Fuͤngſt als das Sonnen-Licht in letzten Zuͤgen lag
Da ſich ſein Purpur-Schein nach blauen Wellen
lenckte /
Da ſchon die Demmerung aus grauen Wolcken brach /
Und den geflammten Glantz in Thetys Schooß verſenckte.
Da ſtuͤtzte ich mein Haupt auf den ermuͤdten Arm
Den Sorgen zu entgehn / die Geiſter zu erfriſchen /
Und das beklummne Hertz aus der Gedancken-Schwarm
Durch Froͤlichkeit zu ziehn / und Luſtbarkeit zu miſchen
Jn Kummer-volle Angſt damit mein Schickſahl gluͤht.
Jndeſſen uͤberſpann ein Nebel das Geſichte /
Ein Schlaff / der alle Macht dem muͤden Leib entzieht /
Nam mir im Augenblick die meiſten Lebens-Fruͤchte.
Mein Haupt das ſenckte ſich von der erſtarrten Hand /
Mein Leichnam ſtellte fuͤr den rechten Todes-Schatten /
Mein Geiſt verreißte faſt ins Elyſeer-Land
Und wolt’ in Charons Kahn ſich mit den Geiſtern gatten.
Jnzwiſchen traumte mir / wie ich da ſchiffend fuhr
Wo in des Nereus Fluth die ſchwimmenden Najaden
Jn lauter Marmor-Milch entdeckten ihre Spuhr
Mir ſelbſten kahm die Luſt in dieſer See zu baden /
Wie ich denn auch ſo fort mein morſches Schiff verließ /
Und mich der ſanfften Fluth in ihre Schooß vertraute
Ein kuͤhler Anmuths-Wind das weiche Meer auffbließ /
Worauf ich mich ſofort in einem Lande ſchaute;
Wo ich ein Frembdling war / mir war kein Weg bekannt /
Wo ſonſt die Dornen ſtehn / da zeigten ſich die Roſen /
Vor384Vor Neſſel und Napel man aller Orten fand
Gewaͤchſe / die man gern pflegt kuͤſſend liebzukoſen.
Jndeme nun mein Fuß / das zarte Feld betrat /
Und als ein ſchuͤchtern Schaaf durch Au und Waͤlder irrte /
Ward ich von fern gewahr ein ausgelegtes Pfad /
Worauf ein lichter Strahl bald hier / bald dorthin ſchwirrte.
Daſelbſten ſchwenckte ich die muͤden Glieder hin /
Weil mein neugierger Geiſt dahin mit Macht begehrte /
Jch kam auch an das Pfad / und ſah den Aretin,
Den ein geweyhter Krantz von gruͤnen Myrthen ehrte.
Kaum wie er mich erſehn / fand er ſich bey mir ein /
Er reichte mir die Hand in dem er dieſes fragte /
Woher mir doch das Land ſo kundbahr koͤnnte ſeyn /
Und wie mir deſſen Luſt und Lager-Stadt behagte?
Noch ferner fuhr er fort / ob mir auch wol bewuſt /
Daß dis die Jnſul waͤr wo Venus Tempel ſtuͤnde?
Wo man vor Schmertz und Pein nur ungemeine Luſt /
Vor Dieſteln / Liljen und ſchoͤne Roſen fuͤnde.
Wo wenig Sterbliche den Fuß noch veſt geſtellt /
Wenn ſie nicht Venus Lob zur Gnuͤge ausgebreitet /
Und ihrer Majeſtaͤt den halben Kreyß der Welt
Zum Opffer dargereicht / und her zu ihr geleitet.
Jch ſprach mein Aretin mein unbeſonner Fuß
Jſt ſonder meine Schuld in dis Revier gekommen /
Denn als ich unterfing in jenem Marmor-Fluß
Den Leib zu kuͤhln / bin ich an dieſes Land geſchwummen.
Wo ich den Ausgang nicht / noch deſſen Eingang weiß /
Dort was erſcheinet dort / mit ſeinen guͤldnen Zinnen?
Was iſts vor ein Gebaͤu / vor dem ein kaltes Eyß /
Weil es ſo helle ſcheint / wie Waſſer muß zerrinnen?
Hierauf ſprach Aretin, es iſt der Venus Sitz /
Da kuͤßt ſich Amors Macht mit Cypris ſuͤſſen Flammen /
Da blitzet / ſtrahlt und brennt vergoͤnnter Liebe-Blitz /
Da ſchmeltzet Mann und Weib in heiſſer Gluth zuſammen.
