͤgt ge -T iijweßt /150Die Siebenzehende Predigtweßt / Matth. 22, 16. und Joh. 8. ſo verfolgten ſie dennoch Chriſtum / und durchaͤchten ihn in ſeinen Gliedern. Waren alſo wohl rechte Otter-Ge - zuͤchte und Schlangen-Art / denen Chriſtus der Herr das Wappen bil - licher maſſen viſieret.
Nun / M. L. dieſe warens nicht allein / ſondern ſie haben von Anbegin biß hieher viel Bruͤder hinderlaſſen / die den Phariſaͤer meiſterlich geſpielt. Das gantze werckheilige Papſtthum / und ſonderlich die Secten und Or - dens-Leute / Moͤnche / Nonnen / Benedictiner / Carthaͤuſer und dergleichen thuns den Phariſaͤern redlich nach. Allermaſſen / wie zween beruͤhmte Pa -* Genebr. und Corn. à Lapide. piſten * es ſelbſt geſtehen / id fuiſſe inter Judæos Phariſæos, quod ſunt re - ligioſi inter Chriſtianos, das ſeyen vorzeiten die Phariſaͤer unter den Juden geweßt / was heutiges tages die Geiſtlichen unter den Chriſten ſeind. Und wann ſie es gleich nicht geſtehen wollen / ſo iſt es doch am Tag / der Augenſchein gibt es. Zwar an weltlicher Klugheit / Verſchlagenheit / und dannenhero an groſſem Anſehen und Autoritaͤt iſt bey ihnen auch kein Mangel. Wo bey uns ein gelehrter Mann iſt / haben ſie zehen dagegen; ſie ſchreiben groſſe Volumina, und erfuͤllen die Welt mit Buͤchern / urſach: Man ſpendiert allezeit mehr auff den falſchen Got - tesdienſt / als auff die rechte Religion / nach dem Exempel Achabs / der uͤber vierhundert Baals-Pfaffen auff der Streue hielt / und beſoldete ſie / aber die zween einige Propheten des Herrn waren ihm zuwider / und be - ſchwerlich zu erhalten. Es iſt auch bey ihnen ſcientia, die Wiſſenſchafft / wie beym Teuffel der Glaube; ſie ſitzen in cathedra Petri, auff Petri Stuhl ihrer Meinung nach: maſſen ihnen ſelbſt den Schluͤſſel der Wiſ - ſenſchafft und des Himmelreichs zu / aber in der Warheit ſeind ſie blind / und der Blinden Leiter. Sie ſeind gute moraliſten und oratores, aber Trotz ſey ihnen gebotten / daß ſie das Evangelium recht verſtehen ſolten! Sie wiſſen nichts von der allgemeinen unbedingten Vergebung bey Gott / halbieren dieſelbe / und verdammen uns Lutheraner daruͤber. Laſſen in Beſchreibung der rechten Buße das vornehmſte und beſte Stuck / den Glauben / auß / und den Kohlers-Glauben halten ſie fuͤr den beſten. Sie verſtehen ſich nichts auff das vaͤtterliche Hertz Gottes / und auff den Herrn Meſſiam. Dann was ſie von demſelben halten / das erhellet auß ihrem Vicatio, den ſie zu einem Welt-Koͤnig machen / und ſchroͤckliche Fundamental-Jrꝛthum von ihme foviren. Sie verfehlen des Wegs der Seligkeit / ſetzen ihn auff eigene Gerechtigkeit / wie oben gehoͤret / auff ih - re Antiquitaͤt / Obedienz und gute Wercke: Sie kennen ſich ſelbs nicht / und bilden ihnen ein / die Luſt-Seuche ſeye keine Suͤnde / die Liebe GOttesmuͤſſe151Vom verlohrnen Sohn. muͤſſe eben nicht in ſo hohem Grad beſtehen / und die Seyten ſo hoch geſpan - net werden; vermeinen auß eigenen Kraͤfften das Geſetz voll kom̃lich zu er - fuͤllen. Dazu dann ſchlaͤgt ſumma excœcatio, die hoͤchſte Verblen - dung; Unangeſehen das Heyl uns iſt kommen her / von Gnad und lauter Gute / und ihnen das Liecht des Evangelij / eben ſo wohl als uns / hell ge - nug geſchienen / ſo bleiben ſie als Liecht-ſcheuende doch in ihrer Finſternuß ſtecken. Dienet alles zur Warnung / daß man ſich vor ſolchen blinden Lei - tern huͤte / und weder an ihren aͤuſſerlichen Gaben / noch Predigten / ſich ver - gaffe.
Es ſeind es aber auch dieſe nicht allein / die Phariſeer haben auch un - ter uns geleichet / und ſeind ſolche alle unſere Welt-weiſe und Hauß-kluge Leute / alle Bethlehemiten / und geſchaͤfftige Marthanen / die zwar in weltli - chen Sachenuͤberauß klug / abgefuͤhrt und verſchlagen / wiſſen auch wohl von der aͤuſſerlichen From̃keit und guten Wercken viel zu ruͤhmen / unter - deſſen aber wiſſen ſie von dem beſten Theil / von der Frucht und Nutzen des Evangelij nichts / wie die Schaͤfer zu Bethlehem. Sie wiſſen nichts von der Buß und dero Ubung / von der Perſon Chriſti / von dem Weg der Se - ligkeit / und fremder Gerechtigkeit. Haben Lux-Augen / wann ſie anderer Leute Fehler ſehen ſehen aber ſich ſelbs nicht / und wiſſen jenen gnug Kletten anzuhencken. Da moͤgen wir auch wohl auß Joh. 3. mit Chriſto ſprechen: Jhr ſoltet ſchon laͤngſt Meiſter in Jſrael ſeyn / und wiſſet das noch nicht; Jtem: O waͤret ihr blind / ſo haͤttet ihr keine Suͤnde. Daß aber dem alſo ſeye / bezeugt die Erfahrenheit / ein Hauß-Vater probiere es / er frage ſeine Kinder und Geſinde / was es auß der Predigt behalten? da wird er hoͤren / daß moralia und Hiſtorien leicht bleiben / aber das Evangelium / das doch allein ſelig machet / das allein Krafft gibt gute Wercke zu thun / will nicht in das Gedaͤchtnuß. Jſt I. peccaminoſa igrorantia, eine unverant - wortliche Unwiſſenheit; Die Blindheit der Leute auſſer der Kirchen iſt erbaͤrmlich / aber dieſe muhtwillige / davon es heiſſet / muhtwillens wollen ſie es nicht wiſſen / iſt unverantwortlich; gleich wie Democri - tus Abderites, der ihme ſelbs die Augen außgeſtochen / nicht zu entſchuldi - gen war / weil er nicht ſehen kunte. Am juͤngſten Tag wird dieſe Folge nicht gelten; ich hab es nicht gewußt / darum bin ich entſchuldiget; Sprichſtu / ich bin ein armer Lay / ich hab mit meinem Brod und Pflug gnug zu thun / daß ich mich eben außbringe; wer wolte mir thun / wann ich ſo viel lernen ſolte / ich mũßte alles andere ligen laſſen / und daruͤber verderben? So ſprich ich / ſagt Lutherus Tom. 3, Jen. fol. 147. Was kan ich dazu / Unwiſ - ſenheit wird nicht entſchuldigen. Soll ein Chriſt nicht wiſſen /was152Die Siebenzehende Predigtwas ihm zu wiſſen noͤthig iſt? warum lernet mans nicht? war - um haltet man nicht gute Prediger? man will unwiſſend ſeyn. Das Evangelium iſt in Teutſchland kommen / viel verfolgens / wenig begehrens / viel weniger nehmens an / und die es anneh - men / ſtellen ſich ſo laß und faul dazu / laſſen die Schulen ver - gehen / Pfarꝛen und Predigt-Stuͤhl fallẽ / niemand dencket dar - an / daß mans erhalte / und Leute aufferziehe / und laſſen uns al - len thalben ſtehen / als waͤre es uns leyd / daß wir etwas lerneten / und gern nichts wiſſen wolten / ꝛc. Man ſchuͤtzet keine Einfalt noch die natuͤrliche Unvermoͤglichkeit vor; man beklagt ſich nicht / daß es zu ſchwer zu lernen; man unterſcheidet nit die Ampts - und Nebens-Wercke / welche wohl beyſammen ſtehen. Wie machte es David / und der Kaͤm - merer der Koͤnigin in Morenland / Act. 8. die warteten ihres Beruffs / und lerneten doch auch dabey ihren Gott und Heyland erkennẽ. Was thun die Widertaͤuffer? ſie handlen und wandlen in weltlichen dingen / und die Religion oder Gottesdienſt leidet bey ihnen doch keinen Abbruch. Dieſe ſol - ten uns ſchamroth machen / und eines beſſern erinnern. 2. Jſt dieſe Blindheit damnoſa & cauſa ſuperbiæ, eine verdammliche Mutter des Phariſaͤiſchen Hochmuths. Dann / lieber Menſch / wiltu ſelig werden / ſo muſtu auch wiſſen / wie? meyneſtu / GOtt werde dich unmittel - bar in Himmel nehmen / du glaubeſt was du wolleſt? O wehe nein! Er hat dirs nirgend verſprochen / ſonſt koͤnten auch Tuͤrcken / Tartaren und Barbaren ſelig werden. Wiſſen ſoltu / daß Gott eine gantz vollkommene und Engel-reine Gerechtigkeit von dir fordert; quod malâ voluntate perditum, juſtâ voluntate repetit, was der Menſch muthwillig ver - lohren / das begehret GOtt rechtmaͤßiger weiſe wieder von ihm. Eine ſolche Gerechtigkeit aber haſtu nicht / dein Hertz verdammet dich / dein Leben uͤberzeuget dich / eine einige auch die geringſte Suͤnde verdammet dich. Wo dann nun hinauß? da zeigt dir das Evangelium die Gerech - tigkeit JEſu Chriſti / die er durch Thun und Leyden erworben / und mit ſei - ner Erhoͤhung beſtaͤtiget. Wer iſt aber Chriſtus? wie wird man ſeiner faͤhig? iſt ſeine Gerechtigkeit auch allgemein? welches ſeind die Mittel / daß ich dazu gelange? was iſt Wort und Sacramentẽ? womit ergreiffe ichs? was iſt der Glaub? was iſt[d]er ſeligmachende / oder hiſtoriſche / oder Tugend-Glaub? wo wird mir ſolches alles geoffenbahret? nit im Geſetz / dann das iſt nur ein Feur-Spiegel / ein toͤdender Buchſtab / ſondern im Evangelio / einer gantz neuen und der Vernunfft unbekandten Lehre. Da lehret man glauben / da empfaͤngt man den kindlichen Geiſt / nicht gezwun -gen153Vom verlohrnen Sohn. gen / ſondern auß lauter Liebe. Wer das nicht weiß / der iſt ein unglaubi - ger Menſch; es iſt aber nicht genug / daß mans weiß / es muß auch Schrifft da / und auffs wenigſte ein Zeugnuß derſelben in bereitſchafft ſeyn / deſſen man ſich wider alle Anfechtungen bedienen kan. Wer das nicht hat und weiß / der muß entweder verzweifflen / oder ohne Wort GOttes freveln / und es auff GOttes Barmhertzigkeit wagen / da es ihm aber gehen wird / wie einem Traͤumenden / der ihme im Schlaff wunder-groſſe Dinge einbil - det / wann er aber erwachet / war es alles nichts. 3. Jſt dieſe Blindheit propudioſa, ſchandlich; es iſt ja freylich einem Chriſten eine Schande / ſeine Beruffs-Kunſt nicht wiſſen / die Stuͤmpler ſeind bey allen Hand - werckern veracht / und halt man nichts auff ſie. Nun aber biſtu / mein lieber Chriſt / nicht in die Welt gekommen / allein der Nahrung / dem Reich - thum / und anderem vergaͤnglichem Weſen nachzudencken / ſondern auch ſonderlich deiner Seelen Seligkeit warzunehmen. Schand iſt es deſto - mehr einem Evangeliſchen Chriſten / wann ers unterlaͤßt. Wir wollen ja Kinder des Liechts ſeyn / und dancken GOtt fuͤr das Liecht des Evange - lij / und nehmens doch nicht an. Das Hertz iſt und bleibt ſtock-blind / und handgreifflich finſter. Aber viel groͤſſere Schande iſt es / wann wir die Jrꝛ - glaubigen / Calviniſten / Wiedertaͤuffer anſehen / wie begierig ſeind ſie in ihrem falſchen Chriſtenthum? wie eyfferig diſputieren und behaupten ſie doch ihre Jrꝛthum / daß man nicht meynen ſolle / wir Lutheriſche und die Calviniſten ſeyen im Fundament des Glaubens mit einander uneins? Sprichſtu nun: quid faciendum? wie komm ich dann dazu / daß ichs ler - ne? Antw. abi ad Ananiam, gehe hin zu Anania / Act. 9. das iſt / zu deinem Prediger / der wird dirs ſagen / und ſtopffe die Ohren nicht fuͤr ſeiner Lehre zu / dencke nicht / es ſeye dir zu hoch / es gehe dich nicht an / mache das velum, den Umhang fleiſchlicher Welt-Gedancken hinweg / und laß alle uͤbrige uͤppige Phantaſien fahren; betrachte fleiſſig GOttes Wort / ſo werden dir die Augen auff gehen / frage nach / man hu, was iſt das? ſprich: HErꝛ rede / dein Knecht hoͤret / ſo wirſtu deiner Augen Luſt ſehen / daß dir kei - ne groͤſſere Freude in der Welt uͤber dieſe ſeyn wird / da wirſtu ſtehen / wie ein gepflantzter Baum an den Waſſerbaͤchen / Pſ. 1. Du wirſt dich nicht ſatt ſehen / und wird heiſſen / quò plus ſunt potæ, plus ſitiuntur aquæ, je mehr man ſiehet / je mehr man ſehen moͤchte; wer von dieſer geiſt - lichen Speiſe eſſen wird / den wird nimmer darnach hungern / Syr. 24 / 29. Wer Gott nicht hier im Glauben ſiehet / der wird ihn auch dort nicht ſe - hen in der Herꝛligkeit. Dann wie die leibliche Finſternuß ein Bild iſt der ewigen Finſternuß; alſo iſt dieſes Licht ein Bild des ewigen Liechts undZehender Theil. VWohl -154Die Achtzehende PredigtWohl-lebens. Da wir als Durchleuchtige Printzen und Himmels - Fuͤrſten fuͤr dem himmliſchen Salomone ſtehen und ſeine Weißheit hoͤren werden. Nun ſo ſehet ihn an hie im Glauben / ſo wird er euch durchleuchten dort im ſchauen / in der himmliſchen Herꝛlichkeit / darzu helff uns die Hei - lige Dreyfaltigkeit. Amen.
