Dem Reichs-Wohl-Edlen / Geſtrengen Herrn Adolph Duͤmlern / Der Hochloͤblichen Cron Schweden geweſenen Rittmeiſtern / Meinem großguͤnſtigen hochgeehrten Herrn und Goͤnner / Goͤttliche Gnad / geiſt - und leiblichen Segen von Gott dem Vater / durch Jeſum Chriſt im Heiligen Geiſt / Amen.
REichs-Wohl-Edler Geſtrenger ꝛc. Wol - te Gott / daß alle das Volck des HErrenNum. 11. 29. weiſſagete! So lautet der innigliche und tieffſinnige Wundſch des groſſen Manns Got - tes Moſe / im 11. Cap. ſeines 4. Buchs. Dann als er aus Göttlichem Befelch das Synedrium und oberſte Cammergericht von zwey und ſiebentzig Maͤnnern beſtellt / ſie fůr die Stifftshuͤtten gefůhret / daß der HErr von ſeinem Geiſt nehme / und auff ſie legete / durch deſſen Vberkunfft und Beruhung ſie angefangen mit verwundern zu weiſſagẽ ꝛc. und ihrer Rathſtellen Proben zu thun; vnterdeſſen aber ſich begeben / daß Eldad und Medad / die im Laͤger zuruck geblie -): (2ben /DEDICATIO. ben / daſelbſt auch geweiſſaget / Joſua daruͤber geeifert / und ge - ſagt zu Moſe: Wehre ihnen / es wird allzugemein werden! Darauff bricht Moſe in dieſe Wůndſch-Wort aus / in ſeiner Sprache heiſſet es:〈…〉〈…〉 Wer will geben? Jſt ein hebraiſmus, gleich wie Jon. 3. Mi Jodeah? Wer weiß? Wolte Gott? Die Hebreiſche Sprache pflegt fragsweiſe auß - zuſprechen / was wůndſchweiſe zu verſtehen. Res voti, das jenige / was er wuͤndſchet / iſt weiſſagen: heiſſet zwar ſeinem erſten / urſpruͤnglichen / natuͤrlichen und gemeinen Verſtande nach ſo viel als zukuͤnfftige Sachen aus goͤttlicher / unfehlba - rer Offenbarung von Chriſto / ſeinem Reich und deſſen fatis verkůndigen / wie Eſaias / Daniel / David ꝛc. Paulus und Jo - hannes im Neuen Teſtament gethan. Es pfleget aber die Schrifft dieſes Wort in noch weitern Verſtand außzudeh - nen / und heiſſet demnach ferner weiſſagen ſo viel als 2. Got - tes Rath und Willen / wie Er in ſeinem Wort geoffenbaret / verſtehen / erklaͤren und außlegen. Dann gleich wie Aaron Exod. 7. der Prophet Moſis genennet worden / dieweil er ſein Mund und Außleger war: Alſo die Schrifft nach der Glau - bens-regul außlegen / das heiſſet weiſſagen / Rom. 12. ja die gantze heilige Schrifft wird deßwegen Προφητικὸς λόγος, ein Pro - phetiſches Wort genennet. 3. Weiſſagen heiſſet den erklär - ten Rath / Ruhm und Willen Gottes / mit herrlichen / außerle - ſenen / apophthegmatiſchen Worten / auch wohl in allerhand Zungen und Sprachen außlegen / darvon ſingen und ſagen / nicht nur mit lebendiger Stimm / ſondern auch mit muſica - liſchen Jnſtrumenten; in welchem Verſtand Saul unter die Propheten / die vom Huͤgel Gottes / von der Schul / weiſſagend herab gangen / mit Pſalter / Paucken / Pfeiffen und Harffen gezehlet worden / 1. Sam. 10. & 19. ſonderlich 1. Chron. 26 die1. Chron. 2. 4. Kinder Aſſaph / Heman und Jedithun / die Propheten mit Pſalmen / die da weiſſagen zu Danck und Lob demHEr -DEDICATIO. HErren. Jm Neuen Teſtament waren ſolche Wunder - Propheten aus göttlicher / unmittelbaren Erleuchtung / die je - nige / deren der Apoſtel gedenckt 1. Cor. 14.
In ſpecie heiſſet weiſſagen die Theologiam, die Köni - gin aller Wiſſenſchafften profitiren / lehren / verfechten / auß - wuͤrcken / ſo wohl auff der Cantzel in der Kirch / als auff der Ca - theder in der Schul / daher die Studioſi Theologiæ im Alten Teſtament Propheten-Kinder genennet; im N. Teſtament ſind es die Propheten und Lehrer / von welchen Epheſ. 4. ge - ſchrieben ſtehet / daß Chriſtus als er gen Himmel gefahren / Gaben fuͤr ſie empfangen. Solche Propheten ſind geweſt Hieronymus, Auguſtinus, Chryſoſtomus, Lutherus, und ſo fort an. Weiſſagen heiſſet in Koͤniglichen / Fuͤrſtlichen Cantz - leyen / bey offentlichem Rathſitz / in Gerichtſtuben gleichſam als oracula ἔμψυχα, gute / vernuͤnfftige / kluge und nuͤtzliche Raͤthe und Einſchlaͤge geben / das Recht vom Vnrechten un - terſcheiden / die juſtitiam adminiſtriren / in welchẽ Verſtande der beruͤhmte Prophet Heman 1. Chron. 26. wird genennet der Schauer des Koͤnigs in den Worten Gottes das Horn zu erheben / das iſt / wie er ſtreiten und regieren ſoll. Sonderlich gehoͤret hieher was Salomon in ſeinem panareto, Prov. 16. von dem Munde des Koͤnigs geruͤhmet / Weiſſagung ſeye in demſelben; Keſem heiſſet ins ge - mein ein iede ſcharffſiñige Gedanck / Raͤtzel / ſententz / Sprich - wort / ſonderlich aber prophetia, eine Weiſſagung. Jſt in demEſa. 3, 2. Mund / ſchwebet auff der Zung / in den decretis, legibus, ju - diciis, die man außſpricht / des Koͤnigs / der ein Koͤnig iſt / nicht ein Scherge / Dan. 11. nicht ein hoͤltzener Goͤtze auffm güldenen Thron / wie Zedekias geweſt / der von ſeinen Raͤthen als Rath-Sclav dependirt. Am wenigſten ein Tyrann / wie Ahab / wie Pharao / Antiochus, Herodes, aus deren Mun - de blutdůrſtige conſilia, tyranniſche Vrtheil / naͤrriſche decre -): (3ra, undDEDICATIO. ta, und alſo Narrheit gegangen. Sondern in dem Munde eines vernuͤnfftigen / rechtſchaffenen / frommen Königs / der - gleichen erſchienen in dem Munde des Königs Salomons / aus welchem gefloſſen das ſcharffſinnige Vrtheil / in Sachen eines ſtreitigen lebendigen Kindes zwiſchen zwey Weibern / da er aus der verwirreten Sachen anders nicht kommen kan / be - fihlet er ein Schwert herzubringẽ / damit das muͤtterliche Hertz zu verwunden / zu ergruͤnden / zu finden und recht zu treffen.
Dergleichen Exempel gemeldter Scharff ſinnigkeit leſen wir mehr in den Hiſtorien / ſonderlich wird erzehlt von Claudio Druſo Cæſ. (apud Cluver. p. 268.) daß / als einsmahls ein Weib fuͤr ihn kommen / welche ihren Sohn nicht fuͤr den ihren erkennen und annehmen wolte / hat er ſie zur Bekaͤntnuͤß der War - heit getrieben durch einen Befehl / ſie ſolten einander zur Ehe nehmen / worauff aus natuͤrlichem abſcheue auff beyden Theilen die Warheit an Tagesliecht kom - men. Von Alphonſo dem weiſen Koͤnig in Arragoniâ; Es war ein alt Geſetz und Ordnung in Hiſpanien / wann ein Herr oder Hauß-Vater eine leibeigene Magd beſchlieff / und dieſelbe von ihm ein Kind bekaͤm / daß die Mutter alß dann die Freyheit haben ſolte. Ein ſolcher Fall begab ſich unter Koͤnig Alphonſo; Aber da die Magd einen Sohn geboren / und das Spaniſche Recht ihrer Freyheit halben anruffte / laͤugnete der Herr / daß er Vater zum Kinde waͤre / konte deſſen auch nicht uͤberwieſen werden. Da erdachte Koͤnig Alphonſus dieſen Fund / er hieß das Kind / nach dem es entwoͤhnet war / oͤffentlich feil bieten und verkauffen. Es war einer da / der bote ein zimlich Geld fuͤr das Knaͤblein / ward ihm auch dar - umb zuerkant. Der Vater des Kindes ſtund nicht weit davon / und als er ſahe / daß das Kind dem Kaͤuffer geliefert ward / giengen ihm erſtlich die Augen uͤber / letzlich konte er den Schmertzen des Gemuͤths nicht laͤnger ertragen / bekante / das Kind waͤre ſein / moͤchte derowegen nicht verkaufft werden. Da faͤllet Koͤnig Alphonſus ein Vrtheil / erkante dem Vater ſeinen Sohn / und der Mutter die Freyheit zu / nach Hiſpaniſchem Recht. Confer exempla Rudolphi I. apud Iuſt. Lipſ. in monit. polit. p. 135. & Iacob. Reg. Angl. apud Thuan. l. 135. p. 1207. Von Ca - rolo V. von dem Lutherus tom. 5. Ien. fol. 281. geſchrieben / daß er ſoll geſagt ha - ben / wann die Pfaffen fromm waͤren / ſo duͤrfften ſie keines Luthers. Was iſt das anders geſagt / dann wie Salomon ſagt: Des Koͤnigs Lippen weiſſagen? dann Seine May: will damit ſo viel anzeigen / daß der Luther ſey der Pfaffen Ruthe / und habens auch wohl verdienet / und ſeyen nicht recht in ihrem Weſen. Von Kaͤy - ſer Ferdinando II. der / als Ioh. Ieſſenius nach Wien gefaͤnglich gebracht / und aber durch einen Tauſch mit einem Jtaltaner widerumb loß gelaſſen worden / an die Wand des Kaͤrckers folgende Buchſtaben geſchrieben: I. M. M. m. M. dieſe Buchſtaben haben unterſchiedliche nach ſeinem Abzuge geſehen / aber niemand konte ſie außlegen. Der einige Ferdinandus, nach dem er darzu kommen / wie erzehlet wird / hat die Sache troffen / und alſo außgeleget? Imperator Matthias Menſe Martio Morietur. Kaͤyſer Matthias wird in dem Mertz ſterben. Vnd alſo - bald Kreide genommen / und darneben geſchrieben: Ieſſeni mentiris, Malâ Morte Morieris! Jeſſeni du leugeſt / du wirſt eines boͤſen Todes ſterben! Wann dieſesIeſſeniusDEDICATIO. Ieſſenius erzehlete / pflegte er hinzu zu ſetzen: Vt ego mentitus non ſum, ita Fer - dinandus operam da bit, ne vates vanus ſit. Gleich wie ich nicht gelogen habe / alſo wird Ferdinandus Fleiß ankehren / daß er nicht die Vnwarheit geweiſſaget habe. Beydes hat ſich begeben: Der Kaͤyſer Matthias iſt in dem Mertz von die - ſer Welt geſchieden. Ieſſenius iſt auch zur Todes-Straff gezogen worden.
Weiſſagen heiſſet philoſophiren / die Natur und dero Geheimnuͤß / gute Sitten und Policey-Verfaſſung aus be - waͤhrten Hiſtorien / und in den ſelben göttliche providentz for - ſchen und andern vortragen / auch wohl mit ſchoͤnen carmini - bus, Gedichten und Liedern dieſelbe nach poëtiſcher Art zieren Job war freylich ein Prophet / nicht nur dazumahl / da er von Chriſti Aufferſtehung propheceyet / ſondern auch in ſeinem ſehr ſchoͤnen compendio phyſico von c. 36. biß c. 42. David war ein Prophet / nicht nur Pſ. 2. & 110. ꝛc. ſondern auch / da er allePſ. 2, 22. Creaturen / ſonderlich im 148. Pſ. in gewiſſe Chor abtheilt und Gott zu loben befihlet / da er ſeine Pſalmen nach poëtiſcher Art / alios trimetro, alios tetrametro beſchrieben / wie JoſephIoſeph. l. 7, 12. bezeuget. Aſſaph war ein Prophet / nicht nur zu andern Zeiten / ſondern auch Pſ. 78. Ich will meinen Mund auffthunPſ. 78, 2. zu Spruͤchen / und alte Geſchichte außſprechen / und wer wolte Salomon / dem Weiſeſten den Titul eines Prophe - ten abſprechen / wann die Schrifft ſeine philoſophi herrlich heraus ſtreicht / 1. Reg. 4.
Was Moſes gewuͤndſchet / das iſt zwar dazumahl klar und wahr worden / aber nur Tropffenweiſe; Die zwey und ſie - bentzig Maͤnner tretten auff und weiſſagen / was ſie aber / auff welche Art und Weiſe ſie geweiſſaget / meldet die Schrifft nicht / den Rabbinen laſſen wir hievon ihre Gedichte. Ver - muthlich iſt / ſie werden in einem ſchoͤnen præludio auff die Pfingſt-Propheten / Act. 2. die magnalia Dei außgeſprochen / und zu ihren kuͤnfftigen Rathſtellen fpecimina abgelegt / und Proben gethan haben. Vollkommenlich aber / herrlich und uͤberfluͤſſig in den Zeiten des Neuen Teſtaments / auff das erſte Pfingſt-Feſt / nach der Aufferſtehung und Him̃elfahrt Chriſti /da ſichDEDICATIO. da ſich Gott der H. Geiſt reichlichſt ergoſſen uͤber die Jůnger des HErren / daß ſie in allen Sprachen die herrlichen Thaten Gottes außgeredet / der heroiſche Apoſtel St. Petrus deutetAct. 2, 16. 17. 18. mit Fingern darauff und ſpricht: Das iſts / das durch den Propheten Joel zuvor geſagt iſt: Vnd es ſoll geſchehen in den letzten Tagen / ſpricht Gott: Jch wil außgieſſen von meinem Geiſt auff alles Fleiſch / und euere Soͤhne und euere Toͤchter ſollen weiſſa - gen / und euere Juͤnglinge ſollen Geſichte ſehen / und euere Eltiſten ſollen Traͤume haben / und auff meine Knechte und auff meine Maͤgde will ich in denſelbi - gen Tagen von meinem Geiſt außgieſſen / und ſie ſollen weiſſagen. Vber welche Wort D. Lutherus ſee - liger in ſeinem Commentario uͤber den Propheten Joel tom 8. VVitteberg. folgende Anmerckungen beygetragen: Diß Wort (außgieſſen) wird recht außgeleget und verſtanden von einem groſſen reichen Vberfluß[und] Menge. Dann nach dem das Wort bißher nur allein in einem kleinen Winckel des Juͤdiſchen Lan - des geweſen iſt / dadurch der H. Geiſt die Hertzen der Heiligen oder Glaͤubigen zu allen Zeiten erleuchtet und regieret hat / ſo ſoll nun das Evangelium durch die Apoſtel in allen Sprachen und Landen ver - kuͤndiget / und der H. Geiſt auch den Heyden gege - ben werden.
Ob nun wohl in ſolchem hohen Grad und Liecht dieſer Gnaden-Guß nicht fort und fort continuiret / ſondern gleich andern auſſer-ordentlichen Ampts - Gaben / nach dem die Chriſtliche Kirch in aller Welt außgebreitet worden / verlo - ſchen / ſo iſt doch die ſubſtantz und das Weſen des chariſmatisderDEDICATIO. der Gabe der Propheceyung in gewiſſer Maß geblieben. Dieſe Gab / ſchreibt Lutherus, iſt nicht gar verloſchen /Luth. l. cit. p. 349. dann von der Apoſtel Zeit an bißher iſt in der Kir - chen allwege eine Wiſſenſchafft und Erkaͤntnuͤß der zukuͤnfftigen Dinge etlicher maſſen geweſt / durch welche die Gottſeeligen und Chriſten ihr Leben und Wandel deſto fleiſſiger regieret / Linderung des Vn - gluͤcks vom Vater im Himmel / mit gewiſſer Hoff - nung der Erloͤſung / gewartet haben. Sonderlich wann das Wort weiſſagen ſo viel heiſſet als die Schrifft auß - legen / verſtehen / appliciren / Troſt / Heil / Leben / Warnung daraus ſchoͤpffen / die groſſe Thaten Gottes mit Mund und Feder růhmen und außſprechen / ſo hat es hieran auch anfangs in der erſten Kirchen nicht gemangelt / da ſo gar auch die Bar - bariſchen Voͤlcker / namentlich die Teutſchen die H. Schrifft in der Hebreiſchen Sprach geleſen / wie Hieronymus ruͤhmet /Hieron. tom. 3. ep. ad Suniam & Fretel. da die edlen Tugend-Kronen / die Gottesgelehrte Weiber Læ - ta, Furia, Salvia &c. an welche Hieronymus unterſchiedliche Sendbriefe und dedicationes laſſen abgehen / dem Verſtande der H. Schrifft embſig obgelegen / (Si viri de ſcripturis quære - rent, mulieribus non loquerer, ſcribit idem Hieronymus ad Principiam) da * Melania durch ſcharffes diſputiren die Kaͤtzer* apud Spond. an - no 434, n. 2. bekehret; biß der Guckguck den groſſen Wider Chriſt und ſeine Schwartzſagenden Anhang außgebruͤtet / welche / auff daß ſie deſto ruͤhiger und muͤſſiger der Menſchen Tage pflegen / deſto ſicherer ihre fimbrias erweitern / und ihre Scheuren erfuͤllen / die Glaubens-Gnugſamkeit gar eng geſponnen / und verur - ſacht daß die arme / getruckte / in der Babyloniſchen Gefaͤng - nuͤß jaͤmmerlich geaͤngſtigte / verlaſſene Kirch ſeuffzen und kla - gen müſſen aus Pſal. 74. Wir ſehen nicht mehr die Zeichen groß / und kein Prophet uns prediget mehr / Kirchen und Schulen ſtehn oͤd uud bloß / man lehrt nicht mehr geſunde Lehr. ): (): (Es hatDEDICATIO. Es hat ſich aber der Vater aller Barmhertzigkeit uͤber Teutſch - land in dem letzten Welt-Abend erbarmet / und demſelben eine helle Abend-Roͤthe und helles Liecht beſcheret; Die Weiſſa - gung hat ſich widerumb herfuͤr blicken laſſen in Luthero ſon - derlich / dem außerwehlten Ruͤſtzeug Gottes / deme / wer ſeine Propheceyung von Teutſchland mit der heutigen ſcheinbaren und traurigen experientz vergleicht / niemand leichtlich dieſel - be allerdings wird abſprechen können. Der auch ſampt ſeinen getreuen paraſtaten und eiſerigen Nachfolgern die lange Bar - bariſche Nacht und dero Geſpenſt / ſonderlich das Blind - maͤußſpiel des eingeflochtenen Koͤhlers-Glaubens beſchämet und vertrieben; Vnd waͤre gut geweſt / wann ſolcher Fleiß waͤre allezeit und allenthalben ſecundirt worden: Aber der unzeitige Eifer des jungen Joſua hat ſich zeitlich mit herfuͤr gethan / der auch geruffen. Wehre ihnen! Wie ſolt ieder - man ohne Vnterſcheid jung und alt / Burger und Bauren / Mann und Weib weiſſagen / die Schrifft außlegen / alle Ge - heimnuͤſſen der Chriſtlichen religion faſſen wollen oder auch muͤſſen / welche confuſion wird daraus entſtehen? biß endlich die ſchwartzſagende Nacht - monſtra nach einander / der Gal - lioniſmus, Syncretiſmus &c. mit ihren höchſtſchädlichen Fruͤchten faſt unmerckſam eingeſchlichen / davon in dem re - formirten Gruß und Widergruß außfůhrlich gehandelt wor - den. Nun aber iſt es einmahl Gottes Ordnung / Eines iſt noͤthig / dem allein und fuͤrnemlich abzuwarten / andere Welt-Geſchäffte ſind parerga und Neben-Wercke; Sollen dieſe geſegnet ſeyn / ſo muß das Liecht der gruͤndlichen Erkaͤnt -Matt. 6, 24. nuͤß Gottes vorher leuchten / Matth. 6. Trachtet am erſten nach dem Reich Gottes / und nach ſeiner Gerech - tigkeit / ſo wird euch das ander alles zufallen. Ο῾ ἀναγι - νώσκων νοείτω, Wer Gottes Wort liſet / der mercke drauf / er lerne es auch verſtehen! Mein Wundſch iſt MoſisWundſch:DEDICATIO. Wundſch: Wolte Gott / daß alle das Volck des HEr - ren weiſſagte! Mich freuet von Hertzen zu erfahren / daß noch / wiewohl ſehr rare und wenige Chriſtliche fromme Her - tzen ſind / denen euſſerſt angelegen / wie das Wort Gottes ins gemein / alſo auch der liebe Catechiſmus / und in demſelben das uralte Apoſtoliſche Symbolum nicht nur zu hören / ſon - dern auch zu leſen / auch eigentlich / ſattſam und gruͤndlich zu verſtehen / damit der Sathan durch ſeine boßhafftige ſtrate - gemata und arge Kriegs-Liſt ihnen die teſſeram militarem, das Loſungs-Wort nicht raube und entziehe. Vnter andern ſtrategematibus und Kriegs-Liſten / damit ein Feind den an - dern verfaͤhrt und verfuͤhrt / wird auch von den politicis ge - zehlet der boßhafftige und tuͤckiſche Wort-Raub / da ein Feind ſeinem Feinde die teſſeram militarem, das Wort-Zeichen ab - gewinnet und abſtihlet / auff daß er demſelben unter dem Schein der Freundſchafft deſto baß zukommen und uͤberman - nen moͤchte. Als zum Exempel der Hertzog von Savoy dieapud Thu - an. l. 129. ann. 1602. Statt Genev mit allerhand Kriegs-Liſten unterſtanden zu occupiren / hat ſichs begeben / daß Bringnoletus der Oberſte auff die Mauren und Wälle heimlich geſtiegen / der erſten Schildwacht mit Bedrauung des Todes das Wort abge - zwungen / da er das Wort zur Außbeut davon gebracht / und außgepreſſet / dem er einen Weg als den andern den Reſt gege - ben / und einer Runde nach der andern das Liecht außgeblaſen / ermordet / ſeinen Soldaten / die unterdeß auff ſonderbaren Kunſt-Leytern hinauff geſtiegen / Platz gemacht / waͤre auch / ſo der Boß abgangen / Genev unverſehens ůberrumpelt worden / wo nicht ein Knabe / der einer Rund die Latern vorgetragen / entrunnen / und den Anſchlag geoffenbaret / und in der Statt alarma gemacht haͤtte. Eben das thut auch der oberſte Rot - tenmeiſter und Seelen-Moͤrder / der Sathan / der raubet das Wort-Zeichen der Chriſtlichen religion, und verbirget unter): (): (2ſeinenDEDICATIO. ſeinen Fahnen allerhand Seeten und Jrrthumb / die allegiren alle das Apoſtoliſche Symbolum fuͤr ſich / Sub ipſis paucisAuguſt, l. de fid. & Symb. c. 1. verbis in ſymbolo conſtitutis pleriq; hæretici venena ſua occultant, ſchreibt Auguſtinus. Dringet man aber auff den rechten ſenſum, Sinn und Verſtand / ſo findet man den Betrug / darumb Auffſicht / Vnterſcheid und Rettung von nõthen.
Gar keinen Fehler kan ich begehen / wann ich unter ſolche auffmerckſame nicht nur Hoͤrer / ſondern auch Leſer / und ſtand - hafften / Chriſt-klugen Vorfechtern beſagten Apoſtoliſchen Glaubens auch E. Geſtrengkeit zehle / als welche / nach dem ſie das weltliche Kriegsweſen / in deren ſie ihren Fahnen offt im Felde loͤblich geſchwungen / das Schwert in mancher harten occaſion ritterlich gefuͤhret / endlich quittiret / nach dem donirten rude gegriffen / und ſich zu einer Chriſt-ſeeligen Ruhe begeben / in welcher ſie ohne Ruhe / des wahren Gottes - dienſtes und deſſen gottſeeligen Vbungen abwartend / das Wort Gottes in offentlichen Verſamlungen embſig hoͤrend / auch neben andern meine bißher in Truck gegebene Predigten / denen ich / weil einmahl die Hand an die Preß geleget / und ich nicht zuruck kan / ſondern aus Vrſachen die in den vorigen Vorreden angezeiget worden / dem Werck den Lauff laſſen muß / daheim zu Hauß fleiſſig leſend / andaͤchtig nachdenckend / und alſo weiſſagend zur ewigen / allerſeeligſten himmliſchen Ruhe ſich bereitet. Johann Herold / der ſich ſonſt diſcipulum nennet / fůhret in ſeiner Poſtillen dieſes Exempel ein: Es war / ſchreibt er / ein Edelmann / der gab ſeinem Sohn die drey Leh - ren auff / Erſtlich ſoll er ſich vor boͤſer Geſellſchafft huͤten: Zum andern / mit den Froͤlichen ſoll er froͤlich ſeyn / und mit den Weinenden weinen: Zum dritten ſoll er taͤglich eine Meß hoͤ - ren. Nach dieſen dreyen gegebenen Lehren commendirt er den Sohn gen Hof einem Koͤnige / und ſtirbt daruͤber. Deſ - ſelben Koͤnigs Gemahl gieng mit ihrem Herren Koͤnig zu -weilenDEDICATIO. weilen froͤlich zur Tafel / zuweilen traurig und weinend. Der junge Hofmann hielt feines Vaters regul, und ſtellet ſich ge - gen der traurigen Koͤnigin traurig / und gegen der frölichen frölich. Das mercket nun einer / der ihn abguͤnſtig war / und verklagt ihn heimlieh bey dem Koͤnige / als ob er umb die Koͤ - nigin buhlete; Der König gibt Achtung drauff / und befindet / ſo offt die Koͤnigin lachet / daß der Juͤngling / ſo fuͤr der Tafel ſtund und auffwartete / auch lache / und ſo offt ſie weinet / daß er mitweine; Daraus wird ſein Verdacht geſtärcket / und be - gehret von dem Klaͤger Rath / wie er den Jůngling / der ihm von ſeinem Vater ſo fleiſſig befohlen war / heimlich hinrichten moͤchte laſſen? Der Beſchluß iſt / man ſoll den Kalckbrennern gebieten / der erſte / ſo morgens fruͤh ſich werde bey ihnen im Namen des Königs anmelden / den ſollen ſie alßbald in Ofen werffen und verbrennen. Als der Morgen anbricht / ſchicket der Koͤnig dieſen Jůngling zu den Kalckbrennern / weiß nicht was daſelbſten außzurichten / der Juͤngling oder Juncker pa - rirt / und reutet dem Kalck-Ofen zu / wie er aber zu einem Wal - de ſich nahet / höret er in einem Dorff zum Gottesdienſt laͤu - ten / da fiel ihm ſeines Vaters Lehr ein / daß er taͤglich Meſſe hoͤren ſolte / und reutet der Kirchen zu / ſteiget ab vom Roß / und wohnet dem Gottesdienſt biß zum Ende bey; Nach verrich - tetem Gottesdienſt gibt er ſich widerumb auff den Weg; Mit - lerzeit aber war dem / der ihn angegeben hatte / ſo jäh nach des Juͤnglings Tode / daß er nicht anders vermeynte / er waͤre ſchon im Rauch auffgangen / laufft derohalben hin zu den Kalckbrennern / und fraget ſie im Namen des Koͤniges / ob ſie das verrichtet / was ihnen von Jhrer Majeſtät waͤre an befoh - len / antworten ſie darauff: Nein: Aber ietzt wollen wirs ver - richten / und nehmen den Herrn / und werffen ihn flugs in Ofen; Wie nun der aus der Meß hinkommen / thun ſie ihm nichts / weil ſie allein Befelch hatten / den erſten / der ſich im Namen des Koͤnigs anmelden wuͤrde / zu verbrennen. Das): (): (3erfuhrDEDICATIO. erfuhr eilends der Koͤnig / und fraget vom Juͤngling / warumb er lache und weine / wann ſein Gemahl lachet und weinet / und warumb er nicht ſtracks ſey den Kalckbrennern zugeritten / ſondern hab einen Abſprung auff die Seiten genommen? Da faͤhet der Juͤngling an zu dem Koͤnige die drey reguln zu erzeh - len / welche ihm ſein Vater am Tod-Bette fuͤrgeſchrieben. Daruͤber verwundert ſich der Koͤnig / erkennet ſeine Vnſchuld / und war ihm hinfuͤran mit groͤſſern und mehrern Gnaden ge - wogen als zuvor iemahls. Bißher das Exempel. Georg Scherer der Lojolit / nach dem er in ſeiner Poſtill in den fůnff - ten Predigt des erſten Sontags nach der Heiligen drey König Tag / erſterzehlte Legend erzehlt / ſchreibet er ferner / es habe dem Lutheriſchen Superintendenten Sigefrido Sacco, Thumpre - dicanten zu Magdeburg / ſo wohl gefallen / daß ers in ſeine Poſtillen geſetzt; gleichwohl gefaͤlſchter Weiſe; Dann da der diſcipul ſagt von der Meß / kratzet er die Meß aus / und ſetzet dafuͤr die Predigt / als wann der Vater ſeinem Sohn be - fohlen hätte taͤglich Predigt zu hören / und daß der Sohn mit Anhoͤrung einer Predigt ſein Leben ſalviret haͤtte. Reime dich / wo hat man vor hundert Jahren alle Tage durch die gantze Wochen geprediget? Vnd weil das Gelaͤut im Dorffe / welches der Jůngling bey dem Wald gehöret / am Werck-Tag geſchehen / wird es eine Meß / und nicht eine Predigt bedeutet haben. Alſo haben die Lutheriſchen auch das Sprichwort veraͤndert / das ihnen ietzt lauten muß: Predigt hoͤren verſaͤumet nichts. Vnd nicht: Kirchen gehen verſaͤu - met nichts. Gerad / als wann kein anderer Gottesdienſt waͤre als Predigt hören. Ein Churfuͤrſt von Sachſen hat im 1547. Jahr auch Predigt gehoͤret / iſt aber darůber vom Kaͤy - ſer Carl gefangen / und am lincken Wang mit einer zim - lichen Schramm bezeichnet worden. Dieſe Predigt hat ihm viel verſäumet / und auffgehalten in der Flucht auffWitten -DEDICATIO. Wittenberg zu. Biß hieher der Lojolit / und verlogene Sycophant; Verlogen / in dem er in die Welt hinaus ſchreyen und ſchreiben dörffen / es waͤre der Churfuͤrſt Johann Friederich Chriſtloͤblichſt. Andenckens ůber der Predigt ge - fangen und verwundet worden; und darff noch ſolches aus Sleidano beweiſen wollen / der zwar meldet / daß er vor der Schlacht / und wie es die Vmbſtaͤnde geben / fruͤh Morgens eine Predigt gehöret / ſpat aber hernach / ſintemahl die Schlacht biß in die Nacht hinein gewaͤhret / gefangen und verwundet worden. Ein Sycophant / in dem er weiland Herrn D. Sacco ſeel eine Verfälſchung zumeſſet; Gerade / als waͤre es unrecht / die in Predigten allegirte exempla nach der hypotheſi des ietzigen Standes / Zeit und auditorii zu accommodiren / bevorab / wann es apologiſche exempla und ſinnreiche Gedichte ſind; Jnmaſſen dann auch vorer - zehltes Exempel ein apologus und Parabel geweſen / dadurch die weiße antiquitaͤt dieſe Lehr andeuten wollen / daß Predigt gehen nicht ſaͤume. Welches Sprichwort bey E. Geſtr. ohn Zweifel manch mahl auch ein wahr Wort worden. Be - ſagter / und bißher billich geruͤhmte Eifer Fleiß und Begierde zu weiſſagen / das iſt / den Schatz uͤber alle Schaͤtze / Gottes Wort wohl faſſen / verſtehen / den Glauben daraus zu ſtärcken / Troſt / Heil / Leben und Seeligkeit daraus zu ſchoͤpffen / iſt auch die jenige motiv geweſt / die E. Geſtrengk. dieſen ſechſten Theil der Catechiſmus-Milch zu dediciren und ge - buͤhrlich zu præſentiren mich bewogen. Wie ich nun der großguͤnſtigen und wohlgeneigten acceptation dieſes ſchlecht - papiernen Ehren-Geſchencks mich verſichert halte / alſo bitte ich von dem Allerhoͤheſten Geber alles guten / Er wolle E. Geſtr. ſampt dero Wohl-Edlen / Tugendreichen Hauß - Ehre und hertzlieben einigen Wohl-Adelichen Gottſeeligen Toͤchterlein geben / was ihr Hertz begehrt / und erfuͤllen ihreAnſchlaͤge /DEDICATIO. Anſchlaͤge / und nach geendetem weiſſagen das himmliſche wahr haben / nach dem Glauben die ſeelige Schau / nach dem dunckeln Wort das helle Liecht der unendlichen Glori und Herrligkeit / die uns GOTT der Vater durch Chriſtum bereit / deme ſey Lob / Ehr und Preiß in Ewigkeit.
BerichtGeſchrie - den dritten Martii, Anni 1657. E. Geſtr. Gebett - und Dienſtgefliſſener Johann-Conrad Dannhawer / der H. Schrifft Doctor, Profeſſor und Prediger im Muͤnſter.
Von der extenſion und Erweiterung des Apo - ſtoliſchen Symboli.
DEmnach mein Sigalion, welchen ich den neuen ſyn - cretiſchen conſilien vor ſechs Jahren entgegen geſetzt / biß dato eine geſchweigende Sigalion geblieben / und ſich niemand denſel - ben anzufallen erkuͤhnet / auſſer der / in demſelben begriffenen trilanx oder dreyfachen Tafel des Apoſtoliſchẽ Glaubens / (nicht ohn imitation, weiland H. D. Pappi ſel. in defenſ. anti-Sturm. III. p. 104.) an welche ſich nicht nur H. Samuel Mareſius ein reformirter Lehrer in Niederland gerieben / deme aber in fine Hodomoriæ ſpir. Calviniani ſatisfaction geſchehen: ſondern auch ὁ δει̃να N. N. daran zu Ritter werden wollen / deme die extenſion und Erweiterung des Apoſtoliſchen Glaubens ein Dorn in Augen wordẽ / und deroſelben einen weit-extendirten und außgedaͤhnten unnoͤthigen diſcurs entgegen geſetzt / veranlaſſet durch etliche wenige Staͤublein / damit Siga - lion ſeine allzuzarte theſin obiter beruͤhret p. 171. Er aber dieſelbe mit Kieſelſteinen beantwortet / nach dem Lateiniſchen Sprichwort: Pulvere qui viſus lædere, ſaxa tulit. Als hab ich fuͤr eine Nothdurfft erachtet / dieweil auch die bißher im vierten / fuͤnfften und ſechſten Theil der Catechiſmus-Milch weitlaͤuffiger außge - fuͤhrte Erklaͤrung fuͤr eine friedenſtoͤrende Erneuerung und unnoͤthige Er - weiterung moͤchte angeſehen und gehalten werden / auff Anmahnungen Chriſteiferiger Theologen eine kleine Schutz-Rede vorher zu fuͤgen / dem Chriſtlichen Leſer allerhand Scrupel / die ihm moͤchten beygebracht wer - den / zu benehmen. Zuvorderſt koͤnte ich mich deſſen allen nicht anneh - men / wann es nicht unter meinem Namen und præſidio waͤre außkom - men / ſintemal nicht ich / ſondern mein damaliger Reſpondens derſelbẽ Ta - bell auctor geweſen: Koͤnte mich auch damit ſchuͤtzen / daß beſagte Ta - bellen weiter nicht gezielet / als den Syncretiſten den Vnterſcheid zu zeigen zwiſchen den dreyfachen Glaubens-Bekaͤntnuͤſſen / wie dieſelbe heutiges Tages von allerſeits Lehrern angenommen und verſtanden wird / dazu waren mir keiner Patrum teſtimonia und widerholeten conſens der al - ten allgemeinen Kirch / ſondern allein der beruͤhmten / geuͤbten und bewaͤhr - ten neuern Lehrern von noͤthen / daß dannenhero Succenſor manchen ſtol -): (): (): (tzenBerichttzen Lufft ſtreich gethan: Damit er aber ſehe / daß man ſich vor ſeinem blin - den und lamen nicht fuͤrchte / ſo leſe und bedencke er was folget. Alfantze - reyen / paratragœdien / unblutige Stich / hoͤhniſches ſchertzen und Mißdeu -Aug. è l. 3. contra Pe - til. c. 1. tungen ſchencke ich den Kirchen-Frieden / und uͤberlaſſe ichs ungeaͤfert ei - nem hoͤhern Gericht / als der ichs laͤngſt mit Auguſtino gehalten: Si vel - lem pro maledictis maledicta rependere, quid aliud quàm duo maledici eſſemus, ut ii, qui nos legerent, alii deteſtatos abjicerent ſanâ gravitate, alii ſuaviter haurirent malevolâ voluntate. Ego quandoque cuique vel dicendo vel ſcribendo reſpondeo, etiam contumelioſis criminatio - nibus laceſſitus, quantum mihi Dominus donat, frenatis atque coërci - tis vanæ indignationis aculeis, auditori lectorivè conſulens, non ago ut efficiar homine conviciando ſuperior, ſed errorem convincendo ſalu - brior. Vnd greiffe nun die Sache ſelbſt an.
Meine veranlaſſende Wort waren dieſe: Fuit nuper, qui eadem principia ſecutus auſus eſt ſcribere: Omnia dubia in diſſidio religionis clara erunt, ſi ut litera ſonat, verba catechetica ſumpſerimus: per quod caput ex Photinianis Chriſtiani, ex Papiſtis catholici, ex Calvinianis Lutherani, omnes fratres & unus in Chriſto fient. Das iſt: Es hat ſich neulich einer gefunden / der vorgenanten principien gefolget / und ſchreiben doͤrffen: Es werden alle zweifelhafftige Puncten in religions - Streit klar und lauter werden / wann wir die Catechiſmus - Wort nehmen und verſtehen werden / wie der Buchſtabe lau - tet: Durch welches Hauptſtuck aus Photinianern Chriſten / aus Papiſten Catholiſche / aus Calviniſten Lutheraner / alle Bruͤder und einer in Chriſto werden werden. Denſelben eine Farb anzuſtreichen / wird zur Entſchuldigung vorgegeben / litera ſey von dem literali ſenſu, die Wort wie ſie lauten / nicht von bloſſen Wor - ten / ſondern von mitverſtandenen Erklaͤrung nach der Schrifft und Kir - chen-conſens zu verſtehen. Daß die aͤrgeſten Kaͤtzer offt mit den herrlichſten Symbolis ſich behelffen / und dieſelbe den Worten nach angenommen / den Verſtand aber nach ihrer Meynung gedeutet / reimet ſich auff ſolchen Fall nicht / auff das / was in der Frage iſt; Dann ein anders iſt / das Symbolum nach den Worten / wie ſie lauten / erklaͤren / ein anders / ſich der Worte annehmen / und ſie doch nicht recht deuten. Jſt eine ſolche Farb / die ſich leicht zerblaſen laͤſſet; Sintemahl ſonat & ſignificat zwey Dingeſind:an den Chriſtlichen Leſer. ſind: Viel Dinge bedeuten ohne Wortlaut; und viel Wortlauten ohne eigentliche Bedeutung. Litera ſonat ſtehet im Text / nicht ſignificat. Vnd waͤr zumal ein unnoͤthiges conſilium irenicum geweſt / dadurch alle Zweifel / alle religions-Spaltungen außgeklaͤret werden moͤchten / zu ſagen / wann Photinianer / Paͤpſtler / Calviniſten den Glauben in ſchrifftmaͤſſigen und der reinen antiquitaͤt gemaͤſſem Verſtand annehmen / das iſt / wann alle dieſelbe recht glaubeten / ſo wuͤrden ſie alle gute Chriſten / Catholiſch und und Lutheraner werden. Jſt eben / als ſagte man: Wann alle in facto recht-informirte Juriſten nach den rechtverſtandenen regulis juris ihre proceꝛ fuͤhreten / und nach denſelben auch alle Referenten und Richter urtheilen wuͤrden / ſo wuͤrde die juſtitia nimmer geſchwaͤcht / und alle Par - teyen einig werden. Wann alle Menſchen klug waͤren / ſo geb es keine Phantaſten in der Welt. Wer weiß das nicht? Wiewohl / wann auch gleich alle Photinianer den Chriſtlichen Glauben nicht nur nach dem Wortlaut / ſondern auch nach dem ſchrifftmaͤſſigen und uralten ſechshun - dert-jaͤhrigen damahl außgewirckten Verſtand annehmeten / ſo wuͤrden doch darumb die Photinianer noch keine Chriſten werden / dann ſie wuͤr - den den Verſtand der ſatisfaction und Gnugthuung Chriſti (als welche erſt im eilfften ſeculo von Abailardo angefochten worden / den abzutrei - ben neue Erklaͤrungen von noͤthen ſeyn) nicht annehmen wollen / und ſich / ob ſie gleich alles andere bekenneten / durch Verlaͤugnung dieſes Grund-Punctens aus dem Chriſtenſtand ſetzen: Es wuͤrden auch die Paͤpſtler keine Catholici werden / wann ſie gleich den literalem ſenſum Symboli behielten / allweil ſie lange nach dem ævo der ſechs hundert Jahr noch auff den heutigen Tag den Antichriſt fuͤr Gottes Statthalter ange - nommen: Ebenmaͤſſig / weil im Apoſtoliſchen Symbolo (ſo viel daſſelbe anlangt) des Heiligen Abendmahls mit keinem außgetruckten Wort ge - dacht wird / wuͤrden die Calvinianer noch nicht in die Gemeinſchafft der Lutheraner angewuͤntſchet werden / wann ſie glauben alle Glaubens - Articul / wie die Wort dem alten Verſtande nach lauten / ſintemahl Berengarii boͤſer Wind nach dem ævo der ſechs hundert Jahr das Liecht des rechten Verſtandes per accidens angeblaſen. So viel von der ange - ſtrichenen Farb. Folgt der Paralogiſmus und Schluß-Fehler.
Alle die jenige / welche das Apoſtoliſche nach den authorn der Er - ſten ſechs hundert Jahr erklaͤrete Symbolum oder das gantze alte corpus Symbolicum, als die vollkommene / gnugſame / un - veraͤnderliche / des Grund-Glaubens bezielende regul, Ver -): (): (): (2faſſungBerichtfaſſung aller zur Seeligkeit noͤthigen Grund-Lehren / auff welchen als den gnugſamen Grund des Glaubens viel alte Leute getaufft ſind / und das Abendmahl empfangen / welches auch die Chriſtlichen fuͤnffhundert-jaͤhrige Concilia und hei - lige Vaͤter fuͤr gnugſam und vollkommen gehalten / erklaͤret und darinn beruhet / welches die Biſchoffe bey ihrem Antritt bezeichnet. Welcher / ſage ich / ſo gethanes Symbolum ver - mehret durch Zuſaͤtze / Schluͤſſe und neue Einfaͤlle ſolcher fuͤr - gegebenen nöthigen Glaubens-Lehren / die in alten Symbo - lis weder mit hellen Worten zu finden / noch mit richtigen Folgen daraus folgen / ſo von keinem einigen alten auctore und Patre in dem Wort-Verſtande des Symboli gefunden und verthädiget / auff welche auch ſie extendenten ſelbſt / ja kein Menſch iemahl getaufft worden / ohne welcher Bekaͤnt - nůß vieler million Chriſten und Märtyrer / auch viel tauſend in unſern Kirchen / ſonderlich die Einfältigen auff den Doͤrf - fern ſeelig worden; derſelbe iſt ein Novator, ein Vrheber einer Erneuerung / Trenner und Hinderer des Kirchen-Friedens. Das thut (ὁ δει̃να) N. N. der auctor noviter extenſæ fidei, Er vermeh - ret das Apoſtoliſche Symbolum mit ſo gethanen Zuſaͤtzen / als da ſind / daß ich glaube / beym Anfang des Symboli ſo viel heiſſe / daß ich ver - ſtehe / gebe Beyfall und eigne mir zu / was in der Canoniſchen Schrifft ſtehet / die alleine die einige regul des Glaubens. Jch / der ich kurtz zuvor nichts war / von Natur ein Zorn-Kind / leer von Furcht / Zuverſicht und Vertrauen zu Gott / bin nicht allein von Gott abgewandt / ſondern wider Gott / glaube daß ein dreyfacher Gott ſey nach den Perſonen / und daß dieſer Vnterſcheid nach der Metaphyſica muͤſſe verſtanden / und der / ſo es aus der Canoniſchen Schrifft nicht erkennet / dieſer Sache Beyfall gibt / (ſonderlich die Langhoſen / ſo umb Ham - burg her wohnen) und durch Hoffnung ihme zueignet / nicht ſolle ſeelig werden. Et in Jeſum unum unicum Dominum noſtrum, Vnd in Jeſum unſern einen / einigen HERRN /(dannan den Chriſtlichen Leſer. dann ob wohl die orientales das Wort unum gehabt nach Ruffin. ſo haben ſie doch nicht noch ein Wort / das unicum geheiſſen / gebraucht / und unicum auch nicht zu dem Wort Dominum ohne Mittel geſetzt / ſondern entweder geſagt: Fi - lium Dei unicum, oder unigenitum, unum Jeſum, oder unum Dominum Jeſum Chriſtum, oder unum Chriſtum. Da im Symbolo geſagt wird: Seinen eingebornen Sohn / man verſtanden / in quo ſumma ſit unio (die vielleicht uͤber die Einigkeit gehet / da der Sohn im Vater und eins mit ihme iſt. Joh. 10.) ut inde κοινωνία idiomatum vel reciproca ad perſonam, quâIoh. 10, 30. realiter h. e. verè & reipsâ utriusque naturæ proprietates in perſonâ Chriſti communicant, vel non reciproca ad naturam axiomatum divi - norum majeſtatis omnipotentiariæ ac infinitæ cœlo terraq́ue ſuperio - tis, und was des Dinges mehr iſt. Daß Chriſtus warhafftig zur Hellen ohne Wort-Blum und triumphirend gefahren. De - rowegen / ſo iſt ein ſolcher extenſor ein Novator, Vrheber einer Erneuerung und Friedens-Trenner oder Hinderer des Kirchen-Friedens.
Wie? Wann ich dem ſuccenſori die concluſion und den End - Schluß paſſteren ließ? Vrheber einer Erneuerung iſt fuͤr ſich ſelbſt kein boͤſer Name / es haben ihn getragen Chriſtus und ſeine Apoſtel / S. Paulus bringet neue Goͤtter zu Athen daher / die Homouſiani, unter welchen Atha - naſius der Fuͤrnehmſte (dann ja auch die () Arianer mit der antiquitaͤt ſtoltziglich gepranget und gepralet.) Jn deren Chor auch Lutherus und ſeine Mit-reformanten gehoͤrig. Es iſt ie die Reformatio und Erneue - rung ein Werck des Heiligen Geiſtes / uns hoch befohlen / wie im Leben / alſo auch in der Lehr / 2. Cor. 3. ſonderlich / wann der Sathan allerhand2. Cor. 3, 18. neue Fuͤnde / und namentlich den zur apoſtaſi verleytenden Syncretiſm um erdenckt / die Statt Gottes zu bekriegen / ſo ſind auch neue Arten der fortifi - cation, Schantzen und Vorwerck von noͤthen. Non ait Apoſtolus * ver -* ita Au - guſt. tract. 97. in Ioh. borum novitates: ſed addit: profanas: Sunt enim & doctrinæ reli - gionis congtuentes verborum novitates. Sonſt moͤgen unnoͤthige
() à conſpiratione cum doctrinâ priſcâ ſe Collucianiſtas dixere. Dion. Alexand. & Luciani συμψηγισμῷ gaudentes, contra Athanaſianos ob novum homouſii commentũ novitatis dam narunt, vide Spond. ann. 311. 3. Dionyſ. Petav. tom. 2. Theol. dogm. l. 1. c. 8. p. 42. Gothofr. ad Philoſtorg. diſſert. ad l. 2. c. 158. 16.
): (): (): (3unge -Berichtungegruͤndete neue Einfaͤlle billich taxiret werden / deren / die aus Vberwitz / wie man pflegt zu ſagen / das Magnificat wollen corrigiren (fuͤr diſperſit ſuperbos, ſetzen ſuper bovem.)
Den Vorſatz ſtoͤſſet umb die inſtantia von dem Zuſatz der Formul / der vom Sohn außgehet. Wider welchen die Griechen eben mit des ſuccenſoris Anklag die Lateiniſche Kirch beſchweret und angefochten / vorgebend / die Lateiner ſeyen Novatores und Friedenſtoͤrer / als die dem gnugſamen / vollkommenen / unveraͤnderlichen Apoſtoliſchen Symbolo, wider das Epheſiniſche anathema, einen ſolchen Zuſatz gegeben / welcher weder im Niceniſchen noch Conſtantinopolitaniſchen Symbolo zu fin - den. Jn Photii Encyclicâ Epiſt. welche Dionyſius Petavius tom. 2. dogm. l. 7. c. 2. widerholet / ſtehen dieſe harte Wort: Præter illa, quæ commemoravimus, inquit, abſurda, ſacrum etiam, & ſanctum Symbo - lum, cui ſynodica omnia, & œcumenica ſuffragia inexpugnabile ro - bur addiderunt, adulterinis rationibus & non ſinceris ſermonibus, non ſine incredibili audaciâ falſare aggreſſi ſunt: O mali Dæmoni s machi - namenta! Spiritum ſanctum non ex Patre ſolùm; ſed etiam è Filio procedere vaniſſimè prædicantes. Wovon auch zu leſen Jeremias wei - land Patriarch zu Conſtantinopel in ſeiner Antwort an die Tuͤbingiſche Theologos p. 58. nach dem er das Niceno-Conſtantinopolit aniſche Sym - bolum widerholet / da allein ſtehet: Der vom Vater außgehet / ruͤhmet er daſſelbe mit dieſem Zeugnuͤß: Οὑτος ὁ τῆς ἀληϑου̃ς πίϛεως ϑη - σαυρὸς, Diß iſt der Schatz des wahren Glaubens / der mit dem Heiligen Geiſt verſigelt iſt / daß nicht iemand etwas davon nehme / noch etwas frembdes hinein fuͤhre. Dieſes iſt das Goͤttliche / heiligſte und allerſeits vollkommene Zeichen unſe - rer Gottesfurcht / dieſes iſt der Graͤntz-Stein unſers Chriſten - thumbs / nemlich dieſe aller Heiligen Vaͤter Bekaͤntnuͤß. Confer Gerh. Joh. Voſſ. diſſert. 3. de trib. Symb. theſ. 16. p. 63. 86. 87. 90. Leonem Allatium de Eccleſ. orient. & occident. perpet. conſenſ. l. 2. c. 2. p. 485. So wird es auch ſchwer hergehen / wann durch eine wichtige Folge beſagte formula aus dem Symbolo ſolte gezogen werden wollen: Vnd ob wohl etliche auch Griechiſche Vaͤter allegirt werden moͤchten (deren Wort doch anders von den neuen Græcis gedeutet worden) ſo wird doch ſchwer - lich aus denſelben zu erweiſen ſeyn / daß ſie ſolchen Zuſatz in dem Wort - Verſtande des Symboli gefunden: Vnd wie viel tauſend einfaͤltige Chri - ſten und Maͤrtyrer ſind vor und ohn dieſen Zuſatz ſeelig worden? Sinddarumban den Chriſtlichen Leſer. darumb alle die Lehrer / die gemeldten Zuſatz angehenckt / boßhafftige Nova - tores und Trenner des wahren heiligen Friedens zu ſchelten geweßt?
Der Nachſatz wird per omnia durch und durch nicht geſtanden / daß der in meiner Tafel geſchehene Zuſatz mit benamſten qualitaͤten behafftet; Ich traue dieſelbe wohl nicht nur durch conſequentz aus dem Schrifft - und Rein-antiquitaͤtmaͤſſigen Verſtand des Symboli richtig zu folgern / alles nach dem Modell und Anweiſung des erklaͤrlichen Decalogi ange - zeigt und mit mehrern deducirt in meiner hermeneuticâ ſacra p. 460. & ſeqq. Glaub ich an Gott als einen Vater und Schoͤpffer / ſo glaube ich zugleich meine Nichtigkeit / Elend / und mit barmhertzigen Vaters - Augen angefehenen Jammer und Elend / darinn ich geboren. Hindert nichts / daß die Augſpurgiſche Confeſſion einen abſonderlichen Articul von der Erb-Suͤnde gefaſſet / dann ja auch das ſiebende Gebott vom letzten abgeſondert / und doch jenes Verbott noch in dieſem begriffen. Glaub ich an Vater / Sohn und Heiligen Geiſt / als drey Perſonen / und wie ſie die H. Schrifft nennet / drey (perſoͤnliche) Zeugen / ſo glaub ich auch einen dreyfaltigen Gott / drey Perſonen / die (nach Art einer Perſon) realiter, thaͤtlich / und nicht nur Namens-Sinn-Bilds - und Gedan - ckensweiſe von einander unterſchieden / wiewohl dieſes eben nicht in actu ſignato mit Schul-terminis von und bey iederman vorzutragen. Es iſt eine Weiſe fuͤrhanden / dadurch man ſolche Dinge auch dem gemeinen Manne lactificiren und leicht fuͤrtragen kan / wavon im reformirten Salve mit mehrem pag. 680. Glaub ich an Jeſum Chriſtum meinen Herren / ſo glaube ich auch nach der Schrifft Außlegung einen einigen Herren / 1. Cor. 8. Eph. 4. 1. Tim. 2. Glaube ich die hoͤchſte / verſtehe1. Cor. 8, 6. Eph. 4, 5. 1. Tim. 2, 15. die perſoͤnliche Einigkeit (welcher maſſen der Vater und Sohn nicht unus oder einer ſind und heiſſen) ſo glaub ich die Gemeinſchafft der Naturen und Eigenſchafften / deren voͤlligere Erklaͤrung (wiewohl eben nicht in Schul-terminis, doch) verſtaͤndlich / auch dem gemeinen Mann kan inſinuirt und eingebildet werden. Glaube ich eine Hoͤllenfahrt Chriſti / wie die Wort und Ordnung der Symboliſchen Articul lauten und fol - gen / ſo glaube ich eine ſolche Hoͤllenfahrt / die nach der Begraͤbnuͤß vor der Aufferſtehung ſich begeben / und demnach eine (nicht mehr leidende / ſon - dern) ſiegende Hoͤllenfahrt / vide Reform Salve p. 413. ſondern auch den - ſelben mit auctoritaͤt der Vaͤter zu belegen / etliche ſpecimina ſind allbereit abgelegt in Chriſteid. p. 414. & ſeqq. Vnd ſollen / geliebts Gott / der - gleichen in folgenden actibus Chriſteidos mehr folgen. Vnd ob gleichauchBerichtauch der alten Vaͤter keiner an die heutige neue Zuſaͤtze gedacht haͤtte; Folgt darumb nicht / daß dieſelbe aus ihren Worten nicht zu ſchlieſſen waͤren: Die Propheten haben an Jeſum von Nazareth nicht gedacht / da ſie ihre Prophetiſch-Evangeliſche oracula getraͤufflet / noch gleichwohl ſagt St. Petrus / daß von Jeſu von Nazareth zeugen alle Pro - pheten / ꝛc.
Einwurff: Keine vollkommene / gnugſame / unaͤnderliche regul leidet einigen Zuſatz. Antwort: Keine abſolutè vollkom - mene nicht; aber die ſo nur debitè! ſonſt wuͤrden unrecht dran ſeyn ge - weſt die Conſtantinopolitani Patres, wann ſie dem Niceniſchen Symbolo etliche Zuſaͤtze angefuͤgt. Was iſt das alſo genante Athanaſianum Sym - bolum (ſonſt von den Feinden des Symboliſchen Zuſatzes Sathanaſia - num genennet) welches alſo gefaſſet (nach Lutheri Meynung tom. 8. Witteberg. fol. m. 383. daß ich nicht weiß / ob ſind der Apoſtel Zeit in der Kirche des Neuen Teſtaments etwas wichtigers und herrlichers geſchrieben ſey) anders als ein Zuſatz des Niceni - ſchen Symboli? Dieſe Lehr von der Heiligen Dreyeinigkeit iſt noͤthig / nicht allein darumb / daß ohne dieſelbe kein recht Erkaͤntnuͤß Gottes ſeyn kan / ſondern auch umb des anruffens und Ge - betts willen / ſchreibt Lutherus ferner. Es haben zwar auch vorzeiten Athanaſius und Hilarius gemeynet / man ſolle dem Niceniſchen Symbolo nichts weiters anfuͤgen / deren Wort Gerh. Joh. Voſſ. diſſert. 2. de trib. Symb. theſſ. 11. p. 45. angezogen; Aber als hernach Macedonius und an - dere Woͤlfe eingeriſſen / hat die Noth Eiſen gebrochen / und hat Chriſti Schaf-Stall muͤſſen erweitert werden. Hinc Gregor. Nazianz. epiſto - lâ ſecundâ ad Celidonium, explicandum quiddam à Patribus Nicenis ἐλλιπῶς εἰρημένον, minus plenè dictum, addens: περὶ του̃ ἀγίου πν〈…〉〈…〉 ματος, διὰ τὸ μηδὲ κεκινῆσϑς τηνικαῦτα τετὶ τὸ ζήτημα, ὅτι μίας ϑεότητος εἰδέν〈…〉〈…〉 - χρὴ τὸν Πατέρα, καὶ τὸν〈…〉〈…〉 ὸν, καὶ τὸ ἅγιον πνε̃υμα. Proptereà, quòd quæſtio nondum excitata & agitata fuerat, unam eandemq́; Patris, & Filii, & Spiritûs S. Deitatem eſſe agnoſcendam. Cum hæretici fraudulenter dicerent, ſe nihil aliud de fide, præter quod fuerat Niceæ definitum, ſuſcipere velle, iisdem literis S. Leo Imperato - rem admonuit, haut ſatis eſſe ad perfectam fidei confeſſionem his tem - poribus Nicenum tantummodò Symbolum profiteri, in quo non de humanitate Chriſti, ſed de divinitate potiſſimùm actum eſſet; in Con -cilioan den Chriſtlichen Leſer. cilio verò Chalcedonenſi tractatum ſit de verâ & perfectâ ipſius huma - nitate: ac proinde, ſicut verum Deum & verum hominem Chriſtum unum confiteri fideles deberent, ita pariter aſtringi omnes utram que Synodum ſuſcipere ac profiteri. Hæc poſt Baronium Spondanus ann. 457, 7. Aus gleichdringender Nothdurfft hat auch Carolus M. ſeine Confeſſion (welche er fidem Catholicam genennet) dem neu-entſtan - denen Jrrthumb / Elipandi und Felicis orgelitani den Ranck abrennen wollen / da er nicht allein etliche mahl der Trinitaͤt gedacht / ſondern auch außtrucklich dieſe Wort zu - und eingeſetzt: Verus in utraque ſubſtantiâ Dei Filius, non putativus, ſed verus, non adop - tione, ſed proprietate. Was ſonſt von den fuͤnffhundert - oder ſechshundert-jaͤhrigen Beruhigungen in der declaration der damahligen Vaͤter und Concilien angebracht wird / daſſelbe iſt abgelehnet / und von ſuccenſore unberuͤhret geblieben in Sigalione p. 175. & ſeqq. Symbola ſind ihrer Natur nach nicht adæquirte und außſchoͤpffende Bekaͤntnuͤſſen aller Grund-Lehren / ſondern allein der jenigen Graͤntz-Lehren / dadurch die rechtglaubige Kirch von iederweilen neu-entſtandenen Jrrthumb zu un - terſcheiden geweſt. In epilog. Auguſt. Confeſſionis extant iſta: Præcipuos articulos, doctrinæ ſummam, dogmata quæ vi - debantur neceſſariò dicenda, è quibus tamen alia facilè judicari queant, prætermiſſis multis brevitatis ſtudio, in - formatione latiore, ſi quid deſideraretur, non denegatâ.
Einwurff: Ich will zu allen / die in dieſen Landen woh - nen / ihrer Wiſſenſchafft mich beruffen haben / ob ſie bißhero / wann ſie Morgens und Abends ihren Glauben betrachtet bey den Worten / Jch / (Ego iſt ſonſt nicht in Lateiniſchen / und iſt was neues / wiewohl daß es in dem Worte Credo be - griffen / das iſt nicht zweifelhafftig) die Natur der Erb-Suͤn - de / und daß ſie beſtehe nicht allein in der Beraubung / ſondern auch in der Widerſetzung wider GOTT / und daß aus den Buͤchern / da etliche apocryphiſche und Canoniſche / die letzten alleine / (und alſo nicht aus dem catecheſi das Symbolum) die regul des Glaubens ſey. Wann ſie aber gebettet oder geſagt: Jch glaube / daß ſie eine ſolche Meynung gehabt / ich erkenne / was in der Schrifft lautet / (und alſo auch Bdellium,): (): (): (): (Urim,Bericht1. Cor. 15, 29.Urim, Thummim, Ophir, Gog und Magog / von Hyſſopo, Hedera Jonæ Todentauff / 1. Cor. 15. uñ mit wenigẽ / was ſchweres in der Schrifft iſt / verſteh ich) ich geb auch Beyfall / ergreiffe es und ziehe mit Zuverſicht (daß Tobiæ Hund mit dem Schwan - tze geſpielet / und in Salomonis Schiffe Elephanten geweſen) es auff mich. Antwort: Die Allfentzerey mit dem Ego uͤbergehe ich; warne allein vor dem ſuccenſore die jenigen / die klaͤreren und mehr empha - tiſchen Verſtands haben / das Ego hinzu ſetzen! Virgilius latiniſſimus iſt hie nicht ſicher mit ſeinem ille ego! die uͤbrigen nugæ ſind Lufftſtreiche; Aus den bloſſen Worten / à Deo averſus & adverſus Deo, iſt weder bloß die Natur der Erb-Suͤnde / nach dero Beſtand in Beraubung oder Wi - derſetzung außgetruckt. Scriptura Canonica tanquam fidei unica re - gula ſchleuſt die ihre ſubordinirte ſchrifftmaͤſſige / Symboliſche Glaubens - regul ſo wenig aus / als wenig / wann ich ſage / der Sonnen Lauff ſeye die einige regul der Zeit / ich damit die horologia Statt - und Stund-Vhren will außgeſchloſſen haben. Die Wort: Ich erkenne / verſtehe ꝛc. ſo zu den folgenden Worten gehoͤren / Gott Vater ꝛc. werden fallaciter den vorhergehenden / was in der Schrifft lautet ꝛc. gezogen. Jch ſage nicht / daß ein ieder Glaubens-Bekenner ſage: Ich verſtehe alles / was in der Canoniſchen Schrifft lautet. Sondern / was ich von Gott Vater ꝛc. verſtehe / deſſen bin ich beredet aus Got - tes Munde / welcher Mund Gottes in den Canoniſchen Schrifften lautet. Bdellium, Urim, Thumim ſind nicht Gottes Mund ſelbſt. Tobiæ Hunds-Schwantz ſpielet in einem apocryphiſchen Buch. Gefpoͤtt mag ich hie mit Geſpoͤtt nicht vergelten.
Einwurff: Es wuͤrde gar unbillich ſeyn / wann nur die / die der Logic maͤchtig wären (und Ideas ſchreiben könten) den Glauben verſtehen koͤnten. Antwort: Wer ſagt das? Es wuͤrde warhafftig auch gar unbillich ſeyn / wann nur die jenige / die die ſechshundert-jaͤhrigen Patres und Symbola conciliorum (aus welchem die unverfuͤhrliche declatation und diſcretion des Apoſtoliſchen Symboli zu erhalten) wiſſen den Glaubẽ verſtehen koͤnten. Sonſt hat Gott auch den Idioten eine natuͤrliche logic eingepflantzet: Vnd beduͤrfften ſie hie keine groͤſſere Kunſt / als ſie beym Pfennig rechnen / anwenden: Jſt zu erbar - men / daß auch ein Jdiot und Bauer in Vnterſcheid der Muͤntz ſo accuratundan den Chriſtlichen Leſer. und genau ſeyn kan / in Sachen ſeines Ackers - oder Ochſen-Kauffs / aber muthwillig / blind-einfaͤltig in Vnterſcheidung der Luͤgen und Warheit in Sachen die ewige Seeligkeit betreffende. Jm uͤbrigen hat Papſt Leo (denen die auff den Zuſatz der Formul DE FILIO gedrungen und ge - ſagt: Si quis neſcierit, vel ita non crediderit, num ſalvus eſſe poterit?) Klaͤrlich geantwortet: Quisque ad hoc ſenſu ſubtiliori pertingere poteſt, & id ſcire, aut ita ſciens, credere noluerit, ſalvus eſſe non poterit. Sunt enim multa, è qui - bus iſtud unum eſt, ſacræ fidei altiora myſteria, ad quorum indagationem pertingere multi valent: multi verò aut ætatis quantitate præpediti, non valent: & ideò, ut prædixi - mus, qui potuerit, & noluerit, ſalvus eſſe non potuerit. vide Voſſ. de trib. Symb. p. 72.
Einwurff: Wer will auff dieſen Tag heute ſo hoffaͤrtig ſeyn / ſich einzubilder / daß er aller Spruͤche der Bibel richtige Erklärung wuͤſte? Vnd ſind auch wohl auff unſern Univer - ſitaͤten zwey Collegen in einer Facultaͤt / die in Erklaͤrung al - ler Spruͤche ůberein kommen? Antwort: Doch muß man in Grund-Lehren gefaßt und einig ſeyn / auffs wenigſte in einem und dem andern Grund-Spruch / damit des Glaubens ἀσφάλεια und Gewißheit nicht ſincke. Es moͤchten ſolche ſchaͤdliche Gloſſen ſeyn / (zum Exempel die von Calvino Judentzenden) daß man ſie nicht alſo frey paſſiren und dulden koͤnte. Wahr iſt darneben auch / was unſer D. Joh. Pappus ange - mercktan Eſa. 60. Legentibus Patrum ſive Scriptorum Eccle - ſiaſticorum libros manifeſtum ſit, nullam unquam exor - tam fuiſſe hæreſin, quin Eccleſiæ ejusmodi interpretationis donum concederetur, ut quod anteà in iisdem locis expli - candis priores non vidiſſent, vel certè non notaſſent, poſte - riores certaminibus illis impliciti, ſic demonſtrarint, ut legentibus illa nihil magis mirum videri poſſit, quam ea - dem illa à prioribus non fuiſſe annotata.
Einwurff: Es bleibet demnach noch die Frage / welche dann dieſe zur Einigkeit der Kirchen gehörige Glaubens - Lehren ſeyn / und ſonderlich / wo ſie ordentlich erzehlet unddeter -Berichtan den Chriſtlichen Leſer. determiniret ſeyn? Es waͤre zwar zu wuͤndſchen / daß ſie einen extendirten Catalogum zu ihren Glaubens-Lehren uͤber die ſo im Symbolo ſeyn / belieben / daß ſie durch Spruͤche der Schrifft ſolchen vorſtellen koͤnten / dem auff ſolchem Fall die deciſion leicht fallen wuͤrde. So viel aber mir bewuſt / habe ich dergleichen Spruͤche noch nie anziehen gehõret / und zweifele auch / ob hinfuͤro moͤchten von einem Bibliſche Spruͤche gefunden werden. Antwort: Diß waͤre ein fuͤrtreff - licher Vortheil fuͤr die Herren Walenburchios, mit denen Succenſor in ein Horn blaſet. Vide illos de miſſione proteſt. & ib. annexis motivis c. 4. & in princip. fidei examine 1. §. 9. Die auch ſonſt mit〈…〉〈…〉 οῦ δεῖνα principiis gar wohl fortkommen / und das Thor zum Lutheriſchen Schaf-Stall bald werden finden koͤnnen. Er ſehe aber zu / wie erſich / ſalvâ ſuâ hypotheſi, aus deroſelben laqueis außſtricke! Jch ſtehe / Gott Lob / bey dieſer Frage nicht bloß oder wehrloß. vide reformirten Salve in der vierten Frage p. 176. & ſeqq. & p. 201.
Eingangs -Vber den dritten Articul des Apoſtoliſchen und Niceniſchen Glaubens / Von der ſuͤndlichen Vnart des Fleiſches.
TEXTUS. Johan. 3. ſpricht Chriſtus unſer Herr zu Nicodemo:
GEliebte in Chriſto: Wann S. Paulus der außerwehlte Ruͤſtzeug Gottes in der Epiſtel an die Roͤmer im viertenRom. 4, 17. Capitel den heroiſchen groſſen Glauben Abrahams auff das herrlichſte ruͤhmend vnd heraus ſtreichend vnter an - dern ſchreibt: Abraham habe dem geglaubet / der da ruffet dem das nicht iſt / daß es ſey / ſo ſihet er zwar fuͤrnemlich auff die hypotheſin, auff den damaligen Zuſtand des heiligen Patriarchen Abrahams / da er noch kein Kind gehabt von ſeinem Leib vnd doch die Verheiſſung empfangen / daß in ſeinem Samen ſollen geſegnet werden alle Voͤlcker auff Erden / er ſoll ein Abraham vnd Vater vieler Voͤlcker werden; Auff die nihilitudinem Abrahamicam, auff die Vnvermögligkeit vnd Nichtigkeit der Krafft Kinder zu gebären: Nichts war derſelbe in ſeinen Kraͤfften / er war allbereit hundert Jahr alt / zu alt vnd kalt dazu / ſein Leib / wie auch ſeiner Sara der unfruchtbaren alten Matronen / erſtorben zur Kinder-Zucht / ja ſonderlich / da er ſeinen Sohn Jſaac ſchlachten ſolt / der ſchon in ſeinem Hertzen er - ſtorben geweſen / da war nichts; noch gleichwol hab er geglaubt / τὸ εἶναι, daß es ſey und unfehlbar ſeyn werde / es ſeye Gott nur vmb ein kraͤfftiges / ſegenreiches Ruff-Wort zu thun / ſo ſeye es da! er koͤnne auch den toden Jſaac wiederumb aus der Aſche zum Leben aufferwecken / vnd alſo ſeiner Verheiſſung Krafft geben.
Sechſter Theil. AEs ſihet2Eingangs -Es ſihet aber auch der Apoſtel ſamt dem Vater Abraham zuruͤck auff die nihilitudinem macrocoſmi, auff die Nichtigkeit der groſſen Welt / in deren ſie verborgen vnd vergraben gelegen vor der Erſchoͤpffung / dann von Ewigkeit her war keine Welt / keine Creatur / Deus tunc ubi nunc in ſe, quoniam ſibi ſufficit ipſe, Gott allein war eben wo er ietzt auch iſt / welcher keines andern bedarff / ſondern in ihm ſelber vergnuͤget iſt. Aber Gott der Herr hab ein kraͤfftiges Fiat geſprochen / ſo ſeye die erſte maſſa aus dem Loch vnd Nacht-Winckel der Nichtigkeit herfuͤr geſprun - gen / wie ein Knecht aus ſeinem Neſt und Winckel herfuͤr kreucht / wann ihn der Herr auffwecket vnd ihm ruffet / daß er komme: Erſtlich zwar lag der groſſe ungeſtalte / gemengte Klumpen Himmel und Erden undVid. Grot: de verit. re. lig. Chriſt. p. 20. Elementen uͤber einem Hauffen / war alles noch oͤde / finſter und leer / die Welt lag da als ein groſſes Ey / das war aber noch nicht außgebruͤtet / darumb hab ſich der Geiſt Gottes uͤber die Waſſer und den Klumpen geleget / geſetzet / Er ſey darauff geſchwebet / anders nicht als ein Vogel oder Henn uͤber den Eyern / dieſelbe außgebruͤtet / alles lebend und webend ge - macht / ein iedes nach ſeiner Art / ſo ſey es allererſt recht gut geweſen und gut geprieſen worden / alles durch ein eintziges Ruff-Wort / Fiat, es werde / und es ward alſo. Darauff ſahe Abraham / darauff gruͤndete er ſeinen Glauben: Hat Gott Himmel und Erden aus nichts erſchaffen koͤnnen / wie ſolt Er ihm auch nicht koͤnnen Samen geben / und gleichſam aus Steinen Kinder erwecken?
Es ſihet aber S. Paulus allhier ſamt Abraham freylich auch auff die nihilitudinem microcoſmi communem, auff die Nichtigkeit und Vntuͤchtigkeit des Menſchen ingeſamt / wie ſo gar es war ſey / wasPſal. 39, 6. & 12. mit ſonderbaren affecten in Pſal. 39. zum zweyten mal außgeſprochen wird: Ach wie nichts ſind doch alle Menſchen! Ach wie nichts ſind doch alle Menſchen! Ja freylich nichts vor der Erſchoͤpffung / nichts in der Erſchoͤpffung / nichts nach der Erſchoͤpffung. Vor etzlich tauſent Jahren war noch kein lebendiger Menſch im Weſen / vor dem ſechſten Schoͤpff-Tage war noch kein Menſch auff Erden. Jn der Er - ſchoͤpffung / da Gott der Herr die Hand angelegt / war zwar ein unfoͤrmlicher Klumpen da / ein leimen maſſa, aber die war untuͤchtig / daß ein Menſch daraus werden ſolte. Gott muſte ein Wort ſprechen / ſo wurde ihm ein lebendiger Geiſt eingeblaſen / er wurde mit dem goͤttlichen Ebenbild gezieret / vnd alſo etwas gutes. Nichts nach der Erſchoͤpffung / nemlich nach dem Suͤnden-Fall / da iſt der Menſch recht homo nihiliworden /3Predigt. worden / ein untuͤchtiger / kein-nuͤtzer / ohnmaͤchtiger / loſer Menſch / zu allem recht-gutem erſtorben / da iſt das ejulate, das Ach vnd Wehe angangen / Ach wie gar nichts ſind doch alle Menſchen / ꝛc. ſolte nun der Menſch wiederumb etwas werden / da war von Noͤthen ein Ruff-Wort einer gluxenden Brut-Henne / einer lebendigen Krafft des heiligen Geiſtes / dadurch dieſes Ey außgehecket / außgebruͤtet / flick gemacht / nemlich virtus & gratia Spiritus ſancti vivifica & ſanctifica, die leb - und heiligmachende Krafft und Gnade des heiligen Geiſtes.
Von dieſem hohen himmliſchen Geheimnuͤs / der Heiligung des heiligen Geiſtes / welche uns im dritten Articul unſers Chriſtlichen Glau - bens zu erkennen und zu bekennen fuͤrgehalten wird / ietzt und hinfort durch Gottes Gnade zu handlen / wollen wir zuvor mit der Philologiâ carnis, das iſt / mit der Erkaͤntnuͤs des Fleiſches / unſerer nichti - gen / untuͤchtigen / ſchnoͤden und ſůndlichen / verfluchten und verdamten Vnart / das fundament und Grund legen / auff daß wir hernach im Gegentheil verſtehen moͤgen / wie hoch wir des Heil - und heilig - machenden Gnade des heiligen Geiſtes benoͤthiget. Gott ſegne den Anfang durch ſeinen Geiſt. Amen.
WAs vom Fleiſch geboren wird / das iſt Fleiſch / ſpricht unſer Herr vnd Heiland zu Nicodemo / dem zwar groſſen / auff dem Stul Moſis sitzenden Rabbi / aber groben igno ranten / der zwar nach Art der Phariſeer vom Himmels-Lauff / von des Himmels Zeichen / von dem fato viel gewuſt zu ſagen / und ſich ſelbſt noch nicht erkant / auſſer ſeinem Hauſe curios vnd fuͤrwitzig geweſen / aber das innerſte ſeines argen Hertzen-Hauſes noch nicht ergruͤndet / einem groſſen einbildenden / groß-heiligen Phariſeer / ſonderlich der Schuͤſſel und Becher rein gehalten / die Haͤnde / ſo offt er vom Marckte kommen / gewaſchen / als der ſich beſorgte / er haͤtte irgend unheilige Zoͤllner und Suͤnder als ein to - des Aaß beruͤhret / und ſich verunreiniget / unter deſſen gedacht er nicht an ſein inwendiges / an den inwendigen garſtigen Wuſt und Vnflat ſeines Hertzen. Summa / daß er Fleiſch ſey vom Fleiſch geboren / den fuͤhret der groſſe Meiſter in Jſrael / und Rabbi uͤber alle Rabbi in ſeine hohe Schul / und lehret ihn / was er zuvor nicht gewuſt / daß nemlich alles / was vom Fleiſch geboren wird / Fleiſch ſeye / Fleiſch und Blut koͤnnen das Himmelreich nicht ererben / es muß eine neue Wiedergebaͤrung und Heiligung des Geiſtes vorgehen; ohn dieſelbe koͤnne niemand das Reich Gottes ſehen: Es hat ſonſt das Wort Fleiſch in heiliger SchrifftA 2vie /4Eingangs -viel und mancherley Bedeutungen / welche alle namhafft zu machen und zu erzehlen unnoͤthig; dißmal ſind allein die jenigen Stellen und Zeug - nuͤſſen fleiſſig zu beobachten / in welchem Fleiſch ſo viel heiſt als die böſe / ſuͤndliche / unartige / verdamte Natur des Menſchen nach dem Fall / bey deren wir drey Stuͤck nach Beſchreibung des heiligen Geiſtes zu bedencken haben / Φύσιν, ἕξιν, κρ〈…〉〈…〉 σιν, das iſt / Die Natur und Vnart des Fleiſches ſelbſt / deroſelben Waͤrung / und die darauff folgende goͤttliche Zorn-Straffe.
