PRIMS Full-text transcription (HTML)
CONTINUATIO des abentheurlichen SIMPLICIS - SIMI Oder Der Schluß deſſelben.
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Mompelgart /Bey Johann Fillion/1669.
O wunderbares thun! O unbeſtaͤndigs ſtehen
Wann einer maͤhnt er ſteh / ſo muß er fuͤrter
gehen /
O ſchluͤpfferigſter Standt! dem vor ver -
meinte Ruh
Schnell und zugleich der Fall ſich naͤhert
zu
Gleich wie der Todt ſelbſt thut; was ſolch hin
fluͤchtig Weſen
Mir habe zugefuͤgt / wird hierinnen geleſen;
Worauß zuſehen iſt daß Unbeſtaͤndigkeit
Allein beſtaͤndig ſey / immer in Freud und
Leid.
  • Das 1. Capitel. Jſt ein kleine Vorꝛede und kurtze Erzehlung / wie dem neuen Einſidler ſein Standt zuſchlug.
  • Das 2. Capitel. Wie ſich Lucifer verhielte / als er friſche Zei - tung vom geſchloßnen Teutſchen Frieden kriegte.
  • Das 3. Capitel. Seltzambe auffzuͤg etliches hoͤlliſchen Hoff - geſinds und dergleichen Burſch.
  • Das 4. Capitel. Wettſtreit zwiſchen der Verſchwendung und dem Geitz; und iſt ein wenig ein laͤnger Capitel als das vorige.
  • Das 5. Capitel. Der Einſidel wird auß ſeiner Wildtnuß zwiſchen Engelland und Franckreich auff das Meer in ein Schiff verſetzt.
  • Das 6. Capitel. Wie Iulus vnd Avarus nach Paris rayſen / und dort ihre Zeit vertreiben.
  • Das 7. Capitel. Avarus findet auff ohngekehrter Banck / und Iulus hingegen macht Schulden / deſſen Vatter aber rayſet in ein andere Welt.
  • Das 8. Capitel. Iulus nimbt ſeinen Abſcheid in England auff Edelmaͤnniſch / Avarus aber wird zwiſchen Himmel und Erden arreſtirt
  • Das 9. Capitel. Baldanders kombt zu Simpliciſſimo, und ler -A[3]netnet ihn mit mobilien und immobilien reden und ſelbige verſtehen.
  • Das 10. Capitel. Der Eremit wird auß einem Waldt - ein Wali-Bruder.
  • Das 11. Capitel. Simplici ſeltzſamer Diſcurs mit einem Scher - meſſer.
  • Das 12. Capitel. Obige Materia wird continuirt und das Ur - thel exequirt.
  • Das 13. Capitel. Was Simpilicius ſeinem Gaſt-Herꝛen fuͤr das Nacht-Laͤger vor eine Kunſt gelernet.
  • Das 14. Capitel. Allerhand Auffſchneidereyen deß Pilgers / die einem auch in einem bitzigen Fieber nicht ſeltzſamer vorkommen koͤnnen.
  • Das 15. Capitel. Wie es Simplicio in etlichen Nachtherber - gen ergangen.
  • Das 16. Capitel. Wie der Pilger wiederumb auß dem Schloß abſcheidet.
  • Das 17. Capitel. Was maſſen er uͤber das Mare mediterra - neum in Egypten faͤhrt / vnd an das rothe Meer verfuͤhrt wird.
  • Das 18. Capitel. Der wilde Mann kombt mit groſſem Gluͤck und vielem Geld wiederumb auff freyem Fuß.
  • Das 19. Capitel. Simplicius und der Zimmermann kommeñ mit dem Leben darvon / und werden nach dem erlittenen Schiffbruch mit einem aignen Land verſehen.
  • Das 20. Capitel. Was ſie vor eine ſchoͤne Koͤchin dingen / und wie ſie ihrer mit Gottes Hilff wieder loß wer - den.
  • Das 21. Capitel. Wie ſie beyde nach der Hand miteinander bauſen / und ſich in den Handel ſchicken.
  • Das 22. Capitel. Fernere folg obiger Erzehlung / und wie Simon Meron das Leben ſambt der Jnſul qui - tirt / darin Simplicius allein Herꝛ verbleibt.
  • Das 23. Capitel. Der Monachus beſchluͤſt ſeine Hiſtori und macht dieſen 6. Buͤchern das Ende.
  • Das 24. Capitel. Iean Corneliſen ein Hollaͤndiſcher Schiff-Ca - pitain kombt auff die Jnſul / und macht mit ſeiner Relation dieſem Buch einen Anhang.
  • Das 25. Capitel. Die Hollaͤnder empfinden ein poſſirliche Veraͤnderung / als ſich Simplicius in ſeiner Ve - ſtung enthielte.
  • Das 26. Capitel. Nach dem Simplicius mit ſeinem Belaͤgerern accordirt / kommen ſeine Gaͤſt wieder zu ihrer Vernunfft.
  • Das 27. Capitel. Beſchluß dieſes gantzen Werck / und Ab - ſcheid der Hollaͤnder.
Das

Das I. Capitel.

WAnn ihm jemand einbildet / ich erzehle nur da - rumb meinen Lebens-Lauff / damit ich einem und anderem die Zeit kuͤrtzen: oder wie die Schalcks-Narꝛn und Poſſen-Reiſſer zu thun pfle - gen / die Leut zum lachen bewoͤgen moͤchte; ſo findet ſich derſelbe weit betrogen! dann vie. lachen iſt mir ſelbſt ein Eckel / und wer die edle ohnwiederbringliche Zeit vergeblich hinſtreichen laͤſt / der verſchwendet die jenige Goͤttliche Gaab ohnnuͤtzlich / die uns verliehen wird / unſerer Seelen Hail in: und vermittelſt der - ſelbigen zuwuͤrcken; Warumb ſolte ich dann zu ſol - cher eytelen Thorheit verholffen: und ohne Urſach vergebens anderer Leut kurtzweiliger Rath ſeyn? Gleichſamb als ob ich nicht wiſte / daß ich mich hier - durch frembder Suͤnden theilhafftig machte mein lieber Leſer / ich beduͤncke mich gleichwohl zu ſolcher[P]rofeſſion umb etwas zugut zu ſeyn / wer derowegen einen Narꝛen haben will / der kaufft ihm zween ſo hat er einen zum beſten; daß ich aber zu zeiten etwas poſſierlich auffziehe / geſchiehet der Zaͤrthling halber / die keine heilſame Pillulen koͤnnen verſchlucken / ſie ſeyen dann zuvor uͤberzuckert vnd verguͤlt geſchwei - ge daß auch etwann die aller gravitetiſchte Maͤnner / wann ſie lauter ernſtliche Schrifften leſen ſollen / das Buch ehender hinweg zulegen pflegen / als ein an - ders / daß bey thnen bißweilen einen kleines Laͤchlen herauß preſſet; Jch moͤchte vielleicht auch beſchul - digt werden / ob gienge ich zuviel Satyricè drein, deſ - ſen bin ich aber gar nicht zuverdencken / weil maͤnnig - lich lieber gedultet / daß die allgemeine Laſter Genera - liter durch gehechlet uñ geſtrafft: als die aigne Untu -gendengenden freundlich corrigirt werden; So iſt der Theologiſche Stylus beym Herꝛn Omne (dem ich aber dieſe meine Hiſtori erzehle) zu jetzigen Zeiten leyder auch nicht ſo gar angenehm / daß ich mich deſ - ſen gebrauchen ſolte; ſolches kan man an einem Marckſchreyer oder Quackſalber (welche ſich ſelbſt vornehme Aertzt / Oculiſten / Bruͤch: und Stein - ſchneider nennen / auch ihre gute pergamentine Brief und Sigel druͤber haben) augenſcheinlich abneh - men / wann er am offnen Marckt mit ſeinem Hanß Wurſt oder Hanß Supp auftritt / und auf den erſten Schray und phantaſtiſchen krummen Sprung ſei - nes Narꝛen mehr Zulauffs und Anhoͤrer bekombt / als der eyferigſte Seelen-Hirt / der mit allen Glo - cken dreymahl zuſammen leuthen laſſen / ſeinen an - vertrauten Schaͤfflein ein fruchtbare heilſame Pre - dig zuthun.

Dem ſey nuu wie ihm wolle / ich proteſtire hiemit vor aller Welt / kein ſchuld zuhaben / wann ſich je - mand deßwegen aͤrgert / daß ich den Simpliciſſim um auf die jenige mode außſtaffirt / welche die Leut ſelbſt erfordern / wann man jhnen etwas nutzlichs bey brin - gen will; laͤſt ſich aber in deſſen ein und anderer der Huͤlſen genuͤgen und achtet deß Kernen nicht / der darinnen verborgen ſteckt / ſo wird er zwar als von einer kurtzweiligen Hiſtori ſeine Zufriedenheit: Aber gleich wohl das jenig bey weitem nicht erlangen / was ich ihn zuberichten aigentlich bedacht geweſen; fahe demnach widerum an / wo ichs im End deß fuͤnff - ten Buchs erwinden laſſen.

Daſelbſt hat der geliebte Leſer verſtanden / daß ich widerumb ein Einſidler worden / auch wa - rumb ſolches geſchehen; gebuͤhret mir derowegenA 4nun -nunmehr zuerzehlen / wie ich mich in ſolchem Standt verhalten; die erſte baar Monat alldieweil auch die erſte Hitz noch tauret / giengs treflich wol ab / die Be - gierde der fleiſchlichen Wolluͤſte oder beſſer zuſagen / Vnluͤſte / denen ich ſonſt treflich ergeben geweſen / daͤmpffte ich gleich anfangs mit zimblicher geringer Muͤhe / dann weil ich dem Baccho vnd der Cerera nit mehr dienete / wolte Venus auch nicht mehr bey mir einkehren; aber damit war ich drumb bey wei - tem nit vollkommen / ſonder hatte ſtuͤndlich tauſend - ſaͤltige Anfechtungen; wann ich etwan an meine al - te begangne loſſe Stuͤcklein gedachte und eine Reu[dardurch] zuerwecken / ſo kamen mir zugleich die Wol - luͤſte mit ins Gedaͤchtnuß / deren ich etwan da und dort genoſſen / welches mir nit allemal geſund war / noch zu meinem geiſtlichen Fortgang aufferbaulich; wie ich mich ſeithero erinnert / und der Sach nach - gedacht / iſt der Muͤſſiggang mein groͤſter Feind: Und die Freyheit (weil ich keinem Geiſtlichen un - derworffen / der meiner gepflegt und wargenommen haͤtte. ) die Urſach geweſen / daß ich nicht in meinem angefangenen Leben beſtaͤndig verharꝛet; ich woh - nete auff einem hohen Gebuͤrg die Moß genant / ſo ein ſtuͤck vom Schwartzwald: und uͤberal mit einem ſinſtern Dannen-Wald uͤberwachſen iſt / von dem - ſelben hatte ich ein ſchoͤnes Außſehen gegen Auffgang in das Oppenauer Thal und deſſen Neben-Zincken; gegen Mittag in das Kintzinger Thal und die Graf - ſchafft Geroltzeck / alwo daſſelbe hohe Schloß zwi - ſchen ſeinen benachbarten Bergen das Anſehen hat / wie der Koͤnig in einem auffgeſetzten Kegel-Spill; gegen Nidergang kondte ich das Ober und Unter El - ſaß uͤberſehen / und gegen Mitternacht der NidernMarg -Marggraffſchafft Baaden zu / den Rheinſtrom hi - nunter; in welcher Gegend die Statt Straßburg mit ihrem hohen Muͤnſter-Thum gleichſamb wie das Hertz mitten mit einem Leib beſchloſſen hervor pranget; mit ſolchem Außſehen und Betrachtun - gen ſo ſchoͤner Lands-Gegend delectirte ich mich mehr als ich eyferig bettete; warzu mir mein Per - ſpectiv dem ich noch nicht reſignirt, treflich anfriſch - te; wann ich mich aber deſſelbigen wegen der dunck - len Nacht nicht mehr gebrauchen kondte / ſo nahm ich mein Jnſtrument / welches ich zu Staͤrckung des gehoͤrs erfunden / zu handen / und horchte dardurch / wie etwan uff etlich Sundt Wegs weit von mir die Bauren Hund bellen / oder ſich ein Gewilt in meiner Nachbarſchafft regte; mit ſolcher Thorheit gieng ich umb / und lieſte mit der Zeit zugleich arbeiten und betten bleiben / wordurch ſie hiebevor die alte Egyp - tiſche Einſidel beydes Leib und Geiſtlicher Weiß er - halten; Anfaͤnglich als ich noch neu war / gieng ich zu Hauß zu Hauß in den naͤchſten Thaͤlern herumb / und ſuchte zu Auffenthaltung meines Lebens das Allmoſen / nahm auch nit mehr als was ich ploͤßlich bedorffte / und ſonderlich verachte ich das Gelt / wel - ches die umbligende Nachbaren vor ein groß Wun - der: Ja fuͤr ein ſonderbare Apoſtoliſche Heiligkeit an mir ſchaͤtzten; ſo bald aber meine Wohnung be - kandt wurde / kam kein Waldgenoß mehr in Wald / der mir nit etwas von Eſſen-Speiſſen mit ſich ge - bracht hette; dieſe ruͤhmten meine Heyligkeit und ungewoͤhnliches Einſidleriſches Leben auch ander - werts / alſo daß auch die etwas weiters wohnende Leuth entweder auß Fuͤrwitz oder Andacht getriben / mit groſſer Muͤhe zu mir kamen / und mich mit ihrenA 5Ver -Verehrungen beſuchten / da hatte ich an Brodt / But - ter / Saltz / Keß / Speck / Eyern und dergleichen nit allein keinen Mangel / ſonder auch einen Vberfluß; wurde aber darumb nit deſto[gottſeliger] / ſonder je laͤnger je kaͤlter / ſaumſeliger und ſchlimmer / alſo daß man mich beynahe einem Heuchler oder heili - gen Schalck hett nennen moͤgen; doch underlieſſe ich nicht / die Tugenden und Laſter zubetrachten / und zugedencken was mir zuthun ſeyn moͤchte / wann ich in Himmel wolte; Es geſchahe aber alles unorden - lich / ohne rechtſchaffenen Rath und einen veſten Vorſatz / hierzu einen Ernſt anzulegen / welchen mein Stand und deſſen Verbeſſerung von mir er - forderte.