GEliebte in CHriſto. Es iſt in alle wege der vaͤtterliche Erbfall / die hæreditaͤt und patrimonium, res gratuita ein gantz frey geſchencktes / unverdientes ja unverdienliches Werck / und zwar 1. donum ἄπρακτον proprio labore, ein Geſchenck / das nicht kan und ſoll mit rennen / lauffen und arbeiten erlanget werden. Dann auff ſolche weiſe wuͤrde manches Kind / dem ſein Vater als dann ſtirbt / wann es noch in der Witt - wen Mutterleib ligt / zuruck ſtehen muͤſſen / als welches nichts ſchaffen noch arbeiten kan. So thun ja freylich auch die Alten nichts auß eygener Krafft / wie Tagloͤhner / ſondern daß ſie etwas thun koͤnnen / das haben ſie naͤchſt GOtt von ihren Eltern / die ihnen das Leben und alſo alle Kraͤfften zu thun gegeben. Das waͤre ein ſeltzamer Handel / wann einer auß eines andern Seckel wolte freygebig ſeyn / und / wie man pflegt zu ſagen / auß anderer Leute Haͤuten Leder ſchneiden / wann er wolte damit pralen / als haͤtte er ein groß Werck gethan. Eben alſo ſeltzam iſt es / wann ein Kind ihme auß fremden Kraͤfften das Erbe zu verdienen / wolte traͤumen laſſen / dann daß es tuͤchtig iſt etwas zu thun / das hat es bloß von Gott und ſei - nen Eltern / auch ohne einiges Verdienſt. 2. Jſt es donum indebitum, eine freywillige Gab. Es iſt zwar ein Vater ſeinem Kind ſchuldig zu ge - ben / oder doch zu Raht zu halten / was demſelben von ſeinem muͤtterlichen Gut gebuͤhret cæteris paribus, wann es ſich im uͤbrigen haltet / wie Kin - dern gebuͤhret zu thun. Ja wil er ein Chriſtlicher Vater ſeyn und heiſſen / ſo iſt er ſchuldig / die Seinen zu verſorgen / ihnen auß vaͤtterlicher Liebe / und nicht auß Gerechtigkeit / Schaͤtze zu ſamlen / verwahrſam beyzulegen / und nicht zu verthun; Daß auch die Kinder nach ſeinem Tod ihn ruͤhmenund155Vom verlohrnen Sohn. und ſagen moͤgen: das hab ich von meinem Vater. Aber wann mans mit Gewalt und Recht an ihn ſuchen wolte / ſo wuͤrde er ſagen: ey hoͤrt / ich bin euch nichts ſchuldig; ſeyd ihr mir gehorſam geweßt / ſo habt ihr erſt ge - than / was recht iſt / und wann ihr gleich alles / was euch zu thun befohlen iſt / gethan habt / ſo ſolt ihr ſprechen: wir ſeynd unnuͤtze Knecht / wir haben allererſt gethan / was wir zu thun ſchuldig waren / Luc. 17. Jhr ſeyd es ſchuldig geweßt / ich weiß von keinem groſſen Danck nichts / euch zu geben. 3. Jſt es donum improportionatum, dieweil kein Vergleich und Propor - tion unter dem / was Vater und Mutter an den Kindern thun / und dem / was die Kinder hinwiederum̃ ihnen thun / davon Ambroſius ſehr ſchoͤn ſchreibet ad c. 18. Luc. Paſce patrem tuum, paſce matrem tuam, etiamſi paveris matrem, adhuc non reddidiſti dolores, non cruciatus, quos pro te paſſa eſt, non alimenta, quæ tribuit tenero pietatis affectu, immul - gens labiis tuis ubera; non famem, quam pro te toleravit, ne quid, quod tibi noxium eſſet, ederet, ne quid, quod lacti noceret, hauriret; illa tibi jejunavit, tibi manducavit, vigila vit, flevit, &c. illi des, quod habes, cui debes, quod es: das iſt: Nehre deinen Vater und Mutter / und wann du ſchon deine Mutter ernehreteſt / ſo bezahleteſt du ihr doch die Schmertzen und Wehe nicht / die ſie fuͤr dich außge - ſtanden; nicht die Speiſen / die ſie dir auß zarter Mutter-Lieb beygebracht / da ſie dir ihre Bruͤſte an den Mund gethan / und mit ihrer Milch getraͤncket; nicht den Hunger / den ſie um dei - net willen erlitten / damit ſie ja nichts eſſe / was ihr ſchaͤdlich waͤ - re / oder trincke / was die Milch verderbete. Dir zu gut hat ſie ge - faſtet und gegeſſen / gewacht / den Schlaff gebrochen / und ge - weinet / ꝛc. Summa: Jhr haſt du es zu dancken / was du haſt / von welcher du haſt / was du biſt.
Wie nun ein leibliches Erb gantz ein geſchencktes / unverdientes Gut iſt / ſo ſtellet uns auch der H. Geiſt in ſeinen Worten das ewige Leben fuͤr in der Gleichnuß eines Erbes / Matth. 25. wann er anzeiget / daß des Men - ſchen Sohn am Juͤngſten Tag zwar nach den Wercken / aber nicht um der Wercke willen richten werde. Und 1. Pet. 1 / 4. nennet er es ein unver - gaͤngliches / unbeflecktes und unverwelckliches Erbe / anzudeu - ten / daß es niemand erwerben noch ererben koͤnne / als ἄπρακτον, indebitum & improportionatum, ein unverdienliches / auß Gnaden geſchencktes und unvergleichliches Erb. Welches er auch mit leiblichen Exempeln er - klaͤret / ſonderlich an Jacob und Eſau; Dieſer lauffet und rennet / vermei - nend / er wolle des Vaters leiblichen Seegen errennen / aber es fehlet ihm /V ijjenem156Die Achtzehende Predigtjenem aber wirds gleichſam im Schlaff / da er nicht daran gedacht / Rom. 9. Urſach / es ligt nicht an jemands wollen und lauffen / ſondern an GOttes Erbarmen; Groſſe Potentaten theilen ihre Lehen-Guͤter auß nach dem Churman und Paßporten. An den Kindern Jſrael / de - nen er das Land Canaan eingegeben / nicht auß eygenem Verdienſt / ſie kunten nicht ſagen in ihrem Hertzen / meine Krafft und meiner Haͤnde Staͤrcke haben mir dieſes Vermoͤgen außgerichtet / Deut. 8 / 17. ſie ſeind nicht in das Land kommen um ihrer Ge - rechtigkeit und um ihres auffrichtigen Hertzens willen / Deut. 9 / 5. Und dann ſonderlich auch in dieſer unſerer vorhabenden ſchoͤnen Parabel / da tritt auff ein armer Suͤnder / bringt nichts mit ſich als Bloͤße / Elend / und etliche Regimenter Ungeziffer / dabey ein reuendes bußferti - ges Hertz; auff der andern ſcena tritt herein ein ſtoltzer auffgeblaſſener Werckheiliger / er ſchmincket ſeine Federn wie ein Pfau / und ſtehet da als idea Phariſaiſmi antiqui, als ein lebendiges Muſter des alten Phariſaͤi - ſchen Unweſens. Heut acht Tag haben wir an demſelben wargenom - men phariſaicam cœcitatem, die Phariſaͤiſche Blindheit / folget an - jetzo phariſaica juſtitia, die Phariſaͤiſche Gerechtigkeit. Hievon nun nutzlich und aufferbaulich zu reden und zu handlen / wolle uns der Va - ter des Liechts mit dem Liecht ſeines Heiligen Geiſtes von oben herab mildiglich erſcheinen. Amen.
SO wird uns nun / Geliebte im Herrn / die Phariſaͤiſche Gerechtigkeit gar ſchoͤn an dem aͤltern Bruder des verlohrnen Sohns præſentiret / und zwar I. Juſtitia ex majoratu, was den Vorzug des Alters betrifft / er wird clar ὁ πρεσ〈…〉〈…〉 ύτερος, der aͤltere genennet. Nun hatte der aͤlteſte und erſtgebohrne Sohn ſo wohl in der Natur und Voͤlcker-Recht / als auch in dem Goͤttlichen Recht einen groſſen Vortheil vor andern / als der Oberſte im Opffer und im Reich / Gen. 49 / 3. er hatte uͤber ſeinen Bruder zu herꝛſchen / Gen. 47. hatte zween Vortheil oder Vorauß fuͤr demſelbigen / Deut. 21 / 7. Daher noch heutiges Tages bey hohen Geſchlechtern und Stamm-Haͤu - ſern geſchicht / was dorten Joſaphat gethan / der ſeinen andern Soͤhnen Gaben gab von Silber / Gold und Kleinodien / ſammt feſten Staͤtten in Juda / und ſie damit außwieſe; aber das Koͤnigreich gab er ſeinem erſt - gebohrnen Sohn Joram / 2. Chron. 21 / 3. Nun war dieſer Bruder der erſtgebohrne / dazu hatte er allbereit ſeinen Bruder auß dem Sattel gehebt / als der verlohren / todt und außgethan war bey dem Vater; dar -auff157Vom verlohrnen Sohn. auff trotzte er / und gedachte / ich bin der erſte und der einige Sohn. II. Juſtitia ex obedientia legali, weil er ſeinem Vater nach dem Geſetz je - derzeit gehorſam geweſen / ich habe / ſpricht er / dein Gebott nie uͤber - tretten / weder committendo, noch omittendo weder mit Veruͤbung des Boͤſen / noch mit Unterlaſſung des Guten. Jſt viel geredt / wers glauben kan. Jſt man nun einem gehorſamen Knecht / will er ſagen / ſeinen Lohn zu geben ſchuldig / den man ſo werth haͤlt / daß er kaum ſeinem Herrn um ſo viel Gold feyl / als ſchwer er iſt? wieviel mehr mir mein Vater; was thut nicht ein Herꝛ ſeinem getreuen Knecht oder Magd / will geſchweigen / ſeinem gehorſamen Kind? Jm gegentheil mein Bruder / dieſer mein Sohn / hat ſein Gut mit den Huren verſchlungen / dich gepocht und getrutzt / biß du ihm ſein Theil herauß gegeben. III. ex Servitute du - ra, auß der ſchweren Dienſtbarkeit; ſiehe / ſo viel Jahr diene ich dir / verſiehe dir eine Knechts-Stell / ich arbeite Tag und Nacht / wie ein Tagloͤh - ner / ja wie ein Roß / und habe bitter uͤbel Zeit. Er trotzet auff die ſuperero - gativ; ich thue mehr als ich ſchuldig bin. ἰδοὺ, ſagt er / ſiehe Vater / wo thut das mein Bruder? andere Kinder thun dergleichen Arbeit nicht / wie ich / ich renne und lauffe fruͤh und ſpaht / und ſoll doch keinen Danck haben / redde mihi, quod debes, gib mir / was du mir ſchuldig biſt. Du biſt zumahl ein ungerechter Vater / dem boͤſen Buben / der ſein Gut ver - ſchlungen / halteſt du eine Mahlzeit / aber mir haſtu nie einen Bock gege - ben / daß ich mit meinen Freunden froͤlich waͤre.
Hieher nun / will der Herr Chriſtus ſagen / ihr Phariſaͤer und Schrifftgelehrte / beſchauet euch in dieſem Spiegel / kein Ey kan abermahl dem andern ſo gleich ſeyn / als ihr und dieſer Sohn / ihr ſeyd die Bruͤder des verlohrnen Sohns / ihr pocht auch mit allen Juden ins gemein auff eueren Adel und majoritaͤt / daß ihr Abrahams Kinder ſeyd; das blaßt euch auff / und macht ſolche inflatos Unflaͤhter auß euch. Jhr pocht auff euere Primogenitur und Erſte Geburt / daß ich weyland Jſrael meinen erſtgebohrnen Sohn und außerkohrnen vor allen Voͤlckern genant habe / Exod 4 / 22. Jhr duͤncket euch deßwegen viel beſſer zu ſeyn als die Zoͤllner und Suͤnder. Jhr pochet auff euere Gerechtigkeit / geſtalt dann Luc. 18. der Herr ein Exempel eines ſolchen Werckheiligen fuͤrſtellet / der mit ſeinem vollkommenen Gehorſam pranget / und auch ſagen will / er habe GOttes Gebott niemahlen uͤbertretten. Jch bin kein Raͤub er / kein ungerechter / kein Ehebrecher / oder auch nicht wie dieſer Zoͤllner / ich faſte zwier in der Wochen / und gebe den Zehenden von al - lem / das ich habe. Ja ihr ſeyds / die ihr mit den operibus ſuperero -V iijgationis158Die Achtzehende Predigtgationis pralet / und euere uͤbrige Wercke ruͤhmet / die ihr euch ſpiegelt in ἀκρι〈…〉〈…〉 είᾳ religionis, in der Strenge euers Ordens / als der ſtreng - ſten Sect euers GOttesdienſts / Act. 26 / 5. und in der abundantia Ju - ſtitiæ, in euerer uͤberfluͤſſigen Gerechtigkeit / Matth. 5 / 20. Jhr laſſet euch beduncken / ihr haltet das Geſetz ſchaͤrffer / ſtrenger / beſſer / mehr als euch befohlen. Jch habe befohlen meine Gebott zuhalten / und ihrer nicht zu vergeſſen / deßwegen ich euch gebotten / ihr ſolt Laͤplein machen an die Fit - tich euerer Kleider / und gelbe Schnuͤrlein auff die Laͤplein / auff daß ihr / wann ihr ſie anſehet / gedencket aller Gebott des Herꝛn / Num. 15 / 38. So machet ihr die Denck-Zedel breit / und die Laͤplein groͤſſer als andere / Matth. 23 / 5. Jch habe befohlen / ihr ſolt betten und wachen / und euch nicht mit bloſ - ſen Lippen zu mir nahen / ſo bettet ihr in den Ecken auff den Gaſſen / πρὸς τὸ ϑεαϑῆναι, auff daß ihr von den Leuthen geſehen werdet / Matth. 6 / 5. Jſts wahr / was Epiphanius ſchreibet hæreſ. 16. ſo lagen ſie des Nachts an ſtatt des Beths / auff einer Latten einer Spannen breit / auff daß / wann ſie im Gebett der Schlaff uͤbereylet / ſie herunder fielen und erwachten / ja ſie legten ſich wohl gar auff Kiß - und ſtachelichte Dorn-Buͤſche oder Dorn - Wellen. Jch habe befohlen den Sabbath zu halten / ſo haltet ihr ihn ſo ſtreng / daß ihr euch auch Gewiſſen machet / nur Aehren abzubrechen / uñ außzurauf - fen / auch die Krancken zu heylen / Matth. 12. Jch habe befohlen dem Pre - dig-Ampt zu reichen von allem / ihr verzehendet die Muͤntz / Till und Kuͤm - mel; Jſt zwar recht gethan / aber unterdeſſen laſſet ihr das ſchwerſte im Geſetz dahinden / dieſes ſolte man thun / und jenes nicht laſſen. Jch habe befohlen / die Alten in Ehren zu halten / das laßt ihr euch ſo genau angelegen ſeyn / daß ihr auch der Maͤrtyrer Graͤber ſchmuͤcket / Matth. 23. Jch habe be - fohlen Allmoſen zu geben / das thut ihr offentlich fuͤr den Leuten. Jch ha - be befohlen / ihr ſolt faſten / ſo ſehet ihr ſaur / und verſtellet euere Angeſichter / auff daß ihr fuͤr den Leuten ſcheinet / Matth. 6. Jhr faſtet zwier in der Wo - chen / Luc. 18. ja offt / Luc. 5. Bannus Joſephi Præceptor aß keine Speiß / als die (ἀυτομάτως) auß der Erden waͤchſet. Jch habe befohlen / ihr ſolt hei - lig ſeyn / ſo reiniget ihr euch auch aͤuſſerlich / und macht euch ein Gewiſſen / mit ungewaſchenen Haͤnden zu Tiſch zu kommen / Matth. 15. Marc. 7. Luc. 11. Jſt alles recht / wann man nur kein Heiligthum darauß machet / wie ihr thut. Solche Leuthe ſeyd ihr / das ſeind euere ſervitia und opera ſupere - rogationis, euere Gerechtigkeits Werck; iſt eine beſſere Gerechtigkeit als der gemeinen Juden. Seyd ihr nun der Vernunfft nicht beraubet / ſo werdet ihr mercken / wie uͤbel es dem Bruder des verlohrnen Sohns ange - ſtanden / daß er mit ſeinem Vater expoſtulirt, und wie ſchlechte Funda -menta159Vom verlohrnen Sohn. menta er dazu gehabt. Wie ihr nun deßwegen einen Greuel an ihme habt / alſo hat auch GOtt der himmliſche Vater ein Abſcheuen an euch / die ihr ihm in allen Stucken gleich ſeyd. Das iſt die Phariſaͤiſche Gerechtigkeit.
