Jch will diejenigen, die mein Buch des Durchſehens wuͤr - digen wollen, einige Augen - blikke an der Schwelle deßel - ben aufhalten, und Jhnen die Gelegenheit erzehlen, die mich angetrie - ben hat, dieſes Buch zu entwerfen, die Ab - ſicht des Buchs, und alsdenn die Art des Vortrages beſchreiben.
Das Verlangen die allgemeine Erkennt - niß den Menſchen nutzbar zu machen, und die durch die Erziehung mir eingepfropfte Begierde die Natur zu unterſuchen, und den Grund ihrer Wuͤrkungen alſo zu erfor - ſchen, wie es billig geſchehen muß, wenn die Kunſt als eine Nachahmerin der Na - tur ſoll gebildet werden; dieſe haben es ver -X 2ur -Vorrede. urſachet, daß ich ſolche Umſtaͤnde geſuchet, bey welchen die allgemeine Erkenntniß auf die Werke der Natur und der Kunſt nicht nur in Gedanken, ſondern in der That, nicht nur mit abgeriſſenen, ſondern mit zuſam - menhangenden Verſuchen von mir koͤnnte angewendet werden. Jch habe dieſe Um - ſtaͤnde gefunden. Jch habe ſeit vielen Jah - ren meine muͤßige Stunden dieſer Beſchaͤf - tigung mit Vergnuͤgen gewidmet. Jch ha - be keinen Aufwand, ſo viel es mir moͤglich geweſen iſt, geſchonet. Und ich habe meine Abſicht, welche ich dieſer Beſchaͤftigung ge - ſetzet, ob zwar noch nicht vollkommen, doch zum Theil nach Wunſch erreichet.
Dieß hat mir verſchiedene Mittel gege - ben, in meinen Fuͤrleſungen, in welchen ich die Sitten-Lehre und Politik erklaͤre, da wo es die Sache erlaubet, einige Anwen - dungen ſowohl auf die Land - als auch auf die Stadt-Wirthſchaft zu machen. Meine Zuhoͤrer haben den Nutzen dieſer Anwen - dungen gemerket, und die Begierde ſolche immer mehr und mehr zu hoͤren, iſt bey Jhnen dadurch merklich verſtaͤrket worden, da ich Jhnen Gelegenheit verſchaffet, die oͤkonomiſchen Tage-Buͤcher nuͤzlich zu leſen.
Endlich erweckte dieß in Jhnen ein Verlangen, die Grund-Geſetze der Stadt - und Land-Wirthſchaft in einem Zuſammen -hangeVorrede. hange zu hoͤren, und die Anwendungen die - ſer Geſetze in der Erfahrung zu betrachten. Dieß Verlangen wurde mir eroͤfnet, und ich ließ mich bewegen, Jhnen in einer beſon - dern Stunde die Stadt - und Land-Wirth - ſchaft ſo viel es mir moͤglich war, in einem Zuſammenhange zu erklaͤren, und die Jh - nen erklaͤrten Lehren mit der Erfahrung zu unterſtuͤtzen.
Zuerſt erwehlte ich dieſe Abſicht auszu - fuͤhren, des Herrn Dithmars Einleitung in die oͤkonomiſche Policey - und Came - ral-Wiſſenſchaften. Das Buch iſt ſchoͤn, aber von meiner Abſicht zu weit entfernet. Es beſchreibet die Sachen, welche bey allen Stuͤkken dieſer Beſchaͤftigungen vorkommen, es erklaͤret aber nicht die Art, wie ſie aus - zufuͤhren, und zu verbeſſern ſind.
Dieſem folgte die fuͤrtrefliche Schrift, welche die Aufſchrift fuͤhret: Klugheit zu leben und zu herrſchen. Mehr als einmal habe ich uͤber dieſes Werk mit Nutzen gele - ſen, und ich zweifle, ob es einer mit Aufmerk - ſamkeit leſen kann, ohne brauchbarer zu wer - den. Es fehlet nichts, als eine naͤhere Er - klaͤrung der Gruͤnde, aus welchen die Be - ſchaͤftigungen der Stadt - und Land-Wirth - ſchaft zu beurtheilen.
X 3DesVorrede.Des Freyherrn von Schroͤders Fuͤrſtl. Schatz - und Rent-Cammer, wie auch des Herrn von Seckendorfs Fuͤrſten-Staat ſind auch zu verſchiedenen malen von mir zum Grunde meiner academiſchen Fuͤrle - ſungen mit Nutzen geleget worden, bis ich endlich auf verſchiedenes und oft wieder - hohltes Zureden meiner Zuhoͤrer und meines Verlegers den Schluß gefaſſet, meine ei - gene Gedanken von der Stadt - und Land - Wirthſchaft, wie auch von dem Policey - und Cammer-Weſen in einem natuͤrlichen Zuſammenhange, ſo viel als es mir moͤglich geweſen iſt, zu entwerfen.
Dieß iſt die Gelegenheit, die mich an - getrieben hat, dieſes Buch zu verfertigen. Sie iſt zugleich eine Anleitung deſſen Abſicht einzuſehen. Die Anzahl der wirthſchaftli - chen Beſchaͤftigungen ſowohl in der Land - als auch in der Stadt-Wirthſchaft iſt bey nahe unendlich groß. Daher koͤnnte ich mich mit der Menge dieſer Dinge entſchul - digen, daß ich nicht alle beſchrieben, und ſie aus ihren Gruͤnden erklaͤret. Allein ich habe andere Urſachen, weswegen ich nur einige und die Gruͤnde von dieſen in ihren natuͤrlichen Zuſammenhange abgebildet. Zuerſt ſtehen ſehr viele Wirthſchafts-Be - ſchaͤftigungen unter einen gemeinſchaftlichen Begrif, der doch nicht zu weit von derAus -Vorrede. Ausuͤbung entfernet iſt. Wenn dieſer deutlich und vollſtaͤndig iſt erklaͤret, und wenn die Mittel aus ihren natuͤrlichen Gruͤnden ſind gefolgert worden, durch welche die Dinge von dieſer Art ihr Daſeyn erhalten koͤnnen, ſo hat man Gruͤnde genug alles zu uͤberſehen, was bey den Dingen von dieſer Art zu merken iſt. Fuͤrs andere, ſehr viele Wuͤrkungen der Wirthſchaft ſind nur darum von andern unterſchieden, weil man einerley Regeln auf verſchiedene Gegenſtaͤnde angewendet. Will man nun einen andern geſchickt ma - chen, ſolche Wuͤrkungen der Wirthſchaft zu beurtheilen, ſo iſt nur noͤthig, daß man ihm jene Regeln erklaͤret, allgemeine Lehren bil - det, aus welchen er die Beſchaffenheit der Gegenſtaͤnde erkennen kann, die Art der Anwendung beſchreibet, und alsdenn das, was in jedem Falle erfolgen muß, genau be - ſtimmet. Fuͤrs dritte. Die Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft muß von der wuͤrkli - chen Wirthſchaft unterſchieden werden. Die, welche die wuͤrkliche Wirthſchaft trei - ben ſind vielmal ungeſchickt eine Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft zu faſſen, ſie machen das, was ihnen iſt gewieſen worden, und der Grund ihrer Unternehmung iſt dieſer: es iſt mir ſo gewieſen worden. Die, wel - che Wirthſchaften regieren ſollen, muͤſſen nothwendig eine Wiſſenſchaft von derX 4Wirth -Vorrede. Wirthſchaft haben. Das iſt, ſie muͤſſen Einmal die wirthſchaftlichen Beſchaͤftigun - gen, und die Dinge, welche zur Wirhſchaft gebraucht werden, aus ihren Begriffen und aus ihren wahren Quellen in einem beſtaͤn - digen Zuſammenhange uͤberſehen koͤnnen. Sie muͤſſen fuͤrs andere aus der wahren Beſchaffenheit der Sache diejenigen Hand - Griffe entdekken koͤnnen, welche die wirth - ſchaftlichen Beſchaͤftigungen erleichtern und vollkommener machen.
Dieß vorausgeſetzet, ſo iſt es leicht zu begreiffen, daß ich wider meine Abſicht wer - de gehandelt, und etwas uͤberfluͤßiges wuͤr - de unternommen haben, wenn ich alle beſon - dere wirthſchaftliche Beſchaͤftigungen haͤtte beſchreiben wollen. Jch habe nur eine phi - loſophiſche Anleitung zur Wirthſchaft ver - ſprochen, und die Auswikkelung des Be - griffes von dieſem zwinget mich in dem Zu - ſammenhange der Wahrheiten zu verweilen, der uns geſchickt genug macht alle wirth - ſchaftliche Beſchaͤftigungen im vorkommen - den Falle aus ihren wahren Gruͤnden zu beurtheilen, und von dem, was in der Wirthſchaft vorkommt, deutliche und ſo viel es uns moͤglich iſt, vollſtaͤndige Be - griffe zu machen. Vielleicht iſt mein Buch alſo ausgearbeitet worden, wie es dieſe Ab - ſicht erfodert. Die Wiſſenſchaft von derWirth -Vorrede. Wirthſchaft ſoll uns geſchickt machen eine regelmaͤßige Wirthſchaft da moͤglich zu ma - chen, wo ſie bisher unmoͤglich geweſen iſt, und die wirthſchaftlichen Beſchaͤftigungen zum Nutzen der menſchlichen Geſellſchaft zu len - ken. Wenn wir mit dieſem verbinden ein - mal, daß die Weisheit ihre Abſicht in der Befoͤrderung der Wohlfarth der Menſchen ſetzet. Fuͤrs andere, daß ein großer Theil von der Wohlfarth des Staats in einer re - gelmaͤßigen Wirthſchaft gegruͤndet ſey; ſo giebt uns dieß Bewegungs-Gruͤnde, die Wiſſenſchaft von der Wirthſchaft auf den Staat anzuwenden, und zwar fuͤrs erſte, aus der Beſchaffenheit des Staats diejeni - gen Mittel zu folgern, wodurch die Gruͤn - dung einer regelmaͤßigen Wirthſchaft in ihr moͤglich wird. Fuͤrs andere, diejenigen Mittel zu beſchreiben, wodurch eine regel - maͤßige Wirthſchaft vermoͤgend wird den Flor des Staats zu befoͤrdern. Dieß iſt eine kurze Abbildung von der Abſicht mei - nes Buchs. Das erſte Stuͤck dieſer Ab - ſicht ſoll der erſte und andere Theil, das andere Stuͤck ſoll der dritte Theil, und das dritte Stuͤck ſoll der vierte Theil wuͤrken.
Die Art des Vortrages iſt, wenn ich meiner Arbeit nicht zu viel traue, alſo ab - gefaſſet worden, wie es die Erreichung die - ſer Abſicht erfodert. Die Quelle, aus wel -X 5cherVorrede. cher ich die beſondern Begriffe geſchoͤpfet, iſt die Erfahrung. Daher kann ich es auch mit Recht fodern, daß man dieſe nicht nach den Begriffen, welche andere gebildet, ſon - dern nach der Erfahrung beurtheilen ſoll. Dieß, was uns die Erfahrung lehret, habe ich mit allgemeinen Wahrheiten verbunden, theils einen Zuſammenhang zu bilden, theils Regeln feſt zu ſetzen, deren Beobachtung uns zur Erreichung der Abſicht, die wir uns geſetzet haben, gewiß fuͤhret. Dennoch habe ich alle mir moͤgliche Behutſamkeit angewendet die Sache alſo vorzutragen, daß ſie auch von denen koͤnne verſtanden werden, die zwar Faͤhigkeit genug beſitzen die Wahrheiten in dem natuͤrlichen Zuſam - menhange aus ihren Begriffen durchzu - denken, doch aber keine Gelegenheit gehabt haben, dieß in der That zu bewerkſtelligen.
Dieß iſt zur Vorrede genug. Was fehlt, das wird der Vorbericht erſetzen. Jena, den 7. May 1756.
Es giebt Leute, die es nicht dul -Drey Vor - urtheile. den koͤnnen, daß die Came - ralwiſſenſchaften oder die Haushaltungskunſt, wenn die - ſe in dem allgemeinen Ver - ſtande genommen wird, in ei - ne ſo richtige Verfaſſung gebracht werden, in welcher die Weiſen ihre Gedanken vortragen, und mit einan - der verknuͤpfen. Sie meinen entweder, es habe ei - ne ſolche Verfaſſung keinen wuͤrklichen Nutzen, man muͤſſe dieſe Dinge durch die Uebung oder von denen lernen, die hierinnen von ihren Voreltern handwerks - maͤßig ſind unterwieſen worden: oder es ſey eine ſol - che Abhandlung der Haushaltungskunſt und der Ca - meralwiſſenſchaften unmoͤglich, weil ſich in dieſen Din - gen unendlich viele Umſtaͤnde einmiſchen, die wir nichtA 2vor -4Vorbereitungvorher ſehen, und aus den Begriffen beurtheilen koͤn - nen: oder es entgehe den Gelehrten etwas an ihrer Wuͤrde, wenn ſie ſich um ſolche Dinge bekuͤmmern ſollten, mit welchen ſich Buͤrger und Bauer beſchaͤf - tigen.
Dieſe Leute wuͤrden vielleicht beſcheidener urtheilen, wenn ſie mehr auf die Beſchaffenheit der Sache ſaͤhen, und ihre Gedanken weniger in den Vorurtheilen gruͤn - deten, die ſie einmal gefaßt, aber noch niemahl be - wieſen haben. Wir wollen es verſuchen, ob wir ihre Gedanken veraͤndern, und dieſe mit den unſrigen gleich - ſtimmig machen koͤnnen. Wir wollen jedes Vorur - theil beſonders entkraͤften. Alle Werke, welche die Menſchen zum Nutzen der menſchlichen Geſell - ſchaft wuͤrken, werden alsdenn wo nicht voll - kommen, doch gewiß weniger unvollkommen, wenn ſie von denen angeordnet und regieret wer - den, die von dieſen Werken eine Wiſſenſchaft und philoſophiſche Erkenntniß haben. Es wird uns nicht ſchwer fallen, dieſe Lehre ſo wohl aus der Vernunft als auch aus der Erfahrung zu beweiſen. Die Vernunft bildet dieſen Schluß: eine Sache iſt alsdenn vollkommen, wenn ſie ihrer Natur und ihrem Begriffe gemaͤß iſt eingerichtet worden. Soll dem - nach ein Werk nicht durch ein blindes Ohngefehr voll - kommen werden, ſo muß deſſen Verfertigung von dem regieret werden, der geſchickt genug iſt, die Natur und den Begriff dieſes Werkes genau zu unterſuchen, und aus dieſer Erkenntniß dasjenige deutlich zu ſchluͤſ - ſen, was die Vollkommenheit und Unvollkommenheit des Werkes beſtimmet. Dieß iſt der Begriff von einer Wiſſenſchaft und einer philoſophiſchen Erkenntniß. Jſt dieß nicht genug mit einer Ueberzeugung dieſen Satz zu bilden: Eine Wiſſenſchaft und philoſophi -ſche5zu den Cameralwiſſenſchaften. ſche Erkenntniß der Cameralwiſſenſchaft, oder der Haus - haltungskunſt, wenn dieſe in dem allgemeinen Ver - ſtande genommen wird, iſt nicht nur noͤthig, ſondern auch nuͤtzlich?
Die Erfahrung iſt dieſer Lehre nicht zuwider, ſieund aus der Erfahrung zernichtet. wird vielmehr von der Erfahrung unterſtuͤtzet und be - veſtiget. Man antworte uns nur auf dieſe Frage: Haben nicht alle Theile der Gelahrheit hievon einen merklichen Nutzen, wenn man die Natur der Dinge, die ſie abhandeln, genau unterſuchet, aus dieſer ihre Eigenſchaften deutlich ſchluͤſſet, das beſondere, was bey einem jeden Stuͤcke die Erfahrung lehret, ſamm - let, dieß mit jenem verbindet, und aus dieſem die be - ſondern Lehren ſchluͤſſet, die unſere Erkenntniß und Handlungen, wenn wir uns mit einem ſolchen Theile der Gelahrheit beſchaͤftigen wollen, regieren koͤnnen? Was haben nicht die Gebaͤude und die Kuͤnſte denen zu danken, die uns die Baukunſt, und die Lehre von den Maſchinen in einer wiſſenſchaftlichen und philoſo - phiſchen Verfaſſung dargeſtellet haben? Haben dieje - nigen den Gewerken geſchadet, die ſich bemuͤhet haben, die Kunſt, die Werke der Natur zu zerlegen, wiſſen - ſchaftlich und philoſophiſch abzuhandeln? Dieß ſind Dinge, die einem jeden, der die Begebenheiten in der Welt nicht obenhin betrachtet, vor Augen liegen. Wer kann nun einen Grund erſinnen, der uns noͤthi - get, daß wir bey den Cameralwiſſenſchaften von die - ſer allgemeinen Regel eine Ausnahme machen.
Anmerk. Diejenigen, welche mehr geneigt ſind, ſich durch das Anſehen beruͤmter Maͤnner als durch Gruͤnde bewegen zu laſſen, will ich jezo nur verwei - ſen auf die vortrefliche Streitſchrift, die der Herr von Rohr im Jahr 1712. de excolendo ſtudio oeco -A 3nomico6Vorbereitungnomico tam principum quam priuatorum, verfertiget hat, wie auch auf das Project der Oecono - mie in Form einer Wiſſenſchaft, nebſt einem unmaßgeblichen Bedenken, wie dieſe Wiſſen - ſchaft beydes in Theorie und Praxi mit meh - rerm Fleiß und Nutzen getrieben werden koͤn - ne, entworfen von Anaſtaſio Sincero, Frankfurth und Leipzig 1616.
Andere, die uns dieß verwilligen, daß eine wiſſen - ſchaftliche und philoſophiſche Abhandlung der Haus - haltungskunſt oder der Cameralwiſſenſchaften noͤthig und nuͤtzlich ſey, fallen auf dieſes Vorurtheil, es ſey eine ſolche Abhandlung unmoͤglich. Sie unterſtuͤtzen ihre Gedanken mit dieſem Grunde, weil ſich in dieſen Dingen unendlich viel Umſtaͤnde einmiſchen, die wir nicht vorher ſehen und aus den Begriffen beurtheilen koͤnnen. Vielleicht wollen ſie dieß noch hiedurch glaubwuͤrdiger machen, weil von vielen, die einen Verſuch gemacht haben, eine ſolche Wiſſenſchaft zu entwerffen, dergleichen Dinge ſind vorgetragen worden, die theils mit der Erfahrung nicht zuſammen ſtimmen, theils auch in der Anwendung nicht brauchbar ſind. Wir wollen antworten: Wir muͤſſen in dieſem Vortrage die Gruͤnde von dem daraus gezogenen Schluſſe unter - ſcheiden. Die angegebenen Gruͤnde ſind nicht voͤllig zu verwerfen. Einmahl iſt es wahr, und ich kann es aus meiner eigenen Erfahrung beweiſen, daß ſich in der Anwendung der oͤconomiſchen Wiſſenſchaft un - endlich viele Umſtaͤnde zeigen, die wir nicht vorher ha - ben einſehen koͤnnen, und die es erfodern, daß wir das einmahl gemachte Project wo nicht voͤllig, doch in ge - wiſſen Beſtimmungen veraͤndern muͤſſen. Jch zaͤhle unter dieſe Umſtaͤnde, die verſchiedenen Gemuͤthsver - faſſungen und Faͤhigkeiten der Menſchen, durch welchewir7zu den Cameralwiſſenſchaften. wir unſer Project ausfuͤhren muͤſſen: Die verſchiede - nen Arten der Erde, die theils durch ihre innere Be - ſchaffenheit, theils durch ihre Lage beſtimmt werden: die verſchiedenen Zufaͤlle, welche durch die Veraͤnde - rung des Wetters gewuͤrket werden, und ſo weiter. *Fuͤrs andere iſt auch dieß gegruͤndet, daß in verſchie - denen Schriften, in welchen ihre Verfaſſer die Haus - haltungskunſt wiſſenſchaftlich haben vortragen wollen, ſolche Dinge enthalten ſind, die theils der Erfah - rung widerſprechen, theils aber, ob ſie zwar moͤg - lich, doch nicht brauchbar ſind, weil ſie mehr eine Be - luſtigung als einen Vortheil wuͤrken, oder auch zu vie - le zufaͤllige Begebenheiten erfordern, von welchen ein gluͤcklicher Erfolg des Verſuchs abhaͤnget. **Ob wir nun zwar dieſe angenommenen Gruͤnde nicht voͤllig ver - werffen koͤnnen, ſo ſind ſie doch zu ſchwach, mich von dem zu uͤberzeigen, was hieraus iſt geſchloſſen worden, daß nemlich eine wiſſenſchaftliche Abhandlung der Haus - haltungskunſt und der Cameralwiſſenſchaften unmoͤg - lich ſey.
Folgende Urſachen noͤthigen mich, die Richtigkeitund die Un - richtigkeit der Folge bewieſen. der gemachten Folge zu laͤugnen. Einmahl wer pfle - get, wenn er verſtaͤndig handeln will, die Moͤglichkeit und Unmoͤglichkeit einer Sache nach den Fehlern zu beurtheilen, die in dem Vortrage der Sache mit ein - geſchlichen ſind. Fuͤrs andere, Fehler, die Verſtaͤn - dige begehen, verdienen jederzeit eine beſondere Auf -A 4merk -8Vorbereitungmerkſamkeit. Sie koͤnnen uns einen Weg zeigen, das Verborgene zu erkennen, und das, was allen bekannt iſt, nuͤtzlicher und brauchbarer zu machen. Wer iſt es aber, der aus den Fehlern der Verſtaͤndigen einen ſo vorzuͤglichen Nutzen ſchoͤpfen kann, der nicht von einer ſolchen Sache, bey der ſie geirret haben, eine Wiſſenſchaft beſitzet. Hieraus iſt es klar, daß dieſe Fehler die Unmoͤglichkeit derjenigen Wiſſenſchaft, von der wir hier reden, nicht beweiſen. Sie koͤnnen viel - mehr dieſe Wiſſenſchaft erweitern und vollkommener ma - chen. Fuͤrs dritte, wer in der Haushaltungskunſt keine Wiſſenſchaft beſitzet, der muß es bey dem alten Herkommen bewenden laſſen, und es wird ihm ſchwer bey unvermutheten und veraͤnderten Umſtaͤnden einen ihm zutraͤglichen Rath zufaſſen. Gehet es gut, ſo hat er es dem Gluͤkke zu danken, gehet es nicht gut, ſo muß dieß von dem Ungluͤkke abhaͤngen, da er vielmehr den Grund von dieſem ſehr oft in ſeiner Dummheit ſuchen ſolte. Wer in dieſer Sache eine philoſophiſche Erkenntniß hat, der weiß es, wie dieſe unvermutheten Umſtaͤnde zu uͤberlegen ſind, wie man ſie mit der Na - tur der Sache vergleichen, und hierdurch die allge - meinen Lehren genauer beſtimmen, und alſo nuͤtzlicher machen koͤnne. Was beweiſet nun dieſer Zufluß der beſondern Umſtaͤnde? Daß eine philoſophiſche Wiſſen - ſchaft der Haushaltungskunſt unmoͤglich ſey? Er be - veſtiget vielmehr das Gegentheil, und die Nothwen - digkeit einer ſolchen Wiſſenſchaft. Dieß kann daher geſchloſſen werden, daß eine philoſophiſche Wiſſenſchaft der Haushaltungskunſt ohne Erfahrung nicht genug - ſam koͤnne beſtimmet und brauchbar gemacht werden. Dieſe Folge verwillige ich. Und ich werde dieſe in der Abhandlung mit der Erfahrung beſtaͤtigen.
Endlich muß ich noch mit denen reden, welche dieDas dritte Vorurtheil wird geho - ben, Wuͤrde der Gelehrten zu retten, die wiſſenſchaftlichen Abhandlungen der Haushaltungskunſt verwerffen. Es ſcheint, als wenn in dem Koͤrper dieſer Maͤnner zwar eine ſehr groſe Seele, aber ein ſehr kleiner Geiſt wohnet. Sie nennen ſich Gelehrte, und wiſſen nicht was die Gelehrſamkeit iſt. Sie haben es vielleicht vergeſſen, daß das die wahre Gelehrſamkeit ſey, die ſich bey den Menſchen und in der menſchlichen Geſellſchaft nuͤzlich beweiſet, und daß die Hoͤhe der Gelehrſamkeit von der Groͤße dieſes Nutzens abhaͤnget. Jch will meine Gedanken uͤber dieſen Punkt kurz faſſen. Ein Philo - ſoph bildet ſich allgemeine Begriffe, er ſchluͤſſet aus dieſen die Eigenſchafften der Dinge, und er bildet daher eine ſolche Verknuͤpffung der Wahrheiten, die das Weſentliche von allen Stuͤkken darſtellen, die in den be - ſondern Theilen der Gelahrheit abgehandelt werden. Ein Philoſoph wird alsdenn brauchbar, wenn er ſeine allgemeine Erkenntniß durch die Geſchichte und Erfah - rung genauer beſtimmt, und dieß iſt der natuͤrliche Weg die beſondern Wiſſenſchaften zu bilden. Er beſtimmet ſeine Begriffe von dem, was recht und unrecht iſt, durch die Sitten der Voͤlker und durch die Entſchlieſſungen der Regenten, und er wird ein Juriſte. Der Philoſoph beſtimmt ſeine Erkenntniß von den Kraͤften der Dinge durch dieß, woraus der menſchliche Leib zuſammen geſetzet iſt, und was ihm die Erfahrung von dieſem lehret, und er wird ein Artzt. Der Philoſoph beſtimmet ſeine Erkenntniß von der Natur und den Wuͤrkungen der Dinge durch dieß, was ihm die Erfahrung bey denen Beſchaͤftigungen lehret, die ſowohl auf die Staats - als auch auf die Privathaushaltung gehen, und er wird ein Wirth. Warum ſoll nun durch dieß der Wuͤrde des Gelehrten mehr entgehen als durch jenes. Oder iſt vie - leicht derjenige dem Staat weniger nuͤzlich, der eineA 5Wiſ -10VorbereitungWiſſenſchaft baut, den Reichthum des Staats und der Jnwohner zu erhalten und zu erweitern, als derjenige, der ſich geſchickt macht, die Geſundheit der Menſchen zu erhalten, und dasjenige zu beſtimmen, was in den Strei - tigkeiten der Menſchen recht und unrecht iſt. Die aͤu - ſerliche Wohlfart der Menſchen beziehet ſich auf drey Stuͤkke, auf den Reichthum, auf den Genuß der Rechte, und auf die Geſundheit. Ein jeder der bemuͤhet iſt, ſeine Philoſophie alſo zu beſtimmen, daß ſie in der Be - foͤrderung einer von dieſen Abſichten nuͤtzlich werde, der bemuͤhet ſich die Wohlfart der menſchlichen Geſellſchafft zu befoͤrdern. Jſt es nicht ein klarer Beweiß von un - deutlichen und in Vorurtheilen gegruͤndeten Begriffen, wenn man eins von dieſen Stuͤkken als ſo etwas anſiehet, das der Wuͤrde eines Gelehrten zuwider iſt. Dieß iſt der Wuͤrde eines Gelehrten zuwider, wenn man aus undeutlichen Begriffen redet, und aus Vorurtheilen ſchluͤſſet.
Doch vielleicht habe ich die Gedanken dieſer Maͤn - ner wider ihren Sinn erklaͤret. Vielleicht wollen ſie uns nur dieß zu verſtehen geben, die wirthſchaftlichen Beſchaͤftigungen, Pfluͤgen, Miſtfahren, Brauen, Bakken und dergleichen ſchickten ſich vor keinen Gelehrten. Jſt dieß ihre Meinung, ſo habe ich eine unrichtige Er - klaͤrung gemacht, wozu ſie mir die Gelegenheit gegeben haben. Wer verſtehet aber dieſe wirthſchaftlichen Handthierungen, wenn man von einer philoſophiſchen Wiſſenſchaft der Haushaltungskunſt redet?
So weit von einigen, und zwar von den wichtigſten Vorurtheilen, welche ſehr oft die Gelehrten zuruͤck halten, ſich um diejenige Wiſſenſchaft zu bekuͤmmen, die wirjetzo11zu den Cameralwiſſenſchaften. jetzo, ſo weit als es uns moͤglich, und unſerer Abſicht ge - maͤß iſt, abhandeln wollen. Wir wollen zu dieſem Ende einmahl eine deutliche Beſchreibung von der Cameralwiſſenſchaft bilden. Und weil in einem Sy - ſtem alle Sachen und Saͤtze unter ſich eine Verbindung und eine Ordnung, die aus der Natur der Dinge ſelbſten folget, haben muͤſſen, weil ſie alle zu ei - nen gemeinſchaftlichen Zweck fuͤhren, ſo wollen wir fuͤrs andere aus dem von der Cameralwiſſenſchaft gebilde - ten Begriffe alle Haupttheile dieſer Wiſſenſchaft und die Gruͤnde folgern, welche die Ordnung beſtimmen, in welcher die Warheiten eines jeden Theils abzuhan - deln, und mit einander zu verbinden ſind.
Wir wollen uns von der Cameralwiſſenſchaft einenEs muß eine Quelle der jaͤrlichen Einkuͤnfte geſuchet wer - den. richtigen Begriff bilden. Es ſcheint uns, als wenn wir dieß alsdenn vollkommen werden bewerkſtelligen koͤnnen, wenn wir zuvor einige Redensarten werden deutlich er - klaͤret, und einige allgemeine Lehren werden bewieſen haben. Wir wollen dieſe Stuͤkke, als Gruͤnde einer richtigen Erklaͤrung von der Cameralwiſſenſchaft zuvor veſtſetzen. Der Hauptſatz iſt dieſer: Wer ſich auf jaͤrliche Einkuͤnfte gewiſſe Rechnung machen will, der muß ſich um die Quelle bekuͤmmern, aus welcher jene flieſſen koͤnnen. Jch unterſtuͤtze dieſen Satz mit folgendem Schluſſe. Unſere jaͤrlichen Ein - kuͤnfte flieſſen entweder aus einer einmahl veſtgeſetzten Quelle, oder ſie hangen von dem Erfolg des Gluͤkkes ab, deſſen Regierung nicht allemahl in unſerer Gewalt ſtehet. Da es nun fuͤr ſich klar iſt, daß wir uns in dem letzten Falle auf die jaͤrlichen Einkuͤnfte keine gewiſſe Rech - nung machen koͤnnen; ſo erfodert es die Klugheit, daß wir uns um eine Quelle bekuͤmmern, die unſere jaͤrlichen Einkuͤnfte zu wuͤrken, ſtark genug iſt.
An -12VorbereitungAnmerk. Wir reden hier von der Gewißheit in einem ſo allgemeinen Verſtande, in welchem die - ſes Wort in der Sitten - und Klugheitslehre ge - braucht wird. Wo es nicht allemahl eine voͤllige Ge - wißheit, ſondern oft einen ſehr hohen Grad der War - ſcheinlichkeit anzeiget.
Dieſe Quelle der jaͤrlichen Einkuͤnfte iſt entweder die Geſchicklichkeit mit der Anwendung unſerer Kraͤfte et - was zu verdienen: oder ſie iſt ein bereits erworbenes Gut, welches vermoͤgend iſt, uns jaͤrlich einen Nutzen zu wuͤrken. Dieſe wird insbeſondere die Quelle der jaͤrlichen Einkuͤnfte, der Fond, das Capital genen - net.
Jch weiß es nicht, ob ich die erſte Quelle der andern, oder ob ich die andere Quelle der erſten vorziehen ſoll. Oder ob beyde in Anſehung der jaͤrlichen Einkuͤnfte gleichguͤltig ſind. Cajus hat ein Capital von 10000. Thalern, und dieß bringet ihm jaͤrlich einen Nutzen von 500. Thalern. Titius kann mit ſeiner Geſchicklichkeit jaͤrlich 500. Thaler verdienen. Es hat demnach der eine ein ſo groſes Einkommen als der andere. Dieß giebt verſchiedenen Gruͤnde zu glauben, es waͤren beyde Quellen in Anſehung der jaͤrlichen Einkuͤnfte gleichguͤl - tig. Andere erheben den Vorzug der erſten Quelle, und die Gruͤnde mit welchen ſie dieſen Gedanken bekraͤfti - gen, verdienen einige Aufmerkſamkeit. Sie bilden dieſen Schluß: Ein Capital iſt verſchiedenen widrigen Schickſaalen ausgeſetzet. Bald werden wir darum be - trogen. Bald wird es durch das Feuer, Waſſer und an - dere Ungluͤcksfaͤlle zernichtet. Da im Gegentheile un - ſere Geſchicklichkeiten wider dieſe Anfaͤlle ſicher ſtehen. Wiederum andere geben in dieſem Stuͤkke dem Capitaleinen13zu den Cameralwiſſenſchafteneinen Vorzug. Sie ſchluͤſſen: Durch unſere Ge - ſchlicklichkeiten koͤnnen wir nichts verdienen, wenn wir krank ſind, und daß ſich unſere Geſchicklichkeiten in dem Erwerb des zeitlichen Vermoͤgens wuͤrkſam beweiſen, dieſes gruͤndet ſich mehrentheils in den Meinungen der Menſchen. Dieſe zu erwecken ſtehet nicht allemahl in unſerer Gewalt. Ein Capital im Gegentheil kann ſich wuͤrkſam beweiſen, wir moͤgen krank oder geſund ſeyn. Die Menſchen moͤgen dieſe oder jene Meinung faſſen.
Viele, die dieſe Gruͤnde in Erwegung ziehen, werdenBeweiß, daß das Capital vorzuziehen ſey. dieſen Ausſpruch geben: es ſey am ſicherſten, wenn wir uns um beyde Quellen bekuͤmmern. Jch finde kein Bedenken zu glauben, daß dieſe einen allgemeinen Bey - fall erhalten werden. Es bleibet aber dennoch dieſe Frage uͤbrig: wenn beyde Quellen gegen einander ge - halten werden, welche iſt von dieſen die ſicherſte? Jch werde genoͤthiget in Anſehung der jaͤrlichen Einkuͤnfte das Capital der erſten Quelle vorzuziehen. Jch gruͤnde dieſes Urtheil in folgendem Schluſſe: Je mehrere Zu - faͤlle moͤglich ſind, welche die Quelle unſerer jaͤrlichen Einkuͤnfte verſtopffen und zernichten koͤnnen, je leichter dieſe Zufaͤlle koͤnnen wuͤrklich werden, und je weniger es in unſerer Gewalt ſtehet, die Wuͤrklichwer - dung ſolcher Zufaͤlle zu verhindern; deſto weni - ger koͤnnen wir auf unſere jaͤrlichen Einkuͤnfte Rech - nung machen. Wenn wir unſere jaͤrlichen Einkuͤnfte durch unſere Geſchicklichkeit erwerben wollen, ſo ſind mehrere Zufaͤlle moͤglich, die dieſe Quelle verſtopffen und zernichten koͤnnen, dieſe Zufaͤlle koͤnnen leichter wuͤrklich werden, und es ſtehet weniger in unſerer Gewalt die Wuͤrklichwerdung ſolcher Zufaͤlle zu verhindern, als wenn wir ein Capital beſitzen, das unſere jaͤrlichen Ein - kuͤnfte wuͤrken ſoll. Wir koͤnnen demnach bey einemCa -14VorbereitungCapital auf unſere jaͤrlichen Einkuͤnfte ſichere Rechnung machen, als wenn wir dieſe mit unſerer Geſchicklichkeit erwerben ſollen.
Es ſcheinet noͤthig zu ſeyn, daß wir den Unterſatz in dem von uns gebildetem Schluſſe beveſtigen. Man wird uns dieſen ſehr leicht verwilligen, wenn man diejenigen Zufaͤlle, welche die erſte Quelle verſtopffen und zernichten koͤnnen, mit denen Zufaͤllen vergleichet, die der andern Quelle gefaͤhrlich ſind. Die erſten Zufaͤlle ſind der Mangel der Geſundheit, der durch unendlich viele Begebenheiten kann gewuͤrket werden, die verſchie - denen Leidenſchaften der Menſchen, die durch unend - lich viele Veraͤnderungen uns bald in dieſer bald in jener Beſchaͤftigung hinderlich ſind. Die faſt unzaͤhl - baren Veraͤnderungen ſowohl in dem innerlichen als auch in dem aͤuſerlichen Zuſtande des Orts, in dem wir wohnen. Die andern Zufaͤlle ſind die Betruͤgereien, und Schickſaale, welche von dem Lauffe der Natur abhangen. Die Betruͤgereien koͤnnen wir durch eine genugſame Behutſamkeit wo nicht voͤllig verhindern doch ſchwaͤchen. Die widrigen Zufaͤlle, welche von dem Lauffe der Natur abhangen, ſind nicht beſtaͤndig. Und die Erfahrung lehret es, daß wir uns wider dieſe ſehr oft ſchuͤtzen koͤnnen, und daß uns dieſe, wenn ſie uns von der einen Seiten ſchaͤdlich ſind, ſehr oft von der andern Seite nuͤtzlich werden. Koͤnnen wir uns auch bey den Zufaͤllen der erſten Art dieſes Vortheils ruͤhmen? Dieß ſcheint genug zu ſeyn, den von mir angegebenen Satz zu beveſtigen.
Anmerk. Wir nehmen das Wort Capital nicht in dem engern Verſtande, in welchem es das bereits erworbene Geld bedeutet, was wir andern borgen, um einen Nutzen davon zu gewinnen. Sondernwir15zu den Cameralwiſſenſchaften. wir nehmen es in dem allgemeinem Verſtande, da es uͤberhaupt dasjenige erworbenes Vermoͤgen anzeigt, was wir als fortdaurend annehmen, daß es ſich jaͤrlich zu unſern Nutzen wuͤrkſam beweiſen ſoll. Dieſer Gebrauch des Worts iſt bey allen gewoͤhnlich, die von der Haushaltungskunſt geſchrieben, und die ich geleſen habe. Hat man bey dieſem Gebrauch des Wortes einiges Bedenken, ſo nenne man es den Fond. Jch werde einem jeden in dieſem Stuͤkke die Freyheit laſſen.
Wir wollen dieß, was wir bis hieher uͤberhaupt ab -Die Einkuͤnf - te des Fuͤr - ſten ſind ent - weder eigen - thuͤmliche oder fuͤrſtli - che. gehandelt haben, auf die jaͤrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten anwenden. Es iſt aus dem Rechte der Natur bekannt, daß man den Fuͤrſten, in wie ferne er ein Mitglied der buͤrgerlichen Geſellſchaft iſt, von dem Fuͤrſten unterſchei - den muͤſſen, in wie weit er ein Fuͤrſt iſt. Jn der letzten Betrachtung beziehet ſich der Fuͤrſt allemahl auf den Staat, und auf ſeine Unterthanen. Dieß giebt uns einen Grund die jaͤrlichen Einkuͤnfte des Fuͤrſten in die eigenthuͤmlichen und fuͤrſtlichen Einkuͤnfte einzu - theilen. Jene hat er als ein Mitglied der Geſellſchaft. Dieſe aber als ein Fuͤrſt. Jene koͤnnen den Begriff von einem reichen Manne: Dieſe aber den Begriff von einem reichen Fuͤrſten bilden.
Das Capital oder der Fond von den fuͤrſtlichenDer Fond von dieſen wird beſtim - met. Einkuͤnften iſt der Reichthum des Staats und der Unterthanen. (§. 10. 14.)
Wer bemuͤhet iſt die jaͤrlichen Einkuͤnfte zu vermeh -Wenn die Vermehꝛung der Einkuͤnf - te unver - nuͤnftig. ren, der greift entweder das Capital an, oder er iſt be -muͤhet16Vorbereitungmuͤhet das Capital zu vergroͤſſern, und fruchtbarer zu machen. Ein Mittel, das entweder der Erlangung des Endzwecks zuwider laͤuft, oder doch wenigſtens dieß verurſachet, daß die Wuͤrklichkeit des Endzwecks von keiner Dauer iſt, das iſt unvernuͤnftig. Dieß beweiſet der Begrif von der Vernunft. Dieß iſt genug dieſen Satz zu bilden, daß die Vermehrung der jaͤrlichen Ein - kuͤnfte alsdenn unvernuͤnftig ſey, wenn dieſe dadurch ſoll bewerkſtelliget werden, daß man das Capital an - greift.
Es iſt demnach noͤthig, daß wir uns bemuͤhen das Capital zu vergroͤſſern, oder das bereits erworbene Capi - tal ſruchtbarer zu machen; wenn unſer Vorſchlag von der Vermehrung der jaͤrlichen Einkuͤnfte vernuͤnftig ſeyn ſoll. (§. 16.)
Wer den Reichthum der Unterthanen ſchaͤtzet, der beſtimmet entweder die Groͤße des bereits erworbenen Capitals, oder die Staͤrke von den jaͤrlichen Einkuͤnf - ten der Unterthanen. Soll demnach das Capital von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften der Reichthum der Unter - thanen ſeyn, ſo nimmt man dieſe entweder von dem Ca - pital, das ſich die Unterthanen bereits erworben haben, oder von den jaͤrlichen Einkuͤnften der Unterthanen. Erwehlet man den erſten Weg, ſo muß man bey einer jeden Einnahme der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte das Capital der Unterthanen angreiffen. Dieß iſt unvernuͤnftig (§. 16.). Will man demnach der Vernunft folgen, ſo muß man in dieſem Fall annehmen, daß das Capital oder der Fond von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften das jaͤrliche Einkommen der Unterthanen ſey.
Man kann es uns, wenn man dieſe Gruͤnde genaueinmal in Anſehung der fuͤrſtli - chen Ein - kuͤnſte. uͤberleget, unmoͤglich verargen, daß wir dieſe allgemei - ne Regel bilden: Wer die Vermehrung der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte beſorgen ſoll, deſſen erſte Sorge muß ſich mit dieſem beſchaͤftigen, wie die jaͤrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen koͤn - nen vermehret werden.
Anm. Cajus hat ein Capital von 3000 Thlr. Dieß traͤgt ihm jaͤrlich 150 Thlr. Dieſer Nu - zen iſt zu ſchwach, ſeine Wirthſchaft zu beſorgen. Er muß ſein Einkommen auf 100 Thlr. vermeh - ren. Er greift ſein Capital an. Dieſes wird jaͤrlich ſchwaͤcher. Man ziehe die Rechnung. Es wird der Schluß: Er iſt in wenigen Jahren voͤl - lig fertig. Man ſetze in die Stelle des Cajus den Fuͤrſten, und in die Stelle des Capitals das Ca - pital der Unterthanen, ſo iſt dieſes Beyſpiel ge - ſchickt, unſere Lehre auch ſinnlich zu beveſtigen.
Die Vermehrung der jaͤrlichen Einkuͤnfte der Un -Dieß giebt einen Be - grif von ei - nem reichen Fuͤrſten. terthanen iſt theils dadurch moͤglich, wenn ihr Ca - pital vermehret und fruchtbarer gemacht wird, theils dadurch, wenn ihre Kraͤfte geſchickter gemacht wer - den, zeitliches Vermoͤgen zu erwerben (§. 10.); Dieß iſt genug zu beweiſen, daß ein Fuͤrſt alsdenn ein reicher Fuͤrſt ſey, wenn er reiche und geſchickte Unterthanen hat. (§. 19. 14.) Auch dieß iſt ver - moͤgend, den uns richtig ſcheinenden Satz zu beſtaͤ - tigen, den wir bereits §. 14. angemerket haben, daß man den Begrif von einem reichen Manne und den Begrif von einem reichen Fuͤrſten nicht verwirren muͤſſe.
BAnm. 18VorbereitungAnm. Das Recht der Natur lehret uns, die haͤußliche Geſellſchaft von der buͤrgerlichen Geſell - ſchaft genau zu unterſcheiden. Wer dem nachden - ket, was wir daſelbſt von dieſem Unterſchiede ab - gehandelt haben, dem wird es nicht ſchwer fallen, dieſe Lehre, die wir jetzo vorgetragen haben, noch mehr zu beveſtigen, und in dieſer Verknuͤpfung nuͤtzliche auch wichtige Folgen zu machen. Es er - hellet hieraus zugleich, daß der Ausſpruch des Koͤniges Alphonſus klug und vernuͤnftig geweſen ſey, daß die groͤſte Sorge und das vornehmſte Amt eines Regenten darinnen beſtehen muͤſſe, die Unterthanen reich zu machen, zumal wenn ſolche reicher gemacht werden, ihre Regenten unmoͤglich arm ſeyn koͤnnen. Siehe der Regimentsper - ſonen Luſtbuch von Reden und Thaten Al - phonſi Regis.
Das Wort Camera hat in den mittlern Zeiten denjenigen Ort angezeiget, wo man die fuͤrſtlichen Einkuͤnſte verwahret hat. Daher iſt es geſchehen, daß man durch das Cameralweſen diejenigen Anord - nungen verſtanden hat, welche die Wirthſchaft ei - nes Fuͤrſten beſtimmen. Eine regelmaͤßige Wirth - ſchaft gehet auf drey Hauptpunkte. Auf die Erhal - tung, auf die Vermehrung, und auf die Verwal - tung der jaͤrlichen Einkuͤnfte. Dieß iſt genug, ein - zuſehen, warum man durch die Cameralwiſſen - ſchaft diejenige Wiſſenſchaft verſtehet, welche uns den vernuͤnftigen Weg zeiget, wie die jaͤrlichen Ein - kuͤnfte eines Fuͤrſten zu erhalten, zu vermehren und zu verwalten. Vielleicht giebt es einige, die es nicht vertragen koͤnnen, daß wir in der Erklaͤrung der Ca - meralwiſſenſchaft die beſondern Abſichten getrennet, und dieſe nicht in einem allgemeinen Ausdrukke zu -ſammen19zu den Cameralwiſſenſchaftenſammen gefaſſet haben. Wir wollen auch dieſen Genuͤge leiſten, und aus dieſer Urſache die Erklaͤrung von der Cameralwiſſenſchaft kuͤrzer faſſen, daß ſie nemlich eine Wiſſenſchaft von der vernuͤnftigen Wirthſchaft eines Fuͤrſten.
Ein Cameraliſt iſt derjenige, der die Cameralwiſ -und der Ca - meraliſt wird erklaͤ - ret. ſenſchaft verſtehet. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß nur derjenige mit Recht ein Cameraliſt koͤnne genennet werden, der eine Fertigkeit hat, folgende Aufgaben aufzuloͤſen.
Wir wollen einen jeden Punkt genauer zergliedern,Dieſer muß die Quelle von den jaͤr - lichen Ein - kuͤnften des Fuͤrſten er - finden, damit wir uns einen deutlichen Begrif von den ver - ſchiedenen Abhandlungen der Cameralwiſſenſchaft bil - den koͤnnen. Ein Cameraliſt ſoll es verſtehen, wie eine gegruͤndete Quelle von den jaͤrlichen Einkuͤnften eines Fuͤrſten zu erhalten ſey. Wir haben es bereits §. 15. bewieſen, daß die gegruͤndete Quelle von den jaͤrlichen Einkuͤnften eines Fuͤrſten der Reichthum des Staats und der Unterthanen ſey. Hieraus fol - get es, daß ein Cameraliſt in Anſehung des erſten Punkts einmal Mittel entdecken muͤſſe, die vermoͤ - gend ſind, den Reichthum des Staats und der Un -B 2tertha -20Vorbereitungterthanen zu wuͤrken, und fuͤrs andere verſtehen muͤſſe, die jaͤrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen in gewiſſe Claſſen zu bringen, und deren Groͤſſe, ſo weit es moͤglich iſt, genau zu beſtimmen.
Die andere Aufgabe, die von einem Cameraliſten ſoll aufgeloͤſet werden, iſt dieſe: Wie koͤnnen die jaͤr - lichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten vernuͤnftig vermehret werden. Wir fordern demnach von einem wahrhaf - tigen Cameraliſten, daß er uns vernuͤnftige Mittel entdecke, welche die jaͤrlichen Einkuͤnfte der Untertha - nen vermehren, (§. 19.) folglich die Unterthanen rei - cher und geſchickter machen koͤnnen. (§. 20.)
Unſere jaͤrlichen Einkuͤnfte ſind entweder unmit - telbare Wuͤrkungen der Natur, oder der Erfolg von dieſen gruͤndet ſich in unſern Beſchaͤftigungen, die ei - ne gewiſſe Geſchicklichkeit zum Grunde ſetzen, die wir uns durch unſere Bemuͤhungen erworben haben. Dieſe Beſchaͤftigungen ſetzen entweder die Natur in den Stand, daß ſie dasjenige wuͤrken kan, was durch ihr moͤglich iſt; oder ſie verfertigen aus dem, was die Natur hervor gebracht hat, andere Dinge, die dem menſchlichen Geſchlechte nuͤtzlich ſind. Dieß voraus geſetzt, ſo iſt es klar, daß ein wahrer Came - raliſt in Anſehung des andern Punkts verſtehen muͤſſe
Anm. Man wird es, ohne daß wir es insbe - ſondere anmerken, begreifen, daß wir hier von dem Nutzen der Menſchen nicht in einem moraliſchen, ſondern in einem politiſchen Verſtande reden, nach welchem alles dem menſchlichen Geſchlechte nuͤtzlich iſt, was deſſen Erhaltung, das Vergnuͤgen und die Befoͤrderung des Wohlſtandes wuͤrken kann. Die Wiſſenſchaft, mit der wir uns jetzo beſchaͤfti - gen, erfordert es, daß wir eine ſolche Bedeutung mit dieſem Worte verbinden.
Dieß, was wir bis hieher von den EigenſchaftenWas ein Landverder - ber. eines wahren Cameraliſten abgehandelt haben, giebt uns zugleich diejenigen Zeichen zu erkennen, die einen Cameraliſten von einem Landverderber unterſchei - den. Es giebt Leute, die zwar bemuͤhet ſind, die jaͤrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten zu vermehren, die aber entweder durch Bosheit oder durch Einfalt zu - ruͤck gehalten werden, denjenigen Weg zu gehen, den die Weisheit in dieſem Stuͤkke vorſchreibet. Sie ſind bemuͤhet, die jaͤrlichen Einkuͤnfte des Fuͤrſten zu vermehren, ohne gewiſſe Mittel veſt zu ſetzen, welche die jaͤrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen erwei - tern koͤnnen. Sie glauben, ihrem Amte vollkom - men Genuͤge zu thun, wenn ſie nur Titel erfinden, die jaͤrlichen Abgaben der Unterthanen zu erhoͤhen. u. ſ. f. Laſt uns ſehen, was daraus fuͤr ſchaͤdliche und dem Wohl des Staats nachtheili - ge Folgen erwachſen. Dieſe Leute vermehren die jaͤrlichen Einkuͤnfte des Fuͤrſten dadurch, daß ſie das Capital ſchwaͤchen (§. 18.). Dieſe VermehrungB 3iſt22Vorbereitungiſt von keiner Dauer. Die Unterthanen und der Staat muͤſſen endlich verarmen. Wie ſtehet es nun mit den fuͤrſtlichen Einkuͤnften? (§. 20.) Dieß iſt genug zu beweiſen, daß dieſe Leute den Namen ei - nes Cameraliſten nicht verdienen, (§. 24.) Sie ſind die Peſt im Staat, und aus dieſer Urfache werden ſie Landverderber genennet.
Doch wir wollen uns mit dieſer Mißgeburth der menſchlichen Geſellſchaft nicht weiter beſchaͤftigen. Wir wollen den Cameraliſten von derjenigen Seite betrachten, da er uns von der Vernunft geſchildert wird. Aus dieſer Urſache muͤſſen wir uns bey dem andern Punkte noch etwas verweilen. Er ſoll es verſtehen, wie die jaͤrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten vernuͤnftig koͤnnen vermehret werden, (§. 22.) das iſt, wie die Vermehrung der jaͤrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen moͤglich ſey. (§. 24). Dieſe Erkenntniß erfordert zwey Stuͤkke. Einmahl eine allgemeine Erkenntniß von der Moͤglichkeit in der Vermehrung der jaͤrlichen Einkuͤnfte uͤberhaupt. Fuͤrs andere eine Geſchicklichkeit, dieſe allgemeine Erkenntniß auf den beſondern Fall anzuwenden, da die Unterthanen eines Staats ihre jaͤrlichen Einkuͤnfte erweitern ſol - len. Die Eigenſchaften eines wahren Cameraliſten in Anſehung des erſten Punkts ſind bereits in dem §. 25. abgebildet worden. Es iſt demnach nur noch der andere Punkt uͤbrig. Und wir muͤſſen diejenigen Eigenſchaften beſtimmen, die aus dieſem folgen.
Jch nehme es als eine bekannte Sache an, daß wir dieſes nicht nur muͤſſen wuͤrken koͤnnen, ſondern auch wuͤrken wollen, was von uns ſoll gewuͤrket wer - den. Die Unterthanen eines Staats ſellen ihre jaͤr -lichen23zu den Cameralwiſſenſchaften. lichen Einkuͤnfte vermehren. Sie muͤſſen demnach in den Stand geſezt werden, daß dieß durch ſie nicht nur moͤglich iſt; ſondern daß auch ihr Wille gegen dieſe Beſchaͤftigung gelenket werde. Dieß erfordert eine Erwekkung der Begierde zur Arbeit. Jenes erfordert einmahl eine Erkenntniß von der moͤgli - chen Vermehrung der Einkuͤnfte: Fuͤrs andere ei - nen Beſitz derjenigen Mittel, durch welche man ſeine Erkenntniß geſchickt anwenden kann: Fuͤrs dritte eine Zerſtoͤrung derjenigen Umſtaͤnde, die uns bey der Ausfuͤhrung dieſer Abſicht Hinderniße ſezen koͤn - nen. Hieraus folget es, daß ein Cameraliſt in An - ſehung der andern Aufgabe ferner verſtehen muͤſſe, wie der Staat einzurichten ſey, wenn er
Die Urſache, warum ſich ein Cameraliſt um die -und wenn aus dieſen die Einkuͤnf - te des Fuͤr - ſten zu he - ben und zu vermehren. ſe Punkte bekuͤmmert, iſt, die jaͤrlichen Einkuͤnfte ei - nes Fuͤrſten zu vermehren. (§. 21.) Dieß iſt die vorzuͤgliche Beſchaͤftigung, durch welche er ſich ins - beſondere von einem andern wiſſenſchaftlichem Wirthe unterſcheidet. Aber auch dieſe beſondere Beſchaͤfti -B 4gung24Vorbereitunggung erfodert mehr als eine Regel, die er beobach - ten muß. Es folget unmittelbar, daß er verſtehen muͤſſe
So weit von der andern Aufgabe. Die dritte Aufgabe, um deren Aufloͤſung ein Cameraliſt ſich zu bekuͤmmern hat, iſt dieſe: Wie iſt eine vernuͤnf - tige Anwendung der jaͤrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤr - ſten moͤglich? (§. 22.) Wer eine vernuͤnftige Wirth - ſchaft fuͤhret, der bringet ſeine Einnahmen und ſeine Ausgaben in verſchiedene Claſſen. Er unterſcheidet die nothwendigen Ausgaben von denen, die nicht ſo ſehr nothwendig ſind. Er vergleichet die Ausgabe mit der Einnahme, und beſtimmet einer jeden Claſſe der Ausgaben eine beſondere Claſſe der Einnahmen. (§. 464. der Sittenlehre). Dieß iſt genug, zu be - weiſen, daß ein Cameraliſt in Anſehung der dritten Aufgabe verſtehen muͤſſe:
Dieß voraus geſezet, wird es uns nicht ſchwer fal -Die verſchie - dene Theile der Cameral - wiſſenſchaft. Der Erſte Theil. len, diejenigen Theile zu beſtimmen, die wir alsdenn erklaͤren und abhandeln muͤſſen, wenn wir eine voll - ſtaͤndige Einleitung in die Cameralwiſſenſchaft liefern wollen. Wir muͤſſen einmahl die Wuͤrkungen der Natur unterſuchen, und wie dieſe koͤnne geſchickt ge - macht werden, dasjenige in einer Vollkommenheit hervorzubringen, was durch ihr moͤglich iſt. Dieß iſt der erſte Theil der Cameralwiſſenſchaft, welchen man die Landwirthſchaft (Oeconomia ruſtica) nennet.
Anm. Viele, die von der Oeconomie handeln, betrachten dieſe in einem ſittlichem Verſtande, in - dem ſie uns in einem Zuſammenhange dieje - nigen Regeln darſtellen, nach welchen eine ver - nuͤnftige Wirthſchaft muß eingerichtet werden, und wir haben von dieſer einen kurzen Entwurf in der philoſophiſchen Sittenlehre gebildet. Der Cameraliſt ſetzet dieſe Abhandlung voraus, und er gehet weiter. Er unterſuchet, wie dieſe allge - meine Regeln auf die Werke der Natur koͤnnen angewendet werden. Aus dieſer Urſache beſchaͤfti - get er ſich mit der Oeconomie in dem phyſikali - ſchem Verſtande, doch nicht wie der Bauer, ſon - dern wie ein Philoſoph. Er macht ſich einen Be - grif von den Wuͤrkungen der Natur: von den na - tuͤrlichen Urſachen dieſer Wuͤrkungen: von der Vollkommenheit in den Werken der Natur, undB 5von26Vorbereitungvon den Mitteln, dieſe Urſachen geſchickt zu ma - chen, die Wuͤrkungen vollkommen zu liefern. Aus dieſen Begriffen ſchluͤſſet er allgemeine Lehr - ſaͤtze, die in dem vorkommendem Falle ihm zur Regel dienen, und hierdurch wird er ein philoſo - phiſcher Land-Wirth, der vermoͤgend iſt, die Land - wirthſchaft in einem Lande zu regieren, und dieſe zum Nutzen des Staats vollkommener zu machen.
Die Natur, wenn wir dieſe von derjenigen Seite betrachten, mit welcher wir uns jetzo beſchaͤftigen muͤſ - ſen, zeiget ihre Wuͤrkungen theils bey der Viehzucht, theils bey dem Ackerbau. Wir nehmen dieſen in der allgemeinen Bedeutung, nach welcher er ſich auf alles beziehet, was in und auf dem Erdboden waͤchſt. Es iſt dieſe Bedeutung beynahe in allen Schriften an - genommen worden, die von der Landwirthſchaft han - deln. Aus dieſem iſt es klar, daß wir den erſten Theil der Cameralwiſſenſchaft, das iſt, die Land - wirthſchaft in drey beſondere Theile zerlegen muͤſſen.
Der Cameraliſt muß ſich fuͤrs andere bemuͤhen, diejenigen Dinge zu beſchreiben, welche die Kunſt aus den Werken der Natur verfertigen kan. Er bildet aus dieſem, ſo viel es ihm moͤglich iſt, eine Wiſſen -ſchaft27zu den Cameralwiſſenſchaften. ſchaft, und dieſe iſt der andere Theil der Cameral - wiſſenſchaft, welchen man die Stadtwirthſchaft (Oe - conomia vrbana) nennet.
Anm. Das Alterthum giebt uns Gruͤnde ge - nug, dieſe Bedeutungen der Worte zu rechtferti - gen, wenn wir diejenigen Beſchaͤftigungen unter - ſuchen, durch welche es die Doͤrfer von den Staͤd - ten, den Bauer von dem Buͤrger unterſchieden hat, und wenn wir die Begriffe zerlegen, welche die Rechtsgelarheit von den ſeruitutibus ruſticis und vrbanis bildet.
Die Kunſt verfertiget aus den Werken der Na -Deſſen Ab - theilung. tur verſchiedene Dinge zum Nutzen der menſchlichen Geſellſchaft. Bald ſcheidet ſie die inneren Theile, aus welchen die Natur ihre Werke zuſammen geſezet hat Z. B. bey dem Bier brauen, Brandwein brennen, Staͤrke machen, und ſo ferner. Bald macht ſie die Werke der Natur geſchickt, dieſe regelmaͤßig zu ver - binden, und alsdenn bringet ſie Werke hervor, wel - che die ſich ſelbſt gelaſſene Natur unmoͤglich wuͤrken kann. Jenes giebt uns einen Begrif von den Ge - werken, und dieſes einen Begrif von den Manu - facturen und Fabriquen. Dieß iſt die Urſache, war - um wir dieſen andern Theil der Cameralwiſſenſchaft wiederum in zwey beſondere Theile zerlegen:
Der Cameraliſt muß fuͤrs dritte aus deutlichenDer dritte Theil. Begriffen lehren, wie der Staat einzurichten ſey,wenn28Vorbereitungwenn deſſen Unterthanen in dem Stande ſeyn ſollen, ihre jaͤrlichen Einkuͤnfte zu erhalten und vernuͤnftig zu vermehren. Dieß giebt uns den dritten Theil der Cameralwiſſenſchaft, welcher die Policeiwiſſen - ſchaft genennet wird.
Anm. Die Griechen verſtehen durch das Wort πολιτέια diejenigen Geſetze eines Staats, worauf deſſen Schoͤnheit und Wohlſeyn beruhet. Der Staat iſt alsdenn ſchoͤn, und deſſen Wohlſeyn iſt beveſtiget, wenn deſſen Unterthanen in einer bluͤ - henden Nahrung ſtehen. Dieß iſt genug, die Urſache zu entdekken, warum man den dritten Theil der Cameralwiſſenſchaft dieſen vorzuͤglichen Namen gegeben hat.
Wenn wir dieſe Beſchreibung der Policeiwiſſen - ſchaft mit dem vergleichen, was wir in dem §. 28. abgehandelt haben, ſo koͤnnen wir leicht einſehen, daß ſich die Policeiwiſſenſchaft vornemlich beſchaͤf - tiget
Der Cameraliſt muß endlich fuͤrs vierte dieDer vierte Theil. bis hieher beſchriebene Wiſſenſchaften auf die Wirth - ſchaft eines Fuͤrſten, als Fuͤrſten, anwenden. Und dieſe Anwendung macht den vierten Theil der Came - ralwiſſenſchaft, die ſich dieſen Namen, die Cameral - wiſſenſchaft, insbeſondere zugeeignet hat.
Anm. Die Urſache dieſer Benennung erhellet aus dem, was in dem Anfange des §. 21. von uns iſt angemerket worden.
Dieſer Begrif von der Cameralwiſſenſchaft in demDeſſen Ab - theilung. engern Verſtande giebt uns einen Grund, dieſe in drey beſondere Theile zu zerlegen.
Dieß iſt die kurze, aber doch, wie ich es glaube, vollſtaͤndige Abbildung derjenigen Wiſſenſchaft, die wir jetzo erklaͤren und abhandeln wollen. Jch habe dieſe Abbildung vorausgeſezet, theils weil es die Lehr - art der Vernunft erfodert, daß wir uns zuerſt einen deutlichen Begrif von dem machen, womit wir uns beſchaͤftigen wollen: theils in uns einen Begrif von der Wichtigkeit und von dem Nutzen der abzuhan - delnden Lehre zu erwekken: theils meine Leſer zu be - wegen, diejenigen Fehler zu entſchuldigen, die ſich in der Abhandlung mit einſchleichen werden. Von den Schriften, welche hieher gehoͤren, will ich in der Abhandlung diejenigen anmerken, die mir nuͤtzlich ge - weſen ſind. Wer ein Verlangen hat, noch andere zu kennen, dem wird der Herr von Rohr in der Haushaltungs-Bibliothek, und der beruͤhmte Herr Zink in der Cameral-Bibliothek Genuͤge thun.
Man kann die Dinge, welche in den Wer -Abſicht die - ſer Abhand - lung. ken der Natur unterſchieden ſind, auf eine zwiefache Art betrachten. Zuerſt, in ſo ferne ſie nicht mehr mit unſern Sinnen koͤnnen gefaſſet, ſondern allein in unſerm Verſtande koͤnnen gebildet werden. Vors andere, in ſo ferne wir ihre Eigenſchaften aus denjenigen Wuͤrkungen ſchluͤſſen koͤnnen, die wir empfinden. Die erſte Be - trachtung iſt nuͤtzlich, und denen angenehm, welcheCdie34Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derdie Wuͤrkungen der Natur aus den erſten Begriffen erklaͤren und beurtheilen wollen. Sie iſt aber von unſerer gegenwaͤrtigen Abſicht zu weit entfernet. De - nen, welche nur die naͤchſten Urſachen von den Wuͤrkungen der Natur kennen und begreifen wollen, wuͤrde dieſe Betrachtung zu weitlaͤuftig und wohl gar verdruͤßlich werden. Und bey denen, welche mit ihrem Verſtande in die inneren Beſchaffenheiten der erſten Dinge der Koͤrper hinein dringen wollen, kann ich eine ſolche Betrachtung voraus ſetzen. Denn die - beſchaͤftigen ſich mit der Metaphyſik, welche die in - nere Beſchaffenheit der erſten Dinge der Koͤrper ſo weit unterſuchet, als es unſerm Verſtande moͤglich iſt. Wir wollen uns demnach jetzo nur mit der an - dern Betrachtung beſchaͤftigen, und die Beſchaffen - heit derjenigen Dinge unterſuchen, in welche wir mit unſern Sinnen die Werke der Natur zerlegen koͤn - nen.
Wir wollen die verſchiedenen Arten von den erſten Dingen in den Werken der Natur beſchreiben und erklaͤren, in welche wir dieſe ſinnlich zerlegen koͤnnen. Wir muͤſſen dieſe Arten aus der Betrachtung derje - nigen Wuͤrkungen bilden, die wir empfinden. Aber auch hiebey die den Weiſen gewoͤhnliche Behutſam - keit beobachten, daß wir die Arten der erſten Dinge nicht ohne Noth vermehren. Nicht alle Wuͤrkun - gen, die verſchieden ſind, geben verſchiedene Arten der Dinge, von welchen ſie gewuͤrket werden. Der Un - terſchied der Wuͤrkungen iſt ehr oft eine Folge aus dem Unterſchiede der Dinge, die mit einander ſind verknuͤpft worden, und ſehr oft beweiſet es uns die Vernunft, daß ſie von einigen Nebenumſtaͤnden ab - haͤngen, und von einer Urſache, die zu dieſer Wuͤr -kung35Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. kung nur Gelegenheit gegeben. Eine Saite, die ſcharf geſpannet iſt, giebt einen feinern Ton, als wenn ſie nicht ſo ſtark iſt ausgedehnet worden. Wer wird hieraus ſchluͤßen, daß wir ein fein klingendes Ding von einem grobklingendem Dinge weſentlich un - terſcheiden muͤſſen. Wir empfinden bald eine Kaͤlte, bald eine Waͤrme. Sollte wohl dieß eine hinrei - chende Urſache ſeyn, kalt und warm machende Din - ge, als verſchiedene Arten der Dinge, zu bilden. Wollen wir demnach aus verſchiedenen Wuͤrkungen verſchiedene Arten der Dinge, die weſentlich unter - ſchieden ſind, ſchluͤßen, ſo muͤſſen wir uns einmahl von dieſen Wuͤrkungen deutliche Begriffe machen. Fuͤrs andere die innere Beſchaffenheit dieſer Wuͤr - kungen von dem unterſcheiden, was bey ihnen durch die Beziehung auf andere Dinge wahrzunehmen iſt. Fuͤrs dritte bey der Betrachtung der innern Be - ſchaffenheit der Wuͤrkungen dieß, was eine Folge der beſtimmten Bewegung iſt, von dem abſondern, was wir als das erſte in der Wuͤrkung wahrnehmen und gedenken koͤnnen. Dieß iſt das Weſen der Wuͤrkung, und dieß giebt uns einen Begrif von der weſentlichen Beſtimmung der Kraft, wodurch ſie eine Kraft von einer beſondern Art iſt. Und dieß ſcheinet uns der einzige Weg zu ſeyn, der untruͤglich iſt, die verſchie - denen Arten von den erſten Dingen in den Werken der Natur zu bilden.
Wenn wir die Werke der Natur nur obenhin be -Es ſind uͤber - haupt zwey Arten dieſer Dinge anzu - nehmen. trachten, ſo werden wir ſo gleich genoͤthiget, zwey Stuͤkke zu unterſcheiden. Einmahl, den Saamen, aus welchem ſie gezeuget werden, und fuͤrs andere, diejenigen Dinge, welche die Natur als Mittel an - wendet, aus dieſem Saamen ein beſtimmtes WerkC 2hervor -36Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derhervorzubringen. Wir wollen jedes Stuͤck beſonders unterſuchen.
Jch habe viel Muͤhe angewendet, mir einen deut - lichen Begriff von dem Saamen zu machen, und mich von dieſem zu uͤberzeugen, ob der Saame nur eine beſtimmte proportionirliche Verbindung von den uͤbri - gen Dingen ſey, welche die Natur als Mittel an - wendet, aus dem Saamen ein beſtimmtes Werk her - vorzubringen, oder ob in einer jeden Art des Saa - mens etwas weſentliches ſey, in welchem der Grund enthalten, daß aus ihm kein anderes Ding als ein Ding von einer beſtimmten Art koͤnne gezeuget wer - den. Wir wollen dieſes weſentliche, um unſere Gedanken, ſo weit es uns moͤglich iſt, deutlich aus - zudruͤcken, den Kern nennen.
Die, welche die erſte Meinung ergreifen, koͤnnen verſchiedene Gruͤnde beybringen dieſe zu unterſtuͤtzen. Zumahl die Scheide Kunſt den Saamen der Dinge in diejenigen Arten der Dinge zerleget, welche die Natur als Mittel anwendet, aus dem Saamen ein Werk von einer beſtimmten Art hervorzubringen. Doch wenn wir dieſe Folge genau unterſuchen, ſo ſcheinet es, daß ſie weiter gehet, als ſie von ihrem Grunde geſchuͤtzet wird. Nur dieß kann aus dieſer Erfahrung geſchloſſen werden, daß in einem Saamen die verſchiedenen Arten der Dinge vereiniget worden. Und daher bleibt noch dieſe Frage unentſchieden, ob nicht in dem Saamen, außer der Vereinigung zuvor erwehnter Dinge, noch ein beſonderer Kern ſtekke. Jch werde genoͤthiget dieſe Meinung anzunehmen. Die Gruͤnde ſind folgende.
Jch ſpalte einen Saamen. Jch betrachte dieſen ſoDieß wird bewieſen. genau, als es mir moͤglich iſt, und ich muß zwey wuͤrk - lich von einander unterſchiedene Materien in ihm un - terſcheiden. Jn der Mitte iſt eine glaͤnzende, und dieſe iſt mit einer ſchwammigten umgeben, die in mei - nem Munde, wenn ich ſie mit den Zaͤhnen zermalme einen Leim macht, den ich nur mit groſer Muͤhe durch den Speichel ganz duͤnne machen und aufloͤſen kann. Jch will es annehmen, daß jene der Kern in dem Saamen ſey. Jch ſtekke den Saamen in die Erde. Er treibt unter ſich eine Wurzel, und uͤber ſich ein Blatt. Jch nehme dieſen Saamen ſogleich aus der Erde, zerlege ihn, und ich finde in der ſchwammigten Materie eine Veraͤnderung, aber den Kern noch unveraͤndert. Jch laſſe einen andern Saamen ſo lange in der Erde liegen, bis er einen Stengel treibet. Jch nehme ihn heraus, ſo bald ich dieſes warnehme, und ich finde auch den Kern veraͤndert. Er iſt aufgeſchwollen, und hat eine andere Geſtallt wie vorher. Wer will es tadeln, wenn ich hieraus ſchluͤſſe, daß dieſe Materie das we - ſentliche des Saamens ſey, in welchem der Grund ent - halten, daß er ein Ding von einer beſtimmten Art hervorbringen koͤnne. Ein Gaͤrſten Korn traͤgt keine andere Frucht als Gaͤrſte. Man mag die Erde in welche es geſaͤet wird, bald auf dieſe bald auf eine an - dere Art veraͤndern. Jch nehme Gaͤrſten Koͤrner, die in ihrem Wachsthum nicht vollkommen geworden ſind, oder, wie man ſagt, die einen Brand habe. Jch ſpalte ein ſolches Korn, und ich finde den Kern, aber nicht ſo viel von der ſchwammigten Materie, wie in einem vollkommenem Kern. Jch ſtekke ein ſolches Korn, und es bringet entweder Gaͤrſtenkoͤrner hervor, oder doch wenigſtens eine Frucht die der Gaͤrſte ſehr aͤhnlich iſt. Sollte dieß nicht genug ſeyn, wo nicht mit Gewiß -C 3heit38Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derheit, doch mit der groͤſten Warſcheinlichkeit zu behaupten, daß in einem jeden Saamen ein Kern ſey, dem der Begrif zukommt, welchen wir §. 5. von einem Kern gebildet haben. Die verſchiedene Verſuche, die man in dem Thieriſchen Reiche gemacht, koͤnnen dieſen Satz noch mehr beveſtigen.
Jch will es jetzo nicht unterſuchen, ob dieſe Kerne unter die erſten Dinge der Natur zu zaͤhlen, oder ob ſie aus andern zuſammengeſezet ſind, und wenn dieß, ob ein ſolcher Kern aus Dingen von verſchiedener oder von einerlei Art zuſammengeſezet. Wir koͤnnen dieſe Kerne jetzo als eine ſolche Art von den Dingen anneh - men, bey welchen wir in der Zergliederung der Werke der Natur ſtehen bleiben. (§. 1.). Es iſt eine be - kannte Sache, daß wir in einer gewiſſen Beziehung etwas als das erſte annehmen koͤnnen, was in einer andern Beziehung noch nicht das erſte iſt. Will man den Kern als eine zuſammengeronnene ſchleimigte uud unſchmackhaftige Fluͤßigkeit anſehen, ſo werde ich die - ſem nicht widerſprechen. Die verſchiedenen Verſuche geben uns einen Grund dieſe Gedanken wo nicht gewiß, doch wahrſcheinlich zu nennen. Es wird uns aber hier gleich viel ſeyn, ob wir den Kern oder dieſe Fluͤßigkeit als das erſte annehmen. Zumahl wir weder von jenem noch von dieſer einen andern Begrif bilden koͤnnen, als daß es das weſentliche in dem Saamen ſey, in wel - chem der Grund ſtekket, daß durch dieſen nur eine Sache von einer beſtimmten Art koͤnne gewuͤrket wer - den.
So viel von dem Saamen. Diejenigen Dinge, welche die Natur als Mittel anwendet aus dem Saa -men39Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. men ein beſtimmtes Werk hervorzubringen, ſind von verſchiedener Art. Wir wollen dieſe, ſo weit es uns moͤglich iſt, beſchreiben. Wir muͤſſen die Natur dieſer Dinge aus ihren Wuͤrkungen erklaͤren (§. 2.). Alle Dinge koͤnnen in Bewegung geſetzet werden, und in dem ſie ſich bewegen, ſo beweiſen ſie in ihren Wuͤrkungen die innere Beſchaffenheit ihrer Kraft. Dieß giebt uns einen Grund, eine gewiſſe Art von Dingen anzuneh - men, deren Kraft nichts wuͤrken kann, als was ſich aus dem wiederſtehen erklaͤren laͤſt. Jch glaube nicht zu irren, wenn ich ſage, daß dieſe Dinge dieß machen, was wir die Erde nennen.
Anmerkung. Jn der Scheidekunſt nennt man dieß die Erde, was von einem Koͤrper uͤbrig bleibet, wenn er der Wuͤrkung des ſtaͤrkſten Feuers unter - worfen iſt, folglich dieß, was der groͤſten Gewalt des Feuers widerſtehet*). Man ſtelle mit dieſem zuruͤckgebliebenem alle moͤgliche Verſuche an, man wird von dieſem keine anderen Wuͤrkungen warnehmen, als die ſich aus dem Widerſtehen erklaͤ - ren laſſen. Jch weiß es, daß man die Erde in ſchmelzbare und unſchmelzbare Erde eintheilet, das iſt, in Erde, welche das Feuer fluͤßig und zu Glaß machen kann, und in Erde, welche beſtaͤndig dicht bleibet, und nicht ſchmelzet. Es giebt mir aber dieß keinen Grund, den von der Erde gebildeten Begrif zu aͤndern. Die ſchmelzbare Erde iſt ſchon mit an - dern Dingen vermiſcht, und wir nennen ſie eine Erde, weil wir von ihr die Erd-Eigenſchafft zuerſt und vornemlich empfinden. Es iſt dieß in der Scheidekunſt eine Gewonheit, daß wir eine Sache von dem benennen, was uns von ihr zuerſt und vor - nemlich in die Sinne faͤllt.
Andere Dinge, wenn ſie in Bewegung ſind geſetzet worden, beweiſen ihre Kraft durch ſolche Wuͤrkungen, die von dem Widerſtehen unterſchieden ſind, und die ſich aus dem Widerſtehen nicht erklaͤren laſſen. Es muß demnach das Weſen dieſer Kraft zu einer gewiſ - ſen Art von Wuͤrkungen beſtimmt ſeyn. Dieß giebt uns einen Grund zu lehren, daß dieſe Wuͤrkungen we - ſentliche Folgen von den Kraͤften dieſer Dinge ſind, und daß die Bewegung nur eine Gelegenheit ſey, daß ſich dieſe Dinge mit ihren weſentlichen Wuͤrkungen in andern Dingen thaͤtig beweiſen koͤnnen. Wir wollen dieſe Dinge uͤberhaupt weſentlich wuͤrkende Dinge nennen.
Die weſentliche Beſtimmung in der Kraft dieſer Dinge iſt entweder nur eine Bemuͤhung zur Bewe - gung, oder wir muͤſſen in ihr noch mehr als die bloſe Bemuͤhung zur Bewegung unterſcheiden. Jſt das erſte, ſo machen dieſe Dinge dieß, was wir Waſſer nennen.
Anmerkung. Wir wollen die Richtigkeit dieſes Begrifs beweiſen. Wir muͤſſen aus dieſer Urſache einmahl zeigen, daß in den Waſſer-Theilen eine weſentliche Bemuͤhung zur Bewegung ſey, und fuͤrs andere, daß wir auſſer dieſer Bemuͤhung keine andere weſentliche Beſtimmung in den Kraͤften dieſer Dinge annehmen koͤnnen. Das erſte ſchluͤſſe ich einmahl aus dem, weil das Waſſer nach allen Gegenden druͤkket. Nun aber iſt der Druk nichts anders als eine Wuͤrkung von der Bemuͤhung zur Bewegung. Fuͤrs andere aus dem, weil das Waſſer, wenn es an das Feuer geſetzet wird, verraucht und gaͤnzlich verfliegt. Das andere ſchluͤſſe ich aus dem, weil wiralle41Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. alle Wuͤrkungen des Waſſers, als Waſſers, aus dieſer Bemuͤhung zur Bewegung erklaͤren koͤnnen. Es iſt unſchmackhaft, ſeine Theile hangen nicht veſt zuſam - men, es erweichet die Dinge. Alle dieſe Begeben - heiten koͤnnen aus der weſentlichen Bemuͤhung zur Bewegung erklaͤret werden. Und ſo ferner.
Wenn wir in der weſentlichen Beſtimmung derdas Acidum. Kraͤfte dieſer Dinge noch mehr als die bloſſe Bemuͤhung zur Bewegung unterſcheiden, ſo iſt dieß entweder eine Bemuͤhung zum Anziehen, oder zum Ausdehnen, oder zum Zuſammenrinnen (Coagulatio). Die erſte Gat - tung der Dinge iſt diejenige, welche man Sauer (acidum) nennet, wegen der Empfindung, die wir von ihnen durch den Geſchmack bekommen.
Anmerkung. Wir wollen auch dieſe Erklaͤrung von den Acidis beweiſen. Man nehme ein Acidum, welches nicht mehr Waſſer enthaͤlt, als was noͤthig iſt, wenn es unter der veſten Geſtallt erſcheinen ſoll, und lege es an Waſſer, ſo wird es das Waſſer, ſo bald es dieſes beruͤhrt, aufs ſchnellſte an ſich ziehen. Die Luft iſt beſtaͤndig voll feuchter und waͤßrichter Duͤnſte. So bald demnach das Acidum die Luft be - ruͤhret, ziehet es die Feuchtigkeit der Luft an ſich, und wird fluͤßig. Man vermiſche ein Acidum, welches ſo wenig Waſſer enthaͤllt, als moͤglich iſt, mit einer Erde, die zu keinem Glaße wird, z. E. mit der Kreide, ſo ziehet es die Kreide mit einer ſolchen Heftigkeit an ſich, daß ein ſtarkes Kochen entſtehet, welches von einer Art eines ziemlichen Ziſchens von der Hitze und den Duͤnſten, welche ſo gleich in die Hoͤhe ſtei - gen, begleitet wird. Da nun dieſes iſt, ſolte ich denn wohl irren, wenn ich die weſentliche Wuͤr -C 5kung42Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derkung der ſauern Saͤfte in dem Anziehen ſetze? Sollte wohl nicht dieſes heftige Anziehen die Urſa - che von dem ſtarken Reiben ſeyn, wodurch die Waͤrme gewuͤrket wird?
Die andere Gattung der Dinge, von welchen wir §. 11. geredet haben, iſt diejenige, welche man alka - liſch nennet.
Anmerk. Wenn man eine ſehr ſchnelle Bewe - gung in den inneren Theilen der Dinge verlan - get, ſo wird dieſe durch den Zuſatz eines Alkali gewuͤrket. Wenn man ein reines Alkali zu einem reinen Acido bringet, ſo vereinigen ſie ſich mit ei - ner Heftigkeit. Wenn man ein feines Alkali zu einer Zufammenſetzung von Acido und reiner Er - de bringet, ſo wird dieſe Erde ſo gleich von dem Acido loßgeriſſen. U. ſ. f. Dieſe Begebenheiten koͤnnen aus der heftigen Ausdehnung erklaͤret wer - den, die von dem Alkali gewuͤrket wird. Dieß ſcheint genug zu ſeyn, den von dem Alkali gege - benen Begriff zu rechtfertigen.
Die dritte Gattung der Dinge, von welchen wir §. 11 geredet haben, iſt diejenige, welche man fett nennet. Will man dieß das Oel nennen, ſo werde ich dieſem nicht widerſprechen. Es iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß in dem Oele, was unſern Sinnen dar - geſtellet wird, wenigſtens eine Vermiſchung von Aci - do, Waſſer und Fett ſey, es iſt aber auch dieß be - kannt, daß wir insgemein die Benennung der Din -ge43Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. ge von dem nehmen, was uns von ihnen zuerſt in die Sinne faͤllt.
Anmerk. Soll ich die Wahrheit dieſes Be - griffes, den ich von dem Fette gebildet habe, be - weiſen, ſo bezieh ich mich, einmahl, auf dieß, daß ſich das Fett als Fett in keinem Waſſer aufloͤ - ſen laͤſt. Fuͤrs andere auf dieß, daß wir als - denn Fett gebrauchen, wenn wir eine Verbindung der Koͤrper verlangen. Fuͤrs dritte, auf dieß, daß das Fett das Sproͤdeſeyn der Koͤrper ver - hindert, u. ſ. f.
Dieß ſind, ſo weit ich bis hieher aus den Ver -Dieſer Ein - theilung koͤn - nen vier Ein - wuͤrfe ge - macht wer - den. ſuchen, und aus den Begriffen, welche die Ver - nunft bildet, habe ſchluͤſſen koͤnnen, die erſten Din - ge, in welche ſich die Werke der Natur zerlegen laſſen, und aus deren Verknuͤpfungen wir die natuͤr - lichen Begebenheiten erklaͤren koͤnnen. Wir wollen dieſe Lehre zuerſt wider einige Angriffe in Sicherheit ſetzen, und alsdenn die innere Beſchaffenheit dieſer Dinge und den Erfolg aus der Verbindung dieſer Dinge genauer unterſuchen. Wir haben zwo Gat - tungen von den erſten Dingen in den Werken der Natur angenommen. Den Kern des Saamens, und diejenigen Dinge, welche die Natur als Mittel an - wendet, aus dem Kern ein Ding von einer beſtimm - ten Art zu wuͤrken. Dieſe habe ich wiederum in zwo Arten vertheilet. Die erſte Art faſſet die Erde, und die andere die weſentlich wuͤrkenden Dinge in ſich. Dieſe ſind das Waſſer, das Acidum das Al - kali und das Fett oder Oel. Es giebt einige, wel - che die Anzahl von dieſen erſten Dingen verkleinern. Es giebt wiederum andere, welche dieſe Anzahl ver -groͤſſern.44Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von dergroͤſſern. Wiederum andere ſind mit uns in Anſe - hung der Benennungen nicht einig. Und einigen wollen die von uns gegebenen Erklaͤrungen nicht ge - fallen. Wir wollen es verſuchen, ob wir dieſe Ge - gner gewinnen koͤnnen.
Die, welche die Anzahl dieſer Dinge verkleinern wollen, ſetzen einige von dieſen als veraͤnderte Zu - ſtaͤnde der uͤbrigen an. Bald ſollen alle Dinge aus der Vereinigung des Alkali mit der Erde, bald aus der Zuſammenrinnung des Waſſers entſtehen, u. ſ. f. Dieſen antworte ich einmahl, daß ich kein Beden - ken tragen werde, dieſer Meynung Beyfall zu geben, ſo bald ſie nur dieſe deutlich werden erklaͤret, und vollſtaͤndig werden bewieſen haben. Fuͤrs andere, daß, wenn ſie dieſes ſollten bewerkſtelligen koͤnnen, beyde Lehren dennoch mit einander beſtehen werden. Jch rede hier von den erſten Dingen, in welche wir die Werke der Natur ſinnlich zerlegen koͤnnen. Wir wollen es annehmen, daß dieß nicht wuͤrklich die er - ſten Dinge der Natur ſind, ſo ſind ſie doch diejeni - gen Beſtimmungen der erſten Dinge, von welchen die verſchiedenen Veraͤnderungen in den Wuͤrkungen der Natur, als von der naͤchſten Urſache abhaͤngen. Jſt nun dieſes, ſo muͤſſen die Schluͤſſe, die man aus der Natur der erſten Dinge und deren Verbindung folgert, mit dieſen zuſammen ſtimmen, die man aus der Natur dieſer Dinge und ihrer Verbindung ziehet. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß uns dieß in keine Gefahr zu irren ſetzen kann, wenn wir es hier an - nehmen, daß dieſe ſechs Gattungen diejenigen ſind, in welche wir die erſten Dinge von den Werken der Natur vertheilen koͤnnen.
Es giebt andere, welchen die von uns beſtimmtendes andern. Gattungen der erſten Dinge in den Werken der Na - tur zu wenig ſcheinen. Sie wollen die Anzahl dieſer Gattungen vergroͤſſern. Sie unterſtuͤtzen ihre Gedan - ken mit dieſem Grunde, daß wir ſo viele Arten von den erſten Dingen der Natur annehmen muͤſſen, als wir noͤthig haben, die Begebenheiten in der Natur deutlich und verſtaͤndlich zu erklaͤren. Dieſen Grund muß ich ihnen verwilligen. Doch glaube ich berech - tiget zu ſeyn, die daraus gezogene Folge zu laͤugnen. Sie berufen ſich auf die Waͤrme, auf die Kaͤlte, auf das Licht, auf den Schall, u. ſ. f. Allein dieſe Be - gebenheiten machen mich nicht irre. Sie ſind Wuͤr - kungen der Bewegung, die von beſtimmten Ver - knuͤpfungen der von uns beſchriebenen Dinge verur - ſachet wird. Wir werden in der Folge Gelegenheit haben, uns uͤber dieſen Punkt deutlicher zu erklaͤ - ren.
Wiederum andere widerſprechen uns, aber dochdes dritten. ſo, daß ſich dieſer Widerſpruch nicht auf die Sache, ſondern auf die Benennung beziehet. Sie verlan - gen es von uns, daß wir dieſen Dingen andere Na - men geben ſollen. Einige von dieſen Dingen ſol - len wir Salze, eine andere Gattung ſollen wir den Schwefel nennen, u. ſ. f. Dieſen gebe ich uͤber - haupt zur Antwort, daß es mir gleichguͤltig ſeyn ſoll, wie man dieſe Dinge nennen will. Jch habe dieje - nigen Benennungen erwaͤhler, die, wie es mir ſchei - net, gewoͤhnlich ſind, und durch welche man dieje - nigen Wuͤrkungen ausdruͤkket, die wir dieſen Dingen, als weſentliche Wuͤrkungen, beygelegt haben. Jm uͤbrigen ſuche ich die Wahrheit nicht in der Benen -nung46Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von dernung, ſondern in der Sache. Will man einige von dieſen erſten Dingen Salze nennen, ſo denke man dem nach, was von den Salzen gelehret wird, viel - leicht wird man es uns alsdenn nicht verdenken, daß wir dieſen Namen hier nicht gebraucht haben. Was iſt das Salz? wenn ich diejenigen Eigenſchaften, die man von dem Salze behauptet, mit einander vergleiche, ſo werde ich genoͤthiget, die urſpruͤngliche Bedeutung dieſes Worts von derjenigen zu unterſchei - den, die es dadurch bekommen hat, daß man gewohnt iſt, die Dinge von dem zu benennen, wie ſie in unſere Sinne fallen. Jch glaube nicht zu irren, wenn ich ſage, daß man zuerſt die weſentlich wuͤrken - de Dinge der Natur Salze genennet hat. Nach dieſer Bedeutung werden das Acidum, Alkali und ſo ferner Salze ſeyn. Dieſe weſentlich wuͤrkende Din - ge vereinigen ſich vielmahls entweder unter einander, oder mit andern Dingen, dergeſtalt, daß ſie uns in der veſten Geſtalt erſcheinen, in der ſie uns noch ſchmackhaft ſind, und ſich wiederum im Waſſer aufloͤ - ſen laſſen. Alsdenn werden ſie uns mehr empfindlich, und wir geben dieſen Dingen, da wir noch ihre weſentlichen Wuͤrkungen wahrnehmen, insbeſondere den Namen des Salzes. Dieß iſt genug, zu ver - ſtehen, warum ich bey der allgemeinen Benennung dieſer Dinge den Namen des Salzes weggelaſſen habe. Die Verſuche, die man mit dem Schwefel angeſtellet, beweiſen es, daß er wenigſten aus eini - gen Aciden und Alkali zuſammengeſetzet. Daher koͤn - nen wir den Schwefel nicht unter die erſten Dinge der Natur ſetzen, wofern wir nicht mit dieſem Wor - te eine andere Bedeutung verbinden wollen. u. ſ. f.
Denen, welche die von uns gemachten Erklaͤrun -und des vier - ten Einwur - fes. gen nicht billigen wollen, weil ſie nach ihrer Meinung die Geſetze der Vernunftlehre nicht genau genug be - obachten, gebe ich zur Antwort, daß ich die Sache ſo deutlich erklaͤret und beſchrieben habe, als es mir moͤglich geweſen iſt. Sind ſie im Stande, beſſe - re Erklaͤrungen von dieſen Dingen zu bilden, ſo wer - de ich dieſe mit Vergnuͤgen annehmen. Jch wuͤn - ſche auch in dieſem Stuͤkke meine Erkenntniß taͤglich zu beſſern und vollkommener zu machen. Jndeſſen werde ich mich ſo lange bey den von mir gemachten Erklaͤrungen beruhigen, und aus dieſen dasjenige ſchluͤſſen, was ich zu meiner gegenwaͤrtigen Abſicht noͤthig habe.
Wir haben die verſchiedenen Gattungen von den -Ob eine jede Gattung die - ſer Dinge in verſchiedene Arten zu zertheilen. jenigen Dingen, in welche die Werke der Natur koͤnnen zerleget werden, erklaͤret, und dieſe von uns gemachte Eintheilung wider die wichtigſten Einwuͤrfe in Sicherheit geſetzet. Wir muͤſſen nunmehro unter - ſuchen, ob wir einige Urſachen entdekken koͤnnen, ei - ne jede Gattung wiederum in verſchiedene Arten zu vertheilen, und ob wir nicht einige allgemeine Regeln veſt ſetzen koͤnnen, die uns das beſtimmen, was durch die Verbindung dieſer Dinge moͤglich iſt. Wenn wir die Werke der Natur, ſo weit es uns moͤglich iſt, in ihre erſten Anfaͤnge, das iſt, in diejenigen Dinge zerlegen, die wir mit Grunde als die erſten Dinge annehmen, und wenn wir alsdenn diejenigen Dinge, die von einer Art ſind, mit einander vergleichen, ſo koͤnnen wir bey dem Waſſer, bey dem Fett und bey der Erde nichts finden, was uns einen Grund giebt,dieſe48Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derdieſe Gattungen der Dinge in verſchiedene Arten zu vertheilen. Bey den Saͤften, aus welchen der Kern des Saamens gebildet wird, finden wir einen merk - lichen Unterſchied, ſo, daß wir genoͤthiget werden zu glauben, daß dieſe Saͤfte bey den Dingen von verſchiede - ner Art weſentlich unterſchieden ſind. Bey den aci - den und alkaliſchen Dingen bemerken wir dieſen Un - terſchied, daß ſie ihre weſentlichen Wuͤrkungen nicht alle mit gleicher Geſchwindigkeit beweiſen. Die groͤ - ſte Geſchwindigkeit finden wir bey denen, die aus dem animaliſchen, die mittlere bey denen, die aus dem vegetabiliſchen, und die kleinſte bey denen, die aus dem mineraliſchen Reiche genommen werden. Ob nun dieſes von ihrer weſentlichen Beſtimmung, oder von einer zufaͤlligen Veraͤnderung abhanget, die ſich in der Verbindung mit andern Dingen gruͤndet, daß ſie nemlich ihre weſentlichen Wuͤrkungen deſto ge - ſchwinder beweiſen, je reiner ſie ſind, das iſt eine Frage, die wir bis hieher weder mit Gewißheit be - jahen noch verneinen koͤnnen. So viel iſt gewiß, daß die Gehrung ein Mittel iſt, zu machen, daß ſie ihre weſentliche Wuͤrkungen mit einer groͤßern Geſchwindig - keit beweiſen koͤnnen. Jch glaube nicht, daß es je - tzo noͤthig ſeyn wird, dieſe Sache hier genauer zu un - terſuchen. Es ſcheinet uns genug zu ſeyn, wenn wir hier den allgemeinen Unterſchied annehmen, den wir bemerket haben, ohne uns um die innere Urſache die - ſes Unterſchiedes zu bekuͤmmern.
Nunmehro muͤſſen wir noch einige Regeln veſt ſe - tzen, die uns dasjenige beſtimmen, was durch die er - ſten Dinge der Natur und durch die Verbindung dieſer Dinge moͤglich iſt. Jn Anſehung des erſten Punkts bilde ich folgende Regeln.
Die49Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc.Die erſte iſt dieſe: Die Natur kan keinDie erſte Regel. Ding von einer beſtimmten Art vollkommen wuͤrken, wenn nicht der elementariſche Saft von der Art dieſes Dinges gehoͤrig coaguliret iſt. Der Beweiß iſt dieſer: Die Natur wuͤrket keine Dinge von einer beſtimmten Art, als durch deren Saamen (§. 3). Das weſentliche Stuͤk in dieſem iſt der Kern (§. 4), der nichts anders iſt als ein coa - gulirter Saft (§. 6.), der dieß in ſich faſt, wodurch ein Ding von einer beſtimmten Art moͤglich iſt (§. 5. 18). Die Zergliederer der Natur nennen dieſen Saft den elementariſchen. Es iſt demnach klar, daß die Natur kein Ding von einer beſtimmten Art wuͤrket, wenn nicht der elementariſche Saft von der Art dieſes Dinges zuſammen geronnen iſt. Da nun nicht eine jede Zuſammenrinnung dieſes Saftes vermoͤgend iſt ein vollkommenes Werk der Natur von der beſtimmten Art zu liefern (§. 5); ſo folget es, daß dieſe Zuſam - menrinnung muͤſſe gehoͤrig ſeyn.
Man wird uns fragen einmahl, was wird hierzuDer Jnnhalt dieſer wird genauer er - klaͤret. erfodert, wenn die Zuſammenrinnung dieſes Saftes gehoͤrig ſeyn ſoll? Fuͤrs andere woraus erkennen wir es, wenn dieſe Zuſammenrinnung gehoͤrig iſt? Es wuͤrde mir angenehm ſeyn, wenn ich, die erſte Frage zu beantworten, vermoͤgend waͤre. Allein ich muß in dieſem Stuͤkke meine Unwiſſenheit geſtehen, und ich habe noch keinen geleſen, der mich ſo weit un - terrichtet hat, daß ich mir von dieſem Dinge habe einen Begrif machen koͤnnen. Bis hieher hat noch keiner durch die Kunſt einen Saamen verfertiget, man iſt vielmehr genoͤthiget worden, dieß Werk allein der Natur zu uͤberlaſſen.
Die andere Frage koͤnnen wir beantworten. Wir ſagen, daß der Saame reif ſey, wenn er vermoͤgend iſt ein Ding von ſeiner Art zu wuͤrken; und daß er voll - kommen ſey, wenn er vermoͤgend iſt, dieß, was durch ihm ſoll gewuͤrket werden, in dem groͤſtem Grad ſeiner Vollkommenheit hervorzubringen. Folglich iſt der elementariſche Saft von der beſtimmtem Art eines Dinges gehoͤrig coaguliret, wenn der Saame dieſer Dinge reif und vollkommen iſt. Das erſte erkennen wir aus einigen aͤuſſerlichen Merkmahlen, die ſich zwar zeigen, aber nicht beſchreiben laſſen. Wir koͤnnen uns bey dieſem ſehr leicht beruhigen, weil dieſe aͤuſſerlichen Merkmahle von einem jeden koͤnnen gezeiget werden, der ſich mit der Wirthſchaft beſchaftiget. Das ande - re ſchluͤßen wir aus dem, wenn der Saame den Grad der beſondern Schwere hat, der bey einem Saamen von dieſer Art moͤglich iſt.
Anmerkung. Viele verwirren die Reife des Saamens, mit der Vollkommenheit deſſelben. Sie werden aber auch um dieſer Unwiſſenheit willen beſtrafet, indem ſie bey ihren Werken denjenigen Vortheil verlieren, den ſie haͤtten gewinnen koͤnnen. Es kan dieß mit dem Brandweinbrennen und Bierbrauen erlaͤutert werden. Jn den Vorleſun - gen kan es gezeiget werden, wie der Grad von der beſondern Schwere des Saamens zu beſtimmen ſey.
Die andere Regel: So wohl der Mangel der Erde als auch dieß, daß die Erde zu veſt iſt, kann eine Urſache von dem ſeyn, daß ſich die we - ſentlich wuͤrkende Dinge der Natur in einembe -51Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. beſtimmtem Orte nicht wuͤrkſam genug beweiſen koͤnnen. Jch beveſtige dieſen Satz mit folgendem Schluſſe: Die Eigenſchaft der Erde, wenn ſie nach ihrer Natur betrachtet wird, beſtehet in dem, daß ſie den Wuͤrkungen der Dinge widerſtehet (§. 8.) Wenn demnach an einem Orte nicht eine erforderliche Menge von Erde iſt, ſo folget aus dieſem, daß die weſentlich wuͤrkenden Dinge an dem beſtimmten Orte nicht den - jenigen Grad des Widerſtandes haben, der erfodert wird, wenn ſie an dieſem Orte eine beſtimmte Wuͤrkung hervorbringen ſollen. Dieß iſt genug, das erſte Glied in dem angenommenem Satze zu bewei - ſen. Jſt ferner die Erde an einem beſtimmten Orte zu veſt, ſo kann dieß theils den Einfluß der weſentlich wuͤrkenden Dinge in die Erde verhindern, theils kann dieß eine Urſache ſeyn, daß der Grad des Widerſtan - des, der den weſentlich wuͤrkenden Dingen geſetzt wird, zu groß iſt. Dieß beweiſet das andere Glied in dem angenommenem Satze.
Die dritte Regel: Das Waßer kann ein Mittel ſeyn,Die dritte Regel. die Cohaͤſion der Dinge aufzuheben. Das Weſen der Waſſer-Theile iſt die Bemuͤhung zur Be - wegung (§. 10). Folglich koͤnnen die Waſſer-Theile dieß Aufheben, was die Bewegung verhindert. Die Co - haͤſion der Dinge verhindert Jhre Bewegung (§. 96. Monadol). Folglich kann das Waſſer ein Mittel werden die Cohaͤſion der Dinge aufzuheben.
Wenn wir demnach auf einen Koͤrper Waſſer gießen,Beſondere Folgen aus dieſer. und die Cohaͤſion der Theile dieſes Koͤrpers wird nicht aufgehoben, ſo iſt die Urſache hiervon dieſe, weil die Be - muͤhung zur Bewegung der Waſſer-Theile nicht groͤßer iſt, als die Cohaͤſion der Dinge die jenen Koͤrper aus -D 2machen;52Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von dermachen; oder weil die Waſſer-Theile nicht in die Luft - Loͤcher dieſes Koͤrpers dringen koͤnnen.
Die vierte Regel: Das acidum kann die Bewe - gung in den innern Theilen der Dinge verhin - dern. Die weſentliche Kraft der aciden Dinge be - weiſet Jhre Wuͤrkung durch das Anziehen (§. 11.) Es iſt demnach die Folge dieſer Wuͤrkung die Ruhe. Hier - aus folget es, daß das acidum, welches in einen Koͤr - per dringet, die Bewegung in den innern Theilen die - ſes Koͤrpers verhindern koͤnne.
Solte demnach in einem Koͤrper durch den Zuſatz des acidi eine Bewegung entſtehen, ſo kan dieß nur eine Folge von dem ſeyn, weil die Theile des Koͤrpers von dem acido angezogen werden.
Die fuͤnfte Regel: Das Alkali kann eine Urſache von der innerlichen Bewegung zwiſchen den un - merklichen Theilen eines Koͤrpers werden. Der Beweiß von der Moͤglichkeit in der Verbindung dieſer Gedanken iſt dieſer: Die weſentliche Kraft des Alkali beweiſet ſich durch das Ausdehnen wuͤrkſam (§. 12). Wann demnach das Alkali in einen Koͤrper dringet, ſo kann die - ſes weſentliche Ausdehnen nicht nur eine Urſache werden von der Zertrennung der Cohaͤſion der unmerklichen Theile, ſondern auch von dem, daß zwiſchen dieſen Thei - len die innerliche Bewegung fortgeſetzet wird. (§. 35. Mon.) Dieß iſt der Satz, den wir angenommen haben.
Wir haben demnach Grund zu ſagen, die Urſache wa - rum die innerliche Bewegung zwiſchen den unmerklichenTheilen53Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. Theilen eines Koͤrpers durch den Zuſatz des Alkali nicht erfolget, ſey entweder dieſe, weil die weſentliche Ausdeh - nung des Alkali nicht groͤßer als die Cohaͤſion der un - merklichen Theile dieſes Koͤrpers, oder weil das Alkali verhindert wird, in die Luft-Loͤcher dieſes Koͤrpers zu dringen.
Die innerliche Bewegung zwiſchen den unmerklichenWas die Gaͤhrung. Theilen eines Koͤrpers, welche die natuͤrlichen wuͤrkungen der Dinge verurſachen, wird die Gaͤhrung genennet.
Anmerkung. Jch folge in der Beſchreibung der Gaͤhrung dem Maquer*) und dem Teichmeyer**). Die verſchiedenen Arten der Gaͤhrung, und die Wuͤrkungen, welche dieſe hervor bringen, will ich un - ten beſchreiben.
Aus dieſem iſt es klar, daß der Zuſatz des Alkali einWodurch dieſe zu wuͤr - ken. Mittel zur Gaͤhrung werden koͤnne. (§. 28. 30).
Die ſechſte Regel: Das Oel, in wie weit es un -Die ſechſte Regel. ter die erſten Dinge der Natur gezehlet wird, (§. 13.) (wir koͤnnen dieß, um es von dem gemeinem Oe - le zu unterſcheiden, das weſentliche Oel nennen) kann ein Mittel werden, die Geſchwindigkeit in der Bewegung der Dinge, mit welchen es iſt vereini - get worden, zu vermindern, und verſchiedene Dinge mit einander zu verbinden. Die weſent - liche Wuͤrkung dieſes Oels iſt das Zuſammenrinnen (§. 13). Da es nun aus dem Begriffe, den uns die Sinne von dieſer Wuͤrkung bilden, klar iſt, daß dieß die Bewe -D 3gung54Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von der ꝛc. gung verhindert; ſo wird man es uns auch ohne fer - nern Beweiß verwilligen, daß dieſes Oel ein Mittel werden koͤnne, die Geſchwindigkeit in der Bewegung der Dinge zu vermindern, und verſchiedene Dinge mit einander zu verbinden.
So viel von den einfachen Wuͤrkungen der erſten Dinge der Natur. Will man dasjenige uͤberhaupt er - kennen, was durch die Verbindung dieſer Dinge moͤglich iſt, ſo darf man nur dieſe einfachen Wuͤrkungen mit einander vergleichen, und ſeine Aufmerkſamkeit auf die - ſe Regeln richten, welche uns die Erfahrung beſtaͤtiget:
Wir wuͤrden nach unſerer gegenwaͤrtigen Abſicht zu weitlaͤuftig werden, wenn wir aus der Verbindung dieſer Lehren beſondere Folgenziehen wollten. Es wird daher nur noͤthig ſeyn, daß wir die wichtigſten bey einer jeden Gelegenheit anmerken.
Die Lehrer der Natur theilen die Wuͤrkungen derAbſicht die - ſer Abhand - lung. Natur in drey Claßen oder Reiche, in das vegeta - biliſche, animaliſche und mineraliſche: Es iſt unſere Abſicht nicht, hier eine Naturlehre zu verfertigen. Wir wollen nur dasjenige erklaͤren, was uns die Beſchaͤfti - gungen in der Landwirthſchaft begreiflich machen kan, und darum wird es genug ſeyn, wenn wir dieſe Werke der Natur uͤberhaupt und kurz beſchreiben.
Wollen wir dieſe Werke der Natur nach unſererAllgemeine Erinnerung. gegenwaͤrtigen Abſicht beſchreiben, ſo muͤſſen wir uns zu - vor einen Begriff von der Luft, und von dem Einfluße der Luft in das Wachsthum der Dinge machen. Jch will dieſe Sache ſo gut beſchreiben, als es mir moͤglich iſt. Jch habe mir viele Muͤhe gegeben, dieſe zu ergruͤnden, ich habe aber auch niemals die Endlichkeit meines Ver - ſtandes mehr als bey dieſem Stuͤkke warnehmen koͤnnen. Man wird es alſo entſchuldigen, wenn dieſe Beſchrei - bung nicht vollſtaͤndig genug werden ſolte. Und man wird mir beſondere Bewegungsgruͤnde zur Dankbarkeit geben, wenn man es ſich wird gefallen laſſen, mir in die - ſem Stuͤkke mehreren Unterricht zu verſchaffen, als es bishieher geſchehen iſt.
Was iſt die Luft. Will man ſagen, ſie ſey das un -Was die Luft ſichtbare fluͤßige was unſern Erdboden umgiebt, ſo iſt dieß eine Anzeige von der Bedeutung des Worts, und keine Erklaͤrung der Sache. Jch frage nicht, was be -D 4deutet56Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von dendeutet das Wort Luft, ſondern worin beſtehet die Sache, die wir Luft nennen? Es iſt wahr, ſie iſt ein fluͤßiger Koͤrper. Wir muͤſſen aber auch die weſent - lichen Eigenſchaften derjenigen Dinge beſtimmen die die - ſen fluͤßigen Koͤrper ausmachen. Jch habe Grund zu glauben, daß dieſe Dinge nicht von einer, ſondern von verſchiedener Art ſind. Die reine Luft, von dieſer iſt hier die Rede, iſt nichts als der elementariſche und durch die coagulation zu einer gewiſſen Art der Dinge noch nicht beſtimmter Saft, der mit dem natuͤrlichen Alkali und dem weſentlichen Oele zwar vermiſcht, aber nicht vereini - get iſt. Jch habe dieſen Begrif aus verſchiedenen Ver - ſuchen geſchloſſen, die ich bey muͤßigen Stunden ange - ſtellet habe. Hier wird es genug ſeyn, daß ich, die Wahrheit dieſes Begriffs zu beweiſen, meine Leſer auf diejenigen Folgen verweiſe, die ich aus dieſem Begriffe ziehen werde. Stimmen dieſe mit der Erfahrung uͤberein, ſo wird dieß genug ſeyn, zu beweiſen, daß der von mir gebildete Begriff wo nicht als eine Erklaͤrung, doch als ein wahrer Begrif koͤnne angenommen werden.
Der Zufluß der Luft hat einen merklichen Ein - fluß in das wachſen der Dinge. Die Erfahrung beſtaͤtiget dieſe Lehre. Fuͤllet ein Gefaͤß, durch welches keine Luft dringet, und ein anderes, durch welches die Luft dringet mit Erde von einerley Art und einerley Guͤte. Stekket in beyden einen leichtkeimenden und ſchnell wachſenden Saamen; bedekket jenes Gefaͤße mit einem andern, durch welches keine Luft dringet. Die - ſes Gefaͤße ſetzet bey jenem, ohne es zu bedekken. Bey - de pfleget auf einerley Art, und ihr werdet dasjenige erfahren, was dieſen Lehrſatz beveſtiget.
Jſt unſer Begriff, den wir §. 36. von der Luft gebildetDieſe Noth - wendigkeit wird erklaͤ - ret. haben, gegruͤndet, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen die Urſache von dieſem Einfluße der Luft in das wachſen der Dinge von der Seiten verſtaͤndlich zu erklaͤren, von welcher wir dieſe betrachten muͤſſen, wenn wir uns von dem Akkerbau und den Verrichtungen, die hieher gehoͤren, einen deutlichen Begriff bilden wollen. Die Erklaͤrung iſt, wenn ich dieſe Sache kurz faſſen will, dieſe: Das Acidum, was mit der Erde vermiſcht iſt, ziehet die Feuchtigkeiten der Luft an ſich (§. 11. Anm.), und mit dieſer den elementariſchen Saft, das Alkali und das weſentliche Oel (§. 36). Das Waſſer erweichet den Saamen, den wir in die Erde geſtreuet haben, daß ſich die weſentlichen Kraͤfte in dieſem wuͤrkſam beweiſen koͤn - nen. (§. 24.). Das hierdurch aufgeſchloßene Acidum des Saamens ziehet die von der Erden verſchlukte Luft in die Gefaͤße des Saamens. Das Alkali unterhaͤlt die Bewegung zwiſchen den unmerklichen Theilen des Saa - mens, bis ſich in dieſem der elementariſche Saft durch Huͤlfe des Oels alſo coagulirt (§. 28.), wie es nach der Beſchaffenheit des Kerns hat geſchehen koͤnnen. (§. 4. 20.)
Vielleicht iſt es nicht unnoͤthig, diejenigen, die ſich er -Jn den Pflanzen muͤſſen wir unterſchei - den die Ge - faͤße. Die er - ſte Art. kundigen werden, ob dieſe Erklaͤrung von dem wachſen der Dinge mit dem, was hiervon die Erfahrung lehret, uͤbereinſtimme, auf die Zergliederung der vegetabilien oder Erdgewaͤchſe, und auf den Nutzen zuverweiſen, den die verſchiedenen Gefaͤße bey dem wachſen der Pflanzen beweiſen. Wir wollen in dieſer Beſchreibung dem Boerhaav folgen. Er hat dieſe Sache kurz, deutlich und der Erfahrung gemaͤß abgebildet*)Jn der Einleitung zur Chymie.: Es ſind alle Vegetabilien oder Erdgewaͤchſe aus veſten und fluͤßigenD 5Theilen58Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denTheilen zuſammen geſetzet. Die veſten Theile der Pflanzen ſind entweder die Gefaͤße, oder die groͤbern und unbeweglichen Theile, welche aus der Vereinigung der zuſammengewachſenen Gefaͤße entſtehen. Die ver - ſchlukkenden Gefaͤße der Pflanzen ſaugen durch Jhre kleinſten Eroͤfnungen die fluͤßigen Feuchtigkeiten in ſich, die ſie beruͤhren: dieſe Oefnungen befinden ſich allent - halben, und zwar in der Oberflaͤche der ganzen Pflanze und aller Jhrer Theile, vornemlich aber in der Wurzel, welche in der Erde ſtehet. Bey feuchter und war - mer Luft, ingleichen in maͤßiger und erwaͤrmter Erde dehnen ſie ſich aus; in Kaͤlte und Trukuiß ziehen ſie ſich zuſammen, daher ſelbige auch in der Erde, wo ſie mehr verborgen ſind, weiter offen ſtehen als in freier Luft; deswegen ziehen ſie auch im Fruͤhlinge und Sommer mehr an ſich, als im Herbſt und Winter zu geſchehen pfleget. Ja es ziehen auch einige Oefnun - gen gleichſam als Luftroͤhren die Luft an ſich, und fuͤhren ſelbige in das innerſte der Pflanzen, wie an dem bluͤhen - den Stengel des Pfaffenroͤhrleins offenbar zu ſehen iſt.
Eine andere Art der Gefaͤße in den Pflanzen ſind die bewegenden. Dieſe, weil ſie hohl ſind, halten die Saͤfte, welche die verſchlukkenden kleinen Gefaͤßlein eingeſogen, in ſich, und leiten ſolche zugleich von den kleinen Oefnungen an, biß in die aͤußerſten Ende, ja durch den ganzen Koͤr - per und durch alle Theile der Pflanzen. Der Trieb dieſer Bewegung ſcheint am meiſten von der erweitern - den Waͤrme und von der zuſammenziehenden Kaͤlte her - zuruͤhren, und alſo werden die Faͤßerchen der Gefaͤße, welche die Kraft, ſich auszudehnen, beſitzen, vermittelſt der beſtaͤndigen Abwechſelung, und faſt niemals lange nachlaßenden Widerholung in eine immerwahrende Bewegung gebracht.
Die dritte Art der Gefaͤße, die in den Pflanzen ange -Die dritte. troffen werden, ſind diejenigen, welche die erhaltenen Saͤfte auf eine bewundernswuͤrdige Art in ganz andere Geſtalt verwandeln. Denn es ſind die eingeſognen Saͤfte, welche ſich noch vorn bey dem Anfange der Roͤhren be - finden, von denen, welche bereits durch alle Gefaͤße der Pflanzen beweget und fortgefuͤhret worden, weit unter - ſchieden. Und dieſe Saͤfte geben allmaͤhlig einer jeden Pflanze um deſto mehr eine ſonderbare Art und Eigen - ſchaft, je mehr ſie nemlich die Wuͤrkung derer vielen Gefaͤße empfunden haben, welches die Verſuche bewei - ſen. Ja es ſcheinet eine ganze Reihe und Ordnung der Roͤhrchen, deren eines aus dem andern entſpringet, da zu ſeyn, in welchen bey jeder Pflanze eine andere Art des Safts beſtaͤndig verfertiget wird.
Viertens befinden ſich wiederum einige unter dieſenDie vierte. Gefaͤßen, die zur Seite der groͤßern verwandelnden Ge - faͤße entſpringen, und auslauffen, und welche aus den - ſelbigen einen ſonderbaren Saft in ſich ziehen, den ſie von neuen verwandeln, und nach und nach auf Jhre Art mehr veraͤndern. Alſo trift man bey der Aloe eine ſon - derliche Art Roͤhrgen an, die den bittern Saft allein bey ſich fuͤhren, welcher von allen andern Saͤften, die in den andern Gefaͤßen eben dieſer Aloe ſich befinden und verfertiget werden, gaͤnzlich unterſchieden iſt. Auf gleiche Weiſe treffen wir bey dem großen Schoͤlkraut eben ſolche ſonderbare Geſaͤßgen an, durch welche man augenſcheinlich zeigen kan, daß in ihnen ein Gold - gelber Saft, ſo wie bey dem Titymalo ein weißer Saft in Geſtalt einer Milch, abgeſondert werde.
Fuͤnftens wird man erlauben, ſonderliche behaͤltniße bey den Pflanzen anzunehmen, welche die ſonderbaren Saͤfte, die von der vierten Art der Gefaͤße abgeſondert worden, aufnehmen, lange bey ſich behalten, verwan - deln, und zu ihrer Vollkommenheit bringen; wir wer - den klaͤrlich ſehen, daß in einigen Gefaͤßen ein fettiges Weſen geſamlet, und in gewiſſen Hoͤlchen aufbehalten, zur Zeitigung gebracht, und auf unterſchiedene und mancherley Art veraͤndert wird, welches aus denen von Natur hervorgebrachten Oelen, Balſam, und Harzen offenbar erhellet.
Zum ſechſten finden ſich endlich abfuͤhrende Roͤhrchen, welche die duͤnnen Saͤfte aus der erwachſenen Pflanze auswerffen, oder wenn die Gefaͤße von der Menge des Safts ausgedehnet und zerriſſen werden, ſolchen von ſich laſſen. Wem ſolte wohl unbekant ſeyn, daß die Saͤfte in einer unſichtbaren Geſtallt von den Pflanzen ausgeworffen werden? und wer ſollte nicht wiſſen, daß aus den zerſprengten Behaͤltnißen Gummi und Harz heraus komme?
Es befinden ſich auch in einer jeden Art dieſer Gefaͤße verſchiedene beſondere Feuchtigkeiten, welche in allen ih - ren Eigenſchaften, ſowohl in der Duͤnne und Dikke, in der Fluͤßigkeit und zaͤhen Klaͤbrigkeit, in der Schaͤrfe und Gelindigkeit, als auch an Farbe, Geruch, Geſchmak, und an Kraft ſo wohl zu heilen, als auch zu ernaͤhren, oder den Leibern der Thiere damit Schaden zu thun, gaͤnzlich von einander unterſchieden ſind. Endlich trifft man auch dergleichen Verſchiedenheiten nur in gewiſ - ſen Theilen, ja wohl nur in den aͤußerſten Enden der Pflanzen an. Alſo findet man in der Bluͤthe der Aloeeine61verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. eine honigſuͤße Feuchtigkeit, ohngeachtet die Saͤfte der uͤbrigen Theile bitter ſind. Und eben alſo trifft man in der Wurzel, in der Blume, in der Frucht, in dem Saa - men, in den Blaͤttern, in der Rinde und in dem Holze der Erdgewaͤchſe, bald dieſe, bald jene Art eines Saftes an. Ja auch ſelbſt die Saͤfte, welche in den Pflanzen gezeu - get werden, beſtehen aus verſchiedenen Arten der Ur - ſpruͤnglichen Theile, als welche aufs genaueſte mit einan - der vermiſcht, dergleichen Saft ausmachen; und da - von kommt es auch, daß nach dem Unterſchied der Ver - haltung, welche bey Erzeugung der Saͤfte in den ur - ſpruͤnglichen Theilen vorkommt, die Saͤfte ſelbſt nicht mit einander uͤberein kommen, ſondern ſehr unterſchie - den ſind. Denn alſo ſiehet man waͤßrigte, fluͤchtige, ſalzigte, ſeiffigte, gummigte, oͤhligte, balſamiſche, harzigte, aus Gummi und Harz zuſammen gefloßene, und endlich in Geſtallt der Thraͤnen ausſchwitzende Feuchtigkeiten; oder wenn man die Rinde eingeſchnitten, und die zarten Reiſerchen verwundet hat, ſo ſiehet man ſolche, wie ein klares und ſaͤuerliges Waſſer im ſelbigen herab triefen, wie man dieſes an den Weinreben, Birken, Welſchen - Nußbaum, und vielen andern Baͤumen klaͤrlich war - nimmt. Und ſo ferner.
Dieſe Zergliederung der Pflanzen giebt uns einenDieſe Zer - gliederung beſtaͤtiget die Erklaͤrung von dem Ein - fluß der Luft in das wach - ſen der Dinge Grund zu glauben, daß unſere Erklaͤrung von dem Einfluße der Luft in das wachſen der Dinge gegruͤndet ſey. Sie lehret uns deutlich, daß die Pflanzen die Luft an ſich ziehen, ſolche in ihren Gefaͤßen reinigen, coagu - liren, und uns hiedurch Dinge von einer beſtimmten Art liefern. Und ſo ferner.
Man iſt gewohnt Dinge, die aus verſchiedenenVerſchiede - ne Arten der Erdgewaͤchſe Arten ſind zuſammengeſetzet worden, von dem zubenen -62Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denbenennen, was ſich in Jhnen vorzuͤglich wuͤrkſam bewei - ſet. Jn allen Erdgewaͤchſen iſt der elementariſche Saft mit den weſentlich wuͤrkſamen Dingen der Natur ver - miſcht. Doch aber finden wir in dieſer Vermiſchung einen merklichen Unterſchied, indem bey einigen das Acidum, bey andern das Alkali wiederum bey andern das Oel und ſo ferner einen Vorzug hat. Wir folgen demnach der Gewohnheit, wenn wir von dieſer Beſchaffen - heit Gelegenheit nehmen, die Erdgewaͤchſe in verſchiede - ne Arten zu vertheilen, nemlich in acideuſe, alkaliſche, oͤhligte, waͤßerige und ſo ferner. Z. E. Bey nahe alle Huͤlſenfruͤchte ſind oͤhligt und alkaliſch. Das Graß iſt bald waͤßerigt, bald acideus, bald oͤhligt. Unter dem gewoͤhnlichen Getraͤide iſt das Korn und der Weitzen mehr acideus als die Gaͤrſte, und dieſe mehr oͤhligt als der Haffer. Die Wurzeln ſind mehrentheils waͤßerigt, oder oͤhligt, oder alkaliſch. Das Kraut iſt insgemein oͤhligt und alkaliſch. Und ſ. f.
Anmerkung. Dieſe Eigenſchaft der Erdgewaͤchſe kan theils aus der Scheidung, theils aus dem, was ſie wuͤrken, geſchloſſen werden.
Alle Erdgewaͤchſe werden aus einem Saamen gezeu - get. Dieſer iſt aus verſchiedenen Gefaͤßen Zuſammen - geſetzet, welche die weſentlich wuͤrkenden Dinge, und den elementariſchen Saft an ſich ziehen, und in einer gewiſſen Ordnung reinigen und coaguliren (§. 38. folg.). Wir haben demnach einen Grund zu ſchluͤßen, daß die weſent - liche Beſchaffenheit der Erdgewaͤchſe von der weſentlichen Beſchaffenheit des Saamens abhanget. Das iſt, wir koͤnnen die Saamen in acideuſe, oͤhligte, alkaliſche und waͤßerige eintheilen.
Anmerkung. Es kan uns ein Einwurf von dem Graße gemacht werden. Dieß iſt, wenn es im Waſſer ſte - het, ſauer, da es im Gegentheil, wenn es in einemtrocke -63verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. trockenen Boden ſtehet, ſuͤß wird. Allein dieſer Ein - wurf bewegt mich noch nicht meine Gedanken zu veraͤn - dern. Der Uberfluß von dem Waſſer, das in die Ge - faͤße dringet, macht ihre innere Hohlung zu groß, es zerreiſſet einige, und diß verhindert theils die regel - maͤßige Reinigung und Coagulation, theils iſt es eine Urſache von dem, daß ſich in dieſen Gefaͤßen zu viel aci - dum mit der Erde verbindet, und dadurch wird es ein ſaures oder unvollkommenes Graß.
So weit von den Erdgewaͤchſen. Die Thiere werdenDie Zeugung der Thiere. wie die Erdgewaͤchſe aus einem Saamen gezeuget. Jſt dieſer in das Ey getragen worden, und wird die Feuch - tigkeit, die in dem Ey mit den andern weſentlich wuͤrken - den Dingen der Natur und mit dem elementariſchen Safte vereiniget iſt, durch eine gehoͤrige Waͤrme in Be - wegung geſetzet, ſo werden die Gefaͤße, die in dem Saa - men verbunden ſind, von dieſer Feuchtigkeit aufgeſchloſ - ſen, daß ſie nicht nur dieſe ſondern auch die andern Dinge an ſich ziehen, reinigen und in gehoͤriger Ordnung coagu - liren koͤnnen, um dasjenige Ding darzuſtellen, was durch den Saamen moͤglich iſt. Der Abgang wird durch den Zufluß der durch den Leib der Mutter zubereiteten Luft ſo lange erſetzet, bis die Frucht die erforderliche Vollkommenheit hat.
Der erſte Theil dieſer Beſchreibung iſt ſchon langeDer andere Theil dieſer Erklaͤrung muß bewieſen werden. durch die Erfahrung veſtgeſetzet worden, und ich wuͤrde mich zu weit von meinem Endzwekke entfernen, wenn ich dieſen Punct weitlaͤufftiger unterſuchen wolte. Der andere Theil erfordert noch einige Aufmerkſamkeit. Er hat einen ſehr wichtigen Einfluß in die Landwirthſchaft, wie es die Folge beweiſen wird. Jch habe angemerket, daß der Abgang in dem Ey durch den Zufluß derdurch64Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von dendurch den Leib der Mutter zubereiteten Luft ſo lange erſetzet werde, bis die Frucht die erforder - liche Vollkommenheit hat. Jch will einen jeden Theil dieſes Satzes beweiſen.
Und zwar fuͤrs erſte, daß die Frucht in dem Ey ohne Zufluß der aͤußerlichen Luft nicht vollkommen wird, und fuͤrs andere, daß dieſe Luft durch den Leib der Mutter muͤſſe zubereitet werden, wenn die verlangte Wuͤrkung erfolgen ſoll. Das erſte zu beweiſen bilde ich folgenden Schluß: Wo die Frucht alsdenn nicht vollkommen wird, wenn man den Zufluß der aͤußerlichen Luft voͤllig ver - hindert; ſo iſt es klar, daß die vollkommenwerdung der Frucht im Ey den Zufluß der aͤußerlichen Luft erfordert. Die Erfahrung giebt uns einen Grund, das erſte anzu - nehmen. Und dieß iſt genug, die Folge zu rechtfertigen. Jch berufe mich auf die Erfahrung, ich will nur eine anfuͤhren. Jch laße in dem nach der Gewonheit gemachten Neſte Eyer legen, und dieſe mit Pelzwerk und Federn bedekken, um den Zufluß der Luft, ſo weit es moͤglich iſt, zu verhindern. Jch laße auf dieſer Dekke wiederum zwey Eyer legen, und als - denn das bruͤtende Huhn anſetzen. Die letztern Eyer werden ausgebruͤtet, und die, welche unter der Dekke liegen, ſind theils faul, und theils mit todten Huͤnern angefuͤllet. Was iſt von dieſer Begebenheit die Ur - ſache? Die Erfahrung erlaubt es nicht, daß ich dieſe in dem Grad der Waͤrme ſuche. Jch werde genoͤ - thiget zu glauben, ſie ſey der verhinderte Zufluß der aͤußerlichen Luft.
Den andern Theil dieſes Satzes anzunehmen, werde ich durch folgendes genoͤthiget. Jch habe ſehr oft den Welſchenhuͤnern Eyer von Huͤnern oder Endten zumAusbruͤ -65verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. ausbruͤten unterlegen laſſen. Sie ſind wohl ausge - bruͤtet worden. Jch habe es aber noch nicht dahin bringen koͤnnen, daß dieſe junge mir zu fernerer Zucht ſind nuͤtzlich geworden. Jch habe ihnen geſun - de und ſolche Eyer unterlegen laſſen, die von Thie - ren ſind gelegt worden, die ihre Art ausgebruͤtet hat. Sie haben wohl geſeſſen, aber nichts ausgebracht. Es muß dieß eine Urſache haben. Was iſt dieſe? Jch habe mit dieſem die Zucht der Mauleſel und die Zucht derjenigen Thiere verglichen, die man in den Vogelhekken Baſtarten nennet, und ich kan keine andere Urſache von dieſer Begebenheit gedenken, als, weil zum Ausbruͤten ein Zufluß der aͤußerlichen Luft erfodert wird, die durch den Leib der Mutter gehoͤrig iſt zubereitet worden.
Vielleicht giebt es einige, die dieſen unſern Gedan -Ein Zweifel wider dieſe Lehre, ken entgegen ſetzen, einmahl: daß man Eyer durch Huͤlfe eines Ofens wuͤrklich ausbruͤten koͤnne, wenn nur der gehoͤrige Grad der Waͤrme dabey ſey beobachtet worden. Fuͤrs andere: daß es in dem funfzigſten Stuͤkke der beliebten und vortreflichen oͤconomiſchen Nachrichten, deutlich ſey bewieſen worden, daß das Federvieh, ſo nicht von ſeines gleichen iſt, ausgebruͤtet worden, nicht vor untuͤchtig zur Brut zu halten ſey. Wir wollen antworten. An der Wahrheit des erſten Punkts werde ich ſo lange zweifeln, bis ich von die - ſem durch die Erfahrung bin uͤberzeuget worden. Jch habe noch keinen geleſen, der dieſe Sache aus eigener Erfahrung beſchrieben, der ihre Moͤglichkeit unum - ſtoͤßlich bewieſen hat. Es iſt wahr, wir koͤnnen durch Huͤlfe des Ofens denjenigen Grad der Waͤrme hervorbringen, den wir bey dem Bruͤten des Feder - viehes empfinden. Es iſt aber auch dieß eine Wahr -Eheit,66Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denheit, daß nicht allemahl der Grad der Waͤrme die Urſache von einer beſtimmten Wuͤrkung iſt, ſondern daß wir ſehr oft auf die Beſchaffenheit der Duͤnſte ſehen muͤſſen, die ſich durch die Waͤrme wuͤrk - ſam beweiſen. Man frage denjenigen, der wuͤrklich durch Huͤlfe eines Ofens Eyer ausgebruͤtet hat, nach allen Umſtaͤnden. Jſt ſeine Antwort gegruͤndet und vollſtaͤndig, ſo wird man bald merken, daß er durch die Kunſt denjenigen Dunſt habe hervorbringen koͤn - nen, der durch das bruͤtende Huhn gewuͤrket wird.
Jn Anſehung des andern Zweifels antworte ich, daß ich dieſe Anmerkung mit vielem Vergnuͤgen ge - leſen habe. Sie beſchreibet verſtaͤndlich, und, wie ich glaube, gruͤndlich die Urſache, warum die Enten ſehr oft zum Bruͤten untuͤchtig ſind. Aber dieß beweiſet ſie nicht, was ſie hat beweiſen ſollen, daß nemlich das Federvieh, ſo nicht von ſeines gleichen ausgebruͤ - tet worden, nicht vor untuͤchtig zur Brut zu halten ſey. Jſt der geſchickte Herr Verfaſſer von dieſem Satze durch die Erfahrung uͤberzeuget worden, ſo bitte ich, alle Umſtaͤnde dieſer Erfahrung zu beſchrei - ben. Jch werde dieß als ein Zeichen ſeiner Wohlge - wogenheit gegen mich annehmen. Jch habe bey die - ſem Stuͤkke alle nur moͤgliche Behutſamkeit angewen - det, ich habe es aber doch nicht dahin bringen koͤn - nen, daß dergleichen Vieh junge ſollte ausgebruͤtet haben.
Sind die Thiere durch die Zeugung in ihrer Art gebildet worden, ſo werden ſie von dem Waſſer, aus dem thieriſchem Reiche, und von den Erdgewaͤch - ſen ernaͤhret. Dieſe Nahrungsmittel werden in demMagen67Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. Magen der Thiere zum Theil aufgeloͤßt. Die we - ſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur werden fluͤchti - ger, und der elementariſche Saft coaguliret ſich mit dieſem in dem Thiere zu Fleiſch und Fett. Die Er - fahrung beveſtiget dieſe Wahrheit. Und ich habe nur ſo viel aus der Erfahrung anmerken wollen, als ich in dem folgenden werde noͤthig haben, die wirth - ſchaftlichen Beſchaͤftigungen, ſo weit es mir moͤglich iſt, verſtaͤndlich und begreiflich zu machen.
Dieſe Abſicht noͤthiget uns, daß wir uns umWoher der Unterſchied des Fleiſches und des Fet - tes entſte - het? diejenigen Merkmahle bekuͤmmern, die das Fleiſch von dem Fette unterſcheiden. Jch habe es noch nicht ſo weit bringen koͤnnen, daß ich mich unterſtehe, von dieſen Dingen eine Beſchreibung zu machen, die ei - ner Erklaͤrung aͤhnlich ſiehet. Jch habe mit beyden Verſuche gemacht, ich kann aber von ihrem Unter - ſchiede noch nichts mehr ſagen, als daß in dem Flei - ſche, wenn es dem Fett entgegen geſezt wird, mehr Acidum und Erde, als Oehl und Alkali, und daß in dem Fette mehr Oehl und Alkali, als Acidum und Er - de zu finden ſey.
Dieß giebt uns einen Grund, folgende RegelnAus dieſem werden eini - ge allgemei - ne Regeln geſchloſſen. zu bilden. Einmahl: ſollen die Thiere fleiſchicht, aber nicht fett werden, ſo muß ihre Speiſe mehr aci - deus, als oͤhlicht und alkaliſch ſeyn. Fuͤrs andere: ſollen die Thiere fett werden, ſo muß man dieſe mit ſolchen Dingen fuͤttern, die mehr oͤhlicht und alkaliſch als acideus ſind.
Aus der von uns §. 55. angenommenen Er -Fortſetzung des vorher - gehenden. fahrung koͤnnen wir ferner begreifen, warum nichtE 2allen68Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denallen Thieren einerley Futter zutraͤglich, und warum man in der Art des Futters nach den Jahren der Thiere eine Veraͤnderung machen muͤſſe. Siehe §. 47.
Bishieher haben wir uns einen klaren Begriff von den Dingen gebildet, welche die Natur aus ei - nem Saamen hervor bringet. Wir finden noch an - dere Werke der Natur, die aus verſchiedenen Din - gen zuſammen gefezt ſind, und weder die Vernunft noch die Erfahrung giebt uns einen Grund, zu glau - ben, daß auch dieſe aus einem Saamen gezeuget werden. Wenn dieſe Werke der Natur in einer fe - ſten Geſtalt erſcheinen, ſo werden ſie bald Steine, bald metalliſche Subſtanzen, und dieſe bald Metalle, bald halbe Metalle genennet. Wir wollen es ver - ſuchen, ob wir uns von dieſen Dingen einen deutli - chen Begriff machen koͤnnen. So wohl in den Stei - nen, als auch in den metalliſchen Subſtanzen finden wir einige oder alle Arten von den erſten Dingen der Natur, die ſich unter einander zu einem veſten Koͤr - per coaguliret haben. Dieß koͤnnen wir als einen Begriff annehmen, den alle dieſe Dinge mit einan - der gemein haben. Sind nun die Arten von den er - ſten Dingen der Natur von uns vollſtaͤndig gebildet worden, und wollen wir hierbey dieß annehmen, was wir bereits §. 19. angemerket haben, daß nemlich ei - nige von den weſentlich wuͤrkenden Dingen der Na - tur durch die Gaͤhrung und andere Wege aus der na - tuͤrlichen Traͤgheit erwekket, und hierdurch in einen ſolchen Stand verſetzet werden, in welchem ſie mit ei - ner groͤſern Geſchwindigkeit wuͤrken koͤnnen; ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, durch die Beſtimmung und Verbindung Begriffe zu entdekken, welche die verſchiedenen Arten dieſer Dinge, wo nicht vollſtaͤn - dig erklaͤren, doch alſo beſchreiben, daß dieſe Be -ſchreibun -69verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. ſchreibungen den vollſtaͤndigen Erklaͤrungen ſehr nahe kommen. Jch wuͤrde mich von meinem gegenwaͤrtigem Endzwekke zuweit entfernen, wenn ich mich jezo mit der Bildung dieſer Begriffe beſchaͤftigen wollte. Jch will nur diejenigen heraus nehmen, die ich zu mei - nem gegenwaͤrtigem Endzwekke werde noͤthig haben.
Wenn ſich einige von den erſten Dingen derDie Natur der Steine. Natur, die von dem elementariſchen Safte unterſchie - den werden, ohne Zeugung aus einem Saamen alſo mit einander verbinden, daß ſie uns einen veſten Koͤr - per darſtellen, ſo nennen wir dieſen Koͤrper einen Stein. Jſt dieß keine vollſtaͤndige Erklaͤrung von einem Stein, ſo iſt es doch eine ſolche Beſchreibung, die uns Gelegenheit giebt, die innere Beſchaffenheit der Steine genauer zu erkennen. Mit einer ſolchen Beſchreibung muͤſſen wir uns ſo lange behelfen, bis wir eine vollſtaͤndige Erklaͤrung bilden koͤnnen.
Jſt dieſe Beſchreibung von den Steinen ge -Gruͤnde, den Unterſchied der Steine zu erklaͤren. gruͤndet, ſo iſt es auch gewiß, daß der Unterſchied der Steine abhaͤnget, theils von den erſten Dingen der Natur, die mit einander ſind verbunden worden, theils von der Verhaͤltniß in der Menge dieſer Din - ge, theils von der Art der Verbindung.
Anmerk. Die Erfahrung iſt dieſen Gedanken nicht zuwider. Wir finden Steine, in welchen wir durch die Scheidung ſinnlich nichts erkennen koͤnnen, als Erde und Waſſer. Jn andern fin - den wir Erde, Waſſer und Acidum, in einigen Er - de, Alkali und Acidum, wiederum in andern Oehl, Acidum und Alkali, u ſ. f. Wir koͤnnen hiedurch dieſe Eintheilung erklaͤren, vermoͤge welcher die SteineE 3entwe -70Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denentweder ſchmelzbare oder unſchmelzbare Steine ſind, von welchen jene zu Glas, dieſe aber nicht zu Glas koͤnnen gemacht werden.
Wenn ſich der elementariſche Saft mit den we - ſentlich wuͤrkenden Dingen der Natur, wenn von dieſen das Waſſer ausgeſchloſſen wird, ohne Zeu - gung aus einem Saamen, zu einem veſten Koͤrper coaguliret, ſo entſtehet eine metalliſche Subſtanz. Es kann auch hier dieß angemerket werden, was wir §. 60. erinnert haben.
Jſt die metalliſche Subſtanz ſchmiedbar, das iſt, alſo beſchaffen, daß ſie ſich unter dem Hammer ſtrekket, und durch dieſes Mittel unterſchiedene For - men, ohne zu brechen, annimmt, ſo wird ſie ein Me - tall genennet. Jſt ſie aber unſchmiedbar, ſo heiſt ſie ein halb-Metall.
Wird man uns dieſe Beſchreibung von der me - talliſchen Subſtanz verwilligen, ſo wird man auch zu - gleich in dieſem mit uns einig ſeyn, daß der Unter - ſchied der metalliſchen Subſtanzen abhaͤnget, theils von der Verhaͤltniß der weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, die ſich mit dem elementariſchem Safte coaguliret haben, theils von der Staͤrke der Coa - gulation, u. ſ. f.
Wenn in dem Metalle der elementariſche Saft mit den weſentlichwuͤrkenden Dingen der Natur derge - ſtalt coaguliret iſt, daß es ſich durch die allerheftigſte und allerlaͤngſte Wuͤrkung des Feuers nicht veraͤndernlaͤſt,71Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. laͤſt, ſo wird das Metall ein vollkommenes, und im Gegentheil ein unvollkommenes genennt. Ei - nige nennen jenes das reife und dieſes das unreife Metall.
Es iſt ſo gar ſchwer nicht, die verſchiedenen Punk -Abſicht die - ſes Abſchnit - tes. te zu erkennen, die wir bey dem Akkerbau un - terſcheiden und betrachten muͤſſen, wenn unſe - re Abhandlung denen eine allgemeine Anleitung ſeyn ſoll, die ſich mit dem Akkerbau beſchaͤftigen. Man kennet die Abſicht des Akkerbaues. Man weiß es, daß ein Weiſer ſeine Unternehmungen nach der Ab - ſicht beurtheilet. Und alſo wird man es uns leicht verwilligen, daß wir, indem wir uns einen Begriff von dem Akkerbau machen wollen, auf folgende Punkte ſehen muͤſſen:
Wir wollen uns mit jedem Punkt beſonders beſchaͤf - tigen, und die Sache, ſo weit es uns moͤglich iſt, auf einige Regeln bringen.
Wollen wir uns von der Guͤte einer Sache ei - nen vollkommenen Begriff machen, ſo muͤſſen wir dieſe nicht nur fuͤr ſich, ſondern auch unter denenjenigen Umſtaͤnden betrachten, auf welche ſie ſich beziehet. Wir wollen uns jetzo einen Begriff von der Guͤte des Saamens machen. Und darinn muͤſſen wir die Guͤte, die er, fuͤr ſich betrachtet, haben ſoll, von derjenigen unterſcheiden, die er in Anſehung des Akkers haben muß, den wir mit dieſem Saamen beſaͤen wollen.