Das II. Capitel.

WJr leſen daß vor zeiten bey dem GOtt ergebe - nen heiligen Gliedern der Chriſtlichen Kir - chen die Mortification oder Abtoͤdtung deß Flei - ſches / vornemblich in betten / faſten und wachen beſtanden; gleichwie nun aber ich mich der erſten beyden Stuck wenig beflieſſe; alſo lieſe ich mich auch die ſuͤſte Betoͤherung deß Schlaffs ſtracks uͤberwin - den / ſo offt mir nur zugemuthet ward / ſolche Schul - digkeit (daß wir dann mit allen Thieren gemein ha - ben) der Natur abzulegen; einmahls faullentzte ich unter einer Thannen im Schatten / vnd gab meinen unnuͤtzen Gedancken gehoͤr / die mich fragten / ob der Geitz oder die Verſchwendung das groͤſte oder aͤrgſte Laſter ſeye? ich habe geſagt meinẽ unnuͤtzẽ Gedancken! und das ſag ich noch! dann lieber was hatte ich mich umb die Verſchwendung zubekuͤmmern / da ich doch nichts zu verſchwenden vermochte? und was giengmichmich der Geitz an / in dem mein Stand / den ich mir ſelbſt frey willig erwoͤhlet / von mir erfordert / in Ar - muth und Doͤrfftigkeit zuleben? aber O Thorheit / ich war dannoch ſo hart verbaiſt / ſolches zuwiſſen / daß ich mir dieſelbige Gedancken nicht mehr auß - ſchlagen kondte / ſonder daruͤber einſchlummerte! womit einer wachent handiert / damit pflegt einer gemeiniglich auch traument vexirt zu werden / und ſolches wiederfuhr mir damals auch! dann ſo bald ich die Augen zugethan hatte / ſahe ich in einer tieffen abſcheulichen klingenden hoͤlliſchen Groß-Fuͤrſten Luciferum zwar auff ſeinem Regiments-Stul ſi - tzen / aber mit einer Ketten angebunden / daß er ſeines Gefallens in der Welt nicht wuͤtten koͤndte; die viele der hoͤlliſchen Geiſter mit denen er umbgeben / be - gnuͤgten durch ihr fleiſſigs auffwarten / die groͤſte ſei - ner hoͤlliſchen Macht / als ich nun dieſes Hoff-Ge - ſind betrachtete / kam ohnverſehens ein ſchneller Po - ſtilion durch die Lufft geflogen / der lieſe ſich vorm Lucifer nider und ſagte / O groſſer Fuͤrſt / der ge - ſchloſſene teutſche Frieden hat bey nahe gantz Euro - pam wiederumb in Ruhe geſetzt; das Gloria in ex - celſis und Te Deum Laudamus erſchallet aller Or - ten gen Himmel / und jedermann wird ſich befleiſ - ſen unter ſeinem Weinſtock und Feigenbaum hin - forder GOtt zu dienen ſo bald Lucifer dieſe Zeitung kriegte / erſchrack er anfaͤnglich ja ſo ſehr / als hefftig er den Menſchen ſolche Gluͤckſeeligkeit mißgoͤnnet; in dem er ſich aber wieder ein wenig erhollete / und bey ihm ſelbſt erwas / was vor Nachtheil und Scha - den ſein hoͤlliſches Reich am bißhero gewohnten in - tereſſe leyden muͤſte / grießgrammet er ſchroͤcklich! A vjerer knarbelt mit den Zaͤhnen ſo greulich / daß er weit und breit forchterlich zuhoͤren war / und ſeine Augen funckelten ſo grauſam vor Zorn und Ungedult / daß ihm gleichſam ſchweffellichte Feurflammen gleich - ſam wie der Plitz herauß ſchlugen und ſein gantze Wohnung erfuͤlleten; alſo daß ſich nicht allein die arme verdambte Menſchen und geringe hoͤlliſche Geiſter; ſonder auch ſeine vornembſte Fuͤrſten und gehaimbſte Raͤth ſelbſt darvor entſetzlen; zuletzt lief - fe er mit den Hoͤrnern wider die Felſſen daß die gan - tze Hoͤll darvon zitterte / und fieng dergeſtalt an zu wuͤtten und toben / daß die ſeinige ſich nichts anders einbilden kondten / als er wuͤrde entweder gar abrei - ſen / oder gantz toll und thoͤricht werden; maſſen ſich ein Zeitlang niemand erkuͤhnen dorffte ſich zu ihm zu nahen / weniger ein einziges Woͤrtlein mit ihm zu - ſprechen.

Endtlich wurde Belial ſo keck und ſagte / groß - maͤchtiger Fuͤrſt was ſeynd das vor Gebaͤrden von einer ſolchen unvergleichlichen Hochheit? wie? hat der groͤſte Herꝛ ſeiner ſelbſt vergeſſẽ? ode was ſoll uns doch dieſe[ungewoͤhnliche] Weiß bedeuten / die eurer herꝛlichen Majeſtaͤt weder nutzlich noch ruͤhmlich ſeyn kan? Ach! antwortet Lucifer, ach! ach wir haben alleſambt verſchlaffen und durch unſere aige - ne Faulheit zugelaſſen das lerna malorum unſer liebſtes Gewaͤchs / das wir auff dem gantzen Erd - boden hatten / und mit ſo groſſer Muͤhe gepflantzt: Mit ſo groſſem Fleiß erhalten / und die Fruͤchte da - von jeweils mit ſo groſſem Wucher eingeſamblet / nunmehr auß den teutſchen Graͤntzen gereuttet: Auch wann wir nicht anders darzu thun / beſorglich auß gantz Europa geworffen wird! und gleichwohliſtiſt keiner unter euch allen der ſolches recht behertzige! Jſts uns nicht allen eine Schand / daß wir die weni - ge Taͤglin welche die Welt noch vor ſich hat / ſo li - derlich verſtreichen laſſen? ihr ſchlaͤfferige Maul - affen / wiſt ihr nicht daß wir in dieſer letzten Zeit un - ſere reichſte Erndt haben ſollen? das iſt mir gegen dem Endt der Welt auff Erden ſchoͤn dominirt, wann wir wie die alte Hund zur Jacht vertroſſen und untuͤchtig werden wollen; der Anfang und Fort - gang deß Kriegs ſahe unſerm verhofften Fetten - ſchnitt zwar gleich / was haben wir aber jetzt zuhoffen? da Mars Europam biß auff Polen quitirt / dem ler - na malorum auff dem Fuß nachzufolgen pflegt.

Als er dieſe Meynung vor Boßheit und Zorn mehr herauß gedonnert: Als geredet hatte / wolte er die vorige Wuth wieder angehen; aber Belial machte daß er ſichs noch enthielte / da er ſagte / wir muͤſſen deßwegen den Muth nicht ſincken laſſen / noch ſich gleich ſtellen wie die ſchwachen Menſchen die ein wiederwertiger Wind anblaͤſt / weiſt du nicht / O groſſer Fuͤrſt / daß mehr durch den Wein als durchs Schwerdt fallen? ſolte dem Menſchen / und zwar den Chriſten / ein geruhigen Fried / welcher den Wolluſt auff dem Rucken mit ſich bringt / nicht ſchaͤdlicher ſeyn als Mars? iſt nicht gnug bekandt / daß die Tugenden der Braut Chriſti nie heller leuch - ten als mitten in hoͤchſtem Truͤbſal? mein Wunſch und Will aber iſt / antwortet Lucifer / daß die Men - ſchen ſowohl in ihrem zeitlichen Leben in lauter Un - gluͤck: Als nach ihrem Hinſterben in ewiger Qual ſeyn ſollen; dahingegen unſere Saumſahl endlich zugeben wird / daß ſie zeitliche Wohlfart genieſſen: Und[endlich] noch darzu die ewige Seeligkeit beſitzenA vijwer -werden; ha; antwortet Belial, wir wiſſen ja beyde mein profeſſion, vermittelſt deren ich wenig Feyer - taͤg halten: Sonder mich dergeſtalt thumlen wer - de / deinen Willen und Wunſch zuerlangen / das lerna malorum noch laͤnger bey Europa verbleiben: Oder doch dieſe Dam andere Kletten ins Haar krie - gen ſoll; allein wird deine Hochheit auch bedencken / daß ich nichts erzwingen kan / wann ihr das Numen ein anders goͤnnet.

Das III. Capitel.

DAs freundlich Geſpraͤch dieſer zweyen hoͤlli - ſchen Geiſter war ſo ungeſtuͤmm und ſchroͤck - lich / daß es einen Haubt Lermen in der gantzen Hoͤl - len erꝛegte / maſſen in einer geſchwinde das gantze hoͤlliſch Heer zuſammen kam / umb zu vernemmen / was etwann zuthun ſeyn moͤchte da erſchiene Lu - cifers erſtes Kind / die Hoffart mit ihren Toͤchtern; der Geitz mit ſeinen Kindern; der Zorn ſambt Neyd und Haß / Rachgier / Mißgunſt / Verleumbdung / und ihnen weiters verwandt war / ſo dann auch Wolluſt mit ſeinem Anhang / als Geilheit / Fraß Muͤſſiggang und dergleichen / item die Faulheit / die Untreu / der Muthwill / die Lugen / der Fuͤrwitz ſo Jungfern theuer macht / die Falſchheit mit ihrem lieblichen Toͤchterlein der Schmeicheley die an ſtatt der Windfach einen Fuxſchwantz trug / welches alles ein ſeltzamen Auffzug abgab / und verwunderlich zu -[ſe]hen war / dann jedes kam inſonderbarer aigner Lie - berey daher; ein theil war auffs praͤchtigſt herauß gebutzt / das ander gantz bettelhafftig angethan / und das dritte / als die Unſchamhafftig und dergleichen / gieng bey nahe uͤberall nackent; ein theil war ſo fettundund wohl leibig wie ein Bacchus, das ander ſo gelb plaich und mager wie ein alte doͤrꝛe Ackermeer; ein theil ſchiene ſo lieblich und anmuthig wie eine Ve - nus, das ander ſahe ſo ſaur wie Saturnus; das drit - te ſo grimmig wie Mars, das vierdte ſo tuͤckiſch und dockmaͤuſig wie Mercurius, ein theil war ſtarck wie Hercules, oder ſo gerad und ſchnell wie Hippome - nes, das ander lahm und hinckent wie Vulcanus; alſo daß man ſo unterſchiedlicher ſeltzſamen Ar - ten und Auffzuͤg halber vermeynen haͤtte moͤgen es waͤre das wuͤttig Heer geweſen / davon uns die alte ſoviel wunderlichs Dings erzehlt haben; und ohne dieſe obgenannte erſchienen noch viel die ich nicht kante noch zu nennen waiß / maſſen auch etliche gantz vermummet und verkappt auffzogen.

Zu dieſem ungeheuren Schwarm thaͤt Lucifer ei - ne ſcharpffe Rede / in welcher er dem gantzen Hauf - fen in genere und einer jeden Perſon inſonderheit ihre Nachlaͤſſigkeit verwiſſe / und allen auffrupffte / daß durch ihre Saumſal lerna malorum Europam ſaumen; er muſtert auch gleich die Faulheit auß / als einen untuͤchtigen Banckert / der ihm die ſeinige verderbe / ja er verwiſſe ihr ſein hoͤlliſches Reich auff ewig / mit Befelch daß ſie gleichwohl ihren unter - ſchlaiff auff dem Erdboden ſuchen ſolte;

Demnach hetzte er die uͤbrige alles Ernſts zu[groͤſ - ſerem] fleiß / als ſie bißhero bezeugt / ſich bey den Menſchen einzuniſtelen? betrohete darbeneben ſchroͤcklich / mit was vor Straffen er die jenige an - ſehen wolte / von welchen er kuͤnfftig im geringſten verſpuͤre / daß durch deren Ambts-Geſchaͤffte ſeiner intentio gemaͤß nicht eyferig genug verfahren wor - den waͤre; er theilet ihnen henebens auch neue in -ſtru -ſtructiones und memorial auß / und that ſtattliche promeſſen gegen denen die ſich tapffer gebrauchen wuͤrden.

