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Entwurf zu der aͤlteſten Erd - und Menſchengeſchichte, nebſt einem Verſuch, den Urſprung der Sprache zu finden.
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Frankfurt und Leipzig,1773.

An Herrn Moſes Mendelsſohn.

Mein Herr!

Der gegruͤndete und allgemeine Ruhm, welchen Sie ſich bey dem ganzen denkenden Publikum erworben haben, hat den Verfaſſer der Erd - und Menſchengeſchichte bewogen, die - ſelbe Ihrer tiefern Beurtheilung zu) (2uͤber -uͤbergeben, und ihr Ihren Nahmen vorzuſetzen. Er wuͤnſcht die Wahr - heit getroffen zu haben, hingegen wird er mit eben der Liebe zur Wahrheit, die Zweifel, ſo dargegen gemacht wer - den koͤnnen, merken, und ſich gern eines beſſern belehren laſſen.

Verſuch[1]

Verſuch den Urſprung der Sprache zu finden.

§. 1.

Wenn man das Alter und den Urſprung der Sprache, die nur vor die Menſchen gehoͤret, erforſchen will, muß man entweder in der Sprache ſelbſt die Kennzeichen von ihrem An - fange und Alter finden koͤnnen, oder man muß den Urſprung und das Alter der Menſchen vor - aus feſtzuſetzen wiſſen. Der erſte Fall ſcheinet unmoͤglich zu ſeyn, denn man muͤſte alle Arten der Sprachen, todte und lebendige, auf der gan - zen Erde vollſtaͤndig kennen, und der letzte Fall, nemlich den Urſprung der Menſchen und ihr AlterAvorher2vorher feſtzuſetzen, erforderte, daß man entweder von ihnen ſelbſt die Kennzeichen ihres Urſprungs hernehme, welches aber eben ſo unmoͤglich zu ſeyn ſcheint, oder daß man ihre Geſchlechte ruͤckwaͤrts bis auf ihren Urſprung verfolgte. Da nun aber das letztere, wegen Mangel gewiſſer und deutli - cher Urkunden, die bis dahin reichten, ebenfalls nicht angeht; ſo kan man dieſes Huͤlfsmittel hier auch nicht zuerſt brauchen.

§. 2.

Laſſen ſich aber die Menſchen nicht ohne ihren Wohnſitz, nemlich die Erde, denken, und denkt man ſich wieder dieſe, niemals ohne ihre Bewoh - ner, die Menſchen; ſo kaͤme es darauf an, ob man nicht umgekehrt den Urſprung der Erde, oder doch ihr Alter finden koͤnte. Nun laͤßt ſich zwar dieſes, wie leicht zu erachten, eben ſo wenig mit Gewißheit erforſchen, und alſo auch das wahre Alter der Erde nicht wohl beſtimmen; wenn es ſich aber gleichwohl mit einer unbeſtimmten Zahl weit hinaus angeben ließe; ſo koͤnte man doch derMenſchen3Menſchen und ihrer Sprache Alter zuerſt eben ſo weit hinaus, und folglich ſchon beſtimmter, anſe - tzen. Denn der Menſchen Alter doͤrfte wohl mit dem Alter der Sprache immer gleich fort laufen, und nichts voraus haben, wenn ich mich in der Menſchen-Kunde und Sprachforſchung, wie ſie unten folgen wird, nicht betrogen habe.

§. 3.

Will man aber von der Sprache Alter und Ur - ſprung ſo viel, als ſich wahrſcheinlicher Weiſe ſa - gen laͤßt, und mit zuſammenhangenden Beweiſen niederſchreiben, ſo iſt hiezu kein beſſerer Rath, als daß man von dem Erdball die Unterſuchung anfange, denn von dieſem Wohnſitze auf die Menſchen, und endlich auf ihre Sprache fort - ſchloͤſſe. Wird man mir aber die noͤthige Auf - klaͤrung dieſer oder jener Unterſuchung weitere Betrachtungen abfordern, ſo wird ſich der Leſer auch dieſe mit zu leſen und zu pruͤfen, gefallen laſſen.

A 2§. 4.4

§. 4. Das Alter des Erdballs.

Wenn wir das Alter der Erde erkennen und ungefehr ſchaͤtzen wollen, werden wir ſie ganz an - ders, als die Menſchen, von denen man immer junge und alte Geſtalten mit einander zu verglei - chen findet, betrachten muͤſſen. Wir werden zwar auch nur ihre Oberflaͤche oder aͤuſſere Geſtalt vor uns nehmen, und ſie noch dazu mit keiner andern Erdkugel, geſchweige denn mit einer jungen, ver - gleichen koͤnnen; allein wenn nun eben dieſe Oberflaͤche blos aus Ueberbleibſeln ihrer jungen und maͤnnlichen Geſtalt beſteht, ſollten da nicht aus dieſer Vergleichung Folgen zu ziehen ſeyn, die man ſtatt unbeſtimmter Zahlen, oder Hoͤhen jedes Alters brauchen, und gleichſam als Jahr - ſtufen, ſtatt Jahrzahlen angeben doͤrfte, wie man Kind, Knabe, Juͤngling, Mann und Greiß, oh - ne Jahrzahlen braucht.

§. 5.

Unſere Reiſebeſchreibungen um die Erde haben uns freylich von dieſer Seite noch nicht ſo vielVor -5Vorarbeit geliefert, als man zu wuͤnſchen haͤtte; doch haben ſie uns ſo viel geſagt, daß man Folgen genug zu dieſem Endzweck daraus ziehen kan. Daher habe ich nur noͤthig, den Kern der Erd - beſchreibung vorzulegen, und die jetzige Geſtalt der Erdkugel uͤberhaupt vorzuzeichnen, um mich dadurch zu berechtigen, das uͤbrige aus unſerer Gegend bis ins Beſondere auszufuͤhren.

§. 6. Das Meer.

Die zwey Haupttheile unſerer Erdkugel ſind Meer und Land. Das Meer, welches uͤberall, zumahl an den Geſtaden, von Seethieren wim - melt, und von Seegewaͤchſen nirgend ganz blos iſt, fuͤhrt von beiden Geſchlechten und Arten in jeder Hauptgegend, eigene Arten, bald dieſes, bald jenes Geſchlechts, die man an andern Ge - ſtaden nicht findet.

§. 7.

Sein Grund iſt am Geſtade wie das naͤchſte Land, und weiter gegen ſeine Hoͤhe, iſt es von ſoA 3verſchie -6verſchiedener Tiefe, daß man ihm auch Berg und Thal, wie dem feſten Lande zugeſtehen muß; ja mitten in der offenbaren See, wo keine Inſeln ſind, kan man ihm meiſtens eine unergruͤndliche breite Tiefe, oder die tiefſten vom Seegebirge ab - gelegenen Ebenen, beymeſſen.

§. 8.

Das Meerwaſſer ſelbſt iſt an ſich in doppelter Bewegung, davon eine durch Ebbe und Fluth gegen die Kuͤſten, da und dort ſtaͤrker oder ſchwaͤ - cher; die andere durch die Meerſtroͤme nach ver - ſchiedener Richtung, erreget wird; auſſer dem wird ſeine Oberflaͤche beſtaͤndig durch die Winde, und ſein Grund nicht ſelten durch Erdbeben, die vermoͤge der Erfahrung allezeit vom Meere an - fangen, in Bewegung geſetzet.

§. 9.

Seinen Unterhalt bekommt das Meer uͤber - haupt durch das Weltlicht und die Luft, beſon - ders aber durch den Regen und die Fluͤſſe desLandes7Landes, da inzwiſchen ſeine groͤßte bekannte Ab - nahme wieder durch die Duͤnſte geſchiehet.

§. 10.

Betrachtet man aber das Weltmeer, welches rund um die Erdkugel ein Ganzes macht, nach ſeinen einzelnen Gegenden uͤber der Erdflaͤche hin, ſo findet man es, als viele kleinere Meere, mit beſondern Nahmen belegt, deren volle Seiten, als Hauptgeſtade gegen die kuͤrzeren Kuͤſten gel - ten koͤnnen.

§. 11. Das Land.

Das Land, (es beſtehe aus Inſeln, oder feſtem Lande,) iſt die vom Geſtade des Meeres an die - ſer Seite hervorgehende Erde, welche ſich bald durch Ebnen, bald durch Berge und Thaͤler, die nach verſchiedenen Gegenden fortſtreichen, zu dem Geſtade des Meeres an jener Seite, als unbe - deckter Erdboden fortlaͤuft, und dort wieder hin - unter geht, aber rund um die Erdkugel kein Gan -A 4zes8zes ausmacht, ſondern hie und da, bald mehr, bald weniger getrennt iſt.

§. 12.

Eine eigene Bewegung hat das Land oder der Erdboden nicht; doch iſt der beſtaͤndige Zug der Luft, nebſt den Winden ſo gut, als die ſeinige. Die Bewegung, ſo er von dem Erdbeben, wie - wohl nur ſelten auszuſtehen hat, wird ihm nur vom Meergrunde mitgetheilt.

§. 13.

Des Landes Unterhalt kommt uͤberhaupt aus dem Weltlichte und dem Luftkreiſe, beſonders aber durch den Regen, oder die Quellen, welche ſtets von den Anhoͤhen gegen die tieferen Gegen - den zuſammen laufen, und denn als Fluͤſſe, mit beſondern Waſſerthieren und Waſſerpflanzen, nach der, jeder Hauptgegend eigenen Art, ſich in das Meer ergießen.

§. 14.

Alle feſte Laͤnder und Inſeln wimmeln zu ihrer Zeit von Landthieren, oder wenigſtens von Gezie -fern9fern und Ungeziefern; ſie ſind auch ſo leicht nir - gend von Landgewaͤchſen blos, ſollte es gleich nur Moos ſeyn; doch iſt hier eben die Ordnung anzu - treffen, daß jede Hauptgegend hier dieſe, dort jene beſondere Thiere und Pflanzen fuͤhret, die man in andern Gegenden nicht findet.

§. 15.

Man trift ferner alle feſte Laͤnder und Inſeln, die von den Europaͤern beſucht werden, ſeit Woodwarts Nachfragen, aus Schichten erbauet an, wovon noch viele gegen die Ebnen ſowohl, als auch an den hoͤchſten Gebirgen, erſtlich groͤß - tentheils als Meergeburten, zweitens aber doch nur zum kleinſten Theil, als Landgeburten dazwi - ſchen anzuſehen ſind. Denn alles Schichtwerk, aus Kalch, Sand, Mergel und Thon, welches entweder ſelbſt, oder doch in ſeinen Zwiſchenſchich - ten umſteinte Seeſtuͤcke, oder deren verſteinerte Abdruͤcke, nach derjenigen Ordnung, die blos das Meer halten kan, in ſich fuͤhret, kan fuͤr nichts anders, als eine Meergeburt angenommen werden.

A 5§. 16.10

§. 16.

Hingegen alles Schichtwerk, welches unordent - lich umſteinte, oder gar verſteinerte Landſtuͤcke, als von Holz, Kraͤutern, Landfiſchen und Landthie - ren, theils im Abdruck, wie die Kraͤuter und Fi - ſche, theils noch als Mulm von Pflanzenwerk, oder ausgezehrte Thierknochen, in Achat, Stein - kohlen, Agtſtein, Schiefer, Alaun oder Eiſen - ſtein verſteinert, enthaͤlt; kan urſpruͤnglich fuͤr nichts anders, als eine ins Meer geſchlemmte Landgeburt erkennt werden. Endlich finden ſich noch drittens an einigen wenigen Oertern, zwi - ſchen den hoͤchſten Anhoͤhen, als unter den oben daruͤber angelegten Schichten, beſondere Stein - ſchichten, deren Stelle, und Stellung ſowohl, als ihre Beſtandtheile, zweifeln laſſen, ob man ſie zu den obigen Meergeburten rechnen doͤrfe.

§. 17. Folgerungen.

Wenn ſich nun die jetzigen feſten Laͤnder fuͤr nichts anders, als einen Meergrund anſehen laſ -ſen,11ſen, auf dem das ehemalige Meer dieſes Schicht - werk, theils vermittelſt dem Abſatze aus ſeinem Salzwaſſer, als Meerſchlamm, oder Salzarten, theils mittelſt ſeinen haͤufig eingeniſteten und ver - deckten Bewohnern, theils auch durch zuge - ſchlemmte Landſtuͤcke aufgebauet hat; ſo kan man auch umgekehrt, das damalige Land nirgends an - ders, als unter dem jetzigen Meere ſuchen, und alſo waͤre der jetzige tiefe Meergrund das alte feſte Land.

§. 18.

Daraus erhellet zugleich, daß die ehemahligen Bewohner des alten Meeres, die Beſitzer des alten feſten Landes; und die Bewohner des al - ten feſten Landes jetzt die Beſitzer des alten Meer - grundes ſeyn.

§. 19.

Wie kan aber dieſe Umkehrung anders, als durch den tiefſten Einſturz des ehemaligen feſten Landes, und den dadurch verurſachten Nachfluß des vorigen Meeres, bis auf den oͤden Grund erfolget ſeyn?

§. 20.12

§. 20.

Da man nun gleichwohl die Beſitzer ſowohl des jetzigen Meeres, als des jetzigen feſten Lan - des ſo vertheilt antrift, daß jede Hauptgegend des Meeres und Landes ihre eigene Arten von Pflanzen und Thieren fuͤhret; ſo laͤßt ſich weder der Einſturz des einen, noch der Nachfluß des an - dern, uͤberall auf einmal denken; wie haͤtte ſonſt jede Gegend ihr eigenes erhalten koͤnnen? ſon - dern jeder muß ruckweiſe erfolgt ſeyn; dadurch konten die Bewohner des nachfallenden Meeres an jedem Orte in die neue Meerestiefe zuſammen und unzerſtreut hinunter gehen, und hierauf auch die Nachbarn des oͤden Meergrundes wieder in der Art, wie ſie auf ihrem alten Lande gewohnet hatten, des neuen Landes Beſitzer werden: folg - lich blieb jeder Gegend ihr eigenes.

§. 21.

Dieſes wird dadurch noch deutlicher, daß ſich bis jetzt die Arten der Seegewaͤchſe und Seethie - re, die jedes Hauptgeſtade eigen hat, ungeachtetihrer13ihrer beſtaͤndigen Vermehrung dennoch nicht in fernere Gegenden fortpflanzen, und alſo fuͤr ſich nicht, wenige ausgenommen, zu der Art der wan - dernden, gehoͤren. Deswegen kan man ſie auch nicht, weder in Anſehung der vorigen Zeit, noch der kuͤnftigen, es muͤßte ſie denn die Veraͤnderung der Meeresſtroͤme, oder der Fortgang des Mee - res, deſſen gehorſame Unterthanen ſie ohne Zwei - fel ſind, dazu zwingen, als fortwandernde anſe - hen; doch kan noch der Mangel an Nahrung, durch eine Verwandlung des Meerwaſſers, oder Grundes an ſolchem Geſtade ein drittes Zwang - mittel werden.

§. 22.

Eben dieſes iſt auch von den eigenen Arten der Landgewaͤchſe und Landthiere bekannt. Denn ſeit Menſchen Gedenken hat keins ſeine Hauptgegend von ſelbſt verlaſſen; ob uns gleich die Thierhaͤu - ſer und Luſtgaͤrten Beweiſe geben, daß ſie hier zu Lande gleichfalls leben koͤnten. Folglich muͤſſen ſie ebenfalls nur vom alten feſten Lande zum nach -barlichen14barlichen neuen Lande gewichen ſeyn, oder ſich fortgepflanzt haben, ohne daß ſie ein gaͤnzlicher Einſturz ihres alten Landes alle zuſammen uͤber - raſcht hat. Auf die Zugvoͤgel und andere wenige wandernde Thiere ſehe ich nicht, weil ihre gerin - ge Anzahl es nicht verdienet. Denn faſt alle uͤbrige fuͤhlen, wie die meiſten Voͤlker, das Heimweh.

§. 23.

Wie aber die Oberflaͤche der alten feſten Laͤnder beſchaffen geweſen ſeyn mag, doͤrften wir, wenn ſich ja noch irgendwo ein paar ſchriftliche Urkun - den davon erhalten haͤtten, wohl jetzt nicht ein - mahl recht verſtehen, bis uns erſt dieſe aͤlteſte Erd - und Menſchengeſchichte gelaͤufiger gewor - den; hingegen laͤßt ſich der alte Meergrund von uns um deſto genauer durchforſchen. Weil mir aber jetzt an der Menſchengeſchichte mehr, als an der bloſſen Erdgeſchichte gelegen iſt, ſo will ich wenigſtens das, was man hieraus vom alten fe - ſten Lande und der alten Erdkugel, der Menſchen alten Wohnſitze, ſchlieſſen muß, hier zuſammennehmen,15nehmen, und des leichtern Ausdrucks wegen mag unſer Europa mit ſeiner Nachbarſchaft das Bei - ſpiel ſeyn.

§. 24. Von Europa.

Das alte Meer, welches unſer jetziges Europa bedeckte, mag ſo hoch geſtanden haben, als man will, (wir wollen ohngefehr die hoͤchſten Gebirge zum Maas dazu annehmen,) ſo mußte doch das umliegende alte feſte Land damals noch hoͤher ſte - hen. Wenn nun die Oberflaͤche des alten feſten Landes, mit der Oberflaͤche des alten Meeres, um die ganze Erde, damals einen beinahe runden Koͤrper vorſtellte; ſo war auch zu der Zeit die Erdkugel im Durchſchnitt durch die alten feſten Laͤnder genommen, wenigſtens um ſo viel groͤſſer, als die Spitzen der jetzigen hoͤchſten Gebirge an - geben. Denn dieſe waren ja damals vom Meere bedeckt, und folglich der darum liegende Erdbo - den noch hoͤher.

§. 25.16

§. 25.

Stuͤrzten nun die alten feſten Laͤnder um das alte Meer, ſo Europa bedeckte, ſo tief ein, daß alles Alpenhohe Meerwaſſer da hinein fallen, und das neue Land Europa blos ſtellen konte; ſo muͤß - te es ja wohl unter dieſen einſtuͤrzenden Laͤndern hohl ſeyn. Da ferner die Erde vor dem Einſtuͤr - zen der feſten Laͤnder nach ihrem Durchſchnitt um ſo viel groͤſſer und zugleich hohl war, ſo mußte ſie auch damals um ſo viel leichter ſeyn, als jetzt, und jetzt um ſo viel ſchwerer.

§. 26.

Kan alſo unſere Erde, als ein Koͤrper, der von den Lichtſtrahlen des Himmels gehalten und ge - ſchwungen wird, vor dem Einſtuͤrzen der alten Hohlungen, die jetzige Bahn gegangen ſeyn? Kan ſie gegen Sonne und Mond ihre Bahn wie jetzt gehalten, und koͤnnen ihre Bewohner dieſe Himmelskoͤrper ſo und fuͤr das, wofuͤr wir ſie jetzt anſehen muͤſſen, erkennt haben?

§. 27.17

§. 27.

Konnte nachher dieſe hohle Kugel, auſſer ihre alte Bahn zu veraͤndern, wohl noch die vorige Lage behalten, nachdem ſich durch den Einſturz der Hoͤhlen ihr Waageſtand aͤnderte? mußte ſich nicht dadurch die Axe mit ihren Polen aͤndern? und dabey manches Land aus einer guten Him - melsgegend in eine ſchlechtere gerathen? wurde nicht dabey unſern Erdbewohnern der Lauf des Himmels ganz anders ſichtbar? ja im Fall, daß ſich die Erde uͤberſchlagen mußte, gieng nun nicht die Sonne da auf, wo ſie ſonſt untergieng?

§. 28.

Wenn konte nun dieſe hohle Kugel, die blos vom Weltlicht gehalten, geſchwungen, und nicht mehr, als vorher zuſammen gedruͤckt wurde, ih - ren erſten Einſturz leiden? ohne Zweifel zu der Zeit, da ſie den erſten Druck eines andern Him - melskoͤrpers litte. Iſt aber nicht ein ſolcher Koͤr - per unſer Mond; wie noch taͤglich Ebbe und Fluth bezeugen? Alſo mußten mit dem AntrittBgegen18gegen einen Planeten unſerer Sonne die Anſtal - ten zum erſten Einſturz ſich anfangen.

§. 29.

Wenn nun von zweyen oder mehrern Koͤrpern, die zugleich von einer Kraft geſchwungen werden, der leichteſte in der Mitte und der ſchwerere am Umfange des Schwunges geht; ſo wird wohl auch die Erde, wenn ſie leichter als ihr druͤckender Mond war, in der Mitte des Schwunges wal - zend, und der Mond um ſie ſchmieggaͤngig gewor - den ſeyn. Wird aber Ebbe und Fluth nicht erſt ſeit des Mondes Nachbarſchaft, und dadurch auch erſt der Einſturz eines feſten Landes nach dem andern erfolgt, ein neues Land nach dem an - dern entſtanden, und von den Nachbarn bevoͤlkert worden ſeyn?

§. 30.

Werden nicht alſo auf dem erſten neuen Lande jener Zeit, als auf dem aͤlteſten feſten Lande jetzi - ger Zeit, die ſeit dem hier angeſeſſenen Voͤlker, welche nur aus der Nachbarſchaft hinuͤber gien - gen, ſich als die aͤlteſten Voͤlker des Erdballs an -ſehen19ſehen koͤnnen? Darf man ſich aber hierbey die Einrichtung oder Unterhaltung der alten Erde und ihrer alten feſten Laͤnder, vom Weltlicht, Luft - kreiſe, Regen, von den Quellen und Fluͤſſen, ſo vorſtellen und denken, wie die jetzigen?

§. 31.

Darf man alſo die Beſchreibungen der dama - ligen und nachfolgenden Voͤlker, von der alten Erde und ihren Verwandlungen, blos aus der jetzigen Geſtalt, dem gegenwaͤrtigen Umlauf, und dem jetzt gangbaren Unterhalt des Meeres und Landes erklaͤren, oder verſtehen wollen? Wird man nicht alſo die aͤlteſte Erdgeſchichte voraus ſetzen muͤſſen, ehe man von der aͤlteſten Menſchen - geſchichte reden will?

§. 32.

Und was kan man endlich von dem Schoͤpfer aller Himmelskoͤrper, und der Erde, ohne dieſe, wohl richtig ſagen, wenn man von ſeiner Abſicht und Liebe gegen die Menſchen, ohne Religions - oder Geſchlechtsſtolz, reden will?

B 2§. 33.20

§. 33. Beſonders von Thuͤringen.

Ob man nun gleich dadurch weit in das Alter - thum der Erde hinaus ſieht, ſo fehlt doch noch ein Maasſtab dazu. Wenn aber eine Gegend, die zuverlaͤßig als alter Meergrund anzuſehen iſt, in ihrem Schichtbau volle Beweiſe fuͤhrte, daß wenigſtens acht Hauptveraͤnderungen, mit dieſem alten Meere, und wo nicht mehrere, doch eben ſo viele mit den alten feſten Laͤndern vorgegangen waͤren, ehe dieſes Meer ſeinen alten Grund ver - ließ; haͤtte man da nicht an dieſer Gegend vorerſt einen einzelnen Beweis und Maasſtab im Klei - nen? der zwar nicht nach Sonnenjahren, aber doch nach natuͤrlichen Zeitlaͤuften zu beſtimmen waͤre, und der ſich auch wohl kuͤnftig noch mehr vergroͤſſern und verbeſſern lieſſe?

§. 34.

Eine ſolche Gegend iſt fuͤr mich unſer Thuͤrin - gen. Man betrachte es von der Mitte uͤber den Harz, und von dieſem bis zum Thuring herum;oder21oder man gehe aus der Mitte uͤber den Thuring. Es ſey von Gotha bis Saalfeld, wo es wolle; ja eben ſo gut, von der Mitte gerade gegen das Vogtland, bis an die Sudeten um Boͤhmen, oder von der Saale durch das Altenburgiſche ins Saͤchſiſche Gebirge. Doch jede Gegend in Eu - ropa, die man von einem hohen Gebirge, uͤber die tieferen Berge hin, zum gegen uͤber ſtehenden hohen Gebirge desfalls unterſucht, und welche ein Schos des alten Meergrundes (der viele ſol - cher Schoͤſe hat,) jetzt heißen mag; oder die man von einem Meere bis zum naͤchſten hohen Gebir - ge durchforſcht, muß dergleichen Maasſtab abge - ben koͤnnen, wie mich die Beſchreibungen verſchie - dener Naturforſcher, von verſchiedenen Gegen - den vermuthen laſſen.

§. 35.

Der zu fruͤhzeitig verſtorbene Naturforſcher, Lehmann, hat ſchon in ſeiner Abhandlung von den Floͤtzgebirgen, das meiſte vom Thuͤringiſchen Schichtbau gegen Norden angegeben, doch hatB 3er22er nicht von der Mitte hinaus gemeſſen, und alſo zwey Hauptgebirge mit ihren Unterlagen uͤber - gangen, und noch dazu den ganzen Schichtbau, durch eine unnatuͤrliche Auslegung fuͤr die Natur - kunde unbrauchbar gemacht.

§. 36.

Nach ihm hat ein Thuͤringer, in einer Ge - ſchichte des Landes und Meeres, die in dem 2ten Bande der Akten der Maynziſchen Akademie ſte - het, das, was in Anſehung des mittleren und ſuͤd - weſtlichen Thuͤringen, uͤbergangen worden, ziem - lich nachgeholt; ſo viel ich mich aber erinnere, hat ſeit 1761 nicht mehr, als einer, oder ein paar Naturforſcher dieſe Geſchichte durchgeleſen und durchgedacht, doch ohne eine Vergleichung der Gebirge ihrer Gegend anzuſtellen. Weil nun der Verfaſſer ſich dieſer Geſchichte nicht weiter angenommen hat, und auch wohl vielleicht nicht annehmen duͤrfte; ſo werde ich das, was ich nach - her noch als Beytraͤge gefunden habe, hier zu nutzen und geſchichtmaͤſig nachzutragen ſuchen,um23um dadurch die Geſchichte des Landes und Mee - res zu erweitern.

§. 37.

Wenn der Auf bau von Schichten erſtlich dieſe Richtigkeit vor ſich hat, daß die unterſten die er - ſten oder aͤlteſten, die oberſten hingegen die letz - ten und juͤngſten ſind; daß ferner bey einer ſchief - abfallenden Lage dieſer Schichten, eben die aͤlte - ſten am hoͤchſten Theile vorragen, und die juͤng - ſten, oder letzten gegen die Ebne ablaufen, und daß eben die erſten oder aͤlteſten Schichten, wenn man ſie gegen das Alter der Erde haͤlt, die Ju - gend unſeres alten Meeres oder der Erde, umge - kehrt aber die letzten Schichten das hohe Alter unſers alten Meeres anzeigen; daß endlich dieſe juͤngſten Schichten, weil ſie am meiſten blos ſte - hen, am leichteſten zu unterſuchen ſind; ſo wird man dieſe Unterſuchung allezeit am leichteſten von der Ebne ſolcher Gegend, oder von dem hohen Alter unſerer Erde anfangen, und von da gegen die Hoͤhe, als ihre Jugend, zuruͤck gehen koͤnnen. Daher ich auch aus dem mittleren Thuͤringen,B 4gegen24gegen deſſen hohes Gebirge, wo der alte Meer - grund zu ſeiner alleraͤlteſten Zeit, als in ſeiner erſten Jugend, ſelbige Anhoͤhen zu dieſem Meer - ſchoſe ſchon gehabt haben muß, hinaufſteigen werde. Dieſe Anmerkung moͤgen meine Leſer wohl behalten.

§. 38.

So wie man aber von der Ebne nichts als die Oberflaͤche angeben, hingegen von den Bergen, wenn ihr Schichtbau zu Tage auslauft, die Art, Zahl, Gehalt und Anbau der Schichten, nebſt dem Wechſel ihrer Arten genauer beſtimmen kan; ſo iſt es auch natuͤrlich, daß ich nur von dem Ort, wo die Ebne zu einem Berge anſteigt, die Art und Folge der Schichten beſtimme. Wer aber Thuͤringen, oder eine andere aͤhnliche bergichte Gegend kennt, wird gleich vermuthen, daß ich unter dem Worte Berg, keine ſo kleine Anhoͤhen, wie etwa der Kickerlings - oder Sandberg, bey Leipzig iſt, und die ein Thuͤringer einen Rand, oder hoͤchſtens einen Huͤgel nennen wuͤrde, hierverſtan -25verſtanden haben will; doch kan das Wort Gebirge bisweilen darauf paſſen.

§. 39.

Hierbey muß ich noch vorher erinnern, daß das bergmaͤnniſche phyſikaliſche Gebirge, von dem geographiſchen oder geometriſchen, welches nur einen Zuſammenhang oder Fortſetzung meh - rerer Berge bedeutet, hier zu unterſcheiden ſey. Denn Berge, ſo weit ſie, nach dem Hauptbe - ſtande und dem Gehalt ihrer Schichten, nach ihrem Lager und Anbau ſich gleichen, z. B. ſo weit ſie aus Sand, oder Kalch mit Muſcheln be - ſtehn, heiſſen nach dieſem Haupttheil ſchon Ge - birge, und nach dem Beſtande ſelbſt Gebirges Art. Wenn aber ſolches Gebirges unterer Theil, nach dem Beſtande abweicht, jedoch nach dem Lager und Anbau mit ihm fortlaͤuft, wenn es auch gleich vorſpringt, ſo heißt dieſer untere Theil, das Un - terlager, oder Wechſel ſolches Gebirges.

§. 40.

Daher kan ein Berg, den der Feldmeſſer vom Fuß an bis zur Spitze, nur als einen einzigenB 5Berg26Berg anſieht, ſowohl nach der unterſchiedenen Gebirgesart, als ſelbſt nach deren Unterlager, in mehrere Gebirge einzutheilen ſeyn. Denn ſo fin - det man einen einzigen Berg, aus dem blauen, rothen, weiſſen, und Floͤtzgebirge zuſammengeſetzt. Hingegen heiſſen auch die Berge, nach dem Be - ſtande, oder der Gebirgesart ihrer Haupttheile, ſie moͤgen ſo weit als moͤglich von einander ent - fernet ſeyn, und am Harze, oder am Thuring, oder im Vogtlande liegen, doch allezeit nur ein einziges Gebirge, und folglich zeigt hier das berg - maͤnniſche oder phyſikaliſche Wort, Gebirge, eine ganze Menge Schichten, die ſich nach ihrem Be - ſtande und Lager gleichen, an.

§. 41.

Deswegen kan man ohne Furcht zu irren, ſa - gen, daß in Thuͤringen, Sachſen, Lauſitz, u. ſ. w. nur ein einziges Sandgebirge ſey, obgleich die Sandberge zwiſchen dem Umfange und in der Mitte umher zerſtreut liegen. Es bleibt ihnen auch daher der Name des Gebirges, wenn gleichdie27die Schichten zuſammen unter der Erdflaͤche lie - gen, eben ſowohl eigen, als wenn ſie hervor ſtuͤn - den; denn ihr Beſtand und Lager zwiſchen dem vorausgehenden und nachfolgenden, nicht aber ihre Lage oder ihr Stand auf der Anhoͤhe, giebt den Schichten dieſen Namen, welches man eben - falls merken muß.

§. 42. Das Muſchelkalkgebirge.

Nun komme ich zur Sache ſelbſt: Das juͤng - ſte Gebirge von Thuͤringen, beſteht aus Muſchel - kalk, welcher nach verſchiedenen Abſtaͤnden, oder beſondern Ketten von ſolchen Bergen, meiſtens von Abend gegen Morgen laͤuft. Wer die ganze Hoͤhe, Zahl und verſchiedene Staͤrke ſeiner Schich - ten, den Gehalt der Muſcheln nach ihrem Alter und ordentlich vertheilten Geſchlechtsarten, nebſt dem Beſtande der Kalcherde, oder ehemaligen Meerſchlamme, nur ungefehr zu ſchaͤtzen ſucht, wird den Zeitraum, innerhalh dem dieſes alte Meer eine ſo groſe Menge Schlamm abſetzte, ſoviel28viel Seethiere groß zog, und dabey erſt jeder Schicht vom Schlamme die Haͤrte, wodurch ſie ſich von der andern abſondern laͤßt, geben konte, unmoͤglich durch ein paar hundert Sonnenjahre beſtimmen wollen. Zumal wenn er des Meeres ruhige Beſchaffenheit, welche ſo lange unveraͤn - dert dergleichen Kalchſchlamm gab, damit verbin - den will. Unſere Nachkommen, denen das Wachsthum und Alter dieſer Seethiere zu erfor - ſchen vielleicht aufgehoben ſeyn wird, moͤgen kuͤnf - tig die Jahre, genauer beſtimmen, fuͤr jetzt iſt es genug, den Zeitlauf des Muſchelkalks uͤberhauptDer Zeit - lauf K. als eine lange Zeit anſetzen, und ihn mit meinem Vorgaͤnger K ſchreiben zu duͤrfen.

§. 43. Deſſen Unterlager.

Da das Unterlager dieſes Gebirges, ſowohl vermoͤge der ſtarken rothen und andern mit Gips abwechſelnden Mergelſchichten, als nach dem Gehalt von Landthieren, Steinkohlen, und fetten Alaunſchiefern beweiſt, daß hier und vor dem ru -higen29higen Zeitlauf K, vielmehr Erdbeben, als welche das Meerwaſſer gelb oder rothſchlammicht ma - chen, und Ueberſchwemmungen von einem alten feſten Lande, welche Elephanten und andere frem - de Thiere hergefuͤhret, dieſes alte Meer beunru - higet haben, doch ſo, daß die Seethiere hier noch ihre Ordnung beybehalten konten; ſo iſt zwar die - ſer Zeitlauf nicht ſo hoch, als obiger zu ſchaͤtzen, doch kan er auch wegen ſeinem hohen Vorſprunge, der ſich hier und da zu beſondern Bergen aufge - bauet findet, als der rothe Berg vor Erfurt, nebſtDer Zeit - lauf k. andern im mittlern Thuͤringen, gar nicht mit wenig Jahren verglichen wer - den, und ich will ihn k nennen.

§. 44. Das Sandgebirge.

Vor dieſem beunruhigten Zuſtande des thuͤrin - giſchen alten Meerſchoſes, war es hingegen auf die beſondere Art beſchaffen, daß das ſehr hohe Sandgebirge ſchichtweiſe erbauet, und unzaͤhlige Seethiere uͤberall entweder nur umſteint, oderdurch -30durchgehends wie hier zu Lande verſteinert wer - den konten. Nun ſetze man die Beſchaffenheit des Meerwaſſers, welche Sand oder die haͤrteſte Sandart geben kan, erſtlich voraus, laſſe dabey ſolche ſtets mit der Beſchaffenheit, vermoͤge wel - cher das Meer blos mergelartigen Thon giebt, nach dem Maaſe kleiner Schichten mit unter abwech - ſeln, und verbinde die ungeheure Zahl der Sand - ſchichten, von denen auch jede vor ſich ihre Zeit der Verhaͤrtung noͤthig hatte, nur nach einem kleinen Zeitmaaſe damit, wie viel Jahrhunderte wird das Meer ſowohl fuͤr den Sand, als deſſen verſteinerte Bewohner, worunter in verſchiede - ner Entfernung der Hoͤhe ſich Muſchelkerne zu anderthalb Schuh groß finden laſſen, erfordert ha - ben? ohne die Zahl der Jahre nach unſerm Zeit -Der Zeit - lauf J. maaſe angeben zu wollen, mag der Zeitlauf dieſes Sandgebirges J heiſſen.

§. 45. Das Unterlager.

Doch iſt dieſe ſandigte Beſchaffenheit des alten Meeres auch durch einen von Erdbeben und desfeſten31feſten Landes Ueberſchwemmung geſtoͤrten Zu - ſtand des Gewaͤſſers, der nicht allzugeſchwindDer Zeit - lauf i. erfolget ſeyn kan, veranſtaltet wor - den; dieſen kleinen Zeitlauf will ich i nennen.

§. 46. Das Mehlbatzige Kalchgebirge.

Ehe aber dieſe Veraͤnderung des Meeres, wel - che ſein Salzwaſſer zum obigen Abſatz des San - des vorbereitete, hier erfolgen konte; war vorher ein ſo ruhiger Zuſtand des Meeres, daß ſich der reine Kalchſchlamm des Meerwaſſers, an dem Umfange des hoͤhern Meerſchoſes hier, als ein weißliches Mehl, oder wie gelbliche Kreide abſe - tzen, und dieſe Maſſe (Mehlbatzen) durch Eintritt einer ſchwaͤrzenden Feuchtigkeit in guten Kalch verwandeln konte. Es hat dieſer Kalch wenig Muſchelarten, auſſer an den Scheidungen der Schichten, und blos verſteinert erhalten; doch finden ſich die Griphiten mehr umſteint, als ver - ſteinert in ein paar Schichten. Es muß abereine32eine Verwuͤſtung des feſten Landes vorher gegan - gen ſeyn, und dieſer Gegend viel Holzſtaͤmme zugefuͤhrt haben; weil ſich hier und da ſolches Holzwerk in dieſem Kalche verſteinert antreffen laͤßt. Die Hoͤhe dieſes Kalchgebirges kommt zwar obigem Muſchelkalch nicht bey; doch laͤßt ſich auch hier, wegen des mehlichten Bodenſatzes eines Kalchſchlammes weniger GeſchwindigkeitDer Zeit - lauf H. vorſtellen, zumal da faſt alles Mu - ſchelwerk verzehrt iſt. Dieſen Zeitlauf nenne ich H.

§. 47. Das Unterlager.

Von dieſer kalchigten Beſchaffenheit des Meer - waſſers finden ſich zuverlaͤßige Merkmahle einer groſſen Verwuͤſtung des alten feſten Landes durch Erdbeben, ſowohl an dem ſchwarzen ſchieferarti - gen Mergel, als auch an den Steinkohlen einer Gegend, und die Alabaſterarten der andern Stri - che. Nach dem Anſchein mancher Gegend, kan man dieſe Verwuͤſtung nicht ſo geſchwinde, alses33es andere Stellen vermuthen lieſſen, fuͤr abge - than anſehn, und man hat dabey die ungleichenDer Zeit - lauf h. Fluͤttungen genauer zu erwaͤgen; die - ſen Zeitlauf nenne ich h.

§. 48. Das Floͤtzgebirge.

Faſt in gleichem Zuge des untern Umfanges oder Vorgebirges der aͤlteſten Anhoͤhe, folgt nun das dem Bergmann ſo bekannte Floͤtzgebirge, deſ - ſen reinlicher, im entfernten Abſtande liegender Schichtbau, aus mehlichtem Kalchſtein beſtehet, aber naͤher am Umfange, wegen der gelben oder braunen Fluterde und ſpatigen Salzart, ein un - gleiches Schichtwerk vorſtellt. Daß aber in der erſten Zeit dieſes Aufbaues eine ſchnelle Ueber - ſchwemmung eines feſten Landes gegen unſere thuͤ - ringiſche Tiefe weſtnoͤrdlich ihren Zug gehabt ha - be, beweiſen die Fiſchſchwuͤlen, in dem ſchwarz - ſchiefrigen Kupferfloͤtze, welches noch bey Ilme - nau, oder weſtlich, ſo gut, als am Harze, oder noͤrdlich bauwuͤrdig war, dagegen es in dem ſuͤd -Clichen34lichen Theil gegen Saalfeld und das Vogtland bis jetzt kaum recht zu finden geweſen iſt. Dieſer Zeitlauf, der dem vorigen H an Dauer ziemlichDer Zeit - lauf G. gleich geweſen ſeyn doͤrfte, mag alſo G heiſſen.

§. 49. Das Unterlager.

Seine Vorbereitung aber, oder deſſen Unter - lager hat wohl unter allen am wenigſten Zeit weggenommen, indem es nur aus etlichen Schich - ten beſteht; es muͤßte denn der Sand, welcher eine bald ſchwache, bald ſtarke Schicht ausmacht, zu ſeiner Erzeugung aus dem Meerwaſſer, eineDer Zeit - lauf g. laͤngere Zeit, als Mergel, Thon oder Leimen, erfordern. Dieſer Zeitlauf ſey g, nach ihm giengen erſt die vorge - dachten ruhigern Zeiten dieſes alten Meeres an; denn die nun weiter vor ihm hergehn, ſind mei - ſtens voll Beweiſe der heftigſten Erdbeben in hie - ſiger und entfernter Gegend, nebſt groſſen Landes - verwuͤſtungen. Mein oben genannter Vorgaͤn -ger35ger hat dieſen Zeitlauf e geſchrieben, weil die un - terſte Schicht hier der Beſchluß ſeines Gebir - ges E iſt, welches jedoch der Zeit nach F heiſſen ſollte, er hat aber mehr auf ſein Lager, als die Zeit, geſehen.

§. 50. Das weiſſe Schal - oder Schiefergebirge.

Zwar hat das weiſſe Schalgebirge, welches der Zeitordnung nach, und vermoͤge der unterſten Schicht des naͤchſten Unterlagers hier, gleich vor - her erbauet wurde, an ſich noch anfaͤnglich Ruhe genug genoſſen; aber der hieſige Zuſtand des al - ten Meeres ſelbſt, muß gleich mit deſſen Anfange, die beſondere Veraͤnderung, welche ein Gebirge wieder hoch gegen den Umfang hinauf, anbauen konte, erlitten, und auch lange ſo gedauret ha - ben; weil ſich unter ihm dieſes gneiſige und thon - hafte Gebirge, ſo hoch an dem Umfange hinauf, und ſo ſtark an Schichtwerk, aufgebauet hat. Es liefert den grauen Schiefer, welcher freylich nicht der beſte iſt. Ob man aber darinnen, wieC 2in36in allen thonhaften Schichten, wenig Seeſtuͤcke findet, ſo iſt es doch nicht ganz von allen Spuren entbloͤſſet. Endlich muͤſſen mit deſſen Vollen - dung, die Erdbeben, welche in unſerm Umfang faſt uͤberall das Unterſte zum Oberſten umge - ſtuͤrzt, und gelben oder braunen Leimen haͤufig ins Meerwaſſer gemiſcht haben, ihre ſtaͤrkſte Wuth auszulaſſen, aufgehoͤrt haben, denn die vorgedachten und nachher erbauten Gebirge findet man viel gelinder gemißhandelt. Ich muß dieſes Gebirge der Zeitordnung wegen F nennen, da esDer Zeit - lauf F. mein Vorgaͤnger des hoͤheren Lagers wegen F nennt.

§. 51. Das rothe Schalgebirge oder Unterlager.

Hingegen wird nun das rothe Schalgebirge, welches ſich vorher ſowohl, hoch am Umfange hin, als auch weiter gegen die Tiefe des Umfan - ges mit herunter angebauet hat, und von ſtark zuſammenhangenden Erdbeben, die das Meer noch jetzt mit rothen Thonſchlicken faͤrben, durch eine lange Zeit, zeuget, auch durch die verſchiede -ne37ne Art der Schichten, bald die Staͤrke dieſer Erd - beben, bald deren Nachlaß, merken laͤßt; wieder meines Vorgaͤngers Benennung, doch ohne ſei -Der Zeit - lauf E. ner Zeichnung von deſſen Lager zu wi - derſprechen, ſtatt F, vielmehr E, heiſ - ſen muͤſſen; wie es denn ganz wohl als das Unterlager von F, angeſehen werden kan, da ja obgedachte Unterlager nach dieſer Zeit auch ſtets mehr, oder weniger vorgeſprungen ſind. Der rothe Marmor dieſes Gebirges beſteht groͤß - tentheils aus graukalchigten Muſchelkernen, im rothen Kalch, und dieſe Seethiere ſcheinen darum nicht unfruchtbarer geweſen zu ſeyn, obgleich die - ſer ſtuͤrmiſche Zeitlauf das Meer ſelbſt viel ſtaͤr - ker, als das feſte Land, eben ſeiner Roͤthe wegen, betroffen haben kan. Doch laͤßt das verſteinte Holz, ſo man oft in dieſem Gebirge findet, das feſte Land auch nicht ganz frey ſprechen.

§. 52. Das blaue Schal - oder Schiefergebirge.