Jn Anſehung des erſten Punkts bilde ich fol - genden Hauptſatz: der Saame, mit welchem wir einen Akker gluͤklich beſaͤen wollen, muß nicht nur reif, ſondern auch in ſeiner Art vollkom - men ſeyn. Denn fehlet ihm die Reife, wo kann durch ihm ein Ding von ſeiner Art gewuͤrket werden? (§. 22.) Jſt er in ſeiner Art noch unvollkommen, ſo fehlet ihm die beſondere Schwere, die er haben ſollte (§. 22). Fehlet ihm dieſe, wie kan er Dinge von ſeiner Art in der groͤſten Vollkommenheit hervorbringen?
Die Betrachtung dieſes Satzes wuͤrket in uns eine Begierde, zu wiſſen, wie wir den Saamen zur Reife und zur Vollkommenheit bringen koͤnnen. Das erſte wird wohl ein Werk der Natur bleiben. Die Kunſt hat bey dieſem Stuͤkke bis hieher nichtsnuͤtzliches73verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. nuͤtzliches thun koͤnnen, als daß ſie den Saamen zur rechten Zeit geſaͤet, und in ſeinem Wachſen gehoͤrig gepfleget hat. Von dieſen Beſchaͤfftigungen werden wir an dem gehoͤrigen Orte vielleicht nicht ohne Nu - zen handeln.
Bey dem andern Stuͤkke kan ſich die Kunſtund voll - kommen wird. wuͤrkſamer beweiſen. Jch bilde zu dieſer Abſicht fol - genden Satz: Soll der Saame ſeine gehoͤrige Vollkommenheit bekommen, ſo muß er auf dem wachſenden Stengel zwar reif aber nicht voͤllig hart werden. Die Erfahrung beveſtiget dieſe Lehre. Denn wird der Saame auf dem wach - ſenden Stengel nicht reif, ſo bekoͤmmt man Huͤlſen ohne Kern, dieß ſind taube Koͤrner. Jch habe zu verſchiedenen mahlen mit Koͤrnern von verſchiedener Art einen Verſuch angeſtellet, und die, welche auf dem wachſenden Stengel voͤllig duͤrre geworden, mit denen verglichen, die nach ihrer Reife ſind abgeſchnit - ten, und alsdenn gedoͤrret worden. Jch habe alle - mahl gefunden, daß, wenn im uͤbrigen die Koͤrner von einerley Guͤte, die beſondere Schwere von dieſen groͤßer geweſen iſt, als die beſondere Schwere von jenen. Dieß iſt genug, zu behaupten, daß jene in ihrer Art vollkommener ſeyn muͤſſen als dieſe (§. 22.)
Anmerk. 1. Vielleicht iſt es kein Jrrthum, wenn man lehret, daß dieß die Urſache von dieſer Bege - benheit ſey, weil aus dem reifen Saamen, wenn er auf dem wachſenden Stengel gedoͤrret wird, vie - le Saͤfte in dem Stengel zuruͤk treten. Bey ei - nigen Gewaͤchſen lehret uns dieß der Augenſchein, z. E. bey den Citronen, u. ſ. f.
Anmerk. 2. Es kann dieſer Lehrſatz auch aus einem andern Grunde geſchloſſen werden, den wirE 5bey74Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denbey der Wirthſchaft betrachten muͤſſen. Wird der Saame auf dem wachſenden Stengel geduͤrret, ſo faͤllt er ſehr leicht ab. Daher bekommt man zur Be - lohnung viel Stroh und wenige Koͤrner.
Die beſondere Schwere eines Korns, das in ſei - ner Art vollkommen, iſt groͤßer, als die beſondere Schwere eines Korns, das in ſeiner Art nicht ſo voll - kommen iſt, wie jenes (§. 22). Wenn Dinge von ei - nerley Art, die aber von ungleicher Schweere ſind, mit einerley Kraft beweget werden, ſo muͤſſen die leichteren weiter fallen, als die ſchweren, und wenn ſich dieſe Dinge mit ihrer Schwere gegen die Erde bewe - gen, ſo muͤſſen die ſchweren eher nieder fallen, als die leichten. Dieß giebt uns Gelegenheit, auf Mittel zu denken, wie aus einem Haufen der vollkomme - ne Saamen von dem koͤnne abgeſondert werden, der nicht ſo vollkommen iſt.
Anmerk. Die Handgriffe und die Machinen, die man zu dieſer Abſicht anwendet, koͤnnen in den Fuͤrleſungen beſchrieben und erklaͤret werden, wie auch die verſchiedenen Stuͤkke, auf welche man zu ſehen hat, wenn man den abgeſchnittenen Saa - men troknen will.
Es giebt verſchiedene Erdgewaͤchſe, die in dem er - ſten Jahre entweder keinen Saamen, oder wenig - ſtens keinen vollkommenen Saamen hervorbringen, z. E. Kohl, verſchiedene Arten von Ruͤben, u. ſ. f. Verlangt man von dieſen Gewaͤchſen vollkommenen Saamen, ſo lehret uns die Erfahrung folgende Re - geln, auf welche wir bey dieſem Geſchaͤfte unſere Auf - merkſamkeit richten muͤſſen.
Ein -75Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc.Man unterlaſſe es, dieſe Regeln genau zu beobach - ten, man wird in keinem Falle einen Saamen be - kommen, der ſeine erforderliche Schwere hat. Ver - laͤſt man die erſte Regel, ſo wird man finden, daß die Staude nicht Kraft genug hat, den Saamen zu treiben. Wird die andere Regel nicht beobachtet, ſo bekommt man entweder keinen Saamen, oder doch nur einen ſolchen, der in ſeiner Art zu leicht iſt. Verabſaͤumet man die Beobachtung der dritten Re - gel, ſo wird man finden, daß ſich die Staude uͤber - waͤchſt, und alſo nur einen Saamen, der faſt keinen Kern hat, hervorbringet.
Anmerk. Es giebt einige Gewaͤchſe von der angenommenen Art, die ſchon in dem erſten Jah - re einen vollkommenen Saamen hervorbringen. Es lehret aber hiebey die Erfahrung, daß der Saa - me weit vollkommener wird, wenn man das Ge - waͤchſe zum Saamentragen verpflanzet hat. Man wird von dieſer Sache viel nuͤtzliches abgehandelt finden in dem erſten Theile von dem Land - und Gartenſchatze des Herrn Reicharts.
So weit von der Vollkommenheit des Saamens fuͤr ſich betrachtet. Wir muͤſſen nun auch ſeine Vollkom - menheit in der Beziehung auf den Akker betrachten, in welcher er ſoll geſaͤet werden. Dieſe muß die Abſicht des Saͤens beſtimmen. Worinn beſtehet die - ſe? Wir wollen, daß die Natur durch den Saamen ein beſtimmtes Ding in der gehoͤrigen Vollkommen - heit wuͤrken ſoll. Soll dieß geſchehen, ſo muß der Saame in der Erden kaͤumen, durch die aufgeſchloſ - ſenen Wurzeln den elementariſchen Saft und die wuͤrkenden Dinge der Natur an ſich ziehen, und dieſe nach ſeiner Natur coaguliren (§. 38. folg.) Dieß iſt genug zu begreifen, daß wir in dieſer Bezie - hung bey der Vollkommenheit des Saamens auf fol - gende Stuͤkke zu ſehen haben, ob der Saame leicht oder nicht leicht kaͤumet. Ob ſeine Gefaͤße, durch welche er den elementariſchen Saft und die wuͤrken - den Dinge der Natur anziehet, weit oder enge ſeyn muͤſſen, wenn eine vollkommene Coagulation erfol - gen ſoll. Ob das Gewaͤchſe acideus, alkaliſch, oͤhligt oder waͤßerigt. Ein nicht leicht kaͤumender Saame iſt in Anſehung eines feuchten Bodens vollkommener, als in Anſehung eines trokkenen. Ein Saame, deſſen Ge - faͤſſe zum erforderlichen Anziehen ſehr ausgedehnet worden, iſt in Anſehung eines feuchten und warmen Bodens vollkommener, als in Anſehung eines kalten und truckenen Bodens (§. 39). Ein Saame, der eine acideuſe Frucht hervorbringet, iſt in Anſehung eines acideuſen Akkers vollkommener, als in Anſehung eines alkaliſchen u. ſ. f.
Hat man vollkommenen Saamen, ſo erfordert es die Klugheit, dieſen bis zur Ausſaat wohl zu verwah -ren,77verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. ren, daß er in ſeiner Vollkommenheit nicht geſchwaͤcht werde. Wird er zu feuchte uͤbereinder gelegt, ſo wird er in ſeinem innern erwaͤrmet. Es ſind keine Nah - rungsmittel vorhanden. Folglich muß der Saame verderben. Wird der Saame den Wuͤrkungen der Sonne zu ſehr ausgeſezt, ſo ziehet dieſe die oͤhlichten Theile und andere weſentliche Stuͤkke des Saamens an ſich. Dieß ſchwaͤchet den Saamen in ſeiner Voll - kommenheit. Liegt der Saame an einem feuchten Orte, ſo muͤſſen wir nothwendig diejenigen Wuͤrkun - gen vermuthen, die wir bey dem erſten Falle angemer - kel haben. Hieraus folget es, daß wir, wenn wir den vollkommenen Saamen wohl verwahren wollen, folgende Regeln beobachten muͤſſen.
Die Beſchaffenheit des Akkers iſt eins der wichtig -Die innerli - che Beſtim - mungen ſind von den aͤu - ſerlichen zu unter ſchei - den. ſten Stuͤkke, die ein Landwirth unterſuchen muß. Dieſe beſtimmet den Werth des Akkers, und den jaͤhr -lich78Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denlich zu hoffenden Nutzen. Wir wollen alle Punkte, die hiebey zu unterſcheiden ſind, ſo weit es uns moͤg - lich iſt, beſchreiben. Wenn wir uns von dem Zu - ſtande einer Sache einen deutlichen Begriff machen wollen, ſo muͤſſen wir ihre innerlichen Beſtimmungen von den aͤuſerlichen unterſcheiden. Beyde koͤnnen den Werth eines Akkers erhoͤhen, aber auch vermin - dern. Wir wollen dieß zuerſt bey den aͤuſerlichen, und alsdenn bey den innerlichen Beſtimmungen des Akkers unterſuchen.
Die aͤuſerlichen Beſtimmungen des Akkers ſind aus der Lage zu erkennen. Dieſe giebt dem Akker gewiſſe Beſtimmungen, theils durch die Natur, theils durch einige Umſtaͤnde, die nicht allein von der Na - tur abhaͤngen, ſondern mit in dem Willen der Men - ſchen gegruͤndet ſind.
Die Umſtaͤnde, durch welche die Natur den aͤuſer - lichen Zuſtand des Akkers beſtimmet, ſind theils be - ſtaͤndige, theils ſolche, die von gewiſſen Zufaͤllen ab - haͤngen. Jn Anſehung des erſten Punkts haben wir auf folgende Stuͤkke zu ſehen:
Ein jeder von dieſen Umſtaͤnden kan dem Akker ſo wohl nuͤtzlich als ſchaͤdlich ſeyn. Wir wollen jeden Punkt beſonders unterſuchen.
Sind bey einem Akker fließende Waſſer, ſoEinige gruͤnden, ſich in dem flieſ - ſenden Waſ - ſer, wie dieß dem Akker ſchaͤdlich. koͤnnen dieſe dem Akker theils dadurch ſchaͤd - lich ſeyn, daß ſie dieſen zu einer ſolchen Zeit uͤberſchwaͤmmen da er beſtellt iſt, theils dadurch, daß ſie die lukkergemachte Erde wegfuͤhren, theils dadurch, daß ſie die Grenzen des Akkers einreiſſen. Denn in dem erſten Fall, wird entwe - der der eingeſtreuete Saame zu ſehr erweichet, und dadurch zur Faͤulniß beſtimmet, oder das Gewaͤchſe wird niedergedrukt, und in ſeinem Wachsthum ver - hindert. Jn dem andern Fall wird der Boden un - geſchickt gemacht, Fruͤchte hervor zu bringen. Jn dem dritten Fall iſt der Schade offenbar, indem hier - durch die Groͤße der Guͤter vermindert wird.
Wir muͤſſen uns um Mittel bekuͤmmern, dieſenMittel, die - ſen Schaden zu verhin - dern. Schaden, ſo viel es moͤglich iſt, zu verhindern. Man wird es uns leicht verwilligen, daß die Ueberſchwem - mung durch nichts, als durch Daͤmme und Graͤben, und daß das Wegreiſſen der Aekker durch nichts, als durch eine Beveſtigung des Ufers koͤnne verhindert werden.
Anmerk. Jn den Fuͤrleſungen koͤnnen folgende Aufgaben aufgeloͤſet werden.
Aus dem, was wir bisher abgehandelt haben, flieſ -Eine allge - meine Wirth - ſchaftsregel. ſet unmittelbar dieſe Wirthſchaftsregel:
Ein80Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derEin Akker, der an dem Waſſer lieget, muß nicht eher umgeriſſen werden, als bis man keine Ueberſchwemmung zu vermuthen hat. (§. 78).
Dieſe zu vermuthende Schaͤden geben keinem Wir - the Bewegungsgruͤnde, einen ſolchen Akker zu verab - ſcheuen. Er weiß es, wie dieſes Waſſer den Werth des Akkers merklich erhoͤhen koͤnne. Wie denn, wer - den diejenigen fragen, die ihren an dem Waſſer graͤnzenden Akker darum verkaufen, weil er, wie ſie ſagen, ſchadhaft lieget. Wir wollen es verſuchen, ob wir ihre Gedanken mit den unſrigen einſtimmig ma - chen koͤnnen. Das vorbey flieſende Waſſer iſt entwe - der ein Strom, oder es ſind Quellen. Jſt es ein Strom, ſo fuͤhret er mehrentheils einen fetten Schleim, der mit alkaliſchem Sande vermiſcht iſt, bey ſich. Darum bepflanze den Ufer des Akkers mit Saalwei - den. Binde dieſe jaͤhrlich durch einander, daß ſie einen niedrigen Zaun bilden, ſo wird ſich der Schlamm und der Sand an deinen Akker legen, und du wirſt nach und nach einen merklichen Anwachs zur Beloh - nung deiner Muͤhe bekommen.
Jſt das vorbeyfließende Waſſer ein Strom, oder ſind es Quellen, ſo koͤnnen beyde einen gemeinſchaft - lichen Nutzen wuͤrken. Man unterſuche die Beſchaf - fenheit des Schnees, man wird es uns verwilligen, daß dieß die ſchoͤnſte Dingung ſey. So wohl der Strom als die Quellen ſind im Winter mit dem auf - geloͤßten Schnee vermiſcht. Sollte es ohne vor - zuͤglichem Nutzen ſeyn, wenn wir dieß uns ſo ſchaͤd - lich ſcheinende Waſſer alſo lenken wollten, daß unſre Aecker im Winter koͤnnen gewaͤſſert werden?
Anmerk. 81Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc.Anmerk. Jn den Fuͤrleſungen kan gezeiget werden,
So weit von dem erſten Umſtande. Jn AnſehungAndere gruͤnden ſich in der Lage gegen die Weltgegen - den. des andern Umſtandes hat man hierauf zu ſehen, ob der Akker gegen Abend, Mittag, Mitternacht, oder Morgen abhaͤnget. Die Aecker werden in dieſer Be - trachtung in Abend-Mittaͤgige-Mitternaͤchtige und Morgen-Aekker eingetheilet. Die Sonne erwaͤrmet den Akker. Hieraus iſt es klar, daß die Mittaͤgigen Aekker waͤrmer als die Morgen-Aekker. Dieſe waͤr - mer, als die Abend-Aekker, und dieſe waͤrmer als die Mitternaͤchtigen. Aus dieſem iſt es klar, daß man nicht ſchlechterdings ſagen koͤnne, die Mittags-Aek - ker ſind beſſer, als die Morgen-Aekker, u. ſ. f. Es iſt dieß eine Eintheilung, die ſich auf das Gewaͤchſe beziehet, das auf dem Akker ſoll gebauet werden. Es giebt verſchiedene Gewaͤchſe, welche die Strenge der Sonnenhitze wohl vertragen koͤnnen. Es giebt aber auch wiederum verſchiedene, die nur im Kuͤhlen wachſen. Da aber doch dieß klar iſt, daß die kalten Nordwinde dem Wachsthum der Erdgewaͤchſe ſehr nachtheilig ſind; ſo wird man es uns ſehr leicht ver - willigen, daß wir dieſen Satz bilden: die mitter - naͤchtigen Aekker ſind die ſchlechteſten.
Aus dieſer Betrachtung fließet eine beſondereWie dieß nuͤtzlich und ſchaͤdlich ſeyn koͤnne. Wirthſchafts-Beſchaͤftigung, die zwar von vielen ver - abſaͤumet wird, doch aber, wie ich es glaube, in An - ſehung des Nutzen von Wichtigkeit iſt. Sie iſt dieſe:Fwenn82Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denwenn ein Akker der Sonnen-Hitze voͤllig ausge - ſetzet iſt, und das Erdgewaͤchſe kann dieſe nicht vertragen, ſo muß man auf Mittel denken, den Akker abzukuͤhlen. Unter dieſe Mittel kan ge - zehlet werden, einmahl die Anpflanzung der Baͤume und Hekken, um den Akker zu beſchatten; Fuͤrs an - dere, die Sommerwaͤſſerung, wenn nemlich das Ge - waͤchs dieſe vertragen kann.
Das dritte, nemlich angraͤnzende Berge (§. 77.) koͤnnen dem Akker wiederum ſo wohl nuͤtzlich als nach - theilig ſeyn. Dieß genau zu beſtimmen, wird es noͤ - thig ſeyn, daß wir die Lage der Berge von ihrer Beſchaffenheit unterſcheiden. Jn Anſehung des erſten Punkts bilde ich folgende Gedanken. Wird der Akker von dem Berge gegen Mittag bedekket, ſo iſt er in der That ein mitternaͤchtiger Akker, dieß iſt ihm nachthei - lig. (§. 83.) Wird der Akker von dem Berge gegen Mitternacht bedekket, ſo beſchuͤtzet der Berg den Akker wider die Nordwinde. Dieß iſt ihm nuͤtzlich (§. 43). u. ſ. f.
Richten wir unſere Aufmerkſamkeit auf die Be - ſchaffenheit der Berge, ſo ſind ſie entweder ange - bauet, oder nicht. Jſt jenes, ſo kann das herunter fließende Regenwaſſer den Miſt-Saft von dem Berge auf unſern Akker tragen. Dieß kann uns nuͤtzlich ſeyn. Jn beyden Faͤllen kann uns dieß zum Scha - den gereichen, daß das herabflieſende Regenwaſſer unſern Akker einreißet, und die Fruͤchte theils nieder druͤkket, theils zu ſehr zur Faͤulung beſtimmt. Aus dieſem fließen folgende Wirthſchaftsregeln.
1) Der83Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc.Diejenigen Umſtaͤnde, die von gewiſſen ZufaͤllenWiederum andere gruͤn - den ſich in der Ueber - ſchwem - mung abhaͤngen, und durch welche die Natur den aͤußerli - chen Zuſtand des Akkers beſtimmet, (ſ. §. 77.) koͤnnen gleichfalls den Werth des Akkers merklich erhoͤhen, aber auch vermindern. Die wichtigſten von dieſen Umſtaͤnden ſind die Ueberſchwemmung und das angraͤnzende Gebuͤſche. Die Ueberſchwemmung kann dem Akker ſchaͤdlich werden, wenn der Strom das Feld mit Schutt und Steinen bedekket, die lukker gemachte Erde wegnimmt u. ſ. f. Sie erhoͤht den Werth des Akkers, wenn ſie die Erde mit einem fet - ten und mit Sand vermiſchten Schleim vermiſchet. (§. 81.)
Das angraͤnzende Gebuͤſche kann das Feld widerund einige in dem angraͤn - zendem Ge - buͤſche. allerhand widrige Zufaͤlle des Wetters beſchuͤtzen. Dieß iſt ein Vortheil. Jſt das Gebuͤſche ein Be - haͤltniß von Ungeziefer, von Voͤgeln und andern wil - den Thieren, ſo iſt dieß ein Umſtand, der der Frucht gefaͤhrlich und dem Akker nachtheilig iſt. Man denkt auf Mittel, dieſen zu befuͤrchtenden Schaden zu ver - hindern. Es werden allerhand Witterungen vorge - ſchlagen, die das Ungeziefer, die Voͤgel und das Wild von der Frucht zuruͤck halten ſollen, Jch willF 2dieſe84Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von dendieſe nicht voͤllig verwerfen, doch ſcheint es, und die Erfahrung beſtaͤtiget dieſe Gedanken, daß bey dieſem Stuͤkke die Beobachtung folgender Regeln die beſte Huͤlfe leiſtet:
So weit von den Umſtaͤnden, durch welche die Na - tur den aͤußerlichen Zuſtand des Akkers beſtimmet, wir wollen uns nun auch mit denjenigen beſchaͤftigen, die mit in dem Willen der Menſchen gegruͤndet ſind. Siehe §. 76. Auch dieſe Umſtaͤnde koͤnnen wir in beſtaͤndige, und in ſolche eintheilen, die ſich nur nach und nach ereignen. Wir betrachten jene, und wir er - kennen, daß wir unter dieſen die Wege, an welchen die Aekker liegen, genau beobachten muͤſſen. Liegt der Akker an einer Landſtraſſe, ſo kann es leicht geſche - hen, daß man uͤber den Akker gehet, reitet und faͤhret. Dieß macht die Flaͤche des Akkers zu veſte, und iſt er beſtellet, ſo wird hiedurch entweder das Aufgehen des Saamens verhindert, oder die bereits aufgegangenen Fruͤchte werden niedergedruͤkket und in dem Wachs -thum85Beſchaffenheit derjenigen Dinge, in welche ꝛc. thum verhindert. Dieß iſt der Schade. Was dem - nach den Weg uͤber den Akker verſperret, dieß iſt ein Mittel, dieſen Schaden zu verhuͤthen. Folglich koͤn - nen unter dieſe Mittel die Graben, Zaͤune, aufgewor - fene Raͤnder, Verpfaͤlungen, u. ſ. f. gezehlet werden.
Anmerk. Jn den Fuͤrleſungen kann gezeiget werden, wie dergleichen Mittel mit Nutzen wuͤrk - lich zu machen.
Dieſer dem Akker gefaͤhrlich ſcheinender Umſtandund nuͤtzlich. kann ein Mittel werden, denſelben zu verbeſſern. Durch das beſtaͤndige Gehen, Fahren und Reiten wird die Erde auf der Landſtraſſe mit Duͤngung und Sand vermiſchet. Aus dieſer Urſache wird bey an - haltendem Regen die obere Flaͤche der Straße ein fetter Schlamm. Dieſen ſchlaget auf einem Haufen, laſt ihn in die Faͤulniß gehen, und alsdenn fahret den Schlamm auf den Akker. Dieſe Muͤhe wird ge - wiß belohnet werden.
Anmerk. Wer Toback bauet, dem wird dieſer Schlamm, auch ehe er auf dem Haufen verfaulet iſt, groͤßeren Nutzen bringen, als eine andere Duͤngung.
Unter diejenigen Umſtaͤnde, die ſich nach und nachTheils ereig - nen ſie ſich nach und nach. Wie dieſe ſchaͤd - lich. ereignen, (ſiehe §. 89.) muͤſſen vornemlich die Trif - ten und die Arten der Felder beobachtet werden. Die Trift kan einem Akker nachtheilig ſeyn, einmahl, weil das vorbeygehende Vieh der Frucht ſehr leicht einen Schaden zufuͤget. Fuͤrs andere, wenn man in gewiſ - ſen Jahrszeiten die Felder zur Weide muß liegen laſ - ſen. Dieß verurſachet oft, daß wir unſere FelderF 3nicht66[86]Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von dennicht ſo viel nuͤtzen koͤnnen, als es moͤglich iſt, und daß wir unſere Felder nicht alsdenn bearbeiten koͤnnen, wenn es uns wuͤrde nuͤtzlich und bequem ſeyn.
Anmerk. Jch werde es an ſeinem Orte bewei - ſen, daß ein regelmaͤßiger Viehſtand, wenn er in dem Stalle gehalten wird, der Wirthſchaft nuͤtzli - cher werden koͤnne, als wenn man das Vieh in der Weide gehen laͤſt.
Auch dieſes kann dem Akker in einer gewiſſen Ord - nung nuͤtzlich werden. Eine gewiſſe Art der Thiere durchwuͤhlet den Akker, z. E. Schweine, verzehret die Wurzeln des Unkrauts, oder bringet wenigſtens dieſe in die Hoͤhe, daß ſie verderben muͤſſen. Wird das Vieh auf einem Akker bey einander gehalten, ſo kann es dieſen nach und nachduͤngen. Und ſo ferner.
Anmerk. Jch werde es an ſeinem Orte zeigen, warum die gewoͤhnliche Art zu duͤngen, dieſen vor - zuziehen ſey.
Endlich koͤnnen wir dieſer Betrachtung auch noch dasjenige beyfuͤgen, was von den verſchiedenen Arten der Felder geſaget wird. Die Felder werden in Lee - den und gangbare Felder eingetheilet. Eine Leede heiſt ein Feld, das zum Fruchttragen nicht iſt bereitet worden. Gangbare Felder ſind diejenigen, die jaͤhrlich bearbeitet werden.
Ein Wirth leidet in ſeinem Gute keine Lee - den. Ein Wirth iſt bemuͤhet, das ſeinige ſo hoch zunutzen87verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. nutzen, als moͤglich. Koͤnnen wir es nun beweiſen, daß die Felder allemahl hoͤher genutzer werden, wenn ſie keine Leeden ſind, als wenn ſie Leeden ſind; ſo muß man uns auch dieſe Folge verwilligen, daß ein Wirth in ſeinem Guthe keine Leede leidet. Es wird uns nicht ſchwer fallen, das erſte zu beweiſen. Denn ſollte es nuͤtzlicher ſeyn, ein Feld leede liegen zu laſſen, als es gangbar machen, ſo muͤſte die Urſache ſeyn, ein - mahl, weil man nicht Zeit und Menſchen oder Vieh genug hat, alles Feld zu bearbeiten, fuͤrs andere, weil die Weide die Leede erfordert, fuͤrs dritte, weil das Feld zu unfruchtbar iſt, und nur mit Koſten, die den Ertrag uͤberſteigen, kann fruchtbar gemacht wer - den. Keine von dieſen Urſachen iſt hinreichend. Die erſte wird ſogleich vernichtet, wenn der Wirth einen ordentlichen Endwurf ſeiner ganzen Wirthſchaft ma - chet, und dabey erweget, daß man nach und nach das bewerkſtelligen koͤnne, was ſich auf einmahl nicht zwingen laͤſt, und daß es moͤglich ſey, ein Feld in einem Jahr alſo zu beſtellen, daß es durch viele Jah - re, ohne es ferner zu bearbeiten, koͤnne genutzet wer - den. Z. E. mit Graͤſerey, Holz u. ſ. f. Die ande - re Urſache wird theils vernichtet, wenn man ſeine Wirthſchaft alſo einrichtet, daß man das Vieh mit Nutzen im Stalle ſtellen kann. Ja, ſollte dieß un - moͤglich ſeyn, ſo wird dennoch die erforderliche Weide die Bebauung des Feldes nicht verhindern. Man pflanze Baͤume, welche in die Hoͤhe gehen, dieß kann zum Nutzen der Weide gereichen, wenn es regel - maͤßig eingerichtet wird. Die dritte Urſache ſcheinet vielen gegruͤndet zu ſeyn, und ich habe ehedeſſen auch dieſe Meynung angenommen, allein die Vernunft und die Erfahrung zwinget mich, dieſe zu veraͤndern. Wir haben Gewaͤchſe, ſo wohl bey der Graͤſerey, z. E. Steinklee, Diſteln, als auch bey dem Getraide, z. E. Duͤnkel, und bey den Huͤlſenfruͤchten z. E. Kuͤ -F 4cherlin88Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von dencherlin, die der Viehzucht ſehr nuͤtzlich ſind, und die auf einem geringen Boden wohl wachſen. Wir koͤnnen auch im Fall der Noth die Felder ohne viele Koſten duͤngen und in einer gewiſſen Art fruchtbar machen. Wir werden dieß in dem Kapitel von der Duͤngung beſchreiben und beweiſen. Dieß iſt genug, unſern Satz zu beveſtigen, daß kein Wirth in ſeinem Guthe eine Leede leidet.
Gangbare Felder werden in brach - und tragbare Felder eingetheilet. Brachfelder ſind diejenigen, die im Sommer nicht ſind beſaͤet worden, um ſolche zur Winterſaat zuzubereiten. Tragbare Felder aber ſind diejenigen, die friſch bearbeitet, und im Sommer mit Fruͤchten bewachſen ſind.
Dieſe werden einmahl in Sommer - und Winter - Felder. Fuͤrs andere in Felder von der erſten, an - dern und dritten Art eingetheilet. Winter-Feld iſt dasjenige, was wir mit Winter-Fruͤchten, und Som - mer-Feld, was wir mit Sommer-Fruͤchten beſtellen.
Felder von der erſten Art, nennen wir diejenigen, die wir in dem gegenwaͤrtigem Jahre geduͤnget. Von der andern Art, die wir in dem vorhergehendem Jah - re geduͤnget, von der dritten Art, die vor zwey Jah - ren ſind geduͤnget worden, u. ſ. f.
Wir wollen hiebey eine Frage unterſuchen, bey de - ren Beantwortung die Meynungen der Wirthe gethei -let89verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. let ſind. Ob Brachfelder noͤthig ſind? Die, wel - che dieſe Frage bejahen, gruͤnden ihre Meynung theils in dem, weil die Ruhe der Felder noͤthig ſey; Theils in dem, weil man mit der Arbeit nicht wuͤrde herum kommen koͤnnen; Theils in dem, weil die Brachfelder zur Weide erfordert werden. Dieß ſind gewoͤhnliche Meynungen, die uns unſere Vaͤter bey - gebracht haben. Will man dieſen wiederſprechen, ſo muß man dieſen Vorwurf befuͤrchten: die gelehrte Wirthſchaft laſſe ſich nicht allemahl im Felde anwen - den. Doch es wird auch wohl in dieſem Falle gelten, was in allen Faͤllen guͤltig iſt, daß vernuͤnftige Gruͤn - de hinreichen, die Meynungen, welche die Gewohn - heit eingefuͤhret hat, zu entkraͤften. Jch habe Gruͤn - de, zu glauben, daß alle Gruͤnde, mit welchen man die angefuͤhret Meynung unterſtuͤtzen will, zu ſchwach ſind, uns zu einem Beyfall zu zwingen, und die Er - fahrung bekraͤftiget dieſes. Der andere und dritte Grund wird durch dieß entkraͤftet, was wir bereits in dem Beweiſe des §. 94. angemerket haben. Wir wollen uns demnach nur noch mit dem erſten Grunde beſchaͤftigen.
Was heiſt die ſo noͤthige Ruhe der Felder? ManOb dieß die Ruhe der Felder er - fordert? bilde ſich von dieſem einen deutlichen Begriff, und alsdenn vergleiche man dieß, was dieſer Begriff er - fordert, mit der Erfahrung, ſo wird man ſich bald von dem Ungrunde dieſes Gedankens uͤberzeugen. Die Felder ſollen ruhen, das iſt, ſie ſollen in einem Sommer keine Fruͤchte tragen, damit ſich die Kraͤfte der Luft in demſelben wiederum ſammlen koͤnnen. Dieſes iſt noͤthig (§. 37). Sollte es aber wohl durch die Ruhe der Felder koͤnnen gewuͤrket werden? Man laſſe das Feld in einem Sommer ruhen, ſo hat man es entweder umgeriſſen, oder man hat es liegenF 5laſſen.90Der Cameralwiſſenſch. 2. Cap. von denlaſſen. Jſt dieſes, ſo waͤchſt Unkraut. Dieß ent - ziehet dem Felde die Nahrung, die man haͤtte nuͤtzen koͤnnen. Jſt jenes, ſo kann die Sonnenhitze den Akker durchdringen. Dieß entziehet dem Akker das Alkali, das Oehl, die Feuchtigkeit. Wo iſt nun der Nutzen von der Ruhe? Jn den oͤkonomiſchen Nach - richten ſind verſchiedene wohlausgearbeitete Abhand - lungen, die dieſe Gedanken beveſtigen.
Hat man einen Mangel am Duͤnger, ſo beſaͤe man die zur Brache beſtimmten Felder mit Huͤlſen - fruͤchten. Z. E. Erbſen, Wicken u. ſ. f. Dieſe be - dekken den Akker wider die Strenge der Sonnenhitze. Die Kraͤfte der Luft koͤnnen ſich alsdenn beſſer in dem Akker ſammlen. Die Nahrung, die das Un - kraut wuͤrde verſchwendet haben, gereichet zu unſerm Vortheil. Man laſſe bey dem Abſchneiden dieſer Fruͤchte lange Stoppeln ſtehen. Wenn dieſe zu ſei - ner Zeit regelmaͤßig eingeakkert werden, ſo wird man es gewiß erfahren, daß der von dieſem Akker genom - mene Nutzen keine Verſchlimmerung, ſondern viel - mehr eine Verbeſſerung des Akkers wuͤrket. Die Lehre von der Duͤngung, die wir in dem folgenden abhandeln werden, wird dieſes aus den Gruͤnden der Natur beveſtigen.
Wenn wir die Felder in die §. 97. angenommenen Arten vertheilen, und hiebey dem nachdenken, wie der Duͤnger in dem Akker wuͤrket, und daß ſich eini - ge Arten von dem Duͤnger laͤnger wirkſam beweiſen, als andere; ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, zu begreifen, einmahl, daß die Felder von der andern Art fruchtbarer ſind, als die von der erſten Art. Fuͤrs91verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. Fuͤrs andere, daß wir, wenn wir von der Frucht - barkeit der Felder, von der dritten Art urtheilen wol - len, auf die Beſchaffenheit des Miſtes ſehen muͤſſen, mit dem wir dieſe Felder in dem erſten Jahre geduͤn - get haben. Wir koͤnnen von dieſem alsdenn erſt mit Ueberzeugung und umſtaͤndlich reden, wenn wir zu - vor die Lehre von der Duͤngung abgehandelt haben. Hiervon in dem folgendeu.
So weit von den aͤuſſerlichen Beſtimmungen derGewoͤhnli - che Cinthei - lung der Felder, nach ihren inner - lichen Be - ſtimmungen. Aekker. Wir muͤſſen uns nun auch um die innerli - chen bekuͤmmern, (S. §. 75.) die uns einen Be - griff von ihrer innerlichen Guͤte machen ſollen. Die Wirthe ſind in dieſem Stuͤkke nicht einig, wie ſie nach dieſer Abſicht die Felder vertheilen ſollen. Wir wollen einige Meynungen anfuͤhren, und alsdenn einen Ver - ſuch machen, ob wir dieſe Sache in einer zuſammen - hangenden Ordnung, aber doch der Natur gemaͤß werden abhandeln koͤnnen. Herr von Rohr redet von dieſer Sache, wie folget:
Die Felder ſind unterſchiedlich, etliche harte, etliche weich und geſchlacht, etliche ſtark, etliche ſchwach, etli - che ſeich, moraſtig und ſumpfigt, etliche trokken, etliche ſandigt, etliche kalkicht, andere ſteinigt, oder kalt und trokken, warm und feucht; einige weißen ihren Unter - ſchied der Farbe nach, ſind ſchwarz, roth, graulicht. u. ſ. f. Nachdem dieſer Unterſchied iſt bemerket worden, ſo werden folgende Regeln, die Guͤte des Akkers zu er - kennen, vorgeſchlagen:
Die harten Felder ſind traͤchtiger als die weichen.
Die ſtarken beſſer als die ſchwachen,
Die lukkern beſſer als die dichten und veſten.
Die ſandigten Felder, wenn ſie wohl geduͤnget wer -den,92Der Cameralwiſſenſch. 1. Cap. von derden, und der Sand etwas grob iſt, tragen ein ziem - lich gutes Getraide, ſonderlich Rocken und Hafer. Gerſte tragen ſie nicht. Jſt der Sand aber gar klein, und faſt wie Mehl, ſo tragen ſie nicht gern, und bringen oft kaum den Saamen wieder.
Die lettichten Aekker ſind fuͤr beſſer als die ſan - digten zu halten.
Die ſteinigten ſind mehrentheils kalt und trokken, und nicht einmahl ſo gut als die ſandigten.
Die gebuͤrgichten ſind kalt und trokken
Kalt und feucht ſind die leim - und lettichten. Kalte Thaͤler, kalte Suͤmpfe, wo das Waſſer ſtehen bleibt.
Warm und trokken ſind diejenigen, ſo einer verbrand - ten Aſche gleich ſind.
Warm und feucht dieſe, welche viel Sonne haben, fett, wenn ſie an den Waſſern, und diejenigen Thal - Felder, ſo von dem Gebuͤrge nicht uͤberſchattet werden.
Die ſchwarzen klebrichte Aekker ſind wegen ihrer bey ſich fuͤhrenden Feuchtigkeiten fuͤr ſehr gut gehalten, da hingegen die weißen und aſchgrauen wegen ihrer geſalzenen Art nichts geachtet worden.
Diejenigen Felder, die man immerdar bauet, tra - gen mehr als andere, weil wegen Feſtigkeit des Bo - dens und verſtopften pororum der Erde die innerli - che Kraft der Fruchtbarkeit und fermentation nicht ausdaͤmpfen kann, daher die lang ausgeruheten ver - legenen Felder und Neu-Bruͤche nicht ſo hoch zu ſchaͤ - tzen, als diejenigen, welche ſtets gebauet worden.
Die Anzeigen einer guten Erde ſind, wenn ſie fein ſchwarz und lukker ausſieht. Den Regen leicht einſchlukket, und die Feuchtigkeit zum Wachsthum der Fruͤchte am laͤngſten behaͤlt. Ferner, wenn viele hohe und aͤſtreiche Feld-Wald - und Garten-Baͤume da - ſelbſt wachſen, wenn ſie viele geſunde gute Kraͤuter und Gewaͤchſe traͤget, z. E. guten Klee, Attich,Huͤh -93verſchiedenen Werken der Natur uͤberhaupt. Huͤhnerfuß, Brombeerſtauden, u. ſ. f. wenn ſchoͤne dikke großaͤhrigte Saaten, Graß - und Kleenreiche Wieſen vorhanden, und inſonderheit, wenn Schlehen - ſtauden vor ſich hervorwachſen. Es wollen einige auch die Eigenſchaften der Erde durch den Geſchmack und Geruch ausforſchen, allein ich glaube, daß dieſe Unterſuchung gar ungewiß ſey.
Andere reden von dieſem, wie folget: Es giebtEine andere Eintheilung. dreyerley Erde, einmahl lautere, die taugt nicht viel, fuͤrs andere lauter Sand, taugt auch nicht viel, fuͤrs dritte Sand und Erde, dieſe iſt am beſten. Fer - ner: es giebt
Wiederum andere, welche die angebene aͤußerlichen Merkmahle, die Guͤte eines Akkers zu erkennen, als unzureichende anſehen, erwaͤhlen mit unſern Vaͤtern folgende Eintheilungen, daß einige Felder warm und trokken, andere warm und feuchte; wiederum andere kalt und trokken, und einige kalt und feuchte.
Jch will die §. 102. und 103. angefuͤhrten Ein - theilungen nicht verwerfen. Doch aber auch dieſer Lehre keinen voͤlligen Beyfall geben. Die §. 104. angegebene Eintheilung ſcheint unvollſtaͤndig zu ſeyn. Wir wollen es verſuchen, ob wir dieſe Sache der Natur gemaͤß begreiflich machen koͤnnen, aber doch auch dabey einem jeden die Freyheit laſſen, un - ſere Gedanken zu verbeſſern. Dieſes wird unſerer Ab - ſicht, das iſt, der Bildung eines oͤkonomiſchen Zu - ſammenhanges gemaͤß ſeyn. Die Guͤte einer Sache muß aus ihrer Abſicht entſchieden und beurtheilet werden. Die wirthſchaftliche Abſicht der Felder iſt, daß der eingeſtreuete Saame Erdgewaͤchſe von ſeiner Art in einer gehoͤrigen Vollkommenheit wuͤrken ſoll. Wenn wir mit dieſem dasjenige vergleichen, was wir bereits §. 35. und folgenden abgehandelt haben, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, zu beweiſen, daß wir bey der Beurtheilung, ob ein Feld nach ſeiner innern Beſchaffenheit gut oder ſchlecht ſey, ſehen muͤſſen; einmahl auf die Feſtigkeit der Erde, und fuͤrs andere auf die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, die ſich mit der Erde vermiſcht haben. Wir wollen jeden Punkt beſonders unterſuchen.
Jn Anſehung der Feſtigkeit koͤnnen wir vier ArtenEintheilung der Felder, in Anſehung der Feſtig - keit. der Felder bilden. Jn dererſten Art hangen die Erd - theile ſo ſtark an einander, daß man die Figur der Erd - flaͤche ohne Gewalt nicht aͤndern kan. Wir wollen dieſe harte Felder nennen. Jn der andern Art hangen die Erdtheile alſo aneinander, daß ſie leicht koͤnnon getrennet werden, doch aber laͤſt ſich die Figur eines ſolchen Erdklumpens, ohne dieſen zu zermalmen, nicht veraͤndern. Dieſe wollen wir ſproͤde Felder nennen. Jn der dritten Art hangen die Erdtheile alſo aneinander, daß ſie zwar leicht koͤnnen getren - net werden, doch aber laͤſt ſich die Figur eines ſolchen Erdklumpens veraͤndern, ohne dieſen zu zermalmen. Dieſe koͤnnen ſchmierichte Felder genennet werden. Jn der vierten Art koͤnnen wir keine merkliche Zuſam - menhaͤngung der Erdtheile wahrnehmen, und dieſe werden lukkere Felder genennet.
Die lukkern Felder koͤnnen wiederum in zwey Ar -Fernere Ab - theilung die - ſer Einthei - lung. ten vertheilet werden Einige haben eine ſolche Er - de, die ſich in der Hand zu einem Klumpen druͤkken laͤſt. Andere haben eine ſolche Erde, die, wenn ſie mit der Hand zuſammen gedruͤcket wird, keinen Klum - pen bildet. Jene wollen wir lukkere Felder von der erſten, und dieſe lukkere Felder von der andern Art nennen. Will man jene insbeſondere lukkere Er - de und dieſe Sand nennen. So wird man bey mir keinen Widerſpruch finden. Doch ſcheinet es, als wenn der Sand nur eine Art von dieſer Art der Er - de ſey.
Wir wollen dieſe Arten der Felder mit einander vergleichen, und aus dieſem einen Schluß auf die - jenigen Merkmahle machen, die in Anſehung der Fe - ſtigkeit den ſchlechten Akker von dem guten unterſchei - den. Dieß zu bewerkſtelligen, wollen wir folgenden Satz zum Grunde ſetzen.
Ein gutes Feld muß den Regen geſchwind annehmen, dieſen einige Tage behalten, und alsdann das uͤberfluͤßige Waſſer wiederum ausduͤnſten.
Jch beweiſe dieſen Satz mit folgendem Schluſſe: Jn einem guten Felde ſoll der eingeſtreuete Saame Erdge - waͤchſe von ſeiner Art in einer gehoͤrigen Vollkommen - heit wuͤrken (§. 105). Soll dieß geſchehen, ſo muͤſ - ſen die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, wel - che die Luft in ſich faſſet, in den Erdboden dringen, und ſich in dieſem wirkſam beweiſen. Das Waſſer muß den in die Erde geſtreueten Saamen und deſ - ſen Gefaͤße erweichen, daß die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur durch dieſe laufen, und alsdenn gehoͤrig coaguliren koͤnnen (§. 37. 38). Was dem - nach dieſer Wuͤrkung zuwider iſt, das macht einen ſchlechten Boden. Die Erfahrung beſtaͤtiget es, daß der Regen kein bloßes Waſſer ſey. Er fuͤhret die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur mit ſich in den Bauch der Erden. Dieß giebt uns einen Grund zu ſchluͤſſen, daß die Kraͤfte in der Luft leicht in den Ak - ker dringen koͤnnen, der den Regen geſchwind annimt. Folglich iſt dieß ein Zeichen eines guten Akkers Kann das Feld den Regen nicht einige Tage behalten, ſo kann das Waſſer die Gefaͤße des Saamens nicht er - weichen. Dieß widerſpricht der Fruchtbarkeit, und folglich der Guͤte des Feldes. Wenn das uͤberfluͤßigeWaſſer97von dem Akkerbau,Waſſer nicht nach einigen Tagen aus dem Erdboden duͤnſtet, ſo bleibt es entweder ſtehen, oder es lauft ab, oder es dringet in die Tiefe. Bleibt es ſtehen, ſo befoͤrdert es eine Faͤulniß. Dieß verhindert das Wachſen, und darum widerſpricht es der Vollkommen - heit des Akkers. Lauft es ab, oder dringt es in die Tiefe, ſo entziehet es dem Saamen die den Wachs - thum befoͤrdernden Kraͤfte. Auch dieß widerſpricht der Vollkommenheit des Akkers. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß die angegebenen Eigenſchaften Merk - mahle eines guten Feldes ſind.
Nunmehro wird es uns nicht ſchwehr fallen, fol -Dieß wird angewendet auf harte und lukkere. gende Regeln zu beweiſen. Die erſte Regel:
Lukkere Felder von der erſten Art, oder die, welche lukkere Erde haben; und harte Fel - der ſind zwar gut, doch aber ſind jene beſſer als dieſe.
Denn beyde Arten der Felder koͤnnen den Regen an - nehmen, dieſen einige Tage behalten, und alsdenn das uͤberfluͤßige Waſſer wiederum ausduͤnſten, dar - um ſind ſie gute Frlder. Da aber doch jene den Re - gen geſchwinder annehmen, als dieſe, ſo ſind ſie beſſer. (§. 106-108).
Die andere Regel:auf ſchmieri - ge Felder.
Schmierige Felder ſind gut, und in gewiſſer Art beſſer, als die harten Felder, doch aber allemahl ſchlechter als die lukkern Felder von der erſten Art.
Das erſte folget wie zuvor. Das andere erhellet aus dieſem, weil ſie den Regen geſchwinder anneh -Gmen,98Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittmen, als die harten Felder, und alſo auch bey we - nigem Regen fruchtbar ſeyn koͤnnen. Das dritte iſt aus dem klar, weil ſie das uͤberfluͤßige Waſſer nicht ſo leicht ausduͤnſten, als die lukkern Felder von der erſten Art, daher auf dieſen Feldern bey uͤberfluͤßi - gem Regen die Frucht leichter verfaulet, als auf den lukkern Feldern.
Aus dieſem folget die dritte Regel:
Bey uͤberfluͤßigem Regen ſind die harten Fel - der beſſer, als die ſchmierigen, und in den Jah - ren, wo der Regen nicht uͤberfluͤßig iſt, ſind die ſchmierigen Felder beſſer, als die harten.
Sproͤde und lukkere Felder von der andern Art, oder lauter Sand, ſind ſchlechte Felder. Sproͤde Felder nehmen den Regen nicht leicht an, und wenn ſie endlich von der Menge des Regens ſind uͤberwunden worden, ſo behalten ſie dieſen nicht ſo lange, als es noͤthig iſt, und der Erfolg iſt eine ſo große Feſtigkeit in der Verbindung der Theile, daß ſich die wuͤrkenden Dinge der Natur in ihnen nicht leicht wuͤrkſam beweiſen koͤnnen. Felder, die in ihrer Flaͤche lauter Sand haben, nehmen zwar auch den Regen leicht an, ſie koͤnnen aber auch dieſen, und die den Wachsthum befoͤrdernden Dinge der Na - tur nicht ſo lange, als es noͤthig iſt, behalten. Sie werden ſehr leicht von der Sonnen-Hitze ausgeſogen, (§. 106). Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß beyde Arten von Felder, ſchlechte Felder ſind, (§. 108.)
Aus dieſem, was wir bisher abgehandelt haben,Allgemeine Folgen. folget unmittelbar:
Anmerk. Wir werden in der Folge einige Gruͤnde veſt ſetzen, die es uns lehren, wie dieſes koͤnne bewerkſtelliget werden.
So weit von der Eintheilung der Felder, in An -Einige Saͤtze die Guͤte der Felder, aus ihrer innern Beſchaffen - heit zu be - ſtimmen. ſehung der Veſtigkeit. Wir wollen nun auch dieſen Unterſchied der Felder unterſuchen, der von der Be - ſchaffenheit der weſentlich wuͤrkenden Dinge der Na - tur abhanget, mit welchen die Erde vermiſchet iſt. Dieß zu bewerkſtelligen, muͤſſen wir einige Lehr Saͤ - tze voraus ſetzen, und dieſe beweiſen. Der erſte Satz iſt dieſer:
Wenn in einem Akker kein Acidum iſt, ſo kannDer Erſte. auch auf demſelben nichts wachſen. Jſt in einem Akker zu viel Acidum, ſo iſt es wieder - um unmoͤglich, daß er uns die Fruͤchte in der - jenigen Vollkommenheit liefern koͤnne, die wir wuͤnſchen.
Jſt in einem Akker kein Acidum, ſo fehlet dieß, was die Feuchtigkeiten der Luft, und mit dieſen den elemen - tariſchen Saft das Alkali und das weſentliche Oel anG 2ſich100Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittſich ziehet (§. 11. Anm. und §. 36). Koͤnnen ſich dieſe Dinge in dem Akker nicht, wie es noͤthig iſt, wuͤrkſam beweiſen, ſo kann auch der Akker keine Fruͤch - te bringen (§. 38). Folglich iſt es klar, daß ein Ak - ker alsdenn unfruchtbar ſey, wenn er kein Acidum hat. Jſt in dem Akker zu viel Acidum, ſo verhindert es die Bewegung in den innern Theilen der Dinge (§. 26). Wird dieſe verhindert, ſo wird der Wachsthum verhin - dert, (§. 38). Folglich kann auch dieſer Akker, der zu viel Acidum hat, die Frucht nicht in derjenigen Voll - kommenheit hervorbringen, in welcher wir dieſe wuͤn - ſchen.
Der andere Satz:
Fehlet einem Akker das Alkali, ſo iſt er un - fruchtbar, und hat der Akker zu viel Alkali, ſo iſt auch dieß eine Urſache, daß die Fruͤchte nicht in der von uns gewuͤnſchten Vollkom - menheit koͤnnen hervor gebracht werden.
Fehlet einem Akker das Alkali, ſo fehlet die Urſache von der innerlichen Bewegung zwiſchen den unmerkli - chen Theilen des Koͤrpers (§. 28). Fehlet dieſe Ur - ſache, ſo iſt kein Wachsthum moͤglich, (§. 38.) Folg - lich iſt ein ſolcher Akker unfruchtbar. Hat der Akker zu viel Alkali, ſo wird die Bewegung zwiſchen den un - merklichen Theilen der Dinge zu gros, (§. 28). Dieß verhindert die zur Vollkommenheit der Fruͤchte erfor - derliche Coagulation. Daher kan auch dieſer Akker die Fruͤchte nicht in derjenigen Vollkommenheit her - vorbringen, in welcher wir dieſe wuͤnſchen. (§. 38).
Der dritte Satz:
Fehlet dem Akker das weſentliche Oel, ſo iſter101von dem Akkerbauer unfruchtbar, und hat der Akker von dem weſentlichem Oele zu viel, ſo iſt auch dieß eine Urſache, daß die Fruͤchte auf dem Akker nicht vollkommen wachſen koͤnnen.
Fehlet dem Akker das weſentliche Oel, ſo fehlet ihm das Mittel, den elementariſchen Saft und die andern wuͤr - kenden Dinge der Natur zu coaguliren, (§. 13). Folg - lich iſt er unfruchtbar, (§. 38). Hat der Akker zu viel von dem weſentlichem Oele, ſo wird das Alkali verhin - dert, diejenige Bewegung zu wuͤrken, die der Wachs - thum erfordert. (§. 13. 38). Und dieß iſt eine Ur - ſache, daß die Fruͤchte auf dieſem Akker nicht in derjeni - gen Vollkommenheit wachſen koͤnnen, die wir verlan - gen.
Der vierte Satz:Der vierte.
Wenn in der Flaͤche des Akkers ein Mangel an Erde, ſo kan dieß eine Urſache von dem ſeyn, daß der Akker die Fruͤchte nicht nach unſerm Wunſch wuͤrket.
Die Wahrheit dieſes Satzes erhellet unmittelbar aus dem, was wir bereits in dem Beweiſe des §. 23. ange - merket haben.
Der fuͤnfte Satz:Der fuͤnfte.
Auch das Waſſer, wenn es zu lange fehlet, oder zu lange auf der Erden ſtehet, kann eine Urſache von der Unfruchtbarkeit der Felder ſeyn.
Fehlet das Waſſer zu lange, ſo fehlet das Mittel der Erweichung, (§. 24). Dieß iſt eine Urſache der Un - fruchtbarkeit, (§. 38). Stehet das Waſſer zu lange, ſo wird dieß eine Urſach der Faͤulniß. Dieſe verderbt den Saamen, und daher iſt auch dieß eine Urſache der Unfruchtbarkeit.
Wir finden verſchiedene Felder, auf deren Flaͤche einige eingedruckte Theile ſind. Jn dieſen ziehet ſich das Waſſer zuſammen, und daher bleibt es laͤnger ſte - hen, als es billig geſchehen ſollte. Dieß iſt die Urſache, daß die Saat in dieſen Theilen im Winter verfrieret, und im Sommer verfaulet, oder wie man redet, er - ſaͤuft. Dieſe Theile in der Flaͤche des Akkers werden Waſſer-Gallen genennet. Hieraus folget es, daß Waſſer-Gallen eine Unvollkommenheit des Akkers (§. 118.), und daß derjenige ſeinen Akker verbeſſert, der dieſe Waſſer-Gallen mit einer guten Erde fuͤllet.
Anmerk. Hiebey iſt dieſe Frage zu unterſuchen: Welche Erde iſt zu dieſer Abſicht die beſte?
Dieß voraus geſetzet, wird es uns nicht ſchwer fal - len, ein gegruͤndetes Urtheil von der Guͤte eines Feldes zu faͤllen, wenn wir dieſe nach der Beſchaffenheit der weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, die mit der Erde vermiſcht ſind, beſtimmen wollen. Nur iſt es noͤthig, daß wir uns um einige Zeichen bekuͤmmern, aus welchen wir die wahre Urſache, von der Unfrucht - barkeit des Feldes ſchluͤſſen koͤnnen. Viele erwehlen zu dieſer Abſicht die Farbe der Felder, allein die Erfah - rung lehret es, daß dieß ein ſehr betruͤgliches Zeichen ſey. Schwarze Felder ſollen fruchtbarer ſeyn, und ich kenne ſchwarze Felder, die unfruchtbar ſind. Wir wollen es verſuchen, ob wir dieſe Sache mit einer Ge - wißheit, oder wenigſtens mit einer großen Wahrſchein - lichkeit der Natur gemaͤß werden erklaͤren koͤnnen. Ob es dem Felde am Waſſer fehlet, oder ob es zu naß iſt, dieß iſt eine Sache, die uns ſogleich in die Sinne faͤllt, und darum ift es nicht noͤthig, daß wir dieß zuerkennen,103von dem Akkerbau. erkennen, beſondere Zeichen ſuchen Was ſind vor Mittel, dieſe Urſachen der Unfruchtbarkeit zu entkraͤften? Der Mangel des Waſſers, oder der Feuchtigkeit kann durch die Waͤſſerung, durch das Begießen, und auch hiedurch vermindert werden, wenn man die Flaͤche des Feldes mit einer ſolchen Erde vermiſcht, die vermoͤgend iſt, die Feuchtigkeiten leich - ter an ſich zu ziehen, und laͤnger zu behalten. Der Ueberfluß des Waſſers kann durch Graben und tiefe Waſſer-Furchen abgefuͤhret, durch Fuͤllung der Waſ - ſer-Gallen verhindert, und auch hierdurch verhuͤthet werden, wenn man die Flaͤche des Feldes mit einer ſol - chen Erde vermiſcht, welche die kalte Natur des Akkers daͤmpfet.
Anmerk. Die beſondern Mittel, durch wel - che man dieſe allgemeinen Regeln in die Ausuͤbung bringet, koͤnnen in den Fuͤrleſungen beſchrieben werden.
Auch dieß faͤllt uns ſogleich in die Sinne, wennAuf die Er - de. die Urſache der Unfruchtbarkeit der Mangel der Erde iſt. Dieß zu verhindern, bleibt uns nichts uͤbrig, als daß wir uns bemuͤhen, das Feld tiefer zu akkern, oder durch eine Zufuhr neuer Erde die Flaͤche des Feldes zu erhoͤhen.
Anmerk. Auch zu dieſer Abſicht koͤnnen in den Fuͤrleſungen einige wirthſchaftliche Vortheile ange - geben werden.
Den Mangel des Oels koͤnnen wir aus dem ſchluͤſſen,Auf das Oel. wenn die Erde zu ſproͤde iſt, und den Uberfluß des Oels, wenn die Erde auch bey trokkenem Wetter zu ſchmierig iſt, (§. 32. 106). Jſt jenes, ſo muß die Flaͤche desG 4Akkers104Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittAkkers mit fettem Miſte vermiſchet werden. Jſt die - ſes, ſo iſt der Mangel der innern Bewegung die Urſa - che der Unfruchtbarkeit. (§. 116). Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß wir eine ſolche Erde mit Alkali ver - miſchen muͤſſen. (§. 28).
Das Alkali veraͤndet die blaue und violetten Farben der Erdgewaͤchſe in gruͤn, und das Acidum veraͤndert dieſe Farben in roth. Das Alkali ſchmekt ſcharf und brennend, und das Acidum ſchmeckt ſauer*). Das Alkali befoͤrdert die innerliche Bewegung, und das Acidum verhindert dieſe. (§. 26. 28). Dieß giebt uns hinreichende Zeichen, zu erkennen, ob in einem Akker ein Mangel oder Uberfluß vom Alkali, und ob in einem Akker ein Mangel oder Uberfluß vom Acido ſey. Die Wuͤrkung des Acidi wird durch den Zu - ſatz von Alkali, und die Wuͤrkung des Alkali wird durch den Zuſatz von Acido gedaͤmpfet. Es wird uns demnach nicht ſchwer fallen, Mittel zu beſtim - men, welche dieſe Fehler des Akkers heben koͤnnen, wenn wir nur zuvor die Natur der Duͤngung unter - ſucht haben. Dieß ſoll in dem folgenden geſchehen.
Dieß iſt eines von den wichtigſten Stuͤkken, dasAbſicht die - ſes Kapitels. ein Wirth wohl erwegen muß, wenn er ſich nicht ſelbſt als die Urſache einer ungluͤcklichen Erndte anſehen will. Wir muͤſſen bey dieſem zwey Punkte unterſcheiden, die Duͤngung und die Bearbeitung der Felder. Wir wollen jeden Punkt beſonders betrach - ten, und es verſuchen, ob wir auch von dieſen Be - ſchaͤftigungen allgemeine Regeln veſtſetzen koͤnnen, die der Natur und der Erfahrung gemaͤß ſind.
Zuerſt von der Duͤngung. Warum duͤnget man dieWas Duͤn - gen ſey? Felder? und was heiſt es, ein Feld duͤngen? Die Beantwortung der letzten Frage wird von der Beant - wortung der erſten abhaͤngen. Wir haben es bereits in dem vorhergehenden Kapitel angemerket, daß dieß eine Urſache von der Unfruchtbarkeit der Felder ſey, wenn in der Flaͤche der Felder ein Mangel von den weſentlich wuͤrkenden Dingen der Natur iſt, die zum Wachsthum der Erdgewaͤchſe erfordert werden. Wir finden ſelten Urſache, uͤber den Mangel des Acidi zu klagen. Allein das Alkali und das Oel fehlet ſehr oft. Ja ich glaube nicht, daß ich irre, wenn ich mit dieſem den Mangel des elementariſchen Safts ver - knuͤpfe, (§. 38). Die Kunſt iſt allemahl bemuͤhet, den Mangel der Natur zu erſetzen. Und darum vermiſcht ſie die Erde in der Flaͤche der Felder mit alkaliſchen und oͤhlichten Dingen, ja, wo es moͤglich iſt, mit ſolchen, die zugleich eine Menge von dem elementariſchen Saf - te in ſich faſſen. Dieß nennt man den Akker duͤngen.
Hieraus folget unmittelbar, daß wir, wenn wir ein gegruͤndetes Urtheil von der Guͤte des Duͤngers machen wollen, einmahl auf das Alkali, fuͤrs andere auf das weſentliche Oel, und fuͤrs dritte auf den elemen - tariſchen Saft ſehen muͤſſen, den die duͤngende Mate - rie in ſich faſſet.
Es ſind bey dieſer wirthſchaftlichen Beſchaͤftigung folgende Punkte zu unterſuchen.
Die erſte Frage beantwortet foigender in der Schei - de-Kunſt veſtgeſetzter Satz: Jn allen Dingen, wel - che faulen und in die Gaͤhrung gehen, iſt ein vorzuͤgliches Alkali und weſentliches Oel. Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich dieſem noch dieß hinzufuͤge, daß in allen dieſen Dingen auch etwas von dem elementariſchen Safte enthalten ſey. Dieß giebt uns dieſen Satz: alles, was fault, das duͤnget auch. Daher geben todte Thiere, alle verfaulte Erd-Gewaͤchſe, Urin, Koth, Haare, Horn, Kno - chen, Schuſter - und Schneider-Lappen, ſtinkende Waſſer, verfaulte Erde, Schnekken-Haͤuſer, Mu - ſchel-Schaalen, verfaultes Blut u. ſ. f. einen guten Duͤnger.
Anmerk.107von dem Akkerbau.Anmerk. Es koͤnnen hiebey die oͤkonomiſchen Nachrichten mit vielem Nutzen geleſen werden, und zwar insbeſondere in dem 15 den Stuͤkke die 175 und folgende, wie auch die 183 und folgende Seite. Ferner die erſte Abhandlung des dritten Stuͤkkes.
Jſt dasjenige gegruͤndet, was wir bereits §. 49. an -Einige Arten verdienen ei - nen Vorzug gemerket haben, und wollen wir mit dieſem den §. 126. verbinden, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, zn be - greifen, daß die verfaulten Thiere, das Blut, die Knochen, die Schnekken-Haͤuſer, Muſchel-Schaalen und andere Dinge von dieſer Art nothwendig einen Duͤnger von der groͤſten Vollkommenheit geben muͤſſen.
Dieß, was wir bis hieher von dem Duͤnger erklaͤretVerſchiede - ne Arten vom Miſte. haben, giebt uns Gruͤnde genug, zu beurtheilen, wie hoch die Duͤngung mit der Aſche, mit dem Ruß, mit dem geloͤſchten Kalche und dergleichen, zu ſchaͤtzen ſey. Wir wollen nun noch vom Miſte, als von der gewoͤhnli - chen Art des Duͤngers handeln, und dasjenige be - ſchreiben, was bey dieſem insbeſondere zu merken iſt. Aller Miſt duͤnget, aber doch nicht mit einerley Guͤte. Dieſer Unterſchied iſt in der Beſchaffenheit der we - ſentlich wuͤrkenden Dinge zu ſuchen, die in dem Miſte enthalten ſind, (§. 125). Einige Arten haben ein merkliches Acidum. Dieß verurſachet, daß ſie nicht leicht faulen (§. 26), und daß ſie ſehr hitzig ſind. Z. E. Gaͤnſe-Miſt, Pferde-Miſt. Andere Ar - ten haben nach Proportion ſehr viel Alkali. Dieß iſt die Urſache, warum ſie ſchnell in die Gaͤhrung ge - hen. Jhre Kraͤfte geſchwinde wuͤrkſam beweiſen, aber auch nicht lange anhalten (§. 28). Z. E. Huͤner -Miſt108Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittund Tauben-Miſt, Schaaf-Miſte. Wiederum an - dere Arten haben ein vorzuͤgliches Fett, mit welchem ein Alkali alſo verbunden iſt, daß es ſich zwar wuͤrk - ſam beweiſen koͤnne, aber doch nicht zu heftig. Z. E. Menſchen-Miſt, Schweins-Miſt, Rindvieh-Miſt und Eſets-Miſt.
Dieß giebt uns einen Grund folgende Wirth - ſchafts-Regeln zu bilden.
So weit von dem erſten Punkt. Der andere iſt dieſer: wie ſoll man den Duͤnger zubereiten? Auch die - ſe Frage muß die Abſicht des Duͤngens entſcheiden. Man duͤnget nicht nur zu dieſem Ende, daß die we - ſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, die der Wachs - thum erfodert, in die Erde gebracht werden, ſondern daß ſie ſich in dieſer wuͤrkſam beweiſen ſollen. (§. 126.) Es iſt demnach nicht genug, daß man den Duͤnger auf den Akker faͤhrt, er muß zuvor alſo zubereitet werden, daß er vermoͤgend iſt, die Haupt-Abſicht zu wuͤrken. Dieß iſt unmoͤglich, wenn nicht dieſe wuͤrkenden Dinge der Natur zuvor aufgeloͤſet ſind. Dieſe Auf - loͤſung wird bey dem Miſte von der Faͤulung ge - wuͤrket. Dieß iſt genug, dieſe Regel zu beweiſen:
Man109von dem Akkerbau.Man muß den Miſt nicht eher auf den Akker fahren, als bis er verfaulet iſt.
Will man dieſe Regel allgemeiner bilden, ſo iſt ſie dieſe:
Man muß keinen Duͤnger eher auf den Akker bringen, als bis er alſo iſt zubereitet wor - den, daß die Aufloͤſung der weſentlich wuͤr - kenden Dinge der Natur, die er in ſich faſſet, leicht moͤglich iſt.
Anmerk. Dieß kann in den Fuͤrleſungen auf die Duͤngung mit Kalche mit den fetten Erden, u. ſ. f. angewendet werden.
Wird der in die Faͤulniß gehende Miſt zu ſehr derWie eine Miſt-Staͤtte zu bauen. Sonnen-Hitze ausgeſetzet, ſo wird von dieſer das Al - kali und das Oel aus dem Miſte gezogen. Dieß macht den Miſt unvollkommen. Liegt der faulende Miſt im Waſſer, ſo wird er zu ſehr erweichet, und das Waſ - ſer verſchlukket die Saͤfte des Miſtes. Auch dieß wi - derſpricht ſeiner Vollkommenheit. Wird der auf ein - ander gelegte Miſt nicht angefeuchtet, ſo muß er ver - brennen. Dieß iſt der Abſicht zuwider. Jn dem Urin ſteckt ein vortrefliches Alkali. Wird dieſer mit dem Miſte vermiſchet, ſo befoͤrdert dieß nicht nur die Auf - loͤſung, ſondern es iſt auch ein Mittel, den Miſt merklich zu verbeſſern. Dieß giebt uns Gruͤnde Re - geln zu bilden, nach welchen eine Miſt-Staͤtte anzu - legen.
Der Wirth vermiſcht mit dem Miſte duͤrre Ueber - bleibſel von den Erdgewaͤchſen, dieß nennet er ein - ſtreuen. Er giebt Befehl, fleißig einzuſtreuen, und er ſeufzet, wenn es ihm an Mitteln einzuſtreuen, fehlet. Jſt dieſe Beſchaͤftigung noͤthig, und hat ſie einen nuͤtzlichen Einfluß in die Wirthſchaft? Alle Erd-Gewaͤchſe gebaͤhren durch die Faͤulniß ein vor - krefliches Alkali. Wenn man den Miſt mit Uberbleib - ſeln von Erd-Gewaͤchſen vermiſchet, ſo befoͤrdert je - ner die Faͤulniß von dieſen, und dieſe befoͤrdern die Faͤulniß von jenen. Der Miſt wird lukker, und daher kann er auf dem Akker beſſer ausgebreitet wer - den. Dieß iſt genug zu begreifen, es ſey die wirth -ſchaft -111von dem Akkerbau. ſchaftliche Abſtcht vom Einſtreuen, den Miſt zu ver - mehren, zu verbeſſern und brauchbarer zu machen. (§. 125. 126.)
Die Mittel muͤſſen nach der Abſicht abgemeſſen wer -Eine allge - meine Regel, die bey die - ſem zu beob - achten. den. Dieß giebt uns einen Grund, folgende Regel zu bilden:
Diejenigen Uberbleibſel der Erdgewaͤchſe ſind zum Einſtreuen die beſten, welche leicht fau - len, durch die Faͤulniß viel Alkali gebaͤhren, und dasjenige, womit ſie vermiſcht werden, lukker machen. Z. E. Stroh, Laub, Saͤge - Spaͤne, u. ſ. f.
So weit von dem andern Punkt. Der dritte faſtMittel, den Miſt auf den Akker zu bringen. zwey Stuͤkke in ſich, wie und wenn ſoll man den Miſt auf den Akker bringen. Man wird es uns bald ver - willigen, daß die Entſcheidung des lezten Punkts von der Entſcheidung des erſten abhanget. Auch bey die - ſem muͤſſen wir zwey Dinge unterſcheiden. Die Mit - tel, den Miſt auf den Akker zu bringen, und die wirthſchaftlichen Beſchaͤftigungen mit dem Miſte, wenn er bereits auf den Akker iſt gebracht worden. Wir wollen einen jeden Punkt beſonders betrachten. Zu erſt von den Mitteln. Ein Wirth muß nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Folglich hat man auch dahin zu ſehen, daß die Koſten, mit welchen der Miſt auf das Feld gebracht wird, den Ertrag des Feldes nicht uͤberſteigen. Sind die Felder von dem Guthe weit entlegen, oder liegt das Guth im Grunde und die Felder auf dem Berge, ſo ſind die gewoͤhnlichen Fuhren mit Pferden und Ochſen ſehr koſtbar. Dießmacht112Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittmacht einem Wirthe viele Sorgen, und daher verfaͤllt er bald auf dieſe, bald auf jene Dinge, ſeinen Endzweck mit geringern Koſten zu erreichen.
Einige treiben das Vieh auf das Feld, laſſen es in den Horden bey einander liegen, daß es mit ſeinem Miſte und Urin einen Theil des Akkers nach dem andern duͤngen koͤnne. Dieß iſt zwar ein bequemes Mittel, aber auch, wie ich es glaube, ein ſolches, das vielen Un - vollkommenheiten unterworfen. Einmahl, macht dieß Vieh den Boden ſehr veſte. Fuͤrs ander, wird ein ſolcher Miſt in die Erde gebracht, ehe er verfaulet iſt, dieß iſt die Urſache, daß das Getraide, was auf ei - nem ſolchen Akker gewachſen iſt, weder in der Braue - rey, noch bey dem Brandwein-Brennen und derglei - chen mit Vortheil kann gebraucht werden. Fuͤrs dritte muß ein ſolcher Miſt auf dem Akker zu lange aus - gebreitet liegen, ehe er kann untergebracht werden, und daher entziehet ihm die Sonne zu viele Kraft. Fuͤrs vierte ſo erfordert es dieſe Art zu duͤngen, daß das Vieh ſehr oft am Mittage oder in der Nacht im freien Felde liegen muß. Jm erſtem Falle iſt es nicht genug wider die Sonnen-Hitze bedekket, und dieß iſt dem Viehe ſchaͤdlich. Jn dem andern Falle iſt es den widrigen Anfaͤllen der Duͤnſte ausgeſetzet, und dieß kann ſehr leicht einen ſo großen Schaden wuͤrken, der mit dem durch dieſes duͤngen zu hoffendem Vortheile nicht zu vergleichen iſt.
Andere erwehlen die Eſel, dieſe muͤſſen den Miſt mit Koͤrben, die man von der Seiten oͤffnen kann, auf die ent - fernten und auf die bergigten Felder tragen. Die Eſel ſind nicht koſtbar zu erhalten, und ſie koͤnnen ſich auchim113von dem Akkerbau. im Sommer bey dem Graß - und Futter-Tragen nutzbar beweiſen. Dieß iſt die Urſache, warum ich dieſen Vorſchlag nicht mißbillige, wenn es nur die Umſtaͤn - de erlauben, daß man nach der Verhaͤltniß der Fel - der eine zureichende Menge von Eſeln halten kann. Sie koͤnnen die Berge beſteigen, die wir nicht befah - ren koͤnnen, und ſie koͤnnen uͤber die Fuß-Steige ge - hen, wenn es, ohne das Vieh in Gefahr zu ſetzen, unmoͤglich iſt, in der ordentlichen Straſſe zu fahren.
Wiederum andere laſſen bey den entlegenen Fel -Der Dritte. dern Gruben machen, damit ſie, wenn es andere Geſchaͤfte vergoͤnnen, den Miſt nach und nach weg - fahren, und dieſen zu ſeiner Zeit mit groͤßrer Ve - quemlichkeit und geſchwinde auf den Akker bringen koͤnnen. Jch kann auch dieſen Vorſchlag nicht voͤl - lig mißbilligen. Er hat ſeine Vortheile, doch aber auch gewiſſe Unvollkommenheiten. Einmahl hat man gedoppelte Muͤhe, den Miſt auf - und abzuladen. Fuͤrs andere ſammlet ſich in ſolchen Gruben das Re - gen-Waſſer. Dieß entziehet dem Miſte einen großen Theil ſeiner Kraft. Doch kann hiebey zum Theil das beobachtet werden, was wir bereits §. 133. ange - merket haben.
Einige verfallen auf die Vorwerke. Sie ſtoſſen eineDer Vierte Menge von entlegenen oder bergigten Feldern zuſam - men, und laſſen an einem dieſen Feldern gelegenem Orte ein Gebaͤude zur Viehzucht auffuͤhren, um hie - durch die Miſt-Fuhren zu erleichtern. Jſt die An - zahl der Felder groß genug, einen ſolchen Aufwand zu bezahlen, und fehlet es in dieſer Gegend nicht an Waſſer, ſo verdienet billig dieſer Vorſchlag einen merklichenHVor -114Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittVorzug. Doch iſt hiebey zu merken, daß man bey der Berechnung eines ſolchen Aufwandes nicht allein auf das Gebaͤude, ſondern auch auf dieß ſehen muß, daß die Anlage eines ſolchen Vorwerkes eine neue Haushaltung verurſachet, welche den Aufwand am Holze und andern Dingen merklich vermehret.
Endlich giebt dieß einigen Bewegungs-Gruͤnde, eine kuͤnſtliche Duͤngung zur Erlangung der wirthſchaftli - chen Abſicht anzuwenden. Auch bey dieſem Stuͤkke ſind die Meynungen der Wirthe vertheilet. Einige billigen, andere tadeln dieß. Wir wollen dieſe Sa - chen der Natur gemaͤß beſchreiben. Die kuͤnſtliche Duͤngung iſt eine Schwaͤngerung des Saamens ehe er auf den Akker gebracht wird. Wie iſt dieſe moͤg - lich, und wie kann ſie nuͤtzlich ſeyn? Wenn wir das betrachten, was wir bereits von dem Wachs - thum der Erd-Gewaͤchſe angemerket haben, ſo wird es uns nicht ſchwer zu begreifen, daß dieß dem Erd - Gewaͤchſe bey ſeinem gantzen Wachsthum zu ſtatten kommt, wenn im Anfange die Gefaͤſſe des Saamens wohl erweichet, die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur in dem Saamen wohl aufgeloͤſet werden, und es alsdenn nicht an Alkali, Oel und an dem elemen - tariſchen Safte fehlet, die den Saamen ernehren, und dieſen ſtark genug zum fernern Wachsthum ma - chen. Was demnach ein Mittel iſt, dieſe Stuͤkke zu befoͤrdern, das iſt auch ein Mittel den Wachsthum des Saamens zur Vollkommenheit zu bringen. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß ein Wirth keinen zureichen - den Grund hat, die Schwaͤngerung des Saamens zu verwerfen, wenn dieſe alſo eingerichtet wird, wie es die zuvor beſchriebene Abſicht erfordert. Dieſe wird uns auch ſehr leicht auf diejenigen Mittel fuͤhren,die115von dem Akkerbau. die zu einer ſolchen Schwaͤngerung moͤglich ſind. Jch will nur einige beſchreiben, die ich verſucht und nuͤtzlich befunden habe. Einmahl, man beſtreue den Saa - men mit Kalch, der an der Luft zerfallen iſt, alsdenn netze man den Saamen ein, wie man es gewohnt iſt, wenn man das Malz ſchroten will, ſo wird der Saame mit einer weißen Haut von Kalch uͤberzogen. Jſt dieß geſchehen, ſo muß man den Saamen ſogleich ausſaͤen. Fuͤrs andere: ſammlet die Miſt-Sutte in ein Gefaͤße. Wenn dieſes halb voll iſt, ſo fuͤllet das Gefaͤſſe mit Menſchen-Urin. Laſt beydes in die Faͤulniß gehen. Alsdenn laſt es auf einem Feuer abdampffen, bis es eine fette Haut bekommt, ſo wird es wie ein Oel. Setzet es zur Abkuͤhlung. Jn die - ſem wird der Saame drey bis vier Tage eingeweicher, und alsdenn ſogleich in eine friſch gepfluͤgte Erde ge - ſaͤet.
Man hat noch mehrere Mittel zur SchwaͤngerungWie weit der letzte nuͤtzlich. des Saamens, die aber mehrentheils darum gefaͤhrlich ſind, weil wir gewiß die ganze Erndte verliehren, wenn es nicht ſogleich nach der Ausſaat regnet. Dieß aber iſt bey den zuvor beſchriebenen Schwaͤngerungen nicht ſo leicht zu befuͤrchten. Wir muͤſſen hierbey noch einen Punkt in Erwegung ziehen. Viele glauben ei - ne ſolche Schwaͤngerung des Saamens mache es, daß es nicht noͤthig ſey, den Akker zu duͤngen. Jch kann aber dieſen alsdenn keinen Beyfall geben, wenn man den Akker jaͤhrlich nuͤtzen will. Dieſe Schwaͤn - gerung befoͤrdert zwar den Anfang des Wachsthums, und ſie giebt dem Saamen Kraͤfte zum wachſen, er verlanget aber auch alsdenn einen aͤußerlichen Zufluß von Nahrung (§. 142). und der Akker verlanget Miſt, der ihn lukker macht. (134). Sie iſt demnach nur einH 2Mit -116Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittMittel, mit wenigerem Miſte denjenigen Endzweck zu erreichen, der ohne ihr eine groͤßere Menge von Miſte erfordert. Dieß iſt ein Vortheil.
Anmerk. Sollte wohl nicht dieſe Schwaͤnge - rung ein Mittel ſeyn, den Brand zu verhindern, und zu verurſachen, daß die Loh dem Getraide nicht ſchaden koͤnne. Ein Menſch, der Kraͤfte ge - nug hat, kann eine Krankheit eher uͤberwinden, als ein ſchwacher.
Das Verhalten mit dem Miſte, wenn er auf den Akker gebracht wird, beſtimmet die Abſicht des Duͤn - gens. Die weſentlich wuͤrkenden Dinge der Natur, die in dem verfaulten Miſte ſind aufgeloͤſet worden, muͤſſen mit der Erden in der Flaͤche des Akkers wohl ver - miſcht werden (§. 125). Dieß giebt uns einen Grund, folgende Regeln zu bilden.
Denn laͤſt man den Miſt auf dem Felde in kleinen Haufen liegen, ſo wird ihm ſeine Kraft im Winter von dem Froſte und im Sommer von der Hitze end - zogen. Das iſt, den Miſt verderben.
Man wird es uns leicht verwilligen, daß im Gegen - theile keine vollkommene Vermiſchung der Erde mit dem Miſte moͤglich ſey. Dieß widerſpricht der Abſicht.
Anmerk. Vou den Mitteln, dieſe Ausbreitung zu beſorgen, kann in den Fuͤrleſungen geredet werden.
Die dritte Regel: weder die Zeit, da es frieret,Die dritte. noch die Zeit, da die Sonnen-Hitze ſtark wuͤrket, iſt bequem, den Miſt auf dem Akker auszubreiten.
Jſt der Miſt auf dem Akker ausgebreitet worden, ſo liegt er duͤnne. Folglich kann ſo wohl der Froſt, als auch die Sonnen-Hitze dieſen ſogleich durchdringen. Dieß iſt genug, zu begreifen, daß er alsdenn ſo wohl von dem Froſte, als auch von der Sonnen - Hitze in einigen Stunden koͤnne endkraͤftet werden.
Die vierte Regel: man muß den Miſt nur ſoDie vierte. tief einakkern, daß er von der Flaͤche der Erden bedekket wird.
Die Dinge wuͤrken mit ihrer Schwere gegen den Mit - tel. Punkt der Erden. Jſt nun der Miſt zu tief ein - geakkert worden, ſo koͤnnen ſich die wuͤrkſamen Din - ge des Miſtes mit dem Theile der Erd-Flaͤche, wo der Saame liegt, nicht ſo leicht vermiſchen. Dieß widerſpricht der Abſicht.
Anmerk. Aus dieſem iſt leicht zu beurtheilen, was von dem zu halten ſey, wenn man den Akker duͤnget, nach dem er iſt beſtellet worden.
Nunmehro wird es uns nicht ſchwer fallen, allge - meine Regeln zu bilden, welche uns die Zeit, wenn man den Miſt auf den Akker bringen ſoll, beſtimmen.
Die erſte Regel: man muß diejenige Zeit zum Miſtfahren erwehlen, da das Ge - ſchirr von andern wirthſchaftlichen Be - Beſchaͤftigungen befreyet iſt. (§. 136).
Die andere Regel: es iſt dem Akker ſchaͤd - lich, wenn er alsdenn, da er ſchmierigt oder lukker iſt, mit Miſte befahren wird.
Denn iſt der Akker ſchmierigt oder lukker, wenn er mit Miſte befahren wird, ſo ſchneidet das Geſchirt zu tief ein. Dieß macht die Flaͤche des Akkers zu veſte, und dieß iſt ihm ſchaͤdlich. (§. 113.).
Aus dieſem folget unmittelbar die dritte Regel: daß es einem Akker nuͤtzlich ſey, wenn er zu der Zeit mit Miſte befahren wird, da es gefroren hat.
Wir wollen dieſem nach die vierte Regel hinzufuͤ - gen, die ſich gewiß in ihrer Beobachtung nutzbar be - weiſet.
Der Miſt muß zu einer ſolchen Zeit auf den Akker gefahren werden, daß man die - ſen alsdenn ſtreuen kann, wenn es feuch - tes Wetter iſt.
Jſt119von dem Akkerbau.Jſt der Miſt alsdenn auf dem Akker ausgebreitet, wenn es feuchtes Wetter iſt, ſo verſchluckt die Feuch - tigkeit die weſentlichwuͤrkenden Dinge des Miſtes. Die Feuchtigkeit dringt in die Erde, und daher werden die weſentlichwuͤrkenden Dinge des Miſtes mit der Erde voͤllig vermiſchet. Dieß iſt ein merklicher Vor - theil (§. 144).
Anmerk. Den Nutzen dieſer Vermiſchung lehret der Augenſchein. Man darf nur, wenn das Feld bewachſen iſt, diejenigen Plaͤtze betrachten, wo die Miſt-Haufen gelegen haben.
Wenn wir bey dieſem die innere Beſchaffenheit desBeſondere Vortheile. Schnees in Erwegung ziehen, und bedenken, daß der Schnee nothwendig im Fruͤhjahr zerſchmelzen und in die Erde dringen muß; ſo wird es uns nicht ſchwer fal - len, zu begreifen, daß dieß ein merklicher Vortheil ſey, wenn man die Felder kurz vor dem Winter duͤnget: oder, wenn man die Felder im Winter mit Miſt befaͤh - ret, (§. 149.) dieſen auf große Haufen bringet (§. 145.) und den Miſt alsdenn ſtreuet, wenn es anfaͤngt zu dauen, und nicht ſo bald ein ſtarker Froſt, wohl aber Schnee zu vermuthen iſt, (§. 150.).
So weit von dem Duͤngen. Bey dem andernBey der Be - arbeitung der Felder ſind verſchie - dene Stuͤkke zu unter - ſcheiden. Punkte, mit welchem ſich dieſes Kapitel beſchaͤftiget, nemlich bey der Bearbeitung der Felder, muͤſſen wir wiederum einige Stuͤkke unterſcheiden. Einmahl, wenn ſoll man den Akker bearbeiten? Fuͤrs andere, wie tief ſoll man akkern? Fuͤrs dritte, wie kann man das Feld durch die Bearbeitung recht lukker machen? Fuͤrs vierte, womit ſoll man den Akker bearbeiten? H 4Wir120Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittWir wollen jeden Punkt beſonders, und ſo weit genau unterſuchen, wie weit es unſere gegenwaͤrtige Abſicht erfordert.
Die erſte Frage: Wenn ſoll man den Akker be - arbeiten? muß die Abſicht dieſer Beſchaͤftigung endſcheiden. Man bearbeitet die Felder nicht nur aus dieſer Urſache, daß die Erde den Saamen und den Miſt dekken koͤnne, ſondern auch zu dieſem Endzwek - ke, daß die Erde recht lukker werden ſoll, damit die Feuchtigkeit der Luft in die Erde dringen, und die zum Wachsthum erforderliche Bewegung der wuͤrkſamen Dinge der Natur in der Erden koͤnne befoͤrdert und unterhalten werden. Dieß erfordert die Fruchtbarkeit des Bodens (§. 37. 38). Dieſe Abſichten geben uns einen Grund, folgende Regeln zu bilden.
Die erſte Regel:
Es iſt nuͤtzlich, wenn man die Stoppeln, ſo bald es moͤglich iſt, unterakkert.
Denn dieß befoͤrdert die Faͤulung der Stoppeln, und dieß giebt dem Akker einen gwiſſen Theil der Duͤngung, und es macht den Boden lukker (§. 134. 135). Der Wirth nennt dieſe Bearbeitung des Akkers das Stop - peln, oder das Felgen des Akkers.
Die andere Regel:
Es iſt nuͤtzlich, wenn man den Akker entwe - der vor Winter, oder ſo bald als es aufhoͤrt zu frieren, ſo lukker macht, als es immer moͤg - lich iſt.
Der Nutzen, welchen die Winter-Feuchtigkeit dem Erdboden leiſtet, wenn ſie ſich mit dieſem gehoͤrig vermiſcht, iſt aus dem zu erkennen, was wir §. 82. und121von dem Akkerbau. und §. 38. angemerket haben. Je beſſer demnach dieſe Feuchtigkeit den Erdboden durchdringen, und ſich mit der Erden vermiſchen kann, deſto nuͤtzlicher wird ſie dem Akker. Jſt der Erdboden, wenn es auf - hoͤret zu frieren, nicht recht lukker, ſo ſetzet die Ve - ſtigkeit des Bodens dieſer nutzbaren Wuͤrkung Hin - derniſſe. Daher iſt es klar, daß wir den Akker ent - weder vor Winter, oder ſo bald, als es aufhoͤret zu frieren, recht lukker machen muͤſſen, wenn wir allen Vortheil, der von der Bearbeitung moͤglich iſt, ge - nießen wollen.
Aus dieſen koͤnnen wir die Wahrheit folgender Saͤ -Beſondere Folgen. tze beurrheilen:
Die dritte Regel:Die dritte Regel.
Es iſt nuͤtzlich, wenn man das Feld auch als - denn umarbeitet, wenn es ſoll beſaͤet werden. Dieß nennet man zur Saat akkern.
H 5Unter -122Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittUnterlaͤſt man dieſe Bearbeitung, ſo wird es ſchwer fallen, den Saamen tief genug einzubringen, und dieſen ſo weit mit der Erde zu bedekken, als es zum Wachsthum erfodert wird.
Jn Anſehung der andern Frage: wie tief ſoll man das Feld akkern? ſiehe §. 152. bilde ich folgende Regeln.
Die erſte Regel:
Jſt das Feld nicht tief genug geakkert worden, ſo iſt auch kein vollkommener Wachsthum der Fruͤchte auf dieſem Felde moͤglich.
Wird das Feld nicht tief genug geakkert, ſo bleiben die Wurzeln des Unkrauts in dem Akker ſtekken: der Saame des Unkrauts, der auf den Akker gefallen iſt, wird nicht unterdruͤkket; und die Wurzeln der Fruͤch - te, die man bauen wollen, koͤnnen nicht tief genung in die Erde dringen, voͤllige Nahrung an ſich zu zie - hen. Bleiben die Wurzeln des Unkrauts in dem Akker ſtekken, ſo entziehen ſie unſern Fruͤchten die Nah - rung. Wird der Saame des Unkrauts nicht unter - druͤkket, ſo gehet er auf, und alſo entziehet auch die - ſes unſern Fruͤchten die Nahrung. Sind die Wur - zeln zu ſchwach, voͤllige Nahrung an ſich zu ziehen, ſo iſt es auch unmoͤglich, daß die Fruͤchte den Grad der Vollkommenheit erreichen koͤnnen, den wir wuͤn - ſchen. Dieß iſt genug, die von uns angenomme Regel zu beweiſen.
Die andere Regel:
Das Feld muß nicht tiefer geakkert werden, als die den Wachsthum befoͤrdernde Erde gehet.
Will123von dem Akkerbau.Will man eine ſolche Erde herauf bringen, die voͤl - lig unfruchtbar iſt, ſo kann der Saame im Anfange keine Nahrung bekommen. Jſt dieß, wie will er wachſen.
Man muß nicht zu tief akkern, damit man keineErfahrung. todte Erde herauf bringet. Dieß iſt eine Meynung, die in der Wirthſchaft beynahe durch die Verjaͤhrung das Buͤrger-Recht erhalten hat. Und ich weiß es nicht, ob ich ihr einen Beyfall geben, oder ob ich ſie verlaſſen ſoll. Herr Kretſchmar, Tull, und ver - ſchiedene Stuͤkke in den oͤkonomiſchen Nachrichten geben uns Gruͤnde, dieſe Meynung zu verwerfen. Sie ſind, wie ich es glaube, vernuͤnftig. Sie ſtim - men mit der Erfahrung uͤberein, wenn ſie nur in ei - nigen Stuͤkken eingeſchraͤnket werden. Jch will eini - ge Erfahrungen zum Grunde ſetzen, und es alsdenn verſuchen, ob ich dieſe Sache auf beſtimmte Regeln bringen kann. Man nehme einen Akker, auf dem in verſchiedenen Gegenden Baͤume ſtehen. Man laſſe dieſen nach der gewoͤhnlichen Art akkern. Man rot - te die Baͤume aus, und aisdenn laſſe man den Akker beſaͤen. Die Frucht wird ſich auf den Stellen, wo die Baͤume geſtanden haben, merklich von den uͤbri - gen unterſcheiden. Der Saame hat ſich beſſer be - ſtokket, die Helmen ſind groͤßer, und ſie ſind reicher an Koͤrnern, wie die uͤbrigen.
Laſſet ein Stuͤck Feld durchaus einen SchuhEine andere. tief akkern, und ein anderes, was mit dieſem von ei - nerley Guͤte iſt, nach der gewoͤhnlichen Art. Beſaͤet beyde Felder mit einerley Saamen, z. E. mit Gaͤrſte zu einerley Zeit. Jenes, wenn ihr es zur Saat ak -kern124Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittkern wollet, theilet in vier Theile Einen Theil laſt wiederum ſo tief akkern, wie zuvor, den andern Theil acht Zoll, und den dritten ſechs Zoll und den vierten drey Zoll tief. Der Erfolg wird dieſer ſeyn, daß die Frucht auf dem tief geakkertem Felde beſſer ſtehet, als auf dem Felde, das nach der ge - woͤhnlichen Art iſt geakkert worden, doch aber wird ſich die Frucht, welche auf dem Theile des tiefgeak - kerten Feldes ſtehet, der zur Saat nur drey Zoll tief iſt geakkert worden, beſonders hervor thun.
Laſſet einen Akker zwey Furchen tief akkern. Den einen Theil dieſes Akkers uͤberziehet mit einer ſchweren Egge, um die heraufgebrachte Erde mit der unterge - akkerten, ſo gut, als es moͤglich iſt, zu vermiſchen. Den andern Theil uͤberziehet mit einer leichten Egge. Bey - de Theile laſt nach der gewoͤhnlichen Art zur Saat ak - kern, und beſtellet dieſe mit einerley Saamen zu einer - ley Zeit. Der erſte Theil dieſes Akkers wird ſich in der Fruchtbarkeit von dem andern merklich unter - ſcheiden.
Dieſe Erfahrungen geben uns einen Grund, die dritte Regel zu bilden, welche uns in den Stand ſetzet, dieſe Frage: wie tief ſoll geakkert werden? zu beantworten.
Wenn die untere Erde nicht voͤllig untragbar iſt, ſo kann der Akker nicht zu tief bearbeitet werden, doch muß man die untere Erde, ſo gut als es moͤglich iſt, mit der obern ver - miſchen, und zur Saat muß nicht tiefer ge - akkert werden, als es noͤthig iſt, den Saamen zu bedekken.
Der125von dem Akkerbau.Der letzte Theil dieſer Regel kan auch aus dieſem erklaͤ - ret werden. Wird das Feld zur Saat zu tief geak - kert, ſo wird die geſchwaͤngerte Erde, aus welcher der Saame die Nahrung ziehen ſoll, in die Hoͤhe gebracht, und daher iſt ſie wider die Gewalt der Sonnen nicht ge - nug bedekket.
Das Haupl-Stuͤck bey dem akkern iſt den AkkerWie das Feld lukker zu machen. recht lukker zu machen (§. 113). Wie kann dieß be - werkſtelliget werden? Jſt der Akker recht lukker, ſo hat er in ſeiner Flaͤche viele Erde, keine Klumpen, und die Erde iſt wohl durch einander gemiſchet. Will man demnach ſein Feld recht lukker machen, ſo muß man es
Aus dieſem wird man auch ſehr leicht die WerkzeugeVon den Ak - ker-Werk - Zeugen. beurtheilen koͤnnen, die man zur Bearbeitung der Felder noͤthig hat. Der Pflug muß alſo gebauet werden, daß er tief genug eingreifen, und ſo wohl die Erde, als auch die Wurzeln des Unkrauts durch -ſchneiden,126Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittſchneiden und die aufgeriſſene Erde uͤber ſich werfen koͤnne (§. 163). Die Egge muß nach ihrer Abſicht gebauet werden. Soll ſte die Erde vermiſchen und die Klumpen zermalmen, ſo muß ſie ſchwerer ſeyn, und laͤngere Zakken haben, als wenn ſie nur zum einzie - hen des Saamens ſoll gebraucht werden.
Anmerk. Es wuͤrde nach meiner gegenwaͤrtigen Abſicht zu weitlaͤuftig werden, wenn ich dieſe Dinge hier genauer unterſuchen wollte. Wer dasjenige verſtehet, was ich bis hieher abgehandelt habe, und wer ſich in den erſten Gruͤnden der Mechanik um - geſehen hat, dem wird es nicht ſchwer fallen, auch in dieſem Stuͤkke viel nuͤtzliches zu entdekken. Wobey insbeſondere mit Nutzen kann geleſen wer - den: die Abhandlung von dem Akkerbau, nach den Grundſaͤtzen des Herrn Tull, heraus - gegeben von Herrn du Hamel du Monceav.
Wir wollen hiebey noch eine Aufgabe aufloͤſen: ob es nuͤtzlicher ſey das Feld mit Ochſen oder mit Pferden zu bearbeiten? Wenn das Feld nicht zu ſchwer iſt, ſo gebe ich den Ochſen einen Vorzug. Die Gruͤnde ſind dieſe: Einmahl, in einerley Zeit koͤnnen drey Ochſen ſo viel arbeiten als zwey Pferde. Man ziehe die Rechnung von dem, was drey Ochſen und was zwey Pferde zu unterhalten koſten, man erwe - ge hiebey, daß man die Ochſen, wenn ſie ausgear - beitet haben, maͤſten koͤnne, ſo wird man es uns ver - willigen, daß wir bey den Ochſen einigen Vortheil haben. Fuͤrs andere, ein Ochs gehet langſam, und fuͤhret durchaus eine ebene Furche; da im Gegentheil das Pferd ſehr oft den Pflug uͤber einige Theile der Furche wegfuͤhret. Wer kann ſich allemahl auf dasGeſinde127von dem Akkerbau. Geſinde verlaſſen. Folglich gehet man bey dem Ge - brauche der Ochſen ſicherer. Fuͤrs dritte, den Ochſen kann man am Mittage im Felde fuͤttern. Und da - her gewinnet man bey dieſem einige Zeit. Fuͤrs vier - te, der Ochſe drukket die Erde nicht ſo veſt ein, wie ein Pferd. Aus dieſer Urſache iſt er auch in der Egge nuͤtzlicher, als das Pferd.
Bey dieſer Abhandlung muͤſſen wir vier StuͤkkeAbſicht die - ſes Kapitels. unterſcheiden. Die Art des Saamens, den man ausſaͤen ſoll. Die Menge dieſes Saamens. Die Zeit, wenn man ſaͤen ſoll; und wie tief der Saa - me in die Erde muͤſſe gebracht werden. Wir wollen jeden Punkt kurz, aber doch nach unſerer Abſicht voll - ſtaͤndig unterſuchen.
Der erſte Punkt muß aus verſchiedenen AbſichtenDie Wahl des Saa - mens muß gemacht werden. beurtheilet werden. Wir muͤſſen bey der Endſchei - dung dieſes Punkts theils auf den Nutzen, theils auf die Verhaͤltniß des Saamens gegen den Voden ſehen, auf welchen er ſoll geſaͤet werden.
Ein Wirth muß bey der Beſtimmung des NutzensEinmahl nach dem Nutzen, wie dieſer zu be - ſtimmen. den ganzen Zuſammenhang ſeiner Wirthſchaft in Er - wegung ziehen. Wir koͤnnen die Fruͤchte des Feldes unmittelbar, wir koͤnnen dieſe auch mittelbar zu Gelde machen. Dieß iſt moͤglich einmahl durch dieMaſtung128Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittMaſtung. Fuͤrs andere, wenn wir unſere Fruͤchte verarbeiten, dieſe Werke unſers Fleißes verkaufen, und die Abgaͤnge zur Fuͤtterung des Viehes beſtimmen. Wer demnach ein gegruͤndetes Urtheil von dem Nutzen der Fruͤchte faͤllen will, der muß es unterſuchen:
Wenn wir eine ſolche Wirthſchafts-Pruͤfung genau anſtellen, ſo werden wir es bald merken, daß uns auch in dieſem Stuͤkke unſere Unwiſſenheit und das alte Herkommen mehr als einen Schaden zufuͤget. Cajus hat ein geringes Feld, es will keine Gerſte tra - gen, er beſaͤet es mit Hafer, und der Gewinn be - zahlet kaum die aufgewandte Muͤhe. Titius hat ein Feld, das jenem gleichguͤltig iſt. Er beſaͤet dieß zur rechter Zeit mit Duͤnkel oder Speltze. Er bekommt mehrere Fruͤchte wie jener. Er kann ſeine Fruͤchtezu129von dem Akkerbau. zu mehreren Abſichten anwenden. Er ziehet die Rech - nung, und der Schluß wird, er habe mehr gewonnen, wie Cajus. So gehet es uns auch in andern Faͤllen. Wir verlangen Oel, wir bauen zu dieſem Ende Ruͤb - ſen: warum verwerfen wir unſere Sonnen-Roſen. Sollten ſich dieſe nicht beſſer bezahlen. Cajus bauet auf ſeinem Felde eine Frucht, die er ſo hoch, wie die Gerſte, zu Gelde machen kann. Er verkauft die - ſe Frucht und kauft Gerſte. Er verbraut dieſe, und er hat nach Abzug aller Koſten ſeine reich - liche Bezahlung, und freyes Futter fuͤr das Vieh. Dieſer Handel macht ihm eine Bekandſchaft, die ein Mittel wird, ſein Bier zu vertreiben. Tirius hat Gelegenheit, dieſer Wirthſchaft nachzuahmen. Allein er bauet Gerſte, er verbrauet dieſe, und er klaget, daß es ihm an Mitteln fehle, ſein Bier zu vertrei - ben. Wer iſt der kluͤgſte Wirth? Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß ein Wirth, die von uns §. 168. angefuͤhrten Stuͤkke in Erwegung ziehen muͤſſe, wenn er dieſe Frage: Was ſoll ich ausſaͤen? mit Klug - heit beantworten will.
Soll die Natur durch den Saamen ein beſtimmtesFuͤrs andere nach deſſen Verhaͤltniß gegen den Boden. Ding in der gehoͤrigen Vollkommenheit wuͤrken, ſo muß der Akker Kraͤfte genug haben, dieſe Abſicht zu befoͤrdern. Wenn wir mit dieſer Regel dasjenige verbinden, was wir §. 45. von den verſchiedenen Arten der Erdgewaͤchſe, §. 73. von der Vollkom - menheit des Saamens in Beziehung auf den Akker, §. 101. von den Arten der Felder, und §. 106. bis §. 123. wie auch §. 83. und folgenden von der Guͤ - te der Felder abgehandelt haben, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, die Art des Saamens nach deſſen Verhaͤlt - niß gegen den Voden, auf welchen er ſoll geſaͤet werden, zu beſtimmen.
Wir wollen zu dieſem noch eine beſondere Anmer - kung fuͤgen, die vielleicht nicht nur angenehm ſondern auch nuͤtzlich iſt. Es iſt vielmahl noͤthig, vielmahl aber auch nur nuͤtzlich, daß man den auszuſtreuenden Saamen mit einem oder mit einigen Saamen von andern Arten vermiſchet. Dieſe Vermiſchung iſt noͤ - thig, wenn der Haupt-Saamel bey dem Anfange ſeines Wachsthums eine Bedekkung entweder wider die Hitze und Kaͤlte, oder auch wider die Anfaͤlle des Ungeziefers erfordert. Z. E. wenn man Wei - tzen mit Korn vermiſchet, ſo bedekket das Korn den Weitzen wider die Kaͤlte, und wenn Kohl-Saamen mit Salat vermiſchet wird, ſo ſchuͤtzet der Salat die Pflanzen wider die Anfaͤlle der Erd-Floͤhe. Die erſte von dieſen Abſichten der Vermiſchung bildet folgende Regel:
Der Haupt-Saame muß mit einem Saamen vermiſcht werden, der ſchneller waͤchſt, und der Blaͤtter treibet, die das Gewaͤchſe von jenem, wenn es aufgehet, bedekken koͤnnen.
Anmerk. Ruͤben, wenn ſie aufgehen, koͤnnen die Strenge der Sonnen-Hitze nicht vertragen. Man vermiſche dieſen Saamen mit Erbſen, ſo werden die Erbſen dieſes Gewaͤchſe wider die Strenge der Sonnen-Hitze bedekken. Dieſe Erb - ſen koͤnnen alsdenn, wenn die Ruͤben-Blaͤtter Staͤrke genug haben, ein vortrefliches Vieh-Futter geben.
Die andere von dieſen Abſichten der Vermiſchung giebt folgende Regel:
Der131von dem Akkerbau.Der Haupt-Saame muß mit einem ſolchen Saamen vermiſcht werden, der nicht ſpaͤter aufgehet, als jener, und deſſen Gewaͤchſe dem zu befuͤrchtendem Ungeziefer eine ange - nehmere Nahrung iſt, als das Gewaͤchſe von jenem.
Anmerk. Vermiſchet den Kohl-Saamen mit Salat, ſo wird es die Erfahrung lehren, daß die Erd Floͤhe und Schnekken ihre Nahrung an dem Salat ſuchen, und die Kohl-Pflanzen verſchonen. Sind ſie mit jenem fertig, ſo ſind ihnen dieſe zu ſtark.
Es giebt verſchiedene Arten von Saamen, dieBeſondere Vortheile dieſer Ver - miſchung. ſehr langſam wachſen, und die im Anfange ihres Wachsthums nicht viel Nahrung aber doch eine Be - dekkung noͤthig haben: wenn man dieſe mit andern Arten von Saamen vermiſchet, die ſchneller wachſen, und die jenem in der Erde keine Hinderniß, aber doch uͤber der Erde eine Bedekkung ſind; ſo muß dieſe Vermiſchung nicht nur dem Wachsthume des Haupt - Saamens befoͤrderlich, ſondern auch dem Wirthe nuͤtz - lich ſeyn. Wir wollen dieſen Saamen, den wir mit dem Haupt-Saamen zu der angenommenen Abſicht vermiſcht haben, den Neben-Saamen nennen. Das Gewaͤchſe von dieſem Neben-Saamen wird voll - kommen, ehe das Gewaͤchſe von dem Haupt-Saamen voͤllige Nahrung noͤthig hat. Folglich giebt es dem Wirthe eine Neben-Erndte, die ihm den Aufwand bey der Beſtellung des Feldes bezahlen kann. Dieß iſt dem Wirthe ein Nutzen. Wird das Gewaͤchſe von dem Neben-Saamen, wenn es die ihm geſetzte Abſicht erreichet hat, aus der Erden gezogen, ſo macht dieß zu der Zeit, da das Gewaͤchſe des Haupt-Saa -J 2mens132Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittmens voͤllige Nahrung noͤthig hat, den Boden luk - ker. Dieß iſt ſeinem Wachsthum befoͤrderlich. u. ſ. f.
Anmerk. Man vermiſche z. E. den Saamen von Moͤhren mit Annis, Senf und dergleichen. Dieſes Geſaͤme ſetzet den Moͤhren keine Hinder - niſſe. Es dienet dieſen im Anfange zur Bedek - kung. Es wird reif ehe die Moͤhren vollkommen wachſen, und es kann zu der Zeit mit Nutzen aus - gezogen werden, da die hierdurch lukker gemachte Erde ein Mittel wird, den Zufluß der Nahrung bey den Moͤhren zu befoͤrdern. Dieß Geſaͤme bezahlt die aufgewandten Koſten. Dieß iſt eine Erfahrung.
Bey der Beantwortung der andern Frage: wie viel ſoll auf einem Akker geſaͤet werden, ſ. §. 166. muͤſſen wir wiederum auf verſchiedene Stuͤkke ſehen. Theils auf die Guͤte des Feldes, theils auf die Art des Saamens und der Frucht, die durch dieſen Saa - men ſoll gezeuget werden. Jn Anſehung des erſten Punkts bilde ich dieſe Haupt-Regel:
Einem guten Akker kann man mehrern Saa - men von einer beſtimmten Art geben, als ei - nem ſchlechten.
Die Wahrheit dieſer Regel folget unmittelbar aus dem, was wir §. 38. von dem Wachſen und §. 114. und folg. von der innern Guͤte der Felder abgehan - delt haben.
Jn Anſehung des andern Punkts bilde ich dieſe Regel:
Alles Getraide, das ſich im Wachſen beſtok - ket, Erd-Gewaͤchſe, die, wenn ſie vollkommen ſind, in dikken Wurzeln beſtehen, und Erd -Gewaͤchſe,133von dem Akkerbau. Gewaͤchſe, die ſich uͤber der Erden ausbrei - ten, muͤſſen nicht ſo dikke geſaͤet und gepflan - zet werden, als dasjenige Getraide, und diejenigen Erd-Gewaͤchſe, bey welchen die entgegengeſetzten Eigenſchaften ſtatt finden.
Die Wahrheit dieſer Regel iſt aus dem klar, weil jene einen groͤßern Raum und mehrere Nahrung noͤ - thig haben, als dieſe.
Anmerk. Aus dieſem laͤſt es ſich begreifen, war - um das Stekken des Saamens, wenn es nur moͤg - lich iſt, nuͤtzlicher ſey, als das Saͤen.
Dieß, was wir bis hieher abgehandelt haben, giebtEine allge - meine Regel dieß zn be - ſtimmen. uns einen Grund, dieſem nachzudenken, ob man nicht eine allgemeine Regel bilden koͤnne, die uns die Ver - haͤltniß der Geſaͤme in Beziehung auf dieſe Frage: wie dick ſie ſollen geſaͤet werden? entweder mit einer Gewißheit oder doch mit einer Vermuthung beſtim - met. Jch habe in dieſer Abſicht mehr als einen Ver - ſuch angeſtellet, und es ſcheinet, daß man bey denen Gewaͤchſen, die nicht verpflanzet werden, und die von einem Geſchlechte ſind, auf die beſondere Schwere des Saamens ſehen muͤſſe; ſo daß ſich die Men - ge des auf einen beſtimmten Akker auszuſtreu - enden Saamens von einer Art zur Menge des auf einen ſolchen Akker auszuſtreuenden Saa - mens von einer andern Art verhalte, wie ſich die beſondere Schwere von dieſem Saamen zur beſondern Schwere von jenem Saamen ver - haͤlt. Das iſt, wenn ſich die beſondere Schwere des beſtimmten Saamens a zur beſondern Schwere des beſtimmten Saamens b verhalt, wie 4 zu 3, ſo muß man auf einen ſolchen Akker, auf welchen manJ 3drey134Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittdrey Scheffel von a ſaͤet, vier Scheffel von b ſaͤen.
Anmerk. Es iſt wahr, ich kann dieſe Regel noch nicht mit Gewißheit beweiſen. Sie kann aber doch als eine Regel angenommen werden, die unſere Beſchaͤftigungen in zweifelhaften Faͤllen be - ſtimmet. Jch habe ſie mehr als einmahl ange - wendet, und in dieſen Faͤllen hat ſie allemahl die Probe gehalten.
So weit von dem andern Punkte. Der dritte ge - het auf die Zeit, wenn man ſaͤen muß. Siehe §. 166. Wir werden einige allgemeine Regeln bilden koͤnnen, dieſe Frage zu beantworten, wenn wir dieſe Erfahrungen zum Grunde legen:
Aus dieſem bilde ich folgende Regeln.
Die erſte Regel:Aus dieſen folget die erſte Regel.
Zu einer ſolchen Zeit, da es zu vermuthen iſt, daß ein die Flaͤche der Erden durchdringen - der Froſt entſtehe, wenn der Saame in der Milch iſt, muß nicht geſaͤet werden. (§. 177. erſte Erf.)
Die andere Regel:Die andere.
Der Saame, deſſen Gewaͤchſe, wenn es in Blaͤttern ſtehet, auch den ſtaͤrkſten Froſt ver - tragen kann, muß vor dem Winter geſaͤet werden, doch aber zu einer ſolchen Zeit, daß er, ehe der Froſt kommt, Blaͤtter treiben, aber doch nicht ſchoſſen kann.
J 4Denn136Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittDenn da unter dieſen Umſtaͤnden der Froſt dem Saamen nicht ſchaͤdlich iſt, (§. 177. die 3te und 5te Erf.); So hat man dieſen Vortheil, daß der Saame die Winter-Feuchtigkeit genieſſet. Dieſe giebt ihm ei - ne vorzuͤgliche Nahrung und Staͤrke zum wachſen (§. 82. 125. ) darum iſt es nuͤtzlich.
Die dritte Regel:
Der Saame, deſſen Gewaͤchſe, wenn es in Blaͤttern ſtehet, nur einen ſolchen Froſt ver - tragen kann, der nicht hart iſt, muß im Fruͤh - jahre ſo zeitig geſaͤet werden, als es moͤglich iſt, und wenn man keine harte, die Flaͤche der Erden durchdringende Froͤſte vermuthen kann.
Denn je zeitiger man einen ſolchen Saamen ſaͤet, deſto mehr kann er im Anfange des Wachſens von der Win - ter-Feuchtigkeit genieſſen. Dieß iſt ihm nuͤtzlich (§. 82. 125). Und ſollte bey herannahendem Sommer eine Duͤrre einfallen, ſo kann ihm dieſe ſo ſchaͤdlich nicht ſeyn, als wenn er ſpaͤt iſt geſaͤet worden, denn er hat mehrere Staͤrke zu fernerem Wachſen, als dieſer. Siehe die Anmerkung zu dem §. 142.
Die vierte Regel:
Der Saame, deſſen Gewaͤchſe keinen Froſt und keinen Reif vertraͤgt muß woferne man dieſen nicht wider den Froſt und wider die Kaͤl - te bedekken kann a), nicht eher geſaͤet werden, als wenn keine Nacht-Froͤſte und keine Reiffe mehr zu vermuthen ſind.
Anmerk. a) Wie unter gewiſſen Umſtaͤnden dieſe Bedekkungen moͤglich ſind, dieß kann in den Fuͤrleſungen gezeiget werden.
Die fuͤnfte Regel:
Erbſen und andere Huͤlſen-Fruͤchte von dieſerDie fuͤnfte. Art muͤſſen ſo zeitig geſaͤet werden, daß ſie zu der Zeit, da man ſtarke Blitze zu vermuthen hat, ausgebluͤhet haben. (§. 177. Erf. 4.)
Anmerk. Jch habe dieſe Fruͤchte mehr als ein - mahl in dem letzten Viertel vor dem Oſter-Voll - mond ſaͤen laſſen, und die Beobachtung dieſer Re - gel hat ſich allemahl fruchtbar bewieſen.
Wir kommen zu dem letzten Punkt, wie tief ſollGruͤnde, zu beurtheilen, wie tief man ſaͤen ſoll. man ſaͤen? Man hat zwey Arten, den Saamen in die Erde zu bringen, durch unterakkern und durch ein - eggen. Jene bringt den Saamen tiefer in die Erde, als dieſe, und ich weiß es nicht, ob ich jener oder dieſer Art den Vorzug geben ſoll. Der untergeakker - te Saame muß nothwendig, wenn duͤrres Wetter ein - fallen ſollte, mehrere Feuchtigkeit genieſſen, als der ein - geeggete. Er iſt auch wider die Anfaͤlle der Voͤgel, und wenn es Winter-Saat, wider die Kaͤlte mehr be - dekket, als dieſer. Doch aber lehret auch dieß die Er - fahrung, daß jener ſpaͤter aufgehet als dieſer, und daß von jenem, wenn zu gleicher Zeit einerley Saamen auf einerley Akker iſt geſaͤet worden, allemahl meh - rere Koͤrner zuruͤck bleiben, als von dieſem, woferne nicht von einer eingefallenen Duͤrre, oder von einem eingefallenem Froſte das Gegentheil ſollte gewuͤrket werden. Der untergeakkerte Saame waͤchſt mehren - theils friſcher, als der eingeeggete: und jener beſtockt ſich beſſer, wie dieſer.
Wenn wir dieſe Umſtaͤnde gegen einander halten, undHierzu wird die erſte mit einander vergleichen, ſo giebt uns dieß einen Grund, folgende Regeln zu bilden.
J 5Die138Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittDie erſte Regel:
Es iſt ſchaͤdlich, wenn man den Saamen zu tief unterakkert. Denn hiedurch werden viele Koͤrner erſtikket, daß ſie nicht hervorwachſen koͤnnen. (§. 183.)
Die andere Regel:
Es iſt nachtheilig, wenn man den Saamen nur einegget. Denn in dieſem Falle iſt nicht nur eine gleich nach der Ausſaat einfallende Duͤrre oder Kaͤlte dem Wachsthum gefaͤhrlich, ſon - dern es iſt auch der Saame nicht genug wider die Anfaͤlle der Voͤgel bedekket (§. 183).
Die dritte Regel:
Man gehet am ſicherſten, wenn man den Saa - men, wenn der Akker zuvor wohl iſt durchge - arbeitet worden, flach unterakkert. (§. 184. 185).
Die Wahrheit dieſer Regel erhellet nicht nur aus dem §. 184. 185. ſondern es giebt noch andere Gruͤnde, welche dieſe unterſtuͤtzen. Es ſey die Rede von der Sommer-Saat. Will man dieſe tief unterakkern, ſo muß man die zuvor von der Winter-Feuchtig - keit geſchwaͤngerte Erde wiederum der freyen Luft darſtellen. Dieß iſt nachtheilig (§. 82). Will man dieſe Saat nur eineggen, ſo wird es ſchwer halten, alle Koͤrner unter die Erde zu bringen, daß ſie Feuch - tigkeit genug zum Keimen bekommen koͤnnen. Da - her bleibt bey der Sommer-Saat dieß, den Saamen flach unterzuakkern, der ſicherſte Weg. Es ſey die Rede von der Winter-Saat. Will man dieſe tiefunter -139von dem Akkerbauunterakkern, ſo bringt man die von der Duͤngung ge - ſchwaͤngerte Erde in die Hoͤhe, daß ſie von den duͤr - ren Herbſt-Winden kann durchſtrichen werden. Dieß iſt nachtheilig. Will man dieſe Saat nur eineggen, ſo iſt auch diejenige nachtheilige Wuͤrkung hier moͤglich, die wir in dieſem Fall bey der Sommer-Saat ange - merket haben. Folglich iſt auch bey der Winter - Saat dieß der ſicherſte Weg, wenn man den Saa - men flach unterakkert.
Anmerk. Es iſt nicht ohne Ueberlegung geſchehen, daß ich dieſe Regel nur auf den Fall angenommen, wenn der Akker vorher wohl iſt durchgearbeitet wor - den. Jſt dieß nicht geſchehen, und man will doch den Saamen flach unterakkern, ſo wird der Akker nicht genug lukker gemacht. Dieß aber iſt ein we - ſentlicher Fehler bey der Beſtellung der Felder. Siehe §. 109.
Man hat guten Saamen auf einem wohl zubereite -Es iſt nicht genug, daß wir den Ak - ker wohl be - ſtellet haben ten Akker geſaͤet, und dieß zu rechter Zeit, und in der Art, die uns von der mit der Erfah - rung verbundenen Vernunft vorgeſchrieben wird. Jſt nun dieß genug? Wirthe, die ihre Gedanken nur in dem Herkommen gruͤnden, werden dieſe Frage be - jahen. Jch muß dieſem Urtheile widerſprechen. Jch werde hiezu ſo wohl durch die Erfahrung, als auchdurch140Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittdurch die Vernunft genoͤthiget. Die Vernunft bil - det dieſen Schluß. Ein Wirth ſoll geſchickte Mit - tel anwenden, eine gute Abſicht auszufuͤhren. Dieß iſt eine Anwendung der Weisheit. Dieſe iſt ohne Klugheit unfruchtbar. Und darum iſt es, eine Ab - ſicht auszufuͤhren, nicht genug, daß man geſchickte Mittel anwendet, man muß auch die Hinderniſſe entkraͤften, welche ſtark genug ſind, die angewende - ten Mittel wider die Abſicht zu lenken. Wir wollen dieß auf den Akkerbau anwenden. Sollen die Erd - Gewaͤchſe vollkommen wachſen, ſo muß die Erde mit den weſentlichen Dingen der Natur wohl vermiſcht, und ſie muß lukker gemacht werden, daß die Luft hin - eindringen, die Bewegung in der Erde unterhalten, und die wachſenden Kraͤfte vermehren koͤnne. (§. 38). Jn dieſen Stand iſt der Akker von uns alsdenn ge - ſetzt worden, wenn wir ihn wohl bearbeitet haben. Sind nun hier keine Hinderniße moͤglich, die dieſe an - gewendeten Mittel wider unſere Abſicht lenken koͤn - nen? Kann nicht das aufgehende Unkraut unſern Erd-Gewaͤchſen die Nahrung entziehen? und koͤnnen nicht allerhand Umſtaͤnde die Flaͤche des wohlbearbei - teten Feldes wiederum veſte machen, daß der Zufluß der Luft alsdenn verhindert wird, wenn das Erd - Gewaͤchſe dieſen zum Wachsthum noͤthig hat.
Aus dieſem ſchluͤße ich: Die Fuͤrſorge eines ver - nuͤnftigen Wirthes wird alsdenn nicht aufhoͤren, wenn er den Akker beſtellet hat. Er muß auf Mittel den - ken:
Wie ſind dieſe Mittel moͤglich? Soll das UnkrautDas erſte Mittel. auf dem beſtelltem Akker getilget werden, ſo iſt dieß nicht genug, daß man es abreißt. Die Wurzeln ent - ziehen den Fruͤchten die Nahrung, und darum muß es mit den Wurzeln aus der Erde gezogen werden. Das gewoͤhnliche Mittel, was uns zu dieſem Endzweck fuͤhrer, iſt das Gaͤten. Und wenn die Anwendung dieſes Mittels moͤglich iſt, ſo kann uns dieß auf mehr als auf einerley Art nuͤtzlich ſeyn. Denn wird das Unkraut mit den Wurzeln ausgeriſſen, ſo wird hiedurch zugleich der Akker lukker gemacht, und das ausgeriſſene Unkraut kann zur Fuͤtterung gebraucht werden.
Anmerk. Es iſt hiebey zu unterſuchen, ob es nuͤtzlicher ſey, dieſes Unkraut friſch zu verfuͤttern, oder nachdem es zuvor iſt gedoͤrret worden, im Winter einzubruͤhen.
Den andern Endzweck zu erreichen, hat man mehrDas andere Mittel. als ein Mittel erſonnen, und ein Wirth muß auch in dieſem Stuͤkke Klugheit anwenden, die es uns leh - ret, die Mittel nach der Beſchaffenheit der Umſtaͤnde zu erwehlen, und zu veraͤndern. Jch zehle unter die - ſe Mittel:
Einmahl, die Vermiſchung des Haupt-Saamens mit einem Neben-Saamen. S. §. 171). Man vermiſchet zu dieſem Ende mit dem Haupt - Saamen einen andern, der ſchneller aufgehet, und deſſen Gewaͤchſe, wenn es nicht zur Reife kommen ſoll, eine gute Fuͤtterung iſt. Jſt die - ſes ſtark genug gewachſen, und iſt es Zeit, dem Haupt-Gewaͤchſe einen Zufluß an Nahrung zu verſchaffen, ſo ziehet man es mit den Wurzelnaus,142Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittaus: dieß macht den Boden lukker, und die Fuͤtterung, die hiedurch erhalten wird, bezah - let die Koſten. Aus dieſer Abſicht vermiſcht man z. E. Weitzen mit Korn, Ruͤben mit Erb - ſen, u. ſ. f. Soll aber das Gewaͤchſe dieſes Neben - Saamens zur Reife kommen, ſo muß es eine ſolche Frucht ſeyn, die alsdenn kann ab - genommen werden, wenn bey dem Haupt Ge - waͤchſe ein vorzuͤglicher Zufluß von Nahrung noͤthig iſt. Denn alsdenn ziehet man dieß Ne - ben-Gewaͤchſe mit den Wurzeln aus, dieß macht den Boden lukker, und die Frucht bezahlet die aufgewendeten Koſten. Dieß kann mit der Vermiſchung des Senfs mit den gelben Ruͤben erleutert werden.
Fuͤrs andere, das Eggen. Dieß kann bey dem beſtelltem Akker mehr als auf einerley Art nuͤtz - lich ſeyn. Einmahl, iſt der Akker beſtellt, und es faͤllt, ehe das Getraide aufgehet, ein Schlag - Regen, ſo iſt es leicht moͤglich, daß dieſer die Flaͤ - che des Akkers ſo veſte macht, daß das Getrai - de nicht heraus kann. Ein Wirth laͤſt alsdenn den Akker mit einer Egge uͤberziehen. Dieß macht die Flaͤche wieder lukker, und dieß befoͤr - dert den Wachsthum. Fuͤrs andere, wenn der Saame zu dick aufgehet, ſo benimmt eine Pflanze der andern die Nahrung. Dieß iſt die Urſache, daß ſie nicht vollkommen werden. Man muß demnach einige ausziehen. Sollte nun das Gaͤ - ten zu viele Koſten machen, ſo muß man auch in dieſem Falle ſeine Zuflucht zur Egge neh - men.
Anmerk. 143von dem Akkerbau.Anmerk. Es kann bey dieſem Punkte mit Nu - tzen geleſen, was der Herr Rathsmeiſter Reichart in dem Land - und Garten-Schatze in dem er - ſten Theil, im ſechzehenten Capitel, und in dem dem dritten Theile im dritten Capitel vortref - lich abgehandelt hat.
Fuͤrs dritte, das Hakken. Auch dieß kann demDas vierte Mittel. Gewaͤchſe aus verſchiedenen Urſachen nuͤtzlich ſeyn. Einmahl macht es den Boden lukker. Dieß erleichtert den Einfluß der Luft in die Er - de, und darum iſt es ein Mittel zur Befoͤrderung des Wachsthums. (§. 37. und folg.) Fuͤrs an - dere, werden durch das Hakken Gruben gemacht, in welchen ſich die Feuchtigkeiten ſammlen koͤnnen, die das Gewaͤchſe zur Nahrung noͤthig hat. Fuͤrs dritte, werden die Gewaͤchſe mit Ver - ſtand und mit Behutſamkeit behakket, ſo iſt dieß ein Mittel, die Spitzen von den Neben-Wurzeln abzuhauen. Nun beſtaͤtiget es die Erfahrung, daß aus einer ſolchen an ihrer Spitze verletzten Wurzel nach und nach verſchiedene Roͤhren her - vor wachſen, durch welche das Gewaͤchſe mehrere Nahrung, als zuvor, anziehen kann. Folglich iſt auch dieß eine Urſache, warum das Behak - ken nuͤtzlich.
Das Behakken iſt nuͤtzlich. Bey verſchiedenen Ge -Das fuͤnfte Mittel. waͤchſen, z. E. bey dem Kohl, Erd-Aepfeln, u. ſ. f. noͤ - thig. Aber auch koſtbar. Das Behakken iſt darum nuͤtzlich, weil es den Boden lukker macht, weil hie - durch der Akker zwiſchen den Pflanzen Gruben be - kommt, und weil hiedurch die Spitzen von den Sei -ten -144Der Land-Wirthſchaft 2 Abſchnittten-Wurzeln abgehauen werden (§. 192). Dieſe Be - ſtimmungen koͤnnen auch durch das Pfluͤgen gewuͤrket werden, wenn nur der Pflug nach dieſer Abſicht ein - gerichtet, und das Pfluͤgen mit Verſtand unternom - men wird, und darum giebt uns das Pfluͤgen zu der von uns angenommenen Abſicht das fuͤnfte Mittel. Nemlich, man pflanze das Gewaͤchſe, was man behak - ken will, nach einer geraden Linie in einer ſolchen Endfernung, daß man zwiſchen die Pflanzen mit ei - nem bequemen Pfluge pfluͤgen und die Seiten-Wur - zeln mit dem Pfluge abſtoſſen kann, ohne die Pflan - zen auszureiſſen.
Anmerk. von dem Bau eines ſolchen Pfluges, der zu dieſer Abſicht nuͤtzlich iſt, koͤnnen wir mit Nutzen leſen, die zuvor angefuͤhrte Abhandlung von dem Akkerbau nach den Grund-Saͤtzen des Herrn Tull.
So weit von dem erſten Punkte. Der andere be - ſchaͤftiget ſich mit der Erndte. Bey dieſer muͤſſen wir die Zeit von der Art und Weiſe unterſcheiden. Die Zeit zu beſtimmen muͤſſen wir diejenigen Erd-Gewaͤch - ſe, von welchen wir die Koͤrner verlangen, von de - nen unterſcheiden, von welchen wir keine Koͤrner ver - langen. Jn Anſehung der erſten Art bilde ich fol - gende Regel:
Das Getraide muß alsdenn abgehauen wer - den, wenn es voͤllig reif, aber noch nicht trocken iſt.
Der Grund dieſer Regel liegt in dem §. 70.
Jn Anſehung der andern Art bilde ich dieſe Regel:
Die145von dem Akkerbau.Die Gewaͤchſe, von welchen wir keine Koͤr -Andere Re - gel. ner verlangen, z. E. Kohl, Ruͤben, muͤſſen als - denn eingeſammlet werden, wenn ſie nicht mehr wachſen.
Will man dieſe eher einſammlen, ſo ſind ſie nicht vollkommen. Will man dieſe laͤnger ſtehen laſſen, ſo muͤſſen wir befuͤrchten, daß ſie verderben. Siehe §. 70.
Anmerk. Jch betrachte dieſe Sache nur nach den Geſetzen der Land-Wirthſchaft. Die Wolluſt macht es uns oft nuͤtzlich, wenn wir dieſe Gewaͤch - ſe eher einſammlen, als bis ſie das angenommene Ziel erreicht haben. Z. E. der Verkauf junger Ruͤben kann uns oͤfters das Jntereſſe von dem Ak - ker bezahlen. Jſt dieß moͤglich, welches die Um - ſtaͤnde des Orts lehren, ſo koͤnnen wir auf unſern Akker mehreren Saamen ſtreuen, als ohne dieſem erforderlich, nach und nach junge Ruͤben auszie - hen, hiedurch den Akker lukker machen, und den Wachsthum der uͤbrigen befoͤrdern.
Die Art und Weiſe zu beurtheilen, ſ. §. 194. koͤn -Die Art und Weiſe bey der Erndte feſt zu ſetzen. Erſte Regel. nen, wie ich glaube, folgende Regeln nuͤtzlich ſeyn.
Einmahl: kein Erd-Gewaͤchſe muß naß in ſein Behaͤltniß gebracht werden. Denn ge - ſchiehet dieß, ſo muß es ſich erhitzen. Dieß verurſachet entweder, daß es verbrennet, oder daß es verfaulet, beydes iſt ſchaͤdlich.
Anmerk. Dieß giebt uns einen Grund, eine Haupt-Regel zu bilden, die bey dem Bau der Scheuer muß beobachtet werden: daß nemlich ei - ne Scheure alſo muͤſſe angeleget werden, daß, wenn es noͤthig iſt, die Luft durch ſtreichen koͤnne.
Fuͤrs andere. Ein Wirth muß bey der Ernd - te darauf ſehen, daß er allen nur moͤglichen Nutzen gewinnen koͤnne.
Die Wahrheit dieſer Regel fließet aus dem Begriff der Wirthſchaft. Es bleibt demnach nur die Frage uͤbrig: wie die Anwendung dieſer Regel moͤglich ſey. Wenn wir dem nachdenken, was wir in dem §. 452. folg. der Sitten-Lehre abgehandelt haben, ſo giebt uns dieß einen Grund, folgende Regeln zu bilden:
Jn Anſehung des dritten Punkts, der ſich mit der Abſonderung des Saamens beſchaͤftiget, muͤſſen wirwie -147von dem Akkerbau. wiederum die Zeit von der Art und Weiſe unterſchei - den. Jn Anſehung der Zeit koͤnnen wir folgende Er - fahrung zum Grunde legen: Alles Getreyde, oder uͤberhaupt alle Erdgewaͤchſe, von welchen wir die Koͤr - ner verlangen, ſchwitzen im Anfange, wenn ſie auf einander geleget werden, und ſo lange ſie im Schweiße ſind, ſitzen die Koͤrner ſo feſte, daß ſie nicht alle durch die gewoͤhnlichen Mittel koͤnnen abgeſondert werden. Aus dieſer Erfahrung folget dieſe Regel:
Man muß nicht eher dreſchen, als bis das Erd-Gewaͤchſe, oder das Getraide ausge - ſchwitzet hat.
Jn Anſehung der Art und Weiſe bilde ich folgendeDie Art und Weiſe dieſer Abſonde - rung zu beur - theilen. Erſte Regel Regeln:
Die erſte Regel:
Die Koͤrner muͤſſen von allen Neben-Dingen gereiniget werden.
Die andere Regel:
Man muß unterſuchen, ob und wo dieſe Ne -Andere Re - gel. ben-Dinge nuͤtzlich ſind, und ſie zu dieſem Nutzen verwahren. Denn ohne dieſen kann man nicht allen moͤglichen Vortheil gewin - nen, welches doch die Wirthſchaft erfordert.
Die dritte Regel:
Die Koͤrner muͤſſen nach ihrer beſondernDritte Re - gel. Schweere in verſchiedene Hanfen vertheilet werden.
Den Nutzen von dieſer Regel, und wie ihre Anwen - dung moͤglich ſey, dieß lehret der §. 71.
K 2Anmerk. 148Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittAnmerk. Dieß iſt der Grund, warum man die Koͤrner in gute oder Saamen-Koͤrner, in mit - telmaͤßige, und in geringe Koͤrner vertheilet.
Die letzte Frage: wie ſoll man die abgeſon - derten Fruͤchte verwahren? iſt theils aus dem, was wir §. 72. theils aus dem, was wir §. 74. abge - handelt haben, zu beantworten.
Anmerk. 1. Wuͤrde es die Abſicht dieſer Schrift erlauben, alle Wirthſchafts-Punkte genau und be - ſonders zu unterſuchen, ſo wuͤrde ich auch jetzo von den Wieſen und von der Graͤſerey handeln muͤſſen. Es verbiethet aber die Abſicht dieſer Schrift, daß daß ich mich in dieß beſondere einlaſſe. Das All - gemeine, was uns geſchickt macht, auch dieſe be - ſonderen Dinge zu beurtheilen, iſt mit dem, was wir bis hieher abgehandelt haben, einerley. Jm uͤbri - gen wird man auch von dieſen beſondern Punkten in den beliebten oͤconomiſchen Nachrichten vieles abgehandelt finden, was nuͤtzlich und gruͤnd - lich iſt. Und wo ich meinem Lehr-Gebaͤude nicht zu viel traue, ſo wird es uns in den Stand ſetzen, jenes nicht nur aus Gruͤnden, die der Natur gemaͤß ſind, verſtaͤndlich zu erklaͤren, ſondern auch zum Gebrauch der Wirthſchaft zu erweitern.
Anmerk. 2. Es hat einerley Urſache, warum ich nicht insbeſondere von der ſo noͤthigen Baum-Zucht rede. Wer ſich mit dieſer insbeſondere beſchaͤftigen will, dem will ich in Anſehung der Obſt-Baͤume den ſchon oft angefuͤhrten Land-und Garten-Schatz des Herrn Rathsmeiſters Reicharts, und in An - ſehung der wilden Baͤume, die zuvor angefuͤhrten oͤconom. Nachrichten, Herrn von Hosberg Georgicum curioſum, Herrn von Joͤchhauſen Nachricht vom Forſt-Weſen, und Herrn von Flemmings Abhandlung vom Forſt-Weſen, beſtens empfehlen.
Ein Wirth muß ſeine Ausgaben mit der EinnahmeAbſicht die - ſes Kapitels. jaͤhrlich vergleichen, das iſt, eine richtige Rech - nung fuͤhren. Er muß die Quellen ſeiner jaͤhrlichen Einkuͤnfte genau kennen, theils Mittel zu erfinden, dieſe zu erhalten, und wo es moͤglich iſt, ergiebiger zu machen, theils die Hinderniſſe zu entdecken, die dieſe Quellen verſtopfen koͤnnen, und geſchickte Mittel veſtzuſetzen, durch welche man dieſen zu befuͤrchtenden Hinderniſſen vorbeugen koͤnne (§. 464. der Sitten - Lehre). Wie iſt die Anwendung dieſer Regeln bey dem Akkerbau moͤglich, wenn man nicht von dem Akkerbau ſeines Gutes eine richtige Beſchreibung fuͤhret, die uns jaͤhrlich den Zuſtand unſerer Felder, den Aufwand und den Ertrag vor Augen leget.
Wenn wir dem nachdenken, was wir bis bieher vonEs ſind drey Haupt-Regi - ſter zu fuͤh - ren. dem Akkerbau abgehandelt haben, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, zu begreifen, daß wir dieſen Endzweck zu erreichen, drey Regiſter fuͤhren muͤſſen. Das er - ſte beſchreibet die Beſchaffenheit unſerer Felder. Das andere den Aufwand. Das dritte den Ertrag der Felder.
Wir haben in dem zweyten Kapitel dieſes Abſchnit -Einrichtung des erſten Regiſters in Anſehung der Felder. tes auf der 77 und folgenden Seiten alles erklaͤret, was wir wiſſen muͤſſen, wenn wir die Beſchaffenheit der Felder beurtheilen wollen. Dieß giebt uns einen Grund zu glauben, daß das erſte Regiſter, was die Be - ſchaffenheit der Felder beſchreibet, alſo einzurichten ſey.
K 3Re -150Der Land-Wirthſchaft 2 AbſchnittEin ſolches Regiſter muß auch von den Wieſen,und der Wie - ſen. die zu dem Guthe gehoͤren, gefuͤhret werden, welches folgender Geſtalt einzurichten:
Das andere Regiſter beſchreibet den Aufwand (§. 204). Dieſer iſt in verſchiedene Claſſen zu verthei - len. Er wird erfordert, theils zur Beſtellung der Felder, theils zur Verbeſſerung der innern Guͤthe, theils die Umſtaͤnde, die dem Felde ſchaͤdlich ſind, zu entkraͤften, theils die Umſtaͤnde, die dem Felde nuͤtzlich ſind, zur Verbeſſerung des Feldes zu lenken. Dieß iſt genug zu begreifen, daß dieſes Regiſter folgender Ge - ſtalt einzurichten ſey.
Regi -153von dem Akkerbau.Das dritte Regiſter beſchreibt den Ertrag der Felder. Dieß kann in das Erndte - und Dreſch-Regiſter gethei - let worden. Das Erndte-Regiſter iſt alſo einzurichten.
Anmerk. Damit man einen richtigen Ueberſchlag wegen der Vieh-Fuͤtterung machen koͤnne, ſo wird es nuͤtzlich ſeyn, ſo wohl die Ruͤben, als auch das Heu, und dergleichen, nicht allein nach Fudern, ſon - dern auch nach dem Gewichte in Rechnung zu bringen.
Das Dreſch-Regiſter iſt von einer jeden Art des Ge -Und in wie weit es das Dreſch-Re - giſter. traides beſonders zu fuͤhren, und alſo einzurichten.
Laͤſt ein Wirth ſeinen Akkerbau alſo beſchreiben, ſo iſt es einmahl moͤglich, daß er ſich allemahl einen richtigen Begrif von dem Zuſtande ſeines Guthes machen koͤnne, fuͤrs andere wird er hiedurch in Stand geſetzt, den Betruͤgereyen, ſo weit es moͤglich, vorzu - beugen. Fuͤrs dritte iſt dieß der ſicherſte Weg, ſein Guth, ſo viel es moͤglich iſt, zu verbeſſern. Fuͤrs vierte iſt dieß das ſicherſte Mittel, den Viehſtand nach der Menge und nach der Beſchaffenheit der Fuͤt - terung regelmaͤßig einzurichten. Von dieſem in dem folgenden.
Julius Caͤſar*), Tacitus**) und andere leh -Abſicht die - ſes Abſchnit - tes. ren es uns, daß unſere Vorfahren die Vieh - zucht hoͤher, als den Akkerbau geſchaͤtzet. Und vielleicht, wie es Herr Stißer***) angemerket hat, aus der Urſache, weil der Akkerbau mehrere Arbeit, als die Viehzucht, erfodert, und weil es uns in die Sinne faͤllt, daß uns das Vieh nicht nur Speiſe und Trank, ſondern auch die Kleidungen giebt. Man bilde ſich ein Land, das von ſolchen Menſchen bewoh - net wird, denen ſowohl die Erkenntniß, die der Ak - kerbau erfodert, als auch die Luſt, den Akker zu bauen, fehlet; ſo wird es nicht ſchwer fallen, die Urſache zu errathen, warum ſie die Viehzucht hoͤher halten, als den Akkerbau. Wenn wir aber den Nutzen, den wir von der Viehzucht alsdenn gewinnen koͤnnen, wenn wir unſere Felder regelmaͤßig bauen, mit dem Nutzen ver - gleichen, den wir von der Viehzucht alsdenn gewin - nen, wenn wir in dieſer die Haupt-Abſicht der Wirth - ſchaft ſetzen, und unſere Felder wuͤſte liegen laſſen, ſo werden wir gewiß dieſen Schluß machen, daß jener groͤßer ſey, als dieſer, wenn nur die Viehzucht regel - maͤßig gehalten wird. Wir wollen uns nun auch um dieſe Regeln bekuͤmmern. Man wird es uns leichtverwilli -158Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittverwilligen, daß ſich dieſe theils in der allgemeinen Lehre von den Wuͤrkungen der Natur, theils in der Erkenntniß von dem Nutzen der Viehzucht gruͤnden. Jene haben wir bereits oben, ſo weit es unſere Ab - ſicht erfordert, abgehandelt: Dieſe wollen wir jetzo bilden, und es alsdenn verſuchen, ob wir aus der Verbindung dieſer beyden Stuͤkke ein kurtzes Syſtem von der Viehzucht verfertigen koͤnnen, das uns in der Anwendung auf beſondere Faͤlle nuͤtzlich iſt.
Der wirthſchaftliche Nutzen der Viehzucht iſt aus verſchiedenen Gruͤnden zu beurtheilen, theils aus der Beziehung auf den Akkerbau, theils aus dem Gelde, das wir durch Huͤlfe des Viehes gewinnen koͤnnen.
Jn der Beziehung auf den Akkerbau kann uns das Vieh dreyfach nuͤtzlich ſeyn. Wir haben es noͤthig, einmahl zur Bearbeitung der Felder. Fuͤrs andere den Duͤnger zu erlangen. Fuͤrs dritte diejenigen Gewaͤchſe und Abgaͤnge, die wir nicht unmittelbar ins Geld ſetzen koͤnnen, durch die Verfuͤtterung in Geld zu verwandeln.
