Dem Magnifico, Hoch-Edelgebohrnen Herrn, Herrn Gottfried Langen / vornehmen JCto, Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen und Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen hochbeſtalten Hof - und Juſtitien - Rath, des Ober-Hof-Gerichts, des Conſiſtorii und Schoͤppen-ſtuhls in Leipzig hochverordneten Aſſeſſori, der Stadt Leipzig hochanſehnlichen Buͤrgermeiſter, und des groſſen Fuͤrſten-Collegii Colle - giato, &c. Meinem Hochzuehrenden Herrn, Wie auch Dem Hoch-Edelgebohrnen Herrn, Herrn Jacob Born, vornehmen JCto, Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen und Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen hochbe - ſtalten Appellations-Rath, des Ober - Hof-Gerichts Aſſeſſori, der Stadt Leipzig hochverdienten Stadt-Richter, ꝛc. Jngleichen Dem Hoch-Edlen, Veſten und Hochweiſen Herrn, Herrn Joh. Ernſt Kregeln, hochverdienten Baumeiſter und Fuͤrnehmen des Raths zu Leipzig, auch fuͤrnehmen Kauf - und Handels - Herrn daſelbſt, Meinen Hochzuehrenden Herren.
EW. Magnificence, Hoch - Edelgebohrnen und Hoch-Edlen Herrlig - keiten, gegenwaͤrtiges werckchen zuzueignen, habe kein bedencken ge - tragen, da mir theils eine allgemeine ſchuldigkeit ſchon fuͤrlaͤngſt auferleget, Erlauchte und Hochverdiente Haͤupter zu verehren, theils gantz beſondere pflich - ten, welche, wann ich ſie erzehlen wolte, uͤber die graͤntzen einer zuſchrift giengen, mich zu dieſem unternehmen ins beſon - dere verbinden. Es iſt zwar dieſe art der verehrung allezeit mit einiger kuͤhn - heit, und zuweilen gaꝛ zu groſſen freyheit vergeſellſchaftet: Doch haben leute von) (3ho -hohem range und veꝛdienſten, ſolche kuͤhn - heit leichter vergeben und genehm gehal - ten, als diejenigen, welche mit ihren weni - gen faͤhigkeiten, ſo zu reden, noch vor den hafen der gehoften ruhe laviret, ſelbige begangen. Jch ſchmeichle mir mit die - ſen eines gleichen gluͤcks, und da ich die eh - re habe, Ew. Magnificence, Hoch-Edelge - bohrnen, Hoch-Edlen Herrligkeiten / alle arten vom wohleꝛgehen zum aufnehmen des gemeinen beſten und zu dem hohen vergnuͤgen Dero hoch-anſehnlichen Fa - milien anzuwuͤnſchen: So erſuche Die - ſelben unteꝛthaͤnig, dieſe blaͤtter als gerin - ge fruͤhlings-bluͤthen nicht zu verſchmaͤ - hen, ſondern hochgeneigt anzunehmen, und mich ſo lange Dero hohen wohlge - wogenheit zu wuͤrdigen, biß ich durch vollkommene fruͤchte zeigen koͤnne, mit was fuͤr beſonderer tieffen ergebenheit ich ſey
EJne vorrede iſt einem buche ſo noͤthig, als einem prieſter der kragen, einem profeſſor der mantel und einem ſtu - denten der degen, denn ſie ſoll dem buche das anſehen und die rechte kraft geben, auch wider die vermuth - lichen anfaͤlle es zum voraus verthaͤidigen. Dieſes hat der herr auctor reiflich in erwegung gezogen; nachdem er aber ſeine zeit lieber auf andere dinge als auf vorreden wendet: ſo hat er mich erſuchet, ihn der muͤhe zu uͤberheben, und ich habe auch ohne be - dencken ihm gewillfahret, und ſtatt ſeiner die muͤhe eines vorredners uͤber mir genommen. Wann du aber von mir erwarteſt, daß ich dir dieſe arbeit an - preiſe, und mit geſchminckten und geſchwaͤntzten no - ten erheben ſolle, ſo wirſt du dich betrogen finden. Jch ſchicke mich zu nichts weniger, als zu einem pa - negyriſten, und es wird auch weder dir noch dem auctori / welcher den fehler an ſich hat / daß er von ſeinen ſachen immer zu wenig haͤlt, damit gedienet ſeyn. Alſo will ich dir nur eins und andeꝛs, was du wider dieſes buch einwenden koͤnteſt, unter den fuß geben, du magſt heꝛnach ſehen, ob ich recht habe, und die boltzen vollends verſchieſſen. Da der herr au - ctor eine Oratorie ſchreibet, ſo ſcheint er die menge derſelben zu vermehren, und wir haben bereits der Metaphyſicken, Logicken und Rhetoricken ſo viel, daß wir iemand bitten moͤchten, einen vorſchlag zu thun, wie man die anzahl derſelben verringerte. ) (4NunVorrede. Nun wird er zwar wohl einwenden, daß er ſich hier der allgemeinen freyheit bedienet / welche einem ie - den erlaubet, ſo gut er kan, ſein weniges vermoͤgen zum dienſt des gemeinen beſten anzuwenden: Al - lein er haͤtte dich doch billich, mein leſer, erſt um er - laubniß bitten ſollen / mit ſeinen ſchlechten ſachen herfuͤrzutreten. Weiter habe ich anfangs mich verwundert, warum er es eine Philoſophiſche Oratorie genennet? Denn ich ſehe ja, daß es auf alle arten von reden gerichtet iſt, was er hier fuͤrbringet. Vielleicht meinet er, die Philoſophie ſey die univerſelle gelehrſamkeit, und weil er ſein werck auf Philoſophiſche, das iſt, nach ſeiner mei - nung, auf gelehrte gruͤnde bauet, ſo ſey es auch eine Philoſophiſche Oratorie. Wann du nun mein - teſt, auch auf dieſe weiſe Theologiſche, Juridiſche und Mediciniſche Oratorien zu ſchreiben, ſo koͤnteſt du es verſuchen, aber du wuͤrdeſt es vielleicht nach ſeinem concept nicht treffen, dann er wuͤrde ſpre - chen, daß auch dieſe philoſophiſch / das iſt, gelehrt, muͤſten geſchrieben weꝛden, und in dieſen ſtreit will ich mich weiter nicht mengen, dann es kaͤme da wohl auf kein raiſonniren ſondern auf die probe ſelber an. Bey dem werck ſelbſt hat der herr auctor ſeine lehr - ſaͤtze ziemlich frey fuͤrgetragen, aber mit noch frey - ern noten erlaͤutert. Erſtlich handelt er von ein - richtung der gedancken, nachgehends von dem aus - druck derſelben, und endlich von der diſpoſition derſelben. Da gehet er von andern ab, welche die elocution zuletzt ſparen, er handelt nirgends von denen generibus dicendi, demonſtratiuo, deliberatiuo, Judiciali, ohngeachtet M. Uhlmann zum troſt aller rhetorum das didaſcalicum noch erfunden. Hin - gegen dringet er uͤberall darauf, daß man der natur des obiecti nachgehen, und wie ein mahler dabey ſich auffuͤhren muͤſſe / welcher eine ſache nach der natur fuͤrſtellet, allenthalben die regeln der pro - portion / der Perſpectiv, des wohlſtandes beobach -tet,Vorrede. tet, ſein obiectum zuweilen ausputzet, ſtarcke lichter, ſtarcke ſchatten, und die doch mit einander in einer guten harmonie ſtehen, und in einander zu flieſſen ſcheinen, anbringet. Deßwegen hat er auch den Apellem auf das kupferblat ſetzen laſſen, wie der - ſelbe bemuͤhet iſt, dem Alexandro die urſachen ſeiner Mahlerey zu entdecken. Nun laß ich alles dieſes dahin geſtellet ſeyn, wo man ſonſt ſo viel hinzuſtel - len pfleget, und muß erwarten, ob ich dem herrn auctori recht prophezeiet, da ich ihm zuvoraus ge - ſagt, daß er einige mit ſeiner ſchreibart beleidigen, und vielleicht denen gelehrten regiſtratoribus, wel - che mit anderer leute fehlern geld verdienen, in die haͤnde fallen werde: Oder ob er recht gehabt, da er mir geantwortet, daß er nicht vermuthe, die feindſchaft vernuͤnftiger leute auf ſich zu laden; wolten hingegen die unvernuͤnftigen boͤſe werden, ſo ſey ihm ſolches gar lieb, denn es wuͤrde albern ſeyn / wenn er ſich etwas leid ſeyn lieſſe, das er doch nicht aͤndern koͤnne. Jch moͤchte nur in ſeinem nah - men den geneigten leſer bitten, daß er, ehe er boͤſe werden wolte, zuvor die umſtaͤnde uͤberlegte, die antecedentia und conſeqventia der ſtelle wohl be - trachtete, womit er ſich etwa beleidiget zu ſeyn glaubte, und lieber einer gelinden auslegung derſel - ben, als einer uͤbereilten gehoͤr gaͤbe. Er ſetzte hin - zu, daß er ſich auch fuͤr denen urtheilen derienigen nicht fuͤrchtete, welche ſelbige oͤffentlich an den tag legten, wohl aber fuͤr dieienigen, welche gleich de - nen ſchmeißfliegen, gantz in der ſtille, auch auff die reinſten ſtellen ihre excrementa ingenii ſetzten, und ohngeachtet ſie ziemlich ſtranguriam empfaͤnden, in ihrer ſatyriſchen vena, dennoch aus verborgenen winckeln auf andere ihren gifftigen unflath gar zu gerne ſpritzten. Denn, ſagte er, wer ſeine gedan - cken uͤber meine arbeit publiciret, der unterwirfft ſich dem urtheil der gantzen welt, die etwas davon zu ſehen bekommt: iſt er nun vernuͤnftig in ſeinem) (5ur -Vorrede. urtheil, ſo lerne ich ia etwas von ihm / und bekuͤm - mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu anlaß gegeben, iene ſchuͤtzet man mehrentheils fuͤr, und dieſer iſt das rechte principium movens. Jſt er unvernuͤnftig, ſo wirds ihm gehen wie dem Alex - andro, da er von des Apellis gemaͤhlde unrecht rai - ſonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten; denn es werden auch die anfaͤnger der beredſamkeit ihn fuͤr einen ungeſchickten raiſonneur halten. Jſt er endlich gar grob / ſo fehlt mirs nicht an hertz, auch nicht an der faͤhigkeit, ihm gehoͤriger weiſe zu begegnen. Meines orts laſſe ich, wenn du es an - ders auch zufrieden biſt, geneigter leſer, dem herrn auctori darinne ſeine freyheit, und kan ers halten nach ſeinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern, daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro - chen reden hoͤreſt, daraus ſchluͤſſe macheſt: denn er redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein - zele perſonen, denen er nicht trauet, und die er nicht kennet. Sonſt halte ich ihn fuͤr ſo complaiſant, daß er niemand ſeine meinung aufdringet, abeꝛ ſich nicht gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen laͤſt, ohngeachtet er keine ſchwierigkeit macht, allen leuten ſuo modo recht zu geben, aber nicht von dir praͤtendiret, daß du ihm in allem beyfallen ſolteſt, da du vielleicht mit deinem geſchmack ſelbſt noch nicht einig biſt. Zwey dinge muß ich doch noch beruͤh - ren, einmahl die allegirten auctores und heꝛnach die beygebrachten exempel. Bey ienem ſcheints, als wann der herr auctor wenig ſtaat darauf machte, denn er fuͤhrt ſie ſo quaſi aliud agendo an. Jch habe ihm treuhertzig gerathen, er ſolle etwan ſehen, wie er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm vorſpann gebe, und die auctores brav zuſammen peitſchete, ich habe ihm auch etliche fuͤrgeſchlagen, welche, ohngeachtet ſie ſo wenig Frantzoͤiſch als Rabbiniſch verſtehen, doch gantze buͤcher mit Fran -tzoͤi -Vorrede. tzoͤiſchen und Rabbiniſchen noten heraus geben. Allein er meinte, was es denn noͤthig waͤre, anderer leute zeugniſſe anzufuͤhren, da die ſache ſelbſt redete, er habe noch gantze millionen auctores, die er alle anfuͤhren wolle, wo man ihn der allegatorum we - gen boͤſe machte. Bey den exempeln die er ſelbſt gemacht / [denn mit anderer leute arbeit habe ich ie - tzo nichts zu thun] habe ich ihn gefraget, ob er nicht in ſorgen ſtuͤnde, wann etwa Herr Luͤnig ſolte auf die gedancken kommen, die reden kleiner herren heraus zu geben, daß man auch da ſeine arbeit fin - den moͤchte: allein er ſchien deßwegen gantz ge - ruhig zu ſeyn, und meinte, wenn ihn etwa die natur ſo kuͤnſtlich zubereitet haͤtte, daß der kopff auf die huͤften relegiret waͤre, das geſichte bey dem kinne eben ſo hoch in die hoͤhe ſtuͤnde, als bey der ſtirn, die naſe gleich dem hoͤltzernen pferde auf einem gepfla - ſterten marckte herfuͤr ragete, und der mund die zaͤhne nicht mehr bedeckte, oder damit er deſto ferti - ger alle leute taxiren koͤnte, immeꝛ offen ſtuͤnde, auch ſonſt die gantze laͤnge ſeines coͤrpers nur etliche ſpannen betruͤge, da moͤchte er freylich die ehre ha - ben, daß man ihn unter die kleinen herrn einſchalte - te; Aber da ihn der guͤtige himmel groͤſſer gemacht, als ihm lieb ſey, ſo wuͤrde man ſeinetwegen ſich wohl nicht bemuͤhen duͤrffen. Ubrigens hat er mir befoh - len, denenienigen hohen Patronis, wertheſten Goͤn - nern und freunden gehorſamſten ſchuldigſten erge - benſten danck abzuſtatten, welche ihm theils durch ihre lehren, theils durch ihren wohlgemeinten auf - richtigen u. freyen rath, theils durch com̃unicirung vieler buͤcher, theils durch ihre gemachte gelehrte einwuͤrffe, bey verfertigung dieſes werckes, beyge - ſtanden. Wann auch du, geneigter leſer, etwas fin - deſt, das verdiente beygebracht zu werden, ſo bittet er dich, daß du ihm ſolches nicht mißgoͤnnen wolleſt, er wird dir gleichen groſſen danck abſtatten; wuͤn - ſchet dir darneben alles wohlergehen, wie ich danngleich -Vorrede. gleichfalls dir will angewuͤnſchet haben. Sonſt nimm dir unbeſchwert die muͤhe und corrigire fol - gende druckfehler pag. 2. l. 11. ließ: eintheilung. p. 8. l. 11. ließ: program. IIII. §. 7. 14. p. 9. l. 20. ließ: den anhang, und l. 29. ließ: unten den anhang. p. 17. l. 29. ließ: Qvinctilianus. p. 23. l. 9. ließ: Part. III. cap. 3. p. 35. l. 24. ließ: naturale. p. 47. l. 19. communium. p. 62. l. 26. ließ: wollen. p. 72. l. 16. ließ: Hiſtoriſche. p. 76. l. 4. ließ: im dritten capitel. p. 82. l. 27. ließ: Apophthegmata. p. 84. l. 4. ließ: moͤglichkeit nicht unterſcheiden. p. 86. l. 27. ließ: daraus. p. 99. l. 4. ließ: zur. p. 105. l. 2. deutlichkeit. p. 190. l. 16. de Germaniſmis falſo ſuſpectis, de amplificatione verborum & totius locutionis, p. 177. l. 33. ließ: Micraelii. und an - dere, welche der herr auctor viellsicht bey dem aca - demiſchen gebrauch, dem dieſe arbeit gewiedmet, bemercken wird. Lebe wohl. Jch bin dein ergebenſter
M. L. v. S.
Hiemit wolte des Herrn Autoris, ſeines ehemali - gen wehrten Auditoris, Philoſophiſche Ora - torie der Studiren den Jugend beſtens recommendiren,
WAs die Oratorie ſey? §. 1. Worinn das weſen der wahren beredſamkeit beſtehe? § 2. Wel - ches der rechte endzweck der beredſamkeit? §. 3. Daß ſich die beredſamkeit auch in der con - verſation zeigen muͤſſe, §. 4. Von dem nutzen der Oratorie, §. 5. Daß die Oratorie deßwe - gen nicht zu verwerffen, weil ſie weltlich, weil man ſie von natur beſitze oder mißbrauchen koͤnne, §. 6. Wor - inn die Oratorie von der Logick unterſchieden? §. 7. Was zu einem redner erfodert werde und ob er ein polyhiſtor ſeyn muͤſſe? §. 8. Was zu einem redner gehoͤre in anſehung des leibes? §. 9. Jn anſehung des verſtandes? §. 10. Jn anſehung des willens? §. 11. Was er fuͤr wiſſenſchaften hauptſaͤchlich verſtehen muͤſſe? §. 12. Von der klugheit des redners uͤderhaupt, §. 13. Von der klugheit des redners, in anſehungAder2vernuͤnftige anleitungder ſache davon er redet, §. 14. Jn anſehung ſeiner eignen perſon, §. 15. Jn anſehung ſeines zuhoͤrers, §. 16. Jn anſehung der aͤuſſerlichen umſtaͤnde, §. 17. Von der hiſtorie der Oratorie uͤberhaupt §. 18. Von der Oratorie vor der ſuͤndfluth und nach derſelben bey den Barbarn, §. 19. Bey den Phoͤniciern, Hebraͤern und Griechen, §. 20. Bey den Roͤmern, §. 21. Bey den Teutſchen, §. 22. Bey den Frantzoſen, §. 23. Bey den Engellaͤndern, §. 24. Bey den Jtaliaͤnern, §. 25. Bey den Spaniern, §. 26. Bey denen uͤbrigen Natio - nen, §. 27. Von[der eintheilung] der Oratorie, §. 28.
§. 1.
DJe Oratoriea) iſt eine vernuͤnftige anweiſung! zur beredſamkeit, das iſt, zu der geſchicklichkeit, ſolche woͤr - ter zugebrauchen, welche mit un - ſern gedancken genau uͤberein kommen,b) und in ſolcher ordnung mit ſolcher art: ſeine gedancken fuͤrzuſtellen, daß in denen die unſere worte hoͤren oder leſen, eben die gedancken und regungen entſtehen, die wir ihnen beybringen wollen, damit die gluͤckſeeligkeit des menſchli - chen geſchlechts befoͤrdert und der umgang un - ter ihnen angenehm gemacht werde.
§. 2. Alſo beſtehet das weſen der beredſamkeit in dem accuraten ausdruck der gedancken, und es irren dieienigen, welche ſolches in der men - ge leerer worte,a) in pedantiſchen formuln, in figuren, in argutien,b) in der gleichheit mit andern beruͤhmten rednern, in dem klange der rede,c) in der kunſt den leuten was weiß zu machen,d) in der fertigkeit von ſachen pro - und contra zu ſchwatzen,e) und in andern der - gleichen kleinigkeiten ſuchen.
§. 3. Die beredſamkeit hat einen doppelten endzweck, einen allgemeinen und einen gantz beſondern. Den allgemeinen hat ſie mit der gantzen gelehrſamkeit, auch ſo gar mit der ſpra - che gemein, nemlich die gluͤckſeeligkeit und das vergnuͤgen der menſchlichen geſellſchaft zu be - foͤrdern. Der beſondere endzweck aber iſt, durch geſchickten ausdruck ſeiner gedancken in andern eben die gedancken und regungen erwe - cken, die man ſelbſt bey ſich hat und empfindet und in andern rege zu machen ſuchet. a)
§. 4. Aus dieſem flieſſet von ſelbſten, daßdie5zur beredſamkeit. die beredſamkeit ſich auch im umgange zeigen muͤſſe, weil eben daſelbſt die meiſte gelegenheit ſich zeiget, die gluͤckſeeligkeit und das vergnuͤ - gen der menſchlichen geſellſchaft zu befoͤrdern, und ſeine gedancken auszudrucken. Zumahl da man im umgange mit andern bey dem fuͤr - trag ſeiner gedancken leicht wiederſpruch findet, dafuͤr man bey oͤffentlichen declamationibus ſicher iſt.
§. 5. Da uns nun die Oratorie zu einer ſol - chen beredſamkeit vernuͤnftige anweiſung giebt, ſo iſt ſie gewiß eine der noͤthigſten und nuͤtzlichſten wiſſenſchaften. Alles unſer den - cken und wiſſen wuͤrde vergraben liegen, und die menſchliche geſellſchaft wuͤrde kaum beſte - hen, noch von den thieren koͤnnen unterſchieden werden, wann wir nicht die faͤhigkeit haͤtten unſere gedancken durch worte an den tag zu le - gen und zu reden. Allein alle unſere conver - ſation und wiſſenſchaft, wuͤrde ein rechtes Ba - bel ſeyn, wann wir nicht durch die Oratorie, zum vernuͤnftigen ausdruck unſerer gedancken angefuͤhret wuͤrden und alſo durch vernuͤnfti - ges reden uns von unvernuͤnftigen menſchen und albernen waͤſchern unterſcheiden koͤnten.
§. 6. Jch weiß alſo nicht ob es eine heilige oder naͤrriſche einfalt ſey, wenn man die Ora - torie fuͤr eine ſache haͤlt, welche weil ſie welt - lich, das iſt, nicht aus der offenbahrung ent - ſprungen, einen nothwendigen zuſammenhang mit der ſuͤndlichen welt habe. a)Dieienigen welche ſonſt der Oratorie gram, erklaͤren ſich auch fuͤr feinde der wahren beredſamkeit, und unterſcheiden nicht eine vernuͤnftige Oratorie, von einem Scholaſtiſchen woͤrterbuch,b) oder wollen lieber uͤbelreden, als auf einen vernuͤnf - tigen ausdruck ihrer gedancken bedacht ſeyn, oder halten ihre fertigkeit im plaudern fuͤr be - redſamkeit, wie dieienigen thun, welche ſich ein - bilden von natur beredt zu ſeyn,c) oder ſte - hen ſonſt in albernen vorurtheilen. d)
§. 7. Wie die Oratorie zur beredſamkeit anfuͤhret, alſo muß hingegen die Logick zum vernuͤnftigen dencken anweiſung geben. UndA 4zwar8vernuͤnftige anleitungzwar muß dieſe billich vorangeſetzet werden,a) denn die Oratorie giebt keine anweiſung, von ſachen, die man nicht verſtehet, und davon man keine oder unordentliche gedancken hat, viel worte zu machen. Hierinn iſt aber zugleich der rechte unterſchied der Oratorie und Logick zu ſuchen, und nicht in prolixitate expreſſio - nis. b)
§. 8. Wer alſo ein vernuͤnftiger redner und kein locutulejus oder affectiꝛender unnuͤtzer waͤ - ſcher ſeyn will, muß von der natur gute gaben und faͤhigkeiten erhalten, und dieſe faͤhigkeiten, durch die kunſt und cultur, zu fertigen guten ge - ſchicklichkeiten gemacht haben. von nichts reden als was er verſteht, und auch von dem was er verſteht, nicht eher reden als es noͤthig iſt. Wor - aus erhellet, daß er eben kein polyhiſtor ſeyn muͤſſe. a)
§. 9. Es werden aber zu einem redner fol - gende dinge erfordert, und zwar in anſehung des leibes, daß er nichts wiederwaͤrtiges undver -9zur beredſamkeit. verdrießliches in ſeiner perſon, geſichte und aͤuſſerlichen weſen habe, uͤber ſeine minen air und geſtus ohne affectation diſponiren koͤnne, auch ſeine ſprache zu moderiren wiſſe und im uͤbrigen mit geſunden organis zum reden aus - geruͤſtet ſey. a)
§. 10. Jn anſehung des verſtandes, muß er ordentlich, gruͤndlich, deutlich, artig gedencken, alles muß von einem geſauberten iudicio dirigi - ret werdena) das ingenium und memorie muͤſſe nicht zu hefftig wuͤrcken, aber auch nicht gar zu ſchwach ſeyn. b)
§. 11. Jn anſehung des willens, muß er eine durch kunſt und klugheit zu wege gebrachte gleichguͤltigkeit beſitzen,a) aufrichtige und red - liche abſichten haben,b) und uͤber ſeine nei -A 5gun -10vernuͤnftige anleitunggungen einiger maſſen diſponiren koͤnnen, nicht furchtſamc), aber auch nicht verwegen ſeyn.
a)§. 12. Von wiſſenſchaften ſind ihm ei - nige ſchlechterdings noͤthig, einige koͤnnen ihm nur zuweilen nuͤtzen. Die noͤthigen ſind: Logicka), Moralb), insbeſondere die kunſt der menſchen gemuͤther zu erkennen,c) die hiſtorie derer dinge, die nahe um ihn ſind,d) und die principia der ſache, davon er reden wille), ingleichen eine erkaͤnntniß der ſprache, darinn er redet. f)Alle uͤbrige gelehrte wiſ - ſenſchaften, insbeſondere die alte und neue Hiſtorie, koͤnnen ihm nach ſeinen unterſchie - denen abſichten bald mehr, bald weniger nuͤtzen.
§. 13. Jn den regeln der klugheit muß ein vernuͤnfftiger redner wohl erfahren ſeyn, dann hiedurch erlangt er eine geſchicklichkeit, nachden14vernuͤnftige anleitungden unterſchiedenen beſchaffenheiten der per - ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge - dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel - ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt.
§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un - ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti - ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt - erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und ſtellungen erfordert.
§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei - nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei - ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in - nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli - chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach - tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan - des, und auf die neigungen ſeines willens, dieſe aber auf das eigentliche decorum ora - torium.
§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al - ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr - heiten annehmen, vertragen oder mißbrau - chen koͤnnen und dergleichen.
§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn - de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig inbe -15zur beredſamkeit. betrachtung gezogen werden, widrigenfalls wird man vergebens reden, ihm ſelbſt und andern ſchaden, und ſtatt eines geſcheuten redners ein unnuͤtzer waͤſcher werden, ja wohl gar ein thoͤrichter und ſchaͤdlicher menſch heiſſen.
§. 18. Die hiſtorie der Oratorie giebt ei - ne nachricht von denenienigen, welche anwei - ſungen zur beredſamkeit geſchrieben, oder ih - re proben der beredſamkeit der gelehrten welt mitgetheilet. Ferner, was die Oratorie und beredſamkeit fuͤr zufaͤlle gehabt, was fuͤr veraͤnderungen ſie unterworffen geweſen, und ſo fort an.
§. 19. Jn den zeiten vor der ſuͤndfluth,a) und gleich nach derſelben bey den Barbarn,b) Scythen,c) Chaldaͤern, Jndianern und andern voͤlckern, findet man von der Orato - rie nichts. Jnzwiſchen moͤgen doch wohl beredte leute unter ihnen geweſen ſeyn, die theils auf einen accuraten ausdruck geſehen, theils ihn durch gute regeln feſte zu ſtellen ſich bemuͤhet haben, damit ein vernuͤnftiger ge - brauch der rede unter denen menſchen einge - fuhret wuͤrde.
§. 20. Bey den Phoͤniciern, Hebraͤern, und andern Orientaliſchen voͤlckern, hat ſichieder -17zur beredſamkeit. iederzeit eine ſehr heftige und lebhafte imagi - nation, wegen ihres hitzigen climatis, in einer ſehr fruchtbaren erfindung und reichem aus - druck gewieſen, wie man ſolches an denen ſchriften altes Teſtaments zum theil wahr - nimmt. Doch iſt uns ſonſt nicht viel uͤbrig blieben, von dem, was ſie etwan in der Ora - torie und beredſamkeit herfuͤrgebracht. Die Griechen aber haͤlt man fuͤr die erſten, ſo durch die wohlredenheit beruͤhmt worden, da - zu ihnen die form ihrer republicken anlaß gege - ben. Jns beſondere haben Ariſtotelesa) mit ſeiner Rhetorick, Jſocratesb) und Demo - ſthenesc) mit ihren reden, ihren guten cre - dit, biß auf unſere zeiten, fuͤr allen andern behauptet.
§. 21. Die beredſamkeit der Roͤmer fieng in ihrer republick gar ſpaͤte an ſich zu zeigen, ſtiege bald zu dem allerhoͤchſten gipfel, und fiel nach und nach wieder, nachdem ſie ſich in al - len arten fuͤrtreflich gewieſen. Jn der theo - rie dienen uns noch Cicero und Quincilianus, und in der praxi haben wir vollkommene mu - ſter an Cicerone, Quinctiliano. Seneca, Pli - nio, und vielen andern.
BSiehe18vernuͤnftige anleitung§. 22. Die alten Teutſchena) bemuͤheten ſich mehr durch tapfere thaten, als trefliche reden beruͤhmt zu werden, biß endlich Ru - dolph von Habſpurgb) durch einfuͤhrung der Teutſchen ſprache bey ein und andern ge - richtlichen handlungen, und die fruchtbrin - gende Geſellſchafft,c) dieſe Nation erinner - ten, an die cultur der Teutſchen ſprache und beredſamkeit zu gedencken, darin ſie ietzo, wo nicht alle Nationen uͤbertrifft, doch von kei - ner uͤbertroffen wird. Wolte man die hiſtorie der Teutſchen beredſamkeit ausfuͤhrlich be - ſchreiben, wuͤrde man auf die Schleſiſched) Meißniſche,e) Niederſaͤchſiſchef) und fraͤnckiſcheg) wohlredenheit, ins beſondere zu ſehen haben. Uberhaupt ſind in der theorie zu ruͤhmen: Huͤbner. h)Lange,i) Menan - tes,k) Muͤller,λ) Talander,l) Uhſe,m) Weiſe,n) und andere. Jn der praxi aber kan man ſich Abſchatz*) Beſſers,o) Boͤhmers,p) Canitzens,q) Franciſci,r) Geyers,ſ) Gry - phii. t)Hoffmannswaldaus,u) Roͤnigs - dorffs,w) Lohenſteins,†) Maͤyers,x) Muͤllers,y) Neukirchsz) Neumanns,a) Pritii,b) Riembergs,c) Seckendorffs,d) Treuers,*) Thomaſii,e) Weiſens,f) Zieg -lers,19zur beredſamkeit. lersg) der reden groſſer Herren und fuͤr - nehmer Miniſter,h) ꝛc. mit nutzen bedienen. Zugeſchweigen, daß Buchner,i) Cellarius,k) Schurtzfleiſch,l) Schuppius,m) Jacob Thomaſius,n) und andere in der Lateiniſchen ſprache, mit ihrer beredſamkeit groſſe ehre eingelegt.
§. 23. Die Frantzoſen machen ihre bered - ſamkeit groͤſſer, als ſie in der that iſt, doch ſind als theoretici zu loben: Rapina) Lámi,b) Conrart,c) &c. Als practici aber ſind Boſ - ſvet,d) Flechier,e) Bourdaloue,f) Balzac,g) Boileau,h) Voiture,i) Pays,k) Buſſi Rabutinl) Fenelonm) Scuderi,n) &c. in groſſen ruhm. Uberhaupt iſt in der Frantzoͤi - ſchen beredſamkeit mehr bel-eſprit und artig -keit,27zur beredſamkeit. keit, als gruͤndliche ſcharfſinnigkeit anzutref - fen. o)
§. 24. Von der Engellaͤnder beredſam - keit iſt mir nur etwas weniges bekannt, nem - lich dieſes, daß ſie ihre reden mit groſſem fleiß und nachſinnen ausarbeiten, und fuͤrtrefliche proben ihrer wohlredenheit herfuͤrbringen, daß endlich ihre ſachen, wann ſie in das Teutſche uͤberſetzet, wegen ihrer ſchoͤnen realien und ſcharfſinnigen gedancken, ungemein wohl ge - leſen und gebraucht werden.
§. 25. Der Spanier beredſamkeit, iſt nach dem genie dieſer nation, praͤchtig, ſpruchreich,tief -29zur beredſamkeit. tiefſinnig, wie man ſolches an des Gracians lobredea) auf Ferdinandum Catholicum, die Lohenſtein uͤberſetzet, wahrnimmt. Es iſt auch ſonſt dieſe Nation, bey den kennern der Spaniſchen ſprache und Hiſtorie, in groſſen credit.
§. 26. Denen Jtaliaͤnern, fehlt es nicht an guten rednern in ihrer ſprache. a)Es zeigt ſich aber ihre beredſamkeit mehr in der Poeſieb) und lateiniſchen reden. c)Jn der letztern art haben ſie ſolche proben die Ciceronianiſch ſind gegeben.
§. 27. Es wuͤrde muͤhſam und weitlaͤuftig, doch nicht gar zu nuͤtzlich ſeyn, aller voͤlcker be - redſamkeit hiſtoriſch zu unterſuchen. Die Eu - ropaͤiſchen, deren noch nicht erwehnung geſche - hen,a) haben ſich nicht ſonderlich ſignaliſiret in ihren mutterſprachen und nur eintzeln, in La - teiniſcher ſprache, ihre beredſamkeit gewieſen, wie dann Europa in den neuern zeiten, an La - teiniſchen rednern fruchtb arer geweſen, als an rednern die ihre eigne mundart cultiviret haͤttẽ. b)Und aus den andern theilen der welt, kom - men zuweilen proben der beredſamkeit zum vorſchein, darinn ſchoͤne und lebhaffte ſtricheeiner30vernuͤnftige anleitungeiner natuͤrlichen faͤhigkeit und grotesque al - berne ideen, aus mangel ſattſamer cultur im - mer miteinander abwechſeln. c)
§. 28. Wofern unſere Oratorie hinlaͤng - lich ſeyn ſoll, eine gruͤndliche und artige bered - ſamkeit herfuͤrzubringen, werden wir allezeit erſtlich auf die erfindung der gedancken, zwey - tens auf den ausdruck derſelben durch worte, und drittens auf den fuͤrtrag ſelbſt, die dabey noͤthige ordnung und andere umſtaͤnde zu ſehen haben. Auf welche theile auch folgende anweiſung beruhet.
WAs erfinden eigentlich ſey? §. 1. Was die erfin - dung in der Oratorie ſey? §. 2. Wie vielerley dieſe erfindung in der Oratorie? §. 3. Von der erfin - dung der materie zumreden, §. 4. Von der erfindung eines thematis, oder von dem, was man will im re - den ausfuͤhren, §. 5. Von denen thematibus natu - ralibus und was dabey zu mercken, §. 6. Von denen thematibus artificialibus, §. 7. Wie die themata artificialia zu erfinden? §. 8. Was bey denen thema - tibus artificialibus in acht zunehmen? §. 9 Von denen lahmen erfindungs-mitteln, als der Lulliſterey, dem pathetiſchen weſen, dem Oratoriſchen enthuſiaſmo der cahbala, der topic, dem buchſtaben-ſpielen, in - uentione analogica ꝛc. §. 10. Vondenen ſo von der erfindung geſchrieben. §. 11.
§. 1.
DJe erfindung aller dinge, ſo weit ſelbige in die graͤntzen menſchlicher erkaͤnntniß eingeſchloſſen, beruhet auf eine fertig - keit desingenii, ſachen nach der moͤglichkeit zu - ſammen zu verbinden oder aus einander zu ſe - tzen. a)Die ſchoͤnheit des ingenii, kommt auf dietref -32von der erfindungtreflichkeit des dabey herfuͤrleuchtenden iudicii an, und die rechte beſchaffenheit des iudicii, auf eine gute erfahrung und vernunft-lehre. Wer alſo dieſes bey einander beſitzet, kan gut erfin - den.
§. 2. Jn der Oratorie heiſt erfinden ſoviel, als bey denen gelegenheiten, welche uns gebieten zu reden, gedancken faſſen, wie man die ge - ſammlete wiſſenſchaft und erfahrung in reden anbringen moͤge, damit man ſeinen endzweck erhalten koͤnne.
§. 3. Man gedencket alſo, ehe man redet, an das wovon man reden oder was man in reden ausfuͤhren will, und hernach an die art und weiſe, wie man davon reden wolle, ienes heiſt inuentio thematis, dieſes inuentio argumen - torum.
§. 4. Die materie zum reden, geben uns al le dinge, davon wir gedancken haben oder faſ - ſen koͤnnen. Die gelegenheit aber der zeit des orts, und anderer umſtaͤnde oder begebniſſe, giebt uns freyheit und erfodert auch wohl von uns, unſere gedancken auszudrucken, und alles was wir davon wiſſen und gedencken anzu - bringen.
§. 5.33der gedancken.§. 5. Dieſe gelegenheit wird genennet ca - ſus, und der kurtze inhalt meiner gedancken, darauf die rede gebauet wird, heiſt die propoſi - tio, das thema. a)Zuweilen kan man nur einen eintzigen concept zum grunde legen,b) mehrentheils aber verbindet man zwey conce - pte in dem dritten,c) und formiret alſo einen ordentlichen ſatz, ia zum oͤftern muß man viele ſaͤtze mit einander verbinden und davon re - den. d)
§. 6. Bleibt man ſchlechterdings bey dem ca - ſu, und zieht das thema gleich heraus, ſo be - kommt man ein thema datum oder naturale. a)Dabey muß man zufoͤderſt auf die regeln der vernunft-lehreb) hernach auf die regeln der klugheit,c) und nach anleitung derſelben auf alle umſtaͤnde genau acht haben. Wenn man nun durch artige, nicht gar zu bekannte, einfaͤl - le, muthmaſſungen, vergleichungen, anmer - ckungen, ausſchweiffungen ein thema natura - le wohl ausfuͤhret, ſo wird man mit einem the - ma naturali eben ſo weit kommen als irgend ein anderer mit ſeinem themate artificiali.
§. 7. Zuweilen iſt man nicht geſchickt ein thema nalurale recht zu tractiren, oder man will damit nicht zu frieden ſeyn, ſo ſuchet man durch eine meditation, und alſo durch die kunſt etwas bey dem caſu zu erſinnen, damit man das thema naturale verknuͤpfen koͤnne, das vielleicht bey dem erſten anblick nicht iedermann in die ſinne faͤllt und dieſes heiſt hernach ein thema artifi - ciale.
§. 8. Solches nun zu finden, reſolvirt man den caſum in ſeine umſtaͤnde, bey iedem um - ſtande ſuchet man allerhand moͤgliche einfaͤlle, muthmaſſungen, urſachen, und andere gedan - cken zu faſſen, dieſe ſchlieſſet man in kurtze pro - poſitiones ein, ſo hat man viel themata artifi - cialia. a)Die umſtaͤnde ſind entweder ge - nerales, oder ſpeciales oder ſpecialiſſimae,b) bey deren auſſuchung und ausfuͤhrung wie bey allen thematibus artificialibus das thema na - turale zum grunde muß geleget werden.
§. 9. Sonſt muß ich bey einem themate ar - tificiali allezeit erwegen, ob ich nicht beſſer thaͤ - te, wann ich beym naturali bliebe? wie ich es kurtz, doch nicht dunckel und zweydeutig ab - faſſen muͤſſeb) wie es mit dem themate natu - rali auf eine ungezwungene und angenehme art zu verknuͤpfen,c) ob etwan ein affect da - bey anzudeuten und wie?d) und endlich daß weder in der abfaſſung und putz noch in der ausfuͤhrung deſſelben etwas paradoxes mit unterlauffe. e)
§. 10. Jch koͤnte mehr anfuͤhren von erfin - dung der thematum, wann meine abſicht waͤ - re aus der Oratorie einen pontem aſinorum zu machen, daraus auch dieienigen, denen es an den hauptſtuͤcken ſo zur wohlredenheit gehoͤren, fehlet, von ſachen die ſie nicht verſtehen, viel erfindungen und worte machen lernten. Viel - leicht iſt aber dieſes die abſicht derer, welche mit der arte Lulliana,a) der topica,b) der inuentione analogica,c) der cabbala,d) dem buchſtaben ſpielene) und dergleichen, wie iener Kaͤyſer mit denen an den Brittanniſchen kuͤſten aufgeraften und in triumph gefuͤhrtenmu -41der gedancken. muſchelſchaalen ein groſſes geraͤuſch machen, oderdie lehr-begierigen auf ein pathetiſches we - ſen Oratoriſchen enthuſiaſmum und andere ſtaffeln zur waͤſcherey und narrheit verweiſen.
Qua Cabala quiuis ex quouis fingere quoduis, Et ſibi pro lubitu dicere fata queat, Haccine pro certo promitti maſcula proles Imperio poſſit Caeſareoque throno? Oma -43der gedancken. Omagnas nugas magnis conatibus actas! Quas puerum & ſuperent vtilitate nuces! Optetis ſtulti! ſperetis, Cetra tacete. Nam cabala haec fieri fabula forte poteſt.
Dieſes iſt mancherley, z. e. durch verſetzung in anagrammatibus als z. e. Calepinus, verſetzt Pe - licanus, Leopoldus: Pello duos, ſiehe Morhoff Polyh. l. VII. III. 6. der Herr von Beſſer in ſei - nen unvergleichen gedichten hat unter andern folgendes auf einen anagrammatiſten: Was hat doch auf den Helicon, Ein anagrammatiſt davon, Daß er der woͤrter ordnung ſtoͤhret? Nichts dann daß er den kopf ſich ſtoͤhrt, Und wie die woͤrter er verkehrt, So ſein gehirn ſich mit verkehret.
Es gehoͤren hieher alle luſus verborum; der poeten technopaegnia; wenn man aus ieden buchſtaben eines wortes ein beſonders wort macht, z. e. iener ſagte, er wolte ein friſch weib nehmen, das iſt: fromm, reich, iung, ſchoͤn, chriſtlich und haͤußlich; wenn man aus der gleichheit zweyer woͤrter gelegenheit zu reden nimmt, u. ſ. f.
§. 11. Von der erfindung haben geſchrie - ben Ariſtoteles,a) Cicero,b Boëthius,c) Quinctilianus,d) Rud. Agricola,e) Petrus Ramus,f) Beccherus,g) Cardanus,h) Raymundus Lullus. i)Alſtedius,k) Kir - cherus,l) Caſp. Knittel,n) Eman. The - ſaurus,o) Janus Gerhardus Bucholdianus,p) Caecil. Frey,q) Jord. Brunus,r) Owe - nus Gunther,ſ) Val. Thilo,t) Nic. Cauſſi - nus,u) Creſollius,w) Voſſius,x) Maſe - nius,y) Keckermannus,z) Weiſius,a)Fran -44von der erfindungFranciſcus Pomey,b) Eraſmus,c) Balbinus,d) Radau,e) Vincentius Placcius,f) M. Dauid Vlmann,g) Ludov. Granatenſis,h) Leibniz,i) Morhoffius,k) Hede ich,l) Wentzelm) &c. Alle die gantze Rhetori - cken heraus gegeben haben, ſind gleichfalls be - muͤhet geweſen, die lehre von der erfindung zum gebrauch zu aptiren, wiewohl nicht alle mit gleichen gluͤck. Man kan dieſe leſen, wenn man ſonſt will und muſſe hat, aber ich glaube ſo lange, daß man wenig nutzen davon haben werde, als es wahr iſt, daß ein mit guten na - tuͤrlichen faͤhigkeiten begabter, durch eine rech - te Logick gebeſſerter, durch wiſſenſchaften und erfahrung bereicherter verſtand, die beſte quelle guter erfindungen ſey.
WAs in der Oratorie ein argumentum ſey? §. 1. Ob ein argumentum in der Oratorie unterſchie - den von einem argumento logico, und worinn? §. 2. Wie vielerley die argumenta? §. 3. Aus was fuͤr quellen dieſelbe zu nehmen? §. 4. Was die klugheit bey erfindung der argumentorum erfordere? §. 5. Wie und in was fuͤr ordnung ſie anzubringen uͤber - haupt? §. 6. Was realia ſeyn? §. 7. Wie man ſich einen vorrath von allerhand fontibus zu argu - mentis anſchaffen koͤnne und von excerptis? §. 8. Von der fertigkeit allezeit argumenta zu haben, und nichts ohne raiſon zu ſagen. §. 9.
§. 1.
WEnn der redner feſtgeſetzet, wovon er reden wolle, ſo muß er auch darauf bedacht ſeyn, wie er von der ſache re - den wolle, dabey muß er auf alles gedencken, was ſeinen endzweck befoͤrdern kan, hingegen ſich bemuͤhen dasienige aus dem wege zu raͤu - men, was ihm daran hinderlich iſt, und alles was er zu dem ende beybringt, heiſſet man in der Oratorie ein argumentum.
§. 2. Weil nun durch daſienige was man ſeinen endzweck zu erhalten beybringt, das the - ma zugleich erweitert wird, ſo nennt man auch die argumenta oratoria, amplificationes. Und da dem redner freyſtehet, im nothfall,a) nachden49der argumentorum. den regeln der klugheit, allerhand beyzubrin - gen, was zur erhaltung ſeines endzwecks dien - lich, ſo duͤrffen auch ſeine argumenta nicht eben allezeit nach der Logicaliſchen ſchaͤrffe einge - richtet ſeyn. Denn in der Logick heiſt man das ein argument, womit man etwas entweder auf eine unſtreitige oder wahrſcheinliche art be - weiſet, und hierinn unterſcheiden ſich die argu - menta Logica von denen Oratoriis.
§ 3. Dieſer argumentorum zehlet man ſonſt eine groſſe menge, man hat argumenta realia und perſonalia, die realia theilet man in do - centia und perſuadentia, die perſonalia in con - ciliantia und commouentia. Zu den docen - tibus rechnet man explicantia, probantia, il - luſtrantia, applicantia und ſo fort an. a)Al - lein mir duͤnckt man koͤnne ſie am fuͤglichſten zu dieſen dreyen arten zehlen, wenn man die argu - menta eintheilet in probantia, illuſtrantia und pathetica.
§. 4. An argumentis kan es dem rednernie -51der argumentorum. niemahls fehlen, wann er eine gute Logick inne hat, die ſache davon er reden ſoll verſteht oder die diſciplin dahin dieſelbe gehoͤret,a) durch lectur und erfahrung einen guten ſchatz geſam̃ - let, und endlich die regeln einer vernuͤnftigen Moral anzubringen weiß. Und dieſe an - gefuͤhrte dinge ſind die allgemeinen fontes woraus alle argumenta flieſſen.
§. 5. Wenn man nun aus dieſen fontibus argumenta nehmen will, ſo muß man zuvor die ſache davon man redet und die beſchaffen - heit ſeines auditoris in betrachtung ziehen. a)Bey abſtracten ſachen muß ich mehr die diſci - plinen, bey ſinnlichen wahrheiten mehr die er - fahrung conſuliren. b)Bey einem zuhoͤrer der in anſehung der ſache, die ich ihm fuͤrtrage in - different iſt, kan ich der naturder ſache nach - gehen, wo nicht, muß ich ſehn ob er vermoͤgend, ſich durch gruͤndliche raiſons uͤberzeugen zu laſ - ſen, oder ob er durch ſeinen eignen affect, ſchwaͤche des verſtandes, oder des willens ein - zunehmen. c)Uberhaupt muß man die fon - tes und argumenta nicht miteinander vermi - ſchen, und ſonſt gedencken, daß es mehr auf die wichtigkeit und nachdruck der argumento - rum, als auf die menge derſelben ankomme. d)
B 2a)52von der erfindung§. 5. Nach beſchaffenheit der ſache und des zuhoͤrers, muß auch die ordnung derer argu - mentorum eingerichtet werden, dahero es nicht eben allemahl rathſam die ſtaͤrckſten oder die ſchwaͤchſten voranzuſetzen. Soll die ſache be - wieſen werden, faͤngt man von probantibus an, ſoll ſie deutlich gemacht werden, muͤſſenD 3illu -54von der erfindungilluſtrantia die fuͤrnehmſten ſeyn, ſoll ſie in die uͤbung gebracht werden, muß man zufoͤrderſt pathetica gebrauchen. Doch muͤſſen alle dieſe nach der capacitaͤt des zuhoͤrers ordentlich und deutlich angebracht werden, und es iſt zuweilen noͤthig, ehe man ſie beybringt, das gemuͤth des zuhoͤrers zu tingiren, damit ſie nicht fruchtloß abgehena)
§. 7. Man iſt ſonſt bemuͤhet geweſen, ſo ge - nannte realia in ſeinen reden anzubringen, man hat aber nicht allezeit den rechten begrif von ſolchen realibus. Vor dieſen hielte man exempla und teſtimonia auch wohl emblemata, ſimilia, medaillen, ꝛc. fuͤr realia. Heut zu tage hat ſich der geſchmack geaͤndert, und man glaubt, daß das reelle einer rede, in einem gruͤndlichen und nach der klugheit angebrach - ten raiſonnement beſtehe.
§. 8. Wer gute natuͤrliche faͤhigkeiten durch unterricht, nachſinnen, lectur, erfahrung und uͤbung gebeſſert und vollkommen gemacht, der wird alle univerſelle ſontes argumenta zu fin - den bey ſich haben. Da aber das gedaͤchtniß bey allen dieſem ein guter promus condus ſeyn muß, ſo ſucht man dieſem durch gute excerptaa) zu ſtatten zu kommen. Dieſemnach haben excerpta allerdings groſſen nutzen, allein man muß nicht meinen, daß es bloß und lediglich darauf ankomme.
a) Mor -55der argumentorum.§. 9. Damit man aber allezeit argumenta in bereitſchaft und auch die fontes und die ex - cerpta, welche man ſich angeſchaft gluͤcklich treffe und parat habe, ſo muß man ſeinen ver - ſtand bey allen was man ſiehet, erfaͤhret, hoͤ - ret, lieſet, excerpiret und empfindet, alſo gewoͤh - nen, daß er allezeit nachdencke, wie man es nutzen und wieder an den mann bringen koͤnne. Jm uͤbrigen muß man nichts thun und nichts reden, wovon man nicht wenigſtens allezeit zweyerley raiſons anzugeben wiſſe, eine wahr - haftige und eine ſchein-raiſon. a)Jch glau - be nicht, daß es einem auf die weiſe, an ar - gumentis fehlen koͤnne.
Was eigentlich beweißgruͤnde ſeyn? §. 1. Wie vie - lerley dieſelben? §. 2. Von den unſtreitigen beweiß gruͤnden? §. 3. Wie vielerley dieſelben? § 4. Beweißgruͤnde fuͤr die moͤglichkeit, §. 5. Fuͤr die ſinnlichen unſtreitigen wahrheiten, §. 6. Fuͤr die abſtracten unſtreitigen wahrheiten, § 7. Wo die - ſelben herzunchmen? §. 8. Wie dieſelben einzurich - ten und anzubringen? § 9. Von denen beweißgruͤn - den fuͤr die wahrſcheinlichkeit, §. 10. Wie vielerleydie -57und derſelben erfindung. dieſelben? §. 11. Beweißgruͤnde fuͤr die Hiſtoriſche wahrſcheinlichkeit, §. 12. Fuͤr die Phyſicaliſche wahrſcheinlichkeit, §. 13. Fuͤr die Moraliſche wahrſcheinlichkeit, §. 14. Fuͤr die wahrſcheinlich - keit der zukuͤnfftigen dinge, § 15. Fuͤr die wahr - ſcheinlichkeit im auslegen, §. 16. Wie ſolche argu - menta zu erfinden und anzubringen? §. 17. Von den beweißgruͤnden in der Philoſophie, §. 18. The, ologie, §. 19. Juriſprudentz, § 20. Medicin, §. 21. Mathematick, §. 22. Jm gemeinen leben, §. 23. Von der krafft dieſer beweißgruͤnde, §. 24. Von de - nen eigentlich ſo genannten Oratoriſchen beweiß - gruͤnden oder vom fuco oratorio, §. 25. Von teſti - moniis. § 26. Von apophthegmatibus, prouerbiis, ſententiis, §. 27. Von exemplis, fictionibus, §. 28. Von ſimilibus, emblematibus, comparatis ꝛc. §. 29. Von medaillen, wapen, inſcriptionibus, epitaphiis, ꝛc. §. 30. Von der benennung, ety mologie, antiphraſi, tropo, allegorie. ꝛc. §. 31. Von den argumentis ab inſinuatione, meditatione, conſectar[u]s, loco communi, argutiis ꝛc. §. 32. Wie man ſolche geſchickt gebrau - chen koͤnne? §. 33. Wenn noͤthig ſey zu beweiſen daß die gegenſeitige meinung irrig? oder vom argu - men to a contrario, §. 34. Was man dazu fuͤr be - weißgruͤnde habe, § 35. Wie man ſich in anwen - dung derſelben aufzufuͤhren. §. 36. Was dem iuſto, honeſto, §. 37. Und den regeln der klugheit gemaͤß bey den beweißgruͤnden, §. 38. Die beweißgrunde ſind nicht mit einander ohne noth zu verwechſeln. §. 39.
§. 1.
EJn argumentum probans oder beweiß - grund iſt ein richtiger ſchluß, wodurch ich die wahrheit eines ſatzes, aus ſeinen gehoͤrigen gruͤnden darthue, um den menſchli - chen verſtand gruͤndlich davon zu uͤberzeugen. a)
D 5a) Bey58von den beweiß-gruͤnden§. 2. Da alle wahrheit entweder unſtrei - tig oder wahrſcheinlich iſt, ſo muͤſſen auch die ſchluͤſſe, wodurch ich die wahrheit meines obie - cti beweiſen will, anders beſchaffen ſeyn, bey denen unſtreitigen, und anders bey denen wahrſcheinlichen wahrheiten. Alſo hat man zweyerley argumenta probantia uͤberhaupt, demonſtratiua und probabilia.
§. 3. Unſtreitige beweiß-gruͤnde ſind ſolche argumenta, welche den ſich ſelbſt gelaſſenen verſtand, alſo von der wahrheit einer ſache uͤberzeugen, daß er ihm ſolche nicht anders fuͤr - ſtellen, und auch keinen zweiffel ferner dabey haben kan.
§. 4. Und da die ſinne der urſprung und kennzeichen aller wahrheiten ſind, und ins be - ſondere die unſtreitigen wahrheiten, alſo aus denſelben entſpringen, daß ſie entweder unmit - telbar oder mittelbarer weiſe mit denſelben zuſammen verknuͤpft ſind, ſo hat man auch zweyerley arten von argumentis demonſtra - tiuis, nemlich ſenſualia und abſtracta.
§. 5. Ehe eine ſache als wahr behauptet wird, iſt ſie bloß moͤglich. Weil aber alles in der welt moͤglich, oder wenigſtens von uns nicht fuͤr unmoͤglich kan ausgegeben werden,a)ſo59und derſelben erfindung. ſo hat man auch noch nichts bewieſen, wenn man nur die moͤglichkeit der ſache dargethan hat. b)Folglich hat man ſich um beweiß - gruͤnde fuͤr die moͤglichkeit nicht ſonderlich zu bekuͤmmern. Wenn man aber doch die moͤg - lichkeit einer ſache darthun wolte, ſo haͤtte man nur zu ſehen, ob ſchon davon ein exempel fuͤr - handen, welches ſo dann die moͤglichkeit der ſache ſattſam beweiſen wuͤrde. c)Waͤre kein exempel davon fuͤrhanden, ſo koͤnte man durch allerhand gleichniſſe ſuchen die moͤglichkeit be - greiflich zu machen. d)Und endlich wird al - les moͤglich wann man zeiget, daß GOtt alles koͤnne wann er wolle, und daß kein menſchli - cher verſtand ſeine allmacht abmeſſen, noch ſeinen willen ergruͤnden koͤnne. e)
§. 6. Mit ſinnlichen unſtreitigen beweiß - gruͤnden, beweiſt man alle dieienigen dinge, welche unmittelbarer weiſe in die ſinne fallen,und61und derſelben erfindung. und dabey man weiter nichts gebraucht, als nur dieſe unmittelbarer weiſe von den ſinnen entſtandene begriffe, mit geſchickten worten auszudrucken. Hieraus koͤnte man zu einer rechten topic〈…〉〈…〉, den erſten locum uniuerſalem machen, nemlich experientiam. a)Und weil entweder wir, oder andere, die wahrheit der dinge unmittelbar aus den ſinnen empfunden, ſo bekommt man zweyerley ſinnliche unſtreiti - ge arten zu beweiſen, nemlich experientiam pro - priam und experientiam alienam. b)
§. 7. Dieienigen ſaͤtze welche mittelbar aus denen finnen herkommen und unſtreitig ſind werden durch gelehrte begriffe bewieſen, nem - lich durch die definitionesa) und diuiſiones,b) und durch den zuſammenhang des ſubiecti und praedicati. c)Bey denen definitionibus hat man auf das genusd) und differentiam,e) bey dem ſubiecto und dem praedicato, auf die propriaf) conceptus inferioresg) und ſupe - rioresh) und oppoſita,i) in der Moralins - beſondere auf den endzweck und die verhaͤltniß der mittel zu denſelben,k) in der Phyſic auf die urſachen deroſelben verhaͤltniß zu den wuͤrckungen, fleiſſig zu ſehen. l)Die rechte kraft aber der hierausgezogenen ſchluͤſſe, wird man ſich am allerbeſten aus der Logick ſelbſt bekannt machen muͤſſen.
a Cauſſa: Denn ſie iſt eine frucht der gebeſſer - ten vernunfft, eine gabe Gottes; & effectu: Denn ſie iſt urſach, daß man ſeinen verſtand recht gebrauchen lernet, das haben die ſtiffter der ſchulen und univerſi[t]aͤ[t]en wohl einge - ſehen, derwegen haben ſie lehrer und Profeſ - ſores der Logick beſtellet, und man ſehe dochei -64von den beweiß-gruͤnden,einen menſchen der gar keine Logick verſteht, was macht ein ſolcher nicht fuͤr alberne ſchluͤſ - ſe und laͤppiſche gloſſen und wie martert er ſich nicht eine ſache und wiſſenſchafft recht zu begreiffen.
Es mag dieſes ſtatt eines exempels gut genung ſeyn, ſo man aus dem ſtegreiff gegeben. Es iſt dabey nicht die meinung daß man alle ſolche be - weiß-gruͤnde bey einem ſatze nacheinander her - beten ſolle, ſondern man ſiehet leicht, daß das argumentum probans a definitione der grund und mittelpunckt der uͤbrigen ſey.
§. 8. Die unſtreitigen beweiß-gruͤnde bey den ſinnlichen wahrheiten aus eigener erfah - rung, giebt uns unſre empfindung und erkaͤnnt - niß. Aus anderer leute erfahrung kan man beweiß-gruͤnde haben, wann man entweder ihre muͤndliche oder ſchriftliche erzehlungen ſich bekannt macht, und ſonſt verſichert iſt, daß ſie nicht aus einfalt ſich ſelbſt, aus boßheit andere zu betruͤgen bemuͤhet ſind. Es muͤſſen aber alle beweiß-gruͤnde aus der erfahrung, ſo ein - gerichtet ſeyn, daß entweder niemand da - ran zweiflen darf, oder daß iedermann die wahrheit derſelben ohne weitlaͤuftigkeit ſelbſt empfinden koͤnne. a)Die beweiß-gruͤnde zu den unſtreitigen abſtracten gelehrten wahr - heiten, geben uns quoad materiam die diſci - plinen, quoad formam die Logick und eignes nachſinnen .b).
§. 9. Alle dieſe unſtreitige beweiß-gruͤnde. werden als unſtreitige ſchluͤſſe nach den regeln der Logick eingerichtet. Bey denen ſinnlichen argumentis, darf ich nicht viel kuͤnſteln, ſondern nur behutſamkeit und klugheit gebrauchen. Bey denen abſtractis aber iſt nur dieſes zu mercken, daß ich ſie weder in der genauen Lo - gicaliſchen ordnung, noch mit denen Logicali - ſchen kunſt-woͤrterna) anbringe, es muͤſte dann ſeyn, daß es beſonders von mir erfodert wuͤrde. b)
§. 10. Wahrſcheinlich eine ſache beweiſen, heiſt die wahrheit derſelben, aus der uͤberein - ſtimmung der dabey fuͤrhandenen ſinnlichkei -ten71und derſelben erfindung. ten und umſtaͤnde, unter ſich und mit der hy - potheſi welche man erwehlet, darthun. Alle dieienigen wahrheiten, welche durch definitio - nes und unmittelbare begriffe nicht koͤnnen ausgemacht werden, muß man demnach uͤber - haupt alſo beweiſen, daß man die davon fuͤr - handenen phaenomena und umſtaͤnde oder ſinnlichkeiten, mit der hypothefi, welche man angenommen, zuſammen haͤlt, und derſelben genaue verbindung fuͤr augen leget.
§. 11. Wahrſcheinliche argumenta theilen ſich uͤberhaupt alſo ein, daß man entweder vergangene oder gegenwaͤrtige oder zukuͤnftige dinge beweiſet. Und weil das gegenwaͤrtige nur in einem augenblick beſtehet, bey dem vergan -E 4genen72von den beweiß-gruͤnden,genem unſere klugheit nichts mehr vermag, ſo begreift man beydes unter den nahmen der theoretiſchen wahrſcheinlichkeit zuſammen, hin - gegen die wahrſcheinlichkeit wegen des zukuͤnf - tigen, wobey die klugheit am meiſten geſchaͤf - tig, heiſſet man die practiſche. Jene iſt ent - weder Hiſtoriſch oder Phyſicaliſch oder Mo - raliſch wann ſie auf ſachen gehet, oder Herme - nevtiſch wann ſie mit worten und auslegen zu thun hat.
§. 12. Hiſtoriche ſachen werden wahrſchein - lich aus der uͤbereinſtimmung und guͤltigkeit der davon fuͤrhandenen zeugniſſe und zeugen. Hieher gehoͤren alſo alle geſchehene dinge, und alle nachrichten, die wir andern von ſinnlichen dingen geben, oder von ihnen bekommen. Die guͤltigſten zeugen ſind, verſtaͤndige leute, wel - che bey einer ſache ihre ſinne, augen, gegenwaͤr - tig gebrauchet: Hierauf folgen leute, welche zwar gegenwaͤrtig geweſen aber keine ſonder - liche penetration haben: Ferner, welche es von denen die gegenwaͤrtig geweſen gehoͤret: Weiter, welche es von hoͤren ſagen haben, aber zu der zeit zugleich gelebt haben: Die ſchlech - teſten ſind die es nachher bloß von hoͤren ſagen erfahren. Jhre zeugniſſe ſind entweder ge - ſchriebene oder muͤndliche und bekommen vonihnen73und derſelben erfindung. ihnen den werth. Wenn man hier nun die un - terſchiedenen gradus wohl erweget, die beſchaf - fenheit der perſonen und ſachen zu huͤlffe nim̃t, ſo kan man gnugſame argumenta einen hiſto - riſchen ſatz zu beweiſen anfuͤhren.
§. 13. Bey Phyſicaliſchen dingen, ſuche ich aus denen phaenomenis oder natuͤrlichen wuͤrckungen und zufaͤllen, welche unmittelba - rer weiſe in die ſinne fallen, die verborgenen urſachen und ſubſtantzen, wahrſcheinlich zu machen. Und da muß unter der hypotheſi und denen phaenomenis eine ſolche uͤberein - ſtimmung gewieſen werden, daß dieſe aus ie - ner ungezwungen zu flieſſen ſcheinen.
§. 14. Bey der Moraliſchen oder ins beſon - dere der Politiſchen wahrſcheinlichkeit, ſuche ich die abſichten eines menſchen, die beſchaffen - heit ſeines gemuͤths und verſtandes zu bewei - ſen. Daher iſt es hier noͤthig, eine gruͤndlicheE 5er -74von den beweiß-gruͤnden,erkaͤnntniß des menſchlichen verſtandes und willens zu haben, und nachgehends aus denen umſtaͤnden nnd verrichtungen eines menſchen einen ſatz zu formiren, deſſen wahrſcheinlich - keit durch die genaue uͤbereinſtimmung mit des menſchen verrichtungen und umſtaͤnden darge - than wird, und mich von ſeinen abſichten be - ſchaffenheit des willens und verſtandes unter - richtet.
§. 15. Um zukuͤnftige dinge bekuͤmmern ſich die menſchen am meiſten und begierigſten, dannenhero iſt es kein wunder, wann man ih - nen dabey die meiſtẽ unwahrheiten aufhenget, da die wenigſten ſo ſcharfſichtig ſind, das zu - kuͤnftige einzuſehen. Kluge leute halten das fuͤr zukuͤnftig wahrſcheinlich, wovon ſie gegen - waͤrtig eine uͤbereinſtimmung Phyſicaliſcher und Moraliſcher urſachen, mit dem von der zu - kuͤnftigen zeit und ſache gefaͤlletem urtheile ſe - hen, und eben auf die weiſe kan man zukuͤnf - tige dinge beweiſen.
§. 16. Die wahrſcheinliche meinung eines redenden oder ſcribenten, beweiſet man aus ſeinen vorhergehenden und nachfolgenden ſaͤ - tzen und worten, dabey man die ſprache, die umſtaͤnde der zeit und des orts, die kraͤfte des verſtandes und willens, desienigen der da re - det oder ſchreibet, unterſuchet, und aus deren uͤbereinſtimmung untereinander die wahr - ſcheinliche meinung darthut.
§. 17. Will man nun wahrſcheinliche argu - menta zum beweiß einer ſache finden, ſo muß man ſich die ſache nach allen ihren umſtaͤnden fuͤrſtellen, alle dabey befindliche ſinnlichkeiten und zufaͤlle in erwegung ziehen, hernach moͤg - liche hypotheſes formiren, aus dieſen moͤglichen hypotheſibus dieienige ausſuchen, welche mit allen umſtaͤnden genau uͤberein kommt. Bey der ausfuͤhrung ſetzt man zufoͤderſt die hypothe - ſin deutlich fuͤr augen, hernach fuͤhret man alle umſtaͤnde nacheinander an, zeiget wie ſie in der hypotheſi zuſammenhaͤngen, und nachdem der auditor beſchaffen, traͤgt man dieienigen phaenomena zuerſt oder zuletzt fuͤr, welche am genaueſten mit der hypotheſi connectiren, da - bey man ſorgfaͤltig moͤglichkeiten, unſtreitige und wahrſcheinliche wahrheiten auseinander ſetzen muß.
Die76von den beweiß-gruͤnden,§. 18. Alle ietztan gefuͤhrte gruͤnde gehoͤren zur gelehrſamkeit uͤberhaupt und ſind alſo Philo - ſophiſch. Nachgehends bekommen ſie bey der anwendung unterſchiedene benennungen, von den obiectis und diſciplinen bey welchen ſie ge - brauchet werden. Sie behalten aber den nah - men der Philoſophiſchen gruͤnde in den theilen der Philoſophie, und da beweiſt man in der Lo - gick und Metaphyſick aus denen conceptibus Logicis alles auf unſtreitige art: Jn der Phy - ſick aus den phaenomenis wahrſcheinlich, die phaenomena ſelbſt auf ſinnliche unſtreitige art: Jm Jure naturae aus dem principio Juris na - turae auf gelehrte unſtreitige art: Jn den re - geln der klugheit bald aus dem endzweck und mitteln auf unſtreitige, bald aus der natur des obiecti auf wahrſcheinliche art.
§. 19. Jn denen Facultaͤten und uͤbrigen wiſſenſchaften, werden angefuͤhrten beweiß - gruͤnden, die nahmen derer Facultaͤten und wiſſenſchaften beygeleget. Alſo hat man in der Theologie entweder die klaren worte der h. ſchrift, dieſe beweiſen Theologiſche ſaͤtze auf eine unſtreitige art: Oder man muß aus denen umſtaͤnden bibliſcher ſpruͤche wahrſcheinlich den rechten ſenſum ſchlieſſen, dabey man alle -zeit77und derſelben erfindung. zeit wann man gruͤndlich beweiſen will, die hi - ſtorie der bibliſchen ſpruͤche, den rechten ſedem materiae, die loca parallela, den grund-text, die analogiam fidei, die von denen orthodoxen Theologis recipirten meinungen,a) ins beſon - dere die libros ſymbolicos und confeſſiones pu - blicas, zu rathe ziehen und die prudentiam Theologicam beobachten muß. Und dieſe Theologiſchen gruͤnde gelten uͤberall, wo man als ein Chriſt oder als ein Theologus etwas zu beweiſen hat.
§. 20. Jm Jure publico ſuchen wir bey uns beweiß-gruͤnde, aus denen Reichs-Abſchieden, der guͤldnen Bulle, dem Landfrieden, dem Re - ligions frieden, dem Weſtphaͤliſchen frieden, de - nen kaͤyſerlichen Capitulationibus, denen pa - ctis und dem Reichsherkommen. Jm Jure ciuili beweiſet man aus den legibus ciuilibus und ſtatutis publicis, aus denen conſuetudini - bus, contractibus, und mit teſtibus. Bey de - nen legibus ſiehet man auf intentionem ratio - nem und applicationem legis, dazu gebrauche ich interpretationem hiſtoriam und prudenti - am. Die conſuetudines wann ſie beweiſen ſollen, muͤſſen notoriſch ſeyn, und durch viele actus, die den geſetzen nicht zuwieder, und in dem caſu unverruͤckt geſchehen ſind, guͤltig ge -macht78von den beweiß-gruͤndenmacht werden. Aus denen contractibus be - weiſet man trifftig wann ſie wohl ausgedruckt, in ihrer natur richtig, und dazu durch obrigkeit - lichen conſens bekraͤftiget worden. Von de - nen teſtibus ſiehe §. 8. not. a und §. 12. oben.
§. 21. Was ich in der Medicin beweiſen ſoll, iſt entweder eine ſinnliche wahrheit, oder ei - ne Phyſicaliſche hypotheſis, oder eine propor - tionirung der urſachen zu den wuͤrckungen. Von allen dieſen habe ich §. 7. 8. und 13. ſoviel hier noͤthig iſt angefuͤhret, wo man ſich deßfalls raths erholen kan.
§. 22. Jn der Mathematick beweiſt’man alles auf unſtreitige art, aus den eigenſchafften der groͤſſen, ſetzt definitiones, axiomata, poſtulata, theoremata, problemata und conſectaria nebſt denen ſcholiis.
S. Wol -79und derſelben erfindung§. 23. Jm gemeinem leben will es nicht allezeit mit ietzt erzehlten gruͤnden gluͤcken, daß ſie den andern von der wahrheit einer ſache con uinciren ſolten. Da wird man alſo nach be - ſchaffenheit deſſen, mit dem wir zu thun haben, ſeine argumenta einrichten muͤſſen. Ubri - gens ſind hier die argumenta a poſteriori, κατ’ ἄνϑρωπον und alle ſinnliche demonſtrationes mehrentheils beſſer zu gebrauchen, als a priori, κατ’ ἀλήϑειαν und die ſehr abſtract ſind.
§. 24. Es ſiehet iedermann, daß alle dieſe beweißgruͤnde unterſchiedene gradus haben, und daß ſie leute fodern, welche faͤhig ſind rai - ſon anzunehmen; Wo der verſtand des audi - toris oder leſers alſo rein iſt, und von keinen neigungen verdorben und die ſache iſt bloß the - oretiſch, da wird man ihn kraͤfftig uͤberzeugen mit dieſen gruͤnden. Wo aber nicht, da muß man es auf dieſe argumenta nicht ankommenlaſ -80von den beweiß-gruͤnden,laſſen, ſondern pathetica zu huͤlffe nehmen und illuſtrantia.
§ 25. Denn wenn alle leute weiſe waͤren, oder auch nur nicht feinde der weißheit, duͤrffte man an keine andere beweißgruͤnde gedencken, als welche die wahrhaffte beſchaffenheit der ſache an die hand giebt und daran die Logick gearbeitet. Da dieſes aber nicht iſt, muß man vielfaͤltig wind machen, und der wahrheit zum beſten denen vorurtheilen und affecten nachzugeben ſuchen, ſie zu uͤberwinden, und ſolches iſt der rechte fucus oratorius.
§. 26. Die andern dinge alſo, welche man in denen Oratoriſchen buͤchern als aetiologien und beweiß-gruͤnde recommandiret, muͤſſen theils zu angefuͤhrten gruͤnden, theils unter den fucum oratorium gerechnet werden. Z. e. Te - ſtimonia haben ihre kraft eigentlich in der Hi - ſtoriſchen wahrſcheinlichkeit, ſiehe oben §. 12. Jn den uͤbri gen gehoͤren ſie zum fuco oratorio. a)Und hier dienen ſie, wann man leute fuͤr ſich hat, die in dem vorurtheil menſchlichen an - ſehens ſtehen, und ſich von iemand den man an - fuͤhret, lauter wahrheiten verſprechen, oder die ein groß gedaͤchtniß, wenig iudicium haben. Ferner wann es ſcheinet, als ob man neuerun - gen fuͤrbraͤchte, ſo kan man ſich hinter die te - ſtimonia, angeſehener leute verſtecken und ſeine meinung mit ihren worten fuͤrtragen. Geld - geitzigen und aberglaubiſchen leuten, gefallen teſtimonia auch ſehr wohl. Doch iſt es auch nicht verboten teſtimonia zum putz und ausdeh - nung einer rede anzufuͤhren. Weil die mei - ſten allegata, teſtimonia ſeyn ſollen, ſo hat es mit denſelben faſt gleiche bewandniß. b)
§. 27. Apohthegmata oder ausſpruͤ - che angeſehener leute, ſymbola, ſenten - tzen, und ſpruͤchwoͤrter (adagia, prouer - bia) oder ſaͤtze welche durch viele erfahrung beſtaͤrcket und bey dem gemeinen volck fuͤr wahrheiten gehalten werden, ohngeachtet ſie halb wahr und halb falſch ſind, koͤnnen eben - falls wie teſtimonia angebracht werden, und werden zur noth fuͤr beweiß-gruͤnde paſſiren. bey83und derſelben erfindung. bey leuten die im praeiudicio auctoritatis ſte - hen, geldgeitzig argwoͤhniſch furchtſam ſind, uͤberhaupt keinen rechten begrif von wahrheit haben, oder wann die ſache in dem ſchlechteſten grad der wahrſcheinlichkeit beruhet und dabey groſſe behutſamkeit muß gebrauchet werden.