Wie tieff nun / M. L. ſtecket dieſer Phariſaiſmus auch uns allen in dem Buſen! dann dieweil der Menſch das Geheimnuß des Evangelij mit der Vernunfft nicht begreiffen kan / und es ihm eine Thorheit iſt / ſo verlaßt er ſich auff ſeine Fromkeit / und eygene Gerechtigkeit. Das war Cains Ge - rechtigkeit / Eliphas / der Heyden / des Mahomets / und der Pelagianer. Man gehe auff die Doͤrffer / examinire die Leute / die von Chriſto nichts wiſſen / ſo wird mans finden / und Antworten bekommen / wie jener Baur eine gegeben / welcher / als er vom Paſſion gehoͤret / und gefraget worden / warum Chriſtus gelitten habe? geantwortet: er dencke wohl / Chriſtus habe es auch verdienet. Dahero rohe Dienſt-Botten ihnen einbilden / GOtt werde und muͤſſe ihre ſaure Arbeit belohnen / wie die Wehmuͤtter in Egypten. Lutherus ad c. 2. Gal. nennets juſtitiam ſervilem, merce - nariam, externam, mundanam, humanam, quæ in hac vita mercedem expectat & recipit, ad futuram gloriam nihil prodeſt, ſimilem actibus ſimiæ, eine knechtiſche / gedingte / aͤuſſerliche / menſchliche Ge - rechtigkeit / welche in dieſer Zeit die Belohnung hoffet und em - pfanget / aber zu dem Himmel nichts nutzet / und den Af - fen-Handlungen gleich iſt. Ein jedes bedencke es nur ſelber / wann es vom Evangelio niemahlen nichts gehoͤret / ob es nicht gleich auff dieſe Phariſaͤiſche Gerechtigkeit plumpet / und hinein fallet.
Und um ſo viel mehr hat man ſich zu erbarmen uͤber das Papſt - thumm / als in welchem dieſe Gerechtigkeit biß dato das Scepter-Regi - ment erhalten. Es pochet auch I. auff majoritatem & antiquitatem, auff ſeine Aelte und Vorzug; dann da wird gelehret / die Gerechtigkeit ſeye geartet / wie die Geſundheit. Soll nun der Menſch gerecht werden / ſo muͤſſe durch die Gnade des himmliſchen Artztes dieſelbe zuvor diſpo - nirt werden mit Glauben / Liebe / Forcht und Fuͤrſatz. Durch den di - ſpoſitivè, nicht organicè, Vorbereitungs-nicht mittels-weiſe / radicaliter nicht principaliter. Darauff werde alsdann die Gerechtigkeit / als eine Quelle aller Tugenden eingegoſſen; die vertilge alle Suͤnden / und ma - che den Menſchen gerecht. Und dieſelbe ſeye nun auch die Wurtzel und Quell / krafft welcher der gerechte Menſch nicht nur dem Geſetz ein Genuͤ - gen thue / die Suͤnde buͤſſe / ſondern auch verdiene ſo wohl augmentum gratiæ, die Vermehrung der Gnade / als die Seligkeit ſelbs / und der ge - rechte / nicht allein barmhertzige Richter werde den Lohn nach den Werckenabmeſſen.160Die Achtzehende Predigtabmeſſen. Und ſeyen die adultiores die aͤltere viel gluͤckſeliger als die jungen Kinder. Sonderlich aber ſeind die Ordens-Leut die Al - lerheiligſten / die haben eine viel beſſere Gerechtigkeit als der arme Lay / ſie thun opera ſupererogationis in Faſten / Geluͤbden / Keuſch - heit / Armuth / Gehorſam / in ſtrengen Ordens-Regulen / damit ſie als uͤbereintzigen guten Wercken / auch andern etwas verdienen. Und je ſtrenger ein Orden lebet als der ander / je heiliger er iſt / als die Capuciner ſeind heiliger dann die Benedictiner / die Cartheuſer wel - che kein Fleiſch eſſen / und nicht mit einander reden / heiliger als die Ca - puciner. Die Jeſuiten verdienten mehr agendo quàm patiendo durch Thun und gute Ubungen / als durch Leyden und Gedult. Summa: wer an die Ort des Papſtthum̃s kommet / der verwundert ſich uͤber ihr ſtrenges Leben.
Aber hoͤre / was ſagt unſer Heyland Chriſtus dazu? Es ſeye dann euere Gerechtigkeit beſſer / dann der Phariſaͤer und Schrifft - gelehrten / ſo werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen / Matth. 5 / 20. Beſſer ſoll ſie ſeyn / und alſo 1. perfectior, vollkommener; Gott wil ſich nicht mit Hafen-Scherben / Rechen-Pfenningen / leichtem ungewigtem Geld / mit allzuwenigem abbezahlen laſſen. Was er Adam eingethan / das wil er wieder haben / nemlich perfectionem ſummam, die hoͤchſte Vollkommenheit. Will man ſie verdienen / ſo muß ſie noch hoͤher und unendlich ſeyn / da wir doch / wann wir alles gethan / was uns befohlen iſt / bekennen und ſagen muͤſſen / wir ſeynd unnuͤtze / ja noch nicht ſo gut als unnuͤtze Knecht / Luc. 17. Es muͤſſen ja alle Heilige das Vater unſer betten / und doͤrffen ſich mit ihrer Gerechtigkeit nicht ſehen laſſen. Jhre Loſung iſt: Ach HERR / gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht / Pſ. 143. Wann du wilt Suͤnde zurechnen / ach HErꝛ / wer wird beſtehen? Pſal. 130. All unſere Gerechtigkeit iſt wie ein beflecktes Tuch. Væ etiam laudabili vitæ, ſi remota miſericordia diſcutiatur, ſpricht Auguſt. Wehe auch dem / der ruhmwuͤrdig und heilig lebet / wann er ohne Barmhertzigkeit ſolte gepruͤfet und gerichtet werden. Es muͤſſen ja die Paͤpſtler ſelbſt geſtehen / daß der habi - tus juſtitiæ, ihre Gerechtigkeit nit vollkommen ſey / daß er zu - und abnehme / gemehret und gemindert werden koͤnne. 2. Solidior, feſter / auff einem beſſern Grund beſtehen / daß man ſich darauff verlaſſen koͤnne. Stulta & pe - riculoſa habitatio in meritis, quid enim ſtultius quàm habitare in domo vix inchoata? ruinoſa eſt noſtra habitatio, quæ ſuſtentari magis opus habeat quàm habitari, ſchreibet Bernhardus, das iſt: Es iſt thoͤrichtund161Vom verlohrnen Sohn. und gefaͤhrlich auff Verdienſte trauen / dann was iſt thoͤrich - ter als in einem kaum angefangenen Hauſe wohnen? Un - ſere Behauſung iſt gar baufaͤllig / die mehr unterbauens als bewohnens bedarff. Cornel. à Lapid. p. 218. ad Corinth. vergleichet dieſe Gerechtigkeit einem Seidenwurms-Hauß. Allein wann das Feur der Anfechtung darzu kommt / ſo verbrennet ſie / wie es die Exempel der je - nigen / die daruͤber zu grund gegangen / beweiſen. Jeſabel / ob ſie ſchon ihr Angeſicht ſchoͤn geſchmincket / und ihr Haupt zierlich geſchmuͤcket / wurde gleichwohl von dem Fenſter herab geſtuͤrtzet; alſo gehets und wird ergehen allen Ruhm - und Ehr-ſuͤchtigen Werck-Heiligen fuͤr Gott. 3. Certior, gewiſſer / in GOttes Wort / nicht auff einer inwohnenden Gnade ge - gruͤndet / auſſer dem Menſchen / Act. 4. 1. Cor. 1. dann es iſt nicht die Frag / wie ſchoͤn man die Braut butze / ſondern ob ſie auch GOtt wohl ge - falle / und annehmlich ſeye? da ſagt nun die Schrifft clar Nein dazu / Rom. 3 / 24. Wir werden ohne Verdienſt gerecht / auß der Gnade Got - tes / ꝛc. Gal. 11, 16. Der Menſch wird nicht gerecht durch des Ge - ſetzes Werck / ſondern durch den Glauben an Jeſum Chriſt / ꝛc. Beſtehet alſo unſere Gerechtigkeit fuͤr Gott mehr im nehmen / als im ge - ben / und wird auch der Glaube außgeſchloſſen / ſo fern er eine Tugend iſt. Dann / ſagt der Apoſtel / iſts auß Gnaden / ſo iſts nicht auß Ver - dienſt / Rom. 11. mit angehaͤngter Urſach / Eph. 2. Auß Gnaden ſeyd ihr ſelig worden / durch den Glauben / und daſſelbe nicht auß euch. GOttes Gabe iſt es / nicht auß den Wercken / auff daß ſich nicht jemand ruͤhme; daß niemand aufftrette und ſage: Siehe Vater / ſo viel Jahr diene ich dir / und habe deine Gebott noch nie uͤbertret - ten / gib mir / was du mir ſchuldig biſt.
Ey ſprechen die Papiſten / der Apoſtel ſchlieſſe allein die Wercke vor der Gnade von der Rechtfertigung auß / dieſe helffen nichts zur Rechtferti - gung? Antwort: der Apoſtel ſchlieſſet auch ἔργα ἐν δικαιοσύνη, die Wer - cke in der Gerechtigkeit auß / Tit. 3 / 5. Er ſchlieſſet auß die Wercke die gut ſeynd / vor der Gnade aber ſeynd keine Wercke gut / wie auß dem Exem - pel Abrahams Rom. 4. und der falſchen Apoſtel Act. 15. zu erſehen / wel - che den Juden etwas zu gefallen lehren wollen; aber eben damit haben ſie Chriſtum verlohren / weil ſie durch das Geſetz gerecht werden wolten / Gal. 5 / 4. Jſt doch / ſprechen ſie weiter / Abraham durch die Wercke gerecht wor - den / Jac. 2. Der Glaube iſt ja ohne Wercke todt? Antwort: Abraham wur - de durch die Wercke gerecht / tanquam ſignis, non cauſis, als durch Zei - chen / und nit wuͤrckende Urſachen. Vor GOtt gilt allein der Glaube / undZehender Theil. Xnich162Die Achtzehende Predigtnicht die Wercke. Der liebloſe Glaub iſt ohne die Wercke todt / aber doch machet der Glaub ohne Wercke / auch / ohne die Liebe / gerecht. Ein wohl - geſchmackter Apffel iſt niemahl ohne Farb / und doch fuͤhlet der die Farbe nicht / ſondern den Geſchmack / wer ihn iſſet. Ferner wenden ſie ein: Es werde ja das Ewige Leben ein Lohn genennet / Matth 5 / 12. eine Beloh - nung / Col. 3 / 24. eine Crone / 2. Tim. 4 / 8. Antwort: Es iſt das ewige Leben kein Pflicht-ſondern ein Gnaden-Lohn; dem der mit Wercken um - gehet / wird der Lohn nicht auß Gnaden zugerechnet / ſondern auß Pflicht. Dem aber / der nicht mit Wercken umgehet / glau - bet aber an den / der die Gottloſen gerecht machet / dem wird ſein Glaube zugerechnet zur Gerechtigkeit / Rom. 4 / 4. Ein anders iſt ein verdienter Lohn / ein anders eine Gnadenreiche Ergoͤtzung der gehabten Muͤhe und Arbeit / und außgeſtandenen Truͤb - ſahl / eine ἀνταπόδοσις τῆς κληρον〈…〉〈…〉 μίας, eine Vergeltung des Erbes / die geſchicht nach den Wercken / nicht um der Wercke / ſondern um Chriſti willen / auß Gnaden; gleich wie etwa einem Kind ein Vorauß vor dem andern vermacht wird / auß lauter Liebe und affection. Sie werffen uns auch vor die Wort in unſerer Parabel; Alles was mein iſt / das iſt dein. Antwort: Es ſeind ſolche Wort conditionatè, bedingungs - weiß zu verſtehen / wann er nemlich auch wird hinein gehen / und ſich mit freuen / ſo ſoll auch alles ſein ſeyn / aber nicht auß Verdienſt / ſondern auß Gnaden / vermoͤg der Kindſchafft.
Ob nun wohl unſere Leute keinen Articul feſter glauben / und darauff halten / als dieſen / und ſich ſo erzeigen / daß man wohl ſiehet / ſie begehren nit auß den Wercken ſelig zu werden / ſo muß doch die Warheit geſagt werden ad evitationem I. Phariſaiſmi, zu Meidung des Phariſaͤiſchen Jrꝛ - thums / daß man ſich an der Paͤpſtler Ordens-Leuthen / und an ihrem ſtrengen Leben nit vergaffe / ſondern ſage / wir achten es alles fuͤr Scha - den / und Dreck / nur daß wir Chriſtum gewinnen / Philip. 3 / 8. Es iſt einmahl eine kuͤhne und frevele Lehre / welche ſie fuͤhren / dann ſie moͤ - gen die Gebotte nicht halten / will geſchweigen / daß ſie noch mehr daruͤber thun ſolten. 2. Epicureiſmi, des Epicuriſchen wuͤſten Sau-Le - bens / dann ob man ſchon mit den guten Wercken das himmliſche Erbe nicht verdienet / ſo verdienet man doch mit den Suͤnden die Enterbung und Verdamnuß; die guten Wercke ſeind zwar nicht verdienſtliche / aber doch der Weg zum Himmel; nicht Himmel-Schluͤſſel / ſondern Kennzei - chen der himmliſchen Pilgrim. Chriſtus hat nicht nur gelitten fuͤr uns / ſondern uns auch ein Fuͤrbilde gelaſſen / daß wir ſollennachfol -163Vom verlohrnen Sohn. nachfolgen ſeinen Fußſtapffen. 1. Pet. 2. Sie ſeynd nicht die Wur - tzel / ſondern die Frucht / nicht Mittel / ſondern der Schmuck eines Chriſten / Tit. 2. 3. ad Conſolationem, zu unſerm Troſt / wider die anklebende Unvollkommenheit / ein jedes unter uns kan ſagen; ich bin ein Kind und Erbe GOttes / ob ich gleich den vollkommenen Gehorſam nicht leiſten kan / aber an Chriſtum halte ich mich / der fuͤr mich bezahlet. Wer in dieſem al - ſo fortgehet / der wird auch endlich das Erbe erlangen / welches weder durch die Menge der Beſitzer / noch durch die Viele der himmliſchen Einwohner wird gemindert werden. Das gebe GOtt mir und dir / ſo kommen wir beyde dahin / da Freude die Fuͤlle / und liebliches Weſen zur Rechten GOt - tes immer und ewiglich / Amen.