Jn Anſehung des erſten Vortheils bilde ich folgende Regeln: die erſte Regel
Die Anzahl des Viehes, das zur Bearbeitung der Felder gehalten wird, muß nicht groͤßerund159von der Viehzucht. und auch nicht geringer ſeyn, als es dieſe Ab - ſicht erfordert.
Jſt dieſe Anzahl zu geringe, ſo kann das Feld unmoͤg - lich genug bearbeitet werden, man kann es nicht zur rechten Zeit bearbeiten, dieß aber widerſpricht den Geſetzen der Wirthſchaft. Wenn wir ferner dieſen Satz annehmen, den uns die Erfahrung bekraftiger, daß das Vieh, was zur Bearbeitung der Felder gebraucht wird, in Anſehung des Nutzens am koſtbarſten zu erhalten iſt; ſo koͤnnen wir uns auch leicht von der Wahrheit des andern Gliedes in der angenommenen Regel uͤberzeugen, daß die Anzahl die - ſes Viehes nicht zu groß ſeyn muͤſſe. Denn in dem Gegentheile wird ein Aufwand gemacht, der uns kei - nen Nutzen bringet. Dieß iſt nicht wirthſchaftlich.
Die Gruͤnde, welche die Wahrheit dieſer Regel unter -Was bey der Anwendung dieſer Regel zu beobach - ten, ſtuͤtzen, wuͤrken zugleich dieſe Folge: daß ein Wirth auf Mittel denken muͤſſe, wie er zu der Zeit, da das Feld muß bearbeitet und gebauet werden, die Anzahl dieſes Viehes mit Vortheile vergroͤſ - ſern, und zu der andern Zeit wiederum mit Vor - theile vermindern koͤnne, wenn es ihm nicht moͤg - lich iſt, dieß Vieh in dieſer Zeit zu einer andern Beſchaͤftigung mit Nutzen anzuwenden. Am bequemſten kann dieſe Veraͤnderung mit den Ochſen gemacht werden. Denn dieſe koͤnnen alsdenn, wenn die Beſtell-Zeit geendiget iſt, gemaͤſtet, und hiedurch mit Vortheile in Geld geſetzet werden. Siehe §. 165.
Es folget ferner, daß ein Wirth, der dieſe Regelund was er - fodert wird, dieſe Regel in die An - wendung zu bringen. gluͤcklich anwenden will, auf dieſe Stuͤcke ſehen muͤſſe:
Aus einer genauen Beſchreibung dieſer Punkte koͤnnen wir ſehr leicht die Antwort auf die - ſe Frage ſchlieſſen: Wie will Vieh von einer be - ſtimmten Art zu der angenommenen Abſicht in ei - ner jeden Zeit des Jahres von einem Wirthe muͤſſe gehalten werden.
Die andere Regel:
Das Vieh, was zu dieſer Abſicht gehalten wird, muß ſtark genug ſeyn, das Feld zu bearbeiten, und deſſen Unterhaltung muß ſo wenig, als es moͤglich iſt, koſten.
Denn fehlet das erſte, ſo kann entweder der Akker nicht tief genug bearbeitet werden, oder das Vieh kann es nicht lange aushalten. Dieß verzoͤgert die Arbeit, oder es erfordert eine groͤßere Anzahl des Viehes, als nach der Beſchaffenheit der Wirthſchaft noͤthig iſt. Beydes iſt wider die Geſetze der Wirthſchaft. Das andere folget aus der allgemeinen Wirthſchafts-Regel, welche die Verſchwendung verbiethet. (§. 456. folg. Sitten-Lehre).
Aus dieſem folget ferner dieſe Regel:
Daß man zu der Arbeit, die man mit Och - ſen beſorgen kann, keine Pferde halten muͤſſe. Siehe §. 165.
Jn Anſehung des andern Punkts ſind folgendeJn Anſehung des andern Nutzens d[ie]erſte Regel. Regeln zu merken.
Die erſte Regel:
Die Anzahl des Viehes, das, um den Duͤnger zu bekommen, gehalten wird, muß durch die Menge des Duͤngers, den man jaͤhrlich noͤthig hat, beſtimmet werden.
Dieß folget aus dieſer allgemeinen Wahrheit, daß die Weißheit die Groͤße der Mittel durch die Groͤße der Abſicht beſtimmet.
Das Vieh, was wohl gefuͤttert wird, giebt meh -Beſondere Behutſam - keit bey der Anwendung dieſer Regel. reren und beſſern Duͤnger, als das Vieh, was im ge - ringen Futter ſtehet. Dieß iſt eine Erfahrung, die aus dem Urſprunge des Duͤngers kann erklaͤret wer - den. Wer demnach vielen Duͤnger durch das Vieh gewinnen will, der muß nicht allein auf die Menge des Viehes ſehen. Er muß zugleich ſeine Fuͤtterung betrachten, und aus dieſem beurtheilen, wie vieles Vieh von ihm wohl koͤnne gefuͤttert werden.
Anmerk. Eine geringe Anzahl von Vieh, das wohl kann gefuͤttert werden, iſt allemahl nuͤtzlicher, als eine groͤßere Anzahl von Vieh, das im geringen Futter ſtehet. Denn jenes bleibt allemahl ſtark, darum kann es leichter und beſſer verkauft wer - den. Jenes giebt uns den voͤlligen Nutzen, den wir von dieſem nicht gewinnen koͤnnen. Jenes erfor - dert nicht ſo viel Geſinde zur Wartung als dieſes. Und ſo ferner.
Wer dieſe Regel in die Anwendung bringen will, der muß veſtſetzen:
Anmerk. Den letzten Punkt werden wir an ſei - nem Orte genauer unterſuchen.
Wir haben es bereits oben §. 130. und folgenden an - gemerket, daß der Duͤnger in ſeiner Art merklich unter - ſchieden ſey. Dieß giebt uns einen Grund, die an - dere Regel zu bilden:
Daß wir in der Wahl von der Art des zu hal - tenden Viehes mit auſ die Beſchaffenheit des Duͤngers ſehen muͤſſen, den wir noͤthig haben.
Dieſe Regel kann durch den angezogenen Ort leicht ge - nauer beſtimmet werden.
Das Feld bringt verſchiedene Gewaͤchſe hervor, und faſt alle an und vor ſich nutzbare. Fruͤchte geben eini - ge Abgaͤnge, die wir entweder gar nicht ins Geld ſe -tzen163von der Viehzucht. tzen koͤnnen, oder die doch nur einen ſehr geringen Preiß haben. Dieſe Gewaͤchſe, und dieſe Abgaͤnge, wenn ſie gehoͤrig zubereitet werden, dienen einer ge - wiſſen Art von Vieh zur Fuͤtterung. Wir verfuͤttern dieſe Dinge. Wir gewinnen den Duͤnger. Wir ver - kaufen dieß Vieh, und hiedurch werden uns zugleich jene Dinge bezahlet. Ein Wirth, der dieſe Vorthei - le gewinnen will, muß
Dieß wird genug ſeyn, auch in dieſer Abſicht den Vieh-Stand regelmaͤßig und wirthſchaftlich einzu - richten.
So weit von dem erſten Haupt-Nutzen, den wirGeld kann durch das Vieh auf zweyerley Art erwor - ben werden. in drey beſondere Claſſen zerlegt haben, ſ. §. 212. Der andere Haupt-Nutzen beſtehet in dem Gelde, das wir durch das Vieh gewinnen koͤnnen. Geld koͤnnen wir durch das Vieh auf verſchiedene Art erwerben. Theils durch die Veraͤußerung der Nutzungen, die durch das, ſo lange es lebet, moͤglich ſind. Theils durch den Verkauf des Viehes.
Jn Anſehung des erſten Stuͤkkes muͤſſen wir das Vieh in verſchiedene Claſſen vertheilen. Einige Thiere ſind uns, ſo lange ſie leben, nuͤtzlich mit der Arbeit. Z. E. Pferde, Ochſen und Eſel. Einige ſind uns nuͤtzlich, indem ſie ſich vermehren, und Thie - re von ihrer Art hervor bringen. Z. E. Kuͤhe, Ziegen, Schaafe, Schweine, und uͤberhaupt das Feder-Vieh. Einige ſind uns nuͤtze, weil ſie Milch geben, z. E. Kuͤhe, Ziegen, Schaafe. Einige, weil wir von ihrem Leibe, oder von ihrem Fleiße jaͤhrlich dasjenige nehmen koͤnnen, was wir zur Nahrung und zur Bedekkung noͤthig haben. Zu der erſten Claſſe gehoͤren z. E. die Bienen, die uns durch ihren Fleiß Wachs und Honig ſchenken. Zu der andern Claſſe gehoͤren z. E. Schaafe und Gaͤnſe, von jenen nehmen wir die Wolle, und von dieſen die Federn. Ferner die Seiden-Wuͤr - mer, deren Fleiß uns die nuͤtzliche Seide wuͤrket, und ſo ferner.
Will man durch den Verkauf des Viehes einen Nutzen gewinnen, ſo muß man ſich um diejenigen Be - ziehungen bekuͤmmern, die uns den Werth des Viehes beſtimmen. Man wird es uns leicht verwilligen, daß dieſes von folgenden Umſtaͤnden abhaͤnget. Theils von dem, ob es in der Nachbarſchaft haͤufig gebraucht wird. Theils von dem, ob es in Ueberfluß zu be - kommen ſey. Dieß zu beurtheilen, muͤſſen wir theils auf die Menge, theils auf den Zuſtand der Nach - baren, theils auf die Zeit ſehen. Dieß iſt genug, folgende Wirthſchafts-Regeln zu bilden.
Die erſte:
Will man von dem Viehe durch den Verkauf einen Nutzen gewinnen, ſo muß man eine ſol -che165von der Viehzucht. che Art von Vieh halten, die in der Nachbar - ſchaft haͤufig gebraucht wird.
Die andere:
Dieß Vieh muß zu einer ſolchen Zeit zum Verkauf bereit ſeyn, in welcher der gewoͤhnli. che Mangel der Fuͤtterung deſſen Voruaͤth in der Nachbarſchaft insgemein vermindert,
Dieſer Punkt giebt einem Wirthe Gelegenheit aufBeſonderer Vortheil bey dieſem. Mittel zu gedenken, wie er zu der Zeit, da in der Nachbarſchaft ein voͤlliger Vorrath von Vieh-Futter vorhanden iſt, ſein Futter erhalten, und es alsdenn, wenn in der Nachbarſchaft der Mangel herbey kommt, mit Nutzen verwenden koͤnne.
Anmerk. Jch bin noch nicht im Stande, dieſe Mittel auf allgemeine Regeln zu bringen, daher koͤnnen die beſondern, die hievon bekannt ſind, in den Fuͤrleſungen beſchrieben werden. Z. E. das Einſalzen der Kraut-Blaͤtter. Das Eingraben der Ruͤben und Kohl-Struͤnke. Das Doͤrren des Gete-Krauts. U. ſ. f.
Die wirthſchaftliche Abſicht dieſes Viehes, ausAbſicht die - ſes Kapitels. welcher wir bereits §. 217. die Haupt - Regel, welche bey dieſem Stuͤkke zu beobachten iſt, geſchloſſenL 3haben,166Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnitthaben, lehret es uns, daß ein Wirth in Anſehung die - ſes Viehes auf folgende Stuͤkke zu ſehen habe.
Wer die Art der Thiere, die man zur angenomme - nen Arbeit erwehlen muß, beſtimmen will, der muß das Geſchlecht der Thiere von der innern Guͤthe un - terſcheiden. Die Wahl des Geſchlechts iſt aus der Be - ſchaffenheit der Arbeit zu beurtheilen. Die gewoͤhn - lichen Geſchlechter der Thiere, die zu dieſem Ende erwehlet werden, ſind Pferde, Ochſen, Maul - Eſel und kleine Eſel. Pferde ſind nuͤtzlich zum Fahren, Reiten, Ziehen und Tragen. Die Ochſen ſind nuͤtz - lich zum Fahren und Ziehen. Dieſe, wenn ſie von guter Art ſind, und in gutem Futter ſtehen, ſind je - nen in Anſehung der Staͤrke beynahe gleichguͤltig, doch aber haben die Pferde in Anſehung der Geſchwin - digkeit allemahl einen Vorzug. Die Maul-Eſel ſind nuͤtzlich zum Reiten, Fahren und große Laſten zu tragen. Dieſe koͤnnen bey ſchwerer Arbeit und ſchlechtem Futter laͤnger aushalten, als die Pferdea). Die kleinen Eſel koͤnnen zum Laſt-Tragen, und zum Eggen und Pfluͤ - gen in leichten und ebenem Lande gebraucht werden. Sie ſind langſam, aber doch darum nuͤtzlich, weil ſie mit ſchlechtem Futter koͤnnen erhalten und weil ſie, wenn ſie eine Laſt tragen, uͤber Huͤgel und Berge ſicher koͤnnen getrieben werden.
Anmerk. 167von der Viehzucht.Jn Betrachtung der innern Guͤthe lehret es die Ab -Fuͤrs andere auf die inne - re Guͤte. ſicht, daß man von einem jedem Geſchlechte ſolche Thiere erwehlen muͤſſe, die geſund ſind, und von denen man es hoffen kann, daß ſie ſtark nnd muthig genug bleiben, die Arbeit lange zu treiben.
Anmerk. 1. Wer es z. E. bey dem Einkauf der Pferde auf etliche Thaler ankommen laͤſt, der handelt gewiß zu ſeinem Schaden. Ein ſchlechtes Pferd kann unmoͤglich ſo lange aushalten, als ein gutes. Man ziehe die Rechnung durch eine Reihe von Jahren, und man wird gewiß dieſen Schluß bekommen, daß Pferde, die mit geringem Preiße eingekauft worden, mehr gekoſtet haben, als die, welche mit hohem Preiße ſind bezahlet worden.
Anmerk. 2. Zu dem Haupt-Mangel der Pferde wird insgemein Rotz, Staarblind und Herzſchlaͤchtig gerechnet, und die Maͤngel, welche den Werth der Pferde erniedrigen, ſind uͤberhaupt dieſe: Schwerkoͤpfig, Schweinaͤugig, Fetaͤu - gig, Weit - und Hengoͤhrig, Kuhlaͤtſchig, Kollerich, Speckhaͤlſig Schiefbeinig, Stein - gallig, Floßgallig, Uberbeine, Straub - und Vollhuͤfig, Mauken, Spatig, Stetig, wenn ein Pferd nicht gut frißt, ſich nicht wohl be - ſchlagen, und nicht gut aufſitzen laͤſt. Siehe von dieſem le parfait Mareſchall qui enſeigne à connoitre la bonté, la beauté et les dafauts desL 4Che -168Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittChevaux par le Sieur Solleyſell. und Winters von Adlersfluͤgel Studerey. Wie auch deſſen wohler - fahrner Roß-Arzt. Herings oͤconomiſchen Wegwei - ſer. von Hohbergs Georg. curioſ. und andere.
Es iſt meine gegenwaͤrtige Abſicht nicht, daß ich mich in das beſondere einlaſſe. Jch will alſo fortfah - ren, das Allgemeine in den Wirthſchafts-Stuͤkken zu unterſuchen, und diejenigen Regeln veſt zu ſetzen, nach welchen man das beſondere in dem vorkommendem Falle wird beurtheilen koͤnnen. Wenn wir dasjenige genau erwegen, was zur Ziehung der Thiere, die man zur Arbeit brauchen will, noͤthig iſt, ſo finden wir einen Grund zu glauben, daß man alles, was bey dieſer Be - ſchaͤftigung vorkommt, aus folgenden Regeln beurthei - len kan.
Die erſte Regel:
Thiere, die andere von ihrer Art zeugen koͤn - nen, und die zur Arbeit ſollen gebraucht wer - den, ſind bey der Arbeit von groͤßerer Dauer, wenn ſie ſind geſchnitten worden, doch ſind die nicht geſchnittene munterer wie jene.
Dieß iſt eine Erfahrung, die wir auch aus Gruͤnden beurtheilen koͤnnen. Denn ſind dieſe Thiere nicht ge - ſchnitten worden, ſo gehen viele Saͤfte, die zur Staͤr - ke und zur Nahrung dienen koͤnnen, zum Saamen, und durch die Geilheit werden dieſe Thiere abgemat - tet. Die Geilheit erwekket die ſinnlichen Luͤſte. Dieß macht die Thiere munter, aber auch bald muͤde.
Wir wollen hierbey eine Frage beantworten, die einen merklichen Einfluß in den Nutzen der Viehzucht hat: Wenn ſoll man dieſe Thiere ſchneiden?a). Einige169von der Viehzucht. Einige laſſen dieſe Thiere ſchneiden, wenn ſie noch an der Mutter ſaugen. Andere, wenn ſie drey viertel Jahr, oder ein Jahr alt ſind. Wiederum andere, wenn ſie bereits einige Jahre zuruͤck geleget haben. Das letzte iſt zu gefaͤhrlich. Es befoͤrdert ſehr oft den Tod der Thiere. Jn dem erſten Falle bekommen ſie ſelten die bey einem ſolchen Thiere erforderliche Staͤrke. Vielleicht iſt hiervon dieß die Urſache, weil ſie durch den Schmerz zuruͤck gehalten werden, genug zu ſaufen, und zu freſſen. Daher werden ſie in der Jugend abgemattet. Dieß verhindert den Wachs - thum, und befoͤrdert die Schwaͤche im Alter. Bey dem mittlerem Falle wird man allemahl den groͤſten Vortheil gewinnen. Dieſe Thiere werden, wenn ſie im uͤbrigen wohl gewartet werden, ſtark, und bekom - men den erforderlichen Wachsthum. Jſt, wie ich es glaube, die zuvor angegebene Urſache gegruͤndet, ſo wird ſie auch zugleich hinreichen, dieß zu erklaͤren.
Die andere Regel:
Alles junge Vieh, was von gutem GewaͤchſeDie andere Regel. werden ſoll, muß in der Jugend wohl und genugſam gefuͤttert werden.
Denn fehlet es in dieſer Zeit an genugſamer und zu - traͤglicher Nahrung, ſo werden die Nerven nicht ge - nugſam ausgedehnet, und die Blut-Roͤhren bekom - men nicht die erforderliche Weite. Und daher kann es niemals ein recht ausgewachſenes und vollkommen ſtarkes Thier werden. Man wird es uns leicht verwil - ligen, daß die Thiere in dieſem Stuͤkke mit den Erd -L 5Ge -170Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittGewaͤchſen uͤberein kommen, und daß wir alſo auch hier das anwenden koͤnnen, was wir bereits oben erinnert haben.
Die dritte Regel:
Alles Vieh, was geſund und ſtark werden, oder bleiben ſoll, das muß in reinlichen Staͤl - len ſtehen, in welchen beſtaͤndig friſche Luft kann gelaſſen werden.
Sind die Staͤlle nicht reinlich, ſo verſtopft das unrei - ne die Luft-Loͤcher in der Haut der Thiere! Dieß ver - hindert die zur Geſundheit erforderlichen Ausduͤnſtun - gen. Daher kann das Vieh nicht geſund bleiben, und wie wir es wuͤnſchen, zunehmen. Sind die Staͤlle nicht reinlich, und kann nicht beſtaͤndig friſche Luft hinein gelaſſen werden; ſo muß nothwendig die Luft in dem Stalle ſtinkend werden. Wir koͤnnen mit dieſem das verbinden, was wir oben von dem Einfluſſe der Luft in das Wachſen der Erd-Gewaͤchſe abgehan - delt haben. Und alsdenn wird es uns nicht ſchwer fallen, zu begreifen, daß dieſe ſtinkende Luft dem Thiere nothwendig ungeſund und ſchaͤdlich ſeyn muͤſſe.
Anmerk. Aus dieſem koͤnnen Regeln geſchloſ - ſen werden, wie ein Vieh-Stall regelmaͤßig anzu - legen ſey.
Die vierte Regel:
Thiere, die zum Zug anwachſen ſollen, muͤſ - ſen nicht zu viel oͤhlichtes Futter be - kommen.
Denn giebt man dieſen Thieren zu viel oͤhlichtes Futter, ſo werden ſie zu fett (§. 57). Dieß benimmt ihren Nerven die Staͤrke (§. 28 - 32.) und dieß widerſpricht der Abſicht.
Anmerk. 171von der Viehzucht.Anmerk. Aus dieſem kann man es erklaͤren, warum es beſſer iſt, wenn man die Pferde mit Hafer, als wenn man dieſe mit Gerſte fuͤttert, und warum das ſaure Heu den Pferden nuͤtzlicher iſt, als das ſuͤße.
Die fuͤnfte Regel:
Das Vieh, was man zur Arbeit anziehet, mußDie fuͤnfte Regel. nicht zu jung, und auch nicht auf einmahl zur voͤlligen Arbeit gebraucht werden.
Denn da es noch nicht vollkommen ausgewachſen, ſo muß eine allzuſtarke Arbeit die Nerven ſchwaͤchen. Dieß verhindertden vollſtaͤndigen Wachsthum und die zu hoffende Staͤrke.
Aus dieſem, was wir bisher abgehandelt haben,Eine allge - meine Folge aus dieſen Regeln. folget unmittelbar eine Regel, der zwar die Meynung vieler Wirthe widerſpricht, die aber doch gegruͤn - det iſt.
Daß es nehmlich einem Wirthe nuͤtzlich ſey, wenn er ſein Vieh ſelbſt ziehen kann.
Denn wie viele ſind, die, wenn ſie das Vieh zum Ver - kauf anziehen, diejenige Wartung und Pflege bey dem jungen Vieh beobachten, die von einer regelmaͤßigen Wirthſchaft erfodert wird. Sie ziehen Vieh, das zwar dem aͤußerlichen Schein nach gut iſt, dem es aber doch an der innern Staͤrke fehlet, als welches man bald bey der Arbeit merkt. Hat man ſein Vieh ſelbſt gezogen, ſo weiß man es, wie weit man ſich darauf zu verlaſſen hat.
Wir kommen zu dem dritten Punkt, wie man dieWie dieß Vieh zu fuͤt - tern und zu erhalten. Thiere, die man zur Arbeit noͤthig hat, fuͤttern und er -halten172Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnitthalten ſoll. Die §. 233. 234. und 235. veſtgeſetzten Regeln koͤnnen auch hier angewendet werden. Wir wollen nur noch einige, die noͤthig und nuͤtzlich ſind, hinzuſetzen.
Die erſte Regel iſt dieſe:
Man muß dem Zug-Viehe nicht ſogleich nach der Arbeit voͤlliges Futter geben.
Denn bey der Arbeit hat es ſich innerlich erwaͤrmet, alles iſt in Bewegung. Bekommt es nun ſogleich voͤlliges Futter, ſo wird es zu hurtig freſſen. Das Futter kann unmoͤglich gehoͤrig verdauet werden. Es geht unver - dauet ins Gebluͤt. Und dieß iſt eine Haupt-Urſache der Krankheiten.
Anmerk. Dieß kann auch auf das Saufen an - gewendet werden, weil einerley Grund vorhan - den iſt.
Die andere Regel:
Das Futter, was dieſem Viehe zur Mahlzeit beſtimmet iſt, muß nicht auf einmahl vorge - ſchuͤttet werden.
Denn indem es frißt, ſo wuͤhlet es das Freſſen mit dem Maule herum, und vermiſcht es mit dem aus dem Maule gehendem Schaume. Dieß macht dem Viehe das Freſſen zuwider, und darum genießt es nicht ſein voͤlliges Futter, vielmehr geht ein merklicher Theil von dieſem verlohren. Dieß widerſpricht den Regeln der Wirthſchaft.
Die dritte Regel:
Alles Zug-Vieh muß, wenn es im Schweiſſe aus der Arbeit kommt, mit einer Dekke uͤber den Leib bedekket, und ſo oft es moͤglich, von allem Unflat und Staube gereiniget werden.
Das173von dem Akkerbau.Das erſte verhindert die ſchnelle Verkaͤltung, die einem jeden Thiere, das geſchwitzet, darum ſchaͤdlich iſt, weil dieß die durch die Bewegung aufgeloͤſten Salze zu ſchnell erhaͤrtet, daß nothwendig eine Verſtopfung er - folgen muß. Dieſe aber entkraͤftet das Thier. Das letztere verhindert einmahl die Verſtopfung der Luft - Loͤcher. Sind dieſe verſtopft, ſo kann die zur Geſund - heit erforderliche Ausduͤnſtung nicht erfolgen. Dieß wuͤrket Krankheiten: fuͤrs andere das Beiſſen und Jukken auf dem Leibe. Durch dieß wird das Vieh abgemattet, und es benimmt ihm die Luſt zum Freſſen.
Anmerk. Das letztere wird durch ſtriegeln, wa - ſchen u. ſ. f. beſorget. Die Gruͤnde, durch welche dieſe Regel iſt unterſtuͤtzet worden, geben uns zugleich zu erkennen, daß dieſe Beſchaͤftigungen bey allen Thieren, die ſtark, geſund und muthig bleiben ſollen, nuͤtzlich und noͤthig ſind.
Die vierte Regel:
Bey dieſen Thieren muß ſo wohl in der Zeit zurDie vierte Regel. Arbeit, als auch in der Zeit zur Fuͤtterung Ord - nung gehalten werden.
Es iſt eine bekannte und von allen Wirthen angenom - mene Regel: Die Ordnung iſt halbes Futter. Die Erfahrung bekraͤftiget dieſen Satz, und die Ver - nunft erklaͤret es aus der Lehre von der Gewohnheit, als welche die andere Natur iſt.
Die fuͤnfte Regel:
Es iſt nuͤtzlich, daß wir dieſem Viehe, wenn esDie fuͤnfte Regel. ſtark arbeiten muß, mehr ſtaͤrkendes Futter geben, als wenn es Ruhe hat.
Anmerk. 174Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittAnmerk. Will man dieſem Vieh zur Zeit der Ruhe zu vieles Futter abbrechen, ſo wird man es entkraͤften, und dieß zeiget den Schaden, wenn es wiederum zur Arbeit ſoll gebraucht werden. Daher muß man auch in dieſem Stuͤkke der Sache nicht zu viel und auch nicht zu wenig thun.
Wir wollen bey dieſem Punkte zuerſt die Natur der Milch und ihre Zeugung, ſo weit es uns moͤglich iſt, erklaͤren. Dieß wird, wie ich es glaube, der ſicherſte Weg ſeyn, diejenigen Regeln zu bilden, die es uns lehren, einmahl, wie dieſe Thiere, in wie weit ſie uns durch die Milch nutzbar ſeyn ſollen, zu fuͤttern. Fuͤrs andere, wie ſie muͤſſen gehalten wer - den, wenn ſie den Nutzen, den wir von ihnen wuͤn - ſchen, tragen ſollen. Fuͤrs dritte, wie man durch al - lerhand Veraͤnderungen die Milch mit Vortheile ins Geld ſetzen koͤnne.
Anmerk. Vielleicht koͤnnen wir auch durch die - ſe Unterſuchung ein Vorurtheil, welches die groͤſte Anzahl der Wirthe gefaſſet hat, wo nicht zernich - ten, doch entkraͤften. Sie glauben, daß ſich das Vieh mit der Milch in einem Lande nicht ſo nutz - bar beweiſen koͤnne, wie in einem andern. Wenn wir die Eigenſchaft des Futters, das zur Milch erfodert wird, und die Zeugung der Milchdeutlich175von der Viehzucht. deutlich unterſuchen, ſo werden wir es bald mer - ken, daß ſich dieſer Unterſchied nicht in dem Lan - de, ſondern in der Wartung und in der Fuͤtterung gruͤndet. Man gebe dem Viehe genugſames Fut - ter von der Art, welche die Natur der Milch er - fodert. Man fuͤttere dieß Vieh in der Ordnung, und man warthe es alſo, wie es die Zeugung der Milch vorſchreibet; man wird es bald merken, daß der angegebene Unterſchied der Laͤnder, wo nicht gaͤnzlich verſchwindet, doch in Anſehung des Ein - kommens nicht merklich bleibet.
Die Natur und die Zeugung der Milch, wollenVerſuch, die Haupt-Thei - le der Milch zu beſtim - men. wir aus den Verſuchen folgern, die uns der Boͤr - hav und der Maquer beſchrieben hat. Jch habe ſie mehrentheils nachgemacht. Und es iſt gewiß, daß ſie in der Erfahrung gegruͤndet ſind. Die erſte Urſach: Setzet friſchgemolkene Kuh-Milch in einem gebrannten Aſche an einem Ort, wo eine gemaͤßigte Waͤrme iſt. Jn einer Zeit von zehn bis zwoͤlf Stun - den entſtehet auf der Oberflaͤche der Milch eine dicke Materie, von einer etwas gelblichten Weiße. Die - ſe nennen wir den Rahm oder die Sahne. Son - dert dieſen Rahm von der Milch mit einem Loͤffel ab. Die abgerahmte Milch wird duͤnner, als ſie zuvor war; ihre Weiße wird heller, und blaulicht Nach einer kurtzen Zeit ſammlet ſich in der Oberflaͤche neuer Rahm. Auch dieſer wird abgenommen. Jſt nun die Milch voͤllig abgerahmet, ſo wird ſie nach zween oder dreyen Tagen in eine weiche Maſſe gerinnen. Dieſe nennet man geronnene Milch. Dieſe hat einen ſauern Geſchmack und Geruch. Dieſe geron - nene Milch ſchneidet in etliche Stuͤkken. Und man wird finden, daß ſich alsdenn viele Waͤßrigkeit ab -ſondert.176Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittſondert. Schuͤttet alles auf ein klares Leinewand. Setzet ein Gefaͤß darunter. Jn dieß wird die Waͤßrigkeit ablaufen. Auf der Leinwand bleibt eine weiße Materie zuruͤck, die veſter iſt, als die geron - nene Milch. Dieſe Materie wird Kaͤſe genannt, und die abgelaſſene Waͤßrigkeit nennt man die Molken.
Aus dieſem ſchließe ich. Die Milch beſtehet aus dreyen Theilen, aus dem Rahm, Kaͤſe und Molken. Dieſe ſondern ſich freywillig von einander, ohne Huͤlfe der Deſtillation, und ohne Zuſetzung einer fremden Materie. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß dieſe drey Materien in der Milch nur mit einander ver - miſcht, aber nicht innerlich vereiniget ſind. Wir wollen jeden Theil beſonders zergliedern.
Der Rahm, den man von der Oberflaͤche der Milch abgenommen hat, iſt noch mit kaͤßigten und waͤßerichten Theilen vermengt. Dieſe werden her - aus gedruͤkket, und alsdenn wird geſagt, man habe den Rahm zur Butter gemacht, und darum heiſt je - ne Beſchaͤftigung das Buttern.
Anmerk. Aus dieſem kann der Bau des Werk - zeuges beurtheilet werden, das zum Buttern noͤ - thig iſt.
Herr Maquera) beſchreibet uns die Zergliede - rung der Butter vollſtaͤndig, und alſo, wie ſie in der Erfahrung gegruͤndet iſt. Es wird nuͤtzlich ſeyn, daß wir dieſe herſetzen. Sie giebt uns Gelegenheit, die wahre Beſchaffenheit der Butter zu erkennen: Thut,heißt177von der Viehzucht. heiſt es, in eine glaͤſerne Retorte ſo viel friſche But - ter, als ihr deſtilliren wollet. Setzet die Retorte in einen Reverberierofen, und gebet ihr anfaͤnglich, nach - dem ihr eine Vorlage daran gepaſſet, ein ſehr gelindes Feuer. Die Butter wird ſchmelzen und aus der Retorte werden etliche Tropfen klares Waſſer abge - hen, welches den eignen Geruch der friſchen Butter und einige Merkmahle der Saͤure haben wird. Wenn man das Feuer ein wenig verſtaͤrkt, ſo wird die But - ter zu kochen ſcheinen: es wird ein Schaum auf ih - rer Ober-Flaͤche entſtehen, und das Phlegma, wel - ches ſie enthaͤlt, uͤbergehen, und nach und nach den Geruch bekommen, welchen man wahrzunehmen pfle - get, wenn man die Butter ſchmelzet, um ſelbige zu verwahren. Seine Saͤure iſt ſehr ſtark, und merkli - cher, als der erſten Tropfen ihre, welche uͤbergegangen ſind. Es wird kurz darauf, wenn man das Feuer noch ein wenig verſtaͤrkt, ein Oel in die Hoͤhe ſteigen, deſſen Fluͤßigkeit ungefehr der fetten Oele ihrer aͤhn - lich iſt, allein dieſes Oel wird ſo, wie man deſtilliret, dikke, und gerinnet endlich in der Vorlage, wenn es kalt wird. Es wird von einigen Tropfen eines Safts begleitet, deſſen Saͤure immer ſtaͤrker und ſtaͤrker wird, deſſen Menge aber um ſo viel mehr abnimmt, je mehr die Deſtillation foͤrdert. Waͤhrend der Zeit, da die - ſes dikke Oel deſtilliret, wird die in der Retorte ent - haltene Butter, welche anfaͤnglich zu kochen ſchien, ruhig, und macht nicht die geringſte kochende Bewe - gung mehr, obgleich die Hitze alsdenn viel ſtaͤrker iſt, als wie ſie war, da ſelbige kochte. Setzet die Deſtil - lation fort, und verſtaͤrkt das Feuer beſtaͤndig ein we - nig, ſo wie es noͤthig ſeyn wird, das dikke Oel in die Hoͤhe zu treiben. Dieſes Oel, oder vielmehr dieſe Art der Butter, wird gegen das Ende eine rothe Farbe haben. Es werden zu gleicher Zeit mit ihr ſehr ſtarkeMund178Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittund durchdringende weiße Duͤnnſte aufſteigen. Wenn die Retorte recht gluͤend iſt, und ihr ſehet, daß nichts mehr in die Hoͤhe ſteiget, ſo laſt die Gefaͤße kalt wer - den und kleibet ſie auf. Jhr werdet in der Vorlage einen waͤßricht ſauren Saft, ein fluͤßiges Oel, und eine Art von rother veſter Butter finden. Nachdem die Retorte zerſchlagen worden, ſo werdet ihr eine koh - ligte Materie darin finden, deren Flaͤche, welche an dem Glaſe angelegen, glaͤnzend, ſchwarz und ungemein glatt iſt.
Aus dieſer Zergliederung ſchluͤße ich:
Thut neugemachten Kaͤfe, davon alle Molken abge -Zergliede - rung der kaͤ - ſigten Ma - terie. troͤpfelt iſt, und welchem ihr in einem Tuche alle Feuch - tigkeit ausgepreßt habt, in eine glaͤſerne Retorte: Deſtilliret ihn wie die Butter. Anfaͤnglich wird ein ſaͤuerliches Phlegma uͤbergehen, welches einen Kaͤſe - oder Molkengeruch hat. So wie die Deſtillation fort - gehet, wird auch die Saͤure dieſes Phlegma zunehmen. Wenn es anfaͤngt nur ſehr langſam zu deſtilliren, ſo verſtaͤrket das Feuer beſtaͤndig gradweiſe; ſo wie es noͤ - thig ſeyn wird. Das Oel und Phlegma werden wei - ter uͤbergehen, das Phlegma aber wird immer ſaurer, und das Oel gefaͤrbter und brandigter werden. Zu - letzt, wenn die Retorte faſt gluͤend iſt, gehet ein ander ſchwarzes, wie Terbenthin dikkes, ſehr brandigtes Oel uͤber, welches unter das Waſſer gehet. Jn der Re - torte bleibet eine ziemliche Menge kohlichte Materie.
Aus dieſem ſchlieſſe ich:Aus dieſem wird die Be - ſchaffenheit des Kaͤſes ge - ſchloſſen.
Laſt zwey oder drey Noͤßel Molken auf einem Ma -Zergliede - rung der Molken. rienbade faſt bis zur Trokkenheit verrauchen, und de -M 2ſtilliret180Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittſtilliret den Extract oder Uberreſt in einer Retorte im Reverberierofen, nach der allgemeinen Regel bey einem gradweiſe verſtaͤrkten Feuer. Es wird erſtlich Phlegma und ein Citronfarbigter Sauer-Geiſt, denn ein ziemlich dikkes Oel uͤbergehen. Jn der Retorte bleibet eine kohligte Materie zuruͤck, welche an der Luft feucht wird. Lauget ſie mit Regen - Waſſer aus, und laſſet die Lauge verrauchen, ſo bekommt ihr dadurch Chry - ſtallen von Meer-Salze. Troknet die kohlichte Mate - rie und brennt ſie in der freyen Luft bey einem ſtar - ken Feuer zu Aſche. Die Lauge von dieſer Aſche giebt ein Anzeichen eines feſten Alkali.
Hieraus folget:
Wenn wir dieß, was wir bis hieher von der Milch abgehandelt haben, und worin wir theils der Erfahrung, theils dem Herrn Maquer gefolget ſind, genau uͤberle - gen, ſo werden wir genoͤthiget zu lehren:
Ein -181von der Viehzucht.Anmerk. Jſt die Erklaͤrung von der Milch nicht vollſtaͤndig, ſo iſt ſie doch wenigſtens eine rich - tige Beſchreibung, die dasjenige in ſich faſſet, was wir zu unſerer gegenwaͤrtigen Abſicht noͤthig haben. Wir wollen noch einige Gruͤnde beybringen, die dieſe unſere Gedanken beveſtigen koͤnnen.
So weit von der Natur der Milch, um diejenigen Regeln veſtzuſetzen, die bey der Fuͤtterung dieſer Thie - re anzuwenden ſind.
Die erſte Regel:
Melkendes Vieh muß kein Futter bekommen, als was geſunde Saͤfte hat. (§. 254. und An - merkung dieſes §.)
Die andere Regel:
Melkendes Vieh muß mit ſolchen Dingen ge - fuͤttert werden, aus welchen ſich das Oel durchs Ausdruͤkken ziehen laͤſt, und wenn dieß nicht ſogleich moͤglich iſt, ſo muß das Futter zuvor zu dieſer Abſicht zubereitet werden.
Anmerk. 183von der Viehzucht.Anmerk. Aus dieſem laͤſt ſich das Einbruͤhen und deſſen Nutzbarkeit erklaͤren.
Die dritte Regel:Dritte Re - gel.
Je mehr Futter von dieſer Art dem Viehe gegeben wird, und je mehr geſundes Oel in dieſem Futter enthalten iſt, deſto mehrere Milch kann man von dem Viehe erwarten, welche Butter - reich iſt. (§. 248).
Anmerk. Aus dieſer Regel kann man einmahl den Werth der Graͤſerey ſchaͤtzen, die zur Fuͤtte - rung des melkenden Viehes beſtimmet wird, und fuͤrs andere dieſe Regel beveſtigen, die wir bereits oben gegeben haben, daß weniges Vieh, das gut ge - fuͤttert wird, nutzbarer ſey, als vieles Vieh, das ſchlecht gefuͤttert wird.
Die vierte Regel:Vierte Re - gel.
Futter, das wenig Oel und vieles Acidum hat, iſt ein geringes Futter fuͤr melkendes Vieh. (§. 248. folg.)
Anmerk. Dieſe Regel beweiſet, daß| recht aus - gebraute Trebern, Grumt, ſaures Heu und derglei - chen, in Anſehung der Milch-Nutzung unter das Futter, was nicht ſonderlich zu ſchaͤtzen iſt, muͤſſen geſetzt werden.
Die fuͤnfte Regel:Fuͤnfte Re - gel.
Melkendes Vieh muß, wenn es gefuͤttert wird, genugſames Saufen bekommen. (§. 254.)
So weit von der Fuͤtterung der milchtragenden Thiere, wir wollen noch einige Verſuche anfuͤhren, aus welchen wir theils Regeln zur Wartung dieſer Thiere, theils Regeln, die Milch nutzbar zu machen, ſchluͤſſen koͤnnen.
Der erſte Verſuch:
Verduͤnnet friſche Kuh-Milch mit Waſſer, damit ſie durch das Kochen nicht zu dick werde, und ko - chet dieſe in einem reinen Geſchirre. Gießet in die - ſe kochende Milch eine ſaure Materie, z. E. Eßig, den Saft des Sauer - Ampfer, der Citronen, der unreifen Weinbeeren, der Johannisbeeren, Laib, das iſt, eine geronnene und halbverdaute Milch, welche in dem Magen der Kaͤlber gefunden wird, u. ſ. f. ſo wird ſich die Milch alsbald ſcheiden, der eine Theil wird kluͤmprig, und der ſogenannte waͤß - rigte Theil wird weit duͤnner, als die Milch zuvor geweſen iſt.
Aus dieſem ſchluͤſſe ich: Das Acidum ſcheidet in der warmen Milch den waͤßerigten Theil von dem dikken, ſo daß dieſer einen zuſammen - hangenden Klumpen ausmacht.
Wenn ich mit dieſem Satze dieſe Erfahrung ver - binde, daß die ausgemolkene Milch nach einigen Ta - gen durch eine innere Bewegung in die Saͤure ge - het und alſo rinnet; ſo habe ich hinreichenden Grund, dieſen Satz zu bilden:
Wenn185von der Viehzucht.Wenn die Milch-Behaͤltniße der Euter voll Milch ſind, und dieſe wird nicht ſogleich und voͤllig ausge - molken, ſo kann ſehr leicht in dieſer in den Milch - Behaͤltnißen der Euter eingeſchloſſener Milch eine Saͤure entſtehen, die den waͤßrigten Theil von dem dikken ſcheidet, daher, wenn wiederum gemolken wird, der waͤßrigte Theil aus den Milch - Warzgen herausgehet, und das dikke in den Gefaͤßen zuruͤck bleibet. Dieß verſtopft die Gefaͤße, und dieß iſt theils dem Wirthe, theils den Thieren ſchaͤdlich. Dem Wirthe, weil er die voͤllige Milch-Nutzung verliehret: dem Viehe, weil dieſe Verſtopfung ſehr leicht Endzuͤndungen, Geſchwuͤlſte und dergleichen verurſachen kann.
Dieß iſt der Grund von folgender Wirthſchafts-Regel:
Das Milch - tragende Vieh muß zu rechter Zeit voͤllig ausgemolken werden.
Der andere Verſuch:Verſuch zum Kaͤſemachen.
Nehmet dieſe durch den Zuſatz des Acidi geronne - ne friſche Milch, und preſſet dieſe in einem dikken leinen Tuche, ſo werdet ihr einen ſehr fetten Kaͤſe bekommen, der mit der Zeit ſcharf und beiſſend, niemahls aber ſauer wird. Da im Gegentheil der Kaͤſe, der aus abgerahmter Milch gepreſſet worden, ſehr trokken und ſo hart wird, wie ein Horn.
Der dritte Verſuch:
Jn eine friſche, mit etwas Waſſer vermiſchte, ſie -Vermi - ſchung der Milch mit dem Alkali. dende Milch, gießet nach und nach ein Alkali z. E. Oleum Tartari per deliquium, ſo wird die Milch gelblich werden, und zwar immer mehr und mehr,M 5jemehr186Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittjemehr von dem Alkali hineingegoſſen wird, ſo daß ſie zuletzt aus der gelben Farbe in die rothe uͤberge - het. Die Milch gerinnt, doch nicht ſo veſte, als die, in welche ein Aeidum gegoſſen. Endlich, wenn die Milch lange genug gekochet, ſo entſtehet eine geron - nene dikke rothe Milch.
Aus dieſem folget, daß man ſo wohl der Butter, als auch dem Kaͤſe durch den Zuſatz eines Alkali eine gelbe Farbe geben koͤnne, und daß es der Zuſatz des Alkali verhindert, daß die Kaͤſe nicht recht veſte wer - den.
Wir wollen dieſem nach die Aufloͤſungen einiger Aufgaben hinzufuͤgen, die bey dieſem Theile der Wirth - ſchaft aufgeworfen werden.
Die erſte Frage:
Ob es nuͤtzlicher und eintraͤglicher ſey, wenn man das melkende Vieh in dem Stalle fuͤttert, als wenn man es in die Weide gehen laͤſt?
Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich der Meynung derjenigen, die den erſten Punkt bejahen, beyfalle. Man halte den Vortheil, den man von der Vieh - Fuͤtterung im Stalle gewinnen kann, gegen den, wel - chen uns die Fuͤtterung in der Weide giebt; ſo wird gewiß der Schluß unſere Meynung bekraͤftigen. Wir wollen dieſen Vergleich mit wenigem beſchreiben. Fuͤt - tert man das melkende Vieh im Stalle, ſo hat man folgende Vortheile.
Dieß ſind wichtige Vortheile, die wir alsdenn, wenn das Vieh in die Weide gehet, gewiß verliehren. Vielleicht wird man uns dieſe Vortheile verwilligen. Man wird uns aber die Groͤße des Aufwands endgegen ſetzen. Allein ich will es beweiſen, daß dieß ein bloßer Schein ſey. Will man das Vieh im Stalle fuͤttern, ſo iſt es wahr, daß man eine große Anzahl von Geſinde braucht. Man muß auf 12. Kuͤhe, wenn ſie recht ſollen gewartet werden, eine Magd halten. Dieſe koſt jaͤhrlich mit Koſt und Lohn 30. fl. 6. fl. verdie - net ſie mit andern Arbeiten, z. E. Spinnen, Gaͤten und dergleichen. Folglich muß man auf 12. Kuͤhe 24. fl. und alſo auf eine Kuh 2. fl. rechnen. Gehet das Vieh in die Weide, ſo kann man auf eine Kuh dieſen Anfwand nur ½. fl. rechnen. Und alſo iſt der Aufwand auf einer jeden Kuh 1½. fl. groͤßer. Jch will dieſe Rechnung verwilligen. Jch bleibe aber den - noch bey meiner Meynung. Sollte wohl nicht derUber -188Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittUberſchuß an dem Duͤnger, den wir hiedurch gewin - nen, den Uberſchuß an der Milch, der Nutzen, den das hiedurch erſparte Feld traͤgt, und die erhaltene Ge - ſundheit des Viehes mehr, als 1½. fl. betragen? Jch habe nur von den Kuͤhen geredet. Man kann es auch, wenn man 10. Schaafe vor eine Kuh rechnet, auf die Schaafe anwenden. Will man dieſes einwen - den, daß ſich das Vieh, wenn es im Stalle gehalten wird, zu wenig beweget; ſo wird dieſer Einwurf ſo - gleich verſchwinden, wenn man nahe an dem Stalle einen gewiſſen Platz dazu beſtimmet, wo das Vieh bey gutem Wetter einige Stunden herum gehen kann.
Die andere Frage:
Ob es nuͤtzlicher ſey, wenn man die jungen ſau - gen laͤſt, als wenn ſie ſogleich von der Mut - ter genommen, und mit der Milch getraͤn - ket werden?
Jn einigen Laͤndern iſt jenes, in andern dieſes eine Gewohnheit. Mir ſcheinet dieſe vernuͤnftiger zu ſeyn, als jene. Laͤſt man die jungen ſaugen, wie leicht kann es geſchehen, daß ſie alsdenn nicht ſaugen, wenn es noͤthig iſt, die Milch-Gefaͤße der Euter auszumel - ken, und wie leicht kann es geſchehen, daß noch einige Milch in dieſen Gefaͤßen zuruͤck bleibet. Beydes iſt ſo wohl dem Viehe, als auch uns, in Anſehung der Milch-Nutzung, nachtheilig. (§. 262.) Laͤſt man die jungen ſaugen, wie leicht kann ein Acidum aus dem Munde des Saͤuglings in die Milch-Gefaͤße der Eu - ter dringen, dieß kann eine Urſache von vielen uͤbeln Folgen werden (§. 260. 261. ), und wie leicht kann es den jungen an hinreichender Nahrung fehlen. Auch dieß widerſpricht der Wirthſchaft (§. 233).
Anmerk. 189von der Viehzucht.Anmerk. Man verſuche es, man wird es er - fahren, daß Kaͤlber, die nicht ſaugen, aber doch wohl gewartet werden, ſtaͤrker und fetter werden, als die, welche ſaugen, und daß eine Kuh, der man das Kalb ſogleich weggenommen hat, mehrere Milch giebt, als die, an welcher man das Kalb hat ſau - gen laſſen.
Die dritte Frage:
Ob es wirthſchaftlich ſey, wenn man die jun -Ob man die jungen ver - kaufen oder abſetzen ſoll? gen, z. E. die Kaͤlber verkauft, und auf das Futter, was dieſe bey dem Auſziehen freſſen, melkendes Vieh haͤlt. Oder ob es nuͤtzlicher ſey, daß man die Kaͤlber abſetzet und anziehet?
Wir reden, indem wir dieſe Frage beantworten wol - len, entweder von der Wirthſchaft in dem ganzen Zu - ſammenhange betrachtet, oder wir ſehen nur auf den - jenigen Nutzen, den wir durch dieſen beſondern Theil der Wirthſchaft gewinnen koͤnnen. Jn Anſehung des erſten Stuͤkkes, kann die Abſetzung der jungen mehr als auf einerley Art nuͤtzlich ſeyn. Den einen Nutzen haben wir bereits §. 237. veſtgeſetzet, der andere zei - get ſich vorzuͤglich bey der Maſtung u. ſ. f. Die aufgeworfene Frage beziehet ſich hauptſaͤchlich auf den andern Punkt. Und es ſcheinet, als wenn man in dieſer Beziehung das Abſetzen der Kaͤlber verwerfen muͤſſe. Denn ein Kalb friſt und bringt weiter keinen Nutzen, als daß es an ſeinem Werthe waͤchſt. Dieß aber iſt dem Nutzen, den wir von einem melkenden Stuͤkke gewinnen koͤnnen, nicht gleich zu ſchaͤtzen. Dieß iſt, wenn die Sache fuͤr ſich betrachtet wird, ge - gruͤndet. Doch aber iſt in den Leipzigern oͤconomi - ſchen Nachrichten durch eine Berechnung veſtgeſetztworden,190Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittworden, daß eine Verhaͤltniß - maͤßige Abſetzung der Kaͤlber nuͤtzlicher werden koͤnne, als wenn man dieß Futter auf melkendes Vieh verwendet haͤtte. Soll - te man genoͤthiget werden, in dieſer Berechnung eini - ge Stuͤkke zu veraͤndern, ſo wird doch gewiß dieß die Folge werden, daß es nicht weniger nuͤtzlich ſey. Die Gruͤnde zu dieſer Rechnung ſind folgende:
Dieſe Saͤtze bekraͤftiget die Erfahrung. Wenn man nun den Gewinnſt von den ausgehobenen Kuͤhen mit dem dreyjaͤhrigen Nutzen vergleichet, den das melkende Vieh wuͤrde getragen haben, was man mit dem Futter haͤtte erhalten koͤnnen, das die abgeſetzten Stuͤkke gefreſ - ſen haben, und von dieſem den Nutzen der Erſtlinge ab - ziehet, ſo wird die Rechnung dieſe Wahrheit beveſtigen: Es ſey einem Wirthe nuͤtzlich, wenn er auf 12. mel - kende Stuͤkke jaͤhrlich 2. Kaͤlber abſetzet.
Andere Anmerk. Dieſe Rechnung kann auch auf die Schaaf-Zucht angewendet werden, man muß nur dieß veraͤndern, was aus der Beſtimmung des Alters iſt geſchloſſen worden. Denn die Schaa - fe ſind nicht in einem ſo hohen Alter nutzbar als die Kuͤhe.
Es ſcheinet mir unmoͤglich zu ſeyn, daß man den Werth der Milch-Nutzung uͤberhaupt beſtimmen koͤnne. Es laufen in dieſem Stuͤkke ſo viele Neben-Dinge zu - ſammen, die von beſondern Umſtaͤnden abhangen. Man muß theils den Werth der Fuͤtterung, theils auch dieß in Erwegung ziehen, ob man die Milch friſch verkaufen koͤnne, oder ob ſie muͤſſe verbuttert und zu Kaͤſe gemacht werden. Das erſte bringet al - lemahl einen groͤßern Nutzen, als das letzte. Und doch iſt auch in beyden Faͤllen darauf zu ſehen, wie hoch man es in der Nachbarſchaft anbringen koͤnne. Dieß iſt die Urſache, warum wir dieſen Punkt jetzo bey Seite ſetzen, und uns vielmehr um einen End - wurf bekuͤmmern, wie dieſe Nutzung in eine regelmaͤſ - ſige Rechnung koͤnne gebracht werden. Man wird es uns leicht verwilligen, daß derjenige, der uͤber dieſen Punkt eine regelmaͤßige Rechnung fuͤhren will, ſo wohl bemerken muͤſſe, wie viele Milch taͤglich eingekommen, als auch wie und wozu ſie iſt verwendet worden. Fer - ner daß man bey dieſem Punkte die friſche Milch, welche iſt verkauft worden, von der, welche iſt verbut - tert und zu Kaͤſe gemacht worden, abſondern muͤſſe. Hat man die Milch verbuttert, ſo giebt dieß Butter, Butter-Milch, Kaͤſe und Molken. Die Molken kom - men nicht leicht in die Rechnung, ſondern werden zur Fuͤtterung der jungen Schweine verwendet. *)Dieß iſt genug, zu begreifen, daß dieſe Rechnung mit Nutzen folgender Geſtalt koͤnne eingerichtet werden:
Milch -193von der Viehzucht.Wir verlangen es, daß ſich unſer Vieh durch dieAbſicht die - ſes Capitels. Vermehrung nutzbar beweiſen ſoll. Aus die - ſer Urſache halten wir Vieh zur Zucht, und wir ſu - chen unſern Vortheil durch den Verkauf der jungen. Dieß iſt genug, zu begreifen, daß es bey der Gewin - nung dieſes Vortheils auf drey Stuͤkke ankommt. Einmahl auf das Vieh, das wir zue Zucht halten. Fuͤrs andere auf die Wartung dieſer Thiere. Fuͤrs dritte auf die Umſtaͤnde, die uns den Verkauf nutz - bar machen koͤnnen. Wir wollen jeden Punkt ſo, wie es unſere Abſicht erfodert, beſonders betrachten.
Jn Anſehung des erſten Punkts muͤſſen wir wie -Wie die Art der Thiere nach dieſer Abſicht zu beſtimmen. derum die Art der Thiere von ihrer innern Guͤthe un - terſcheiden. Die Wahl der Art iſt aus mehr als aus einem Punkte zu beſtimmen. Wir wollen dieſe Zucht nicht nur durch den Verkauf ins Geld ſetzen, ſon - dern auch durch dieſen Handel einigen Vortheil gewin - nen. Wir muͤſſen demnach bey der Wahl dieſer Thiere nicht nur auf diejenigen Stuͤkke ſehen, die wir bereits §. 226. von dem Verkauf der Thiere, wenn dieſer mit Vor - theil geſchehen ſoll, angemerket haben; ſondern wir muͤſ - ſen auch den Werth des Futters, das wir nach Beſchaf - fenheit unſerer Umſtaͤnde zur Ziehung dieſer Thiere an - wenden koͤnnen, in Erwaͤgung ziehen. Es iſt dieß eineN 3Folge198Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittFolge der allgemeinen Wirthſchafts-Regel: Ein Wirth muß nicht mehr ausgeben, als er einnimmt.
Wir wollen dieß mit einem Beyſpiele erlaͤutern. Es iſt gewiß, daß die Schweine zu dieſer Abſicht, da man nur durch die Vermehrung den Nutzen ſuchet, wo nicht die nuͤtzlichſten, doch wenigſtens ſolche Thie - re ſind, die wir den nuͤtzlichſten beyzehlen muͤſſen. Ei - ne gute Sau-Mutter wirft wenigſtens in einem Jahr zweymahl, und wir koͤnnen bey einem jeden Wurfe wenigſtens auf 8 Ferkel Rechnung machen. Dieß ſind von einer Mutter in einem Jahr 16 Ferkel. Dieſe ſaugen 4 bis 6 Wochen, alsdenn kann man hier zu Lande das Stuͤck wenigſtens vor 16 Groſchen verkaufen. Dieß macht zuſammen 10 Thlr. 16 gl. Der Vortheil ſcheint anſehnlich zu ſeyn. Nun bilde man ſich eine Wirthſchaft, in welcher man keine Ab - gaͤnge zur Schwein-Fuͤtterung hat, z. E. Trebern, Spuͤlig und dergleichen, und in welcher man die Schweine mit Gerſten - Erbſen-Schrot und dergleichen futtern muß, man ſetze zu dieſem den Aufwand fuͤr das Geſinde, und alsdenn ziehe mau die Rechnung, ſo wird gewiß der Vortheil verſchwinden.
Aus dieſem folget eine Haupt-Regel, die man bey der Wahl der Thiere, die ſich durch die Vermehrung nutz - bar beweiſen ſollen, genau zu beobachten hat:
Man muß ſolche Thiere zu dieſer Abſicht waͤhlen, die man von den Abgaͤngen ſeiner Wirthſchaft wohl fuͤttern kann.
Anmerk. Von den Abgaͤngen, die uns der Ak - kerbau ſchenket, haben wir bereits oben geredet. DieAb -199von der Viehzucht. Abgaͤnge, die wir von den Gewerken nehmen koͤnnen, ſollen an ſeinem Orte beſchrieben werden.
Dieſe Thiere ſollen ſich durch die Vermehrung nuͤtz -Wie die Guͤ - te der Thiere durch dieſe Abſicht zu beſtimmen. lich beweiſen. Sie muͤſſen uns demnach nicht nur ſo viele junge liefern, als durch Thiere von der erwehl - ten Art moͤglich ſind, ſondern dieſe jungen muͤſſen auch in ihrer Art die erforderliche Staͤrke und Mun - terkeit haben. Wie iſt dieſe Folge moͤglich, wenn man nicht bey der Wahl dieſer Thiere auf folgende Regeln ſiehet.
Es giebt z. B. Schweine, die ſehr ungedultig ſind, und die daher viele todte Ferkel werfen. Es giebt Schwei - ne, die nur mit Verdruß die Ferkel zur Warze laſſen. Es giebt Schweine, die ihre Ferkel freſſen. Dieſe ſind zur Vermehrung unbrauchbar. Wir koͤnnen dieſeN 4Regeln200Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittRegeln auch auf das Feder-Vieh anwenden. Z. B. ſehr viele Gaͤnſe ſind aus dieſer Urſache zur Zucht unbrauchbar, weil ſie die Waͤrme nicht vertragen koͤn - nen, die der Dunſt bey dem Bruͤten verurſachet. Die Truthuͤner verdienen wegen ihrer Gedult bey dem Bruͤten unter dem Feder-Vieh einen merklichen Vor - zug. u. ſ. f.
Anmerk. Jn den Fuͤrleſungen koͤnnen verſchie - dene Anwendungen dieſer Regeln gemacht werden. Man kann es zugleich zeigen, wie dieſe Gedult der Truthuͤner einem Wirthe merklich nntzbar werden koͤnne.
So weit von dem erſten Punkte. Bey dem an - dern Punkte ſ. §. 270. koͤnnen wir uͤberhaupt dasjenige wiederhohlen, was wir bereits §. 233. 234. 239. und 241. veſtgeſetzt haben. Jnsbeſondere muͤſſen wir hier die Warthung der Zucht-Thiere von der Warthung der jungen unterſcheiden. Jn Anſehung des erſten bilde ich folgende Regeln:
Die erſte Regel.
Vieh, das zur Zucht gehalten wird, muß nicht fett werden, doch muß man es alſo futtern, daß es ſtark und bey vollkommnen Kraͤften bleibet.
Die Thiere befoͤrdern die Vermehrung entweder durch das Bruͤten, oder dadurch, daß ſie die jungen tragen. Jn beyden Faͤllen iſt es, wenn ſie zu fett ſind, der Frucht nachtheilig. Zum Bruͤten ſind ſie theils zu ungedultig, theils lehret auch dieß die Erfahrung, daß ſie, wenn ſie gleich im Sitzen beſtaͤndig ſind, den - noch ſelten die untergelegten Eyer ausbruͤten. Sollteman201von der Viehzucht. man wohl nicht beyde Begebenheiten aus den Wuͤr - kungen erklaͤren koͤnnen, welche die durch das Bruͤten gewuͤrkte Waͤrme in dem Falle hervorbringet? Junge, welche von den Thieren, die zu fett ſind, geworfen werden, bekommen ſelten die von uns gewuͤnſchte Staͤrke. Dieß iſt eine Wuͤrkung von dem Mangel der Nahrung. Die Wichtigkeit dieſer Regel kann auch aus dem begriffen werden, weil fette Thiere, ſo wohl, wenn ſie tragen, als auch, wenn ſie werfen, vieler Ge - fahr ausgeſetzt ſind. Der andere Theil des Satzes kann bey dem Feder Vieh aus der zum Bruͤten erfor - derlichen Waͤrme, als welche abmattet, und bey dem tragenden Viehe aus dem §. 274. erklaͤret werden.
Die andere Regel:
Bey dem tragenden Viehe muß man in derDie andere Regel. Zeit, da es traͤget, alle Behutſamkeit anwen - den, zu verhindern, daß es weder durch das Fallen noch durch das Stoßen der Frucht Schaden thun koͤnne. Und bey dem Feder - Viehe hat man zu der Zeit, da es bruͤthet, dahin zu ſehen, daß die Eyer durch keine heftige Bewegung erſchuͤttert, und daß die Mutter von den Eyern nicht vertrieben werde.
Anmerk. Aus dem erſten kann man den Bau der Schwein-Staͤlle, und aus dem andern kann man dieß beurtheilen, warum das Feder-Vieh in ſtillen und dunklen Oertern angeſetzet wird.
Die dritte Regel:
Will man die jungen ſogleich verkaufen, ſoDie dritte Regel.N 5muß202Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittmuß man dahin ſehen, daß ſie alsdenn da ſind, wenn ſie in der Nachbarſchaft den groͤſten Werth haben. Will man die jungen anzie - hen, ſo muͤſſen ſie zu einer ſolchen Zeit da ſeyn, in welcher ſie ohne viele Koſten koͤn - nen gefuͤttert und ohne Gefahr gewarthet werden.
Anmerk. Die Zeit, in welcher dieſe Thiere den groͤſten Werth haben, iſt theils aus ihrer Selten - heit, theils aus der Nothwendigkeit ihres Ge - brauchs zu beurtheilen, der von den Meynungen der Menſchen beſtimmet wird. Die Beſtimmung der letztern Zeit gruͤndet ſich theils in dem zur Er - ziehung dieſer Thiere erforderlichen Futter, theils in der zu dieſer Erziehung erforderlichen Witterung.
Dieſe Regel gebiethet einem Wirthe, dahin zu ſe - hen, daß er die jungen zu einer bequemen Zeit er - halte. Sollte dieß in der Gewalt eines Wirthes ſte - hen? Es iſt wahr, daß wir die Thiere nicht zwingen koͤnnen, daß ſie ſich nach unſerm Willen vermehren. Dennoch aber ſtehet bey verſchiedenen Thieren die Be - ſtimmung dieſer Zeit in unſerer Gewalt. Die Erfahrung lehret es uns, daß beynahe alle Arten von Thieren, welche die jungen tragen, alle Monathe, woferne ſie nicht zugekommen, bruͤnſtig ſind. Jſt nun die - ſes, ſo darf man nur die Zeit merken, wie lange ſie tragen, ſo kann man nach den angegebenen Abſich - ten den Monath beſtimmen, in welchem ſie muͤſſen zugelaſſen werden. Das bruͤtende Vieh muß man in dieſem Stuͤkke, wenn wir die Truthuͤner ausneh - men, dem Laufe der Natur uͤberlaſſen. Bey dieſen koͤnnen wir das Bruͤten auf einige Wochen verhindern. Sie203von der Viehzucht. Sie wollen ſich anſetzen. Man leget ihnen ein Ey unter, man laͤſſet ſie auf dieſem ſo lange ſitzen, bis die Zeit herbey kommt, da wir ſie nach unſerer Ab - ſicht anſetzen koͤnnen.
Anmerk. Dieß zeiget ſeinen Nutzen auch in dieſem Stuͤkke, daß wir die jungen von den Trut - huͤnern zu gleicher Zeit gewinnen koͤnnen, welches die bey der Warthung aufzuwendende Koſten er - leichtert.
Die Haupt-Regel, die wir bey der Warthung derVon der Warthung der jungen. jungen beobachten muͤſſen, iſt dieſe:
Das Futter muß ihrer Natur und ihrem Al -Haupt - Re - gel. ter gemaͤß ſeyn. Der Ort, wo ſie gehalten werden, muß ſie wider alle widrige Anfaͤlle bedekken koͤnnen.
Man wird uns auch dieſe Regel ohne Beweiß verwil - ligen. Sie iſt eine unmittelbare Folge aus der Ab - ſicht.
Wie erkennet man es, ob das Futter ihrer NaturWie dieß an - zuwenden. und ihrem Alter gemaͤß iſt? Man bekuͤmmere ſich um das Futter, was ſie alsdenn freſſen, wenn ſie in der natuͤrlichen Freyheit leben. Man verbinde mit dieſem dieſe Wahrheit, daß ſich ihre Natur dadurch, daß ſie in der Wirthſchaft gezogen werden, nicht we - ſentlich veraͤndert, ſondern daß ſie hiedurch nur zaͤrt - licher wird; ſo wird man uns bald dieſe Regel verwil - ligen.
Dieß Futter muß dem gemaͤß ſeyn, was das Vieh in der Wildniß frißt, doch muß man es alſo zubereiten, daß es leichter koͤnne ver - dauet werden.
Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich dieſen Er - findungs-Weg auch denen vorſchlage, welche ſo wohl die innere als auch die aͤußere Beſchaffenheit des Orts beſtimmen wollen, in welchen dergleichen Thiere muͤſſen aufgezogen und vermehret werden. Jn der Wildniß leben ſie ihrer Natur gemaͤß. Durch dieſe lernen ſie, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Sie leitet dieſe Thiere zu den Gebrauch derjenigen Mittel, durch welche ſie ſich erhal - ten, und wider ihre Feinde beſchuͤtzen koͤnnen. Man betrachte dieſe Umſtaͤnde, und man wird es bald mer - ken, welche Beſchaffenheir der Luft und der Witte - rung, welche Art der Thiere, und welche Art von Un - geziefer ihnen nachtheilig ſind. Man wird auch leicht diejenigen Mittel entdekken, die ſtark genug ſind, die Thiere, die wir ziehen wollen, wider dieſe Anfaͤlle zu bedekken, und ſie von dem, was ihnen ſchaͤdlich iſt, zu befreyen.
Einem Wirthe, der Geſchicklichkeit genug beſitzet, die Wuͤrkungen der Natur zu betrachten, wird es nicht ſchwer fallen, dieſe allgemeine Lehre auf beſondere Faͤl - le anzuwenden. Jch will nur einen znr Erlaͤuterung anmerken. Jn Anſehung des Feder-Viehes, das der Gewohnheit gemaͤß in den Wirthſchaften gehalten wird, iſt nichts ſo nuͤtzlich und ſo eintraͤglich, als die Zucht der Truthuͤner, die auch Jndianiſche, oder Calcut - ſche Huͤner genennet werden. Dieſe bezahlet den Auf - wand mit einem merklichen Vortheile, wenn ſie gluͤck - lich gehet, und wenn die Anzahl der Huͤner, die zu die - ſer Abſicht gehalten werden, groß genug iſt, dieſer Zucht eine beſondere Waͤrterin zu ſetzen. Wo iſt der Grund von dem, daß es bey dieſer Zucht ſo ſelten gluͤcklich gehet? Es iſt dieß eine gewoͤhnliche Klageder205von der Viehzucht. der Wirthe, und dieſe verurſachet, daß man zu ſeinem Schaden dieſen Theil der Wirthſchaft unter die Ne - ben Dinge ſetzet. Sollte ich irren, wenn ich den Grund dieſes Ungluͤcks nicht in der Beſchaffenheit der Sache, ſondern in dem ſuche, das man bey dieſem Stuͤkke die Beobachtung der zuvor veſtgeſetzten Lehre merklich ver - abſaͤumet. Wie futtert man dieſe jungen? und wie ſiehet es in dem Orte aus, wo ſie verwahret werden? Man futtert dieſe jungen mit geronnener Milch, iſt dieß eine Speiſe, die ihrer Natur gemaͤß, und die ſie gehoͤrig verdauen koͤnnen? Man fuͤttere ſie in den er - ſten Tagen mit Eyern von ihrer Art, man vermiſche die - ſe nach und nach mit Brenn-Eßeln und mit einem Brey von gekochten Erbſen. Man gebe ihnen endlich die - ſen Brey alleine, und man haͤnge gruͤne Kohl-Stau - den an einen Faden, ſo, daß ſie ſolche abbeißen und be - ſchnaufeln koͤnnen. Wird man in den erſten ſechs Wochen mit dieſer Fuͤtterung fortfahren, und dieſe jun - gen Huͤner bey hellem Wetter auf einen gruͤnen Anger ſetzen, daß ſie daſelbſt Wuͤrmer zu ihrer Nahrung ſu - chen koͤnnen; ſo wird man es bald merken, daß dieſe Art der Fuͤtterung der gewoͤhnlichen vorzuziehen ſey. Der Ort, wo dieſe jungen gehalten werden, wird heiß gemacht, und ſie muͤſſen auf einem veſten Boden gehen. Jn beyden Stuͤkken wird gefehlet. Es iſt wahr, ſie koͤnnen keine Kaͤlte vertragen. Folget es nun aus die - ſem, daß ſie heiß ſitzen muͤſſen. Sollte nicht dieſe uͤber - maͤßige Hitze ihre Nerven ſchwaͤchen? Jſt der Boden veſte, wodurch wollen ſie das Ungeziefer von ſich ſchaf - fen, womit ſie haͤufig beladen ſind, und das ſie durch das beſtaͤndige Nagen voͤllig entkraͤftet. Man gebe dieſem Orte eine gelinde Waͤrme, und man ſtreue auf den Boden ſo viel Sand, daß ſie ſich darinnen welzen und baden, und hiedurch von dem Ungeziefer befreyen koͤnnen; man wird gewiß dieſe Huͤner-Zucht loben, und das gewoͤhnliche Klagen verlachen.
Der dritte Punkt beſchaͤftiget ſich mit der Betrach - tung derjenigen Umſtaͤnde, die uns den Verkauf die - ſes gezogenen Viehes nutzbar machen koͤnnen. Wir koͤnnen hier diejenigen Regeln wiederholen, die wir be - reits §. 226. veſtgeſetzet haben. Wir wollen dieſen noch einige beſondere Punkte hinzufuͤgen:
Ein jeder Punkt von dieſen verdienet eine beſonde - re Unterſuchung. Voͤllig ausgewachſenes Vieh ſtehet gewiß in einem hoͤhern Werthe, als das, was noch nicht voͤllig ausgewachſen iſt. Allein, wie viel koſtet es uns, ehe es dieſes Ziel erreichet hat. Dieß iſt genug, zu be - greifen, daß wir dieſe Frage weder allgemein bejahen, noch allgemein verneinen koͤnnen. Dieſe Endſcheidung gruͤndet ſich in der innern Beſchaffenheit der Wirth - ſchaft, ob man die Thiere mit Abgaͤngen, oder nur mit ſolchen Dingen ernaͤhren koͤnne, die man bequem ver - kaufen kann. Jſt das erſte, ſo muß ich die aufge - worfene Frage bejahen. Denn dieß iſt zugleich ein Mittel, die Abgaͤnge ins Geld zu ſetzen. Jſt das an - dere, ſo wird die Endſcheidung dieſer Frage von der Beantworthung folgender Punkte abhangen.
Es iſt unmoͤglich, dieſe Fragen uͤberhaupt zu beant - worten. Dieſe Antworten gruͤnden ſich theils in der Beſchaffenheit der Nachbarſchaft, in welcher wir unſe - re Wirthſchaft treiben. Dieſe beſtimmet den Werth der Dinge. theils in der innern Beſchaffenheit unſerer Wirthſchaft. Hier iſt es genug, daß wir diejenige Punkte veſt ſetzen, die ein Wirth in Erwegung ziehen muß, der einen vernuͤnftigen und gegruͤndeten Anſchlag machen will.
Wir wollen es annehmen, ein Wirth habe nach die -Anmerkung. ſen Regeln den Anſchlag gemacht, und es ſey der Schluß, daß der Gewinn von dem Verkaufe des jungen Viehes dem gleich ſey, was wir von dem Verkaufe des bereits ausgewachſenen Viehes gewinnen; ſo wird ihm dennoch das letztere vortheilhafter ſeyn, als das erſte. Denn er gewinnt den Miſt, der in einer Wirthſchaft unſchaͤtz - bar iſt.
Wir haben dieſe Sache ſo weit, als es uns moͤglichDie andere Aufgabe. iſt, genau unterſuchet, wir haben es gefunden, daß der Verkauf des ausgewachſenen Viehes uns nuͤtzlicher ſey, als der Verkauf des jungen Viehes. Nun entſtehet die andere Frage, ob wir es mager oder alsdenn verkaufen ſollen, nachdem wir es gemaͤſtet haben. ſ. §. 283. Es iſt gewiß, daß das gemaͤſtete Vieh in einem hoͤherem Preiße ſtehet, als das magere. Es kommt aber auchbey208Der Land-Wirthſchaft 3 Abſchnittbey dieſem Stuͤkke auf den Werth desjenigen an, wo - mit wir es maͤſten wollen. Kann die Maſtung mit Abgaͤngen, oder mit Dingen von einem geringen Werth beſorget werden, ſo iſt es gewiß, daß der Verkauf des gemaſteten Viehes nuͤtzlicher ſey, als der Verkauf des magern. Wir ſetzen hiedurch unſere Abgaͤnge ins Geld. Dieß iſt ein Vortheil. Muß aber die Maſtung mit dem Getreide und mit ſolchen Dingen beſorget werden, die einen beſtimmten Preiß haben, und die wir bequem veraͤußern koͤnnen, ſo wird es uns ſchwer fallen, dieſe Frage uͤberhaupt zu bejahen oder zu verneinen. Die - ſe Beantwortung gruͤndet ſich wiederum in der Be - ſtimmung folgender Punkte.
Den Grund dieſer Beſtimmung muͤſſen wir wiederum theils aus der Nachbarſchaft, theils aus der innern Be - ſchaffenheit unſerer Wirthſchaft nehmen.
Anmerk. Was wir §. 285. angemerket haben, das muß auch bey dieſem Stuͤkke um deſto mehr gelten, weil das Vieh, was auf der Maſtung ſtehet, allemahl beſſern und mehrern Miſt giebt, als das andere.
Man wird es ſonder Zweifel nicht ungern ſehen, wenn ich hier einige Fehler, die bey der Maſtung be - gangen werden, und einige Vortheile, die uns die Ma - ſtung nuͤtzlich machen koͤnnen, mit anmerke. Jch willalſo209von der Viehzucht. alſo dieſen Theil der Wirthſchaft auf einige Regeln bringen, die uns ſo wohl jene Fehler, als auch dieſe Vortheile lehren.
Die erſte Regel: Das Vieh, was auf derDie erſte Re - gel. Maſt ſtehet, muß ſchlechterdings reinlich gehalten werden.
Dieſe allgemeine Regel, die wir bereits §. 234. bey der Viehzucht uͤberhaupt feſtgeſetzet haben, wird durch das beſondere, was dieſe Wirthſchafts-Beſchaͤftigung, nemlich die Maſtung, in ſich begreift, unterſtuͤtzet. Wir wollen Vieh maͤſten, das iſt, wir wollen das Vieh alſo fuͤttern, daß es am Fleiſche zunehmen, und daß das Fleiſch mit Fett durchwachſen koͤnne. Jſt dieß, ſo muͤſſen wir alles aus dem Wege raͤumen, was der Geſundheit des Viehes nachtheilig, und das Zu - nehmen am Fleiſche, und die Anlage des Fettes ver - hindern koͤnne. Dieß iſt genug zu begreifen, daß das Vieh ſchlechterdings reinlich muͤſſe gehalten werden. Siehe den Beweiß des §. 234.
Anmerk. Aus dieſem folget, daß es nicht genug ſey, wenn man den Maſtſtall fleißig ausſtreuet. Ein Wirth muß auch das Maſt-Vieh oft ſtriegeln und waſchen laſſen. Und ſo ferner.
Dieſe Auswickelung der Gedanken fuͤhret uns zu -Die andere Regel. gleich auf die andere Regel, die bey der Maſtung, wenn ſie gluͤcklich gehen ſoll, muß beobachtet werden. Nemlich,
Die Staͤlle, in welchen die Maſtung beſorget wird, muͤſſen nicht zu kalt, und auch nicht zu warm ſeyn. Die Luft in dieſen Staͤllen muß, durch den Zufluß friſcher Luft, beſtaͤndig koͤnnen gereiniget werden.
OSind210Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittSind dieſe Staͤlle zu warm, ſo wird das Vieh durch den Schweiß entkraͤftet, und verliehret die Luſt zum freſſen. Dieß iſt wider die Abſicht der Maſtung. Sind dieſe Staͤlle zu kalt, ſo verliehret das Vieh gleichfalls die Luſt zum freſſen. Jſt in dieſen Staͤllen eine unreine Luft, ſo ſtehet die Geſundheit des Viehes in Gefahr. Siehe den Beweiß des §. 234. Folglich widerſpricht auch dieß der Abſicht, die wir durch die Maſtung erreichen wollen.
Aus dieſen fließet dieſe beſondere Lehre: Die Maſt-Staͤlle muͤſſen bey hitzigem Futter kuͤhler gehalten werden, als bey kuͤhlem Futter.
Die dritte Regel: Das Vieh, was auf der Maſt ſtehet, muß zwar zu keiner Zeit einen Mangel am Futter haben, aber doch alſo gefuͤttert werden, daß es beſtaͤndig zum freſſen Luſt behaͤlt.
Leidet das Maſt-Vieh einen Mangel am Futter, ſo kan es unmoͤglich ſo zunehmen, wie es die Abſicht der Maſtung erfodert, und die zur Maſtung beſtimmte Zeit wird ohne Noth verlaͤngert. Beydes macht, daß wir denjenigen Vortheil nicht gewinnen koͤnnen, der durch die Wirthſchaft moͤglich iſt. Wird das Maſt - Vieh alſo gefuͤttert, daß es die Luſt zum freſſen ver - liehret, ſo kan dieß der Wirthſchaft aus verſchiedenen Urſachen ſchaͤdlich ſeyn.
Man wird es uns leicht verwilligen, daß, dieſe Ab -Mittel zur Beobach - tung dieſer Regel. ſicht zu erreichen, die Beobachtung folgender Stuͤkke noͤthig ſey.
Jch will bey dieſer Gelegenheit einen Vorſchlag machen, wie es ein Wirth beſtimmen koͤnne, wie vieles Vieh von einer gewiſſen Art, von dem vorraͤthigen Futter, koͤnne gemaͤſtet werden. Dieß wird uns zu - gleich eine Vorſchrift geben, nach welcher bey der Maſtung die Rechnung von dem Futter zu fuͤhren.
Die erſte Regel: Die Groͤße des vorraͤthigen und zur Maſtung gewibneten Futters iſt nach dem Gewichte zu beſtimmen.
Anmerk. Der Vorrath dieſes Futters iſt ent - weder auf einmal bey einander, oder es wird nach und nach erhalten, wie z. B. die Abgaͤnge von den Gewerken. Jſt jenes, ſo laſſe man es waͤgen, ehe es in die Vorraths-Kammer geſchuͤttet wird. Jſt dieſes, ſo beſtimme man das Gewicht, von einem gewiſſen Theile dieſes Futters. Man berechne es, wie viele Theile von dieſer Art in einer gewiſſen Zeit erhalten werden. So wird man auch leicht das Gewichte, von dieſem Vorrathe, beſtimmen koͤnnen.
Die andere Regel: Die Zeit, in welcher das Vieh auf der Maſt ſtehet, iſt in drey Theile zu vertheilen. Jn dem erſten Theile wird es zur Maſtung gewoͤhnet. Jn dem an - dern Theile ſtehet es in vollem Futter. Jn dem dritten Theile kan es das voͤllige Futter nicht mehr bezwingen, ſondern es muß nach und nach abgebrochen werden.
Dieß213von der Viehzucht.Dieß vorausgeſetzet, ſo wird man es uns leicht verwil - ligen, daß bey dieſem Wirthſchafts-Geſchaͤfte folgende Lehren zu beobachten ſind.
Wird man dieſe Rechnung genau ziehen, ſo wirdBeſonderer Vortheil. man es bald erkennen, daß man mit dem Futter, was man in dem lezten Theile der Zeit dem Maſt - Viehe abbricht, wiederum einige Stuͤkke zur Maſtung gewoͤhnen koͤnne. Jſt nun der Anwachs von dem Futter taͤglich einerlei, ſo verdienet dieß eine Auf - merkſamkeit, weil dieß die Haupt-Regel der Wirth - ſchaft: Ein Wirth muß ſich bemuͤhen, das Seinige ſo hoch zu nuͤtzen, als es moͤglich iſt.
Der lezte Punkt, auf welchen ein Wirth bey der Maſtung zu ſehen hat, iſt die Beſchaffenheit des Futters. Es iſt bekannt, daß die Beſchaffenheit der Wuͤrkung von der Beſchaffenheit der Urſache abhaͤnget; und daher iſt es klar, daß dieſes Futter auch dem muß gemaͤß ſeyn, was durch die Maſtung ſoll gewuͤrket werden. Die Abſicht der Maſtung iſt, daß das Vieh vollkommenes Fleiſch, und vollkommenes Fett gewinnen ſoll. Die Mtttel, durch welche das Fleiſch, und durch welche das Fett gewuͤrket wird, ſind bereits §. 56. und 57. feſtgeſetzet worden. Folglich giebt uns auch dieß einen ſichern Grund, die Beſchaffenheit des Futters zu beſtimmen, das zur Maſtung muß ge - braucht werden.
Wir wollen dieß genauer beſtimmen. Die Erfah - rung giebt uns einen Grund, ſo wohl das Fleiſch, als auch das Fett in feſtes und waͤſſerigtes zu vertheilen. Das waͤſſerigte Fleiſch und Fett kan nicht ſo dauer - haft ſeyn, als das feſte (§. 24.), und jenes kan nicht ſo ſehr ins Gewichte fallen, als dieſes. Aus dem erſten iſt zu begreifen, warum ſich das Vieh, was durch die Maſtung ein waͤſſeriges Fleiſch und Fett bekom - men, weniger zum raͤuchern und einpoͤkkeln ſchikket, als das, deſſen Fleiſch und Fett feſte iſt. Dieſe Warheiten geben uns einen Grund, folgende Regeln zu bilden:
Soll die Maſtung vollkommen ſeyn, ſo muß das Futtern alſo eingerichtet werden, daß es ein feſtes Fleiſch, und ein feſtes Fett wuͤrken koͤnne.
Waͤſſerigtes Futter, wenn es allein gelaſſen wird,Darum muß es nicht zu waͤſſerigt ſeyn. kann kein feſtes Fleiſch, und auch kein feſtes Fett wuͤr - ken. Folglich muß bey der Maſtung das waͤſſerige Futter mit anderm vermiſcht werden, was weniger waͤßerigt iſt.
Dieß, was wir von der Beſchaffenheit des Maſt -Einige be - ſondere An - merkungen. Futters angemerket haben, giebt uns einen Grund, folgende beſondere Regeln zu bilden.
Die Wolle, Haare, Seide, Federn und ſo ferner,Abſicht die - ſes Capitels. kommen in vielen Stuͤkken mit einander uͤber - ein, und in einigen ſind ſie von einander unterſchieden. O 4Es216Der Land-Wirthſchaft 3 AbſchnittEs wuͤrde mir angenehm ſeyn, wenn ich beyde Stuͤk - ke alſo beſtimmen, und dieſe Beſtimmungen alſo mit einander verbinden koͤnnte, wie es geſchehen muß, wenn wir uns von dieſen Dingen vollſtaͤndige Be - griffe bilden wollen. Allein ich geſtehe es, daß dieß noch nicht in meiner Gewalt ſtehet. Wer uns von dieſen Dingen deutliche und vollſtaͤndige Begriffe bil - den will, der muß vier Stuͤkke beobachten. Er muß einmahl die Arten von den erſten Grund-Materien dieſer Dinge; fuͤrs andere, die innere Beſchaffenheit dieſer Grund-Materien; fuͤrs dritte, ihre Verhaͤlt - niſſe, und fuͤrs vierte die Art ihrer Verknuͤpfung beſtimmen. Mehr als einmahl habe ich, dieſe Fra - gen zu beantworten, Verſuche angeſtellet, dieſe aber ſind noch zu ſchwach, genau beſtimmte Antworten zu wuͤrken. Sie geben nur einige allgemeine, die aber doch, wie ich es glaube, hinreichen, dasjenige veſt zu ſetzen, was nach der Abſicht der gegenwaͤrtigen Ab - handlung erfodert wird, wie nemlich das Vieh, in Abſehen auf die angenommenen Nutzungen, zu war - then und zu futtern.
Wenn wir das aus dieſen zur Aſche gebrannten Dingen gelaugte Salz, ſo genau, als es uns moͤglich iſt, unterſuchen, und dieß mit dem Salze verglei - chen, was aus den zur Aſche gebrannten Kraͤutern, welche das Futter dieſer Thiere ſind, gelauget wird, ſo werden wir keinen merklichen Unterſchied finden. Wenn wir ferner die Dinge klein geſchnitten und ge - ſtampfet, in einem Retorten an ſehr langſames Feuer ſetzen, und alsdenn damit verfahren, wie wir die Verſuche mit der Milch beſchrieben haben, ſo wird uns dieß einen Grund geben, folgende Saͤtze zu bilden:
Der217von der Viehzucht.Anmerk. Will man die Verſuche mit dem Ho - nige und mit dem Wachſe mit dieſen Dingen ver - gleichen, ſo wird man auch unter dieſen eine merk - liche Aehnlichkeit finden. Dieſe kann Gelegenheit geben, verſchiedene Regeln zu bilden, die bey der Bienen-Zucht nuͤtzlich ſind.
Aus dieſen Saͤtzen ſchluͤſſe ich
Anmerk. Saures und ſtarkhalmigtes Gras iſt ein ſchlechtes Futter fuͤr Schaafe und Hammel, in Abſehen auf die Nutzung der Wolle.
Anmerk. Dieß giebt uns einen Grund, dieſe Frage zu entſcheiden, ob die Haͤmmel einem Wir - the nuͤtzlicher ſind, als die Schaafe.
Es erhellet aus dem, was wir in der VorbereitungAbſicht die - ſes Abſchnit - tes. zu den Cameralwiſſenſchaften §. 33 und 34. von der Stadtwirthſchaft angemerket haben, daß ſich dieſe von der Landwirthſchaft nicht in Anſe - hung des Orts, wo ſie getrieben wird, ſondern in An - ſehung der Beſchaͤftigungen unterſcheidet. Die Land - wirthſchaft kann in einer Stadt, und die Stadtwirth - ſchaft kann auf einem Lande, getrieben werden. Die Landwirthſchaft iſt eine Dienerin der Natur, und die Stadtwirthſchaft faͤngt da an, wo die Natur aufhoͤrt, ſie verarbeitet die Werke der Natur zum Nutzen der Menſchen. Vieleicht iſt es nicht ohne Nutzen, wenn wir auch dieſe Verarbeitungen, ſo viel es uns moͤglich iſt, in einer natuͤrlichen Ordnung abbilden, und dieje - nigen Regeln befeſtigen, nach welchen dieſe Verarbei - tungen zu beurtheilen, und wo es moͤglich iſt, zu verbeſ -ſern.222Der Stadt-Wirthſchaft 1. Abſchnittſern. Dieſe Beſchaͤftigungen, die theils die Gewerke, theils die Manufakturen und Fabriquen beſtimmen, ſe - tzen einige allgemeine Stuͤkke voraus, die ein Wirth zuvor wohl uͤberlegen muß, ehe er ſich, ſolche anzulegen, entſchlieſſet. Mit der Unterſuchung dieſer Stuͤkke, wollen wir uns in dieſem Abſchnitte beſchaͤftigen.
Das erſte, was bey der Anlage eines Gewerkes oder Fabrique von einem Wirthe zu unterſuchen, iſt dieß, ob und in wie weit eine ſolche Anlage nuͤzlich ſey. Man wird uns dieſen Satz deſto leichter verwilligen, weil er aus dem Begriffe eines Wirthes unmittelbar folget. Die Beſtimmung dieſes Nutzens verdienet ei - ne genauere Unterſuchung. Er faͤllt nicht allemal ſo gleich in die Augen, ſondern er wird oft alsdenn erſt merklich, wenn eine lange Reihe von verſchiedenen wirthſchaftlichen Beſchaͤftigungen geendiget iſt. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß es nicht ohne Nutzen ſey, wenn wir diejenigen Stuͤkke feſtſetzen, die uns den Nutzen dieſer wirthſchaftlichen Beſchaͤftigungen abbil - den koͤnnen.
Wer dieſe Frage, ob ein Gewerke oder eine Fa - brique nuͤzlich ſey, entſcheidet, der ſiehet entweder auf den Staat, oder allein auf den Werth. Der Grund, dieſe Frage in dem erſten Falle zu beantworten, iſt von dem Grunde unterſchieden, aus welchem die Antwort in dem andern Falle flieſſet. Der erſte Grund iſt die - ſer: Alle Beſchaͤftigungen, welche Mittel, meh - rere Unterthanen in einem Lande zu ernaͤhren, ſind einem Staate nuͤzlich. Die Warheit dieſes Satzes erhellet aus dem, was wir §. 14 und folgen - den in der Vorbereitung feſtgeſetzet haben.
Anmerk. 223von der Stadt-Wirthſchaft uͤberhaupt.Anmerk. Es iſt eine Einfalt, wenn man die Gewerke oder die Fabriquen alsdenn als Beſchaͤf - tigungen anſiehet, die dem Staate unnuͤzlich ſind, wenn ſie nicht dem Staate unmittelbar einige Ein - kuͤnfte wuͤrken. Es iſt ſehr leicht durch die Rech - nung zu beweiſen, daß ſie auch dem Staate als - denn merklich nuͤzlich ſeyn koͤnnen, wenn ſie weiter nichts unmittelbar abwerfen, als daß ſie die Arbei - ter ernaͤhren. Wir wollen annehmen, es koͤnten ſich unter der angenommenen Beſtimmung 50 Men - ſchen ernaͤhren, ſo erfordert ihre Unterhaltung, Brod, Bier, Fleiſch, Holz, Licht, Kleidung, Woh - nung, und ſo ferner. Sind dieß nicht Dinge deren Verkauf und Verarbeitung die Nahrung im Lande befoͤrdern, und die Einkuͤnfte des Staats wuͤrken? wir wollen dieſes an ſeinem Orte weitlaͤuftiger un - terſuchen.
Der andere Grund beſtimmet den Nutzen desJn Anſe - hung des Wirths Wirths, der ſich mit den Gewerken und Fabriquen beſchaͤftiget. Dieſer kann in verſchiedene Claſſen ver - theilet werden. Dieſe Beſchaͤftigungen ſind entweder Mittel den Wirth zu ernaͤhren, oder ſie ſind zugleich ein Mittel, wodurch der Wirth dasjenige zu Gelde machen kann, was ihm die Landwirthſchaft hervorge - bracht hat. Wir wollen den lezten Punkt zuerſt ge - nauer beſchreiben.
Laͤſt der Wirth das, was ihm die Landwirth -wenn er hie - durch die Wuͤrkungen ſeiner Land - wirthſchaft verarbeiten laͤſt, weil er ſie nicht ver - kauffen koͤn - nen. ſchaft hervorgebracht hat, verarbeiten, und dieß ſoll ihm nuͤzlich ſeyn, ſo hat er entweder die Werke der Natur nicht verkauffen koͤnnen, oder der Nutzen, den er durch die Verarbeitung dieſer Werke gewinnet, iſt groͤſſer, als der, welchen der unmittelbare Verkaufwuͤr -224Der Stadt-Wirthſchaft 1. Abſchnittwuͤrket. Hat er die Werke der Natur nicht verkauf - fen koͤnnen, ſo iſt die Urſache entweder in dem zu ſu - chen, weil ſie geringſchaͤtzig ſind, oder weil das Land einen Ueberflus von dergleichen Dingen hat. Die Moͤglichkeit von beyden Faͤllen beweiſen unendlich viele Beyſpiele. Wir wollen nur einige anfuͤhren, die genug ſind, ſolche zu begreiffen. Das Feld traͤgt an verſchiedenen, bey nahe unbrauchbaren Oertern, die ſchoͤnſten Brenn-Neſſeln. Wer kann dieſe verkauf - fen? Man laſſe dieſe regelmaͤßig zubereiten. Man wird ſie gewiß alſo verkauffen koͤnnen, daß ſie ihre Stelle und die angewendeten Koſten reichlich bezahlen. Ein Wirth hat ſchlechte Felder. Er bauet Duͤnkel. Keiner will dieſen kauffen. Er brennet Brandewein, und ſein Feld wird ihm ſo nuzbar, wie das beſte. Ein Wirth hat eine Menge von Federn, er verkauft dieſe. Er rechnet den Aufwand, und ſeufzet uͤber die Zucht der Gaͤnſe. Ein anderer behaͤlt ſeine Fe - dern, er bereitet ſie zur Wolle. Sie wird der Baum - wolle aͤhnlich. Er laͤſt dieſe ſpinnen oder verarbeiten. Seine Federn werden ihm reichlich bezahlt, und er denkt auf Mittel, die Zucht der Gaͤnſe zu vergroͤſſern. Der Wirth hat einen Ueberflus an Weitzen. Er kann dieſen nicht mit Nutzen ins Geld ſetzen. Er laͤſt Staͤrke machen, und ſein Weitzen wird ihm reichlich bezahlt; und ſo ferner.
Anmerk. Man wird ſagen: dieſe Vorſchlaͤge ſind gut. Man wird aber auch fragen, wie ſind ſie zu bewerkſtelligen? Wie kann man die Brenn - Neſſel nuzbar machen? Jch habe Neſſel-Tuch ver - fertigen laſſen. Es iſt grob, es kommt nichts her - aus. Jch habe aus dem Duͤnkel Brandwein bren - nen laſſen. Der Brandwein iſt gut. Es giebt aber nicht viel. Den Spuͤlich will kein Vieh freſ - ſen, und daher iſt kein Vortheil dabey. Wie kann man die Federn in eine Wolle verwandeln, die derBaum -225von der Stadt-Wirthſchaft uͤberhaupt. Baum-Wolle aͤhnlich iſt. Ja ſollte es angehen, ſo wuͤrde gewiß der Aufwand den Werth uͤberſteigen. Was gewinnet man, wenn man den Weitzen zur Staͤrke verarbeitet? Wie viel koſtet ein Centner Staͤrke? und wie viel koſten drey Centner Weitzen, als welche zu jenem gehoͤren? Was koſtet die Arbeit? wo iſt der Vortheil? und ſo ferner. Dieß ſind die ge - woͤhnlichen Reden, und man lachet, wenn einer das Gegentheil behauptet. Sie ſind aber auch ein Ken - zeichen ſolcher Wirthe, die es bey dem alten Her - kommen bewenden laſſen, und die weder von den Werken der Natur, noch von den Werken der Kunſt deutliche Begriffe haben. Jch will dieſe Dinge an ſeinem Orte erklaͤren; die gemachten Zwei - fel heben, und den wirthſchaftlichen Nutzen hie - von ſo weit zeigen, als es die Abſicht dieſer Schrift erfodert.
Kann der Wirth die Werke der Natur zwar ver -Weil dieſe Verarbei - tung den Werth der Dinge erhoͤ - het. kaufen; aber dennoch durch die Verarbeitung dieſer Werke einen groͤßern Nutzen, als durch den Ver - kauf gewinnen: ſo ſind hiebey wiederum zwey Stuͤk - ke zu unterſcheiden. Man bekommt durch die Ver - arbeitung der Werke der Natur entweder einige Ab - gaͤnge, die nutzbar ſind, oder man kann hievon kei - ne nutzbare Abgaͤnge gewinnen. Die Abgaͤnge koͤn - nen in verſchiedener Abſicht nutzbar ſeyn, theils in Anſehung der Viehzucht, theils in Anſehung der Ma - ſtung, theils in Anſehung des Akkerbaues, wenn ſie zur Duͤngung zu gebrauchen, u. ſ. f.
Geben die Verarbeitungen der Werke der NaturWenn dieſe Verarbei - tungen eini - ge nutzbare Abgaͤnge ge - ben. einige nutzbare Abgaͤnge: ſo hat man wiederum dar - auf zu ſehen, ob dieſe Werke den Werth der verar -Pbeiteten226Der Stadt-Wirthſchaft 1. Abſchnittbeiteten Dinge und die aufgewendeten Koſten bezah - len koͤnnen, oder ob man dieſe Abgaͤnge und den da - her zu hoffenden Nutzen mit in die Rechnung brin - gen muͤſſe, wenn man die verarbeiteten Dinge und die angewendete Arbeit bezahlen will. Man wird es uns ohne Beweis verwilligen, daß der erſte Fall dem letztern, in Anſehung der Wirthſchaft, vorzuziehen ſey, und daß er den Werth einer Wirthſchaft merk - lich erhoͤhen koͤnne.
Dieß giebt uns zugleich Gelegenheit, eine Auf - gabe aufzuloͤſen, die von den Wirthen bald bejahend, bald verneinend aufgeloͤſet wird. Die Aufgabe iſt dieſe: Kann ſich derjenige, der keinen Akkerbau hat, mit der Viehzucht, oder mit der Ma - ſtung einen wuͤrklichen Vortheil machen? Jch finde kein Bedenken, dieſe Frage zu bejahen, wenn ich mein Abſehen auſ die Gewerke richte. Hat ein Wirth Gelegenheit, ein Gewerke anzulegen, wobey einmahl die Werke die verarbeiteten Dinge, und die aufgewendeten Koſten bezahlen, fuͤrs andere die Abgaͤnge ein gutes Vieh-Futter geben; ſo muß die - ſem Wirthe auch entweder die Maſtung, oder nach Befinden der Umſtaͤnde der Viehzucht nuͤtzlich ſeyn.
Wenn endlich die Verarbeitungen der Werke der Natur keine nutzbare Abgaͤnge geben, ſo ſind wie - derum einige Faͤlle zu unterſcheiden. Der erſte Fall, wenn dieſe Verarbeitungen den Aufwand nicht be - zahlen. Jn dieſem Falle ſind ſie dem Wirthe ſchaͤd - lich; dem Staate aber koͤnnen ſie nach Brfinden der Umſtaͤnde nuͤtzlich werden (§. 307. Anm.) Der an - dere Fall, wenn dieſe Verarbeitungen weiter nichtsabwer -227von der Stadt-Wirthſchaft uͤberhaupt. abwerfen, als die Bezahlung des Aufwandes. Jn dieſem Falle koͤnnen ſie den Arbeitern, und auch dem Staate nuͤtzlich werden. (ſ. die vorhin angefuͤhrte An - merk.) Der dritte Fall, wenn dieſe Verarbeitun - gen nicht nur den Aufwand voͤllig bezahlen, ſondern auch von dieſem die jaͤhrlichen Jntereſſen abwerfen. Hier koͤnnen ſie dem Staate, den Arbeitern und dem Wirthe nuͤtzlich werden. Der vierte Fall, wenn dieſe Verarbeitungen die Jntereſſen von dem Capital abwerfen, welches aus dem voͤlligen Aufwande, mit den jaͤhrlichen Jntereſſen von dieſem, beſtehet. Jn dieſem Falle gehoͤren ſie ſchon unter die wirthſchaftli - chen Vorzuͤge, welche alsdenn erhoͤhet werden, wenn der Ertrag dieſer Werke groͤßer wird, als die vorhin beſtimmte Summe iſt.
So weit von dem letzten Stuͤkke, das wir §. 308.Allgemeine Stuͤkke, auf welche bey der Arbeit in der Stadt - Wirthſchaft zu ſehen. angegeben haben. Wenn wir das erſte Stuͤck mit dieſem vergleichen, und das aͤhnliche herausnehmen, ſo wird es uns leicht zu begreiffen, daß man bey der Anlage eines Gewerkes, oder einer Fabrique uͤberhaupt auf folgende Punkte zu ſehen habe.
Wir wollen das wichtigſte, was bey dieſen Stuͤkken vorkommt, beſchreiben.
Die Materialien werden entweder von dem Stadt - Wirthe angebauet, oder er muß dieſe von andern kaufen. Jch weiß es nicht, ob ich dieſem oder jenem Falle, in Abſehen auf die Stadt-Wirthſchaft, einen Vorzug geben ſoll. Kauft der Stadt-Wirth die Materialien ſeiner Werke von einem andern, ſo kann dieß ein Mittel werden, den Verkauf ſeiner Werke zu befoͤrdern. Kauft der Stadt-Wirth die Materia - lien ſeiner Werke von einem andern, ſo iſt er von aller Gefahr befreiet, welcher die Anbauung dieſer Materialien ſehr oft unterworfen iſt. Verſtehet der Stadt-Wirth die Kunſt, die von andern erkauften Materialien zu verbeſſern, und zu den Werken der Kunſt geſchickter zu machen, ſo wird es ſehr oft ge - ſchehen koͤnnen, daß er dieſe Materialien durch den Ankauf wohlfeiler gewinnet, als durch die Anbauung. Wer demnach dieſe Frage entſcheiden will, ob es nuͤtzlicher ſey, die Materialien zu den Werken der Kunſt von andern anzukaufen, oder anzubauen, der muß alle Umſtaͤnde erwegen, und dieſe mit einander vergleichen. Dieſe werden bald dem Ankaufe, bald der Anbauung das Wort reden.
Anmerk. Der Garn-Handel mit den Hollaͤn - dern. Das Brandweinbrennen und das Bier - brauen aus dem von andern gekauften Getraide, u. ſ. f. ſind genug, es zu beweiſen, daß eine nutz - bare Stadt-Wirthſchaft den unmittelbaren Anbau der Materialien nicht nothwendig erfordere.
Wer die Beſchaffenheit der Werke unterſuchen will,Worauf man bey den Werken der Kunſt zu ſe - hen, in Anſe - hung ihrer innern Be - ſchaffenheit. welche die Kunſt aus den Werken der Natur wuͤrken ſoll, der muß die innere Beſchaffenheit dieſer Werke von ihrer Abſicht unterſcheiden. Der erſte Punkt er - fordert es, daß er
Es iſt unnoͤthig, daß wir dieſe Regeln beweiſen. Sie ſind unmittelbare Anwendungen der allgemeinen Leh - re, die es uns zeiget, wie die Abſichten geſchickt aus - zufuͤhren.
Jn Anſehung des andern Punkts iſt uͤberhaupt die -und in Anſe - hung ihrer Abſicht. ſe Regel zu merken: Alle Werke der Kunſt, die dem Stadt-Wirthe Vortheile bringen ſollen, muͤſſen den Menſchen, wenigſtens nach ihrer Meinung, nuͤtzlich ſeyn. Es iſt unmoͤglich, daß ein Werk dem Stadt-Wirthe Vortheil bringen koͤn - ne, wenn er es nicht verkaufen kann. Wer wird etwas kaufen, das ihm nicht wenigſtens nach ſeinerP 3Mei -230Der Stadt-Wirthſchaft 1 Abſchnitt,Meinung nuͤtzlich iſt. Dieß iſt genug, die angenom - mene Regel zu beweiſen.
Soll uns etwas, wenigſtens nach unſerer Meinung, nuͤtzlich ſeyn, ſo haben wir es entweder zu unſerer Erhaltung, oder zur Ausfuͤhrung desjenigen noͤthig, wohin unſere Begierden gehen. Das Nothwendige zu unſerer Erhaltung iſt theils aus dem, weil wir Menſchen ſind, theils aus unſerm Zuſtande zu beur - theilen. Und unſere Begierden gehen entweder auf den Erwerb des zeitlichen Vermoͤgens, oder auf die Ehre, oder auf das ſinnliche Vergnuͤgen. Aus die - ſem folget es, daß ein Stadt-Wirth, der die Wer - ke der Kunſt mit Vortheile wuͤrken will, zuvor die Werke der Kunſt nach dieſen Abſichten in Claſſen ver - theilen muͤſſe.
Dieſe Vertheilung giebt dem Wirthe einen beſon - dern Vortheil, wenn er die Moͤglichkeit des Verkaufs zu beurtheilen bemuͤhet iſt. Dieſe muß er zuvor be - urtheilen, ehe er ſich entſchließet, ein beſtimmtes Ge - werke, oder eine Fabrique anzulegen. Denn er will dieſe anlegen, um einen Vortheil zu gewinnen. Dieß kann nicht geſchehen, wenn es nicht moͤglich iſt, das Verarbeitete mit Vortheil zu verkaufen. Folg - lich iſt es ſchlechterdings noͤthig, daß der Stadt-Wirth zuerſt die Moͤglichkeit von dem Verkaufe ſeiner Werke genau unterſuche.
Wer dieſe mit einem zuverlaͤßigen Grunde beſtim - men will, der muß auf folgende Stuͤkke, ſehen:
Die erſte Regel lehret die allgemeine Moͤglichkeit des Verkaufs. Die andere, dritte und vierte Regel zei - gen, ob dieſer Verkauf auch nach den Umſtaͤnden moͤglich ſey.
Wir wollen die zuvor angegebenen Regeln anwen -Wie die Ko - ſten der Wer - ke zu beſtim - men? den, und wir merken es, daß dieß ein wichtiges Stuͤck bey der Stadt-Wirthſchaft ſey, wenn man gu - te Waare um einen billigen Preiß geben koͤnne. Der Wirth will den Preiß ſeiner Werke beſtimmen. P 4Er232Der Stadt-Wirthſchaft 1 AbſchnittEr ſoll nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Und darum muß er zuvor die Groͤße der aufgewendeten Koſten beſtimmen. Man wird es uns leicht verwil - ligen, daß der Stadt-Wirth bey dieſer Beſtimmung folgende Stuͤkke im Anſchlage bringen muͤſſe.
Anmerk. Es iſt zu merken, daß dieß der groͤ - ſte Vortheil eines Stadt-Wirths ſey, wenn er ein Capital in einem Jahre, mehr als einmahl zur An - kaufung der Materialien, und zur Bezahlung der Arbeiter, anwenden koͤnne.
Nunmehro wird es dem Wirthe nicht ſchwer fal -Wie der Preiß zu be - ſtimmen. len, den Preiß zu beſtimmen, fuͤr welchem er ſeine Werke ohne Schaden und mit Vortheile verkaufen kann. Jſt der Preiß der Werke dem §. 321. be - ſtimmten Aufwande gleich, ſo iſt bey der Wirthſchaft kein Schade. Der Wirth hat von ſeinem Capital den jaͤhrlichen Zinß gewonnen. Kann der voͤllige zu - vor beſtimmte Aufwand als ein Capital angeſetzet, und der Preiß der Werke alſo beſtimmet werden, daß er dieſem Capital mit ſeinem jaͤhrlichen Zinſe gleich wird, ſo verkauft der Wirth ſeine Werke mit Vor - theile. Der Wirth kann dieſes thun, wenn dieſe Er - hoͤhung des Preißes den Abgang der Werke nicht ver - zoͤgert oder verhindert. Jm Gegentheile bleibt dieß eine nuͤtzliche Wahrheit: gute Waare und ein bil - liger Preiß macht reich.
Dieß ſind, wie ich es glaube, diejenigen Stuͤkke,Gewerke ſind dem Land-Wir - the nuͤtzli - cher, denn Fabriquen. die man zuvor genau unterſuchen muß, ehe man eine beſtimmte Stadt-Wirthſchaft, die von einer Dauer ſeyn und Nutzen bringen ſoll, anlegen koͤnne. Wir wollen zum Schluſſe dieſer allgemeinen Betrachtun - gen noch eine Frage endſcheiden, die von Wichtigkeit iſt: ob es nemlich einem Land-Wirthe nuͤtzlicher ſey,P 5ein234Der Stadt-Wirthſchaft 1 Abſchnitt,ein Gewerke, oder eine Manufaktur und Fabrique an - zulegen, wenn er zu beyden Gelegenheit hat. Wir betrachten dieſe Sache entweder fuͤr ſich, oder unter einige beſondere Umſtaͤnde. Jn dem erſten Falle muß ich den Gewerken einen Vorzug geben. Der Grund iſt dieſer: Eine Beſchaͤftigung des Stadt - Wirths, die verſchiedene Abgaͤnge abwirft, die dem Land-Wirthe in Anſehung der Viehzucht, der Maſtung u. ſ. f. nuͤtzlich ſind, die iſt einem Land-Wirthe nuͤtz - licher, als eine ſolche Stadtwirthſchaftliche Beſchaͤfti - gung, die dergleichen Abgaͤnge nicht hervorbringet. Dieſen Satz wird man uns alsdenn verwilligen, wenn man dasjenige uͤberleget, was wir zuvor von dem Nutzen der Viehzucht, und der Maſtung abgehandelt haben. Die Gewerke wuͤrken ſolche Abgaͤnge. Die Manufakturen und Fabriquen im Gegentheile ſind un - vermoͤgend, dergleichen Wuͤrkungen hervorzubringen. Folglich ſind auch jene einem Land-Wirthe, fuͤr ſich betrachtet, nuͤtzlicher als dieſe.
Wir koͤnnen dieſe Lehre auch noch mit folgendem Grunde unterſtuͤtzen. Es iſt eine bekannte Sache, und die Nothwendigkeit in dem Gebrauche der Din - ge bekraͤftiget dieſe, daß man bey dem Verkauf der Werke von den Gewerken, wenn dieſe gut ſind, we - nigere Hinderniſſe findet, als bey dem Verkauf der Werke von den Manufacturen und Fabriquen. Jſt dieß, ſo iſt es auch gewiß, daß ein Land-Wirth bey jenen nicht ſo vieles waget, als bey dieſen. Und da - her haben auch jene bey ihm einen Vorzug.
Beſondere Umſtaͤnde koͤnnen eine Sache nuͤtzlich machen, die man fuͤr ſich betrachtet, verworfen. Keine Manufaktur oder Fabrique kann ohne demGe -235von der Stadt-Wirthſchaft uͤberhaupt. Gebrauch von den Werken einiger Gewerke beſtehen Folglich koͤnnen jene ein Mittel werden, den Abgang dieſer Werke zu befoͤrdern. Aus dieſem folget, daß man es in dieſer Beziehung dem Land-Wirthe rathen koͤnne, wenn es ihm moͤglich, Manufakturen und Fa - briquen anzulegen (§. 323).
Dieß giebt uns zugleich einen Grund dieſe allge -Eine allge - meine Lehre. meine Lehre zu bilden: Es iſt ein groſſer Vor - theil, wenn ein Wirth die Werke von der einen Art der Beſchaͤftigung als ein Mittel anwen - den kann, die Abſicht einer anderu wirthſchaft - lichen Beſchaͤftigung zu befoͤrdern.
Anmerk. Der Nutzen von der Anwendung die - ſer Lehre, in Anſehung des Staats, iſt, wie ich es an ſeinem Orte zeigen werde, ſehr wichtig.
Wer die Werke der Kunſt wuͤrken und verbeſſernAbſicht die - ſer Betrach - tungen. will, der bemuͤhet ſich zu erforſchen, wie ſie bald an dieſem, bald an einem andern Orte ge - arbeitet werden. Die Klugheit giebt ihm Gelegen - heit, dieß zu erfahren. Er veranſtaltet eine Nach - ahmung. Gluͤckt ihm dieſe, ſo glaubt er auch Mei - ſter von dieſer Kunſt zu ſeyn. Jch verwerfe dieſe Bemuͤhung nicht. Sie entdeckt uns oͤfters verbor - gene Handgriffe, die uns das ganze Werk erleich -tern.236Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitttern. Sie giebt uns Gelegenheit, unſere Begriffe genauer zu beſtimmen, daß wir dieſe zum Nutzen der Menſchen anwenden koͤnnen. Wenn wir es aber bey dieſer Entdekkung bewenden laſſen, ſo wird unſre Beſchaͤftigung ein Handwerk. Wir koͤnnen die ver - ſchiedenen Stuͤkke, die bey der Arbeit vorkommen, nicht beurtheilen, und unſere Werke koͤnnen nur durch ein Schickſaal vollkommen werden. Es iſt vernuͤnftiger und nuͤtzlicher, wenn wir uns zuvor von dem Werke der Kunſt einen deutlichen Begriff ma - chen. Dieſer wird uns diejenigen Hauptſtuͤkke leh - ren, auf welche es bey Verfertigung deſſelben an - koͤmmt. Dieſer wird uns die Gruͤnde von den ver - ſchiedenen Beſchaͤftigungen entdekken. Dieſes wird uns Gruͤnde geben, aus den durch die Erfahrung entdekten Handgriffen die beſten zu erwaͤhlen, und dieſe da, wo es fehlet, zu verbeſſern. Jſt dieſe Be - trachtung gegruͤndet, ſo wird ſie auch unſer Verfah - ren rechtfertigen, da wir dieſe, in dem wir die Wer - ke der Kunſt abhandeln wollen, zur Regel angenom - men haben.
Wir wollen Bier brauen. Was heiſt Bier? Was heiſt brauen? Tacitus nennet das Bier einen Wein, den die Teutſchen aus dem verdorbenen Getraide ver - fertiget. Verſtehet Tacitus durch das verdorbene Getraide dieß, was wir Malz nennen, ſo iſt ſeine von dem Bier gegebene Erklaͤrung vollkommen. Denn durch den Wein verſtehet man in der Schei - dekunſt den Saft, oder das Getraͤnke, das die gei - ſtige Gaͤhrung hervorbringet.
Anmerk. Die Gedanken des Herrn Ma - quer*) bekraͤftigen dieſe Bedeutung des Worts. Ob gleich, ſpricht er, dieſer Name Wein ei - gentlich nur fuͤr denjenigen Saft gehoͤrt, deraus237von der Stadt-Wirthſchaft uͤberhaupt. aus den Trauben gepreßt wird, und man denjenigen, welcher aus andern Subſtanzen, die der Gaͤhrung faͤhig ſind, gezogen wer - den, in der ordentlichen Sprache abſonder - liche Namen giebt, wie man 3. E. denjeni - gen, der von Aepfeln gemacht wird, Lauer, und den vom Getraide gemachten, Bier nen - net, ſo iſt es doch in der Scheidekunſt gut, ein allgemeines Wort zu haben, womit man jeden Saft oder Fluͤßiges anzeige, welches dieſen Grad der Gaͤhrung gelitten hat.
Es heißt demnach Bierbrauen, aus dem MehlWas Bier - brauen. des Getraides einen zur geiſtigen Gaͤhrung ge - ſchickten Saft machen. Sollte dieſe Erklaͤrung nicht vollſtaͤndig ſeyn, ſo zeiget ſie doch gewiß diejenigen Stuͤkke an, aus welchen alles, was bey dem Brauen vorkommt, fließet, und zu beurtheilen. Dieß zu be - weiſen, wird es noͤthig ſeyn, daß man einmahl die Natur der geiſtigen Gaͤhrung unterſuchet, und fuͤrs andere erklaͤret, wie das Mehl eines Getraides koͤnne in einen Saft, der zur geiſtigen Gaͤhrung ge - ſchickt iſt, verwandelt werden.
Jn der Beſchreibung der Gaͤhrung kommen alleWas die gei - ſtige Gaͤh - rung. Zergliederer der Natur uͤberein. Wenigſtens iſt dieß, worin ſie ſich unterſcheiden, mehr ein ſcheinbarer als ein wahrer Unterſchied. Die Erfahrung lehret es, daß ſehr oft zwiſchen den unmerklichen Theilen eines Koͤrpers von ſich ſelbſt eine Bewegung entſtehet, aus welcher eine neue Einrichtung und Verbindung derTheile238Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Theile des Koͤrpers entſpringet. Dieſe inwendige Bewegung nennen ſie die Gaͤhrung. Allein in der Beantwortung dieſer Frage unterſcheiden ſie ſich, ob die geiſtige, die ſaure und die faulende Gaͤhrung Wuͤrkungen von verſchiedener Art, oder nur von ver - ſchiedenen Graden ſind. Jch will dieſen Streit nicht enſcheiden, ob ich zwar glaube, daß der letztere Ge - danke mehreren Grund habe, als der erſte. Die Er - fahrung beſtaͤtiget es, daß auf die geiſtige Gaͤhrung die ſaure, und auf dieſe die faulende in einem Koͤr - per erfolget. Dieſe Endſcheidung hat keinen merkli - chen Einfluß in unſere gegenwaͤrtige Abſicht. Wir werden dieſe erreichen koͤnnen, wenn wir diejenigen Stuͤkke anzeigen, wodurch wir die eine Gaͤhrung von der andern unterſcheiden. Hier iſt es zuerſt genug, wenn wir die geiſtige Gaͤhrung beſchreiben. Wir wollen dem Herrn Maquer folgen, der uns dieſe alſo abbildet: Der Saft von allen Fruͤchten, aller zukkerhaften Materien aus dem Pflanzen-Reiche, aller Saamen - und mehligten Koͤrner, wenn ſie mit einer zureichenden Menge Waſſer eingeruͤhret werden, ſind die geſchickteſten Materien zur geiſtigen Gaͤhrung. Wenn man dieſe Saͤfte in Gefaͤßen, die nicht allzu - veſt zugemacht ſind, in einen maͤßigen Grad der Waͤr - me ſetzet, ſo fangen ſie nach einiger Zeit an truͤbe zu werden, es entſtehet unvermerkt eine kleine Bewe - gung in ihren Theilen, welche ein kleines Ziſchen ver - anlaſſet; dieſes vermehrt ſich nach und nach dergeſtalt, bis man die groben Theile, welche ſie enthalten, als Obſt-Kerne, Getraide-Koͤrner u. ſ. f. ſich auf aller - hand Art bewegen, und auf die Oberflaͤche geworfen ſiehet. Es ſondern ſich zugleich einige Blaſen ab, und der Saft bekommt einen ſcharfen und durchdrin - genden Geruch, welcher durch die duͤnnen Duͤnſte, welche davon ausdunſten, veranlaſſet wird. Wenn dieſe Erſcheinungen da ſind, ſo ſpricht man: der Koͤr - per ſtehet in einer geiſtigen Gaͤhrung.
Die mehligten Koͤrner erfordern verſchiedene Zu -Zubereitung der mehlig - ten Koͤrner zu dieſer Ab - ſicht. bereitungen, wenn ſie dieſer geiſtigen Gaͤhrung faͤhig ſeyn ſollen. Die Erfahrung lehret es, daß, wenn man die mehligten Koͤrner, ehe ſie zu dieſer Gaͤhrung ſind zubereitet worden, mit den Zaͤhnen zermalmet, dieß Mehl einen Leim machet, den man durch den Speichel kaum duͤnne machen und aufloͤſen kann. Man muß demnach zuvor, ehe dieſe mehligten Koͤr - ner zur geiſtigen Gaͤhrung geſchickt ſind, die ſchlei - migte Materie, woraus das Mehl beſtehet, verduͤn - nen.
Dieſe Abſicht ſoll das Malzen wuͤrken. Wir wol -Hieher gehoͤ - ret 1) die Einbeitzung. len dieſe Beſchaͤftigung nach der angegebenen Abſicht zergliedern. Die erſte Arbeit bey dem Malzen iſt die Einbeitzung (maceratio), das iſt, man gießet uͤber das Getraide reines Waſſer, bis es deſſen genug eingeſogen hat, und davon aufgequollen iſt. Es iſt demnach das Getraide genug eingeweicht, wenn man deſſen Spitzen mit den Fingern zuſammen druͤkken kann.
Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn man beyWie dieſe zu bewerkſtelli - gen. dieſer Einbeitzung des Getraides dieſe Frage unterſu - chen, ob es beſſer ſey, die Einbeitzung dadurch zu befoͤrdern, daß man das Getraide in einen Kufen thut, und Waſſer darauf gießet, oder dadurch, wenn man das Getraide auf einen Haufen ſchuͤttet, mit Waſſer nach und nach beſprenget, bey dieſer Beſpren - gung umſtuͤrzet, und dieſes nach nnd nach ſo oft wiederhohlet, bis es genug eingeſogen hat und aufge - quollen iſt? Beyde Wege ſind zur Einbeitzung ge - ſchickt, es iſt aber auch bey beyden etwas anzumer -ken,240Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,ken, das dem Brauen nachtheilig und nuͤtzlich iſt. Bey dem erſten Wege hat man dieſen Vortheil, daß das Getraide von der anhangenden Erde gereiniget wird. Dieſe wuͤrde dem Biere einen ſehr widrigen Geſchmack geben. Es iſt aber auch nicht ohne Nach - theil. Das Waſſer ziehet viele Saͤfte und Geiſter aus dem Getraide, die zur Nahrung dienen. Dieß beweiſet die Erfahrung, theils wenn man dieſes Waſſer von den Kuͤhen oder von den Maſt-Ochſen ſaufen laͤſt: theils, wenn man es, nachdem es iſt zu - bereitet worden, deſtilliret. Dieß wuͤrket bey dem Biere einen Abgang in der Staͤrke. Bey dem an - dern Wege hat man dieſen Vortheil, daß dieſe Saͤfte und Geiſter beybehalten werden. Es wird aber das Getraide von der anhaͤngenden Erde nicht gereiniget. Sollte es ohne Nutzen ſeyn, wenn man beyde Wege mit einander verbinden wolte. Man koͤnnte aus dem erſten Wege die Abwaſchung und aus dem andern die Art der Einbeitzung behalten.
Dieß, was wir von dem erſten Wege zur Einbei - tzung abgehandelt haben, giebt uns folgende Regeln:
Dieß Aufquellen des Getraides iſt der Anfang zur Zerſtoͤrung der ſchleimigten Materie, woraus dasMehl241von dem Bierbrauen. Mehl beſtehet. Sie iſt mit Waſſer angefuͤllet, und daher kann die innere und natuͤrliche Waͤrme die ver - langte Verduͤnnung vollkommen wuͤrken. Dieß zu bewerkſtelligen nimmt man das aufgequollene Getrai - de aus dem Waſſer, und leget es in großen Haufen, in einem Orte, wo zwar die freye Luft wuͤrket, der aber doch wider die ſtrenge Kaͤlte und wider den Wind bedekket iſt. Wenn dieß geſchehen, ſo entſte - het bald in dieſem Haufen eine Hitze, und es wer - den kleine Anfaͤnge von Wurzeln ſichtbar. Dieß iſt ein Beweiß von der Verduͤnnung der ſchleimigten Materie des Mehls. Und man ſagt: das Malz keimet. Hier kann das Malz ſehr leicht verderben. Laͤſt man es zu lange in dieſem Zuſtande liegen, ſo wachſen Blaͤtter, und es faͤngt an zu verfaulen; dieß beweiſet, daß die mehligte Materie verzehret wird. Dieß aber iſt wider die Abſicht, wir wollen keine Zer - nichtung, ſondern nur eine Verduͤnnung dieſer Ma - terie haben. Will man dieß Keimen zu geſchwinde verhindern, ſo kann keine vollkommene Verduͤnnung der ſchleimigten Materien erfolgen, auch dieß wider - ſpricht unſerer Abſicht. Es iſt demnach das ſicherſte, daß man den Haufen, wenn das Getraide anfaͤnget zu keimen, ſtuͤrzet, damit das obere mit dem untern gleich wachſen koͤnne. Daß man den Haufen nach und nach ausbreitet, und durch das voͤllige Ausbrei - ten, und oͤftere Umſtuͤrzen das weitere Keimen als - denn verhindert, wenn etwa die Laͤnge des Keims, der gedoppelten Laͤnge des Getraides, gleich wird.
Anmerk. Jch habe mit Fleiß das etwa hin - zugeſetzet. Es iſt dieß eine Sache, die ſich beſſer aus der Erfahrung beurtheilen, als beſchreiben laͤſt. Dieß iſt gewiß, wenn ſich bey dieſem Wach - ſen des Getraides Blaͤtter zeigen, ſo iſt das Malz verdorben. Man zermalme alsdenn dieß Korn, ſoQwird242Der Stadt-Wirthſchaft 2. Abſchnittwird man finden, daß ſich die mehligte Materie verlieret. Auch dieß beſtaͤtiget die Erfahrung, daß dieſe Blaͤtter mehrentheils alsdenn gebohren werden, wenn der Keim anfaͤngt laͤnger zu wer - den, als die doppelte Laͤnge des Korns iſt, und daß ſich dieſe Blaͤtter ſelten eher zeigen, als bis der Keim die doppelte Laͤnge des Korns erhalten hat. Auch dieß beſtaͤtiget die Erfahrung, daß ſich der Schleim noch nicht genug verduͤnnet hat, wenn die Laͤnge des Keims noch nicht der Laͤnge des Korns gleich iſt.
Nunmehro iſt es Zeit, die innere Wirkſamkeit des Getraides zu verhindern. Geſchiehet dieſes nicht, ſo muß nothwendig eine Zerſtoͤrung der mehligten Ma - terie und endlich eine Faͤulung erfolgen. Daher muß es austrocknen. Dieß kann ſo wohl an der Luft, alsauch am Feuer geſchehen. Das erſte giebt Luft - und das andere Darr-Malz. Soll es an der Luft trocknen, ſo muß das Getraide nothwendig duͤnne ausgebreitet und fleißig umgeſtuͤrzet werden, und zwar an einem Orte, wo der Wind durchſtreichen kann. Es lehret die Er - fahrung, daß die Nord-Winde zu dieſer Abſicht die beſten find.
Darr-Malz giebt mehr waͤrmeres und ſtaͤrkeres Bier, als Luft-Malz, weil die Doͤrrung nichts als ei - ne Roͤſtung des Getraides; und daher kann das Waſſer den verduͤnnten Schleim des Mehls leichter aufloͤſen. Aber auch bey dieſer Beſchaͤftigung kann es ſehr leicht verſehen werden. Wird das Malz naß auf die Darre gebracht, und man giebt im Anfange gelindes Feuer, ſo muͤſſen nothwendig viele der be - ſten Geiſter aus dem Malze verfliegen. Denn ſieſind243von dem Bierbrauen. ſind noch innerlich wirkſam. Giebt man zu ſtark Feuer, ſo verbrennet das Malz. Dieß iſt eine Zer - ſtoͤrung der Malz-Theile, und das Bier bekommt ei - nen ſchlechten Geſchmack. Daher muͤſſen bey dieſer Beſchaͤftigung folgende Stuͤkke beobachtet werdeu.
Die Mathematik lehret uns die Regeln von demWie die Darre zu bauen. Bau der Oefen, die theils in den Wuͤrkungen des Feuers, theils in der Erſparung des Holzes gegruͤn - det ſind*. Die Darre iſt ein Ofen zur Roͤſtung des Malzes. Es iſt demnach nur noͤthig, daß wir jene Regeln hier anwenden, und durch die beſondere Abſicht genauer beſtimmen, wenn wir die Regeln zum Bau der Darre erfinden, und dieſen Bau be - urtheilen wollen. Wir wollen nur einige von den wichtigſten Stuͤkken anmerken, die aus dieſer beſon - dern Beſtimmung entſpringen.
Das erſte: Das Malz muß nicht unmittel -Die erſte Re - gel. bar auf dem mit Feuer erhizten Ofen liegen. Liegt das Malz unmittelbar auf dem mit Feuer er -Q 2hizten244Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,hizten Ofen, ſo muß es verbrennen. Dieß wider - ſpricht der Abſicht (§. 337.)
Aus dieſem koͤnnen wir den Gebrauch der Hurden und ihre Endfernung von dem Ofen erklaͤren. Die Hurden ſind Flaͤchen, auf welche das Malz uͤber den Darr-Ofen geſchuͤttet wird. Kommen dieſe dem Ofen zu nahe, ſo verdrennet das Malz. Sind ſie zu weit von dem Ofen entfernt, ſo wird die Gewalt des Feuers zu ſchwach, das Malz zu roͤſten. Wie groß ſoll die Endfernung| ſeyn? Das gewoͤhnliche Maaß iſt zwey bis drey Fuß, bis an den Anfang der Hurden. Es iſt aber das ſicherſte, daß man dieſe Endfernung nach dem einrichtet, wie der Ofen ſtark oder ſchwach gluͤet.
Das andere: Die Hurden muͤſſen aus einem zwar duͤnnen, aber doch dichten Koͤrper ge - macht werden. Sind die Hurden ſehr dick, ſo wird viele Zeit und vieles Holz erfodert, (§. 69. Py - rob. ) die Hurden gehoͤrig zu erwaͤrmen. Beydes widerſpricht der Wirthſchaft. Jſt die Materie, aus welcher die Hurden verfertiget, nichte dichte, ſo wird ihre Waͤrme zur Roͤſtung nicht ſtark genug. Sie trocknet nur das Malz. Dieß aber iſt nicht genug, wenn das Darr-Malz von dem Luft-Malze der Wuͤr - kung nach ſoll unterſchieden werden. (§. 36. 37.)
Anmerk. Warum die Hurden aus Eiſen, aus Holz, oder aus Thon verfertiget werden: welche von dieſen die beſten ſind: der Nutzen der Haar - Tuͤcher, welche in einigen Darren uͤber die Hur - den ausgebreitet werden; dieß ſind Stuͤkke, die ſich aus dieſem Satze leicht beurtheilen laſſen.
Das dritte: Es iſt nuͤtzlich, wenn die Hur -Die dritte den, ſo viel, als es ihre Feſtigkeit erlaubt, durch - loͤchert werden. Doch muͤſſen dieſe Loͤcher klein und ſchlechterdings nicht ſo groß ſeyn, als ein Korn vom Malze iſt. Sind die Hurden durchloͤchert, ſo kann der reine Geiſt aus dem Rau - che in das Malz dringen. Dieß iſt dem Viere nuͤtz - lich. Sind die Loͤcher zu groß, ſo kann ſich leicht das Grobe im Rauch mit dem Malze vermiſchen, dieß giebt dem Biere einen ekelen Geſchmack, und das Feuer wird zu ſchwach, das Malz gehoͤrig zu roͤſten, (§. 341). Sind dieſe Loͤcher ſo groß, oder groͤßer, als ein Korn vom Malze iſt, ſo faͤllt das Malz bey dem Umwenden durch die Hurden, dieß widerſpricht der Abſicht.
Endlich wird gefragt, ob es beſſer ſey, die Hur -und vierte Regel. den horizontal zu legen, oder alſo an einander zu ſe - tzen, daß ſie mit ihren Enden einen Winkel machen. Wenn wir dasjenige erwegen, was wir §. 14. und folgenden der Pyrobolique von den Wuͤrkungen des Feuers abgehandelt haben, ſo wiſſen wir es nicht, ob wir jener oder dieſer Lage einen Vorzug geben ſollen. Nur dieß folget mit Gewißheit, daß dieſer Winkel unvollkommen iſt, wenn er zu ſpitz iſt.
Das Malz iſt fertig. Wir wollen brauen. DasZum Brau - en die erſte Regel. iſt, wir wollen aus dem duͤnngemachten Mehle des Malzes ein Getraͤnke bereiten, das zur geiſtigen Gaͤh - rung geſchickt iſt. Wie iſt dieß zu bewerkſtelligen? Wir wollen die wichtigſten Beſchaͤftigungen, welche hiebey vorkommen, aus ihren Gruͤnden erklaͤren.
Q 3Die246Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Anmerk. Dieſe Keimen koͤnnen von dem Mal - ze ſehr leicht auf die Art abgeſondert werden, wie man in den Scheuren das Getraide von dem Stau - be reiniget.
Das Waſſer ſoll das duͤnngemachte Mehl des Malzes annehmen, das iſt, trinkbar machen. Dieß iſt un - moͤglich, ſo lange es in ſeiner Huͤlſe verſchloſſen bleibt.
Auch bey dem Schroten des Malzes kann man es verſehen. Wird es hier zum Mehl gemacht, ſo ver - miſcht ſich zwar das Waſſer mit dem Mehle, aber es nimmt nicht alles an ſich, und es macht nicht alles trinkbar. Man unterſuche die Beſchaffenheit der Trebern, die wird es beweiſen. Hieraus folget
Die247von dem Bierbrauen.Dieß zu verhindern, ſo wird das Malz zuvor, eheWie dieſe anzuwenden. man es in die Muͤhle bringet, eingenetzet,* und die Muͤhle wird alſo geſtellet, daß der Zwiſchen-Raum der Steine nicht kleiner iſt, als es ſeyn muß, wenn nur die Huͤlſen ſollen aufgeſtoſſen werden.
Dieſe Regel iſt eine unmittelbare Folge aus der Ab -Q 4ſicht248Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,ſicht des Brauens (§. 329.) Und dieſe Beſchaͤfti - gung heiſt das einmeſchen.
Die Zergliederung dieſer Abſicht giebt es ſogleich zu erkennen, daß wir bey dem Einmeſchen auf drey Punkte ſehen muͤſſen.
Das Waſſer ſoll das duͤnngemachte Mehl im Mal - ze annehmen. Sind Salze oder Mineralien in dem Waſſer, ſo verhindern dieſe nicht nur die Annehmung des duͤnngemachten Mehls, ſondern ſie bleiben auch in dem Biere, und daher bekommt es ſeine widrigen Wuͤrkungen. Hieraus folget dieſe Regel:
Je reiner das Waſſer, je leichter nimmt es bie Kraͤfte des Getraides an ſich, nnd deſto beſſer und geſunder wird das Bier.
Anmerk. Wer mit Nutzen brauen will, der muß zuvor die Beſchaffenheit des Waſſers unter - ſuchen, und findet er in dieſem etwas, das der Ab - ſicht des Biers widerſpricht, ſo muß er auf nieder - ſchlagende Mittel denken, und das Waſſer zuvor, ſo viel es ihm moͤglich iſt, zum Brauen geſchickt machen.
Die Abſicht der Einmeſchung iſt, daß das Waſ - ſer das duͤnngemachte Mehl im Malze annehmen ſoll. Wird das heiße Waſſer auf das Malz gegoſſen, undman249von dem Bierbrauen. man laͤſt es ſtehen, ſo lauft das Malz in Klumpen zuſammen. Das Waſſer kann das Malz nicht durch - dringen, dieß widerſpricht der Abſicht. Aus dieſem folget, daß man das Malz, bey dem Einmeſchen, recht durcharbeiten muͤſſe, daß ſich keine Klumpen anſetzen, ſondern eine voͤllige Verduͤnnung erfolge.
Anmerk. Die Brau-Pfanne iſt entweder ſo groß, daß in dieſer auf elnmahl ſo viel Waſſer kann gekocht werden, als zum Einmeſchen erfor - derlich |iſt, oder ſie iſt zu dieſer Abſicht zu klein. Jſt dieß, ſo muß die Einmeſchung nach und nach geſchehen. Daher wird auſ einmahl nur ſo viel Malz in den Buttich geſchuͤttet, als von dem be - reits gekochten Waſſer voͤllig kann verduͤnnet wer - den. Dieß wird durchgearbeitet, wiederum Waſ - ſer gekocht, und alsdenn der zuruͤckgebliebene Theil mit dieſem voͤllig eingemeſchet.
Jſt die Meſch recht durchgearbeitet worden, ſoBehutſam - keit bey die - ſem. muß ſie ruhen, damit das Waſſer das verduͤnnte Mehl annehmen koͤnne. Geſchiehet dieß, ſo gehen durch den Dampf die beſten Geiſter weg. Sie muß dem - nach bedeckt werden. Will man den Meſch-Buttich bedekken, ſo wird ſich die Meſch erhitzen. Daher iſt das beſte, man laſſe den Buttich auf, und bedekke nur die Meſche mit einem leichten Koͤrper, der nicht niederſinket, und durch den die Luft frey dringen kann.
Anmerk. Einige bedekken die Meſch mit Schrott. Dieß iſt nicht wirthſchaftlich. Man bedekke die Meſch mit Hekkerling. Dieß iſt der Abſicht gemaͤß, und man verliehret kein Bier.
Wie lange ſoll die Meſch ſtehen. Einige ſagen eine, einige zwey, andere drey, wiederum andere vier Stunden. So viel iſt gewiß, ſtehet ſie zu lan - ge, ſo nimmt das Waſſer das Saure aus den Huͤlſen mit an ſich. Dieſe Huͤlſen werden die Trebern ge - nennet. Daher ſagt man: das Vier wird Treber - ſauer. Stehet ſie nicht lange genug, ſo nimmt das Waſſer nicht alles verduͤnnte Mehl an ſich. Dieß be - weiſet die Fettigkeit der Trebern, und daher iſt es wider die Haupt-Regel der Wirthſchaft. Jch habe es in der Erfahrung gefunden, daß die Zeit von vier Stunden zu lang, und die von einer Stunde zu kurz. Die Zeit von zwey Stunden iſt die ſicherſte.
Die fuͤnfte Regel: Man muß die Meſch fil - triren, das iſt, man muß das Waſſer, was das duͤnngemachte Mehl in ſich genommen hat, durch ei - nen Koͤrper ſeigen, der nur das klare und helle durchlaͤſt.
Will man die Meſche aus dem Meſch-Buttich fil - triren, ſo wird man einige Hinderniſſe finden. Man kann auf dem Boden des Meſch-Buttichs das Geſtel - le zum Filtriren nicht anbringen. Denn in dieſem ſoll die Meſche durchgearbeitet werden, folglich muß der Boden veſt und eben ſeyn. Daher macht man dieß Geſtelle in einen andern Buttich, der unten ei - nen Zapfen hat, und den man daher den Stell - Buttich nennet. Jn dieſen wird die Meſch aus dem Meſch Buttich getragen. Jn dieſem laͤſt man die Me - ſche ſo lange ruhen, bis ſie ſich geſetzet hat. Man gießet nach und nach heißes Waſſer auf, bis es ge -nug251von dem Bierbrauennug iſt, ſo vieles Bier zu bekommen, als man ver - langet.
Der Zapfen wird geoͤffnet. Dieß, was ablaͤuft,Dieß wird weiter abge - handelt. ſo lange wieder hinauf gegoſſen, bis es vollkommen klar und helle laͤuft. Alsdann ſammlet man dieß Ge - traͤnke, ſo lange es helle laͤuft, in einem beſondern Buttich, und nennet es die Wuͤrze.
Anmerk. Jſt die Wuͤrze vollkommen abgelaſ - ſen worden, ſo kann man es noch nicht ſagen, daß die Treber vollkommen ausgebrauet. Daher wird wiederum Waſſer aufgegoſſen, das uͤbrige voͤllig herunter zu treiben. Hiebey wird gefraget, ob es heißes oder kaltes Waſſer ſeyn ſoll? Einige nehmen kaltes. Jch gebe dem heißen einen Vor - zug. Es nimmt das verduͤnnte Mehl beſſer an ſich. Dieß beweiſet der Geſchmack und die Farbe. Ob man nun dieſen Nachguß, wenn er iſt filtriret worden, und noch keinen Geſchmack von den Tre - bern hat, mit unter die Wuͤrze gießen ſoll, dieſe Frage wird durch dieß beantwortet, ob man Bier von einerley oder von verſchiedener Staͤrke brauen will.
Die ſechſte Regel: Die Wuͤrze muß gekochtDie ſechſte Regel. werden. Geſchiehet dieß nicht, ſo bleibet das ver - duͤnnte Mehl rohe. Uud daher giebt es ein Vier, das ſchwer zu verdauen iſt. Dieß iſt der Grund von die - ſer Regel: Gekochtes Bier iſt geſunder, als rohes.
Anmerk. Es wird gefragt, ob es beſſer ſey, das Malz, oder die Wuͤrze zu kochen.
Dieſe Wuͤrze wird leicht ſauer, ſte ſchmecket zu ſuͤß, und iſt daher widrig. Daher denkt man auf Mittel, die Saͤure zu verhindern, und den Geſchmack zu ver - beſſern. Aus dieſer Urſache kochet man zuvor, ehe die Wuͤrze gekochet wird, Kraͤuter, die einen geſun - den balſamiſchen und bittern Saft geben. Die Er - fahrung giebt hier dem Hopfen einen merklichen Vor - zug. Es wird gefraget
Worinn ſoll der Hopfen gekocht werden? Einige kochen den Hopfen in der Wuͤrze, indem ſie ſo viel von dieſer auf den Hopfen in der Pfanne gießen, als dieſen auszukochen erforderlich iſt. Mir ſcheinet es, als wenn dieß die Haupt-Regel der Wirthſchaft wi - derſpricht. Dieſe Wuͤrze iſt das ſtaͤrkſte Bier, der Hopfen kocht lange, und daher dampft ein großer Theil von dieſem weg. Hiedurch endgehet dem Bie - re ein merklicher Theil ſeiner Staͤrke. Man koche den Hopfen im Waſſer. Wenn man wenigſtens nochmahl ſo viel Waſſer nimmt, als man gewohnt iſt Wuͤrze zu nehmen, ſo wird ſich der Hopfen beſſer im Waſſer, als in der Wuͤrze auskochen, und man ver - meidet jenen Schaden.