Jſt demnach das Fleiſch / davon allhier Chriſtus redet / oder die fleiſchliche Natur des Menſchen / der alte fleiſchliche Adam / davon derGen. 6, 3. Herr klagt: Die Menſchen / ſpricht Er: wollen ſich meinen Geiſt nicht mehr ſtraffen laſſen / dann ſie ſind Fleiſch. 1. Ein todes / ohnmaͤchtiges / krafftloſes Fleiſch; dann was iſt Fleiſch ohne Seel? Ein toder Leichnam / ein Toden-Aaß / das iſt auch Fleiſch ohne Geiſt. Ein ſchwaches Fleiſch / ein kein-nuͤtzes Fleiſch in goͤttlichen Sachen / conſe - quenter ſtaarblind / lahm / taub / ſtumm und breſthafftig / dem das goͤtt -Rom. 3, 23. liche Ebenbild / der Ruhm in Gott mangelt / denn wir ſind allzu - mal Suͤnder / und mangeln des Ruhms / den wir an GOTT2. Cor. 3, 18. haben ſollen / dort aber ſchauen wir alle die Klarheit des HEr - ren / wie in einem Spiegel / mit auffgedecktem Angeſichte / und wir werden verkläret in daſſelbige Bilde / von einer Klarheit zu der andern / als vom HErren / der der Geiſt iſt. Wie wir1. Cor. 15, 49. getragen haben das Bilde des irdiſchen Menſchen; Alſo wer -1. Cor. 2, 14. den wir auch tragen das Bilde des himmliſchen. Da iſt kein Erkaͤntnuͤs der Goͤttlichen Geheimnuͤſſen / kein Beyfall / keine natuͤrlicheLuc. 18, 34. Faͤhigkeit / keine glaubige / zuverſichtliche Benamſung des Herrn Jeſu /1. Cor. 12. 3. denn niemand kan Jeſum einen HErren heiſſen / ohn durch den heiligen Geiſt. Jam ignoti nulla cupido, wo es an der Erkaͤnt - nuͤs eines Dinges mangelt / da iſt kein Sehnen noch Begierd / wo keinMatt. 7, 16. 17. 18. & 20. guter Baum iſt / da ſind auch keine guten Fruͤchte: Kan man auch Trauben leſen von den Dornen / oder Feigen von den Diſteln? Ein ieglicher guter Baum bringet gute Fruͤchte / aber ein fau - ler Baum bringet arge Frůchte; ein guter Baum kan nicht arge Fruͤchte bringen / und ein fauler Baum kan nicht guteFruͤchte5Predigt. Fruͤchte bringen / darumb an den Fruͤchten kan man ihn erken -Ioh. 15, 5. nen; Jch bin der Weinſtock / ſagt der Herr Chriſtus: Wer in mir bleibet / und ich in ihm / der bringet viel Fruͤchte / was nichtRom. 14, v. ult. aus dem Glauben iſt / das iſt Suͤnde; und ohne Glauben iſts unmoͤglich GOTT gefallen; Wer zu GOTT kommenHeb. 11, 6. will / der muß glauben daß er ſey; den Vnreinen / ſagt der Apoſtel:Tit. 1, 15. und Vnglaubigen iſt alles unrein / beyde ihr Sinn und Ge - wiſſen / ſie ſagen ſie erkennen GOTT / aber mit den Wercken verleugnen ſie es.
Die Vnwiedergeborne thun zwar τὰ τοῦ νόμου, was das Geſetz auß - weiſet / aber dieweil es nicht iſt in Gott gethan / nicht aus dem Glauben / aus der Liebe (welche Gottes Gabe iſt) entſpringet / nicht zu Gott und1. Ioh. 4, 7. Gottes Ehr / nicht goͤttlich / nach der Regul des goͤttlichen Wortes gethan / ſo iſts fuͤr Gott nicht wol gethan / iſt kein Gott wolgefaͤlliges Werck: Es iſt kein Gold / ſondern Meſſing: hell Waſſer in einem unſaubern Ge - faͤß / iſt und wird unſauber. Man hoͤre hiervon den Herren ſelbſt reden / Wenn ihr herein kommet / ſpricht Er / zu erſcheinen für mir / werEſa. 1, 12. fordert ſolches von euern Haͤnden / daß ihr auff meinen Vor - hof tretet? bringet nicht mehr Speiß-Opffer ſo vergeblich / das Raͤuchwerck iſt mir ein Greuel; denn wer einen Ochſenc. 66, 3. ſchlachtet / iſt eben als der einen Mann erſchluͤge: Wer ein Schaf opffert / iſt als der einem Hund den Halß breche. Wer Speiß-Opffer bringet / iſt als der Saͤu-Blut opffert. Wer des Weyrauchs gedencket / iſt als der das Vnrecht lobet.
Sonſt iſt das Fleiſch lebend / webend und wuͤrckend gnug zum boͤſen / ſeine Fruͤchte werden der Laͤnge nach erzehlet / daß es ſeyn: Ehebruch /Gal. 5, 19. Hurerey / Vnreinigkeit / Vnzucht / Abgoͤtterey / Zauberey / Feindſchafft / Hader / Neid / Zorn / Zanck / Zwytracht / Rotten / Haß / Neid / Sauffen / Freſſen / und dergleichen. Es iſt tuͤckiſchIer. 17, 9. und liſtig / das fleiſchliche Hertz iſt ein trotzig und verzagt Ding / wer kan es ergruͤnden? Ja es iſt das Fleiſch ein gantz letzer umbge - kehrter Decalogus; ein grober ignorant in goͤttlichen Sachen / und darzu gantz verdroſſen himmliſche Sachen zu verſtehen / lieber gehet es mit Wuͤrffeln / als der Bibel / mit Bretſpiel / als dem Bet-Buch umb. A 3Chriſtus6Eingangs -Chriſtus bezeuget ſolches ſelber / als Er ſeine Juͤnger gefraget / was ſie vonMatt. 16, 17 ſeiner Perſon halten / Simon Petrus aber antwortet: Du biſt Chriſtus des lebendigen Gottes Sohn. Spricht der HErr: Simon / dein Fleiſch und Blut hat dir das nicht offenbaret / ſondern mein Vater im Himmel. Fleiſch oder ein fleiſchlicher Menſch iſt ein SpoͤtterGen. 6, 3. und Richter Gottes vnd ſeines Worts / er will daſſelbige nicht leiden; Die Menſchen wollen ſich den Geiſt Gottes nicht mehr ſtraf -2. Cor. 10, 3 fen laſſen / denn ſie ſeynd Fleiſch. Ein rebell vnd Him̃el-ſtuͤrmender cyclops, der ſich Gott und ſeinem Wort freventlich widerſetzet / und ſpricht:Ier. 44, 16. Nach dem Wort das du im Namen des HErren uns ſageſt / wollen wir nicht thun / ſondeꝛn wollẽ thun nach alle dem Wort / das aus unſerm Munde gehet. Ein Goͤtzen Knecht / Luͤgner / Sabbath -Ezech. 8, 3. & 8. Schaͤnder. Solte der Menſch / wie dort der Prophet Ezechiel / koͤnnen die Wand und Mauren des Hertzens durchgraben / und darinn alle Winckel durchſchauen / O was Greuel! wie viel Goͤtzen! wie ſcheußlich wuͤrde da herfuͤr ſcheinen das groſſe idolum, das da heiſſet Philavtia der Selbſt -Col. 2, 18. Buhl. Es iſt das Fleiſch ein auffgeblaſener / geſchwulſtiger / hoffaͤrtiger Vnflat. Ein Neid-Wurm / Zaͤncker und Staͤncker / Moͤrder und Tod -1. Cor. 3, 3. Gal. 5, 19. ſchlaͤger / ſintemal Eifer / Zanck und Zwietracht unter euch ſind / ſeyd ihr denn nicht fleiſchlich / und wandelt nach menſchlicher Weiſe? Es iſt ein geiles / unzuͤchtiges Fleiſch; ſo bald man es fuͤttert /Rom. 13, 14 2, Pet. 2, 10. & 18. ſo ſchaumet es. Darumb wartet des Leibes alſo / daß er nicht geil werde / allermeiſt aber die / ſo da wandeln nach dem Fleiſche in der unreinen Luſt / denn ſie reden ſtoltze Wort / da nichts iſt / und reitzen durch Vnzucht zur fleiſchlichen Luſt die jenigen / die recht entrunnen waren / und nun in Jrthumb wandeln. Matt. 26, 41Ein faules und traͤges Fleiſch zur Arbeit; Der Geiſt iſt zwar willig / aber das Fleiſch iſt ſchwach: ſchwaͤtz - und tadelhafftig / allen boͤſenIoh. 8, 15. Laſtern und Begierden ergeben: iſt fleiſchlich geſinnet / will mansRom. 8, 5. gleich außfuͤhren aus den verderblichen Egypten / ſo ſehnet es ſich immerRom. 8, 7. wieder nach ſeinen vorigen Fleiſch-Toͤpffen / iſt ein Feind Gottes / widerſtre -Gal. 5, 17. bet ſeinem Willen / Wort und Ordnung; die Quell aller Laſter und Vn -1. Pet. 2, 11. tugend / dadurch das Hertz vergifftet / und zu einem Goͤtzen-Hauß worden /Matt. 15, 18. zu einem Baſilisken-Neſt / zu einer Otter-Mutter / daraus Ottergezuͤchtentſprin -7Predigt. entſpringt / zu einem Huhrhauß / zu einem ſtinckenden offenen Grab / einem* Vide compara - tionẽ ho - minis cum beſtiis in - ſtitutam à Chryſoſt. hom. 23. ad Popul. An - tioch. Baſi - lium ho - mil. 10. in Hexaë - mer. Stall voller wilden / grimmigen / garſtigen * Beſtien / nichts kan ſo ab - ſcheulich erdacht werden / das fleiſchliche Hertz iſt noch abſcheulicher.
Belangend die ἕξιν die Währung des Fleiſches / ſo iſt daſſelbe kein ſolch wandelbar Ding / deſſen man ſich leichtlich entladen / das da kuͤnte irgend in einem Bad außgeſchwitzet / oder mit Feuer außgebrennet werden / ſondern es iſt ein malum neceſſarium, ein nothwendiges / ange - bornes / unwandelbares Vbel / ein unheilſamer Auſſatz / eine Mohren - Schwaͤrtze / die nicht zu weiſſen. Kan auch ein Mohr ſeine Haut wandeln / oder ein Parthel ſeine Flecken? ſo koͤnnet ihr auch guts thun / weil ihr des böſen gewohnet ſeyd / denn da ihr derIer. 13, 23. Suͤnden Knechte waret / waret ihr frey von der Gerechtigkeit. Rom. 6, 20Ε᾽υπερίςατον, das hart anklebt und wie ein Kuͤriß am Leib anliegt / ἀκατά -Hebr. 12, 1 παυςον, ein unruhiges Vbel / das dem Menſchen Tag und Nacht keine Ruhe2. Pet. 2, 14. laͤſt / ſondern im̃er reitzet / locket uñ treibet zum boͤſen / und das gute verleydet. Denn die Leute laſſen ſich die Suͤnde nicht wehren / locken an ſich die leichtfertigen Seelen / haben ein Hertz durchtrieben mit Geitz / verfluchte Leute / verlaſſen den richtigen Weg / und gehen irre.
Zwar durch die heilige Tauff und Wiedergeburt wird die ſchnoͤde Vnart des Fleiſches ſo fern gezaͤhmet vnd gehaͤmmet / daß ſie das Regi - ment und Herrſchafft verlohren / der Wuſt deſſelben wird mit dem Kleid der Gerechtigkeit Jeſu Chriſti bedecket / die Schuld und Straff-Pflicht vergeben / ſo wird und ſoll deſſelben Boßheit durch taͤgliche Toͤdtung des Fleiſches immer ie mehr gebrochen und hindertrieben: Aber die gifftige / boͤſe Natur bleibet noch / quillet noch / auch der wiedergeborne Menſch iſt1. Reg. 21, 25. verkaufft unter die Suͤnde / nicht auff die Art und Weiſe wie Ahab / der ſich ſelbſt muhtwillig unter die Suͤnde verkaufft /〈…〉〈…〉 ſondern / wie Jo - ſeph / der in die Hafft gezwungen worden / Joſeph ward zum KnechtPſ. 105, 17, verkaufft. Es wohnet auch in den wiedergebornen Menſchen die ſuͤnd - liche Vnart / das Hertz iſt ein Neſt der boͤſen Luſt-Seuch / aber der Geiſt Gottes wohnet im Hertzen / als in einem Tempel / der bricht und hindert des Fleiſches Willen. Wie manchmal in einem Hauß ein frommer Mann und boͤſes Weib beyſammen wohnet / aber der Mann laͤſt das Weib nicht Meiſter ſeyn. Das ſtinckende Fleiſch liegt noch da; gleich wie Pharao zwar im rothen Meer erſaͤufft worden / aber der garſtige Leichnam lag nocham8Eingangs -am Vfer / gleich wie ein Dieb / der ihm das Mauſen angewoͤhnet / wann erVide Zei - leri tragi - ſche Ge - ſchichten / p. 185. gleich vom Stricke und Galgen erloͤſet worden / ſo laſſet er doch nicht von ſeiner Diebs-Art ab / inmaſſen hiervon ein denckwuͤrdiges Exempel im Frantzoͤſiſchen Geſchichten / bey Zeilero zu leſen.
Hierauff folget nun Κρίσις meritum & reatus, die wolverdiente Straff-Pflicht / nemlich exilium cœli, es iſt das Fleiſch als ein Ban -1. Cor. 15, 50. dit vom Himmelreich und aller Gemeinſchafft himmliſcher Guͤter außge - ſchloſſen / zum ewigen Tod verurtheilt und verdammet / denn FleiſchGal. 5, 19. & 21. und Blut koͤnnen das Reich Gottes nicht ererben; Offenbar ſeyn die Wercke des Fleiſches / von welchen iſt zuvor geſagt /Rom. 8, 6. daß wer ſolche thut / kan das Reich Gottes nicht erben. Dann fleiſchlich geſinnet ſeyn iſt der Tod / aber geiſtlich geſinnet ſeyn iſt Leben und Friede. Das Fleiſch muß geſaltzen werden / ſonſt blei - bets thumb; Es muß verbrennet werden / entweder durch das heilig-geiſt - liche Opffer-Feuer der taͤglichen Reu / und Toͤdtung deſſelben / oder durchMarc. 9, 49. das unaußloͤſchliche hoͤlliſche Feuer / Es muß alles mit Feuer geſal - tzen werden / der Stab iſt uͤber das Fleiſch gebrochen / crucifige, crucifige, creutzige / creutzige ihn. Gleich wie Chriſtus nach Gottes Rath gecreutziget worden / und des jenigen Laſts / den er als ein bajulant auff ſich ans Creutz genommen / und auff dem Holtzgeopffert / entgelten muͤſſen / alſo iſt er dasGal. 5, 1. Exemplar: So beſtehet nun in der Freyheit / damit uns Chri - ſtus befreyet hat / und laſſet euch nicht wiederumb in das knech - tiſche Joch fangen. Nach demſelben muß unſer alte Menſch wie -Rom. 6, 6. derumb gecreutziget werden / dieweil wir wiſſen / daß unſer alter Menſch ſamt ihm gecreutziget iſt / auff daß der ſuͤndliche Leib auffhoͤre / daß wir hinfort der Suͤnde nicht dienen / nach demGal. 6, 14. Exempel Pauli / welcher ſaget: Es ſey ferne von mir ruͤhmen / denn allein von dem Creutz unſers HErren Jeſu Chriſti / durch wel - chen mir die Welt gecreutziget iſt / und ich der Welt.
Diß iſt alſo die phyſiologia und Beſchreibung des Fleiſches ohne Rhetoriſche exaggeration und weitgeſuchtes Verkuͤnſtlen / iſt die lau - tere / einfaͤltige / in Gottes Wort gegruͤndete Warheit / uñ mangelt noch bey weitem viel. Der ſelbſt Betrug iſt allzugroß; die Boßheit liegt allzutieff / wer kans ergruͤnden? Wo biſtu denn nun / du elender / freyer und frecher Wille /den der9Predigt. den der Pelagianiſche Jrr-Geiſt allzuhoch erhoben? Wir ſind von Natur alleſamt zwar etwas / haben ein natuͤrliches Weſen und Leben / natuͤrlichen freyen Willen zu thun und zu laſſen in euſſerlichen Sitten und burgerli - chen / haͤußlichen Sachen / was recht iſt und dem Goͤttlichen Wort ge - maͤß / da haben wir wiewol ein ſehr geſchwaͤchten freyen Willen / und dem - nach die Wahl des guten und boͤſen: Da David geſuͤndiget hatte / hieß der Herr durch den Propheten Gad ihn erwehlen entweder drey Jahr Theurung / oder drey Monden flucht fuͤr ſeinen Widerſachern und fuͤr1. Chron. 22, 12. & 13. dem Schwert ſeiner Feinde / oder drey Tage das Schwert des Herren / und Peſtilentz im Lande; da erwehlete ihm David / und ſprach: Jch will in die Hand des HErren fallen / denn ſeine Barmhertzigkeit iſt groß; Alſo ſprach auch Petrus zu Anania / da er etwas vom Gelde des Ackers entwendet hatte: Haͤtteſtu ihn doch wol mögen behal -Act. 5, 4. ten / da du ihn hatteſt / und da er verkaufft war / war es auch in deiner Gewalt. Alſo ſagt auch Paulus: So iemand ſich laͤſt1. Cor. 7, 36. 37. 38. duͤncken / es wolle ſich nicht ſchicken mit ſeiner Jungfrauen / weil ſie eben wol mannbar iſt / und es will nicht anders ſeyn / ſo thue er was er will / er ſůndiget nicht / er laſſe ſie freyen. Wenn einer aber ihm feſt fuͤrnimbt / weil er ungezwungen iſt / und ſeinen freyen Willen hat / und beſchleuſt ſolches im Her - tzen / ſeine Jungfrau alſo bleiben zu laſſen / der thut wol. End - lich / welcher verheyrathet / der thut wol / welcher aber nicht verheyrathet / der thut beſſer.
Belangend auch die euſſerliche pædagogi oder Zucht und Hand - Leitung zum guten / kan der Menſch Gottes Wort ſuchen oder begehren: Sihe / es kommet die Zeit / ſpricht der HERR HERR /Amos, 8, 11, 12. daß ich einen Hunger ins Land ſchicken werde / nicht einen Hunger nach Brod / oder Durſt nach Waſſer / ſondern nach dem Wort des HErren zu hoͤren / daß ſie hin und her / von einem Meer zum andern / von Mitternacht gegen Morgen umblauffen / und des HErren Wort ſuchen / und doch nicht finden werden. Von der Koͤnigin aus Arabien leſen wir / da das1. Reg. 10, 1. 2. & 3. Gerichte Salomo von dem Namen des Herren fuͤr ſie kommen / daß ſie kommen gen Jeruſalem mit einem ſehr groſſen Zeug ihn zu verſuchen mit Raͤtzeln; und da ſie zum Koͤnige Salomo hinein kam / ſtehet geſchrie -Sechſter Theil. Bben10Eingangs -ben / redet ſie mit ihm alles / was ſie fuͤrgenommen hatte. Ferner daſſelbeMarc. 6, 20. Wort / wann ers gefunden / kan ers mit Freuden ein - und annehmen: Herodes furchte Johannem / dieweil er wuſte / daß er ein frommer und heiliger Mann war / und gehorchet ihm in vielen Sachen / und hoͤret ihnAct. 13, 7. gerne. Der falſche Prophet / ein Juͤde mit Namen Bar Jehu / in der Statt Paphos / als Barnabas und Saulus allda hinkamen / rieff er ſie zuAct. 24, 24. ſich / und begehrte das Wort Gottes zu hoͤren; Nach etlichen Tagen / nemlich nach der Verhoͤrung des gefangenen Pauli / kam Felix mit ſei - nem Weibe Druſilla / die eine Juͤdin war / und fordert Paulum / und hoͤ - ret ihn von dem Glauben an Chriſto. Dahin gehoͤren alle Anmah - nungen zum euſſerlichen Gehorſam / welche umbſonſt und vergebens we - ren / ſo der Menſch allerdings keinen freyen Willen haͤtte / man vermahnet ja keinen Baum zum Frucht-tragen / noch das Feuer zum brennen: Es gehoͤret hieher alles loben und lohnen / alles ſchelten und ſtraffen; kein Hund wird geſcholten oder belohnet / wann er billet / das iſt alſo ſeine Na - tur: Deßgleichen alle conſilia, deliberationes und Berathſchlagungen; niemand wird begehren im Rath dieſe Frage fuͤrzubringen / ob die Sonn auffſteigen oder niedergehen ſoll? ſie hat ihren unveraͤnderlichẽ natuͤrlichen Lauff / der laſt ſich durch mein berathſchlagen weder foͤrdern noch haͤmmen.
Bißhieher iſt der Menſch etwas durch die Erfchoͤpffung worden / aber nichts iſt er von Natur im geiſtlichen Leben. Er liegt da als dasIoh. 15, 5. Weiſſe und Dotter in der Eyer-Schal / kan ſich ſelbſt nicht gebaͤren / ma -Ioh. 3, 5. chen / bruͤten / außbrechen / ſondern durch den / der ſagt: Ohne mich koͤn - net ihr nichts thun / durch Waſſer und Geiſt muß er wieder geborenLuc. 15, 24. werden; Es muß die geiſtliche Henn durch die Krafft ſeines HeiligenEph. 2, 3. 8. Geiſtes ihn außbruͤten. Vnd welches noch aͤrger iſt / der Menſch vonCol. 2, 13. Art und Natur / vnd folgends boͤſer Gewohnheit und Werck iſt noch nicht ſo gut als ein Kuͤchlin / ſondern er iſt eine feindſelige Kroͤte / gifftige Spinn / unnuͤtze Lauß; ja noch nicht ſo gut als dieſe / dann ſie ſind ſolch Geſchoͤpff / die in ihrer Ordnung geblieben / ihr Gifft iſt Gottes Creatur / ſie haben ſich an Gott nicht verſuͤndiget: aber der Menſch iſt durch die Suͤnde dermaſſen zugerichtet / daß er ein Feind Gottes worden von Na - tur / und welches das alleraͤrgeſte iſt / ſo mangelts ihm am γνῶϑι σεαυτὸν, er kennet ſich ſelbſt nicht / er weis und glaubet es nicht / daß es ſo uͤbel mitPſal. 39, 6. & 12. ihm ſtehe / er ſteckt im Selbſt-Betrug biß uͤber die Ohren. Ach wie ſo gar nichts ſind doch alle Menſchen. Er iſt tod in Suͤnden / ſoll er lebendig werden / ſo muß der Herr ſagen: puella ſurge, ſtehe auff vomSchlaff11Predigt. Schlaff der Suͤnden und aller Vngerechtigkeit: Er iſt blind in geiſtlichen Sachen; dann der natuͤrliche Menſch vernimmet nichts vom1. Cor. 2, 14. Geiſt Gottes / es iſt ihm eine Thorheit / und kan es nicht erken - nen / wañ er wird von geiſtlichen Sachen gefraget. Er iſt gebuͤcket zur Erden und geneiget zu lauter irrdiſchen Sachen / wie jenes Weib / das einen Geiſt der Kranckheit hatte achtzehen Jahr / und war krumm / daßLuc. 13, 11. ſie nicht wol auffſchen konte / ſoll ſie ſich auffrichten / ſo muß der Herr auffloͤſen. Er hat ein ſteinern unbeweglich Hertz / darein man nichts ſchreiben oder bilden kan / iſt gleich jener Hebreiſchen Niobe des LothsGen. 19, 26. Weib / ſo in eine Saltz-Seul verwandelt worden / ſoll ein fleiſchernes HertzPlin. l. 36. 7. quæ quo - tidiano ſo - lis radio tacta cre - pat. daraus werden / ſoll er reden / ſo muß er gleich der Memnons-Seul von der himmliſchen Sonn angeleuchtet werden.
Er iſt ein arger Baum / der keine gute Fruͤchte bringen kan / er iſt gleich dem verdorreten und verfluchten Feigen-Baum / welcher verdorret war biß auff die Wurtzel / ſoll er Fruͤchte tragen / ſo muß er in den Baum desMarc. 11, 20. Lebens / in den ſafftigen Oel-Baum Chriſtum eingepfropffet werden. Eine verwelckte / abgeſchmackte Blum / ſo die liebliche Paradeiß-Farb und Geruch verlohren / ſoll dieſelbe gruͤnen / muß es durch ein Goͤttlich miracul geſchehen / wie geſchehen an dem duͤrren Stab Aarons. Thut ein ſolcherNum. 17, 8. Menſch was dem Geſetz euſſerlich gemaͤß / ſo iſts doch noch lang kein Gott wolgefaͤlliges Werck / ſondern nur ein Bild eines rechten / lebendigen / glaubreichen / Chriſtlichen Wercks / ein gemaltes Werck / ein Affen-Sp[i]el / es fleuſt nicht aus Gott in Gott / und iſt nicht in Gott und Goͤttlich gethan. Dann was nicht aus Glauben geſchicht / das iſt fuͤrRom. 14, 23, Gott Suͤnde und Greuel / ohne wahren Glauben iſt GottHebr. 11, 6. unmoͤglich zu gefallen. Ein Vater hat kein Belieben an einem toden Kinde / ſondern wann es leibet und lebet / fuͤr ihm lieblich ſpielet: ein Co - mœdien-Spiel iſt ſo angenem nicht / als eine froͤliche Hiſtorie ſelbſt / die - ſelbe zu genieſſen / und ſich damit zu beluſtigen: Die Stimm eines toden / lebloſen Seiten-Spiels / vorab wann kein ſonderbarer Geiſt in demſelben erſcheinet / iſt bey weitem ſo angenehm nicht / als eine liebliche Jungfraͤu - liche Menſchen-Stimm / nichts / pfleget man zu ſagen / iſt uͤber eine Men - ſchen-Stimm. Vnd ob ſchon eine Metz / daran ſich ein Ehemann ver - ſehen und verhuret / ſchoͤn von Geſtalt / artig von Sitten und Gebaͤrden / anmuthig von Lippen und Reden / ſo hat doch die Ehefrau ein Greuel ab derſelben / ſie moͤchte dieſelbe verſpeyen / mag ſie nicht fuͤr Augenſehen: Vr - ſach / die Perſon iſt nicht verſoͤhnet und angenehm. Solche BeſchaffenheitB 2hat es12Eingangs -hat es mit allen Wiedergebornen / und derſelben ſchein-guten Wercken fuͤr Gottes Angeſicht; Dem Allerhoͤheſten iſt zuwider liebloſer Glaube / glaub - loſe blinde Liebe / ohndaͤchtiges Gebet / Ampts-Gaben ohne die Furcht Got - tes / Cantzel-Comœdianterey und pralen der Gaben / die groſſe miracul derMatt. 7, 21. Wunder-Maͤnner / die da ſagen: Herr / Herr! und thun doch denPhil. 3, 8. Willen nicht des himmliſchen Vaters. St. Paulus nennet ſeine vorige / Phariſeiſche Geſetz-Gerechtigkeit σκύβαλον, Koth und Vnluſt. Die heidniſche / unwiedergeborne Lucretia hat den Namen bey den Roͤmern gehabt der Keuſchheit / die wiedergeborne / Juͤdiſche Suſanna hat auch denſelben Ruhm erhalten: aber jenes war ein Affen - und gebildete Keuſchheit: dieſe war das Weſen und Leben der Keuſchheit ſelbſt. Jener Selbſt-Mord kam aus Schand-Flucht und Ehr-Sucht: Were dieſe / wie verdammet / alſo auch hingerichtet worden / ſo were es ein edele Maͤrtyrer - Tugend geweſen.
Dieſes iſt alſo die Lehre vom freyen Willen; ob und was er vermag / wie weit er ſich erſtrecke / und laut demnach unſer Glaube: Jch weiß zwar / daß ich in euſſerlichen / weltlichen / buͤrgerlichen / ſittlichen / haͤußlichen Sa - chen / und alſo in dem untern refier der menſchlichen Haͤndel und Ge - ſchaͤfft einen noch uͤbrigen / wiewol ſehr geſchwaͤchten und verfinſterten freyen Willen / freye Willkuͤhr / freye Wahl habe zu thun und zu laſſen das euſſerliche gute und boͤſe. Aber ich glaub darneben / daß ich aus eigener Vernunfft noch Krafft nicht glauben / noch zu Jeſu Chriſto meinem Herren kommen / ſondern der Heilige Geiſt / ꝛc.
Hæc regia via! das iſt abermal der Mittel-Weg zwiſchen zwey ge - faͤhrlichen Jrr-Wegen / dort des ſtoltzen / phariſeiſchen / paͤpſtiſchen Jrr - wiſch / der die Kraͤfften von freyem Willen allzuhoch erhebt / halt zwar da - fuͤr / daß ohn die erleuchtende / vorkommende / auffweckende / goͤttliche Gnad der Menſch ſich ſelbſt zu bekehren / zum Glauben und Himmelreich zu helffen nicht vermag / aber die Krafft in actu primo, die wohne dem Men - ſchen noch bey / die werde durch die auffweckende Gnad wuͤrcklich gemacht; gleich wie der Menſch von Natur hat die Krafft und Macht etwas zuIerem. 38, 12. 13. ſehen / ſoll er aber wuͤrcklich ſehen / ſo gehoͤret ein Liecht dazu: Jeremias habe zwar nicht koͤnnen aus ſeiner Gruben ſelbſt herauff ſteigen / aber da ihm Ebedmelech das Seil gereichet / ſo hab er ſelbſt mitgewuͤrcket / und ihmAct. 12, 7. & ſeqq. heraus geholffen: Petrus im Geſaͤngnuͤs habe zwar wuͤrcklich nicht koͤn - nen heraus gehen / aber er hab doch die natuͤrliche Krafft behalten heraus zu gehen / alsbald der Engel ihn an die Seite geſchlagen / daß er von den Ketten loß worden / ſo ſeye dieſelbe Krafft wuͤrcklich gemacht worden / undiſt alſo13Predigt. iſt alſo der paͤpſtiſche Glaube dieſer: Jch glaube an den heiligen Geiſt / als einen halb-wuͤrckenden / halb-lebendigmachenden Geiſt: Jch glaube / daß ich aus eigener Vernunfft uñ Krafft / mir gelaſſen / gute Gott-wolgefaͤl - lige / ruͤhmliche Werck thun / dazu bedarff ich keines heiligen Geiſtes nicht / neben der fuͤrgehenden Gnad des heiligen Geiſtes an Jeſum Chriſtum glauben / der heilige Geiſt hat mich zwar beruffen / aber ich hab mitgewuͤr - cket / ich habe das meine darzu gethan / mein Glaube / ſo fern er menſch - lich iſt / iſt er ein Werck meines freyen Willens / ſo fern er ein Werck der Gnadẽ Gottes / ſo geſchiehet alles zu groͤſſerer Ehre Gottes / das iſt / meiner Ehr. Jſt eine falſche Lehr / deren die H. Schrifft widerſpricht / ſo offt ſieden Menſchen nach dem Fall beſchreibt / als einen geiſtlich-toden Menſchen /Luc. 15, 24. dieſer mein Sohn / ſagt ſie / war tod / und iſt wie der lebendig worden / er war verlohren / und iſt funden worden. Vnd auchEph. 2, 1. & 3. euch / die ihr tod waret / durch Vbertretung und Suͤnde / unter welchen wiꝛ auch alle weiland unſern Wandel gehabt haben in den Lůſten unſers Fleiſches / und thaten den Willen des Flei - ſches / und der Vernunfft / und waren auch Kinder des Zorns von Natur / gleich wie auch die andern. Gott hat euch mitCol. 2, 13. Chriſto lebendig gemacht / da ihr tod waret in den Suͤnden / und in der Vorhaut euers Fleiſches / ſolte ein ſo gethane tode Menſch lebẽ / ſo muß Chriſtus ſagẽ: Puella ſurge, Toder / ich ſage dir / ſtehe auff
Hier der Zwingliſche Jrrgeiſt / derſelb untertruckt den freyen Willen auch in weltlichen / ſittlichen / haͤußlichen / natuͤrlichen Sachen / kompt mit dem Stoiſchen / fataliſchen / vorzielenden / vorruͤhrenden / und un - vermeidlichen / unwiderſtreblichen Noth-Zwang auffgezogen. Stuͤnde es bey Calvino (was Lutherus de ſervo Arbitrio geſchrieben / iſt kein Glaubens-Articul / bekennen gern / daß er in gewiſſen phraſibus zu weit gangen / jaber hernach wie Auguſtinus retractirt. ) wuͤrde er auch den Namen liberi arbitrii aus der Kirch anßmuſtern / er uͤberlaſſet dem Men - ſchen mehr nicht / als einem thummen / unvernuͤnfftigen Viehe / welches was es thut / das thut es ſpontè aus Trieb ſeiner Natur / ohne gewaltſa - men Noth-Zwang / aber alle Willkuͤhr und freye Wahl iſt demſelben be - nommen. Maccovius ſchreibet / es ſeye falſch und erlogen / daß der MenſchVid. hodo - mor. Calv. p. 1055. einen freyen Willen habe gutes zu erwehlen / es ſeye Gottes Vorſchung zuwider; Denn / ſpricht er: Abſolon wehlete auch zwiſchen dem Raht2. Sam. 17, 5. & ſeqq. Achitophel und Chuſai / von welchen zu leſen 2. Sam. 17. Doch weilB 3Gottes14Eingangs -Gottes Fuͤrſehung das Werck regierte / muſte er nothwendig Huſai Rath dem Rath Ahitophels fuͤrziehen / in Betrachtung daß es ihm zu ſei -Ibidem. nem Verderben geriethe. Jtem / es ſeye auch dieſes falſch / daß wer Macht hat etwas zu thun oder zu laſſen / der koͤñe auch daſſelbe thun oder laſſen; be -Ioh. 19, 10. weiſet ſolches mit Pilato / welcher zwar Amptswegẽ Macht hatte Chriſtum loß zu laſſen / doch kunte er daſſelbe nicht thun / weil es dem ewigen Rath -Vide hod. Calv. pag. 1056. Pfaͤl - tziſch An - hang p. 68. Schluß zuwider war. Dieſe beyde Punctẽ de ſervo arbitrio uñ vom freyẽ / ledigen / unveraͤnderlichen Willen oder Rath-Schluß Gottes hangen alſo an einander / daß keiner ohn den andern koͤnne recht oder falſch ſeyn. Kom̃t alles her aus dem abſoluto decreto, als ob vi decreti, in Krafft deſſelben ſchrecklichen / unwidertrreiblichen Decrets die Außerwehlten nothwendig glauben und gutes thun muͤſſen / der Verworffene nothwendig ſich wider - ſetzen muͤſte / und laut demnach der Calviniſche Glaube alſo: Jch glaube / daß ich nicht nur aus eigner Bernunfft und Krafft zu Chriſto nicht kom - men kan / ſondern daß ich allerdings auch in euſſerlichen / natuͤrlichen / ſittlichen / haͤußlichen / buͤrgerlichen Sachen / allerdings keine Willkuͤhr / Wahl und freyen Willen hab / ſondern was ich thue / gutes oder boͤſes / das thue ich alles genoͤthiget durch den vorzielenden Rath-Schluß Got - tes. Welche eine ſolche Lehre iſt / ſo Gottes Wort / der geſunden Vernunfft und Erfahrenheit ſchnur-ſtracks engegen und zuwider.
Hier nun Augen / Hertzen und Ohren auff! auff! wie Lydia die Purpur-Kraͤmerin. Gott hat uns die Augen auffgethan / wir ſollen nicht ſchlieſſen / nicht blintzlen / ſondern das noſce te ipſum die Selbſt Spur und Selbſt-Kundſchafft wol uͤben lernen / ignoti nulla cupido, daran mangelts am meiſten der gott - und geiſtloſen Welt / der Welt-Geiſt kan Gottes Geiſt nicht empfangen / weil niemand ſich ſelbſt kennen will / ſo achtet man auch der Suͤſſigkeit der Gnaden des Heiligen Geiſtes nicht / ja man darff wol aus dieſer Lehre Gifft ſaugen / und ſagen: Wer wolt nicht gerne Lutheriſch ſeyn / da bedarffs keiner guten Werck / der Menſch hat keinen freyen Willen. Zwar war iſt es: hypocriſis taug nicht / Gleiß - ners Werck Gott hoch verdammt! Vnter des aber verdammt Gott noch hoͤher die Gottloſigkeit / non eſt è calcariâ ad carbonariam migrandum. Du kanſt nicht mit der Gnade mitwuͤrckẽ / aber du kanſt derſelben boßhaff - tig widerſtreben: Widerſtrebeſtu nicht / ſo wird der Geiſt Gottes dich trei - ben zu allem guten / ſein Wort wird Krafft haben. Eben in dem ein Ladung -Matt. 11, 28. Wort wann er ſaget: Kom̃et her zu Chriſto alle die ihr muͤheſelig und beladen ſeyd / wircket ſchon die bewegende Krafft. Widerſtrebeſtuaber /15Predigt. aber / ſo kommeſtu unter die Rott der rohen Burſt / daruͤber der Herr klagt: Die Menſchen wollen ſich meinen Geiſt nicht ſtraffenGen. 6, 3. laſſen / worauff Gottes Zorn und Straffe folgen muß.
So offt wir zu Hauß / auff dem Felde und Fuhrwerck / im Huͤner-Stall die jungen Kuͤchelein an ſehen / ſonderlich Maͤgde und Dienſt-Botten / ſo mit Huͤnern / Huͤnlein und Eyern taͤglich umbgehen / ſolten dieſe Exempel laſſen ihre Lehrmeiſter ſeyn / uñ dabey ihrer Nichtig - und Vnvermoͤglichkeit ſich eriñern / ſeuffzen und ſagẽ mit der Jungfrauen Maria aus ihrẽ Magni -Luc. 1, 47. & ſeqq. ficat vnd in demſelben Demuth und Danck lernẽ: Meine Seel erhebt den HErren mein / mein Geiſt thut ſich erſpringen / in dem der ſoll mein Heiland ſeyn / mich ſchlechte Mäyd / auch Nichtigkeit / allein hat angeſehen / in mir vollbracht / ſein Göttlich Macht / all Gſchlecht mir Lob verjaͤhen. Sein Nam der iſt allein be - reit / und thut all Welt ergoͤtzen / die ſich in ſein Barmhertzig - keit / mit Furcht allzeit thun ſetzen. Dann ſein Gewalt / von an - der ſpalt / ſo er ſein Arm thut regen / was Hoffart treibt / kein Gwalt auch bleibt / vom Stul thut ers bewegen. Was De - muth / Gdult und Hunger hat / die will er gaͤntzlich ſpeiſen / hoch ſetzen ſie und machen ſatt / damit ſein Gwalt beweiſen. Die Reichen ſchon / laͤſt leer hingohn / thut ſie in Trauren ſetzen / doch was arm iſt / dem hie gebriſt / will er mit Freud ergoͤtzen.
Anders als jene ſtoltze Jeſabel / die gottloſe / abgoͤttiſche / ſchnoͤde Koͤ -2. Reg. 9, 30. & ſeqq. nigin in Jſrael / als der Held Jehu / der goͤttlichen Juſtitiæ executor und Scharff-Richter / allbereit ihren Sohn den Koͤnig Joram tod geſchoſſen / und gen[Jſrael] gezogen / gleiche Rach an dem Hauſe Ahab zu uͤben auff Goͤttlichen Befehl / ſie tanquam re præclarè geſtâ, als wenn ſie es gar wol außgerichtet / ihr Angeſich geſchmincket / und ihr Haupt geſchmuͤ - cket / und frech zum Fenſter hinaus gegucket. Wer war Jeſabel? Was hatte ſie fuͤr Vrſach ſich zu ſchmincken? Jehu viſirt ihr das Wappen / und faſt ihr Articul in zwey Puncten zuſammen: Deiner Mut - ter Jeſabel Hurerey und Zauberey wird nur groͤſſer. Sie war eine geiſt - liche Hur / eine Goͤtzen-Dienerin / eine abgoͤttiſche Heydin von Sidoniâ, Koͤnig Ethbaals Tochter / Ahabs Gemahl / nicht nur dieſer / ſondern auch venefica, eine Zauberin / gleich wie ihre Baſe Dido den Æneam ſoll mit einem philtro verzaubert haben / daß er ſie maͤchtig liebgewon -16Eingangs -gewonnen: Alſo hat ſie auch geiſtlicher weiſe das Hertz Ahabs verzaubert mit dem philtro ihrer glatten Wort / daß er aus unzeitiger Weiber-Lieb / als Siemann nicht nur neue und frembde Baals-Abgoͤtterey uͤber die Jerobeamiſche geſtifftet / dem Baal Berg und Waͤld geweyhet / Tempel und Altar gebauet / Pfaffen mit Pfruͤnden verſehen und verpflegt / die Propheten des Herren verfolgt / und greuliche Moͤrderey veruͤbet. Noch gleichwol / da die juſtitia erſcheinet / deren ſie ſordidata als eine ma - leficantin ſolte begegnet ſeyn / ſo butzet ſie ſich heraus / ſchmincket ſich / und ſihet Jehu unter die Augen / vermeynet ihm mit ihrer ſchoͤnen Geſtalt und außpolierten Huren-Spiegel das Hertz zu nehmen / daß er den gefaſten Zorn-Eifer fallen / daß er ſie ſeines Frauen-Zimmers und ſeiner Liebe wuͤrdigen / ſo wuſte war ſeyn / was jener Heyd Carneades geſagt / pulchri - tudinem eſſe ἀδορηφορητον βασιλεῖον, Schoͤne der Weiber bedarff ke[i]ner Leib-quardi, regnum ſine ſatellitio, ſie gedachte / er wuͤrde als ein Caval - lier nicht ſo barbariſch mit ihr handeln.
Solch Jeſabels-Spiel ſpielet die Welt noch mit Gott im Him - mel / der Menſch will ſich immer beſchoͤnen / entſchuldigen / ſelbſt frommLuc. 18, 11. & 12. machen / wie der Phariſeer. Die ſchnoͤde Heucheley laͤſt ſich beduͤncken / ſie ſey from̃ und heilig genug / wann man nicht fluche / ſchwehre / ſtaͤle / laͤſteꝛe / hure und euſſerliche gute Werck thue / das iſt aller ignoranten Meynung. Prov. 30, 12.Er iſt eine Art die ſich rein duͤncket / und iſt doch von ihrem Kot nicht gewaſchen / ſpricht Salomon: Das iſt die eigentliche / innerliche Hertzens Abgoͤtterey / der heimliche Goͤtz / der im Hertzen ſitzet: Wiltu Chriſti Juͤnger ſeyn / ſo muſtu dich ſelbſt verlaͤugnẽ / das iſt / dich gar fuͤꝛ nichts achtẽ und halten / alſo / wenn gleich du ſelbſt oder ein ander dir ein paar Ohren anſetzet / und ein paar Schellen anhaͤnget / uñ ſagt: Ey du biſt gleichwol ein feiner Menſch / du biſt gleichwol weiſe / klug / verſtaͤndig / reich / ſchoͤn / herrlich / in groſſen Ehrẽ: Ach ſo huͤte dich / daß du fuͤr dieſem Goͤtzen nicht niederfaͤl - leſt / und ihn anbeteſt / ſagend / ſihe das iſt das guͤldene Kalb / ſondern ſprich: Jch bin nichts. Das heiſt ſich ſelbſt verlaͤugnen / ich bin lauter nichts / Gott iſts allein. Gedenck an den 39. Pſalm / Wie gar nichts ſind alle Menſchen / die ſo ſicher leben / ſie ſind wie ein Schatte. Was iſt ein Schatte? Nichts iſt er / Jer. 9. Ein Weiſer ruͤhme ſich nicht / ꝛc. Pſal. 62. Homo vanitate vanior, ſie wegen weniger denn nichts / ſo viel ihr ſeyn. Ein Menſch / er ſey ſo groß als er wolle / ſo iſt er nicht allein nichts / ſondern er iſt weniger denn nichts / ſagt der Pſalm: Ja das noch weniger iſt / univerſa vanitas om nis homo. Pſal. 144. Wenn alleNichtig -17Predigt. Nichtigkeit in der gantzen Welt auff einem Hauffen lege / ſo iſt der Menſch unter aller Nichtigkeit das nichtigſte / ſihe / das heiſſet ſich ſelbſt verlaͤugnen / thuſtu das nicht / ſo biſtu Chriſti Juͤnger nicht: Das heiſſet abſagen allem dem / das er hat / Gal. 6. Wer ſich läſſet duͤncken / er ſey etwas / da er doch nichts iſt / der betreuget ſich ſelbſt. Ach Gott / wenn werden wir das lernen / wenn werden wir anfahen rechte Juͤnger Chriſti zu ſeyn / wenn werden wir doch lernen in unſern Hertzen nichts ſeyn / auff daß Gott etwas aus uns mache.
O wie weit gefehlet / wie nichts / wie blind ſind doch alle Men - ſchen / es gehoͤret ein anderer Schmuck dazu / gloria filiæ Regis ab intus, gratia gallinaris, die lebendigmachende / wiedergebaͤrende / gerecht - und heiligmachende / einwohnende / leuchtende / ſtaͤrckende Zeug - und Troſt - Gnad / dadurch das Kuͤchelein lebendig und flick gemacht wird. Wie Gott der Herr den Anblick unſerer ſuͤndlichen Natur uns fuͤr Augen legt / ſo muͤſſen wir (wollen wir anders geneſen) denſelben ihm hinwie - derumb fuͤr Augen legen. Wir leſen von dem armen / lahmen Mann /Actor. 3, 2. & 8. den St. Petrus wiederumb geſund gemacht und auffgerichtet / daß er ſich fuͤr die ſchoͤne Thuͤr des Tempels geleget / und ſeinen Schaden maͤnniglich entdecket / und fuͤr Augen geleget / auff daß / wer in den Tempel gehet / und Gottes Barmhertzigkeit zu erlangen begehret / auch ſeiner ſich erbarme / und ein Allmoſen mittheile: Alſo wer heil will ſeyn von ſeinem argen / unartigen / verdammten Fleiſch / der muß daſſelbe Gott im Himmel fuͤr Augen legen / den Greuel ſeiner boͤſen Natur erkennen / bekennen / bereuen / das Fleiſch nicht mit der Hundes-Zung lecken / ſondern auß - ſpeyen und vermaledeyen / Gott im Himmel umb ſein Goͤttliches Allmoſen anſprechen / das iſt / umb die kraͤfftige Gnad des Heiligen Gei - ſtes: ſprechen mit der alten Kirchen: Lehre mich thun nach deinemPſ. 143, 10. & 11. Wolgefallen / dein guter Geiſt fuͤhre mich auff ebener Bahn / HERR erquicke mich / mit der Kirchen des neuen Teſtaments das Veni ſancte taͤglich anſtimmen. Ach mein Gott / ich lege dir die euſſerſte Verderbung meiner argen Natur fuͤr Augen / daß ich leider in Grund und Boden zu allem guten verdorben / all mein dichten und trachten nur boͤß iſt von Jugend auff / auch das gute / das ich gedencke zu vollbringen / iſt alles mit der Erb-Suͤnd vergifftet. Jch bitte dich umb deinen H. Geiſt / ohn welchen ich nichts guts vermag / dir auch nichts gefaͤllig iſt / als was von demſelben lebet und herkommet / daß er mich wolle heiligen gantz durch und durch / Leib und Seel ꝛc.
Sechſter Theil. CSo18Die ErſteSo wenig ein Vater ſeinem Kind / wann es ihn umb ein StuͤckLuc. 11, 11. Brod anſpricht / daſſelbe abſchlagen kan / ſo wenig wird er auch einem ſolchen Geiſt-begierigen verſagen die kraͤfftige / ſelig-lebendig - und heilig -Pſal. 34, 7. machende Gnad des Heiligen Geiſtes. Da dieſer Elende rieff / hoͤrets der HErr / und halff ihm aus allen ſeinen Nöthen / ipſe pauper clamavit, dieſer Arme. David ſaget nicht / da dieſer gerechter und groſſer Heilige rieff / ſondern dieſer Elende / auff daß wir nicht we - gen der Vnwuͤrdigkeit kleinmuͤthig werden. Es iſt aber hierbey zu lernen die geiſtliche Armuth des Hertzens / Matth. 5. ſpricht unſer lieber Herr: Selig ſeynd / die geiſtlich arm ſind / das Himmelreich iſt ihr / iſt aber das gantze Himmelreich ihr / ſo iſt auch die Gnade des Heiligen Geiſtes ihr. Auff daß wir gleichſam flick werden / trachten nach dem / was droben iſt / und den froͤlichen Flug und Zug thun moͤgen in ſeinen himm - liſchen Freuden-Saal.
Vber den dritten Articul / Von dem menſchlichen Elend / ſo des Heiligen Geiſtes Krafft beduͤrfftig.
GEliebte in Chriſto: Du ſprichſt: Jch bin reich / und habe gar ſatt / und darff nichts / und weiſſeſt nicht / daß du biſt elend und jämmerlich / arm / blind und bloß: Jch rathe dir / daß du Gold von mir kauf - feſt / das mit Feuer durchlaͤutert iſt / und du reich werdeſt / und weiſſe Kleider / daß du dich anthuſt / und nicht offenbar werde die Schande deiner Blöſſe / und ſalbe deine Augen mit Augen-Salbe / daß du ſehen moͤgeſt. Sind harte und ſcharffe Verweiß-Worte des treuen und warhafftigen Zeugen Jeſu Chriſti an den Engel der Gemeine zu Laodicea, und durch denſelben dergantzen19Predigt. gantzen Gemein / in welchen er ſchilt und ſtrafft / 1. Jactantiam, Die Ruhmredigkeit; Du ſprichſt ꝛc. Wiewol auch ſie ſich moͤgen geruͤhmet haben ihrer guten Nahrung / wolgelegenen Ort und Ein - kommen / ſo ſie gehabt von der koͤſtlichen Woll und Schaͤferey / wie davon Strabo bezeuget / iedoch verſtehet er fuͤrnemlich die geiſtliche GnuͤgſamkeitStrabo. l. 12. und Vberfluß / und daher erwachſenden Eckel / wie auch heut zu Tag man ſich ruͤhmet des Evangelii / der groͤſſern Menge der Predigten / da iſt man ſo ſatt / wie die Jſraeliten des Manna.
2. Jactantiæ vanitatem, des Ruhms Eitelkeit; Wann mans beym Liecht beſihet / ſo ſeye es ein ſtinckender Pracht / und armer Leute Hoffart / der in Spittal gehoͤret; Es ſeye nichts darhinder / es ſey lauter Heucheley / wie groß die euſſerliche Gnade von Gott / ſo groß ſeye die Vn - danckbarkeit / in der Warheit ſeyen ſie elend und jaͤmmerlich / in ſpecie arm / blind und bloß: arm von Glauben / der durchs Feuer probirt / und deſſen freygebigen Liebes-Fruͤchten: blind vom Liecht der gnugſa - men Erkaͤntnuͤß / als die den Weg der Seligkeit nicht recht und gnugſam verſtehen: bloß von dem weiſſen Ehren-Kleid der Gerechtigkeit Jeſu Chriſti.
3. Vanitatis cauſam, die Vrſach der Eitelkeit / nemlich die Vn - wiſſenheit; Sie wiſſens nicht / daß ſie ſo elend ſeyn / oder Muthwillens wollen ſie nicht wiſſen; mit einem Krancken / der die Kranckheit empfindet / ſtehet es noch wol / wann ers aber nicht empfindet / ſondern noch darzu will geſund ſeyn / ſo iſt es deſperat: Ein Student oder Seuch-Gelehrte / der groſſe Einbildung hat / wie gelehrt er ſey / der kommet nimmer zur rech - ten voͤlligen Wiſſenſchafft / ſondern ſeine Einbildungen ſind Daͤmpffe / die in der Lufft verſchwinden; Alſo auch hier; Weret ihr blind / ſaget derIoh. 9, 41. Herr Chriſtus zu den Juden / ſo haͤttet ihr keine Suͤnde / nun ihr aber ſprecht: Wir ſind ſehend / bleibet eure Suͤnde.
4. Endlich wird ihnen gezeiget Remedium, eine Artzney wider die Kranckheit / aus dem treuhertzigen Rath Chriſti: Jch rathe dir / als der treue und warhafftige Zeuge / daß du von mir kauffeſt / was? Gold wider die Armuth / ſo durchs Feuer gelaͤutert / das die Prob haͤlt / den wahren Glauben wider alle Jrrthumb / der da beſtehet wider alle Verfolgungen; die Augen-Salb wider die Blindheit / das noſſe te recht zu verſtehen / das iſt das edle Liecht des Worts Gotttes / welchesC 2vnſere20Die Erſteunſere Augen liecht machet; und dann weiſſe Kleider / damit deine Suͤnden-Schand zu bedecken. Er will ſagen: Jhr habt zu Laodicea gute weiche ſchwartze Woll / wie Raben ſo ſchwartz / wie Strabo bezeuget / aber das gibt euch nur von auſſen warm. Es iſt euch ein ander Seelen-KleidEſa. 61, 10. und Zierat von noͤthen / die Kleider des Heils und Rock der Gerechtigkeit /Gal. 3, 27. und das alles / ſagt er / kauffet von mir. Wie kauffen? Kan man dannEſa. 55. 1. die Gaben des Heiligen Geiſtes mit Gelde kauffen? Ach nicht umb Geld; nicht durch unſer Verdienſt / prompta munifica ac prolixa natura eſtGreg. Na - zianz o - rat. in S. Baptiſm. Deus, jucundius dat, quàm alii accipiunt, ſitit ſitiri, ſagt Gregorius Na - zianzenus; Gott iſt eine freywillige / freygebige und weitlangende Na - tur / Er gibt viel lieber als andere nehmen / es duͤrſtet ihn gleichſam nach unſerm Durſt / Er will / daß wir nach ihm Verlangen haben ſollen: ſon - dern das Geld iſt das Rantzion-Blut Chriſti; wir kauffen nicht aus un -Ambroſ. l. de Ioſeph. c. 7. ſerm / ſondern Chriſti Seckel / wie es Ambroſius erklaͤret / ſintemal der jenige kein Geld von uns begehret / der ſelbſt fuͤr uns ſein eigen Blut zur Rantzion und Loͤſe-Geld gezahlet; das muͤſſen wir erlangen precatu, durch bitten und flehen / cùm à Deo beneficium petitur, beneficio ſe affici pu - tat, ſagt abermal Gregor. Nazianz. Wenn wir Gott umb eine Wol - that bitten / ſo nimmet er es fuͤr eine Wolthat an; Gott befiehlet uns das jenige / ſo wir nicht koͤnnen / auff daß wir erkennen und wiſſen moͤgen / wasAuguſt. de grat: & l. arb. c. 16. wir von ihm bitten ſollen / ſchreibt Auguſtinus.
Zu welchem Ende wir uns auch bey Zeiten als die klugen Jungfrauen einſtellen / in der geiſtlichen tabernâ und Gaden zu kauffen / was uns noͤthig / Gold / Augen-Salb und Kleider / und daſſelbe von dem Geiſt aller Gnaden: Wir wollen ſitzen zu Jeruſalem / biß wir angezogenLuc. 24, 49. werden von der Krafft aus der Hoͤhe / mit de Gold des Glaubens ꝛc. Geben uns an als arme Bettler mit unſer armen Bettlers-Hand das Goͤttliche Allmoſen zu empfahen / und demnach zuvorderſt das γνῶϑισεαυτὸν practi - cum, die rechte geiſtliche Augenſalbe / daß wir unſer Elend und Duͤrfftigkeit recht moͤgen erkennen; Alle Gaben werden hoch gehalten / wann man der -Prov. 27, 7. Luc. 15, 16. & 17. ſelben Mangel hat. Eine volle Seele vertritt auch Honig: Alsdann erkennet der verlohrne Sohn / was er in ſeines Vaters Hauſe gehabt / da er der Schweine gehuͤtet: Alſo wird die Gabe des Heiligen Geiſtes nicht erkennet / ohne wenn die Noth da iſt / und man derſelben Mangel hat / und haben wird in Ewigkeit / wann die Verdammten heu - len werden uͤber den Verluſt des Himmel-Brods und der Troſt-Quellen des Heiligen Geiſtes. Der Heilige Geiſt wolle ims allen beywoh -nen /21Predigt. nen / daß wir vor dieſes mal unſere Duͤrfftigkeit und Mangel recht lernen erkennen / ſeine edle Gabe und Geſchenck hoch halten / und deſſelben faͤhig werden moͤgen / Amen.
WAs iſt dañ ein Menſch / ihm gelaſſen von Natur ohne den H. Geiſt? und warum̃ hat er ſolcher theuren Gab des H. Geiſtes und ſeiner Gnaden-Schaͤtz ſo hoch von noͤthen? Wir duͤrffen nicht weit gehen / unſer dritter Articul gibts uns von Stuͤck zu Stuͤck an die Hand / dann in dem wir bekennen 1. Spiritum vivificantem, den lebendigmachenden Geiſt / ſo ver - rathen wir uns ſelbſt / was der Menſch aus und von ſich ſelbſt ſeye: Ein Gott-Geiſt - und Lebloſer Menſch / ohne Gott / ohne Geiſt / ohne Leben / das aus Gott iſt: lebendig zwar und kraͤfftig gnug und allzuviel inEph. 2, 12. der Boßheit; auff die Art und Weiſe / wie auch ein toder cadaver einen Ge - ſtanck von ſich gibt / Wuͤrme gebaͤret / und ſcheutzlich da liegt: halb lebend in der Natur / was die uͤbergebliebene Paradiß-Kraͤffte belanget / nemlich lumen veri & ſemen boni, das Liechtlein der Erkaͤntnuͤß / und ein Saͤm - lein des Guten / dannenhero auch eine ſchwache / verwundete Freiheit inNum. 30, 14. ſphærâ morali, civili, œconomicâ, in euſſerlichen / buͤrgerlichẽ Vernunffts -2. Sam. 24, 12. Sachen; Aber alles imperfect und unvollkommen / wie dort jener halb - tode Menſch / Luc. 10. Es mangelt das vollkom̃ene Liecht / der heilige Will /1. Reg. 3, 3. die ſchoͤne Harmoni der affecten und Vernunfft / in ſphærâ pœdagogicâ,1. Cor. 9, 1. in der Ordnung zur Kirchen zu gehen / vermoͤg welcher Menſch GottesActor. 5, 4. Wort entweder ſuchet / oder einen Eckel dafuͤr hat / das geſuchte und gefun -Luc. 10, 30. dene Wort mit Luſt anhoͤret / den Goͤttlichen Bewegungen widerſtrebetAmos 8, 11. & 12. oder nicht; gleich wie ein Fenſter nicht hindert das Liecht / ſo durch daſſelbeAct. 17, 11. ins Gemach hinein fallen will / und doch nicht des Liechtes oder Tages1 Reg. 10, 1. Vrſach iſt.
Aber was anlanget das Leben / das aus Gott iſt / das innere undAct. 13, 7. c. 24, 24. innigliche hoͤren und gehorchen / die Kraͤffte der Bekehrung / die ſind nichtAct. 7, 51. nativ ſondern dativ, nicht unſer eigen / in oder von unſer Natur / ſondernMatt. 23, 37. frembde vom Himmel herab geſtifftet / in ſolchem Stand iſt der MenſchEph. 2, 1. 5. gleichſam lebendig tod / ſintemal der Menſch iſt der Gerechtigkeit geſtorben;Col. 2, 13. Jns gemein iſt der Menſch entfrembdet und verluſtigt des Gnaden-Le -Luc. 15, 24. bens / des rechten Paradiß-Lebens / des rechtſchaffenen vollkommenen hei -Rom. 3, 20.1. Cor. 2, 14 ligen Lebens; In ſpecie und inſonderheit Liecht-loß / er tappet wie ein Blin -2. Cor. 3, 15 der in geiſtlichen Sachen / Verſtand-loß / Glaubens-Articul ſind ihmLuc. 18, 34.1. Cor. 12, 3.C 3Boͤhmi -22Die ErſteIob. 31, 7 -Boͤhmiſche Doͤrffer / Glaub - und Gebet-loß / Luſt-loß / ſintemal was einerLuc. 13, 11. nicht weiß / das begehret er nicht / das Hertz trauet den Augen / der WillRom. 8, 7. und alle affecten ſind auff das Jrrdiſche geneiget / Krafft-loß. DasMatt. 7, 18. boͤſe ohnmaͤchtige Fleiſch / vermag nicht dem Geſetz unterthanIoh. 15, 5. zu ſeyn / ein fauler Baum kan nicht gute Frůchte bringen / Ohne mich / ſagt Chriſtus / koͤnnet ihr nichts thun; verſtehe άδυνα - μὶαν, non paſſivam, nicht eine leidende Vnmoͤgligkeit / als wañ der Menſch ein Klotz were oder der Sathan ſelbſt / der nicht koͤnte der Goͤttlichen Bewe - gungen faͤhig werden / paſſivè & obedientialiter, durch Nicht-Widerſtre - bung / ſondern potentiam activam, aus eignen Kraͤfften / welche bey dieſem Wercke nichts uͤberall vermoͤgen; derowegen iſt von noͤthen der Lebendig - machung Gottes des Heiligen Geiſtes.
Hier moͤchte iemand auff dieſe Gedancken gerathen / und fragen / warumb Gott gebiete Glauben / Bekehrung / Heiligkeit ꝛc. als unmoͤgliche Dinge? Esſcheinet als ſey es ein unbillichs Begehren / gleich des Koͤnigs Nebucadnezars an ſeine Weiſen. Antwort / officium nomen exigitDan. 2, 5. non potentiam, das Ampt erfordert die Schuld / nicht die Moͤglichkeit /Luc. 7, 14. iſt eben ſo wenig unrecht / als unrecht / wann der Herr ſagt zum todenGen. 1, 3. Juͤngling: Jch ſage dir / ſtehe auff! alſo auch / Gen. 1. Es werdeMatth. 8, 3. liecht / und Matth. 8 / 3. Καϑαρίϑητι, ſey gereiniget / werde rein! Dann in dergleichen Worten befiehlet Er 1. pædagogiam externam & ordinem divinum, ſeine Goͤttliche Ordnung und dero Folg / daß man die groben euſſerlichen Laſter meide / und alſo obices und Riegel der Goͤtt - lichen Gnade hinderlich hinweg thue. 2. Paſſivam non reſiſtentiam, die Vnwiderſtrebligkeit / daß man die Goͤttliche Bewegungen ſoll laſſenAct. 2, 40. Krafft gewinnen / und das Hertz einnehmen ohne Widerſtehung; dan -2. Reg. 2, 11. nenhero ſchreyet der Apoſtel in paſſivo σώϑητε, Laſſet euch helffen; gleich wie der Prophet Elias fuͤr ſich aus ſeinem Vermoͤgen und Natur nicht were gen Himmel gefahren / aber da Gott ihm den Himmel-Wa - gen ſendet / da haͤtte zuvor Elias widerſtehen / oder nicht widerſtehen koͤn - nen / haͤtte er ſich ſperren und ſchwer machen wollen / ſo were er wol hierun - ten bliebẽ. Alſo iſts auch beſchaffen mit dẽ Menſchẽ und ſeiner Bekehrung.
II. Jn dem wir bekennen Eccleſiam, eine Gemein der Hei - ligen / eine Chriſtliche Kirche / das iſt ein Außſchutz aus den Men - ſchen / und ſehnen uns in dieſe Gemeine zur Gemeinſchafft der Heiligen / eben in dieſem Stuͤck verrathen wir uns abermals / daß der Menſch ihmſelbſt23Predigt. ſelbſt gelaſſen / ſey außgetrieben aus dem Schutz / Garten und Hofſtatt Gottes / ein Bandit / entfrembdt von dem Leben / das aus Gott iſt /Eph. 2, 12. auſſer der Burgerſchafft Jſrael / und alſo Land und Heimat-loß / derowegen boͤchſt noͤthig und beduͤrfftig der Beruffung zu ſolcher Gemein / zur Chriſtlichen Kirchen.
III. Jn dem wir bekennen Vergebung der Suͤnden: ſo gibt ſich der Menſch ſelbſt an / als einen Feind Gottes und rebellen / der wider ſeinen Schoͤpffer gekrieget / und durch die ἀμνηςίαν, durch Vergeßligkeit aller Suͤnden wiederumb muß außgeſoͤhnet werden. Dann ja der MenſchCol. 1, 21. c. 2, 13. von Natur iſt am gantzen Leib / an allen Gliedern angethan mit feindſe -Rom. 6, 13. cap. 8, 7. ligen Waffen wider Gott und ſein Gebott / mit Waffen der Vngerech - tigkeit / dann fleiſchlich geſinnet ſeyn / oder eigentlich die KlugheitRom. 7, 15. 16. 19. des Fleiſches iſt eine Feindſchafft wider Gott / der Will iſt dem goͤtt - lichen Siñ und Willen zuwider / die affecten alle ſeynd feindſelig / welche der Menſch feindſeliger weiſe richtet wider den Naͤchſten / als der das Eben - bild Gottes iſt; gleich wann man einem Panterthier auff dem theatro in einem Thier-Spiel / eine Puppe nach Menſchen-Geſtalt gemacht / vor Augen ſtellet / ſo kan es nicht grimmig gnug wider daſſelbe wuͤten / es ſtoſſet alle ſeinen gifftigen Zorn wider daſſelbe aus / zerreiſſet / zerfetzet und zerlumpet daſſelbe auff das allerſcheutzlichſte / daraus abzunchmen / welchen grimmigen Zorn daſſelbe Thier wider einen lebendigen Menſchen ſelbſt habe und trage; alſo wann der Menſch wider ſeinen Naͤch - ſten erzuͤrnet / mit vergaͤlten affecten denſelben angreifft / und auffs grim - migſte tractiret / ſchlaͤgt / tritt / ermordet / ſo iſt daraus unſchwer abzuneh - men / welchen Grimm / Groll und Feindſchafft er im Buſen trage widerIud. 16, 21. Gott den Herrn ſelbſt / zu des Ebenbild der Naͤchſte gebildet worden. Luc. 4, 18.Nicht allein aber das / ſondern es gibt ſich auch der Menſch an als einenRom. 6, 20 gefangenen / leibeigenen Knecht / der dem Teufel malen muß / wie Simſon2. Pet. 2, 19. den Philiſtern / dann in dem er bittet umb Ablaß und Erlaſſung von ſei -Matt. 7, 18. c. 12, 35. nen Suͤnden-Banden / zeiget er an / daß er gebunden ſey / ein Knecht der Suͤnden aus unmeidenlicher / natuͤrlicher Nothwendigkeit. Sintemal1. Reg. 21, 20. Paulus / der nach ſeiner Bekehrung ein untadelhafftes Leben gefuͤhret /Rom. 7, 14. 23. doch ſchreibet / daß er verkaufft ſey unter die Suͤnde; nicht als der ſich ſelbſt activè verkaufft wie Ahab /〈…〉〈…〉 ſondern in die HafftBernhard, hom. 81. in Cant. durch die Natur genoͤthiget worden / auch aus muthwilliger Nothwen - digkeit / wie ſie Bernhard nennet / derowegen von noͤthen iſt die Gerecht -Eph. 2, 12. fertigung.
IV. Jn dem wir bekennen die Aufferſtehung zum ewigen Leben; ſo bekennen wir / daß wir von Natur ſeyen ſine ſolatio, Troſt - loß / Hoffnung-loß / wie die Heyden / und folgends ſchuldig und wuͤrdig der ewigen Verdamnuß; Derowegen von noͤthen der Aufferſtehung.
Solches was bißhero beſchrieben mit bewaͤhrten Zeugnuͤſſen zu be -Ioh. 3, 20. kraͤfftigen / tritt uns unter Augen I. Scriptura, die Heilige Schrifft / ſtellet uns die arme blinde Heyden vor Augen / unſer Art in denſelben zu beſpiegelen. Jhre Werck waren nicht aus Gott gethan / zieleten nicht nach Gottes Ehre / kamen aus einer gifftigen Quell / derſelben Elend und Jammer legt S. Paulus vor in den Exempeln der Roͤmer / von deren Tu - genden zwar gantze Buͤcher außgefertiget / nicht allein von Valerio M. dem es aber als einem Heyden beſſer zuverziehen / ſondern auch von dem hey - dentzenden politico. J. Lipſio in ſeinen admirandis, aber es waren nur ſi -vide Chri - ſteid. art. 1. p. 48. & ſeqq. mulacra virtutis, bloſſer Schein der Tugend / wie Moͤß ſcheinet als wer es Gold. St. Paulus Rom. 1. gibt ihrer ſelbſt eingebildeten Weißheit den rechten eigentlichen Namen / nennet ſie moriam, eine Narrheit / ἐμωράνϑη - σαν, ſie ſind zu Narren worden; ja freylich / daß ſie nicht nur die unver - nuͤnfftige kriechende Thiere vergoͤttert / ſondern gar die crepitus, des Menſchen unterwind in den Goͤtter-Himmel ſo viel an ihnen / erhoben.
II. Hiſtoria de Veteribus Germanis, Die Hiſtori von den alten Teutſchen / da war grauſame Barbarey / gottloſes Leben / Abgoͤt - terey / wilde Frechheit / ſpielen / ſauffen und alle Vppigkeit gar gemein / Tag und Nacht mit ſauffen zubringen war keine Schande / ſie dieneten dem Teufel / Jrmen-Seul / Kroͤten-Teufel und andern Greueln.
III. Experientia, Die warhafftige Erfahrung ſelbſt der Wilden in Americâ, wer dahin gereiſet / der hat warnehmen koͤnnen barbariſche unverſchaͤmte Bloͤſſe des Leibes / Vnerfahrenheit in Kuͤnſten / ſie dieneten dem Teufel durch Opfferung der Menſchen / ihrem Goͤtzen dem Chiappen zu Ehrẽ geſchlachtet / es war eine purlauter Sathaniſche Dienſt - barkeit / davon bey Lerio zu leſen. Jſt alſo der Menſch ihm gelaſſen ein geiſt - und lebenloſer Menſch / ein ehr-liecht - und krafftloſer Menſch / ein gottloſer / gefangener / troſt-uñ him̃el-loſer Menſch von Natur; Alſo ſind wir geweſen / alſo waͤren wir / alſo koͤnten wir ſeyn ohne den Heiligen Geiſt; und iſt bey weitem noch nicht genug die miſeria, das Elend und Jammer des menſchlichen Geſchlechts entworffen / der Greuel iſt unaußſprechlich; Es muß ja groſſe Vrſach ſeyn geweſt / warumb uns nicht anders hat koͤnnen geholffen werden / als durch das Gnaden-Geſchenck des eingebornenSohns /25Predigt. Sohns / und Sendung des Heiligen Geiſtes; hat alſo der Menſch des Heiligen Geiſtes hoͤchſt von noͤthen.
Alſo verſtehen wir nun in θέσει, wie wahr / was wir in der Außlegung uͤber den dritten Articul bekennen: Jch glaub / daß ich nicht aus eigner Vernunfft noch Krafft an Jeſum Chri - ſtum meinen HErren glauben oder zu ihm kommen kan ꝛc. wie wahr / was in der Augſpurgiſchen Confeſſion im andern Articul ſtehet: Es wird bey uns gelehret / daß nach Adams Fall alle Menſchen / ſo natuͤrlich geboren werden / in Suͤnden empfan - gen und geboren werden / das iſt / daß ſie alle von Mutterleibe an voller boͤſer Lüſte und Neigungen ſeynd / und keine wahre Gottesfurcht / keinen wahren Glauben an Gott / von Natur haben koͤnnen / daß auch dieſelbige Seuche und Erb-Suͤnde warhafftiglich Suͤnde ſey / und verdamme alle die unter ewi - gen Gottes-Zorn / ſo nicht durch die Tauffe und Heiligen Geiſt wiederumb neu geboren werden.
So wahr es aber iſt / ſo wenig wills der Menſch verſtehen / der Menſch iſt von Natur ein Heuchler und Phariſeer / in ſeinem eigenen Elend blind. Es iſt leider der Menſch gleich jenem wahnſinnigen beym Athenæo, der ſich an den See-Port geſtellet / und geſagt: Alle Schiffe ſind mein; reich im Sinn / er habe ſatt von Natur / dencket nicht einmal uͤber ſich? Oder wie jene Harpaſte, des Senecæ Magt / welche alſobald inSeneca ep. 50. einẽ Augenblick nicht mehr geſehẽ / und gemeynt nicht ſie / ſondern das Hauß ſey finſter. Was wir an derſelbẽ belachen / das klebet uns allen an; niemand meynet / daß er der Geitzhalß ſey / davon man predigt / niemand meynet / daß er in der Predigt getroffen werde / daß es ihn angehe / ſihet ſeinen Naͤchſten drum̃ an / und gehet ihn doch am meiſten an; Es gehet dem Menſchen / wie des Ulyſſis Geſellen; der Menſch ſtecket im Schlam biß uͤber die Ohren / und iſt ihm noch wol dabey / er wuͤntſchet nicht einmal die Gabe des Heili - gen Geiſtes; Vnd das geſchicht auch wol bey den Wiedergebornen / daß ſie ihr Elend nicht allerdings erkeñen und verſtehen; Sprichſtu: Jch bin wie - dergeborẽ / heilig gemacht / gerecht ꝛc. ſo hab ich uͤber ſolche Duͤrfftigkeit nicht zu klagen. Aber / O der groſſen Vnvollkommenheit / daruͤber St. Paulus klagt Rom. 7. Die Funcken / bleiben ſtets in der Aſchen liegen / die reitzen - de Luſt ſtecket noch in dir / die neue Kraͤffte ſeynd zwar da / aber gar ſchwach / lam; und wann wir die Warheit bekennen muͤſſen / ſo iſt dieSechſter Theil. DFroͤm -26Die ErſteFroͤmmigkeit bey den meiſten Phariſaiſmus, Ethniciſmus, Phariſeiſche Schein-Heiligkeit / eine heydniſche Erbarkeit / iſt aber noch nicht die rechte aus dem Heiligen Geiſt herflieſſende Kern - und Grund-Froͤmmigkeit / gleich einem Bilde eines toden Menſchen. Was fuͤr ein Vnterſcheid iſt unter einem Affen oder Bilde eines Menſchen und unter dem warhaffti - gen weſentlichen Menſchen ſelbſt / ein ſolcher Vnterſcheid iſt auch zwiſchen einem euſſerlich-frommen / und innerlichen / geiſtlichen / hertz-frommen Menſchen / welchen Vnterſcheid Gott weiß / der nicht den euſſerlichen Schein / ſondern den Abgrund des Hertzens anſihet und richtet.
Derowegen laſſet uns in ὑποϑεσει, ein iedweder inſonderheit vor die Hand nehmen das γνῶϑι σεαυτὸν, daß ein iedweder ſich ſelbſt lehre recht erkennen / durch alle prædicamenta: daß er ſey in ſubſtantiâ, ſeinem Weſen nach ein Erden-Kloß / in quantitate, ſeiner Wichtigkeit nach / quantulus, O wie klein! ja gar nichts gegen Gott / den er doch taͤglich erzuͤrnet: qualitate, ſeiner Natur nach in geiſtlichen Sachen blind / ohn - maͤchtig / tod; relatione, ſeiner Art und Geſchlecht nach ein Kind des Zorns; actione, ſeinem thun nach ein ſtaͤter Suͤnder / auch das gute / das er thut / ſeye mit Erb-Suͤnde befleckt; paſſione, in ſeinem Hertz und Gemuͤth den paſſionen und boͤſen affecten ergeben / die in ſeinem Hertzen den Thum - mel-Platz haben; ubi, ſeiner leiblichen Vmbſchreibung nach ſey er da in der Welt / und ſtehe ſitu, dem Ort nach zwiſchen Him̃el und Hoͤlle / wie Da - mocles, quando, der Zeit nach lebe er einen Augenblick gegen die Ewig - keit gerechnet; habitu? ſeinem habit nach / mit der Suͤnden als einem Kuͤriß umbgeben / ἐυπερίςατοσ ἁμαρτία, Summa ein Greuel fuͤr Gott.