Deſto zuverlaͤßiger aber muß eines der groͤßten alten feſten Laͤndern ſeinen voͤlligen Untergang zuC 3der38der Zeit, da unſer altes Meer das blaue Schie - fergebirge erbaute, neben dem alten Meer von Europa erlitten haben, und zwar mehr ein ſum - pfigtes als trocknes Land. Denn man findet noch Schichten, wie ſchwarze Kreide, die voͤllig der Moorerde gleichen; doch haben darum die See - thiere ſolche Gegend nicht oͤde gelaſſen. Denn der ſchwarzgraue Marmor fuͤhrt oft mehr Mu - ſchelkerne, als man gerne ſiehet: ja an vielen Oertern, iſt er daher nicht zum Dachſchiefer, zu gebrauchen, weil er der Verwitterung mehr un - terworfen iſt. Dieſer Zeitlauf kan auch nach dem hohen Anbau dieſes Gebirges, nicht anders, als ſehr lange gedauret haben, und die Fluth von dem verſunkenen feſten Lande, herwaͤrts gegen unſern Meerſchos, muß ſich erſt mit dem Erdbeben des nachfolgenden und kurz zuvor beſchriebenen ro -Der Zeit - lauf D. then Gebirges, anders wohin gewen - det haben. Der Ordnung nach nenne ich dieſen Zeitlauf D.

§. 53.39

§. 53. Das Alaunhaltige Unterlager.

Zu mehrerem Beweiſe deſſen, was ich geſaget, dienet das Alaunhaltige Unterlager, welches ich meinem Vorgaͤnger zu Folge, viel eher nach ſei - ner Zeit, als nach ſeinem Lager und Vorſprunge davon, unterſcheiden darf. Wer weiß nicht, daß der Alaun ſeinen Urſprung der Vermiſchung des Thons und Schwefels, vermittelſt dem Pflanzen - reich, bey allen Alaunfloͤtzen zu danken habe? Ob aber die Fluth des feſten Landes, den obern faulen Schlamm gemaͤchlich, oder geſchwinde, nach unſerer Gegend zugefuͤhret habe, iſt freylich nicht anzugeben, und alſo auch nicht das MaasDer Zeit - lauf C. des Zeitlaufs; wir wollen ihm alſo nur den Namen C geben.

§. 54. Die Steinkohlenfloͤtze.

Es beweiſen ferner die hierunter liegenden Steinkohlenſchichten, nebſt den andern Kraͤuter - ſchiefern, welche blos auslaͤndiſche Wald - undC 4Sumpf -40Sumpfkraͤuter enthalten, daß der Fluth des al - ten Meeres nach hieſiger Gegend, zuerſt die leich - teren Kraͤuter, von der Oberflaͤche des feſten Lan - des gefolgt ſind, und ſich nach der Zeit erſt, waͤh - rend C und D, der tiefere Meerſchlamm loß ge - fluͤttet, und hier wieder niedergeſetzt habe; end - lich aber auch bey den heftigen Erdbeben, die ſchwereren Holzſtaͤmme nachgefolget ſind. Viel - leicht doͤrfte Jemand, der die Zahl, Staͤrke und Abwechſelung der Schichtarten innerhalb jeder ſolcher Zeit, nicht genug erwaͤget, vielmehr auf eine beſondere Geſchwindigkeit, als lange Dauer dieſer Zeitlaͤufe ſchlieſſen wollen; allein wenn er bedenkt, daß ſelbſt in unſern jetzigen von Ebbe und Fluth, nebſt andern Stuͤrmen ſehr beunru - higten Meere an den Kuͤſten der Nordſee, Spu - ren von Gegenden, die vor vielen Jahrhunder - ten verſunken ſeyn, oder uͤberſchwemmt wurden, noch ſichtbar ſeyn ſollen; ſo wird er hier ſchwer - lich eine groſſe Geſchwindigkeit behaupten moͤgen. Doch dem ſey, wie ihm wolle, genug, daß ſich in dieſem Zeitlauf, die Fluth von dieſem verſunke -nen41Der Zeit - lauf B. nen groſſen feſten Lande angefangen hat, und ſich mit B anzeigen laͤßt.

§. 55. Das rothe todte Lager.

Daß aber die Verwandlung der alten feſten Laͤnder, und des alten Meergrundes Schichtbau, nebſt den Erdbeben, hier nicht zu erſt angefangen haben, bezeugt das noch vorher aufgebaute rothe todte Lager, welches nach mancher Gegend auf dem hohen Thuringe, und uͤber dem Vogtlande hin, durch ſeinen hohen und abwechſelnden Schicht - bau, ingleichen die noch merkbare Verſteinerun - gen, einen ſchon ſehr wandelbaren und beunru - higten Zuſtand des alten Meeres, und alſo auch der naͤchſten feſten Laͤnder, erweiſet. Wenn ich meinem Vorgaͤnger nicht ſo gerne folgen wollte, wuͤrde ich dieſen Zeitlauf, nach der veraͤnderten Beſchaffenheit des Meerwaſſers, wie der veraͤn - derte Beſtand der Schichten beweiſet, noch beſon - ders abtheilen koͤnnen. Von den Verſteinerungen aber will ich der Druſenkugeln gedenken; wovon[C][5]die42die Gegenmuſter in dem Alaunſchiefer C, und dem viel juͤngeren Sandgebirge I, in der Groͤſſe der Nuͤſſe, und auch der vierpfuͤndigen Kanon - kugeln, doch mit einem braunmuͤlmichten Ueber - zuge gefunden werden, und ſich auſſer dem nochDer Zeit - lauf A. nicht haben finden laſſen. Es mag dieſer lange vielfache Zeitlauf A heiſſen.

§. 56. Das Grundlager.

Endlich kommt nun das ſo genannte Grundge - birge, welches doch ſelbſt auch nach ſeinem ſicht - baren Theil von einem alten Meer auf ſeinem Grunde erbauet worden, wie das ſalzartig gekoͤrn - te und ſchuppigte Geſtein zwiſchen einer milderen Art erweiſet; nur ſind die Schichten nicht ſo ab - geſetzt, oder vor ſich beſonders, wie nach der Zeit in den andern Gebirgen verhaͤrtet. Hieraus laͤßt ſich alſo nur ein anderer Zuſtand dieſes aͤlte - ſten Meeres, nach ſeiner erſten Zeit, oder Ju - gend erweiſen, von dem aber weder Anfang nochDer Zeit - lauf X. Dauer angegeben werden kann. Wir wollen ihn X nennen.

§. 57.43

§. 57.

Hier iſt nun der Ort, wo man nach thuͤringi - ſchet Gegend wieder umwenden muß, weil man in der Erdforſchung von dieſer Art, nicht weiter kann. Denn jenſeits des Thurings Bergabwaͤrts, nach dem alten Meerſchoſe von Franken und Heſ - ſen, wie auch nach dem Boͤhmiſchen und Nieder - ſaͤchſiſchen Meerſchoſe, folgt alles wieder eben ſo, wie hier; doch nur nach dem Hauptbeſtande jedes Gebirges, aber nicht nach den beſondern Schich - ten und Verſteinerungen. Dieſe werden ſchon in unſerm thuͤringiſchen Meerſchoſe, erſtlich nach dem eigenen Abſtande jedes Gebirges, hier und da an - ders befunden, wie die vielen Nautiliten und Am - moniten des Muſchelkalches K, im mitleren Thuͤ - ringen beweiſen, welche an der Saale hin, darin - nen deſto ſeltener vorkommen; zweytens nach je - der andern Gebirges Art, dennoch ſelbſt in derſel - ben Gegend von ungleichem Geſchlecht, oder von anderer Gattung ſind, als die Kugeln in I, C, A; oder die Griphiten in H. Dieſes trift noch mehr zu, wenn man das naͤmliche Gebirge in einem an -dern44dern Meerſchoſe hiermit vergleicht. Denn es hatte damahls ſchon jeder Schoos ſein eigenes; doch werden die Terebratuliten, wohl an jedem Ort, im Muſchelkalche K, ſich finden laſſen.

§. 58.

Wenn wir uns nun hier auf dem Grundgebir - ge X, herumdrehen, und wieder ruͤckwaͤrts da hin - unter ſehen, wo wir herkamen; ſo koͤnnen wir ver - mittelſt dem hohen und breiten Blick der Vor - ſtellung, auf einmahl den ganzen Anbau unſeres ehemahligen Meeres uͤberſehen, und zugleich deut - lich erkennen, daß dieſes alte Meer, nachdem es die Erde auf ſeinem Grunde mit ſo vielen Gebir - gen beſchweret hatte, endlich ſo weit, als das kalch - gebirge K, das Letzte geblieben, und keins weiter daruͤber gebauet iſt, auf einmahl ſeinen Grund verlaſſen, und ſich in neues Land, oder den Boden von Europa, verwandelt haben muͤßte; wo hin - gegen uͤber K, ein neuer Anbau ſteht, das muß ſpaͤter urbar geworden ſeyn.

§. 59.45

§. 59.

Wie lange iſt es nun wohl, daß unſer Europa neues Land wurde? und wie lange iſt es, daß Aſien, Afrika, und Amerika dergleichen wurden? daß ſie es zugleich wurden, widerlegt die allge - meine und hieſige Erdkunde. So wie man aus den thuͤringiſchen Elephanten Knochen ſchluͤſſen kann, daß kurz vor dem Zeitlauf K, waͤhrend k das ehemahlige Vaterland dieſer Thiere zu Grun - de gegangen; ſo muͤßte man auch von den Sibe - riſchen, aus der Folge der Gebirge, oder Zeitlaͤufe ſchluͤſſen koͤnnen, ob ſie mit unſern zu gleicher Zeit, oder nicht, in den daſigen Meerſchos gefuͤhret worden waͤren. Denn koͤnnte man vermuthen, daß wenn dieſer Elephanten Vaterland, auf der einen Seite zu Grunde gegangen, ein neues Land auf der andern Seite vor ihre erhaltene Bruͤder, entwe - der in Aſien, oder in Afrika, entſtanden ſeyn muͤſſe.

§. 60. Die Europaͤiſche Hochfluth.

Es iſt aber noch eins von Europa, nach unſern thuͤringiſchen Zeugniſſen nach zu holen: naͤmlicheine46eine ſehr hohe Fluth, welche ſuͤdweſtlich, oder durch Franken, uͤber den Thuring herein gebrochen iſt, und nach dieſem Zuge, uͤber viele der hoͤchſten Berge, die Griesgeſchuͤbe, die man an der Saale, Ilm, und Gera bey Erfurt, vor deren Flußgries anſieht, gefuͤhret, und uͤber das an den hiezu be - quemen Ruheplaͤtzen, die Leimengruben, und end - lich am Fuſe, des hiedurch erreichten Kalchgebir - ges K, die Tuffſtein Lager angeleget hat. Daß unſer Thuͤringen vor dieſer hohen Fluth ſchon be - pflanzt und bewohnt geweſen ſey, beweiſen die Verſteinerungen des Tuffſteins; worunter die Kohlen und Brender vorzuͤglich die Bewohnung von Menſchen bekraͤftigen. Daß aber dieſe hohe Fluth keine Meeresfluth geweſen ſey, beweiſen die Griesgeſchuͤbe, Leimengruben, und Tuffſtein Lager zuſammen; in ſo ferne ſie kein einziges Seeſtuͤck, ſondern lauter Landſtuͤcke enthalten. Ob aber die - ſe hohe Fluth mit der Aſiatiſchen Suͤndfluth einer - ley geweſen ſey, kann ich nicht ſagen; ſo wenig ſich angeben laͤßt, wie lange vorher Europa bewohnt geweſen ſey; doch darf ich wohl den Zeitlauf un -ſeres47Vor der ho - hen Fluth der Zeitlauf L, nach ihr der Zeitlauf M. ſeres neuen Landes, bis zu dieſer hohen Fluth L, und den nach ihr bis auf unſere Zeit M, nennen.

§. 61. Anwendung des Maasſtabes von Thuͤringen.

Nunmehr haͤtten wir den Maasſtab, den uns der alte Meerſchos von Thuͤringen, fuͤr Europa, wenigſtens einſeitig angiebt, er waͤre auch deutlich genug abgetheilet und benennt. Hoffentlich ſol - len dieſe unverfaͤlſchte Urkunden der Natur, die kein Schriftſteller, Abſchreiber oder Drucker ver - ſtuͤmmeln, jeder Kenner aber innerhalb 8 Tagen einſeitig durchlauffen kann, nicht allein die wahre Geſchichte der Erde, durch einen ſehr langen Zeit - raum voͤllig aufklaͤren, und ihr Alter noch weiter hinaus zu beſtimmen dienen; ſondern auch die Geſchichte der Menſchen und ihr Alter genauer beſtimmen zu koͤnnen, ebenfals einen weit hinaus reichenden Schluß an die Hand geben.

§. 62.

Es wuͤrde alſo das Alter der Erde, wiewohl nur einſeitig nach der Geſchichte von Europa be -rechnet,48rechnet, ſo weit ruͤckwaͤrts zu beſtimmen ſeyn, daß man von hier zur Hochfluth den Zeitlauf M, von dieſer zur Erſcheinung des neuen Landes Europa den Zeitlauf L, denn die 14 kleinen und groſſen Zeitlaͤufe, der Verwandlungsanſtalten K k J i H h G g F E D C B A, ſtellte, und nun X entweder allein bis an die Erzeugung der Erde hinan lau - fen, oder wohl beſſer, nach der Art aller wachſen - den und ſich verwandelnden Koͤrper, noch vor dieſer Erzeugung fuͤr ihre Kindheit einen ZeitlaufDer Zeit - lauf Yu. Z. Y gelten ließ; endlich aber erſt Z fuͤr ſeine Erzeugungsanſtalten und deren Zeitlauf ſetzte.

§. 63.

So wenig nun auch die Berechnung dieſer 18 oder 19 Zeitlaͤufe, nach unſern Jahrzahlen Men - ſchen moͤglich ſeyn mag; ſo iſt es doch nicht ſo - wohl die Groͤſſe dieſer Zahl, welche den Beweiß hier ausmacht; als vielmehr die Verwandlung der Erde, die Reihe ihrer Schickſale, waͤhrend dieſer Zeit, und ihre hieraus erfolgte gegenwaͤr -tige49tige Beſchaffenheit, nebſt dem heutigen Zuſtande aller ihrer Beſitzer, an Pflanzen, Thieren und Menſchen, in ſo ferne dieſe, dem Naturforſcher daraus zu ſchlieſſen erlauben, was die Naturkun - de rechtfertigen, oder doch entſchuldigen kann.

§. 64.

Denn welcher Naturforſcher wird einen Him - melskoͤrper, der einmal verwandelt werden ſoll, mit der Verwandlung ſeiner noch jungen Geſtalt, machen laſſen? Wer wird die jungen feſten Laͤn - der ſogleich einſtuͤrzen, und das noch junge Meer ſchon ſo bald dahin verlaufen laſſen? Wer wird die kaum warm gewordenen Beſitzer eines Landes und Meeres gleich wieder auf andere Stelle ver - treiben? Wird ſich nicht jeder, nach den Natur - geſetzen aller wachſenden Koͤrper einen ſolchen Himmelskoͤrper, lieber erſtlich eine gute Zeit in ſeiner gleichartigen Verbeſſerung vorſtellen? und ihm dieſes, der Natur gemaͤß, als ſeine Jugend anrechnen, als gleich zur widerwaͤrtigen Umkeh - rung im Weltlichte hinſchwingen laſſen?

D§. 65.50

§. 65.

Woferne wir nun die Verwandlung der Erde nicht laͤugnen koͤnnen, ſo koͤnnen wir ja auch wohl ihre Erzeugung von ihres gleichen, nach dem Ge - ſchlecht, ob gleich nicht nach der einzelnen Art, nemlich von andern Himmelskoͤrpern, zugeben, und alſo auch ihre Kindheit und fernere Jugend; wenn man anders hier nach Beiſpielen vom Klei - nen aufs Groſſe ſchlieſſen darf. Erforderte nun ihre Verwandlung die 15 Zeitlaͤufe A B C D E F g G h H i J k K L, denn die Hochfluth nach L kann ich wohl getroſt, als einen der letzten Verwandlungszufaͤlle anſehen; wollen wir der heranwachſenden unwandelbaren Jugend unſerer Erde, nur den Zeitraum X, und wohl gar ſeinem Maas nicht mehr, als hoͤchſtens den groͤßten der obigen beylegen; ſo daͤchte ich, wir lieſſen lieber ihre Jugend nicht ſo geſchwinde verfliegen, ſon - dern vielmehr ſanft und vergnuͤgt anſteigen.

§. 66.

Doch wir wollen weder den Zeitlauf X, noch ſeine Vorzeiten weiter ausforſchen. Genug fuͤruns,51uns, daß gleich bey dem Zeitlauf A, das alte Meer, in Anſehung ſeiner Bewohner unſerm jetzigen aͤhnlich war, und daß gleich im Zeit - lauf B das verſunkene feſte Land, ſich wie unſere heutigen bepflanzt, zeigte: folglich darf man auch die Erde ſchon im Zeitlauf X, und ſo weiter ruͤck - waͤrts, in Anſehung der Beſitzer ihrer feſten Laͤn - der, unſerm jetzigen Erdboden gleich ſchaͤtzen.

§. 67.

Wer kann nun nach dieſem Zeitlaufe B, die fol - genden Zerſtoͤrungen der alten feſten Laͤnder, davon nicht allein unſer Thuͤringen, ſondern auch jeder alte Meergrund, durch Kraͤuter und Thierſchiefer, Holzachat, Steinkohlen, Erdpech, Naphta, Agt - ſtein u. ſ. w. genugſame Beweiſe geben, vor rich - tig erkennen? auch die egyptiſchen Kraͤuter und Thiere jetziger Zeit, die arabiſchen, oſtindiſchen, chinaͤſiſchen, afrikaniſchen, amerikaniſchen und eu - ropaͤiſchen Pflanzen und Thiere, nebſt denen an beiden Polen, deren, an jedem Ort befindliche ei - gene Arten, erhalten worden, betrachten, und dochD 2zugleich52zugleich die eigene Arten, der an jedem Ort vor - handenen Menſchen davon ausſchlieſſen?

§. 68.

Sollte man alſo nicht, wenn man den freyen Verſtand zu Rathe zieht, davor halten, daß dieſe eigene Arten des Menſchengeſchlechts, die ſich bis auf dieſe Zeit erhalten haben, eben ſo wie die an - dern beſondern Arten der Thiere und Pflanzen, erhalten worden, und daß ſie ſchon von je her ihre eigene Art gehabt haben muͤſſen? ohne dieſe viele verſchiedene Menſchengeſtalten, von einem einzel - nen Stammvater, aus einem einzigen Plaͤtzchen der Erde insgeſamt herleiten zu wollen? wird man nicht geneigt ſeyn, jedem alten Lande gleich an - faͤnglich ein volles Volk, und keinen bloſen Stamm - vater zu geben? ſo wenig man jedem Lande nur eine einzige Pflanze von jeder Art, und ein einzi - ges Paͤrchen von jeder Thierart wird geben moͤgen. Kann man wohl ſo ein Volk, und nach den vielen alten feſten Laͤndern, die vielen Voͤlker, ohne Sprache denken, und auf ihre Erfindung nachſin -nen53nen wollen? wird man nachdem nicht weiter zu folgern veranlaßt werden, daß alſo auch jedes alte und eigenartige Volk, welches mitten durch die gaͤnzliche Verwandlung der Erde dennoch mit Bei - behaltung ſeiner eigenen Art, ſeine benachbarte Gegend, nebſt ſeinen Pflanzen und Thieren be - hauptet hat, bey der Crzeugung der Erde, die ge - wiß nichts ſo grauſames, als die Verwandlung haben konnte, von deſſen Erzeugern den aͤltern Himmelskoͤrpern, zum neuen Himmelskoͤrper oder der jungen Erde, ſchon als ein ſo eigenes Volk uͤbergegangen ſey? wird es endlich nicht verſtaͤnd - lich werden, warum die aͤlteſten unzerſtreuteren Voͤlker den Einfall gehabt haben, von der Schoͤ - pfung der Erde reden zu wollen? welches auſſer dem ganz wider den geſunden Verſtand ſolcher Voͤlker haͤtte lauffen muͤſſen, und ihnen ohne ſol - che Veranlaſſung, durch Erzaͤhlung gar niemahls haͤtte in den Sinn kommen koͤnnen.

D 3§. 69.54

§. 69. Die Menſchenkunde vor ſich.

Ob ich nun gleich das Unleugbare oder Wahr - ſcheinlichſte der Menſchengeſchichte, neben der Erd - geſchichte, bisher immer mit angefuͤhret, und da - bey ſelbſt auf den Urſprung der Sprache mit geſe - hen habe; ſo wird doch alles dieſes vielen noch immer zu wenig ſeyn, wofern nicht eine vollſtaͤn - digere Betrachtung der Menſchen an und vor ſich, ihnen eben dieſes ſagen ſollte.

§. 70.

Weil aber die aͤlteſte Urkunden von dem Ur - ſprunge eines und des andern Volks, wegen ihrer jetzigen unnatuͤrlichen Auslegung, ſo lange ſtreitig bleiben, bis man aus der Naturkunde ſo viel Ge - wißheit von den Menſchen voraus geſetzt hat, daß ſich hiernach dieſe Urkunden wieder der Natur ge - maͤß auslegen laſſen; ſo muͤſſen freilich die Men - ſchen erſt blos nach der unbezweifelten Beſchrei - bung der Voͤlker, ſo wohl jetziger, als voriger Zeit, und zwar ſo weit man die Geſchichtbuͤcher blos alsnatuͤr -55natuͤrlich geſchriebene anſieht, betrachtet, und dar - nach als Gegenmuſter mit der ſtreitigen Auslegung der aͤlteſten Urkunden, verglichen werden.

§. 71.

Daher waͤre es wohl am beſten, wenn ich mei - ne Betrachtung gleich bey der jetzigen Zeit an - fienge, und von da immer weiter zuruͤck gienge. Wenn ſich nun in der natuͤrlichen Menſchenkennt - niß der bekannten vorigen Zeit, keine Abweichun - gen finden, wird man auch gegen dieſe Menſchen - kunde ſo billig ſeyn, und ihr nicht etwa aus der ſtreitigen aͤlteſten Zeit, unnatuͤrliche Wunder ent - gegen ſtellen wollen, ſondern ſie vielmehr fuͤr im - mer gleich richtig fort gelten laſſen.

§. 72.

Doch eben hier merke ich, daß diejenigen, wel - che ſo wohl von den Pflanzen, als Thieren Lehrge - baͤude aufgefuͤhret, und alles nach ihren Geſchlech - ten, Arten und Gattungen geordnet, auch ihre Merkmale deutlich unterſchieden haben, bey denD 4Menſchen56Menſchen ermuͤdet, oder auch vielleicht vorſaͤtzlich aufgehoͤret haben: folglich iſt hier kein anderer Rath, als daß ich mich bequeme ſelbſt einen klei - nen Entwurf zu machen, wie ich die Menſchen unſerer Erde, die ich Weltmenſchen oder Welt - kinder nennen will, durchgaͤngig befinde.

§. 73.

Betrachte ich nun die Menſchen erſt uͤberhaupt, ſo iſt durchaus richtig, daß ſie entweder maͤnnli - chen oder weiblichen Geſchlechts ſind, und daß ohne Erdichtungen anzunehmen, ſeit aller Men - ſchen Denken, niemahls ein wahrer Zwitter, mit doppelt wuͤrkſamen Zeugungsgliedern, noch weni - ger ein Zweimenſch, oder Platoniſche Androguͤne jemahls gelebt habe.

§. 74.

Ferner iſt auch uͤberhaupt richtig, daß die Er - zeugung eines vollſtaͤndig wahren oder bloſen Weltkindes, allezeit die Begattung eines Mannes mit einem Weibe erfordere, und kein Weib auſſerdieſer57dieſer Begattung ein wahres Menſchenkind zur Welt gebracht habe, auch bis jetzt kein natuͤrlicher Weltmenſch gefunden worden ſey, der nicht Vater und Mutter menſchlichen Geſchlechts gehabt haͤtte.

§. 75.

Daher iſt eben ſo richtig, daß keine Berechnung des Menſchengeſchlechts von hier, durch die vorige Zeit, ruͤckwaͤrts, jemahls bis auf einen einzelnen Menſchen, es ſey Mann oder Weib hinaus lauf - fen koͤnne. Denn wenn ein Menſch allezeit zwey Eltern, 4 Großeltern, 8 Voreltern, 16 Ureltern u. ſ. w. gehabt hat; wie kann man bey ſo gemeſ - ſenen Stiegen, die ins Unzaͤhliche hinaus lauffen, jemahls auf die 1 kommen.

§. 76.

Wie will man nun natuͤrlicher Weiſe jemahls einen einzelnen erſten Stammvater und Stamm - mutter, die noch dazu weder Vater noch Mutter gehabt haͤtten, aus alten Urkunden behaupten. Es iſt vielmehr hiebey ein ſicherer Argwohn, daßD 5ſolche58ſolche erſte Ausleger, entweder dieſe Urkunden an - dern alten Voͤlkern abgeborgt haben, ohne ſolche zu verſtehen, oder daß ſie durch Vernachlaͤßigung der Naturkunde, die Einſicht und Erklaͤrung ihrer eigenen alten Nachrichten verlohren, und alſo in neueren Zeiten ihre Meinungen davor unterge - ſchoben haben.

§. 77.

Dazu kommt noch, daß in Anſehung der Zeu - gung, weder der Mann noch das Weib, fuͤr ein einzelnes volles Ganzes, ſondern nur fuͤr ein hal - bes zu halten iſt. Wie kann nun unſere Rech - nungsart, und wenn es auch die Bruchrechnung waͤre, bey einer ſolchen Zeugungszahl, wie das Menſchengeſchlecht iſt, wo naͤmlich zu jeder eins, noch allezeit ein halbes fehlt, richtig ſeyn? iſt die - ſes nicht vielmehr ein gewiſſes Merkmal von der Unendlichkeit ſolcher Zahl? gilt dieſes nicht zu - gleich fuͤr einen Beweis der unendlichen Beduͤrf - niß unſeres Geſchlechts, erſtlich ſo wohl zur Fort - zeugung, als ferner zur Erziehung, und weiter fortauch59auch ſelbſt zur Sprache? wird alſo nicht dadurch jeder, der nur nachdenken kann, und zugleich die Unendlichkeit des Schoͤpfers, und die Unermeß - lichkeit der Natur mit erwaͤget, gewarnet, daß er weder den einzelnen Urſprung des Menſchen, noch den einzelnen Anfang ſeiner Sprache ſuchen ſoll.

§. 78.

Eben ſo gewiß iſt es auch, daß die Menſchen allezeit nur als Kinder aus den Muͤttern, und nie - mahls als ſchon erwachſene Perſonen, aus dem Erdboden, zur Welt gekommen ſind, daher wohl die Autochthonen und Gnegenes der Griechen, nebſt den Indigenen und Aborigenen der Roͤmer, vielmehr im Lande gebohren, zum Unterſcheide der Ankoͤmmlinge, als ſolche, die wie Pilſen aus der Erde gewachſen waͤren, heiſſen ſollen. Doch ich will den Dichtern und platoniſirenden Philoſophen bey dergleichen Ausdruck ſolchen Sinn nicht gaͤnz - lich abſprechen.

§. 79.

Nun betrachte man die Geſchicklichkeit aller kleinen Menſchenkinder zur Sprache, ſo findetman60man zwar, daß ihnen Heulen und Schreien natuͤr - lich ſey, daß aber eins von ſich ſelbſt nur ein ein - ziges wahres Wort, von der Sprache der Eltern vorgebracht habe, findet man nicht; ſondern viel - mehr, daß alle, doch eins mit mehr, oder weniger Muͤhe, als das andere, Wort vor Wort haben lernen muͤſſen, und daß ſie, wenn ſie verſaͤumet worden ſind, bey ſchon[ei]niger[Kenntuiß] der Woͤr - ter, dennoch nicht einmahl fuͤr taͤgliche Dinge will - kuͤhrliche Woͤrter zu erfinden gewagt, oder ver - mocht haben.

§. 80.

Hiezu kommt noch der merkwuͤrdige Umſtand, daß die erſte Sprache aller Kinder, eine ganz an - dere iſt, als ihrer Eltern, doch auch wieder mehr oder weniger fuͤr die Ohren anderer. Wenn man ihnen daher nach den erſten Anfaͤngen nicht weiter nach huͤlffe, ſo wuͤrde oft jedes Kind von denſelben Eltern, nach der beſondern Geſchicklichkeit ſeines Ohres und der Sprachtheile, vielmehr eine ganz andere, als der Eltern ihre, ohne alle Erfindung, mitten zwiſchen der alten Sprache fuͤhren.

§. 81.61

§. 81.

Wenn alſo die Kinder vor ſich gar keine Spra - che bekommen, und ohne genugſamen Unterricht, entweder eine ſehr mangelhafte, oder ganz fremde fuͤhren, ſo zeigt ja dieſes deutlich, daß weder die Sprache an ſich was erbliches, noch der Eltern ihre den Kindern natuͤrlicher, oder leichter ſey, und daß alſo die Kinder nur eine Faͤhigkeit, aber kein Vermoͤgen zu ſprechen, mit auf die Welt bringen, und die Sprache nur lernen, aber nicht erfinden koͤnnen.

§. 82.

Bemerkt man aber etwa bey einem erwachſenen Menſchen, der nichts von Sprache weiß, unter den entwickelten Kraͤften der Mannbarkeit eine neue beſondere Kraft zu Erfindung der Sprache mehr, als bey einem Kinde? und worinne waͤre denn dieſe gegruͤndet, oder wodurch aͤuſſerte ſie ſich? ich weiß davon nicht die mindeſte Spuhr anzugeben: folglich hat in meinen Augen, ein groſer, doch ſprachleerer Menſch, eben nicht mehr Vermoͤgen zur Erfindung der Sprache, ja derErfah -62Erfahrung nach noch weniger, als ein Kind. Iſt alſo nicht der angebliche erſte Spracherfinder ein Wundermenſch, von deſſen Wunderkraͤften ſeine Nachkommen nicht eine einzige ererbt haben? ſo einen Menſchen kennt die ganze Naturkunde nicht, und man darf ihn alſo nicht fuͤr natuͤrlich, noch fuͤr ein Werk des Schoͤpfers, ſondern fuͤr ein Kunſt - ſtuͤck der Ausleger erkennen; deswegen koͤnnen dieſes auch die aͤlteſten Urkunden, wenn ſie natuͤr - lich erklaͤhret werden, nicht ſagen.

§. 83.

Um den Menſchen auch noch ins beſondere zu betrachten, werde ich ihn auf eben die Art, wie man andere Thiere, nach ihren Geſchlechten, Ar - ten, und Gattungen vorſtellet, auch hier auf der Erde herum, doch nur uͤberhaupt, angeben. Die allgemeine Geſtalt der Menſchen iſt bekannt; die beſondere hingegen iſt groͤßtentheils durch ihre Kleidung verſteckt; nur das Geſicht hat man bey allen bekannten Voͤlkern kennen gelernt. Hier - von will ich alſo die Unterſcheidungszeichen derArten63Arten uͤberhaupt hernehmen, und was ſich als - denn daraus erweiſen laͤßt, wird man doch wohl nicht eben darum, weil ich die Arten nicht auch namentlich hererzaͤhlet haͤtte, ſchlechterdings leug - nen wollen.

§. 84.

Das erſte Unterſcheidungszeichen ſey die Farben - haut der Menſchen, und zwar ſo, wie wir ſie nicht etwa an dem bloſſen Geſichte, ſondern wo moͤglich auch an einigen bedeckten Theilen des Leibes, und nicht allein an den haͤrteren Maͤnnern, ſondern auch an den weicheren Weibern, finden. Hier haben wir nun ſchwarze, weiſſe, rothe, gelbe, brau - ne, gruͤnliche Voͤlker, nach ſtarken, oder ſchwachen Schattirungen jeder Farbe und ihrer mehreren oder wenigeren Verſetzung; wobey wir noch das Beſondere bemerken, daß ohne Vermiſchung, und im geſunden Zuſtande keine dieſer Arten jemahls einen andern Nachkommen, mit aller Staͤrke der weiblichen Einbildungskraft zuwege gebracht; hin - gegen ſich die fremde Vermiſchung gewiß durch Spuhren verrathen hat.

§. 85.64

§. 85.

Hierauf kommt der Haarwuchs des Kopfs, von der kuͤrzeſten Wolle, bis zu dem laͤngſten Haar, und zwar nach verſchiedenen Farben, als ſchwarz, braun, braungelb, gelbroth, und weißgelb. Da nun die Maͤnner von allen Arten, von den Wei - bern, durch den Bartwuchs abweichen; ſo kann man auch den einzelnen und kurzen Stoppelbart, bis zum dichteſten und laͤngſten, der an der Kinn - lade herunter ſchweift, mit zu den beſondern Kenn - zeichen der Arten, rechnen. Hierbey findet ſich nun auch wieder die eigene Beſchaffenheit, daß keine der Arten vor ſich, oder ohne Vermiſchung und im geſunden Zuſtande, einen Nachkommen von andern Haar - und Bartwuchſe zeuget, ſondern daß dieſes nur durch die Vermiſchung mit einer andern Art bewuͤrkt wird. Selbſt unter uns ſchon laͤngſt vermiſchten Deutſchen, die Tacitus nicht mehr vor die gleichfoͤrmigen, eingebornen Weis - koͤpfe Germaniens erkennen doͤrfte, wird ſelten ein Paar, davon eins ſchwarzes Haar, das andere gel - bes hat, ohne einen Rothkopf, oder einen Zeugenvom65vom gelben und ſchwarzen Verſatze, bey ſeinen Kindern anzutreffen ſeyn.

§. 86.

Neben dieſen Hauptzeichen nehme man nach einander, die verſchiedenen Arten der Augenbrau - nen und Wimpern, die Groͤſſe und den Vortritt der Augaͤpfel, die Farben von ihren Seheſcheiben, den Aufſchluß und Bogenſchnitt der Augenlieder, mit ihren Gewinden und Winkeln, die verſchiede - nen Anhoͤhen und Geſtalten der Naſen, nach den Naſenloͤchern, und Schmiegen neben den Backen, ſamt der Furche unter der Naſe, die Spaltung des Mundes, mit der Erhebung und dem Ablauf der Lippen, nach ihren Angeln, die Groͤſſe und Span - nung der Ohren; ferner die Verhaͤltniß des Kinns, der Backen und Schlaͤfe, nebſt der Stirn, einzeln und zuſammen gegen einander. Denn vergleiche man es, nach dem, was jedes beſondere Volk, eigen hat, mit andern, ſo viel wir wiſſen, noch un - vermiſchten, oder ſchon ſehr lange vermiſchten Arten.

E§. 87.66

§. 87.

Getraut ſich nun Jemand nach dieſen Unter - ſcheidungszeichen, jetzt nur erſt ins Große genom - men, uns vollbaͤrtige Europaͤer, mit den unbaͤrti - gen Amerikanern zu vergleichen? kann man die Japaner und Chineſer hiernach mit den andern Aſiaten zuſammen fuͤr eine gemeinſchaftliche Ge - ſchlechtsfolge anſehen? Laſſen ſich die Hottentot - ten mit den Negern von Afrika, und dieſe wieder mit allen uͤbrigen Voͤlkern zu einer natuͤrlichen Verbruͤderung bringen? u. ſ. w. von mehreren.

§. 88.

Dabey wiederhole man die obige Erfahrung, daß keine weder der groſen, noch der kleinen Ar - ten, ſich mit der andern, noch auch ſelbſt mit uns ſchon lange vermiſchten Deutſchen, begatten darf, wo man nicht die Spuhren der zweierley Arten, noch bis dieſe Stunde, bemerken ſollte, und ohne hiebey jemahls eine ſolche Einfoͤrmigkeit, wie die unvermiſchten Voͤlker unter ſich bis jetzt erhalten haben, anzutreffen. Damit verbinde man die Be -merkung,67merkung, daß die Kennzeichen der Vermiſchung, wenn dieſe nicht wieder erneuert wird, ſich bey den Enkeln und Urenkeln immer mehr wieder verlieh - ren, und wieder in die großelterliche Geſtalt zu - ruͤck gehn.

§. 89. Anwendung.

Kann man nun wohl bey dieſen, ſo unveraͤn - derlichen Naturgeſetzen, eine eben ſo unveraͤnder - liche eigene Beſchaffenheit jeder Art, die ſich nie - mals von ſelbſt veraͤndert, abſprechen. Die Vaͤ - ter oder die Maͤnner ſind zwar nicht derjenige Theil, welcher daruͤber einen ſo zuverlaͤßigen Aus - ſpruch, wie die Muͤtter, thun koͤnnte; daher wuͤr - de freilich eine Akademie von fruchtbaren Wei - bern der verſchiedenen Voͤlker, welchen die unbe - maͤntelte Warheit lieber, als ihr Geſchlechtsſtolz, waͤre, daruͤber den gruͤndlichſten Ausſpruch thun koͤnnen; allein wo und wenn iſt dieſe zu hoffen?

§. 90.

Hiezu giebt die Geſchichte der vorigen Zeit, ſo weit man ſie unbeſtritten gelten laͤßt, den groͤßten Bei -E 2trag,68Beitrag, wenn ſie die Unterſcheidungszeichen der aͤlteſten Voͤlker, die wir noch jetzt auf ihrem alten Wohnſitze zu finden, glauben, wie die Zeichen der je - tzigen Voͤlker, beſchreibt. Denn die alten Negern und Aethiopier, die Serer, oder Chineſer, die Brachmanen und Indier, die Araber, Scythen, Sarmaten, die Kaudemden, Trogloditen, oder Hottentotten, nebſt andern, haben deswegen ſeit mehr, als 2000 Jahren keine Veraͤnderung erlit - ten; indem die Reiſenden, ihre damaligen Kenn - zeichen, noch jetzt an ihnen finden.

§. 91.

Wenn alſo dieſe und andere unvermiſchte Ar - ten etliche 1000 Jahre unveraͤndert geblieben ſind, und umgekehrt die vermiſchten Arten eben durch die unveraͤnderlichen Kennzeichen ihrer Vermi - ſchung dieſes alles noch mehr beſtaͤrken, als ſchwaͤ - chen; wie mag man mit gutem natuͤrlichen Grun - de die Meinung hegen wollen, daß eine einzelne Haushaltung eines einzigen Stammvaters, alle dieſe an ſich unveraͤnderliche Voͤlkerarten, in kur -zer69zer Zeit aus ihrem Schoſe erzeugt habe, ohne daß ſolche vorgegebene Abartungen, nach der Zeit, nur das mindeſte von ihrer eigenen Art, vor ſich abgewichen waͤren?

§. 92.

Iſt es nicht natuͤrlicher, alle dieſe ſeit etlichen 1000 Jahren unveraͤnderte Voͤlker, ſo ferne ſie unvermiſcht von andern Arten blieben, bis ins undenkliche hinaus, eben ſowohl, ſich immer gleich zu ſchaͤtzen, und ferner, wo mehrere Arten zuſammen leben, eben aus den Unterſcheidungs - zeichen dieſer Arten auf die Beſtaͤndigkeit ihrer eigenen Art, ſelbſt noch mitten in der Vermi - ſchung zu ſchlieſſen, und fuͤr ſie, ruͤckwaͤrts be - trachtet, gleich vom Anfang einen voͤllig unter - ſchiedenen Urſprung zu folgen.

§. 93.

Es widerſpricht auch die Betrachtung anderer Thiergeſchlechter mit ihren Arten, dieſen Bemer: kungen von den Menſchenarten nicht, ſondern be -E 3ſtaͤtigen70ſtaͤtigen ſolche vielmehr. Man nehme von den Thieren ein Geſchlecht, das mehrere Arten hat, welches man wolle, und laſſe es, ſo lange, als man denken kan, in einer Gegend allein geweſen ſeyn, oder ſich auch nur eine und dieſelbe Art un - ter einander allein begatten; ſo wird man an die - ſer Art vor ſich keine Veraͤnderung bemerken, die doch vermittelſt der Begattung mit einer andern Art, von eben dem Geſchlecht, ſogleich bey der erſten Frucht hievon merklich wird. Sehr nahe und bekannte Beiſpiele hievon geben die Hunde, Pferde, Schafe u. d. gl. Von den Baſtarten ungleicher Geſchlechter rede ich hier nicht, obgleich auch dieſe Erfahrung meinen Satz beſtaͤtiget.

§. 94.

Alles dieſes ſcheinet mir deutlich zu beweiſen, daß jede Art ihre eigene Grundlage habe, die von keiner andern abſtammt, und ſich auch niemals ſelbſt verruͤckt; aber wohl durch die Einmiſchung einer andern Art verruͤckt werden, und eine ande - re Geſtalt bekommen kan.

§. 95.71

§. 95.

Eben ſo deutlich wird auch ferner, daß weder einige noch alle ſolche Arten, von einem einzigen gleichen Stammpaar, mit ſo eigener beſtaͤndiger Grundlage, jemals haben abſtammen koͤnnen; ſondern daß jede Art ſchon von Anfang dieſelbe, welche ſie noch jetzt beſtaͤndig vorſtellt, geweſen ſeyn muͤſſe, und auch kuͤnftig eben dieſelbe vor ſich allein bleiben werde; und wie jede ruͤckwaͤrts ins Unzaͤhlbare laͤuft, ſo auch jede vorwaͤrts, ins Un - denkliche hinaus reichen werde.

§. 96.

Wenn nun noch uͤber das, jede ſolcher Men - ſchenarten, auſſer den andern Unterſcheidungs - zeichen, auch ihre eigene ganz unterſchiedene Sprache fuͤhrt, ſo iſt es noch ſchwerer zu behau - pten, daß ein einziger Stammvater von allen ſo verſchiedenen Arten, zugleich Erfinder ihrer ver - ſchiedenen Sprachen geweſen ſey. Oder ſoll jede Geſchlechtsart und Sprachart zuſammen, wieder ihren eigenen Spracherfinder gehabt haben? bei -E 4des72des iſt der Natur nach unerklaͤrlich. Daher bleibt mir nichts weiter zu denken uͤbrig, als daß die Geſchlechtsarten von je her, ſowohl ihre eigene Leibesgeſtalt, als auch Sprache, und weder einen einzelnen Stammvater, noch Spracherfinder noͤ - thig gehabt haben. Denn ſo paſſet alles der ewi - ge Schoͤpfer, ſein Werk, die unendlich wuͤrkſame Natur, und mit ihr zugleich die unendlichen Ge - ſchlechter, und Arten der Geſchoͤpfe, nach ihrer eigenen Beſchaffenheit, Fortzeugungen, Beduͤrf - niſſen und Erhaltung, vollkommen einſtimmig zu - ſammen.

§. 97.

Zu alle dieſem nehme noch jeder Erdforſcher, aus obiger Erdgeſchichte, kuͤrzlich alles, was die Menſchen angehen und betreffen kan, als, daß die junge Erde um gar viel groͤſſer war, und die alten feſten Laͤnder, deswegen von breiterem Um - fange ſeyn konten, und folglich die Menſchen nicht eben ſo nahe, wie jetzt, an einander wohnen duͤrf - ten; daß alſo ſehr wahrſcheinlich damals jede Art von Menſchen, mehr, als jetzt, von der andernabge -73abgeſondert wohnte, und manche wohl weiter kei - ne andere Art, als ſich ſelbſt kannte; daß ferner bey dem Einſturz der erſten feſten Laͤnder, deren Beſitzer, woferne nicht etwa, aus andern jetzt nicht anzugebenden Gruͤnden, ſchon ein neues Land in der Naͤhe entſprungen war, genoͤthiget wurden, ihren Sitz in dem naͤchſten bewohnten Lande, alſo ſchon naͤher bey einer andern Art, oder gar unter ihr, bald bittweiſe, bald mit Ge - walt, zu nehmen; daß vollends beym Beſchluß der Erdverwandlung, wo die Erde ſchon an ſich viel kleiner war, und nur der alte Meergrund bewohnbare Laͤnder abgab, wohl viel Voͤlker zu - gleich auf ein neues Land zuſammen gedraͤngt wurden, wie man in Amerika noch deutlich mer - ken kan; daß hierdurch manches Volk in mehr, als eine Gegend vertheilet werden konnte, und die Geſchlechtsarten ſowohl, als die Sprachen, auf einem ſolchen neuen Lande verſchiedentlich vermengt werden mußte; daß hiebey diejeni - gen, ſo einerley Sprache fuͤhrten, und ſich unter einander verſtunden, ſich als Freunde, undE 5die74die andern als Feinde anſehen, daß die vorige Le - bensart dieſer letztern bey allzuſchneller und meiſt gaͤnzlicher Zerſtreuung, nunmehr in eine wilde verwandelt wurde, und daß endlich ſolche wilde Menſchen nach einigen Menſchenaltern, auſſer den taͤglich gebraͤuchlichen Arbeiten und Woͤr - tern, alle vorige Sitten, Kuͤnſte und Wiſſen - ſchaften, und deren Redensarten, ja ſogar die Kraͤfte darauf zu denken verlohren, und denn ſol - che verwilderte Voͤlker nicht wieder vor ſich ſelbſt zur Ordnung kommen konnten; auſſer durch frem - de Klugheit, wie der Yecka Maecko, mit ſeiner Schweſter Mama Oello, in Peru anbrachte; oder durch fremde Gewalt, wie die Spanier und andere nach ihnen daſelbſt anwendeten.