Wie lange ſoll der Hopfen kochen? Kocht der Hopfen zu wenig, ſo bekommt das Bier einen herben Geſchmack, man ſagt, es ſchmeckt kralligt. Kocht derHopfen253von dem Bierbrauen. Hopfen zu viel, ſo verliehret er ſeine Staͤrke, und man ſagt, er habe ſich tod gekocht. Man kann hier keine gewiſſe Zeit ſetzen. Der Geſchmack muß es be - ſtimmen, wenn er genug gekocht. Das beſte von den aͤußerlichen Zeichen iſt, | wenn die Tropfen des aus - gekochten Hopfens wie ein Oel ſtehen und fließen.
Anmerk. Jn dem Hopfen kann man noch ver - ſchiedene Dinge kochen. Theils zur Erſparung des Hopfens, theils dem Biere eine Dauer, einen rei - zenden Geſchmack, und eine hohe Farbe zu geben. Dem erſterem gebe ich keinen Beyfall. Dieſe Zu - ſaͤtze ſind ſelten ſo geſund, wie der Hopfen. Man gebe einer jeden Sache dieß, was ihr gehoͤret, ſo hat man keine uͤbele Folgen zu befuͤrchten. Das andere will ich nicht voͤllig verwerfen, wenn nur dieſe Zuſaͤtze, dem menſchlichen Leibe, nicht ungeſund ſind.
Wie vielen Hopfen ſoll man zu einem GebraͤudeWie vielen Hopfen ſoll man neh - men. nehmen. Man kann auch in dieſem Stuͤkke der Sa - che zu viel und zu wenig thun. Thut man der Sa - che zu viel, ſo wird das Bier zu bitter. Thut man der Sache zu wenig, ſo kann die Abſicht dieſes Zu - ſatzes nicht erreichet werden. Die Erfahrung beſtaͤ - tiget es uns, es ſey dieß die Mittelſtraße, wenn ſich das Maaß von dem Hopfen, zu dem Maaße von dem Biere, wie eins zu vier verhaͤlt.
Amerk. Waͤre es in der Abhandlung der Land - Wirthſchaft meine Abſicht geweſen, mich in die be - ſondern Faͤlle einzulaſſen, ſo wuͤrde ich auch gewiß den Bau des Hopfens regelmaͤßig beſchrieben ha - ben. Dieſer kann einem Wirthe merklich nuͤtzlich werden. Die wichtigſten Stuͤkke von dieſem hat der oft gelobte Herr Raths-Meiſter Reichert indem254Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,dem ſechſten Theile ſeines beliebten Land - und Garten-Schatzes erfahrungsgemaͤß beſchrieben.
Jſt der Hopfen genug gekocht, ſo wird zu dem Hopfen die Wuͤrze gegoſſen, und die Pfanne ge - fuͤllet. Alles, was Bier geben ſoll, nach und nach in dem Hopfen gekocht, dieß gekochte Bier wird fil - triret, und wiederum in den Meſch-Buttich zur Ab - kuͤhlung getragen.
Anmerk. Bey dieſer Beſchaͤftigung ſind zwey Stuͤkke zu merken. Einmahl, daß dieſer Meſch - Buttich zuvor wohl muͤſſe gereiniget werden. Es iſt nuͤtzlich, wenn man ſeine inneren Waͤnde, nach - dem er iſt ausgewaſchen worden, mit Hopfen, oder auch, wie es einige thun, mit Wermuth abreibet. Fuͤrs andere, daß dieß Bier auf eine zweyfache Art koͤnne gekocht werden. Einige kochen eine Pfanne nach der andern. Andere kochen nur die erſte Pfanne. Geben alsdenn recht ſtarkes Feuer, und tragen das uͤbrige Bier in der Ordnung nach und nach in die Pfanne; in welcher das gekochte aus der Pfannen in den Meſch-Buttig getragen wird. Dieß nennen ſie durch einen Durchzug brauen. Geſchiehet dieß, und wird langſam uͤber - getragen, ſo wird das Bier beſſer, als wenn es nach der erſten Art iſt gekochet worden.
Nunmehro iſt das zur geiſtigen Gaͤhrung geſchick - te Getraͤnke aus dem Mehle des Getraides, bereitet worden. Es folget die Gaͤhrung, die den Getraide Wein oder das Bier wuͤrken ſoll. Bey dieſer Be - ſchaͤftigung muͤſſen wir unterſuchen, einmahl, wenn ſoll es gaͤhren. Fuͤrs andere, womit kann man dieGaͤhrung255von dem Bierbrauen. Gaͤhrung befoͤrdern. Fuͤrs dritte, wie ſoll es gaͤhren? Fuͤrs vierte, wie lange ſoll es gaͤhren? Fuͤrs fuͤnfte, worauf hat man bey der Gaͤhrung zu ſehen, wenn ſie die verlangte Wuͤrkung hervorbringen ſoll? Wir wollen uns mit jedem Punkte beſonders beſchaͤftigen.
Wenn ſoll das Bier gaͤhren? Die Erfahrung be -1) Die Zeit, wenn es gaͤh - ren ſoll. ſtaͤtiget es, daß eine große Kaͤlte die Gaͤhrung ver - hindert, und daß eine große Hitze mehr eine Aufloͤ - ſung der Koͤrper, als eine Gaͤhrung verurſachet. Will man demnach das Bier alsdenn in die Gaͤhrung ſe - tzen, wenn es zu kalt iſt, ſo kann man unmoͤglich ein Bier bekommen, das vollkommen ausgegohren hat. Dieß nennet man ein kaltgaͤhriges Bier. Will man das Bier alsdenn in die Gaͤhrung ſetzen, wenn es zu heiß iſt, ſo kann ſich das Bier nicht halten. Hieraus fließet, daß das Bier alsdenn in die Gaͤh - rung zu ſetzen ſey, wenn es laulicht iſt.
Anmerk. Aus dieſem laͤſt es ſich erklaͤren, warum gluͤende Kieſelſteine, wenn dieſe in das Bier geworfen werden, was durch die Kaͤlte an der Gaͤhrung gehindert wird, die Gaͤhrung be - foͤrdern.
Die Saͤfte, welche durch die geiſtige GaͤhrungBeſondere Anmerkung. Wein werden ſollen, geben einen beſſern und geiſtrei - chern Wein, wenn ſie, nachdem ſie zur geiſtigen Gaͤhrung ſind zubereitet worden, nicht ſo gleich in die Gaͤhrung gehen. Dieß iſt eine Erfahrung. Man kann dieſe Gaͤhrung durch verſchiedene Mit - tel aufhalten, nur muß man dahin ſehen, daß man nicht durch dieſe Zuſaͤtze den Saft verderbe. Das beſte Mittel von den bekannten iſt dieſes, wenn mandem256Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,dem Safte die Kraft von dem Dampfe des ange - zuͤndeten Schwefels mittheilet. Das Acidum dieſes Dampfs verzoͤgert die Gaͤhrung. Es iſt fluͤchtig, da - her ſondert es ſich nach und nach wiederum ab, daß der Saft endlich in die Gaͤhrung gehen kann. Will man dieſen Handgriff bey dem Bierbrauen anwenden, wie es geſchehen muß, wenn man ein dauerhaftes, und geiſtreiches Lager-Bier haben will; ſo entſtehet dieſe Frage: wie es hiebey zu verhindern ſey, daß das Bier nicht kaltgaͤhrig werde? Wer dasjenige uͤberle - get, was wir §. 364. angemerket haben, dem wird es nicht ſchwer fallen, auch hiezu ein Mittel zu er - finden.
Das Bier gehet ohne Zuſatz ſchwerlich in die gei - ſtige Gaͤhrung. Dieſe muß demnach durch die Ver - miſchung mit einer ſolchen Materie befoͤrdert werden, die zur Gaͤhrung ſehr geneigt, oder auch wuͤrklich gaͤh - rend iſt. Man nennet daher dieſe Materie die Gaͤh - re oder das Ferment.
Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn wir unter - ſuchen, woher ein gutes Ferment zu nehmen ſey. Es ſoll eine Materie ſeyn, die zur Gaͤhrung ſehr ge - neigt, oder auch wuͤrklich gaͤhrend iſt. Sie muß demnach aus den Erd-Gewaͤchſen genommen werden, und zwar von denen. deren Saft von ſelbſten leicht in die Gaͤhrung gehet. Aus dieſem Grunde hat Boerhaav mit Recht folgende Dinge unter die Fer - mente geſetzt:
Wenn wir dieß, was von dem Ferment iſt abge -Worauf bey der Gaͤh - rung zu ſe - hen. handelt worden, genau uͤberlegen, ſo begreifen wir es, wie die Guͤthe und das Verderben des Biers mit von der Beſchaffenheit des Ferments abhaͤngen koͤnne, und wie dieß eine Urſache ſeyn koͤnne, daß man aus einerley Malze, einerley Waſſer, mit einer - ley Art zu brauen, verſchiedene Biere hervorbringet. Es erhellet ferner, daß man dem Biere dadurch ei - nen reizenden und geiſtreichen Geſchmack geben koͤnne, wenn man mit dieſem alsdenn, wenn es in die Gaͤh - rung geſetzet wird, wohlſchmeckende, geſunde und leicht gaͤhrende Gewuͤrze vermiſcht, u. ſ. f.
Wo ſoll das Bier gaͤhren? Die Erfahrung, wel -3) Der Ort, wo es gaͤhren ſoll. che §. 364. iſt angemerket worden, giebt uns dieſe Antwort. Der Ort zur Gaͤhrung muß nicht zu heißRund258Der Stadt-Wirthſchaft 2. Abſchnittund auch nicht zu kalt ſeyn. Allein dieß iſt nicht genung. Wir haben hiebey noch auf zwey wichtige Stuͤkke zu ſehen. Einmahl auf die Luft. Fuͤrs andere, auf die Art in der Bewegung der Duͤnſte. Der Zugang der Luft iſt eine von den nothwendigen Bedingungen bey der Gaͤhrung. Folglich muß die - ſer Ort alſo angeleget werden, daß in ihm ein beſtaͤn - diger Zugang reiner und geſunder Luft moͤglich iſt.
Zu der Zeit, da die Saͤfte und Fluͤßigkeiten in der Gaͤhrung ſtehen, daͤmpfen aus dieſen duͤnne Duͤnſte, die uns nur noch aus ihren ſchaͤdlichen Wuͤrkungen bekannt ſind. Sie ſind ſo ſtark, daß ſie vermoͤgend ſind, einen Menſchen zu toͤdten, wenn er in einen verſchloſſenen Ort gehet, in welchem vie - le gaͤhrende Saͤfte ſtehen. Werden dieſe Duͤnſte durch die Bewegung ins Bier zuruͤck getrieben, ſo bekommt man ein hitziges und herbes Bier, das ſehr leicht ſauer wird. Es muß demnach der Ort zur Gaͤhrung, wofern dieſe vollkommen gluͤkken ſoll, alſo angelegt werden, daß dieſe Duͤnſte in die Hoͤhe ſtei - gen, und durch den Zug der Luft aus dem Orte koͤn - nen weggetrieben werden.
Wie lange ſoll das Bier gaͤhren? Man muß die - ſe Gaͤhrung hemmen, ſo bald man merket, daß das Ausdaͤmpfen der Duͤnſte vermindert wird. Dieß ge - ſchiehet insgemein alsdenn, wenn der Geſcht auf der Flaͤche des Biers anfaͤngt ſich zu brechen. Hemmet man alsdenn dieſe Gaͤhrung nicht, ſo erfolget der an - dere Grad der Gaͤhrung, und das Bier wird ſauer.
Die Kaͤlte widerſtehet der Gaͤhrung. Dahero iſtBeſonderer Vortheil. ſie ein ſicheres Mittel, dieſe Gaͤhrung zu hemmen, wenn man die gaͤhrenden Saͤfte in eine kaͤltere Luft bringet. Da hiedurch die innere Bewegung vermin - dert wird, ſo muͤſſen die Unreinigkeiten, vermoͤge ih - rer Schwere niederſchlagen, und der Wein wird klar und helle.
Wir kommen auf den lezten Punkt. Das Bier5) Worauf bey der Gaͤh - rung zu ſe - hen. ſoll gaͤhren, es ſtehet in der Gaͤhrung. Was haben wir in dieſer Zeit zu thun, wenn der Erfolg gluͤck - lich ſeyn ſoll? Das erſte iſt: der gaͤhrende Saft muß in der Zeit, da er gaͤhren ſoll, in Ruhe ſtehen, denn wird dieſer Saft geruͤttelt, ſo zertheilet ſich der Geſcht auf der Oberflaͤche, und vermiſcht ſich mit dem Safte. Dieß verurſachet einmahl, daß die geiſti - gen Theile, welche die Gaͤhrung gebieret, verrau - chen, fuͤrs andere, daß das Bier truͤbe und mehr Geſcht als Wein wird. Das andere, das Gefaͤße, in welchem der gaͤhrende Saft iſt, muß nicht ganz verſtopft werden. Denn geſchiehet dieß, ſo wird der Zugang der Luft verhindert. Dieſer aber iſt ein nothwendiges Stuͤck.
Jſt das Bier gut gebrauet, ſo wird es ſich auchWie das Bier zu war - ten. halten. Es iſt unnoͤthig und faſt ſchaͤdlich, wenn man zu dieſem Endzwekke Mittel anwenden will. Es iſt nur noͤthig, daß wir das aus dem Wege raͤu - men, was das Bier verderben kann. Wer das ge - nau uͤberleget, was wir bis hieher von dem Bier abge - handelt haben, der wird es uns, ohne daß wir es weitlaͤuftig beweiſen, leicht verwilligen, daß es hier auf folgende Stuͤkke ankomme.
R 2Das260Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Das erſte: Die Faͤſſer, worin das Bier ge - faſſet wird, muͤſſen zuvor recht rein gemacht, und wo man ſie picht, friſch verpicht wer - den.
Unterlaͤſt man dieß, ſo bekommt nicht nur das Bier einen Geſchmack von dem Gefaͤſſe; ſondern es kann auch leicht aufs neue in die Gaͤhrung gehen, (§. 367.) und daher ſauer werden.
Das andere: Der Keller, in welchem das Bier aufbehalten wird, muß rein und kalt ſeyn.
Fehlet die Reinlichkeit, ſo kann leicht in dem Keller eine Faͤulniß entſtehen. Dieſe Duͤnſte geben dem Biere einen uͤbeln Geſchmack. Sie beſtimmen es zur neuen Gaͤhrung, die eine Aufloͤſung und daher auch eine Faͤulniß in dem Biere wuͤrket. Fehlet die Kaͤl - te, ſo fehlet das Mittel, was der fernern Gaͤhrung widerſtehet, daher wird das Bier ſauer.
Anmerk. Aus dieſem laſſen ſich verſchiedene be - ſondere Beſchaͤftigungen erklaͤren, die man bey der Wartung des Biers anwendet.
Das dritte: Die Faͤſſer muͤſſen beſtaͤndig vollDas dritte. gehalten und der Zugang der Luft muß, ſo weit es moͤglich iſt, verhindert werden.
Wird dieß verabſaͤumet, ſo entſtehet ſehr leicht eine neue Gaͤhrung, und dieſe wuͤrket eine Saͤure, die man doch verhindern will.
Dieß, was wir bis hieher abgehandelt haben, iſt,Der wirth - ſchaftliche Nutzen der Brauerey. wie ich es glaube, genug, uns von denen Beſchaͤfti - gungen, die bey dem Brauen vorkommen, einen deutlichen Begriff zu machen, wie auch diejenigen1) Die Be - ſtimmung der Ausga - ben. Stuͤkke zu erfinden und zu beurtheilen, die in dieſem oder jenem Brau-Hauſe als beſondere Handgriffe zur Gewohnheit geworden ſind. Wir wollen nur noch diejenigen Punkte beſchreiben, auf welche wir ſehen muͤſſen, wenn wir den wirthſchaftlichen Nutzen der Brauung beſtimmen wollen. Die Ausgabe muß mit der Einnahme verglichen werden. Die Ausgaben ſind leicht anzugeben, wenn wir das, was §. 321. iſt angemerket worden, durch das beſondere, was bey der Brauerey vorkommt, genauer beſtimmen.
Die Einnahme von der Brauerey iſt in vier Claſ - ſen zu vertheilen. Die erſte Claſſe faſſet das Bier. Die andere die Trebern. Die dritte die Heffen oder das Ferment. Die vierte das Nachbier oder Cofent.
Das Bier, was gebrauet wird, iſt entweder vonVerſchiede - ne Arten der Biere. einerley Guͤthe, oder man theilet es nach ſeiner Staͤr - ke in verſchiedene Claſſen. Man gießet nicht alle Wuͤrze unter einander. Die, welche zuerſt ablaͤuft, und folglich die ſtaͤrkſte iſt, wird allein gelaſſen, u. ſ. f. Dieß iſt der Grund von der Eintheilung der Biere, in ſtark Bier, in Mittel-Bier, und duͤnn Bier.
Wenn das Bier von dem Stell-Buttich abgelau -Von dem duͤnnen Bie - re oder Co - fent. fen, ſo ſchoͤpfet man friſches Waſſer auf die Trebern Dieſe werden umgeruͤhret, und das Waſſer ziehet die noch uͤbrig gebliebene Kraft aus den Trebern. Man laͤſt dieſes Waſſer ablaufen. Es wird gekocht, und alsdenn nennet man dieß Getraͤnke Cofent oder Nachbier. Soll dieſer recht gut werden, ſo wird er mit dem Hopfen, worinnen das Bier gekocht worden, gekochet.
Anmerk. Ein Wirth kann bey dieſer Sache noch folgende Stuͤkke uͤberlegen:
Wenn man die Saͤfte der Erd-Gewaͤchſe, und das verduͤnnte Mehl des Getreides, ehe dieſe durch die geiſtige Gaͤhrung Wein geworden ſind, de - ſtilliret, ſo kann man in dem, was dieſe Scheidung hervor bringet, ſinnlich nichts unterſcheiden, als ein Oel, Acidum und das Phlegma. Werden ſie aber alsdenn deſtilliret, nachdem die geiſtige Gaͤhrung ſie in Wein verwandelt hat, ſo bekommt man in der Vorlage einen brennenden Geiſt, der mit Waſſer ver - miſcht iſt. Dieſen nennet man Brantewein, oder Brandwein.
Dieß giebt uns einen Grund zu ſchluͤßen, daß der Brandwein der wahre geiſtige Theil des Weins und die Frucht der geiſtigen Gaͤhrung ſey.
Wir wollen die wichtigſten Stuͤkke unterſuchen, auf welche man bey dem Brandweinbrennen, wenn dieß nuͤtzlich ſeyn ſoll, ſehen muß. Dieſe ſind folgende:
Die erſte Frage: woraus kann der Brandwein ge -Die Mate - rien, aus welchen der Brandwein gebrennet wird. brennet werden? iſt leicht zu beantworten. Er iſt der wahre geiſtige Theil des Weins und der Frucht der geiſtigen Gaͤhrung (§. 382.), folglich koͤnnen alle Saͤfte und alles Mehl der Erd-Gewaͤchſe, nachdem dieſe durch die geiſtige Gaͤhrung in Wein ſind ver - wandelt worden, einen Brandwein geben.
Anmerk. Dieß iſt demnach ein Weg, wodurch ein Wirth alle Gewaͤchſe, auch ſo gar das Obſt, wenn es anfaͤngt zu faulen, nutzbar machen kann. er ſtampfet dieß Obſt, er verduͤnnet es mit Waſſer. Er ſetzet dieſen Saft in die geiſtige Gaͤhrung, die Natur wuͤrket den Wein, und der Wirth macht den Brandwein. Man ſpricht, der Brandwein macht Brod und Bier theuer, denn er verzehret viele Gerſte, vielen Weitzen und vieles Korn. Al - lein dieſe Sorge iſt nicht hinreichend, dieſe wirth - ſchaftliche Beſchaͤftigung zu verwerfen. Sie macht den Uberſchuß in dieſen Dingen nutzbar. Und ge - ſetzt, es ſollte ſich ein Mangel an dieſen Nahrungs - Mitteln ereignen. Kann man nicht alsdenn die ſchlechten Felder mit Duͤnkel anbauen? kann man nicht Tartuffeln pflanzen? dieſe Dinge geben auch Brand - wein, wenn ſie gehoͤrig ſind zubereitet worden.
Wie ſoll man die Saͤfte und das Mehl der Erd -Wie dieſe zu dieſer Ab - ſicht zu be - reiten. Gewaͤchſe zum Brandweinbrennen zubereiten? Sie geben keinen Brandwein, wenn ſie nicht zuvor die geiſtige Gaͤhrung erfahren haben. Die Saͤfte derR 5Erd -266Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Erd-Gewaͤchſe, wenn ſie zuvor durch das Stampfen oder Preſſen ſind herausgetrieben worden, gehen leicht in die geiſtige Gaͤhrung. Einige gaͤhren ohne Zuſatz. Einige verlangen eine Berduͤnnung mit Waſſer und ein Ferment. Siehe §. 367. Wie das Mehl in den Erd-Gewaͤchſen zu der geiſtigen Gaͤh - rung koͤnne geſchickt gemacht werden, dieß iſt §. 331. und folgenden erklaͤret worden. Wir wollen nur noch einige beſondere Anmerkungen von dieſem machen.
Alle mehlige Erd-Gewaͤchſe, wenn ſie gleich nicht zuvor ſind gemalzet worden, geben einen Brandwein, wenn man
Die erſte Anmerk. Giebt man dieſer Meſche zu wenig Waſſer, ſo wird das Mehl nicht genug verduͤnnet. Dieß iſt genug, zu begreifen, warum man alsdenn nicht vielen Brandwein bekommt. Giebt man der Meſche zu viel Waſſer, ſo bekommt man zu viele Blaſen zum Abbrennen, und es giebt doch nicht mehrern Brandwein, als es wuͤrde ge - geben haben, wenn man das rechte Maaß des Waſſers getroffen haͤtte. Dieß iſt eine Zeit - undHolz -267von dem Brandwein. Holz-Verſchwendung. Wie findet man das rechte Maaß des Waſſers? Dieß muͤſſen die Verſuche be - ſtimmen. Man merke es an, wie vieles Waſſer man der Meſche gegeben hat. Man merke es an, wie vielen Brandwein man bekommt. Hat man durch dieſe Verſuche das rechte Maaß getroffen, ſo mache man in dem Meſch-Buttich ein Zeichen, aus dem man es erkennen koͤnne, wie hoch die Meſch ſtehen muͤſſe.
Die andere Anmerk. Die geiſtige Gaͤhrung dieſer Meſch wird merklich befoͤrdert, ſie wird noch geiſtiger, wenn man mit dem ungemalztem Schro - te etwa, den achten Theil von einem gemalztem Schrote, einmeſchet. Wer die Beſchaffenheit des Malzes, die wir oben beſchrieben haben, unterſu - chet, der wird ſehr leicht den Grund von dieſer Re - gel finden.
Alles Mehl beſtehet aus einer ſchleimigten Materie. Es iſt nuͤtz - lich, dieſe zu malzen.Jſt dieſe nicht genugſam verduͤnnet worden, ſo kann auch nicht der ganze Koͤrper die geiſtige Gaͤhrung er - fahren. Ob nun gleich alle mehlige Gewaͤchſe Brand - wein geben, wenn ſie noch nicht ſind gemalzet worden, ſo muͤſſen ſie doch alsdenn, wenn ſie zuvor ſind ge - malzet worden, mehrern Brandwein geben. Hier - aus fließet dieſe Regel:
Je mehr die mehlige Materie der Gewaͤchſe ſchleimigt iſt, deſto mehr iſt es noͤthig, dieſe zuvor zu malzen, ehe ſie zum Brandweinbren - nen eingemeſchet werden.
Jn dem neunten Bande der Koͤnigl. SchwediſchenVon den Tartuffeln, Akademie der Wiſſenſchaften Abhandlungen aus derNatur -268Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Natur-Lehre, Haushaltungs-Kunſt und Mechanik wird ein Verſuch, aus den Tartuffeln Brandwein zu brennen, beſchrieben. Der Herr Verfaſſer hat die Tartuffeln abgekocht, in eben der Bruͤhe zerſtoſſen, und ſo lange durcharbeiten laſſen, bis die ganze Maſſe wie ein zeher Teig geworden. Dieſen hat er mit ei - nem ſiedheißen Waſſer verduͤnnet, daß er wie ein duͤnner Brey geworden. Der Brey iſt in die geiſtige Gaͤhrung gegangen, und er hat alsdenn aus dieſem den ſchoͤnſten aber doch nur den 16den Theil Brand - wein bekommen. Jch habe dieſen Verſuch nachge - macht, er trifft ein. Es wuͤrde aber bey uns dieſer Brandwein kaum das Holz bezahlen. Sind die von uns angegebenen Regeln gegruͤndet, ſo wird man es auch leicht begreifen, wie aus den Tartuffeln mit Nu - tzen koͤnne Brandwein gebrennet werden. Man malze die Tartuffeln. Man zerſtoſſe dieſe. Man meſche ſie ein, wie das Getraide. Man kuͤhle die Meſche mit friſchem Waſſer ab, damit ſie ſich nicht erhitze. Man verfahre im uͤbrigen wie bey dem Getraide, man wird es bald erfahren, daß dieſer Weg jenem vorzuziehen ſey.
Die dritte Frage: Wie bekommt man den Braud - wein? Die wichtigſten Stuͤkke, auf welche man zu ſehen hat, wollen wir kuͤrzlich beſchreiben.
Das erſte: Die Meſche muß ſogleich auf die Blaſe gebracht werden, ſo bald der Geſcht anfaͤngt zu ſinken, und ſie helle zu werden.
Durch die Gaͤhrung iſt der wahre geiſtige Theil des Weins verduͤnnet worden. Faͤngt der Geſcht an zu ſinken, und die Meſche helle zu werden, ſo iſt dieſe geiſtige Gaͤhrung erfolget. Folglich wird der geiſtige Theil des Weins verfliegen, wenn man nicht ſogleichden269von dem Brandwein. den Anfang macht, die Meſche auf die Blaſe zu bringen.
Das andere: Die Blaſe muß nicht zu voll ge -Anderes. macht, und die Meſche muß in der Blaſe ſo lange geruͤhret werden, bis man es merkt, daß die Waͤrme anfaͤngt, den geiſtigen Theil in die Hoͤhe zu treiben.
Die ſchleimigte Materie in der Meſche, die nicht ge - nugſam verduͤnnet iſt, wird alsdenn aufſchwellen, wenn die Waͤrme den geiſtigen Theil des Weins in die Hoͤhe treibet. Jſt nun die Blaſe zu voll, ſo wird alles in die Vorlage uͤberlaufen. Dieß wider - ſpricht der Abſicht. Unterlaͤſt man das Umruͤhren, bis die Waͤrme in der Meſche eine Bewegung verur - ſachet, ſo wird ſich das Dicke von der Meſche zu Bo - den ſetzen. Dieß brennet alsdenn an, und verdirbt die Blaſe und den Brandwein.
Anmerk. Es iſt nuͤtzlich, wenn man die Blaſe, indem man die Meſche in derſelben umruͤhret, mit einer Platte zudekket, die nur eine Oeffnung hat, durch welche man die Stange zum Umruͤhren bewegen kann. Dieß verhindert, daß nicht zu vie - le Geiſter verfliegen.
Das dritte: So bald die Waͤrme anfaͤngt,Drittes. den geiſtigen Theil des Weins in die Hoͤhe zu treiben, ſo muß der Huth auf die Blaſe geſe - tzet, und dieſe in allen Fugen mit Leim wohl verſchmieret werden.
Beydes hat zur Abſicht, das Wegfliegen der geiſtigen Theile zu verhindern.
Das vierte: Je langſamer der Wein bey kleinem Feuer getrieben wird, deſto ſtaͤrker und geiſtreicher wird der Brandwein.
Der brennende Geiſt iſt fluͤchtiger, als die uͤbrigen Theile in der Meſche. Und daher kann er mit einem geringen Grade des Feuers in die Hoͤhe getrieben werden, als der vermoͤgend iſt, die uͤbrige Materie der Meſche in die Hoͤhe zu bringen. Je weniger von dieſer Materie mit dem Brandwein vermiſcht iſt, de - ſto ſtaͤrker und geiſtreicher wird der Brandwein. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß der Brandwein deſto ſtaͤr - ker und geiſtreicher werden muͤſſe, je langſamer der Wein bey kleinem Feuer getrieben wird.
Das fuͤnfte: Weder der Huth noch die Roͤh - ren, durch welche der Brandwein laͤuft, muͤſſen zu heiß werden.
Sind dieſe zu heiß, ſo wird der geiſtige Theil des Weins, indem er dieſe beruͤhret, verbrennen. Und daher bekommt man ſchlechten und wenigen Brand - wein.
Anmerk. Aus dieſer Urſache wird der Huth fleißig mit Lappen, die im friſchen Waſſer genetzet werden, abgekuͤhlet. Und die Roͤhren, durch wel - che der Geiſt laͤuft, gehen durch ein Faß, das mit friſchem Waſſer angefuͤllet, und das daher das Kuͤhlfaß genennet wird. Warmes Waſſer iſt leich - ter als kaltes. Und daher wird es uns leicht ſeyn, durch Huͤlfe der Hydroſtatic Mittel zu erfinden, dieſe Roͤhren beſtaͤndig abzukuͤhlen, und doch das Waſſer in dem Kuͤhl-Buttich zum wirthſchaftli - chen Nutzen zu erwaͤrmen.
Das ſechſte: Die Vorlage muß bedeckt wer -Sechſtes den, und der Brandwein muß durch ein Fil - trum in die Vorlage laufen.
Das erſte verhindert das Verfliegen der Geiſter, und das andre macht den Brandwein helle.
Das ſiebende: Man macht durch Verſucheund ſteben - des Stuͤck. an der Vorlage ein Zeichen, woraus man es vermuthen kann, wenn es Zeit iſt, den Huth wieder abzuſtoſſen, daß nichts mehr heruͤber laͤuft. Der Geſchmack muß in dieſer Sache die Gewißheit geben.
So weit von dem dritten Punkte. Das uͤbrigeWas reiner und abge - zogner Brandwein. laͤſt ſich leichter zeigen, als beſchreiben. Wir kommen zu dem vierten. Wie man nemlich den Brandwein vollkommen machen koͤnne. Es iſt noͤthig, daß wir bey dieſer Unterſuchung den reinen Brandwein, von dem abgezogenen, der Aqua vitae genennet wird, un - terſcheiden. Der Brandwein iſt rein, wenn er mit keinen Saͤften aus einer Materie, aus der er nicht iſt gebrannt worden, vermiſchet. Wenn im Gegen - theile eine ſolche Vermiſchung geſchehen, ſo heißt er ein abgezogner Brandwein, oder Aqua vitae.
Zuerſt von der Vollkommenheit des reinen Brand -Die Merk - mahle eines vollkommen reinen Brand - weins. weins. Der Begriff, den wir §. 381. und 382. von dem Brandwein gebildet haben, giebt es uns zu er - kennen, daß die Vollkommenheit des reinen Brand - weins drey Stuͤkke erfodere. Einmahl, er mußhelle272Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,helle ſeyn. Fuͤrs andere, er muß weder ſauer noch oͤligt ſchmekken. Fuͤrs dritte, das Waſſer muß den geiſtigen Theil des Weins, den die Gaͤhrung gewuͤr - ket hat, in ſeiner Wuͤrkung nicht unterdruͤkken, ſon - dern dieſer muß in der Vermiſchung mit dem Waſſer einen merklichen Vorzug haben. Je groͤßer dieſer Vorzug iſt, deſto ſtaͤrker iſt der Brandwein. Jſt er von dem Waſſer ſo weit gereiniget, daß er wegen ſei - ner Staͤrke nicht mehr trinkbar, ſo verlieret er den Namen Brandwein, und wird der Wein-Geiſt ge - nennet.
Wir wollen die Mittel kuͤrzlich beſchreiben, die die - ſe Eigenſchaften des reinen Brandweins wuͤrken koͤn - nen. Soll er helle werden, ſo muß er durch ein Fil - trum in die Vorlage laufen. Man kann dieſes Fil - trum von einem Filze machen. Will dieß nicht hin - reichen, ſo iſt der beſte Rath, man deſtillire den Brandwein uͤber Salze. Das Meer-Salz beweiſet ſich bey dieſer Abſicht am nuͤtzlichſten. Wird dieſes heiß mit dem Brandwein vermiſchet, ſo ziehet es die Feuchtigkeiten an ſich, die den Brandwein truͤbe machen, und daher kann man dieſen von jenem durch die De - ſtillation befreyen. Weil der Wein-Geiſt das Meer - Salz nicht aufloͤſet, ſo iſt auch nicht zu befuͤrchten, daß durch dieſes Mittel der Brandwein ſollte ver - faͤlſcht werden.
Jn der erſten Deſtillation gehen ſaure und oͤligte Theile mit uͤber. Der Brandwein ſchmeckt nicht nur nach dieſen, ſondern er iſt auch noch mit ſo vielem Waſſer vermiſcht, daß man den geiſtigen Theil des Weins kaum durch den Geſchmack empfinden kann. Daher wird er in den Brennereyen, ſo lange er in dieſem Zuſtande iſt, nicht einmahl Brandwein, ſon -dern273von dem Brandwein. dern die Laͤuter genennet. Die Laͤuter von dieſem ſauren und oͤligten Geſchmakke, wie auch von dem uͤberfluͤßigem Pflegma zu reinigen, iſt kein anderer Weg moͤglich, als daß man die Laͤuter wiederum auf die Blaſe bringet, und abermahl bey gelindem Feuer, das zu ſchwach iſt, das Phlegma in die Hoͤhe zu trei - ben, langſam deſtilliret. Dieſe Beſchaͤftigung nen - net man in den Brennereyen, den Brandwein laͤutern.
Dieſer gelaͤuterte Brandwein iſt, wie es die Er -Wie der rei - ne Brand - wein voll - kommen wird. fahrung lehret, von ſeinem ſauren und oͤligtem Ge - ſchmakke noch nicht voͤllig gereiniget, und er hat noch beynahe ⅔ Pflegma. Will man ihn noch einmahl deſtilliren, ſo wird er zwar von jenem Geſchmakke be - freyet, aber er wird zu ſtark, und kann ſchon mit Recht der Wein-Geiſt genennet werden. Was iſt zu thun, wenn er ein vollkommner reiner Brandwein werden ſoll? Man erwaͤhle die Mittel-Straße. Man bringe ein Faß Laͤuter und ein Faß gelaͤuterten Brand - wein, ſo wie es die Groͤße der Blaſe erlaubt, zugleich in die Blaſe. Man deſtillire dieß langſam und bey gelindem Feuer, und man wird alsdenn einen reinen Brandwein bekommen, der vollkommen iſt. Dieß iſt der cohobatio, und in der Brennerey nennet man dieſe Beſchaͤftigung das Weinmachen.
Wir wollen noch einige Urſachen von der Unvoll -Von dem Brandwein, der durch die Waͤrme truͤ - be. kommenheit des reinen Brandweins anmerken, und die Mittel wider dieſe beſchreiben; vielleicht iſt dieß nicht ohne Nutzen. Der reine Brandwein kann dar - um truͤbe ſeyn, weil er zu warm iſt deſtilliret wor - den. Er kann darum unangenehm ſchmekken, weil die Meſche in der Blaſe iſt angebrannt. Den erſtenSFehler274Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Fehler abzuhelfen, iſt das gewoͤhnlichſte Mittel, wenn man Salz hinein wirft, dieß ein paar Tage ſtehen laͤſt, und alsdenn den Brandwein ſo lange filtriret, bis er helle wird. Ob nun zwar dieſes Mittel ver - moͤgend iſt, den verlangten Zweck zu wuͤrken (§. 398); ſo wird es doch die Erfahrung lehren, daß dieſer fil - trirte Brandwein ſelten die Probe haͤlt. Und man kann dieß theils aus dem Verfliegen der Geiſter, theils aus dem erklaͤren, weil der Brandwein, der von der Waͤrme truͤbe geworden, niemahls die gehoͤrige Staͤr - ke hat. Das beſte Mittel wider dieſes Schickſaal iſt das cohobiren, von dem wir §. 400. geredet haben.
Schmekket der Brandwein unangenehm, weil die Meſche angebrannt iſt, ſo iſt kein beſſerer Rath, die - ſe Unvollkommenheit zu heben, als das Waſchen des Brandweins. Das iſt: Man fuͤllet die Blaſe halb mit dem angebrannten Brandwein, halb mit Waſſer. Dieß deſtilliret man bey recht gelindem Feuer. So bleibt das verbrannte Oel im Waſſer zuruͤck, und der Geiſt des Weins gehet helle in die Vorlage. Siehe §. 398. und 399.
Anmerk. Wenn man ſaget, die Blaſe fuͤllen, ſo wird nicht die ganze Hoͤhe der Blaſe, ſondern nur derjenige Theil ihrer Hoͤhe angenommen, der voll ſeyn muß, wenn die Waͤrme den Geiſt des Weins uͤber den Helm treiben ſoll.
So weit von der Guͤthe des reinen Brandweins. Die abgezogenen werden in verſchiedene Arten verthei - let. Meine gegenwaͤrtige Abſicht erfordert es nicht, daß ich dieſe verſchiedene Arten beſchreibe. Es iſt ge -nug275von dem Brandwein. nug, wenn ich es uͤberhaupt anzeige, worinn der ab - gezogene Brandwein von dem reinen unterſchieden iſt, und worauf es ankommt, wenn er in ſeiner Art vollkommen ſeyn ſoll. Der abgezogene Brandwein, wenn dieſes Wort in einem allgemeinen Verſtande genommen wird, iſt mit Saͤften aus einer andern Materie vermiſchet, als aus welcher er iſt gebrannt wotden, (§. 396.) und man giebt dieſem Brandwein ſeine Benennung von der Materie, mit deſſen Saͤften er iſt vermiſcht worden. Wir wollen dieſe Saͤfte, um uns kurz auszudrukken, die fremden Saͤfte des Brandweins nennen. Aus dieſem folget dieſe Regel:
Die fremden Saͤfte des Brandweins muͤſſen die geiſtige Gaͤhrung nicht erfahren.
Denn ſollte dieß geſchehen, ſo muͤſte die Materie, aus welcher dieſe Saͤfte ſind genommen worden, mit zu der gehoͤren, aus welcher der Brandwein iſt gebrannt worden. (§. 381. 382.) Folglich wuͤrden dieſe Saͤfte keine fremde Saͤfte, und alſo der Brandwein kein ab - gezogener Brandwein ſeyn.
Soll der abgezogene Brandwein vollkommenDie Merk - mahle[da]es vollkomm - nen abgezo - genen Brand - weins. ſeyn, ſo muß er nicht nur die Merkmahle ei nes vollkommenen reinen Brandweins haben, ſondern die fremden Saͤfte muͤſſen auch den Brandwein geſunder und wohlſchmekkender machen. Das erſte folget aus dem, weil es die Be - weiſe, wodurch wir dieſe Merkmahle befeſtiget haben, zeigen, daß ſie weſentliche Stuͤkke eines vollkomme - nen Brandweins ſind. Das andere folgt aus der all - gemeinen Wirthſchafts-Regel. Wenn ein Wirth den Brandwein mit fremden Saͤften vermiſchet, ſo hat er mehreren Aufwand. Dieſen muß der Verkauf des Brandweins bezahlen. Und alſo wird hiedurch derS 2Werth276Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Werth des Brandweins groͤßer. Sollte er nun nicht geſunder und wohlſchmekkender ſeyn, als der reine Brandwein; ſo wuͤrde dieſe Vermiſchung den Ver - kauf verhindern. Dieß iſt genug, das zu beweiſen, was wir haben beweiſen wollen.
Wir muͤſſen, dieſe unſere Abſicht zu erreichen, drey Fragen beantworten. Einmahl, woher nehmen wir dieſe fremden Saͤfte? Fuͤrs andere, wie bekommen wir dieſe fremden Saͤfte? Fuͤrs dritte, wie koͤnnen dieſe fremden Saͤfte mit dem Brandwein vermiſchet werden, daß er ein vollkommener abgezogener Brand - wein wird?
Dieſe fremden Saͤfte ſollen den Brandwein geſund und wohlſchmekkend machen, ſie ſollen aber auch mit dem Brandwein vermiſcht werden, ſo daß der Brandwein helle bleibt (§. 404.) Folglich muͤſſen es geſunde und wohlſchmekkende Saͤfte ſeyn, die der Brandwein aufloͤſen kann. Dieß iſt genug, zu be - weiſen, es ſey das ſicherſte, wenn man dieſe Saͤfte aus dem Pflanzen-Reiche nimmt. Nicht nur alle Pflanzen, ſondern auch ihre Fruͤchte und der Saame, den ſie hervorbringen, haben einen Saft bey ſich, der den voͤl - ligen Geruch von der Pflanze hat. Man darf ſie nur in einem Deſtillir-Gefaͤße ins Marienbad bey einer ſehr gelinden Hitze ſetzen, ſo wird dieſer Saft von ihnen geſchieden. Boͤrhaave nennt ihn den regierenden Geiſt der Pflanzen. Dieſer Geiſt laͤſt ſich mit dem Brandweine vermiſchen, ſo, daß er helle bleibt und einen Geſchmack davon bekommt. Dieß iſt genug, die Moͤglichkeit von dem zu beweiſen, das wir angenom - men haben.
Wie bekommt man dieſe fremden Saͤfte? SieWie ſie aus - zuziehen. muͤſſen ſolche ſeyn, die der Brandwein aufloͤſen kann. Folglich iſt nur noͤthig, daß man auf den Koͤrper, aus welchem dieſe fremden Saͤfte ſollen gezogen wer - den, Brandwein gießet. Dieß in eine gelinde dige - ſtion ſetzet, ſo wird der Brandwein dieſe Saͤfte in dem Koͤrper aufloͤſen, und an ſich ziehen.
Einige Stuͤkke ſind noch anzumerken, wenn wirDieß wird weiter abge - handelt. bey der Erlangung dieſer Abſicht gluͤcklich ſeyn wollen. Fuͤrs erſte. Jn einigen Koͤrpern ſind dieſe Saͤfte zu veſt verſchloſſen, daß ſie von dem Brandwein nur alsdenn koͤnnen aufgeloͤſet und ausgezogen werden, wenn ſie zu dieſer Wuͤrkung ſind zubereitet worden. Dieſe Zubereitung kann durch Stoßen, Stampfen, Preſſen, Schneiden, Reiben u. ſ. f. geſchehen, wie es die Veſtigkeit der Koͤrper erfodert. Fuͤrs andere. Die Saͤfte dieſer Koͤrper, die man in dem Brand - wein aufloͤſen will, ſind entweder ſeiffigte Saͤfte, oder ſie ſind weſentliche Oele, Balſame, Harze, und ſo f. Jene laſſen ſich auch im Waſſer aufloͤſen. Daher folget, daß man dieſe mit Brandwein ausziehen koͤnne, der noch viel Phlegma hat. Ferner, daß man mit dem Brandweine, der mit dergleichen Saͤften beladen iſt, Waſſer vermiſchen koͤnne, ohne die Scheidung dieſer Saͤfte von dem Brandweine zu wuͤrken. Die - ſe laſſen ſich nicht im Waſſer aufloͤſen. Daher folget, daß dieſe Saͤfte nur mit dem Wein-Geiſte koͤnnen ausgezogen werden, und daß man dieſen Geiſt, wenn er mit dergleichen Saͤften beladen iſt, nicht mit Waſ - ſer vermiſchen koͤnne, ohne eine Scheidung dieſer Saͤf - te von dem Wein-Geiſte zu veranlaſſen.
Dieß, was wir §. 408. angemerket, und mit der Erfahrung beſtaͤtiget haben, giebt uns eine Haupt - Regel, die bey der Verfertigung eines abgezogenen Brandweins genau zu beobachten iſt. Sie iſt dieſe:
Man gehet bey Verfertigung der abgezoge - nen Brandweine ſicherer, wenn man die frem - den Saͤfte aus den Materien des Pflanzen - Reiches mit Brandwein, als mit Wein-Geiſt ziehet.
Ein beſonderes Mittel die Ausziehung der fremden Saͤfte aus den Materien des Pflanzen-Reiches zu be - foͤrdern, iſt dieſes. Nehmet Weinſtein und Salpeter von jedem gleich viel. Zerſtoßet beyde und vermiſchet ſie hiedurch genau mit einander. Machet einen Schmelz-Tiegel gluͤend, und alsdenn traget einen Loͤffel voll von zuvor genanntem Pulver hinein. Wenn dieſes abgedampfet, ſo traget wiederum einen Loͤffel voll hinein, und fahret mit dieſer Arbeit ſo lan - ge fort, bis alles Pulver in dem Tiegel iſt. Wenn es abgedampft, ſo ſchuͤttet es aus, und zerſtoßet die Maſſe, ſo bald es moͤglich iſt, zu Pulver. Dieß ver - wahret an einem trockenen und kuͤhlen Orte. Soll dieſes zum Ausziehen der fremden Saͤfte angewendet werden, ſo zerſchneidet oder zerſtoßet die Materie, aus welcher dieſe Saͤfte ſollen gezogen werden. Ver - miſcht dieſe alsdenn mit obigem Pulver, doch muß von dieſem nicht zu viel genommen werden. Dieſe Vermiſchung leget in ein Filtrum. Durch dieſes gieſ - ſet den Brandwein, doch langſam. Die Erfahrung wird es alsdenn lehren, daß dieſe Ausziehung der fremden Saͤfte vorzuͤglich ſey.
Die dritte Frage iſt dieſe: Wie koͤnnen dieſe Saͤf -Wie die fremden Saͤfte mit dem Brand - wein zu ver - miſchen. Der erſte Weg. te mit dem Brandwein vermiſcht werden, wenn die - ſer Brandwein in ſeiner Art vollkommen werden ſoll? Die Beantwortung dieſer Frage giebt uns einen Grund, den abgezogenen Brandwein in zwo Claſſen zu vertheilen. Jn der erſten Claſſe ſetze ich diejeni - gen, die mit dieſen fremden Saͤften ſind vermiſcht worden, ohne aus dem Brandwein vorher den Wein - Geiſt zu ziehen. Die beſte Art, dieſe Vermiſchung zu befoͤrdern, iſt dieſe. Wenn man aus der Materie des Pflanzen-Reichs die fremden Saͤfte, ſo weit als es noͤthig iſt, mit Brandwein gezogen hat, ſo ſchuͤtte man dieſe ganze Maſſe alsdenn in die Blaſe, wenn man nach der Vorſchrift des §. 401. den Wein machen will. Der Brandwein hat dieſe Saͤfte aufgeloͤſet, und ſich mit ihnen vermiſchet. Das Waſſer wuͤrket keine Scheidung (§. 408.) Folglich werden dieſe fremden Saͤfte durch eine gelinde Deſtillation gereini - get, mit dem Brandwein uͤbergehen, und daher be - kommt man alsdenn einen wohlſchmekkenden abgezoge - nen Brandwein. (§. 396).
Anmerk. Vielleicht wird man ſagen, dieß iſt kein abgezogener Brandwein. Allein was heiſt den Brandwein abziehen: wird er nicht alsdenn abgezogen, wenn man den gelaͤuterten Brandwein nochmahl deſtilliret. Dieß geſchiehet bey dieſer Ar - beit mit der Helfte des Brandweins, (§. 400. 399. ) und darum wird er mit Rechte ein abgezogener Brandwein von der erſten Art genennet.
Die Verfertigung der abgezogenen Brandweine dieDer andere Weg. zur andern Claſſe gehoͤren, iſt dieſe: Man fuͤlle dieS 4Blaſe280Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Blaſe mit reinem Brandwein. Alsdenn ſchuͤtte man zu dieſem ſo viel von dem mit Brandwein ausgezo - genen Safte, als noͤthig, wenn er von dieſem die Guͤte und den Geſchmack annehmen ſoll. Deſtilliret den Wein-Geiſt bey gelinder Waͤrme heruͤber. Mit dieſem verſetzet ſo viel Waſſer, in welchem Zukker aufgeloͤſet iſt, als noͤthig iſt, den Wein-Geiſt wie - derum trinkbar zu machen. Endlich filtriret den Brandwein ſo lange, bis er helle und klar wird.
Anmerk. Es iſt eine beſondere Schoͤnheit bey einem abgezogenen Brandwein, wenn er mit ver - ſchiedenen geſunden und wohlſchmekkenden Saͤften alſo iſt verſetzet worden, daß er zwar lieblich ſchmek - ket, man aber doch durch den Geſchmack die Art dieſer fremden Saͤfte nicht erkennen kann. Dieß iſt eine Folge von der Verhaͤltniß, die man leicht durch die Erfahrung beſtimmen kann.
So weit von dem vierten Punkte, den wir §. 383. angegeben haben. Es folget der fuͤnfte, wie man den Brandwein warten ſoll. Je laͤnger der Brand -Die erſte wein lieget, deſto beſſer wird er. Er vergroͤßert ſei - ne Staͤrke und verbeſſert ſeine Farbe. Allein er ver - zehret ſich, und dieß kann dem Wirthe einen merk - lichen Schaden bringen. Er muß nicht nur die Jn - tereſſen ſeines liegenden Capitals, ſondern auch dieß in Erwegung ziehen, daß der Brandwein durch dieß Verzehren vermindert wird. Die Jntereſſen werden durch die Verbeſſerung des Brandweins reichlich be - zahlet. Das Verzehren muß der Wirth, ſo viel es ihm moͤglich iſt, verhindern. Die wichtigſten Stuͤk - ke, die in Anſehung dieſer Abſicht zu beobachten, ſind dieſe:
Das281von dem Brandwein.Das erſte Stuͤck. Der Brandwein muß an ei - nem recht kuͤhlen Orte verwahret werden. Denn da die Waͤrme die Geiſter in die Hoͤhe treibet, ſo wird er alsdenn, wenn er warm lieget, verfliegen.
Aus dieſem Grunde folget auch das andere Stuͤck,Die andere daß die Oeffnungen in dem Gefaͤße, in welchem der Brandwein verwahret wird, ſo genau, als es moͤglich iſt, muͤſſen verſtopfet werden.
Das dritte Stuͤck. Man muß die Gefaͤße, inDie dritte welchen der Brandwein verwahret wird, beſtaͤndig voll halten. Denn dieß verhindert die Bewegung, und alſo auch die Verfliegung des Brandweins.
Das vierte Stuͤck gehet auf die Beſchaffenheitund vierte Regel. der Gefaͤße. Man verſchließe dieſe ſo genau, als es moͤglich iſt, ſo bleiben doch allemahl in der Materie dieſer Gefaͤße die Luft-Loͤcher, durch welche die Geiſter des Brandweins verfliegen koͤnnen. Dieß zu verhin - dern, wird von vielen angerathen, man ſoll zur Ver - wahrung des Brandweins keine ganz neue Gefaͤße, ſondern ſolche nehmen, in welchen ſchon zuvor Wein geweſen iſt. Der Rath iſt vortreflich, wie kann man aber dieſem bey großen Brennereyen Folge leiſten. Der beſte Rath, der in der Abſicht gegruͤndet, iſt die - ſer: Das Holz, woraus dieſe Gefaͤße verfertiget wer - den, muß wenige Luft-Loͤcher haben. Man muß die - ſe einige Tage vorher, ehe ſie mit Brandwein ſollen angefuͤllet werden, mit laulicht warmen Waſſer fuͤllen. Wenn ſie mit Brandwein ſind angefuͤllet, und wohl ver - ſtopfet worden, ſo muß man ſie von auſſen beſtaͤndigS 5mit282Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,mit naſſen Tuͤchern, oder naſſen Schwaͤmmen an - feuchten.
Der ſechſte Punkt, den wir §. 383. angenommen haben, iſt noch uͤbrig. Es wird gefraget: Wie dieſe wirthſchaftliche Beſchaͤftigung einem Wirthe nuͤtzlich werden koͤnne? Wir haben bereits oben den allge - meinen Nutzen beſchrieben, der eine Folge eines re - gelmaͤßig angelegten Gewerkes iſt. Dieſen muß auch die Brennerey wuͤrken. Wir wollen nur noch das Beſondere bey dieſem Gewerke unterſuchen. Es iſt kein Gewerke, das, wenn es einem Wirthe nuͤtzlich ſeyn ſoll, einen ſo großen Fleiß und eine ſo ſtrenge Ordnung erfodert, als das Brandweinbrennen. Wenn man die Materialien, den Lohn und den uͤbri - gen Aufwand in Anſchlag bringet, ſo werden viele die Luſt zum Brennen verliehren. Der wahre Vortheil ſteckt in dem Spuͤlich, wenn dieſer zur Maſtung und zur Vieh-Futterung regelmaͤßig angewendet wird. Aus dieſem folget, daß ein Wirth, dem das Brand - weinbrennen vortheilhaftig ſeyn ſoll, zuvor dieſe Punkte mit der groͤſten Strenge unterſuchen muͤſſe.
Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn wir das -Erſtlich. Wie vieler Brandwein kann woͤ - chentlich ge - brannt wer - den? jenige kurz beſchreiben, worauf man bey einem jeden Punkte zu ſehen hat. Das Maaß, was angewendet wird, die erſte Frage zu beantworten, iſt die Groͤße der Brandweins-Blaſe. Soll keine Zeit verlohren gehen, ſo muß eine jede Meſche vier Blaſen geben, die Laͤuter zu brennen. So oft eine Blaſe von der Laͤuter herunter, ſo oft wird der Spuͤlich ausgeſchoͤpft, und die Blaſe wiederum mit Meſche angefuͤllet. Sind alle vier Blaſen herunter, ſo wird die Blaſe geſcheuert, und die Laͤuter deſtilliret. Dieß voraus geſetzet, wird es nicht ſchwer fallen, zu begreifen, daß man, wenn man den erſten Punkt genau beantwor - ten will, folgende Stuͤkke veſt ſetzen muͤſſe.
Wenn alle dieſe Punkte genau ſind beſtimmet worden, ſo wird es nicht ſchwer fallen, die Rechnung zu zie - hen, wie viele Scheffel in unſerm Brenn-Hauſe woͤ - chentlich koͤnnen gebrannt werden.
Anmerk. Man wird fragen: Wo bleibt die Zeit zum Einmeſchen? Bey einer ordentlichen Ein - richtung erfodert dieß keine beſondere Zeit. Man nimmt zum Einmeſchen entweder das Waſſer, was nach dem ſiebenden Punkte aus der Blaſe ge - ſchoͤpfet wird, oder das warme Waſſer aus dem Kuͤhl-Buttich, welches alsdenn leicht geſchehen kann, wenn dieſer Buttich nach dem §. 393. iſt eingerichtet worden. Jn dem erſten Fall iſt das Ausſchoͤpfen des Waſſers aus der Blaſe das Mit - tel zum Einmeſchen, und in dem andern Fall kann alsdenn eingemeſcht werden, wenn man bey der Blaſe nichts mehr zu thun hat.
Wie ſind in dem Brenn-Hauſe die Beſchaͤftigun - gen mit einander zu verknuͤpfen, wenn woͤchentlich ſo viele Scheffel ſollen gebrannt werden, als es in dem - ſelben moͤglich iſt? Dieß kann durch Beobachtung folgender Regeln bewerkſtelliget werden.
Die erſte Regel:
Die Blaſe muß in dem Brenn-Hauſe zu kei - ner Minute ſtille ſtehen.
Aus dieſer folget die andere Regel:
Jn dem Brenn-Hauſe muͤſſen ſo viel Meſch - Buttiche ſtehen, daß allemahl die andere Me - ſche alsdenn zum Abbrennen bereit iſt, wenn die erſte Meſche von der Blaſe herunter iſt.
und die dritte:
Alle Verrichtungen in der Brennerey, dieDie dritte nicht unmittelbar mit der Blaſe zu thun ha - ben, muͤſſen alsdenn vorgenommen werden, wenn die Blaſe gehet.
Die vierte Regel:
Alles, was in dem Brenn-Hauſe gebrauchtDie vierte wird, muß an einem ſolchen Orte ſtehen, von dem es ſogleich zu ſeinem Gebrauch ohne Hinderniß kann genommen werden, und dieß muß durch mechaniſche Werkzeuge, ſo weit erleichtert werden, als es immer moͤg - lich iſt.
Die fuͤnfte Regel:
So wohl das Waſſer, als auch die abzu -Die fuͤnfte brennende Meſche und der Spuͤlich muß durch Rinnen dahin geleitet werden, wo ſie ſollen gebraucht werden. Das Tragen wuͤrde nicht nur viele Menſchen erfodern, ſondern auch viel Zeit verderben.
Die ſechſte Regel:
Die Blaſe muß ſo groß gebauet werden, daßund die ſech - ſte Regel. man auf der Brennerey zwey Menſchen oh - ne Schaden halten koͤnne.
Ein Menſch iſt nicht im Stande alles in der Brenne - rey zu verrichten. Soll er um Huͤlfe rufen, wenn er ſie noͤthig hat, ſo gehet nicht nur die Zeit verloh -ren,286Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnittren, ſondern es kann auch dieſe Verzoͤgerung eine Urſache werden, daß bald dieß, bald jenes verdirbt. Dieß aber kann der Wirth bey der Brennerey nicht vertragen. Jſt die Blaſe zu klein, ſo kann ſie ei - nen ſolchen Aufwand nicht abwerfen. Daher iſt dieß ein Punkt, den ein Wirth wohl erwegen muß, wenn er nicht mit Schaden brennen will.
Jn Anſehung des dritten Punkts, den wir §. 417. angeſetzet haben, iſt zu merken, ob man allein mit dem Spuͤlich maſten, oder ob man nur den Spuͤlich anwenden will, anderes Maſt-Futter damit einzu - bruͤhen. Beyde Faͤlle ſind moͤglich. Nur bey dem erſten Fall muß man, wenn Rind-Vieh ſoll gema - ſtet werden, außer dem Spuͤlich wenigſtens Stroh zum Vorlegen und zum Hekkerling haben. Ueber - haupt gehet die Maſtung in dem erſten Fall langſa - mer, als in dem lezten, und das Fleiſch wird bey die - ſem zum Raͤuchern geſchickter, als bey jenem. Wer dasjenige wiederholet, was wir bereits oben §. 287. und folgenden von der Maſtung abgehandelt haben, der wird das uͤbrige leicht einſehen, was hier noch koͤnnte angemerket werden.
Die Berechnung von der Brauerey, die wir §. 377. und folgenden veſtgeſetzt haben, iſt auch bey der Brandweins-Brennerey anzuwenden. Es iſt nur noͤ -1) Jn An - ſehung der Ausgaben. thig, daß wir dasjenige veraͤndern, was nach der Beſchaffenheit der Sache muß veraͤndert werden. Die Berechnung des Aufwandes beſtehet in folgen - den Kapiteln:
Die287von dem Brandwein.Es ſind verſchiedene Gruͤnde, aus welchen wir dieß ſchluͤßen koͤnnen, daß das Eßigmachen ein ſehr wichtiges Stuͤck der Wirthſchaft ſey. Ein Wirth kann von dieſem nicht nur diejenigen Vortheile ge - winnen, die das Brauen und Brandweinbrennen wuͤrket; ſondern er kann auch hiedurch den Schaden verhindern, den er empfinden wuͤrde, wenn das Bier umſchlaͤgt, oder ſauer wird. Wenn er den Wein we - gen ſeiner Saͤure nicht verkaufen kann, u. ſ. f. Ja, durch dieſe Beſchaͤftigung kann er viele Abgaͤnge bey dem Brauen und Brandweinbrennen merklich nutzbar machen. Aus dieſen Urſachen wollen wir, ſo weit als es unſere gegenwaͤrtige Abſicht erfodert, diejenigenStuͤkke289von der Bereitung des Eßigs. Stuͤkke beſchreiben, auf welche es bey der Bereitung des Eßigs vornehmlich ankommt.
Zuerſt muͤſſen wir uns einen Begriff vom EßigWas der Eßig. machen. Wir wollen dieſen ſo gut bilden, als es uns moͤglich iſt. Die Saͤure iſt zwar ein Merkmahl vom Eßig. Doch aber giebt ſie keinen vollſtaͤndigen Be - griff vom Eßig. Wir haben verſchiedene ſaͤuerliche Safte, die doch den Nahmen eines Eßigs nicht ver - dienen, weil ſie unvermoͤgend ſind, dasjenige zu wuͤr - ken, was der Eßig wuͤrken ſoll. Den wahren Eßig wuͤrket die Natur durch den andern Grad der Gaͤh - rung, der die ſaure Gaͤhrung genennet wird. Wenn man nehmlich den Wein, den die geiſtige Gaͤhrung gewuͤrket hat, mit einer Gaͤhre, die ein Wein-Stein-Salz in ſich hat, an einem warmen Or - te durch das oͤftere Umruͤhren oder Schuͤtteln aufs neue in die Gaͤhrung ſetzet, ſo heiſt dieſe Gaͤhrung, die mit einer Hitze vergeſellſchaftet iſt, die ſaure Gaͤhrung. Dieſe benimmt dem Weine ſeinen Ge - ruch. Er nimmt eine Saͤure an, die nach und nach ſtaͤrker wird, bis die Gaͤhrung von ſich ſelbſt aufhoͤrt. Dieſer durch die ſaure Gaͤhrung gewuͤrkte Saft wird der Eßig genennet. Wenn man dieſen Saft, der den andern Grad der Gaͤhrung gelitten hat, deſtilli - ret, ſo bekommt man keinen Brandwein, wie aus der Deſtillation des Weins, den die geiſtige Gaͤhrung ge - bohren hat, ſondern eine ſaure Fluͤßigkeit, die nicht brennt, und die der deſtillirte Eßig genennet wird. Dieß iſt genug, zu begreifen, wie der Eßig von dem Brandweine, und die ſaure Gaͤhrung von der geiſti - gen in Anſehung der Wuͤrkung unterſchieden ſey.
Dieſe kurze Abbildung des Eßigs lehret uns, daß ein Wirth, der durch deſſen Bereitung einen Vor - theil gewinnen will, folgende Stuͤkke genau unterſu - chen muͤſſe.
Die erſte Frage: woraus kann man den wahren Eßig bereiten? beantwortet der §. 429. Denn weil aller Wein durch die Kunſt in Eßig kann verwandelt werden, und weil keine Fluͤßigkeit einen wahren Eſ - ſig giebt, wo nicht die geiſtige Gaͤhrung, die den Wein gebohren, vorhergegangen; ſo iſt es klar, daß alle Saͤfte und alles Mehl der Erd-Gewaͤchſe, wenn dieſe vorher durch die geiſtige Gaͤhrung in Wein ſind verwandelt worden, durch die Kunſt zu einem Eßig koͤnnen bereitet werden. (§. 384).
Man giebt daher dem Eßige den Nahmen von dem Weine, oder von den Erd-Gewaͤchſen, aus wel - chen er iſt bereitet worden. Er kann aus dem Biereberei -291von der Bereitung des Eßigs. bereitet werden, und alsdenn heiſt er ein Bier-Eſ - ſig. Dieß iſt der ſchwaͤchſte, und wird mehrentheils nur zur Bewahrung des eingelegten Fleiſches ge - braucht. Wird er aus dem ausgepreßten Safte von den Baum-Fruͤchten bereitet, ſo bekommt er ſeinen Nahmen von den Fruͤchten, als Apfel-Eßig, Birn - Eßig. Uberhaupt nennt man dieſen den Cidre - Eßig. Wird er aus dem ausgekelterten Weine be - reitet, ſo nennet man ihn insbeſondere den Wein - Eßig.
Jch will hiebey noch einen Punkt unterſuchen, derOb noch aus dem Wein, wenn der Brandwein abgeſondert, ein Eßig zu machen? eine beſondere Aufmerkſamkeit von einem Wirthe ver - dienet. Es wird gefragt: ob aus den Fluͤßigkei - ten des durch die geiſtige Gaͤhrung gebohrnen Weins noch ein wahrer und guter Eßig koͤnne bereitet werden, wenn von dieſem zuvor der Brandwein iſt deſtilliret worden. Viele vernei - nen es. Dieſe lehren, der geiſtige Theil des Weins, den der Brandwein in ſich faſſet, ſey ein weſentli - ches Stuͤck von dem wahren Eßig, wenn dieſer ſtark und gut ſeyn ſoll. Wenn die brennenden Geiſter durch die Deſtillation von dem Weine waͤren geſchie - den worden, ſo entſtuͤnde nur ein verdorbnes unnuͤ - tzes Weſen, und kein Eßig. Wer dem Anſehen ei - niger Maͤnner folget, die in der Scheide-Kunſt große Erfahrungen haben, der wird ſich leicht zu dieſer Meynung bekennen, wie ich es auch ehedeſſen gethan habe. Allein die Erfahrung hat es widerleget. So wohl der Nachgang von dem Brandweine, als auch das duͤnne Bier geben noch den ſchoͤnſten Eßig, wenn beyde gehoͤrig bereitet werden. Und ich zweifele, ob man dieſen von dem ſchoͤnſten Wein-Eßig, den man in der Wirthſchaft braucht, wird unterſcheiden koͤnnen. Dieſes Gewerke kann ſo wohl bey der Bren -T 2nerey292Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,nerey, als auch bey der Brauerey verſchiedene Stuͤkke bezahlen, und alſo beyde Gewerke nutzbarer machen.
So weit von dem erſten Punkte. Der andere ſoll die Mittel unterſuchen, wodurch die ſaure Gaͤh - rung befoͤrdert wird. Das erſte iſt das Ferment. Worin beſtehet dieſe Gaͤhre, und woher wird ſie ge - nommen? Die Beantwortung der andern Frage wird von der Beantwortung der erſten abhangen. Wenn man die Natur des Eßigs unterſuchet, und mit dieſer die Erfahrung vergleichet, ſo wird es nicht ſchwer werden, dieſen Satz zu beweiſen. Nichts kann ein Ferment zum Eßig geben, als worin ein Wein Stein-Salz, und alle Saͤfte der Erd-Gewaͤchſe, in welchen ſich das Wein-Stein-Salz vorzuͤglich wuͤrkſam beweiſet, geben ein gutes Ferment zum Eſ - ſig. Aus dieſem iſt es zu begreifen, warum folgende Dinge ein Ferment zum Eßig. 1) Die ſauren He - fen, oder die ſogenannte Wein-Mutter von ſaͤuerli - chem Weine. 2) Die Eßig-Hefen aus den alten Faͤſ - ſern, die mit ſehr ſcharfen Eßig geſaͤttiget ſind. 3) Den zu zarten Pulver geſtoſſenen Wein-Stein, von ſaurem Wein. 4) Der Eßig ſelbſt, der zum hoͤch - ſten Grad der Saͤure gebracht worden. 5) Die al - ten hoͤlzernen Faͤſſer, die lange Zeit mit ſcharfen Eßig angefuͤllet gelegen. 6) Die oͤfterswiederhohlte Vermiſchung der Hefen mit ihrem eigenen Weine. 7) Die Stiele, die Stengel, die Huͤlſen der Kirſchen, der Johannis-Beere und Wein-Trauben, und deren herumgeſchlungene kleine Ranken, damit ſich die Wein - Reben anhangen, wie auch alle dergleichen ſaͤuerliche herbe Theile der Gewaͤchſe. 8) Der Sauerteig aus Rokken-Mehle*). Man kann aus dieſen Dingen verſchiedene Zuſammenſetzungen machen, die ſich aber doch nicht bey allen Fluͤßigkeiten, in gleichem Gradewuͤrkſam293von der Bereitung des Eßigs. wuͤrkſam beweiſen, z. B. wer das bewerkſtelligen will, was wir in dem §. 433. angemerket haben, der ver - miſche einen Theil klar geſtoßenen Wein-Stein, zwey Theil Honig, vier Theil Sauerteig, einen halben Theil Salpeter, und einen halben Theil geſtoſſener Bertrams-Wurzel, und er wird es erfahren, daß die - ſe Vermiſchung unter allen bey dieſen Fluͤßigkeiten die nuͤtzlichſte ſey.
Das andere Stuͤk, was zur Befoͤrderung der ſau -Das andere. ren Gaͤhrung erfodert wird, iſt die Waͤrme. Es iſt wohl wahr, daß auch die Kaͤlte der geiſtigen Gaͤh - rung widerſtehet, doch aber erfolget dieſe, wenn nur die Kaͤlte abweſend iſt. Eine wuͤrkliche Waͤrme ver - urſacht bey dieſer Gaͤhrung mehr Schaden, als Vor - theil. Bey der ſauren Gaͤhrung iſt das Gegentheil. Dieſe erfolget nicht ohne Waͤrme. Soll die Milch ſauren, ſo wird die Sonnen-Waͤrme, oder eine war - me Stube darzu erfodert. Salpeter, Salz und der Schwefel ſind an ſich nicht ſauer, doch kann ſie die Gewalt des Feuers in das allerſaureſte verwandeln. Bis hieher hat noch keiner ohne Waͤrme Eßig ge - macht. Dieß iſt genug, dasjenige zu beweiſen, was wir angenommen haben.
Das dritte Stuͤk, worauf man bey der Berei -Das dritte. tung des Eßigs zu ſehen hat, ſind die Gefaͤße, in welchen die Fluͤßigkeiten zur ſauren Gaͤhrung angeſe - tzet werden. Von dieſen iſt uͤberhaupt zu merken, daß ſich kein Gefaͤß von Metall zum Eßigmachen ſchikket. Denn da der Eßig theils die Metalle an -T 3frißt,294Der Stadt-Wirthſchaft 2. Abſchnittfriſt, theils aufloͤſet, ſo iſt es eine nothwendige Fol - ge, daß in metalliſchen Gefaͤßen kein reiner, und zur wirthſchaftlichen Abſicht brauchbarer Eßig - koͤnne ver - fertiget werden. Dieſe Wuͤrkung des Eßigs bewei - ſet, daß die beſten Gefaͤße zum Eßigmachen, die glaͤ - ſerne, die toͤnerne, wenn dieſe wohl ausgebrannt, und die hoͤlzerne, wenn dieſe nehmlich von hartem Holze ſind gemacht worden.
Das vierte Stuͤk, iſt die wuͤrkliche Bereitung des Eßigs. Jch will die Bereitung des Eßigs, welche Boerhaave beſchrieben, ganz anfuͤhren, weil ſie all - gemein iſt, und alle andere Arten nichts als eine Nach - ahmung von dieſer ſind. Sie iſt dieſe: Man machet zwo große Tonnen oder Kufen von Eichenholze, man machet in dieſe Tonnen einen hoͤlzernen Roſt, oder ge - flochtene Huͤrde, ungefaͤhr eines Fußes hoch, uͤber den unterſten Boden. Wenn die Tonne in einen Bley - rechten Stande iſt, ſo machet man auf dieſe Hurde ein leichtes Bette von gruͤnen und friſchgeſchnittenen Weintrauben, daraus man die Kerne genommen hat, welche man gemeiniglich Kaͤmme nennt, und laͤſt nur an dem oberſten Theile der Tonne einen Fußbreit leeren Raum, welcher von oben gaͤnzlich offen ſeyn muß. Wenn die zwo Kufen alſo zugerichtet ſeyn, ſo thut man den Wein hinein, daraus man den Eßig machen will, doch ſo, daß die eine davon ganz voll, die andere aber nur halb voll, ſeyn muß. Man laͤſt ſie auf dieſe Art vier und zwanzig Stunden ſtehen, nach welcher Zeit man die halb volle Tonne mit dem Safte derjenigen vollmacht, die voll war und ihrer Seits halb voll bleibet. Vier und zwanzig Stunden her - nach machet man eben dieſelbe Veraͤnderung in beyden Gefaͤßen, und faͤhret alſo fort, ſie wechſelsweiſe vier und zwanzig Stunden uͤber das eine voll und das an -dere295von der Bereitung des Eßigs. dere halb voll zu halten, bis der Eßig gemacht iſt. Den andern oder dritten Tag entſtehet in der halb vollen Tonne eine Bewegung der Gaͤhrung, welche mit einer empfindlichen Waͤrme begleitet iſt, die von Tage zu Tage ſtaͤrker wird. Mit der vollen Kufe iſt es anders, die Bewegung der Gaͤhrung iſt darinnen kaum merklich, und weil die beiden Kufen wechſels - weiſe voll, und halb voll ſind, ſo wird die Gaͤhrung da - durch gewißer maßen unterbrochen, und geſchiehet in jeder Tonne, nur uͤber den andern Tag. Wenn man keine Bewegung, auch in der halb vollen Tonne mehr wahrnimt, ſo iſt dieß ein Zeichen, daß die Gaͤhrung geendiget iſt. Hierauf thut man den Eßig in ordent - liche Tonnen, welche man an einem friſchen Orte ver - wahret, und wohl verſpundet.
Dieß, was Boerhaave von der Bereitung desFernere Ab - handlung von dieſem. Wein-Eßigs angegeben hat, iſt auch geſchikt einen gu - ten Eßig aus dem Biere zu machen, der alsdenn dem Wein-Eßige in Anſehung der Guͤte wenig nachgiebt. Nur das Bittere, was das Bier von dem Hopfen an - genommen hat, vermindert dieſe Guͤte. Dieß zu verhindern, ſo wirft man in das Bier, woraus man Eßig machen will, zuvor einige gluͤende Kohlen, dieſe befreien das Bier von dieſem Bittern; und daher machen ſie das Bier zum Eßig geſchikt.
Anmerk. Will man die ſaure Gaͤhrung durch ein anderes Ferment befoͤrdern ſiehe §. 435. ſo iſt zwar eine ſolche Zubereitung des Faßes mit dem Roſte nicht noͤthig, man wird es aber doch erfah - ren, daß auch in dieſem Falle eine ſolche Bereitung nicht ohne Nutzen ſey.
Die dritte Frage, welche §. 430. iſt aufgeworffen worden, gehet auf die Beſtimmung der Guͤte des Eßigs. Wir koͤnnen hier dasjenige wiederholen; was wir §. 397. und folgende von der Guͤte des Brandweins angemerket haben, wenn wir nur dasje - nige veraͤndern, was die Natur der Sache zu veraͤn - dern gebiethet. Nemlich das erſte Stuͤk eines gu - ten Eßigs iſt, daß er helle. Das andere, daß er recht ſauer und nicht oͤhligt ſchmekket. Vors dritte er muß geiſtig und ſtark ſeyn, ſo daß das Waßer die Wuͤrkung des geiſtigen Theils nicht unterdruͤkket.
Dieß giebt uns Gelegenheit, daß wir uns um die Beantwortung der fuͤnften Frage bekuͤmmern, worauf man nemlich bey der Gaͤhrung zu ſehen habe, wenn ſie dieſe Guͤte des Eßigs wuͤrken ſoll. Die Behut - ſamkeit, welche in dieſem Stuͤkke anzuwenden, gruͤn - det ſich auf folgende Regeln.
Die erſte Regel. Je waͤrmer der angeſetzte Eſ - ſig ſtehet, deſto oͤfterer muß die Gaͤhrung durch aus - und einfuͤllen unterbrochen wer - den. Geſchiehet dieß nicht, ſo wird ſich der Saft durch die ſaure Gaͤhrung dergeſtalt erhitzen, daß ſich eine merkliche Menge von den geiſtigen Theilen, die dem Eßig die Staͤrke geben, verlieret. Daher man nach der Gaͤhrung nur eine ſaure Fluͤßigkeit ohne Staͤrke bekommt.
Dieſer Grund, der die erſte Regel unterſtuͤtzet, be - feſtiget zugleich die andere: Die Gefaͤße, in wel - chen der Eßig angeſetzet wird, muͤſſen miteinem297von der Bereitung des Eßigs. einem Dekkel von eichenen Holze bedekt werden (§. 436.) damit aber doch der Man - gel der Luft die Gaͤhrung nicht verhindert, ſo kann die Luft durch Roͤhren in die Ge - faͤße gelaſſen werden.
Die dritte Regel. Die ſaure Gaͤhrung muß ſoDie dritte, bald, als der Eßig gut iſt, voͤllig verhindert werden. Unterlaͤſt man dieß, ſo wird man die - jenigen Wuͤrkungen erfahren, die wir §. 440 be - ſchrieben haben.
Anmerk. Das beſte Zeichen iſt, wenn ſich die Waͤrme verliehrt, und die Bewegung aufhoͤret.
Die vierte Regel. Jn dem Orte, wo der Eſ -Die vierte, ſig angeſetzet wird, muͤſſen keine faulende und ſtinkende Dinge ſtehen. Dieſe werden in dem Safte, der Eßig werden ſoll, eine Faͤulniß verur - ſachen. Folglich kann der Eßig nicht gut werden.
Die fuͤnfte Regel: Die Weine, wir nehmen dießDie fuͤnfte, Wort in dem allgemeinen Verſtande, den wir oben gebildet haben, wenn ſie Eßig werden, legen ſehr viele ſeifigte und ſchmierige Materie ab, die ſich theils an der Seiten des Faßes, theils an das Fer - ment, das die ſaure Gaͤhrung zu befoͤrdern, hinein - gethan worden, anhaͤnget. Dieſe ſeifigte und ſchmierige Materie muß weggenommen wer - den. Bleibt dieſe Materie in dem Faße, ſo ver - miſcht ſie ſich wiederum mit dem Eßige, und dieß verurſachet, daß nicht nur der Eßig dik und truͤbe, ſondern auch unbrauchbar, und eine Fluͤßigkeit wird,T 5die298Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,die mehr zur Faͤulniß, als zu den Wuͤrkungen des Eßigs beſtimmet iſt.
Anmerk. Wenn man dieſe ſeiffigte und ſchmie - rige Materie durch das Abwaſchen wegbringen kann, ſo muß man dieß, was man abwaſchen will, nicht lan - ge im Waſſer liegen laſſen. Das Waſſer wuͤrde die eingezogene Saͤuer wegnehmen, dieß aber iſt der Be - reitung des Eßigs nachtheilig (§. 434).
Die ſechſte Regel: Die Vermiſchung eines ſchar - fen Gewuͤrzes mit dem Ferment kann ein Mittel werden den Eßig recht ſcharf zu ma - chen. Der Eßig ziehet den Saft aus dieſem Gewuͤrze, und die Gaͤhrung wuͤrket eine genaue Vereinigung.
Viele beurtheilen die Guͤte des Eßigs auch aus der Farbe. Allein dieß betruͤget. Die Farbe kann ihm durch Zuſaͤtze gegeben werden, und darum iſt ſie nicht allemahl ein Zeichen von der Guͤte des Eßigs. Man giebt ihm die Wein-Farbe durch Huͤlfe des ge - branten Zukkers. Er wird roth gefaͤrbt mit Sandel - Holz, oder aus zuvor aufgedorrten Schwarz-Beeren, wenn man dieſe mit Wein-Stein-Salz vermiſchet in dem Eßig haͤnget, und ſo ferner. Sehr oft erfordern es die Umſtaͤnde, daß man den Eßig, der in der That gut iſt, faͤrbet. Und alsdenn iſt dieß die Haupt - Regel. Die Farbe muß alſo beſchaffen ſeyn, daß der Eßig dieſe nicht fallen laͤſt. Denn geſchiehet dieß, ſo wird der Eßig dik und truͤbe. Dieß aber iſt ſeiner Guͤte zuwider.
Anmerk. Man kann den Eßig auch| mit fremden Saͤften vermiſchen, wie den Brandwein. Wenn299von der Bereitung des Eßigs. Wenn man die Gewaͤchſe in ſcharfen Wein-Eßig einweichet, den ausgezogenen Saft durch die De - ſtillation ſcheidet, alsdenn mit Eßig verſetzet, fil - triret und ſo ferner.
Der lezte Punkt gehet auf die Verwahrung undDas fuͤnfte, wie der Eßig aufzubehal - ten. Aufbehaltung des Eßigs. Wenn wir das, was wir von dem Eßig beſchrieben haben, mit dem ver - gleichen, was von dem Brandwein iſt abge - handelt worden, ſo wird man es bald merken, wie weit das, was von der Verwahrung des Brandweins §. 413 bis 416 iſt geſaget worden, auch auf den Eßig anzuwenden ſey. Nur einige Stuͤkke ſind hier noch insbeſondere zu merken.
Man halte die Rechnung von der Brauerey undWie bey die - ſem Gewerke die Rech - nung einzu. richten. von dem Brandwein-Brennen gegen einander. Man vergleiche dieſe mit dem, was wir von der Bereitung des Eßigs abgehandelt haben, ſo wird man es ohne ferneres Erinnern einſehen, wie eine regelmaͤßige Rech - nung von dem Eßigs-Gewerke einzurichten ſey.
Ein Wirth muß ſich um allerhand Gewerke bekuͤm - mern, wodurch er einige Abgaͤnge nuzbar ma - chen kann, oder die ihm einige Abgaͤnge zur Maſtung und Vieh-Fuͤtterung geben. Die Umſtaͤnde erlauben es nicht, die Werke eines jeden Gewerkes an einem jeden Orte bequem und mit Nutzen zu verkaufen, da - her es vernuͤnftig iſt, ſich um allerhand Gewerke zu bekuͤmmern. Denn alsdenn kann der Wirth nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde eine vernuͤnftige Wahl machen. Unter den Gewerken die mit Nutzen, ſowohl des Wirthes, als auch des Landes, Abgaͤnge zur Ma - ſtung und zur Vieh-Fuͤtterung geben, verdienet das Staͤrke machen eine beſondere Aufmerkſamkeit. Aus dieſer Urſache wollen wir das Weſentliche von dieſem Gewerke aus einander legen, und ſo weit es uns moͤg - lich iſt, deutlich beſchreiben. Man wird es uns leicht verwilligen, daß es bey dieſem Gewerke auf folgende Punkte ankomme.
Wenn wir die Beſchaffenheit der weißen Staͤrke,die301von der weißen Staͤrke. die auch Kraft-Mehl genennet wird, unterſuchen, ſo finden wir Grund zu glauben, ſie ſey der mehligte Theil des Getraides, der den Kern machet, wenn die - ſer von allen andern Vermiſchungen iſt gereiniget wor - den. Siehe §. 4.
Jch will etwas anfuͤhren, dieſe Gedanken zu unter -Beweiß die - ſes Begriffes ſtuͤtzen. Man laſſe 100 Pfund Weitzen mahlen, man mache das Mehl ſo fein, als es in der Muͤhle moͤg - lich iſt. Man ſuche, wie ſich die Schwere des Mehls zur Schwere des gegebenen Weitzens verhalte. Man mache ferner aus 100 Pfund Weitzen weiße Staͤrke, die ſo gut iſt, als ſie ſeyn ſoll, wenn ſie vollkommen. Man beſtimme die Verhaͤltniß der Schwere der Staͤrke, zur Schwere des gegebenen Weitzens. Und man wird es finden, daß die Staͤrke leichter, als jenes Mehl ſey. Die Schwere des Weitzens, verhaͤlt ſich zur Schwere der Staͤrke, die aus dem Weitzen iſt ge - macht worden, insgemein wie 3 zu 1. Da im Ge - gentheil die Verhaͤltniß der Schwere des Weitzens zur Schwere des zuvor beſchriebenen Mehls dieſe Verhaͤltniß merklich uͤberſteiget, und der Verhaͤlt - niß von 3 zu 2 ſehr nahe kommt. Dieß beweiſet, daß in der weiſſen Staͤrke nicht alle Mehl-Theile des Ge - traides, woraus ſie iſt gemacht worden.
Die weiße Staͤrke iſt eine mehligte Materie desFortſetzung des Bewei - ſes. Getraides. Dieß iſt offenbar. Sie faſſet nicht alles Mehl des Getraides, wovon ſie iſt gemacht worden, in ſich. Folglich iſt ſie nur ein Theil von dem Mehle des Getraides. Das Mehl des Getraides macht ent - weder den Kern, oder eine Materie die mit dem Kern vermiſcht iſt (§. 4. u. f.). Woher kommt die weiße Staͤrke. Man fuͤlle einen Cubic-Zoll mit der weiſ - ſen Staͤrke, und einen andern mit dem Mehle, wasin302Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnittin der Muͤhle bereitet wird. Und man wird es finden, daß die Staͤrke ſchwerer iſt, als das Mehl. Folglich muß die Staͤrke | der mehligte Theil des Getraides ſeyn, der die groͤſte beſondere Schwere in dem Getrai - de hat. Dieß iſt der Kern. Dieß giebt uns Grund zu lehren: die Staͤrke ſey der mehligte Theil des Ge - traides, der den Kern macht, wenn dieſer, von allen andern mit ihm verbundenen Theilen, iſt gereiniget worden
Dieſe Erklaͤrung giebt uns Gruͤnde, aus welchen die Beantwortung der andern Frage flieſſet: woraus nehm - lich die weiße Staͤrke mit Nutzen koͤnne gemacht werden. Wollen wir dieſe Frage uͤberhaupt beantworten, ſo muͤßen wir, vermoͤge des Begrifs lehren, daß aus allen mehligen Erd-Gewaͤchſen eine weiße Staͤrke koͤn - ne bereitet werden. Sehen wir auf das beſondere, was in dem Begrif enthalten iſt, ſo noͤthiget es uns, dieſe mehligten Erd-Gewaͤchſe genauer zu beſtimmen.
Die weiße Staͤrke iſt noch ein Mehl. Folglich kann ſie nicht durch eine wuͤrkliche Gaͤhrung bereitet werden. Die Staͤrke iſt der mehligte Theil des Getraides, der den Kern macht, wenn die - ſer von allen andern Vermiſchungen iſt gereiniget wor - den (§. 450.) und der die groͤſte beſondere Schwere in dem Getreide hat (§. 452). Folglich ſind dieje - nigen mehligten. Erd-Gewaͤchſe die eigentlichen Quel - len zur weiſſen Staͤrke, in welchen der Kern, ohne ei - ne merkliche Gaͤhrung zu erfahren, von den uͤbrigen Theilen durch Huͤlfe des Waſſers kann loßgeriſſen werden, damit er ſich durch die Bewegung, die aus der beſondern Schwere zu erklaͤren iſt, von dieſen voͤl - lig abſondern koͤnne. Bis hieher hat es die Erfah -rung303von der weißen Staͤrke. rung gelehret, daß der Weitzen und die Tartuffeln zu dieſer Wuͤrkung am geſchikteſten. Darum wollen wir auch nun dieſe als die Materie annehmen, aus welchen die weiße Staͤrke zu verfertigen ſey.
Anmerk. Jch will die andern mehligten Erd - Gewaͤchſe von dieſem Gewerke nicht ausſchlieſſen. Man verſuche es auch mit den uͤbrigen, und zwar insbeſondere mit der Spelze, mit dem Dinkel, u. ſ. f. Man wird es leicht verſuchen koͤnnen, wenn man es einſiehet, wie die Staͤrke aus jenem zu verar - beiten. Vielleicht machen dieſe Dinge, daß dieß Gewerke noch nuͤzlicher werde, als es bis hieher ge - weſen iſt.
Wir kommen zu dem dritten und zwar dem wich -Von der Verferti - gung der Staͤrke. tigſten Punkt, wie nemlich die weiße Staͤrke aus den mehligten Erd-Gewaͤchſen, die wir angefuͤhret haben, koͤnne gemacht werden, wenn ſie vollkommen ſeyn ſoll. Wir wollen alle Punkte, auf welche wir bey dieſer Arbeit ſehen muͤſſen, erklaͤren, und aus der Abſicht die - ſes Gewerkes beweiſen.
Aus dieſem folget:
Anmerk. Man muß das Machen der Staͤrke, mit dem Troknen der bereits gemachten Staͤrke, nicht verwirren.
Aus dieſem folget ferner, daß das Staͤrke-Ma - chen ein nuͤzliches Gewerke an einem ſolchen Orte ſey, wo man einen Mangel am Holze hat.
Der andre Punkt. Die Scheidung des Kerns von den uͤbrigen Theilen muß durch Huͤlfe des Waſſers geſchehen. Das Feuer faͤllt weg. Das bloße Zerreiben iſt nicht hinreichend. Folglich muß die Zertrennung durch eine Fluͤßigkeit gewuͤrket wer - den, die unvermoͤgend iſt, die innern Theile des Kerns wuͤrklich aufzuloͤſen. Dieſe iſt das Waſſer.
Aus dieſem folget, daß das Waſſer zum Staͤrke - Machen am geſchikteſten ſey, was mit keinen ſchar - fen und weſentlich wuͤrkenden Dingen vermiſcht iſt. §. 455.
Wenn wir mit dieſen Stuͤkken dasjenige verknuͤ - pfen, was wir bereits in dem §. 452 und 454 ange - merket haben, daß nehmlich dieſe Abſonderung des Kerns von den uͤbrigen Theilen des Gewaͤchſes durchHuͤlfe305von der weiſſen Staͤrke. Huͤlfe der beſonderen Schwere geſchehen muͤſſe, ſo wird man ſehr leicht alle Beſchaͤftigungen bey dem Staͤrkemachen erfinden, die bereits erfundenen beur - theilen, und nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde ver - aͤndern koͤnnen; daß dennoch einerley Wirkung erfol - gen muß. Die Arbeiten, welche bey dem Staͤrke - machen zu unterſcheiden, wenn die Staͤrke vollkom - men werden ſoll, ſind in der Ordnung folgende:
Die erſte Arbeit. Die Huͤlſen des zur Staͤrke beſtimmten Gewaͤchſes muͤſſen geoͤffnet wer - den.
Das Waſſer ſoll die Verknuͤpfung aller Theile dieſes Gewaͤchſes mit dem Mehle, das den Kern macht, aufheben, damit dieſes wegen ſeiner beſondern Schwe - re zu Boden ſinken koͤnne. Dieſe Begebenheit iſt unmoͤglich, wenn nicht die Huͤlſen zuvor ſind geoͤff - net worden. Daher iſt dieſe Beſchaͤftigung die erſte, die man bey dem Staͤrkemachen vorzunehmen hat.
Soll die Staͤrke aus dem Getraide z. B. aus demWie dieß zu bewerkſtelli - gen? Weitzen gemacht werden, ſo geſchiehet dieſe Oeffnung durch das Schroten. Daher iſt hier alles zu wieder - holen, was wir bereits oben von dem Schro - ten abgehandelt haben. Will man die Staͤrke aus den Tartuffeln machen, ſo muß man auf andere Mit - tel denken, die Huͤlſen zu oͤffnen. Die Art, dieſe zu oͤffnen, welche gewoͤhnlich iſt, gehet zwar in kleinem an. Allein von dieſem hat ein Wirth nicht vielen Vortheil, er will es in großem treiben. Jch will zu dieſem Ende einen andern Weg vorſchlagen, den ich verſucht und nuͤtzlich befunden habe. Man nehme einen Buttich, und deſſen Hoͤhe theile man in zwey Theile. Jn dem oberſten Theile laſſe man einen Rumpf wie in einer Muͤhle machen, der zwar mitUſeinem306Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,ſeinem Lager, nicht aber mit ſeinen Waͤnden an den Waͤnden des Buttichs ſtoͤßet. Jn den Waͤn - den dieſes Rumpfs muͤſſen Loͤcher ſeyn, daß das Waſſer frey durchdringen koͤnne. Jn dem Unterthei - le dieſes Rumpfs werden an der Stelle der Muͤhl - Stuͤtzen Walzen gemacht, die mit ihren Zapfen durch die Waͤnde des Buttichs gehen, an welche man Kurbeln haͤngen und die Walzen gegen einander um - drehen kann. Die Walzen muͤſſen alſo liegen, daß ſie die Tartuffeln faſſen, und dieſe, indem ſie herum gedrehet werden, alſo zerquetſchen koͤnnen, daß ſie nach der Zerquetſchung durch die Walzen in den Buttich fallen. Dieſen Buttich fuͤllet man mit lauwarmen Waſſer, (§. 456) ſo, daß auch der Rumpf voll Waſ - ſer ſtehet. Der Rumpf wird mit abgewaſchenen Tar - tuffeln gefuͤllet. Die Walzen werden gegen einander gedrehet. Und hiedurch wird man den Endzweck er - reichen, den man gewuͤnſchet hat.
Die andere Arbeit: Der Schrott wird mit kal - tem aber doch reinem Waſſer (§. 456. 459. ) in einem Buttiche eingemeſchet, und man nimmt ſo viel Waſſer, als es noͤthig iſt, aus dem Schrote einen recht duͤnnen Brey zu machen.
Dieſe Verduͤnnung wuͤrket die Aufloͤſung des Zuſam - menhanges der Theile, und folglich die verlangte Tren - nung des Kerns von den uͤbrigen Theilen des Gewaͤch - ſes.
Anmerk. Man wird uns fragen, wie dieſe Einmeſchung mit dem kalten Waſſer in dem Falle moͤglich ſey, den wir §. 461. bey den Tartuffeln angemerket haben. Die Arbeit iſt dieſe: Wenn die Tartuffeln zerquetſchet, ſo laͤßt man aus demButti -307von der weiſſen Staͤrke. Buttiche durch einen Zapfen, der an der Seite des Buttichs ſitzet, das Waſſer ablaufen. Die eine Seite des Buttichs wird alſo gemacht, daß er kann geoͤffnet werden. Dieſe wird geoͤffnet, die Mate - rie wird herausgenommen, und alsdenn in einem andern Buttiche eingemeſcht. Haͤllt man in die - ſem Falle dieſe Arbeit fuͤr uͤberfluͤßig, ſo wird man es ſich gefallen laſſen, daß man eine unvollkomme - ne Staͤrke bekommt.
So weit der Wirth. Die dritte Arbeit muß die3) Das Auf - brauſen. Natur beſorgen. Die Meſche bleibt in dieſem Zu - ſtande einige Tage ſtehen. Nach einigen Tagen, und zwar insgemein am dritten Tage entſtehet in ihr eine Bewegung, die nach und nach ſo ſtark zunimmt, daß die Maſſe des eingemeſchten Gewaͤchſes in die Hoͤhe ſchwillet, und ſich auf die Oberflaͤche des Waſſers ſe - tzet, welches ſich insgemein in dem fuͤnſten oder ſechſten Tage ereignet. Nach einigen Tagen ſinket es wieder nieder. Das Waſſer ſtehet wieder oben, iſt helle, aber doch gelblich gefaͤrbt. Jn dieſem Zuſtan - de befindet es ſich mehrentheils in dem neunten Tage.
Anmerk. Dieſe Bewegung wird von vielen fuͤr eine Gaͤhrung gehalten. Jch glaube es aber nicht, daß ſie eine wuͤrkliche Gaͤhrung iſt. Die Natur des Mehls iſt nicht veraͤndert worden. Dieß aber haͤtte geſchehen muͤſſen, waͤre es eine wuͤrkli - che Gaͤhrung geweſen. Es iſt vielmehr ein bloßes Aufbrauſen, wovon Boerhaav in ſeiner Chymie handelt.
Nunmehr hat die Natur das ihrige verrichtet, der4) Das Aus - treten. Kuͤnſtler muß das Werk und die Scheidung zurU 2Voll -308Der Stadt-Wirthſchaft 2. Abſchnitt,Vollkommenheit bringen. Daher folget die vierte Arbeit, welche die von der Natur angefangene Ab - ſonderung der Theile vollfuͤhren ſoll. Der Wirth nennt dieſe Arbeit das Austreten. Sie iſt dieſe:
Jn einer Wanne, welche hohl ſtehet, und in dem Boden einen Zapfen hat, wird von ei - nem Manne ein Sack aufgehalten, und die - ſer wird von einem andern ſo weit von der Meſche angefuͤllet, daß er etwa den halben Raum der Wanne einnimmt. Dieſer wird alsdenn zugebunden, die Wanne wird bey - nahe mit kaltem Waſſer gefuͤllet, und der Sack wird in der Wanne von einem Manne ge - treten. Unter dieſer Wanne wird eine an - dere geſezt, in welche durch das Zapfen - Loch, das geoͤffnet wird, dieß Waſſer, das durch die beſtaͤndige Fortſetzung des Tretens mit dem feinſten Kern-Mehl angefuͤllet wird, laͤuft. Auf den zugebundenen Sack wird beſtaͤndig friſch Waſſer nachgegoſſen, und das Treten ſo lange fortgeſetzet, als das Waſ - ſer, was durch den Zapfen in die untere Wanne laͤuft, weiß iſt. Aus dieſer Wanne wird das Waſſer nach und nach in verſchie - dene Gefaͤße*, durch ein ſehr feines Sieb, um alle Kleyen und grobe Theile von dem feinen Mehl voͤllig abzuſondern, gegoſſen.
Mit dieſer Arbeit faͤhret man ſo lange fort, bis der Meſch-Buttich voͤllig ausgeleeret. Doch muͤſſen je - desmahl die Uberbleibſel aus dem Sakke, ehe er wie - derum gefuͤllet wird, ausgeſchuͤttet werden.
Die fuͤnfte Arbeit iſt wiederum ein Werk der Na -5) Das Se - tzen. tur, der Wirth thut hiebey nichts, als daß er der Natur zu Huͤlfe kommt. Jn den zuvor beſtimmten Faͤſſern ſtehet ein weiſſes Waſſer, welches mit dem Kern-Mehle und auch noch mit einigen andern Thei - len des eingemeſchten Gewaͤchſes vermiſcht iſt. Die beſondere Schwere von jenem iſt groͤßer, als die be - ſondere Schwere von dieſem (§. 452). Daher wird jenes zu Boden ſinken, wenn es von dieſem voͤllig befreyet, und frey mit ſeiner Schwere wuͤrken kann. Dieſe Abſicht zu erreichen, fuͤllet der Wirth dieſe Faͤſſer mit friſchem und reinem Waſſer, ruͤhret alles um, laͤſt es ſo lange ſtehen, bis das Waſſer helle wird. Alsdenn hat ſich alles zu Boden geſenket, das Kern - Mehl ſtehet unten, und die andern Theile, die noch mit jenen vermiſcht geweſen, liegen oben auf der Flaͤ - che des Kern-Mehls.
Die ſechſte Arbeit beſorget wiederum der Wirth. 6) Das Scheiden.Unten in dem Theile eines ſolchen Faſſes, den das Waſſer einnimmt, iſt ein Zapfen. Dieſer wird ge - oͤffnet, daß das Waſſer langſam ablaufen kann. Jſt dieß geſchehen, ſo wird das unreine, was auf dem Kern - Mehle ſtehet, mit einer kleinen Schaufel abgeſchoͤpfet, und zulezt mit einem Flederwiſche abgenommen.
Dieſe Staͤrke ſo rein als es moͤglich iſt, zu machen, ſo7) Das Ab - ſuͤßen. werden dieſe Faͤſſer wiederum mit reinem Waſſer gefuͤllet. Es wird wiederum alles umgeruͤhret, und im uͤbrigen, wenn es ſich voͤllig geſetzet hat, verfahren wie zuvor in dem §. 466. iſt beſchrieben worden. Dieſe Arbeit,U 3welche310Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,welche die ſiebende iſt, und die wenigſtens noch ein mahl wiederhohlet wird, heiſt das Abſuͤßen de Staͤrke.
Nun folget die achte Arbeit:
Man laͤſt einige Platten, ſo viel als man noͤ - thig hat, von feinen Hurden machen, die den Boden eines Siebes bilden. Dieſe uͤber - ziehet man zuerſt mit einem groben Tuche, und alsdenn mit Leinwand. Um dieſe Plat - ten wird ein beweglicher Rahm gemacht, der etwa 5. bis 6. Zoll hoch iſt. Eine ſolche Platte wird anfaͤnglich auf einen Tiſch ge - legt, und mit der naſſen Staͤrke voll geſchla - gen. Wenn dieß geſchehen, ſo wird die Plat - te hohl geſetzet, daß die Feuchtigkeit abtrie - feln kann. Wenn dieß geſchehen, ſo nimmt man den Rahm weg, und man zerſchneidet die Staͤrke in Stuͤkke, wie die Ziegel-Steine, und ſetzet ſolche an einem Orte, wo ſie ab - trocknen koͤnnen. Daher macht man ein Geſtelle, wie in den Ziegel-Huͤtten, und auf dieſem wird die ſteinfoͤrmige Staͤrke fleißig umgewendet, bis ſie recht aus - trocknet.
Man macht die Staͤrke entweder zu einer Zeit, da die Sonne vermoͤgend iſt, ſie auszutrocknen. Oder ſie wird zu einer ſolchen Zeit verarbeitet, da die Sonne unvermoͤgend iſt, dieß zu wuͤrken. Jn dem erſten Falle wird das Geſtelle an einem Orte geſetzet, wo die Sonne und die Luft durchdringen kann, und in dem andern Falle an einem ſolchem Orte, dem man durch Huͤlfe eines Ofens gehoͤrige Waͤrme ge -ben311von der weiſſen Staͤrke. ben kann. Es iſt hier das zu wiederhohlen, was wir oben von der Darre abgehandelt haben, aber doch nach der Beſchaffenheit der Sache zu veraͤndern.
Ein Wirth muß alles nutzen, was nutzbar iſt. JnBeſondere Anmerkung. den Faͤſſern, aus welchen die Staͤrke iſt genommen worden, bleibt vieles zuruͤck, was ſich an dem Boden und an den Waͤnden dieſer Faͤſſer angeſetzet hat. Jn dieſem iſt noch eine gute Staͤrke. Daher werden die Faͤſſer mit reinem Waſſer ausgeſpuͤlet. Alles in ei - nigen Faͤſſern zuſammen gegoſſen, und wiederum, wie es §. 467. iſt beſchrieben worden, abgeſuͤßet, und im uͤbrigen wird, wie zuvor, verfahren.
Anmerk. Dieß iſt der richtige Weg, eine voll - kommene Staͤrke zu machen. Er iſt nicht nur in den von mir angefuͤhrten Lehren, ſondern auch in der Erfahrung gegruͤndet. Einige beſondere Hand - griffe, die bald hier, bald dort anzuwenden, laſſen ſich beſſer zeigen, als beſchreiben. Doch hoffe ich, daß es dem, der die von mir gemachte Beſchrei - bung mit Verſtande durchdenket, nicht ſchwer fallen werde, ſolche in vorkommenden Faͤllen zu erfinden.
Wir kommen zu dem letzten Punkt, wie dieß Ge -Bey der Be - ſtim̃ung des Nutzens ſind 3. Stuͤkke zu beurtheilen. werke wirthſchaftlich zu nutzen. Wir muͤſſen hier das - jenige wiederhohlen, was wir in dem §. 417. und folgenden von der wirthſchaftlichen Nutzung der Brandweins-Brennerey geſaget haben. Es iſt einer - ley Grund vorhanden, und alſo iſt nur noͤthig, daß wir jene Regeln alſo veraͤndern, wie es die innere Beſchaffenheit dieſes Gewerkes erfodert. Will dem - nach ein Wirth von dieſem Gewerke Vortheil haben, ſo muß er zuvor dieſe Punkte genau unterſuchen.
U 4Ein -312Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Wir wollen jedes Stuͤck beſonders unterſuchen.
Wie viele Scheffel koͤnnen in dieſem Gewerke woͤ - chentlich verarbeitet werden? Wenn wir die Arbeiten, die bey der Verfertigung der Staͤrke vorkommen, ge - gen einander halten, und hierbey dieß erwegen, daß die Meſche nicht eher als in dem neunten Tage nach der Einmeſchung zum Abtreten geſchickt iſt, ſo muͤſſen wir dieſen Satz bilden:
Drey Buttiche mit Meſch koͤnnen in neun Tagen verarbeitet werden, wenn an Gefaͤßen und an dem andern Geſchirre, an Raume und an Menſchen kein Mangel iſt.
Daher folget, daß die Anzahl dieſer Scheffel alsdenn koͤnne beſtimmet werden, wenn man es veſtgeſetzet hat, wie viel man auf einmahl einmeſchen will. Und nach dieſem iſt die Groͤße der Meſch-Buttiche einzurichten.
Anmerk. Man wird fragen, wie viel ſoll man auf einmahl einmeſchen? Wird zu viel auf ein - mahl eingemeſchet, ſo kann man es nicht recht durch - arbeiten. Wird zu wenig auf einmahl eingeme - ſchet, ſo verſchwindet der Vortheil. Sollte ich ein ſolches Gewerke anlegen, ſo wuͤrde ich nach dem hieſigen Maaße nicht uͤber drey Scheffel und nichtunter313von der weiſſen Staͤrke. unter zwey Scheffel auf einmahl einmeſchen. Mehr als drey Scheffel wird man ſchwerlich bezwingen koͤn - nen, und nimmt man weniger als zwey Scheffel, ſo werden die Arbeiter oft muͤßig gehen, und daher ſchwerlich den Lohn ohne Schaden des Wirths ver - dienen.
Der andere Punkt, nemlich die Ordnung, inDas andere in welcher Ordnung die Beſchaͤfti - gungen zu verknuͤpfen. welcher die Beſchaͤftigungen bey dieſem Gewerke ein - zurichten ſind, wenn die geſetzte Anzahl der Scheffel zu der beſtimmten Zeit ſoll verarbeitet werden, gruͤn - det ſich in folgenden Regeln.
Die erſte Regel:
Jn dieſem Gewerke muͤſſen drey Meſchbutti -Die erſte Re - gel. che von der beſtimmten Groͤße ſeyn.
Jn neun Tagen ſollen drey Buttiche verarbeitet werden. Die Meſche iſt erſt im neunten Tage nach der Einme - ſchung zur Verarbeitung geſchickt. Folglich muß von drey Tagen zu drey Tagen ein Buttich eingemeſcht wer - den. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß in dieſem Gewerke drey Buttiche zum Einmeſchen ſeyn muͤſſen.
Die andere Regel:
Ein jeder Buttich muß ſeine eigene FaͤſſerDie andere Regel. zum Treten, zum Setzen und uͤberhaupt ſein eigenes Geſchirr haben. Und alle dieſe Din - ge muͤſſen bey dem Buttiche in einer ſolchen Ordnung ſtehen, als wenn ſie mit demſelben ein eigenes Gewerke machen ſollten.
Wir ſetzen dieß zum Grunde, daß allemahl nach dem dritten Tage ein Buttich ſoll eingemeſchet werden (§. 473). Wenn wir dieſes mit der Zeit vergleichen,U 5in314Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,in welcher eine jede Art von den erforderlichen Ar - beiten geendiget wird. ſ. §. 464. u. f. ſo folget, daß allemahl alsdenn die erſte Meſche zum Abtrocknen bereit iſt, wenn die Zeit, die andere abzuſuͤßen, die dritte zu treten, und zum niederſinken anzuſetzen, her - bey kommt. Sollte nun nicht ein jeder Buttich ſein eigenes Geſchirr haben, ſo wuͤrde es bald hier, bald dort am Geſchirr fehlen. Dieß wuͤrde bald die Ar - beit verzoͤgern, bald das Werk verderben. Beydes widerſpricht den Regeln der Wirthſchaft. Fehlet das andere Stuͤck, das wir in der Regel angenommen haben, ſo wird die Folge des hin - und hertragens nicht nur jener gleichguͤltig werden, ſondern auch die Ver - ſchwendung der Zeit wird es lehren, daß das Gewer - ke nicht regelmaͤßig eingerichtet ſey.
Anmerk. Dieſe Regel beſtimmt zugleich die Groͤße des Raums, in welchem ein ſolches Gewer - ke kann angelegt werden.
Die dritte Regel:
Dieß ganze Werk muß alſo eingerichtet wer - den, daß die Arbeiter bey dem einen Theil des Werkes dasjenige vornehmen koͤnnen, was Jhre Huͤlfe erfodert, wenn bey den an - dern Theilen des Werkes die Natur das ih - re zu verrichten hat.
Dieß erfodert die Haupt-Regel, die wir ſchon mehr als einmahl veſtgeſetzet haben, daß bey den Gewerken, wenn Vortheil daraus entſtehen ſoll, keine Zeit muͤſ - ſe verſchwendet werden.
Anmerk. Die Arbeiten des Kuͤnſtlers ſind §. 460. 462. 464. 466. 467. und 468. und die Ar - beiten der Natur ſind §. 463. 465. und 467. veſt -geſetzet315von der weiſſen Staͤrke. geſetzet und beſchrieben worden. Man vergleiche die Zeit, die eine jede Arbeit erfodert, mit dem, was wir §. 473. angenommen haben; ſo wird es nicht ſchwer fallen, die ganze Ordnung zu beſtim - men, in welcher die eine Arbeit auf die andere er - folget, und daß dieß ganze Werk von vier Men - ſchen koͤnne bewerkſtelliget werden, wenn nur die Waſſer-Leitungen regelmaͤßig ſind angeleget wor - den.
Das lezte Stuͤck, was wir hier zu unterſuchen ha -Die Ab - gaͤnge ſind in drey Claſ - ſen zu ver - theilen. ben, iſt die Nutzung der Abgaͤnge. Worin beſtehen dieſe, und wie ſind ſie zu nutzen? Wir finden bey dieſem Gewerke drey Arten von Abgaͤngen, die zur Maſtung und zur Viehzucht nuͤtzlich.
Wie ſind dieſe Dinge zu nutzen? Die erſte ArtWie die von der erſten, von Abgaͤngen giebt eine vortrefliche Maſtung. Laͤſt man die Staͤrke im Sommer arbeiten, und man will dieſe Trebern zur Winter-Maftung haben, ſo werden ſie wie die Mauer-Steine zuſammen geſchlagen, ge - trocknet, und alsdenn an einem trokkenen Orte auf einander geſetzet.
Die andere Art von Abgaͤngen giebt ein nahrhaf - tes Saufen ſo wohl fuͤr Maſt - als auch fuͤr melken - des Vieh. Man waͤrme es, um dieſem Vieh das Fut - ter damit einzubruͤhen, ſo wird gewiß die Milch dieſe Muͤhe bezahlen.
Die dritte Art iſt ein nuͤtzliches Futter, ſowohl fuͤr Schweine als auch fuͤr melkendes Vieh, wenn es mit der Bruͤhe vermiſcht wird.
Die Rechnung von dieſen Gewerken kann in eben der Ordnung gefuͤhret werden, wie die von der Bren - nerey. Wenn man nur diejenigen Stuͤcke veraͤndert, die nach der Beſchaffenheit des Gewerkes muͤſſen ver - aͤndert werden.
Bis hieher haben wir den wirthſchaftlichen Nutzen der mehligen Koͤrner und Fruͤchte beſchrieben. Die Natur giebt uns noch Koͤrner und Fruͤchte, die entweder gar nicht mehlig, oder doch weniger mehlig ſind, als diejenigen, die wir insgemein zum Biere, Brandwein und zur Staͤrke brauchen. Dieſe Koͤr - ner und Fruͤchte koͤnnen zu dieſen Gewerken entweder gar nicht, oder doch nur ohne Vortheil gebraucht werden. Nichts deſtoweniger beweiſen ſie ſich in an - dern Abſichten vorzuͤglich nutzbar. Sie geben meh - rentheils ein Oel, und dieß kann alsdenn eine an -ſehnliche317von dem Oele. ſehnliche Belohnung der wirthſchaftlichen Muͤhe wer - den, wenn es regelmaͤßig gemacht wird. Es erfodert unſere Abſicht, daß wir auch bey dieſem Gewerke fol - gende Stuͤkke unterſuchen.
Wir finden in den Erd-Gewaͤchſen einen Theil, derWas das Oel? bey einer geringen Waͤrme fluͤßig wird. Dieß iſt ei - ne fette Fluͤßigkeit, die Feuer und Flammen unter - haͤlt, auch wohl ſelbſt in Flammen geraͤth. Dieſen Theil der Erdgewaͤchſe nennet man das Oel.
Dieſer Theil der Erd-Gewaͤchſe iſt von den uͤbrigenEs iſt ein be - ſonderer Theil in den Gewaͤchſen. merklich unterſchieden. Er wird dikke, vornehmlich in der Kaͤlte, er kann ſo ſehr verdikket werden, daß er das Anſehen eines veſten Koͤrpers bekommt. Dieß beweiſet das Wachs. Dennoch wird er bey dem Feuer wieder - um fluͤßig, und iſt bey ſeiner Fluͤßigkeit allemahl fett, zaͤhe und klebrigt. Dieſer Theil der Erd-Ge - waͤchſe, wenn er von den uͤbrigen iſt getrennet worden, laͤſt ſich nicht mit Waſſer vermiſchen. Jſt er mit dieſem vermenget worden, ſo ſcheidet er ſich ſo gleich wieder. Und ſo ferner.
Die Guͤthe dieſes Oels beurtheilet man aus dieſem, wenn es helle und ohne einigen widrigen Geſchmack iſt. Dieſe Merkmahle beweiſen es, daß es mit keinen frem - den Dingen vermiſcht.
Der andere Punkt ſoll diejenigen Gewaͤchſe beſtim - men, aus welchen dieſes Oel mit Nutzen koͤnne gepreſſet werden. Wir koͤnnen uͤberhaupt dieſen Satz bilden. Alle Koͤrner, alle Saamen und die mehreſten Fruͤchte faſſen ein ſolches Oel in ſich, doch aber nicht alle in gleichem Grade, und von ei - nerley Guͤthe. Dieſen Satz bekraͤftiget die Erfah - rung. Man nehme Koͤrner, Bohnen, Nuͤſſe, Man - deln und ſo ferner. Man zerſchneide dieſe mit einem warm gemachten Meſſer, und man wird auf dem Meſ - ſer entweder mit bloßen Augen oder doch wenigſtens durch ein Vergroͤßerungs-Glas das Oel ſehen. Der Geſchmack beweiſet den Unterſchied.
Hiebey ſind noch einige beſondere Saͤtze anzumer - ken, die es uns wenigſtens mit einiger Wahrſchein - lichkeit lehren, ob man aus einem Gewaͤchſe vielDer erſte Satz. oder wenig Oel bekommen koͤnne. Der erſte Satz iſt dieſer: Die Koͤrner, Saamen, Fruͤchte, wel - che viel Oel geben ſollen, muͤſſen nicht mit vie - len duͤnnen und waͤſſerigen Saͤften angefuͤllet ſeyn. Es iſt eine Erfahrung, daß die Gewaͤchſe als - denn das meiſte Oel geben, wenn ſie voͤllig erwach - ſen, und anfangen abzuſterben, und daß die Wurzeln der Baͤume im Winter mit mehrerem Oele angefuͤl - let ſind, als im Fruͤhling und im Sommer. Beydehaben319von dem Oele. haben in dem erſten Zuſtande mehrere duͤnne und waͤſſerigte Saͤfte als in dem leztern. Dieß giebt uns eine Vermuthung zur Wahrheit des angenommenen Satzes, und alle andere Erfahrungen, die wir bis hieher gehabt haben, bekraͤftigen dieſe.
Der andere Satz: bey den mehligen KoͤrnernDer andere. und Fruͤchten, die nicht ſo leicht in ein wuͤrkliches Mehl zu verwandeln, koͤnnen wir mehreres Oel vermuthen, als bey denen, die ſogleich durch das Mahlen Mehl werden. Man nehme ein Pfund von jenen, und ein Pfund von dieſen. Man preſſe aus beyden das Oel. Der Erfolg wird unſern Satz beweiſen.
Mehr als einmahl habe ich Verſuche angeſtellet,Beſondere Aumerkung. aus den aͤuſſerlichen Zeichen der oͤligten Fruͤchte die Guͤthe des auszupreſſenden Oeles zu erforſchen. Al - lein bis hieher hat meine Bemuͤhung dieß noch nicht gewuͤrket, was ich gewuͤnſcht habe. Eine Regel zur Vermuthung, die aber doch mehr als eine Ausnahme erfodert, iſt dieſe: Je weniger die Frucht meh - lig iſt, deſto beſſer wird das ausgepreſte Oel.
Anmerkung: Bis hieher wird das Oliven - Oel fuͤr das beſte gehalten, ſowohl zum Brennen, als auch zu Kochen. Man preſſe regelmaͤßig das Oel aus den Koͤrnern der Sonnen-Roſen. Sie geben viel Oel, das in ſeiner Guͤthe mit dem Oliven-Oele beynahe die Wage haͤlt. Man berechne die Ver - mehrung dieſer Koͤrner, und man wird Urſache finden, ſich zu verwundern, daß man den Anbau die - ſer Pflanze ſo ſehr verabſaͤumet. Hollunder-Beere, wenn dieſe zuvor recht ausgeduͤrret, verdienen auchbey320Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,bey dieſem Gewerke eine nicht geringe Aufmerkſam - keit. Jn der Wirthſchaft wird das Oel insgemein aus dem Hanf - Lein-Man-Ruͤbe-Saamen und dergleichen gepreſt.
Wir kommen zu dem dritten Punkt, den wir §. 481. angemerket haben. Es wird gefraget, wie bekommt man das Oel mit Vortheile. Einige Gewaͤchſe ſchen - ken uns das reine Oel, ohne es durch die Kunſt von ihnen zu ſcheiden. Der Kuͤnſtler darf nur dieſem Oele den Weg zum Flieſſen oͤfnen. Z. B. Man darf nur die Rinne eines angehauenen Tannen-Fich - ten-Cedern - und Lerchen-Baumes aufritzen, ſo laſſen dieſe das reine Oel fließen, das ſehr oft fuͤr Terpentin - Oel verkauft wird.
Bey einigen Gewaͤchſen wird es durch die Kunſt ge - ſchieden. Bald durchs Preſſen, bald durchs Kochen, bald durch die Deſtillation. Wir wollen hier nur von dem erſten reden, weil das uͤbrige mehrern Nutzen in der Arzeney als in der Wirthſchaft leiſtet, wir wollen das Oel aus den Koͤrnern, aus dem Saamen und aus eini - gen Fruͤchten preſſen. Wir haben hiebey auf folgende Beſchaͤftigungen zu ſehen.
Das erſte iſt, das Zerquetſchen. Dieß geſchiehet, wenn man nur Verſuche machen will, in einem Moͤrſel, ſoll es aber ein vollſtaͤndiges Gewerke werden, vermit - telſt einer Muͤhle. Dieſe Beſchaͤftigung ſoll hier uͤberhaupt dasjenige wuͤrken, was bey dem Brandwein - brennen, Brauen, und ſo ferner, das Schroten. Nur dieß iſt der Unterſchied, das Schroten ſoll nur die aͤußer - liche Huͤlſe oͤfnen, daß fremde Fluͤßigkeiten eindrin - gen, und das Mehl aufloͤſen und verduͤnnen koͤnnen. Dieß321von dem Oele. Dieß Zerquetſchen aber ſoll den innern fetten Fluͤßigkei - ten die Wege zum Ausfluͤßen oͤfnen.
Die andere Beſchaͤftigung iſt das Waͤrmen. Die andere, das Waͤr - men.Doch iſt dieſe nur alsdenn noͤthig, wenn das Oel in dem zerquetſchten Gewaͤchſe zu ſehr ſolte verfließen, das iſt, wenn das Gewaͤchſe ſolte mehlig ſeyn. Die Waͤrme macht das Oel fluͤßig? und darum muß man in dieſem Falle das zerquetſchte Gewaͤchſe durch die Waͤrme zum Auspreſſen geſchickt machen.
Man hat es auf verſchiedene Art verſucht, dieß zer -Wie dieß zu bewerkſtelli - gen. quetſchte Gewaͤchſe zu erwaͤrmen, und man hat noch keine beſſere als dieſe erfunden. Man thut es in ein dichtes Haarſieb, dieß ſetzet man auf ein Gefaͤß, das halb voll Waſſer iſt. Dieß Waſſer laͤſt man kochen. Der Dampf von dieſem ſiedenden Waſſer dringet in das zerquetſchte Gewaͤchſe, und hiedurch erleichtert es die Ausziehung des Oels.
Anmerkung: Es wird gefragt, ob es noͤthig ſey, dieſe angefeuchtete Maſſe wiederum zu trocknen, ehe man es unter die Preſſe leget. Man haͤlt es darum fuͤr noͤthig, damit kein Waſſer mit dem Oel vermiſcht werde. Jch will das Trocknen nicht wie - derrathen, man kann es aber auch ohne Gefahr un - terlaſſen. Das Oel wird im Waſſer nicht aufge - loͤſet, und alſo wird es ſich leicht von dieſem ſcheiden, wenn es auch damit ſolte vermiſcht ſeyn.
Die dritte Beſchaͤftigung iſt das Preſſen. ManDie dritte, das Preſſen. thut dieſe bereitete Maſſe in einen Sack von ſtarker undXdich -322Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,dichter Leinwand, man legt ſie zwiſchen zwo eiſerne Platten unter eine Preſſe, nachdem dieſe zuvor ſind warm gemacht. Man preſſet ſtark, und das Oel flieſ - ſet in ein Gefaͤß, das zu deſſen Auffangung unter die Preſſe iſt geſetzet worden.
Bey dieſem Punkte iſt ein beſonderer Hand-Grif zu merken, von dem die Guͤthe des Oels abhaͤnget. Wenn man die Platten, zwiſchen welchen das Oel ge - preſt wird, ſehr heiß macht, ſo giebt es zwar viel Oel, es iſt aber nicht ſuͤſſe, ſondern es bekommt einen ſcharffen Geſchmack. Man kann dieß Oel alsdenn zwar zum Brennen und dergleichen anwenden, aber nicht zum Kochen. Soll das Oel rein und ſuͤſſe bleiben, ſo muß man dieſe Platten nur wenig waͤrmen, und darum wer - den ſie nur im ſiedenden Waſſer gewaͤrmet.
Dieß giebt dem Wirthe einen beſondern Vortheil. Er nimmt zuerſt von ſeinem Gewaͤchſe das reine Oel. Er macht alsdenn die Platten ſehr heiß, und preſſet das uͤbrige zum wirthſchaftlichen Gebrauch heraus.
Anmerkung: Dieſe Beſchreibung von der Auspreſſung der Oele giebt uns Gruͤnde, den Bau einer Oel-Muͤhle vernuͤnftig zu beurtheilen.
Der Nutzen dieſes Gewerkes iſt vielfach. Der Wirth nutzet das Oel. Er nutzet auch die Troͤſtern die in dem Sakke zuruͤck bleiben, und welche man Oel-Kuchen nennet. Dieſe Kuchen ſind Abgaͤnge, die zur Fuͤtte - rung nuͤzlich. Sie geben eine gute Maſtung, wenn ſie mit anderm Futter vermiſcht werden.
Der Gebrauch des Oels iſt allgemein. Jſt es rein,Allgemeiner Gebrauch des Oels. ſo iſt es nuͤtzlich zum Kochen und zum Brennen. Jſt es unrein, ſo kann es noch zum Brennen fuͤr das Geſinde und in den Gewerken, wie auch zur Schmiere gebraucht werden. Daher kann ein Wirth auf den Verkauf des Oels ſichere Rechnung machen.
Der Endwurf, den wir von der Berechnung derWie dieſes Gewerk zu berechnen. Brauerey und Brandweinbrennerey gemacht haben, darf nur nach der Beſchreibung dieſes Gewerks in ei - nigen Stuͤkken veraͤndert werden, ſo iſt er zugleich ein Endwurf von der Berechnung dieſes Gewerkes.
Zuerſt vom Zukker. Es iſt meine Abſicht nicht, ei -Abſicht die - ſes Kapitels. nem Wirthe anzurathen, daß er Zukker-Rohr, als woraus der Zukker geſotten wird, anbauen ſoll. Dieſer Anbau muͤſte bey uns in Winter-Haͤuſern ge - ſchehen. Und dieß giebt mir einen Grund, zu glauben, die aufzuwendenden Koſten moͤgten den zu hoffenden Nutzen uͤberwinden. Jch will nur darum die Natur des Zukkers unterſuchen, und deſſen Bereitung beſchrei - ben, daß es uns Gelegenheit geben koͤnne, nachzuden - ken, ob nicht auch in unſern Laͤndern Gewaͤchſe zu fin - den, aus welchen ein Zukker mit Vortheil koͤnne ge - macht werden.
Wir wollen die innere Beſchaffenheit des Zukkers ſo weit beſchreiben, als es noͤthig iſt, wenn wir Gruͤn - de bilden wollen, zu muthmaßen, ob in dieſem oderDie erſte. jenem Gewaͤchſe wuͤrklich ein Zukker enthalten. Jndem325vom Zukkerſiedendem Zukker iſt ein Oel. Dieß zeiget ſich deutlich, wenn der Zukker im Feuer geſchmolzen wird.
Der Zukker loͤſet ſich vollkommen im WaſſerDer andere. auf. Dieß iſt eine offenbare Erfahrung. Oel, was ſich im Waſſer aufloͤſet, iſt mit einem Alkali verſetzet, und daher ſeiffigt. Es muß demnach in dem Zukker eine reine Seife ſeyn.
Der trokkene Zukker bleibt in der warmen Luft un -Dieſe wird weiter be - wieſen. veraͤndert, wird er aber mit Waſſer aufgeloͤſet und duͤn - ne gemacht, als ein friſcher Milch-Rohm, ſo gehet er in die Gaͤhrung. Dieß iſt abermahl ein Beweiß von dem Vorzuge der alkaliſchen Saͤfte.
Wenn man den durch dieſe Gaͤhrung gebohrnenDer dritte. Wein deſtilliret, ſo bekommt man einen ſehr ſchoͤnen und ſauren Spiritum, den man in den ſchaͤrfſten Eſ - ſig verwandeln kann. Es muß alſo auch in dem Zukker ein ſaurer Saft geronnen ſeyn.
Loͤſet man den Zukker im Waſſer voͤllig auf. LaͤſtFernerer Be - weiß dieſer Eigenſchaf - ten. man das Waſſer bey gelindem Feuer, bis es eine Haut ſetzet, ausdampfen. Setzet man alsdenn den Zukker an einem kuͤhlen Ort, ſo wird man finden, daß der Zukker in Cryſtallen anſchießet. Und die Zergliede - rung dieſer Cryſtallen lehret wiederum das Daſeyn von jenen Saͤften.
Mehr als einmahl habe ich dieſe Verſuche mit de -Wie der Be - griff vomX 3nen326Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,Zukker zu bilden.nen verglichen, die mit dem Mittel-Salze gemacht werden, und ich kann noch keinen andern Unterſchied entdekken, als daß bey dem Zukker das Oel und die alkaliſchen Saͤfte einen merklichen Vorzug in der Ver - haͤltniß haben. Die Verbindung dieſer beſchriebenen Eigenſchaften giebt uns zum wenigſten einen ſolchen Begriff vom Zukker, der vermoͤgend iſt, dasjenige zu wuͤrken, wozu wir ihn gebildet haben. Siehe §. 500.
Aus dieſen beſchriebenen Eigenſchaften des Zukkers koͤnnen wir uns einen Begriff von den verſchiedenen Beſchaͤftigungen machen, die man anwendet, den Zukker aus den Zukker-Roͤhren zu bereiten. Er iſtDie erſte Ar - beit. gleichſam das Mark in dieſen Roͤhren. Die erſte Arbeit iſt die Auspreſſung des Safts aus den Zuk - ker-Roͤhren. Dieß wird durch Walzen gewuͤrket, die, indem ſie herumgedrehet werden, das Rohr zerquet - ſchen, den Saft ausdrukken, der alsdenn in ein Gefaͤß, das darunter ſtehet, rinnet. Siehe §.
Die andere Arbeit. Dieſer Saft wird durch Rinnen in eine Pfanne geleitet, unter welcher ein ge - lindes Feuer gemacht iſt. Jn dieſer wird er, aber doch nur wenig, warm gemacht, damit der Saft un - geſotten koͤnne abgeſchaͤumet werden. Dieß iſt der Anfang in der Scheidung der Unreinigkeiten. Und man giebt dieſen Schaum dem Vieh zu freſſen.
Die dritte Arbeit. Dieſer Saft, wenn er durch das Abſchaͤumen von den groͤbſten Unreinigkeiten iſt befreyet worden, wird in kleinere Keſſel getragen, in welchen er bey ſtaͤrkerem Feuer heftig ſiedet. Mangießet327vom Zukkerſieden. gießet enige Loͤffel voll Kalk-Waſſer, in welchem Eyer - weiß zerſchlagen worden, wie auch etliche Tropfen reines Oel hinzu, um die Gewalt des Sudes auszu - loͤſchen, und den Auslauf des Safts zu verhindern.
Die vierte Arbeit. Faͤngt der Saft an dikke zuDie vierte. werden, ſo laͤſt man ihn durch ein Tuch rinnen. Ver - theilet ihn in kleinere Keſſel. Man laͤſt ihn wiederum ſieden, und hiebey wird er beſtaͤndig ſo lange umge - ruͤhret, bis er, wenn man ihn von einem Loͤffel ablau - fen laͤſt, faſt an einander haͤnget. Alsdenn wird er zum Erkuͤhlen in andere Keſſel gethan, und in dieſen ſo lange umgeruͤhret, bis ſich einige Koͤrner, wie Sand, zeigen.
Die fuͤnfte Arbeit. Jn dieſem Zuſtande ſchuͤt -Die fuͤnfte Arbeit. Die - ſe bringet den Sprup tet man den Saft, da er noch warm iſt, in gewiſſe Formen, die unten ein zugeſtopftes Loch haben. Jn dieſen wird er hart. Alsdenn oͤffnet man das zuge - ſtopfte Loch. Der Zukker wird durchſtochen. Als - denn lauft durch das Loch in untergeſetzte Gefaͤße, ein ſuͤßer Saft. Das iſt der Syrup, der beſtaͤndig wie ein duͤnner Honig bleibt.
Anmerk. Dieſer Syrup giebt auch eine gute Beitze zum Toback, und man kann aus ihm einen lieblichen Brandwein brennen.
Was uͤbrig bleibt, nachdem der Syrup alle abge -und den Mo - ſcovaden - Zukker. floſſen, das iſt die Materie, aus welcher alle andere Arten des Zukkers gemacht werden. Sie wird grauer Moſcovade genennet. Jſt ſie gut, ſo ſiehet ſie grau aus, iſt trokken, und weder fett noch ſchmiericht. Die -X 4ſer328Der Stadt-Wirthſchaft 2. Abſchnitt,ſer Zukker wird auch Farin-Zukker genennet, weil er nicht in Huͤten, ſondern nur in Stuͤkken zu uns ge - bracht wird.
Die ſechſte Arbeit. Die fernere Zubereitung iſt dieſe: Der Moſcovaden-Zukker wird abermahl zerlaſ - ſen, gelaͤutert, durch ein Tuch gedruckt, gekocht, in Formen gegoſſen. Wenn alsdenn der Syrup abge - floſſen, ſo thut man mit Waſſer angefeuchte Kreide darauf, damit ſich das Waſſer durch den Zukker zie - het, und die uͤbrigen Unreinigkeiten mit ſich wegneh - men koͤnne.
Die ſiebende Arbeit. Jſt alle Feuchtigkeit ab - und durchgefloſſen, ſo nimmt man den Zukker aus den Formen, und theilet ihn in drey Theile. Der oberſte Theil iſt der ſchlechtſte, der unterſte der beſte. Jeder Theil wird beſonders auf Tuͤcher ausgebreitet, und an der Luft getroknet.
Je oͤfterer der Zukker gelaͤutert und gereiniget wird, deſto feiner wird er, er verliehret aber auch deſto mehr von ſeiner Suͤßigkeit, (dieß iſt eine Erfah - rung*). Daher pflegt man den Zukker aufs neue nach der zuvor beſchriebenen Art zu reinigen, und alsdenn nennen die Franzoſen den allerfeinſten Suere Royal, den mittlern Demi-Royal, welcher bey uns der Canarien-Zukker iſt, und den ſchlechtſten Raffinat - Zukker, zumahl raffiniren nichts anders heiſt, als laͤutern, reinigen, fein machen.
Dieſer Zukker iſt doch noch nicht vollkommen rein. und den can - dirten Zuk - ker verferti - get.Daher hat man auf Mittel gedacht, den Zuk - ker zu groͤßerer Reinigkeit zu bringen, woraus der ſogenannte candirte Zukker entſtanden, den man in den weißen und braunen vertheilet. Der weiße wird von dem Canarien-Zukker gemacht. Dieſer wird mit Waſſer uͤber dem Feuer zerlaſſen, wiederum zum Sy - rupablaufen bereitet. Wenn nun der Syrup iſt ab - gelaſſen worden, ſo wird er in ein Gefaͤß geſchuͤttet, das mit vielen Zwerchhoͤlzern belegt iſt, beynahe 3 Wochen in eine warme Stube, wohl zugedekt, geſe - zet, da er ſich alsdenn anſezet und gleichſam cryſtalli - ſirt. Dieſe Arbeit wird wiederum mit dem uͤbrigen Saft vorgenommen. Woraus zugleich erhellet, daß auch die Guͤthe des Waſſers vieles zur Reinigkeit des Zukkers beytraͤgt. Von dem leztern, der ſchon eini - gemahl gekocht worden, entſtehet der braune, u. ſ. f.
Dieß iſt die wahre Beſchreibung vom Zukker undEine allge - meine An - wendung des beſchrie - benen. vom Zukkerſieden. Will man nun einen Verſuch ma - chen, ob nicht auch in dieſen Landen Gewaͤchſe zu fin - den, aus welchen mit Vortheil koͤnne Zukker gemacht werden, ſo ſuche man Gewaͤchſe, die durch die Zer - quetſchung einen ſuͤßen Saft geben, der oͤligt iſt, und der ſich im Waſſer aufloͤſt, (§. 500. 501). Der, wenn er mit Waſſer etwas verduͤnnet worden, leicht in die geiſtige Gaͤhrung gehet, (§. 502.) aus deſſen Wein man durch die Deſtillation einen ſcharfen und ſauren Spiritum ziehen koͤnne, (§. 503). Sind die - ſe Eigenſchaften da, ſo hat man eine Vermuthung von dem Daſeyn des Zukkers. Alsdenn verfahre man mit dieſem Gewaͤchſe, wie es bey dem Zukker - ſieden iſt beſchrieben worden. Hat man die GruͤndeX 5dieſer330Der Stadt-Wirthſchaft 2 Abſchnitt,dieſer Beſchaͤftigung eingeſehen, ſo wird es einem nicht ſchwer fallen, in vorkommenden Faͤllen dasjeni - ge zu veraͤndern, was nach der Beſchaffenheit des Ge - waͤchſes muß veraͤndert werden. Gewinnet man ei - nen Zukker, ſo vergleiche man die Ausgabe mit der Einnahme, das Gewicht des Zukkers mit dem Ge - wichte der genommenen Materie, u. ſ. f. Man un - terſuche den Nutzen der Abgaͤnge, und man wird es bald merken, wo ein Vortheil zu finden.
Anmerk. Dieß iſt ein Vorſchlag, der vielleicht vielen laͤcherlich. Was hat man aber in der Wirth - ſchaft ohne Verſuche? Und wem hat man in der Wirthſchaft die nuͤtzlichſten Dinge zu danken? Sind es nicht die, welche mit ihrem Schaden Ver - ſuche gemacht haben. Mir ſcheinet dieſe Sache ſo wichtig zu ſeyn, daß ſie wohl einige Verſuche ver - dienet. Man hat vor einiger Zeit bey einigen Wurzeln Verſuche gemacht, man hat ſie aber auch zu bald liegen laſſen. Ein anhaltender Fleiß brin - get ſehr oft eine Sache zur Vollkommenheit, die im Anfange unvollkommen geweſen iſt. Jch will dieſer Sache wegen verſchiedene Verſuche anſtellen, und dieſe alsdenn, wie weit ſie gelingen, bekannt machen.
Die Grenzen, welche ich meiner gegenwaͤrtigen Ab - handlung geſetzet habe, erlauben es nicht, daß ich mehrere, als diejenigen Gewerke unterſuche, welche die Fruͤchte der Land-Wirthſchaft einem Wirthe nuͤtz - licher machen koͤnnen. Waͤre dieß nicht, ſo wuͤrde ich jetzo die ſchoͤnſte Gelegenheit finden, das Salzſieden, ſo wohl bey dem See-Salze, als auch bey dem Stein - und Brunnen-Salze zu beſchreiben. Die Mittel zur Verbeſſerung und Reinigung dieſer Salze zu unter - ſuchen, und aus dem Gradieren allgemeine Regelnzu331vom Zukkerſieden. zu ziehen, die auch in andern Gewerken zur Nach - ahmung nuͤtzlich ſind, u. ſ. f. Jch habe, wo ich mei - nen Begriffen nicht zu viel traue, die wichtigſten von jenen Gewerken alſo beſchrieben, daß ſie zugleich eine Anleitung zu den uͤbrigen ſeyn koͤnnen. Und dieß wird, mein Verſprechen zu erfuͤllen, genug ſeyn.
Dieß iſt ein Feld, das faſt keine Grenzen hat. Abſicht die - ſer Abhand - lung.Die Kunſt bemuͤhet ſich, faſt alle Dinge, die uns die Natur ſchenket, und die ſich durch die Gewerke nicht mit Vortheil vertreiben laſſen, zu verbeſſern und regelmaͤßig alſo zu verbinden, daß hiedurch Werke zum Nutzen und Wohlgefallen der Menſchen entſtehen. Es wird Muͤhe koſten, ein ein - ziges Werk der Natur zu beſtimmen, das nicht der Kuͤnſtler verarbeiten koͤnne, um ſich hiedurch in einer gewiſſen Ordnung zu ernaͤhren. Der Witz iſt in be - ſtaͤndiger Beſchaͤftigung, auch in dieſem Stuͤkke neue Dinge zu erfinden. Und dieſe Wachſamkeit iſt um deſto mehr noͤthig, weil der Gebrauch dieſer Werke der Kunſt mehrentheils von den ſinnlichen Begriffen der Menſchen abhaͤnget, dieſe aber aus verſchiedenen Urſachen verſchiedenen Beraͤnderungen unterworfenſind.332Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,ſind. Es wuͤrde viel zu weitlaͤuftig, und auch nach der Abſicht, die ich mir geſezt habe, uͤberfluͤßig ſeyn, wenn ich alle Arten von Manufacturen und Fabriquen beſchreiben, und bey einer jeden Art dieje - nigen Stuͤkke aus ihren Gruͤnden erklaͤren ſolte, wor - in ihre Vollkommenheit beſtehet, und ihre Verbeſſe - rung moͤglich iſt. Jch will vielmehr nur einige all - gemeine Gruͤnde veſtſetzen, wodurch man die Manu - facturen und Fabriquen in verſchiedene Claſſen ver - theilen, woraus man uͤberhaupt ihre Guͤthe und Voll - kommenheit beurtheilen, und woraus man ihre Ver - beſſerungen und Veraͤnderungen erfinden koͤnne, nach - dem ich bereits oben §. 314. und folgenden die all - gemeinen Regeln veſtgeſetzet habe, auf welche man nothwendig bey der Anlage der Manufacturen und Fabriquen ſehen muß. Alsdenn will ich die wichtig - ſten von denen insbeſondere beſchreiben, wozu die Materialien aus den Wuͤrkungen der Landwirthſchaft genommen werden.
Will man |die Manufacturen und Fabriquen in verſchiedene Claſſen vertheilen, ſo wird es nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn man die Gruͤnde zu dieſer Ver - theilung einmahl aus den Materialien nimmt, aus welchen die Werke der Kunſt ſollen verfertiget wer - den, fuͤrs andere aus der Abſicht, wozu dieſe Wer - ke der Kunſt koͤnnen gebraucht werden.
Jn Anſehung der Materialien koͤnnen dieſe Werke nach den Reichen, in welche man die Natur zerle - get, wiederum in drey Claſſen vertheilet werden. Jn der erſten Claſſe ſtehen diejenigen, wozu die Materialien aus dem mineraliſchen Reiche genommen werden, dieſe Materialien ſind vornehmlich die Erze,Metal -333von den Manufacturen und Fabriquen. Metalle, Steine, der Lehm, der Tohn und die verſchie - denen Erden.
Jn die andere Claſſe gehoͤren diejenige, wozuaus dem ve - getabiliſchen man die Materialien aus dem vegetabiliſchen Reiche nimmt, z. B. aus den Faͤſern der Erd-Gewaͤchſe, von dem Holze, u. ſ. f.
Die dritte Claſſe faſſet diejenigen in ſich, derenund aus dem Thierreiche. Materialien aus dem Thier Reiche genommen wer - den. Dieſe Materialien ſind vornehmlich die Wolle, die Seide, die Haare, die Knochen, das Fell, das Fett und alle klebrige Abgaͤnge bey der Verarbeitung und dem Gebrauch der verſchiedenen Stuͤkke der Thiere.
Jn Anſehung der Abſicht koͤnnen ſie wiederum inFuͤrs andere, die Abſicht, wie ſie dem Menſchen nuͤtzlich, mittelbar zwey Claſſen vertheilet werden. Dieſe Werke der Kunſt gereichen den Menſchen zum Nutzen und zum Wohlgefallen, entweder mittelbar oder unmittelbar. Mittelbar, in wie ferne ſie Mittel find, andere Wer - ke der Kunſt hervor zu bringen und vollkommen zu machen. Hieher gehoͤret z. B. die Verfertigung der verſchiedenen Werkzeuge und Machinen, die Berei - tung der Farben aus dem mineraliſchen und vegetabi - liſchen Reiche, die Verfertigung des Leims, u. ſ. f.