Derohalben σώϑητε, laſſet uns ſitzen fuͤr die ſchoͤne Thuͤr des Tempels /Actor. 3, 2. und ſprechen: Agnoſco, ich erkenne mein Elend; Ach Gott / wem ſoll ichs klagen / daß ich ſo elend bin? Mein Hertz will mir verzagen / mein Suͤnd liegt mir im Sinn / in Suͤnd bin ich empfangen / in Suͤnd bin ich geboren / viel Suͤnd hab ich begangen / freudig kan ich nicht werden / den Himmel anzu - ſehen / ſo ſchäm ich mich auff Erden ꝛc. doleo, ich klage und ſeuffzeRom. 7, 24. mit St. Paulo: Ach ich elender Menſch / wer wird mich erloͤſen von dem Leibe dieſes Todes. Confiteor & contradico, ich bekenne und widerſpreche allen Synergiſten. Sitio, mich duͤrftet nach dem Troſt - Waſſer des Heiligen Geiſtes / mich verlanget nach dem huͤlff-reichen Finger Gottes / nach dem Oel der Freuden / nach dem himmliſchen Gnad -Krafft -27Predigt. Krafft - und Troſt-Wind / nach dem Liebs-Feuer / nach dem Freuden - Liecht / Gott dem werthen Heiligen Geiſt / Er durchwehe meinenCant. 4, 16. Garten / daß ſeine Wuͤrtze trieffen. Komm Heiliger Geiſt / HErre Gott! Komm heiliges Liecht / edler Hort! Komm heilige Brunſt / ſuͤſſer Troſt! Amen! erfuͤll / laß leuchten / waͤrme / daßMatth. 5, 3. & 6. wir von dir getrieben durch Chriſtum zu Gott im Himmel kom̃en! Selig ſeynd die da geiſtlich arm ſeynd / dann das Himmelreich iſt ihr! Selig ſeynd die da hungert und duͤrſtet nach der Gerechtig - keit / dann ſie ſollen ſatt werden! Gott der Heilige Geiſt erwecke ſolchen Hunger und Durſt in unſern Hertzen / auff daß wir ſatt werden / hier im Gnaden-Reich / dort im Freuden-Reich Gottes / durch Jeſum Chriſtum / Amen.
Vber den dritten Articul / Von der Gottheit des Hei - ligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Vnter andern ſchoͤnen und anmu - thigen Gleichnuͤſſen / in welchen Gott der Heilige Geiſt ſich ſelbſt / ſeine Majeſtaͤt und Gutthaten gleichſam con - trafeyet und abmalet / iſt auch die arrha, wann er ſich durch St. Paulum ſeinen außerwehlten Ruͤſtzeug nennen laͤſſet / ἀῤῥαβῶνα, das Pfand ἀῤῥαβῶνα τῆς κληρονομίας, das2. Cor. 3, 22. c. 5, 5. Pfand unſers Erbes / das iſt / eine Hafft-Gabe / eine Angabe. Gott hat uns das Pfand den Geiſt gegeben in unſer Hertz / eine Gabe ſimpliEph. 1, 14. citer, und ohne Beding / und deßwegen von dem pignore oder Vnter - pfand unterſchieden. Ein Vnterpfand wird fuͤr eine geliehene Summa Geldes dargegeben mit dem Beding / wann dieſes erſtattet und gelieffert wird / ſoll auch das Pfand wieder gegeben werden / (wie Hieronymus ſchreibet) da im Gegentheil die arrha die Hafft-Gabe deme / der ſieHieron. in Eph. 1. pag. 208. empfangen / eigenthuͤmlich bleibet / iſt aber ſo zu reden / wie eine StuͤckD 2Gabe /28Die AnderGabe / eine Angabe / dadurch der Geber den jenigen / der es empfaͤnget / ver - ſichert / es werde die gantze Summa drauff folgen: (Dann wer in einem contract einem etwas auff die Hand gibt / der muß den contract feſt halten /) Alſo iſt der Heilige Geiſt auch freylich eine freye / fuͤrtreffliche und reiche himmliſche Gabe des Vaters und des Sohns / von denen er auchAct. 2, 38. außgehet / δωρεὰ τοῦ ἀγίου πνεύματοσ, wie St. Petrus redet: Jhr wer - det die Gabe des Heiligen Geiſtes empfahen; O ein theure Gabe! iſt die Angabe ſo koͤſtlich / was wird dann das Erb-Gut ſelbſt ſeyn? Es muß ein theurer Schatz ſeyn / da man hundert oder mehr Thaler auff die Hand gibt. Aber donum arrhativum & obſignativum, eine ſolche Zeug - und Angabe / Hafft-Gabe / dadurch wir ſollen verſichertTettull. l. de reſurr. c. 51. werden der vollkommenen Summ / davon Tertullianus ſehr ſchoͤn redet: Chriſtus ſequeſter Dei & hominum appellatur, ex utriusque partis de - poſito commiſſo, ſibi carnis quaſi depoſitum ſervat, in ſemetipſo arrha - bonem ſummæ totius. Quemadmodum nobis arthabonem Spiritus relinquit, ita & à nobis arthabonem carnis accepit, & vexit in cœlum, pignus totius ſummæ illuc quandoque redigendæ; Chriſtus wird der Mittler zwiſchen Gott und Menſchen genennet / wegen der Beylage / ſo aus beyden Naturen zuſammen fleuſt von Geiſt und Fleiſch / mit des Geiſtes Erſtlingen verehret Er uns Menſchen als einer Angabe / in Hoff - nung die voͤllige Ernde werde darauff in jenem Leben unfehlbar folgen: Er behaͤlt fuͤr ſich unſer das menſchliche Fleiſch / ſo uns mit Freundſchafft zugethan / und von Jhm in Himmel erhoben worden.
II. In ſpecie und inſonderheit arrha amicitiæ, nuptialis, fœde - ralis, adoptiva, Eine Freunds-Gabe / eine Hochzeit-Gabe oder Mahl-Schatz / eine Buͤndnuͤß-Gabe / eine Liebs-Gabe; Eine Ver -Gen. 24, 48. ſieglungs-Gabe der Kindſchafft. Alſo hat Eleazar / da er geſehen / daß Gott Gnade gegeben zu ſeiner Braut-Werbung / welche er wegen ſeines jungen Herren Jſaacs abgelegt / und ihn ſeines Wuntſches gewaͤh - ret / die Rebecca verehret mit einer guͤldenen Ohren-Spang / Arm-Ring oder Arm-Band / das war eine Angabe der jenigen Guͤter / die ſie hernach beſitzen und erben ſolte. Da Alexander Magnus in den letzten Zuͤgen lag / uͤberreichet er Perdiccæ einem ſeiner getreuen Kriegs-Oberſten / den er zu einem Reichs-Erben erkohren / ſeinen Ring / zur gewiſſen Anzeige / daß er nach ihm an das Regiment gelangen ſolte: dann er ihm ſein Koͤ -vid. Curt. l. 10. p. 434. nigliches Erbe von Hertzen goͤnne; Alſo der Heilige Geiſt iſt das Pfand oder Gabe / dadurch uns Gott die himmliſche Kindſchafft verſiegelt /er iſt29Predigt. er iſt der rechte Mahl-Schatz oder Braut-Gabe der geiſtlichen Ehe - Buͤndnuͤß und Liebe zwiſchen uns und unſerm Seelen-Braͤutigam Chri - ſto Jeſu; Er iſt die Verſicherungs-Gabe der Beſitzung des Himmel - reichs.
III. Artha precioſiſſima, Eine ſehr köſtliche Gabe. Ein Braͤutigam greiffet ſich an / was ihm ſonderlich lieb iſt / was er hoch æſti - mirt, lang aufgehebt / das ſchencket er; koͤſtlich warẽ die guͤldene Geſchmeide / die Eleazar gegeben / die guͤldenen Spangen; noch koͤſtlicher der Purpur undGen. 24, 22. & 48. die guͤldene Kron / wie auch der guͤldene Guͤrtel / wie man allein des Koͤnigs Freunden gibt / eines halben Seckels ſchwer / damit der Koͤnig Alexander Koͤnig in Syrien / Antiochi des Edlen Sohn / den Juͤdiſchen Fuͤrſten Jo - nathan den Maccabeer verehret / und ihm ihn alſo ſubarrhirt und ver -1. Macc. 10, 20, 89. hafft gemacht; Aber unerſchaͤtzlich koͤſtlicher iſt der theure werthe Schatz / die Gabe uͤber alle Gaben / der Brunn aller koͤſtlichen Geſchenck und Gaben / der Heilige Geiſt; Jſt der jenige Pfand-Schatz / der uns im dritten Articul zu erkennen / bekennen / glauben / anzunehmen commendirt und fuͤrgehalten wird / dieweil er iſt eine Goͤttliche Gabe / Gott und das hoͤchſte Gut ſelbſt / was iſt koͤſtlicher als Gott?
Wir haben heut acht Tage gehoͤret unſern euſſerſten Jammer / Noth / Armuth und Elend / darinnen wir durch die Suͤnd verſencket / ſtecken / daß der Menſch ſeye an und vor ſich cadaver fœtidum ſine ſpiritu, ein todes Aaß ohne Geiſt und Leben / exul und Bandit / maleficant, Troſt-loß / gleich den wilden Leuten / den alten Teutſchen barbariſchen Voͤlckern / und iſt der Jammer nicht außzuſchreiben / umb deſſen willen das hoͤchſte Gut vom Himmel herab geſendet / alles darumb / damit ein heiß-begieriger Durſt und ſehnliches Verlangen nach dem Waſſer des Lebens / nach dem Freuden-Oel / nach dem Gnaden-Winde / nach dem Gnaden-Feuer / nach dem Liecht der wahren Erkaͤntnuͤß in uns angezuͤn - det werden moͤge / das iſt die einig noͤthige Gabe / noͤthiger als das taͤgliche Brod / als die Sonn am Himmel deren beyde wir zum natuͤrlichen Le - ben nicht entrathen moͤgen / viel weniger koͤnnen wir der edelſten Gabe des Heiligen Geiſtes zum geiſtlichen / himmliſchen und rechtſchaffenen Leben ſo aus Gott iſt / mangeln. Zu allervorderſt muͤſſen wir die Gött - liche ſubſtantz und Weſen dieſer Gabe erkeñen und verſtehen lernen / daß er ſeye eine Perſon des Goͤttlichen Weſens / und alſo das hoͤchſte Gut / nemlich ein gleicher ewiger GOTT mit Vater und Sohn. Gott der Vater des Liechts ſchencke uns die Gabe ſeines Heiligen Geiſtes /D 3daß30Die Anderdaß wir ſeine Gottheit / Majeſtaͤt / Hoheit und Wuͤrde recht erkennen / auff daß er geehret und wir durch ihn zum Himmelreich erleuchtet / bekehret und gefuͤhret werden / umb Chriſti Jeſu willen / Amen.
DAß nun der werthe Heilige Geiſt keine erſchaffene und ge - machte Creatur / ſondern der wahre / lebendige Gott ſeye / mit Vater und dem Sohn ὁμοούσιος und gleiches We - ſens / das zeiget unſer Niceno-Conſtantinopolitanum Symbolum klar an; I. Nomine, mit dem Göttlichen Namen HERR; Jch glaub in den HERREN den Heiligen Geiſt; den HERREN mit den groſſen Buchſtaben / in welcher fractur Lutherus das nomen Jehova in ſeiner Teutſchen Bibel allezeit geſchrieben undHebr. 1, 7. drucken laſſen zum Vnterſcheid anderer Herren / deren viel ſeynd. JſtLuc. 23, 46. alſo dieſer Geiſt kein erſchaffener Geiſt / kein Engel / keine Seel / kein Wind /Ioh. 3, 8. kein bloſſer halitus, Athem oder Krafft der Seelen; viel weniger eine bloſſeEſa. 2, 22. Bewegung oder affect, ſondern ein ſolcher Geiſt / der da heiſſet Jehova, wel -Hagg. 1, 14. cher Nam iſt wie drobẽ vermeldet / der eigentliche / ſonderbare und unmittel -Ezech. 13, 3. bare Namen Gottes / der da heiſſet und iſt αυτοουσιος, μονουσιος, παντούσιος,Prov. 29, 11. ὑπερούσιος, ἀπειρούσιος, αειούσιος φύσει Θεὸς, der ſelbſtſtaͤndige / einige / we -Rom. 11, 8. ſende / allweſende / hoͤchſtweſende / unendliche und ewigwaͤrende Grundveſte / HErr uñ Gott von Natur / wie drobẽ dieſer Name weitlaͤufftig außgeleget.
Vnd damit es aber nicht das Anſehen habe / als were es ein bloſſer Menſchen-Fund und Gedicht deren zu Nicea und hernach Conſtanti - nopel verſamleten Biſchoffe / Vaͤter und Lehrer geweſen / ſo fundirt ſich dieſe Bekantnuͤß auff den klaren Buchſtaben Goͤttlichen Worts. JnNum. 6, 24. 25. 26. c. 12, 6. dem allgemeinen Aarons - und Kirchen-Segen / da der Name Jehova dreymal widerholet wird / auff alle drey Perſonen und alle conſequenter auch auff den Heiligen Geiſt zu ziehen. Der HErr der Vater / als die Quell alles Segens / aller guten und vollkommenen Gaben / SonnRom. 14, 17. c. 15, 5. c. 12, 6. und Schild / der ſegne und behuͤte dich: der Sohn Gottes / als der Glantz der Herrligkeit Gottes laß ſein Angeſicht leuchten. Der HERR der Heilige Geiſt / als der Athem des Vaters und2. Sam. 23, v. 2. Sohns / der Freuden-Geiſt / der Frieden-Geiſt / erhebe ſein AntlitzEph. 3, 5. er hauche dich an mit Fried und Freud. Ferner in der intimation der1. Petr. 1, 10. Propheten; Jſt iemand ein Prophet des HErren / dem will ich2. Petr. 1, v. ult. mich / der HErr / kund machen in einem Geſichte und imTraum? 31Predigt. Traum? Wer iſt derſelbige Jehova, der ſich den Propheten geoffen - baret? Es iſt der Heilige Geiſt / der durch die Propheten geredet / wie wir bald mehr vernehmen werden; Jn dem bekanten τρισαγίῳ und En -Eſa. 6, 3. gel-Geſang: Heilig / Heilig / Heilig iſt Gott der HErre Zebaoth. Wer iſt daſelbſt der dritte Heilige HErr? Es iſt der Heilige Geiſt / wie es St. Paulus in den Apoſtoliſchen Geſchichten erklaͤrt /Act. 28, 25. Jn der Verſuchung der Kinder Jſrael in der Wuͤſten / wer iſt der Jeho -Pſal. 95, 5. va, der HErr / den ſie verſuchet und erbittert? Es iſt der HeiligeNum. 14, 22. Geiſt / der Geiſt des HErren. Hieher ziehen wir im Neuen Teſta -Eſa. 63, 10. 2. Cor. 3, 17. ment die jenigen teſtimonia und Zeugnuͤſſe / da der Heilige Geiſt Κύριος oder ein Herr ἐξοχικῶς außtruͤcklich und fuͤrnemlich genennet wird. Der HERR iſt der Geiſt / ſpricht St. Paulus.
Es zeiget des Heiligen Geiſtes Gottheit an unſer vorhabendes Sym - bolum, II. Idiomatibus divinis, mit den Goͤttlichen Eigenſchaff - ten / die es ihm zuſchreibet / als da iſt / 1. Spiritualitas, die Geiſtlichkeit / daß er iſt ein Geiſt / verſtehe dem Namen Jehovæ oder HERR gemaͤß / ein ſolcher Geiſt / der da heiſſet Jehova und alſo ein unendlicher und unermeßlicher Geiſt / wo ſoll ich hingehen fuͤr deinem Geiſt?Pſal. 139, 7. und hinfliehen fuͤr deinem Angeſicht? Eine zwar allmaͤch - tige / aber zugleich perſoͤnliche Krafft; wie der Geiſt in einem iedem Ding die Krafft und Macht iſt / als der Geiſt des Feuers in einer geſprengten Mine / des Donners / des Erdbiedens / des groben Geſchuͤtz / des edlen Weins / des Oels und dergleichen: Was iſt ſtaͤrcker als ein Engliſcher Geiſt? Was vermag der Geiſt des Menſchen der in ihm iſt / er ſchwingt manchmal ſeinen Stein-ſchweren Leib als ein leichtes Voͤgelein in dieLuc. 24, 49. Lufft hinauff. Zerbricht nicht manchmal der Wind groſſe Baͤume? 2. Tim. 1, 7.Alſo iſt dieſer Geiſt die allmaͤchtige Krafft Gottes / die Krafft ausAct. 10, 38. der Hoͤhe / damit Chriſtus ſeine Juͤnger angezogen / der gleich einem WindEzeh 3, 12. den Propheten Ezechiel auffgehoben und hinweg gefuͤhrt / den ProphetenMich. 3, 8. Micha voll Krafft gemacht / Chriſtum in die Wuͤſten getrieben / Philip -Matth. 4, 1. pum von des Kaͤmmerers Wagen hinweg geriſſen / St. Paulum als einAct. 8, 3. c. 18, 5. Winds-Braut in der gantzen Welt herumb gejagt und getrungen / undRom. 8, 14. treibt noch heutiges Tages die Kinder Gottes zu allem guten.
Geiſt iſt allen dreyen Perſonen zwar ein gemeiner Nam / Gott iſt ein Geiſt / aber auff eine ſonderbare Weiſe wird dieſe dritte Per -ſon ein32Die Anderſon ein Geiſt genennet / nemlich ſo zu reden paſſivè ad intra quia ſpiratus, dieweil er vom Vater und Sohn außgeblaſen / activè ad extra, dieweil er ſichIoh. 3, 8. ſonderlich in geiſtlichen unſichtbaren / unempfindlichen trieben / und Bewe - gungen in den Hertzen der Menſchen erzeiget. Der Wind bläſet wol / ſpricht Chriſtus zu Nicodemo / wo er will / du hoͤreſt ſein ſauſen wol / aber du weiſſeſt nicht von wannen er kommt und wohin erLuc. 17, 20. fähret. Regnum Dei non venit cum obſervatione, Das Reich Gottes kommt nicht mit euſſerlichen Gebaͤrden / wie wir alle aus den euſſerlichen Bewegungen der Seelen ſpuͤren daß eine Seele in uns wohne / ob wir ſie gleich mit Augen nicht ſehen koͤnnen: Wir hoͤren den Schall / aber wir fehen ihn nicht: Die Juͤnger Chriſti ſahen wol die feurige Zungen / ſie hoͤrten das ſauſen des gewaltigen Windes / aber den Geiſt Gottes ſelbſt konten ſie nicht anſchauen: Alſo wird ein Chriſtlicher Menſch manchmal durch das Wort und Sacrament in Andacht entzuͤn - det / daß er faſt nicht weiß wie ihm geſchehen: Es entfahrt ihm manchmal ein Wort / das im fleiſchlichen Garten des Hertzen nicht gewachſen. Er wird vom innerlichen Pfingſt-Wind getriben etwas gutes zurathen / zureden und zuwuͤrcken / die Augen ſchwim̃en bißweilen in geiſtlichen Freu - den und Liebes-Thraͤnen / er kan aber mit allen ſeinen fuͤnf Sinnen à priori nicht empfinden und fuͤhlen woher / was und wie. Der Geiſt Gottes muß1. Ioh. 5, 6. von ihm ſelbſt zeugen durch ſein Wort / daß der Geiſt Warheit ſey.
2. Sanctitas, die Heiligkeit / Er iſt heilig / κατ᾽ ἐξοχην`, vor allen1. Sam. 2, 2. im hoͤchſten Grad / niemand iſt heilig wie der Herr; Er iſt ein heiliger Athem. Wie der Mund / ſo iſt der Athem; ſtincket der Menſch im Munde / ſo ſtincket auch der Athem / riechet er wol / ſo riechet auch der Athem: Alſo /Athanaſ. ep. ad Se - rapion. weil dieſer Geiſt des allerheiligſten Gottes Athem iſt / ſo iſt Er der Aller - heiligſte. Dannenhero ſchreibet Athanaſius: qui habet Spiritum San - ctum, is dicat, bonus odor ſum, Wer den Heiligen Geiſt bey ſich hat / dertom. 2. p. 21. kan und mag ſagen: Jch bin ein guter Geruch Gottes. 3. Ο῾μοουσία; daß1. Ioh. 5, 7. er iſt ὁμοούσιος, gleiches Goͤttliches Weſens mit dem Vater und Sohn; dieweil er vom Vater und Sohn außgehet / als wie der Strahl von der Sonnen-Liecht; als wie der Strom von der Quell und Brun - nen außfleuſſet / und doch ein Waſſer / eine ſubſtantz iſt mit dem Quell und Brunnen-Waſſer / aus welchen es herfleuſſet. Davon aber bey naͤchſtem mit mehrerm; Spiritus Sanctus eſt ineffabilis quædam Patris FiliiqueAuguſtin. l. 5. de Trin. c. 11. communio, & ideò fortaſſis ſic appellatur, quia Patri & Filio poteſt eadem appellatio convenire, ſchreibet Auguſtinus, der Heilige Geiſt iſteine33Predigt. eine unaußſprechliche Vereinigung oder Gemeinſchafft des Vaters und des Sohns / und wird vielleicht deßwegen ein Geiſt genennet / dieweil dieſer Name dem Vater und Sohne auch kan gegeben werden.
4. Æternitas, Die Ewigkeit / daß Er iſt ein ewiger Geiſt; dañ daß er nicht neulich erſt erſchaffen: nicht allererſt angefangen zu ſeyn / da er ſichtbar in der Taube / im Athem Chriſti / im Feuer erſchienen / ſondern langſt zuvor geweſt / das bekennet unſer Symbolum in dieſen Worten / da es ſaget / Er habe durch die Propheten geredet / dann der Geiſt2. Sam. 23, v. 2. des Herren redete durch David / und alle Propheten ins gemein / dahin auch gehoͤren alle dialogi divini, alle Goͤttliche Geſpraͤch / da der HeiligeLuc. 3, 68. Geiſt der revelator und Verkuͤndiger geweſt; daß Er aber ewig ſeye / einEph 3, 5. ewiger Geiſt / daſſelbe bekennen wir in den Worten / der vom Vater und1. Petr. 1, 10. 11. Sohn außgehet / durch eine ewige proceſſion und Außgang / wie wir2. Pet. 1, v. ult. naͤchſt zu erweiſen haben / ietzs nur ſetzen als ein αἴτημᾳ und glaubwuͤr - dige Vor-Lehr.
III. Operibus divinis, Mit den Goͤttlichen Wercken / als da iſt die Lebendigmachung; Aus nichts etwas und das tode lebendig machen / aus eigener Krafft zu eigener Ehr / die geiſtlich-tode lebendig machen iſt ein Goͤttlich Werck; Nun iſt der Heilige Geiſt / derEph. 1, 19. 20. anfangs ſich uͤber das erſte Chaos / den erſten Welt-Klumpen / als eine Henn uͤber die Eyer geleget / alle Creaturen außgebruͤtet / lebendig gemacht was lebẽ ſolte / und herfuͤr und ans Liecht gebracht / wird auch am juͤngſten Tage wiederumb alles Fleiſch durch ſein allmaͤchtiges Anhauchen wieder -Gen. 1, 2. umb lebendig machen und auffrichten. 2. Die Heiligmachung /Pſal. 33, 6. in der Verſamlung der Chriſtlichen Kirchen / Vergebung der Suͤn -Ioh. 6, 54. den / in der Heiligen Tauffe / dann darumb werden dieſe Werck im dritten Articul erzehlet / als Wercke des Heiligen Geiſtes / in dero Anſehen und Genuß wir in Jhn glauben ſollen; Nun iſt der Heilige Geiſt der StiffterAct, 20, 28. des Heiligen Predig-Ampts / der Werber und Samler der ChriſtenheitRom. 1, 4. aus allen Voͤlckern / der Vrheber der Gemeinſchafft der Heiligen / der Schatz-Herr uͤber den Ablaß der Suͤnden / der collator und Geber des ewigen Lebens.
IV. Cultu religioſo, Mit der Ehr des Anbetens; wie unſer Symbolum ſaget / der mit dem Vater und Sohn zugleich angebetet und zugleich mit ſolcher Ehr / die ſich in die erſte Tafel ziehet / geehret wird. Daß alleine der wahre lebendige Gott rechtmaͤſſigerSechſter Theil. EWeiſe34Die AnderWeiſe koͤnne angeruffen / angebetet und alſo geehret werden / iſt drobenEſa. 42, 8. außgemachet / und leidet die Glaubens-Regul keine inſtantz; Nun aberEſa. 6, 3, & 9. Confer iſt der Heilige Geiſt der jenige / der da mit Vater und Sohn zugleich an -Act. 28, 25. gebetet und geehret wird; weil wir nicht nur in ihm / ſondern auff ſeinenMatth. 28, 19. Namen getaufft / als ſeine Knechte und geweihete Tempel / ſo ſoll Er auch von uns als der Tempel-Herr und edle Gaſt unſer Stelen in dem Hertzen - Tempel geehret / angebetet und angeruffen werden; darzu dann kommt die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt / die gibt auch ein argument und Be -Pſal. 51, 6. weiß dar. Dann ſo der Menſch allein ſuͤndiget Gott in dem Himmel / wie David bekennet im Pſal. 51. Vnd aber eine Suͤnde wider den Hei -Act. 5,[4]. ligen Geiſt begangen wird / ſo muß ja der Heilige Geiſt unwiderſprechlich ein wahrer Gott ſeyn. St. Petrus ſchlieſſet ſelbſt alſo wider Ananiam: Du haſt / ſagt er / nicht Menſchen / ſondern GOTT gelogen: Der jenige / dem Ananias gelogen / iſt der wahre Gott im Himmel / der jenige / dem Ananias gelogen / iſt der Heilige Geiſt / darumb iſt der Heilige Geiſt der wahre Gott im Himmel.
Alſo iſt Er im neuen Teſtament in der That angebetet worden / bey der ordination der Apoſtel / da ſie den jenigen Geiſt angebetet / der geredet und ſie außgefendet. Aus dem uhralten loͤblichen Gebrauch der erſten Chriſtlichen Kirchen haben wir noch uͤbrig das Veni Sancte Spiritus, Komm Heiliger Geiſt ꝛc. iſt nichts anders als eine demuͤchige zu -Iuſt. Mar - tyr. in apo - log. 2. ſammen-ſtimmende Anruffung des Heiligen Geiſtes. Juſtinus Martyr einer von den aͤlteſten Lehrern der Kirchen bezeuget klar / Chriſtianos σέβεϑς καὶ πρησραυει῀ν τὸν Πατέρα καὶ τὸν παρ᾽ αῦτοῦ〈…〉〈…〉 ιὸν ἐλϑόντα, καὶ τὸ πνεῦμα προφητικὸν, daß die Chriſten ehren und anbeten den Vater und den Sohn / der vom Vater kommet / und den Prophetiſchen Geiſt.
Dieſes alles faſſeten die Nicener zuſammen in das Woͤrtlein JN / Jch glaube JN. Das objectum fidei IN oder der jenige / JN wel -Ioh. 14, 1. chen wir glauben ſollen / iſt allein der einige wahre Gott / an den ſollen wir glauben / als den letzten Zweck / als das hoͤchſte Gut / dahin wir einig in allen unfern Geſchaͤfften Glauben und Glaubens-Vbungen zielen muͤſſen / da hingegen der jenige verflucht iſt / der ſich auff Men -Ier. 17, 5. ſchen verläſſet / und Fleiſch fuͤr ſeinen Arm haͤlt; das heiſſet: Jch glaube JN den Heiligen Geiſt / das iſt / ich glaube nicht nur / daß ein Heiliger Geiſt ſeye: nicht nur glaube ich dem Heiligen Geiſte / was er mir in Gottes Wort verkuͤndiget und offenbaret; ſondernich glau -35Predigt. ich glaube auch JN den Heiligen Geiſt mit hoͤchſter Zuverſicht / dem vertraue ich mich / ihm laſſe ich mich im Leben und Tode / hie zeitlich und dort ewig.
Nun dieſes iſt die Gabe: Was fuͤr eine Gabe? O uͤber - aus-köſtliche Gabe / eine Goͤttliche unerſchaͤtzliche Gabe; dann was iſt koͤſtlicher / edler und beſſer als Gott das hoͤchſte Gut? So iſt nun dieſe edle Gabe auff ſeiten unſer Eine ſo hohe Gabe / die lobensSir. 20, 32. und conſequenter 1. Erkaͤntnuͤß werth. Ein weiſer Mann der ſich nicht brauchen laͤſſet / und ein verborgener Schatz / wozu ſind dieſe beyde nuͤtze? fragt Sirach / und fragt zwar zuvorderſt von der theoriâ, was ein Schatz nuͤtz / davon man nichts wiſſe? Ignoti nulla cupido. Was hats (zum Exempel) vor zwey hundert und mehr Jahren die Europeiſchen Voͤlcker gebattet / daß in Americâ (der hernach erfunde - nen neuen Welt) koͤſtlich Gold / Gewuͤrtz und andere Kleinodien in groſſer Menge zu finden geweſt / davon ſie keine Spur noch Kundſchafft gehabt? Es meynet aber Sirach auch zugleich die ſcientiam practicam, was tau - get ein Schatz / den man entweder nicht brauchen darff oder zu brauchen weiß? Was nuͤtzet das Korn eines Wucherers auff der Biene oder in der Scheure / wann es eingehemmet wird / oder einen Apotheker / wann man die darinn beygelegte heilſame Mittel und Artzneyen nicht weiß zu appli - ciren und anzulegen? Alſo was hilfft uns Menſchen das Goͤttliche Va - ter-Hertz / die theure ranzion Chriſti Jeſu zu unſerer Erloͤſung erleget und bezahlet / wovon in obigen zweyen Glaubens-Articulen gehandelt worden / ſo uns niemand darzu leitet / niemand den Schatz ergraben und außſpuͤren lehret / ſo wir nicht begabet wuͤrden mit dem Heiligen Geiſt / und deſſen Liecht und Gnad / ohne welchen niemand Jeſum Chriſtum einen1. Cor. 12, 3. HERREN nennen kan.
Chriſtophorus Columbus haͤtte lang auff dem Oceano und wilden Meer herumb ſchiffen und verirren moͤgen / biß ihm / ſo zu reden / die Jndia - niſche gebratene Taube waͤre ins Maul geflogen / wo ihn nicht ein Jndia - niſcher Wind haͤtte angewehet und ihm den Weg gezeiget? Alſo haͤtte uns der himmliſche Pfingſt-Wind / der Heilige Geiſt / nicht angeblaſen / ſo waͤ - ren wir in der Finſternuͤß / im Vnglauben und Jrrthumb / ohne Gott / ohne Verheiſſung / ohne Troſt / in der Welt geblieben / darumb wir auch in der Außlegung des dritten Articuls bekennen und ſagen: Jch glaub daß ich nicht aus eigener Vernunfft noch Krafft / an JeſumE 2Chriſtum36Die AnderChriſtum meinen HErrn glauben oder zu ihm kommen kan / ſondern der Heilige Geiſt hat mich durchs Evangelium be - ruffen / mit ſeinen Gaben erleuchtet ꝛc. Dieſem allem nach iſt die - ſes theure und werthe Goͤttliche Geſchenck der Heilige Geiſt wol wuͤrdig und werth / daß man ihn recht und eigentlich ohn Jrrthumb lerne erkennen und verſtehen / weſſen wir uns zu ihm zu verfehen / was wir von ihm zu hoffen und zu erwarten. Nicht nur erkennens / ſondern auch ſchaͤtzens werth / und weil die Gabe unerſchaͤtzlich / ſie ſchaͤtzen lernen / fuͤr die allerkoͤſt - lichſte Gabe.
Es haben vorzeiten die Roͤmiſchen Kaͤyfer ſich arm geſchencket / groſ -Lipſ. de milit. p. 329. l. 2. ad - mirand. c. 12. ſen luxum und Vberfluß angewendet in ihren congiariis zu ſpendiren / ihre magnificentz andern zu erweiſen; Lipſius kan hierzu nicht gnug Wort finden / wann ſchon / ſchreibet er / ein Midas were / der alles was er anruͤhrete / zu Gold machete / ſo koͤnte er doch nicht ſo viel zu wege bringen als jene ver - ſchenckten. Iulius Cæſar hat ſeinen Soldaten einem ieden ein Ritter-Gut eingegeben und verehret. Einmal im burgerlichen Kriege verehret er un - ter feine Soldaten funffzehen Millionen Goldes. Auguſtus bezahlet einem Griechen fein carmen feſtertiis centenis, das iſt / zwey tauſent und fuͤnff hundert Philips-Thaler. Commodus II. hat einsmals einẽ Solda - ten bey der Statt Ravenna / welchem der Fuß abgehauen war biß uͤber dieCluver. p. 492. Knorren / Stieffel mit Golde gefuͤllet / verehret. Wie hoch die Feuda und Lehen æſtimirt / bezeuget die Erfahrung; mancher laͤſſet Gott Gott ſeyn / Gewiſſen Gewiſſen / religion religion, Geiſt Geiſt / ſetzt Leib und Seel in ſtich / auff daß er adeliche Lehen empfangen und erhalten moͤge. Das ſeynd βασιλικὰ δῶρα, Koͤnigliche Geſchencke; Aber O wie gering / ja wie gar nichtig / wie ſo gar fluͤchtig gegen dem hoͤchſten Gut! Gott koͤnte uns nichts hoͤhers ſchencken als den Heiligen Geiſt. Nun cum Dei ſint omnia, habenti Deum nihil deerit, fi Deo ipſe non deſit, ſchrei -Cyprian. de Orat. Dom. bet Cyprianns: Weil Gott alles hat / weil alles Gottes iſt / ſo wird dem auch nichts mangeln / der Gott hat / wo er nicht ſelbſt Gotte man - gelet oder von Gott weichet.
Es iſt dieſe Gabe nicht nur Erkaͤntnuͤß ſondern auch er - haltens werth / eine Krone / die wir uns nicht muͤſſen durch Ketzer und Schwaͤtzer / durch Philoſophi und Phantaſy / rauben und nehmen laſ - ſen / ſondern dieſelbe raͤchen / retten und vertheidigen wider alle falſche und widrig-glaubende. Die alte Macedonianer (Macedonius war ein Politiſcher untheologiſcher Hofmann ein mit Gewalt und Blut -vergieſſung37Predigt. vergieſſung eingetrungene Biſchoff zu Conſtantinopel / ein halber Arianer / der erſte pnevmato-machus und Geiſt-Stuͤrmer / welcher Gotteslaͤſterlich außgeben / der Heilige Geiſt were eine Creatur von Gott dem Herrer in der Zeit erſchaffen; deme die Vaͤter zu Conſtantinopel dieſe bißher erklaͤrte Wort entgegen geſetzt / und damit ſeine Lehr anathe - matiſiret;) ſind langſt tod / aber ihr Geiſt lebet noch in den heutigen Pho - tinianern / welche ebenmaͤſſig die Gottheit des Heiligen Geiſtes anfechten / halten den H. Geiſt nur fuͤr eine Krafft und Wirckung Gottes / wie Oſto -Oſtorod. c. 4. inſtit. p. 32. rodus ſchreibt: der verwegene Ketzer Joh. Crell nennet den H. Geiſt Deo ſupremo ſubordinatum, einen untergeordneten Gott / der dem hoͤchſtenIoh. Crell. de Vno Deo Patre l. 2. ſect. 3. Gott geunterordnet ſeye / als media actionum divinarum cauſa, eine Mittel-Vrſach / durch welche die Goͤttlichen Sachen außgerichtet und verrichtet wuͤrden. Jonas Schlichting, ein Polniſcher Edelman in ſeinem Buch de Trinit. adverſus Meiſn. braͤcht gern die Apoſtel und die Beken - ner zu Niceâ ſelbſt auff ſeine Meynung / ſchreibet: Entweder die jenigen / ſo den Apoſtoliſchen Glauben geſchrieben und zuſammen getragen / haben geglaubet / daß der Heilige Geiſt Gott ſeye / oder haben es nicht geglau - bet: Haben ſie es geglaubet / warumb haben ſie dann daſſelbe nicht auß - druͤcklich im Glauben geſetzet? Haben ſie es nicht geglaubet / warumb ſollen dañ wirs glaubẽ? Gerad als were es nicht genug in dẽ Wort Credo, Jch glaube / angezeiget / und zwar in dem Wort Gott / welches ſie ἀπ ὸ κοινοῦ wollẽ widerholet habẽ / und deßwegen vorher im erſten Articul geſetzet / weil daſſelbe allen dreyes Perſonen / Vater / Sohn und Heiligem Geiſt ge - mein iſt; hernach mit dem Woͤrtlein JN: Da ſich aber hernach die Πν〈…〉〈…〉 ματομάχοι und H. Geiſt-Stuͤrmer herfuͤr gethan / ſo iſt ihnenklaͤrer wi - derſprochẽ wordẽ in dieſem zu Conſtantinopel abgefaſſten Symbolo; Die erſt-ermeldten Photinianer ſind uns weit entlegen / wiꝛ tragen abeꝛ noch in uns die Πν〈…〉〈…〉 ματομαχίαν, wann unſere blinde und toll-ſinnige Vernunfft und arger Will ſich wider den H. Geiſt will aufflehnen / und denſelben unter ſich zwingen; und alſo nicht Gott in uns ſeyn und herrſchen laſ - ſen. Dieſen allen ſtehet entgegen der Apoſtoliſche Fluch: So iemand /Gal. 1, 8. 9. were es auch ein Engel / ein anders Evangelium predigen wird / als wir auch verkuͤndiget haben / der ſey verflucht.
Es iſt dieſe edle Gabe nicht nur erhaltens ſondern auch hoch ruͤhmens werth / gleich wie die jenigẽ præſent und Geſchencke / die Jacob ſeine Soͤhne hieß zu ſich nehmen / als ſie in Egypten zogen / Getreide zu holen / Joſeph damit zu verehren / genennet werden in der HebreiſchenE 3Grund -38Die AnderGen. 43, 11.Grund-Sprache zimroth haaretz, auff Teutſch das Lob der Erden / das iſt / terræ κειμήλια omnium ore decantata, die edelſten Kleinodien / ſo zu reden / des Landes / umb welcher willen es allenthalben von iederman ge - ruͤhmet wuͤrde / des Landes beſte Fruͤchte / Balſam / Honig / Wuͤrtze / Myr - rhen / Datteln vnd Mandeln / warumb nicht viel mehr hier? da ſind zimroth haſchamajim, die edleſte Himmels-Gabe / welche mit zuſam - men-ſtimmenden Mund / Hertz vnd Thaten von iederman einhelliglich ſoll geruͤhmet / gelobet und gepreiſet werden; weil ſich auch dieſe Perſon des Menſchen ſo hoch angenommen / und ſich ſo tieff herab geſencket; welches dann auch die beſte harmonia iſt / wann die Stimmen des Hertzen / Mun - des und euſſerlichen Wercks wol zuſammen gehen ohne Heucheley; derDevt. 33, 3. c. 4, 7. Text unter ſolcher Melodey iſt dieſer: Wie hat doch GOTT die Menſchen ſo lieb? Wo iſt ein Volck zu dem ſich die Goͤtter ſo nahen? Wie groſſe Gutthat / daß ſich auch der Heilige Geiſt ſo tieff herab geſencket in unſern Spital / in unſerm Hertzen zu wohnen! Jſts dann nicht gnug / daß der Sohn Gottes Menſch worden / der Vater ſeine Hertzens-Kron angegrieffen / und was wollen wir ſagen? obmuteſcen - dum, obſtupeſcendum, mirandum non rimandum, wir muͤſſen daruͤber erſtummen / wir verſtarren / wir muͤſſen uns hoͤchſt daruͤber verwundern / und koͤnnen mit vnſern Vernunffts-gruͤbeln nicht fortkommen.
Eine Gabe die nicht nur ruͤhmens / ſondern auch anneh - mens werth. Jſt dieſe edle Gabe ſo ein Wunder-Geſchenck / wer wolteAct. 8, 18. 19. dann dieſelbe nicht annehmen? Wie aber? Vielleicht durch Geld-Kauff / wie Simon / der dieſelbe kauffen wolte von den Apoſteln / damit er ſie wieder verkauffen koͤnte: wie hernach im Papſtumb die geiſtliche Fuggereyen / Jahrmaͤrckte / Marcketendereyen ſo gemeine worden / daß ſie in Himmel geſchrien / auch wol zu vnſern Zeiten durch heimlichen Verſtand bey dem Evangelio dergleichen Simonien fuͤrgangen mit præbenden / mit voca - tionen / Chur und Wahlen / da aus Hoffnung eines Geſchencks; die groͤſten Narren die beſten Pfarren gekriegt / umb Zuſag eines jaͤhrlichen Canonis: Solt dergleichen auch noch geſchehen / ſo wirds Gottes Rach gewiß finden / und noch an der poſteritaͤt ſtraffen; da ſey Gott fuͤr! ſondern durch eiferiges Gebet / Bitt und Flehen / deſſen Gott iederman ge -Luc. 11, 11. 12. waͤren will; Luc. 11. ſtehet die Verheiſſung / Brod nicht Stein: Fiſch nicht Schlang: Ey nicht Scorpion: Was wollen wir aber bitten? Wollen wir vnſere Luſt haben an Gold / Silber / Ehr ꝛc. O nein! dañ da iſt uns ſo viel nicht an gelegen / ſondern den Heiligen Geiſt / die erſte Bitte imVater39Predigt. Vater unſer: daß Gottes Name bey uns geheiliget werde / daraus alles folgen ſoll.
Er iſt donum catholicum, eine allgemeine Gabe / aber die Welt kan ihn nicht empfangen / dann ſie ſihet ihn nicht /Ioh. 14, 17. und kennet ihn nicht / das iſt / ſie verſtehet nichts von ihm / weder nach ſeiner Perſon noch Ampt; ſo achtet ſie ihn auch nicht / ſie trachtet nicht nach ihm / Welt-Geiſt und Gottes-Geiſt ſeynd ἀσύςατα, ſie koͤnnen nicht bey einander ſtehen / niemand kan zweyen Herren dienen. DieMatt. 6, 24. Welt / das iſt die Alleredelſten / die Allerweiſeſten / die Allerreicheſten / ſie ver - trauen auff ihre Weißheit / darumb wollen ſie die himmliſche Weißheit nicht; ſie ruͤhmen ſich ihrer Ehr / darumb wollen ſie dieſes Liecht nicht; ſie ergetzen ſich mit ihren Wolluͤſten / darumb achten und trachten die nicht nach dem Himmels-Troſt / ſie erlangen auch die ewige Freude nicht: Sie freuen ſich ihres Reichthumbs / darumb wollen ſie dieſes nicht. Summa bring her / bring her ein Geſchenck nach dem andern / iſt der Welt ihr Be - gehren. Es ſchreyet alles nach Reichthumb und Geſchencke / dieſelbe blen - den / ſie obligiren / ſie ſclaviſern / mutnegra cum murvâ faciunt rectiſſima curva, aber das himmliſche Geſchenck / die Himmels-Gabe die iſt unan - genehm / die begehrt man nicht. Nun am Juͤngſten Tage wird der Reuer kommen / und wird in der heiſſen Hoͤllen-Glut die Verdammten auch frie - ren nach dieſer Sonne.
Gott der Heilige Geiſt wolle ſelbſt ſolche Hertzen / Sinnen / affecten / Begierden erwecken und beſcheren / daß wie ſchenck-ſuͤchtig der Menſch iſt und nur ſchreyet / Affer, Affer! bring her / bring her! unerſaͤttlich: alſo wir Geiſt-begierig ſeyen: wie ein Verwundeter nach Balſam-Oel ſchreyet: alſo wir nach dieſem edlen Himmels-Oel; wie einer der in der finſtern tappet / ein Blinder nach dem Liecht; wie ein Erfrorner nach der Feuer - Hitz / und mit was groſſem Durſt die Leute den Artzney - und Heil-Brun - nen zulauffen / alſo wir auch eilen mit Hirſches-Begier zu dieſer Gnaden-Quell / damit wir / die wir hier haben das Pfand / dort das voll - kommene Erbe erlangen / Friede und Freude im Heiligen Geiſt / Amen.
Vber den dritten Articul / Von der proceſſion und Außgehung des Heiligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Ob wol alle ſichtbare auch lebloſeSap. 13, 5. Creaturen Bilder ſind ihres Schoͤpffers / ſo mag doch ſol - ches κατ᾽ ἐξοχν` von dem Element des Waſſers / dem groſ - ſen Meer / der offenbaren See geſagt / da ſich Gottes Ma - jeſtaͤt / providentz / Regierung und Weſen ſpiegelt / wie die Sonn im Waſſer ſich ſelbſt pfleget abzumalen; DarumbHerod. in Melpom. p. m. 252. zu gleicher weiſe / wie jener Darius Hyſtaſpes bey dem Herodoto auff einen hohen Thurn ſich geſtellet / die Weite / Breite und Laͤnge des Meers zuRom. 11, 33. ſchauen und zu betrachten: ſich auch der Apoſtel St. Paulus gleichſam auf einen Thurn / ja auff einen Maſt-Baum geſtellet / zu betrachten die Tieffe des Reichthumbs und der Weißheit / und der unbegreifflichen Gerichte / und unerforſchlichen Wege des Herrn / der Heiligen Drey - einigkeit / und nach dem er ſich genug erſehen / obſignirt ers mit dieſer exclamation: ῶ βάϑος! O welch eine Tieffe! Ja freylich βάϑος 1. Eſſentiæ & opulentiæ, eine Tieffe des Weſens und des Reichthumbs; Das Meer iſt ja eine Zuſammenflieſſung allerEccleſ. 1, 7. Waſſer / ein unendlicher Guß / wie alle Waſſer aus dem Meer flieſſen / und Circulweiſe / auch hinein / und wird doch das Meer nicht voͤller; Die Tieffe kan kein Taͤucher finden / kein Bley - wurff ergruͤnden / iſt an etlichen Orten unergruͤndlich / ob ſchon es bißwei - len nicht tieffer ſeyn ſoll als anderthalbe welſche Meilen; Was will man ſagen von dem Reichthumb / ſo im Meer verborgen / der Schaͤtze / Kleino - dien / Gold und Perlen? Alſo iſt das Goͤttliche Weſen π〈…〉〈…〉 λαγος ἂπειρον καὶ ἀορίςον, ein unergruͤndliches / unendliches Meer / ein Circul / aus wel - chem alles und in welches wieder hinein kommet und geſchloſſen iſt / das hoͤchſte und alles Gut; Es iſt Ens opulentiſſimum, wie aller Reichthuͤ - mer Vrſprung / alſo auch die Fuͤlle / ein Schatz / der nicht kan erſchoͤpffetMich. 7, 19. confer Ier. 51, 63. 64. werden / vnd ſonderlich zu vnſerm Troſt abyſlus miſericordiæ, ein Ab - grund der Barmhertzigkeit.
2. βαϑος41Predigt.2. Βάϑος ſapientiæ, Eine Tieffe der Weißheit / uͤber wel - cher erſtarret Koͤnig David in ſeinem 104. Pſ. HERR / wie ſind allePſ. 104, 24. deine Werck ſo groß und viel / du haſt ſie alle weißlich geordnet.
3. Βάϑος κριμάτων, die Tieffe der Gerichte; allerhand wunder - liche motus, fata und Regierungen: wie wunderlich die Natur des toden Meers / welches alles / was es antrifft / ſubmergirt, wie Plinius bezeuget / wie ſeltzam / wie ungleiche fortun, der Wind-Strich / der Wellen-Lauff / daß man lafiren und den Segel nach dem Wind richten / und des Meeres Willen ſich ergeben muß / wie dort Act. 27. Paulus mit ſeinen Geferten wi -Act. 27, 40. derfahrẽ? Alſo ſind die Goͤttlichẽ Gerichte ἀνεξερ〈…〉〈…〉 νητα, unbegreifflich / wer will ſie ergruͤnden? Wer will ſich unterſtehen außzuſprechen / warumb die Juden die letzten / und die Heyden die erſten ſeyn ſollen im Himmelreich? Warumb Gott Straßburg verſchonet / und Magdeburg verſtoͤret? Warumb Sodoma mit einem Feuer-Regen verbrennet und untergan - gen / Rom aber in voller Bluͤhte gleichſam prange? Warumb das Maß ſeiner Goͤttlichen Langmuth ſo ungleich? Da iſt am beſten die Hand auff den Mund legen und gewonnen geben:
4. Βάϑος ὁδῶν ἀνεξιχνιάςων; die Tieffe ſeiner unerforſch - lichen Wege / woruͤber auch der weiſeſte Koͤnig Salomo in Verwun - derung gerathet / Drey Ding / ſagt er: ſind mir zu ſchwer / desProv. 30, 18. Schiffs Spur kan man nicht finden / noch ſeine Bahn in denSap. 5, 10. Fluthen: Alſo ſeynd auch die Wege Gottes unerforſchlich / unerforſch - lich der Weg der Beruffung Abrahams aus Chaldea / des Jſraelitiſchen Volcks / der Apoſtel; Vnerforſchlich ſeynd die gradus der Wege / die horæ & moræ, die Zeiten und Stunden derſelben / wie der Herr Chriſtus ſelbſt ſolches an Tag giebet / ſagende: Were in Tyro und SidonMatt. 11, 21. alſo geprediget worden und ſolche Wunder geſchehen / wie zu Chorazin / ſie hätten im Sack und in der Aſche Buſſe gethan. Wunderlich iſt es / daß Teutſchland mit dem hellen Liecht des H. Evangelii begnadet und erleuchtet / und nicht ſo wol Jtalien? Vnerforſchlich ſeynd die Wege der Geburt / die Wege des Lebens / die Wege des Todes.
5. Βάϑος SS. Trinitatis, die Tieffe der Heiligen hochge - lobten Dreyeinigkeit. Bey Waſſer und Seen ins gemein findet ſich die Quell / der Brunn und der Strom / in einer weſentlichen unver - miſchten Natur: Alſo iſt Gott der Vater die Quell / der BrunnIer. 2, 13.Sechſter Theil. Fiſt der42Die DrittePſ. 68, 27.iſt der Sohn / der da iſt der Brunn Jſrael / der Heil-Brunn: derZach. 13, 1. Strom und das Gnaden-Meer iſt der Heilige Geiſt / Apoc. 22. VonIoh. 4, 14. dieſer Quell ſind alle Ding / Segen / Krafft und Safft / durch dieſenApoc. 22, 1. Brunn werden uns vom Himmel herab alle Gnaden-Schaͤtze zuge - floͤtzet und zugefuͤhret; Jn dieſen Strom muß ſich alles wieder termini - ren / zur Ehre des Heiligen Geiſtes / in welchem wir ſeynd / leben und weben / als wie ein Schiff in dem groſſen Meer ſchwebet.
Nun meine Liebſten / wir ſtehen mit Paulo auch auff dem Maſt - Baum / oder viel mehr in portu, an dem Anfurth des Meers / zu betrachten Βάϑος Deitatis, die Tieffe der Gottheit / ſonderlich der dritten Perſon in der hochgebenedeyeten Dreyeinigkeit. Die erſte und andere Perſon haben wir droben betrachtet / haben neulich Βάϑος miſe - riæ, die unergruͤndliche Tieffe unſers Elendes / unſerer Duͤrff - tigkeit demonſtrirt / wie noͤthig unſerer lechzenden Seel dieſer Himmels - Strom: Wir haben Βάϑος doni divini, die Tieffe der Goͤttlichen Gabe æſtimirt: folget doni originatio, die Entſpringung ſol - cher Gabe / wie ſolche Gabe außflieſſe / iſt auch ein βάϑος und groſſes Geheimnuͤß; Gott gebe / daß wir ohne Schwindel daſſelbe anſchauen / ſo viel uns davon geoffenbaret / der Sache weder zu viel noch zu wenig thun / alles zu unſerer Lehr und Gottes des Heiligen Geiſtes Ehr / Amen.
WAnn demnach in unſerm Symbolo Nicæno geglauber wird / daß der Heilige Geiſt vom Vater und Sohn außgehet / ſo wird uns erſtlich klar gedeutet auff das origi - natum, wer nemlich vom Vater und Sohn außgehe / das iſt nun eine andere Perſon vom Vater und Sohn unterſchieden / und zwar die Dritte; Eine Perſon / ſag ich / denn Außgehen iſt ein actus perſonalis, eine ſolche Handlung oder Werck / ſo einer Perſon zuſte -Iob. 34, 14. het: Eine ſelbſtaͤndige / lebendige / Job. 34. Joh. 3. weiſe / 1. Cor. 2. und freyeIoh. 3, 6. Perſon / 1. Corinth. 12. deren / wie dieſer actus perſonalis, der Außgang1. Cor. 2, 10. 11. vom Vater und Sohn / alſo auch andere perſoͤnliche Handlungen1. Cor. 12, 11. zugeſchrieben werden / (Pſal. 104. Joh. 15. und 16. Actor. 20.) als da iſtPſ. 104, 30. die Sendung / die Schwebung uͤber den Waſſern / die Schoͤpffung / dieIoh. 15, 26. c. 16, 13. Heiligung / die Bezeugung. Es terminiren ſich auch in derſelben per -Act. 20, 28. ſoͤnliche Handlungen / als da ſind / die Anbetung / lobende Erhebung / dieSuͤnde43Predigt. Suͤnde in den Heiligen Geiſt / lauter characteres perſonales, ſolche Kenn - Zeichen / die eine gewiſſe Perſon andeuten vnd anbilden. Jch ſage eine andere Perſon vom Vater und Sohn unterſchieden / (nicht dem Weſen nach / von welchem wir oben gehoͤret / ſondern) durch den per - ſoͤnlichen characterem und Merckmahl / die proceſſion und Auß - gang: Es iſt ja eine andere Perſon / von welcher außgangen wird / vnd eine andere / die außgehet; Dannenhero heiſſet er ἄλλος παράκλκτος, ein anderer Troͤſter / nicht ἄλλο ein anders Weſen. Die dritte Perſon /1. Ioh. 5, 7. ſag ich / dann drey ſeynd die da zeugen / 1. Joh. 5. Die erſte Per - ſon ſaget: Jch / Jch der Herr dein Gott. Die andere PerſonPſal. 2, 7. heiſſet Du / Pſal. 2. Hebr. 1. und 5. Die Dritte heiſſet ille, ἐκει῀νος,Hebr. 1, 5. c. 5, 5. Er oder derſelbige / Joh. 15. und 16.
II. Originatio ipſa, der Außgang an ſich ſelbſt / Joh. 15. Ioh. 15, 26.Das iſt nun nicht eine Schoͤpff-Handlung / Schoͤpff-Werck oder Thun / dann der H. Geiſt iſt ſelbſt der Schoͤpffer / Pſ. 33. nicht 2. ei -Pſal. 33, 6. ne Zeugung oder Gebaͤrung / ſintemal in der Dreyfaltigkeit nur eine Perſon gezeuget und geboren iſt / die heiſſet μονογενὴς, der eingeborne SohnIoh. 3, 16. Gottes / nicht 3. ein Gebot-Befehl und paſſiv-Sendung / wie der Engel Gabriel von Gott außgangen / eine Goͤttliche legation und Bott -Luc. 1, 19. 26. ſchafft abzulegen; Der Heilige Geiſt iſt geſender worden / aber nicht als ein Diener in der Zeit / ſondern als eine Goͤttliche / gleich-ewige Perſon von Ewigkeit / dero Außgang iſt ewig. Sondern ſie heiſſe ἐκπόρ〈…〉〈…〉 σις, ein unaußſprechlicher / unbegreifflicher Außgang / mehr koͤnnen wir davon nicht lallen: ἀπόρροια τοῦ Θεοῦ, wie Athanaſius redet / eine Außflieſſung Gottes / wie ein Strom von einem Brunn auß - flieſſet: und zwar proceſſio æterna, interminabilis, ad intra,Apoc. 22, 1. Ioh. 15, 26. eine ewige / unendliche und untheilbare Außgehung. Daß dem alſo / bezeuget nicht nur das præſens ἐκπορ〈…〉〈…〉 εται, er ſaget nicht er iſt auß - gangen oder er wird außgehen / ſondern er gehet aus / nemlich ewiglich / unanfänglich / unauffhoͤrlich; gleich wie auch das Woͤrtlein hodie, heute von Chriſto gebraucht wird / da es dann keine Fortflieſſung in der Zeit bedeutet / ſondern eine Geburt in der Ewigkeit; Es erhaͤllet auch ausF 2dem44Die Drittedem ſcopo und Zweck des Herrr Chriſti / wenn er ſaget: Jch will euch einen andern Tröſter ſenden / der vom Vater außgehet / als wolte Er ſagen: Jhr habet zu thun mit dem Fuͤrſten dieſer Welt / euere Anfechtungen werden alle Vernunfft uͤbertreffen / euere Duͤrfftigkeit iſt ein βάϑος miſeriæ, ein tieffes / unergruͤndliches Jammer-Meer: Dar - umb will ich euch keinen Engel ſenden / der zwar auch troͤſtet / wie Chriſto geſchehen in ſeinem Leiden und Anfechtungen / ſondern einen ſolchen Geiſt / der vom Vater außgehet / der bey euch bleibet ewiglich. Ein Göttlicher Geiſt / conſequenter ein ewiger Geiſt / der allen euren Feinden gewachſen / und geweſt ehe ſie waren / ſeyn wird / wann ſie nicht mehr ſeynd / der nicht nur βάϑος Sathanæ, die Tieffe des Sathans /1. Cor. 2, 10. 11. die Tieffe vnd den Abgrund des menſchlichen Hertzen / ſondern auch die unergruͤndliche Tieffe Gottes erforſcher.
Es iſt dieſe originatio und Außgehung ſpiratio paſſiva,Gen. 1, 2. eine ſolche Handlung / ſo durch ein blaſen geſchiehet / dannPſal. 33, 6. darumb heiſſet er Spiritus, ein Geiſt / nicht ſo wol ratione eſſentiæ,Eſa. 11, 4. 5. weil er ein weſentlicher Geiſt iſt / ſintemal auch der Vater auff dieſeIob. 33, 4. 2. Theſſ. 2, 8. Weiſe ein Geiſt heiſſt; auch nicht ſo wol ratione virtutis activæ, we - gen der wůrckenden Krafft / ſintemal auch der Sohn des Varers Krafft iſt; ſondern ratione virtutis paſſivæ, weil er vom Vater und Sohn auff eine Göttliche unbegreiffliche Weiſe geblaſen und gehauchet wird: welches Geheimnuͤß Chriſtus uns ſelbſt gleich -Ioh. 20, 22. ſam abgemalet / Joh. 20. da er ſeine Juͤnger angeblaſen / und mit dieſem euſſerlichen actu und anhauchen das ewige blaſen des Heiligen Geiſtes bezeugen wollen. Es iſt aber dieſe ſpiratio und blaſen nicht ein zeit - liches / erſchaffenes / endliches und theilbares / ſondern ewiges / unmit - theilbares / unendliches blaſen und hauchen. Gleich wie aus dem Menſchen zweyerley flatus und ſpiritus gehen / einer gehet aus dem Hertzen und bleibet im Menſchen / das iſt / ſpiritus vitæ, der Lebens-Geiſt / welchen wir etlicher maſſen erkennen und abnehmen aus der λ᾽ειποϑυμίᾳ oder Ohn - macht eines Menſchen / wenn ein Menſch in Ohnmacht gerathet / da ſihet man was dem Menſchen mangelt / nemlich die innern dißmal aber verſtopffte Lebens-Geiſterlein / welche man mit Balſam / Roſen-Eſſig und dergleichen Geiſt - und Geruchreichen Artzneyen renoviren / widerholen und erweckẽ muß: Der ander iſt accidentarius, ein zu - und abgehender Athem /die Lufft /45Predigt. die Lufft / ſo der Menſch durch die Lung von auſſen an ſich ziehet / und wieder - umb von ſich außblaſet: Alſo iſt ein ander ſpiritus, ein ander Geiſt / der unerſchaffene / in Gott bleibende / ewige Geiſt; ein ander ſpiraculum vitæ, der Lebens-Hauche / der lebendige Athem / welchen Gott dem Adam eingeblaſen / die vernuͤnfftige Seel.
III. Originationis origo, Die Quell und Vrſprung ſolcher Außgehung; das iſt nun die erſte Perſon / die Quell derIoh. 15, 26. Gottheit / auſſer allem Zweifel; Aber von der andern Perſon iſt in der Griechiſchen Kirch groſſer Streit vor alters geweſt und noch / Ob er nemlich auch von dem Sohn außgehe? Daß dem alſo / beweiſen wir 1. aus der Art zu reden / daß er in heiliger Schrifft genennet wird der Geiſt Chriſti. Warumb heiſſet er der Geiſt des Vaters? Dieweil er vom Vater außgehet; Alſo / warvmb heiſſet er der Geiſt Chriſti? Die -1. Cor. 2, 12. weil er von Chriſto dem Sohne Gottes außgehet.
2. A miſſionis naturâ, von der Natur und Eigenſchafft der Sendung; principium miſſionis temporalis eſt etiam princi - pium miſſionis æternæ, von wem er in der Zeit geſendet wird / von dem - felben iſt Er auch von Ewigkeit her außgangen; Nun aber wird Er von dem Sohn gefendet / geſendet iſt Er worden von dem Sohn aut per imperium, aut per originem, entweder aus Befehl / Gebots - weiſe / oder Vrſprungs-weiſe: Nicht aus Befehl und Gebot / weil er der Heilige Geiſt eine Perſon von gleicher Majeſtaͤt und Herrligkeit / mit Vater und Sohn / der keinen Herrn oder Herrſcher uͤber ſich erkennet / ſo folget / daß er vom Sohn außgehe als eine Perſon / die von ihm ent - ſprungen.
3. Ex παντολήψει, aus der Allnehmung / wann der Herr Chriſtus ſaget: Von dem meinen wird ers nehmen / und euchIoh. 16, 14. 15. verkuͤndigen. Alles was der Vater hat / das iſt mein; darumb habe ich geſagt: Er wirds von dem meinen nehmen / und euch verkuͤndigen. Von dem meinen / das iſt / von meinem We - ſen. Wo die Weißheit herkommet / da kommet das Weſen her; Er wirds nehmen / entweder in der Zeit oder von Ewigkeit her; nicht in der Zeit / dann die Goͤttliche Weißheit iſt eine unerſchaffene / ewige Weißheit. Wo aber nicht in der Zeit / ſo hat ers von Ewigkeit her.
F 34. Ex46Die Dritte4. Ex opulentiâ Filii, aus dem Reichthumb des Soh - nes; Alles was der Vater hat / das iſt ſein; nun aber ſpirationem activam, die Blaſung hat der Vater / derowegen auch der Sohn.
Dieſes nun iſt myſterium I. Agnoſcendum, Ein zwar ver - borgen Geheimnuͤß / aber zugleich ſolches Geheimnuͤß / welches wir ſo wol als andere Geheimnuͤſſe verſtehen můſſen / ſo viel uns darvon1. Timoth. 6, 16. geoffenbaret. Es wohnet zwar Gott in einem Liecht / da nie - man zukommen kan / aber per συγκατάβασιν, durch eine ſonderbareMatt. 3, 16. Gemaͤhe und freundliche Zuneigung hat er ſich hernieder gelaſſen. Der Himmel hat ſich auffgethan bey der Tauffe Chriſti am Jordan / da der Heilige Geiſt ſichtiglich in Geſtalt einer Tauben herab gefahren / damit wir ſchauen und ſehen moͤgen / ſo viel gnug und von noͤthen iſt. Es ge - hoͤret dieſes Geheimnuͤß unter die Articul / davon Athanaſius ſaget: Wer da will ſelig werden / der muß vor allen Dingen dieſes glauben; Der Vater iſt Gott / der Sohn iſt Gott / der Heilige Geiſt iſt Gott / und ſind doch nicht drey Goͤtter. Eine an - dere Perſon iſt der Vater / eine andere der Sohn / eine andere der Heilige Geiſt / aber der Vater / Sohn und Heiliger Geiſt iſt ein einiger Gott / gleich in der Herrligkeit; Der Heilige Geiſt iſt vom Vater und Sohn nicht gemacht / nicht geſchaf - fen / nicht geboren / ſondern außgehend. Darumb wir zwiſchen zweyen extremis durchſeglen muͤſſen / diſſeit liegen laſſen ignorantiam, die grobe Vnwiſſenheit / jenſeit curioſitatem, uͤbelfuͤhrenden Fuͤrwitz.
II. Defendendum, Wir muͤſſen ſolches Geheimnuͤß auch vertheidigen / nicht allein wider die Photinianer / welche laͤugnen und nicht zugeben wollen / daß der Heilige Geiſt eine wahre Per - ſon ſeye: Sondern auch wider die halßſtarrige Griechen in der Griechi - ſchen Kirchen / welche in dieſem Stuͤck was beſonders gehabt und noch haben / daß ſie nemlich den Außgang vom Sohn laͤugnen; Ob wol auff dem Concilio zu Florentz die Verſoͤhnung tentirt worden / auch Genna - dius Scholatius der Patriarch zu Conſtantinopel / ein Geferte Johannis Paleologi ſich bekehret und wider ſeine Landes-Leute den Außgang des Heiligen Geiſtes defendirt / ſo hat er doch nichts außrichten koͤnnen / ſie ſindv. Oſiand. Cent. 15. p. 477. auff ihrer alten Geige beharret / und iſt ihre Meynung / der Heilige Geiſt gehe aus vom Vater allein / und nicht vom Sohne; daraus per conſe -quentiam47Predigt. quentiam folget negatio Trinitatis, die Verneinung und Verlaͤugnung der Heiligen Dreyeinigkeit: Dann ſo der Heilige Geiſt nicht vom Sohne außgehet / ſo muß er der Sohn ſelbſt ſeyn; wo nicht iſt relationis oppo - ſitio, wo nicht der Sender dem Gefendeten entgegen gefetzt wird / wo kein actus internus, keine innerliche / eigene / perſoͤnliche / unmittheilbare Hand - lung / da iſt auch kein Vnterſcheid / ſo muͤſſen nothwendig nur zwo Per - ſonen ſeyn.
Es hat aber der gerechte Gott bald hernach ſolche Halßſtarrigkeit an den Griechen ſchroͤcklich geſtraffet / dieweil ſie durch Suͤnden den H. Geiſt erbittert / mit der aͤuſſerſten ruin der Statt Conſtantinopel; die Mahomet / der Groß-Tuͤrck anno 1453. mit einer Macht von vier hundert tauſenten / und uͤber dritthalb hundert Schiff belaͤgert / einbekom̃en / und alſo gehauſet / wie unſere Chriſten heutiges Tages / dẽ garans geſpielet / die Haupt-Kirche zu St. Sophia zum Roß-Stall gemacht / die Weiber auff den Altaren gefchaͤndet / alle des Kaͤyfers (der zutreten worden in der Flucht) Bluts - Freunde ermordet / der Jammer iſt mit Menſchen-Zungen nicht außzu - ſprechen / und iſt alſo die ſchoͤne Statt Conſtantinopel / ſo vom Conſtan - tino gebauet / 1122. Jahr in der Chriſten Hand geweſt / von Conſtantino dem Funffzehenden und letzten Griechiſchen Kaͤyſer der Helenæ Sohn verlohren worden. Was war doch die Vrſach? fraget Gennadius, Vnſer Volck hat keinem Goͤtzen gedienet / noch den Sohn Gottes gecrentziget / noch dennoch / O des unertraͤglichen Schmertzens! O des unerhoͤrten Vngluͤcks und Jammers! Wir ſeynd aller Heyden / ja der Juͤden ſelbſt / Knechte worden. Es hat zwar die reiffe / uͤbermachte / Himmel-ſchreyende Boßheit / die Goͤttliche Nemeſin und Rach armirt und in Harniſch ge - jagt; aber die Verlaͤugnung des Heiligen Geiſtes hat die Waffen des Goͤttlichen Zorns acuirt und gewetzet. Jſts wahr / was die Hiſtorien melden / ſo iſts freylich nicht ſine omine und ohne ſonderbare Bedeutung geweſt / daß da Conſtantinus die Statt gebauet / obſerviret ein Feuer vom Himmel herab fallen in die Statt / und als Mahomet ſie belaͤgert / ſoll man wieder ein Feuer geſehen haben / das ſich aus der Statt erhoben und in Himmel zugeflogen / nemlich der Heilige Geiſt wird gegeben vom Him - mel herab / aber wann er verachtet wird / ſo weichet er wieder hinweg.
Dieſes iſt uns zum Muſter und Fuͤrbild geſchehen / daß wir an frembden Schaden witzig werden / und mit der Offenbarung Goͤttlicher Geheimnuͤß nicht ſpielen / den H. Geiſt nicht betruͤben / nicht erbittern / durch die Vnwiſſenheit der groben ignoranten / die beſorglich / wann manAct. 19, 2. ein examen anſtellen ſolte / ſagen wuͤrden: Wir haben auch nie ge -hoͤret /48Die Drittehoͤret / ob ein Heiliger Geiſt ſey; daß wir ihn nicht betruͤben durch ein ungeiſtlich Leben; Es iſt ein alter Paͤpſtiſcher Wahn / als muͤſten al - lein die Paͤbſtiſche monopolæ, die Pfaffen und Moͤnche geiſtlich ſeyn und heiſſen: da wir doch alle den Heiligen Geiſt empfangen und geiſtlich ſeyn ſollen: anders als unſere σαρκικοὶ und fleiſchlich-geſinnete Welt-Kinder / die ſich wenig umb dieſen Geiſt bekuͤmmern / Fleiſch her / Toͤpffe Egypti / die das irrdiſche dem geiſtlichen und himmliſchen / das ſichtbare dem un - ſichtbaren entgegen ſetzen; Sack voll Geld / Keller voll Wein / Kaſten voll Frucht / das ſind herrliche und koͤſtliche Gaben / Summa:
Ambitioſus honos & opes & fœda voluptas:Hæc tria pro trino Numine mundus habet.
Aber es wird der Reuer hernach kommen / wann der Richter am Juͤngſten Tage wird ſagen: Hi ſunt Dii tui! Da haſtu deine Goͤtter / O du gottloſe Welt / die du geehret und geliebet uͤber den rechten wahren Gott! dieLuc. 16, 24. werden vergehen im Feuer: Reu in der Ewigkeit! was gebe der Schlem - mer umb ein Troͤpfflein Troſt-Waſſer / aber Durſt und kein Loͤſchen.
III. Myſterium admirandum, Wir müſſen uns ůber dieſem Wunder-Geheimnuͤß verwundern / Gott will admi - ranten haben / daß er ein ſehnliches und flehenliches Verlangen nach ſich ſelbſt anzuͤnde / verwundern / ſage ich / aber nicht mit der Vernunfft gruͤ - belen. Die Verwunderung iſt der Philoſophi und Vernunfft Mutter / aber der Theologi und Goͤttlichen Geheimnuͤß-Lehr Tochter: da heiſſet es ὦ βάϑος! O unergruͤndliche Tieffe!
IV. Myſterium adorandum & celebrandum; Wir muͤſſen dieſes hohe Geheimnuͤß anbeten / loben und preiſen. Das taͤgliche geſprochen das walt Gott! iſt unſer abgekuͤrtztes Symbolum und Glaubens-Bekaͤntnuͤß; Die Egyptier haben vorzeiten dem Nilo, die Heſſen dem Brunn / die Peruaner dem Meer gleichſam als Goͤttern geopffert; Aber hier iſt das rechte Goͤttliche Meer / dem wir unſere Hertzen und uns gantz taͤglich opffern / und daſſelbe anbeten ſollen.
V. Myſterium fide hauriendum, Wir muͤſſen dieſes Glaubens Geheimnuͤß mit wahrem Glauben ſchoͤpffen / faſ - ſen und auffheben in unſern Hertzen; Ach wie hat doch Gottdie Men -49Predigt. die Menſchen ſo lieb! Eine groſſe Wolthat iſt die Offenbarung ſelbſt / dan - nenhero ſind wir ſeine Freunde. Dieſer Titul iſt mit keinem Welt -Ioh. 15, 15. Gut zu bezahlen. Wann ein Meiſter ſeinen Knecht oder Lehr-Jungen ein arcanum ſeiner Kunſt offenbaret / ſo haͤlt ers fuͤr ein groß Freundſtuͤck! Alſo wir billich noch mehr. Groſſe Wolthat iſt die die Schen - ckung und Sendung Gottes des Heiligen Geiſtes / daß Gott der Vater ſo hoch ſich und ſein Hertz angegrieffen / nicht nur die Kron ſeines Hertzens / ſeinen hertzallerliebſten / eingebornen Sohn: ſondern auch den Athem / Geiſt / Krafft und Leben ſeines Hertzens gegeben / vnd alſo das Hertz mitgetheilet / von warmen Hertzen zu Hertzen geſendet / und wie vorzeiten ſichtbar / alſo noch heute zu Tage unſichtbar außgegoſſen / daß wir ſchreyen und ſprechen duͤrffen: Abba! lieber Vater!
Wann ein maleficant auff Leib und Leben mit der deſperation ringet und ſaget: Ach Gott! der Richter iſt allzuzornig / ich habs zu grob gemacht; Es kaͤme aber des Richters geheimer Freund / der des Rich - ters Hertz weiß / und troͤſtet ihn / rathet ihm eine ſupplication zu ſchreiben / er woll ihn vertretten! quantum ſolatium! behuͤte Gott / was were das fuͤr ein Troſt! Hier aber handelt mit uns der Geiſt Gottes / der Hei - lige Geiſt. Groſſe ja uͤber-groſſe Wolthat iſt ipſa συγκάταβασις, daß der Geiſt ſich ſchencken vnd ſenden laͤſſet / ja ſelbſt frey-willig in den Spital herab kommet / der ſuͤſſe Seelen-Gaſt / und ſich umb das menſchliche Ge - ſchlechte verdient gemachet. O groſſe Liebe! O groſſer Troſt! Aber ieIoh. 16, 8. groͤſſere Liebe / ie groͤſſer Haß / wann er verachtet wird. Nun wir das βάϑος myſterii, die Tieffe dieſes Geheimnuͤß beſchauet mit St. Paulo / ſo ſchlieſſen wir auch mit demſelben: ὦ βάϑος! O welche eineRom. 11, 33. 36. Tieffe des Reichthumbs / beyde der Weißheit und der Erkaͤnt - nuͤß Gottes! Von Jhm (dem Vater) durch Jhn (den Sohn) in Jhm (dem Heiligen Geiſt) ſind alle Ding / Jhm ſey Ehre in Ewigkeit / Amen.
Vber den dritten Artieul / Von dem Anblaſen und Anhauchen des Heiligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Was die Sulamitin / die edle Toch - ter zu Sion / die lieb-wutzdte / die lieb-krancke / wehemuͤ - thige / geiſtliche Braut von ihrem Braͤutigam dem himm - liſchen Salomone ſo bruͤnſtig / ſo ſehnlich und heiß-eiferig gewuͤntſchet / mit demſelben Wuntſch ihr hohes / geiſtlichesCant. 1, 2. Braut-Lied angeſtimmet / ſprechend: Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes! Er der himmliſche Salomon / der geiſt - liche Seelen-Braͤutigam / mein edelſter Schatz im Himmel und auff Er - den! Was ſoll er thun? Soll er fulminiren und blitzen vom Berge Sina herab / mit Donner und Stralen ſchrecken / verjagen / ergeiſtern? Nein; ſondern er kuͤſſe mich / er hertze mich / er liebe mich / und minſchi - koth mit vielen Kuͤſſen. Ein Kuß ſaͤttiget mich nicht / ſondern mit vielen Gnaden-Kuͤſſen / Ehren-Kuͤſſen / Frieden-Kuͤſſen / Liebes-Kuͤſſen / ſon - derlich mit ſeinen Honig-ſuͤſſen Evangeliſchen Kuͤſſen und ſeinen Sacra - menten; Aber mit dem kuͤſſen ſeines Mundes / als der mir mit Blut - Freundſchafft zugethan / den er in der incarnation an ſich genommen / nicht mit frembden ſtinckendem Munde / dafuͤr mir eckelt / der mir nichtExod. 4, 10. mundet / der ſtincket; nicht mit dem ſtammlenden Moſis-Munde / denEſa. 6, 5. unreinen Lippen Eſaiæ / mit dem unmuͤndigen Munde Jeremiæ / ſondernIerem. 1, 6. ſeinen eigenen heiligem Munde / Athem / Kuß und Gruß!