Da es nun ſahe / als wann dieſe Reichs Verſamb - lung ſich endigen: Und alle hoͤlliſche Staͤnde wider - umb an ihre Geſchaͤffte gehen wolten! ritte ein zer - lumbter: und von Angeſicht ſehr blaicher Kerle auff einem alten ſchaͤbigen Wolff hervor / Roß und Mann ſahe ſo verhungert / mager / matt und hin - faͤllig auß / als wann beydes ſchon ein lange Zeit in einem Grab oder auff der Schintgruben gelegen waͤre! dieſer beklagte ſich uͤber eine anſehenliche Dame, die ſich auff einem neapolitaniſchen Pferdt von 100 Piſtolen werth / tapffer vor ihm tumlete; alles an ihren und deß Pferds Klaidungen und Zier - ten glaͤntzte von Perlen und Edelgeſteinen / die Stegraiff / die Buckeln / die Stangen / alle Rincken das Mundſtuͤck oder Gebiß ſambt der Kinketten war von purem Gold / die Hueffbeſchlaͤg aber an deß Pferdts Fuͤſſen von feinem Silber: Dahero man ſie auch keine Hueffeyſen nennen kan; ſie ſelbſt ſahe gantz herꝛlich / praͤchtig und trotzig auß / bluͤhete darneben im Angeſicht wie eine Roſe am Stock / oder war doch wenigiſt anzuſehen / als wann ſie einen halben Rauſch gehabt hette / maſſen ſie ſich auch ſonſt in al - len ihren Geberdten ſo friſch ſtellet; es roche umb ſie herumber ſo ſtarck nach Haarpulver Balſamb / Bi - ſtamb Ambra und andern Arom̃aten / daß wohl einer andern als ſie war / die Mutter hett rebelliſch werden moͤgen. In Summa es war alles ſo koſtbarlich umb ſie beſtelt / daß ich ſie vor die allermaͤchtigſte Koͤnigin gehalten hette / wann ſie nur auch gecroͤnet geweſenwaͤrewaͤre / wie ſie dann auch eine ſeyn mueß / weil man vor ihr ſagt / ſie allein herꝛſche uͤber das Geld und das Geld nit uͤber ſie: Gab mich derowegen anfaͤnglich wunder / daß obengedachter ellende Schindhundt auff dem Wolff wider ſie mutzen dorffte / aber er machte ſich mauſiger / als ich ihm zugetraut.

Das 4. Capitel.

Dann er trang ſich vor dem Lucifer ſelbſten und ſagte / großmaͤchtiger Fuͤrſt! beynahe auff dem gantzen Erdthoden iſt mir niemand mehr zuwider als eben gegenwertige Braͤckin / die ſich bey den Men - ſchẽ vor die Freygebigkeit außgibt umb under ſolchem Nam̃en mit huͤlff der hoffart: Deß wolluſts und deß Fraſſes mich allerdings in Verachtung zubringen vnd zuuntertrucken; dieſe iſt / die ſich uͤberal wie das boͤſte in einer Wannen hervor wirfft / mich in meinen Wercken und Geſchaͤfften zuverhindern / und wieder nieder zureiſſen / was ich zu Auffnehmung und Nutzen deines Reichs mit groſſer Muͤhe und Arbeit aufferbaue! iſts mit dem gantzen hoͤlliſchen Reich bekandt / daß mich die Menſchen-Kinder ſelbſt eine Wurtzel alles Ubels nennen; was vor Freud oder was vor Ehr hab ich mich aber von ei - nem ſolchen herꝛlichen Titul zugetroͤſten / wann mir dieſe junge Rotz-Naſe vorgezogen werden will? ſoll ich erleben daß ich! ich ſage ich! ich! der wohl - verdientſten Raths-Perſonen und vornembſten Diener einer! oder groͤſſer befoͤrderer deines Staats und hoͤlliſchen intereſſe, dieſer Jungen: Waͤrſt bey meinem Gedencken von Wolluſt und Hoffart er - zeugten thun jetzt erſt in meinem Alter weichen:UndUnd ihr den Vorzug laſſen muͤſte? nimmermehr nit! Großmaͤchtiger Fuͤrſt / wuͤrde es deiner Hoch - heit anſtehen / noch deiner intention nachgelebt ſeyn / die du haſt / das Menſchlich Geſchlecht ſowol hie als dort zuquaͤlen / wann du dieſer allemode Naͤrꝛin gewonnen gebeſt / daß ſie in ihrer Verfah - rung wider mich recht handele; ich hab zwar miß - redet / in dem ich geſagt / recht handele; dann mir iſt recht und unrecht eins wie das ander; ich wolte ſo viel damit ſagen / es gereiche zu Schmaͤhlerung dei - nes Reichs / wann mein Fleiß / den ich von unvor - dencklichen Jahren hero biß auff dieſe Stund ſo un - verdroſſen vorgeſpannet / mit ſolcher Verachtung belohnet: Mein Anſehen / æſtimation und Valor bey den Menſchen dardurch verꝛingert: Und endt - lich ich ſelbſten auff ſolche weiß auß ihrer aller Her - tzen gar außgeloͤſcht und vertrieben werden ſolte; befehle derohalben dieſer jungen unverſtaͤndigen Landlaͤufferin / daß ſie mir als einem Aeltern wei - chen: Forthin meinem Beginnen nachgeben: Und mich in deinen Reichs-Geſchaͤfften unverhindert fuͤrfahren laſſen ſolle / in aller Maß und Form als vor dieſem beſchehen / da man in der gantzen Welt von ihr nichts wuſte.

Demnach der Geitz dieſe Mainung mit noch weit mehrern Umbſtaͤnden vorgebracht hatte; ant - wortet die Verſchwendung / es verwundere ſie nichts mehrers / alß daß ihr Großvatter ſo unverſchaͤmbt in ſein eigen Geſchlecht hinein gleich wie ein anderer Herodes Aſcalonita in das ſeinige wuͤthen doͤrffe; er nennet mich (ſagt ſie) eine Braͤckin; ſolcher Ti - tul gebuͤhret mir zwar weil ich ſein Encklin bin / mei - ner aignen Qualitaͤten halber aber wird mir derſel -bebe nimmermehr zugeſchriben werden koͤnnen; Er rucket mir auff / daß ich mich bißweilen vor die Frey - gebigkeit außgebe / und unter ſolchem Schein meine Geſchaͤffte verrichte; ach einfaͤltiges Anbringen ei - nes alten Gecken! welches mehr zuverlachen als meine Handlungen zu beſtraffen; weiß der alte Narꝛ nicht / daß keiner vnder allen hoͤlliſchen Geiſtern iſt / der ſich zu Zeiten nit nach geſtaltſame der Sach und erheiſchender Nothdurfft nach in ein Engel deß Liechts verſtelle? zwar mein ehrbarer Herꝛ Aehne nehme ſich bey der Naſen; uͤberredet er nit die Men - ſchen wann er anklopfft Herberg bey ihnen zuſu - chen / er ſeye die Geſparꝛſamkeit? ſolte ich ihn drum deßwegen tadeln oder gar verklagen? Nein mit nich - ten; ich bin ihm deßwegen nit einmal gehaͤſſig! ſin - temalen wie ſich alle mit dergleichen Voͤrtheln und Betruͤgereyen behelffen muͤſſen / biß wir bey den Menſchen ein Zutritt bekommen / und ſich unver - merckt eingeſchleicht haben; und moͤchte ich mir wol einen rechtſchaffenen frommen Menſchen (die wir aber allein zu hindergehen haben / dann die Gottloſe werden uns ohne das nit entlauffen) hoͤren was er ſagte / wann einer von uns angeſtochen kaͤme / und ſagten ich bin der Geitz / ich will dich zur Hoͤllen brin - gen! ich bin die Verſchwendung / ich will dich ver - derben; Jch bin der Neid / folg mir ſo kombſtu in die ewige Verdambnuß; ich bin die Hoffart / laſſe mich bey dir einkehren / ſo mache ich dich dem Teuf - ſel gleich / der von GOttes Angeſicht verſtoſſen wor - den; ich bin dieſer oder der / wann du mir nachaͤh - meſt / ſo wird es dich viel zu ſpat reuen / weil du alß - dann der ewigen Pein nimmermehr wirſt entrinnen koͤnnen; meineſtu nit / ſagte ſie zum Lucifer / großmaͤch -maͤchtiger Fuͤrſt / ein ſolcher Menſch werde ſagen / troll dich geſchwind in aller hunderten taufenden Namen in Abgrund der Hoͤllen zu deinem Groß - vatter hinunter / der dich geſandt hat? und laſſe mich zufrieden; wer iſt unter euch allen / ſprach ſie da - rauff zum gantzen Umbſtandt / dem nit ſolcher Ge - ſtalt abgedanckt worden / wann er mit der War - heit / die ohne das uͤberall verhaſſt iſt / auffzuziehen ſich unterſtanden? Solte ich dann allein der Narꝛ ſeyn / mich mit der Warheit ſchleppen? und unſer aller Großvattern nicht nachfolgen doͤrffen? deſſen groͤſte Arcana die Luͤgen iſt.

Eben ſo kahl kombts / wann der alte Pfetzpfen - ning zu meiner Verkleinerung vorgeben will / die Hoffart und der Wolluſt ſeyen meine Beyſtaͤndt; und zwar wann ſie es ſeyn / ſo thun ſie erſt was ihre Schuldigkeit und die Vermehrung deß hoͤlliſchen Reichs von ihnen erfordert; das gibt mich aber wunder / daß er mir mißgoͤnnen will / was er ſelbſt nit entberen kan! weiſet es nit das hoͤlliſche Proto - toll auß / daß dieſe beyde manchen armen Tropffen ins Hertz geſtigen und den Geitz den Weeg beraitet / ehe er / der Geitz / einmahl gedachte oder ſich erkuͤn - nen doͤrffte einen ſolchen Menſchen zu attaquirn? Man ſchlage nur nach / ſo wird man finden / daß de - nen ſo der Geitz verfuͤhrt / entweder zuvor die Hof - fart eingeblaſſen / ſie muͤſſen zuvor etwas haben / ehe ſie ſich ſehen laſſen zuprangen: oder daß ihnen die Raitzung deß Wolluſts gerathen / ſie muͤſſen zuvor etwas zuſamen ſchaͤchern / ehe ſie in Freuden und Wolluſt leben koͤndten; warumb will mir dann nun dieſer mein ſchoͤner Großvatter die jenige nit helffen laſſen / die ihm doch ſelbſt ſo manchen guten Dienſtgethan /gethan / was aber den Fraß und die Fuͤllerey anbe - langt / kan ich nichts davor / daß er Geitz ſeine Un - terſaſſen ſo hart haͤlt / daß ſie ſich ihrer wie die mei - nige nit eben ſo wohl auch annehmen doͤrffen; ich zwar halte ſie darzu / weil es meiner Profeſſion iſt; und er laͤſt ſie die ſeinige auch nit außſchlagen / wann es nur nit uͤber ihren Seckel gehet; und ich ſage dan - noch nicht / daß er etwas ungereimts daran begehe / ſintemahl es in unſerem hoͤlliſchen Reich ein altes Herkommen / daß je ein Mitglied dem andern die Hand bieten: und wir alleſamen gleichſamb wie ein Kette aneinander hangen ſollen; betreffend meines Anherꝛn Titul / daß er nemblich je und allweg / wie dann auch noch / die Wurtzel alles uͤbels genennet worden / und daß ich beſorglich ihne durch mein Auf - nemmen verkleinern: oder ihm gar vorgezogen wer - den moͤchte; daruͤber iſt mein Antwort / daß ich ihm ſeine gebuͤhrende und wolhergebrachte Ehr / die ihm die Menſchenkinder ſelbſt geben / weder mißgoͤnne noch ihm ſolche abzurauben trachte; allein wird mich auch niemand unter allen hoͤlliſchen Geiſtern verdencken / wann ich mich befleiſſe / durch meine ei - gene Qualitaͤten meinen Großvatter zu uͤbertreffen oder ihm doch wenigſt gleich geſchaͤtzt zuwerden; welches ihm dann mehr zur Ehr als Schand gerai - chen wird / weil ich auß ihm meinen Urſprung zuha - ben bekenne; zwar hat er meines Herkommens hal - ber etwas irrigs auff die Bahn gebracht / weil er ſich meiner ſchaͤmet; in dem ich nicht wie er vorgibt / deß Wolluſts / ſonder eigentlich ſeines Sohns deß Uber - fluſſes Tochter bin; welcher mich auß der Hoffart deß allergroͤſten Fuͤrſten ält[e]ſten Tochter: und eben damals den Wolluſt auß der Thorheit erzeiget; die -weilweil ich dann nun Geſchlechts und Herkommens halber eben ſo Edel bin / als Mamon immer ſehn mag / zumahlen durch meine Beſchaffenheiten (ob ich zwar nit ſo gar klug zuſeyn ſcheine) eben ſo viel ja noch wol mehr als dieſe alte Kracher zunutzen ge - traue; als gedencke ich ihm nicht allein nicht zuwei - chen / ſonder noch gar den Vorzug zubehaupten; verſehe mich auch gaͤntzlich der Großfuͤrſt und das gantze hoͤlliſche Heer werde mir Beyfall geben / und ihm aufferlegen / daß er die wider mich außgegoſſe - ne Schmaͤhwort widerruffen: mich hinfort in mei - nem thun unmoleſtirt: und als einen hohen Stand und vornehmſtes Mitglied deß hoͤlliſchen Reichs paſſiren laſſen ſoll.