Unmittelbar, indem der nechſte Zweck dieſer Werke,und unmit - telbar, und zwar in An - ſehung des Geiſtes. der Nutzen und der Wohlgefallen der Menſchen. Dieſer beziehet ſich entweder auf den Geiſt, auf den Leib oder auf den aͤußerlichen Zuſtand. Auf den Geiſt, indem ſie Huͤlfs-Mittel find, die Erkenntnißzu334Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,zu erweitern, z. B. die Verfertigung der Werkzeuge und Machinen, die wir alsden noͤthig haben, wenn wir unſere Erkenntniß durch die Erfahrung erweitern wollen. Ferner, indem ſie als Mittel koͤnnen ge - braucht werden, die Sinne zu beluſtigen. Z. B. die Bereitung der Muſicaliſchen Werkzeuge, der Werkzeuge zum Spielen, u. ſ. f.
Wird der Zweck von dem Gebrauche dieſer Werke der Kunſt in dem Koͤrper der Menſchen geſetzet, ſo haben ſie entweder einen Einfluß in deſſen Bedek - kung, oder in deſſen Erhaltung. Zur erſten Claſſe gehoͤret die Verfertigung des Leinewands, der Zeu - ge, der Tuͤcher, und alles, was den Nahmen von der Kleidung fuͤhret. Ferner die Verfertigung der Wagen und was dieſem aͤhnlich iſt, des Glaſes und ſo ferner. Zur andern Claſſe gehoͤret die Zubereitung der Geſchirre zum Kochen, zum Trinken, zum Eſſen, zur Vertheidigung, u. ſ. f.
Beziehet ſich endlich der Zweck in dem Gebrauche dieſer Dinge auf den aͤußerlichen Zuſtand, ſo muß man die Werke, die allein auf den Wohlſtand gehen, zum Beyſpiel die Spiegel - Fabriquen, von de - nen unterſcheiden, die man zum Erwerb des zeitlichen Vermoͤgens noͤthig hat. Der Wohlſtand richtet ſich nach den ſinnlichen Begriffen, und dieſe veraͤndern ſich nach den Umſtaͤnden. Dieſes iſt ge - nug, zu begreifen, daß in dieſer Claſſe eine unaus - ſprechliche Menge von Manufacturen und Gewerken koͤnne erdacht werden.
So weit von dem erſten Punkte. Jch habe die -Jn Anſehung der Guͤthe muß die we - ſentliche von der zuſaͤlli - gen unter - ſchieden wer - de. ſen zwar nur kurz beruͤhret, doch aber, wie ich es glaube, nach meiner gegenwaͤrtigen Abſicht hievon ge - nug geſagt. Den andern Punkt wollen wir genauer unterſuchen. Er ſoll uns die Gruͤnde bilden, aus welchen wir uͤberhaupt die Guͤthe und Vollkommen - heit der Werke beurtheilen koͤnnen, welche durch die Manufacturen und Fabriquen gewuͤrket werden. Wir muͤſſen auch hier die weſentliche Guͤthe und Vollkommenheit von der zufaͤlligen unterſcheiden, die in den ſinnlichen Begriffen und in verſchiedenen Ne - benumſtaͤnden der Menſchen gegruͤndet iſt.
Dieſe Werke der Kunſt ſind alsdenn weſent -Grund der weſentlichen. lich vollkommen, wenn ſie diejenigen Abſichten wuͤrken koͤnnen, wozu ſie ſind gemacht worden. Man wird uns dieſe allgemeine Wahrheit auch in dem gegenwaͤrtigen Fall verwilligen, ohne daß es noͤ - thig iſt, ſie hier insbeſondere zu beweiſen.
Worauf hat man zu ſehen, wenn die Kunſt einWie dieſe zu bewerkſtelli - gen. Werk machen ſoll, das weſentlich vollkommen iſt. Es iſt nicht genug, daß man ſich einen deutlichen Begrif von der Abſicht macht, und die Materialien nach die - ſer Abſicht verknuͤpfet; man muß auch die Beſchaf - fenheit der Materialien unterſuchen, ob ſie vermoͤ - gend ſind, in der beſtimmten Verbindung die ange - nommene Abſicht zu wuͤrken. Denn unterlaͤſt man dieſe Unterſuchung, ſo wird man zwar eine wuͤrkliche Figur bekommen, durch welche die Wuͤrkung der an - genommenen Abſicht moͤglich iſt, den Dingen aber, die mit einander ſind verknuͤpfet worden, wird ſehtoft336Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,oft das Vermoͤgen fehlen, dieß, was durch die Fi - gur moͤglich iſt, wuͤrklich zu machen. Und darum feh - let dieſem Werke die weſentliche Vollkommenheit. (§. 528.)
Anmerk. Wir wollen dieſe Regel mit einigen Beyſpielen erlaͤutern. Ein Kuͤnſtler will Struͤm - pfe machen, die den Fuß im Winter waͤrmen ſollen. Er nimmt dikken Zwirn, der vom Flachs gemacht, und verfertiget ſeine Struͤmpfe. Die Figur iſt wuͤrklich, durch welche die Bedekkung und Erwaͤr - mung der Fuͤße moͤglich. Allein dem Zwirn feh - let die innere Waͤrme, und daher ſind ſeine Struͤm - pfe weſentlich unvollkommen. Ein anderer nimmt Zwirn, der z. B. aus dem Werke der Brenn - Neſſeln bereitet iſt, und er erlanget ſeine Abſicht. Ferner, ein Kuͤnſtler bereitet Zeug zum Kleide, und es iſt nicht biegſam. Das Kleid wird daraus gemacht, und die Unbiegſamkeit des Zeuges verhin - dert den Gebrauch des Kleides, und darum iſt das Zeug weſentlich unvollkommen, u. ſ. f.
Die zufaͤlligen Vollkommenheiten dieſer Werke der Kunſt gruͤnden ſich in den ſinnlichen Begriffen und in den verſchiedenen Umſtaͤnden der Menſchen. Dieß iſt genug zu begreifen, daß man dieſe Vollkommen - heit unmoͤglich aus einer allgemeinen Regel beurthei - len koͤnne. Wir wollen es verſuchen, ob wir dieſe ver - ſchiedene Stuͤkke, auf welche es bey dieſer Vollkom - menheit ankommt, auf einige allgemeine Regeln brin - gen koͤnne.
Die erſte Regel iſt dieſe: Zur Vollkommenheit dieſer Werke der Kunſt wird die Schoͤnheit erfodert.
Dieß337von den Manufacturen und Fabriquen.Dieß folget unmittelbar aus dem Begrif der Schoͤn - heit, wenn wir dieſen mit dem verbinden, was wir von der zufaͤlligen Vollkommenheit dieſer Werke ge - ſaget haben. Denn wir nennen ein Werk alsdenn ſchoͤn, wenn es ſinnlich vollkommen iſt, das iſt, wenn der ſinnliche Anblick in uns einen Gedanken von der Ubereinſtimmung in der Sache erwekken kann.
Dieſe Schoͤnheit kann wiederum nicht aus einemin Anſehung der Figur, einfachen Grunde beurtheilet werden. Von den Werken der Kunſt fallen uns uͤberhaupt drey Stuͤk - ke in die Sinne. Die Figur, die Farbe und die Flaͤ - che des ganzen, oder der Theile. Daher kommt es bey der Schoͤnheit dieſer Werke auf drey Stuͤkke an. Sie ſind ſchoͤne in Anſehung der Figur, wenn man ſinnlich keine Abweichung von der Regel, wornach bey einer ſolchen Figur die Theile zu verbinden, erkennen kann. Denn da eine Figur alsdenn vollkommen iſt, wenn die Theile nach der Regel ſind verbunden worden, die durch den Begrif der Figur beſtimmet wird, und da die Schoͤnheit die ſinnliche Vollkommenheit iſt (§. 530.); ſo iſt es klar, daß dieß zur Schoͤnheit in den Werken der Kunſt nothwendig erfodert wird, was wir in dem Satze angenommen haben.
Anmerk. Beurtheilet man nicht die Schoͤn - heit eines ausgehauenen Geſichtes, wenn man nur auf die Figur ſiehet, daraus, wenn man in der Verknuͤpfung der Theile keine Abweichung von der Regel ſinnlich erkennet, nach welcher die Theile in einem natuͤrlichen Geſichte verbunden ſind. Ein Kuͤnſtler webet in einem Zeuge eine Blume. Wenn heiſt dieſe in Anſehung ihrer Figur ſchoͤn? Jſt ſie nicht alsdenn ſchoͤn, wenn wir ſinnlich keine Ab -Ywei -338Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,weichung von der Regel erkennen koͤnnen, wornach die Natur die Theile in einer ſolchen Blume ver - bindet?
Die Werke der Kunſt ſind ſchoͤn in Anſehung der Farbe, wenn wir dieſe von der natuͤrlichen, die ſie vorſtellen ſoll, ſinnlich nicht unterſchei - den koͤnnen. Alle Farben, womit der Kuͤnſtler ſei - ne Werke bemahlet, ſind eine Nachahmung der Na - tur. Sie ſind demnach in ſo weit vollkommen, in wie weit ſie dem natuͤrlichen aͤhnlich. Folglich iſt auch in ſo weit das Werk der Kunſt ſchoͤn, in wie weit wir deſſen Farbe von der natuͤrlichen ſinnlich nicht unterſcheiden koͤnnen.
Dieſe Schoͤnheit hat verſchiedene Grade. Sie iſt um deſto groͤßer, je geringer der Unterſchied der ge - kuͤnſtelten Farbe von der natuͤrlichen, den wir durch die Sinne beſtimmen koͤnnen. Die natuͤrliche Farbe faſſet zwey Haupt-Stuͤkke in ſich, wodurch ſie voll - kommen iſt. Die Daͤmpfung des Lichts und die Be - ſtaͤndigkeit. Woraus folget, daß ein Werk der Kunſt in Anſehung der Farbe ſchoͤn, wenn die Empfindung, die ſie von der Daͤmpfung des Lichts wuͤrket, derje - nigen aͤhnlich iſt, die von der natuͤrlichen Farbe er - wekket wird, und daß dieſe Schoͤnheit alsdenn noch groͤßer, wenn dieſe Daͤmpfung des Lichts beſtaͤndig iſt, das iſt, wenn ſie weder von Feuchtigkeiten noch von der Luft kann zernichtet werden.
Anmerk. Jch will es zu ſeiner Zeit verſuchen, ob ich einige allgemeine Lehren werde veſt ſetzen koͤnnen, wodurch die Mittel zu beſtimmen, welche dieſe Schoͤnheit zu wuͤrken, vermoͤgend ſind. Jchhabe339von den Manufacturen und Fabriquen. habe nur einige durch Schluͤſſe, die in der Aehnlich - keit gegruͤndet ſind, gebildet. Jch habe dieſe in ei - nigen Verſuchen angewendet, und dieſe ſind mir nach Wunſch gerathen.
Die Werke der Kunſt ſind endlich ſchoͤn inJn Anſehung der Flaͤche. Anſehung der Flaͤche, wenn der Anblick von die - ſer in uns den Gedanken von der Eigenſchaft erwekken kann, die das Werk alsdenn haben muß, wenn es das, wozu es gebraucht wird, wuͤrken ſoll. Das Daſeyn dieſer Eigenſchaft wird von der Vollkommenheit eines ſolchen Werkes erfo - dert (§. 528.) Soll es demnach ſchoͤn ſeyn, ſo muß das Anſchauen der Flaͤche vermoͤgend ſeyn, den Ge - danken von dieſer Eigenſchaft in uns zu wuͤrken. (§. 528.)
Aus dieſem allgemeinen Satze koͤnnen verſchiedeneBeſondere Folgen. Die erſte. beſondere Folgen geſchloſſen werden. Wir wollen nur einige, die wichtig ſind, anfuͤhren. Wir wollen annehmen, es werde eine Feſtigkeit erfodert, wenn das Werk der Kunſt dasjenige wuͤrken ſoll, wozu es gemacht wird. So erfodert die Schoͤnheit, daß der Anblick der Flaͤ - che in uns einen Gedanken von der Feſtigkeit wuͤrke. Dieſer wird dadurch erwekket, wenn die Flaͤche dichte und glaͤnzend iſt. Folglich erfodert die Schoͤnheit ei - nes ſolchen Werkes eine dichte und glaͤnzende Flaͤche.
Jſt das Werk der Kunſt nicht dicht genug, ſo ſindWie dieſe zu bewerkſtelli - gen. entweder die Theile, woraus es beſtehet, nicht genug zuſammen getrieben, oder es fehlet an der cohaeſion der Theile. Das Oel oder Fett iſt das natuͤrliche Mittel der cohaeſion. Folglich muß man in dem lez -Y 2ten340Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,ten Falle auf Mittel denken, durch den Zuſatz eines Oels, oder uͤberhaupt eines Fettes, dieſem Fehler ab - zuhelfen. Der Glanz iſt eine Wuͤrkung von dem, daß die Flaͤche des Koͤrpers dichte, und ſinnlich voll - kommen eben. Dieſe Ebene kann nach der Beſchaf - fenheit der Sache, durch das Reiben, Abſtoßen der unebenen Theile, Druͤkken und ſo ferner, erhalten wer - den. Die Mittel zur Dichtigkeit ſind zuvor angege - ben worden. Folglich wird es nicht ſchwer fallen, Mittel wider dieſen Fehler zu erſinnen.
Anmerk. Der Tiſchler macht die Flaͤchen eben durchs Abſtoſſen der unebenen Theile. Der Zim - mermann durchs Abhauen. Der Glaſer durchs Reiben. Der Papier-und Zeug-Macher durch Preſſen. Man uͤberlege die Abſicht, welche dieſe Beſchaͤftigung wuͤrken ſoll. Man ſchluͤße aus die - ſer Abſicht die Beſchaffenheit der Mittel. Man vergleiche dieſe Gedanken mit den gewoͤhnlichen Ar - beiten, und man wird es bald merken, woher die vielen Fehler entſtehen, die wir in dieſen Stuͤkken bey den Werken der Kunſt haͤufig wahrnehmen.
Soll das Werk der Kunſt eine Nachahmung eines natuͤrlichen Werkes ſeyn, ſo wird, wenn es ſchoͤn ſeyn ſoll, erfodert; einmahl, daß deſſen Anblick den - jenigen Gedanken erwekket, den der Anblick des na - tuͤrlichen zu erwekken vermoͤgend iſt. Fuͤrs andere, daß es nur da angewendet wird, wo das Werk der Na - tur die Abſicht wuͤrken kann, die dieß Werk der Kunſt wuͤrken ſoll. Beydes folget unmittelbar aus dem §. 532. und aus dem Begrif der Schoͤnheit §. 530.
Anmerk. Es iſt wider die Schoͤnheit, wenn man eine Lerche mahlet, die mitten im Waſſer lebt, und eine Saͤule die keinen Grund hat, u. ſ. f.
Die uͤbrigen Gruͤnde, nach welchen die MenſchenFernere Be - urtheilung der zufaͤlli - gen Voll - kommenheit, in Anſehung der Geſchick - lichkeit des Kuͤnſtlers, die zufaͤllige Vollkommenheit von den Werken der Kunſt beurtheilen, koͤnnen nicht ſo leicht auf allgemei - ne Regeln gebracht werden. Bald dieſe, bald jene Verknuͤpfung wuͤrket ein beſonderes Urtheil. Bald gruͤndet ſich dieß in der Abſicht, wozu es ſoll gebraucht werden, bald in den Begriffen, die ſich die Menſchen von dem Wohlſtande bilden, und bey dieſen heiſt es nicht nur laͤndlich, ſittlich, ſondern auch, ſchikket euch in der Zeit. Wir wollen es verſuchen, ob wir von die - ſem einige allgemeine Saͤtze, die brauchbar ſind, wer - den veſt ſetzen koͤnnen.
Der erſte Satz iſt dieſer: Soll ein Werk der Runſt zufaͤllig vollkommen ſeyn, ſo muß deſ - ſen Anblick in uns den Gedanken von einer nicht leicht nachzuahmenden Geſchicklichkeit des Kuͤnſtlers erwekken.
Geſchiehet dieß, ſo giebt uns das Werk der Kunſt ei - nen ſinnlichen Begrif, von einer Vollkommenheit, und dieß iſt eine Schoͤnheit.
Anmerk. Man ſpricht z. B. feines Leinwand iſt beſſer, als grobes. Wollen wir dieß uͤberhaupt ſagen, ſo iſt es ein falſches Urtheil. Zum Sack iſt grobes Leinwand beſſer, als feines. Wir muͤſſen dieſe Urtheile allemahl in Anſehung der Abſicht be - ſtimmen. Kann eine Abſicht ſo wohl durch gro - bes als auch durch feines Leinwand erhalten wer - den, ſo iſt das feine beſſer. Warum? es iſt ſchoͤner. Denn einen feinen Faden ſpinnen und veſt verarbeiten, das zeuget von einer groͤßern Ge - ſchicklichkeit des Kuͤnſtlers, als wenn die Faͤden grob ſind.
Der andere Satz: Werke der Kunſt, die nicht lange, wenn man die Geſetze des Wohlſtan - des beobachten will, koͤnnen gebraucht wer - den, ſind, in wie ferne ſie einerley Abſicht wuͤr - ken koͤnnen, beſſer, wenn ſie wohlfeil, ſchoͤn und nicht dauerhaft, als wenn ſie koſtbar, ſchoͤn und dauerhaft.
Da die Geſetze des Wohlſtandes in dieſem Stuͤkke eine oftmahlige Veraͤnderung erfodern, ſo iſt dieß in der That eine Sparſamkeit, wenn man die Dinge von der erſten Art kauft, und dieſe denen von der an - dern Art vorziehet. Dieß giebt dem Kuͤnſtler einen Grund, einen groͤßern Abgang von jenen, als von dieſen zu hoffen. Und darum ſind jene, ſowohl in Anſehung des Kuͤnſtlers, als auch in Anſehung des Kaͤufers unter der angenommenen Bedingung dieſen vorzuziehen.
Anmerk. Die weiblichen Kleidungen biethen uns eine unendliche Menge von Beyſpielen an, welche die Wahrheit dieſes Satzes unterſtuͤtzen.
Dieß, was wir bisher von der Vollkommenheit, ſo wohl der weſentlichen, als auch der zufaͤlligen in den Werken der Kunſt abgehandelt haben, kann uns, wie ich es glaube, auf eine ſehr leichte Art den Weg zei - gen, wie die bereits erfundenen Werke der Kunſt koͤn - nen verbeſſert, und wie bey dieſen Veraͤnderungen zum Nutzen des Handels koͤnnen erfunden werden. Sollen ſie verbeſſert werden, ſo gehet dieſe Verbeſſe - rung entweder auf die weſentliche oder zufaͤllige Voll - kommenheit (§. 527). Auf die weſentliche, indemdieſe343von den Manufacturen und Fabriquen. dieſe Werke alſo verfertiget werden, daß ſie ihren Endzweck leichter und beſſer wuͤrken koͤnnen, als zu - vor (§. 528). Auf die zufaͤllige, indem ihre Schoͤn - heit ſo wohl in Anſehung der Figur (§. 531.), als auch der Farbe (§. 532.) und der Flaͤche vergroͤßert wird, (§. 534. u. f.). Ferner indem ſich der Kuͤnſt - ler bemuͤhet, die Vollkommenheit ſeiner Geſchicklich - keit zu erhoͤhen, (§. 538.) und aus Materialien von einem geringern Werth ſo ſchoͤne nutzbare Werke zu liefern, als bis hieher aus Materialien von einem hoͤhern Werthe ſind verfertiget worden, (§. 539).
Wer neue Werke erfindet, oder die bereits erfun -und zu ver - aͤndern. denen zum Nutzen des Handels veraͤndert, der ent - dekket entweder neue Abſichten, wozu Werke der Kunſt koͤnnen gebraucht werden, oder er entdekket neue Mittel, die bereits bekannten Abſichten auszu - fuͤhren, oder er veraͤndert die bereits erfundenen Werke nur in dem, was ihnen zufaͤllig iſt. Jn die - ſem Falle kann er ſeine Aufmerkſamkeit auf alle Stuͤk - ke richten, wovon wir in dem vorhergehenden §. ge - redet haben.
Eine weitlaͤuftige Beſchreibung dieſer Stuͤkke iſtBeſondere Anmerkung von dieſen. hier uͤberfluͤßig. Jch will nur noch ein einziges von dieſen genauer unterſuchen. Die merkwuͤrdigſte Ver - aͤnderung in den Werken der Kunſt, die dem Han - del am nuͤtzlichſten iſt, ſcheinet dieſe zu ſeyn, wenn man aus Materialien von einem geringen Werthe, ſo ſchoͤne und ſo vollkommene Werke verfertiget, als bis hieher aus Materialien von hoͤherm Werthe ſind ver - fertiget worden. Wie kann man dieſe Veraͤnderung erfinden? Man wird es uns ohne Beweiß verwilli - gen, daß es, dieſen Zweck zu erreichen, auf folgende Stuͤkke ankommt.
Y 4Das344Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,Anmerk. 1. Es iſt dieß eine Anwendung der allgemeinen Lehre, die es uns zeiget, wie wir ei - nen gegenwaͤrtigen Fall aus einem aͤhnlichen erklaͤ - ren koͤnnen. Sollte man nicht durch Huͤlfe dieſer Mittel die Moͤglichkeit entdekken koͤnnen, wie aus den Brennneſſeln eine Art von Struͤmpfen zu ver - fertigen, die ſinnlich den ſeidenen ſehr aͤhnlich ſind. Jch glaube dieß. Jch habe Grund, es zu glau - ben, weil ich ſelbſt die Brennneſſeln alſo zuberei - tet habe, daß ſie der Seide in ihrer Guͤthe, wenn wir dieſe nach der Empfindung betrachten, wenig nachgeben.
Anmerk. 345von den Manufacturen und Fabriquen.Anmerk. 2. Es wuͤrde mir angenehm ſeyn, wenn ich alle Arten von Manufacturen und Fa - briquen nach dieſer allgemeinen Abhandlung, die ich bis hieher hievon gemacht habe, beſchreiben und nach allen Punkten unterſuchen koͤnnte. Allein dieß iſt jetzo unmoͤglich. Jch wuͤrde die Abſicht ver - geſſen, die ich mir geſezt habe. Jch will daher nur einige, worinn die Wuͤrkungen der Land-Wirth - ſchaft verarbeitet werden, beſonders betrachten, und bey dieſen den Nutzen dieſer allgemeinen Lehre ſinn - lich machen.
Der Handel mit dem Leinwand iſt allgemein undAbſicht die - ſer Abhand - lung. faſt unendbehrlich. Daher dieſe Fabrique in dem Lande, wo die Leinwand vorzuͤglich vollkommen gemacht wird, ein ſehr großer Schatz iſt. Viele ma - chen zur Aufnahme dieſer Fabriquen den Vorſchlag: Die Ausfuhr des Leinen-Garns, und die Einfuhr fremder Leinen-Waaren muß verbothen werden. Jch uͤberlaſſe die Vertheidigung ſolcher Vorſchlaͤge andern. Mir gefallen ſie nicht. Hat man gute Waare um einen billigen Preiß, ſo wird die Freyheit den Handel mehr erhoͤhen, als die Einſchraͤnkung. Wir wollen alles, worauf man bey dieſer Fabrique ſehen muß, wenn das Werk vollkommen werden ſoll, unterſuchen, nicht Leinweber zu werden, ſondern nur uns geſchikt zu machen, die verſchiedenen Beſchaͤftigungen der Spinner, Weber, Bleicher u. ſ. f. regelmaͤßig zu be - urtheilen, und zur Aufnahme der Fabrique, da, wo es noͤthig iſt, zu verbeſſern. Doch laſſen wir einemY 5jeden346Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,jeden die Freyheit, unſere Lehren nach ſeiner Einſicht zu veraͤndern. Vielleicht redet die Erfahrung mir das Wort.
Zuerſt von der Zubereitung der Materialien. Jns - gemein wird das Leinwand aus Flachs und Hanf ver - fertiget. Beyde Gewaͤchſe, wenn die Knoten, wo - von der Saame iſt, ſind abgeruͤffelt worden, ſind nichts als Koͤrper, die aus aneinander haͤngenden Faͤden ſind zuſammen geſetzet, die gleichſam in einer ſproͤden Haut, die man den Baſt nennt, eingeſchloſ - ſen. Daher erfodert die Zudereitung dieſes Gewaͤch - ſes eine Aufloͤſung der cohaeſion dieſer Faͤden, und daß man den Baſt muͤrbe macht, damit er durch das Pochen von den Faͤden koͤnne getrennet werden. Aus dieſer Urſache wird der Flachs zuerſt einige Tage ins Waſſer geleget, um durch die Erweichung beydes zu wuͤrken. Dieß nennet man den Flachs roͤſten.
Dieß ſcheinet eine geringe Arbeit zu ſeyn. Sie iſt aber eine ſehr wichtige, von der ein merklicher Theil in der Guͤthe des Garns abhaͤnget. Sie wuͤrket Un - vollkommenheiten einmahl, wenn ſie die cohaeſion der Theile, die den Faden machen, entweder voͤllig, oder zum Theil aufloͤſet. Jn dem erſten Fall bekom - men wir bey der Zubereitung des Flachſes keine Faͤ - den, ſondern Staub; und in dem andern Fall ver - liehren die Faͤden ihre Biegſamkeit. Sie werden ſproͤde, und daher zu vollkommenen Werken unbrauch - bar. Fuͤrs andere, wenn ſie nicht die cohaeſion aller Faͤden trennet, ſondern die feinen in der Ver - knuͤpfung mit den groben ſtehen laͤſt. Dieſe Wuͤr - kungen gruͤnden ſich in der Unvollkommenheit des Waſſers, worin der Flachs geroͤſtet wird. Jſt dieſeshart,347von den Leinwands-Fabriquen. hart, ſo kann es unmoͤglich zwiſchen alle Faͤden drin - gen, und alſo den feinen Faden von dem groben tren - nen. Jſt dieſes mit vielen ſauren Saͤften angefuͤllet, ſo muß es nothwendig die Faͤden ſproͤder machen, (§. 26). Hieraus folget
Sind dieſe Regeln gegruͤndet, ſo muß es nothwen -Die beſten Mittel hiezu. dig einen merklichen Einfluß in die Vollkommenheit des Garns haben, wenn man den Flachs entweder in Loͤchern, die mit ſtinkender Miſt-Sutte angefuͤllet, oder in freyer Luft durch den mit dem natuͤrlichen Oe - le angefuͤllten Tau roͤſtet.
Die cohaeſion der Faͤden iſt getrennet, der BaſtDie fernern Arbeiten. iſt muͤrbe gemacht; doch aber iſt der Koͤrper, der aus der Roͤſtung genommen wird, naß, und alſo kann die ſinnliche Trennung nicht eher erfolgen, er muß ge - troknet werden. Dieß kann in der Sonne, es kann auch, wenn jenes nicht moͤglich, im Ofen geſchehen. Jſt er getroknet, ſo wird die wuͤrkliche Trennung durch das Blauen, Brechen, u. ſ. f. gewuͤrket. Dieſe Ar - beiten ſind bekannt, und iſt hiebey nichts zu merken, was eine beſondere Unterſuchung verdienet.
Will man der Gewohnheit folgen, ſo werden nun -Das He - cheln. mehro die groben Faͤden von den feinen durch dasHecheln348Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,Hecheln geſchieden. Man macht insgemein drey Ar - ten, das feine, das mittlere, das grobe. Dieſes heiſt der Werg. Und dieſe Abſonderung iſt durch den Un - terſchied der Zakken und ihrer Weite, in welcher ſie auf der Flaͤche der Hechel ſtehen, moͤglich. Je feiner dieſe Zakken, und je dichter ſie bey einander ſtehen, deſto feiner wird der Flachs.
Will man recht feine und zarte Faͤden haben, ſo muß man dieſe Gewohnheit verlaſſen, und zuvor noch eine beſondere Arbeit mit dem Flachſe vornehmen. Sie iſt dieſe:
Was wuͤrket dieſe Arbeit? Jch habe ſie verſucht, und der Erfolg war dieſer. Der Flachs wird feinerund349von den Leinwands-Fabriquen. und merklich zaͤrter, als er zuvor, wenn er auch der beſte, geweſen iſt. Er bekommt eine ſo ſchoͤne und hell - weiße Farbe, daß es kaum moͤglich iſt, dieſe Weiſſe durch die ordentliche Bleiche hervorzubringen, und darum iſt dieſe Arbeit zugleich eine Zubereitung zur vollkommenen Bleiche. Der Werg wird ſo fein und zart, daß er beynahe dem ordentlichen Flachſe den Rang ſtreitig macht, und es wird Muͤhe koſten, die - ſen durch die Sinne von dem Werge der Seide zu unterſcheiden. Wuͤrklich iſt dieſer Erfolg. Wie iſt er moͤglich? Man unterſuche die Beſchaffenheit des Salzes in der Weiden-Aſche, die innere Beſchaffen - heit des ungeloͤſchten Kalchs, und des Schwefels. Man verbinde mit dieſen die allgemeine Lehre von den Wuͤrkungen der erſten Dinge der Natur, die wir oben abgehandelt haben, und vielleicht wird es alsdenn nicht ſchwer fallen, die Moͤglichkeit von dieſer Wuͤr - kung zu erklaͤren.
Anmerk. Sollte wohl nicht dieſer zubereitete Flachs mehr geſchikt ſeyn, die Farben anzuneh - men und ſolche zu erhoͤhen, als ein anderer. Jch habe es nur fluͤchtig verſucht, und finde Grund, dieß zu vermuthen. So bald ich einige muͤßige Stunden bekomme, will ich dieſerwegen mit Fleiſ - ſe Verſuche anſtellen. Die Zweifel, welche der Schwefel macht, koͤnnen leicht gehoben werden.
Sollten wir nicht den Vortheil, den wir von derVerſuch mit den Hopfen - Ranken. Verarbeitung des Flachſes hoffen, auch von andern Dingen erwarthen koͤnnen, die mit geringeren Koſten anzubauen, und die beynahe unter die Abgaͤnge in der Land-Wirthſchaft zu zehlen ſind. Man wende hier die Regeln an, die wir §. 542. gebildet haben. Man wird es finden, daß ſie fruchtbar ſind, und daß wir viele Dinge in der Natur haben, die wir zudieſer350Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,dieſer Abſicht mit großem Nutzen gebrauchen koͤnnen. Jch will nur einige beſchreiben, und dieſe Beſchrei - bung wird es uns leicht machen, viele andere zu ent - dekken. Herr Schißler beſchreibt*) die Art, wie Garn aus den Hopfen-Reben zu machen. Die Sache iſt in der Erfahrung gegruͤndet. Sie verdient Aufmerk - ſamkeit. Jch will die ganze Beſchreibung herſetzen. Man vergleiche ſie mit zuvor angefuͤhrten Regeln, und man wird dieſe Erfindung leicht beurtheilen koͤn - nen. Die Beſchreibung iſt dieſe: Nachdem ich von einem und andern aus Jumteland bin benachrichti - get worden, daß die Einwohner, ſonderlich die ge - meinen in ſelbigem Lande, in Ermangelung des Leins, welcher daſiger Orten noch nicht haͤufig gebauet wird, Hopfen-Reben nehmen, nachdem der Hopfen im Herbſte iſt abgepfluͤkket worden, ſolche im Waſſer roͤ - ſten, wie die Helſinglaͤnder ihren Lein, ihn nachdem mit den Haͤnden zerklopfen, zu grobem Garn ſpinnen, und daraus eine grobe ſchlechte Leinwand weben, ſo habe ich ſelbſt einen Verſuch 1743. angeſtellet, wie ſich ſolches thun laſſe. Jm Herbſt dieſes Jahres, da unſere Hopfen-Gaͤrten aufgeriſſen waren, ließ ich das Geſinde den Hopfen und die Blaͤtter von den Ran - ken abpfluͤkken, nahm davon ſo viel, als ungefehr zwey Buͤndel Lein betraͤgt, aus welchem die Bauern in Jerlſo, Linsdahl und Ferila, welches die Kirchſpie - le in Heßingland ſind, wo der beſte Lein waͤchſt, ein Pfund reinen geſchwungenen Flachs machen, wenn er etwas lang iſt. Die Hopfen-Reben legte ich, anſtatt ſie im Waſſer zu roͤſten, auf das Dach eines Vieh - Hauſes, und legte außen und oben auf die Ranken Stangen, damit ſie der Wind nicht wegwehete. Als ſie nun uͤber Winter bis auf den Maͤrz 1744. gele - gen hatten, nahm ich ſie herunter, und legte ſie in eine Badſtube. Einige Zeit darnach, als ich ſie wohl ausgetroknet fand, ließ ich die langen Rankenin351von den Leinwands-Fabriquen. in kleinere Theile, jeden etwan 2 Ellen lang, zer - ſchneiden, und alsdenn eine Magd ſolche, wie der Lein geſchwungen wird, ſchwingen, von erwaͤhnter Menge Hopfen-Ranken bekam ich faſt ein ganzes Pfund ſehr feinen und weißen Baſt. Mit dieſem Verſuche, der bis hieher gut gegangen war, fuhr ich fort, und ließ dieſen Baſt von Hopfen-Ranken he - cheln, denn es zu brechen, war nicht noͤthig, da ſich keine Spreu darinnen fand. Nachgehends ließ ich ihn zu Garne ſpinnen, und weben, woraus ich, nebſt dem Werge, das ich zum Einſchlage nahm, ſechs Ellen ſchoͤne Leinwand bekam. Jch fand alſo wahr, was ich aus Jumteland gehoͤret, und bis hie - her nicht hatte glauben wollen.
So weit der Verſuch des Herrn Schißlers. ErGemachte Folgen aus dieſem Ver - ſuche. macht ſelbſt einige Anmerkungen. Jch will auch die - ſe anfuͤhren und mit einigen Zuſaͤtzen vermehren. Die Sache, wie ich es glaube, verdienet es. Jch bemerke aber dabey, faͤhret er fort:
Jch nehme mir die Freyheit, bey dieſen Anmer - kungen etwas zu erinnern. Vielleicht iſt es nicht ohne Nutzen. Es kann, wenn man zugleich mit auf den §. 342. 349. und 550. ſiehet, zum Nachdenken, das Nutzen bringet, Gelegenheit geben.
Jn Anſehung der erſten Anmerkung ſcheinet es mir unmoͤglich zu ſeyn, daß eine ſo lange Zeit ſollte erfodert werden, wenn man die Hopfen-Ranken im ordentlichen Waſſer roͤſten will. Dieß muͤſte noth - wendig mehr eine Beſtimmung zur Faͤulniß, als eine Aufloͤſung in der cohaeſion der Faͤden wuͤrken. Man roͤſte den Flachs im Thau, Regen und unter dem Schnee, ſo wird allemahl mehrere Zeit erfodert, als wenn er im Waſſer geroͤſtet wird. Jndeſſen bleibt es eine Wahrheit, daß der beſchriebene Weg der beſte ſey, die Ranken zu roͤſten. Es iſt auch der beſte Weg bey dem Flachs roͤſten. Man zergliedere den Thau, den Regen, den Schnee, ſo wird man es baldmerken,353von den Leinwands-Fabriquen. merken, daß der Grund hievon nicht in der Laͤnge der Zeit, ſondern in der Beſchaffenheit der Feuchtig - keit zu ſuchen ſey, die in das zu roͤſtende Gewaͤchſe nach und nach eindringet. Faͤllt der Schnee auf ei - nen friſchgepfluͤgten Akker, ſo zergehet er beſſer, als wenn er auf einen harten Boden faͤllt. Dieß zeiget die Wuͤrkung der untern Waͤrme. Und daher kann man es erklaͤren, warum es der Roͤſtung zutraͤglich, wenn man die Ranken auf ſolche Daͤcher leget, die von unten von einem warmen Dunſt koͤnnen erwaͤr - met werden. Hat man eine Darre, ſo kann ſich deren Dach bey dieſer Wirthſchaft nutzbar beweiſen.
Jn Anſehung der andern Anmerkung iſt es un -Bey der an - dern und vierten, laͤugbar, daß eine genugſame und regelmaͤßige Roͤ - ſtung erfodert wird, wenn man feine Faͤden haben will (§. 544. 545). Allein ſollte man es wohl nicht mit dem Gebrauche dieſes Gewebes hoͤher trei - ben koͤnnen, wenn man auch das hiebey beobachten wollte, was ich in dem §. 549. angemerket habe. Die klebrige Eigenſchaft der Hopfen-Ranken giebt mir einen Grund, dieß zu glauben. Trifft es ein, ſo wird dieß den Werth des Hopfenbaues merklich erhoͤhen. Ja der Vortheil wird weit groͤßer ſeyn, als er in der vierten Anmerkung iſt angegeben wor - den. Wie oft geraͤth der Hopfen? Die Ranken ge - rathen immer. Und wenn der Hopfen geraͤth, ſo ſind dennoch die Ranken als Abgaͤnge in der Land - Wirthſchaft anzuſehen. Sollten wohl nicht dieſe, wenn ſie nach den vorgeſchriebenen Regeln ſind gear - beitet worden, beynahe den Lohn der Hopfen-Arbei - ter bezahlen? Dieß iſt in beyden Faͤllen vortheil - haft.
Jn Anſehung der dritten Anmerkung wuͤrde ich es verſuchen, ob es nicht nuͤtzlicher ſey, die Ranken vor der Roͤſtung, als nach der Roͤſtung zu zerſchnei - den. Man kann ſie alsdenn ebener und feſter bey einander legen. Dieß aber iſt der Roͤſtung im Tau und Schnee darum zutraͤglich, weil hiebey nicht zu vermuthen iſt, daß ſich die Feuchtigkeiten an ver - ſchiedenen Orten ungleich einziehen werden.
Herr Roͤdenſchild hat in dem angezogenen Orte den bis hieher betrachteten Verſuch mit einer Nach - richt begleitet, die gleichfalls eine Aufmerkſamkeit ver - dienet. Sie iſt dieſe: Jch habe mich wegen dieſes Ge - brauchs der Hopfen-Ranken naͤher erkundiget, ſo wohl was in Jumteland und Midelrad die - ſerwegen uͤblich iſt, als was ſonſt ein und der andere ge - ſchickte Haus-Vater moͤchte verſucht haben, und er - fahren, daß man alle Blaͤtter genau ableſen muß, nachdem der Hopfen abgepfluͤckt iſt*; darnach wer - den die Ranken geroͤſtet, welches auf verſchiedene Art geſchiehet, theils auf dem Dache unter dem Schnee, theils indem man ſie in die See ſenkt**; theils indem man ſie bald auf der See, bald auf dem Lande umwechſelt; theils auch, wenn man die Ran - ken in fließend Waſſer legt, welches alles bald abſpuͤ - let, was durch das Roͤſten loßgemacht wird, und die - ſes haͤlt man fuͤr die beſte Art***. Manche laſſen ſie erſt einige Naͤchte im Taue liegen, ehe ſie das Roͤ - ſten anfangen, und dieſes ſoll auch ſeine gute Wuͤr - kung haben. Nachdem werden die Ranken an der Luft getrocknet, auf der Tenne gedroſchen, wieder im Backofen getrocknet, endlich gebrochen, und uͤbrigens wie Lein oder Hanf handthieret****. Hierbey iſt zumerken,355von den Leinwands-Fabriquen. merken, daß die Ranken hievon ſo fein werden koͤn - nen, als Hanf, wenn man ſie recht roͤſtet. Aber noch kann man ſie bisher nicht zur rechten Weiße bringen*****. Doch ſind dagegen die daraus geweb - ten Sachen viel ſtaͤrker, als von Lein oder Hanf, wie die Ranken auch an ſich viel zaͤher ſind, denn die Er - fahrung lehret, daß das Bleichen allezeit die Waare frißt******. Gleichwohl kann man dieſe Leinwand zu allerley Gebrauch anwenden, dazu ſie eben nicht ſo weiß ſeyn muß, an ſtatt deſſen kann man eine Farbe darauf bringen*******. Beſonders iſt dieß Gewebe ſehr dienlich fuͤr Bauern zu Sack-Leinwand, Hemden, Schleppkleidern, auch zu Strikken; aber zu Fiſch - Geraͤthſchaft dienet es nicht laͤnger, als ein Jahr, weil man auch verſpuͤret hat, daß ſich die Fiſche davor ſcheuen********.
Wir wollen aus der vorhin angefuͤhrten UrſacheErinnerun - gen wider dieſe Nach - richt. auch dieſe Nachricht mit einigen Anmerkungen beglei - ten, die ſich auf das beziehen ſollen, was wir mit Ster - nen gezeichnet haben.
So weit von den Hopfen-Ranken. Man wende die §. 342. angegebenen Regeln an, man wird noch viele Gewaͤchſe entdekken, die, wenn ſie gehoͤrig ſind zubereitet worden, zur Leinwand-Fabrique nicht ohne Nutzen koͤnnen gebraucht werden. Jch will nur noch kuͤrzlich von den Brennneſſeln reden. Jch habe dieſe ſelbſt zubereitet, und befunden, daß ſie einen recht fei - nen Faden geben, und daß der Werg von ihnen, wenn ſie ſind gehechelt worden, in den Strumpf-Fa - briquen nicht ohne vorzuͤglichen Nutzen zu gebrauchen ſey. Jch habe die genommen, welche Saamen tragen,welche357von den Leinwands-Fabriquen. welche man die maͤnnlichen Neſſeln nennet. Jch habe ſie genommen, da der Saame reif geweſen, das iſt acht bis vierzehn Tage nach Michaelis. Jch habe ſie in freyer Luft geroͤſtet, und nach den Regeln, die in dem §. 549. ſind vorgeſchrieben worden, zum Spin - nen bereitet, und der Erfolg iſt nach Wunſch ge - weſen.
Dieß iſt die erſte Zubereitung dieſer MaterialienVon dem Spinnen. zur Fabrique. Die andere iſt das Spinnen. Hier kommt es auf die Geſchicklichkeit des Arbeiters an, den Faden eben und ſo fein und lukker zu ziehen, als er nach der ihm geſezten Abſicht ſeyn muß. Soll demnach dieſe Fabrique aufs vollkommenſte gebracht werden, ſo muß auch der Arbeiter im Spinnen regel - maͤßig unterwieſen werden. Jch will hiebey nur noch dieß erinnern. Die Faͤden verliehren mehrentheils bey dem Spinnen durch das beſtaͤndige anfeuchten ihre Weiche. Sie werden ſteif und hart. Das An - feuchten iſt ſchlechterdings noͤthig, weil man ohne die - ſem keinen ebenen Faden bekommt. Daher ſollte man auf Mittel denken, eine Feuchtigkeit zu erfin - den, die keinen ſo widrigen Erfolg zu wuͤrken vermoͤ - gend waͤre. Haͤtte ich die Zeit, in dieſer Sache die erforderlichen Verſuche anzuſtellen, ich wuͤrde es mit ſeifartigen Feuchtigkeiten verſuchen. Die Wuͤrkung der Seife giebt mir Grund, zu glauben, es koͤnne dieß nicht ohne Nutzen ſeyn. Dieſe durch bas Spin - nen zubereitete Faͤden machen das ſogenannte Garn.
Anmerk. Man uͤberlege den Gebrauch des Zwirns, ſo wohl zu den Spitzen als auch zum Naͤ - hen. Man vergleiche den Werth des Zwirns mit dem Werth der Materie, woraus er geſponnen wird, und man wird es bald merken, daß hier einZ 3nicht358Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,nicht geringer Vortheil zu gewinnen ſey, wenn man nur die Kunſt verſtehet, feinen Zwirn durch alle Grade zu machen. Wer dieſen Vortheil er - langen will, der bereite den Flachs oder auch die Brennneſſeln nach den zuvor angegebenen Regeln. Er erſpare kein Geld Leute zu bekommen, die eben fein regelmaͤßig ſpinnen koͤnnen. Von der Blei - che wollen wir in dem folgenden handeln. Der Erfolg wird ihm ſeine Muͤhe reichlich bezahlen.
Jnsgemein wird das Garn, ehe es in die Haͤnde des Webers kommt, wiederum in einer Lauge ge - kocht, und geklopft, um es von dem unreinen und ſteifen Weſen zu befreyen, das es durch das Spin - nen bekommen hat. (§. 559.) Man wirft auch wohl in dieſe Lauge einige Stuͤkke Seife, um das Garn etwas klebrig zu machen, daß die Faͤden durch den Weberſtuhl genauer koͤnnen verbunden werden; ich will dieſe Ar - beit nicht verwerfen. Sie ſcheinet zum Theil noͤthig zu ſeyn. Wenn man aber den Flachs oder die Brenn - neſſeln nach oben veſtgeſezten Regeln zum Spinnen bereitet hat, ſo glaube ich nicht, daß dieſe Arbeit zu loben ſey. Jch wuͤrde meine Zuflucht zu der geiſti - gen Gaͤhrung nehmen. Wie denn? Man lege das Garn in einen cylinder-foͤrmigen Buttich, Dieſe Schichte unterſcheide man durch kleine dazwiſchen ge - ſteckte Hoͤlzer. Dieſe haben eine gedoppelte Abſicht. Einmahl einen leeren Raum zwiſchen dieſe Geſchich - te zu beſtimmen. Fuͤrs andere, zu verhindern, daß das Garn nicht alsdenn, wenn die Gaͤhrung erfol - get, zu weit in die Hoͤhe gehet. Dieſen Buttich fuͤlle man mit lauwarmen Covent, und dieſen ſetze man vermittelſt der Hefen in die Gaͤhrung. Viel - leicht wird man es erfahren, daß dieß die verlangtenFolgen359von den Leinwands-Fabriquen. Folgen vorzuͤglicher als die gewoͤhnliche Arbeit her - vorbringet.
Nunmehro kommt das Garn zum Weber. DenWorauf bey dem Weber zu ſehen, wenn die Leinwand fein kuͤnſtlichen Bau des Weberſtuhls zu beſchreiben, dieß gehoͤret zur Mechanik, und wer dieſe verſtehet, dem wird die Beurtheilung von jenem nicht ſchwer fallen. Wir wollen bey der Weberey nur einige Dinge an - merken, worauf der zu ſehen hat, der dieſe Beſchaͤf - tigung regieren ſoll. Das erſte Stuͤck, in der Vollkommenheit des Leinwands iſt, daß es in ſeiner Flaͤche eben. Folglich muß man bey der Weberey ſo wohl in dem Aufziehen, als auch bey dem Durchſchla - gen das Brechen der Faͤden verhindern. Sind die Faͤden recht fein, ſo kann dieß nicht verhindert wer - den, wenn ſie nicht feuchte bleiben. Daher folget ei - ne Haupt-Regel: Je feiner die Leinewand deſto feuchter muß der Ort ſeyn, wo ſie gewebet wird.
Das andere Stuͤck einer vollkommenen Leinwandund wenn es dichte wer - den ſoll? iſt, daß ſie dichte. Dieß haͤnget theils von der Be - ſchaffenheit des Weberſtuhls, theils von der Beſchaf - fenheit der Faͤden ab. Jener kann keine dichte Lein - wand machen, wenn die Zwiſchenraͤume der Faͤden auf dem Weberſtuhl zu weit. Daher muß auch in dieſer Abſicht der Weberſtuhl nach der Feinheit des darauf zu webenden Leinwands gebauet werden. Bey den Faͤden hat man in Anſehung dieſer Abſicht auf zwey - erley zu ſehen. Einmahl, daß ſie in ihrer Flaͤche etwas kleberigt. Denn alsdenn koͤnnen ſie durch das Zuſammenſchlagen zur cohaeſion gebracht werden, die nicht allein von der Figur abhaͤngt. Fuͤrs andere, daß ſie alſo ſind zubereitet worden, daß man ſie mitZ 4Grun -360Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,Grunde als hohle Haar-Roͤhrchens annehmen kann. Denn iſt dieß, ſo kann ihre Schnell-Kraft ein Mit - tel zur Ausdehnung, und hiedurch ein Mittel werden, auch den kleinſten Raum zu fuͤllen. Sollte wohl nicht die Gaͤhrung, die wir §. 560. angegeben haben, eine Urſache ſeyn, die beyde Eigenſchaften wuͤrket.
Wir kommen zur Bleiche. Die Hollaͤnder haben in dieſem Stuͤkke einen nicht geringen Vorzug. Jh - re Art das Leinwand zu waſchen und zu bleichen, wird in dem Journal oeconomique beſchrieben. Wir wol - len dieſe zuerſt anfuͤhren, und alsdenn unſere Gedan - ken von der Bleiche aus einander legen, ſo, daß ſie zugleich dasjenige anzeigen, worauf es bey der Zwirn - Bleiche ankommt. Die Beſchreibung von dem Wa - ſchen und Bleichen des leinen Zeuges in Holland, iſt in dem, nach unſerer Einſicht ſehr nuͤtzlichen allgemei - nen Magazin*) alſo uͤberſetzet: Es iſt wohl nie - mand, der nicht aus eigener Erfahrung wiſſen ſollte, wie viel das Leinzeug unter den Haͤnden der Waͤſche - rinnen abgenutzet wird. Man muß erſtaunen, wenn man die Schlagehoͤlzer, die man zu der groben, und wohl gar zu der nicht ganz gemeinen Leinwand ge - braucht, nur anſieht. Das Holz, worauf man ſie gemeiniglich klopft; denn bisweilen klopft man ſie auf Steinen; verlieret bald die wenige Glaͤtte, die man ihm zu dieſem Gebrauche giebt. Die feinſten Theile deſſelben verfaulen, und ſeine geriſſene und ausge. hohlte Oberflaͤche wird vollkommen geſchickt, die Lein - wand, welche das Waſſer, womit ſie angefuͤllt iſt, noch ſchwaͤcher und zarter macht, zu zerreiſſen. Die Lauge, wodurch ſie vorher gegangen iſt, dienet gleichſam zu einer Vorſicht, die man gebraucht hat, damit ſie ja dem uͤbeln Handthieren, das man ihr zugedacht, nichtwi -361von den Leinwands-Fabriquen. widerſtehen moͤge. Die Lauge iſt voller Aſche: dieje - nige, welche am meiſten Salz hat, wird fuͤr die be - ſte gehalten; und um ſie ſo zu machen, verſezt man ſie ſo viel man kann, mit Salzaſche. Jn Ermange - lung derſelben nimmt man Wied-Aſche, und ſehr oft Kalch. Dieſes leinen Zeug, das vier und zwanzig Stunden lang in dergleichen Waſſer eingeweicht, und von dem Salze in der Lauge ſchon durchloͤchert iſt, reibt man nun mit den groͤbſten Buͤrſten, klopft es auf einem unebenen Holze mit voller Gewalt, und ringt es nach aller Macht mit den Armen aus. Mit dem feinen leinen Zeuge geht man verhaͤltnißweiſſe noch beſſer um, und es iſt kein Wunder, daß ſo wohl das eine als das andere ſo wenig haͤlt.
Jnzwiſchen weiß faſt alle Welt, daß man in Hol -Fortſetzung dieſer Be - ſchreibung. land eine beſſere Weiſe beobachtet, und daß das lei - nen Zeug daſelbſt vollkommen dauerhaft erhalten wird. Weiter iſt es von ſelbſt bekannt, und man kann kei - ne Urſache finden, die man der Nachlaͤßigkeit die - ſem klugen und haushaͤlteriſchen Volke nachzuahmen beylegen moͤchte, außer der vollkommenen Gleichguͤl - tigkeit, die man gegen eine Kunſt, welche nur von den niedrigſten Leuten getrieben wird, aus einem uͤbel - angebrachten Stolze zu zeigen ſucht. Da aber in der innern Verfaſſung des Hausweſens die Erhaltung des leinen Zeuges keine geringe Sache iſt, ſo wollen wir hier zeigen, wie man in Holland zu Werke geht, es zu waſchen und zu bleichen. Damit diejenigen, welche bequem dazu wohnen, es genau nachahmen koͤnnen, und die uͤbrigen ſich, ſo viel als moͤglich, dar - nach richten moͤgen. Wenn eine Hollaͤndiſche Waͤ - ſcherin ihr leinen Zeug zuſammen geſucht hat, ſo nimmt ſie es Stuͤck vor Stuͤck und beſtreichet es an verſchie -Z 5denen362Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,denen Stellen mit gruͤner Seife; alsdenn wirft ſie es in einen Waſch-Kuͤbel, der nicht wie bey uns, ein Zapfloch hat, und dekt ein grobes Tuch, welches das Aſchtuch heiſt, daruͤber. Unter der Zeit, da dieß geſchiehet, kocht ein Keſſel mit Waſſer, worein man Aſche geworfen hat, auf dem Feuer, und wenn die Aſche wohl durchgekocht iſt, gießet man das Waſſer in den Waſch-Kuͤbel durch das daruͤber gebreitete Aſch - tuch, welches die Dienſte thut, daß es die Aſche, die mit dem Waſſer heraus gelaufen ſeyn mag, zuruͤck haͤlt. Man findet fuͤr gut, die Menge des Waſſers nach einem aͤhnlichem Verhaͤltniſſe mit der Menge des Leinwands zu erwaͤhlen. Nachdem man das kochende Waſſer aufgegoſſen hat, dekt man den Waſſer-Kuͤbel zu, und laͤſt es alſo wenigſtens fuͤnf oder ſechs Stun - den ſtille ſtehen. Nach Verlauf dieſer Zeit ziehen ſie ihr leinen Zeug wieder heraus, und ſeifens mit der Hand ein, wie man es mit der feinſten Waͤſche und den Spitzen macht. Hiernaͤchſt ſpuͤlt man es aus, und ſchickt es auf die Bleiche.
Die Bleiche iſt ein graſigter Platz, der gemeiniglich mit Graben und bisweilen mit Zaͤunen umgeben iſt. Durch einen ſolchen Platz gehen nach ſeiner verſchiede - nen Groͤße ein oder mehrere Kanaͤle, die tief genug ſind, daß, wenn man mit einer Schaufel ins Waſ - ſer faͤhrt, man nicht den Schlamm beruͤhrt, und das Waſſer nicht truͤbe macht. Das leinen Zeug wird laͤngſt den Kanaͤlen auf dem Graſe ausgebreitet, und man begießet es zween oder drey Tage uͤber, ſo oft es trokken wird. Dieſes Begießen geſchieht mit ei - ner Waſſer-Schaufel, wodurch ſich das Waſſer weit genug werfen laͤſt, viel leinen Zeug zu benetzen. Wenn nun das leinen Zeug weiß genug iſt, ſo ſtecktman363von den Leinwands-Fabriquen. man es in das blaue, und ſchickt es darauf wieder zu der Waͤſcherin, welche es allmaͤhlig ſo, wie ſie es platten will, zu trocknen ſucht.
So weit die Beſchreibung von dem Waſchen undErſte Anmer - kung bey die - ſer Beſchrei - bung. Bleichen des leinen Zeuges in Holland. Jch habe ſie nicht ohne Grund ganz angefuͤhret, ſie giebt uns Gelegenheit zum Nachdenken. Wir wollen uns die Freyheit nehmen, uͤber einige Punkte unſere Anmer - kungen zu machen. Wer Geſchicklichkeit genug beſi - zet, einer Sache nachzudenken, dem werden dieſe vielleicht nicht unangenehm fallen. Jn dem, was wir §. 563. angefuͤhret haben, werden zwey Fehler angegeben, einmahl, daß man die Leinwand in einer Lange kocht, und fuͤrs andere, daß man die Lein - wand ſo heftig blauet und reibet. Das erſte ſoll dar - um ein Fehler ſeyn, weil die Lauge die Leinwand zer - frißt und alſo muͤrbe macht. Jch weiß es nicht, ob man dieß allgemein behaupten koͤnne, und ob es nicht vielmehr ein Erfolg von der Beſchaffenheit einer be - ſtimmten Lauge ſey. So viel iſt gewiß, daß dieſes Kochen bey einer bereits gebleichten Leinwand, wenn man dieſe nur wiederum reinigen will, uͤberfluͤßig iſt. Wenn man ſie aber in derjenigen Lauge kocht, die ich oben beſchrieben habe, und zwar ſo, wie ich ſie beſchrieben habe, ſo wird man gewiß keine widrige Wuͤrkung erfahren. Das andere iſt ein offenbarer ob zwar gewoͤhnlicher Fehler. Das ſtarke Klopfen und Reiben muß nothwendig die Faͤden muͤrbe ma - chen, welches ſchon aus den Regeln der Bewegung zu erklaͤren.
Bey dem, was in dem §. 564. iſt angefuͤhret wor - den, muß man fragen, was iſt dieß fuͤr eine Aſche, und warum wird von dieſer Lauge das Leinwand nicht gefreſſen? Sollte dieſe Einweichung wohl hinrei - chend ſeyn, das Leinwand von der durch den Gebrauch erhaltenen Unreinigkeit voͤllig zu reinigen? Viel - leicht haben ſie hiebey ein Mittel, eine Art der Gaͤh - rung zu wuͤrken, dieſe wuͤrde wohl nicht ohne Nutzen ſeyn.
Wir wollen nun auch unſere Gedanken von der Bleiche in Ordnung bringen. Wir muͤſſen das Blei - chen der rohen Leinwand von dem Bleichen der durch den Gebrauch unrein gewordnen, aber ſchon gebleich - ten Leinwand unterſcheiden. Was wir aus dem all - gemeinen Magazin vorhin angefuͤhrt haben, das ge - het eigentlich auf das lezte. Doch aber wird es uns Gelegenheit geben, die Beſchaͤftigungen auf einige Regeln zu bringen, die das erſte vollkommen machen koͤnnen. Wir wollen die Urſache unterſuchen, war - um das rohe Leinwand noch nicht vollkommen weiß, und aus dieſem die Mittel ſchluͤßen, wie es durch die Bleiche zur voͤlligen Weiße koͤnne gebracht werden.
Jch gebe es zu, daß eine Haupt-Urſache von den Farben in dem zu ſuchen ſey, wie das Licht von einer Flaͤche zuruͤckprallt, und in unſre Augen geworfen wird. Allein der Wirth kann ſich um dieſe Urſache der Farbe nicht bekuͤmmern. Dieß uͤberlaͤſt er der Natur. Er fragt, wie kann ich eine Flaͤche alſo zu - bereiten, daß ſie meinem Auge vollkommen weiß ſchei - net? Wenn zwey Koͤrper, fuͤr ſich betrachtet,gleich365vou den Leinwands-Fabriquen. gleich weiß ſind, und der eine iſt dichter wie der andere, ſo ſcheinet es doch unſerm Auge, als wenn dieſer weißer ſey, als jener. Dieß iſt eine Erfahrung, und ich kann es annehmen, es ſey der Grund von dieſem, weil von dem dichterem Koͤrper mehr Licht zuruͤckprallet als von jenem.
Aus dieſem ſchluͤße ich:
Die Erd-Theile, welche auf der Flaͤche einesGrund von von dem Mangel der Weiße. Koͤrpers, ſchwaͤchen ſeine weiße Farbe. Auch dieß iſt eine Erfahrung.
Aus dieſem ſchluͤße ich
Das Oel oder Fett, wenn es mit einem Al - kali verbunden, wird weiß, wenn es ſich mit dieſem zu einem feſten Koͤrper coaguliret. Auch dieſen Satz kann ich mit Grunde als einen Satz an - nehmen, den die Erfahrung beſtaͤtiget.
Aus dieſem ſchluͤße ich: Man muͤſſe bey der Bleiche auf Mittel denken, in die Zwiſchenraͤume der Lein - wand und in die Stelle der abgeſonderten Erd-Thei - le ein mit Alkali verbundenes Oel alſo hinein zu brin - gen, daß es ſich mit den uͤbrigen Theilen der Lein - wand zuſammen haͤngen, und mit dieſem einen ve - ſten Koͤrper machen koͤnne.
Wenn wir dieſe Saͤtze zuſammen faſſen, und da - bey merken, daß wir die Anfaͤnge der Natur nicht anders, als in der Vermiſchung bekommen koͤnnen, und es daher nicht allemahl gleich viel iſt, ob wir ſie aus dieſem oder jenem Koͤrper nehmen, wenn ſie ge - ſchickt ſeyn ſollen, unſere Abſicht vollkommen zu wuͤr - ken; ſo wird man bald mit mir einig ſeyn, daß eine Bleiche, die nach folgenden Regeln eingerichtet wird, nicht ohne Nutzen ſeyn koͤnne, woferne das Garn und die Leinwand, nach den zuvor angegebenen Regeln iſt zubereitet und verfertiget worden.
Die erſte Regel: Die Leinwand, welche ſoll gebleicht werden, beſtreicht mit reiner Sei - fe, alsdenn legt ſie in einen Kuͤbel und gieſt eine filtrirte und heiße Lauge daruͤber, die zwar nach dem §. 549. iſt gemacht worden, aber doch ſehr mit reinem Waſſer verduͤnnet. Bedeckt dieſen Kuͤbel und laſt es alſo eini -ge367von den Leinwands-Fabriquen. ge Stunden ſtehen. Jch glaube 12 Stun - den ſind nicht zu viel, auch nicht zu wenig.
Die andere Regel: Nehmet dieſe Leinwand alsdenn heraus, ſeift ſie ein, und ſpuͤlet ſie im frifchen, aber doch reinem Waſſer ab.
Die dritte Regel: Breitet dieſe Leinwand, ſo ſteif als es moͤglich iſt, auf einen Platz, der nicht gar zu niedrige Raſen hat. Denn kom - met die Leinwand unmittelbar auf die Erde zu liegen, ſo kann die Sonne zu ſtark wuͤr - ken, die Feuchtigkeiten werden im Durchdrin - gen verhindert, beydes iſt der Abſicht zuwi - der*.
Die vierte Regel: So oft ſie anfaͤngt trokken zu werden, begieſt ſie wiederum, mit reinem Waſſer**.
Die fuͤnfte Regel: Wenn ſie einen merklichen Grad der Weiße erlanget, ſo fanget wider - um von forne an, wie es bey der erſten Re - gel iſt beſchrieben worden. Wiederhohlet die andere dritte und vierte Regel.
Dieſe Abwechſelung und Wiederhohlung kann ſo oft geſchehen, als es noͤthig thut. Die Regeln dieſer Aufloͤſung ſind Folgen aus dem, was wir §. 569. bis 574. angemerket, und, wie ich es glaube, bewieſen haben, und alſo koͤnnen wir mit Grund den Erfolg hoffen, den wir wuͤnſchen.
Was wir §. 543. von der Leinwand angemerket haben, das kann auch hier wiederhohlet wer - den. Man darf nur dasjenige veraͤndern, was die Natur der Sache zu veraͤndern gebiethet. Unſere Abſicht gehet demnach nur dahin, daß wir diejenigen Stuͤkke unterſuchen wollen, worauf wir alsdenn ſe - hen muͤſſen, wenn die Werke dieſer Fabriquen ſollen vollkommen und verbeſſert werden.
Zuerſt von der Guͤthe der Wolle. Dieſe wirdDie Guͤthe der Wolle wird aus drey Stuͤkken beurtheilet. aus drey Stuͤkken beurtheilet. Das erſte, wenn ſie reine. Das andere, wenn ſie fein, das iſt, in recht duͤnne Faͤden durch das Spinnen kann gebracht wer - den. Das dritte, wenn ſie linde, das iſt, nicht ſtraubigt, wie die Haare.
Anmerk. Das lezte iſt beynahe das Stuͤck, wo - durch wir die Wolle von den Haaren unterſcheiden. Z. B. warum nennen wir das haarige Weſen, was wir von einigen Kraͤutern oder Straͤuchern auf dem Felde ſammlen, eine Wolle, und warum wer - den einige Haare, die von den Cameel-Thieren in den morgenlaͤndiſchen Oertern abgeſchoren werden, eine Wolle genennet?
Die Reinigkeit der Wolle zu erlangen, wird ſieWie das er - ſte zu erlan - gen? gewaſchen. Es waͤre zu verſuchen, ob nicht dieß, was wir von der Zubereitung des Flachſes §. 549. und von der Waͤſche der Leinwand §. 575. geſagt ha - ben, auch bey der Waͤſche der Wolle mit Nutzen koͤnnte gebraucht werden. Jch habe dieß zwar nicht verſucht. Jch finde aber auch keinen Grund, das Gegentheil zu vermuthen. Unterſuche ich den Grund von jenen Wuͤrkungen, und vergleiche dieſe mit der Beſchaffenheit der Wolle, (§. 299. f.) ſo muß ich auch bey dieſem Stuͤkke einen erwuͤnſchten Erfolg hoffen. Nehme ich die Erfahrung zur Huͤlfe, ſo giebt mir auch dieſe keine Urſache, meine Gedanken zu veraͤn - dern. Kann man durch dieſe Mittel den Werg vom Flachſe, die Federn, die Brennneſſeln beynahe in die ſchoͤnſte Wolle verwandeln, warum ſollten ſie nicht die wuͤrkliche Wolle merklich verbeſſern koͤnnen.
Recht feine Wolle zu erhalten, ſo vertheilet man zuerſt die Wolle, wenn die Schaafe geſchooren wer - den, in verſchiedene Claſſen, oder wenn wir kunſt - maͤßig reden wollen, in verſchiedene Nummern. Die, welche um die Gegend des Herzens geſeſſen, iſt die feinſte, und macht die erſte Nummer, die naͤch - ſte bey dieſem iſt die mittlere Art, und macht die an - dere Nummer, die auf dieſe folget, aber doch noch ganz und gut iſt, macht die dritte Nummer, Die uͤbrige Wolle, die zerriſſen und verdorben, kommt un - ter den Auswurf, und wird nur zu groben Zeugen verarbeitet.
Der Kuͤnſtler bemuͤhet ſich, die Wolle durch das Schlagen feiner zu machen. Er legt die Wolle, wenn ſie gewaſchen iſt, auf Horden, und ſchlaͤget ſie mit Stekken, um hiedurch zu verurſachen, daß ſich die Haare aus einander geben. Worauf man bey der Fuͤtterung der Schaafe zu ſehen hat, wenn die Wolle fein werden ſoll, dieß haben wir bereits oben §. 301. f. beſchrieben. Will man das verſuchen, was wir §. 578. erinnert haben, ſo wird vielleicht, wie ich es nicht ohne Grund glaube, auch dieß ein Weg ſeyn, den hoͤchſten Grad der Feine auch bey der Wolle zu erhalten.
Anmerk. Vielleicht kann auch dieß ein Mittel werden, die Wolle von den Schmier-Schafen voll - kommen gut zu machen.
Wie bekommt man linde Wolle? Wenn wir uns um die Mittel bekuͤmmern, durch welche die Natur dieſe Eigenſchaft der Wolle wuͤrket, ſo lernen wir,daß371von den Woll-Manufacturen. daß wir auf zwey Stuͤkke zu ſehen haben. Einmahl auf die Futterung. Dieſe muß oͤligt, alkaliſch und nicht ſauer ſeyn. ſ. §. 301. Fuͤrs andere, auf die Zeit, in welcher man die Trift ſchließet, und die Schaafe im Stalle laͤſt. Die Engellaͤnder laſſen ihre Schaafe ſo lang, als nur moͤglich, bis in die Schnee - Zeit unter freyem Himmel, und dieß giebt ihnen lindere Wolle, als wenn ſie die Trift Zeit verkuͤr - zen*).
Anmerk. Dieß giebt uns einen Grund von dem Verboth, das in verſchiedenen Policey-Ord - nungen zu finden: Daß man unter den Schaa - fen keine Ziegen-Boͤkke halten ſoll. Laͤſt man dieſe zu den Schaafen, wie es viele Schaͤfer thun, ſo ge - ben zwar die Schaafe mehr Wolle am Gewichte, ſie iſt aber nicht linde, ſondern grob und ſtraubig.
Jſt die Wolle von Natur nicht linde genug, ſoKuͤnſtliche Mittel. bemuͤhet ſich der Kuͤnſtler, dieſen Fehler durch das Schmaͤlzen zu heben*. Er handelt nicht ohne Grund, weil das Fett dem Koͤrper das benimmt, wo - durch er ſtraubig oder ſproͤde iſt (§. 32.). Er nimmt Baum-Oel, Butter, oder Ruͤb-Oel, am Ge - wichte den halben, dritten oder vierten Theil von der Schwere der Wolle. Mit dieſem wird die Wolle ein - geſchmieret und getraͤnket. Dieſe geſchmaͤlzte Wolle wird geſchlagen, in einem Keſſel heißes Seif-Waſſer eingeweichet, und alsdenn gewaſchen.
Sollte der von uns §. 578. angegebene Verſuch, wie ich es hoffe, gluͤcklich ausſchlagen, ſo wird auch dieſe Zubereitung der Wolle das Schmaͤlzen unnoͤthig machen. Und iſt dieß, ſo hat man bey der Verbeſ - ſerung der Woll-Manufacturen vieles gewonnen. Der Grund von dieſem Vortheile wird vieles von dem unterſtuͤtzen, was wir in der Folge abhandeln werden.
Jſt die Wolle gewaſchen und gerungen, ſo wird ſie durch die Kaͤmme gezogen. Dieſe Beſchaͤftigung ſoll hier das wuͤrken, was bey dem Flachſe das Hecheln wuͤrket. ſ. §. 548. Daher vertheilet ſie die Wolle in zwey Arten. Durch die Kaͤmme gehen die langen Haare, und die kurze Wolle bleibt unten im Kam - me ſtekken, wie der Werg bey dem Hecheln des Flach - ſes. Sie koͤnnte daher mit Recht der Woll-Werg genennet werden. Von den Kuͤnſtlern wird ſie ſchlecht - hin Lock genennet.
Aus der langen Wolle wird ein ſcharf gedrehetes Garn geſponnen. Da nun dieſes veſte und glatt, und alſo wenige Faͤſergen aus dem Faden herfuͤr ragen, ſo muß ſeine Flaͤche vieles Licht, was wenig gebrochen wird, zuruͤck werfen. Daher giebt ſie einen der Sei - de aͤhnlichen Glanz. Wir wollen dieſes Garn, um uns in der Folge kurz auszudruͤkken, das Woll-Garn nennen*).
Der Woll-Werg wird zum Gebrauch durch die Car -Vom Car - tetſchen. tetſche zubereitet. Dieß ſind kleine Bretter, die brei - ter als hoch, die mit geſchmeidigem Leder uͤberzogen, und mit ſehr kleinen und etwas gebogenen Spitzen be - ſetzet. Durch dieſe ziehet man den Woll-Werg, um alle Faͤden ſo klein zu zerreißen, als moͤglich, und die - ſen, weil er das Kaͤmmen nicht vertraͤgt, ganz duͤnne zu zaußen. Dieſe Beſchaͤftigung nennet man die Wolle cartetſchen.
Aus dieſer Beſchreibung folget, daß uns das Car -Cartetſchte Wolle. tetſchen eine lokkere und aufgeſchwollene Wolle giebt, woraus man nur ſchwach gedrehtes Garn, deſſen Faͤ - ſergen ſich nach allen Seiten ſtrekken, ſpinnen koͤnne. Wir wollen dieſes Garn, um es von dem zu unter - ſcheiden, was wir §. 585. benennet haben, das car - tetſchte Garn nennen.
Die erſte Anmerk. Jn dem oben aus dem Schauplatze der Natur angezogenen Orte wird hie - von alſo geredet: Jndem die kurzen Haare vermit - telſt der Cartetſche nach der Laͤnge und Quere, und auf alle moͤgliche Weiſe durch einander geworfen worden, ſo koͤnnen ſie unmoͤglich gedreht werden, daß ſie einen unaufhoͤrlichen Trieb behielten, ſich gerade zu ſtrekken, und auseinander zu gehen. Al - ſo muß der Faden, worein man ſie zwinget, rauch, ſtraubicht und ſcharf gedrehet ſeyn.
Die andere Anmerk. Will man auch von der langen Wolle dieſe Wuͤrkung haben, ſo muß ſie nicht gekaͤmmet, ſondern cartetſcht werden.
Aa 3Die374Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,Die dritte Anmerk. Man bereite den Werg von dem Flachſe und von den Brennneſſeln, wie wir es §. 549. beſchrieben haben. Man kaͤmme dieſen in einer Nachahmung des Cartetſchens, und man wird eine Materie bekommen, aus der man, nach - dem man ſie regelmaͤßig hat ſpinnen laſſen, Zeuge zum Betten und dergleichen mit Nutzen verferti - gen kann.
Wenn wir das, was wir von der Zubereitung der Wolle, und dem Unterſchiede, der theils aus dieſer Zubereitung, theils aus der §. 579. beruͤhrten Ein - theilung entſtehet, abgehandelt haben, mit dem verbin - den, daß man die Baum-Wolle von der Wolle, die man von den Thieren nimmt, unterſcheidet. Wenn man hiebey ferner erweget, daß man bey Verferti - gung der Zeuge die Wolle mit Lein-Garn, mit Haa - ren u. ſ. f. vermiſchen koͤnne, ſo wird es nicht ſchwer fallen, uns einen Begriff von dem zu machen, woher die verſchiedenen Arten von dem gewebten Zeuge ent - ſtehen. Wir wollen die Gruͤnde, aus welchen dieſer Unterſchied entſtehet, kurz bemerken.
Zuvor muͤſſen wir einige Redens-Arten erklaͤren, die einige Hauptſtuͤkke bey dem Weben der Zeuge un - terſcheiden. Wenn Zeuge gewebet werden, ſo unter - ſcheidet man zwey Arten von Faͤden, einige werden uͤber den Weberſtuhl geſpannet, und dieſe nennet man den Aufzug, oder den Zettel. Dieſer iſt eigentlich der Grund des Gewebes. Andere werden durch die Faͤden des Zettels, indem der Weberſtuhl dieſe wech - ſelsweiſe auf - und nieder ziehet, geſchoſſen, und dieſe nennet man den Einſchlag, oder den Eintrag. Dieſer giebet dem Zeuge ſeine Dichte, und macht eszu375von den Woll-Manufacturen. zu dem, was es ſeyn ſoll. Aus dieſem folget, daß die Faͤden zum Aufzuge nicht ſchwaͤcher ſeyn muͤſſen, als die zum Einſchlage.
Der erſte Grund, die Zeuge zu unterſcheiden, iſtDieſe ſind zu unterſchei - den in Anſe - hung ihrer Materie das Verhalten des Aufzuges oder Zettels zu dem Ein - ſchlage oder Eintrage. Die Faͤden zu beyden werden entweder von einerley Materie, nehmlich von Wolle, oder von verſchiedener Materie genommen. Jſt je - nes, ſo ſind ſie entweder Faͤden von der Wolle der Thiere, oder von Baum-Wolle; oder die eine Art iſt von Baum-Wolle, und die andere von der Wolle der Thiere.
Jn Anſehung des erſten Stuͤkkes, wo beyde Artenund in Anſe - hung ihres Urſprunges. der Faͤden ſo wohl zum Zettel als auch zum Eintrage von der Wolle der Thiere genommen werden, iſt wie - derum ein Unterſchied zu machen, wenn beyde Ar - ten von Faͤden, Woll-Garn, (§. 585.), oder gecar - tetſchtes Garn (§. 587.) oder die eine Art von je - nem und die andere von dieſem.
Jſt ſo wohl der Zettel als auch der Eintrag vonWoher die Etamine, Sarche, Floͤ - re Woll-Garn, ſo entſtehen daher, wenn die Faͤden veſt geſchlagen worden, die Etamine, ſind aber die Faͤ - den nur wenig geſchlagen, ſo, daß das Zeug durch - ſichtig bleibt, die Floͤre. Der Unterſchied dieſer Din - ge iſt in dem, wie fein die Wolle, theils in dem, wie ſtark die Faͤden ſind gedrehet worden. Sind bey den Etaminen die Faͤden zum Einſchlage nicht ſo ſtark gedrehet, wie zum Zettel, ſo verlieren ſie die Namen Etamine und werden Sarche genennet.
Wenn ſo wohl der Zettel als auch der Eintrag von cartetſchter Wolle, ſo wird das Zeug insbeſondere Tuch genennet. Man wird es uns leicht verwilligen, daß der Grund von dem inneren Unterſchiede der Tuͤcher theils die Feine der Wolle, theils das Schlagen der Faͤden, ob ſie nehmlich auf dem Weberſtuhl veſt oder nur wenig geſchlagen, theils die Art der Wolle, wel - che iſt cartetſcht worden, ob ſie nehmlich die lange Wolle, oder nur der Werg der Wolle.
Giebt Woll-Garn den Zettel, und cartetſchtes Garn den Eintrag, ſo entſtehen daher die Raſche. Sind bey dieſen die Faͤden zum Eintrag feiner als zum Zet - tel, ſo verliehren ſie den Namen Raſche, und werden Droguette genennet. Die uͤbrigen Gruͤnde des Un - terſchiedes dieſer Zeuge ſind mit den vorher angefuͤhr - ten einerley.
Nimmt man an der Stelle der Wolle von den Thieren die Baum-Wolle, ſo entſtehet aus dieſen der Cattun, wie aus jenen die Etamine. Ferner ent - ſtehet aus dieſem der Canefas, wie aus jenem das Tuch. Die Cattune werden alsdenn Zitze genen - net, wenn die Faͤden feine und veſt geſchlagen wor - den. Man kann auch eine Art von Zeuge aus die - ſer Wolle zur Nachahmung der Raſche und Dro - guette machen.
Der §. 590. lehret es uns, daß noch eine Art von Zeuge moͤglich ſey, von der ich es nicht weiß, ob ſie iſt gemacht worden. Nehmlich, man kann den Zettel von der Wolle der Thiere, und den Eintrag von derBaum -377von den Woll-Manufacturen. Baum-Wolle, man kann auch den Zettel von der Baum-Wolle und den Eintrag von der Wolle der Thiere nehmen.
Wird das Garn zum Zettel und zum Eintrag vonCamelot. verſchiedener Materie genommen, ſo nimmt man bald den Zettel von Camel-Garn, und den Einſchlag von Woll-Garn, alsdenn nennet man das Zeug Came - lot. Man nehme zum Zettel Ziegen-Haare, ſo be - kommt man eine Nachahmung dieſes Zeuges.
Bald nimmt man den Zettel von Lein-Garn, undVerneuil, Barchent. den Eintrag von Vieh-Wolle, woraus der Verneuil entſtehet. Wird im Gegentheil der Eintrag von Baum-Wolle genommen, ſo entſtehet der Barchent.
Wer ein Verlangen hat, alle moͤgliche StuffenWie mehre - re Arten zu entdekken. von den beſchriebenen Arten der Zeuge und neue Ar - ten zu entdekken, der darf nur die Gruͤnde, die wir §. 588. und 590. angegeben haben, durch alle moͤg - liche Faͤlle beſtimmen. Hiebey mit auf die Seide, auf das Garn von den Hopfen-Ranken, von den Brennneſſeln, von den Federn und von den verſchie - denen brauchbaren Haaren ſehen. Ferner erwaͤgen, daß man die Faͤden auch hiedurch unterſcheiden koͤn - ne, ob ſie ſtark oder ſchwach gedrehet, und alsdenn die Regeln von der Erfindung der Begriffe durch die Verbindung der Merkmahle anwenden, der wird gewiß dasjenige erlangen, was er wuͤnſchet.
Jch habe von dieſem Unterſchiede nach meiner Ab -Mehrere Gruͤnde hie - zu.Aa 5ſicht378Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,ſicht genug geſagt. Nur dieß will ich noch anfuͤhren, daß man bey Unterſcheidung dieſer Zeuge auch auf folgende Stuͤkke ſehen koͤnne; Einmahl, ob der Auf - zug einfach, oder zwiefach, oder dreyfach u. ſ. f. Fuͤrs andere, wenn der Aufzug vielfach, ob die Faͤden hie - zu von einerley oder von verſchiedener Art. Fuͤrs dritte, ob die Flaͤche des Zeuges eben, oder mit er - habenen Streifen und Blumen gewebet. Fuͤrs vier - te, ob die Flaͤche glatt oder wollig. Fuͤrs fuͤnfte, ob in dem Falle, wenn der Aufzug vielfaͤltig, die Faͤ - den des Eintrags von einerley oder von verſchiedener Art u. ſ. f. Eine genauere Beſtimmung dieſer Stuͤk - ke kann uns einen Begriff von dem Damaſt, von dem Sammet und ſo ferner, geben.
So weit von dem Unterſchiede der Zeuge. Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn wir noch mit we - nigem dasjenige unterſuchen, was das Walken der Zeuge, als wovon ein merklicher Theil ihrer Schoͤn - heit abhanget, wuͤrken ſoll. Es iſt um deſto mehr noͤthig, daß wir dieſen Punkt unterſuchen, weil die Walke den engellaͤndiſchen Tuͤchern und Zeugen den groͤſten Vorzug giebt. Man macht einen Unterſchied unter der Waſch-Walke und troknen Walke. Zuerſt von der Walſch-Walke. Wir wollen dieſe beſchrei - ben, ihre Abſicht beſtimmen, und aus dieſem dasjeni - ge ſchluͤßen, worauf es bey ihrer Vollkommenheit an - kommt.
Die Beſchaͤftigung bey der Waſch-Walke iſt dieſe: Das Zeug wird mit einer Erde beſchmieret, die das fette Weſen in ſich ſchlukket, dieſe heiſt die Walk - Erde. Dieß uͤbergeſchmierte Zeug wird im Stock unter die Walk-Haͤmmer geleget. Jn den Stockwird379von den Woll-Manufacturen. wird etlichemahl friſches Waſſer gelaſſen. Jn dieſem wird das Zeug mit den Haͤmmern ſo lange durchge - arbeitet, bis es von der anklebenden Erde und von dem Fette, und allen durch das Weben erhaltenen Un - reinigkeiten geſaubert.
Dieß lehret uns zugleich die Abſicht der Waſch -Jhre Abſich[t] Walke. Wir haben es §. 582. angemerket, daß die Wolle durch das Schmaͤlzen zur Verarbeitung geſchickt gemacht werde. Bey dem Weben wird das Garn zum Eintrag mit Leim geſteifet, damit man es beſſer bey der Verarbeitung regieren koͤnne. Dieß iſt ge - nug, zu beweiſen, daß in dem Zeuge, wenn es vom Weberſtuhl kommt, vieles Fett ſtekke. So lange dieß Fett im Zeuge bleibet, kann es weder ſchoͤn noch dauerhaft gefaͤrbet werden. Die Waſch - Walke ſoll dem Zeuge dieß Fett benehmen, und alſo iſt es klar, daß ſie das Zeug zum Faͤrben bereitet.
Aus dieſem folget, daß die Waſch-Walke bey demBeſondert Folge. Zeuge, das nicht ſoll gefaͤrbet werden, nicht noͤthig ſey.
Anmerk. Soll das Zeug recht weiß werden, ſo kann man auch hier das anwenden, was wir oben von der Bleiche geſaget haben.
Nunmehr wird es nicht ſchwer fallen, dasjenige,Jhre Voll - kommenheit. veſtzuſetzen, worauf es bey der Vollkommenheit der Waſch-Walke ankommet, weil die Mittel alsdenn voll - kommen ſind, wenn ſie die Abſicht vollſtaͤndig wuͤrken koͤnnen. Das wichtigſte Stuͤck, von dem dieſe Voll - kommenheit abhaͤnget, iſt die innere Beſchaffenheit derWalk -380Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,Walk-Erde. Dieſe iſt alsdenn die beſte, wenn ſie vieles Alkali in ſich faſſet. Der Beweiß hievon iſt dieſer: Durch Huͤlfe der Waſch-Walke ſollen die Zeuge das Fett verliehren. Folglich ſoll das Waſſer das Fett vom Zeuge loßreißen, und die Erde ſoll es alsdenn verſchlukken. Das Waſſer loͤſet kein Fett auf, wenn es nicht ſeifig iſt. Folglich iſt die Walk - Erde vollkommen, wenn ſie alsdenn, da gewalket wird, das Fett im Zeuge ſeifig macht. Das Fett wird ſei - fig, wenn deſſen Theile mit einem Alkali verbunden worden. Jſt demnach die Walk-Erde mit vielem Al - kali angefuͤllet, ſo iſt dieß ein Beweiß von der Guͤthe dieſer Erde.
Den Erfolg koͤnnen wir uns in dieſer Ordnung gedenken, das Waſſer durchdringet die Erde, und durch das beſtaͤndige Stampfen wird das Alkali, das in der Erde ſtekt, mit dem Waſſer vermiſcht. Dieß durchdringet das Zeug, und durch das beſtaͤndige Stampfen wird das Alkali mit dem Fett verbunden, es macht dieß ſeifig, und darum wird es von dem Waſſer aufgeloͤſet, durch das beſtaͤndige Stampfen ausgedrukket, und von der ſchwammigten Erde ver - ſchlukket.
So weit von der Waſch-Walke. Die trokkene Walke hat zur Abſicht, die Zeuge veſt zu machen. Sollen ſie glatt bleiben, ſo giebt man ihnen nur die halbe Walke, ſollen ſie aber Tuchartig werden, ſo bekommen ſie die ganze Walke. Beyde ſind nur in Anſehung der Zeit, und der Gewalt unterſchieden. Kommen die Zeuge vom Weberſtuhl, ſo ſtehet nicht nur insgemein das eine Ende von den Faͤden auf der Flaͤche des Zeuges, ſondern es ragen auch viele Faͤſergen und Knoten hervor, und darum iſtdas381von den Woll-Manufacturen. das Zeug nicht glatt. Das Stampfen bey der halben Walke bringet dieſe Dinge in das Gewebe, daher wird es dichter und eben.
Wird dem Zeuge die ganze Walke gegeben, ſo wer -und der gan - zen Walke. den die Faͤden des Eintrags durch das viele Stam - pfen in die Faͤden des Zettels oder Aufzuges einge - preßt, daher werden dieſe aufgelokket und zu einer groſſen Dikke gebracht. Dieß wird gnug ſeyn, uns von dieſen Beſchaͤftigungen einen Begriff zu machen.
Anmerk. Wer das, was wir von den Lein - wands-und Woll-Fabriquen, beſchrieben haben, genau uͤberleget, dem wird es nicht ſchwer fallen, dasjenige zu beurtheilen, worauf es bey den Sei - ten-Fabriquen ankommt. Er darf ſich nur um die Art und Weiſe bekuͤmmern, wie die Seide zu - bereitet wird. Die Grenzen, die ich mir geſezt habe, verbiethen es, dieſen Punkt hier beſonders zu unterſuchen.
Die Farbe, welche der Kuͤnſtler ſeinen WerkenAbſicht die - ſes Capitels. giebt, erhoͤhet nicht nur, wenn ſie vollkom - men iſt, ſehr oft den Werth der Sache, ſondern ſie wird auch alsdenn ein vorzuͤgliches Mittel, den Han - del zu erweitern und der Fabrique ein Anſehen zu ge - ben. Dieß iſt die Urſache, warum wir noch mit wenigem von der Faͤrberey handeln wollen. Aber wie weit? Sollte ich den Urſprung der Farben unterſu -chen,382Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,chen, die Mittel angeben, aus welchen dieſe oder jene Farbe koͤnne bereitet werden, und den Weg, dieſe zu bereiten beſchreiben, ſo wuͤrde ich mich zu weit von meiner gegenwaͤrtigen Abſicht entfernen. Wer die Lehre von den Farben unterſuchen will, den will ich zum Neuton und Caſtell verweiſen. Und wer ein Verlangen traͤgt ſich einen Begriff von der Verferti - gung der Farben und von dem zu machen, wie man dieſe zum Nutzen der Menſchen anwenden koͤnne, der wird nicht ohne Nutzen die Artem tinctoriam fun - damentalem leſen, die von vielen dem beruͤhmten Col - bert zugeeignet wird. Jetzo gehet meine Abſicht nur dahin, daß wir einen Begriff von den Farben, und von den Stuͤkken machen wollen, worauf wir alsdenn ſehen muͤſſen, wenn eine Farbe ſoll vollkommen und dauerhaft werden. Vielleicht kann dieſe Anleitung denen, welche ſich um die Faͤrberey zu bekuͤmmern ha - ben, Gelegenheit geben, durch Nachdenken auf das - jenige zu verfallen, was in ihren Werken eine Un - vollkommenheit wuͤrket, und was es macht daß ihnen das unmoͤglich, was an andern Orten moͤglich iſt.
Die Farben, wenn wir dieſes Wort kunſtmaͤßig nehmen, und alſo diejenigen Dinge darunter verſtehen, die man anwenden kann, andern Dingen eine Farbe zu geben, werden mit Grunde in die einfachen, in die mittel Farben und in die vermiſchten getheilet. Ein - fache Farben, die auch von andern Grund-Far - ben genennet werden, ſind diejenigen, die der Kuͤnſt - ler in keine andere Farben zerlegen, und von welchen er es durch die Erfahrung nicht zeigen kann, daß ſie aus andern Farben entſpringen. Nach dieſem Be - griff zehlet der Kuͤnſtler fuͤnf einfache Farben die blaue, die rothe, die gelbe, die braune, die ſchwarze.
Alle dieſe Farben haben verſchiedene Grade, diemitlere wir durch die Sinne unterſcheiden koͤnnen. Dieſe ſind nichts als eine Erhoͤhung oder Vertiefung deſſen, wodurch ſie Farben von der beſtimmten Art, und dieſe Grade werden die Mittel-Farben genennet. Dieſe Grade werden durchs Gewicht, durchs Sieden, und durch den Zuſatz ſolcher Materialien, die vor ſich nicht faͤrben, erhalten. Und dieß iſt die Urſache, war - um ſie noch nicht vermiſchte Farben genennet werden.
Vermiſchte oder zuſammengeſezte Farben ſindund ver - miſchte Far - ben. endlich diejenigen, die aus der Vermiſchung einfacher Farben auf verſchiedener Art entſtehen. So iſt z. B. die gruͤne Farbe eine vermiſchte Farbe, ſie entſtehet aus der Vermiſchung der blauen und gelben Farbe.
Anmerk. Die verſchiedenen Grade der Mittel - Farben, und die verſchiedenen Arten, welche aus der Vermiſchung entſtehen, ſind in dem dritten und vierten Theil der zuvor angefuͤhrten artis tincto - riae umſtaͤndlich angemerket und beſchrieben werden.
Wir wollen zuerſt die Fehler einer Farbe beſchrei -Der erſte Fehler einer Farbe. ben, fuͤrs andere die Urſachen dieſer Fehler unterſu - chen, und alsdenn einige Mittel vorſchlagen, dieſe Fehler zu vermeiden. Der erſte Fehler einer Farbe iſt, wenn ſie der natuͤrlichen, die ſie abbilden ſoll, nicht aͤhnlich. Dieß iſt die unmittelbare Folge aus dem Begriff der Schoͤnheit.
Der Haupt-Grund dieſes Fehlers iſt leicht zu entdekken. Er liegt entweder in der Zubereitung der Farbe oder in der Beſchaffenheit der Materie, die ge - faͤrbet wird. Jn jenem, bey den einfachen Farben, wenn dieſe nicht aus der, zu dieſer Farbe gehoͤrigen Mate - rie ſind genommen worden. Bey den Mittel-Far - ben, wenn deren Erhoͤhung oder Vertiefung durch Verletzung des Gewichts, des Grads im Sieden und durch den Zuſatz einer falſchen Materie iſt gewuͤrket worden. Bey den vermiſchten Farben, wenn ent - weder nicht die rechten Materien ſind vermiſcht wor - den, oder wenn man in der Vermiſchung nicht die gehoͤrige Proportion beobachtet hat. Die beſondere Beſtimmung deſſen, was hier uͤberhaupt iſt geſaget worden, kann aus der vorher angefuͤhrten arte tinc - toria genommen worden.
Daß dieſer Fehler auch in der Beſchaffenheit der Materie, welche iſt gefaͤrbet worden, koͤnne gegruͤndet ſeyn, das laͤſt ſich aus dem, was folget begreifen Das Haupt-Stuͤck in einer Farbe iſt die beſtimmte Daͤmpfung des Lichts, oder wie ander reden, die Vermiſchung des Lichts mit dem Schatten. Warum wird z. B. die Farbe gruͤn, wenn man blau auf einen gelben Grund bringet. Jſt nun die Materie, die wir faͤrben wollen, nicht rein, ſondern mit vielen fremden Dingen vermiſcht, ſo kann die Farbe unmoͤg - lich natuͤrlich bleiben.
Aus dieſem folget eine Haupt-Regel zur Faͤrbe - Kunſt: Je weißer und reiner die Materie, die man faͤrben will, deſto natuͤrlicher wird dieFarbe. 385von dem Faͤrben. Farbe. Aus dieſem folget ferner, daß eine regel - maͤßige Bleiche einen merklichen Einfluß in die Voll - kommenheit der Faͤrberey hat.
Der andere Fehler einer Farbe iſt dieſer, wennDer andere Fehler. die Farbe nicht wenigſtens ſo lange, als das Zeug, das damit iſt gefaͤrbet worden, dauret. Denn verge - het die Farbe eher, als das Zeug, ſo hat man Mittel angewendet, die der Abſicht widerſprechen. Dieß iſt eine Unvollkommenheit.
Die Farben vergehen eher als das Zeug, das da -Wie dieſer moͤglich? mit iſt gefaͤrbet worden, einmahl, wenn ſie von der Luft ausgezogen werden, das iſt, wenn ſie in der Luft verſchießen. Fuͤrs andere, wenn ſie das Waſ - ſer aufloͤſen und alſo abwaſchen kann.
Aus dieſem ſind leicht die Gruͤnde, von welchen die -Kann drey Urſachen ha - ben. ſer Fehler abhaͤnget, zu entdekken. Der erſte Grund ſteckt in der Farbe. Der andere in der Beſchaffenheit des Zeuges, das man gefaͤrbet hat. Der dritte in den Mitteln, wodurch man die Farbe mit dem Zeuge verbunden hat. Die Sache verdie - net es, daß wir jeden Punkt genauer unterſuchen.
Jn Anſehung des erſten Punkts bilde ich folgendeJn Anſe - hung der er - ſten. Die erſte Re - gel. Regeln. Die erſte Regel: Wenn die Luft die Far - be aus einem Koͤrper, der noch in ſeinem na - tuͤrlichen Zuſtande iſt, zieher, oder das Waſſer die Farbe in dieſem Koͤrper aufloͤſet, und aus - waͤſcht; ſo kann aus dieſem Koͤrper keine be - ſtaͤndige Farbe zubereitet werden. Denn erfol - gen dieſe Wuͤrkungen bey einem Koͤrper, der noch in ſeinem natuͤrlichen Zuſtande iſt, ſo haben wir Grund zu glauben, ſie werden auch gewiß alsdenn erfolgen, wenn wir aus dieſen Koͤrpern die Farbe nehmen, undB bſolche386Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,ſolche durch die Kunſt mit andern Koͤrpern ver - binden.
Anmerk. 1. Man gieße z. B. auf die Spaͤne von Braſilien-Holze Waſſer. Dieß ziehet die Farbe aus. Man lege dieſe Spaͤne einige Tage an die Sonne und freyen Luft, und die Farbe wird ſich merklich veraͤndern. Man nehme von dieſem Holze die Farbe, und wende es bey an - dern Dingen zum Faͤrben an. Man lege das ge - faͤrbte Zeug an die freye Luft, oder ins Waſſer, und die Erfahrung wird unſern Satz bald beve - ſtigen.
Anmerk. 2. Ob Farben, die fuͤr ſich nicht be - ſtaͤndig ſind, durch die Vermiſchung mit andern Dingen beſtaͤndig koͤnnen gemacht werden, dieß muͤſſen Verſuche beantworten.
Dieß, was wir zuvor bewieſen haben, giebt uns einen Grund, zu muthmaßen, ob aus dieſem oder jenem Koͤrper eine beſtaͤndige Farbe koͤnne gemacht werden. Man bereitet die Farben insgemein aus Bluͤten, Saamen, Rinden, Wurzeln, Erden und Me - tallen. Dieſe Bereitungen ſind in der angefuͤhrten arte tinctoria beſchrieben. Man mache mit dieſen nach der zuvor angegebenen Regel Verſuche, ſo wird man es bald finden, aus welchen Dingen von dieſer Art eine beſtaͤndige Farbe koͤnne bereitet werden.
Die andere Regel: Alle Farben, welche ſeifar - tig, ſind unbeſtaͤndig. Denn ſind ſie ſeifartig, ſo werden ſie im Waſſer aufgeloͤſet. Folglich koͤnnen ſie von keiner Dauer ſeyn. (§. 620.)
Die dritte Regel: Das Mittel, wodurch eine vor ſich beſtaͤndige Farbe zum Gebrauch auf - geloͤſet wird, muß Luftbeſtaͤndig ſeyn, und vonkeinem387von dem Faͤrben. keinem Waſſer koͤnnen aufgeloͤſet werden. Wird die Farbe zum Gebrauch durch dieſes Mittel aufgeloͤſet, ſo vereiniget ſich die Farbe mit dieſem Auf - loͤſungs-Mittel, und hiedurch wird ſie geſchickt ge - macht, ſich mit der zu faͤrbenden Materie zu ver - binden. Jſt nun dieſes Mittel nicht Luftbeſtaͤndig, oder laͤſt es ſich vom Waſſer ausziehen, ſo ſind beyde Dinge vermoͤgend, den Grund der Verknuͤpfung zu heben. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß dieſe Far - be darum nicht koͤnne beſtaͤndig ſeyn, weil ſie durch ein ungeſchicktes Mittel iſt aufgeloͤſet, worden.
Anmerk. Wir wollen dieſen Satz mit einem Beyſpiele erlaͤutern. Warum iſt die ſogenannte Saͤchſiſche blaue und gruͤne Farbe, die in der That ſchoͤne iſt, unbeſtaͤndig. Man loͤſet den Jndigo in Vitriol-Oele auf. Jſt dieſes Luftbeſtaͤndig, und wie ſiehet es alsdenn aus, wenn man Waſſer hinzu gießet? Man bereite ein geſchicktes Aufloͤ - ſungs-Mittel aus dem Kalche, oder mit dem Luft - beſtaͤndigen Safte, den uns die Natur in dem Tho - ne ſchenkt, vielleicht wird man alsdenn einen an - dern Erfolg erfahren.
Siehet man auf die Beſchaffenheit des Zeuges,Worauf man zu ſehen, wenn dieſer Fehler in der Beſchaffen - heit des Zeu - ges gegruͤn - det. das ſoll gefaͤrbet werden, ſo kann auch dieſe ſehr oft eine Urſache ſeyn, warum eine fuͤr ſich beſtaͤndige Farbe in der Verknuͤpfung mit dem Zeuge unbeſtaͤn - dig wird. Jch will meine Gedanken von dem Grun - de dieſer Begebenheit aus einander legen. Jrre ich in dieſem Stuͤkke, ſo wird es mir angenehm ſeyn, wenn ich von dieſem Urtheil deutlich uͤberfuͤhrt werde. Denn dieß muß nothwendig den Punkt helle machen, worauf es ankommt. Jrre ich nicht, ſo wird dieß mir darum angenehm ſeyn, weil mir alsdenn meine Gedanken einen ſichern Weg, zu verſuchen, bahnen, deren Erfolg gewiß nuͤtzlich. Meine Gedanken vonB b 2dieſer388Der Stadt-Wirthſchaft 3 Abſchnitt,dieſer Sache ſind dieſe: Der Grund von der Ver - aͤnderlichkeit der Farbe, von der wir bis hieher gere - det haben, muß in dieſem ſtekken, weil entweder die weſentlichwuͤrkenden Dinge der Natur, die leicht das Waſſer annehmen, und ſich in dieſem aufloͤſen, oder die von der Waͤrme leicht aufgeloͤſet werden, nicht ſo ſtark mit andern verbunden ſind, daß es ihnen ſchwer wird, dieſe ihre Wuͤrkſamkeit zu beweiſen. Wir ha - ben es bereits oben veſtgeſezet, einmahl, daß das Acidum das Waſſer leicht annimmt, und ſich in die - ſem aufloͤſet. Fuͤrs andere, daß das Oel in der Waͤrme leicht aufgeloͤſet wird. Fuͤrs dritte, daß das Oel, wenn es alſo mit dem Alkali verbunden, daß es ſeifartig geworden, ſehr leicht im Waſſer koͤnne auf - geloͤſet werden. Wenn wir dieſe Saͤtze mit den vor - hergehenden Gedanken verbinden, ſo folget
Wenn ich mit dieſem einen andern Satz verknuͤpfe, den gleichfals die Erfahrung unterſtuͤtzet, daß die Alka - lien, und unter dieſen die veſten oder firen nicht ſo leicht das Waſſer annehmen und ſich in dem Waſſer aufloͤſen. Ferner, daß dieſe der Wuͤrkung der Waͤrme merklich widerſtehen, ſo giebt mir dieß einen Grund, wo nichtmit389von dem Faͤrben. mit Gewißheit, doch mit einem ſtarken Grad der Wahr - ſcheinlichkeit zu ſchluͤßen, daß die Farbe und das Zeug, was man faͤrben will, alſo muͤſſe zubereitet werden, daß das fire Alkali die Wuͤrkungen der uͤbrigen Dinge, mit welchen es iſt verbunden worden, daͤmpfen koͤnne.
Anmerk. Sind dieſe meine Gedanken, wie ich es glaube, gegruͤndet, ſo wird auch das, was ich in der Anmerkung des §. 623. erinnert habe, mehrere Aufmerkſamkeit verdienen.
Aus dieſem koͤnnen wir es zugleich beurtheilen, wor -Und wenn er in den Mit - teln zur Ver - knuͤpfung ge - gruͤndet. auf man bey dem Gebrauche der Mittel zu ſehen hat, wodurch man die Zeuge geſchickt macht, eine Farbe anzunehmen. Jnsgemein kocht man die Zeuge, die man roth oder gelbe faͤrben will, in Alaun oder Wein - ſtein. Die, welche man ſchwarz faͤrben will, in Gall - aͤpfeln. Die aber, welche blau ſollen gefaͤrbet werden, werden allein durch die Waſch Walke zur Farbe zuberei - tet. Man macht aus dieſem allgemeine Regeln. Soll - te wohl nicht dieß mit eine Urſache von der Unvoll - kommenheit der Faͤrberey ſeyn. Es iſt wahr, und die Natur des Acidi beweiſet es, daß die Gruͤndung mit dem Acido das Annehmen der Farbe erleichtern koͤnne, und iſt es wahr, was ich oben von dem Wachs - thume der Dinge abgehandelt habe (§. 33), ſo ſcheinet dieſe Arbeit der Natur gemaͤß zu ſeyn. Jch glaube aber doch, man muͤſſe bey dieſem Stuͤkke mit auf den Zuſtand des Zeuges und auf die Beſchaffenheit der Far - be ſehen, damit dasjenige koͤnne gewuͤrket werden, was wir §. 624. und 625. angemerket haben.
Der dritte Fehler einer Farbe iſt, wenn die Far -Der dritte Fehler einer Farbe. be die Dauer des Zeuges vermindert. Dieß wider - ſpricht der Abſicht der Faͤrberey. Sie ſoll den Handel vermehren. Jenes aber wuͤrde den Handel ver - mindern.
Dieſer Fehler wird theils hiedurch gewuͤrket, wenn man das Zeug, indem man es faͤrbet, verbrennet, theils dadurch, wenn man bey dem Faͤrben zu viel freſſende Acida gebrauchet, die man durch den Zuſatz des Oels oder der Alkalien nicht genugſam gebunden. Unterlaͤſt man dieſes, ſo wird jenes das Band, wodurch die Na - tur die Theile des Zeuges verknuͤpfet hat, an ſich ziehen, und dadurch das Zeug muͤrbe machen.
Anmerk. Sollte wohl nicht dieſes die Urſache ſeyn, warum man die Zeuge zuerſt mit Blau gruͤndet, ehe ſie ſchwarz gefaͤrbet werden, denn hiedurch ver - mindert man den Gebrauch des Kupfer-Waſſers.
Der vierte Fehler bey dem Faͤrben iſt dieſer, wenn durch die Farbe der Werth der Dinge zu ſehr erhoͤhet wird. Auch dieß iſt dem Handel nicht befoͤrderlich. Es ſchwaͤchet vielmehr denſelben.
Man wird es mir leicht verwilligen, daß dieſer Fehler hauptſaͤchlich von dem gewuͤrket wird, daß man die Materialien zum Faͤrben aus fremden Landen hohlet, und die Farbe aus Dingen von hohem Werthe bereitet, ohne es zu unterſuchen, ob ſie nicht aus Dingen von geringerem Werthe koͤnne gemacht werden.
Die Policey-Wiſſenſchaft ſoll es uns lehren,Wie die Po - licey von dem Juſtitz - und Kirchen - Weſen un - terſchieden. wie ein Staat einzurichten ſey, wenn deſſen Jnwohner ihre jaͤhrlichen Einkuͤnfte nicht nur erhalten, ſondern auch vernuͤnftig ver - mehren ſollen, (§. 35. Vorb). Dieß lehret uns zu - gleich, wie die Policey von dem Juſtitz-und Kirchen - Weſen unterſchieden ſey. Das Kirchen-Weſen ſetzet zum Endzweck, die Menſchen moraliſch zu machen. Das Juſtitz-Weſen die Menſchen in ihren Rechten zu ſchuͤtzen, und einem jeden dasjenige zu verſchaffen, was er nach ſeinem Rechte fodern kann. Die Poli - cey im Gegentheil ſetzet ihren Endzweck in dem Reich - thum, ſie bemuͤhet ſich die Armuth zu verhindern, und den Reichthum zu vermehren. Und in wie ferneB 5man394Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,man bey der Einrichtung des Juſtitz-und Kirchen - Weſens mit auf dieſen Endzweck ſiehet, inſoferne ge - hoͤren beyde mit zur Policey.
Die Armuth iſt eine ſehr wichtige Trieb-Feder zur Unordnung, und der Reichthum ohne Ordnung iſt ei - ne Quelle unendlich vieler Laſter. Daher folget, daß diejenigen nicht ohne Grund urtheilen, welche die Po - licey das Leben und die Seele eines Staats nennen. Hierzu kommt noch dieß: Eine regelmaͤßige Policey macht gute und folglich reiche Unterthanen. Gute und reiche Unterthanen wuͤrken reiche und maͤchtige Fuͤrſten (§. 15. u. f. Vorb.). Man ziehe die Folge, ſie wird unſern vorhergehenden Satz beſtaͤtigen.
Wer ſeinen Vortheil in der Schwaͤche eines Fuͤr - ſten ſucht, der wird alſo Sorge anwenden, eine gute Policey in einem Staat zu verhindern (§. 2). An dieſen Satz muͤſſen diejenigen gedenken, die es unter - ſuchen wollen, in wie weit dieſen oder jenen Rath - ſchlaͤgen zu trauen ſey.
Warum wird die Policey-Wiſſenſchaft ſo ſparſam getrieben, da ſie doch eine ſo wichtige Wiſſenſchaft iſt. Vielleicht irre ich nicht, wenn ich hievon den Grund in dem ſuche, weil ſie eine Wiſſenſchaft iſt, de - ren Einrichtung von denjenigen merklich unterſchie - den, die nach der angenommenen Meynung der Schulen Gelehrte bilden. Wir wollen zuerſt die Haupt - Regeln dieſer Wiſſenſchaft aus einander legen, und alsdenn die beſondern Stuͤkke, die wir §. 36. des Vor - berichts aufgegeben haben, aus dieſem erklaͤren.
Policey-Geſetze ſind diejenigen Befehle, derenWas Poli - cey-Geſetze? Beobachtung die Erhaltung und Vermehrung der jaͤhrlichen Einkuͤnfte der Jnwohner eines Staats wuͤrken ſollen.
Aus dieſem ſchluͤße ich, daß die Policey-Geſetze inVerſchiede - ne Arten der - ſelben. zwey Claſſen zu vertheilen. Die erſte faſſet diejeni - gen in ſich, die dasjenige aus dem Wege raͤumen ſol - len, was vermoͤgend iſt, die zuvor genennten jaͤhr - lichen Einkuͤnfte zu vermindern. Die andere Claſſe faſſet diejenigen Geſetze in ſich, die dasjenige wuͤrken ſollen, was dieſe Einkuͤnfte zu vermehren vermoͤgend iſt.
Policey-Geſetze muͤſſen den moraliſchen Geſe -Allgemeine Eigenſchaft derſelben, wenn ſie ver - nuͤnftige ſind tzen nicht widerſprechen. Sie muͤſſen nur das - jenige, was nach der Moral unter die erlaub - ten Dinge gehoͤret, alſo beſtimmen, wie es die Abſicht erfodert, den Staat reich zu machen. Moraliſche Geſetze gebiethen das, was gut iſt, und verbiethen das, was boͤſe iſt. Sollten nun die Poli - cey-Geſetze den moraliſchen widerſprechen, ſo muͤſten ſie dasjenige gebiethen, was boͤſe, und verbiethen, was gut iſt. Dieß widerſpricht der Vernunft. Aus dieſem folget ferner, daß ſich die Policey-Geſetze nur mit dem beſchaͤftigen koͤnnen, was nach der Moral erlaubt iſt. Da es nun die Weisheit erfodert, daß man die Dinge nach ihrer Abſicht beſtimmet, und da die Abſicht der Policey dieſe iſt, den Staat reich zu machen, (§. 1.) ſo iſt klar, daß die Policey-Geſetze nur diejenigen Dinge, die nach der Moral erlaubt ſind, nach der angenommen Abſicht beſtimmen, das iſt, gebiethen oder verbiethen koͤnnen.
Dieſer Satz giebt uns eine Folge, die wichtig iſt. Wer bey Policey-Geſetzen mit ſeinem Rathe wuͤrken ſoll, deſſen moraliſche Begriffe muͤſſen reine und gegruͤnder ſeyn. Der Beweiß hievon iſt dieſer. Sind unſere moraliſchen Begriffe nicht rei - ne und gegruͤndet, ſo halten wir Dinge fuͤr boͤſe, die doch die Vernunft erlaubte Dinge nennet. Jſt dieß, ſo koͤnnen wir ſehr leicht dasjenige verdammen, was die Policey erlauben oder gebiethen ſollte, weil es fuͤr ſich erlaubt iſt, und einen ſehr merklichen Einfluß in der Befoͤrderung ihrer Abſicht hat, (§. 7.) Folglich iſt ein Menſch, der keine reine und deutliche Begriffe in der Moral hat, ein gefaͤhrlicher Rathgeber in der Policey.
Anmerk. Die Wichtigkeit dieſer Sache will ich in einem Beyſpiele darſtellen. Die Vernunft giebt uns Erlaubniß alle Arten von Kleidungen zu tragen, ſie erlaubet es uns, die Mode mit zu ma - chen. Beydes kann ohne Suͤnde geſchehen. Ca - jus hat falſche Begriffe von moraliſchen Dingen. Er haͤlt beydes fuͤr eine Suͤnde, und er findet bey einer anſehnlichen Anzahl der Jnnwohner des Staats einen Beyfall. Cajus bekommt ein Amt. Er ſoll in Policey Sachen rathen, und er verur - ſachet, daß dieſe Dinge in einem Lande verbothen werden. Seine Anhaͤnger gehen in ſchlechten Klei - dern. Was wuͤrket dieß? Viele hundert Menſchen ſetzet dieſes in Hinderung in der Nahrung. Dem Schneider fehlet es an Arbeit, dem Kaufmann an Abgang ſeiner Waaren. Die Kuͤnſtler koͤnnen nichts verdienen, weil jene kein Geld haben. Was hat dieß fuͤr einen Einfluß in den Reichthum ei - nes Staats.
Kein Kluger wird es rathen, daß alle beſon -Ob Policey - Geſetze alle - mahl rath - ſam. dere Umſtaͤnde, welche die Policey erfodert, durch Geſetze beſtimmet werden. Jch habe es bereits in meiner Sitten-Lehre bewieſen, es ſey wider die Klugheit, wenn wir dasjenige verrathen, wo un - ſere Staͤrke und unſere Schwaͤche ſitzet. Dieſe Bloͤſe giebt andern Gelegenheit, uns in Befoͤrderung un - ſerer Abſichten Hinderniſſe zu ſetzen. Die beſonderen Umſtaͤnde, welche die Policey-Geſetze erfodern, zeigen die Schwaͤche und die Staͤrke des Staats (§. 2). Es iſt demnach wider die Klugheit, wenn man alle dieſe Umſtaͤnde bekannt machen will. Werden dieſe Umſtaͤnde durch Geſetze beſtimmet, ſo werden ſie be - kannt gemacht. Folglich wird es kein Kluger rathen, alle beſondere Umſtaͤnde, welche die Policey erfodert, durch Geſetze zu beſtimmen.
Aus dieſem folget, daß wir die Veranſtaltungen,Geheimniſſe der Policey ſetzen dieſe Grenzen. die um der Policey willen, in einem Staate muͤſſen gemacht werden, in zwey Claſſen vertheilen muͤſſen. Einige koͤnnen nicht oͤffentlich bekannt gemacht wer - den, wenn wir nicht diejenigen Dinge verrathen wol - len, wovon die beſondere Schwaͤche oder Staͤrke ei - nes Staats abhaͤnget. Andere im Gegentheile koͤn - nen bekannt gemacht werden, ohne dieſe Stuͤkke zum Nachtheil des Staats zu verrathen. Wir wollen je - ne Dinge die Geheimniſſe der Policey nennen.
Sollte es nicht moͤglich ſeyn, in einem StaateBehutſam - keit bey die - ſen Geſetzen. die Veranſtaltungen, welche die Geheimniſſe der Policey erfodern, ohne Geſetze zu machen, ſo iſt es ſchlechterdings noͤthig, daß ſich dieſe Ge -ſetze398Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,ſetze entweder nur mit ſolchen Dingen beſchaͤf - tigen, die man ohne Gefahr bekannt machen kann, aus deren Geboth oder Verboth aber je - ne Veranſtaltungen unvermerkt folgen; oder, wenn jenes nicht moͤglich, daß man dieſen Po - licey-Geſetzen einen moraliſchen Grund gebe. Dieſe Veranſtaltungen, welche die Geheimniſſe der Po - licey erfodert, koͤnnen, wie wir es angenommen haben, ohne Geſetze nicht gemacht werden. Die Geheimniſſe der Policey zu verrathen, verbiethet die Klugheit, (§. 9. 10). Was iſt zu thun? man muß entweder die Dinge gebiethen, oder verbiethen, die unſere Ab - ſicht unvermerkt wuͤrken, oder man muß den wahren Grund des Verbothes nicht bekannt machen. Wie iſt dieß zu bewerkſtelligen? Der §. 7. zwinget uns, dieſe Antwort zu geben: Man muß den Policey - Geſetzen in dieſem Falle einen moraliſchen Grund ge - ben.
Man wird uns fragen, wie es moͤglich ſey, daß man in einem Staate die Veranſtaltungen, welche die Geheimniße der Policey erfodern, ohne Geſetze machen koͤnne? Es iſt dieß eine Sache, die ſich beſ - ſer in beſondern Faͤllen zeigen, als uͤberhaupt erklaͤren laͤſt. Doch wollen wir es verſuchen, ob wir dieſe Sa - che in allgemeinen Ausdruͤkkungen begreiflich machen koͤnnen. Die Erfahrung lehret es, daß der groͤſte Theil der Menſchen ein Verlangen habe, es denen nachzumachen, die in ihrer Art die vornehmſten ſind. Dieſe Begierde gehet beynahe durch alle Stufen, in welche die Menſchen nach ihrem Stande vertheilet ſind. Dieſe Begierde iſt in der Policey ſehr fruchtbar. Man will eine gewiſſe Veranſtaltung in der Policey machen, und man traͤget Bedenken, dieſe durch Geſetze zu bewerkſtelligen, und die wahreUrſache399von den allgemeinen Regeln derſelben. Urſache hievon bekannt zu machen. Man bewege ei - nen der vornehm iſt, und der bey den Jnnwohnern des Staats in Anſehen ſtehet, zu ſolchen Unterneh - mungen, die dieſe Veranſtaltung zu wuͤrken vermoͤ - gend ſind. Man erwaͤhle hiezu einen ſolchen, der ver - ſchwiegen iſt, der es mit dem Staate wohl meynet, und der die Kunſt verſtehet, andere zur Nachahmung aufzumuntern, ohne ihnen die Abſicht zu verrathen. Wie bald wird nicht dieſe Nachahmung erfolgen, und wie bald wird ſie ſich nicht durch alle moͤgliche Stufen der Menſchen, inwieferne ſie in dieſen moͤglich iſt, ausbreiten. Heiſt dieß nicht Veranſtaltungen ohne Geſetze machen.
Man wird uns ferner fragen: Wie kann man Po -und in dem andern Falle moͤglich ſey? licey-Geſetzen moraliſche Gruͤnde geben? Heiſt dieß nicht Suͤnde nennen, was keine Suͤnde iſt, und alſo die Jrrthuͤmer der Menſchen gruͤnden? Jch antwor - te: Die wahre Policey beſtimmet nur diejenigen Stuͤkke, welche die Moral erlaubte Dinge nennet, nach der angenommenen Abſicht. Dieſe koͤnnen wir unternehmen, dieſe koͤnnen wir unterlaſſen, ohne zu fuͤndigen. Wenn wir ſie demnach unter das Boͤſe ſe - tzen, um hiedurch etwas Guthes zu wuͤrken, ſo handeln wir der Vernunft gemaͤß. Wenn wir nun andere un - ter der angenommenen Bedingung hievon uͤberreden, daß dieſe Dinge fuͤr ſich boͤſe ſind, weil es uns ſonſt unmoͤglich wird, das Guthe zu wuͤrken, ſo erwekken wir in ihnen einen Jrrthum, der nach den Umſtaͤn - den mehr nuͤtzlich, als ſchaͤdlich iſt. Folglich koͤnnen wir weder unſer Unternehmen noch des andern ſeine Gedanken eine Suͤnde nennen.
Alle Policey Geſetze ſetzen unſerer natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen. Aus dem Rechte der Natur iſt es bekannt, daß unſere natuͤrliche Freyheit in dieſem beſtehet, daß wir alles dasjenige thun und unterlaſſen koͤnnen, was uns die Vernunft weder ge - bothen noch verbothen, das iſt, was nach der Vernunft erlaubt iſt. Was uns demnach dieſe Unternehmung gebiethet oder verbiethet, das ſetzet unſerer natuͤrli - chen Freyheit einige Grenzen. Die Policey-Geſetze beſchaͤftigen ſich mit dieſen Dingen. Sie gebiethen oder verbiethen uns dieß, was uns nach der Natur erlaubt iſt, (§. 5). Folglich behaupten wir es mit Grunde, daß die Policey-Geſetze unſerer natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen ſetzen.
Man unterſuche die Leidenſchaften der Menſchen. Man unterſuche dieſe nicht noch den Begriffen, ſon - dern ſo, wie ſie da ſind, und man wird es mir bald verwilligen, daß es dem groͤſten Haufen der Men - ſchen verdruͤßlich iſt, wenn ſeiner natuͤrlichen Freyheit einige Grenzen geſetzet werden. Es wird ihm ſchwer, dasjenige zu unterlaſſen, wozu er, wie er es glaubet, nach ſeiner natuͤrlichen Freyheit berechtiget iſt. Wird ihm das gebothen was er nach ſeiner natuͤrlichen Frey - heit freywillig wuͤrde gerne gethan haben, ſo wird es ihm jetzo eine Luſt, weil er es thun muß. Die Poli - cey-Geſetze ſetzen der natuͤrlichen Freyheit einige Gren - zen, (§. 14). Was kann nun dieſe Leidenſchaft der Menſchen ſehr leicht alsdenn wuͤrken, wenn Policey - Geſetze gegeben werden?
Wir wollen die wichtigſten Folgen von dieſem be -Welche ge - nauer be - ſtimmet wer - den. ſchreiben. Es wird dem Menſchen verbothen, was ihm die Vernunft erlaubet. Dieß iſt ihm verdruͤßlich. Dieſer Verdruß erwekket ein Verlangen, das Gegen - theil zu thun. Die Geſetze machen es, daß es ihm gefaͤhrlich ſcheinet, dieß oͤffentlich zu unternehmen. Er denkt auf Mittel, ſeine Sachen heimlich zu ma - chen, und dieß verleitet ihn bald zu dieſer, bald zu jener Handlung, die wuͤrklich auch nach der Moral ei - ne Suͤnde iſt. Dieß kann unmoͤglich den Zweck des Geſetzes ſo wuͤrken, wie man es wuͤnſchet. Wird dem Menſchen gebochen, das zu thun, was ihm nach der Vernunft erlaubt iſt, ſo wird auch dieß, aus zuvor angefuͤhrten Gruͤnden, bey ſehr vielen mit jenem einerley Folgen haben.
Anmerk. Beyſpiele, welche dieſe Beſchreibung unterſtuͤtzen, wird man leicht finden. Man darf nur die Begebenheiten in der Welt in ihrem gan - zen Zuſammenhange betrachten. Verſtehet man die Gruͤnde zur Klugheit aus der Sitten-Lehre, ſo wird man vielleicht mehrere Beyſpiele von dieſer Art finden, als man vermuthet hat.
Jch ſchluͤße aus dieſem, und zwar, wie ich es glau -Regeln wi - der dieſe: Die erſte Re - gel. be, mit Grunde, einmahl, daß der Satz, den wir §. 9. bewieſen, und in dem folgenden aus dem Grun - de des Beweiſes beſtimmet haben, in der Policey noch allgemeiner zu bilden ſey. Und alsdenn wird er dieſer: Es iſt nuͤtzlich, wenn die Veranſtaltungen, wel - che die Policey erfodert, ſo wenig, als es immer moͤglich iſt, durch Policey-Geſetze beſtimmet werden. Wir koͤnnen dieſen Satz auch alſo ausdruk -C cken:402Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,ken: Ehe man die Endſchluͤßung faßt, Policey-Geſetze zu geben, ſo erfodert es die Klugheit, daß man alle Umſtaͤnde genau unterſuche, um zu erforſchen, ob es nicht moͤglich ſey, eben dieß, was das Policey-Geſetze wuͤrken ſoll, durch geheime Veranſtaltungen im Staate hervorzubringen, ſ. §. 12.
Fuͤrs andere. Es ſey rathſam, die Jnnwohner des Staats zur Beobachtung deſſen, was die Policey erfodert, mehr durch Folgen, die ihnen angenehm ſind, zu lokken, als durch Strafen zu bewegen.
Anmerk. Auch in dieſem Stuͤkke unterſcheidet ſich die Policey merklich von dem Juſtiz-Weſen. Dieß befiehlet zu ſtrafen, die Policey befiehlet, ſo lange es moͤglich iſt, zu lokken.
Wie ſind ſolche Folgen moͤglich? Aus dem, was wir bis hieher abgehandelt haben, wird man es uns leicht verwilligen, daß man bey der Art, Policey-Anſtalten zu machen, die beſonderen Neigungen der Jnnwoh - ner in Erwegung ziehen muͤſſe. Die Sitten-Lehre uͤberzeuget uns §. 147. u. f. von dieſem Satze, daß ein Menſch dieß allemahl mit Vergnuͤgen thue, was nach ſeinen Gedanken Folgen wuͤrket, die ſeiner beſondern Neigung gemaͤß. Hat ein Menſch eine melancholi - ſche Neigung, ſo wird er dasjenige gerne thun, wo - bey er etwas vorzuͤgliches verdienen kann. Hat ein Menſch eine moraliſche Neigung, ſo iſt ihm das ange - nehm, was ſeine Ehre erweitert. Und hat er eine ſanguiniſche Neigung, ſo ſind dieſe Beſchaͤftigungen nach ſeinem Wunſche, die eine Beluſtigung ſeiner Sinne zu wuͤrken vermoͤgend. Nach dieſen Gruͤndenbeur -403von den allgemeinen Regeln derſelben. beurtheilet ein jeder den Werth ſeiner Belohnung, ſ. §. 146. der Sitten-Lehre. Soll ſich ein Jnnwohner des Staats mit gewiſſen Dingen beſchaͤftigen, welche die Abſicht der Policey erfodert, ſo unterſuche man zuerſt, von welcher Art der Menſchen dieſe Dinge vorzuͤglich koͤnnen unternommen werden. Alsdenn bemuͤhe man ſich, mit dieſen Unternehmungen diejeni - gen Folgen zu verknuͤpfen, die dieſer Art der Men - ſchen, nach ihren beſondern Neigungen angenehm. Wird man dieſes beobachten, ſo wird man es auch bald merken, wie die Ausfuͤhrung deſſen moͤglich ſey, was wir vorhin bewieſen haben.
Die dritte Folge, die wir aus dem §. 15. und 16.Die dritte. ziehen, iſt dieſe: Es iſt das ſicherſte, wenn man in der Policey nur zu dieſem Ende Strafen ſe - zet, daß man diejenigen Dinge verhindern koͤn - ne, welche die Jnnwohner und den Staat arm machen. Die Sache verdienet es, daß ich dieſen Satz noch mit einem beſondern Beweiſe unterſtuͤtze. Strafen koͤnnen nicht geſezt werden, wenn keine Geſetze ſind gegeben worden. (§. 119. I. N.) Die Klugheit verlanget es, daß in der Policey keine Geſetze gegeben werden, als in dem Fall der hoͤch - ſten Noth (§. 17.) Dieſer iſt in der Policey, wenn durch keine andere Wege die Dinge koͤnnen veſtgeſetzet werden, welche die Vermehrung des Reichthums der Jnnwohner und des Staats erfodert, und wenn durch keine andern Mittel dieſe Dinge koͤnnen aus dem We - ge geraͤumet werden, welche die Armuth der Jnn - wohner und des Staats wuͤrken, (§. 6.). Es iſt be - denklich, ob zwar nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde nicht allemahl verwerflich, wenn mit der erſten Art der Policey-Geſetze Strafen verknuͤpfet werden, (§. C c 218. 19.)404Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,18. 19). Menſchen, die ſich mit ſolchen Dingen be - ſchaͤftigen, welche die andere Art der Policey-Geſetze hat verbiethen muͤſſen, die ſind von der Eigenſchaft, daß ſie nur durch Strafen von ihren Unternehmungen koͤnnen zuruͤck gehalten werden. Folglich iſt es gewiß, es ſey das ſicherſte, wenn man in der Policey nur zu dieſem Ende Strafen ſetzet, das man diejenigen Dinge verhindern koͤnne, welche die Jnnwohner und den Staat arm machen.
Jn der Lehre der Klugheit macht man einen Un - terſchied unter vollſtaͤndige und unvollſtaͤndige Geſetze. Sie nennet ein Geſetz alsdenn vollſtaͤndig, wenn es vermoͤgend iſt, den Haupt-Zweck zu wuͤrken, wozu es iſt gegeben worden. Wir wollen zur Deut - lichkeit noch etwas uͤberfluͤßiges hinzuſetzen. Was nicht leicht Gelegenheit zu ſolchen Dingen geben kann, die dem Haupt-Zweck des Geſetzes zuwider ſind. Sie nennet im Gegentheil ein Geſetze unvollſtaͤn - dig, das unvermoͤgend iſt, den Haupt-Endzweck zu wuͤrken, oder, welches einerley iſt, was leicht zu ſolchen Unternehmungen Gelegenheit geben kann, die dem Haupt-Endzwekke des Geſetzes widerſprechen.
Anmerk. So war z. B. das alte Roͤmiſche Ge - ſetz, daß kein Legat groͤßer ſeyn ſollte, als der Theil, den ein Erbe bekommt, ein unvollſtaͤndiges Geſetz. Es war unvermoͤgend, das zu wuͤrken, was es wuͤr - ken ſollte. Es ſollte den Erben Bewegungs - Gruͤnde geben, die Teſtamente anzunehmen. Das Erbtheil konnte, ohne dieß Geſetze zu verletzen, ſehr klein werden. Und daher wurde der Bewegungs - Grund, den es geben ſollte, ſehr oft zernichtet.
Die Klugheit, welche das Geſetzgeben regieret, ge -Die Policey - Geſetze muͤſ - ſen vollſtaͤn - dige ſeyn. biethet es zwar uͤberhaupt, alle moͤgliche Behutſam - keit anzuwenden, daß die Geſetze, welche man giebt, vollſtaͤndige Geſetze werden. Dennoch aber wird die - ſe Regel in der Policey durch beſondere Gruͤnde ſtark unterſtuͤtzet. Werden in der Policey ſo, wie es die Klugheit erfodert, Geſetze gegeben, ſo hat die Be - foͤrderung des Reichthums der Jnnwohner und des Staats dieſe nothwendig erfodert, (§. 17). Sind ſie nun unvollſtaͤndige Geſetze, ſo geben ſie nur denen, die keine Luſt haben, der Policey gemaͤß zu leben, Gelegenheit in geheim bald dieſe, bald jene Dinge vor - zunehmen, wodurch der Reichthum der Jnnwohner und des Staats zwar im Anfange unvermerkt, aber doch in der Folge der Zeit merklich geſchwaͤcht wird. (§. 21. 16.) Dieſe Folge iſt zu wichtig, als daß man nicht im Ernſte auf Mittel denken ſollte, ſolche zu verhindern (§. 2.). Folglich muß man alle Behut - ſamkeit dahin wenden, daß Policey-Geſetze vollſtaͤndi - ge Geſetze werden.
Anmerk. Ein Verboth von einer gewiſſen Art der Verſchwendung, wenn es nicht mit der groͤſten Behutſamkeit abgefaſſet wird, kann ſehr leicht Ge - legenheit zu einer heimlichen Verſchwendung geben, die weit groͤßer iſt, wie jene. Siehe §. 456. f. der Sitten-Lehre.
Wir wollen zu dieſem Satze noch einen andern fuͤ -Mittel hiezu. gen, der zwar auch allgemein, aber doch in der Policey beſondere Gruͤnde findet. Er iſt dieſer: Hat es die Noth erfodert, ein Policey-Geſetze zu geben, ſo iſt es auch ſchlechterdings noͤthig, alle moͤgliche Sorge anzuwenden, daß es genau beobachtetC c 3werde. 406Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,werde. Hat es die Noth erfodert ein Policey-Ge - ſetze zu geben, ſo ſind keine andern Mittel, den Reich - thum der Jnnwohner und des Staats zu erhalten und zu befoͤrdern moͤglich geweſen, als die Geſetze (§. 17). Wird nun nich alle moͤgliche Sorge an - gewendet, daß dieß Geſetze genau koͤnne beobachtet werden, ſo verliehrt dieß Mittel ſeine Kraft, und das Geſetze wird hiedurch in der That ein unvollſtandiges Geſetze, (§. 20). Folglich erfodert jene wichtige Leh - re, die wir §. 22. veſtgeſetzet haben, auch eine ſehr genaue Beobachtung dieſer Regel.
Anmerk. Es gilt demnach auch hier, und zwar aus ſehr wichtigen Gruͤnden, was die Klugheit uͤberhaupt bey den Endſchließungen vorſchreibet. Sie ſpricht: Ehe du eine Endſchließung faſſeſt und dieſe bekannt machſt, ſo uͤberlege alles genau, und laſſe alle Menſchen, aber doch unvermerkt, deine Rathgeber ſeyn, wenn du aber den Schluß gefaſt und bekannt gemacht haſt, ſo ſey, ſo weit es moͤg - lich iſt, in der Ausfuͤhrung beſtaͤndig.
Dieſe allgemeine Lehre, die ich bis hieher von der Policey uͤberhaupt abgehandelt, und wie ich es glau - be, bewieſen habe, giebt uns zugleich dieß zu erken - nen, daß kein Theil in einem Staate zu finden ſey, wo man ſo ſehr auf die beſondern Neigungen, und auf die angenommenen Begriffe der Jnnwohner ſehen muͤſſe, als der Theil iſt, der auf die Policey gehet. Hier iſt es ſchlechterdings noͤthig, die Veranſtaltun - gen alſo zu machen, daß ſie die Menſchen nach ihren beſonderen Neigungen lenken koͤnnen (§. 17. u. f.) und dieſe werden durch ihre beſonderen Neigungen alsdenn gelenkt, wenn ſie nach den Begriffen, die ſie angenommen haben, bey einer Sache dasjenige fin -den,407von den allgemeinen Regeln derſelben. den, was ihren beſondern Neigungen gemaͤß iſt. (§. 447. Sitten-Lehre.)
Die Begriffe, welche die Menſchen annehmen, ſindund einige beſondere aus dieſer. vielen Veraͤnderungen unterworfen. Sie ſind nicht allemahl gegruͤndet, und daher werden ſie bald durch dieſen, bald durch einen andern Umſtand in ihren Merkmahlen geaͤndert. Ferner: Die Begriffe, wel - che die Menſchen annehmen, ſtellen die Dinge ſelten in ihrer wahren Beſchaffenheit vor. Sie bilden vielmehr ſehr offt nur den Schein ab, der dieſe Din - ge den Menſchen angenehm oder unangenehm macht. Wenn wir mit dieſem das verbinden, was wir §. 24. gelehret haben, ſo folget:
Anmerk. Alte Policey-Ordnungen koͤnnen uns zwar Marimen geben, Policey-Anſtalten zu erfin - den, ſie ſind aber in den neuern Zeiten nicht alle - mahl vollſtaͤndige Policey-Geſetze. Und was in ei -C c 4nem408Der Policey-Wiſſenſchaft 1 Abſchnitt,nem Lande ein vollſtaͤndiges Policey-Geſetze, dieß iſt darum noch nicht ein vollſtaͤndiges Policey-Ge - ſetze in einem andern Lande, (§. 21. 24. 25).
Wenn man dieß, was wir von der Policey uͤber - haupt geſaget haben, genau uͤberleget, ſo wird man es uns leicht verwilligen, es ſey unmoͤglich, daß die gan - ze Policey in einem Staate von einem Menſchen koͤn - ne regieret werden. Daher ein Policey-Collegium nicht nur noͤthig, ſondern beynahe das Wichtigſte, worauf in einem Lande zu ſehen iſt, (§. 2). Der Be - griff von einem Policey-Collegio iſt leicht zu bilden. Es iſt eine Geſellſchaft, die durch gemeinſchaftliche Ueberlegung diejenigen Dinge in einem Staate be - ſtimmen und regieren ſoll, die zur Erhaltung und Vermehrung des Reichthums der Jnnwohner und des Staats erfodert werden.
Die Beſchaffenheit der Glieder eines Policey-Colle - gii beſtimmet das, was wir bis hieher von der Policey geſaget haben, und wie ein ſolches Collegium einzu - richten, wenn es vollſtaͤndig ſeyn ſoll, dieß wollen wir alsdenn erklaͤren, wenn wir die beſonderen Policey - Stuͤkke werden abgehandelt haben.
Anm. Vielleicht befuͤrchtet man, daß ich das Policey-Collegium mit dem Cammer-Collegio ver - wirre. Sollte man dieſes befuͤrchten, ſo uͤberlege man das, was wir hievon in dem Vorberichte erinnert haben, ſo wird man es bald merken, daß das Cam - mer-Collegium unvollſtaͤndig, wenn nicht das Poli - cey-Collegium vollſtaͤndig iſt. Und daß das Cam - mer-Collegium ſeine Gruͤnde zu urtheilen, aus dem Policey-Collegio, und das Policey-Collegium ſehroft409von den allgemeinen Regeln derſelben. oft ſeine Bewegungs-Gruͤnde aus dem Cammer - Collegio nehmen muͤſſe. Daher ſie zwar verſchie - dene Collegia, die aber doch genau mit einander verknuͤpft ſind. Wird man dieß uͤberlegen, ſo wird man auch in unſerm Vortrage diejenige Verwir - rung nicht finden, die man daſelbſt vermuthet hat.
Die Bevoͤlkerung eines Staats iſt zwar insge -Ein Land kann nicht zu viel Volk haben, dieß wird durch die Erfah - rung mein das lezte, ſie ſollte aber billig das erſte ſeyn, worauf man bey einer vollſtaͤndigen Policey zu ſehen hat. Sie iſt beynahe die Seele von dem Reich - thum der Jnnwohner und des Staats. Viele ſetzen dieſe Sorge bey Seite, aus Furcht, ein Land moͤchte zu viele Menſchen bekommen. Jch will es beweiſen, daß dieſe Furcht ohne Grund und der Policey ſehr nachtheilig ſey. Jch will es beweiſen durch die Er - fahrung. Jch will es beweiſen durch Schluͤſſe. Man nehme eine bluͤhende Reichs-Stadt. Man verglei - che ihre Grenzen mit den Grenzen eines andern Staa - tes und die Anzahl der Jnnwohner in jener mit der Anzahl der Jnnwohner in dieſer. Man frage nach dem Reichthum der Jnnwohner und des Staats, und man wird es bald merken, es ſey unmoͤglich, daß ein Land zu viel Volk haben koͤnne.
Jch will dieſen Satz auch durch Schluͤſſe beweiſen. Eine Sache, welche die Nahrung und den Handel im Staate vermehret, deren Mangel im Gegentheil bey - des vermindert, dieſe kann unmoͤglich der Policey zu - wider ſeyn, ſie wird vielmehr von ihr ſchlechterdings erfodert, (§. 1. 2). Je volkreicher ein Staat, deſto ſtaͤrker kann die Nahrung und der Handel im Staate vermehret werden, und je groͤßer der Mangel der Jnn - wohner, deſto mehr wird die Nahrung und der Han - del vermindert. Folglich iſt der groͤſte Theil von dem Reichthum des Staats mit in dem gegruͤndet, wenn der Staat volkreich iſt.
Vielleicht zweifelt man an der Wahrheit des mitt - lern Satzes. Man zergliedere die Gruͤnde ſeines Zweifels, und man wird es bald merken, daß dieſe nicht aus der Menge des Volks, ſondern aus dem Mangel der Ordnung genommen worden. Man nehme zwey Menſchen, die gleichviel verzehren, und auch gleichviel an Kleidungen gebrauchen. Man ſetze von dieſen tauſend an dem einem, und hundert an ei - nem andern Orte. So muß ja nothwendig jener Ort mehrere Nahrung und einen ſtaͤrkern Handel haben, als dieſer. Man hat demnach keine Urſache, uͤber die Menge der Menſchen zu ſeufzen, man mache nur Ordnung, und zwar dieſe nach den Regeln einer wah - ren Policey.
Anmerk. Wollte ich, dieſen Satz zu bekraͤfti - gen, fremde Gruͤnde nehmen, die ſich nicht mehr auf die Policey, ſondern auf die Sicherheit des Staats und auf das Cammer-Weſen beziehen, ſo wuͤrde ich ihn noch weit mehr unterſtuͤtzen koͤnnen. Wer kann in Anſehung des erſten Stuͤkkes dieſenSatz411von der Bevoͤlkerung eines Staats. Satz laͤugnen. Je groͤßer die Anzahl des Volks in einem Staate, in welchem Ordnung, deſto leich - ter kann die Sicherheit des Staats vertheidiget werden. Und wer wird in Anſehung des andern Punkts dieſen Satz laͤugnen, daß ein jeder, der ſich in einem Staate, in dem Ordnung iſt, be - findet, der Cammer jaͤhrlich etwas einbringe. Ja, man kann unter dieſer Bedingung hievon nicht ein - mahl einen Bettker ausſchließen. Jch will es be - weiſen, daß ein Bettler der Cammer jaͤhrlich zwey Thal. einbringen koͤnne. Er muß doch wenigſtens taͤglich 2 Pfund Brod haben. Dieß wird doch wohl der Cammer durch die Muͤhle, durch das Bak - ken u. ſ. f. in dem ganzen Zuſammenhange einen Pfenning tragen. Dieß iſt im Jahr 1 Thal. 6 gr. 5 pf. Er trinkt doch wenigſtens in einem Jahr eine Tonne Bier, und dieß wird doch wohl durch obige Gruͤnde der Cammer 4 gr. tragen. Soll - ten wohl nicht die uͤbrigen Dinge, die er am Fleiſche genießet, und von Kleidungen noͤthig hat, der Cammer im Jahre 13 gr. 9 pf. tragen. Hier iſt die Rechnung.
Es iſt demnach dieß eine Lehre, der man mit Grun -Es entſtehen zwey Haupt - Aufgaben in der Poli - cey. de nicht widerſprechen kann, daß der Reichthum eines Staats einen volkreichen Staat erfodere. Und da - her wird man es uns leicht verwilligen, daß in der ganzen Policey-Wiſſenſchaft zwey Haupt-Aufgaben aufzuloͤſen ſind. Einmahl, wie findet man Mittel, die den Haupt Regeln der Policey gemaͤß ſind, einen Staat zu bevoͤlkern? Fuͤrs andere, wie iſt die inne - re Verfaſſung des Staats einzurichten, wenn bey die - ſer Bevoͤlkerung die Jnnwohner des Staats und der Staat reich werden ſoll? Man wird es in der Fol - ge bald merken, daß die Aufloͤſung der letzten Aufgabe von der Aufloͤſung der erſten abhaͤnget.