§. 28. Exempel beweiſen an und vor ſich nichts als nur die moͤglichkeit eines dinges, da - von oben §. 5. gehandelt, und in Hiſtoriſchen ſachen, ſind ſie denen teſtimoniis gleich zu ſchaͤ - tzen, ſiehe oben §. 12. Man koͤnte hieher auch die erdichteten exempel rechnen und alſo fabeln pa - rabolas, apologos, ꝛc. Man wird aus den vorhergehenden leichtlich abnehmen, daß der - gleichen ob ſie ſchon nicht buͤndig beweiſen, dochF 2denen84von den beweiß-gruͤnden,denen beweiß-gruͤnden dienlich ſind, und end - lich ſo werden exempel und fabeln, eins wie das ander, bey leuten die wahrheit und moͤg - lichkeit unterſcheiden, keine abſtracta begreif - fen koͤnnen, ſinnlich gewoͤhnet ſind, ſich vom ſtudio imitandi und aemulatione fuͤhren laſſen, und ſonſt in vorurtheilen ſtecken oder affecten haben, fuͤr tuͤchtige beweiß-gruͤnde paſſiren. Zugeſchweigen, daß man ſie auch zum zierrath einer rede und dieſelbe auszudehnen und ange - nehm zu machen, nicht unbillich anfuͤhret. Wie ſie als illuſtrantia zugebꝛauchen ſiehe im folgen - den capitel.
[§. ]29. Bey denen ſimilibus, comparatis, em - blematibus, ſymbolis und aller gegeneinander - haltung meines obiecti mit andern dingen, wird wohl niemand auf die gedancken gera - then, daß ſie zum beweiß-gruͤnden zu rechnen, ſondern daß ſie vielmehr als illuſtrantia anzu - ſehen, (ſiehe folgendes cap.) und als dinge wel - che dienlich eine rede auszudehnen und auszu - putzen. Doch deucht mir, daß leute die viel ingenium haben, gerne bildern und phantaſi - ren, dergleichen als beweiß-gruͤnde anneh - men, wenn man zumahl den willen durch aller - hand dabey gebrauchte argumenta pathetica zugleich rege zu machen ſuchet.
F 3Z. e.86von den beweiß-gruͤnden§. 30. Medaillen und uͤberhaupt muͤntzen, wapen, antiquitaͤten, inſcriptiones, marmora, epitaphia, beyſchrifften, ꝛc. koͤnnen mit denen daraus genommen umſtaͤnden und merckmah - len, in der Hiſtoriſchen wahrſcheinlichkeit eini - gen nutzen haben, muͤſſen aber an und fuͤr ſich erſtlich ſelbſt wahrſcheinlich ſeyn, ehe und be - vor ich daras etwas zum beweiß tuͤchtiges an - fuͤhren will.
§. 31. Hier muß ich auch derienigen beweiß - gruͤnde gedencken, welche man von der benen - nung eines dinges, und denen dabey fuͤrkom - menden nahmen, a notatione alſo, ab etymo - logia, homonymia, ſynonymia, genio lin - guae, tropo, vſu vocis, definitione nomina - li, aequiuocatione, coniugatis, allegoria, an - tiphraſi, interpretatione und dergleichen no - minal-concepten hernimmt: Wann man nemlich ſaͤtze beweiſen ſoll, die bloß die benen - nung des dinges angehen, kan man aus dieſen fontibus allerdings gruͤndliche beweiſe fuͤhren, weiter aber erſtreckt ſich ihre kraft nicht. Doch ſind ſie in gewiſſen faͤllen, die in vorhergehenden §. §. beſtimmt worden, nicht ohne nutzen.
§. 32. Endlich ſind einige dinge zu beruͤhren, welche gleich denen vorhergehenden ſchein - gruͤnden, in denen ebenfalls beruͤhrten faͤllen, gelegenheit zu beweiß-gruͤnden an die hand bie - ten, oder doch bey denen rhetoribus nicht recht ausgemacht ſind und mit denen rechten Logi - caliſchen theils vermiſcht, theils ihnen unrecht entgegen geſetzt werden, theils auch zu ſehr nach der ſcholaſtiſchen ſtrohſchneiderey ſchmecken. Solches ſind die argumenta, a materia, a for - ma〈…〉〈…〉, a subiecto, ab adiuncto, a partibus, a circumſtantiis, a repugnantibus, oppoſitis, diſparatis, diſſimilibus, inſinuatione, medita - tione, conſectariis, loco communi, argutiis, paralleliſmo, tempore, &c. Wann ſie aber etwas gutes an ſich haben, ſo iſt ſolches im vor - hergehenden ſchon angefuͤhret, wie fern es zum beweiſen nuͤtzlich, oder wird ſich bey denen illu - ſtrantibus und patheticis, die nothwendig ſorgfaͤltig von den probantibus zu unterſchei - den, vollends zeigen. Ubrigens kan man ihrer ſicher entbehren.
§. 33. Uberhaupt muß man ſich der Orato - riſchen ſchmincke mit der groͤſten klugheit bedie -F 5nen,90von den beweiß-gruͤnden,nen, ſie nicht gaͤntzlich verwerffen, doch auch nicht ohne unterſcheid, nicht zu haͤuffig, nicht an den unrechten ort, oder ſonſt auf pedantiſche uñ abgeſchmackte art anbringen. Dabey iſt es noͤthig, ſie nach den geſchmack des zuhoͤrers oder leſers auszuleſen, ſeinen vorurtheilen dabey nachzugeben, ſeinen affect dabey zu intereſſi - ren, und ſich zu huͤten daß man nicht ungegruͤn - dete gedancken zugleich dabey rege mache, oder den leuten die waffen wieder die wahrheit in die haͤnde gebe. Man bekommt bey ihrer anfuͤh - rung zugleich gelegenheit, an die auctores zu gedencken, wo man ſie gefunden, ſie zu erklaͤren zu billigen oder zu verbeſſeꝛn, und allerhand ein - faͤlle mit anzubringen.
§. 34. Man kan ſich begnuͤgen laſſen, wann man die wahrheit eines ſatzes recht ausgefuͤh - ret, und kan ſicher glauben, daß man durch ſol - che vorſtellung die gehofte wuͤrckung erhalten koͤnne. Doch iſt zuweilen noͤthig die entgegen geſetzten meinungenund gꝛuͤnde zu wiederlegen, wann nemlich wuͤrcklich contraire ſaͤtze von ei - nigen vertheidiget werden, wann dieſelben ei - nen groſſen anhang haben, und dennoch in an - ſehung des verſtandes und des willens groſſen ſchaden thun, und wenn man glauben darf, es werde ihre anfuͤhrung und gezeigte bloͤſſe, den zuhoͤrer auf die rechte meinung fuͤhren, darinn bekraͤftigen und alſo von einigen nutzen ſeyn. Und dieſes heiſſet man argumenta a contra - rio, von deren gebrauch in der erlaͤuterung ſiehe folgendes capitel.
§. 35. Man wiederleget bey ſo beſtallten ſa - chen, anderer leute der unſern entgegen geſetzte meinung, entweder nach der wahrheit, aus de - nen von uns feſtgeſtellten und ausgemachten gruͤnden, es moͤgen nun dieſe gruͤnde von dem gegner angenom̃en werden oder nicht:a) Oder aus denen grund-ſaͤtzen welche wir zu beyden theilen, annehmen und deren zuſam̃enhang mitunſers93und derſelben erfindung. unſers gegners meinung wir dennoch laͤug - nen:b) Oder aus des gegners eignen ſaͤtzen, deren unrichtigkeit wir ebenfalls darthun koͤn - nen:c) Oder aus denen augenſcheinlich fal - ſchen, abgeſchmackten und paradoxen ſchluͤſſen, welche daraus folgen. d)Bey unſtreitigen ſaͤtzen, unterſuchen wir des gegentheils unrich - tige verbindung des ſubiecti und praedicati, ſtellen die unrichtige art zu ſchlieſſen, die uͤbel - geordneten begriffe und definitiones, die natur der idearum oppoſitarum fuͤr. Bey wahr - ſcheinlichen, zeigen wir den ſchlechten zuſam̃en - hang der ſenſionum unter ſich und mit der hypotheſi, durch anfuͤhrung der wiederſpre - chenden ſenſionum, und ſchwierigkeiten, und die uͤbelausgeſuchte hypotheſin. Da dann die wahrheit ſich in einer deutlichen leichten und natuͤrlichen ordnung praeſentiret, wann ſich hingegen die falſchheit mit dunckeln verworre - nen erdichteten uͤberſteigenden begriffen und ſaͤtzen von ſelbſten verraͤth.
§. 36. Bey der wiederlegung ſelbſt, bemuͤhe man ſich ſo viel moͤglich, mit aller gelaſſenheit mehr durch gruͤndliche ſchluͤſſe, als leere worte, ſophiſtereyen, figuren, affecten, ingenioͤſe ein - faͤlle und anderes laͤppiſches zeug, ſein wieder - part zu uͤberzeugen. Man erwege, daß nicht alle leute ihnen von ieder ſache einerley begriffe mit unſern machen, und praͤtendire alſo nicht, auf eine impertinente art, daß ieder die ſache ſo be - greiffe, wie wir ſelbige begriffen haben, zumahl wann auf beyden ſeiten vielleicht gleiche ſtaͤrcke und ſchwaͤche oder dunckele begriffe waͤren. Uberhaupt uͤberlege man erſtlich die oben §. 34. beygebrachten umſtaͤnde, und gedencke, daß ein weiſer mann viele wahrheiten wiſſe, die er nicht einmahl fuͤrtrage, geſchweige andern auf - zudringen ſuche.
§. 37.95und derſelben erfindung.§. 37. Jedoch was iſt es noͤthig, daß ich die - ſes hier ſo ſor gfaͤltig erinnere, habe ich doch be - reits in der vorbereitung §. 11. uͤberhaupt einem redner und redenden aufrichtige und red - liche abſichten angeprieſen. Jſt es doch bey allen beweiß-gruͤnden inſonderheit noͤthig, daß man nicht falſche ſaͤtze als wahre beweiſe, nicht dem aberglauben, atheiſterey, dem aſotiſchen und ſauertoͤpfiſchen weſen, den irrthuͤmern, vorurtheilen, naſeweißheit und verderbten nei - gungen damit an die hand gehe, nicht laſter und boͤſe menſchen lobe, nicht tugend und rechtſchaf - fene leute verachte, nicht boßhafter weiſe an - derer leute gemuͤths-ruhe ſtoͤhre, nicht die wahrheit zum deckel der boßheit und als einen grif gebrauche andern tort zu thun und ſein muͤthgen zu kuͤhlen und dergleichen. Allein es kan dieſes nicht genug wiederholet werden, da die galante welt die laſter in guͤldnen ſtuͤcken einzuhuͤllen, und der tugend den bettelſtab in die haͤnde zu geben ohnedem gewohnt iſt, hin - gegen der menſchlichen geſellſchaft und der re - publick mehr durch honnette redner als ge - ſchickte redner gedienet wird. Alſo werde auch davon im andern theil noch ausfuͤhrli - cher handeln.
§. 38. Die rechte klugheit eines redners, ſetzet billich den endzweck der beredſamkeit, und die bey denen beweiß-gruͤnden noͤthige re - geln der honnetete, des rechts der natur, und der wahrheit nicht aus den augen, und bemuͤ -het96von den beweiß-gruͤnden, ꝛc. het ſich nur die mittel dazu zu uͤberkommen und wohl anzuwenden. Sie pruͤfet ſolche nach ihren innerlichen und aͤuſſerlichen werth, nach der beſchaffenheit des thematis das zu beweiſen iſt, nach der faͤhigkeit und haupt-nei - gung des zuhoͤrers, nach dem geſchmack des ſaeculi, nach der gelegenheit der umſtaͤnde, und ſuchet lieber ſolche aus, welche ietztbenannten ſtuͤcken gemaͤß ſind, als ſolche dadurch ſie ihren endzweck nicht erhaͤlt und ſich noch wohl dazu feinde macht.
§. 39. Fuͤrnemlich huͤtet ſie ſich eine μετά - βασιν ἔις ἄλλογένος zu begehen, die fontes pro - bandi und die daraus genommene gruͤnde mit einander zu vermiſchen, und quid pro quo an - zufuͤhren, welches ein fehler iſt, den wenig wiſſen, geſchweige zu vermeiden ſuchen. Jed - wede wahrheit hat ihre eigene fontes, daraus ſie entſpringt, und daraus ſie muß hergeleitet und bewieſen werden, es muͤſte dann ſeyn, daß eine reiffe uͤberlegung foderte hievon abzuge - hen.
WAs erlaͤutern oder illuſtriren heiſſe? §. 1. Was der endzweck und nutzen der erlaͤuterungen ſey? §. 2. Wie vielerley dieſelben? §. 3. Von erklaͤ - rungen der woͤrter, §. 4. Von erlaͤuterung der ſachen durch worte, §. 5. Erlaͤuterung der ſache aus ih - rem weſen, §. 6. Durch beſchreibungen und einthei - lungen, §. 7. Durch grundſaͤtze. §. 8. Durch dar - aus gezogene ſchluͤſſe, §. 9. Durch allerhand ein - faͤlle, §. 10. Erlaͤuterung der ſache durch andere dinge ſo auſſer dem weſen derſelben, §. 11. Durch ex - empel, §. 12. Durch teſtimonia, §. 13. Durch gleich - niſſe, §. 14. Durch dißimilia, §. 15. Was bey denen exempeln zu beobachten, § 16. Bey denen teſtimo - niis §. 17. Bey denen gleichniſſen, §. 18. Bey de - nen dißimilibus, §. 19. Was hiebey der honnetete gemaͤß, §. 20. Was hierbey die regeln der klugheit erfodern, §. 21.
§. 1.
ERlaͤutern oder illuſtriren heiſt, die ſache welche man fuͤr ſich hat, auf ihre prin - cipia zuruͤck fuͤhren, nach allen ihren theilen auseinander legen, zuſammen ſetzen und beſchreiben, daß ſie denen zuhoͤrern recht be - greiflich werde, und ſie auch wohl auf der ſeite beleuchten, da wir wollen, daß ſie der zuhoͤrer oder leſer anſehen ſolle, oder mit ſolchen farben fuͤrbilden, welche mit unſern abſichten gemaͤß dieſelbe bemercken.
§. 2. Alſo kan man bey erfindung dieſerGargu -98von den erlaͤuterungs-gruͤnden. argumentorum eine gedoppelte abſicht haben, einmahl die ſache deutlich klar und begreiflich zu machen, und hernach ſie nach den genom - menen abſichten begreiflich zu machen, daß ſie nemlich der zuhoͤrer oder leſer in der geſtalt und auf der ſeite ihm recht deutlich fuͤrſtelle, wel - che wir ihm fuͤrzeigen. a)Mehrentheils ſucht man beydes zugleich zu bewerckſtelligen, zuwei - len aber kommt es mehr auf die eine als ande - re abſicht an. b)
§. 3. Dannenhero hat man auch zweyer - ley arten von argumentis illuſtrantibus, da die eine art die ſache bloß erlaͤutert, ſie auf ihre principia zuruͤckfuͤhret, nach allen ihren thei - len und umſtaͤnden zerleget, zuſammenſetzet, und beſchreibet, die andere art hingegen zu - gleich die ſache, nach unſern abſichten, erlaͤutert und fuͤrbildet. Ferner iſt eine andere art derer -99von den erlaͤuterungs-gruͤnden. erlaͤuterungen, welche aus dem weſen und na - tur der ſache ſelbſt genommen, und eine andere, welche auſſer der ſache von andern dingen her - geholet wird, iene dienet mehr zu deutlichkeit und iſt ein werck des iudicii, dieſe nutzet ſonder - lich meinen abſichten und kommt fuͤrnemlich auf eine fertigkeit des ingenii an, iene erlaͤu - tert theils worte, theils ſachen, dieſe nur ſa - chen.
§. 4. Wir legen unſere gedancken durch worte an den tag, wenn alſo dieſe einer er - klaͤrung benoͤthiget, ſo finde ich dazu gelegen - heit durch die beſchreibung des worts, des da - rinn liegenden tropi, der haupt und neben idee deſſelben, des urſprungs, hiſtorie, vielerley be - deutung, zweydeutigkeit, gebrauchs deſſelben, durch anfuͤhrung gleichvielbedeutender woͤrter und redens-arten, wovon ſich im folgenden an - dern theil von dem ausdruck der gedancken, mehrere nachricht zeigen wird.
§. 5. Wenn man aber die gedancken oder ſache ſelbſt, deutlich und nach ſeinen abſichten fuͤrmahlen ſoll, ſo ſuchet man zu ende ſolche worte aus, welche nicht nur in ihrer hauptidee, ſondern auch in ihrer neben-idee, ia in ihrem fall und klange, in ihren buchſtaben, die ſache nach ihren eigenſchaften in dem gemuͤth des zuhoͤrers oder leſers bilden, man erwehlet ſol - che beywoͤrter, welche das haupt-wort, entwe - der mit deutlich machen, oder deſſen inbegrif determiniren, man wiederholet ein wort etliche mahl, man fuͤhret ausdruckungen an, die zwar eben das bedeuten aber etwas von der iedee ſo wir bereits davon gemacht, abnehmen, oder hinzuſetzen, oder dieſelbe corrigiren, oder auf etwas bekanntes kurtz fuͤhren, oder ich ſprecheG 3die102von den erlaͤuterungs-gruͤnden. die ſache artig aus, daß der zuhoͤrer oder leſer ſich genoͤthiget ſiehet, dabey ſtehen zu bleiben und ſelbige recht einzunehmen, von welchen allen in folgenden andern theil ausfuͤhrlich zu handeln.
§. 6. Dieſes was ich von erlaͤuterungen bißher angefuͤhret, gehoͤrt bloß zur erklaͤrung bloſſer worte oder zur erlaͤuterung der worte, damit man eine ſache bemercket, und alſo alles zum ausdruck der gedancken, welche ich im fol - genden theile abgehandelt. Damit ich aber zum haupt-werck nemlich zur erlaͤuterung der ſache ſchreite, ſo findet ſich in ihrem weſen ſelbſt die vollkommenſte gelegenheit zu denen erlaͤuterungs-gruͤnden. Welches niemand unbekannt ſeyn kan, der aus der Philoſophie gelernet, was methodus analytica und ſynthe -G 4tica104von den erlaͤuterungs-gruͤnden. tica ſey, denn nach ienem, fuͤhre ich die ſache auf ihre principia zuruͤck, auf die ſinne, zur rech - ten deulichkeit, nach dieſem aber, fuͤhre ich die ſchluͤſſe aus ihren principiis her, und fange al - ſo von denen principiis an, biß ich alles was daraus flieſſet, dargethan, durch welche beyde wege, man denn gewiß von einer ſache deut - liche begriffe bekommen wird. Und weil eine ſache entweder wahrſcheinlich, oder unſtreitig, oder bloß moͤglich, oder gar falſch iſt, ferner ent - weder ſinnlich, oder abſtract, hiſtorie, oder rai - ſonnement iſt, und enldich nach beſchaffenheit der diſciplinen, dahin ſie gehoͤret, vielerley ſeyn kan, ſo iſt es noͤthig, hiebey was im vorigen capitel ausgefuͤhret, ihm bekannt zu machen und im uͤbrigen Logick und diſciplinen zu rathe zu ziehen.
§. 7. Die wichtigſte art der erlaͤulerung, iſt hier die beſchreibung und die verſchiedenen eintheilungen und einſchraͤnckungen eines din -ges.105von den erlaͤuterungs-gruͤnden. ges. Bey denen unſtreitigen ſachen, bringe ich eine deulichkeit herfuͤr, durch definitiones, deſcriptiones, diuiſiones, diſtributiones, limi - tationes und exceptiones. Bey wahrſchein - lichen dingen, erzehle ich nur alle ſenſiones und obſeruationes, die bey einer ſache gemacht wor - den, und lege die hypotheſes mit deutlichen ſaͤ - tzen fuͤr augen, bediene mich dabey deutlicher worte und der guten natuͤrlichen ordnung, ſo wird alles deutlich werden. Miſche ich nach meinen abſichten, allerhand ſtriche und aus - druckungen meines affects mit unter, erhoͤhe und erleuchte die ſtuͤcke, welche den leſer oder zu - hoͤrer am meiſten ruͤhren ſollen, und verſchwei - ge hingegen, verdunckele, oder ſtreiche dasienige gleichſam anders an, was meinen abſichten zuwieder lauffende ſentiments bey ihm erre - gen koͤnte, ſo kan ich auch dieſe ſtuͤcke brau - chen, die ſache nach meinem endzweck fuͤrzu - bilden.
§. 8. Jch kan eine ſache erlaͤutern, wann ich die abſtracten und generalen begriffe, die man von einer ſache machen kan, zuſammen nehme, und als grund-ſaͤtze anſehe, daraus mein ſatz oder obiectum flieſſet, und dieſes heiſ - ſet man illuſtrationem a loco communi.
§. 9. Jngleichen iſt dieſes eine art der erlaͤu - terung, wann ich aus einem ſatze ſchluͤſſe ziehe. und alſo dadurch deutlich die wuͤrckungen und application einer ſache fuͤrſtelle, wodurch ich zugleich dieſelbe nach meinen abſichten beleuch - ten kan, und dieſes bemercket man mit der illu - ſtratione a conſectario.
§. 10. Endlich kan man auch eine ſache deut - lich machen, oder ihr nach ſeinen abſichten ver - ſchiedene geſtalten geben, wann man allerhand moͤglichkeiten dabey erdencket, betreffend die umſtaͤnde, urſachen, wuͤrckungen, guͤte und an - dere einfaͤlle, welche man bey einer ſache ha - ben kan, und dieſes haben die rhetores bißher mit einem gar zu generalen worte illuſtratio - nem a meditatione genennet.
§. 11. Auſſer dem weſen der ſache, finden ſich viel dinge, deren gleichheit oder ungleichheit mit meinem obiecto kan gezeiget werden, ſel - biges dem zuhoͤrer deutlich, oder nach meinen abſichten, fuͤrzuſtellen. Zeige ich die gleichheit, ſo finde ich ſelbige entweder in meinungen, oder exempeln, oder gleichniſſen, rede ich aber von der ungleichheit meines obiecti mit andern ſa - chen, ſo iſt die ungleichheit entweder ab oppoſito, oder a diſpari herzunehmen. Es iſt hievon in dem vorigen cap. bereits etwas angefuͤhret.
§. 12. Exempel ſind ſpecies oder indiuidua, das iſt, mehr ſinnliche als abſtracte begriffe, welche ich mit denen abſtractis, darunter ſie ſtehen, gegen einander halte, damit aus dieſer zuſammenhaltung, die ſache den ſinnen naͤherkom -110von den erlaͤuterungs-gruͤnden. komme, und nach meinen abſichten, deſto leich - ter und deutlicher begriffen werde. Sie wer - den aus der hiſtorie und erfahrung hergenom - men, und wohl erſtlich an und fuͤr ſich nach ih - ren umſtaͤnden erlaͤutert und bewieſen, hernach aber auf das fuͤrhabende obiectum appliciret, oder auch nur kurtz in wenig worten, ohne ap - plication fuͤrgetragen.
§. 13. Jch kan meine meinung durch al - lerhand teſtimonia erlaͤutern, wann ich die gleichheit eines ſatzes mit andrer leute mei - nung, ausſpruͤchen, ſpruͤchwoͤrtern und derglei - chen darthue, und dabey dieienigen umſtaͤnde bemercke, worinn ſie miteinander genau uͤber - einkommen, oder von einander unterſchieden. S. hiebey das vorige capit. §. 26.
§. 14. Ein ſimile iſt, wann ich eine idee oder ſatz mit dem andern vergleiche, und ohn - geachtet beyde ein ander nichts angehen, den - noch ein oder mehr eigenſchaften und ideen be - mercke, darinn ſie einander gleich kommen, ſolche idee oder eigenſchaft nennet man ſo dann das tertium comparationis. Man kan die gleichheit eines dinges mit dem andern durch ein wort oder bild bemercken, durch etliche ei - genſchaften durchfuͤhren, die gleichheit ſo wohl als ungleichheit inſonderheit andeuten, und beyder verhaͤltniß gegen einander abmeſſen, auch wohl iedwede abſonderlich ausfuͤhren.
§. 15. Die ungleichheit eines dinges kan ich zeigen, mit denen ihm entgegen geſetzten ideen und ſaͤtzen, welche entweder bloß diſparata ſind, oder contraria und contradictoria. Bey ienen iſt nicht viel zu erinnern, indem alle ſimi - lia auch diſſimilia ſeyn und von ſolchen in vori - gen §. geſagt worden, dieſe aber heiſſen eigent - lich oppoſita und in ſaͤtzen obiectiones, und dienen dazu, daß man durch die regeln einer guten eintheilung und oppoſition finde, was dem vorhabenden obiecto koͤnne entgegen ge -ſetzet113von den erlaͤuterungs-gruͤnden. ſetzet werden, ſelbiges damit zuſammen halte uñ den mercklichen unterſchied zeige, damit man aller confuſion und unrichtigen concepten, bey dem leſer oder zuhoͤrer fuͤrkom̃en, und in fuͤrbil - dung des obiecti ſeine einbildung praͤoccupiren moͤge.
§. 16. Bey denen exempeln iſt noch dieſes zuerinnern, daß ich mich ſonderlich nach ihnen umthun muͤſſe, wann die ſache ſo abſtract, pa - radox, unglaublich, und trocken zu ſeyn ſchei - net, das man ſelbige ſchwerlich begreiffet, und wann es noͤthig ihr eine ſolche tour zu geben, die meinen abſichten gemaͤß bey dem zuhoͤrer oder leſer einen eindruck machen kan. Und nach dieſen beyden abſichten, welche man bey exem - peln haben kan, muß man ſich auch in der wahl und anfuͤhrung der exempel richten.
§. 17. Teſtimonia, apophthegmata, pro - uerbia, und dergleichen fuͤhre ich an, wann et - wa andere, meine ſaͤtze durch recht nachdruͤckli - che und deutliche worte exprimiret haͤtten. Und wann ich ſie nach der beſchaffenheit des zuhoͤ - rers oder leſers und der ſache ſelbſt artig aus - ſuche, ſo kan ich auch vermittelſt derſelben einen ſolchen concept den leuten von der ſache ma - chen, als ich intendire.
§. 18. Gleichniſſe muß ich beybringen, wann die ſache dunckel iſt und leicht mit andern augen kan angeſehen werden, als ich wuͤnſche, daß man ſie betrachten ſolle. Alſo muͤſſen ſie an ſich ſelbſt deutlich ſeyn und nicht mit meinen ab - ſichten ſtreiten. Sie tragen auch vieles zum putz meines obiecti bey, und daß der zuhoͤrer oder leſer ſeine aufmerckſamkeit ſonderlich auf den umſtand wende, welchen ich mit einem gleichniſſe diſtinguire. Hiebey iſt zu mercken,daß115von den erlaͤuterungs-gruͤnden. daß nicht die beyden comparata als zwey ſubſtantiua leicht zuſammen geſetzt werden, und daß auch in dem gleichniſſe ſelbſt, auf der ſeite des termini improprii nichts wiederſpre - chendes ſey, endlich daß es nicht uͤber das ter - tium extendiret werde.
§. 19. Diſſimilia, oppoſita, repugnantia und dergleichen, fuͤhre ich an, wo zu beſorgen iſt, es moͤchte der zuhoͤrer oder leſer, etliche din - ge miteinander vermiſchen, oder ſich von ie - nem einbilden, was ich gerne wolte, daß er von dem andern dencken ſolte. Hier kan ich zu - gleich dieienigen erlaͤuterungen bey dem oppo - ſito ſelbſt anwenden, welche aus dem weſen deſſelben flieſſen und darzu oben §. 5. 6. 7. 8. 9. 10. anweiſung gegeben worden. Doch muß ich mich huͤten, daß mich die leute nicht bey der illuſtration ab oppoſito fuͤr einen paß - quillanten anſehen.
H 2Z. e.116von den erlaͤuterungs-gruͤnden.§. 20. Die argumenta illuſtrantia haben groſſe gewalt und oͤfters groͤſſere als die pro - bantia ſelbſt, nachdem der zuhoͤrer nemlich mehr duꝛch die phantaſie, als gruͤndliche ſchluͤſſe zu convinciren. Dañenhero hat man ſorgfaͤltig dahin zu ſehen, daß man nicht der wahrheit zum nachtheil ſelbige anbringe, oder der tugend und honnetete damit ſchade, hingegen den la - ſtern und unwahrheiten den weg bahne.
§. 21. Die klugheit erfodert hiebey, daß ich zufoͤrderſt ſehe, ob die ſache auch wolle illu - ſtriret ſeyn oder nicht, hernach daß ich mich nach einem guten vorratha) von dieſer art ar - gumentis umſehe und aus demſelben nach be - ſchaffenheit derſelben, nach den begriffen und neigungen meines zuhoͤrers oder leſers illu - ſtꝛantia ausſuche, und ob ſie ſich zu meiner diſpo - ſition ſchicken, erwege. Alſo muͤſſen ſie nicht gar zu unbekannt, weithergeholet, gezwungen, verhaſt, obſcoͤn, dunckel, zweydeutig, laͤppiſch gar zu bekannt, und ſonſt meinen abſichten zu - wieder ſeyn, nicht ungegruͤndete, aͤrgerliche, uͤbele, gedancken zugleich mit rege machen, nicht zu weitlaͤuftig, in gar zu groſſer menge, und gar zu ſehr gekuͤnſtelt, oder am unrechten ort, z. e. praͤchtige bey ſchlechten dingen, oder umgekehrt, angebracht werden,b) hingegen unter ſich ſelbſt, mit der ſache, und allen ihren umſtaͤnden in guter harmonie ſtehen, welches alles denn, wegen vieler dabey fuͤrfallenden umſtaͤnde, nicht eigentlich kan determiniretwer -119von den erlaͤuterungs-gruͤnden. werden, ſondern einer geſchickten anfuͤhrung fleißigen uͤbung, und eignem nachſinnen zu uͤberlaſſen.
WAs argumenta pathetica ſeyn? §. 1. Wie ſel - bige eingetheilet werden? §. 2. Was conci - liantia ſeyn? §. 3. Wie vielerley dieſelben? §. 4. Wodurch ſich der redner beliebt mache? §. 5. Wo - durch er ſich in auctoritaͤt ſetze? §. 6. Wodurch er die attention des zuhoͤrers erhalte? §. 7. Was die regeln der klugheit bey anbringung dieſer argumento - rum erfodern? §. 8. Was eigentlich commoventia ſeyn? §. 9. Wie vielerley dieſelben? §. 10. Wie denen geldgeitzigen beyzukommen? §. 11. Denen ehrgeitzigen? §. 12. Denen wolluͤſtigen? §. 13. Denen gemiſchten temperamenten? §. 14. Wie die affecten rege zu machen? §. 15. Wie ſie fuͤrzuſtel - len? §. 16. Wie ſie zu unterdruͤcken? §. 17. Wie die pathetica probantia und illuſtrantia mit einander zu verbinden? §. 18. Was hierbey den regeln der honetete, §. 19. und den regeln der klugheit gemaͤß? §. 20. Vollkommene Topic oder fuͤrſtellung aller argumentorum §. 21.
§. 1. OBige arten von argumentis, gehen nicht directe auf den willen, ſondern vielmehr auf die einrichtung des ver - ſtandes und deſſen uͤberzeugung. Dieienigen aber, womit man bemuͤhet iſt, ſich der neigun -gen121von bewegungs-gruͤnden. gen des zuhoͤrers oder leſers, bey ſolchen ſachen, die in die uͤbung muͤſſen gebracht werden, zu be - meiſtern, heiſſet man ins beſondere argumen - ta commoventia, oder beſſer: pathetica, be - wegungs-gruͤnde.
§. 2. Hier zeiget ſich alſo die rechte kunſt zu uͤberreden,a) und dieſe fuͤhret mich auf die - ienigen gruͤnde, wodurch theils die perſon des redners dem zuhoͤrer angenehm gemachet, theils die ſache demſelben nach ſeinen haupt - neigungen, appetitlich fuͤrgelegt wird, theils aber auch allerhand regungen des willens, zum vortheil des redners, aufgebracht und einge - richtet werden.
§. 3. Die gruͤnde, wodurch der redner ſei - ne perſon dem zuhoͤrer angenehm macht, heiſſenH 5ar -122von bewegungs-gruͤnden. argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den - cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben, wodurch man die gewogenheit der leute in ſei - ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge - ben nur mittel an die hand, wie man im reden den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der kunſt zu uͤberreden alles ankommt.
§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon - derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter - haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen - heit, hochachtung und aufmerckſamkeit, moͤglichſten fleiſſes bewerben.
§. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge - winnet man, wenn man auf eine ungezwun - gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt, was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig - keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr - ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth desgemei -123von bewegungs-gruͤnden. gemeinen weſens, dem nutzen des zuhoͤrers, dem intereſſe unſchuldiger mitleidens-wuͤrdi - ger perſonen, ohne eigennutz aufopfere; die falſchheit haſſe; die aufrichtigkeit hochhalte, und ſich derſelben befleißige; wenn man alle ruhmraͤthige, ſatyriſche einfaͤlle und invectiven in den zuhoͤrer meidet; ſich nicht leicht uͤber et - was moquiret, oder wann man etwas tadelt, es in ſehr frembden exempeln thut, oder in prima perſona plurali redet; wenn man die wiedrigen gedancken des auditoris unver - merckt beſtreitet; niemahls der orthodoxie und recepten doctrin zu nahe tritt; dem audi - tori nicht offentlich wiederſpricht; die ſache feinem eignen urtheil uͤberlaͤſt; ſolche illuſtran - tia anfuͤhret und lobet, die dem auditori ge - fallen; ſich ſo viel moͤglich mit demſelben ſym - pathiſiret; alles nach deſſen geſchmack und begrif einrichtet ꝛc.
§. 6. Sich in auctoritaͤt zu ſetzen, muß der redner gruͤndliche, iudicioͤſe, ſcharfſinnige, nuͤtz - liche dinge fuͤrbringen; zeigen daß Gott und goͤttliche dinge daran theil nehmen; der groͤſten leute meinung mit ſeiner uͤberein komme; daß man ſich dennoch nicht durch aberglauben und vorurtheile hinreiſſen laſſe; ſondern die warheit und tugend liebe, und auch zu ſeinem ſchaden verthaͤidige; da muß man alle gemeine, mit abiecten laͤcherlichen ideen, verbundene reden weglaſſen; keine laͤppiſche exempel, gleichniſſe, ſpielen in worten, eitle zierrathen einbringen; zuweilen von den gemeinen methoden abge - hen; an ſtatt der wege und affecten, die der auditor zu hoͤren meinet, andere erwehlen; von ſich und ſeinen meriten wenig, mit groſſer modeſtie, ohne oſtentation und affectation reden, und allezeit zu verſtehen geben, daß man bey dem zuhoͤrer mehr vermuthe; nicht mer - cken laſſen, daß man auctoritaͤt ſuche; doch aber zu keiner familiaritaͤt anlaß geben; ꝛc.
§. 7. Aufmerckſamkeit erreget man bey dem zuhoͤrer, durch einen ordentlichen, deutli - chen, kurtzen, leichten, angenehmen fuͤrtrag; wann man erinnert, daß man wichtige ſachen zu proponiren habe, die des zuhoͤrers wohlfarth und intereſſe betreffen: daß man rechte ge - heimniſſe, kunſtgriffe, res momentoſas, die man ſonſt nicht ſo gemein mache, fuͤrbringen wolle; wenn man ſeine ſachen in bildern gleichniſſen, exempeln, argutien, ungewoͤhn - lichen figuren, wuͤnſchen, bitten einſchlieſt; wann man gleichſam die gedancken des zuhoͤ - rers aufſuchet, ſelbige zu errathen meinet, zweiffelhaftig machet; die rede auf gantz ſpe - cielle umſtaͤnde fuͤhret, die der zuhoͤrer nicht leicht vermuthet; alſo nicht zu ſubtile, weither - geholte weitlaͤuftige, dunckele, verworrene, mit limitationibus, propoſitionibus incidentibus, digreßionibus diſtrahirte ſachen, fuͤrtraͤgt; noch einen ſchlaͤffrigen ſtilum und fuͤrtrag gebrau - chet ꝛc.
§. 8. Die regeln der klugheit erfodern, daß man angefuͤhrte argumenta mit unterſchied und nicht an dem unrechten ort anbringe. Denen geldgeitzigen fehlt es uͤberhaupt an der menſchenliebe, alſo muß man ſich wohl etwas muͤhe geben ihre gewogenheit zu gewinnen, und eben dieſe muß man zu erhalten ſuchen, bey leuten, welche etwa wieder unſern fuͤrtrag, durch allerhand vorurtheile moͤchten einge - nommen ſeyn, oder wo unſre perſon und ſache vielleicht etwas an ſich haͤtte, daß der phan - taſie und dem affect des zuhoͤrers unangenehm fuͤrkommen koͤnte. Ehrgeitzige, hohe, einge - bildete gemuͤther, entziehen leicht allen ihre hochachtung, weil ſie zu viel fuͤr ſich ſelbſt ha - ben muͤſſen, alſo muß man bey dieſen ſchon mehr fleiß anwenden, bey ihnen eſtimiret zu werden, wenn ſie zumahl ſich nichts ſonderli - ches verſpraͤchen von dem redner, da er ihnen unbekannt, unerfahren, furchtſam, iung und uͤbel beruͤchtiget fuͤrkaͤme, oder wann dieſache, dem erſten anſehen nach, von geringer wichtig - keit ſchiene. Wolluͤſtige leute ſind wie Soſia beym Terentio: amis de tout le monde, und gehen auch mit ihrem eſtim ſehr verſchwende - riſch um, aber flatterhaftig ſind ſie, alſo daͤch - te ich, man haͤtte wohl urſach, ihren mercurium zu figiren, und ſie attent zu machen. Eben dieſes iſt auch noͤthig, wann der zuhoͤrer die ſa -che128von bewegungs-gruͤnden. che fuͤr bekannt, obſcur, unnuͤtze, ihm contrair, anſiehet, oder wann ſie an ſich etwas trocken und ernſthaft iſt. Doch muß man bey allen, ſich nicht mercken laſſen, wie man eben ihre ge - wogenheit oder hochachtung oder aufmerck - ſamkeit, durch ſolche griffe zu gewinnen ſuche.
§. 9. Mit dieſen argumentis haben die ei - gentlich ſo genannten com̃oventia, eine genaue verwandſchaft, vermittelſt welcher man den zuhoͤrer zu uͤberreden bemuͤhet iſt, daß die ſache nicht nur an ſich ſelbſt gut und ſo beſchaffen ſey, wie ſie der zuhoͤrer wuͤnſchet, ſondern daß ſie auch ins beſondere, dem zuhoͤrer zutraͤglich ſey. Dabey man alſo die aͤuſſerſte kraft zugebrau -chen,129von bewegungs-gruͤnden. chen, ſich der neigungen des zuhoͤrers zu be - maͤchtigen, und ſeinen willen zu annehmung und ausuͤbung der fuͤrgetragenen wahrheit, ohne ſchwierigkeit zu diſponiren.
§. 10. Der menſch hat drey bona abſoluta und dabey ſonderlich drey bona reſpectiua, da denn dieſe zwar aus ienen entſtanden, aber doch verſtand und willen mehr occupiren als iene, und alſo drey hauptneigungen zeugen nemlich geldgeitz, ehrgeitz, wolluſt. a)Will der redner nun auch ſeine ſache dem auditori angenehm machen, und ihn zur ausuͤbung der fuͤrgetragenen wahrheit uͤberreden, ſo muß er hauptſaͤchlich ſuchen zu zeigen, daß ſein fuͤr - trag, zu erhaltung derer neben - und ſchein-guͤ - ter diene. Dannenhero ſich hier dreyerley gruͤnde dem redner darbieten, welche mit et - was ſchwanckenden concepten, die argumen - ta ab utili, honeſto, und iucundo, genennet werden. b)
§. 11. Denen geldgeitzigen ſagt man: es ſey eine rechte profitable ſache; man koͤnne ſich da - bey etwas machen; ſie ſey gewiß zu erhalten; ohne die geringſten koſten; von treflicher dauer; mit Gottes ſeegen verknuͤpft; fodere nichts als arbeit; man koͤñe dabey ſeinen neidern und fein - den trotz bieten; ſich uͤber den wind der ehrgei - tzigen und wolluͤſtigen moquiren; es waͤren viel gute anzeigungeu dabey, daß es gluͤcklich, gehen werde; es ziehe viele vortheile nach ſich; man werde alt, ſtarck, begluͤckt, vermoͤgend dabey, ohne anderer leute danck, indem man ſich auf die weiſe zugleich formidable mache; ꝛc.
§. 12. Den ehrgeitzigen ſchwatzt man vom honeſto fuͤr; daß ſie auf ſolche art, falls ſie unſern fuͤrſtellungen gehoͤr geben, andern ei - nen concept ihrer gottesfurcht, honnettete, klugheit, und daher beſondere veneration fuͤr ſie, inſpiriren wuͤrden; daß es allezeit ein zei - chen von etwas groſſem ſey, ſo ſie verewige; bey allen in guten andencken ſetze; nur etwas geld koſte und ſolches doch reichlich wieder einbrin - ge; vieler anderer bemuͤhung uͤbertreffe; ſie formidable und angeſehen mache; bloß ihren verdienſten, hertzhaftigkeit, geſchicklichkeit, con - duite, wiſſenſchaft ꝛc. zugeſchrieben werde; ꝛc.
§. 13. Denen wolluͤſtigen redet man von lauter delicaten, charmanten, angenehmen, ſuͤſſen ſachen fuͤr; wie unſer obiectum leib und gemuͤth ergoͤtze; alle ſinnen vergnuͤge; uns beliebt, galant, geſund, immer friſch, ſtarck, ſchoͤn, biß zu einem hohen alter, ohne muͤhe ar - beit und ſorgen, in ruhe und frieden erhalte; uns viel freunde mache; uns in den ſtand ſetze unſern endzweck zu erhalten auf allerhand wei - ſe, ohne die geringſte ſchwierigkeit; uns zu di - vertiren; andern armen leuten zu dienen; danckbar zu ſeyn; in allerhand angenehme converſation zu kommen; ꝛc.
J 2Alles132von bewegungs-gruͤnden.§. 14. Zuweilen habe ich mit einem men - ſchen zu thun, der ſelbſt nicht weiß, was er will, oder der ein gemiſchtes temperament hat. Zu - weilen aber ſoll ich an eine gantze verſamm - lung reden, da faſt ein ieder anders geſinnet, als der andre. Jn dem erſten fall muß ich die miſchung des temperaments, vor allen dingen, durch die moraliſche wahrſcheinlichkeit heraus - gebracht haben, und denn nach beſchaffenheit derſelben, aus obigen fontibus argumenta her - aus ſuchen. a)Jn dem andern fall, ſehe ich, was fuͤr ein affect unter den auditoribus her - ſche, und welchen die meiſten zugethan, da ich mich dann leichte auch im reden, nach ſolchen richten kan. b)
§. 15. Aus den benannten haupt-affecten entſpringen allerhand neben-affecten und re - gungen des willens, deren natur und beſchaf - fenheit aus der Moral und erfahrung man ſich bekannt zu machen. Jm reden iſt es noͤthig ſelbige entweder rege zu machen oder fuͤrzuſt el - len oder zu unterdrucken. Jeden affect re ge zu machen, muß man uͤberlegen, ſeine Morali - ſche und Phyſicaliſche beſchaffenheit, wie er ſich zu unſerer ſache und uͤbrigen umſtaͤnden ſchicke, ins beſondere, wie ſich der zuhoͤrer dazu diſponiret befinde; nachgehends ſucht man nicht eben allemahl grade auf den affect durch - zudringen, und ihn zu erregen, ſondern man macht ſich etwan zufoͤrderſt an die mit ihm ver - bundene neben-affecten; man ſucht den zuhoͤ - rer immer bey der ſache zu erhalten, ſeiner auf -J 3merck -134von bewegungs-gruͤndenmerckſamkeit ſich zu verſichern; den verſtand, von deſſen fuͤrſtellung die regungen des willens zum oͤftern, wo nicht allemahl dependiren, mit bildern nach unſern abſichten zu occupiren; in den willen den affect ſelbſt lebhaft anzuneh - men; hernach durch den ausdruck aller ſeiner eigenſchaften lebhaft und nachdruͤcklich fuͤr - zuſtellen; man miſcht allerhand contraire af - fecten, daß ſie untereinander geſchwaͤcht und wir meiſter werden; dabey laͤſt man den ange - nommenen affect ſelbſt reden, der ſich durch al - lerhand ausdruckungen ohne zwang in der re - de von ſelbſten zeiget, welche manieren man hernachmahls figuren nennet.
§. 16. Weil hierbey das meiſte darauf an - kommt, daß man den affect lebhaft fuͤrſtelle, und alſo durch die einbildung in das gemuͤth des zuhoͤrers wuͤrcke, ſo muß man wohl uͤber - legen, worinn der grund des affects beſtehe, was er fuͤr regungen und kennzeichen habe und in was fuͤr ordnung dieſe kennzeichen zum vor - ſchein kommen. Wenn man nun den affect in ſeiner ſeele angenommen, und den ſtrichen, die der affect fuͤrgezeichnet, auch in ſeinem aus - druck folget, ſich dabey der obenangefuͤhrten il - luſtrationen, aus dem weſen der ſache bedienet, und den affect nach ſeinen manieren reden laͤſt,alles135von bewegungs-gruͤnden. alles aber, was ſich zu dem affect nicht ſchickt, verſchweiget, oder ihm eine andere farbe giebt, ſo kan es nicht anders ſeyn, man muß den af - fect nette und lebhaft fuͤrſtellen koͤnnen.
§. 17. Den affect bey einem zuhoͤrer zu un - terdruͤcken, kommt es darauf an, daß man das obiectum, darauf er gerichtet und gegruͤndet, unvermerckt mit andern gruͤnden, in dem ge - muͤthe des zuhoͤrers fuͤrſtelle, anfaͤnglich ihn nur etwan zweiffelhaft und argwoͤhniſch mache, hernach ſeine aufmerckſamkeit immer mehr auf die ſchlimme ſeite des affects fuͤhre und hingegen bey der betrachtung der gutenJ 4ſei -136von bewegungs-gruͤnden. ſeite diſtrahire, zuweilen dem affect nachgebe, unter der hand zeige, wie er den fuͤrnehmſten abſichten des zuhoͤrers zuwieder, auf ſchlechten gruͤnden ruhe, ꝛc. Dabey man, was vorhin angefuͤhret, mit zu huͤlffe nehmen muß.
§. 18. Alle menſchen laſſen ſich vermittelſt ihrer affecten fuͤhren, wo man ſie hin haben will, ſie muͤſten dann zu einem groſſen grad der weißheit geſtiegen ſeyn, niemand aber will das anſehen haben, als wann er es ohne raiſon thue. Alſo da zumahl iedermann ſich einbil - det recht zu raiſonniren, muß man niemahls den affect attaquiren, ohne zugleich, inſon - derheit wo einige theorie noͤthig iſt, den ver - ſtand zugleich nach unſern abſichten zu diſpo - niren. Dieſemnach muͤſſen die argumenta probantia allezeit den grund legen, die illu ſtrantia ſonderlich die imagination und das gedaͤchtniß occupiren, und nachgehends die pa - thetica denen probantibus und illuſtrantibus den nachdruck geben. a)
§. 19. Weil man aber hierdurch, ſonderlich durch die pathetica, die kraͤfte des menſchen in bewegung ſetzet, ſo erfodert die gerechtigkeit, daß man niemals malhonnette abſichten habe, und wieder die wahrheit und tugend ſtreite, oder den auditorẽ ohne noth beunruhige. Man muß auch nicht zu weit gehen, ſondern ſich allezeit in denen ſchrancken halten, da man fuͤr uͤbeln fol - gerungen ſicher iſt, und alſo kan man die rege - machung und unterdruckung der affecten, als etwas indifferentes anſehen, welches, wofern wir honnette abſichten haben, allezeit unſerer freyen diſpoſition uͤberlaſſen wird.
§. 20. Die regeln der klugheit erfodern, daß man ſolche mittel, ſich der menſchen gemuͤ - ther zu bemaͤchtigen, ergreiffe, welche nicht ei - ne contraire wuͤrckung herfuͤrbringen, ſich im uͤbrigen aber zu den umſtaͤnden des auditoris, der ſache, und des redners ſchicken, auch in ih - rem aͤuſſerlichen ſchein, die approbation der honnetten welt erhalten koͤnnen.
§. 21. Hier wird man alſo verhoffentlich einen ſattſamen vorrath von argumentis zu - ſammen bringen, und wofern man nur ein we - nig iudicium practicum beſitzet, ohne vermi - ſchung und uͤbelſtand ſolchen vorrath anwen - den und nutzen koͤnnen. Da ich oben im 3. cap. §. 6. einer rechten topic erwehnung ge - than, ſo will ich hier zu einer vollkommenen to - pic, einen kurtzen entwurff geben, welcher zu - gleich eine wiederhohlung der abgehandelten materie ſeyn kan.
Und[139]Und da alle argumenta, entweder probantia oder illuſtrantia oder pathetica ſeyn, ſo ſind ins be - ſondere wiederum nach dem dritten capitel:
Illuſtrantia ſind nach dem vierdten capitel entweder nominalia nuda oder (§. 4.) realia und dieſe ſind
Pathetica ſind nach dem fuͤnften capitel:
Was ſich ausdrucken heiſſe? §. 1. Wie vielerley dieſes? §. 2. Vou der vulgairen expreßion, §. 3. Von der gelehrten elocution, §. 4. Von der formirung der rede, §. 5. Von den ſprachen, §. 6. Von den buchſtahen, §. 7. Von denen woͤrtern, § 8. Von denen ſaͤtzen, §. 9. Von denen periodis, §. 10. Von denen urſachen welche den ausdruck veraͤndern, §. 11. Von den allgemeinen ſprachrichter dem ge - brauch, §. 12. Von dem gemeinen gebrauch, §. 13. Von dem gelehrten gbrauch, §. 14. Von dem galan - ten gebrauch, §. 15. Von der verhaͤltniß der gedan - cken zu dem ausdruck, §. 16. Von dem ausdruck durch die tropos, §. 17. Von dem ausdruck der affe - cten durch die figuren, §. 18. Von denen vielerley arten der figuren und derſelben rechten gebrauch, § 19.
ALles was in unſerm gemuͤthe fuͤrge - het, es moͤgen nun gedancken ſeyn, die wir im verſtande von einem ob - iecto faſſen, oder regungen, welche wir in un - ſerm willen dabey empfinden, koͤnnen wir durch ſinnliche zeichen, mit welchen die idee der ſache durch den gebrauch verknuͤpfet, und un - ter welchen ſie bekannt iſt, von uns geben und andern menſchen, mit denen wir umgehen, mittheilen. Wann wir auf dieſe weiſe nun bemuͤhet ſind, die in unſerm gemuͤthe entworf - fene bildungen, in das gemuͤth anderer einzu - praͤgen, ſo heiſt dann dieſes bey denen menſchen der ausdruck der gedancken. a)
§. 2. Da ſich alles unſerm verſtande durch aͤuſſerliche ſinnliche zeichen darſtellet, und durch ſelbige in uns gedancken und neigungen erreget, ſo koͤnnen wir auch alles, ſo bald uns nur ſolche ſinnliche zeichen bekannt werden, ausdrucken. Die gantze natur druckt ſich ſelbſt durch ſinnli - che zeichen aus und die mahlerey folgt ihrer art, durch nachmachung der an ihr befindlichen zei - chena) Die belebten creaturen, haben uͤber dieſes, ein vermoͤgen, durch ihre bewegung und einen beſondern laut, die ſinnliche zeichen der natur auszudrucken und auch die bey denen ſa - chen inihnen entſtandene ꝛegungen fuͤꝛzuſtellen. b)Der menſch hat endlich eine fuͤrtrefliche faͤ - higkeit, durch die ſtimme und rede, alle ſinnlichezei -143der gedancken. zeichen der natur, ſeine in ihm ſelbſt entſtandene wuͤrckungen des veꝛſtandes und willens, oͤffent - lich an den tag zu legen, und dieſe theilet ſich uͤberhaupt in expreßionem vulgarem und elo - cutionem eruditam.
§. 3. Wer ſich bloß damit begnuͤgen will, daß er ſich ſeiner faͤhigkeit ſeine gedancken und neigungen auszudrucken bedienen koͤnne, es gerathe wie es wolle, und alſo mit der vulgai - ren expreßion zufrieden ſeyn kan, dem rathe ich, daß er die Oratoriſchen regeln, und alſo auch dieſes buch, ungeleſen laſſe. Er wird an mutter, ammen, mademoiſellen, junge maͤg - den, laquaien, handwercksleuten, bauern und dem gantzen poͤbel, was ſeine mutter-ſpra - che betrift, die treflichſten ſprachmeiſter finden,und145der gedancken. und zu den fremden, insbeſondere denen tod - ten ſprachen, kan ihm ein fuͤrchterlicher Gram - maticus oder pedantiſcher ſprach-richter, die ſicherſte anleitung geben. Gedenckt er durch nachahmung guter exempel, gluͤcklich oder un - gluͤcklich, wie es kommt, zu empyriſiren, ohne daß er raiſon von ſeinen reden angeben koͤnne, ſo wird ihm zu ſolcher gluͤckſeeligkeit, ohne eine vernuͤnftige anleitung, der weg offen ſtehen.
§. 4. Hier will ich ietzo einen verſuch thun, ob ich zur gelehrten elocution, einige vernuͤnf - tige regeln ertheilen koͤnne, nachdem ich von der erfindung ſo viel als noͤthig beygebracht. Und dieſe iſt eine geſchicklichkeit, eine ſache, welche wir in unſerm gemuͤth klar, deutlich, gruͤndlich, artig und ordentlich, nach ihren be - ſchaffenheiten entworffen, mit denen daruͤber in uns entſtandenen gedancken und regungen, durch ſolche worte fuͤrzuſtellen, die mit der ſache ſo ſie fuͤrbilden und unter ſich ſelbſt eine genaue proportion und uͤbereinſtimmung haben, ſich zu denen begriffen des zuhoͤrers oder leſers ſchi - cken, und alſo vermoͤgend ſind, bey andern eben die gedancken und regungen zu erwecken, welche wir intendiren.
§. 5. Die natur des menſchen hat ſeinen leib mit beſondern organis ausgeruͤſtet, daß ernicht147der gedancken. nicht nur einen laut von ſich geben, ſondern auch vermittelſt der verſchiedenen anwendung der organorum,a) den laut auf vielfaͤltige art veraͤndern, dieſe veraͤnderungen zuſammen ſetzen, ſolche zuſammenſetzung mit unterſchie - denen ſtellungen und zufaͤllen fuͤrſtellen und alſo eine foͤrmliche rede herfuͤrbringen kan, welche als das geſchwindeſte bequemſte und vollkommenſte mittel, ſeine gedancken und re - gungen auszudrucken, von allen menſchen uͤber - haupt beliebet worden. b)
§. 6. Der gebrauch hat unter gantzen voͤl - ckern, beſondere arten der veraͤnderung und zuſammenſetzung des lauts eingefuͤhret, daher ſind unterſchiedene ſprachen entſtanden. a)Jn denen ſprachen ſind von gewiſſen laͤndern, ia auch wohl gewiſſen oͤrtern und lebens-arten be - ſondere arten zu ſprechen beliebet worden, da - hero ſo vielerley dialecti entſprungen,b) wor - aus man die menge der ſprachen,c) die unter - ſchiedenen veraͤnderungen,d) den reichthum einer ieglichen,e) den unterſcheid derſelben,f) die harmonie derſelben,g) und die beſondern eigenſchaften einer ieden,h) abnehmen, aber kaum uͤberſehen, determiniren, und gnugſam bewundern kan.
§. 7. Ein vernuͤnftiger redner, bekuͤmmert ſich ſonderlich um die erkaͤnntniß der ſprache, darinn ihm die meiſte gelegenheit zu reden fuͤr - kommen moͤchte. Und da die beſondere an - wendung eines ieden organi, bey dem laut, gewiſſe buchſtaben herfuͤr bringet, welche, ſo zu reden, die erſten elementa und principia der ſprache werden;a) ſo ſiehet auch ein klu - ger redner, auf die natuͤrliche beſchaffenheit ſolcher buchſtaben, damit er bey dem ausdruck der gedancken, den zuſammenfall, klang und maſſe der buchſtaben, dem obiecto gemaͤß mit anbringen moͤge. b)Doch huͤtet er ſich da - bey, fuͤr allem zwang, und andere paradoxe und alberne gloſſen. c)
Du biſt den ketten gleich in wohlbeſtallten uhren,Durch die von innen her die feder alles treibt:Man155der gedancken.Man ſieht nicht ihren gang; doch zeigen ihre ſpuren,Daß iedes rad durch ſie in ſeiner ordnung bleibt.
Zugeſchweigen anderer fehler, als, der ſelbſt - gemachten und nichts bedeutenden worte ꝛc. ſo erfoderte das obiectum wohl nicht dergleichen zwang. Klaius machts noch luſtiger S. Hl. Neumeiſters Diſſ. de poëtis Germanicis Leipzig1695.156von dem ausdruck1695. p. 72 und das Schediaſma Hln. M. Clodii de inſtituto Societatis Philo-Teutonicae Poëticae, quae ſub praeſid. Menckenii Lipſiae congregatur. p. 16. ſqq. z. e.Es ſtimmet mit mir ein, die ſtimme ſo wir hoͤren,Das praßlende geſchluͤrf, fließt aus den erden roͤh - ren,Und liſpelt durch den kieß; der klatſch und platſcher thon,Spricht ſonder fleiß und kunſt faſt allen ſprachen hohn.Das ſum und brum geſauß, das ſchnarren, murren, marren,Kan andrer zungen kraft in ſchroffen ſand ver - ſcharren.Es rollt mein donner-wort es ruͤllt, bruͤllt, brauſt, zerſplittert,Daß durch die luft und gluft die hein und ſtein er - ſchuͤttert ꝛc.
§. 8. Aus buchſtaben und ſylben werden endlich worte zuſammen geſetzt. Ein wort iſt nichts anders, als ein articulatus und aus vie - len veraͤnderungen des lauts zuſammen geſetz - ter ſchall, womit der willkuͤhr der erſten erfin - dera) unb der gebrauch der menſchen,b) eine gedancke und begrif von einer ſache, beleget und ausdrucket. Der redner unterſcheidet alſo ſorgfaͤltig, die haupt - und neben-idee eines worts,c) die haupt - und neben-woͤrter oder epitheta,d) den grammaticaliſchen unter - ſchied der woͤrter,e) die vulgairen und kunſt - woͤrter,f) ſubiectum und praͤdicatum,g) uni - voca, aͤquivoca und ſynonyma,h) die eigentli - che bedeutung eines worts und die tropiſche,i) und dergleichen zufaͤllige veraͤnderung der woͤrter,k) und bemuͤhet ſich nicht nur einen vorrath von worten zu haben, ſondern auch aus dieſem vorrath, die convenableſten woͤrter zur ausdruckung ſeines obiecti heraus zu ſuchen und nach dem genie der ſprache und aller an - dern umſtaͤnde, im reden anzubringen, wozu im folgenden einige anleitung gegeben wird.
a) Die157der gedancken.§. 9. Aus worten werden endlich gantze ſaͤ - tze formiret, wenn man nemlich zwey ideen in der dritten verbindet, und mit gehoͤrigen wor - ten ausdrucket. Bey dieſen beobachtet der redner, alle dabey fuͤrfallende umſtaͤnde, ob ſie aus vulgairen oder gelehrten begriffen beſtehena) ob ſie mit der eigentlichen oder tropiſchen be - deutung der worte zu bemercken,b) ihren ſyntax, urſprung, ordnung,c) ob ſie beia - hend oder verneinend,d) vniverſal oder par - ticular, oder limitirt zu concipiren,e) ob da - bey die connexion des ſubiecti und praͤdicati unſtreitig oder wahrſcheinlich oder gleichniß - weiſe fuͤrzuſtellen,f) aus was fuͤr diſciplinen und Facultaͤten ſelbige genommeng) ob ſie bloß theoretiſch oder auch zugleich pathetiſch auszuſprechen,h) ꝛc.
§. 10. Alle dieſe eigenſchaften der ſaͤtze, in - gleichen die zuſammenſetzung verſchiedener ſaͤ - tze, geben von ſelbſten, ohne muͤhe, anlaß, gantze periodos zu machen. Ein periodus iſtnichts163der gedancken. nichts anders alſo, alseine haupt-propoſition, welche mit ihren eigenſchaften und neben-pro - poſitionibus vollkommen ausgedrucket und in einer gewiſſen zeit da die ſtimme ſteigen, ruhen und fallen kan, ausgeſprochen wird. a)Er iſt entweder explicativa,b) oder determina - tiva,c) ſimplex oder compoſita,d) probans, illuſtrans, oder pathetica,e) ꝛc. Dabey ſie - het man auf die deutlichkeit,f) reinlichkeit,g) den numerum,h) die ſymmetrie und rechte maſſe deſſelben,i) ingleichen auf die veraͤn - derung, welche man damit fuͤrnehmen kan. k)
§. 11. Und dieſes waͤren die elementa, und der natuͤrliche grund aller ſprachen. Es koͤn - nen aber dieſe principia, ſo vielerley zufaͤlle ha - ben, auf ſo mancherley weiſe veraͤndert werden, daß man faſt ſo vielerley arten des ausdrucks findet, als menſchen ſind. Die urſachen ſol -L 4cher168von dem ausdruckcher veraͤnderungen ſind, die einrichtung des verſtandes,a) die miſchung der temperamen - te,b) die auferziehung,c) das clima,d) die lebens-art,e) der genie eines ieden ſaͤculi,e) der ort,g) die materie welche man ausdruckt,h) die affectation der leute,i) die imitation angeſehener perſonen,k) die natuͤrliche be - ſchaffenheiten bey der pronunciation,l) das alter,m) ꝛc. welche dinge ſo gar in einer ein - tzigen ſprache unzehliche veraͤnderungen herfuͤr bringen, und ſich doch niemahls gern unter das ioch der kunſt bequemen, ſondern mehren - theils lieber von der natur dependiren wollen.
§. 12. Daraus ſolte man faſt ſchlieſſen, als wann es unmoͤglich, von der ſchoͤnheit und ac - curateſſe des ausdrucks, regeln zu geben, und ſo vielerley dinge, einer herrſchaft der kunſt zu un - terwerffen; eben ſo, wie es ſchwer, den ge - ſchmack der leute, durch diſputiren auszuma - chen und durch regeln zu determiniren. Allein zu geſchweigen, daß es hier nicht bloß auf der - gleichen natuͤrliche zufaͤlle, oder auf eine bloſſeempfin -172von dem ausdruckempfindung ankomme, ſo wirft ſich der ge - brauch, ſo zu reden, zu einem allgemeinen ſprachrichter auf, und tyranniſiret dergeſtalt, daß man auch durch die regeln der vernunft kaum vermoͤgend iſt, ihn einiger maſſen im zaum zu halten. Und dieſer iſt eine gleichfoͤr - migkeit oder uͤbereinſtimmung einer gewiſſen nation oder ſocietaͤt, in dem ausdruck, betref - fend die worte, redens-arten, und derſelben be - deutung und anwendung.
§. 13. Dieſer gebrauch ſiehet entweder bloß auf die worte, ſo iſt es ein Grammaticaliſcher concept, und leget den grund zur Grammatick,a) oder er ſiehet auf die idee, welche mit einem worte ausgedruckt wird, ſo iſt er das funda - ment der Rhetorick, und gehoͤrt hieher. Er iſt aber ſo dann univerſel, wann er bey einer gantzen nation, in einer gantzen ſprache, ein - gefuͤhret, oder particular, wann er von einem gewiſſen theil der nation, durch einhelligen con - ſens angenommen worden. Der univerſelle gebrauch, herrſchet ſonderlich bey ſenſuellen dingen. erfindet ſelbige auszudrucken woͤrter und fuͤhret ſie ein,b) macht die ſtamm-woͤr - ter nach der phantaſie der erfinder, bindet die ideen an die worte und veraͤndert ſie auch wohl nach und nach, wird daher uͤberall im gemeinen leben beobachtete) und auch als der grund des particularen angeſehen. Jhn zu erkennen und zu appliciren braucht man weiter nichts als die erfahrung und memorie.
a) Die -173der gedancken.§. 14. Weil aber der univerſelle gebrauch ſich mehr um den ausdruck ſenſueller dinge, und um die hauptidee der worte, als um abſtracta und um die neben ideen bekuͤmmert, ſo haben gelehrte und polite leute, von demſelben abge - hen, und einen particularen gebrauch unter ſich einfuͤhren muͤſſen, und daher iſt der gelehr - te und der galante gebrauch entſtanden. Der gelehrte gebraucha) iſt alſo eine uͤberein - ſtimmung der gelehrten,b) in dem ausdruck derer abſtracten dinge,c) und zeiget ſich ent - weder in erfindung neuer kunſt-woͤrterd) oder in determinirung der bereits erfundenen, aber ſchwanckenden und unrichtigen woͤrter. e)Dieſen zu erkennen und zu appliciren, muß man den univerſellen gebrauch und die medi - tation, doch dieſe mehr als ienen zu rathe zie - hen.
§. 15. Der galante gebrauch, iſt endlich eine uͤbereinſtimmung derer politen leute,a) in der vermeidung ſolcher woͤrter, die dem De - coro zuwiderlauffende neben-ideen haben,b) und in anwendung ſolcher, welche, nach be - ſchaffenheit des durch die fuͤrnehmſten in der republick eingefuͤhrten wohlſtandes,c) artige neben-ideen haben. d)Damit man auch dieſen recht erkenne und applicire, muß man den univerſellen gebrauch und die eingefuͤhrte regeln des wohlſtandes gegeneinander halten und in obacht nehmen. Und wann man end - lich von einer ſprache und derſelben ſchoͤnheit urtheilen will, ſo muß man den gelehrten und politen gebrauch zur richtſchnur ſetzen, nicht aber den univerſellen. e)
§. 16. Auſſer dem allgemeinen ſprachrich - ter dem gebrauch, hat ein redner zugleich die verhaͤltniß der gedancken und worte, als eine richtſchnur ſeines ausdrucks anzuſehen, und zwar ſo, daß er ſich ihrer herrſchaft aus ſchul - digkeit gern unterwerffe, da er mehrentheils aus noth dem gebrauch nachgeben, und der tyranney deſſelben weichen muß. Es iſt aber dieſe zu beobachten unter den worten und ge - dancken, unter den gedancken und der ſache ſelbſt, unter den worten und der idee des zu - hoͤrers, und endlich unter denen worten gegen - einander. Und hievon iſt im folgenden 2. cap. ausfuͤhrlicher zu handeln, hier aber nur ſo viel zu gedencken, daß dieſe verhaͤltniſſe vollkommen auszudrucken, faſt keine ſprache reich genug an worten ſey, zumahl da bey dem groſſen reich - thum der ſprachen, dennoch der verſtand mehr gedancken faſſen, und der wille mehr regungenM 4em -184von dem ausdruckempfinden kan, als der gebrauch, worte ſelbige auszudrucken, eingefuͤhret.
§. 17. Dannenhero iſt man genoͤthiget worden, an ſolche ſache zu gedencken, welche mit dieſen verhaͤltniſſen einige verwandſchafft und ihre eigene worte haben, damit man durch die von ihnen entlehnten worten ausdrucken moͤge, wozu man keine eigene finden koͤnnen, und ſolche nennet man tropos. Nachgehends hat man auch wohl ohne noth, zur zierde der re - de, und den ausdruck nach ſeinen abſichten einzurichten, tropos angewendet, und auſſer dieſen faͤllen iſt es thoͤricht, tropos gebrau - chen. a)Ubrigens iſt die verwandſchafft der ſache, von welcher wir die worte entlehnen, mit derienigen, ſo wir dadurch ausdruͤcken wollen, entweder natuͤrlich oder kuͤnſtlich, iene koͤnte man uͤberhaupt metonymiſch oder iudicioͤs, die - ſe metaphoriſch oder ingenioͤs nennen, und ih - ren urſprung in denen erlaͤuterungs-gruͤnden ſuchen. b)
Und da nennen ſie 1. 2. 3. 4. 5. ſynecdochen, 6. 7. an - tonomaſiam, 8. metalepſin, 9. enallagen, oder ins beſondere antimeriam 10. heteroſin, und zuweilen antiptoſin 11. aequipollentiam, 12. hyper - bolen und dieſe bald meioſin, oder tapinoſin, bald auxeſin, bald litoten, bald heteroſin, bald cata - chreſin, bald bloß hyperbolen, 13. 14 ſchlechtweg metonymiam, da denn noch hypallage drunter begriffen. Jch dencke, man habe ſich mehr um die fontes, und den gebrauch, als um die nahmen, welche bißweilen undeutlich und ſchwanckend concipiret, zu bekuͤmmern. Als fontes koͤnnen alle dieienigen ideen angeſehen werden, welche mit unſerm obiecto verknuͤpfet, zu welchen uns die natur und meditation gantz ungezwungen fuͤhren, und der gebrauch iſt nach der abſicht die man hat, und nach denen im erſten theil cap. 4. angefuͤhrten regeln, anzuſtellen und zu beurthei -len.188von dem ausdrucklen. Die metaphoriſche oder ingenioͤſe ver - wandſchaft, gruͤndet ſich auf die argumenta il - luſtrantia, welche auſſer dem weſen der ſache ſind, daher kan man ſetzen:
Hievon wird 1. metaphora genennet, wenn das ſimi - le durch etliche eigenſchaften gut durchgefuͤhret wird, heiſt es allegoria, fuͤhrt es einen gelin - dern concept ein als man ſich vom obiecto ſonſt macht, heiſt es euphemiſmus. Wenn 2. kurtz angefuͤhrt wird heiſt es alluſio, ſonſt bleibt es ein ordentliches argumentum illuſtrans. Und end - lich 3. iſt die ironia. Die fontes dazu und was bey dem gebrauch zu beobachten, ſiehe oben P. l. c. IIII. Das hauptſaͤchlichſte iſt, daß man nicht gar zu unbekannte und von dem weſen der ſache gar zu weit entfernte dinge nehme, und daß man nicht in der ausfuͤhrung ſich uͤbelreimender ideen und worte bediene. Z. e er iſt ein rechter Philipp freyherr von Winneberg, an ſtatt: er liebt ſeine freunde beſtaͤndig, oder: er iſt ein rechter Ecebolius, an ſtatt: er iſt unbeſtaͤndig in der religion, denn das wiſſen nicht alle leute, daß ie - ner geſagt: er befinde ſich am beſten bey alten kleidern und bey alten freunden, und daß die - ſer ſeine religion zu anfang des vierdten ſaͤculinach189der gedancken. nach der religion der Kaͤyſer gerichtet. Jn ſchriften pflegen ſich die leute, ſo hiewieder pecci - ren, mit noten zu helffen. Ubel connectiret die - ſes: Was ſolte wohl dieſer fuchs nicht thun, ia ich mercke es ſchon, er ſey zwar von auſſen ein ſchaf, aber inwendig ſind die wolffs klau - en ziemlich groß (beym Maͤnnling in ſeinem expediten redner. Franckfurt und Leipzig 1718. 8. p. 212.) Dann er faͤngt beym fuchſe an und hoͤrt beym wolffe auf. Wie ſich der affect mit den tropis ausdrucke, laͤſt ſich von ſelbſten ſchlieſſen, und wird im folgenden 19. §. gewieſen werden.
§. 18. Die regungen des willens druckt die natur faſt von ſelbſten, und ohne zwang in der rede aus, dadurch, daß ſie denen redens-ar - ten und worten, durch beſondere ſtellung und ausſprache, gewiſſe neben-ideen anhengt, dar - aus man die verhaͤltniſſe des affects zu der ſa - che, durch eine ſympathetiſche kraft abnehmen und in dem andern erregen kan, und ſolche merckmahle nennt man figuren. Da nun dieſe die ſprache der affecten ſind, ſo muß man wuͤrcklich nicht nur in dem gemuͤth affecten ha - ben, ſondern es muͤſſen auch dieſe ſich zu dem obiecto reimen, und in denen argumentis pa - theticis gegruͤndet ſeyn. Da aber auch die af - fecten niemahls ohne heftigkeit ſind, und als re - gungen des willens, aufunzehliche weiſe ſich veꝛ - aͤndern koͤnnen, ſo nim̃t der affect alle argumen - ta, alle gedancken und worte, alle eigentliche uñ tropiſche ausdruckungen, und bedienet ſich der - ſelben ohne regeln, auf ſo vielfaͤltige art, daß esein -190von dem ausdruckeinmahl unnoͤthig, hernach auch nicht wohl moͤglich, alle ſolche arten zu determiniren.
§. 19. Jnzwiſchen, da es doch mode wor - den, in der Oratorie eine lange reihe figuren, mit fuͤrchterlichen nahmen und beſondern be - ſchreibungen, nach einander her zu zehlen, indem ia alle Rhetoricken damit geſpicket ſind, ſo ſehe ich mich genoͤthiget, auch hier ein regiſter der - ſelben, dem leſer zu liefern, ob es wohl wegen der vielen verworꝛenen unꝛichtigen und ſchwan - ckenden concepten nicht wenig unangenehm. Jch will dabey zugleich alles, was ſonſt unter dem nahmen der figuren im reden bekannt iſt, anfuͤhren, alſo finde ich erſt Gramma - ticaliſche, hernach Rhetoriſche figuren; die Grammaticaliſchen ſind entweder Orthogra -phiſch,191der gedancken. phiſch,a) oder Etymologiſch,b) oder Syn - tactiſch,c) oder Proſodiſch,d) die Rhetori - ſchen ſind entweder dictionis in worten, oder ſententiae in ſachen; iene beſtehen entweder im mangele) oder im uͤberflußf) oder in wiederholung einerleyg) und gleichfoͤrmigerh) worte, dieſe ſind entweder probatoriae,i) oder amplificatoriae,k) oder affectuoſae,l) oder diſpoſitionism) und connexionis.
WAs der ſtilus ſey? §. 1. Wie vielerley derſelbe? §. 2. Von den eigenſchaften des ſtili, §. 3. Von den natuͤrlichen zierrathen, §. 4. Der ſtilus muß ſich nach dem obiecto nach der perſon des redners und des zuhoͤrers richten, §. 5. Von dem adaͤquaten aus - druck, anbringung der neben-ideen und beywoͤrter, §. 6. Von der reinlichkeit, §. 7. Von der deutlich - keit, proprietaͤt, §. 8. Von der iunctur, ordnung der woͤrter, §. 9. Von der periodiſchen ſtructur, inter - punction, und dem numero oratorio, §. 10. Wie man egal und ungezwungen ſich ausdrucken muͤſſe, §. 11. Von den kuͤnſtlichen zierrathen, §. 12. Von der lebhaftigkeit im ſtilo, §. 13. Von den tropis und figuren, §. 14. Von denen falſchen zierrathen, §. 15.