GEliebte in Chriſto. Armer Leuthe Hoffarth ſtin - cket / pfleget man im Sprichwort zu ſagen / hat nicht die Meinung / als waͤre reicher Leute Pracht lauter Biſem. Es war freylich eine wuͤſte Stinckerey / wann David mit ſeiner groſſen Mannſchafft / in Jſrael 800000. und in Ju - da 500000. 2. Sam. 24. Hiskias mit ſeinen Schaͤtzen / 2. Reg. 20. Nebucadnezar mit ſeiner Koͤniglichen Burg zu Babel / Dan. 4. Herodes in ſeiner Pomp / Act. c. 12. Berenice in ihrer Phan - taſi pranget. c. 25. Aber vor der Welt ſcheinet es ſich etwas mehr zu verantworten / ſie koͤnnen den Narren beſſer verbergen / ſie koͤnnens mehr verbieſamen / und entſchuldigen / mit ihren Ehren-Stellen / Stand und dergleichen / damit ſie ihnen ſelbs / und andern die Augen verblenden / daß mancher meynet / es muß alſo ſeyn. Aber armer Leute Hoffart ſtin - cket / jederman hat ein Greuel daran / es ſtincket nach einer groſſen Thor - heit; wie dann in H. Sprach Holelim, die Narren / und ruͤhmeriſche / Stoltz / und Stultus ſynonyma, einerley ſeynd / Pſ. 5. Laͤcherlich iſt es / wann einer pranget / 1. in re vili, mit einer ſchlechten Sache: Manche Dienſt - magd pranget in ihrer Kappe / Kroͤß / Schuh / Ubermuͤder / Beltz / mehr als ein Tuͤrckiſcher Kayſer mit ſeinem Keyſerthum / ſolte ein ſolcher MenſchX ij300. fl.164Die Neunzehende Predigt300. fl. vermoͤgen / wer wolte mit ihr zurecht kommen? das iſt armer Leute Hoffart. Ein manches Baͤurlein iſt ſtoͤltzer in ſeinem Huͤttlein / als der Roͤmiſche Kayſer in ſeinem Pallaſt. Mancher hat etwas vom Schul - ſack gefreſſen / da wirfft er mit Latein / wie mit gantzen Quater-Stuͤcken / um ſich / wie Lutherus redet. Manche Tochter hat ein paar Zinß-Briefflein / wie thut ſie ſich herfuͤr / da iſt kein ſchlechter Werber gut genug. Manche Bettler ſchlagen ſich um den Vorſitz Mancher hoͤret ſich ſelbs gern reden / erhebt ſeine Stimme wie ein Marckt-Schreyer, iſt alles armer Leute Hof - fart. Es ſtincket auch nach Thorheit / wann andere prangen. 2. in re inva - lida, in ſolchen Sachen / die nicht vielmehr gelten / als wie falſche Kipper / die wunder meynen / wie reich ſie ſeyen / aber wie ſie es außgeben / muͤſſen ſie es auch wieder einnehmen; wuchern im Sinn / wie ein armer Jud. Mancher pocht auff ſeinen Adel / iſt aber darbey blut-arm / oder voll Laſter. Gleich wie nun jener ohne Gelt bey der Welt nichts gilt / alſo auch dieſer nichts bey ehrlichen Leuten. 3. In re mendicata & aliena, in frem - den Federn / wie jener Raab beym Æſopo. Wie manchmal hat ein ar - mer Betler Hochzeit / iſſet / trincket / tantzet / und macht ſich luſtig und guter ding? ein mancher pranget in einem gelehnten Kleid / hat etwa ein paar Lackeyen nach gehen / daß er nur in der Leute Augen groß ſcheine. 4. In re planè nihili, der groͤſte und hoͤchſte Grad der Narꝛheit iſt / wann einer ſtoltz iſt ohne einiges Fundament / nur auß bloßer Einbildung / wie jener / deſſen Euphormio lcon. anim. c. 7. gedencket / der / als er ſterben wolte / und von ſeinem Sohn gefraget worden / was ſein letzter Will / und Befehl / die Antwort gegeben; memineris, ut in majeſtatem aſſurgas familiâ tuâ dignam, ſey eingedenck / daß du nach Hoheit trachteſt / die deinem Geſchlecht wohl anſtehet.
So nun die weltliche Hoffart fuͤr unſern Augen ein ſolcher Greuel iſt / ein Geſtaͤnck / und Gelaͤchter verurſacht / was fuͤr ein unaußſprechlicher Greuel muß dann vor Gott / und allen H. Englen die geiſtliche Hoffart ſeyn / wann der Menſch / quo nihil miſerius, nullum ſimul ſuperbius, uͤber welchen nichs elenders und auch nichts hoffaͤrtigers iſt / in ſeiner Fromkeit / Heiligkeit und Gerechtigkeit fuͤr Gott pranget. Das iſt ja freylich armer Leute Hoffart / es ſtincket. Dann es iſt dieſelbe vilis, wie ein beflecktes Tuch / Cento ein Bettlers-Mantel und Flickwerck / Eſa. 64, 6. Invalida, ſie gilt vor GOttes Gericht nicht / ſie zerſchmeltzet / wie Butter an der Sonnen; mendicata, eytel Betteley / dann was haſt du / Menſch / das du nicht empfangen / ſo du es aber empfangen / was ruͤhmeſt du dich dann / als der es nicht empfangen haͤtte? 1. Cor.165Vom verlohrnen Sohn. 1. Cor. 47. ja wann mans offtmahls beym Liecht beſiehet / ſo iſts nichts als ein Einbildung; darff mancher meynen / es ſeye Biſam oder Chriſam / ſo iſts ein Saur-Teig der Phariſaͤer / ein σκύβαλον, ζημία, Unflaht / Dreck und Schaden / Phil. 3. aller maſſen wie heut acht Tag gehoͤret worden. Nun denſelben Greuel recht zu verſtehen / ſtehet uns abermahl fuͤr Augen der Groß-Sprecher und Schwappenhauer / der aͤltere Bruder des verlohrnen Sohns / der ſchneidet auff mit dem groſſen Meſſer / und daſſelbe ex ignorantia ſui, & juſtitiæ perſuaſione, auß eygener Unerkantnuß und Einbildung. Wir wollen ihm zu unſerer Beſſerung / zur Verleitung der Hoffart / und Anfriſchung der Demuht / ein kleines auffhorchen. Chri - ſtus JEſus / der die Demuht ſelbſten iſt / gebe ſeine Gnade und Segen dazu / Amen.
DRey ſonderbahre Stuͤcke der unertraͤglichen ſchnoͤden Hoffart fin - den ſich bey dem Bruder des verlohrnen Sohns / I. φιλαυτία, die Eigen-Lieb / und ſelbs-Bulerey / die Himmel-breite ima - gination und Einbildung von ſich ſelbs / die Affen-Liebe ſeiner Wercke und Fruͤchten. Er ſetzet die unrechte Brill auffs Aug / und ein Perſpectiv / das zehenmahl groͤſſer præſentirt, als es in der Warheit war / ſiehet ein Schaͤrfflein fuͤr einen Schatz an / ein Sprieſen fuͤr einen Balcken / ein Gold - Kuͤgelein fuͤr einen Gold-Verg / machet auß der Mucken einen Elephan - ten. Er hat irgends ſeinem Vater gefolget / und treulich haußgehalten; aber das war zuviel geredet: Vater / ich habe dein Gebott NOCH NJE uͤbertretten. Holla / moͤchte jemand ſagen / die Fenſter auff / daß die Lugen hinauß kan. Dann wo lebt das Kind / das von anbe - gin ſeine Eltern niemahls erzuͤrnet hat. Stellet darauff eine collation in ſeinem Hertzen an zwiſchen ſich und ſeinem Bruder / da heiſſet es / mein Bruder iſt impius in DEUM, Gottloß / ich aber bin gantz fromm und heilig / jener iniquus in Parentem, ἄσωτος, trotzig wider den Vater / und hat ſein Gut mit Huren verſchlungen; ich aber habe nie kein Waſſer betruͤbt; ach welch ein ſchoͤner Engel bin ich! II. Gloriatio & oſtentatio coram Patre, die Ruhm-Sucht / er war gern geſehen / darum ſagt er auch herauß / was er gedencket / weſſen das Hertz bey ihm voll / deſſen gehet der Mund uͤber / er ſchnellt gleichſam dem Vater fuͤr die Augen / ίδ〈…〉〈…〉, ſie - he / Vater / wer ich bin / du ſolteſt dich billich uͤber mich verwundern und erfreuen; mit angehaͤngter hochmuͤhtiger exprobration, und Vorwerff - ung; Jch habe dir ſo viel Jahr gedienet / habe deine Gebott nie uͤbertretten / und du haſt mir nie einen Bock gegeben / daß ich mitX iijmeinen166Die Neunzehende Predigtmeinen Freunden froͤlich waͤre. Da ſchwingt er ſeine Federn wie ein Pfau / und legt ſich gewaltig an den Laden. III. Contemptus fratris, die ſchnoͤde Verachtung ſeines armen und bußfertigen Bru - ders / der doch bey Gott und Menſchen lieber und froͤmmer worden / als er jemahls geweßt. Der Veraͤchter ſagt: ὁυἱός σου οὗτος, dieſer dein Sohn / das ſchoͤne Fruͤchtlein / der ehrbare Geſell / der groſſe Hanß und Juncker / mag ihn nicht mit Nahmen nennen / und laßt ſich beduncken / ſein Bruder ſeye kaum eines Bocks werth / ihm aber / als dem Froͤmmern / gebuͤhrt das gemaͤſtete Kalb. Gibt endlich IV. ſeine Hoffart auch zu erkennen ſepa - ratione, er wil nicht hinein gehen / duncket ſich zu gut ſeyn / als wolt er ſagen / was / ich wolte den Vaganten / den Landfahrer / den Lumpen nicht ſo gut achten / daß ich ihm einen Tritt unter das Geſicht gehen wolte. Jhr mey - net gewiß / ſimilis ſimili gaudet, ich ſeye auch ein ſolcher Gaſt / nein / wer ſich unter die Kleyen maͤngt / den freſſen die Saͤu / er muß eine weile war - ten / biß ich hinein gehe. Unangeſehen der Vater ihn geladen / und freund - lich zugeſprochen / wolte er doch nicht.
Trettet nun abermahl hieher fuͤr dieſen Spiegel ihr Phariſaͤer und Schrifftgelehrten / ſehet euer Controfet / ſolche Geſellen ſeyd ihr / um kein Haar beſſer. Dann wer ſeynd die groſſe ϕίλαυτοι, die ſo hoch und viel von ſich halten / ſo wohl abſolutè, die ihr euch ſchlechter dings fuͤr lebendige Heilige und Engel preiſet / und ſelbs rechtfertiget / als auch comparatè, die ſich beſſer duncken zu ſeyn als andere Leute / als eben ihr. Chriſtus zeiget ihnen ſolche ihre Unart an dem Phariſaͤer im Tempel / Luc. 18. der tritt da - ſelbſt auff und ſpricht: Jch dancke dir GOTT / daß ich nicht bin wie andere Leute / Raͤuber / Ungerechte / Ehebrecher / oder auch wie dieſer Zoͤllner / ꝛc. Seyd ihr nicht die jactatores, und groſſe Bril - lenmeiſter / die ihr auch fuͤr Gott tretten doͤrfft mit unverſchaͤmter Stirn / und auffgehabenen Augen / und dieſes DEO gratias intoniren / ihr laſſet eure Heiligkeit auff der Trommel herum ſchlagen / mit den Poſaunen auß - blaſen / wann ihr Allmoſen gebt / ihr bettet offentlich an den Ecken der Gaſ - ſen / nur daß ihr von den Leuten geſehen werdet. Ja ihr doͤrfft auch wohl Gott dem Herrn fuͤr die Naſen ſchnellen / wie dorten die Juden / Rom. 9 / 19. was beſchuldiget er uns / wer kan ſeinem Willen wider - ſtehen? Jhr ſeyd die Contemptores und Veraͤchter / nicht nur der armen Suͤnder / ſondern auch meiner / des Meſſiæ / den Raht GOttes verachtet ihr wider euch ſelbs. Jhr wolt das gemaͤſtete Kalb / den Meſſiam / allein haben / und goͤnnet den armen Heyden nicht einen Bock; ob ich euch ſchon gepfiffen / ſo wolt ihr nicht tantzen. Jhr ſeyd die rechte ἀσύμβολοι, ſingula -res,167Vom verlohrnen Sohn. res, Sonderling / daher habt ihr auch den Nahmen Phariſæi, oder in ſeiner Sprach / Periſchim, darum verweißt ihr meinen Juͤngern / Matth. 9 / 11. Warum iſſet euer Meiſter mit den Zoͤllnern und Suͤn - dern? und Luc. 7 / 39. Wann dieſer ein Prophet waͤre / ſo wuͤßte er / wer und welch ein Weib das iſt / die ihn anruͤhret / dann ſie iſt eine Suͤnderin. Ja am allernaͤchſten zielet der Herr auff dieſen Zweck; dann dieweil eben dazumahl ihme es die Phariſaͤer fuͤr ungut hiel - ten / daß er die Suͤnder annim̃t / und mit ihnen iſſet / Luc. 15 / 2. ſo wil Er ihren Unverſtand damit ruͤhmen / und ſagen: Solche Bruͤder ſeyd ihr auch / die ihr nicht leiden koͤnnet / daß man mit armen Suͤndern umgehet / und ſich ihrer annimmt. Nun bedencket ihr ſelbs / ſtunde es dieſem Bru - der wohl an? lehret euch nicht die Vernunfft anders? haͤtte er nicht beſſer gethan / er waͤre mit ihnen gegangen / und haͤtte ſich mit gefreuet? Ey wol - an / ſo lernet daran / ihr Herren Phariſaͤer / gleichen Hochmuhts muͤſſig zu gehen / und euch dafuͤr zu huͤten.
Zu wuͤnſchen waͤre nun abermahl / daß auch die Werckheiligen Or - dens-Leute im Papſtthum̃ fuͤr dieſen Spiegel ſtuͤnden / und ſich darinnen befchaueten. Dann bey ihnen herꝛſchet die ϕιλαυτία im hoͤchſten Grad / und kan ſich deren keiner erwehren / wie faſt er wil. Da ſtincket allen das Maul nach der Apotheoſi, Canoniſation und Vergoͤtterung / da gloriret man mit den Catalogis Sanctorum, und Heiligen-Regiſtern / und gloriâ miraculorum, mit dem Wunder-Ruhm. Oſtendant, ſchreibet Thom. Bzov. der dem Zeug Jſraelis Hohn ſpricht: l. 7. c. 1. Proteſtantes, an in - ter eos, ex quo nobiſcum ſocietatem diviſerunt, talis ſit ſeties Sancto - rum? quod attinet ad populum, ſunt quidem in Eccleſia Catholica plu - rimi mali, ſed ex hæreticis nullus eſt bonus. Das iſt; Es weiſen uns die Proteſtirende / ob unter ihnen / ſeit ſie ſich von uns getren - net / auch eine ſolche Reyh der Heiligen ſeye? was das gemeine Volck anbelanget / ſeynd zwar in der Catholiſchen Kirchen viel Boͤſe / aber unter den Ketzern iſt keiner gut. So iſt ihre ſeparatio und Entfernung von der Welt offenbahr / daß ſie den Weib - ern nachfegen / laſſen ſie nicht in ihre Kloͤſter / ſeind gute Soldaten hinter dem Ofen. Wir ſeynd in die Welt / als in einen Kampff-Platz getret - ten / ſo lauffen ſie auß der Welt / und verkriechen ſich in die Kloͤſter; heiſſet das gekaͤmpffet / Glauben gehalten / daß man die Crone der Gerechtigkeit erlange? Paulus gibt es nicht zu / und nennet es eine ſelbſt-erwehlte Geiſt - lichkeit und Gottesdienſt.