Welchen wolte es nicht ſchmirtzen / antwortet der Geitz auff dem Wolff / wann einer ſo widerwerdige Kinder erzeugt / die ſo gar auß ſeiner Art ſchlagen; und ich ſoll mich noch darzu verkriechen unnd ſtill - ſchweigen / wann dieſer Schlepſack mir nit allein al - les / was er nu: erdencken kan / zuwider thut / ſonder was mehr iſt / noch druͤberhin durch ſolche Wider - ſpaͤnſtigkeit mein anſehenlich Alter zuvernitzen: und uͤber mich ſelbſt zuſteigen gedenckt; O Alter antwortet die Verſchwendung es hat wol ehe ein Vatter Kinder erzeugt / die beſſer geweſen als er! aber noch oͤffter / antwortet Mammon / haben die Eltern uͤber ihre ungerathene Kinder zu klagen ge - habt!

Warzu dienet diß gezaͤnck / ſagte Lucifer, jedes Theil erweiſe was es vor dem andern unſerm Reich vor nutzen ſchaffe / ſo wollen wir darauß judiciren, welchem under euch der Vorzug gebuͤhre / als umb welchen es vornemblich zuthun; vnd in ſolchem un -ſermſerm Urthel wollen wir weder Alter noch Jugent / noch Geſchlecht noch ichtwas anders anſehen; dann wer dem groſſen Namen am allermaiſten zuwider vnd den Menſchen am ſchaͤdlichſten zuſeyn befunden wird / ſoll unſerem alten Gebrauch / und herkom̃en nach auch der vornembſt Haan im Korb ſeyn.

Seintemahl groſſer Fuͤrſt / mir zugelaſſen iſt / ant - wortet Mammon, meine Qualitaͤten vnd auff wie vielerley weiß ich mich dardurch bey dem hoͤlliſchen Staat verdient mache / an Tag zulegen; ſo zweifelt mir nicht wann ich anders recht gehoͤret: Und alles umbſtaͤndlich und gluͤcklich genug vorbringen wuͤr - de / daß mir nit allein das gantze hoͤlliſche Reich den Vorzug vor der Verſchwendung zuſprechen: ſon - der noch darzu die Ehr und den Sitz des alten ab - gangnen Plutonis, under welchem Namen ich ehe - malen vor das hoͤchſte Oberhaupt alhier reſpectirt worden / widerumb goͤnnen und einraumen werde / als welcher Standt mir billich gebuͤhrt; Zwar will ich nit ruͤhmen / daß mich die Menſchen ſelbſt die Wurtzel alles uͤbels: das iſt einen Urſprung Cloac und Grundſuppe nennen / alles deß jenigen was ihnen an Leib und Seel ſchaͤdlich / und hingegen un - ſerem hoͤlliſchen Reich nutz ſeyn mag; dann ſolches ſeynd nun allbereit ſo bekandte Sachen / daß ſie auch bereiis die Kinder wiſſen! will auch nit herauß ſtrei - chen / wie mich deßwegen die ſo dem groſſen Numen beygethan ſeyn / taͤglich loben und wie das ſaure Bier außſchreyen / mich bey allen Menſchen verhaſt zumachen; wiewol mirs zu nicht geringer Ehr ge - raicht / wann hierauß erſcheinet / daß ich ohnange - ſehen aller ſolchen Numinaliſchen Verfolgungen /[de]nnoch bey dem Menſchen meinen Zugang erpra -cticirte;cticire; mir ein veſten Sitz ſtelle; und auch endlich wider alle ſolche Sturmwinde behaubte; waͤre mir dieſes allein nit Ehr genug / das ich die jenige gleich - wol beherſche / denen das Numen ſelbſt treuhertziger Warnnungsweiß ſagte / ſie koͤndtẽ ihm uñ mir nit zu gleich dienen; und daß ſein Wort unter mir wie der gute Samen unter den Doͤrnẽ erſtickt; hiervon aber / will ich durch auß ſtillſch weigen / weil es wie gemelt / ſchon ſo alte Poſten ſeyn / die bereits gar zubekandt! aber deſſen / deſſen / ſage ich / will ich mich ruͤhmen / daß keiner vnter allen Geiſtern und Mitglidern deß hoͤlliſchẽ Reichs die Intention unſers Groß-Fuͤrſten beſſer ins Werck ſetze als eben ich; den derſelbe will vnd wuͤnſcht nichts anders / als daß die Menſchen ſo wohl in ihrer Zeitlichkeit kein geruhiges ver - gnuͤgſambes nnd fridliches: als auch in der Ewig - keit kein ſeeliges Leben haben und genieſſen ſollen;

Sehet doch alle euren plauten wunder; wie ſich die jenige anfahen zu quelen / bey denen ich nur einen geringen Zutritt bekome; wie unablaͤſſig ſich die je - nige aͤngſtigen / die mir ihr hertz zum Quartier be - ginnen einzuraumen; vnd betꝛachtet nur ein wenig / die wegẽ deſſen den ich gantz beſitze und eingenom̃en; darnach ſagt mir / ob auch ein ellendere Creatur auff Erden lebe / oder ob jemahlen ein einiger hoͤl - liſcher Geiſt einen groͤſſern oder ſtandthafftigern Martyrer vermoͤgt unnd zugerichtet habe / als eben derſelbig einer iſt / den ich zu unſerem Reich ziehe; ich benemme ihm continuirlich den Schlaff / wel - chen doch ſein aigne Natur ſelbſt ſo ernſtlich von ihm erfodert / und wann er gleich ſolche Schuldigkeit nach Nothdurfft abzulegen gezwungen wirdt / ſo tribuliert und veriere ich ihn jedoch hingegen derge -ſtaltſtalt mit allerhandt ſorgſamben unnd beſchwerlichen Traͤumen / daß er nit allein nit ruhen kan / ſonder auch ſchlaffent viel mehr: Als mancher wachent ſuͤndigt; mit Speiß und Tranck auch allen andern angenehmen Leibs v[e]rpflegungen tractire ich die wohlhaͤbige viel ſchmaͤler / als andere doͤrfftigſte zu - genieſſen pflegen; und wann ich der Hoffart zuge - fallen nit bißweilen ein Aug zuthaͤte ſo muͤſten ſie ſich auch elender beklaiden / als die aller armſeelig - ſte Bettler; ich goͤnne ihnem keine Fꝛeud / keine Ruhe / keinen Fried / keine Luſt und in Summa nichts das gut genennet: Und ihren Leiben geſchweige den Seelen zum beſten gedeyen mag; ja auch auffs euſ - ſerſt die jenige Wolluͤſte nit / die andere Welt-Kinder ſuchen und ſich dardurch zu uns ſtuͤrtzen; die fleiſch - liche Wohluͤſte ſelbſt / denen doch alles von Natur nachhaͤngt / was ſich nur auff Erden regt / verſaltze ich ihnen mit Biterkeit; in dem ich die bluͤhende Juͤng - ling mit alten abgelebten unfruchtbaren garſtigen Vetteln: Die allerholdſeeligſte Jnngfrauen aber mit Eißgrauen eyferſichtigen Hanereuern verkup - pele und beunſeelige, ihr groͤſte Eꝛgetzung muß ſeyn / ſich mit Sorg und Bekuͤmmernuß zu graͤmen / und ihr hoͤchſtes Contentament, wann ſie ihr Leben mit ſchwerer ſaure Muͤhe und Arbeit verſchleiſſen / ſich umb ein wenig rothe Erden / die ſie doch nicht mit - nehmen koͤnnen / die Hoͤll haͤrtiglich zuerarmen.

Jch geſtatte ihnen kein rechtſchaffenes Gebett / noch weniger daß ſie auß guter Meinung Allmoſen geben / und ob ſie zwar offt faſten oder beſſer zure - den Hunger leyden / ſo geſchihet jedoch ſolches nit Andacht halber / ſonder mir zugefallen etwas zuer - ſparꝛen; ich jage ſie in Gefaͤhrlichkeit Leibs und Le -Bbens /bens / nit allein mit Schiffen uͤber Meer / ſonder auch gar unter die Wellen in deſſelbigen Abgrund hinunter / ja ſie muͤſſen mir das innerſte Eingeweid der Erden durchwuͤhlen / und wann etwas im Lufft zufiſchen waͤr / ſo muͤſten ſie mir auch fiſchen lerneu / ich will nit ſagen von den Kriegen die ich anſtiffte / noch von dem Ubel das darauß entſtehet / dann ſol - ches iſt aller Welt bekandt! will auch nicht erzehlen / wievil Wucherer Beutel ſchneider / diß / Rauber und Moͤrder ich mache; weil ich mich deſſen zum hoͤchſten ruͤhme / das ſich alles was mir beygethan iſt / mit bit - terer Sorg / Angſt / Noth / Muͤhe unnd Arbeit ſchlaͤppen muß; und gleich wie ich ſie an Leib ſo greu - lich martere / daß ſie keines andern Henckers be - doͤrffen / alſo peynige ich ſie auch in ihrem Gemuͤth das kein anderer hoͤlliſcher Geiſt weiters vonnoͤthen / ſie den Vorgeſchmack der Hoͤllen empfinden zulaſſen / geſchweige in vnſerer Andacht zubehalten; ich aͤng - ſtige den Reichen! ich untertrucke den Armen! ich verblaͤnde die Iuſtitiam, ich verjage die Chriſtliche Liebe / ohne welche niemand ſeelig wird / die Barm - hertzigkeit findt bey mir keine ſtatt!

Das V. Capitel.

JN dem der Geitz ſo daher plauterte ſich ſelbſt zu - loben / und der Verſchwendung vorzuziehen / kam ein hoͤlliſcher Gaſt daher gefladert / der vor Alter gleichſamb hinfaͤllig / außgemergelt / lahm und buck - let zu ſeyn ſchiene / er ſchnauffte wie ein Beer / oder wann er ein Haaſen erloffen haͤtte; weßwegen dann alle Anweſende die Ohren ſpitzten / zuvernehmen was er Neus braͤchte oder vor ein Wildpraͤt gefan - gen haͤtte / dann er hatte hierzu vor andern Geiſterndenden Ruhm einer ſonderbaren dexteritaͤt; da ſie es aber beym Liecht beſahen war es nihil und ein niſt darhinder / daß ihn an ſeiner Verꝛichtung verhindert / dann da ihm ſtatt geben ward / relation zuthun / ver - ſtunde man gleich / daß er Iulo einem Edelmann auß England vnd feinem Diener avaro (die miteinan - der auß ihrem Vatterland in Franckreich raiſten) vergeblich auffgewartet entweder beyde: oder einen allein zuberuͤcken; dem erſten haͤtte er wegen ſeiner ed - len Art und tugentlichen Aufferziehung: Dem an - dern aber wegen ſeiner einfaltig Frommkeit nicht beykommen moͤgen / batt derowegen den Lucifer daß er ihme mehr Succurs zuordnen wolte.