Deſſen hat er ſie in den Tagen ſeines Fleiſches reichlich und holdſelig gewaͤhret und hoch-troͤſtlich beſeliget / nicht allein oſculis corporalibus, mit leiblichen und ſittlichen Kuͤſſen; Dann ob wol wir in der Evange - liſchen Hiſtori mit ſo viel Worten nirgend finden / daß er iemands leiblich gekuͤſſet; Wer kan aber laͤugnen / daß er in ſeiner zarten Kindheit nicht auch wie ein ander Kind ſeine Mutter gekuͤſſet / daß er der leutſeligſte Menſchen - Freund in der converſation den Orientaliſchen Brauch unterlaſſen / undLuc. 7, 45. niemand eines Gruß-Kuſſes ſolte gewuͤrdiget haben / der doch an Simongeſchol -51Predigt. geſcholten / daß er ihm die Freundſchafft nicht gethan / und mit einem Gruß-Kuß empfangen; Sondern vielmehr oſculis myſticis, mit geiſt - lichen Kuͤſſen / ſolche / die geiſtlicher Weiſe anzunehmen und zu verſtehen / als da geweſt / wie ins gemein alle ſeine incarnations-merita und bene - ficia, evangelia & ſacramenta, ſein Verdienſt und Wolthaten / alle ſeine Predigten und miracula, ſo viel er deren gethan und außgeſtanden / ſo viel wuͤrckliche Liebs-Kuͤſſe / baſia, das iſt / baſes amotis, Liebes-Stuͤtzen und Grundfeſte / hat er außgetheilet; Sonderlich aber ziehen die lieben Alten daher oſculum paſchale & pentecoſtale, den Oſter - und Pfingſt-Kuß / der hohen / theuren und theuer-erworbenen Gnaden-Gabe des Heiligen Geiſtes / von St. Johanne demIoh. 20, 19. 21. Schos-Juͤnger Jeſu ſo fleiſſig auffgezeichnet. Dann da finden wir alle Stuͤcke / ſo zu einem Gruß und Liebes-Kuß gehoͤren: os ſuave, die holdſeligen Lippen / aus welchen gefloſſen der Gruß-Fried / zum zwey - ten mal / Friede ſey mit euch! Jch bringe euch einen froͤlichen Oſter - Tag / Sabbathum conſcientiæ, Sabbathi ſerenum, ſereni quietem, quie - tis delicias, den Gewiſſens-Sabbath / den froͤlichen Sabbath / den Ruhe - Sabbath / den rechten Ruhe-Tag / den lieblichen Sabbath / den Frieden /Phil. 4, 7. der höher iſt als alle Vernunfft / pacem meam, meinen /Ioh. 14, 27. das iſt den geiſtlichen Frieden / Hertzens-Frieden / beſtaͤndigen Seelen - Frieden / paß-machenden Troſt-Frieden; pacem reſurrectionis fructum, die Frucht der Aufferſtehung / den Frieden / in welchem alle geiſtliche und himliſche Segen begrieffen; darumb ſeyd getroſt!
Wir finden hier 2. oris halitum, das Anhauchen des Mun - des; ſicut ii, qui ſe oſculantur (ſind Ambroſii Gedancken uͤber denAmbroſ. in Pſ. 118. 118. Pſalm) non labiorum prælibatione contenti, ſed ſpiritum ſuum ſibi invicem videntur infundere; gleich wie die jenigen / ſo einander kuͤſ - ſen / nicht ſich gnuͤgen laſſen mit Anruͤhrung der Lippen / ſondern es ſchei - net / als wann ſie einander den Athem einhauchten; Alſo hat Chriſtus ſeine Juͤnger / neben dem Munde der holdſeligen Lippen / auch mit ſei - nem allerheiligſtem Athem angehauchet und angeblaſen: Darauff folget das oſculum, der Kuß ſelbſt; Was iſt das? Der Heilige Geiſt; Nehmet hin / ſagt Er / den Heiligen Geiſt; gleich wie der H. Geiſt iſt ein Kuß in der H. Dreyfaltigkeit / der Vater und der Sohn in der hochge - benedeyeten Gottheit / welche die weſentliche Liebe ſelbſt iſt / kuͤſſen ſich unter einander mit dem Munde des Heiligen Geiſtes. Pater eſt oſculans, FiliusG 2oſcula -52Die VierteBernh. ſerm. 8. in Cant. oſculatur, Spiritus Sanctus eſt oſculum: Der Vater iſt der Kuͤſſer / der Sohn Gottes iſt der Gekuͤſſete / der Heilige Geiſt iſt der Kuß / ſind Bernhardi Gedancken; Alſo kuͤſſet der himmliſche Vater die ver - lohrne und zerſtreuete Soͤhne mit ſeinem Gnaden-Kuß; der Sohn Got - tes auch ſeine Juͤnger mit dem angehauchten Heiligen Geiſt / damit er ſie verehret und begabet / zu einem Oſter-ſalve, Oſter-Gabe und edelſten Oſter-Frucht / mit dem Kuß ſeines eigenen Mundes / von welchem der Heilige Geiſt außgehet.
Wir wollen / meine Liebſten / dißmal alleine bey dem allerhei - ligſten und holdſeligſten Gruß - und Kuß-Athem des Heiligen Geiſtes ſtill ſtehen / als einer ſermon de Tempore, und ſonderlich zu dem heutigen Evangelio gehoͤrig. Der ſieg-reiche Oſter-Fuͤrſt Jeſus Chriſtus kuͤſſe uns auch mit dem Kuß ſeines Mundes / daß wir davon Fried / Heil / Leben / Troſt / Krafft / Andacht / Liecht / ja der Seelen Sabbath - Ruh empfangen / und ihn wiederumb kuͤſſen moͤgen hier / mit Glauben und Gehorſam / dort mit Ehr - und Ruhms-Kuß / umb ſeines theuren Ver - dienſts willen / Amen.
ES war / meine Liebſten / ein halitus, ein Athem / den der triumphirende Oſter Fuͤrſt / der Hertzog des Lebens / aus ſeinem hei - ligem Munde außgeblaſen / und damit feine bloͤde ſchichtere Juͤn - ger angehauchet (〈…〉〈…〉νεφύσησε, ab ἐμφυσάω à φῦσα vel φύοςα follis) und zwar ohn allen Zweifel I. Verus halitus, Ein rechter / leiblicher / lebendiger / menſchlicher Athem / was Gott und Menſch einen Athem heiſſet / eine durch den Mund angezogene / aͤuſſerliche geſchoͤpffte Lufft / ſo von den innerlichen Blaß-Baͤlgen (dann daher hat das Grie - chiſche Wort den Namen) der Lungen wiederumb heraus geblaſen wor -Act. 1, 3. den / und gehoͤret unter die Τεκμήρια, damit Er erwieſen / daß er warhafftig wiederumb lebendig worden. Dann wann ein toder Coͤrper wieder anfahet2. Reg. 4, 35. Athem zu ziehen und von ſich geben / ſo haͤlt maͤnniglich undiſputirlich / ohnfehlbar dafuͤr / er lebe. Gleichwol aber geſchahe folche reſpiration κατ᾽ οἰκονομίαν, willkuͤhrlich / gleich wie er mit ſeinen Juͤngern geſſen und getrun - cken wahrhafftig / damit die Wahrheit ſeiner erweckten menſchlichen Natur zu bezeugen / aber nicht auff natuͤrliche Weiſe / als Er zuvor im Stande ſeiner Erniedrigung gethan / ſintemal Er ſchon in ſeine Herrligkeit eingangen / und einen geiſtlichen / himmliſchen / verklaͤrten Leib gehabt / der weder Eſſen noch Trincken beduͤrfftig; Alſo hat er auch einen warhafftigen Athem von ſich geben / aber nicht auff ſolche natuͤrliche Weiſe / aus Noth der Natur / welche zur Erkuͤhlung der natuͤrlichen Hitzeinen53Predigt. einen Athem von noͤthen hat / daß ſie Lufft ſchoͤpffe / ſich erkuͤhle und er - friſche. Ein Feuer im Back-Ofen ohne Lufft verloͤſchet / alſo das natuͤrliche Lebens-Feuer: ſondern willkuͤhrlich und uͤbernatuͤrlich / inmaſſen dann auch der Menſch im Himmel droben keinen ſolchen elementariſchen Lufft haben und denſelbigen an ſich ziehen wird.
II. Halitus vehicularis, Ein reicher / hoͤchſtbegabter Geiſt-Wagen / in welchem / auff / mit und durch welchen der unſicht - bare Heilige Geiſt den Juͤngern wahrhafftig gegeben / angehauchet vnd mitgetheilet worden / gleich wie er in der Tauffe durchs Waſſer / gleich wie er in der Pfingſt-Tauffe durchs Feuer iſt gegeben und mitgetheilet worden / alſo hier durch den Athem: Jch ſage aber bedencklich die Perſon des Hei - ligen Geiſtes / nicht nur die Gaben deſſelben / dann hier ſtehet das Wort klar: Nehmet hin den Heiligen Geiſt / Geiſt und Gaben laſſen ſich hier nicht treñen / ſo werden die Gaben als accidentia in keinem coͤrper - lichen Bilde præſentiret. Er meint eben den Geiſt der Warheit / der vomIoh. 15, 26. Vater außgehet / den Er ihnen zuvor ſo treulich zugeſaget: præſentiſ - ſimè, exhibitivè, weſentlich und gewaͤhrlich gegenwaͤrtig. Zwar Piſcator in ſeiner teutſchen vergiffteten Herborniſchen Bibel unterſtehet die Wort zu verdraͤhen vnd zu verkuͤnſtlen / Lehr 6. p. 417. Aus dem / ſchreibet er / daß Chriſtus ſeine Juͤnger angeblaſen und zu ihnen geſagt: Nehmet hin den Heiligen Geiſt ꝛc. haben wir zu lernen / wie die Reden von den Heiligen Sacramenten zu verſtehen ſeyen. Dann der Blaſt oder Athem des Herren Chriſti wird allhier der Heilige Geiſt genennet / nicht der geſtalt / als wann er / eigentlich zu reden / der Heilige Geiſt ſelbſt / oder mit demſelbigen weſentlich vereinigt geweſen were / ſondern weil er ein Zeichen war / damit der Herr Chriſtus ſeinen Juͤngern verhieſſe / daß Er durch ihre Predigten mit ſeinem Heiligen Geiſt die Hertzen der Außerwehlten anblaſen und bewegen wolte / dem Evangelio zu glauben: Alſo nennet auch Chriſtus in der Einſetzung des Heiligen Abendmahls das Brod ſeinen Leib / und den Wein ſein Blut; nicht zwar als ob ſein Leib mit dem Brod / und ſein Blut mit dem Wein weſentlich vereiniget ſey: ſondern weil diß Brod und dieſer Wein Zeichen ſeynd / damit er verheiſſen / daß ſein Leib fuͤr uns in den Tod gegeben / und ſein Blut zu Vergebung unſerer Suͤnden am Creutz wuͤrde vergoſſen werden.
Das ſind des Fiſchers faule Fiſch / verkuͤnſtelte Gloſſen: keinẽ menſch - lichẽ Verſtande / wañ er nicht ſelbſt muthwilliger weiſe die Wort draͤhẽ undG 3kuͤnſtlen54Die Viertekuͤnſtlen will / kommen dieſe Gedancken in Sinn / wann ers lieſet / ſondern dieſe / nehmet hin / das iſt mein Leib / das iſt / in / mit und unter dieſem Brod; darumb kehren wir ſeine Gloſſe umb / gleich wie der HErr hier ſaget: Nehmet hin den Heiligen Geiſt / alſo ſaget Er auch dort: Neh - met hin / das iſt mein Leib ꝛc. das iſt / unter / mit und in dieſem Brod geb ich euch wahrhafftig meinen Leib zu eſſen. Solte ein groſſer Herr ſei - nem Diener ein Buͤchslein darreichen und ſagen: Nim hin / das iſt Gold; wuͤrde er nimmermehr in dieſe abentheuerliche Gedancken gerathen / als ob entweder das Buͤchslein in Gold verwandelt oder ein Zeichen ſey / da - durch ein abweſendes Gold bedeutet wuͤrde: ſondern gedencken / mein Herr iſt ein frommer / weiſer / reicher und gutthaͤtiger Herr / er weiß was er redet / und kan thun was er zuſagt / darumb faſſe und verſtehe ich aus ſeinen Worten ſo viel / er gebe mir in und mit dem Buͤchslein wahrhafftiges Gold. So und auff ſolche Weiſe haben auch Chriſti Juͤnger die Wort des Herrn angenommen / nehmet hin den Heiligen Geiſt / das iſt / unter / in und mit dieſem coͤrperlichen Athem ſchencke und uͤbergebe ich euch die edelſte Himmels-Gabe / den Heiligen Geiſt / der von mir in der Ewig - keit außgehet und mein iſt.
Dieſes mag mir eine Gabe ſeyn! die edelſte und koͤſtlichſte Gabe / gleich wie der Vater nichts hoͤhers gehabt / das er uns Menſchen ſchencken koͤnne / als ſeinen Sohn / alſo hat der Sohn nichts hoͤhers und koͤſtlichers gehabt / als den Heiligen Geiſt / donum cariſſimum, die allertheuerſte Ga - be / theuer erkaufft und erworben. Dann es ja gar feſt gehalten eine ſolche Gabe zu erlangen / zu ſenden und zu verſchaffen / daß er der allerheiligſte Geiſt in dem ſtinckenden Lazaret der allerunheiligſten Seelen ſich ſenckenIoh. 16, 7. ſolte; Jch ſage euch die Wahrheit / es iſt euch gut / daß ich hin - gehe / ſo ich nicht hingehe / ſo kommet der Troͤſter nicht zu euch.
III. Halitus ſymbolicus & hieroglyphicus, Ein Geheimnuͤß-reicher Athem / in welchem Chriſtus der Herr uns gar artig / eigentlich und verſtaͤndlich wollen fuͤrbilden dieſer ſo hohen Per - ſon Natur / Vrſprung und Eigenſchafft. Was der Athem im Menſchen iſt / das iſt (nach Abſchabung und Ablaß aller Truſen und Haͤfen der an - klebenden imperfection) der Geiſt Gottes in der Heiligen Dreyfaltigkeit: Der Athem entſtehet aus dem Abgrund des menſchlichen Hertzens / und tringet durch den Mund hindurch / wird von Hertz und Mund außgebla -ſen:55Predigt. ſen: Alſo gehet dieſer Geiſt aus der Hertzens-Quell des himmliſchen Va - ters durch den Mund des ſelbſtaͤndigen Worts / und heiſſet Spiritus Elohim, ſpiritus oris Chriſti & labiorum, der Geiſt Gottes /Eſa. 11, 4. der Geiſt des Mundes Chriſti / der Athem ſeiner Lippen. 2. Theſſ. 2, v. 8.Der Athem iſt ordinariè und ſeiner Natur nach unſichtbar / ſonderlich im Sommer / hat Wind-Art an ſich; Alſo auch der Heilige Geiſt iſt der Himmels-Wind / darumb ſagt Chriſtus zu Nicodemo: Der WindIoh. 3, 8. bläſet wo er will / bald leiſe / bald ſtarck ꝛc.
IV. Halit us organicus & ſymbolicus, Ein werck zeug - licher Athem / der die lebendige Krafft des Heiligen Geiſtes mit ſich bringet / der Werckzeug / durch welchen Chriſtus in ſeinen Juͤngern zu dero Troſt und Auffrichtung kraͤfftiglich gewircket.
Der groſſe Wunder-Prophet Eliſa / da er den verſtorbenen Sohn2. Reg. 4, 34. 35. der Sunamitin ſeiner Wirthin wiederumb lebendig gemacht / legt er ſei - nen Mund auff des Knaben Mund / blaſet und hauchet ihn an / alsbald ſchnauber der Knabe ſiebenmal und that ſeine Augen wiederumb auff. Jm Griechiſchen Text heiſſet es ἐνεφύσησεν ἀυτὸν, er hat ihn eingehauchet: Alſo auch / weil der Herr ſeine Juͤnger bey verſchloſſener Thuͤr / wo nicht gantz / doch halb tod angetroffen ohne Glauben / ohne Liecht / ohne recht - ſchaffen Leben / im Vnglauben vom Welt-Geiſt betrogen / ſie dachten im - mer an ein weltlich Reich / nun die Schuhe entfallen / ſo war alles tod / Hoffnung verlohren; hier werden ſie angeblaſen durch eine lebendige Krafft / daß ſie von der Ohnmacht ſich wieder ermuntern / der Athem machet liecht und hell / es wird ein gluͤender Funcken angeblaſen / daß es bald ein hell Liecht daraus werde; Alſo auch dieſer Athem / da er angetrof - ſen blinde Thoren und traͤge Hertzen / (halten die Oſter-Zeitung fuͤr eineLuc. 24, 25. Maͤhr und Fabel) ein glimmendes Taͤchtlein / hat Er ſie angehauchet / daß hernach lumina mundi, groſſe Welt-Liechter daraus worden.
Der Athem erquicket die Ohnmaͤchtigen / gibt Waͤrme dem erkalteten Leibe / kuͤhlet die groſſe Hitz; im Winter waͤrmet man die Haͤnde mit dem Athem / die Speiß kuͤhlet man mit dem Athem / eine Mutter / wañ dẽ Kinde heiß iſt / wañ es ſchwitzet / ſo kuͤhlet ſie es mit ihrem zartem Athem / ſonderlich der Athem è ſpiritibus, von Balſam / Augſtein und dergleichen koͤſtlichen Oliven: Alſo weil die Juͤnger Chriſti auch da lagen beyſam̃en / innwendigLuc. 24, 17. 21. voller Traurigkeit und Schwermuth / da man ihnen die Traurigkeit an den Augen angeſehen; kalt von Liebe / von Freude / ſonderlich aus verwundeten Gewiſſen / als die beym HErrn uͤbel gehalten / ihn verlaſſen / verlaͤugnet / heißvom56Die Viertevom hoͤlliſchen Feuer; außwendig Furcht und Angſt / Zagen / Vnruh fuͤr den Juͤden / fuͤr welchen ſie ſich verſchloſſen / alle Augenblick eines Vberfalls ſich verſehen / als die gewuſt / wie es Petro ergangen / da ſaſſen ſie bey - ſammen ſchichter / bloͤde / ergeiſtert / derowegen erquicket Er ſie / und richtet ſie auff durch einen Athem / gieſſet gleichſam durch denſelben neue affecten ein / nemlich παῤῥησίαν, die Freyheit und den Muth zu reden und zu ver - antworten.
V. Halitus ſanctificus, Ein heiligmachender Athem / Eine geſunde Natur gibet auch einen geſunden und angenehmen Geruch von ſich: Ob wahr was von Alexandro Magno Plutarchus ſchreibet / daß nicht nur aus ſeiner Haut und gantzem Leibe ein lieblicher Geruch ge - gangen / ſondern auch aus ſeinem Munde / καὶ τὸ ςόμα κατείχειν ἐυωδία, welches Plutarchus ſeiner hitzigen Natur zuſchreibet / gleich wie die aroma - ta und wolriechenden Gewuͤrtze / ie hitziger / ie wolriechender; das laſſen wir dahin geſtellet ſeyn; Allezeit kan die Kunſt hierbey etwas thun / wann der Menſch wolriechende Sachen in den Mund nimmet / ſo gehet auch ein lieblicher Geruch heraus. Solchen lieblichen Geruch gab von ſich dieſer Goͤttliche Athem in den ſtinckenden Apoſteln / als Mamelucken / ſie haben ihren Meiſter ſtinckend gemacht / von welchem zugerichtet ſeynd die wol -2. Cor. 2. 15. riechenden Gefaͤſſe / wolriechend aber Gotte / nicht allezeit den Menſchen / durch boͤſe und gute Geruͤchte. Ein gut Gewiſſen koͤnnen wir allezeit haben / aber nicht allezeit ein gut Geruͤcht.
VI. Halitus precum motivus, Ein bewegender Seuff - zer-Athem; Der Athem iſt die Seel der Seuffzer / wann ein Menſch ſeuffzen ſolte ohne hauchen / ohne ach / es wuͤrde ihn ſchwer ankommen; Ein Holtzhauer / ſo offt er uͤber einen Streich ſeuffzet / ſo hauchet er auch. Was iſt ein Seuffzer anders / als ein zuſammen-gefuͤgtes Werck aus Stimme und Athem? Alſo waren die Apoſtel zwar beyſammen ἐν ςε - ναγμοῖς, im Seuffzen / Ach und Weh / ach! ach! Damit nun die Seuffzer auch leben und Trieb habẽ und im Him̃el hinauff ſteigen moͤgen / ſihe / ſo bla - ſet der Herr ſeine Juͤnger an / und wehet ihr ſeuffzen durch / lehret ſie nicht nur beten / ſondern Er vertritt ſie auch mit unaußſprechlichen ſeuffzen / die Beklagten machet Er behertzet in Sachen des Mißtrauens / der Schwa - chen Gebet ſtaͤrcket Er / was unſauber iſt / reiniget Er / was unangenehm iſt / machet Er angenehm / Er treibet die Hertzens-Seuffzer in die Hoͤhe / Er als der treue / him̃liſche Zeuge verſichert unſer Hertz von dem vaͤterlichenHertzen57Predigt. Hertzen Gottes / Er erforſchet den tieffen Abgrund des Goͤttlichen Hertzens wider unſern Vnglauben.
VII. Halitus inaugurativus, Ein Einweihungs - Athem / dadurch die Apoſtel zu geiſtlichen Poſaunen eingeweihet wor - den. Daß die Poſaunen / Drommeten und andere organa pnevmatica, ſo durch den Athem getrieben werden / ohne den Athem keinen reſonantz / Schall und Hall von ſich geben / ſondern durch den Athem erreget / animirt und figurirt werden muͤſſen / iſt aus der Erfahrung gnugſam bekant / und ſind der exempla obhanden von den Hall-Poſaunen altes Teſtaments /Num. 10, 2. & ſeqq. den zwo Ticht-Silbern / welche nicht nur evangelia, feſtalia, jubilæa, Freu - den-Feſte / ſondern auch alarma mit Claret außgeblaſen / wann das Volck auffſtehen und ſeinem Feinde unter Augen tretten muſte. An den Po - ſaunen fuͤr Jericho haben wir einen ſchoͤnen bey den Alten beliebten typumIoſ. 6, 16. 17. und Fuͤrbild / dadurch Evangelia der Rahab gepfiffen worden / aber der Statt Jericho der Vntergang: Alſo hat der Herr / als der himmliſche Organiſt dieſe Poſaunen rege und lebendig gemacht durch ſeinen Athem und einhauchen / daß ſie den Evangeliſchen Troſt der gantzen Welt ver - kuͤndigen / und ſie freundlich gleichſam damit anblaſen ſolten / den Rebellen aber der gottloſen halßſtarrigen Welt den Vntergang / das ewige Ver -2. Theſſ. 1, 9. derben / daß ſie jenen durch den Loͤſe-Schluͤſſel ankuͤndigten Vergebung / Verſenckung und Schenckung aller Suͤnden / und die rechte ἀσυλίαν und himmliſche Freyheit; dieſen aber durch den Bund-Schluͤſſel ewige Ban - de / biß ſie ſich bekehren; daß ſie ſeyn ſolten Evangeli, Friedens-Engel / Friedens-Prediger / gleich wie der Engel / Actor. 12. Zugleich aber auchAct. 12, 7. 8. 9. 10. 11. ὀργάγτελοι Zorn-Engel mit dem geiſtlichen Bann / 1. Corinth. 5. alles aber1. Cor. 5, 4. 5. nicht durch leibliche Waffen / ſondern mit dem Geiſt des Mundes Chriſti; Der Herr ſaget nicht: Gehet hin und nehmet weltliche2. Theſſ. 2, 8. Wehr und Waffen / zwinget die Leute zum Glauben durch Schwerdt / Gewalt / mit tyranniſchen Schnauben. Auff ſolche Weiſe faͤnget man keinen freyen Vogel / durch Bruͤgel werden die Vogel nicht gefangen / ſon - dern durch die Evangeliſche Lock-Pfeiffe; Er ſaget nicht: Jhr ſollet einen Bauren-Krieg anheben / und mit Macht das Reich Chriſti weiter ma - chen / ſondern durch den Geiſt des Mundes Chriſti / der die Hertzen und das Gewiſſen angreiffet / mit der Hoͤllen und Juͤngſten Gericht draͤuet / Krafft hat der Bann. Summa es iſt ein Vorgericht des Juͤngſten Ge -Eſa. 30, 33. richtes wie Tertullianus ſaget.
Sechſter Theil. HOb nun58Die VierteOb nun wol dieſer Athem fuͤrnemlich das Miniſterium, die Lehrer der Kirchen / als in gewiſſer Maß Succeſlores und Nachfolger der ApoſtelEſa. 58, 1. angehet / Er der Geiſt blaͤſet in die Blaß-Baͤlge / daß ſie die Orgel-Pfeiffen gleichſam ſollen thoͤnend machen / ſie ſollen ihre Stim̃e erheben als eine Poſaune / die ſich hierbey ihrer Ordnung zu erinnern / daß ſie nicht leer ſeyen / als wie die knallenden Schweins-Blaſen / ſo voll Erbſen ſind.
Doch ſollen ſie nicht auffgeblaſen ſeyn durch Hoffart / ſondern an - geblaſen und voll vom Geiſt / lebendig von dem Athem Chriſti / erleuchtet mit Erkaͤntnuͤß und Wiſſenſchafft. Jn den Schulen werden die Fuͤncklein eingeblaſen / daß ſie hernach groſſe Liechter der Welt werden; angeblaſen im Gemuͤthe / mit Troſt / ardeat orator, ſi vult accendere plebem, wann einer das gemeine Vojck will anzuͤnden und brennend machen / muß er ſelbſt zuvor brennen und leuchten; im Seuffzen und Gebet ſtarck und tapffer / ſonderlich odoriferi, ſie ſollen einen guten Geruch von ſich geben /() teſte Ri - veto in cõ - ſult. p. 22. niemand hoͤret gerne Worte von einem ſtinckenden Munde. () Johanna Koͤnigin in Schottland wolte nicht geſchehẽ laſſen / daß des Ertz Biſchoffs Hamilthonii Speichel und Athem ihr Kind beruͤhre bey der H. Tauffe / dann ſie wuſte daß er mit Frantzoſen angeſtecket war / ſondern ein ieder ſoll2. Cor. 2, 17. ſagen koͤnnen mit St. Paulo 2. Cor. 2. Wir ſind ein guter Geruch. 1. Tim. 3, 7.Trotz dem Teufel / trotz allen Laͤſter-Zungen; er ſoll haben ein gutes Zeugnuͤß bey denen die drauſſen ſind.
Jedoch / ſo iſt dieſer Athem flatus catholicus, ein allge -Act. 1, 13. 14. meiner Athem und Hauch / niemand iſt davon außgeſchloſſen; in dem ὑπερώῳ, auff dem Soͤller ſaſſen nicht nur die Juͤnger / ſondern auchEſa. 57, 16. 18. die ſo nach Emaus giengen / die Jungfrau Maria; die allgemeine Ver - heiſſung ſtehet da / Eſa. 57. Es iſt da die allgemeine Nothwendigkeit zu1. Cor. 12, 3. glauben; Jch glaube / ſagt ein ieder in dem dritten Articul; Nie - mand kan Chriſtum einen HErren heiſſen ohne den H. Geiſt / niemand kan ſagen: Abba! lieber Vater! Herr! Herr! ohne dieſen Heiligen Geiſt; ſo noth iſt uns dieſe geiſtliche reſpiration und Athe - mung / als noth uns die natuͤrliche iſt; Der Sorites und Schluß iſt juſt: Niemand kommt in Himmel ohne den Schluͤſſel / das iſt / Vergebung der Suͤnden: niemand erlangt Vergebung der Suͤnden ohne die Gerechtig - keit und das Verdienſt Chriſti: niemand ergreiffet dieſes ohne den Glau - ben: niemand hat den wahren ſeligmachenden Glauben ohne den Heili - gen Geiſt / und hingegen / wer nicht hat den Heiligen Geiſt / der hat auch nicht den Glauben / der erlanget auch das andere nicht.
Zwar59Predigt.Zwar der groſſe Hauff meinet / geiſtlich ſeyn ſtehe ihn nicht zu / ſeye dem Stammen und Namen eine Schande / ruͤhmet ſich der Weltlig - keit / der weltlichen Klugheit / Staͤrcke ꝛc. daher es dabey bleibet / was Chri - ſtus ſaget: Die Welt (ſo fern ſie alſo bleibet) kan den Geiſt derIoh. 14, 17. Warheit nicht empfahen / dann ſie kennet ihn nicht / und begeh - ret ihn auch nicht. Dieſer Athem mundet nicht: was nicht nach Welt und Geld riechet / das iſt nauſea, das eckelt / pfui! ſprechen ſie / das riechet nicht wol; Hingegen genius Politicus, der Welt-Geiſt / der wird erkant / das ſtudirt man; was nach dem H. Geiſte riechet / das iſt pfui / pfui! was nach der Welt riechet / das iſt anmuthig. Daher kommen die Blaß-Baͤlge der Welt / dem Anhauchen Chriſti entgegẽ / daher entſpringen ſo viel aͤrgerliche2. Sam. 14, 3. Exempel / daher alle Ohren-Blaͤſer / Laͤrmen-Blaͤſer / Vnter-Blaͤſer / die kalt und warm aus einem Munde blaſen / machen / daß groſſen Herren und Richtern wird eine opinion eingeblaſen / darauff dieſelbe fuſſen / und iſt nicht wahr / wann mans beym Liecht beſihet; Ziba ſpielet noch ſeine2. Sam. 9, 11. c. 16, 3. c. 19, 27. Comœdi / es ſind nicht alle Zibæ geſtorbẽ / ſtehet einem Richter uͤbel an / wañ man ſagen muß / der erſte der da kommt / der hats gewonnen; darzu ſchla - get ſich der ander Geiſt / der hoͤlliſche Geiſt / des Welt-Geiſts Bruder oder Vater mir Mord und Luͤgen / der blaͤſet ein apertè oͤffentlich / ohne Scheu / und tectè heimlich / Phariſeer waren heilige Leute / Chriſtus muſte ſeyn1. Reg. 22, 22, 23. der Beelzebub; So gehets noch / manches Werck muß Heiligthumb ſeyn und Biſam zu Gottes Ehr angeſehen / beſihet mans recht beym Liecht / ſo menſchelts / riechet nach dem Welt-Geiſt. Alſo gieng es in Sachen Lutheri auff dem Concilio zu Trident und deſſelbẽ Sack-Pfeiffe / da die verſamlete Patres placet ſagen und blaſen muͤſſen / was der Roͤmiſche Sack-Pfeiffer ihnen eingeblaſen / und gehet noch wol auff den heutigen Tag alſo / was Caiphas / was Achitophel im Rath einblaſen / das muß iederman mit Ja und Amen verſiglen.
Außerwehlte Kinder Gottes / Geiſt-faͤhige / die da verſtehen / wie nothwendig dieſer Athem / der Heilige Geiſt / ſey zu Erhaltung des geiſt - lichen Lebens / die fragen / wo iſt doch der Heilige Geiſt? Antwort: Jm Tauff-Waſſer / im geleſenen / gehoͤrten und betrachteten Wort Gottes. Der himmliſche Organiſt Chriſtus lebet noch / der Heilige Geiſt iſt noch nicht verſchwunden / die geiſtlichen Blaß-Baͤlge und Poſaunen ſind noch nicht zerbrochen / die Apoſtoliſchen Poſaunen laſſen ihren Schall ſtets hoͤ - ren in dem Goͤttliehen Wort / das Wort iſt lebendig und kraͤfftig; So offt das inſtrument, die geiſtliche Orgel geſchlagen wird durch fleiſſige Leſung / Hoͤrung / Betrachtung / ſo offt blaͤſet daſelbſt der H. Geiſt; wo gute Ge -H 2dancken60Die Viertedancken erſcheinen / die Fleiſch und Blut nicht geoffenbaret / daſelbſt iſt die - ſer him̃liſche Athem; wo Andacht zum Wort / wo Hertz-klopffen zur Buſſe / wo innerliche Bewegung zum Gebet / wo Andacht im Gebet / wo das Ver - langen nach dem das droben iſt / wo Kampff des Geiſtes und des Flei -1. Reg. 17, 9. ſches / wo Bewegung zur Tugend / gleich wie 1. Reg. 17. da iſt das Anblaſen des H. Geiſtes / hier iſt Gottes Finger! das heiſſet auch der gute Geiſt.
Væ ἀντιπνέοντι, wehe alsdann dem Widerſtrebendem und Wider - ſchnaubendem! gleich wie der ungluͤckſelige Felix der Landpfleger gethan / den St. Pauli Geiſt hat angeblaſen / erſchroͤcket und beweget / aber er hat ſolchen Trieb bald in Wind geſchlagẽ. Bene λαβ〈…〉〈…〉 ντες, wol allen Geiſt-faͤhi - gen / zu denen ſaget der Herr: Nehmet hin den H. Geiſt / nehmetsAct. 24, 25. danckbarlich an; die laſſen ſich anwehen; Behaltet / was ihr habt / durch ſtaͤtiges athemen und reſpiriren nach GOTT / vielmehr ſoll manSir. 39, 17. Gottes ſich erinnern als Athem holen; bitten Gott umb die Erhaltung des Geiſtes / erweiſet dieſen Geiſt durch guten Geruch / durch den Geruch eines guten Namens / der Gedult; wolriechende Gewuͤrtze geben einen Geruch von ſich / wann ſie gerieben werden / wann Sathans Engel mitEccleſ. 4, 1. Faͤuſten ſchlaͤget; genieſſet den Troſt des Lebens / des Liechts / des TroſtsProv. 29, 27. alles Troſts wider das wuͤtende Schnauben des Sauls / fluchen ſie / ſo betet ihr / Ner Jehova niſchmath Adam, die Leuchte des HErrn iſt des Menſchen Athem / die gehet durchs gantze Hertz.
Hier iſt noch ſchnaubens und keuchens Zeit / wir ſind Tagloͤhner / die keuchen unter der Laſt / der H. Geiſt vertritt aber ihr kranen / winſeln und kirren / mit unaußſprechlichen ſeuffzen; Endlich nach dem Streit undNum. 15, 24. Wahlfahrt wird folgen die rechte Cananeiſche Ruhe im himmliſchen Ca - naan und Luſt-Hauſe; nach dem Vorſchmack das Vollkom̃liche genieſſen / hier Vorſchmack / dort Genieß! nach den ſeuffzenden Athemen / die ewige Ruhe! hier Athem und Seuffzen / dort ſtoltze Ruhe / Gott und alles genug! hier Gnaden-Kuß / (vermenget mit Judas-Kuͤſſen) dort aber Chriſti Ehr - und Freuden-Kuß / nach dem Gnaden-Kuß folget der Ehren-Kuß / Got - tes-Kuß / Engel-Kuß / aller Außerwehlten Kuß / Friede und Freude im H. Geiſt. Das gebe uns allen der Hertzog des Lebens Jeſus Chriſtus durch den Gruß und Kuß ſeines Mundes / ſeinen Heiligen Freuden - und Troſt-Geiſt / Amen.
Vber den dritten Artieul / Von den Ampts-Gaben des Heiligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Wann Chriſtus unſer Herr un - ter andern vor ſeiner Himmelfahrt ſeine dazumal zag - haffte und bloͤde Juͤnger vertroͤſtet eines Kleides / eines Schmuckes / damit ſie ſollen angezogen werden / undLuc. 24, 49. ſpricht: Jhr ſollet in der Statt Jeruſalem blei - ben / biß daß ihr angethan werdet mit Krafft aus der Hoͤhe So verſtehet Er dadurch / wie unſchwer auch Einfaͤltigen zu erachten / keinen leiblichen / aͤuſſerlichen / weltlichen / ſondern 1. Einen geiſtlichen Seelen-Schmuck / und zwar den Heiligen Geiſt ſelbſt / ſammt ſeinen Gaben / wie Actor. 1. die Außlegung zu finden:Act. 1, 8. Jhr werdet die Krafft des Heiligen Geiſtes empfahen / welche auff euch kommen wird; Jſt eine Art zu reden im alten Teſtament / gebraͤuchlich von den Gaben des Heiligen Geiſtes und ſeiner Außruͤſtung; Der Geiſt des HErren zog Gideon an; Amaſai den Haupt -Iud. 6, 34. mann unter dreyſſigen / den Prieſter Zacharia des Prieſters1. Chron. 13, 18. Jojada Sohn / anzudeuten / daß ſo nah / ſo genau einem ein Hembd2. Chron. 24, 20. oder ein Kleid am Leibe liegt / ſo genau wolle ſich auch der Heilige Geiſt mit einem Menſchen vereinbaren / vnd wie ein Kleid Waͤrme gibt / zieret und verwahret / vnd gleichſam feſt machet / alſo thu auch der Heilige Geiſt ver - mittelſt ſeiner Gaben / er waͤrmet / er verwahret / er zieret geiſtlicher Weiſe / und das iſt / was der Herr durch und in dieſer Wort-Blume meynet und verſtehet.
2. Ein fuͤrgebildetes Kleid; fuͤrgebildet in dem Propheten2. Reg. 2, 13. 14. Elia / deſſen entfallene / wunderthaͤtige Mantel / durch welchen er den Jor - dan zertheilet / ſeinem Juͤnger dem Eliſa ein gewiſſes Pfand-Zeichen ge - weſt / daß der Heilige Geiſt / auch auff ihn hernach den Eliſa gerathen; derH 3anti -62Die Fůnffteantitypus und das Gegentheil ſcheinet herfuͤr aus den Worten Chriſti /Marc. 16, 17. damit er von ſeinen Juͤngern ein valet genommen und geſagt: Die Zei - chen aber die da folgen werden / denen die da glauben / ſind die: Jn meinem Namen werden ſie Teufel außtreiben / mit neuen Zungen reden ꝛc. Jnmaſſen dann auch erfolgt und gefchehen.
3. Ein erworben und verehrtes Kleid; Jſt ein Kleid / wel - ches ſo zu reden der himmliſche Seiden-Wurm Chriſtus erſpunnen und gewunnen / der weiland verachtete Wurm / der ſich hernach in den HimmelPſal. 68, 13. erſchwungen / nach dem er ſein Gewerb außgeſpunnen / und das erworbeneIud. 5, 30. Kleid als eine Außbeuthe außgetheilet / laut des 68. Pſalms; diß ſind die bunte geſtickte Kleider zur Außbeuthe / welche die Mutter Siſſera ihrem Frauenzimmer gegeben / verſprochen / hier iſt die Warheit.
4. Ein nothwendiges Kleid; Dann dieweil wir leider durch den traurigen Fall / ſo bald der Menſch nackend geweſt / umb unſer Feyer - und Ehren-ja Engel-Kleid / dariñ / wir fuͤr Gottes Thron haͤtten prangen / erſcheinen und beſtehen moͤgen / verſchertzet / und in ein Schafs-Fell ſchlupf - fen / weiland Koͤnige uͤber alle Thiere / nunmehr deroſelben Bettler derſel - ben Haut / Fell / Beltz / Wolle von denſelben borgen vnd erbettlen muͤſſen / und alſo wehrlos auff dem Kampff-Platz dieſer Welt gelaſſen worden / allen widrigen Elementen und Himmels-Stuͤrmen unterworffen; ſo war vns ja von noͤthen ein neues und anders Kleid / damit wir durch den H. Geiſt angezogen / nemlich ein Buß-Rock oder Buß-Sack / der Rock der Gerech -Luc. 15, 22. tigkeit Jeſu Chriſti / der erſte Rock der Wiedergeburt / da wir Chriſtum ſelbſtMatth. 22, 11. 12. angezogen: das Hembde der Heiligkeit / das hochzeitliche Kleid / die weiſſenApoc. 3, 18. Kleider / die geiſtliche armatur, der Harniſch der Warheit / der Auffrichtig -Eph. 6, 11. 13. 14. 15. 16. & 17. keit und gerechten Sache / der Schuh des Evangelii / daß wir geſtiffelt ſeyn: der unuͤberwindliche Schild des Glaubens / das Schwert des Hei - ligen Geiſtes.
5. Sonderlich aber ſihet er auff die herrliche ſchön-gläntzendeAct. 12, 21. Kleinodien / die in gemeldetem Kleid herfuͤr lenchten koͤſtlicher als in He - rodis guͤldenem Schmuck / das iſt auff die Apoſtoliſchen χαρισματα und Ampts Gabẽ / dadurch ſie die Apoſtel außſtaffieret / getroͤſtet / dem Teufel und alle ſeinẽ Heer unter die Augen gangẽ / ſeinen Schupen dẽ Trutz gebotẽ / zerſtoͤret die Anſchlaͤge und Hoͤhe / die ſich erhebet uͤber das Erkaͤntnuͤß Got - tes; die alte barbariſche unteutſche und unlateiniſche Schul Lehrer neñens gratias gratis datas, ſolche Gaben / ſo aus Gnaden und umb -ſonſt63Predigt. ſonſt gegeben werden / gantz ungereimt / gerade als weren etliche andere Gaben des Heiligen Getſtes / die nicht aus Gnaden ſondern aus Ver - dienſt diſpenfirt und außgeſpendet werden; Wir nennens in unſern Schulen die dona adminiſtrantia, Verwaltungs - oder Ampts - Gaben / den Zierrath der Kirchen / damit das geiſtliche Hauß der Chriſt - lichen Kirchen gezieret und geſchmuͤcket / davon Epheſ. 4. und 1. Cor. 12.Eph. 4, 16. zu leſen. Damit der H. Geiſt die Apoſtel zwar damals im hohen Grad an -1. Cor. 12, 1. & ſeqq. gezogen / aber auch auff den heutigen Tag in gewiſſer Maß und Weiſe noch in der Chriſtlichen Kirchen ſcheinen und bleiben.
Jſt die erſte claſſis und Ordnung der Gaben des Heiligen Geiſtes / ποικιλότης χάριτος, die mancherley Art und Vnterſcheid der Gaben / davon wir dißmal zu reden; Nach dem wir donum perſo - nale, das perſönliche Gnaden-Geſchenck oder die Perſon des Heiligen Geiſtes Euer Liebe aus Gottes Wort recommendiret und fuͤrgetragen; Seine Gottheit und Vrſprung oder Außgang angezeiget; ſo folgen nun die gratiæ & χαρίσματα, die Gaben an ihm ſelbſt / und zwar erſtlich die adminiſtrantia, die angedeutete Bau - und Verwaltungs-Gaben / die der heilige / freythaͤtige Geiſt diſpenſiret zum beſten des gemeinen Weſens; Laſſet uns derowegen ſitzen / das iſt / ruhen von unſerm Werck in dieſem geiſtlichen Jeruſalem / auff daß wir auch angethan werden mit der Krafft aus der Hoͤhe / durch Jeſum Chriſtum / Amen.
ZWeyerley Ampts-Gaben finden wir in heiliger Schrifft / ſo von dieſer hoͤchſten Quell / dem Heiligen Geiſt / entſprungen; Erſtlich Extra-Eccleſiaſtica, Gaben auſſer der Kirchen / ſo unmittelbar zu dem innern Kirchen-Bau nicht gehoͤren / wiewol den - ſelben auch ſerviren und Dienſt leiſten moͤgen und ſollen; das ſind nun 1. Die Obrigkeitliche Regiments-Gaben / Weißheit / Ver - ſtand / Eifer und Helden-Muth / dann alſo leſen wir: GOTTNum. 11, 25. nahm vom Geiſt Moſe / und legets auff die Siebentzig / die fiengen an zu weiſſagen / und hoͤrten nicht auff. Von Joſua /Devt. 34, 9. dann da Moſe ſeine Hand auff ihn geleget / ſey er erfuͤllet wor - den mit dem Geiſt der Weißheit; Alſo auch Gideon ward an -gezogen64Die Fuͤnfftegezogen mit dem Heiligen Geiſt / daß er zog wider die Mi -Iud, 6, 34. dianiter mit drey hundert Mann / und hat in Krafft ſolches1. Sam. 10, 6. Anzugs einen groſſen Wunder-Sieg erhalten. Von Saul ſtehet dergleichen: daß der Geiſt des HErren uͤber ihn gerathen / und er ein ander Mann worden. Was nun damals unmittelbar und auſſer-ordentlich geſchehen / das geſchiehet noch heutiges Tages in gewiſſer Maß und ordnung und Weiſe / daß auch wol mancher Efeltrei - ber / mancher Handwercksmann ein kluger Regent / und alſo ein anderer Mann werden kan / welche Aenderung er nicht von ſich ſelbſt / ſondern vom Himmel herab empfangen; dann wen Gott ſchicket / den machet er auch geſchicket / wiewol durch Mittel.
2. Sonderbare Kuͤnſte; wie klar von Bezaleel ſtehet: Jch habe mit Namen beruffen Bezaleel / und habe ihn erfuͤllet mit dem Geiſt Gottes / Verſtand und Erkantnuͤß kuͤnſtlich zu arbeiten an Gold / Silber / Ertz / kůnſtlich Steine zu ſchneiden und zimmern am Holtz; Was abermal damals unmittelbar und auſſer Ordnung geſchehen / geſchicht noch heute bey allen Kuͤnſten und Handthierungen derer / die mit Sinn-reichen / gelahrten und hurtigen ge - ſchickten Haͤnden ein Werck / Bau / Gemaͤld oder ander Kunſt Stuͤck auß - arbeiten und außwircken; gleich wie nicht nur das manna Gottes Gabe geweſt / ſondern auch das Brod / ſo durch den Ackerbau aus der Erden ge - wachſen / daruͤber der Menſch ſeinẽ Schweiß vergieſſen muͤſſen. Sonderlich gehoͤren hieher neue / nuͤtzliche excellent-Fuͤnde / als die edle Truckerey fuͤr zwey hundert Jahren / die Gott der letztẽ Welt zur guten Nacht geſchencket / da ſollen wir druͤber ſchreiben: Θεοςδοτον! Das iſt Gottes Gabe! Spiritus Sanctus inventor & autor! Dieſer Kunſt Erfinder und Vrheber iſt Gott der Heilige Geiſt! Da iſt Gottes Finger! Ioh. 3, 27.Kein Menſch nimmet ihm ſelbſt / ſondern hats von Gott / Ein Menſch kan nichts nehmen / es werde ihm dann gegeben vom Himmel. Ambroſ. in Pſ. 118.Ambroſius fuͤhret hiervon ſchoͤne Gedancken uͤber den 118. Pſ. Eſt ſpiritus Prophetarum, eſt ſpiritus Apoſtolorum, eſt etiam artificum ſpiritus, ſicut Bezaleel & Ooliab, quos implevit Dominus Spiritu Sapientiæ &c. Es iſt zwar der Propheten Geiſt / es iſt der Apoſtel Geiſt / es iſt aber auch ein Kunſt-Geiſt / wie der Geiſt des Bezaleel und Ahaliab / welche Gott der Herr erfuͤllet hat mit dem Geiſt der Weißheit.
Belan -65Predigt.Belangende aber die Chriſtliche Kirche innerhalb / umb welche es dem H. Geiſt ſonderlich zu thun / ſo finden ſich dariñ ſchöne anathe - mata und Schätze / damit er dieſelbe ie und allezeit gezieret / und ſind dieſelben abermal zweyerley / ſonderbare / auſſer-ordentliche Ga - ben / die nur eine Zeitlang waͤren / welche anfangs in der erſten / Apoſto - liſchen / neu-gepflantzten Mutter - und Milch-Kirche geleuchtet als Kleino - dien und Edelgeſteine / von ſonderbaren unvergleichlichen raritaͤten / von welchen St. Paulus einen gantzen Catalogum zuſammen gefuͤget / na -1. Cor. 12, 1. ſeqq. mentlich: Das heilige von Gott angezuͤndete / unfehlbare Liecht der Weißheit; in welchem die hohe / alle Vernunfft uͤberſteigende Ge - heimnuͤß herfuͤr gebrochen / geoffenbaret zu unſerer Seligkeit; ſintemal2. Petr. 1, v. ult. keine Weiſſagung aus eigenem Willen herfür bracht / ſondern die heiligen Maͤnner Gottes haben geredt / getrieben von dem Heiligen Geiſt.
Das Liecht der Geſichte / Traͤume und Weiſſagungen / dergleichen bey St. Paulo / Petro und Agabo erſchienen / ſo auch nach der Zeit der heiligen Apoſtel eine Zeitlang geleuchtet und mit denſelben nicht allerdings verloſchen; daher die Gläubigen zu Samarien auff dasAct. 8, 17. 18. 19. Gebet der beyden Apoſtel Petri und Johannis den Heiligen Geiſt der geſtalt ſichtbarlich empfangen / daß Simon denſelben leicht mitAct. 10. 44. c. 11, 15. Augen ſehen und faͤlſchen koͤnnen; Auff Cornelii Hauß-Geſinde iſt der Heilige Geiſt gefallen / gleich wie auch auff ſie die Apoſtel / ſcheinbarer Weiſe / ohne Zweifel auch in einem lieblichen / holdſeligen Feuer - Regen / Feuer-Thau und Feuer-Tauffe. So bald die zwölff Maͤn -Act. 19, 6. ner zu Epheſo die Feuer-Tauffe des H. Geiſtes empfunden / fien - gen ſie an mit frembden Sprachen zu reden und zu weiſſagen / wie Juſtinus Martyr in ſeinem Geſpraͤch mit dem Juden Tryphone be - richtet. Das Liecht die Geiſter zu unterſcheiden / Daß zum Exem -Actor. 5, 3. c. 13, 9. pel St. Petrus dem Anania / der dem Heiligen Geiſt gelogen / St. Paulus dem Zauberer Elymas ins Hertz hinein geſehen / und dero Tuͤck verra - then. Das klare Liecht der mancherley frembden / ungeſtudir - ten Sprachen.
Heroiſcher groß-freyer Helden-Muth / durch deſſen Trieb ſie mit freyein Muth und freyẽ Munde getroſt die Warheit geſagt / und wasSechſter Theil. Jdeß -66Die Fuͤnfftedeßwegen zu leiden geweſt / zur Maͤrter-Kron ſich gleichſam gedrungen / ihreAct. 4, 21, c. 5, 40. 41. Haͤlſe umb Chriſti und des Worts Gottes willen willig und freudig dar - gerecket / zur Maͤrter-Kron als zu einem Tantz froͤlich geſprungen.
Die wunder-thätige Krafft / ſo in unerhoͤrten Zeichen und Wundern ſich vorgethan / dadurch die Krancken geſund gemacht / ſo ſtarckAct. 19, 12. und kraͤfftig / daß da ſie auch von St. Paulo die Schweiß-Tuͤcher und Kol - ler uͤber die Krancken hielten / die Seuche von ihnen gewichen / vnd die boͤſen Geiſter von ihnen außgefahren; darzu auch gehoͤret die auſſer-ordentli -Actor. 5, 5. c. 13, 11. che Krafft / gottloſe Leute zu ſtraffen / welche St. Petrus wider dẽ Anania und Saphira / St. Paulus gegen Bar Jehu bewieſen / und heiſſet dieſelbe Gabe δύναμις ἐνεργημάτων. Diß war die jenige Feuer-Tauffe / davonActor. 1, 5. c. 2, 1. der Herr geweiſſaget / den Er auch herrlich und Majeſtaͤtiſch geleiſtet / auff das Pfingſt-Feſt / in welchem Gott der Heilige Geiſt in einem rech - ten / guͤldenen / feurigen Regen ſich uͤber die Haͤupter der heiligen Apoſtel ergoſſen / ſie truncken gemacht / nicht vom Wein / ſondern von dem Heiligen Geiſt / die Funcken hat man damals nur geſehen / es iſt aber darauff erfol - get eine anmuthige / hochtroͤſtliche / gnadenreiche Feuers-Brunſt / ſo in der gantzen Welt geleuchtet und gewaͤrmet.
Dieſe Gaben / nach dem ſie ihren Zweck erreichet und der Glaube gepflantzet worden / ſind laͤngſt verſchwunden / gleich wie nach dem die Kin - der Jſrael in das Land Canaan kommen / und nicht mehr in der Wuͤſten herumb gewandert / das Manna auffgehoͤret / und nicht mehr vom Him - mel gefallen. Zwar nach Goͤttlicher intention ſolte dieſes Gaben-Liecht (gleich wie das Opffer-Feuer im Alten Teſtament ſo erſtlich auff das Opffer Aarons gefallen) in der Chriſtlichen Kirchen / der ſubſtantz und Weſen nach unerloſchen fortgepflantzet und fovirt werden / wie - wol die unmittelbare Anhauchung deſſelben auffgehoͤret / Gottes Geiſt wolte hinfort durch das gepredigte Wort handlen und wuͤrcken / Spra - chen ſollen die Kirche zieren / aber in den Schulen erlernet: Geiſter ſollen durch die ordentliche edle diſputir-Kunſt entſchieden: Die leibliche mi - racul in geiſtliche (dahin jene gezielet) verwandelt werden: Helden-Muth() vide D. Ioh. Papp. Comm. in Eſa. p. 67. ſolte ſich herfuͤr thun / ſo offt es die Nothdurfft erfordert / und die ordentliche Waͤchter-Hund einſchlaffen wurden: Die () Gabe der Weiſſagung ſolte ſich beweifen in Erklaͤrung der dunckeln Spruͤche heiliger Goͤttlicher Schrifft / ſonderlich wann diefelbe durch der Jrr-Geiſter neue Schwer - mereyen wollen angefochten werden. So folte es ſeyn / und allzeit geblieben ſeyn: aber es iſt beym SOLLEN verblieben / das woͤllen iſt nicht erfolget /der67Predigt. der Sathan hat die finſtere Nacht bald wiederumb eingefuͤhret / in ſolcher finſtern gemauſet / und in derſelben allerhand Jrrwiſche und Jrr-Geiſter außgebreitet / davon Barbarey / Aberglauben / Abgoͤtterey / Greuel uͤber Greuel entſtanden. Zwar an Viſionen / Traͤumen / Erſcheinungen / des Geiſtes Propheceyungen / vermeynten Wunder-Wercken iſt niemals kein Mangel geweſt / ſie waren aber auch darnach. St. Paulus nennet ſie2. Theſſ. 2, 10. 11. krafftige Jrrthumb / verfuͤhriſche Wunder und Zeichen.
Vnd ob ſchon wol im Papſtumb groß Gepraͤng und ruͤhmens iſt von ſolchen Gaben ie und allzeit geweſen; der vermeynte Statthalter Pe - tri / wie er ihm den Apoſtoliſchen Sitz imputirt und zuſchreibet / alſo auch dieſe Apoſtoliſche Gabe Wunder zu thun / damit prangen ſie / daß ſie dieſelbe unter die characteres und unfchlbare Kenn-Zeichen der wahren Kirchen zeichnen; Wir aber geſtehen ihnen dieſe Apoſtoliſche Gabe nicht / ſie ſtehet zu erweiſen / wir haben groſſe Vrſachen ihren fuͤrgewendeten Wunder-Wercken nicht zu trauen / der Teufel iſt ein Schalck / die Lugen - den ſind betruͤglich. Man ſcheuet das Liecht / were was dran / ſolten die groſſen Wunder-Maͤnner unter uns (als nach ihrem Sinn / Kaͤtzern) ſol - che Zeichen thun / auff daß wir als die Vnglaubigen / glaubeten / aber das laſſen ſie wol anſtehen / ſie fuͤrchten die Kunſt werd ihnen auffgethan. Zu dem werden ſolche Lehren mit dergleichen miraculen von ungeſchwunge - nen Luͤgen beſtaͤtiget / die dem Apoſtoliſchen Bann-Strahl unterworffen /Gal. 1, 8. davon S. Paulus ſchreibet: Daß wañ auch ein Engel vom Him - mel kaͤme / der ein anders und widriges Evangelium predigen wolte / als er geprediget / verdammt undverflucht ſeyn ſolle.
Wir laſſen uns Chriſtum / die Warheit ſelbſt warnen / der ſaget: Sehet euch fuͤr / es werden (ſonderlich verſtehe in den letzten Zeiten)Matth. 24, 24. falſche Propheten auffſtehen / und groſſe Zeichen und Wunder thun / daß verfuͤhret werden in den Jrrthumb (wo es muͤglich were) auch die Außerwehlten! und wann es gleich mit andern Ga - ben richtig were / ſo mangelts doch den armen Stuͤmplern an der Apoſto - liſchen Gabe der frembden Sprachen. Wehe uns den vermeynten Kaͤ - tzern / ſolte die Roͤmiſche Kirche mit der δυνάμει ἐνεργημάτων mit der jenigen Gabe außgeruͤſtet ſeyn / dadurch Ananias getoͤdtet / Elymas geblendet wor -Actor. 5, 5. c. 13, 11. den / ſo bedoͤrffte der Papſt keinen weltlichen Arm / er wuͤrde dem Hencker manche Arbeit ſparen. Daſelbſt iſt aber leider offt weder ςόμα noch σοφία, weder Sprache noch Weißheit vorhanden.
J 2Aber68Die FuͤnffteAber wie dem allem! ſo iſt doch die analogia und gemeſſene Gleich - foͤrmigkeit gemeldter Gaben etlicher maſſen uͤberblieben / und ſind demnach die ordentliche Ampts-Gaben ſtets bey und in der wahren Chriſtlichen Kirchen zu finden / wiewol nicht in gleichem flor, frequentz und Grad; Es leuchtet ja heut zu Tage / noch unter uns / nach dem die helle Fackel des Evangelii wiederumb loh-hell brennt / und von der alten Paͤpſtiſchen Vn - ſauberkeit gereiniget worden / die Goͤttliche Weißheit in der Lehr /2. Tim. 2, 15. rechter Abtheilung und Außlegung des Goͤttlichen Worts /Gal 6, 6. 2. Tim, 2, 24. aus den Grundſprachen / die Gabe wol zu lehrẽ und zu unterrichtẽ / die Gabe zu widerlegen falſche Lehrer / Rotten und Secten und die Geiſter / (Luͤgen und Warheit) zu pruͤfen und zu unterſcheiden aus demHebr. 5, 12. Worte Gottes / nach der Vermahnung St. Pauli. Ja auch die GabeTit. 1, 9. zu weiſſagen / das iſt die Prophetiſchen Weiſſagungen zu erklaͤren. Vnd wuͤrde unſerm theuren Luthero / wer ſeine Propheceyung von Teuſchland mit der heutigen ſcheinbaren und traurigen experientz vergleicht / niemand leichtlich dieſelbe allerdings abſprechen koͤnnen / anders nicht als auff die Art und Weiſe / wie auch der alte Kirchen-Lehrer Athanaſius in der Kir - chen-Hiſtori προφητικος ώνὴρ ein prophetiſcher Mann iſt genennet wor - den. Die Wiſſenſchafft ſo wol außlaͤndiſcher / als in der Kir -Eſa. 50, 4. chen uͤblicher Sprachen / die gelehrte Zung / weißlich und kluͤglich zu reden / und doch nach eines iedwedem Verſtand / daß es iederman verſte - hen kan. Wie die Weißheit ohne Wort nicht viel taug / alſo viel Wort oh - ne Verſtand / iſt nichts nuͤtz. Vox eſt prætereaq́; nihil, Es ſind bloſſe lehre Wort ohne Verſtand / ſonſt nichts / pflegt man zu ſagen.
Nicht weniger auch Θυμὸς, der Heroiſche Helden-Muth / der Eifer-Geiſt / und freudige Muth im Gewiſſen-Grad / mit aller Freu - digkeit kluͤglich und beſcheidenlich zu reden / es treff Biſchoff oder Bader / biß an den Maͤrter Platz / es koſte Blut oder nicht. Der gluͤckſelige Fort - gang und kraͤfftige Wůrckung; An ſtatt der aͤuſſerlichen ſichtbaren in die Augen-leuchtenden miraculen erzeigen ſich unter uns diewunderlichen Bekehrungen / die geiſtliche Blinde werden ſehend / die geiſtliche Tauben werden hoͤrend / die geiſtliche Toden ſtehen auff / ſteinerne Hertzen werden in fleiſcherne verwandelt / alles in Krafft des Geiſt-reichen Worts Gottes.
Wann nun dem alſo / und wir greiffen muͤſſen / daß ſolche Gaben noch unter uns im Schwang gehẽ und im flor ſtehen / durch Gottes unver - diente Barmhertzigkeit / ſo haben ihre lection zu behalten / I die Vaſalliund69Predigt. und Gottes Lehen Leute / die Gott der HErr vor andern ſo hoch belehnet / mit erſt-ermeldten Gaben außſtaffiret / und ange - zogen mit der Krafft aus der Höhe; daß ſie folgende drey Wort fleiſſig und beſtaͤndig in acht nehmen: Accipe, redde, fuge! nim an / gib wieder und meyde. Gleich wie alle andere Gut - und Woltha - ten / die uns Gott erzeiget / uns mit dieſen dreyen Worten anreden:Hugo de 5. Victore. Accipe beneficium: redde debitum: fugepeccatum & ſup - plicium; Nim dieſe Gutthat an / gib hingegen wieder deine Gebuͤhr / und meyde ſo wol die ſůndliche Vndanckbarkeit als die darauff folgende Straffe! Accipe, Nim dieſelbe an durch Gebet und ordentliche Mittel; wen Gott in einen Stand beruffen / daß er zuforderſt Gott um̃b ſeinen Heiligen Geiſt anruffe / die ordentliche Mittel gebrauche / ἰδίαν δμίαμιν, das Pfund / das ihm Gott verliehen / bey ſich ermeſſe / wie hoch es ſich erſtrecke / Gott nicht verſuche; Jnſon - derheit im Wehr-Stande / Obrigkeit ſoll bitten umb religion, Verſtand und Weißheit / ſich aus den Hiſtorien vnd andern guten Mitteln fundi -Iac. 1, 5. ren; Jm Nehr-Stande deßgleichen heiſſet es οὔρῳ καὶ εἰρεσίᾳ〈…〉〈…〉 wer was erlangen will / der muß neben der Arbeit Gott umb Segen bitten und erbe - ten / er mußzufehen / daß er nicht nur ein Kuͤnſtler / ſondern guten Wind und ein heiliger Kuͤnſtler ſey / ein Chriſtlicher Schneider / Schuhmacher ꝛc.
Sonderlich aber im Lehr-Stande / die das Ampt des Geiſtes fuͤh - ren wollen / als junge angehende Studioſi Theologiæ, daß ſie ſich ja nicht auff die faule Seite legen / nicht Menſchen-Tage ſuchen / und ihnen ſelbſt allzubald Feuer-Abend geben / nicht ihr talent vergraben / nicht wie es1. Cor. 12, 31. c. 14, 1. wol geſchicht / wann ſie durch Traͤgheit dem freygebigen und freythaͤtigen guten Geiſt nicht in guter Ordnung begegnet / die Schuld auff Gott2. Tim. 1, 6. Miror (ait Chryſoſt. in epiſt. ad Hebr.) ſi quẽ ex his qui obti - nent prin - cipatũ in Eccleſia contigerit ſalvari in tantâ eorũ deſidia. legen / als haͤtte Er nicht genug Gaben gegeben; Es iſt von noͤthen ζήλωσις, der Eifer / Strebet / ſagt St. Paulus / nach den beſten Gaben / fleiſ - ſiget euch der geiſtlichẽ Gaben; Es iſt von noͤthen ἀναζ ωπύρωσις, eine Auffmunterung und Erweckung der Gaben / wann die Flamme will auß - gehen / muß man ſie wieder anblaſen; Gedencke nicht auff den Augen - Dienſt der Leute / die Augen / die Ohren zu fuͤllen mit Stick - und Flickwerck / wie Hieronymus von ſolchen Leuten klaget / daß geweſen ſeyen / die ihnen nicht haben laſſen angelegen ſeyn / wie ſie das Marck / Kern / Safft und Krafft aus der Schrifft heraus ſaugen / ſondern nur wie ſie dem Poͤbel dieJ 3Ohren70Die FuͤnffteInterpre - tamur (ita Hieron. l. 3. ad Galat. 5.) ſcriptu - ras, ſæpe vertimus ſtylũ, quæ digna le - ctione ſũt, ſcribimus, & niſi Chri - ſti cauſa fi ant, ſed memoriæ in poſte - ros & fa - mæ in po - pulos, totꝰ labor fit irritus, & erimꝰ qua - ſi tympa - nũ ſonans & cymba. lum con - crepans. 1. Pet. 4, 10. 1. Cor. 13, 12.Ohren mit allerhand lieblichen und wolklingenden Worten ohne Geiſt fuͤllen moͤchten.
Das andere Stuͤck dieſer lection heiſſet Redde, gibs wie - der was du empfangen mit Wucher und Danck! gedenck von wem du es empfangen haſt / und warumb? Dem Allerhoͤchſten zu Ehren / dem Naͤchſten zu Dienſt und Erbauung. Daß einer dem andern diene / ein ieglicher mit der Gabe / die er empfangen hat / als die guten Haußhalter der mancherley Gnaden Gottes / nach der Vermahnung Petri / und das alles aus Liebe / das Hertz im Leibe mit - zutheilen / allen Rath Gottes offenbaren / und wie du fuͤr Gott begehreſt zu beſtehen / andere auch lehren / wie geſagt / alles aus Liebe / nach dem Exempel Pauli / der ſagt: Wann ich mit Engels-Zungen redete / und haͤtte der Liebe nicht / das iſt / wann die Liebe nicht das Werck als eine Meiſterin fuͤhret / und das geiſtliche Pfeiffen-Werck richtet / Wann ich gleich ſonſt mit Menſchen - und Engels-Zungen redete / ſo were ich ein thoͤnend Ertz und eine klingende Schel - le; vnd wann ich weiſſagen koͤnte / und wuͤſte alle Geheim nůß und alle Erkäntnuͤß / und hätte allen Glauben / alſo daß ich Berge verſetzete / und hätte der Liebe nicht / ſo were ich nichts.
Das dritte Stuͤck dieſer lection heiſſet Fuge, fliehe / meyde! diſſeit ſuperbiam, die leidige Hoffart / die Kunſt-Geſchwulſt / den ſtinckenden Gaben-Pracht; Dencke daß nichts von dir komme als Suͤn - de / von Gott aber komme alles was du haſt: jenſeit invidiam, den gifftigen Neid; Mißgoͤnne deinem Naͤchſten ſeine hoͤhere Gaben nicht / trucke ſie nicht durch ungleiche / unzeitige Vrtheil / daͤmpffe die Geiſter nicht / der Teufel iſt ohne das guten Gaben feind / ſie ſind ihm ein Dorn in Au - gen / und ſind ſonderbar-begabte Maͤnner duͤnne geſaͤet; Sprich vielmehrNum, 11, 29. mit Moſe: Wolte Gott / daß alle das Volck des HErren weiſſa - get. Fuge abuſum, huͤte dich fuͤr dem ſchnöden Mißbrauch und Verunehrung der verliehenen Gaben / ſo geſchicht wann Re - genten und Obern ihrem Stad einen Schand-Flecken anhaͤngen / Erger - nuͤß geben; Kuͤnſtler ihre Koͤpffe auffſetzen / wie ſie offt ſeltzame Narren - Koͤpffe haben / ſo bald ſie einen Pfenning verdienen / muß er an naſſe Wahr geleget ſeyn; das iſt der Danck. Prediger / wann ſie uͤbel leben und wol predigen / ſo unterweiſen ſie Chriſtum / wie er einen der uͤbel lebet /ſtraffen71Predigt. ſtraffen ſolle; Da muß man mit Verwunderung ſagen: Jſt Saul auch unter den Propheten? Jſt Saul auch unter den Pro -1. Sam. 19, 24. pheten / von dem der Geiſt Gottes gewiechen?
II. Dieſe lection gehet aber auch das gemeine Volck und Zuhoͤrer an / die ſich in Beweiſung bißher geſchehenen Fuͤrtrags ſollen anfriſten laſſen 1. zur gratulation, daß ſie ſich freuen / allweil ſie die Gaben noch ſehen / allweil ſie die Strahlen der Gnaden-Sonn noch ſpuͤren / Gott hertzlich dancken; So lange dieſes palladium ſtehet / ſo lange ſtehet die Chriſtliche Kirche.
2. Ad æſtimationem; daß ſie ſolche Gaben / welche alsLuc. 1, 78. 1. Reg. 9, 28. () vid. Mal - vend. l. 4. de Antichr. c. 32. Guͤter ex Uraniâ von dem Orient und Auffgang aus der Hoͤhe alles Ophi - riſche Gold / ſo Salomon abholen laſſen / alle () Jndianiſche Schaͤtze und cantica terræ weit uͤbertreffen / nicht ſollen ſo gering ſchaͤtzen und halten / nicht conculciren und verachten. Eine ſchwere Suͤnde iſt es / das Brod mit Fuͤſſen tretten / noch ſchwerer die Gaben des Heiligen Gei - ſtes ſchaͤnden oder ab denſelben eckeln / wer Brod mit Fuͤſſen tritt / iſt keines Biſſen Brods werth / was iſt dann der werth / der die himmlichen Gaben des H. Geiſtes verachtet? wiewol auch in dieſer Schaͤtzung Maß zu hal - ten / die Gaben von den Perſonen / die Kleinodien von den Kaͤſtlein wol zu unterſcheiden / nicht wie die zu Corintho gethan / umb der Gaben willen1. Cor. 1, 12. die Perſonen vergoͤttern / die προσωπομαχία gebaͤret gar bald die προσωπο - λατρείαν, iſt lauter Greuel fuͤr Gott.
3. Ad conſervationem, daß ſie ſolchen Schatz ſollen helffen erhalten / durch milde Stifftungen / der Nothdurfft unter die Arm greiffen / das Gaben-Liecht nicht laſſen verloͤſchen durch Geitz / und allerhand politiſche / widrige Winde. Moſes muſte vorzeiten wehren / daExod. 36, 6. es ſo weit kommen / daß nicht nur die Maͤnner ihre beſte Kleinodien / ſon - dern auch die Weiber ihre außpolirte Pracht-Spiegel zum Schmuck des Heiligthumbs / der Stiffts-Huͤtten und Gottes-Dienſt haͤuffig beygetra - gen / dann ſie der Sachen nur zu viel thaͤten. Aber ſo fern iſt man heutiges Tages noch nicht entgroͤbet; Surdo fabula, Es iſt doch eben / als wann man einem Tauben ein Maͤhrlein erzehlete / man machet ein Gelaͤchter daraus; Jſt hoͤchſt zu beſorgen / es werde auff die groſſe Wolfeile / groſſe Theurung / gleich wie auff die ſieben gute Jahr in Egypten ſieben magereGen. 41, 29. 30. 53. 54. Jahr erfolgen.
4. Ad72Die Fůnffte4. Ad ζήλωσιν meliorum donorum, zu eiferigen Be - gierd / höherer und Gott wolgefälligen heilig-machenden Gaben; Ampts-Gaben gefallen Gott nicht abſolutè, bloßhinPſ. 147, 10. wol / Er hat keinen Gefallen an der Stärcke des Roſſes / es koͤn - nen auch durch Goͤttliches Anleuchten die Bileami / die Saules / die Ca - japhæ weiſſagen mit dem Munde / im Hertzen einen Schalck verbergen / gleich den Schwanen von weiſſen Federn und ſchwartzer Haut / uͤber wel - che Geſellen St. Judas in ſeiner Epiſtel das Wehe außgeſchrien / ſind ſie gleich in der gantzen Welt bekant und beruͤhmt / ſo wird ſie doch der Herr nicht kennen an jenem groſſen Gerichts-Tage; dannenhero St. Paulus / als er einen gantzen catalogum der Ampts-Gaben vollge -1. Cor. 12, 31. ſchrieben / zu Ende des 12. Capitels der erſten Epiſtel an die Corinthier ſchreibet: Jch will euch noch einen koͤſtlichen Weg zeigen / ſtre - bet nach der Liebe / daß eure Weißheit bruͤnſtig ſeye in der Liebe; nach dem Eifer der Gottesfurcht; Die Sprache aller Sprachen iſt / daß wir an - derer Sprachen uns gern begeben / und einig und allein dieſe lernen / daßRom. 8, 15. wir von gantzem Hertzen ſprechen koͤnnen: Abba / lieber Vater! Wer dieſe Sprache kan / der uͤbertrifft den Koͤnig Mithridatem, welcher zwey und zwantzig Voͤlcker unter ſich gehabt / und mit einem ieglichen in ſeiner eige - nen Sprache reden koͤnnen; Aber die Sprache eines Chriſtglanbigen Her - tzen hat er nicht verſtanden / er hat nicht zu Gott ſagen koͤnnen; Abba / lieber Vater.
Gott ſey Danck / daß wirs verſtehen und ſagen koͤnnen! Ja Abba / lieber Vater! Wir bitten dich umb den Heiligen Geiſt / der uns lehre Gott recht erkennen / von Hertzen Vater ihn nennen! auff daßIoel. 2, 32. geſchehe / was Joel zugeſaget im andern Capitul: Wer den Namen des HErren anruffen wird / ſoll errettet und ſelig werden / und alſo endlich zur Fuͤlle und vollen Strom gelangen. Wir ſchlieſſen() tom. 4. in der Vor - red uͤber dẽ Propheten Zachar. mit () Luthero und ſprechen: Lieber Herr Chriſte / gib uns deinen Geiſt und Gaben nicht zu unſerm Ruhm / ſondern zu Nutz und Beſſerung der Chriſtenheit / auff daß es gleich und recht außgetheilet werde: nemlich uns Schande und Scham fuͤr unſer Suͤnde und Vntugend / dir aber Lob und Ehr / Lieb und Danck fuͤr deine unaußſprechliche Gnade und Gaben in Ewigkeit / Amen.
Vber den dritten Artieul / Von der lebendigmachenden Gnade des Heiligen Geiſtes ins gemein.
GEliebte in Chriſto: Nicht allein holdſelig / ſondern auch Geiſt - und Geheimnuͤß-reich iſt die jenige hypotypoſis oder figur in welcher Moſes der uraͤltiſte Hiſtoricus die Schoͤpff-Krafft und Wuͤrckung Gottes des H. Geiſtes beſchrieben in dieſen Worten: Veruach Elohim merachepheth al pene hamajim, Vnd der Geiſt GottesGen. 1, 2. ſchwebete uͤbeꝛ den Waſſern; holdſelig und anmuthig / ſag ich / iſt die figur genommen von der Brut und Außheckung der Voͤgel / als Ba -Baſil. l. 2. hexaëm. ſilius wol erwieſen; das unaußgebruͤtete Ey war an dieſem Orte das un - geheure / unordentliche / ungeſtalte Chaos, Himmel und Erden / wie dieſelbe noch unter den Waſſern / ohne Form / Ornat / Ordnung und Vnterſcheid gelegen / ohnmaͤchtig / lebloß / als ein oͤder und wuͤſter Klumpen. Der Vogel / der ſich druͤber gemacht / daſſelbe außzubruͤten und lebendig zu ma - chen / heiſſet Ruach Elohim, der Geiſt Gottes / dadurch keines Wegs zu verſtehen ein außtrockender Wind / wie es der Chaldeiſche Dol - metſchen Onkelos außleget / und die heutigen Geiſt-Feinde / die Photinia - ner fuͤr bekant annehmen / dann damal waren noch keine meteora, weder Regen noch kein Wind / ein Nebel (oder waͤſſeriger Dampff) gieng auff von der Erden / und feuchtet das Land / ſondern wie David bezeuget:Pſal. 33, 6. Der Geiſt des Mundes Gottes / der Heilige Geiſt / der ſchwebet uͤber dem unformlichen Waſſer-Klumpen.
Die Brut an ihr ſelbſt ſtehet in dem Hebreiſchen merachephet, Er ſchwebete / Gott-geziemender Weiſe ohn-coͤrperlich / raͤumlich wan - cken und ſchwancken. Baſilii gloſſ. lautet alſo: Συνέϑαλπε καὶ ζωογόνει τὴν τῶν ὑδάτων φύσιν κατὰ τὴν εἰκόνα τῆς ἐπωαζούσης ὄρνιϑος, καὶ ζωτικὴν τινα δύναμιν ἐνιεισὴς τοῖς ωοϑαλπωμένοις; gleich wie eine Henne ſich uͤberSechſter Theil. Kdie74Die Sechſtedie Eyer ſetzt / dieſelbe erwaͤrmet / fruchtbar und kraͤfftig machet zur Geburt der lebendigen heraußſchlieffenden Kuͤchlein / alſo iſt von und durch diefen Goͤttlichen incubitum oder Aufflager; durch diefes weben und ſchweben alles lebend und webend worden / was leben und weben ſolte. Das war die vivificatio vitæ naturalis, die natuͤrliche Lebendigmachung / damit zu bezeugen / daß er Gott der Heilige Geiſt auch in dem microcoſmo in der kleinen Welt dem Menſchen ſey der Vrheber des natuͤrlichen Lebens / auch noch heut zu Tage.
Es iſt aber auch dieſe figur zugleich ein myſterium und ty - pus, ein Geheimnüß-reiches Vorbild / damit der Geiſt Gottes ſelbſt ſein lebendigmachendes Ampt abmalen wollen / Erſtlich in dem Reich der Gnaden zu dem Gnaden-Leben: geſtalt dann nicht ohn gefaͤhr geſchehen / daß die ergeiſterte / halb tode und erſchrockene Juͤnger des Herren / da ſie vom Oel-Berge zuruͤcke nach Jeruſalem ſich begaben / daſelbſt in einem Saal auffgehalten / welches ὑπερῶον, das iſt ein Vogel - oder Eyer-Neſte ſich zuſammen befunden / da ſie auff die ἐπέλ〈…〉〈…〉 σιν, die kraͤff - tige vnd lebendigmachende Vberkunfft des Heiligen Geiſtes gewartet / welcher / als er zu beſtimmter Zeit erſchienen / ſich auff einen ieden unter ihnen gleichſam uͤber ihn als eine Taube uͤber die rohen Eyer ſchwebend geſetzet / ſie zu andern Leuten / ja zu recht-lebendigen / getroſten / hertzhafften Doctorn und Welt-Lehrern bereitet und außgeruͤſtet / uͤber welche ploͤtzliche Enderung ſich maͤnniglich verwundern muͤſſen / anzudeuten / daß auff ſolche Art und gewiſſe Weiſe der Heilige Geiſt ſeiner Kirchen zu ieden und allen Zeiten ins kuͤnfftige erſcheinen wolle / uͤber den Menſchen / der von Natur ein leeres / untuͤchtiges / lebloſes Ey / (κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον, ein boͤſer Vogel leget ein boͤſes Ey) gerathen / uͤber denſelben ſchweben / gaͤntzlich mutiren und lebendig machen wolle / zu einer neuen / Gott wolge - faͤlligen Natur und Creatur.