§. 98.

Wenn alſo Jemand die Zerſtreuung einiger Geſchlechts - und Spracharten, dem, was ich von den beſondern Anſitzen, der Arten behaupte, ent - gegen ſtellen wollte; ſo kann er hier den natuͤrli - chen Grund ſolcher Ausnahme einſehen und uͤbri -gens75gens mein Angeben uͤberhaupt, dadurch noch mehr beſtaͤrkt finden. Ueber das koͤnnen ja auch wohl, vor undenklicher Zeit der jungen Erde, als die ſchon bemerkten Verwandlungsanſtalten, einigen klugen Maͤnnern nun zur Warnung dienten, von dieſen verſchiedene Pflanzzuͤge, nach den geſicher - ten neuen Laͤndern gewandert oder geſchiffet ſeyn: wie der Bramah, ſo mit ſeiner Kuh zu den In - diern kam, und der Fiſchmenſch Oannes, der aus dem rothen Meere, nach Babilon zugieng, vermu - then laſſen. Die aͤlteſten Pflanzzuͤge, als der Egipter nach Kolchis; der Phoͤnizier, bis zu den Kaßiteriſchen Inſeln; der Cimmerier durch Aſien; der Griechen, Zelten oder Galater; und noch weiter der Belgen, Angeln, Normannen, Go - then, Hunnen, Tartarn, oder in neuerer Zeit der meiſten Seelaͤnder, reden jenen Zeiten, bey, und bald nach der Erdverwandlung, um ſo mehr das Wort.

§. 99.

Ob nun ein Naturforſcher, durch das, was ich bisher vorgetragen habe, die Erd - und Menſchen -kunde,76kunde, nach ſeiner eigenen, und freien Denkungs - art zu uͤberlegen, und ſeiner alten Lehre und Aus - legung, die oft ſelbſt dem Buchſtaben, oder den Woͤrtern Gewalt anthut, die natuͤrliche Warheit vorzuziehen, veranlaſſet werden koͤnne, will ich den Leſern zu beurtheilen, uͤberlaſſen.

§. 100. Die Sprachkunde an und vor ſich.

Doch iſt auch noch die Sprache ſelbſt zu be - trachten uͤbrig, und wenn man hier deutliche Spu - ren faͤnde, daß ſie ein einzelner Menſch erfunden haben muͤßte; ſo gienge dadurch der vorhergehen - den Erd - und Menſchenkunde, von dieſer Seite, wieder viel von ihrer Warſcheinlichkeit ab. Wir wollen ſie daher auch ſowohl uͤberhaupt, als auch ins beſondere, doch mehr nach der Natur, als phi - loſophiſch betrachten.

§. 101.

Wir muͤſſen aber dabey gleich voraus ſetzen, daß unſer Erfinder der Sprache, ein voͤllig ſprach -leerer77leerer Menſch, der nicht das Mindeſte von der Sprache kennt, ſeyn muͤſſe. Denn der Zuſatz zur bekannten Erfindung waͤre ſonſt was leichtes. Nachdem iſt faſt uͤber haupt feſt zu ſetzen, daß je - der Sprecher zugleich einen Anhoͤrer erfordere, und ein einzelner, der von keinem andern was wuͤßte, haͤtte gar keinen Grund zum Sprechen.

§. 102.

Es iſt auch uͤberhaupt gewiß, daß jeder Spre - cher, bey ſeiner Erlernung der Sprache, ein gut Gehoͤr gehabt haben muͤſſe. Denn taubgebohr - ne Menſchen, ſind zugleich ſtumm. Jeder Spre - cher muß auch noch wenigſtens ſein inneres Gehoͤr durch die ſo genannte euſtechiſche Roͤhre behalten, wenn ſeine Sprache deutlich bleiben ſoll. Man kann hieraus, wenn man es nicht vor uͤberfluͤßig haͤlt, den richtigen Schluß machen, daß ein Taub - gebohrner niemahls eine Sprache erfinden kann, indem er nicht einmahl die ſchon erfundene, auſſer durch die mechaniſche Sprachkunſt, lernen kann.

§. 103.78

§. 103.

Es laͤßt ſich aber die Sprache der Menſchen ganz natuͤrlich, erſt nach ihrem Laut, denn nach ihrem Sinn, und endlich beſonders, nach ihrer Geſtalt, betrachten.

§. 104.

Ihren Laut erhaͤlt ſie, durch die verſchiedene Anwendung der Sprachtheile, nach Anleitung des Gehoͤrs; den Sinn durch eine wechſelſeitige Uebereinkunft derer, die mit einander ſprechen, in Anſehung derer Dinge, die mit dem Laut verknuͤpft werden, und ihre Geſtalt bildet ſich durch die em - pfindbare Verhaͤltniß, ſo die noͤthige Abaͤnderung des Lauts zur Abaͤnderung des Sinnes fuͤr den andern, haben muß.

§. 105. Der Sprachlaut.

Wenn man nun den Laut der Sprache nach ſeinen Arten zergliedert, ſo zeigt uns unſere eigene, und die allgemeine Unwiſſenheit, wie man ſich ſo - wohl zur Ausſprache der Selbſtlauter, als Mit - lauter anzuſtellen habe, ſchon voraus; daß ſelbſtdieſe79dieſe noch einfache Ausſprache, an ſich keine innere Erfindung, ſondern mehr eine aͤuſſere, naͤmlich eine Bemerkung ſeyn koͤnne. Hier pruͤfe ſich je - der Leſer, ob er aus bloſſem Nachdenken, die Art, wie er a, e, i, o, u, ausſprechen, und hernach den, oder jenen Mitlauter damit verbinden koͤnne, ſich ſelbſt anzugeben wiſſe? Da Niemand nach dem ordentlichen Lauf der Natur, weder ſeine Sprach - theile vor ſich, noch ihre Kraͤfte und Verhaͤltniſſe gegen einander, und folglich noch weniger ihre Wirkung kennt.

§. 106.

Wenn nun Niemand durch Erfindung, ſondern blos durch Bemerkung, die einfacheſten Laute, ge - ſchweige ganze Silben oder Woͤrter, ausſprechen kann; ſo muß man entweder dieſe Bemerkung an ſich ſelbſt, oder an andern machen, und von der Beobachtungskraft wenigſtens ſchon den er - ſten Grad wirklich beſitzen. Die Beobachtung ſeiner ſelbſt, bleibt auch den geuͤbteſten Geiſtern, die letzte und ſchwerſte Bemuͤhung; die Beob - achtung anderer hingegen, und die hieraus fol -gende80gende blinde Nachaͤffung, oder Nachahmung iſt und bleibt wegen der Anlage unſerer Sinnen hiezu, die erſte und leichteſte. Folglich waͤre die Erfindung der Sprache, aus Beobachtung ſeiner ſelbſt, auch noch allezeit die ſchwerſte; aus Beob - achtung anderer hingegen, die leichteſte und zwar fuͤr alle Menſchen.

§. 107.

Das giebt nun fuͤr den, der ſich fuͤr den erſten Erfinder der Sprache ausgeben will, eben keinen guͤnſtigen Anblick. Denn es beweiſet vielmehr, daß er die Sprache lernen, oder andern ablernen mußte. Wem aber ſollte er ſie abgelernet haben? Etwa den Thieren? oder den rauſchenden Quel - len und Baͤumen? ſollten dieſe ſeine Sprachmei - ſter geweſen ſeyn koͤnnen? wohl ſchwerlich? denn ſelbſt uns bleibt dieſe Nachahmung noch immer eine groſe Schwierigkeit, und iſt nicht ſo leicht, als es die Erfindung der Sprache erfordert.

§. 108.81

§. 108.

Man darf ſich nur ſelbſt pruͤfen, und nicht ver - geſſen, daß man die jetzt ſo leicht ſcheinende Sprache erſt ſelbſt mit vieler Muͤhe gelernt hat, auch wohl uͤberlegen, daß man es ſich bewußt, und noch dazu geſonnen ſeyn muß, was fuͤr einen Laut man ausſprechen wolle, ſonſt waͤre jeder un - beſonnene Mucks, Achzer und Schrey, ein er - fundener Sprachlaut, welches doch nicht iſt.

§. 109.

Dabey erwaͤge man, daß kein einziger Schrey an ſich ein Sprachlaut ſey, ſondern daß er erſt aus der Oberſtimme in die Mittelſtimme der Re - de, oder den Redeton herunter geſetzt ſeyn muͤſſe; denn aber, wenn er ſchon durch die Redeſtimme zum Sprachlaut geworden, und dafuͤr angenom - men iſt, bleibt er es ferner, es mag einer ſchreyen und ſingen, doch muß der Vorſatz mit dabey ſeyn. Ja dieſer Fall trift ſo weit zu, daß, wenn man ei - nen Sprachlaut, oder der ſchon in der Redeſtim - me giltig iſt, z. B. das Wort Kuckuck wiederFblos82blos ſchreyet, er kein Sprachlaut mehr iſt, ſon - dern wieder ein bloſes Nachgeſchrey wird, und den Werth eines Wortes gleich verliehret.

§. 110.

Wenn nun der Sprachlaut kein unbeſonnener Laut ſeyn darf, die Selbſterkenntniß aber dem ſprachleeren Menſchen, durch alles Beſinnen und Nachdenken, keinen Laut aus ſich ſelbſt erfinden laͤßt, auch kein beſonnener bloſer Schrey, ein Sprachlaut heiſſen kann, ſondern jeder Sprach - laut ein uͤberdachter im Redeton ausgeſprochener Laut ſeyn muß; wie iſt alles dieſes bey unſerer Sprache, auſſer durch Erlernung von andern Menſchen, die ſchon reden koͤnnen, fuͤr moͤglich anzuſeben. Denn in dieſem Fall iſt die Haͤlfte von beſinnen und nachahmen hinlaͤnglich, da auſ - ſer dem der hoͤchſte Grad von beyden dazu nicht hinreicht.

§. 111.

Doch will ich dieſes nicht ſo ſtrenge genommen wiſſen, als wenn bis jetzt kein einziger unuͤber -dachter83dachter Laut, zu einem uͤblichen Sprachlaut wer - den koͤnnte, das Gegentheil kommt vielmehr gar oft vor, und weil ſolches aus der Natur des Men - ſchen folgt; und alſo als ein Einfluß der Menſch - lichkeit in die Sprache gilt; ſo wollen wir dieſen Fall, den man die Mundart nennt, gegen die Er - findung ſtellen. Nun uͤberdenke man die unzaͤh - lig verſchiedene Mundarten, nur von unſerer deutſchen Sprache, nach der unterſchiedenen Schwebung, Veraͤnderung und Verbindung ih - rer Selbſt - und Mitlauter, nebſt der Verlaͤnge - rung und Verkuͤrzung der Sylben, und forſche alsdenn nach, ob die mindeſte Erfindung an alle dieſem Antheil habe? Es wird jeder deutlich ein - ſehen, daß des einen Ungeſchicklichkeit, oder Nach - laͤßigkeit, Stolz, oder auch Muthwillen in ſeiner Ausſprache allen noch jungen Leuten, die ihn oͤf - ters hoͤrten, und wohl verſtunden, ein verfuͤhren - der Anlaß, eben ſo zu reden, ohne Abſicht hier - auf, geweſen ſey. Da nun Wiſſen und Willen dieſer Nachaͤffer nicht den mindeſten Antheil dar - an hatte; ſondern blos der Einfluß des GehoͤrsF 2Mund -84in die Sprechtheile, ſo erfolgt die veraͤnderte Mundart, ohne Erfindung. Eben dadurch ge - woͤhnt ſich mancher das an, was er an andern oft verſpottet, und veraͤndert alſo ſeine Mundart wi - der Wiſſen und Willen.

§. 112.

Wenn nun ſelbſt von der Unachtſamkeit des Gehoͤrs blos durch ſeine Mit - und Einwirkung in die Sprechtheile alle Mundarten entſpringen; alle Mundarten aber zuſammen genommen eine und dieſelbe Sprache ausmachen, muß dieſe nicht alſo, doch mit noch ſchmeidigerem Gehoͤr und mehrerer Aufmerkſamkeit des Lehrlings, immer fortgepflanzt, und eigentlich niemals erfunden worden ſeyn.

§. 113.

Auf eben die Art betrachte man aller andern Voͤlker Sprachen und Mundarten, nach ihren Selbſt - und Mitlautern, von denen der erwach - ſene Deutſche, oder auch jeder Europaͤer, nachlanger85langer Zeit, viele unmoͤglich, ja manche gar nie - mals ausſprechen kann, wie einiger Amerikaner und der Hottentotten ihre. Koͤnnen wir Euro - paͤer aber dergleichen Sylben und Woͤrter nicht ausſprechen; ſo wuͤrden wir ſie auch, wenn gleich jeder einen Spracherfinder vorſtellen wollte, nie - mals erfinden koͤnnen. Ob ſie nun ſchon die Kin - der dieſer Voͤlker, weil ſie von der zarten Jugend an dazu gewoͤhnt werden, leicht ausſprechen ler - nen; ſo wuͤrden ſie doch wohl eben dieſe Kinder, wenn ſie gleich von der Kindheit an bis zur Mann - barkeit unter uns Europaͤern erzogen worden waͤ - ren, fuͤr ſich aber ſo unſprechbar, als wir fuͤr uns erklaͤren. Ich nehme aber aus, was ihnen we - gen erblicher Fehler oder Vorzuͤge der Sprach - theile bey jeder Menſchenart, die ſich ſowohl, als die eigene Beſchaffenheit der Geſichtstheile fort - pflanzen werden, in dieſem Stuͤck leichter fallen duͤrfte. Auf die Art, ſchlaͤgt dieſe Betrachtung fuͤr den einzelnen Erfinder der Sprache eben ſo ſchlecht, als die uͤbrigen aus.

F 3§. 114.86

§. 114.

Es laͤßt ſich alſo alles eigene der Sprachen, da - von jede das ihrige hat, niemals auf die Erfin - dung, ſondern nur auf eine fortgeſetzte Erlernung zuruͤck bringen. Denn wollte man die Sache durch viele Erfinder erklaͤren, daß nemlich jede Sprache anfaͤnglich ihren eigenen gehabt haͤtte; ſo ſieht man doch bey keinem einzigen Volke, daß die Kinder ein ſolches Erfindungsvermoͤgen haͤt - ten, ſondern nur hoͤchſtens mehr oder weniger Faͤhigkeit, eine Sprachart zu lernen. Wo haͤtte nun jeder Stammvater dieſes eigene Vermoͤgen, und zwar im hoͤchſten Grade her bekommen, und nur fuͤr ſich zu beleben gewußt? Es haben ja alle Sprachen ſo viel unerfindliches, das man erſt in langer Zeit und mit ſaurer Muͤhe lernet, daß man eben darum keine erfindlich noch erblich nen - nen darf; am allerwenigſten laͤßt ſich alles dieſes mit einem einzigen Erfinder zuſammen raͤumen. Denn man kann unmoͤglich alle Sprachen fuͤr bloſſe Mundarten einer einzigen erſten anſehen, wenn man auch nur den Laut betrachtet.

§. 115.87

§. 115.

Je weniger man alſo auch nur den Sprachlaut von einer urſpruͤnglichen Erfindung, ſondern viel - mehr von einer beſtaͤndigen Fortpflanzung durch Lernen, herleiten kann; je mehr Grund hat man anzunehmen, daß jede wirklich unterſchiedene Hauptſprache, mit ihren Volk, ſchon ſeit undenk - licher Zeit ſo verbunden geweſen ſey, wie man es jetzt noch findet. Nemlich die juͤngeren lernten der aͤltern ihre vorgeſprochene Laute nachſprechen, und keiner erfand ſie. Daß aber ein Nachſpre - chen verſchiedene Abweichungen, oder Mund - arten, bey zerſtreuten Haushaltungen, erfolgen mußten, iſt ſehr natuͤrlich.

§. 116. Der Sprachſinn.

Der Sprachlaut unterſcheidet ſich von jedem andern Lall und Hall der Menſchenſtimme uͤber - haupt dadurch, daß er ein eigenes Zeichen von etwas, das eben nichts mit dem Laute gemein ha - ben darf, fuͤr den Zuhoͤrer ſeyn, und dieſem alſoF 4den88den Sinn, den der Redner damit verbindet, an - geben ſoll. Die Finger - und Augenſprache kann hier zum Beyſpiel dienen, deren Bewegung nicht eher Sprache heißt, bis ſie dem andern ein Zei - chen von einer Sache, die auch nichts mit Finger und Auge gemein hat, giebt.

§. 117.

Was einen Sprachlaut uͤberhaupt bezeichnet, heißt deſſen Bedeutung, beſonders aber gegen den Zuhoͤrer genommen, der Sinn deſſelben, wo - durch eben ſolcher Laut zu einem Worte wird, und hier einzeln ſeinen Wortſinn giebt, wie alle zuſammen den hier gemeynten Sprachſinn geben.

§. 118.

So haͤtten wir alſo die Grenze zwiſchen allen ſprachleeren Klaͤngen und ſprachhaften Woͤrtern gefunden, und auch das, was ein Erfinder der Sprache, nach dem Laut und Sinn, einzeln oder zuſammen betrachtet, zu leiſten gehabt haͤtte, ge - wieſen.

§. 119.89

§. 119.

Wer vermag aber, ohne Kenntniß und geuͤbte Unterſcheidungskraft, ſolche Zeichen bey einem Dinge zu denken, ſie von dieſem, als Urdinge ab - zuſondern, mit dem meiſtens ganz abweichenden Laute zu bekleiden, und zwar ſo beſtaͤndig, daß Lautzeichen, und deſſen Urding in der Vorſtellung eins, und drey zu gleicher Zeit machen, wie doch geſchehen muß, wenn der Laut ein Zeichen, mit dem beſtimmten Sinn von etwas, oder ein rich - tiges Wort heiſſen ſoll.

§. 120.

Daher muß man erſt bemerken, wie der Menſch ſeine Kenntniß und Unterſcheidungskraft erlangt. Den erſten Grund zu unſerer Erkenntniß legen wir durch unſere Sinne, und das Vermoͤgen zu unterſcheiden kommt durch die verſchiedenen Ein - druͤcke der Empfindungen, und die daraus folgen - de verſchiedene bewußte Gegenbewegungen in uns, zur Fertigkeit; deswegen ſollten die Sinne, ſo ihre Staͤrke ſchon vor dem Gehoͤr erlangen,F 5als90als Geruch, Geſchmack und Gefuͤhl, den erſten Grund zur Sprache legen, zumahl da eben die Sprachtheile auch Werkzeuge zum Geſchmack und Geruch ſind. Aber weit gefehlt! um ſo viel weniger koͤnnen die Augen, die weder Verhaͤltniß noch Empfindung zum Laut haben, Anleitung da - zu geben, und alſo bleibt nur dem Gehoͤr, da - durch man ſich Kenntniß und Unterſcheidungs - kraft erwerben kann, vorbehalten, die Sprache zu gruͤnden. Denn ohne Gehoͤr bleibt der Menſch ſtumm. Schon dieſes allein wird bey vielen Naturforſchern hinreichen, die Sprache fuͤr keine Erfindung, ſondern als eine Sache, die erlernt werden muß, anzuſehen.

§. 121.

Ja wenn man zugleich die allgemeine Pflicht der Sinne, daß ſie zu allen Erfindungen erſt Vorrath ſamlen muͤſſen, wieder auf das Gehoͤr ſelbſt anwendet und uͤberleget, was das Gehoͤr zur Erfindung der Sprache fuͤr Vorrath haben muͤſſe, und wie, und wenn es ſolche ſamlenkoͤnne;91koͤnne; wird man noch leichter einſehen, daß die Sprache nur durch Lernen erlangt werden koͤnne. Wie und wenn kann aber ein ſprachleerer Menſch durchs Gehoͤr den Laut unterſcheiden? ſolchen als Zeichen empfinden? ſeinen Eindruck weiter in die Sprachtheile fortpflanzen? dieſe dadurch erſt zum Laut uͤberhaupt anregen? und ſie darauf zum gewiſſen Laut regieren? Denn alles dieſes muß zu Erfindung der Sprache vorraͤthig ſeyn. Wenn vermag endlich der Menſch die Laute, als eigene Zeichen, jeder Sinnlichkeit mit ihrer Bedeutung, ſie paſſen zum Laut wenig, oder gar nicht, fuͤr den andern anzuwenden? und den Laut in ein Wort mit gewiſſem Sinne zu verwandeln? in der Kind - heit gewiß nicht! und bey reifem Alter am aller - wenigſten! weil im letzten Fall das Gehoͤr zur Aufmerkſamkeit und Deutlichkeit nicht gewoͤhnt worden, und die Geſchmeidigkeit der Sprach - theile verlohren gegangen; vornemlich aber we - gen der erlangten Fertigkeit, nichts mehr als ſinn - liche Empfindungen zu denken, und daher weder Zeichen noch Sinn zu erfinden.

§. 122.92

§. 122.

Sollte aber dieſes auch noch geſchehen koͤnnen, ſo waͤre doch ſo viel ausgemacht, daß das Gehoͤr zuerſt keine andere Zeichen von den Dingen um - her faſſen, und durch die Mitwirkung des innern Gehoͤrs, welches die Sprachtheile in aͤhnliche Bewegung ſetzen, und zum gleichen Ausdruck anregen muͤßte, erwaͤhlen koͤnne, als die in das Gehoͤr fallen. Was wuͤrde nun hier mehr her - aus kommen, als daß etwa die Kuh und der Och - ſe Mu, das Schaf Maͤ, und der Rabe Krab ge - nennet wuͤrde? Wer aber auf die Kinder, wenn ſie gleich ſchon etwas reden koͤnnen, Acht giebt, wird finden, daß ſie auch nicht einmal dieſes ohne Vorſprecher, ſondern nach den Woͤrtern, oder anderer Kinder Beyſpiel verſuchen, und vor ſich allein kein ſolches Geſchrey, in die Redeſtimme herunter zu ſetzen wiſſen.

§. 123.

Wer hat uͤber dem ſolche Laute der Kinder Sprache nennen moͤgen? Das einzige WortBier93Bier eines Kindes heißt gewiß bey allen Deut - ſchen eher Sprache, als 100 ſolche Nachrufe. Denn ob ſie gleich alle ihre Bedeutung haͤtten, ſo waͤren ſie doch gar nicht zu dem Sinn, den alle wahre Woͤrter verſchaffen ſollen, weder urſpruͤng - lich gebildet, noch als wahre Woͤrter brauchbar; weil ſie allezeit mehr ein bloſes Gegengeſchrey blieben, und keinen wahren Sinn, weder von die - ſem Schrey, noch von dem, das ſo ſchrie, geben koͤnnten. Denn ſolche Schreye werden nicht blos durch die Stimme, ſondern zugleich durch ihre beſtimmende Bedeutung zu Lauten und Woͤrtern, aber eben die beſtimmenden Wendungen fehlen.

§. 124.

Wenn man nun noch dazu die Sprache im Ganzen nach der Zahl der Woͤrter, welche fuͤr Nachahmungen gehoͤrter Laute, und fuͤr Ge - ſchoͤpfe des Gehoͤrs gelten moͤchten, eintheilet und abmiſſet; ſo faͤllt die Vermuthung, daß der erſte Menſch, vermoͤge ſeines Gehoͤrs, den Sinn der Laute, oder die erſten Woͤrter erfunden habe, garweg.94weg. Denn der groͤßte und brauchbarſte Theil jeder Sprache beſteht aus Woͤrtern, die entwe - der die andern Sinne betreffen, oder uͤber die Sinnlichkeit hin, in das unbegrenzte Reich der abgeſonderten Begriffe, oder Urdinge gehoͤren.

§. 125.

Laͤßt ſich endlich jenen wenigen vom Gehoͤr nachgeahmten Lauten der Woͤrter, nichts will - kuͤhrliches, noch eigentliche Erfindung beymeſſen; ſo wird dieſen hingegen gewiß Jedermann die freye Willkuͤhr zuſprechen. Wenn alſo bey jenen der Laut voraus gienge, und der Wortſinn nach - folgte; ſo wird bey dieſen umgekehrt, der Sinn eher, als der hierzu erfundene Laut gedacht wer - den muͤſſen. Folglich muͤßte beym groͤßten Theil der Woͤrter oder Sprache, das, was der Bemer - kungsſinn der Sachen heiſſen moͤchte, vor den Lauten oder Woͤrtern ſelbſt vorausgegangen ſeyn. Ob und wie nun der ſprachleere erſte Menſch dieſe Erfindung angeſtellt haben moͤchte; muͤßte die Betrachtung der Sprache im Ganzen, mit desMenſchen95Menſchen Kraͤften verglichen, noch jetzt wohl er - rathen laſſen.

§. 126.

In dieſer Abſicht wollen wir die Sprache, ſo wie ſie iſt, und zwar nach ihrem Wortſinn, be - trachten, und deſſen Haupteigenſchaften und Haupteintheilungen vor uns nehmen. Hier zei - gen ſich auf den erſten Blick uͤberhaupt zwey Hauptgeſchlechter der Woͤrter, von denen eins die Dinge ſelbſt, das andere ihr Thun, Verhal - ten, Befinden und Leiden nennet. Alle uͤbrige Woͤrter ſind Beyſtaͤnde und Vertreter des einen, oder andern Geſchlechts, oder auch beyder Ge - ſchlechter. Daher heiſſen jene Nennwoͤrter, und dieſe will ich Sagewoͤrter nennen, weil ſie dem Weſen nach keine Zeitwoͤrter vorſtellen, ſondern nur durch ihre Abaͤnderungen, des hiermit be - zeichneten ſeine Art der Zeit angeben. Der Un - terſchied zwiſchen nennen und ſagen wird jedem, wie ich hoffe, merklich ſeyn.

§. 127.96

§. 127.

Wir wollen alſo die Woͤrter, welche durch das Gehoͤr zuerſt ihren Laut, und damit zugleich ihren Sinn erlangt haͤtten, bey Seite ſetzen, und die - jenigen nehmen, ſo durch die uͤbrigen Sinne ihren Urſprung erhalten haben muͤßten. Nun iſt zwar das Auge der maͤchtigſte Sinn; allein nach dem menſchlichen Zuſtande iſt das Gefuͤhl der erſte, und dieſem Geruch und Geſchmack die naͤchſten.

§. 128.

Man laſſe daher alle Sinnlichkeiten, welche die vier Sinne des ſprachleeren Menſchen ruͤhren koͤnnen, ihren Eindruck darauf machen; man laſ - ſe dadurch in ihm eine ihm bewußte Gegenbewe - gung, des geruͤhrten Sinnes erfolgen, und ihn alſo darauf merken. Man laſſe auch hierauf die - ſen Eindruck mit ſeinen Gegenbewegungen vom Ganzen der Sinnlichkeit, in ihr Einzelnes gehen, und folglich den Eindruck deutlich werden. Her - nach laſſe man ihn dieſen Eindruck mit ſeinen Ge - genbewegungen unterſcheiden, oder die Unter -ſcheidungs -97ſcheidungskraft wirken, ſo daß er alle dieſe Sinn - lichkeiten einzeln vollkommen kenne, und von an - dern zu unterſcheiden wiſſe, und was den Bemer - kungsſinn von einem Dinge ausmacht, voͤllig in - ne habe. Ja man laſſe ihn alle gleiche Dinge zu - ſammen, als ein einziges Urding auf einmal ſich vorſtellen, und in einem zuſammengeſetzten Be - griff fuͤr eins ſich denken, weil der Bemerkungs - ſinn von allen doch nur einer iſt. Kann nun aber alles dieſes an und vor ſich, ſo ferne der ſprach - leere Menſch blos vor ſich iſt, nur den mindeſten Antrieb in ihm erwecken, daß er dieſes durch ein Zeichen ausdruͤcken, oder nennen wollte? wozu und fuͤr wen ſollte er es ausdruͤcken, oder nennen wollen. Folglich verdient es noch immer nicht Wortſinn zu heiſen, denn nur durch ein Zeichen alles deſſen wird es dergleichen Sinn. Deswe - gen bliebe es in ihm eine bloſe deutliche Vorſtel - lung fuͤr ihn, und was iſt ihm weiter noͤthig?

§. 129.

Wollen wir nun auch ſetzen, daß dieſer ſprach - leere Menſch mit der nemlichen deutlichen Vor -Gſtellung98ſtellung der Sinnlichkeiten, zu andern Menſchen kaͤme, und ihnen ſolche angeben, oder nennen moͤchte, wuͤrde es ihm, wenn er auch gleich das Gehoͤrte mit nachgeahmten Lauten anzuzeigen ſchon gewohnt waͤre, das, was er ſaͤhe, roͤche, ſchmeckte oder fuͤhlte, durch Laute, die nicht die geringſte Verwandtſchaft und Aehnlichkeit, mit ſeinem Bemerkungsſinn der Dinge, und ihrer Kennzeichen haben, dennoch anzugeben, einfal - len? wuͤrde er nicht vielmehr alle Geberden zu Huͤlfe nehmen, um das, was er meynt, zu erklaͤ - ren, als daß er ſolches durch einen Laut anzeigen wollte? Denn, um ein Beyſpiel zu geben, wel - cher unter unſern Geigern und Blaͤſern, die doch auſſer der Sprache, vermittelſt ihrer Toͤne, an - dern ſchon viel geſagt und fuͤhlbar gemacht zu haben glauben, hat bey alle dem noch keiner den Einfall gewagt, Kaͤlte und Waͤrme; Waſſer und Feuer; ſauer und ſuͤß; oder Kaͤſe und Butter; ein jun - ges Maͤdchen und altes Weib, u. ſ. w. durch Toͤne anzugeben und zu nennen.

§. 130.99

§. 130.

Wenn nun dem ſprachleeren Menſchen nicht einmal die Nennwoͤrter, die dieſe vier Sinne er - finden muͤßten, zu erfinden moͤglich iſt, wie ſoll er die viel ſchwerern Sagewoͤrter, und noch ſchwe - reren Beyſtaͤnde oder Vortreter zu erfinden, im Stande geweſen ſeyn! und wie will man die Sprachen, deren Stammwoͤrter noch dazu mei - ſtens Sagewoͤrter ſind, fuͤr ſo erfunden angeben.

§. 131.

Betrachtet man alſo das Verhaͤltniß unſerer Sinne gegen die Natur noch einmahl und erwaͤ - get, wie ſelten das Gehoͤr, und wie ſehr oft die andern Sinne eines ſprachleeren Menſchen ange - regt, und zu Zeichen ihrer Vorſtellungen oder zum Sinn eines Worts, aufgefordert werden, ſo faͤllt das, was man von Seiten des Gehoͤrs zum Theil zugab, ohnedem wieder von ſelbſt weg.

§. 132.

Wenn alſo die ſinnlichen Vorſtellungen, nicht durch bloſſe Erfindung zum Sinne eines Worts gediehen ſeyn koͤnnen, und alſo der groͤßte TheilG 2der100der Menſchenſprache als unerfindlich anzuſehen iſt; ſo bleibt ja auch desfalls keine andere Aus - kunft uͤbrig, als daß man dem Menſchen umge - kehrt Sinnlichkeit und Laut zuſammen, und das Zeichen mit ſeiner Sache verbinden lernen muß. Denn dadurch zeigt ſich der Bemerkungsſinn des Dinges, und der Wortſinn des Lauts im Menſchen zugleich, daß alſo das Wort zum Zei - chen wird; und dieſes um ſo viel leichter, wenn er ganz jung, ſo wie die Sinne nach und nach deutlich empfinden und begreifen, zu dieſer Ver - bindung von beyden angefuͤhret wird; deſto ſchwe - rer aber, wenn die Sinne ſchon allzuſtark an eine flatterhafte Kenntniß, ohne Laute, oder Woͤrter gewohnt ſind, und die Fertigkeit ſolche Zeichen zu unterſcheiden, und anzuwenden verlohren, hin - gegen zu viel Haͤrte zur Bildung der Begriffe bekommen haben.

§. 133.

Daher lauft auch dieſe Betrachtung uͤber den Wort - oder Sprachſinn eben wieder dahinaus,daß101daß immer die aͤlteren den juͤngeren die Sprache gelernt haben muͤſſen, ohne daß man einen unter den Menſchen vor ihren urſpruͤnglichen Erfinder, bis ins Undenkliche hinaus angeben koͤnnte. Mit eben ſo viel Grund kan man auch ſowol die Men - ſchen uͤberhaupt, als auch ihre nach den Haupt - ſprachen unterſchiedene Arten, nicht anders, als von je her, wie die ganze uͤbrige Schoͤpfung des ewigen Schoͤpfers herleiten, und erklaͤren.

§. 134. Die Geſtalt der Sprache.

Endlich muͤſſen wir noch ſehen, ob die Geſtalt der Sprache dem vorigen widerſpricht. Daß die Geſtalt eines Dinges uͤberhaupt, von der Stel - lung als der Thaͤtigkeit die Theile ſeines Ganzen nach einer gewiſſen Verhaͤltniß und Ordnung, die man eben Geſtalt nennt, zu ſetzen, wie Erfolg und Wirkung unterſchieden ſey, und daß man den Grund von jeder Geſtalt, in der vorherge - gangenen Stellung ihrer Theile ſuchen, und ſie auch hier betrachten muͤſſe, wird wohl niemand leugnen.

G 3§. 135.102

§. 135.

Wendet man dieſes beſonders auf die Sprache an; ſo wird man auch nicht nur dem einzelnen Wortlaut, ſondern auch dem einzelnen Wortſinn eine gewiſſe Geſtalt zugeſtehen. Ja, wenn man weiter in die Sprachlehre hinein geht, ſo zeigt ſich, daß auch jede Redensart, und jeder Rede - ſatz, ſowohl in Anſehung des Lauts, als Sinnes, und alſo auch der Sprachſinn im Ganzen ſeine Geſtalt habe, und daß man dieſe eben ſowol nach ihrer Stellung betrachten koͤnne, wenn man gan - ze Sprachen mit einander vergleicht.

§. 136. Geſtalt des Wort - und Sprachſinnes.

Die Stellung des Wortſinnes mag alſo voraus gehen. Denn wenn die Sinnlichkeiten fuͤr alle Menſchen die erſten Dinge ſind, welche durch ih - ren Eindruck, vermittelſt derer uns bewußten Gegenbewegungen, die wieder mit jeder Sinn - lichkeit uͤberein kommen, das, was ich in der Ver - bindung mit dem Wortlaut, den Wortſinn, anſich103ſich aber den Bemerkungsſinn nenne, in uns her - vorbringen, beleben, und zur gleichartigen Ge - ſtalt bringen; ſo darf ja nicht die geringſte Ver haͤltniß der Sinnlichkeit an ſich, oder gegen an dere veraͤndert werden, daß nicht auch zugleich die Geſtalt des Bemerkungsſinnes hievon, und ſo bald wir dieſen anzeigen wollen, auch die Geſtalt des Wortſinnes abgeaͤndert werde, welches alſo die Stellung des Sinnes waͤre, der aus der Wahl der Woͤrter an ſich, und ihrer bloſſen verſchiede - nen Ordnung erfolgte.

§. 137.

Daß aber dieſe veraͤnderliche Stellung des Be - merkungs - und Wortſinnes gar nichts willkuͤhr - liches vor uns ſey, wird man daraus deutlich er - kennen, und zugleich verſichert ſeyn, daß wir uns von dieſer Seite die Sprache nicht als unſere Er - findung zuſchreiben koͤnnen. Denn es iſt mehr unſer Gefuͤhl, als die Folge der Woͤrter und ih - res Wortſinnes, der Folge des Bemerkungsſin - nes entſpreche.

G 4§. 138.104

§. 138.

Es muß vielmehr die Einwirkung der Sinn - lichkeiten, weil die Sinne und Empfindungen al - ler Menſchenarten uͤberhaupt gleich ſind, und ſie eben wie wir fuͤhlen, riechen, ſchmecken, ſehen und hoͤren, in allen, von gleichen Dingen, einen gleichen Bemerkungsſinn verſchaffen, und alſo auch alle Sprachen, von dieſer Seite, ſie moͤgen erlernet oder erfunden ſeyn, etwas in der Geſtalt aͤhnliches mit einander gemein haben; ob ſie gleich neben dem gaͤnzlich von einander abweichen koͤnnen, ja faſt abweichen muͤſſen.

§. 139.

Denn da die Sinne, durch die Uebung der Un - terſcheidungskraft eine gewiſſe Schaͤrfe und Auf - merkſamkeit erlangen, auſſer dem aber ſtumpf und unachtſam bleiben, auch gar viel zufaͤlliges der Empfindungen, vermoͤge der Gewohnheit fuͤr uns zu einem beſondern Unterſchiede der Sinnen werden, endlich da ſelbſt die Sinnlichkeiten nicht uͤberall weder an ſich noch in ihren Umſtaͤndendieſel -105dieſelben ſind, ſo kann nicht allein, ſondern es muß ſich ſogar dieſes Allgemeine des Bemerkungs - ſinnes, bey jeder Menſchenart, ja bey jedem ein - zelnen Menſchen, durch etwas beſonderes unter - ſcheiden. Waͤre daher die Erfindung der Spra - che ein ſo leichtes Werk der Menſchen, als man meynen moͤchte; ſo wuͤrde jeder Menſch ſchon vermittelſt ſeiner beſondern Stellung des Bemer - kungsſinnes, ſich ſeine eigene geſtaltete Sprech - art bilden, da er ſich ſo nur durch die Wendung der gelernten Ausdruͤcke beſonders zeiget.

§. 140.

Das gedachte allgemeine der Sprachſtellung aber iſt, nach der Erfahrung, die Haupteinthei - lung des Sprachſinnes, in Nenn - und Sage - woͤrter, und zwar in ſo ferne dieſe Stellung von den Sinnen der Menſchen nicht willkuͤhrlich ab - haͤngt, und ſie alſo einſtimmig den Bemerkungs - ſinn, vom Thier, Baum, Berge, Quelle, und deren Lauffen, Stehen, Vorragen, und Rieſeln in ſich bilden; denn jeden Bemerkungsſinn durchG 5ein106ein Nennwort, dieſen aber durch ein Sagewort ausdruͤcken; wenn ſie auch gleich die Wortlaute dazu nur halb, wie die Kinder gelernt haben. Hingegen koͤnnte ſich der bloſſe Bemerkungsſinn, ohne vorausgehenden Wortlaut, weder jemahls verſchieden beſtimmt, gegen andere aͤuſſern, noch verhaͤltnißmaͤſige Geſtalten von ſich abbilden; folglich blieb alle unſere Kenntniß fuͤr andere ein Unding, oder doch ein Ungeheuer.

§. 141.

Sowohl der nennbare, als ſagbare Bemer - kungsſinn koͤnnte ſich nach vielerley Umſtaͤnden, wohl tauſendmahl veraͤndern und immer eine an - dere Geſtalt annehmen, ohne daß dem ſprachlee - ren einfallen doͤrfte, ſolches nur uͤberhaupt, ge - ſchweige jeden Unterſchied beſonders angeben zu wollen; indem er erſtlich nicht wuͤßte, daß er auf ſolche Art ſeinen Bemerkungsſinn anzeigen koͤnn - te, und in dieſem auch kein nothwendiger Grund liegt, daß er ihn mit Lauten angeben muͤßte. Es wuͤrden alſo bloſe Geberden des Bemerkungsſin -nes107nes ſtummer Ausdruck ſeyn, und fuͤr andere, wenn man etwa das Zeigen mit den Fingern ausnimmt, wie Raͤthſel von vielfacher Bedeutung, nicht aber eines beſtimmenden Sinnes ſeyn.

§. 142.

Eben hier liegen nun noch unzaͤhlige Beduͤrf - niſſe, die jedem Volk, in der Maaſe, wie ſich ſein Scharfſinn, ſeine Vorſtellung, Erfindung, oder ſein Zuſtand vergroͤſſert, fuͤhlbar werden, und das mangelhafte auch der Wendungs - und Wortreich - ſten-Sprache dennoch empfinden laſſen. Denn obgleich die vielen Beiſtaͤnde fuͤr die Nenner und Sager, nebſt ihren Verbindungsmitteln, ſowohl an ſich, als nach ihrer mannichfaltigen Ordnung und Verſetzung, die mehreſten Veraͤnderungen des Bemerkungsſinnes, durch aͤhnliche Veraͤnde - rung, des Wort - oder Sprachſinnes, nachahmen, oder ausdruͤcken koͤnnen; ſo empfindet man den - noch, bey eigenem Nachdenken, wo man Umſtaͤn - de deutlich beſtimmen will, nur allzu oft, wie un - zulaͤnglich und ſchwer es ſey, alles genau zu tref -fen.108fen. Wenn aber dieſes dem Sprachkundigen begegnet, was ſoll man in dieſem Stuͤck, vom ſprechleeren Erfinder denken.

§. 143.

Ich koͤnnte hier beſondere Beweiſe von der vielfaͤlligen Stellung des Sprachſinnes, ſowohl aus den todten, als lebendigen Sprachen anfuͤh - ren; weil ich aber nicht ſowohl den Beweis, als die Betrachtung dieſer Geſtalt, zur Abſicht habe, ſo uͤberlaſſe ich dieſe Ausſchweifung andern Sprachkundigen, und will lieber aus der Stel - lung jeder beſonderen Hauptſprache, wenn ſolche darinne von einander abweichen, den Schluß ma - chen: daß ſolche Sprachen nicht einerley, ſondern verſchiedenen Urſprung haben, und man auch die Herkunft der Voͤlcker, die dieſe Sprachen fuͤhren, eben ſo verſchieden annehmen muͤſſe.

§. 144.

Hieraus ſowohl, als auch aus dem vorigen kann man zur Gnuͤge ſehen, daß wenn dem Men -ſchen,109ſchen, nicht der Sprachlaut, zum Zeichen ſeines Bemerkungsſinnes, von ſeinen Vorfahren gege - ben worden waͤre, er auch nicht einmahl daran haͤtte denken koͤnnen, daß ſich die andere Geſtalt ſeines veraͤnderten Bemerkungsſinnes anzeigen laſſe. Wenn er aber einmahl den Sprachlaut als ein Zeichen ſeines Bemerkungsſinnes gelernet hat; ſo fuͤhlet er die Verhaͤltniß beider gegen einander zu lebhaft, als daß er mit unveraͤnderter Ordnung der Woͤrter, den veraͤnderten Bemer - kungsſinn anzeigen moͤchte; daher wechſelt er nach den Umſtaͤnden, mit der Geſtalt des Sprach - ſinnes ab.

§. 145.

Doch nicht die bloſe Stellung, oder Verbin - dung der Woͤrter, und der daraus erfolgende veraͤnderte Sinn, reicht zu, alle Geſtalten des Be - merkungsſinnes anzuzeigen; ſondern es muß ſich auch vornaͤmlich ſelbſt der Laut der Woͤrter ver - aͤndern, um dem einzelnen Wortſinn eine andere Geſtalt zu geben. Soll alſo der Laut das richtige Zeichen, jedes Bemerkungsſinnes, von einemDinge110Dinge ſeyn; ſo muß auch die Geſtalt des Lauts, jedesmahl eine aͤhnliche Veraͤnderung erhalten, und dieſe waͤre nun die obgedachte Stellung des Wortlauts, welche mehr fuͤr das Ohr, wie jene mehr fuͤr den Verſtand gilt.

§. 146.

Iſt es ferner ausgemacht, daß anfaͤnglich, der groͤßte Theil der Wortlaute, etwas willkuͤhrliches haͤtte ſeyn muͤſſen, wie es auch noch jezt bey einer ſolchen Erfindung waͤre; ſo koͤnnten die Veraͤn - derungen urſpruͤnglich auch nicht anders als will - kuͤhrlich ſeyn. Doch ſo bald einmahl eine gewiſſe Veraͤnderung des Wortlauts, bey einer gewiſſen Veraͤnderung des Bemerkungsſinnes beliebet waͤre, muͤßte ſie auch beſtaͤndig dieſelbe bleiben, wenn ſie eben die Veraͤnderung des Bemerkungs - ſinnes wieder bezeichnen ſollte; und nun hieſſe ſie nicht mehr willkuͤhrlich. Denn der Wortſinn gaͤbe ihr was beſtaͤndiges, durch ſeine damit ver - bundene beſondere Geſtalt.