Eben damals hatte es das Anſehen als wann Mammon ſeinen Diſcurs beſchlieſſen: Und die Ver - ſthwendung den ihrigen haͤtte anfahen woklen Aber Lucifer ſagte / es bedarff nicht vicler Wort / das Werck lobt den Meiſter / einem jeden von euch beyden Ge - gentheilen ſey aufferlegt / einen von dieſen Englaͤn - dern vor die Hand zunehmen / ihn anzuwenden / zu - verſuchen / zuhetzen / und durch ſeine Kunſt und Ge - ſchicklichkeit anzuſechten / ſo lang und ſo viel / biß daß ein oder ander Theil den ſeinigen angefeſſelt / in ſeine Strick gebracht und unſerem hoͤlliſchen Reich ein - verleibt habe; und welches Theil den ſeinigen als - dann am gewiſſeſten und fetteſten herſchafft oder heimbringt / der ſoll den Preiß gewonnen: und die Præminentz vor dem andern haben; dieſen Beſcheid lobten alle hoͤlliſche Geiſter und die beyde ſtreitige Partheyen verglichen ſich ſelbſt guͤtlich / auß Rath der Hoffart / daß Mammon den Avarum und die Verſchwendung den Iulum vor die Hand nehmen ſolten / mit dem außtruͤcklichen Geding und Vorbe -B 2halt /halt / daß kein Theil dem andern bey dem ſeinigen den geringſten Eintrag nicht thun: noch ſich unterſtehen ſolte / ſolchen auff ſeine anderwertige Art zuneigen / es ſeye dann Sach / daß des hoͤlliſch Reichs interreſſe daſſelbig außtruͤcklich erfordere. Da ſolte man wun - der geſehen haben / wie die andere Laſter dieſen bey - den Gluͤck wuͤnſchtẽ und ihnẽ ihrer Geſellſchafft / Hilf und Dienſt anbotten; mit hin ſchiede die gantze hoͤl - liſche Verſamblung von einander / worauff ſich ein ſtarcker Wind erhube / der mich mit ſambt der Ver - ſchwendung und dem Geitz ſambt ihren Anhaͤngern und Beyſtandern in einem nun zwiſchen Engelland und Franckreich fuͤhret und in das jenige Schiff nie - derlieſe / worin beyde Engellaͤnder uͤberfuhren und gleich außſteigen wolten.

Die Hoffart machte ſich den gerathen Weg zum Iulo und ſagte / tapfferer Cavallier ich bin die Re - putation, und weil ihr jetzt ein frembt Land betret - tet / wird mich nicht uͤbel anſtehen wann ihr mich zur Hoffmeiſterin behaltet; hier koͤndt ihr die Einwoh - ner durch eine ſonderbare perelegans ſehen laſſen / daß ihr kein ſchlechter Edelmann: ſondern auß dem Stammen der alten Koͤnig entſproſſen ſeyd! und wann gleich ſolches nicht waͤre / ſo wuͤrde euch jedoch gebuͤren / eurer Nation zu ehren den Frantzoſen zu weiſen / was Engelland vor wackere Leut trage;

Darauff lieſe Iulus durch Avarum ſeinen Diener dem Schiff-Patronen die Fracht in lauter wiewol groben: jedoch anmuͤthig und holdſeelig Goldſorten entrichten weßwegen dann der Schiff-Herꝛ dem Iulo einen demuͤthig Buͤckling machte / und ihn gar vielmahl einen gnaͤdigen Herꝛen nennete; ſolches machte ihm die Hoffart zu nutz / und ſagte zum Ava -ro,ro, ſchaue wie einer geehrt wird der dieſer Geſellen viel herbergt! der Geitz aber ſagte zu ihm / haͤtteſtu ſolcher Gaͤſte ſo viel beſeſſen / als dein Herꝛ nur jetzt außgibt / du ſolteſt ſie wol anders angelegt haben; dann weit beſſer iſts / der Vorꝛath und Uberfluß wer - de zu Hauß auff ein gewiſſes intereſſe angelegt / da - mit man kuͤnfftig etwas davon zugenieſſen habe / als daß man denſelbigen auff einer Raiß / die ohne das voller Muͤhe / Sorg und Gefahr ſteckt / ſo unnuͤtzlich durchjagt.

So bald betratten beyde Juͤngling das veſte Land nicht / als Hoffart die Verſchwendung vertreulich acciſirte / daß ſie nicht allein ein Zutritt: ſonder allem Vermuthen nach / einen unbeweglichen Sitz auff ihr erſteres anklopffen in deß Iuli Hertzen bekom - men; mit angehenckter Erinnerung / ſie moͤchte noch mehrerer anderwertlichen aſſiſtenz ſich bewer - ben / damit ſie deſto ſicherer und gewiſſer ihr Vor - haben ins Werck ſtellen koͤndte; ſie wolie ihr zwar nit weit von der Hand gehen / aber gleichwol muͤſte ſie ihrem Gegentheil dem Geitz eben ſo groſſe Hilff lai - ſten / als ſie die Verſchwendung von ihr zuhoffen:

Mein großguͤnſtiger hochgeehrter Leſer / wann ich eine Hiſtori zuerzehlen haͤtte / ſo wolte ichs kuͤrtzer begreiffen und hier nicht ſoviel Umbſtaͤnd machen: ich muß ſelbſt geſtehen daß mein aigner Vorwitz von jedem Geſchicht Schreiber ſtracks erfordert / mit ſet - nen Schrifften niemand lang auffzuhalten; aber dieſes was ich vortrage iſt ein Viſion oder Traum / und alſo weit ein anders ich darff nicht ſo geſchwind zum Ende eylen / ſondern muß etliche geringe Par - ticularitaͤten / und Umbſtaͤnde mit einbringen / da - mit ich etwas vollkommner erzehlen moͤge / was ichB 3denden Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens; welches dann nichts anders iſt / als ein Exempel zu weiſen / wie auß einen geringen Fuͤncklein allgemach ein groß Feur werde / wann man die Vorſichtigkeit nicht beobachtet; dann gleich wie ſelten jemand in dieſer Welt auff einmal den hoͤchſten Gradum der Heiligkeit erlangt / alſo wird auch keiner gehling und ſo zuſagen in einem Augenblick auß einem Frommen zu einem Schelmen / ſonder jeder theil ſteigt allge - mach / ſacht und ſach fein Staffel weiß hinan; welche Staffeln deß Verberbens dann in dieſem mei - nem Geſchichte billich nicht auſſer Acht zulaſſen / da - mit ſich ein jeder zeitlich darvor zuhuͤtten wiſſe; zu welchem end ich dann vornembliche ſolche beſchrei - be; maſſen es dieſen beyden Juͤnglingen gangen wie einem jungen Stuͤck Wild / welches / wann es den Jaͤger ſiehet / anfaͤnglich nicht weiß ob es fliehen oder ſtehen ſoll / oder doch ehender gefaͤllt wird / als es den Schuͤtzen erkennet; zwar giengen ſie etwas geſchwin - der als gewoͤhulich / ins Netz / aber ſolches war die Ur - ſach / daß bey jedem der Zunder bequem war / die Fun - cken des einen und andern Laſters alſo gleich zufan - gen; dann wie das junge Viehe / wann es wel auß - gewintert iſt / und im Fruͤling auß dem vertruͤßlichen Stall auff die luſtige Waydt gelaſſen wird / anfahet zu gumpen / und ſolte es auch zu ſeinem Verderben in einen Spalt: oder Zaunſtecken ſpringen / alſo machts auch die unbeſonnene Jugend / wann ſie ſich nicht mehr unter der Ruthen vaͤtterlicher Zucht: Sonder auß der Eltern Augen in der lang er - wuͤnſchten Freyheit befindet: Als deren gemeinig - lich Erfahrenheit und Vorſichtigkeit manglet.

Das obgemeldte ſagte die Hoffart nicht nur vordiedie lange Weil zu der Verſchwendung / ſonder wen - det ſich gleich zu dem Avaro ſelbſten / bey deme ſie den Neyd und Mißgunſt fande / welche Cammerꝛa - then der Geitz geſchickt hatte / ihm den Weg zuberei - ten; derowegen richtet ſie ihren Diſcurs darnach ein / und ſagte zu ihm: Hoͤre du Avare, biſt du nicht ſowohl ein Menſch als dein Herꝛ? biſt du nicht ſo - wohl ein Engellaͤnder als Iulius? was iſt dann das? daß man ihn einen gnaͤdigen Herꝛn: und dich ſei - nen Knecht nennet? hat ench beyde dann nicht En - gelland: und zwar den einẽ wie den andern geborn uñ auff die Welt gebracht? wo kombt es her / daß er hier im Land / da er ſo wenig aignes hat als du / vor einen gnaͤdigen Herꝛen gehalten: du aber als ein Sclav tractirt wuͤrdeſt! ſeynd nicht ihr beyde einer wie der ander uͤber Meer herkommen? haͤtte er nicht ſowohl als du und ihr beyde als Menſchen / zugleich erſauf - fen muͤſſen / wann euer Scheff unter Wegs geſcheit - tert? oder waͤre er / weil er ein Edelmann iſt / etwann wie ein Delphin unter den Wellen der Ungeſtuͤmme in ein ſichern Porth entrunnen? oder haͤtte er ſich vielleicht als ein Adler uͤber die Wolcken (darinnen ſich der Anfang und die grauſame Urſach eures Schiffbruchs enthalten) ſchwingen: und alſo dem Untergang entgehen koͤnnen? nein Avare! Iulus iſt ſowohl ein Menſch als du / und du biſt ſowohl ein Menſch als er! warumb wird er dir aber ſo weit vor - gezogẽ? mit dem fiel Mammon der Hoffart in die Red und ſagt / was iſt das vor ein Handel einem zum fliehẽ anzu ſpohrẽ ehe ihm die Federn gewachſen? gleichſam als wann man nicht wuͤſte / daß ſolches das Geld ſey was Iulus iſt! ſein Geld: ſein Geld iſts / was er iſt; und ſonſt iſt er nichts! nichts ſag ich / iſt er; als wasB 4ſeinſein Geld auß ihm macht; der gute Geſell harꝛe nur ein wenig / und laſſe mich gewaͤhren / ob ich dem A - varo durch Fleiß und Gehorſambkeit nicht eben ſo viel Geld / als Iulus verſchwendet / zu wegen brin - gen: und ihn dardurch zu einem ſolchen Stutzer / wie Iulus einer iſt / gleich machen moͤchte?

So hatten deß Avari erſtere Anfechtungen eine Geſtalt / denen er nicht allein fleiſſig Gehoͤr gabe / ſonder ſich auch entſchloſſe / denſelben nach zuhaͤn - gen; ſo unterlieſſe Iulus auch nicht dem jenigen mit allem fleiß nach zuleben / was ihm die Hoffart eingab.

Das VI. Capitel.

DEr gnaͤdige Herꝛ / das iſt Herꝛ Iulus, uͤbernach - tet an dem jenigen Ort da wir angelaͤndet / und verblieb den andern Tag und die folgende Nacht noch darzu daſelbſten / damit er außruhen / ſeinen Wexel empfahen / und Anſtalt machen moͤchte / von dar durch die Spanniſche Niderland in Holland zu paſſiren / welche verainigte Provintzien er nicht allein zubeſehen verlangte / ſonder auch / daß er ſol - ches thun ſolte / von ſeinem Herꝛn Vattern außtruͤ - ckenlichen Befelch hatte; hierzu dingte er ein ſonder - bare Land-Kutſchen / zwar nur allein vor ſich und ſei - nen Diener Avarum, aber beydes Hoffart und Verſchwendung ſambt dem Geitz und ihrer aller Anfaͤnger wolten gleichwol nicht zuruck verbleiben / ſonder ein jeder Theil ſetzte ſich wohin er kondte / Hoffart oben an die Decke / Verſchwendung an deß Iuli Seiten / der Geitz in deß Avari Hertz / und ich hockte und behalff mich auff dem Narꝛen-Kiſtlein / weil Demuth nicht vorhanden war / denſelbigen Platz einzunehmen.