§. 1.
WEnn der ausdruck unſerer gedancken, mit allen ſeinen theilen und verhaͤlt - niſſen,a) in eine ſolche form gebrachtN 4wird200von dem ſtilowird, welche mit denen abſichten des redners in einer guten harmonie ſtehet, und da alles conſpiriret, dem zuhoͤrer die gedancken beyzu - bringen, und die affecten rege zu machen, wel - che man intendiret zuerwecken, ſo heiſt dieſes, wann man zumahl darinn zu einiger fertigkeit elanget iſt, der ſtilus. b)
§. 2. Dieſer iſt ſo vielen veraͤnderungen un - terworffen, daß es faſt nicht moͤglich ſolche in gewiſſe claſſen zu bringen, und alſo die vie -lerley201und deſſelben eigenſchaften. lerley arten des ſtili zu determiniren. Doch ſind die fuͤrnehmſten nach denen hauptſaͤchlich - ſten verhaͤltniſſen und momentis leicht zu mer - cken. Alſo iſt der ſtilus in anſehung des obie - cti, entweder ſimplex oder eruditus; entweder humilis oder mediocris oder ſublimis; entwe - der theoreticus oder patheticus; entweder Theologicus oder Juridicus oder Medicus oder Philoſophicus und Mathematicus oder Hiſtoricus: Jn anſehung der gedancken ent - weder iudicioſus oder ingenioſus oder memo - rialis: Jn anſehung der hauptneigungen der menſchen, entweder terſus oder magnificus oder floridus: Jn anſehung der ſprache und worte, entweder Lateiniſch oder Teutſch oder Griechiſch und ſo vielerley als ſprachen ſind; entweder naturalis oder artificialis, iener ent - weder ſimplex oder proprius oder ordinarius, dieſer hingegen entweder declamatorius oder tropicus oder figuratus, der declamatorius ent - weder oratorius oder theatralis; entweder Aſiaticus oder Atticus oder Laconicus; ent - weder luxurians und diffuſus, oder rotundus oder conciſus und ſententioſus: Jn anſehung des redenden, entweder ſerius oder iocoſus; entweder candidus oder ironicus; entweder recitativus oder relativus; entweder vehe - mens oder temperatus: Jn anſehung desieni - gen, der meine worte annimmt, entweder fami - liaris oder galant oder caͤrimonioſus; entweder dialogiſticus oder epiſtolaris; entweder dog - maticus oder polemicus, ꝛc.
Aus202von dem ſtilo§. 3. Ohngeachtet nun ſo viele arten vom ſtilo zu erdencken, ſo hat doch ein ieder ſeine be - ſondere eigenſchaften, dadurch er ſich von an - dern unterſcheidet und welche man keinesweges zu negligiren. Jnzwiſchen iſt es zufoͤrderſt noͤthig, daß man ſich um die allgemeinen eigen - ſchaften bekuͤmmere, welche man als weſentli - che ſtuͤcke eines ieden ſtili, als die natuͤrlichen zierrathen deſſelben und als den grund zu den beſondern eigenſchaften eines ieglichen anzu - ſehen.
§. 4. Dieſe allgemeine eigenſchaften, wel - che den ſtilum uͤberhaupt ausmachen und zie - ren, ſind nichts anders als richtige verhaͤltniſſe aller derienigen theile, darauf der ausdruck be - ſtehet. Folglich beſtehen ſie in einer guten pro - portion der gedancken, zu dem obiecto, der per - ſon des redners und zuhoͤrers, in einer genauen uͤbereinſtimmung des ausdrucks mit den ge - dancken und regungen des redners, in der rein - lichkeit, deutlichkeit, guten verbindung der wor - te und ſaͤtze, damit ſie der zuhoͤrer gerne hoͤre und leicht begreiffe, und endlich in einer har - monie des vorhergehenden mit dem nachfol - genden oder in der gleichheit des ausdrucks an ſich ſelbſt.
§. 5. Wer nun ſeinen ausdruck in eine gu - te form bringen, und einen rechten ſtilum an - nehmen und gebrauchen will, der betrachtet gleich anfangs das obiectum davon er reden ſoll, nach allen ſeinen umſtaͤnden und eigen - ſchaften, damit er demſelben gemaͤſſe gedan - cken faſſen und anſtaͤndige regungen in ſich er - wecken koͤnne. a)Hiernaͤchſt ſiehet er auf die umſtaͤnde, begriffe und neigungen des zu - hoͤrers, und ſuchet ebenfalls darnach die von dem obiecto gefaſte gedancken und regungen zu bilden,b) und endlich erweget er bey ſich ſei - ne eigene diſpoſition, ſo wohl zum obiecto und dem zuhoͤrer, als auch zur ausfuͤhrung des fuͤr - geſetzten endzwecks bey ſeinem ausdruck. c)
§. 6. Nach dieſem iſt man auf den aus - druck der gefaſten gedancken und neigungen be - dacht, und da iſt es noͤthig, daß man ſolche woͤr - ter und redens-ausſuche, welche nicht mehr und nicht weniger ſagen, als die gedancken und re - gungen bey dem obiecto leiden. a)Dabey hat man achtung zu geben, daß nicht nur die haupt -idee205und deſſelben eigenſchaften. idee richtig zu treffe, ſondern auch inſonder - heit die neben-idee wohl ausgeſucht und ange - bracht ſey. b)Weilen auch die beywoͤrter am allermeiſten dazu beytragen, daß man adaͤ - quat rede und ſchreibe, ſo iſt bey ſolchen eben - falls zu unterſuchen, ob ſie bey denen haupt - woͤrtern einen rechten effect haben und ſelbige entweder gehoͤrig erklaͤren oder einſchraͤncken, und alſo nicht vergebens ſtehen, ſondern ſich zu den abſichten, die man bey dem ausdruck hat, ſchicken. c)
§. 7. Die reinlichkeit in dem ausdruck ge - bietet, daß man zwiſchen der gar zu groſſen cri -tic208von dem ſtilotic der Zeſianer,a) Ciceronianer und derglei - chen ſprach-richter, und zwiſchen der groſſen nachlaͤſſigkeit der galanten ſprach-verderber, die mittelſtraſſe halte, daß man den gelehrten und galanten gebrauch wohl beobachte, alte verlegne, neuerfundene worte,b) idiotiſmos anderer ſprachen und dialectorum,c) ver - worrene conſtructiones, verſetzung der ſchluß - woͤrter,d) einmiſchung frembder ſprachen,e) und dergleichen vermeide, und im uͤbrigen nicht wieder die regeln welche eine ſprache nach der Grammatick zum grunde hat, verſtoſſe. f)
§. 8. Mit der reinlichkeit iſt die deutlichkeit im ſtilo gar genau verbunden, denn wo man dieſe erhalten will, da muß iene nothwendig beobachtet werden. Auſſer dem aber iſt zur deutlichkeit noͤthig, daß man zweydeutige worte und redens-arten, viele propoſitiones incidentes, gar zu haͤuffige limitationes, epi - theta, participia, verwerffung der woͤrter, un - noͤthige ausdehnung und allzukurtze verfaſſung der periodorum vermeide, die tropos und figu - ren nicht zu haͤuffig und wieder die natur des obiecti, oder weit hergeholt, unbekannt und zu weit getrieben anbringe, welches alles wofern man ſonſt nur im kopfe deutliche begriffe hat, leicht ins werck zu richten.
§. 9. Bey der iunctur und ordnung der woͤrter iſt zu mercken, daß man hiebey die be - ſchaffenheit der ſache und die eigenſchaften der ſprache zum voraus erwegen muͤſſe, denn nach dieſem iſt die iunctur und ordnung der woͤrter einzurichten, hernach vermeidet man ſorgfaͤltig, daß nicht die natuͤrliche ordnung der ſachen durch die woͤrter verworffen werde, daß nicht gar zu viel vocales, nicht gar zu viel conſonan - tes zuſammen kommen, daß nicht gar zu viel gleichlautende ſylben, zu viel einſylbige oder zweyſylbige woͤrter auf einander folgen, oder auch ein conſonans oder vocalis zu ofte hinter - einander wiederholet werde, und endlich daß keine reime, termini klappantes oder wuͤrckliche verſe fuͤrkommen.
§. 10. Eine ſehr noͤthige und angenehme ei - genſchaft des ſtili iſt, die periodiſche ſtructur, welche nicht nur der deutlichkeit fuͤrtreflich zu ſtatten kommt, ſondern auch dem ſtilo eine be - ſondere annehmlichkeit giebt. Es beruhet aber dieſelbe auf die interpunction und den ſo ge - nannten numerum oratorium, iene zeiget, wie man einen periodum, durch commata, cola, ſe - micola und puncta unterſcheiden, und alſo der ſtimme zum ſteigen, ruhen und fallen, gehoͤrige zeit geben muͤſſe,a) dieſer aber iſt eine gewiſſe maſſe des gantzen periodi, dadurch derſelbe ineiner211und deſſelben eigenſchaften. einer gewiſſen zeit, mit bequemer reſpiration und dem obiecto gemaͤß, leicht auszuſprechen, und mit einer vergnuͤgung anzuhoͤren iſt. b)
§. 11. Endlich iſt auch eine hauptſaͤchliche eigenſchaft des ſtili, daß alle ſeine theile gegen einander in denen vorhergehenden und folgen - den ſtuͤcken, in einer guten harmonie und ver - haͤltniß ſtehen, und uͤberall ſaͤtze mit ſaͤtzen, peri - odi mit periodis auf eine ungezwungene art zu - ſammenhaͤngen. Jenes heiſt man die egalite oder gleichheit im ſtilo, dieſes die connexion und verbindung, und ſucht, zumahl in einer gan - tzen rede, nothwendig beyde, auf alle weiſe ge - ſchickt anzubringen. Die gleichheit richtet alles in einer rede nach der beſchaffenheit des obiecti, nach denen davon entſtandenen ge -dan -213und deſſelben eigenſchaften. dancken und regungen, und nach der einmahl angenommenen form zu reden, gleichſtimmig ein,a) und ob ſchon zuweilen veraͤnderungen in der rede fuͤrfallen, ſind ſie doch nur in dem aͤuſſerlichen putz derſelben zu ſpuͤren, und re - ſolviren ſich endlich, wie die in der Muſick an - gebrachte diſſonantien. b)Die connexion der periodorum, beruhet auf der verbindung und ordentlichen diſpoſition der gantzen rede, und iſt entweder verbalis oder realis,c) wel - che beyde nur darinn unterſchieden, daß bey iener die verbindung zugleich durch worte aus - gedruckt wird. d)
Das buch welches ich ſo oft bereits von Euch verlanget, habt Jhr mir endlich einmahl zu - kommen laſſen, weßwegen ich denn anietzo ſchuldigen danck abſtatte. Vor acht tagen war der ehrliche Curtius bey mir, und beſuchte mich in meinem neuen logis, welches mir ein be - ſonders vergnuͤgen verurſachte, da ich ihn in langer zeit nicht geſehen. Monſieur Sauſe - wind fuͤhret ſich ietzo recht unbaͤndig auf, daß alle leute davon zu reden wiſſen. Er verſpielt dem vater das geld, und wann er kein geld mehr hat, ſo ſchreibt er wechſel, ſolche nach des vaters tode zu bezahlen, ia er wuͤnſcht deßhal - ben recht ſehnlich, daß unſer herre Gott den alten holen moͤge. Bey der iungfer Hippo - craſſen liegt er gantze halbe tage, und wann er nicht bey ihr ſeyn kan, daß etwan ein andrer galant ſein rendezvous hat, ſo ſteht er in dem hauſe gleich gegen uͤber, und charmiret bald die fenſter-ſcheiben entzwey. Neulich hatte er einen ſolennen ſchmauß bey ſich, da ließ er auftragen, daß die tiſche knackten, und weilO 4faſt216von dem ſtilofaſt zehnerley weine fuͤrhanden waren, er auch keine complimente und aufmunterungs-gruͤn - de ſparete, ſo kame niemand ohne einen ziemli - chen ſchwindel nach hauſe. Herr Broſius hatte bey der gelegenheit im heimgehen mit denen ſaͤnftentraͤgern haͤndel, weil er die fenſter in der ſaͤnfte gantz illuminiret, und nachge - hends da ſie ihre durchſichtigkeit verlohren, als unbrauchbar entzwey geſchmiſſen, aber daruͤ - ber die haͤnde ziemlich bleſſiret. Die iungfer Machmitten iſt ietzo eine braut, und wird ehe - ſtens mit Hrn. Schoͤpschriſteln hochzeit halten.
Jch weiß nicht ob ich Euch bereits gemeldet, daß Mr. Fanfaron Euch fuͤr ſehr eigenſinnig halte, er hat ſich gegen mir ohnlaͤngſt etwas da - von mercken laſſen, vielleicht hat er Euch etwan auf der naſe ſpielen und zum beſten haben wol - len, Jhr aber ſeyd nicht diſponiret geweſen, es treuhertzig zu leiden. Gemeiniglich ma - chen es dergleichen wohlgezogne herrlein ſo, ſie wollen iedermann auf dem maule trummeln, und mit ihren Quichotiſchen ſtreichen, betruͤge - reyen und windmachereyen allen leuten eins anhaͤngen, wer es nun nicht ſo gleich verſtehn und mit einem tieffen reverentz annehmen will, den beſchuldigen ſie einer eigenſinnigen und verdrießlichen auffuͤhrung. Jhr werdet euch darnach zu richten wiſſen. Jch bin
Vôtre tres fidele ami,
Als ich unlaͤngſt die ehre hatte, in dero ge - ſellſchaft zu ſeyn, und mich aus dero converſa - tion zu erbauen, ſo geriethen wir unter andern auf die kennzeichen der rechten philoſophen, und brachten derſelben eine ziemliche anzahl zum vorſchein. Jch habe nachher dieſer ſache noch ein wenig nachgedacht, und gefunden daß man zu denen, derer wir neulich erwehnet, noch hinzu ſetzen koͤnnen. Mir deucht ein rechter Philoſophe habe inſonderheit dieſes an ſich, dadurch er ſich von denen andern unterſchei - det, daß er niemahls ſecten zu machen ſuchet, oder ſich wohl gar ſelbſt an die ſpitze einer ſol - chen ſecte ſtellet, die von ihm koͤnte benennet werden. Jch dencke dieſes ſey ebenfalls ein merckmahl eines guten Philoſophen, daß er nie - mahls befehlsweiſe ſeine gedancken fuͤrtrage und uͤber die begriffe der menſchen herrſchen wolle, ſondern bloß ihnen ſeine gedancken als einen guten rath mittheile. Jch glaube auch dieſes ſeyen kennzeichen eines Philoſophen, daß er nicht praͤtendire alles zu wiſſen, daß er ſich mehr nach andere leute bequeme, als ſeine eige - ne ehre nutzen, und commoditaͤt ſuche, daß er niemand verketzere, daß er ſich der ſtreitſchrif - ten enthalte, oder ſelbige doch mit aller ſanft - muth gelaſſenheit und hoͤflichkeit gegen ſein wiederpart verfertige (wovon man bey groſ -O 5ſen218von dem ſtiloſen ſtaats - und hofleuten aber nicht bey ſchul - fuͤchſen, lebendige exempel findet) daß er ſeine begierde zu wiſſen nicht zu weit treibe, daß er mehr in der ausuͤbung als in der theorie ſeine gute erkaͤnntniß zeige, und endlich daß er nie - manden fuͤr ſo gar ſchlimm anſehe, daß er auch das gute an ihm nicht eſtimiren ſolte. Jch weiß nicht ob ich in dieſen ſtuͤcken recht gedacht. Dero kuͤnftige zeilen werden mich deßfalls beſſer unterrichten, welche ich mit verlangen er - warte als
Dero ergebenſter Diener.
Elabor: Si quid vmquam, homini bene nato & educato, vtile eſt & neceſſarium, il - lud bonarum artium, litterarum, humanita - tisque ſtudium eſſe, firmiſſime mihi perſua - deo. Studiis parantur verae illaeopes ani - mi, quae non furto eripi, non incendio ab - ſumi, non naufragio abſorberi poſſunt, quae - quae certam rectamque viam commonſtrant ad perſequendum id bonum quo cetera omnia continentur.
Elabor: Jch duͤrffte zwar vielen wieder - ſpruch erfahren muͤſſen, wann ich ſagte: Da - vid ſey nach ſeiner natuͤrlichen gemuͤths-nei - gung, in ſofern er nicht vom H. Geiſt erleuch - tet, im hoͤchſten grad wolluͤſtig geweſen; ich dencke aber nicht daß man mich deßwegen zum ketzer machen und eines gefaͤhrlichen irrthums uͤberfuͤhren werde. Die wahrheit meines ſa - tzes erhellet aus ſeinem gefuͤhrten lebens-wan - del, ohne allen zwang gantz offenbahr. Furcht, geilheit, viele klagen, neugierigkeit, beliebung zur Muſick, weichhertzigkeit, mitleiden, thraͤnen, bemuͤhung nach freundſchaft, appetit zu guten eſſen und trincken, ſind die kennzeichen eines wolluͤſtigen, und alledieſe finde ich an David. Furchtſam war er als er fuͤr Saul und Abſo - lon flohe, als Seba einen aufruhr erregte, ia aus bloſſer zaghaftigkeit ſtrafte er den drey - fachen moͤrder Joab nicht. Seine geilheit zeigte er in der begebenhenheit mit der Bathſe - ba, da er ſoviel weiber hatte und ohngeachtet der groſſen menge die zu ſeinen dienſten ſtun - den, doch nach andrer leute weiber griffe. Nichts als klagen hoͤrte man von ihm, da Saul und Jonathan iener als ſein ſchwieger - vater, dieſer als ſein hertzens-freund gefallen war, da er ſeinen ungerathenen ſohn von dereiche220von dem ſtiloeiche, und das in unehren mit der Bathſeba erzeugte kind, von dem ſchoße ſeiner mutter, in das reich der todten laſſen muſte. Jch weiß nicht, ob nicht eine kleine neugierigkeit ihn in das lager getrieben, da er bißher nur ſeiner heerde lager und huͤrden wahrgenommen; Ob nicht das blut der helden, aus neugierigkeit und luͤſternheit gewaget worden, da er des waſſers aus dem brunnen unter dem thor zu Bethle - hem trincken wollen; Ob nicht aus bloſſer cu - rioſitaͤt vielleicht, gantz Jſrael von Dan biß gen Berſeba, gezehlet worden. Mit ſeiner harffe ſtillte er ofte die wut des melancholiſchen Sauls, ia ich glaube daß er auch ſeiner gar vergnuͤgten Bathſeba eines aufgeſpielet. Seine freundſchafts-liebe hat gar zu merck - wuͤrdige proben herfuͤrgebracht, als daß man ſelbige fuͤrbeygehen und daran zweiffeln koͤnte. Haͤtte er nicht auch zu guten eſſen und trincken belieben getragen, er wuͤrde ſich vielleicht nicht eben zu der zeit, da Nabal ſein ſchaͤffer feſt be - gieng, bey ihm zu gaſte gebeten, oder denen prieſtern ihre ſchau-brodte abgeborget haben, welche freylich beſſer ſchmeckten, als die brodte der gemeinen Juͤden ꝛc.
Elaboratio: Wer die gar beſondern und mannigfaͤltigen veraͤnderungen, welche das gluͤck mit denen armen ſterblichen fuͤrnimmt, in reiffe uͤberlegung ziehet, der wird befinden, daß dieienigen, welche ihre knie fuͤr den Baal der laſter nicht beugen, ſondern ſich vielmehr der tugend gaͤntzlich aufopfern, am allermeiſten von demſelben angefeindet und verfolget wer - den. Die goͤttliche allmacht, hat in dem ver - wunderns-wuͤrdigen reiche der natur, es alſo mehrentheils verordnet, daß ſich die beſte kraft der fruͤchte, die ſuͤſſeſten kerne, unter harte, bitte - re, und ſtachlichte ſchaalen verbergen, und von ihnen eingeſchloſſen, ihre rechte annehmlichkeit uͤberkommen muͤſſen. Die ſchoͤnſten roſen, wachſen in den gefaͤhrlichſten dornen, ein Myrrhenbaum giebt reichlicher ſeinen ſaft, ie heftiger er von denen winden beſtuͤrmet wor - den, und eine rechte tugend muß ſich unter de - nen bittern ſchalen eines ſcheinbaren elendes, unter den ritzenden dornen des ungluͤcks, und unter denen daher brauſenden ſturm-winden ihrer verfolger, der innerlichen guͤte ſuͤſſigkeit und fuͤrtreflichkeit getroͤſten. Lohenſtein ſagt gar artig:
Oft222von dem ſtiloOft zeucht das ungeluͤcke,Das ſchon gezuckte beil von hals und bruſt zu - ruͤcke,Wenn es die tugend ſieht mit ſtarren augen an.
Er thut zugleich einen blick in die alte Hi - ſtorie, auf den beruͤhmten Roͤmiſchen Marium. Als nemlich die zu Minturnum einen Gallier, ihm das leben zu nehmen, beordert, dieſer aber indem er den Marium erkennet, ſich zugleich der tapferkeit des Marii ſo er in dem Cim - briſchen kriege gegenwaͤrtig als gemeiner ſolda - te mit angeſehen, erinnerte, ſo entgieng ihm gleichſam alle kraft dem aufgetragenen be - fehl ein genuͤge zu leiſten, daß er auch das be - reits gezuckte gewehr voller beſtuͤrtzung und verwirrung von ſich werffen, und ſo gar den Mario zur erhaltung ſeines lebens dienen mu - ſte. Aber o ſeltzames gluͤck! haͤtteſt du dich mit der tapferkeit des Marii verbinden wollen, warum ſuchteſt du nicht vielmehr ihn fuͤr der - gleichen umſtaͤnde zu bewahren, darinn er alle augenblick den letzten ſtreich erwarten, und bloß durch eine hoͤhere ſchickung abhalten kon - te. Wilſt du der tugend deine annehmlich - keiten zu koſten geben, ſo erwarte doch nicht eine zeit da ihnen der geſchmack, ia alle ſinne be - reits vergangen!
Jhr habt mir abweſend ein kennzeichen Eurer freundſchaft, in uͤberſchickung des bewuſten buches, zu meinem groſſen vergnuͤgen gegeben. Was wuͤrde ich nicht erſt fuͤr eine freude bey mir empfinden, wann ich die ehre haben ſolte Euch gegenwaͤrtig zu kuͤſſen? Eine ſolche freu - de hat mir neulich der ehrliche Curtius gemacht, da er nach einer langen abweſenheit mich in meinen neuen logis beſuchet. Was meint ihr hingegen wie mir zu muthe ſey, wañ Mr. Sau - ſewind mit ſeinen ungezognen manieren mich uͤberfaͤllt, und mir meine koſtbare zeit, am mei - ſten aber meine ſtille ruhe, mit ſeinen incompre - henſibilitaden und unverſchaͤmten weſen rau - bet. Gewiß wann der unbaͤndige kerl auf reiſen geht und nach Franckreich kommt, da wird er ſich fuͤr les petites maiſons huͤten muͤſſen, wo nicht kuͤnfftige hundstage ihm etwas fatales begegnet; ſein geld verſpielt er gantz in cognito, uñ dazu die helfte von ſeines vaters vermoͤgen. Seine ehre und zeit vertaͤndelt er mit der Jfr. Hippocraſſen, und damit auch ſein eignes logis merckmahle von ſeinen thorheiten bekomme, ſo ſchmauſet er fleißig, und laͤſtden wein aus de - nen bouteillen in die maͤgen und aus den maͤ - gen in die ſtube ſchuͤtten, daß bediente, maͤgde, ſaͤnfftentraͤger, haͤſcher und mit dieſen die gan - tze ſtadt ſeine ſchwelgerey und ſeiner gaͤſte auf - fuͤhrung zu ruͤhmen haben. Jch moͤchte wohl wiſſen, ob er klug werden koͤnne, wann manihm224von dem ſtiloihm eine frau geben wird, denn man glaubt ia ſonſt das viel maͤnner durch ihre weiber klug werden. Herrn Schoͤpschriſteln dem es an ei - ner andern art der klugheit fehlet, wird die Jfr. Machmitten aus eben der urſach in die ſchule fuͤhren, denn ſie werden naͤchſtens hochzeit hal - ten, und weil alle leute von ihrer klugheit uͤber - zeuget ſind, ſo zweifle ich nicht die zucht werde wohl angewendet ſeyn, wenigſtens ſchicken ſie ſich ſehr wohl zuſammen, und machen ein voll - kommen paar, da ſie zu viel und er hingegen bißher zu wenig raffiniret. So viel als ich ge - mercket wuͤrdet ihr und Mr. Fanfaron euch wohl nicht ſo gut zuſammenſchicken, denn er haͤlt Euch fuͤr eigenſinnig, und Jhr glaubt er ſey geſchoſſen. Vielleicht hat er gedacht, ve - xatio dat intellectum, und hat euch wollen klug machen, Jhr aber habts umgekehrt und Eurem meiſter lection gegeben. Jnzwiſchen koͤnt ihr hieraus von mir, ohne in die ſchule zu gehen, lernen, wie er gegen euch geſinnet. Von mir wiſſet Jhr ſonſt mehr als zu wohl, daß ich iederzeit, mit aller aufrichtigkeit ſey
Vôtre tres fidele ami.
Nachdem es dem hoͤchſten gefallen, mei - nen bruder durch einen ſeeligen tod aus dieſer zeitlichkeit abzufodern: So kan ich nicht um -hin,225und deſſelben eigenſchaften. hin, ſolches demſelben zu hinterbringen. Und gleichwie ich vielfaͤltig ſeine aufrichtige freund - ſchaft verſpuͤret: Alſo hoffe, Er werde mir auch ietzo eine probe ſehen laſſen, und zur lei - chenbegaͤngniß erſcheinen. Jmmaſſen ich denn verſichere, daß mir ſolches zum ſonderba - ren troſt gereichen werde. Jm uͤbrigen wuͤn - ſche in froͤlichen faͤllen Jhm dafuͤr meine er - kaͤnntlichkeit zu zeigen, der ich verharre
Deſſelben dienſtwilligſter.
Daß der hoͤchſte Deſſen geliebteſten bruder zu ſich genom̃en, und alſo Sein hauß mit einer trauer beleget: Solches habe ich mit nicht ge - ringem beyleid aus Deſſen zeilen erſehen. Da ich nun von Demſelben ſo guͤtig zu dem leichen - begaͤngniß des ſeel. herrn bruders eingeladen werde; auch uͤber dieſes meine freundſchaft gegen Demſelben erfodert ſolchen liebes-dienſt willigſt uͤber mir zu nehmen: Als habe ich be - ſchloſſen zu Jhm zu kommen und gegenwaͤrtig mit mehrern meine condolence abzulegen. Ge - ſtalt ich dann mich gleich nach verſiegelung dieſes auf den weg machen werde. Verblei - be inzwiſchen nebſt beygefuͤgter verſicherung meiner ergebenheit, Deſſen
dienſtergebenſter.
Zu dergleichenconnexion hat Kemmerich l. c. aus dem Weiſen gantze modelle gegeben, welche ichPfuͤr226von dem ſtilofuͤr leute die ſonſt nicht ordentlich gedencken und verbinden koͤnnen gar dienlich erachte, fuͤr ande - re moͤchte es wohl etwas zu kindiſch ſeyn.
Thema: Otto der III. hatte eine unkeuſche gemahlin; ihre liebe fiel auf einen iungen gra - fen von Modena; er wiederſetzte ſich ihreman - ſuchen; ſie verklagte ihn als ob er ihr etwas ſchaͤndliches zugemuthet; er wurde hingerich - tet; ſeine gemahlin bewieß durch anruͤhrung eines gluͤenden eiſens ſeine unſchuld; die kaͤy - ſerin bekennete ihre uͤbelthat und wurde ver - brannt. (Jch habe dieß exempelin meiner iugend gemacht, da ich meinte, es waͤre eine wahre hiſtorie, ietzo bin ich anders geſinnet und wuͤrde es auch beſſer machen. Doch exemplorum non requiritur veritas, und ich kan kein beſſers ſo gleich finden.)
Elaboratio: Eitelkeit und laſter ſind ſo er - ſchrecklich, daß ſie auch in die pallaͤſte der maͤch - tigſten potentaten, deren winck unzehliche men - ſchen gehorſamen, fuͤr deren thron ſich uner - meßliche reiche demuͤthigen, ungeſcheut eindrin - gen und ihren hohen beſitzern mit laſterhaften feſſeln zu draͤuen, kein bedencken tragen. Die gemahlin des occidentaliſchen monarchen Ot - tonis des dritten, kan die unumſtoͤßliche wahr - heit meines ſatzes mit ihrem ungluͤckſeeligen exempel ſattſam bekraͤftigen. Jedermannder227und deſſelbigen eigenſchaften. der einige faͤhigkeit beſaß, menſchliche vollkom - menheiten zu beurtheilen, muſte ſie fuͤr die Ve - nus des praͤchtigen regenten-himmels halten, und die ſonne des Roͤmiſchen Reichs Otto kon - te die ſtrahlen ſeiner hoheit und tapferkeit nicht ſoweit ſchieſſen, als der glantz ihrer ſchoͤnheit ſich in dem groͤſten theile der welt blicken ließ. Groſſen ſchoͤnheiten pfleget die wolluſt, als ei - ne zauberiſche Circe, am meiſten nachzuſtellen, und ihre annehmlichkeit am erſten, durch an - hengung eines garſtigen laſters, in eine thieri - ſche ungeſtalt zu verwandeln; die kaͤyſerin aber war kein Ulyſſes welcher dieſem zaubergifte kluͤglich haͤtte entgehen koͤnnen. Sind die neigungen ſturmwinde, ſo iſt die wolluſt gewiß der heftigſte, und da die kaͤyſerin ihre auffuͤh - rung, wie ein kluger ſchifmann das ſchif, nicht wohl zu regieren wuſte, ſondern ſich vielmehr derſelben freywillig preiß gabe, ſo wurde ſie endlich auf die klippen der unkeuſchheit geworf - fen, und muſte daran mit ihrem gaͤntzlichen un - tergange zu ſcheitern. Dabey gienge ſie nicht allein zu grunde und in das verderben, ſondern ihr fall, oder daß ich recht ſage, ihre boßheit, riſſe einen von der unſchuld ſelbſt bekroͤnten grafen von Modena, elendiglicher weiſe zugleich in den abgrund. Dieſer hatte bißhero in den dienſten des maͤchtigen Ottonis, tapferkeit, treue, und klugheit, ſeinem allerdurchlauchtig - ſten oberhaupte gewiedmet, und es waren auch ſeine verdienſte, durch die kaͤyſerliche gna -P 2de228von dem ſtilode, nicht nur gebilliget, ſondern auch erhoͤhet worden. Sein edler und tugendhafter geiſt, hatte denen innerlichen vollkommenheiten, eine aͤhnliche und anſtaͤndige wohnung auserleſen, und da ihn die natur mit einem wohlgebildeten angeſichte und maieſtaͤtiſcher ſtatur begabet, ſo traf es bey ihm ein, daß in einem ſchoͤnen leibe ein ſchoͤner geiſt zu wohnen pflege. Hatte ſich aber tugend und natur gegen ihm guͤtig erwie - ſen, ſo ſchien es, als wann dadurch die eyfer - ſucht des gluͤcks erreget worden, daß dieſes auch ſich zu raͤchen es alſo gefuͤget, damit das hertz der kaͤyſerin durch geile flammen entzuͤndet, den unſchuldigen grafen, ſeiner eyferſuͤchtigen wut aufopfern muͤſſen. Denn wie in geilheit ent - brannte ſeelen, weder goͤttliche noch menſchliche geſetze ſcheuen, die feſteſten baͤnder zertrennen, und auch mit der aͤuſſerſten lebens-gefahr ihre brennende begierden, in dem meere der luͤſte abzukuͤhlen ſuchen, ſo ſuchte auch hier die feuri - ge liebe der kaͤyſerin, theils durch die blitze eines ſochtenden auges, theils durch die mit ſchmach - tenden lippen ſehnlichſt herfuͤrgebrachten wor - te, theils durch alle nur erſinnliche liebes-bezeu - gungen, das hertz des grafens zu erweichen, und in eine gleichfoͤrmige, obſchon verbotene glut zu ſetzen. Sind nun ſonſt die liſtigen verſtellun - gen einer lockenden Sirene, und der ſchmeichel - hafte mund einer luͤſternden Evaͤ vermoͤgend, alles zu ſclaven und unmoͤgliche dinge moͤglich zu machen: So waren ſie doch hier, gegen dasgeſetzte229und deſſelben eigenſchaften. geſetzte gemuͤth des tugendhaften grafens, un - nuͤtze waffen. Waren der kaͤyſerin holdſeelige blicke, pfeile, ſo war ſein hertz ein felſen, auf ſol - chem muſten ſie zuruͤcke prallen, waren ihre liebreitzende worte bande, ſo wurden ſie an den haͤnden dieſes Simſons wie verſengte faden. Er hatte gelernet, man muͤſſe am hofe bey ge - wiſſen faͤllen mit ſehenden augen blind, und mit hoͤrenden ohren taub ſeyn, weil die am beſten ſingenden, am erſten zu fangen, und die am liebreichſten ſcheinenden, am begierigſten zu freſſen pflegen. Alſo war er ein Salaman - der, in den flammen dieſer unkeuſchen, und ein Joſeph, welcher ſeinen Gott fuͤr augen, die tu - gend im hertzen, und die ſeiner gemahlin ge - ſchworne treue in unverwelcklichen andencken hatte, was wunder dann, daß er das ungezie - mende anſinnen, der kaͤyſerlichen gemahlin, be - ſtaͤndig abſchlug. Die einer wolluͤſtigen da - me verſagte liebe, iſt ein unbetrieglicher vorbo - te, der gewiß erfolgenden rache, und wie man ſich fuͤr denen im heiſſeſten ſommer auf ſteigen - den gewittern, am meiſten zu fuͤrchten, alſo kanſtu bey deiner tugend ungluͤckliche graf, von der, durch deine abſchlaͤgige antwort er - zuͤrnten kaͤyſerin, nichts als blitz und donner - ſchlaͤge vermuthen. Der grafnachdem er ei - ne ſolche gelegenheit großmuͤthig ausgeſchla - gen, welche von andern aͤngſtiglich geſuchet wird, muſte in weniger zeit erfahren, daß die keuſchheit denen grauſamſten verfolgungenP 3aus -230von dem ſtiloausgeſetzet, und daß laſterhafte gemuͤther den ſpiegel, welchem ſie ihre ſchandflecken gewieſen, gemeiniglich zerbxechen. Verlaͤumbdungen haben nicht geringe macht, und ich werde durch die ungluͤcklichen begebenheiten, ſo dieſes laſter anrichtet, leicht auf die gedancken ge - bracht, daß kein ungeheuer und raſende teuf - fels-brut, dem menſchlichen geſchlecht ſo nach - theilig und ſchaͤdlich ſey, als eben verlaͤumb - dungen. Dieſe waren es auch, deren ſich die kaͤyſerin als werckzeuge ihrer rache bediente, und ſie durfte nur bey ihrem gemahl ſich bekla - gen der graf habe ihr unzucht angemuthet, ſo waren alle gute eigenſchaften deſſelben, in den augen des durch die eyferſucht geblendeten und aufgebrachten kaͤyſers, und alle dem kaͤyſerli - chem ſcepter geleiſtete dienſte, bemuͤhungen, der kaͤyſerin liebe zu erzwingen. Kurtz ſein todt war eine wuͤrckung der abgeſchlagenen liebe, und die kaͤyſerin ſahe mit freuden ſeinen, der unſchuldigen ſeele beraubten, leib, unter den haͤnden des henckers. Allein, triumphire nicht unkeuſche moͤrdeꝛin. Tugend und unſchuld wird gar leicht unterdruckt, aber ſie bleibt nicht lange unterdruckt, oder findet wenigſtens, mit - leiden, freunde ia wohl gar ſcharffe raͤcher. Die gemahlin des erwuͤrgten grafens, wird durch das um rache ſchreyende blut, ihres unſchuldi - gen ehe-herrns bewogen, mit einer damahls uͤblichen feuer-probe, durch unverletzte beruͤh -rung231und deſſelben eigenſchaften. rung eines gluͤenden eiſens, ſeine unſchuld an den tag zu legen und zu bewaͤhren. Zu dieſem fuͤgte ſich die unruhe eines geaͤngſteten und auf - wachenden gewiſſens. Solches iſt die aͤrgſte tortur boßhaft geweſener menſchen, und wer dieſes in der ſeele hat, iſt weit ungluͤcklicher, als derienige, welcher eine ſchlange im buſen traͤgt, und deſſen begleiter ein allzeit fertiger hencker iſt, und eben dieſes folterte dieſe printzeſſin al - ſo, daß ſie lieber ihre uͤbelthat und des grafen unſchuld bekennen, als ſich einer irdiſchen hoͤl - le aufopfern wolte. Darauf folgte eine er - ſchreckliche ſtraffe, und es ſchien als wann mehr die vereinigung ſo vieler geiſtlichen flammen, dieſe ungluͤckſeelige, endlich in aſche verwan - delt haͤtte, als der bey Modena aufgerichtete ſcheiterhauffen, auf welchem ſie ihr leben mit einem entſetzlichen ende iaͤmmerlich beſchlieſſen muſte. Die nachwelt aber kan aus ihrer aſche leſen: Hohen haͤuptern werde am gefaͤhrlich - ſten von denen laſtern nachgeſtellet, und den - noch ihre miſſethaten am ſchrecklichſten heimge - ſuchet, wann die Goͤttliche allwiſſende Maie - ſtaͤt, mit raͤchenden arme, was im finſtern be - gangen, an die ſonne herfuͤrziehet.
§. 12. Und dieſes waͤren dieienigen eigen - ſchaften des ſtili, ohne welche derſelbe, ein un - formlicher miſchmaſch zuſammen gehaͤufter worte bleibt, und welche hingegen wann ſie wohl in acht genommen und angebracht, als die wahrhaftigen und natuͤrlichen zierrathenP 4deſſel -232von dem ſtilodeſſelben anzuſehen. Zu dieſen kommt nach - gehends die kunſt, und bemuͤhet ſich den ſtilum, durch allerhand arten von tropis und figuren, durch lauter wohl ausgeſuchte argumenta illu - ſtrantia und pathetica, ohngeachtet die natuͤr - liche expreſſion dergleichen eben nicht nothwen - dig erfoderte, lebhaftig, ſinnreich, hoch und an - genehm zu machen. Doch iſt bey dieſen zu mercken, daß ſie nicht am unrechten ort, nicht wieder die natuͤrliche eigenſchaften des ſtili, nicht zu haͤuffig, und nicht alsdann ſchon ange - bracht werden, wenn man noch nicht die natuͤr - lichen eigenſchaften recht beobachtet hat.
§. 13. Da nun durch ſelbige alle theile der expreſſion erhoͤhet, die gedancken nachdruͤckli - cher, die regungen heftiger und die worte mit denen dazu ſorgfaͤltig ausgeſuchten neben - ideen bald maieſtaͤtiſcher bald anmuthiger werden, ſo entſtehet daher eine beſondere leb - haftigkeit des ſtili, welche das gemuͤth des zuhoͤ - rers im nachſinnen unterhaͤlt, ſeine einbildung beluſtiget, ſeine neigungen auf eine angenehme art erreget, und das gehoͤr inſonderheit ergoͤtzet, aber eben deßwegen nicht gar zu gemein zu ma - chen, noch uͤberall anzubringen iſt. a)
§. 14. Jnſonderheit iſt es noͤthig, daß man mit denen tropis und figuren, vernuͤnftig um - zugehen wiſſe, und ſelbige nicht ungeſchickt aus -P 5theile234von dem ſtilotheile. a)Beyde muͤſſen in der natur des ob - iecti und der gedancken davon gegruͤndet ſeyn, und denen eigenſchaften des affects ſich con - formiren, denn wo dieſe hauptſtuͤcke fehlen, da iſt auch die anbringung der troporum und figu - ren ein fehler. Alſo ſind alle dieſe kuͤnſtliche und gute zierrathen billich zu verwerffen, wañ man ſie bey keinen hohen und pathetiſchen obiectis anbringet,b) wann ſie monſtroͤſe ideen rege machen,c) alle ſo wohl natuͤrliche als morali - ſche capacitaͤt uͤberſchreiten,d) keine natuͤrli - che ſchoͤnheit zum grunde haben und dannen - hero mehr fuͤr eine laͤppiſche ſchmincke,e) als angenehmen putz zu halten.
§. 15. Wo man dieſe hier beygebrachte cautelen negligiret, den ſtilum gar zu ſehr kuͤn - ſtelt, mit fleiß und ohne noth ungebraͤuchlich redet, allzu ſinnreich und erhaben ſprechen will, ſo entſtehet ein pedantiſcher, phantaſtiſcher, aufgeblaſener und abgeſchmackter ſtilus, wel - cher bey geringen dingen die praͤchtigſten zier -rathen236von denen unterſchiedenen artenrathen verſchwendet, und deren veraͤchtlichkeit nur noch mehr dadurch an den tag bringet; welcher von auſſen allerley unnuͤtzen pracht herbey holet, ohne das weſentliche ſchoͤne zu conſideriren; welcher bey dem putz auf nieder - traͤchtige, gezwungene und laͤppiſche kleinigkei - ten verfaͤllt, und an ſtatt ſolider gedancken, kin - diſche einfaͤlle fuͤrtraͤget.
VOm ſtilo in anſehung des obiecti, § 1. und zwar vom ſtilo humili, §. 2. Vom ſtilo mediocri, §. 3. Vom ſtilo ſublimi, §. 4. Vom theoretico und pathe - kico, §. 5. Vom erudito und zwar vom Theologico, §. 6 Vom Juridico, und curiaͤ, §. 7. Vom Medi - co, Philoſophico, Mathematico, §. 8. Vom Hiſto - rico, §. 9. Vom ſtilo in anſehung der gedancken, §. 10. Vom ſtilo ingenioſo und arguto, §. 11. Vom ſtilo ſa - tyrico, §. 12. Poetico 13. Vom Butlesque, §. 14. Vom ſtilo in anſehung der ſprachen, §. 15. Vom La - teiniſchen, §. 16. Vom Teutſchen, §. 17. Vom de - clamatorio, §. 18. Vom theatrali, §. 19. Vom lu - xurianti, §. 20. Vom conciſo, ſententioſo, §. 21. Vom ſtilo rotundo, §. 22. Vom ſtilo in anſehung des re - denden, §. 23. Jn anſehung des hoͤrenden, §. 24. Vom ſtilo familiari, dialogiſtico, §. 25. Vom galan -ten237des ſtili inſonderheit. ten ſtilo, §. 26. Vom caͤrimonioſo, §. 27. Vom epiſtolari, §. 28. Vom dogmatico und polemico, ꝛc. §. 29.
§. 1.
D Je mancherley zufaͤlligen dinge, welche bey dem ſtilo die weſentliche eigenſchaf - ten deſſelben, vielfaͤltig bey der anwen - dung modificiren, und die verhaͤltniß ſeiner thei - le in etwas veraͤndern, bringen auch verſchie - dene arten des ſtili herfuͤr. a)Die wichtigſte veraͤnderung entſtehet, von den unterſchiede - nen obiectis, deren iedes einen beſondern ſtilum erfodert. Jſt das obiectum ſinnlich, ſo bekom̃t man ſtilum ſimplicem, der ſicy auf den univer - ſellen gebrauch gruͤndet; iſt es abſtract, ſo ent - ſteht der ſtilus eruditus, nach dem gelehrten ge - brauch; bey niedrigen obiectis iſt der ſtilus hu - milis; bey hohen, der ſublimis; bey mittel - maͤßigen, der mediocris zugebrauchen; gehet es den verſtand allein an, erfordert es ſtilum theo - reticum; gehet es den willen an, erfodert es patheticum u. ſ. f.
§. 2. Unter dieſen iſt der ſtilus humilis der geringſte in anſehung des obiecti, aber der ſchwerſte und nothwendigſte in anſehung ſeines gebrauchs. a)Seine groͤſte kraft zeiget er in dem adaͤquaten ausdruck, daß er von niedrigen dingen, zwar dem obiecto aͤhnliche, aber deßwe - gen nicht abiecte gedancken, ohne heftige be - wegung, mit deutlichen, natuͤrlichen worten fuͤrtrage, ſelbige in einen flieſſenden numerum, maͤßige periodos, gelinde iunctur, mit deutli - chen connexionibus zuſammenfuͤge, und hin - gegen die kuͤnſtliche zierrathen als tropos und figuren ſo viel moͤglich vermeide.
Quocumque demum me in hac rerum vniuerſitate vertam, Auditores, ingemiſcen -tes240von denen unterſchiedenen artentes audio & vociferantes hominum turbas: O Deus in quae nos reſeruaſti tempora! Ea enim eſt humani generis conditio, vt qui - dem in tempore viuat, ſed nunquam tempo - re in quo viuit, contentum viuat. Puericonti - nuis in votis habent, vt ex ephebis excedant, aetatem iuuenilem adepti virilem cupiunt, illam ſi conſequantur, anxie non ſolum con - iugia deſiderant, ſed ſimul voto expetunt vo - luptates, diuitias, honores, quando demum vlterius aetate prouehi nequeunt, praete - ritam repetunt, atque maiorum tempora laudibus tantum non in uidendis extollunt. Rationibus ſe deſtitui neutiquam patientur, ſed quibus ſint muniti, dudum innotuit ho - minibus recta ratione rite inſtructis. Eſt quidam neglectus ſapientiae, qui loco ſum - mi boni virtutis atque inde propullulantis tranquillitatis animi, affectuum nebulis ho - min um animos occoecantibus, iis bona re - latiua obiicit, quae pro ſummo paſſim am - plectuntur. Accedit huic neglectui rectae rationis, affectuum in aeui praeſentis ho - mines dominium, dum quidquid recta ra - tio de bonis eiusmodi relatiuis ſummo poſt - ponendis dicat, ſurdae pulſantur aures, ipſi vero affectus non vt decebat ſuffocati, ſed magis magisque in altum elati in infinitum tendunt, animosque perpetuis curarum & votorum procellis agitant, vt ſemper alia aliaque tempora exſpectent, & tandem inrepeten -241des ſtili inſonderheit. repetendis maiorum temporibus deſinant. Egregiae ſane, quibus ſua muniunt vota ho - mines huius ſaeculi, rationes! Sed ne iniu - rius ſim in eos, ipſorumque famae aliquid detrahere videar, adducam quae reſtant, ſi vobis ita videbuntur Auditores, alicuius momenti rationes, quas votis ſuis praetexunt laudatores temporis acti, & quas ob cauſſas, maiorum tempora exoptanda forent, mon - ſtrabo. Id quidem praeſenti tempore maxi - me negotium mihi datum eſſe duxi, vbi cir - cum voluente anno, votorum atque gratu - lationum ſtrepitu, omnia reſonare audi - mus, vbi & mea mouet religio pectora, vt parentibus atque patronis, pro huc vsque plane ſingularibus praeſtitis beneficiorum generibus, debitas perſoluens gratias, fau - ſtum noui anni initium ipſis apprecer. Si ergo dignam hoc tempore materiam, ſi di - gnum filio iudicatis orationis meae finem, Auditores, fauentes aures mihi haud detre - ctate. Sic comte ſatis & erudite hac de re diſſeruero, ſic optatum attingere ſcopum potero longe facilius.
Atque vt inde exordiar, vnde in rebuspu - blicis noſtris agendi& omittendi principia in ſubiectos influunt, accuratius tempora ma - iorum inſpicienti, oculis ſeſe animi obiici - unt, iuſti Ariſtides, Juſtiniani, fortes bello Cæſares, Scipiones, benigni atque clemen - tes Auguſti, Veſpaſiani, ſtudia rerumpubii -Qcarum242von denen unterſchiedenen artencarum decus promouentes atque colentes Caroli. Frequens ſane fuit antiquum aeuum principibus, ex voluntate Dei ſalutem ſubdi - torum in libertate vel ſecuritate confirman - tibus, & ſi vel maxime tulit vnum alterum - ve officia boni principis negligentem, non - dum abſoluta erat vt hodie imperantium vis, ſed certis limitibus circumſcripta, nec populo aut animus aut facultas deerat, trans - gredientem limites ad carceres & ſupplicia rapere, & ſucceſſori documentum ſtatuere. Si vero non conceſſum erat, imperantes, li - centia regniabutentes, penitus ſupprimere, ſubditos defeciſſe vt plurimum docent hiſto - ricorum monumenta. Sceptra capeſſebant, populi, penes quem ſumma poteſtas eſt, au - ctoritate & voluntati ſurrogati. Sicelectio - ne, non ſucceſſione, ſummum in republica dignitatis faſtigium conſcendentes, non po - terant non, populi amorem ſibicomparan - di deſiderio ardentes, optima quaeque ſuſci - pere, cumantea, vt ſuffragia omnium, ad di - gnitates viam ſternentia, obtinerent, vitae ac morum integritate conſpiciendos ſe praebere non deſiiſſent. Ceteroquin po - ſterioris aeui principibus non amor populi, non vigor intellectus, non morum integri - tas, non in ſtudia & bonas quascumque ar - tes propenſio, non bello exercitata manus, ſed, quod ferme pudet dicere, patris cum matre libidinoſa coniunctio, vnice vnicequepote -243des ſtili inſonderheit. poteſtatem & ius ad faſces imperii arripien - dos conceſſit. Hinc illae lacrimae, hinc il - la ſuſpiria ob calamitatem temporum prae - ſentium, hinc illa temporum praeteritorum deſideria. Nati quidem in purpura, raro tamen & ferme per miraculum digni impe - rio euadunt. Fidei eiusmodi hominum committuntur, qui dum ipſi recte viuendi rationem nondum didicere, id tantum agunt vt puero principi ad affectuum liberiorem excurſionem portam adaperiant, dum fre - na quidem laxare, non reſtringere ſciunt ne aliquando gratia futuri principis excidant. Inde gaudete quis canibusque, fertur impetu quodam in ſequiorem ſexum, geſtit miniſtros exagitare, ſubditos variis artibus ludibrio exponere & operoſe diuexare. Monitori - bus aſperum, ſtudiis inimicum, religionis ir - riſorem, veritatis impatientem ſe ſe gerit, & quodlibet audendi ſibi facultatem éſſe re - lictam ſoli, credit. Tandem ſolium pater - num ſcandens, qui ipſe ſibi imperare non - dum didicerat, & humanas & diuinas vili - pendet leges, patrum legens veſtigia, vitiis magis quam virtutibus clara, ſubditos liber - tate exuit, nec damnum in ſecuritate ſtabili - enda reponit. Arcana dominationis pri - marium ſuarum actionum ponit finem, ſe - cundarium vt fines imperii latius extendens, multis licet iniuſtis acceſſionibus id augeat. Priuilegia & iuramenta negligit, & vt ipſeQ 2affe -244von denen unterſchiedenen artenaffectibus ſuccumbere ſueuit ita ſubditos va - riis ſuis & vagis affectibus obedientiam iu - raſſe ſibi perſuadet. Quis vmquam antiquis temporibus tanta facinora ex circumſcripta imperantium vi & electione timuit, quanta hodie ex ſucceſſione & illimitata principis voluntate ſentimus. Nolo vlterius progredi, & ex antiqua Germanorum hiſtoria de mon - ſtrare, quam felix fuerit eorum aetas quam fortunata, dum plane imperantibus deſtitu - ti, nihilominus virtutem ſectari, fidem da - tam ſeruare, fortitudine inclareſcere, ami - citiam colere, non intermiſerunt. Vnicum addendum eſſe exiſtimo, ex peruerſa ſum - morum principum vitae conditione, vitia quoque trahere alios, imperantium perſo - nas gerentes. Princeps dum ſtudia negli - git, nec dignos muneribus publicis admouet, nec indignos remouet, ſed eius generis ho - mines, qui cum principe vel Baccho, vel Veneri, vel Marti, litare ſibi gloriae ducunt, vel quouis modo pro amplianda dignitate, aut corradendis principi pecuniae ſummis, nati videntur. Olim virtute duce, officiis intromiſſi, etiam virtutibus iis praeeſſe ſa - tagebant, virtutibus deſtituti, virtutum ta - men ſimulacris ſuffulti atque conſpicui vi - debantur; nec ibi ſanguinis aut diuitiarum habebatur ratio, ſed ſcientiae, experientiae atque virtutis, quibus ſolis homines caputſupra245des ſtili inſonderheit. ſupra vulgus efferunt. Statu politico im - medicabili vulnere laborante, quid de eccle - ſiaſtico exſpectabimus? Arcta hi duo inter ſe connexione iuncti, conſpiratione quadam quaſi inita, nonnunquam quidquid ad rei - publicae tranquillitatem referri poterat, de - ſtruunt. Mirabimini, Auditores, me tam li - bere de ſtatu noſtrorum temporum perdito declamare, ſed ne paradoxa vobis proponere me iudicetis, maiorum quaeſo noſtrorum tempora euoluite atque imagines ſacrorum virorum, quo decet, animo tantiſper remiſ - ſo, intuemini. Quem, quaeſo inter noſtros hodie monſtrabimus Chryſoſtomum, Mar - tinum, Ambroſium, Auguſtinum, Macari - um, Taulerum, Thomam a Kempis, Luthe - rum, Melanchthonem, Arndtium. Non dico plane nos carere viris ſacris muneri - bus admotis, piis, eruditis, vitae & doctri - nae puritate conſpicuis, ſed non tam fre - quentes eos inter nos eſſe, vti antiquiſſi - mis temporibus, hoc eſt quod dolemus. Hoc palmarium viro ſacro, miniſtro eccleſiae eſſe duco, vt officia hominum & obligatio - nes ex lege diuina explicet, & exemplo ſuo rudiores, quibus rationes percipere natura nouerca interdixit, dirigat. Ethoc palma - rium ſibi olim putabant verbi diuini inter - pretes, cum aut nullis aut ligneis inſtructa templis eccleſia, aureis niteret ſacerdotibus. Non ſane, quod plerumque obſeruamus,Q 3variis246von denen unterſchiedenen artenvariis machinationibus & captionibus oc - culte directis, ſacras prouincias auide arri - pere tentabant, ſed vel oblatas recuſabant, ſecum habitantes, ſuam expendentes imbe - cillitatem, ſacri muneris vero dignitatem. Introductinon gazophylazia ſua augere, va - riis ventrem deliciis infarcire, ciſtas auro argentoque implere, affectus titillare, ſtude - bant, ſed fame ac ſiti premi, immo ad ſuppli - cia rapi, leue quoddam huius vitae incom - modum aeſtimabant, ſi hac ratione audito - rum erigi in Chriſtum fidem aut corroborari poſſe intelligebant. Noſtris interdum ho - minibus ſatis eſt, per aliquot horas in vm - bone ſacro balbutiiſſe, ita vt non immerito quis cum Knittelio dixerit: Ecce iterum verbum Domini loquitur per aſinam Balaa - mi. Reliqua, quae munus exigere videtur eccleſiaſticum, ceu opus operatum finiiſſe gaudent, ac ſibi plaudunt, crumena probe diſtenta exinde rediiſſe, de cetero imperare potius auditoribus & conſcientias illimitato dominio crudeliter coërcere, quam iis ſer - uire & infirmitatibus pie ac moderate ſuc - currere ſciunt. Principi aliisque reipubli - cae curam ſiniſtre gerentibus, tantum abeſt vt admonitionibus, tam publicis quam pri - uatis, officia boni imperantis infulciant, vt potius quidquid imperantes facinoris perpe - trent, ſub ſpecie prudentis conſilii ac ſingu - laris plane actionis ſubditis commendent,ne247des ſtili inſonderheit. ne forſan S. Joh. Baptiſtae aut Chryſoſtomi a[d]uerſa fata ſubire cogantur. Qualis rex, talis grex, quales paſtores, tales oues. In corpore vbi nec cor nec caputſana ſunt, ce - tera membra male ſe neceſſario habent omnia. Antiqua tempora & bonis ciuibus & multitudine ſapientum & optimis Chri - ſtianis conſpicua, quid noſtris in hac re deſit per hiſtoricos ſatis loquuntur. Portenta inter Athenienſes fortitudinis atque erudi - tionis, inter Romanos fidei & honeſtatis, in - ter Germanos magni animi, frugalitatis, a - moris ſocialis, nouimus. De Chriſtianis ſaeculorum primorum vel tantum circa re - ſurgentis purioris doctrinae tempora, quan - ta quaeſo pietatis, deuotionis, conſtantiae, caritatis, fidei in Chriſtum exempla audiui - mus. Noſtra aetas, nec ſtudia, nec pietatem, nec honeſtatem, nec bonas artes colit. Inde eſt, quod ſtudiis ſacrati in falſa eruditione ſubſiſtant, & ſaltem de pane lucrando cogi - tent, ſic praeiudiciis auctoritatis atque prae - cipitantiae plane immerſi, nil niſi patrum effata, vel noua penitus omnia inuenta, cre - pant. Et liberalium & illiberalium artium ſtudioſi, non eapropter omnes intendunt neruos, vt omnium vtilitati conſulant, qui proprius eſt ſcientiarum finis, ſed vt ſuam praecipue mediis licitis pariter ac illicicis promouere queant. Nolo criminibus in - ſurgere, vtpote quae ferro & igne, armataQ 4magi -248von denen unterſchiedenen artenmagiſtratus manu neceſſario reprimuntur, ſed potius vitiis, quae late, quamuis occulte, ſerpere ſentio. Officia coniugibus obſer - uanda, parentibus liberisque exhibenda, do - minis & ſeruis inculcanda, neglecta apud nos hodie atque diſcuſſa, maiori ſane pon - dere publicam deprimunt tranquillitatem, quam bella, quibus crebro quaſſantur respu - blicae. Quod ſi vnquam de qua aetate vi - luit illud Horatianum;
‘Aetas parentum peior auis, tulit Nos nequiores, mox daturos Progeniem vitioſiorem,’ ()in noſtram conuenit. Atque ita fontes de - texi, vnde oriantur tam infinita mala. mor - bi, diſſidia, vulnera, furta, rapinae, lenocinia, ſcortationes, adulteria, calumniae, iurgia, & neſcio, quae, quibus noſtrae dilacerantur res - publicae, quae tamen omnia in capita ea - rum recidunt. Quis non inde animum ad reuocanda maiorum tempora inducat, vel vt rectius dicam, quis non deſideret, vt vir - tutes illae quarum memoria ex priſcis tem - poribus hodienum viget, noſtram quoque colluſtrent aetatem. Non autem vota noſtra tanti ſunt, vt id efficere valeant, ſed labor improbus, intellectus aſſiduo cultu perpoli - tus, voluntatis atque affectuum indefeſſa & in infinitum repetita correctio. Si votis interim aliquid efficiendum cenſetis, Audi -tores,249des ſtili inſonderheit. tores, mea veſtris iungo, & memor eius, quod ſub exordium orationis meae promi - ſeram, Deum veneror, qui in hunc vsque diem, per tam miſera temporum noſtrorum diſcrimina, ſoſpites vos ſeruauit atque inco - lumes. Inprimis grates, quas mens humana concipere poteſt maximas, Deo decerno, quod TE Pater ad cineres omni amoris, cul - tu proſequende, anno, quem iam egimus, ſal - uum, atque ab omni vitae vel ſanitatis vel fortunae detrimento liberum, ſuſtinuit. Tibi autem, qua par eſt humanitate ac obſeruan - tia gratias perſoluo, qui facultatem conces - ſiſti ſtudiis incumbendi & de emendatione temporum cogitandi. Det Deus, vt qui ſe - quitur, anno & pluribus qui ſequentur, mihi Tuis, meis, ciuitati, amicis, bonis omnibus, viuas, vigeas, floreas, & non niſi tempora videas Saturnina. Sic quid poſſit filii deuo - tus ac pius immo gratus animus, multis Ti - bi nominibus innoteſcet, & vt ſpero & expe - to non Tibi deerit cupiditas, paternis me cu - mulare beneficiis & ornare. Seruet Deus & vos, Patroni atque Fautores, omni hono - rum genere proſequendi, vt inpoſterum pro more veſtro laudatiſſimo in reſtituendis pa - trum virtutibus & in ſubleuandis veſtris fa - miliis operam nauare, ſine vlla remora poſſi - tis. De cetero meam tenuitatem, Vobis com - mendatam eſſe precor, & cum beneuola ve - ſtra attentione me dignati ſitis, in praeſen -Q 5ti250von denen unterſchiedenen artenti commendatam fore ſpero. Credatis ve - lim, me vobis ad quaeuis officiorum genera promptum & ſacratum.
Unbeſtaͤndig ſeyn iſt ohnſtreitig ein weſentli - cher begrif, welchen man von allen denenjeni - gen ſachen, ſo die weiſe hand des allgemeinen ſchoͤpfers, auf den erdboden dargeſtellet, haben muß. Am allermeiſten aber iſt dasjenige der veraͤnderung unterworfen, welches in ſeinem zu oder abnehmen, und in allen ſeinen umſtaͤn - den, von den haͤnden der menſchen gefuͤhret wird, und aus ſeinem munde befehle erwarten muß. Das menſchliche auge verlanget im - mer etwas neues zu ſehen, wuͤrden nun die ir - diſchen dinge, ſich ſtets in einerley geſtalt dem - ſelben fuͤrbilden, ſo vergienge dadurch die beſte gelegenheit, den gemuͤthern der menſchen, einen empfindlichen eindruck zu machen, daß ſie die weißheit ihres meiſters zu bewundern, und ſei - nen willen in heiliger nachfolge zu verehren, ſchuldig waͤren. Der menſch iſt mit recht die kleine welt zu nennen, und alles was der inbe - grif der groſſen in ſich ſchlieſſet, muß zu ſeinem dienſte ſich gebrauchen laſſen. wie kan es alſo anders ſeyn, alles was etwas iſt, muß ſo wohl nach dem geſetze der groſſen als kleinen welt un -beſtaͤn -251des ſtili inſonderheit. beſtaͤndig heiſſen. Dieſer unaufhoͤrliche wech - ſel wird dennoch an der zeit als an einem maß - ſtabe abgemeſſen, dannenhero ſind einige auf die gedancken gerathen, ob nicht vielleicht die zeit, die groſſe zeuge mutter ſo vieler unbeſtaͤn - digkeiten, koͤnne genennet werden. Hat nun der beſtaͤndige unbeſtand ſolche wuͤrckungen herfuͤrgebracht, welche denen neigungen der menſchen wohlgefallen, ſo iſt man bemuͤhet ge - weſen, guldne zeiten zu erdichten und alſo de - nen iahren und tagen zuzuſchreiben, wozu man billich andere urſachen haͤtte ſuchen ſollen. Sind hingegen verdruͤßliche zufaͤlle aufgeſtoſ - ſen, welche den verhoften honig mit wermuth vermiſchet, ſo hat man die zeiten angeklagt, da man vielmehr ſeine eigne verrichtungen haͤtte beſſer oder kluͤger einrichten koͤnnen. Eine wuͤrckung dieſes vorurtheils iſt es, daß man im - mer ſich mit der hofnung beſſerer zeiten ge - ſchmeichelt, und dabey die gelegenheit verſaͤu - met, die urſachen ſeines eigenen elendes zu heben und ſeine wohlfahrt auf beſſern grunde zu ſetzen. Denn die ſuͤſſe hoffnung pflegt mehrentheils auch die wachſamſten gemuͤther einzuſchlaͤffern, biß der gift zu weit um ſich ge - griffen und der gegengift zu ſpaͤt ankommen. Die zeit aͤndert ſich niemahls, aber wer in der zeit lebt und der zeit ihre benennungen mitthei - let, aͤndert ſich unaufhoͤrlich. Alſo ſolte man nicht die guͤldnen zeiten der vorfahren wiede - rum zu erleben wuͤnſchen, ſondern daß ihre tu -genden252von denen unterſchiedenen artengenden aus dem grabe herfuͤrſchienen, und den lebenden einen ſichern pfad zur gluͤcklichen nachfolge zeigen moͤchten. Mein vorgaͤnger hat Jhnen zwar H. und H. A. die vorzuͤge der alten zeiten fuͤr den unſern gewieſen, allein nicht in der abſicht einem lebloſen dinge ſolche leb - hafte wuͤrckungen zuzuſchreiben, aber wohl die urſachen zu zeigen, warum man dergleichen wuͤnſche zu thun pflege, und auch einigermaſ - ſen zu thun befugt ſey. Dabey hat er geſucht, naͤhere gelegenheit zu bekommen, Jhnen bey ietzigem iahres-wechſel, die fruͤchte ſeiner ſchul - digkeit darzureichen. Eben dieß hat auch mich bewogen, von der zeit zu reden, und zwar von den vorzuͤgen unſerer zeiten fuͤr denen zeiten un - ſerer vorfahren, wann ich meinem vorgaͤnger nicht gaͤntzlich wiederſpreche und ihn vollkom - men wiederlege, wird doch die eitelkeit desieni - gen wunſches deſto klaͤrer werden, worinn man nach dem vergangenem ſeufzet, damit man des gegenwaͤrtigen vergeſſen moͤge. Sie erlau - ben mir demnach, H. und H. A. Daß ich in Dero Hochgeehrten verſamlung, ſo viel von dieſer ſache rede, als meine ſtamlende zunge und ungeuͤbter verſtand zulaͤſt, und ihnen die zeichen meiner ergebenheit, gleichfalls in einem gluͤckswunſche darbiete, ſo werde daran ab - nehmen, ob ich die guͤtige erlaubniß habe, mich ins kuͤnftige als dero diener aufzufuͤhren.
So lange die welt ſtehet und menſchen ge - ſellſchaftlich leben werden, wird man nicht auf -hoͤren,253des ſtili inſonderheit. hoͤren, ſich fuͤr den ſcepter gekroͤnter haͤupter zu demuͤthigen, leute welche ſich der goͤttlichen wahrheit befleißigen zu verehren, und ſich im haußſtande zu gewiſſen pflichten verbindlich zu machen, alſo wuͤrde es was ungereimtes ſeyn, ſich dem obrigkeitlichem ioche, der anhoͤrung goͤttliches willens, denen haͤußlichen pflichten mit gewalt gaͤntzlich entziehen wollen. Aber wuͤnſchen, daß alles, ſo viel die menſchliche ſchwachheit leidet, nach den befehlen einer ge - ſauberten vernunft eingerichtet werde, iſt nichts unbilliches. Ob wir nun bereits dergleichen zeiten erlebet, oder ietzo darinnen ſtehen, oder noch ins kuͤnftige zu erwarten, ſolches iſt eine frage, welche ohne groſſe behutſamkeit nicht leicht zu beantworten. Solte es nach den ge - dancken derer gehen, welche nur die fehler unſe - rer, und die tugenden der vergangnen zeiten zu - ſammen halten, ſo wuͤrden wir glauben muͤſ - ſen, die zeiten waͤren bereits voͤlligverſtrichen, da man der vernunft williges gehoͤr verſtat - tet. Sie haben auch bereits, H. und H. A. ſo viel die kuͤrtze der zeit leiden wollen, von meinem vorgaͤnger gehoͤret, worinn man die vergangenen zeiten denen unſern vorzuziehen pflege: Dennoch finde ich urſachen genung, welche mich bewegen koͤnten, denen unſern die groͤſten vorzuͤge zuzueignen und ihn zu wieder - legen, wenn ich mir ſelbſt wiederſprechen, und einem lebloſen dinge ſolche lebendige wuͤrckun - gen zuſchreiben wolte. Beruhete die ſachebloß254von denen unterſchiedenen artenbloß darauf, daß uns die geburt den purpur zu verehrenauferlegte, da die freye wahl bey den al - ten nur wohl verdienten die kronen aufgeſetzet, ſo moͤchte ich wiſſen, wer unter uns zum regieren tuͤchtige perſonen ausſuchen ſolte. Es muͤ - ſten ſolches ohnfehlbar leute ſeyn, welche eben - falls nicht die geburt oder reichthum, ſondern die weißheit von andern unterſchieden haͤtte, und die muͤſten wiederum von denen aufgeſu - chet werden, welche keinen geringen grad der weißheit erſtiegen, dieſe von ebenfalls weiſen leuten. Auf ſolche art wuͤrde man von dem gantzen menſchlichen geſchlecht etwas fodern, welches man nur im ſtande der unſchuld bey demſelben gefunden, und welches nur in ienem leben vollkommen zu hoffen, nemlich eine all - gemeine weißheit. Wen das recht der nach - folge auf den fuͤrſtlichen ſtuhl geſetzet, hat ohne dem eben ſo viel urſachen, ſich durch fuͤrſtliche tugenden dem volcke beliebt zu machen als wen die freye wahl dazu erhoben. Jn den alten zeiten muſten ſich unzehliche laͤnder zu den fuͤſſen eines eintzigen legen, und ſeinen neigun - gen faſt blinden gehorſam leiſten; bey uns haͤlt die groſſe anzahl der zugleich regierenden haͤupter, ſie ſelbſt untereinander in den gehoͤ - rigen ſchrancken der billichkeit, und hat ia die uͤble auferziehung das gute, welches man von einem printzen erwarten konte, in der bluͤ - te der iahre zum theil erſticket, ſo iſt der kluge rath getreuer miniſter, die furcht fuͤr auswaͤr -tiger155[255]des ſtili inſonderheit. tiger macht, die geſchloſſene verbindniſſe, er - theilte freyheiten, friedens-handlungen, com - mercien-ſorge genung denen unterthanen die angenehmſten zeiten zu ſchencken. Die we - nigſten ſind ſo ſcharfſichtig die geheimniſſe des ſtaats einzuſehen, und doch unterſtehet ſich ie - dermann davon zu urtheilen. Erfodert nun zuweilen des landes wohlfarth, der untertha - nen ruhe, daß printzen ihnen eine kleine unruhe machen um groͤſſern uͤbel fuͤrzubeugen, ſo meint der unterthan gnugſames recht zu haben, wo - durch ſeiner neigung nur zu viel geſchehen, von ſich abzukehren und wofern es ihm hierinnen nicht gluͤcken will, die ungerechtigkeit ſeines printzen anzuklagen. Haͤtten die geſchicht-ſchrei - ber der alten, ohne ihren zeiten zu ſchmeichlen, alles ausgedruckt, woruͤber ſich auch vernuͤñf - tige unterthanen unter ihren fuͤrſten zu bekla - gen urſach gehabt, ſo wuͤrden wir bald ſehen, ob den unſern oder den alten zeiten, in anſe - hung der regenten der vorzug beyzulegen. Und wo werden wir von denen monarchen unſerer zeit, ſolche thorheiten aufzeichnen koͤnnen, als wir von denen alten mit den groͤſten erſtaunen aufgezeichnet finden. Es prangen auch unſe - re zeiten mit ſolchen Landes-vaͤtern deren denckmahle bey unſern nachkommen weit dau - erhaftiger ſeyn werden, als bey uns die ſaͤulen Auguſti, Traiani, Hadriani, und anderer. Nicht minder verdienen die lehrer unſer zeiten, daß ihrer mit beſſern lobe gedacht werde, alsins -256von denen unterſchiedenen arteninsgemein der von ſeinen neigungen getriebene poͤbel von ihnen zu urtheilen pfleget. Einen wohlgeſaͤttigten eckelt auch fuͤr den niedlich - ſten ſpeiſen, und wer unter tauſend edelgeſtei - nen von gleicher koſtbarkeit den beſten ausſu - chen ſolte, wuͤrde ſie entweder alle fuͤr koͤſtlich oder alle fuͤr nichtswuͤrdig anſehen. So ge - het es unſern zeiten, in anſehung der ihnen fuͤr - geſtellten diener des goͤttlichen worts, indem der zuhoͤrer daran keinen mangel unter uns findet, nachdem ihm die ohren iuͤcken, ſo achtet er dieſes uͤberfluſſes nicht, wie er wohl thun wuͤrde, wann es ihm daran fehlete. Und ein ieder der etliche predigten mit fluͤchtigen ge - dancken angehoͤret, oder in die Homiletiſchen buͤcher mit hungriger begierde eingeſehen, mei - net berechtiget zu ſeyn, ieden lehrenden in der gemeine Gottes, durch ungleiche urtheile in die muſterung zu fuͤhren. Es wird dannenhero nach geendigten Gottesdienſt, wohl dieſe frage ohn unterlaß gehoͤret: Wie hat ers gemacht? an ſtatt daß man fragen ſolte: Was habt ihr zu eurer beſſerung gemercket? Die zeiten der alten haben freylich im Chriſtenthum ſolche lehrer aufzuweiſen, die man mit den nahmen der heiligen beehret, und welche gewiß in un - vergeßlichen andencken zu verehren. Selbſt die heydniſchen prieſter unterſchieden ſich von andern, durch wiſſenſchaften, eingezogenheit, verachtung des irdiſchen und andere ſchein - tugenden. Allein hierinn wuͤrden ſie alsdannnur257des ſtili inſonderheit. nur einen vorzug fuͤr unſere zeiten haben, wann es uns hierinn mangelte. Daß einige ihrem h. amt ſich nicht gemaͤß auffuͤhren wollen oder koͤnnen, ſolches wird ſich niemand befrembden laſſen, der da weiß, daß ein menſch, wann er auch mit noch ſo herrlichen gaben ausgeruͤſtet, dennoch nicht aufhoͤre, ein menſch zu ſeyn. Jch gehe noch weiter, und ſage, daß unſere zeiten ſich eines groſſen vorzugs, wegen des geiſtli - chen ſtandes, fuͤr den zeiten der alten ruͤhmen duͤrfen. War es ſonſt kaum erlaubt die bloſſe erzehlung goͤttlicher wahrheiten anzuhoͤren, ſo koͤnnen wir durch die woche etliche mahl, nicht nur die bloſſen wahrheiten ſelbſten, ſondern auch die geſchickteſten auslegungen in denen praͤchtigſten kirchen-gebaͤuden davon hoͤren. Kein ort iſt ſo gering, keine gemeine ſo enge ein - geſchrenckt, die ſich nicht eines ſeelſorgers freue - te. Das Chriſtenthum hat ſich durch die gan - tze welt ausgebreitet, und das licht der Evan - geliſchen wahrheit ſuchet allenthalben durch die finſterniß zu brechen, mit huͤlfe getreuer leh - rer. Raubt der todt ein glied aus dem geiſt - lichen orden, ſo iſt eine ſolche menge derieni - gen, die ſich dazu wuͤrdig befinden, daß man kaum in iahres-friſt den geſchickteſten darun - ter ausſuchen kan, weil ſie alle gleiches vermoͤ - gen ſelbigen getreulich fuͤrzuſtehen beſitzen. Die alten verſpuͤrten an allen dieſen nicht geringen mangel. Von der erkaͤnntniß der ſprachen und anderer hoͤchſtnoͤthigen wiſſenſchaften, dererRſich258von denen unterſchiedenen artenſich unſre lehrer, bey ſo maͤchtig angewachſener gelehrſamkeit ruͤhmen, nichts zu gedencken. Die ordnung des heyls wird in den ſyſtemati - bus und ſymboliſchen glaubens-buͤchern mit der ſchoͤnſten art fuͤrgetragen, da man vor dieſem hier und dar ein ſtuͤck aus der Bibel reiſſen und zu ſeinen glaubens-articuln zehlen muſte. Wer ergoͤtzet ſich nicht an den ungemeinen einrich - tungen des Gottesdienſtes, an die artigen erfin - dungen die hiezu gehoͤrigen diener Gottes zu unterhalten, an die von allen aberglauben und unanſtaͤndigkeit geſauberten kirchen-gebraͤu - che. Uberhaupt werden wir uns nicht ſchaͤmen duͤrfen, wann ſonderbahre verdienſte in die ie - tzigen zeitbuͤcher unſere nahmen einſchreiben. Ein weiſer mann muß mit allen umſtaͤnden der zeit, des orts, zu frieden ſeyn, wann ers nicht aͤndern kan, oder ſich zum wenigſten huͤten, daß er nicht oͤffentlich, durch unanſtaͤndiges klagen, die ſchwaͤche ſeines verſtandes in der klugheit zu leben, an den tag lege. Was im gemeinen leben unſre ruhe zu ſtoͤhren ſcheinet, iſt alſo be - ſchaffen daß es nur von denen verderbten nei - gungen herruͤhret und auch ſelbigen wiederum eintrag thut. Wer wolte alſo dieſerwegen die gegenwaͤrtigen zeiten verfluchen, oder die zeiten der alten zu erleben wuͤnſchen. Sonſt iſt es eine ausgemachte ſache, daß zu unſern zei - ten die wiſſenſchaften auf den gipfel der voll - kommenheit zu ſteigen, einen begluͤckten an - fang gemacht, da die alten ſelbige nur auf derunter -259des ſtili inſonderheit. unterſten ſtuffen dazu zugelangen, erblickten. Wie reich ſind nicht unſere zeiten an denen herr - lichſten erfindungen und nuͤtzlichſten kuͤnſten fuͤr denen alten? Die handlungen ſind gewiß das bequemſte band gantze voͤlcker in vergnuͤg - ter einigkeit zu verbinden, und wir koͤnnen uns dieſes vorzugs billich fuͤr andern fuͤr den alten ruͤhmen. Zwar olte es ſcheinen, als ob nur eitelkeiten dadurch unter uns eingefuͤhret, und alſo der menſchlichen geſellſchaft mehr geſchadet als genutzet wuͤrde. Allein zu geſchweigen, daß hiezu ein groſſer beweiß gehoͤret, ſo kan doch dieſes nicht ſtreitig gemachet werden, daß die handlungen ein groſſes wo nicht das meiſte zu der galanten und civilen lebens-art unſerer leute beytragen ſolten. Wuͤrden die alten in ihrer einfaͤltigen kleidung und ungeſchlachten ſitten wieder aufſtehen, und ſehen wie artig unſer umgang, wie geſchickt unſere kleidung, wie zierlich unſere ſprache in denen complimenten, wie wohlanſtaͤndig unſer gantzes weſen, ſie wuͤrden ihnen gantz beſondere und fuͤrnehme gedancken von unſern artigkeiten machen. Jch wuͤnſche mir alſo nicht beſſere zeiten zu erle - ben, ich ſehne mich nicht nach den zeiten der al - ten, aber dieſes wuͤnſche ich, daß ich und ein ie - der, der weißheit und tugend zu ſeinen leitſtern erkohren, ſich der gegenwaͤrtigen ſo bedienen moͤge, daß ihm die zukuͤnftigen die angenehm - ſten vergnuͤgungs-roſen zu brechen erlauben muͤſſen. Doch ich haͤtte bald, von denen an -R 2nehm -260von denen unterſchiedenen artennehmlichkeiten unſerer zeiten und deren be - trachtung entzuͤckt, vergeſſen, daß ich ſchlieſſen muͤſſe, und daß ich Jhnen vorher, H. und H. A zu den antritt des neuen iahres ergebenſt gluͤck zu wuͤnſchen mir auferleget haͤtte. Jch verehre Sie allerſeits, theils mit kindlicher pflicht, theils unter den nahmen naher ver - wandſchaft, theils weil ich mir von dero ver - dienſten wie ſchuldig einen groſſen begrif ma - che. Wie kan ich alſo anders als mich er - freuen, da ich bey Jhnen meine ſchuldigkeit ab - ſtatten und Sie insgeſamt im erwuͤnſchten wohlſeyn antreffen kan. Wie kan ich anders, da ich Jhnen zum theil fuͤr Dero vaͤterliche un - ermuͤdete fuͤrſorge, zum theil fuͤr die von Jhnen genoſſene vielfaͤltige zeichen einer ungefaͤrbten freundſchaft, zum theil fuͤr Dero wohlgewogen - heit, damit ich mir ſchmeichele, unendlich ver - bunden bin, wie kan ich anders ſage ich, als mich fuͤr dem throne Goͤttlicher maieſtaͤt demuͤ - thigen uñ Jhnen allen geiſtlichen und leiblichen ſeegen von oben herab ausbitten. Der Hoͤch - ſte bekroͤne meinen wunſch mit erfreuender fol - ge, ſo wird mir wie ich hoffe erlaubt ſeyn, ferner - hin Dero mir geneigtes wollen zu ruͤhmen und an Dero vergnuͤgen theil zu nehmen, da ich nicht ablaſſen werde, in tiefſter ergebenheit Sie allerſeits zu verehren.