Da gehet niemand frey ohn Strick und Band zuruͤck /
Wer als ein luͤſtern Gaſt in dieſe Gegend wallet /
Ehrt den beliebten Strahl mit einem heiſſen Blick /
Der aus der Nymphen Aug’ in ſein Geſichte prallet.
Jch /385Jch / den das Schickſahl laͤngſt zum Sclaven auserkieſt /
Erſuchte Aretin den Tempel zu beſehen;
Er ſprach: Dieweil dein Geiſt ſo neubegierig iſt /
Sey dir dein Wunſch gewehrt / dein Bitten ſoll geſchehen.
Jch / fuhr er fort / der laͤngſt von Jdalis ernennt /
Daß ich entſeelet ſoll ihr Heiligthum behuͤten /
Als einer / der den Schatz am allerbeſten kennt /
Den aus der blauen Schooß der bittern Amphitriten,
Sie mit ans Licht gebracht / und allda auffgeſtellt.
Sie hat mehr Perlen-Koſt als ſuͤſſe Milch genoſſen /
Und iſt dennoch ein Brunn der Anmuth in ſich haͤlt /
Unendlich kommt aus ihr die Wolluſt hergefloſſen /
Ob gleich dis groſſe Rund ihr taͤglich viel entfuͤhrt.
Jch habe nur die Quell mit Wenigen beſchrieben /
Die mein verſtumpffter Kiel nicht wie es ihr gebuͤhrt
Nur wie er es gekonnt den Sternen zugetrieben.
Er fuͤhrte mich hierauf in einen gruͤnen Wald
Wo Myrthen und Laurier, Jesmin und Roſen ſtunden /
Der war zur Abends-Zeit der Venus Auffenthalt /
Wenn ſie ſich aller Laſt und Vorſehung entbunden.
Recht in der Mitten floß ein Cryſtalliner Bach /
Worauf ihr Schwaanen Spann im Schwim̃en ſich erhitzte /
Dione ging darinn dem kuͤhlen Baade nach
Wenn ihr Albaſter Leib Zibeth und Ambra ſchwitzte.
Am Ausgang dieſes Hayns ſtund ein erhoͤht Altaan
Darunter wir hindurch in einen Vor-Hof gingen /
Daſelbſten zuͤndete man geilen Weyrauch an /
Den durfften ſie nicht hin zum rechten Tempel bringen.
Aus dieſem Hofe kam ich wo der Tempel iſt
Daran das Morgen-Land den groͤßten Schatz verwendet /
Wo Bantam, Bengala ſich miteinander kuͤßt /
Wo Java und Golcond die Edel-Stein’ verſchwendet.
Wo Gold aus Potoſi als viel zu ſchlecht verbleicht /
Wohin gantz Jndoſtan den beſten Schmuck verehret /
Wo Sidons Schnecken-Blut vor zarten Roſen weicht /
Wo der Sineſe noch den Araber vermehret.
Kein Pinſul iſt ſo zart / der ſo gelinde zieht
Als dieſer Goͤttin Haus und Tempel iſt geziehret;
B bKein386Kein Nelcken-Straus ſo nett in ſich gemarmelt bluͤht
Als man dis Heiligthum von auſſen auffgefuͤhret.
Es war gantz Circul-rund von Marmor aufgebaut /
Zwoͤlff Pfeiler ſtuͤtzeten der Cypris Allmachts-Tempel
Nach Ordnung die Corinth am liebſten ausgehaut.
Die innerſten Pilarn, nach Doriſchen Exempel /
Umfing ein Venus-Held mit Myrthen Laub bekroͤnnt.
Hier brannte Hercules in heiſſen Liebes-Flammen /
Dem Paris ſah mans an wohin er ſich geſehnt.
Drauf ließ ſich der Anton und Cæſar gleich beyſammen
Nach dieſen Nero ſich / und denn Avitus ſehn.
Zur lincken Seiten ſah ich alle die Poëten /
Die Paphos Ehren-Preiß mit lieblichen Gethoͤn
Auf Harffen / Lauten-Spiel und angenehmen Floͤhten
Bis an die Sternen-Burg durch ihre Kunſt gefuͤhrt /
Hier ſtund Anacreon, Petronius, Catullus
Recht praͤchtig angethan / mit Lorbern ausgeziert /
Und dort Horatius, Ovidius, Marullus.
Den Nahmen nach / fand man da unvergleichlich mehr.
Zuletzt ſo fiel der Sitz / wo ihre Gottheit wohnte /
Mir Bloͤden ins Geſicht als ein Erſtaunungs-Heer.