Alſo

Alſo hat ich das Gluͤck im Schlaff viel ſchoͤne Staͤtt zubeſchauen / die unter tauſenden kaum einem wachent ins Geſicht kommen / oder zuſehen werden; die Raiß gieng gluͤcklich ab / und wann ſchon gefaͤhr - liche Ungelegenheiten ſich eraigneten / ſo uͤberwuͤnde jedoch des Iulij ſchwerer Saͤckel ſolche all; weil er ſich kein Geld tauren lieſſe / und ſich umb ſolches (weil wir durch unterſchiedliche wiederwertige Guarniſonen rayſen muſten) aller Orten mit noth - wendigen Convoyen und Paß-Brieffen verſehen lieſte; ich achtet der jenigen Sachen ſo ſonſt in die - ſen Landen ſehens wuͤrdig ſeyn / nicht ſonderlich / ſonder betrachtet nur / wie beyde Juͤngling nach und nach von den obgemeldten Laſtern je mehr und mehr eingenommen wurden / zu welchen ſich je laͤnger je mehr ſambleten; da ſahe ich wie Iulus auch von dem Vorwitz und der Unkeuſchheit (welche darvor gehalten wird / das ſie eine Suͤnd ſey / damit die Hof - fart geſtrafft werde) angerennet und eingenom - men wurde / weßwegen wie dann offt an den Oer - tern da ſich leichte Dirnen befanden / laͤnger ſtill lie - gen muſten und mehr Gelds verthaͤten als ſonſt wol die Nothdurfft erforderte; andern theils quelte ſich Avarus Geld zuſammen zuſchrappen wie er mochte / er bezwackte nicht allein ſeinen Herꝛen ſon - der auch die Wirth und Gaſtgeber wo er zukommen mochte; gab mithin einen trefflichen Cuppler ab / und ſcheute ſich nicht hie und da unterwegs unſere Herberger zu beſtehlen / und haͤtte es auch nur ein ſilberner Leffel ſeyn ſollen / ſolcher Geſtalt paſſirten wir durch Flandern / Brabant / Hennegau / Holland / Seeland / Zuͤtphen / Geltern / Mecheln / und folgends an die Frantzoͤſiſche Graͤntz / endlich gar auff Paris /B 5allwoallwo Iulus das luſtigſte und bequembſte Loſament beſtelte / das er haben kondte; ſeinen Avarum kley - det er Edelmaͤnniſch und nennet ihn einen Juncker damit jederman ihn ſelbſt deſto hoͤher halten und ge - dencken ſolte / er muͤſte kein kleiner Hanß ſeyn / weil ihm einer vom Adel auffwartete / der ihn einen gnaͤ - digen Herꝛen hieſſe; maſſen er auch vor einen Gra - ſen gehalten wurd; er verdingte ſich gleich einem Lauteniſten / einem Fechter / einem Tantzmeiſter / einem Bereiter und einem Ballmeiſter / mehr ſich ſehen zulaſſen als jhnen ihre Kuͤnſte und Wiſſen - ſchafften abzulernen; dieſe waren lauter ſolche Keutz / die dergleichen neu außgeflogenen Gaͤſten das ihrig abzulauſen vor Meiſter paſſirten; ſie machten ihn bald beym Frauenzimmer bekandt / da es ohne ſpendiren nicht abgieng / und brachten ihn auch ſonſt zu allerley Geſellſchafften / da man dem Beu - thel zuſchroͤpffen pflegte / und er allein den Riemen ziehen muſte; dann die Verſchwendung hatte be - reits den Wolluſt mit allen ſeinen Toͤchtern eingela - den / dieſen Iulum beſtreiten; und caput machen zu - helffen;

Anfaͤnglich zwer lieſe er ſich nur mit dem Ballen ſchlagen / Ringel rennnen / den Comœdien / Balle - ten und dergleichen zulaͤſſigen und ehrlichen Ubun - gen / denen er beywohnet / und ſelbſt mitmachte / ge - nuͤgen; da er aber erwarmet und bekandt wurde / kam er auch an die jenige Ort / da man ſeinem Geld mit Wuͤrffeln und Karten zuſetzte; biß er entlich auch die vornembſte Huren-Haͤuſer durch ſchwirmbte; in ſeinem Loſament aber / gieng es zu / wie bey deß Koͤnigs Arturi Hof-Haltung / da er taͤglich viel Schmarotzer nicht ſchlecht hinweg mitKrautKraut oder Stuͤben: Sonder mit theuren frantzoͤſiſchen Bottagien und ſpaniſchen Olla Battri - den koͤſtlich tractirte; maſſen ihn offt ein eintziger Jmbs uͤber 25. Piſtolen geſtunde / ſonderlich wann man die Spilleuth rechnete / die er gemeiniglich dabey zuhahen pflegte; uͤber dieſes brachten ihn die neue Moden der Klaydungen / welche geſchwind nach einander folgten und auffſtunden / und ſich bald wider veraͤnderten / umb ein groſſes Geld / mit wel - cher Thorheit er deſto mehr brangte / weil ihm als einem frembden Cavalier keine Tracht verbotten war; da muſte alles mit Gold geſtickt und ver - praͤmbt ſeyn / uud vergieng kein Monat in dem er nit ein neues Kleid angezogen: und kein Tag daran er nit ſeine Baruͤcke etlich mal gepudert haͤtte; dann wiewol er von Natur ein ſchoͤnes Haar hatte / ſo be - redet ihn die Hoffart doch / daß er ſolches abſchneident und ſich mit frembden ziehren laſſen / weil es ſo der Brauch war; dann ſie ſagte / die Soͤnderling / ſo ſich mit ihrem natuͤrlichen Haar behelffen / wann ſolches gleichwol ſchoͤn ſey / geben damit nichts an - ders zuverſtehen / als das ſie arme Schurchen ſeyen die nit ſo vil vermoͤchten / ein kal hundert Dugaten an ein bar ſchoͤne Baruͤ[cken]zuverwenden In Sum - ma es muſte alles ſo koſibarlich hergehen und beſtelt ſeyn / als es die Hoffart jm̃ermehr erſinnen; und ihm die Verſchwendung eingehen konte.

Ob nun zwar dem Geitz / welcher den Avarum ſchon gantz beſaſſe / ein ſolche Art zuleben durchauß widerwertig zuſeyn ſchiene; ſo lieſſe er Avarus ihm jedoch ſolche wolgefallen / weil er ſie ihn wol zunutz zumachen gedachte dann Mammon hatte ihn all - bereit bewegt / ſich der Untreu zuergeben / wann erB 6andersanders etwas proſperiren wolte; weßwegen er dañ keine Gelegenheit veruͤber lauffẽ lieſte / ſeinem Herꝛn / der ohne das ſein Geld ſo unnuͤtzlich hinauß ſchlau - terte / abzuzwacken was er konte; im wenigſten be - zahlte er keine Naͤherin oder Waͤſcherin / deren er ihren gewohnlichen Lohn nicht ringerte / und was er denen abbrach / heimlich in ſeinen Beutel ſteckte; kein Kleidflicker: oder Schuhſchmirerlohn war ſo klein den er ſeinen Herꝛn nicht vergroͤſſerte und den Uberfluß zu ſich ſchobe; geſchweige wie er in groſſen Außgaben per fas & nefas zu ſich rapte und ſackte / wo er nur kont und moͤchte; die Saͤſſeltraͤger / mit denen ſein Herꝛ vil Geld hinrichtete / veraͤndert er gleich / wann ſie ihm nit Part an ihren Verdienſt gaben / der Baſtedenbeck / der Garkoch / der Wein - ſchaͤnck / der Holtzhaͤndler / der Fiſchverkauffer / der Beck und alſo andere Victualiſten muſten beynahe ihren Gewinn mit ihm theilen / wolten ſie anders an dem Iulo laͤnger einen guten Kundten behalten; dann er war dergeſtalt eingenommen / ſeinem Her - ꝛen durch beſitzung viles Gelds und Guts gleich zu - werden / als etwan hiebevor Lucifer / da er wegen ſeiner vom allerhoͤchſten verlihenẽ Gaben erkuͤhnete / ſeinem Stul an den maͤchtigen Thron des groſſen GOttes zuſetzen; alfo lebten beyde Juͤngling ohne alle andere Anfechtungen zwar dahin / ehe ſie wahr - namen wie ſie lebten; dann Iulus war an zeitlicher Haab ja ſo Reich als Avarus bedoͤrfftig / und deß - wegen vermeinte jeder er verfahre ſeinen Stand nach gar recht und wol / ich wil ſagen / wie es eines jeden Stand und Gelegenheit erfordere; jener zwar ſeinen Reichtumb gemaͤß ſich herꝛlich und praͤchtig zuerzaigen / dieſer aber ſeiner Armuth zuhuͤlff zu -kom -kom̃en / und etwas zu proſperirn und ſich der gegen - wertigen Gelegenheit zubedienen / die ihm ſein ver - thunlicher Herꝛ an die Hand gab; jedoch unterlieſſe der jnnerliche Waͤchter das Liecht der Vernunfft / der Zeuͤg der nim̃er gar ſtillſchweigt / nemblich das Gewiſſen indeſſen nicht / einem jeden ſeine Fehler zeitlich genug vorzuhalten / und ihm eines andern zuerinnern.

Gemach! gemach! wurde zu dem Iulo geſpro - chen / halte ein das jenig ſo ohnnuͤtzlich zuverſchwen - den / welches deine vorderen villeicht mit ſaurer Muͤhe und Arbeit: Ja villeicht mit Verluſt ihrer Seeligkeit erworben: und dir ſo getreulich vorge - ſpart haben; vilmehr lege es alſo an / damit du kuͤnfftig deßwegen beydes vor GOtt / der erbarn Welt: und deinen nachkom̃en beſtehen und rechen - ſchafft darumb geben moͤgeſt! ꝛc. Aber dieſem und dergleichen heylſamen Erinnerungen oder jnnerlichẽ guten Einſprechung die Iulum zur Maͤſſigkeit reitzen wolten / wurde geantwortet / was! ich bin kein Bernheuter noch Schim̃el-Jud ſonder ein Ca - valier; ſolte ich meine adeliche Exercitia in Geſtalt eines Bettelhunds oder Schurcken begreiffen? nain das iſt nit der Gebrauch noch herkom̃ens! ich bin nit hier Hunger und Durſt zuleyden vil weniger wie ein alter karger Filtz zuſchachern / ſonder als ein rechtſchaffner Kerl von meinen Renten zuleben! wann aber die gute Einfaͤll / die er melancholiſche Gedancken zunennen pflegte / auff ſolche Gegen - wuͤrff dannoch nit ablaſſen wolten / ihn auffs beſte zuermahnen; ſo lieſte er ihm das Lied / laſt uns vnſer Tag genieſſen / GOtt weiß wo wir Morgen ſeyn ꝛc. auffſpilen / oder beſuchte das Frauenzimmer / oderB 7ſonſtſonſt ein luſtige Geſellſchafft / mit deren er ein Rauſch ſoffe / warvon er je laͤnger je aͤrger: und entlich gar zu einem Epicurer ward.

Nicht weniger wurde andern Theils Avarus von jnnerlichen zuſprechen erinnert / daß dieſer Weg / den er zum Beſitz der Reichthumb zugehen antrete / die allergroͤſte Untreu von der Welt ſey; mit ferne - rer Ermahnung / er ſeye ſeinen Herꝛn nit allein mit - geben worden ihm zudienen / ſonder auch durchauß ſeinen Schaden zuwenden / ſeinen Nutzen zufoͤrdern / ihn zu allen ehrlichen Tugenden anzuraitzen / vor allen ſchaͤndlichen Laſtern zuwarnen und vornemb - lich ſein zeitliche Haab nach muͤglichiſten Fleiß zu - ſammen zuheben und beobachten; welche er aber im Gegentheil ſelbſt zu ſich reiſſe und ihne Iulum noch darzu in allerhand Laſter ſtuͤrtzen helffe; item auff was weiß er wol vermeine / das er ſolches gegen GOtt / dem er umb alles rechenſchafft geben muͤſte: gegen deß Iulj frommen Eltern / die ihm ihren eini - gen Sohn anvertraut nnd getreulich zubeobachten befohlen; und entlich gegen dem Iulo ſelbſten zuver - antworten getraue; wann derſelbe zu ſeinen Tagen kommen: und heut oder morgen verſtehen werde / daß auß ſeiner Verwahrlaſung und Vntreu beydes ſeine Perſohn zu allen guten verderbt: und ſeine Reichthumb unnuͤtzlich verſchwendet worden? hie - mit zwar / O Avare iſts noch nicht genug! dann uͤber ſolche ſchwere Verantwortung / die du dir deß Iuli Perſohn und Gelds wegen auffbirdeſt / beſu - delſtu dich ſelbſt auch mit dem ſchaͤndlichen Laſter deß Diebſtals und machſt dich deß Strangs und Gal - gens wuͤrdig; du unterwirffſt deine vernuͤnfftige ja himmliſche Seel dem Schlam der jrdiſchen Guͤter /diedie du ungetreuer und hochſtraͤfflicher Weiß zuſam - men zuſcharꝛen gedenckeſt / welche doch der Hayd Crates Thebanus ins Meer warffe / damit ſie ihn nit verderben ſolten / wiewol er ſolche rechtmaͤſſig be - ſaſſe; wie vil mehr / kanſtu wol erachten / werden ſie dein Undergang ſeyn / in dem du ſolche im Gegen - ſpil auß dem groſſen Meer deiner Untreu erfiſchen wilſt! ſolteſtu dir wol einbilden doͤrffen / ſie werden dir wol gedeyen?

Solche und dergleichen mehr guter Ermahnun - gen beydes von der geſunden Vernunfft und ſei - nem Gewiſſen empfande zwar Avarus in ſich ſelbſtẽ; aber es manglet ihm hingegen mit nichten an Ent - ſchuldigungen / ſein boͤſtes Beginnen zubeſchoͤnen und gut zuſprechen; was? ſagte er mit Salomone Proverbior: 26. Wegen deß Iuli Perſon / was ſoll dem Narꝛen Ehr / Geld und gute Tage? ſie koͤnnens doch nicht brauchen! zu dem hat er ohne das genug! und wer weiß wie es ſeine Eltern gewonnen haben? iſts nicht beſſer / ich packe ſelbſt das jenige an / das er doch ſonſt ohne mich verſchwendet / als daß ichs unter frembde kommen laſſe?