§. 147.111

§. 147.

Haͤtte alſo ein einziger Erfinder, auch die erſte Geſtalt gegeben, ſo wuͤrde dieſe nicht ſo verſchie - den ſeyn, wie man doch in allen Hauptſprachen findet. Daher muͤßten wenigſtens mehrere Er - finder auf dem Erdboden, an dieſer Geſtalt der Sprachen gearbeitet haben. Denn anders ſieht der Nenner und Sager bey dem Egipter oder neueren Kopten; anders bey dem benachbarten Araber, anders bey den Griechen; anders bey den Deutſchen, u. ſ. w. aus, und ſo auch die Beiſtaͤnde fuͤr beide, wie die Sprachbuͤcher dieſer und anderer alten Voͤlker beweiſen. Man findet auch dieſes ſelbſt bey den neuen vermengten Voͤlkern.

§. 148.

Wenn ſich nun noch dazu auch die Erfindung des Sprachlauts an ſich, wie gedacht, weder ei - nem einzelnen ſprachleeren Menſchen, noch vielen ſolchen urſpruͤnglich zuſchreiben laͤßt; denn was einem einzelnen unmoͤglich iſt, das iſt es auch vie - len ſolchen einzelnen; wie vielweniger wird mandie112die urſpruͤngliche Stellung des Wortlauts ſo er - klaͤhren daͤrfen, da ſolche eine ſtarke Uebung der Unterſcheidungskraft, gegen die kleinern Laute voraus ſetzt; wovon man doch kaum etwas beym ſprachleeren Menſchen denken kann.

§. 149.

Daß aber nachdem jeder, der auch nur den kleinſten Theil einer Sprache begriffen hat, eben durch ſeine ſchon etwas geuͤbte Unterſcheidungs - kraft, vermoͤge der Aehnlichkeit und Nachahmung, bisweilen ſelbſt aͤhnliche Woͤrter, oder aͤhnliche Geſtalten fuͤr alte Woͤrter zu wege bringen koͤnne, iſt wohl nicht zu leugnen. Wer thut es aber au - ſer den Schriftſtellern, als lallende Kinder, ſo die Woͤrter nur halb wiſſen, und noch halb ſuchen.

§. 150.

Wenn alſo die juͤngeren gleich bey ihren erſten veraͤnderlichen Bildungen des Bemerkungsſin - nes, durch den jedesmahl zugleich damit verbun - denen veraͤnderlichen Wortlaut, die Stellungjeder113jeder Sprache, ſeit undenklicher Zeit her, von den aͤltern lernten; auch jeder ſo angefuͤhrter Red - ner keine Stellung aus einer ihm unbekannten Sprache in ſeine bringen konnte, noch bey der Kenntniß mehrerer Sprachen, darein mengen durfte, und ſich alſo im letzteren Fall nicht einmal das Recht zur Erfindung neuer Geſtalten anmaſ - ſen konnte; ſo macht ja dieſes, wenn man es auf den ſprachleeren Menſchen anwendet, zugleich wahrſcheinlich, daß ſich der, ſo weder den Laut, noch deſſen Sinn kannte, auch niemals weder des einen, noch des andern Stellung zu erfinden, ein - fallen laſſen konnte.

§. 151.

Weil nun die Geſtalt der Sprache, ſowohl in Anſehung des Lauts, als Sinnes, ebenfalls be - ſtaͤndig erlernet, und nicht urſpruͤnglich erfunden worden iſt, ſo kann man daraus eben auch auf das undenkliche Alter der Sprache ſelbſt hinaus ſchlieſſen; und die Hauptarten der Sprachſtellun - gen beweiſen, daß ſeit undenklicher Zeit her, im -Hmer114mer verſchiedene Sprachen und Spracharten, oder verſchiedene Menſchenarten, die ſich doch nach ihren Mundarten allmaͤhlig veraͤndern, nach den Sprachen ſelbſt aber willkuͤhrlich, wie uͤbri - gens, vermiſchen, und nach einiger Zeit, in einer dritten Geſtalt zeigen koͤnnen, ſowohl auf der jetzigen Erde, als auch auf den aͤlteren Himmels - koͤrpern, als ihren vorigen Erzeugern, gangbar geweſen ſeyn muͤſſen, und ſo auch ohne Aufhoͤren gangbar, doch auch niemals eben dieſelben blei - ben, ſondern durch unzaͤhlige Verwandlungen des Willkuͤhrlichen, ganz andere Arten zu ſeyn ſchei - nen, im Weſen aber ſich gleich erhalten werden.

§. 152. Erſte Nachhuͤlfe, aus der Betrachtung der Natur, nebſt der Welt und des allmaͤchtigen Schopfers von beyden.

Je weniger dieſer Nachtrag denen, ſo das vor - hergehende, mit hinlaͤnglicher Kenntniß der Na - tur durchgeleſen, und durchgedacht haben, zu mei - nem Beweiſe von dem Menſchen - und Sprach - alter noͤthig zu ſeyn ſcheinen moͤchte; deſto noͤ -thiger115thiger doͤrfte er wohl andern ſeyn, ſo entweder die vorigen Unterſuchungen, theils ohne, theils mit zu ſchwacher Naturkenntniß durchgeleſen haben; ſie mit einem fluͤchtigen, oder gar ſchiefen Anblick beurtheilen, und daher ſowohl meine Abſicht, als meine Gruͤnde, entweder nicht verſtehen, oder gar uͤbel auslegen moͤchten. Deswegen wird es am beſten ſeyn, hier erſt kuͤrzlich den Begriff von dem Wort Natur zu entwickeln und zu beſtim - men, und denn meine freye Betrachtung der Welt nachfolgen zu laſſen; damit man ſehe, daß ich die Natur nicht nach meinem Sinn, ſondern meinen Sinn nach der Natur gebogen habe. Dabey muß ich aber um Vergebung bitten, daß viel von dem vorigen hier wiederholt wird. Denn dieſer Zuſammenhang erfordert wieder die mei - ſten obigen Saͤtze.

§. 153.

Die Kenntniß der Woͤrter faͤngt bey den Sinn - lichkeiten an, wie oben ſchon bey der Sprache er - innert worden; deswegen werden wir auch hierH 2das,116das, was uns bey den Koͤrpern in die Sinne faͤllt, zum Grunde nehmen muͤſſen, um zu merken, wo das Wort Natur Statt findet, oder nicht. Wenn wir diejenigen Dinge, ſo am naͤchſten um uns ſind, und meiſtens durch die Bemuͤhung und Kunſt der Menſchen zu Stande gekommen, als: Geraͤthe, Werkzeug, und andere Kunſtwerke, be - trachten, finden wir nicht, daß wir ihnen in dieſer Abſicht eine Natur beilegen koͤnnen, ob es gleich bisweilen im uneigentlichen Verſtande geſchiehet.

§. 154.

Denn, wenn man auf die Stellung der aͤuſſern Theile eines Dinges ſiehet, ſchreibt man ihm eine Geſtalt zu; wegen der Zuſammenſetzung der Theile, eine gewiſſe Einrichtung; finden wir, daß ſeine Theile mit einer gewiſſen Aehnlichkeit bey einander ſind, ſo nennen wir dieſes Ordnung; die verſchiedenen Veraͤnderungen, mit dem, was es beſtaͤndig hat, machen ſeinen Zuſtand aus; ver - gleicht man den jetzigen Zuſtand mit dem vorigen, oder folgenden, ſo gehoͤrt dieſes zu ſeiner Beſchaf -fenheit;117fenheit; ſo wie das, was wir beſtaͤndig an ihm finden, und wodurch es ſich allezeit auf einerley Art, gegen andere Dinge verhaͤlt, ſeine Eigen - ſchaft giebt: und endlich das Unzertrennliche, oh - ne welches es nicht mehr daſſelbe Ding bleibt; ſein Weſen ausmacht.

§. 155.

Betrachten wir auf eben die Art den Men - ſchen, ſo ſchreiben wir ihm auch ebenfalls zwar eine Geſtalt, Einrichtung, Ordnung, Zuſtand, Beſchaffenheit, Eigenſchaften und Weſen, aber noch keine Natur, zu.

§. 156.

Nur in Anſehung derer Umſtaͤnde und Ver - aͤnderungen, von denen wir davor halten, daß ihr Grund ſelbſt in dem Menſchen zu finden ſey, als: Wachsthum, Verwandlung, Erhaltung, ſowohl fuͤr ſeine Perſon, als zur Fortſetzung ſeines Ge - ſchlechts; ſeine Fortdauer, und endlich der Auf - loͤſung des Weſens, legen wir ihm eine NaturH 3bey;118bey; und ſo weit dieſes bey verſchiedenen Men - ſchen verſchieden iſt, geben wir ihnen auch ver - ſchiedene Naturen.

§. 157.

Aus eben dem Grunde raͤumen wir nicht allein Thieren und Pflanzen, ſondern auch allen Erd - koͤrpern, ſie moͤgen feſt oder fluͤßig ſeyn, eine Na - tur ein.

§. 158.

Weil ſich aber dieſes auf unſer Geraͤthe, Werk - zeuge und Kunſtwerke nicht anwenden laͤßt, in - dem ſie, als ſolche betrachtet, keine Veraͤnderun - gen vor ſich hervor bringen koͤnnen; ſo ſprechen wir ihnen auch in dieſer Abſicht die Natur ab.

§. 159.

Wenn uns alſo diejenigen Veraͤnderungen, die ihren Grund in den Dingen ſelbſt haben, und in verſchiedenen Dingen verſchieden ſind, veranlaſ - ſen, den Dingen eine Natur beyzulegen, und kei - ne Veraͤnderung ohne eine veraͤndernde Kraft hervorgebracht werden kann: ſo muß wohl dieNatur119Natur der Dinge, in einer urſpruͤnglichen und endlichen ſelbſt beſtehenden Ordnung der Kraͤfte und des Weſens beſtehen.

§. 160.

Von dieſer Ordnung der Kraͤfte bekommen die Dinge ihr Wachsthum, ihre Verwandlung, Er - haltung, Aufloͤſung, u. ſ. w.

§. 161.

Wenn ferner das Moͤgliche und Wirkliche, ſo - wohl deſſen, was in einem Dinge beſtaͤndig, als auch veraͤnderlich iſt, zuſammen genommen, ſeine vollſtaͤndige Beſtimmung, das iſt, daß es ſo ſey, wie wir es beſtaͤndig antreffen, ausmacht: ſo wer - den die Dinge durch die Natur vollſtaͤndig be - ſtimmt.

§. 162.

Alle Dinge nun, die eine Natur haben, und ſie fortfuͤhren, ſie moͤgen beſonders gebaut, als Thiere und Pflanzen, oder nur gemiſcht ſeyn, wie alle blos feſte und fluͤßige Koͤrper, heiſſen natuͤr - liche Koͤrper.

H 4§. 163.120

§. 163.

Man ſiehet aber auch zugleich, daß die Natu - ren, weder an ſich, noch in der Folge der Zeit und des Weſens, durchgehends gleich ſind. Denn an ſich ſind ſie entweder als blos anhan - gende, wie alle fluͤßige Koͤrper, oder als blos an - geſetzte, wie alle ungeſtaltete blos feſte Koͤrper, oder als gewachſene, wie die Koͤrper, ſo auf einer - ley Stelle immer bey und in eben der Geſtalt be - ſtehen, oder als belebte, wie die, ſo auf eben der Stelle durch ihr Wachsthum ihre Geſtalt beſtaͤn - dig veraͤndern, oder als beſeelte, wie die, ſo bey der Freyheit ihre Stelle zu aͤndern, theils ihre Geſtalt nur vergroͤſſern, theils auch verwandeln, oder auch noch auf mehrerley Art anzuſehen. Ueber das unterſcheiden ſie ſich in Anſehung der Folge der Zeit und des Weſens, als entſpringen - de, wachſende, verwandelnde, beſtehende, oder aufloͤſende.

§. 164.

Weil man nun die Naturen meiſtens, mehr nach ihrer Dauer als nach andern Eigenſchaftenbetrach -121betrachtet; ſo vergleicht und vertheilt man ſie auch meiſtentheils wieder hiernach, und in ſolchem Fall waͤre das Allgemeine der beſtehenden Natu - ren, daß ſich ihre ſelbſt beſtehenden Ordnungen allezeit als dieſelben erhielten. Hernach unter - ſchiede ſich alſo jede einzelne Natur, wenigſtens durch ihre Abſonderung von allen andern. Denn keine dergleichen waͤre deswegen doch dieſelbe, auch nicht eine von der andern angeordnet.

§. 165.

Doch iſt dieſe Abſonderung der einzelnen Na - turen, nur in der Ordnung der Kraͤfte fuͤr ſich ſelbſt, aber nicht in der Anwendung anderer aͤuſ - ſerer Kraͤfte zu ſuchen, als wenn jede Natur ein verſchloſſener Kreiß von Kraͤften waͤre, der we - der Ausgang noch Eingang verſtattete. Denn wer die einzelne Verhaͤltniß aller natuͤrlichen Dinge, gegen andere, erwaͤget, findet, daß wir erſtlich keine Natur in ihrem Kleinſten aus ſich ſelbſt oder aus nichts, ſondern aus andern, ent - ſpringt, ſo auch keine blos aus ſich ſelbſt waͤchſt,H 5noch122noch durch ſich allein beſteht, ſondern mit andern, wie urſpruͤnglich, ſo auch im fortwachſen, und wieder aufloͤſen, ihren Zuſammenhang und An - wendung fuͤr ſich ſtets zu gewinnen ſucht, und zwar aus der eigenen Ordnung ihrer Kraͤfte.

§. 166.

Wenn alſo keine Natur ſich gaͤnzlich aus ſich ſelbſt hervorbringen, noch aufheben kan; ſondern vielmehr allezeit eine, entweder in die andere ein - greift, und ſich etwas davon durch ihre ſelbſt be - ſtehende Ordnung ihrer Kraft aneignet, oder doch der andern Angriff abhaͤlt, und auch ſogar damit, theils ſich ſelbſt, theils die andern ſelbſt beſtehen - den zu eigenen Wirkungen veranlaßt; ſo ſiehet man daraus, daß jede einzelne Natur, vor ſich, als ein Glied betrachtet, mit vielen andern Glie - dern oder Naturen nothwendig verbunden ſey, und alſo unter ihnen ein gemeinſchaftlicher Zu - ſammenhang ſtatt finde; wobey dennoch jede Na - tur vor ſich ſelbſt beſteht und vergeht, ob ſie ſchon allezeit mit vielen zugleich verbunden iſt.

§. 167.123

§. 167.

Deswegen iſt dennoch der Urſprung einer Na - tur nicht unmittelbar der Untergang oder Ver - nichtung der andern erzeugenden. Denn keine Natur iſt nach ihrem Urſprunge blos mit einer einzigen, ſondern mit vielen verknuͤpft. Daher kann in beyden Faͤllen nur eine mittelbare Veran - laſſung zur Veraͤnderung des Weſens und Na - tur erfolgen, nach der Beſchaffenheit der gegen - waͤrtigen beſtimmten Kraͤfte, indem eine ſolche Veranlaſſung jedesmahl anders, in Anſehung des Urſprunges, Wachsthums, der Dauer und angehenden Aufloͤſung von jeder ſelbſt beſtehen - den Ordnung angeeignet wird.

§. 168.

So ferne nun dieſe mittelbare Veranlaſſung von einer Natur ſelbſt angeeignet, und alſo fuͤr die Natur ſelbſt angewendet wird, ſie mag zum Entſtehen oder Aufloͤſen gereichen, ſo heißt ſie mit Recht eine natuͤrliche Veranlaſſung. Unnatuͤr - lich hieße die Veranlaſſung, wenn ſie ſich die Na -tur124tur nicht ſelbſt aneignete, und ſie wie aufgedrun - gen anzuſehen waͤre. Man erkennet dadurch, daß die natuͤrliche Veranlaſſung das eigentliche Mittel ſey, wodurch ſich die Naturen mit einan - der verknuͤpfen, auch wieder dieſe Verknuͤpfung fahren laſſen, nachdem die Veranlaſſung ver - ſchwindet, und zwar beydes, wie es die ſelbſt be - ſtehende Ordnung erfordert, ſollte es auch ſelbſt die Aufloͤſung betreffen. Auf die Art geht die Verknuͤpfung der Naturen durch einen inneren Wechſel beſtaͤndig in einem fort, wie es die ver - ſchiedene Lage der Beſtimmung allezeit bedarf, daher er auch der Naturverknuͤpfung mit weſent - lich iſt.

§. 169.

Wir ſehen hieraus vermuthlich deutlich genug, daß ſich zwar jede Natur, nach der eigenen An - ordnung ihrer Kraͤfte vom Urſprunge an, ſelbſt genug ſey, und keiner andern Natur zur Anord - nung brauche; daß ſie aber die Anwendung der Kraͤfte, der Nutzung derſelben fuͤr ſich, ohne die aͤuſſere Veranlaſſung nicht blos aus ſich ſelbſtnehmen125nehmen koͤnne, ſondern das Noͤthige hiezu aus andern Naturen holen muͤſſe; und daß alſo keine Natur, ſowohl nach dem anderweitigen Urſprun - ge, denn dieſes iſt die erſte Veranlaſſung die Kraͤf - te fuͤr ſich anzuwenden, als auch anderen Abſich - ten, ſich allein ſelbſt genug ſey, noch auch vor ſich immer beſtehen koͤnne, ſondern endlich ein - mahl zur Aufloͤſung, doch eben auch durch die Veranlaſſung uͤbergehen, und ſich nachdem wie - der zu Grundlagen anderer Naturen, oder Be - duͤrfniſſen anwenden laſſen muͤſſe, um die Abwech - ſelung der Naturverknuͤpfung zu unterhalten, und die Unzulaͤnglichkeit aller koͤrperlichen ſelbſt beſte - henden Ordnungen zu beweiſen.

§. 170.

Denn obgleich die meiſten beſtehenden Koͤrper, zumahl die feſten, angeſetzten und gewachſenen Erdkoͤrper, in ihrer Dauer keine Veranlaſſung, weder noͤthig zu haben, noch ſich zu Nutz zu ma - chen, noch auch andern zu geben ſcheinen; ſo zeigt doch umgekehrt ihre allgemeine Aufloͤsbar -keit,126keit, die zwar bisher meiſtens nur gewaltſam von der Kunſt erhalten wird, daß alle bisherige ſchein - bare Veranlaſſungen nur von der Art geweſen ſind, daß ſie ſich dieſe nicht aneignen, ſondern vielmehr von ſich abhalten, oder gleichſam zu ih - rer Fortdauer brauchen koͤnnen, bis ſie einmahl ſolche, die ſie ſich aneignen koͤnnen, treffen wer - den. Da denn dieſe ſo lange beſtandenen Koͤr - per ganz natuͤrlich, auch ihre gegenwaͤrtige Ge - ſtalt werden aufloͤſen, und hernach als neue Ver - anlaſſungen, zu Grundlagen anderer Naturen, oder Beduͤrfniſſen wieder anwenden laſſen, um ferner andere Abwechſelungen der Naturverknuͤ - pfungen zu durchlaufen.

§. 171.

Hingegen wechſeln die fluͤßigen Koͤrper deſto oͤfterer, und erhalten wieder umgekehrt, durch ihre beſtaͤndige Ein - und Auswickelung ihre Dauer. Denn eben die ſelbſt beſtehende Ord - nung derer hier gemeynten Hauptfluͤßigkeiten, be - ſteht im leichten Anhange und leichten Trennung,ſowohl127ſowohl in ſich ſelbſt, nach ihren eigenen Theilchen, als gegen die Theilchen anderer Koͤrper, wegen ihrer allgemeinen Ausbreitung aber, beruhet auch die allgemeine Veranlaſſung, oder die Verknuͤ - pfung mit allen Naturen, auf ihnen. Daher alle uͤbrige Koͤrper vornaͤmlich urſpruͤnglich, und als wachſende, ihre meiſten Beduͤrfniſſe von ihnen nehmen, oder in dieſe Hauptfluͤßigkeiten, und dieſe wieder in jene eingreifen, und ſo die Ver - knuͤpfung der Natur dadurch ins Groſſe fuͤhren; wie ſich dieſe ſelbſt uͤberhaupt wieder beſtaͤndig in einander einflechten, oder immer eine zu der ſelbſt beſtehenden Ordnung der andern eine Ver - anlaſſung abgiebt.

§. 172.

Kann man aber die Naturen dieſer Hauptfluͤſ - ſigkeiten, gegen die andern unter ihnen ſtehenden, nicht anders, als die groſſen Naturen anſchen; ſo kann auch der durch ſie geknuͤpfte groſſe Zuſam - menhang der natuͤrlichen Dinge, und ihrer Na - turen, in Anſehung des Urſprunges, der Dauer,und128und Aufloͤſung nicht anders, als eine allgemeine Natur, und ein natuͤrliches Ganz, oder als un - ſere volle Naturverknuͤpfung, welche alle einzelne Naturen in ſich faßt, angeſehen, und Hauptna - tur werden.

§. 173.

In dieſer Betrachtung ſtellte unſere Erde, mit ihrem Waſſer, ihrem Luft - und Lichtkreiſe, die Hauptnatur aller ihrer natuͤrlichen Dinge vor; folglich muͤßte ihr auch im Groſſen und Vollen, als einer Hauptnatur alles zugeſprochen werden, was allen den einzelnen Naturen insgemein zukaͤ - me, naͤmlich die urſpruͤngliche und endliche ſelbſt beſtehende Ordnung der Kraͤfte, nebſt deren Un - zulaͤnglichkeit, und noͤthigen Einflechtung in an - dere Naturen. Daß aber ſolche Hauptnatur, weder zur anhaͤngenden fluͤßigen, noch zur ange - ſetzten feſten, noch zur gewachſenen, oder beleb - ten und beſeelten, oder zu einer ſechſten und ſie - benden Art ihrer einzelnen Naturen gehoͤre; ſon - dern vielmehr einer andern hoͤheren Art ſey, undſtatt129ſtatt aus dem Kleinſten, wie ihre einzelnen, den Urſprung zu haben, ihn aus dem moͤglich Groͤß - ten herhaben muͤßte, iſt ſchon daraus, daß ſie alle hier genennte Naturen in ſich faßt, zu begreifen.

§. 174.

Daß aber dennoch dieſe Hauptnatur der Erde, nach ihrem anderweitigen Urſprunge im Groͤßten, eben auch durch Einflechtung anderer Hauptnatu - ren, ihr eigenes Wachsthum, vom moͤglich Groͤß - ten, zum moͤglich Kleinſten, denn ihre einzelnen wachſen vom moͤglich Kleinſten zum moͤglich Groͤßten, ſich ſelbſt gegeben, ſich dadurch ver - wandelt, und dennoch ſelbſt ihre vollſtaͤndige Be - ſtimmung allezeit erhalten, und ſich folglich ſo - wohl urſpruͤnglich, als auch ferner wie eine Hauptnatur, die naͤmlich alle ihre einzelnen mit ſich zugleich erhaͤlt, dadurch bewieſen habe, auch in der Aufloͤſung ſich ſo erweiſen werde, wird be - greiflich, ſo bald man die Erde mit andern auf ſie ſich beziehenden Himmelskoͤrpern vergleicht.

J§. 175.130

§. 175.

Denn da unſere Erde nicht der einzige Him - melskoͤrper iſt, ſondern ſchon den Mond am naͤch - ſten um ſich, die andern Planeten und Monde neben ſich, uͤber ſich die Kometen, und vor ſich die Sonne hat; ſo wird ſie wohl unſtreitig, mit ih - ren aͤhnlichen Himmelskoͤrpern, zugleich wieder von einer noch groͤſſern Hauptnatur, naͤmlich un - ſerm Sonnenſyſtem, mit den andern verbunden. Muß ſie nun da nicht, nach ihrer ganzen Natur, von dieſen andern Hauptnaturen, zumal der Son - ne, als dem Hauptgliede dieſer groſſen Verbin - dung, desgleichen von ihrem Gefaͤhrden, dem Monde, mehrere Veranlaſſungen bekommen ha - ben, und noch bekommen, vornaͤmlich nach ihrer Ordnung, und der Folge der Zeit und des We - ſens, entweder in Anſehung des Wachsthums, der Erhaltung, oder endlich einmahl der Auf - loͤſung.

§. 176.

Um ſo viel weniger laͤßt ſich daran zweifeln, wenn ferner unſer Sonnenſyſtem die vollſtaͤndigeBeſtim -131Beſtimmung ſeines Ganzen allezeit ſelbſt ordnet. Denn in dieſem Fall hat auch dieſes Hauptglied des Himmels wieder ſeine Hauptnatur. Wird ſich nun dieſes Sonnenſyſtem wieder mit aͤhnli - chen Sonnenſyſtemen, oder groͤſſeren und andern Himmelreichen verknuͤpft befinden, wie die Ord - nung des ſo groſſen Himmelsheeres vermuthen laͤßt; ſo wird auch weiter hinaus eine noch hoͤhe - re Hauptnatur dieſe zuſammen in ſich faſſen, und dieſes immer weiter fort, wie bey unzaͤhligen Mil - lionen, wo zwar jede Million ein Hauptglied macht, welches ſeine beſtimmte zuſammengenom - mene Tauſende, Hunderte, Zehner und Einer, als eine groſſe Eins enthaͤlt, die Millionen aber dennoch unzaͤhlig bleiben.

§. 177.

Auf die Art gienge die Naturverknuͤpfung uͤber - haupt immer ins Groͤſſere, bis ins unermeßlich Allgemeine, deſſen Anfang und Ende wir nicht zu denken im Stande ſind; ſo ferne unſere Erde nur einer von den kleineren Punkten in derſelbenJ 2iſt,132iſt, der blos durch ſein Sonnenſyſtem, aber nicht viel weiter, den Himmelsmeſſern gewiſſe Maaſen geſtattet.

§. 178.

Wiſſen wir nun gleich ſolches Allgemeine von dieſer Seite nicht zu ſchaͤtzen, noch von da aus zu ſagen, ob dieſes nicht zu uͤberſehende Ganze eine allergroͤſte Hauptnatur, oder die alles in ſich be - greifende Eins ſey: ſo wird man doch ſo viel ein - raͤumen, daß dieſe Sonnenſyſteme und noch groͤſ - ſere Himmelreiche wieder fuͤr einzelne gelten muͤſ - fen, die als Hauptnaturen, nach Urſprung und Aufloͤſung eben ſowohl wieder gegen einander, als die einzelnen unſerer Erde abwechſeln, doch jede nach ihrer Art des Beſtandes, der freylich bey ihnen ebenfalls von verſchiedener Dauer ſeyn muß.

§. 179.

Denn ſollen dieſe groſſe Hauptnaturen wirklich natuͤrliche ſelbſt beſtehende Ordnungen ſeyn, ſo muͤſſen ſie ſowohl urſpruͤnglich, als auch endlich, und keine dabey ſich ſelbſt genug ſeyn; folglichihren133ihren Urſprung aus ſchon vorhergehenden Haupt - naturen im moͤglich Groͤßten erhalten, ſich ver - moͤge der Verknuͤpfung ihr eigenes Wachsthum und Erhaltung genommen, und dabey wieder Grundlagen zu andern nachfolgenden Hauptna - turen groſſer und kleiner Arten in ſich entworfen haben. Es muͤſſen auch ſchon viele durch die Aufloͤſung wieder in andere uͤbergegangen, und nach dieſer Art der Vernichtung verloſchen ſeyn.

§. 180.

Es kann auch dieſes allgemeine, weder jemahls, noch irgendwo, durchaus das naͤmliche, wie es ſonſt war, geweſen ſeyn, noch kuͤnftig wieder wer - den, ſondern es muß vielmehr, vermoͤge der all - gemeinen Abwechſelung ſeiner groͤßten Naturver - knuͤpfung, ins unzaͤhlig Veraͤnderliche fortgehen, wie es ſchon undenklich lange fortgegangen iſt.

§. 181.

Man wird dieſes deſto deutlicher einſehen, je mehr man erwaͤget, daß die Kraͤfte aller ſelbſtJ 3beſte -134beſtehenden Ordnungen, von der kleinſten bis zur groͤßten, Wuͤrkungen hervorbringen, die wieder neue Kraͤfte zu andern Wirkungen in ſich enthal - ten; und alſo jede ſelbſt beſtehende Ordnung, durch die in einander geflochtene Wirkungen, die vollſtaͤndige Beſtimmung des wirklich natuͤrlichen Koͤrpers darſtellt, und auch erhaͤlt, aber auch eben dadurch zu ihrer Zeit, durch allmaͤhlige oder geſchwinde Aufloͤſung, Vorraͤthe fuͤr andere ſelbſt beſtehende Ordnungen zubereitet, und vor ſich ſelbſt verliſcht.

§. 182.

Wenn alſo immer eine Wirklichkeit auf der an - dern beruht, und deren letztere Folge nach einan - der eine gewiſſe Ordnung giebt, die zwar ebenfalls auf der vorhergehenden Ordnung beruhete, und durch ſie fortgepflanzet wurde, vor dieſem Zeit - punkte aber nur noch moͤglich war; ſo ſieht man zugleich, daß jede ſelbſt beſtehende Ordnung eine durch ſolche Wirkungen fortgepflanzte moͤgliche Ordnung vor die Zukunft, nicht allein fuͤr jetzt, ſondern auch allezeit geweſen ſey.

§. 183.135

§. 183.

Denn obgleich jede ſelbſt beſtehende Ordnung gleich mit ihrem Daſeyn alles ſelbſt beſtimmt, ſo hatte doch ihr Urſprung vorher nur ſeine Anlage in dem Ausſchluß der vorhergehenden, von der ſie kam, und war alſo in dieſem Zeitpunkt nur noch eine bloſſe Moͤglichkeit, zur nachfolgenden Wirklichkeit dieſer neuen ſelbſt beſtehenden Ord - nung. Man kann auch nicht zweifeln, daß alle Dinge nur in ſo ferne wirklich werden koͤnnen, ſo weit ſie vorher ſchon moͤglich waren, oder in den vorhergehenden wirklichen Dingen, als bloſſe Anlagen vor die Zukunft gegruͤndet waren, ohne das zu ſcheinen, was ſie wirklich werden ſollten.

§. 184.

Hier waͤre nun noch jede Natur, weil ſie nur von der Zeit ihres Urſprunges vor ſich, durch ei - gene Kraͤfte etwas wirklich machen kann, von ſich ſelbſt verlaſſen, und kann weder entſpringen, noch durch ihre erſt zukuͤnftige ſelbſt beſtehende Ord - nung vor ſich etwas hervorbringen; wo nicht derJ 4Meiſter136Meiſte der allgemeinen Natur die Moͤglichkeiten, und vermittelſt dieſen die ganze Natur regierte.

§. 185.

Dieſem Regenten allein ſtehn alle Moͤglichkei - ten zu. Blos er iſt es, der, da die ſelbſt beſte - hende Ordnung der vollſtaͤndigen Beſtimmung ihre Kraͤfte vor das Gegenwaͤrtige, oder vor ſich ſelbſt anwendet, zugleich die Grundlage der naͤch - ſten Zukunft, und vermoͤge der Folgen ſolcher Moͤglichkeiten, alle folgende zukuͤnftige Dinge mit entwirft, auch die vergangenen, von je her ſchon ſo entworfen haben muß.

§. 186.

Es laͤßt ſich alſo weder eine einzelne, noch zu - ſammengeſetzte Hauptnatur, vor der Zeit ihres Urſprunges, als eine ſelbſt beſtehende Ordnung denken, ſondern nur als moͤglich betrachten, die in dem ſchon gegenwaͤrtigen wirklichen verborgen liegt, ob man gleich dieſe verborgene Moͤglichkeit nicht ohne Erfahrungsmaͤßige Kenntniß bemer -ken137ken kan. Wir lernen alſo das Moͤgliche, wel - ches der unſichtbare Meiſter in den Naturen an - legt, erſt aus dem folgenden Wirklichen erken - nen; und wo weder unſer Leben, noch die Ein - richtung eines Volks lange genug, eine ſolche Wirklichkeit zu beobachten oder abzuwarten, ge - dauret hat wie bey den Hauptnaturen, muß man nur Folgerungen aus der Aehnlichkeit, ſtatt der Erfahrung zu Huͤlfe nehmen, wenn man ſich eine Vorſtellung davon machen will.

§. 187.

Was wir daher von den einzelnen unſerer gan - zen Erde, und ihren vermittelſt der wirklichen Dinge erwieſenen Moͤglichkeiten erfahren haben, nehmen wir uͤberhaupt auch von der Erde und anderer Hauptnaturen, doch nach ihrer hoͤheren Art, nach der Aehnlichkeit an. Daß ſie naͤmlich auch erſt bloß moͤglich in andern voraus gehen - den Naturen waren, ehe ſie die jetzigen wirklichen Naturen wurden, und nun wieder neue moͤgliche nachfolgende Hauptnaturen in ſich begreifen. J 5Wir138Wir koͤnnen aber freylich das zukuͤnftig Moͤgliche unſerer Erde nicht abmerken, und duͤrfen es nur aus der Aehnlichkeit anderer Himmelskoͤrper mehr vermuthen, als ſicher ſchlieſſen.

§. 188.

Wenn nun der Regierer der allgemeinen Na - tur, in der Zeit, da ſie durch die ſelbſt beſtehende Ordnung ihrer Kraͤfte, beſtaͤndig wirkliche Din - ge bearbeitet, in ihr bis in den kleinſten, nur Gott ſichtbaren Punkten, Moͤglichkeiten, und zwar die kleinſten wie die groͤßten anleget; und alſo die Macht des Regierers, ſo fern ſie in die Natur wirkt, blos ihre Moͤglichkeiten bewirkt; folglich alle Moͤglichkeiten ihren Grund in dem Regierer der Natur haben, und ſich dieſer Regie - rer nicht ohne ſolche Macht zu Moͤglichkeiten von uns denken laͤßt: ſo wird man ihn auch nicht oh - ne die Natur, in der Er dieſe Moͤglichkeiten anle - get, jemahls denken moͤgen.

§. 189.

So weit aber die ganze allgemeine Natur, nebſt dem, was durch ſie wirklich wird, koͤrperlich iſt,ihre139ihre Kraͤfte hingegen nur als Eigenſchaften des Koͤrperlichen oder Wirklichen, anzuſehen ſind, und die Moͤglichkeiten, als noch nicht wirkliche Dinge, auch fuͤr unkoͤrperlich, und als bloſſe Be - ſchaffenheiten fuͤr die Zukunft, oder fuͤr das nach - folgende wirkliche gelten; ſo weit kann der Mei - ſter der Natur, weder als ein koͤrperliches We - ſen, noch als eine Kraft der Natur, noch ſelbſt als die Moͤglichkeit derſelben, folglich weder ſicht - bar, noch ſonſt ſinnlich, ſondern vielmehr als eine unſichtbare, uͤber alle unſere ſinnliche Begriffe, und ſelbſt uͤber die Natur hinaus geſetzte, aber ſie durchaus in ſich faſſende, den Menſchen unbe - greifliche und unbeſchreibliche Allmacht angeſehen werden, die man nur mit demuͤthigen Augen und Sinnen, dankbar, mit gefuͤhlvollem Herzen freu - dig verehren muß.

§. 190.

Wir ſind von der Seite der Natur zur Er - kenntniß ihres Regenten hinan geſtiegen, ohne daß wir im Stande ſind, uns von ihr uͤberhaupteinen140einen Anfang vorzuſtellen, weil wir immer eine aus der andern entſpringen ſehen, oder doch den Urſprung der einen aus der andern folgern doͤr - fen; noch weniger koͤnnen wir von ihrem Regen - ten einen Anfang denken. Denn die Wirklichkeit der jetzigen Natur beruht in ihrer vorigen Moͤg - lichkeit, und dieſes in dem unendlichen Verſtande und Allmacht ihres Meiſters. Wie kann man da einen Anfang denken? nichts, als Ewigkeit, und folglich auch eine ewige Allmacht.

§. 191.

Vermag endlich die ewige Allmacht, auch die Moͤglichkeiten, ſowohl der Zeit, als dem Raume nach, uͤberall ewig hinaus fortzudenken, und liegen alle Moͤglichkeiten in den gegenwaͤrtigen wirkli - chen Dingen, oder in der Natur, wegen der Ver - knuͤpfung, verborgen; ſo kann auch die Natur nach Zeit und Raume, ſo weit als alle Moͤglich - keiten, welche die ewige Allmacht denkt, hinaus gehen.

§. 192.141

§. 192.

So weit die Natur geht, ſo weit erſtrecken ſich auch die wirklichen Dinge, und in dieſen liegt das naͤchſte moͤgliche, bey allen aber iſt die Allmacht gegenwaͤrtig; alſo iſt ſie der ganzen allgemeinen Natur allgegenwaͤrtig, von den groͤßten Haupt - naturen an, bis zu dem Kleinſten natuͤrlichen Staͤubchen.

§. 193.

Wenn aber in der Moͤglichkeit allezeit Anlagen zur naͤchſten und entfernten Zukunft vorhanden ſind, und alſo alle Moͤglichkeiten jeder vorhan - denen Zeit zuſammen genommen, die allgemeine Anlage zur ganzen Zukunft enthalten; wenn fer - ner der Allmacht alle Moͤglichkeiten gegenwaͤrtig heiſſen, weil ſie ihnen gegenwaͤrtig iſt; ſo werden ſie ihr auch alle bewußt, und ſie folglich von der ganzen Zukunft, und noch mehr von der Gegen - wart der Natur allwiſſend ſeyn.

§. 194.

Wer nun das Vergangene ebenfals allezeit, als zukuͤnftig moͤglich, und denn gegenwaͤrtig, wie esdas142das jetzige und zukuͤnftige auch iſt, und laͤßt ſich das ganze allgemeine gegenwaͤrtige ſich auch wie - der nicht ohne das ganze allgemeine vergangene denken, welches aber nach Zeit und Raum ins undenkliche hinaus geht; ſo muß die Allmacht nach Zeit und Raum von uns betrachtet, ſowohl in der vorhergehenden, als auch nachfolgenden Zeit, als ewig-allgegenwaͤrtig, allwiſſend, und die Natur durchaus in ſich faſſend oder regierend, von der ganzen fuͤhlenden Natur, mit Dank ge - prieſen werden.

§. 195.

So kann man ſich auch dieſen ewigen allgegen - waͤrtigen Meiſter aller Moͤglichkeiten nicht leb - haft vorſtellen, ohne ihn als den Vollkommenſten zu verehren. Wer kann ihn als den Regierer aller Naturen, durch welche dieſe Moͤglichkeiten, vermoͤge eines natuͤrlichen Urſprunges, wirklich werden, erkennen, ohne einzuſehen, daß alle ihm denkliche Welten, oder Himmelskoͤrper, und ihre Geſchoͤpfe auch einmahl wirklich geweſen ſind,oder143oder noch werden muͤſſen? und wer will den An - fang und das Ende der ewigen Moͤglichkeiten, und ihrer Wirklichkeiten, oder Naturen ſowohl nach Zeit und Raum, als auch nach der Zahl, durch die kuͤnftige und vergangene Zeit denken.

§. 196.

Hiebey unterſcheide man genau das, was Gott denklich und moͤglich iſt von dem, was Menſchen denklich und moͤglich iſt, als unendlich von einan - der abſtehende Dinge. Denn wir denken, ver - moͤge unſerer beſeelten Natur; Gott hingegen denkt vermoͤge ſeiner ewigen Selbſtſtaͤndigkeit, und von Ihm ſelbſt herruͤhrenden Erkenntniß. Wir nennen, das moͤglich, wozu unſere Natur - kenntniß, die ſelbſtbeſtehenden Ordnungen der Kraͤfte vermoͤgend erachtet; das Moͤgliche in An - ſehung Gottes iſt jede Folge der Verhaͤltniß ſei - ner Macht, gegen die Wirklichkeit der Naturen.

§. 197.

Das Gott Denkliche wird alſo fuͤr uns immer an ſich unergruͤndlich und blos eine Vermuthungaus144aus dem ganzen Zuſammenhange ſeiner Werke bleiben. Hingegen das Gott Moͤgliche, werden wir aus der Wirklichkeit der Naturen ruͤckwaͤrts ſchon etwas beſſer folgern und uns vorſtellen koͤnnen.

§. 198.

Wenn nun auch gleich keiner von meinen Leſern, dem hier, nach allen mir moͤglichen Wendungen, durchdachten Begriffe von der Natur, Beifall goͤnnen wollte; ſo wird es doch jeder vor billig halten alle vorige Betrachtungen, ſo weit ſie mit dieſem Begrif uͤbereinſtimmen, ſo lange, als die - ſer vor wahr gehalten wird, auf ihrem Werthe beruhen zu laſſen, und zu vergeben, wenn Je - mand weder von dem Menſchen, noch von ſeiner Sprache, glaubte, was etwa ein anderer davon glaubt.

§. 199. Die Welt.

Sollte es aber bey einigen das Anſehen haben, als wenn dieſer Begrif von der Natur, nach einerbloſſen145bloßen und freyen Einbildung gemacht waͤre; ſo will ich lieber die Welt ſelbſt, in der wir die Natur, wie ſie iſt, finden, dagegen ſtellen. Viel - leicht ſagt dieſe dem Leſer mehr, als man in einen kurzen Begriff bringen konte, und entſchuldigt ihn dadurch eher, als daß ſie ihn beſchuldigen ſollte.

§. 200.

Nur muß ich dem Leſer gleich voraus ſagen, daß man dabey ſo viel auf die vorige, als gegen - waͤrtige Zeit ſehen muß, weil alle Betrachtungen vornaͤmlich auf die vorige Zeit, wo ſowohl der Urſprung der Menſchen, als ihrer Sprache liegt, zuruͤck zielen.

§. 201.

So wenig nun dieſer Begriff von der Natur, nach denen blos gewoͤhnlichen Saͤtzen, die man zum Vortheil dieſer oder jener Lehre, unter dem Nahmen der Weltweisheit feſtgeſtellt hat, entwi - ckelt, und wieder zuſammengeſetzt worden iſt, (denn wir haben uns an die Natur, wie ſie ſich uns vorſtellt, ohne allen Zwang gehalten;) ebenKſo146ſo wenig werden wir die Welt ſelbſt darnach be - trachten; ſondern vielmehr das, was unſere und anderer Beobachtungen anweiſen, als die Welt - kenntniß zuſammen ſetzen.

§. 202.

Will man dieſe der Natur gemaͤſſe Art zu ſchlieſſen, mit der obigen Weltweisheit verglei - chen, und ſie ſtatt dieſer lieber Weltweisheit nen - nen, bin ich damit um ſo vielmehr zufrieden, und das Weſen dieſer Weltweisheit beſtuͤnde denn in der richtigen Anwendung wahrer Beobachtungen von der Welt, ohne Abſicht auf andere Lehren. Wenn alſo in der Beobachtung oder Anwendung ein Fehler vorkommt, darf er nur dem fehlenden Weltweiſen, und nicht der Weltweisheit ſelbſt ſchaden. Denn der naͤchſte genauere Beobachter haͤtte die Freyheit den Fehler zu verbeſſern; und alſo waͤre eine aͤchte Freyheit die Wahrheit zu befoͤrdern, dieſer Weltweisheit zugleich weſent - lich; folglich niemand zum ſtillen Beyfall verbun - den, als der meine Saͤtze fuͤr wahr erkennt. Alle147Alle andere Leſer doͤrfen durch ihre Beobachtun - gen laut, nur nicht mit Bitterkeit, welches denn auch keinem Beobachter wohl anſtehet, wieder - ſprechen.

§. 203.

Wir wuͤrden aber zu weit von unſerm Zwecke abweichen, wenn wir zuerſt die ganze Welt uͤber - haupt, und nicht vielmehr unſere einzelne, naͤm - lich die Erde, betrachten wollten. In dieſer Ab - ſicht iſt nun billig das erſte, den ganzen Gehalt der Erde, nach ihren Haupttheilen zu unterſchei - den, und denn ſowohl ihre Verhaͤltniß gegen ein - ander, als auch ihren Beytrag zum Ganzen, oder doch ihre Verbindung mit dieſen anzuzeigen.

§. 204.