Wann168Die Neunzehende PredigtWann ſich dann dieſe Phariſaͤer gnug in dieſem Spiegel beſehen / ſo moͤgen auch wohl unſere ſtoltze Phariſaͤer herzu tretten / die wir leyder alle im Bußen tragen. Daruͤber Luthertis hefftig klaget Tom 6. Jch habe es ſelbs ſchier 20. Jahr geprediget / und getrieben / ꝛc. Waͤre die geiſtliche Hof - fart nicht ſo groß / es wuͤrde beſſere Buͤſſer geben. Es iſt ein Kraut / ja Un - kraut / das heiſſet ϕιλαυτία, Selbſt-Lieb / das waͤchſet in unſern Hertzen / die alte Schlang hats darein geſaͤet. Jſt die quinta eſſentia des Schlan - gen-Giffts / des Satans Tinctur / die ſchaͤdliche hectica, da der Menſch / wann er etwas gutes thut / alſobald ſich verliebt in ſich ſelbs / buhlet mit ſich ſelber / verwundert ſich uͤber ſich ſelbs / klebet am Gebett / an der Anhoͤrung Goͤttlichen Worts / ja an der Demuht ſelbs; Alſo hoͤret ſich mancher gern reden / wie ihm ſein Hertz in die Wort außbricht; von denen es heiſſet: ein witziger Mann gibt nicht Klugheit fuͤr / aber das Hertz der Nar - ren ruffet ſeine Narꝛheit auß / Prov. 12 / 23. Noch ein mancher ruͤh - met ſich ſeiner Heiligkeit / ſeiner Thraͤnen / ſeines Kniebiegens ohne Noth. Ja es ruͤhmet wohl der Menſch ſeine Demuht ſelbs / und die / welche von Verachtung eytler Welt-Ehre Buͤcher ſchreiben / ſetzen ihre Nahmen for - nen an / daß ſie deßwegen moͤgen Ruhm erlangen. Darauff folget nun Contemptus, die Verachtung / andere muͤſſen bey ihnen Suͤnder ſeyn / werffen ihnen ihre Fehler und Maͤngel fuͤr / auch nach der Buß / und kuͤtz - len ſich damit / gedencken nicht / was einem widerfahren / das koͤnne allen be - gegnen. Dann ob zwar wohl fuͤr der Buß ſolche Leute zu ſcheuen / und man der raͤudigen Schaafe muͤſſig zu gehen / jedoch ſoll man ſich nach der Buß (wann ſie rechtſchaffen geweßt) ihrer wiederum erbarmen / cœteris pari - bus, den weltlichen Rechten und Ordnungen nichts benommen / Evange - lium enim non abolet politias.
Nach ſolchem allem iſt die Beſchreibung der geiſtlichen Hoffart dieſe: Gleich wie die weltliche Hoffart in der Selbſt-Lieb / Ruhmſucht und Ver - achtung des andern beſtehet. Dann wer da einen Batzen mehr vermag / der verachtet den andern / ſpiegelt ſich an ſich ſelbs / beduncket ſich ein Liecht der Welt zu ſeyn / und achtet andere nur fuͤr einen Wand-Schatten: Alſo iſt die geiſtliche Hoffart ein ſolcher Stand / da ein Menſch ſeine gute Wer - cke / Tugenden / Gebett / Almoſen / Buße / Creutz und Leyden / ſeine Thraͤnen / Demuht / Armuht / ꝛc. als einen Kram fuͤr Gott außleget / damit pran - get und pralet / und ein idolum, einen Goͤtzen darauß machet / und es gleich - ſam anbettet / vermeinend / Gott muͤſſe ihm darum gnaͤdig ſeyn / und ſeye ſeines gleichen nirgend mehr zu finden. Dabeneben verachtet man andere / die muͤſſen alle Suͤnder ſeyn / und laͤßt ſich beduncken / es ſtehe alles auffeygenem169Vom verlohrnen Sohn. eigenem Vermoͤgen / man muͤſſe fuͤr ſich Achtung geben / daß man ſeinen Credit erhalte / und ſich nicht mit anderer verachteter Leute Gemeinſchafft beſudele. Welches alles aber endlich auff die Ehr - und Gunſt-Sucht hinauß laufft / und die ἀποϑἑωσιν oder ſelbſt-Vergoͤtterung zum Zweck vor ſich hat.
Was ſagt aber Chriſtus von dieſem Phariſaiſmo und Heiligen-Stoltz? Antwort: Luc. 16, 15. GOtt kennet ihre Hertzen / dann was hoch iſt unter den Menſchen / das iſt ein Greuel fuͤr GOtt. 1. Pet. 5. GOtt widerſtrebet den Hoffaͤrtigen. Er hat ja ein gantzes Heer wider die hoffaͤrtige Stadt Jeruſalem geſchickt / und ihr den Garauß ge - macht. Hochmuht iſt die rechte Lueifers Art / welche die H. Engel vom Himmel geſtuͤrtzet / und zu leidigen Teuffeln gemacht. Wie ſo; moͤchte je - mand ſagen / iſts dann allerdings unrecht ſich freuen uͤber ſeine wohl ver - richtete Arbeit? darff ein Menſch nicht ſeine Tugenden / ſonderlich ſeine Patienten ruͤhmen? Man ſoll ja das Liecht guter Wercke leuchten laſſen fuͤr den Menſchen / Allmoſen geben offentlich / und mit gutem Exempel vor - gehen. Sagt doch Samuel 1. Sam. 12. antwortet wider mich fuͤr dem HErꝛn und ſeinem Geſalbten / ob ich jemands Ochſen oder Eſel genommen habe? ob ich jemand habe Gewalt und Un - recht gethan? ob ich von jemands Hand hab ein Geſchenck ge - nommen / und mir die Augen blenden laſſen? und Hiskias 2. Reg. 3, 3. Ach HErꝛ / gedencke doch / daß ich fuͤr dir treulich gewandelt habe / und mit rechtſchaffenem Hertzen / und habe gethan / das dir wohlgefaͤllet. Paulus ſagt 2. Cor. 1 / 12. Unſer Ruhm iſt der / nemlich das Zeugnuß unſers Gewiſſens / daß wir in Einfaͤltigkeit und Goͤttlicher Lauterkeit auff der Welt ge - wandelt haben. Antwort: Man muß einen Unterſcheid machen in - ter fora & corda, unter den weltlichen Gerichten / und unter dem Gericht des Hertzens fuͤr GOtt. Fuͤr Gott ruͤhme ſich ja nie - mand in circo juſtificationis, in dem Handel der Rechtfertigung / dann da heißt es: Jch armer Menſch gar nichts bin / Gottes Sohn iſt worden mein Gewinn; aber fuͤr den Menſchen iſt es erlaubet / nicht Ruhm ſuchen / und damit pralen / ſondern wanns noth iſt / ſich damit vertheidigen. Fuͤr Gott mag man ſich auch wohl ruͤhmen / aber nicht bey Gott und wider Gott / zwiſchen ihm und mir allein. Da ſehe ein jeder wohl zu / daß er ſich nicht darauff verlaſſe / als muͤßte ihm Gott deßwegen den Himmel geben. Dann da gehoͤret ein anderer Ruhm zu / welchen ich bey mir nicht finde / ſondern allein bey Chriſto. Darnach muß man auch die Hertzen unZehender Theil. Yter -170Die Neunzehende Predigtterſcheiden / dann wann ſchon offt zwey ein Ding thun / iſt es darum nicht gleich einerley. Judas und die arme Suͤnderin kuͤſſeten Chriſtum aber ein jedes mit einem andern / jener mit verraͤtheriſchem / dieſe mit buß - fertigem Hertzen. Salomo und Herodes baueten dem Herrn einen Tempel; Moſes und David lieſſen die Kinder Jſrael zaͤhlen; Salomo und Hiskias zeigeten ihre Schaͤtze; aber je einer mit hochmuͤhtigem / der andere aber mit demuͤhtigem Hertzen / Gott zu Ehren. Da ſihet nun Gott / was menſchliche Augen nicht ſehen: derowegen Er ſich nicht be - triegen laͤſſet.
Chriſtliche Hertzen ſprechen mit Paulo / 1. Cor. 4. Jch bin mir nichts bewußt / aber darum bin ich nicht gerechtfertiget. O wie gut iſt es / wann einer ſeine Gaben nicht weiß / wie Moſes / der als eine irꝛdi - ſche Sonne vom Berg herab gieng / aber er wußte nicht / daß die Haut ſeines Angeſichts glaͤntzete / Exod. 34. Laßt uns nachfolgen dem Exem - pel Chriſti / der ſich unter Engel und Menſchen gedemuͤhtiget / und ſeiner Vermahnung gehorchet / Matth. 6. Wann du betten wilt / ſo gehe in dein Kaͤmmerlein / und ſchleuß die Thuͤr zu / und bette zu dei - nem Vater im verborgenen / und dein Vater / der in das verbor - gene ſihet / wird dirs vergelten offentlich.
Man muß aber auch fuͤr den Menſchen betten / nach der Regul Au - guſtini tract. 8. in Ep. Johan. Si times ſpectatores, non habebis imitato - res, debes videri, ſed non facere, ut videaris, opus ſit publicum, intentio ſecreta. Das iſt: Wann du dich ſcheueſt ſehen zu laſſen / ſo kan dirs niemand nachthun / du ſolt geſehen werden / aber dich nicht ſelbs gern ſehen laſſen / verrichte dein Werck offentlich / aber dein Zweck und Abſehen halte heimlich. Gedencke lieber Menſch / daß es nichts mit dir ſeye / daß du nur eine Hand voll Erd / ein Sack voll Unraht und elende Mißgeburt / ja ein zerbrechliches Gefaͤß ſeyeſt / daß du nur uͤber alles / was du biſt und haſt / ein Schaffner ſeyeſt / der die Allmoſen - Guͤter außtheilen ſoll. Das groͤſſeſte Werck das wir thun koͤnnen / iſt das geringſte davon / das wir thun ſollen. Nun Chriſtus wolle die Wellen unſerer Hertzen ſtillen / und die geſchwulſtige Waſſerſucht des geiſtlichen Hochmuhts in uns heylen / daß wir ſagen; Nicht uns HErꝛ / nicht uns / ſondern deinem Nahmen ſey die Ehre; und mit den 24. Elte - ſten Apoc. 4. die Cronen fuͤr den Stuhl werffen / und ſprechen: HErꝛ du biſt wuͤrdig zu nehmen Ehre / Preiß und Krafft / dann du haſt alle Dinge geſchaffen / und durch deinen Willen haben ſie das Weſen / und ſeind geſchaffen. Darum
Allein171Vom verlohrnen Sohn.Allein GOtt in der Hoͤh ſey Ehr /Und Danck fuͤr ſeine Gnade /Darum daß nun und nimmermehrUns ruͤhren kan kein Schade /Ein Wohlgefallen GOtt an uns hat /Nun iſt groß Fried ohn unterlaß /All Fehde hat nun ein Ende /
AMEN.
GEliebte in CHriſto dem HEꝛrn. Billich ſtehet der Heiligen-Teuffel / der Engliſche Satan / der ſchoͤne Rieſe und glaͤntzende Lugen-Geiſt in theatro diabolorum, auff dem Schau-Platz der Teuffel fornen an / der jenige Geiſt / der ſich in einen Engel des Liechts verſtellen kan / und Engliſchen Schein von ſich leuchten laßt / der Meiſter aller Heucheley / der jentge / der ſich im Paradiß in eine damals holdſelige Schlange verkleidet / und En - gliſche Worte von ſich gegeben; darum auch Eva geglaubet / es waͤre ein Engel / der mit ihr redete / dann das wußte ſie wohl / daß keine Schlange re - den koͤnne. Der ſich Matth. 4. herfuͤr gethan / und es mit Chriſto gewagt / groſſes Mitleiden fuͤrgegeben / Gottes Wort angezogen / und groſſe pro - meſſen gethan. Zweiffels frey wird er eben nicht in ſo ſchroͤcklicher Geſtalt auffgezogen ſeyn / wie man ihn mahlet / mit Hoͤrnern und Klauen / ſon - dern als ein Engel des Liechts. Jſt der jenige ſchoͤne Geiſt / vor dem ſich der Apoſtel Paulus mehr befahret / als vor keinem / 2. Cor. 11 / 4. Jch foͤrch - te aber / daß nicht wie die Schlang Hevam verfuͤhrete mit ihrer Schalckheit / alſo auch euere Sinne verrucket werden von der Einfaͤltigkeit in Chriſto. Jſt der jenige Geiſt / der in foro lauter prætextus boni publici & affectionis fuͤhret / ſagt wunder / wie ers ſo gut meynet; wie Ahitophel und Jerobeam; jenes Raͤthe fielen alle vom Him - mel herab / er war allein lux mundi das Liecht der Welt; dieſer gab fuͤr / erY ijmeyne172Die Zwantzigſte Predigtmeyne es recht gut mit dem Volck / gibt Gottesdienſt fuͤr / wie Abſolon 2. Sam. 15. ſaget / man koͤnne Gott allenthalben dienen / wann ſie jaͤhrlich gen Jeruſalem gehen / wuͤrden ſie muͤde Beine machen / darum wolle ers naͤher begreiffen / und einen Gottesdienſt zu Dan und Bethel anrichten / da ſie ihrem Gott eben ſo wohl dienen koͤnten / als zu Jeruſalem / 1. Reg. 12. Herodes der Kinder-Moͤrder wolte auch nicht der lerſte ſeyn / und dahin - den bleiben / den neu-gebohrnen Koͤnig der Juden anzubetten / Matth. 2. Jn Choro iſt er ein Prediger / wie er dort kein falſcher Geiſt ſeyn wolte in der falſchen Propheten Munde / daruͤber der vom Teuffel gerittene Zede - kia dem Propheten einen Backen-ſtreich gegeben / und geſagt: Wie / iſt der Geiſt des HErꝛn von mir gewichen / daß er mit dir redet? ja er gibt ſich fuͤr einen Buß-Prediger und Fuͤrbitter auß / wie dann die Poltergeiſter im Papſtthum gebetten fuͤr die armen Seelen / man ſolle Seel-Meſſen halten / Buße thun / kleine Kraͤgen tragen / mit Freſſen und Sauffen einhalten / ꝛc. aber er bleibet nur in der andern Taffel. Er iſt ein ϑαυματ〈…〉〈…〉 ργος, ein Wunderthaͤter / 2. Theſſ. 2. Wuͤrcket aller - ley lugenhafftige Kraͤfften / Zeichen und Wunder. Ein hoch - gelehrter Doctor, der auff Moſis Stuhl ſich ſetzet / er hat ſeine Maͤrtyrer / pranget mit ſchoͤnen Ceremonien / Kirchen-Ornat und Zierath / ſonder - lich aber fuͤhret er einen Schein der Gottſeligkeit / des heiligen Lebens und Wandels / das Hertz feiner Diener iſt in heiſſer Andacht wie ein Back - Offen / Oſe. 7. Wie dañ die meiſten Ketzer durch ſolchen Schein auffkom - men / ſonderlich kan ſich Chryſoſt. ep. 4. ad Olympiades, uͤber Pelagium nicht genugſam verwundern / er zaͤhlet ihn unter die Maͤnner〈…〉〈…〉 ν ὡσάυτῃ ἀσκήσει. Wer iſt heiliger / wer iſt froͤmmer / als die Wiedertaͤuffer und Photinianer / die neuen Weigelianer / die niemahl ſchweren / fluchen / kein unnuͤtzes Wort von ſich hoͤren laſſen / ꝛc. wie der Phariſaͤer / Luc. 18. Jm gemeinen Leben iſt dieſes Teuffels Mund glaͤtter dann Butter / und hat doch Krieg im Sinn / ſeine Wort ſeind gelinder dann Oel / und ſeind doch bloſſe Schwerter / Pſal. 55. Viel Menſchen wer - den fromm geruͤhmet / aber wer will einen finden / der recht - ſchaffen fromm ſey? Proverb. 20, 6. Dann / wie Lutherus gloſſiret / die Heucheley iſt groß auch unter guten Wercken / manchen haͤlt man fuͤr boͤß / und manchen fuͤr gut / da man beyden unrecht thut.