Dergeſtalt folgten beyde Juͤngliug ihren ver - blaͤnten Begterden / und erſaͤufften ſich mithin in Abgrund deß Wolluſt / biß entlich Iulus die liebe Frantzoſen bekam / und eine Woch oder 4. Schwi - tzen: und beydes ſeinen Leib und Beuͤtel purgirn laſſen muſte / welches ihn drumb nit beſſer machte / oder ihm zur Warnung gedeyete: dann er machte das gemeine Sprichwort war / da der Kranck wider genaß / je aͤrger er was.

Das

Das VII. Capitel.

AVarus ſtahl ſoviel Geld zuſammen daß ihm angſt darbey ward / maſſen er nicht wuſte wo er damit hin ſolte / damit dem Iulo ſein Untreu verbor - gen bliebe; er ſonne derowegen dieſen Liſt ihm ein Aug zuverkleiben / er verwechſelt zum theil ſein Gold in grobe teutſche ſilberne Sorten / thaͤt ſolche in ein groſſes Velleyſen / und kam damit bey naͤcht - licher Weil vor ſeines Herꝛen Beth geloffen / mit gelehrten Worten daher luͤgente oder hoͤchlicher zureden / daher erzehlende was ihm vor ein Fund gerathen waͤre; gnaͤdiger Herꝛ / ſagte er / ich ſtolper - te uͤber dieſe Beuth / als ich von etlichen von dero Liebſten Loſament gejagt wurde / und wann der Thon des gemuͤntzten Metals nicht einen andern Klang von ſich geben haͤtte als das Eingewaidt ei - nes Abgeſtorbenen nicht thut / ſo haͤtte ich geſchwo - ren / ich waͤre uͤber einen Todten geloffen; damit ſchuͤtte er das Geld auß / und ſagt ferner / was geben mir Eur Gn. wol fuͤr ein Rath / daß diß Geld ſeinem rechtmaͤſſigen Herꝛen wieder zukombt; ich verhoffe derſelbe ſolte mir wol ein ſtattlich Trinckgeld davon zukommen laſſen; Narꝛ / Antwortet Iulus, haſt du was ſo behalts; was bringſt du aber vor eine reſolu - tion von der Jungfer? ich kondte / antwortet Ava - rus dieſen Abend mit ihr nicht zuſprechen kommen / weil ich wie gehoͤrt / etlichen mit groſſer Gefahr ent - trinnen muͤſſen / und mir dieſes Geld ohnverſehens zugeſtanden; alſo behalffe ſich Avarus mit Lugen ſo gut er kondte / wie es alle junge angehende Dieb zumachen pflegen / wann ſie vorgeben ſie haben gefunden was ſie geſtohlen.

Eben

Eben damal bekam Iulus von ſeinem Vatter Briefe / und in denſelbigen einen ſcharpffen Ver - weiß / daß er ſo aͤrgerlich lebe und ſo ſchrecklich viel Gelds verſchwende; dann er hatte von dem Engli - ſchen Kauffherꝛn die mit ihm Correſpondirten / und den Iulo jeweils ſeine Wechſel entrichteten / alles deß Iuli und ſeines Avari Thun erfahren / ohne das die - ſer ſeinen Herꝛn beſtohle / jener aber ſolches nicht merckte; weßwegẽ er ſich dann ſolcher Geſtalt bekuͤm - merte / daß er daruͤber in ein ſchwere Kranckheit fiel; er ſchriebe bemeldten Kauffherꝛn daß ſie forthin ſei - nem Sohn mehrers nicht geben ſolten / als die bloſſe Nothdurfft / die ein gemeiner Edelmann haben muͤ - ſte / ſich in Paris zubehelffen; mit dem Anhang / wo - fern ſie ihm mehr reichen wuͤrden / daß er ihnen ſol - ches nicht wieder gut machen wolte: Den Iulum aber betrohet er / wofern er ſich nicht beſſern und ein ander Leben anſtellen wuͤrde / daß er ihn alsdann gar enterben und nimmermehr vor keinen Sohn halten wolte.

Iulus wurde zwar daruͤber trefflich beſtuͤrtzt / faſte aber drumb keinen Vorſatz geſparſamer zuleben; und wann er gleich ſeinem Vattern zubenuͤgen vor den gewoͤhnlichẽ groſſen Ausgabẽ haͤtte ſeyn wollen / ſo waͤre es ihm vor dismal doch ohnmuͤglich gewe - ſen / weil er ſchon allbereit viel zu tieff in den Schul - den ſtacke; er haͤtte dann ſeinen Credit erſtlich bey ſeinen Creditoren: und conſequenter auch bey je - dermann verliehren wollen / welches ihm aber die Hoffart maͤchtig widerꝛiehte / weil es wider ſein Reputation war / die er mit vielen ſpendiren erwor - ben; derowegen redet er ſeine Lands-Leute an und ſagte: Jhr Herꝛen wiſt / daß mein Herꝛ Vatter anvielenvielen Schiffen die beydes nach Oſt - und Weſt-Jn - dien gehen / nicht allein part: ſonder auch in unſerem Heimat auff ſeinen Guͤtern jaͤhrlich bey 4. oder 5000. Schaaf zuſchaͤrꝛen hat / alſo daß es ihm auch kein Cavallter im Land noch weniger vorzuthun ver - mag; geſchweige jetzt Barſchafft und der liegenden Guͤter ſo er beſitzt! auch wiſt ihr / daß ich alles ſei - nes Vermoͤgens heut oder morgen eineinziger Erbe bin / und das gedachter mein Herꝛ Vatter allerdings auff der Gruben gehet; wer wolte mir dann nun zumuthen / das ich hier als ein Bernheuter leben ſol - te? waͤre ſolches / wann ichs thaͤt / nicht un - ſerer gantzen Nation ein Schandt? jhr Herꝛen ich bitt / laſt mich mich in ſolche Schand nicht gera - then / ſonder helffet mir auß / wie bißher / mit einem ſtuͤck Geld / welches ich euch wider danckbarlich er - ſetzen: und biß zur Bezahlung mit Kauffmanns Intereſſe verpenſioniren: Auch einem jeden inſon - derheit mit einer ſolchen Verehrung begegnen will / daß er mit mir zu frieden ſeyn wird:

Hieruͤber zogen etliche die Achſeln ein und ent - ſchuldigten ſich / ſie hetten der Zeit nit uͤbrige Mit - tel; in warheit aber waren ſie ehrlich geſinnet / und wolten des Juli Vettern nit erzoͤrnen; die andere aber gedachten was ſie vor einen Vogel zurupffen bekaͤmen / wann ſie den Julum in die Klauen krieg - ten; wer weiß ſagten ſie zu ſich ſelbſten / wie lang der alte lebt / zu dem will ein Sparrer ein Verzeh - rer haben; will ihn der Vatter gleich enterben / ſo kan er ihm doch das Muͤtterlich nicht nehmen; Jn Summa dieſe ſchoſſen dem Julo noch 1000. Du - caten dar / warvor er ihnen verpfaͤndet was ſie ſelbſt begehrten / und ihnen jaͤhrlich acht pro cento ver -ſprach /prach / welches dann alles in beſter Form verſchri - ben wurde; damit raichte Julus nit weit hinauß / dann biß er ſeine Schulden bezahlte und Avarus ſein Part hinweck zwackte / verblieb wenig mehr - brig; maſſen er in baͤlde wider entlehnen: und neue Unterpfand geben muſte; welches ſeinen Vattern von andern Engellaͤndern die nit intereſſirt waren / zeitlich aviſirt wurde / daruͤber ſich der Alte derge - ſtalt erzoͤrnte / daß er denen ſo ſeinem Sohn uͤber ſein Ordre Geld geben hetten / eine Proteſtation in - ſiviren: und ſie ſeines vorigen Schreibens eriñern: benebens andeuten lieſſe / daß er ihnen kein Haͤller widerumb darvor gutmachen: ſonder ſie noch dar - zu / wann ſie wide[r]in Engelland anlaugen wuͤrden / als Verderber der Jugend: und die ſeinen Sohn zu ſolcher Verſchwendung verholffen geweſen / vorm Parlament verklagen wolte; dem Iulo ſelbſt aber / ſchriebe er mit aigner Hand / daß er ſich hinfuͤro nit ſeinen Sohn mehr nennen: noch vor ſein Angeſicht kommen ſolte.

Alß ſolche Zeitungen einlieffen / fieng deß Iuli Sach abermal an zuhincken / er hatte zwar noch ein wenig Geld / aber viel zuwenig / weder ſeinen ver - ſchwenderiſchen Pracht hinauß zufuͤhren / noch ſich auff eine Reiß zu mondiren / irgends einem Herꝛn mit einen baar Pferdten im Krieg zudienen / warzu ihm beydes Hoffart und Verſchwendung anhetzte; und weil ihm auch hierzu niemand nichts vorſetzen wolt; flehet er ſeinen getreuen Avarum an / ihme von dem was er gefunden / die Nothdurfft vorzu - ſtrecken; Avarus antwortet / Eur Gnaden wiſſen wohl / daß ich ein armer Schuler bin geweſen / und ſonſt nichts vermag / als was mir neulich GOTTbeſcherꝛtbeſcherꝛt (ach heuchleriſcher Schalck gedachte ich / hett dir das nun GOtt beſcherꝛt / was du deinem Herꝛn abgeſtohlen haſt? ſolteſtu ihm in ſeinen Noͤ - then nit mit dem ſeinigen zu huͤlff kommen? und das umb ſovil deſto ehenter / dieweil du / ſo lang er etwas hatte / mitgemacht / und das ſeinige haſt verfreſſen / verſauffen / verhurꝛen / verbuben / verſpielen und verpancketiren helffen? O Vogel gedachte ich / du biſt zwar auß Engelland kommen wie ein Schaaf / aber ſeit dich / der Geitz beſeſſen / in Franckreich zu einen Fuchs: ja gar zu einem Wolff worden.) Sol - te ich nun / ſagte er weiter / ſolche Gaben GOttes nicht in acht nehmen und zu meines kuͤnfftigen Le - bens Auffenthalt anlegen / ſo muͤſte ich ſorgen / ich moͤchte mich darduꝛch alles meines kuͤnftigen Gluͤcks unwuͤrdig machen / daß ich noch etwan zuhoffen; wen GOtt gruͤſt / der ſoll ihm dancken / es doͤrffte mir villeicht mein Lebenlang kein ſolcher Fund wi - der gerathen; ſoll ich nun dieſes an ein Orth hinge - ben / dahin auch reiche Engellaͤnder nichts mehr leh - nen wollen / weil ſie die beſte Unterpfand bereits hinweg haben / wer wolte mir ſolches rathen? Zu dem haben mir Euer Gnaden ſelbſt geſagt / wann ich etwas habe / ſo ſolte ichs behalten; und uͤber diß alles ligt mein Geld auff der Wechſelbanck / welches ich nit kriegen kan wann ich will / ich wolte mich dann eines groſſen Intereſſe verzeyhen.

Diſe Wort waren dem Iulo zwar ſchwer zu - vertauen / als deren er ſich weder von ſeinem getreu - en Diener verſehen; noch von andern zuhoͤren ge - wohnt war; aber der Schuh / den ihn Hoffart und Verſchwendung angelegt / truckte ihn ſo hart / daß er ſie leichtlich verſchmirtzte / vor billich hielte: unddurchdurch bitten ſoviel vom Avaro brachte; daß er ihm alles ſein erſchundenes und abgeſtohlenes Geld vor - lyhe; mit dem Geding daß ſein deß Avari Lidlohn ſambt dem jenigen ſo er noch in 4. Wochen an in - tereſſe davon haben koͤnnen / zur Haubt Summa ge - ſchlagen: mit 8. procento jaͤhrlich verzinſet: und / damit er umb Haubt Summa und Penſion verſi - chert ſeyn moͤchte / ihme ein frey adelich Gut / ſo Iulo von ſeiner Mutter Schweſter vermacht worden / verpfendet werden ſolte; welches auch alſobalden in Gegenwart der andern Engellaͤnder als erbettene Zeugen in der allerbeſten Form geſchahe und belieffe ſich die Summa allerdings auff ſechshundert Pfundt Sterling; welches nach unſerer Muͤntz ein nahm - haffts ſtuͤck Geld macht.

Kaum war obiger Contract gemacht / die Ver - ſchreibung verfertigt / und das Geld dargezehlet / da kam Iulo die Berkuͤndigung eins erfreulichen Layds / daß nemblich ſein Herꝛ Vatter die Schuld der Na - tur bezahlt hette; weßwegen er dann gleichſamb ei - ne Fuͤrſtliche Trauer anlegte / und ſich gefaſt mach - te / ehiſtens nach Engelland zuverraiſen / mehr die Erbſchafft anzutretten als ſeine Mutter zutroͤſten; da ſahs ich meinen Wunder wie Iulus wider einen Hauffen Freund bekam / weder er vor etlich Tagen gehabt; auch wuͤrde ich gewahr wie er heuchlen kondte / dann wann er bey den Leuthen war / ſo ſtell - er er ſich umb ſeinen Vatter gar laidig; aber beym Avaro allein ſagte er / waͤre der Alte noch laͤnger le - bendig bliben / ſo hette ich endlich heim bettlen muͤſ - ſen; ſonderlich wann du Avare mir mit deinem Gelt nicht waͤreſt zuhuͤlff kommen.