§. 3 Nach dieſem iſt der ſtilus mediocris der gebraͤuchlichſte und angenehmſte. a)Er fo - dert ein mittelmaͤßiges obiectum,b) demſelbengemaͤſſe261des ſtili inſonderheit. gemaͤſſe gedancken, muntere regungen und affe - cten, (wofern das obiectum nicht bloß theore - tiſch,) hat die freyheit tropos und figuren zum ausputz des ausdrucks zu gebrauchen, beobach - tet in der iunctur und dem numero einige zier - lichkeit, wechſelt mit denen connexionibus ab, hat alſo mehr freyheit als der humilis, und auch mehr lebhaftigkeit.
Der erdkreiß ſcheinet nur darum auch ohne pfeiler ſo feſte gegruͤndet, und der himmel auchohne263des ſtili inſonderheit. ohne bogen ſo unbewegl. gewoͤlbet zu ſeyn, da - mit beyde mit gewiſſern grunde, den beſtaͤndi - gen unbeſtand und wechſel ihrer einwohner uns fuͤr augen ſtellen. Dieſer iſt ſo maͤchtig, daß er nicht nur uͤber dinge, deren weſen wir wuͤrckl. empfinden, ſondern davon wir auch nur einige moͤglichkeit erdencken koͤnnen, ſeine unumſchraͤnckte herrſchafft ausuͤbet. Bald muß ſich der heydniſche Jupiter unter allezeit ande - rer geſtalt als ein verliebter ſchmeichler, bald als ein mit donner-keilen um ſich werffender wuͤte - rich von ſeinen verehrern abbilden laſſen. So offt als die Gratien ihren reyen veraͤndern, er - ſcheinen ſie in anderer ſtellung, die von einer iñiglichen freude oder hertzfreſſenden betruͤbniß ihren urſprung nehmen. Kaum hat die ſonne ihre angenehme ſtrahlen dieſem runde gegoͤn - net, ſo kan eine regen-ſchwangere wolcke licht und freude in dunckelheit und ſchatten verſetzen, und wird ſie von den Perſern angebetet, ſo muß ſie ſich von den Mohren verfluchen laſſen. Den mond werden wir niemals in der geſtalt auf - gehen ſehen, in welcher wir ihn bey ſeinem un - tergang angetroffen, und die ſterne ſcheinen al - gemach auf unſern wirbel zu ſteigen, welchen ſie nach wenigen ſtunden wieder verlaſſen. Hat das feuer vor kurtzer zeit mit den helleſten flammen geſpielet, ſo erblicket man gleich dar - auf entweder ſchwache funcken oder graue aſche. Der goldfuͤhrende Tagus bietet der natur bald einen ſpiegel an, bald wird manR 4ihn264von denen unterſchiedenen artenihn von einem leimichten boden von ferne kaum unterſcheiden koͤnnen. Nach dem winck des allgewaltigen ſchoͤpfers fuͤhret ſich das erdreich ietzt wie eine guͤtige zeuge mutter ſo vieler be - wunderns wuͤrdiger kraͤuter auf, ietzt wie ein mit ſtahl und eiſen uͤberzogener magnet-ſtein. Nachdem willen eines halb erfrornen wandeꝛs - mannes, muß ſich die lufft zur erwaͤrmung der erſtarreten glieder gebrauchen laſſen, welche er gleich darauf heiſſe ſpeiſen damit abzukuͤh - len anwendet. Ein unnuͤtzer irwiſch iſt, wie ich glaube, doch dazu nuͤtze, daß er zu einem bilde der in die abwechſelung verliebten welt dienen kan. Steine aus einem felſen gehauen, muͤſ - ſen ſich ſo wohl zu einem verachteten pflaſter als prahlenden fronton ſchicken. Die zeit bauet mit erſtaunender bemuͤhung ſolche wer - cke auf, von welchen man meinen ſolte, daß ſie der unbeſtaͤndigkeit allen vortheil abgelauffen haͤtten, und eben dieſelbige belehret uns nach wenig verfloſſenen iahren, was ſie dabey fuͤr ein abſehen gehabt, nemlich in der aſche und uͤberbleibſeln von ſolchen koſtbarkeiten mit le - bendigen buchſtaben zuſchreiben: es ſey alles wandelbahr. Das ungemein harte ſtahl hat noch kein mittel funden zu verhindern, daß man es nicht in allerhand geſtalten zu unter - ſchiedenen gebrauche zwinge. Die baͤume fangen gegen den ſommer an ſich in gruͤnende blaͤtter zu verſtecken und laſſen ſelbige gegen den winter fallen, da dieſe ihnen alsdenn, wo nichtnoͤthi -265des ſtili inſonderheit. noͤthiger, doch eben ſo noͤthig zur bedeckung waͤren. Alles was uns in die ſinne faͤllt, wuͤr - de ſo zu reden faſt unerkaͤntlich ſeyn, wenn wir nicht bereits den allgemeinen begrif davon haͤt - ten, daß es der unbeſtaͤndigkeit unterworffen. Man mercket als etwas beſonders an, bey dem Oſt-Jndiſchen vor-gebuͤrge Commyrin eine ge - gend gefundẽ zu haben, in welcher man in einer halben ſtunde aus dem winter in den ſommer uͤberſchiffen und die rauhe nord-luft mit ei - nem erquickenden weſtwinde vertauſchen kan. Haͤtte man den uͤberall ſich ereigenden wech - ſel genauer in betrachtung gezogen, ich zweiffe - le daß man dieſe gegend unter beſondere merck - wuͤrdigkeiten wuͤrde gezehlet haben. Allein ſo mancherley merckmahle des herrſchenden un - beſtandes man antrift, ſo viele ſpuhren findet man der weißheit unſers groſſen Schoͤpfers, ſo viele urſachen zeigen ſich ſeine geſchoͤpfe zu be - wundern. Denn wuͤrde er ſelbigen nicht die geſetze der veraͤnderung unbeweglich eingepraͤ - get haben, wuͤrden ſie ihrer groͤſten anmuth mit welcher ſie die aufmerckſamkeit natur-lie - bender gemuͤther an ſich ziehen, beraubet ſeyn, und alles was ſeine wuͤrckende weißheit auf die ſchaubuͤhne dieſer welt geſtellet, iſt ſeinem eben - bildern zum nutzen aus nichts etwas worden. Viel 100 ja 1000derley veraͤnderungen, ſo in allen dieſen einzelen anzutreffen ſind, ſcheinen in dem menſchlichen weſen ihren mittel-punckt und groͤſte wichtigkeit zufinden, und dieieni -R 5gen266von denen unterſchiedenen artengen welche den menſchen die kleine welt nennen, thun es gewiß mit dem groͤſten rechte. Er bezeugt ſich nicht nur beſchaͤftigt durch ſchau - ſpiele und kuͤnſtliche vorſtellungen, ſich als ei - nen affen der wanckelbahren natur aufzufuͤh - ren, ſondern iſt auch in der that und eꝛnſthaftigẽ verrichtungen, ein inbegrif der groſſen welt, das iſt ein ſchauplatz, alwo man umſonſt nach den graͤntzen der unbeſtaͤndigkeit ſuchet. Jn ſei - nem gemuͤthe treffen wir die herrſchaft an, welche keine andere befehle, als ſolche die von einer immerwaͤhrenden abwechſelung zeigen austheilet. Denn ſonſt hat er nichts beſtaͤn - diges, als daß er unaufhoͤrliche proben der un - beſtaͤndigkeit an den tag leget. Jch habe mir vorgenommen, Hoͤchſt und H. A. in Dero H. und hochgeehrten gegenwart von dieſer un - beſtaͤndigkeit menſchlicher gemuͤther etwas zu reden, nicht daß ich mir die ſtrafbare freyheit naͤhme, ihnen in ſo gemeinen ſachen deutliche begriffe zu machen, da ſie weit mehrers ſchon laͤngſtens ſcharfſinnig eingeſehen haben, ſon - dern damit denen unveraͤnderlichen geſetzen Dero gelehrten verſammlung, durch meine un - beſtaͤndigkeit kein eintrag geſchaͤhe. Sie ha - ben mir nur neulich oͤffentlich Dero beſtaͤndi - ges wohlwollen zuerkennen gegeben, wofuͤr mich Jhnen beſtaͤndig verpflichtet ſchaͤtze; alſo habe das gewiſſe vertrauen, ſie werden durch die ungeſchicklichkeit meiner fluͤchtigen gedan - cken, ſich ietzo darinn nicht veraͤndern laſſen,ſondern267des ſtili inſonderheit. ſondern meinen ſchwanckenden worten beſtaͤn - dig geneigte aufmerckſamkeit erlauben. So vieles ſich auch unſern gedancken auf den ſchau - platz der groſſen welt als veraͤnderlich abbildet, ſo will es doch nicht ohne urſach dafuͤr gehalten ſeyn, und nach derſelben urſachen beſchaffen - heit, folgen auch ſo mannigfaltige und widri - ge wuͤrckungen. Wird der Menſch, wie ich bereits oben erwehnet, mit groſſem recht die kleine welt genennet, ſo iſt fuͤr ſich klar, daß der - ienige erſt gluͤcklich von ſeinen veraͤnderungen urtheilen koͤnne, welcher die urſachen ſeines wechſelnden gemuͤths, und daher wuͤrcklich entſtehende folgerungen in reiffere uͤberlegung ziehet. Geldliebe, ehrſucht, wolluſt, ſind 3. winde, welche unaufhoͤrlich das meer des menſchlichen gemuͤthes beunruhigen, und wenn ſie heftig geruͤhret werden, einen ſturm nach den andern in demſelbigen erregen. Hier - aus duͤrfte man vielleicht ſchlieſſen, daß ſolches eines von denen groͤſten verdruͤßlichkeiten der ſterblichen ſey. Jch will ſolches zugeben, allein nur alsdann, wann einem naͤrriſchen Miſeno, ich meine der verderbten einbildung, die regierung uͤber ſolche, unbedachtſamer weiſe, anvertrauet wird. Denn iſt ein weiſer Aeo - lus oder die verbeſſerte vernunft, welcher das regiments-ruder eigentlich zukommt, ein be - herrſcher davon, ſo iſt die bewegung derſelben vielmehr nuͤtzlich als ſchaͤdlich. Waſſer wel - che in verachteten thaͤlern immer ſtille ſtehenund268von denen unterſchiedenen artenund von keinem winde erreget werden, fangen endlich an zu faulen und zu ſtincken, und menſchliche gemuͤther, welche von keiner vergoͤnnten bemuͤhung nach gelde, von keiner arbeit nach dem gipfel der ehre, von keiner an - nehmlichkeit gerechter wolluſt veraͤndert wer - den, geben in ihren verrichtungen an den tag, daß ſie ſich eher zu ſtummen ſtatuen auf die haͤuſer, als vernuͤnftigen creaturen auf den erd - boden geſchickt haͤtten. Alſo kommt es bloß auf die bewegungs kraft der neigungen an. Wie der koͤnig beſchaffen, ſo ſind ſeine unter - thanen. Maſſet ſich die verderbte einbildung der herrſchaft unbeſonnener weiſe an, ſo werden entweder naͤrriſche oder ſchaͤdliche veraͤnderun - gen die wuͤrckung davon ſeyn. Theilet aber die zum regieren verordnete vernunft welche durch unablaͤßiges verbeſſern zur vernunft worden, die befehle aus, da werden dieſe regun - gen alſo abwechſeln, daß man ſie zu einer zeit vor noͤthig zur andern vor nuͤtzlich erkennen muß. Welchen der mangel ſattſamer unter - ſcheidungs-kraft, aus verderbter einbildung, zum unverſtaͤndigen ſclaven des mammons ausgeſondert, beurtheilet alle andere nach der in ihm herrſchenden begierde, und hingegen mangelnden liebe gegen ſeines gleichen. Des - wegen glaubt er, daß er mit brennenden eyffer ſich nach dem mittel ſeiner beſchuͤtzung umzuſe - hen habe. Wer vor eigner vermeinten uͤber - groſſen faͤhigkeit und unſtreitigen vorzug fuͤrandern269des ſtili inſonderheit. andern, ſeinen eignen ſchatten bewundert, mei - net gleichfalls er muͤſſe auf diejenigen ſtuffen treten, welche ihn vor andern in die hoͤhe fuͤh - ren. Ein anderer der vor der Veneri die knie beuget oder dem Baccho altaͤꝛe aufrichtet, oder ſeine Freunde vor den grund ſeiner vergnuͤgung haͤlt nach dem trieb der blinden einbildung, ſucht gleichfalls andere mittel herfuͤr, ſich in ſei - nem elemente zu erhalten. Ja ſelbſt wer durch die vernunfft ſeine begierden in zaum und zuͤgel fuͤhret, haͤlt es fuͤr eine thorheit immer auf einer leyer ſpielen und bey allen veraͤnderungen ſich wie einen unbeweglichen klotz zu erweiſen. Wenn man durch dieſe gruͤnde den wechſel menſchliches gemuͤthes einzuſehen bemuͤhet iſt, ſo wird man viel einen vollkommern begrif ihm von denen ſo ſo ſehr unterſchiedenen wuͤr - ckungen machen koͤnnen. Warum iſt ein mann, welcher fuͤr weniger zeit iedermann die groͤſten hoͤflichkeiten erwieſen, ietzo ſo ſchwuͤlſtig, daß er meinet, die gantze welt muͤſ - ſe ihm zu fuſſe fallen? Aus keiner andern urſa - che, als weil ihm ein blindes gluͤck die kaſten gefuͤllet, und vermoͤgend gemacht in ſeinen pal - laͤſten armer leute huͤtten zuverſchlucken. Denn Lutheri worte ſind noch heute zu tage fuͤr wahr zu halten, wenn er ſpricht: Ein bauer der 10. rthl. hat, bruͤſtet ſich und weiß nicht ob er auf dem kopfe oder fuͤſſen gehen ſoll. Man ver - ſuche es und gehe mit verſilberten haͤnden ihm unter augen, im augenblick werden alle ehren -bezeu -270von denen unterſchiedenen artenbezeugungen herfuͤrgeſucht, und uns angethan werden, wenn ſie uns auch ſchon nicht zu - kommen. Hat er etwas mit der mutter milch in der jugend eingeſogen, welches ihm ein un - geſchickter lehrmeiſter nicht zu benehmen ge - trachtet, da ſcheint er wieder allen guten[unter - richt] unbeweglicher als ein berg darauf donner und blitz loß ſtuͤrmen. Bringet man ihm aber die hofnung eines gewinſtes bey, da ſind 1000. eyde nicht genung, ihn auch bey den loͤblichſten vorſaͤtzen zu verbinden. Jtzo ſucht er alle kleinigkeiten mit der groͤſten ſorgfalt zuſammen, und bald verſchlaͤudert er auch die wichtigſten ſachen, weil er etwa dadurch meh - rers zugewinnen trachtet, oder zum wenig - ſten ſich in einem ſtande zuſeyn glaubet, da er niemahls banqueroutiren koͤnne. Was er dieſe ſtunde fuͤr ein geheimniß des ſtaats gehal - ten, wird in der andern ohne weitlaͤuftigkeit ausgeſchuͤttet, wenn die verfluchte mißgunſt dem geitze die zunge loͤſet. Bald eilet er mit furchtſamen ſchritten in die verborgenſten win - ckel und ſcheinet fuͤr menſchlicher geſellſchafft ei - nen abſcheu zu tragen, bald aber will er in allen verſamlungen gegenwaͤrtig ſeyn, und mit ieder - mann bekanntſchafft aufrichten, damit er dort auf anderer unkoſten zehren, hier aber ſeine ducaten vermehren, in beyden aber veraͤcht - lich von andern ſprechen koͤnne. Wer den Baal des ehrgeitzes fuͤr ſeinen abgott haͤlt, iſt ein rechter Prometheus, welcher ſich bald wie einen großmuͤthigen loͤwen, bald wie einen feu -er -271des ſtili inſonderheiterſpeynden drachen, bald wie ein in der ebene flieſſendes waſſer, bald wie eine an die wolcken ſteigende flamme fuͤrſtellet. Ein ſolcher haͤlt dasjenige fuͤr eitel, worinnen der Mammons diener ſein leben ſuchet, und liebet das, was jener als leere winde verlachet. Seines wun - ſches theilhaftig zu werden, ſpahret er keine ehr - bezeugungen, er will ein unterthaͤnigſter diener von allen ſeyn. Wirft ihm endlich das gluͤck eine ehren-decke um, ſo meinet er, es ſey ihm damit zugleich alle darzu gehoͤrige geſchicklich - keit mitgetheilet, da werden die vorher gar zu hoͤflichen minen ietzo mit einem angemaſten an - ſehen ſo ſehr vermindert, daß ſie kaum ein ſchat - ten der vorigen zu nennen. Alle verrichtungen werden mit ſonderbahrer ſtellung des leibes an - gefangen und auch auf der gaſſe werden die fuͤſſe gezwungen, alle auf den tantz-boden er - lernete artigkeiten oͤffentlich zu zeigen Wo - mit er augenſcheinlich zu verſtehen giebt, daß die erhaltene ehre zu groß fuͤr ſeiner engbruͤſti - gen ſeele ſey. Er iſt ſelber nicht vermoͤgend ſeinen hochmuth von einem hauſe zum andern zu tra - gen, deßwegen bedienet er ſich der gutſche und pferde. Ein ander will mit gewalt alle ehre zu verachten ſcheinen. Allein Diogenes mag noch ſo ſehr Platonis kleider mit fuͤſſen treten, iedermann glaubt daß ers mit groͤſſern hoch - muth thue, und daß auch unter ſeinen ſchmutzi - gen rocke eine aufgeblaſene Seele wohne. Func - cius verwechſelt zu ſeinen ungluͤck, den ſeinermei -272von denen unterſchiedenen artenmeinung nach verachteten prediger-ſtand mit einer rathsbeſtallung aus lauterm hochmuth. Jetzo umfaſſet er ſeine verehrer mit der groͤſten liebe, und ein einziges wort, welches ſeine ehre zu ruͤhren ſcheinet, iſt gnug, alle zornige fluthen und rache auch auf den unſchuldigſten auszu - ſchuͤtten. Ein alberner Carneades diſputiret heute oͤffentlich, daß die gerechtigkeit ein gedich - te muͤßiger leute ſey, und morgen iſt er beſchaͤff - tiget das gegentheil zu behaupten, ſeine gelehr - ſamkeit zu zeigen. Was fuͤr andaͤchtige ge - berden zeiget nicht der ehrgeitz in dem geſichte eines ſelbſt erwehlten heiligen, welcher doch wohl nicht nur in dem innerſten ſeines hertzens, ſondern auch ſeines hauſes denen laſtern, ſanf - te kuͤſſen unterleget. Mancher verfluchet die fehler geringer leute ohn aufhoͤren, und hinge - gen die laſter erhabner und geehrter leute, wol - te er lieber vor tugenden halten, da doch der koth heßlich bleibt, ob er ſchon in chryſtallinen gefaͤſſen aufgehoben wird, und die laſter gar - ſtig zu nennen ſind, wenn ſie ſchon in ſammt und guͤldene ſtuͤcken eingehuͤllet werden. Das maͤchtigſte, ſo unſern fuß von den wege der be - ſtaͤndigkeit verruͤcket iſt die wolluſt, und die ein - bildung eines vergnuͤgens in verbotener belu - ſtigung der ſinne. Dieſe iſt die zauberiſche Circe, welche den menſchen bald in ſchweins - bald in pfauen-geſtalt veraͤndert, bald mit af - fen-bald mit hunde-geſichte fuͤrſtellet. Wie wechſelt nicht ein verliebter narre die kleiderda -273des ſtili inſonderheitmit er ſeiner liebſten gefallen moͤge, uͤberall wird man ihn mit baͤndern prahlen ſehen. Je - tzo gehet er mit fluͤchtigen ſchritten, wo er aber irgend von ferne das ihm angenehme ſchim - mern ſiehet, werden gleich die glieder in eine liebreitzende ſtellung gezwungen, augen und haͤnde muͤſſen ihre bewegung nach einen gewiſ - ſen tact einrichten. Und eben das was ihm heute goͤttlich und uͤbermenſchlich vorgekom - men, iſt morgen das verachteſte. Da wird man inſonderheit wahr zu ſeyn befinden was Seneca uͤberhaupt von der menſchlichen auf - fuͤhrung urtheilet; Aliud ex alio placet, vexat, nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta repetimus, alternae inter cupiditatem n - ſtram & poenitentiam vires ſunt. Wer zu des Bacchi geſellſchaft ſich haͤlt, wie veraͤndert der nicht ſein gemuͤthe, und nach der beſchaffen - heit des gemuͤthes ſeine lebens art. Bald fuͤhret er ſich wie eine raſende unruhe auf, wel - che alles zernichtet alles zerſchaͤndet, alle erbar - keit aus dem augen ſetzet. Bald will er alles aus ſonderbahr angenommener aufrichtigkeit und treuhertzigkeit, mit unaufloͤßlichen freund - ſchafts banden feſſeln. Wer endlich die tu - gendhafte vernunft zur fuͤhrerin ſeiner neigun - gen auserſehen, wird ſich keinem baume ver - gleichen laſſen, welcher von der winde gewalt, weil er nicht weichen gelernet, zertruͤmmert wird. Nach der zeiten lauf, wird er ſeinen gang ietzt ſo, ietzt auf eine andere art einrichten,Sund274von denen unterſchiedenen artenund den geſetzen der abwechſelungen ſein ge - muͤth niemahls entziehen. Einem Jndianiſchen hunde kommt es nur zu, den einmahl gefaſten loͤwen ſo feſte mit den zaͤhnen zu halten, daß ihm auch die ſchmertzhafle abhauung der fuͤſſe nicht davon abbringet. Democritus und Heraclitus werden bey uns faſt fuͤr ſchalcks-narren gehal - ten, weil wir uns bereden laſſen, jener habe im - mer gelacht, dieſer unaufhoͤrlich geweinet. Man ruͤhmet die klugheit des Roͤmiſchen kaͤy - ſeꝛs Marci Antonini Philoſophi noch bey unſereꝛ ſpaͤten nach-welt in den beygelegten nahmen des weltweiſen: Allein ich zweiffele. daß ihm die rechte welt weißheit iemahls dieſe lehre ge - geben, welcher er doch ſo eyfrig nachgelebet, daß man niemahls von iugend auf, weder durch die haͤrteſte betruͤbniß, nach angenehm - ſten freuden-poſten ſein gemuͤth veraͤndeꝛn muͤſ - ſe. Leute zwar welche den vorurtheilen der Stoiker gehoͤr geben, werden das fuͤr die groͤſte weißheit halten, heute eben dieſes wollen, was man geſtern gewuͤnſchet. Ein beleſener Lipſius aber, hat uns bereits ihre thorheit gezeiget, weñ er ſaget: Welche ihre meinung mit ſtahl und eiſen in dem gemuͤthe als in marmor gegraben, ſind nicht faͤhig, geſchickte urtheile und wohlge - gruͤndete rathſchlaͤge anderer, ihnen zu nutze zu machen. Haͤtte Theſeus bey ſeiner gluͤckli - chen zuruͤckkunft an ſtatt des ſchwartzen ſeegels auf ſeinem ſchif, ein weiſſes aufzuſtecken nicht vergeſſen, wuͤrde ſeines abgelebten vaters Ae -gei275des ſtili inſonderheit. gei gemuͤth nicht in ſolche bekuͤmmerniß gera - then ſeyn, daß er in dem unergruͤndlichen meere einen grund ſeiner leidenſchaft geſuchet. Und derienige iſt ohnſtreitig unter die klugen zu rech - nen, welcher nach den befehlen der vernunft, ſich bald ſo, bald anders auffuͤhret. Alſo ſcheint zwiſchen der bewegungs kraft des gemuͤthes durch die verderbte einbildung, und durch die verbeſſerte vernunft der groͤſte unterſchied da - rinn zubeſtehen, daß iene durch die menſchliche neigungen, theils naͤrriſche theils ſchaͤdliche wuͤrckungen herfuͤrbringet, dieſe hingegen, durch eben ſelbige, unumgaͤnglich noͤthige und nuͤtzliche veraͤnderungen verurſachet. Beyde ſind alſo bewegende urſachen des menſchlichen gluͤcks und ungluͤcks, nur daß iene dem gluͤcke mehrentheils unterlieget, oder an ſtatt eines balles mit dem menſchen zu ſpielen pfleget, dieſe aber auch dem gluͤcke befehlen und mitten un - ter den moͤrdlichſten waffen uñ feindſeligkeiten dennoch triumphiren kan. Mehr redete ich, mehr haͤtte ich zu reden, allein ich beſorge, H. und H. A. meine ſtammlende zunge werde ver - moͤgend ſeyn, Dero beſtaͤndig geneigtes auf - mercken, in einen wiederwillen zu veraͤndern. Redete ich alſo mit leuten, welche nur den nah - men von dem Chriſtenthum entlehnet, ſo wuͤr - de ich zum beſchluß mich bemuͤhen muͤſſen, ihre gemuͤther von den irrdiſchen wandelbahren thaͤlern, auf die unbeweglich ſtehende berge Jſraelis zu fuͤhren. Denn wer da ſtehet darfS 2ſich276von denen unterſchiedenen artenſich keiner veraͤnderung befuͤrchten, denn wenn es blitzt und donnert, ſo blitzt und donnert es unter ſeinen fuͤſſen, und ihm ſchenckt die ſonne der gerechtigkeit die angenehmſten ſtrahlen. Jch wuͤrde die unbeſtaͤndigkeit des Ecebolii ver - fluchen, welcher unter den kaͤyſern Conſtantino Conſtantio, Juliano, Jouiano ſeine religion zu einer mode machte, welche bald ſo bald an - ders, nach dem geſchmack der welt koͤnte einge - richtet werden. Jch wuͤrde die unbeſtaͤndigkeit des creutz-vogels Loxiae veraͤchtlich fuͤrſtellen, welcher alle winter ſeine farbe veraͤndert. Jch wuͤrde es eine thieriſche veraͤnderung nennen, wenn man in ſeiner bekehrung dem wolffe nachahmen wolte, und zwar die haare, aber nicht den rauberiſchen ſinn aͤnderte. Redete ich endlich mit ungelehrten, ſo wuͤrde meine groͤſte ſorgfalt dahin gehen muͤſſen, zu zeigen, wie gefaͤhrlich es ſey, einem unbeſonnenen Phaethonti die regierung ſeiner affecten anzu - vertrauen, und wie vergnuͤglich es hingegen, der vernunft den zuͤgel davon zuuͤbergeben. Jch muͤſte darthun wie eine kluͤgliche abwechſelung des gemuͤthes, eine mutter der meiſten tugen - den ſey. Man glaubt daß in ein hauß, da man bey ploͤtzlich entſtandenen ungewitter feu - er anzuͤndet, ſo leicht kein donnerkeil einen er - ſchreckenden ſchlag thue. Es iſt aber leichter zu glauben, daß in eine ſeele, wo vernunft und tugend ihr feuer und heerd haben, kein wiedri - ges ſchickſaal eindringen und verwirrung an -rich -277des ſtili inſonderheit. richten koͤnne. Jch muͤſte anfuͤhren, was den Jcarum der fluͤgel beraubet, und ihn aus der gemeinſchaft der geſtirne in den tiefſten ab - grund geſtuͤrtzet, nehmlich ſeine von abge - ſchmackter einbildung verurſachte veraͤnde - rung. Sie erlauben mir alſo H. und H. A. nur noch dieſes hinzuzufuͤgen, daß der gezie - menden veraͤnderung des gemuͤthes, vor dem poͤbel, als welchem der glantz der wichtigſten wahrheiten nur die augen zu blenden u. ihn zum haß zu veraͤndern pfleget, eine decke kluger auf - fuͤhrung und verſchwiegenheit muͤſſe fuͤrgehan - gen werden. Denn unter denenjenigen wel - che mit ihrem verſtande unwiſſenheit und vor - urtheile uͤberwunden, iſt es eine ausgemachte ſache, daß die beſtaͤndigkeit zwar eine der vornehmſten tugenden, allein haͤrte und halß - ſtarrigkeit des gemuͤthes ein weit groͤſſeres la - ſter ſey.
Dixi.
§. 4. Endlich iſt der hohe ſtilus der praͤch - tigſte, aber auch der gefaͤhrlichſte. a)Er iſt nur bey hohen obiectis zugebrauchen, davon man nur die ideen der hoheit zuſammen ſucht,b) ſelbige durch lauter tropos und figuren, oder mit worten und redens-arten, welche die neben - ideen einer hoheit haben, mit dazu genom - menen emphatiſche beywoͤrtern, ausdrucket, die iunctur der rede durch den zuſammenfall der conſonantium und langer vocalium etwas maieſtaͤtiſch, und den numerum donnernd undS 3praſſelnd278von denen unterſchiedenen artenpraſſelnd machet, auch meiſt realiter connecti - ret, dannenhero die groͤſte tugend dieſes ſtili darinn beſtehet, daß alle theile die hoheit des obiecti vor augen zu legen, mit groſſem fleiß zuſammen geſetzt ſind und conſpiriren. Das abgeſchmackte, geſchwuͤlſtige, gar zu weit ge - triebene weſen, iſt hier ſorgfaͤltig zu vermei - den. c)
Fuͤrſten welche den ſcepter durch tugend er - hoͤhen, uñ den thron mit tapferkeit unterſtuͤtzen, muͤſſen eben ſo wohl den grauſamen geſetze des todes unterworffen ſeyn, als diejenigen, welche ihren purpur mit laſtern beflecken und ihren hoff zu einen beſtaͤndigen ſitz, aller boßheiten machen. So wohl ein die liebe der gantzen welt an ſich ziehender Titus welcher den tag fuͤr verlohren ſchaͤtzet, an welchen er niemanden eine wohlthat erzeiget, als ein ungeheuer der natur und raſende baͤrenbrut Nero, muß er - fahren, daß die ſterblichkeit uͤber ihn herſche. Wenceslaus und Guſtavus Adolphus wer - den beyde in ihre erbbegraͤbniſſe eingeſencket, obſchon dieſer als ein muthiger vor kirch undvater281des ſtili inſonderheit. vaterland ſtreitender loͤwe ſeinen heldmuͤthigen geiſt auffgiebt und iener mitten unter voͤllerey un faulheit als ein anderer Sardanapalus hin - geriſſenwird. So eine unſtreitige wahrheit nun dieſes iſt, daß das allgemeine verhaͤngniß, ohne anſehen, fuͤrſtliche ſtuͤhle umſtuͤrtzet: So ge - wiß bleibt es doch hingegen, daß ein unendlich groſſer unterſcheid unter dem erblaſſen eines frommen Auguſti oder tapfern Germanici und unter dem ableiben eines grauſamen Tibe - rii oder verzagten Caligulae, Jch will ietzo nicht ſagen von der art zu ſterben, ob es wohl ausgemacht iſt, daß blutduͤrſtige tyrannen gemeiniglich der wut erzuͤrnter unterthanen, oder dem wurm eines nagenden gewiſſen, bey ihren ende preiß gegeben werden: Jch will auch nichts gedencken, von dem ort, welcher nach ihrem tode den unſterblichen geiſtern, in der langen ewigkeit an gewieſen wird: Son - dern ich will nur von den allerdauerhaftigſten und von keinem roſt und moder der zeit zu be - ſiegenden denckmahle in ſo viel tauſend ſee - len etwas erwehnen, woraus dieſer unter - ſchied ſonnen-klar ſich darſtellen wird. Wie gerne verbannete nicht, ein durch den todt von dem wuͤterich Tiberio befreyetes Rom, das gedaͤchtniß ſeiner verfluchten regierung, wuͤn - ſchete, da es ſeinen erblaſſeten coͤrper der be - graͤbniß unwuͤrdig, in die Tiber, werffen wol - te, daß es hiemit zugleich alle merckmahle ſei - ner tyranney in den abgrund der vergeſſenheitS 5verſen -282von denen unterſchiedenen artenverſencken koͤnte. Wie gerne wuͤrde das von einem mordgierigen Herode erloͤſete Judaea unter 1000 erley freudens bezeugungen ſeines todes und ungeheuren thaten vergeſſen haben, wenn nicht das zu einem blut-urtheil gemachte teſtament ihnen auferleget, ſein vermaledey - tes andencken unter lauter fluch und rache auf die nachwelt beyzubehalten. Denn auch die nahmen ſolcher unbemenſchten menſchen ver - dienen nicht aufgezeichnet zu werden, als zu dem ende, daß man bey nennung derſelben aus - ſpeyen, und die menſchliche natur bey erzeh - lung ihrer ſchandthaten fuͤr ſolche ungeheuer zu erſchuͤttern urſach habe. Die tugend hin - gegen, ob ſie ſchon mit keinen goͤttlichen eigen - ſchafften pranget, und ihre beſitzer neben ſich der ſterblichkeit entreiſſen noch verewigen kan, ſo ſchencket ſie ihnen doch die hertzen ſo vieler 1000 nachkommen, welche aus danckbarkeit ſelbige zu behaͤltniſſen ihres glorwuͤrdigſten gedaͤchtniſſes machen. Auguſtum ſetzet man an den ort, welcher nur von goͤttern durtfe be - ruͤhret werden. Germanici todt verurſachet ein ſolches ungewitter der traurigkeit in den gemuͤthern ſeiner verehrer, welches endlich ge - heiligte tempel und altare einreiſſet, ihm ſelber aber ein unſterbliches andencken ſeiner ta - pferkeit daraus aufrichtet. Alles wodurch Agricola die liebe und verwunderung aller an ſich gezogen, ſagt Tacitus, iſt in dem anden - cken der menſchen, wie in ertz und marmel ge -graben,283des ſtili inſonderheit. graben, ſelbſt die zeit und das geruͤcht, werden ſtuͤtzen dieſes denckmahls ſeyn. Und haben die roͤmer ein ehren-mahl aufgerichtet, muͤſſen die worte dabey ſtehen: Die nachwelt be - wundere, was ſie nicht nachahmen kan. Jn - dem ich mich unterwunden H. und H. A. die geheiligte aſche des groſſen Fr. W. Ch. z. B. in meiner rede Jhnen zu zeigen, ſo thue nichts anders als daß ich der tugend ihr gebuͤhren - des opfer auf demaltar meiner ſchuldigkeit dar - lege, und indem ich ſeiner ungemeinen hel - den-thaten abdruck ihnen fuͤrſtellen will, ſo erblicken ſie zugleich merckmahle desjenigen unterſcheides, womit ſich tugendhafte und tapfere printzen, von denienigen bey ihrem abſterben unterſcheiden, welche als ſclauen aller laſter in der unterwelt, ſich aufgefuͤhret haben. Alexander welchen ſeine thaten groß gemacht, will nur vom Apelle gemacht und vom Lyſippo in ſtein gehauen ſeyn, ein krie - geriſcher Ageſilaus, will nur von den beruͤhin - teſten meiſtern Griechenlandes ſein bildniß ver - fertigen laſſen, und Achilles kan nur vom Homero beſungen werden. Hier moͤchte mich nun iemand einer hoͤchſtſtrafbaren vermeſſen - heit beſchuldigen, daß ich unangeſehen mei - ner ſchwachen zunge, vermoͤge deren ich unter den rednern unſers Teutſchlandes, wie ein lal - lendes kind unter fertigredenden leuten ſtam - mere, mich dennoch unterſtanden, den nah - men eines ſo groſſen helden und fuͤrſten, in derowerthe -284von denen unterſchiedenen artenwertheſten verſamlung zu verehren. Allein, Alexander wuͤnſcht nur darum ſein leben vom Homero beſchrieben der nachwelt zu ſchencken, damit eine fabelhaffte feder ſeinen thaten gleichſam ein vergroͤſſerungs-glaß geben moͤ - ge und Auguſtus hat nur darum ein gefallen an der Aeneis Virgilii, weil er ihn darinn zum anverwandten der goͤtter zu machen bemuͤhet iſt. Und ich habe mit fleiß den groſſen Fr. W. zum inhalt meiner rede erkieſet. Fehlt es mir ſonſt an artigen erfindungen, ſo nehme ich an deren ſtatt die thaten und tugenden dieſes theureſten hauptes, finde ich einen mangel bey mir wohlausgeſuchter worte, ſo darf ich nur ſein glorwuͤrdigſtes leben durchgehen, ſo werde an praͤchtigredenden gedancken einen uberfluß haben. Billich beklagen ſich die be - redteſten redner, wenn ſie von goͤttern auf er - den reden wollen, daß es ihnen gehe, wie den ſchnecken, die weder hertz noch zunge haben, denn ſie wollen loben, ich will nur erzehlen. Sie machen es wie Zeuxis, welcher wenn er die Venerem mahlen ſoll, alle ſchoͤnheiten des gantzen griechen-landes ſamlet, und von einer ieden etwas goͤttliches ſeinen gemaͤhlde einver - leibet. Sie ſuchen die tugenden anderer po - tentaten auf, und wenden ſolche zu ihren ge - brauch an. Jch darf nur wenn ich vom groſſen Fr. W. reden will, den groſſen Fr. W. be - trachten, denn an ihm finde ich alle fuͤrſtliche tugenden, und was ich an ihm finde, ſindfuͤrſt -285des ſtili inſonderheit. fuͤrſtliche tugenden. Ubrigens wird deſſen im - mergruͤnender lorbeer dadurch nicht verwel - cken, wenn ich ſolchen mit unreiner hand be - ruͤhre, und ſein bild mit etwas ungeſchick - ten farben und zitternden ſtrichen zu entſchat - ten, mich erkuͤhne, wo mich H. A. von dero geneigten aufmercken und urtheil in meinem unternehmen begleitet ſehe. Die in allen menſchlichen verrichtungen ihre befehle aus - theilende unbeſtaͤndigkeit, hat auch der maͤch - tigſten ſtaaten nicht geſchonet. Und ich ver - wundere mich nicht, wenn die alten behauptet, daß nach dem bilde der faſt circulrunden er - den, alle ſachen und reiche circulsweiſe, nach - dem das wanckende gluͤck das unbeſtaͤndige rad drehet, ihren lauf fuͤhreten, die erfahrung giebet ihnen beyfall. Jch rede nicht von dem gaͤntzlichen untergehen alter und friſchem auf - gehen neuer reiche, ſondern nur von denen veraͤnderungen die in bereits eingerichten ſtaa - ten ſich zutragen. Bald muß ſich das freye Portugall zu dem Spaniſchen ioche beque - men, da es kurtz vorhero unter eignen koͤnigen Mohren und Spaniern getrotzet: Bald aber entlaſtet es ſich deſſelben, u. beginnet zu voriger hoheit zu ſchreiten. Unter denen regenten ſelbſt findet ſich ein beſtaͤndiger wechſel. Wie an dem ſtern-himmel, ſterne welche kurtz vorher ihr funckelndes licht unſerm geſichts-kreiß ge - wieſen, endlich ſich zum untergange neigen, und wie ſich bey denen reineſten fixſternen, baldaus -286von denen unterſchiedenen artenausſchweiffende planeten, bald auch erſchre - ckende cometen einfinden, alſo wird man an den regenten-himmel groſſer laͤnder beydes wahrnehmen. Scufzete ehemahls religion und freyheit Britanniens, unter einer paͤbſti - ſchen Maria: So folget gleich eine tapfere Semiramis und großmuͤthige Zenobia die Eliſabeth, welche ihr land mit bluͤhenden zei - ten, ihre unterthanen mit ſieges-kraͤntzen, ſich ſelber aber mit einem unſterblichen ruhme be - zeichnet. Hatte hingegen Carolus der V. die Spaniſche Monarchie, auf den hoͤchſten gip - fel der vollkommenheit getrieben, ſo verlieret ein ungluͤcklicher Philippus unter ſeinen nachfolgern, die meiſten und koſtbarſten edel - ſteine aus ſeiner krone, durch die von ſeinem rei - che geſpaltene provinzen. Der Branden - burgiſche adler ſcheinet in beyden ſtuͤcken, et - was goͤttliches, und fuͤr andern ſonderbahres an ſich zu haben. Unter ſeinen beſitzern findet ſich in 900. iahren, ſo lange ſie unter die Teut - ſchen printzen gezehlet worden, keiner, der nicht wuͤrdig geweſen waͤre kronen gold zu tragen, und ein herr unzehlicher laͤnder zu ſeyn, ob ſchon das verhaͤngniß ſolches biß in die letzten zeiten fuͤr ihnen geſparet. Keiner von ſeinen durch - laͤuchtigſten Churfuͤrſten, hat unter den geſetzen der vormundſchaft regieren gelernet, weil auch die iuͤngſten hiezu geſchickt waren. Und ein kluger Frid. II. ſchlaͤgt gar 2 ihm angebotene kronen, die Pohlniſche und Boͤhmiſche groß -muͤ -287des ſtili inſonderheit. muͤthigſt aus. Sein durchlauchtigſter ſtaat iſt deshalben von dem himmel mit ſo guͤtigen augen angeſchauet worden, daß er in dieſer langen zeit, keine ungluͤckliche zufaͤlle erfahren, ſondern in beſtaͤndigen wachsthum, biß dieſe ſtunde ſeinen glantz erhalten. Sonderlich iſt der gluͤckliche nahme Friederich demſelbigen ein beſtaͤndiges merckmahl zuwachſender ho - heiten und ſich vermehrender laͤnder geweſen: Ob ſchon auch ein tapferer Albertus mit den degen ſeinen nahmen in das buch der ewigkeit als ein Teutſcher Achilles angeſchrieben, und ein weiſer Joachimus durch den nahmen eines Teutſchen Neſtoris ſich verewiget. Viele potentaten wiſſen auch was ihnen ſonſt nicht zukoͤm̃t, mit blut und todt draͤuenden ſchwerdte ihnen zuzueignen: Brandenburg allein, hat meiſtens unter den friedlichen palmen, ſeiner gerechtigkeit belohnung, in ſo erwuͤnſchten zu - wachſe gefunden. Und aus dem Branden - burgiſchen gluͤcks-topfe, haben auch andere die fuͤrtreflichſtẽ loſe gezogen. Rudolph von Habs - burg ſtamm-vater des maͤchtigſten Oeſter - reichiſchen hauſes, hat die kaͤyſerliche wuͤrde am meiſten einen Brandenburgiſchen Friederich zu dancken, welchem die danckbare nachwelt den nahmen eines edlen beygeleget. Und eben dieſer erwarb auf dem Reichs-tage zu Acken, fuͤr ſich und ſeine durchlauchtigſte erben das Burggrafthum Nuͤrnberg. Carolus der IIII. hatte es niemand anders zuzuſchreiben, daß erden288von denen unterſchiedenen artenden koͤniglich Boͤhmiſchen mit dem kaͤyſerlichen reichs-apfel vertauſchen konte, als einem Brandenburgiſchen Friedrich, welches er ſelbſt erkannte, wenn er die hoͤchſte gewalt der Chriſtenheit bey ſeiner abweſenheit in deſſen haͤnde uͤberlieferte, und deſſen wapen durch den beſitz vieler ſtaͤdte vergroͤſſerte. Ein andrer Friderich ſtuͤtzte die durch krieg und unruhe er - ſchuͤtterte krone auf dem haupte Sigismundi, und ſetzte dafuͤr den churhut ſeiner Hohenzolle - riſchen Familie auf, welcher mit dem Bran - denburgiſchen ſcepter vergeſellſchaftet, koͤni - glichen kronen den rang nunmehro zweiffelhaf - tig machte. Die meiſten von den vor-eltern unſers groſſen Fr. W. will ich andern anzu - fuͤhren uͤberlaſſen, denn ich habe bereits dar - gethan, daß er die weiſeſten und tapferſten printzen Europae, unter ſelbigen zehle und daß es wahr ſey, das adler nur adler zeugen koͤnnen. Nur des durchlaͤuchtigen vaters, des großmuͤ - thigen Georg Wilhelm muß ich erwehnung thun, welcher bey der tauffe, unſers groſſen Fr. Wilhelms nicht zugeben wolte, daß deſſen hohe pathen ihm das ſo genannte pathen-geld einbinden ſolten, um gleichſam zu verſtehen zu geben, es wuͤrde derſelbe einmahl von keinem andern die federn leihen duͤrfen, ſeinen adler auszuſchmuͤcken. Er war der einzige printz in welchem die tugenden aller durchlaͤuchtigſten vorfahren ſich geſamlet und die hofnung ſo vie - ler laͤnder beruhete. Denn es war nicht noͤ -thig289des ſtili inſonderheit. thig daß er geſchwiſter hatte, weil die glor - wuͤrdigſten eltern ſchon alles in ihm dem groſ - ſen Teutſchen Reich, ia gantz Europae gege - ben hatten. Doch weder die verdienſte der el - tern, noch die gluͤckverheiſſende geburts ſtun - de iſt vermoͤgend, den ſchaden zu erſetzen, wenn eine verderbte auferziehung die bluͤten der tu - gend in dem blute der iahre erſticket, und Ti - berius ziehet an dem Caligula der ſtadt Rom eine giftige ſchlange, und der welt einen unbe - ſonnenen Phaͤeton auf. Fridrichs W. hoher geiſt brauchte zwar nicht, auf den tugend-weg geleitet zu werden, wozu er ſelbſt einen innern trieb fuͤhlete, doch kan ich nicht leugnen, daß die kluge aufſicht, des um ſeine auferziehung ſich hoͤchſt verdientmachenden Joh. v. der Burg und deſſen geſchickte unterweiſung, ein merck - liches beygetragen, die in ihm gelegte faͤhigkeit des verſtandes vollkommen zu machen, und die herliche begierde zur tugend zu vergroͤſſern. Hie - durch wurde er geſchickt dem Auguſto nachzu - ahmen, und den regiments-ſtab im 20ſten iah - re ſeines alters, als der großmuͤthige Georg Wilhelm aus der welt gieng, beydes zu ergreif - fen und kluͤglich zu fuͤhren, denn dadurch eroͤf - nete ihm das guͤtige ſchickſahl die thuͤre, zu ei - ner faſt 50 iaͤhrigen regierung. Und hie weiß ich nicht, ob ich erſt ſeinen ſo weißlich gefuͤhr - ten ſcepter, oder ſeinen den feinden er - ſchrecklichen, freunden aber erfreulichen, degen, oder ſein wohlbeſtelltes fuͤrſt -Tliches290von denen unterſchiedenen artenliches hauß und geſegnete ehen ſoll fuͤrſtellig machen. Viele welchen geburt und gluͤck fuͤrſtliche huͤte aufſetzet wiſſen zwar wohl ihre unterthanen zu regieren, allein nicht ſo wohl ihren feinden einen blitzenden ſebel zu zeigen. Andere ſind nur zum kriegen gebohren, und ſind geſchickt den harniſch, nicht aber ſo wohl die regierungs laſt zu tragen. Wieder an - dere, koͤnnen ſo wohl denen feinden als ihren unterthanen geſetze fuͤrſchreiben, ſind aber in ihren vermaͤhlungen ungluͤcklich, oder koͤnnen ihre reiche mit tuͤchtigen nachfolgern nicht ver - ſehen. Allein in unſerm theureſten Fr. W. finde ich alles, was zu kluger einrichtung der regierung ſeiner laͤnder, zu den eigenſchaften ei - nes ſo tapfern als gluͤcklichen feldherrns, und zur ausbreitung ſeiner durchlauchtigſten Fami - lie kan gerechnet werden. Die gottes-furcht iſt die vornehmſte, ia die mutter aller regierungs - tugenden, als welche von ihr abſtammen, und wer derſelben ſein hertz zur behauſung ange - wieſen, iſt dem Cocos-baum gleich, welcher nicht nur mit gruͤnenden blaͤttern, ſondern mit nutzbaren fruͤchten, ſeinen ſtamm durch das gantze iahr zieret. Und unter den nachfolgern Rudolphi Habſpurgici ſind dieienigen am gluͤcklichſten, und haben ihnen die meiſten ſie - geskraͤntze geflochten, welche der gottes-furcht am meiſten ergeben geweſen. Unſern gottes - fuͤrchtigen Fr. W. finden wir in denen gehei - ligten wohnungen des hoͤchſten, als einen an -daͤch291des ſtili inſonderheit. daͤchtigen und fleißigen zuhoͤrer goͤttlicher wahrheiten. Denn es wird nicht nur unter die tugenden gemeiner leute, ſondern auch fuͤrſtlicher perſonen gezehlet, gottes wort mit gebuͤhrender aufmerckſamkeit beehren. Und da es nicht nur denen geiſtlichen ſeelſorgern zu - koͤmmt, ihr hertz zu einem bet-altar dem hoͤch - ſten zu wiedmen, ſondern vielmehr gekroͤnten haͤuptern geziemet, fuͤr den geſegneten wohl - ſtand ihres hauſes und unterthanen, mit goͤttli - cher maieſtaͤt zu berathſchlagen, ſo erblicken wir unſern Fr. W. nicht nur in ſeinem bet-zim - mer, ſondern auch im felde, als einen andaͤch - tigen beter, und ich zweiffele, ob er mehr durch ſeinen tapfern arm oder eyfriges gebet die feinde fliehen heiſſen. Der todt ſeiner hoͤchſt - geliebten gemahlin, ſeines printzen CarlAemils, auf welchen die frohen unterthanen bereits ihre hofnungs-augen gerichtet hatten, ia ſeiner andern durchlaͤuchtigſten printzen und prinzeſ - ſinnen, welches ſolche dinge ſind, die auch das hertzhafteſte gemuͤthe beugen koͤnnen, werden von ihm mit ſtandhafter gelaſ - ſenheit in den willen gottes ertragen. Bezeu - get die wahrhafte feder kluger geſchichtſchrei - ber vom Alberto dem V. marggrafen zu Bran - denburg, daß man durch ſein gantzes leben ihn nicht fluchen oder ſchweren hoͤren, ſo wird wer Fr. W. leben beſchreiben will, eben dieſes von ihm hineinzuſetzen nicht vergeſſen muͤſſen. T 2Man292von denen unterſchiedenen artenMan lieſet nicht minder vom Fr. W. als vom Alberto I. herzog in Preuſſen daß ſie die diener des hoͤchſten in ſonderbahren ehren ge - halten. Und hat er zwar nicht 1000. kirchen der Marien zu ehren, wie Jacobus der I. in Arra - gonien, erbauet, und ſo viel ſchulen als buch - ſtaben im A B C. wie Carolus M. ſo hat er doch unzehliche in bluͤhenden ſtande erhalten und verbeſſert; Denn es iſt eine groͤſſere kunſt etwas wohlgeſtiftetes unterhalten, als etwas ſtiften. (In omni genere impenſarum, pleri - que noua opera fortius auſpicantur, quam tuentur perfecta. Colum. Lib. IIII. cap III.) Die fuͤrſtliche gerechtigkeit iſt eine tochter der gottesfurcht, und ein ſtern welcher von derſel - ben angezuͤndet, den boͤſen zum grabe, den lo - bens-wuͤrdigen zu belohnungen leuchtet. Und es ſcheinet der allerdurchlauchtigſte nachfolger und erbe, ſo wohl der reiche als tugenden Fr. W. habe keine tugend ſo ſehr an ſeinen durch - lauchtigſten vater zu bewundern gehabt als dieſe, da er die worte zu ſeinen koͤniglichen denckſpruch erwehlet: Einem ieden das ſeine. Denn gewiß, iſt etwas, welches den ruhm fuͤrſtlicher tugenden biß an die ſterne zu erhoͤ - hen vermoͤgend iſt, ſo iſt es die gerechtigkeit. Sie ſchencket denen unteꝛthanen die angenehm - ſte ruhe, denen veraͤchtern goͤttlicher und menſch - licher ausſpruͤche, und ruhmwuͤrdigen ge - muͤthern theilet ſie ihre gehoͤrige belohnungen aus, ienen zwar dieſteln und dornen dieſenpalmen293des ſtili inſonderheit. palmen und roſen, feinden ſelbſt iaget ſie ein Paniſches erſchuͤttern ein. Was chur-fuͤrſt Joh. Georg einer von Fr. W. durchlaͤuchtig - ſten ahnen, zu ſeinem ihn um recht und huͤlffe anflehenden unterthanen ſagte: Wenñ du hey - de und Tuͤrcke waͤreſt ſolte dir geholffen wer - den, geſchweige da du mein unterthan biſt: Das erfuͤllete er in ſeinen verrichtungen. Fa - bricius der edle Roͤmer, offenbahret dem tap - fern Pyrrho großmuͤtig, wie er eine giftige natter in ſeinem buſen hege, indem ihn ſein leib - artzt umbringen wolte, und dieſer konte nicht anders, als in dieſe worte ausbrechen: Jch wolte ehe glauben, daß die ſonne von ihrem lauffe, als der tugend-liebende Fabricius von ſeiner gerechtigkeit abzubringen ſey. Ein ge - rechter Fr. W. verachtet nicht minder das an - erbieten eines verraͤtheriſchen Frantzoſen, wel - cher durch die abſchlachtung ſeines feld-herrn des beruͤhmten Turenne, ihm eine fette Heca - tombe zu opfern gedencket, ſondern beſtraffet auch ſolches durch uͤberliefferung dieſes boͤſe - wichts zur gehoͤrigen rache, und er verdienet mehr lobes-erhebungen als der Roͤmiſche buͤr - germeiſter. Denn iener will nicht, daß maͤch - tige laͤder ihres koͤniges und unzehliche ſolda - ten ihres oberhauptes, verraͤtheriſcher weiſe be - raubet werden, ſondern er vielmehr uͤber einen lebendigen Pyrrhum triumphiren koͤnne, und Fr. W. verlanget auch nicht durch den hinter - liſtigen todt eines generals, auf welchen beyT 3wei -294von denen unterſchiedenen artenweiten nicht ſo viel beruhete, und dergleichen Fꝛanckreich mehr hatte, ſeinen ſieg zu befoͤrdeꝛn. Nicht nur Arcadius und Honorius, ſondern auch Fr. W. ſind nicht allein fuͤr ſich tugend - haft, ſondern laſſen auch keinen an ihren hoͤ - fen zu befoͤrderungen und ehren-ſtellen gelan - gen, der nicht die tugend an ſtatt des adels - briefes aufweiſen kan. Und dieſes iſt eines der vornehmſten kennzeichen, der hohen gaben ei - nes regenten, wenn er tugendhafte diener auf - ſuchet und erhoͤhet. Titus hielt es vor eine ſeinen thron ſtuͤtzende maxime: kein unterthan muͤſſe von demſelbigen mit betruͤbten gemuͤthe und verduͤſterten geſichte zuruͤck kommen. Maxi - milianus R. K. ſagte: die ertzherzoge von Oe - ſtereich haben mehr durch freygebigkeit erwor - ben, als durch kargheit. Die freundliche gut - thaͤtigkeit und fuͤrſtliche milde Fr. W. hat ſei - nen landen nicht geſchadet, ſondern ſie viel - mehr bevoͤlckert, die handlungen vergroͤſſert, und die manufackturen in ſolchen ſtand ge - ſetzt, darinnen ſie allen andern nationen trotz bieten koͤnnen. Die fuͤr der Frantzoͤiſchen dragoner bekehrung fliehende Hugenotten und in das iaͤmmerlichſte elend verbannete Reformirte, finden unter den fluͤgeln des frey - gebigen Brandenburgiſchen adlers, nicht nur ſchutz, ſondern auch ihre zerſtoͤrte tempel, ihre verbrandte wohnungen und ihre geraubte guͤter reichlich und praͤchtig wieder. Und dieſe ſo viel 1000 ihrer ſeyn, muͤſſen aufrichtigezeug -295des ſtili inſonderheit. zeugniſſe abgeben, der ungemeinen liebe und freundlichkeit Fr. W. ob ſie wohl ſelbige nicht ſo lange genieſſen koͤnnen, als die eingebohrnen unterthanen. Ja verhaſte feinde muͤſſen die angebohrne gnade des huldreichen Fr. W. bewundern, da er an ihnen keine rache uͤbet, ob er ſie ſchon in ſeinen haͤnden hat. Viele fuͤrſten, ja was ſage ich fuͤrſten, die meiſten privat-perſonen, wiſſen ihre zeit, ich will nicht ſagen mit unzulaͤslichen dingen, ſondern mit unnuͤtzlichen kleinigkeiten zu verſchleudern: Und ein in gantz Griechen-land fuͤr weiſe ge - haltener Plato, muß in ſeinem alter die uͤble verſchwendung ſeiner zeit beſeufzen. Fr. Wil - helms langes leben, weiß von keiner uͤbelan - gewandten ſtunde. Miſſet einer von ſeinen durchlauchtigſten ſtamm-vaͤtern, der weiſe churfuͤrſt Johannes, ſeine tage ſo ab, daß nicht eine minute vergebens angewandt wird, ſo thut er es ihm hierinne gleich. Die ſtun - den des tages, welche ihm von denen unter - redungen mit GOtt und goͤttlichen verrich - tungen uͤbrig bleiben, werden einer preißwuͤr - digen ſorge und liebe der unterthanen, denen von unſerm groſſen Fr. W. hoͤchſtgeliebten ſtudiis, der wohlfahrt des gantzen Teutſchen Reiches, ja des weiten Europae aufgeopfert. Denn er konte als ein vater, vermehrer, und maͤchtiger beſchuͤtzer, von allen angeſehen wer - den. Printzen welche geſetz-geber und ſtadt - halter des hoͤchſten geſetz-gebers in der unter -T 4welt296von denen unterſchiedenen artenwelt ſind, haben zwar nicht noͤthig, ihren fuͤrſt - lichen purpur, durch die geſetze einſchrencken zu laſſen. Doch wenn ſie in ſelbige einen verwege - nen eingriff thun, muß ſolcher zu einer quelle unzehlicher ungluͤcklicher zufaͤlle werden. Un - ſer groſſe Fr. W. brauchte es ebenfals nicht ihm gewiſſe regeln zu ſtecken: Doch er war ein lebendiges geſetze ſeinen unterthanen und ein heller ſpiegel, woraus andere eine fuͤrſtli - che auffuͤhrung mit offnen augen leſen ſolten. Jn ſeiner reſidentz wird man keinen altar dem Baccho aufgerichtet finden, und folglich wird ihr die unkeuſche Venus keinẽ winckel zueignen duͤrffen. Denn dieſe beyde haben ſich ver - ſchworen, allezeit mit geſamter hand, die woh - nungen der maͤßigkeit und keuſchheit, und die ſuͤſſe ruhe menſchlicher gemuͤther zu zerſtoͤren. Allein was gewinnet er dadurch ſonderbah - res, fuͤr denenienigen, welche ihnen wie den beſoffnen Pacuvio faſt taͤglich koͤnten zuruf - fen laſſen: vixit? dieſes, daß ihn die durch maͤßigkeit erhaltene natur, ſeine jahre, biß an das vom Moſe dem ſterblichen leben vor - geſetzte ziel, hinanzehlen laͤſſet und die ehrlie - bende nach-welt den ſchimmer ſeines gantzen allerdurchlauchtigſten hauſes, welches ſich durch dieſe tugenden inſonderheit von vielen andern unterſchieden, in ihm allein kaum gnug - ſam bewundern kan. Er konte wie Auguſtus, als er das 43 jahr ſeiner hoͤchſtloͤblichen regie - rung zehlete, das groſſe ſtuffen jahr, menſch -liches297des ſtili inſonderheit. lichen alters ungehindert uͤberſteigen, und in ſeinem 67 jahre ſeiner armee ſich zu pferde zei - gen. Wie die roſen ihren purpur ſo wohl, als angenehmen geruch und blaͤtter verlieren, wenn ein ungeſtuͤmer platz-regen ſie uͤberfaͤllet, hingegen allezeit durch einen maͤßigen thau veriuͤngen koͤnnen; alſo behalten die wangen ihre farbe, die menſchliche natur ihre kraͤfte, wenn man ſolche fuͤr gewaltſamer unmaͤßig - keit bewahret. Die ſtrahlen der ſonne ſind ſo durchdringend, und ihre waͤrme ſo kraͤftig, daß man in allen dingen ihre nutzbare wuͤr - ckung ſpuͤhret, doch iſt eine regenſchwangere wolcke gnug, beydes zuverhindern und die erde in kalte ſchatten zu ſtellen. Und alle hohe be - gabniſſe einer fuͤrſtlichen ſonne, koͤnnen durch unmaͤßigkeit, in dunckeln flor eingehuͤllet wer - den. Nun verwundere man ſich nicht, wenn er das aufmercken der vernuͤnftigen welt, ia verwegner barbaren auf ſich und ſeine tapfern thaten gezogen. Jndem ich ſeiner anderer hel - den uͤberſteigende verrichtungen mich erinnere, und einen blick in die mit ſeinen ſieges-zeichen bedeckte felder thue, ſo werde den beruͤhmteſten kuͤnſtlern nachahmen, welche nur groſſe ſchlach - ten und begebenheiten, abzuſchildern belieben tragen. Sonſt wuͤrde es ihnen H. und H. an - weſende nicht an geduld, mir auch nicht an wort und ſachen, wohl aber an der zeit fehlen, denn hier fallen uns mit ſeinen heldenmuͤthi - gen bemuͤhungen, alle hochfuͤrſtliche tugendenT 5unſers298von denen unterſchiedenen artenunſers groſſen Fr. W. in die augen. Die nachkommen haben nicht nur an den muͤntzen ein gedaͤchtniß ſeiner tapferkeit, auf welchen man ihn: Electorem regibus parem, Achil - lem Germánicum, Patrem caſtrorum, be - nennet, ſondern gantze laͤnder und voͤlcker ſind lebendige muͤntzen, in welchen er mit blutigen ſtahle eben dieſes gepraͤget. Das unbaͤndige Pohlen, das rauhe Schwedẽ, das ſtoltze Franck - reich, die Ottomaniſche pforte, haben dieſes mehr als einmahl erfahren. Denn er gieng nur wieder dieienigen zu felde, welche zugleich ſeine und des Teutſchen Reichs, ſeines vaterlan - des feinde ſeyn wolten. Antonini wahlſpruch war: Malo ſeruare ciuem vnum, quam mil - le hoſtes perdere, und was des groſſen Fr. W. ſinn hiebey geweſen, koͤnnen wir auff der muͤntze leſen, welche uns ihn in voͤlliger ruͤ - ſtung mit bekraͤntzten haupte und die - ſer umſchrifft zeiget: Ob cives ſerva - tos. Sein allerdurchlaͤuchtigſter Herr va - ter uͤberließ ihm das ſteuerruder der regierung, da gantz Teutſchland von den wuͤ - tenden krieges-wellen erbaͤrmlich erſchuͤttert und ſeine laͤnder von unzehlichen feindlichen winden beſtrichen wurden, doch ſo bald es ſeine tapfere fauſt ergriffen, konte man ſagen: Noli timere nauta caeſarem vehis. Es wurde zwar bald nach ſeiner angetretenen regierung eine ungemeine ſtille, durch den Weſtphaͤliſchen friedens-ſchluß, und die Martis ſoͤhne ſtecktenihre299des ſtili inſonderheit. ihre blutige ſchwerdter ein. Doch dieſer war nicht anders anzuſehn, als ein vorbote eines ebenfallß groſſen ungewitters, und erſchreckli - chen darauf erfolgten krieges. Der ungluͤck - liche Pohlniſche Joh. Caſimir, haͤtte bey nahe hierinne kron und ſcepter, land und leute ein - gebuͤſſet, als der mit dem Schwediſchen loͤwen verbundene Brandenburgiſche adler, ihn gantz erzuͤrnet anfiel. Die Warſchauiſche felder ſind nicht minder als die Catalauniſchen be - ruͤhmt worden, weil in dieſen ein nichtiger ehr - geitz das commando fuͤhrte und beyde theile einander faſt gleich waren: Jn ienem aber der tapfere Fr. W. mit einem geringen volcke, al - len Pohlniſchen adel, die groͤſten horden er - grimmter Tartarn, und die wilden trouppen gepanzerter Huſaren, auf einmahl vor ſich her fliehen ſahe. Ein Brandenburgiſcher muſte wie - der 6. feindliche armee kaͤmpfen, denn der un - erſchrockene Fr. W. frug niemahls wie ſtarck der feind waͤre, ſondern wo er ſich aufhielte. Die groſſe anzahl der feinde machte den krieg ſchwer, aber den ſieg deſto groͤſſer und die fruͤch - te deſſelben deſto vollkommener. Er ſchreckte die Polniſche republique alſo, daß ſie ihm die oberherꝛſchaft von Preuſſen freywillig uͤberlieſ - ſe. Eine ſache, welche ſie vordem mit blut und todt, gantz verſtockt zu behaupten gewoh - net war. Und ehe er noch ſeine ſieghafte pal - men in oliven kraͤntze verwandeln konte, wieſe er einer dem Teutſchen Reiche ungetreuen kro -ne,300von denen unterſchiedenen artenne, daß Fr. W. nicht nur uͤber fluͤchtige Pohlen, ſondern auch ſonſt feſt ſtehende Schweden triumphiren koͤnne. Er war allezeit bey ſeiner armee gegenwaͤr - tig, da ſonſt andere printzen, und nicht un - billich, ihre geheiligte perſon denen feindlichen kugeln ſelten bloß geben. Wolte alſo dem erſten Achilli ſeines hauſes Alberto nichts nachgeben, welcher wie ein grimmiger loͤwe ein - ſten durch die feindliche glieder drang und ihre hauptfahne mit dieſen worten ergrif: Jn der welt iſt kein ſo ruͤhmlicher ort, da ich meines le - bens ende ſuchen kan, als hier. Nur thut es Fr. W. mit dem unterſcheid, nicht daß er wie iener ſeine leute von der flucht zum ſiegen brin - get, ſondern damit ſein heldenmuth auch uͤber die ſeinen ſich ergieſſe, und er ſelbige zu einer zeit anruͤcken und die feinde fliehen heiſſen koͤnne. Doch wieder den erb-feind Chriſtliches nah - mens, hat er ſeine geheiligte perſon nicht be - muͤhet, denn es war genung, daß er ſeine waf - fen dem tapfern Schoͤning liehe, fuͤr welche die barbarn eben ſo wohl flohen, als die verzweif - felten Troianer fuͤr dem Patroclo, welcher dem Achilli ſeinen panzer und ſchild abgebor - get. Vereinigte ſeine hohe gegenwart, ſeine und des Reichs voͤlcker wieder das hochmuͤthige Franckreich, ſo war er ein ſarder, welcher der naturkuͤndiger bericht zu folge, die furcht ver - treibt. Der ſtaat der vereinigten Niederlaͤn - der, waͤre nimmermehr zu ſeinen verlohrnenſtaͤdten301des ſtili inſonderheit. ſtaͤdten gelanget, ia haͤtte vielmehr ſeine ande - re welt Amſterdam uͤber dieſe hingegeben, wenn nur nicht Fr. W. großmuͤthige gewohn - heit waͤre geweſen, bedraͤngten huͤlfreichbeyzu - ſpringen. Denn Fr. W. bemuͤhungen mach - ten es, daß die in den Niederlanden aufgehende Galliſche after-ſonne ſo bald untergehen muſte, als ſie aufgegangen ware. Hiebey ſcheu - ete er nicht den unerſetzlichen ſchaden, worinn er ſeine laͤnder ſetzen muſte, denn er glaubte, daß es beſſer ſey, ſelbige auf eine kurtze zeit in gefahr laſſen, als in langwieriges ungluͤck ſtuͤrtzen, und dieſes letztere waͤre unfehlbar erfolget, wenn er zugegeben haͤtte, daß die um ſich greif - fenden Bourbonier ſeine naͤchſte nachbarn wor - den waͤren. Was hat nicht ſein eyffer fuͤr Leopoldi thron, und die Teutſche freyheit vor wunder dinge ausgerichtet, wenn er als ein ge - treuer Reichs-patriote, den harniſch wieder eben dies unruhige Franckreich angeleget? Den groſſen Ludwig welcher Teutſchlande unaufhoͤrlich mit ſeinen veraͤchtlichen feſ - ſeln drohete, trieb er alſo in die enge, daß er ſich nach fremder potentaten huͤlffe aͤngſtiglich umſehen muſte. Schweden ſolte der tapferkeit des groſſen Fr. W. zum falle werden, und indem es in die Branden - burgiſchen laͤnder fiel, dem beaͤngſtigten Franckreich huͤlffe ſchaffen. Allein hier machte der himmel erſt recht einen bewundernswuͤrdi - gen anfang die Brandenburgiſchen waffen zuſegnen302von denen unterſchiedenen artenſegnen. Es war als wenn ſie erſt ietzo be - haupten ſolten, daß wie die Teutſchen unter allen voͤlckern, die Brandenburger unter den Teutſchen, welches den Roͤmern ſchon eine un - ſtreitige wahrheit hieß, alſo Fr. W. unter ſeinen Brandenburgern der edelſte und tapfer - ſte waͤre. (ſiehe des Herrn von Beſſers ſchrif - ten p. 69) hatte der groſſe Fr. W. bißher als ein behutſamer Fabius, die Teutſchen ſachen am Rheinſtrome zu vorigen kraͤften gebracht, ſo bewieß er nun an der Oder, daß er ein blitzen - der Marcellus ſey. Die Schwediſche loͤwen - brut hatte ihn kaum geſehen, als er ſie geſchla - gen. Denn wenn ſie geglaubt haͤtten, Fr. W. lebte noch, wuͤrden ſie ſich nimmermehr, als eine unertraͤgliche laſt ſeinen unterthanen auf - gebuͤrdet und den adler in ſeinen ſitz beunruhi - get haben. Fehrbellin wird uns noch ietzo die gegend weiſen, welche er mit feindlichen lei - chen beſaͤet hat, nachdem er allein mit ſeiner abgematteten reuterey, das ausgeruhete und in ſeinem vortheil ſtehende Schwediſche heer, behertzt angegriffen und gluͤcklich geſchlagen. Hierauf wurde in dreyen tagen ſein land von den feinden geſaͤubert, der krieg in ihr eigen land geweltzet, und in jahres-friſt ſahe man den beſten theil davon in den haͤnden des groſſen chur-fuͤrſten. Ein kuͤhner hertzog von Friedland beaͤngſtiget Stꝛalſund gantzeꝛ 4 wo - chen lang, und meint es zu erobern, wenn es auch mit ketten am himmel angeheftet waͤre,muß303des ſtili inſonderheit. muß aber dennoch beſchaͤmt davon ziehen, ein tapfferer Fr. W. braucht nur 24 ſtunden, ſo bringt man ihm die ſchluͤſſel entgegen. Ja als der Schwediſche Horn das entlegene Preuſſen beunruhigen will, muß dem tapfern beſitzer deſ - ſelben, der harte winter eine eißbruͤcke uͤber das groſſe meer legen, damit er ohne ſaͤumniß ſeine bedraͤngten unterthanen erloͤſen, und ſeine ſoldaten auf geſchwinden ſchlitten zu ih - ren ſieges kraͤntzen eilen koͤnnen. So weiß der erzuͤrnte himmel unrechtmaͤßigen friedens - bruch zu beſtraffen, und hingegen die gerechten waffen kriegeriſcher printzen zu bekroͤnen. Will man hierauf nach dem verderblichen blut - vergieſſen die feindſchaft verbannen, und der erden eine angenehme ruhe ſchencken, ſo achtet er die belohnung ſeiner tapferkeit, die mit dem degen eroberte laͤnder nicht, dieſelbe gleichfals zu befoͤrdern. Laͤnder welche ihn ſonſt erblich zu gehoͤrten, und ihn ietzo zum andernmahl als ihren uͤberwinder und beſitzer angenommen hatten, waren ihm nicht ſo angenehm, als die bloſſe hoffnung dasienige zu erhalten, woruͤ - ber der todt erſt ſprechen ſolte, weil er hiedurch die ruhe des Reichs wiederherſtellete. Hier be - mercken wir billig die großmuth des groſſen Fr. W. mit welcher er erdultet, daß ihn die - ienigen unbilliger weiſe verlieſſen, deren wohl - fahrt aus dem verderben zu reiſſen er ſeine eigene in die ſchantze geſchlagen. Al - lein der groͤſte triumph wird alsdenn bil -lich204[304]von denen unterſchiedenen artenlich angeſtellet, wenn man ſich ſelbſten beſieget, und dem groſſen Fr. W. werden es hierinn wenig gleich, keiner aber zuvorthun koͤnnen. Der erzuͤrnte himmel wolte ihn darum der un - danckbahren welt nicht mehr goͤnnen, ſondern zur ruhe bringen, und der 29 April des 1688 jah - res war der tag, da der unſterbliche Fr. W. den chur-hut ſeinem durchlaͤuchtigſten Fridrich den weiſen aufſetzte, und von der hand des hoͤch - ſten die himliſche krone erlangte. Eben zu ei - ner ſolchen zeit da das bundbruͤchige Franck - reich den Teutſchen boden mit feuer und ſchwerdt barbariſcher weiſe betrat, und nur durch die Brandenburgiſchen adler konte ge - ſchrecket werden. Jch wolte zwar wuͤnſchen daß der tag ſeines todes aus den jahr-buͤchern getilget wuͤrde, allein hierdurch wuͤrde ich der tugend des groſſen Fr. W. zu nahe treten, indem er eben denſelben mit dem groͤſten ſiege bezeichnet. Die wegen ihrer erfahrung in der ſtern-wiſſenſchafft uͤberall beſchriene Aegyptier haben geurtheilet, daß die leuchtende ſterne im aufgange eine ſonderbare vermehrung ih - rer kraͤfte ſpuͤhreten, hingegen mit ihrem un - tergange licht und glantz verloͤhren. Sie haben hierinnen gewaltig geirret, und dieie - nigen irren noch mehr, welche vermeinen un - ſer glorwuͤrdigſter Fr. W. habe ſein tapferes leben mit keinem großmuͤthigen tode verſie - gelt. Er hatte in ſo viel gewonnenen ſchlach - ten, die letzte ſtunden ſeines lebens ihm zurgnuͤge305des ſtili inſonderheitgnuͤge vor augen geſtellet, da an ſeiner ſeiten die treflichſten leute durch gewaltſame ſtuͤckkugeln weg, und aus dem lande der lebendigen hin - geriſſen worden: Alſo war ihm dieſelbe als ei - ne vorher laͤngſt bekanteſchantze, leicht zu uͤber - ſteigen. Denn er leget mit der groͤſten gelaſ - ſenheit den fuͤrſtlichen purpur ab, uͤberreichet ſeinem erb-printzen den Brandenburgiſchẽ ſcep - ter, theilet ihm den kern vaͤterlicher und fuͤrſt - licher erinnerungen mit, und wird alſo indem er dem tode nachgiebt ein ſieger uͤber denſel - ben. Darum ſtirbt er nicht, ſondern veraͤn - dert nur ſeine durchlauchtigſte perſon in dem glorwuͤrdigſten nachfolger. Und die weiß - heit Friderichs des 3. iſt allein geſchickt, ſo vielen Brandenburgiſchen unterthanen, wenn ſie uͤber den hoͤchſtſeeligſten abſchied des ihnen unentbehrlichen Fr. W. in thraͤnen zerflieſſen wollen, die augen abzutrocknen. Denn es bleibt doch wohl feſt geſtellet, wenn der mund der wahrheit uns verſichert, wo ein tugend - hafter ſohn des vaters ſtelle erſetze, da empfin - de man daß erblaſſen deſſelben nicht. Der groſſe Fr. W. haͤtte keinen tuͤchtigern erben ſei - nen vermehrten laͤndern geben koͤnnen, als, denienigen der ſich bereits zum beſitzer aller vaͤterlichen tugenden gemacht hatte. Es wird auch deßwegen nicht nur wer ein Brandenbur - giſch, ſondern auch Teutſch geſinntes gemuͤthe heget, aus ſchuldigſter danckbarkeit ehren-tem - pel dem klugen Fr. W. aufzurichten ſich bear -Ubeiten.306von denen unterſchiedenen artenbeiten. Nimmermehr wuͤrde das weitlaͤufti - ge Spanien, in deſſen reichen die ſonne nie - mahls untergehet, nach ſo vielen ſtroͤmen ver - goſſenen bluts endlich doch unter die ſclaverey der Frantzoͤiſchen lilien gerathen ſeyn, wenn es ſeinem Carolo nicht an erben gemangelt haͤtte. Brandenburg ſiehet ſeinen thron mit vielen erben unterſtuͤtzet, und hat nichts von dieſem harten ungluͤcke gekoſtet. Der unſterb - liche Fr. W. iſt auch hierinn groß und begluͤckt. Er ſtellet zur ſicherheit ſeiner laͤnder, aus der erſten ehe mit einer ſchoͤnen Louiſa Henrietta Oraniſchen und koͤniglichen gebluͤts 6 zeugen ſeiner durchlaͤuchtigſten ehelichen verbindung dar, aus der andern mit einer behertzten und ihren groſſen Fr. W. auff dem Pommeriſchen kriegs-platz begleitenden Dorothea 7. Cedern muͤſſen nur mit cedern vergeſellſchaftet ſeyn und das ſchaͤtzbare gold laͤſt ſich mit veraͤchtli - chen bley nicht vermiſchen, man kan alſo leicht abnehmen was dieſes vor himmliſche Princes - ſinnen geweſen, welche das immer zu ſiegen ge - wohnte hertz des groſſen Fr. W. beſieget, und wie wohl dem lande bey dieſen fruchtbaren landes-muͤttern gerathẽ Der groſſe nachfolger des groſſen Fr. W. iſt aus erſterer ehe entſproſ - ſen. Jn ſeiner geſeegneten regierung hat er dasienige, was die Aegyptier unter die ſterne verſetzt, und der kluge Friedrich der andere wohlbedaͤchtig ausgeſchlagen, ſeinem chur-hau - ſe zuwege gebracht, ich nenne kron und ſcepter. Und307des ſtili inſonderheit. Und Preuſſen konte als denn erſt ungehindert anfangen mit kronen-golde zu prangen, nach - dem ihm der ſieghafte Fr. W. den weg durch die eroberte ſouuerainitaͤt hiezu gebahnet. Frie - drich der weiſe erſter koͤnig der chriſtlichen Preuſſen, iſt nicht minder wie ſein durchlauch - tigſter herr vater gluͤcklich und weiß wohl zu regieren. Er eꝛhaͤlt in ruhigem frieden duꝛch ſeine klugheit, was iener durch ſeine kriege und tap - ferkeit bekraͤntzet, nur daß er im anfang ſeiner regierung, den groſſen Ludwigen zwinget das geraubte Bonn und Kaͤyſers-werth und andere veſtungen auszulieffern. Unſchifbare fluͤſſe muͤſſen ſich, durch ſeine klugheit gezwungen, ietzo beſchiffen laſſen. Und das gantze Bran - denburgiſche land wuͤrde noch ietzo ſein abſter - ben und auch in ihm den groſſen Fr. W. be - ſeuftzen, wenn er ihnen nicht einen andern Friedrich Wilhelm hinterlaſſen, welcher die klugheit ſeines großmaͤchtigen vaters und die tapferkeit ſeines allerdurchlauchtigſten groß-vaters beſitzet. Er iſt wie der groſſe Fr. W. zum kriegen, alſo auch zum ſiegen ge - bohren, und faͤnget bereits an auf eben den feldern ſeine ſieges-zeichen aufzuſtecken, da die ſaͤulen ſeines durchlaͤuchtigſten herrn groß-va - ters noch gantz unverſehrt, wie neuaufgerich - tet ſtehen. Er ſuchet auch hierin den ruhm des unerſchrockenen Fr. W. und die nachwelt wird nicht minder ihn, als ſeinen durchlaͤuch - tigſten hln. groß-vater, mit unſterblichem an -U 2dencken308von denen unterſchiedenen artendencken zu verehren wiſſen. Dieienigen wel - che von dem Hercules abſtammen wolten, wur - den nicht vor aͤcht erkannt, wenn ſie nicht hertz - haft waren, und die Brandenburgiſche adler zeugen nur ihres gleichen an tapferkeit. Hat man unter ſeinen durchlaͤuchtigſten vorfahren an Fr. den erſten einen ſieghaften, an Fr. den andern einen eiſernen an Alberto einen Achil - lem und Ulyſſem, an Joachim den I. einen Neſtor, an Joachim den andern einen Hector und an Fr. W. den groſſen alles dieſes beyſam - men, ſo wird die nachwelt erfahꝛen, daß der him - elmit ſeinem nahmen, auch ſeinen geiſt auf deſ - ſengroßmaͤchtigſten enckel geleget habe. Rief - fen die Roͤmer ihren neuerwehlten kaͤyſern zu:〈…〉〈…〉 is felicior Auguſto melior Traiano, ob ſie wohl wuſten, daß es allen vermuthen nach kei - ner von ihren nachfolgern dieſen beyden gleich thun koͤnne: So ſchreyet dem enckel des groſ - ſen Fr. W. und nachfolger Ftiedrichs des weiſen, nicht der Brandenburgiſche unterthan allein, ſondern gantz Teutſchland zu: Sey gluͤcklicher und ſieghafter wie der groſſe Fr. W. ſey beſſer denn Fr. der weiſe. Seiner Maieſtaͤt allerdurchlaͤuchtigſte und bewundernswuͤrdige gemahlin Sophia Dorothea, beſitzt die voll - kommenheiten ihrer allerdurchlauchtigſten ſchwieger mutter der ſchoͤnẽ Sophia Charlotte gemahlin Friedrichs des I. Koͤnigs in Preuſſen, und den muth der durchlaͤuchtigſten Dorothea gemahlin des groſſen Fr. W. Billich iſt der in -bruͤn -309des ſtili inſonderheit. bruͤnſtige wunſch eines Bꝛandenburgiſchen her - tzens, daß ſie beyder nahmen zu gluͤcklicher vor - bedeutung nicht ohne urſach tragen moͤge. Sie wird bereits wie eine andere Sophie Char - lotte bewundert, da ſie eines koͤniges tochter, eines koͤniges gemahlin und eines ob wohl zu - kuͤnftigen koͤnigs mutter iſt, und die zeit-regi - ſter werden ſie kuͤnftig-hin, als eine andere Do - rothea und fruchtbare landes-mutter bemer - cken. Auf den guͤtiger himmel, haſt du zum troſt der Preußiſchen provinzen den verluſt des groſſen Fr. Wilhelms und weiſen Friedrichs reichlich erſetzet, ſo fahre fort zu erweiſen, daß du das Brandenburgiſche hauß zum beſtaͤndi - gen ſeegen geſetzet habeſt. Kroͤne die tap - fere und fuͤr die ruhe des vaterlandes, wieder einen unruhigen koͤnig ſtreitende fauſt, mit ſieg - haften lorbern und endlich erwuͤnſchten frie - dens-palmen. Seegne ſeine koͤnigliche re - gierung mit beſtaͤndigem gluͤck ſeine allerdurch - laͤuchtigſte familie mit unveꝛaͤnderlichen wachs - thum und die menge ſeiner unterthanen mit dem ſchatz geiſtlicher und leiblicher guͤter. So werden dieſe des Saturni guͤldne zeiten erle - ben, die ſtudia den waffen zu trotz bluͤhen, und unſer hochgeliebtes vaterland, ia die ruhe von gantz Europa einen maͤchtigen ſchutz-enge[l]an ihm haben. Sie koͤnnen H. und H. an - weſende, was meine muͤde zunge von dem lobe ſeines durchlauchtigſten groß-vaters vergeſſen, ſelbſten an ihm erblicken, denn er iſt ein lebendi -U 3ger310von denen unterſchiedenen artenger abriß des groſſen, weil die welt ſtehet in unverwelckten andencken lebenden und aller - glorwuͤrdigſten Friedrich Wilhelms.