Es ſpricht der Unweiſen Mund wohl /Den rechten GOtt wir meynen.Doch iſt ihr Hertz Unglaubens voll /Mit That ſie ihn verneinen.Jhr173Vom verlohrnen Sohn.Jhr Weſen iſt verderbet zwar /Fuͤr GOtt iſt es ein Greuel gar /Es thut ihr keiner doch kein Gut.
Billich / fag ich noch einmal / ſtehet dieſer Teuffel oben an / und fuͤh - ret gleichſam das Regiment / 1. ob ſummam ſubtilitatem, wegen ſonder - licher Verſchlagenheit / er gehet ſo facht / ſo leiße / daß man ihn nicht leichtlich mercket / die andern plumben Abc-Teuffel hoͤret man bald gehen / der Sauff-Pracht - und Geitz - Teuffel iſt gar plumb. 2. ob verſutiam, wegen der Argliſtigkeit / er iſt verſchlagen / und ſo geſchwind als keine Garnwind; er iſt ein ſolcher Gauckler / der / wann man ihn zur vorderen Thuͤrhinauß treibet / zur Hinderthuͤr in einem andern Habit wieder hinein ſchleichet. Bauet man an der andern Taffel / fuͤhret ein aͤuſſerlich / fein / und ehrbar Leben / ſo macht er ſich an die erſte Taffel / wie er vor Luthero ge - than; Bauet man aber an der erſten Taffel / ſo gehet er auff die andere / und ſuchet / wie er den Leuthen zukommen moͤchte. Heutiges tages ſuchet ers durch den vermummten Religion-Frieden / durch ſeine Syncretiſten. 3. ob imitandi artem, wegen kuͤnſtlicher Nachartung / er iſt ein treff - licher imitator und Aff der Goͤttlichen Wercke / da mans fuͤr einander ſchwerlich erkennen kan. Der Koͤnig Hiskias bettet / und ſagt: HErꝛ gedencke / wie ich fuͤr dir treulich gewandelt habe / und mit rechtſchaffenem Hertzen / und habe gethan / das dir wolgefaͤl - let. 2. Reg. 20, 3. der Phariſaͤer brauchet faſt gleichfoͤrmige Wort: Jch dancke dir GOtt / ꝛc. Luc. 18. die Suͤnderin / Luc. 7. kuͤſſet den Herrn Chriſtum / Judas auch; Zacheus begehret Jeſum zu ſehen / Herodes auch / aber mit viel anderem Sinn. Ob er nun wohl den Schalck meiſter - lich weiß zu verbergen / und hinder dem Berg zuhalten / ſo laßt er doch im - mer die Klauen ſehen. Damit wir nun dieſen heiligen Satan recht er - kennen / als ſtellet uns Chriſtus abermal ein lebendiges Exempel fuͤr / an dem aͤltern Bruder des verlohrnen Sohns / und zwar phariſaicam hypo - criſin, Phariſaͤiſche Heucheley / und weiſet uns auff die rechte ana - tomiam und denudation oder Entdeckung des Schaafs-Beltz / des ge - tuͤnchten Grabes / der Jacobs-Stimm / und der Eſaus Haͤnde. Davon auch dißmal fruchtbarlich zu handlen / wolle der Vater des Liechts mit ſei - nes H. Geiſtes Gnade uns mildiglich erſcheinen / Amen.
GEliebte im HErꝛn: So erzeiget ſich nun bey dem Bruder des verlohrnen Sohns als der Schaaf-Beltz I. bonæ intentio - nis ſpes, ſeine gute Meinung / er fuͤhret einen trefflichen undY iijlob -174Die Zwantzigſte Predigtlobwuͤrdigen Schein / darauff deutet Chriſtus mit einem Woͤrtlein / DJR / ſo viel Jahr diene ich DJR. Nicht MJR / O lieber Vater / ſondern DJR zu Ehren / Nutz / Dienſt / Genieß / Vortheil / Auff - kommen / Luſt und Gefallen / wie koͤnteſt du einen beſſern Sohn haben als mich? Mein Bruder hat nicht DJR / ſondern ſeinem Bauch gedie - net / der ſchaͤndlichen Wolluſt gepflogen / ſeinen Vortheil geſucht / dich bey lebendigem Leib erben wollen / aber ich armer Narꝛ lauffe / renne / und laſſe mirs blut-ſaur werden. Das war ein ſchoͤner Schaaf-Beltz / dieſer Præ - text lautete wohl / und hatte ſchoͤne Wort in ſich; aber ſolte man ihm ins Hertz haben ſehen koͤnnen / da war es viel anders gemeinet / er ſteckte voll Eigennutz / er war ein Narꝛ in ſeinen Sack; er gedachte / nun mein Bru - der außgethan iſt / weß wird das Gut alsdann ſeyn als mein / tibi ſeritur, mihi metitur, ich will meinem Vater ſaͤen / aber mir ſchneiden; finis〈…〉〈…〉, warum / und wem zu gefallen / ers gethan / war der Vater; aber finis ᾧ, wem zu gut / war er ſelbs. II. Conſcientia in minimis, er machet ihm ein enges Gewiſſen uͤber die geringſte Sachen / ja ſolte er dem Vater ei - nen Bock angegriffen / und ſich mit ſeinen Leuten froͤlich gemacht haben? er will ſagen: du haſt mir nie keinen Bock gegeben / ſo hab ich auch nie kei - nen begehrt / ich haͤtte mich ehe zehenmal in die Finger gebiſſen. Da wolte er an einer Mucke erſticken / und unterdeſſen verſchlucket er ein gantzes Ca - meel / er hatte einen ſtinckenden Bock / ja ſchaͤndlichen Wolff / in ſeinem Bußen / er wolte keinen Bock verzehren / und verſchlang dieweil den Wolff. III. Operis operati ſanctimonia; es erzeigte ſich bey ihm ein ehrbarer Wandel / und ſchoͤne Tugenden der andern Taffel / Gehorſam / De - muht in ſeinem Dienſt / Freundlich - und Leutſeligkeit / dann er hatte gute Freunde / und ſagt / daß ich mit meinen Freunden froͤlich waͤre. Caſtitas, die Keuſchheit / dann ſonſt wuͤrde er die Unkeuſch - heit / das Huren-Leben ſeinem Bruder nicht fuͤrgeworffen haben / daß er ſein Gut mit den Huren verſchlungen; Abſtinentia voluptatum, er enthielte ſich der Wolluͤſten / das Geſang und Reyen kam ihm fremd fuͤr / er wars nicht gewohnt; ἀυτάρκεια, die Vergnuͤgſamkeit / er ließe ſich mit wenigem begnuͤgen; Laborioſitas, die Arbeitſamkeit / dann er war auff dem Felde kein Muͤſſiggaͤnger. Seind lauter ſchoͤne politi - ſche Tugenden / wann Glaub und Hertz dabey / ſo ſeinds Chriſtliche Wercke: Aber o des ſchroͤcklichen Wolffs / der ſich unter dieſem Schaafs-Beltz verborgen / da war Superbiaſpiritualis, der ſtinckende geiſtliche Hoch - muth / die Verachtung ſeines Bruders /〈…〉〈…〉 πιχαιρεκακία, Scha - den-Freud / der Eyffer mit Unverſtand / Rom. 11. Immiſericordia,Un -175Vom verlohrnen Sohn. Unbarmhertzigkeit / er freuete ſich / daß ſein Bruder fort war / bat nicht fuͤr ihn / wuͤnſchet / daß er auſſen blieb; dann ſonſt haͤtte er ſich gefreuet uͤber ſeiner Wiederkunfft; Odium & ira Cainica, Haß und Zorn / Cains Art / er nennet ſeinen Bruder keinen Bruder / dieſer dein Sohn / ſpricht er / agieret damit den Vater / und gibt ihm einen Stich / der nicht blutet / grad als haͤtte der Vater Schuld daran / daß er ihn verzaͤrtelt; In - vidia, Neid und Mißgunſt / er mißgoͤnnet ſeinem Bruder das Leben / Gluͤck und Freude / er gebe gern ein Glied von ſeinem Leib dafuͤr / daß ſein Bruder todt waͤre; Injuria & ingratitudo, Undanckbarkeit / du haſt mir nie einen Bock gegeben / da ich viel ein mehrers und groͤſſeres verdienet / wann wir mit einander abrechnen ſolten. Darauff deutet der Vater / wann er ſpricht: Mein Sohn / du biſt allezeit bey mir / und alles / was mein iſt / das iſt dein. Endlich kommt dazu avaritia, ho - rum omnium mater, der Geitz / die Wurtzel und Mutter alles Ubels / ja daß er ſeinen guten Freunden / will geſchweigen andern / einmal eine Freu - de gemachet haͤtte; ſo ein zaͤher / harter und geitziger Filtz war er / er hat gefoͤrchtet / was da bey dieſer Mahlzeit angewendet wird / das gehe ihm von dem Seinigen ab / und ſeye er es nicht ſchuldig zu leiden.
Noch einen Haar-Rupff gibt hiemit der Herr Chriſtus den Pha - riſaͤern / er fuͤhret ſie noch einmal zu dieſem Probier-Feur / und will ſagen: Wohlan ihr Phariſaͤer und Schrifftgelehrten / laßts ſehen / ob ihr Farb hal - tet / ob ihr die Probe außſtehet. Seyd ihr nicht die außwendig ſchoͤne Schaͤfflein / inwendig aber reiſende Woͤlffe? ſeyd ihr nicht die getuͤnchte Graͤber? ſeyd ihr nicht die rechten Heuchler? Bey euch erzeiget ſich frey - lich bona intentio, eine gute Meinung und Abſehen; Jch dancke dir Gott / daß ich nicht bin wie andere Leute / Ungerechte / Raͤuber / Ehe - brecher / ꝛc. ſo bettet ihr / Luc. 8. Jhr treibet auff die erſte Taffel / wendet lange Gebett fuͤr / Matth. 6. Jhr haltet uͤber dem Sabbath / ihr haltet mehr auff Opffer / als auff Barmhertzigkeit / Matth. 9. nach der Regul / ſecun - da tabula cedit primæ, die Gebott der andern Taffel ſollen der erſten Taf - fel nicht vorgezogen werden. Jhr beredet die Leute / Wer da ſchweret bey dem Tempel / das ſeye nichts / wer aber ſchweret bey dem Gold am Tempel / der ſeyeſchuldig / Matth. 23. Und ihr lehret: Wer zum Vater und Mutter ſpricht / Corban / wann ichs opffere / ſo iſts dir viel nuͤtzer / der thut wohl / Matth. 15 / 5. Summa: O GOTT der theure Nahme dein / muß ihrer Schalckheit Deckel ſeyn! Aber ihr ſeyd Woͤlffe / Bauch-Diener / euer inwendiges iſt voll Fraß undRaub /176Die Zwantzigſte PredigtRaub / Rips Raps in meinen Sack / GOTT geb / was mein Naͤch - ſter hat / Luc. 16 / 14. cum potui, rapui, &c. Jhr ſeyd voll Eigenſucht / niemand kan euch gnug Ehre anthun; Jhr ſuchet die ἀποϑέωσιν πρωτο - κλησίαν, die ſelbſt-Vergoͤtterung / und den obern Sitz / Luc. 14 / 7. Jhrvid. Gerh. Harm. p. 141. 148. 150. 156. Chemnit. Harm. p. 721. 2022. ſeyd reiſende Woͤlffe und Ketzer / ja rechte Gottes-Laͤſterer / gebt von mir auß / ich treibe die Teuffel auß durch Beelzebub / den Oberſten der Teuffel / da ichs doch durch den Finger GOttes thue / Matth. 9 / 34. c. 12 / 24. Jhr ſeyds / die ihr Mucken ſeuget / und Cameel verſchlinget; Jhr machet euch Gewiſſen / wann ihr nicht von allem den Zehenden gebet / die Haͤnde nicht waͤſchet / am Sabbath Aehren außrauffet; Blut-Geld in GOttes Kaſten legen / iſt bey euch Suͤnde / aber das unſchuldige Blut auff dem Gewiſſen ligen laſſen / das achtet ihr gering; auff den Ruͤſt-Tag ins Ge - richt-Hauß gehen iſt bey euch nicht recht / aber unſchuldig Blut verdam - men / laßt ſich bey euch wohl thun / Johan. 18. Jhr ſeyd / die ihr in der andern Taffel einen trefflichen Schein fuͤhret / ihr ſtellet euch demuͤhtig / gebt Allmoſen / caſteyet euern Leib / ſeyd gaſtfrey / wie ihr mich dann offt geladen / Luc. 7 / 36. c. 11 / 38. c. 14 / 1. Jhr ſtellet euch / als meynet ihrs trefflich gut mit mir / warnet mich fuͤr Herode / Luc. 13 / 31. aber unter deſ - ſen ſeyd ihr voll Hoffart / Neides und Haſſes gegen mir / koͤntet ihr mich mit einem Loͤffel voll Waſſers erſaͤuffen / ihr gebrauchtet keine Buͤtte voll darzu; Jhr gebtet zwey Augen darum / daß ich keines haͤtte; Meine Wunder und Anhang ſticht euch in die Augen; Jhr verſuchet mich auff allerhand Weiſe und Wege / wer mir anhanget / den thut ihr in den Bann / Matth. 23. Jhr ſeyd Seelen-Moͤrder / und reiſſende Woͤlffe. Jſt es nun dem Bruder des verlohrnen Sohns uͤbel angeſtanden / daß er auff vorbeſagte Weiſe gegen ſeinen Vater und Bruder ſich erzeiget / wie uͤbel / meynet jhr dann / ſtehet es euch an? Jhr Heuchler / iſt es recht / daß er einen Splitter in ſeines Bruders Auge geſehen / und des Balcken in ſeinem Auge nicht gewahr worden iſt? alſo feget ihr auch zuvor vor euerer Thuͤr / ehe jhr andere tadlen / richten und urtheilen wollet / ihr wer - det genug zu fegen und zu ſaͤubern finden.