Die erſte Aufgabe: Durch welche Mittel iſt ein Staat zu bevoͤlkern? kann durch eine genauere Be - ſtimmung der allgemeinen Regeln, die wir in aͤhnli - chen Faͤllen anwenden, aufgeloͤſet werden. Wer reich werden will, der muß das bereits erworbene nicht nur erhalten, ſondern auch auf Mittel denken, dieß zu vermehren. Folglich kommt es auch hier auf zwey Haupt-Stuͤkke an.
Wir muͤſſen jeden Punkt genauer unterſuchen. Soll die Anzahl der Jnnwohner des Staats, die be - reits da ſind, erhalten werden, ſo iſt nichts uͤbrig, als daß man diejenigen Urſachen aus dem Wege raͤumet, wodurch dieſe Anzahl vermindert wird. Wer kann andere Urſachen, die dieſes zu wuͤrken, vermoͤgend ſind, erdenken, als das Sterben und das Wegziehen aus dem Lande.
Der Tod iſt entweder natuͤrlich oder gewaltſam. Den natuͤrlichen Tod zu verhindern, dieß ſtehet in der Gewalt der Policey nicht weiter, als daß ſie fuͤr ge - ſunde Luft, Speiſe und Trank ſorget. Dieß wird eine wichtige Aufgabe, die in der Folge beſonders aufzuloͤſen iſt.
Der gewaltſame Tod iſt entweder ein Erfolg desund des ge - waltſamen Todes, der ſo wohl durch Kriege Krieges, oder er wird den Jnnwohnern zur Strafe zugefuͤget. Das Kriegs-Weſen gehoͤret nicht zur Po - licey. Sie giebt nur aus zuvor angenommenen Gruͤn - den dem Beherrſcher des Staats dieſen treugeſinnten Rath, Kriege, ſo viel es moͤglich iſt, ſparſam zu fuͤh - ren, und durch gute Belohnungen Fremde zur Ver - groͤßerung der Kriegs-Mannſchaft anzulokken. Auch aus dieſem entſtehet eine wichtige Aufgabe, wie der Soldaten-Stand zur Policey-Abſicht einzurichten ſey.
Aus eben dieſer Urſache unterſtehet ſich die Policey,als auch durch Stra - fen erfolget. der Gerechtigkeit, bey Austheilung der Lebens-Strafen, einige Grenzen zu ſetzen. Sie verwilliget es, daß das Boͤſe muͤſſe beſtrafet werden. Sie bittet nur, die Lebens-Strafen nicht anders als in dem Falle der hoͤchſten Noth zu gebrauchen. Sie bittet, und zwar nicht ohne Grund. Menſchen die zur Strafe getoͤd - tet werden, ſind insgemein ſtark, und ihr natuͤrliches Geſchikke iſt nicht geringe. Die Policey kann ſolche vorzuͤglich brauchen. Sie hat viele Arbeiten zu beſor - gen, die den Arbeitern eine Laſt, weil ſie muͤhſam und den Arbeitern wenig einbringen. Sie kann dieſen nicht viel geben, wenn ſie den Staat nicht angreifen will. Z. B. die Wege-Beſſerungen, Steinſchneiden, Raſpeln und dergleichen. Darum bittet ſie um die - ſe Verbrecher, die zum Tode verdammt ſind. Sie macht Veranſtaltungen, den Staat wider dieſe in Sicherheit zu ſetzen. Und dieſe Menſchen werden dem Staate auf mehr als auf eine Art nuͤtzlich. Sie befreyen den gehorſamen und arbeitſamen Unterthan von einer muͤhſamen Frohne; der Staat borget ih - nen nur die taͤgliche Belohnung, ſie verzehren eswie -414Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,derum im Staate, und bringen es demſelben reich - lich wieder.
Die Policey verſtehet die Kunſt, dieſe Menſchen, wenn ſie witzig ſind, dem Staate noch nuͤtzlicher zu machen. Sie bringet ſie in Sicherheit, uͤber - giebt ihnen Arbeiten, die ihrem Witze ge - maͤß. Sie wendet, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, alle moͤgliche Mittel an, dieſe zur Arbeit aufzumuntern. Sie braucht Gewalt, ſie braucht auch Guͤthe, ſo, wie es zur Erreichung der Abſicht noͤthig iſt. Der Witz dieſer Menſchen arbeitet, und ſie brin - gen Werke hervor, die in ihrer Art Meiſter-Stuͤkke. Dieß erweitert auf mehr, als auf eine Art, den Han - del, und ſie werden Menſchen, die ſich auch in der Ge - fangenſchaft zum Nutzen des Staats ernaͤhren.
Anmerk. Dieß, werden viele ſprechen, klinget ſchoͤne. Man darf nur noch eines hinzuſetzen, daß durch dieſen Weg boßhafte Menſchen in Ordnung gebracht werden, ſo wird es vollkommen. Allein, wo bleibt die Gerechtigkeit? Dieſe muß das Boͤſe beſtrafen. Jch antworte, ſie muß das Boͤſe be - ſtrafen, aber doch nach den Geſetzen der Weisheit. Man will durch dieſes Strafen den Staat in Si - cherheit ſetzen. Sollte wohl nicht die Anwendung der angegebenen Regel die Sicherheit des Staats weit vollkommener beveſtigen. Der Tod erwekket in einem Boßhaftigen nur alsdenn eine Furcht, wenn er gegenwaͤrtig iſt. Eine beſtaͤndige Gefan - genſchaft, die mit ſtrenger und nicht unterbroche - ner Arbeit verknuͤpft iſt, muß ihm nothwendig haͤr - ter ſcheinen. Man erkundige ſich in der Welt. Die Erfahrung wird meine Gedanken unterſtuͤtzen.
Man wird uns einwenden, ſolche VeranſtaltungenEinem Ein - wurfe wird begegnet. koͤnnten ohne viele Koſten nicht gemacht werden, und es wuͤrde ſchwer halten, wenn ſie den Aufwand be - zahlen follten, daher koͤnnte die Policey dieſen Vor - ſchlag nicht annehmen. Jch will dieſen Einwurf jetzo nicht aus der Moral, ſondern aus der Policey beant - worten. Wir muͤſſen die Koſten, die zur Einrichtung ſolcher Veranſtaltungen erfodert werden, von denen unterſcheiden, die deren Unterhaltung erfodern. Re - det man von dem lezten, ſo laͤugne ich es, daß dieſe dem Staate merkliche Koſten macht. Jch will es be - weiſen, daß vielmehr der Staat hievon einen Vortheil gewinnen muͤſſe, woferne nur die Einrichtung regel - maͤßig gemacht iſt. Jch will die Rechnung machen. Wenn in einem Zucht-Hauſe alle Arbeiten nach der Staͤrke und nach der Beſchaffenheit der Zuͤchtlinge vertheilet worden, ſo wird doch wohl ein Menſch taͤg - lich, ein Tag im andern gerechnet, 2 gr. verdienen. Dieſer, der nicht mehr verdienet, kann taͤglich mit 1 gr. 6 pf. erhalten werden, bleibet Ueberſchuß 6 pf. Man nehme an, daß 40 Zuͤchtlinge da ſind, ſo iſt der Ueberſchuß taͤglich 20 gr. Man gebe den Aufſehern taͤglich zum Unterhalte 16 gr. bleibet in Caſſa 4 gr. Dieß iſt woͤchentlich 1 Thaler, jaͤhrlich 52 Thaler. Dieſe werden zur Erhaltung des Gebaͤudes und ſo weiter angewendet. Von dem, was der Zuͤchtling verzehrt, werden doch wohl der Cammer jaͤhrlich zwey Thal. heimfallen (§. 29.), dieß ſind 80 Theil. Jch will das nicht rechnen, was die Aufſeher verzehren. Folglich iſt dieß ſchon 5 pro cent gerechnet, ein Capi - tal von 1600 Thalern. Wie iſt es nun moͤglich, zu ſagen, daß der Unterhalt bey ſolchen Veranſtaltungen dem Staate eine Laſt ſey? Wird es eine Laſt, ſo muß es an der Ordnung fehlen. Redet man von den Koſten, die zur Einrichtung ſolcher Anſtalten erfodertwerden,416Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,werden, ſo glaube ich auch, daß dieſe in dem ganzen nur ſcheinbare ſind. Man muß einen reichen Staat mit einem reichen Manne nicht verwirren. Das Zucht-Haus muß gebauet werden. Wie viele Men - ſchen bekommen hiedurch Nahrung. Was gewinnet hiebey der Staat? Doch von ſolchen Einrichtungen werde ich unten beſonders handeln.
So weit von dem Sterben. Jſt die Urſache von der Verminderung der Einheimiſchen das Wegziehen aus dem Lande, ſo iſt dieſes wiederum entweder ein freywilliges oder ein gezwungenes, das einem zur Strafe angekuͤndiget wird. Jſt dieſes, ſo wird es gleichfalls von der Policey auf den Fall der aͤußerſten Noth eingeſchraͤnkt. Sie fragt, warum wird dieſer, wenn es nicht die aͤußerliche Noth erfodert, weggeja - get. Endweder er iſt zu beſſern und zu gebrauchen, oder er iſt nicht zu beſſern, auch nicht zu gebrauchen. Jſt dieſes, was ſoll dieſer Menſch bey unſerm Nach - bar machen? Wird er nicht dieſen beunruhigen? Sind wir fuͤr ihm ſicher? Jſt das erſte, ſo gebe man mir dieſen Menſchen. Jch verſtehe die Kunſt, dieſe Leute durch alle Grade zum Nutzen des Staats zu gebrauchen, (§. 35. u. f.).
Ziehen Einheimiſche freywillig aus dem Lande, ſo iſt entweder nichts in dem Lande, was ihnen das Da - bleiben nothwendig macht; oder ſie haben Grund, zu glauben, daß es ihnen in fremden Landen beſſer gehen werde, als in dieſem. Die Policey hat alſo in dieſer Abſicht auf eine gedoppelte Veranſtaltung zu denken. Sie muß Mittel erfinden, wodurch es den Einhei - miſchen nothwendig wird, in einem Lande zu bleiben. Sie muß auch auf ſolche Einrichtungen denken, daßder417von der Bevoͤlkerung des Staats. die Einheimiſchen keinen Grund bekommen zu glauben, es werde ihnen in der Fremde beſſer gehen.
Wie ſind Mittel von der erſten Art moͤglich. Mittel, die - ſes policey - gemaͤß zu verhindern.Vielleicht Gewait, Befehle, Strafen, Auflagen bey dem Abzuge. Alle dieſe Dinge haben ihren Nuzzen, ſie gehoͤren aber nicht zur Policey (§. 17. 18. 20.). Sie weiß andere Vorſchlaͤge, die ſich wuͤrkſamer be - weiſen. Sie ſchluͤſt aus §. 16. 24. ſoll einem das Wegziehen aus einem Lande verdruͤßlich fallen, ſo muß er in dem Lande was zuruͤck laſſen, das ihm zwar angenehm, er es aber doch nicht mitnehmen kann. Was iſt dieß? Endweder liegende Guͤther, oder ein maͤchtiger Zuſammenhang in der Freundſchaft. Aus dieſem ſchluͤßet ſie ferner:
Das Mittel, was den andern Zweck wuͤrken ſoll,Fernere Mittel. den wir §. 40. angegeben haben, iſt dieſes: Ein jeder muß in einem Lande dasjenige ohne Ver - druß bekommen koͤnnen, was er mit Vernunft nach ſeiner Abſicht und nach ſeinem Stande noͤthig hat.
Aus dieſem Satze, den man uns ohne BeweißBeſondere Folgen aus dieſem. verwilligen wird, folget ferner:
D dEin -418Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Wie iſt dieß zu bewerkſtelligen, was dieſe Regeln erfordern? Die Sache iſt zu wichtig, als daß wir ihr mit wenigen Worten Genuͤge thun koͤnnen. Sie verdienet in der Folge eine beſondere Abhandlung.
So weit von der Erhaltung der Jnnwohner. Es folget die Vergroͤſſerung ihrer Anzahl. Das Mittel hiezu iſt einmahl die Vermehrung der Einheimiſchen (§. 31.). Auch bey dieſem Stuͤkke kann die Policey weiter nichts thun, als daß ſie die Hinderniße dieſer Vermehrung aus dem Wege raͤumet. Was ſind das fuͤr Hinderniſſe? und wie koͤnnen ſie aus dem Wege geraͤumet werden? Wer das Natur-und Voͤlker - Recht verſtehet, dem wird es leicht werden, beydes anzuzeigen. Jch will denen nicht beypflichten, die hieher das Verboth des Concubinats zehlen. Dieſe verſtehen zwar die Kunſt, ihrer Sache einen Schein der Wahrheit zu geben. Sie ſprechen: dieſes Verboth wuͤrke einen unzaͤhligen Mißbrauch der Natur, und dieſer verhindere das Daſeyn unendlich vieler Kinder, die man zum Nutzen des Staats und der beſonderen Herrſchaften anwenden koͤnne. Zum Nutzen des Staats koͤnnten ſie Soldaten und Werkzeuge der oͤffentlichen Fabriquen werden, und zum Nutzen der beſondern Herrſchaften koͤnnten ſie zur Bearbeitung wuͤſter Felder und haͤußlichen Bedienungen gebraucht werden. Allein ein Weiſer wird dieſen Schein ſehr bald entdekken. Jch will vielmehr mein Abſehen nur auf die Gleichheit der Heyrathen richten. Soll ein jeder Vater ſeine Kinder ſtandesmaͤßig erziehen, undſoll419von der Bevoͤlkerung des Staats. ſoll ein jeder Mann ſeine Frau ſtandesmaͤßig halten, ſo wird dieß vielen eine Laſt. Und dieß verhindert den Endſchluß ſich zu verheyrathen. Jch nehme mir die unſchuldige Freyheit, meine Gedanken von dieſem Stuͤkke offenherzig auszudruͤkken. Solte es wohl nicht in der von uns angenommenen Abſicht einem Staate nuͤzlich ſeyn, die Heyrathen in zwey Arten zu vertheilen. Wer alſo heyrathen will, daß er ſeine Kinder ſtandesmaͤßig erziehet und ſeine Frau ſtandes - maͤßig haͤlt, der bekommet im Staate einige Freyhei - ten und beſondere Vorrechte. Wer aber heyrathen und beyde Stuͤkke zwar beſorgen aber doch nicht nach ſeinem Stande einrichten will, der bleibt ein ehrlicher Mann, und behaͤlt die Vorzuͤge ſeines Standes, die aber doch weder ſeinen Kindern noch ſeiner Frau mit - getheilet werden. Und daher werden ihm nur jene Freyheiten und beſonderen Vorrechte nicht verwilliget. Es iſt ein Vorſchlag, den verſchiedene Voͤlker mit Nutzen gebraucht haben, und ich kann keinen Grund finden, warum er nicht noch jetzo nuͤtzlich ſeyn ſollte.
Das andere Mittel die Anzahl der JnnwohnerFuͤrs andere durch die Anlokkung der Fremden aus dem Triebe zur Freyheit. zu vermehren iſt die Anlokkung der Fremden. Fremde koͤnnen unmoͤglich angelokket werden, als durch den Trieb der Freyheit, und durch die Hoffnung eines Vortheils. Die Freyheit, die ſie ſuchen, gehet ent weder auf die Religion, oder auf den Gebrauch der Geſchicklichkeiten und des Vermoͤgens. Aus dem erſten fluͤßet die Nothwendigkeit in einem Lande, ſo weit es die Moral erlaubt (§. 7.), Religions-Freyheiten zu verſtatten. Bey dieſer Einrichtung, die wichtig, iſt vieles zu beobachten. Wir wollen auch ihr eine be - ſondere Abtheilung widnen.
Suchen ſie in einem Lande Freyheit in dem Ge - brauche ihrer Geſchicklichkeiten und des Vermoͤgens, ſo muͤſſen ſie in dem Lande alles unternehmen koͤnnen, was nicht wider die Moral und einer regelmaͤßigen Ordnung iſt (§. 7.). Aus dieſem Grunde giebt die Policey dieſen Rath: Man ſoll keinem, der ſich in einem Lande niederlaͤſt, wenn es nicht die aͤußerſte Noth erfordert, in dem, womit er etwas erwerben will, andere als die allge - meinen Grenzen ſetzen, welche in dieſer Regel gegruͤndet: gebet GOtt was GOttes, und dem Rayſer, was des Rayſers iſt.
Wie kann die Policey im Staate Ordnung halten, wenn es nicht der Staat weiß, womit ein jeder ſeine Nahrung ſucht. Daher iſt auch dieß eine Haupt - Regel: Wer mit einer gewiſſen Art der Be - ſchaͤftigungen im Staate etwas verdienen will, der muß dem Staate dieß zuvor anzeigen.
Sollen Fremde durch die Hoffnung eines Vortheils angelokket werden, ſo ſetzen ſie dieſen Vortheil entwe - der in der Erkenntniß, oder ſie ſuchen einen außerlichen Vortheil. Jenes erfordert, daß in einem Lande Wiſſenſchaften und Kuͤnſte vorzuͤglich bluͤhen. Ein Gelehrter, ein Kuͤnſtler, der ſich bemuͤhet, in ſeinem Stuͤkke Meiſter zu ſpielen, kann ſehr leicht einem Staate ſo nuͤtzlich werden, als eine mittelmaͤßige Fabrique. Geſetzt, er lokket in einem Jahr nur zehen Fremde an, von welchen ein jeder 100. Thaler im Lande laͤſt. So bringt er jaͤhrlich 1000. Thaler ins Land. Solten wohl nicht von dieſen durch denganzen421von der Bevoͤlkerung des Staats. ganzen Zuſammenhang 50 Thaler in die Cammer kom - men. Folglich iſt ein ſolcher der Cammer ſo gut als ein Capital von 1000. Thaler. Wie dieſe Veran - ſtaltungen mit Vortheile koͤnnen gemacht werden, dieß will ich auch in einer beſondern Abtheilung unterſuchen.
Suchen ſie einen aͤußerlichen Vortheil, ſo ſetzen ſieoder in aͤuſ - ſerlichen Umſtaͤnden z. B. in der Ehre, dieſen entweder in der Ehre, oder in dem ſinnlichen Vergnuͤgen, oder in dem zeitlichen Vermoͤgen. Jn der Ehre, ſo hoffen ſie entweder in dem Lande groͤßere Ehren-Stellen zu erhalten, oder ſie glauben, daß ſie in dieſem Lande mit ihrem Vermoͤgen bequemer, ihrem Stande gemaͤß leben koͤnnen, als es in einem andern Lande hat geſchehen koͤnnen. Jſt jenes, ſo denkt die Policey auf Mittel anſehnliche Ehren-Stellen anzu - ordnen, die dem Staate keine Laſt werden. z. B. Titul, mit welchem ein vorzuͤglicher Rang verknuͤpft iſt. Dieſes kann nur dadurch erreicht werden, wenn man alles in einem Lande um ein billiges Geld haben kann.
Lokket das Verlangen die Sinne zu ergoͤtzen Fremdein der Belu - ſtigung der Sinne. in ein Land, ſo muß in dieſem alles, was in Beziehung auf die Sinne ſchoͤn iſt, an Vorzuͤgen prangen, undMittel hiezu. man muß ohne Unbequemlichkeit durch das Land reiſen und in demſelben leben koͤnnen. Dieß giebt der Policey Bewegungs-Gruͤnde, auf Mittel zu denken, wie Gaſt - hoͤfe, Coffee-Haͤußer, Gaͤrten, die Gebaͤude regel - maͤßig anzulegen, wie die Gaßen und Land-Straßen zu verbeſſern und vollkommen zu halten, und ſo ferner. Auch dieſem wollen wir in der Folge eine beſondere Abhandlung widmen.
D d 3Anmerk. 422Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Anmerkung. Vielleicht werden es uns einige einwenden, daß dieſe Dinge zum Theil dem wider - ſprechen, was wir bereits oben §. 7. veſtgeſetzet haben. Dieſen antworte ich: Jſt nicht das Spie - len, Tanzen, Muſic von Natur erlaubt. Warum ſolte man denn nicht zu dieſen Abſichten in einem Staate vorzuͤgliche Veranſtaltungen machen koͤnnen? Geſetzt, ſie werden von dieſem oder jenem gemiß - braucht, ſo iſt dieß kein hinreichender Grund, ſie zu verabſcheuen. Die Policey hat ſolche Dinge zur Befoͤrderung ihrer Abſicht noͤthig, und die Kirche muß auf Mittel denken, die Mißbraͤuche zu ver - hindern.
Zur Verbeßerung der Gaſthoͤfe nimmt die Policey noch einen beſondern Bewegungs-Grund aus dem, was ſolget. Fremde ſind einem Staate nuͤzlich, wenn ſie auch nur durch das Land reiſen. Sie geben Zoll. Sie reiſen nicht durch, ohne etwas im Lande zu verzehren. Sie bezahlen das Futter fuͤr ihr Vieh. Bey dem Geſchirre iſt bald dieſes bald jenes zu verbeſſern. Folglich vermehret dieß die Nahrung der Jnnwohner aus verſchiedenen Gruͤnden. Es iſt eine bekannte Sache, daß man ſich nicht ſcheuet, einige Meilen umzufahren, wenn man weiß, daß man da - ſelbſt einen gangbaren und angenehmen Weg, wie auch eine bequeme Bewirthung findet. Das iſt ge - nug, zu beweiſen, daß es keine geringe Sache ſey, wenn die Policey auch fuͤr dieſe Stuͤkke mit Ernſte ſorget. Wie dieß in vorkommenden Faͤllen zu bewerkſtelligen, hievon ſoll unten geredet werden.
Sollten wohl meine Gedanken voͤllig zu verwerfen ſeyn, wenn ich dieſe zuvor angemerkte beſondere Ab -ſicht423von der Bevoͤlkerung des Staats. ſicht zu erreichen, auch Comoͤdien, Opern und derglei - chen Dinge vorſchlagen wollte? Sie werden ſich ge - wiß, wenn ſie regelmaͤßig ſind eingerichtet worden, in dieſem Stuͤkke vorzuͤglich wuͤrkſam beweiſen. Denen, welche mir moraliſche Gruͤnde entgegen ſezzen, will ich nur dieß zu uͤberlegen geben, daß regelmaͤßig eingerich - tete Comoͤdien nichts anders als Moralien, welche die Thorheiten der Menſchen auf eine angenehme Art laͤ - cherlich vorſtellen, und daher koͤnnen ſie außer jener Abſicht noch viel Gutes auch bey der Beſſerung der Menſchen wuͤrken. Und ſo ferner.
Die, welche mir aus den Gruͤnden der Policey inEinem Ein - wurfe wird begegnet, dieſem Stuͤkke widerſprechen, unterſtuͤtzen ihre Gegen - meynung mit dieſem Satze: Comoͤdianten und der - gleichen bringen vieles Geld auſſer Land, und darum ſind ſie der Policey zuwider. Mir ſcheinet dieſer Grund zu ſchwach zu ſeyn, das zu unterſtuͤtzen, was er unterſtuͤtzen ſoll. Fuͤrs erſte: Es iſt ja moͤglich, daß der Staat Comoͤdianten halten kann, welche Jnn - wohner des Staats ſind. Alsdenn faͤllt dieſe Be - denklichkeit voͤllig weg. Fuͤrs andere: Es iſt zwar eine angenommene Meynung: man muß alles ein - ſchraͤnken, was Geld aus dem Lande fuͤhret. Jch habe aber noch keinen gehoͤrt oder geleſen, der dieſen Satz ohne Einſchraͤnkung bewieſen, und dieſe Ein - ſchraͤnkung beveſtiget zugleich dieſes, daß Comoͤdianten der Policey-Abſicht nuͤtzlich ſeyn koͤnnen, wenn ſie auch fremde ſind. Wir wollen dieß genauer unterſuchen.
Sollte wohl dieß eine allgemeine Wahrheit ſeyn,und eine ge - woͤhnliche Lehre einge - ſchraͤnket. daß die Policey gebiethe, alles einzuſchraͤnken, wodurch das Geld aus dem Lande gebracht wird. Jch habeD d 4dieſen424Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,dieſen Satz als einen allgemeinen Satz gelaͤugnet. Jch will meine Gedanken beweiſen. Die Mittel, wodurch das Geld aus dem Lande gehet, ſind nicht von einerley Art. Einige ſind unfruchtbar. Sie geben den Jnnwohnern keine Gelegenheit etwas zu erwerben, und in dieſem Falle iſt die Wegſchaffung der Gelder der Policey zuwider (§. 1.). Z. B. Wenn die Jnnwohner ihre Capitalien in fremde Laͤn - der verborgen, und ſo ferner. Andere ſind frucht - bar. Sie geben den Jnnwohnern und dem Staate Gelegenheit etwas zu erwerben. Und in dieſem Falle kann die Wegbringung des Geldes aus dem Lande der Policey nuͤzlich werden. Denn das iſt die Quelle, wo - durch der Staat reich wird, wenn ſich viele Jnnwoh - ner in demſelben reichlich naͤhren koͤnnen (Siehe den Vorb.).
Suchen endlich Fremde ihren Vortheil in dem zeit - lichen Vermoͤgen, und dieſe ſollen angelokket werden, in ein Land zu ziehen, ſo wollen ſie entweder mit ihrem Vermoͤgen etwas verdienen, oder ſie wollen nur das Jhrige mit groͤßerer Sicherheit nutzen und unterbrin - gen. Zu beyden Abſichten ſuchet die Policey Mittel. Sie giebt einem jeden zum Verdienen Gelegenheit, und ſie bemuͤhet ſich, einem jeden in dem Seinigen voͤllige Sicherheit zu verſchaffen. Die Mittel, beydes zu wuͤrken, ſollen an ſeinem Orte veſtgeſetzet werden.
Aus dieſem, was wir bis hieher von der Bevoͤlke - rung des Staats abgehandelt haben, folget, daß ſich das Policey-Collegium genau um den Zuſtand der Nachbarn bekuͤmmern muͤſſe, um deren Schwaͤche und Staͤrke zu erfahren. Jhre Schwaͤche kann dieſemStaate425von der Bevoͤlkerung eines Staats. Staate nuͤzlich und ihre Staͤrke dieſem Staate nach - theilig werden. Folglich muß es auf Mittel denken, jenen Nutzen zu erhalten, und dieſen Schaden zu ver - hindern. Siehe §. 17. und folg. Wenn man das ganze Policey-Weſen in ſeinem Zuſammenhange be - trachtet, und die Regeln anwendet, welche die Sitten - Lehre von dem Wege zur Weisheit und Klugheit §. 81. und folg. vorſchreibet, ſo wird es nicht ſchwer fallen, durch gemeinſchaftliche Ueberlegung in jedem Falle dieſe verlangten Mittel zu erfinden.
Alle Schulen, von den unterſten an gerechnet bis aufAbſicht der Schulen. die hoͤchſten, haben dieſe gemeinſchaftliche Abſicht, daß man Menſchen zum Nutzen der buͤrgerlichen Ge - ſellſchaft bilden will. Dieſe Abſicht entdekket uns zu - gleich die Wichtigkeit der Sache, wenn wir hiebey er - wegen, daß die Menſchen zwar von Natur ein Ver - moͤgen haben, geſchickt zu werden, die wuͤrkliche Geſchick - lichkeit aber durch die Erziehung muͤſſe erhalten werden.
Aus dieſem folget, daß die Policey nicht wenigerJhre Noth - wendigkeit. auf gute Einrichtungen der Schulen in dem Staate, als auf die Bevoͤlkerung des Staats zu ſehen habe. Jene machen es, daß dieſe das wuͤrken kann, was ſie wuͤrken ſoll.
Die Policey ſagt alsdenn, daß ein Menſch zumDie Abſicht der Schulen wird erklaͤrt. Nutzen der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey gebildet wor -D d 5den,426Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,den, wenn er Geſchicklichkeit genug beſitzet, ſich zu ernaͤhren, und durch ſeine Beſchaͤftigungen auch an - dern Gelegenheit geben kann, etwas zu erwerben. Je groͤßer demnach dieſe Geſchicklichkeit, und je fruchtbarer ſie ſich bey dem beweiſet, daß ſich andere in einem Staate reichlich ernaͤhren koͤnnen, deſto beſſer iſt er nach dem Urtheile der Policey gebildet worden.
Die groͤſte Geſchiklichkeit beweiſet ſich insgemein in dem lezten Falle unfruchtbar, wenn nicht das Herz des Menſchen moraliſch iſt. Man wird uns fragen, emmahl: was heiſt dieß? und fuͤrs andere: war - um wird es erfodert? Die Beantwortung der erſten Frage iſt dieſe: das Herz des Menſchen iſt alsdenn moraliſch, wenn es im Ernſte bemuͤhet iſt, die Anwen - dungen ſeiner Geſch klichkeit nicht nach ſeinem eigenen Nutzen, ſondern nach der Wohlfarth des Ganzen, worin er lebet, abzumeſſen. Wenn man es verſtehet, was die Tugend iſt, und wie die Sitten-Lehre einen Men - ſchen bildet, ſo wird man uns dieſen Vegriff, ohne ferner einen Beweiß zu fodern, verwilligen.
Jſt das Herz des Menſchen nicht moraliſch, ſo fehlet ihm die Luſt auch mit einigen Unbequemlichkeiten die Wohlfarth anderer zu beſorgen. Er iſt ein Ganzes, und die Wohlfarth ſeiner Mitbuͤrger iſt ihm ſo ange - nehm als deren Untergang, wenn er beydes anwenden kann, ſeinen eigenen Nutzen zu beſorgen. Dieß beantwortet die andere Frage, die wir §. 60. aufge - worfen haben.
Dieß iſt genug zu beweiſen, es muͤſſe die Policey bey der Einrichtung der Schulen allemal eine gedop -pelte427von der Einrichtung der Schulen. pelte Abſicht haben. Eine allgemeine und eine beſondere. Jene iſt, das Herz der Menſchen mora - liſch zu bilden. Dieſe, den Menſchen geſchickt zu machen, nicht nur ſich zu ernaͤhren, ſondern auch durch ſeine Beſchaͤftigungen anderen Gelegenheit zu geben, daß ſie etwas erwerben koͤnnen.
Die Sitten-Lehre beſchreibet es uns vollſtaͤndig,Dieſe wieder in allgemei - ne und be - ſondere Claſſen. worauf wir alsdenn ſehen muͤſſen, wenn wir die erſte Abſicht erreichen wollen. Hier wollen wir uns nur um die lezte bekuͤmmern. Die Geſchicklichkeiten zum Nutzen der buͤrgerlichen Geſellſchaft kommen in einigen Punkten uͤberein, und alsdenn unterſcheiden ſie ſich durch ihre beſonderen Beſtimmungen. Daher ſolte man billig die Schulen in allgemeine und beſondere Claſſen vertheilen. Jn den allgemeinen wird jene, und in den beſondern wird dieſe Geſchicklichkeit be - ſorget.
Beyde koͤnnen wiederum durch verſchiedene Gradebeyde in verichiedens Stufen. vertheilet werden. Zuerſt von der allgemeinen. Jn der niedrigſten Stufe wird dasjenige getrieben, was die erſten Anfaͤnge aller menſchlichen Geſchiklich - keit, als Leſen, Schreiben und dergleichen. Jn den andern Stufen wird dem Menſchen nach und nach ſo viel aus den Geſchichten* und von den Sprachen bekannt gemacht, als ſie in einer jeden Lebens-Art wiſſen muͤſſen, wenn ſie brauchbare Menſchen werden ſollen. Bey dieſer Unterweiſung hat der Lehrer vor - nemlich dahin zu ſehen, daß die erſten Faͤhigkeiten der menſchlichen Seele aufgewekket werden.
* Anmer -428Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Die beſondern Claſſen ſetzen ſchon dieß voraus, daß ſich der Menſch einer beſtimmten Lebens-Art widmet. Er will entweder ein Gelehrter oder ein anderer Menſch werden, der durch ſeine Geſchiklichkeit ſeinem Mitbuͤr - ger und dem Staate nuzbar werden koͤnne. Daher vertheilen ſich dieſe Schulen in zwey coordinirte Arten. Wir wollen die, in welchen die erſte Abſicht ſoll gewuͤr - ket werden, gelehrte, und die, in welchen die andere Abſicht ſoll gewuͤrket werden, Real-Schulen nennen.
Zuerſt von den Real-Schulen, alle Beſchaͤftigun - gen, wodurch man außer der Gelehrſamkeit ſeinem Mitbuͤrger und dem Staate nuzbar werden kann, gruͤnden ſich in der Kunſt zu leben, in der Erkaͤnnt - niß der natuͤrlichen Dinge, in der Rechen-Kunſt, Geometrie und Mechanik. Man will in dieſen Schu - len keine Gelehrte bilden, darum iſt es nicht noͤthig, hier dieſe Dinge wiſſenſchaftlich abzuhandeln, manwuͤrde429von der Einrichtung der Schulen. wuͤrde ſich auch hierdurch zu weit von ſeiner Abſicht entfernen. Darum bleibt man bey der Erfahrung, man bemuͤhet ſich durch dieſe ſo viele Begriffe zu er - wekken, als welche noͤthig ſind, die Vollkommenheit dieſer Beſchaͤftigungen zu beurtheilen, und eine vor - zuͤgliche Fertigkeit in den Beſchaͤftigungen zu bekommen, in welchen man hier geuͤbet wird.
Sind es gelehrte Schulen, ſo will man MenſchenEinrichtung der gelehrten Schulen, bilden, die mit den Fahigkeiten des Verſtandes dem Staate vorzuͤglich nuͤzlich werden koͤnnen. Das iſt, man will Menſchen bilden, die eine Fertigkeit haben, von dem, was moͤglich iſt, deutliche Begriffe zu machen, aus dieſen die Verknuͤpfungen der Wahrheiten zu folgern, ſolche auf die verſchiedenen Umſtaͤnde, die ſich in der menſchlichen Geſellſchaft eraͤugnen, anzu - wenden, und hiedurch die Menſchen zur Befoͤrderung ihrer Abſicht zu regieren.
Aus dieſem iſt es leicht zu begreifen, daß man mitwelche nie - drige und hohe. Grunde die gelehrten Schulen in niedrige und hohe Schulen vertheilet, die Univerſitaͤten genennet wer - den. Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn wir dieſen Unterſchied genauer erklaͤren. Dieſer wird es uns lehren, daß die Art, dieſe Schulen einzurichten, merklich unterſchieden iſt. Wir Menſchen haben eine gedoppelte Art zu denken. Wir denken ſinnlich, wir denken mit dem Verſtande. Jn den erſten Jahren iſt es uns unmoͤglich mit dem Verſtande zu denken. Und dieſe Faͤhigkeit kann niemals denjenigen Grad der Vollkommenheit erhalten, der durch uns moͤglich iſt, wenn nicht jene Faͤhigkeiten ſo viel, als es moͤglich iſt, ſind gebeſſert worden. Aus dieſem folget, daßman430Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,man bey der Einrichtung der niedrigen Schulen haupt - ſaͤchlich dahin zu ſehen hat, daß die Faͤhigkeiten, ſinn - lich zu denken, vollkommen gemacht, und die Faͤhigkeiten, mit dem Verſtande zu denken, nach und nach erwekket werden. Wie beydes zu bewerkſtelligen, dieß lehret die Sitten-Lehre §. 230-241.
Hat der Menſch, der gelehrt werden ſoll, dieſe Ab - ſicht erreichet, ſo iſt er geſchikt zur Univerſitaͤt. Dieſe ermuntert die bereits erweckten Faͤhigkeiten des Ver - ſtandes, und verwandelt dieſe in ſolche Fertigkeiten, die wir §. 66 angegeben haben. Die Mittel zu dieſem Endzwekke lehret gleichfals die Sitten-Lehre §. 242-258.
Dieß, was wir von dem Unterſchiede dieſer Schu - len angefuͤhret haben, iſt noch nicht genug. Es kommt noch auf einen Haupt Punkt an, der den Vorzug der Univerſitaͤten vor niedrigen Schulen merklich erhoͤhet. Der lezte Endzweck der Gelehrten iſt, daß ſie, weil ſie Gelehrte ſind, alle Geſellſchaften, alle Begebenheiten, kurz, alles, was im Staate iſt, nach dem Willen des Beherrſchers, zur Wohlfarth der Jnnwohner und des Staats, regieren ſollen. Sie ſollen ihre Erkenntniß anwenden, die Fehler, die in allen Staͤnden vorkom - men, zu entdekken: geſchikte Mittel zu erfinden, die dieſe Fehler verhindern, und das Unvollkommene ver - beſſern koͤnnen, und dieſe dahin zu lenken, daß ſie ver - moͤgend werden, ihre Abſicht zu wuͤrken. Ein Menſch, der das vorzuͤglich bewerkſtelligen ſoll, der muß ſich ſelbſt mit Vernunft regieren koͤnnen. Ein Menſch, der niemahls in der Freyheit gelebt, und weiter keinen zwingenden Geſetzen unterworfen geweſen, als die es ihm befohlen, niemanden zu beleidigen, dem wird esſchwer431von der Einrichtung der Schulen. ſchwer werden, dieſe Fertigkeit zu erlangen. Es feh - let ihm Gelegenheit, behutſam zu werden, und den Zu - ſammenhang ſeiner Handlungen ſelbſt einzurichten. Dieſe Gedanken, welche aus dem Begriff der Fertig - keit folgen, wenn er auf die gegenwaͤrtige Abſicht an - gewendet wird, unterſtuͤtzen auch die Erfahrung. Und darum gebiethet es die Klugheit, einem Menſchen, der gelehrt werden ſoll, in einem gewiſſen Theil ſeines Le - bens die voͤllige Freyheit zu laſſen, doch mit der von uns angenommenen Einſchraͤnkung. Jn den niedri - gen Schulen iſt dieß nicht moͤglich (§. 68.). Folg - lich muß es ein Haupt-Stuͤck der Univerſitaͤt ſeyn (§. 69.).
Will man einwenden, dieſe Freyheit ſey die Urſache,Beſondere Folgen, warum wenige gerathen, ſo antworte ich: Einmahl, iſt es nicht beſſer, daß man einige Gelehrte bekommt, die wahrhaftig brauchbar ſind, als wenn man keine hat. Vieles Wiſſen, macht keinen brauchbaren Ge - lehrten. Fuͤrs andere: Die, welche nicht als Gelehrte gerathen, die koͤnnen im Staate zu andern Abſichten angewendet werden, und es iſt dem Staate nuͤzlich, daß man diejenigen kennen lernt, die ſich ſelbſt nicht regieren koͤnnen, ehe man ihnen ein Amt anvertrauet, das dieſe Kunſt nothwendig erfodert.
Aus dieſem folgen einige beſondere Regeln, die wich -die erſte. tig ſind. Die erſte Regel: Es iſt rathſam, daß man keinem eine gelehrte Bedienung gebe, der nicht durch glaubwuͤrdige Zeugniſſe ſein auf Univerſitaͤten gefuͤhrtes Leben darſtellen kann.
Die andere Regel: Es iſt nuͤzlich viele niedri - ge Schulen regelmaͤßig anzulegen, es iſt aber nicht zu rathen, die Anzahl der Univerſitaͤten zu ſehr zu vetgroͤßern.
Die dritte Regel: Gelehrte, die Univerſitaͤten außer dem Lande, wo ſie Bedienungen ſuchen, beſuchet haben, koͤnnen ſehr leicht brauchbarer werden. als die, welche nur in dem Lande ge - blieben ſind.
Anmerk. Sind meine Gedanken, die ich vor - her beſchrieben habe, wie ich es glaube, gegruͤndet, ſo ſind dieſe Regeln unmittelbare Folgen. Man unterſuche die Einwuͤrffe, die gemacht werden, und man wird es bald erkennen, daß ſie alle in dem gegruͤndet ſind, daß man von der Abſicht einer Uni - verſitaͤt einen unvollſtaͤndigen Begriff hat. Man ſetzet dieſe nur in der Erkenntniß, und man fiehet nicht auf die Haupt Abſicht, worin die Gelehrſam - keit dem Staate vorzuͤglich nuͤzlich werden ſoll.
Dieß iſt eine kurze, aber doch wie ich es glaube, eine hinreichende Beſchreibung von den verſchiedenen Ar - ten der Schulen. Worauf hat nun die Policey zu ſehen, wenn dieſe nach ihren Abſichten ſollen eingerich - tet werden. Dieſe werden ſich von ſelbſt entwikkeln, wenn wir nur die Fehler beſchreiben, die bey der Ein - richtung dieſer Schulen vorfallen koͤnnen. Wir wol -der erſte Fehler. len dieſe nach einander betrachten. Der erſte Fehler zeiget ſich bey der Beſtimmung der Abſicht einer Schule. Man ſetzet ihr oft eine unvollſtaͤndige Abſicht,und433von der Einrichtung der Schulen. und man vergiſt es, daß man Menſchen bilden will, die der buͤrgerlichen Geſellſchaft in einer gewiſſen Ord - nung nuͤzlich ſeyn ſollen.
Die Sache verdienet es, daß wir dieſen Fehler ge -Dieſer wird genauer un - terſuchet bey den Land - nauer betrachten. Wir wollen uns zuerſt um die Schulen bekuͤmmern, die auf den Doͤrfern angelegt werden, und zwar nur nach den Grenzen, die wir uns geſetzt haben, das iſt, nach den Gruͤnden der Policey. Dieſe Schulen ſollen Schulen ſeyn. Hier wird die Jugend unterwieſen. Man muß alſo einen End - zweck haben. Was wird hier der Jugend gelehret, dieß muß den Endzweck wuͤrken koͤnnen. Sie lernen leſen, ein wenig ſchreiben, und die erſten Gruͤnde der Religion lernen ſie auswendig. Was ſollen dieſe Menſchen werden? Sie ſollen vernuͤnftige Menſchen werden, die in dem Bauer-Stande zum Nutzen des Staats leben koͤnnen. Jſt jenes hinreichend dieſe Abſicht zu wuͤrken? Woher kommt es nun, wenn man in einem Lande unvollkommene Bauern hat. Ein Bauer ſoll ſeinem Herrn dienen, und den Akker - bau und die Viehzucht beſorgen. Sollte es nicht nuͤz - lich ſeyn, wenn auch in dieſen Schulen die allgemeine Claſſe von der beſondern unterſchieden wuͤrde, die ein gewiſſes Stuͤck von einer Real-Schule (§. 64. 65. ) in der dieſe Jugend in der Kunſt zu dienen, in dem Akker - und Wieſen-Bau, in der Gaͤrtnerey, in der Vieh - zucht und ſo ferner, ſo weit kann unterwieſen werden, als ſie es wiſſen muß, wenn ſie den Bauer-Stand zum Nutzen der buͤrgerlichen Geſellſchaft fuͤhren ſoll. Jſt dieſe Unterweiſung unmoͤglich, oder iſt ſie vielleicht ohne Nutzen? Jch glaube die Felder, die Wieſen, die Graͤſereyen, die Baumzucht, der Wein - und Hopfen - Bau, die Vieh-Nutzungen und ſo weiter, wuͤrden ſich hiebey ſehr wohl befinden.
Gehe ich zur Stadt und betrachte die kleinen Schu - len, in welchen die Jugend, die von den Gelehrten ſoll ausgeſchloſſen werden, unterwieſen wird, ſo haben dieſe ſehr oft mit jenen gleiches Schickſaal. Wer un - terweiſet hier die Menſchen in der Kunſt, Herrſchaften zu dienen, und ſie ſollen doch groͤſten Theils Bediente werden. Wer lehret ihnen das, was ſie wiſſen muͤſ - ſen, wenn ſie nach dieſem die haͤußlichen Geſchaͤfte mit Nutzen verrichten ſollen. Die, welche nach dieſem von dieſen erzogenen Menſchen bedienet werden, em - pfinden dieſe Wuͤrkungen zu ihren Schaden. Und ſo ferner.
Der andere Haupt-Fehler iſt der Mangel der Real-Schulen. Wo will ein Handwerks-Mann das lernen, was er wiſſen muß, wenn er ſeine Werke ver - beſſern und vollkommen machen ſoll. Woher will der Kuͤnſtler diejenige Wiſſenſchaft nehmen, die er haben muß, wenn er dieſen Namen mit Recht verdienen ſoll. Wo will ein Kaufmann die Gruͤnde lernen, woher die Waaren ihre Vollkommenheit und Unvollkommenheit bekommen, und wornach er ſeinen Handel, zum Vor - theil des Staats, aufs hoͤchſte treiben kann.
Der dritte Haupt-Fehler zeiget ſich in der Ver - knuͤpfung der Mittel. Hat man in einer Schule eine vollſtaͤndige Abſicht, ſo werden ſehr oft die Mittel al - ſo verbunden, daß dieſe Abſicht unmoͤglich kann ge - wuͤrket werden. Man traͤget Lehren vor, welche die Jugend noch nicht faſſen kann, und die Art des Vor - trages unterdruͤkket diejenigen Faͤhigkeiten, die hie - durch ſollen erwekket werden. Woher kommt dieß? Der §. 22. der Sitten-Lehre giebt die Antwort.
Dieſe Fehler werden bald verſchwinden, wenn manMittel wider dieſe. in den Schulen geſchickte Lehrer ſetzet, die ihr Amt unter der Aufſicht eines regelmaͤßigen Policey-Collegii fuͤhren. Aber auch hiebey entſtehen zwey Fragen. Einmahl was gehoͤrt dazu, wenn einer ein geſchickter Lehrer ſeyn ſoll? Fuͤrs andere, wie bekommt man geſchickte Lehrer? Die erſte Frage iſt leicht zu beant - worten, ob ſie zwar mehrentheils unvollſtaͤndig beant - wortet wird. Man glaubet insgemein, ein Lehrer ſey alsdenn geſchickt, wenn er dasjenige, worin er unterwei - ſen ſoll, vollkommen verſtehet. Dieß iſt allerdings ein nothwendiges Stuͤck, wenn nicht ein Blinder dem andern den Weg weiſen ſoll, aber es iſt zu einem ge - ſchickten Lehrer noch nicht genug. Er ſoll die Sache nicht nur wiſſen, er ſoll auch andere unterweiſen. Da - her muß er auch eine Faͤhigkeit haben, dieß zu bewerk - ſtelligen, das iſt, er muß ſeinen Vortrag und die An - leitungen, die er andern giebt, nach den Faͤhigkeiten des Lernenden einzurichten wiſſen, und er muß eine vernuͤnſtige Wahl von dem machen koͤnnen, was ein jeder nach ſeinen Umſtaͤnden noͤthig hat. Wie dieſes moͤglich zu machen, das lehret gleichfalls die Sitten - Lehre §. 23 und folg.
Fraͤgt man, wie bekommt man zu jedem Fall ſolcheWie geſchick - te Lehrer zu bekommen. Lehrer? ſo werden ſich dieſe nach und nach, ohne viele Muͤhe anzuwenden, einfinden, wenn man nur dahin die Veranſtaltungen macht, daß ſie von ihrem Amte reichlich leben koͤnnen, und daß ſie bey der Unterwei - ſung nicht verdruͤßlich werden.
Wir wollen dieſe Aufgaben beſonders aufloͤſen. Ausfuͤhrung dieſes Mit - tels.Sollen Lehrer nach ihrem Stande wohl verſorget wer -E e 2den,436Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,den, ſo hat man nicht allein auf ihre Perſon, ſondern auch auf ihre Familie zu ſehen. Die Quellen, woher ihr Unterhalt kann genommen werden, ohne dem Staat eine Laſt zu machen, ſind dieſe,
Anmerk. Jch finde in dieſem Vorſchlage nichts unbilliges. Geſezt, es bekommt einer ein Amt,wovon437von der Einrichtung der Schulen. wovon er jaͤhrlich 200 Thaler gewiſſe Beſoldung hat. Warum ſolte dieſer nicht in dem erſten Jahre, ohne zu klagen, 50. Thaler zum Nutzen des Staats abtragen koͤnnen, wenn ihm nur ins kuͤnftige ſeine Beſoldung nicht verkuͤrzt wird. Wie ein ſolches Capital, daß es die Jntereſſen tragen koͤnne, an - zulegen, das muͤſſen die beſonderen Umſtaͤnde, welche vorkommen, beſtimmen.
Aus dieſem, was wir von den Quellen, aus welchenDie Anzahl der Lernen - den iſt zu vergroͤßern. die Lehrer ihre Beſoldung ſchoͤpffen koͤnnen, angemer - ket haben, erhellet, daß die Anzahl der Lernenden, wenn ſie groß, beſonders in Erwegung zu ziehen ſey. (§. 82.) Es iſt demnach eine beſondere Pflicht der Policey, Mittel zu erfinden, welche geſchickt genug ſind, dieſe Anzahl zu erhalten und zu vergroͤßern. Dieſe Mittel koͤnnen nur genauere Beſtimmungen von denen ſeyn, welche die Bevoͤlkerung des Staats wuͤrken, die wir bereits in dem erſten Capitel dieſes Abſchnittes veſtgeſetzet. Wir wollen einige hier beſon - ders anfuͤhren. Die Anzahl der Lernenden wird er - halten und vergroͤßert, theils durch Einheimiſche, theils durch Fremde. Wie durch Einheimiſche? Jſt es viel - leicht rathſam Einheimiſchen zu verbiethen, fremde Schulen zu beziehen? Jch verwerfe dieſes Verbot nicht, doch aber werde ich einem Beherrſcher des Staats hiezu nicht rathen. Nicht nur der allgemeine Satz, den ich §. 17. bewieſen habe, erfodert dieſe Behut - ſamkeit, ſondern ſelbſt die Beſchaffenheit dieſer Sa - che giebt hiezu beſondere Vewegungs-Gruͤnde. Es iſt fuͤrs erſte, eine allgemeine Wahrheit, daß nichts der Unterweiſung mehr nachtheilig ſey, als wenn der Lernende zu dem Lehrer kein Vertrauen hat (§. 521. Sitten-Lehre). Befehle, die ein Vertrauen erwekken ſollen, ſind unvollſtaͤndig (§. 21.) Daher iſt es dasE e 3ſicherſte438Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,ſicherſte, wenn in dieſem Stuͤkke den Lernenden die voͤllige Freyheit gelaſſen wird. Fuͤrs andere, iſt die Rede von den hohen Schulen, ſo werden ſolche Be - fehle dem widerſprechen, was wir §. 70 und 74 be - wieſen haben.
Dieß vorausgeſetzet, ſo iſt es klar, daß die Poli - cey in Anſehung der Einheimiſchen nur dieſe beſon - dern Mittel vorſchlagen koͤnne.
Daß dieſe Mittel ihrem Zwekke gemaͤß ſind, beweiſet dieſe Regel: Wer ſeine Kinder in ordentliche Schulenſchikken439von der Einrichtung der Schulen. ſchikken muß, und keine beſondere Bewegungs-Gruͤnde hat, fremde Schulen zu erwehlen, der wird ſich hiezu auch nicht leicht entſchluͤßen.
Sind dieſe Mittel genau angewendet worden, ſound in An - ſehung der Fremden. wird es hiedurch zugleich moͤglich, Fremde anzulokken, doch aber ſcheinet es, daß ſie zu dieſem Endzwekke noch nicht hinreichend ſind. Hierzu kommt noch dieß, daß es nicht ohne Nutzen ſey, wenn man einheimiſche Kinder zu gewiſſen Zeiten auf fremde Schulen ſchikken, und einheimiſche Schulen mit fremden Kindern beſez - zen koͤnne. Dieß macht eine Vermiſchung der Sitten, und dieß iſt ein beſonderer Vortheil, den wir von dem unterſcheiden muͤſſen, den wir bereits oben §. 70. an - gegeben haben. Die Klugheit macht zu dieſer Abſicht einen beſondern Vorſchlag. Sie macht von der Regel: daß in einem Staate zuerſt fuͤr die Befoͤrderung der Landes Kinder zu ſorgen, bey den Schulen eine Aus - nahme. Sie glaubet, daß zur Anlokkung fremder Kinder, wenn nur die zuvor angegebenen Mittel genau ſind beobachtet worden, nichts geſchickter ſey, als wenn die Lehrer in fremden Laͤndern eine Bekand - ſchaft haben.
So weit von dem Unterhalt der Lehrer. Die Poli -Verſorgung der Familien. cey muß ferner auf die Verſorgung ihrer Familien ſehen (§. 82.). Wie findet man hiezu bequeme Mittel? Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich die Anlage eines Wittwen-Fiſci auch hier als ein Mittel anſehe, das bey Erreichung dieſer Abſicht einen nicht geringen Vorzug verdienet. Geſezt, eine Wittwe koͤnnte jaͤhrlich nach des Mannes Abſterben aus dieſem 100. Thaler haben, ſo iſt es in der That ſo gut, als wennE e 4ihr440Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,ihr von dem Manne ein Capital von 2000. Thalern waͤre zuruͤck gelaſſen worden. Folglich iſt dieß mit ein Stuͤck, worauf der Mann bey ſeiner Beſoldung zu ſehen hat.
Was iſt ein Wittwen-Fiſcus? und wie kann dieſer, ohne dem Staate eine Laſt zu machen, angeleget wer - den? die Beſchreibung des erſten iſt leicht: es iſt ein Capital, von dem die Wittwen einer beſtimten Art die Jntereſſen heben. Wir wollen auch die andere Frage beantworten. Wir wollen einen Endwurf von einer ſolchen Anlage machen, um zu zeigen, wie ſie moͤglich ſey. Soll ein ſolcher Fiſcus vollkommen wer - den, ſo iſt die Hebung der Jntereſſen in den erſten Jahren der Anlage nicht leicht moͤglich. Sie muͤſſen in einer gewiſſen Reihe der Jahre mit zum Capital geſchlagen werden, wenn in der Folge der Zeit der Fiſcus vollkommen werden ſoll. Wir wollen eine Reihe von zehn Jahren annehmen. Jſt das Beſol - dungs-Capital in Richtigkeit, ſo koͤnnen die Quellen, woraus dieß iſt geſchoͤpfet worden (§. 82.), auch das Capital zu dieſem Fiſco geben. Man ſchlage, in der angenommenen Zeit, die Jntereſſen mit zum Capital, und man wird ſeine Abſicht erreichen. Geſezt, es koͤnnten obige Quellen hiezu noch nicht gebraucht werden: ſo koͤnnen
Laͤſt man dieſe Gelder niemals muͤßig liegen, ſo wird man auch durch dieſen Weg ſeinen Endzweck erlangen.
Die Lehrer ſind verſorget. Nun hat die PoliceyVerhinde - rung derje - nigen Stuͤk - ke, die das Unterweiſen verdruͤßlich machen. auch dahin zu ſehen, daß dieſe bey dem Unterweiſen nicht verdruͤßlich werden. Soll dieß geſchehen, ſo muͤſſen ſie die Beſchaͤftigungen als bequeme Mittel anſehen, ihre Abſichten zu erreichen. Man wird es uns leicht verwilligen, daß wir hier die Abſichten nicht nach der Moral, ſondern nach den Regeln der Klug - heit beſtimmen muͤſſen (§. 24.). Jſt das, ſo folget, daß nichts als der Mangel des zeitlichen Vermoͤgens, oder der aͤußerlichen Ehre, oder des ſinnlichen Ver - gnuͤgens die Lehrer verdruͤßlich machen koͤnne. Wie das erſte zu heben, davon iſt zuvor geredet worden. Das andere wird gehoben, wenn mit dem Amte ein der Sache gemaͤßer Rang verknuͤpft, und dieſer nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde durch Titel erhoͤhet wird. Das dritte verdienet eine beſondere Aufmerkſamkeit. Wenn wir dasjenige uͤberlegen, was in der beſondern Beſchaffenheit dieſer Sache enthalten iſt, ſo werden wir genoͤthiget, zu glauben, daß bey den meiſten Faͤllen von dieſer Art, nichts mehr vermoͤgend iſt, das ſinnli - che Mißvergnuͤgen zu vertreiben, als die Hofnung, durch dieſe Beſchaͤftigungen anſehnlichere Bedienun - gen zu erlangen. Dieſe wird ſich auch bey dem an - dern Falle wuͤrkſam beweiſen.
Aus dieſem folgere ich dieſe Policey-Regel: Es iſt nuͤzlich, wenn man in den Schulen dahin die Veranſtaltungen macht, daß die Lehrer ſo wohl in der aͤuſſerlichen Ehre, als auch in der Beſoldung nach und nach anwachſen koͤnnen.
Jſt dieſes, was wir bis hieher von der Einrichtung der Schulen abgehandelt haben, gegruͤndet, ſo wird man uns auch folgenden Satz verwilligen muͤſſen: Alle Lehr-Aemter in den Schulen muͤſſen, ſo viel es immer moͤglich iſt, mit Gelehrten beſe - tzet werden. Solte aber das nicht moͤglich ſeyn, ſo muͤſſen doch wenigſtens Gelehrte die Auſſicht haben. Denn iſt die von uns beſchriebene Einrichtung gegruͤndet, ſo iſt es auch gewiß, daß bey dem Schul-Weſen unendlich viele Hinderniſſe kommen koͤnnen, welche die Erreichung ihrer Abſicht unmoͤg - lich machen. (§. 75 und folg). Je wichtiger eine Sache iſt, und je mehrere Hinderniſſe vorkommen koͤnnen, deſto mehrere Muͤhe muß man anwenden, die Hinderniſſe zu entdekken, und ihre Wuͤrkſamkeit zu entkraften. Man verbinde dieſes mit dem Begriffe von einem Gelehrten (§. 66.) und man wird uns leicht den von uns angenommenen Satz verwilligen.
Dieß giebt der Policey Bewegungs-Gruͤnde: Einmahl, bey der Beſetzung der Prieſter-Dienſte auf dem Lande, auf einen beſondern Punkt zu ſehen. Dieſer iſt beynahe der einzige Gelehrte auf dem Lande. Hier iſt eine Schule, die oft ſehr fehlerhaft (§. 76.). Wer ſoll die Aufſicht haben. Einen beſonderenAuf -443von der Einrichtung der Schulen. Aufſeher zu ſetzen, iſt zu koſtbar. Der Prieſter kann es beſorgen. Daher fraͤgt die Policey, ob der anzu - nehmende Prieſter auch Geſchicklichkeit genug beſitzet, dieß Geſchaͤfte nach der §. 76. angegebenen Abſicht zu beſorgen?
Fuͤrs andere: Auf die Univerſitaͤten ein wachſa -Fernere Vorſicht. mes Auge zu haben, daß hier die Studirende auch in dieſem unterwieſen werden, was zu einer ſolchen Schul-Aufſicht, als welche von uns iſt angenommen worden, nothwendig erfodert wird (§. 70.). Diefe Aufſicht iſt um deſto noͤthiger, je mehr dergleichen Dinge zum Schaden des Staats verabſaͤumet werden.
Was wir thun koͤnnen, das wird von uns alsdennAbſicht. erſt gewuͤrket, wenn wir es thun wollen. Jn den Schulen, wenn dieſe regelmaͤßig ſind eingerichtet wor - den, werden die Menſchen in dem unterwieſen, wo - durch ſie ſich dem Staate nuͤzlich beweiſen koͤnnen. Daher iſt es auch noͤthig, dieſe aufzumuntern, daß ſie ihre Faͤhigkeiten zum Nutzen des Staats anwenden. Die Policey beweget nicht gerne durch Strafen, ſie lokket, wenn es moͤglich iſt (§. 18. und folg.). Da - her bemuͤhet ſie ſich, alles, was im Staate vorkommt, und was zu dieſer Lokkung vorzuͤglich kann angewen - det werden, alſo einzurichten, daß es ein Mittel wer - den koͤnne, dieſe ihre Abſicht auszufuͤhren. DieſeBemuͤ -444Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Bemuͤhung iſt ihrer Pflicht gemaͤß, und daher be - kommt ſie auch das Recht, ſich um das Kirchen-Weſen in ſo weit zu bekuͤmmern, in wie weit dieſes einen Einfluß in die Befoͤrderung ihrer Abſicht haben kann.
Der Einfluß der Kirche in die Abſicht der Policey iſt nicht geringe, ſondern merklich. Die - ſer Satz kann aus verſchiedenen Gruͤnden geſchloſſen werden, wir wollen nur den auswikkeln, der aus der Abſicht der Kirche genommen wird. Die Kirche ſoll die Menſchen nicht nur in den Pflichten der Religion unterweiſen, ſondern ſie ſoll dieſe Menſchen auch zur Ausuͤbung dieſer Pflichten auſmuntern. Das Ver - langen, durch ſeine Faͤhigkeiten andern nuzbar zu wer - den, iſt keine geringe Pflicht, welche eine wahre Reli - gion von uns erfodert (§. 555. Sitten-Lehre). Folg - lich wird eine regelmaͤßig eingerichtete Kirche den Men - ſchen auch erklaͤren, wie und wodurch man durch ſeine Faͤhigkeiten andern nuzbar werden koͤnne, und ſie wird die Jnnwohner des Staats zur Beobachtung dieſer Pflicht aufmuntern. Dieſe Aufmunterung und Unterweiſung iſt ein vorzuͤgliches Mittel, die Abſicht der Policey zu befoͤrdern (§. 61.). Folglich iſt der Einfluß der Kirche in die Abſicht der Policey nicht geringe, ſondern merklich.
Die Staͤrke dieſes Einfluſſes wird noch durch fol - gende Gedanken vergroͤßert. Siehet der Menſch die Bereitwilligkeit, durch ſeine Faͤhigkeiten andern nuz - bar zu werden, als eine Pflicht an, die er der Religion ſchuldig iſt; ſo hat er zugleich dieſe Gedanken, daß er ſich durch dieſe Bemuͤhungen dem gehorſam beweißt, den er als ſeinen GOtt verehret, und alſo ſiehet er dasGeſetz,445von der Einrichtung des Kirchen-Weſens. Geſetz, was dieſe Bemuͤhungen erfordert, nicht nur als ein billiges, als ein buͤrgerliches, ſondern auch als ein goͤttliches Geſetze an. Bey Menſchen, die in der Re - ligion geuͤbet werden, hat dieſe Betrachtung den ſtaͤrk - ſten Eindruck. Folglich iſt der Einfluß der Kirche in die Abſicht der Policey nicht nur merklich, ſondern auch ſehr wichtig.
Dieß iſt genug, zu begreifen, daß wir es genauWorauf zu dieſem Ende bey der Ein - richtung der Kirche zu ſehen? unterſuchen muͤſſen, wie die Kirche einzurichten ſey, wenn ſie ſich bey dieſem Einfluß in die Befoͤrderung der Abſicht der Policey wuͤrkſam beweiſen ſoll. Wird es ohne Nutzen ſeyn, wenn wir dieſe Einrichtung auf allgemeine Regeln bringen, dieſe beweiſen, und als - denn die Moͤglichkeit der Anwendung zeigen?
Die erſte Regel: Jn der Kirche muͤſſen keineErſte Regel. Lehren angenommen, und keine Veranſtaltungen gemacht werden, die nicht zuvor von dem Policey-Collegio mit der Abſicht der Policey genau ſind verglichen worden. Alle Lehren, welche die Kirche annimmt, und alle Veranſtaltungen, die in der Kirche gemacht werden, koͤnnen in der Abſicht der Policey einen ſehr merklichen Einfluß haben, (§. 95.). Die Abſicht der Policey iſt ein ſehr wich - tiges Stuͤck im Staate (§. 2.). Daher hat man alle Vorſicht, ſowohl bey den Lehren der Kirche, als auch bey den Veranſtaltungen in der Kirche anzu - wenden, daß hiedurch nichts gewuͤrket werde, was in der Befoͤrderung der Policey-Abſicht Hinderniſſe ſetzen koͤnne. Wie kann dieſe Vorſicht beſſer angewen - det werden, als wenn man die Lehren, welche die Kirche annehmen will, und die Veranſtaltungen, die in der Kirche ſollen gemacht werden, zuvor dem Policey - Collegio zu dieſem Ende uͤbergiebet, daß es ſolche mitder446Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,der Abſicht der Policey genau vergleichen ſoll, (§. 26.). Daher iſt die von uns angenommene Regel eine Haupt-Regel zur Policey.
Wird dieſe Regel genau beobachtet, ſo wird auch die Policey genoͤthiget werden, zu verwerfen
Aus dem lezten Punkte folget noch eine beſondere Policey-Regel, die nicht nur zum Nachtheil des Staats, ſondern auch ſogar zum Nachtheil der Kirche oͤfters verlaſſen wird. Sie iſt dieſe: Die Policey muß Sorge tragen, daß die Kirchen-Gelder alſo ver - waltet werden, daß auch dieſe Verwaltung den Jnnwohnern und dem Staate Gelegenheit geben koͤnne, etwas zu erwerben. Wird dieß un -ter -447von der Einrichtung des Kirchen-Weſens. terlaſſen, ſo ſind dieſe Gelder, in Beziehung auf die Policey, ein todtes Capital. Dieß kann die Policey nicht dulden.
Will einer aus dieſer Lehre ſchluͤßen, es ſey billig,Behutſam - keit bey dem Gebrauch dieſer Re - geln. ſolche Gelder der Kirche zu nehmen, und ſie zu poli - tiſchen Abſichten zu verwenden, der wird eine Folge machen, die nicht nur ohne Grund iſt, ſondern die auch der Haupt-Regel der Policey widerſpricht. Die Policey beleidiget nicht, ſie ſorget vielmehr fuͤr anderer Wohlfarth. Nur dieß wird aus der bewieſe - nen Lehre folgen: Der Staat habe das Recht, von der Kirche zu fordern, daß ſie dieſe Gelder gegen ein billiges Jntereſſe denen als ein Darlehn geben ſoll, die Geſchicklichkeit genug beſitzen, mit dieſem etwas zum Nutzen des Staats zu erwerben.
Die andere Haupt-Regel iſt dieſe: Die AbſichtDie andere Haupt-Re - gel. der Policey erfodert es, daß der aͤußerliche Got - tesdienſt nicht ſchlaͤfrig gehalten werde. Die Policey will die Jnnwohner des Staats durch die Kirche eifrig machen, durch die Anwendung ihrer Faͤ - higkeiten die Wohlfarth der Mitbuͤrger und des Staats zu beſorgen (§. 94. 95.). Soll die Kirche dieſen Ei - fer erwekken, ſo muͤſſen ihre Glieder im Ernſte bemuͤ - het ſeyn, die Pflichten der Religion zu beobachten. Sind ſie bey der Beſuchung des aͤußerlichen Gottes - dienſts ſchlaͤfrig, ſo kann dieſer Ernſt unmoͤglich da ſeyn. Folglich iſt es eine Pflicht der Policey, dafuͤr zu ſor - gen, daß der aͤußerliche Gottesdienſt nicht ſchlaͤfrig beſuchet werde.
Wie iſt die Anwendung dieſer Regel moͤglich? Will man dieſen Schlaf zu vertreiben, Strafen ſetzen, ſo iſt dieß Mittel nicht ſtark genug, dasjenige zu wuͤrken, wozu es gegeben wird (§. 17. folg.) Die Policey erwehlet das Anſehen der Kirche, die Geſchiklichkeit der Lehrer, und die Liebe und Achtung der Glieder ge - gen dieſe Lehrer. Dieſe Mittel ſind jenen vorzuzie - hen, und es wird wenige Muͤhe koſten, dieſes zu be - weiſen. Die Glieder der Kirche ſollen gelokket wer - den, den oͤffentlichen Gottesdienſt eifrig zu beſuchen. Folglich ſind dieſe Stuͤkke hierzu vorzuͤgliche Mittel, die zu dieſer Abſicht reizende Bewegungs-Gruͤnde ge - ben. Mangelt der Kirche das Anſehen, ſo mangelt ihr das, was die Glieder zur Aufmerkſamkeit reitzet. Fehlet den Lehrern die Geſchicklichkeit, ſo kann auch ihr Vortrag uns nicht zur Aufmerkſamkeit ermuntern. Und haben die Glieder der Kirche gegen ihre Lehrer weder Liebe noch Achtung, ſo erwekket ihr Anblick theils eine Kaltſinnigkeit, theils eine Geringſchaͤtzung. Beyde unterdruͤkken die Aufmerkſamkeit (§. 26. Sit - ten-Lehr.). Folglich ſind dieß nothwendige Stuͤkke, auf deren Veſtſetzung die Policey zu ſehen hat.
Dieß giebt drey Aufgaben, die man in der Policey aufzuloͤſen hat.
Anmerk. Dieß giebt der Policey Bewegungs - Gruͤnde ſich um die Ceremonien zu bekuͤmmern.
Die andere Aufgabe. Wenn kann man einenDer andern Lehrer mit Rechte einen geſchickten Lehrer der Kirche nennen? Die Geſchicklichkeit iſt eine Fertig - keit dasjenige zu bewerkſtelligen, was die angenommene Abſicht erfodert. Ein Lehrer der Kirche ſoll in den Pflichten der Religion unterweiſen, andere zur Beob - achtung dieſer Pflichten ermuntern, die Liebe der Kir - chen-Glieder gewinnen, und ſich bey dieſen in Achtung ſetzen (§. 101.). Folglich iſt die Geſchicklichkeit die - ſes Lehrers aus verſchiedenen Gruͤnden zu beurtheilen. Wer die Sitten-Lehre verſtehet, der wird es bald ein - ſehen, was zu einem jeden von dieſen Stuͤkken erfo - dert wird (§. 517. folg. Sitten-Lehre).
Die dritte Aufgabe. Was hat die Policey da -und dritten. bey zu beſorgen, wenn die Lehrer der Kirche die Liebe der Glieder gewinnen, und ſich bey ihnen in Achtung ſetzen ſollen? Auch bey dieſem Punkte muß der §. 24 die Antwort regieren. Da - her iſt ſie dieſe: Sollen dieſe Lehrer die Liebe der Glie - der gewinnen, ſo muͤſſen dieſe, wenn ſie in der Noth ſind, bey jenen Huͤlfe finden koͤnnen. Sollen ſie ſich in Achtung ſetzen, ſo muß ihr Stand vorzuͤglich ſeyn, und ſie muͤſſen Vermoͤgen genug haben, ſich dieſem gemaͤß zu beweiſen. Was folger? eine Policey muß davor ſorgen, daß dieſe Maͤnner einen reichlichen Un - terhalt bekommen.
Die Abſicht, welche dieſer reichliche Unterhalt wuͤr - ken ſoll, iſt wichtig (§. 101. 94. 95. ), und daher ver - dienet es die Sache mit Nachdruck daran zu denken. Wo finden wir eine Quelle hiezu, die ergiebig iſt? Wir haben bereits oben einige angegeben, die ſich auch hier wuͤrkſam beweiſen koͤnnen. Wir wollen noch einige beſondere hinzufuͤgen.
Die dritte Haupt-Regel: Es iſt der PoliceyDie britte Haupt - Regel. nuͤzlich, wenn ſich die Lehrer der Kirche fleißig um den haͤußlichen Zuſtand der Jnnwohner des Staats bekuͤmmern, und ſich alsdenn bemuͤhen die zum Nachtheil der Policey einreißenden Unordnungen durch vernuͤnftige und gegruͤn - dete Zuredungen wiederum zu zernichten. Dieſer Satz wird vielen verdaͤchtig ſcheinen, den ich als einen ſehr wichtigen Satz, in Abſehen auf die Policey, anſehe. Jene moͤgen die Gruͤnde ihrer Gedanken unterſuchen, ich will die meinigen angeben. Vielleicht ſind ſie vermoͤgend, die Anzahl derer zu ſchwaͤchen, die jener Meynung Beyfall geben. Meine Gruͤnde ſind dieſe: Die Policey erfodert es, daß dieſen Unordnungen vorgebeuget werde, und daß ſie alsdenn, wenn ſie bereits eingeriſſen, wiederum zernichtet wer - den. Die Abſicht der Policey lehret es uns, daß hier die Rede von denen Unordnungen ſey, wodurch die Nahrung geſchwaͤcht und die Armuth befoͤrdert wird (§. 1.). Es erfodert aber auch dieß die Policey, daß nur alsdenn die Strafen gebraucht werden, wenn keine andere vorzuͤgliche Mittel da ſind, die dieſen Endzweck zu wuͤrken vermoͤgend (§. 17. und folg.). Jſt die Kirche der Policey gemaͤß eingerichtet, ſo ſtehet ſie im Anſehen. Sie hat geſchickte Lehrer, und die Glie - der der Kirche haben gegen dieſe Liebe und Hochach - tung (§. 101.). Folglich iſt das vernuͤnftige ZuredenF f 2dieſer452Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,dieſer Lehrer, wenn es mit den Gruͤnden der Religion unterſtuͤtzet wird, ein vorzuͤgliches Mittel, die Glieder der Kirche zu bewegen, und von einreißenden Unord - nungen zuruͤck zu halten (§. 95. 101.). Wer will es mir nun verargen, wenn ich behaupte, es ſey nuͤzlich, wenn ſich die Policey auch dieſes Mittels bedienet. Wie koͤnnen die Lehrer dieſes bewerkſtelligen, wenn ſie nicht die haͤußlichen Umſtaͤnde der Glieder der Kirche deutlich erkennen? Wie koͤnnen ſie dieſe deutlich er - kennen, wenn ſie ſolche nicht fleißig unterſuchen? Dieß iſt genug, das zu beweiſen, was wir haben be - weiſen wollen.
Es iſt demnach auch dieß eine Pflicht, welche die Policey von den Lehrern der Kirche erfodert, daß ſie die Glieder der Kirche fleißig beſuchen, in dieſen ein auf Liebe gegruͤndetes Zutrauen erwekken, und hiedurch nach den Regeln der Klugheit diejenigen Dinge ent - dekken, die bey ihnen eine Schwaͤchung der Nahrung und ſo ferner wuͤrken koͤnnen.
Anmerk. Die, welche ſich noch weigern, meiner Lehre Beyfall zu geben, moͤgen diejenigen Oerter beſuchen, wo noch dieſe Pflicht von den Lehrern beobachtet wird, und der Erfolg, den die Erfahrung darſtellet, wird es ihnen lehren, daß dieſe Lehre von der Erfahrung unterſtuͤtzet wird. Jch trage Be - denken, dieſe Oerter zu nennen, ich will aber doch die Sache mit einem allgemeinen Beyſpiele erlaͤu - tern. Man bilde ſich eine haͤußliche Geſellſchaft, wo der Haußherr die groͤſte Urſache hat, uͤber ſein Geſinde zu klagen. Es iſt ungehorſam, es verdirbt vieles, und ſo ferner. Der Prieſter, welcher die zuvor angegebenen Eigenſchaften hat, beſuchet den Haußherrn. Dieſer klaget jenem ſeine Noth. DerPrie -453von der Einrichtung des Kirchen-Weſens. Prieſter laͤßt das Geſinde herzurufen, er wendet hier ſeine Policey-Pflicht regelmaͤßig an. Dieß geſchiehet zu verſchiedenen mahlen. Man betrachte den Erfolg, und man wird bald finden, daß dieß Mittel wuͤrkſamer ſey, als eine Menge von Policey - Geſetzen und Policey-Strafen. Und ſo ferner.
Jſt dieſer mein Vorſchlag, wie ich es glaube, ge -Ein beſon - derer Vor - theil von dieſer. gruͤndet, ſo iſt er auch zugleich hinreichend, zu bewei ſen, daß die Policey dieſe Maxime auch mit Nutzen alsdenn gebrauchen koͤnne, wenn ſie einreißende Mo - den, die ihr nachtheilig ſind, endkraͤften will.
Die vierte Haupt-Regel: Werden in einemDie vierte Haupt - Regel. Staate verſchiedene Religionen geduldet, ſo hat die Policey dahin zu ſehen, daß dieſe alſo aus - geuͤbet werden, daß die Glieder der einen nicht in eine Verbitterung wider die Glieder der an - dern Religion gerathen. Dieſe Verbitterung un - terdruͤkket die allgemeine Regel, bey deren Beobach - tung die Policey einen Eifer erfodert (§. 42.), ſie zernichtet auch die Religions-Freyheit, welche die Policey zu erhalten ſuchet (§. 45.). Daher iſt eine ſolche Verbitterung der Abſicht der Policey ſchlechter - dings zuwider.
Wie iſt dieſe Verbitterung zu verhindern? ManWie dieſe anzuwenden. durchſuche alle Mittel, die in dieſer Beziehung nur einen Schein der Moͤglichkeit haben, und man wird kein beſſeres erſinnen koͤnnen, als die Klugheit der Prieſter. Geſetze und Strafen koͤnnen hier ſehr leichtF f 3Mittel454Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Mittel werden, dieſe Verbitterung zu vergroͤßern. Wird dem Mitgliede der einen Kirche darum etwas Boͤſes zugefuͤget, weil es mit dem Mitgliede einer an - dern Kirche zuͤrnet, ſo kann dieß ſehr leicht ein Oel werden, das man zum Feuer gießet. Wie kann die Klugheit der Prieſter dieſe Verbitterung verhindern? Gehen dieſe mit einander liebreich um; beweiſen ſie es durch ihren Umgang, daß die Uneinigkeit in der Lehre die Freundſchaft nicht aufheben muͤſſe; wi - derlegen ſie mit Liebe, und zeigen ſie es durch dieſe Widerlegung, daß das Jrren eines andern uns nicht zum Zorn, ſondern vielmehr zum Mitleiden treiben muͤſſe, ſo wird dieſes Bezeugen ein bequemes Mittel ſeyn, jene Verbitterungen zu verhindern.
Die Jnnwohner des Staats ſind Policey-gemaͤß unterwieſen worden. (Siehe das erſte Capitel.) Die Kirche iſt zur Abſicht der Policey eingerichtet, und daher ermuntert dieſe die Jnnwohner zur Arbeit. (Siehe das andere Capitel.) Nun muß auch die Policey wachſam ſeyn, durch ihre Maximen dieſe Ab - ſicht zu erreichen.
Der Haupt-Satz, den ich hier zum Grunde ſetze, iſt dieſer. Die Policey muß ſchlechterdings keine Muͤßiggaͤnger dulden. Dieſen Satz unterſtuͤtze ich mit folgendem Beweiſe. Wer im Staate muͤßig ge - het, der hat entweder ſo vieles Vermoͤgen, daß er ſichvon455von der Aufmunterung zur Arbeit. von den Jntereſſen Standes-maͤßig ernaͤhren kann, oder er hat ſo vieles Vermoͤgen nicht. Jſt dieß, ſo wird er arm, oder er faͤllt den Fleißigen zur Laſt. Bey - des widerſpricht der Abſicht der Policey. Jſt jenes, ſo unterlaſſen dieſe es nicht nur, ſich dem Staate ſo nuͤzlich zu beweiſen, als es moͤglich iſt, ſondern ſie geben auch andern Bewegungs-Gruͤnde zur Nachahmung. Daher iſt auch dieß der Abſicht der Policey zuwider.
Je mehr demnach die Jnnwohner eines StaatsDaher ent - ſtehen zwey Aufgaben. zum Muͤßiggange geneigt ſind, deſto wachſamer muß die Policey ſeyn, dieſen zu verhindern. Daher ent - ſtehen dieſe Fragen. Die erſte: Wie entdekket man die Muͤßiggaͤnger im Staate? Die andere: Wie erfindet man geſchickte Mittel, dieſe zu zernichten? Wir wollen uns bemuͤhen, beyde Aufgaben brauchbar aufzuloͤſen.
Anmerk. Jn der Vermehrung des zuvor an - gefuͤhrten teutſchen Fuͤrſten-Staates* ſtehet eine merkwuͤrdige Stelle, die hier nicht ohne Nutzen zu wiederhohlen. Sie iſt dieſe: Es iſt klar, daß es nicht ſowohl an dem Mangel der Arbeit und des Verdienſtes, als vielmehr an der Faulheit der Leute die Urſache lieget, daß man keine Menge arbeitender Leute in Teutſchland haben koͤnne. Denn man unterſuche nur die Neigungen vieler teutſchen Ein - wohner (ich ſage nicht von allen), ſo wird man haͤu - fig finden, daß etliche guten Theils ſo geartet, daß ſie lieber bey gewoͤhnlicher maͤßiger Arbeit bleiben, als ſich um des Verdienſtes willen große Muͤhe ge - ben wollen. Und bey dieſer Methode bleiben ſie, ſolte man auch gleich etwas dabey darben, oder ſich gar aufs betteln legen. Wenn aber theure Zeiten einruͤkken, und die Koſt ſchwer zu verdienen, auchF f 4mit456Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,mit Allmoſen nicht viel zu erlangen iſt, ſo finden ſich aus Antrieb der Noth Arbeits-Leute genug, wel - che ſich aber hernach bald wieder verlaufen, und wie ſie ſagen, ſich auf ihre eigene Hand ſetzen. Man ſiehet es ferner klaͤrlich daran, daß bey wohl - feilen Zeiten beſtaͤndige Klagen uͤber das Geſinde und Arbeits-Leute ſind, und bey theuren Zeiten er - ſcheinet desfalls nirgend ein Mangel. Jch habe daher angemerkt, daß meiſtens an ſolchen Oertern, welche von der Guͤtigkeit der Natur wohl bedacht, recht traͤge Einwohner ſich finden, weil ſie ſich dar - auf gar zu ſehr verlaſſen. Dahingegen ich mich etlicher Orten entſinne, welche, weil ihnen die Natur keinen fruchtbaren Boden verliehen, ſich mit Ge - walt zu andern Nahrungs-Mitteln haben anſchik - ken muͤſſen, wodurch ſie in den treflichſten Flor und reichliche Nahrung gekommen. Siehet man ferner die Urſache hievon an, ſo lieget ſolche an Erziehung der Jugend, welche nicht zu rechter Zeit zum Fleiß angefuͤhret wird.
Die erſte Frage iſt dieſe: Wie entdekket man die Muͤßiggaͤnger im Staat? Viele werden glauben, die von uns §. 106. angegebene Regel koͤnnte auch zur Erlangung dieſer Abſicht mit Nutzen angewendet wer - den. Allein, dieß iſt nur ein Schein, der blendet. Die Policey wuͤrde ihre Abſicht durch die Kirche ſchlecht erhalten, wenn ſie dieſes Mittel erwehlen wollte. Wo wuͤrde die Liebe gegen die Prieſter, wo wuͤrde die Hochach - tung bleiben, wenn dieſe den Zuſtand der Glieder der Kir - che verrathen ſolten? Beyde Stuͤkke aber erfodert die Policey (§. 101.). Was iſt zu thun? Will man dießaus457von der Aufmunterung zur Arbeit. aus dem Aeußerlichen beurtheilen, ſo kann man ſich leicht betruͤgen. Man uͤberlege die Lehre von dem Muͤßiggange (§. 348. folg. Sitten-Lehre) und man wird es bald merken, daß ein ſcheinbarer Muͤßiggang der groͤſte Fleiß, und der ſcheinbare Fleiß der groͤſte Muͤſ - ſiggang ſeyn koͤnne. Es bleibt demnach kein anderer Weg uͤbrig, als dieſer: Die Policey muß es unter - ſuchen, wie und wovon ſich ein jeder im Staate ernaͤhret.
Wie iſt dieſe Unterſuchung moͤglich? Jch glaubeDieſe wird aufgeloͤſet. nicht, daß ich fehle, wenn ich zu dieſer Abſicht das Geſetze vorſchlage, was zu Catan in Perſien ausge - uͤbet wird, nach welchen ein jeder, der uͤber ſechs Jahr alt iſt, ſich bey der Obrigkeit angeben, und wovon er lebet, darthun muß. Jch werde die Anwendung die - ſes Geſetzes alſo moͤglich machen. Das Policey-Col - legium muß ein Verzeichniß von allen Jnnwohnern des Staats haben. Es muß wiſſen, wer in einem jeden Hauſe wohnet*. Jſt dieß, ſo kann es dieſe jaͤhrlich nach und nach vorfodern, und alle Umſtaͤnde genau unterſuchen, wovon ſie ſich ernaͤhren. Es wer - den alsdenn bald diejenigen bekannt werden, welche Muͤßiggaͤnger ſind.
Hat man einen Muͤßiggaͤnger entdekket, was iſt zu thun. Soll er das Land raͤumen? dieß iſt wider die Policey (§. 39.). Er muß arbeitſam gemacht werden. Dieß kann entweder durch eine Aufmun - terung zur Arbeit bewerkſtelliget werden, oder manF f 5muß458Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,muß es durch haͤrtere Mittel wuͤrken. Sind jene hinreichend, ſo nimmt die Policey ihre Zuflucht nicht zu dieſen (§. 18. folg.). Es iſt demnach dieß die erſte Frage, die wir beantworten muͤſſen. Was ſind fuͤr Mittel moͤglich, die Jnnwohner des Staats zur Arbeit zu ermuntern? Wenn wir die Haupt-Regel, nach welcher die Policey die Menſchen lenket, und die wir §. 24. veſtgeſetzet haben, zum Grunde legen, ſo iſt es nicht ſchwer zu begreifen, daß die Policey alles aus dem Wege raͤumen muͤſſe, was bey der Arbeit, nach den Gemuͤths-Verfaſſungen der Menſchen, einigen Verdruß zu erwekken, vermoͤgend iſt. Wir wollen dieſen Satz genauer beſtimmen.
Die erſte Beſtimmung iſt dieſe: Es iſt der Po - licey nuͤzlich, wenn in dem Staate einem jeden, ſo weit es immer moͤglich iſt, die Freyheit ge - laſſen wird, ſeinen Unterhalt mit denjenigen Beſchaͤftigungen zu ſuchen, wobey er ſein Ver - gnuͤgen findet. Dieſen Satz unterſtuͤtzen verſchie - dene Gruͤnde. Der erſte Grund iſt dieſer: Es iſt eine allgemeine Wahrheit, die nicht nur aus dem Begriffe vom Vergnuͤgen folget, ſondern die auch in der Erfah - rung gegruͤndet, daß wir dieß ohne Zwang ausfuͤhren, woran wir unſer Vergnuͤgen finden. Dieß iſt gewiß, und alſo folget, daß die Einſchraͤnkung in der Freyheit, von der hier die Rede iſt, eine Hinderniß in der Aufmunterung zur Arbeit. Eine Pflicht der Policey iſt es, alle dieſe Hinderniße aus dem Wege zu raͤumen. Folglich iſt es auch ihre Schuldigkeit, durch vernuͤnf - tige Veranſtaltungen dieſe Freyheit zu beveſtigen.
Dieſe Freyheit hat noch mehrere Vortheile, dieDieſes wird weiter unter - ſtuͤtzet. ihre Nothwendigkeit beweiſen. Behaͤlt ein jeder dieſe Freyheit, ſo wird er genoͤthiget, auf Mittel zu denken, ſeine Werke alſo zu verfertigen, daß ſich hierzu leicht freywillige Kaͤufer finden, das iſt, er wird auf Mittel denken, dieſen Werken den Grad der Vollkom - menheit zu geben, den Werke von dieſer Art haben koͤnnen, und dieſe Werke ſo wohlfeil zu liefern, als es immer moͤglich iſt. Beydes iſt der Nahrung im Staat, und daher auch der Policey zutraͤglich. Fer - ner, behaͤlt er dieſe Freyheit, ſo wird das Verlangen, etwas zu erwerben, den Witz ermuntern, bald dieſe, bald andere Werke zu erfinden. Auch dieß befoͤrdert den Handel ſo gar in fremde Laͤnder, und alſo beweiſet es die Nothwendigkeit dieſer Freyheit.
Anmerk. Man unterſuche das, was uns die Erfahrung von der Einſchraͤnkung dieſer Freyheit lehret, und man wird es bald merken, daß dieſe eine wichtige Urſache von dem ſey, daß viel Gutes im Staate zuruͤck bleibet, und daß es in dem einen Staate unmoͤglich wird, was in einem andern Staate moͤglich iſt. Vbi libertas ibi populus, vbi populus ibi diuitiae.
Aus dieſem ſchluͤße ich
Jch habe mit Fleiß in der Regel dieſe Einſchraͤnkung geſetzt, ſo weit es immer moͤglich iſt. Jch will dieſe Einſchraͤnkung genauer erklaͤren, dieß wird zugleich die Nothwendigkeit derſelben beweiſen. Es iſt bereits oben bewieſen worden, daß die Policey die moraliſchen Geſetze nicht aufhebt (§. 7.). Jſt dieß, ſo folget
Wenn wir dieſe Einſchraͤnkung mit dem vergleichen,Und wie ſie zu ſetzen, wird gezei - get. was die Nothwendigkeit jener Freyheit unterſtuͤtzet, ſo folget, daß das eine wichtige Maxime in der Po - licey ſey, wenn ſie dahin die Verfuͤgung macht: es ſey keinem vergoͤnnet, ein gewiſſes Nahrungs - Geſchaͤfte zu unternehmen, der nicht zuvor ſei - nen Endwurf dem Policey-Collegio uͤberreicher. Das kann alsdenn gemeinſchaftlich unterſuchen, ob dieſe Sache ſo beſchaffen ſey, daß jene Freyheit ſtatt finden koͤnne.
Die andere Beſtimmung iſt dieſe: Jſt ein Mit -Das andere Mittel. buͤrger des Staats bemuͤhet, ſich reichlich zu er - naͤhren, und durch ſeine Arbeiten dem Staate nuͤzlich zu werden, ſo iſt es eine Pflicht der Po - licey, ihm alle moͤgliche Huͤlfe zu verſchaffen, ſo wohl zur Erlangung der Materialien, als auch zum Vertrieb der gearbeiteten Werke. Fehlet es einem ſolchen Mitbuͤrger des Staats an Mitteln, die Materialien zu erhalten, oder an dem Vertrieb der verfertigten Werke, ſo iſt dieß eine Urſache, wel - che die Luſt zu arbeiten unterdruͤkket. Eine Pflicht der Policey iſt es, die Mitbuͤrger des Staats zur Arbeit aufzumuntern (§. 116.). Und darum iſt es auch ihre Pflicht, jenen alle nur moͤgliche Huͤlfe, zu den von uns angenommenen Abſichten, zu verſchaffen.
Wir muͤſſen die Moͤglichkeit dieſer Huͤlfe beſtimmen. Hier ſind verſchiedene Faͤlle moͤg - lich. Was in dem erſten.Zuerſt von der, die zur Erlangung der Materialien er - fodert wird. Fehlet es dem zur Arbeit geneigten Buͤrger an Materialien, ſo ſind dieſe entweder nicht vorraͤthig im Lande, oder es fehlet ihm am Gelde, ſol -che462Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,che zu verſchaffen. Jſt jenes, ſo koͤnnen ſie entweder in dem Lande angebauet werden, oder dieß kann nicht geſchehen, ja wenn es geſchehen kann, ſo geſchiehet es ohne Vortheil. Jſt das erſte, ſo ſetzet die Policey denen eine Belohnung, die ſich im Ernſte mit dieſem Anbau beſchaͤftigen (§. 18.). Dieſe Belohnung kann nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde eingerichtet werden. Sie kann in einigen Freyheiten, in der Eh - re, in Beluſtigungen, auch wohl im Gelde beſtehen, indem ſie einen allgemeinen Preiß dem ſetzet, der die beſte und meiſte Waaren von dieſer Art anbauen werde. Wie fruchtbar dieſes Mittel ſey, das lehret die Erfahrung.
Koͤnnen dieſe Materialien im Lande nicht angebauet werden, ſo bedienet ſich die Policey der Huͤlfe derer, die in fremden Laͤndern handeln. Sie ermuntert dieſe, ſolche Waaren herbey zu ſchaffen, und ſetzet dem eine Belohnung, der ſie um den billigſten Preiß ver - ſchaffet. Dieſe Belohnungen ſind einerley mit denen, die wir zuvor beſtimmt haben.
Fehlet es dem zur Arbeit geneigten Buͤrger am Gelde, die Materialien zu verſchaffen, ſo muß die Po - licey ein Capital gegen ein gewoͤhnliches Jntereſſe her - geben. Woher nimmt ſie dieß. Sie denket zwar auf Mittel Geld zu erwerben, ſie ſorget aber nicht fuͤr ſich, ſondern fuͤr dem Jnnwohner und fuͤr dem Staat. Jch will einen Vorſchlag machen. Ein Land hat allemal Jnnwohner die Capitalien verborgen, und ſehr oft werden dieſe in fremde Laͤnder geſchikket. Koͤn - nen nicht dieſe im Lande genutzet werden. Jch neh - me hieraus Gelegenheit, dieſen Vorſchlag zu machen.
Fuͤrs463von der Aufmunterung zur Arbeit.Wie kann die Policey einige Huͤlfe zum Vertriebund in dem vierten Fall zu thun. der verfertigten Werke verſchaffen. Dieß war der andere Punkt, den wir §. 122. angenommen haben. Es464Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Es kann hier dasjenige mit Nutzen angewendet wer - den, was wir in §. 19. uͤberhaupt bewieſen haben. Jch will zu dieſem noch ein beſonderes Mittel fuͤgen, was in dieſer allgemeinen Regel enthalten iſt: Keine Werke der Kunſt, die aus einem Lande in frem - de Laͤnder verkauft werden, muͤſſen mit vielen Abgaben belaͤſtiget werden. Jch will dieſen Satz beweiſen. Werden die Werke der Kunſt aus einem Lande in fremde Laͤnder verkauft, ſo iſt dieß ein vor - zuͤgliches Mittel, daß ſich viele in einem Lande reichlich ernaͤhren koͤnnen, und daß fremdes Geld ins Land kommt. Beydes erfodert die Policey. Was dem - nach dieſen Verkauf der gearbeiteten Werke ſchwer macht, das muß die Policey mit allem Fleiße verhin - dern. Muß man den Preiß der Werke erhoͤhen, ſo macht dieß dieſen Handel ſchwer. Werden dieſe Wer - ke, indem ſie in fremde Laͤnder verkauft werden, zu ſehr mit Abgaben belaͤſtiget, ſo erhoͤhet dieß den Preiß der Werke. Folglich muß die Policey allen Fleiß anwenden dieſe Auflagen, ſo viel es immer moͤglich iſt, zu verhindern.
Aus dieſen fließen einige Maximen, die in verſchie - denen Laͤndern mit großem Vortheil angewendet werden.
Anmerk. Man verbinde mit dieſen Regeln das, was wir oben von der Anlokkung der Fremdenabge -465von der Aufmunterung zur Arbeit. abgehandelt haben, und man wird die Wichtigkeit dieſer Regeln noch genauer erblikken. Wir koͤnnen hieraus eine Begebenheit erklaͤren, die ſich oft zu - traͤgt. Wie es nemlich moͤglich ſey, daß man oͤfters in einem Lande die Waaren, die aus einem fremden Lande gekommen, um ein geringeres Geld haben koͤnne, als mit welchem ſie von den Jnn - wohnern dieſes Landes in dieſem Lande bezahlt werden.
Die dritte Beſtimmung: Wenn ſich ein BuͤrgerDas dritte Mittel. im Staate in einer gewiſſen Art der Beſchaͤfti - gungen zum Nutzen des Staats vorzuͤglich hervor thut, ſo iſt es nuͤzlich, dieſen auch vor - zuͤglich zu belohnen. Dieſen Satz wird man uns ohne Beweiß verwilligen, wenn man das annimmt, was wir §. 24. angemerket haben. Man behalte dieſen Gedanken, und mit dieſem unterſuche man das, was bey dieſem Stuͤkke die Erfahrung lehret. Man wird es bald merken, daß nichts ſo ſtark iſt, den Fleißigen eifriger zu machen, und andere zur Nachah - mung im Fleiße zu ermuntern, als wenn ſie es erken - nen, daß ihr Fleiß erkannt und ihre Bemuͤhung vor - zuͤglich belohnet wird: und daß im Gegentheil nichts ſo ſehr vermoͤgend iſt, den Fleiß zu ſchwaͤchen, und die Begierde zur Nachahmung zu unterdruͤkken, als wenn der Fleiß mit der Faulheit gleiche aͤußerliche Schick - ſaale, oder auch wohl dieſe in der Belohnung einige Vorzuͤge hat.
Auch dieſe Belohnungen muͤſſen nach den Umſtaͤn -Wie dieſes anzuwenden. den eingerichtet werden. Der eine ſucht Freyheiten, der andere Ehre, der dritte Vergnuͤgen, der vierte eine Vermehrung ſeiner jaͤhrlichen Einnahme. EinemG gjeden466Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,jeden das Seine. Die Policey richtet ſich nach den Meinungen der Menſchen, ſo weit es die Moral nicht verbietet.
Aus dieſem fluͤßet noch eine beſondere Policey-Re - gel. Sie muß ihren arbeitſamen Jnnwohnern des Staats zu gewiſſen Zeiten ein ſinnliches Vergnuͤgen machen. Hieraus fluͤßet die Anlage eines Schieß-Haußes, die Veranſtaltung zu oͤffentli - chen Spielen und Luſtbarkeiten. Und ſo ferner.
So weit von den politiſchen Mitteln, die zur Arbeit aufmuntern. Wie ſtehet es nun mit den Muͤßiggaͤn - gern, die ſich durch dieſe Mittel nicht reitzen laſſen? Bey dieſen muß man harte Mittel anwenden. (§. 116.) Aber auch hier iſt Behutſamkeit noͤthig, weil dieſe Muͤßiggaͤnger nicht von einerley Art ſind. Wir wol - len dieſe in zwey Claſſen vertheilen. Sie haben ent - weder ſo viel Vermoͤgen, daß ſie von ihrem Jntereſſe leben koͤnnen, oder ſie haben an dieſem einen Mangel. Mit jenen gehet die Policey anders um, als mit dieſen. Sie moͤgten den Schluß faſſen, das Land zu verlaſſen. Dieß muß ſie verhindern. Aber wie? Sie verſtehet die Kunſt, einen mit der Ehre zu ſtrafen. Ein Muͤßiggaͤnger von dieſer Art hat entweder die Geſchicklichkeit, zum Nutzen des Staats zu arbeiten, oder es fehlet ihm auch dieſe. Jſt dieſes, ſo wendet die Policey Muͤhe an, dieſen Menſchen Titul zu ver - ſchaffen, mit welchen ein ihrem Gelde gemaͤſſer Stand verknuͤpft iſt. Nun muͤſſen ſie ihrem Stande gemaͤß leben, das erfodert die Ehre, die ſie wegen ihrer Ver - dienſte erhalten haben. Hiedurch werden ſie genoͤ - thiget, Bediente zu ernaͤhren, ihre Jntereſſen in dem Staate zu vertheilen, und daher werden ſie in Abſe - hen der Policey nuͤzliche Glieder des Staats.
Haben Sie Geſchicklichkeit zum Nutzen des StaatsFuͤrs andere, wenn ſie Vermoͤgen und Ge - ſchicklichkeit haben. zu arbeiten, ſo werden ſie auch mit der Ehre beſtraft, doch mit einer Art, die dem Staate nuͤtzlicher iſt. Man hat im Staate viele Aemter, die dem arbeitſa men Buͤrger eine Laſt, die wenig einbringen, und die doch muͤſſen beſetzet werden, weil es die Wohlfarth des Staats erfodert. Z. B. Vormundſchaften, Auf - ſichten uͤber oͤffentliche Gebaͤude, uͤber die Straßen, uͤber verſchiedene gemeinſchaftliche Guͤther. z. B. Kirchen-Guͤther, Zucht-Haͤuſer, Armen-Caſſen und dergleichen. Die Policey verſchaffet dieſen Maͤn - nern dieſe Aemter. Sie ſorget, daß dieſe nach der Beſchaffenheit des Beamten mit Titeln verknuͤpft werden, die ihnen Ehre bringen. Sie nennet dieſe nicht Vormuͤnder, ſondern Vormundſchafts - Raͤthe. Nicht Zuchthaus - Aufſeher, ſondern Policey-Raͤthe, und ſo ferner. Sie beobachtet hier genau das, was wir §. 24. erinnert haben, und ſie erhaͤlt ihren End - zweck. Dieſe Maͤnner lernen unvermerkt unter der Aufſicht der Policey arbeiten. Und ſie werden Maͤn - ner, die dem Staate aus verſchiedenen Gruͤnden an - genehm und nuͤtzlich ſind.
Haben dieſe Muͤßiggaͤnger kein Vermoͤgen, ſo muͤſſenFuͤrs dritte, wenn ſie kein Vermoͤgen haben. ſie auf eine andere Art geheilet werden. Wie denn? hier iſt nichts uͤbrig, als eine empfindliche Strafe. Wie findet die Policey hier eine Art der Strafe, die ihrem Endzwekke gemaͤß iſt? Aus dem Lande jagen, dieß iſt keine Policey-Strafe (§. 39.). Das Leben neh - men. Auch in dieſes williget die Policey nicht (§. 36.). Geld-Strafen ſind hier unmoͤglich, wenn man nicht die ſtrafen will, die ſich mit ihrer Haͤnde Arbeit ernaͤhren. Gefaͤngniß-Strafe iſt eine frucht -G g 2bare468Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,bare Mutter des Muͤßigganges. Was bleibt uͤbrig? Die Policey muß dahin die Veranſtaltung machen, daß dieſe Leute unter einer ſehr ſcharfen Zucht zur Arbeit gewoͤhnet werden.
Wie iſt dieß moͤglich? werden diejenigen fragen, die es erwegen, daß auch dieſe Muͤßiggaͤnger nicht von gleichem Stande. Sind ſie von geringem Stande, ſo iſt dieß moͤglich. Sie werden unter einer ſtrengen Zucht zu Wege-Beſſerungen, zum Feſtungs-Bau und andern dergleichen oͤffentlichen Arbeiten angehalten. Hat man Zucht - und Spinn-Haͤſuer im Lande, ſo finden ſie in dieſen eine ihnen nuzbare Bewirthung, und ſo ferner. Sind aber dieſe Muͤßiggaͤnger vom Stande, ſo laſſen ſich dergleichen Mittel nicht leicht anwenden. Allein, ſolte es in dieſem Falle voͤllig un - moͤglich ſeyn. Beſchaͤftigungen, die einem anſehnli - chen Stande gemaͤß ſind, unter einer ſtrengen Zucht unternehmen, dieß ſind keine Begriffe, die einander widerſprechen.
Dieß giebt mir Gelegenheit noch einen beſonderen Punkt zu unterſuchen, den die Policey mit Aufmerk - ſamkeit betrachtet. Welche Klagen ſind groͤßer, als die Klagen der haͤuslichen Herrſchaften uͤber die Faul - heit des Geſindes? Wie iſt dieſe zu verhindern, wenn nichts, als gewaltſame Mittel, helfen will? Solte ich nach den Gruͤnden der Policey einen Vorſchlag machen, ſo wuͤrde er dieſer ſeyn:
Anmerk. Hiebey iſt noch dieß zu uͤberlegen. Wird das Geſinde bey Gerichte um Geld geſtraft, ſo wird der ohne dem geringe Lohn geſchwaͤcht. Wie leicht kann dieß Begierden zum Betruͤgen erwekken. Wird es mit Gefaͤngniß beſtraft, ſo muß doch das Geſinde in der Zeit, wenn nicht der HerrG g 3ſoll470Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,ſoll beſtraft werden, den Tageloͤhner bezahlen. Dieß iſt eben der Grund, aus dem wir vorher geſchloſſen haben. Wird es mit Schlaͤgen beſtraft, ſo haben die Gerichte keinen Schaden, wenn der Herr dieſe durch ſeine Befehle austheilen laͤſt. Und dieß er - wekket doch gegen den Herrn eine groͤſſere Furcht, als wodurch das Geſinde von dieſer Art will gelen - ket werden.
Wir haben bereits oben die Urſache gezeiget, warum die Policey auch dafuͤr zu ſorgen habe, daß im Staate alles angeordnet, und in demſelben alle nur moͤgliche Veranſtaltungen gemacht werde, welche, die Geſundheit der Jnnwohner zu erhalten, erforderlich ſind. Wir muͤſſen demnach unterſuchen, worin dieſe Verordnungen und Veranſtaltungen beſtehen, und wodurch ſie in Abſehen der Policey moͤglich ſind. Wir wollen auch dieſe Stuͤkke alſo beſchreiben, wie es nach den Regeln der Policey geſchehen kann.
Die Kunſt wuͤrket keine Geſundheit. Sie verhin - dert und entkraͤftet nur diejenigen Umſtaͤnde, die ver - moͤgend ſind die Geſundheit aufzuheben und zu ſchwaͤ - chen. Dieſe Umſtaͤnde koͤnnen in zwey Claſſen ver - theilet werden, in beſondere, die man in Abſehen auf die Kinder anzumerken, und allgemeine, die einen Einfluß in alle Jnnwohner des Staats haben.
Ungeſchickte Heb-Ammen koͤnnen durch ihre Unvor -Das erſte gehet nur auf die Kin - der, und zwar ſichtigkeit und Unwiſſenheit nicht nur die erſte und zwar ſehr wichtige Anlage zur Ungeſundheit der Kin - der machen; ſondern auch die Muͤtter haben dieſen ſehr oft ihre Schwaͤche und Ungeſundheit, die nach1) auf die Geburth. der Geburth erfolget, ja wohl gar ihren Tod, zu dan - ken. Dieſem vorzubeugen, erlaubet es die Policey nicht, daß eine jede Perſon das Amt einer Heb-Am - me fuͤhren darf, ſie muß zuvor von ihrer Geſchicklich - keit Rechenſchaft geben, und eidlich verpflichtet werden. Dieß iſt ein gewoͤhnliches, doch aber wie ich es glaube, ein unvollſtaͤndiges Mittel. Unendlich viele Umſtaͤn - de koͤnnen ſich bey der Geburth eraͤugnen, die alsdenn nur unvermoͤgend werden, ſchaͤdliche Folgen zu wuͤrken, wenn ſie von denen entkraͤftet ſind, die eine vollſtaͤndi - ge Erkenntniß haben, von der Lage der Kinder im Mutter-Leibe, von dem Bau des Leibes, von der Be - ſchaffenheit der Saͤfte, von dem Erfolg der Bewe - gung und der Verknuͤpfung der Theile, und von den Mitteln, wodurch dieſe aus dem unnatuͤrlichen Stande in den natuͤrlichen wiederum koͤnnen verſetzet werden. Aus dieſem folget, die Policey ſey verbunden, dafuͤr zu ſorgen, daß das Amt einer Heb-Amme nur unter der Aufſicht eines Arztes, der in ſeiner Kunſt Meiſter iſt, gefuͤhret werde.
Kinder, die das Licht der Welt geſund erblikket ha -2) auf die Mittel zur Erhaltung, ben, die werden ſehr oft durch die erſten Mittel, ſie zu erhalten, verdorben. Theils gruͤndet ſich das ina) auf die ſaͤugende Perſon. der Milch, womit ſie geſaͤuget werden. Denn dieſe bildet die Saͤfte des Kindes, und die Beſchaffenheit dieſer iſt das wichtigſte Stuͤck der Geſundheit und Ungeſundheit der Menſchen. Daher machen vieleG g 4dieſen472Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,dieſen Vorſchlag, die Policey ſolte es nicht leiden, daß die Kinder von andern Perſonen, als von den Muͤt - tern, geſaͤuget wuͤrden. Der Vorſchlag hat einen Schein der Vollſtaͤndigkeit, er iſt aber nicht vollſtaͤn - dig. Die Milch einer ledigen Perſon iſt oͤfters ge - ſunder als die Milch der Mutter, und dieſe iſt ſehr oft mehreren Affekten unterworfen, als jene. Es iſt demnach der ſicherſte Rath, es werde dieſe Beſtim - mung dem Arzte uͤberlaſſen, unter deſſen Aufſicht das Hebe-Amt gefuͤhret wird.
Anmerk. Von unſern alten Vorfahren wur - den die Kinder gleich nach der Geburth in den naͤch - ſten Fluß eingetaucht. Sie ſahen das als ein Mittel an, eine dauerhafte Leibes-Conſtitution der Kinder zu wuͤrken. Die Aerzte moͤgen es unter - ſuchen, wie weit dieß in der Natur der Sache gegruͤndet ſey.
Theils gruͤndet es ſich in der Zeit, die man zum Saugen beſtimmet. Jch glaube, man kann auch in dieſem Stuͤkke der Sache zu wenig thun. Jch gruͤnde mein Urtheil in der Aehnlichkeit mit den Thieren. Dieſe folgen in dieſem Stuͤkke dem Winke der Natur, und dieß iſt der Grund der Vollkommenheit. Laͤſt man die Jungen ſo lange ſaugen, bis ſie durch ihren eigenen Trieb anderes Futter ſuchen, ſo bekommt man das geſundeſte und ſtaͤrkſte Vieh. Jſt es wahr, daß einerley folgen muͤſſe, wo einerley Grund iſt. So finde ich keine Urſache, in Anſehung dieſer Regel, bey den Menſchen eine Ausnahme zu machen.
Endlich gruͤndet ſich dieſes in der Art und Weiſe, wie die Kinder in Anſehung der Waͤrme, der Klei -dung,473von der Erhaltung der Geſundheit. dung, der Speiſe und des Tranks gehalten werden. Auch durch dieſe Stuͤkke werden die Kinder oͤfters zu ihrem Schaden verzaͤrtelt. Bald werden ſie zu warm gehalten, alsdenn iſt eine jede Kaͤlte ihnen nach - theilig. Bald werden ſie zu weich gebettet, und hier - durch werden ſie ungeſchickt, in ihrem Alter dasjenige auszuhalten, was mit einer Unbequemlichkeit des Lei - bes verknuͤpft iſt. Bald werden ſie zu zarten Spei - ſen und hitzigem Tranke gewoͤhnet, und hiedurch wer - den ſie unvermoͤgend, ſich in alle Umſtaͤnde zu ſchikken. Daher ſollte ſich auch billig die Policey bey dieſen Stuͤkken wachſam beweiſen.
Die allgemeinen Umſtaͤnde, welche der GeſundheitDas andere iſt allgemein. Verſchiedene Stuͤkke, wor - auf man hier zu ſeben hat. der Jnnwohner nachtheilig, und die ſich auf alle bezie - hen, ſind ungeſunde Luft, Waſſer, Speiſe und Getraͤn - ke. Wir muͤſſen jeden Punkt beſonders unterſuchen, um diejenigen Veranſtaltungen veſtzuſetzen, die von der Policey, das ſchaͤdliche zu verhindern, gemacht werden.
Die Luft wird ungeſund, wenn ſie mit ſtinkenden1) Auf die Beſchaffen - heit der Luſt. Ausduͤnſtungen angefuͤllet; und der Ort nicht frey genug iſt, daß ſich dieſe in der Luft verduͤnnen und ausbreiten, und daher verfliegen koͤnnen.
Dieß giebt der Policey einen ſichern Grund, auf dieDieſe geſund zu halten werden ver - ſchiedene Regeln ge - ſetzet. Beobachtung folgender Regeln zu denken.
Die Glieder des Staats wohnen in den Staͤdten und Doͤrfern bey einander. Folglich iſt es noͤthig, daß dieſe Oerter wider die ungeſunden Ausduͤnſtungen, ſo viel es moͤglich iſt, in Sicherheit geſetzet werden. Dieß geſchiehet, indem man die angenommene Regel beob - achtet, und das iſt genug, ſolche zu beweiſen.
Jn den Staͤdten wird durch die nahe an einander liegende Gebaͤude, die auch eine merkliche Hoͤhe haben, der Raum, den die Luft einnimmt, eingeſchloſſen, und hiedurch verurſachet, daß ſich die aufſteigende Duͤnſte nicht frey genug verduͤnnen und ausbreiten, und daher nicht ſo leicht verfliegen koͤnnen. Je weniger dieß moͤglich iſt, deſtomehr muß man den Zufluß der ſtin - kenden Luft verhindern (§. 143.), daher iſt es eine richtige Policey-Regel, ſo viel es moͤglich iſt, in den Staͤdten nichts zu dulden, was viele ſtinkende Aus - duͤnſtungen wuͤrket.
Aus dieſem folgen verſchiedene beſondere Stuͤkke, welche zu verhindern die Policey eifrig bemuͤhet iſt. Sie verlanget aus dieſem Grunde
Wie kann ſie das leztere bewerkſtelligen, ohne demWie dieſe anzuwenden. Staate eine Laſt zu machen? Sie bewerkſtelliget es durch folgende Veranſtaltungen.
Fuͤrs ſechſte: Daß das todte Vieh im Felde wohl eingeſcharret werde. Jch glaube, es wuͤrde noch beſſer ſeyn, wenn man es in freyer Luft verbren - nen ließ. Die Aſche wuͤrde das Holz bezahlen, weil es ein vortrefliches Mittel die Felder zu beſſern.
An der Reinigkeit des Waſſers iſt ſehr viel gelegen. Es hat einen ſehr merklichen Einfluß in die Geſund -heit477von der Erhaltung der Geſundheit. heit des Viehes und in die Erhaltung der Menſchen. Daher auch die beruͤhmteſten Voͤlker dieß als ein Haupt - Stuͤck einer guten Policey angeſehen. Wie kann die Policey bey dieſem Stuͤkke ihre Wachſamkeit bewei - ſen? Sie ſorget
Anmerk. Dieſer Punkt verdienet einige Auf - merkſamkeit. Man klaget uͤber den Mangel des Holzes, und man berechne es, wie viel jaͤhrlich durch den Gebrauch der Roͤhren verſchwendet wird. Sie ſind ſehr vergaͤnglich, und dieß macht dem Staate, und den Gemeinden, welche dieſe Roͤhren zur Waſ - ſer-Leitung halten muͤſſen, ſehr viele und unnoͤthige Koſten. Laͤſt man die Roͤhren von Tone verferti - gen, ſo wird das Holz geſchont, der Toͤpfer bekommt mehrere Nahrung, und der Staat ſowohl als auch die Gemeinden haben in der folgenden Zeit einen merklichen Vortheil. Vielleicht werden mir einige, die keine Neuerungen vertragen koͤnnen, einwenden. Dieſe Roͤhren koͤnnten nicht halten, die Waſſer-Lei - tungen werden mehrentheils durch die Straßen ge - fuͤhret, wo gefahren wird, und daher wuͤrde ſie die Laſt des Wagens zerdruͤkken. Dieſer Einwurf iſtnicht478Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,nicht wichtig genug, meine Gedanken zu veraͤndern. Man kann ja die Waſſer leiten, wie man will, und die Roͤhren alſo bedekken, daß ſie ſtark genug werden, dieſen Druck zu widerſtehen, und da, wo das nicht moͤglich iſt, einige hoͤlzerne Roͤhren mit den Tonern verbinden. Der Staat und die Ge - meinden muͤſſen bey der Ausgabe nicht nur auf das Gegenwaͤrtige, ſondern auch auf das Zukuͤnftige ſehen.
Die Nahrungs-Mittel, die in einem Staate ver - kauft werden, ſind auch nicht allemahl der Geſundheit zutraͤglich. Bald iſt das Brod nicht gar, bald nicht recht geſaͤuert. Bald iſt das Fleiſch von ungeſundem Viehe. Bald ſind die Getraͤnke verfaͤlſcht. z. B. in dem Biere wird Salz, Aloe und dergleichen gekocht, um dieſem einen reitzenden Geſchmack zu geben, und den Hopfen zu erſparen, ohne darauf zu ſehen, ob es der Geſundheit zutraͤglich ſey oder nicht. Bald werden die Weine verfaͤlſcht, um ihren Werth zu erhoͤhen, da doch die Mittel dieſer Verfaͤlſchung die Saͤfte der Menſchen unvermerkt verderben. Bald wird das Obſt, was leicht eine Faͤulniß verurſachet, wenn es rohe gegeſſen wird, ohne Einſchraͤnkung verkauft. Und ſo ferner.
Aus dieſem Grunde fluͤßen folgende Regeln:
Anmerk. Man wird in vorkommenden Faͤllen leicht mehrere entdekken koͤnnen, die das allgemeine, was §. 154. iſt angegeben worden, genauer beſtimmen.
Alle dieſe Veranſtaltungen zur guten Verfaſſung des Geſundheits - Weſens ſind noͤthig und nuͤzlich. Sie ſind aber doch noch unvollſtaͤndig, alles Ungemach zu verhindern. Der menſchliche Leib iſt zu vielen Anfechtungen unterworfen, und die beſten Geſundheits - Mittel, die geſundeſten Speiſen, die geſundeſten Getraͤnke, die koͤnnen darum ungeſund werden, weil ſie nicht in der gehoͤrigen Verknuͤpfung, und in der Verhaͤltniß gebraucht werden, welche die Natur erfodert. Aus dieſem Grunde ſorget die Policey nicht nur dafuͤr, daß die Staͤdte mit ge - ſchickten Aerzten und Chirurgen beſetzet werden, ſon - dern auch dafuͤr, daß ein Collegium medicum und chirurgicum in dem Lande niedergeſetzet werde, das aus Maͤnnern beſtehet, die es durch die Erfahrung bewieſen haben, daß ſie Meiſter in ihrer Kunſt ſind. Eine Sache, die einen ſo merklichen Einfluß in die Wohl - farth des Staats hat, als das Geſundheits-Weſen, die erfodert alle moͤgliche Aufſicht und Wachſamkeit.
Jſt dieß Collegium medicum und chirurgicum mit ſolchen Maͤnnern beſetzet, die es durch die Proben genugſam bewieſen haben, daß ſie in ihrer Wiſſenſchaft Meiſter ſind, ſo hat man Grund zu glauben, dieſe werden durch gemeinſchaftliche Rathſchlaͤge die Urſache der Krankheiten und die Mittel, dieſen vorzubeugen, entdekken koͤnnen. Aus dieſem Grunde kann es un - moͤglich ohne Nutzen ſeyn, wenn alle Aerzte und alle Wund-Aerzte, die in dem Staate wohnen, dahin verwieſen werden, daß ſie dieſem Collegio ein richtiges Verzeichniß von den Krankheiten, die ihnen zu heilen anvertrauet worden, von den Umſtaͤnden, die ſich dabey eraͤugnen, von den gebrauchten Mitteln, undvon481von der Erhaltung der Geſundheit. von dem Erfolg der Sache uͤberliefern. Dieß Colle - gium kann alsdenn alles unterſuchen. Wenn es mer - ket, daß die Krankheiten in einigen beſondern Umſtaͤn - den, die ſich im Staate ereignen, gegruͤndet, dieſe dem Policey-Collegio berichten, und diejenigen Mittel vorſchlagen, wodurch dieſem Uebel koͤnne vorgebeuget werden.
Anmerk. Vielleicht koͤnnte durch dieſen Weg zugleich vieles Ungluͤck verhindert werden, das viele Land-Wirthe bey der Viehzucht druͤkket.
Hiebey entſtehet noch eine beſondere Aufgabe, dieVon den Apotheken. wir kuͤrzlich aufloͤſen wollen. Es wird gefragt: was iſt dem Staate am nuͤtzlichſten? dieß, daß oͤffentliche Apotheken im Lande gehalten werden, oder dieß, daß einem jeden Arzte frey gelaſſen wird, ſeine Arzeneyen ſelbſt auszuarbeiten. Niemand wird es laͤugnen, daß oͤffentliche Apotheken einem Lande nuͤtzlich ſind, wenn Sie unter der Aufſicht verpflichteter Aerzte ſtehen. Dieſe koͤnnen verſchiedene Dinge auf einmal in großer Menge ausarbeiten, und daher werden dergleichen Dinge wohlfeiler. Dieß aber iſt dem Staate nuͤzlich. Stehen ſie uͤberdieß unter der Aufſicht verpflichteter Aerzte, ſo hat man keinen Grund, zu glauben, daß die zur Erhaltung und Wiederherſtellung der Geſundheit dienliche Mittel verfaͤlſcht werden. Dieſem ohngeachtet habe ich Grund, zu glauben, die andere Freyheit koͤnne bey den Apotheken beſtehen, und dem Staate ſey es nicht ſchaͤdlich, dieſe zu dulden. Dieſes Urtheil gruͤndet ſich einmahl in dem §. 118. Fuͤrs andere, daß dieß der Weg ſey, vorzuͤgliche Arzeneyen in einem Staate zu bekommen. Dieſe ziehen Geld ins Land, und der Arzt kann ſich beſſer ernaͤhren. Dieß giebtH hden482Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,den dritten Grund. Der Arzt wird hiedurch in Stand geſetzet, Armen umſonſt zu helfen, und andern gegen eine geringere Belohnung nuͤtzlich zu ſeyn. Dieß ſind Wuͤrkungen, die der Abſicht der Policey gemaͤß.
Die Schoͤnheit eines Landes iſt aus mehr als aus einer Urſache alsdenn noͤthig, wenn man die Abſicht der Policey vollſtaͤndig erhalten will. Sie lokket Fremde an. Dieß giebt Nahrung. Sie beluſtiget den durch Arbeit abgematteten Jnn - wohner, dieß ermuntert zum Fleiß und zur Arbeit (§. 130.). Viele Stuͤkke, die zur Erhaltung der Schoͤnheit erfodert werden, beſchaͤftigen den, der ohne dieſen ein Muͤßiggaͤnger. Auch dieß iſt dem Staate ein Vortheil (§. 112.). Man wird uns fragen, worin beſtehet die Schoͤnheit eines Staats, und wie entdek - ket man bequeme Mittel, dieſe zu erhalten? Wir wol - len beyde Punkte nach der uns einmahl vorgeſetzten Abſicht beantworten.
Wir haben es bereits oben angemerket, daß die Schoͤnheit in ſolchen Vollkommenheiten beſtehet, die wir auch ſinnlich als vollkommen beurtheilen koͤnnen. Vergleichen wir dieſen Begriff mit dem, was in einem Staate, zu unterſcheiden iſt, ſo finden wir einen Grund, die Schoͤnheit eines Landes in verſchiedene Claſſen zu vertheilen. Wir koͤnnen dieſe ſowohl in den verſchiedenen Verknuͤpfungen oder ſogenanntenOrdnun -483von der Schoͤnheit des Landes. Ordnungen, als auch bey den Jnnwohnern und bey den Sachen ſuchen. Die Sache verdienet es, daß wir jeden Punkt beſonders betrachten.
Wir ſagen, daß da eine Ordnung ſey, wo eineDie erſte beziehet ſich auf die Ordnungen. Aehnlichkeit in dem Grunde iſt, wornach die Dinge mit einander verknuͤpft ſind. Und dieſe nennen wir alsdenn ſchoͤne, wenn wir dieſe Aehnlichkeit durch die Sinne erkennen und beurtheilen koͤnnen. Eine jede Art der Beſchaͤftigungen hat ihre weſentliche Abſicht, und die Policey wendet alle dieſe Abſichten als Mittel an, die Jnnwohner des Staats und den Staat zu be - reichern. Folglich wird zur Ordnung und alſo auch zur Schoͤnheit eines Staats, wenn wir auf dieſen Punkt ſehen, erfodert
Die Verknuͤpfung derjenigen Regeln, nach welchenWas eine Ordnung? man in dem Staate bey einer gewiſſen Art der Be - ſchaͤftigungen ſeine Unternehmungen einzurichten hat, wird eine Ordnung genennet, und dieſe bekommt ihreH h 2beſon -484Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,beſondere Benennung von der Art der Beſchaͤfti - gungen, worauf ſie ſich beziehet. Daher ſaget man Rirchen-Ordnung, Schul-Ordnung, und ſo weiter.
Soll demnach ein Staat in dieſem Stuͤkke ſchoͤn werden, ſo iſt es noͤthig, daß das Policey-Collegium
Sind dieſe Stuͤkke genau beobachtet worden, ſo wird es nicht ſchwer fallen, ſowohl allgemeine, als auch beſondere Policey-Ordnungen, die vollſtaͤndig ſind, zu bilden. Der vierte Punkt giebt die allgemeine Poli - cey-Ordnung, und das uͤbrige die beſonderen. Jenewer -485von der Schoͤnheit des Landes. werden dem ganzen Staate, und dieſe denen gegeben, die ſich mit der beſondern Art von Unternehmungen beſchaͤftigen.
Alle Ordnungen ſind vergeblich, wenn ſie nicht ge -und Auf - ſicht. nau beobachtet werden. Wie iſt dieſe Beobachtung moͤglich, wenn nicht eine genaue Aufſicht gehalten wird? Es wird demnach nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn einem jeden Beyſitzer des Policey-Collegii die Aufſicht uͤber eine von dieſen Ordnungen gegeben wird. Dieſer fuͤhret ein richtiges Verzeichniß von allen Stuͤkken, worin ſie beobachtet, und worin ſie verletzet wird. Er ſuchet die Urſachen dieſer Verletzung. Er bekuͤmmert ſich um die Mittel, dieſes zu verhindern. Er giebt ſeinem Collegio hievon gehoͤrige Nachricht. Dieſes bemuͤhet ſich durch gemeinſchaftliche Ueberlegung das Gute zu verbeſſern und das Boͤſe zu verhindern, und der Staat wird ordentlich, daß es ein jeder, der auch nur durchreiſet, erkennen kann. Und alſo iſt der Staat in dieſem Stuͤkke ſchoͤn.
Man wird es uns leicht verwilligen, daß wir beyDie andere auf die Per - ſonen. und zwar 1) in Anſe - hung des Standes. den Jnnwohnern in dieſer Beziehung nichts als ihren Stand und ihre Geſchicklichkeiten unterſcheiden koͤnnen. Jn Anſehung des Standes, wenn wir dieſen uͤber - haupt betrachten, wie wir es thun muͤſſen, weil es un - moͤglich iſt, daß alle Menſchen in einem Stande leben, iſt wohl keine Schoͤnheit moͤglich, als die Ueberein - ſtimmung des Aeußerlichen mit dieſem Stande. Folg - lich iſt in dieſer Beziehung der Staat ſchoͤn, wenn alle Jnnwohner vermoͤgend ſind, in dem aͤußerlichen ihrem Stande vorzuͤglich gemaͤß zu leben. Kann ſich ein jeder nach ſeinen Umſtaͤnden reichlich ernaͤhren, und wird in ihnen die Ehr-Begierde erwekket, ſo iſt dießH h 3eine486Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,eine unmittelbare Folge. Die Mittel zu jenen ſind bereits beſchrieben worden, und was noch fehlet, das wird in der Folge erfuͤllet werden. Das andere iſt ein Erfolg einer regelmaͤßigen Erziehung, wovon bey der Einrichtung der Schulen iſt geredet worden. Da - her von dieſem genug.
Die Geſchicklichkeiten ſind wiederum in zwey Claſſen zu vertheilen. Man unterſcheidet die Geſchicklichkeit in dem aͤußerlichen Bezeugen, von der Geſchicklichkeit in dem, was man nach ſeinem Stande wiſſen muß. a) in der Art zu leben.Die Schoͤnheit bey jener beſtehet in der Kunſt zu le - ben. Dieſe iſt §. 465. und folg. der Sitten-Lehre beſchrieben worden. Aus dieſem folget, daß ein Land in Anſehung dieſes Stuͤkkes ſchoͤn ſey, wenn die Jnn - wohner eine Fertigkeit haben, ſich nach Erforderung der Umſtaͤnde demuͤthig, beſcheiden und dienſtfertig zu bezeugen. Auch dieß ſind Wuͤrkungen der Erziehung, worauf bey der Einrichtung der Schulen zu ſehen iſt. Dieſe Art zu leben wuͤrket bey Fremden einen vorzuͤglichen Begriff von der Vollkommenheit des Staats. Darum iſt ſie eine Schoͤnheit, die dem Staate nuͤzlich.
Sehen wir auf die andere Art der Geſchicklichkeit, ſo beſtehet dieſe in einer Fertigkeit, wodurch ein jeder das vorzuͤglich wuͤrken kann, was nach ſeinem Stande von ihm gefodert wird. Daher iſt ein Staat in die - ſer Beziehung ſchoͤn, wenn er in allen Staͤnden vor - zuͤgliche Meiſter hat. Dieß iſt genug zu begreifen, daß der Flor der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte eine vorzuͤgliche Schoͤnheit im Staate ſey. Sind in ei - nem Staate die Real-Schulen, die gelehrten Schulenund487von der Schoͤnheit des Landes. und das Lehr-Amt in der Kirche mit geſchickten Leh - rern beſetzet worden, ſo wird es nicht ſchwer fallen, den Flor der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte in einem Staate merklich und auch ohne viele Koſten zu erhoͤhen. Es iſt nur noͤthig, daß von dieſen die geſchickteſten genom - men, und aus dieſen oͤffentliche Geſellſchaften, die durch gewiſſe aͤußerliche Vorzuͤge anſehnlich gemacht, zuſammen geſetzet werden. Dieſe ſind alsdenn ver - moͤgend, mit vereinigten Kraͤften Wahrheiten zu un - terſuchen, die Zierde der Wahrheiten zu vergroͤßern, und alles, was die Kuͤnſte erfodern, zur groͤßeren Vollkommenheit zu bringen. Man wird es mir leicht verwilligen, daß auch dieß ein vorzuͤgliches Mittel ſey, Fremde anzulokken und den Handel zu erweitern.
Wir kommen auf die Schoͤnheit der Sachen, dieDie dritte auf die Sachen, im Staate ſind. Dieſe ſind bewegliche und unbe - wegliche, und beyde ſind entweder auf dem Lande oder in den Staͤdten. Die unbewegliche auf dem1) die un - bewegliche auf dem Lande, Felder, Lande ſind die Felder, die Wieſen, die Gaͤrten, die Straßen, die Waldungen, die Gebaͤude und die Waſſer. Die Schoͤnheit der Felder beſtehet in dem, daß ſie regelmaͤßig angebauet und fruchtbar. Wie dieſe Schoͤnheit zu bewerkſtelligen, das lehret das, was wir oben vom Akkerbau abgehandelt haben.
Die Schoͤnheit der Wieſen beſtehet in dem, wennWieſen. ſie fruchtbar, geſundes, hohes und vieles Graß tragen. Da, wo es dem Wachsthum des Graſes keinen Schaden thut, mit nuzbaren Baͤumen nach einer Ord - nung beſetzet. Wenn ferner die Graͤben reinlich ge - halten, das Waſſer in denſelben, wenn es moͤglich iſt, mit Fiſchen beſetzet, und die Ufer mit Baͤumen oderH h 4Graſe488Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Graſe angebauet werden. Auch dieſes kann nach den Regeln, die wir von dem Akkerbau abgehandelt haben, beurtheilet werden.
Die Schoͤnheit der Gaͤrten beſtehet wiederum theils in der Fruchtbarkeit und daß die Gewaͤchſe in dieſen ſo vollkommen gezogen werden, wie ſie ſeyn muͤſſen, wenn ſie in ihrer Art vollkommen ſeyn ſollen. Theils in der Ordnung, daß alles in dieſen regelmaͤßig und in der Abwechſelung gepflanzet worden, wie es den Sinnen angenehm ſcheinet. Theils in den Zaͤunen und Waͤnden der Gaͤrten. Jene ſind ſchoͤn, wenn ſie lebendig und unter der Scheere gehalten werden. Das macht ſie zierlich und dichte. Dieſe wenn ſie alſo angeleget worden, daß ſie mit fruchtbaren Baͤu - men bedeckt werden. Theils in dem, wenn die Waſ - ſer in den Gaͤrten alſo eingefaſſet worden, daß ſie eine Aufmerkſamkeit, die eine Beluſtigung macht, erwekken. Das geſchiehet, wenn ſie in Teiche, die mit Hekken be - ſetzet, eingefaſſet, oder wenn ſie hoch fallen, zum ſprin - gen beſtimmet werden.
Sollte es unmoͤglich ſeyn, daß der Bauer dieſe Re - geln der Schoͤnheit bey der Anlage ſeines Gartens ſo weit beobachtet, als es nach ſeinen Umſtaͤnden ge - ſchehen kann. Sind die Land-Schulen nach den Regeln angeleget worden, die ich §. 76. angegeben habe, ſo wird man bey dieſem Stuͤkke keine Unmoͤg - lichkeit finden.
Die Schoͤnheit der Straßen wird aus dem beur - theilet, wenn ſie eben, feſte, allemal reinlich, breit undda,489von der Schoͤnheit des Landes. da, wo es moͤglich iſt, mit fruchtbaren oder andern Baͤumen bepflanzet ſind, die einige anmuthige Alleen bilden.
Dieſe Schoͤnheit verdienet es, daß wir die MittelWie dieſe zu beſſern. genauer unterſuchen, wodurch ſie kann gewuͤrket wer - den. Der erſte Punkt. Wie kann man die Straſ - ſen eben und feſte machen. Jch rede hier nicht von den unebenen, was von den Bergen gewuͤrket wird. Dieß zu verhindern, ſteht nicht allemal in unſerer Ge - walt. Sondern nur von dem, was die Wege hoͤkke - richt macht. Wie verhindert man dieß, und wie macht man hiebey die Wege veſte? Will man ſie pflaſtern, das iſt nicht nur zu koſtbar, ſondern auch im Fahren zu unbequem. Man fuͤlle und erhoͤhe die Wege zuerſt mit Steinen, und dieſe ſtoſſe man ſo feſt, als es moͤglich iſt. Alsdenn uͤberfahre man die Wege mit Kieß, mit Sand und dergleichen Dingen, die durch den Regen nicht leicht ſchmierigt werden, und dieß ſtampfe man ſo hart zuſammen, als es immer moͤglich iſt. Durch eine fleißige Fortſetzung dieſer Arbeit wird man bald die verlangten Eigenſchaften der Wege erhalten. Der andere Punkt. Wie kann man es machen, daß die gebeſſerten Straſſen allemal reinlich bleiben? Man erhoͤhe ſie in der Mitten, und an den Seiten, wo ſie etwas abhangen, fuͤhre man tiefe Graͤben. Jn dieſe laͤuft das Waſſer zuſammen, und die Wege werden durch den Regen abgeſpuͤlet, und hiedurch bleiben ſie reinlich. Der dritte Punkt nemlich die Breite kann auf einem ebenen Felde leicht erhalten werden. Wird ſie durch Berge verhindert, ſo iſt kein anderer Weg uͤbrig, als daß man dieſe, ſo weit es moͤglich iſt, einhauet. Dieß wird zugleich Materie zur Erhoͤhung und Verbeſſerung der Wege geben. Der vierte Punkt, nemlich die BepflanzungH h 5der490Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,der Wege mit Baͤumen, die eine anmuthige Allee bilden, iſt da, wo die Baͤume wachſen koͤnnen, leicht moͤglich. Ein jeder Bauer muß jaͤhrlich zehn Baͤume pflanzen, und die, welche er gepflantzet hat, pflegen und erhalten. Geſchiehet dieß unter einer Aufſicht, die der Schulmeiſter fuͤhren kann, ſo koͤnnen dieſe Baͤume regelmaͤßig gepflanzet werden.
Vielleicht wird uns von einigen dieſer Vorwurf gemacht, dieſer Vorſchlag waͤre zwar gut, es wuͤrde aber zu viele Koſten erfodern, ihn auszufuͤhren. Jch will auch meine Gedanken uͤber dieſen Punkt eroͤffnen. Gute Anſtalten koͤnnen in einem Jahre nicht voll - ſtaͤndig werden. Man muß nur bey dem Anfange einen Endwurf aufs Ganze machen, ſo wird man doch mit der Zeit ſeinen Endzweck erreichen. Setze ich dieß zum Grunde, ſo ſehe ich es nicht ein, warum nicht dieſer Vorſchlag ohne viele Koſten koͤnnte ausgefuͤhret werden. Die Einrichtung koͤnnte nach meiner Einſicht alſo gemacht werden: Die Straße gehet entweder durchs Dorf oder ſie iſt im freyen Felde. Jn dem Dorfe muß ein jeder Jnnwohner die Straße vor ſeinem Haufe vollkommen machen. Wird der Jnnwohner hiezu angehalten, ſo wird er ſchon Mittel finden, dieß bey Neben-Stunden zu bewerkſtelligen. Gehet die Straße durchs freye Feld, ſo beſorget ein jedes Dorf die, welche durch ſeine Fluhr gehet. Dieß wird in viele Theile vertheilet, und man nimmet jaͤhrlich die Beſſerung von einem Theile vor. Die Stadt ſchickt ihnen dieſe zur Huͤlfe, die zur Strafe arbeiten muͤſſen, und die ihres Verbrechens halber ins Gefaͤngniß ge - leget worden. Jſt man einmahl durch, ſo kommt es auf die Ausbeſſerung an. Und iſt der Weg vollkom - men, ſo muß eine jede Dorfſchaft dieß erhalten, und ſo bald, als ein Fehler vorkommt, dieſen beſſern. DerSchulz491von der Schoͤnheit des Landes. Schulz muß hievor ſtehen, und die Arbeit unter den Jnnwohnern ſo vertheilen, daß eine Gleichheit beob - achtet werde. Nur alles muß unter einer Aufſicht, nach dem gemachten Endwurf geſchehen, damit endlich das ganze vollkommen werde.
Die Schoͤnheit der Waldungen beſtehet in geſundenWaldungen. Baͤumen, die in ihrem Wachsthum nicht verhindert werden, und, wenn es die Umſtaͤnde erlauben, in durchgehauenen Alleen. Jenes kann auch aus dem beurtheilet werden, was wir in dem erſten Theile vom Landbau und deſſen Fruchtbarkeit abgehandelt haben.
Die Schoͤnheit der Gebaͤude wird von der Bau -Gebaͤude. Kunſt beſtimmet. Sie erfodert, daß eine Aehnlichkeit unter den Gebaͤuden, ſo weit es immer moͤglich iſt, beobachtet werde. Daß man es ſinnlich erkennen koͤnne, wie ſie alſo angeleget worden, daß man in denſelben ihre Abſicht bequem erreichen koͤnne, und ſo ferner. Siehe die Baukunſt.
Daher iſt es nicht einmal auf dem Lande zu dulden,Beſondere Anmerkung. daß einer ein Gebaͤude auffuͤhre, als unter der Aufſicht eines Mannes, der die Baukunſt ſo weit verſtehet, als es zu dieſem Endzwekke erfodert wird. Jch will einen Vorſchlag machen, wie dieß ohne Koſten geſche - hen koͤnne. Sind die Land-Schulen nach obigen Regeln angeleget worden, ſo hat man auch hier einen Schulmeiſter, der von der Baukunſt ſo viel verſtehet, als zu dieſer Abſicht noͤthig iſt. Dieſer muß die Auf - ſicht fuͤhren. Es iſt wahr, der, welcher ein Gebaͤude auffuͤhret, muß ihm etwas fuͤr ſeine Bemuͤhung geben. Was492Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Was will dieß machen. Fuͤhret jener ſeine Aufſicht pflichtmaͤßig, ſo wird er dieſe Koſten dem, der bauet, gewiß einbringen.
Die Waſſer ſind ſchoͤne, wenn ſie reichlich mit Fiſchen beſetzet, und ihre Ufer nicht nur wohl, ſondern auch alſo verwahret worden, daß dieß eine angenehme Empfindung macht. Jenes kann eine nach obigen Regeln gemachte Fiſch-Ordnung wuͤrken. Die Verwahrung der Ufer lehret die Baukunſt. Und eine angenehme Empfindung wird dadurch gewuͤrket, wenn ſie mit Hekken, oder mit Baͤumen regelmaͤßig bepflan - zet worden.
So weit von den unbeweglichen Stuͤkken auf dem Lande. Zu den beweglichen Sachen gehoͤret hieher das Vieh und das Geſchirre. Die Schoͤnheit des Viehes iſt aus dem zu beurtheilen, was wir oben von der Viehzucht erklaͤret haben. Wird dieſe regelmaͤßig gehalten, ſo muß das Vieh ſchoͤn werden. Die Schoͤnheit des Geſchirres beſtehet in dem, wenn es alſo iſt gebauet worden, daß es ſeine Abſicht bequem und vorzuͤglich wuͤrken kann, und wenn der Anblick dieſer Dinge unſre Aufmerkſamkeit dahin fuͤhret, daß wir dieß erkennen koͤnnen.
Wir kommen zu den unbeweglichen Dingen, die zur Stadt gehoͤren. Dieſe ſind die Gebaͤude und die Gaſſen. Die Gebaͤude ſind entweder oͤffentliche Ge - baͤude, oder Privat-Haͤuſer. Die wahre Schoͤnheit der Gebaͤude beſchreibet die Baukunſt. Hier iſt nur ins beſondere dieß zu merken, daß zur Schoͤnheit einerStadt493von der Schoͤnheit des Landes. Stadt erfodert wird, daß alle Haͤuſer, die in einer Gaſſe liegen, und die man auf einmal uͤberſehen kann, in einer geraden Linie ſtehen, und daß ſie nach den Regeln der Simmetrie in der Hoͤhe, in der Breite, in der Austheilung der Theile und Verziehrungen mit einander ſind verknuͤpft worden.
Aus dieſem folget:
Beobachtet man dieſe Regeln, ſo kann eine Stadt, der dieſe Schoͤnheit gefehlet, mit der Zeit ſchoͤn werden.