Nicht weniger / ſo deutet auch die obernennete figur auff die Lebendigmachung zum ewigen ſeligen Leben / im Reich derRom. 1, 4. kuͤnfftigen glori und Herrligkeit; Daß eben der Heilige Geiſt der jenige ſey / durch deſſen lebendigmachende Krafft / wie alle Toden zum Gerichte / alſo inſonderheit die Außerwehlten zum ewigen glori-Leben und Seligkeit ſollen aufferwecket werden.
Summa / es iſt uns die gantze lebendigmachende Krafft und Gnade des Heiligen Geiſtes / davon der dritte Articul unſersGlau -75Predigt. Glaubens eigentlich redet und handelt / in dieſer figur fuͤrgebildet worden / ſo anietzo und ins kuͤnfftige außfuͤhrlich zu tractiren und abzu - handlen / nach dem wir biß dato vernommen das Gnaden-Geſchenck Gottes des Heiligen Geiſtes / die æſtim und Hoheit des Ge - ſchencks / die Důrfftigkeit des menſchlichen Geſchlechts / ſo folget anietzo gratia ſanctificans & vivificans, die heilig - und lebendigmachende Gnade; davon dißmal in genere und ins gemein / die ſpecies werden in folgenden Predigten erklaͤret werden. Er der Heilige Geiſt wolle ſchweben vber dieſer Gemein / wie er ge - ſchwebet uͤber den Waſſern / alles lebend und webend machen / in Chriſto Jeſu / Amen.
SO iſt nun gratia generalis & univerſalis, die allgemeine Gnade / die Quell - und Haupt-Gnade / deren wir vns im dritten Articul zu getroͤſten haben / und heiſſet dieſelbe die Lebens-Gnade / welche geglaubet worden / aus Gottes Wort / darinn der Heilige Geiſt klar genennet wird ein Geiſt der da lebendigIoh. 6, 63. Rom. 8, 2. macht / von den Niceniſchen Glaubens-Bekennern in den klaren auß - gedruckten Worten / die ſonſt in vnſerm Apoſtoliſchen Glauben nicht ſte - hen / aber darinnen begriffen. Jch glaube an den HErren den Hei - ligen Geiſt / der da lebendig machet. Die Meinung iſt dieſe / wann wir erholen / was droben von dem menſchlichen Elend und Duͤrfftigkeit weitlaͤufftig außgefuͤhret worden: Jch armer / elender / gefallener Menſch / der ich von Natur Fleiſch bin / und zwar ein todes und kein-nuͤtzes Fleiſch / bekenne / daß ich durch des Heiligen Geiſtes Krafft geiſtlich lebendig wor - den; Jch elender Bandit und Himmel-loſer Menſch zum Himmelreich beruffen und eingeladen; Jch Gott - und Recht-loſer und verdammter Menſch / grrechtfertiget; Jch Erb - und Vater-loſer Menſch wiedergeborn: Jch Troſt-loſer Menſch getroͤſtet und geſtaͤrcket: Jch Glaub - und Liecht - loſer blinder Menſch erleuchtet: Jch Tugend - und Heil-loſer Menſch geheiliget und geweyhet: Jch Hoffnung-loſer Menſch in das himmliſche vivarium, die rechte Fried - und Freuden-Statt / das Himmelreich aus dem Vorhoff der Chriſtlichen Kirchen werde auffgenommen werden. Jſt eben das / was wir auch in der Außlegung des dritten Articuls bekennen und ſagen: Jch glaube / daß ich nicht aus eigener Ver -K 2nunfft76Die Sechſtenunfft noch Krafft an Jeſum Chriſtum meinen HErren glau - ben oder zu ihm kommen kan / ſondern der Heilige Geiſt hat mich durchs Evangelium beruffen / mit ſeinen Gaben erleuch - tet / im rechten Glauben geheiliget und erhalten: gleich wie er die gantze Chriſtenheit auff Erden beruffet / ſamlet / erleuch - tet / heiliget / und bey Jeſu Chriſto erhaͤlt im rechten einigen Glauben; Jn welcher Chriſtenheit er mir und allen Glau - bigen täglich alle Sůnde reichlich vergibet / und am Juͤngſten Tage mich und alle Toden aufferwecken / und mir ſammt allen Glaubigen in Chriſto ein ewiges Leben geben wird; Das iſt gewißlich wahr.
II. Sie iſt eine geoffenbarte Gnade in dem Wort desGal. 3, 2. Ioh. 1, 12. Rom. 8, 2. Eph. 1, 4. 5. 2. Tim. 1, 9. heiligen Evangelii / davon St. Paulus feine Galater fragt / ob ſie den Geiſt und deſſen Gaben durch des Geſetzes Werck em - pfangen oder durch die Predigt vom Glauben? Sie muſtens ihm geſtehen / daß ſie nicht aus dem Geſetz / ſondern aus dem Evangelio als der Lehre des Glaubens denſelben erlanget / als ein ſolchen geiſtlichen Gna - den-Segen im himmliſchen Guͤtern / welche uns Chriſtus erworben mit ſeinem theuren Verdienſt und hochprieſterliche Bitt. Es iſt auch die Gnade der Erſchoͤpffung eine herrliche / theure und werthe Gabe / dadurch der Menſch zum natuͤrlichen Leben geboren / mit ſchoͤnen Natur-Gaben gezieret / und ie laͤnger ie mehr im natuͤrlichen Leben waͤchſt / erſtaͤrcket und zunimmt / die gehoͤret aber hieher in den dritten Articul eigentlich nicht / ſondern hieher gehoͤrt die heilſame Gnade / ſo im Evangelio geoffenbaret / ſo aus dem Gnaden-Brunn Chriſto Jeſu gefloſſen / welcher allein in derAuguſtin. cp. 95. ad Innocent. Canoniſchen Heiligen Schrifft den Namen der Gnaden traͤgt / wie Au - guſtinus in ſeinen Streit-Schrifften wider die Pelagianer wol ange - mercket.
Gratia creatrix, eine Schöpff-kraͤfftige Gnade. So wenig als ein toder Menſch ſich ſelbſt kan lebendig machen: ein Stein in die Hoͤhe fliehen / ein Eiſen ſich empor erheben / ohne einen Magnet / ſo wenig kan der Menſch ihm ſelbſt aus eigener natuͤrlichen Krafft zum geiſtlichen Leben in Gott helffen. Jſt derowegen eine lebendigmachende Schoͤpff -Eph. 1, 19. Col. 2, 12. Krafft von noͤthen / eine uͤberſchwengliche Krafft nach der Wuͤr - ckung ſeiner Macht und Staͤrcke / welche er gewircket hat inChriſto77Predigt. Chriſto / da er ihn von Toden aufferwecket. Ja viel ein groͤſſe - res Werck iſt ἀνακτίζειν als κτίζειν, ἀνάπλασις als πλάσις, das Wieder - ſchaffen / Wieder-lebendigmachen / als anfangs ſchaffen / jenes koſtet den Herrn nur ein ein iges Wort / dieſes koſtet des Sohns Gottes eigen Leib und Blut.
III. Eine ſolche Gnade / welche er der H. Geiſt ſelbſt mit ſchõnen anmuthigen und verſtändlichen Gleichnůſſen erklaͤret / damit wirs deſto leichter faſſen und verſtehen moͤgen / als da iſt 1. Die Gleichnuͤß vom Brut-Vogel / von welchem wir im Ein - gang vernommen 2. Die Gleichnuͤß und figur des Athems bla - ſen und hauchen / der Heilige Geiſt iſt der Blaſer; Gott der Herr blaſet dem formirten Erden-Kloß ein eine lebendige Seel. Gott der Herr war der Blaſer des formirten Erden-Kloſſes; das objectum der tode lebloſe Leib / dem gibt er nicht eine ſterbliche Seele aus der Erde / wie den andern Creaturen / ſondern cœlitus von oben herab / vom Himmel blaſet er ihm ein ſpiraculum vitarum, das iſt das allerherrlichſte / vernuͤnff - tige / unſterbliche Leben / daraus wird der Menſch in animam viventem, es leibet und lebet alles an ihm / und wird eine andere Creatur als zuvor / da er ohne Leben und Liecht / als ein Klotz da gelegen: Auff ſolche Weiſe2. Reg. 4, 34. 35. blaſet Eliſa der Prophet das verblichene Kind an / und legt ſich auff daſ - ſelbe / auch Paulus thut dergleichen mit dem Eutyche, ſo werden ſie wiederAct. 20, 10. 12. lebendig. Alſo der Sohn Gottes der erſte Geſtalt-Geber und formirer des Menſchen / der nimmt nicht nur menſchliche Geſtalt an ſich / ſondern wohnet auch unter uns Menſchen / meſſet ſich gleichſam an dem Menſchen an / wird ihm gantz gleich / ſcheuet ſich nicht ab der aͤrmlichen Geſtanck / machet mit ſeinem hauchen und anblaſen des Heiligen Geiſtes lebendig / wie er deſſen ein klar und ſichtbar ſpecimen gethan / da er ſeine Juͤnger an - gehauchet / und mit dem Athem ihnen den Heiligen Geiſt verehret.
3. Similitudo majim mephacim, die Gleichnuͤß von dem geſunden Tempel-Waſſer / Ezech. 47. Es war das todeEzech. 47, v. 1. Meer vorzeiten nicht nur fuͤr ſich ſelbſt tod / ſondern auch ein todwuͤrcken - das / peſtilentziſches / gifftiges Meer / darinn alle Fiſche / ſo aus dem Jordan gefloſſen / ſterben und verſchmachten muͤſſen / ja auch ein frucht-luͤgendes und betruͤgliches Meer / Baͤume ſtunden da / trugen dem euſſerlichen Schein nach ſchoͤne Fruͤchte / wann mans aber abgebrochen und auffge - than / wurden ſie Aſche; Aber bey dem Propheten Ezechiel wird gedachtSap. 10, 7.K 3eines78Die Sechſteeines friſchen / lebendigen Tempel-Waſſers / ſo unter der Schwell des Tempels gefloſſen / da es in das tode Meer kommen / ſind die Waſſer davon geſund worden / ja alles was darein kommen oder geſchwummen /Eſa. 57, 20. daſſelbe hat gelebt und gewebt: Alſo iſt die gantze Welt ein Meer / ein toͤdtendes Peſtilentz-Meer / ſo alles anſtecket / was darein kommet / da gibt es poma Sodomica, Sodomiſche Aepffel / ſimulacra virtutum, das iſt / euſſerlichen Schein der Tugenden / Gleißners-Wercke; Aber das leben -Ioël. 2, 28. Ioh. 7, 38. 39. dige Quellen-Waſſer des Heiligen Geiſtes machet alles geſund und lebendig. Was damal Ezechiel im Geſicht geſehen / daſſelbe iſt im Neuen Teſtament biß auff den heutigen Tag zur wahrhafftigen Hiſtori worden; Solten wir mit geiſtlichen erhobenen und erleuchteten Augen alle Adams - Kinder uͤberſehen koͤnnen / ſo wuͤrden wir lauter ſtinckende / geiſtlich-tode Aaß ſehen / aber die durch den H. Geiſt in den Thier-Garten der Chriſt - lichen Kirchen (ſo zu reden) gebracht / ſind wiederumb lebendig worden / alle die der Ordnung Gottes ſich nicht widerſetzet und entzogen.
Sie iſt endlich IV. eine hochloͤbliche Gnade / wegen dero herrlichen / reichen und fuͤrtrefflichen effecten, derſelbe heiſſet vita gratiæ, das Gnaden-Leben. Was iſt das fuͤr ein Leben / das dieſeEph. 4, 21. Gnade wuͤrcket? I. Ein rechtſchaffen Weſen; Das natuͤrliche Leben iſt zwar auch ein Leben / aber ein elendes muͤheſames Leben / ein ſterb - liches / vergaͤngliches Leben: vita ſupplicio mors eſt ſolatio, da das Leben eine Straffe iſt / der Tod aber ein Troſt; Aber dieſes Gnaden-Leben iſt ein wahrhafftiges / beſtaͤndiges / unvergaͤngliches / himmliſches ſeeliges Leben;
II. Das alte Leben / ſo wir im Paradiß verloren / daſſelbe wuͤrcket nun dieſe lebendigmachende Gnade wieder in uns / hier zwar inchoativè, ſtuͤckweiſe / es faͤhet nur an / dort aber completivè, auff den Tag der Erſtat - tung alles deſſen / weſſen wir durch den traurigen Suͤnden-Fall ſind ver - luſtiget worden.
III. Ein ordentliches / heiliges und in der H. Schrifft geweihetes Leben; Mancher Menſch fuͤhret ein unordentlich / wuͤſtes und wildes Sau-Leben / friſſet und ſaufft / was ihm ſchmecket / haͤlt keine diet, braucht keine Artzney / verkuͤrtzet ihm ſelbſt das Leben: Ein ſolches Leben iſt dieſes nicht / ſondern ein regulirtes / beſcheidenes / feines / dietiſchesMatth. 4, 4. Leben / ſo erhalten wird durch die Speiſe des Goͤttlichen Worts / und durch die heilſame Artzney des Heiligen Abendmahls wider die λυποϑυμίαν, geiſtliche Ohnmacht und Kranckheit unſerer Seelen.
IV. Ein Goͤttlich Leben / wie dergleichen von dem Leben Henochsgeruͤhmet79Predigt. geruͤhmet wird / da im Gegentheil die Welt lebet / ein heydniſches / epieu - riſches / viehiſches Leben / ein Wolfs-Leben / Hund - und Katzen-Leben / ja ein recht teufeliſches Leben / ein ſolcher roher Gott - und Geiſtloſer Welt - Menſch iſt lebendig tod / gleich wie der verlohrne Sohn / und eine Wittwe /Luc. 15, 13. 1. Tim. 5, 6. ſo in Wolluͤſten lebet; Hingegen iſt vnſer bißhero hochgeruͤhmtes Gna - den-Leben ein Leben aus Gott / mit Gott / in Gott / zu Gott / ein Goͤttliches Leben gegen Gott / wegen des guten Gewiſſens; ein ge - rechtes Leben gegen dem Naͤchſten / ein maͤſſiges Leben gegen ſich ſelbſt. Es bilden ihnen zwar die paͤpſtiſche Ordens-Leute in ihren Kloͤſtern groſſe Ding ein / ihr Kloſter-Leben ſoll das rechte Goͤttliche Leben ſeyn: ja umb - gekehrt! Es mangelt demſelben Leben an dem beſten Adel der Goͤttlichen Weihe? Wo hat Gott dergleichen befohlen? der heilige Patriarch He - noch hat auſſer Zweifel ein Goͤttliches Leben gefuͤhret / aber in der Ehe / in der haͤußlichen Nahrung / in Goͤtttlichem / vernuͤnfftigen Gehorſam / οὐ παρθέ - νος ἀλλ᾽ ενκρατὴς, ſchreibt von ihm Epiphanius, er war zwar keine Jung - frau und doch keuſch.
V. Ein huldreiches Leben; Ein erſtgebornes junges Kind ſo noch im Blute da liget / ſihet greßlich / ſcheutzlich und abſcheulich aus / aber nach dem Bade gewaͤſchet / wanns angethan iſt / ſo iſts holdſelig; Alſo auch der Menſch nemlich vor der Wiedergeburt zum geiſtlichen Leben ein Greuel / nunmehr aber nach der Wiedergeburt delicium Patris cœleſtis, Gottes des himliſchen Vaters ſchoͤner anmuthiger Augen-Luſt.
VI. Ein ewiges / vollkommenes Leben / da Schalom, Friede und Freude und alles vollauff / wie dann bey den Hebreern das Wort vita Leben / alles was gut iſt und angenehm / begreifft.
Dieſes iſt die lebendigmachende Gnade des Heiligen Geiſtes ins gemein; gratia ignota mundo, verborgen in Gott / wie ein Kind inCol. 3, 3. Mutterleibe; vor und bey der Welt ſind diß lauter Boͤhmiſche Doͤrffer / wann der Herr ſeinen Juͤngern von ſeinem Reich geſagt / ſo wolte es ihnen nicht in Kopff und Sinn / ſie verſtundens alles weltlich.
Jſt ein groß ſtuͤck unſerer Erb-Suͤnde / daß der Menſch ſo gar nicht verſtehet / was des Geiſtes Gottes iſt / das Geſetz und deſſen Erkåntnuͤß iſt uns etlicher maſſen angeboren / aber das Evangelium die gnadenreiche Bottſchafft von den Gnaden-Gaben des Heiligen Geiſtes ſind unbekant / dunckel / und daher auch ungeachtet / wann man von Tugenden und La - ſtern predigt / ſo fafſet es iederman / aber die heilſame Gnade Gottes und dero unerſchaͤtzlichen Schaͤtze bleiben ungeſchaͤtzet; ignoti nulla cupido, was nicht in die Augen faͤllet / was nicht das Fleiſch kuͤtzelt und dem Leibe2. Cor. 4, 3. 4.wolthut /80Die Sechſtewolthut / das achtet der Menſch nicht; dem reichen Korn-Bauer iſt ſeineLuc. 12, 19. c. 16, 19. Eſth. 5, 11. volle Scheuer die Gnade: dem Schlemmer ſein Vollauff: dem Haman die fluͤchtige Gunſt ſeines Koͤniges. Jn der Welt / wann einer herfuͤr kommet ans Bret / ein anderer wird reich / iſt geſegnet / das Gluͤck ſchneyet ihm zum Fenſter hinein / ſein Hauß ſtehet in der Sonnen / andern iſts ver - bauen / den ruͤhmet die Welt als einen der in groſſer Gnade ſchwebet / wol dem / dem es alſo gehet / das iſt ein Mann! Aber die lebendig - und ſeligma - chende Gnade / von welcher wir ſo offt hoͤren / die die ſchnurret fuͤr die Ohren fuͤruͤber / unbeherberget. Nun es wird einmal eine Zeit oder vielmehr die Ewigkeit kommen / da manchen wird nach dieſer Sonne frieren. Die zeit -Luc. 12. 20. Eſth. 7, 10. Luc. 16. 24. liche Gnade machet nicht ſelig: Der Korn-Bauer muſte ſeine Gnade ploͤtzlich quittiren / Haman muß hencken / und was geb der Schlemmer drumb / daß ihm ein eintziger Gnaden-Tag moͤchte werden? Es gehen zwar die weltliche Gluͤck-Voͤgel aus der Welt dahin / werden mit Pomp und Pracht begraben / kommen aber nur deſto unſeliger in der Hoͤlle an / gehet ihnen wie den gekroͤnten Opffer-Ochſen / man fuͤhret ſie mit Kraͤntzen zum blutigen Toden-Tantz.
Rechtſchaffene Chriſten und Chur-Kinder Gottes laſſen der Welt ihre gratias temporales, ihre zeitliche Gnade / ſprechen: Sie haben ihren Lohn! bekommen durch Verachtung des zeitlichen Lebens eine ſehnliche Begierde nach dem Geiſtlichen / ſie ſehen an das natuͤrliche / kurtze und elende Leben als eine Wahlfahrt / Schattẽ / Wind / Rauch / Nebel / Wolcke / Schnee / Waſſer / als ein Comœdi / Geſchwaͤtz / wann man außgeſpielet / ſinget man mit Auguſto, hab ich mein Perſon geſchickt gnug vertretten?Hieron. in Pſal. 89. und damit iſt alles aus. Hieronymus erklaͤrets mit der Spinnenwebe / gleich wie eine Spinne / die ihre Faͤden ſpinnet / hin und her laͤuffet / webet und wircket den gantzen Tag / iſt zwar eine groſſe Arbeit / aber das Werck an ſich ſelbſt iſt nichts ſollend / es taug nichts; alſo iſt es auch beſchaffen mit dieſem zeitlichen Leben / da man ſich hefftig bemuͤhet und ermuͤdet / in allerhand Geſchaͤfften / wann mans beym Liecht beſihet / iſts offt nurAug. l. 8. Confeſſ. c. 11. Spinnen-Arbeit; Jſt dem alſo / ſpernamus ergò nugas nugarum & vauitates vanitatum, ſprechen wir billich einander zu mit Auguſtino: ſo laſſet uns dieſe Spinnwebe / dieſe vanitaͤten und Eitelkeit verachten /Gen. 49, 14. dann was zeuhet ſich Iſaſchar der beinerne Eſel vnd Laſt-Traͤger? Dero - halben ich begehre nunmehro abzuſcheideu zu meinem Herren Jeſu Chriſto / ſein Sterben iſt mein Gewinn / ich verliere nichts durch meinen Tod / wiewol ich alle commoda ſeculi mit dem Ruͤcken anſehen mus / ſon - dern ich gewinne noch / und empfange Gnade vmb Gnade die himmeliſchevollkom -81Predigt. vollkommene Glori-Schaͤtze. Wie der Hirſch ſchreyet nach friſchem Waſſer / ſo ſeuffzet meine Seele nach meinem Heiland / Jmmanuel und Bruder Chriſto.
Aber das wiſſe / keiner wird leben in der ſeligen Ewigkeit / er lebe dañ hier in dem Gnaden Leben / nicht im Sau Leben; Laſt uns derowegẽ dieſe theure Gnade hoch achten / laſſet uns verwundern uͤber der wunderſamen / groſſen Herrligkeit / du wirſt die Herrligkeit Gottes ſehen / ſpricht ChriſtusIoh. 11, 37. zu der Martha des Lazari Schweſter / als Er Lazarum auffwecken wolte / nemlich die Herrligkeit ſeiner Allmacht / daß der Schaden ſo verzweifelt - boͤß / und ihme ohne Goͤttliche Allmacht nicht konte abgeholffen werden; die Herrligkeit ſeiner Weißheit / daß Er den dem gefallenen / geiſtlich-toden Menſchen den Weg zum Leben wiederumb zeiget. Die Juden ſprechen: Kunte / der dem Blinden die Augen auffgethan / nicht ſchaf - fen / daß auch dieſer nicht ſtuͤrbe? als wolten ſie ſagen: Was weinet und betruͤbet Er ſich lange / warumb hat Er nicht den Tod verhuͤtet? Alſo ſpricht auch unſere tolle Vernunfft: Warumb hat Gott den Fall nicht verhuͤtet? Aber digito compeſce labellum, hier lege den Finger auff den Mund / gruͤble nicht / ſondern vielmehr verwundere dich / ja verwundere dich uͤber den Reichthumb der Barmhertzigkeit / damit Er uns gelie -Epheſ. 2, 5. bet / und da wir tod waren in Suͤnden / Er uns lebendig gemacht.
Diß ſind die Wunderwerck vnſerer Kirchen. Gehet hin undMatth. 11, 4. 5. ſaget / was ihr ſehet / die Tauben hören / die Blinden ſehen und dergleichen; Jm Papſtumb werden durch die miracula die Blinden verblendet / die Tauben betaͤubet; hier aber ſind die rechten Wunderwercke: Die Geiſtlich-Blinde werden ſehend / die Geiſtlich-Tode wiederumb leben - dig durch die allmaͤchtige Krafft des lebendigmachenden Geiſtes. O un - außſprechliche groſſe Gnade! O edler Troſt unſer Seelen! WannProv. 16, 15. des Koͤnigs Angeſicht freundlich iſt / das iſt Leben / und ſeine Gnade iſt wie ein Abend-Regen / ſpricht Salomon: Wie viel lieb - licher Leben / wann das Liecht des Goͤttlichen Angeſichts einen Menſchen beſcheinet / und alle Noth / Schrecken / Angſt und Furcht vertreibet / wann der Than der geiſtlichen Gnaden-Gaben das tode Graß erquicket? O Danck-Pflichte!
Eine malefitz-Perſon / deren das Leben geſchencket / kan ſeinem Retter nimmer gnug dancken. Ein Kind kan ſeinen Eltern fuͤr das natuͤrlicheSechſter Theil. LLeben82Die SiebendeLeben (welches doch ein Anfang iſt zum ewigen Tode) nimmer gnug dan - cken / quomodo genitus poteſt regenerare genitores? ſagt Philo: wie kan ein Sohn ſeine Eltern wieder gebaͤren? Ernehre deinen Vater / und ob duAmbroſ. in c. 18. Luc. Gal. 5, 16. 22. ihn ſchon ernehreſt / ſo haſtu ihm doch noch nicht wieder gegeben den Schmertzen und die alimenta und Nahrung / ſchreibt Ambroſius: O wel - chen groſſen Danck ſind wir dem Heiligen Geiſte ſchuldig! O wie viel iſt das geiſtliche Leben herrlicher als das zeitliche? Laſſet uns demnach im Geiſte / in den Fruͤchten des Geiſtes leben und wandeln. Moͤgen aber auch zwey mit einander wandlen / ſie ſeyen dann einig unterAmos. 3, 3. einander? ſpricht der Herr beym Propheten Amos. Laſſet unsRom. 14, 8. creutzigen unſer Fleiſch und Blut! Leben wir / ſo leben wir dem HERREN / iſt bald geſagt / aber ſchlecht practiciret; Laſſet uns nicht leben der Welt / unſerm Fleiſche / dem Teufel! das facit iſt von St. PauloRom. 8, 13. kurtz gemacht / Rom. 8. Wo ihr nach dem Fleiſche lebet / ſo werdet ihr ſterben / wo ihr aber durch den Geiſt des Fleiſches Ge - ſchaͤffte toͤdtet / ſo werdet ihr leben: Das gebe uns der Geber desIoh. 14, 6. Lebens Jeſus Chriſtus / der da iſt die Warheit / der Weg und das Leben! Amen.
Vber den dritten Artieul / Von der Natur / Eigenſchafft / Art und Beſchaffen - heit der lebendigmachenden Gnade des Hei - ligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Das iſt Gottes Finger / ſprechen die Zauberer in Egypten / da Moſes den Staub der Erden in Laͤuſe verwandelt durch Goͤttliche Krafft / daß alles an Menſchen und Vieh gewuͤmmelt von Vnziefer / ſie aber die2. Tim. 3, 8. Zauberer Jannes und Jambres / dergleichen durch ihr be - ſchweren und ſchwartze Kunſt nicht konten zu wegen bringen / ſo geben ſie Gott die Ehre / und ſprechen: Das iſt Gottes Finger! Jn welchenWorten83Predigt. Worten ſie nicht allein gleichſam ohne ihren Danck und Willen ein trophæum und Siegs-Zeichen auffrichten der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu Preiß und Ruhm / als panegyriſtæ und Lob - ſprecher der Göttlichen Ehre; bekennen rund / daß die Macht des Hebreiſchen Gottes ſeye unvergleichend groß uͤber alle ihrer Goͤtter Macht und Vermoͤgen / es ſeye ihm ſo leicht ein Wunder zu thun / daß Er auch nur ein Finger darzu bedoͤrffe / ohne Muͤhe und Arbeit / ſie ſeye ſo klar und offen - bar / daß man mit Fingern darauff deuten moͤge; als wolten ſie ſagen: Wir muͤſſen mit Fingern den Finger Gottes greiffen / fuͤhlon und beken - nen / daß der Hebreer Gott maͤchtiger als unſere Goͤtter; die uͤbrigen miracul haben wir Moſi nachgethan / aber da es an die Laͤuſe kommet / koͤnnen wir nicht fort / wir ſeynd uͤberwunden und zu ſchanden worden / was wollen wir machen? Wer kan dem Finger Gottes widerſtehen?
Sondern es ſtellen vns auch dieſelbe fuͤr Augen / gleichſam als pæ - dagogi, Zuchtmeiſter und Lehrer / ein herrliches Exempel / Mu - ſter und Beyſpiel / wie auch wir den Finger Gottes in allen Wer - cken erkennen / ruͤhmen und preiſen ſollen; in dem Wercke der Schoͤpffung / da ſagt David wol: Die Himmel ſind deiner Hände Werck. Pfal. 8, 4.Wann wir unſere Augen auffheben / Sonn / Mond / Sternen / ja den gan - tzen macrocoſmum und groſſen Welt-Bau anſchauen / ſollen wir ſpre - chen: Digitus DEI hîc! Hier iſt Gottes Finger / der die Erden be -Eſa. 40, 12. Hebr. 1, 3. greifft mit einem Dreyling / Er traͤget alles mit ſeinem gewaltigen Finger; in microcoſmo, in der kleinen Welt / dem Menſchen / da ſehen wir dieſen kunſtreichen Finger Gottes / der als ein Seidenſticker gleichſam ge - kuͤnſtelt / gewircket und bereitet / daß man billich mit Job ſagen mag: Dei -Iob. 10, 8. ne Hände haben mich gearbeitet / und gemacht / alles was ich umb und umb bin.
Erkennen und preiſen ſollen wir Gottes Finger in dem Werck der Goͤttlichen Fuͤrſehung / Schick - und Fuͤgung / Erhal - tung und Regierung; in den wunderbarlichen Goͤttlichen Wegen / wann offt alles umbgekehret / den Krebsgang / das hinderſt zu forderſt ge - het; wie auch in den Verwirrungen der Rathſchlaͤge / da man ſich nicht außwicklen kan / und aber unverhofft Raht oder Huͤlffe erſcheinet / da heiſſet es: digitus DEI hîc! das und da iſt Gottes Finger! Omnia ad divinæ providentiæ regimen referantur, quæ ſtulti quaſi caſu tenerèL 2& nullâ84Die SiebendeAuguſt. in Pſal. 9.& nullâ divinâ adminiſtratione fieri putant, ſchreibet Auguſtinus: Wir muͤſſen alles der Goͤttlichen Vorſehung und Regierung zuſchreiben / was die Narren meynen und dafuͤr halten / daß es ohngefaͤhr / ohne Vrſach undMatt. 3, 16. ohne eintzige Regierung und Waltung Gottes geſchehe. Jn dem Wercke der Erlöſung; da iſt der Herr der allgemeine Welt-Hei - land gleichſam mit Fingern gezeiget durch Gott den Heiligen Geiſt. Ioh. 19, 5.Als Pilatus in der blutigen Paſſions-Tragœdi mit Fingern auff Jeſum von Nazareth gedeutet / und geſagt: Ecce homo! Sihe welch ein Menſch! als er ihm oben uͤber ſein Haupt mit Fingern ſchreiben undIoh. 19, 19. ſetzen laſſen die Vberſchrifft: Jeſus Nazarenus Rex Judæorum! Jeſus von Nazareth der Juden Koͤnig! ſo hat man mit Warheit ſagen koͤnnen: Hierbey und das iſt der Finger Gottes! hier geſchicht /Act. 4, 28. was die Hand Gottes zuvor bedacht und beſchloſſen hat.
Sonderlich in dem ſonderbaren Wercke Gottes des Heili -Luc. 11, 15. 20. gen Geiſtes / die Heiligung genant / dann da Luc. am 11. der Herr von einem Beſeſſenem den Teufel außgetrieben / laͤſterten ihn die Phariſeer und Schrifftgelehrten / als haͤtte Er einen heimlichen Verſtand mit dem Beelzebub / und ſprechen: Dieſer treibet die Teufel aus durch Beelzebub den Oberſten der Teufel. Aber wie vindicirt ſich Chri - ſtus? Er ſaget: Er treibe die Teufel nicht aus durch Beelzebub / ſondern durch den Finger Gottes / das iſt / durch den H. Geiſt / derohalben iſt der Heilige Geiſt der Finger Gottes / der Finger / durch welchen die Gaben diſpenſirt und außgetheilet werden.
Darumb wir auff dieſen Finger / ſein deuten und Wuͤrckung fleiſſige Achtung geben / wie in donis adminiſtrantibus und Ampts-Ga - ben / da wir billich ſagen: Hier iſt Gottes Mund / Weißheit / Rath / Krafft / Liecht / hier iſt Gottes Finger; zu Anzeigung deſſen iſt auch in der erſten Kirchen die χειροτονία und Hand-Auffhebung im Gebrauch geweſt / und iſt durch die ἐπίϑεσιν oder Hand-Aufflegung die jenige Per -Act. 20, 28. ſon gezeiget und geweyhet worden / welche der Heilige Geiſt zum Biſchoff geſetzet; gleich als wolte man ſagen: Hier iſt Gottes Finger. Alſo auch in donis ſanctificantibus und heiligmachenden Gaben; Jſt der jenige Goͤttliche Gnaden-Finger / der den Tod bedrauet / daß er wi - der außwuͤrgen muß; der da lebendig machet / beruffet / locket / lencket / leitet /bietet85Predigt. bietet uns die Hand / ziehet aus dem Abgrunde des Verderbens in Gottes Schos / aus der Hoͤllen in Himmel / aus dem Tode ins Leben.
Jſt demnach von noͤthen / daß nach dem wir naͤhermal die Krafft dieſes Fingers ins gemein erwogen / die lebendigmachende Krafft; Ehe wir auff die ſpecies kommen / auch die Natur und qualitaͤt die - ſes Fingers / nemlich der lebendig - und heiligmachenden Gnade behertzigen. Gottes Finger ruͤhre und bewege unſere Hertzen / daß wir dadurch geleitet im Reich der Gnaden / zum Reich der Herrligkeit gefuͤhret und erhalten werden / Amen.
SO iſt nun / meine Liebſten / die lebendigmachende Gnade des Heiligen Geiſtes ihrer qualitaͤt / Art und Eigenſchafft nach Erſtlich eine wahrhafftige Gnade / da affect und effect, Gedancken / Wort und That uͤberein ſtimmen. Jn der Welt gehet es mit weltlichen Gnaden wunderlich her / Einer hat eines groſſen Herren Gnade in Worten / aber nicht im affect und Wercken; der ander hats in affecten und Wercken / aber nicht in Worten; der dritte hat ſie im affect, aber nicht im effect; der vierte im affect und Werck / aber nicht im affect, es gehet nicht von Hertzen; hier lauter Gnade und Wahrheit / das iſt warhafftige Gnade von affect und effect, von Liebe und Werck.
Eine gantz unverdiente / frey-geſchenckte Gnade; Nie - mand kans erwerben / noch ererben durch Wercke ſolche Gna - de / die uns errett vom ſterben; conferirt / diſpenſirt und mitgetheilet ohne unſer rennen und lauffen / bemuͤhen und arbeiten / Verdienſt und Wuͤrdigkeit / diſpoſition oder dependentz des freyen Willens / Χάρις ἀντὶ - χάριτος, wie ſie St. Johannes nennet / Gnade umb Gnade / das iſt /Ioh. 1, 16. lautere / bloſſe Gnade / nicht Gnade umb Verdienſt / eine Gnade bietet der andern die Hand / eine Gnade gehet aus der andern / eine Gnade gebaͤret gleichſam und zeitiget die andere; Jn der Welt werden die Lehen / die Rit - ter-Preiß und Jungfrauen-Danck außgetheilet nach Kunſt / nach Ver - dienſt / nach thurniren / rennen und lauffen. Aber hier umbſonſt / da ligtsRom. 9, 16. nicht an iemands wollen oder lauffen / ſondern an Gottes er - barmen; Eſau der profan-Welt-Feld - und Wald-Mann meynet / er wolle einen Haſen erlauffen / vnd die erſte Geburt ihme dadurch erkauf - fen / aber er bekommt eine Naſe / er betreugt ſich in ſeiner eingebildeten Hoffnung / Jacob nimmt ihm den Segen hinweg ohne Verdienſt / ohneL 3Muͤhe -86Die SiebendeMuͤhewaltung / aus lauter Goͤttlicher Gnade / Gunſt und Gewogenheit / Gott hatte Jacob lieb in collation und Belehnung dieſes zeitlichen Se - gens / Eſau hat Er gehaſſet / das iſt / nach Art der heiligen Schrifft / poſtha - birt und jenem nachgeſetzet. Gratia non eſt gratia ullo modo, ſi non eſt omni modo, Stuͤck - und Stuͤmpel-Gnade iſt keine Gnade / gantze Gna - de iſt rechte Gnade.
Eine allgemeine allemans Gnade / die nicht / in Sachen un - ſer Seligkeit betreffend / einem Menſchen geneigter iſt als dem andern / ſondern auff Seiten Gottes eine gleiche / und gantz unparteyiſche Gnade /Tit. 2, 11. dann es iſt erſchienen die heilſame Gnade allen Menſchen / gleich wie die Sonn uͤber alle gleich leuchtet / ſo weit ſich Gottes Barmher - tzigkeit / Chriſti Verdienſt außbreitet / ſo weit gehet auch die Gnade des Hei - ligen Geiſtes / niemand iſt hier abſolutè und bloß außgeſchloſſen. Gleich iſt die heiligmachende Gnade / dann ſonſt ſind die Ampts-Gaben un -Rom. 12, 6. 1. Pet. 4, 10. Luc. 23, 43. Act. 9, 5. 9. Matth. 11, 21. gleich; gleich iſt die ordentliche Mittel-Gnade des gepredigten Worts und Sacramenten / dann ſonſt auſſer dieſer Ordnung iſt die Gnade bey dem bekehrten Schecher / bey Paulo und denen zu Chorazin ſcheinbarer und maͤchtiger geweſt.
An und vor ſich ſelbſt / und ihrer eigenen innerlichen Art nach / dann daß in effectu die Gnade ungleich wuͤrcket / das kommet ex accidenti & circumſtantia ſubjectorum, zufaͤlliger weiſe aus mehrer paſſiv-Fuͤgligkeit bey dem einen als bey dem andern; gleich wie der Son - nen Stralen ungleich wuͤrcken / in dem Wachs und Erden; jenes erweicht ſie / dieſe verhaͤrtet ſie / Vrſach / die ſubjecta ſind ungleich / alſol iſt die Be - kehrung der Heyden freylich leichter geweſt als der Juden; der Huren und Zoͤllner als der Phariſeer: der einfaͤltigen Leute eher als der Welt-Praller1. Cor. 1, 27. und Welt-Weiſen; Nicht viel edle / ſagt St. Paulus / ſeynd beruf - fen / ſondern was thõricht iſt fuͤr der Welt / das hat Gott er - wehlet; Selbſt-Witz / und vorgefaſſete / ſtarcke / inprimirte Meynungen ſind harte Rigel / ſo den Geiſt Gottes ſeine Wuͤrckung ſperren; Daß aber dem alſo / daß ordentlicher Weiſe / an und vor ſich ſelbſt die lebendigma - chende Gnade gleich ſey gegen alle Menſchen geſinnet / bey einem wie gegenRom. 5, 15. 20. dem andern wuͤrcke / das lehret St. Paulus / da dieſe Gnade den Titul und Namen fuͤhrt ſie ſeye περιοςευούσα, ὑπερεκπερισσευούσα ὑπερβάλλουσα, ἀνεκ - διήγητος χάρισ, ein uͤber uns außgegoſſene / reiche / uͤberflieſſende / uͤberſchwengliche / unaußſprechliche Gnade / ſo vielen wiederfahren / maͤch -tiger87Predigt. tiger als alle Suͤnde / welches wahr ſeyn / auch bezeuget die Gleichheit der Jnſtrumenten oder ordentliche Mittel / ſolcher Gnade / nemlich das Wort und Sacrament / ſo dargereichet werden / beydes den Glaubigen und Vn - glaubigen / wie dem Schos-Juͤnger Chriſti dem Johanni / alſo dem Ver - raͤhter Judæ.
Eine wahrhafftige / kraͤfftige Gnade; Chriſtus iſt die Quell / aus dem nichts anders flenſt als eitel Gnade und Warheit / das iſt eine wahrhafftige Gnade. Jn der Welt heiſſets Euer Gnaden! Ioh. 1, 14. 17.Euer Fuͤrſtl. Gnaden! aber vielmal iſts eine Gnade ohne That / eine Huld ohne außloͤſchen der Schuld / ein Wort und Hof-Gnade ohne Krafft und Nachtruck; da hat mancher zwar Gnade bey ſeiner Obrigkeit / hat Gunſt / aber ſie gibt ihm weder warm noch kalt / er genieſſet nichts / iſt eine Schein - Gnade / die man bald verlieren kan; hier aber Gnade und War - heit / das iſt eine kräfftige Gnade / wie das Wort Gnade verſtund der alt-verlebte Vater Jacob / da er zu ſeinem Sohne Joſeph ſprach: Habe ich Gnade fuͤr dir funden / ſo lege deine Hand unterGen. 47, 29. meine Hůfften / daß du Liebe und Treue an mir thuſt; wie esIoſ. 2, 14. auch verſtanden die Kundſchaffter Joſuæ / und der Koͤnig David.
Eine ſolche kraͤfftige / wuͤrckende und thaͤtige Gnade iſt die Gnade des Heiligen Geiſtes / ſo da wuͤrcket und handelt nicht auff natuͤrliche Weiſe / als ſteckte ſie im Wort wie eine Artzney in der Buͤchſe; nicht auff bloſſe Rethoriſche Art / wie ein kluger Redner durch feine argumenta eines Menſchen Gemuͤth einnehmen und ihn uͤberreden kan; geſtalt man von Platone liefet / daß er durch ſein ſuadam und wolgeloͤſete wolgeſtimmte Zunge den Tyrannen Dionyſium auff einen gelindern und mildern Sinn und Weg gebracht; oder wie Cicero zu Rom mit ſeiner Zungen den gantzen Rath gelencket und geleitet wohin er gewolt; wo dañ in dem Menſchẽ erfordert wuͤrd eine Krafft ſolches was der Redner fuͤrbringet zu verſtehen / und mit Vernunfft ſolches zu faſſen / zu erwegen / auch davon zu urtheilen / ob der Rath gut und annehmlich oder nicht! ſie iſt nicht ductiva, nicht eine fuͤhꝛende begleitende Krafft / was anbelanget den Aufang vor der Bekehrung. Es fuͤhret mancher einen bey der Hand / leitet uñ gegleitet ihn / er aber der Gefuͤhrte und Begleitete ge - het auch und wandelt ſeinẽ Gang zugleich mit / ob wol ſchwaͤcher und lang - ſamer / als wann er allein gehen muͤſte; nicht violenta, nicht einegewalt -88Die Siebendegewaltſame / nothzwingende Wůrckung / auff Art und Weiſe / wie irgend ein Metzger ſein thummes Kalb zur Schlachtbanck zwinget / ſondern ſie iſt tractiva, eine liebliche / anmuthig-ziehende Krafft; hyperphyſica, eine uͤbernatuͤrliche / bloß-goͤttliche und himliſche Krafft / die in ſchoͤnen Wort-Blumen / genommen von natuͤrlichen Sachen / Gleichnuͤßweiſe erklaͤret wird / durch die Saat / das Oel / den Wind / den Regen / Donner ꝛc. als kraͤfftig der Samen zur Frucht wuͤrcket / der Regen befeuchtet / der Blitz die finſtere Nacht erleuch - tet / der Donner erſchreckt / der Stral entzuͤndet und durchbricht / der Wind an - und durchwehet ꝛc. Alſo iſt auch die Wuͤrckung des H. Geiſtes / aber mediata & organica, durch Mittel und inſtrumenta voll - bracht / von welchen an andern Orten mit mehren.
Eine wachſende und zunehmende Gnade / die ſich ie laͤnger ie mehr vermehret; Ein Kind wird nicht in einem Augenblick voll - kommen / ſondern es gehoͤren unterſchiedliche actus, Bewegungen und2. Reg. 4. 35. Handlungen darzu / σπορὰ, διάπλασις, ἐμψύχωσις, γένεσις, die Empfaͤng - nuß / Formirung / Belebung und Geburt; Eliſa / da er den Knaben wieder lebendig machete / gieng es nicht im Augenblicke her / ſondern ſucceſſivè, allgemaͤchlich / er ſtund auff / gieng einmal hie - und daher / breitet ſich her - nach uͤber den Knaben / da ſchnaubete der Knabe ſiebenmal / darnach that er die Augen auff: Alſo auch die Gnade des Heiligen Geiſtes; Auguſtinus theilet dieſes Wachsthumb in unterſchiedliche gradus und Stafflen ab / der erſte heiſſet gratia præveniens, excitans, invitans, trahens, impellens, pulſans, die vorkom - mende weck-lock-ziehende / treibende und anklopffende Gnade / die zuͤndet das Liecht an / die beſcheinet den Verſtand mit einem himliſchen Gnaden-Glantz / fanget an den Willen zu lencken / und die aſfect in eineEph. 5, 14. harmoni zu bringen / die ruffet: Wache auff der du ſchläffeſt / ſteheApoc. 3, 20. auff von den Toden! Sihe / ich ſtehe fůr der Thuͤr und klopffe an / ſo iemand meine Stimme hören / und die Thuͤr auffthunLuc. 19, 5. & ſeqq. wird / zu dem werde ich eingehen; Auff ſolche Weiſe klopffet der Herr an bey Zacheo / da Zacheus ſein Hertz nicht verrigelt / kehrete der Herr bey ihm ein / und wiederfaͤhrt alsdann ſeinem Hauſe groſſes Heil.
Widerſtehet der Menſch nicht dieſer erſten Bewegung / wie der unſe -Act. 24, 25. lige Felix, ſo folget darauff gratia aperiens, die auffthuende Gnade /die er -89Predigt. die erweichet das ſteinerne Hertz / den groſſen Grab-Stein / der fuͤr dem to -Ezech. 11, 19. c. 36, 26. den Hertzen ligt / weltzet ſie ab vnd hinweg / thut die Laͤden euſſerlicher Sinne auff / daß der HErr / wie er durch den Mund des Propheten Ezechiels2. Cor. 3, 3. zugeſaget / das ſteinerne Hertz weg nehmen / und ein flei - ſchern Hertz geben / auf daß der Finger Gottes / der H. Geiſt / in ſolche be - reitete Tafel des fleiſchlichen Hertzen ſein Evangelium kraͤfftiglich einſchrei - ben koͤnne. Jſt der Stein alſo abgeweltzet / ſo ſtehet das Hertz offen / und iſt faͤhig zu empfangen was Gott der Herr hinein gieſſen und verehren will. Ein fuͤrtrefflich ſchoͤnes Exempel deſſen haben wir an der Lydia derAct. 16, 14. Gottſeligen Purpur-Kraͤmerin / die auff der Meß und Marckte zu Philip - pis gar gute Wahrẽ eingekramt. Sie kom̃t in die proſevcham in das Bet - Hauß / da St. Paulus eine kraͤfftige ſchoͤne Predigt abgeleget / ſie eroͤffnet die euſſerlichen leiblichen Ohren / worauff der Geiſt Gottes ihr hinwieder - umb oͤffnet die innerlichen Hertzens-Ohren zur Andacht / fleiſſigen Auff - mercken / Luſt / Liebe und Anmuth zu dem gepredigten Worte Gottes. Widerſtrebet der Menſch nicht / ſo folget gratia perficiens, die thaͤtigePhil. 1, 6. c. 2, 13. außmachende und gäntzlich vollbringende / uͤberwindende Gnade / die den Willen des Menſchen uͤberwindet / vnd wuͤrcket beyde das Wollen / das Vermoͤgen und das Vollbringen / ſo iſt des Menſchen - Hertz gewonnen: dem fuͤget ſich hernach zu das andere choragium gratiarum, die herrliche ſchöne Gnaden-Cron / von welchem ins kuͤnfftige mit mehrerm.
Eine widerſtrebliche Gnade / deren das menſchliche vergiff - tete boͤſe Hertz ſich widerſetzen kan; aus eigenen Kraͤfften kan zwar der Menſch ihm ſelbſt nicht helffen zu ſeiner Bekehrung und Seligkeit / daher iſt der freye Wille untuͤchtig / erſtorben und verlohren; aber boßhafftiger Weiſe ſolche Gnade von ſich zu ſtoſſen / und der huͤlffreichen Gnaden - Hand Gottes des Heiligen Geiſtes zn widerſtehen / darzu iſt er nur allzu - maͤchtig; Es waͤre Gotte zwar ein leichtes mit uns Menſchen zu handlen / durch eine unwiderſetzliche und vnuͤberwindliche gewaltige Krafft / er koͤnte einen gottloſen Menſchen mitten in flagtanti peccato, mitten in der Furi und Brunſt ſeiner Suͤnden gleichſam bey den Haaren herzu ziehen / ihn ſideriren / erſchrecken und zu Boden ſchlagen / wie Er mit dem ſchnauben - den Saul procedirt; Aber Er als ein Gott und Liebhaber der Ord - nung / handlet mit uns Menſchen nicht zwangsweiſe / Er noͤthiget nie -Actor. 9, 4. 5. 6. mand abſolutè in ſeinen Himmel / Er ziehet vns nicht / wie die KaͤlberSechſter Theil. Moder90Die SiebendeOſe. 11, 4.oder andere unvernuͤnfftige Thiere / mit Zwang-Stricken / ſondern mit menſchlichem Joch und Liebes-Seilen gantz freundlich / in und durch heilſame von ihm ſelbſt geſtifftete Ordnung / da geſchiehet es dann meiſten - theils / daß der Menſch reſiſtirt / ſich ſperret und widerſtrebet / Stuͤle und Baͤncke darzwiſchen wirfft / die Augen zuhaltet / damit der Gnaden-Glantz nicht einleuchte / das Hertz verſtocket / Riegel fuͤrſchiebet durch Verachtung Goͤttlichen Worts / durch vorgefaſte falſche Meynung / durch unverſtaͤn -Luc. 7, 30. digen Eifer / durch Welt-Sorge / daraus kommet Verachtung / Verſtoſ -Matth. 23, 37. ſung / Verwerffung der angebottenen Gnade / dann das meynet St. Pau -Act. 7, 51. c. 13, 46. lus in ſeinem Vorwurff / den er den hartnaͤckigen Juͤden gethan und ge - ſagt: Euch muſte zuerſt das Wort Gottes geſaget werden / nun ihr es aber von euch ſtoſſet / und achtet euch ſelbſt nicht werth des ewigen Lebens / Sihe / ſo wenden wir uns zu den Heyden.
Eine verlierliche Gnade / deren ſich ein bekehrter Chriſt / auch ein Außerwehlter totaliter, gantz und gar ſich verluſtigen kan / wiewol was die Außerwehlte belanget / nicht finaliter, beharrlich und endlich; Verloh - ren kan dieſe Gnade werden aus eigener Boßheit / nicht aber durch euſſer - liche Gewalt / dann es iſt ja nichts / keine euſſerliche Macht und Gewalt /Ioh. 10, 27. die die Außerwehlten ſcheiden koͤnne von der Liebe Gottes / die da iſt inRom. 8, 38. Chriſto Jeſu / ſo fern iſt dieſelbe unzerſtoͤrlich und unuͤberwindlich / außge -Iud. 16, 9. & ſeqq. nommen die Suͤnde. Gleich wie dem Simſon durch keine Gewalt das herrliche Gnaden-Geſchenck / die Rieſen-Staͤrcke / damit ihn Gott der Herr begnadet / konte genommen werden / ohn biß er felbſt das Nazareer - Geluͤbde gebrochen / und offenbaret / worinnen ſeine Staͤrcke verborgen waͤ - re / ſo kommt er drumb; ſo bald er die Schur bekommen / wich der Herr von ihm / ſeine uͤbernatuͤrliche Krafft entgieng ihm / er wurde den Phi - liſtern preiß / Philiſter uͤber dir Simfon! hieß es; die ſtachen ihm die Au - gen aus / und er muſte mahlen: Alſo iſt es auch beſchaffen mit den Wieder - gebornen / die koͤnnen die vorige uͤbernatuͤrliche ihnen gegoͤnnete Gnade / ſo ſie einmal erlanget / auch wiederumb von in und durch ſich ſelbſt aus eigener Boßheit und bloß geben verſchertzen und verlieren.
Daß aber dem alſo / davon bezeuget die Schrifft 1. mit klarenEph. 4, 30. Worten / wann ſie ſagt: Der Heilige Geiſt wurde betruͤbet / gedaͤmpffet;1. Theſſ. 5, 19. der unſaubere Geiſt / welcher neben dem Heiligen Geiſte nicht wohnen kan /Matt. 12, 43.Hebr. 6, 6. kehre wieder ein / und komme wieder in ſeine vorige Wohnung. 2. miternſten91Predigt. ernſten Warnungen / welche alle vergebens waͤren / wann ein Menſch in der Gnade Gottes alſo bekraͤfftiget und geſtaͤrcket / daß er durchaus nim - mermehr aus derſelben fallen koͤnte; wann durch die Vnmuͤgligkeit einer feſt / ſchoß-hau - und ſtoß-frey waͤre / oder mit einem ſtarcken Bruſt-Har - niſch und Kuͤriß dermaſſen verwahret / daß man ihm mit keiner Wehr und Waffen konte zukommen / ein anderer aber warnete ihn und ſpraͤche: cave tibi ab ictu! huͤte dich fuͤr dem Streich oder Hieb! waͤre das nicht ver - geblich? Solte St. Paulus zu einem heiligen ſatt-bekraͤfftigten Engel des Liechts geſagt haben / Lieber Engel / huͤte dich fuͤr dem Fall / damit es dir nicht gehe wie den andern gefallenen Engeln der Finſternuͤß / wuͤrde nicht der Engel geantwortet haben / Paule du raſeſt; Jch bedarff deiner Warnung nicht / ich bin in einen ſolchem ſeligen Stand befeſtiget und gekroͤnet / daß ichEzech. 18, 24. nimmermehr in Ewigkeit entfallen kan. Nun aber iſt ſolcher Warnungen die Schrifft voll an die Wiedergebornen / ſonderlich vermahnet St. Pau -Rom. 11, 20. 21. 22. lus gar ernſtlich die Roͤmer: Sey nicht ſtoltz / ſondern fuͤrchte dich /2. Cor. 6, 1. dann ſo Gott der natůrlichen Zweige nicht verſchonet / daß Er1. Tim. 1, 18. vielleicht dein auch nicht verſchone! Gottes Guͤte iſt über dir /Act. 20, 21. ſo fern du in der Guͤte bleibeſt / ſonſt wirſtu auch abgehauen2. Tim. 1, 14. c. 3, 14. werden. 3. mit Exempeln und Beyſpielen / mit den Exempeln Adæ / Sauls / Davids / Salomons / die durch die Suͤnde / Gottes HuldHebr. 12, 16. und Gnade des Heiligen Geiſtes verlohren; Es bezeugens die ExempelGen. 3, 6. 7. derer die Schiffbruch erlitten haben an dem Glauben als Hymenæus und1. Sam. 16, 14. Philetas; Petri trauriger Fall iſt ein ſchreckliches Exempel! gantze Kir -Pſal. 51, 12. chen im Orient / die nunmehro Behauſungen ſeynd der unreinen Voͤgel1. Reg. 11, 2. und Greuel des Alcorans; die zeugen hiervon Sonnenklar / ſonderlich1. Tim. 1, 19. 20. auch die Roͤmiſche Kirche auff den heutigen Tag / die weiland eine keuſche Jungfrau geweſen / laͤngſt aber deflorirt und zu einer Babyloniſchen2. Tim. 2, 17. c. 4, 10. Damen worden.
Eine liebmachende Vereinigungs-Gnade; umb welcheMarc. 14, 68. ſeqq. mit vielen inniglichen Seuffzen fuͤr ſeine Glaubigen der Herr Chri - ſtus zu ſeinem himmliſchen Vater flehenlich gebeten: Heiliger Vater /Ioh. 17, 11. 17. 21. 22. 24. erhalte ſie in deinem Namen / heilige ſie in deiner Warheit / dann dein Wort iſt die Warheit / daß ſie auch in uns eins ſeyen; (verſtehe durch den Geiſt im Wort) daß ſie eins ſeyen (ver - ſtehe im Geiſt) gleich wie wir im Geiſt eines ſind. Das war der ſcopus und endliche Zweck / dahin Chriſtus gezielet / darumb er herab zuM 2uns92Die Siebendeuns in dieſes Jammerthal ſich niedergelaſſen / in unſer armes Fleiſch und Blut ſich gekleidet / ſein Fleiſch und Blut fuͤr uns dahin gegeben / ſein Fleiſch und Blut im Sacrament zu genieſſen geordnet / ſein Fleiſch und Blut empor und in Himmel erhoben / daß wir mit ihm und durch ihn in die allerholdſeligſte Vereinigung mit der hochgebenedeyten Dreyeinigkeit gezogen und auffgenommen wuͤrden. Darumb er auch endlich ſchlieſſet: Vater / ich will / daß / wo ich bin / auch die ſeyen / die du mir ge - geben haſt / daß ſie meine Herrligkeit ſehen.
Dieſes iſt der lebendigmachenden Gnade Gottes des Hei - ligen Geiſtes Natur / Art und Eigenſchafft / ſo wird ſie uns beſchrieben / davon Euer Liebe offt hoͤret implicitè und ins gemein / aber ſelten expli - citè, klar und deutlich; und iſt doch an dieſem Verſtand viel ja alles gele - gen / ſehr noͤthig zu wiſſen / zu betrachten / zu behalten und zu glauben theils wider allerhand Jrrgeiſter / welche eines Theils dieſe Gnade und den freyen Willen des Menſchen / gleichſam als zwey Pferde / die eine Laſt zie - hen muͤſſen / unter ein Joch zuſammen kuplen; die da eine vermiſchte Gna - de lehren / aus Geſetz und Evangelio und dem freyen Willen zuſammen geflochten und gewebet. Theils die / welche ſo reichlich und uͤberfluͤſſig angebottene Gnade reſtringiren / particuliren und in die enge ziehen / und den groͤſten Hauffen des menſchlichen Geſchlechts davon bloß auß - ſchlieſſen / gemeldte Goͤttliche Gnade ſo viel an ihnen ungleich machen / und unkraͤfftig halten / bey den bloß-verworffenen / hinwiederumb als waͤre ſie unwiderſtreblich bey den bloß-außerwehlten ertichten; auch die ſo genante bloß-außerwehlten auſſer aller Gefahr gaͤntzlichen Verluſtes der Gnade ſetzen / ſo gar / daß auch David mitten in der unkeuſchen ehebrecheriſchen Brunſt / Gottes Gnade und ſeinen Heiligen Geiſt ſolle behalten haben / davon aber zu anderer Zeit / geliebt es Gott / in der antitheſi und Gegen - ſatz der falſchen Lehr mit mehrerm.
Sind lauter monſtra, greuliche und abſcheuliche Lehren! Glauben / ſage ich / ſoll man dieſe Gnade. Wahr iſt es zwar / die Gnade des Heiligen Geiſtes iſt nicht allezeit ſchein-offenbar und empfindlich / das Reich Gottes kommet nicht mit Empfindung; Mancher iſt in der Welt reich / und weiß es nicht; Alſo manch angefochtenes Hertz hat den Schatz des Heiligen Geiſtes und fuͤhlet nichts; empfindet hingegen lauter Zorn und Vngnade / ſihet lauter Suͤnd und Vngerechtigkeit / iſt voll Furcht und Schrecken alles nach dem Fleiſch / aber unter des hat er den Geiſt warhaff -Hiob. 3, 3. tig in ſich wohnend: Dem lieben Job kam Gott fuͤr als ein grimmigerund93Predigt. und grauſamer Feind / darumb er auch den Tag der Geburt verfluchet / und ſaß doch mitten in Gottes Gnaden-Schos drinn; David ſinget hiervon ein manches Trauer-Lied Pſal. 13. und 77. in ſeinen Thraͤnen-Pſalmen /Pſal. 13, 2. 3. & 77, 10. er klaget / er ſey verlaſſen / er ſey vergeſſen / Gott hab ſeine Barmhertzigkeit verſchloſſen und vergeſſen gnaͤdig zu ſeyn / und eben damals redet der Geiſt Gottes durch ihn.
Gleichwol auſſer dieſem deliquio und geiſtlichen Seelen-Ohnmacht laſſet ſich der Geiſt auch bißweilen mercken / ſchmecken und gleichſam fuͤh - len in heiligen / heilſamen / geiſtlichen Gedancken / Andachten / Einſprechen / Bewegungen / Trieb und Reitzungen zum guten / Abmahnung vom boͤſen / in innerlichen durch den beygelegten Samen des Goͤttlichen Worts / kraͤff - tigen Seelen-Geſpraͤch / in Leibs-Thraͤnen / darinnen die Andacht ſich er - geuſt / und die Augen badet / das Hertz ſchlaͤget wie David / wann er im Ab - grund des Hertzens aus Betrachtung Goͤttlichen Worts einsmals leicht2. Sam. 24, 10. und hell wuͤrde / wann der Menſch in flagranti curſu peccati, mitten im Wuͤten der Suͤnden-Brunſt zuruͤcke gehalten / da ſoll man dencken: Digitus Dei hîc! Dieſes iſt Gottes Finger! Ein guter Geiſt! wann ſich erzeigt Anreitzung zur Tugend / zur Gottſeligkeit / zur bruͤderlichen Liebe / Verſoͤhnligkeit / Sanfftmuth / wann man Auffmunterung und Luſt empfindet zum Gebet / wann Troſt fuͤrhanden / ſo gedencke man nicht an - ders / und ſoll nicht anders gedencken als digitus Dei hîc, das iſt Gottes Finger! dann Fleiſch und Blut offenbaret und erwecket ſolche und dergleichen Dinge nicht. Erreget ſich eine Begierde nach dem das droben iſt im Himmel / entſtehet ein Eckel gegen dem / das unten iſt auff Er - den: ſtehet der neue Menſch im Kampff mit dem alten Menſchen / mit Fleiſch und Blut / erſcheinet ein willfaͤhriger hertzlicher Fuͤrſatz eines Gott - ſeligen Lebens / ſo heiſſets abermal: Hier iſt Gottes Finger!
O ſchwere Suͤnde! wer da nicht ruhet in ſeinem Hertzen / von welt - lichen Sinnen und Begierden bey ſolcher Anlaß / dem Heiligen Geiſte ab - wartet / ſondern ſein Hertz verſtocket wie Pharao / mit einem Worte dieſemExod. 8, 19. treuen Gnaden-Gott gleichſam den Korb gibt / dem were beſſer / er waͤre nie geboren; wer durch dieſes himmliſche Feuer ſich nicht will erweichen / erwaͤrmen / durchtreiben und durchweyhen laſſen / den wird nichts anders erweichen und erwaͤrmen koͤnnen als das hoͤlliſche Feuer / deſſen er aber nicht zu gelachen. Alle Kranckheit kan curirt und geheilet werden / außge - nommen die Verachtung der Artzney.
Derowegen ſo huͤte dich O lieber Menſch / ſo lieb dir Seel und Selig - keit iſt / daß du die heilſame Gnade Gottes nicht vergebens empfaheſt / ietztRom. 11, 20.M 3iſt die94Die Siebendeiſt die angenehme Zeit! huͤte dich vor dem hoͤlliſchen Guckauch / daß er nicht bey dir einniſte / du kanſt ihn bald mercken / gleich wie den Vogel amIoh. 8, 44. Geſang / alſo an Mord und Luͤgen als ſeiner Liberey / ſeinen boͤſen Fruͤchten. Wann dir Gedancken beykommen wider Gottes Wort / falſche opinionesMatth. 16, 23. und Meynungen vom Glauben / da ſage alsbald: Apage! heb dich weg Sathan! du biſt mir ärgerlich; Kommen dir ſichere Gedan - cken ein / daß du gedenckeſt / es iſt nicht halb ſo boͤß / als mans macht auff der Cantzel / es wird keine Noth haben / weder vom Auffgang noch vom Niedergang; Der Sabbath iſt fuͤr die Juden: ich bin ein freyer Chriſt / und ſo hart an die Sabbath-Feyer nicht angeſtrenget: was ſchadet ein Duck in die Welt thun / mit guter Geſellſchafft unter der Burſt mitma - chen / mit prangen / mit ſauffen / mit buhlen / mit balgen / mit kaͤrtlen / mit laͤſtern ꝛc. wann es nur die Eltern / die Præceptores, Herrſchafft nicht er - fahret; was ſchadet ein Chriſtliches Raͤuſchlein? ein kleines Wuͤcherlein wird nicht gleich verdammen / wann ich meinen Naͤchſten gleich uͤber den Toͤlpel werffe / und ihm eins anmache / er wirds nicht erfahren; erfaͤhret mans gleich / ſo heiß ich ihn luͤgen und wills nicht geredt haben; warhafftig Fleiſches-Luſt / Augen-Luſt / hoffaͤrtiges Leben / das ſind Bewegungen des Sathans / wo Mord und Luͤgen graſſiren / da iſt nicht Gottes ſondern des Teufels Finger. Wo Neid / Haß / Groll / falſcher Argwohn; wo Pracht / wo huͤriſche Brunſten ſich erzeigen / da heiſſet es: Eſt Pluto in vobis, agitante caleſcitis illo! Der Teufel wohnet in euch / der leitet und treibet euch auch!
Huͤte dich O lieber Menſch / daß du ſolchen theuren Schatz / ſolche1. Cor. 10, 12. groſſe Gnade nicht wieder verliereſt / wer da ſtehet / der ſehe zu / daß2. Pet. 2, 22. Matth. 7, 6. er nicht falle; damit das letzte nicht aͤrger werde: Der Hund friſſet wieder / was er geſpeyet; die Saue waͤltzet ſich wieder in den Koth / derowegen ſoll man die edlen Perlen nicht fůr die Saͤu werffen. Vnd dieweil ſolche Gnade zu erlangen oder zu behalten in unſern Kraͤfften nicht ſtehet; dieſer Pfingſt-Wind laͤſſet ſich nicht kauffen und verkauffen / wie die Lapplaͤnder den Wind verkauffen / ſo muͤſſen wir uns demſelbigen gaͤntzlich laſſen / vnſere Hertzen ihm einig ergeben / ie leerer das Gefaͤß von Welt / ie faͤhiger iſt es Gott zu empfangen / Veni pau - per, nihil habes, nihil noſti? ſequere me, ait Dominus, apud Auguſtinum ſerm. 59. de verb. Dom. tam largo fonti vas inane admovendum eſt, dasPſal. 114, 8. iſt: Komm her / ſpricht Auguſtinus, der du geiſtlich-arm biſt / haſtu nichts / findeſt nichts in dir: wolher / folge dem Herrn Chriſto nach / Er iſt ein reicher voller Gnaden-Brunn / erfordert demnach leere Gefaͤß.
Gib95Predigt.Gib mir mein Sohn dein Hertz / ſpricht Chriſtus der Gna - den-Koͤnig durch den Mund des Koͤnigs Salomons. Mein Sohn / Meine Tochter Zion / gib und ſchencke / ich begehr dir dein Hertz nicht zu rauben und mit Gewalt an mich zu ziehen: ich habe dir mein Hertz geſchen - cket / ſo ſchencke mir auch das deine. Dein Hertz das iſt die edelſte Krafft und Kron deiner Seelen / Sinn / Willen / affecten und Begierden / zu einer Schul / Tempel / Luſt-Hauß / Gebaͤu / Gefaͤß / Jnſtrument und Werckzeug der Gerechtigkeit / MJR und keinem andern / nicht dir / nicht der ſchnoͤden Welt / am allerwenigſten dem Sathan; der Obrigkeit gib Schoß / Zoll ꝛc. was ihr gebuͤhrt / andern Vorgeſetzten gib Ehre / reverentz / Gehorſam nach den Reguln der andern Geſetz-Tafel / aber mir das Hertz / das Gewiſ - ſen / freyen Muth und freyen Mund. Laſſet uns erfreuen in ſolcher Gna - de / an andern zeitlichen Gaben mag man ſich auch erfreuen / aber da iſt groſſe Gefahr. Engliſche Gemuͤther muͤſſen haben die jenigen / die ſich ohne Hoffart erfreuen ſollen ihrer Kunſt / Gunſt / Ehre / Geld / Gut / und dergleichen leiblichen Gaben; aber hier iſt dergleichen nicht zu befahren. Jn Gott kan ſich kein Menſch gnugſam erfreuen und erquicken / ſolche Seelen - Freude iſt an ſich ſelbſt rein und unbefleckt / ſie ſaͤttiget das Hertz / und ſetzet daſſelbe in eine Goͤttliche Ruhe / daß ein ſolch begnadetes Hertz nichts fragt nach Himmel und Erden. Laſſet uns ſolcher theuren Gnade Gottes troͤſten in aller Truͤbſal / als die Traurigen und doch allzeit frölich /2. Cor. 6, 10. vide adh. l. Auguſtin, in Pſal. 48. quaſi triſtes ſemper autem gaudentes, ALS die Traurigen und doch war - hafftig froͤlich in Gott.
Laſſet uns / ſo wir ſolche groſſe Gnade empfangen / auch dafuͤr hertzlich dancken / und in derſelben uns inniglich erfreuen. Haman ruͤhmt die groſſeEſth. 5, 11. Koͤnigliche Gnade / die er erlangt bey dem maͤchtigſten Koͤnige Ahaſvero, aber was war es? ein Schatten und Bild ohne Weſen / ohne Wurtzel / Safft und Krafft; wie vielmehr haben uns zu freuen der Gnade bey dem Koͤnig aller Koͤnige. Laſſet uns dieſelbe / wiewol ſie unerſchaͤtzlich / æſti - miren als ein groſſes miracul und Wunderwerck / daß deß Loths Weib / die Hebreiſche Niobe, in eine felſine / unzerfließliche / mineraliſche Saltz -Gen. 19, 26. Seule verwandelt worden / das hat man allzeit fuͤr ein groß Wunder ge - halten. Daß der Felß in der Wuͤſten in Waſſer-See und Waſſer-BrunnPſal. 114, 8. zerfloſſen / war ein groß Goͤttlich Wunder. Nicht ein geringeres Wunder iſt es / wañ Gott das ſteinharte und kalte menſchliche Hertz durch ſeine Gnad erweichet / in Buß-Thraͤnen zerſchmeltzet / ohne Zwang / Ergeiſterung / Ver -duſterung /96Die AchteAmos 6, 12.duſterung / holdſelig und anmuthig veraͤndert. Wer kan mit Ochſen pfluͤgen auff Felſen? fragt dort Amos: Antwort / der HERR kan es durch ſeinen Geiſt.
So laſſet uns bitten / daß Er mit ſeiner Gnade wolle fortfahren uns zu bewegen / anzuklopffen / auffzuwecken / auffzuthun und zu vollbringen / das Gute das in unſern Kraͤfften nicht ſtehet / ihm zu Ehren / uns zur Seligkeit.
‘Vber den dritten Articul / Von der beruffenden Gnade Gottes des Heiligen Geiſtes.
GEliebte in Chriſto: Drey hoch-bedenckliche und wichtige Stuͤcke haben wir zu erwegen bey dem Geiſt - und Geheimnuͤß-reichen prophetiſchen Segen Noæ / den er unter andern uͤber ſeinen erſtgebornen SohnGen. 9, 27. Japhet außgeſprochen und geſagt:〈…〉〈…〉 GOTT breite Japhet aus / und laß ihn wohnen in den Huͤt - ten des Sems / oder wie es eigentlich nach dem original-Text lautet:Luther. Comm. ad h. l. fol. 156. Gott locke Japhet / Gott uͤberrede Japhet / daher das Griechiſche πει´ϑω kommen / wie Lutherus wol ermeſſen / uͤber dieſe Wort. Drey97Predigt. Drey Stuͤck / ſag ich / ſind allhier wol in acht zu nehmen I. Erſtlich das Göttliche Locken; Jſt ein Gleichnuͤß genommen von den Vo - gelfaͤngern / die haben ihre aves illices, ihre Lock-Voͤgel und Lock-Pfeiffen / und locken die fluͤchtigen und irrenden Voͤgel / daß ſie ſich in ihren Vogel - Herd begeben: Alſo wuͤntſchet / alſo bittet / alſo propheceyet Noah / daß Gott der Herr dermaleins durch die Apoſtoliſche Lock-Voͤgel und holdſelige Evangeliſche Pfeiffe wolle pfeiffen / locken / beruffen und uͤber - reden die Verlockte und im Heydenthumb gefaͤhrlich herumb-vagirende Taube.
2. Wen werde er locken? den Japhet: Jſt eine liebliche παρονομασἰα im Hebreiſchen / Japhet lejephet, Gott werde locken den loͤcklichen oder einfaͤltigen Japhet / der ſeine Vernunfft gefan - gen nehmen werde / unter den Gehorſam des Glaubens; Es wird aber hiedurch nicht præcisè und eigentlich Japhet in der Perſon verſtanden / ſondern ſeine familia und poſteritaͤt; das ſeynd nun fuͤrnemlich wir Teutſchen / die wir von Thuiſco und ſeines Manni Sohne einem Herkom - men; Tacitus ſchreibet / daß die Alten den Thuiſconem / der ein Gott ſey von der Erden erſchaffen / und ſeinen Sohn Mannum fuͤr den Vrſprung und Vrheber dieſes Volcks gehalten / welchem Manno ſie drey Soͤhne zuſchreiben. Wer iſt dieſer Thuiſco / ſo von der Erde geboren oder ge - ſchaffen / als Adam der erſte Menſch? Wer iſt dieſer Mannus anders / als der Noah und ſeine drey Soͤhne / oder vielmehr auch Gomer / der Sohn Japhets / der drey Soͤhne hatte / Aſcenas / Riphat und Thogarma. EtlicheGen. 10, 3. wollen unſer Geſchlecht von Aſcenas deduciren und herfletzen / andere glaͤublicher von Thogarma / weil die Namen Thogarma und Germania correſpondiren / auch der uralte Chaldeiſche Dolmetſch das Thogar - ma Ezech. 27. durch das Wort Germaniam uͤerdolmetſchet. Dem ſeyEzech. 27, 14. wie ihm wolle / ſo iſts unſtreitig / daß wir von dem Japhet herkommen; Von dem ſagt Noah: Er werde in ſeinen Nachkommen gelocket werden / er werde ſich locken und beruffen laſſen.
3. Wohin? Zu der Huͤtten Sems / das iſt / zu dem geiſt - lichen Sion / zu der Chriſtlichen Kirchen / aus welcher und in welcher der Meſſias und Heiland der Welt geboren / von dannen der Lock-Schall des Goͤttlichen Worts außgegangen; zur wahren Kirchen / hier einer fahren - den Huͤtte / die ſich von einem Ort zum andern laͤſſet bewegen / aber von dan - nen in die beſtaͤndige / unzerſtoͤrliche / himliſche Wohnung.
Sechſter Theil. NDiß98Die AchteDiß iſt / meine Liebſten / der ſcopus, terminus, Ziel und Zweck / darauff Noah mit ſeinen uralten prophetiſchen Augen gefehen / dahin er mit ſeinem geiſtreichen Segen gezielet / ſo weit ſihet er hinaus? Jſt ein väterlicher ſehnlicher Wuntſch: Ach daß meine liebe Japhets-Kinder doch nicht im exilio bleiben / ſterben und verderben / ſondern wiederumb zuruͤck ins rechte Vaterland gelangen moͤchten! Ein kraͤfftiger / Patriar - chaliſcher Segen / und zugleich Prophetiſche Weiſſagung / Es werde warhafftig alſo geſchehen. Nun was Noah gewuͤntſchet / das iſt geſchehen: Dann ja freylich Gott der Herr nach der Himmelfahrt Chriſti ſeine Lock-Voͤgel außgeſendet / deßgleichen an der Welt Abend Lu - therum und ſeine Gehuͤlffen: die uns arme Japhiten beruffen / gepfiffen / ge - locket / ja wie Noah drey Tauben aus der Archen außfliegen laſſen / den Ab - gang des Gewaͤſſers außzuſpaͤhen; die erſte machte ſich nicht weit von ihrem Neſte / kam bald wieder: die andere kam eben weit davon / blieb lange auſſen / biß umb Veſper-Zeit / da brachte ſie das Oel-Blat in ihrem Mun - de: die dritte Taube kam gar nicht wieder: Alſo die drey Soͤhne Noah; Sem der hielt ſich zu der Huͤtten / das ſind die Hebreer; Cham blieb gar drauſſen / das ſeynd die Cananiten; Aber die Japhiten ſeynd zwar eine ge - raume Zeit fluͤchtig geweſt / umb den Abend der Welt ſtellen ſie ſich wieder ein / und bringen das Evangeliſche Oel-Blat mit ſich / werden alſo zu der Chriſtlichen Kirchen verſammlet / und genieſſen wir noch anietzo wuͤrcklich unſers Groß-Vaters Segen! der da heiſſet Gratia vocans, die beruffende Gnad oder gnaͤdige Beruffung zum Reich Chriſti / hier in Gnaden dort in der ewigen glori und Herrligkeit. Davon dißmal erbaulich zu reden wolle uns der Vater des Liechts umb Chriſti willen mit dem Gnaden-Glantz ſeines guten Heiligen Geiſtes be - ſcheinen / Amen.