§. 5. Der ſtilus theoreticus und patheticus, richtet ſein abſehen ebenfalls auf die beſchaf - fenheit des obiecti. Jſt das obiectum bloß theoretiſch und nur auf die uͤberzeugung und den unterricht des verſtandes zu diſponiren, ſo hat man auch nur auf den adaͤquaten deutli - chen ausdruck, und die natuͤrliche eigenſchaften des ſtili zu ſehen, ſolches wird der theoretiſche ſtilus ſeyn, welcher mit dem ſtilo humili meh - rentheils einerley. Jſt das obiectum eine ſa - che die den willen angeht, muß auch der ſtilus mit tropis und figuren, nach beſchaffenheit des affects, nachdruͤcklicher gemacht werden, daher heiſt er nachgehends patheticus, und iſt mehrentheils zugleich mediocris, oder ſublimis. Die heftigſten affecten, als, zorn, liebe, freude, traurigkeit, unterſcheiden ihn am meiſten, dar - nach auch alle ſeine theile zu diſponiren ſind, uͤbrigens braucht er keine beſondere regeln.
§. 6. Der unterſchied des obiecti, macht wiederum einen unterſchied unter den ſtilum ſimplicem und eruditum, bey ienem iſt es ſinn - lich, bey dieſem abſtract. Der ſtilus ſimplex hat in ſo fern er nur von ſinnlichen ob - iectis handelt, nichts beſonders, ingleichen der gelehrte ſtilus uͤberhaupt. Jn ſo fern aber dieſer ins beſondere auf Theologiſche materien appliciret wird, iſt es noͤthig daß alle ſeine thei -le311des ſtili inſonderheit. le etwas ernſthaftiges und anſehnliches an ſich haben, auf der catheder richtet er ſich nach dem gelehrten gebrauch, auf der cantzel ent - lehnt er ſeine worte und redens-arten aus der bibel, nimt auch daher alle ſeine argumenta, kan ſonſt bald theoretiſch, bald pathetiſch, bald humilis, bald mediocris, bald ſublimis ſeyn.
§. 7. Jn ſo fern er auf Juriſtiſche materien appliciret wird, iſt er entweder im iure privato oder publico gebraͤuchlich, und alſo entweder bloß unter rechtsgelehrten, oder unter fuͤrſten und rechtsgelehrten, oder unter fuͤrſten oder ſonverains allein, in dem erſten fall heiſt er ein Juriſtiſcher ſtilus, der im foro recipiret, in dem andern faͤllen aber der ſtilus curiaͤ, cantzley-ſti - lus, cammerſtilus, ſtilus Juris publici. Er druckt ſein obiectum durch viele kunſt-woͤrter, nachdruͤckliche beywoͤrter und beſondere for - muln aus, conſtruiret auf eine von den ordent - lichen conſtructionibus abgehende art, conne - ctiret durch ausgedruckte connexiones mit be - ſondern particuln und wird am beſten aus dem gebrauch ſelbſt gelernet.
§. 8. Jn ſofern er auf Mediciniſche, Phi - loſophiſche und Mathematiſche materien ap - pliciret wird, hat er wiederum nichts beſon - ders, auffer daß bey einem Mediciniſchen obie - cto die kunſtwoͤrter den ſtilum mercklich veraͤn - dern, und da alles wahrſcheinlich iſt, was man von dieſer materie fuͤrtraͤgt, ſo iſt inſonderheit bey denen daraus gezogenen folgerungen, in gewiſſen faͤllen, nichts als unſtreitig auszudru - cken. a)Bey dem Philoſophiſchen, in ſo fern er nur Logicaliſche, und Moraliſche lehrſaͤtze proponiret, hat man ſich nach dem gelehrten gebrauch zu richten, und hauptſaͤchlich auf die deutlichkeit und adaͤquaten ausdruck zu ſehen, dem alle andere eigenſchaften weichen muͤſſen. b)Jn der Mathematick iſt gleich - falls bey dem ſtilo die deutlichkeit und ordnung das fuͤrnehmſte requiſitum. c)
§. 9. Endlich iſt der ſtilus Hiſtoricus, we - gen ſeines obiecti hieherzuziehen. Auſſer de - nen pflichten, welche einem Hiſtorico fuͤr an - dern ſcribenten und rednern obliegen, daß er nemlich die wahrheit ohne affecten und par - theylichkeit ſchreibe, daß er gnugſame und ſi - chere nachrichten habe, daß er die Hiſtoriſche wahrſcheinlichkeit wohl verſtehe, ſo iſt es was ſeinen ſtilum anbetrift noͤthig, daß er deutlich und ordentlich die ſache fuͤrtrage, ohne groſſe weitlaͤuftigkeit und affectation, daß er ſorgfaͤl - tig die umſtaͤnde, welche zu beſſerer einſicht in die abſichten der agirenden perſonen dienen, mit ausdruͤcke, welches durch ſcharfſinnige ur - theile und meditationes geſchehen kan, daß er alſo lieber im ſtilo humili oder zum hoͤchſtenU 5im314von denen unterſchiedenen artenim mediocri, als ſublimi, lieber im ſtilo theore - tico als pathetico ſchreibe, ſonſt einen flieſſen - den numerum und nette connexiones anbrin - ge.
§. 10. Jn anſehung der beſondern einfaͤlle und gedancken welche man bey dem obiecto hat, oder vielmehr in anſehung des verſtandes welcher die gedancken herfuͤr bringet, iſt der ſti - lus entweder iudicioſus oder ingenioſus oder memorialis. Bey dem iudicioſo und memo - riali iſt nichts beſonders zu erinnern, indem billich alle arten von ſtilis, vom iudicio des verfaſſers und dem guten gedaͤchtnis deſſelben proben ablegen ſolten:a) Der ingenioſus aber wird, nach den unterſchiedenen abſichten des der ihn gebrauchet, bald argutus, bald ſa - tyriſch, bald poetiſch, bald laͤcherlich, von wel - chen etwas weniges zu gedencken.
§. 11. Der ſtilus argutus druckt alles nach - ſinnlich aus,a) verbindet zu dem ende vermit - telſt einer fertigkeit des ingenii,b) durch eine artige tour, ſachen, welche entweder garnicht oder. ſehr wenig zuſammen zu gehoͤren ſcheinen,c) und gruͤndet, ſich uͤberhaupt auf die argu - menta illuſtrantia, als meditationes,d) ex - empla,e) comparata,f) diſparatag) und oppoſita,h) bedienet ſich dabey der figuren und troporumi) und faſſet alles kurtz mit ar - tigen epithetis, in einen kurtzen unmerum zu - ſammen,k) connectiret meiſt realiter, muß dannenhero nach denen cautelen, ſo bey den ar - gumentis illuſtrantibus gegeben worden,l) und nach denen eigenſchaften eines guten ſtili uͤberhauptm) beurtheilet werden.
Denck-mahl uͤber die grab-ſtaͤte, der nimmer vergraben zuſeyn wuͤrdigen Frauen, Frauen Rahel verwittibten Jaͤgerin, gebornen Stegerin, der verſtorbenen zum ruhme, den lebenden zum vorb〈…〉〈…〉 de, den verwandten zur ſchmertz-ſtillung, ſich ſelbſt zur vergnuͤgung ſeiner ſchuldigkeit, aus ungefaͤlſchtem mitle[i]den den tag ihrer beerdigung,den319des ſtili inſonderheit. den 8. julii 1679. aufgerichtet von J. B. Wer hier voruͤber gehet, gehe zuvor in ſich. Er verlaſſe dis grab, mit verlaſſung der menſchlichkeit. Er lerne von einer verſtorbenen / was keine lebende lehren koͤnnen: die vergaͤngligkeit des lebens, in dem tode der vergaͤnglichen. denn die leichen ſind hierin viel treuere lehr-meiſter als alle welt-weiſen. die vergaͤngligkeit nennen wir zwar, aber wir kennen nicht ihre behaͤndigkeit. wir haſſen ſie in dem gegenwaͤrtigen, und laſſen ſie doch in dem zukuͤnftigen nicht. denn wir glauben ohne furcht, und fuͤrchten ohne glauben: daß dieſes ſchoß-kind der menſchen ſeine eigene mutter toͤdte. das leben ſo wir lieben, uͤben wir nicht recht. iſt es ein traum? ſo iſt der ſchlaf die zeit, und wir traͤumen weil wir ſchlafen: iſt es eine fabel? ſo betruͤgen wir uns auch. der nebel, den es mit verkehrten buchſtaben ausdruͤckt, blendet das geſichte, ſo lange wir zuſehen. aber die ſterbenden oͤfnen uns die augen, wenn wir ſie ihnen zudrucken. was das leben ſey, erkennen wir aus den todten, gruͤften. ſuchteſt du wohl Pilgram, unter dieſem lebloſen marmor, das muſter weiblichen geſchlechts, einen adler von adlern gezeuget,die320von denen unterſchiedenen artendie gebohrne STEGERJN, und verehligte JaͤGERJN? mit deiner verwunderung findeſt du hier: eine RAHEL dem namen, ein ſchaaf der that und deutung nach. eine tochter Jeptha den eltern, eine Paulina dem eh-manne, eine Cornelia den kindern, eine gluͤckſeligkeit den freunden. in ſchoͤnheit eine Helena; in großmuͤthigkeit eine Debora; in klugheit eine Penelope; in gednld eine Suſanna; in Gottesfurcht eine Judith. mit kurtzem: eine vollkommene unter der menge der unvollkom̃enen; ein engel unter menſchen die zwar auch ihre menſchlichkeiten, wie die ſonne mackeln, und der mond ungleichheiten gehabt; aber ſonder ihre verſtellung. die dunckele ſchattirungen machen die guͤte eines kunſt - gemaͤhldes nur ſo viel kentlicher. hier ſind ihre gaben verſtecket. und ihre leiche lehret dich: fuͤr der vergaͤngligkeit iſt nichts unvergaͤngliches. fuͤr der unbeſtaͤndigkeit nichts unbeſtaͤndiges. was iſt nun ſchoͤnheit? ein apfel von Sodom, der ſeine aſche in ſich naͤhrt. eine frucht dem wurm-ſtiche der zeit, wie der kuͤrbs Jonas unterworffen. eine blume, die auf uns ſelbſt erſtirbt, und den leib zur baare brauchet. was iſt die gluͤckſeligkeit der geburt und guͤter? die hohen ſand-berge verſtiebet der wind am ehſten. Prometheus hat allen grund-zeug ſeiner gebildeten menſchen mit zehren angefeuchtet. die perlen ſelbſt ſind thraͤnen der erzuͤrnten ſee;die321des ſtili inſonderheit. die rubinen? geronnene bluts-tropfen. die erde kan auch, von ein ſcharrung der erden, uns erde nicht loßkauffen. klugheit, großmuͤthigkeit, gedult, gottesfurcht, und alle tugenden ſind zwar waffen fuͤr dem ewigen, nicht aber dem zeitlichen tode. der duͤrre menſchen-wuͤrger hat kein empfinden. ſein ohr kein gehoͤr; ſein auge kein geſicht; ſein hertze kein mitleiden. die alles einaͤſchernde eitelkeit laͤſt ſich durch keine liebliche lippen erbitten. o elend! o unerbitliches verhaͤngniß! was heiſt nun leben? in ſteter gefahr des todes ſchweben. kaͤyſer Juſtinus fraget nach der ſtunde des tages, und beſchleuſt die letzte ſeines lebens. eine STEGERJN fehlet ihres ſteges nicht, und faͤllt doch von demſelben. ſie verbluͤbet mit bluͤhenden jahren und erblaſt mit purpurnen wangen. lerne denn mein pilgram an dieſem tode ſterben. An dieſem falle keiner jugend trauen. wer wird bleiben wenn ſolche vergehen? die tauſend geſchicklichkeiten begreiffende JaͤGERJN hat zur grabe-ſchrifft: ich bin erjagt. der tod iſt der jaͤger, die kranckheit das netze, das wild ſie ſelbſt. von ihrer lebhaftigkeit iſt nichts mehr uͤbrig. was ſie ſie geweſt, iſt nun nicht mehr. die eltern haben ihren troſt; die verwandten ihr verlangen: die freunde ihre vergnuͤgung; die feinde ihre aufmunterung; Leipzig aus ſeiner gemeine was ungemeines, aus wenigem ein vieles verlohren. kroͤnen nicht alle ſie mit dieſem nach-ruhm? Xein322von denen unterſchiedenen artenein menſch hat goͤnſtige und mißgoͤnſtige. So wiſſe zur nachricht: daß der fpiegel der welt, ſich dem ſpiegel der Smirne tempel vergleiche, welcher die ſchoͤnen leute garſtig zeiget. ſie war wie das Parrhaſiſche gemaͤhlde, von welchen man mehr kunſt durch den verſtand be - greiffen muſte, als den augen der unverſtaͤndigen gemahlet war. glaube den unpartheyiſchen, und betruͤge dich in einer warhafften ſache nicht. waͤre dir vergunt: der entſeelten gebeine vor ihrer vermoderung zu beſchauen, ſo wuͤrdeſt du auch aus der abgelegten leibes ſchale ſchlieſſen lernen, was die huͤlſen vor einen kern gehabt. denn ſolche todten ſind wie die mohnen-knuͤpfel, welche wenn ſie ihre blaͤtter verlieren, dennoch die krone behalten. preſſet dir dieſes zehren aus, ſo weine bitterlich. ſetze dich mit der Ceres eine zeitlang auff den ſtein, darauff niemand lachen koͤnnen. die aſche tugendhaffter weiber, verdienet auch thraͤnen der helden, wie Siſigambens des groſſen Alexanders. aber beſchwere den ſeligen leichnam mit keiner uͤbermaſſe. wir haben ſie verlohren doch nicht auff ewig. ihr ſchmertzhaffter tod, fuͤhret ſie zur ſuͤßigkeit des Lebens. die ſonne iſt am kaͤltſten bey ihrem aufgange die Perſiſchen koͤnige trincken bey antretung ihrer regierung einen trunck ſauren milchs. wenn du desfals der verſtorbenen zum an - gedencken, und ihrem geſchlechte zu ehren, den leichenſtein, mit deiner beſſerung, mitleidend genetzet haſtꝛſo323des ſtili inſonderheit. ſo troͤſtet dich die vernunfft mit dreyen worten: Nicht zu viel
Die andere iſtLateiniſch, (welche ſprache we - gen der haͤuffigen wortſpiele die man darinn anbringen und weil man die gedancken kurtz ausdrucken kan, gar geſchickt iſt zum ſtilo argu - to) und auf die praͤadamiten gemacht, wird vom Seldeno in otiis theologicisp. 70. aus des Dieterici antiquitatibus biblicis angefuͤh - ret:
‘Siſte viator gradum & hic quære: quo patre? phantaſo. qua matre? moria. ubi natus? in cerebro. Non ut Minerva Jouis ſed ut Morpheus ſomni. Qua nutrice? vanitate. Quantus tempore? aeuiternus o pinione. Sed revera vix quinque luſtra egreſſus. Quid rerum geſſit in mundo? Riſit. ſugillauit. Errores abortiuit. Cucurbitas pinxit. Ventos venatus eſt. Quid ſuſtinuit? mire miras fictiones, imputationes, refractiones. Si vos oſſilegi nihil aliquando invenietis, ne mir emini. Qui ſepultns eſt hic praeadamita Ουδ〈…〉〈…〉. ’ ()Weil ich einmahl uͤber die inſeriptiones ge - rathen bin, will ich annoch folgende aus meiner geringen ſammlung anfuͤhren:
X 2I. Als324von denen unterſchiedenen artenI. Als die Engellaͤnder mit Franckceich anno 1713. einen particulier-frieden ſchloſſen, ver - fertigte ein Oeſterreichiſch-geſinneter folgen - des:
Scire velim, quid fuerint, quid ſint Angli? Angli Germanorum olim fuerunt Angeli: Lemures enim Gallicos exSueuorum aedibus expulerunt: Suesque ſimul Bauaricos a lemuribus his ſimul obſeſſos, (multis haud dubie in Danubium præcipitatis) ex Sueuorum agris. Auſtriacorum & Batauorum ſpiritus fuere familiares. Omnium arcanorum principes arbitri. Genii fideles Caroli, quem feliciter deportarunt in ſinum Barcinonis. Angli[denique] quotiescunque cum hoſte congreſſi ſunt, ſemper egerunt angelos percuſſores, vaſtatores, depopulatores, Primo mane, die medio, primo veſpere, nocte concubia, & mari & terra. Hoſtibus terrori fuere, perniciei, moleſtiae, tormento. Boni itaque fuere, boni multis iuſte dicti ſunt tempe - ſtatibus angeli, Angli, pro meliori acriter ſtantes cauſſa, foedus, quod ſanxerant, ſancte colentes, bonitatemque eam, iuſto hoc bello comprobatam, quam ſaepiſſime, firmiter retenturos eſſe, putauimus, & in bono iam ita confirmatos credidimus Anglos, vt excidere prorſus non poſſint. Putauimus, credidimus, & heu! falſo! Angli enim heu! nunc foedifragi facti angeli. principio foederis cadem qua foederati ceteriinte -325des ſtili inſonderheitintegritate, ſeueritate, iuſtitia, Eademque fidei conſtantia, zelique probi obteſtatione ad Caeſarem conuerſi, a Caeſare & caeſarianis ſubdole nunc auerſi, hoſtium amici, amicorum hoſtes clancularii facti ſunt, Nam qui nobiſcum non ſunt, contra nos ſunt. Angli, angeli tam boni olim, tam eandidi, tam niuei, quam mali nunc ſunt, quam nigri, quam atri, quam pieei! Angli perfide a foederatis foederisque ſanctitate digreſſi, in grande vitium lapſi. Paucis: angeli hi Callorum iam nuno ſuecubi ſunt in caſſes Gallorum illapſi. Digni qui ſemper ſint. Digni, qui olim in tyrrannidis Gallicae abyſſum praecipitentur & concludantur, Sed quoniam dixiſti a bonitate ſua defeciſſe Anglos. quae cauſſa fuerit defectionis, quaeſo refer? Res digna relatu: audi, ſile! Angeli mali olim feminam, hio, femina Anglos a bonitate abſtraxit: Vnde vero hoc ipſum probas? Vtinam nequeam! Sed in hune maxime modum clamitat totus orbis Auſtriacus, Anna in veritate non ſtetit, Anna in veritate non ſtante, ex angelis denuo facti daemones, cacodaemones, non in coelo, ſed in orbe, ſed in Anglia! At manum de tabula.
II. Ohngefaͤhr anno 1694. kame folgendes auf die Pietiſten aus einem antipietiſtiſchen ge - hirn zum vorſchein.
X 3Heran326von denen unterſchiedenen artenHeran ihr frommen! Schauet hier eine neue art der froͤmmigkeit! Wolte GOtt, wir haͤtten die alte noch! Der alte GOtt, der alte glaube, die alte pietaͤt ſind immer die beſten. Zwar, indem ſie die alte ſuchen, Dringen ſie uns eine neue auf. Wer denn? Die Herren Pietiſten. Du erſtauneſt, da du ſie nennen hoͤrſt: Was wuͤrdeſt du nicht erſtlich thun, wenn du ſie reden hoͤrteſt? Du wuͤrdeſt ihnen nicht nur geneigtes gehoͤr geben, ſondern ſie gar vertheidigen. Denn ſie wiſſen meiſterlich den ſchein des guten anzunehmen, und den ſchalck zu verbergen. Du ſolteſt ſchweren, es waͤren heilige engel. Wann du nicht wuͤſteſt, daß ſich der teuffel in einem engel des lichts verſtellen koͤnte. Fraͤgſt du nach ihrer lehre, ſo wiſſe, daß ſie keine und doch alle haben. Auͤſſerlich paradiren ſie mit der h. ſchrifft, ins geheim ſind das ihre glaubens-articul, was ihnen traͤumt und gut deucht, und die rechten glaubens-articul halten ſie fuͤr zanck - aͤpffel. Sie verwerffen die Philoſophie, und treten ſie mi[t]fuͤſſen, Damit ja niemand ſchlau werde ihre thorheiten einzuſehen. Sie ſchreiben Theologien, Deren ſich ein Theologus ſchaͤmet. Sie327des ſtili inſonderheit. Sie leſen die heilige ſchrifft wider die h. ſchrifft, ſie ruͤhmen ſich einer heiligkeit, und haſſen doch den ſtifter derſelben. Sie halten conventicula, und verſammlen ſich in den winckeln. well ſie das licht ſcheuen. Sie ſind bruͤder des ordens der unwiſſenheit, Ritter, ſo die krancke froͤmmigkeit in das h. grab bringen. Die ihnen folgen, ſind baͤrtige weiber und ohnbaͤrtige juͤnglinge. Jenen lernen ſie reden, Denn es iſt doch gar zu lange ſeint Pauli zeiten, daß ſie ſchweigenmuͤſſen; Dieſen lernen ſie ſchweigen, Denn indem ſie ſelbige ohne die wiſſenſchafften zu beruͤhren, auf die hohe GOttes-gelahrtheit fuͤhren, (wie Chriſtus auf die zinnen des tempels gefuͤhret wurde) ſo ſetzen ſie ſelbige in die innere beſchaulichkeit, in ein tieffes ſtillſchweigen, als auf den hoͤchſten grad des gelahrten nichts. Von GOtt haben ſie gar zu viel im munde, aber deſto weniger im hertzen. Chriſtum lieben ſie ſo ſehr, daß ſie weder um die vergebung der ſuͤnden, noch bey ſeinem h. abendmahl ihn incommodiren wollen. Den H. Geiſt verehren ſie nach ihrer art, damit er ſie nicht zu fromm, ſondern zu inſpirirten ma - chen moͤge. Heiliger GOtt! rechne mir eine freye ſchreib-art nicht zu,X 4aber328von denen unterſchiedenen artenaber bekehre diejenigen, welche noch viel freyer deine heiligkeit beleidigen, als es mund und feder beſchreiben kan! Dieſe ſeltzame heiligen lieben ihren naͤchſten, aber nur, wenn er weibliches geſchlechts iſt, geld hat, und ihnen die fuͤſſe kuͤſſet. Sie ſind demuͤthig, aber nur fuͤr den leuten in minen und geberden, ſie gehen ſchlecht bekleidet, damit man ihre beſchmutzte heiligkeit deſto beſſer erkennen moͤge, ſie eſſen und trincken wenig, denn ſie ſind ſatt von ihren eignen verdienſten, und es moͤchte etwan das feuer verleſchen, welches fuͤr den leuten ſcheinet, und von der verſtellung angezuͤudet iſt. Sie ſind ſehr religioͤs, indem ſie alle religionen fuͤr gerecht halten. Sie widerſprechen auch keinem ketzer, weil ſie ſelbſt das widerſprechen nicht vertragen koͤnnen. Aber ihre diſputir-kunſt wird privatißime ausgeuͤbet, wo ſie alle praͤſides ſind, ohne reſpondenten und opponenten, durch hand-briefgen. Der grund-ſatz iſt allezeit: Dieſer iſt nicht unſer: und der ſchluß: Ergo wollen wir ihn druͤcken. Sie halten viel auf die bruͤder, aber noch mehr auf die ſchweſtern, daß ſie auch wann etwan eine zur betruͤbten kinder-mutter werden ſoll, lieber gleich denen Juden einen neuen Meßiam von ihr erwarten, als ſie verdammen. Deß -329des ſtili inſonderheit. Deßwegen ſchleichen ſie umher in die haͤuſer, da haben ſie die betten zum knie-beugen nicht weit, und fuͤhren die weiblein gefangen, oder Sie ſpaziren wie iener clericus in einen gruͤnen wald. Auf ſolche weiſe feyren ſie alle tage ihren ſabbath, und ſind doch niemahls muͤßig. Warum ſolten ſie denn in die kirche gehen? Zumahl, da ſie nicht wollen von menſchen gelehret ſeyn? Sie ſind geiſtliche prieſter, ia gar Paͤpſte: Warum ſollen ſie denn die prediger verehren? Sie ſind viel ſcharf-ſichtiger als Bileam: Warum ſolten ſie dann erſt daß ſie die boten GOttes ſehen, durch den honig des goͤttlichen worts, wie Jonathan, ihre angen wacker machen? Jhre collecte faͤngt ſich allezeit alſo an: Gold haben und einen ſamtnen hut, oder daß ich mich nicht verſpreche, Gedult haben und einen ſanfften muth, iſt mir fuͤr allen andern gut. Sie ſind propheten, deßwegen kommen ſie in ſchaafs-kleidern: Denn von wem ſolte der ſpruch wohl am beſten zu verſtehen ſeyn als von ihnen: Thut meinen propheten kein leid. Und wie ſolten ſie nicht denen boͤſes prophezeyen koͤnnen, denen ſie uͤbel wollen, und denen gutes, denen ſie weder ſchaden koͤnnen noch duͤrfen. Sie ſind koͤnige: Doch halt! Koͤnige haben lange haͤnde: ich muß aufhoͤren:X 5Sonſt330von denen unterſchiedenen artenSonſt werde ich von dieſen prieſtern geopfert, von dieſen paͤbſten in bann gethan, von dieſen propheten wie Micha tractiret, und von dieſen koͤnigen wie die baͤume von dem dornſtrauch verzehret. Jch will nur alſo zum beſchluß Euch die alte treu, den alten glauben, die alte froͤmmigkeit anwuͤnſchen. Damit ihr aber nicht durch dieſer leute pietaͤt in die impietaͤt verfallet, ſo huͤtet euch, nicht fuͤr der pietaͤt, ſondern fuͤr den pietiſten.
§. 12. Wird der ſtilus argutus insbeſonde - re auf die laſter appliciret, daß man ſelbige durchziehet und mit einer artigen und ange - nehmen manier ridicul zu machen ſuchet, ſo heiſt er eine ſatyriſche ſchreib-art. Er hat al - ſo fuͤr den arguten nichts beſonders, und ſeine groͤſte annehmlichkeit beſtehet in der freyheit des geiſtes und in luſtigen einfaͤllen, dadurch er nur thorheit und laſter mit einem beiſſen - den ſchertz verſpottet.
§. 13. Der poetiſche ſtilus beobachtet zwar die natuͤrlichen guten eigenſchafften des ſtili uͤberhaupt, ingleichen die regeln der gantzen beredſamkeit, hat doch aber in einigen davon abzugehen gewiſſe freyheiten, und unterſchei - det ſich von denen andern arten des ſtili, daß er eine ſache durch beſondere worte und beywoͤrter, durch haͤuffige figuren ausdrucket, daß er dabey vermittelſt einer fertigkeit des in - genii alle beſondere umſtaͤnde zuſammen ſu - chet, welche vielleicht nur moͤglich ſind, aber doch die ſache heftiger und nachdruͤcklicher zu machen dienen, ia daß er zuweilen die worte in eine ordentliche maſſe der ſylben in gleicher zahl und in reimendungen zwinget.
ſtridens aquilone procellavelum333des ſtili inſonderheit. velum aduerſa ferit fluctusque ad ſidera tollit. Franguntur remi, tum prora auertit & vndis Dat latus: inſequitur cumulo praeruptus aquae mons. Hi ſummo in fluctu pendent, his vnda dehiſcens Terram inter fluctus aperit furit aeſtus arenis.
ꝛc. Wo man nicht haͤtte Poetiſch ſchreiben wollen, waͤ - ren dieſe beſchreibungen nicht noͤthig geweſen, zumahl da ſie ſich nur auf die beſchaffenheit der ſache gruͤnden, wie ſie etwa ſeyn koͤnte. Und in ſolcher fiction beſteht die ſeele der Poeſie, oder wenigſtens ihre groͤſte ſchoͤnheit.Es ſchuͤttete die HandDes grimmen himmels dach, blitz hagel, ſchloſſen, regen,Auf meine maſten aus mit vielen donnerſchlaͤgen,Die flotte ward zerſtreut, die ſeegel umgekehrt,Die ſeile gantz verwirrt, die ruder nichts mehr werth,Die ſteuer theils zerſchellt, die ancker abgeriſſen,
§. 14. Zuweilen geht das ingenium in ſei - nen einfaͤllen gar zu weit und verfaͤlt auf pa - radope, laͤcherliche dinge. weil es entweder von dem iudicio nicht gnugſam unterſtuͤtzet wird, oder weil man mit fleiß woruͤber ſcher - tzet, und einding ridicul zu machen ſuchet, als - dann druckt man ſich theils durch alte verle - gne woͤrter und redens-arten aus, theilsdurch334von denen unterſchiedenen artendurch dergleichen, welche bey dem poͤbel ge - braͤuchlich und viel applauſum finden, ia man nimt ſich die freyheit, eben dadurch ein ge - laͤchter zu erwecken, wann man den regeln der beredſamkeit auf eine ſo merckliche art zuwie - derhandelt, daß auch gemeine leute es erken - nen und daruͤber lachen, und dieſes heiſt dictio ludicra, burlesque, ein laͤcherlicher ſtilus, wo - zu man keine regeln gebraucht als dieſe, daß er entweder gar nicht, oder ſehr ſelten, bey gantz beſondern faͤllen, zu gebrauchen.
§. 15. Jn anſehung der ſprache, worte und derſelben beſchaffenheit, damit man ſeine ge - dancken fuͤrtraͤgt, iſt der ſtilus einmahl ſo vie - lerley, als man ſprachen hat; hernach entwe - der naturalis oder artificialis, ienerheiſt ent - weder ſimpler, weil er von ſinnlichen, theore - tiſchen, familiairen dingen handelt und iſtmit335des ſtili inſonderheit. mit dem humili meiſt einerley, oder propri - us, weil er keine tropos, oder ordinarius weil er keine figuren braucht, und hat in dieſen faͤllen nichts beſonders: Dieſer der artificialis heiſt tropicus weil er tropos, und figuratus, weil er figuren braucht, dabey ebenfals nichts mehr zu erinnern, er heiſt aber auch declama - torius weil er gewiſſe ſolennitaͤten erfordert und hievon iſt etwas zu gedencken.
§. 16. Doch ehe ich davon etwas beybrin - ge, muß ich von dem ſtilo in anſehung der ſprache etwas ſagen, und zwar von dem Latei - niſchen, weil ſolches die ſprache der gelehrten und vom Teutſchen, weil dieſes unſere mutter - ſprache iſt. Jene iſt fuͤr allen andern excoli - ret worden, dannenhero findet man darinn gewiſſere regeln und vollkommenere, oder wenigſtens haͤuffigere exempel, ſo zu anbrin - gung der guten eigenſchaften des ſtili den weg bahnen. a)Es hat aber dieſe ſprache darinn die groͤſte freyheit, daß ſie die woͤrter nach ge - fallen verſetzen kan, und den vorzug, daß ſie was die reinlichkeit anbetrift, gleichſam in poſſeßione iſt, und ſich nicht leicht, durch ein - miſchung fremder woͤrter, darinn turbiren laͤſt. im uͤbrigen braucht ſie keiner beſondern regeln, und wegen der eintheilungen in den Juliani - ſchen, Muretianiſchen, Ciceronianiſchen, und Curtianiſchen ſtilum,b) ingleichen in die aucto - res unterſchiedener alter,c) darf man ſich auch keine groſſe muͤhe geben.
§. 17.336von denen unterſchiedenen arten.§. 17. Man kan ſonſt im Lateiniſchen alle arten vom ſtilo haben, und eben dieſe eigen - ſchaft hat ſie mit der Teutſchen ſprache gemein, von welcher bereits in der vorbereitung §. 22. erwehnet, daß man entweder den Schleſiſchen oder Meißniſchen oder Nieder-Saͤchſiſchen oder Fraͤnckiſchen ſtilum, darinn obſervire. a)Doch in keiner mund-art und in keiner art von ſtilo iſt man befugt, die eigenſchaften des guten ſtili uͤberhaupt, aus den augen zu ſetzen, und wo man dieſe geſchickt anzubringen weiß, und ſorgfaͤltig den genium dieſer ſpra - che beobachtet, wird man auch einen guten Teutſchen ſtilum ſchreiben. b)
Es vergliech iemand nicht uneben, dieſe vier ar - ten von Teuſchen ſtilis, mit vier frauenzimmern, da die eine ſich immer mit demanten gold und ſilber heraus putzete und als eine hof-dame al - lezeit in galla erſcheinen wolte; die andere, gleich einem academiſchen frauenzimmer artig, compaſant und liebreitzend waͤre, allen ge - fallen, niemand lieben, zuweilen fuͤr beſſer gehal - ten und mehr geehret ſeyn wolte als ihr zukaͤme; die dritte wie eine geſchaͤftige haußwirthin, nicht ſonderlich auf den aͤuſſerlichen putz hielte, ohnge - achtet es ihr darã nich fehlete, auch nicht eben die leute zu charmiꝛen ſuchte, ſondeꝛn vielmehr auf ih - re verrichtungen daͤchte, inzwiſchen doch durch das ungezwungene weſen, die herfuͤrleuchtende red - lichkeit, und kluge wirthſchaft, allen gefiele; und endlich die vierdte uͤberall die augen der leuteYauf338von denen unterſchiedenen artenauf ſich ziehen wolte durch lichte und bunte far - ben, ſchminckpflaͤſtergen, affectirten gang, ge - borgte demante viele baͤnder, und allerhand klei - nigkeiten. Doch will ich ihm nicht gaͤntzlich beyfallen, ſondern vielmehr zum exempel einige proben anfuͤhren, welche man conferiren mag: ſonſten geſtehe ich, daß ich bey dieſer eintheilung ebenfalls keinen rechten grund ſehe. Es mag alſo zur probe des Schleſiſchen ſtili, der an - fang der lob-rede dienen, welche der Herr von Koͤnigsdorf auf Leopoldum gehalten, der alſo lautet: Der erdkreiß iſt niemahls in eine groͤſſere be - ſtuͤrtzung geweſt, als er ſich in gegenwaͤrtigen zeiten befindet. Die regierſucht hat faſt alle voͤlcker erreget, und die koͤnigreiche wider ein - ander geſtoſſen, und wolte gern aus derſelben zertruͤmmerung ſich ein reich aufbauen, deſſen beherrſcher die Borbonier und ihre untertha - nen das menſchliche geſchlecht ſeyn ſollen Eu - ropa rauchet allenthalben von dem angelegten feuer, ſelbſt America haben die um ſich freſſen - den flammen angezuͤndet, und das weite meer hat nicht gnugſam waſſer ſolches zu loͤſchen. Europa ſoll eine neue, und America die alte oder vielmehr noch eine neuere welt werden; ſo gar ſind die laͤnder verwuͤſtet, und die ſtaͤdte umgekehret, daß die erde ihre vorige geſtalt ver - lohren, und den inwohnern nichts als das all - gemeine elend uͤbrig verblieben. Die waſſer ſiehet man von blut aufgeſchwellet, und der ocean wird dem rothen meere ſeinen nahmen zweifelhaftig machen. Seine fluthen ver -ſchlin -339des ſtili inſonderheit. ſchlingen gantze flotten, dadurch wird der ab - grund ſeichte, auch in den hafen verurſachet der ſchreckliche ſturm ſchif-bruͤche. Die ge - fahr haͤlt allen das meer verſchloſſen, nur dem verderben und untergang ſtehet es offen. Bey dieſen bekuͤmmerniſſen iſt das empfindlichſte ungluͤck, daß der ſtarcke Atlas, welcher die fal - lende welt aufgehalten, der groſſe Leopoldus (pleniſſimis titulis) mein im leben geweſener allergnaͤdigſter Herr, durch den todt entkraͤftet worden ꝛc.
Wenn ſelbſt der purpur ſeinen glantz verſtel - let, uñ ſtatt deſſen nur truͤbe blicke u. einen zwei - felhaften ſchein von ſich geben will, und wañ die ſchoͤnſte morgen-roͤthe ſich in eine dunckle nacht verwandelt, und aus heitern himmel blitz und donner herfuͤrbrechen: ſo iſts kein wunder, wenn ein ohne dem unberedter mund, an ſtatt einer wohlgeſetzten rede, fuͤr beſtuͤrtzung nur lauter gebrochene worte und einen unver - ſtaͤndlichen laut herfuͤr bringet. Und da ich mich anietzo eben in ſolchen umſtaͤnden be - finde, ſo wuͤrde mein fehler keine entſchuldi - gung verdienen, daß ich mich fuͤr ihnen, hoͤchſt - und hoch geehrteſte auweſende, herfuͤr zu treten erkuͤhne, wenn nicht eine loͤbliche univerſitaͤt, bey dem gegenwaͤrtigen, alle ihre glieder durch -Y 2drin -340von denen unterſchiedenen artendringenden ſchmertzen, nur fuͤr vergeblich ge - halten, zu ablegung ihres ergebenen danckes, einen beredten redner auszuſuchen; zugleich aber es ihrer gegenwaͤrtigen pflicht nicht un - gemaͤß befunden, die betruͤbniß vielmehr, als die kunſt, das wort fuͤhren zu laſſen.
Die allgemeine freude des gantzen landes, ſo mit worten kaum auszudruͤcken, wohl aber in aller getreuen unterthanen augen kan gele - ſen werden, erinnert billig dieſe Julius-univer - ſitaͤt ihrer unterthaͤnigſten pflicht, und verbin - det dieſelbe, durch ein oͤffentliches denckmahl, die gluͤckſeeligkeit dieſer zeit, nach dem maaß ihres vermoͤgens, zu verehren. Das vergnuͤ - gen, ſo man nach vorher ausgeſtandenen har - ten trauer - und ungluͤcks-faͤllen, erlebet, iſt weit groͤſſer und empfindlicher, als wenn einem nie - mahls etwas widriges begegnet. Es iſt das licht nimmer angenehmer, als nach einer groſ - ſen finſterniß. Nach einem groſſen ungewit - ter und platz-regen, ſcheinet uns die ſonne weit lieblicher, und man beluſtiget ſich ſo dann weit mehr an ihren ſtrahlen, als wenn wir ihren ſchein, eine geraume zeit, ohne unterbruch ge - noſſen, wenn ihr glantz unſerem geſichte ſichlange341des ſtili inſonderheit. lange nicht entzogen. So bitter und ſchmertz - haft der ausgang des zweyten monaths dieſes jahres uns geweſen; ſo erfreulich und ange - nehm iſt hingegen der anfang des letzt-abgewi - chenen worden. Jener beraubete uns einer tugendhaften und hochbegabten Fuͤrſtin, und erweckte durchgehends bey iedermann ein ſon - derbares beyleid, und ungemeine betruͤbniß: Dieſer hingegen erſetzet den verluſt: ia was wir unwiederbringlich verlohren zu haben ver - meinten, erlangen wir in der groͤſſeſten voll - kommenheit wieder. ꝛc.
Wie die ſonne den ſchatten, ſo hat wahrheit die verlaͤumdung zum gefaͤhrten, wenn ſie, wi - der die ſchwaͤrmende unwahrheit kaͤmpffet: Und wie mancher ſchoͤnen Fuͤrſtin ein ſchwar - tzer mohr, alſo folget dieſer heldin gern ein pech - ſchmutziger laͤſterer auf den ferſen. Der, wel - cher die wahrheit ſelber, und dazu gebohren iſt, daß er die wahrheit zeuge, hat ſelbſt dafuͤr einen dornen-krantz zu lohn bekommen: Derhalben muͤſſen dieienigen, welche die toͤchter des luͤ - gen-vaters, nemlich ketzerey und falſche verfuͤh - riſche lehre, nicht kuͤſſen wollen, ſondern dieſel - be verſchmaͤhen, bekoͤrben, und mit dem licht der wahrheit beſchaͤmen, ſich nicht befremden laſſen, daß der ſatan, ihnen allerley kletten, ia ſcorpionen, kroͤten, und ſpinnen in die haare zuY 3werf -342von denen unterſchiedenen artenwerffen trachtet, durch ſolche ſeine creaturen, welche ottern-gifft unter ihren lippen, und peſti - lentz in ihren federn haben; indem er, durch ſolches mittel, den ketzeriſchen irrſalen, als be - foͤrderern ſeines reichs, ein beſſeres anſehen und credit zu erſpinnen hoft, wohl wiſſend, daß die beruß - und ſchwaͤrtzung des rechtglaͤubigen, den wahn-glaͤubigen zur ſchmincke diene: ꝛc.
§. 18. Von dem ſtilo declamatorio nun - mehro zu reden, ſo wird derſelbe hauptſaͤchlich deßwegen in etwas zu erwegen ſeyn, weil bey ſeinem aͤuſſerlichen fuͤrtrag gewiſſe ſolennitaͤ - ten,a) wie bereits erwehnet, zugleich fuͤrfallen, darauf man bey der ausarbeitung und an - wendung aller arten von ſtilis fuͤr andern all - hier zu ſehen. Wird er bey ernſthaften bege - benheiten gebrauchet, ſo kan man ihn den ei - gentlichen ſtilum oratorium nennen, weil die - ſer faſt der eintzige iſt, davon die anweiſun -gen343des ſtili inſonderheit. gen zur beredſamkeit nachricht zu geben ſich bearbeiten. Er fodert ſo dann, daß man nicht nur alle gute eigenſchaften des ſtili an - bringe, ſondern auch ſo anbringe, daß es recht mercklich ſey, wie man bey ihrer anbringung ſorgfaͤltig geweſen, wie man mit groſſem fleiß, reine, deutliche, nachdruͤckliche, angenehme, worte und redens-arten aufgeſucht, eine nette iunctur und klingenden numerum genau beob - achtet, u. uͤberall kunſt u. wiſſenſchaft, doch ohne affectation, zu zeigen, ſich bemuͤhet habe. c)
§. 19. Ziehet man ihn auf das theatrum zum ſchauſpielen, da hat er allerdings groͤſſere freyheiten, und da der Oratorius niemahls das burlesqve leidet, ſo kan man hier in gewiſſen faͤllen, ſolches ſehr wohl gebrauchen. Wie aber die groͤſte annehmlichkeit aller ſchauſpiele darinn beſtehet, daß alles recht wahrſcheinlich fuͤrgeſtellet werde, ſo iſt auch die groͤſte tugend des ſtili theatralis, daß er mit dem caracter der perſonen, die da reden, gar genau uͤberein ſtim - me, und doch auch nicht gar zu ſehr uͤber die re - geln des guten ſtili u. des wohlſtandes ſchreite.
§. 20. Die abfaſſung der periodorum bey dem ausdruck, macht den unterſchied unter den ſtilum luxuriantem oder diffuſum den ro -tun -345des ſtili inſonderheit. tundum und concinnum, und unter den conci - ſum und ſententioſum. Den erſten hieſſen die alten Aſiaticum, den andern Atticum, und den dritten Laconicum. Der luxurians, diffuſus, Aſiaticus ſtilus iſt in ſeinẽ ausdruck weitlaͤuf - tig, mit vielẽ beywoͤrtern bereichert, gebrauchet lange worte, redens-arten, lange periodos, nimt alle determinationes und umſtaͤnde einer ſache mit, leidet viel propoſitiones incidentes, ausſchweiffungen und beſchreibungen, auch viel tropos und figuren, iſt zum oͤftern mit dem ſublimi, mediocri, und pathetico verbun - den, und beobachtet auch alſo die von dieſen gegebene regeln, allezeit aber iſt er Oratorius.
§. 21. Der rotundus, concinnus, Atticus ſtilus maͤßiget den Aſiaticum, und gehet zwi - ſchen dieſen, und den folgenden Laconicum, die mittel-ſtraſſe, faſſet alſo ſeine periodos et - was kuͤrtzer ab, ſetzet nicht eben lange worte und redens-arten, auch keine haͤuffige propo - ſitiones incidentes, und giebt denen tropis und figuren eine gleiche proportion, kan ſich zu - gleich bey dem humili, mediocri, ſublimi, theo - retico, pathetico, erudito, hiſtorico, und andern arten des ſtili finden, bleibt doch meiſtentheils Oratorius.
§. 22. Endlich zeiget ſich der ſtilus Laconi - cus, conciſus, ſententioſus, in einer gantz kur - tzen verfaſſung, mit kurtzen periodis, laͤſſet weitlaͤuftige beſchreibungen und einſchraͤnckun - gen aus, redet gerne mit ſententzen und ſprich - woͤrtern, (weil dieſe immer reicher an gedan - cken als worten, und da ſie auf etwas anders zielen, als der eigentliche wort-verſtand mit ſich bringet, allezeit ein gedoppeltes nachden - cken bey einem kurtzem ausdruck verurſachen) verbindet meiſt realiter, ſucht aber deſto nach - druͤcklichere worte auf, und iſt meiſtentheils mit dem arguto verbunden, ſetzt doch niemahls die guten beſchaffenheiten des ſtili bey ſeite.
§. 23. Jn anſehung desienigen, der da re - det, und ſeiner abſichten, iſt der ſtilus entwe - der ſerius, wenn man ernſthafte worte hat, und dieſer hat nichts beſonders, als daß er die familiaͤren reden und ſchertzenden gedancken meidet, oder iocoſus, wann man ſchertzet, die - ſer hat vieles mit dem ſatyriſchen und burle - ſque gemein, iener heiſt auch candidus, wann er es ſo meinet, als er redet, dieſer ironicus, wann er was anders und wohl gar das ge - gentheil verſtehet: Ferner iſt er entweder re - citativus, und erzehlet anderer leute worte, wie ſie von ihnen ausgeſprochen, oder relati - vus, und veraͤndert nur die Grammaticaliſche form der temporum, beyde gehoͤren zum Hiſto -rico:349des ſtili inſonderheit. rico: Letzlich vehemens, wann der redende im affect ſtehet, und temperatus, wann er von keinem ſonderlichen affect gereitzet wird, iener hat viel mit dem pathetico, dieſer mit dem theo - retico gemein.
§. 24. Endlich in anſehung des hoͤrenden, iſt der ſtilus gar mancherley; doch verdienen nur der familiaris und dialogiſticus, der ga - lante, caͤrimonioſus, der epiſtolaris und letz - lich der dogmaticus, und polemicus, einige anmerckungen, welche ich kurtz beyfuͤgen will, da dieſes capitel wider vermuthen ſchon faſt die graͤntzen einer rechten maſſe uͤberſchritten.
§. 25. Den familiaͤren ſtilum braucht man im gemeinen leben, zu dem ausdruck ſeiner gedancken, welche man mehrentheils von ſinn - lichen dingen gefaſſet, und gegen leute, bey denen man nicht noͤthig hat, viele caͤrimonien zu machen, da ſie unſeres gleichen oder wohl geringer als wir, und gute freunde von uns ſeyn. Man braucht deßwegen nur ſeine ge - dancken, durch reine, deutliche, adaͤquate wor - te auszudrucken, wird nicht an einen periodi - ſchen numerum gebunden, vielweniger darf man ſich mit tropis und figuren breit machen. Bleibt er nur bey unterredungen, ſo heiſt er auch ſtilus dialogiſticus, doch richtet er ſich alsdann nach dem begrif des hoͤrenden und uͤberhaupt nach der beſchaffenheit des obiecti und dem character der perſonen.
Sie -350von denen unterſchiedenen arten§. 26. Eben dieſen ſtilum veraͤndern unter - ſchiedene abſichten des redenden, daß er bald liebkoſend nnd verbindlich, bald hoͤflich und angenehm wird, alsdann koͤnte man ihn den galanten ſtilum nennen. Er entlehnet ſo dann etwas von dem arguten und ſchertzenden ſtilo, richtet ſich nach dem galanten gebrauch, dru - cket den affect der wohlgewogenheit und erge - benheit, durch etwas ſchmeichlende worte aus, bedienet ſich eines angenehmen leicht flieſſen - den numeri, laͤſt zwar keine kunſt und ausge - ſuchte zierlichkeit mercken, gehet doch aber nicht zu weit davon ab, ſteigt nur biß zum ſtilo me - diocri, und erfodert daß man ſonderlich die perſonen nach ihren geſchlecht und ſtande be - obachte, wann man ihn anbringen will.
§. 27. Von dieſen gehet der ſtilus in etwas ab, welchen man im gemeinem leben gegen hoͤhere gebrauchet. Denn ob zwarhier eben - fals der galante gebrauch fuͤr andern zu con - ſuliren iſt, ſo wird doch der ſtilus etwas ernſt - hafter, man beobachtet fuͤr allen dingen den ſti -lum351des ſtili inſonderheit. lum curiaͤ, man bezeuget ſeine ſubmißion durch verbindliche worte, welche keine neben-ideen einer familiaritaͤt haben, huͤtet ſich fuͤr aller affectation einer kuͤnſtlichen ausarbeitung faſ - ſet ſeine gedancken kurtz und beobachtet ſorg - faͤltig die regeln des wohlſtandes. Daher wird dieſes der ſtilus caͤrimonioſus genennet.
§. 28. Werden ietztangefuͤhrte ſtili ſchrift - lich abgefaſſet und in briefen gebrauchet, ſo entſteht daher der ſtilus epiſtolaris. Dieſer bekommt alſo, nachdem er familiaͤr oder galant oder caͤrimonioͤs iſt, auch unterſchiedene ge - ſtalten, und muß aus vorheraehenden para - graphis beurtheilet werden. Zuweilen fuͤhrt man in briefen gantze propoſitiones aus, und ſchreitet alſo uͤber die graͤntzen einer rede im ge - meinen leben, ſo dann heiſſen es Oratoriſche briefe, und bekommen nach denen noͤthigen eigenſchaften des ſtili, eine recht Oratoriſche form und Oratoriſchen ſtilum, welcher ſich mit allen pathetiſchen, weitlaͤuftigen, hohen, und ſinnreichen, auch andern arten von ſtilis ver - binden laͤſſet, und deſſen oben §. 18. gedacht worden.
§. 29. Alle dieſe arten des ſtili, mag der -ienige352von denen unterſchiedenen artenienige unterſchied des ſtili beſchlieſſen, welcher daher entſtehet, wann der redende den andern zu unterrichten, oder ihn zu wiederlegen bemuͤ - het iſt. Jener heiſt der ſtilus dogmaticus, dieſer der polemicus. Jener kommt mit dem humili, theoretico, erudito, Philoſophico, familiari, dialogiſtico, groͤſtentheils uͤberein, ſiehet nur auf den unterricht des verſtandes, laͤſt alſo den deutlichen und adaͤquaten ausdruck ſein hauptwerck ſeyn. Dieſer beobachtet, weil er mit eineꝛ etwas unangenehmen ſache zu thun, ſonderlich den galanten ſtilum und einiger maſ - ſen den ſtilum dogmaticum, bekuͤmmert ſich im uͤbrigen mehr um den deutlichen und adaͤ - quaten ausdruck, um die rechte fuͤrſtellung ſeiner meinung, und der gruͤnde darauf ſelbi - ge beruhet, ingleichen um den rechten begrif von des gegner meinung und ſeinen gruͤnden, als um die uͤbrigen zierrathen des ſtili, vermei - det alſo das ſatyriſche weſen und den pracht der troporum und figuren. b)
VOn den mitteln zum guten ſtilo uͤberhaupt, und ins beſondere dem naturell, §. 1. Vom unter - richt, §. 2. Von der lectur, §. 3. Von der uͤbung und zwar durch die uͤberſetzung, §. 4. Durch die va - riationes, §. 5. Durch imitationes, § 6. Durch eigne zuſammenſetzung mit periodis, §. 7. Mit aller - ley arten von argumentis, §. 8. Mit allerhand arten von reden, §. 9.
§. 1.
DAß man zu einer fertigkeit im ſtilo gelangen, und nicht nur die guten ei - genſchaften des ſtili uͤberhaupt, ſon - dern auch eines ieden inſonderheit recht an - bringen koͤnne, muß man einmahl von der natur mit guten faͤhigkeiten ausgeruͤſtet ſeyn, hernach durch eine gute anfuͤhrung nach gruͤnd - lichen und deutlichen regeln, auch durch die le - ctur vollkommeneꝛ exempel aufgemuntert wer - den, und endlich durch eignen fleiß und oft wie - derholte uͤbung, zu der gehoͤrigen fertigkeit kommen. a)Was hiezu die natur beytraͤgt, iſt zwar an ſich nicht eben den regeln unter - worffen, dann iudicium, ingenium und memo - rie und einen lebhaftigen geiſt, kan man ſich nicht ſelbſten geben, aber doch wird man durch die Philoſophie und nachdencken das iudicium, durch leſung der Poeien das ingenium, durch er - lernung der ſprachen und Hiſtorie die memorie,und355zum guten ſtilo. und endlich durch eine freye converſation das gemuͤth ziemlich aufwecken, und zur fertigkeit im ſtilo diſponiren.
§. 2. Der unterricht iſt bey nahe das fuͤr - nehmſte, wenigſtens das bequemſte mittel fuͤr denienigen, welcher den ſtilum lernen will, ob es wohl dem lehrenden, wann er es redlich meinet, nicht geringe muͤhe und ſchwierigkeiten verurſachen kan. Denn von dieſem wird erfodert, daß er den Grammaticaliſchen grund der ſprache und der Oratorie, durch leichte deutliche und gruͤndliche regeln zeige, anfaͤng - lich mit kurtzen exempeln erlaͤutere, nachge - hends zu dem leſen der auctorum ſchreite, und endlich dem lernenden zu allerhand arten der uͤbung anleitung gebe, auch dahinbringe, daß er ſelbſt ein vernuͤnftiges urtheil, von den ſchrif - ten ſo zur beredſamkeit gerechnet werden, faͤllen koͤnne.
Z 2Es356von den mitteln§. 3. Wer ſich der lectur recht bedienen will, muß erſt bey ſich uͤberlegen, ob der auctor, den er zu leſen gedencket, etwas zu ſeinen ab - ſichten beytrage, ſich zu ſeinem genie ſchicke, oder ſolches beſſere, und alſo die hiſtorie von dem auctore, deſſelben abſichten, und eigen - ſchaften, auch die urtheile der gelehrten von ihm ſich bekannt machen. Nachgehends wendet er ſich zum leſen des auctoris ſelbſt, ſiehet zufoͤ - derſt auf die gedancken, wie er ſolche durch wor - te fuͤrſtellet, ziehet aus denen periodis die haupt-propoſition, beobachtet die ausfuͤhrung derſelben durch argumenta, determinationes, erklaͤrungen, bemercket die woͤrter, derſelben haupt - und neben-ideen, die bey-woͤrter, die reinlichkeit, deutlichkeit, iunctur derſelben, den numerum, tropos, und figuren, lieſet alle tage etwas darinn, und faͤllt nicht leicht von einem auf den andern, denckt bey dem leſen auf die moͤgliche application, und excerpireta) was er ſchoͤnes findet, wenn er ſeinem gedaͤchtniß nicht viel zutrauet, bemuͤhet ſich aber mehr, alles gu - te recht ihm eigen zu machen, als ſeinem ex - cerpten buch anzuvertrauen.
§. 4. Hernach ſchreitet man zu denen uͤbun - gen und greift die ſache ſelbſt an. Man kan bey denen uͤberſetzungen anfangen, und erſtlich aus dem Lateiniſchen etwas ins Teutſche, aus dieſem wiederum in das Lateiniſche uͤberſetzen, hernach ſeine letzte uͤberſetzung gegen den aucto - rem, daraus man zuerſt uͤberſetzet, ſelbſt halten, und ſeine arbeit nach denſelben verbeſſern. Ferner kan man aus einem Poeten etwas in ungebundene reden uͤberſetzen, das Poetiſche weglaſſen, und ſeiner arbeit die noͤthigen ei - genſchaften eines guten ſtili zu geben ſuchen. Will man ſich durch uͤberſetzungen gantzer au - ctorum, der gelehrten welt zeigen, ſo muß man freylich mehr geſchicklichkeit beſitzen als zu die - ſer bloſſen uͤbung erfodert wird.
§. 5. Darauf kan man allerhand varia - tiones fuͤr die hand nehmen. Man variiret die worte, die redens-arten, die ſtructur der periodorum, macht aus kurtzen periodis lan - ge, aus langen kurtze, veraͤndert einen perio - dum durch alle arten von ſtilis, man variiret die ſaͤtze durch tropos und figuren, die worte durch die caſus und durch die differentias grammaticas, ia man variiret die gantze connexion einer rede durch allerhand arten zu verbinden.
§. 6. Weiter kan ſich ein lernender uͤben durch allerhand arten der imitation. Man nimmt eines auctoris wohlgerathene arbeit, unterſucht ihn nach denen im 3. §. beruͤhrten ſtuͤcken, und bemuͤhet ſich hernach die gedan - cken eines auctoris, auf andere dinge zu appli - ciren, durch veraͤnderung einiger umſtaͤnde, man ſucht ſeine geſchicklichkeit im ausdruck, in der wahl der worte, in dem numero und an - dern eigenſchaften des ſtili nachzumachen, ia man bearbeitet ſich ſeine verbindungen, ord - nung der ſaͤtze und ſeinen gantzen characterund359zum guten ſtilo. und ſtilum bey andern gelegenheiten anzubrin - gen doch ſo daß dabey nichts gezwungenes fuͤr - komme, oder man eines plagii koͤnne beſchuldi - get werden.
§. 7. Doch die eigne arbeit und zuſammen - ſetzung thut endlich das beſte, und dieſe kan an - geſtellet werden mit ſaͤtzen, daß man nemlich ſelbige in eine periodiſche ſtructur und nume - rum einſchlieſſet. Man ſuchet, dieſes zu be - werckſtelligen, die einſchraͤnckungen und erklaͤ - rungen, des ſubiecti ſowohl als des praͤdicati, in einem ſatze zuſammen und ſuchet alſo noͤthi - ge beywoͤrter, geſchickte redens-arten, anſtaͤn - dige tropos und figuren darinn anzubringen, doch daß nichts unnuͤtzes und uͤberfluͤſſiges mit einflieſſe.
§. 8. Dieſem fuͤget man nachgehends al - lerhand argumenta bey, welche ebenfalls in ei - ne gehoͤrige periodiſche ſtructur und geziemen - den numerum eingeſchloſſen, auch mit ihrem hauptſatz durch eine gute verbindung verknuͤpf - fet werden.
§. 9. Endlich ſchreitet man zur ausarbeitung gantzer reden, uñ uͤbet ſich in ſyllogiſimis, chrien, complimenten, declamationibus und was man ſonſt fuͤr gattungen von reden haben mag, zu deren voͤlligen einrichtung, folgender dritterZ 4theil360moraliſche betrachtungtheil dieſer Oratorie, kurtze, doch hinlaͤngliche nachricht und anleitung geben wird. Hier iſt nur noch dieſes zu gedencken, daß man zuvor ehe man etwas ausarbeitet, in einem ſolchen auctore leſe, welcher den ſtilum fuͤhret, darinn man etwas einkleiden will, hernach leget man ihn weg, und wird ſo dann ſein gemuͤth leichter diſponiret finden, zu der verlangten ſchreib-art, als ohne ſolche vorbereitung.
ZUſammenhang mit dem vorigen, §. 1. Von dem recht zu reden und zu ſchweigen, §. 2. Von de - nen einſchraͤnckungen deſſelben, §. 3. Durch die re - geln der gerechtigkeit, §. 4. Durch die regeln der honnetete, §. 5. Durch die regeln der klugheit, §. 6. Durch die regeln des wohlſtandes, § 7. Von den ſchuldigkeiten des zuhoͤrers, §. 8. Von der klugheit aus der rede zur urtheilen, §. 9.