Dazu werden wir aber wohl am beſten gelan - gen koͤnnen, wenn wir an jedem erſt betrachten, wie und was es iſt, hierauf nachforſchen, was, und wie es war, und endlich, wenn es ſchon mehrmahl, oder vermittelſt der Fortzeugung ih - rer Nachfolge beſtaͤndig da geweſen iſt, daraus bemerken, was, und wie es jedesmahl werde.

K 2§. 205.148

§. 205.

Was und wie jedes iſt, ſagt uns das Gegen - waͤrtige; was und wie es war, zeigen uns entwe - der die Ueberbleibſel des Vergangenen, oder die bekannte vorige Zeit, welche doch 4000 Jahre hinaus reicht, ehe ſie an die erdichtungsvolle, oder vielmehr nur von uns neuen Auslegern mißver - ſtandene Schreibart des Alterthums, anſtoͤßt; was endlich und wie eine Sache jedesmahl wer - de, kann auch die vorige Zeit in vielen Faͤllen leh - ren; auſſerdem muß man aͤhnliche Faͤlle anderer aͤhnlicher Dinge mit einander vergleichen, und mit zu Huͤlfe nehmen.

§. 206.

Was ſich alſo weder durch das gegenwaͤrtige einer Sache, noch durch ihre Ueberbleibſel, noch aus der bekannten vorigen Zeit, von ihr erweiſen laͤßt, darf man ihr auch nicht eigenmaͤchtig weder fuͤr das Gegenwaͤrtige, noch Vergangene, noch auch Zukuͤnftige andichten; was aber aus den ge - dachten drey Gruͤnden natuͤrlich folgt, kan man von einer Sache getroſt behaupten.

§. 207.149

§. 207.

Betrachtet man nun den Umfang und Inhalt der ganzen Erde nach ihren einzelnen Hauptthei - len, ſo weit einige etwas gleiches haben, welches andern fehlt; ſo findet man ihre Ordnung entwe - der ohne Gattungen, oder mit Geſchlechtern und Gattungen.

§. 208.

Jene giebt wieder die Haupttheilung in die Oberordnung der feſten und fluͤßigen Dinge, von denen dieſe die Hauptordnungen, von Waſſer, Luft und Licht derſelben; jene aber theils die un - foͤrmlich angeſetzten Koͤrper, als Erden oder Stei - ne, theils die ſchon foͤrmlich gewachſenen Koͤrper und Salze, oder Salzſteine vom Sande, bis zum Demant, und andern geſtalteten Arten unter ſich begreifen. Bey dieſen letztern iſt zu beobachten, daß ſich bey ihnen die unterſte Stufe der Begat - tung, oder der foͤrmlichen Bildung, aus einem annehmenden und angenommenen Koͤrper finden laͤßt, wie die bekannte Erzeugung der Salzkriſtal -K 3len,150len, durch die Vermiſchung eines laugenartigen und ſauren Koͤrpers, beweiſet. Die andere Haupttheilung trennet ſich wieder in die Oberge - ſchlechter der Thiere und Pflanzen, wovon man dieſes das blos belebte, und jenes das beſeelte nennen kan.

§. 209.

Man darf aber nicht glauben, daß man dieſe Abtheilungen auf unſerer Erde ſo ſcharf abge - ſchnitten, als hier in der Erdkunde, der Lehrart wegen, angegeben wird, antreffe. Denn ſie ver - lieren ſich durch unmerkliche Stufen und Verknuͤ - pfungen in einander; als Schlamm, Schleim, Schlick, Gallerte, Kaan, Schimmel, Salz - ſoole, Tropfwaſſer, Schwaden, Nebel, Duft, Reif, Anflug, Auswitterung, Sinter, Tropf - ſtein, Schwaͤmme, Mooſe, Korallen, Polipen u. ſ. w. bald unfoͤrmlich, bald foͤrmlich, bald un - belebt, bald belebt, bald beſeelt, daß man oft nicht zu beſtimmen weiß, ob dieſer natuͤrliche Koͤrper zu der oder jener Haupttheilung ſich mehr hinneige.

§. 210.151

§. 210.

Nimmt man nun die Oberordnung der feſten Koͤrper, nach ihren Haupt - und Unterordnungen, nach ihren Haupt - und Unterarten, nach den Gat - tuugen, Sorten und Stuͤcken, im Ganzen zuſam - men vor ſich; ſo hat man den Erdboden, wo ſich immer ein Koͤrper an den andern ſchließt.

§. 211.

Die Oberordnung der fluͤßigen Koͤrper hinge - gen hat die Hauptordnung des Waſſers, und dieſe das Meer, mit allen Fluͤſſen und Quellen, es moͤgen Tagewaſſer, oder Grundwaſſer ſeyn; wie auch alle Saͤfte in andern Koͤrpern, vermoͤge der Verknuͤpfung, unter ſich. Unter der Haupt - ordnung der Luft ſtehen alle Luͤftchen, Winde, Stuͤrme, und wegen der Verknuͤpfung Duͤnfte, Nebel, Wolken, Regen und Schnee. Das Licht aber erweckt durch ſeine abwechſelnde Verbin - dung oder ſeinen Einfluß, Tag und Nacht, Waͤr - me und Kaͤlte; alle Farben und Lichterſcheinun - gen, Blitze, Strahlen, Wetterſtrahl, Regenbo - gen, Mond - und Sonnenhoͤfe, nebſt dem Mond -K 4ſchein152ſchein, bis zu den Feuerkugeln, fliegenden Dra - chen und Irrwiſchen; ja auch den groͤßten Theil der Anſtalten zu dem Erdbeben.

§. 212.

Da ſich nun die zwey ungattigen Oberordnun - gen immer naͤher zuſammen halten; ſo wollen wir ſie auch nach ihrer Verbindung, bald beſon - ders, bald mit einander betrachten, und deswe - gen die Erde, wie ſie jetzt iſt, erſt im Ganzen durchgehen. Auf dieſer findet man nun groſſen - theils feſtes Land, weniger an Inſeln, groͤßten - theils aber umher und dazwiſchen Meer, rund um Luft und Licht, nach den Strichen und Anhoͤ - hen der verſchiedenen Gegenden. Dieſes ſagen zwar alle Seefahrer, allein was, und wie jedes ſonſt war, bekuͤmmert weder dieſe noch auch die meiſten Bewohner der Laͤnder.

§. 213.

Doch merken alle Reiſebeſchreibungen an, daß auf dem Erdboden, Ebnen und Gebirge, uͤberall abwechſeln; von denen dieſe, nach ihren zu Tageausge -153ausgehenden, groͤßtentheils aus Schichtwerk be - ſtehen; wie denn auch die Ebnen von den Brun - nengraͤbern eben ſo befunden werden.

§. 214.

Was und wie nun jedes Ebne und Gebirge ſonſt war, muͤſſen des Vergangenen Ueberbleib - ſel ſagen. Denn die vorige Zeit ſagt wenig, oder gar nichts gewiſſes. Alles, was die Steinfor - ſcher, vor und nach Woodwarden, rund umher von dieſen Ueberbleibſeln bemerkt haben, bewei - ſet, kurz von der Sache zu reden, daß ſie erſt Meerſchlamm, und zwar nach dem Unterſchiede der Zeit, von mancherley Art geweſen ſey. Der Grundſtof aber hiezu war vorher ſcheinbarlich Meerwaſſer, ſelbſt nach dem Beytrage der in und von ihm erwachſenen Seekoͤrper: folglich ſind dieſe Gebirge nach ihrem anderweitigen Ur - ſprunge, naͤmlich vom alten Meerwaſſer, aus dem Kleinſten, zum Groͤßten erwachſen.

§. 215.

Da nun dieſes deutlich zeigt, daß die jetzige Obcrflaͤche der Laͤnder ehemahls Meergrund, oderK 5nach154nach der damahligen Oberflaͤche ſolcher Gegenden betrachtet, ehedem Meeresflaͤche war; ſo iſt ja zugleich eben ſo gewiß, daß umgekehrt die Ober - flaͤche der vorigen Laͤnder, da war, wo jetzt unſer Meer ſtehet, und daß dieſe ehemals ſo tief ver - ſunken ſeyn muͤſſen.

§. 216.

Nebſt dem erfahren wir ohne viele Muͤhe, wie das Meer ſonſt beſchaffen war; es konnte hier naͤmlich haͤufigen Schlamm, der zu verſchiedenen Zeiten, von verſchiedener Art war, bis zur Hoͤhe unſerer Schichtgebirge abſetzen. In den 4000 Jahren, der uns bekannten vorigen Zeit, hat das Meer in dieſem Stuͤck nur wenig gethan, es muß alſo entweder ſonſt ſchlammreicher, als jetzt gewe - ſen ſeyn, oder man muß dem alten Meer viel 1000 Jahre mehr, als unſerm jetzigen anrechnen.

§. 217.

Wir merken ferner, daß alle Erd - und Stein - arten der Schichtgebirge, Kalch, Feuerſtein, Mer -gel,155gel, Gips, Thon, Sand, Schiefer, Marmor, Hornſtein, Jaſpis, Achat, Wacke; und die Me - talle der Floͤtze, Eiſen, Kupfer, Bley, Silber, Zinck, Glimmer; auch die Gaͤnge darinnen, denn in Thuͤringen, und andern Gegenden, ſind dieſe Schichtgebirge oft gangartig, mit ihrem Quarz, Fluß - und Kalchſpat, mit ihren Druſen, nebſt dem Kieſe, Zinnober, Spießglaſe, Kobold, Braunſtein, und allen ihren Markaſiten; ja ſelbſt auch die meiſten Edelſteine, Meerſchlamm, oder ehemaliges Meerwaſſer geweſen ſey.

§. 218.

Daher ſind alle dieſe Koͤrper, ſie moͤgen unfoͤrm - lich angeſetzt, oder foͤrmlich gewachſen ſeyn, aus dem ehemaligen Meerwaſſer, als Schlamm, oder Salztheilchen entſprungen, und auch daraus er - wachſen, welches zugleich zeiget, was die haͤrteſten Koͤrper unſerer Laͤnder ſonſt waren, und auch wie ſonſt das Meer noch weiter beſchaffen war.

§. 219.

Betrachtet man nun noch in dieſen Schichtge - birgen alle bekannte und unbekannte Verſteine -rungen156rungen der Seeſtuͤcke, nach den einzelnen Gegen - den, und der von ganzen, noch unvollkommenen ſteinkundigen Landkarte; ſo erkennt man dadurch, wie das Meer ſonſt, in Anſehung ſeines wohnba - ren Bodens, und der Bewohner war; auch was ein groſſer Theil derſelben damals wurde; er trug naͤmlich zur Vergroͤſſerung der Schichten, und zur Vermiſchung der Erdarten, ſowol nach den Mu - ſchelkernen, als auch ihrer eigenen Zerſtoͤrung das ſeinige bey.

§. 220.

Doch enthalten dieſe Schichtgebirge auſſer den umſteinten und verſteinerten alten Seeſtuͤcken, auch noch umſteinte und verſteinerte Landſtuͤcke; nicht allein von Thieren, als von Elephanten und Nashoͤrnern, bis zu den Kleinſten unkenntlichen; ſondern auch Pflanzenwerk, von den groͤßten Holz - ſtaͤmmen bis zum kleinſten hartſtaͤnglichten Wald - kraͤutchen. Da nun dieſe Landſtuͤcke, in jedem Landſtrich, ihr gewiſſes Schichtlager haben, und nicht wie die Seeſtuͤcke, durch die meiſten Schich - ten, oder durch alle Schichtgebirge fortgehn; ſomuͤſſen157muͤſſen ſie jedesmahl und an jeden Ort, zu der Zeit, als der Schichtbau deſſelben Gebirges, bis zu der Hoͤhe, wo ſie liegen, aufgefuͤhret war, aus einer entfernten Gegend, von einem feſten Lande herein gefluͤthet, und nachher mit dem Seeſchlamm wieder bedeckt worden ſeyn.

§. 221.

Daraus kann man ferner ſchlieſſen, wie zur Zeit des ehemaligen Meeres, die alten feſten Laͤnder bepflanzt und bewohnt geweſen ſind, naͤmlich wie einige der jetzigen. Es laͤßt ſich auch an vielen Orten, die aus der beſondern Art dieſer Schichten, ſo fern die naͤchſt vorher gehenden, und die nach - folgenden wieder ihrem uͤbrigen Schichtgebirge gleichen, deutlich abnehmen, von welcher Art die Dammerde ſolches feſten Landes vornaͤmlich ge - weſen ſey; naͤmlich einige ſchwarz, wie manche Wald - und Sumpferde; einige gelb, u. ſ. w. Vielleicht moͤgen ſich kuͤnftig aus ſolchen Schicht - werken noch andere Saͤtze ziehen laſſen.

§. 222.158

§. 222.

Wenn nun dadurch erwieſen iſt, wo und wie das ehemalige Meer war, und auch die Damm - erde des ehemaligen feſten Landes, nebſt deſſen Pflanzen und Thieren zwiſchen den Schichtgebuͤr - gen erklaͤret, wo und wie dieſes ungefehr war; nemlich neben den jetzigen feſten Laͤndern, als dem ehemaligen Meergrunde; ſoll nicht auch diejenige Verhaͤltniß zwiſchen Meer und Lande, welche noch jezt ſtatt findet, eben ſo wohl beym alten Meere und feſten Lande ſtatt gefunden haben?

§. 223.

So viel aber iſt wohl ausgemacht, daß das Meer einen tiefen Schoos zwiſchen den feſten Laͤn - dern, ſie moͤgen deſſen Daͤmme ſeyn, oder nicht, einnehmen muß, und daß alſo kein feſtes Land, einen tieferen Erdſchoos, als des Meeres naͤchſte Oberflaͤche iſt, jemals vorſtellen koͤnne; auch da - her viel erhabner, als der Meergrund fortgehen muͤſſe; wie noch jezt die Oberflaͤche aller feſten Laͤnder, mit ihren Fluͤſſen, ſo ferne ſie alle ins Meer lauffen, offenbar beweiſet.

§. 224.159

§. 224.

Deswegen muß ſich des alten Erdbodens Ober - flaͤche, ebenfals hoͤher, als ſeines damaligen Mee - res Oberflaͤche erhoben haben, und fortgegangen ſeyn. Wenn nun das alte Meer an jedem Ort, wenigſtens ſo hoch, als das hoͤchſte von ihm da - ſelbſt erbaute Schichtgebirge geſtanden hat; ſo muß auch daſelbſt der alte Erdboden hoͤher, als dieſes hoͤchſte Schichtgebirge an ſelbigem Meere hingelauffen ſeyn.

§. 225.

Nun ziehe man ſowol uͤber die hoͤchſten Schicht - gebirge, als auch naͤchſten tiefen Ebnen einige Umkreiſe, uͤber den Erdball herum; ſo werden dieſe Kreiſe, da und dort ungefehr die Ausſchnitte, des alten hoͤchſten und tiefſten Meergrundes oder die Meerſchoͤſe, vorſtellen. Wenn man nach dem fuͤr die alte Erdflaͤche der Laͤnder, noch einen drit - ten ſelbſt beliebigen Umkreis, darum her fuͤhret; ſo kann dieſer hoͤchſte Umkreis zugleich die Groͤſe der vorigen groͤſeren Erde ungefehr vorſtellen.

§. 226.160

§. 226.

Um aber dieſe Linien mit einigem Grunde zu ziehen, ſo nehme man aus den Schriftſtellern, welche von den Alpen, Pirenaͤen, und Sudeten in Europa; von den hohen Gebirgen in Aſia und Afrika; von den Kordillieren in Amerika, die hoͤch - ſte Hoͤhe ihrer gefundenen Seeſtuͤcke, oder doch eines richtigen Schichtbaues angegeben haben; ungefehr dieſe Anhoͤhen, nebſt den Tiefen gegen jedes naͤchſte Meer; ſo hat man die beiden Kreis - punkte, wodurch man ſolche Umkreiſe ziehen, und die alten Meerſchoͤſe ungefehr nach ihrer erſten, oder aͤlteſten Zeit, ehe ſich ihr Meer nach und nach ſchmaͤlerte, angeben kann. Den dritten ſelbſt beliebigen Umkreis fuͤr die alte Erdflaͤche, wird man erſt kuͤnftig genauer beſtimmen koͤnnen, wenn man den Schichtbau der hoͤchſten Gebirge mehr, als ihre Verſteinerungen unterſucht haben wird.

§. 227.

Hier kann ich nun die Oberordnung der feſten Koͤrper, auf eine Weile verlaſſen, denn wir wiſſennun161nun was ſie iſt, und was ſie war;) hingegen von der Oberordnung der fluͤßigen Koͤrper, und zwar zuerſt von der Hauptordnung des Waſ - ſers etwas ſagen, von der ich aber nur die Unter - ordnung des Meeres hier vor mich nehmen will, ohne es als die Wohnung aller Seethiere und Seepflanzen zu betrachten. Ich ſtelle inzwiſchen dem Leſer gleich frey, ob er der Erde ein fuͤr alle - mahl eine gewiſſe Menge Waſſer zugeſtehen wolle, oder nicht? jenes vermuthe ich von den meiſten Leſern, und weil ich auch der Meinung bin, denn ich muͤßte das Gegentheil zu behaupten wiſſen, ſo gebe ich der Erde mit ihrem erſten Urſprunge, ihr gewiſſes Maas Waſſer.

§. 228.

Wenn nun aber alle unſere Schichtgebirge, bey der ehemahligen groͤſſeren Erde, noch im Waſſer enthalten waren; mußte nicht da dieſelbe Menge Waſſer ſonſt einen viel groͤſſeren Raum einneh - men? nicht eben nach dem Maas der ab - und an - geſetzten Schichtgebirge, denn ein NiederſchlagLnimmt162nimmt allezeit einen groͤſſeren Raum ein, als er vorher, da er noch aufgeloͤſet war, einnahm, aber doch uͤberhaupt.

§. 229.

Ueber das mußte auch wohl das damalige Waſ - ſer, indem es den Grundſtof ſo vieler Gebirge, die Nahrung aller Verſteinerungen mit gerechnet, in ſich hielt, viel ſchwerer ſeyn, als jetzt; wiewohl nicht in der Verhaͤltniß, wie die Schwere der je - tzigen Gebirge iſt. Denn aufgeloͤßte Koͤrper ſind nicht ſo ſchwer. Wie alſo die Ordnung der feſten Koͤrper der Erde, durch den Niederſchlag aus dem Waſſer, ſchwerer wurde, ſo muͤßte die Fluͤßigkeit, aus der ſich dieſe feſten Koͤrper niederſetzten, im - mer leichter werden.

§. 230.

Nun nehme man die alte Erde, wie wir ſie nun wieder kennen, naͤmlich viel groͤſſer, und das alte Meer, wo jetzt feſte Laͤnder ſind, die vorigen feſten Laͤnder aber umher, ſo wird man ſie in dieſer vori - gen Groͤſſe, in ihrem Wachsthum finden. Denn in ihrer aͤlteſten Zeit, war noch keines ihrer Ge -birge163birge erbaut, da ſie in ihrer uns naͤheren Zeit alle erbaut ſind. Folglich war ſie vor dieſem Zuwuchs der Gebirge im Durchſchnitt groͤſſer, als ſie nach - her wurde, oder jetzt iſt. Sie war aber da ihrem Urſprunge naͤher. Daher iſt ihre urſpruͤngliche Geſtalt, die Moͤglichgroͤßte, und nicht die Klein - ſte, doch mit der ſparſamſten und leichteſten Anla - ge, der Ordnung der feſten Koͤrper, und dem reich - lichſten und ſchwereſten Vorrath der fluͤßigen Koͤr - per. Daher ihr zeitiges Wachsthum nach ihrem Alter mehr im Zunehmen der Feſtigkeit und Schwere, nach der Ordnung der feſten Koͤrper, und Abnehmen der Schwere, nach der Ordnung der fluͤßigen Koͤrper, beſteht; wie wir kurz zuvor vom vorigen Waſſer, geſehen haben.

§. 231.

Wenn mir nun auch ein gewiſſes urſpruͤngliches Maas von Luft, wie vom Waſſer, um die Erde zu - geſtanden wird; ſo muß die vorige Luft ſchon an ſich, um ſo viel, als ſonſt die Erde groͤſſer war, mehr, als jetzt ausgedehnt geweſen ſeyn, weswe - gen auch ihre Zwiſchenraͤumchen groͤſſer ſeyn mu:L 2ſten164ſten und mehr von jedem Koͤrper, den die Luft an - nehmen kann, halten konnten. Da ſie nun Licht und Waſſerdunſt anzunehmen im Stande iſt; ſo konnte ſie von beiden viel mehr, als jetzt bey ſich fuͤhren. Daß aber die Federkraft der Luft damals auch ſchwaͤcher, als jetzt ſeyn mußte, iſt leicht zu erachten.

§. 232.

Was aber haͤufiger Waſſerdunſt, mit vielem Licht, der vorigen Luft, bey ihrer ſchwaͤcheren Fe - derkraft, fuͤr eine andere Art, gegen die jetzige, gegeben haben muͤſſe, kann man aus einem aͤhn - lichen Fall unſerer Zeit wahrſcheinlich ſchluͤſſen; wenn man naͤmlich unſere ſogenannten grauen Ta - ge, wo ſich duͤnne und hohe Nebel, die das Tage - licht und den Nachtſchein noch durchdringen laſ - ſen, am ganzen Himmel gleich ausbreiten, mit der vorigen Luft vergleicht. Eine Haupteigenſchaft waͤre, daß die untere Luft weder groſe Hitze, noch groſe Kaͤlte, betreffen konnte; die andere, daß we - der Sonne, Mond, noch Sterne dadurch geſehen werden konnten, und die dritte, daß es an ſolchenWol -165Wolcken, wie wir jetzt haben, und alſo auch an Blitz und Donner fehlen mußte; ſelbſt an der je - tzigen Art von Regen, der anders, als die Nebel und Landregen, oder blos aus dem Zuge voller Wolken entſtehet, laͤßt ſich zweifeln, und an an - dern Vorfaͤllen mehr.

§. 233.

Daß auch das Licht, in dem unſere Erde gleich - ſam ſchwamm, und das ſie ganz umgab erſt auſſen auf dieſem Luftkreiſe gegen die naͤchſten Himmels - koͤrper, beſondere Erſcheinungen, wie vielleicht im Jupiter und Saturn, veranlaßt haben moͤge, wird dadurch zugleich wahrſcheinlich; wie auch daß es vermoͤge dem ſtaͤrkeren Durchgange gegen den Erdboden, den Einwohnern deſſelben, dieſen ihren damahligen Himmel (denn blos ihr oberer Luft - kreis, war damahls ihr Himmel) auf eine ſo be - ſondere Art vorgeſtellt haben moͤge, daß wir deſſen Beſchreibung jetzt nur fuͤr Maͤhrchen des Alter - thums anſehen wuͤrden: endlich daß alle Frucht - barkeit und alles Wachsthum, durch die Wir - kung, eines ſo lichtreichen Waſſerdunſtes, der alsL 3Thau166Thau oder Nebelregen, ſeine gewiſſe Gegenden befeuchten konnte, bis ins ſonderbare, gegen die jetzige Zeit gegangen ſeyn moͤge. Aber freylich haben auch oͤftern Erdbeben, vornaͤmlich in dem Niederſchlage, oder den Gebirgen des alten Mee - res, die vielen merklichen Veraͤnderungen veran - laßt.

§. 234.

So viel nun der jetzige Luftkreis an Duͤnſten weniger enthaͤlt, als der vorige, ſo viel leichter iſt er jetzt; und eben ſo viel leichter iſt zugleich unſer Licht, welches die Duͤnſte hebt und traͤgt, und un - ſer Luftkreis durchſichtiger. Die Schale der Erde aber um ſo viel ſchwerer. Folglich machte da - mahls die Ordnung der feſten Koͤrper, das wenig - ſte, und die Ordnung der fluͤßigen Koͤrper das meiſte der ganzen Maſſe der Erde aus.

§. 235.

Wenn man nun zugiebt, daß die Erde ſonſt groͤſer; ihre aͤuſſere Schale leichter; Waſſer und Luft aber ſchwerer, und der Schwung der Erdedes -167deswegen groͤſſer war; denn je ſchwerer ein Koͤr - per iſt, deſto ſtaͤrker und weiter ſchwingt er ſich; ſo wird man auch gerne einraͤumen, daß ſie auch in der erſten Zeit, wo noch kein Schichtgebirge erbaut, und noch jedes alte feſte Land, von ſeinen Erdbuͤrgern bewohnt war, im ganzen als ein Himmelskoͤrper, der nach ſeiner Groͤſe, und be - ſonderen Schwere ſeine Laufbahn haͤlt, in einer ganz andern Bahn, und zwar mit einem andern Gange als jetzt, weil jetzt ſeine Schwere mehr im Mittelpunkte und nicht mehr im Umkreiſe ruht, gelauffen ſeyn muͤſſe.

§. 236.

Ferner, daß die Erde in dieſer alten Himmels - bahn, an ihrem Gewaͤſſer, davon das alte Meer den Hauptbeweis geben kann, nach verſchiedenen groſen Zeitlaͤuffen, und oͤfteren feurigen Ausbruͤ - chen im Meere, durch Erdbeben, ſo beſondere Veraͤnderungen erlitten habe, wodurch die ver - ſchiedenen groſen Schichtgebirge, mit ihren ver - ſchiedenen Unterlagern aus dem Niederſatz dieſes Gewaͤſſers, und ſeiner darinne begrabenen Meer -L 4buͤrger168buͤrger haben aufgebaut werden koͤnnen, ohne daß die alten feſten Laͤnder, bey dieſen Veraͤnde - rungen des Gewaͤſſers verſchont geblieben waͤren; indem ſie nach gewiſſen Zeitlaͤuften, auch viel Dammerde, Pflanzen und Thiere, durch Ueber - ſchwemmungen in das alte Meer abgegeben, und den vorigen Wageſtand der Erde dadurch mit ab - geaͤndert haben.

§. 237.

Endlich folgt noch daraus, daß nach Vollen - dung des letzten Schichtgebirges, der Bau der alten feſten Laͤnder vollends eingeſtuͤrzt, und das vorige Meer, mit einemmahl nachgeſtuͤrzt ſeyn muͤſſe; und dieſer Einſturz die Tiefe, die wir jetzt im Meer antreffen, wo nicht auf einmahl, doch nach und nach gegeben habe; der vorige letzte Meergrund hingegen, der ſich nur etwas uͤber das letzte Schichtgebirge erſtrecken mochte, nun voͤllig zu neuem feſten Lande geworden ſey. Denn die aͤlteren Schichtgebirge muͤſſen wohl ſo weit, als ſie uͤber die juͤngeren ſeitwaͤrts zu Tage her - vor ſtehn, nach jeder ſolcher Meeresveraͤnderung,durch169durch deſſen Abfall ruckweiſe entbloͤſet, und ſchon vorher neues Land geworden ſeyn. Weil nach dem Maas, wie ſich der Niederſchlag aus dem alten Meer abſonderte, die hiervon ausgedehnte Maſſe des Waſſers zuſammen fallen mußte; doch nach dem hier eigenen Maasſtabe.

§. 238.

Wer aber das jetzige feſte Land vor alten Meergrund erkennen, und daher das vorige feſte Land, durch Schluͤſſe in dem jetzigen tiefen Meer - grunde finden will, wird auch wohl zugleich die vorige Erde, unter allen alten feſten Laͤndern da - mahls als hohl anſehen, und der damahligen groͤſſeren Erde einen ſchwereren Dunſtkreiß als jetzt geben muͤſſen.

§. 239.

Soll man aber dieſen Einſturz der alten Hoh - lung, der das alte feſte Land betraf, von freyen Stuͤcken, oder durch bloſſe Erdbeben erfolgen laſſen? oder vielmehr durch eine fremde Gewalt, die dieſes hohle feſte Land zu der Zeit mit zuſam -L 5men170men druͤckte? dieſe haͤtten wir, ſo wie damahls, alſo auch noch jetzt, an dem Monde ganz nahe.

§. 240.

Dem zufolge haͤtten wir erſt, ſeit dem daß un - ſere neue feſten Laͤnder aus dem vorigen Meer - grunde hervor getreten ſind, unſern Mond zum Nachbar, und waͤren durch ihn, ſeit dem an die jetzige Himmelsbahn um die Sonne gebunden.

§. 241.

Denn wenn man aus der Aehnlichkeit des Schwunges unſerer Erdkoͤrper, auf die Himmels - koͤrper ſchlieſſen kan; ſo nimmt der leichtere vom ſchwereren im Vorbeygehen die Schwungkraft nach ſeiner Maaſe an, der ſchwerere aber geht denn vom Schwungpunkte ab, und demnach waͤre der Mond vorher im Schwunge um die Sonne ge - weſen, und haͤtte, als ſchwerer, unſere leichtere Erde an ſeine Stelle gezogen; hingegen beglei - tete er nun nach verwechſeltem Planetenſtande die Erde, bis etwa ein dritter leichterer Himmels -koͤrper171koͤrper, von Mond und Erde angehalten, vermoͤ - ge des leichteren Schwunges, in ihre Mitte tritt, und ſie denn nach ihrer groͤſſeren Schwere und ſtaͤrkeren Schwunge, deſſen Monde wuͤrden.

§. 242.

Ueberdem laͤßt ſich auch noch aus dem zuſam - mengebrochenen Abgrunde der feſten Laͤnder, und dem hierauf erfolgten Nachfluß des vorigen Mee - res, begreifen, daß der ganze vorige Luftkreis, auch einen groſſen Theil ſeines vorigen Dunſtes, oder hohen Nebels mit dahin geworfen, und ſich dadurch viel mehr, als ſonſt, aufgeklaͤret habe, oder fuͤr uns durchſichtiger geworden ſey. Muͤſ - ſen aber nicht die Erdkoͤrper dieſer Zeit, denen nnr ihr hoher Luftkreis bisher ihr Himmel gewe - ſen war, die vor der Zeit entweder gaͤnzlich un - ſichtbare, oder nur undeutlich, aber von dieſer Zeit an ganz ſichtbare Himmelskoͤrper, oder Son - ne, Mond und Sterne, ſich gleichſam als eine neue Schoͤpfung vorgeſtellt, auch nur erſt von da an Winter und Sommer kennen gelernet haben?

§. 243.172

§. 243.

Geſetzt aber, daß weder der ganze Abgrund, oder alle feſte Laͤnder, um die ganze Erde auf ein - mahl eingeſtuͤrzt waͤren, noch auch der vorige Himmel, oder hohe Luftkreiß, wie doch beydes zu vermuthen iſt, ſich nicht auf einmahl, ſondern nach und nach aufgeheitert haͤtte; ſo wuͤrden doch viele Erſcheinungen dieſes Zeitlaufs, die uns jetzt taͤg - lich, oder jaͤhrlich und ganz natuͤrlich vorkommen, damahls als hoͤchſt wunderbare Dinge angeſehen worden ſeyn, die, wenn ſie damahls beſchrieben worden waͤren, jetzt niemand ſo verſtehen wuͤrde. Auf die Art muͤſſen jenen Erdbuͤrgern, die Win - de, Wolken, der Regen, Schnee, Blitz und Donner, Stuͤrme, Guͤſſe, Abend - und Morgen - roͤthe, Regenbogen, neue Sterne, u. d. g. m. da und dort, nach und nach vorgekommen ſeyn; ſo, daß ſie darnach ihre neue Zeitrechnung erſterer Zeit mit einrichten, oder doch ſolche nach ihrer Folge auf einander, als Planetengeſchichte ange - ben konten.

§. 244.173

§. 244.

Alles, was bisher geſagt worden, iſt blos eine Reihe von Schluͤſſen, oder Vermuthungen, aus den Schichtgebirgen unſerer feſten Laͤnder, ſo fer - ne ſie das vorige Meer erbaut, und zugleich zwi - ſchen ihnen, Beweiſe von den vorigen feſten Laͤn - dern, mit angefluͤthet hat, die nun aber entbloͤßt und die feſten Laͤnder in den Abgrund geſtuͤrzt ſind. Zieht man aber die Stellung des aͤlteſten Grund - gebirges, an welches die vorigen Schichtgebirge angebaut ſind, nach der ſenkrechten Stellung ſei - ner beſondern Schichten, gegen den Mittelpunkt der Erde, noch mit in Erwegung, ſo laͤßt ſich fer - ner ſchlieſſen, daß jeder vorige Meerſchoos, den man aus dem einzeln um ihn hervorſtehende aͤlte - ſte Grundgebirge noch jetzt beurtheilen kan, eben - falls wieder durch einen noch viel aͤltern Einſturz unſerer Erde erfolget ſey, und daß unſere aͤlteſte Erde, wenn man die ſenkrechten Schichten, des Grundgebirges, ſo bergmaͤnniſch zu reden, in ewige Teuffe gehn, in Gedanken zur runden Ge - ſtalt wieder zuruͤckbringt, damahls durchaus hohl,und174und alſo noch viel groͤſſer, als die vorhin beſchrie - bene letztere Erdkugel geweſen ſey.

§. 245.

Wenn nun auch ſelbſt die Schichten dieſes Grundgebirges, wie ihre Miſchung und Zuſam - menſetzung zeiget, eben ſowohl, wie die Schicht - gebirge, aus dem Waſſer entſtanden waͤren; ſollte man ſie da nicht fuͤr einen aͤlteſten Meergrund, und eine Anlage des erſten Einſturzes anſehen? und alſo die aͤlteſten feſten Laͤnder umher oder da - zwiſchen noch hoͤher, als dieſes annehmen? doch darf man aus ſo kleinen und einzelnen Gegenden, nicht auf die voͤllige Einrichtung und Ordnung des Ganzen, als nur Bedingungsweiſe ſchließen.

§. 246.

Was vor eine Art von Himmelskoͤrper mag nun wohl unſere Erde in ihrer dem Urſprunge naͤ - heſten und moͤglichſten Groͤſſe vorgeſtellt haben, da ſie noch durchaus hol, und gegen ihre jetzige Geſtalt gerechnet, gleichſam eine bloße leichteSchale175Schale war? nicht allein nach dem aͤuſſeren An - blick ihres Luftkreiſes fuͤr die Bewohner anderer Himmelskoͤrper, und dem Anſehen dieſes Luft - kreiſes fuͤr die Einheimiſchen; ſondern auch nach der Eintheilung ihrer ſo groſſen Oberflaͤche in Land und Meer, und endlich auch nach der Aus - fuͤllung ihres ungeheuren inneren Abgrundes, in dem kein ſchweres Waſſer, ſondern eine ſehr leichte, dem Licht aͤhnliche, Materie, ſeyn konnte.

§. 247.

So weit kann man nun, vermoͤge der Erdkunde, in die vorige Zeit zuruͤck, und es mag genug ſeyn, bey dem Urſprunge unſerer Erde, ihre Groͤße und leichtere Beſchaffenheit; ihre wiederholte Ver - wandlung, und die Art ihres Wachsthums, be - trachtet zu haben. Denn die Oberordnung der feſten und fluͤßigen Dinge hat ſich auf unſerem Planeten, nicht weit von ſeinem Urſprunge, der - geſtalt geaͤndert, daß er vom groͤßten und leichte - ren Zuſtande, zum kleineren und ſchwereren, ruck - weiſe hinuͤber gegangen, und er ſcheint bey anhal -tenden176tenden Erdbeben noch darinne fortzugeben, um ſich allmaͤhlig zu einer folgenden Verwandlung anzuſchicken.

§. 248.

Es ließen uns alſo die Ueberbleibſel des Ver - gangenen, die wir an dem gegenwaͤrtigen Be - ſtande betrachten koͤnnen, ziemlich deutlich erra - then, wie unſere Erde ſonſt war; wie aber und was ſie zukuͤnftig, nicht ſowohl bey einer planeti - ſchen Verwandlung, als vielmehr bey der Aufloͤ - ſung ihres Grundweſens, oder ihrer Natur, wer - den duͤrfte, ſagen zu wollen, moͤchte bey den mei - ſten zu viel gewagt heißen; doch waͤre es viel - leicht einigermaßen moͤglich, wenn es erlaubt iſt, die Geſchichte der feſten und fluͤßigen Oberord - nung, denn dieſe machen ja die Feſte und den Umkreiß der Erde aus, ſich umgekehrt wieder vorzuſtellen.

§. 249.

Wenn daher nicht ſowohl unſerer jetzigen am Tage ſtehenden Schichtgebirge, als vielmehr des in die Tiefe des Abgrundes zuſammen geſtuͤrztenGrund -177Grundgebirges und aͤlteſten Erdbodens, gegen - waͤrtiger feſter Beſtand, (der doch ehemals als ein Niederſatz aus dem aͤlteſten Waſſer, von Waſſer, Luft und Licht aufgeloͤſet, oder ſelbſt mit fluͤßig war,) dennoch wieder aufloͤsbar waͤre, ſo bald er in ſolche Umſtaͤnde, wie vor ſeinem Nie - derſchlag kommen ſollte, und alſo wieder zu Waſ - ſer und Dunſt der vorigen oder gar urſpruͤngli - chen Art wuͤrde; kaͤme es da nicht blos auf die Bedingung an, daß alles Waſſer unſerer Erde, nebſt ihrem Luft - und Lichtkreiſe nicht den ganzen Beſtand der Erde aufloͤſen koͤnnte, wenn die Oberflaͤche an Land und Meer unaufloͤsbar blei - ben ſollte? Es wird aber dieſe Bedingung nie - manden, der die Saͤtigung der Aufloͤſungsmittel kennt, unmoͤglich ſcheinen, beſonders wenn man annehmen darf, daß unſere Erde aus Waſſer, Luft und Licht, die ſo viel aufgeloͤſet hatten, als ſie aufloͤſen konnten, d. i. geſaͤttigt waren, und aus einer ungeheuren Oberflaͤche, die gleichſam eine unaufloͤsbare Schale vorſtellte, beſtand, wor - auf die geſaͤttigten fluͤßigen Materien ihre aufge -Mloͤſeten178loͤſeten Materien wieder abſetzten, ſo bald ſich beyde den Aufloͤſungsanſtalten entzogen fanden.

§. 250.

Wem die Eigenſchaft der Aufloͤſungsmittel be - kannt iſt, weiß auch, daß jedes derſelben ſchwe - rer wird, als vorher, wenn es ſchwerere Mate - rien bis zur Saͤttigung aufgeloͤſet hat, und alle leichtere Koͤrper auf ihm ſchwimmen, weil dieſe von ihm in die Hoͤhe gedruͤckt werden, daher ſieht er auch ein, daß der unaufloͤsbare Ueberreſt auf einer Feuchtigkeit, gegen die er in gleicher Maaſe leichter iſt, ſchwimmen muß. So bald ihm nun noch der Bau unſeres Planeten zeigt, daß die Aufloͤſungsanſtalten mehr in der Mitte deſſelben, als gegen die Oberflaͤche wirken duͤrften; wird er nicht allein die Oberflaͤche fuͤr unaufloͤsbar, und auf der geſaͤttigten Feuchtigkeit zu ſchwimmen ge - ſchickt halten, ſondern auch noch andere leichte un - aufloͤsbare Theile hervortreten, und mit denen noch uͤbrigen Stuͤcken der Oberflaͤche ein Ganzes zuſammen machen laſſen.

§. 251.179

§. 251.

Wem dabey um das belebte und beſeelte Ober - geſchlecht bange wird, der bedenke, daß beyde na - he am Urſprunge unſerer Erde, bey ſo geſaͤttig - tem Waſſer, Luft und Licht, ihre ſo gelobte guͤlde - ne Zeit und die vergnuͤgten Jahre der Kindheit oder Wiedergeburt der Erde genoſſen.

§. 252.

Bey der Muthmaſſung einer moͤglichen Aufloͤ - ſung der Natur unſerer Erde und ihrer Ver - wandlung, ward nur unſer Planet blos an und vor ſich betrachtet; ſollten nun dabey noch meh - rere Himmelskoͤrper einander, wie in einem gan - zen Sonnenſyſtem, oder auch nur einem Plane - ten, mit mehreren Monden, behuͤlflich und nahe genug ſeyn, ſo koͤnnten nicht allein mehrere zu - gleich aufgeloͤſet, ſondern gar mit einander ver - einiget, und nach Verwechslung ihrer Theile, un - ter einer andern Geſtalt auch wieder von einan - der getrennet werden.

M 2§. 253.180

§. 253.

Nun waͤre dadurch ein dichter kleiner ſchwerer Himmelskoͤrper wieder in einen groſſen, mit einer ſchwachen Erdſchale verwandelt, und alſo der Ur - ſprung eines neuen aͤhnlichen, oder verſchiedenen gegruͤndet; ſo wie jeder kleine feſte Koͤrper, wenn er weſentlich aufgeloͤſt iſt, durch jeden fremdarti - gen Beytritt, wieder einen mehr oder weniger abgeaͤnderten neuen Koͤrper geben muß; dabey kaͤme es nun nur darauf an, was fuͤr Huͤlfsmit - tel hernach dem neuen Himmelskoͤrper zu ſtatten kaͤmen, um dieſe oder jene Art anzunehmen. Denn ſelbſt das verſchiedene bey der Aufloͤſung, nachdem eine oder die andere, oder drey fluͤßige Hauptordnungen mehr oder weniger beygetreten waͤren, machte ſchon einen beſondern Unterſchied in der erſten urſpruͤnglichen Groͤſſe eines Him - melskoͤrpers, ſowohl gegen ſeine vorige Beſchaf - feuheit, als gegen andere Baͤlle.

§. 254.

Auſſer dem wuͤrde die Gegend ſeiner Bahn und ſeine Nachbarn, vermoͤge ihrer beſondernEinwir -181Einwirkung, vieles ſo, oder anders veranſtalten; beſonders aber duͤrfte ſelbſt der eigene Gang eines ſolchen aufgeloͤſten Koͤrpers viel Unterſchied ma - chen; indem die wirbelnde Bewegung wie bey der Sonne in die gewirbelten Theile anders wirkt, als der walzende Gang bey den Planeten; und der Schmieggang bey dem Monde anders, als der ſchießende der Kometen. Denn die aufloͤ - ſenden und aufgeloͤſten Theilchen wuͤrden ſich in ihren Verbindungen, Scheidungen, Stellungen und Anhange gegen die unaufgeloͤſten Oberflaͤ - chen ſolcher Koͤrper, nach dieſen verſchiedenen Be - wegungen richten; weil das ſchwerere bey der ei - nen Bewegung in der Mitte bleiben koͤnnte, bey der andern aber ſich gegen die aͤuſſerſte Oberflaͤche ſchwingen muͤßte. Dahingegen das leichtere bey der Ruhe die Oberflaͤche, und beym Schwunge die Mitte der Kugel behaupten wuͤrde.

§. 255.

Wenn dieſe blos aus natuͤrlichen Gruͤnden her - geleitete Moͤglichkeit, von der Aufloͤſung einesM 3alten,182alten, und vom Urſprunge eines neuen Himmels - koͤrpers, nicht wahrſcheinlich genug ſeyn ſollte; ſo koͤnnte die Natur und Himmelskunde noch an - dere Gruͤnde an die Hand geben, die aber hier anzufuͤhren zu weitlaͤuftig waͤre.

§. 256.

Wir wollen lieber von unſerer Erde, ehe wir in die groſſe Welt ſehen, unſer Sonnenſyſtem be - trachten. So wenig nun auch unſer Auge, ſelbſt mit den beſten Fernroͤhren, am Himmel deutlich erkennen kann, ſo iſt es dennoch ein Gluͤck fuͤr un - ſere Zeiten, daß wir nun wenigſtens die Monde des Jupiters und Saturns zuverlaͤßig kennen, und mitten im blendenden Sonnenſchimmer, die wandelbaren Sonnenflecken ſehen, auch unſeres eigenen Mondes Oberflaͤche mit der Oberflaͤche unſerer Erde, ziemlich vergleichen koͤnnen, und endlich unſere Kometen, obgleich noch nicht ganz beſtimmt, anzugeben wiſſen.

§. 257.

Nun ſtelle man ſich die aus den Ueberbleibſeln erwieſenen Schickſale der Erde, wodurch ſie dasiſt,183iſt, was ſie iſt, kuͤrzlich wieder vor, und vergleiche damit unſern Mond. Soll dieſer wohl, ohne alle vorhergegangene Verwandlung gleich von Anfang, die ſo aͤhnliche Geſtalt erhalten haben? Man kann billig daran zweifeln, und vermoͤge der Erwartung aͤhnlicher Faͤlle lieber annehmen, daß er ebenfals ſeine Verwandlungen, nach langer Zeit gelitten habe, da er naͤmlich anfaͤnglich von ſeiner groͤſten Geſtalt, zur mitleren mit einem undurch - ſichtigen Duftkreiſe, und ſo weiter ruckweiſe bis zu ſeinem jetzigen kleineren und ſchwereren Zu - ſtand fortgegangen iſt.