SO iſt nun I. die beruffende Lock-Gnade Gottes eine warhafftige und ernſtlich-gemeynte Gnade; Dann wie es dem himmliſchen Vater ein groſſer Ernſt / wann Er durch ſeinen Mund-Botten St. Paulum / der Welt ſeinen Willen entdecket /1. Tim. 2, 4. ſagen und predigen laͤſſet / 1. Tim. 2. Gott will / daß allen Menſchen2. Petr. 3, 9. geholffen werde / GOTT will nicht / daß iemand verlohren werde! wie es freylich dem Sohne Gottes bitter-ernſt / und kein Spiel - werck geweſt / da Er fuͤr das menſchliche Geſchlecht ſchmertzlich und pein - lich gelitten: So iſts ie freylich dem H. Geiſt ernſt mit ſeiner vocationund99Predigt. und Beruffung / davon wir in der Außlegung des dritten Articuls beken - nen / Er hab uns beruffen. Da hat keine luͤgenhafftige zwey-zuͤngige ſinceration nicht Platz / alles ohne Betrug / Liſt / alles redlich und wolge - meynt. Abſolon ladet ſeinen Bruder Amnon zum Mahl / er brauchet gar2. Sam. 13, 26. ſeqq. c. 11, 14. ſeqq. eine liebliche Pfeiffe; Aber es war mors in ollâ, der Tod lag in den Haͤfen / David gibt dem frommen Vria einen Brief mit / von auſſen war er lauter Butter / inwendig Gifft und Galle. Das ſey fern / daß Gottes Beruff von gleichen falſchen Worten ſeyn ſolte / ſondern Ja und Amen; da iſt keine Falſchheit oder Argeliſt / wann Er ruffet: Wendet euch zu mir / ſoEſa. 45, 22. werdet ihr ſelig aller Welt Ende! Kommet her zu mir alle / die ihr muͤheſelig und beladen ſeyd / ich will euch erquicken;Matt. 11, 28. Gehet hin / ſagt Er zu ſeinen Juͤngern: in alle Welt / lehret alle Heyden / und machet mir zu Juͤngern alle Voͤlcker; ChriſtusMatth. 28, 19. ruffet Johan. 7. mit lauter Stimme: Wen da duͤrſtet / der kommeMarc. 16, 15. zu mir / und trincke / darumb auch St. Paulus ſagt: Gott gebeutIoh. 7, 37. allen Menſchen an allen Enden Buſſe zu thun. Das ſind lau -Act. 17, 30. ter hertz-wolmeynende / hertz-iringende / im Hertzen gewachſene und nicht bloß auff der Zungen ſchwebende Wort / ſo vom Goͤttlichen Hertzen zum menſchlichen Hertzen gehen.
II. Eine allgemeine unpaſſionirte Gnade / die keine Perſon anſihet; Wer einem einen Baum ſchencket / der ſchencket ihm auch die Fruͤchte: Gott der Herr hat allen Menſchen ſeinen Sohn / als den Baum des Lebens geſchencket / warumb nicht auch deſſen Fruͤchte / die Gaben des Heiligen Geiſtes? ſo da ſich erſtrecket / nicht allein in genera ſingulorum, uͤber allerley Menſchen / von allerley Geſchlecht und Stand / ſondern auch in ſingula generum, uͤber alle und iede inſonderheit; nicht nur uͤber die Außerwehlten / ſondern auch uͤber die durch ihre eigene Schuld Verworffenen / wie der Herr ſolches ſelbſt bezeuget / und ſpricht: JchEſa. 65, 2. recke meine Hände aus den gantzen Tag zu einem ungehor -Prov. 1, 24. ſamen Volck / das ſeinen Gedancken nachwandelt auff einemMatth. 23, 37. Wege / der nicht gut iſt; geſtalt dann der liebe Gott ſich niemalAct. 14, 17. unbezeuget gelaſſen / ſondern ſich geoffenbaret 1. durch die Lock - Pfeiffe der Natur / durch die Creaturen in dem Wercke der Schoͤpf - fung; dañ ja ſo viel Creaturen / ſo viel ſind Stralen dieſer him̃liſchen Son - nen; Es iſt allen Menſchen angeboren die Begierde zum hoͤchſten Gut /N 2und der100Die Achteund der Seligkeit / auch nach dieſem Leben / dieweil ſie wiſſen / daß die SeelMatth. 19, 16. unſterblich iſt: Nach demſelben ſehnet ſich nicht nur jener Juͤdiſche Juͤng -Act. 16, 30. ling / ſondern auch der Heydniſche Kerckermeiſter. Aber Blindheit ſtehetAct. 13, 11. im Wege / welche die Heyden ſelbſt erkennet; darumb ruffet der MenſchAct. 17, 27. billich nach Hand-Leitern / daß er Gott ſuche und finde; Hand-Leitern aber ſo da fuͤhren nicht zwar ohnmittelbar zur Seligkeit / ſondern zum Liecht des Goͤttlichen Worts / deroſelben ſind nun ſehr viel.
Jn uns ſeynd es die ſacra lipſana paradiſiaca, das Para - diß-Heiligthumb / ſo wir noch nach dem traurigen Adams-Fall uͤbrig behalten / das heiſſet mit zweyen Worten ſemen boni & lumen veri, der Samen des guten und das Liecht der Warheit / das manRom. 1, 19. 20. c. 2, 14. weiß / daß ein Gott ſey / dann Gott hat es uns in uns ge - offenbaret / damit / daß Gottes unſichtbares Weſen / das iſt / ſeine ewige Krafft und Gottheit wird erſehen / ſo man das war - nim̃t an den Wercken / nemlich an der Schoͤpffung der Welt; ſintemal auch die Heyden / die das Geſetz nicht haben / und doch von Natur thun des Geſetzes Werck / dieſelbigen / dieweil ſie das Geſetz nicht haben / ſind ſie ihnen ſelbſt ein Geſetz / da - mit daß ſie beweiſen / das Geſetz ſey beſchrieben in ihrem Her - tzen / welches Heiligthumb alſo geartet / daß es im Hertzen und Gewiſſen den Menſchen reitzet und treibet zu forſchen und zu ehren den wiewol noch zur Zeit unbekanten / doch aus dem geoffenbarten Worte kantbaren Gott. Act. 14, 17.Auſſer uns bezeugets das unſichtbare Weſen eines ſolchen Got - tes / der ſich uns ſichtbar gemacht / wann er viel gutes thut ohn unterlaß / und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeitung gi - bet / unſere Hertzen erfůllet mit Speiſe und Freuden. Dieſe Gutthaten ruffen alle: Quære Deum, Suche und frage nach dieſem Gott / der ſolches ſchaffet / lerne ihn erkennen / daß du ihm danckbar ſeyeſt / und gebuͤhrlich ehreſt / nicht nach deinem Sinn / Wahn und Gutduͤncken / ſon - dern nach der Regul des geoffenbarten Willen Gottes / auff daß du derſel - ben Regul nach frageſt / wo ſie in der Welt anzutreffen / und iſt dieſelbe nichts anders / als das geoffenbarte Wort Gottes.
2. Mit der Lock-Pfeiffe der Vorſehung / Erhaltung und Regierung der Creaturen / durch Zeichen und Wunder / wie durch dergleichen Pfeiff gelocket wurden die Babyloniſche Bottſchaff -ten /101Predigt. ten / die Koͤnigin aus Reich Arabia / durch die Weißheit Salomonis / die2. Chron. 32, 31. Weiſen aus Morgenland durch den ſonderbaren neuen Stern; Etliche1. Reg. 10, 1. Matth. 2, 1. & 2. ſeynd gelocket worden durch das koͤſtliche loͤbliche und gute Geruͤchte / ſo in die Welt erſchollen von Gott / dadurch bekehret worden die Hur Rahab / der Syrer Naeman / dieſe alle ſchreyen: O Menſch / O Adams-Kind /Ioſ. 2, 11. wer du ſeyeſt / ſuche das wahre Liecht / daß du in demſelben ſeheſt die wahre2. Reg. 5, 3. Sonn! Suche das Wort Gottes / auff die Art und Weiſe / wie die Wei - ſen aus Morgenland durch den Stern ſich in die prophetiſchen Schriff - ten / ſo unter ihnen in den Juͤdiſchen Synagogen gewohnet und geleſen worden / von dannen nach Jeruſalem / von Jeruſalem gen Bethlehem / von Bethlehem in das Hauß des groſſen Heiden-Liechts / ſo in die Welt kommen / alle Menſchen zu erleuchten / nemlich des neugebornen Koͤnigs der Juͤden geleitet und begleitet worden.
3. Er locket auch mit der lieblichen Wort-Pfeiffe / durch das gnadenreiche Evangelium; mit welcher er bald zuerſt gepfiffen im Paradiß und Adam zu ſich gelocket / und in Adam alle Menſchen / gleich wie auch hernach in Noah / dem andern Welt-Vater / in welchem auffs neue alle Voͤlcker beruffen durch den Gnaden-Bund / den Gott mit ihnen auffgerichtet. Gott der HErr (ſo lautet das Lied des geiſt -Geneſ. 9, 8. ſeqq. reichen Aſſaphs) der mächtige redet / und ruffet der Welt vomPſal. 50, 1. Auffgang der Sonnen biß zum Niedergang. Chriſtus undMatth. 11, 17. 28. Johannes ſprechen: Wir haben euch gepfiffen; Eben derſelbe Pfeiffer pfeiffet und ruffet noch: Kommet her zu mir alle / (οὐχ ὁ δει῀να καὶ ὁ δει῀να, ἀλλὰ πάντες, wie Chryſoſtomus ſaget: nicht einer oder der andere / ſondern alle) die ihr beladen ſeyt / ob ihr auch gleich eure Laſt nicht fuͤhlet: Alle welche von Chriſto dem Herrn Sanfftmuth und Demuth zu lernen verbunden ſeynd. Alle / ſage ich / nach Goͤttlicher intention und vorhergehenden Rath und Willen / alle die ihr mit geiſt - lichen Schulden-Laſt wie () jene vier hundert Maͤnner / welche dem lieben David nachgezogen / behafftet / alle Creutz - und Wall-Bruͤder / niemand iſt hie außgeſchloſſen / als wer ſich ſelbſt außſchleuſt. Chriſti kraͤfftiger Gna -
‘() 1. Sam. 22, 2. videri poſſit Catilinarium conſortium, Davidi exprobrabi - le; at non ſemper quem fortuna fecit miſerum, eundem & improbum. Ac pecca - rint licet inter eos nonnulli fugiendo creditorum rigidas vexationes: non tamen peccavit David eos ſuſcipiendo in patrocinium: fuerint improbi, tamen diſciplinâ & exemplo Davidis meliores facti. Sunt qui conjiciunt, ad hanc militum turbam erudiendam à Davide Pſalmum XXXIV. compoſitum fuiſſe. ’ ()N 3den-Zug102Die Achteden-Zug iſt univerſal, Er verſpricht: wann er werde erhöhet wer - den / wolle er alle Menſchen zu ſich ziehen; Er weiß wol daß wir aus eigenen Kraͤfften anfangs vor der Bekehrung zu ihm nicht kommenEſa. 35, 6. moͤgen: Aber wer nicht Fuͤſſe hat / dem macht er Fuͤſſe: Die Lahmen machtActor. 3, 6. 7. 8. Er lecken wie die Hirſche: und ſo bald Petrus den von Mutterleibe an lahmen Menſchen befihlet er ſoll auffſtehen und wandeln / ſo bald er ihn bey der rechten Hand ergriffen und auffgericht / ſo ſtehet er und ſpringt da -Gen. 45, 21. von: Dem hinckenden Jacob ſchickt der him̃liſche Joſeph Waͤgen entgegẽ:2. Reg. 2, 11. Eliæ ſendet er feurige Roß und Wagen / das iſt das miniſterium. Alles in Goͤttlicher / heilſamer bedingter Ordnung die jenigen die ihre Buͤrde und Muͤdigkeit erkennen / nach der Erquickung ſich ſehnen / ſind Troſt-duͤrfftig /(*) vide D. Aeg. Hũn. ad Ioh. 6. part. 13. d. Chemnit. harm. c. 56. p. 966. Troſt-hungerig / Troſt-gewuͤrdigte / die ſollen auch in eventum wuͤrcklich erquickt werden / die ſind die jenigen (*) τεταγμενοι und geordnete / die der himmliſche Vater zu ſeinem Sohne ziehen thut.
Sprichſtu: Wie reimt ſich ſo gethane Univerſalitaͤt und weite Außthaͤ - nung des Goͤttlichen Einladen mit den vorhergehenden Worten / da Chri - ſtus der Herr ſeinem himmliſchen Vater einen panegyticum haltet undMatth. 11, 25. 26. einen Lob-Spruch zu Ehren thut / ſprechend: Jch preiſe dich Vater und HERR Himmels und der Erden / daß du ſolch (Ge - heimnuͤß des Glaubens) den Weiſen und Klugen verborgen haſt / und haſt es den Vnmuͤndigen offenbaret / Ja Vater / dann es iſt alſo wolgefaͤllig geweſen fuͤr dir. Das heiſſet ja das abſolu - tum decretum und bloſſen Goͤttlichen particular-Willen ſtarck bekraͤff -Luc. 7, 30. tigen? Antwort nichts weniger / Chriſtus hat ja ſeinen Willen und Rath Gottes den Phariſeern und Schrifftgelehrtẽ geoffenbaret / welche gemeldtẽ Rath wider ſich ſelbſt verworffen / und daher rechtmaͤſſiger weiſe verdammtMatt. 11, 21. worden: Er hat denen zu Chorazim / Bethſaida ſich gantz herrlich geoffen - baret / Er hat ihnen gnugſam gepfiffen / die wenigſten aber wolten dantzen. Darumb ruͤhmt er Gottes heilige nachfolgende gerechte Gericht / und ſagt: Jch preiſe dich Vater / daß du ſolche Geheimnuͤß verborgen () eventualiter, das iſt / weil ſie ihre Augen davor zugeſchloſſen / die Decke nicht wollen abziehen laſſen / ſind ſie ihnen verborgen geblieben.
‘() Iuxta regulam, verba activa non ſemper propoſitum antecedaneum, ſed eventum notant, ſicut Devt. 29, 3. Matth. 10, 34.’ ()Wem aber? Allen ſophis, allen Weiſen und Klugen ohn Vnterſcheid? O nein! Das ſtreitet wider die Sonnenklare offenbare Warheit / dann jaNicode -103Predigt. Nicodemus und die Weiſen aus Morgenland keine albere Narren ge - weſen: ſondern den geſchwulſtigen auffgeblaſenen Welt-Weiſen / Selbſt - Weiſen / den Naſen-Weiſen / den Meiſtern von hohen Sinnen / die ihre Vernunfft nicht wollen gefangen nehmen unter den Gehorſam des Glau - bens / die witziger wollen ſeyn als Chriſtus ſelbſt. Wem iſt im Gegen - theil der Rath Gottes geoffenbaret? den Vnmuͤndigen? welchen? viel -v. Luther. tom. 8. Ien. p. 336. f. 2. leicht den muthwillig-ignoranten / den albern ſimpliciſten / den thummen und ſtummen idioten und Schepſen / denen vor der Wiſſenſchafft Goͤtt - licher Dinge eckelt? O nein! ſonſt muͤſten wir alle Univerſitaͤten und hohen Schulen beurlauben / muͤſten mit Carolſtad alle Bruder Andres werden; ſondern νηπίοις die ſich wie die Kinder gern laſſen bereden / die wie die unmuͤndige Saͤuglinge begierig ſind nach der lautern Milch des Evan - gelii / die muͤheſelig und beladen / conſequenter Troſt - und Lehr-begierigen Zuhoͤrern / die ſich mit der bloſſen figur und parabel nicht contentiren / ſon - dern den Coͤrper ſelbſt / Safft und Krafft aus den Geheimnuͤſſen Chriſt - licher religion zu ſaugen ſich duͤrſtiglich ſehnen.
Jn welchem Verſtand es wol geſchehen kan / daß ein (in Erkaͤntnuͤß Gottes) unweiſer und einfaͤltiger Baur / der ſonſt auff ſeinen Geitz Augen und Hirns gnug hat / klug und weiſe allhier heiſſe / und im Gegentheil ein groſſer Doctor unmuͤndig und einfaͤltig ſeye! daß nun ſolchen Selbſt - Klugen das Geheimnuͤß Gottes vom Reich Chriſti nicht recht zu Hertzen gehet / iſt ihre Schuld und Gottes Gericht / und das preiſet der Sohn Got - tes billich an ſeinem himmliſchen Vater.
St. Paulus und die uͤbrigen zwoͤlff Botten die ruffen und ſchreyen in der gantzen Welt: GOTT gebeut allen Menſchen Buſſe zuAct. 17, 30. thun an allen Enden / allen denen / die vor dem Juͤngſten Ge - richte werden erſcheinen muͤſſen; Da laſſet ſich keine exceptionCol. 1, 23. Rom. 10, 18. erdencken / der Apoſtoliſche Schall iſt in alle Welt außgebrochen / und in alle Lande / ſie die Apoſtel ſind zwar tod / ihr Schall iſt laͤngſt verſtimmet / aber er lebet und webet noch in der uͤberlaſſenen Heiligthumb ihrer Send - Briefe / aus und durch welche noch heutiges Tages alle getreue Prediger laden und ruffen: Καταλλάγητε, Laſſet euch verſöhnen mit Gott! 2. Cor. 5, 20.Wir predigen nicht nur generibus ſingulorum, allerley Menſchen / nicht nur den Außerwehlten / welche allein Gott der Herr ohnfehlbar kennet / ſondern unparteyiſch allen und ieden Menſchen. Miſericors DEUS, ſchreibet Auguſtinus: vocat undique ad correctionem, vocat undiqueAuguſt. in Pſal. 102. ad pœnitentiam, vocat beneficiis creaturæ, vocat impertiendo tempusvivendi,104Die Achtevivendi, vocat per lectionem, per tractationem, per intimam cogitatio - nem, per flagellum correptionis, per miſericordiam conſolationis; Der barmhertzige Gott beruffet allenthalben zur Beſſerung / Er beruffet allenthalben zur Buſſe / Er beruffet durch Wolthaten der Creatur / Er be - ruffet durch langes Leben / Er beruffet durch leſen / durch Abhandlung Goͤttliches Worts / durch innerliche Gedancken / durch die Straff-Geiſſel / Er beruffet auch durch die Barmhertzigkeit mit Troſt. Wer wolte dann die noch entſchuldigen / ſo nicht kommen wollen?
Welcher maſſen der Allerhoͤchſte ſeinen Goͤttlichen Beruff gegen uns Menſchen hier in dieſer Welt diſpenſire und erſcheinen laſſen / koͤnnen wir nicht beſſer erklaͤren als in den Gleichnuͤſſen weltlicher intimationen und Verkuͤndigungen. Zu gleicher weiſe wie groſſe Herren und Koͤnige vorzeiten / wann ſie eine neue Zeitung haben wollen in ihrer gantzen Herr - ſchafft und Botmaͤſſigkeit lautbrecht machen / ſo haben ſie (ſonderlich die Perſianer) ihre ignes Angaros, Poſt-Feuer oder Poſt-Facklen auff den Bergen anſtecken laſſen / aus dero Anblick iederman auffgemuntert und wiſſen koͤnnen / was die Glock geſchlagen: Neben dem haben ſie auff den Bergen præcones und Außruͤffer gehalten / deren ie einer dem andern hat zuruffen und die famam oder die Bottſchafft anzeigen muͤſſen / worauffEſa. 52, 7. der Prophet Eſaias alludirt / wann er ſagt: Wie lieblich ſind auff den Bergen die Fuͤſſe der Botten / die da Friede verkuͤndigen / gutes predigen / Heil verkůndigen / die da ſagen zu Zion: Dein Gott iſt Koͤnig: Worauff dann ein ieder Nachbar und Freund den andern / Eltern ihren Kindern und Geſinde die offentliche erſchollene Zei - tung erzehlet.
Die erſte Bottſchafft iſt eine ſtumme Bottſchafft / und vergleichet ſich mit dem allgemeinen Beruff der ſtummen Natur / welche Gott der Herr in allen ſeinen Creaturen vorgeſtellet / Gott hat das Heer des Himmels / alle leuchtende Sternen als helle Lock - und Liecht-Facklen ver -Devt. 4, 19. ordnet allen Voͤlckern unter dem gantzen Himmel; Jm Hebreiſchen Text ſtehet das Wort〈…〉〈…〉 heiſſet auch ſo viel als ſanfft liebkoſen / und locken: Die andere iſt vocal, die heiligen Apoſtel und zwoͤlff Botten / die anfangs außgangen / und die froͤliche Evangelia und Zeitungen von Heil / Leben und Segen in Chriſto Jeſu / allenthalben kund gemacht / und wo ihre Fuͤſſe nicht hinlangen moͤgen / da hat ſich ihre Stimme / Schall und Wort er - ſchwungen / Chriſtlichen Regenten / Predigern / Hauß-Vaͤtern hat von alters her gebuͤhrt / und gebuͤhrt ihnen noch was ſie gehoͤret / andern ihrenAnver -105Predigt. Anvertrauten mitzutheilen: ſo wird der Bernff und Einladung Gottes allenthalben bekant werden / und ſo ſoll er ſeyn nach Goͤttlicher intention, Rath und Willen.
III. Es iſt dieſe Gnade des Heiligen Geiſtes eine freye Gnade / die nicht an einen einzelen Ort angefeſſelt / ſondern der H. GeiſtIoh. 3, 8. blaͤſet wo und wie er will / wo und wann es ihm beliebet / und wuͤrcket den Glauben / verſtehe nicht de ſubſtantiâ vocationis, ſed modis, nicht von der Beruffung an ſich ſelbſt / ſondern von den unter - ſchiedlichen Arten / gradibus, und Zeiten; deren diſpenſation und Mittheilung er ihme fuͤrbehalten / 1. Was anlanget die modos, die Arten und Weiſen der Beruffung / ſo iſt und bleibet zwar der Beruff univerſal und allgemein / die Natur pfeifft immer / Gott laͤſt ſich niemal unbezeuget; was aber die hohe / ſonderbare / auſſer-ordentliche / wunder - thaͤtige Einladung belanget / da iſt der Geiſt Gottes / ein freythaͤtiger Geiſt / gleich wie er eine ſo gethane auſſer-ordentliche Gnade niemand nicht ſchuldig / ſo iſt er auch dieſelbe niemand zu geben verbunden / So thut erPſ. 147, 20. keinen Heyden / noch laͤſſet ſie wiſſen ſeine Rechte / wie Er ſeinem Volck den Juden gethan. Weren dieſe Thaten / ſpricht Chriſtus vonMatt. 11, 21. ſeinen Wundern / zu Tyro und Sidon geſchehen / wie zu Chora - zin / ſie hätten im Sack und in der Aſche Buſſe gethan. Sonſt bleibet der ordentliche Beruff / ſo da geſchicht durch das Wort und die H. Sacramentẽ / ſo lange bey einer nation und Menſchen / als lange man den - ſelben behalt / ehret und demſelben Folge leiſtet: Jm fall aber das widrige geſchicht / ſo iſt der Geiſt an kein Volck / weniger an einigen Menſchen ge - bunden / Er wendet ſich zu einem andern Volck / ſchicket einen Hunger nachMatth. 21, 43. dem Wort / wie es die Erfahrung und Hiſtorien Sonnen-klar an Tag geben.
Was anlanget 2. horas inceptionis, die Stunden und den Anfang der Beruffung; So ziehet Er ein Volck lang auff / dem andern begegnet Er bald / zu erſt den Juden / hernach denRom. 1, 16. Griechen / Rom. 1. Actor. 13. Da Paulus und Silas durch PhrygiamAct. 13, 46. c. 16, 6. 7. und Galatiam zogen / ward ihnen gewehret durch den Heiligen Geiſt zu zu reden in Aſia / deßgleichen in Myſia / Bithynia / aber hernach iſt doch1. Petr. 1, 1. noch der Beruff an gemeldte Ort kommen.
Was anlanget 3. Moras commorationis, die Zeit derSechſter Theil. OVer -106Die AchteVerharrung / wie lange dieſe Gnade bleibet / ſo iſt zuvor vermeldet / wann ein Volck das Reich Gottes von ſich ſtoſſet / wann es dieſes depo - ſitum, dieſe herrliche Beylage nicht wol auffhebet / wann Gott verlaſſenMatth. 21, 43. und hindan geſetzt wird / ſo verlaͤſſet Er auch / ſo laſt Er alsdann das VolckA&. 14, 16. c. 17, 30. tappen auff ſeinen Wegen / εἰσ ἀπώλειαν ins Verderben hinein; GottHebr. 4, 7. hat zwo Stunden / die eine heiſſet hora ἐπισκοπῆς, die StundeLuc. 19, 44. oder Zeit der gnaͤdigen Heimſuchung; allweil die noch waͤret / ſind die Draͤuungen noch nicht peremptoriæ, da halt Gott ſeine StraffeIer. 18, 8. noch auff. Die andere heiſſet hora ἐκδικήσεως, die Stunde oderIon. 3, 4. Zeit des Zorns / der Rach und Vergeltung / der Tag des Herrn / dem Menſchen Tag entgegen geſetzt / wann die ankommet / und die Bier reiff und zeitig / das Suͤnden-Maß voll worden / ſo hilfft nichts mehr / keineEzech. 14, 14. confer D. Luther. tom. 8. Witteb. ad Ioël. f. 359. Fuͤrbitt mehr / und wann gleich die drey heiligen Maͤnner Noah / Daniel und Job in einer ſolchen Statt waͤren / ſo wuͤrden ſie allein ihre eigene Seel erretten; da gehets peremptoriè her; da muß im Augenblick die exe - cution ergehen / wie bey der Verſtoͤrung der Statt Jeruſalem geſchehen.
Dieſes iſt nun alſo die beruffende Gnade / ſchrifftmaͤſſig fuͤr - getragen nach der regul des goͤttlichen Worts. Von dero weit abgewichen /() quorum ſententiã refero in hodomor. Calvin. Phantaſ. 9. p. 1830. & ſeqq. pag. 1840. ſeqq. die alſo von ſich ſelbſt genante () Reformirten / welche von dieſer Gnade viel anders halten / als in Gottes Wort geoffenbaret / machen einen Vn - terſcheid unter der euſſerlichen / geoffenbarten Gnade / da Gott von auſſen gebeut allen Menſchen Buſſe zu thun / und ſich ſtellet / als wolte Er alle ſelig haben; und dann unter der innerlichen allein bey den bloß Außerwehlten kraͤfftigen Gnade / vermoͤg des bloſſen Vorſatz / nach welchem er beſchloſſen von Ewigkeit her die jenigen nur und allein ſelig zu machen / welche Er zur Seligkeit bloß ohne Beding erkohren / und wie Piſcator* in der vergiffteten Herborniſchen Bibel ſchreibet uͤber die Wort Chriſti Matth. 11. Gott ruffe den Außerwehlten / und bewege ihnen gleich das Hertz / und gebe ihnen Krafft / daß ſie kommen koͤnnen / die Wort aber / die ihr muͤheſelig ſeyt / heiſſen ſo viel / die ihr die Suͤnden fuͤhlet / und daruͤber ſeuffzet / und begehret der Gnade! Wo bleiben aber die andern / die nicht bloß außerwehlt / die
‘* Ad Matth. 11, 28. & in annot. Latin. p. 122. Abutuntur hoc dicto, qui inde volunt probare Chriſti gratiam pertinere ad omnes omnino homines, nullo prorſus excepto, Etenim Chriſtus gratiam ſuam promittit non omnibus ſim - pliciter hominibus ſed omnibus qui fatigati ſunt & onerati, h. e. qui ſentiunt onus peccati & ex eo cupiunt levari, atque his quoque eâ demum conditione gra - tiam ſuâm promittit. SI AD IPSVM VENERINT, h. e. in ipſum crediderint. ’ ()ſo kranck107Predigt.ſo kranck und ſchwach / daß ſie auch ihren Jammer nicht fuͤhlen? denen werden die bloſſen Schalen ohne den ſafftigen Kern angebotten.
Jſt dem alſo? ſo iſt dieſes Gnaden-Wort / die Beruffung Gottes eine particular Pfeiffe / die nicht alle angehet; eine Luͤgen-Pfeiffe / die nicht einerley Thon und Harmoni fuͤhret; eine betruͤgliche Pfeiffe / die zwar lieblich pfeiffet / aber nur daß ſie ins Garn locke und wuͤrge / und laut des gemeinen Vers: Fiſtula dulce canit, volucrem dum decipit auceps, Wann des Voglers Pfeiffe lieblich klinget / der Vogel im Garn mit dem Tode ringet. Was kan anders alsdann geſagt werden / als daß es ſey eine ungerechte Pfeiffe / eine ungerechte Beruffung? Zum Exempel: Es ruffet ein Koͤnig einen lahmen Bettler zu ſich und ſagt: Komm her / empfange mein Allmoſen / wo nicht / ſo muſtu ſterben! Er kan nicht kom - men / der Koͤnig gibt ihm die Kraͤffte nicht auffzuſtehen und ſich einzuſtel - len / und laͤſſet hernach ihn toͤdten / deßwegen / daß er nicht gekommen; Jſt das nicht Tyranney und Grauſamkeit? Niemand kan es ja laͤugnen. Was iſts dann / wann Gott der Herr ſolte einigen Menſchen / der von Natur geiſtlich-lahm und nicht kommen kan / euſſerlich mit dem Munde ruffen thaͤte / ohne mitgetheilten Kraͤfften zu kommen / hernach denſelben dem ewigen Tod in den Rachen hinein ſchiebete / darumb / die - weil er nicht gekommen! O ſchroͤckliche Lehr! euſſerlich zur Hochzeit laden den jenigen / den man in dem innern geheimen decret zum ewigen Tode verworffen / iſt eine Pariſiſche (dabey mehr Blut als Wein vergoſſen) nicht Paradiſiſche Hochzeit.
Wie wir nun verſtanden / was dieſe Art der Goͤttlichen Gnade ſey / ſo folget daß man ſie auch hoch halte / in Anſehen derer viel tauſent Menſchen und Nationen / ſo dieſe Gnade in dem hohen Grad nicht haben gleich wie wir; Ach / ſprichſtu / dieſelbe Voͤlcker tauren mich gleichwol / wann Gott Apoſtel ſendete in Jndien / in die Barbarey / Tuͤrckey und unter die Juden / vielleicht wuͤrde noch der meiſte Theil / wo nicht alle bekehret! Aber das iſt ein unzeitiges Tauren / die ordentliche Gnade iſt verſchertzt / woruͤber ſie Gott den Herren nicht anzuklagen haben / ſondern ihrer Vorfahren Vndanckbarkeit und eigene Vnachtſamkeit und Faulheit; gleichwol unter deß hat ſich Gott nicht unbezeuget gelaſſen / ſie werden gelocket durch die Pfeiffe der Natur und Goͤttlichen Vorſehung / daraus ſolten ſie ja ſchlieſſen / daß ein Gott were / der ſie wie alle andere Creaturen er - ſchaffen / erhalte und regiere / und deßwegen zu ehren / fuͤrchten und zu lieben were; Solten / zum Exempel / nicht die Tuͤrcken aus der famâ und gutẽ Ge - ruch / ſo aus der H. Bibel (welche in der Tuͤrckey allenthalben / wo nicht beyO 2Chriſten108Die AchteChriſten / doch den Juden / ſo unter ihnen wohnen / ſich außbreitet) ſich lei - ten laſſen zum rechten Liecht und Weg der Seligkeit? Jhr Gewiſſen ſagts ihnen / daß ſie umb der Suͤnden willen verdammt / es ſehnet ſich umb Cur /() ut appa - ret è dicto Ruſtani a - pud Gis - bert. Bus - beq. ep. 3. Sap. 5, 21. Artzney / Huͤlff und Rath / reitzet ſie zu ſuchen und zu forſchen / wo / wie und wann? Aber es hat auch in der Tuͤrckey die groſſe religion und () ſyncre - tiſmus uͤberhand genommen / das iſt das cauterium das Brandmahl des Gewiſſens / dadurch alle gute affecten gehemmet werden; Jn Vnter - laſſung deſſen ſind ſie ἀναπολόγητοι, ſie koͤnnen ſich an jenem groſſen Tage nicht entſchuldigen / alle Creaturen werden zum Streit außziehen wider die Vnweiſen.
Jſt dieſe Gnade theuer und werth zu ſchaͤtzen / ſo iſt ſie auch wuͤr - dig daß man ſie ergreiffe / faſſe und feſt halte / weil die Gnaden - Thuͤr noch offen ſtehet / weil es noch heute heiſſet / damit nicht ein geſtern daraus werde / und ſie morgen nicht mehr erſcheine / allweil der Herr vom Himmel herab uns noch ſeinen Wagen und Reuter ſendet uns ab - zuholen. So wenig Elias aus eigenen Kraͤfften ſich kunte gen Himmel hinauff erſchwingen und erheben / weren ihm nicht feurige Roß und Wa -2. Reg. 2. 11. gen vom Himmel herab entgegen geſendet worden / ihn abzuholen / ſo were er wol herunter geblieben; eben ſo wenig kan der Menſch von und aus ſich ſelbſt in den Gnaden-Himmel ſich empor erſchwingen; wann aber Gott der Herr ſeinen Gnaden-Wagen des miniſterii und Predig-Ampts entgegen ſchicket / ſich ſelbſt bey dem Menſchen zu Gaſte ladet / und den - ſelben begehret auffzuladen / und aber der geladene Menſch ſich ſelbſt nicht ſchwer machet / ſondern ſich auffladen laͤſſet / ſo thut er eine ſelige Wahlfahrt aus dem Reich der Welt / und dero Fuͤrſten dem Teufel in Gottes Gna - den-Reich hier zeitlich / und Glori-Reich dort ewig.
Meynet E. L. daß es ohngefaͤhr geſchehe / daß bey dieſen Kriegslaͤuff - ten (mehr als vor dieſem geſchehen) aus allen Orten / aus dem Papſtumb und andern angeſtecktẽ Laͤndern viel Leute zu uns in Schirm / in Dienſt uñAct. 2, 39. Vnterſchleiff kommen? Einmal der jenige Geiſt / von dem St. Petrus ſa - get: Euer iſt die Verheiſſung / und deren die noch ferne ſind ꝛc. der hat hie ſein Werck und Hand dabey / Er will die Leute von dem Finſter - nuͤß / von den Menſchen-Satzungen zu dem Wort Gottes leiten! es iſt wol mehrmal geſchehen / daß groſſe gelehrte Leute / die es nie / ſondern viel - mehr das widrige im Sinn gehabt / zum Wort Gottes / und dadurch zur Bekehrung gebracht worden. Petrus Paulus Vergerius und Jacobus Rei - hing / wolten an Lutheri Lehr / dem reinen Evangelio / und der Augſpur -giſchen109Predigt. giſchen Confeſſion zu Rittern werden; aber ie mehr ſie wider dieſelbe ge - wuͤtet / ie heller ſind ſie im nachdencken erleuchtet worden / ie mehr ſie wollen ableiten und verfuͤhren / ie mehr haben ſie beruffen; ie mehr abgelocket / ie mehr herzu gelocket.
Wir haben dieſe theure Gnade nicht nur anzunemen / ſondern auch danckbar zu erkennen / umb den Beruff zu bitten / auff daß wer da anklopffet / finde / und Vermehrung der Goͤttlichen Gnaden erlange; dieſe Gnaden-Pfeiffe hat uns arme Japhiten gelocket und beruf - fen am Abend der Welt: Jſt ein gut Omen und Zeichen von guter Hoff - nung hoͤhere Gnade zu erlangen. Jener blinde Bartimæus rufft Jeſu duMarc. 10, 47. ſeqq. Sohn David erbarm dich mein / ſo bald er ruffet / ſtehet der HErr ſtill / und laͤſſet durch ſeine Juͤnger auch ruffen / dieſe ſagen ihm / er ſoll getroſt ſeyn / es ſey bonum omen, ein gutes Zeichen / daß ihm der Herr geruffen / der HErr ſaget: Was wiltu das ich dir thun ſoll? Rabboni / ſagt er / daß ich ſehend werde. Dictum atque factum, er hat das Wort kaum außgeredet / ſo wird er ſehend. Dieſes geſchicht noch auff den heutigen Tag / ruffen wir zu Gott im Himmel / und ſchreyen wie der Hirſch nach friſchem Waſſer / ſo antwortet Gott der HErr vom Himmel / und laͤſſet uns ruffen / erleuchtet / heiliget / erwecket / und gibt mehr als wir begehrẽ / doch daß wir auch ſeyen κλητοὶ und zwar κατὰ πρὸϑεσιν, nach dem Fuͤrſatz beruffen / ſolche Leute / die der GoͤttlichenRom. 8, 28. intention und Fuͤrſatz recht an die Hand gehen / und in der Gnad behar -Matth. 20, 16. ren / ſonſt ſind viel beruffen / aber wenig ſind außerwehlet.
Hier ſoll iederman wol zuſehen / daß man ſolches herrliches depoſi - tum, ſolche Beylage behalte / ſolche hohe Gnade nicht verſchertze / ſonderlich denen es am mehrſten anvertrauet iſt / daruͤber ſie dermal eins Rechen - ſchafft geben muͤſſen; Vater und Mutter ſollen nach dem Exempel Abra -Gen. 18, 19. hams ſolches ihre Kinder lehren / in dem andere nationen und Voͤlcker in der Jrre und euſſerſtem Elend ſchweben; O daß du Vater verdammt wereſt mit deinem Geld / das du dem Kinde erſpareſt / wann du durch deine Vnachtſamkeit / die unwiderbringliche Gnade des Beruffs verſchertzeſt / dich ſollen witzigen die jenigen Ort / Laͤnder und Staͤtte / die da klagen aus dem 74. Pſalm: Wir ſehen nicht mehr die Zeichen groß / Kir - chen und Schulen ſtehen oͤde und bloß / kein Prophet uns pre - diget mehr / man lehrt uns keine geſunde Lehr.
O 3Wie110Die AchteWie endlich dieſe Gnaden-Pfeiffe anzunehmen / und danckbarlich zu erkennen iſt / alſo iſt im Gegentheil die frembde Pfeiffe des argen Fleiſches / der ſchnoͤden Welt / des boͤſen Geiſtes / der pfeifft immer einen froͤlichen Thon / laͤſſet uns des Leibs / der Welt und dero Fleiſches-Luſt / Augen-Luſt / hoffaͤrtiges Leben brauchen / zu fliehen; da im Gegentheil des Heiligen Geiſtes Pfeiffe pfeiffet ein trauriges Lied /Matt. 11, 17. im tieffen Thon / klagt und ſagt: Wir haben euch gepfiffen / aber ihr habet nicht wollen tantzen; Ach wie wehe thuts / vergebens pfeiffen ohne audientz! Aber am Juͤngſten Tage wird es ach und weh thunMatth. 25, 41. die ſchroͤckliche Pfeiffe zu hoͤren / Diſcedite, gehet weg von mir / ꝛc. da wird der Reuer und zu ſpat hernach kommen.
Viel lieber hoͤret man des Satans / des hoͤlliſchen Voglers Pfeiffe / und gehet faſt her / wie bey dem Pfeiffer zu Hamlen in Braunſchweig Anno 1284. davon die Sage iſt / wann es anders wahr / und nicht eine bloſſe tradition iſt ohne Grund der Warheit / Es ſoll daſelbſt in gemeld - tem Jahr einsmals ein Abentheurer (vielleicht der Teufel ſelbſt) ſich mit den Burgern umb ein gewiß Geld verglichen / und zugeſagt / er wolte alle Ratten und Maͤuſe aus der Statt fuͤhren / uud ſie dieſes Vnziefers ent - laden. Was er zugeſagt / das geſchahe alſo: Da ihm aber die Burger ſeinen gedingten Lohn nicht abrichten wolten / kam er in die Statt eben umb die Zeit / da die Leute in der Kirchen waren / fieng an zu pfeiffen / da ſamleten ſich zu ihm ein hundert und dreyſſig Kinder / die fuͤhret dieſer Pfeiffer alle hinaus / in das Thal Koppenberg in den Berg hinein / daß weder Stumpff noch Stiel nach derſelben Zeit geſehen worden. Solche Kin - der ſind alle Welt-Kinder / ja die gantze Welt / nach dem der hoͤlliſche Pfeif - fer pfeiffet / ſo tantzet man; Jſt eine kraͤfftige Pfeiffe / dieweil der Menſch zur ſelben inclinirt iſt / wer gerne tantzet / dem iſt gut pfeiffen / daher kom - mets / daß mehr verdammt als ſelig werden; Darumb wir groſſe Vrſach haben zu bitten / daß Gott das gute Werck / das er in uns angefangen / wolle außfuͤhren / nicht Hand abthun / ſeinen Heiligen Geiſt nicht entziehen / uns ſtaͤrcken / kraͤfftigen / gruͤnden / biß auff den Tag Jeſu Chriſti / da das venite gloriæ wird angehen / und die letzte Poſaun erſchallen;
‘Das helff uns der HERR Jeſu Chriſt / der unſer Mitler worden iſt / es iſt mit unſerm Thun verlohrn / verdienen nur eitel Zorn / Amen.’ ()Vber den dritten Articul / Von der wiedergebaͤrenden Gnade.
GEliebte in Chriſto: Deine Kinder werden dir gebo - ren / wie der Thau aus der Morgenröthe / So ſpricht David aus Goͤttlichen Eingeben in dem 110. Pſal. 110, 3.Pſalm zu ſeinem Sohne / nach dem Fleiſch / dem Meſſia: Merechem miſchchar lecha, tal Ja - ludtecha, welche Wort zwar die ſiebentzig Griechiſchen Dolmetſcher letz verſtanden / wie auch / der Lateiniſche Dolmetſch / ἐκγαςρὸς πρὸ Φωσφόρου ἐγέννησά σε, Jch habe dich gezeuget vor dem Morgenſterne / und daher etlichen von den Alten Anlaß gegeben / daß ſie mit dieſem Fehl - Spruch die Arianer angegriffen / und von der ewigen Geburt des Sohnes Gottes erklaͤret. Aber () Lutherus der dẽ Zweck uñ Vmbſtaͤnde des Pſalms() v. D. Lu - ther. tom. 7. p. 327. geſehen / hat es wol gegeben und verſtanden von der geiſtlichen Wie - dergeburt. Ja liebſter Meſſia / du ewiger Vater / deine Kin -Eſa. 9, 6. der werden dir geboren werden wie der Thau aus der Mor - genroͤthe I. Cœlitùs, vom Himmel / der Thau faͤllet vom Himmel herab / als der Speichel des Geſtirns / der Schweiß der Sterne / die Tochter des Monds / ohne unſer Zuthun / Spur und Empfindligkeit / Er iſt gleich -Gen. 27, 28. ſam das Kind und Geburt der Morgenroͤthe / Gott zeuget die Tropffen des Thaues / und gehet daſſelbe alſo her zu Fruͤhlings - und Herbſt-Zeit: in denMich. 5, 7. gelinden Naͤchten / werden die von der Erd auffſteigende ſubtile DuͤnſteIob. 38, 28. per ἀντιπερίςασιν, durch Widerſtehung der naͤchtlichen Kaͤlte condenſi - ret / und zuſammen getrieben / gerieben und gedruckt / von der anbrechenden Morgen-Sonne geſchmeltzet und flieſſend gemacht / und gleichſam in der Morgen-Lufft concipiret und empfangen / folgends fallen ſie herab auff Laub und Graß / wie das Roſen-Waſſer vom Diſtillier-Helm / ein hold -Ioh. 1, 13. ſelig meteoron: Alſo iſt die Widergeburt der Kinder Gottes vom Him -Zah. 8, 12. mel / Menſchen koͤnnen keine Kinder Gottes gebaͤren / ſo wenig als einIoh. 3, 3.Menſch112Die NeunteMatt. 5, 36. c. 6, 27.Menſch von ſich ſelbſt vermag ſein Haar weiß oder ſchwartz zu machen / ſei - ne ſchwindſuͤchtige Leber aͤndern / ſeiner Laͤnge eine Elle zuſetzen / ſo wenig kan er ſich ſelbſt oder auch andere gebaͤren zum Himmelreich.
II. Copioſè, reichlich und uͤberfluͤſſig / der Thau faͤllet ohnempfindlich / ploͤtzlich aber reichlich auff die Erden / ein gantz Land wird uͤbergoſſen und vom Thau erquicket / eh man ſichs verſihet / und wer kan zehlen die Tropffen des Morgen-Thaues? Daher die Hebreer / wann ſie ein groß Volck beſchreiben wollen / das Gleichnuͤß vom Thau entlehnen;2. Sam. 17, 12. Alſo gab Huſai der Arachiter einen Rath / Abſolon ſolte verſam - len gantz Jſrael von Dan an biß gen Berſeba / viel / als Sand am Meer / ſo wollen wir / ſagt er: David uͤberfallen / und uͤber ihn kommen / wie der Thau auff die Erden fället; Alſo auch die Kinder Chriſti. Es moͤgen die Tyrannen wuͤten und toben / der Teufel zuberſten / die Welt verfolgen / morden / toͤdten / doch ſoll das Reich Chriſti wachſen und zunehmen / rores ſanguinei martyrum fœcundabunt agrum Eccleſiæ, das Maͤrtyrer-Blut wird gleichſam als ein lieblicher Thau den Acker der Chriſtlichen Kirchen fruchtbar machen / es ſoll allenthalben wuͤmlen von Chriſten / viel haͤuffiger und reicher als im Alten Teſtament /Iud. 6, 37. Jſt gar ſchoͤn angezeiget in einem typo und Vorbild / Jud. 6.
III. Gratioſè, aus lauter Gnaden; Der Morgen-Thau iſt / meine Liebſten / ein edels Gnaden-Werck / ſo nicht ſchroͤcket / raßlet / wuͤ -Oſe. 6, 4. tet und tobet / wie der ſtarcke Wind / Donner und Hagel / ſondern ein Gna - den-Geſchenck / ſo da erſcheinet cœlo ſereno, wann der Himmel ſchoͤn / lieblich und hell; Wann der Himmel nicht hell und lauter iſt von boͤſen1. Pet. 1, 3. 0 Tit. 3, 5. Duͤnſten purgiret / ſo fallet kein Thau; Alſo entſpringen die wiedergebornen Kinder Gottes aus der Barmhertzigkeit Gottes / nach dem Gott verſoͤh -Exod. 16, 14. net durch das Reinigungs-Opffer Chriſti. Der Thau iſt gleichſam der Wagen / darauff das Manna vom Himmel auff die Erde gefuͤhret wor - den / alſo auch das Evangelium Chriſti; Der Thau faͤllet herab ohne Geraͤuſch / alſo kommet das Reich Gottes / daß man es nicht mercket.
IV. Utiliter, nuͤtzlich und fruchtbarlich; gratiæ effectu, durch Würckung der Gnade Gottes / es iſt alles mit Gnade ver -Apud Cel - lar. partit. meteor. f. 25. p. 300. bunden / aus Gnade gefloſſen; der Thau befeuchtet und erquicket die Felder / den duͤrren und lechzenden Erdboden. Als Anno 1540. ein heiſſer Som̃er geweſt / von ſo untraͤglicher Hitze von Oſtern biß Michaelis / daß wenig Re - gen von obẽ herab ſich ergoſſen / ſo hat Gott dẽ Thau geſchicket / der taͤglich ſohaͤuffig113Predigt. haͤuffig gefallen / daß die Furchen morgends voll Waſſer geweſen / und reiche Ernde gegeben: Alſo auch der Evangeliſche Gnaden-Thau des Heiligen Geiſtes. Welcher maſſen dann es ſich auch verhaͤlt mit der wie - dergebärenden Gnade Gottes des Heiligen Geiſtes / von wel - chem groſſen Gnaden-Werck wir dißmal zu reden haben / als von der lebendigmachenden Gnaden-Krafft des H. Geiſtes; Gott wolle ſein Wort zu einem Thau machen / dadurch unſere duͤrre Hertzen befeuchtet / erquicket und fruchtbar gemacht werden / daß ihme viel geiſtliche Kinder moͤgen geboren werden / ihm zu Ehren / ſein Reich zu meh - ren / des Satans Reich zu verſtoͤren / Amen.
WAs nun / meine Liebſten / bey einer leiblichen Geburt zu beobach - ten / alles das erſcheinet auch in dieſem hohen / geiſt - lichen Gnaden-Werck des Heiligen Geiſtes; I. DerEſa. 44, 3. Vater und die Quell / dieſelbe iſt der dreyeinige Gott; Er derIacob. 1, 18. Vater des Liechts hat uns gezeuget nach ſeinen Willen / durch1. Ioh. 3, 1. das Wort der Warheit / auff daß wir weren Erſtlinge ſeiner Creaturen / doch im folgenden Vnterſcheid; GOTT der Vater machet ſeinem Sohne Hochzeit / daß er ihm geiſtliche Kinder zeuge / diePſal. 89, 29. Engel-Luͤcken zu erſetzen; der Sohn Gottes / Chriſtus Jeſus / iſtPſ. 110, 3. der ewige Vater / und der edle Stam̃baum / darein wir verſetzet werden /Eſa. 9, 6. dem alten vergifften Adams-Stam̃baum entgegẽ geſetzt / iſt auch ImagoadRom. 5, 14. quam, das jenige Bild / nach welchẽ und nach deſſen Muſter das edle Kind1. Cor. 15, 47. Gottes gebildet werden ſoll. Jn den Geſchichten des Mohren-Lands wirdv. Heliod. hiſtor. Ac - thiop. l. 4. & 10. p. 157. & 430. erzehlt ein ſeltzames Exempel / ſo ſich begeben mit einer Mohren-Koͤnigin / die in ihrem Zimmer und Gemach das ſchoͤne ſchneeweiſſe Bild der Jungfrauen Andromeda auffgehenckt gehabt / welches Weib ſie / da ſie ſchwanger worden / und auff ſchwerem Fuß gegangen / immer angeſchauet / wol und tieff eingebildet / worauff ſichs begeben / daß wider die Natur / Art und Sitt der Mohren (nicht ein ſchwartzes / ſondern) ſchneeweiſſes Kind an die Welt geboren worden. Nun ſind wir auch von vnſerer erſten Art uud Natur ſchwartze / ungeſtalte / ſcheitzliche Mohren fuͤr Gott und allen hei - ligen Engeln / koͤnnen uns ſelbſt von uns ſelbſt nicht anders bilden und faͤrben / Kan auch ein Mohr ſeine Haut wandlen? ſpricht Jere -Ier. 13, 23. mias: Sollen wir nun ſchoͤn / weiß / wol und anders gebildet und wieder -Amos, 9, 7. geboren werdẽ als die Kinder des Liechts / die candidaten des Him̃elreichs /Sechſter Theil. Pſo kan114Die Neunteſo kan es anders nicht ſeyn und geſchehen als durch den holdſeligen AnblickHebr. 1, 3. Jeſu Chriſti / der das Ebenbild Gottes ſelbſt iſt; der Heilige Geiſt iſt ἐπιφερόμενος, der Mahler / Contrafeter und Bildmacher / durch deſſen kraͤfftige und fruchtbare ἐπέλ〈…〉〈…〉 σιν, Vberkunfft und einwuͤrckende Vber -Ioh. 3, 6. ſchattung der Menſch wiedergeboren; gleich wie die Jungfrau Maria Chriſtum empfangen durch die Vberſchattung des Heiligen Geiſtes: AlſoLuc. 11, 35. wird auch der neue Menſch durch die kraͤfftige Vberkunfft des Heiligen Geiſtes gezeuget / geſegnet und geboren.
II. Die Mutter iſt die Chriſtliche Kirche / ſo von demPſal. 87, 5. Wort Gottes geſchwaͤngert iſt: Gleich wie Maria iſt geweſen die MutterGal. 4, 26. Chriſti / und doch dabey eine reine Jungfrau: alſo / wie Auguſtinus ſchrei -Eſa. 54, 1. c. 60, 4. c. 49, 18. bet / hat Chriſtus ſeiner Kirchen gegeben im Geiſt / was ſeine Mutter gehabt in ihrem Leibe / daß ſie nemlich Mutter were und Jungfrau / Mut - ter wegen ihrer inbruͤnſtigen Liebe / Jungfrau wegen ihres ungefaͤrbten Glaubens; Wie die Mutter Chriſti nicht allein unter / ſondern auch im Hertzen empfangen und Chriſtum getragen; Alſo auch die Chriſtliche Kir - che / als die geiſtliche Mutter empfaͤhet Chriſtum mit dem Munde im Sa - crament / im Hertzen durch den Glauben.
‘Auguſt. ferm. 50. de verb. Dom. Chriſtus Eccleſiæ conceſſit in ſpiritu, quod mater ejus habuit in corpore, ut ſc. mater eſſet & virgo: mater viſceribus cha - ritatis, virgo integritate fidei. hæc Auguſt. Dicitur quidem phraſi Eccleſiaſtica Eccleſia mater in regeneratione; propriè tamen Deus ipſe mater eſt Eſa. 66, 9. Eccleſia eſt ſinus IN quo Filius DEI renaſcitur: eſt obſtetrix, nutrix, alumna. ’ ()III. Die leider uͤbelgeborne Mißgeburt / ſo wiederge - boren werden ſoll / iſt ein Adams-Kind / welches zwar natuͤrlicher Weiſe geboren / aber als ein todes Kind / ſo tod auff die Welt kommen / als eine unzeitige Geburt außgeſetzet / ſo zwar lebendig gnug zum boͤſen / ein Greuel fuͤr Gottes Augen / ſo ſcheußlich als ein Kind ſeyn mag / das noch in ſeinem Blute und ſecundinis ligt / occiſo magis quam nato ſi - milis, vielmehr einem ertoͤdteten als gebornen Menſchen aͤhnlich / wie Plu - tarchus ſchreibet; Soll ein ſolcher Vnflat anders und beſſer gebildet wer -Ioh. 3, 3. 5. den / iſt die Wiedergeburt von noͤthen. Es ſey dann daß iemand wiedergeboren werde / ſo kan er nicht in das Reich Gottes kommen.
IV. Die Wiedergeburt an ſich ſelbſten / beſtehet in einer augenblicklichen Aenderung / da erſtlich die alte GeburtIoh. 12, 24. getoͤdtet / und die neue erſchaffen wird; Wie der Samen mußzuvor115Predigt. zuvor getoͤdtet / der tode Menſch begraben werden / daß er mit verklaͤrtem Leibe wieder herfuͤr kommet: Alſo muß der alte Adam erſaͤufft / durch dieRom. 6, 4. Tauffe begraben werden in den Tod / und ein neuer Menſch herfuͤr kom - men / eine neue Creatur. Ein Goldſchmied / wann derſelbe ein alt abge - nuͤtztes Geſchirr in die Hand bekommet / ſoll ers wiedermb neu machen / und in eine andere Form und Model gieſſen / ſo muß er daſſelbe im Tiegel umbſchmeltzen: Alſo gehets auch in gewiſſer maß in dieſem hohen Goͤttlichen Wercke her.
V. Der geiſtliche / fruchtbare / wolgedeyende Samen / ſo von dem Heiligen Geiſt erweckt und fruchtbar gemacht / iſt zweyer - ley / Einmal der unverweßliche Same des Göttlichen Worts / dadurch Abraham vor der Beſchneidung / Cornelius der Hauptmann /Luc. 8, 11. Valentinianus und andere Gottſelige catechumeni allbereit vor demIac. 1, 18. Gebrauch und Genuß der heiligen Tauffe wiedergeboren; Der andere1. Pet. 1, 23. Samen iſt das fruchtbare Sacrament / das Bad der H. Tauff /Ioh. 3, 5. dadurch ordinariè, als durch ein ordentliches Mittel die Kinder wieder -Eph. 5, 26. geboren werden.
VI. Die holdſelige Geburt / ſo heraus kommet / die Frucht / iſt das wiedergeborne Kind Gottes / iſt eine lebendige / geiſtliche / warhafftige Geburt; Jſt keine pictur oder Gemaͤlde / kein Kunſtſtuͤck / kein ἀυτὀματον oder Vhrwerck / wie Alberti Magni Gemaͤchte; ſondern das da leibet und lebet / in Bewegungen / Athem und lebendigen Geſchaͤfften ſich / wiewol in gewiſſen gradibus, erzeiget / waͤchſet und zunimmet durch das Wort / als die reine lautere Milch und Nahrung. Es iſt dieſe Geburt ein Kind / mit kindlichen Tugenden begabet. 1. Ein gläubig Kind / das da begierig iſt nach der lautern Milch / ſich an die Bruͤſte Alten und Neuen Teſtaments legt / ſauget die Milch biß zur Vollkommenheit; dasEph. 4, 13. ein gut Vertrauen hat / fleiſſig und leutſelig / laͤſſet eine gute Hoffnung vonRom. 8, 24. ſich ſcheinen; ein gehorſames und gedultiges Kind unter der Ruthen / wann es gezuͤchtiget wird; ein verſoͤhnlich / keuſch / demuͤthig / freygebig Kind / das umb kein Laſter weiß / gebildet nach dem Ebenbilde des Vaters Chriſti. Es iſt dieſe Geburt 2. ein wolgeboren Edel-Kind / ein Außerwehlter / Verlobter Gottes / ein Nazareer / ein Erſt - ling; fuͤr der Welt zwar veracht / wie Chriſtus in der Krippen / aberIac. 1, 18. werth geachtet fuͤr den Engeln und Gotte / ein junger Koͤnig / aber nochApoc. 14, 4. unter dem Zuchtmeiſter.
P 23. Ein116Die Neunte3. Ein koͤnigliches Kind / ein geborner Koͤnig des himm - liſchen Jeruſalems und Ritter des guͤldenen Fluͤß; ein Kind des Liechts /Epheſ. 1, 5. ein wolgeborner Freyherr / frey von des Geſetzes Zwang und Fluch / und2. Petr. 1, 4. des Teufels Anſpruch. 4. Ein liebes Schoß-Kind Gottes /Ioh. 1, 14. Gott affectionirt / chariſirt daſſelbe / und zuͤchtiget mit Maſſen / gehet ſaͤu - berlich umb mit ihm; Es iſt ein Mitgenoß der Goͤttlichen Natur durch die Kindſchafft / ſitzet Gotte in dem Schoß / auff daſſelbe quillet und flieſſet die vaͤterliche Liebe / Sorge / Gnade / Engel-Schutz / Erhoͤrung des Gebets; Es iſt ein Blutsfreund Chriſti nicht nur nach dem Fleiſche / ſon - dern auch fuͤrnemlich im Geiſt; Ein Wohn-Hauß des Heiligen Geiſtes / an welchem Gott der Heilige Geiſt ſeine Freude und Luſt ſiehet / in wel - chem er auch gern wohnet; Ein Gaſt-Hauß des Heiligen Geiſtes / in welchem das Ebenbild Gottes wieder erſtattet wird.
5. Ein Glůcks-Kind / ein ſeliges Kind / wegen der Hoffnung zu einem unvergaͤnglichen / unbefleckten / unverwelcklichen Erbe / welches von Gott dem Vater bereitet / von Chriſto erworben / von dem Heiligen Geiſt zubracht und geſchencket wird / nemlich das liebliche weit uͤber jenes irrdiſche Honig-flieſſende und Milch-reiche Erbland Canaan / dadurch die Kinder Jſrael hoͤher hinauff zu zielen und zu dencken gelocket worden / durch das perſpectiv und Spiegel des irrdiſchen Canaan / in ein anders himmliſches Erb-Land Canaan zu blicken und dahin ſich zu ſehnen; einem reich Erbe / weit uͤber Caroli V. Erbe / der alſobald in ſeiner Empfaͤng - nuͤß und Geburt ererbet von ſeinem Vater Philippo die Niederlaͤndiſchen Provincien / von ſeiner Mutter Hiſpanien und einen guten Theil Jtalien / von ſeinem Groß-Vater Maximiliano das Ertzhertzogthumb Oeſterreich; der mochte wol ſagen: Mir iſt ein ſchoͤn Erbtheil worden: Aber vielmehr ein wiedergeborner Menſch; Ein Erbe / da nichts mangelt / ein unzerſtoͤr - liches Erbe / wann alle weltlichen Erbe zerſtuͤben / Brieff und Siegel nichts mehr gelten / der pappirne Mam̃on zum Mamelucken wird / ſo bleibet dieſes Erbtheil der Heiligen im Liecht unverruckt; Ein Erbe / welches nicht kleiner noch geringer wird / wegen der Menge der Beſitzer / nicht enger wegen der groſſen Zahl der Mit-Erben / ſondern iſt und bleibet ſo groß in vielen als inAuguſt. in Pſ. 136. 149. wenigen / wie allen alſo einem ieglichen / gerecht und gnug / wie Auguſtinus ſchreibet: Jſt alſo in der Summa die wiedergebaͤhrende Gnade eine ſolche Gnade / da ein armes in Grund und Boden ver - derbtes / geiſtlich-todes Eva-Kind durch die Gnade Gottesdes117Predigt. des Vaters / Sohns und Heiligen Geiſtes aus dem unver - gänglichen Samen des Goͤttlichen Worts und gnadenrei - chen Waſſer-Bad der Wiedergeburt / wider im Verſtand / Hertz und Willen / und von neuen geboren und geartet / wird zu einem frommen / edlen / koͤniglichen Gluͤck und Erb-Kind des himmliſchen Canaans / der ewigen Freude und Seligkeit.
O eine theure Gabe! Sehet welch eine Liebe iſt das / Sehet1. Ioh. 3, 1. welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget / daß wir Gottes Kinder heiſſen! Erkennets doch / æſtimirt es auch / daß ihr nicht einen Verweiß verdienet / wie Nicodemus / der alles gewuſt / ohne dieſes einige neceſſarium, welches von noͤthen zu wiſſen. Geſchicht noch manchẽ Rabbi und weltweiſen Mañ; und mag dieſelbe wol genennet werden I. Gratia - rum apex, der höchſte Gnaden-Adel! Der Welt-Adel wird hoch gehalten / machet auffgeblaſene Hertzen; A jax und Ulyſſes ſchlagen ſich umb die Narren-Kapp / welcher Jovi naͤher verwand: Alexander M. reiſet in Libyam Æthiopiæ durch Wuͤſteneyen und wilde Sandfeld / mit groſſem Vnkoſten / Lebens-Gefahr und Beſchwerden / auff daß er von Jove Ammonio, das iſt / dem Teufel fuͤr einen Sohn Jovis erkant und gegruͤſſet werde: laſt ehe ſeinem Vater Philippo Hoͤrner auffſetzen / die Mutter zu ſchanden werden / als daß er ihm dieſen Titul nehmen ließ. Romulus will eintziger noth Martis Sohn heiſſen. Laſſet ſie pralen / ihr Pracht iſt laͤngſt aus / und ſchwitzen allbereit in der Hoͤllen-Glut. So pranget man heutiges Tages mit Adel und Namen / Herkommen und Stammen / und gedenckt doch ſo gar nicht zuruͤck an die natuͤrliche unflaͤtige Geburt / deren wir uns mehr zu ſchaͤmen als zu freuen. Was ruͤhmet ſich ein Kind / deſſen Vater ein maleficant, ein Bandit / ein perduell geweſt? Wir ſchreiben uns alle von Adams Jammerthal und Evæ Grabſtein. Was hilfft es / wann einer ſich ſchreibet invictiſſimus, der Vnuͤberwindlichſte / und muß ſich von einem Fieberlein uͤberwinden laſſen? Sereniſſimum, den Allerdurchlaͤuchtigſten / deſſen Hertz verfinſtert / der ſich fuͤr Gottes Au -
‘Prima. ait Auguſtinus ſerm. 24. de temp. nativitas ex maſculo & fœminâ; ſecunda nativitas ex Deo & Eccleſiâ. Ecce ex Deo nati ſunt. Vnde factum eſt, ut habitaret in nobis. Magna mutatio! ille factus eſt caro, iſte ſpiritus! Quid eſt hoc? qualis Dignatio, Fratres mei? Erigite animum ad ſperanda & capienda potiora, nolite adjicere cupiditatibus ſecularibus, precio emti eſtis, propter nos verbum caro factum eſt: propter vos, qui erat Filius Dei, factus eſt Filius homi - nis, ut qui eratis Filii hominum, efficeremini Filii Dei. ’ ()P 3gen118Die Neuntegen nicht darff ſehen laſſen: generoſiſſimum und Wolgebornen / der doch ſo uͤbel geboren?
Aber hier iſt die rechte〈…〉〈…〉 γένεια und Gottes-Adel / da einer geboren iſt aus Gott / von Gott / durch Gott / in Gott / zu Gott /Act. 17, 28. Θεοῦγένος ἐσμὲν, Wir ſind Goͤttliches Geſchlechts / ſo geboren wor - den von dem alleredelſten Vater des Liechts / durch die alleredelſten Mittel / zu dem alleredelſten Ende und Zweck / ad cœleſtes μονὰς, zu den ewigen Freuden-Wohnungen; das iſt der rechte Gnaden-Adel. Welt-Edlen1. Tim. 1, 4. iſt hoch angelegen / den Vrſprung ihres Stammes zu erkundigen / ſpendi -Tit. 3, 9. ren auff genealogias, laſſen dieſelbe illuminiren / pralen fuͤr andern damit / Aber was finden ſie in ihren genealogiis und Stamm-Linien? beſtias und centauros, wilde Maͤnner und barbaros, das bekuͤm̃ert ſie weniger als2. Sam. 20, v. 1. wañ Pfeffer mit einvermiſcht ſich erzeigt. Sie findẽ offt Abſolones in Da - vids Lini / Sebas, beruͤhmte heilloſe Leute / das iſt / Edel von Gebluͤt / Bauren von Gemuͤth. Wie viel mehr liget uns ob die Erkundigung des Vr - ſprungs und Stammes / woher wir uns ſchreiben / als viel mehr uns daran1. Reg. 22, 24. gelegen! und ob wol die Κρ〈…〉〈…〉 ίσις ſchwer / das examen mißlich / die Probe ge - faͤhrlich / die Heucheley allzugroß: Der Baals-Pfaff Zedekias will den H. Geiſt haben / Micha der Prophet des HErrn ſoll eine Maulſchell dafuͤr2. Sam. 15, 7. ſeqq. empfangen / Abſolon will ein frommes Kind ſeyn / und Gottesdienſt thun / eben da er ſeine rebellion anſpinnet. Judas hat den Schein der Froͤm -Ioh. 12, 4. 5. migkeit / da er fuͤr die Armen ſorget; hingegen Chriſtus muß den NamenLuc. 11, 15. haben / er hab Gemeinſchafft mit dem Beelzebub: Maria war ſchwangerMatt. 1, 19. in einem falſchen Argwohn / als haͤtte ſie nicht vom Geiſt / ſondern von einem Ehebrecher empfangen.
Jedoch ſind Kenn - und Merck-Zeichen da / die zwar andere / aber uns ſelbſt nicht bethoͤren koͤnnen / als da ſind 1. motus Spiritus S.Rom. 8, 14. die Bewegung des Heiligen Geiſtes / die Antreibung zum Gebet / zu Anhoͤrung des Goͤttlichen Worts / zum Eifer / zur Gottſeligkeit nach der Regul des Goͤttlichen Worts / nicht den ſelbſt-eingebildeten / falſch-erdich -Matth. 18. 3. teten / paͤpſtiſchen Gottesdienſt. 2. Indoles infantiles, die kind - liche Art / Sitten und Tugenden / 3. Recht thun und nicht fre - ventlich ſuͤndigen / iſt der Wiedergebornen eigen character und Merck - mahl / dann wer aus Gott geboren iſt / der kan nicht ſuͤndigen /1. Ioh. 3, 9. oder Suͤnde thun / ſpricht St. Johannes: Ohne Suͤnde iſt nie - mand / die Suͤnde wohnet auch in dem allerheiligſten: aber keineSuͤnde119Predigt. Suͤnde wiſſentlich und williglich wider Gewiſſen thun ſie / wann und ſo lang der Samen Gottes in ihnen bleibet: gleich wie ein Organiſt nicht fehlet / ſo lange er nach der recht-geſtellten Tabulatur ſchlaͤget. 4. Son. derlich charitas, die rechte / wahre / ungefaͤrbte Liebe / Es moͤgen ſich alle Chriſten zeichnen mit dem Zeichen des Creutzes / alle in der Gemeine antworten / Amen / einmuͤthiglich und einmuͤndig ſingen Alleluja / alle ge - taufft werden / in die Verſamlung der Chriſtlichen Gemein kom̃en / die Kir - chen hauffenweiß beſuchẽ; nichts aber unter allen ſolchẽ Werckẽ unterſchei - det Gottes und des Teufels Kinder / als die wahre ungefaͤlſchte vom Him̃el entzuͤndete hertzliche Liebe gegen Gott und dem Naͤchſten / ſpricht Auguſtin.
Hingegen die Adams-Kinder ſind die Abtruͤnnigen / Vngerathe - nen / Mamelucken / die Welt-Kinder / die ungetaufften Juden und Heyden / welche einig nach der Welt und dem irrdiſchen trachten: Die Belials Kin - der / die alle gute Ordnung und diſciplin verachten: Veneris nepotuli, un - keuſche Venus-Kinder / Abſolones, verlorne Soͤhne / die Cyclopen / Rauffer / duellanten und Stein-Helden / die ihre arme Seel dem Teufel zur Ran - tzion und Pfand auffſetzen / und ſo ſie in ſolchem unſeligen Stande ohne wahre Buſſe bleiben / als Teufels-Kinder / Kinder des Todes / Selbſt - Mord-Kinder / dem Teufel zufahren. So wehe es einem Vater thut / den ſeine Kinder ſtinckend machen / ſo wehe (menſchlicher Weiſe davon zu reden) dem Vater im Himmel! O wehe! rufft er uͤber den boß -Eſa. 1, 4. hafftigen Samen / die ſchaͤdlichen Kinder die zuruͤck weichen / den HERRN verlaſſen / den Heiligen in Jſrael läſtern. Welches Wehe er wecket das ewige Wehe.
III. Es iſt aber auch dieſe wiedergebaͤrende Gnade eine Anfriſtung und Trieb zu unſerm obliegenden Chriſten - Ampt; Varro pflegte zu ſagen / es were einer Statt nuͤtzlich / wann ſichVarro a - pud Au - guſt. l. 3. de C. D. c. 4. tapffere Maͤnner / ob es ſchon nicht ſich alſo verhielte / meyneten / ſie weren von den Goͤttern geboren / damit auff ſolche Weiſe ſie zu gleichen Tugen - den / heroiſchen mann - und namhafften Thaten gereitzet und bewogen wuͤrden. Was Varro der Heyde ſeines gleichen faͤlſchlich eingebildet / das ſprechen und ruͤhmen wir uns mit Warheit! wañ derwegen mit ihrer Verſuchung auffgezogen kommet die gottloſe verfuͤhri ſche Welt / mit ihrem glatten Huren-Spiegel / wann boͤſe Geſellſchafft locket zur Babyloniſchen Dame / zu den admirandis ſeculi, oder was die Welt hoch ſchaͤtzet und ruͤhmet / ſo ſage ein Kind Gottes mit Cypriano: Nunquam opera hu -Cyprian. l. de ſpectac. mana mirabitur, qui ſe filium DEI cognovit; Es wird ſich einer nicht zuſehr120Die Neunteſehr uͤber Menſchen - und Schatten-Werck verwundern / wann er weiß daß er ein Kind Gottes ſey / apage! heb dich weg / ſolt ich meines grund - guten himmlichen Vaters ſeinen Namen ſtinckend machen? das ſey fer - ne von mir! Wann dich verſuchet dein Fleiſch und Blut / ſo antworte: apage! weg mit dir! Jch bin ein Kind Gottes / ich halte mich zu gut dazu / ich bin zu hoͤhern Sachen geboren / als daß ich der weiſſen und rothen Er - den dienen ſoll. Was wuͤrde ein junger Edel-Knabe gedencken und ſa - gen zu einem Bauer / wann er ihm ruffete / er ſolte ihm helffen arbeiten in der Miſt-Grube / eben das ſage du auch / wann dich Fleiſch und Blut reitzet zum Argen: Packe dich du Vnflath! Verſuchet dich der Sathan / ſprich du getroſt: Apage! packe dich Sathan! dein Exempel ſchroͤcket mich / zuvor wareſt du ein Kind Gottes / ietzo aber ein Hoͤllen-Burger; ſolte ich ein Kind des Teufels werden / und mich des himmeliſchen Erbes verluſtig machen? da ſey Gott vor!
IV. Endlich auch Fons ſolatiorum, Ein unerſchoͤpfflicher Troſt-Brunn / wider die fleiſchliche ſuͤndliche Geburt / wider Armuth / wider Verachtung der Welt. Ein außerwehltes Chur-Kind Gottes tröſtet ſich des vergangenen Gnaden-Wercks der Wiedergeburt / und gedencket an ſeine genealogi, ſeinen hohen Adel und Stamm-Baum / und ſpricht: Θεοῦ γένος ἐσμὲν, Wir ſind Got -Act. 17, 28. tes Geſchlecht / ich ruͤhme mich in dem Herrn / ein ander mag ſich ruͤhmen ſeines Reichthumbs / ſeines hohen weltlichen Standes und Stammes / ich ruͤhme mich in dem Herrn / damit uͤberwinde ich alle Anfechtungen / ſo gedachte jener heilige Maͤrtyrer Romanus genennet / da er zur Marter hinaus geſchleppet worden / ſagte er:
‘Jch troͤſte mich in præſens der gegenwaͤrtigen〈…〉〈…〉 δοκία Dei, des Wolgefallen Gottes / als der mich liebet in ſeinem geliebten Sohne / und vom Himmel herab / auch umb deſſelben willen mir den Lob - und Lieb-Spruch gethan in der heiligen Tauffe: Diß iſt mein lieberMatt. 3, 17. Gnaden-Sohn / an dem ich Wolgefallen habe. Es ſindzwar121Predigt. zwar meine gute Werck unvollkommen und befleckt / aber ſie gefallen Gott wol; Was fuͤrchſtu dich derowegen O from̃er Chriſt in dem Schoß Got - tes? ſagt Auguſtinus. Ey ſo kom gleich dieſe oder jene Zeitung wo ſie her wolle / ſolten alle Vngluͤck uͤber mein Haupt wie Hagel-Steine zuſammen ſchlagen und auff mich ſtuͤrmen / ſolte auch die Welt gar untergehen / ſo ſte - het mein Glauben feſt auff einem ſtaͤhlern Grund / der heiſſet Kindſchafft Gottes; Wo zehlet ein Vater alle Haar ſeines Kindes? das thut aber derLuc. 12, 7. himmliſche Vater / und laͤſſet keins ohn ſeinen Willen herab fallen. WoLuc. 11, 11. 13. bittet ein Sohn den Vater umbs Brod / daß er ihm einen Stein darfuͤr biete? oder umb einen Fiſch / daß er ihm eine Schlange darbiete? Vielmehr wird der Vater im Himmel uns alles gutes geben / ſo wir ihn bitten. Creutz-Ruthen ſind vaͤ - terliche Zucht-Beſſerungs - und Artzney-Ruthen / ſie thun wehe / kommenHebr. 12, 5. aber von lieber Hand / unterdeſſen iſt und bleibt des ewigen Vaters Gut / Jeſu Chriſti Blut / des Heiligen Geiſtes Muth / unſer beſtes Erb-Gut. Sehr ſchoͤn und hochtroͤſtlich lauten die Wort im 37. Pſalm: Faͤllet einPſal. 37, 24. Kind Gottes / ſo wird es nicht weggeworffen / ſondern der HErr haͤlt es bey der Hand. Ein Kind iſt einfaͤltig und unvorſichtig / unſchuldig / faͤllet bald / und wann es faͤllet / ſo ſtoͤſſet mans nicht alſobald gantz zu Boden / ſondern man richtet es wieder auff / und haͤlt daſſelbe bey der Hand; alſo faͤllet manchmal ein frommes Chur-Kind Gottes in allerhand Vngluͤck / Schaden und ſuͤndliche Schwachheiten / aber der Herr laͤſt ihn nicht allzutieff fallen / will Petrus ſincken auff dem Meer /Matth. 14, 30. 31. der Herr reichet ihm die Hand / das er nicht verderbe.
3. In futurum, Troſt wider das zu kuͤnfftige Vngewitter / deſſen man ſich befahrt wider den ſcheutzlichen Anblick des grimmigen To - des / wider die Forcht der Hoͤllen. Kinder Gottes ſeyn iſt uͤber alles! ὑπερνικῶμεν, ſpricht St. Paulus: Wir uͤberwinden weit uͤber dasRom. 8, 37. alles! Ein Kind Gottes ſchwebet im Glauben uͤber allen meteoris, Wol - cken und Wettern. Es wird zwar / ſpricht es / geſchehen nach meines himli - ſchen Vaters Ordnung / ich werde durch die Todes-Schmertzen / durch die enge Todes-Pforte è ſecundinis, aus dem Haͤutlein und Fell des alten Adams / damit ich umbwickelt und gefangen geweſt / her aus ſchlieffen / ſter - ben und begraben werden / aber froͤlich wieder aufferſtehen in der andern Wiedergeburt der Gerechten zur ſeligen Offenbarung der Kinder Gottes / und als eine ſelige Geburt anſchauen das ewige Himmels-Liecht: dasSechſter Theil. QAnge -122Die ZehendeAngeſicht des Vaters / das Mutter-Hertz Chriſti / die huͤlff - und liebreiche Hand des Heiligen Geiſtes / der Heiligen Engel Geſellſchafft / das ſchoͤne Erbe; Wer kan laſſen / daß wo er in ſolcher devotion und Gedancken er -Phil. 1, 23. warmt / er nicht ſolt ſagen: Cupio diſſolvi, Jch begehre auffgeloͤſet zu ſeyn. Transvolemus hinc! Laſſet uns dahin ſchwingen / Gott laß gelingen! Amen.