§. 1.
ES iſt nunmehro bey dem ausdruck nichts mehr uͤbrig als daß ich von dem - ienigen endzweck der beredſamkeit beydem361des ausdrucks. dem ausdruck, etwas gedencke, welchen ich in der vorbereitung, §. 3. den allgemeinen ge - nennet. Und da ich bißhero, wie man den be - ſondern erhalten muͤſſe, weitlaͤuftig gezeiget, der beſondere aber in anſehung des ausdrucks, ſich ebenfals auf den allgemeinen beziehet, ſo iſt es noͤthig, daß ich von dieſen etwas weni - ges beybringe.
§. 2. Der allgemeine endzweck der gantzen gelehrſamkeit, alſo auch der beredtſamkeit und des ausdrucks unſerer gedancken, iſt, die gluͤckſeligkeit und das vergnuͤgen der menſchli - chen geſellſchaft zu befoͤdern. Weil auch ein ieder menſch ein mitglied dieſer geſellſchafft iſt, ſo hat er das recht, ſich des ausdrucks, damit er ſeine eigene wohlfahrt und vergnuͤgen wuͤr - cke und behaupte, nach ſeinen vermoͤgen zu bedienen, zu welchem recht ihn die natur durch die organa und ſprachen den weg bahnet, und welches ihm durch keine willkuͤhrliche macht anderer kan entzogen werden.
§. 3. Damit aber niemand in dem ge - brauch ſeines rechts zu weit gehe, und den zweck deſſelben uͤberſchreite, bey dem ausdruck ſeiner gedancken, ſo ſind den menſchlichen neigungen gewiſſe ſchrancken geſetzet, welche aber eben aus dieſem endzweck herzuleiten. Solche be - fehlen, daß die nothwendige unterhaltung, der menſchlichen geſellſchafft nicht unterbrochen werde, daß auch das vergnuͤgen derſelben nicht geſtoͤhret werde, daß man nicht andern hiezu gelegenheit gebe, und endlich daß man ſich ſelbſt, bey beobachtung dieſer einſchraͤn -ckun -363des ausdrucks. ckungen, durch den ausdruck ſeiner gedancken, andern angenehm zu machen wiſſe. Das erſte dependiret von den regeln der gerechtig - keit, das andere von den regeln der honnetete, das dritte, von den regeln der klugheit, und das letzte von den regeln des wohlſtandes.
§. 4. Die regeln der gerechtigkeit zu wel - chen die reguln des Chriſtenthums mit gehoͤ - ren, gebieten, daß man nicht rede wenn eines menſchen leben, geſundheit, ehre, vermoͤgen, und wohlfarth ohne noth, geſchweige noch ei - ner gantzen ſocietaͤt, durch unſer reden ruiniret wird, daß man im gegentheil nicht ſchweige, wo man eines menſchen leben, geſundheit, eh - re, vermoͤgen, und wohlfarth retten koͤnne.
§. 5. Nach den regeln der honnetete iſt man verbunden nicht zu reden, wo man etwan des andern ſeine gemuͤths-ruhe ſtoͤhren koͤnne, oder ihm die erhaltung ſeiner geiſt - und leiblichen guͤter, beſchwerlich, verdrießlich, koſtbar und unangenehm machen moͤchte, im gegentheil iſt man verpflichtet nicht zu ſchweigen, wo unſere worte zu der gemuͤths-beruhigung des andern, zu ſeiner commoditaͤt, vergnuͤgen, und uͤber - haupt zur freundſchaft und zur guten uͤberein - ſtimmung der menſchlichen gemuͤther, etwas beytragen koͤnnen.
§. 6. Die klugheit verbindet uns denen re - geln der gerechtigkeit und honnetete mit gu ter manier ein gnuͤge zu leiſten, und wenn man dieſe beobachtet, ſo gewoͤhnet ſie uns, nie - mahls ohne vernuͤnftige abſichten zu reden und zu ſchweigen, ſondern allezeit auf die urſachen dieſer abſichten zu gedencken, und die wuͤrckun - gen davon zu uͤberlegen, den ausdruck nach des andern ſeinen vorurtheilen und neigungen, ſo viel die regeln der gerechtigkeit und honnetete erlauben, zu temperiren, bißweilen von den re - geln des ausdrucks und den guten eigenſchaften des ſtili abzugehen, mit einer guten art ſchaͤdli - che wahrheiten zu verbergen, und nuͤtzliche un - wahrheiten fuͤrzubringen, ꝛc.
§. 7. Mit dieſen ſind die regeln des wohl - ſtandes genau verbunden, denn ſelbige zeigen uns, wie wir alle aͤuſſerliche umſtaͤnde, auch diegeringſten kleinigkeiten, nach dem geſchmack derer, denen wir zu gefallen urſach haben, ein - richten muͤſſen, und nach dieſem wird zuweilen von uns erfodert, daß wir nicht reden, zuweilen. daß wir nicht ſchweigen, daß wir bey dem aus - druck in der ſprache, minen, air und geſtibus uns den leuten angenehm machen, uns durch keine affectation ridicul, durch keine familiaire reden verachtet, durch keine hyperboliſche, thra - ſoniſche, ſatyriſche redens-arten verhaſt, und durch die verachtung der vorhin angefuͤhrten regeln der gerechtigkeit honnetete und klugheit, den leuten zu keinem ſcheuſal machen.
§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhoͤ - rern eine erinnerung geben, daß ſie ſich, wann ſie iemand hoͤren, einmahl bemuͤhen, ſelbigen recht zu verſtehen, und hernach von ſeinen ge - dancken und ausdruck ein vernuͤnftiges urtheil zu faſſen. Zu ienem iſt noͤthig, daß ſie die ſprache, darin geredet wird, recht inne haben, genau aufmercken, und kein wort vorbey laſ - ſen, des redners ſtand und andere umſtaͤnde, ſo viel moͤglich, in betrachtung ziehen, wenn ſie in einem gemiſchten auditorio ſind, nicht dencken, daß der redner ihnen allein zu gefallen rede, ihn nicht mit vorgefaſten meinungen und blin - den affecten, ſondern gehoͤriger gelaſſenheit anhoͤren, auf ſeine haupt-propoſition achtung geben, ſeine abſichten recht bemercken, und wohin die ſache gehoͤret, erwegen, nicht hoͤren und zugleich urtheilen wollen. Koͤnnen ſie aber bey ſich ſelbſt gewiß ſeyn, daß ſie den redner recht verſtanden, ſo muͤſſen ſie doch noch, ehe ſie zum urtheilen ſchreiten, bey ſich uͤberlegen, ob ſie auch die diſciplin, dahin die von ihm fuͤrgetragene ſache gehoͤret, recht be - griffen, ob ſie den character des redenden und hoͤrenden in ihren gedancken recht formiret, und alsdann koͤnnen ſie ein urtheil faſſen, wo - bey ſie ſorgfaͤltig, ſich fuͤr den betrug der vor - urtheile und neigungen, zu huͤten, und alleregeln368moraliſche betrachtungregeln der beredſamkeit ibnen bekannt zu ma - chen haben.
§. 9. Es iſt ein beſonderes kunſt-ſtuͤck der klugheit, aus dem ausdruck von der gemuͤths - beſchaffenheit des menſchen zu urtheilen, wel - ches aber wegen der vielen dinge, welche hier zuſammen genommen werden muͤſſen, nicht ſo leicht iſt, als man meinet, hingegen auch denenienigen, welche die hier zuſammen lauf - fende wiſſenſchaften und geſchicklichkeiten be - ſitzen, nicht ſauer ankommt. Jn der rede und dem ſtilo eines menſchen kommen viele ſolche ſtriche fuͤr, daruͤber der menſchliche willkuͤhr nicht diſponiren koͤnnen, und alſo zeigt ſich da die natuͤrliche bloͤſſe: Nur muß man ſo ſcharf - ſichtig ſeyn ſelbige zu erkennen und recht zu be - mercken, und man wird daraus theils die be - ſchaffenheit des verſtandes, theils des willens ziemlich abnehmen koͤnnen, wann man ſich nur beſcheidet, daß es keine unſtreitige, ſon - dern eine wahrſcheinliche ſache ſey. Es er - fodert aber dieſe ſcharf-ſichtigkeit, die kaͤnntniß der Moral, inſonderheit der menſchlichen affe - cten, der lehre von der politiſchen wahrſchein - lichkeit, der beſchaffenheit des menſchlichenver -369des ausdrucks. verſtandes, der regeln des ſtili, der Hiſtorie des redenden, der Hermeneutiſchen wahrſchein - lichkeit, und endlich eine gute lectur und er - fahrung.
VOn der diſpoſition und der damit verbundenen elaboration, §. 1. Von der diſpoſition und aus - arbeitung eines ſatzes und periodi, §. 2. Von der diſpoſition, verbindung und ausarbeitung vieler ſaͤtze und periodorum, §. 3. Durch einen ſyllogiſmum, §. 4. Durch die chriam rectam, §. 5. Durch chriam inverſam, §. 6. Durch eine gantze oration, §. 7. Vom exordio, §. 8. Von der propoſition, §. 9. Von der tractation, §. 10. Von der concluſion, §. 11. Beſchluß dieſes capi - tels, §. 12.
§. 1.
WEr an gedancken und worten einen gu - ten und auserleſenen vorrath geſamm - let, dem iſt nun nichts mehr noͤthig, als daß erA a 2bey372von der diſpoſition uͤberhaupt. bey gegebener gelegenheit zu reden, die gedan - cken in eine gute und natuͤrliche ordnung zuſam - men fuͤge nachgehends dieſe zuſammen gefuͤg - ten gedancken und theile durch hinzuthuung ih - rer determinationen und erklaͤrungen gleich - ſam uͤberkleide, und alſo ſeiner rede nach den regeln der vernunft-lehre, des ausdrucks, der klugheit, dieienige form gebe, wodurch er den endzweck der beredſamkeit und ſeine abſichten zu erhalten gedencket. Die zuſammenfuͤgung heiſt diſpoſitio, und die uͤberkleidung elaboratio.
§. 2. Man hat alſo nicht nur auf eine gan - tze rede uͤberhaupt zu ſehen, wenn man ge -ſchickt373von der diſpoſition uͤberhaupt. ſchickt diſponiren und elaboriren will, ſondern auch auf die kleineſten theile derſelben, nemlich auf die ſaͤtze und periodos, aus welchen nachge - hends gantze reden erwachſen. Man muß dabey entweder bloſſe ſaͤtze in eine periodiſche ſtructur bringen, odeꝛ einen ſatz alſo fort mit ſeinem argumento zugleich, als einen perio - dum einrichten, in ienem fall ſiehet man auf das ſubiectum, praͤdicatum und deren verbin - dung, in dieſem auf den ſatz nicht allein, ſon - dern auch auf das argument, welches damit ſoll verknuͤpfet werden, zu welchem oben be - reits P. II. Cap. I. §. 9. 10. einige anleitung gegeben.
§. 3. Auf dieſe weiſe wird ein ieder ſatz zu einem periodo, und wenn viele ſaͤtze zuſammen kommen, werden viele periodi, welche aber al - le in einer connexione reali ſtehen muͤſſen, die zu zeiten mit der verbali ausgedruckt wird. Und da hat man entweder einen ſatz mit ſeinen argumentis, oder viele ſaͤtze mit ihren argu - mentis untereinander zu verbinden. Sol - ches gluͤcklich zu bewerckſtelligen, muß man aus der Logick verſtehen, was methodus ſyn - thetica und analytica ſey, was definitiones und ſchluͤſſe ſeyn, was unſtreitig und wahr - ſcheinlich muͤſſe tractiret werden, was man general-ſpecial - und individual-concepte nen - ne, was eigentliche, weſentliche und zufaͤllige begriffe, was diverſa, oppoſita und derglei - chen. Man muß die arten von argumentisA a 3nach374von der diſpoſition uͤberhaupt. nach den regeln der klugheit auszuſuchen wiſ - ſen, nach der natur der ſache, wie ſolches die Lo - gick anweiſet, die ſaͤtze mit ihren argumentis ordentlich rangiren und entwerffen, nachge - hends iedweden ſatz, iedwedes argument, nach den regeln des ausdrucks uͤberkleiden, ſo wird man ordentlich diſponiret und elaboriret ha - ben.
Das ſo kuͤnſtlich zuſammengefuͤgte gebaͤu - de unſeres leibes, beſtehet aus einem zuſam - menhang unterſchiedener gliedmaſſen, und den coͤrper eines gemeinen weſens zieren die unter - ſchiedenen ſtaͤnde und bemuͤhungen, durch welche die ſterblichen ſuchen gluͤckſeelig zu wer - den. Wie nun bey dem natuͤrlichen coͤrper immer ein glied dem andern den vorzug ſtrei - tig zu machen ſcheinet, da gebrauch und nutzen eines erhebet das andere erniedriget; alſo ſind bey einem Moraliſchẽ coͤrpeꝛ, die ſtaͤnde deꝛ men - ſchen niemahls von einerley hoheit. So depen - diret zum exempel von einer angenehmen durch - dringenden beredſamkeit, und ruͤhmlich gefuͤhr - ten kriegẽ das wohl gantzer reiche und zung und degen ſind dieienigen werckzeuge, wodurch man die gluͤckſeligkeit der laͤnder behauptet. Doch halte ich gaͤntzlich dafuͤr, daß wie die ſonne dem mond, dashaupt denen fuͤſſen, alſo die bered - ſamkeit blutigen kriegen, an einem ſtaats coͤr - per, weit fuͤrzuziehen ſey. Eben da ich heute in dieſer anſehnlichen redner geſellſchafft das erſte mahl zu reden die ehre habe, bin ich ent -A a 4ſchloſſen,376von der diſpoſition uͤberhaupt. ſchloſſen, mit dero guͤtigen erlaubniß die vor - zuͤge der beredſamkeit fuͤr grauſamen kriegen zu zeigen. Jch hoffe nicht ungeſchickt zu ver - fahren, wann ich meinem fuͤrſatz ein gnuͤge zu leiſten, und darzuthun, worinnen dieſe vorzuͤ - ge eigentlich beſtehen, beyder natur und eigen - ſchafften, ſo viel mir meine wenige einſicht und ungeuͤbte zunge erlauben, gegen einander halte und ſelbige ihnen H. und H. A. in den erſten lineamenten fuͤrbilde. Jch will durch eine maͤnnliche beredſamkeit, nicht etwa einen uͤberfluß leerer und ausgekuͤnſtelter worte, oder eine menge pedantiſcher realien verſtan - den wiſſen, durch welche einige dieſelbe auf den hoͤchſten grad ihrer vollkommenheit ver - meinen getrieben zu haben: ſondern einen leb - haften ausdruck vernuͤnftiger gedancken, wo - durch man dieienigen zu denen man redet, nach ſeinen vortheil zu bewegen, und zu einer nuͤtzlichen uͤbereinſtimmung ihrer meinung und ihres verlanges mit dem ſeinigen, auf eine plauſible und angenehme art gleichſam zu noͤ - thigen, geſchickt iſt. Und dieſe beredſamkeit allein iſt dieienige mutter, welche die ſchoͤnſten kinder unſerer ſeelen, nemlich vernuͤnftige ge - dancken, zum nutz der gantzen republik zur welt gebieret. Was wird man ſich nicht alſo fuͤr einen fuͤrtreflichen begrif von der beredſam - keit machen, welche uns zugleich gewoͤhnet der zeit, dem ort, dem zuhoͤrer und der ſache ge - maͤß reden. Die beredſamkeit iſt gewiß einmerck -377von der diſpoſition uͤberhaupt. merckmahl eines aufgeweckten geiſtes, ein et - was, ſo uns bey iedermann beliebt machet, damit man hertzen feſſelt. Sie iſt e in ange - nehmer wiederſchall, welcher aus den inner - ſten bewegungen des hertzens entſtehet und ein untadelhafter zeuge daß wir ordentlich geden - cken, ſcharfſinnig nachdencken und die hertzen anderer, ſo wie unſere eigene, in haͤnden haben. Da im gegentheil der krieg, nichts anders als ein hitziges fieber der reiche, und peſt des ge - meinen weſens, weil er auch in ſeiner groͤſten vollkommenheit und gluͤckſeligkeit, ſtaͤdte zer - ſtoͤret, laͤnder einaͤſchert, und menſchen um - bringet. Ein feuer, welches denienigen der es ernaͤhret verbrennet, eine ſaͤugamme aller laſter, eine tochter der grauſamkeit, und es ſchicket ſich niemand beſſer zum kriegen, als wer ſich unter die zahl derienigen befindet, von denen der bekannte vers ſaget: Nulla fides pie - tasque viris, qui caſtra ſequuntur. Jm kriege werden die menſchen gezwungen, alle ſanftmuth und liebe zu verbannen, grimmiger als panther und tieger zu ſeyn, und als feuer - ſpeyende drachen andern den tod anzudraͤuen. Die beredſamkeit hat ihren urſprung dem him - mel und der allmaͤchtigen hand des ſchoͤpfers zu dancken, der uns fuͤr andern creaturen, eine vernehmliche ſtimme ihn zu loben, und eine ge - ſchickte zunge, unſere vernuͤnftige gedancken in menſchlicher geſellſchafft deutlich und leb - haft zu erkennen zu geben, anerſchaffen hat. A a 5Der378von der diſpoſition uͤberhaupt. Der krieg nimmt ſeinen anfang in der hoͤlle, von dem geiſte der uneinigkeit und des mordes, dem fuͤrſten der ſuͤnde und der finſterniß, und glaube ich gewiß daß dieſer liſtige geiſt, die menſchen in den abgrund zu ſtuͤrtzen, nichts beſſers haͤtte erfinden koͤnnen, als eben den krieg. Er iſt nichts anders als eine verſam - lung zur ſuͤnde, und ein weg zur hoͤlle. Die beredſamkeit erfodert einen gebeſſerten willen und unumſchraͤnckte herrſchaft uͤber unſere nei - gungen, denen doch der krieg den zuͤgel allzu - weit ſchieſſen laͤſt. Jene iſt das leben eines aufgeklaͤrten geiſtes, und die bemuͤhung einer geſchickten zunge, und dieſer iſt eine verrichtung, welche auch die ungeſchicklichkeit ſelbſt uͤber ſich nimmt, nachdem ihr zorn und haß die arme geſtaͤrcket und rachgierde und neid den degen fuͤhren lernen. Ja die beredſamkeit iſt der vernunft und eines menſchen, der krieg aber der wildniß und grimmigen thiere eigenſchaft. Solte aber wohl die menſchliche geſellſchafft beſtehen koͤnnen, wo ſie nicht, durch die unzer - trennlichen ketten der geprieſenen beredſam - keit, ſo feſt verknuͤpfet waͤre? wuͤrden wir nicht dem beliebten umgang die ſchoͤnſten gaͤr - ten verſchlieſſen, und faſt alles zieraths berau - ben, dafern wir ihm das vergnuͤgende geſchen - cke des himmels die beredſamkeit entzoͤgen. Sie beſchuͤtzet oͤfters thron und ſcepter, mit beſſern nachdruck, als eine menge donnern der carthaunen. Den feind haͤlt ſie meiſten -theils379von der diſpoſition uͤberhaupt. theils mit groͤſſeꝛn voꝛtheil von den gꝛaͤntzen ab, und die republick bey ihrer ordnung und gluͤck - ſeeligkeit, als viel tauſend gezuckte ſchwerdter. Ja das kleine glied die zunge, iſt das ſteuer - ruder, womit fuͤrſten das groſſe ſchif der reiche mit geringer muͤhe wenden und lencken, in dieſem beruhet ehre und ſchmach, heyl und ver - derben, ia leben und todt der unterthanen. Wer wolte mich wohl einer unwahrheit uͤber - fuͤhren, wann ich ſagte, daß man durch nichts mehr, als durch eine wohlgeſetzte rede, zur tu - gend ermuntert werde, weil ſie uns dieſelbe ſo angenehm fuͤrſtellet, daß es faſt ohnmoͤglich iſt, nicht auch zugleich ein verlangen darnach zu haben, welches uns zu deren ausuͤbung an - treiben ſolte. Sie iſt das band welches gan - tze nationen verbindet, und durch welche gan - tze voͤlcker ſich beruͤhmt gemacht. Allein haͤtte man das ehemals bedraͤngte Teutſchland ge - fraget, was hat deine ſtaͤdte dem erdboden gleich gemacht, deine doͤrfer verwuͤſtet und deine fruchtbaren aͤcker durchwuͤhlet? ſo wuͤr - de es mit bebenden lippen und klaͤglicher ſtim - me geantwortet haben; der krieg. Was hat deine fuͤrſten gekraͤncket, die unterthanen ruiniret, deine iungfrauen geſchaͤndet, den kern deiner mannſchaft erwuͤrget, deine zar - ten kinder getoͤdtet? der krieg. Was hat die tugend veriaget, die freyen kuͤnſte des lan - des verwieſen, die gerechtigkeit zu boden ge - worffen, deine richterſtuben mit raube undunſchul -380von der diſpoſition uͤberhaupt. unſchuldigen blute gefuͤllet? der krieg. Was hat dich endlich ins aͤuſſerſte ver - derben geſtuͤrtzet? der krieg. Jch bin ge - wiß verſichert, daß noch viele bekriegte reiche, wo ſie dieſes alles nicht laͤngſt werden geklaget, dennoch erlitten haben. Der wich - tigſte krieg, wenn er am gluͤcklichſten gefuͤhret wird und aufs hoͤchſte geſtiegen, muß ſich doch durch gewiſſe geſetze bemeiſtern laſſen, welche nicht anders als durch die beredſamkeit koͤn - nen fuͤrgetragen und verdolmetſchet werden. Die geſetze theilen alſo in ihrer genauen verei - nigung, der beredſamkeit die helfte ihrer herr - ſchaft uͤber den krieg mit. Wer will ihr dem - nach den vorzug ſtreitig machen? Sie iſt der koſtbarſte ſchmuck eines printzen, die unetbehr - liche geſchicklichkeit eines hofmannes, und die ſchoͤnſte zierde eines groſſen capitains, wie die ſonne und mond den himmel, ſo zieren die be - redſamkeit und tapferkeit einen officirer und iſt es ihm nicht wenig ehre, wann er ſeine worte ſo geſchickt ſetzen, als ſeine mannſchaft ſtellen kan. Es ſuchet demnach billich ein iedweder, der als ein vernuͤnftiges mitglied der menſchli - chen geſellſchaft leben will, ſich einer wahren beredſamkeit zu befleißigen, und iſt gewiß ver - ſichert, daß wie der ſchweiß den fleiß, alſo die be - lohnung die bemuͤhung begleiten werde. Gewiß der muß mit niedertraͤchtigem gemuͤthe, die warhafte hoheitunſersgeiſtes, wie eine eule das licht verabſcheuen, welcher in dieſem ſtuͤck nichtſuchet381von der diſpoſition uͤberhaupt. ſuchet einige vollkommenheit zu erlangen. Jch kan nicht laͤugnen, daß ich zu dieſer gluͤckſeelig - keit zu gelangen, laͤngſtens gewuͤnſchet, doch habe niemahls ein bequemeres mittel, als die - ſe redner-geſellſchaft angetroffen, weswegen ich als ein mitglied in dieſelbe aufgenommen zu werden geſucht, und meines wunſches ge - waͤhret worden. Jch kan ohne den fehler ei - ner ſchmeicheley zu begehen, aufs gewiſſeſte verſichern, daß ich biß anhero in derſelben, ſo wohl von denen ſaͤmmtlichen mitgliedern die - ſer anſehnlichen redner-geſellſchaft, als haupt - ſaͤchlich dem ſo gelehrt als beredten herrn praͤſi - de durch geſchickte reden, zu einer freudigen nachahmung gar ſonderlich bin angefriſchet worden. Wobey ich mich doch iedesmahl nach art der ſchiffer verhalten werde, welche bey wiedrigem winde und mangel der kraͤfte, dennoch ſolte es auch nur mit wiederholten wuͤnſchen geſchehen, den bereits eꝛblickten Pha - ros zu erreichen, ſich eyfrigſt bearbeiten.
§. 4 Die Rhetores geben die arbeit der diſpoſition leichter zu machen, verſchiedene mo - delle, darnach man ſeine gedancken im reden ordnen kan, als z. e. den ſyllogiſmum und vie - lerley arten der chrien. Der ſyllogiſmus fo - dert einige erkaͤnntniß der unſtreitigen arten zu ſchlieſſen, nach der ſyllogiſtick, und beſteht aus dem ſatz oder der concluſion, dem beweiß - grunde oder grundſatz und der verbindung unter beyden oder der minori propoſitione,und382von der diſpoſition uͤberhaupt. und alſo aus drey ſaͤtzen, welche ſechsmahl verſetzt, mit andern argumentis, wenn es noͤ - thig, erweitert, aber auch enge zuſammen ge - zogen werden koͤnnen, ſo daß man wohl gar die minorem weg laͤſt. Kommen zu denen ſaͤtzen argumenta, ſo wird ein epichirema daraus, bleiben dieſe weg, iſts ein bloſſer ſyllogiſmus, bleibt minor weg, heiſts enthymema, ia es fin - det auch hier der ſorites ſtatt, bey mehr als drey propoſitionibus, wenn immer eine aus der andern flieſſet.
§. 5. Solchen fuͤget man die chrien bey, welche nichts anders ſind, als ein ſatz mit ſei - nen argumentis, und heiſſen entweder Aphtho - nianiſche oder Oratoriſche chrien. Die Aphtho - nianiſchena) finden ietzo wenig liebhaber, nachdem Weiſe die Oratoriſchen gluͤcklich er - funden und artig gewieſen hat. Zu iedweder chrie ſind alſo zwey hauptſaͤtze noͤthig, der grundſatz oder das thema, und ſein beweiß - grund oder die aͤtiologie, und zu dieſen koͤnnen dienliche erlaͤuterungs-gruͤnde gefuͤget werden. Es385von der diſpoſition uͤberhaupt. Es ſind aber der chrien zweyerley, entweder recta oder inverſa, iene ſetzet den hauptſatz mit ſeinem beweiß-grund, in der natuͤrlichen ord - nung,b) dieſe ſetzt das argument vor den haupt-ſatz, oder das ende einer rede in unſerer meditation, zu anfang in der ausarbeitung. c)
Jn dieſer heiſſet man das thema protaſin das ar - gument aetiologiam. z. e. Diſpoſ. per chriam ordinariam oder rectam:
Z. e. folgende antritts-rede, Diſp. per chriam inverſam:
§. 6. Die chria inverſa ſetzt entweder eine aͤtiologie voran, oder ein argumentum illu - ſtrans, in ienem fall heiſt ſie: chria per ante - cedens und conſequens, in dieſem aber: chria per theſin und hypotheſin. Die chria per an - tecedens und conſequens hat alſo zwep haupt - ſtuͤcke, den beweiß-grund und das thema, hie - zu koͤnnen noch kommen, die verbindung des beweiß-grundes mit dem themate, rationes dubitandi und decidendi zu dem beweiß-grun - de, und zu allen, auch accidentellen ſaͤtzen, allerhand argumenta. a)Die chria per theſin und hypotheſin ſetzt ebenfals zwey hauptſtuͤcke das argumentum illuſtrans und das thema, zu beyden thut ſie allerhand argumenta, auch wohl argumentorum argumenta hinzub)
Diſpoſi -389von der diſpoſition uͤberhaupt.Z. e. Diſpoſitio einer rede per anteced. & conſequens bey uͤberreichung eines gedichts und abend-muſick:
Z. e. I. Diſpoſitio einer trauungs-rede per theſin & hypotheſin.
§. 7. Aus verſchiedenen chrien wird end - lich eine gantze rede oder vollſtaͤndige oration zuſammen geſetzet,a) oder wenigſtens koͤnnen in einer gantzen oration, alle hauptheile der - ſelben, wie die chrien, diſponiret und ausgear - beitet werden, wiewohl wañ man zu einer chrie eine formulam initialem zu anfangs, und zu ende die finalem ſetzt, ſo iſt es auch ſchon eine vollſtaͤndige oration, nemlich eine ausfuͤhrung eines haupt-ſatzes, durch ſeine noͤthige argu - menta, welche man in eine ſolche form ge - bracht, daß ſie nach denen regeln des wohlſtan - des dem zuhoͤrer angenehm und zu unſern ab - ſichten dienlich ſey. Es ſind aber die theile ei - ner rede folgende: Exordium, propoſitio, tractatio und concluſio, von deren ieglichen insbeſondere noch etwas zu gedencken.
Di ſeruate, precor, matri ſua vota patrique,Audiat ut natum Regulus illa duos.
(Chria II. de luctu. )GOtt hoͤr des vaters wunſch, erfuͤll der mutterfreude,Dem vater gieb den ſohn, der mutter alle beyde.
§. 8. Die neigungen des auditoris, erlauben dem redner gar ſelten, ſeinen ſatz gleich anfangs zu proponiren dannenhero muß er ſich vorhero bemuͤhen, des zuhoͤrers gemuͤth zu praͤpariren, und ſolches geſchicht im exordio. Es iſt alſo noͤthig, daß er darinn die argumenta conci - liantia am ſtaͤrckſten anbringe, es von denen general-concepten ſeines thematis, denen aͤuſ - ſerlichen umſtaͤnden, argumentis illuſtrantibus und probantibus, auch wohl patheticis her - nehme, mit welchen die propoſition ſo unge -C c 2zwun -404von der diſpoſition uͤberhaupt. zwungen verbunden ſey, daß ſie aus demſel - ben zu flieſſen ſcheine. Der ausdruck muß mit den uͤbrigen theilen der rede wohl uͤbereinſtim - men, viele heftige affecten darf man nicht zei - gen, es auch nicht weit ausdehnen, denn es iſt beſſer, wann der affect mit der rede nach und nach, iedoch dem obiecto gemaͤß, waͤchſt und ſteiget, und die diſpoſition kan nach angefuͤhr - ten arten eingerichtet werden.
§. 9. Die propoſition oder der fuͤrtrag des thematis ſelbſt, drucket den gantzen inhalt der rede, in kurtzen, entweder deutlichen oder ver - bluͤmten worten aus, welche gar genau nach den regeln der klugheit einzurichten. Es iſt ſchlechterdings noͤthig, daß ein ieder der da reden will, einen ſatz oder auch wohl nur eine idee zum grunde lege, damit er nicht durch vie - le concepte verwirret und diſtrahiret werde, ſondern wiſſe worauf alle ſeine gedancken und worte abzielen, ſo wird man verhoffentlich ſo deutlich reden, daß der zuhoͤrer alles leicht ver - ſtehen und von dem gantzen gebaͤude einen richtigen begrif behalten wird, welches die groͤſte tugend eines oͤffentlichen redners und der fuͤrnehmſte zweck der propoſition, ia auch der partition iſt, denn die erklaͤret nur die thei - le des thematis und drucket aus, auf wie viel momenta man bey der propoſition zu refle - ctiren habe.
§. 10. Jn der tractation oder ausfuͤhrung des thematis, kommen alle argumenta fuͤr,welche405von der diſpoſition uͤberhaupt. welche man nach obigen vielfaͤltig gegebenen regeln, fuͤr dienlich erachtet anzufuͤhren. Und dieſe iſt billich der mittel-punct zu nennen, wo ſich alle geſchicklichkeiten des redners, im erfin - den und ausdrucken, concentriren. Sie wird diſponiret nach angegebenen regeln, und leidet vielfaͤltige zuſaͤtze, nach beſchaffenheit der ſache, des auditoris, und des redners, durch gehends aber muß ſie wohl connectiren, und zu den uͤbrigen theilen eine gute verhaͤltniß haben, doch ſo daß ſie unter allen am laͤngſten ſey.
§. 11. Aus der tractation muß die conclu - ſion flieſſen, und ſo eingerichtet ſeyn, daß dem zuhoͤrer, gleichſam als in einem bilde alles was fuͤrgetragen worden, wieder fuͤrkomme. Dan - nenhero ſchickt ſich am beſten ein conſectarium, oder wohl etliche, eine kurtze wiederholung, eine application, oder weil hier der affect nunmeh - ro aufs hoͤchſte ſteigt, ein wunſch, allerhand figuren, und argumenta pathetica, nach dem der redner am beſten den endzweck der conclu - ſion zuerhalten vermeinet.
§. 12. Alle und iede reden, ſie moͤgen nah - men haben wie ſie wollen, beſtehen aus dieſen theilen, und beruhen auf denen nunmehro an - gefuͤhrten gruͤnden und regeln. Alſo koͤnte ich hier fuͤglich ſchlieſſen, ohne daß ich beſorgte etwas ausgelaſſen zu haben, welches zu erfuͤl - lung meines fuͤrhabens dienete. Jedoch die mode erinnert mich eines theils und andern theils die nothwendigkeit, von einigen uͤbli -C c 3chen406von der diſpoſition uͤberhaupt. chen gantz ſpeciell en reden etwas zu erinnern, welches in folgenden capiteln geſchehen wird.
Die exempel welche ich[i]n dieſem capitel gegeben, ſind nicht meine eigene arbeit, alſo will ich weder an der chre der erfindung, noch verbeſſerung der - ſelben theil nehmen. Damit ich aber auch eins von meiner art beyfuͤ[g]e, daran ſich der leſer in ſeinem affect gegen mir erholen moͤge, ſo mag folgendes hier platz nehmen, welches eine diſpo - ſition zu einer antrits-rede in einer gewiſſen red - ner geſellſchaft iſt und zum themate hat:
VOn reden im gemeinen leben uͤberhaupt, §. 1. Von complimenten und diſcourſen, §. 2. Von reden mit allerhand arten von leuten, §. 3. Von bit - ten, §. 4. Von danckſagen, §. 5. Von lehren, ra - then, vermahnen, §. 6. Von entſchuldigungen, §. 7. Von allerhand nachrichten, §. 8. Von wuͤnſchen, con - dolencen, und gratulationlbus, §. 9. Von allerhand andern reden, §. 10. Von briefen, §. 11. Derſelben invention, §. 12. Elocution, §. 13. Diſpoſition, §. 14. Von der titulatur, §. 15. Von der uͤberſchrift und unterſchrift, §. 16. Von der zuſammenlegung, verſtegelung und aufſchrift, §. 17.
§. 1.
WJr reden am allermeiſten im gemeinen leben, alſo brauchen wir dazu eine Oratorie am allernoͤthigſten, und ob man zwar wohl meinen ſolte, es gaͤbe ſich der - gleichen von ſelbſten, ſo finden ſich doch dabey ſo viele fehler, daß es nicht unnoͤthig, auch hie - von einige anmerckungen zu geben. Jch rechne aber hieher, alle dieienigen kurtzen reden, welche man im taͤglichen umgange, ohne groſſe vor - bereitung, von allerhand fuͤrfallenden materi -C c 5en,410von reden im gemeinen Leben. en, zur erhaltung ſeiner abſichten und vergnuͤ - gung der menſchlichen geſellſchaft fuͤrbringet. Die erfindung geben alle fuͤrfallende umſtaͤn - de der converſation, der ausdruck iſt nach dem ſtilo familiari, dialogiſtico, dem galanten, caͤ - rimonioſo, epiſtolari, curiaͤ, einzurichten, die diſpoſition iſt allezeit ie natuͤrlicher ie beſſer, und die connexio meiſt verbalis, wozu hier noch inſonderheit die accidentalis kommt.
§. 2. Sie koͤnnen eingetheilet werden in complimente, diſcurſe, und Briefe. Durch complimente werden kurtze, hoͤfliche, und ga - lante reden verſtanden, mit welchen man dem andern hauptſaͤchlich ſeine hochachtung und zu - neigung zu verſtehen giebt, damit man ſich und ihn vergnuͤgt machen moͤge. a)Diſcurſe ſind unterredungen, da einer mit andern ſeine gedancken conferiret entweder noͤthige geſchaͤf - te und nuͤtzliche ſachen auszumachen, oder die zeit zu verkuͤrtzen, dabey bißweilen compli - mente mit einflieſſen koͤnnen. b)Briefe ſind endlich wann man ſeine complimente, und was man in diſcurſe etwan ſagen koͤnte, zu papier bringet, und dem andern, weil er ab - weſend iſt, communiciret. c)
§. 3. Die allermeiſte reflexion iſt auf den - ienigen zu machen, bey dem man ſeine worte anbringet, denn ſolcher iſt entweder hoͤher, oder geringer, oder unſeres gleichen, er ſtehet entweder im affect oder iſt ruhig, entweder hat er vorurtheile oder nicht. Hoͤhern bege - gnet man ehrer-bietig, nach dem caͤrimoniel und wohlſtand, mit wenig worten, aber die mit bedacht ausgeſprochen; ſeines gleichen begegnet man hoͤflich, galant; geringern freundlich und liebreich mit deutlichen, und ſich zu ihren umſtaͤnden ſchickenden worten. Wie man denen affecten und vorurtheilen zu begegnen, iſt zur gnuͤge aus obigen zu ſehen.
§. 4 Die materie dieſer reden, iſt ebe[n]fals zu beobachten, daß man die manieren, da - mit man ſelbige fuͤrtraͤgt, darnach einrichten koͤnne. Wann man iemand warum bittet, ſo iſt die groͤſte behutſamkeit dabey anzuwen - den, damit das unangenehme, welches dabey iſt, verſuͤſſet werde, dahin gehoͤren empfehlun - gen, einladungen und allerhand der gleichenkurtze412von reden im gemeinen Lebenkurtze reden, darinn man von dem andern ei - ne gnade oder gewogenheit oder dienſt ſich ausbittet.
Es iſt unnoͤthig, dieſes weiter auszufuͤhren, weil es gar leicht iſt, wofern nur was in die - ſem gantzen werck zum grund geleget iſt, ſorg - faͤltig nach den regeln der klugheit appliciret wird. Es iſt auch dasienige, was man bittet, nach dem 5ten cap. des andern theils zu erwe, gen.
§. 5. Bey dem danckſagen, iſt es ſchon nicht ſo ſchwer, die dazu gehoͤrigen manieren zu be - obachten, es ſchadet auch hier nicht, wann man ſchon ein wenig zu freygebig mit ſeinem dancke iſt. Man bezeuget dabey, wie man die erwieſene guͤte wohl erkenne, recht eſtimi - re, dagegen ſeine erkaͤnntlichkeit zeigen wolle.
§. 6. Einige reden ſind mit der neben - idee der hoheit und des anſehens verknuͤpfet als lehren, rathgeben, vermahnen, ſtraffen, war - nen, verweiß-geben, und dabey muß man entweder ſich ſehr extenuiren und demuͤthigen, oder ſeine begierde die man habe, dem andern zu dienen, hochheben, oder auch wohl zeigen, daß man mit auctoritaͤt nicht nur gravitaͤtiſch ſprechen, ſondern auch denen worten durch die that einen nachdruck geben koͤnne, alles nach beſchaffenheit deſſen mit dem, und darinn man zu thun hat, ia man thut auch wuͤnſche und ſeuftzer hinzu, wenn der affect, wo es noͤthig, groß wird.
§. 7. Man entſchuldiget ſich im gemeinenleben,413und von briefenleben, entweder wegen eines begangenen ver - ſehens, oder wegen etwas zukuͤnftigen, wel - ches dem andern vielleicht nicht angenehm ſeyn moͤchte, da man ihm etwas ab - ſchlaͤgt, ꝛc. Jn ienem fall erkennet man ſein ver - ſehen, macht es entweder kleiner oder groͤſſer, ſchuͤtzt entweder unwiſſenheit, oder uͤberei - lung, oder unmoͤglichkeit, oder wohl keine ur - ſach fuͤr, in dieſem beklagt man ſein unver - moͤgen, verhinderniſſe, ungluͤck, allerhand zufaͤlle, in beyden ſucht man das unangeneh - me durch bitten, verſprechen und wuͤnſchen zu verſuͤſſen.
§. 8. Man giebt allerhand nachrichten, warnungen, recommendations, bey allerhand faͤllen, wann man an einen orte ankommt, wieder geſund wird, fuͤr den andern zu ver - richten gehabt, ihn fuͤr boͤſen warnet, und das gute recommendiret, dabey die deutlichkeit und accurateſſe das beſte, auch ſonſt nach be - ſchaffenheit der umſtaͤnde viel klugheit und be - hutſamkeit zu gebrauchen.
§. 9. Man macht endlich allerhand wuͤnſche, trauer - und freudens-bezeugungen, ꝛc. bey welchen allen die kuͤrtze, die artigkeit der ge - dancken, die lebhafte fuͤrſtellung des affects, deutlich und nette, ohne affectation, nach den allgemeinen regeln der beredſamkeit der klug - heit und des wohlſtandes, geſchickt anzubrin - gen.
§. 10. Sonſt kommen noch allerhand an -dere414von reden im gemeinen Lebendere arten von reden im gemeinen leben fuͤr, als anwerbungs - viſit-bewillkommungs - ab - ſchieds - ſchertz-freundſchafts-haußwirths-re - den, ꝛc. Ja es erforderten die diſcurſe, in an - ſehung ihrer materialien, noch viele regeln, al - lein man mag ſie aus angefuͤhrten ſelbſt ler - nen einrichten, ſonſt wann ich mich auf eine voͤllige abhandelung derſelben einlaſſen, und ihre moralitaͤt, nebſt derſelben hiſtorie hin - zuthun wolte wuͤrde vielleicht ein foliante, mit leichterer muͤhe davon geſchrieben, als von andern geleſen werden.
§. 11. Jch gehe alſo zu denen briefen, wel - che faſt mehr geſchicklichkeit erfodern, als alle andere arten von reden, denn auſſer dem, daß man die grund-regeln der beredſamkeit wohlinne415und von briefen. inne haben und anwenden muß, erfodern ſie auch eine beſondere natuͤrliche faͤhigkeit, und geſchwinde expedition, dazu eine fleißige uͤ - bung und erfahrung behuͤlfflich iſt.
§. 12. Die erfindung iſt bey denen briefen ſehr leicht, denn die urſach, warum ich ſchrei - ben muß, und die gelegenheit zum ſchreiben, wird mein thema, oder die propoſition des briefes. Habe ich mehr propoſitiones, ſo muß ich die connexiones erfinden, oder ich kan auch dieſelben weglaſſen, und die propo - ſitiones bloß hinſetzen, wann ich an familiai - re freunde ſchreibe. Die ausfuͤhrung geſchicht kurtz, und deutlich in wenigen und gantz na - tuͤrlichen argumentis, ohne allen zwang und groſſe kunſt.
§. 13. Die ſchreib-art muß alſo ſo natuͤr - lich ſeyn, als wann man redete, dennoch fin - det auch, nach beſchaffenheit der ſache, der ar - gute ſtilus ſtatt. Und weil doch hier die worte geſchrieben werden, und nicht ſo leicht ver - ſchwinden, als in diſcurſen, ſo muß man auch in ſetzung derſelben etwas behutſam verfah - ren. Am gebraͤuchlichſten iſt hier alſo der ga - lante, caͤremonioͤſe familiaire ſtilus, welcher hier der ſtilus epiſtolaris heiſſet.
Siehe416von reden im gemeinen leben§. 14. Die diſpoſition iſt ſehr leicht, man entwirft kurtz, erſtlich ſeine propoſitiones und argumenta, ſo natuͤrlich als es moͤglich, nach vorhergehendem capitel, ſetzt dazu eine for - mulam initialem,a) und finalem,b) arbei - tet hernach alles dieſes in einer guten conne - rion aus, und leget das concept bey ſeit, da - mit es aufgehoben ſey, zur eignen nachricht, bey allerhand faͤllen, ia es iſt wohl gethan, wann man alle ſeine briefe in ein beſonderes buch erſtlich ausarbeitet, und daraus abſchrei - bet, welches unglaublichen groſſen nutzen hat,
§. 15. Bey den reden im gemeinen leben iſt ſonſt mehr als iemahls auf die titulatur zu ſehen, fuͤrnemlich aber in brie[fen], ſelbige dependiret von dem wohlſtand, und dem ga - lanten gebrauch, und man geht dabey am ſi - cherſten, wenn man leute, die den eingefuͤhr - ten gebrauch wiſſen, zu rathe zieht, und die mittel-ſtraſſe behaͤlt, ſo daß man weder zu hoch noch zu niedrig ſteige.
§. 16. Bey den briefen iſt die uͤberſchrift und unterſchrift ſonderlich zu beobachten, wel - che im Lateiniſchen, im Teutſchen und Fran - tzoͤiſchen ſehr veraͤndert. Die Lateiniſchen kan man nach der alten art an ſeines gleichen und an geringere einrichten, an hoͤhere muß man den ſtilum curiaͤ, in den worten, und der manier zu ſchreiben behalten, doch geſtehe ich, daß ich den Lateiniſchen calender, wenn ich das datum der unterſchrift gegen uͤber ſetzen ſoll, niemahls gerne gebrauche. Bey dem Teutſchen und Frantzoͤiſchen, muß nur uͤber - und unterſchrift einander aͤhnlich ſeyn, und bey dieſer erſt der nahme des ſchreibers, und gegen uͤber der ort und die zeit zu ſtehen kom - men.
§. 17. Letzlich leget man die briefe zuſam - men, verſiegelt ſie, und macht die aufſchrift darauf. Bey dem zuſammen legen muß man alle affectation vermeiden, und es iſt am be - ſten, couverte zu machen. Die beſiegelung geſchicht, wenn man den brief uͤber land ſchickt, mit einem wapen oder verzogenen nahmen, ſchickt man ihn aber nur von einem hauſe zum andern, kan es auch wohl mit ei - ner deviſe geſchehen. Wird der brief mit derpoſt419und von briefen. poſt geſchickt, macht man mehrentheils nur eine Frantzoͤiſche aufſchrift, welche den nah - men, (nicht aber den fuͤrnahmen) die aͤmter und bedienungen, (ohne bey-woͤrter und an - dere kennzeichen der anverwandſchaft und des affects) desjenigen, an dem er gerichtet, den ort, da der brief hin ſoll, und die addreſ - ſe ausdrucket, das uͤbrige iſt unnuͤtze: Wird er eingeſchlagen, kan man Teutſch oder La - teiniſch, den nahmen und fuͤrnahmen mit bey woͤrtern und elogiis, die aͤmter, den ort, ohne addreſſe und andere kleinigkeiten ſetzen. Welche kurtze regeln verhoffentlich nicht oh - ne nutzen und grund beobachtet werden, ohne daß man ſich um mehrere zu bemuͤhen haͤtte.
VOn ſolennen ſchul-reden, §. 1. Von gemeinen ſchul-reden, §. 2. Von ſchriftlichen ſchul reden, §. 3. Von allerhand buͤrgerlichen reden, §. 4. Von inſcriptionibus und lebens lauffen, §. 5. Von paren - tationibus, §. 6. Von Gluͤckwuͤnſchungs empfah - und bewillkommungs-reden, §. 7. Von vermaͤh -D d 2lungs -420von allerhand ſchul -lungs und gevatterſchafts reden, §. 8. Von huldi - gungs lehns-reichs-kreiß-land - und ſtifts tags reden, §. 9. Von reden in religions-regierungs-iuſtitz - und kammer-ſachen, §. 10. Von hof-ritter-ordens-ſtaats - kriegs geſandſchafts-reden, §. 11. Von condolentz - und trauer-reden, §. 12.
§. 1.
HChul - und politiſche reden erfodern et - was mehr vorrath und zubereitung, als die reden im gemeinen leben, am meiſten aber die ſolennen ſchul-reden, als, de - clamationes, oͤffentliche reden, gantze actus Oratorii, panegyrici, gedaͤchtnis-reden, inve - ctiv-reden, und dergleichen Jch wuͤſte bey allen dieſen nichts ſonderliches mehr zu erin - nern, als dieſes daß man hier, die gantze kraft ſeiner beredſamkeit, im erfinden, ausdru - cken, diſponiren, und ausarbeiten ſehen zu laſ - ſen ſchuldig ſey, denn was die materialia anbe - trift, ſo laſſen ſich ſolche theils aus der bloſſen benennung ſchlieſſen, theils nicht gar wohl de - terminiren.
§. 2. Gleichergeſtalt iſt bey denen gemei - nen ſchul-reden, als allocutionibus, proluſio - nibus, praͤlectionibus, und andern nichts be - ſonderes hier zu gedencken, und was man et - wan davon nuͤtzliches ſagen moͤchte, iſt entwe - der zu weitlaͤuftig, als daß es in die engen ſchrancken einer Rhetorick ſolte koͤnnen ver - faſſet werden, theils wuͤrde es vielleicht nicht nach dem geſchmack des leſers ſeyn, und duͤrfteich421und politiſchen reden. ich alſo fuͤr meine muͤhe wenig erkaͤnntlichkeit und gewogenheit zu hoffen haben.
Jndem ich die ehre habe, gegenwaͤrtige loͤb - liche redner-geſellſchaft, mit Dero geneigten wohlwollen, unter meiner anfuͤhrung zu eroͤf - nen: ſo erinnere mich billich desienigen end - zwecks, welchen ſie ihnen dabey ruͤhmlichſt fuͤrgeſetzet. Sie wollen nemlich durch oft wiederhohlte, vernuͤnftige uͤbung, als den ſi - cherſten weg zur vollkommenheit, ſcharfſinnige geſchickte, und artige redner werden. Sie ſind vollkommen uͤberzeuget, die rede mache uns zu menſchen, aber eine vernuͤnftige rede, zu ver - nuͤnftigen menſchen. Ein reiner und gleicher ſchlag der unruhe an einer wohlgemachten uhr, giebt unſerm gehoͤr, ſo fort zuerkennen, daß die feder alles in einer ordentlichen bewe - gung, von innen her treibe, und auch die zeiger daran die zeit genau bemercken: So glau - ben ſie, daß eine wohlgewoͤhnte und geuͤbte zunge, von einer guten ordnung der gedancken, und tugendhaften klugen auffuͤhrung zeuge. Da es ausgemacht iſt, daß gedencken, thun, und reden, eben ſo noͤthige und wichtige eigen -D d 3ſchaf -422von allerhand ſchul -ſchaften eines menſchen, als an einer uhr, feder, zeiger und unruhe ſind. Meine ſchuldigkeit erfo - dert, Dero auf meine faͤhigkeit geſetztẽ vertrau - en, mit bereitwilliger aufrichtigkeit zu bege - gnen, und mit ihnen dahin zu arbeiten, daß der fuͤrgeſetzte endzweck von ihnen leicht und ge - wiß erhalten werde. Da ſie nun anietzo eben deswegen gegenwaͤrtig, damit ich hiezu den anfang machen moͤge, ſo erlauben ſie mir daß ich ihnen zum voraus, das bild eines vollkom - menen redners, mit lebendigen farben in etwas entwerffe. Jch wuͤrde vergebens reden, wann ich das bild eines vollkommenen redners in ſol - cher bildung abſchildern wolte, daß er einem buͤrger aus der Platoniſchen republick aͤhnlich ſehe. Jch wuͤrde auch eben ſo ungeſchickt han - deln, wann ich ihn mit ſchwuͤlſtigen worten und hochtrabenden gedancken, ihnen fuͤrmahlete, als die albern mahler, welche da ſie der natur folgen ſolten, in ihren ſchildereyen, ſelbige hin - gegen verguͤlden und verſilbern, alſo will ich ſchlechterdings der natur nachgehen. Dieſe ruͤſtet einen redner mit der faͤhigkeit zu geden - cken, zu wollen, und zu reden aus, und alle die - ſe faͤhigkeiten der ſeele, kleidet ſie in einen menſchlichen coͤrper ein. Waͤre die bloſſe kraft, gedancken zu faſſen, hinlaͤnglich, einen redner zu machen, ſo waͤren alle menſchen red - ner, folglich waͤre die beredſamkeit keine kunſt, die man durch regeln und uͤbung erlernen muͤ - ſte, indem ſo gar die kinder in der wiegen, aufdie423und politiſchen reden. die weiſe, ſo groſſe redner waͤren, als Cicero pro roſtris. Demnach wird man dieſe faͤhig - keit zu gedencken, durch die regeln der vernunft - lehre zu beſſern und vernuͤnftig einzurichten urſach haben, wofern man in ſeiner bered - ſamkeit das gewaͤſch der alten weiber uͤber - treffen will. Denn ſo wenig die kinder tantzen lernen, ehe ſie gehen koͤñen, ſo wenig kanman ge - ſchickt reden, ehe man vernuͤnftig dencken geler - net. Vernuͤnftig gedencken, erfodert, daß man ordentlich wiſſen, artig erfinden, gruͤndlich ſchlieſſen koͤnne. Alles wiſſen, iſt nicht moͤg - lich, viel wiſſen iſt nicht allezeit nuͤtzlich, und ein mit vielen wiſſen angefuͤlltes gedaͤchtniß, iſt einem redner oͤfters ſo dienlich, als ein mit denen delicateſten ſpeiſen uͤberladener magen. Aber wiſſen, wovon man reden will, die grund-ſaͤtze derjenigen wiſſenſchaft inne haben, dahin der kern unſerer rede gehoͤret, iſt ſchlech - terdings noͤthig, und zwar in einer ſolchen ordnung, daß man auch wiſſe. wie und was man wiſſe. Artig erfinden, heiſt nicht gluͤck - lich ſeyn im erfinden. Midas, ein koͤnig in Phrygien, erhielte durch einen gluͤcks-fall groſſen reichthum, allein Apollo ſetzte ihm nichts deſto weniger eſels-ohren an. Hinge - gen Thales, erwirbt durch ſeine klugheit viel vermoͤgen, und behaͤlt doch dabey mit ver - groͤſſerten ruhm, den nahmen eines weiſen. Gewiß ein gluͤcklicher einfall, kan einem red - ner nicht ſchaden, aber wann ein redner ſichD d 4bloß424von allerhand ſchul -bloß mit gluͤcklichen einfaͤllen bereichern und begnuͤgen will, wird ſeine erfindungs-kraft zu einem tollhauſe oder wenigſtens zu einer comoͤdianten-kammer werden, da ſie ein wohl ausgeruͤſtetes zeughauß ſeyn ſollte. Alſo muß die beurtheilungs-kraft das beſte thun, dieſe ordnet und pruͤfet alles wiſſen, unterſuchet al - le erfindungen, und ſcheidet von den unnuͤtzen ſchlacken das aͤchte gold, das rechte weſen von den aberwitzigen traͤumen, und die brauchba - ren waffen des redners von denen larven. Dieſe beurtheilungs-kraft ruͤſtet einen redner aus mit der kunſt, ſeinen zuhoͤrern ins hertz zu ſehen, und ſich deſſelben zu bemeiſtern. Sie fuͤhret ihn durch die erfahrung auf die hiſtorie derer dinge, die um ihn ſind, und lehret ihn alles zu ſeinem nutzen anzuwenden. Wo - hin die gedancken gehen, dahin neiget ſich das hertz, und dieſes muß bey einem redner keine behauſung unreiner geiſter ſeyn, welche die wahrheit, als ein licht, das ihre augen blen - det, verabſcheuen, welche der tugend fall-ſtri - cke legen, welche ohne aufhoͤren als freche moͤrder in dem hertzen rennen, und ſelbiges mit tumult beziehen, nachdem ſie die geſetze der geſunden vernunft, der offenbahrung, und der buͤrgerlichen geſellſchaft, unter die fuͤſſe getreten. Es muß auch kein behaͤltniß eines ungeſchmackten waſſers ſeyn, welches aus mangel der bewegung ſtinckend worden. Son - dern es muß von ſolchen neigungen getrie -ben425und politiſchen reden. ben werden, die ſelbſt leben, die denen gedan - cken und worten geiſt und leben mittheilen, und doch ſich niemahls dem joch der geſunden vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß mit lebhaften neigungen etwas wollen, doch nichts malhonnettes wollen, und ſich ſeiner neigungen als ein herr ſeiner unterthanen be - dienen. Dieſes iſt die innere beſchaffenheit eines vollkommenen redners, und wenn es mit dem inwendigen ſeine richtigkeit hat, ſo zeigen ſich nunmehro gedancken und regungen in auserleſenen worten. Viel worte ſind nicht allemahl ein zeichen eines guten iudicii, viel ſchoͤne worte wollen auch das werck nicht aus - machen, und eine rede, deren verfaſſer ſo viel gold und ſilber, diamanten, moſch, zibeth, ambra, purpur, perlen, muſcheln, geflammte ſaͤulen, ſinn - bilder einmiſchet, gleichet meh - rentheils einem bettlers-mantel, welcher die bloͤſſe des verſtandes dennoch nicht bedecken will. Aber ſachen, die das hertz ruͤhren, und ſich in denen worten kurtz uñ doch deutlich, rein - lich und doch ungezwungen, angenehm und doch in ihrem weſen fuͤrſtellen, ſind ein kenn - zeichen, wodurch ein redner ſich hauptſaͤchlich unterſcheidet. Er redet allezeit nach beſchaf - fenheit des vorhabenden obiecti und doch von ſchlechten ſachen niemahls niedertraͤchtig, von praͤchtigen dingen maieſtaͤtiſch, aber niemals aufgeblaſen, von geiſtlichen andaͤchtig, und doch nicht myſtiſch oder heuchleriſch. Er ſchwa -D d 5tzet426von allerhand ſchul -tzet einem armen unerfahrnen niemals von den ſchaͤtzen des groſſen Mogols etwas fuͤr. Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was fuͤr geheimniſſe in der Metaphyſick verborgen. Sei - ne beredſamkeit laͤſt ſich in keine hoͤltzerne und ſteinerne machinen einſchlieſſen, ſondern zeiget ihre kraft uͤberall im menſchlichen leben, wo es nuͤtzlich und noͤthig iſt. Endlich ſtellet uns auch ſein leib, eine lebendige beredſamkeit vor augen. Alles redet an ihm, geſicht, augen, haͤnde, ſtellungen, alles redet mit der ſache. Bey traurigen dingen zeugen alle bewegun - gen ſeines leibes, von einer innerlichen betruͤb - niß, und bey froͤlichen dingen wird er gewiß nicht thraͤnen vergieſſen. Er beobachtet den wohlſtand, ohne daß er daraus einen abgott mache. Er redet mit hertzhaftigkeit, denn wer wie die ſchnecken, weder hertz noch zunge hat, ſchickt ſich zu keinem redner, allein ſeine freymuͤthigkeit iſt mit vieler ſittſamkeit gemaͤſ - ſiget. Er redet nicht wie des Alberti Magni ſtatue, welche bey ihren reden ſich nicht be - wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen, wie viel ſchritte er peroriret. Capiſtranus, ein Paͤbſtiſcher knecht, welcher zu denen Creutz - zuͤgen durch ſeine predigten die leute bere - den ſollte, konte auch diejenigen, ſo ihn nicht hoͤreten, ſondern nur ſahen alſo ruͤhren, daß ſie bitterlich weineten. Gewiß aller geſchick - ten redner aͤuſſerliche ſtellung trift die her - tzen der zuhoͤrer. H. A. Dieſes iſt das bildeines427und politiſchen reden. eines vollkommenen redners, welches ich kurtz mit denen erſten linien fuͤrgezeichnet, wo iſt nun das weſen? waͤren bloſſe figuren, viele complimente, pedantiſche formulen, wortſpie - le, ſinn-bilder, ungeheure worte, und derglei - chen nichts-wuͤrdige kleinigkeiten, diejenigen kennzeichen, woran man vollkommene redner bemercken muͤſte, ſo wuͤrden wir viel redner haben. Ja, waͤre es nur eine unumgaͤngliche nothwendigkeit, daß die geſchicklichkeit regeln zu geben, allezeit einen vollkommenen redner bezeichnete, ſo getrauete ich mir leicht origina - lia von meiner gegebenen copie anzutreffen. So aber da dieſes nicht iſt, will ich ihnen ſelbſt zu beurtheilen uͤberlaſſen, ob ich das bild eines vollkommenen redners recht aus - gedruͤcket, oder ob wir ſelten ſo gluͤcklich das original davon zu finden. Jnzwiſchen hoffe, man werde mit der zeit, an ihnen ſelbſt viel - leicht originalia von meinem gemachten be - griffe autreffen. Und damit ſie erkennen, daß ich nicht ohne urſache hoffe, ſo will ich dieſen platz demjenigen einraͤumen, welcher aus ih - rer geſellſchaft zuerſt eine probe ſeiner bered - ſamkeit ablegen wird. Jch wuͤnſche, daß un - ſere loͤbliche redner-geſellſchaft, und alle mit - glieder derſelben, ihre uͤbungen zu unſer aller vergnuͤgen verrichten, und daß ihnen hernach insgeſammt, allezeit ſolche gelegenheiten zu reden vorfallen moͤgen, da ſie in gluͤckwuͤn - ſchungen ihre beredte zungen zu gebrauchen,urſach428von allerhand ſchul -urſach haben. Bin ich dero wohlgewogen - heit und guͤtigen vertrauen verſichert, ſo glau - be meine wenige faͤhigkeit und aufrichtige er - gebenheit Jhnen zu dienen vollkommen gut anzubringen.
§. 3. Fodern aber die muͤndlichen ſchulre - den groſſe application, ſo wollen gewiß die ſchriftlichen, mit nicht geringern fleiſſe ausge - arbeitet ſeyn, als dedicationes, diſputationes programmata, und buͤcher. Bey denen de - dicationibus, kommen auſſer denen regeln der beredſamkeit, und gelehrſamkeit, auch die regeln des wohlſtandes hauptſaͤchlich in be - trachtung, indem die hier begangenen fehler nicht ſo leicht verziehen werden. a)Bey denen diſputationibus, kommen geſchriebene ſachen und muͤndliche reden zugleich zum vorſchein, iene erfodern mehr gelehrſamkeit,b) dieſe mehr hoͤflichkeit,c) beyde eine vernuͤnftige an - wendung der geſamleten Philoſophiſchen und Oratoriſchen ſchaͤtze. Programmata werden vonſolchen leuten geſchrieben, zu deren lehrer ich mich nicht aufwerffe,d) und die buͤcher ſchrei - berey hat ſich wie die Leiptziger meſſe meinen wenigen urtheilen laͤngſt entzogen. e)
Tibi Serenisſime Clementisſime Princeps Subiectisſimus humillimus auctor.
Alſo kommt es dabey auf eine gelehrte diſpoſi - tion und ausarbeitung an, ich will zur diſpoſi - tion in folgenden exempel anleitung geben:
Der in Leipzig ſtudirenden iugend eroͤfnet ſeine Collegia die von Trinitatis 1708. ſollen gehalten werden, D. Gottfried Lange, Maj. Princip. Colleg. Collegiatus.
JCh habe es vor noͤthig gehalten auf einem beſon - dern blate meine collegia zu melden, welche mit Gottes huͤlfe dieſen ſommer uͤber ſollen gehalten wer - den. Denn, weil wenig univerſitaͤten in Teutſchland ſeyn werden, welche an menge der leſenden Leipzig gleich kommen ſolten, ſo koͤnte es gar leicht geſche - hen, daß auch dieſes mahl unter dem hauffen, ſo vieler andern meine nachricht von collegiis verlohren gien - ge, oder die leſenden mit ſolcher aufmerckſamkeit ſich an die uͤbrigen und vielleicht beſſern zettul attachirten, daß meine ſchrift, die eine zeitlang allhier unbekannt worden iſt, von den wenigſten geſehen wuͤrde.
Mein abſehen aber iſt vornehmlich denienigen zu dienen, welche collegia Oratoria von mir verlanget ha - ben, wofern wir nur allerſeits einander recht verſtehen, und uns unter der Oratorie nichts anders einbilden, als was ſie eigentlich ſeyn, und von rechtswegen heiſ - ſen ſoll. Denn, gewiß, wer ſich in die verbluͤmten redens-arten verliebet, und in den gedancken ſtehet, er habe was gutes verrichtet, wenn niemand ohne ſeine ſteingen und creutze verſtehet, was in der obſcuren ſchrift verborgen iſt, wer ferner in exclamationibus und interrogationibus den anfang und das ende der Oratoriſchen kuͤnſte zu finden vermeinet, oder ſich damit am beſten zu helfen gedencket, wenn er das Franzoͤiſche Lexicon fein oft gebrauchen, und ſeine re - den den kleidern aͤhnlich machen kan, die aus vielen un -E eter -434von allerhand ſchul -terſchiedenen zeugen zuſammen geſetzet ſind, der duͤrf - te bey mir gar ſchlecht getroͤſtet werden.
Die zeiten ſind vorbey, da man der zukuͤnftigen vergeſſenheit zu gefallen fleißig war, und ſich uͤber einer ſache den kopf verderbte, welche nirgends an - ders als auf ſchulen bewundert wurde. Heut zu tage, da unter ſo vielen wiſſenſchaften nicht allein die uͤberfluͤßigen von den noͤthigen muͤſſen unterſchieden, ſondern auch dieſe letztern nach der rechten art erlernet werden, iſt alles in einem gantz andern ſtand gera - then, und ich doͤrfte bald ſagen, der gantze plunder, aus welchem ſonſt die Oratorie beſtehen ſolte, wird itzund nur als eine zugabe bey derſelben angehenckt, und auch dieſe zugabe iſt nichts anders als confect, welchen man ſehr maͤßig gebrauchen muß, wenn ſei - ne delicateſſe nicht zum eckel anlaß geben ſoll.
Wer meine einleitung zur Oratorie geleſen, wird wohl wiſſen, wie ich denen, die mich hoͤren und leſen wollen, zweyerley gerne beybringen moͤchte, nemlich ordnung und zierlichkeit Wenn eines von beyden fehlen ſolte, wiewohl keines fehlen muß, ſo koͤnte nach meinem urtheile das letzte am ehſten wegbleiben. Die - ſes aber wird von denen, die ſich in die figuren verwi - ckeln, umgekehret: Und alſo darf man ſich nicht wun - dern, warum etliche, die doch ſonſt alles wiſſen wollen / nicht allein ſelbſt bey verſaͤumung dieſes hoͤchſt-noͤthi - gen ſtudii in einer gantz loͤdlichen unwiſſenheit zu ſte - cken vermeinen, ſondern auch andern die federn aus den haͤnden reiſſen, wenn ſie dieſelben zu einer klugen und geſchickten art gewoͤhnen wollen.
Wiewohl, es iſt gar leicht zu errathen, was ihnen zu einem ſo ſchaͤdlichen unternehmen anlaß giebet. Pfle - get man von den Poeten zu ſagen, daß ſie nicht gemacht, ſondern gebohren werden, ſo laͤſt ſich ſolches gewiſſer maſſen auch auf die redner deuten. Wer ſich dabey zwingen will, der ſiehet nicht viel anders aus als ein unhoͤflicher, wenn er freundlich zu thun genoͤ - thiget wird, oder, wie ein frauenzimm er, welchesdenBas435und politiſchen reden. Bas ſingen, und ohne cadanz die inſtrumente ſpielen will. Wo nun eine ſo ungluͤckliche natur vollends mit einer uͤblen und ungegruͤndeten anweiſung verwirret wird, ſo ſoll dieſes hernach das beſte mittel ſeyn, wann man das gantze werck auf einmahl verachtet, und die allzuſchweren regeln vor unnuͤtzlich und uͤberfluͤßig ausgiebet.
Wer mit dieſer entſchuldigung nicht fortkommen kan, nimmt eine andere zu huͤlfe, und meinet, das naturel muͤſſe alles thun, mit ſtudiren und kuͤnſteln ſey hier wenig auszurichten, zumahl da man heut zu tage faſt an allen groſſen hoͤfen die leute am liebſten reden hoͤret, die nach der natuͤrlichen ordnung ohne allen zierrath ihre propoſitiones zu machen wiſſen. Doch ich habe in einem andern programmate auf dieſen einwurf ſehr weitlaͤuftig geantwortet, und mag mich dergeſtalt nicht ſelbſt allhier ausſchreiben Wem GOtt die gnade giebet, daß er ein wenig tief in die welt ſehen, und von der gelegenheit urtheilen kan, durch welche ſich die meiſten ſo hoch geſchwungen ha - ben, der wird bald mercken, daß ihnen die unver - gleichlichen reden nicht aus dem ermel gefallen ſind. Wer bey der erlangten vollkommenheit nicht mehr ſtudiret, muß ſolches doch thun, ehe er vollkom̃en wird, faſt eben auf den ſchlag, wie ein geſchickter ſchrei - ber ſich des lineals nicht mehr bedienet, ob er gleich ſeine zeilen ſchwerlich ſo gleiche machen wuͤrde, wo ihm daſſelbe gleich vom anfange ſeines fleiſſes haͤtte mangeln ſollen. Reden wir nicht alle weitlaͤuftig, ſo muͤſſen wir doch weitlaͤuftig ſchreiben, und mit der - gleichen ſaͤtzen, wie man ſie zu nennen pfleget, wird meiſtentheils der erſte grund zu unſerm gluͤcke geſetzet, welche dergeſtalt wohl verdienen, daß man ein wenig zeit auf dieſelben wendet. Zumahl, da der geſchrie - bene buchſtabe nicht bloß zum beweiſe deſſen, was aufs papier gebracht iſt, dienet, ſondern auch die geſchicklichkeit und ſchwaͤche eines menſchen eben ſoE e 2wohl436von allerhand ſchul -wohl als ſein diſcurs verrathen kan. Jm uͤbrigen iſt dieſes dabey die groͤſte kunſt, daß man keine kunſt mercken laͤſſet: Gleichwie dieſes die kluͤgſten ſchmeicheleyen ſind, welche gleichſam unter der ma - ſque eines ernſthaften und aufrichtigen geſichtes an - gebracht werden.
Hierbey aber kan ich ſelbſt nicht leugnen, wie un - ſere Oratorie dadurch gar ſchwer gemacht wird, weil man von allen dingen, welche dazu noͤthig ſind, ohn - moͤglich regeln geben kan. Denn wer will die Ca - ſus erzehlen, welche unzehlich ſind, und wenn ſolches auch geſchehen koͤnnte, was wuͤrde uns die ausar - beitung anderer leute helfen, da man immer was neues erfinden, und den beyfall der zuhoͤrer und le - ſer dadurch am meiſten verdienen muß, wenn etwas geredet oder geſchrieben wird, das ſie zuvor weder ge - hoͤret noch geſehen haben?
Weil ferner zum reden und ſchreiben, wie oben all - bereit geſaget worden, vornehmlich ordnung erfor - dert wird, die ordnung aber viel ſachen praͤſuppo - niret, welche ſie rangiren kan, ſo folget vors erſte, daß die Oratorie kein werck vor kinder, ſondern vor erwachſene und ſolche leute ſey, die nicht allein ihr judicium wohl zugebrauchen, ſondern auch aus den diſciplinen, vornehmlich aus der Moral und Hiſto - rie ihre beweißthuͤmer und amplificationes herzu - nehmen wiſſen: Es folget ferner, daß man ohne dieſe huͤlfs-mittel zwar die praͤcepta Oratoria aus - wendig lernen, aber deſſentwegen doch keine gelehr - te rede verfertigen koͤnne: Und drittens folget auch, daß die leute, welche noch gar nichts im kopfe ha - ben, nothwendig ungedultig werden, und davon lauffen muͤſſen, wenn ſie ſich in ſchreiben und reden uͤben ſollen.
Darzu koͤmmt noch, daß der ſtilus ſo ſehr unter - ſchieden, und dergeſtalt mancher, der doch ſonſt gute wiſſenſchaften hat, dennoch immer zweifelhaftig iſt,437und politiſchen reden. ob er mit einer hohen, mitteln, oder niedrigen ſchreib-art am meiſten ausrichten koͤnne. Es hilft etwas, wenn man hierbey auf die Facultaͤten ſie - het, und die bewegung der affecten nebſt allem, was darzu gehoͤret, einem Theologo mehr als einem Ju - riſten recommendiret, welcher letztere das meiſte lob verdienet, wenn er ſeine ſachen ſchlecht, deutlich und ordentlich vorſtellen kan: Es iſt auch nicht ohne, daß man auf das naturel und die uͤbrigen eigenſchaftẽ der redner ſelbſten verfallen muß, indem der ſtylus ſen - tentioſus einem menſchen, der ſeine ausſprache nach der geſchwinden poſt einzurichten pfleget, uͤbel an - ſtehen ſolte, andere hingegen, die einen gantzen tact bey iedweder ſylbe aushalten, den zuhoͤrern ſchreibe - tafeln in die haͤnde geben muͤſten, wofern ſie bey dem ende eines langen periodi das mittel und den anfang nicht vergeſſen ſolten: Es iſt ferner eine aus - gemachte ſache, daß man in einem panegyrico an - ders als in einem briefe ſchreiben, und die ſo genann - ten geſtudirten reden kuͤnſtlicher als kurtze Oratio - nes einrichten muͤſſe, welche nur complimente bedeu - ten, und ohne weitlaͤuftiges nachdencken von dem munde und aus der feder flieſſen ſollen: Gleichwie endlich niemand wird zu leugnen begehren, daß wir gar oͤfters nach dem goût ſolcher leute, die uͤber un - ſer gluͤcke zuͤ diſponiren haben, reden, und manche ſchlimme redens-art mit einmiſchen muͤſſen, weil ſie ihnen gefallen hat: Doch bey dieſem allen iſt mehr zu bedencken, als ſich mancher einbildet, und die erfahrung bezeuget es mit manchem traurigen exempel, wie bißweilen ein eintziger terminus, wel - cher unrecht angebracht, oder dem ſtylo curiaͤ zu - wider iſt, manchen redner zum ſpotte vieler hochge - ſchaͤtzten anweſenden dargeſtellet hat.
Was ſoll ich endlich von der Teutſchen ſprache an ſich ſelbſt ſagen, mit welcher wir heut zu tage un - ſere kuͤnſte meiſten theils zu marckte fuͤhren muͤſſen? E e 3Die438von allerhand ſchul -meiſten geſtehen wohl, daß ſie noͤthig ſey, aber ſehr wenig geben ſich die muͤhe dieſelbe zu erlernen. Weil es unſere mutter-ſprache heiſt, ſo wollen wir auch von den muͤttern alles begreiffen, was uns davon zu wiſſen noͤthig iſt. Rechtſchaffene leute, welche der jugend darinnen zu dienen gedencken, muͤſſen ſich veraͤchtlich tractiren laſſen, und die meiſten alten ſchul-monarchen finden alle ihre intereſſe dabey, daß ſie von der Teutſchen Oratorie nicht viel weſens ma - chen. Denn bey den gewoͤhnlichen Rhetoricken gie - bet es vielerley auswendig zu lernen, und wer nach dieſer art ſeine information einzurichten gedencket, kan gar leicht einen halben Julium Caͤſarem abge - ben, und zu gleicher zeit vor andere und ſich ſelbſt arbeiten: Da hingegen bey einer rechten anfuͤhrung in dieſem ſtudio gar wenig auf das auswendig ler - nen ankoͤmmt, ſondern bey nahe alles durch immer - waͤhrendes fragen und elaboriren muß ausgerichtet werden.