Woſelbſt der Diamant des Tuͤrckis-Schein belohnte /
Wo ein gewuͤnſchter Stein den andern angeſtrahlt /
Woſelbſt der Anmuth-Schmuck aus allen Theilen lachte /
Wo ſich Rubin und Gold ein Roſen-Feld gemahlt /
Wo dieſes theure Bund ein nettes Schau-Spiel machte /
Da war Dionens Sitz. Auf einem Prunck-Altar
Sah ich ein Opffer-Feur in blanen Flammen lodern /
Die holden Gratien, das Klee-geparte Paar.
Die muſten Amorn ab das theure Rauch-Werck fodern.
Die Goͤttin ſelbſt war nur mit zarten Flor geziert /
Wodurch der Glieder-Pracht mit ſtarcken Flammen blitzte.
Weil ſie durch ihre Krafft Stein / Baͤum’ und Thiere ruͤhrt /
So fiel es ihr nicht ſchwehr / daß ſie mein Hertz erhitzte.
Denn wie Magnet den Stahl / der Agtſtein leichtes Spreu
Durch Liebe an ſich zieht / ſo auch die nackten Bruͤſte /
Die Nelcken gleiche Schooß zeigt / daß ſie lebhafft ſey
Denn welcher ſchaut ſie wol / dems nicht ſo fort geluͤſte.
Der387Der Weinſtock liebt den Ulm / weil er die Rinde kuͤßt /
Das Epheu ſchlinget ſich in Felſen harte Mauren /
Dian’ und Nereus zeugt das Cypris maͤchtig iſt
Vor Amors Pfeilen kan Meduſens Haupt nicht dauren.
Es zuͤndet ihm die Welt viel tauſend Opffer an /
Der Mutter ſiegt er ob / und macht ſie ſelber brennen /
Da doch der groſſe Zeus der Mutter unterthan /
Ja es erhitzt ſo gar Cupidens bloſſes nennen.
Das auffgefrorne Meer / als ein gethuͤrmter Berg
Hegt Amors heiſſe Gluth in ſeinen kalten Wellen /
Das Loͤwens grimme Macht / und ſeine wilde Staͤrck /
Kan ihm der Venus-Sohn in Lammes-Art verſtellen.
Jndeme nun mein Geiſt auf Amors Wirckung dacht’ /
Und ſeine Wunder-Krafft im Hertzen uͤberlegte /
Ward mir von Aretin ein groſſes Buch gebracht
Das vieler Helden-Schrifft in ſeinen Blaͤttern hegte /
So ihr gelehrter Kiel aufs weiſſe Blat gepfluͤgt.
Er ſprach: Hier muſt du auch ein Ehren-Denck-Mahl ſetzen.
Wie ſo? erſetzte ich / wird denn auch beygefuͤgt
Ein ungelehrter Spruch / den klugen Wunder-Schaͤtzen?
Doch / daß man uͤber mich nicht aller Orten klagt /
So ſchreibe ich ins Buch nur wenig keuſche Zeilen.
Schreib was / und wie du wilt / es iſt dir unverſagt
Sprach Aretin, mach fort du darffſt dich nicht verweilen.
Hierauf nahm ich zur Hand Buch / Dinte und den Kiel
Und ſchrieb auf eine Schrifft an einem reinen Orte /
Sie fuͤllete den Raum bis zum gezeichten Ziel
Und hegte / wo mir recht / faſt eben dieſe Worte:
„ Jch flieh den ſuͤſſen Klang der ſchmeichelnden Sirene,
„ Und ſtopffe mein Gehoͤr mit der Verachtung zu;
„ Jch binde die Begierd mit der Enthaltungs-Sehne /
„ Am Maſt-Baum der Vernunfft / und gebe mich zur Ruh.
„ Jch wende meinen Lauff von den verborgnen Klippen /
„ Und lenck mein Sinnen-Schiff nach reiner Keuſchheit hin /
„ Mein Bau begehret nicht auf ihren falſchen Lippen
„ Den Untergang zu ſehn; des ich gewiſſer bin
„ Als Nacht und Sonnenſchein ſich um einander zeiget /
„ Als eine Woch’ ein Jahr ſich Wechſel-weiſe kuͤßt.
B b 2„ Denn388„ Denn welcher ſein Gemuͤth auf Huren-Wolluſt neiget /
„ An ſtatt gewuͤnſchter Koſt vergiffte Kroͤten friſt.
„ Er ſchmeckt vergallt Napcl ſtatt reinen Liebes-Myrthen /
„ Er behtet Neſſel-Kraut vor Purpur-Roſen an.