Vber den dritten Articul / Von der gerechtmachenden Gnade Gottes des ge - fallenen Menſchen / welchem gemeldte Gnade Gottes angeboten wird.
GEliebte in Chriſto: Ajecha? Wo biſtu? ſo lautet die Stimme des ewigen Sohns Gottes / der in angenommener menſchlicher Geſtalt nach dem Fall un - ſern Eltern auff den Abend / da der Tag kuͤhl worden war / im Garten gangen / und nach dem ſich Adam verſtecket / und das Verbergen geſpielet / unter die Baͤum im Gartẽ / geruffen / Adam wo biſtu? Jſt zwar keine Frag-Stim̃ eines Vnwiſſenden / als haͤtte ihn das allſehende Auge nicht geſehen / und als were er der Goͤttlichen providentzApud Au. guſt. l. 22. contra Fau[st]c. 1. 1. entgangen / wie Fauſtus Manichæus vorzeiten geſchwaͤrmet / nicht / ſage ich / eine ſolche Frag - ſondern Straff-Stim̃e / ich frage nicht / Adam / in welchem Ort / ſondern in was fuͤr einem Stande du ſeyeſt / wo dich deine Suͤnde hingefuͤhret / daß du deinen Gott ietzo flieheſt / welchen du zuvorAmbroſ. l. de paradiſ. c. 14. ſucheteſt / wie Ambroſius gloſſirt / meynſtu / ich ſehe dich nicht / du elender Tropff! Jſt eine Göttliche citation, damit der gerechte Gott den gefallenen Menſchen fuͤr ſeinen Thron citiret / Rede und Antwort zu geben / als wolter ſagen: Komm herfuͤr / du muſt fuͤr Gericht / du muſt erſcheinen fuͤr dem Richter aller Welt / ſage an / Haſtu nicht geſſen von dem Baum / davon ich dir gebot / du ſolteſt nicht davon eſſen?
Jſt eine Stimme die noch nicht erſtummet oder ver -ſchwunden /123Predigt. ſchwunden / ſondern eine immer-ruffende Stimme biß an den Juͤngſten Tag incluſivè, welche der Herr mehrmal wieder - holet / c. 4. Wo iſt dein Bruder Abel? Was haſtu gethan? Gen. 4, 10.Die Stimme deines Bruders Blut ſchreyet zu mir von der Erden / ſie citiret und fordert mich zur Rache / darumb cirire und fordere ich dich fuͤr Gericht. O Cain wo biſtu? Vnd erſchallet dieſelbige Stim - me noch biß auff den heutigen Tag in dem Hertzen und Gewiſſen eines gefallenen ſuͤndhafften Menſchen / und thut ſich herfuͤr auff mancherley Weiſe durch einen freundlichen Anblick / wie Petro geſchehen /Luc. 22, 61. durch Exempel eigener und frembder Straffen / da der unbekanteGen. 42, 21. Joſeph ſeine Bruͤder hart gehalten / Simon in die Hafft gezogen / da fieng dieſe Stim̃e an in der uͤbrigen Bruͤder Gewiſſen zu reden: Das haben wir an unſerm Bruder verſchuldet / da wir ſahen die Angſt ſei - ner Seelen. Es redet dieſe Stimme durch allerhand Gelegenheiten / da - durch der ſchlaffende Hund wird auffgewecket. () Origeni wurde eins -() apud E - piphan. hæreſ. 64. mals zugemuthet / er ſolte eine Predigt thun / gerathet uͤber den 51. Buß - Pſalmen Davids / den nimmt er zum Text / da er anfangen will zu predi - gen / kom̃t ihm ins Gedaͤchtnuͤß ſein begangener ſchwerer Fall / da er durch ein heydniſches Opffer Chriſtum verlaͤugnet / fangt daruͤber an bitterlich zu weinen / ſo erbaͤrmlich / daß das gantze auditorium mit ihm weinen muͤſſen.
Ordentlicher Weiſe aber geſchicht ſolche citation und Ein - ladung zum Goͤttlichen Gerichte durch das hell-lautende Ge - ſetz-Wort. Mit welcher citation wir auch den hochwichtigen Arti -Act. 2, 37. cul unſers Chriſtl. Glaubens von der Rechtfertigung hiemit an - tretten / als welcher Articul auch klar im Apoſtoliſchen und Niceni - ſchen Symbolo begriffen: Credo remiſſionem peccatorum, Jch glaube eine Ablaß oder Vergebung der Suͤnden / da dann zuvorderſt von noͤthen / daß wir zu allererſt die citation fuͤrnehmen / das objectum juſtificationis, die citirte Perſon / die da ſoll gerecht - fertiget werden / beſchauen / alles in ſeiner eigenen Art / poſitur und Far - ben / worauff als dañ ex oppoſito die Krafft / Wichtigkeit und Wuͤrdigkeit der gerechtmachenden Gnade deſto heller wird erſcheinen. Spre - chen demnach aus Gottes Munde: Adam ubi es? O MenſchQ 2wo biſtu? 24[124]Die Zehendewo biſtu? wo ſteckeſtu? in was Stande biſtu begriffen? herfuͤr! heraus! laß dich hie richten / auff daß du nicht dort gerichtet werdeſt mit deinem un - wiederbringlichen Schaden.
Daß nun / wie das gantze Werck der Rechtfertigung eines ar - men Suͤnders fuͤr GOTT / ſo fern dieſelbe dem Menſchen ſoll durch das Ampt des Geiſtes appliciret und zugeeignet werden / als auch die citation und Einladung fuͤr Gottes Gerichte ein Werck und Gnaden-Geſchaͤffte des Heiligen Geiſtes ſeye / hat Chriſtus unſerIoh. 16, 8. 9. 10. 11. Heiland ſelbſt gelehrt und verkuͤndiget / es werde derſelbe die Welt ſtraffen umb die Sůnde / daß ſie nicht glauben an mich / das iſt / er werde kraͤfftiglich (ἐλεγξει) uͤberweiſen / daß ſie in der Suͤnde unter dem Reat und Straff-Pflicht Gottes lige / ſo lang ſie nicht glauben; umb die Gerechtigkeit / daß ich zum Vater gehe / daß kein anderer Weg der fuͤr Gott allein guͤltigen Gerechtigkeit und Seligkeit ſeye / als der blutige Creutz-Gang / dadurch ich zum Vater gegangen: umb das Gerichte / daß der Fuͤrſt dieſer Welt gerichtet / uͤberwunden / diſar - mirt und außgezogen / und alſo alle recht an uns durch Chriſti Blut theuer erkaufftes Eigenthumb / verlohren / deme wir allein zu dienen ſchuldig / und uns nicht mehr in vorige Tyranniſche Dienſtbarkeit des Sathans einzu - flechten haben. Gott der H. Geiſt / der die Welt ſtraffet umb die Suͤnde / aber auch gerecht und heilig machet / wolle außforſchen und ſtraf - fen / daß wir durch ihn zum rechten Gnaden-Thron Chriſto gelangen / da Heil / Leben und Seligkeit erlangen moͤgen / Amen.
WAnn wir demnach fragen: Adam wo biſtu? was biſtu? in was Stande biſtu begriffen von Natur / durch den Fall / auſſer der Gnade Gottes? ſo kan das GewiſſenRom. 4, 5. aus Gottes Wort anders nicht antworten / als: Jch bin ein armer Suͤnder / ungerecht und gottloß / Gott machet aber den Suͤnder gerecht; Vngerecht iſt er fuͤr und wider ſeinen Gott / dem er ſeine Ehr geraubet durch eigen-Ehrſucht / ein rechter Ehren-Dieb worden / in dem er ihn nicht uͤber alle Ding gefuͤrchtet / ſondern ſicher manche Suͤnde vor ſeinen Augen begangen: nicht uͤber alle Ding geliebet / ſondern Eigen - und Fleiſches-Luſt dem hoͤchſten Gute fuͤrgezogen; nicht uͤber alle Ding vertrauet / ſondern offt menſchlichen Arm zu einem Gott auffgeworffen / auff ſein Netz / Gold und Gaben getrutzet / Gottes Namen und Sabbathenthei -125Predigt. entheiliget: Vngerecht auch wider ſeinen Naͤheſten / dem er unge - horſam geweſt / nicht gebuͤhrlich / ſo viel ohne Verſehrung des Gewiſſens und ohne Abgang der Ehre Gottes (dann die erſte Tafel gehet allzeit der andern vor) hat ſeyn koͤnnen und ſollen / geehret / den naͤheſten unter ihm geaͤrgert / durch Ergernuͤß die unſchuldigen Seelen gemordet / den Naͤch - ſten neben ihm gehaſſet / angefeindet / geneidet / und ob irgend die Flamme nicht allzeit außgebrochen / ſo hat ſie doch im Hertzen gegluntzet / ſo iſt doch das Hertz die Moͤrder-Grube / da es wimmelt voll boͤſer ſtratioten / die wider die Seele ſtreiten; Vngerecht endlich gegen ſich ſelbſt / in dem er ſich ver - unreiniget / Leib und Seel beſchweret mit uͤbrigen eſſen und trincken / ſein Hertz iſt ein recht lupanar und Luſt-Grab voll Fleiſches-Luſt / er iſt ſeines eigenen Hertzens Peiniger und Moͤrder ſeiner Seelen geweſen / und wel - ches das aͤrgſte / den zehenden / ja hunderten Theil commiſſorum, omiſſo rum, occultorum; der begangenen Suͤnde / des unterlaſſenen Guten und denn der heimlichen / verborgenen Suͤnden verſtehet man nicht / man ver - giſſet offt viel / was im Goͤttlichen protocoll auffgeſchrieben ſtehet. Wer ſich hie excipiren und außnehmen / und allerding glaßrein ſeyn will / der iſt der aͤrgſte und groͤſte Suͤnder. Spricht der Menſch / er hab keine Suͤn - de / ſo iſt er ein Luͤgner / ſo wir ſagen / wir haben keine Suͤnde /1. Ioh. 1, 8. 10. halten uns Engel-rein in Gedancken / affecten / Begierden / ſo verfuͤh - ren wir uns ſelbſt / wir ſind Heuchler / ſtoltze / auffgeblaſene Heiligen / und die Warheit iſt nicht in uns
Jch bin ein verklagter Suͤnder von Moſe / durch denIoh. 5, 45. ſchwartzen Buchſtaben / durch das nigrum theta, der ſagt: VerfluchtDevt. 27, 26. ſey der Menſch / der nicht thut alles / was im Geſetz geſchriebenGal. 3, 10. ſtehet. Wie die Sonn / wann ſie auff einen Koth oder Miſt-Grube ſticht / Geſtanck erwecket / alſo auch der Feuer-Spiegel des allgerechteſten / geſtrengeſten und ſchaͤrffeſten Geſetzes. Ja auch im Neuen Teſtament iſt Paulus Moſis Dolmetſch / der malet alle Menſchen gar ſchroͤcklich ab /Rom. 3, 10. 12. 13. 23. er ſagt / es ſey nicht einer / der gerecht ſey unter allen Menſchen -Pſal. 14, 3. Kindern / ſie ſind allzumal Suͤnder / und mangeln des Ruhms / den ſie vor Gott haben ſollen / der vollkommenen eigenen Gerechtig - keit / ὑςεροῦνται τῆς δόξης, gleich einem Lauffer im ſtadio und Welt-Lauff / wie hefftig er ſich auch bemuͤhet / wann er einen Kuͤriß an hat / ſo erlanget er das Kleinod nicht: Alſo der Menſch / wann er gleichſam mit der Suͤnde als einẽ Harniſch und Bantzer umbgeben iſt〈…〉〈…〉 περιςάτῳ ἁμαρτίᾳ mit der inQ 3und126Die Zehendeund anhangenden Suͤnde / wann er mit Suͤnde umbfangen. Keiner thut guts / auch nicht einer / ſie ſind alle abgewichen / hacol Sar, gleich einem abgefallenen ſtinckenden Wein / ſie ſind alle untuͤchtig worden / unnuͤtze Knechte / bey weitem nicht ſo gut als unnuͤtze Knechte / ihr Schlund iſt ein offenes Grab / eine ſtinckende garſtige Schlutt / daraus unauffhoͤrlicher Vnluſt herfuͤr ſteigt / Otter-Gifft iſt unter ihren Lippen / auch die beſten Wort haben offt Gifft in ſich / iſts nicht allezeit in actu, ſo iſts doch in habitu, bricht die Frucht nicht allezeit aus / ſo iſt doch die Wurtzel vorhanden / fahren die Funcken nicht allezeit her - fuͤr / ſo gluntzet es doch / erzeigen ſich die Waſſer nicht allezeit / ſo iſt doch die Quell da.
III. Jch bin ein überzeigter und uͤberweiſeter Suͤnder aus dem protocoll und Handſchrifft meines eigenen Gewiſſens / welches wider mich zeuget / ex actis & probatis, ex judicio rigido & reflexo, wann der Menſch recht in ſich gehet / in den Abgrund ſeines Hertzens durchbricht /Ezech. 8, 3. ſeqq. wie dort Ezech. 8. da ſihet er die Greuel zum Verdruß des Herren / wann er Jahre / Zeiten / Orte bedencket / wo eine und andere Suͤnde voll - bracht worden / Peccata mea, ſagt Bernhardus, celare non poſſum, quo - niam quocunque vado, conſcientia mea mecum eſt, ſecum portat, - quicquid in eâ poſui ſive bonum ſive malum; ſervat vivo, reſtituet de - functo depoſitum, quod ſervandum accepit. Meine Suͤnde kan ich nicht verhaͤlen / dann wo ich hingehe / da iſt mein Gewiſſen bey mir / und traͤget mit ſich / was ich in daſſelbe geleget / es ſey gut oder boͤſe; Es hebt mir auff / weil ich lebe / und wird mir auch wiedergeben nach dieſem Leben / was es auffzuheben von mir bekommen. Da ſtehet nun der arme Menſch ſchamroth / er muß die Augen niederſchlagen / und verhuͤllen / wie HamanEſth. 7, 8. ſein Angeſichte verhuͤllet / und ſich ſchaͤmen.
IV. Jch bin ein verurtheilter und verdammter Suͤn -Ioh. 16, 8. der / alſo folgends ſchuldig des Todes / durch den Heiligen Geiſt / der die Welt ſtraffet / fuͤr GOTT / der da iſt ein verzehrend Feuer /Rom. 3, 20. nichts kan fuͤr ihm beſtehen / ohne das da gantz rein und ohne Mackel iſt /Matth. 18, 24, Gott fordert ſein Recht und Schuld / der Menſch iſt χρεωφηλέτης, der groſſe Schuldner / der nimmermehr von ſich ſelbſt bezahlen kan / ja von ſich2. Sam. 12, 5. ſelbſt (ἀυτοκατάκριτος) zum ewigen Tode verurtheilt und verdammt / wie David uͤber ſich ſelbſt das Vrtheil geſprochen und geſagt: Jch bin derMann127Predigt. Mann des Todes / ich hab geſuͤndiget / und damit den Tod verwircket / deme muß ein iedweder Menſch nachſprechen und alſo fol - geren: Wer nicht thnt alles / was im Geſetz geſchrieben ſtehet / der iſt ver - flucht und verdammet; Jch thu nicht alles ꝛc. derowegen ſo bin ich ver - dammet. In domô propriâ, in propriâ familiâ, ſagt abermal Bernhar - dus, habeo accuſatores, teſtes, judices, tortores: accuſat me conſcientia, teſtis memoria, ratio judex, voluptas carcer, timor tortor; Jn meinem eigenem Hauſe hab ich meine Verklaͤger / Zeugen / Richter / Peiniger: Es verklaget mich mein Gewiſſen / es zeuget das Gedaͤchtnuͤß / die Vernunfft iſt mein Richter / die Wolluſt das Gefaͤngnuͤß / die Furcht mein Peiniger.
V. Jch bin aus und von mir ſelbſt ein an ſich verzwei - flender Suͤnder; dann wer Gott zum Feinde hat / wo will der hinaus? was will er hoffen? wer einen ungnaͤdigen Koͤnig hat / dem iſt niemand hold im gantzen Lande / vielmehr wer einen ungnaͤdigen Gott im Him - mel hat / dem ſind alle Creaturen zuwider und zu ſeiner Rach bereitet. Will er zu den Engeln / ſo ſind ſie Cherubim / die ihm widerſtehen mitGen. 3, 24. einem feurigen / hauenden Schwert; will er auff ſich ſelbſt und eigene Buß und Verſoͤhnungs-Wercke bochen / ſo iſt es wie Wachs gegen dem Feuer / ein bekleidtes garſtiges Kleid / davon man Abſcheuen hat und traͤgt / und wie heilig ſolche Werck auch ſcheinen moͤchtẽ / ſo ſind ſie noch keine Engliſche / geſchwelge dann unendliche Gerechtigkeit / dadurch der unendliche Zorn Gottes wider die Suͤnde moͤchte geſtillet werden. Wann wir gleichLuc. 17, 10. alles gethan haben / was wir zu thun ſchuldig ſind / ſo ſind wir unnuͤtze Knechte / ſind alſo noch nicht ſo gut / als unnuͤtze Knechte / weil wir ja nicht alles gethan / was wir zu thun ſchuldig geweſen / meine gute Werck die golten nicht / es war mit ihnen verdorben / der frey Will haſſet Gottes Gericht / er war zum guten erſtorben; die Angſt mich zu verzweifeln treib / daß nichts dann ſterben bey mir bleib / zur Höllen muſt ich ſincken / ſo lautet der allgemeine eju - latus des menſchlichen Geſchlechts.
VI. Ein verſöhn-faͤhiger Sůnder / der bey Gott wieder kan außgeſoͤhnet werden; Dergleichen mag dem Sathan nimmer - mehr gedeyen / derſelbe glaubet zwar / aber φρίττει, er erzittert; quot myſte - ria fidei tot tormenta, ſo viel Glaubens-Geheimnuͤßer erkennet / ſo viel Furcht - und Angſtgeiſſeln empfindet er. Deßgleichen iſt auch nicht wenigerals128Die Zehendeals den Teufeln die Gnaden-Pforte beſchloſſen / allen nunmehr verdamm - ten Hoͤllen-Braͤnden / die die Gnaden-Zeit verſaumet / denen iſt alle Hoff - nung abgeſagt; Aber HJE / HJE / HJE iſt noch Hoffnung / HJE all Suͤnde vergeben werden / HJE heiſſet es: Credo remiſſionem peccatorum, Jch glaube gewiß eine Verge - bung der Suͤnden / HJE in der Chriſtlichen Kirchen / Gott hat alle Menſchen unter den Vnglauben beſchloſſen / gleich als inRom. 11, 32. Gal. 3, 22. einem Kercker. Wann ein Koͤnig viel Moͤrder / Diebe und Straſſenraͤuber und dergleichen boͤſe Buben ins Gefaͤngnuͤß legen und ſagen ſolte / Jch hab dieſe ſaubere Geſellen alle miteinander in die Hafft gezogen: niemand wird aus ſolchen Wortẽ ein andere conſequentz und Folge ſchlieſſen koͤñen als dieſe: ad Juſtitiam, ad Nemeſin, auff daß ich ſie alle wegen ihrer Miß - handlung abſtraffe andern zum Exempel. Aber in dem mildeſten Gnaden - Gericht / kom̃t gar eine andere unverhoffte conſequentz heraus / deren man ſich nicht haͤtte verſehen / die lautet alſo: Auff daß er ſich ihrer aller erbarme.
Doch mit angehengter condition der Goͤttlichen Ordnung / ſo ſie ſich demuͤtigen und appelliren vom Thron der Gerechtigkeit zu dem Gna - den-Thron: wañ ſie ſich von Moſe als dem Zuchtmeiſter laſſen fuͤhren und leiten zu Chriſto: wann ſie von den Wunden zu dem Artzt / von dem credi - tore und Glaͤubiger zu dem Buͤrgen ſich begebẽ; Er der medicus ſelbſt gibtLuc. 12, 58. 59. einen guten Rath; So du mit deinem Widerſacher fuͤr den Fůr - ſten geheſt / ſo thue Fleiß an auff dem Wege / daß du ſein loß werdeſt / als wolte er ſagen: Verklaget dich einer fuͤr Gerichte / und dir iſt nicht geheuer bey der Sache / ſo wag es nicht / vergleiche dich mit ihm guͤt - lich / mache ihn klagloß / auff daß er dich nicht etwan fuͤr den Rich - ter ziehe / und mit ſcharffem Recht mit dir verfahre: und der Richter (wann du ſachfaͤllig worden) uͤber antworte dich dem Stockmei - ſter / und der Stockmeiſter werffe dich ins Gefaͤngnuͤß / Jch ſage dir / du wirſt nicht von dannen heraus kommen / biß du den letzten Heller bezahleſt; Aber das wird wol anſtehen biß in Ewig - keit. Alſo wer mit Moſe will rechten / der verlieret es richtig / er iſt gar zu accurat, hart und ſcharff / er will bey einem Oertlein oder Hellerlein bezahlet werden. Jn der Welt gewinnet mancher eine boͤſe / faule Sache vor Ge - richt / da man bißweilen die kleine Diebe hencket / die groſſen aber laͤſſetdurch -129Predigt. durch ſchlupffen. Jn Moſis Gericht nicht alſo / darumb wer gewinnen und nicht verlieren will / der gebe ſich hier ſchuldig / er ſubmittire / er ſuche einen wolberedten Advocaten und Fuͤrſprecher / der ihn wider das ſtrenge Moſaiſche Gericht vertrette.
Jſt dem alſo / was hat ſich dann der ſtoltze / auffgeblaſene / geſchwulſti - ge / auffgebaumte Phariſeer / duͤrffen einbilden / daß er fuͤr Gottes AngeſichtLuc. 18, 11. 12. getretten / und dem Herren ſeine gute Werck in die Sonne gelegt / ſich glaßrein gemachet im Gebet fuͤr Gott; Was zeihen ſich die ſtoltzen / ſcheinheiligen () Phariſeiſche (welches Tituls ſie ſich nicht mehr ſchaͤmen)() Vide Corn. à Lap. ad Phil. 3. p. 589. Papiſten / die Halb-Suͤnder und Halb-Gerechten / die durch eigene diſpo - ſition, ſo wol aus eigenen Kraͤfften des freyen Willen als zuflieſſender Gnaden die erſte eingegoſſene Gerechtigkeit zu erlangen / hernach nach dem ſie gerecht worden / durch vermeynte / mehrſten Theils ſelbſt-erwehlte gute Geſetz-erfuͤllende Wercke / verdienſtlich die ewige Herrligkeit zu erwerben vermeynen.
Das laß mir ſtoltze Heiligen ſeyn! gerade als wann einer uͤber dem Pranger pralen wolte; Wann ein Dieb fuͤr dem malefitz-Gericht ſtoltzie - ren / ein Soldat fuͤr dem Standrecht auffſchneiden wolte von ſeinen Schlachten / Paßporten und Mannheit / dadurch wuͤrde er den Richter ie mehr irritiren und in Harniſch jagen. Bey Joſepho leſen wir von Herode, daß da er wegen allerhand Muthwillen und Vnfugen wider der Juden Geſetz und Herkommen veruͤbet / fuͤr das Synedrium citirt und ge - ſtellet worden / Rede und Antwort zu geben / ſo ſey er erſchienen nicht als ein reus und Beklagter / ſondern als ein praͤchtiger ſtratiot mit auffge - buͤfften Haaren / mit gewehrter Hand / mit Purpur bekleidet / dem Syne - drio fuͤr die Naſe geſchnellet / als wann ers wol haͤtte außgerichtet; das verdroß einen eiferigen Patrioten mit Namen Sameas, der ſtund mitten unter ihnen auff / und ſprach: Was ſoll das ſeyn? dergleichen iſt nie ge - hoͤret worden / daß eine malefitz-Perſon in ſolcher poſitur erſcheinen ſolte / die Hiſtori iſt weitlaͤufftiger zu leſen bey Joſepho. Es laͤſt Gott nicht() lib. 14. mit ſich ſpielen / Er kan und will von keinen Menſchen-Ruhm nicht wiſ -antiq. c. 17. ſen / alle Werck-heilige Pralerey iſt ihm zuwider / daß aller Mund ver - ſtopffet werde / ſagt St. Paulus / damit ſich nicht iemand ruͤhme /Rom. 3, 19. hat Gottder HErr dieſe Art der Gerechtmachung nicht aus unſern Wer - cken / auch denen ſo JN der Gerechtigkeit geſchehen / erkant und geoffen - baret. Vnd hilfft nicht allhier der eitele prætext der Goͤttlichen Gnade / daß alle Werck flieſſen von der Gnade / durch Gnaden / aus der Gnade / dieSechſter Theil. RGnade130Die ZehendeGnade ſeye der Samen zur Ehre / darumb habe er ſich nicht zu ruͤhmen / dieweil es aus Gnaden iſt.
Jſt / ſage ein eiteler Fuͤrwand und vergebene Außflucht. Dann iſts nicht alſo / ob gleich ein Soldat unter einem gluͤckſeligen Oberſten und durch ſein Gluͤck militirt und ſich wol haltet / ſo mag er ſich doch noch ſei - nes Wolverhaltens ruͤhmen; Eiu Holtzhauer / wann er nur wol hauet / ob ihm gleich die Axt geſchencket / ſo hat er doch Ruhm und Lohn davon; Aber hier iſt aller Ruhm gantz abgeſchnitten und außgeſchloſſen. Ja was gedencken doch die rohe Welt-Kinder / boßhafftige Laſter-Daͤrme und Schand-Pecken / welche wann ſie auch von Eltern / Herrſchafft / Predig - Ampt und Richter uͤber einer und der andern Mißhandlung gefraget werden / nicht geſtehen wollen / daß ſie unrecht gethan / ſondern ihnen ehe eine Ader nach der andern wollen aus dem Leibe reiſſen laſſen (wie ſolche Leute manchmal reden) ehe ſie ſolten geſtehen was wahr iſt / auch wann ſie ἐν ἀυτο φόρῳ, auff friſcher That ertapt und die Hand im Sack erwiſcht /Ioſ. 7, 20. 21. zeitlicher Schmach zu entfliehen / anders als Achan der Gott dem Herrn die Ehr gegeben / und ſeinem Richter Joſua rein gebeichtet und zu ſeinem Hertzen geraͤumet. Einmal wer ſich hie in foro conſcientiæ, im Gewiſſens-Gericht nicht ſelbſt verdammet / der iſt ewig verdammet /1. Cor. 11, 31. Wann wir uns ſelber richteten / ſo wuͤrden wir nicht gerichtet. Gen. 3, 7.Was bilden ihnen ein die elenden Schurtzflicker / die mit Feigen-Blaͤttern umbgehen / wie Adam / und die allſehenden Augen Gottes blenden wollen?
Der Teufel hat zwo perſpectiven / dafuͤr huͤte ſich iederman / die eine iſt der Phariſeiſche Spiegel / zeiget lauter ſchoͤn Ding und phantaſmata, lauter Heiligkeit / Gaben / herrliche Thaten. Wer ſich da ver - fihet / wird gleich jenem Narciſſo, er will recht haben / trauet ſeinen affecten und Paſſionen zu wol / forſchet nicht recht / durch den Selbſt-Betrug an - gefuͤhret / darff ſich wol unter die Seraphin und Cherubin hinauff erheben / der iſt kein reus, hat kein Waſſer betruͤbt / er waͤſchet mit eigener Hand ſeineMatth. 27, 24. Haͤnde wie Pilatus / da er warten ſollen / biß ihn Chriſtus abwaſche und rein erkenne: ja es darff ein ſolcher auffgeblaſener Heillge nicht nur ſelbſt ſeine Geſchwaͤr / Druͤſen und Blattern lecken / ſondern auch andern zumu - then / ſie ſollen als Hunde dergleichen thun / oder keine Gnade haben; dem mangelt niemand als ein Hof-Narr / der die Warheit ſaget. Oder ob gleich gemeldter Spiegel etwas tadelt / ſo præſenrtirt er gar klein / macht aus Vergen Wartzen oder Staͤublein / was wolt das ſeyn / das hat ſo viel nicht zu bedeuten / wir ſind Menſchen / haben Fleiſch und Blut / ſind nichtEngel -131Predigt. Engel-rein / es iſt ietzt der Welt Lauff / man muß mit machen. Wer nach den zehen Geboten leben will / wo will der hinkommen?
Der andere Spiegel præſentirt die Sůnde allzugroß / und treibt den Menſchen zur Verzweifelung / macht die Suͤnde ſo unermeßlich groß / als koͤnte ſie nicht vergeben werden / wie Cain in denGen. 4, 13. Wahn gerathen. Denen muͤſſen wir entgegen ſetzen andere zween Spiegel / jenem zwar den Geſetz-Spiegel / das heilige Geſetz / das repræſentiret ohne paſſion, unparteyiſch / ohne Falſch den ſuͤndlichen Wuſt / Greuel und Vnluſt / deſſen Groͤſſe / Menge / Schwere in allen Farben und Vmbſtaͤnden / verklagt / uͤberzeigt und verdammt den Menſchen /Sap. 7, 26. in dem muͤſſen wir uns hinden und forn auffs allexgenaueſt beſchauen. Prov. 7, 2.Es præſentirt zwar ein wolpolirter Kunſt - und Hauß-Spiegel alles was ihm fuͤrkommt wol und eigentlich / viel ſchoͤner und beſſer der natuͤrliche Augen-Spiegel / der zarte Kugel-rundte hell-leuchtende Augen-Stern / in deme ſich die gantze Natur abmahlet: nichts aber iſt uͤber den Aug - Apffel Gottes / der unbefleckte Feuer-Spiegel des Goͤttlichen Goſetzes.
Dieſem / den Evangeliſchen Spiegel in unſerm Apoſto - liſchen Glauben vorgetragen / der heiſſet: HJE all Sůnd ver - geben werden. Man fuͤge ſich in die Ordnung / beſtehend in dem geiſt - lichen Hunger und Durſt nach der Gnaden / Aus der Tieffen ruff ichPſ. 130, 1. 3. HErr zu dir / ſo du willſt Suͤnde zurechnen / O wer wird be - ſtehen? Vater ich bin nicht werth / daß ich dein Kind heiſſe /Luc. 15, 21. c. 18, 13. mit dem Zoͤllner an die Bruſt geſchlagen / mit Paulo geſeuffzet: HErr /Actor. 9, 6. was wiltu / daß ich thun ſoll? Ach ſuͤſſeſter Herr Jeſu / ſihe mich an mit den gnaͤdigen Augen / damit du angeſehen Petrum in atrio, pecca - tricem in convivio, latronem in patibulo, ut cum Petro fleam, cum peccatrice diligam, cum latrone te æternum videam, mit welchen du angeſehen Petrum in Caiphas Sahl / die groſſe Suͤnderin bey Simons Gaſt-Mahl / den Schaͤcher an des Creutzes Pfahl / auff daß ich mit Thraͤ - nen mich betruͤbe / mit der Suͤnderin dich hertzlich liebe / mit dem Schaͤcher von deinem Gnaden-Blicke / mich hie und dort ewig erquicke. Luthero iſtLuth. tom. 6. pag. 57. hie gut ahzulernen die rechte Appellir-Kunſt.
Mich lehret die Schrifft / daß Gott zween Stuͤle geſtellet / einen Richt-Stul fuͤr die Sichern und Stoltzen / die ihre Suͤnde nicht erkennen; und einen Gnaden-Stul fuͤr arme bloͤde Gewiſſen / die ihre Suͤnde fuͤh - len / bekennen / verzagen und Gnade ſuchen / der Gnaden-Stul iſt ChriſtusR 2ſelbſt /132Die Eilffteſelbſt / da will ich mich zuhalten / nicht abtreiben laſſen / da ſoll mein Hertz und Gewiſſen zugedecket ſeyn / ein Gewoͤlb und ſchoͤnen Himmel druͤber ſchlagen / der es decke / ſchuͤtze und verthaͤdige / das heiſt Gnade und Ver - gebung der Suͤnden / da ſoll mein Hertz und Gewiſſen hin kriechen und ſicher bleiben! So wird das Aſchre haiſch, das elogium folgen;Matth. 5, 6. Wol denen / ſelig ſind die / die nach der Gerechtigkeit hungerig ſind / die ſollen ſatt werden / in geiſtlichen Durſt gerathen / wie der Hirſch von Schlangen angeſteckt / alſo die Seel im Schwitz-Bad / dem die Flammen des Zorns Gottes unter die Augen geſchlagen; da wird Chri - ſti Heiligkeit / Gnade / Weißheit / Liecht / Gerechtigkeit / Krafft / Erloͤſung und Leben ſeyn; Gott erwecke unter deß Hirſch-Durſt / damit wir ſattPſal. 17, 15. werden / ſatt in Gnaden / wann wir erwachen nach ſeinem Bilde / Amen.
Vber den dritten Articul / Vom Ablaß der Suͤnden / das iſt: Von dem erſten Theil der gerechtmachenden Gnade Gottes / die da heiſſet privativa die wegnehmende oder Suͤnden-Straff-abwen - dende Gnade / dadurch dem armen Suͤnder Ablaß ſeiner Suͤnden wiederfaͤhret und geſchen - cket wird.
GEliebte in Chriſto: Appello Cæſarem, Jch beruff mich auff den Kaͤyſer! ſo lautet die Apoſtoliſche ap - pellation St. Pauli vor dem Richter-Stul des Roͤmi - ſchen Landpflegers Feſti zu Cæſarea abgelegt; Es wardAct, 25, 11. dieſelbe eine rechtmäſſige appellation, dann nach dem er von ſeinen abgeſagten Feinden / den Juden / ſo von Jeruſalem zu ſolchem Werck geordnet / und abgeſand geweſt / ſchwer und hart verklagt / aber die Beweiſung nicht folgen wollen / St. Paulus ſich ſtattlich verant - wortet / und demnach ex actis & probatis, nach der regul und Lauff derRechten133Predigt. Rechten wol haͤtte koͤnnen erlaſſen werden: So hat er doch ein anders erfahren muͤſſen / daß der Gunſt-Richter Feſtus den Juden zugefallen / ihn nach Jeruſalem geſchleppet / da er ſich keines andern als lauter gifft-gaͤlliger Partheiligkeit und Feindthaͤtlichkeit zu verſehen gehabt: ſo ergreifft er das præſidium juris naturale, das jenige Huͤlffs-Mittel / welches ihm die Na - tur und der Kaͤyſer gegoͤnnet / als einem Roͤmiſchen Burger / beruffet ſich auff das Roͤmiſche privilegium, und ſagt: Jch ſtehe fůr des Kaͤyſers Gerichte / da ſoll ich mich laſſen richten / ich beruffe mich auff den Käyſer.
Es war aber auch gemeldte appellation ein exemplar und Muſter uns zu gebuͤhrlicher Nachfolge auffgezeichnet / daß ein Chriſt / auch wol Prediger / rechten und Recht-Haͤndel fuͤhren / da man ihm das ſeine nehmen oder fuͤrhalten will / ſondern auch gar auff Pauliniſch an ein hoͤheres Gericht / im Fall in dem niedrigen ihm hell und klar unrecht geſchehen were / appelliren koͤnne / und ſoll darob niemand Ergernuͤß neh - men. Jch ſage aber auff Pauliniſche Weiſe / mit gutem Gewiſſen / in einer guten und gerechten Sache / ohne unbilliche Gefaͤhrde ſeiner Gegen - Part / auch wol fuͤrnemlich durch den dazu geordneten appellations-Eyd / anders als in der Welt offt appellationes vorgehen und geſtattet werden ex conjecturâ vincibili, aus uͤberwindlicher Vnwiſſenheit / die Zeit zu ge - winnen / die Partey zu ermuͤden / da mancher unrichtiger Kopff ſich nicht will weiſen laſſen / in einer ungerechten Sache ſeinen Naͤchſten auffzuzie - hen / und bey der Naſen lang herumb zu fuͤhren / nach der Meynung einer guten Sache / biß die Ganß wol geropfft / und wol das Fleiſch darzu gefreſ - ſen / weder Klaͤger noch Beklagten viel uͤberbleibt / als was man ihnen dar - wirfft. Das laͤſſet man in foro ſoli, in weltlichen Gerichten ſo paſſiren und hingehen / aber im Gewiſſens-Gericht lautet es viel anders.
Sonderlich iſt dieſe appellation ein ſchönes Muſter un - ſerer Gerechtfertigung in Gottes Gericht. Wann Moſes all - zuhart an uns ſetzen will mit ſeinem Fluch und nigro theta, wann das hoͤlliſche Feuer unter die Augen brennet / wann der Menſch fuͤr Gottes Zorn nicht weiß wo aus noch an / wann er heulen und klagen muß: Dem Teufel ich gefangenlig / ꝛc. Wann er in foro legali, vor dem Geſetz-Stul Moſis ſeine Sache verlohren / und der Stab uͤber ihn gebro - chen; wo hinaus? wo ſolle er dann fliehen hin / da er koͤnne und moͤge blei - ben? ſoll er an den Kaͤyſer appelliren? Ach das iſt viel zu wenig! der Kaͤy -Bernegg. ad Sueton. Aug. c. 33. ſer ſelbſt muß ſich hie richten laſſen. Es hat zwar Auguſtus (da zuvorR 3zu Rom134Die Eilfftezu Rom auff dem Rathhauſe man nur dreyerley Tafeln gehabt / darauff die Rath-Herren ihre vota geſchrieben / auff der eine ſtund der Buchſtaben D. bedeutet die Damnation oder Verdammung des Beklagten; auff der an - dern A. bedeutet die Abſolution, die Loß-Zehlung / wann der Beklagte un - ſchuldig befunden / und fuͤr quitt und loß zu ſprechen erkant worden; auff der dritten N.L. non liquet, bedentet daß die Sache noch nicht klar / ſie ſey noch nicht außgemacht / man muͤſſe dieſelbe zu weiterer deliberation ge - ſtellet ſeyn laſſen:) eine außer-ordentliche / ſonderbare Tafel mit dem Buchſtaben I. notirt hinzu gethan / ignotoriam genant / die Verzeihungs - Tafel. Aber dieſes (I.) iſt viel zu ſtumpff und zu ſchwach in dem Goͤtt - lichen Gericht.
Wie dann? Soll der arme beklagte und beſchuldigte Vbelthaͤter ſich Huͤlffe erholen bey der hochgebenedeyten Mutter Gottes des Herrn / Jungfrauen Maria / von welcher jener Fabel-Hanß Jacobus de Vora - gine getichtet / daß man in allen Beſchwernuͤſſen an ſie gleichſam als an eine Herrſcherin und Koͤnigin appelliren ſoll / wann man auch von Gott ſelbſt oder der Gerechtigkeit mit Vnrecht belaͤſtiget und beſchweret were. Ach nein! Maria iſt viel zu wenig / ſie iſt ſelbſt die Κεχαριτωμένη paſſivè, ſie hat ſelbſt empfangen Gnad umb Gnad / ſie muß ſich ſelbſt erfreuen uͤber ih - ren Heiland / ſondern einen andern Gnaden-Thron hat uns Gott vorge -Exod. 25, 17. ſeqq. ſtellet / einen warhafftigen Thron / vorgebildet im Alten Teſtament / einen eintzigen Gnaden-Stul / der keinen Dagon neben ſich leidet / das iſt der1. Sum. 5, 3. 4. Mittler-Thron / der Schutz-Thron / der Verſoͤhnungs-Thron / der Bet -Rom. 3, 25. Thron: Das iſt der offene Thron / von welchem droben im erſton Articul gehoͤret.
Dieſes iſt das ultimum refugium rei, die euſſerſte Burg und Schirm eines beklagten und im Geſetze verdammten Suͤnders / an die Hoͤrner dieſes Gnaden-Throns muß er ſich halten / der iſt mit dem Regen -Apoc. 4, 3. bogen der Barmhertzigkeit gekroͤnet und umbgeben / da finden wir gratiamHebr. 4, 16.〈…〉〈…〉 πρόσιτον, den rechten Gnaden-Stul / dahin wir mit Freudigkeit treten / und Gnade ſchoͤpffen koͤnnen / und zwar die gerechtmachende Gna - de / zwar privativam, die jenige Gnade / dadurch das jenige / ſo uns irret / und fuͤr Gott verſtellet / im Wege ligt / nemlich die leidige Suͤnde / und dero ſchröckliche Straffe abgethan und abgeleget wird / heiſſet mit einem Worte: Der Ablaß der Sůnden. Davon wollen wir anietzo in der Furcht des Herren handeln / welches hochwichtige Geheimnuͤß / daß wirs recht verſtehen /wolle135Predigt. wolle uns Gott von oben herab im lehren und hoͤren mit ſeinem Heiligen Geiſte erſcheinen / umb Jeſu Chriſti unſers liebſten Gnaden-Throns wil - len / Amen.
SO iſt nun das præſidium, die ſichere Burg / feſte Hort und Horn / das Huͤlff - und Heil-Mittel / ſo einem ar - men auff den ewigen Tod verklagten / uͤberweiſeten / verdammten / unter dem reat und Straff-Pflicht gefangenen Suͤnder zu ſtatt und rath kommen ſoll / ins gemein Gratia juſtifica, die gerechtmachende Gnade / die barmhertzige Gnade. Dann da ſtehet der arme Gnad -2. Sam. 19, 32. begierige Suͤnder nicht wie Barſillai vor David als ein getreuer unbe - klagter Knecht oder Vnterthan fuͤr ſeinem gnaͤdigen Herren / oder wie die Engel fuͤr Gott; fondern als der gefallene Adam auff dem Pranger / als der Mundſchenck Pharaonis / als eine elende erbaͤrmliche Perſon / denGen. 14, 2. hungert nach der Gerechtigkeit / er ſehnet ſich nach Troſt / er ſuchet AblaßTit. 3, 6. und Vergebung ſeiner Suͤnden / und glaubet auch nach Anweiſung des Apoſtoliſchen Glaubens / nicht nur daß ein Ablaß der Suͤn - den in der heiligen Chriſtlichen Kirch ſeye / ſondern daß auch ihme in particulari ſolcher Ablaß gedeyen werde. Er glaubet nicht nur eine Vergebung der Suͤnden / welche der verzweifelte Franciſcus Spiera auch geglaubt / ja der Teufel glaubt es auch / aber mit zittern / als der keinen Ablaß in Ewigkeit fuͤr ſich zu hoffen: ſondern es glaubt auch ein bußferri - ger Menſch / daß auch ſeine Suͤnde JHME / JHME / JHME vergeben werde / und fundirt ſolche ſeine glaubige Zuverſicht auff die Goͤtt - liche Himmel - und Eyd-feſte Verheiſſungen / deren das groſſe Troſt-Buch die heilige Schrifft uͤberfluͤſſig voll iſt. Thut euer boͤſes Weſen von meinen Augen ꝛc. Kehre wider der Abtruͤnnige Jſrael ꝛc. WoEſa. 1, 16. ſich der Gottloſe bekehret ꝛc. Bekehre dich Jſrael zu demIer. 3, 12. HERRN deinem Gott / nehmet dieſe Wort mit euch / undEzech. 18, 21. bekehret euch zum HErrn / und ſprecht zu ihm: Vergib unsOſe. 14, 21 3. 5. alle Suͤnde / und thue uns wol / ſo will ich ihr Abtretten wieder heilen / gern wih ich ſie lieben / dann ſoll ſich mein Zorn von ihnen wenden. Von Chriſto Jeſu zeugen alle Propheten /Act. 10, 43. daß in ſeinem Namen Vergebung der Sůnden empfahen ſollen alle / die an ihn glauben.
Vnd136Die EilffteVnd damit ein angefochten Hertz dieſe Wort ihme ſelbſt in indivi - duo deſto behertzter und getroſter appliciren moͤge / hat der Herr nicht nur die Sacramentlichen Sigell / als medullam gratiarum, ſondern auch dem miniſterio und Predig-Ampt als dem Ampt der Verſoͤhnung den hochtroͤſtlichen Loͤſe-Schluͤſſel angehenckt / auff daß ſo gewiß JCH und kein anderer fuͤr mich getaufft: ſo gewiß JCH und kein anderer fuͤr mich das geſegnete Brod / welches iſt eine Gemeinſchafft des Leibes Chriſti / den geſegneten Kelch / welches iſt die Gemeinſchafft des Blutes Chriſti genoſ - ſen / zu Vergebung der Suͤnden / ſo gewiß JCH und kein anderer fuͤr mich die abſolution angehoͤret und angenommen / ſo unfehlbar gewiß ſeye auch mir und keinẽ andern fuͤr mich / uñ an meine ſtatt die Suͤndẽ erlaſſen.
Jſt alſo außgemacht / daß ein ſolcher Ablaß der Suͤnden in der Chriſt - lichen Kirchen zu hoffen / was aber und wie dieſelbe Gnade geartet / davon iſt noch ferners Bericht zu leiſten / ſie iſt nemlich eine vollkomme - ne Gnade / ſo nicht nur uͤber alle Menſchen / ſondern auch uͤber alle Suͤn - den ſich außbreitet / wie hoch / wie lang / wie tieff / wie breit dieſe im̃er ſeyn moͤ -Pſ. 103, 11. 12. gen / ſo iſt die Gnad noch hoͤher / noch groͤſſer / noch laͤnger / noch tieffer / noch breiter / So hoch der Him̃el ůber der Erden iſt / läſt er ſeine Gna - de walten / uͤber die ſo ihn fuͤrchten / ſo fern der Morgen iſt vom Abend / laͤſt Er unſer Vbertrettung von uns ſeyn. Non quan - titas criminis, nec brevitas temporis, nec horæ extremitas, nec vitæ() ſerm. de cœnâ. enormitas, ſi vere pœnitentia adfuerit, excludit à veniâ, ſagt () Cypria - nus, weder die Groͤſſe und Schwere der Suͤnd / noch die Kuͤrtze der Zeit / die noch uͤbrig iſt im Leben / noch auch die letzte Stunde des Lebens / kan einen Menſchen außſchlieſſen / auſſer Gottes Gnaden-Schoß / wann nur die Reu und Buſſe rechtſchaffener Art iſt.
Gratia effuſa, Eine auß - nicht eingegoſſene Gnade / eine uͤberſchwengliche Gnade (welches man von der eingegoſſenen Gnade nicht ſagen kan) gratia ante-ſecularis, eine Gnade / ſo geweſen iſt2. Tim. 1. 9. vor der Zeit der Welt / eine Gnade / ſo dem Zorn Gottes entgegen ge -Eph. 2, 3. ſetzet; nichts kan uͤberſchwenglich ſeyn / was in gewiſſer Maß eingegoſſen / nichts ewig / was in der Zeit gegeben worden; Wie der Zorn Gottes nicht iſt JN dem Menſchen affectivè, dem affect und der Natur nach / ſondern effectivè, der Wuͤrckung nach / wann Gott der Herr uͤber einen Menſchen erzuͤrnet / ſo gieſſet Er keinen einwohnenden Zorn-affect JNdenſel -137Predigt. denſelben / ſondern es ergeuſt ſich der Zorn uͤber denſelben; Alſo auch die gerecht - und ſeligmachende Gnade iſt nicht eingegoſſen / eingefloſſen / ſon - dern außgegoſſen. Eine lautere und unverdiente Gnade auff ſeiten unſer / ſonſt auff ſeiten Chriſti iſt ſie Chriſto ſauer genug worden zu erwerben / welches damit wirs wol verſtuͤnden / hat der Apoſtel das δωρεὰν hinzugeſetzet / gantz umbſonſt ohn unſer mitwuͤrckenden Verdienſt / bloß umbſonſt / aus lauter Guͤte und Liebe / aus ſonderbarem Goͤttlichem affect, den Gott gegen dem Menſchen traͤgt.
Jnſonderheit / ſo iſt dieſe Gnade eine vergeſſende Gnade der vergangenen Schuld; per πάρεσιν, durch die Vergebung. Rom. 3, 25.Wann Gott gleich die Suͤnde / offens und injuri, ſo ihme der Menſch zu - gefuͤgt / fuͤrkom̃t / ſo laͤſt ers aus den Augen gehen / per non imputationem, er rechnets dem Suͤnder nicht zu / gerade als wann es nie were geſchehen /Rom. 4, 8. per ſubmerſionem, er verſenckt die Suͤnde in das unergruͤndliche Meer2. Cor. 5, 19. ſeiner tieffſten Barmhertzigkeit / wirfft ſie hinter ſich zuruͤck / wie eine Wol -Mich. 7, 19. cke und Nebel verſchwindet. Summa per omnimodam ἀμνηςείαν, durch die gaͤntzliche Vergeſſung aller Suͤnden / daß keiner Vbertretung mehr ſollEzech, 18, 22. gedacht werden. Was Simei geſucht / aber nicht vollkommen erlangt bey David / dann David verſpricht ihm zwar das Leben bey ſeiner Regie -2. Sam. 19, 19. rung / ſchencket ihm die privat-injuri, aber publicam vindictam, oͤffent - liche Rach uͤberlaͤſſet er ſeinem weiſen Sohne; Laß ihn / ſagt er zu Sa -1. Reg. 2, 9. lomo / nicht unſchuldig ſeyn / daß er ſeine graue Haar mit Blut hinunter zur Hoͤllen bringe. Das ſucht und erlanget ein armer bußfertiger Suͤnder bey Gott.
Eine ſolche Gnade / dadurch auch die Straffen erlaſſenLuc. 1, 77. werden / ſo auff die Suͤnden folgen ſollen / durch einen Durchſtrich derRom. 4, 7. Handſchrifft aus dem Goͤttlichen Schuld-Buch / durch HinwegnehmungCol. 1, 14. der Schuld / und Entledigung der Straff-Pflicht / und hindert allhie nichtAct. 3, 19. das nach der Straff noch folgende Creutz / damit nach geſchehenem AblaßRom. 8, 1. bußfertige Suͤnder noch beleget werden / Calamitates ante remiſſionem ſunt ſupplicia peccatorum, poſt remiſſionem verò ſunt certamina exer - citationesq́; piorum, ſchreibt () Auguſtinus: Creutz und Truͤbſal / iſt zwar() l. de pec - cat. mort. & remiſſ. peccat. l, 2. c. 83. * in 1. Cor. 11. eine Straffe Gottes bey denen die noch nicht mit Gott verſoͤhnet / denen aber die Ablaß erlanget / iſts nichts anders dann eine Chriſtliche Vbung der Gottesfurcht. Cum corripimur à Domino, ſagt Chryſoſtomus, magis eſt admonitionis quàm damnationis; medicinæ quam ſupplicii, Wann wir nach der Buſſe von dem Herren gezuͤchtiget werden /Sechſter Theil. Sſo iſts138Die Eilffteſo iſts uns vielmehr eine Anmahnung als verdamnuͤß / vielmehr eine Artz - ney als eine Zorn-Straffe. Tribulationes piorum ſunt amaræ ſagittæ ex dulci DEI manu emiſtæ, ſpricht Greg. Nazianz. Truͤbſal ſo die Glau - bigen trifft / iſt zwar ein ſcharffer bitterer Pfeil / wird aber aus der ſuͤſſen Va -Act. 12, 7. 8. 9. 10. ters-Hand außgeſchoſſen. Wie der Engel als goͤttliche Raths-Bott Petro erſchienen / ihn auffgewecket / darauff die Ketten von ſeiner Hand gefallen / die euſſerſte Thuͤr ſich ſelbſt auffgethan; Alſo der Heilige Geiſt vergiebet durch das miniſterium und Predig-Ampt als diener Gottes per ῥῦσιν, und Errettung von der Obrigkeit der Finſternuͤß: ſo bald Petrus erwacht / und die Thuͤr geoͤffnet wordẽ / ſo nim̃t ihn der Engel bey der Hand / und fuͤhrt ihn heraus durch die erſte und ander Hut: er erlangt freyen Paß / gehet da - von; Alſo wird auch der arme Suͤnder quitt und loß. Man hats in Er - fahrung bey Vnholden / die ſich dem boͤſen Geiſt ergeben und mit Blut ver - ſchreibẽ / daß offtmal Obrigkeitliche Hafft und Krafft ſo viel nicht vermag / daß nicht die Obrigkeit der Finſternuͤß maͤchtiger were / der boͤſe Geiſt unter - ſtehet ſich ſolche maleficanten aus der Hafft heraus zu fuͤhren / aber ſo bald die pœnitentz fuͤrgangen / die abſolution geſprochen / ſo trollet er ſich und hat keine Macht mehr. Auff ſolche Weiß muͤſſen wir uns die Sache feſtig - lich einbilden von der Quittantz und Ablaß der Suͤnden ins gemein.
Eine zudeckende Gnade / ſo wol des Geſetzes / dadurch das An - geſicht Moſis gedecket / daß er nicht fulminiren und blenden kan / wie auch die Tafeln des Geſetzes durch den Vorhang des Gnaden-Stuls. Vnſere liebe alte Vorfahren haben diß geheimnuͤß mitten im blinden Papſtumb gar artig eingebildet / in unſerm Muͤnſter / an dem Portal auff der Graͤt / bey dem Vhrwerck / da Sabina des Werckmeiſters Tochter mit ihrer eige - nen Hand zwey Bilder boſſiert und außgehauen / ſo gegen einander uͤber ſtehen / das eine / ſo den Glauben bedeutet / und in einer Hand einen Kelch ſampt der Oſtien / in der andern ein Creutz-Bild fuͤhret / redet das ander an und ſagt: Mit Chriſti Blut uͤberwind ich dich: das ander / ſo das Geſetz bedeutet / verbunden uͤber den Augen / in einer Hand die gebrochenen Tafeln Moſis fuͤhrend / ſagt: Daſſelbe Blut blendet mich. Als der noch beywohnenden eingewurtzelten Erb-Suͤnden und Erb-Luſt ſo be -Pſal. 32, 1. decket wird / nach dem 32. Pſal. Der Mann wol ſelig iſt fuͤr Gott / demRom. 4, 7. ſeine Suͤnde bedecket iſt / wie aber? Vielleicht tectione abſorptivâ durch eine verſchlingende Verdeckung / wie etwan eine Klufft in der Erden verdeckt wird / wann man viel Grund hinein wirfft / dieſelbe auß - fuͤllet und alſo bedecket? Nein / ſondern tectione 1. juridicâ, durcheine139Predigt. eine gerichtliche Zudeckung; Gott bedecket unſere Suͤnde / daß er ſie nicht ſehen moͤge zur Straffe / ſchreibt Auguſtinus uͤber den 32. Pſalm / er bedecket dieſelbe / daß ſie uns nicht ſchaden moͤge. 2. Medicà, durchSicut Alex, M. percuſ. ſo in fron - te, Lyſima - cho, fluen - tẽ ſangui - nem dia - demate ſuo, quod ſibi è capi - te detraxe - rat, obliga - vit & re - preſſit. eine Artzney-Bedeckung / als mit einem heilſamen Pflaſter / da der Artzt und Wund-Balbierer zuvor den Eiter und groͤbſten Wuſt wegnim - met / darnach die Wunde mit einem Pflaſter bedecket / dadurch es dann geſchicht / daß zwar nicht alſobald in ſelbigen Augenblick / ſondern all - maͤhlig nach und nach die Wunde geheilet werde.
Eine vom Himmel verordnete und mitgetheilte Gnade / da der himmliſche Vater aus unergruͤndlicher Liebe / die Er gegen das menſchliche Geſchlecht hat und traͤget / dem armen verlohrnen Sohn aus Gnaden wuͤrcklich vergibet / ihn haͤlſet und kuͤſſet / Er der groſſe creditor ihm alle Schulden erlaͤſſet / und ſagt durchs Wort in ſein Hertz: Sihe! alle dieſe Schuld hab ich dir erlaſſen. Wann der arme Suͤnder undMatt. 18, 32. verlohrne Sohn kommet mit reuendem Hertzen / ſo gehet alsdann das diſputat in dem Hertzen Gottes an: Was ſoll ich aus dir machen?Oſe. 11, 8. da ſtreitet Gerechtigkeit und Liebe mit einander / endlich vergleichen ſie ſich und kuͤſſen einander. Cheſed veemeth niphgaſchu, zedek va -Pſal. 85, 11. ſchalom naſchaku, Ja die Barmhertzigkeit behaͤlt Vberhand und ruͤhmet ſich wider das Gericht.
Von dem loͤblichen und milden Kaiſer Auguſto ſchreibt () Seneca, daß als ihm auff eine Zeit einer von ſeinen rebellen und meutmachern fuͤr - kommen / Namens Cinna, da hab er bey ſich ſelbſt in ſeinem Kaͤyſerlichen Hertzen Rath gehalten / was und wie er gegen demſelben zu verfahren / Quid ergo, ego percuſſorem meum ſecurum ambulare patiar, Wie? ſoll und kan ich dem das Leben ſchencken / der mir nach Leib und Leben geſtan - den? Sein Gemahl Livia redet ihm ein und ſagt: Handle mit ihm wie ein Artzt / vergib ihm / er iſt ergriffen und bekennet ſich zur Vbelthat / nocere tibi non poteſt, poteſt prodeſſe famæ, er kan dir nicht mehr ſchaden / aber er kan dir einen groſſen Namen machen / daß iederman von der Kaͤyſer - lichen Mildthaͤtigkeit und Barmhertzigkeit wird ſagen und ruͤhmen koͤn - nen. Darauff der Kaͤyſer ſich zu ihm gewendet und geſagt: Vitam tibi
() lib. 1. de clem. c. 9. Jta & Raniminus Rex Hiſp. conjuratoribus in ſe pe - percit, dono, inquiens, vobis vitam experiarq́ue an vincam beneficentia, quos mi - nis & terroribus flectere non potui? Joh. Læt. p. 284. contra exempla Cæſaris ἀχρή - ςου ac implacabilis vide in hiſtoriâ Henrici VI. Imp.S 2Cinna140Die Eilffte
Cinna iterum do prius hoſti, nunc parricidæ, ex hodierno die inter nos amicitia incipiet, Cinna hiermit ſchenck ich dir als meinem Feind und darzu Kaͤyſer-Moͤrder das Leben zum andern mal / wiltu meine Gnade annehmen / ſo wollen wir ietzo und von ſtund an gute Freunde ſeyn. Das thut auff gewiſſe Maß und Weiſe auch der liebe Gott / und ſolchen Proceß fuͤhret er mit einem armen Suͤnder in ſeiner Rechtfertigung: Er vergibt / laͤſſet ſich gutwillig verſoͤhnen und ſucht Freundſchafft mit demſelben zu machen / allein zu Ruhm und Ehr ſeiner groſſen unverdien - ten Gnad und Barmhertzigkeit.
Chriſtus Jeſus feyret nicht bey dieſem Handel / Er haͤlt der unend - lichen Gerechtigkeit fuͤr ſein gehorſams Leiden / und ſagt wuͤrcklich: Dieſer Suͤnder hat zwar Hoͤll und Tod verwircket / er ſolte im Zorn Gottes unter - gehen / er ſolte verzweifeln und verzagen; Aber ich habe fuͤr ihn gebuͤſſet / ich bin fuͤr ihn geſtanden / ich habe gekaͤmpffet mit dem Tode / daß der blutige Schweiß mir außgegangen / darumb miſſa eſto, er ſoll loß ſeyn! da kommt der Heilige Geiſt / leget Hand an / bringet den Loͤſe-Schluͤſſel / ſtellet ihn auff freyen Fuß / recht fertiget alſo den Menſchen / ſpricht ihn aller Suͤnden loß / und ſagt thaͤtlich / ja auch muͤndlich zu ihm durch das Predig-Ampt: Dir ſind deine Suͤnde vergeben! wie der Sonnen-Glantz die Wetter / Wolcken und Nebel diſſipirt / ſo iſt auch die Suͤnde hinweg getrieben / vertilget und krafftloß gemacht / und ſolche Gerechtigkeit verſigelt mit den Sacramenten / das iſts / das wir ſagen: Jch glaube eine einige Tauffe zur Ver - gebung der Suͤnden / dabey wir uns aber anietzo nicht laͤnger auffhal - ten / dieweil von der Tauffe / wie auch vom Loͤſe-Schluͤſſel im vierten und ſechſten Stuͤck ſoll gehandelt werden.
Gnug iſt fuͤr dieſes mal / daß wir die theſin verſtehen / das und was die gratia juſtifica privativa, die gerechtmachende Straff-hin -Gen. 3, 7. wegnehmende Gnade / das iſt / der Ablaß der Suͤnden ſeye? nem - lich nicht medicina palliativa, eine heilloſe Chur eines Quackſalbers / der zwar die Wunde euſſerlichen verbindet / aber die Wurtzel des Schadens nicht hinweg nimmt: nicht ein Rock damit man den Grind euſſerlich verdecket / oder ein getuͤnchtes Grab / wie Becanus, Coſterus und andere von unſer Rechtfertigung laͤſtern. Was der Menſch deckt / das iſt Heu - cheley / wie Adam und Eva Schuͤrtze macheten von Feigen-Blaͤttern / ihre Scham und Schande zu bedecken; Was Gott deckt / das iſt und‘Becanus tom. 1. p. 365. Coſterus p. 228. contra Bellarminus agnoſcit me - dici nam quæ vulnus regit & ſimul curat l. de grat. primi hom. c. 6.’ ()heiſt141Predigt. heiſt juſtificatio, die rechte gruͤndliche vollbringende Gerechtmachung / da die vergangene Suͤnd verſchwindet / die gegenwaͤrtige Erb-Suͤnd bedecket / abgewendet / folgends dero Straffe / die Wunde allerdings ihr Regiment verlieren / und der Schade nach und nach durch taͤgliche mortification und Toͤdtung des Fleiſches heil wuͤrd.
Vnd das iſt eigentlich das troͤſtliche Evangelium von dem Jubel - Jahr Neues Teſtaments / daß Chriſtus in die Welt gebracht / damit man - cher Suͤnder erquickt worden: Sey getroſt mein Sohn ꝛc. davon alleAct. 10, 43. Propheten geprediget / allen zerknirſchten geiſt-hungerigen und geiſt-durſti - gen Suͤndern zu Troſt und Labſal / daſſelbe hat er bald anfangs zu Naza - reth ſeiner Heimat geprediget / da er das Buch herumb warff / fundeLuc. 4, 16. & ſeqq. er den Ort / da geſchrieben ſtehet: Der Geiſt des HERRN iſt bey mir / derhalben hat er mich geſalbet und geſand zu ver - kuͤndigen das Evangelium den Armen / zu heilen die zerſtoſſens Hertzens ſind / zu predigen den Gefangenen / heute iſt dieſe Verheiſſung erfuͤllet; Wir ſprechen billich auch: Heute iſt dieſe Schrifft erfuͤllet auch fuͤr euren Ohren / wann ihrs wollet annehmen. Welche froͤliche Botſchafft uͤber alle Zeitungen gehet / die man mit groſſen inniglichen Hertzens-Freuden anzunehmen / alle vorerzehlte Verheiſſun - gen Gott fuͤrzuhalten. Ein Soldat auff der Wahlſtatt / wann er hoͤret / Quartier! ich meyn / er ſpitzet die Ohrẽ und richtet ſich wieder auff. Ein ma - leficant, der auff das Leben gefangen / wann derſelbe von einiger Gnade hoͤ - ret / mit was Danck und Freuden nimmet ers an / wie faſſet er alle Wort ſo fleiſſig zu Ohren? Solte einer armen Seelen der die Gnaden-Zeit verſau - met / in der Hoͤllen diß Evangelium geprediget werden / was unaußſprech - liche Freude wuͤrde ſie empfinden? Solte den boͤſen Geiſtern dergleichen wiederfahren / ſie wuͤrden mit Freuden aller Marter vergeſſen / die ſie ge - litten haͤtten / oder noch eine Zeit leiden muͤſten.
Als vorzeiten die gantze Juͤdiſche nation durch Hamans practicenEſth. 3, 13. zum Tode verdammt geweſt / was Noth / was Jammer / was heulen / wasc. 4, 1. ſeqq. Weheklagen / Zetter-mordio, Ach und Weh war damal? Aber da ſiec. 8, 11. ſeq. contrari-Lufft bekommen / und die Evangelia / die Laͤuffer aus Ahaſveric. 9, 18. ſeq. Cantzley außgeflohen / und eine allgemeine perdon und Ablaß der ange - droheten Marter und Plagen außgeruffen worden / ſo haben ſie ein ſonder Feſt angeſtellet / das Purim-Feſt Eſther / da war Freude und Wonne und Wolleben bey allen Juden; daſſelbe Feſt ſoll unſer taͤglich Feſt ſeyn. S 3Wann142Die EilffteWann wir bedencken / in was groſſer Noth wir geſtecket / was die Kirche klaget: Dem Teufel ich gefangen lag / im Tod war ich verloh - ren ꝛc. Wie einem armen Suͤnder zumuthe / der auff Leib und Leben ge - fangen / der auff der Schwaͤtz-Schul geweſt / uͤber den der Stab gebrochen / die traurige Botſchafft kommen / er werde vom Leben zum Tode gerichtet werden / was fuͤr Schauder ihn ankomm / wie er erſchreck fuͤr dem Anblick des unumbgaͤnglichen Todes / da iſt wenig Schlaff / ſchroͤckliche Traͤume / traurige imaginationes und Einbildungen; ſchroͤcklicher / wann derIud. 16, 25. Thurnhuͤter oder Hencker ein Tyrann iſt / und nach der Schaͤrffe alles exe - quiret / ja wann er noch ſeiner ſpottet / wie die Philiſter des Simſons. So / ſagt die Kirche / ſey es ihr ergangen / wann ſie zuruͤck auff den vorigen Suͤnden-Stand / und neben ſich gedencket auff die viel nationen und Voͤlcker / ſo ſolcher Pein und Fluch noch unterworffen; Aber da ſie ſich erinnert dieſes Evangelii von der gerechtmachenden Gnade / ſo wird ihr Heulen ploͤtzlich in ein Freuden - und Feſt-Lied verwandelt / Nun freuet euch lieben Chriſten gemein ꝛc.
Dieſes Evangelium muͤſſen wir nun entgegen ſetzen erſtlich Cacan - gelio () Novatiano, dem alten Novatianiſchen Schwarm / der den jenigen / ſo nach der Tauffe in ſchweren Suͤnden-Laſt / ſonderlich in die apoſtaſi und Abfall vom Chriſtenthumb ins Heydenthum̃ gerathen / der Ablaß der Suͤnden / ſo in der Kirchen vermittelſt des Loͤſe-Schluͤſſels ge -* Sozom. l. 1. c. 21. ſchicht / gaͤntzlich abgeſtrickt. * Conſtantinus M. der Chriſt-loͤbliche Kaͤyſer hat einen von ſolchen Schwaͤrmern / Aceſius genant / artig beſchlagen / da er deſſelben Meynung von dieſem Articul angehoͤrt und vernommen / ſagt er zu ihm: Aceſi, hat es die Meynung / ſo mache dir eine Leiter biß an Him - mel hinauff / und ſteig und kletter allein hinauff! als wolt er ſprechen / auff dieſe Weiſe wirſtu allein in Himmel kommen / niemand wird dir folgen koͤnnen.
‘() à Novat. quem Cyprianus ep. 1. ad Cornel. nominat Miſericordiæ hoſtem & interfectorem pœnitentiæ. ’ ()2. Cacangelio papæo, dem Päpſtiſchen Zweifel-Strick /(*) Can. 13. den die geiſtloſen Seiler im (*) Concilio zu Trident zuſammen geflickt / und alſo lautet: Wer da ſagt / daß dem Menſchen zur Erlangung der Vergebung der Suͤnden / von nöthen ſey / daß er gewiß und ohn allen Zweifel glaube / ihm ſeyen die Suͤnde vergeben / der ſoll verflucht ſeyn. Bey dieſem Jrrthumb bleibt es nicht / ſondernes hangen143Predigt. es hangen an demſelben noch andere. Sonderlich der jenige / der uns das HJE will hinweg nehmen / durch das leidige / troſtloſe und ertichtete () Feg-Feuer / davon in der antitheſi zu ſeiner Zeit mit mehrerm. Es wird ferner den blinden Leuten eingebildet / es werde durch die eingegoſſene Gna -() vide ho - domor. pap. Phan - taſm. 12. p. 967. de (von welcher zu ſeiner Zeit in der antitheſi mit mehrerm) als durch ein Liecht alle Suͤnden-Finſternuͤß vertrieben / auch die Erb-Suͤnde / ſo fern ſie Suͤnde iſt / ob gleich der unſuͤndliche fomes conſcientiæ, Gewiſſens - Zundel noch bleibet / gantz außgetilget. Wer hilfft aber der vergangenen Suͤnden-Schuld / die zwar fuͤruͤber und begangen worden / aber doch in Gottes Schuld-Buch auffgeſchrieben ſtehet? davon weiß das Papſtumb nichts / von keinem Huͤlffs-Mittel / da iſt altum ſilentium, lauter ſtill - ſchweigen davon bey ihnen; Zu viel / in dem wider die Glaubens-Regul geglaubet wird / als wuͤrde die Suͤnde alsbald in der erſten juſtification und Gerechtfertigung gaͤntzlich getilget / nicht nur daß ſie uns nichts mehr ſchade / ſondern auch daß ſie gar nicht mehr ſeye. Das lauffet neben GottesRom. 7, 14. 15. Wort auch wider die experientz. Es ſpuͤret ja und erfahret auch der heiligſte Apoſtel Paulus / daß auch nach ſeiner Wiedergeburt und erlangten Gerech - tigkeit des Glaubens / dennoch er unter die Suͤnde verkauffet / thue was er nicht wolle / und laſſe was er nicht ſolle. Ein Dieb wird manchmal vom Strang erloͤſet / aber die Diebs-Art bleibet / er laſt das Maufen nicht; Alſo iſts auch mit dem Menſchen ins gemein beſchaffen / die ſuͤndliche Art bleibet biß in Tod / wird hie nicht allerdings außgewetzet / wiewol durch Krafft des Heiligen Geiſtes nach und nach geſchwaͤchet werden muß. Es laufft die widrige Lehr wider das taͤgliche Gebet aller Heiligen / die alle zu - ſammen ſchreyen und ſagen: Dimitte nobis, Ach Vater / vergibMatt. 6, 12. uns unſere Schuld! wider den Rath Gottes / der uns Feinde hinter - laſſen zum Kampff / zu einer ſtaͤten Tilgung der Suͤnde biß an die letzte ἀπολύτρωσιν, an die letzte Auffloͤſung den Tod / da das ſterbliche und con -Hebr. 3, 18. ſequenter auch das ſuͤndliche wird abſorbirt und verſchlungen.
3. Cacangelio Calviniano, dem Jrrthumb des Zwing - liſchen Jrr-Geiſtes / der wie alles anders / alſo auch dieſen Articul in die Enge der particularitaͤt einziehet / wie anderswo aus ihren Schrifften() vide ho - domor. Calvin. Phant. 10. p. 3067. erwieſen wordẽ. Geben ſie in ihren auditoriis ein anders und widriges fuͤr / ſo predigen ſie auff Frantzoͤſiſche Art / ſie ſchreiben anders und reden anders.
4. Cacangelio Cainico, dem falſchen Cainiſchen Wahn / alſo lautend / Meine Suͤnde iſt grõſſer / dann daß ſie mir kan ver - geben werden! (anders als Piſcator gedolmetſchet〈…〉〈…〉Gen. 4, 13.Meine144Die EilffteMeine Straffe iſt gröſſer dann daß ich ſie ertragen koͤnne /Luther. Comm. h. l. p. 67. f. 2. welche Dolmetſchung Cain zu einen Maͤrtyrer machet / wie Lutherus wol erwieſen) deme aber widerſpricht unſer Apoſtoliſcher Glaube / wann er ſagt: Jch glaube Vergebung der Suͤnden. Vnd ob gleich das Hertz nicht allzeit verzweifelt wie Cain / ſo zappelt es doch in ſchweren Anfechtungen / und ſtehet im Kampff / kan mitten in der Hoͤllen - Angſt nicht uͤber ſich ſehen und greiffen nach dieſem Glaubens-Articul / die Suͤnde ſtehet dazwiſchen wie eine Maur / es ſpricht die Vernunfft mitIud. 6, 13. Gideon: Jſt GOTT gnaͤdig / warumb geſchicht mir ſolches? Antwort: Was Gott vergeſſen / das vergiß du auch / grab die getoͤdtete Suͤnde nicht wieder herfuͤr / mach Gott nicht zum Luͤgner; man darffPſal. 25, 7. ſich zwar wol derſelben erinnern / nach dem Exempel Davids und Pauli /Devt. 9, 7. bevorab wann die cicatrices und maculæ, die Wundmahl noch fuͤrhan -1. Corinth. 15, 9. den: Petrus ſoll / wie Lyranus erzehlet / alle Nacht ſo offt er den Hahn hoͤren kraͤhen / auffgeſtanden und mit bittern Zaͤhren ſeines Falles ſich erinnert2. Cor. 12. 7. haben: St. Paulus muß des Sathans Faͤuſtſchlagen noch empfinden: Lutherum hat ſein Gewiſſen offt remordirt / widergebiſſen und geſchmertzt / wann er ſich des Greuels der Abgoͤtterey / den er im Papſtumb veruͤbet /() in Ge - neſ. 37. fol. 311. erinnert / das ſchwartze boͤſe Huͤndlein / () ſchreibt er / der Reulin heiſſet / waͤ - ret dein Lebtag und hoͤret nicht auff / wann auch ſchon die Suͤnde vergeben iſt / aber zur Demuth / Gedult und Wachſam - oder Fuͤrſichtigkeit / nicht zur Verzweifelung: aus der memoria muß man kein pabulum infidelitatis machen / ſondern vielmehr dieſelbe gebrauchen zu einer Anmahnung zur Danckbarkeit.
5. Cacangelio paralogiſtico, Der falſchen FolgereyRom. 6, 1. 2. 3. 12. und boͤſen Mißbrauch; Was wollen wir hierzu ſagen? ſollen wir dann in der Suͤnde beharren / auff daß die Gnade deſto mächtiger werde? Das ſey ferne! wie ſolten wir in Suͤnden wollen leben / der wir abgeſtorben ſind; Vielmehr das widrige! So laſſet nun die Sůnde nicht herrſchen in eurem ſterblichen Leibe / Gehorſam zu leiſten in ihren Luͤſten. Das wer ſo abſurd, als wann ein Chriſt einen Tuͤrckiſchen Sclaven gefangen heimbraͤcht / und er wolte ihn zum Junckern / ſich zum Sclaven machen / daß iſt den Sclaven zum Herrn / die Magd zur Frau machen / und ihm ſelbſt eine Ruthe auff den Ruͤcken binden. Das ſey ferne von einem geiſtlichen Heldenmuth / vielmehr alſo: Jſt die Suͤnde vergeben / ſo laſſet uns danckbar ſeyn / ſo laſſet unsChriſto145Predigt. Chriſto dienen / dem Naͤchſten verzeihen / der Friede Chriſti ſoll den SiegMatt. 18, 35. und Preiß gewinnen / das Hertz ringet gleichſam zwiſchen der Beleidigung und Gedult / Gedult und Sanfftmuth ſoll den Siegs-Lohn / den Siegs - Ruhm darvon tragen; So ſoll hinfuͤro die Suͤnde nicht herrſchen / zumRom. 6, 1[.] Schemel der Fuͤſſe ſoll ſie ligen / biß Chriſtus das letzte conſum matum eſt ſprechen / und die Suͤnde verſchlingen wird in den Sieg / und ſeine Gemei - ne gantz vollkommen / heilig und unſtraͤfflich darſtellen / daß allerdings keinEph. 5, 27. Flecken / Runtzel oder des etwas mehr wird uͤberbleiben / da wir das groſſeApoc. 19, 7. Confitemini anſtimmen werden Pſ. 107. und ſingen aus dem 124. Pſal. 8. Confer Thomam Aquin. part. 3. q. 8. art. 3. reſp. ad 2.Gott Lob und Danck Strick iſt entzwey / wie ein Vogel des Stricks kommt ab / iſt unſer Seel entgangen / und wir ſind frey / Lob / Preiß / Ehr und Ruhm ſey Gott dafuͤr in alle Ewigkeit / Amen.
Vber den dritten Articul / Von dem andern Theil der gerechtmachenden Gnade Gottes / die da heiſſet Poſitiva & imputativa, die ge - rechtgebende und zugerechnete Gnade / dadurch der arme Suͤnder gerecht gemacht wird.