§. 258.

Bey dem Jupiter und Saturn mit ſeinem Rin - ge und den Monden, die jeden dieſer Koͤrper be - gleiten, kann man wieder auf aͤhnliche Art ſchluͤſ - ſen, daß ein aͤhnlicher Vorfall, der die hohlen feſten Laͤnder unſerer Erde, nach dem erbauten letz - ten Schichtgebirge, durch ihre Annaͤherung gegen den Mond, zuſammen druͤckte, und das Meer uͤber die hinunter geſtuͤrzte Schale nach floß, dadurchM 4aber184aber die Erde, mit ihrem Monde fuͤr beſtaͤndig verband, eben auch den Jupiter und Saturn, durch die Annaͤherung gegen ihre Monden, in un - ſerm Sonnenſyſtem angehalten habe.

§. 259.

Stellet man ſich endlich unſere Erde in ihrer aͤlteſten, hoͤchſten und voͤllig hohlen Groͤſe, ehe das Grundgebirge ſenkrecht zuſammenſtuͤrzte, als eine der leichteren groͤſten hohlen Kugeln, im damali - gen Himmelsraume, vor, die entweder geſchwun - gen wurde, oder andere ſchwung, und alſo im Mittel, oder im Umkreiſe, oder in freyer Bahn gieng; ſo doͤrfte man kaum geneigt ſeyn, von ihr zu denken, daß ſie damals in dieſer Geſtalt, be - ſtaͤndig um die Sonne, neben dem Monde, oder in ihrer jetzigen Bahn, gelauffen ſey; ſondern ſie vielleicht fuͤr einen damaligen Kometen, oder der - gleichen freyen Himmelskoͤrper, wo nicht gar fuͤr eine Art von Sonne, anſehen, indem man an den Unterlagern der Schichtgebirge bemerket, daß ſie ihren Urſprung groͤſtentheils dem Feuer zu dan - ken haben.

§. 260.185

§. 260.

Waͤre nun unſere Erdkunde, von dieſer Seite, noch weiter aufgeklaͤrt, wie vermuthlich kuͤnftig geſchehen wird; ſo wuͤrden wir uͤberhaupt noch mehrere Schluͤſſe von aͤhnlichen Faͤllen, machen koͤnnen; und gienge unſere Himmelskunde, die noch dem unzaͤhligen Himmelsheer, zu viel Gleich - heit unter ſich, und einerley Natur geben muß, und alſo von ſeinen Geſchlechtern und Arten noch zu wenig ſagen kann, kuͤnftig etwas weiter, (wie man ſich ebenfals verſprechen kann) damit man das Veraͤnderliche am Himmel, naͤmlich, daß er im einzelnen jetzt nicht mehr durchgehends iſt, was er ehemals war, noch was er kuͤnftig ſeyn wird, und daß er ſich nur im ganzen aͤhnlich bleibt, deut - licher augeben koͤnnten; ſo doͤrften wir auch ge - wiſſere Aehnlichkeiten und beſtimmtere Abwei - chungen finden, und folglich dadurch die groſe Natur beſſer kennen lernen.

§. 261.

Es mag alſo genug ſeyn, daß wir den Ur - ſprung der Erde geſchichtmaͤſig betrachtet, undM 5ſie186ſie bis zu ihrer moͤglich groͤſten Geſtalt verfolget haben.

§. 262.

Wir haͤtten auch damit von der Gattungloſen Haupttheilung unſerer Erde, wohl genug, wo nicht gar zu viel geſagt, und koͤnnen alſo mit deſto groͤ - ſerem Recht, die andere Haupttheilung, bey der wir Gattungen antreffen, neben ſie ſtellen, um zu ſehen, ob dieſe, das, was von jener geſagt worden, mehr erlaͤutert, oder ihm widerſpricht.

§. 263.

Wir wollen daher bey dieſer Haupttheilung erſt ſehen, wie und was ſie iſt; daraus wird ſich ergeben, wie und was ſie war; aus beiden aber vermuthen laſſen, wie und was ſie werden moͤchte. Daß wir aber jedes der zwey Obergeſchlechter, der Pflanzen und Thiere, hier genau, nach ihren Haupt - und Untergeſchlechtern, nach den Haupt - und Unterarten, nach Gattungen, Sorten und Stuͤcken, oder Perſonen, auseinander ſetzen ſoll -ten,187ten, doͤrfte uns wohl niemand zumuthen. Des - wegen will ich mich in dieſem Stuͤck der Kuͤrze bedienen, und den Raum fuͤr andere Betrach - tungen zu benutzen ſuchen.

§. 264.

Das Obergeſchlecht der Pflanzen haftet meiſtens an der Flaͤche der Oberordnung der feſten Koͤrper, und weil es dieſe Verbindung hat, wollen wir es zuerſt vor nehmen. Hier haben nun die neuen Naturkuͤndiger, in ſo ferne es Gattungen hat, und ſich dadurch fortpflanzt, oder ſich auf der Erde, wie es iſt, immer erhalten hat, noch erhaͤlt, und ferner erhalten wird, von dem Herrn Linne an, mehr als bey dem Obergeſchlecht der Thiere vor - gearbeitet, doch wollen wir lieber die Vergleichung dieſes Obergeſchlechts mit den gattungloſen Ord - nungen voraus ſetzen, und uns hernach zu jenen wenden.

§. 265.

Es iſt aber uͤberhaupt bekannt, daß keine Pflan - zenart, ſelbſt die Waſſerpflanzen nicht, urſpruͤng -lich188lich aus einer fluͤßigen Ordnung, wie die gattung - loſen feſten Koͤrper, ausgeſchieden werde; am allerwenigſten wird eine Pflanzenart, aus den gat - tungloſen Ordnungen der feſten Koͤrper erzeuget, und abgeſondert, obgleich die meiſten darauf haf - ten. Ja, obgleich die foͤrmlich gewachſene Ord - nung, wovon wir nur die bekannteſte Hauptart der Saltze anfuͤhren wollen, mit den unterſten Arten der Pflanzen viel gemein hat; (denn alle anſchieſſende Saltze erhalten ihren foͤrmlichen Ur - ſprung, als die erſte Stuffe des foͤrmlichen Wachs - thums, auch ſchon aus der doppelten Grundlage eines annehmenden und angenommenen Koͤrpers) ſo bleiben ſie doch noch immer weſentlich unter - ſchieden. Denn die Saltze werden hauptſaͤchlich vermittelſt dem Waſſer ſchon mehr zufaͤllig, aber mit Huͤlfe der Luft durch den aͤuſſern Anſchuß glei - cher Kriſtallchen, dadurch ſie auf einmal ihre Ge - ſtalt erhalten, erzeugt, vergroͤſſert, und in den Ruheſtand ihres foͤrmlichen ſchichtmaͤſigen Wuch - ſes geſetzt; ohne zubereitete innere Nahrung, Saftroͤrchen, und richtigen Jahrwuchs, auch ohneweitere189weitere Fortzeugung aus ſich ſelbſt, und endlich ohne gemeine Geburtsſtaͤte. Hingegen hat das ganze Obergeſchlecht der Pflanzen noch auſer dem Waſſer, beſtaͤndig mehr oder weniger freye Luft, nebſt freyem Licht noͤthig, und waͤchſt als Saame und Pflanze nicht von auſſen, ſondern von innen heraus, durch die Nahrung, die ihm durch Saft - und Luftroͤrchen zugefuͤhret wird, bis zu einer be - ſtimmten Groͤſe, zeugt auch wieder ſeines gleichen, aus ſich ſelbſt.

§. 266.

Folglich geht das Obergeſchlecht der Pflanzen ſchon weit genug von den Saltzen ab; indem es erſtlich Luft und Licht, auf der Oberflaͤche der Erde, als ſeiner Geburtsſtaͤte, bey ſeiner zweifachen Ge - ſtalt, als Saame und Pflanze zur freyen Ausbrei - tung haben muß, wobey es ſich nur mit den Wur - zeln, in der Dammerde, oder in den Steineiſſen befeſtiget; und denn mit Huͤlfe ſeiner Roͤhren, Waſſer, Luft und Licht, zu ſeiner Ausdehnung von innen, oder zu ſeinem Wachsthum, wie auch zurAnlage190Anlage ſeiner Fortpflanzung aus ſich ſelbſt, nach der verſchiedenen Einwirkung des Sommers und Winters, mit einer ſo freyen Bewegung, die ſein Leben zu heiſſen verdienet, in ſich zieht. Denn ſo bald dieſes zuſammen unterbleibt, heißt eine ſolche fuͤr ſich unthaͤtige Pflanze, todt.

§. 267.

Ob aber dieſes Leben der Pflanzen vorzuͤglich auf der erwaͤrmenden Bewegung unſeres Lichtes, und der Federkraft unſerer Luft, die beſtaͤndig wirkt, beruhe, und ſeine Saͤfte dadurch zubereite, oder ob nicht vielmehr ſchon im Kleinſten der foͤrmlichen Anlage in jeder Pflanze ein Trieb dazu verborgen liege, iſt noch unentſchieden. Waͤren die Saamenthierchen welche Buͤffon nebſt andern, in den Aufguͤſſen von Pflanzen, beobachtet haben will, genauer erwieſen; ſo wuͤrde man das Leben der Pflanzen, nicht allein bey den Waſſer - ſondern auch Landpflanzen, zugleich erklaͤren koͤnnen. Denn die freye Lebensbewegung, welche die Pflan - zen alle, ob ſie gleich meiſtens auf ihrer Stellebleiben,191bleiben, doch jede nach ihrer Art, zeigen, wuͤrde bey ſo freyer Bewegung dieſer Saamenthierchen, woferne ſie nur den erſten kleinſten Grad des Ge - fuͤhls haͤtten, ſchon aus der Verhaͤltniß des Bau - es im Kleinſten, und einem oder einigen ſolchen damit in Verhaͤltniß ſtehenden Anregern zu erklaͤ - ren ſeyn. Doch es ſey dieſes wahr oder falſch, wenn es nur den Ausdruck des Pflanzenlebens erlaͤutert.

§. 268.

Unterſcheidet man nun lebend, von lebendig (lebwendig) dadurch, daß lebend nur eine freye wachſende Bewegung vor ſich, ohne freywillige Wendung, oder Veraͤnderung des Orts erfordert, die nicht vom Eindruck einer fremden Bewegung, ſondern vom eigenen inneren Triebe abhaͤngt; le - bendig hingegen eine freye Wendung in der Be - wegung vor ſich, oder Veraͤnderung des Orts, die zwar gleichfalls aus eigenem inneren Triebe, doch willkuͤhrlich erfolgt, voraus ſetzt; ſo kann man dieſes Obergeſchlecht nicht lebendig, ſondern nur lebend nennen. Es fuͤhrt aber ſein Leben theilsblos192blos fuͤr ſich ſelbſt, zu ſeinem Wuchſe, Knoſpen - triebe, und Fortpflanzung durch Reiſer; theils auch bey ſeiner Vermehrung durch ſeinen Samen, den es umher ſtreuet, fuͤr das angraͤnzende Land, oder eigentlich fuͤr das Ganze ſeiner Art oder Ge - ſchlechts.

§. 269.

Vermoͤge dieſes Lebens fuͤr ſich ſucht nun die Pflanze in ihrem kleinſten Samen zuerſt die Be - feſtigung an ihrer Stelle, durch ihren Wurzel - keim, vermittelſt dem ſie auch kuͤnftig den groͤßten Theil ihrer Nahrung herbey fuͤhret; auf der Wurzel, als auf einer Grundlage, erhebt ſie nun die wachſenden und meiſtens gruͤnenden Theile, die freye Luft und Licht genieſſen ſollen, und die wir eigentlich Pflanze nennen; und dieſes entwe - der bis zu einer einzigen Beſamung, oder bey wiederholten Beſamungen, bis zu der Groͤße, wo ſie als beſtehend anzuſehen iſt. Von da an laͤßt der friſche Trieb des Pflanzenlebens allmaͤh - lig nach, ſo daß er gleichſam ruͤckwaͤrts wirkt;und193und nun bemaͤchtigen ſich die Eingliederungen derjenigen Theilchen, welche nicht mehr unterſtuͤ - tzet werden. So wird die Pflanze aufgeloͤſet. Vergleicht man dieſes mit dem Begriff der Na - tur, ſo kan man das Leben der Pflanzen und ihre Natur fuͤr eins halten, wie die Natur der Salze und ihren Anſchuß.

§. 270.

Daß aber keine Pflanze ihr Leben von ſich ſelbſt, ſondern allezeit anders woher habe, laͤßt ſich aus der Betrachtung dieſes Obergeſchlechts leicht erkennen. Wir wollen aber, ohne die vie - len Arten der Pflanzen, und ihre Ausnahmen, oder ihr ganzes Weſen und volle Geſchichte aus einander zu ſetzen, von ihnen nur das, was die meiſten gemein haben, naͤmlich ihr Blatt, vor uns nehmen. Dieſes iſt als Keim - Knospen - und Bluͤthenblatt, wie ein beſtaͤndiger Vorlaͤufer oder Vorbereiter des Nachwuchſes ſeiner Pflanze anzuſehen, und zeigt die Stellen, wo die Anlage eines neuen Pflanzenlebens, und dergleichenNjunge194junge Natur gegruͤndet liege, oder erſt gegruͤndet werde; ob wir gleich die Ein - und Vorwirkung dieſes dreyfachen Blattes, weder da noch dort, voͤllig zu erklaͤren wiſſen.

§. 271.

Das Keimblatt, wodurch die Pflanze kaum zwiſchen dem Mutterkuchen ihres Samens her - vorſproſſet, ſucht fuͤr ſeine Nachfolgerin die erſte Gemeinſchaft mit Luft und Licht; nachdem es ſich ſelbſt vornaͤmlich mit Huͤlfe des Waſſers dazu ent - wickelt hatte. Das Knospenblatt erweiſt der mit ihm verbundenen Knospe, ſo ferne jede ſchon ei - ne kleine Nachfolgerin der Pflanze, doch ohne Mutterkuchen heißen kann, einen gleichen Dienſt, nur aber mehr fuͤr die Nachkunft. Das Bluͤ - thenblatt hingegen ſoll vermuthlich nicht ſowohl fuͤr eine ſchon vollkommene Nachfolgerin, als fuͤr die Grundtheile einer kleineren oder groͤſſeren Nachkommenſchaft, die hier durch viele beſondere Beſchuͤtzer und deren Verbindung, als einzelne Ganze vereinigt wird, auf eine viel zaͤrtlichere Art Luft und Licht maͤßigen.

§. 272.195

§. 272.

So fern nun die kleine Nachfolgerinnen dieſer drey Blaͤtter, als Theile ihres Groſſen, oder Hauptganzen, dennoch ſchon wieder ein aͤhnliches Ganze der Geſtalt nach vorſtellen; ſo treffen wir hierbey noch einige Aehnlichkeit mit den Salzen, von denen ſich auch das kleinſte Theilchen, ſchon die foͤrmliche Geſtalt ſeines groſſen Ganzen ge - ben kann, an. Doch wird hier in allen drey Faͤl - len, zum Wohlſtande dieſer kleinen Nachkommen, mehr freye Luft und Licht, als bey den Salzen er - fordert, wie jedem Landmann ſo gut, als dem Kunſtgaͤrtner, aus der Wartung der Pflanzen bekannt iſt.

§. 273.

Daher kann man den Schluß machen, daß ſich der Urſprung dieſes Obergeſchlechts, man ſetze, welchen man wolle, auf unſerer Erde, nicht eher noch anders behaupten laſſe, als nachdem ſchon Luft und Licht ihre Oberflaͤche uͤberſtroͤmte; es ſey nun Licht, wie jetzt, oder anders beſchaffen gewe - ſen. Ohne dieſe beyde laͤßt ſich weder der Ur -N 2ſprung196ſprung der Pflanzen, und ihr Leben, noch ihr Wohlſtand natuͤrlicher Weiſe annehmen.

§. 274.

Nunmehr bin ich wohl im Stande, bey der ausgewachſenen Pflanze den Fortwuchs und Fortpflanzung dieſes Obergeſchlechts, von deſſen Fortzeugung genauer zu unterſcheiden, wenn ich ihre Bluͤthenzeit, mit dem Samen, gegen die weit voraus gehenden Knospen halte. Ob ſich nun gleich der Anfang der ſo fruͤhzeitigen Knos - pen, im Kleinſten nicht gewiß angeben laͤßt, weil er im Verborgenen, theils unter der Rinde, theils im inneren Kernjahr des jungen Reiſes bereitet wird; ſo iſt es doch genug anzumerken, daß ſol - che als kleinere Ganze, wie einzelne Theile einer Geſellſchaft ſind, mit den vorigen aͤltern, und nachfolgenden juͤngern, ein Hauptganzes zu ma - chen beſtimmt ſind, und alſo immer in den aͤltern eingewurzelt ſitzen, oder ſich von ihnen naͤhren, aber auch ihren Fort - und Zuwuchs beſorgen. Solches zeigen die alten verfaulten Fichten ſehrdeutlich,197deutlich, wo ſich die harzige Wurzel jedes Aſtes vom Mulm des alten Stammes merklich unter - ſcheidet. Doch laſſen ſich auch die jungen der Knospen, von ihren aͤltern, durch die Kunſt ab - ſondern, und in andere Staͤmme verſetzen, auch gar in die bloße Erde zum Einwurzeln einpflan - zen, wie die Gaͤrtnerey und des Agricola Uni - verſalvermehrung beweiſen.

§. 275.

Wenn nun eine Art von Pflanzen ſo beſchaffen iſt, daß ſie keine juͤngern Wurzelreiſer aus den aͤltern Wurzeln, die gleichſam ihre unterirdiſche Aeſte vorſtellen, zur Umſtockung austreibt; ſo kann man ſolchen Pflanzen keine weitere Fort - pflanzung, ſondern blos eine Ausbreitung nach den Zweigen, oder einen Fortwuchs beymeſſen. Hingegen die Wurzelreiſer anderer, wie den aͤuſ - ſeren Zuwuchs ihrer geſchloſſenen Haushaltung anſehen. Dieſem zu folge vermag ſich keine Pflanzengattung weiter, als an ihrer Stelle aus - zubreiten, und alſo auch nicht andere GegendenN 3zu198zu bepflanzen; welches zu beweiſen ſcheinet, daß man den Unterſchied zwiſchen den Anſtalten einer Pflanze fuͤr ſich, und denen fuͤr das Land umher feſt ſetzen doͤrfe. Denn keine Knospe iſt an ſich fuͤr das Land umher, ſondern fuͤr die Pflanze ſelbſt veranſtaltet.

§. 276.

Da man aber gleichwohl alle Gattungen uͤber den alten Meergrund, durch viele getrennte neue Laͤnder, mehr oder weniger ausgebreitet findet, und dieſes doch nicht von der Natur der Knospe, auſſer durch Kunſt, wie die mehreſten unſerer ge - pfropften Obſtarten beweiſen, hergeleitet werden kann; ſo muß blos der Same, den jede Pflanze gleichſam von ihrer geſchloſſenen Haushaltung ausſchließt, um durch Wind und Waſſer einen natuͤrlichen Anſitz zu finden, ehemahls den neuen Laͤndern dieſe verbreitete Fortpflanzung des Pflan - zengeſchlechts verſchaft haben, und als die An - ſtalt der Pflanzen fuͤr das Land angeſehen werden.

§. 277.199

§. 277.

Deswegen doͤrfen wir nur noch die Bluͤthe mit ihrem Nachfolger, dem Samen, genauer be - trachten, um die wahre Ausbreitung der Pflan - zen uͤber die Laͤnder zu beſtimmen, oder vom Wuchs, Knospentriebe, und Umſtockung zu un - terſcheiden. Denn die Bluͤthe iſt eben der Be - gattungsſtand der Pflanze, wo ſich das allgemei - ne Kenn - und Unterſcheidungszeichen dieſes Ober - geſchlechts offenbaret, und in Ruͤckſicht auf ſeine Pflanze, der die Begattung mehr ſchadet, als nuͤtzet, ſeine Beſtimmung blos fuͤr das Land um - her, das iſt zur Fortzeugung, beweiſet.

§. 278.

Zu dieſer Betrachtung veranlaſſen uns ſelbſt einige Pflanzen, die naͤmlich in Anſehung der Bluͤthentheile, entweder durch zwey beſondere Baͤume, oder Stauden, zwey abgeſonderte Gat - ten vorſtellen, oder wo ſich auf einem einzigen Baum oder Staude dennoch zwey abgeſonderte Bluͤthentheile, als zweyerley Gatten in einer Haushaltung zeigen.

N 4§. 279.200

§. 279.

Wenn man nun findet, daß der eine Baum ſolcher Art, das Behaͤltniß des Samens, oder die Fruchtbluͤthe giebt; der andere aber, ſo nie - mahls Samen traͤgt, blos die Stanbbluͤthe fuͤhrt, oder einen fliegenden Staub, als die Befeuch - tung fuͤr jenen hergiebt, weil der erſte ohne die - ſen Staub keinen wahren, ſondern hoͤchſtens tau - ben Samen traͤgt, ſo kann man dieſen, der die Staubbluͤthe traͤgt, billig das Maͤnnchen, und jenen das Weibchen, beyde aber ledige Staͤmme, ihre Bluͤthen ledige Bluͤthen, und das Geſchlecht zweyſtaͤmmig, oder auch ledig nennen. Diejeni - gen Baͤume oder Stauden aber, worauf die Fruchtbluͤthe und Staubbluͤthe zugleich, doch je - de beſonders ſtehet, koͤnnen eheliche Staͤmme und Bluͤthen, und das Geſchlecht eheſtaͤmmig heiſſen.

§. 280.

Viele andere Pflanzen, wo gemeinſchaftliche Bluͤthenblaͤtter, maͤnnliche und weibliche Bluͤ - thentheile zuſammen einſchließt, wird man Zwit -ter -201terſtaͤmme, Zwitterpflanzen, mit Zwitterbluͤthen nennen koͤnnen, und zwar, ſo weit jeder ſolcher Zwitter ſich ſelbſt genug iſt, wird ſolche Pflanze gepaart, das Geſchlecht aber zwitterſtaͤmmig heiſ - ſen doͤrfen. Die uͤbrigen unbeſtimmten Begat - tungs - und Pflanzenarten laſſe ich jetzt an ihrem ſtreitigen Orte ſtehen.

§. 281.

Bemerkt man weiter, wie ſich die ledigen Staͤmme fuͤr ſich verhalten, und zwar, daß das Maͤnnchen allezeit Knospen und Reiſer von ſei - ner Art, niemahls aber von weiblicher Art treibt, und das Weibchen ſich wieder eben ſo verhaͤlt, ſo wird der obige Satz, daß naͤmlich der Knos - pentrieb nur die eigene Haushaltung jeder Pflan - ze, und nicht ihre Ausbreitung uͤber die Laͤnder, zur Abſicht habe, zugleich erwieſen. Ja die ehe - lichen Staͤmme ſelbſt, in ſo ferne naͤmlich ihre zweyfache Bluͤthen, aus den Knoſpen aller Jahr - triebe, durch einen gemeinſchaftlichen Umſchluß, niemahls zur Zwitterbluͤthe werden, beſtaͤtigenN 5eben -202ebenfalls, daß ſolches blos zum eigenen Wohl - ſtande der Pflanze, abziele.

§. 282.

Da hingegen die ledigen Bluͤthen maͤnnlicher und weiblicher Art, niemahls zum Vortheil ihrer Staͤmme hervorbrechen, ſondern vielmehr oft zu ihrer Entkraͤftung gereichen; wie denn eben das auch von den ehelichen und Zwitterbluͤthen gilt; ſo hat man Urſache, die Folge davon nach einer andern Abſicht zu beurtheilen.

§. 283.

Der Endzweck der Bluͤthen aber iſt der Same, daher muͤſſen wir ihn genauer betrachten, und dieſes Hauptzeichen naͤher kennen lernen. Ob nun gleich jeder ledige Stamm vor ſich ein voll - ſtaͤndiges Ganzes ausmacht, ſo iſt er doch, wenn wir auf den Samen ſehen, nur die Haͤlfte vom Ganzen, deſſen Gatte er heißt, und die andere Haͤlfte, das iſt den andern Gatten, zum vollkom - menen Ganzen des Samens fordert. Man koͤnn -te203te alſo die aͤhnlichen Haͤlften oder Gatten von ei - nerley Geſchlecht, eine Gattenſchaft, oder das eine Untergeſchlecht nennen. Solches findet auch bey den zweyfachen aͤhnlichen Bluͤthen, und bey den verſchiedenen Bluͤthentheilen der Zwitter ſtatt.

§. 284.

Weil nun das Weibchen, wenn ihm ſein Maͤnnchen fehlt, hoͤchſtens nur taube Huͤlſen und leere Mutterkuchen, oder Fruͤchte, ſtatt eines vollkommenen Samens hervorbringt, und dieſe Huͤlſen dem ungeachtet doch ſchon die aͤuſſere Ge - ſtalt des guten Samens haben; der maͤnnliche Bluͤthenſtaub hingegen ein umher fliegender, und mit der weiblichen Huͤlfe verglichen, unfoͤrmlicher zarter Koͤrper iſt, der nach ſeinem noch fluͤchtige - ren Duft vielmehr den inneren Raum der Huͤlſe, oder ihr Geaͤder auszufuͤllen, und den Entwurf der Huͤlſe auszuzeichnen, hernach aber den Trieb der Saftroͤhren anzuregen, vermag: ſo folgt hier - aus, daß die aͤuſſere und innere, doch leere und unbewegte Geſtalt des Samens, oder das Be -haͤltniß,204haͤltniß, vom Weibchen erzeugt werde; hingegen deſſen verhaͤltnißmaͤßige Ausfuͤllung und Anre - gung oder Belebung, nur allein vom Maͤnnchen, und ſeinem duftreichen Bluͤthenſtaub herſtamme. Beydes alſo zuſammen, und nicht einzeln, ge - nommen, kann die Begattung heißen, oder voll - ſtaͤndigen Samen geben.

§. 285.

Im uͤbrigen iſt es bekannt genug, daß dieſe Be - gattung im Kleinſten geſchehe, und nach der Be - gattung des Maͤnnchens Staubbluͤthen, die nun weiter nichts nuͤtzen, verſchwinden; die weiblichen kleinen Samenkoͤrnerchen hingegen ſich an ihrer Mutter bis zu ihrer Reife naͤhren; denn aber der Same, indem beyderſeitige Nahrungsroͤhr - chen werden, gleichſam aus der weiblichen Haus - haltung hinausgeſtoſſen, und Wind und Wetter, oder den Thieren zum Futter, folglich dem Zufall oder einem mehr oder weniger zutraͤglichen Plaͤtz - chen auf dem Lande, zum auskeimen uͤberlaſſen werde. Eben ſo geht es auch mit dem ehelich und zwittermaͤßig erzeugten Samen zu.

§. 286.205

§. 286.

Es bringt aber der Same von jeder Pflanze, die Art, von der er abſtammt, beſtaͤndig wieder hervor: folglich der Same von ledigen wieder beyderley ledige, von ehelichen wieder eheliche, und von Zwittern wieder Zwitter. Von den Baſtarten des Herrn Koͤlreuters reden wir hier nicht, denn wir muͤßten ſonſt die Unterſuchung der maͤnnlichen und weiblichen Bluͤthen weiter treiben, als es zur gegenwaͤrtigen Abſicht noͤthig iſt. Genug, daß jedes vollſtaͤndige und reife Samkoͤrnchen die kleinſte Bildung ſeiner Eltern, einſeitig, oder zweyſeitig zwiſchen dem Mutter - kuchen enthaͤlt, und dadurch die groͤßte Pflanze, wofern nur dieſes Koͤrnchen nicht durch widrige Zufaͤlle geſtoͤhret wird, zur Wirklichkeit kom - men kann.

§. 287.

Iſt es nun ausgemacht, daß keiner von den le - digen Staͤmmen, er mag maͤnnlichen oder weib - lichen Geſchlechts ſeyn, einſeitig, ohne Zuthun des andern Geſchlechts, vollſtaͤndigen Samenhervor -206hervorbringen kann; ſo koͤnnen wir auch wohl ſicher ſchlieſſen, daß auch ſchon ehemahls, auf den alten feſten Laͤndern dieſe Gatten nicht weit von einander haben ſtehen muͤſſen, wenn der be - nachbarte Meergrund, bey ſeiner Entbloͤſſung, damit hat bepflanzt werden ſollen.

§. 288.

Da ferner aus der Traͤgheit dieſer und aller uͤbrigen Samen, die keine Fluͤgel haben, daß ſie der Wind ſehr weit fortfuͤhren koͤnnte, folgt: daß ſolche nicht weiter, als auf dem naͤchſten Strich dieſes entbloͤßten Meergrundes, wohin ſie durch Regenbaͤche, oder als Thierfutter gelangen konn - ten, ſich haben anpflanzen, und nur durch auſſer - ordentliche Vorfaͤlle, uͤber die entfernten Erd - theile ausbreiten koͤnnen.

§. 289.

So iſt auch nicht zu leugnen, daß wenn ſonſt ein Erdſtrich ſeine eigene Pflanzenarten hatte, ſol - che das angraͤnzende neue Land des Meergrundeseben207eben ſo erhalten, und nachher bis jetzt ſo fortge - fuͤhret haben werde; und daß man dadurch den Zuſtand der vorigen benachbarten feſten Laͤnder, ruͤckwaͤrts, aus dem jetzigen, obgleich nicht mit beſtimmter Gewisheit, doch ungefehr uͤberhaupt anzeigen koͤnne. Von den Meerpflanzen, deren Same das Meer zugleich mit ſich, nach ſeinen je - tzigen Meerſchoͤſen hinfuͤhren konnte, werden wir eben dieſes behaupten koͤnnen.

§. 290.

Wenn wir nun bey dem, was wir von der gleichartigen Bepflanzung der neuen Laͤnder, und des neuen Meeres, geſchloſſen haben, wieder zu - ruͤck denken, und uns erinnern, daß dieſe neue Laͤnder, nach zuſammen geſtuͤrzten Grundgebirge, friſch aufgebaute Schichtgebirge ſind; ſo wird man ſich nicht enthalten koͤnnen, wenn man die feſten und fluͤßigen Ordnungen, wie ſie jetzt ſind, mit den vorigen, bis in der erſten Jugend der Er - de, vergleicht, ſie mit einander dem Gehalt und der Geſtalt nach, immer anders geartet, anzuge -ben;208ben; da hingegen das gattige Obergeſchlecht an ſich, allezeit daſſelbe, nicht allein nach dem, was es ſonſt uͤberhaupt, ſondern auch was es an ver - ſchiedenen Orten ins beſondere war, geblieben iſt. Folglich waͤre die gattungloſe Haupttheilung die - jenige, ſo die Verwandlung nicht allein hier, ſon - dern auch vielleicht in allen Himmelskoͤrpern, uͤber ſich nehmen muͤßte; die gattige Haupttheilung hingegen waͤre bey den Verwandlungen der Erde, ſo wie auch wohl anderer Himmelskoͤrper, im Hauptweſen unveraͤnderlich geblieben, und duͤrfte alſo auch wohl vermuthlich bey kuͤnftigen Ver - wandlungen ſo bleiben.

§. 291.

Ja wenn man die bisherige Betrachtung dieſes Obergeſchlechts an ſich ganz allein, bis in die aͤl - teſte Zeit, oder erſte Jugend der Erde zuruͤck, ver - folgt, ſo laͤßt ſich auch ſchwerlich anders davon denken. Denn ſollte wohl dieſes Obergeſchlecht, deſſen aͤhnliche kleinſte Nachkommen, als Same, allezeit durch die Begattung zweyer Gatten, ſonſt,ſo209ſo wie jetzt, hervorgebracht wurden, dort nicht eben auch ſeinen Urſprung auf dieſe Art, und wie - der anderweit her erhalten haben? und wenn die - ſes iſt, wie und woher bekam die Erde, die erſte Vorfahren dieſes Geſchlechts? vermuthlich auch theils auf einem feſten Lande, und theils am Mee - re, mit Waſſer, Luft und Licht frey uͤberſtroͤmt? und mußten nicht ſolche Laͤnder und Meere wenn ihrer mehrere waren, ſchon eben ſo, wie jetzt, nach den Arten dieſes Geſchlechts unterſchieden ſeyn? folglich waͤre auch nach dieſen Gruͤnden, dieſes Geſchlecht uͤberhaupt immer daſſelbe geweſen, und eine Natur haͤtte wieder neue gleiche Natu - ren hervorgebracht.

§. 292.

Bis hieher ſtimmte nun dieſes Obergeſchlecht, in Anſehung deſſen, was wir in unſern nahgele - genen Laͤndern, oder unſern alten Meerſchoͤſen umher finden, mit den obigen Bemerkungen von der Erde, uͤberein. Es zeiget aber auch die Erd - beſchreibung und Kraͤuterkunde der entlegentſten Laͤnder der Erde, daß es uͤberall dieſelben Eigen -Oſchaften210ſchaften habe. Denn jedes Land und jede Meer - kuͤſte, die man uͤberall als vorigen Meergrund anzuſehen hat, fuͤhren von den aͤlteſten Zeiten her ihre beſondere Pflanzenarten fort. Selbſt ver - ſchiedene Striche jedes feſten Landes, ja manche Inſeln, erhalten Pflanzen, die ihnen beſonders eigen ſind, ohne hier auf den Unterſchied zwiſchen den Kraͤutern der Gebirge, und auf ebenem Lan - de zu ſehen. Daraus laͤßt ſich vermuthen, daß jeder alte Meerſchoos, der jetzt einen Erdſchos, oder eine abgetiefte Ebene des feſten Landes, mit Schichtgebirgen umher vorſtellt, in ſo ferne er gegen einen andern Schoos ſolches feſten Landes beſondere Pflanzenarten fuͤhrt, nicht allein all - maͤhlig zu feſtern Lande geworden, ſondern auch von einer andern Seite her, oder von einem an - dern alten feſten Lande, welches vor Entbloͤſung der uͤbrigen Meerſchoͤſe zuſammen ſtuͤrzte, be - pflanzet worden ſey.

§. 293.

Man findet dieſes ſehr erlaͤutert durch den An - bau der Schichtgebirge, die abhaͤngend liegen;wobey211wobey die aͤlteſten und aͤuſſerſten ſchon wieder entbloͤßt waren, wie die juͤngeren oder inneren jedes alten Meerſchoſes erſt angelegt wurden; und auch durch die eingefluͤtheten Dinge, die von vorigen Laͤndern zeugen. Denn dieſe wechſeln in ihren Arten ſo gut, als die Schichtgebirge, und beweiſen dadurch, daß bald da, bald dort, ein Stuͤck vom vorigen feſten Lande, das andere Pflanzen naͤhrte, entweder nur uͤberſchwemmt worden, oder gar zuſammen geſtuͤrzt ſey. Ge - nug, wenn man daraus ſieht, daß ſchon damahls jede Gegend, ſo wie jetzt, ihre beſondere Pflan - zen hegte.

§. 294.

Waͤre nun die Erdkunde in dieſem Stuͤck ſchon ſo weit, daß wir die Erdſchoͤſe unſerer feſten Laͤn - der und groſſen Inſeln, als vorige Meerſchoͤſe, ſowohl nach ihren bloſſen Schichtgebirgen, als auch nach den eingefluͤtheten Merkmahlen der vo - rigen feſten Laͤnder, mit einander vergleichen koͤnn - ten; ſo wuͤrden wir auch weiter gehen, und zu - gleich die Kraͤuterkunde der alten Erde, ja viel -O 2leicht212leicht des aͤlteſten, oder ganz jungen Erdkreiſes, noch in mehreres Licht ſetzen koͤnnen.

§. 295.

Wir denken inzwiſchen wenigſtens unſern Erd - und Himmelsforſchern die Bahne zu weiteren Bemerkungen und Folgerungen zu brechen, ſo bald ſie in ihren Gegenden mit uns einſehen wer - den, wie das Pflanzengeſchlecht des alten feſten Landes, das neue Land des vorigen Meergrundes, nach jeder Gegend eingenommen, und ſeine ge - wiſſe Eintheilung behalten habe, ohne daß die gaͤnzliche, ſchon laͤngſt geſchehene Verwandlung der Erde, die wir jetzt vor uns finden, darinne eine Verwirrung gemacht haͤtte. Denn wie ſie ſich in den Verſteinerungslagern, oder aus den aͤlteſten Zeiten, nach ihren Arten in ſolchen Ge - genden zuſammen gefluͤthet, zeigen, ſo finden ſie ſich noch jetzt beyſammen, und ſollte es in Ame - rika, oder ſonſt wo ſeyn.

§. 296.

Wenn aber dieſe gaͤnzliche Erdverwandlung dennoch nichts an der Ordnung dieſes Oberge -ſchlechts213ſchlechts verruͤckt hat; ſollte nicht der angebliche Urſprung eines Himmelskoͤrpers, aus andern aͤl - tern, der der Natur gemaͤß ſeyn kann, die Ord - nung dieſes Obergeſchlechts, noch beſſer moͤgen erhalten, und aus den aͤltern Himmelskoͤrpern, jeden Erdtheil mit ſeinen Pflanzen, ſo wie er iſt, in ſeinen Urſprung uͤbernehmen koͤnnen, oder ehe - mahls eben ſo gut uͤbernommen haben? doch da ſich dieſes nicht hinlaͤnglich beweiſen laͤßt, ſo wol - len wir auch nicht weiter davon reden.

§. 297.

Sondern vielmehr das andere gattige Oberge - ſchlecht der Thiere vor uns nehmen, und es zu - erſt mit den Pflanzen vergleichen, wie wir dieſe mit den Salzen verglichen haben. Es wird aber hier nur uͤberhaupt geſchehen koͤnnen, weil uns eine beſondere Betrachtung, von unſerm Zweck zu weit ableiten wuͤrde; wie wir denn auch dieſes Obergeſchlecht nach ſeinen Hauptgeſchlechten, Haupt - und Unterarten, ſowohl bey den See - als auch Landthieren, nicht genau, auſſer nach ge - wiſſen Beziehungen betrachten werden.

O 3§. 298.214

§. 298.

Wie alſo das Leben der Pflanzen ſchon eine freyere Bewegung, als der Anſchuß der foͤrmli - chen Ordnung noͤthig hatte; ſo erfordert die See - le der Thiere eine noch freyere Bewegung, naͤm - lich die Faͤhigkeit den Ort zu veraͤndern, ſowohl in Anſehung der Glieder, als des ganzen Koͤr - pers. Zu dieſer freyeren Bewegung diente ein ſtaͤrkerer Gebrauch des Waſſers, und einer freyen, mit ihrer Federkraft und erwaͤrmenden Licht ver - ſehenen Luft, dazu der Athemzug verhilft, ſowohl im Meere, als auf dem Lande. Den Athemzug nebſt der freyen Bewegung zu unterſtuͤtzen, iſt ein ſtaͤrkerer Umtrieb der Saͤfte, und groͤſſere Macht der Roͤhren noͤthig, davor der Schlag des Herzens und der Schlagadern ſorget; allein um die freye Bewegungen zu beſtimmen, war das lebhaftere Gefuͤhl, und alſo das Gehirn und die Nerven unentbehrlich, und zur Erhaltung und Dauer aller dieſer Theile, eine den Thieren an - paſſende und ſchon naͤhere Nahrung, als die Pflanzennahrung, ja gar voͤllig thieriſche, undihre215ihre Zubereitung, folglich auch die Verdauungs - Eingeweyde noͤthig. Endlich muſten auch noch, um gleiche Naturen wieder hervorzubringen, oder die thieriſche Fortzeugung auszufuͤhren, beſonde - re Zeugungstheile, die man faſt durchgehends in maͤnnliche und weibliche unterſcheiden kann, vor - handen ſeyn.

§. 299.

Das Obergeſchlecht der Thiere iſt alſo dem Pflanzengeſchlechte in Anſehung der Fortzeugung am aͤhnlichſten, denn alles uͤbrige weicht bey den Thieren, nach den Stufen ihrer Arten, immer merklicher ab; doch iſt die Eintheilung der Thie - re, nach ihren Zeugungsarten auch wieder ſehr verſchieden. Nun hat zwar Herr Linne ſeine Geſchlechtszeichen, die er bey den Pflanzen ſo gut zu nutzen gewußt, bey den Thieren nicht fortge - ſetzt; allein nach unſerer Abſicht die Natur zu betrachten, muͤſſen wir hier ſolche Zeichen, wie - wohl nur uͤberhaupt, fortfuͤhren.

O 4§. 300.216

§. 300.

Wenn man nun bey den Pflanzen mehr ledige und eheliche, als Zwitter antrift; ſo kehrt es ſich bey den Thieren um, ſo, daß viel weniger Zwit - ter, als ledige ſind. Fand man ferner die mei - ſten ledigen und ehelichen Staͤmme unter den groͤſſeren Arten, die Zwitter aber unter allen von den groſſen bis zu den kleinſten Pflaͤnzchen; ſo findet man bey den Thieren umgekehrt die Zwit - ter faſt allein unter den kleinern, und darunter wohl wenige, wie die Zwitterbluͤthen gepaarter Art, oder die ſich ſelbſt, ohne den Beytritt eines andern vor ſich lebenden, begatteten.

§. 301.

Es laſſen ſich zwar die Begattungen der Thie - re noch nicht ſo gewiß, wie bey den Pflanzen be - ſtimmen, ob wir gleich von vielen ſagen koͤnnen, daß bey ihnen jede zeitige Begattung eine Frucht erwecke; doch wird man vielleicht kuͤnftig zuver - laͤßiger entſcheiden koͤnnen, ob das, was wir bey einigen Thieren Geilheit nennen, nicht vielmehrzur217zur nothwendigen vielfachen Begattung gehoͤre, ohne welche die Fortzeugung, wie bey vielen Bluͤ - then, den Abſichten der Natur nicht ganz gemaͤß erfolgen wuͤrde.

§. 302.

Selbſt die gewoͤhnlichſte Zahl der Jungen bey jeder Thierart, die der Menge des Samens von einer einzelnen Fruchtbluͤthe gleicht, wuͤrde nach den meiſten Faͤllen angemerkt, von allen zuſam - men geordnet, und mit einander verglichen wer - den muͤſſen, wenn man dieſes Obergeſchlecht, von dieſer Seite, wie die Pflanzen, kennen wollte.

§. 303.

Pflanzen und Thiere aber ſind bey der Fort - zeugung ſich darinne uͤberhaupt aͤhnlich, daß man annehmende Theile bey dem Weibchen, und die hiezu erforderlichen angenommenen Theile bey dem Maͤnnchen antrifft. Zum Anſchuß der Sal - tze, oder zur foͤrmlichen Bildung ihrer Kriſtallen, ſind ebenfals annehmende, und angenommene Theile noͤthig, wie wir oben bemerkt haben: da -O 5her218her findet man den Grund der foͤrmlichen Bil - dung, von der unterſten bis zur hoͤchſten Stuffe, allezeit zweyſeitig und niemals einſeitig, oder kein Koͤrper hat die Anlage ſeiner Geſtalt und ausbil - dende Bewegung, blos aus ſich ſelbſt.

§. 304.

Ohne zu beſtimmen, wo ſich die Graͤnze der Pflanzen und Thiere ſcheide, oder wo die Thier - pflanze und Pflanzenthier, ſchon mehr Thier, als Pflanze ſey, wollen wir lieber die thieriſche Ge - ſtalt und Geburt betrachten, und gegen das Pflanz - artige halten. Wenn wir nun finden, daß die Eyer des thieriſchen Weibchens, in denen Thieren, wo man ſie deutlich erkennen kann, ohne den maͤnnlichen Samen, zur Fortzeugung niemahls taugen, ſondern allezeit unfruchtbar bleiben, ob ſie gleich wie die Samen der Fruchtbluͤthen, ſchon die voͤllige aͤuſſere Geſtalt des Eyes haben; ſo iſt die Aehnlichkeit dieſer Anlage zwiſchen ſolchen Thieren und den Pflanzen von dieſer Seite deut - lich. Kann man ferner dem fluͤßigen maͤnnlichenSamen219Samen der Thiere, eben ſo wenig, wie dem flie - genden Staub maͤnnlicher Bluͤthen, eine foͤrmliche Geſtalt zuſchreiben, ſo iſt auch in dieſem Fall die Aehnlichkeit unleugbar: folglich ſind auch die Ey - er aller ſolchen Weibchen, fuͤr bloſſe leere Anlagen der kuͤnftig auszufuͤllenden und zu bewegenden Bildung, oder als Behaͤltniſſe des ausfuͤllenden und bewegenden Samens anzuſehen. Daher be - ruhete die erſte Anlage der thieriſchen Geſtalt, auf der Empfaͤngniß des Samens in die Eyerchen, und alſo geſchaͤhe ſie eben ſowohl zweyſeitig, als auch im Kleinſten.