Wir wuͤnſchen abermal / daß die Ordens-Leuthe im Papſtthum ſich allhier ſpiegelten / die alles ad majorem gloriam, zu ihrem eigenem Ruhm / thun / haben Hoͤrner wie das Lamm / aber reden wie der Drach / Apoc. 13, 11. ſeynd Heuſchrecken mit Menſchen-Haͤuptern / Woͤlffe in Schaafs-Kleidern / die meynen / wann ſie uns verfolgen / thun ſie Gotteinen177Vom verlohrnen Sohn. einen Dienſt daran. Fuͤhren einen trefflichen Schein in externa ſancti - monia primæ tabulæ, in dem aͤuſſerlichen Gottesdienſt; Sie prangen mit Geluͤbden der Armut / und ſeind die reichſten; des Gehorſams / und ſeind der Goͤtzen Knecht; der Keuſchheit / und brennen fuͤr boͤſen Begierden; leiden / haͤgen / und wollen behaupten offentliche lupanaria und Huren-Haͤuſer. Bernhardus wuͤnſchet / man moͤchte die Waͤnde der Clauſen auffbrechen / ſo wuͤrde man aͤrgere Greuel finden / als dorten Ezech. 9. was und wieviel ſtumme Suͤnden gehen da vor / Concubinen halten iſt bey ihnen ehrlicher / dann ein Eheweib haben. Wie vor zeiten die Phariſaͤer die Eltern ſpo - lirt / ſo haben dieſe die Kinder ſpolirt. Jhr machet euch Gewiſſen uͤber Fleiſch eſſen / ſaufft euch unterdeſſen bodenvoll Weins / grad als wann der Wein und andere gemeine Speiſen nicht ſo wohl die Luſt reitzten als das Fleiſch. Jn der andern Taffel fuͤhret ihr abermahl einen Schein cæcæ obedientiæ, humilitatis, caſtitatis, des blinden Gehorſams / Demuth und Keuſchheit / ihr laßt keine Weiber zu euch; diligentiæ & œconomiæ, des ſonderbaren Fleißes und guter Haußhaltung: unter deſſen regieret Hochmuht / Geitz und Triegerey mit hellem Hauffen bey euch. Von der Moͤnchen Leben bedoͤrffen wir nicht die alte Klagen in onere & planctu Eccleſiæ, Gerſonis, Caſſandri, und anderer redlicher Papiſten. Wir ha - ben neue Klagen von den Jeſuiten ſelbs: Man leſe Alphonſum de Vargas c. 24. Joh. Marianam de Regimine Societatis Jeſu, &c. Wie ſie vor der Leute Augen Allmoſen geben / iſt bekant. Und das ſeind nicht ſo wohl per - ſonal Untugenden / daß man ſagen moͤchte / es gebe allenthalben boͤſe Leu - te / ſondern es ſeind peccata genialia, die der gantzen Geſellſchafft gemein / wer ſich zu ihnen begibt / muß von dergleichen eine Profeſſion machen. Wir uͤberlaſſen aber dieſe dem Gericht GOttes / und bitten fuͤr die verfuͤhr - ten / daß GOtt ſich ihrer in Gnaden erbarmen wolle.
Es ſeind aber auch unter uns nicht alle Schaͤfflein / nach dem ſie Wolle tragen. Ach Gott der theure Nahme dein / wie muß er manches Schalcks Deckel ſeyn! Wer ſagt nicht de gloria DEI, von der Ehre GOttes? Nicht uns Herr / nicht uns / ſondern deinem Nahmen ſey die Ehre; Allein Gott in der Hoͤhe ſey Ehr / ꝛc. Man prediget / aber ein mancher ihm ſelbs / es gibt offt mehr Meel-Sorger als Seel-Sorger / der ſacer denarius und Beicht-Pfenning machet manchem blinde Augen. Man gehet in die Kirche / gebrauchet die Sacramenta / verehret das Pre - dig-Ampt mit neuem Jahr und Martinalien / gibt Allmoſen / vermachet / etwas ad pias cauſas; aber ein mancher machet es auch / wie Herodes / welcher / nach dem er aͤrger dann kein Teuffel gelebet / hernach den TempelZehender Theil. Zgebauet /178Die Zwantzigſte Predigtgebauet / in Meynung alle Suͤnden damit zu buͤſſen / vid. Cluver. pag. 248. Oder wie Conſtantius, der dem Biſchoff Liberio 500. Goldgulden vereh - ret / aber Liberius ſchenckts ihm wieder / und ſagt: Tu Eccleſias orbis ex - pilaſti, du haſt dich an geiſtlichen Guͤtern vergriffen / und ſchi - ckeſt mir jetzt ein Hoͤllen-Kuͤchlein davon / gehe zuvor hin / und gib den Chriſten wieder / was du ihnen entzogen: Man - cher machet ihm ein groſſes Gewiſſen uͤber ein Kleidung / und verſchlucket indeſſen ein hoffaͤrtiges Camelthier. Der Wucher muß anjetzo bey den meiſten eine Gerechtigkeit ſeyn / vid. Luth. Tom. 7. fol. 410. Die avaritia der Geitz laufft in der gantzen Welt herum / und muß der Welt Lauff viel gut machen; die Practicken und Raͤncke / ſo man brauchet / ſeind unauß - dencklich; ein mancher ziehet die Ochſen ruͤcklings ins Loch / ſo hats her - nach den Schein / und gibt Fußſtapffen / als weren ſie herauß gegangen. Man fuͤhret irgend einen ſchoͤnen aͤuſſerlichen Wandel / daß die Welt nichts zu tadlen weiß / aber das Hertz iſt voll Hoffart / und Schaden-Freud / da ſpricht man uͤber den armen Naͤchſten / O es iſt ihm recht geſchehen / er hats an mir verdienet / iſt Schad / daß es ihm nicht uͤbler gehet / da / da / ſo haͤtte ichs laͤngſt gern geſehen. Da weiß man mit hoͤniſchen Worten einander auffzuziehen; dieſer dein Sohn / deine Schweſter / dein Bruder / ꝛc. was iſt er fuͤr ein Geſell / ja du haſt dich ſeiner zu ruͤhmen? Frau Invidia, Mißgunſt und Neidhard bleibet auch nicht dahinden. Mancher mißgoͤn - nets dem andern / wann ihn die Sonne anſcheinet / er moͤcht ihn gerne todt ſehen / ſo irgend einem ſein Stat zuwider / da eyffert man / mißgoͤnnet einan - der die Gaben; hat ein anderer ein gemaͤſtetes Kalb / ſo ſtichts jenem in die Augen / wann er gleich einen Bock hat. Ungerechtigkeit und Undanck laßt ſich auch ſchen / und wil man nichts anders als von Schuldigkeit und Verdienſt hoͤren. Summa / Hoffart und Geitz iſt unerſaͤttlich / Geld - Sucht / Ehr-Sucht / Luſt-Sucht / Gunſt-Sucht iſt nicht außzuſprechen. Unbarmhertzigkeit gegen dem duͤrfftigen Naͤchſten niſtet auch ein / da doch Gott uns ſo viel Suͤnden ſchencket / ſonderlich ſiehet man es in Schuld - Forderungen / da muß es bezahlet ſeyn / ſolt mans auch auß Steinen hauen. Wie wehe aber das thut / das erfahret mancher armer Baurs - mann zu dieſen Zeiten.
Alſo verſtehet nun Eu. L. was Heucheley ſey / nemlich ein Wolff unter dem Schaff-Beltz / ein greulicher Unflath unter einem ſchoͤnen Kleid / Jacobs-Stimme / aber Eſaus Haͤnde; und iſt ſie von der Fromkeit un - terſchieden / wie die Natur von der Kunſt; die Natur faͤngt vom Hertzen an / aber die Mahlerey-Kunſt mahlet nicht mehr als das Geſicht. Unddieſes179Vom verlohrnen Sohn. dieſes ſoll uns dienen I. ad γνῶθι σεαυτὸν, zu der ſelbſt-Erkandtnuß / daß wir unſern Balcken zuvor auß dem Auge ziehen / ehe wir andere tadlen wollen. Wann wir die Heucheley verwerffen / ſteiffen darum die ſiche - ren Hertzen nicht / dann dieſe haben ſchon droben ihre lectiones gehoͤret. Es ſchicket uns Gott viel Proben zu / Er fuͤhret uns in die Schul / daß wir gepruͤfet werden / wie das Gold durchs Feur / wie Conſtantinus M. ſei - ne Hoͤfflinge gepruͤfet hat / davon in der Kirchen-Hiſtori zu leſen. Eshat Gott der Herr ignem veritatis, das Liecht der Warheit; auff - richtige Hertzen / wann ihre Laſter geſtrafft werden / ſcheuen das Liecht nicht / ſie gedencken vielmehr / ja ich bins / ich bin getroffen. Aber die Heuchler wollen nicht ans Liecht / daß ihre Wercke nicht offenbar werden / ſie haſſen den / der ſie ſtraffet im Thor; Es iſt Feur im Dach / wann man ihnen ih - re Untugenden fuͤrhaͤlt / ſie wollen lieber ewige Pein leiden / als den Eyſſen ruͤhren und auffthun laſſen. Es hat GOTT ignem crucis, flagella, Creutz-Flagellen / er verhaͤnget Feinde / die einem auff den Fuß tretten / da regt ſich als dann der Wurm. Dieſe Probe haben außgeſtanden Abra - ham / Job / David und ihres gleichen. Zu Gluͤcks-Zeiten ſeind ſie Engel / zu Ungluͤcks-Zeiten Teuffel. 2. ad rectum judicium de aliis, daß wir von andern recht lernen zu urtheilen / und uns in dem Urtheil zu maͤſſigen. Da wirs nicht alles allein der Famæ oder gemeinem Geſchrey zumeſſen / wie Eli 1. Sam. 2. oder Joſeph wegen der Mariæ / Matth. 1 / 18. 19. nicht ſchwartz fuͤr weiß anſehen / nach den Worten Chriſti / Joh. 7 / 24. Richtet nicht nach dem Anſchen / ſondern richtet ein recht Ge - richt. Wir ſollen den Naͤchſten nicht gleich verſchreyen / wann er einmal einen krummen Tritt gethan / der Unſchuldige muß manchmal ein Suͤn - der ſeyn / da ein anderer / der beſſer mit dem Fuchsſchwantz umgehen kan / und weiß dem Stat zur Hand zu gehen / durchkomt / / und ihm alles recht iſt. Wer alſo dem Anſehen nach richtet / der iſt ein Splitter-Richter. Theo - phyl. brauchet denckwuͤrdige Wort uͤber dieſe Parabel / ad Luc. 15. p. 119. und ſchlieſſet damit: Nullus ergò judicia DEI gravatim ferat, ſed gra - tum ſit ei, ſi ij, qui peccatores videntur, feliciter agant, & ſalventur. Quî enim ſcis, ſi is, quem tu peccatorem cenſes, pœnitentiam egerit, & gratus factus ſit? Quî item, ſi occultas habet virtutes, & propterea à DEO benignè reſpicitur? das iſt: Niemand beſchwere ſich uͤber die Gerichte GOttes / ſondern laſſe ſichs vielmehr lieb ſeyn / wann es denen vermeinten Suͤndern wohl gehet / daß ſie ſelig werden. Dann wie kanſtu wiſſen / ob nicht der / welchen du fuͤr einen Suͤnder halteſt / Buß gethan habe / und von GOttZ ijwieder180Die Zwantzigſte Predigtwieder zu Gnaden ſeye angenommen worden? Ob er nicht / nach dem er heimlich fromm iſt / von GOTT mit gnaͤdigen Augen angeſehen werde? Darum richtet nicht vor der zeit / biß der HERR komme / welcher auch wird ans Liecht bringen / was im finſtern verborgen iſt / und den Rath der Hertzen offen - bahren / alsdann wird einem jeglichen von GOTT Lob wi - derfahren. Da wird der ſtoltze Phariſaͤer zur Lincken ſtehen / und mit ihm heiſſen: Du biſt lau / und weder kalt noch warm geweſen / darum hab ich dich aaßgeſpyen auß meinem Munde / Apoc. 3 / 16. Aber Nathanael zur Rechten / zu dem der HErr ſagen wird: Siehe ein rechter Jſraeliter / in welchem kein falſch iſt / Joh. 1 / 47. Und ſolch Gericht wird in der Ewigkeit erſchallen. Das geb uns JEſus Chriſtus allen in Gnaden zu hoͤren; Amen.
GEliebte in Chriſto dem HERRN: Meine Lehre trieffe wie der Regen / und meine Rede flieſſe wie der Thau. Wie der Regen auff das Graß / und wie die Tropffen auff das Kraut. Seind Worte Moſts Deut. 32 / 2. in ſeinem geiſtreichen Valet - Lied / damit er feinem Volck valedicieret und gute Nacht gegeben. Das fangt er nun unter andern mit dieſen Worten an: Meine Lehre trieffe wie der Regen / ꝛc. Seind verba exemplaria, Muſter-Wort / darinnen er die ideam concionatoris, ein Bild eines guten Predigers / und methodum docendi, die Art zu lehren anzeiget / wie man recht nutzlich lehren ſoll / nemlich nicht nur graviter, hart und ſcharff / fondern auch I. ſuaviter, lieblich und anmuthig. Sturm-Winde Donner-Wetter / Hagel / Stralen die ſchrecken zwar / ſie erſchuͤttern den Erdboden / ſie erregen die Hindin / und entbloͤſen die Waͤlde / ſie zubrechen die Cedern / Pſalm. 29. aber davon kommt noch nicht dieheylſame181Vom verlohrnen Sohn. heylſame Frucht / es ſeye dann / daß ein lieblicher / ſuͤſſer und erquickender Regen darauff falle / der da ſacht / langſam / tropffenweiß herab flieſſe von den Wolcken / und laub und Graß erquicke. Alſo ſoll man freylich auch vom Geſetz anfangen / und donnern / aber damit iſts noch nicht außgericht; dem menſchlichen Hertzen wird zwar ein Schrecken eingejagt / aber ſoll auch erwuͤnſchte Frucht hervor wachſen / ſo muß es regnen / es muß treufflen / Amos 7 / 16. Mich. 2 / 6. 2. Conſtanter, beſtaͤndig / unauffhoͤrlich / gutta cavat lapidem non vi, ſed ſæpè cadendo, ſoll ein harter Stein er - weichen / ſo muß der Regen tropffenweiß ſchleichen. Es iſt das menſch - liche Hertz von Natur ein ſteinern Hertz / man ſolte wohl ehe auß einem Stein Oel preſſen / und Blut trotten / als auß dem menſchlichen Hertzen rechte Buß-Thraͤnen / bevorab wanns wohl gehet / da iſt es ein trotziges Ding / ſoll es erweichet werden / ſo thu[t]s der Platzregen nicht / es muß all - gemaͤhlich troͤpfflen und anhalten. 3. Concisè & divisè, langſam / gemaͤhlich / unvermerckt / ein Tropffen nach dem andern / wie die koͤſtliche Waſſer im Diſtillier-Geſchirꝛ herab tropffen. Wolcken-Bruͤche / Platz - Regen thun es nicht / der Thau macht fruchtbar. Gleich wie Anno 1540. im heiſſen Sommer von Oſtern an biß Michaelis alle Tag ſo viel Thau gefallen / daß die Furchen alle morgen voll Waſſer geſtanden / daß der edle Saame hat wachſen koͤnnen. Auff ſolche Weiſe empfaͤngt die Meer - Schneck die Perlen in ſich / und wird gleichſam geſchwaͤngert. Dieſe Art nun zu lehren / haben / Oceano Prophetarum, dem lieben Moſt die uͤbrigen Propheten alleſampt abgelernet / daher ſie κατ᾽ ἐξοχὴν, Treuff - ler genennet worden / Ezech. 21 / 2. Treuffe gegen dem Mittag / treuffe wi - der die Heiligthumme / Amos 7 / 16. und Mich. 2 / 6. klagen uͤber die Ju den / die geſagt: Weiſſage nicht wider Jſrael / und treuffel nicht wider das Hauß Jſaac; Jtem: Sie ſagen / man ſolle nicht treuffen / dann ſolche Treuffe trifft uns nicht.