Bey den Gaſſen unterſcheidet man die, welche inDer Gaſſen. der Stadt ſind, von denen, welche um die Stadt ge - hen. Jene ſind ſchoͤn, wenn ſie breit, wenn die mitt - leren Theile zu fahren, von denen zu gehen, durch Waſſer-Leitungen abgeſondert: dieſe mit breiten Stei - nen beleget, jene mit dauerhaften Steinen alſo ge - pflaſtert, daß das Regen-Waſſer in die Waſſer-Leitun - gen ablaufen koͤnne. Wenn ferner die Gaſſen an den Seiten da, wo es moͤglich iſt, mit Baͤumen und Laternen bepflanzet und gezieret, die zuſammen eineanmu -494Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,anmuthige Allee machen. Wenn die Waſſer, die zum Gebrauch der Jnnwohner in die Stadt geleitet wor - den, an dem Orte regelmaͤßig eingefaſſet, zum Sprin - gen beſtimmet, und dieſe Waſſer-Behaͤltniſſe und Kuͤn - ſte da angebracht worden, wo ſie mit den uͤbrigen Theilen der Stadt eine Simmetrie machen. Eine genauere Beſtimmung dieſer Stuͤkke liefert die Bau - kunſt.
Wenn wir mit dieſem das verbinden, was wir von der Verbeſſerung der Land-Straßen §. 177-179 ab - gehandelt haben, ſo haben wir Gruͤnde genug dasjenige zu beurtheilen, worauf es ankommt, wenn die Straßen um der Stadt ſchoͤn ſeyn ſollen. Die Waſſer - Graben und Gaͤrten, welche insgemein um einer Stadt gefuͤhret werden, koͤnnen dieſe Schoͤnheit merklich er - hoͤhen.
Die beweglichen Sachen der Stadt, die hieher ge - hoͤren, ſind die oͤffentlichen Sammlungen von den Werken der Natur, der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte. Die Sammlung von den Werken der Natur iſt ſchoͤn, wenn man da viele, oder wo es moͤglich iſt, alle Arten der Dinge bey einander findet, welche die Na - tur in verſchiedenen Theilen der Welt hervorbringt, und wenn dieſe in der Ordnung bey einander ſind geleget worden, daß man es ſogleich erkennen kann, zu welchem Reiche der natuͤrlichen Dinge dieß oder jenes gehoͤrt. Zu welchem Geſchlechte und zu welcher Art dieſer Dinge man das gegenwaͤrtige zehlen ſoll. Kurz, die Schoͤnheit einer ſolchen Sammlung wird dadurch erhoͤhet, wenn ſie ein Regiſter von den Wer - ken der Natur.
Sammlungen von den Werken der WiſſenſchaftenDer Buͤcher. ſind die Sammlungen der Buͤcher, ſowohl der gedruk - ten als auch der ungedrukten. Die Schoͤnheit dieſer Sammlungen wird aus verſchiedenen Gruͤnden beur - theilet. Einmahl aus der Menge. Fuͤrs andere aus der Koſtbarkeit. Fuͤrs dritte aus der Selten - heit. Fuͤrs vierte aus der Zierlichkeit der Baͤnder. Fuͤrs fuͤnfte aus der Ordnung, in welcher ſie bey einander geſetzet, daß man es ſogleich finden koͤnne, wo ein Buch von einer beſtimmten Erkenntniß ſtehen muͤſſe.
Die Sammlungen von den Werken der KunſtDie Werke der Kunſt. werden in ſo viele Claſſen vertheilet, als Arten dieſer Werke moͤglich ſind, die einige Aufmerkſamkeit ver - dienen, theils aus dieſem Grunde, weil ſie alt, theils aus dieſem, weil ſie Meiſter-Stuͤkke in ihrer Art. Hiernach ſind die Sammlungen von Gemaͤldern, von Modellen, von Maſchinen, von dem Gewehre, das die Voͤlker zur Vertheidigung gebraucht, von den verſchie - denen Arten der Kleidungen, der Zeuge und ſo ferner zu beurtheilen.
Viele ſehen die meiſten von dieſen SammlungenDer Nutzen dieſer Sam - lungen. als Wuͤrkungen der Neubegierde und der Pracht an, und daher halten ſie ſolche fuͤr Neben-Dinge. Es wird mir wenige Muͤhe koſten, zu beweiſen, daß ſie in der That einen ſehr merklichen Einfluß in die Abſicht der Policey haben. Einmahl lokken ſie Fremde an, und verurſachen es, daß ſich dieſe einige Tage im Lan - de aufhalten. Fuͤrs andere hat man ſolche Samm - lungen an den oͤffentlichen Oertern angeleget, wo manarme496Der Policey-Wiſſenſchaften 2 Abſchnitt,arme Kinder erziehen und uͤberhaupt Arme erhalten will, ſo koͤnnen dieſe Sammlungen unvermerkt einen Theil der zu dieſen Abſichten aufzuwendenden Koſten hervorbringen. Fuͤrs dritte ſind Real-Schulen im Lande, ſind Geſellſchaften der Wiſſenſchaften und Kuͤn - ſte geſtiftet worden, ſo koͤnnen dieſe Sammlungen ein merkliches zur vollſtaͤndigen Erreichung dieſer Abſich - ten beytragen.
Einige Stuͤkke kann man mir noch vorlegen, die eine Aufmerkſamkeit verdienen. Einmahl, woher nimmt man die Beſoldung fuͤr die Aufſeher, die die - ſer Sammlung muͤſſen geſetzet werden. Jch ant - worte: es ſind vielleicht noch einige von denen uͤbrig, von welchen wir §. 132. geredet haben. Sollte dieß nicht ſeyn, ſo finden ſich vielleicht einige die eintraͤgli - che Bedienungen, aber wenig dabey zu thun haben. Wird dieſen eine kleine Zulage, aber doch ein anſehn - licher Titul gegeben, ſo werden ſie dieſes Amt mit Vergnuͤgen uͤbernehmen.
Fuͤrs andere: woher nimmt man die Koſten zu ſolchen Sammlungen. Jch antworte: Hat das uͤbrige im Staate ſeine Richtigkeit, ſo werden ſich dieſe bald finden. Man kann aber auch einige Zugaͤnge haben, die dem Staate keine Laſt ſind. Die Quellen, die wir oben angegeben haben, werden noch nicht voͤllig erſchoͤpft ſeyn. Geſezt, daß ſolche Sammlun - gen in Haͤuſern angeleget worden, von welchen wir §. 192 geredet haben, ſo kann auch ſehr leicht die Ehr-Begierde bey dieſen Stuͤkken fruchtbar werden.
Wir haben bis hieher die Mittel, die den FlorAbſicht die - ſes Capitels. eines Staats befoͤrdern koͤnnen, ſo weit be - ſchrieben, als es nach der Abſicht geſchehen muͤſſen, die wir uns vorgeſetzet haben. Und man wird es uns aus den Gruͤnden, mit welchen wir die Lehren unter - ſtuͤtzet haben, verwilligen, daß ſie vermoͤgend ſind den Flor einen Staats zu befoͤrdern. Es wird aber auch hier ſtatt finden, was allgemein wahr iſt, daß eine zu - reichende Urſache nur alsdenn vermoͤgend iſt, ihre Wuͤr - kung hervorzubringen, wenn die Hinderniſſe genugſam ſind gehoben worden. Was werden alle dieſe Veran - ſtaltungen helfen, wenn nicht der arbeitſame Jnnwoh - ner des Staats das Seinige in Sicherheit genieſſen kann. Was er erworben, das gehet verlohren, und er wird verdruͤßlich fleißig zu ſeyn. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß die Policey auch davor zu ſorgen ha - be, daß die Jnnwohner des Staats voͤllige Sicherheit genießen koͤnnen.
Wir muͤſſen zuvor die Urſachen dieſer UnſicherheitVerſchiedene Arten der Unſicherheit. beſtimmen, damit wir alsdenn die Mittel ſuchen koͤn - nen, dieſe zu verhindern. Die Unſicherheit kann ſich ſo wohl auf die Perſon, als auf den Gebrauch des zeitlichen Vermoͤgens beziehen. Und beyde Arten koͤnnen von Menſchen, von Thieren, und von einigen widrigen Schickſalen verurſachet werden.
Sind Menſchen die Urſache dieſer Unſicherheit, ſoEinige wer - den durch Menſchen verurſachet, ſind ſie entweder Raͤuber oder Betruͤger. Zuerſt vonJ iden498Der Policey-Wiffenſchaft 2 Abſchnitt,und zwar 1) durch Raͤuber, wie dieſe zu entdekken.den Raͤubern. Wir nehmen hier dieß Wort in einem ſo allgemeinen Verſtande, daß auch die Diebe darun - ter zu verſtehen ſind. Sollen die Jnnwohner des Staats wider dieſe Leute in Sicherheit ſeyn, ſo muͤſſen dieſe entweder nicht im Lande ſeyn, oder ſie muͤſſen durch eine hinreichende Furcht zuruͤck gehalten werden, ihrer Wuth Folge zu leiſten. Das erſte wird man ſchwerlich verhindern koͤnnen. Doch muß man alles thun, was moͤglich iſt. Sind dieſe Menſchen in einem Lande, ſo haben ſie ſich in demſelben entweder durch Einmiethen oder Ankaufen niedergelaſſen, oder ſie leben in demſelben nur als Durchreiſende. Jſt jenes, ſo wird es der Policey leicht werden, dieſe in Sicherheit zu bringen, wenn ſie dasjenige beobachtet, was wir §. 115. angemerket haben. Jſt dieſes, wo ſoll man ſie wahrſcheinlich ſuchen. Jn der Wohnung des flei - ſigen Jnnwohners, der ordentlich lebet, kann man ſie nicht vermuthen. Man muß ſie in den Waͤldern, in den Gaſthoͤfen und in den Haͤuſern derjenigen ſuchen, die wegen eines liederlichen Lebens beruͤchtiget ſind.
Aus dieſem fluͤßen folgende Regeln:
Hier kommen abermal Beſchaͤftigungen vor, dieWie die Ko - ſten bey der Anwendung dieſer Regeln zu erſparen. dem Staate Koſten verurſachen. Es wird gefraget, wie dieſe, ſo weit es moͤglich iſt, zu vermindern? Vielleicht kann dieſes dadurch geſchehen: Wenn der Staat zu dieſer Abſicht nur wenige in ordentlicher Beſoldung haͤlt: ſo wohl die Jnnwohner in den Staͤd - ten als in den Doͤrfern in gewiſſe Claſſen vertheilet, ſo daß eine Claſſe nach der andern jene verſtaͤrken muß, wenn eine Durchſtreifung der Waͤlder noͤthig iſt. Dieß wird ſelten herum kommen, und alſo dem Jnwohner keine merkliche Laſt werden.
Sollen die Raͤuber, die ſich im Staate aufhalten,Wie die Wuth der Raͤuber zu ſchwaͤchen. durch eine hinreichende Furcht zuruͤck gehalten werden, ſo muß man dieſem Verbrechen eine ſehr empfindliche Strafe ſetzen, und ſolche Veranſtaltungen im Staat machen, wodurch die Entdekkung ihrer Unternehmung leicht moͤglich iſt. Jſt ihnen die Strafe empfindlich, und haben ſie Grund zu glauben, daß ſie werden verrathen werden, ſo werden ſie ſich nicht leicht ent - ſchluͤßen, ihre Wuth im Lande ausbrechen zu laſſen.
Was ſind dieß vor Strafen, die ſolchen LeutenDurch Strafe. am empfindlichſten? Jch habe es bereits oben ange - merket, daß die Lebens-Strafen hier nicht allemahl hinreichend ſind, den Zweck zu wuͤrken, den ſie wuͤrken ſollen. Vielleicht iſt die Art der Beſtrafung, dieJ i 2wir500Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,wir §. 133. beſtimmet haben, auch hier nicht ohne Nutzen. Dieſe werden auch die Ausfuͤhrung der Strafe leichter machen, und dieß iſt zugleich ein merkliches Stuͤck, wodurch eine Strafe fuͤrchterlicher wird.
Jch nehme mir die Freyheit, bey der gewoͤhnlichen Art dieſe Miſſethaͤter zu beſtrafen, einen Fehler zu bemerken, der nach meiner Einſicht nicht geringe iſt. Bekommt man einen Miſſethaͤter gefangen, ſo wird er ins Gefaͤngniß geworfen, und der Bauer wird dadurch belaͤſtiget, daß er dieſe bewachen, und der Staat, daß er ihnen umſonſt den Unterhalt geben muß. Solte es unmoͤglich ſeyn die Veranſtaltungen dahin zu ma - chen, daß dieſe Uebelthaͤter in der Zeit, da ihnen der Proceß gemacht wird, etwas zum Nutzen des Staats arbeiten koͤnnten. Die Wege und andere Dinge wuͤr - den ſich hiebey ſehr wohl befinden. Jch ſehe nichts, was man einwenden will, als etwa dieſes: die Sache ſey noch nicht ausgemacht, und alſo koͤnnten ſie unſchul - dig leiden. Wir wollen dieß annehmen, ſie ſollen unſchuldig ſeyn. Was iſt nun beſſer, daß ſie in dem Gefaͤngniſſe lernen muͤßig gehen, und in demſelben ungeſund werden, oder dieß, daß ſie in beſtaͤndiger Arbeit und Bewegung erhalten werden. Beydes iſt alsdenn ein Schickſaal, und in dieſem Falle erwaͤhlet man das, was dem Staate am nuͤzlichſten iſt. Man kann vielerley Art von Arbeiten zum Nutzen des Staats erſinnen, und alſo auch hierin eine Verhaͤltniß mit dem Verdacht treffen. Ja ſolte ich irren, wenn ich dieß zugleich als ein bequemes Mittel anſehe, an - dere von dergleichen Unternehmungen zuruͤck zu hal - ten, wodurch ſie ſich verdaͤchtig machen.
Die Policey macht ferner Anſtalten, wodurch es demDurch bal - dige Ent - dekkung ih - rer Unter - nehmungen. Raͤuber bey nahe unmoͤglich wird, ſein Unternehmen heimlich auszufuͤhren. Siehe §. 200. Wie ſind dieſe Anſtalten moͤglich. Man wird es mir leicht verwilli - gen, daß in dieſem Falle nichts uͤbrig bleibt, als die Bewachung der Guͤther und der Perſonen. Ein je - des Stuͤck durch eine beſondere Wache bedekken, dieß iſt unmoͤglich. Daher entſtehen dieſe Fragen: Wenn die angenommene Abſicht durch Wache ſoll erhalten werden, wo muß die Wache ſtehen. Zu welcher Zeit muß gewacht werden, und woher wird die Wache ge - nommen?
Die Beantwortung der erſten Frage iſt eine un -Wo muß die Wache ſtehen? mittelbare Folge aus der Entwikkelung der Abſicht. Dieſe Wache ſoll es beynahe unmoͤglich machen, daß das Unternehmen der Raͤuber in den Staͤdten und Doͤrfern heimlich koͤnne ausgefuͤhret werden. Ver - binde ich mit dieſem die allgemeine Regel, in welcher der ganze Feſtungs-Bau gegruͤndet, ſo folget, dieſe Wache ſey alſo zu ſtellen, daß an keinem Orte einer Gaſſe etwas kann unternommen werden, was nicht von dieſer Wache koͤnne beſtrichen werden. Aus die - ſem Grunde wuͤrde es nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn alle Ekken in den Straßen mit einer Wache beſetzet werden, und da man dieſe Leute vornemlich in den Gaſthoͤfen vermuthet, wenn dieſe Wache alſo geſtellet wird, daß ſie alle Gaſthoͤffe genau beobachten kann. Sollte jenes nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde nicht moͤglich ſeyn, ſo bleibet noch das uͤbrig, daß die Wa - che wenigſtens einmal in der Stunde alle Straßen durchgehet.
Jn Anſehung der andern Frage muß man das noͤthige von dem was nuͤzlich iſt unterſcheiden Nuͤz - lich waͤre es, wenn dieſe Wache beſtaͤndig koͤnnte ge - halten werden. Noͤthig aber, daß ſie zur Zeit der Nacht gehalten wird.
Der Jnnwohner des Staats wuͤnſchet beydes. Seine Sicherheit erfodert es. Die Policey fraͤgt, woher nehmen wir dieſe Wache, wenn ſie dem Staate nicht zur Laſt fallen ſoll? Jch antworte, das iſt eine allgemeine Pflicht der Jnnwohner des Staats. Weil die Sicherheit die lezte Abſicht, welche die buͤrgerliche Geſellſchaft erreichen will. Jſt dieß, ſo kann auch dieſe Abſicht mit wenigen Koſten ausgefuͤhret werden. Die Jnnwohner einer jeden Stadt und eines jeden Dorfs werden in gewiße Ordnungen vertheilet. Die - ſe muͤſſen die Wache nach und nach beſorgen. Wer es nicht ſelbſt thun will, der bezahlt dem ſeine Muͤhe, der dieſe fuͤr ihn uͤbernimt. Es giebt Menſchen ge - nug, die hiedurch ihren Unterhalt gerne verdienen. Jſt es gefaͤllig an einem jeden Orte nicht mehr zu ſtellen, als da noͤthig ſind, keinen Platz zu beſetzen, wenn er keine Bedekkung erfordert, die Wache zu der Zeit, wenn ſie abgeloͤßt iſt, zur Arbeit aufzumun - tern, ſo wird dieß in Erwegung des Vortheils dem Jnnwohner wenige Beſchwerden machen.
So viel von der Sicherheit wider die Raͤuber. Es giebt noch heimliche Raͤuber, die zwar dieſen Na - men nicht fuͤhren, die aber zum Theil noch gefaͤhrlicher ſind, wie jene. Sie haben insgemein Erlaubniß, zu ſtehlen, ohne eine Strafe zu befuͤrchten. Sie werdenBe -503von der Sicherheit des Staats. Betruͤger genennet. Sie ſind diejenigen, die ſich durch eine unordentliche Wirthſchaft* in die Um - ſtaͤnde verſetzen, da es ihnen unmoͤglich wird, andern das zu geben, was ſie mit Rechte von ihnen fordern koͤnnen. Daher koͤnnen ſie anderen nicht bezahlen, was ſie von ihnen geborget haben, oder ſie entziehen dem Arbeiter den ihm gebuͤhrenden Lohn.
Jch habe geſagt, daß dieſe Menſchen ihren Mit -Dieſe ſind oft gefaͤhr - licher, als jene. buͤrger zum Theil gefaͤhrlicher, als die eigentlichen Raͤuber und Diebe. Dieſe beleidigen doch nur den, welchen ſie beſtehlen, jene koͤnnen das ganze Band der menſchlichen Liebe und Freundſchaft aufheben. Sie benehmen nicht nur ihrem Mitbuͤrger die Luſt, andern zu helfen, ſondern ihr Verfahren hat zugleich in einem merklichen Theile des Staats unangenehme Folgen. Cajus borget von ſeinem Mitbuͤrger die Materialien. Er verarbeitet dieſe, und verkauft ſein Werk dem Sem - pronio. Dieſer bezahlet nicht, Cajus kann ſeinen Mitbuͤrger auch nicht bezahlen, und daher wird eine ganze Reihe auf einmal beunruhiget. Dieß iſt genug zu beweiſen, daß die Policey verbunden ſey, wider die Betruͤgereyen alle moͤgliche Veranſtaͤltungen zu ma - chen. Wir wollen es unterſuchen, wie dieſe moͤglich ſind.
Zuerſt muß ſich die Policey bemuͤhen die Quelle derDie Quelle der Betruͤge - rey muß ver - ſtopft werden Betruͤgerey zu verſtopfen. Denn ihre Abſicht erfo -J i 4dert504Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,dert es, die Wohlfarth aller Jnnwohner zu beſorgen (§. 2.), und wird dieſe Quelle verſtopft, ſo wird hiedurch zugleich die Wohlfarth vieler gerettet, die im widrigen Falle durch Strafen muß geſchwaͤchet werden.
Die Quelle der Betruͤgerey iſt eine unordentliche Wirthſchaft. Beobachtet die Policey das, was wir §. 115. angemerket haben, ſo wird es ihr nicht ſchwer fallen, diejenigen zu entdekken, von welchen man eine Betruͤgerey vermuthen kann. Die Policey bemuͤhet ſich dieſe in Ordnung zu bringen. Jhnen die Art vorzuſchreiben, wie ſie wirthſchaften ſollen. Will dieß nicht helffen, ſo ſehe ich es nicht ein, warum es unbil - lig ſey, wenn die Policey den Schluß faßt, dieſen ei - nen Vormund zu ſetzen.
Doch dieſe Veranſtaltungen ſind nicht allemahl moͤg - lich, auch nicht allemahl hinreichend. Aus dieſer Ur - ſache wendet ſich die Policey zur Gerechtigkeit, ſie bit - tet die Gerichte alſo einzurichten, daß auch hiedurch der Credit im Lande koͤnne erhalten werden. Sie zie - het aus dem Vegriffe vom Credit einige Folgen, und aus dieſen macht ſie der Gerechtigkeit einige Vorſchlaͤ - ge, wie die Gerichte, wenn dieſe Abſicht ſoll erreichet werden, einzurichten. Wir wollen dieſe Folgen und dieſe Vorſchlaͤge unterſuchen.
Zuerſt wird gefraget, was heiſt es, in einem Lande iſt Credit? Wir muͤſſen, dieß zu erklaͤren, zwey Faͤlle unterſcheiden. Wer etwas ſchuldig iſt, der kann die Schuld entweder bezahlen, oder er hat kein Vermoͤ - gen, wovon dieſe Bezahlung moͤglich iſt. Und indieſem505von der Sicherheit des Staats. dieſem Falle verdienet er entweder den Namen des Betruͤgers (§. 207.), oder er iſt durch Ungluͤcks-Faͤlle in dieſe Umſtaͤnde verſetzet worden. Wer in dem lez - ten Falle Gewalt braucht, der handelt unmenſchlich. Das Verfahren widerſpricht der Moral, welche die Policey nicht aufhebet (§. 7.). Daher iſt es un - billig, wenn das Credit-Weſen auf dieſen lezten Fall ſoll gezogen werden. Dieß vorausgeſetzet, ſo iſt es klar, daß man alsdenn ſagen koͤnne, in einem Lande ſey Credit, wenn man wider die Betruͤgereyen ſicher iſt.
Folglich wird zum Credit in einem Lande zweyerleyDieſer erfo - dert zwey Stuͤkke. erfodert, das eine beziehet ſich auf den erſten, und das andere auf den andern Fall, von welchen wir zuvor geredet haben. Dieß giebt uns einen Grund folgende Regeln zu bilden.
Wir wollen es verſuchen, ob wir vollſtaͤndige Mit -Wie das erſte Stuͤck moͤglich zu machen. tel finden koͤnnen, durch welche beyde Punkte in derJ i 5An -506Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Anwendung moͤglich ſind. Wodurch wird der erſte Punkt in der Anwendung unmoͤglich? Man wird es mir leicht verwilligen, daß dieß in der Weitlaͤuftigkeit der gerichtlichen Proceſſe gegruͤndet ſey. Man unter - ſuche einmahl die Urſache, warum es ſolche Leute auf einen Proceß ankommen laſſen, und fuͤrs andere, die Urſachen, wodurch dieſe weitlaͤuftig werden. Wird man alsdenn dieſe entkraͤften, ſo wird das angegebene Mittel in der Anwendung leicht moͤglich werden.
Warum laͤſt es ein ſolcher Menſch, der den Namen eines Betruͤgers verdienet, auf einen Proceß ankom - men? Man durchſuche alle Umſtaͤnde, und man wird finden, die Urſache ſey dieſe, weil er nichts dabey zu verlieren hat. Verlieret er den Proceß, ſo zahlet er das, was er auch vorher haͤtte zahlen muͤſſen. Und die Koſten, die er dieſerwegen traͤgt, werden von dem Vortheile aufgehoben, weil er dieſe Gelder ſo lange hat behalten koͤnnen. Die Policey wendet ſich zur Gerechtigkeit. Sie bittet dieſer Kuͤhnheit eine em - pfindliche Strafe zu ſetzen. Weiß es dieſer Menſch, daß er bezahlen, die Koſten tragen und ſich zugleich einer empfindlichen Strafe unterwerffen muß; ſo wird er ſchon auf Mittel denken, die Bezahlung bey Zeiten zu beſorgen. Und dieß erhaͤlt den Credit im Lande.
Wie beſtimmt man hier eine empfindliche Strafe? Dieſer verwegene Schuldner hat entweder Vermoͤgen, oder er iſt arm. Jſt jenes, ſo zahle er eben ſo viel zur Strafe, als die Sache betraͤgt, woruͤber iſt ge - ſtritten worden. Einen Theil behaͤlt der Richter, und das uͤbrige wird der Policey gegeben. Dieſe kann es zum oͤffentlichen Nutzen anwenden. Jſt dieſes,ſo507von der Sicherheit des Staats. ſo koſtet es mehrere Muͤhe, eine geſchickte Strafe zu erfinden. Gefaͤngniß-Strafe macht Muͤßiggaͤnger. Er muß arbeiten. Das lehret ihm wirthſchaften, und die Policey kann dieſe Arbeiten zum Nutzen des Staats regieren.
Wenn man ferner alles genau unterſuchet, wasDurch Zer - nichtung der Weitlaͤuftig - keit der Pro - ceſſe. vorgehet, ſo wird man es merken, daß die Gruͤnde, welche die Proceſſe weitlaͤuftig machen, dieſe ſind. Der erſte, daß man ſo viele Neben-Dinge beybrin - get, die nicht zur Haupt-Sache gehoͤren. Der an - dere, daß man ungeſtraft alles im Gerichte laͤugnen kann. Der dritte, daß man die Freyheit hat, mehr zu fodern, als was man beweiſen kann. Der vierte, daß man die Freyheit hat, bald dieſen, bald einen an - dern Termin weiter hinaus zu ſetzen. Der fuͤnfte, die Menge und die Undeutlichkeit der Geſetze, daher bald dieſes, bald jenes ſcheinbare Gruͤnde zur Ausflucht giebt.
Jn dieſer Betrachtung gruͤndet die Policey fol -Wie dieſe moͤglich. gende Vorſchlaͤge:
Wird es der Gerechtigkeit gefallen, dieſe Vorſchlaͤge der Policey anzunehmen, ſo wird ſie gewiß hiedurch ihre Abſicht erreichen.
So viel von dem erſten Punkte, den wir §. 213. angegeben haben. Wie ſiehet es in dem Falle aus, wenn der Betruͤger kein Vermoͤgen zu bezahlen hat. Er gehet entweder frey aus, oder wenn es der Glaͤu - biger verlanget, ſo wird er in den Schuld-Thurm ge - worfen. Was wuͤrket jenes? Sollte es wohl hier nicht eintreffen, daß man die kleinen Diebe haͤnget, und die großen laufen laͤſt. Was wuͤrkt dieſes? Wer ſoll den Betruͤger ernaͤhren? Wie bekommt der Glaͤu -biger509von der Sicherheit des Staats. biger die Erſetzung des Schadens? Wo bleibet der Credit? Der Schade kann durch Bezahlung, er kann aber auch durch Arbeit erſetzet werden. Jſt jenes un - moͤglich, warum ſoll es zugleich auch dieſes aufheben. Dieß berechtiget die Policey, dieſen Vorſchlag zu ma - chen. Dieſer Schuldner ſoll zur Arbeit angehalten werden, bis er es dem Glaͤubiger abverdienet hat, was er ihm ſchuldig iſt.
Dieß kann auf eine gedoppelte Art geſchehen. Fernere Aus - fuͤhrung die - ſes Punkts.
Auch die Thiere koͤnnen es verurſachen, daß dieVon der Un - ſicherheit, die durch das Vieh gewuͤrket wird, und zwar durch das zahme. Jnnwohner in dem Gebrauch des Jhren beunruhiget werden. Das zahme Vieh, wenn es den Feldern und Gaͤrten zum Schaden gehuͤthet wird. Das wilde, wenn es aus den Waldungen auf die Fruchttragende Felder ſtreift. Wider jenes iſt wohl kein beſſeres Mit - tel, als das Pfand-Recht. Wird einem jeden die Gewalt gelaſſen, das Vieh, was ihm zum Schaden gehuͤthet wird, zu pfaͤnden, und wird dem, der ſichdieſer510Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,dieſer Pfaͤndung mit Gewalt widerſetzet, eine empfind - liche Strafe geſetzet, ſo wird dieſe den Hirten behut - ſamer machen, und jenes dem Beleidigten den Weg erleichtern, zur Erſetzung des Schadens zu gelangen.
Die Guͤther wider das wilde Vieh zu bedekken, ſind wohl keine anderen Mittel zu erdenken, als eine regelmaͤßige Einrichtung der Jagd, und die Verwah - rung der Oerter, wo das Wild geheget wird, mit Wild - Zaͤunen.
Endlich ſind noch einige Wuͤrkungen des Schick - ſaales uͤbrig, die eine Unſicherheit drohen. Das Waſſer verurſachet Schaden durch Ueberſchwemmung und Einreiſſung der Ufer, und das Feuer verzehret mit ſeiner Wuth die Guͤther der Unterthanen. Viel - mahls ſind dieß goͤttliche Strafen, die wir mit unſerer Tohrheit verdienet haben. Vielmals gruͤnden ſie ſich in unſerer Nachlaͤßigkeit, und in dieſem Falle kann die Policey durch ihre Veranſtaltung dem Schaden vor - beugen.
Zuerſt von den Wuͤrkungen des Waſſers. Reißt dieß die Ufer ein, ſo ſind ſie nicht genug verwahret worden. Der eine bebauet den Ufer, ſo weit ſeine Grenzen gehen. Der Nachbar unterlaͤßt es. Und daher hat er ſich zum Schaden gebauet. Wie iſt dieſem Uibel abzuhelfen, ohne die Beſitzer ſolcher Felder zu entkraͤften? Jch werde dieſen Vorſchlag machen.
Wenn der eine die Beveſtigung ſeines Ufers erhaͤlt, ſo gereicht dieß den Nachbarn zum Vortheil, und daher iſt es nicht unbillig, daß ſie die Koſten gemein - ſchaftlich tragen. Wird man die Rechnung durch einige Jahre ziehen, ſo wird man gewiß Urſache fin - den, dieß eine Sparſamkeit zu nennen.
Anmerk. Bey der Anlage eines ſolchen Baues iſt mehrere Behutſamkeit anzuwenden, als ins - gemein geglaubet wird. Viele, die ſich mit dieſen beſchaͤftigen, kennen die Wuͤrkungen des Waſſers und des Hebels nicht, und daher kommt es, daß ein ſolcher Bau eher wieder weggeriſſen wird, als es nach der Verhaͤltniß der aufgewendeten Koſten haͤtte geſchehen ſollen. Jch will nur einige Fehler anfuͤhren, die gewoͤhnlich, und doch ſehr erheblich ſind. Man beveſtiget auf dem Ufer Pfaͤhle, woran die Baͤume hangen, die uͤber das Waſſer gehen, und den Bau halten ſollen. Dieß ſind Hebel, das Waſſer kann an ihrem aͤußerſten Ende ſtark wuͤrken. Hiedurch wird der Ufer lukker gemacht. Und das Waſſer reißt endlich den ganzen Bau, und hiedurch einen merklichen Theil von dem Felde weg. Andere bepflanzen den Ufer mit hohen Baͤumen. Dieß ſind wiederum Hebel. Der Wind kann an ihrer Spitze mit groͤßerer Heftigkeit wuͤrken. Der Uferwird512Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,wird hiedurch lukker gemacht, und daher hat es mit jenem gleiche Wuͤrkungen. Ferner wird ein ſolcher Bau waagerecht gefuͤhret, da man doch bedenken ſolte, daß das Waſſer alsdenn in ſeiner Staͤrcke geſchwaͤcht wird, wenn es ſich auf einer ſchraͤgen Flaͤche ausbreiten kann. Es wuͤrde auch vieles zur Erleichterung des Ufer-Baues beytragen, wenn man mehr an die Vertiefung des Waſſer-Ganges gedaͤchte. Und ſo ferner. Von dieſem muß die Mathematik umſtaͤndlicher reden.
Die andere Wuͤrkung des Waſſers zum Schaden der Jnnwohner iſt die Ueberſchwemmung. Dieſe kann durch nichts als durch die Verbeſſerung der Waſſer - Gaͤnge und durch die Waſſer-Daͤmme verhindert wer - den. Fuͤr jene ſorget der, welcher den Nutzen vom Waſſer hat. Und bey dieſem kann das wiederholet werden, was wir §. 224. erinnert haben. Es iſt nur noͤthig in der Stelle der Beſitzer der Felder diejenigen zu ſetzen, deren Guͤther durch dieſe Daͤmme bedekket werden.
Will man endlich die Gebaͤude wider den Angrif des Feuers, ſo viel es in unſerer Gewalt ſtehet, ſchuͤ - tzen, ſo hat man auf zwey Stuͤkke zu ſehen.
Wenn kann man es mit Recht ſagen, ein Gebaͤu -Aus dieſer Urſache muͤſſen die Gebaͤude Feuerveſt ſeyn. de ſey Feuer-veſt. Soll dieß ſo viel heißen, es muͤſſe unmoͤglich ſeyn, daß das Gebaͤude vom Feuer koͤnne niedergeriſſen werden, ſo iſt ein Feuer-veſtes Gebaͤude unmoͤglich. Man wird es mir verwilligen, daß ein Gebaͤude alsdenn Feuer-veſt ſey, wenn es alſo iſt auf - gefuͤhret worden, daß ein angehendes Feuer nicht leicht um ſich greifen kann, und wenn das entſtandene Feuer ohne Gefahr der Unſicherheit in demſelben koͤnne ge - daͤmpfet werden.
Wird man mir dieß verwilligen, wie ich es glaube, daß es geſchehen wird, ſo wird man mir auch dieß verwilligen muͤſſen, daß die Policey bey der Auffuͤh - rung eines Gebaͤudes, wenn es Feuer-veſt ſeyn ſoll, auf dieſe Stuͤkke ſehen muͤſſe.
Anmerk. Auch von dieſen Dingen muß die Baukunſt umſtaͤndlicher reden.
Wie ſind die Veranſtaltungen zu machen, wodurch ein angegangenes Feuer leicht wiederum zu daͤmpfen? Es kommt hier auf folgende Stuͤkke an.
Dieß zu bewerkſtelligen, wird es nicht ohne NutzenWie dieß zu bewerkſtelli - gen. ſeyn:
Was helfen alle dieſe gute Anſtalten, wenn als -und drittes Hauptſtuͤck. denn, da ſie gebraucht werden, keine Ordnung gehal - ten wird. Die Erfahrung lehret es, daß bey einem Feuer, das entſtehet, die Unordnung den groͤſten Scha - den thut. Solte es unmoͤglich ſeyn, in dieſem Stuͤkke durch Beobachtung folgender Regeln eine Ordnung zu erhalten.
K k 2Die516Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,Dieß macht dem Staate keine Laſt, und die Ord - nung wird gewiß erhalten.
Jch muß hiebey noch eins erinnern, das zwar insgemein verachtet wird, aber doch, wie ich es glaube, von Wichtigkeit iſt. Die Feuer - Spruͤtzen werden ſehr oft zum Schaden der Haͤu - ſer gebraucht. Das ausgeſpruͤzte Waſſer ſoll das Feuer loͤſchen, und das Feuer iſt nicht allemal von der Beſchaffenheit, daß es mit Waſſer kann geloͤſchet werden. Es kann auch oͤfters bequemer geloͤſcht werden, als mit der Gewalt dieſes Waſſers, was nur die Haͤuſer einweicht, die Theile der Haͤuſer niederwirft, und hiedurch einen groͤſſeren Schaden verurſachet, als der von dem Feuer gedrohet wird. Eine genaue Betrachtung von den brennenden Schorſteinen giebt Gruͤnde genug, dieß zu beweiſen. Aus dieſem ſchließe ich folgende Regel: Es wird ein Aufſeher erfodert, der Geſchicklichkeit ge -nug517von der Sicherheit des Staats. nug beſitzet, es zu beſtimmen, ob und wo die Feuer-Spruͤtzen zu gebrauchen, wenn ein an - gegangenes Feuer wiederum ſoll geloͤſchet werden.
Die Policey hat verſchiedene Urſachen, das BettelnDas Bet - teln wider - ſpricht der Abſicht der Policey. im Staate, ſo viel es moͤglich iſt, zu verhindern.
Wie iſt dieſe Verhinderung moͤglich? Gibt man dieſen Rath, man ſoll die Bettler aus dem Lande ja - gen, ſo iſt dieß ein Vorſchlag, der eine Grund-Regel der Policey aufhebt (§. 28 folg.). Will man auf dieß verfallen, daß man die Bettler verlaſſen ſoll, ſo wird auch dieſer Vorſchlag einer Haupt-Regel der Policey widerſprechen (§. 7.). Es bleibt demnach kein ande - res Mittel uͤbrig, das Betteln im Staate zu verhin - dern, als daß die Policey oͤffentliche Veranſtaltungen macht, die Armen im Staate gehoͤrig zu verpflegen.
Hiebey ſind zwey Stuͤkke genau zu beſchreiben.
Zuerſt von den Regeln. Die erſte iſt dieſe:
Dieß wuͤrde nicht nur der Abſicht dieſer Veranſtal - tungen, ſondern auch einem Haupt-Geſetze der Poli - cey widerſprechen (§. 337. 112.).
Aus dieſem mache ich folgende Schluͤſſe:Beſondere Folgen aus dieſer.
Die andere Regel:
Beydes wuͤrde dem §. 5. widerſprechen.
Aus dieſem folget, daß man bey der oͤffentlichenBeſondere Folge aus dieſer. Verpflegung der Armen alle Regeln genau beobachten muͤſſe, welche die Policey in Anſehung der Untertha - nen vorſchlagt. Dieſe haben wir bereits, wo wir un - ſern Lehren nicht zu viel zutrauen, deutlich und voll - ſtaͤndig erklaͤret.
Der andere Punkt, den wir §. 339. angegeben ha -Fuͤrs andere, wie zu dieſer Abſicht ge - ſchickte Ver - ben, iſt dieſer: Wie koͤnnen ſolche VeranſtaltungenK k 4regel -520Der Policey-Wiſſenſchaft 2 Abſchnitt,anſtaltungen koͤnnen ge - macht wer - den.regelmaͤßig gemacht werden? Es wird nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn wir die einheimiſchen Armen, von den durchreiſenden unterſcheiden. Zuerſt von denEinmahl in Anſehung der einhei - miſchen Ar - men. Veranſtaltungen, die einheimiſchen Armen zu verpfle - gen. Die zuvor angegebenen Regeln lehren es uns, daß wir bey dieſem Stuͤkke auf zwey Punkte zu ſehen haben.
Anmerk. Jch wuͤrde nach der Abſicht, die ich mir vorgeſetzet habe, zu weitlaͤuftig werden, wenn ich dieſe allgemeine Aufloͤſung der vorgeſchriebenen Aufgabe durch alle beſondere Faͤlle ausarbeiten woll - te. Jch will nur einige, um dieſe allgemeine Auf - loͤſung verſtaͤndlicher zu machen, beſchreiben. Der groͤſte Haufe der einheimiſchen Armen hat doch zum wenigſten ſo viele Kraͤfte, als zur Wartung der Garten-Fruͤchte, zum Spinnen und ſo ferner erfor -derlich521Von der Verpflegung der Armen. derlich ſind. Sollte es nun unmoͤglich ſeyn, die oͤffentlichen Armen-Haͤuſer alſo einzurichten, daß die, welche ſolche bewohnen, zur Wartung einiger Gaͤrten, zum Spinnen und ſo ferner angewieſen werden. Sollte es unmoͤglich ſeyn, die Armen, welche die angelegten Armen-Haͤuſer nicht bewohnen koͤnnen, nach der Eintheilung einer Stadt in gewiſ - ſe Claſſen zu vertheilen, und ſie dahin zu verpflich - ten, daß ſie gegen eine billige Belohnung den uͤbri - gen Bewohnern dieſes Theils bey dergleichen Be - ſchaͤftigungen nuͤzlich werden?
Der andere Punkt ſoll es lehren, wie die oͤffent -Dieſes wird weiter aus - gefuͤhret. liche Verpflegung der Armen moͤglich ſey, ohne dem Staate und den uͤbrigen Unterthanen eine Laſt zu ma - chen. Man wird es uns leicht verwilligen, daß dieſes durch die Beobachtung folgender Regeln moͤglich ſey.
Anmerk. Eine regelmaͤßig angelegte Lotterie, wie auch die §. 82. und 87. angegebene Quellen koͤnnen nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde die Stif - tung eines ſolchen Capitals erleichtern.
So viel von den einheimiſchen Armen. Die Durch - reiſende muͤſſen entweder nach den Grund Regeln ih - rer Zunft wandern, oder ſie ſind Muͤßiggaͤnger. Die - ſe kann die Policey nicht dulden. (§. 112.). Es iſt ihre Pflicht, ſolche unter Umſtaͤnde zu ſetzen, da ſie ge - noͤthiget werden, zum Nutzen des Staats zu arbeiten (§. 131. und folg.). Sollen jene ohne Laſt des Staats und der Unterthanen verpfleget werden, ſo iſt es noͤ - thig, daß ein jedes Handwerk, eine jede Gewerks-Ge - ſellſchaft und ſo ferner eine Lade, das iſt, ein Capital zur Verpflegung der wandernden Geſellen ſtifte. Der §. 87. lehret uns die Moͤglichkeit dieſer Stiftung. Es iſt nur noͤthig, daß wir dasjenige veraͤndern, was die Be - ſchaffenheit der Sache zu veraͤndern gebiethet.
Bis hieher ſind die beſondern Stuͤkke der Policey,Abſicht die - ſes Abſchnit - tes. ſo viel als es unſere Abſicht erfodert, genau, und wo ich meinen Lehren nicht zu viel traue, deutlich beſchrieben worden. Denen, welche alles, was wir abgehandelt haben, genug uͤberleget, wird es nicht ſchwer fallen, diejenigen Stuͤkke, die noch fehlen, zu erganzen, und in dem vorkommenden Fall dasjenige zu beſtimmen, was bey dieſen die Abſicht der Policey erfodert. Dieſe Arbeit wird dadurch merklich erleich - tert wenn man zuvor die Haupt Regeln der Landes - Oeconomie deutlich eingeſehen hat. Dieſe ſind die Grund-Regeln, nach welchen alle oͤffentliche Veranſtal - tungen, in wie ferne dieſe den Reichthum des Staats erhalten und vermehren ſollen, abgemeſſen werden. Daher iſt es noͤthig, daß wir auch dieſe deutlich un - terſuchen. Der Herr von Horneck hat in ſeinem vortreflichen Werke: Oeſterreich uͤber alles, wann es nur will, neun Haupt-Regeln zur Landes - Oeconomie angegeben. Dieſe ſind vollſtaͤndig. Sie fließen aus dem allgemeinen Begriffe der Oeconomie, wenn dieſer durch den Begrif eines Staats genauer beſtimmet wird. Nur in einigen Stuͤkken muͤſſen ei - nige von dieſen Regeln, wie ich es glaube, genauer ein - geſchrenket werden. Aus dieſem Grunde wollen wir dieſe Haupt-Regeln unterſuchen, beweiſen, und da, wo es noͤthig iſt, einſchraͤnken.
Die erſte Haupt-Regel iſt dieſe:
Ein Wirth iſt bemuͤhet, alles, was er beſitzet, ſo nuzbar zu machen, als es moͤglich iſt (§. 451 folg. Sitten-Lehre). Die Ausfuͤhrung dieſer Abſicht iſt ihm unmoͤglich, wenn er nicht die Natur derjenigen Dinge, die er be - ſitzet, genau kennet, und alle Wege, wodurch ſie koͤnnen nuzbar werden, genau unterſuchet. Will man mit dieſem die Haupt-Abſicht der Policey verknuͤpfen, und als - denn dieſe Lehre auf den Staat anwenden, ſo wird man es bald einſehen, daß dieſe Haupt-Regel gegruͤn - det iſt.
Anmerk. Die Wichtigkeit dieſer Regel iſt aus dem Erfolg zu beurtheilen. Wir wollen nur eini - ge Folgen, um dieſe zu beweiſen, beſchreiben. Wie vieles Geld wird nicht jaͤhrlich in fremde Laͤnder verſchicket, um die Materialien zur Faͤrberey her - beyzuſchaffen. Wuͤrde man die Erde, die Steine, die Gewaͤchſe, die das Land, was man bewohnet, beſitzet und hervorbringen kann, genau unterſuchen, man wuͤrde es ſehr oft erfahren, daß man die Ma - terialien im Lande um ein billiges Geld haben koͤn - ne, die man mit vielen Koſten aus fremden Laͤndern herbeyſchaffet. Ferner: Wie viele Salz-Quellen, wie viele Mineralien bleiben nicht in der Erde ver - borgen, weil man es unterlaͤſt, dieſe Regel anzu - wenden.
Man wird es mir leicht verwilligen, daß es unmoͤg - lich ſey, dieſe Abſicht vollſtaͤndig zu erreichen, wenn nicht in einem Staate eine Geſellſchaft geſtiftet wird, die ſich mit dieſer Unterſuchung gemeinſchaftlich be - ſchaͤftigen muß. Denn wie viele Erkenntniß, wie vie -le525Haupt-Regeln der Landes-Oeconomie. le Verſuche werden nicht zur Erreichung dieſes End - zwecks erfodert. Daher muß einer dem andern mit ſei - ner Erkenntniß und mit ſeinen Bemuͤhungen zur Huͤl - fe kommen, um hiedurch einen gemeinſchaftlichen End - zweck zu wuͤrken. Wir wollen dieſe Geſellſchaft die Akademie nuͤzlicher Wiſſenſchaften nennen.
Die Sache iſt wichtig, ob ſie zwar insgemein ver -Stiftung ei - ner Acade - mie nuͤzlicher Wiſſenſchaf - ten. geſſen wird. Es iſt demnach noͤthig, daß wir unter - ſuchen.
Wir wollen es verſuchen, ob wir beyde Aufgaben voll - ſtaͤndig werden aufloͤſen koͤnnen.
Die Abſicht einer Geſellſchaft beſtimmet die ArtEinmahl wie ſie einzurich - ten. ihrer Einrichtung. Die Abſicht der Academie der Wiſſenſchaften hat einen gar zu großen Umfang. EsErſtes Stuͤck. iſt unmoͤglich, dieſe vollſtaͤndig zu erreichen, ſo lange die Grenzen eines Staats die Glieder der Academie einſchließen (§. 348. 341.). Es erfodert demnach ihre Vollſtaͤndigkeit, einheimiſche und fremde Glieder. Dieß iſt ein bequemes Mittel, die Geſchichte der Na - tur vollkommen zu erfahren, und auf diejenigen Stuͤk - ke zu verfallen, wodurch die Werke der Natur dem Staate koͤnnen nuzbar gemacht werden.
Die Abſicht dieſer Akademie giebt es uns zu er -Anderes Stuͤck. kennen, daß die eigentliche Geſellſchaft aus einheimi - ſchen Gliedern beſtehen muͤſſe (§. 349.) und daß dieſedie526Der Policey-Wiſſenſchaft 3. Abſchnitt,die fremden Glieder nur als Freunde der Geſellſchaft verehren koͤnnen, die ſich ihr verbindlich gemacht, durch einige Nachrichten die Befoͤrdetung ihrer Abſicht zu erleichtern. Aus dieſem folget, daß die weſentliche Vollkommenheit dieſer Akademie von den Eigenſchaf - ten der einheimiſchen Glieder abhanget, welche die ei - gentliche Geſellſchaft bilden. Es wird nicht ſchwer fallen dieſe Eigenſchaften zu beſtimmen. Der Grund, der uns dieſe Beſtimmungen anbietet, iſt die Abſicht dieſer Academie. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß die Erkenntniſſe dieſer Glieder zuſammen genommen, eine vollſtaͤndige Erkenntniß von allen den Stuͤcken ſeyn muͤſſe, welche zur Land-und Stadt-Wirthſchaft, zur Policey und zum Cammer-Weſen gehoͤren.
Anmerk. Aus dieſem folget, daß dieſe Glie - der zuſammen genommen, die Mathematik, die Natur-Lehre, die Sitten-Lehre, die Politik, das Recht der Natur, die Geſchichte der Natur, die Na - tur der Thiere, der Erd-Gewaͤchſe, der Mineralien, das Handlungs-Geſchafte, und endlich die Chymie verſtehen muͤſſen.
Man entwickele den Begrif von der Ordnung, und alsdenn beſtimme man dieſen mit der Abſicht dieſer Aka - demie, ſo wird man es leicht begreifen, daß in dieſer keine Ordnung moͤglich ſey, wenn nicht folgende Punk - te beobachtet werden:
Die andere Frage iſt dieſe: Woher nimmt manFuͤrs andere, woher der Aufwand zu nehmen im Anfange. das Geld, den Aufwand, den dieſe Einrichtung erfo - dert, zu beſtreiten. Die erſte Anlage muß der Staat machen. Dieß iſt in der That nur ein Vorſchuß. Jſt eine ſolche Akademie regelmaͤßig eingerichtet wor - den, ſo iſt es unmoͤglich, daß ſie nicht in kurtzer Zeit etwas entdecken ſollte, was durch ſeine Nuzbarkeit dem Staate dieſen gegebenen Vorſchuß reichlich bezahlet.
Jch fodere von dem Staate nur die Anlage. Die -im Fortgan - ge. ſe Akademie kann ſich mit der Zeit ſelbſt zum Nutzen des Staats ernaͤhren. Werden ihr einige Freyheiten gegeben, von ihren Erfindungen die Vortheile zu zie - hen, und haben die Glieder der beſonderen Geſellſchaft einen patriotiſchen Geiſt, ſo wird ſie bald die Quellen zu ihrer Erhaltung entdecken.
An -528Der Policey-Wiſſenſchaft 3. Abſchnitt,Anmerk. Auch bey dieſem Stuͤkke iſt zu mer - ken, daß man die Vollkommenheit einer Sache nicht aus ihrem Anfange, ſondern aus ihrem Fort - gange beurtheilen muͤſſe.
Die andere Haupt-Regel der Landes Oeconomie iſt dieſe:
Dieß iſt ein bequemes Mittel, viele in einem Lande reichlich zu ernaͤhren, und mit geringem Aufwande vie - les Geld ins Land zu bringen. Folglich iſt es dem Staate nuͤzlich (§. 1. 2.)
Jſt die Akademie nuͤzlicher Wiſſenſchaften in Ord - nung, ſo wird es nicht ſchwer fallen, Mittel zu erfin - den, wodurch die Ausuͤbung dieſer Regel moͤglich wird. Die Gruͤnde zu dieſer Erfindung ſind oben erklaͤret worden, da wir die Lehre von den Gewerken und Fa - briquen abgehandelt haben.
Jch habe mit Ueberlegung dieſen Zuſatz gemacht, ſo viel es moͤglich iſt. Es koͤnnen ſich beſondere Umſtaͤnde ereuͤgnen, unter welchen es dem Staate nuͤzlicher iſt, die Guͤter in roher Geſtalt zu verkaufen, als ſolche zu verarbeiten. Jch will dieſen Satz bewei - ſen. Alle Gewerke, alle Fabriquen ſind ohne Nutzen, wenn nicht ihre Werke bequem koͤnnen verkauft wer - den, und ſie werden erſt alsdenn vollkommen nuzbar,wenn529Haupt-Regeln der Landes-Oeconomie. wenn der groͤſte Theil ihrer Werke außer dem Lande kann verhandelt werden (§. 317. und folg.). Was demnach ein bequemes Mittel iſt, dieſen Handel zu befoͤrdern und zu erweitern, das iſt dem Staate nuͤzlich. Wenn man die Guͤter eines Landes in roher Geſtalt in fremde Laͤnder verſchikket, ſo kann dieß theils ein bequemes Mittel werden, andere Materialien her - bey zu ſchaffen, die ſich mit groͤßerem Vortheil verar - beiten laſſen, und deren Werke leichter zu verkaufen ſind. (§. 315. des andern Theils.) Theils kann es ein bequemes Mittel werden, Fremde herbey zu lokken, die bey dem Einkauf dieſer Materialien nicht nur vieles im Lande verzehren, ſondern auch〈…〉〈…〉 agerei - zet werden, unſere Werke der Kunſt bey fremden Voͤlkern beliebt zu machen (§. 320. des andern Theils). Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß ſich ver - ſchiedene Umſtaͤnde ereignen koͤnnen, welche bey der angegebenen Regel die angenommene Einſchraͤnkung nothwendig machen.
Die dritte Haupt-Regel der Landes-Oeconomie, dieDie dritte Haupt-Re - gel der Lan - des Oecono - mie. der Herr von Hornek angegeben hat, iſt bereits oben von uns bewieſen, und wie ihre Ausuͤbung moͤglich ſey, erklaͤret worden. Sie iſt dieſe: Zur Vollſtrek - kung obiger beyder Regeln gehoͤren Leute, ſo wohl zum Beyſchaffen oder Hervorbringen und Bauen der rohen Guͤter, als deren Verarbei - tung. Daher iſt auf die Bevoͤlkerung des Lan - des als eines wohlgeordneten Staats hoͤchſte Angelegenheit zu ſchauen, und wo ſolche Leute ſind aus dem Muͤßiggange in eine nahrhafte Profeßion zu bringen; zu allerhand Erfindun - gen, Ruͤnſten und Hand-Arbeiten zu unterrich - ten und aufzumuntern, und wo noͤthig, die Lehr - meiſter deſſen aus der Fremde herein zu vermoͤ -L lgen. 530Der Policey-Wiſſenſchaft 3. Abſchnitt,gen. Von dem erſten Stuͤkke handelt das erſte Ca - pitel des zweyten Abſchnittes der Policey-Wiſſenſchaft. Das andere Stuͤck unterſuchet das vierte Capitel des angefuͤhrten Abſchnittes. Mit dem dritten Stuͤk - ke haben wir uns in dem zweyten Capitel beſchaͤftiget.
Die vierte Haupt-Regel der Landes-Oeconomie iſt dieſe: Gold und Silber, ſo einmahl in das Land, es ſey aus eigenem Bau, oder aus der Fremde durch Fleiß gekommen, iſt in keinerley Weiſe noch Wege, es ſey fuͤr was es wolle, ſo viel nur immer moͤglich, wieder hinaus zu vertragen, noch zuzugeben, daß es in Kiſten oder Kaſten vergraben werde, ſondern immerzu in der Be - wegung bleibe, auch nicht, daß es viel in ſolche Fabriquen gerathe, wo es gleichſam zernichtet wird, und nicht wieder zu Nutzen zu bringen. Dann ſolchergeſtalt wird unmoͤglich ſeyn, daß ein Land, ſo einmahl zu einer anſehnlichen Baarſchaft kommen, bevorab dasjenige, ſo eige - ne Geld-und Silber-Minen beſitzt, in Armuth verfalle; ja was das lezte betrift, unmoͤglich, daß es nicht an Reichthum und Gut immer - fort zunehme.
Dieſe Regel faßt verſchiedene Stuͤkke in ſich, und es iſt mir unmoͤglich, zu beweiſen, daß alle dem Staa - te nuͤzlich ſind. Vielleicht wird man mit mir einſtim - mig, wenn ich alle Stuͤkke auseinander lege, und ein jedes insbeſondere unterſuche.
Das erſte Stuͤck: Gold und Silber, ſo ein - mahl ins Land gekommen, ſoll nicht wie - der hinausgetragen werden. Jch nehmemir531Haupt-Regeln der Landes-Oeconomie. mir die unſchuldige Freyheit, zu beweiſen, daß dieß eine Regel ſey, deren Beobachtung einem Staate ſehr nachtheilig iſt. Das Recht, was man dem einen Volke verwilliget, das muß man dem andern auch zugeſtehen. Hat nun der eine Staat das Recht dieſe Regel zu beobachten, ſo hat es auch der andere Staat. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß die Beobachtung dieſer Regel ein Mittel, die Gemeinſchaft der Staaten auf - zuheben. Wird dieſe aufgehoben, wie will der Handel beſtehen? (§. 315. und folg. des andern Theils): wie kann die Anlokkung der Frem - den moͤglich bleiben? (§. 45.) und ſo ferner. Dieß ſind die Gruͤnde, die mich noͤthigen, dieſe Regel als eine ſolche anzunehmen, die ihrer Ab - ſicht zuwider iſt.
Anmerk. Es wird nicht viele Muͤhe koſten, die Wahrheit meiner Gedanken auch durch die Er - fahrung zu beſtaͤtigen. Man durchſuche die Laͤn - der, in welchen dieſe Regel als ein Befehl ange - nommen wird. Man unterſuche daſelbſt die Gruͤn - de von dem Mangel der Nahrung, und die Wahr - heit dieſer Lehre wird ſich bald entdekken.
Jſt es denn, werden hier ſonder Zweifel viele fra -Wie dieſes einzuſchraͤn - ken. gen, einem Staate nuͤzlich, daß ein jeder die Freyheit behalte, nach ſeinem eigenen Gefallen das Gold und Silber aus dem Lande zu bringen? Jch antworte. Man muß die Freyheit von dem Mißbrauch der Frey - heit unterſcheiden. Die Freyheit nimmt allemahl ge - wiſſe Regeln an, die aus dem Begriffe des Beſten flieſſen. Dieß giebt mir einen Grund, folgenden Satz zu bilden: Die Wegſchaffung des Goldes und des Silbers in fremde Laͤnder iſt nur in ſo weit zuL l 2ver -532Der Policey-Wiſſenſchaft 3. Abſchnitt,verhindern, in wie weit dieſe nichts zum Nu - tzen des Staats wuͤrken koͤnne. Es iſt im Ge - gentheile eine Staats-Klugheit, fremden Voͤl - kern ſein Gold und Silber geben, wenn das den Nutzen des Staats zu wuͤrken vermoͤgend iſt.
Es iſt wahr, dieſe Regeln ſind ſehr allgemein, und es muͤſſen alle Umſtaͤnde genau uͤberleget werden, wenn bey ihrer Anwendung keine Fehler ſollen begangen werden. Jch wuͤrde zu weitlaͤuftig werden, wenn ich alle dieſe Umſtaͤnde aus einander ſetzen wollte. Wer das genau uͤberleget, was ich von der Stadt-Wirth - ſchaft, und von den beſondern Stuͤkken der Policey abgehandelt habe, der wird, wie ich es glaube, Gruͤn - de genug finden, dieſe Stuͤkke zu beſtimmen. Jch will nur einige, um mich ſo deutlich zu erklaͤren, als es mir moͤglich iſt, anfuͤhren. Viele haben z. B. dieſe Meynung, es ſey einem Staate nachtheilig, wenn die, welche in einem Lande gebohren, fremde Schulen und Univerſitaͤten beziehen, der Grund ihrer Meynung iſt dieſer, weil hiedurch das Geld aus dem Lande getra - gen wird. Jch verwillige dieſen Grund, ich laͤugne aber die Folge. Der §. 83. unterſtuͤtzet meine Ge - danken. Andere folgern aus dieſem Grunde, es ſey dem Staate nachtheilig, wenn man die Materialien zu den Gewerken und Fabriquen aus fremden Laͤndern kauft. Aber auch dieſe Folge iſt nicht allgemein. Man kaufe z. B. die Wolle aus fremden Laͤndern. Man verarbeite dieſe, daß Meiſter-Stuͤkke der Kunſt entſtehen. Man denke auf Mittel, dieſe in fremde Laͤnder zu verkaufen. Man ziehe die Rechnung. Die Folge wird es lehren, daß man hiedurch, wenn alles nach den Umſtaͤnden genau iſt erwogen worden, mehr Geld ins Land hinein bringet, als wenn man ſein er - ſtes Geld behalten haͤtte. Die Verarbeitung desKupfers533Haupt-Regeln der Landes-Oeconomie. Kupfers, des Meßings, und ſo ferner, das man aus fremden Laͤndern gekauft hat, kann auch ſehr leicht meine Gedanken beweiſen. Dieß iſt genug, dasjenige zu erklaͤren, was zur Anwendung der allgemeinen Re - gel erfodert wird.
Das andere Stuͤck: Gold und Silber mußDas andere Stuͤck. niemals muͤßig liegen. Dieß iſt gegruͤndet. Es folget aus der allgemeinen Wirthſchafts-Regel, die wir §. 461. der Sitten-Lehre bewieſen haben: Ein Wirth muß ſich bemuͤhen, das Seinige ſo nuzbar zu machen, als es moͤglich iſt.
Dieß giebt mir einen Grund, denen zu widerſprechen,Beſondere Folge aus dieſem. welche die Sammlung oͤffentlicher Schaͤtze, die muͤßig liegen, ſchlechterdings nuͤzlich nennen. Geſezt der Staat habe einen Schatz am Gelde von 100000 Thalern. Geſezt er giebt die Nutzung von dieſen ſeinen Unter - nehmen nur gegen 2 pro Cent. So gewinnt er jaͤhr - lich 2000 Thaler, die er zur Beſorgung derjenigen Mittel, welche die Policey erfodert, anwenden kann. Wo iſt nun der groͤſte Nutzen. Will man einwen - den, ein ſolches muͤßig liegendes Capital waͤre ein Noth-Pfennig fuͤr den Staat, ſo hat dieß einen Schein der Wahrheit. Allein ich antworte, hat der Staat reiche und bluͤhende Unterthanen, ſo hat er auch ge - wiß in einem jeden Falle der Noth ſo vieles Geld als er zur Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten noͤthig hat.
Das dritte Stuͤck: Gold und Silber muß inDas dritte Stuͤck. keine Fabrique gerathen, in der es zernichtet und unbrauchbar gemacht wird. Auch dieſeL l 3Regel534Der Policey-Wiſſenſchaft 3 Abſchnitt,Regel erfodert, wie ich es glaube, eine Einſchraͤnkung. Was wir bey dem §. 361. angemerket haben, das leh - ret nicht nur dieſe, ſondern es beweiſet auch ihre Noth - wendigkeit. Dieſe Verarbeitung des Goldes und des Silbers kann nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde ein vorzuͤgliches Mittel werden, den Handel in einem Lande zu erweitern, und fremdes Geld ins Land zu ziehen. Wenn dieß, ſo iſt eine ſolche Verarbeitung nuͤzlich. Jn dem entgegen geſeztem Falle muß ich die Wahrheit dieſer Regel um deſtomehr verwilligen, weil ſie eine unmittelbare Folge aus der Haupt-Ab - ſicht der Policey iſt (§. 1.)
Die fuͤnfte Haupt-Regel der Landes-Oeconomie: Die Landes-Jnnwohner ſind aus allen Kraͤften dahin zu halten, daß ſie ſich an ihren einheimi - ſchen Guͤtern begnuͤgen, mit ſolchen allein ihre Luͤſternheit und Pracht begraͤnzen, und der aus - waͤrtigen aufs hoͤchſte, als immer moͤglich iſt, muͤßig gehen. Dieß iſt eine Folge aus dem, daß das Geld im Lande bleiben ſoll. Jch habe mir die Freyheit genommen, die Allgemeinheit dieſes Satzes zu laͤugnen (§. 361.), und daher wird man es mir erlauben, daß ich auch an der Wahrheit derjenigen Saͤtze zweifele, die aus dieſem geſchloſſen werden.
Jch will mich uͤber dieſem Punkt deutlicher erklaͤ - ren. Es ſtekken in dieſer Regel zwey Saͤtze. Fuͤrs erſte. Jn einem Lande ſind alle moͤgliche Ver - anſtaltungen dahin zu machen, daß ein jeder in demſelben dasjenige bequem erlangen koͤnne was er nach ſeinen Umſtaͤnden noͤthig hat. Dieſer Satz iſt eine ſehr wichtige Policey-Regel. Sie iſtbereits535Haupt-Regeln der Landes-Oeconomie. bereits §. 42. bewieſen worden. Fuͤrs andere: Der Handel in fremde Laͤnder iſt, ſo viel es immer moͤglich iſt, mit allem Ernſte zu verbiethen. Jch will es gerne verwilligen, daß die, welche dieſen Satz billigen, in dieſer Sache eine groͤßere Einſicht haben, als ich. Dennoch aber kann ich mich nicht uͤberre - den, zu glauben, daß ſie vollkommen gegruͤndet ſey - Sie widerſpricht einmahl dem, was wir §. 17 und 18 veſtgeſetzet haben. Sie ſchwaͤchet fuͤrs andere das, was nach dem §. 45. die Policey nothwendig er - fodert. Sie ſcheinet fuͤrs dritte die Staͤrke der Handlung zu entkraͤften. Siehe §. 315. des andern Theils. Wie wuͤrde es endlich im Staate ausſehen, wenn alle Voͤlker ihre Wirthſchaft nach dieſer Regel einrichten wolten. Und ſo ferner.
Die ſechſte Haupt-Regel. Sollte die Herbey -Die ſechſte Haupt-Re - gel. ſchaffung fremder Guͤter unentbaͤrlich ſeyn, ſo muß man ſolche nicht um Gold und Silber, ſondern durch Austauſchung inlaͤndiſcher Waa - ren ins Land bringen.
Die ſiebende Haupt-Regel: Solche fremdeDie ſieben - de. Waaren muͤſſen in roher Geſtalt genommen, und in dem Staate verarbeitet werden.
Wer diejenigen Gruͤnde in Erwegung ziehet, ausAllgemeine Erinnerung dey dieſen. welchen ich bis hieher geſchloſſen habe, der wird es leicht begreifen, daß dieſe Regeln nuͤzlich ſind, wenn ihre Anwendung moͤglich iſt. Er wird es aber auch leicht einſehen, daß dieſe Anwendung nicht allemahl moͤglich iſt, wenn man den wahren Nutzen des StaatsL l 4beſorgen536Der Policey-Wiſſenſchaft 3 Abſchnitt,beſorgen will. Ein jeder Staat, wenn er bluͤhen will, muß gegen andere Staaten diejenigen Pflichten beob - achten, die ein Menſch dem andern ſchuldig iſt. Man mache eine allgemeine Anwendung dieſer Regeln, und man wird es in kurzer Zeit merken, daß man dabey mehr verlieret als gewinnet. Die Regeln der Klug - heit koͤnnen ſelten allgemein angewendet werden. Jhre Anwendung erfodert mehrentheils eine ſehr genaue Er - wegung der Umſtaͤnde.
Die achte Haupt-Regel: Man muß mit allem Fleiße darauf denken, wie die in dem Lande ge - fallene uͤberfluͤßige Guͤter bey Auslaͤndern in verarbeiteter Geſtalt um Gold und Silber zu verhandeln, und zu dieſem Ende den Handel, wenn es moͤglich iſt, bis an das aͤußerſte Ende der Welt zu treiben ſuchen.
Der Haupt-Satz iſt in dem gegruͤndet, was wir be - reits §. 319. und §. 320 des andern Theils abgehan - delt haben. Nur dieſes ſcheinet mir bedenklich, daß man ſich ſchlechterdings bemuͤhen ſolle, ſeine Waaren an Auslaͤnder ums Geld zu verhandeln. Dem erſten Anſehen nach hat dieß den groͤſten Vortheil. Allein eine genauere Unterſuchung wird es bald lehren, daß ſich Umſtaͤnde ereignen koͤnnen, die eine bloße Ver - tauſchung dem Staate nuͤzlicher machen. Der eine Staat hat gewiſſe Werke, die er in ſeinem Lande nicht genugſam vertreiben kann. Der andere hat andere Werke, bey welchen er gleiches Schickſaal erlebt. Bey - de vertauſchen ihre Werke mit einander, ſie lenken die Umſtaͤnde nach den Regeln der Klugheit, und beyde erlangen hiedurch bluͤhende Fabriquen.
Die neunte Haupt-Regel: Es iſt, wenn es nichtDie neunte Haupt-Re - gel der Lan - des-Oecono - mie. erhebliche Urſachen erfodern, nicht zugeſtatten, daß Guͤter, von welchen das Land einen Ueber - fluß hat, von außen hineingebracht werden, wenn es gleich moͤglich waͤre die fremden um einen geringeren Werth als die einheimiſchen zu erhandeln. Denn dieſer Handel wuͤrde fremde er - naͤhren und die Jnwohner an der Nahrung ſchwaͤchen.
Jch muß auch bey dieſer Regel etwas erinnern. Wie dieſe einzuſchraͤn - ken.Mir ſcheinet es, einmahl, daß aller Zwang im Han - del dem Staate nachtheilig ſey (§. 45.). Siehe §. 320 und folg. des andern Theils. Fuͤrs andere, daß ein ſolcher Zwang dem widerſpreche, was wir §. 17. und folg. bewieſen haben. Fuͤrs dritte: Sollte es nicht dem Staate nuͤzlicher ſeyn, wenn man in dem Falle, der in der Regel angenommen wird, auf Mittel denket, wie in die Stelle dieſer Guͤter andere in dem Staate anzubauen, oder durch Geſchiklichkeiten hervorzubringen, die den Fremden angenehmer, und gegen welche wir jene Guͤter eintauſchen koͤnnen. Soll - te dieß nicht ein Weg ſeyn, die Theurung im Staate zu verhindern, und den Flor des Handels vollkomme ner zu machen?
Man wird es nunmehro leicht verſtehen, wie ichBeſchluß dieſes Ab - ſchnittes. mir die wahre Beſchaffenheit der Landes-Oeconomie bilde. Jch ſetze den Grund von dem Reichthume des Staats in der Freyheit, doch bitte von dieſer den Mißbrauch der Freyheit zu unterſcheiden. Habe ich in meinen Erinnerungen gefehlet, ſo werde ich es ſogleich geſtehen, ſobald ich von meinen Fehlern binL l 5uͤber -538Der Policey-Wiſſenſchaft 4 Abſchnitt,uͤberfuͤhret worden. Bis hieher ſehe ich meine Be - griffe auch darum als gegruͤndet an, weil mir die Er - fahrung das Wort redet.
Wir haben es bereits oben §. 26. erinnert, daß das Policey-Collegium eine Geſellſchaft ſey, die durch gemeinſchaftliche Ueberlegung diejenigen Din - ge im Staate beſtimmen und regieren ſoll, die zur Er - haltung und Vermehrung des Reichthums der Jnn - wohner und des Staats erfodert werden. Wenn wir hiebey die Wichtigkeit dieſer Abſicht in Erwegung zie - hen, und diejenigen Geſchaͤfte uͤberlegen, welche dieſe Abſicht zu erreichen, erfoderlich ſind, und die wir bis hieher umſtaͤndlich beſchrieben haben; ſo muͤſſen wir dieſe Folge machen, der Flor eines Staats koͤnne un - moͤglich vollſtaͤndig werden, wenn nicht das Policey - Collegium iſt geſtiftet, und regelmaͤßig iſt eingerichtet worden.
Jch will meine Gedanken von der regelmaͤßigen Einrichtung eines ſolchen Collegii auseinander ſetzen. Will man die Einrichtung der Policey-Geſchaͤfte dem Willkuͤhr der Glieder dieſes Collegii uͤberlaſſen, ſo wird es ſchwer, ja faſt unmoͤglich werden, die Abſicht der Po - licey in einer fortdaurenden Uebereinſtimmung zu er - reichen. Die Glieder dieſes Collegii ſind ſterblich, und die Erfahrung lehret es, daß die Nachfolger, wennihnen539von dem Policey-Collegio. ihnen die voͤllige Freyheit zu urtheilen und die Ge - ſchaͤfte zu beſtimmen, gelaſſen wird, nicht allemahl die Dinge nach den Gruͤnden beurtheilen, nach welchen ſie von ihren Vorfahren ſind beurtheilet worden. Dieß wuͤrket beſtaͤndig neue Einrichtungen, die den vorher - gehenden widerſprechen. Daher wird allemahl ange - fangen, und nichts zur Vollſtaͤndigkeit ausgefuͤhret. Dieß iſt genug, dieſen Satz zu beveſtigen: Soll in einem Staate die Abſicht der Policey, ſo viel es immer moͤglich iſt, erreichet werden, ſo muß man zuerſt eine voͤllige Beſchreibung des Staats nach der Abſicht der Policey machen, wie ein jedes Stuͤck nach dieſer Abſicht einzurichten ſey veſt ſetzen, die Maͤngel, welche noch vorhanden ſind, anmerken, und die Mittel, wodurch dieſe zu heben, nach der Beſchaffenheit des Staats beſtimmen. Dieſe Beſchreibung wird die beſtaͤndi - ge Vorſchrift, nach welcher alle Policey-Geſchaͤfte des Staats muͤſſen eingerichtet werden.
Wenn wir mit dieſem die beſonderen Abſichten derDaher ſind verſchiedene Buͤcher noͤ - thig. Policey vergleichen, die wir bis hieher abgehandelt ha - ben, und die, wenn ſie mit einander ſind verknuͤpfet worden, die Haupt-Abſicht der Policey wuͤrken koͤnnen, ſo wird es uns nicht ſchwer fallen, einzuſehen, es ſey unmoͤglich, daß ein Policey-Collegium den Zweck er - reichen koͤnne, wozu es geſtiftet wird, wenn nicht zu - vor folgende Buͤcher, als Grund-Buͤcher des ganzen Collegii ſind verfertiget worden.
Das erſte iſt ein Verzeichniß aller Jnnwohner desDas erſte ge - het auf die Beodlkerung des Staats. Staats nach den verſchiedenen Abſichten ihrer Be - ſchaͤftigungen. Jn dieſem Buche ſind insbeſondere anzumerken.
Ein -540Der Policey-Wiſſenſchaft 4. Abſchnitt,Dieß gehet auf das erſte beſondere Stuͤck der Policey. Und daher iſt es nach den Lehren einzurichten, die wir in dem erſten Capitel auf der 409. Seite und fol - genden abgehandelt haben.
Das andere beſchreibet den Zuſtand der Schulen, die Maͤngel, welche ſich dabey befinden, und die Mit - tel wodurch ſolche in der Folge der Zeit koͤnnen geho - ben werden. Dieß iſt das andere beſondere Stuͤck der Policey, und ſind die Grund-Regeln zur Einrich - tung dieſes Buchs aus dem zu nehmen, was wir in dem zweyten Capitel auf der 425. Seite und folgen - den beſchrieben haben.
Das dritte iſt eine Abbildung von dem Zuſtande des Kirchen-Weſens, in Abſehen auf die Policey. Jn dieſem ſind wiederum die Maͤngel, welche vorhanden ſind, in gewiſſe Claſſen zu vertheilen, und alsdenn nach der Beſchaffenheit des Staats die Mittel zu beſtim - men, wodurch ſolche in der Folge der Zeit koͤnnen ge - hoben werden. Dieß iſt das dritte beſondere Stuͤckder541von dem Policey-Collegio. der Policey, und daher koͤnnen die Grund-Regeln zur Einrichtung dieſes Buchs aus dem dritten Capitel ge - nommen werden, das wir auf der 443. Seite und fol - genden gebildet haben.
Das vierte iſt ein Verzeichniß der Unterthanen,Das vierte auf die Zer - nichtung des Muͤßiggan - ges. in wieferne ſie fleißig oder Muͤßiggaͤnger ſind. Hier ſind insbeſondere anzumerken,
Das vierte Capitel, das wir auf der 454. Seite und folgenden abgehandelt haben, lehret uns die Regeln, nach welchen dieſes Buch zu verfertigen.
Das fuͤnfte beſchreibet den Zuſtand des StaatsDas fuͤnfte auf die Ge - ſundheit. in der Beziehung auf die Geſundheit. Die Urſachen, welche dieſe in dem Staate entkraͤften, werden in or - dentliche Claſſen vertheilet, und die Mittel, ſolche zu heben, nach der Beſchaffenheit des Staats abgebildet. Die Grund-Regeln zur Verfertigung dieſes Buchs koͤnnen aus dem fuͤnften Capitel genommen werden, das wir auf der 470. Seite und folgenden erklaͤret haben.
Das ſechſte Buch, deſſen beſondere Abſicht dieDas ſechſte auf die Schoͤnheit. Befoͤrderung der Schoͤnheit des Landes, iſt in zweyHaupt -542Der Policey-Wiſſenſchaft 4. Abſchnitt,Haupt-Capitel zu vertheilen. Das erſte gehet auf die unbeweglichen, und das andere auf die bewegli - chen Stuͤkke. Jenes faſſet
Dieſes beſchreibet in gehoͤrige Claſſen alle bewegliche Stuͤkke, ſowohl die, welche ſich in den Staͤdten, als auch die, welche ſich auf den Doͤrfern befinden. Es merket ihre Fehler an, welche ſie in Abſehen auf die Schoͤnheit haben, und beſtimmet die Mittel, wodurch ſolche nach der Beſchaffenheit des Staats koͤnnen ge - hoben werden. Die Haupt-Regeln, nach welchen dieſe Stuͤkke zu beſchreiben, erklaͤret das ſechſte Capitel, das wir auf der 482. Seite und folgenden gebildet haben.
Das ſiebende beſchreibet die Urſachen von der Unſicherheit im Staate, vertheilet dieſe in gehoͤrige Claſſen, und beſtimmet nach der Beſchaffenheit desStaats543von dem Policey-Collegio. Staats die Mittel, die Quellen dieſer Unſicherheit zu verſtopfen. Das ſiebende Capitel, das wir auf der 497. Seite und folgenden abgehandelt haben, lehret uns die Haupt-Regeln, nach welchen dieſes Buch zu verfertigen.
Das achte beſchreibet den Zuſtand der Armen imDas achte auf die Ver - pflegung der Armen. Staate; es merket die Urſachen an, wodurch die Ver - pflegung der Armen dem Staate beſchwerlich wird, und beſtimmet nach der Beſchaffenheit des Staats die Mittel, dieſe Verpflegung zu erleichtern. Das achte Capitel, das wir auf der 517. Seite und folgenden erklaͤret haben, entdekket uns die Regeln, die bey die - ſer Abbildung zu beobachten ſind.
Das neunte iſt eine Abbildung von dem Zuſtan -Das neunte auf die Lan - des Oecono - mie. de der Landes-Oeconomie. Es merket die Maͤngel an, und entdekket die Mittel, wodurch dieſe koͤnnen geho - ben werden. Der dritte Abſchnitt, den wir auf der 523. Seite und folgenden ausgearbeitet haben, wird uns die Grund-Regeln zu dieſer Abbildung anbieten.
Dieſe Verfertigung der neun Buͤcher iſt viel zuErinnerung. weitlaͤuftig und zu muͤhſam, ja wir wollen noch dieß hinzuſetzen, zu koſtbar. Die Einfaͤlle ſind gut, ſie koͤnnen aber nicht zur Wuͤrklichkeit gebracht werden. Dieß werden vielleicht diejenigen ſagen, die weder die Wichtigkeit noch die wahre Beſchaffenheit einer Poli - cey verſtehen, und die es nicht genugſam uͤberlegen, daß die Hervorbringung einer fortdaurenden Vollkom - menheit ſehr oft zuerſt eine unvollkommene Anlage erfodere, die mit der Zeit bis zur Vollkommenheitkoͤnne544Der Policey-Wiſſenſchaft 4. Abſchnitt,koͤnne ausgearbeitet werden. Es iſt wahr, die Ver - fertigung dieſer neun Buͤcher iſt muͤhſam. Sie iſt aber ſchlechterdings noͤthig, wenn eine vollkommene Po - licey in einem Staate beſtaͤndig bluͤhen ſoll (§. 378.). Dieſe Arbeit iſt koſtbar, aber doch in Anſehung ihrer Wuͤrkung nicht zu koſtbar. Sie iſt der Grund, von dem der Flor des Staats vorzuͤglich abhaͤnget. (§. 2.) Wir wollen die fernere Einrichtung des Policey-Col - legii beſchreiben, vielleicht wird uns dieſes lehren, wie dieſe Arbeit mit wenigen Koſten koͤnne beſtritten werden.
Neun beſondere Abſichten ſind von dem Policey - Collegio auszufuͤhren (§. 379-387.). Eine jede von dieſen erfodert eine beſondere Erkenntniß, und eine gemeinſchaftliche Ueberlegung. Es wird demnach nicht ohne Nutzen ſeyn, wenn
Wenn wir dieſe Einrichtung genau uͤberlegen, ſo werden wir genoͤthiget, folgende Regeln zu bilden, die unmittelbar folgen.
Wer dasjenige uͤberleget, was wir bereits an ver -Wie dieſe Einrichtung ohne große Koſten moͤg - lich. ſchiedenen Oertern von der Stiftung nuͤzlicher Geſell - ſchaften abgehandelt haben, dem wird es nicht ſchwer fallen, in vorkommenden Faͤllen Mittel zu erfinden, wodurch auch dieſes Collegium koͤnne geſtiftet werden, ohne dem Staate merkliche Koſten zu machen. Die Ausfuͤhrungen der beſondern Policey Abſichten ſind nicht alle mit einerley Muͤhe verknuͤpfet, und einige von dieſen erfodern eine groͤßere Geſchicklichkeit als an - dere. Daher bald andere Bediente gegen eine maͤßi - ge Zulage in der Beſoldung, bald die, von welchen wir §. 132. geredet haben ins Policey-Collegium koͤn - nen geſetzet werden. Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich behaupte, daß dieſe Stiftung hiedurch merk -M mlich546Der Policey-Wiſſenſchaft 5 Abſchnitt, vonlich koͤnne erleichtert werden, wenn zuerſt das Ober - Policey-Collegium geſtiftet wird aus Gliedern, welche Geſchicklichkeit beſitzen, die Beſchaͤftigungen zur Aus - fuͤhrung der beſonderen Abſichten der Policey zu re - gieren. Wird alsdenn einem jeden von dieſen die Freyheit gelaſſen, Glieder zu ſuchen, die ihm zur Aus - fuͤhrung der ihm anvertraueten Abſicht nuͤzlich ſind, ſo wird ſich die Stiftung der beſonderen Policey-Ge - ſellſchaften bald geben, und der Staat wird keine Ur - ſache finden, uͤber einen merklichen Aufwand zu klagen.
Jſt die Policey in einem Staate verfallen, ſo wird man es auch bald hoͤren, daß die Jnnwohner des Staats uͤber dem Mangel der Nahrung klagen, ja ſelbſt der Staat wird dieſen Mangel merklich em - pfinden (§. 1. 2.). Ein Patriot wuͤnſchet, die Po - licey wiederum herzuſtellen. Er denket auf Mittel. Allein unendlich viele Hinderniſſe kommen im Wege. Die Gewohnheit zur Unordnung iſt eingeriſſen, und es wird ſchwer, dieſe wiederum zu zernichten. Ein Arzt muß die Wunde nicht unterdruͤkken, er muß ſie heilen, wenn eine vollkommene Geſundheit und nicht eine weit gefaͤhrlichere Wunde erfolgen ſoll. Loͤbliche Policey-Veranſtaltungen koͤnnen ſich alsdenn erſt zum Nutzen des Staats wuͤrkſam beweiſen, wenn zuvor der Grund zur Policey beveſtiget worden. Verbie - thet man z. B. dem Muͤßiggaͤnger, der arm iſt, das Betteln, ehe die Anſtalten dazu ſind gemacht worden, daß er im Fall der Noth zum Arbeiten koͤnne gezwun -gen547Wiederherſtellung einer verfallenen Policey. gen werden, ſo wird er entweder liederlich, oder ein Dieb, und ſo ferner. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß die Wiederherſtellung der verfallenen Policey auf gewiſ - ſe Regeln muͤſſe gegruͤndet ſeyn, welche genau zu beob - achten ſind, wenn der Erfolg einen wahren und beſtaͤn - digen Nutzen dem Staate bringen ſoll. Jch will mir die unſchuldige Freyheit nehmen, einige Vorſchlaͤge zu machen, wie eine verfallene Policey wiederum in Ord - nung koͤnne gebracht werden. Jch will meine Gedan - ken von dieſem Stuͤkke erklaͤren. Jch will ſie bewei - ſen, und es wird mir angenehm ſeyn, wenn dieſe Be - weiſe hinreichen ſollten, auch andere zu uͤberzeugen.
Die erſte Regel, welche bey Wiederherſtellung einerDie erſte Re - gel zur Wie - derherſtel - lung der Po - licey. verfallenen Policey zu beobachten, iſt dieſe:
Die Grund-Buͤcher zur Policey muͤſſen re - gelmaͤßig verfertiget werden.
Jch will es beweiſen, daß es unmoͤglich ſey, eine ge - gruͤndete Policey wieder herzuſtellen, wenn nicht dieſe Buͤcher zuvor ſind verfertiget worden. Der Beweiß iſt dieſer. Verſchiedene Fehler koͤnnen alsdenn erſt gruͤndlich gehoben werden, wenn andere zuvor ausdem Wege ſind geraͤumet worden. Dieß iſt ein Satz, den nicht nur die Erfahrung beveſtiget, ſondern der auch aus dieſem folget, weil oft der eine Fehler, der einge - riſſen iſt, die Begierde erreget, einen andern Fehler zu wuͤrken. Daher wird es unmoͤglich werden, dieſen zu heben, wenn nicht zuvor jener iſt zernichtet worden, denn ſo lange die Bewegungs-Gruͤnde bleiben, ſo lan - ge bleibet auch die Luſt, dieſen zu folgen. Aus dieſem ſchluͤße ich: ſollen Fehler, die wider die Policey einge - riſſen ſind, gruͤndlich gehoben werden, ſo muß man zu - vor dieſe Fehler in dem ganzen Zuſammenhange deut - lich uͤberſehen koͤnnen. Ferner: Sollen die MittelM m 2hin -548Der Policey-Wiſſenſchaft 5. Abſchnitt, vonhinreichen, eine Abſicht zu wuͤrken, ſo iſt es nicht genug, daß ſie vor ſich hinreichen, ſie muͤſſen nach der Beſchaf - fenheit aller Umſtaͤnde eingerichtet werden, die ſich bey dem gegenwaͤrtigen Falle ereignen. Auch dieſen Satz lehret die Erfahrung, und die Vernunft beveſtiget denſelben, wenn ſie lehret, daß eine hinreichende Ur - ſache durch Hinderniſſe, welche die Umſtaͤnde wuͤrken, koͤnne aufhoͤren, hinreichend zu ſeyn. Aus dieſem ſchluͤße ich: Wer geſchickte Mittel beſtimmen will, Feh - ler, die in der Policey eingeriſſen ſind, aus dem Wege zu raͤumen, der muß zuvor alle Umſtaͤnde erwegen, die ſich in dem Staate befinden, und die ſich bey der Aus - fuͤhrung der gegenwaͤrtigen Abſicht wuͤrkſam beweiſen koͤnnen. Eine genaue Beobachtung dieſer beyden Regeln iſt unmoͤglich, wenn nicht zuvor die Grund - Buͤcher zur Policey regelmaͤßig ſind verfertiget wor - den (§. 378.). Dieß iſt genug zu beweiſen, daß die erſte Pflicht, welche bey der Wiederherſtellung einer verfallenen Policey zu beobachten, auf die Verfertigung der Grund-Buͤcher zur Policey gehet.
Anmerk. Es wuͤrde mir wenige Muͤhe ma - chen, dieſen Satz mit mehreren Gruͤnden zu beveſti - gen, wenn ich es fuͤr noͤthig hielte. Jch will nur noch einen hinzufuͤgen. Es iſt unmoͤglich, daß eine Sache zur Vollkommenheit, die mit einer Beſtaͤn - digkeit verknuͤpft iſt, gelangen koͤnne, wenn nicht zuvor der ganze Endwurf, wornach ſie ſoll eingerich - tet werden, regelmaͤßig iſt verfertiget worden, ſo, daß dieſer die unveraͤnderliche Richtſchnur aller Un - ternehmungen wird, die ſich mit der Zubereitung dieſer Sache beſchaͤftigen. Man ſetze in die Stelle des allgemeinen die Policey, und in die Stelle des Endwurfs die Grund-Buͤcher zur Policey, ſo wird auch dieſes die von uns angenommene Regel be - veſtigen.
Es wird, meines Erachtens, die wenigſte MuͤheMoͤglichkeit dieſe auszu - uͤben. koſten, dieſe Buͤcher zu verfertigen, wenn zuvor das Policey-Collegium in der Ordnung iſt geſtiftet worden, die wir §. 391. gebildet haben. Jm Gegentheil wird es ſchwer, ja faſt unmoͤglich werden, dieſe Angelegen - heit bis zur Vollſtaͤndigkeit zu bringen, wenn es an der regelmaͤßigen Einrichtung dieſes Collegii fehlet. Der §. 390. und die Gruͤnde, aus welchen wir §. 393. geſchloſſen haben, noͤthigen uns, dieſen Satz zu bilden. Dieß vorausgeſetzet, ſo folget, es ſey unmoͤglich eine verfallene Policey wiederum alſo herzuſtellen, daß ſie dauerhaft und vollſtaͤndig, wenn nicht zuvor das Po - licey-Collegium iſt geſtiftet, nach den Regeln, die wir aus der Abſicht dieſes Collegii geſchloſſen haben, iſt ein - gerichtet, und dahin die Verfuͤgung iſt gemacht wor - den, daß dieſes die Grund-Buͤcher zur Policey regel - maͤßig verfertigen koͤnne.
Die andere Regel iſt dieſe:
Bey der Ausfuͤhrung einer beſondern Policey-Abſicht ſind alle zufaͤllige Beſtimmungen ſowohl des Staats als auch der Jnnwohner auf das genaueſte in Erwe - gung zu ziehen (§. 17 und folg.). Soll demnach eine beſondere Abſicht der Policey im Staate gewuͤr - ket werden, ſo iſt es nicht nur noͤthig, daß die Mittel,M m 3die550Der Policey-Wiſſenſchaft 5. Abſchnitt, vondie man angiebt, uͤberhaupt betrachtet, geſchickt ſind, dieſe Abſicht zu wuͤrken, man muß auch dahin ſehen, daß die zufaͤlligen Beſtimmungen des Staats und der Jnnwohner dieſe Wuͤrkſamkeit nicht unmoͤglich oder muͤhſam machen. Dieß iſt genug, den Satz zu beweiſen, den wir angenommen haben.
Sind die Grund-Buͤcher zur Policey in Ordnung (§. 379 und folg. ) und verſtehet man diejenigen Stuͤkke, wodurch die beſondern Abſichten der Policey koͤnnen ausgefuͤhret werden, die in dem zweyten Ab - ſchnitte, wo ich meinen Begriffen nicht zu viel traue, vollſtaͤndig ſind erklaͤret und bewieſen worden, ſo wird es nicht ſchwer fallen, dasjenige zu beſtimmen, was man zuvor zu beſorgen hat, wenn man eine beſondere Abſicht der Policey ausfuͤhren will. Jch wuͤrde zu weitlaͤuftig werden, wenn ich alle Punkte durchgehen wolte. Ja es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, ich will daher nur einige, zur Erlaͤuterung, beſchreiben. Will man z. B. Einrichtungen machen, die Armen zu verpflegen, und dieſe Abſicht zu erreichen, zuerſt eine Armen-Caſſe anlegen, ſo wird es ſchwer, ja faſt unmoͤglich werden, die Abſicht zu erreichen, wozu dieſe Caſſe geſtiftet wird. Dieſe Einrichtung wird vielmehr viele Dinge wuͤr - ken, die der Policey ſchlechterdings zuwider ſind. Siehe §. 392. Jſt es gefaͤllig zuerſt diejenigen Dinge in Ordnung zu bringen, die den Muͤßiggang im Staate zernichten. Siehe §. 114 und folg., und alsdenn fuͤr die Anlage einer Armen-Caſſe zu ſorgen, ſo wird dieß Mittel hinreichend werden, dasjenige zu wuͤrken, wozu es iſt geſtiftet worden (§. 340 und folg.). Ferner verlanget man es, daß der Bauer die Regeln der Schoͤnheit bey dem Bau ſeiner Gaͤrten, Felder und ſo ferner beobachten ſoll, ſo wird es nicht nur Muͤhe koſten, ſondern faſt unmoͤglich werden, dieß durch Ge -ſetze551Wiederherſtellung einer verfallenen Policey. ſetze zu zwingen, wenn nicht zuvor die Land-Schulen zu dieſer Abſicht ſind eingerichtet worden. Siehe §. 176. und ſo ferner.
Die Mittel, welche die Abſicht der Policey erfo -Die Mittel zur Abſicht der Policey werden in Claſſen ver - theilet, dert, koͤnnen in zwey Claſſen vertheilet werden. Ei - nige wuͤrken den Reichthum der Jnnwohner unmittel - bar, andere mittelbar. Der Fleiß und die Vermei - dung des Muͤßigganges ſind Mittel von der erſten Art, und die Schoͤnheit des Staats gehoͤret unter die Mit - tel von der andern Art.
Dieſe Eintheilung iſt darum noͤthig, daß wir dieUm die drit - te Regel zu bilden. dritte Regel bilden koͤnnen, welche bey der Wiederher - ſtellung einer verfallenen Policey genau zu beobachten, ſie iſt dieſe:
Jſt die Policey in einem Staate verfallen, ſo fehlet es dem Staate und den Jnnwohnern, wenn dieſe zuſam - men genommen werden, am Vermoͤgen. Die Mittel, welche die Abſicht der Policey nur mittelbar wuͤr - ken, erfodern im Anfange einen merklichen Aufwand, und ſie beweiſen ſich nur bey der Hervorbringung des Reichthums in der Folge der Zeit wuͤrkſam. Will man ſich demnach bey der Wiederherſtellung der Policey zu - erſt um dieſe Mittel bekuͤmmern, ſo lauft man in Ge - fahr den Staat zu ſehr zu ſchwaͤchen. Daher iſt dasM m 4ſicherſte,552Der Policey-Wiſſenſchaft 5. Abſchnitt von ꝛc. ſicherſte, man denke zuerſt an diejenigen Mittel, welche einen unmittelbaren Einfluß in die Abſicht der Poli - cey haben.
Wir wollen hiedurch die allgemeine Regel nicht auf - heben, welche uns die Sitten-Lehre bildet, daß es nach der Beſchaffenheit der Umſtaͤnde eine Klugheit ſey, Geld nicht ſchonen, und die Geſetze des Wohlſtandes und des Vergnuͤgens dem Erwerb des zeitlichen Ver - moͤgens vorziehen (Siehe §. 425 folg. der Sitten Lehre). Selbſt der Grund, wodurch wir unſere Regel unter - ſtuͤtzet haben, gebiethet es uns, alle Umſtaͤnde genau zu uͤberlegen. Koͤnnen die Mittel, welche in die Ab - ſicht der Policey nur einen mittelbaren Einfluß haben, ohne merkliche Koſten veſtgeſetzet werden, und koͤnnen ſie jene Mittel wuͤrkſamer machen, ſo erfordert es der §. 395. daß wir bey Wiederherſtellung der Policey auch auf dieſe unſere Aufmerkſamkeit richten muͤſſen, weil wir die §. 398. angegebene Regel beobachten ſollen.
Anmerk. Dieß zeuget demnach von einer ſehr geringen Einſicht in das Policey-Weſen, wenn man eine Veranſtaltung nur darum unterlaͤſt, weil ſie Geld koſtet. Die Policey ſiehet auf zukuͤnftige Zei - ten, und auf den ganzen Zuſammenhang des Staats. Jn dieſer Beziehung kann es ſehr oft geſchehen, daß der Aufwand ein bloßes Darlehn iſt, das ei - nen vorzuͤglichen Wucher bringet. Hiervon genug.
Wir haben es bereits oben in dem Vorbe -Abſicht die - ſes Abſchnit - tes. richt §. 37. angemerket, daß die eigentli - che Cameralwiſſenſchaft eine Anwendung der vernuͤnftigen Wirthſchafts-Regeln auf die Wirthſchaft eines Fuͤrſten als Fuͤrſten ſey, und §. 38. daß wir in dieſer Wiſſenſchaft uͤberhaupt drey Stuͤkke unterſuchen muͤſſen:
Dieſe drey Stuͤkke gruͤnden ſich in einigen allgemei - nen Lehren. Und ich glaube, es werde nicht ohne Nu - tzen ſeyn, wenn wir uns zuerſt um dieſe bekuͤmmern. Dieſe Unterſuchung wird uns den Weg bahnen, jene Stuͤkke kurz aber doch vollſtaͤndig zu beſchreiben.
Die jaͤhrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten werden in eigenthuͤmliche und fuͤrſtliche Einkuͤnfte vertheilet. (§. 14. Vorb.). Die Quellen, welche jene hervor - bringen, werden Chatoul-Guͤter genennet. Der Cameraliſt beſchaͤftiget ſich eigentlich nur mit den fuͤrſt - lichen Einkuͤnften, dennoch aber kann es die Erreichung ſeiner Abſicht merklich erleichtern, wenn er zugleich ſei - ne Aufmerkſamkeit auf die Chatoul-Guͤther des Fuͤr - ſten richtet. Dieß giebt uns Gelegenheit, daß wir uns zuerſt um die Beantwortung folgender Fragen bekuͤmmern.
Wir wollen jeden Punkt beſonders unterſuchen.
Jch nehme mir die Freyheit denen zu widerſprechen, welche die Chatoul-Guͤther als uͤberfluͤßig und als ſol -che557allgemein. Regeln zur Cameral-Wiſſenſchaft. che anſehen, die dem Staate mehr nachtheilig als nuͤz - lich ſind. Jch will meinen Satz beweiſen, und es wird ſich alsdenn bald zeigen, daß die Gedanken der Widriggeſinnten nicht in der Sache, ſondern in dem Wege, ſolche Chatoul-Guͤther zu erlangen, gegruͤndet ſind. Der Beweiß meines Satzes iſt dieſer: Ein Fuͤrſt iſt zugleich ein Mitglied der buͤrgerlichen Geſell - ſchaften, und er hat verſchiedene Ausgaben die nicht von ihm, als einem Fuͤrſten, erfodert werden. Dieſen Satz kann keiner laͤugnen. Nun iſt die Frage, wo - her nimmt der Fuͤrſt die Gelder, dieſe Ausgaben zu beſtreiten? Er nimmt ſie entweder von den fuͤrſtli - chen Einkuͤnften, oder von den Chatoul-Guͤthern (§. 2.). Soll das erſte geſchehen, ſo muß er dieſe von dem Reichthum des Staats und der Unterthanen nehmen, (§. 15. Vorb.). Jſt der andere Fall moͤglich, ſo koͤnnen die Unterthanen und der Staat mit dieſen Ab - gaben verſchonet werden. Dieß iſt beyden nuͤzlich, weil es die Ausgaben vermindert, und alſo den Reich - thum erhaͤlt und nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde vermehret. Jſt es demnach moͤglich, daß ein Fuͤrſt ohne Nachtheil des Staats und der Unterthanen Chatoul-Guͤter erlangen koͤnne, ſo iſt die Erlangung von dieſen dem Staate und den Unterthanen nuͤzlich.
Anmerk. Wer die Verfaſſung der Welt auch nur obenhin betrachtet, der wird es uns leicht ver - willigen, daß es einem Staate nuͤzlich ſey, wenn ein Fuͤrſt eine vorzuͤgliche Allodial-Erbſchaft hin - terlaſſen kann. Dieß iſt unmoͤglich, wenn er keine Chatoul-Guͤther hat. Daher giebt auch dieß einen Grund, meine Gedanken zu unterſtuͤtzen.
Es kommt demnach vornemlich auf die Beantwor -Wie dieſe zu erlangen, das erſte von den gewoͤhnli - chen Mitteln wird einge - ſchraͤnket. tung der andern Frage an, wie iſt die Erlangung derChatoul -558Des Cammer-Weſens 1. Abſchnitt, von denChatoul-Guͤther ohne Nachtheil des Staats und der Unterthanen moͤglich. Wir wollen zuerſt diejenigen Mittel unterſuchen, welche insgemein zur Erreichung dieſer Abſicht vorgeſchlagen werden, und alsdenn die - jenigen, welche nuͤzlich ſind, veſtſetzen. Das erſte Mittel, was insgemein angegeben wird, iſt die An - kaufung liegender Guͤther von dem, was von den jaͤhrlichen fuͤrſtlichen Einkuͤnften erſparet wird. Jch nehme mir die unſchuldige Freyheit hie - bey zu erinnern,
Jch bilde, dieſen Gedanken zu beweiſen, folgenden Schluß: Was ſehr leicht ein Mittel werden kann, die jaͤhrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen, und die jaͤhr - lichen fuͤrſtlichen Einkuͤnfte zu ſchwaͤchen, dieß kann auch ſehr leicht dem Staate ſchaͤdlich werden. (§. 15. und folg. des Vorb.). Wenn ein Fuͤrſt liegende Guͤ - ther kauft, und aus dieſen Chatoul-Guͤther macht, ſo kann dieß ſehr leicht ein Mittel werden, das die an - gegebenen Wuͤrkungen hervorbringet. Dieß wird man uns aus dem verwilligen, was wir von der Land-und Stadt-Wirthſchaft, wie auch in der Policey von der Aufmunterung der Unterthanen zur Arbeit abgehan - delt haben. Ja auch die Schwaͤchung der Steuern und Acciſe beweiſet es. Folglich muß man uns auch die Folge verwilligen, die wir aus dieſen Saͤtzen gezo - gen haben.
Anmerk. Man durchſuche die Laͤnder, in welchen man dieſem Rathe, der ſcheinbar vernuͤnf - tig iſt, Folge leiſtet, und man wird es bald merken, daß die Erfahrung mit unſern Gedanken einſtim -mig559allgemein. Regeln zur Cameral-Wiſſenſchaft. mig iſt. Ein ſolcher Rath ſcheinet eine Wuͤrkung verwirrter Begriffe zu ſeyn. Man ſchluͤßet von dem Nahrungs-Geſchaͤfte eines Unterthanen, auf die Nahrungs-Geſchaͤfte eines Fuͤrſten, da doch die beſondern Beſtimmungen dieſe Folge voͤllig entkraͤften.
Jch erinnere wider dieſes Mittel
Dieß zu beweiſen ſchluͤße ich: Was ſehr leicht ein Mittel werden kann, die Erhaltung und die Erweite - rung des Capitals von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften zu verhindern, das iſt nicht allemal zu unternehmen, wenn unſere Unternehmungen der Staats-Klugheit gemaͤß ſeyn ſollen. Will man von den jaͤhrlichen fuͤrſtlichen Einkuͤnften etwas erſparen, ſo kann dieß ſehr leicht ein Mittel werden, das, was wir angenom - men haben, zu verhindern. Denn dieß kann nicht nur ſehr leicht die Nahrung der Unterthanen ſchwaͤ - chen, ſondern auch eine Urſache von dem Mangel der Policey-Anſtalten werden, die der Flor des Staats nothwendig erfodert. Folglich hat man auch bey die - ſem Stuͤkke alle moͤgliche Umſtaͤnde zu erwegen, wenn eine ſolche Erſparung nicht der Staats-Klugheit wi - derſprechen ſoll.
Anmerk. Der Theil, den man von den fuͤrſt - lichen Einkuͤnften jaͤhrlich erſparet, iſt in der That als ein Theil der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte anzuſehen, der auſſer dem Lande verzehret wird. Man unter - ſuche die Wuͤrkungen, die uns von dieſem die Er -fahrung560Des Cammer-Weſens 1. Abſchnitt, von denfahrung lehret, und man wird auch aus dieſem Be - wegungs-Gruͤnde nehmen, mit uns in dieſem Stuͤkke einſtimmig zu werden. Was wir an dem Ende der Anmerk. des §. 4. erinnert haben, das kann auch hier wiederholet werden.
Das andere Mittel, was zu dieſer Abſicht insgemein vorgeſchlagen wird, gehet auf die Gewerke und Fabri - quen. Man giebt dem Fuͤrſten den Rath dergleichen anzulegen, und aus dem, was damit gewonnen wird, ein Capital zu machen, was alsdenn ein Chatoul-Gut. Der Vorſchlag iſt reitzend, allein der Erfolg iſt nicht allemahl nach Wunſch. Wie viele Fuͤrſten ſind in der Welt, die hiedurch ihre Abſicht erreichet haben. Vie - le haben durch dieſen Weg ihre Chatoul-Guͤther merk - lich vermindert. Dieß iſt genug, zu beweiſen, daß auch bey dieſem Stuͤkke mehrere Behutſamkeit anzu - wenden ſey, als insgemein geglaubt wird. Der Un - terthan ſiehet dieſe Dinge als Mittel an, ſich reichlich zu ernaͤhren, und ſeine Guͤther nuzbarer zu machen. Er giebt einen Theil von ſeinem Fleiße alsdenn dem Staate mit Vergnuͤgen. Was folget, wenn wir das - jenige entwikkeln, was in dieſen Gedanken verborgen lieget? Gewerke und Fabriquen, die ein Fuͤrſt anleget, werden nicht leicht den Flor des Handels befoͤrdern, woferne dieſe auch nur in einigen Stuͤkken einige Hin - derniſſe in den Nahrungs-Geſchaͤften der Unterthanen ſetzen ſollten. Jſt es nun eine Wahrheit, daß Ge - werke und Fabriquen wenigen Nutzen bringen, wenn ſie nicht den Flor des Handels wuͤrken, ſo muß auch dieß eine Wahrheit ſeyn, daß die Staats-Klugheit es nicht allemahl erlaube, den Fuͤrſten Vorſchlaͤge von die - ſer Art zu machen. Hierzu kommt noch dieß, daß die Erlangung der Chatoul-Guͤther mehr ſchaͤdlich als nuͤz - lich ſey, wenn hiedurch das Capital der fuͤrſtlichen Ein - kuͤnfte ſollte geſchwaͤchet werden (§. 365. der Policey).
Der Flor des Handels kann bey ſolchen GewerkenErinnerung und Fabriquen, die der Fuͤrſt anleget, ſehr leicht be - foͤrdert werden; das werden diejenigen ſagen, die ihre Anſchlaͤge beſchoͤnigen wollen. Sie werden Straf - Befehle, Verbothe und dergleichen vorſchlagen. Es iſt wahr, ein Fuͤrſt hat das Recht zu gebiethen, daß man aus ſeiner Fabrique, und aus ſeinem Gewerke die Waa - ren kaufen ſoll. Wie ſtehet es aber mit den Folgen, wenn man es dem Fuͤrſten rathen will, dieſes ſein Recht auszuuͤben. Nicht nur der §. 45. und folg. der Policey verbiethen dieſen Rath, ſondern auch die Betrachtung der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte und die Wuͤr - kungen, welche uns die Erfahrung hievon lehret, be - wegen uns, das Gegentheil zu rathen, wo man nicht einen Fuͤrſten mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich ſeyn will. Wer den Nutzen eines Fuͤrſten beſtimmen will, der muß nicht auf die Folgen ſehen, die in einem Jahre, ſondern auf die, welche nach einer unendlichen Reihe von Jahren entſtehen koͤnnen. Dieß erfodert der Begrif von einem Fuͤrſten. Es wird nicht noͤthig ſeyn, daß ich mich uͤber dieſem Punkt deutlicher erklaͤre. Denen, welche die Lehre von der Klugheit verſtehen, habe ich hievon genug geſagt.
Wir wollen es verſuchen, ob wir einige QuellenDie erſte Quelle der Chatoul-Guͤ - ter. entdekken koͤnnen, aus welchen anſehnliche Chatoul - Guͤter eines Fuͤrſten nicht zum Schaden, ſondern zum Nutzen des Staats und der Unterthanen entſpringen.
Die erſte Quelle ſind Gewerke die Gold und Silber ohne Handel bringen.
Dieſen Gedanken unterſtuͤtzet folgender Schluß: Was ein Mittel iſt, einem Fuͤrſten Geld zu erwerben, dasN ndie562Des Cammer-Weſens 1. Abſchnitt, von dendie Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen nicht ſchwaͤ - chet, vielmehr ein bequemes Mittel werden kann, ſolche zu erhalten und zu erweitern, und deſſen Wuͤrkungen nicht nothwendig unter die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte zu zehlen ſind, das muß auch ein bequemes Mittel ſeyn, zur Erlangung und Erweiterung der Chatoul-Guͤter. (§. 2. und folg.). Gewerke, welche Gold und Sil - ber ohne Handlung bringen, koͤnnen dieſe Eigenſchaf - ten haben.
Da nun dieſes iſt, warum ſollte man daran zweifeln, daß dieſe Gewerke, welche Gold und Silber ohne Handlung bringen, unter diejenigen Quellen zu ſetzen, aus welchen anſehnliche Chatoul-Guͤter eines Fuͤrſten entſpringen koͤnnen.
Jch habe Urſachen, zu vermuthen, daß ſich einigeWie dieſe moͤglich iſt. darum weigern werden, unſere Meinung anzunehmen, weil ſie zweifeln, ob ſolche Gewerke, wenn ſie nuͤtzlich ſeyn ſollen, moͤglich ſind. Jch will alſo nur einige Stuͤkke angeben, die Moͤglichkeit dieſer Gewerke dar - zuſtellen.
Es giebt verſchiedene, welche dieſes Mittel verwerfen, es ſcheinet aber als wenn ſie dieſe Sache nicht von der rechten Seite angeſehen haben. Sie ſprechen, wie vie - le Fuͤrſten ſind nicht durch die Goldmacher um unend - lich vieles Geld gebracht worden, folglich ſind dieß viel - mehr geldfreſſende als geldbringende Unternehmun - gen. Dieſe Gruͤnde haben einen nicht geringen Schein der Wahrheit, und dieſer verhindert ſehr oft den An - wachs eines Nutzens, den ein Fuͤrſt gewinnen kann. Jch will dieſe Sache aus einander ſetzen, es wird ſich alsdenn bald zeigen, wo die Verwirrung ſtekket, und in wie weit dieſer Vorſchlag vernuͤnftig iſt. Man muß das Goldmachen von der Scheidung unterſcheiden. Zuerſt von dem Goldmachen. Bey dieſem muß man wiederum die Sache unterſcheiden von den Perſonen, die dieſen Endzweck zu erreichen, gebraucht werden. Was die Sache anbelanget, ſo finde ich keine UrſacheN n 2denen564Des Cammer Weſens, 1. Abſchnitt, von dendenen beyzupflichten, die ſolche unmoͤglich nennen. Sind unſere Gedanken gegruͤndet, die wir in dem erſten Theile §. 20 und folgenden von den Wuͤrkungen der Natur, und §. 54 folg. von den Mineralien gebildet ha - ben, ſo haben wir Grund zu ſchluͤſſen, daß das Goldmachen keine Verwandelung der Metallen, ſondern nur eine Nach - ahmung der Natur ſey, welche die Saͤfte der Natur in gehoͤriger Verhaͤltniß coaguliret. Dieß iſt genug, die Moͤglichkeit der Sache zu beweiſen. Dennoch aber wuͤrde ich es niemals einem Fuͤrſten rathen, zu die - ſer Beſchaͤftigung ſeine Zuflucht zu nehmen, um ſeine Chatoul-Guͤter zu gruͤnden. Unter vielen tauſenden, die dieſe Nachahmung der Natur geſuchet, hat kaum einer dieſe gefunden. Nun iſt es eine allgemeine Regel, daß man eine wichtige Abſicht auszufuͤhren, ſei - ne Zuflucht nicht zu ungewiſſen Mitteln nehmen muͤſ - ſe. Wer in der Unterſuchung der Natur ſein unſchul - diges Vergnuͤgen ſuchet, und von den allgemeinen Wuͤrkungen der Natur richtige Begriffe hat, der wird es auch verſtehen, wie er mit wenigen Koſten regelmaͤſ - ſige Verſuche anſtellen koͤnne, und allemahl alsdenn zufrieden ſeyn, wenn er durch die Verſuche zur ge - naueren Erkenntniß der Natur gefuͤhret wird. Jn ſo weit kann man auch einem Fuͤrſten dieſe Beſchaͤfti - gung nicht widerrathen. Dieß beſtimmet zugleich die Antwort auf den andern Punkt, von der Beſchaffen - heit der Perſonen die zur Erreichung dieſes Endzwecks koͤnnen gebraucht werden. Wie kann man einem Men - ſchen glauben, der ſeine Dienſte einem Fuͤrſten, Gold zu machen, anbietet, und bey den Verſuchen unendlich viele Koſten machet. Verſtehet er die Kunſt, wie kann er einem Fuͤrſten unendlich viele Koſten machen? Verſtehet er die Kunſt nicht, wie kann er einen ſolchen Ausgang ſeiner Verſuche mit Gewisheit verſichern?
Wenn ich dem Herrn von Schroͤder folge, und mitDieß wird weiter aus - gefuͤhrt. ihm die Gold - und Silber-Scheidung zur Gruͤndung der Chatoul-Guͤter vorſchlage, ſo verſtehe ich die ei - gentliche Scheidung, die von dem ſogenannten Gold - machen merklich unterſchieden iſt. Dieſe ſoll die Saͤf - te der Natur nicht coaguliren, ſondern nur das Gold und Silber, was die Natur bereits gebohren hat, und was nur darum unſichtbar iſt, weil es mit vielen frem - den Dingen verknuͤpfet, von dieſen abſondern, und es hiedurch zum Gebrauch der Menſchen darſtellen. Wir finden in der Natur verſchiedene Dinge, die ſo, wie ſie gefunden werden, von ſehr geringem Werthe ſind, die aber durch das Gold und Silber, was ſie verbor - gen halten, oͤfters unſchaͤzbar, z. B. Kieſelſteine, Horn - ſteine, der Sand, leimige und fette Erden und ſo fer - ner. Mit dieſen ſoll der Kuͤnſtler, der die Natur ken - net, Verſuche anſtellen, und hiedurch Mittel entdek - ken, das unſichtbare aus dem ſichtbaren mit Vortheile hervorzubringen. Jſt in dem Staate die Academie nuͤtzlicher Wiſſenſchaften, die wir bereits §. 350 folg. der Pol. beſchrieben haben, regelmaͤßig geſtiftet worden, ſo wird es auch, wie ich es glaube, nicht ſchwer fal - len, dieſe Beſchaͤftigung zur Vollkommenheit zu brin - gen. Sollte aber dieſe Academie noch nicht geſtiftet ſeyn, ſo wird es einem Fuͤrſten wenige Koſten verur - ſachen, wenn er die Verſuche durch einen Kenner der Natur machen laͤſt. Gluͤckt es dieſem, ſo muͤſſen die aufgewendeten Koſten einen merklichen Wucher brin - gen, gluͤckt es ihm nicht, ſo wird es ihm doch auf ver - ſchiedene Art moͤglich werden, durch ſeine Verſuche in dem Staate dasjenige zu gewinnen, was die aufge - wendeten Koſten bezahlet.
Anmerk. Auch dieß iſt bekannt, daß bey der gewoͤhnlichen Scheidung ſehr vieles in den Schlak -N n 3ken566Des Cammer-Weſens, 1. Abſchnitt, von denken zuruͤck bleibet. Sollte es unmoͤglich ſeyn, Mit - tel zu erfinden, dieſe Scheidung vollkommener zu machen. Was die Natur coaguliret, das kann die Kunſt ſcheiden. Auch dieß verdienet hier einige Aufmerkſamkeit.
Fuͤrs andere ſetze ich in dieſer Claſſe der Gewerke die Bergwerke. Dieſe koͤnnen einen Fuͤrſten drey - fach nutzbar werden.
Die beyden erſten Gruͤnde geben fuͤrſtliche, und der lezte giebt eigenthuͤmliche Einkuͤnfte (§. 14. Vorb.). Daher iſt nur dieſer als ein Mittel zur Erlangung der Chatoul-Guͤter anzuſehen. (§. 2.)
Jch nehme mir die unſchuldige Freyheit, in Anſehung der Bergwerke noch einen Vorſchlag zur Gruͤndung der Chatoul-Guͤter zu machen. Jch will es beweiſen,
daß es einem Staate nuͤtzlich ſey, wenn er alle Acciſe die von denen, die an den Berg - werken arbeiten, dem Staate zufaͤllt, dem Fuͤrſten als Chatoul-Guͤter verwilliget.
Es iſt eine ausgemachte Wahrheit, daß alle Berg - werke, wenn ſie gleich keine Ausbeute geben, dennochdem567allgemein. Regeln zur Cameral-Wiſſenſchaft. dem Staate nuͤtzlich ſind, weil ſie zu nicht geringen Vortheil des Landes eine groſſe Menge Leute erhalten. Aber auch dieſe Furcht, daß ſie keine Ausbeute geben, haͤlt die Unterthanen zuruͤck, den Anbau zu beſorgen. Verwilliget der Staat die zuvor beſtimmte Acciſe dem Fuͤrſten als ein Chatoul-Guth, ſo wird dieſer, wenn er mit ſeinem Gelde den Anbau der Bergwerke beſorget, Vortheile gewinnen, wenn ſie gleich keine Ausbeute geben. Folglich kann dieſe Verwilligung ein Mittel werden, Chatoul-Guͤter zum Nutzen des Staats zu gruͤnden.
Fuͤrs vierte ſetze ich in dieſer Claſſe
alle Gewerke und Fabriquen, die nur durch die Handlung Geld einbringen, und die von den Unterthanen mit Vortheile nicht koͤnnen angeleget werden, aber doch die Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu erhalten und zu erweitern vermoͤgend ſind.
Der Beweiß, den wir §. 8. gebildet haben, unterſtuͤ - tzet auch dieſen Gedanken.
Es ſcheinet mir zwar unmoͤglich zu ſeyn, die ArtenWie dieſe moͤglich. dieſer Gewerke und Fabriquen uͤberhaupt anzugeben, weil ihre Beſtimmungen von beſondern Umſtaͤnden ab - hangen, welche die Klugheit unterſuchen muß; doch will ich zur Erlaͤuterung einige beſchreiben, die insge - mein die angenommenen Eigenſchaften haben. Der Salpeter iſt eine unentberliche Sache, allein die Sal - peter-Siedereyen koͤnnen ſelten von den Untertha - nen mit Vortheil angeleget werden. Hat der Fuͤrſt diejenigen Veranſtaltungen gemacht, von welchen wirN n 4§. 10.568Des Cammer-Weſens, 1. Abſchnitt, von den§. 10. geredet haben, ſo werden auch ihm die regelmaͤſ - ſig angeſtellten Verſuche den Weg zur Anlegung der Salpeter-Siedereyen erleichtern. Die Unterthanen koͤnnen alsdenn den Salpeter zu ihren Gewerken und Fabriquen mit Vortheile bekommen, und der Fuͤrſt gewinnet die Jntereſſen von dem angelegten Ca - pital. Dieß iſt auch nach Beſchaffenheit der Umſtaͤn - de bey der Zubereitung der Farben moͤglich. Auch die Porcellain-Fabriquen verdienen bey dieſer Abſicht einige Aufmerkſamkeit.
So viel von den Chatoul-Guͤtern, als fuͤr welche der Cameraliſt nur darum ſorget, weil dieſe den jaͤhr - lichen Aufwand zur Erhaltung des Fuͤrſten vermin - dern (§. 5.). Die weſentliche Sorge der Cammer gehet auf die Wirthſchaft der Fuͤrſtlichen Einkuͤnfte. Dieß iſt genug, zu begreifen, daß die Cammer die all - gemeinen Regeln von einer vernuͤnftigen Wirthſchaft durch diejenigen Stuͤkke genauer beſtimmen muͤſſe, wel - che die beſondern Eigenſchaften des gegenwaͤrtigen Falls ſind. Die Regeln einer vernuͤnftigen Wirth - ſchaft ſind bereits in der Sitten-Lehre §. 452. und folgenden gebildet worden. Wenn wir dieſe durch dasjenige genauer beſtimmen, was wir §. 18 und fol - genden des Vorberichts abgehandelt haben, ſo folgen nachſtehende Haupt-Regeln des Cammer-Weſens.
Die Grund-Buͤcher zur Policey biethen uns die - jenigen Stuͤkke an, aus welchen dieſes Verzeich -niß569allgemein. Regeln zur Cameral-Wiſſenſchaft. niß zu verfertigen (§. 379 folg. Pol.). Aus dieſem folget.
Sie gewinnet hievon einen merklichen Vortheil. Sie erkennet hiedurch wie viel ſie jaͤhrlich zu einer jeden Art der Ausgaben verwenden koͤnne, wenn keine Cammer-Schulden entſtehen ſollen.
Die vierte Haupt-Regel: Sollten in einer Claſſe die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte fallen, ſo muß nothwendig ein gewiſſer Theil der Nah - rungs-Geſchaͤfte im Staate geſchwaͤcht werden (§. 15. Vorb.). Daher muß die Cammer, ſo bald ſie dieſes merket, bey dem Ober-Policey-Collegio nach der Urſache dieſes Verfalls fragen, und mit dieſem ge - meinſchaftlich auf Mittel denken, entweder dieſem Abgange vorzubeugen, oder dieſen Schaden durch andere Wege zu erſetzen. (§. 389. Pol. §. 16.).
Dieſe Regeln muͤſſen die Unterſuchung der beſon - deren Cammer-Stuͤkke regieren, und dieſe Unterſu - chung muß uns alle beſondere Punkte lehren, worauf wir bey der Anwendung dieſer Regeln zu ſehen ha - ben, und aus welchen wir es erkennen koͤnnen, wie die Anwendung dieſer Regeln moͤglich ſey, und wie ſie vollſtaͤndig koͤnnen gemacht werden.
Das Capital oder der Fond von den fuͤrſtlichenHaupt-Re - gel zur Be - ſtimmung dieſer Quel - len. Einkuͤnften iſt der Reichthum des Staats und der Unterthanen (§. 15. Vorb.). Aus dieſem Satze habe ich bereits §. 19. des Vorb. geſchloſſen: Wer die Vermehrung und Erhaltung der fuͤrſtlichen Ein - kuͤnfte beſorgen ſoll, deſſen erſte Sorge muß ſich mit dieſem beſchaͤftigen, wie die jaͤhrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen koͤnnen vermehret werden. Dieß iſt ge - nug folgenden Satz zu bilden:
Wer die Quellen von den fuͤrſtlichen Ein - kuͤnften beſtimmen will, der handelt wider das fuͤrſtliche Jntereſſe, wenn er auf ſolche Dinge verfaͤllt, wodurch das Nahrungs - Geſchaͤfte der Unterthanen geſchwaͤcht wird.
Dieſer Satz iſt wichtig genug, verſchiedene FolgenBeſondert Folgen. darzuſtellen, und wer dasjenige uͤberleget, was wir indem572Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt, von dendem erſten und in dem vierten Capitel des zweyten Abſchnittes, und in dem dritten Abſchnitte der Poli - cey-Wiſſenſchaft abgehandelt haben, dem wird es nicht ſchwer fallen, alle moͤgliche und zu dieſer Abſicht nuͤtz - liche Folgen zu entdekken. Zu meiner gegenwaͤrtigen Abſicht iſt es genug, daß ich nur einige bilde:
Anmerk. Cominaeus*) erzehlet es von den Neapolitaniſchen Koͤnigen Alphonſo und Ferdinan - do, daß ſie die Erweiterung der fuͤrſtlichen Einkuͤnf - te durch buͤrgerliche Nahrung geſuchet, aber er leh - ret es auch, daß ihnen dieſe Beſchaͤftigung mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich geweſen ſey. Maͤnner die ei - nem Fuͤrſten ſolche Vorſchlaͤge machen, die verwir - ren die Wirthſchaft eines reichen Mannes mit der Wirthſchaft eines Fuͤrſten. Sie machen Vorſchlaͤ - ge, die gewiß in der Folge dem Fuͤrſten ſchaͤdlich ſind. (Siehe §. 4-6.). Wenn ſie dieſes merken, ſo verfallen ſie auf allerhand Verfaͤlſchungen der Waaren um ihre Ehre zu retten und den Schaden des Fuͤrſten ſcheinbar zu verbergen. Die Erfah - rung bekraͤftiget die Wahrheit dieſer Sache.
Denn kann der Unterthan mit ſeinem Fleiße dasjeni - ge nicht erwerben, was er alsdenn noͤthig hat, wenn er vergnuͤgt und reichlich leben will, ſo wird er bey ſei - nen Beſchaͤftigungen verdruͤßlich. Geſchiehet dieß, ſo wird er faul und unordentlich. Dieß ſchwaͤcht das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen (§. 112. der Pol. ), und darum iſt es dem fuͤrſtlichen Jntereſſe zuwider (§. 21.).
Aus dieſem folget die dritte Haupt-Regel, die un -Die dritte. ſere Gedanken alsdenn regieren muß, wenn wir die Quellen der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte beſtimmen wollen. Sie iſt dieſe:
Wer fuͤrſtliche Einkuͤnfte zu verſchaffen, keine andere Mittel erfinden kann, als neue Titel, unter welchen eine neue Abgabe von den Unterthanen eingerrieben wird, der ver - dienet den Namen eines Cameraliſten nicht. Er iſt ein Landverderber, und bringet in der Folge der Zeit den Fuͤrſten um ſeinen Reichthum.
Es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, wenn wir mehrere Re -Die Quellen der fuͤrſtli - chen Ein - kuͤnfte wer - den in Claſ - ſen verthei - let. geln, die bey der Beſtimmung der Quellen der fuͤrſt - lichen Einkuͤnfte zu beobachten ſind, angeben wollten. Wir574Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,Wir haben die Haupt-Regeln veſtgeſetzet, die welche noch fehlen, ſind unmittelbare Folgen aus dieſen. Wir wollen es verſuchen, ob wir bey der Beobachtung dieſer Regeln, die Quellen der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte ge - nau und nach denjenigen Grenzen werden beſtimmen koͤnnen, die ihnen von der Wohlfarth des Staats geſetzet werden. Da der Reichthum des Staats und der Unterthanen die Haupt-Quelle der fuͤrſtlichen Ein - kuͤnfte (§. 21.). Da ferner der Reichthum des Staats nicht nur in liegenden Guͤthern, ſondern auch in den fuͤrſtlichen Rechten beſtehet, wodurch er alles, was ſich im Staate befindet, zum Nutzen des Staats ſoweit verwenden kann, in wie weit es die Wohlfarth der Unterthanen erlaubet. (§. 696 ſq. I. N.) ſo wird man es uns leicht verwilligen, daß wir die Quellen der fuͤrſt - lichen Einkuͤnfte in drey Claſſen vertheilen.
Jch fange an, von einem Stuͤkke der beſondern Quel - le fuͤrſtlicher Einkuͤnfte zu handeln, das wonicht575von den Domainen. nicht von allen doch von den allermeiſten, die ſich mit dieſem Gewerbe beſchaͤftigen, anders angeſehen wird, als es nach der Abſicht der Cammern ſollte angeſehen werden. Viele Cameraliſten ſchaͤtzen einen Staat alsdenn gluͤcklich, wenn er eine Menge von Domai - nen hat. Sie ſchluͤßen, die Domainen ſind Guͤther des Staats, deren jaͤhrliche Ausbeute die Einkuͤnfte eines Fuͤrſten als Fuͤrſten (§. 26). Folglich geben die Domainen einen ſolchen Theil der fuͤrſtlichen Ein - kuͤnfte, wobey der Unterthan nicht belaͤſtiget wird. Je groͤßer demnach die Anzahl der Domainen, deſto mehrere Einkuͤnfte hat ein Fuͤrſt ohne Nachtheil des Staats zu erwarten. Und daher iſt ein Staat reich und gluͤcklich, wenn er viele Domainen hat. Dieß giebt ihnen einen Grund, ferner zu ſchluͤßen. Ein wahrer Cameraliſt muß fuͤr die Vermehrung der Do - mainen ſorgen. Folglich dem Fuͤrſten dieſen Rath geben, daß er erbliche Guͤther, zuruͤckgefallene Lehne und ſ. ferner zu Domainen mache, und wenn es moͤglich iſt, daß der Fuͤrſt von ſeinen jaͤhrlichen Ein - kuͤnften ſo viel erſpare, daß er durch Ankauffung lie - gender Gruͤnde die Domainen vermehren koͤnne.
Dieſe Gedanken haben einen ſtarken Schein derDieſe ſind einzuſchraͤn - ken. Wahrheit. Er verſchwindet aber, wenn wir die Sa - che ohne Neben-Abſichten genau unterſuchen. Jn dem Schluße, der dieſe ganze Reihe der Gedanken unterſtuͤtzet, iſt eine Folge angenommen worden, die man ſo leicht nicht wird beweiſen koͤnnen. Es heiſt: weil die jaͤhrliche Ausbeute der Domainen die Ein - kuͤnfte eines Fuͤrſten als Fuͤrſten giebt, ſo geben dieſe einen ſolchen Theil der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte, wobey die Unterthanen nicht belaͤſtiget werden. Jch will es beweiſen, daß dieſe Folge nicht voͤllig gegruͤndet ſey. Die Unterthanen koͤnnen belaͤſtiget werden:
Ein -576Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,Jſt in dem Staat eine Menge von Domainen, ſo iſt ein großer Theil des Landes von dem Eigenthum der Unterthanen abgeriſſen. Daher ſchwaͤcht die Menge der Domainen die Anzahl derjenigen die in einem Lande wohnen und ihr Vermoͤgen zum Nutzen des Staats in demſelben verzehren koͤnnen. Ob nun zwar dieß genug iſt, zu beweiſen, daß die Menge der Domainen das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen merklich ſchwaͤchen koͤnne (§. 28 und folg. der Pol. ), ſo will ich dennoch, dieſen Satz zu unterſtuͤtzen, einen Umſtand, der merklich iſt, hin - zufuͤgen: Soll die Cammer den groͤſten oder doch wenigſten einen merklichen Theil der fuͤrſtlichen Ein -kuͤnfte577von den Domainen. kuͤnfte von den Domainen nehmen, ſo kann ſie ſehr leicht auf dieß Mittel verfallen, daß man die Do - mainen ſo hoch nutzen muͤſſe, als es moͤglich ſey. Dieß wird vielen Gelegenheit geben, die Staats - Wirthſchaft, als die Wirthſchaft eines Unterthanen zu fuͤhren. Hierzu kommt die Macht des Fuͤrſten: Daher werden verſchiedene Gebothe und Verbothe, die ſich auf den Handel beziehen, in Vorſchlag ge - bracht. Was folget? der §. 6 giebt die Antwort, und der Schluß iſt dieſer: die Menge der Domainen kann ſehr leicht das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unter - thanen ſchwaͤchen.
Jch will fuͤrs andere beweiſen, daß die Domai -Der andere Grund der Einſchraͤn - kung. nen dem Staate und dem Fuͤrſten nicht allemahl diejenigen Vortheile geben, die von ihnen geruͤhmet werden. Der Beweiß iſt dieſer: wo ein Guth, das ein Eigenthum eines Unterthans, und was mit einem Domainen-Guthe von gleichem Werthe und von gleicher Guͤthe iſt, dem Staate mehr einbringen kann, als was das Domainen-Guth zu bringen vermoͤgend iſt; ſo ſind auch die Domainen einem Staate nicht ſo vortheilhaft, als man insgemein glaubt. Die Fol - ge dieſes Satzes kann nicht gelaͤugnet werden. Jſt nun das erſte Stuͤck dieſes Satzes gegruͤndet, ſo wird man uns auch das andere Stuͤck verwilligen muͤſſen, was wir aus jenem geſchloſſen haben. Die Wahrheit dieſes erſten Stuͤkkes beweiſet die Rechnung, wenn dieſe alſo gezogen wird, wie es der ganze Zuſammen - hang des Staats erfodert, der von den Einkuͤnften der Unterthanen die Einkuͤnfte des Fuͤrſten wuͤrket. Der Werth des Guthes ſey 60000 Thl. iſt dieß ein Domain, ſo kann es der Kammer nicht mehr als 5 pro Cent tragen, das macht 3000 Thl. Jſt dieſes Guth ein Eigenthum eines Unterthanen; ſo hat der StaatO oeinen578Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,einen Unterthan mehr, der jaͤhrlich 3000. Thl. Ein - kuͤnfte hat. Jſt nun der Staat Policey-gemaͤß eingerichtet, ſo laufen dieſe 3000 Thl. durch die Ge - werke, durch die Fabriquen und ſo ferner herum, ehe ſie an die Cammer kommen. Man ziehe nun die Rechnung, und man wird es bald merken, daß jenes Guth dem Fuͤrſten 10 ja wohl centum pro cento tragen koͤnne. Der Groß-Herzog von Florenz be - ſtaͤtiget die Wahrheit dieſer Lehre mit der Erfahrung.
Anmerk. Dieß giebt uns einen Begrif von der wahren Beſchaffenheit des großen Landes-Ca - pitals, und von dem, wie es moͤglich ſey, daß die jaͤhrlichen Einkuͤnfte eines Fuͤrſten ſehr leicht dem Werth des ganzen Fuͤrſtenthums gleich wer - den koͤnnen. Nachfolgende Gedanken des Herrn Geheimen Rath von Biechling verdienen hiebey in Erwegung gezogen zu werden. *)Jn der zweyten Zugabe von Seckendorfs Fuͤrſten - Staat auf der 30 Seite. Es iſt nicht dafuͤr zu halten, daß ein Fuͤrſt alles im Lande fuͤr eigen beſitzen, und etwa bey Heimfallen oder an - derer Gelegenheit nur bloß auf Ergroͤßerung ſei - nes Cammer-Guths oder Dominii gedenken muͤſ - ſe, ſondern daß auch gluͤckſelige und gute Regi - menter ſeyn koͤnne, wo ein Herr tapfere und rei - che, doch darbey gehorſame, und dem Vaterlande getreue Staͤnde hat. Mit armen, gepreßten, ſclaviſchen und bettelhaften Unterthanen iſt fuͤr - wahr wenig auszurichten, ſie haben ſchlechte Liebe zu ihrem Regenten und deßen Bedienten. Sein Gluͤck und Ungluͤck bewegt ſie wenig, weil ſie wiſ - ſen, daß ſie doch arme Stuͤmpler bleiben, und we - gen des allzu ſtrengen, oder Geld-begierigen Re - giments, zur Beſſerung ihrer Nahrung nicht kom - men koͤnnen. Das waͤre mit bewaͤhrten Exempelnalter579von den Domainen. alter und neuer Geſchichte genugſam auszufuͤhren. Bekant iſt es, was Lucanus ſagt.
Will man aus dieſem, was wir von dem WerthAllgemeiner Nutzen in Anſehung der Domai - nen. der Domainen gelehret haben, ſchluͤßen: Es ſey dem Staate nuͤtzlich alle Domainen abzuſchaf - fen, ſo wird es unmoͤglich ſeyn, dieſe Folge zu recht - fertigen. Es folget nur dieß: Die Sorge fuͤr die Vermehrung der Domainen iſt ohne Nutzen, vielmehr muß ein aͤchter Cameraliſte in dem Fall, wenn der Staat Domainen hat, alle nur moͤgliche Mittel nach den Regeln der Rlugheit unterſuchen, wodurch der Nutzen, den ſie nach ihrer Abſicht wuͤrken ſollen, vorzuͤglich koͤnne erhalten werden. Jch will dieſe, ſo deut - lich, als es mir moͤglich iſt, beſchreiben.
Die Guͤther koͤnnen ſo wohl durch eine Verwal -Allgemeine Wege, zur Nutzung der Guͤther. tung als auch durch eine Verpachtung genutzet werden. Durch die Verwaltung, indem der Ei - genthums-Herr die zu machenden Veranſtaltungen beſorget, von den jaͤhrlichen Ausgaben und Einnah - men Rechnung fuͤhren laͤßet, dem Rechnungs-Fuͤh - rer und Aufſeher einen gewißen Beſold verwilliget, und alsdenn den Ueberſchuß als eine Ausbeute des Guths zu ſeinem Nutzen verwendet. Durch eine Verpachtung, indem der Eigenthums-Herr die Nutzung ſeines Guthes gegen eine jaͤhrliche und be - ſtimmende Abgabe einem andern uͤberlaͤſt. Dieſe Ver - pachtung wird wiederum in eine erbliche und eine ſolche, die nur auf eine gewiße Zeit dauret,O o 2einge -580Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,eingetheilet. Sie heiſt alsdenn erblich, wenn der Pachter das Recht erhalten, das Guth gegen die jaͤhrliche verwilligte Abgabe ſo lange, als er lebet zu nutzen, und alsdenn einen Nachfolger in der Pach - tung zu ſetzen.
Welchen Weg ſoll man erwehlen, wenn man die Domainen nach der Abſicht, die ihnen ſind geſetzet worden, am beſten nutzen will? Die Meynungen der Cameraliſten ſind bey der Beantwortung dieſer Frage nicht einſtimmig. Einige geben der Verwal - tung der Domainen einen Vorzug. Andere verthei - digen die Verpachtung. Dieſe koͤnnen wiederum in dieſem Stuͤkke nicht einig werden, ob die Verpachtung erblich ſeyn ſoll, oder ob ſie nur auf eine gewiſſe Zeit ſoll eingeſchraͤnket werden. Ein jeder Theil iſt be - muͤhet ſeine Gedanken mit Gruͤnden zu unterſtuͤtzen, und ein jeder Theil nimmt ſeine Gruͤnde aus dieſem Haupt-Satze: Man muß ſich bemuͤhen die Do - mainen ſo hoch zu nutzen, als es moͤglich iſt. Dieſer Haupt-Satz iſt gegruͤndet: Er iſt eine un - mittelbare Folge aus der allgemeinen Wirthſchafts - Regel. Wie iſt es nun moͤglich, daß aus dieſem all - gemeinem Satze, in welchem alle uͤbereinſtimmen, ſolche Folgen entſtehen koͤnnen, die ſo weit von einan - der entfernt ſind. Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich den Grund hievon in dieſem ſuche, weil ſie den wirtſchaftlichen Nutzen eines Unterthanen von dem wirthſchaftlichem Nutzen eines Fuͤrſten nicht ge - nugſam unterſcheiden. Waͤre die Frage von dem, wie ein Unterthan ſeine Guͤther am beſten nutzen koͤnne, ſo wuͤrde ich ganz beſondere Umſtaͤnde erfo - dern, die Erb-Verpachtung in Vorſchlag zu brin - gen. Jch wuͤrde die Verwaltung allen andern Mit - teln vorziehen, und auf die Verpachtung, die aufeine581von den Domainen. eine gewiſſe Zeit eingeſchraͤnket, nur alsdenn erſt ver - fallen, wenn jene nach der Beſchaffenheit der Um - ſtaͤnde unmoͤglich werden ſollte. Da aber hier die Rede iſt von der Nutzung der Domainen, und al - ſo von der Staats-Wirthſchaft, ſo werde ich durch die Begriffe, die ich von dieſer Wirthſchaft gebildet habe, genoͤthiget, den Erb-Pacht allen andern Mit - teln vorzuziehen. Nur wird hiebey eine regelmaͤßige Einrichtung erfodert. Die Sache verdienet es, daß ich dieſen Punkt genauer unterſuche, und meine Ge - danken hievon unumſtoͤßlich beweiſe.
Die jaͤhrliche Ausbeute eines Guths kann entwe -Dieß genau - er zu beſtim - men, werden die Gefaͤlle in beſtimmte und unbe - ſtimmte ein - getheilet. der durch die Geſchicklichkeit und den Fleiß des Be - ſitzers vermehret, und durch deſſen Ungeſchicklichkeit und Nachlaͤßigkeit vermindert werden, oder ſie gruͤn - det ſich in ſolchen Quellen, die dem Fleiße und der Geſchicklichkeit des Beſitzers nicht unterworfen ſind. Wir wollen dieſe um unſere Gedanken kurz und deut - lich auszudruͤkken, die beſtimmte und jene die un - beſtimmte Ausbeute nennen. Z. B. die Erb - Zin - ſen, Lehn-Gelder und ſo ferner gehoͤren zu der be - ſtimmten, der Ertrag von den Feldern, von der Vieh - zucht, von den Gewerken, gehoͤren zu der unbeſtimm - ten Ausbeute.
Wenn die Rede von der beſtimmten Ausbeute derDie Ver - mehrung der beſtimmten hat keinen Vortheil. Domainen iſt, ſo finde ich Gruͤnde, zu glauben, die Verpachtung der Domainen ſey in Anſehung dieſes Punkts mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich: Die Gruͤnde ſind dieſe: Die Domainen ſind in Anſehung dieſes Punkts der Geſchicklichkeit und dem Fleiße des Be - ſitzers nicht unterworfen. Folglich kann die Cammer von einer ſolchen Verpachtung keinen andern VortheilO o 3haben,582Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,haben, als daß ſie die beſtimmte Ausbeute der Do - mainen auf einen gewiſſen Tag des Jahres einnimmt, und daß ſie ſich auf den Pachter verlaͤßt, er werde dieſe Stuͤkke ordentlich eintreiben. Dieſe Vortheile kann die Cammer auch hierdurch erhalten, wenn ſie jaͤhrlich gewiße Tage zur Eintreibung dieſer Gefaͤlle anſetzet, und jederzeit bey dieſer Eintreibung die Quel - len ſolcher Gefaͤlle von dem Vevollmaͤchtigten genau unterſuchen laͤſt. Dieß iſt genug, zu beweiſen, die Cammer koͤnne von dieſer Verpachtung keinen beſon - dern Vortheil haben.