§. 305.

Die oben bey den Pflanzen uͤbergangenen Baſt - arten des Herrn Koͤlreuters, die ebenfals bey die - ſer erſten Geſtalt ihren Urſprung nehmen, laſſen ſich hier bey den thieriſchen Baſtarten zugleich mit vorſtellen, wenn man nur noch vorher einen Blick auf die unterſte Stuffe dieſer erſten Geſtalt, naͤmlich auf die Saltze, zuruͤck thut. Denn ſo - wohl durch die Verwechſelung des laugenſaltzigen Behaͤltniſſes, als auch des ſauren, ſo davon auf -genom -220genommen wird, verwechſelt, oder veraͤndert die Geſtalt der daraus entſpringenden Saltze; und wenn man nun gleich die Behaͤltniſſe der Pflan - zen und Thiere weder fuͤr laugenſalzartig, noch die Theile, die ſie beyderſeits zu ihrer Befruchtung aufnehmen, fuͤr ſauer, mit Gewisheit angeben darf; ſo bleibt doch uͤberhaupt genommen, ſo viel wahr, daß des einen, wie des andern Verwechſe - lung, die erſte Anlage der Geſtalt, und damit zu - gleich alles, was davon abhaͤngt, eben auch ver - aͤndern muͤſſe; wofern nur die noͤthige Faͤhigkeit zur Empfaͤngniß ſtatt findet. Dieſes erſtreckt ſich, bis auf die Begattung der verſchiedenen Unter - arten, und beweißt bey jeder eine beſondere Bau - und Miſchungsart, in dem Beytrage zur Zeugung. Denn es kann dieſes blos in der Verhaͤltniß der Linien vom Bilde, und der Grundtheilchen von der Miſchung gegruͤndet ſeyn.

§. 306.

In dieſer Faͤhigkeit zu empfangen liegt es, daß die ledigen Staͤmme oft weit von einander, ohneNach -221Nachtheil fuͤr die Begattung, abſtehen koͤnnen, wenn nur der Wind den Samenſtaub, zur Frucht - bluͤthe fuͤhren kan. Dieſe Faͤhigkeit in der Ferne zu empfangen, war bey dieſem Obergeſchlechte, das ſeinen Ort nicht veraͤndern kan, noͤthig. Bey dem Thiergeſchlechte hingegen nicht. Denn es kan ſich eines zum andern bewegen; wie denn verſchiedene, blos um die Zeit ihrer Begattung, fluͤgen, und nach ihren Empfindungen ihres glei - chen, ausſpuͤhren.

§. 307.

Der Bau und die Geſtalt der thieriſchen Zeu - gungstheile bey den Maͤnnchen und Weibchen, haben eine ſolche Verhaͤltniß gegen einander, daß das Weibchen, das Zeugungsglied des Maͤnn - chens meiſtens in ſich nehmen kan, und bey der Begattung in ſich nehmen muß. Bey den Pflan - zen iſt dieſes nicht ſo zu bemerken, denn ſie em - pfangen meiſtens aͤuſſerlich; die Thiere hingegen innerlich; Fiſche und wenige andere ausgenom - men.

§. 308.222

§. 308.

Ob nun gleich der Bau der Zeugungstheile bey vielen ledigen Thieren, zu ihrer beyder beſonderen Begattung und Empfaͤngniß eingerichtet iſt; ſo hat er doch auch bey vielen eine gemeine Einrich - tung, daß naͤmlich das Weibchen die Zeugungs - theile vieler fremdartiger Maͤnnchen, einnehmen, oder daß ſich das Maͤnnchen, vielen andern Weib - chen mittheilen kan. Stimmte nun dabey, das Geſchicke ſich zu begatten, mit der Faͤhigkeit zu empfangen, uͤberein; ſo koͤnnten nach ſolchem An - ſchein zwiſchen dieſen leicht Baſtarten erfolgen: Allein die Thierkunde beweiſet, daß dieſes Geſchi - cke keine Baſtarten veranlaſſe; ſondern daß viel - mehr die verſchiedene Sinnlichkeit der Thiere, und der hieraus folgende Wiederwille, Thiere von verſchiedener Art, von einander zuruͤck haͤlt, und daß ſich Thiere von fremder Art nicht eher mit einander vermiſchen, als bis ſie entweder Kunſt und Gewalt, wie z. B. wenn ſich Eſel und Pferd mit einander vermiſchen ſollen, oder die hoͤchſte Noth, wenn naͤmlich ein Thier, bey ſeinem unwie -der -223derſtehlichen Triebe ſich zu begatten, keines von ſeiner Art finden kann, oder endlich auch Muth - willen, dazu treiben.

§. 309.

Ueber das ſtehen die Zeugungstheile bey den meiſten Thieren an einer gemeinen Stelle, und aus dieſem Grunde waͤren alle dieſe geſchickt ſich unter einander zu begatten; wenn nun noch die Faͤhigkeit zu empfangen dazu kaͤme; ſo koͤnnte man wieder vermuthen, daß unter dieſen Thieren viele Baſtarten entſtehen koͤnnten. Allein die Thierkunde wiederſpricht dieſen ebenfalls, indem wir vielmehr ſehen, daß gleiche Thiere, bey ihres gleichen bleiben, und ſie ſehr oft weit aufſuchen. Wenn denn dieſer Zeugungstrieb, nebſt dem Hun - ger, der einzige Grund iſt, daß ein Thier ſeinen Wohnplatz aͤndert, und andere Gegenden beſucht, da ſonſt jedes bleibt, wo es gebohren, und erwach - ſen iſt.

§. 310.

Inzwiſchen muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, daß bey einigen Thieren der Ort der Zeugungs -theile,224theile, nebſt der Art, ſich zu begatten, ganz ab - weicht. Unter den ledigen Thieren darf man in dieſer Abſicht nur die ſogenannte Kreutzſpinne be - lauſchen. Hier haͤlt das Weibchen ſeinen zu be - feuchtenden Tropfen, vermittelſt der Fuͤhlhoͤrner, aus denen er herausquillt, ſelbſt an des Maͤnn - chens Glied, und deſſen kleinſtes Troͤpfchen, zur Gerinnung ſeines groͤſſeren, vielmahl, bald links, bald rechts, an. Will man unter den ungepaar - ten Zwittern die Speiſeſchnecken beobachten, ſo wird man ſehen, wie ſie beyderſeits nach abge - ſchoſſenen Liebespfeilen an den Koͤpfen die Zeu - gungstheile wechſeln. Von einigen Thieren, wo die zweyfachen Zeugungstheile eines einzelnen Thieres ſich ſelbſt begatteten, habe ich noch keine ſichere Bemerkung erſchlichen. Die gepaarten ledigen Thiere, ſo nur einige Zeit zu ihrer Fort - pflanzung Paarweiſe beyſammen leben, wollen wir nur, weil ſie ſehr bekannt ſind, um des Wor - tes willen anfuͤhren.

§. 311.

Wenn nicht ein Trembly die Polypen faſt biszur225zur vollſtaͤndigen Kenntniß unterſucht haͤtte; wuͤrde man noch immer zweifeln, ob ſich unter den Thieren ſolche geſchloſſene Haushaltungen, wie die Pflanzen, mit ihren Knospen und Aeſten fuͤhren, antreffen lieſſen. Doch wir duͤrfen uns hier in ſolche Betrachtungen nicht zu weit einlaſ - ſen, weil wir noch einiges von der Fortzeugung nachzuholen haben.

§. 312.

Der Kuͤrze wegen wollen wir aus ſo vielen Ar - ten der Thiere nur die nehmen, ſo kenntliche Eyer, wie die Pflanzen ihren Samen, geben. Wenn alſo der Same der Pflanzen, und die Eyer der Thiere, vor ſich leere Behaͤltniſſe ſind, die weder auskeimen, noch ſich ausbruͤten laſſen, und alſo keine erweckbare Geſtalt in ſich enthalten, durch den Beytritt des Maͤnnchens aber gleich frucht - bar werden, und die richtige Geſtalt, eines den Vorfahren aͤhnlichen jungen Nachkommen, durch Auskeimung und Ausbruͤtung, geben, doch ſo, daß ſich bey dieſer Anſtalt die Theile dieſer rich -Ptigen226tigen Geſtalt, nur nach und nach immer weiter zeigen; ſo ſcheinet dieſes zu beweiſen, daß der maͤnnliche Beytrag bey dieſem Geſchaͤfte die Er - fuͤllung gebe, und der erſte Anreger zur Belebung ſey. Dabey zeigt ſich zugleich, daß die Nachkom - men, in ihrem Kleinſten vorher gleichſam einen zuſammen gerollten, oder in die aͤuſſerſte Enge gebrachten Vorriß ihres Pflaͤnzchens oder Thier - chens ausmachen: folglich ſich nur durch dieſe Anſtalten zur Auskeimung oder Ausbruͤtung aus einander legen, und durch die erſte Nahrung, weil ſie vorher meiſtentheils dem bloſſen Auge unſichtbar ſind, im Entwickeln vergroͤſſern. Al - les dieſes folgt blos auf die Begattung. Daher kann man ſich die Bildungskraft von dieſer Seite gar nicht einfach denken. Denn dieſe Fortzeu - gung gewaͤhret die Ausbildungen, ſolchen beyder - ley Kraͤften, die zugleich die Kraͤfte des Wachs - thums ſind, voͤllig gemaͤß.

§. 313.

Aber freylich bekommt die aus einander gewi - ckelte thieriſche Geſtalt ihre Ausbildung nicht al -lezeit227lezeit gleich vollkommen, wie der Same der Ge - waͤchſe. Denn es erhalten zwar viele Thierchen mit der Ausbruͤtung des Eyes, ſolche gleich voll - kommen, durch die Ausgeburt; hingegen viele bekommen ſie nur zum erſten Theil im Ey, und ihrer Geburt, zum andern Theil aber muͤſſen ſie die letzte Ausbildung, wo ihre Fortzeugung erſt ſtatt findet, ſich ſelbſt durch ihre Verwandlung und den Puppenſtand, wie z. B. die Raupen, u. a. m. verſchaffen.

§. 314.

Bey allem dieſem aber muß man die erſte thie - riſche Nahrung allezeit mit vor Augen haben, und ſie mit der kuͤnftigen vergleichen. Denn die erſte darf, als ſamenartig nur zur Entwickelung und Geburt behuͤlflich ſeyn; die andere nach der Geburt muß ſchon ſtaͤrker, doch noch leicht zu ver - dauen, und zum erſten Wachsthum dienlich ſeyn; die dritte und fernere muß noch ſtaͤrkerer Art ſeyn. Doch wir brauchen nur, ohne viel von der erſten thieriſchen Nahrung, und dem jungen Wachs -P 2thum228thum zu ſagen, an den Unterſchied der erſten be - ſondern Nahrung einiger jungen Thiere zu den - ken, in ſo ferne dieſe vor der Geburt, als Blut - artig, und nach der Geburt als Milch, von ihrer uͤbrigen Nahrung, die ſie lebenslang genieſſen, mehr oder weniger abweicht; da hingegen die Pflanze vom Wurzelkeime an, beſtaͤndig einerley genießet.

§. 315.

Nun glaube ich von der Fortzeugung dieſes Obergeſchlechts uͤberhaupt, das Noͤthige geſagt, und hinlaͤnglich erwieſen zu haben, daß kein Thier weder aus ſich ſelbſt, noch durch einen einfachen Zeugungstrieb, und am allerwenigſten gleich in ſeiner vollſtaͤndigen Groͤſſe entſpringe; ſondern daß es im Kleinſten entweder durch zwey beſon - dere Vorfahren, oder durch den doppelten Zeu - gungstrieb eines einzelnen Vorfahren, die Anla - ge zu ſeiner Geſtalt bekomme; daß ferner keine Art von freyen Stuͤcken ſich mit einer andern, ſondern allezeit mit ſeines gleichen begatte, auſſer dem aber Baſtarten erzeuge; daß endlich keineArt,229Art, ausgenommen die Zug-arten, ohne Noth, ihren angebohrnen Wohnplatz verlaſſe, ſondern allezeit an demſelben bleibe. Ich koͤnnte nun alſo wohl naͤher zum Zweck ſchreiten, und den Men - ſchen beſonders betrachten, wenn ich ihn vorher mit den Hauptgeſchlechten unter den Landthieren verglichen habe.

§. 316.

Unter den Hauptgeſchlechten auf dem Lande, iſt wohl dem Menſchen keins naͤher, als das Haarthier, man mag entweder auf den Leibes - bau, oder die Art der Nahrung, Begattung oder Fortzeugung ſehen; nur ſeine ganz bloſſe Fleiſch - haut zeichnet ihn eben dadurch gleich vor allen Haarthieren aus, wo ihnen nicht der großbaͤrtige Aſier und Europaͤer oft ſehr nahe kommt, beſon - ders wenn ſie ohne Kleidung und Reinlichkeit wild aufgewachſen ſind.

§. 317.

Auſſer dem unterſcheidet ſich noch der Menſch durch ſeine Haͤnde und Fuͤſſe, vornaͤmlich am Ell - bogen und Knie, von andern Thieren mehr, alsP 3durch230durch ſeinen Kopf und Geſicht, und obgleich in dem Bau der Fuͤſſe, die Einrichtung zum aufrech - ten Gange, die ein Kind vor andern Thieren vor - aus hat, zu liegen ſcheinet; ſo wird man doch ſchwerlich ein Beyſpiel aufweiſen koͤnnen, da ein ſich allein uͤberlaſſenes Kind, ohne andere Anlei - tung, aufrecht zu ſtehen, und beſtaͤndig ſo zu ge - hen, vollkommen gelernt haͤtte.

§. 318.

Hingegen hat man auch wieder noch nirgend ein Volk angetroffen, das auf Haͤnden und Fuͤſ - ſen, oder wie die Thiere auf vier Fuͤſſen, gegan - gen waͤre, woraus ſich ſehr wahrſcheinlich vermu - then laͤßt, daß kein Volk von einem Paar jungen Eheleuten, die ſich als Kinder, ehe ſie gehen konnten, uͤberlaſſen geweſen waͤren, erzeuget wor - den; ſondern daß vielmehr jedes Volk ſchon wie - der von einem andern, oder doch von einem Paar, das ſchon den aufrechten Gang gelernt hatte, ent - ſprungen, und die Anfuͤhrung zum aufrechten Gange genoſſen habe.

§. 319.231

§. 319.

Das Hauptgeſchlecht der Menſchen iſt aber nicht allein von den Haarthieren, ſondern auch wieder ſelbſt unter ſich, nach Haupt - und Unter - arten auf dem Erdboden unterſchieden. Dieſer Unterſchied ſcheint ſo beſtaͤndig zu ſeyn, daß keine Hauptart, ja nicht einmahl eine Unterart, wenn ſie ſich nur allezeit mit ihres gleichen begattet, je - mahls ein Kind von anderer Art, oder eine haupt - ſaͤchliche Abweichung im geſunden Zuſtande, her - vorbringt. Niemahls hat noch ein weißes Eu - ropaͤiſches Paar ein ſchwarzes afrikaniſches Kind, noch beyde Arten jederſeits vor ſich ein Amerika - niſches, und ſo wieder umgekehrt, zur Welt ge - bracht. Ja es wuͤrde viel Muͤhe koſten, zu zei - gen, daß zwey Weißkoͤpfe vor ſich, jemahls ei - nen Schwarzkopf, oder zwey Schwarzkoͤpfe einen Weißkopf erzeugt haͤtten. Wir reden hier nicht von dem, was der kranke Zuſtand der Eltern oder des Kindes, oder auch die ſchwere Geburt, in dieſem Stuͤck an dem Kinde und deſſen Farbe der Haut, oder an der Geſtalt aͤndert, und nicht be -P 4ſtaͤndig232ſtaͤndig iſt, weil es ſich entweder noch an dem Kinde, mit der Entwickelung des Koͤrpers, oder wenigſtens an ſeinen Nachkommen wieder verliert.

§. 320.

Wenn ſich nun gedachte Umſtaͤnde ſo verhal - ten, ſollte man da nicht zu denken bewogen wer - den, daß der Grund von der beſtaͤndigen aͤhnli - chen Fortzeugung, in dieſen Arten ſelbſt liegen muͤſſe, und darinne zu ſuchen waͤre, daß ſie von je her nach der Beſchaffenheit der maͤnnlichen und weiblichen Zeugungstheile, ſowohl in Anſehung des Baues, als auch der Miſchung, allezeit eben die Verhaͤltniß, Art fuͤr Art gefuͤhrt, und deswe - gen keinen Grund zur Veraͤnderung in ſich ge - habt haͤtten.

§. 321.

Es wird auch ſehr wahrſcheinlich, daß ſolche beſtaͤndig unterſchiedene Menſchenarten, von ih - rem Urſprunge an, ſchon immer ſo verſchieden, ſowohl was ihren Bau, als auch ihre Miſchung anlangt, in ihren eigenen Gegenden, oder zwi -ſchen233ſchen andern Voͤlkern, mit einem Begattungs - ausſchluß derſelben, beſtanden haben muͤſſen.

§. 322.

Wenn man nun die Arten, ſo ſich noch deutlich unterſcheiden laſſen, gegen einander haͤlt, findet man an ihnen nicht allein verſchiedenen Haar - wuchs, ſondern auch verſchiedene Fleiſchfarbe, und wenn wir weiter ihre Bildung betrachten, verſchiedene Verhaͤltniſſe der Leibestheile an ſich und gegen einander, doch nicht ſowohl gleich nach der Geburts - als vielmehr in der Ausbildungs - zeit, wovon ich der Weitlaͤuftigkeit wegen hier nicht reden kann. Daher duͤrfte mancher, dem die Bildungsforſchung ein Ernſt waͤre, die man - cherley Arten der vermengten und vermiſchten Voͤlker, von dieſer Seite mehr, als nach der Sittlichkeit aus einander ſetzen koͤnnen.

§. 323.

Die Vermengung, wo mehrere Voͤlker neben und zwiſchen einander wohnen, braucht keiner Er -P 5laͤute -234laͤuterung, die Vermiſchung aber, ſo blos durch die Begattung zweyer verſchiedener Arten er - folgt, verdient weiter aufgeklaͤrt zu werden, und in dieſer Abſicht darf ich hier nur das, was ich ſchon angefuͤhrt habe, wiederholen. Ich ſetze al - ſo gleich anfaͤnglich die weiblichen und maͤnnlichen Zeugungstheile, als ſchon an ſich verſchiedene, voraus; ferner daß nicht allein jene ihre eigene baumaͤßige und miſchungsartige Verhaͤltniß, nach ihrer Art; ſondern auch dieſe ihre eigene thaͤtige gegen das folgſame baumaͤſige, und ihr miſchungs - artiges Verhaͤltniß nach ihrer Art fuͤhren; end - lich daß jedes ein halbes ſeiner Art ſey, welches das andere zur Ausfuͤllung noͤthig hat, und erſt beyde zuſammen ein vollſtaͤndiges Ganze wirken, welches ſich nach den beyderſeitigen Verhaͤltniſſen, die in ihm vereinigt ſind, von dieſer erſten Geſtalt, bis wieder zu ſeiner Aufloͤſung, als eine eigene Natur zeiget.

§. 324.

Dieſem wiederſpricht die richtige Erfahrung nicht. Denn wo ſich ein Mann und Weib vonzweyer -235zweyerley Hauptarten, ja auch nur von zweyerley Unterarten, mit gehoͤriger Wirkung begattet ha - ben, erkennt man an dem jungen Menſchen, die zweyerley Verhaͤltniſſe von Vater und Mutter, oder den Unterſchied der vermiſchten zwey unglei - chen Haͤlften. Daher hat man fuͤr ſolchen neuen Menſchen, oder neue Miſchung dieſes Menſchen, den Namen Meſtis oder Mulatte, u. ſ. w. ange - nommen. Selbſt unter uns wird man die Be - gattung eines Schwarz - und Weißkopfs, ſelten ohne einen jungen Rothkopf bemerken.

§. 325.

Nimmt man hier noch zu Huͤlfe, daß mancher Mangel oder Ueberfluß des einen Gatten, ſowohl in Anſehung des Baues, als der Miſchung, bey dem Kinde, ja wohl noch beym Kindeskinde wie - der merklich war, und daß alſo ein Erbuͤbel, wel - ches doch eine fremde und nur dem weiblichen oder maͤnnlichen Theil anklebende Eigenſchaft iſt, ſchon von den beyden ganzen Helften, oder auch nur von einer, mit in das vollſtaͤndige ganze derFrucht236Frucht uͤbergehen konnte. Wie vielmehr wird eine ſich fortpflanzende Ordnung des Baues und der Miſchung, ſie ſey entweder bey einer Haupt - oder Unterart, ſeit 4000 Jahren geblieben, fuͤr eigenthuͤmlich, oder die Art, bey der ſie ſo lange geblieben, fuͤr eine eigene Art zu halten ſeyn.

§. 326.

Wenn man nun ſolcher eigenen Arten mehrere, bey mehreren Voͤlkern antrift; ſollte man dieſe nicht, wie wir oben ſchon erinnert, von ihrem Ur - ſprunge an, ſchon vor eigene Arten halten? wuͤr - de ſich das eigene wenn dieſes etwas unbeſtaͤndi - ges oder zufaͤlliges waͤre, wohl ſo lange haben er - halten koͤnnen?

§. 327.

Wenn hier die Natur eine ſelbſtbeſtehende Ordnung der menſchlichen Kraͤfte, und zwar dop - pelt, als maͤnnlich und weiblich, mit der innigſten Verbindung, des von beyden Theilen gegenſeiti - gen Beduͤrfniſſes vorſtellt; ſo wird ja dieſe neue ſelbſtbeſtehende Ordnung der Menſchenfruchtgleich -237gleichfort doppelthaͤtig, aber nicht fuͤr ſich unthaͤ - tiger werden; es muͤßte denn eine Kraft die an - dere aufheben, und denn muͤßte doch von jeder Seite das abweichende Eigene, mehr oder weniger davon merklich bleiben.

§. 328.

Dabey iſt aber noch unentſchieden, ob bey der Vermiſchung ſolcher zwey eigenen Arten, die Wirkung einer ſolchen ſelbſtbeſtehenden Ordnung, ſtaͤrker, oder ſchwaͤcher, als vorher, wenn wir naͤmlich Art gegen Art ſetzen, anzuſehen ſey? Naͤmlich ob ein Mulatte oder Meſtis dauerhafter, als jedes ſeiner Eltern werde, oder nicht? das aber ſcheinet deutlicher zu ſeyn, daß ein Paar, nach ſeiner ſelbſtbeſtehenden Ordnung, keine be - ſtaͤndig unterſchiedene eigene Arten oder Voͤlker hervor bringen koͤnne.

§. 329.

Betrachtet man dieſes wieder umgekehrt, ſo kommt es einem natuͤrlicher weiſe ſehr wahrſchein - lich vor, daß alle beſtaͤndige Haupt - und Unter -arten238arten der Menſchen, nicht nur ſeit 4000 Jahren, wo ſie das geweſen, was ſie jetzt ſind; ſondern ſchon laͤnger, und in den erſten Zeiten der Erde ſo unterſchiedene eigene Arten vorgeſtellt haben.

§. 330.

Auch wenn man alle noch jetzt deutlich unter - ſchiedene Voͤlker, der verſchiedenen Welttheile, um die ganze Erde gegen einander haͤlt, und nicht uͤberſieht, daß ſich erſtlich wenig menſchenleere Wuͤſten finden, und daß zweitens das Hauptge - ſchlecht der Menſchen, gegen die Thiere gerechnet, von allgemeinerer Ausbreitung ſey, da viele Thier - geſchlechter nur gewiſſe Gegenden inne haben; es ſind zwar die Menſchen nach dem Unterſchiede ih - rer Arten, noch nicht ſo deutlich, wie die Thiere auseinander geſetzt: wird dennoch die Zahl der Menſchenarten, auch nur ungefehr gegen die Un - terarten der uͤbrigen Thiergeſchlechter geſtellt, die Vermuthung, daß gleich anfaͤnglich mehr Men - ſchenarten uͤber die Erde vertheilt ſeyn mußten, ſchon ſehr rechtfertigen.

§. 331.239

§. 331.

Wenn die Eroberungen und Wanderungen nicht ſo viele Veraͤnderungen in den Anſitzen der Voͤlker gemacht haͤtten; wuͤrden wir, ungeachtet der Erdverwandlungen, noch viel mehr Voͤlker unvermengt und unvermiſcht autreffen, und viel - leicht auch die blauaugigten Weiskoͤpfe der ein - gebornen Germanier, wie ſie Tazitus angiebt, und andere Voͤlker mehr, noch unvermiſcht beyſammen finden. Mithin muͤſſen wir den Erdboden mit ſeinen Voͤlkern nehmen, wie ihn uns die Erdbe - ſchreiber angeben. Hier wollen wir kein Ver - zeichnis aller noch deutlich unterſchiedener Voͤlker her ſetzen, ſondern es lieber jedem Leſer uͤberlaſſen, ſie, aus den Erd - und Reiſebeſchreibungen ſelbſt kennen zu lernen, und zu beurtheilen.

§. 332.

Doch nehme man ſtatt der ſo vermengten Eu - ropaͤer, deren aͤlteſte Geſchichte uns noch dazu entgangen iſt, und ſtatt der Amerikaner von deren aͤlteſten Geſchichte wir noch weniger wiſſen; vonden240den Aſiern diejenigen, deren Geſchichte ſich noch am beſten erhalten hat; naͤmlich die Egypter, In - dier, Chinaͤſer, Tartarn, vornaͤmlich aber, die noch am wenigſten vermengten Araber, und die Be - wohner der Aſiatiſchen Eilaͤnder; hernach von den Afrikanern, die Aethiopier, Negern und Hotten - totten, in ſo ferne die aͤlteſte Menſchenkunde ſol - cher ſchon Meldung thut.

§. 333.

Man vergleiche die aͤlteſten Merkmahle ihrer Geſchlechtsart, mit den jetzigen, um zu ſehen, ob ſie ſich ſo hauptſaͤchlich veraͤndert haben, daß ſie fuͤr ein ander Volk gehalten werden koͤnten. Bey den unvermengten wird man die aͤlteſten, mitleren und jetzigen Merkmahle, nach Fleiſchfarbe, Har - wuchs und Verhaͤltniß der Bildung ſich noch im - mer gleich finden; und bey den vermiſchten dau - ren die Kennzeichen der aͤltern Vermiſchung, ohne daß ſie verloͤſchen, zum Beweiſe ihrer Beſtaͤndig - keit, noch immer fort.

§. 334.241

§. 334.

Dieſe Betrachtung ſcheint auch unmittelbar den Beweis zu enthalten, daß dieſe Voͤlker in den aͤlteſten Zeiten vielmehr einzeln, als beyſammen gewohnt haben; zumahl da die bekannten Erobe - rungen und Wanderungen, im umgekehrten Fall eben daſſelbe beweiſen. Daher kann man alle dieſe Voͤlker, ſchon vor der uns bekannten 4000 - jaͤhrigen Zeit, als noch weiter von einander abge - ſonderte anſehen, jemehr man ſie umgekehrt, naͤ - her gegen die jetzige Zeit, immer vermiſchter be - findet, und ſie alſo zukuͤnftig noch vermengter vermuthen darf. Es laͤßt ſich auch hieraus vor jede beſondere Gegend des vorigen Erdbodens, ſehr wahrſcheinlich ein beſonder Volk annehmen, und alſo auch eine beſondere Ordnung zwiſchen allen vorigen Voͤlkern vermuthen, die man aber freylich ſeit der Verwandlung der Erde, und noch mehr ſeit den Wanderungen, vielmehr errathen muß, als ſchluͤſſen kann.

§. 335.

Inzwiſchen wird man dennoch, ungeachtet aller oben beſchriebenen Erdveraͤnderungen, und wenn man gleich das Menſchengeſchlecht, ſo vermiſcht nimmt, wie es jetzt iſt, in mehr als einer Gegend, und an mehr, als einem Volk merken koͤnnen, daß es ſich daſelbſt ohne fremde Einmiſchung und ohne weite Wanderung, ſeit der uns bekannten vorigen Zeit, ſo erhalten habe, wie es auch ſchon in der Naͤhe der jetzigen Gegend anzuſehen war; hingegen zeigen mehrere Gegenden und Voͤlker, durch ihre verſchiedene Vermiſchungen, und ab -Qwechſeln -242wechſelnde Miſchungszeichen, nebſt der Geſchichte von manchen Voͤlkern, daß ſolche entweder gleich mit ihrer Erdveraͤnderung zuſammen geſchlagen worden ſind, oder ſich nachher durch verſchiedene Wanderungen und Eroberungen mit einander vermiſcht haben.

§. 336.

Es moͤgen aber der unvermiſchten, und nicht ausgewanderten Voͤlker, ſo wenig ſeyn, als man nur will, ſo beweiſet doch jedes, mit ſeinem neuen Lande, oder alten Meergrunde, auf dem es ſeit undenklicher Zeit, gewohnt haben will, daß es zum Beſitze ſeines jetzigen Landes, ohne groſe Abaͤnde - rung, in Anſehung ſeines ganzen, uͤbergegangen ſey; und es macht ſo ein Volk zugleich wahr - ſcheinlich, daß die meiſten Erdveraͤnderungen, welche damals neue Laͤnder hervor brachten, mehr ruckweiſe, wie die Schichtgebuͤrge gleichfalls ver - muthen laſſen, an jedem Ort, erfolget ſeyn; ob es gleich nachher mit dem Untergange der alten feſten Laͤnder meiſtens deſto geſchwinder herge - gangen ſeyn, und ſich ihre vorige Voͤlker ſchwer - lich ganz vor dem Verderben gerettet haben moͤchten.

§. 337.

Wenn wir uns endlich die Eigenſchaft der un - gattigen und gattigen Haupttheilung unſerer Er - de vorſtellen, und finden, daß jene, ſeit der uns bekannten Zeit, und vermoͤge der aͤlteſten Ueber - bleibſel, ſchon in der aͤlteſten Zeit, das veraͤnder - liche Hauptſtuͤck unſerer Erde geweſen iſt; die gattige hingegen, ſowohl nach der uns bekauntenvergan -243vergangenen Zeit, als auch nach den Ueberbleib - ſeln der aͤlteren, uͤberhaupt allezeit dieſelbe geblie - ben iſt; ſo laͤßt ſich wahrſcheinlich ſchlieſſen, daß die ungattige Haupttheilung auch kuͤnftig das hauptſaͤchlichſte Geſchicke zur Veraͤnderung der Erde haben werde; die gattige aber bey der Ver - aͤnderung dieſer, dennoch ferner unveraͤnderlich und eben ſo bleiben werde.

§. 338.

Nun hoffen wir, daß man das, was wir Natur und natuͤrlich nennen verſtehen werde, und alſo auch was man auf dieſer Seite, ſowohl von dem Menſchen an ſich und von ſeiner Abſtammung, als auch von ſeiner Sprache, und ſeinen uͤbrigen Aeuſſerungen, aus blos natuͤrlichen Gruͤnden be - haupten koͤnne. Wir wollen indeſſen hier noch einen kurzen Auszug derer in dem vorigen ange - wendeten Saͤtze, beyfuͤgen, um die Leſer in den Stand zu ſetzen, von ihrer Beſchaffenheit, in wie weit ſie naͤmlich, wahr oder wahrſcheinlich ſind, oder nicht, deſto beſſer urtheilen zu koͤnnen.

§. 339.

Alle unſere erſte Kenntniß entſpringt aus dem Gegenwaͤrtigen, und dieſes iſt zu unſerm Zweck, die Erde und das ganze Himmelsheer.

§. 340.

Das Gegenwaͤrtige erfolgte aus dem Vergan - genen, wie das Zukuͤnftige aus dem Gegenwaͤrti - gen erfolgen muß. Deswegen muß uns das Gegenwaͤrtige, nebſt der Ruͤckſicht in das Ver - gangene, die erſten Gruͤnde zur Ausſicht in das Zukuͤnftige geben.

Q 2§. 341.244

§. 341.

Wozu alſo weder das Gegenwaͤrtige, noch das gewiſſe Vergangene einen Grund angiebt, das wird man nicht behaupten koͤnnen; wozu aber beyde richtigen Grund angeben, wird man auch gelten laſſen koͤnnen.

§. 342.

Wie wir die Erde vor uns finden, ſo muͤſſen wir ſie zuerſt annehmen; und wie wir die Him - melskoͤrper erkennen, ſo muͤſſen wir ſie betrachten.

§. 343.

Wie wir die Erde gegen ihr Sonnenſyſtem, und dieſes gegen die uͤbrigen Himmelskoͤrper, in Anſehung der Stellung und Bewegung finden; ſo werden wir die Erde ſamt uns gegen die uͤbri - gen Himmelskoͤrper ſchaͤtzen muͤſſen.

§. 344.

Es iſt aber die Erde weder ein Mittelpunkt, noch ſonſt ein Hauptpunkt am Himmel; ſondern ein Nebenpunkt, wie andere mehr, alſo auch wohl nicht die einzige ihrer Art.

§. 345.

Wie wir alſo die Erde nach ihren Hauptthei - lungen, Ordnungen und Geſchlechten finden; ſo koͤnnen mehr Himmelskoͤrper beſchaffen ſeyn. Sie ſelbſt aber muͤſſen wir nach ihren Hauptthei - lungen, ſo wie ſie ſind, betrachten.

§. 346.245

§. 346.

Deswegen muͤſſen wir das, was wir jetzt und vorher immer veraͤndert finden, das Veraͤnderli - che der Erde, und was wir darauf ſich immer gleich finden, ihr Beſtaͤndiges nennen.

§. 347.

Das, von dem wir wiſſen, daß es jetzt und vorher allezeit aus einem andern, im Kleinſten entſprungen iſt, werden wir in der unbekannten vergangenen Zeit, weder in ſeinem Groͤßten, noch umgekehrt gar aus ſich ſelbſt entſpringen laſſen duͤrfen; ſondern wie wir ſeinen Urſprung allezeit finden, ſo werden wir ihn auch wohl allezeit, doch nur uͤberhaupt, beybehalten muͤſſen.

§. 348.

Wir duͤrfen keinem Dinge weder mehr noch weniger Veraͤnderungen, oder Verwandlungen beymeſſen, als wir theils aus der gegenwaͤrtigen, theils aus der vergangenen Zeit und ihren Ueber - bleibſeln erkennen; umgekehrt aber, was man aus den Ueberbleibſeln der vorigen Zeit hievon ſieht, muß man ihm fuͤr ſeine Beſchaffenheit in der aͤltern Zeit zuſchreiben.

§. 349.

Was jetzt und vorher keinen einfachen Ur - ſprung gehabt hat, dem wird man auch fuͤr die unbekannte Zeit keinen dergleichen Urſprung an - dichten duͤrfen.

Q 3§. 350.246

§. 350.

Wenn ein Ober - und Hauptgeſchlecht von jetzt an, durch die bekannte verfloſſene Zeit, aus zwey beſondern Gatten beſtanden, und durch ihren zweyfachen Beytrag zur Fortzeugung, ſich alle - zeit erhalten hat; ſo wird man es in der unbe - kannten Zeit, weder vor einfach noch zwitterartig annehmen koͤnnen.

§. 351.

Ein Hauptgeſchlecht, das allezeit aus mehreren beſtaͤndigen Haupt - und Unterarten beſtanden hat, wird fuͤr die unbekannte Zeit nicht als ein - artig anzugeben ſeyn.

§. 352.

Wenn ſich die Haupt - oder Unterart eines Ge - ſchlechts, weder jetzt noch in der vergangenen Zeit von ſelbſt, ſondern nur durch Einmiſchung ande - rer verwandelt hat; ſo hat man keinen Grund, ſolchen Arten eines Geſchlechts, in der unbekann - ten Zeit, eine Selbſtverwandlung zuzuſchreiben.

§. 353.

Was ein Geſchlecht zu keiner bekannten Zeit von ſich ſelbſt erfand, ſondern ihm nur allezeit von ſeinen Vorfahren wieder uͤbergeben wurde; wird man es auch in der unbekannten Zeit nicht von ſelbſt erfinden, ſondern nur allezeit mitthei - len laſſen wollen.

§. 354.

Wenn wir nun die Himmelskoͤrper nur ſo, wie die kaum halb bekannte Erde kennten, doͤrftenwir247wir von ihnen auch ſolche Saͤtze angeben. So aber muͤſſen wir ſie ſo anſehen, wie wir ſie von jetzt an, durch die vorige Zeit kennen; naͤmlich in Anſehung unſer unzaͤhlig, und nach der Ordnung der einzelnen veraͤnderlich, im Ganzen aber be - ſtaͤndig gleich, oder unveraͤndert, doch noch uͤber - all vor uns undeutlich, auſſer nach den ſichtbare - ſten Nachbarn unſeres Sonnenſyſtems.

§. 355.

Weil alſo die aͤuſſerliche Bauart der Erde zei - get, daß ſie bey ihrem Urſprunge groͤſſer oder leichter geweſen, und kleiner geworden, auch durch die Erdbeben noch immer kleiner oder ſchwerer werden duͤrfte; ſo koͤnnen wenigſtens die aͤhnli - chen Himmelskoͤrper, von gleichem Urſprunge, Bauart, Verwandlung und Schickſalen ange - nommen werden.

§. 356.

Wenn endlich die gattige Haupttheilung unſe - rer Erde allezeit von ſeinem gleichen Geſchlechte, zweyſeitig im Kleinſten fortgezeugt, alſo eiuzeln ſtets veraͤndert, im Ganzen ader dadurch unver - aͤndert erhalten wird, und im letzten Fall den Himmelskoͤrpern aͤhnlich iſt; ſoll man nicht von den Himmelskoͤrpern, die einzeln veraͤnderlich, im Ganzen unveraͤnderlich ſind, uͤberhaupt ein glei - ches vermuthen duͤrfen?

§. 357.

Sollten einige Leſer die Erinnerung machen, daß andern Schriftſtellern viele, ja wohl die mei - ſten von dieſen Saͤtzen ſchon bekannt, und vonQ 4ihnen248ihnen gebraucht worden waͤren; ſo kann man die - ſes leicht einraͤumen, wenn ſie nur als natuͤrliche Gruͤnde anzuſehen ſind, aus denen man das, was bisher von der Erde und den Menſchen geſagt worden, als bloſſe Naturforſcher herleiten kann. Weil wir aber auch noch Urkunden einiger Voͤl - ker haben, ſo die aͤlteſte Geſchichte der Erde und Menſchen beſchreiben; ſo wollen wir auch etwas davon aufuͤhren, um es mit dem, was wir vor - her durch eigenes Nachdenken aus den gemachten Bemerkungen geſchloſſen, zu vergleichen.

§. 358. Zweyte Nachhuͤlfe aus verſchiedenen Nachrichten von der aͤlteſten Erd - und Menſchengeſchichte.

Wir wollen mit den chaldaͤiſchen und aͤgypti - ſchen Nachrichten anfangen. Das wenige, was wir von der langen Geſchichte der Aegypter ge - rettet finden, haben wir den Griechen, und zwar vornaͤmlich dem Herodotus und Plutarch zu dan - ken; jenen aber(*)Des Herodotus Euterpe oder 2 B. handelt faſt gaͤnzlich von Aegypten, nur daß er, als ein Ein - geweihter, die meiſten Geheimniſſe verſchweigt. Ich habe nur des Caſtallions Ueberſetzung mich bedienen koͤnnen; wiewohl ich die andern Schrift - ſteller alle auch anderswo habe aufſuchen muͤſſen. koͤnnen wir wegen ſeiner Deutlichkeit vorziehen. Er haͤlt erſtlich Aegypten fuͤr einen alten Meergrund, wegen der Muſcheln auf den Bergen, des vielen Salzes in deſſen Oberflaͤche, und eines Sandberges, Memphis gegen uͤber. Alsdenn unterſcheidet er als Grie - che, ihre aͤlteſten Koͤnige, die nach ihren Goͤtternregiert249regiert haben, voͤllig von dieſen; indem weder innerhalb einer 10340jaͤhrigen koͤniglichen und prieſterlichen Regierung vom erſten Menos an, ein Gott von den Koͤnigen, noch von den Prie - ſtern dieſer Zeit entſprungen waͤre. Ferner ſagt er, daß die Goͤtter vorher, als Fuͤrſten des Lan - des, deren einer allezeit die Regierung hatte, viele tauſend Jahre, ohne Koͤnige regieret haben, wie - wohl mit dieſer Abaͤnderung, daß ihrer erſt nur 8, dann 12, und zuletzt noch mehr waren. Denn von ihrem Herkules, der doch nicht ſo alt, wie ihr Pan geſchaͤtzt wurde, zaͤhlten ſie ſchon bis an den Koͤnig Amaſis 1700 Jahre, und doch mußte das Volk, waͤhrend der Goͤtterzeit, keinen Goͤt - terdienſt gehalten haben, weil ihn Menes erſt lehrte. Was nun noch vornaͤmlich hieher ge - hoͤrt, iſt, daß waͤhrend der gedachten 10340jaͤh - rigen Regierung der Koͤnige, die Sonne vier - mahl ihren Aufgang veraͤndert habe, und zwey - mahl in Abend aufgegangen, zweymahl alſo in Morgen untergegangen ſey, ohne alle Veraͤnde - rung fuͤr Aegypten. Nun hat zwar Jablonski durch ſein aͤgyptiſches Pantheon dieſe Goͤtterleh - re ſehr gelehrt, obgleich nicht wie ein Erforſcher der alten Erdkunde aus einander geſetzt; dem un - geachtet verdienet dieſe Bemuͤhung den groͤßten Dank. Denn nun hat jeder Nacharbeiter ein Regiſter faſt aller noch zu findenden Stellen und Auslegungen, die Aegypten betreffen; man muͤß - te denn kuͤnftig bey den Arabern und andern al - ten Aſiern noch gewiſſere Nachrichten finden koͤnnen.

Q 5§. 359.250

§. 359.

Von den Chaldaͤern und Babyloniern hat man noch wenigere Ueberbleibſel, und wenn ſich nicht die Nachricht des Kallisthenes, der mit dem Ale - xander zu Babylon war, von ihren 1903 Jahr alten Himmelsbeobachtungen, die alſo 2234 Jahr vor unſerer Jahrzahl geſchahen, durch an - dere fuͤr uns erhalten haͤtte, ſo wuͤrden wir ihnen auſſer dem gemeinen Ruf, kaum einige gewiſſe Himmelskunde beymeſſen duͤrfen; wie denn ihre Saͤrus, oder Jahrrechnungen noch immer be - zweifelt werden. Von ihrer Erdkunde findet man aber noch weniger. Doch iſt des Beroſus Nachricht, daß in der aͤlteſten Zeit ein Oannes als ein Fiſchmenſch, vielleicht als ein Schiffer, aus dem rothen Meere zu ihnen gekommen ſey, und ihnen die erſten Buchſtaben, ſamt ihren Wiſſeuſchaften mitgetheilet habe, ein Umſtand, der bey den alten Erdverwandlungen, oder dem Einſtuͤrzen alter Laͤnder, an mehreren Orten vor - kommen konnte; wenn einige der alten Erdbuͤrger auf neuen Laͤndern, die ſchon wieder bewohnt wa - ren, ſichere Anſitze ſuchten. Was des Zoroaſters Arjemann oder boͤſen Mann, und Oromoſes, oder guten Mann betrift, gehoͤrt mehr in ihre Sitten - lehre, als in ihre wahre Erdkunde. Hingegen ſagt Diodorus(*)Diodorus Siculus von des 2ten B. 116 S. an. deutlich, daß ſie die Welt fuͤr ewig und Gott unterwuͤrfig gehalten, und ihr we - der einen gewiſſen Urſprung noch Untergang bey - gemeſſen, auch alle Vorgaͤnge als Folgen aus ih - rer Ordnung erklaͤhrt haben, und die Ankunft der Kometen ſo gut als die Finſterniſſen angege -ben,251ben, und das um ſo leichter, weil ſie ſeit 47200 Jahren den Himmelslauf bemerket haͤtten.