Als im vorigen ſeculo die Frantzoſen unter der direction des Cardinals Richelieu an efangen hatten ihre ſprache zu verbeſſern, ſo wolte man wie in an - dern, alſo auch in dieſem ſtuͤcke den auslaͤndern in Teutſchland nachgehen, und das werck am allereh - ſten durch geſellſchaften heben, darinnen ſich alle glieder einen beſondern nahmen geben und durch buͤcher-ſchreiben ihre landes-leute nach und nach zu der liebe ihrer eigenen ſprache gewoͤhnen ſolten. Wie nun hierbey das abſehen der durchlauchtigſten Stif - ter gar ſehr zu loben, auch der nutzen vielleicht in einem und dem andern ſtuͤcke zu erkennen war: So muſte man hingegen beklagen, daß etliche nicht zeit, andere, die ſich mit gewalt mit einmiſchen wol - ten, nicht capacite genug hatten das werck zu heben, die letztern aber, welche gar zu ſehr affectiren, und gleichſam einen ſchoͤppenſtuhl vor die Teutſchen woͤr - ter aufrichten wolten, denſelben mehr ſpott als nu -tzen439und politiſchen reden. tzen zuzuziehen vermochten, und dadurch alle gute intention auf einmahl uͤber den hauffen ſchmiſſen.
Daher geſchahe es auch, daß wir eher gute ver - ſe, als gute ungebundene reden in unſere ſprache hatten, und da man von rechtswegen durch die Ora - torie zur Poêſie haͤtte gelangen ſollen, ſo wieſen im gegentheile die zwey unvergleichliche maͤnner: Opitz und Hofmanswaldau den rednern die rechten wege, indem ſich faſt niemand, der nur ein wenig feuer hatte, enthalten konte ihre unvergieich[l]iſche ſchriften zu leſen, und denſelben wo nicht in verſen, doch zum wenigſten in der zierlichkeit ihrer ausrede nachzugehen.
Wenn wir nun behaupten wollen, daß nach ver - flieſſung einer ſo langen zeit alles nach und nach beſ - ſer und vollkommener bey derſelben worden ſey, ſo duͤrfen wir uns die einwuͤrfe, ſo in den vorherge - henden gemacht worden, nicht zur unzeit irre ma - chen laſſen. Denn die ſachen, von welchen man keine regeln geben kan, beſtehen in den curialien und ſind freylich an einem hofe anders als an dem an - dern. Doch mir deucht, wer nur in ſeinem funda - mente richtig iſt, der wird ſich hernach durch einige nachrichten gar leichte in das uͤbrige finden lernen. Wir koͤñen uns bey der kaufmannſchaft ein gleichniß vorſtellen. Da werden die gewoͤlber nicht nach ei - nerley facon angeleget, auch die buͤcher nicht nach einerley art gefuͤhret, und dennoch kan ſich einer, der was gruͤndliches davon begriffen hat, gar leicht in alles ſchicken
Was die noth mit den ſo genannten realien an - belanget, ohne welche bey dieſem ſtudio nicht wohl fortzukommen iſt, ſo will ich bey dieſer gelegenheit gantz offenhertzig meine gedancken davon eroͤfnen. Es iſt erſtlich ein ſchaͤdliches praͤjudicium, daß wir die realia nur allein in exemplis und teſtimoniis ſuchen, und wenn dieſe ſollen angebracht werden,E e 4zu440von allerhand ſchul -zu den collectaneis als unſerer eintzigen zuflucht ge - hen wollen. Denn ohngeachtet ich nicht zu leugnen begehre, daß man ſich allerdings mit denſelben in verfertigung einer rede treflich helfen, auch exempel und zeugniſſe anderer auctorum uͤberaus wohl anwen - den kan: So giebt es doch auſſer dieſen noch viel rea - lia von gleichnuͤſſen, contrariis, meditationibus, locis communibus ꝛc. Welche eben ſo gut, ja gewiſſer maſſen noch beſſer als die vorhergehenden ſind, weil ſie bloß von unſerm nachdencken herruͤhren, und dergeſtalt an ſtatt des weitlaͤuftigen buͤcher-krahms nur ein faͤhiges und geuͤbtes ingenium erfo - dern: Vors andre laſſen ſich alle reden und ſchrif - ten gar fuͤglich in zwey claſſen eintheilen, davon ich die eine gekuͤnſtelt, die andere ungekuͤnſtelt nen - nen koͤnte. Zu der erſten wird viel erfordert, aber ſie iſt auch die allernoͤthigſte nicht. Denn es geſchiehet gar ſelten, daß man auf der catheder gantze ſtun - den lang peroriret, und auſſer dieſem giebet es, wenn ich die eintzigen Parentationes ausnehme, heutiges tages ſehr wenig caſus, abſonderlich vor politicos bey welchen die collectanea unentbehrlich waͤren. Jhre gluͤckwuͤnſche, und condolenzen, ihre huldi - gungs antrits-landtags und andere reden gehoͤren in die claſſe, wo nichts gekuͤnſteltes gelitten wird, und wer ſich mit ſeinen allegatis aus dem Julio Caͤſa - re, Curtio, und andern dergleichen buͤchern gar zu breit dabey machen, auch zur unzeit philoſophiren wolte, duͤrffte den verhoften beyfall derer, die ihn hoͤren, wohl ſchwerlich erhalten.
So iſt endlich wegen des ſtyli dieſes wohl der ſi - cherſte rath, daß man ſo ſchreiben lernet, wie es der nutzen und die hergebrachte gewohnheit bey den can - tzeln und cantzeleyen haben will. Weil nun dieſe insgeſamt mit den hochtrabenden figurirten redens - arten ordentlicher weiſe nicht viel zu ſchaffen haben, ſo ſiehet auch ein iedweder gar leichte, worauf ſeinfleiß441und politiſchen redenfleiß in dieſem ſtuͤcke am allermeiſten muͤſſe gerichtet werden
Unterdeſſen, wie ich dieſes ihrer vielen zum troſte will geſchrieben haben, welche ſich das ſtudium Ora - torium gar zu ſchwer einbilden, und bey ihrem maſ - ſigen vorrathe der erudition bey nahe zweifeln wol - len, ob ſie auch mit einigen nutzen ein collegium da - ruͤber hoͤren koͤnten: So duͤrfen hingegen andere nicht meinen, als ob in meinen lectionibus nur das leichteſte ſolle beruͤhret, das andere hingegen auſſen gelaſſen werden. Sondern wie meine einleitung auf alles gerichtet, ein auditorium auch meiſtentheils mit vielerley leuten angefuͤllet iſt, die zwar einerley hoͤren, aber ſolches mit der zeit nicht auf einerley weiſe anzuwenden gedencken, ſo werde ich auch von anfange bis zum ende alles[durchgehen], die praxin mit erklaͤrung der regeln beſtaͤndig verbinden, und durch vielfache neue caſus ſonderlich denen dienen, die ſich entweder ſelbſt noch weiter uͤben, oder mit der zeit andre informiren wollen.
Niemand darf ſich dabey ſcheuen in gegenwart vieler andern ſeine elaborationes abzuleſen, wiewohl ſolches ohnedem iedweden zu ſeinen eigenen belie - ben anheim geſtellet wird. Denn, ich weiß mich gar wohl zu beſinnen, daß diejenigen oͤfters beym beſchluſſe eines collegii die beſten geweſen ſind, wel - che man beym anfange deſſelben vor die ſchlimſten halten muſte. Allenfals aber kan dieſer noth durch ein collegium privatißimum, dazu ich mich gleichfals offerire, abgeholfen werden. Wie ſich denn freylich wohl zu einem collegio welches bloß auf die praxin gerichtet iſt, kein allzu groſſer und unbekannter Nu - merns ſchicket.
Mit dieſer arbeit gedencke ich II. gar fuͤglich ein COLLEGIUM HISTORICUM zu verbinden. Denn die collectanea heben des werck bey den amplifi - cationibus alleine nicht, die meiſten titul muͤſſen inE e 5unſern442von allerhand ſchul -unſern kopfe ſtehen, und koͤnnen durch nichts beſſer als die hiſtorie in ordnung gebracht werden. Weil nun die neuſten exempel ohne zweifel die beſten ſind, weil man ſich dabey nicht befuͤrchten darf, daß in den gemeinen troͤſtern das meiſte davon ſchon werde ent - halten ſeyn, ſo iſt auch mein vorſatz nach einleitung des Herrn von Pufendorf die letztern zeiten mit al - len dazu gehoͤrigen genealogien fleißig durchzuge - hen. Vielleicht wird dieſes, wie ehmahls ſchon allhier geſchehen, ein collegium perpetuum, daß diejenigen, ſo es einmahl bezahlt, daſſelbe hernach mehr als einmahl hoͤren koͤnnen.
Man theilet ſonſt die hiſtorie in antiquam, mediam, und novam ein; Jch aber halte es vor noͤthig noch eine ſpeciem zu nennen, welche novisſima heiſſen muß, und in den zeitungen enthalten iſt. Wie ich aber durch zeitungen nicht allein die gewoͤhnlichen blaͤtter, ſo in Leipzig und andern orten zum drucke befoͤdert werden, ſondern vornehmlich die nachricht von den wichtigen affairen ſo zu Regenſpurg vor - gehen, verſtehe: Als wird wohl niemand zu leug - nen begehren, das dieſelben bey jungen leuten eine erklaͤrung hoͤchſtvon aoͤthen haben. Denn wer will mir ohne dieſelbe zum exempel ſagen, worinn die ſtreitigkeiten zwiſchen den aſſeſſoribus in ber Kaͤy - ſerlichen Cammer zu Wetzlar beſtehen, worauf ſich die ſo genannte Erbmaͤnner ſache in Muͤnſter gruͤnde, was es mit der introduction des Boͤhmiſchen Voti in das Churfl. collegium vor eine bewandtniß habe, warum die reichs-armee noch bis dato in keinen rechten ſtand komme? u. d. g. m. Jch hoffe der - geſtalt gar ein loͤbliches werck zu verrichten, wenn ich woͤchentlich zwey ſtunden zu dieſer arbeit ausſe - tze, und erſtlich denen zu gefallen, die nicht gerne viel leſen, aber doch etwas wiſſen wollen, die noͤ - thigſten ſachen, ſo in den Teutſchen und Frantzoͤi - ſchen nouvellen enthalten ſind, kuͤrtzlich referire, her -nach443und politiſchen redennach aber die memoriale ſo ohnlaͤngſt von mir zum drucke ſind befoͤdert worden, vor die hand nehme, und bey denſelben einen diſcurs formire, welcher et - was tieffer in den ſtaat und das jus publicum gehet.
Es iſt ohne dem zu beklagen, daß viel tauſend Teutſche, welche doch gelehrt heiſſen wollen, nicht einmahl wiſſen, wie es im Teutſchen reiche zugehet. Daher geſchiehet es anch, daß etliche in den geſell - ſchaften, wo man nicht beſtaͤndig von ihren hand - wercke redet, mit ziemlicher angſt ſtille ſchweigen, andre mit noch groͤſſer proſtitution reden und noch andre welche ſich doch durch dergleichen ſtudia am meiſten heben, und den weg zur rechten befoͤrde - rung bahnen ſolten, ihr unvermoͤgen meiſtentheils zu einer zeit erkennen und beklagen, da ihnen weiter nicht kan geholfen werden. Da nun ohne dem mein vorſatz iſt III. durch ein Collegium GRATUITUM den anfang in meinem leſen dieſes mahl zu machen, ſo wil ich den zuſtand des H. Roͤmiſchen reiches Teut - ſcher nation in ſeinen geſchichten, gewohnheiten und rechten, denen, die mich von 1. biß 2. uhr nachmit - tags hoͤren wollen, gruͤndlich und deutlich vorſtellen, und meine einleitung zum grunde legen, weil ſie der herr verleger, ob gleich die erſten zwey theile aller - erſt fertig ſind, auf mein erſuchen allbereit zu ver - kauffen gedencket. Und indem es ein collegium iſt, welches alle ſtudioſt von allen facultaͤten beſuchen und zu ihren nutzen anwenden koͤnnen, ſo hoffe ich wenig leere baͤncke zu behalten, obgleich dieſe ſtunde ſonſt ordentlicher weiſe mehr der ruhe als der arbeit beſtimmet iſt, und wil kuͤnftigen monrag g. g. als den 4. Jun. anfangen, auch bald darauf von den uͤbri - gen collegiis dazu IV. das MORALE uͤber Buddei ele - menta philoſophiæ moralis gehoͤret, die ſtunden mel - den.
GOtt laſſe dieſes vorhaben auf allen ſeiten geſe gnet ſeyn, und gebe, daß Leipzig, den ruhm, ſo[eſ]ins444von allerhand ſchul -in andern ſtuͤcken bey den entlegenſten nationen ver - dienet, auch vornehmlich wegen ſeiner univerſitaͤt zu allen zeiten behalte.
Gegeben den 30. Maͤy 1708.
Jch habe ſelbſt bey einer andern gelegenheit dergleichen kurtz in folgenden terminis entworf - fen, welches wegen anverwandſchaft der ma - terien, hier einzuruͤcken, kein bedencken trage: P. P.
Es iſt auſſer ſtreit und die erfahrung zehlet es bereits zu den veriaͤhrten dingen, daß ein Teutſcher mehr beliebung trage, auswaͤrtige huͤlſen zu benagen, als den kern der koſtbar - keiten, welche ihm ſein vaterland darbeut, zu ſchmecken. Wir muͤſſen ſelbſt geſtehen, daß wir ienem ſtern-ſeher zuvergleichen, welcher ſich durch die betrachtung des entfernten Ca - pricorni am himmel abhalten ließ, was in ſei - nem eignen hauſe vorgieng, in obacht zu neh - men. So iſt unſere auffuͤhrung beſchaffen in hundertfachen zufaͤllen, ſo iſt ſie ſonderlich in dem fleiß zeit und unkoſten, ſo wir auf ſpra - chen wenden. Wir bearbeiten uns mit er - ſtaunender muͤhe zu ergruͤnden, ob Cicero quoque oder coque geſprochen, ob die aͤlte - ſten Griechen oi wie ein i oder wie einen dop - pelt-lautenden buchſtaben ausgeredet. Wenn wir aber unſre gedancken, nur gegen unſere diener eroͤfnen ſollen, ſo begehen wir ſoviel fehler als man worte zehlet. Und haben wir ia durch fleißige leſung der Pſalmen und Evan - gelien oder in den kram-buden gelernet adiecti -uum445und politiſchen reden. uum und ſubſtantiuum zuſammen zuſetzen, ſo meinen wir nunmehro mit recht, meiſter der Teutſchen ſprache zu ſeyn. Fangen wir an unſere reden zu einem vernuͤnftigen und ange - nehmen gebrauch zu bereiten, ſo koͤnnen wir uns kaum halten, daß nicht aus unſerer bered - ſamkeit eine waͤſcherey, aus der reinlichkeit der rede eine unnuͤtze critik, aus der zierlichkeit der - ſelben, ein praͤchtiger, obwohl papierner bil - der-kram werden ſolte. Als ich dieſes uͤber - leget, habe ich beſchloſſen denen Herrn Com - militonibus von 10. biß 11. uhr mittwochs und ſonnabends meine grund-ſaͤtze einer vernuͤnf - tigen beredſamkeit mitzutheilen, und zu erklaͤ - ren, ob ich vielleicht, ſolte es auch etwas weni - ges ſeyn, zu Dero nutzen hierinn beytragen koͤnte. Kuͤnftigen ſonnabend werde den an - fang machen, und meine arbeit wird nichts be - lohnen als Dero gegenwart und beſtaͤndige gewogenheit.
§. 4. Die andern politiſchen reden haben ſchon etwas mehrere freyheit, was die Orato - riſche form anbetrift, hingegen wollen ſie mit deſto groͤſſerer behutſamkeit, was anbetrift diecuria -446von allerhand ſchul -curialien, abgehandelt ſeyn. Sie kommen entweder am hofe oder in republicken vor, an beyden orten iſt eine beliebte kuͤrtze, nette ſcharf - ſinnige tour der gedancken, gute natuͤrliche ordnung, genaue beobachtung des redenden, hoͤrenden, und der umſtaͤnde, das angenehmſte und wichtigſte. Doch leiden unter ihnen die inſcriptiones, lebens-lauffe, und parentationes noch am meiſten putz.
§. 5. Die inſcriptiones ſind ſchriften, wel - che man verfertiget, daß ſie auf ſaͤulen triumph - bogen, ſtatuen, medaillen, grab-ſteine, und dergleichen, koͤnnen geſetzet werden, alſo ſolten ſie billich kurtz ſeyn, doch leidet auch dieſes ſeine ausnahme. Es ſind ihrer zweyerley, einmahl gemeine, hernach argute, iene halten kurtz die hiſtoriſche erzehlung deſſen, bey welcher gele - genheit ſie aufgerichtet worden, in ſich, dieſe aber ſind nach dem arguten ſtilo abzufaſſen, von dem obiecto darauf ſie verfertiget. a)Mit denen lebens-lauffen hat es was die verfaſſung betrift, faſt gleiche bewandnis, doch werden ſie nur auf verſtorbene und nach dem uͤblichen wohlſtand eingerichtet. b)
Wandersmann! ſteh und rechne! ſiebenmahl ſieben iſt 49. und das fatale ſtufen-jahrda447und politiſchen reden. da eine boͤſe ſieben auf denen ſtaffeln der wolluſt, in dieſes grab fiel, nachdem ſie allezeit die ſiebende zahl heilig gehalten. Sieben jahr war ſie ein kind und auch eine kuplerin; denn der mutter trug ſie die briefgen, holte die amanten, hielte das licht, ſtund ſchild wacht und half den vater kroͤnen. damit ſie lernete, was ſie ſieben jahr darauf verſtehen wolte, nehmlich vierzehen jahr alt eine alamode jungfer zu ſeyn. hier exercirte ſie ſich in dem was ſie ſieben jahr darauf ſeyn wolte, nehmlich mit experientz und geſchicklichkeit ein und zwantzig jahr alt eine hure. ſo meiſterlich daß ſie ſich zur ruhe und da ſie heyrathete ihren mann in unruh ſetzte, und wurde ſieben jahr darauf acht und zwantzig jahr eine hahnreh-macherin. Da ſie in der kunſt zu, und an ſchoͤnheit abnahm, zahlte ſie aus des mannes beutelwas448von allerhand ſchul -was ihr ſonſt bezahlet wurde, und wurde binnen ſieben jahren, fuͤnf und dreißig jahr, eine ſtipendiaten-halterin. Da der mann ſtarb, und mit ihm der erhalter, ohne welchen die ſtipendia mitten im ſtecken ins ſtecken geriethen, hielt ſie 42. jahr alt ihrer jungfer tochter, ſieben jahr das zahl-brett, und ward wieder was ſie zuvor geweſen, in ihrem alter ein kind und kuplerin, ſieben jahr darauf in dem 49. jahre, nachdem ſie mehr als ſiebenmahl ſieben und ſiebenzigmahl ſiebenmahl auf den ſtaffeln ihres lebens ihre ſeele zu falle gebracht, fiel ſie in ihrem ſtuffen-jahr mit dem in ſuͤnden gefallenen leibe in dieſes grab. Denn ſiebenmahl ſieben iſt neun und viertzig. Gehl denn nun haſtu die boͤſe ſieben ausgerechnet, vor welche du mehr als vor iene ſieben ſo aͤrger waren als er dich in acht zu nehmen!
Gebohren werden, leben und ſterben, ſind dinge, in welchen alle ſterbliche einander gleich kommen, doch iſt nichts mehr, worinn man ei - nen von dem andern beſſer unterſcheiden koͤn - ne, als eben gebohren werden, leben, und ſter - ben. Wenn wir des nunmehro in die hoͤch - ſte ruhe eingegangen H. H. v. D. (tit. tot. ) hochadeliches herkommen, chriſtlich-gefuͤhrten lebens-wandel und hochſeeliges erblaſſen, an - ietzo mit hinzufuͤgen, werden dieienigen merck - mahle, womit der hoͤchſte durch die geburt ihn von andern unterſchieden, zum preiſe ſeiner allmaͤchtigen fuͤhrung herfuͤr ſcheinen: Die tugenden, womit der hochſ. den lauf ſeines ed - len lebens, fuͤr andern ausgezieret, werden ihm ſelbſt zum ſchuldigſten nachruhm, andern zu kluger nachfolge in das gemuͤthe ſtrahlen. Die letzte ſtunde, in welcher er den tauſch des zeitlichen mit dem ewigen getroffen, wird von ſeinem behertzten und ſtandhaften ſiege fuͤr an - dern uͤber die bitterkeit des todes zeugen und denen hochadel. hinterlaſſenen und betr eine nicht geringe ermunterung, die haͤupter aus dem trauren zu erheben, andern aber auf glei - che nachfahrt zu dencken, an die hand geben. Was alſo den eintritt in dieſe ſterblichkeit des nunmehro in die ſeel. unſterblichkeit getretenenF fhoch -450von allerhand ſchul -hochſeel. (tit. ) betrift, ſo hat das beruͤhmte Leipzig ihm zu ſeiner geburts-ſtadt, im iahr 1640. am 24. Novemb. dienẽ muͤſſen. Hier wird zugleich deſſen hochadelichen ſtam̃-hauſes muͤſ - ſen erwehnung gethan werden, ob es ſchon uͤ - berfluͤßig ſcheinen moͤchte, da daſſelbe bereits durch die laͤnge der iahre, zu eins von den aͤl - teſten, und durch die menge tugendhafter ah - nen, zu eines von den anſehnlichſten unter den hochadelichen haͤuſern dieſes landes gemacht, und alſo ſattſam ruͤhmlichſt bekannt worden. Jn demſelben zehlen ſich zu vaͤterlicher linie un - ſers hochſeel. verſtorbenen, ſein herr vater Hans v. D. (tit. tot. ) die frau mutter Maria Sophia von Rixleben, (tit. gentis) der herr groß-vater Otto v. D. (tit, tot. ) die[f]rau groß-mutter frau Eliſabeth v. Pflugin, ꝛc. der herr aͤlter-vater herr Hans v. D. ꝛc. die frau aͤlter-muter frau Catharina v. Pflu - gin, ꝛc. Zu der muͤtterlichen ſeite zehlen ſich, der herr groß-vater Georg Friedrich von Rix - leben, ꝛc. Die frau groß-mutter Fr. Agnes von Einſidel, ꝛc. Der herr aͤlter-vater Cor - nelius v. Rixleben, ꝛc. Die frau aͤlter-mut - ter Frau N. von Breitenbach, ꝛc. So hatte das abſtammen von fuͤrtreflichen ahnen, und das anſehen ſeiner hochadelichen eltern, ihn be - reits von vielen andern unterſchieden. Allein die leibliche geburt war nicht geſchickt, ihn von der gemeinſchaft unwiedergebohrner abzuſon - dern, und zu einem mitglied derienigen zu ma -chen,451und politiſchen reden. chen, welche da ſie den geiſtlichen adel haben, in der that den hoͤchſten adel beſitzen. Dannen - hero war die erſte ſorge ſeiner hochadelichen el - tern eine h. ſorge, ihn nemlich durch die h. tauffe aus dem unſeeligen ſtande, in die gemein - ſchaft der kinder Gottes zu verſetzen, zum denck - mahl deſſen wurde ihm der nahme Otto Frie - drich beygeleget. Wer den tugend-weg zu betreten angefangen, und ſich bereits unter die zahl der nachfolger Chriſti einſchreiben laſſen, braucht nichts ſo noͤthig, als eine gute erkaͤnnt - niß des rechten weges, und eine ſattſame un - terſcheidungs-kraft des wahren von dem fal - ſchen. Die hochadelichen eltern bemuͤhten ſich alſo alles ernſts, dieſe zarte pflantze zu ei - ner ſolchen vollkommenheit zu bringen, darinn ſie mit wachſenden iahren beſtaͤndig bleiben, und ſich von der unbeſtaͤndigkeit der eitlen ab - ſondern moͤchte. Doch kaum hatten ſie einen rechten anfang ihrer heiligen bemuͤhung ge - macht, als ein fruͤhzeitiger todt bereits darinn aufzuhoͤren, ihnen auferlegte. Denn die hoch - adeliche Frau mutter wechſelte das ewige mit dem zeitlichen, da ſie kaum ſechs iahr ihr theu - reſtesp pfand, mit einer mehr als muͤtterlichen vorſorge, gefuͤhret, und der Hr. vater folgete ihr zwey iahr hernach. Die zarte iugend unſers hochſeel. verſtorbenẽ herrn v. D. beweinete da - mahls das abſterben ſeiner ſo vielgeliebten el - tern mit kindlichen thraͤnen, wuͤrde aber, bey mehrern zuruͤckgelegten iahren, mit der zaͤrte -F f 2ſten452von allerhand ſchul -ſten empfindlichkeit, weit heftiger ſolches ge - than haben, wenn nicht die getreue vorſorge Carls v. D. (tit. tot. ) den durch doppelten trauer-fall erſchreckten hochſeel. in ſeine auf - ſicht genommen, und biß in das 18. iahr, in denen anfangs-gruͤnden der vernunft und ſchrift, auch anderer hochadel. wiſſenſchaften, haͤtte unterrichten laſſen. Denn hieſelbſt fand er dasienige, was ihm, durch den hintritt ſeiner hochſeeligen eltern, war entzogen worden. Hier legte er den grund zu demienigen, welches ei - nem nicht nur vom gebluͤte, ſondern auch gemuͤ - the edelgebohrnen zukommt, wozu ſeine hoch - adeliche eltern, nur den erſten ſtein beygetra - gen hatten, und nachdem der grund wohlgele - get, konte er ſicher darauf zu bauen ſuchen. Es iſt bekannt, das frembde laͤnder beſehen, vieles zu der vollkom̃enheit eines cavallieꝛs darreichen kan, allein nuralsdann wann man in ſeinem ei - genen vaterlande wohl und kluͤglich zu leben gelernet. Unſer hoch-ſeel. Herr v. D. hatte die regeln kluger auffuͤhrung zu hauſe wohl auszuuͤben gewuſt, deßwegen wurde auch ſein Herr vormund bewogen, ihn in die entfern - ten laͤnder zu ſchicken, um ſelbige auch an an - dern oͤrtern zu zeigen und vollkommen zu ma - chen. Er gieng alſo in die vereinigte Nieder - lande, beſahe ſelbige, und ſetzte ſich in Mathe - matiſchen wiſſenſchaften feſte, damit er von dar etwas nuͤtzliches zuruͤck braͤchte. Wie er denn auch darinn nachgehends, noch im alterſeine453und politiſchen reden. ſeine beluſtigung geſucht, und durch viele ver - fertigte riſſe, ſeine erkaͤnntniß in der bau - und befeſtigungs-kunſt, zur gnuͤge bewieſen. Jn Engelland hat er ſich zwar nur 4. monath aufgehalten, allein ſeine geſchicklichkeit konte durch die kuͤrtze der zeit nicht verhindert wer - den, auch daſelbſt die Engliſche ſprache wohl zu faſſen, welche er nachgehends in leſung der ſchoͤnſten Engliſchen buͤcher zu ſeinem vergnuͤ - gen angewendet, auch ſelbige wohl geredet. Von da begab er ſich nach Franckreich, all - wo er ſprache und uͤbungen, um welche allein andere dieſes reich beſuchen, ſehr wohl gefaſ - ſet, daß er beydes hernach im vaterlande ge - ſchickt anzubringen gewuſt. Nachdem er aber nun ſeinen ruͤhmlichſt-fuͤrgenommen zweck voͤllig erhalten, hat er ſich wieder nach hauſe verfuͤget, die vaͤterlichen guͤter in beſitz genommen, und ſolche in kurtzer zeit in weit beſſern ſtand geſetzet, als er ſie gefunden. Die - ſe aber mit tuͤchtigen beſitzern, ſich ſelbſt, mit, in ſeine fußſtapffen tretenden, erben zu verſorgen hat er ſich vermaͤhlet mit Fr. Urſulen v. Schi - ckau, ꝛc. Und ob er zwar nicht mehr, als eine Fꝛl. Tochter gezeuget, ſo iſt doch ſeine ehe nicht we - nig begluͤckt und vergnuͤgt geweſen. Dieſe hat er an den Hoch-wohlgebohrnen Herrn Joh. Adolph von Ponickau (tit. tot. ) vermaͤh - let, und auf dieſer ehe hat der vaͤterliche ſee - gen geruhet, daß man neun angenehme ehe - pfaͤnder aus ſelbiger geſehen, wovon 4. dem hrn. groß-vater vorangegangen in die ewig -F f 3keit,454von allerhand ſchul -keit, 5. aber noch am leben, als 4. herren ſoͤhne und eine fraͤulein tochter. Am meiſten haben wir urſach, der gottesfurcht des hoch - ſeel. bey ſeinem erblaßten coͤrper, uns zu erin - nern. Denn dieſe iſt eine ſo fruchtbare mut - ter, daß, wer dieſelbe beſitzet, zugleich fuͤr ei - nen beſitzer der uͤbrigen tugenden mit recht ge - halten wird. Sie leuchtete darinn herfuͤr, daß er mit der groͤſten ſorgfalt nicht nur oͤf - fentlich die verſammlung der glaͤubigen be - ſuchte, ſondern auch ſein gantzes hauß zu glei - chem eyfer anhielte. Die diener des Hoͤch - ſten hoͤrete er nicht nur alſo oͤffentlich mit nu - tzen, ſondern ſuchte auch in geheim, aus hertz - licher geneigtheit zu ihnen, mit ſelbigen um - zugehen, und aus dieſem umgange ſich zu er - bauen. Die fruͤchte davon waren eine ey - frige bemuͤhung, alles in dem nahmen goͤttli - cher maieſtaͤt anzufangen, und die ſeegen-rei - che hand derſelbigen, bezeugte mit erwuͤnſch - tem ausgange, worauf ſeine verrichtungen an - gefangen. Seine geſchicklichkeit war ein mittel, welches die gnade groſſer Herren der - maſſen auf ihn lenckte, daß ſie oͤfters geſuchet, ſich ſeiner klugen erfahrung, in allerhand com - mißionen, ia gar in hohen ehren-ſtellen zu des gemeinen beſten zu gebrauchen. Nun hat er zwar dieſe allezeit mit der groͤſten klugheit von ſich abgelehnet, allein in ienen um ſo viel mehr zu verſtehen gegeben, daß er zwar ent - ſchloſſen, in ſeinem ſtande GOtt und dem naͤchſten zu dienen, aber doch vermoͤgen undwillen,455und politiſchen reden. willen habe, auch oͤffentlich die wohlfahrth des gemeinen weſens zu befoͤrdern. Man hat dieſes auf denen allgemeinen land-taͤgen wahrgenommen, und um eben dieſer urſache willen, gar zeitig ihn zu einem hochanſehnli - chen mittglied des weitern, hernach des en - gern ausſchuſſes aufgenommen. Jn beyden wird man ihm, den ruhmwuͤrdigſten nahmen eines aufrichtigen patrioten, iederzeit beyle - gen. Die von hohen haͤuptern ihm aufge - tragenene verrichtungen ſind niemahls, ohne begluͤckter erhaltung des geſuchten endzwecks, von ihm zu ende gefuͤhret worden. Zu hauſe aber hat er ſich alſo gewieſen, daß haͤnde und vermoͤgen, fuͤr unrecht erworbenen gute ſtets verſchloſſen, arme, kirchen und ſchulen hinge - gen zu bereichern, allezeit eroͤfnet geweſen. Alſo beweinen nunmehro, ſein obwohl ſeeligſtes abſterben, nicht nur iene, ſondern fuͤrnehmlich ſeine unterthanen, welche bey ihm erwuͤnſchten rath und huͤlfe niemahls veꝛgebens geſuchet ha - ben. Wir wolten ein mehrers erzehlen, doch da der todt die wuͤrckliche fortſetzung eines ſo loͤblich gefuͤhrten wandels unterbrochen, mit nichten aber deſſelben glantz verloſchen, ſo ſind wir gleichfalls genoͤthiget, unſere erzehlung zu ſchlieſſen, und mit wenigen ſeines hochſee - ligen abſchieds zu gedencken. Jn ſeiner le - bens-zeit hat er die ſchmertzhafteſten kranckhei - ten uͤberſtanden, und iſt inſonderheit vom po - dagra ziemlich beunruhiget worden, doch iſt ietzo die todes-urſache maraſinus ſenilis cumF f 4cum456von allerhand ſchul -febri lenta geweſen, welche auch vermocht das band der ſeelen und des leibes zu trennen, am 14. februarii nachmittags um 4. uhr. Davon der Hoͤchſte, die zum ſterben, durch genieſſung des h. abendmahls und andaͤchti - ges gebet, wohl bereitete ſeele zu ſich gezogen, der erblaſte leichnam aber dem Hoch-adeli - chen begraͤbniß anvertrauet, nachdem beyde ſo lange beyſammen gewohnet, daß das leben unſers hoch-ſeel. O. F. v. D. auf 76. jahr, 2. monath, und 20. tage geſtiegen. Uns iſt bey ſeiner geburt, die erinnerung unſers vergan - genen eingangs zum irdiſchen leben; bey ſei - nem lob-wuͤrdigen lebens-wandel, eine fuͤr - ſtellung und unterſuchung unſeres eigenen ge - genwaͤrtigen weſens und wandels gegeben; und endlich bey ſeinem erblaſſen, ein blick in unſern zukuͤnftigen ſarg uͤbrig gelaſſen wor - den, dazu der HErr der heerſchaaren uns ſelbſt unſer hauß beſtellen helfe, auf daß wir die verklaͤrte ſeele des hochſeel. Herrn v. D. in iener frohen ewigkeit in der hand GOttes antreffen, und unſere leiber gleich dem ſeini - gen eine ſanfte ruhe in dem ſchooß der erden finden moͤgen.
§. 6. Parentationes ſind politiſche reden, welche man bey beerdigung eines verſtorbe - nen haͤlt, um denſelben bey denen zuhoͤrern in gutes andencken zu ſetzen, und denen leichen - begleitern zu dancken. a)Solche recht zu verfertigen, muß man zufoͤrderſt den lebens - lauf durchgehen, darnach das lob, die bedau -rung457und politiſchen redenrung, den troſt, und den danck an die leichen - begleiter, abmeſſen und einrichten,b) endlich entweder das thema naturale oder artificiale ordentlich diſponiren, ſo daß dieſes uͤberall auf den verſtorbenen wohl appliciret, und der an - fang mit einer guten meditation gemacht wer - de,c) und letzlich den ausdruck mit der aus - arbeitung nach den umſtaͤnden angenehm und artig einrichten, wozu die gegebenen regeln ſchon hinlaͤnglich.
Die geburt ſtellet uns alle auf den ſchauplatz der unterwelt, das leben macht uns alle da - ſelbſt zu ſpielenden perſonen, aber die noth - wendigkeit zu ſterben, heiſſet uns alle beſchlieſ - ſen. Da uns nun geburt und leben etwasſinn -459von politiſchen redenſinnliches ſchencken, hingegen der todt uns al - les deſſen beraubet, ſo iſt es kein wunder daß der menſchlichen natur, nichts ſo erſchrecklich und unertraͤglich fuͤrkommt, als eben die nothwendigkeit zu ſterben. Jedoch wann man die ſache nach der wahrheit unterſuchet, ſo muß man geſtehen, daß eben dieſe noth - wendigkeit, mehr angenehmer, als fuͤrchter - lich ſeyn muͤſſe, und daß der todt, zumahl bey tugendhaften, mehr den nahmen einer geburt und des anfangs zum leben, als des todes und endlichen beſchluſſes unſerer jahre verdiene. Es iſt bekannt, daß die allerfuͤr - treflichſten artzeneyen, die allerkoſtbarſten din - ge, durch nichts anders gezeuget werden, als durch den todt. Die taͤgliche erfahrung leh - ret, daß leute, welche dem gemeinen weſen noch ſo fuͤrtreflich gedienet, welche ihrem ne - ben-menſchen noch ſo vernuͤnftig, chriſtlich, und aufrichtig begegnet, dennoch nicht ſon - derlich geachtet, beneidet, und bald auf dieſe bald auf eine andere weiſe verfolget werden. Kaum aber legen ſie ſich auf das ſterbe-bette, ſo faͤngt man an ſie zu bedauren, der neid zieht gantz beſchaͤmt zuruͤcke, und alle angeſtellte verfolgungen fallen auf ihre eigne anſtifter zuruͤck. Denn ſo lange ſie leben, ſind ihre verdienſte in etwas eingehuͤllet, welches in die aͤuſſerlichen ſinne foͤllet, und vielleicht mit vie - len ſinnlichen ſchwachheiten vermiſchet iſt. Nimmt aber der todt dieſe huͤlle hinweg, ſodringen460von allerhand ſchul -dringen allein die verdienſte, und beſondere gute eigenſchaften ſolcher leute, in das gemuth anderer, woſelbſt ſie etwas ihnen aͤhnliches ſuchen und finden, und auf die weiſe fangen tugendhafte erſt an zu leben wann ſie ſterben. Ach wie ſehnlich wuͤnſchet doch ein unſterbli - cher geiſt, daß ihm durch den todt die thuͤr zum leben moͤge aufgethan werden, wann er er - weget, wie viel tauſend verhaſte ungluͤcks faͤl - le, ihm den weg zur zeitlichen gluͤckſeeligkeit enge machen, und mit diſteln und dornen be - ſaͤen, wann er bedencket, wie ſo gar leicht auch das bereits eriagte kleinod zeitlicher gluͤck - ſeeligkeit, ihm aus den haͤnden koͤnne gewun - den werden Sie allerſeits H. und h. anwe - ſende wiſſen als chriſten, daß das ſterben nichts anders ſey, als ein gang zu der unſterblichkeit und daß wir eben deswegen daß verweßliche ablegen, damit wir das unverweßliche in der ſeeligen ewigkeit anziehen moͤgen, und alſo werden ſie mit mir einſtimmen, daß ein ſterbli - cher menſch durch den todt, zu einen glorwuͤr - digen, ſicherern, ia ewigen leben, wiederge - bohren werde. Dieſe gedancken habe bereits zu anderer zeit geheget, daß ich aber ſelbige ietzo in dero hochgeſchaͤtzten verſammlung er - oͤffne, dazu giebt mir dieienige pflicht gelegen - heit, welche uns anietzo befiehlet, zu guter - letzt, des hoch - und wohl-edlen hoch - und wohlgelahrten Herrn, Herrn Johann Jm - manuel Muͤllers der Philoſophie Magiſtri,und461und politiſchen reden. und der gottesgelahrtheit beflieſſenen, chriſt - liches und ruhmwuͤrdiges andencken, in einen leichenbegaͤngniſſe zu verehren. Jch habe an den ſeelig - verſtorbenen kein todtes, ſondern vielmehr ein lebendiges exempel, deſſen was ich zuvor angefuͤhret, daß nemlich der zeitliche todt kein todt, ſondern vielmehr eine geburt zu einem neuen leben zu nennen ſey. Wir wer - den hinfuͤhro an den ſeelig-verſtorbenen ge - dencken als an einem menſchen, welcher zwar durch die geburt von ehrlichen eltern ein ſterb - liches leben, aber durch den todt ein unſterb - liches erhalten. Wir erinnern uns deſſelben, als eines vernuͤnftigen menſchen, welcher ſich im leben ſo viel moͤglich, nunmehro aber durch das abſterben, vollkommen von der eitelkeit abgeſondert. Der ſich iederzeit, durch die erkaͤnntniß ſeiner ſchwachheit mehr vollkom - men gemacht, als daß er durch eine ſchwuͤlſti - ge fuͤrſtellung ſeiner verdienſte und praͤſumti - on von ſich ſelbſt ſich in ein thoͤricht nichts haͤtte verwandeln ſollen. Wir ſtehen bey ſeinem grabe als den ruhe-kaͤmmerlein eines chriſten, der hier in der zeit, mehr die nahrung fuͤr ſeine ſeele geſuchet, und ſeinen leib caſtey - et, als den alten adam gepfleget, und den neuen menſchen verſchmachten laſſen; eines chriſten, deſſen ſtiller und eingezogener gott - gelaſſener wandel ihn mehr unter die zahl der ſtillen im lande und gott angenehmen ſeelen verſetzet, als in den wirbel der ſchwaͤrmendenwelt -462von allerhand ſchul -welt-kinder hingeriſſen; eines chriſten, der hier den befleckten rock des fleiſches abgeleget, und an dieſen orte, nunmehro ſeine verweßli - che kleider verwahren laͤſſet, weil er bey der hochzeit des lammes in Chriſti blut und gerech - tigkeit bekleidet, ſich einſinden muͤſſen. Wir haben von ihm ein bild in unſerm gedaͤchtniß, als eines beflieſſenen der gottes-gelahrheit, welcher den kern der goͤttlichen weißheit, mehr in einer lebendigen ausuͤbung, als in einer uͤ - berſteigenden betrachtung, geſuchet. Wir verehren endlich ſein andencken, als eines Magiſtri der gelehrſamkeit, welcher es dahin gebracht, wohin wenig ſtudieꝛende gedencken, die allerwenigſten kommen, nemlich daß er mit dem geſamleten ſchatz aͤchter gelehrſamkeit, Gott, andern, und ihm ſelbſt dienen koͤnnen. Da wir wiſſen, daß er damit bereits maͤn - nern, welche unſere Philyrea, als theure lehrer hochhaͤlt, und ſeinem vaterlande gedienet, auch den buͤcher-ſchatz einer hochloͤblichen uni - verſitaͤt, zum theil beſorget. Alles dieſes hat man mehrentheils bey des ſeelig-verſtorbenen lebzeiten gewuſt, aber man hat es verſchwie - gen, da es theils die beſcheidenheit des wohl - ſeeligen nicht erlaubt haͤtte zu ſagen, theils, da man ſich ſelten muͤhe giebt, ein gegenwaͤrtiges gut, wegen dẽr aͤuſſern ſchale darunter es ſteckt, zu unterſuchen, biß man genoͤthiget wird, wenn der todt die aͤuſſern huͤlſen zubricht deſſen fuͤr - trefflichkeiten zu erkennen. Nunmehro da er erblaſſet, lebet nicht nur der unſterbliche geiſtin463und politiſchen reden. in der unbegreiflichen freude der ſeeligen e - wigkeit, ſondern es wird auch das andencken des wohlſeeligen herrn M. bey ihnen allerſeits h. und h. A. und bey denen die ihn kennen hinfuͤhro leben. Jedoch, es iſt dieſes anden - cken mit etwas unangenehmen verknuͤpfet, fuͤr dieienigen, welche dabey ſich erinneren, was ihnen entzogen. Es iſt durch ſein ab - ſterben, ein aufgehender ſtern ſeiner familie, verdunckelt. Die republick hat ein nuͤtzliches mitglied verlohren, welches derſelben vielleicht wichtigere fruͤchte in der ſtille gebracht haͤtte, als dieienigen, welche μεταπολλης φαντασιας unſere augen blenden, und doch wohl unwiſ - ſenheit und den unflat der laſter in guͤldenen oder chryſtallinen gefaͤſſen herum ſchleppen. Die zahl der zukuͤnftigen arbeiter in Chri - ſti weinberge, und unſere geiſtliche redner-ge - ſellſchaft, hat einen aus ihren mittel ein - gebuͤſſet. Demnach werden die bekuͤmmer - ten freunde, die betruͤbten angehoͤrigen, wer fromme und gelehrte leute recht zu ſchaͤ - tzen weiß, freylich den verluſt bedauren, wel - cher ſie durch den ſeeligen hintritt des herrn M getroffen hat, und ſie verlangen vielleicht lieber, ſelbigen zu ſehen, als an ihn zugeden - cken. Allein wie der magnet ſeine kraft ver - liert, wann er mit einem diamant verbunden, alſo glaube ich werde die ſehnſucht und das verlangen der betruͤbten leidtragenden, nach den wohlſeeligen, ſich ſtillen, mithin dieſes be -kla -464von allerhand ſchul -klagen ein ende nehmen, wann ſie erwegen, was fuͤr ein unſchaͤtzbares kleinod dem wohlſeeligen beygeleget worden. Die ſterne leiden keine verdunckelung, und dieſen ſtern, welcher ietzo den aͤuſſerlichen ſinnen nur entzogen worden, werden wir dermahleinſt in groͤſſerer klarheit ſehen, wann wir in ienem leben, wie auser - wehlte ſonnen leuchten. GOtt wird die ab - gefallene bluͤte, mit reiffen fruͤchten erſetzen. Der Herr des weinberges, wird es an treuen arbeitern nicht fehlen laſſen. An ſtatt daß der wohlſeelige, hier in unſerer geſellſchaft nur lallen lernen, von den guͤtern der unerſchoͤpfli - chen quelle alles reichthumes, wird er anietzo den fuͤrtreflichſten lob-redner derſelben voll - kommen fuͤrſtellen. Und wenn man auch den ſeelig verſtorbenen, aus der unſterblichkeit wieder zuruͤck rufte, wuͤrde man in der that wieder die regeln der wahren klugheit und freundſchaft handeln, denn man wuͤrde ihn aus den leben wieder in todt zuruͤck ziehen, und wieder ſterben heiſſen, man wuͤrde mehr auf ſeinen nutzen, als das vergnuͤgen des wohl - ſeeligen dencken. Alſo wollen wir vielmehr, dem unſterblichen geiſt, die gluͤckſeeligkeit des ewigen lebens goͤnnen. Wir wollen vielmehr ſein andencken bey uns ruhmwuͤrdig, als be - truͤbt ſeyn laſſen. Sein ſtilles weſen, ſeine demuth und was er gutes an ſich gehabt, ſoll uns zum exempel dienen und ſein uͤbergang in die unſterblichkeit der kuͤnftigen nachfolge er -innern.465und politiſchen redeninnern. So wird er dann zu bekraͤftigung deſſen, was ich anfaͤnglich behauptet, da er er - blaſſet, uns nicht als ein todter, ſondern le - bendiger im gedaͤchtniß bleiben. Dero aller - ſeits anſehnliche verſammlung h. u. h. anwe - ſende, ia dero hochgeneigte aufmerckſamkeit bezeuget, ich habe die wahrheit geredet, wann ich gemeint, der wohlſeelige herr M. M. ſey durch den todt zum leben wiedergebohren, und es muͤſſe vielmehr der todt, von tugend - haften zumahl, unter den nahmen einer neuen geburt, fuͤr etwas angenehmes, als bitteres gehalten werden. Da ſie nun zugleich ihre hochachtung hiebey, gegen den wohlſeeligen herrn M. und deſſen betruͤbte angehoͤrige hie - mit an den tag geleget, ſo ſind ihnen dieſelben fuͤr dieſes zeichen Dero gewogenheit, und ich fuͤr Dero guͤtigen beyfall unendlich verbunden. Sie und ich werden uns gluͤcklich ſchaͤtzen, weñ wir ihnen h. u. h. anw. die fruͤchte unſerer er - kaͤnntlichkeit, als wohlſchmeckend und ange - nehm, gluͤckwuͤnſchend und nicht als bittere ſchlehen uͤberlieffern koͤnnen. Jch verlaſſe dieſen ort, wann ich zuvor dem wohlſeeligen herrn M. zum lebendigen denckmahl, folgende grabſchrift beygefuͤget:
§. 7. Die beſchaffenheit der uͤbrigen reden, welche bey denen ſolennitaͤten des hofes und der republicken fuͤrkommen, lernet man am beſten aus denen exempeln, welche herr Luͤnig zuſammen getragen, unter dem titul: Groſſer herren, vornehmer miniſter, und anderer be - ruͤhmten maͤnner gehaltene reden. a)Ja eben dieſem fleißigen manne, haben in dieſem ſtuͤck, die Politici wann ſie Lateiniſch perori - ren,b) oder auch nur die ſprache des Teut - ſchen reichsc) verſtehen und lernen wollen, die groͤſte verbindlichkeit. Jn denen erwehn - ten reden findet man von gluͤckwuͤnſchungs - empfah-bewillkommungs-lob-reden, die exem - peld) Tom. I. Frieſens, Beichlings, Alvens - lebens, Bodenhauſens, Roſenhahns, Fuchs, Huldeberg, Leſts, Kuͤhleweins, Sittingers, Bernſteins, Kochens, von Baudiß, Tieffen - bachens, Salla, Fockhi, Senft von Pilſach, III. Seckendorfs, Gersdorfs, Nieſemeuſels, Schertzers, Borns, Rochaus, V. Ritters, einiger Frantzoſen (als des Flechier) Pohlen und Engellaͤnder, Noſtitzens, Oberlaͤnders, Fabricii, VII. Oxenſtirns, Pritii, Boͤhmers, Koͤnigsdorfs, Voigts, Riembergs, Schrey - vogels, Bergues, Schroͤers, Boͤttigers, Gundlings, Riemenſpergers, Haldens,Orths467und politiſchen reden. Orths, VIIII. Schlevogts, Ancillons, Kot - tulinsky, Liths, Riembergs, Huldenbergs, Schweinitzens, Jerins, Venedigers, Pauli, Schluͤtterns, Teckmanns, Hallmanns, XI. Flemmings, Canitzens, Unverfaͤhrts, Re - chenbergs, Menckens, Degenfelds, Peils, Alefelds, Becks, und anderer.
§. 8. Von vermaͤhlungs-geburts - und ge - vatterſchafts-reden trift man exempel an im Tom. I. II. von Stein, Frieſen, Schwerin, Perband, Leſt, Opel, Alvensleben, III. Ein - ſiedel, Kuͤhlewein, Huldeberg, Niemen, Treuer. V. Fabricii, Obernitz, VII. Hulde - berg, VIIII. Zeitzken, Cramm, Bredelo, XI. Flemmingen, Canitzen, und andern.
Jndem es unſere ſchuldigkeit erfordert, der weyland (tit. tot.) Fraͤulein N. N. ihr letz -G g 2tes468von allerhand ſchul -tes ehren-gedaͤchtniß zu begehen, nachdem die - ſelbe ſich in verwichener nacht mit dem (tit. tot. ) herrn N. N. in eine ſcharffe rencontre einge - laſſen, und dabey ſo ungluͤcklich geweſen, daß ſie daß alleredelſte und koſtbahreſte was ſie ge - habt, eingebuͤſſet; So wird mir hoffentlich erlaubet ſeyn, meine wenige gedancken, ſo mir bey dieſer begebenheit beygefallen in etwas zu eroͤfnen. Sonder allen zweiffel hat wohl nichts anders, als die liebe dieſen unſchaͤtzba - ren und unerſetzlichen verluſt verurſachet, da - bey iſt mir eingefallen, ob nicht die liebe mit dem kriege vollkommen veꝛglichen werden koͤn - te. Wann uͤberhaupt der krieg mehr erfah - rung als wiſſenſchaft erfordert, ſo bin ich vor - aus verſichert, daß beyde verliebte dieſe nacht mehr empfindung werden gehabt haben, als ſie uns erzehlen wollen. Will der krieg mit groſſer application gefuͤhrt ſeyn, und erfordern inſonderheit die belagerungen ſehr groſſe bemuͤ - hung, hilf himmel wie ſauer wird es unſerm neuen paar worden ſeyn, er geſtehe mir nur offenhertzig neuer herr ehemann mit was gro - ſer muͤhe er approchiret hat, bis er die trenche - en, eroͤffnen koͤnnen, wie vielmahl er avan - ciret iſt, und wie vielmahl er repousſiret wor - den, auch man ihn zugeruffen, runde vorbey. Es iſt aus denen geſchichten des vorigen ſeculi bekannt, daß in dem Niederlaͤndiſch. kriege die Spanier den tapfern Naßauiſchen Printzen Mauritium ſpott weiſe den A. B. C. ſchuͤtzengenen -469und politiſchen redengenennet, nachdem er ihnen aber nach der zeit eine feſtung nach der andern eingenommen, ließ er ihnen wieder zum poſſen das a. b. c. auf ſeine ſtuͤcke gießen, und fragte wie ihnen dieſes gefiele? Unſere neue junge frau wird ausder erfahrung am beſten zu ſagen wiſſen, ob ſie dergleichen A. B. C. ſchuͤtzen in der liebe vor ſich gehabt, oder ob ſie chamade geſchlagen und capituliret habe. Man ſolte zwar ver - muthen, wir wollen es ihr auch zu trauen, ſie werde das ihr ſo theuere anvertraute kleinod aufs euſſerſte defendiret haben, ja ſich erinnert haben, daß ſie eines braven Generals toch - ter und eines groſſen Capitains niece ſey, und aus einem hochberuͤhmten geſchlechte herge - kommen, welches ſich jederzeit vor andern durch tapfere actiones diſtinguiret, und ſeinen feinden nur einen ſchritt zu weichen, niemahls gewohnt geweſen, allein was thut die liebe nicht, und ſie wird auch ihres orts nunmeh - ro bekennen muͤſſen, was der groſſe koͤnig Guſt: Adolphus von ſich zu ſagen pflegte, daß ſie eine eiſerne ſeele in einen glaͤſernen und alſo zerbrechlichen leibe getragen hat. Jſt ferner bey dem krieg groſſe gefahr auszuſtehen, ſo wird auch dieſes neue paar uns ſo viel davon vorzuſagen wiſſen, daß man ihnen wohl zu - ruffen moͤchte: Dulce bellum in expertis Entweder er hat roſen brechen wollen, ſo iſt er ſonder zweiffel geſtochen worden, oderG g 3er470von allerhand ſchul -er hat ſich als einen liebhaber der inſtrumental muſic aufgefuͤhrt, ſo wird er entweder was vor ſich gefunden haben, das gleich einen thon und geſchrey ſo bald man es anruͤhret, giebet, und beyde werden ihm dieſe lection geben: Noli metangere. Sie aber die neue frau welche etwas verlohren, das ſie niemahls wieder bekommen wird, kan nunmehro mit recht einem glaſe verglichen werden, daruͤber jener die bedencklichen worte ſchrie - be: Dum tangitur frangitur Dum con - cipit concidit Dum generat degenerat. Jedoch es iſt nunmehro geſchehen, und gleich wie der krieg einer beſtaͤndigen abwechſelung des gluͤcks unterworffen iſt, alſo hat ſich auch bey ihnen eine ſolche veraͤnderung zu ge - tragen die mit nichts in der welt erſetzt werden kan: Sollen wir dieſen verluſt nicht ſchmertz - lich beklagen, doch Rerum irreparabilium felix oblivio, gluͤckſeelig iſt, der da vergiſt, was nun nicht mehr zu aͤndern iſt. Wir wollen vielmehr die entſeelte von der wahl - ſtadt zu ihrer ruhe bringen, und uns dabey der eitelkeit, nichtigkeit und vergaͤnglichkeit aller ding, ewelche mehrentheils in der menſch - lichen einbildung beſtehen, erinnern, dem hei - ligen vater in Rom ſeine bey der kroͤnung ge - woͤhnliche aſche abborgen, dieſelbe auf dieſe iungferſchaft ſtreuen, und auf ihr grabmahlſetzen:471und politiſchen redenſetzen: Sic transit gloria mundi. Wir wollen uns aber auch damit troͤſten, daß wir zwar geſtern ein fraͤulein verlohren, aber heute eine junge frau wieder gefunden haben, und daß aus dieſer aſche ein neuer phoͤnix auf ſtehen, und ſie jenem gewaͤch - ſe in Weſt-Jndien gleich ſeyn werden, welches nach untergangener ſonne die ſchoͤnſten bluͤten hervor zu bringen pfleget: Wie dann vor ei - ner halben ſtunde unſerm groſſen Capitain das gluͤck wiederfahren, daß er zugleicher zeit hochzeit und kindtauffe machen kan, worauf man appliciren moͤchte: Unius corruptio eſt alterius generatio. Wo eine iungfer - ſchaft vergeht, bald eine neue auferſteht.
Nicht ohne beſondere verwunderung habe ich verwichene nacht wahr genommen, daß eben zu der zeit, da vermuthlich das treffen am hitzigſten geweſen, ein groſſer ſturm entſtanden, welcher aber ſo fort mit einem ſanften und fruchtbaren regen begleitet worden, zu einer gluͤckſeeligen vorbedeutung daß unſer ne ues paar mit vollen und favorablen wind ihre ſeegel ſtreichen, in den hafen der gluͤckſeelig - keit einlauffen, und mit fruchtbaren re - gen befeuchtet werden ſoll, welches dann der guͤtige himmel nebſt 1000. andern ihnen an - gewuͤnſchten gluͤckſeeligkeiten erfuͤllen wolle. G g 4Nur472von allerhand ſchul -nur rathe ich, mein lieber junger Hr. ehemann wolle ſich zwar nicht auf einmahl aus den oden fechten, dabey aber wohl erinnern, daß er in ſeinem wapen eine gerſten-aͤhre fuͤhre, welche wann ſie gut wachſen und hervor kaͤumen ſoll, das erdreich fleißig und wohl nicht aber nur quatember-weiſe beduͤnget und beſtellet wer - den muß. Denen theureſten eltern von beyden theilen, wuͤnſchen wir, daß ſie vor dieſe liebe kinder und kindes-kinder viel alte thaler ſam̃ - len moͤgen, woraus ſie aus der erfahrung ſelbſt die worte ſagen koͤnnen: Wohl dem, der freude an ſeinen kindern erlebet. Unſern groſſen N. aber, qui nobis hæc otia fecit, ſagen wir davor gehorſamſten danck, und weil wir ſeine gewoͤhnliche und natuͤrli - che neigung mehr als zu wohl kennen, ver - moͤge derſelben er zwar groſſe dinge verrich - tet, deßwegen aber nicht gelobet ſeyn will, ſo will ich meinen wunſch kuͤrtzlich dahin con - centriren, daß gleichwie ehemahls einer von ſeinen anherren wegen ſeiner groſſen merite das licht von N. genennet wurde, alſo auch er das licht von N. mit wohl verdientem recht noch lange jahre bleiben, und dadurch ſein nahme und preißwuͤrdiges gedaͤchtniß bey uns verewiget werden moͤge. Jhnen allerſeits ſchoͤnen begleiterinnen, ſoll ich zwar im nah - men des neuen paares fuͤr dieſen letzten liebes - und ehren-dienſt gehorſamſten danck abſtat -ten,473und politiſchen reden. ten, darbey aber auch wohl meinend nicht verhalten, daß ſie nebſt mir ihren ietzigen zu - ſtand recht hertzlich beklagen, denn ob ſie wohl ſcheinen, dieſe niedergelegte unſchuld heimlich zu belachen, ſo koͤnnen ſie doch verſichert ſeyn, daß ihnen vielleicht gar bald ein gleiches be - gegnen werde. Jch nehme mir dahero die freyheit ihnen zu wuͤnſchen, das ihre bereits angegangene innerliche kriege, bald in eine dergeſtaltige offenbare flamme ausbrechen moͤgen, daß ſie zu der ihnen ſo hoch benoͤ - thigten ruhe gelangen koͤnnen. Ja wollen ſie mir nicht trauen, ſo belieben ſie ſich nur der worte zu erinnern, die ſie ſeit einigen jahren ſo fleißig geſungen haben:
Ehe ich aber noch dieſe ſtelle verlaſſe, muß ich zum wohl verdienten nach-ruhm, und nach wohl-hergebrachter gewohnheit unſerer wer - theſten Fraͤulein N. noch dieſe grab-ſchrift ſtellen:
§. 9. Huldigungs-Reichs-Kriegs-Land - Stifts-tags-reden ſind daſelbſt Tom. I. II. von Koͤnigen, Kochen, Jena, Schwerin, Bick, Seyffarthen, Fuchs, Schulenburg, Schardio, Cortreio, Muͤnchhauſen, Sy - dow, Born, Jacobi, Faͤrbern, Schleinitz, Bodenhauſen, Gersdorf, Hoͤrnigk, Haͤberl, Metternich, Martini, Schauern, Wallen - ſtein, Limbach, Oberg, Huldeberg, Calen - berg, Ahlemann, Boſen, Senfts, Schoͤn - berg, Kuͤhlewein, Alvensleben, Schmids, III. Leſt, Stegern, Gersdorf, Bergern, Pfautzen, Rotenburg, Zech, Ahlemann, Jmhof, Reventlau, Mylio, Troyer, Schra - der, Einſiedel, Windiſchgraͤtz, Meer, Loͤ - wenſtein, Stratemann, Bucelini, V. Eini - gen Frantzoſen, Engellaͤndern und Pohlen, Metternich, Winneberg, Bartholdi, Hul - deberg, Sintzendorf, verſchiedenen hohen, haͤuptern, VII. Heber, Riemenſpergern, Tonnauern, Wackerbart, Heiniſch, Wald - burg, Lamberg, Franckenberg, Schrey - vogel, Sanders, Schoͤnborn, Siegmann, Huldeberg, Schuͤtz, Goͤrne, Printzen,Sen -475und politiſchen reden. Senning, Oſtau, Wallenrad, Kurtzen, Reichenbach, Alemann, Oexel, Sintzen - dorf, Traun, einigen Engellaͤndern, VIIII. Thomaͤ, Zißler, Schemel, Zech, Huldeberg, Sintzendorf, einigen Frantzoſen und Engel - laͤndern, Harrach, XI. Arnim, Lyncker, Marſchall, Stein, Hauniſch, Harras, Ho - gius, Mylius, Canitz, Schlevogt, Sintzen - dorf, Harrach, ꝛc.
§. 10. Religions-Jntroductions-Regie - rungs-Juſtitz-Cammer-reden haben gehalten: I. Fuchs, Stoͤſſer, Berchem, Leſt, Valcke - nier, Jena, Schwerin, Windiſchgraͤtz, Schmidt, Seckendorf, Boſe, Helldorf, Koͤtteritz, Platz, Kuͤhlewein, III. Wylich, Muͤller, Schoͤnleben, Kuͤhlewein, Durrius, Gersdorf, Ducker, Steinbach, Wildhau - ſen, Alvensleben, Fabricius, Senft v. Pil - ſach, verſchiedene Durchlauchtigſte Prin - tzen, Einſiedel, Heldorf, Schmidt, Dieß - kau, Kuͤhlewein, Steger, Eſcher, Schoͤn - born, Schwartzenberg. V. verſchiedene Paͤbſte, Frantzoſen, Engellaͤnder, Portugie - ſen, Pohlen, Boſe, Taſſo, Eſcher, VII. Loͤ - ſer, Oſſelin, Printzen, Jablonsky, Gerhard Abt zu Loccum, Riemberg, Kuͤpfender, Senft, Kuͤhlewein, Jtaliaͤner, Frantzoſen, Engellaͤnder, John, Mertloch, Ponickau, Schreyvogel, Poͤllnitz, Canitz, Maͤyer, VIIII. Aidinger, verſchiedene Frantzoſen, Pabſt Clemens XI. Ebner, Loͤben, Calen -berg,476von allerhand ſchul -berg, Kaltſchmidt, verſchiedene Engellaͤnder, Flemming, Hartmann, XI. Canitz, Papſt Clemens XI. Poͤlnitz, etliche Frantzoſen, Al - than, Gersdorf, Schacher, Spohr, Falck - ner, Chriſt, Creutz, Seeligmann, Broͤſicken, Schuͤtz, Buͤnau, hohe Haͤupter ꝛc.
§. 11. Hof-Ritter-Staats-Kriegs-Ge - ſandſchafts-reden ſiehet man von II. Fuchs, Doͤlau, Jacob, Zehmen, Miltitz, Leſt, Op - pel, Valckenier, Heimburg, Dona, Brandt, Boſen, Trautmannsdorf, verſchiedenen Durchlauchten Haͤuptern, IIII. Schlieben, Schoͤnebeck, Fuchs, Reiboldt, Helldorf, Schoͤnleben, Leſt, Dießkau, Ebels-bach, Braſſer, Altheim, Heerwarth, etlichen Printzen, VI. Oppeln, Pernſtein, Pohlen, Frantzoſen, Jtaliaͤner, Engellaͤnder, den Sia - miſchẽ abgeſandten, Caunitz, Lichtenſtein, den Algierſchen abgeſandten, Lamberg, Jordan, Schweden, Daͤnen, von vielen Souverains, VII. Senft, Loſſen, Spanheim, verſchiede - ner Nationen Abgeſandten und Printzen. VIIII. Zanthier, XI. Wolframsdorf, Mar - ſchall, Boſe, Gersdof, einigen groſſen Prin - tzen, Engellaͤndern, Frantzoſen, Schweitzern, Jtaliaͤnern, Tuͤrcken, Moſcovitern, ꝛc.
§. 12. Die condolentz-lob-trauer-reden ſind abgelegt vom II. Canitz, Schmidt, Boſen, Leſt, Thomaſio, Wedeln, Nitzſch - witz, Oleario, IIII. Leſt, Koͤnigsdorf, Po - ſadowsky, Dießkau, Rondeck, Strauſſen,Len -477und politiſchen reden. Lentzen, Loſſen, Neitzſchtz, Koßboth, Huldeberg, Miltitz, Gersdorf, Born, Senft, Heidenreich, Rex, Sydow, Hof - mannswaldau, Lohenſtein, Graͤfen, Krantzen, Pritio, Pippingen, Neukirch, Boſe, (D. Auguſt) von Boſe, VI. Ritter, Buͤnau, Soͤlenthal, Lichnowsky, Planitz, bey gewaltſamen todes-faͤllen von verſchiede - nen, VIII. Eben dergleichen von verſchiede - nen, andere von Muͤllern, Franckenberg, Boͤhmern, Schwartzenfelß, Vettern. Hul - deberg, einigen Frantzoſen, Koͤnigsdorf, Clemens XI., Dewitz, Riemberg, Acken, Zanthier, Dießkau, X. Zetzke, Slevogt, Wentzel, Maͤyer (D. Joh. Friedr.) Proͤck, Boͤhmern, Zanthier, Neukirch, Jablonsky, Krakewitz, Haſſen, Boͤhmern, Leipzigern, Eiſenfeld, Spoor, Hallmann, Lange, Hu - nold, (Menantes) Born, Baudis, XII. Buͤ - nau, Nolten, Schramm, Koſchenbahr, Canitz, Bruͤmſe, ꝛc.
VOn Juridiſchen reden und ſchriften uͤberhaupt, §. 1. Von muͤndlichen reden der gerichts-perſo - nen, §. 2. Pflegung der guͤte, §. 3. Admonitionibus bey vernehmungen, iuramentis in cauſa civili, §. 4. Jn cauſa criminali, §. 5. Der zeugen vernehmung, §. 6. Von ſchriftlichen reden der gerichts-perſonen, cita -tioni -478von Juridiſchen redentionibus, notificationibus, huͤlfs, und immißions - praͤceptis, ꝛc. §. 7. Von regiſtraturen, §. 8. Eydes - notuln, §. 9. Zeugen und inquiſitional-artickuln, §. 10. Zeugen-rotulis, §. 11. Confrontations-puncte. §. 12. Urtheils-fragen, §. 13. Urtheilẽ, abſchieden u. weiſungen, §. 14, Berichten, §. 15. Subhaſtations-patenten, §. 16. Von muͤndlichen reden auf ſeiten der advocaten und partheyen, bey der guͤte, §. 17. Bey reden mit inqui - ſiten, §. 18. Von provocationibus, einbringen, ant - wort auf die klage, anbringung der exceptionen, pro - ſecution der leuterung, iuſtification der appellationen, §. 19. Zeugen-productiones, §. 20. Bey ſchwerungs - terminen, §. 21. Von ſchriftlichen reden der advoca - ten und partheyen, als contracten, §. 22. Klagen, ſuppliquen, denunciationibus, §. 23. De - und rela - tiones iuramentorum, §. 24. Beweiß, beſcheinigung, beybringen, zeugniß-artickel, interrogatoria, §. 25. Product-weiſe rechtliches verfahren, §. 26. Leutera - tionen, apellationen, §. 27. Defenſions-ſchriften, §. 28. Fragen zu informat-urtheilen und alten extra - hiren, §. 29.
§. 1.
UNter denen lebens-arten, welche einer vernuͤnftigen bredſamkeit am meiſten benoͤthiget, ſind ſonderlich die beyden hohen Facultaͤten, Jurisprudentz und Theo - logie, indem beyde, gantze ſtaaten mehrentheils mit worten regieren, und alles was dahin ge - hoͤret, ausmachen. Jch will von iener zuerſt gedencken, welche als eine klugheit angeſehen wird, ſolche mittel zu erfinden und anzubrin - gen, dadurch die ruhe der buͤrgerlichen geſell - ſchaft, nach den regeln der gerechtigkeit, er - halten werde. Doch vermeine ich nicht de -nen -479und ſchriften. nenjenigen lehren zu geben, von denen ich ſelbſt unterrricht bereitwilligſt anhoͤren wuͤrde, ſondern nur denen anfaͤngern, aus der Ora - torie, als einem ſtuͤck der univerſellen gelehr - ſamkeit, einige kleine erinnerungen mitzuthei - len, damit dieſer wiſſenſchaft kein eintrag ge - ſchehe.
§. 2. Der grund dieſer Facultaͤt iſt in dem Recht der natur, denen goͤttlichen und buͤrger - lichen rechten zu ſuchen, und alſo in der legali - taͤt. Die klugheit muß darauf bauen, und die gewohnheit hat zu genauerer beobachtung derſelben, die umſtaͤnde der zeit, der perſonen, und anderer dinge, in gewiſſe ſchranckẽ geſchloſ - ſen, das ſind formalia und fatalia, damit habe ich ietzo nichts zu thun. Aber die beredſam - keit iſt das mittel, dadurch alles dieſes ſeine kraft erlanget, denn da muß man theils muͤnd - lich, theils ſchriftlich reden, da muͤſſen theils richter theils partheyen und advocaten ihre worte fuͤrbringen.
§. 3. Das muͤndliche reden der gerichts - perſonen, iſt erſtlich bey pflegung der guͤte am noͤthigſten, da der richter entweder ex officio, oder auf anhalten einer parthey, beyde in der guͤte zu vergleichen ſucht. Mir deucht nachmei -480von Juridiſchen redenmeiner wenigen einſicht, daß hier das rechte mittel ſteckt, die proceſſe nicht nur zu verkuͤrtzen, ſondern gar zu verringern. Denn wer wuͤrde wohl ſich in einen weitlaͤuftigen pro - ceß einlaſſen,, wann ein beredter richter beyde partheyen fuͤr ſich foderte, ihnen die weitlaͤuf - tigkeit, koſtbarkeit, uͤble folgerungen, ungewiß - heit des proceſſes fuͤrſtellete, mittel zum ver - gleich fuͤrſchluͤge, ſie ſelbſt mit einander reden lieſſe, ihnen bedenckzeit gaͤbe iedem insgeheim, entweder die ſchwachen gruͤnde ſeines rechts, oder die ungewißheit des ausſchlags fuͤrbildete, doch ſo daß er ſich nicht in den verdacht der par - theylichkeit, oder den andern in groͤſſere animo - ſitaͤt ſetzte, wenn ſage ich ein beredter richter mit triftigen gruͤnden, pathetiſchen ausdruck, kurtz, deutlich, dieſes alles fuͤrtruͤge, ia zuweilen, wo es rechtens ſeine auctoritaͤt zu huͤlffe naͤhme, wer wuͤrde luſt haben zu proceßiren?
§. 4. Es reden ferner gerichts-perſonen bey vernehmung der partheyen, ſonderlich wo ie - mand ſchweren ſoll, da der richter nach beſchaf - fenheit des vorgeladenen ſeine rede einrichtet und ihn de vitando periurio erinnert, durch anfuͤhrung der praͤſumtionen, welche wieder ihn ſtreiten, was gegentheil wieder ihn beyge - bracht und dargethan, doch huͤtet er ſich fuͤr al - lotria, und unbillige verfaͤngliche fragen und praͤtenſiones, es wird auch wohl in ſchwerungs - terminen, wo etwa wichtige momenta fuͤrfal -len,481und ſchriften. len, die beredſamkeit eines geiſtlichen zu huͤlfe genommen.
§. 5. Sonderlich aber geſchicht dieſes letztere in caußis criminalibus, bey purgatoriis. Uber - haupt muß dem ſchwerenden, der haupt-punckt, weßwegen er ſchweren ſoll, deutlich rund und nachdruͤcklich herausgeſagt werden, damit er ſich nicht mit reſervationibus mentalibus helf - fen koͤnne. Sonſt hat der richter bey verneh - mungen der inquiſiten, ſeine worte behutſam einzurichten, damit des inquiſiten auſſage, nicht ex capite nullitatis angefochten werde, er hat auch dabey die gerechtigkeit ſorgfaͤltig zu beobachten und unpartheyiſch, nicht nur dasie - nige zu conſideriren, was den delinqvenden graviren, ſondern auch exculpiren koͤnne, denn es iſt nicht ſchwer auch einem unſchuldi - gen, durch eine falſche beredſamkeit dahin zu bringen und ſo zu verwirren, daß er eines laſters ſich ſchuldig geben muß, das er niemahls be - gangen.
§. 6. Denen zeugen wird der zeugen-eyd fuͤr - gehalten, erklaͤret, und ſie vermahnet die wahr - heit zu ſagen. Die interrogatoria werden kurtz, deutlich, im ſtilo ſimplici abgefaſſet, wo ſie dunckel ſind erklaͤret, die umſtaͤnde wohl ausgedruckt, von ihnen eine deutliche, ſo viel moͤglich categoriſche antwort gefodert, und ſie nicht mit vielen nebendingen verwirret, wel - ches alles kluge und verſtaͤndige richter, mehr als zu wohl, zumahl in unſern landen, da gott - lob unteꝛ der geſeegneten regierung unſers groſ -H hſen482von Juridiſchen redenſen oberhaupts, iedweden durchgaͤngig genaue juſtice wiederfaͤhret, beobachten.