GEliebte in Chriſto: Es ſtellet St. Paulus in der zwar kleinen aber ſehr Lehr-reichen und wichtigen Epiſtel an den Philemonem einem edlen und nahrhafften Bur - ger zu Coloſſen nach Ermeſſung D. Lutheri in der Vor - rede daſelbſt / ein ſchoͤnes Bild der Rechtfertigung eines armen Suͤnders fuͤr GOTT vor / und daſſelbe in drey unterſchiedlichen Perſonen. I. Jn der Perſon des Oneſimi, dem Namen nach nuͤtzlich / aber re ἀχρηςου, in der That eines unnuͤtzen Knecht v. 11. der ſeinem Herren zu Schaden gethan v. 18. und wie Hiero - nymus dafuͤr haͤlt / demſelben abgetragen / auch hinter der Thuͤr Vrlaub genommen / von Coloſſen nach Rom kommen / und da St. Paulum in der Hafft und Banden angetroffen / aber gleichwol hernach ſorte divinâ, durch ein ſonderbar Goͤttliches Gluͤck und Gnaden-Geſchick ἔυχρηςος,Sechſter Theil. TOneſi -146Die ZwölffteOneſimus, ein rechter nutzer Knecht worden / nach dem er von St. Paulo in ſeinen Banden gezeuget / und wiederumb zuruͤck geſand: da er nutz worden nicht nur feinem Herren / ſondern auch der gantzen Chriſtlichen Kirch /Ignatius in ep. ad Eph. ſintemal er hernach Biſchoff worden zu Epheſo / Timotheo ſuccedirt / von Ignatio mit herrlichen elogiis orniret und gezieret / gar die Maͤrterer-Kron erlangt zu Rom unter dem Kaͤyſer Trajano. Quis ille Oneſimus ἄχρηςος ἔυχρηςος? Wer iſt dieſer unnůtze Knecht / dieſe unnuͤtzeLuc. 17, 10. Magd? Der Menſch nach dem Fall / welcher wann er gleich alles thut / ſo iſt er doch imnuͤtz; Ach wie vielunnuͤtzer / untauglicher iſt er / in dem er nicht nur omiſſivè nicht thut / ſondern noch commiſſivè ſeinenMatth. 18, 32. 33. himmliſchen Vater beſtihlet / wie dort jener Schalcks-Knecht Matth. 18. Aber durch die Gerechtfertigung und Heiligung ἔυχρηςος, ein nuͤtzer an -c. 25, 21. genehmer Knecht / da heiſſet es: Komm her du getreuer Knecht.
II. Jn der Perſon ſeines Herren Philemons, ein holdſeli - ger Nam / ein hold feliger Mann / das iſt / liebreich / liebthaͤtig / freundlich / in Wercken der Liebe / durch welche er die Hertzen der Heiligen / ihre viſcera er - quicket v. 7. freundlich in der Verſoͤhnligkeit. Ohne Zweifel wird es demſel - ben anfangs wehe gethan haben / da ihm ſein leibeigener Knecht entlauf - fen / abgetragen / er wird erzuͤrnet ſeyn / Boten nachgeſchicket / und da er ihn bekommen haͤtte / nach Roͤmiſchem Recht / wie er verwircket / abgeſtrafft ha - ben: Aber er erzeigt ſich gantz gelinde und verſoͤhnlich / laͤſſet ſich durch die ſponſion, interceſſion und Buͤrgſchafft St. Pauli bewegen / daß er One - ſimo, nach dem er ſich gedemuͤthiget / alles erlaſſen / denſelben zu Gnaden auffgenom̃en. Quis hic Philemon? Wer iſt dieſer verſöhnliche Freund? GOTT der φιλάνϑρωπος und Liebhaber des menſch - lichen Geſchlechts / der uns unſere Hertzen erquicket leiblich und geiſt - lich / und nach dem der Menſch gefallen / ſich verſoͤhnlich erzeigt und erboten /Ezech. 18, 23. 32. Er begehre nicht den Tod des Suͤnders.
III. Jn der Perſon St. Pauli / als der ſich geeuſſert ſeines Rechten / damit er erhalten / daß Philemon auch ſich ſeines Rechten verzeihen muß; der gleichſam Buͤrge wor - den / und muthet dem Philemoni zu / er ſoll die Schuld ſeines Knechtes ihme dem Apoſtel zurechnen / ſtellet ſich nicht anders / als er ſey ſelbſt Oneſi - mus, der ſich verfuͤndiget / als der ander Oneſimus, ſo er dir / ſchreibet er an Philemon / was Schaden gethan / oder ſchuldig iſt / das rechne mir zu. Jch Paulus habe es geſchrieben mit meiner eigenenHand /147Predigt. Hand / (hier haſtu die Handſchrifft) ἔγὼ ἀποτίσω, Jch will bezahlen v. 18. 19. Als eine Mittels-Perſon und Vorbitter; Ach / ſagt er: Du wolleſt ihn als mein eigen Hertz annehmen v. 12. als mei - nen Sohn / den ich gezeuget v. 10. als meinen lieben Bruder und nicht mehr Knecht v. 16. Jch habs aus Zuverſicht geſchrie - ben / ich weiß / du wirſt mehr thun / als ich ſage v. 21. als der dem Oneſimo alle ſeine privilegia und Rechte zuſchreibet; So du mich halteſt fuͤr deinen Geſellen κοινωνὸν, ſo wolleſtu ihn als mich ſelbſt annehmen v. 17. (anders nicht / als wann ich One - ſimus wer und jener Paulus; Sihe / ich ſchenck ihm mein Recht an meine ſtatt / du wolleſt ihn meiner genieſſen laſſen.) Darauff uͤberwindet er Phi - lemoni ſein Hertz und erhaͤlt die Sach.
Wer iſt dieſer Paulus und Friedmacher in dem Wercke des Heils / der Gerechtfertigung? Wir duͤrffen nur Pauli Namen weg thun / ſo kan alles auff Chriſtum den Apoſtel aller Apoſtel appliciret werden / der ſich enteuſſert ſeines Vaters Schoß / der alle unſere Vngerech -2. Cor. 5, 21. tigkeit ihme ſelbſt imputirt und zugerechnet / ἐγὼ ἀποτίσω, Hie bin ich /Pſ. 40, 8. ſagt Er / ich bezahle / was ich nicht geraubet habe / Er iſt der Advo[-]Pſ. 69, 5.cat, der dem himmliſchen Vater das Hertz uͤberwindet: Ach / ſagt Er von einem iedwederm Oneſimo und bußfertigen Suͤnder / du wolteſt ihn als mein eigen Hertz annehmen! Jch weiß / du wirſt mehr thun / als ich ſage / und den Knecht zu einem Sohn dir anwuͤnſchen / an Kind - ſchafft auffnehmen. Vnd dann ſonderlich iſt er der jenige / der uns alle ſeine jura acquiſita, ſeine erworbene Rechte und Gerechtigkeit imputirt; davon dißmal / nemlich de gratiâ juſtificâ poſitivâ, von der gebenden gerechtmachenden Gnade der zugerechneten Gerechtigkeit Chriſti / ſo auff die Vergebung der Suͤnden folget / und das andere Stuͤck unſerer Gerechtfertigung begreifft / zu handeln / wolle uns der groſſe φιλάνϑρωπος, der grundguͤtige Gott hierzu des Heiligen Geiſtes Krafft und Schein verleihen / daß wir dieſelbe recht ler - nen erkennen / ergreiffen / appliciren / und endlich durch dieſelbe ewig gerecht und ſelig werden moͤgen / umb Jeſu Chriſti willen / Amen.
T 2So148Die ZwölffteSO iſt nun gratia poſitiva, die gebende Gnade in dem Bezirck unſerer Gerechtfertigung mit einem Worte: Juſtitiæ Chriſti imputatio, Die Zurechnung der Ge - rechtigkeit Chriſti; da dann die Wort recht zu verſtehen / was hier juſtitia, Gerechtigkeit Chriſti heiſſe / und was da heiſſe imputatio, die Zurechnung? juſtitia heiſſet allhier nicht die weſentliche Ge - rechtigkeit Chriſti / welche Er mit Vater und dem Heiligen Geiſt ge - mein hat / dann die iſt nicht Chriſti allein und eigen / ſie iſt nicht communi - cabilis ad extra, ſie kan uns Menſchen nicht gemein gemacht werden / ſie iſt ein verzehrend Feuer / ſie verdammet vielmehr / als daß ſie gerecht machen ſolte. So wenig die Jſraeliten fuͤr dem Berge Sinai ſtehen und hinzuExod. 19, 21. 22. brechen kunten / daß ſie der Herr nicht zuſchmetterte / ſo wenig ein Suͤn - der fuͤr Gottes weſentlicher Gerechtigkeit beſtehen mag; Sondern die Gerechtigkeit Jeſu Chriſti / die allhier in dieſem Articul zu verſtehen / iſt activa, eine wůrckende Gerechtigkeit / die da gerecht macht / iſtvide Luth, tom. 1, fol. 42. die juſtitia Evangelica, die Evangeliſche Gerechtigkeit / allein in dem Evangelio geoffenbaret / die Gerechtigkeit des Glaubens / ſo allein durch den Glauben zu ergreiffen; die fuͤr GOTT geltende Gerechtigkeit / dieweil ſie iſt dem Verdienſt nach die allervollkommenſte; dem valor, Gewichte und Werth nach / die allerwichtigſte und edelſte; dem Stande nach im Goͤttlichen Halß-Gerichte die allerguͤltigſte / nemlich der gantze ſo wol wuͤrckende als leidende Gehorſam Chriſti / alle ſein Thun / Muͤhe / Arbeit / Lauffen / Rennen / Leiden / Blutvergieſſen / Creutz / Tod / Begraͤbnuͤß / ꝛc.
Summa / die gantze paſſion und das gantze heilige Leben Chriſti / welches zwar laͤngſt und fuͤr ſechszehen hundert Jahren con - ſummirt und vollbracht / aber ſo offt ein reuender Suͤnder kommet / und mit wahrem Glauben an den Gnaden-Thron appellirt / ſo werden ſie im Gedaͤchtnuͤß Gottes erfriſchet und neu / und werden dem Menſchen zuge - rechnet / faſt auff die Art und Weiſe / wie David den Mephiboſeth der Treu ſeines Vaters Jonathæ entgelten laſſen / ſeine treue Dienſte ſind neu wor -2. Sam. 9, 6. ſeqq. den. Mephiboſeth lahm an Fuͤſſen / war ein toder Hund; Was bin ich / ſaget er zu David: dein Knecht / daß du dich wendeſt zu einem toden Hunde / wie ich bin? David that Barmhertzigkeit an ihmumb149Predigt. umb Jonathan willen / daß er taͤglich aß das Brod an des Koͤnigs Tiſch / worauff er auch den confiſcirten Acker Sauls wieder beſ eſſen.
Folget II. λογισμὸς, im putatio, das Zurechnen; Jederman verſtehet leichtlich / woher dieſes Wort entlehnet und genommen / nemlich aus der Schreib-Stube der Kauffleute / der Schaffner / der Rentmeiſter / da man Schulden bezahlet und machet / Geld außleihet und wiederbrin - get / da geſchiehet dann / daß wann man rechnet mit Rechen-Pfenningen / ſo ſagt man / dieſes iſt hundert Guͤlden / dieſer Zahl-Pfenning thut tauſend / nicht in ſich ſelbſt / ſondern es wird ihm einem Rechen-Pfenning ein Du - cat / oder Portugaleſer zugerechnet / anders nicht / als wann er ſo viel thaͤte / λογισμῷ humano, nach menſchlicher Rechnung. Alſo iſt ein ieder Menſch der verlohrne Groſchen / keinnuͤtz von Natur und unguͤltig / es wird ihm aberLuc. 15, 8. aus frembder Huld eine vollkommene Guͤlte und Werth zugerechnet. Oder wann ein Schuldener fuͤr ſeinen creditorem kommet und bringet einen Buͤrgen mit ſich / der bahr außzahlet / ſo ſihet und nimmet der credi - tor oder Glaubiger den debitorem und Schuldener anders nicht an / als haͤtte er ſelbſt bezahlet / und ſagt: Dieſe Bezahlung ſeye nun dir zugeſchrie - ben und zugerechnet; Alſo verhaͤlt ſichs auch in dieſem Geheimnuͤß; der nichts-geltende / nichts-werthe Menſch / ein toder Hund wird fuͤr gerecht erkennet / des Buͤrgen Zahlung wird fuͤr ſeine Zahlung angenommen / und ihm angerechnet / und daſſelbe 1. Λογισμῷ ſerio & reali, durch eine warhaffte / ernſte / thätige / nicht erdichtete / eingebildete Rech - nung; Hier iſt kein fictio juris, keine Erdichtung oder Einbildung des Rechten ohne fundament, wie irgend auſſer der Schreib-Stube der Re - chenmeiſter mit ſeinem ſcholar rechnet / oder wie ein verdorbener Jud im Sinne rechnet. Ach nein! das ſey ferne! ſonder ſo gewiß und warhaff - tig Chriſtus vor Gott fuͤr uns zur Suͤnden gemacht / (Gott hat den /2. Cor. 5, 21. der von keiner Suͤnde gewuſt / unter die Vbelthaͤter gerechnet. )Marc. 15, 28. zum Fluch worden / das war kein Spiegelfechten / Er hats gefuͤhlet undGal. 3, 13. empfunden / und wehe uns / wann das nicht were! ſo gewiß iſt Er fuͤr uns worden die Gerechtigkeit / ſo gewiß wird ſie uns zugerechnet.
2. Λογισμῷ gratioſo non debitorio, durch eine Gna - den-Rechnung / nicht aus Verdienſt; St. Paulus zeiget einenRom. 4, 4, v. Luth. de juſtificati - one gratiæ in valle Io - ſaphat in Ioel. p. 392. 3 94. 399. nothwendigen und mercklichen Vnterſcheid an inter im putationem ex gratiâ & ex debito, unter dem Gnaden-Lohn und Pflicht-Lohn / dem der mit Wercken umbgehet; wer zum Exempel ſeine Schuld ſelbſt bezahlet aus ſeinem Beutel / dem wird ſie billich aus Schuld und Pflicht zugerech -T 3net /150Die Zwőlfftenet / er mag die Quittung fordern von rechtswegen / aber wer und wo iſt ein ſolcher Bezahler iemal in der Welt geweſen? Wer aber eine ranzion zu legen hat / kan ſie ſelbſt nicht bezahlen / bringet aber einen Buͤrgen / dem ge - ſchichts aus Gnaden / daß der creditor und Glaubige eine ſolche gebuͤrgte ranzion annimt. Es begehret irgend ein Ambaſſador oder Geſandte an der Otomanniſchen und Tuͤrckiſchen Port etliche arme Chriſten-Sclaven außzuloͤſen / da ſtehet es noch bey dem Groß-Tuͤrcken / oder einem Herrn der einen ſolchen Sclaven erkaufft gehabt / ob er ſo gethane ranzion wolle annehmen oder nicht? thut ers / ſo iſts ein Gnaden-Werck. Eine ſolche Rechnung / eine ſolche Zurechnung iſt hie auch. Ob gleich Chriſtus ranzio - nirt mit ſeinem Blut und Tode / ſo geſchicht doch auff ſeiten Gottes ſolche Annehmung aus Gnaden. 3. Λογισμῷ ſatisfactorio, durch Ge - nugthuuns-Rechnung / dann ſo erforderts Gottes ſtrenge Gerechtig - keit / einen gnugſamen Abtrag / εἰς ἔνδειξιν τῆς δικ〈…〉〈…〉 ωσ〈…〉〈…〉 ης, zu BezeugungRom. 3, 4. der Gerechtigkeit. Dann Gott macht keinen Gottloſen gerecht / ohne Be -Prov. 17, 15. zahlung und Außlegung eines allguͤltigen Buͤrgen.
4. Λογισμῷ juſto, durch warhafftige und gerechte Zurech -Marc. 15, 28. nung; Chriſtus iſt fuͤr der Welt unter die Vbelthaͤter gerechnet / aber iniquè, unbillicher Weiſe / vor Gott aber juſtiſſimè, auff das allerrechteſte und warhafftigſte. Gottes Gerechtigkeit hat den Sohn Gottes auff dem paſſions-theatro angeſehen / nicht nur als eine fuͤr ſich ſelbſt allerheiligſte Perſon / ſondern auch als einen Buͤrgen und Buͤſſer / der ihme ſelbſt frey - willig alle menſchliche Schulden-Laſt auff ſich geladen / und als der groͤſte maleficant und Vbelthaͤter da geſtanden / und in ſolchem reſpect auch ohne ſchonen umb unſert willen geſtrafft / gemartert und gepeiniget worden.
5. Λογισμῷ formali & appropriato ad nos terminato, durch eine zugeeignete und auff uns gerichtete Zurechnung /Eſa. 61, 10. ſo genau als einem ein Kleid am Leibe ligt / dann das iſt das Kleid desRom. 13, 14. Heils / und der Rock der Gerechtigkeit / Chriſti Leben / Vnſchuld / Heilig -Gal. 3, 27. keit ꝛc. iſt mein durch den Glauben / der ſolchen angebotenen Schatz er - greifft / anders nicht / als haͤtte ich Gott uͤber alles geliebet / mich nichts boͤſes geluͤſten laſſen / durch den Glauben bin ich der Allerheiligſte / weil ich die allerheiligſte Gerechtigkeit Chriſti Jeſu angezogen / anders nicht als haͤtte ich ſelbſt gebuͤſſet / So einer ſtirbet / ſo ſind ſie alle geſtorben /2. Cor. 5. 14. ſpricht St. Paulus.
Daraus folget / daß die Gerechtigkeit oder Gerechtfertigungnicht151Predigt. nicht dem Menſchen eingegoſſen. Dann dergleichen Guß oder Einguß / davon vorzeiten den muͤſſigen Moͤnchen im Papſtumb getraͤumet / den ſie aus Vnwiſſenheit der Sprachen / in die Kirch Gottes außgegoſſen / leidet weder der ſtylus, die Art zu reden von der juſtification der Recht - fertigung des Suͤnders für Gott / welche niemal anders als in dem Bild eines politiſchen Standrecht oder Blutgericht nach allen Vmbſtaͤn - den befchrieben / es wird gedacht des Richters / des peinlichen Halßgerichts Ordnung / welche iſt das Geſetz / des Klaͤgers Moſis / der Zeugen des Ge - wiſſens / des verklagten maleficanten und ſeines Fuͤrſprechs; noch auch leidet gemeldten Einguß der Gegenſatz der Verdamnuͤß (wo Verdam - nuͤß iſt / da hat die Eingieſſung oder Einpflantzung der Verdamnuͤß keinenRom. 8, 4. Platz) ſondern eine gerichtliche Erklaͤrung / durch welche man einen gerecht ſpricht: da dann der Heilige Geiſt als das fac totum 1. illuminiret und dieſen Schatz offenbaret durch das Evangelium. 2. appliciret durch den Loͤſe-Schluͤſſel / und durch die Heiligen Sacramenta obſigniret und ver - ſiegelt die Gerechtigkeit / und iſt demnach die Gerechtfertigung eines armen Suͤnders vor Gott / eine ſolche gerichtliche Handlung / da der Beklagte / in ſeinem eigenen Hertzen ůberwieſene und verdamte arme Suͤnder / von dem Richter aller Welt / umb und von wegen ſeines Bůrgen Chriſti Jeſu / und deſſelben allgil - tigen ranzion und imputation oder Zueignung oder Zurech - nung / ſeiner des Bůrgen theuer-erworbenen Gerechtigkeit abſolvirt / quitt / frey und loß geſprochen / und fuͤr gerecht und heilig erkennet worden.
Daß aber dem alſo / und daß erſterwehnte und erklaͤrte Gerechtig - keit in Gottes Wort fundirt / daſſelbe erſcheinet aus folgenden Sonnen - klaren argumenten / 1. Aus dem klaren Buchſtaben / der HErr Meſſias iſt unſere Gerechtigkeit / ſpricht Jeremias / wie ſolches zuIer. 23, 6. verſtehen / das erklaͤret der Prophet Eſaias: Jm HErren werden ge -Eſa. 45, 25. recht ſeyn / aller Same Jſrael / nemlich wie der fuͤr ſich ſelbſt wuͤr - ckende Mond leuchtet von / in und durch die Sonn und dero mitgetheilten Glantz / welchen der Mond gleichſam anzeucht als ein Kleid. Nach der Verheiſſung / Dan. 9. wird die Miſſethat verſiegelt und die nichtDan. 9, 24. zeitliche / eingegoſſene / wachſende / ſondern ewige Gerechtigkeit ge - bracht. Wie durch eines Menſchen Suͤnde die Verdamnuͤßuͤber152Die Zwoͤlffteuͤber alle Menſchen kommen / Adams Suͤnd und wuͤrckliche Apffel - Biß iſt auff alle Menſchen gefallen; wie? durch irgend einen Einguß der - ſelben Suͤnd? O nein: ſondern es iſt dieſelbe Suͤnd uns allen zugerech - net worden / als haͤtten wir ſie in Perſon begangen: Alſo iſt auch durchRom. 5, 18. eines (Chriſti des andern Adams) Gerechtigkeit die Rechtferti - gung des Lebens uͤber alle Menſchen kommen: durch eines Gehorſam καταςαϑήσονται, conſtituti ſunt, ſind viel als Gerech -1. Cor. 1, 30. te dargeſtellet worden. Chriſtus iſt uns gemacht zur Gerechtig - keit / verſtehe nicht bloß efficienter, weil Er uns gerecht machet / auff welche Weiſe auch der Vater und der Heilige Geiſt unſere Gerechtigkeit mag genennet werden / ſondern formaliter, dieweil ſeine Gerech - tigkeit uns zugeeignet und durch den Glauben unſer eigen worden. 2. Cor. 5, 21.Gott der HErr hat den / (Chriſtum) der von keiner Suͤnden wuſte / fuͤr uns zur Suͤnde gemacht. Wie? Hat er ihm unſere Suͤnde eingegoſſen? Das ſey ferne / ſondern zugerechnet. Auff daß auch wir wuͤrden in ihm die Gerechtigkeit / die fuͤr Gott gilt / das iſt / Er hat ebener maſſen ſeine Gerechtigkeit uns zugerechnet und zu - gemeſſen. Welche Kern - und Macht-Spruͤche wol in das Gedaͤchtnuͤß zu faſſen und ins Hertz zu ſchreiben ſind / als daran der Grund / Safft und Krafft unſers ſeligmachenden Glaubens hafftet.
2. Aus der Abwegung der Gerechtigkeit / zu deren Bezeu - gung unſere Gerechtfertigung eingeſetzt / die ſtehet da und hebt die Wage / leget in eine Schal unſere Schuld / das ſind zehen tauſend Pfund / in die andere Schal juſtitiam infuſam, gradualem, die endliche / eingegoſſene / proportionirte Gerechtigkeit / und wanns gleich Adams im Stande der Vnſchuld / ja Engliſche Gerechtigkeit were. Da findet ſie keine proportion nach dem Seckel des Goͤttlichen Heiligthumbs; darumb ſagt ſie: Was ſoll der Strohhalm? ſie blaſet ihn weg / es iſt leicht Geld / es iſt zu leichte /Dan. 5, 27. mene tekel, man hat ſie gewogen / aber zu leichte funden; Wann aber eine frembde / nemlich die allervollwichtigſte / theureſte Chriſti Gerechtigkeit von unendlicher Krafft und Adel / darauff gelegt wird / ſo uͤberſchlaͤget ſie / der Glaube greiffet alſobald darnach / fallt darauff. Auff ſolche Weiſe wuͤrde der Menſch juſtiſſimus, der allergerechteſte / durch eine unendliche Gerechtigkeit. Wie aber / durch eigene oder durch frembde Ge - rechtigkeit? nicht durch jene / die iſt zu wenig / zu gering vor der unend - lichen Gerechtigkeit und Majeſtaͤt Gottes zu beſtehen / vor welcher auch dieheili -153Predigt. heiligen Engel des Liechts ihre heilige Fuͤſſe bedecken / derowegen durch dieſe / nemlich die frembde / welche unſer eigen-anders nicht werden kan / ſie werde uns dann zugerechnet.
3. Aus dem Gewiſſens-Frieden; Eine ſolche Gerechtfer - tigkeit muß der Menſch haben fuͤr Gott / aus welcher der Friede im Gewiſ - ſen mit Gott herquillet / Rom. 5. da hingegen ein Schuldener ſich nichtRom. 5, 1. zu ſeinem Glaubiger machen darff / er fliehet ſeinen Schuld-Glaubiger zu Weg und Steg / gehet eine andere Gaſſen / in der Gaſſen da man ſchuldig iſt / ſtirbt es. Solcher Friede und Gewiſſens-Ruh kan und vermag keine habitual-gradual - und endliche Gerechtigkeit zuſchaffen: wann der Schuld-Glaͤubige ſein Recht ſtreng urgirt / ſo contentirt er ſich nicht mit zehen gegen tauſend / hier gehet unendlich gegen unendlich: Wer bezahlen ſich und ſeinen Glaubiger befriedigen will / der muß nicht ſtuͤmplen / er muß biß auff den letzten Heller bezahlen / und dem Ge - ſetz den allerreineſten / vollkommenſten / genaueſten Gehorſam leiſten / und ob ers gleich alſo leiſtet / ſo thut er doch erſt / was er fuͤr ſich ſelbſt aus obligation der Schoͤpffung ſchuldig / und mag damit ihm ſelbſt nichts verdienen.
4. Aus Abrahams / des Vaters aller Glaubigen Exem -Rom. 4, 3. pel; der Glaube iſt ihm zur Gerechtigkeit zugerechnet / das iſt / die Gerechtigkeit Chriſti / die Er in ſeiner Glaubens-Hand als einen wer - then Schatz ergriffen und gehalten / die iſt ihm dergeſtalt zugerechnet wor - den / als haͤtte er dem Geſetz ad ſpeculum, gantz Spiegel-rein eine vollkom - mene Gnuͤge gethan.
Dieſes iſt das Evangelium / πάσης ἀποδοχῆς ἄξιον! iſt abermal eine froͤliche Bottſchafft / ein theures und werthes Wort mit Freuden an - zunehmen / und zwar 1. agnoſcendum, zu erkennen und anzuſehen als das fundament, die Grundveſte unſers Heils / ohn deſſen Erkaͤnt - nuͤß niemand iemal ſelig worden. Der Heilige Geiſt iſt deßwegen geſendet und geſchencket / daß er Chriſtum verklaͤre / ſeine Tugenden nicht im fin - ſtern verligen / ſondern mit auffgedecktem Angeſicht ſpiegeln laſſe / uns zu erleuchten von einer Klarheit zur andern; Wahr iſt es / es gibet viel Schul-Fragen / die eben nicht iederman zu wiſſen von noͤthen / es gibt cu - rioſa quomodo? unnuͤtze / unglaubige / uͤberwitzige Wie-Fragen / Wie ſoll das zugehen? Aber eine ſolche iſt dieſe nicht / hier iſt von noͤ -Ioh. 3, 9. then / daß man frage wie? Wie werden wir in Chriſto gerecht fuͤrSechſter Theil. VGott? 154Die ZwoͤlffteGott? Wie iſt Chriſtus unſer Gerechtigkeit worden? zu entfliehẽ und zu widerlegen der Kaͤtzer Hauffen. Der Papiſt bekeñet auch / daß Chri - ſtus ſey unſere Gerechtigkeit / auch der Photinianer / ja auch die Arminianer erkennen die juſtitiam imputativam, die zugerechnete Gerechtigkeit / aber wie? Ja ich ſage / daß kein Menſch iemal ſelig worden ohne Erkaͤntnuͤß dieſes Articuls; dieſer Articul iſt des erſten gefallenen Menſchen Haupt - Troſt geweſt / abgebildet in dem Rocke aus Fellen vom Opffer-Vieh ge - macht. Hinweg mit den Feigen-Blaͤttern eigener Gerechtigkeit! das Sterb-Fell des unſchuldigen Laͤmbleins thuts / darauff Adam ſein ſym - bolum und Glaubens-Bekaͤntnuͤß fundirt und gegruͤndet. Sie ſollGen. 3, 20. Eva heiſſen / ſagt er / das iſt eine Mutter der Lebendigen / iſt ein Name entgegen geſetzt der Todes-Draͤuung / nicht tod ſondern chava, lebendig! das iſt das Marck und Kern geweſt in den Opffern / da der opffernden Suͤnder Vngerechtigkeit iſt zugerechnet worden dem Bock / andern Vieh und Brand-Opffern / auff dieſelbe geleget und bekennet worden. Hingegen die Reinigkeit und Gerechtigkeit des Meſſiæ / durch die reine Opffer-Thier bedeutet auff den Opfferer gelegt worden. O ein ſeliger Wechſel! da Chriſtus von mir nimmet was mein iſt / nemlich mei - nen Vnflat / und mir gibt was ſein iſt / nemlich ſeine fuͤſſe Wunderthat.
2. Aſſentiendum, man muß dieſes groſſe Geheimnuͤß annehmen / und demſelben beypflichten / auff die Art und Weiſe / wie es beſchrieben und nicht anders mahlen laſſen / auch keine andere Ge - rechtigkeit / und alſo den Schatten fuͤr die Warheit annehmen. Jſt ein Geheimnuͤß unter allen / deme widerſprochen wird / ſo iſt es dieſes. Die elo - gia und ſchoͤne Ehren-Titul / die man ihm gibt / im Papſtumb ſind dieſe: Stapletonus nennets amentiſſimam inſaniam & ſpectrum cerebri Lu - therani, die allerthoͤrichſte Vnſinnigkeit und Geſpenſt des Lutheriſchen Gehirns; Cornelius à Lapide, larvatam juſtitiam, eine vermummete Ge - rechtigkeit / Bailius, juſtitiam incruſtatam ſimilem ſepulchris dealbatis, meram Chimeram, Eine ſcheußliche Gerechtigkeit / ein getuͤnchtes Grab; Es ſey eben ſo viel / als wann man von einem hinckenden Vulcano ſagte: Er gehet gerad / aber auff frembden / gemachten Beinen; von einem Ther - ſite, er ſey ſo ſchoͤn als Abſolon / wegen ſeiner eingebildeten Schoͤnheit. Conzen. ad Rom. 10. p. 396.Adam Conzen vergleichet die zugerechnete Gerechtigkeit einem Puppen - Spiel der Kinder / die mit einer Puppen als mit einem lebendigen Men - ſchen ſpielen / ſie an - und außziehen / ſchlaffen legen / auffheben / zu eſſen geben. Ein anderer ſchreibet / wie Chriſtus alles fuͤr die Lutheraner gethan / gebuͤſ -ſet / ge -155Predigt. ſet / gebetet und gefaſtet / und ſie deſſen frey / alſo ſey Er auch fuͤr ſie gen Him -Zach. 3, 2. v. D. Gerh. l. 2. CC. part. 3. pag. 684. Col. 2, 8. mel gefahren / auff daß ſie drauſſen in nobis, Hauß bleiben muͤſſen. Der HERR ſchelte dich du Sathan! Wir halten nur deſto feſter ob dieſem Schatz wider die falſch-Apoſtoliſche Geſetz-Gerechtigkeit / nach der Apoſtoliſchen Vermahnung / Sehet zu / daß euch niemand berau - be durch die falſche Philoſophia und loſe Verfuͤhrung nach der Menſchen Lehre / und nach der Welt Satzungen / und nicht nach Chriſto.
3. Unicè tenendum, man muß daſſelbe einig und al - lein behalten / und an daſſelbe ſich halten; Ade! Ethnico-Pha - riſaico legalis juſtitia mercenaria, O du Heydniſche / Phariſeiſche Geſetz - verdienſtliche Gerechtigkeit / davon ein falſcher Wahn uns leider von Na - tur angeboren. Fragt man in dem wilden Wald einen Wald-Bauren / in der Tuͤrckey / Tarterey / Heydenthumb: Wie meyneſtu deine unſterb - liche Seele nach dieſem Leben zu verſorgen / wie wiltu fuͤr Gott beſtehen / dein Gewiſſen uͤberzeuget dich / daß du wegen begangener Mißhandlung Rach und Straffe verdienet / wie wiltu der ewigen Straffe entgehen? Die Antwort fallet alsbald: Ey wann ich fromm bin / wann ich nach der regul meines Alcorans lebe / wann ich gute Werck thue / Amoſen gebe / ꝛc. Aber was ſagt der Mund und Grund aller Warheit hierzu? Es ſeyMatt. 5, 20. dann deine Gerechtigkeit beſſer als dieſe Phariſeiſche Gerech - tigkeit / ſo kanſtu nicht ins Himmelreich kommen / nemlich eine andere uͤber-phariſeiſche / ja uͤber-Engliſche Gerechtigkeit von dem H. Geiſt geoffenbaret. Ade Pſendo-Apoſtolica, Evangelico-legalis-Papiſtica juſtitia! Weg mit der falſch-Apoſtoliſchen / Paͤpſtiſchen / gemengter Ge - ſetz-Evangeliſchen Gerechtigkeit; da heiſſet es auch: Es ſeye dann euer Gerechtigkeit beſſer dann der Phariſeer Gerechtigkeit / ſo koͤn - net ihr durch dieſelbe nicht beſtehen fůr Gott. St. Paulus gibt allen ſelbſt-erwehlten Gerechtigkeiten / Wercken und Verdienſten den Ab - ſcheid / ſo fern man mit denſelben prangen will in foro juſtificationis, in dem Gericht Gottes. Er gibt ſolchen pralendẽ Wercken ein wuͤſt prædicat, das heiſſet σκύβαλα, was der Hund fallen laͤſſet / eure Gerechtigkeit iſtPhil. 3, 8. gleich einem beſudelten / unflätigen Tuche / wie Eſaias ſpricht.
4. Magna fiducia & gaudio amplectendum, man muß daſſelbe mit groſſem Vertrauen und Hertz-begierigerV 2Freude156Die ZwölffteFreude annehmen. Schulden-Laſt iſt eine ſchwere Laſt! dannenheroapud Ma - crob. wundert ſich Kaͤyſer Auguſtus uͤber jenes Ritters Haupt-Kuͤſſen / daß er auff ſo einem ſanfften Kuͤſſen / unter ſo groſſen Schulden / ſchlaffen koͤn - nen; Aber Erleichterung der Schuld iſt eine groſſe Freude / mancher der ſeine Schulden bezahlet / der ſaget: Mir iſt ein Berg ab dem Halß. Zuvor fliehet er ſeinen creditoren / wie contra ein redlicher Mann gern bezahlet / wer nichts ſchuldig iſt / der iſt getroſt und ſtirbet getroſt: Ach wie viel einRom. 5, 1. groͤſſer Vertrauen hat einer in der Gerechtfertigung / wann er der Gerech -Eſa. 61, 10. tigkeit den Rock der Gerechtigkeit fuͤrhalten kan / Eſa. 61. und ſagen:Pſ. 85, 14. Sihe mein Gott / da iſt der Rock deines lieben Sohnes! in garGen. 37, 31. einem andern Verſtand / mit andern affecten / als die boßhafftigen Bruͤder Joſephs / die aus blutduͤrſtigem Gemuͤthe / mit verkratzter / unverſchaͤmter Stirn ihrem alten Vater ohne ſchen fuͤr Augen tretten / zeigen ihm Jo - ſephs Rock / und ſagen: Dieſen haben wir gefunden / ſihe obs dei - nes Sohns Rock iſt / oder nicht?
Auch in einer andern Meynung als vorzeiten Richardus Koͤnig in Engelland / nach dem er Philippum Belloavcenſem Epiſcopum im Krieg / den er rebelliſcher Weiſe wider den Koͤnig gefuͤhret / gefangen bekommen / fuͤr den der Papſt Anſuchung gethan / umb deſſen als ſeines geliebten Sohns Erledigung / ſo ſchicket Richardus animo indignabundo, aus zornigem Gemuͤthe des Biſchoffs außgezogenen Kuͤriß / Pantzer / Waf - fen und Kriegs-Ruͤſtung gen Rohm / und laͤſſet dem Papſt ſagen und fra - gen: Sihe heiliger Vater / ob diß deines Sohns Rock ſey? ſondern aus bußfertigem / glaͤubigem / freudigem / getroſtem Gemuͤthe / in groſſer parrhe - ſia, freyem Muth und freyem Munde zu ſagen: Sihe himmliſcher Va - ter / iſt das nicht der Rock deines Sohns / den du mir angezogen in der hei - ligen Tauffe / in welchem ich erſcheine / und meiner geiſtlichen Bloͤſſe dem Mangel deſſen anerſchaffenen Schmuck des Goͤttlichen Ebenbilds / den - ſelben entgegen ſetze / in zuverſichtlicher Hoffnung / es habe nun alle Fehde / Verdruß / Haß / Grimm ein Ende. Lieber Herr Chriſte / (ſo lautettom. 4. lat. in cap. 3. D. Luthers Buß-Gebet) ich bin deine Suͤnde / dein Fluch / dein Tod / deinGalat. Zorn Gottes / deine Hoͤlle: dagegen biſtu meine Gerechtigkeit / mein Se - gen / mein Leben / meine Huld Gottes und mein Himmel; du haſt auff dich genommen / was mein iſt / und mir gegeben was dein iſt: So gib mich dir / und nim mich mir! laß deine Gerechtigkeit mein ſeyn und bleiben / daß ich darinnen fuͤr deinem Richter-Stul prangen moͤge.
Dannenhero waͤchſet das groſſe Vertrauen / daß man mit St. Pauloſagen157Predigt. ſagen kan: Quis condemnabit? Wer will verdammen? Rom. 8, 34.Chriſtus iſt / der gerecht machet. Da gehoͤret auch her die Freude der geiſtlichen Geſponß der Chriſtlichen Kirchen / Eſa. 61. Jch freue michEſa. 61, 10. im HErren / und meine Seele iſt froͤlich in meinem Gott! dann Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils / und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet / wie einen Braͤutigam mit Prieſterlichem Geſchmuck gezieret / und wie eine Braut in ihrem (von dem Braͤutigam empfangenem) Geſchmeide berdet; nach dem Exempel des H. Bernhardi / von deſſen Kampff wider den Sa -vid. Lyſer. harm. pag. 137. than wird folgends erzehlt; Er wolt alle Moͤnche uͤbertreffen in der Froͤm̃ig - keit / niemand war ihm fromm genug / verlaͤſt ſich darauff; Aber er ſagt / es ſey ihm geweſt als were er citiret vor dem Richter-Stul Gottes / und an - geklagt von dem Sathan / er haͤtte geſagt: Jch habe gethan / was ich ver - mocht: Der Sathan antwortet: Du biſt alles zu thun ſchuldig geweſt: Bernhardus hat geſeuffzet: Ach Herr ich habe boͤſe gelebet! der Sathan hat ihm die concluſion gemacht: Darumb hat Gott Plagen und Straffen fuͤr dich: Bernhardus ſpricht wieder: Ach du guͤtiger Gott! hier ſchlage zu / brenne / ſchone nur dort in Ewigkeit! hingegen der Sathan: Nein! ſondern du ſolt hier und dort gequaͤlet werden. Da faͤhet Bern -Bernh. in ep. 190. ad Innocent. hardus an: Wer will verdammen? Chriſtus hat mich gerecht gemacht ꝛc. Recht guͤldene Wort ſind es / die er fuͤhret: Quod ſi dixerit: Pater tuus Adam adduxit te; Reſponde. ſed Frater meus redemit me, cut non ali - unde juſtitia, cum aliunde reatus? alius qui peccatorem conſtituit, alius qui juſtificat à peccato: aliter in ſemine, aliter in ſanguine: peccatum in ſemine peccatoris, & non juſtitia in ſanguine Chriſti? ſi mea traducta culpa, cur non & mea indulta juſtitia? & ſane mihi tutior donata, quam innata, das iſt / was die Chriſtliche Kirche ſinget: Wie uns hat eine frembde Schuld / in Adam all verhoͤnet / alſo hat uns ein frembde Huld / in Chriſto all verſoͤhnet / dadurch wir ſeyn / von Tod und Pein erlöſt / ſo wir vertrauen / in dieſem Hort des Vaters Wort / wem wolt fuͤr ſterben grauen? Vnd in ſeinem Commentario uͤber das Hohelied Salomonis: Du biſt mir zur Ge -id. in Can - tic. ſerm. 61. rechtigkeit gemacht von Gott! ſolte ich dann zweifeln / ob eine (nemlich deine) Gerechtigkeit gnug were vor beyde? Es iſt nicht ein ſolcher kurtzer Deck-Mantel / daß er nicht koͤnte zween bedecken.
V 35. Evan -158Die Dreyzehende5. Evangelium caſtigans; Ein recht Zucht-Evange -Tit. 2, 11. 12. lium; Die heilſame Gnade iſt uns zwar erſchienen / aber ſie bringt eine Zucht-Ruthe mit ſich / und zuͤchtiget uns / daß wir nicht wie der groſſe Welt-Hauff der Heuchler und Halb-Chriſten geſinnet / aus dem Kleide der zugerechneten Gerechtigkeit Chriſti einen Deckel der Schalckheit machen / und das Blut Chriſti zu einem Pflaſter der beharr - lichen und immer-wachſenden Boßheit / ohne derſelben hertzlich haſſen und loſen Mißbrauch / und alſo der widrigen calumnien wahr machen / mit der Warheit ins Geſchrey kom̃en. Sondern gottſelig / gerecht und zuͤchtig leben. Hat Chriſtus unſere ſchwere Laſt auff ſich genom̃en / war - umb wolten wir dann nit (wann Er uns gleich toͤdtet) ſein leichtes CreutzMatth. 27, 32. und Joch auff uns nehmen / wie Simon von Cyrene? Hat Er ſelbſt uns ſeine Gerechtigkeit geſchencket / und uns ein rechter Oneſimus, ſehr nuͤtz worden / warumb wolten wir uns dann nicht ſelber nuͤtz werden durch Lie - be und Dienſt des Naͤchſten / aus freudigen / luſtigen / ungezwungenen / freyen / edlen Geiſt? vnd derſelb als Kinder / nit wie die Paͤpſtiſchen Tagloͤh - ner aus Zwang und Furcht der ſtraffen / anders als die jenige liebloſe Ano - neſimi die fuͤr ſich ſelbſt ſind / wie ein klein Reichs-Staͤttlein / niemand bey - ſpringen / niemand zu Huͤlffe noch Troſt kom̃en. Vnter dem Geſind gibt es wenig Oneſimos, treue und nuͤtze / vielmehr ἄχρηςους, unnuͤtze Knechte undPhil. 1, 10. 11. Maͤgde. GOTT geb uns ſeinen Geiſt / daß wir lauter ſeyen und unanſtoͤſſig / biß auff den Tag Chriſti / erfuͤllet mit Fruͤch - ten der Gerechtigkeit / die durch Jeſum Chriſtum geſchehen / zu Lob und Ehren Gottes / Amen.
Vber den dritten Articul / Von der Goͤttlichen Buß-Ordnung.
GEliebte in Chriſto: Viel und mancherley Verſöh - nungs-Mittel / poſituren / Geberden / Weiſen und Wege finden wir ſo wol in profan-Hiſtorien / als auch in der heiligen Schrifft / ſo die jenigen Perſonen / die etwas auff der Haub gehabt / denen nach begangenenMiß -159Predigt. Mißhandlungen nichts gutes geſchwanet / die ſich Gott im Himmel oder auch den Abgoͤttern zur Buſſe nach begangener Suͤnde dargeſtellet / den himmliſchen Zorn abzuwenden / auffrecht zu bleiben / und Gnade zu erlangen; ſo theils aus dem Liecht der Vernunfft erglaſtet / theils aus des heiligen Teufels Einblaſen und ſuperſtition erdacht / auff die Bahn ge - bracht / und wuͤrcklich geuͤbet die Gewiſſen zu ſereniren und beruhigen. 1. Donaria, Geſchenck / præſentz und Verehrungen; Als die Philiſter vom Herren dem Hebreer Gott wegen der geraubten und profanirten Bunds-Lade hart geſchlagen waren / und Gottes ſchwe - re Hand auff ihnen ligend empfunden / ſchicken ſie aus Rath ihrer Prie - ſter zum Schuld-Opffer fuͤnff guͤldene Maͤuſe / fuͤnff guͤldene Aerſe / guͤl - dene Kleinod in ein Kaͤſtlein geleget mit der Bunds-Lade zuruͤck / ex talio - ne, dieweil ſie an heimlichen Orten geſchlagen / und ihre Acker durch die Maͤuſe verderbet worden / 1. Sam. 6. den Hebreer Gott damit zu be -1. Sam. 6. 4. ſeqq. guͤtigen.
2. Magica Incantamenta, Zauberey-Mittel; aus der ſchwartzen Kunſt / nach der boͤſen regul: Flectere ſi nequeo ſuperos acheronto movebo, will Gott nicht helffen / ſo helff der Teufel; Jn dem ſie die manes evocirt / und die Seelen aus der Hoͤllen gelocket / von denſelben ſich Raths zu erho - len / umb die Goͤtter zu verſoͤhnen; in welchem Stuͤck ihnen der unſelige / gottloſe / in ſeinen Suͤnden verſtorbene Saul præludirt / da ihm die Philiſter1. Sam. 28,[5]. ſeqq. auff dem Halſe geweſt / und er ins Gedraͤng kom̃en / und aber der Herr der euſſerſt erzuͤrnete Gott mit keiner andern Antwort erſcheinen wollen / hat er eine Wahlfahrt gen Endor gethan / zu einer Wahrſagerin / den verſtor - benen Propheten Samuel herfuͤr zu bringen / denſelben umb Rath und Huͤlffe zu erſuchen / wie er Gott im Himmel wiederumb beguͤtigen moͤge? Alſo machet es Baſſianus Caracalla, welcher ſeinen Bruder Getam im Schoß ſeiner Mutter entleibet / und ihm mit folgendem epicedio parẽtirt: Sit divus, dum̃odo non vivus, Jch will ihm ſeine Heiligkeit den Himmel gern goͤnnen / wann er nur nicht hier lebet / und Papinianum ICtum, der dieſen Mord aus ſeinen Rechten nicht konte oder wolte gut heiſſen / ſondern geſagt: Non tàm facilè parricidium excuſari poſſe quàm fieri, Es laſſe ſich ein Mord nicht ſo leicht entſchuldigen / als begehen / hat er ihm laſſen das Haupt zwiſchen zwey Beine legen; daher es kommen / daß Er fuͤr den ſpectris keine Ruhe gehabt: Was thut er? Er laͤſt die Geſpenſter zu be - guͤtigen / viel Seelen durch Huͤlffe der Schwartzkuͤnſtler und Zauberer ausder160Die Dreyzehendeder Hoͤllen herfuͤr ruffen und bringen / deren eine Commodi Seel geſagt:() v. Chri - ſteid. act. 1. phœnom. 1. p. 15. Perge ocyus ad ſupplicium, Eile fort zur Straffe! wie bald erfolget.
3. () Sacrificalia, allerhand Verſöhn-Opffer / daß ſie auch gar kommen biß auff die ἀνϑρωποϑυσίαν und Menſchen-Opffer; ſonder -2. Reg. 17, 31. lich haben in dieſem Stuͤck greulich gewuͤtet die Aſſyrier / welche ihre Kin - der dem Abgott Adramelech geopffert / und ſoll auff ſolche Weiſe der Koͤ - nig Sanherib / nach dem er von dem Gott der Hebreer auffs Haupt ge - ſchlagen worden / denſelben zu verſoͤhnen im Sinn gehabt haben ſeine Soͤhne auffzuopffern / deme ſie aber vorkommen / wie Lyranus ſchreibt. Die Pœni zu Carthago; die Griechen habens nachgemacht mit der Iphige - niâ, der Tochter Agamemnonis, die ſolte der Dianæ auffgeopffert werden aus Rath des Oraculi, welches geantwortet: Die Griechen koͤnten die Dianam nicht anders verſoͤhnen / als durch das Agamemnoniſche Blut / ſintemal Agamemnon ſie erzuͤrnet; Die Roͤmer thaten dergleichen in ihren Saturniniſchen Fecht-Spielen; und die Juden / ſo nach der benach - barten Heyden Weiſe ihre Kinder dem Moloch auffgeopffert; und mag ſolches geſchehen ſeyn aus letzem Verſtande der Hiſtori von Abraham / der ſeinen Sohn Jſaac auff Goͤttlichen Befehl auff dem Berge MoriaGen. 22, 2. ſeqq. ſchlachten wolte / dem es auch Jephtha unzimlich nachgethan: da er ſeine Tochter aus unzeitigem unbedachtem Eifer geopffert.
4. Externa Sclerogagica, Euſſerliche ſelbſt-auffgenom - mene harte und ſchwere Marter-Buſſe / die ſie ihrem Leibe undMatth. 6, 1. Gliedmaſſen angethan / προς τοϑεαθῆναι, zur Schau / als da ſind geweſen1. Reg. 18, 28. die Aſche / damit man ſich beſprenget / der Sack / das Faſten / das geiſſeln und ritzen biß auffs Blut / wie die Baals-Pfaffen gethan / ob Baal davon auffwachen / und in anſehen ſolcher harten / ſtrengen Buſſe helffen wolte / das ſollen zwar euſſerliche Zeichen ſeyn der innerlichen Hertzens-Reu / wann aber das Hertz nicht rechtſchaffen iſt / ſo ſinds Greuel / wider welcheEſa. 58, 3. 4. 5. Gott der Herr fulminirt und ſeinen Mißfallen andeutet: Wann ihr faſtet / ſo uͤbet ihr euren Willen: Jhr hadert und zancket / ſoll das ein Faſten ſeyn / das ich erwehlen ſoll? daß ein Menſch ſeinem Leibe des Tages uͤbel thue / oder ſeinen Kopff henge wie ein Schilff / oder auff dem Sack in der Aſchen ligt; wollet ihr das ein Faſten nennen / und einen angenehmen Tag des HERREN?
Dahin gehoͤret 5. Trina pœnitentia, die im Papſtumbhochge -161Predigt. hochgelobte / glaub-heil - und gottloſe Buſſe / ſo da beſtehet in dreyen Stuͤcken / nemlich in Reu des Hertzens / Bekaͤntnuͤß des Mundes aller Suͤnden in particular, und Gnugthuung der Wercke; deren die erſte als glaub-loß / eine Judas-Buſſe; die andere carnificina animæ, eine Seelen-Folter / oder Beichtweh; die dritte Gottes-laͤſterlich / haͤtteſtu dir was koͤnnen erwerben / was haͤtte dann Chriſtus duͤrffen fuͤr dich leiden und ſterben? Weit eine andere bewaͤrte Ordnung zeiget uns Gott der Heilige Geiſt / Huld und Gnade zu erlangen / davon David in ſeinen Buß-Pſalmen klaͤglich geſungen / nemlich das præſentPſ. 51, 19. und Opffer eines zerknirſchten und zerſchlagenen Hertz / das wird Gott nicht werffen hinderwerts; hier iſt die theſchubhah, averſio à malo & converſio ad Deum, die Abwendung vom boͤſen / von der Suͤnd / als dem aͤrgſten Vbel / und Bekehrung zu Gott / als dem beſten und hoͤchſten Gut: μετάνοια, gruͤndliche Hertz-Enderung des Gemuͤths / Nachwitz nach der Thorheit / ἀνανήψωσις die Ernuͤchterung.
Mit einem Worte die Göttliche Ordnung / nicht zwar diſpo - ſitiva, einer eigenthaͤtlichen / urſaͤchlichen Bereitung / weniger meritoria, eines verdienſtlichen Mittels: es heiſſet auch allhier nicht aus Verdienſt der Wercke: ſondern 1. ordo pædagogicus,Rom. 9, 11. Eine Zucht-Ordnung / und auf ſeiten des Glaubens organicus, als eines Jnſtrument von Gott geordnet die Gnad zu ergreiffen. 2. Man - datus, Eine gebotene und von GOTT befohlene Ordnung /Eſa. 1, 16. Waſchet euch / reiniget euch / thut euer boͤſes Weſen von mei - nen Augen! lauter Befehlichs-Wort. 3. Commendatus, geprie - ſen und angewieſen von Johanne dem Taͤuffer / Chriſto ſelbſt / und denMarc. 1, 15. Apoſteln. 4. Declaratus, Außgeleget und klar gemacht mitMatt. 3, 1. 2. c. 4, 17. dem Exempel und Gleichnuͤß / genommen von der Medicin und Cur einerAct. 2, 38. c. 3, 19. gefaͤhrlichen Kranckheit / da man zu erſt die Kranckheit entdecken und empflnden muß / alßdann bringet der Medicus die Artzney darzu: Alſo iſtLuc. 24, 47. es beſchaffen mit der Buſſe / die beſtehet in angeregten zweyen Stů - cken / nemlich in Abwendung vom Boͤſen / und Bekehrung zu GOTT dem hoͤchſten Gut; Dißmal bleiben wir bey dem erſten Stuͤck / ſo da heiſſet: Averſio à malo, Die Abwendung vom Boͤſen; Vnd wie wir neulich Reum, den Schuldigen undSechſter Theil. XBe -162Die DreyzehendeBeklagten dargeſtellt in der Suͤnden-poſitur unter der Zorn-Ruthen / alſo wollen wir ihn anietzo darſtellen in der poſitur der Buſſe / unter dem Liecht der Goͤttlichen Gnaden / und wie er faͤhig ſeye der gerechtmachenden Gnade; Gott ruͤhre und regiere durch ſeinen Heiligen Geiſt unſern Verſtand / Hertz und Sinn / alles wol zu hoͤren / wol zu faſſen / zu behalten und anzuwenden zu ſeinen Ehren und unſer geſampten Bekehrung / umb Jeſu Chriſti willen / Amen.
DAmit wir nun die poſitur und Geberde / den Stand eines armen reuenden Suͤnders / ſo gerechtfertiget werden ſoll fuͤr GOTT / recht verſtehen / wollen wir uns denſelben / gleichſam auff dem Pranger und Laſter-Stein ſtehenden unter ſeines Richters Ruthe und Zorn eigentlich anſehen / wol einbilden und erſtlich betrachten und Achtung geben auf I. ſein erleuchtetes / ſcharf - fes / durchſpuͤrendes Auge: Ein rechter Buͤſſer der ſihet ſich ſelbſt an auffs allerſchaͤrffeſte / ſtellet ſich fuͤr den Feuer-Spiegel des Geſetzes / gibt dem alten Adam auff ſeine Mißtritte genaue Achtung / erweget bey ſich alle categorias peccati, peccati ſubſtantiam, quantitatem, multitudinem, προαίρεσιν, qualitatem, relationem ſocietatis, actiones, paſſiones, ubi, quando, ſitus, habitus, was nemlich die Suͤnde ſey / die er begangen / wie groß und ſchwer / wie mancherley / die Menge derſelben / die Willkuͤhr des Fuͤrſatzes / er bedencket die boͤſe Geſellſchafft / durch welche er ſich verfuͤhren laſſen / alles was er dabey wuͤrcklich gethan und gelitten? die Zeit / wann? den Ort / wo? auff was Weiſe? wie offt er ſie begangen und ſich darinnPſal. 51, 5. () apud D. Gerhard. de Eccleſ. p. 1325. verſencket habe? er klaget ſich ſelbſten an / ſpricht mit David: Meine Suͤnde iſt immer fuͤr mir! Das Exempel von () Carolo V. iſt mehr allegiret worden / welcher / als er einsmals in ſeinem Eſcurial und Kloſter / da er ſein Leben beſchloſſen / darinnen ſeine Thaten / ſo er verrichtet / auff den mappis und Tafeln gemahlet / beſchauet / und unter andern auch das Gemaͤlde des Schmalcaldiſchen Kriegs und Gefaͤngnuͤß des Churfuͤr - ſten Johann Friderichs kommen / hat er daruͤber geſeuffzet und geſagt: Ach haͤtt ich dieſen Mann laſſen ſeyn wer er war / ſo wer ich auch blieben / der ich war. Eben ſo erſcheinet auch einem bußfertigen Suͤnder ſeine be - gangene Mißhandlungen in der Mappa des Gedaͤchtnuͤß fuͤr Augen / ſie tretten ihm Heersweiſe feindlich fuͤrs Angeſicht / klagen und beſchaͤmen ihn.
II. Auff ſein zerknirſchtes und betrůbtes Hertz. Bern - hardus vergleicht das Gewiſſen einem Moͤrſel / darinnen das Hertz zerſtoſ -ſen / in163Predigt. ſen / in der Buß-Lauge gleichſam geſotten / biß aus dem ſteinern Hertzen ein fleiſchern Hertz werde / non infundit Deus oleum gratiæ, niſi in vas contritum, Gott gieſſet das Gnaden-Oel nicht in das Hertz / es ſey dann wol zerknirſcht; Soll ein Goldſchmied aus einem alten Geſchirr ein neues machen / ſo zuſchlaͤgt er daſſelbe und ſchmeltzets umb: Alſo ein zerſchlagen Hertz. Es muß auch ſeyn ein trauriges Hertz / in Goͤtt -2. Cor. 7, 10. licher Traurigkeit gleichſam ertruncken und verſunckenes Hertz / ſo da trau -Gen. 27, 34. ret nicht uͤber den Verluſt des hohen Adels der erſten Geburt wie Eſau / nicht uͤber den Fleiſch-Mangel / wie die Kinder Jſrael in der Wuͤſten /Num. 11, 4. nicht uͤber den Vorzug des Mardochai wie Haman / nicht uͤber den ge -Eſth. 6, 13. ſchwundenen und ſchwangern Bauch wie eine geſchaͤndete Jungfrau / nicht uͤber den leeren Beutel wie der Spieler / nicht uͤber den Strick wie der Dieb / nicht wie Amnon umb die ſchnoͤde Liebe / nicht wie Achab umb2. Sam. 13. den Weinberg / nicht wie Jonas umb die Kuͤrbiß / dann das iſt die triſtitia2. 1. Reg. 21, 4. ϑανατοφὸρος, eine Traurigkeit / ſo den Tod wuͤrcket; ſondern man ſoll trau -Ion. 4, 8. ren uͤber den erzuͤrneten Gott / daß man den grundguten Gott belei - diget / uͤber den Verluſt Goͤttlicher Gnade und des hoͤchſten Gutes / wie Thamar uͤber ihren Ehren-Krantz getrauret / Aſchen auffs Haupt geworf -2. Sam. 13, 19. fen ꝛc. und ſagen: O wehe daß wir ſo geſuͤndiget haben! AchThren. 5, 16. daß meine Augen Thränen-Quellen weren / welche Petriniſche Thraͤnen ſchwerlich außbleiben; Wer weinen kan umb den Schaden desIerem. 9, 1. leiblichen / der kan auch weinen umb den geiſtlichen Schaden: gleich wie wer das boͤſe behalten kan / der kan auch das gute.
Sonſt iſt wol irgend die Natur und das temperament ſo kalt und feſt / daß ſie nicht leichtlich zu Thraͤnen zu bewegen / oder iſt das Hertzenleid ſo groß / daß man wie Niobe druͤber erſtarren und erſtummen muß / curæ parvæ loquuntur, majores ſtupent. () Phammenitus Koͤnig in Egypten /() apud Camerar. hor. ſubciſ. l. 1. c. 29. p. 146. da er von Cambyſe dem Koͤnig in Perſia auffs Haupt geſchlagen und ge - faͤnglich angezogen worden / kund zwar weinen / da er einen von ſeinen mit - gefangenen Freunden geſehen Brod bettlen / da er aber wahr nehmen muͤſſen / daß man ſeine Soͤhne und Toͤchter ſchaͤndlich tractiret und miß - handelt / da kunt er fuͤr groſſen Hertzens-Schmertzen keine Zaͤhren vergieſ - ſen. Petri Buß-Thraͤnen ſind wol allhier ein ſchoͤnes exemplar undLuc. 22, 61. 62. Muſter. So bald die ſtrahlenden Augen Jeſu Chriſti auff ihn gefallen / ſo bald ſchmeltzet ihm ſein Hertz wie Wachs von der Sonnen / die Augen fangen an zu ſchwitzen / ſie baden gleichſam und ſchwimmen in Thraͤnen / die ungezwungene / ungekuͤnſtlete Zaͤhren lauffen die Wangen herab / daßX 2ein164Die Dreyzehendeein Tropffen den andern geſchlagen / und zwar die bittern Zaͤhren / er weinet bitterlich: Suͤſſe Thraͤnen ſind Lieb-Freude - und Luſt-Thraͤnen / alsGen. 29, 11. c. 43, 30. nemlich Jacobs Thraͤnen / da er ſeine Bluts-Freundin Rahel zum erſten mal geſehen / Joſephs Thraͤnen / da ihm ſein Bruder Benjamin wieder -1. Sam. 20, 41. umb in die Augen kommen / Jonathans und Davids Thraͤnen / dulciores ſunt lacrymæ amantium, quàm gaudia theatrorum, ſchreibt Auguſtinus in Pſ. 127. Lieb-Thraͤnen ſind ſuͤſſer als aller Augen-Luſt bey den Comæ - dien und Spielen. Aber Buß - und Trauer-Thraͤnen die ſind bitter / reiff und in der innerſten Hertz-Kammer / wol außgekocht / ſie () kratzen die Au - gen aus / ſolte man ſie koſten und ſchmecken / ſo bitter und ungeſchmack wuͤrden ſie einem fuͤrkommen / als der mit Aſch und Leid-Thrånen gemeng - ter Tranck der Koͤnigin Artemiſiæ.
‘() vide de tertio Calumniatore Narciſſi hiſtoriam apud Euſeb. l. 6. c. 8.’ ()Ein angſthafftiges Hertz / welches in ihm ſchlaͤget als ein Vhrwerck / furchtſam / nicht aus Knechtiſcher Furcht bloß aus Furcht der Straffe / ohne Betrachtung der Suͤnde / die aus freyen Willen herfuͤrDan. 5, 6. 9. bricht / wie ſich gefuͤrchtet Belſazer / ſondern es muß die Furcht mit Glau - ben per craſin vermiſchet ſeyn. Da dann der Vnterſcheid der Kindlichen und Knechtiſchen Furcht ſehr wol in acht zu nehmen / * jener affect bren - net vor Liebe / und treibet die Knechtiſche Furcht aus / macht freymuthig reden und ſagen: Abba lieber Vater; dieſe entſtehet aus Schrecken und Haß / aus Furcht der Straffe / und zielet endlich durch Beyrath des Sa - thans auff die Verzweifelung / wie an Judas Exempel zu ſehen / Da ichMatt. 27, 5. Geſichte betrachtet in der Nacht / ſpricht Eliphas von Theman,Iob. 4, 13. 14, 15. da kam mich Furcht und Zittern an / und alle meine Gebeine erſchracken / und da der Geiſt fuͤr mir fuͤruͤber gieng / ſtundenLev. 26, 36. mir die Haar zu Berge an meinem Leibe / ein ſolch knechtiſch - furchtſames Hertz jaget auch ein rauſchendes Blat. Ein gedultiges und demuͤthiges Hertz / daß ſich Gottes Gericht unterwirfft / und ihmLev. 26, 41. Gottes Straffe gefallen laͤſſet / und ſpricht wie D. Luther am Rand Lev. 26. gloſſirt: Ach wie recht iſt uns geſchehen / Danck hab unſer verfluchte Suͤnde / das haben wir nun davon / O recht lieber Gott / O recht. Das ſind Wort einer ernſten Reu und Buſſe / die ſich ſelbſt aus Hertzengrund haſſen und anſpeyen lehret / pfui dich / was hab ich gethan? Das gefaͤllet
‘* Vbi plus amoris, ibi minus timoris, hinc Adulteri (impiâ licet flammâ flagrantes) cupiditate incenſi, multa faciunt audacius, juxta Philoſophum l. 3. Eth. cap. 11.’ ()dann165Predigt.dann Gott / daß er wieder gnaͤdig wird. Wie Eli / der ſaget / als ihm1. Sam. 3, 18. Gott ließ ſeine Straffe verkuͤndigen: Er iſt der HERR; David:2. Sam. 16, 10. Der HERR hats ihn geheiſſen / wie Mauritius der Kaͤyſer / als er eine Stimme gehoͤret: Wo wiltu daß ich dich ſtraffen ſolle? geantwortet:v. Cluv. p. 407. Amator hominum Domine & judex juſte, hîc, non in illo ſeculo. O guͤtiger Menſchen-Liebhaber / gerechter Richter / nicht dort / ſondern hier / ich will gern leiden / was du uͤber mich verhaͤngeſt.
III. Seine ſchamrothe Stirn und niedergeſchlagenes Angeſicht / ſo ſich ſchaͤmet und ſcheuet fuͤr Gott und allen H. Engeln / von Miriam der Schweſter Moſis / die wegen ihrer Suͤnd mit Außſatz geſtrafft worden / ſpricht der Herr zu Moſe / wann ihr Vater ihrNum. 12, 14. ins Angeſicht geſpeyet hatte / ſolte ſie nicht ſieben Tage ſichIer. 31, 19. ſchämen / nach dem ich / ſpricht das ſchamrothe buͤſſende Ephraim, gewitziget bin / ſchlag ich mich auff die Huͤffte: Dann ich muß leiden den Hohn meiner Jugend / du HERR biſt ge - recht / ſagt Daniel in ſeinem Buß-Gebet / wir aber muͤſſen unsDan. 9, 7. ſchämen.
IV. Seinen abgewendeten Ruͤcken / Ade / ſpricht ein ſol - ches Hertz / ihr loſe Suͤnden / was habt ihr mir fuͤr Hertzeleid gemacht? nun - mehr Vrlaub ihr geuͤbte und unzimlich geliebte Suͤnden! Er begibet ſich nicht nur actu peccandi, der euſſerlichen groben That / wie ein febricitant des Weins / oder ein Cartheuſer des Fleiſches; ſondern auch affectus peccandi, der iñerlichen Begierd und Luſt zu ſuͤndigen per deſuetudinem, durch Entwoͤhnung / er gewoͤhnt ihm ſolchs ab / wie ein Spieler und DoplerAmbroſ. l. 2. de pœ - nit. c. 10. der viel verſpielt / die Kartẽ anſpeyet und vermaledeyet / oder wie jener Juͤng - ling zun Zeiten des Ambroſii, der mit einer unzuͤchtigen Dirne zugehalten / daruͤber aber verreiſet / und eine Zeitlang auſſen geweſen / unterdeſſen die boͤ - ſe Art ihm abgehwoͤhnet und bereuet; Als er nun wieder zuruͤck anheim kommen / und gemeldte Schandpeck ihme fuͤr Augen getretten und ge - ſagt: Kenneſtu mich nicht mehr? Nein / ſagt er / ich kenne dich nicht mehr / packe dich von mir du ſchnoͤde Verfuͤhrerin: Alſo thut auch ein recht reuendes Hertz / es beurlaubet die vorig-geuͤbte und beliebte Suͤnden / ſagt Ade! Jch habe den Teufel lernen kennen / ich begehre ihm nicht mehr in die Klauen.
V. Seinen beichtenden Mund / mit welchem er ſeine Suͤn - de rein bekennet / und fuͤr Gott dem HErren als Greuel außſchuͤttet / iſtX 3noth -166Die DreyzehendePſal. 32, 3.nothwendig fuͤr GOTT. David ſaget: Da ich meine1. Ioh. 1, 9. Sůnde wolte verſchweigen / verſchmachten mir meine Gebei - ne. Cur tibi tot rerum narrationes digero? non utique, ut per meAuguſt. l. 11. Confeſſ. c. 1. noveris ea, ſed affectum meum excito, ſagt Auguſtinus: Warumb / lieber Gott / erzehle ich dir doch ſo viel Sachen? fuͤrwar nicht darumb / daß du ſie durch mich wiſſen ſolteſt / ſondern daß ich meine affecten und Be - gierden auffmuntere. Es iſt ſolche Beichte billich auff ſeiten des Naͤchſten / den man beleidiget und erzuͤrnet / daß man auch mit Bekaͤntnuͤß des Vnrechten ihm entgegen gehe. Chriſti Vermahnung iſt bekant /Matth. 5, 23. 24. 25. Wann du deine Gab auff dem Altar opfferſt / ſo gehe zuvor hin und verſoͤhne dich mit deinem Bruder / ꝛc. Es iſt auch nuͤtzlich / die begangene Suͤnde fuͤr dem Kirchen-Diener und Beicht-Vater abzulegen / David bekennet rund fuͤr ſeinem Seelſorger Nathan / und ſagt:2. Sam. 12, 13. Jch hab geſuͤndiget! die Taͤufflinge ſo von St. Johannes dem Taͤuf -Matth. 3, 6. fer getaufft worden / bekanten ihre Suͤnde / des gleichen thaͤten die BuͤſſerAct. 19, 18. zu Epheſo / die Bekanten. Jſt endlich auch zimlich / und eine feine Kirchen-Zucht / wann man in offentlichen Ergernuͤſſen und bannigenIoſ. 73, 20. Laſtern fuͤr der gantzen Gemeine die Suͤnde bekennet wie Achan.
VI. Seine euſſerliche Geberden und Wercke / Ob wol in euſſerlichen Gebaͤrden und Wercken die Buſſe nicht beſtehet / gleich wie das Gebet auch nicht in Kniebeugen / ſo ſind es doch etlicher maſſen Zeugen einer wahren / rechtſchaffenen Buſſe / ſo fern man nur den Hoffart nicht ankleibet / oder die Einbildung eines Verdienſts; ſonderlich gehoͤret hieherNum. 5, 7. ſatisfactio, die Gnugthuung oder Wieder-Erſtattung deſſen / ſo man abgetragen / oder worinn man den Nächſten beſchaͤ -Luc. 19, 8. diget / wie Zachæus thaͤt / der ſaget: So ich iemand betrogen habe / gebe ichs vierfaͤltig wieder; cùm res aliena non redditur, quæ reddiv. Luth. pa - ſtoral. p. 269. poteſt, non agitur, ſed fingitur pœnitentia, ſchreibt Auguſtinus, Wann man das jenige / ſo man entwendet und wieder geben kan / doch nicht wie - der gibt oder erſtattet / ſo iſt es keine wahre / ſondern erdichtete Buſſe. Das iſt alſo die figur und Geſtalt eines rechten und ernſtlichen reuenden / buͤſ - ſenden Suͤnders.
Fragſtu aber / Woher kommen ſolche affecten und Bewe - gungen? Antwort / der Vrheber ſo gethaner Buſſe iſt Gott der Heilige Geiſt / ohn welchen Gott nichts gefaͤllet: der lebendig -machende167Predigt. machende Geiſt; welcher die in Suͤnden erſtorbene Hertzen wiederumbAct. 11, 18. geiſtlicher Weiſe lebendig machet. Gott iſt der jenige / der den Heyden Buſſe gegeben zum Leben / eine Gabe die kein Potentat / ja kein Engel geben kan / Welt - und Geld-Buſſen / Leib-Straffen aͤndern das Hertz nicht / ſon - dern verhaͤrtens vielmehr / von oben herab kom̃t das ſelige corditropium, die Hertzenswende goͤttlicher Traurigkeit. Die Vnwiedergeborne haben auch eine Reue / ſie bekuͤmmern ſich auch / wie auch die Phariſeer / Heyden / Papiſten / Tuͤrcken / aber es iſt Affenwerck / gleich wie der Affen Thun und Gauckeley der Menſchen Thun und Geſchaͤfften aͤhnlich iſt / dem ſie alles nachmachen: Alſo iſt auch die Buſſe der Vnwiedergebornen ein bloſſes ſimulactum, Schatten und Bild ohne Weſen / ein Schein der wahren Buſſe / Vrſach / es mangelt an dem rechten motore, es iſt dieſelbe nicht aus Gott gethan / von Hertzen / nach der regul des Goͤttlichen Worts. Der H. Geiſt iſt der Excitator, Er muntert / wecket auff / und klopffet an; Von einer ſtatuâ Memnoniâ, des Memnons Bild in Egypten ſchreibet man / es ſey daſſelbe durch die Beſcheinung der Son - nen / wann ſie fruͤh auff daſſelbe mit ihren Strahlen gefallen / vocal wor - den / hab ſich gereget und eine menſchliche Stimm von ſich erſchallen laſ - ſen. Eine ſolche Stimm und thummes Bild iſt der Menſch nach dem Fall von Natur / es iſt kein geiſtliches Leben in ihm. Wird er aber von dem Gnaden-Glantze des Heiligen Geiſtes angeleuchtet / ſo reget er ſich / ſo wen - det er ſich zu Gott / ſo erhebt er ſeine Stimm zu Gott und ſchreyet aus der tieffen Noth! Abba / lieber Vater. Ach Vater / ich hab geſuͤn -Rom. 8, 15. diget in den Himmel und fuͤr dir.
Er iſt nicht nur der illuminator, ſo da erleuchtet durchs Ge - ſetz; ſondern Er erreget auch die geiſtliche Traurigkeit / die Reue uͤber die Suͤnde in dem Hertzen; Er moderirt alles in der praxi, temperirt per κράσιν, vermiſchet das Schrecken des Geſetzes mit honig - ſuͤſſem Evangeliſchem Troſt / den Glauben mit der Reue: Er verwandelt das ſteinere Hertz in ein fleiſcheres / ſo gibts eine Goͤttliche Reue / welches2. Cor. 7, 10. Er alles wuͤrcket / das iſt / der Heilige Geiſt ſchaffet und machet / daß eineMatth. 27, 3. 4. Luc. 22, 61. 62. Brentius ad Acta p. 27. confer hodomor. Calv. part. 2. p. 1850. ſolche Buſſe heilſam ſeye; und daran hats gemangelt Jndæ dem Verraͤ - ther / die exteriora und euſſerlichen Buß-Zeichen ſind anſehnlicher bey Juda als Petro / Petrus erzeiget keine ſolche Reu / er recantirt nicht / thut keinen ſolchen Widerruff fuͤr den Hohenprieſtern wie Judas / dennoch war Petri eine rechtſchaffene Buſſe / jene nicht. Ecce Judam, ſagt Brentius,& time,168Die Dreyzehende& time, ecce Petrum & fide! Sihe Judam an / und fuͤrchte dich / ſchaue Petrum an und glaube.
Jm Papſtumb ruͤhmt man auch eine Buſſe / aber ſie iſt eine Spiel -Ludovic. Viv. ad l. 8. de Civ. Dei c. 27. Buſſe / eine rechte hiſtrionia, wider welche auch Ludovicus Vives geeifert / ſonderlich in der Marter-Woch / da man als in einer Tragœdi und Auff - zug die Buſſe theatriſirt / auff die Schau fuͤhret / zugleich auch in einer lan - gen proceſſion die Selbſtbuͤſſer erſcheinen / denen der Herr Chriſtus langſtEſa. 1, 12. abgedanckt und geſagt: Wer hat dieſes von euren Händen ge - fordert? Ein ander Bildnuͤß mahlet uns der Heilige Geiſt fuͤr Augen / an der ſchoͤnen Buß-Reue der jenigen armen bußfertigen Suͤnder im Alten und Neuen Teſtament auffgezeichnet / die zwar auch mit euſſerlichen ceremonien Hertzens-affecten bezeuget / aber es war nicht die foͤrm -Matt. 12, 41. confer Ion. 3, 5. ſeqq. () ita enim uſurpatur vox μετα - νοια apud LXX. Prov. 24, 32. Hebr. 12, 17. Ier. 31, 19. Sap. 5. 3. Act. 11, 18. 2. Cor. 7, 10. 2. Ti - mot. 2, 25. liche Buſſe ſelbſt. Chriſtus unſer Heiland ſtellet uns gar bedenck - lich zu einem exemplar und Buß-Muſter / die bußfertige Statt Ninive / ruͤhmt von derſelben die () metanœan, das iſt / das genaue / ſcharffe / ernſthaffte / ſtrenge nachſinnen / nachdencken / nachforſchen im Gemuͤthe des Verſtandes: Die Nach-Reu in der edelſten Krafft der Seelen dem Willen / darinnen ſie das volo in nolo, das volui in nollem, das volam in nolam convertirt: Die Nach-Traur / Nach-Schmertzen / Nach - Angſt / Nach-Furcht / Nach-Scheu in den affecten / die ſich alle in euſſer - lichen Gebaͤrden Kleider-Wechſel / Aſch-Sitzen / Anzug der Saͤcke / heffti - Buß-Litaneyen und wuͤrcklicher Bekehrung von ihren boͤſen Wegen und Greuel herfuͤr gethan / und weil dieſelbe mit der edlen Krafft des ſeligma - chenden Glaubens begleitet geweſen / ſo war es μετάνοια εἰς ζωην` εἰις σωτηρίαν εἰς ἐπἰγνωσιν ἀληθείας, ein Reu die zum Leben / Liecht und Heil gedeyet / davon ſie aus ihrem Suͤndenſchlaff erwachten / und die viertzig Tage / ſo ihnen zur1. Sam. 25, 38. Buß gefriſtet und gegoͤñt geweſen / beſſer angelegt als Nabal ſeine 10. Tage.
Petri Thraͤnen / zum Exempel / waren die Fenſter / dadurch man ihm ins Hertz hinein ſchauen konte / wie der Artzt aus dem Gebluͤt / ſo aus der eroͤffneten Ader gefloſſen / von dem Temperament des Menſchen urtheilet / wie die Mutter-Milch / davon das Kind an dero Bruͤſten geſaͤuget wird / zeuget von der