§. 360.

In den Nachrichten der Griechen, die theils ihre eigene, theils durch ſie auf behalten worden ſind, findet man, daß vor Alters die Sterne nicht alle zugleich ſichtbar geworden ſeyn ſollen(*)S. des Apollonios von Rhodos, der vorher des aͤgyptiſchen Bibliothekaͤrs, Kallimachs, Schuͤler war, Argonautika im 4ten B. an der Ziffer zum 22 Scholion: Noch nicht alle Sterne wur - den am Himmel herum gewaͤlzet. , und daß uͤberhaupt des Himmels Zuſtand, nach damahligem Ausdruck, noch vor dem Saturn, von andern Beherrſchern abgehangen habe(**)Eben deſſelben 1 B. nach dem 20ſten Scholion, wo Orpheus ſang: wie vorerſt Ophion und die Oleanim Euruͤnomen des ſchneeichten Olimpos Reich beſeſſen, auch wie er dem Kronos, ſie aber der Rhea den Rang wegen Macht und Staͤrke abtrat, und bey - de hierauf in die Fluthen ſtuͤrzten, welches wahrſcheinlich einen alten Vorgang am aͤlteſten Himmel, und aͤlteſten Meere oder Lande anzeigt., oder anders beſchaffen geweſen ſey, auch daß eini - ge der aͤlteſten Erdbuͤrger, als die Arkadier(***)Ariſtophanes Scholiaſte bey der Wolken 1 Handl. 4te Aufl. zum Worte βεκκεσελη〈…〉〈…〉 ȣ; auch Apollo - nios und ſein Scholiaſte durch des 4ten B. 22 Schol. zu den Worten: Die Arkadier Apida - nees, welche daher beruͤhmt ſind, daß ſie noch vor dem Monde gelebt, und Eicheln gegeſſen haben. und252und Athenienſer(*)Die Stelle hat Meurſius in ſeiner Fortuna Athenarum 1 K. 2 S. aus dem Menander Rhe - tor angefuͤhrt. Wir nehmen hier die Zeit nach den drey aͤlteſten Zeitpunkten, wenn wir ſagen: entweder vor den Geſtirnen, oder vor der Suͤndfluth, oder nach der Suͤndfluth war die Stadt oder Gegend bewohnt; als wie die Athenienſer ſagen, ſie waͤren mit der Sonne da geweſen, und die Arkadier vor dem Monde. ſchon vor des Mondes oder mit der Sonnen Ankunft ihre Landſchaft beſeſſen, und daher ſogar eine Zeitrechnung zum rechtli - chen Beweiſe ihrer alten Anſitze(**)Die Stelle hat Meurſius in ſeiner Fortuna Athenarum 1 K. 2 S. aus dem Menander Rhe - tor angefuͤhrt. Wir nehmen hier die Zeit nach den drey aͤlteſten Zeitpunkten, wenn wir ſagen: entweder vor den Geſtirnen, oder vor der Suͤndfluth, oder nach der Suͤndfluth war die Stadt oder Gegend bewohnt; als wie die Athenienſer ſagen, ſie waͤren mit der Sonne da geweſen, und die Arkadier vor dem Monde. entweder vor dem Geſtirne, oder vor der Suͤndfluth, fuͤr giltig erklaͤret haben. Ja man hat in dieſen al - ten Zeiten ſogar behauptet, daß die aͤgyptiſchen Prieſter, noch vor vieler Geſtirne Auftritte, die Welt mit ihrem Beherrſcher durchreiſet, oder umſchifft, und ſchon einige Pflanzſtaͤdte(***)Wieder Apollonios an letztgemeldter Stelle; vorher aber bekuͤmmern ſich die Argonauten auf ihrer Flucht mit der Medea, um einen andern Weg nach Hauſe zu. Darauf ſagt denn ihr Steuermann Argos: Es iſt noch eine andere Fahrt, welche die unſterblichen Prieſter, die zu Theben am Fluſſe Triton gebohren waren, angegeben haben. Noch nicht alle Sterne wurden am Himmel herum gewaͤl - zet; auch war vor dem heiligen Geſchlech - te der Danaer, fuͤr die Erdkundige nichts zu vernehmen; nur die einzigen ArkadierApida -, als der Kolchier, angelegt haͤtten(****).

§. 361.253

§. 361.

Doch wie weit auch dieſe Nachrichten der Grie - chen und Aegypter hinaus gehen moͤgen, ſo uͤber - treffen ſie doch weder des Orpheus(*)Da ſich vom Orpheus, welcher nach Diodors 4ten B. 232 S. die ganze Goͤtterlehre vor ſeiner Reiſe nach Aegypten gelernet hatte, auſſer ſeinen Lobgeſaͤngen, und dem Geſange von den Steinen nichts gewiſſes erhalten hat; denn ſeine Argo - nauticka ſchreibt man dem Onomackritos zu; ſo mag man den Auszug ſeines Geſanges, womit er den Streit der Argonauten unter ſich, beſon - ders aber mit dem Goͤtterlaͤſterer Idas beſaͤnf - tigte, beym Apollonios im 1ſten B. zwiſchen dem 20ſten und 21ſten Scholion, fuͤr ein kleines Bey - ſpiel ſeiner Goͤtterlehre, oder Erd - und Himmels - geſchichte anſehen. Sie ſcheint zwar uͤberhauptdes noch desHeſio -(****)Apidanees waren da, welche daher be - ruͤhmt ſind, daß ſie noch vor dem Monde gelebt. Von dort ſagen ſie, iſt einer um ganz Europa und Aſien, von der Macht und Staͤrke ſeiner Voͤlker, ſamt ihrer Kuͤhnheit verſichert, herumgereiſet; dabey hat er unzaͤhlige Staͤdte angegriffen und eingenommen, wovon wohl da und dort noch einige bewohnt ſeyn, andere auch wohl nicht. Nach dieſer Erzaͤhlung waͤre der Erdboden noch ehe die Geſtirne ſichtbar geweſen, ſowohl als jetzt bewohnt, auch eben ſo mit Spra - chen und Kuͤnſten beſetzt geweſen.(****)Eben des Herodotos Euterpe, 143 S. da er zumahl beyde Voͤlker beſucht, und mit einander verglichen hat.254Heſiodos Theogonie; welche letzte ihre Herkunft mehr von den Atlantern aus Libien, theils auch ſelbſt von den Pelasgern, fuͤhren mag(*)Wenn man des Siziliſchen Diodors 3tes Buch von der 189ſten Seite an, mit dem Heſiodos und andern Griechen vergleicht, und die Mythologie dieſer Atlanter und der Griechen wieder gegen die Mythologie der Aegypter haͤlt, ſo wird man fiuden, daß die Griechen in dieſem Stuͤck nicht ſo viel, als man ihnen beyzumeſſen pfleget, von den Aegyptern geborget haben; zumahl weil ihre Mythologie zu Pſammetichs Zeiten, wo ſie frey in Aegypten durften, ſchon meiſtens vollkommen ſeyn mußte. Am glaublichſten iſt, daß ſie, als ein zweyfaches Volk aus den anſitzenden Helle - niern, und den herum ziehenden Pelasgern, auch zweyerley Nachrichten, von der aͤlteſten Zeit, durch ihre aͤlteſten Prieſter und Dichter in eins gebracht, und naͤchſt dem von den Libiern, auch von den Huͤperboreern und ſpaͤter von allen et - was angenommen haben; wie Herodotos im 1ſten und 2ten B. vermuthen laͤßt. zu - mahl da ſie nach des Dichters eigenen Worten im 105 bis 113 Verſe, ingleichen im 963 und naͤchſten Verſe blos von den Erdveraͤnderungen und gar nicht von bloſen Menſchen zu verſtehen iſt. Der Anfang dieſer aͤlteſten Naturkunde iſt die groſe Kluft, oder ſein Chaos, welches nachdem(*)des Heſiodos ſeiner nahe zu kommen, weicht aber dennoch durch den ſchon erwaͤhnten Ophion mit ſeiner Euruͤnomea ab; doch kann ſie auch wohl dieſes letzte vom Apollonios eingeſchaltet fuͤhren, in ſo weit dieſer in der Alexandriniſchen Biblio - thek, anderer aſiatiſchen Voͤlker Schriften brau - chen konnte.255dem 700ten Vers hier wohl kein unfoͤrmliches Mengſel, ſondern vielmehr eine beſtehende Kluft, heiſſen muß, weil es beym Kriege mit den Tita - nen, ſo ſpaͤt erſt vom Brande eingenommen war, und zweytens nach dem 814ten Vers die Titanen uͤber dieſes Chaos hinuͤber verbannt wurden. Drittens bekam ja die Gai oder der Erdboden hierdurch die Breite oder Geſtalt einer Bruſt, nach dem 117ten Vers, und hierauf erſchien erſt der ſchoͤne beſanftigende Eros, oder Liebreitz. Hierauf kam aus der Kluft ſelbſt wieder die Fin - ſterniß und die Nacht; ferner aber aus der Nacht, das Licht und der Tag. Nach allen dieſen ſchafte ſich erſt der Erdboden den geſtirnten Himmel, und zugleich die Berge, die eigentlichen Abkoͤmmlinge des alten Meeres, nach jetziger Naturkenntniß; dabey brachte nun das alte Meer, die See zu - wege. Denn erſt durch die Vereinigung des da - mahligen Himmels, mit der Erde entſtund Okea - nos, oder das groſe Weltmeer, und wieder erſt nach dieſem nebſt andern Huͤperion, welcher wie - der ſpaͤter die Sonne und den Mond hervor brachte.

§. 362.

Nimmt man nun dieſe Theogonie, fuͤr der Griechen aͤlteſte Naturkunde an, ſo ſieht es ſo aus, als wenn Heſiodos bis an den Urſprung des Kometen zuruͤckgienge, und ſolchen urſpruͤng - lich als einen Himmelskoͤrper beſchriebe, der ver - moͤge einer Kluft, fuͤr hoh anzuſehen war, und mit ſeinem eigenen Schimmer, (ſo kann man denEros256Eros(*)Wenn nun gleich Onomakritos, des Orpheus Argonauticka geſchrieben haͤtte, ſo muß er ſolche doch dem alten Orpheus ziemlich gemaͤß erdich - tet haben. Daher kann man die aͤlteſte Bedeu - tung des Eros noch daraus erklaͤren: So heißt er, nach dem 14ten und 16ten V. Der dop - pelt umher ſichtbare angenehme Eros der ewigen Nacht beruͤhmter Vater, den die neueren Phanas (oder Schein) nennen, weil er zuerſt erſchien. Denn nach dem 422ſten und 423ſten V. Der aͤlteſte und vollkom - menſte Rathgeber Eros, wie vielerley er alles genaturet, und eins vom andern ab - geſondert habe. Dabey ſteht er mit dem Kro - nos im Gegenſatz, weil dieſer nach dem 13ten Vers, durch ungemeſſene Strecken, den Aether erzeugt haͤtte, und alſo des Eros Schimmer unter dem Kronos, nur viel weiter ausgedehnt wurde. Daß aber dieſer Schein und Schimmer des Phanes, oder Eros, gleich zwey - fach geweſen ſey, zeigt auſſer obiger Stelle, der 5te Lobgeſang auf den Protogonos, wo er wie - der doppelt im Aether herum ſchweifend, ein Ey ſchaffend, und mit goldenen Fluͤ - geln geziert, beſungen wird. Sollte dieſesnicht verſtehen) erleuchtet wurde; auch durch langſame Wechſel ſo fort gieng, bis er durch die Vereinigung des Uranos, oder Himmelswaſſers, mit dem Lande ein Planete wurde. Doch genug hiervon. Noch andere Spuren der aͤlteſten Erd - veraͤnderungen, die verſchiedene Menſchenge - ſchlechter oder alte feſte Laͤnder betroffen haben ſollen, findet man in des Heſiodos Tagewerken, vom 108ten Vers an.

§. 363.257

§. 363.

Ehe wir aber die Griechen verlaſſen, koͤnnen wir noch den Plato, den die chriſtlichen Altvaͤter als den Vorlaͤufer der chriſtlichen Weltweisheit angeſehen haben, anfuͤhren. Dieſer behauptet nicht allein in ſeinem Politikos an der 174. S. wo er ſeinen groſſen Umlauf der Welt erklaͤrt, daß zu des Atreus und Thyeſt’s Zeiten der Him - mels - und Sonnenlauf erſt noch linksum gegan - gen ſey, welches die Aegypter beym Herodotus oben auch ſagten, und ſich viel wahrſcheinlicher durch die Umſchwaͤnkung der Pole verſtehen laͤßt. Ja in ſeinem Timaͤos an der 523. S. laͤßt er ei - nen aͤgyptiſchen Prieſter beweiſen, daß die Erde vom Phaeton, welches der Planete Jupiter iſt(*)Nach des Ficinus Ausgabe zu Genf 1590. der Geſetze 13 B. oder Epinomis an der 703. S., ſchon einmahl durch Feuer verwandelt worden ſey. Endlich im 6ten B. der Geſetze, 625. S. hat er dem Athenienſer, ohne die Be - weiſe ſeiner Schule zu wiederholen, die Menſchen ſo anſetzen laſſen, als wenn ſie keinen denklichen Urſprung gehabt haͤtten. Endlich findet man auch bey ihm, den, nach obiger 523. S. vom Kritias ausfuͤhrlich erzaͤhlten Einſturz des letzten alten feſten Landes Atlantis, zwiſchen Europa und dem jetzigen Amerika, wodurch dieſes nun vollſtaͤndig zum neuen Lande wurde, als das ein -zige(*)nicht darauf gehen, daß die Erde anfaͤnglich hohl, und ſowohl von innen als auſſen, oder doppelt mit Schimmer verſehen, ohne Kenntniß des Sternenhimmels, dahin geſchwommen, oder ge - flogen ſey.R258zige bemerkte Beyſpiel von der Verwandlung der vorigen Erde.

§. 364.

Die Bramanen der Indianer wurden ſchon von den Griechen geruͤhmt, es waͤre alſo der Ordnung gemaͤß, auch noch von dieſen in An - ſehung der angeblichen Welt - oder Erdgeſchichte, und zwar nach des Engellaͤnders, Hrn. Holwells, Auszuge aus dem Shaſtah, den er den Vedam vorzieht, etwas anzufuͤhren. So ſehr, als ihn ſelbſt ſein Verluſt dieſer ſehr alten Grundſchrift geſchmerzet hat, ſo unangenehm wird er mehrern ſeyn; auſſerdem werden manche mit ihm unzu - frieden ſeyn, daß er das gerettete Ueberbleibſel dieſes Sanſkrits, im Fall er ihn neben die Ue - berſetzung von Wort zu Wort, nach der engel - laͤndiſchen Mundart uͤberſchrieben haͤtte, ſtellen koͤnnen, uns Europaͤern nach dem ungefehren Klange davon vorenthalten hat. Denn aus den wenigen engellaͤndiſchen uͤberſchriebenen Woͤrtern faͤllt uns eine Aehnlichkeit mit unſern aͤlteſten nor - diſchen Sprachen in die Augen, die vermuthen laͤßt, daß Bramah mit ſeiner Milchkuh, aus ei - ner Gegend, welche mit der Europaͤer aͤlteſten Vaͤtern, eine gemeine Sprache hatte, nach In - dien gekommen ſey; und daß der Sanſkrit durch ſeine woͤrtliche Ueberſchreibung mit der woͤrtlichen Ueberſetzung darneben einen Kenner der alten europaͤiſchen Sprachen, noch vielmehr aͤhnliches zeigen, und zu gewiſſen Folgen fuͤr die Europaͤer berechtigen ſollte.

§. 365.

(*)Evènèmens hiſtoriques intereſſans rèlatifs aux Pro - vinces de Bengale et à l’empire de l’Indoſtan par Holwell. Amſterd. 1768.

259

§. 365.

Da man aber zur jetzigen Abſicht nur die Zeit - rechnungen des Bramah, welcher nun vor 4870 Jahren nach Indien kam, noͤthig hat, ſo darf man nur des Hrn. Holwells 6 K. 138 S. u. ſ. w. nachleſen, und man kann dadurch denen, welchen hier kein vollkommener Zuſammenhang davon ge - geben werden kann, das Aergerniß uͤber ſeine un - geheure Jahrzahlen der Erde und des Sonnen - ſyſtems erſparen. Es ſcheinet inzwiſchen, als wenn die Lehrſaͤtze des Bramah, wenn man ſie natuͤrlich betrachtet, denen obigen Folgerungen ſehr nahe kaͤmen. Denn nach einigen Zeitlaͤufen, welche die gefallenen Engel betrafen, wurde Bra - mah zum Anfange des jetzigen Zeitlaufs von In - dien, naͤmlich vor 4870 Jahren, vom Allmaͤchti - gen dahin geſchickt, ſeine Gebothe daſelbſt zu leh - ren, und den Schaſtah zu ſchreiben; dem es aber wie andern Buͤchern mehr gieng, daß er naͤmlich von den Indianern nach etwa 1000 Jahren, und je laͤnger, je mehr, doch am meiſten durch den Vedam verdrehet, oder falſch ausgeleget wurde. Von der Erde ſelbſt aber ſagt Bramah ſchon vor 4870 Jahren, daß ſie 3 wichtige Verwandlun - gen erlitten habe, und vor ihrem Untergange noch 3 erleiden muͤſſe, ohne doch weder dieſe, noch je - ne zu erklaͤren. Daß aber nach dem wieder eine neue Schoͤpfung vorgehen werde.

§. 366.

Noch viel aͤlter muß die Lehre der Hyperboraͤer, deren Verwandter Bramah ſcheint, der Zeitrech - nung nach angeſehen werden. Denn weil ſie denR 2erſten260erſten Deliſchen(*)Callimach. Hymn. in Delum v. 281. wo die Maͤdchen mit Namen genennt, und die Beglei - ter nebſt dem Saͤnger angezeigt werden. Gottesdienſt des Apolls(**)Des Apolls Mutter Latona ſoll dergleichen Landsmaͤnnin geweſen ſeyn, wie Diodor im 2ten B. 130 S. erzaͤhlt. mit der Lehre von der Unſterblichkeit, eingefuͤhrt haben ſollen, und doch zuletzt gezweifelt wurde, ob ſie wirklich in der Welt geweſen waͤren(***)Herodots Melpomene 268 S., ſo kann die Erdverwandlung ihrer Gegend, in ſo ferne ſie zu ſehr zerſtreuet wurden; ihr Ge - daͤchtniß gar ausgeloͤſcht haben.

§. 367.

Faſt vor eben ſo alt hat man die Pelasger zu ſchaͤtzen, welche nach Art der Celtiſchen Drui - den neuerer Zeit, die Eiche zu Dodona heilig - ten(†)Strabo per Caſaubon. Pariſ. 1620. 7 B. 327 S. auch 12 B. 572 S., und als Voͤlker, welche die Erdverwand - lung ihrer Gegend vertrieb, den ſichereren neuen Laͤndern nachzogen. Dergleichen Erdveraͤnde - rung ſoll die Cimbrer noch vor 2000 Jahren nach Italien getrieben haben(††)Eben deſſen 2 B. 102 S., und wenn die Cim - merier, die noch vor Kroͤſus Zeiten in Seythien, und durch der Seythen Widerſtand und Verfol - gung bis durch Aſien drangen, wie man glau - bet(†††)Diodor. 5 B. 319 S., daſſelbe Volk waren; ſo waͤre dieſe Vermuthung noch glaublicher.

§. 368.261

§. 368.

Vermoͤge ſolchen Betrachtungen, wenn ſie mehr beſtaͤtiget wuͤrden, als man hier thun kann, wuͤr - de man die allmaͤhlige Verwandlung der Erde, und die Vermiſchung der vorher beſondern Men - ſchenarten, gewiſſer beweiſen koͤnnen, und viel - leicht werden andere, denen Zeit und Gelegenheit zu ſolchen Unterſuchungen guͤnſtiger ſeyn duͤrften, aus den Ueberbleibſeln der aͤlteſten Geſchichte, noch viel nachholen koͤnnen, was jetzt uneroͤrtert bleiben muß.

§. 369.

Es waͤre auch noch zu wuͤnſchen, daß man aus den Geſchichtmaͤßigen Liedern der Teutſchen, ihre aͤlteſte Geſchichte, und das, was ihnen aus der Erdverwandlung begegnet iſt, anfuͤhren koͤnnte; allein die Wuth gegen dieſe Saͤnger hat uns in unſerer eigenen Geſchichte ſo arm gemacht, daß uns davon faſt weiter nichts, als einige halb oder uͤbel verſtandene Nachrichten, die uns Heiden, in ihren griechiſchen[und] lateiniſchen Schriften, wie Strabo und Tacitus(*)de moribus Germanorum per Altham. erhalten haben, uͤbrig geblieben iſt. Denn die Islaͤndiſche Edda(**)Edda Islandorum per Snorronem ſtudio Re - ſenii, Haffniae 1665. Doch ſcheint es mir nicht, als wenn Reſen dieſem Alterthum ein Gnuͤge gethan haͤtte. ſcheint nach der 9ten Strophe der angehaͤngten Runa ganz von der Germanier Geſchichte oder Dichtkunſt abzuweichen; weil ſich deren Saͤnger ruͤhmt, daß er die Lieder, welche Thiodens Frau, und des Mannskis Sohn ſaͤngen, auch verſtuͤnde.

R 3§. 370.262

§. 370.

Auſſer den angefuͤhrten Indianern aber, wird man wohl kein Volk mehr, welches ſeine eigene Geſchichte, von der Zeit her, da es ſein jetziges Land, als neues Land von ihm beſetzt wurde, un - zerruͤtteter aufweiſet, als die Chineſer anfuͤhren koͤnnen. Doch macht man dieſem Volk, welches mit andern keine Gemeinſchaft haben wollen, den Vorwurf, daß es ſich aus Prahlerey ein laͤnge - res Alter, als es ſich ſelbſt bewußt iſt, anmaſ - ſen will.

§. 371.

Nun, da man in Frankreich die Kings der Chineſer, oder ihre heilige Buͤcher, aus dem da - ſigen Buͤcherſchatze zu uͤberſetzen anfaͤngt(*)Le Chou-King etc. traduit par le P. Gaubit et Mr. Dèguignes. Paris 1770., wird viel darauf ankommen, daß man auch bey dieſen Buͤchern die aͤlteſte Erdkunde nicht aus den Augen ſetze, um ſolche der Natur gemaͤß zu erklaͤren, damit das, was bald ſelbſt einigen Chi - neſern ohne dieſe Erdkunde zweifelhaft werden will, dadurch in ſeinem wahren Werth erhalten werden moͤge. Denn ſonſt duͤrfte naͤchſtens des Fohi, Chin-nang und Goangedi aͤlteſte Geſchich - te, voͤllig zum Traume werden, da ſie ſonſt mei - ſtens der Indianer ihrem Alterthum, oder dem 5000ſten Jahr nahe, noch naͤher aber der abge - ſtorbenen Chaldaͤer und Egypter ihrem kommt.

§. 372.

Daß uns aber ihre ganz aͤlteſte Erdgeſchichte mehr einer Geiſterlehre aͤhnlich zu ſeyn ſcheint(**)Des Schuh-Kings prèface XXXIII S., iſt nicht zu bewundern, da ſich nur dieHaupt -263Hauptwoͤrter mit einigen Beywoͤrtern, nicht aber die wahren Vorſtellungen, von den erſten Vor - gaͤngen, auf dem ſich verwandelnden Erdboden bey ihnen, wie bey andern erhalten koͤnnen, weil dergleichen nach dem nicht wieder vorgekommen ſind. Ihr Pouan-Kou oder erſte Menſch, der re - gieren wollte, reicht weit uͤber unſere Zeitrech - nung hinaus(*)Deſſen Diſcours prèlim. LIII und LV S., und wenn von ihm geſagt wird(**)Deſſen Diſc. prèlim. LXII S., daß ſich zu ſeiner Zeit der Himmel von der Erde, oder vielmehr umgekehrt, die Er - de vom Himmel geſchieden habe, ſo ſoll dieſes wohl, wo nicht den erſten Urſprung der Erde von andern Himmelskoͤrpern, doch den Zeitpunkt ih - rer Verwandlung in den jetzigen Planeten, an - zeigen.

§. 373.

Von den Africanern, und vornaͤmlich von den alten Aethiopiern, muͤſſen wir auch noch etwas anfuͤhren. Dieſe wollen nicht allein eingebohrne, ſondern auch die erſten ihres Striches geweſen ſeyn, und ſowohl den erſten Gottesdienſt, als auch die zweyfache Schrift, nebſt den uͤbrigen Wiſſenſchaften erfunden haben. Denn damahls ſey Aegypten noch Meer geweſen, und da es lan - ge hernach Land geworden waͤre, habe es ein Pflanzzug aus ihnen beſezt. Dieſes haben die aͤthiopiſchen Geſandten, mit welchen Diodo - rus(***)Diodor. 3 B. 142 S. in Aegyten ſprach, ſelbſt betheuret, und mit natuͤrlichen Gruͤnden bewieſen. Es muͤſſen aber die jetzigen Gabißinier entweder ein ganz an -R 4der264der Volk ſeyn(*)Iobi Ludolfi Hiſt. aethiop. nebſt dem Com - mentar. , oder ihre aͤlteſten Wiſſen - ſchaften verlohren haben. Denn dieſe wiſſen nichts mehr.

§. 374.

Endlich waͤre noch zu wuͤnſchen, daß man auch aus America eine ihrer aͤlteſten Nachrichten, die ſie vor der Europaͤer Ankunft unter ſich fuͤr guͤltig erklaͤrten, nach ihrer eigenen Auslegung wuͤßte. Wir muͤſſen uns inzwiſchen an dem begnuͤgen, was der Ynka Garcilaſſo noch aus Peru gerettet hat(**)L’hiſtoire des Yncas roys de Peru etc. p. l’Ynca Garcilaſſo de la Vega. Paris 1633.. Allein aus der alten Angabe aller ſei - ner Landsleute kann man nur ſo viel deutlich ma - chen, daß die Erdkunde der meiſten Amerikaner mit Gewißheit nicht weiter, als an ihre hohe Ue - berſchwemmung reiche, ohne daß man wiſſen koͤnnte, wie alt dieſe Fluth ſey. Wenn nicht die kriegeriſchen Auftritte, ſo die Enropaͤer ebenfalls um ihre alte Wiſſenſchaften gebracht haben, auch hier alle Kenntniß ausgerottet haͤtten, waͤren viel - leicht durch Nachforſchungen ihre alte Nachrich - ten, mit der Zeit zu vermehren und zu vergleichen geweſen. Denn die Kenntniß des hoͤchſten Schoͤ - pfers Pachakamack, welche ehemals daſelbſt weit verbreitet war, hatte vermuthlich noch Ueber - bleibſel anderer Kenntniſſe neben ſich erhalten, die aber freylich bey den Verfolgungen des Krie - ges verloͤſchen muͤſſen.

§. 375.

Endlich wollen wir auch noch derer Urkunden, die in einigen hebraͤiſchen Buͤchern beſtehen, undvon265von einem Volk herkommen, das ſeine Auslegun - gen dieſer Buͤcher vor eben ſo goͤttlich, als die Buͤcher ſelbſt, angeſehen wiſſen will, gedenken.

§. 376.

Vermoͤge dieſer Auslegung behauptet man aus dem erſten Buch dieſer goͤttlich geoffenbarten Ur - kunden, die Schoͤpfungsgeſchichte ſelbſt; allein bey genauer Betrachtung, den Worten nach, ſcheint dieſer Sinn darinne nicht ſo zu liegen.

§. 377.

Man muß aber eine Erinnerung in Anſehung der Ueberſetzung des Hebraͤiſchen ins Teutſche, (weil man hier teutſch ſchreibt,) und zwar zuerſt der Sagewoͤrter, vorausſetzen; naͤmlich daß un - ſere teutſche Sprache in der Erzaͤhlung zwey Zeit - weiſer gebraucht. Einen vor die juͤngſt vergan - gene, und den andern vor die laͤngſt vergangene Zeit; dagegen das Hebraͤiſche der kuͤnftigen und vollen Zeit ihren gebraucht; ferner daß die he - braͤiſchen Sagewoͤrter viele Verwandlungen, durch ihr Piel, Hiphil und Hithpael, machen, die wir mit ganzen Redensarten, oder beſondern Huͤlfswoͤrtern, ausdruͤcken muͤſſen, und die man billig im Teutſchen, wo ſie ſich im Grundtexte gleich ſind, ſich auch ſo viel moͤglich, gleich uͤber - ſetzen muͤßten. Es iſt auch zu merken, daß die Hebraͤer im Erzaͤhlen faſt kein ander Verbin - dungsſylbchen, als ihr Vau anbringen, ſtatt deſſen wir in der teutſchen Erzaͤhlung viele ande - re, nach der beſonderen Art jedes Zuſammenhan - ges, brauchen muͤſſen; ſie brauchen auch oft die Nennwoͤrter vermittelſt der Vorſylbchen, wie der Sagewoͤrter, Zuwoͤrter. Anderer eigenen ArtenR 5nicht266nicht zu gedenken, die kuͤnftig teutſche Sprach - lehrer im Abſchnitt von den Ueberſetzungen, bey dem Vergleichen der teutſchen Sprache mit der hebraͤiſchen, vollſtaͤndiger aus einander ſetzen moͤgen.

§. 378.

Der erſte Vers dieſer Urkunde mag uns hiezu gleich zum Beyſpiel dienen, deſſen Ausſprache ungefehr dieſe waͤre(*)1 B. Moſ. 1, v. 1. 2.: Breſchit bara Elohim eth haſchamajim veeth haarez. Da nun das Sagewort Bara in der vollen Zeit ſteht, ſo kann das teutſche ſchaffen nicht anders, als in der laͤngſt vergangenen Zeit geſetzt werden; und an ſtatt er ſchuf, muͤßte es alsdenn beiſſen, er hatte ge - ſchaffen. Hierdurch wird man zugleich merken, daß das Nennwort Breſchith mit ſeinem Vor - ſylbchen b nun in das Zuwort anfangs oder anfaͤnglich fuͤr das Sagewort Bara uͤbergehe, und die ganze Redensart auf teutſch heiſſen muͤſſe: Anfangs hatte Elohim den Himmel und das Land geſchaffen. Ueberſetzt man nun im nach - folgenden Verſe vehaarez hajethah thohu vabo - hu ꝛc.(**)1 B. Moſ. 1, v. 1. 2. des vehaarez ſein ve ſtatt und, erzaͤh - lungsmaͤſig durch aber als; denn wieder die volle Zeit von hajethah, durch den laͤngſt vergangenen Zeitweiſer, und alſo die ganze Redensart, als aber das Land ein Thohu und Bohu geworden oder geweſen war ꝛc. ſo wird jeder Teutſche auch einſehen, daß das Woͤrtchen nur den vorigen teutſchen Ausdruck erſt vollſtaͤndig machen, und der Satz ſo heiſſen muͤſſe: Anfaͤnglich hatte Elo - him nur den Himmel und das Land oder die Er - de geſchaffen, als aber das Land, oder auch dieErde,267Erde, ein Thohu und Bohu geworden, oder ge - weſen war, und, ſo ꝛc. Sollte dieſer kleine Verſuch ſolcher erzaͤhlungsmaͤſigen Ueberſetzung nicht zeigen, daß hier vielmehr von einem Vor - gange, der dem daſigen Lande, oder dem Erdball, damahls wiederfuhr, worauf erſt nach einem Paar Tagen die uͤbrigen Himmelskoͤrper ſichtbar wur - den, als von einer Schoͤpfung, geredet werde?

§. 379.

Wenn dieſes iſt, ſo laͤge in dieſen 2 Verſen die Nachricht, wie unſer Erdball beſchaffen geweſen ſey, ehe auf ihm Sonne, Mond und Sterne ſichtbar wurden. Naͤmlich ſeine Kreaturen kann - ten vorher nichts, als den Himmel und ihren Erdball, aber vermittelſt dem Thohu und Bohu mit einer Waſſerfluth(*)Dieſen 2ten Vers vollſtaͤndig aus einander zu ſetzen, waͤre hier der Raum zu enge. kam der Erdball in den neuen Stand eines Planeten, auf dem man Son - ne, Mond und Sterne kennen lernte, indem ſie nun ſichtbar wurden. Man koͤnnte hier anneh - men, daß der Erdball vor dem Thohu und Bohu dieſer Zeit ein ſich ſelbſt erleuchtender Komet ge - weſen, deſſen Bewohner von ihrem eigenen Him - melsſchimmer, wie wir vom Sonnenlicht in An - ſehung der Ausſicht geblendet, weder Sonne, Mond noch Sterne ſahen, und nichts weiter als ihren Wohnplatz, oder die naͤchſten Himmelskoͤr - per nur ganz undeutlich kannten.

§. 380.

Daß aber damahls ſchon Menſchen auf dieſem Lande geweſen ſeyn muͤſſen, laͤßt ſich ſowohl aus natuͤrlichen Gruͤnden, als auch aus dieſen Urkun - den ſchlieſſen. Denn wer ſollte es anders gewe -ſen268ſen ſeyn, gegen die Elohim vor jedem Tage ſprach, indem kein ander Geſchoͤpfe des Erdballs die Sprache verſtund. Es muͤſſen auch wohl Men - ſchen geweſen ſeyn, denen Elohim, vermoͤge des Sageworts Vajar(*)4. 10. 12. 18. 21. 25. 31ſte V. daſelbſt., das ganz natuͤrlich nach der Verwendung von Hiphil ſteht, an jedem Ta - ge ſehen ließ, was dieſesmahl erfolgt war.

§. 381.

Es konnten auch Pflanzen und Baͤume auf dem Erdball noch vor dem Sonnenſchein wach - ſen und Samen tragen, weil ſie als voͤllig er - wachſen angegeben werden, ehe noch Sonnen - und Mondſchein war(**)vom 11ten bis zum 14ten V., wie denn auch der Sonne noch keine ſolche Kraft, wie jetzt, vom Elohim zugeſchrieben wird(***)vom 14ten bis zum 18ten V..

§. 382.

Der angefuͤhrten Meynung aber, ſcheinet das, was Elohim am 6 Tage(****)26 Vers: Naaͤſeh Adam Bezalmenu pid - muthenu: Laßt uns einen Adam von un - ſerm Bilde, nach unſerer Gleichung ver - anſtalten, oder einſetzen und erwaͤhlen. mit dem Adam vornahm, am ſtaͤrkſten zu wiederſprechen. Wenn aber hier vom Adam, als dem, vom Elohim er - waͤhlten erſten und aͤlteſten Stammvater der He - braͤer geredet wuͤrde, ſo lieſſe ſich hier auch kein wahrer Widerſpruch finden.

§. 383.

Das 2te Kapitel dieſes Buchs faͤngt ſich mit dem Ruhetage, der unbillig vom erſten Kapitelgetrennt269getrennt iſt, mit den Worten an(*)Von des 2ten Kapitel 4ten Vers an, bis zum Ende des 3ten Kapitols. Eleh tho - ledoth haſchamajim vehaͤaͤrez: Dieſe Nachkuͤnfte des Himmels und des Landes. Nun nehme man alle folgende Urkunden, die mit eleh tholedoth an - fangen, nach ihrem hierauf folgenden Inhalt vor ſich, ſo wird man uͤberall finden, daß niemahls darinne ein vergangener Vorgang, oder Ge - ſchlechtsſtamm dieſer Ueberſchrift, ſondern bloß der nachfolgende auseinander geſetzt ſey. Kann man alſo hier wohl etwas anders, als Vorfaͤlle ſuchen, die entweder nach der vorigen Zeit, und folglich als unſer Erdball ſchon einen Zeitlauf, oder mehrere hindurch als Planet geweſen war, den Himmel und das Land hier betroffen haben? oder die in ſolcher planetiſchen Nachkunft zugleich zwiſchen den Arten der Menſchen dieſes Landes, oder deſſen Fuͤrſten und Prieſterthuͤmern erfolget ſey? dadurch wird ein Naturforſcher finden, daß man nach der vorigen Erdverwandlung hier wie - der eine neue oder planetiſche Erdveraͤnderung aufzuſuchen habe. Vielleicht findet man ſie, wenn man uͤberdenkt, daß unſere Quellen jetzt nicht ſo groß ſind, noch ſeyn koͤnnen, daß ſie ſich wie die Quelle von Eden in vier Stroͤme zu vertheilen vermeynen, ſondern daß jetzt umgekehrt, viel zuſammen flieſſende Quellen erſt einen Strom ge - ben, und denn waͤre dieſes die zweyte gewiſſe Erd - veraͤnderung.

§. 384.

Wenn man nun alſo in dieſer Geſchichte, den erſten Urſprung dieſes Volks mit angegeben faͤn - de, und alſo ſein Alter, der Natur gemaͤß, nochuͤber270uͤber dieſe Zeit hinaus zu ſetzen waͤre, koͤnnte man da wohl zweifeln, daß bey ſolchen Umſtaͤnden, der Urſprung dieſes Volks unbekannt, und nebſt dem Urſprunge ſeiner Sprache weiter ruͤckwaͤrts zu ſuchen, und alſo vielleicht niemahls zu finden ſey.

§. 385.

Die dritte dieſem Volk begegnete Erdveraͤnde - rung iſt die in ihren Urkunden umſtaͤndlich be - ſchriebene Suͤndfluth ihrer Gegend(*)Vom 6ten bis 8ten Kapitel. welche durch den Einſturz des Abgrundes, nebſt dem nie - derfallenden letzten Himmelswaſſer entſtund, vor - naͤmlich aber nach damahliger Auslegung der menſchlichen Schickſale, durch die boͤsartigen Prieſterſoͤhne, und durch ihre mit den weltlichen Toͤchtern der damahligen gegen die goͤttlichen Prieſter weltlich geſchaͤtzten Fuͤrſten, erzeugte fremdartige Kinder, dem Lande zugezogen wurde. Dabey erlitte wieder der Himmel und das Land eine groſe Verwandlung. Denn der alte Himmel wurde nun vermittelſt dem Bogen(**)10ten Kapitel 25ſten Vers. welchem Elohim an die Wolken, wie an einen Pfeil geſetzt hatte, gaͤnzlich umgebildet, ſo daß nun das Ge - woͤlke, wie ein Pfeil am Himmel hinflog, oder nun wie unſere Wolken fortlief, folglich vorher, von ſtillſtehender Art geweſen war. Dadurch wurde alſo die Verſicherung wider einen kuͤnftigen Niederfall der Himmelswaſſer, ganz natuͤrlich fuͤr[fest] geſetzt angeſehen.

§. 386.

Vergleicht man ferner die Lebensjahre dieſes Volks, erſtlich vor der Suͤndfluth, und den ſchnel - len Abſchnitt hierinne nach ihr, denn nach derErd -271Erdtheilung bey Pelegs Geburt(*)Gegen 11ten Kapitels 10 bis 19ten Vers, und von da zum 32ſten Vers. und den eben ſo merklichen Abſchnitt in den Lebensjahren hernach(**)Des 9ten Kapitel 13 bis 17ter Vers durch Ke - ſcheth, oder τοξον der 70er, einen Schuͤtzenbogen: nicht αψις, einen Zirkel - oder Woͤlbbogen, noch ιρις, den Regenbogen.; ſo kann man die Erdtheilung zu Pelegs Zeit, fuͤr die vierte Erdveraͤnderung, nach der Landſchaft dieſer Menſchen anſehen. Doch wird dabey noch allezeit zu merken ſeyn, daß die Erdgeſchichte anderer entlegener Laͤnder, wenn ſie ſich auf dieſes Volk nicht bezog, oder ihm wohl gar unbekannt blieb, in dieſen Urkunden nicht zu ſuchen ſey.

§. 387.

Noch ein beſonderer Verſtoß, wider die oben - gedachte Verhaͤltniß beyder Sprachen und der Naturkunde ſcheinet es zu ſeyn, wenn man die Verwirrung zu Babel, durch die Zerſtreuung al - ler Menſchenarten uͤber die ganze Erde in allerley Spracharten erklaͤret. Denn wenn in der Urkun - de von dieſer Erzaͤhlung(***)10 Kap. 5. 20. 31 V. Lilſchono, Lilſcho - notham ganz gewiß ſeine und ihre Sprache heiſt; kann man da wohl ſapha ehad udebarim acha - dimm(****)11 K. 1 V. richtiger, als durch eine Stimme und einerley Reden oder eines Vorſchlages, und einer - ley Meynungen uͤberſetzen? der Zuſammenhang giebt es auch deutlich an, daß dieſe Stimmen und Meynungen, einmuͤthig die Auswanderung und den Anbau betrafen. Daher wurden ja nur die -ſerwe -272ſerwegen ihre Stimmen und Meynungen, nebſt ihren Ausfuͤhrungen verwirret; daß alſo die Zer - ſtreuung dieſes ausgewanderten Volks erſt nur in derſelben Landſchaft und nicht in der Welt herum, auch nur fuͤr dieſen Theil des Noachiſchen Volks ein Anlaß zu mehreren Staͤdten war, hingegen fuͤr den Noach ſelbſt und fuͤr ſeine uͤbrige Nach - kommenſchaft, die nicht mit daher gewandert war, nicht, und noch weniger fuͤr andere Menſchen.

§. 388.

Inzwiſchen wird jeder, der dieſe hebraͤiſche Ur - kunden betrachtet, leicht einſehen, daß in denſel - ben die Erdveraͤnderungen nur zufaͤlliger Weiſe mit angegeben worden, und die Geſchichte dieſes Volks den Hauptzweck darinne ausmachen, doch wuͤrde deren vollſtaͤndigere Vergleichung mit der Erd - und Sternkunde noch manchen Schwierig - keiten abhelffen.

§. 389.

Nun uͤberlaͤßt man, ohne alle die Nachrichten aus den ſchriftlichen Urkunden, weiter verfolgen, oder auf einen gemeinen Satz bringen zu wollen, dem Leſer, wie er ſeine Menſchengeſchichte, die er ſich vorſtellt, und die Geſchichte der bekannten Sprachen damit verbinden, alsdenn darnach die Erfindung einer erſten und einzigen Sprache be - ſtimmen, zuletzt aber ſein Urtheil uͤber die obige Erd - und Menſchenkunde abfaſſen will. Ver - muthlich, ſoll man aber doch uͤberzeugt werden, daß man zuerſt die Geſchichte und Ordnung des Himmels weiter aufklaͤren; darauf den Bau des Erdballs viel ſchaͤrfer in allen Welttheilen unter - ſuchen; und endlich die Menſchenkunde nach denKenn -273Kennzeichen der Arten auf ſelbigen viel genauer beobachten und unterſcheiden muͤſſe, ehe man zu - verlaͤßige Ausſpruͤche thun kann; und bloß als einen ſolchen Verſuch, den man nicht eher vor ge - gruͤndet, annehmen kann, als bis durch hinlaͤng - liche Unterſuchungen ausgemacht worden, daß er weder goͤttlichen, noch natuͤrlichen Wahrheiten wiederſpreche, nicht aber, als einen entſcheidenden Beweiß, darf man dieſen Aufſatz anſehen.

Druckfehler.

  • §. 64. 2te Zeile muß nach dem Worte ſoll, den Anfang ſtehen.
  • §. 92. muß das letzte Wort folgen, folgem heiſſen.
  • §. 102. leſe man vor euſtechiſche, euſtachiſche.
  • §. 115. ſtatt ein Nachſprechen, im Nachſprechen.
  • §. 137. Zeile 7. ſtatt als, l. ob.
  • §. 193. Z. 1. nach Eingliederung muß ein Com - ma ſtehen.
  • §. 279. Z. 5. ſtatt Befeuchtung l. Befruchtung.
  • §. 285. nach Nahrungsroͤhrchen muß verſchloſ - ſen ſtehen.
  • §. 286. am Ende l. ſtatt kemmen, kommen.
  • §. 309. Z. 11. ſtatt wenn, l. wie.
  • §. 362. Z. 6. ſtatt hoh, l. hohl.

About this transcription

TextEntwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte, nebst einem Versuch, den Ursprung der Sprache zu finden
Author Georg Christian Füchsel
Extent295 images; 39493 tokens; 6586 types; 283401 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEntwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte, nebst einem Versuch, den Ursprung der Sprache zu finden Georg Christian Füchsel. . [3] Bl., 273 S. s. e.FrankfurtLeipzig1773.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Bibl. Diez oct. 9086

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Sprachwissenschaft; Wissenschaft; Sprachwissenschaft; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:34Z
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