„ Vor den verlangten Port ſtoͤſt er auf ſcharffe Syrten /
„ Die auch die Klugheit ſelbſt nicht ſtets vermeiden kan.
„ Sie faͤllt / wenn ſie dem Ort ſich allzu nahe machet /
„ Wo ein verbuhltes Weib der Geilheit-Prieſterinn /
„ Dem die verbotne Luſt aus Stirn und Auge lachet /
„ Das nach der Uppigkeit gelenckt den luͤſtern Sinn.
„ Das der gemeinen Luſt ein fettes Opffer bringet /
„ Das dem entzaͤumten Siñ noch Peitſch und Spornen reicht /
„ Das ſich wie Meſſalin zur Wolluſt Schlacht-Banck dringet /
„ Jn deſſen Nieren nie der Venus-Stern erbleicht /
„ Doch aber / wenn Vernunfft aus klugen Augen ſiehet /
„ Man wie Ulyſſes dort / Siren und Circen aͤfft /
„ Der Scyllens Fall-Strick / und Charibdis Netz entfliehet
„ Und in des Polyphems entweyhter Hoͤlen ſchlaͤfft.
„ Der muß Vorſichtig ſeyn / und gar behutſahm gehen /
„ Der je zuweilen noch ein wenig lieben will /
„ Haͤlt er ſeyn Leben hoch ſo muß er dahin ſehen
„ Daß ſein Verlangen nicht nach einer Huͤtten ziel /
„ Wo Mord und Tyranney bey falſchen Geiſtern wohnen /
„ Die / die Verzweiffelung mit Zucker uͤberſtreut /
„ Die ihre Laſter-Brut ſo wie die Keuſchen lohnen /
„ Und denen nichts / als nur dis eintzige / gereut /
„ Daß ſie in geiler Luſt nicht Obermeiſter heiſſen
„ Daß ihnen nur ein Krantz als Hauptmann wird geſchenckt /
„ Daß ſie nicht Meſſalin von ihren Throne ſchmeiſſen.
„ Dis iſt der groſſe Schmertz / ſo ihre Sinnen kraͤnckt.
„ Hieruͤber quaͤhlen ſich die geilen Creaturen /
„ Bey denen nur die Form und Anſehn menſchlich faͤllt /
„ Die ihre Hertzens-Luſt / aufs Loͤffeln / und auf Huren /
„ Und ander Schandbarkeit in dieſer Welt geſtellt.
„ Die / wenn ein reiner Geiſt durch ihre Wohnung irret /
„ So gleich den Boden kehrn / wo er den Fuß geſetzt /
„ Da doch deꝛ Hoͤllen-Mohꝛ durch Schooß u. Schloͤſſeꝛ ſchwirret
„ Und ihr verdammtes Haus mit Pech und Schweffel letzt.
Hier389Hier reichte ich das Buch ihm wieder in die Hand /
Das er denn auch ſofort an ſeine Stelle brachte /
Und mir in einem Huy aus dem Geſicht verſchwand /
Der Tempel regte ſich / die gantze Gegend krachte /
Die Venus die entzog ſich ihrem Rauch-Altar /
Die Nymphen flogen weg / und wo ich nur hin blickte
Wurd’ ich von aller Pracht gar nichtes mehr gewahr.
Die Ampeln gingen aus / ein groſſer Wind verruͤckte
Zu letzt den gantzen Bau. Jndem erwachte ich /
Jch wuſt’ nicht wo ich war / noch wo ich mich befunde /
Jch ſahe gar kein Licht / und kunte keinen Stich
Vor meinen Augen ſehn. Die Dunckelheit verbunde
Mit ihren ſchwartzen Flohr mein ſchlaͤffriges Geſicht /
Die Wolcken waren gantz mit Finſterniß bezogen /
Und Phœbens blaſſer Schein verbarg ſein ſilber Licht.
So hatte mich der Schlaff und Morpheus Tand betrogen.
Zuletzt beſonn ich mich / ich wuſte wo ich war
Als Phœbens ſilber Horn den Erden-Kreyß bemahlte /
Und in Metall und Wein den Lebens-Safft gebahr /
Wie ſie das Sternen-Heer mit ihrem Glantz beſtrahlte.
Es war ein leerer Traum / und eitel Phantaſey
Das mir verwichne Zeit den Sinnen-Bau bethoͤret /
So gleich ſchlug auch das Uhr durch ſeinem Hammer zwey
Dadurch ward mir die Zeit nach Bett zu gehn gelehret.