§. 7. Schriftliche reden der gerichts-perſo - nen ſind citationes, notificationes, huͤlffs - und immißions-praͤcepta, auflagen ſub & ſine comminationibus, monitoria, inhibitiones, welche ſaͤmtlich erfordern den nahmen des richters und der partheyen, auf ſeiten dieſer ein expediendum, meiſtentheils auch ein einge - raͤumtes ſpatium legale, die citationes noch locum iudicii, & diem certum profeſtum, ſ. iuridicum; ratione der citation zur einlaſſung und antwort auf die klage, oder in Proceſſu executiuo, zur recognition des documents, ſo muͤſſen auch vermoͤge der proceß-ordnung die partheyen zur guͤtlichen handlung citiret wer - den. Alle dieſe fodern den ſtilum Juridicum und curiaͤ, ſind ſonſt kurtz und deutlich abzu - faſſen.
§. 8. Die regiſtraturen werden uͤber das - ienige, was im gerichte gehandelt und fuͤrge - tragen wird, zu des richters und der partheyen nachricht verfertiget und aufgezeichnet, alſo iſt noͤthig, daß ſie genaumit den ſachen die fuͤrfal - len, uͤbereintreffen, auch wohl gar der parthey - en eigne worte beybehalten, deutlich und kurtz ſeyn, ſonderlich bey inquiſitionibus, da todt und leben, ehre und gut des inquiſiten, an des actuarii feder hanget.
§. 9. Die eydes notuln ſind mittel die wahr - heit heraus zubringen, da ein ieder der die ſchul -dig -483und ſchriften. digkeit auf ſich hat, die wahrheit zu bekennen, durch einen ſchwur bey ſeinem GOTT (alſo auch Juden, bey dem GOtt Abrahams, Jſa - acs und Jacobs ꝛc. ) bekraͤftigen ſoll, daß er die wahrheit ſage, alſo muͤſſen ſie deutlich ſeyn, den ſtatum controuerſiae recht bemercken, in civil-ſachen aus der partheyen eignen worten, ihre dismembration aus der litis-conteſtation, in criminal-ſachen aus dem eingeholten urtheil genommen werden.
§. 10. Zeugen und inquiſitional-artickel werden ebenfalls, abgefaſſet, die dem richter ſo noͤthige wahrheit zu verſchaffen, denn wann ſie kurtz, deutlich, zur ſache gehoͤrig, ordentlich da im̃er einer aus den andern flieſſet, damit man dem pruritui negandi fuͤrbeuge, ſo kan der rich - ter wann er nur die lehre von der wahrſchein - lichkeit inne hat, und die hiſtorie des menſchen uͤberhaupt und inſonderheit, aus einer guten Moral und erfahrung gelernet, leicht hinter die wahrheit kommen, es mag der befragte ant - worten wie er will.
§. 11. Die zeugen-rotuli entſtehen aus die - ſem zum theil, muͤſſen den nahmen des gerichts, der zeugen, daß ſie richtig geſchworen, die zeit, den ort, ihre antwort bey iedem artickel, die un - terſchrifft und beſiegelung, nach iedwedes iu - dicii ſtilo und obſervantz in ſich faſſen.
§. 12. Bey der confrontation, muͤſſen in einem inquiſitional proceß, die zeugen oder complices ihre auſſagen, dem inquiſiten insH h 2ge -484von Juridiſchen redengeſicht ſagen, alſo muͤſſen dieſelben deutlich den inquiſitional-artickeln conform ſeyn, ieder con - frontations-punckt enthaͤlt nur einen umſtand gehet nicht auf nebendinge, die noch nicht aus - geſaget, auch nicht auf andere delicta, weilen die confrontation ein actus praeiudicialis und in - quiſitionis ſpecialis iſt, zu welchen abſque in - diciis legitimis nicht zu ſchreiten.
§. 13. Urtheils-fragen ſind ein ſchreiben, in welchen der richter ein dicaſterium um ſeinen rechts-ſpruch erſuchet, ſich entweder auf die acta beziehet, oder ſpeciem facti dem petito praͤmittiret, ſich aber aller refutation und ne - ben dinge enthaͤlt.
§. 14. Urtheile, abſchiede und weiſungen ſind reſolutiones, dadurch der richter die ſtrei - tigkeiten der partheyen decidiret. Urtheile wer - den als briefe an dem richter aus dem dicaſte - rio, da er ſie eingeholet, geſchickt, enthalten kurtz und deutlich das vorbringen der parthey - en, und den darauf abgefaſten rechtsſpruch. Abſchiede werden vom richter an die partheyen geſtellet, und weiſungen als bloſſe reſolutiones in regiſtraturen ad acta gebracht, uͤberall iſt die abſicht denen partheyen deutliche entſchei - dung ihrer ſtreitigkeiten zu geben, wobey die eingefuͤhrten opiniones und gewohnheiten bil - lich der gerechtigkeit weichen muͤſſen.
§. 15. Berichte ſind ebenfals ſchriftliche re - den des richters, da er entweder auf befehl, oder eingewandte appellation, in einem ſchrei -ben485und ſchriften. ben an den iudicem ſuperiorem, die ſpeciem facti, gelegenheit zur berichts-erſtattung, des parths gravamina erzehlet, dieſelben refutiret und alles des iudicis ſuperioris deciſion un - terwirft. Sind reverential-apoſtel ertheilet worden, wegen guͤltig-gehaltener appellati - on, bleiben die gravamina und derſelben refu - tation weg, alles im ſtilo ſimplici kurtz und deutlich.
§. 16. Subhaſtations-praͤcepta ſind endlich wann der richter nach erzehlung, wie es zu dieſem extremo gekommen, eine gewiſſe ſache, die er nach der wahrheit und ihrem werth be - ſchreibet, zu iedermanns kauf, mit determi - nirung der noͤthigen umſtaͤnde, oͤffentlich feil bietet.
§. 17. Dieſes waͤren die meiſten reden auf ſeiten des richters. Advocaten ſind in ihrem gewiſſen verbunden, die ſtreitigkeiten auf billige wege entweder zum vergleich, oder durch den weg rechtens zu ende zu bringen. Bey ienem haben ſie muͤndlich denen par - theyen zur guͤte zu rathen, ſie keinesweges durch allerhand empfindliche worte in einan - der zu hetzen und zu verbittern, ſondern viel - mehr bey pflegung der guͤte kurtz und deutlich, ieder die vortheile und das vermeinte recht der partheyen fuͤrzutragen, ihren clienten aber insgeheim, vor den termin zur guͤte, mit nachdruͤcklichen fuͤrſtellungen, die wahrheit zu ſagen, und ſie zu praͤpariren.
H h 3§. 18.486von Juridiſchen reden§. 18. Reden ſie mit inquiſiten, welches mehrentheils in beyſeyn des richters oder a - ctuarii geſchicht, ſo ſind ſie zwar nicht verbun - den, ihn zum geſtaͤndniß zu uͤberreden, doch auch nicht befugt, ihn zu verſtocken, und alſo wahrheiten zu unterdrucken, miſſethaten zu vertuſchen, ſondern nur ihm den zuſtand ſei - ner ſache aufrichtig zu eroͤfnen, und ihn um die media & momenta defenſionis umſtaͤnd - lich zu befragen.
§. 19. Jhre vornehmſte arbeit iſt das ein - bringen, dadurch ſie ihre rechte gegen einan - der ſetzen, dem ſchreiber dictiren, und dem richter uͤberlaſſen zum ausſpruch. Solches muß kurtz und deutlich mit ſattſamer anfuͤh - rung der umſtaͤnde und ausfuͤhrung ihrer ge - rechtſame, ohne zaͤnckerey und ſatyriſche ſchreib-art geſchehen. Denn hier ſind die ſpitzigen federn, piquanten worte und derglei - chen, nur kennzeichen der noch wallenden hitze der jugend, und daß man mit dem erſten ſchwerdte fechte. Mit denen provocationi - bus wird der anfang gemacht, da ſie ihr fuͤr - bringen, woruͤber termin ausgebracht, wie - derholen, und gegentheilen zu dem, wozu er citiret, auffodern. Gegentheil antwortet auf die momenta und worte der klage, von punct zu punct, kurtz, entweder quoad facta propria, mit affirmat, oder negat, und quoad facta aliena mit neſcit, oder wie er will. Hin - ten haͤngt er ſeine ausfluͤchte und exceptio -nes487und ſchriften. nes an, weil es nicht erlaubt ſolche mitten einzuſtreuen. Will beklagter litem affirma - tive conteſtiren, und klaͤgern ſeine ſaͤmtliche exceptiones ins gewiſſen ſchieben, werden ſie per ſpeciem facti kurtz, deutlich und buͤndig eingebracht, einlaſſung hierauf gefodert, und die eydes-delation angehaͤngt. Leuterungs - proſecutionen und appellations-iuſtificationen ſind hieher zu rechnen, geſchehen ſo wohl quoad formalia, da man deduciret, wie man fatalia, inſchriften und dergleichen beobachtet, als auch quoad materialia, durch richtiger und deut - licher anfuͤhrung der gravaminum und mo - mentorum cauſſae.
§. 20. Wenn ſie zeugen produciren, wer - den ſolche dem richter zur vereydung und ver - nehmung dargeſtellet, und zwar abſentes tanquam praeſentes, damit nicht die deſertion des zeugen zu befuͤrchten.
§. 21. Jn ſchwerungs-terminen ſtellet der advocat den juraturum zum eyde dar, und bit - tet kuͤrtzlich, ihn zu admittiren. Dabey er dem richter, und auch wohl dem geiſtlichen, wann ſie bey ihren admonitionen excediren, einhalt thun kan. Haben die partheyen ſelbſt bey dieſem allen zu reden, ſo geſchicht es alles kurtz und deutlich, ohne einmiſchung vieler ne - bendinge, und mit gehoͤrigem reſpect, fuͤr dem richter, als welchem die hohe landes-herr - ſchaft einen theil ihrer maieſtaͤt zu ſolchen ge - richts-uͤbungen allergnaͤdigſt verliehen, und ihn dabey ſchuͤtzet.
§. 22.488von Juridiſchen reden§. 22. Schriftliche reden der advocaten re - commendiren ſich durch ihre kurtze deutlichkeit, gruͤndlichkeit und buͤndige ſchluͤſſe, dahin gehoͤ - ren contracte, oder in ſchriften verfaßte hand - lungen, derer, die pacta unter ſich aufrichten, damit durch ſolche, dieſe handlungen zur gnuͤ - ge koͤnnen erwieſen werden. Alſo muͤſſen ſie die in Rechten determinirten requiſita an ſich haben, davon die Jurisprudentz regeln giebt, ferner deutlich ohne zweydeutigkeit, und mit ſattſamer bemerckung aller umſtaͤnde abge - faſt werden.
§. 23. Es gehoͤren hieher klagen, welche als der grundſtein des proceſſes deutlich, facti ſpeciem, medium concludendi und petitio - nem congruam an den richter, in ſich halten, davon alle proceß-einleitungen nachricht ge - ben. Ferner ſuppliquen, welche ebenfalls ſtatum cauſſae praͤmittiren, momenta juris loco connexionis, anfuͤhren, und mit dem petito ſchlieſſen, bey welchen allen die formalia billig zu beobachten, und der ſtilus Juridicus und curiaͤ, auch was oben von briefen erin - nert, zum theil mit zu obſerviren. Denun - ciationes brauchen gleiche aufmerckſamkeit, dabey ich nichts zu erinnern, als daß nur das uͤberfluͤßige wegzulaſſen, welches mit derſelben abſicht ſtreitet, und daß ſie ſich nicht auf ein ſa - gen und wiederſagen und hoͤrenſagen gruͤnden.
§. 24. Delatio iuramenti ſtellet dem ge - gentheil das gelaͤugnete factum zur eydlicheneroͤf -489und ſchriften. eroͤfnung, relatio ſchiebet ſolches gegnern, in ſo weit es zulaͤßig, zuruͤck. Beyde muͤſſen deutlich determiniren, warum und in wie weit ſie unternommen, nach beſchaffenheit der fa - ctorum ſich richten, und die formalia richtig beybehalten.
§. 25. Beweiſen, beſcheinigen, beybrin - gen geſchicht zur behauptung einer ſache, da es denn ſchlecht um den advocaten ausſehen wuͤrde, wann er den unterſchied der beweiß gruͤnde nnd die kraft zu ſchlieſſen aus der Lo - gick und Oratorie nicht wuͤſte. Bey den zeug - niß-artickeln und interrogatoriis kan, was oben §. 10. und 11. etwan angefuͤhret, mu - tatis mutandis hier wieder appliciret werden
§. 26. Bey den product-weiſe rechtlichen verfahren, werden die gegen einander gehal - tenen gruͤnde, in ſchriften, als ſalvations-ex - ceptions-ſchriften, repliquen, dupliquen, tri - pliquen, von neuen ordentlich wiederholet und deduciret. Man kan hieher was oben §. 9. gemeldet, wieder appliciren. Die momenta Juris und formalia ſind in der Jurisprudentz ſelbſt zu ſuchen, der ſtilus iſt Juriſtiſch, die ordnung natuͤrlich, und gehet was im proceß bereits fuͤrgefallen, von punct zu punct, kuͤrtz - lich durch, dabey zwar die argumenta triftig, aber nicht pathetica ſeyn duͤrffen.
§. 27. Leuterationes und appellationes ſu - ſpendiren die urtheile und abſchiede von ihrer rechts-kraft, erzehlen ſententiam grauantem,H h 5die490von Juridiſchen redendie grauamina und die intention des leute - ranten, oder appellanten, mit beobachtung der formalien.
§. 28. Am allermeiſten zeiget ſich der ad - vocat als einen guten redner in defenſionibus, da er nicht die wahrheit unterdruͤcken, ſondern entweder die unſchuld eines inquiſiten, oder wenigſtens, daß er durch die beygebrachten dinge, nach den rechten, noch nicht zu verdam - men, zeigen ſoll. Da beſchreibt er ſpeciem facti unter der hand nach ſeinen abſichten, das corpus delicti, die gravirenden zeugen - auſſagen, momenta defenſionis, vitam ante - actam, unzulaͤnglichkeit der indiciorum und grauantium, macht die zeugen ſuſpect, und ſtellet ihnen defenſional-zeugen entgegen, oh - ne bibliſche ſpruͤche, exclamiren, lerm-blaſen, und vieles allegiren, ſondern vielmehr durch gute ordnung, deutlichen ausdruck und ſcharf - fe gruͤnde, welche von der erfahrung ihres er - finders in der Logick, ins beſondere der wahr - ſcheinlichkeit, und der Oratorie zeugen.
§. 29. Endlich iſt auch von fragen zu in - format-urtheilen und acten extrahiren zu ge - dencken. Jene faſſen eine ſpeciem facti, dar - uͤber angeſtellte frage, und bitte um einen Rechts-ſpruch, kurtz, deutlich, ordentlich im Hiſtoriſchen und Juridiſchen ſtilo auch wohl unter erdichteten nahmen in ſich. Dieſes rich - tet ſich nach der abſicht des excerpirenden, ſetzt kurtz die haupt-momenta der ſache auf, unddruͤckt491und ſchriften. druͤckt den ſinn der ſchriften aus. Und hie - mit mag auch dieſe abhandlung beſchloſſen ſeyn, da verhoffentlich, der nutzen der Ora - torie, in dergleichen reden, zur gnuͤge daraus erhellet. Doch muß man ſich unter der Ora - torie, keine figuren-kraͤmerey und waͤſcherey einbilden, noch ingenioͤſe und ſatyriſche re - dens-arten, denn dergleichen iſt hier ſorgfaͤl - tig zu vermeiden.
VOn geiſtlichen reden und predigten, §. 1. Was dazu erfodert werde, §. 2. Von dabey fuͤrfal - lenden fehlern, §. 3. Von dem text, §. 4. Von der propoſition, §. 5. Von der tractation, §. 6. Von dem exordio, §. 7. Und der concluſion, §. 8. Von der invention, elocution, diſpoſition, und ausarbei - tung, §. 9. Von andern geiſtlichen reden, §. 10.
§. 1.
JCh gehe nun fort zu den geiſtlichen oder Theologiſchen reden, bey welchen ich ebenfalls, nur denen unerfahrnen, ei - nige Oratoriſche anmerckungen mittheilen will. Geiſtliche oder Theologiſche reden nenne ich alle diejenigen reden, welche auf die heil. ſchrift, und die lehr-ſaͤtze der Theologorumnach492von Theologiſchennach iener gebauet ſind, und einen daraus einzurichtenden caſum praͤſupponiren. Die fuͤrnehmſten hierunter ſind die predigten, wel - che man beſchreibet als geiſtliche reden, die an ein gemiſchtes auditorium gerichtet werden, ſelbigem den inhalt des goͤttlichen wortes, betreffend die pflichten des zuhoͤrers, nach den regeln des chriſtenthums, fuͤrzutragen, zu er - klaͤren, und ſie zur ewigen ſeeligkeit daraus zu erbauen.
§. 2. Wo iemand als ein redner mittel in haͤnden hat, nachdruͤcklich ſeinen zuhoͤrern an das hertz zu greifen, ſo hat ſie ein prediger; denn er traͤgt ein wort fuͤr, das felſen zerſchmeiſ - ſet, ſeel und geiſt durchſchneidet, die verheiſ - ſung hat nicht leer wieder zu kommen, und ſeine perſon iſt durch privilegia, ſo ihm GOtt, der Landes-HErr und die opinion der leute beygeleget, in die bequemſten umſtaͤnde geſe - tzet, ſein amt recht zu fuͤhren, und ſeinen end - zweck zu erhalten. Es wuͤrde alſo eine ſchan - de ſeyn, wann er ſeines orts nichts hiezu bey - tragen wollte, durch gebet, erkaͤnntniß der h. ſchrift und ihres verſtandes, erkaͤntniß der glaubens - und lebens-lehren des chꝛiſtenthums, gruͤndliche einſicht in die Logick und Moral, und vollkommene wiſſenſchaft der grund-re - geln einer vernuͤnftigen beredſamkeit.
§. 3. Hieraus ſiehet man leicht wie uͤbel es mit denienigen beſchaffen, welche ſich zu fruͤh aufs predigen legen, und dieſes ihr hauptwerck ſeyn laſſen; welche weder natur und gnade, nach die pflichten eines menſchen, buͤrgers und Chriſten aus einander zuſetzen wiſſen; welche nur ihre memorie fuͤllen, unnoͤthige ſchaͤtze von diſpoſitionibus, concordantzen, collegiis, und predigen ſamlen und poſtillen-reuter werden; welche es nur aufs ſpielende ingenium ankom - men laſſen; welche bloß theoretiſch predigen und nur erklaͤrungen fuͤr den verſtand, keine bewegungen fuͤr den willen anbringen; wꝛlche nur den willen hingegen beſſern wollen ohne den verſtand zu unterrichten; welche gar zu wenig affect zeigen und mit groſſer kaltſinnig - keit alles obenhin tractiren; welche gar zu hef -tige494von Theologiſchentige affecten, ohne alle modeſtie und modera - tion blicken laſſen; welche meinen mit einer profanen wiſſenſchaft und ſchwuͤlſtigen neuer - lichen geiſt gotteswort gleichſam bey den haa - ren uͤber ihre eitle leiſten abzupaſſen; welche im gegentheil ihre grobe unwiſſenheit mit dem heiligen mantel der ſcheinheiligkeit bedecken und alle natuͤrliche mittel, deren ſich doch Gott und die propheten und apoſtel ſelbſt fuͤrtreflich zu bedienen gewuſt, mit einem paͤbſtiſchen hochmuth unter die fuͤſſe treten und verbannena) ꝛc. Daß ich von den fehlern der zuhoͤrer nichts gedencke. b)
§. 4. Die predigten haben dieſes beſonders an ſich, daß ſie eine geiſtliche rede aus der h. ſchrift496von Theologiſchenſchrift zum grunde legen, welche man den text nennet, und die entweder zum unterricht oder beſſerung des auditorii dienet. Dieſen muß der geiſtliche redner fuͤr ſich, nach der Gram - matick, Logick und Oratorie zu reſolviren wiſ - ſen, zur erſten muß er den grund-text, die verſi - onen, die commentarios, wo es noͤthig und nuͤtzlich, zuhuͤlfe nehmen, zur andern muß ihm die Logick, nach der hermeneutiſchen probabili - taͤt, die Theologia exegetica, analogia fidei, Theologia dogmatica und moralis, den rech - ten ſinn zu ergruͤnden behuͤlflich ſeyn, zur letz - ten wird ihm die Oratorie, den ausdruck recht zu unterſuchen, helfen.
§. 5. Nach dieſer arbeit iſt das erſte, daß man den grundſtein zum gantzen gebaͤude einer predigtlege, und ſolches geſchicht in erwehlung eines thematis oder der propoſition, dabey man alles was von erfindung der thematum oben geſagt worden, hier wieder anwenden kan. Uberhaupt ſind die themata hier ebenfalls ent - weder naturalia oder artificialia, iene ſind ein kurtzer inhalt des textes oder des ſtuͤcks aus dem text, darauf man ſeine predigt bauet, dieſe aber allerhand meditationes im Logicaliſchen ver - ſtande, welche man bey einem text anſtellet, und in eine propoſition faſſet, bey ienen reſol - viret man den text und gehet von principiis zumſchluͤſ -497oder geiſtlichen reden. ſchluͤſſen, bey dieſen faͤngt man an von dem ſchluͤſſen und geht auf die principia zuruͤck, in beyden thut die Logick de meditatione ſynthe - tica & analytica gute dienſte.
§. 6. Auf die propoſition folgt die einthei - lung, welche nach den regeln einer guten diviſi - on einzurichten, daß ſie die fuͤrnehmſten mo - menta, ſo man abzuhandeln gedencket, anzeige. Die abhandlung ſelbſt, beweiſt, erklaͤrt, die vorhabende ſache und wendet ſie zum nutzen des auditorii an, nach denen dabey fuͤrfallenden umſtaͤnden. Alſo erklaͤret ſie den text und die darausgezogene propoſition, und ſuchet da - raus den zuhoͤrer entweder am verſtande oder willen zu beſſen. Jenen zwar durch bewei - ſung der rechten lehre, und wiederlegung der ir - thuͤmer und vorurtheile, dieſen aber durch ver - mahnung zum guten und warnung fuͤr boͤſen, dazu noch der troſt gezogen wird. a)Durchge - hends werden die noͤthigen argumenta, nachJ ibe -498von Theologiſchenbeſch affenheit des textes beygebracht, und es koͤnnen auch hier die oben gegebene lehren von argumentis nutzen.
§. 7. Die gantze predigt bekommt ein exor - dium generale, welches mit denen exordiis an - derer reden gleiche abſicht, und einrichtung hat, alſo wird es kurtz und mit argumentis concili - antibus fuͤrgetragen, ohne weitlaͤuftiges exege - geſiren. Etliche haben auch ein exordium ſpe - ciale und ſpecialißimum, da denn das generale eine praͤparation zum text, das ſpeciale zur pro - poſition, und das ſpecialißimum zur tractation iſt. Man kan auch hier, was oben vom exor - dio gedacht, anbringen.
§. 8. Die concluſion hat hier eben den end - zweck, den ſie anderwerts hat bey andern reden, beſteht alſo in einer wiederholung, bitte, wunſch, gebet, pruͤfung und und andern practi - ſchen argumentis, welche aus dem text und deſſen abhandlung flieſſen.
§. 9. Bey allen predigten iſt in der erfin - dung der text das erſte, aus dieſem die propoſi - tio, hieraus die partitio, und tractatio, zu die - ſer die argumenta probantia, illuſtrantia, und pathetica, welche letztern aus der h. ſchrifft genommen werden, und aus dieſen argumen - tis beſtehn auch das exordium und concluſio. Der ausdruck iſt Theologiſch, wo es noͤthigpat -499oder geiſtlichen reden. pathetiſch auch wohl ſublimis, uͤberall nach beſchaffenheit der meiſten zuhoͤrer des redners und des textes, Oratoriſch und dem heiligen vorhaben gemaͤß. Jn der diſpoſition und aus - arbeitung folgt auf dem wunſch oder das ge - bet und die anrede an das auditorium, das exordium generale und deſſen verbindung mit der propoſition, welches mit einem gebet be - ſchloſſen wird. Hierauf folget der text, das exordium ſpeciale, doch iſt dieſes nicht alle - mahl noͤthig, weiter die propoſitiona) und partition und der wunſch oder ein gebet. Fer - ner kommt die tractatio, nach den theilen der partition, und denen fuͤr ſich aufgeſetzten ſub - diuiſionibus, welcher auch wohl koͤnte ein ex - ordium ſpecialißimum praͤmittiret werden. Endlich die concluſion, das gebet und der ſchluß, bey welchen allen, die Oratorie, das exempel guter und beliebter prediger, und der von ihnen eingefuͤhrte wohlſtand, zu rathe zu ziehen, auch die zeit, ſo zu einer predigt geſetzt, nicht zu uͤberſchreiten. Von dem vortrag ſelbſt kan folgendes capitel nachgeleſen werden.
GEbet und danckſagung ſind der Chriſten opfer, wenn ſie fuͤr dem thron der goͤttlichen maie - ſtaͤt erſcheinen, und an beyden erkennet man ſie als geiſtliche prieſter fuͤr Gott ihrem himmliſchen vater. Es verbindet ſie aber zu dieſer gedoppel - ten heiligen bemuͤhung, der ausdruͤckliche befehl, welchen der herr der herrſchaaren aus ſeinem hei -lig -501oder geiſtlichen reden. ligthum durch den mund des pſalmiſten ſeines he - roldes, an ſie ergehen laͤſſet, da es im 50 Pſalm heiſſet: Ruffe mich an, in der zeit der noth, ſo will ich dich erretten und du ſolſt mich preiſen. Das menſchliche hertz wird alſo abge - bildet, daß es nur mit einer ſpitzen ſich zur erden ſencket, hingegen oben getheilet und mit zweyen huͤgeln himmel an gerichtet iſt. Das hertz der Chriſten eriũert ſich ſeiner geiſtlichen und leiblichen noth, wann es ſich gegen die erde neiget. Allein es iſt ein gedoppelter altar, auf welchen einerſeits dem allerhoͤchſten helfer in aller noth im glauben und hofnung angeflammte opfer des gebets ge - bracht werden, auf der andern ſeite aber die er - kaͤnntliche liebe ſchuldige danckopfer, dem herrn zu einen ſuͤſſen geruch, anzuͤndet. Das irdiſche leben iſt ein edles kleinod, welches uns die goͤttli - che allmacht durch die leibliche geburt mitgethei - let, aber es iſt billich einer roſe zu vergleichen, wie dieſe mit lauter dornen, alſo iſt ienes mit angſt und noth umgeben. Noth iſt verhanden, wenn der wiederſacher des menſchlichen geſchlechts, der fuͤrſt der finſterniß, umhergehet, und wie ein bruͤllender loͤwe uns zu verſchlingen ſuchet. Noth iſt verhanden, wenn die im argen liegende welt, uns mit ihren veraͤchtlichen feſſeln, der augenluſt, fleiſches-luſt und hoffaͤrtigen leben, mit ihren banden der truͤbſal und verfolgung drohet. Noth iſt verhanden, wann unſer eignes verderbtes ſuͤnd - liches blut in unſern adern tobet, und das ver - fuͤhreriſche fleiſch durch boßhafte neigungen, unsJ i 3der502von Theologiſchender wut unſrer feinde verratheriſcher weiſe auf - zuopfern gedencket. Solte da nicht noth verhan - den ſeyn, wenn die regierungs-ſonnen ſich in blut verwandeln, wenn an dem kirchen-himmel mond und ſterne verdunckelt werden, wenn man die pflichten eines ieden ſtandes, denen zerbrochenen taffeln Moſis gleich macht und unter die fuͤſſe tritt? Solte da nicht die zeit der noth verhan - den ſeyn, wenn das brauſende meer des krieges, unſere graͤntzen uͤberſchwemmet, wenn die ſich aufthuͤrmende wellen der kranckheit, den abgrund zum verderben eroͤffnen, wenn die waſſerwogen der boͤſen rotte daher rauſchen, und unſere wege beunruhigen? Wenn der heuchler und falſche freund, ſich buͤckt, unſern fuͤſſen netze zu legen. Und ſehet meine freunde, alles dieſes ſind dinge welche ſo genau mit dem menſchlichen leben ver - geſellſchaftet, daß uns immer eins nach den an - dern erſchuͤttert und in eine furchterweckende be - trachtung ſetzet. Wenn nun alle welt ſeufzet: Mitten wir im leben ſind, mit dem todt um - fangen, wen ſuchen wir der huͤlffe thu, Daß wir guad erlangen? ſo gedencken rechtſchaffene Chriſten an Gott und ſprechen: Das thuſt du herr alleine. Wenn die gan - tze welt aͤngſtiglich ſchreyet:
So antworten Chriſten: Zu dir, zu dir herrChriſt503oder geiſtlichen reden. Chriſt alleine. Er iſt der GOtt Jſraelis, wel - cher ihnen ſelbſt den weg bahnet, und die huͤlff - reiche hand bietet, wann er ſpricht: Ruffe mich an, in der zeit der noth. Der nahme des Herrn iſt ein feſtes ſchloß, der gerechte laͤuft dahin und wird beſchirmet. Dahin laͤuft David, wenn er ſpricht: Wenn mir angſt iſt, ſo ruffe ich den Herrn an, und ſchreye zu meinen GOtt; ſo erhoͤret er meine ſtimme von ſeinem heiligen tem - pel, und mein geſchrey koͤmmt fuͤr ihm zu ſeinen ohren. Zwar als dorten Jonaͤ ſchiff denen ſtuͤr - menden wellen preiß gegeben war und ſeinen ſchiffern zu einem grabe werden wolte, ſchrien dieſe ein ieglicher zu ſeinem GOtt, und wenn die menſchen in noth gerathen, ſo faͤllt ein iegli - cher ſeinem GOtt, den er ihm ſelbſt gemacht zu fuͤſſen. Einige verlaſſen ſich auf menſchen, und halten fleiſch fuͤr ihren arm, andere machen ih - re eigne klugheit zu ihrem abgott, andere beugen ihre knie fuͤr den Baal des ehrgeitzes ſprechen zum goldklumpen: du biſt mein troſt, oder opfern ſich auch wohl ihren eignen luͤſten auf. Allein:
Kein vernuͤnftiger ſchifmann wirft den ancker auf trieb-ſand aus, kein kluger baumeiſter gruͤn - det ſein hauß auf einem falſchen boden, ſondernJ i 4viel -504von Theologiſchenvielmehr auf einen felſen. Alſo lauffen Chriſten den herrn an, der iſt ihnen ein ſichrer hafen, ſie gruͤnden ſich auf den felß und hort Jſraelis, ſo werden ſie wohl bleiben. Sie heben ihre augen auf zu den bergen, von welchen ihnen huͤlfe kommt, und ſiehe ihre huͤlfe kommt von dem Herrn, der himmel und erden gemacht hat. Sie heben ihre augen auf zu dir, der du im himmel ſitzeſt, ſiehe wie die augen der knechte auf die haͤn - de ihrer herren ſehen, wie die augen der magd auf die haͤnde ihrer frauen, alſo ſehen der Chriſten glaubens-augen auf den Herrn unſern Gott, und der Herr der nahe iſt allen die ihn anruffen, allen die ihn mit ernſt anruffen, der thut was die gotts - fuͤrchtigen begehren, und hoͤret ihr ſchreyen, und hilfet ihnen. Denn der iſts, der nicht al - lein geſprochen: Ruffe mich an, in der zeit der noth, ſondern der auch hinzu geſetzt: So will ich dich erretten. So ſehen ſich dann recht - ſchaffene Chriſten, wieder die anlaͤuffe der feinde, mit dem ſchilde der goͤttlichen allmacht bedecket. So koͤnnen ſie unter den ſchatten und fluͤgeln des hoͤchſten ſicher wohnen. Er wird ihre huͤlfe in der noth, ihr artzt in kranckheit, ihr leben im tode, ihr labſal in truͤbſal, ihre ſtaͤrcke, in ſchwach - heit, ihr reichthum in armuth, ihre ſonne im ungewitter, und wenn es blitzt und donnert, ſo blitzt und donnert es unter ihren fuͤſſen, ſie aber ſtehen auf den bergen Jſraelis und ihnen ſchei - net die goͤttliche gluͤcks und gnaden-ſonne. So er -[i]nnern ſie ſich dann der worte Davids: es iſt ein koͤſt -lich505oder geiſtlichen reden. lich ding dem Herrn dancken, und deinem nahmen lobſingen du hoͤchſter; und haben ſie anfaͤnglich dem befehl der goͤttlichen barmhertzigkeit ein ge - nuͤge geleiſtet, und ihn angeruffen in der zeit der noth, ſo veraͤndert ſich ihr gebet endlich in ein ſchuldiges danckopfer und ſie preiſen ihren er - retter. Da heiſt es nachgehends: Dancket dem herrn, denn er iſt ſehr freundlich, und ſeine guͤte waͤhret ewiglich. Preiſet Jerufalem den Herrn lobe Zion deinen Gott. Herr wer iſt die gleich un - ter den goͤttern? wer iſt dir gleich? der ſo maͤch - tig, heilig, ſchrecklich, loͤblich und wunderthaͤtig ſey. Heilig heilig heilig iſt unſer Gott der herre zebaoth alle lande ſind ſeiner ehren voll. Alleluja. Jch zweifle nicht, meine freunde, es werden auch unſre hertzen, nach dem befehl des hoͤchſten, in heiliger andacht entzuͤndet werden, unſerm Gott die ſchuldigen opfer des gebets und des danckes in ſeinem heiligthum zu bringen. Und da nach ei - nem vollkommenen muſter, durch die nachah - mung, ein vollkommenes gegenbild kan verferti - get werden, ſo oͤffnet ſich in unſerm Evangelio ein ſchauplatz, auf welchen wir feurige beter und inbruͤnſtige danckbarkeit vergeſellſchafet antref - fen. Damit aber nicht unſere eigene blindheit, als die hoͤchſte ſeelen-noth, uns an betrachtung dieſer heylſamen exempel hindern moͤge, ſo erin - nere mich billich bey dieſer gelegenheit, da meiner ſeelen und allen die mich hoͤren, huͤlfe noth iſt, deines befehls dreyeiniger GOtt. Jch ruffe dich an, um den beyſtand deines guten geiſtes,J i 5um506von Theologiſchenum deine gnade zum reden hoͤren und vollbrin - gen. Jch ruffe dich an, in und mit dieſer ge - meine, im ungezweiffelten vertrauen, auf das verdienſt Chriſti, in dem gebet, welches er uns ſelbſt gelehret, zu erhoͤren verheiſſen hat, und〈…〉〈…〉 nge zuvor:
Textus Luc. 17. v. II. 19.
Und man ſahe an ihnen die zungen zerthei - let als waͤren ſie feurig. So redet der Ev - angeliſt Lucas im 2 ſeiner Apoſtelgeſchicht von denen apoſteln, wenn er die ſichtbahre ausgieſ - ſung des h. Geiſtes ausfuͤhrlich beſchreibet, und ſetzet dadurch alle die es hoͤren und leſen in eine heilige verwunderung. Jch will mich ietzo nicht einlaſſen, die geheimniß-volle eigenſchaft, der da - mahls erſt mit dem h. Geiſt ausgeruͤſteten Apoſtel, weitlaͤufftig zu entdecken. Vielmehr ruffe ich dabey aus mit den Apoſtel Paulo: O welch eine tieffe des reichthums, beyde der weiß - heit und der erkaͤnntniß Gottes, wie gar unbe - greiflich ſind ſeine gerichte und unerforſchlich ſei - ne wege. Wenn ich aber betrachte, daß alle rechtſchaffene Chriſten Gott gebet und danck im bruͤnſtigen eyfer zu opfern ſchuldig ſind, ſo er - blicke ich uͤberall und insbeſondere bey gelegen - heit des angehoͤrten evangelii
‘Zertheilte und feurige zungen der glaͤu - bigen’ ()Denn da ſehe ich, wie der erſte theil:
‘Feurig betet’ ()Der507oder geiſtlichen reden.Der andere: Jnbruͤnſtig dancket, und dabey ſeuftze ich:
Daß ich mir die zungen der glaͤubigen als zerthei - let und feurig fuͤrſtelle, und zwar wie ſie eines theils feurig beten, dazu bieten mir die im Ev - angelio auftretende auſſaͤtzige, ſichere gelegenheit. Sie ſind elende leute, ſie erkennen ihr elend, ſie ſuchen rath und huͤlfe, und da bricht die angſt ihres hertzens, in lichte flammen aus, wenn ſie ruffen: JEſu liebſter meiſter erbarme dich un - ſer. Endlich wird auch ihr gebet durch eine wunderthaͤtige errettung verſiegelt. Elende leu - te ſind ſie, denn ſie ſind auſſaͤtzig, und in der elen - deſten beſchaffenheit. Der auſſatz iſt eine, denen morgenlaͤndern bekannte, unheilbare, abſcheuli - che kranckheit. Wen dieſes gift entzuͤndet, der wurde ſo fort gleichſam unter die todten verban - net, und aus aller menſchlichen geſellſchaft aus - geſchloſſen. Das geſetz, als ein ſtrenger zucht - meiſter, legte ihm bey ſeinem ungluͤckſeeligen zu - ſtande, ſo viel unertraͤgliche buͤrden auf, da - runter auch wohl ein ſtarcker geſunder haͤtte zu boden ſincken moͤgen. Bey dieſen allen ſaht man den auſſatz an, als eine derienigen ſtraffen,womit508von Theologiſchenwomit dir raͤchende hand des gerechten richters, die freventlichen uͤbertreter des geſetzes, als zum exempel: Miriam, Vſiam, und andere zu ſchlagen pflegte. So daß die mit dem auſſatz behaftete urſache fanden, zu ſeuftzen: Herr es iſt nichts geſundes an meinem leibe fuͤr deinen draͤuen, und iſt kein friede in meinen gebeinen fuͤr meiner ſuͤnde. Denn meine ſuͤnde gehen uͤber mein haupt, wie eine ſchwere laſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Meine wunden ſtincken und ei - tern fuͤr meiner thorheit. Meine lieben freun - de ſtehen gegen mir und ſcheuen meine plage, und meine naͤchſten treten ferne. Urtheilet nun ſelbſt, meine freunde, ob dieſe auſſaͤtzige nicht mit rechte elende leute zu nennen? Jedoch ſie erken - nen ſelbſt ihr elend, denn ſie ſtehen von ferne. Was fuͤr eine hertzens angſt mag nicht in ihrer ſeelen geweſen ſeyn, wann ſie ſich als ein ſcheu - ſaal der welt, ihrer aͤuſſerlichen kranckheit wegen, nicht unterſtehen duͤrffen iemand unter die augen zu treten? was fuͤr brennende regungen moͤgen ſie nicht empfunden haben, wenn ſie ſich ihrer geiſtlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket fuͤr den augen Gottes, als ein greuel fuͤr den augen der heiligſten maieſtaͤt erinnert. Jch meine ia, daß ſie urſach gehabt, von ferne zu ſtehen, wie der zoͤllner, und ihre augen nicht aufzuheben gen himmel, ſondern an ihre bruſt zu ſchlagen, und zu ſeufzen: GOtt ſey uns armen ſuͤndern gnaͤdig. Allein ihre erkaͤnntniß iſt eine heylſame erkaͤnnt - niß, denn ſie fuͤhret ihre fuͤſſe auf den himmels -weg,509oder geiſtlichen reden. weg, zu dem herrn den artzt Jſraelis, ſie wird ihnen zu einer feuer-ſeule in der nacht, und zu ei - nem weg-weiſer in der wuͤſten. Denn ſie begeg - nen Chriſto, ſie heben ihre ſtimme auf und ſchrey - en: JEſu liebſter meiſter erbarme dich unſer! Koͤnten ſie auch wohl einen beſſern meiſter zu helf - fen aufgeſucht haben, und koͤnten ſie ein vollkom - mener brandopfer, als dieſes feurige gebet, JE - ſu angezuͤndet haben: JEſu lieber meiſter er - barme dich unſer. Sie ſetzen alle ihre kraͤfte zu - ſammen, und concentriren die kraft aller gebete in wenig worte, welche hingegen als ein blitz, durch glauben und andacht entzuͤndet, in das hertz JEſu eindringen. Jeſu ſagen ſie, und er - inneren damit gleich anfangs, den in die welt ge - kommenen Meßiam, daß er ein ſeeligmacher der menſchen, aber auch ihr ſeeligmacher ſey. Unſer hertz haͤlt dir fuͤr dein wort, ihr ſolt mein antlitz ſuchen, darum ſuchen wir auch herr dein antlitz, und ruffen: JEſu lieber meiſter. Hiebey legen ſie zugleich ihr bekaͤnntniß ab, und nennen JE - ſum ihren herrn und meiſter. Sie entſagen hie - mit aller andern herrſchaft, reiſſen ſich loß von dem ioch der ſuͤnden und des ſatans und werfen ſich zu den fuͤſſen des Herren aller Herren, des meiſters zu helfen, des rechten beyſtehers. Die - ſen nehmen ſie an, als den verheiſſenen heyland, und ſchreyen: erbarme dich unſer. Wir ſind elend und iaͤmmerlich, du aber biſt der hoheprieſter, der da ſoll ein mitleiden haben, mit unſrer ſchwach - heit. Nun dann da wir dich anruffen in dernoth,510von Theologiſchennoth, und du verheiſſen haſt uns zu erretten, ſo erbarme dich unſer, laß unſer gebet fuͤr dir tuͤgen wie ein rauchopfer, heile, errette, hilf uns, laß dein hertz gegen uns brechen und erbarme dich unſer. JEſu lieber meiſter erbarme dich unſer. Wie ſolte denn der das ohr gemacht hat, nicht der elenden feuriges und glaͤubiges gebet hoͤren? O ia er hoͤrets, er ſchauet auf ihr elend, daß er ih - re ſeele errette vom tode und bey ihm iſt hoͤren, ſehen, und helfen ſo fort auf eine goͤttliche und wunderthaͤtige art mit einander verknuͤpfet: Ge - het hin, heiſt es, und zeiget euch den prieſtern, damit dem geſetz meines vaters ein gnuͤge geſche - he, und da ſie hingiengen wurden ſie rein. Sind das nicht feurige zungen die dieſes gebet ausge - ſprochen: JEſu lieber meiſter erbarme dich un - ſer. Und hoͤret meine freunde, eben dieſes iſt die ſprache der glaͤubigen, eben dieſes iſt das ge - bet, welches ſie mit einer feurigen zunge fuͤr Gott bringen Glaͤubige kinder Gottes haben auch ihre noth, welche ihnen innerlich und aͤuſſerlich den weg zum leben, mit diſteln und dornen be - ſaͤet. Zwar ſpricht ein aufgeblaſener ſchriftge - lehrter, ein in ſeinen luͤſten erſoffenes welt-kind, was fehlet mir noch? Aber Chriſten ſeuftzen: Mir mangelt zwar ſehr viel, doch was ich ha - ben will, iſt alles mir zu gute erlangt mit Chri - ſti blute, dadurch ich uͤberwinde, todt teuffel hoͤll und ſuͤnde. Die kirche Chriſti iſt ein ſchiff, welches die gewalt der wellen hin und her wirft, und in den abgrund zu reiſſen ſich bemuͤhet, ſoltendenn511oder geiſtlichen reden. denn Chriſti Juͤnger nicht ſchreyen: Herr hilf uns wir verderben. Chriſten ſind die heiligen und geliebten Gottes, aber auch unter ſeinen hei - ligen iſt keiner ohne tadel, ſie muͤſſen leider mit Paulo klagen, ich weiß, daß in mir, daß iſt in meinem fleiſche, wohnet nichts gutes, wollen ha - be ich wohl aber vollbringen das gute finde ich nicht. Und ein mann, deſſen gleichen JEſus in gantz Jſrael nicht funden an glauben, muß ſa - gen: Herr ich bin nicht werth, daß du unter mein dach geheſt. Endlich ſo iſt leibliche noth creutz und ungluͤck der Chriſten taͤglicher gefaͤhrte. Wenn aber andere, durch den ſchlaf der ſicherheit, unter die todten zu rechnen, wenn ſie verblendet ſind durch finſterniß und blindheit ihres hertzens. die in ihnen iſt, wenn ſie in der ſatans ſchule ſo fuͤhl-loß gemacht, daß ſie ihr elend nicht empfin - den, ſo fuͤhlen glaͤubige Chriſten ſich ſelbſt und ſorgen fuͤr ihre ſeele. Wenn ſie nun ihre leibes und ſeelen noth fuͤhlen, ſo gehen ſie nicht mit den boten des Koͤnigs Ahaſiaͤ, und fragen Baal - Sebub den gott zu Ekron, ob ſie von ihrer kranckheit geneſen koͤnnen, ſondern ſie treten in die geſeegneten fußſtapfen Davids, Hißkiaͤ, Hi - obs, ia der auſſaͤtzigen. Denn da dieſe elende rieffen, da hoͤrete der Herr und half ihnen aus aller noth. So erheben ſie denn ihre ſtimme im eyfrigem gebet, in brennender andacht, mit feuri - ger zunge: JEſu lieber meiſter erbarme dich unſer. Wir ſchreyen mit unſerer ſtimme zu GOtt, zu GOtt ſchreyen wir und er erhoͤretuns. Jn512von TheologiſchenJn der zeit der noth ſuchen wir den Herrn, un - ſere hand iſt des nachts ausgereckt und laͤſt nicht ab, denn unſere ſeele will ſich nicht troͤſten laſſen, als nur durch dich, der du der eintzige mitt - ler und fuͤrſprecher biſt:
Dabey ergreiffet der glaube das verdienſt ſeines heylandes, die liebe ſtellet alles in der gottheit allerheiligſten wohlgefallen, denn Gott erhoͤret das glaͤubige gebet allezeit, er hilft, aber er hilft nicht wenn wir wollen, oder auf eine ſolche art, wie wir wollen, ſondern nach ſeinem unerforſch - lichen rath. Die hofnung aber wartet der rechten zeit, was Gottes wort zuſaget, und richtet das bekuͤmmerte hertz mit goͤttlichen troſt auf, biß ein ſo feuriges gebet das hertz des himmliſchen vaters erweichet, und die huͤlffe aus Zion uͤber Jſrael herfuͤrbricht. Nach dieſem laͤſſet ſich auch gleichſam der glaͤubigen zertheilte und feuri - ge zunge mit ihrem andern theil in bruͤnſti - ger danckſagung hoͤren. Habe ich nun, meine ſreunde, zehen auſſaͤtzige, als ein beyſpiel feuriger beter angefuͤhret, aus unſerm evangelio, ſo muß ich leider, nur einen eintzigen, als ein muſter bruͤnſtiger danckbarkeit aus demſelben fuͤrſtellen. Der nothleidenden beter iſt eine groſſe menge. Denn Herr wenn truͤbſal da iſt, ſo ſuchet man dich, und wenn du ſie zuͤchtigeſt, ſo ruffen ſie aͤngſtiglich. Hinge -513oder geiſtlichen reden. Hingegen iſt die danckbarkeit eine der ſeltenſten tugenden, und es verraͤth ſich auch hier die boß - heit des menſchlichen hertzens, daß es ſich lieber des boͤſen als des guten erinnert. Was wun - der denn, daß von zehen auſſaͤtzigen nur einer danckbarkeit ausuͤbet, da man bey der heutigen welt unter tauſend kaum einen antrift, der dem danckenden Samariter gleich komme. Jedoch ie ſeltener ein kleinod, ie fuͤrtreflicher iſt es, und die vollkommenheit desienigen muſters, welches uns unſer Evangelium von einer danckbaren zunge anffuͤhret, iſt ſo herrlich, daß wir dabey der undanckbaren uͤbrigen fuͤglich vergeſſen und hin - gegen den eintzigen danckbaren Samariter zur nachfolge beybehalten koͤnnen. Dieſer ſiehet und erkennet, daß er geſund worden, er kehret um, faͤllt auf ſein angeſicht, zu den fuͤſſen JEſu, preiſet GOtt und dancket ſeinem erloͤſer, welcher auch dieſes danckopfer liebreich annimt. Jch weiß meine freunde, ſeine erkaͤnntniß war eine lebhaf - te uͤberzeugung, daß JEſus ſeyn lieber meiſter ſich ſeiner erbarmet, da er ſich ploͤtzlich veriuͤnget ſahe wie einen adler, und da er empfand, daß eine heylſame aͤnderung an ſeinem leibe vorgegan - gan war. Wieaber eine lebhafte uͤberzeugung, und eine lebendige erkaͤnntniß, auch zugleich ei - nen kraͤftigen eindruck in den willen verurſachet, ſo folgen auch bey ihm dieſer erkannten wahrheit gemaͤſſe thaten. Er kehret alſo um, und ſon - dert ſich damit von denen undanckbaren gefaͤhr - ten ab, er tritt nunmehro nicht von ferne, ſondernK kfaͤllt514von Theologiſchenfaͤllt JEſu zu fuͤſſen, und die feurige zunge wel - che ſich zuvor mit einem eyfrigen beten und ſchrey - en um huͤlfe hatte hoͤren laſſen, wird nunmehro getheilet, dem helfenden JEſu, ein bruͤnſtiges danckopfer zu bringen. Wundert euch nicht, mei - ne freunde, daß uns der Evangeliſt zwar das ge - bet der auſſaͤtzigen aufgezeichnet, hingegen die worte mit welchen der danckbare Samariter die groſſen thaten Gottes geprieſen, nicht aufge - ſchrieben. GOtt verlanget zwar feurige und ernſtliche gebete, aber weil unſere noth endlich und zeitlich iſt, ſo ſind wir auch vermoͤgend mit kur - tzen worten ſelbige dem groſſen GOtt fuͤrzutra - gen. Allein die uns von der hoͤchſten goͤttlichen Maieſtaͤt erzeigte gnade, iſt etwas unendliches und ewiges, und das lob, welches wir dafuͤr ſchul - dig ſind, waͤhret ſo lange wir leben, biß in die ſee - lige ewigkeit, ohne aufhoͤren, in unzehlichen wor - ten. Und wie ſolten wir geſchickt ſeyn die worte, deren ſich der arme Samariter zum preiſe ſeines leiblichen und geiſtlichen artztes bedienet, in un - ſer gedaͤchtniß zu faſſen, da er vielleicht fuͤr in - brunſt ſeines hertzens nicht worte genug, nicht nachdruͤckliche worte genug finden koͤnnen, mit welchen er die ihm erzeigte wohlthat haͤtte ausdruͤ - cken koͤnnen. Denn wer kan die groſſen thaten des Herrn ausreden und alle ſeine loͤbliche wercke prei - ſen. Zudem ſo will der wohlthaͤtige GOtt, daß wir vielmehr in der that und wahrheit, als mit bloſ - ſen worten unſere danckbarkeit bezeugen ſollen. Es iſt genug, er preiſete GOtt mit lauter ſtim -me,515oder geiſtlichen reden. mel, denn der koͤnige und fuͤrſten geheimniſſe ſoll man verſchweigen, aber gottes geheimniſſe und wunderthaten ſoll man oͤffentlich ruͤhmen. JE - ſus laͤſt ſich ſein lallen ſo angenehm ſeyn, daß er ihm antwortet und ſpricht, ſind ihr nicht zehen rein worden? wo ſind aber die neune? hat ſich ſonſt keiner funden der umkehre und gebe GOtt die ehre, denn dieſer frembdlinger? ſtehe auf, gehe heim, dein glaube hat dir geholfen. Ja du gluͤckſeeliger Samariter, dein glaube hat dir geholfen, dein glaͤubiges und feuriges gebet hat deinem JEſu das hertz geruͤhret, daß er dich wun - derbarlich geheilet, dein glaͤubiges und inbruͤn - ſtiges danckopfer, da du GOtt die ehre gegeben, iſt die urſach, daß wir dich nicht als einen Sa - mariter, nicht als einen frembdlinger, ſondern als einen Chriſten, als ein muſter eines glaͤubi - gen Chriſten anſehen. Denn eben die feurige zunge, welche wir an dir erblicken in einem bruͤn - ſtigen dancke, fuͤr die deiner ſeelen und deinem leibe erzeigten wohlthaten, erblicken wir auch an allen glaͤubigen kindern GOttes. Dieſe er - kennen ebenfals, was GOtt an ihnen gethan, wenn ſie mit Jacob ſprechen: Herr wir ſind zu ge - ring aller barmhertzigkeit und aller treue, die du an deinen knechten gethan haſt. Wie alle ihre tugend aus dem glauben an Chriſtum kommet, ſo entbrennet auch eben dieſe erkaͤntniß, aus einem ſo heiligen feuer, und dieſe zuͤndet ferner GOtt ein danckopfer nach dem andern in ihrem hertzen an, ſie ſondern ſich auf ſolche weiſe ab von demK k 2undanck -516von Theologoiſchenundanckbahren haufen der welt-kiuder, ſie keh - ren um von dem breiten wege, werfen ſich zu JEſu fuͤſſen, und treten in ſeine fußſtapfen, daß man von ihnen ſagen kan:
Und wie dem Jeſaia durch eine gluͤende kohle vom altar, bey ſeinem groſſen geſichte die zunge geruͤh - ret und geheiliget wurde, alſo wird auch ihre zunge durch den h. Geiſt im glauben geruͤhret, entzuͤn - det, und geheiliget, daß ſie dem HErrn, der uͤber die Seraphinen ſitzet, ein dancklied nach dem an - dern anſtimmen, daß ihre ſeele den HErrn erhebt und ihr geiſt ſich freuet ihres heylandes. Biß ſie in der ſeeligen ewigkeit, ihre lob-geſaͤnge mit dem heilig, heilig, heilig, der Cherubim und Sera - phim verſtaͤrcken, und alſo dem Hoͤchſten auf die allervollkommenſte art danck opfern, und ihre ge - luͤbde bezahlen. Nun, meine freunde, es iſt der goͤttliche befehl: Ruffe mich an in der zeit, ſo will ich dich erretten, und du ſolt mich preiſen, und wir erblicken dieſem zu - folge, an allen glaͤubigen, feurige und zer - theilte zungen, welche eines theils feurig beten, andern theils inbruͤnſtig dancken. Gehoͤren wir nun unter die zahl dererienigen, welche ihre luſt haben an dem geſetz des HErrn, ſind wir glaͤubige Chriſten, maͤnner GOttes, ſo ſprechen wir billig mit Elia: Es falle feuer vomhim -517oder geiſtlichen reden. himmel, und entzuͤnde die erkalteten hertzen, die ſchweren zungen, welche ſich ſo ſchwerlich zum gebet und lobe des Allerhoͤchſten bewegen, derer - ienigen, welche aus einer geiſtlichen unempfind - lichkeit, ihre noth nicht erkennen, und ſprechen: Wir ſind reich und haben gar ſatt, und duͤrffen nichts, und wiſſen nicht, daß ſie ſind elend iaͤm - merlich blind und bloß. Der barmhertzige va - ter locket uns, wie eine henne ihre kuͤchlein un - ter ſeine fluͤgel, daß wir glaͤuben ſollen, er ſey unſer rechter vater, und wir ſeine rechte kinder, auf daß wir getroſt und mit rechter zuverſicht ihn bitten ſollen, wie die lieben kinder ihren lieben vater. Und dennoch ſind die menſchen ſo blind und taub, daß ſie ſich nicht entſchlieſſen koͤnnen, hinzuzutreten mit freudigkeit zu dem gnaden - ſtuhl, auf daß ſie barmhertzigkeit erlangen, und gnade finden, auf die zeit, da ihnen huͤlfe noth ſeyn moͤchte. Wenn aber der zuchtmeiſter der truͤbſal kommt, ſo erinnern ſie ſich der gnaden - thuͤr, kommen und klopfen an, aber, da ſie ſo lange nicht an GOtt gedacht, und jetzo nur mit den lippen an ihn gedencken, und ſich zu ihm na - hen, ſo bleibet ihnen die gnaden-thuͤre verſchloſ - ſen, und es erſchallet die donner-ſtimme in ihren ohren: Jch habe euch noch nie erkannt, weichet alle von mir, ihr uͤbelthaͤter. Andere bewegen zwar wohl ihre zunge zum gebete, aber das hertz iſt nicht dabey, es iſt kein feuriges gebet, das in ei - nem zerknirſchten bußfertigen hertzen durch den rechten glauben angezuͤndet waͤre. ZuweilenK k 3heiſt518von Theologiſchenheiſt uns die eingefuͤhrte gewohnheit ein gebet - buch ergreiffen, und unſere aͤuſſere geſtalt ſchei - net einem betenden nicht ungleich, aber das hertz iſt mit ſo vielen ſchweren eitelkeiten umgeben, daß es ſich zu GOtt nicht heben kan, oder wir legen wohl mit dem ergriffenen gebet-buche alle regun - gen der gottesfurcht zugleich von uns. Solte da nicht der Hoͤchſte klagen: Dies volck nahet ſich zu mir mit ſeinen lippen, aber ihr hertz iſt ferne von mir, vergeblich dienen ſie mir, dieweil ſie Lehren ſolche lehre, die nichts denn meuſchen - gebote ſind. Nadab und Abihu bringen fremd feuer fuͤr dem HErrn, aber das feuer fuhr aus von dem HErrn, und verzehrete ſie. Was fuͤr ein feuer-eyfer drohet nicht denenjenigen, welche mit fremden gedancken fuͤr dem HErrn kom - men, mit einem hertzen, das entfremdet iſt von dem leben, das aus GOtt iſt, welche auf ein fremdes verdienſt ſich gruͤnden, auch wohl auf ihre ſelbſt-erwehlte heiligkeit trotzen, da doch nur allein Chriſtus ſpricht, was ihr den Vater bitten werdet in meinem nahmen, das wird er euch ge - ben, und da die Chriſtliche kirche ſingt:
Wir wollen uns von dieſem ungluͤckſeeligen hauf - fen abſondern, meine freunde, zu Chriſto kommen und mit ſeinen iuͤngern ſeufzen: HErr, lehre uns beten, verbinde hertz und zunge in heiliger andacht, im wahren glauben auf dein verdienſt, damit wir recht feurig beten moͤgen, damit wir ohne unterlaß beten moͤgen, damit wir als tempel dir lebenslang geheiliget, unſere hertzen als rechte altaͤre, dir ge - faͤllige opfer des gebets bringen moͤgen. Bey ſolchen umſtaͤnden werden wir der ſichern hof - nung leben koͤnnen: Es werde unſer gebet ia, a - men und erhoͤret ſeyn, und der HErr werde das opfer unſerer lippen anſehen, wie das opfer des ge - rechten Abels, und es von uns gnaͤdig annehmen. Denn wir haben einen GOtt, der da hilft, und ei - nen HErrn HErrn, der vom tode erloͤſet, von dem alle gute gaben und alle vollkommene gaben von oben herab kommen, der uns gute gaben, ia den heiligen geiſt geben will, wann wir ihn dar - um bitten. Auf ihn koͤnnen wir alſo durch das gebeth in aller noth unſer anliegen werfen, und zu ihm ſchreyen: Abba lieber vater, Kyrie eleiſon, Chriſte eleiſon, JEſu, lieber meiſter, erbarme dich unſer. Das gebet iſt der Chriſten geiſtli - cher ancker und panacee, darum ruffet uns die gemeine der glaͤubigen zu: Befiehl du deine wege, und was dein hertze kraͤnckt, der allertreu - ſten pflege, des, der den himmel lenckt, der wolcken, luft und winden giebt wege, lauf und bahn, der wird auch wege finden, da dein fuß gehen kan. Dem HErren muſt du trauen, wann dirs ſollK k 4wohl -520von Theologiſchenwohlergehn, auf ſein werck muſt du ſchauen, wann dein werck ſoll beſtehn, mit ſorgen und mit graͤmen, und mit ſelbſt eigner pein, laͤſt GOtt ihm gar nichts nehmen, es muß erbeten ſeyn. Ja du helfer in aller angſt, und noth, du liebſter Heyland JEſu Chriſte: So oft ich nur gedenck an dich, all mein gemuͤth erfreuet ſich, wann ich mein hofnung ſtell zu dir, ſo fuͤhl ich freud und troſt in mir. Wann ich in noͤthen bet nnd ſing, ſo wird mein hertz recht guter ding, dein geiſt bezeugt das ſolches frey des ewgen lebens vorſchmack ſey. Und wenn dort, HErr JEſu, wird fuͤr deinem throne auf meinem haupte ſtehn die ehren-krone, da will ich dir, wenn alles wird wohl klingen, lob und danck ſingen. Moſes kla - get zwar uͤber den undanck der halsſtarrigen kin - der Jſrael, wenn er ſaget: Danckeſt du alſo dem HErrn deinem GOtt, du toll und thoͤricht volck, iſt er nicht dein vater und dein HErr, iſts nicht er allein, der dich gemacht und bereitet hat? Aber ob GOtt will, meine freunde, ſo ſoll uns dieſer harte vorwurf nicht treffen, wir wollen vielmehr unſere ſchuldige danck-opfer dem Hoͤchſten brin - gen in der that und in der wahrheit. Jn der that zwar, daß wir der dreyeinigen Maieſtaͤt uns gantz und gar zu eigen widmen. Daß auch un - ſer hertz in vollkommener liebe erbrenne gegen un - ſern naͤchſten, daß wir barmhertzig ſind, gleichwie unſer vater im himmel gegen uns barmhertzig iſt, und daß wir unſern naͤchſten mit bruͤnſtiger liebe umfaſſen, gleichwie JEſus Chriſtus uns geliebethat521oder geiſtlichen reden. hat bis in den todt, dabey wollen wir nicht auf - hoͤren hier in dieſer zeit die groſſen thaten GOt - tes zu verkuͤndigen, und zu preiſen mit bruͤnſtiger zunge, was GOtt an uns gethan, biß wir in der frohen ewigkeit mit allen heiligen und auser - wehlten anſtimmen werden: Heilig iſt unſer GOtt, heilig iſt unſer GOtt, heilig iſt unſer GOtt, der HErre Zebaoth, alle lande, ia aller himmel himmel ſind ſeiner ehre voll, Alleluja.
§. 10. Auſſer denen predigten kommen geiſtliche reden fuͤr, bey introductionibus, or - dinirungen, trauungen, taufena) im beicht - ſtuhl,b) in den richter-ſtuben, bey admonitio - nibus,c) mit delinquenten,d) im hauſe bey krancken, betruͤbten und ſterbenden. ꝛc. Zu welchen allen man keine beſondere regeln noͤ - thig, da man theils aus den nahmen dieſer reden gleich ſiehet, worauf es ankomme, theils die ailgemeinen regeln der Oratorie dabey hinlaͤnglich. Jm uͤbrigen hat ſich der geiſt - liche redner, bey allen dieſem zu huͤten, daß man ihn fuͤr keinen atheiſten, naturaliſten und irrglaͤubigen frey-geiſt, oder ketzer halte, aber auch nicht eines aberglaubens, heuchle - riſchen papentzenden weſens, ignorantz und grobheit beſchuldigen koͤnne.
P. P.
Die wunderbare freygebigkeit und mil - digkeit des allerliebſten Heylandes JEſu Chriſti, welche er nach dem inhalt des mor - genden Evangelii an den leiblich hungrigen erwieſen, erinnert auch meine hungrige ſeele des brods des lebens, welches mir mein hey - land im abendmahl fuͤrgeſetzet, und ich wer - de begierig zuſehen und zu ſchmecken, wie freundlich der HErr ſey. Zwar komme ich gleich ienem verlohrnen ſohn, welcher ſeine geiſtlichen guͤter in Adam verlohren, ſich her - nach mit den traͤbern dieſer welt gefaͤttiget, und ſein Laͤtare in den irrdiſchen luͤſten geſu - chet, auch nunmehro aller kleider ſeine ſuͤnd - liche bloͤſſe zu decken ſich beraubet ſiehet. Al - lein ich ſeufze auch mit ienem verlohrnen ſohn: Vater, ich habe geſuͤndiget im himmel und fuͤr dir, ich bin fort nicht werth, daß ich dein kind heiſſe: Jedoch ſiehe an das blut und verdienſt deines gehorſamſten ſohnes, deſſen gehorſam biß zum todt am creutz uns die ietzige zeit fuͤr - haͤlt, ſiehe, wie auch ich mit ſeinem blute be - ſprenget und abgewaſchen, und mit ſeiner ge - rechtigkeit, die ich glaubens-voll ergreife, be -klei -523oder geiſtlichen reden. kleidet. So zweiffele ich denn nicht, es wer - de Mhhr. Paſtor auf ſolche meine bekaͤntniß mich zu dem tiſch des HErren fuͤhren, und da - mit ich daſelbſt wuͤrdig erſcheine, an GOttes ſtatt von meinen ſuͤnden loßſprechen. Jch ge - lobe Jhnen hiemit an, fuͤr GOttes angeſicht mit des h. Geiſtes beyſtand JEſum hinfuͤhro als meinen HErrn und Koͤnig zu erwehlen, und deſſen befehlen in meinem kuͤnftigen leben mich willig und ſchuldig zu unterwerffen. Am.
VOm ſchriftlichen fuͤrtrage und deſſen einrich - tung, §. 1. Von der Steganographie, §. 2. Von der orthographie der Lateiner, §. 3. der Teutſchen, §. 4. Vom muͤndlichen fuͤrtrage. §. 7. Von der mine und dem air, §. 8. Von denen geſtibus, §. 9. Von andern dabey zu obſervirenden dingen, §. 10. Be - ſchluß des gantzen wercks, §. 11.
§. 1.
NUnmehro iſt nichts mehr uͤbrig, als daß ich von dem wuͤrcklichen fuͤrtra - ge der rede in ſchriften und ausreden etwas beybringe. Bey allem ſchriftlichen fuͤrtrage, iſt einmahl dahin zu ſehen, daß man leicht und geſchwinde ſeine ſachen zu papier bringe,a) hernach daß man es auch ſo zu pa - pier bringe, daß andere leute leicht und be - quem unſere worte leſen, und ohne kopfbre - chen heraus bringen, was wir geſchrieben haben. b)Auf beyden ſeiten muͤſſen die re - geln des wohlſtandesc) die Orthographie und beſchaffenheit der ſache den ausſchlag geben.
§. 2. Es iſt eine beſondere kunſt, ſo zu ſchreiben, daß nur gewiſſe perſonen unſere fchriften leſen koͤnnen, mit welchen wir des - falls ein verſtaͤndniß haben, dazu bedienet man ſich der buchſtaben, der ziffern, verſchie -dener526von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtragedener characteren, und anderer mittel. a)Doch wie es etwas gefaͤhrliches ſich derglei - chen zu bedienen, das leicht verdacht und un - angenehme unterſuchung nach ſich ziehet, ſo hat man auch dieſer kunſt eine andere entge - gen geſtellet, welche alles, was ſo verborgen geſchrieben, entdecken kan. b)
§. 3. Die Orthographie hat man am ſorg - faͤltigſten zu beobachten, ſo wohl im Lateini - ſchen als Teutſchen, welches die bey uns uͤb - lichen ſprachen, und was die Orthographie betrift, doch am ſtreitigſten ſind. Bey iener hat man ſich zu bekuͤmmern, um die auctores, welche davon geſchrieben,a) um die buchſta - ben, derſelben unterſchied in groſſe und kleine, curſiv - und ſtehende, und derſelben rechten ge - brauch, daß man keine frembde einbringe, keine auslaſſe und zuſetze, um die ſylben, ihre theilung, um die woͤrter, um die zahlen, um die diſtinctiones, und daß man nicht bald ſo, bald anders ſeine ſchreiberey einrichte, auch ſonſt, was oben §. 1. erinnert, nicht aus den augen ſetze.
§. 4. Bey der Teutſchen Orthographie hat man ebenfalls die auctores, ſo davon geſchrie - ben,a) zu mercken, den unterſchied der groſſen und kleinen buchſtaben,b) der langen und kurtzen,c) die verdoppelung derſelben,d) daß man nicht uͤberfluͤßige ſetze,e) nicht frembde einmiſche,f) nicht einen fuͤr den andern ge - brauche,g) bey den ſylben, daß man ſie recht theile und zuſammen ſetze, nicht zuſammen ziehe,h) daher eine uͤble ausſprache entſtehet, bey gantzen woͤrtern, daß man ſie, wo ſie in die Teutſche conſtruction geflochten werden, auch mit Teutſchen buchſtaben ſchreibe,i) daß man ihre endungen wohl unterſcheide,k) den artickel recht anbringe,l) den unterſchied der woͤrter, die unterſchiedene bedeutungen haben, wo moͤglich, auch im ſchreiben unterſcheide,m) die coniugationes recht formire, n) die praͤ - poſitiones mit den rechten caſibus verbinde, o) die diſtinctiones obſeruire, p) und uͤberhaupt die bequemlichkeit fuͤr dem ſchreiber und dru - cker, die deutlichkeit und den wohlſtand fuͤr den leſer, und einerley art der Orthographie, immer fuͤr augen habe.
Einen catalo[g]um derſelben ſiehe beym Hede - rich l. c. p. 89. ſqq.
§. 5. Bey dem muͤndlichen fuͤrtrage hat man zu ſehen, auf eine bequeme und der ſache gemaͤſſe ausrede, auf eine gute diſpoſition des geſichts, auf die bewegungen des leibes nach den affecten, und nach den argumenten, auf die regeln des wohlſtandes, die beſchaffenheit des zuhoͤrers und anderer umſtaͤnde, welche alle miteinander, die ohnedem kraͤftige bered - ſamkeit des leibes vollkommen machen, und von allen unanſtaͤndigkeiten abhalten.
§. 6. Damit man hier deſto gluͤcklicher fort - kommen moͤge, iſt es noͤthig, alles was man fuͤrbingen will, in einem fertigen gedaͤchtnis zu haben. Dazu ſind die ſogenannten mnemoni - ſchen kuͤnſte die ſchlechteſten mittel, und ma - chen den redner mehr zu einer redenden ſtatue, als vernuͤnftigen und klugen redner. Hin - gegen iſt es beſſer, wenn man bey reden im gemeinen leben nichts ohne uͤberlegung fuͤr - bringet,a) und in oͤffentlichen declamationi - bus ein ordentliches ſyſtema ſeiner gedancken, nach einer iudicioͤſen diſpoſition, im kopfe hat, und bey der ausrede mehr auf die gedancken, als worte dencken darf, als welche man durch eine gute uͤbung, leicht und wohl ex tempore ſetzen lernet. b)
§. 7. Bey der ſprache muß man zwiſchen der geſchwindigkeit und langſamkeit, zwiſchen der ſtaͤrcke und ſchwaͤche, zwiſchen der erhebung und erniedrigung derſelben, allezeit die mittel - ſtraſſe halten, damit man nach belieben dieſel - be veraͤndern koͤnne, in keine verdrießliche mo - notonie falle, kein graͤßliches geſchrey und ler - men, dabey die ſtimme uͤberſchnappt, mache, nicht pfeiffe oder bruͤlle, und unverſehens von einem extremo ins andere gerathe,a) ſondern ohne zwang die argumenta, zumahl die pathe - tica, wo die rechte neben-idee des affects iſt, durch den accent wohl unterſcheiden moͤge. b)Jn geſellſchaft und in reden gegen hoͤhere, muß die ſtimme, ſo viel ſich thun laͤſt, moderiret werden.
§. 8. Das geſicht muß von dem inwendi - gen affect des redners am meiſten zeugen, da - mit auch der zuhoͤrer gemuͤth, welche dem red - ner gemeiniglich ins geſicht ſehen, dadurch ge - ruͤhret werde. Man muß alſo ſeine augen ſo wenden, daß nichts flatterhaftiges noch ſtarres darinn wahrgenommen werde, und doch ein ieder von den zuhoͤrern ſagen koͤnne, daß man ihn angeſehen, und alſo mit ihm geredet habe. Die mine, welche man mehrentheils von natur hat, muß durch ein ungezwungenes air, nach beſchaffenheit des obiecti, eingerichtet werden, und von einer freymuͤthigen ſittſamkeit zeugen.
§. 9. Die bewegungen der haͤnde und fuͤſ - ſe, ja des gantzen leibes, muͤſſen ſich nach be - ſchaffenheit der ſache und der ſtatur des red -ners537dem ſchreiben und ausreden. ners richten, und man muß wiſſen unter einem theatraliſchen aufzuge, einer pathetiſchen rede und ſtillen familiàren diſcours einen unter - ſcheid zu machen. Denn das ſchlagen mit den haͤnden, das ſtampfen mit den fuͤſſen, und wenn man fragen kan, wie viel ſchritte der red - ner peroriret, iſt bey oͤffentlichen reden eben ſo wenig nutze, als wenn man in allen geſellſchaf - ten peroriren wolte. a)Uberhaupt muß man ſich hier die muſter vernuͤnftiger leute fuͤrſtel - len, und ihnen das angenehme, wodurch ſie ſo wohl in oͤffentlichen reden, als familiaͤren di - ſcourſen und complimenten, die hertzen der zu - hoͤrer an ſich ziehen, und welches in weitlaͤuf - tige regeln zu faſſen, viel muͤhe, wenig nutzen haben wuͤrde, abzulernen ſuchen.
§. 10. Sonſt muß man bey dem fuͤrtrag ſei - ner gedancken, durch ausreden allezeit ein geſetz - tes gemuͤthe zeigen, ſich dannenheꝛo die moͤglich - keiten in etwas fuͤrſtellen, welche einen etwa er - ſchrecken, verwirren und diſtrahiren koͤnten, und ſich einiger maßen darwieder gefaſt machen. L l 5Man538von aͤſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtragedarf auch die regeln des wohlſtandes und einer guten conduite dabey nicht eben aus den augen ſetzen, da es ausgemacht iſt, daß die heutige welt mehr die ſchalen als den kern, mehr den aͤuſſer - lichen glantz als den iñerlichen werth beobach - te, und auch wohl dieſen nach ienen beurtheile.
§. 11. Und dieſes waͤre alſo, was zu einer gelehrten und galanten beredſamkeit zu wiſſen noͤthig. Was dabey verſehen, wird die zeit beſſern, was daran fehlet, wird ein reiffes nach - ſinnen erſetzen, und was daran gutes iſt, wird eine fleißige uͤbung vollkommen machen, da die beredſamkeit zu denenjenigen wiſſenſchaf - ten gehoͤret, welche nicht in einer uͤberſteigen - den betrachtung, ſondern vernuͤnftigen ausuͤbung beſtehen.
ENDE.
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Fraktur
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