Und eben dieſem Exemplar haben wir uns biß dato auch accom - modirt und befliſſen / die Lehre von der Buß und Rechtfertigung als einen Prodromum und Vortrab des Sechſten Haupt-Stucks unſers Catechiſmi auch roranter und Tropffen-Weiß fuͤrzutragen. Mir zweiffelt nicht / vielen unter uns ſeye die Zeit zu lang worden / haben bey ſich gedacht und auch wohl geſagt: Wann hat der verlohrne Sohn einmahl ein Ende? ich hoͤre nichts als nur immer von dem verlohrnen Sohn / ich bin des verlohrnen Sohns muͤd. Dann / der Predigten / die biß dato davon gehalten worden / ſeind zwantzig / dieſe gegenwaͤrtige und letzte iſt die Ein und zwantzigſte. Nun geſtehe ichZ iijgern182Die Ein und Zwantzigſte Predigtgern / es haͤtte kuͤrtzer koͤnnen begriffen / in zwo / dreyen / oder wohl gar nur in einer fuͤrgetragen werden / aber die waͤre gefallen als ein Platz-Regen und Wolcken-Bruch / und haͤtte den Nutzen nimmermehr gehabt / die ſie verhoffentlich alſo haben wird. Man pflegt ja einem Patienten das Perlin-Waſſer nicht Schoppen-Weiß einzuſchuͤtten wie einer Kuhe / ſon - dern Tropffen-Weiß; Den Augſtein-Balſam und andere koͤſtliche Oele gieſſet man nicht hauffen-Weiß uͤber / ſondern roranter, Troͤpffleins - Weiß; Ein Biſſen nach dem andern / den man wohl verbeiſſet und ver - kaͤuet / der ſchmecket und wird verdauet viel beſſer / als wann man den Ma - gen mit Speiß und Tranck einmahl uͤberſchuͤttet. Es ſeind aber die Wort Woſis auch Wunſch-Wort / und damit dieſer Wunſch wahr werde / wollen wir mit einem Memorial ſchlieſſen / dahin dann dieſe Schluß-Pre - digt angeſehen iſt / und daß Eu. L. gleichwol die Summa aller Lehren / die wir bißhero gefaßt / auff einmahl wiſſe und behalte. Nun GOtt der HERR / der den Regen und Schnee vom Himmel fallen / und nicht wieder dahin kommen laßt / ſondern feuchtet damit die Er - de / und machet ſie fruchtbar und wachſend / daß ſie gibt Saamen zu ſaͤen / und Brod zu eſſen / der wolle ſein Wort / ſo bißhero auß meinem Munde gegangen iſt / auch alſo ſeyn / und nicht wieder leer zu Jhme kommen laſſen / ſondern thun / das ihme ge - faͤllet / und ihm gelingen laſſen / dazu ers geſendet / Amen.
SO iſt nun / Geliebte in Chriſto / dieſe gantze Parabel / das ſchoͤne Spiel und drama, welches Chriſtus / das Spiel-Kind Gottes / angeſtellet / und gleichſam auff einem theatro præſentirt / biß da - to anders nichts geweßt / als I. Apocalypſis arcani curiæ cœleſtis & παραδόξου, eine Entdeckung / Offenbahrung und Erklaͤrung eines himmli - ſchen / widerſinnigen Geheimnuſſes / welches heiſſet: die erſten werden die letzten / und die letzten die erſten ſeyn / Matth. 20. Es waren die Juden ins gemein ein ſtoltzes hochangeſtim̃tes Volck / um und von wegen der herꝛlichen Verheiſſungen / die ihnen von dem Meſſia geſchehen ſeind; um und von wegen des Fuͤrzugs fuͤr allen Nationen / Exod. 19. Deut. 4 / 7. c. 26. & 33. Pſ. 147. Sie waren in der feſten perſuaſion und Einbildung / ſie gehoͤrten allein zum Reich Chriſti und Gottes; der Himmel ſeye ihnen allein gebauet. Die Heyden hielten ſie als Hunde und Suͤnder / die ge - hoͤrten nicht in das Reich GOttes. Solten die Juden wiſſen / daß die Gojim und Heyden Theil und Gemeinſchafft am Meſſia haben ſollen / ſie wuͤrden eher noch zehen Meſſias toͤdten und erwuͤrgen / ehe ſie dieſeszulieſſen.183Vom verlohrnen Sohn. zulieſſen. In ſpecie und inſonderheit die Phariſaͤer und Schrifftgelehr - ten / als der Außſchuß des heiligen Volcks / rechte prodromi und Vor - laͤuffer der Novatianer / die bildeten ihnen nicht nur fuͤr den Heyden / fuͤr Zoͤllnern und Suͤndern ein groſſes præ ein / lieſſen ſich beduncken / ſie / als die Laſt-Traͤger / die des Tages Laſt und Hitze getragen / ſeyen die primi, die Erſten fornen dran / ſie ſeyen die recht gerechte und heilige Leute. Was ſollen die Heyden / die Gottloſen Zoͤllner und Suͤnder ins Himmelreich kommen? das ſey ferne / GOtt muͤßte nicht gerecht ſeyen. Derowegen hielten ſie nichts auff Chriſtum / argumentirten und ſchloſſen alſo: Wer ſich der Zoͤllner und Suͤnder annimmt / der iſt nicht der rechte Meſſias; Chriſtus thut ſolches / darum iſt er nicht der rechte Meſſias. Euer Lieb faſſe es in Gleichnuͤſſen: Num. 12. leſen wir / daß Aaron und Miriam wider Moſen geredet um ſeines Weibes willen / darum daß er eine Moͤrin zum Weib genommen hatte / nemlich eine frem - de und ſchwartze / das ſolte ihrer Meinung nach nicht ſeyn: So mur - reten auch die Juden und Phariſaͤer wider Chriſtum / daß er ſich der Hey - den und der ſchwartzen Suͤnder angenommen. Wann im alten Teſtam. ein polygamus zwey Weiber genommen / ſo hat gemeiniglich die erſte die andere gehaſſet und angefeindet; alſo feindeten die Juden die Heyden an / da ſich Chriſtus ihrer annahm. Die Zoͤllner und Suͤnder naheten ſich zu ihm / ἦσαν ἐγγίζοντες, ſie trangen auff ihn zu / ein jeder wolte der naͤchſte und liebſte ſeyn / aber die Schrifftgelehrten und Phariſaͤer kunten es nicht leyden / murreten deßwegen daruͤber. Das war eben dazumal die Ur - ſach und Gelegenheit auff die Parabel.
Aber was lehret Chriſtus ex arcano Patris ſinu, auß dem Schoß ſeines himmliſchen Vaters? παραδοξώτατα, ſeltzame / wiederſinnige Dinge; Die letzten werden die erſten ſeyn / und die erſten die letzten. Er ſagets mit klaren Worten die letzten werden die liebſten werden / Matth. 8 / 11. Jch ſage euch: viel werden kommen vom Morgen und vom Abend / und mit Abraham / Jſaac und Jacob im Him - melreich ſitzen. Aber die Kinder des Reichs werden außge - ſtoſſen in das Finſternuß hinauß. Zoͤllner und Hurer moͤgen wohl eher ins Himmelreich kommen dann ihr / Matth. 21 / 31. Die gantze Epiſtel an die Roͤmer / ſonderlich das neundte Capitel / iſt ein clarer Commentarius uͤber dieſe Worte / da Paulus unter den typis und Bilden Jſmaels / Jſaacs / Jacobs / und Eſaus dieſes Geheimnuß tractiret. Und was der Herr clar gelehret / das hat er auch in Parabeln vorgetra -gen184Die Ein und zwantzigſte Predigtgen / Matth. 20. an den murrenden Laſt-Traͤgern und willigen Gnaden - Dienern / und hier am verlohrnen Sohn und ſeinem Bruder. Deren der eine ein typus und Bild der Bußfertigen Suͤnder / die nach menſchlicher Meynung die letzten / aber nach dem Rath GOttes die erſten ſeind; Der andere aber ein Bild der verworffenen unbußfertigen Suͤnder. Sprich - ſtu: ſagt doch der Vater zu dem murrenden und zornigen Bruder; alles / was ich habe / iſt dein. Antwort: er redet von dem vorhergehenden Willen / und mit Beding / wann er auch wird hinein gehen / und ſich mit freuen / wann er dem Beruff und der Einladung folgen wird; wo nicht / ſo ſoll er das Erb-Recht verlohren haben / und als ein Kind des Reichs außgeſtoſſen werden. Das iſt der Blick / den uns Chriſtus in GOttes Rath-Stub thun laßt / und uns lehret / welches die Außerwehlten / und wel - ches die Verworffenen ſeind: nemlich / jene die letzten / dieſe die erſten. Die verlohrne Soͤhne / die Buße thun / und im Glauben verharren / ſeind primi, die erſten und Außerwehlten. Die groſſe Heiligen aber / die der Buße nicht bedoͤrffen / ihre unſaͤgliche Fehler nicht erkennen / ſeind blind / gerecht in ihrem Sinn / ſtoltz und hochmuͤthig / die ſeind reprobi, die verworffene und letzte. Wie ein mancher wird noch heutiges tages koͤſtlich zur Erde beſtat - tet / bekommt / ex judicio charitatis, nach dem Urtheil und Regul der Liebe / eine ſtattliche Leich-Predigt und parentation, aber er iſt noviſſimus, der letzten einer. Ein anderer wird mit Spott nnd Schande zum Galgen hin - auß gefuͤhret / thut aber Buße / und erkennet ſeine Suͤnde / der gehoͤret unter die primos und Erſten. Die alten Kirchen-Lehrer fuͤhren von dieſem Geheimnuß ſehrſchoͤne Gedancken / die wohl werth zu proponiren. Quàm multæ oves foris, quàm multi lupi intus? ſpricht Auguſt. tract. 45. in Joh, Wievielſeynd von auſſen Schaaffe / und wieviel ſeynd inwen - dig Woͤlffe? Quos ſcit DEUS in bono manſuros, frequenter ſunt mali; & quos ſcit malos permanſuros, aliquando ſunt boni, Ambroſ. in c. 9. Rom. das iſt. Die GOtt weiß / daß ſie im guten verharren werden / ſeind offt Gottloß; und die im Boͤſen verharren wer - den / ſeind bißweilen fromm. Gregor. M. l. 34, moral. 8. Quicun - que boni in æternum futuri ſunt, etſi ad tempus mali ſint, non zizania ſed triticum ſunt in præſcientia DEI; & qui ante humanos oculos quaſi aurum ſingularitate Juſtitiæ ſplendere videbantur, ſed ſic cadunt, ut non pœniteat, ante DEI oculos nunquam aurum ſed lutum fuerunt. das iſt / Welche immer werden fromm bleiben / ob ſie ſchon zuweilen Gottloß ſeyn / die ſeynd vor GOttes Augen kein Unkraut /ſondern185Vom verlohrnen Sohn. ſondern guter Weitzen; Und hingegen / welche vor menſch - lichen Augen / wegen ihrer ſonderbaren Gerechtigkeit ſcheinen wie Gold zu glaͤntzen / fallen aber alſo in Suͤnden / daß ſie nicht Buße thun / die ſeynd fuͤr GOtt niemalen Gold / ſondern eitel Koth und Unflath. Auguſtinus kom̃t noch weiter in dieſen Ge - dancken / die aber cum grano ſalis, in gutem Verſtand anzunemmen / l. 1. de C. D. c. 13. Audeo dicere, ſuperbis eſſe utile, &c. Das iſt: Jch doͤrffte ſchier ſagen / es ſeye ſtoltzen Heiligen gut / in eine offentliche und bekandte Suͤnde zu fallen / daruͤber ſich ſelbſt miſ fielen die / welche / indem ſie ſich gefallen / ſuͤndigen. Dann es iſt das Mißfallen Petro viel beſſer bekommen / da er gewei - net / als das Gefallen / da er ſich zu viel vermeſſen. Das ſaget auch der heilige Pſalm: Mache ihr Angeſicht voller Schande / daß ſie deinen Namen / HErꝛ / ſuchen / das iſt / damit du ihnen gefalleſt / wann ſie deinen Namen ſuchen / die zuvor ſich gefal - len / indem ſie ihre Ehre geſucht.
Damit aber niemand gedencke / es ſeye dieſes Geheimnuß ex abſo - luto decreto, mit dem unbedingten Goͤttlichen Rathſchluß vermacht / ſo kom̃t Chriſtus der Herr / und weiſet uns II. primatum conſequendi methodum, wie wir die Erſten werden koͤnnen. Jn der Welt reißt man ſich um die Narren-Kapp / wer den Vorzug habe / das præ ſchmirtzt einen manchen / wann ers nicht haben kan / da es doch ein Greuel fuͤr Gott iſt / in der Welt alſo hoch zu ſeyn. Luc. 16. Hier bedarff es keines reiſſens und eyfferens / der Weg ſtehet allen offen dazu zu gelangen: Nemlich / wann wir mit dem verlohrnen Sohn den Jrꝛ-Weg gegangen / daß wir hernach auch den Buß-Weg ergreiffen / und beſtehet derſelbe in folgenden Regulen: I. Pulſum Divinum admitte, laß GOtt an deinem Hertz - en nicht vergebens klopffen / laß die Buß-Glock in dir erſchallen. Eu. L. hat in der fuͤnfften Predigt gehoͤret / daß / zu gleicher weiß / wie ein Richter / eine Obrigkeit / wann ein Frevel begangen / der Thaͤter ruͤchtig worden / ſo ſchicket er alsbald ſeine Diener auß / ſeine Preß-Reuter / hat ſeine Zwangs-Mittel / laſſet ihn arreſtiren / oder gefaͤnglich im Keffig an - halten: alſo gebrauchet Gott zwar ſeine citationem legalem durchs Wort / ſeinen Gewiſſens-Wecker / Buß-Glocke. Will man da nicht drauff geben / ſo folgen die lictores, faſces und flagella, die Haͤſcher / Schwerd und Geiſſeln. So giengs dem verlohrnen Sohn / den bracht zur Buße der laͤre Saͤckel / der Hunger / der harte und faſt tyranniſche Dienſt / die Traͤbern und unhoͤffliche Tiſch-Geſellen / damit ſuchet GottZehender Theil. A anichts186Die Ein und Zwantzigſte Predigtnichts anders / als den Ruth-Kuß / O du gute Ruth / wie machſtu mich boͤ - ſen Buben ſo gut! Alſo alles widrige / was dem Menſchen begegnet / Kranckheit / Verfolgung / Unrecht / Ungluͤck ꝛc. und ſonderlich die Ar - muth ſollen wir anſehen als GOttes Cantzley-Botten / die einen perem - ptoriè citiren zur Rechnung von dem Haußhalten / nicht daß man das Hertz ſoll verhaͤrten wie Pharao.
2. Γνῶϑι σεαυτὸν, erkenne dich ſelbs / gehe in dich. Wer in Verhafftung kom̃t / der fanget an / und machet Calender / iſt ein redlicher Bluts-Tropffen in ihm / ſo dencket er nicht / wie er davon komme / ſeine Ubelthat laͤugne / oder auff andere die Schuld lege / ſondern er gehet in ſich / und wie Carolus V. ſeine res geſtas, ſeine Thaten in ſeinem Kloſter auff einer mappa oder Tafel geſehen / erinnert ſich ſeiner Suͤnden und Verbrechen mit Reue. Wirſtu dir / lieber Menſch / ohne ſelbs-Buhlerey recht in den Buſen greiffen / ſo wirſtu finden / daß du von Natur ein ver - lohren Kind biſt / und das Erb-Gifft in dir haſt / in welchem die radices und