Daß die Verwaltung der Domaiñen in Anſehung der beſtimmten Gefaͤlle mit groͤßerer Wahrſcheinlich - keit der Abſicht der Cammer nachtheilig ſey, von die - ſem uͤberzeugen uns die Folgen, die eine ſolche Ver - pachtung wahrſcheinlich hervorbringt. Wer mit Ueber - legung pachtet, der verlanget von ſeiner Verpachtung einen Vortheil. Woher will der Pachter dieſer Ge - faͤlle ſeinen Vortheil nehmen. Verwilliget ſie dem Pachter nicht mehr, als was ſie dem zur jaͤhrlichen Eintreibung dieſer Gefaͤlle Bevollmaͤchtigten geben muß, ſo iſt es unmoͤglich, daß er ſich zu dieſer Pach - tung mit Ueberlegung entſchließen koͤnne. Verwilli - get ſie ihm mehr, ſo gehet der Vergleich dahin, daß der Pachter fuͤr dieſe Gefaͤlle jaͤhrlich eine beſtimmte Summe zahlet, und den Ueberſchuß zu ſeinem Nu - tzen verwendet. Dieſer Vergleich kann der Cammer auf vielerley Art ſchaͤdlich werden.
Jſt die Rede von der unbeſtimmten Ausbeute derJn Anſehung der unbe - ſtimmten Ge - faͤlle, iſt die Erb-Ver - pachtung nuͤtzlich. Domainen, die dem Fleiße und der Geſchicklichkeit des Beſitzers unterworfen ſind, ſo verdienet die Erb-Verpachtung einen beſondern Vorzug. Jch will es beweiſen, daß die Cammer durch dieſen Weg die Domainen am hoͤchſten nutzen koͤnne. Der Be - weiß iſt dieſer: Verpachtet die Cammer die Domai - nen erblich, ſo weiß es der Pachter, daß alle Ver - beßerungen ihm und ſeinen Erben zum Nutzen gerei - chen (§. 32.). Dieß wird ihm, wenn er ein Wirth iſt, der Faͤhigkeit genug beſitzet, die Wirthſchaft mit Verſtand zu treiben, Bewegungs-Gruͤnde geben, das gepachtete Guth immer mehr und mehr zu verbeſſern. O o 4Dieß584Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt. Dieß macht es ihm nicht nur moͤglich, das Guth auf ſeine Koſten zu erhalten, ſondern auch alles nach ſeiner Wirthſchafts-Abſicht einzurichten. Man verbinde mit dieſem dasjenige, was wir von der Verbeſſerung einer Wirthſchaft oben abgehandelt haben, ſo wird man mit uns ſchluͤßen: durch eine ſolche Erb-Ver - pachtung koͤnne das Guth geſchickter werden, den Pachter und die ſeinigen, wie auch mehrere Menſchen im Staate reichlich zu ernaͤhren, als durch eine an - dere Verpachtung oder durch die Verwaltung. Da nun die Cammer, wenn ſie die jaͤhrliche Einnahme von einem Guthe beurtheilen will, nicht allein auf das Pacht-Geld, ſondern auf alles ſehen muß, was ſie durch dieſes Guth in dem ganzen Zuſammenhang des Staats gewinnet (§. 21 folg. ); ſo iſt es klar, daß die Erb-Verpachtung der Domainen, in Anſehung der unbeſtimmten Gefaͤlle, viele Vortheile habe.
Wer die Gruͤnde, aus welchen wir geſchloſſen ha - ben, genau uͤberleget, der wird es uns leicht verwil - gen, daß bey dieſer Erb-Verpachtung folgende Stuͤk - ke zu merken ſind:
Anmerk. Was das roͤmiſche Recht von der Emphiteuſi lehret, das kann nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde bey dieſer Erb-Verpachtung mit Nu - tzen angewendet werden.
Dieſe Stuͤkke, die wir bey dieſer Verpachtung an -Ein Zweifel wird geho - ben. gemerket haben, ſind ſtark genug, den Zweifel zu heben, der viele zuruͤck haͤlt, dieſer Meynung beyzupflichten. Sie ſprechen: wenn ein Guth iſt verbeſſert worden, ſo kann man auch den Pacht erhoͤhen. Hat nun die Cammer das Domain-Guth erblich verpachtet, ſo ver - lieret ſie dieſen Vortheil. Jch antworte: Einmahl weil die Rede von der Cammer iſt, ſo iſt dieſer Verluſt nur ſcheinbar. Dieß beweiſet der §. 21 und der §. 37. Fuͤrs andere: Ein Pachter, der das Guth nur auf eine gewiſſe Zeit gepachtet hat, und doch ſeine Bemuͤhungen auf eine ſo merkliche Verbeſſerung des Guths verwendet, der gehoͤret unter die Seltenheiten der Natur, die man zwar wuͤnſchet, aber nicht leicht hoffen kann. Fuͤrs dritte: Das andere und dritte Stuͤck, die wir §. 38. angemerket haben, werden die - ſen ſcheinbaren Schaden gewiß merklich erſetzen.
Durch die Regalien verſtehet man diejenigenWas Rega - lien, und wie weit ſolche hier zu be - trachten. Rechte, die einem Fuͤrſten als Fuͤrſten zuſtehen. Dieſe werden in dem Natur-und Voͤlker-Rechte beſchrieben, und aus ihren Gruͤnden gefolgert. Jch finde keinen Grund, zu glauben, daß ich meinen Ge - danken zu viel traue, wenn ich behaupte, daß ich dieſeO o 5in586Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,in meinem Natur - und Voͤlker-Rechte vollſtaͤndig ab - gehandelt habe. Jn der Cameral-Wiſſenſchaft werden dieſe Rechte, als bereits bewieſen, angenommen, und nur nach dieſer Abſicht genauer beſchrieben, da ſie gewiſſe Einkuͤnfte zu des Fuͤrſten und des Staats Nutzen wuͤrken koͤnnen. Wir wollen die Haupt - Regeln veſt ſetzen, nach welchen dieſe Rechte durch die von uns angenommene Abſicht zu beſtimmen ſind.
Anmerk. Jnsgemein vertheilet man die Rega - lien in hohe und niedrige. Jene befoͤrdern den Flor des Staats, z. B. die Rechte Gerichte zu be - ſtellen, Handel und Wandel einzurichten, Soldaten zum Schutz des Landes zu halten, und ſo ferner. Dieſe wuͤrken verſchiedene Einkuͤnfte, z. B. Poſt - Regalien, Jagd-Regalien, die Rechte uͤber die Bergwerke, und ſo ferner. Woher will man es beweiſen, daß dieß verſchiedene Arten von Rechten ſind. Dieſe ſind Anwendungen von jenen, und dieſe Anwendung gruͤndet ſich in der Beſchaffenheit der Umſtaͤnde.
Dieß giebt uns einen Grunde die Regalien, in wie ferne ſie einige Einkuͤnfte zu des Fuͤrſten und des Staats Nutzen wuͤrken koͤnnen, die Cammer-Rega - lien zu nennen.
Dieſe zu beurtheilen, ſind folgende Regeln zu merken:
Der Bewels, der dieſe Regel unterſtuͤtzet, iſt dieſer: Will man den Gebrauch dieſer Dinge der Freyheit der Unterthanen uͤberlaſſen, ſo muͤſten ganz beſondere Umſtaͤnde da ſeyn, wenn ſie hierdurch etwas gewinnen ſolten. Dieſe Freyheit wird ihnen vielmehr Gelegen - heit zum Muͤßiggang geben. Dieß iſt ihnen und dem Staate ſchaͤdlich (§. 112. der Pol.). Nimmt die Cammer dieſe Dinge zu ſich, ſo kann ſie zum wenig - ſten durch regelmaͤßige Veranſtaltungen dieſe Dinge alſo einrichten, daß ſich einige davon im Staate reich - lich ernaͤhren koͤnnen, und daher gereichet dieß ſowol den Unterthanen, als auch dem Staate zum Nutzen (§. 29. und folg. der Pol.). Dieß iſt genug, zu bewei - ſen, es ſey nuͤtzlich, wenn die Cammer dergleichen Dinge zu ſich nimmt, und ſie ſey, dieſes zu thun, berechtiget.
Es wird uns nicht ſchwer fallen, verſchiedene DingeDieſe wird auf die Jagd angewendet. zu entdekken, auf welche dieſe Regel mit Nutzen an - zuwenden. Wir wollen nur einige und zwar die wich - tigſten beſchreiben. Zuerſt von der Jagd. Wir wollen es jetzo nicht unterſuchen, wie weit die Gedan - ken des Grotius gegruͤndet, daß das Recht zu jagen dem Fuͤrſten aus dem Ober-Eigenthum zuſtehet. Unſere gegenwaͤrtige Abſicht erfodert es nicht, daß wir dieſe Lehre vertheidigen, oder in Zweifel ziehen. Hier iſt es genug, daß wir beweiſen, die Freyheit zu jagen ſey den Unterthanen mehr ſchaͤdlich als nuͤtz - lich, und daß es vielmehr zum Nutzen des Staats gereichen koͤnne, wenn dieſes Recht als ein Cammer - Regal angenommen wird. Der Beweis des erſten Punkts iſt dieſer: Wird die Freyheit zu jagen einem jeden Unterthan gelaſſen, ſo kann dieß ſehr leicht eine Gelegenheit werden, die Luſt zu den ordentlichen Be - ſchaͤftigungen zu ſchwaͤchen, die Begierde zum Herum - laufen in ihnen zu erwecken, und hierdurch aus arbeit -ſamen588Des Cammer-Weſens, 2. Abſchnittſamen Jnwohnern Muͤßiggaͤnger zu machen. Dieß iſt dem Staate und den Unterthanen ſchaͤdlich (§. 112. der Pol.). Ferner, bleibt einem jeden die Freyheit zu jagen, ſo iſt die Ordnung bey der Jagd unmoͤglich. Dieß vertreibet das Wild aus dem Lande. Aus die - ſem folget, daß das Wild im Lande zu koſtbar wird, und daß der Unterthan in ſeinen haͤußlichen Beſchaͤf - tigungen mehr verliehret, als er durch das Jagen gewinnet. Auch dieß iſt dem Staate nachtheilig, (§. 42. und folg. der Pol.). Dieß iſt genug, den erſten Satz, den wir angenommen haben, zu beweiſen.
Wird im Gegentheil das Recht zu jagen als ein Cammer-Regal angenommen, ſo iſt dieſe im Stande, bey der Jagd gehoͤrige Ordnung zu halten. Dieß verurſachet, daß ein jeder fuͤr ein billiges Geld ſo vieles Wild bekommen koͤnne, als er nach ſeinen Umſtaͤnden noͤthig hat. Dieß iſt ein Vortheil. Ferner: die Jagd kann unter dieſen Umſtaͤnden ein Mittel werden, einige Jnnwohner des Staats reichlich zu ernaͤhren. Dieß befoͤrdert das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unter - thanen (§. 28. und folg. der Pol. ), und daher iſt auch dieſen eine ſolche Einrichtung nuͤtzlich. Endlich: wird das Recht zu jagen als ein Cammer-Regal angenom - men, ſo wirft die Jagd entweder mehr ab, als zur Erhaltung der Jagd-Bedienten und des zum jagen erforderlichen Geraͤths noͤthig iſt, oder ſie wirft nicht mehr ab. Jſt jenes, ſo gewinnet der Fuͤrſt ohne Nachtheil der Unterthanen einen Vortheil, dieß iſt den Unterthanen nuͤtzlich. Jſt dieſes, ſo iſt es dennoch ſowohl dem Fuͤrſten als den Unterthanen nuͤtzlich, weil ſich durch dieſe Einrichtung einige Mitbuͤrger im Staate ohne Nachtheil der uͤbrigen alsdenn von der Jagd er - naͤhren koͤnnen, wenn der jaͤhrliche Aufwand dem gleich iſt, was mit der Jagd gewonnen wird. Solte jene Summe groͤßer werden als dieſe, ſo wird dennochdas589von den Regalien. das, was wir angenommen haben, nicht ohne Nutzen ſeyn. Der Fuͤrſt vertheilet die Jagd-Beſchaͤftigun - gen unter andere Bediente, die Geſchicklichkeit und Zeit genug haben, ſolche zu beſorgen. Er macht dieſen von dem Ertrag der Jagd eine Zulage in der Beſol - dung. Man ziehe die Rechnung, und man wird es merken, daß auch in dieſem Falle ſowohl der Fuͤrſt als auch der Staat bey dieſer Einrichtung gewinnet.
Anmerk. 1. Der Beweiß, mit welchen dieſer Gedanke iſt unterſtuͤtzet worden, giebt es genugſam zu erkennen, daß es die Klugheit nicht gebiethe, diejenigen von der Freyheit zu jagen auszuſchließen, die ſo viele Guͤther beſitzen, daß ſie ſelbſt die Jagd durch Jagd-Verſtandige regelmaͤßig beſorgen koͤnnen. Denn unter dieſer Bedingung faͤllt der Grund weg, wodurch die Freyheit zu jagen dem Beſitzer und dem Staate ſchaͤdlich wird.
Anmerk. 2. Will man dieſer von uns angenom - menen und bewieſenen Meynung dieß entgegen ſetzen, daß bey einer ſolchen Einrichtung der Jagd ſehr leicht das Wild zum Schaden der Unterthanen koͤnne geheget werden, ſo wird man ſich einen Staat bilden, in dem die Policey noch nicht bis zur Voll - kommenheit gekommen (§. 221. und folg. der Pol.). Sind die Quellen der Mißbraͤuche verſtopfet, ſo werden auch dieſe verſchwinden.
Wie iſt die Jagd zur Befoͤrderung dieſer AbſichtOrdnung, die bey dieſer Einrichtung der Jagd zu beobachten. einzurichten? Soll dieſe Aufgabe vollſtaͤndig aufge - loͤſet werden, ſo iſt es noͤthig, daß wir zwey Punkte von einander unterſcheiden. Der erſte beſchreibet diejenigen Beſchaͤftigungen, die bey der Jagd eigent - lich vorfallen. Der andere beſtimmet die Ordnung, bey welcher die Jagd dem Fuͤrſten und dem Staate nuͤtzlich werden kann. Die Unterſuchung des erſtenPunkts590Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,Punkts wollen wir den Jagd-Verſtaͤndigen uͤberlaſſen. Siehe indeſſen des Herrn von Seckendorfs teut - ſchen Fuͤrſten-Staat im dritten Theil das dritte Capitel. Die Unterſuchung des andern Punkts wird von unſerer gegenwaͤrtigen Abſicht erfodert. Man entwikkele die Abſicht, welche durch dieſe Einrichtung der Jagd ſoll erreichet werden, man verknuͤpfe mit dieſem den Begriff der Ordnung, nachdem er durch die Beſchaffenheit eines Staats genauer iſt beſtimmet worden, und man wird es uns ohne Widerrede ver - willigen, daß es bey dieſem Stuͤkke auf die Beobach - tung folgender Regeln ankomme.
Anmerk. Aus dieſem folget, es ſey nuͤtzlich, wenn der Ober-Jaͤger-Meiſter mit in der Cammer und in dem Ober-Policey-Collegio ſitzet.
Was wir von der Jagd gelehret haben, das kannAnwendung dieſes erſten Haupt Sa - tzes auf die Fiſcherey. auch von der Fiſcherey geſaget werden. Die Natur der Sache erlaubet es uns zu behaupten, daß die Gruͤnde, aus welchen wir die Einrichtung der Jagd, und daß das Recht zu jagen, unter gewiſſer Bedingung als ein Cammer-Regal zum Nutzen des Staats koͤnne angenommen werden, geſchloſſen haben, auch bey der Fiſcherey ſtatt finden. Siehe den angezogenen Ort des Herrn von Seckendorfs in dem 7den Ab - ſchnitte.
Die andere Haupt-Regel, aus welcher die Cam - mer-Regalien koͤnnen gefolgert werden, iſt dieſe:
Jſt es alsdenn noͤthig, wenn das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen beſtehen ſoll, ſo iſt der Staat ver - bunden, fuͤr deſſen Erhaltung zu ſorgen (§. 1. 2. der Polic.). Auch dieß erfodert das Cammer-Jntereſſe (§. 21.). Solte es nun moͤglich ſeyn, daß das Nah - rungs-Geſchaͤfte der Unterthanen hiedurch koͤnne er - leichtert werden, wenn der Handel mit dieſen Dingen zur Cammer gezogen wird, ſo wird eine ſolche Einrich - tung von der Wohlfahrt des Staats erfodert. Daher iſt es nicht nur Rechtens, ſondern auch der Vernunft gemaͤß, aus dieſem Handel ein Cammer-Regal zu machen. Man wird es uns auch leicht verwilligen, daß ſolche Einrichtungen geſchickte Mittel werden koͤn - nen, einige Jnnwohner im Staate ohne Nachtheil der uͤbrigen zu ernaͤhren. Dieß iſt ein ſicherer Grund, der unſere Gedanken noch mehr beveſtiget (§. 29. der Pol.).
Es wird uns nicht ſchwer fallen beſondere Faͤlle zu entdekken, auf welche dieſe allgemeine Regel zum Nutzen des Staats kann angewendet werden. Der wichtigſte von dieſen iſt der Holz-Handel. Es iſt eine unlaͤugbare Wahrheit, daß ohne Holz das Nah - rungs-Geſchaͤfte der Unterthanen nicht beſtehen koͤnne. Jch will es beweiſen, daß dieſer Handel ohne dasNah -593von den Regalien. Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu ſchwaͤchen, zur Cammer koͤnne gezogen werden. Jch will es be - weiſen, daß die Unterthanen in dieſem Falle das Holz um einen billigern Preiß bekommen koͤnnen, als wenn es ihrem freyen Handel uͤberlaſſen wird. Der Beweiß des erſten Punkts iſt dieſer: Der groͤſte Theil der Unterthanen muß das Holz, was er gebraucht, von andern kaufen. Dieſem kann es alſo gleichguͤltig ſeyn, ob er es von der Cammer oder von einem an - dern kauft, wenn er es nur um einen billigen Preiß haben kann. Wir wollen es bey dem andern Punkt, den wir angenommen haben, beweiſen, daß der Preiß des Holzes geringer werden koͤnne, wann ſich die Cammer dieſen Handel anmaßet, als wenn er der Freyheit der Unterthanen uͤberlaſſen wird. Daher iſt es klar, daß die Cammer dieſen Handel an ſich ziehen kann, ohne das Nahrungs-Geſchaͤfte von dem groͤ - ſten Theile der Unterthanen zu ſchwaͤchen. Es iſt demnach nichts uͤbrig, das uns zuruͤck haͤlt, dieſen Satz allgemein zu machen, als der geringe Theil der Jnn - wohner, der Holzungen eigenthuͤmlich beſitzet. Jch will es beweiſen, daß auch dieſe Urſache haben, meiner Meynung beyzupflichten. Sie ſollen ihre Holzun - gen, wenn ſie es verlangen, eigenthuͤmlich behalten, und dennoch ſoll es ihnen nuͤtzlich ſeyn, wenn ſie die Verwaltung des Holzes und den Handel der Cammer uͤberlaſſen. Jch will es beweiſen, daß ſie hiebey nichts verliehren. Jch will es ferner beweiſen, daß ſie bey dieſer Einrichtung gewinnen. Meine Gruͤnde, die das erſte unterſtuͤtzen, ſind dieſe. Sie faͤllen das Holz entweder zu ihrem haͤußlichen Gebrauch *), oder zum Verkauf. Das erſte kann bleiben. Der, welcher im Namen der Cammer die Aufſicht uͤber das Holz fuͤhret, kann ihnen jaͤhrlich ſo viel zu faͤllen anweiſen, als ſie zu ihrem haͤußlichen Gebrauch noͤthig haben. Laſſen ſie es faͤllen zum Verkauf, ſo wollen ſie es ent -P pweder594Des Cammer-Weſens, 2. Abſchnitt,weder forſtmaͤßig faͤllen, oder entkraͤften. Das letzte iſt wider die buͤrgerliche Pflicht. Denn hiedurch wird nicht nur eine Theurung im Staate verurſachet, ſondern auch die Einkuͤnfte des Guths werden ge - ſchwaͤchet. Dieß gereicht den Erben zum Schaden, und iſt wider die Regeln einer vernuͤnftigen Wirth - ſchaft. Wollen ſie es forſtmaͤßig faͤllen laſſen, ſo wird es ihnen gleichguͤltig ſeyn, ob die Cammer oder ein anderer das Holz zum faͤllen bezahlt. Daher iſt es gewiß, daß ſie hiebey nichts verliehren. Jch will ferner beweiſen, daß ſie hiebey gewinnen. Hat die Cammer die voͤllige Verwaltung des Holzes, ſo iſt eine geſchaͤrfte Aufſicht uͤber das Holz leichter moͤg - lich, dieß iſt ein ſicheres Mittel, das viele Holz - Stehlen zu verhindern. Behaͤlt die Cammer die voͤl - lige Verwaltung der Holzungen im Lande, ſo wird da - Forſt-Weſen in der Beziehung auf das ganze getrie - ben. Daher kann allemahl gleich vieles Holz im Lande bleiben, und alſo wird die Holzung fortdau - rend. Das Holz kann beſſer vertheilt werden, daß man das nicht zu geringern Abſichten anwendet, was zu wichtigern Abſichten zu gebrauchen, und ſ. ferner.
So weit von dem erſten Punkte. Jch will es ferner beweiſen, daß das Holz in dem Falle,Fernere Ab - handlung dieſes Punkts. wenu die Cammer die Verwaltung der Holzungen und den Holz-Handel be - haͤlt, in einem geringern Preiß ſtehen koͤnne, als wenn dieſer Handel der Freyheit der Unter - thanen uͤberlaſſen wird. Der Beweiß iſt dieſer: Jn welchem Falle es am leichteſten moͤglich iſt, daß die Menge des Holzes in einem Lande nicht vermin - dert, ſondern vermehret werde, in welchem Falle das Holz aus fremden Landen um den geringſten Preiß ins Land koͤnne gebracht werden, und in welchem Fal - le die Abſonderung des Holzes zu den verſchiedenen Gebraͤuchen am bequemſten geſchehen kann, in dieſem Falle muß auch das Holz im Lande in dem gering - ſten Preiſe ſtehen. Dieſen Satz wird man mir, oh - ne ihn ferner zu beweiſen, verwilligen. Wird die Aufſicht uͤber die Holzungen, und der Handel mit dem Holze der Cammer uͤberlaſſen, ſo iſt dieß der Fall, bey dem alle angenommene Eigenſchaften ſtatt finden. Wir wollen dieß von jeder Eigenſchaft beweiſen. Die erſte erhellet aus dieſem: Behaͤlt die Cammer die Ver -P p 2wal -596Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,waltung der Holzungen, ſo wird in dem ganzen Lan - de die Holz-Wirthſchaft aus einem gemeinſchaftlichen Grunde getrieben. Hiedurch wird es moͤglich, das Holz in dem Lande alſo zu faͤllen und zu verthei - len, daß der Nachwuchs das gehauene jederzeit wie - derum erſetzen kan. Die andere Eigenſchaft beweiſet folgende Gedanken. Kein Unterthan wird ſich leicht entſchließen, ſeinen Acker dem Anbau des Holzes zu widmen. Dasſo genannte weiche Holz, als Fichten, Tannen, Kiefern waͤchſt wenigſtens zwey und ſieben - zig Jahr. Das Eichen-Holz braucht bey nahe zwey hundert Jahr bis es vollkommen ausgewachſen. Man vergleiche mit dieſem den Nutzen, welchen man durch den Feld-Bau in einer ſolchen Zeit gewinnen kann, ſo wird man meine Gedanken rechtfertigen. Behaͤlt die Cammer die Verwaltung der Holzungen, ſo wird es ihr nicht ſchwer fallen, wuͤſte Plaͤtze, die dem Staate gehoͤren, mit Holzungen anzubauen, folglich erleich - tert auch dieſe Einrichtung den Weg, die Holzungen im Staate zu vermehren. Der Grund, auf welchem ich die dritte Eigenſchaft baue, iſt dieſer. Die Ur - ſache, warum es koſtbar wird, fremdes Holz ins Land zu bringen, iſt theils in den Mitteln zu ſuchen, wo - durch es herein gebracht wird: theils in dem, weil man nicht vieles auf einmahl handeln kann, und daher den zu hoffenden Gewinn unter wenige Klaftern vertheilen muß: Theils in dem, weil der, welcher das Holz ein - kauft, mit auf die Jntereſſen des ausgelegten Capi - tals ſehen muß, wenn er es ohne Schaden wiederum verkaufen will. Bleibt dieſer Handel der Cammer, ſo koͤnnen alle dieſe Hinderniſſe aus dem Wege geraͤu - met werden. Sie kann die Einfuhr des fremden Hol - zes durch Zubereitung der Fluͤſſe zum floͤßen, durch An - legung oͤffentlicher Fuhren merklich erleichtern. Sie hat, wenn ſie wohl iſt eingerichtet worden, Kraͤfte ge - nug, eine große Menge auf einmahl zu handeln, unddaher597von den Regalien. daher kann ſie den Aufwand unter ſehr viele Klaftern vertheilen. Sie hat es endlich nicht noͤthig, das Jn - tereſſe von dem ausgelegten Capital ſo hoch anzuſchla - gen, als ein Privat-Mann. Sie kann ihre Einrich - tung alſo machen, daß die Gelder, welche die Rech - nungs-Fuͤhrer der Cammer liefern, erſt durch dieſen Handel in die Cammer kommen, und alſo gewinnet ſie ſchon genug, wenn ſie auch nur zwey pro cent ge - winnet. Die letzte Eigenſchaft iſt leicht zu beweiſen. Die Cammer beſorget die Holz-Angelegenheiten in Be - ziehung aufs ganze. Daher kann ſie es am beſten beſtim - men, wie das Holz nach der Beſchaffenheit der angrenzen - den Staͤdte und Doͤrfer zu gewiſſen Abſichten zu pflegen und zu faͤllen. An dem einen Ort verdienet das Bau - Holz, an einem andern das Holz zu den Faͤßern, wie - derum an einem andern das Wagen-Holz, an einem andern das Holz zum Schifbau, an einem andern zum brennen und zum Nutzen der Gewerke und ſo ferner, einen Vorzug. Nunmehro wird man den Schluß, der aus dieſem folget, ohne Widerrede verwilligen, daß nemlich das Holz in dem Lande alsdenn in dem geringſten Preiſe ſtehen koͤnne, wenn die Verwaltung der Holzungen und der Holz - Handel der Cammer uͤberlaſſen wird.
Jch will dieſem noch eins hinzufuͤgen das merklichFernere Be - veſtigung dieſer Lehre. iſt, und was unſere Gedanken noch mehr unterſtuͤtzet. Wenn man Cammer-Angelegenheiten beurtheilen will, ſo muß man nicht auf ein Jahr, ſondern auf die Fol - gen der Zeit ſehen. Es iſt eine Erfahrung, daß das Holz faſt jaͤhrlich theurer wird. Man unterſuche die Urſache, und alsdenn vergleiche man dieſe mit der von uns beſchriebenen Einrichtung. Man muß alsdenn ſchluͤßen, daß hiedurch das Holz beſtaͤndig in einem Preiſe bleiben koͤnne. Jſt dieß nicht ein merklicher Vortheil, den das ganze Land gewinnet?
So wohl der Privat-Mann als auch die Cammer koͤnnen dieſer Lehre noch etwas entgegen ſetzen. Wir wollen dieſe Einwuͤrfe beſchreiben, entkraͤften, und hiedurch unſere Lehre noch mehr erlaͤutern und beve - ſtigen. Der Privat-Mann, der einige Holzungen eigen - thuͤmlich beſitzet, wird ſprechen: es iſt mir gefaͤhrlich, daß ich die Verwaltung meiner Holzungen der Cam - mer uͤberlaſſen ſoll. Es iſt unmoͤglich, daß ich hie - bey ſo viel gewinnen kan, als wenn ich meine freye Hand behalte. Wie leicht kann es geſchehen, daß die Cammer zu weit gehet, und mit meinem Holze anders wirthſchaftet, als ich es wuͤnſche. Dieſen gebe ich in Anſehung des erſten Punks zur Ueberlegung, daß es die Pflicht eines redlichen Buͤrgers ſey, bey dem Ge - brauch ſeines Eigenthums allemahl auf den Nutzen der ganzen Geſellſchaft zu ſehen. Geſchiehet dieß, ſo verſchwindet der erſte Theil des Einwurfs. Siehe §. 58. Dieſe Betrachtung wird auch zum Theil das an - dere Stuͤck des gemachten Einwurfs entkraͤften, unſer Verlangen muß der Pflicht eines redlichen Buͤrgers nicht widerſprechen. Das andere Stuͤck dieſes Ein - wurfs findet alsdenn nur ſtatt, wenn die Cammer mit unaͤchten Cameraliſten iſt beſetzet worden. Jſt dieſes, ſo wird es uͤberhaupt mit dem Flor des Staats ſehr ſchlecht ausſehen. Ziehet der Privat-Mann alsdenn die Rechnung ſeiner ganzen Wirthſchaft, ſo wird er es bald merken, daß er es theuer genug bezahlen muß, wenn er die Freyheit behaͤlt, mit ſeinem Holze nach ſei - nem Wunſch zu wirthſchaften.
Der Privat-Mann, der zwar keine Holzungen eigen - thuͤmlich beſitzet, aber doch mit dem Holze gehandelt, wird ſprechen: wo bleibt bey dieſer Lehre meine Nah - rung? Jſt das nicht wider das Cammer-Jntereſſeeinem599von den Regalien. einem Buͤrger die Nahrung entziehen? Jch antwor - te: Dieß wuͤrde nur alsdenn folgen, wenn es meine Lehre erfoderte, dieſem den Handel zu entziehen. Er muß das Holz zum Handel kaufen. Bey meiner Leh - re kann dieß beſtehen, daß er die Freyheit behaͤlt, das Holz der Cammer abzukaufen. Und alsdenn wird er bey dieſer Einrichtung wenig oder gar nichts verlieh - ren. Jch will dieß beweiſen: Soll er bey dieſer Einrichtung etwas verliehren, ſo muß ihm entweder das Holz bey dem Einkauf hoͤher zu ſtehen kommen, oder er muß es nach Proportion des Einkaufs nicht wiederum ſo theuer verkaufen koͤnnen, als wenn er die freye Hand behalten. Soll das erſte ſeyn, wel - ches doch bey einer guten Einrichtung nicht leicht moͤg - lich iſt, ſo wird es ſehr wenig betragen, ſo daß er die - ſen Schaden, weil es die Wohlfahrt des ganzen erfo - dert, leicht wird verſchmerzen koͤnnen. Ja weil bey dieſer Einrichtung der Werth des Holzes nicht leicht kann erhoͤhet werden, ſo hat dieß in unendlich viele Dinge einen Einfluß. Er ziehe nur die Rechnung in ſeiner ganzen Wirthſchaft, ſo wird er es gewiß wiede - rum gewinnen. Suchet er den Schaden bey dem an - dern Punkt, ſo treibt er ſeinen Handel entweder in oder auſſer dem Lande. Jſt dieſes, ſo wird es die Cammer gerne ſehen, daß er es ſo hoch verkauft, als es moͤglich iſt, weil hiedurch mehreres Geld ins Land ge - bracht wird. Daher verliehret er hiebey nichts. Jſt jenes, ſo erfodert es freylich die Abſicht dieſer Ein - richtung, daß ihm einige Grenzen geſetzet werden, und es wird ein Schade, den der Nutzen des ganzen erfo - dert. Jm uͤbrigen iſt das, was wir zuvor erinnert haben, auch hier zu wiederholen. Ein kluger Kopf wird bald Mittel erfinden, dieſen Schaden zu ſchwaͤ - chen.
Der Privat-Mann, der weder Holzungen eigen - thuͤmlich beſitzet, noch mit dem Holze handelt, wird ſagen: Bey einer ſolchen Einrichtung wird es die Cam - mer verlangen, daß ich das Holz, was ich gebrauche, von ihrem Vorrathe nehmen muͤſſe. Daher wird es mir unmoͤglich, meine Aecker und Felder da, wo es ohne Schaden geſchehen kann, mit Weiden, Erlen und dergleichen anzubauen, und dieß zu meinem| Ge - brauche zu verwenden. Dieß wird mir ein offenbarer Schade. Jch antworte: Dieſe Furcht iſt bey einer regelmaͤßig angelegten Cammer ohne Grund. Sie hat die Holz-Beſorgniß an ſich gezogen das Nah - rungs - Geſchaͤfte der Unterthanen zu erleichtern, und daher wird ſie keinem bey einem ſolchen Anbau der Wei - den, Erlen und ſo ferner, und bey dem Gebrauche der - ſelben Hinderniſſe ſetzen. Ein ſolcher Anbau iſt viel - mehr ihrem Verlangen gemaͤß.
Endlich muͤſſen wir uns auch mit dem Einwurfe, den uns die Cammer machen wird, beſchaͤftigen. Eine ſolche Einrichtung, als dieſe Lehre erfodert, macht uns viele Muͤhe, und wenn wir die Holzungen nicht eigenthuͤmlich beſitzen, ſo werden wir da - bey ſo viel nicht gewinnen, daß uns die angewendete Muͤhe bezahlt wird. Jch nehme mir die unſchuldige Freyheit in dieſem Stuͤkke der Cammer zu widerſpre - chen.
Wenn wir dasjenige uͤberlegen, was wir bereits §. 45. abgehandelt haben, ſo haben wir Gruͤnde ge - nug, alles zu beſtimmen, was zu der Ordnung bey dieſer Einrichtung erfodert wird. Es iſt nur noͤthig, daß wir dasjenige veraͤndern, was nach der Beſchaf - fenheit dieſer Sache muß veraͤndert werden.
Die dritte Haupt-Regel zu den Cammer-Rega - lien iſt dieſe: Alle Guͤther im Staate, die we - der in einem beſondern Eigenthum ſtehen, noch Fruͤchte von dieſem ſind, die aber doch zum Nu - tzen des Staats koͤnnen verwendet werden, die - ſe koͤnnen mit Rechte und der Vernunft gemaͤß zur Cammer gezogen werden. Denn, da dieſe Guͤther weder in einem Beſondern Eigenthume ſtehen, noch auch Fruͤchte von dieſem ſind, ſo kann die Cam - mer ſolche ohne Schaden der Unterthanen zu ſich neh - men. Und daher hat ſie das Recht aus dem Ober - Eigenthum (§. 695 folg. I. N.). Da ſie ferner zum Nu - tzen des Staats koͤnnen verwendet werden, ſo kann es, wenn die Cammer dieſe Guͤther zum Gebrauch verwen - det, ein Mittel werden, mehrere Menſchen im Staa - te zu ernaͤhren. Und daher iſt es dem Staate ein Vortheil. (§. 1. 2. Pol.)
Die Umſtaͤnde muͤſſen es entſcheiden, ob es nuͤtzli - cher ſey, wenn die Cammer die voͤllige Beſorgung die - ſer Stuͤkke behaͤlt, oder wenn ſie andern ſolche gegeneine603von den Regalien. eine gewiſſe Abgabe uͤberlaſt. Nur muß dieſer Nutzen allemahl in der Beziehung auf das ganze beurtheilet werden.
Aus dieſer Regel fließet fuͤrnemlich das Bergwerks -Hieraus flaͤſ - ſet das Berg - werk-Regal. Regal. Durch Bergwerke verſtehet man die Ausgra - bung der Schaͤtze, die in der Tiefe der Erden verbor - gen liegen, und die zum Nutzen des Staats koͤnnen angewendet werden. Dieſe Schaͤtze moͤgen in Me - tallen, Erden oder Steinen beſtehen. Dieſe Berg - werke werfen entweder mehr ab, als erfodert wird, die Arbeiter zu ernaͤhren, und die Koſten zu beſtreiten, oder ihre Ausbeute iſt dieſem Aufwande gleich, oder jene iſt geringer als dieſer. Jſt das erſte, ſo ſind ſie dem Staate merklich nuͤtzlich, denn er wird wenigſtens jaͤhrlich ſo viel reicher, als dieſer Ueberſchuß betraͤgt. Jſt das andere, ſo iſt gleichfalls ihr Nutzen nicht ge - ringe. Sie ſind alsdenn ein Mittel, viele Menſchen im Lande ohne Nachtheil der uͤbrigen zu ernaͤhren, und dieß iſt das Haupt-Mittel ein Land reich zu ma - chen. Jſt das letzte, ſo koͤnnen wir doch nicht ſchlech - terdings ſagen, daß ſie dem Staate ſchaͤdlich ſind. Hier kommt es darauf an, daß wir den Aufwand der Cammer gegen dasjenige halten, was ſie in dem gan - zen Zuſammenhange von dieſen Arbeitern und durch die ausgegrabenen Schaͤtze gewinnet. Dieß iſt genug, zu beweiſen, es werde von der Wohlfahrt des Staats erfodert, daß die Cammer ihre Aufmerkſamkeit auf die Bergwerke richte. Daß dieſe Schaͤtze weder in einem beſondern Eigenthum ſtehen noch auch Fruͤchte von dieſem ſind, dieß iſt aus dem Natur und Voͤlker - Rechte klar. Daher folget, daß die dritte Regel die wir §. 56. angegeben haben, auf die Bergwer - ke koͤnne angewendet werden.
Die Nutzung dieſes Cammer-Regals genau zu beſtimmen, ſind zwey Stuͤkke zu unterſcheiden. Das erſte beziehet ſich auf den Bau dieſer Werke, und das andere auf den Gebrauch der ausgegrabenen Schaͤtze. Jn Anſehung des erſten Stuͤkkes ſind zwey Faͤlle moͤglich. Der erſte, wenn die Cammer den Bau aus ihren Mitteln beſorget. Der andere, wenn die Cammer Privat-Perſonen mit der Gerechtigkeit, den Bau zu fuͤhren, belehnet, und jaͤhrlich einen be - ſtimmten Theil von der Ausbeute fodert. Finden ſich Privat-Perſonen, die ſich bewegen laſſen, dieſen Bau aus ihren Mitteln zu beſorgen, ſo verdienet dieſer Weg einen Vorzug. Die Cammer gewinnet hiebey ohne Muͤhe. Dieß, daß man dieſe Werke den Pri - vat-Perſonen uͤberlaͤſt, macht keine Theurung. Und daher koͤnnen auch dieſe hiebey ohne Nachtheil der uͤbrigen gewinnen. Woher ſoll die Cammer dieſe Ab - gabe nehmen? Und wie hoch ſoll ſie ſolche anſetzen? Will ſie ſolche von den Schaͤtzen nehmen, die aus der Erden gegraben werden, dieß iſt bedenklich. Es kann den Unterthanen die Luſt zum Anbau benehmen. Daher iſt es das ſicherſte, ſie nehme die Abgabe von dem wuͤrklichen Gewinn. Alsdenn wird ſich auch der Un - terthan nicht ſcheuen, wenn gleich dieſe Abgabe etwas hoch ſolte geſetzet werden. Er gewinnet doch allemahl. Jnsgemein nimmt die Cammer den Zehnden.
Jn Anſehung der ausgegrabenen Schaͤtze wird man es mir leicht verwilligen, daß dieſe alsdenn am hoͤch - ſten koͤnnen genutzet werden, wenn ſie nicht roh aus dem Lande gebracht, ſondern zuvor in den Fabriquen und Manufacturen verarbeitet werden. Doch iſt es noͤthig, daß bey dieſem Punkte alle Umſtaͤnde genauuͤber -605von den Regalien. uͤberleget werden. Wir haben bereits von dieſem Punkte §. 356. und folg. der Policey geredet.
Was wir von dieſem Vergwerks-Regal gelehretDas Regal auf die Salz - Quellen und ſo ferner. haben, das muß auch von den Salz-Quellen, ge - ſundheits-Brunnen, warmen Baͤdern und ſo ferner guͤltig ſeyn. Sie gehoͤren mit unter die unterirdiſchen Schaͤtze, und daher findet auch bey dieſen Stuͤkken der Grund ſtatt, aus welchem wir bey den Bergwer - ken geſchloſſen haben.
Die vierte Haupt-Regel zu den Cammer-Rega -Die vierte Haupt-Re - gel. lien kann alſo gefaſſet werden: Kann das Nah - rungs-Geſchaͤfte in einem Staat durch einige oͤffenliche Veranſtaltungen erleichtert werden, ſo hat die Cammer das Recht, von denen, wel - che dieſen Vortheil genießen, eine dem Vortheil proportionirliche Abgabe zu fodern. Denn da es der Flor des Staats erfodert, dieſe Veranſtaltungen zu ma - chen, ſo muͤſſen ſie gemacht werden, und es iſt billig, daß die, welche den Vortheil genießen, auch das Geld, dieſe Laſt zu tragen, hergeben. Wird nun dieſe Abga - be dem Vortheil proportionirlich gemacht, ſo iſt es ei - ne Ausgabe, wobey man gewinnet, und die das Nah - rungs-Geſchaͤfte erleichtert. Folglich iſt ſie billig und dem Staate nuͤtzlich.
Aus dieſem fluͤßet einmahl das Zoll-Regal, dasAus dieſem fluͤßet. 1) Das Zoll - Regal. iſt das Recht zu Unterhaltung der Wege, Bruͤkken, Daͤmme, Ufer, Schleußen und ſo ferner, von denen, welche ſolche zu ihrem Vortheil gebrauchen, eine Ab - gabe zu fodern.
Die Abſicht, aus welcher dieſe Gerechtigkeit iſt ge - ſchloſſen worden, beſtimmet es, wie ſie zu gebrauchen ſey. Wird der Zoll alſo angeleget, daß hiedurch das Nahrungs-Geſchaͤfte der Uuterthanen geſchwaͤcht wird, ſo widerſpricht dieſe Anlegung der Abficht. Der Ge - winn wird nur ſcheinbar. Der ganze Zuſammenhang im Staate beweiſet den Schaden. Dieß giebt uns Gruͤnde folgende Regeln zu bilden:
Jch will dieſe Sache mit einigen Beyſpielen er - laͤutern. Dieſe werden es zugleich beweiſen, daß es moͤglich ſey, dieſe Regeln genau zu beobachten. Werdurch607von den Regalien. durch ein Land ohne Schaden, ohne Gefahr mit un - gleicher Geſchwindigkeit und mit der groͤſten Bequem - lichkeit fahren kann, der wird ſich gerne entſchluͤßen, dem Staate fuͤr dieſem Vortheil einen Theil von dem zu geben, was er dadurch verliehren wuͤrde, wenn er mit Schaden, mit Gefahr, langſam und mit der groͤ - ſten Unbequemlichkeit durchs Land fahren ſoll. Der Staat hat die Veranſtaltungen gemacht, wodurch je - ne Abſichten koͤnnen gewuͤrket werden. Die Policey hat dieſe beſchrieben. Er legt alsdenn einen billigen Zoll an. Und dieſer hat die verlangten Eigenſchaften. Ferner. Man will von einem Orte nach den andern fahren. Die zwiſchen liegende Stroͤme, Suͤmfe und dergleichen, machen dieſe Reiſe muͤhſam und koſtbar. Die Cammer laͤſt Bruͤkken bauen, durch die Suͤmfe einen Weg machen. Und legt alsdenn einen Zoll an. Man laͤſt den fahrenden die Wahl. Sie werden ge - wiß dieſen neuen Weg erwaͤhlen, und den Zoll, wenn er maͤßig iſt, mit Vergnuͤgen tragen, und ſo ferner. Das, was wir in der Policey von dieſen Einrichtungen ab - gehandelt haben, wird mehrere Beyſpiele liefern, die Moͤglichkeit dieſer Regeln zu begreifen.
Fuͤrs andere das Poſt-Regal, daß die Poſten,2) Das Poſt - Regal. als welche oͤffentliche Veranſtaltungen durch beſtaͤndi - ge Abwechſelungen der Pferde, das, deſſen Fortſchaf - fung verlanget wird, von einem Orte nach dem an - dern ſicher und eilig fortzubringen, ein ſehr beque - mes Mittel zur Sicherheit und zur Erleichterung des Handels, das iſt eine Wahrheit, die durch die taͤgli - che Erfahrung beſtaͤtiget wird. Die Sicherheit kann durch das Anſehen des Regenten am beſten erhalten werden. Der Jnnwohner des Staats gewinnet bey dieſen Veranſtaltungen. Er kann mit wenigen Ko - ſten von dem einen Orte nach den andern kommen. Und608Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,Und die Fortſendung der Gelder, Briefe und Waa - ren wird ihm hiedurch weniger koſtbar, als wenn er dieſe ſelbſt beſorgen ſoll. Daher folget aus der vier - ten Regel, es ſey rechtens und vernuͤnftig, wenn die Anlegung der Poſten als ein Cammer-Regal ange - nommen wird.
Der Grund, aus welchem dieß Regal folget, giebt uns zugleich die Haupt-Regel, worauf bey der Anle - gung der Poſten zu ſehen iſt: Sie iſt dieſe: Die Haupt-Abſicht der Poſten muß die Erleichte - rung des Handels ſeyn, aus dieſem folget unmittel - bar.
Man iſt uneinig in der Beantwortung der Frage, wie die Poſten am beſten zu nutzen. Ob ſie zu ver - pachten, oder ob die Cammer die Poſtbedienten beſol - den, und dieſen jaͤhrlich die Rechnung abnehmen ſoll. Einige vertheidigen jenen, andere wiederum dieſen Weg. Die Gruͤnde, welche ich bey einer andern Gelegenheit §. 36 angegeben habe, noͤthigen mich den letzten Weg zu erwaͤhlen. Weil man hier Mit - tel erfinden kann, der zu befuͤrchtenden Unordnungvorzu -609von den Regalien. vorzubeugen. Dieſer Weg kann nur durch die Nach - laͤßigkeit der Poſt-Bedienten ſchaͤdlich werden. Theils wenn ſie keine richtige Rechnung fuͤhren. Theils wenn ſie nicht Fleiß genug anwenden, den Flor der Poſten zu erhalten. Theils wenn ſie nicht Sorge genug tragen fuͤr die Erhaltung der Pferde und des Geſchirres. Das erſte kann leicht verhindert werden. So wohl von dem Poſt-Meiſter des Orts, von dem die Poſt abgehet, als auch des Orts, wo die Poſt hingehet, muß das Verzeichniß der auf der Poſt befindlichen Sachen, das iſt, die Carte verfer - tiget werden. Bey der Abnahme der Rechnung wer - den dieſe Verzeichnuͤße mit einander verglichen. Die Richtigkeit und Unrichtigkeit der Sache wird ſich als - denn bald zeigen. Den andern Fehler zu verhin - dern, iſt das nuͤtzlichſte, wenn den Poſt-Bedienten keine beſtimmte Summe zur Beſoldung gegeben wird. Wird dieſe ein gewiſſer Theil von dem eingekomme - nen Poſt-Gelde z. B. nach befinden der Umſtaͤnde die Helfte, ein Drit-Theil, ein Vier-Theil und ſo fer - ner, ſo werden ſie bald aufmerkſam werden. Eine jede Nachlaͤßigkeit iſt alsdenn mit ihrem eigenem Scha - den verknuͤpfet. Der dritte Fehler verdienet die meiſte Aufmerkſamkeit. Will man dieſe Dinge der Gefahr der Poſt-Bedienten gegen ein beſtimmtes Geld uͤberlaſſen, ſo koͤnnen dieſe leicht durch einige Ungluͤcks-Faͤlle zu Grunde gehen. Das Futter iſt in dem einen Jahre theurer als in dem andern. Wie koͤnnen dieſe Bediente bey einer ſolchen Ein - richtung beſtehen? Sie widerſpricht der Haupt - Abſicht des Staats. Jch glaube nicht, daß ich irre, wenn ich wider dieſen Fehler die Caution vor - ſchlage. Die Cammer haͤlt die Pferde und das Ge - ſchirre. Die Poſt-Bediente machen Caution. Er - folgt ein Schade, und ſie koͤnnen einer Nachlaͤßig - keit uͤberfuͤhret werden, ſo muͤſſen ſie den SchadenQ qvon610Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,von der gemachten Caution erſetzen. Dieſe Furcht wird ſie behutſam machen.
Fuͤrs dritte das Waſſer-Regal. Dieß beziehet ſich theils auf die Schaͤtze, die in dem Waſſer liegen. z. B. Gold-Sand, Perlen und ſo ferner. Jn dieſer Betrachtung hat es einerley Grund mit dem Berg - werks-Regal (§. 58. und folg.). Theils auf die Zu - bereitung der Waſſer zur Schiffahrt und zum Floͤßen. Jn dieſer Abſicht hat es einerley Grund mit dem Zoll - und-Poſt-Regal (§. 63. und folg.) Es iſt demnach nicht noͤthig, daß wir dieſes Stuͤck genauer unterſuchen.
Es iſt bereits oben in dem Vorbericht §. 18. ange - merket worden, daß wir auf zwey Stuͤkke ſehen muͤſſen, wenn wir den Reichthum der Unterthanen ſchaͤtzen wollen, theils auf die Groͤße des bereits er - worbenen Capitals, theils auf die Groͤße der jaͤhrlichen Einkuͤnfte. Es iſt ferner an dem angezogenen Orte erinnert worden, es ſey dem Jntereſſe des Fuͤrſten nachtheilig, wenn man das Capital, was ſich die Unterthanen bereits erworben haben, als den Fond von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften annehmen will, viel - mehr werde jenes Jntereſſe dadurch befoͤrdert, wenn man die jaͤhrlichen Einkuͤnfte der Unterthanen als den Fond von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften betrachtet. DieWich -611von dem Reichthum der Unterthanen,Wichtigkeit dieſer Lehre erfodert es, daß wir hiebey alle Umſtaͤnde genau unterſuchen. Aus dieſer Urſache wollen wir einmahl die verſchiedenen Einkuͤnfte der Unterthanen, welche hieher gehoͤren, in ihre Claſſen ver - theilen, und fuͤrs andere die Gruͤnde veſtſetzen, wor - nach die Groͤße der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte, die von je - der Claſſe koͤnnen genommen werden, zu beſtimmen.
Die Einkuͤnfte der Unterthanen, welche an dieſemDie Quellen der Einkuͤnf - te der Unter - thanen wer - den in Claſ - ſen verthei - let. Orte in Erwegung zu ziehen, werden entweder von den Guͤthern, und daher ſo wohl von den unbeweglichen, als beweglichen Guͤthern genommen, oder ſie ſind Wuͤr - kungen des Fleißes. Die unbeweglichen Guͤther ſind entweder Gebaͤude oder Felder. Jch nehme dieſes Wort in der allgemeinen Bedeutung, da es Aekker, Gaͤrten, Wieſen, Holzungen und ſo ferner anzeiget.
Die Gebaͤude geben etweder dem Eigenthums -Wie weit die Gebaͤude mit im Anſchlage zu bringen. Herrn außer der Wohnung und Verwahrung ſeines Vermoͤgens einen Nutzen, oder deren Nutzung beſtehet allein in dem, daß der Eigenthums-Herr ſolche bewoh - net, und ſeine Guͤther daſelbſt verwahret. Jſt dieſes, ſo gewinnet der Eigenthums-Herr von dieſen Gebaͤu - den weiter keinen Vortheil, als daß er in dem Staate bequem und ſicher wohnen, und das ſeinige in Ruhe verzehren koͤnne. Da nun die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte nicht von dem bereits erworbenen Capital, ſondern von den jaͤhrlichen Einkuͤnften der Unterthanen zu nehmen ſind. (§. 70.) So iſt es, wenn wir die Sache fuͤr ſich betrachten,*) bedenklich, dieſe Gebaͤude bey Be - ſtimmung der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte mit im Anſchlage zu bringen.
Q q 2* Anmerk. 612Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,Jſt jenes, ſo ſind auch dieſe Gebaͤude eine Quelle, aus welcher der Unterthan ſeine jaͤhrlichen Einkuͤnfte ſchoͤpfet. Es geben demnach dieſe Einkuͤnfte einen Fond zu den fuͤrſtlichen Einkuͤnften. Es wird ge - fragt, wie hoch das fuͤrſtliche Jntereſſe von dieſem Fond anzuſchlagen? Es ſcheinet unmoͤglich zu ſeyn, dieß uͤberhaupt zu beſtimmen. Man wird es mir ohne Beweiß verwilligen, daß dieſes Jntereſſe alsdenn hoͤher koͤnne geſetzet werden, wenn das Nahrungs - Geſchaͤfte der Unterthanen bluͤhet, und der Staat volkreich iſt, als wenn es an beyden Stuͤkken fehlet. Daher iſt es genug, daß wir diejenigen Regeln veſt - ſetzen, die bey der Beſtimmung dieſes Jntereſſe zu beobachten ſind, und die aus dem, was wir zuvor ge - lehret haben, unmittelbar folgen.
Anmerk. Es kann dieſer Lehre etwas entgegen geſetzet werden, was ſtark genug iſt, viele zuruͤck zu halten, ihr den Beyfall zu geben, den die von uns gelieferten Beweiſe erfodern. Es iſt dieſes: Die Cammer muß bey ihrer Einrichtung jaͤhrlich auf eine gewiſſe Einnahme Rechnung machen. Sollten dieſe Regeln beobachtet werden, ſo wuͤrde die Einnahme ungewiß bleiben. Folglich kann die Cammer dabey nicht beſtehen. Jch verwillige den Haupt-Satz. Jch laͤugne aber die daher gemachte Folge. Bey einer ungewiſſen aber doch wahr - ſcheinlichen Einnahme kann die als gewiß ange - nommen werden, welche bey mittelmaͤßigen Vor - theilen zu gewinnen. Denn wenn dieſe auf der einen Seite faͤllt, ſo ſteigt ſie auf der andern, daß doch mehrentheils die Rechnung im ganzen beſte -Q q 3hen614Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,hen kann. Kann ein Gebaͤude dem Eigenthums - Herrn bey guten Umſtaͤnden jaͤhrlich 200. Thaler tragen, ſo kann man die jaͤhrliche gewiſſe Nu - tzung auf 100. Thaler rechnen. Setzet man nun von dieſem Capital das fuͤrſtliche Jntereſſe nach der Wahrſcheinlichkeit, welche die Umſtaͤnde liefern, auf 5. 8. 10. pro Cent und ſo ferner, ſo hat man eine Einnahme, auf welche man Rechnung machen kann. Gewinnet der Beſitzer in einem Jahre die voͤllige Nutzung, ſo gewinnet auch der Fuͤrſt. Und dieſer Ueberſchuß kann alsdenn zu außerordentlichen Ausgaben angewendet werden.
Aus dieſem, was wir von den Gebaͤuden abgehan - delt haben, koͤnnen wir leicht begreifen:
Anmerk. Zur Erlaͤuterung will ich ſo wohl von jener Tabelle als auch von dieſer Rechnung einen kurzen Abriß liefern. Er iſt dieſer:
Anſchlag615von dem Reichthum der Unterthanen.Jſt es gefaͤllig, die Rechnung nach einem andern Entwurf zu fuͤhren, ſo wird dieſer in der Haupt-Sache nichts veraͤndern. Bey Rechnungen ſuchet man den - jenigen Weg, der die Sache am leichteſten vorſtellet, und wobey der wenigſte Unterſchleif moͤglich iſt.
So weit von den Gebaͤuden. Die andere Art derWie weit die Felder recht im Anſchlage zu bringen. unbeweglichen Guͤther, deren jaͤhrliche Nutzung eine Quelle von den fuͤrſtlichen Einkuͤnften ſind die Felder. ſ. §. 71. Wir haben es bereits oben (§. 93. der Land - Oeconomie) angemerket, daß man dieſe in Leede und gangbare Felder vertheilet. Der Flor des Staats vergoͤnnet es nicht, daß wir die Leeden alsdenn, da wir die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte be - ſtimmen ſollen, im Anſchlage bringen. Sie ge - ben ihrem Beſitzer, ſo lange ſie leede ſind, keinen Nutzen. Sollen ſie dennoch im Anſchlage gebracht werden, ſo muͤſte das bereits erworbene Capital der Unterthanen ein Fond der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte wer - den. Dieß widerſpricht dem Flor des Staats. (§. 70.)
Die gangbaren Felder werden wiederum in Brach -Wie weit ſie im Anſchla - ge zu brin - gen. felder und tragbare Felder vertheilet (§. 95. des angezogenen Ortes). Was wir zuvor von den Leeden erinnert haben, das iſt auch von den Brachfeldern zu behaupten. Es iſt in beyden Faͤllen einerley Grund vorhanden. Aus dieſem folget, es ſey das nuͤtzlich - ſte, wenn man zur Beſtimmung der fuͤrſtlichen Ein - kuͤnfte von den Feldern nur die im Anſchlage bringet, welche tragbar ſind.
Dieß giebt uns Grund, eine Lehre zu behaupten,Allgemeine Folge. die einige Aufmerkſamkeit verdienet: Wer Mittel erfindet, Leeden in gangbare Felder zu ver - wandeln, und Brachfelder ohne Nachtheil der Wirthſchaft tragbar zu machen, der beſtimmet Mittel, das fuͤrſtliche Jntereſſe ohne NachtheilQ q 5des618Des Cammer-Weſens 2. Abſchnitt,des Staats und der Unterthanen zu er - hoͤhen.
Wir kommen zur Haupt-Frage: Wie die Nutzung der Felder, wenn wir das fuͤrſtliche Jntereſſe beſtim - men wollen, am beſten im Anſchlage zu bringen? Soll ich dieſe Frage in der Beziehung auf den Flor des Staats beantworten, ſo wird es mir unmoͤglich, eine allgemeine Antwort zu bilden, die in allen Faͤllen, welche hiebey vorkommen koͤnnen, nuͤtzlich iſt. Es ſcheinet noͤthig zu ſeyn, daß wir dieſe Faͤlle un - terſcheiden, und die aufgeworfene Frage bey einem jedem Falle beſonders beantworten. Der erſte Fall, wenn eine Reihe von Jahren erfodert wird, den Nutzen des Feldes zu gewinnen. Dieſer Fall findet bey den Holzungen ſtatt. Jn dieſem Falle ſcheinet es mir bedenklich zu ſeyn, wenn das fuͤrſtliche Jntereſſe von dem Felde genommen wird. Es ſcheinet nuͤtzli - cher zu ſeyn, dieſes von dem gefaͤllten Holze zu neh - men. Jch will die Gruͤnde angeben, aus welchen dieſe Antwort fließet. Wird in dieſem Falle das fuͤrſtliche Jntereſſe von dem Felde genommen, ſo muß der Beſitzer von ſeinen Feldern auch in den Jahren etwas abgeben, in welchen er von ihnen keine Nu - tzung gehabt hat. Wird im Gegentheile dieſe Abgabe auf das gefaͤllte Holz geleget, ſo giebt er nur alsdenn, wenn er einnimmt. Der §. 70. giebt uns einen Grund, zu glauben, dieſer Weg ſey jenem vorzu - ziehen.
Wie hoch dieß gefaͤllte Holz-das fuͤrſtliche Jnter - eſſe zu beſtimmen, im Anſchlage zu bringen, dieß muͤſſen die Umſtaͤnde lehren. Betrachte ich die Sa - che in dem ganzen Zuſammenhange eines Staats, ſofinde619von dem Reichthum der Unterthanen. finde ich keine Gruͤnde, zu glauben, daß das Nah - rungs-Geſchaͤfte der Unterthanen alsdenn werde ge - ſchwaͤchet werden, wenn die Cammer den Anſchlag auf den 15den Theil des gefaͤllten Holzes macht. Siehe die Anmerkung des §. 73.
Der andere Fall, wenn die Fruͤchte des FeldesDer andere Fall. jaͤhrlich einzuerndten, ob gleich die Felder nicht jaͤhrlich beſtellet werden. Dieſer Fall findet bey den Wieſen und den Feldern ſtatt, welche Klee tragen. Der Nutzen dieſer Felder iſt theils bey der Viehzucht, theils in dem Verkaufe des erbauten Graſes oder Klees zu ſuchen. Dieß iſt genug, zu begreifen, daß bey die - ſem Falle zwey Wege moͤglich ſind, die Anlage zur be - ſtimmten Abgabe zu machen. Der erſte Weg, wenn man von einem jeden und nach dem Maaße beſtimm - ten Stuͤkke jaͤhrlich eine beſtimmte Summe zahlet. Der andere Weg, wenn dieſe Felder frey bleiben, und von dem Viehe, wie auch von einem jeden Fuder Heu oder Klee, das verkauft wird, nach Proportion des Kauf-Geldes die ſchuldige Abgabe erlegt wird. Jch habe Gruͤnde, zu glauben, daß der letzte Weg dem erſten vorzuziehen ſey. Meine Gruͤnde ſind die - ſe: Derjenige Weg die herrſchaftlichen Gefaͤlle zu be - ſtimmen, iſt allen andern vorzuziehen, der einmahl die wenigſte Muͤhe macht, wobey fuͤrs andere die Gleichheit unter dem Ertrag und der Abgabe am be - quemſten kann beobachtet werden, und wobey fuͤrs dritte die Abgabe gewiß ein Theil von den jaͤhrlichen Einkuͤnften bleibet. Die Folge dieſes Satzes kann nicht einmahl mit einem Schein-Grunde gelaͤugnet werden. Wenn wir den andern Weg den wir ange - geben haben, mit dem erſten vergleichen, ſo muͤſſen wir jenem die angegebenen Eigenſchaften beylegen. Denn620Des Cammer-Weſens, 2. Abſchnitt,Denn wird die Abgabe auf einem jeden nach dem Maaße beſtimmten Stuͤkke geleget, ſo macht nicht nur dieß viele Muͤhe, daß dieſe Felder genau muͤſſen aus - gemeſſen werden, ſondern auch dieß, daß dieſe Felder nach ihrer Guͤthe zu ſchaͤtzen ſind, da ſo wohl dieſe als auch ihre Groͤße vielen Schickſaalen unterworfen. Dieſe Unbequemlichkeit faͤllt bey dem andern Wege weg. Ferner: Wird der erſte Weg erwaͤhlet, ſo ſind verſchiedene Urſachen moͤglich, daß der, welcher in einem Jahre wenige Einkuͤnfte von ſeinen Feldern gehabt hat, mehr dem Staate abgeben muß, als ein anderer, der von gleich vielen Feldern mehrere Ein - kuͤnfte gehabt. Weil der Ertrag der Felder von die - ſer Art von ſehr vielen Nebenumſtaͤnden abhaͤnget, die wir bereits §. 87. und folg. der Landes-Oecono - mie angemerket haben. Dieſe Ungleichheit kann bey dem andern Wege nicht ſo leicht beſorget werden. Dieß beweißt zugleich, daß der andere Weg auch die dritte Eigenſchaft beſitzet. Es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, wenn wir dieſes weitlaͤuftiger abhandeln wollten. Das, was wir angemerket haben, iſt genug, zu be - weiſen, daß der andere Weg fuͤr dem erſten viele Vorzuͤge habe.
Der dritte Fall, wenn die Felder jaͤhrlich beſtellet, und auch die Fruͤchte jaͤhrlich eingeerndtet werden. Dieſer Fall findet bey den Gaͤrten und den eigentlich ſogenannten Aekkern ſtatt. Bey dieſem Falle kann der Anſchlag zu den fuͤrſtlichen Einkuͤnften nach den jaͤhrlichen Ertrag der Felder, er kann auch nach der Ausſaat gemacht werden. Jch weiß es nicht, nicht, ob ich dem erſten oder dem letzten Wege einen Vorzug geben ſoll. Der erſte Weg hat in dieſemStuͤkke621von dem Reichthum der Unterthanen. Stuͤkke einen Vorzug, daß der Buͤrger mit Gewiß - heit ſagen kann, ſeine Abgabe ſey nur ein Theil von den erhaltenen Einkuͤnften. Er hat aber auch dieſe Unbequemlichkeit, daß er mit vieler Muͤhe verknuͤpfet iſt. Der letzte Weg ſetzt den Vuͤrger in Gefahr, et - was abzugeben, wo er nichts gewonnen hat. Er iſt im Gegentheile mit weniger Muͤhe verknuͤpft. Was iſt zu thun? Eine Muͤhe, die dem Buͤrger die Abga - be erleichtert, die wird von dem Flor des Staats er - fodert (§. 70.). Daher bleibt doch der erſte Weg der ſicherſte.
Vielleicht macht man ſich bey der Ausfuͤhrung die -Wie dieſer Vorſchlag auszufuͤhren ſes Vorſchlages mehrere Schwierigkeiten, als welche vorhanden ſind. Jch will mir die unſchuldige Frey - heit nehmen, zu beſchreiben, wie dieſer Vorſchlag mit geringer Muͤhe koͤnne bewerkſtelliget werden. Es kommt, wie ich es glaube, auf folgende Stuͤkke an.
Anmerk. Aus dieſem, was wir bis hieher ab - gehandelt haben, iſt leicht zu begreifen, daß die Rechnung uͤber das fuͤrſtliche Jntereſſe von den jaͤhrlich erbauten Feld-Fruͤchten an einem jeden Or - te nach folgendem Modell koͤnne gefuͤbret werden. Nur iſt zu merken, daß der andere Fall (ſiehe §. 80.) von dieſer Tabelle darum ausgeſchloſſen, weil er zur Vieh Rechnung gehoͤrt.
Rech -623von dem Reichthum der UnterthanenSo weit von den unbeweglichen Guͤthern. Unter die beweglichen, welche in Anſehung dieſer Abſicht in Anſchlag zu bringen, werden fuͤrnemlich das Vieh und die Capitalien gezehlet. Zuerſt von dem Viehe. Wir haben es bereits oben §. 212. der Land-Wirthſchaft angemerket, daß der wirthſchaftliche Nutzen des Viehes, theils aus der Beziehung auf den Akkerbau, theils aus dem Gelde muͤſſe beurtheilet werden, das wir durch Huͤlfe des Viehes gewinnen koͤnnen. Jn Anſehung des erſten Punkts iſt es nicht rathſam, das Vieh zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchlage zu bringen. Dieſen Gedanken un - terſtuͤtzet folgender Beweiß: Hier iſt die Rede von dem fuͤrſtlichen Jntereſſe, das von dem Reichthume der Unterthanen genommen wird. Folglich iſt dieſes Jntereſſe zu beſtimmen, nicht das bereits erworbene Vermoͤgen der Unterthanen, ſondern das jaͤhrliche Ein - kommen derſelben im Anſchlage zu bringen (§. 70.). Was demnach den Unterthanen keine beſondern Ein - kuͤnfte giebt, das kann auch das fuͤrſtliche Jntereſſe zu beſtimmen, nicht im Anſchlage gebracht werden. Hier iſt nur die Rede von dem Viehe, in wieweit es ſich bey dem Akkerbau nutzbar beweiſet, und in dieſer Be - trachtung giebt es den Unterthanen keine beſondern Einkuͤnfte, ſondern ſie nehmen dieſe von dem Akker - bau, der bereits im Anſchlage iſt gebracht worden. Folglich iſt es nicht rathſam, das Vieh, in wie weit es ſich nur auf dieſen Nutzen beziehet, zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe in Anſchlag zu bringen.
Soll die Anlage zur Abgabe nach dem Gelde ge - macht werden, das man durch das Vieh gewinnen kann, ſo ſiehet man dieß zu beſtimmen, entweder auf dieMenge625von dem Reichthum der Unterthanen. Menge des Viehes, das von den Unterthanen gehal - ten wird, oder auf die wuͤrkliche Nutzung, die ſie da - von gewinnen. Das erſte ſcheinet abermahl dem fuͤrſt - lichen Jntereſſe zu widerſprechen. Weil es bey einer ſolchen Einrichtung ſehr leicht geſchehen kann, daß man abgeben ſoll, wo man nichts gewinnet. Dieß iſt genug, dieſen Satz zu beweiſen: Soll das Vieh zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchlage gebracht werden, ſo muß man dieß veſtſetzen, wie hoch das Vieh außer der Arbeit wuͤrklich ſey genuͤtzet worden, und nach dieſem Anſchlage muß das fuͤrſtliche Jntereſſe beſtim - met werden.
Man wird uns fragen, einmahl, wie ein ſolcherWie dieſes moͤglich ſey? Anſchlag moͤglich ſey? Fuͤrs andere, wie nach dieſem Anſchlage das fuͤrſtliche Jntereſſe anzuſetzen? Die Beantwortung der erſten Frage iſt dieſe: Wenn wir das Vieh oder deſſen Nutzung zu Gelde machen, ſo geſchiehet dieß entweder auf einmahl, oder es kann nur nach und nach geſchehen. Das erſte findet ſtatt bey dem Verkaufe des gemaͤſteten Viehes, bey dem Verkaufe der Wolle, des jungen Viehes, und ſo fer - ner. Der andere Fall zeiget ſich bey der Milch-und Kaͤſe-Nutzung und ſo ferner. Siehe den §. 225. nnd folgende der Land-Wirthſchaft. Jn dem erſten Fal - le iſt der Anſchlag leicht zu machen. Man darf nur einen jeden noͤthigen, den geſchloſſenen Kauf dem an - zuzeigen, der an dem Orte die fuͤrſtliche Einnahme zu beſorgen hat. Jn dem andern Falle muͤſſen es Wirthſchafts-Verſtaͤndige beurtheilen, wie hoch ein Stuͤck Vieh von einer angenommenen Art nach Be - finden der Umſtaͤnde jaͤhrlich koͤnne genutzet werden. Der, welcher an dem Orte, von dem die Rede iſt, die fuͤrſtliche Einnahme zu beſorgen hat, fuͤhret die Rech -R rnung626Des Cammer-Weſens 2 Abſchnitt. nung von der Anzahl dieſes Viehes, das von einem je - den Jnnwohner gehalten wird. Dieß iſt genug, dieſes Capital zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe veſt - zuſetzen. Die Beantwortung der andern Frage iſt aus den Umſtaͤnden des Staats zu nehmen. Jch glaube nicht, daß es unbillig ſey, wenn man uͤberhaupt dem Fuͤrſten 3, 4 bis 5 pro Cent von dieſer Nutzung verwilliget.
Anmerk. Der Entwurf zur Rechnung iſt leicht zu machen. Man darf nur in dem, in der Anmerkung des §. 82. gegebenem Endwurfe dasje - nige veraͤndern, was die Beſchaffenheit dieſer Sa - che zu veraͤndern gebiethet.
Das andere Stuͤck, was hieher gehoͤrt, ſind die Geld - Capitalien, deren Nutzung das jaͤhrliche Jntereſſe. Daß dieſe Capitalien zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe nicht im Anſchlage zu bringen, dieß iſt eine unmittelbare Folge des §. 70. angenommenen Haupt - Satzes. Ob aber das jaͤhrliche Jntereſſe von dieſen als eine Quelle der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte anzunehmen ſey, dieß iſt eine Frage, bey deren Entſcheidung die Meynungen vertheilet ſind. Von einigen wird ſie bejahet, von andern wird ſie verneinet. Die, welche dieſe Frage bejahen, bemuͤhen ſich, ihre Gedanken mit folgenden Gruͤnden zu unterſtuͤtzen. Wenn nur der eine Theil des Staats das fuͤrſtliche Jntereſſe giebt, und der andere Theil von dieſer Laſt befreyet iſt, ſo macht eine ſolche Einrichtung eine Ungleichheit, die dem Flor des Staats zuwider iſt. Wird das jaͤhr - liche Jntereſſe von den Geld-Capitalien nicht mit im Anſchlage gebracht, wenn man die Quellen von den fuͤrſtlichen Jntereſſen beſtimmen will, ſo tragen die, welche keine Capitaliſten ſind, die Laſt allein, und dieCapi -627von dem Reichthum der Unterthanen. Capitaliſten ſind von dieſer Laſt voͤllig befreyet. Folg - lich erfodert es der Flor des Staats, daß man auch dieß jaͤhrliche Jntereſſe von den Geld-Capitalien mit im Anſchlage bringe. Dieſer Schluß hat einen merk - lichen Schein der Wahrheit, er wird aber alsbald verſchwinden, wenn wir die Sache genauer unterſu - chen. Den Ober-Satz des Schluſſes muͤſſen wir ver - willigen, und den Unter-Satz verneinen. Dieſer Satz bekommt ſeinen Schein der Wahrheit nur daher, daß man dieſe Sache nicht in dem ganzen Zuſammenhange betrachtet. Es iſt wahr, der Capitaliſte nimmt ſeine Jntereſſen ruhig ein, und er giebt von dieſen dem Staate unmittelbar nichts. Er thut es aber mittel - bar. Er lebt von ſeinen Jntereſſen, das iſt, er muß ſeine Jntereſſen anwenden, dasjenige zu kaufen, was er noͤthig hat. Das, was er kauft, iſt ſchon mit die - ſen Abgaben belegt. Der Verkaufer bringt dieſe An - lage mit zur Beſtimmung des Preiſes im Anſchlage, und daher erhellet es, daß in der That der Kaufer unvermerkt einen merklichen Theil von dieſer Laſt rra - ge. Dieß iſt genug, zu begreifen, daß der angege - bene Beweiß nicht ſtark genug ſey, die bejahende Mei - nung zu unterſtuͤtzen.
Anmerk. Dieß Vorurtheil von der Gluͤckſe - ligkeit der Capitaliſten iſt bey vielen ſo ſtark einge - wurzelt, daß es bey nahe ſchwer wird, in ihnen eine Anfmerkſamkeit zu erwekken, wenn man die entge - gen geſetzte Meynung vortraͤgt. Dieſe zu gewin - nen, will ich kuͤrzlich den Landmann mit dem Capi - taliſten vergleichen. Der Landmann bauet z. B. in einem Jahre kaum den dritten Theil der zu hof - fenden Fruͤchte. Was folget, der Preiß des Ge - traides ſteiget auf den dritten Theil, und der Man - gel des gebaueten Futters wird durch den erhoͤheten Preiß des Viehes erſetzet. Wer traͤgt nun denR r 2Scha -628Des Cammer-Weſens 2 Abſchnitt,Schaden, der Landmann oder der Capitaliſt, der dem Landmanne ſeine Fruͤchte und ſein Vieh ab - kauft. Ungluͤcks-Faͤlle, die das Ganze zernichten, ſind bey beyden moͤglich, und vielleicht bey dem Capitaliſten mit einer groͤßern Wahrſcheinlichkeit, als bey dem Landmanne. Doch hievon genug.
Jch werde vielmehr genoͤthiget, in Anſehung dieſes Punkts die verneinende Meynung zu ergreifen. Nicht nur dieß, daß die bejahende Meynung noch nicht iſt bewieſen worden, wuͤrket dieſe Entſchließung, ſondern es ſind noch weit mehrere Gruͤnde hiezu verhanden, die aus dem ganzen Zuſammenhange des Staats genom - men werden. Jch will nur einige, die wichtig genug ſind, dieſen, Gedanken zu unterſtuͤtzen, beſchreiben. Ein Capitaliſte kann auf verſchiedene Arten mit ſei - nem Gelde das Nahrungs-Geſchaͤfte der Jnnwohner des Staats befoͤrdern. Mit den Capitalien kann er andern beyſtehen, daß es dieſen moͤglich wird, Ge - werke, Fabriquen und den Handel anzulegen, und mit den Jntereſſen kann er den Verkauf der gearbeiteten Werke erleichtern. Daher iſt die Menge der Capita - liſten in einem Lande ein ſehr wichtiges Stuͤck, das erfodert wird, den Flor des Staats zu befoͤrdern, (§. 1. 2. der Policey). Einem Capitaliſten iſt es ſehr oft gleichguͤltig, ob er an dieſem oder an einem andern Orte wohnet, weil er von ſeinen Jntereſſen lebet; daher iſt es noͤthig, daß man insbeſondere ſei - ne Aufmerkſamkeit dahin richte, daß dieſe Bewe - gungs-Gruͤnde bekommen, in ein Land zu ziehen, und in dem Lande zu bleiben. Dieß iſt genug, zu bewei - ſen, daß es der Flor des Staats erfodere, dieſe ſo wenig zu belaͤſtigen, als es moͤglich iſt (§. 41. und folg. der Policey). folglich dieſe, ſo viel es dieUm -629von dem Reichthum der Unterthanen. Umſtaͤnde erlauben, mit den unmittelbaren Abgaben zu verſchonen. Und ſo ferner.
So weit von dem Anſchlage der Guͤther. DasVon den Ge - werken und Fabriquen die Haupt - Regel. andere Stuͤck, was hier in Crwegung zu ziehen iſt, gehet auf die Wuͤrkungen des Fleißes. Siehe §. 71. Man wird es uns leicht verwilligen, daß man in An - ſehung dieſes Stuͤkkes nur die Gewerke, Fabriquen und den wuͤrklichen Handel im Anſchlage bringen koͤnne. Zuerſt von dem Anſchlage der Gewerke und Fabriquen, und alsdenn von den Haupt-Regeln, die bey dem Anſchlage des Handels genau zu beobachten ſind. Wer das fuͤrſtliche Jntereſſe zu beſtim - men, die Gewerke und Fabriquen im Anſchla - ge bringen will, der muß von dieſen eine genaue Erkenntniß haben, daß er es genau beurthei - len kann, wie viel der Herr dieſer Gewerke und Fabriquen nach Beſchaffenheit der Um - ſtaͤnde, und nach Abzug aller Unkoſten damit gewinne. Dieſer Satz iſt daher klar, weil nur dieſer Gewinn als die Quelle der fuͤrſtlichen Einkuͤnf - te kann angenommen werden. (§. 70.)
Aus dieſem folget, wie noͤthig es ſey, daß dieWie nach dieſer der Anſchlag zu machen. Cammer ein richtiges alphabetiſches Verzeichniß von allen Gewerken und Fabriquen halte, worinn dieſe bis auf dem Grunde unterſuchet, und deren Beſchaf - fenheiten genau beſchrieben worden. Man nennt die - ſes Verzeichniß das Gewerk - und Manufactur - Repertorium. Siehe das andere Capitel in dem Anhange der Klugheit zu leben und zu herr - ſchen. Jn dieſem angezogenen Orte iſt die wahre Beſchaffenheit eines ſolchen Repertorii vollſtaͤndig be -R r 3ſchrieben630Des Cammer-Weſens 2 Abſchnitt,ſchrieben worden. Es muß nemlich bey einem jeden Gewerke und bey einer jeden Fabrique angemerket werden
Wir wollen dieſes mit einem in dem angezogenen Orte befindlichen Beyſpiele erlaͤutern:
Dieß iſt das Capital, wovon das fuͤrſtliche Jntereſſe zu nehmen, und nach welchem der Anſchlag zu machen.
Anmerk. 1. Den Grund zu dieſem Entwurf deutlicher einzuſehen, kann nachfolgende Beſchrei - bung angemerket werden. Die Zeugmacher ſorti - ren erſt die Wolle, die ſchwarze von der weißen, die lange von der kurzen, die grobe von der klaren. Eine Perſon kann des Tages 2 Centner ſcheiden: Dieſe wird mit Oel geſchmaͤlzet, zu jeden 12. Pf. Wolle kommt 1 Pf. Baum-Oel: alsdann wird die lange Wolle auf den Hollaͤndiſchen Kaͤmmen (ko - ſtet ein Paar 3 Thlr.) uͤber einem Feuer gekaͤmmet. Es kann einer 5 Pf. des Tages kammen, und bekommt ein Geſell vom Pf. 1 gl. ſamt der Koſt. Die kurze Wolle wird auf Cartaͤtſchen gekammet, welche von Nuͤrnberg kommen, koſtet das Paar 1 Thlr. 6 gl. kann aber deren 9 Centner damit berei - ten, es bekommt ein Geſell vom Pf. ſamt der KoſtR r 41 gl.632Des Cammer-Weſens 2 Abſchnitt,1 gl. bereitet des Tags 6 Pf. Dieſe Wolle wird geſponnen, vom Pf. 6 gl. kann die Woche eine Per - ſon uͤber 3 Pf. nicht ſpinnen: denn wird das Garn geſouhlet und geleimt. brauchen zu 12 Pf. Garn 1 Pf. Leim: Dieſes auf den Stuhl gezogen, ge - wirket, Cadis, Krohn-Raſch, Zehenband, Engelſicht u. ſ. f. daraus gemacht. Ein Stuͤck Cadis wieget 6 Pf. Krohn-Raſch 15 Pf. Zehenband 11 Pf. Engelſicht 9 Pf. Geben zu arbeiten dem Geſellen, nebenſt der Koſt, vom Cadis 10 gl. Krohn-Raſch 1 Thlr. Zehenband 12 gl. Engelſicht 1 Thlr. Es machet die Perſon des Monaths 58 Stuͤck Cadis, 3 Stuͤck Krohn-Raſch, 4 Stuͤck Zehenband, 3 Stuͤck Engelſicht. Dieſes wird aus dem Mangel der Fuͤll-Erde mit Seiffen gewaſchen, zu 12 Pf. Zeug 1 Pf. Seiffe, gewalket in der Walk-Muͤhle, vom Stuͤck 4 gl. dann kommt es in die Farbe, die Clle 1 gl. Endlich in die Preſſe 1 gl. Es koſtet das Stuͤck Cadis 5 Thlr. Krohn-Raſch 18 Thlr. Zehen - band 11 Thlr. Engelſicht 16 Thlr.
Anmerk. 2. Dieſe obzwar noch unvollkomme - ne Beſchreibung iſt genug zur Erlaͤuterung. Jn einem vollſtaͤndigen Manufactur-Buche muͤſſen nach alphabetiſcher Ordnung alle Gewerke und Manu - facturen nach dieſer Anlage auf das genaueſte zer - gliedert werden. Wer dasjenige, was wir oben bey der Stadt-Wirthſchaft von den Gewerken und Fa - briquen abgehandelt haben, genau unterſuchet, und dieſes mit allen Umſtaͤnden des Staats mit voll - kommener Aufmerkſamkeit vergleichet, dem wird es zwar muͤhſam aber doch nicht ſchwer fallen, alle Gewerke und Fabriquen nach dieſer Vorſchrift ge - nau zu zergliedern. Der Nutzen, welcher hieraus dem Staate erwaͤchſt, wird die Muͤhe reichlich be - zahlen.
Endlich von dem muͤrklichen Handel, oder ſogenann -Allgemeine Regeln, auf welche bey dem Anſchla - ge des Han - dels zu ſehen. 1) Jn An - ſehung der Nothwen - digkeit der Waaren. ten Commercien, in wieweit dieſe zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchlage zu bringen. Wir wollen nur die Haupt-Regeln veſtſetzen, welche hiebey zu beobachten ſind; zumahl eine ganz genaue Beſtimmung dieſer Sache von ſo vielen Neben Um - ſtaͤnden abhaͤnget, die man auf einmahl unmoͤglich uͤberdenken kann. Jndeſſen habe ich Grund, zu glau - ben, es werde einem nicht ſchwer fallen, dieſe allge - meine Regeln auf vorkommende Umſtaͤnde anzuwen - den, wenn man dasjenige verſtehet, was wir von der Policey oben abgehandelt haben. Es iſt eine bekann - te Sache, daß man die Waaren, womit ſich der Han - del beſchaͤftiget, aus einem gedoppelten Grunde in ihre Claſſen vertheilet. Der erſte Grund iſt die Noth - wendigkeit des Gebrauchs. Der andere Grund iſt der Ort, wo ſie gekauft oder verkauft werden. Jn Anſehung der erſten Claſſe bilde ich dieſe Regel:
Je noͤthiger der Gebrauch der Waaren, de - ſto weniger muͤſſen ſie mit oͤffentlichen Abga - ben belaͤſtiget werden.
Jch unterſtuͤtze dieſe Regel mit folgendem Beweiſe: Was die nothwendige Erhaltung des menſchlichen Le - bens koſtbar macht, das iſt dem Flor des Staats zu - wider (§. 42. und folg. der Policey). Wird das, was zum nothwendigen Gebrauche der Menſchen ge - hoͤret, mit oͤffentlichen Abgaben zu ſehr belaͤſtiget, ſo wird die nothwendige Erhaltung des menſchlichen Le - bens in dem Lande koſtbar. Folglich widerſpricht eine ſolche Belaͤſtigung dem Flor des Staats. Da es nun dem Begriffe eines aͤchten Cameraliſten widerſpricht, wenn er das fuͤrſtliche Jntereſſe durch ſolche Mittel zu erhoͤhen ſuchet, die den Flor des Staats ſchwaͤ - chen (§. 2.), ſo iſt auch die Regel, die wir angenom -R r 5men634Deſ Cammer-Weſens 2 Abſchnittmen haben, in dem Zuſammenhange der Wahrheiten gegruͤndet.
Jn Anſehung des andern Grundes werden die Waaren in drey Claſſen vertheilet. Die erſte Claſſe faſſet diejenigen, die aus dem Lande in fremden Laͤn - dern verkauft oder vertauſcht werden. Man nennet dieſe ausgehende Waaren. Die andere Claſſe begreift diejenigen, die aus fremden Laͤndern in das Land, wovon die Rede iſt, gebracht, und in dieſem entweder verkauft oder vertauſcht werden. Dieſe nennet man die eingehende Waaren. Die dritte Claſſe enthaͤlt diejenigen, die aus andern Landen durch unſer Land in fremde Laͤnder gebracht werden. Die - ſe nennet man durchgehende Waaren. Es iſt noͤ - thig, daß wir jede Claſſe beſonders unterſuchen.
Die ausgehende Waaren ſind entweder in unſerm Lande bereits verarbeitet worden, oder ſie werden rohe aus dem Lande gefuͤhret. Jſt das erſte, ſo bilde ich dieſe Regel:
Die ausgehende Waaren, die in dem Lande bereits ſind verarbeitet worden, muͤſſen mit keinen beſondern Abgaben belaͤſtiget werden.
Der Beweiß iſt dieſer: Was das Nahrungs-Ge - ſchaͤfte der Unterthanen zu befoͤrdern vermoͤgend iſt, und was, indem man dieſes befoͤrdert, Geld ins Land bringet, oder in dieſem erhaͤlt, das muß mit al - lem Ernſte geſuchet werden, (§. 2. der Pol.). Was die Ausfuhr der in dem Lande verarbeiteten Waaren erleichtert, das bringet dieſe Vortheile: Den erſten Vortheil beweiſet der §. 319. der Stadt-Wirthſchaft. Der andere Vortheil iſt aus dieſem klar: Die aus - gehenden Waaren werden entweder in den fremdenLaͤndern635von dem Reichthum der Unterthanen. Laͤndern verkauft, oder vertauſcht. Jſt das erſte, ſo iſt es offenbar, daß hiedurch Geld ins Land gebracht wird. Jſt das andere, ſo bekommt man fremde Waa - ren ins Land ohne Geld, und alſo wird das Geld, was zur Anſchaffung dieſer Waaren erfodert wird, in dem Lande erhalten. Folglich hat man Gruͤnde ge - nug, mit allem Ernſte darauf zu denken, wie die Aus - fuhr der in dem Lande verarbeiteten Waaren koͤnne er - leichtert werden. Was die Waaren wohlfeil macht, das erleichtert dieſe Ausfuhr. Werden ſie mit keinen oͤffentlichen Abgaben belaͤſtiget, ſo iſt dieß ein Mittel, ſolche in einem geringern Preiß zu verkaufen. Folg - lich erfodert es die Staats-Klugheit, die ausgehende Waaren, die in dem Lande bereits ſind verarbeitet worden, mit keinen beſondern Abgaben zu belaͤſtigen.
Jn Anſehung der ausgehenden Waaren, die in demb) Wenn ſie ausgehende Waaren, die noch roh. Lande noch nicht ſind verarbeitet worden, koͤnnen wir keine allgemeine Regel veſt ſetzen. Es giebt zwar ei - nige, die es behaupten, daß man dieſe mit oͤffentlichen Abgaben ſtark belaͤſtigen ſoll, um hiedurch die Unter - thanen zu zwingen, daß ſie auf Mittel denken, wie ſie ſolche mit Nutzen verarbeiten koͤnnen. Jch befuͤrchte aber, daß dieß ein Vorſchlag, der in der Folge der Zeit dem Staate merklich ſchaͤdlich wird. Ein aͤchter Ca - meraliſte muß die Sache nicht von der einen Seite, ſondern in dem ganzen Zuſammenhange des Staats betrachten. Geſchiehet dieß, ſo wird man auch gewiß ſein Urtheil aͤndern. Das, was wir in dem §. 356 - 358. der Policey abgehandelt haben, giebt uns Gruͤn - de geuug, dieſe Frage in dem vorkommenden Falle zu entſcheiden.
Die eingehende Waaren ſind wiederum entweder rohe, die wir in dem Lande verarbeiten wollen, oder bereits verarbeitete Waaren. Jſt das erſte, ſo ver - biethet es abermahl die Staats-Klugheit, ſolche mit vielen Abgaben zu belaͤſtigen. Den Grund zu dieſer Regel giebt der §. 122. und §. 124. der Polic. Jſt das andere, ſo koͤnnen dieſe Waaren entweder nur durch Geld oder durch den Tauſch ins Land gebracht werden. Jſt der letzte Fall moͤglich, ſo werde ich gleichfalls nicht leicht eine ſtarke Auflage anrathen. Der eine Theil des Beweißes, den wir §. 93. gebil - det haben, unterſtuͤtzet auch dieſe Gedanken. Eine ſolche Verſchonung kann ein Mittel werden, den Han - del mit den in dem Lande gearbeiteten Werken zu er - leichtern, und dieß befoͤrdert den Flor des Staats. Jn dem andern Falle verwillige ich dieſe Regel:
Dieſe Waaren koͤnnen mit oͤffentlichen Abga - ben ſtark beſchweret werden, ſo weit es die §. 91. gebildete Regel erlaubt.
Denn verbiethet es dieſe Regel nicht, eine ſtarke Auf - lage zu machen, ſo iſt eine ſolche Einfuͤhrnng der Waa - ren nichts als ein Weg, wodurch das Geld aus dem Lande gehet. Daher iſt dieſe Einfuͤhrung der Waa - ren entweder gaͤnzlich zu verbiethen, oder beſchwerlich zu machen. Das erſte iſt dem zuwider, was wir §. 46. der Policey bewieſen haben. Folglich iſt nur das andere Mittel nuͤtzlich. Durch ſtarke Auflagen wird dieſe Einfuͤhrung beſchwerlich gemacht. Folglich iſt eine ſolche Auflage in dieſem Falle nuͤtzlich.
Wenn wir die durchgehenden Waaren in der von uns angenommenen Abſicht betrachten, ſo muͤſſen wir dieſe wiederum in verſchiedene Claſſen vertheilen. Der637von dem Reichthum der Unterthanen. Der Durchgang dieſer Waaren iſt entweder dem Ab -a) Wenn die - ſer Durch - gang dem Abgange der einheimi - ſchen nicht nachtheilig. gange der in dem Lande verfertigten Waaren nach - theilig, oder wir finden keine Gruͤnde, dieß zu be - haupten. Jn dem letztern Falle bilde ich dieſe Re - gel:
Der Durchgang dieſer Waaren muß in dem Lande ſo wenig mit oͤffentlichen Abgaben be - laͤſtiget werden, als es moͤglich iſt.
Jch unterſtuͤtze dieſe Regel mit folgendem Beweiſe: Da der Durchgang dieſer Waaren dem Abgange der einheimiſchen nicht nachtheilig iſt, ſo bleibt dieſer Durchgang ein Mittel, das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu befoͤrdern (§. 29. Pol.). Folglich erfo - dert es der Flor des Staats, dieſen Durchgang, ſo viel es moͤglich iſt, zu erleichtern (§. 2. der Policey). und daher dieſen mit den oͤffentlichen Abgaben ſo we - nig, als es die Umſtaͤnde erlauben, zu belaͤſtigen.
Sollte der Durchgang fremder Waaren dem Ab -b) Wenn die - ſer Durch - gang dem Abgange der einheimi - ſchen Waa - ren nachthei - lig iſt. gange der einheimiſchen nachtheilig ſeyn. So kann dieſer Nachtheil durch eine ſtarke Auflage entweder verhindert oder wenigſtens geſchwaͤchet werden: Oder die Auflage kann dieſes nicht wuͤrken, indem man durch einige Umwege die Waaren in die beſtimmten Laͤnder bringet. Jſt das erſte, ſo erfodert dieErſter Fall. Staats-Klugheit dieſen Durchgang ſo ſtark zu belaͤſtigen, als es moͤglich iſt. Denn eine ſolche Belaͤſtigung wird unter dieſen Umſtaͤnden alsdenn er - fodert, wenn das Nahrungs-Geſchaͤfte der Untertha - nen ſoll befoͤrdert werden (§. 319. der Stadt-Wirth - ſchaft), und dieſe Befoͤrderung iſt das Haupt-Stuͤck, worauf man bey der Einrichtung eines Staats, wenn er bluͤhen ſoll, zu ſehen hat. (§. 2. der Policey).
Jſt das andere, ſo hat man bey der Anlage der Abgaben folgende Regel zu beobachten.
Der Durchgang dieſer Waaren durch unſer Land in fremde Laͤnder muß weniger koſt - bar ſeyn, als wenn ſie durch Umwege in die - ſe Laͤnder ſollen gebracht werden.
Der Beweiß von dieſer Regel iſt dieſer: Wir haben dieſen Fall angenommen, daß durch die Auflage die Zufuhr dieſer Waaren in fremde Laͤnder nicht koͤnne verhindert werden. Will man nun die Auflage ſo ſtark machen, daß hiedurch der Durchgang dieſer Waaren durch unſer Land koſtbarer, als wenn ſie durch Umwege in jene Laͤnder gebracht werden, ſo wird man alle Vortheile verliehren, die das Nahrungs - Geſchaͤfte der Unterthanen durch dieſe Durchfuhr ge - winnen kann, das iſt, man wird das Nahrungs-Ge - ſchaͤfte der Unterthanen, ohne etwas dabey zu gewin - nen, ſchwaͤchen. Dieß widerſpricht dem Flor des Staats, (§. 2. der Policey). Folglich iſt die von uns angenommene Regel gegruͤndet.
Anmerk. Man uͤberlege die Vortheile, welche Schmiede, Wagner, Wirthe und welche der Ge - traide-Handel von den Durchfuhren gewinnen, ſo wird dieß Gruͤnde genug geben, die Wichtigkeit dieſer von uns bewieſenen Regel noch mehr zu be - veſtigen.
Wir haben bis hieher die Quellen der fuͤrſtlichenAbſicht die - ſes Abſchnit - tes. Einkuͤnfte vollſtaͤndig genug, ſo weit es unſere Abſicht erfodert, beſchrieben. Nun entſtehet eine Frage, deren Beantwortung mehrere Aufmerkſamkeit erfodert, als insgemein geglaubet wird. Es wird nehmlich gefraget: Wie koͤnnen die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte aus dieſen von uns beſchriebenen Quellen am bequemſten geſchoͤpfet werden? Jſt die Rede von den Domainen, ſo haben wir die - ſe Frage bereits §. 34-39. beantwortet. Jſt die Re - de von den Regalien, ſo giebt das dritte Capitel des zweyten Abſchnittes bey einer jeden Art der Regalien die erforderliche Antwort. Es bleibt alſo nur noch die dritte Quelle, nehmlich das Vermoͤgen der Unter - thanen uͤbrig, wie von dieſem das fuͤrſtliche Jnterſſe, das wir in dem dritten Capitel des zweyten Abſchnitts beſchrieben haben, am bequemſten koͤnne gehoben wer - den. Die Sache verdienet es, daß wir dieſen Punkt genauer unterſuchen.
Dasjenige, was die Jnnwohner des Staats vonWas Con - tridution. ihrem Vermoͤgen dem Staate entrichten muͤſſen, wird alsdenn eine Contribution genennet, wenn es nicht fuͤr den Gebrauch der oͤffentlichen Guͤther gezahlet wird, denn in dieſem Falle heiſt es der Zoll, Geleits - Geld und ſo ferner. Die Benennung wird von dem Grunde genommen, aus welchem dem Staate das Recht zuſtehet, dieſe Abgabe zu fodern, wenn nehm -lich640Des Cammer-Weſens 3 Abſchnitt,lich die Einkuͤnfte aus den Domainen und Cammer - Regalien nicht hinreichen, den oͤffentlichen Aufwand zu beſtreiten. Siehe §. 696. folg. I. N.
Dieſe Abgabe oder dieſer Zuſchuß wird entweder auf das bereits erworbene Vermoͤgen der Jnnwohner geleget und von dieſem gefodert, oder es wird auf ih - re Einkuͤnfte geleget und von dieſen genommen. Jn dem erſten Fall nennt man die Contribution eine Steuer, Ungeld u. ſ. f. und in dem andern Fall die Acciſe, Licent, Jmpoſt u. ſ. f.
Anmerk. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß nicht die - ſe Bennungen oͤfters mit einander ſollten verwir - ret werden. Bald nennet man es eine Steuer, was in der That eine Acciſe iſt. Oft wird dieſe Verwirrung von einer geheimen Urſache gewuͤrket. Wir wollen die Worte in der eigenthuͤmlichen Be - deutung gebrauchen, damit wir genugſam beſtimm - te Regeln bilden koͤnnen, dieſe Angelegenheiten zu beurtheilen.
Wir wollen zuerſt die Haupt-Frage unterſuchen: Welches das beſte Mittel ſey, das fuͤrſtliche Jntereſſe von dem Reichthume der Untertha - nen einzutreiben, die Steuer oder die Acciſe? Viele geben der Steuer, andere der Acciſe einen Vor - zug. Wir wollen die Gruͤnde, aus welchen beyde Theile ſchluͤßen, unterſuchen, und alsdenn unſere Ge - danken von dieſer Sache deutlich beſchreiben. Die, welche der Steuer einen Vorzug geben, unterſtuͤtzen ihre Gedanken mit folgenden Gruͤnden. Der erſte Grund: Die Groͤße der jaͤhrlichen Einnahme durch die Acciſe gruͤndet ſich in verſchiedenen Schickſaalen,die641von den fuͤrſtl. Abgaben der Unterthanen. die nicht allemahl in unſerer Gewalt ſtehen, im Ge - gentheil kann man bey der Steuer auf die Groͤße der Einnahme mit mehrerer Gewißheit Rechnung machen. Der andere Grund, die Einnahme durch die Ac - ciſe erfordert mehreren Aufwand, als die Einnahme durch die Steuer, weil in jenem Falle mehrere Be - diente als in dieſem Falle muͤſſen gehalten werden. Der dritte Grund: Bey der Einnahme durch die Acciſe ſind mehrere Unterſchleife moͤglich, als bey der Einnahme durch die Steuer, weil in jenem Falle die Groͤße des Capitals, wovon das fuͤrſtliche Jntereſſe zu nehmen, ſo muß angenommen werden, wie es ange - geben wird, da in dieſem Falle die Groͤße des Capi - tals mit Gewißheit kann beſtimmet werden.
Dieſe Gruͤnde ſind, wie ich es glaube, nicht ſtarkWie dieſe zu entkraͤften? genug, dasjenige zu unterſtuͤtzen, was ſie unterſtuͤtzen ſollen. Der erſte Grund wird ſogleich entkraͤftet, wenn man uͤberleget, daß auch die Groͤße der jaͤhrli - chen Einnahme durch die Steuer vielen Schickſaalen unterworfen, und daß in dem Falle, wenn die Acciſe dergeſtalt im Lande verfallen ſollte, daß man die mitt - lere Groͤße nicht mehr als eine gewiſſe Groͤße anneh - men koͤnne, auch gewiß die Einnahme durch die Steuer merklich verfallen werde. Der andere Grund bleibt alsdenn nur ſtark, wenn die Art die Acciſe einzutrei - ben, nur als ein abgeriſſenes Stuͤck und nicht alſo ein - gerichtet wird, wie es die Beziehung auf das ganze erfodert. Wir wollen die Art die Acciſe regelmaͤßig einzutreiben, an ſeinem Orte, ſo weit es uͤberhaupt ge - ſchehen kann, deutlich beſchreiben. Den dritten Grund entkraͤften folgende Stuͤkke: Einmahl, wenn die Art die Acciſe einzutreiben regelmaͤßig iſt unterſuchet worden, ſo wird ſich derjenige Weg baldS szeigen,642Des Cammer-Weſens 3 Abſchnitt,zeigen, der uns dahin fuͤhrt, wo die wenigſten Un - terſchleife moͤglich ſind. Fuͤrs andere: Bey der Art das fuͤrſtliche Jntereſſe von dem Reichthume der Unterthanen zu heben, iſt nicht allein auf dieß zu ſe - hen, wie die Unterſchleife koͤnnen vermieden werden, ſondern auch auf dieß, wie das fuͤrſtliche Jntereſſe koͤnne gehoben und vergroͤßert werden, ohne das Nah - rungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu ſchwaͤchen. Folglich muß der beſte Weg nicht allein aus jenem, ſondern auch aus dieſem Stuͤkke beurtheilet werden.
Die, welche der Acciſe einen Vorzug geben, be - kraͤftigen insgemein ihre Gedanken mit folgenden Gruͤnden. Der erſte Grund: Wird das fuͤrſtliche Jntereſſe durch die Steuer gehoben, ſo liegt die Laſt des Staats allein auf dem Theil der Jnnwohner, welche die liegende Guͤther beſitzen. Dieß macht eine Ungleichheit, die dem Staate ſchaͤdlich iſt. Der an - dere Grund: Wird das fuͤrſtliche Jntereſſe durch den Weg der Steuer gehoben, ſo kann es, ohne das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu ſchwaͤchen, nicht vergroͤßert werden. Denn die liegende Guͤther bleiben immer einerley. Wird nun die Steuer erhoͤ - het, ſo muß der Unterthan von ſeinem Capital mehr abgeben, als zuvor. Dieß ſchwaͤcht ſeine Nahrung. Der dritte Grund: Der Nutzen von den liegenden Guͤthern iſt ſelten ſo groß, als der Nutzen von dem Gewerbe. Folglich muß bey der Steuer der mehr abgeben, der weniger einnimmt, als der, welcher viel einnimmt. Dieſes ſchwaͤcht das Nahrungs-Geſchaͤf - te einiger Unterthanen, und es wuͤrket eine dem Staate nachtheilige Ungleichheit. U. ſ. f.
Auch dieſe Beweiſe ſind zu ſchwach, dasjenige zuWie dieſe zu entkraͤften? bekraͤftigen, was ſie bekraͤftigen ſollen. Sie finden nur alsdenn ſtatt, wenn bey der Anlage der Steuer nicht alle erforderliche Klugheit iſt angewendet worden. Wird die Steuer nach einem regelmaͤßigen Anſchlage des Reichthums der Unterthanen zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe angeleget, (ſiehe das letzte Capitel des 2 Abſchnittes) ſo werden in der That alle dieſe Schwierigkeiten wegfallen. Wer z. E. von ſei - nem Akker Steuer giebt, der erhoͤhet nach dieſer Ab - gabe den Preiß des erbaueten Getraides. Daher traͤgt in der That der Kaͤufer, der keine liegende Gruͤnde beſitzet, einen merklichen Theil dieſer Laſt. Dieß ver - nichtet die ſcheinbare Ungleichheit. U. ſ. f.
Es erhellet aus dieſen angefuͤhrten Gruͤnden, undDie Acciſe behaͤlt den - noch einen Vorzug. aus dem, was wir dabey angemerket, daß beyde We - ge ihre Vortheile, aber auch dabey ihre Unbequemlich - keiten haben, und daß die Gewißheit in dem Urtheile, was den Vorzug von dieſem oder jenem Wege be - ſtimmet, von den Umſtaͤnden abhangen muͤſſe. Wenn wir aber dieſe Sache genauer unterſuchen, und die Gruͤnde, welche der Steuer einen Vorzug geben ſollen, zur Erfindung beſonderer Handgriffe, die bey der Einrichtung der Acciſe zu beobachten, an - wenden, ſo werden wir dennoch genoͤthiget, der Acci - ſe einen merklichen Vorzug zu geben. Jch will zuerſt den Haupt-Satz beweiſen, und mir alsdenn die un - ſchuldige Freyheit nehmen, einen Vorſchlag zu machen, wie die Acciſe am bequemſten koͤnne eingetrieben wer - den. Der Haupt-Satz iſt dieſer:
Der Weg, das fuͤrſtliche Jntereſſe durch die Acciſe einzutreiben, iſt dem Wege, dieſes Jn -S s 2tereſſe644Des Cammer-Weſens 3 Abſchnitt,tereſſe durch die Steuer zu ſuchen, vorzu - ziehen.
Der Beweiß iſt dieſer: Derjenige Weg, das fuͤrſtli - che Jntereſſe von dem Reichthume der Unterthanen zu nehmen, wobey der Unterthan am wenigſten be - laͤſtiget wird, der iſt allen andern Wegen vorzuziehen. (§. 21.) Wird das fuͤrſtliche Jntereſſe nur von dem genommen, was der Unterthan wuͤrklich gewin - net, und alsdenn, wenn er gewinnet, ſo wird bey die - ſer Eintreibung des fuͤrſtlichen Jntereſſe der Unter - than am wenigſten belaͤſtiget. Folglich iſt dieſer Weg allen andern Wegen vorzuziehen. Jch muß den Un - ter-Satz dieſes Schluſſes beweiſen. Wird dieß Jn - tereſſe nur von dem genommen, was der Unterthan wuͤrklich gewinnet, ſo kann er es geben, und es iſt nicht noͤthig, daß er ſein bereits erworbenes Capital angreift, er kann es ohne Sorge geben. Wird es alsdenn genommen, wenn er wuͤrklich gewinnet, ſo kann er es freymuͤthig geben, denn er hat es alsdenn, wenn er es geben ſoll, folglich iſt es nicht noͤthig, ihn mit dem ihm gehaͤßigen Zwange zu beunruhigen. Dieß iſt genug, dieſen Unter-Satz zu beveſtigen. Daher wird man keine Urſache finden, die von uns gemachte Folge in Zweifel zu ziehen. Wenn wir nun die Acciſe mit der Steuer vergleichen, ſo erhellet es unmittelbar, daß der Weg, das fuͤrſtliche Jnter - eſſe durch die Acciſe einzutreiben, die von uns ange - nommenen Vortheile habe, die in dem Gegentheile bey der Steuer fehlen (§. 101). Daher iſt es klar, daß der Weg, das fuͤrſtliche Jntereſſe durch die Ac - ciſe einzutreiben, dem Wege dieſes Jntereſſe durch die Steuer zu ſuchen, vorzuziehen ſey.
Es kommt nur, wie ich es glaube, auf die Ord - nung an, die man bey der Eintreibung der Acciſe be -obachtet.645von den fuͤrſtl. Abgaben der Unterthanen. obachtet. Wir wollen alle Claſſen von den Quellen1) von der Nutzung der Gebaͤude. dieſer Einnahme, wie wir in dem vierten Capitel des andern Abſchnittes beſchrieben haben, durchgehen, und bey einer jeden Claſſe einen Vorſchlag machen, nach welchem dieſes Jntereſſe durch den Weg der Acciſe am bequemſten koͤnne gehoben werden. Jn der erſten Claſſe ſtehen die Gebaͤude. Der §. 73. und 74. leh - ret es uns, wie dieſe im Anſchlage zu bringen. Laͤſt man nach dieſem Anſchlage an einem jeden Orte des Staats alle halbe Jahre die von uns auf der 616. Seite angegebene Tabell verfertigen, ſo wird es weni - ge Muͤhe koſten, von dieſem Stuͤkke das fuͤrſtliche Jntereſſe einzutreiben.
Die andere Claſſe faßt die Felder, der §. 75-82.2) Von der Nutzung der Felder. lehret es, wie dieſe im Anſchlage zu bringen. Wird nun an einem jeden Orte die auf der 623. Seite ange - gebene Tabell verfertiget, ſo darf man nur den Theil der Fruͤchte und des Holzes, was nach dem Anſchla - ge auf das fuͤrſtliche Jntereſſe faͤllt, wuͤrklich einneh - men, es in beſondere hiezu beſtellte Oerter verwah - ren, und zu ſeiner Zeit verkaufen. So werden ſich auch bey dieſem Stuͤkke wenige Schwierigkeiten finden.
Die dritte Claſſe begreift das Vieh, in wie weit3) Von der Nutzung des Viehes durch den Verkauf. es durch den Verkauf nutzbar wird. Der §. 84. und 85. lehret, wie dieß im Anſchlage zu bringen. Auch in dieſem Fall iſt es nicht muͤhſam, das fuͤrſtliche Jn - tereſſe einzutreiben. Der, welcher nach dem §. 85. den Kauf anmerket, darf nur zugleich von dem ge - zahlten Kauf-Gelde das fuͤrſtliche Jntereſſe wegneh - men und in Rechnung bringen.
Die vierte Claſſe faſſet die Nutzung des Viehes außer dem Verkauf, wie dieſe zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchlage zu bringen, dieß lehret gleichfalls der §. 85. Wird unn in einem je - den Ort die Tabell nach der in der Anmerkung des §. 85. angegebenen Regel verfertiget, ſo kann das fuͤrſtliche Jntereſſe in allen Monathen, in welchen das Vieh nutzbar iſt, eingefodert werden.
Die fuͤnfte Claſſe enthaͤlt die rechte fuͤrſtliche Gold - Grube, die Gewerke und Fabriquen. Wir haben es bereits §. 88-90. beſchrieben, wie dieſe zur Beſtim - mung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchlage zu brin - gen. Man weiß es aus dieſem Anſchlage, wo der Gewinn von dieſer Quelle ſtekket. Man kann es aus dieſem Anſchlage wiſſen, wie hoch der Gewinn iſt. Folglich darf man nur alle Monathe, oder alle Vier - tel-Jahr, wie es die Umſtaͤnde erlauben wollen, das fuͤrſtliche Jntereſſe von dem fodern, der den Gewinn hat. So wird auch dieſe Angelegenheit nicht vielen Weitlaͤuftigkeiten unterworfen ſeyn.
Anmerk. Bey dieſem Punkte muß ich etwas erinnern, das insgemein vergeſſen wird, aber doch, wie ich es glaube, wichtig iſt. Giebt der, welcher bey den Gewerken und Fabriquen die Haupt-Per - ſon iſt, und davon gewinnet, das fuͤrſtliche Jnter - eſſe mit Widerwillen, ſo hat er entweder gegruͤndete Urſache zu klagen, oder ſeine Klage gruͤndet ſich in dem, was von einer unordentlichen Wirthſchaft gewuͤrket wird, oder ſie gruͤndet ſich nur in dem Geitze. Jſt das lezte, ſo verdienet er kein Mit - leiden. Jſt der andere und der erſte Fall, ſo noͤthigen647von den fuͤrſtl. Abgaben der Unterthanen. thigen dieſe den Staat, eine nicht geringe Auf - merkſamkeit anzuwenden. Jſt der andere Fall, ſo kann es ſehr leicht geſchehen, daß der Wirth durch die Unordnung dergeſtallt geſchwaͤcht wird, daß er unvermoͤgend wird, das Gewerke und die Fabrique weiter zu treiben. Und alſo gehet dem Staate ein merklicher Vortheil verlohren. Was iſt zu thun? Es wird dem Policey-Collegio angezeigt. Dieß wird auf Mittel denken, dieſem Schaden vorzu - beugen. (§. 113. folg. der Pol.) Jſt der erſte Fall, ſo muß es entweder an dem Abgange der Produkte fehlen, oder ſie koͤnnen nicht mehr ſo hoch, wie zu - vor, ins Geld geſetzt werden. Soll nun der Wirth dennoch bey dieſen Umſtaͤnden das fuͤrſtliche Jnter - eſſe ſo wie zuvor zahlen, ſo wird er verdruͤßlich. Er laͤſt ſein Gewerbe liegen. Dieß iſt dem Staate ſchaͤdlich. Folglich muß die Policey die Urſache dieſes Verfalls genau unterſuchen. Mittel erfin - den, dieſe Urſachen zu entkraͤften, oder das fuͤrſt - liche Jntereſſe von dieſem Gewerbe muß nach pro - portion des Verfalls vermindert werden.
Die ſechſte Claſſe begreift den wuͤrklichen Han -6) Von den Commer - cien. del, oder die ſogenannten Commercien. Wie dieſe zur Beſtimmung des fuͤrſtlichen Jntereſſe im Anſchla - ge zu bringen, dieß lehret der §. 91-98. Jſt nun die Groͤße des fuͤrſtlichen Jntereſſe von dieſem Stuͤk - ke einmahl veſtgeſetzet, und durch oͤffentliche Anſchlaͤ - ge bekannt gemacht worden, ſo weiß es ein jeder, was er von dem Kauf-Gelde abzugeben hat. Folg - lich kann er den Werth der Sache darnach ſetzen. Nur iſt die Frage, ob es der Kaͤufer oder Verkaͤufer zahlen ſoll? Jch glaube, es iſt der bequemſte Weg, wenn man dieß dem Verkaͤufer aufleget. Dieſer be -S s 4kommt648Des Cammer-Weſens 4 Abſchnitt, von derkommt das Geld, und alſo kann er es geben. Sind die Sachen, welche gekauft oder verkauft werden, von Wich - tigkeit, ſo iſt dieſes Jntereſſe leicht einzutreiben. Es ſind nur Geſetze noͤthig, daß ein ſolcher Kauf alsdenn unguͤl - tig ſeyn, und die gekaufte Sache oder das Kauf-Geld zum Nutzen der Armen verfallen ſoll, wenn nicht der geſchloſſene Kauf von beyden Theilen dem angezeiget wird, der an dem Orte die fuͤrſtliche Einnahme zu beſorgen hat. Sind die Sachen, welche gekauft oder verkauft werden, Kleinigkeiten, ſo ſind die Unter - ſchleife durch ſcharfe Straf-Geſetze, ſo viel es moͤg - lich iſt, zu verhindern. Werden dieſe Geſetze in dem Fall, wenn dergleichen Unterſchleife entdekket worden, genau beobachtet, ſo wird gewiß der durch die wider al - les Vermuthen gemachte Unterſchleife gewuͤrkter Scha - de geringer ſeyn, als der, der durch die Menge der Accis-Bedienten entſtehet, wenn man zugleich deren Beſoldung mit im Anſchlage bringet.
Anmerk. Was wir in der Anmerkung des §. 111. erinnert haben, das kann auch hier wieder - hohlet werden. Nur iſt dasjenige zu veraͤndern, was die Beſchaffenheit der Sache zu veraͤndern, gebiethet. Man kann bey dieſem Stuͤkke des Chriſtiani Teutophyli entdeckte Gold-Grube der Univerſal-Acciſe nachleſen.
Wir wollen hier die allgemeinen Regeln, die bey der Einrichtung einer wirthſchaftlichen Aus -gabe649regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl. Einkuͤnfte. gabe zu beobachten ſind, und die wir bereits in der Sitten-Lehre erklaͤret und bewieſen haben, nicht wiederhohlen. Wir koͤnnen ſie bey dieſer Un - terſuchung, die auf einen beſondern Fall gehet, voraus ſetzen. Z. B. daß die Ausgabe nach der Einnahme einzurichten. Daß die Ausgabe in gehoͤrige Claſſen zu vertheilen, um zu beſtimmen, wie viel man von der Einnahme zu einer jeden Claſſe wibnen koͤnne. Welche Eintheilung man den Wirthſchafts-Etat nennet? u. ſ. f. Wir wollen vielmehr jene Regeln auf dieſen beſondern Fall anwenden, und hiedurch dasjenige entwikkeln, was bey dieſem beſondern Falle insbeſondere zu merken iſt, und alsdenn die Haupt - Regeln veſtſetzen, die bey dieſer Anwendung der fuͤrſt - lichen Einkuͤnfte zu beobachten.
Zuerſt muͤſſen die Ausgaben in Claſſen vertheiletDie Ausga - ben des Staats wer - den in fuͤnf Claſſen ver - theilet. werden, und in jeder Claſſe muß man die nothwendi - gen von denen, die weniger nothwendig ſind, die or - dentlichen von den außerordentlichen unterſcheiden. Jn wie viele Claſſen koͤnnen dieſe Ausgaben verthei - let werden? Dieſe muß die Abſicht dieſer Ausgaben beſtimmen. Man wird es uns leicht verwilligen, daß die Abſicht der Ausgaben die ein Fuͤrſt als Fuͤrſt zu tragen hat, die Wohlfahrt und der Flor des Staats ſey. Wenn wir mit dieſem dasjenige vergleichen, was wir in dem Natur-und Voͤlker-Rechte, wie auch oben in der Policey von den Mitteln abgehandelt ha - ben, die zur Erhaltung und Befoͤrderung der Wohl - fahrt des Staats erforderlich ſind, ſo muͤſſen wir be - haupten, daß die Claſſen der fuͤrſtlichen Ausgaben, die der Herr von Seckendorff in dem deutſchen Fuͤr - ſten-Staate angegeben hat, alsdenn vollſtaͤndig ſind, wenn ſie nur in wenigen Stuͤkken ſind veraͤndert worden. S s 5Die650Des Cammer-Weſens 4 Abſchnitt, von derDie erſte Claſſe beſchreibet die Ausgaben, die zur fuͤrſtlichen Hofſtatt erforderlich ſind. Die andere Claſſe die Ausgaben zum Regiments - und Staats-Weſen. Die Ausgaben der drit - ten Claſſe werden in dem angezogenen Orte die Ausgaben zu den milden Sachen genennet. Vielleicht wird dieſer Entwurf alsdenn vollſtaͤndiger, wenn man in dieſe Claſſe alle Ausgaben ſetzet, die zur Erhaltung der unmittelbaren Policey-Abſichten er - forderlich ſind. Jn der vierten Claſſe werden die Ausgaben zum Bau-Weſen, und in der fuͤnften Claſſe die Ausgaben zur Bezahlung der Landes - Schulden geſetzet. Die vierte Claſſe wird mit Recht zur andern Claſſe gezogen, und daher macht die fuͤnf - te die vierte Claſſe.
Die Ausgaben zu dem Hof-Staate koͤnnen wie - derum in drey Capitel vertheilet werden, welche Ein - theilung in der Abſicht dieſer Ausgaben unmittelbar gegruͤndet iſt.
Das erſte Capitel gehet auf die fuͤrſtliche Chatoul - le, als welche
zu tragen hat. Sind die Quellen zu den Chatoul - Guͤthern, die wir §. 8. und folgenden entdekket ha - ben, eroͤffnet, ſo iſt der Staat von dieſen Ausgaben befreyet. Folglich faͤllt alsdenn dieſe Claſſe in der Berechnung, welche die Cammer als Cammer zu fuͤh - ren hat, weg.
Das651regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl. Einkuͤnfte.Das andere Capitel beſchreibet den Aufwand zur Erhaltung des Fuͤrſten und des fuͤrſtlichen Hofes. Hieher gehoͤren
Das dritte Capitel endwirft diejenigen Dinge, die zur Luſtbarkeit und zur Pracht erfodert werden, und zwar:
Bey einem jeden Capitel iſt genau anzumerken, wie weit dieſe Stuͤkke ordentliche und wie weit ſie außer - ordentliche Ausgaben erfodern, die nehmlich nur ge - wiſſe Zufaͤlle vorausſetzen. Ferner, wie weit dieſe Aus -gaben652Des Cammer-Weſens, 4 Abſchnitt, von dergaben nothwendig, die zur Erhaltung der Wohlfahrt des Staats erfodert werden, und wie weit ſie weni - ger nothwendig, als welche die Wohlfahrt des Staats erhoͤhen.
Die andere Claſſe, welche die Ausgaben zum Re - giments-und Staats-Weſen faſſet. Dieſe Claſſe kann wiederum in folgende Haupt-Capitel vertheilet werden.
Das erſte Capitel bildet den Aufwand fuͤr den Militar-Etat.
Das andere Capitel beſchreibet die Ausgaben zu der beſondern Staats-und Landes-Verfaſſung, und zwar:
Das dritte Capitel faſſet alle Beſoldungen der Bedienten bey dem Kirchen-Cameral-Policey - und Juſtiz-Weſen.
Das vierte Capitel enthaͤlt den Aufwand zur Erhaltung der Domainen und Regalien.
Was in dem Ende des §. 115. iſt angemerket wor - den, das iſt auch hier zu wiederholen.
Die dritte Claſſe beſchreibet den Aufwand zurZergliede - rung der dritten Claſ - ſe. Erreichung der unmittelbahren Policey-Abſicht. Wir haben dieſe Abſichten in der Policey umſtaͤndlich beſchrieben. Daher lehren ſie es uns, in wie viele Capitel dieſe Claſſe zu vertheilen.
Die vierte Claſſe beſchaͤftiget ſich mit den Ausga -Zergliede - rung der vierten Claſ - ſe. ben, welche zur Bezahlung der Landes-Schulden erfor - derlich ſind. Dieſe Ausgaben gehen entweder auf die Bezahlung der Jntereſſen, oder auf den Abtrag des Capitals. Daher iſt auch dieſe Claſſe in zwey Capitel zu vertheilen.
Dieß iſt ein kurzer Endwurf von der EintheilungRegeln, wor - nach die Ausgabe mit der Einnah - me zu ver - gleichen. der Ausgaben eines Staats. Er muß in dem vor - kommenden Falle vollſtaͤndig gemacht werden. Hier iſt die Anlage genug. Es iſt Zeit, daß wir auch ei - nen Endwurf von dem machen, wie die Einnahme mit der Ausgabe zu vergleichen. Dieß zu bewerkſtel - ligen ſind folgende Regeln zu merken:
Man wird es nicht fodern, daß ich dieſe Regeln be - ſonders beweiſe. Sie ſind unmittelbare Folgen aus den allgemeinen Wirthſchafts-Regeln, die bereits in der Sitten-Lehre vollſtaͤndig ſind bewieſen worden. Siehe §. der Sitten-Lehre.
Die Faͤlle, welche bey der Anwendung der dritten Regel vorkommen koͤnnen, ſind genauer zu unterſu - chen. Wenn die Einnahme nach den Claſſen der Aus - gaben iſt vertheilet worden, ſo ſind drey Faͤlle moͤglich. Die Einnahme iſt entweder der Ausgabe gleich, oder es bleibt bey der Einnahme ein Ueberſchuß: Oder die Einnahme iſt kleiner als die, welche von der Aus - gabe erfodert wird. Jn dem andern Falle wird ge - fraget: Wo ſoll der Ueberſchuß bleiben? Wir wollen dieſe Frage in dem folgenden nach den Regeln der Klugheit beantworten. Jn dem dritten Falle wird gefragt: Wie ſoll man dieſen Mangel erſe - tzen? Es iſt kein anderer Weg, dieſen Mangel zu erſetzen, moͤglich, als daß man die Ausgabe vermin - dert, oder die Einnahme vermehret. Jſt der letzte Weg nicht moͤglich, ſo muß man ſeine Zuflucht zu dem erſten nehmen. Daher werden alle Claſſen der Ausgaben aufs neue unterſuchet, und eine gemein - ſchaftliche Berathſchlagung beſtimmt diejenigen Falle, wo nach Beſchaffenheit der vorkommenden Umſtaͤnde bey der Ausgabe etwas koͤnne erſparet werden. Will man den erſten Weg erwaͤhlen, ſo kann man entwe - der neue Quellen zu fuͤrſtlichen Einkuͤnften entdekken,oder655regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl. Einkuͤnfte. oder die bereits entdekten ergiebiger machen, oder die einmahl veſtgeſetzten Abgaben der Unterthanen muͤſſen erhoͤhet werden. Dieß lezte Mittel iſt nur im Fall der aͤußerſten Noth zu gebrauchen. (§. 25.). Die Moͤglichkeit der beyden erſten Mittel muß von dem Policey-Collegio beſtimmet werden. (§. 26. der Pol.)
Wir wollen noch einige Haupt-Stuͤkke veſtſetzen, dieOb einer je - den Art der Ausgabe ei - ne beſondere Art der Ein - nahme zu ſetzen? bey dieſer Verwaltung genau zu beobachten ſind, und die uns zugleich dasjenige erklaͤren, was in dem §. 120. iſt ausgeſetzet worden. Die erſte Frage iſt dieſe: Ob es rathſam ſey, daß die Cammer zu einer jeden Art der Ausgabe eine beſondere Art der Einnahme veſtſetze, oder ob es beſſer ſey, wenn alle Cammer-Einnahmen in eine Caſſe geſamm - let, und aus dieſer die Ausgaben gemeinſchaft - lich beſtritten werden? Jch ſetze voraus, daß das Verzeichniß der Ausgaben nach dem von uns §. 119. angegebenen Endwurfe vollſtaͤndig iſt ausgearbeitet worden. Jſt dieſes, ſo ſchluͤße ich: Diejenige Ein - richtung bey der Ausgabe und Einnahme der Gelder, bey der man keinen Vortheil hat, die vielmehr vielen Unbequemlichkeiten unterworfen iſt, die iſt einer ſol - chen Einrichtung nachzuſetzen, bey welcher man ohne Nachtheil die beſtimmte Abſicht mit groͤßerer Bequem - lichkeit vollſtaͤndig erhalten kann. Dieſen Satz wird man mir ohne Beweiß verwilligen. Worin ſoll der Vortheil beſtehen, den die Cammer daraus gewinnet, daß ſie einer jeden Art der Ausgabe eine beſondere Art der Einnahme beſtimmet. Soll er vielleicht die - ſer ſeyn, daß man zu einer geſetzten Abſicht nicht mehr ausgiebt, als dazu beſtimmet iſt, ſo iſt ja dieß ein Vor - theil, der auch alsdenn kann erhalten werden, wenn man zuvor den Endwurf der Ausgaben vollſtaͤndigausge -656Des Cammer-Weſens 4 Abſchnitt, von derausgearbeitet hat, und alsdenn die Cammer-Einnahme in eine Caſſe ſammlet. Ja, jener Weg iſt weit meh - rern Unbequemlichkeiten unterworfen, als dieſer. Einmahl viele Caſſen erfodern viele Rechnungen, die man alle bey dem andern Wege in einer Rechnung zuſammen ziehen kann. Fuͤrs andere, wenn in der einen Caſſe ein Mangel entſtehet, ſo muß man aus der andern Caſſe borgen. Dieſe Muͤhe faͤllt weg, wenn man dieſe Sache im ganzen treibet. Daher folget, es ſey beſſer, wenn alle Cammer-Einnahmen in eine Caſſe geſammlet, und aus dieſer die Ausgaben gemeinſchaftlich beſtritten werden, als wenn die Cam - mer zu einer jeden Art der Ausgabe, eine beſondere Art der Einnahme veſtſetzet.
Die andere Frage beſchaͤftiget ſich mit dem Ueber - ſchuſſe in der Cammer-Rechnung, von dem wir §. 120. geredet haben, wozu nehmlich dieſer ſoll angewendet werden. Eine beſtimmte Beantwortung dieſer Frage erfodert eine genaue Ueberlegung aller beſondern Um - ſtaͤnde, die ſich in dem vorkommenden Falle ereignen. Jch will daher nur den Haupt-Satz veſtſetzen, der in dem vorkommenden Falle die Entſcheidung dieſer Angelegenheit regieren muß. Der Satz iſt dieſer: Vieles Geld von den Unterthanen nehmen und ſparſam ſeyn, dieß kann ſehr leicht eine Urſach werden, die den Flor des Staats ſchwaͤchet. Jch will dieſen Satz beweiſen. Was ſehr leicht eine Urſache werden kann, das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu entkraͤften, das kann auch ſehr leicht eine Urſache werden, die den Flor des Staats ſchwaͤ - chet. (§. 2. Pol.). Was ſehr leicht einen Mangel am Gelde im Staate wuͤrken kann, das kann auch ſehr leicht eine Urſache werden, das Nahrungs-Geſchaͤfteder657regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl. Einkuͤnfte. das kann auch ſehr leicht eine Urſach werden, das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen zu entkraͤften. Und daher iſt auch dieß der ſicherſte Weg, den Flor des Staats zu ſchwaͤchen. Wird vieles Geld von den Unterthanen genommen, und dabey ſparſam gelebt, ſo kann dieß ſehr leicht einen Mangel am Gelde im Staate wuͤrken. Denn das Geld, was im Kaſten zuruͤck geleget wird, das iſt dem Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen entzogen, und daher iſt es mit dem Mangel des Geldes im Staate einerley. Siehe §. 5. Folglich iſt es klar, daß auch dieß ein Mittel werden koͤnne, den Flor des Staats zu ſchwaͤchen, wenn vieles Geld von den Unterthanen genommen, und dabey ſparſam gelebet wird.
Anmerk. Es iſt wahr, viele lehren das Ge - gentheil, allein dieſe verwirren die Wirthſchaft ei - nes Fuͤrſten mit der Wirthſchaft eines Unterthanen. Herr von Schroͤder hat in ſeiner fuͤrſtlichen Schatz-und Real-Cammer in dem 4. Capitel dieſe Sache durch verſchiedene Beyſpiele ſinnlich gemacht. Die Sache verdienet es, daß wir ihm einige Stuͤkke abborgen, dieſe Lehre zu erlaͤutern, und weiter zu beveſtigen. Er ſpricht: Die ge - ſunde Vernunft zeiget mir auch durch ein ſchlech - tes und deutliches Beyſpiel, daß, wenn ein Fuͤrſt viel Geld von den Unterthanen nimmt, und ſol - ches in ſeinen Kaſten verſchließen, und als einen Schatz aufheben will, endlich der Fuͤrſt und das Land ruiniret und arm werden muͤſſen. Denn es moͤchte einer meynen, es ſey eine richtige Rech - nung, daß wenn ein Fuͤrſt 30. Millionen jaͤhrlicher Renten habe, ſeine Wirthſchaft aber alſo einrichte, daß ſich die Ausgaben nicht uͤber 15. Millionen beſtreiten, ſo wuͤrde er 15. Millionen jaͤhrlich in ſeinen Schatz beylegen koͤnnen, welche in 20. Jah -T tren658Des Cammer-Weſens 4 Abſchnitt, von derren 300. Millionen austragen; allein daß nach ſolchen Rechnungen, wornach ein jeder Privat - Mann ſeine Einnahme mit der Ausgabe einrichtet, ein Fuͤrſt ſeine Wirthſchaft nicht einrichten koͤnne, erhellet daraus: Geſetzt, ich haͤtte ein groß Haus, in welchem 300. Familien wohnten, und dieſe Fa - milien trieben unterſchiedliche Nahrung; jedoch waͤre es alſo beſchaffen, daß die Einwohner ihre Arbeit unter einander wieder vertheilten, aus dem Hauſe aber nichts verkauft werden koͤnnte, dazu muͤſten noch die Einwohner des Hauſes jaͤhrlich fuͤr 3000. fl. Brodt, Fleiſch, Holz, oder andere Sa - chen ausgeben, welches ſie im Hauſe nicht haben, und zu ihrer Nothdurft von auſſen herein bringen muͤſten. Die Einwohner aber des Hauſes waͤren gleich reich, das iſt, ein jeder haͤtte 500. fl. Capital an Gelde, welche insgeſammt 150000. fl. austra - gen, von welchem Capital ſich die Einwohner unter einander erhalten muͤſten. Nun haͤtte ich als Herr des Hauſes von einer jeden Familie 30. fl. Zinß einzunehmen, welches jaͤhrlich 9000. fl. austraͤgt, dieſe 9000. fl. legte ich jederzeit in meinen Schatz, und gaͤbe den Einwohnern des Hauſes nichts da - von wieder zu loͤſen, ſo folget durch eine unum - ſtoͤßliche Rechnung, daß die 9000. fl. und die obi - gen 3000. fl. welche die Einwohner noch zur Er - kaufung anderer Nothdurften, jaͤhrlich aus dem Hauſe zu tragen, genoͤthiget ſeyn, 12000. fl. ma - chen, und das Capital der 150000. fl. nehme jaͤhr - lich an 12000. fl. ab, folglich waͤre das Haus ſchon in dem erſten Jahre ſo viel aͤrmer geworden, als 24. Familien werth ſeyn. Wenn nun mit dieſer Wirthſchaft ſollte fortgefahren werden, ſo wuͤrde ich in kurzer Zeit das meiſte von den 150000. fl. in meinen Kaſten bekommen, aber was wuͤrde er - folgen, dieß, daß die Einwohner Armuth halberwuͤr -659regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl Einkuͤnfte. wuͤrden aus dem Hauſe laufen, dieweil ihnen nicht ſo viel uͤbrig geblieben, daß ſie ihre Nahrungs - Geſchaͤfte unter einander treiben, und ſich ernaͤh - ren koͤnnten, und ich wuͤrde meines Einkommens beraubt werden, und ob ich gleich ſolches Geld al - les bey einander haͤtte, ſo wuͤrde ich doch damit al - len Zufaͤllen des Ungluͤcks ſo aͤngſtlich unterworfen ſeyn, daß ich, wie ein Spieler, keinen Augenblick verſichert waͤre, daß mich nicht die aͤu - ſerſte Armuth uͤberfallen moͤchte. Wer ſiehet nun nicht, daß ich mit dieſem Beyſpiele das Jntereſſe, welches ein Fuͤrſt von ſeinem Lande hat, habe ab - mahlen wollen; denn man ſtelle damit eine Ver - gleichung an, ſo wird man finden, daß ich nicht unrecht geredet habe. Geſetzt, ein Land haͤtte 100. Millionen baares Geld, und dieſes Land waͤre alſo gelegen, daß es mit fremden Voͤlkern entweder gar keinen Handel, oder nur einen Handel mit Verluſt haͤtte; welches alſo zu verſtehen iſt, daß dieſes Land zum Beyſpiele 2. Millionen werth Wein, Wolle, Vieh, Kupfer, oder andere Dinge, welche im Lande wachſen, oder gemacht werden, an fremde Voͤlker verkaufte, aber 4. Millionen werth Waaren wieder hingegen ins Land braͤchte, ſo waͤre dieſes ein Handel mit Verluſt, weil die uͤbrigen 2. Millionen, welche nicht mit unſern ausgefuͤhrten Waaren koͤnnen getauſcht werden, mit baarem Gel - de muͤſſen bezahlet werden, ein ſolches Land, ſage ich, beſaͤße ein Fuͤrſt, welcher von dieſem Lande jaͤhr - lich 30. Millionen Einkuͤnfte haͤtte; wenn nun die - ſer Fuͤrſt ſeine Wirthſchaft alſo einrichtete, daß er nicht mehr denn 15. Millionen jaͤhrlich verzehrte, ſo wuͤrde mancher fuͤr gar gewiß und nuͤtzlich ach - ten, daß er die uͤbrigen 15. Millionen in ſeinen Schatz zu einem Spaarpfenning beylegen ſollte, durch welches Mittel er in 20. Jahren 300. Mil -T t 2lionen660Des Cammer-Weſens 4 Abſchnitt, von derlionen geſammlet haͤtte. Weil aber nach oben an - gefuͤhrter Rechnung, das Land jaͤhrlich um 17. Millionen am Gelde aͤrmer worden iſt, denn 2. Millionen werden durch den Handel verlohren, und 15. Millionen ſchließet der Fuͤrſt in ſeinen Ka - ſten, ſo kann ja leicht geſehen werden, daß ſchon in fuͤnf Jahren die 100. Millionen erhoben, und das Land von allem Gelde entbloͤßet, und dem Fuͤrſten nichts mehr uͤbrig iſt, was er von ſeinem Lande nehmen koͤnnte, und daß die Rechnung oh - ne den Wirth gemacht worden. Woraus folget, daß, weil das Herz des Staats, nehmlich das Geld, welches alle Ungleichheit im Handel und Wandel in einer gleichen Bewegung ge - hen machet, verlohren iſt, der Handel gar zer - fallen, und die Leute arm und duͤrftig werden muͤſ - ſen, und weil das Vermoͤgen des Landes alsdenn nur aus der Erden wachſen muß: der Theil der Leute aber, die ſich von der Erde und deſſen Er - trag eigentlich naͤhren, jederzeit in einem Lande der kleinſte Haufen iſt, ſo werden die meiſten Ein - wohner des Landes aus Mangel der Nahrung ſich verlaufen, und wird ein oͤdes Land und ein armer Fuͤrſt daraus werden, denn obgleich der Fuͤrſt al - les Geld im Kaſten liegen hat, und allein beſitzet, was ſonſten unter ſo vielen getheilet geweſen, ſo kann er doch kein reicher Fuͤrſt genennet werden, ob man ihn gleich einen reichen Mann heißet. Denn gemeine Leute ſind reich am Gelde; ein Fuͤrſt aber iſt alsdenn reich zu ſchaͤtzen, wenn er reiche Unter - thanen hat.
Die Haupt-Gruͤnde in dem Beweiſe, der den §. 122. angegebenen Satz unterſtuͤtzet, geben uns noch eine ſehr wichtige Lehre, die bey der Anwendung der fuͤrſtlichen Einkuͤnfte, ſo weit es moͤglich iſt, genauzu661regelmaͤßigen Anwend. der fuͤrſtl. Einkuͤnfte. zu beobachten. Sie iſt dieſe: Die Cammer muß, ſo weit es moͤglich iſt, die Veranſtaltungen al - ſo machen, daß die fuͤrſtlichen Einkuͤnfte wie - derum in die Haͤnde der Unterthanen kommen. Und wenn es noͤthig iſt, dieſe in fremde Laͤn - der zu verwenden, ſo muß ſie dennoch auf Mit - tel denken, wie durch dieſe Verwendung das Nahrungs-Geſchaͤfte der Unterthanen koͤnne er - halten und erweitert werden. Es iſt uͤberfluͤßig, den Beweiß zu dieſem Satze weiter auszuarbeiten, er iſt eine unmittelbare Folge aus den angezogenen Gruͤnden.
Anmerk. Wer dasjenige uͤberleget, was wir §. 122. abgehandelt haben, dem wird es nicht ſchwer fallen, einzuſehen, wie der andere Theil dieſer Leh - re moͤglich ſey, und was es heiße: Pecuniam in loco negligere.
Durch das Cammer-Collegium verſtehet man eineWas ein Cammer - Collegium ſey? Geſellſchaft in dem Staate, welche verpflichtet iſt, das eigentliche Cammer-Weſen zu beſorgen.
Das eigentliche Cammer-Weſen iſt von uns bisWie dieſes einzurichten, wird gezei - get. hieher umſtaͤndlich beſchrieben worden. Wir haben alle Beſchaͤftigungen erklaͤret, die dabey genau zu be - obachten ſind. Wir haben bereits §. 15. bis 19. die Haupt-Regeln veſtgeſetzet, die alsdenn zu beobachten ſind, wenn dieſes Geſchaͤfte ordentlich gehen ſoll. Wenn wir nun mit dieſem dasjenige vergleichen, was wir oben von der Einrichtung des Policey-Collegii ab - gehandelt haben, und bey dieſer dasjenige veraͤndern, was dieſe beſondere Abſicht zu veraͤndern gebiethet, ſoT t 3wird662Des Cammer-Weſens, 5 Abſchnitt,wird es uns nicht ſchwer fallen, zu zeigen, wie das Cammer-Collegium zum Nutzen des Staats koͤnne eingerichtet werden. Wir wollen nur noch einige Punkte entwickeln, die denen, die bereits in den an - gezogenen Oertern ſind veſtgeſetzet worden, koͤnnen zu - gefuͤget werden.
Aus der Abſicht des Cammer-Collegii folget, daß es folgende Grund-Buͤcher halten muͤſſe.
Anmerk. Bey der Verfertigung dieſer Buͤcher kann dasjenige wiederhohlet werden, was wir oben bey der Verfertigung der Grund-Buͤcher des Po - licey-Collegii §. 388. und folgenden erinnert haben.
Man wird uns fragen, wie es moͤglich ſey, daß ei -und Voll - ſtaͤndigkeit des Collegii. ne ſo weitlaͤuftige Sache, als dieſe iſt, in einer voll - kommenen Ordnung koͤnne getrieben werden. Wenn wir den Begrif der Ordnung durch die Beſchaffen - heit dieſer Sache genauer beſtimmen, ſo giebt uns dieß Grund, zu glauben, es komme bey dieſer Sache auf folgende Stuͤkke an.
Anmerk. Dieß ſind, wie ich es glaube, die be - ſondern Stuͤkke, welche bey dieſer Einrichtung in Erwegung zu ziehen. Das uͤbrige kann leicht aus dem, was wir von dem Cammer-Weſen umſtaͤnd - lich bewieſen, und von der Einrichtung der Lan - des-Collegiorum an verſchiedenen Orten abgehan - delt haben, ergaͤnzet werden. Wer jenes genau unterſuchet und uͤberleget hat, dem wuͤrde es ver - druͤßlich fallen, wenn ich alles wiederholen wollte. Und wer jene Stuͤkke nicht uͤberlegt und unterſu - chet hat, dem wird auch eine weitlaͤuftigere Abhand - lung dieſes Punkts wenig nutzen. Die Eigenſchaf - ten eines aͤchten Cameraliſten erhellen aus der Ab - ſicht, wenn er ſoll gebraucht werden. Dieſes iſt zu meiner gegenwaͤrtigen Abſicht genug.
NB. V. bedeutet die Vorbereitung, P. die Policey, und C. den vierdten Theil vom eigentlichen Cam - mer-Weſen, A. zeiget die den §§. angefuͤgte Anmer - kungen, f. f. die folgenden §§. und die Zahlen die §§.
ENDE.
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Fraktur
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