Das

Das VIII. Capitel.

DEmnach machte ſich Iulus mit Avaro ſchleinig auff den Weeg; nach dem er zuvor ſein ander Geſind / als Laquayen, Pagen und dergleichen un - nuͤtzer gefraͤſſiger oder verthunlicher Leut mit guten Ehren abgeſchafft wolte ich nun der Hiſtori ein End ſehen / ſo muͤſte ich wol mit / aber wir raiſen mit gar ungleicher Commoditet; Iulus ritte auff einem an - ſehenlichen Hengſt / weil er nunmehr nichts beſſers als das Reuten gelchrut hatte / und hinder ihm ſaſſe die Verſchwendung / gleichſamb als ob ſie ſein Hoch - zeiterin oder Liebſte geweſen waͤre; Avarus ſaſſe uff einen Minchen oder Wallachen / wie man ſie nen - net / und fuͤhrte hinderſich den Geitz / das hatte eben ein Anſehen als wann ein Marckſchreyer oder Stor - ger mit ſeinem Afen auff eine Kirchmeß geritten waͤ - re; die Hoffart hingegen floh hoch in der Lufft da - her / eben als wann ſie die Raiß nit ſonderlich an - gangen haͤtte; die uͤbrige aſſiſt ende Laſter aber marchirten beneben her / wie die Beylaͤuffer zuthun pflegen / ich aber hielte mich bald da / bald dort ei - nem Pferd an den Schwantz / damit ich auch mit fortkommen / und Engelland beſchauen moͤchte / die - weil ich mir einbildete / ich hette bereits vil Laͤnder geſehen / wargegen mir dieſes Enge ein ſeltener An - blick ſeyn wurde; mir erlangten bald den Orth der Schifflaͤnde / alwo wir hiebevor auch außgeſtigen waren / und ſegelten in kurtzer Zeit mit gutem Wind gluͤcklich uͤber.

Iulus fande ſeine Frau Mutter zu ſeiner Ankunfft auch in letzten Zuͤgen / maſſen ſie noch gleich den - ſelben Tag ihren Abſcheid nam / alſo daß er als eineintzi -eintziger Erb der nunmehr auß ſeinen vogtbaren Jahren getreten / einsmahls Herꝛ und Meiſter uͤber ſeiner Eltern Verlaſſenſchafft wurde; da gieng nun das gute Leben wider beſſer an als zu Paris / weil er ein namhaffte Parſchafft ererbt; er lebte wie der reich Mann Luce am 16. Ja wie ein Printz / bald hatte er Gaͤſt / und bald wurde er wider zu Gaſt ge - laden; faſt taͤglich zu / er fuͤhrte Waſſer oder Land anderer Leuth Toͤchter und Weiber nach Engellaͤn - diſchen Gebrauch ſpatziren / hielte einen aignen Trompeter / Bereiter / Cammerdiener / Schalcks - narꝛen / Reitknecht / Kutſcher / zween Laquayen / einen Page / Jaͤger / Koch und dergleichen Hoffge - ſind / gegen ſolchen (jnſonderheit aber gegen dem Avaro / den er als ſeinen getreuen Raiß-Geſellen zu ſeinem Hoffmeiſtern und Factor oder Factotum ge - macht hatte) erzaigte er ſich gar mild wie er dann auch gedachtem Avaro das jenige adeliche Guth ſo er ihm zuvor in Franckreich ver hypothicirt, vor Haupt Summa, intereſſe und ſeinen Liedlohn vor freyledig und aigen gab und verſchreiben lieſe / wie - wol es viel ein mehrers werth war; in Summa er verhielte ſich gegen jederman / das ich nit allein glaubte er muͤſte auß dem Geſchlecht der alten Koͤ - nige geboren worden ſeyn / wie er ſich deſſen in Franckreich offt geruͤhmt / ſonder ich hielte veſtiglich darvor / er waͤre auß dem Stammen Arturiſent - ſproſſen / welcher das Lob ſeiner Freygebigkeit biß ans End der Welt behalten wird.

Andern theils vnterlieſſe Avarus nicht in ſol - chem Waſſer zu fiſchen / und ſeine Schantz in acht zunehmen / er beſtahl ſeinen Herꝛn mehr als zuvor / und ſchacherte darneben aͤrger als ein 50jaͤhrigerJudJud; das loſſeſte Stuͤcklein aber daß er dem Iulo thaͤt / war diſes / daß er ſich mit einer Dam von ehr - lichem Geſchlecht verplemperte / folgends ſelbige ſeinem Herꝛn kupplete / und demſelben uͤber drey viertel Jahr den jungen Balg zuſchreiben lieffe / den er ihn doch ſelbſt angehenckt hatte und weil ſich Iu - lus gar nit entſchlieſſen kondte / ſelbige zuehelichen / gleichwol aber ihrer Befreunden halber in Gefahr ſtehen muſte / tratt der auffrichtige Avarus ins Mit - tel / lieſſe ſich bereden die jenige wider zu Ehren zu - bringen deren er ehender und mehr als Iulus genoſ - ſen / und ſie ſelbſt zu Fahl gebracht / wardurch er abermahlen ein nahmhaffts von des Iuli Guͤtern zu ſich zwackte / und durch ſolche Treu ſeines Herꝛn Gunſt verdoppelte; und dannoch underlieſſe er nit da und dort zurupffen / ſo lang Pflaumfedern vor - handen / und als es auff die Stupfflen loß gieng / verſchont er deren auch nit.

Einsmahls fuhr Iulus auff der Tems in einem Luſt-Schiff mit ſeinen negſten Verwandten ſpatzi - ren / unter welchen ſich ſeines Vatters Bruder ein ſehr weiſer und verſtaͤndiger Herꝛ / auch befande; di - ſer redete damahl etwas vertreulicher mit ihm als ſonſten / und fuͤhret ihm mit hoͤflichen Worten und glimpflicher Straff zu Gemuͤth / daß er keinen guten Haußhalter abgeben werde / er ſolte ſich und das ſei - nig beſſer beobachten / als er bißhero gethan ꝛc. wañ die Jugend wuͤſte / was das Alter braucht / ſo wuͤrde ſie eine Ducat ehe 100. mahl vmbkehren als einmal außgeben ꝛc. Iulus lachte druͤber / zoge einen Ring vom Finger warff ihm in die Tems und ſagte / Herꝛ Vatter ſo wenig als mir diſer Ring wider zuhandenkommenkommen mag / ſo wenig werde ich das menig ver - thun koͤnnen; aber der Alte ſeufftzete und antwor - tet / gemach / gemach Herꝛ Vetter / es laͤſt ſich wol ei - nes Koͤnigs Gut verthun / und ein Brunnen er - ſchoͤpffen / ſehet was ihr thut: aber Iulus kehrte ſich von ihm / und haſſte ihn ſolcher getreuen Vermah - nung wegen mehr als er ihn darumb ſolte geliebt haben.

Ohnlaͤngſt hernach kamen etliche Kauffherꝛen auß Franckreich die wolten umb das Haubtgut ſo ſie ihm zu Pariß vorgeſetzt / ſambt dem Intereſſe be - zahlt ſeyn / weil ſie gewiſſe Zeitung hatten wie Iulus lebte / und daß ihm ein reich beladenes Schiff / ſo ſei - ne Eltern nach Alexandriam geſchickt hatten / von den Seeraubern auff dem Mittellaͤndiſchen Meer weggenommen worden waͤre; er bezahlte ſie mit lau - ter Eleinodien / welches ein gewiſſe Anzeigung war daß es mit der Baarſchafft an die Neige gieng; uͤber das kam die gewiſſe Nachricht ein / daß ihm ein an - der Schiff am Geſtatt von Praſilien geſcheittert / und ein Engliſche Flott an deren des Iuli Eltern am al - lermaiſten Intereſſirt geweſen / nnweit den Moluc - ciſchen Jnſulen von den Hollaͤndern zum theil rui - nirt, und der Reſt gefangen worden waͤre; ſolches alles wurde bald landkuͤndig / dannenhero ein jeder der etwas an Iulum zu prætentiren hatte / ſich umb die Bezahlung anmeldete / alſo daß es das Anſehen hatte / als wann ihn das Ungluͤck von allen Enden der Welt her beſtreitten wolte; Aber alle ſolche Stuͤrm erſchroͤckten ihn nicht ſo ſehr als ſein Koch / der ihm wunders wegen einen guldenen Ring wieſe - te / den er in einem Fiſch gefunden / weil er denſelbi - gen gleich vor den ſeinigen erkandte / und ſich nochCnurnur zuwol zuerinnern wuſte / mit was vor Worten er denſelbigen in die Tems geworffen.

Er war zwar gantz betruͤbt und beynahe deſperat, ſchaͤmte ſich aber doch vor den Leuten ſcheinen zu - laſſen wie es ihm umbs Hertz war; in dem vernimbt er daß deß enthaubten Koͤnigs aͤltiſter Printz mit einer Armee in Schottland ankommen waͤre / hette auch gluͤckliche Succeß und gute Hoffnung ſeines Herꝛn Vattern Koͤnigreich widerumb zuerobern! ſolche Occaſion gedachte ihm Iulus zunutz zumachẽ / und ſein Reputation dardurch zuerhalten; dero - wegen mondirte er ſich und ſeine Leut mit dem jeni - ſo er noch uͤbrig hatte und brachte ein ſchoͤne Com - pagniæ Reuter zuſammen / uͤber welche er Avarum zum Leutenant machte und ihm guldene Berge verhieſſe daß er mit gienge / alles underm Vor - wandt / dem Protector zudienen; aber als er ſich reißfertig befande / gieng er mit ſeiner Compagnia in ſchnellem March dem jungen ſchottiſchen Koͤnig entgegen und conjungirte ſich mit deſſen Corpo / hette auch wol gehandelt gehabt / wann es dem Koͤnig damahls gegluͤckt; als aber Crommel dieſelbe Kriegsmacht zerſtoͤbert / entrañen Iulus und Avarus kaum mit dem Leben / und dorffen ſich doch beyde nirgents mehr ſehen laſſen; derowegen muſten ſie ſich wie die wilde Thier in den Waͤldeꝛn behelſſen / und ſich mit rauben und ſtehlen ernehren / biß ſie ent - lich daruͤber erdapt und gerichtet wurden; Iulus zwar mit dem Beyl und Avarus mit dem Strang welchen er vorlaͤngſt verdient hatte.

Hieruͤber kam ich wider zu mir ſelber / oder er - wachte auffs wenigſt auß dem Schlaff und gedachte meinem Traum oder Geſchichte nach; hielte entlichdar -darfuͤr daß die Freygebigkeit leichtlich zu einer ver - ſchwendung: und die geſparſambkeit leichtlich zum geitz werden koͤnne / wann die weißheit nit vorhan - den / welche freygebigkeit und geſparſambkeit durch maͤſſigkeit regiere und im Zaum halte. Ob aber der Geitz oder die verſchwendung den Preyß darvon getragen / kan ich nit ſagen / glaube aber wol daß ſie noch taͤglich mit einander zu Felde ligen / und umb den Vorzug ſtreitten.

Das IX. Capitel.

JCh ſpatzierte einsmahls im Wald herumber mei - nen eitelen Gedancken Gehoͤr zugeben / da fande ich ein ſteinerne Bildnuß ligen in Lebens Groͤſſe / die hatte das Anſehen als wann ſie irgends eine Statua eines alten teutſchen Helden geweſen waͤr / dann ſie hatte ein Altfraͤnckiſche Tracht von Romaniſcher Soldaten Kleydung / vornen mit einem groſſen Schwaben-Latz / und war meinem beduncken nach uͤberauß kuͤnſtlich und natuͤrlich außgehauen; wie ich nun ſo da ſtunde / das Bild betrachtete und mich verwundert / wie es doch in diſe Wildnuß kommen ſeyn moͤchte / kam mir in Sinn / es muͤſte irgends auff diſem Gebuͤrg vor langen Jahren ein Haydni - ſcher Tempel geſtanden: und diſes der Abgott darin - nen geweſen ſeyn; ſahe mich derowegen umb / ob ich nichts mehr von deſſen Fundament ſehen kundte / wurde aber nichts dergleichen gewahr / ſonder / die - weil ich einen Hebel fande / den etwan ein Holtzbaur ligen laſſen / nahme ich denſelben und ſtunde an diſe Bildnuß / ſie umbzukehren / umbzuſehen wie ſie auff der andern Seiten eine Beſchaffenheit hette; ich hat - te aber derſelben den Hebel kaum unterm Halß ge -C 2ſteckt /ſteckt / und zulupffen angefangen / da fieng ſie ſelbſt an ſich zuregen und zuſagen / laſſe mich mit frieden ich bin Baltanders / ich erſchrack zwar hefftig / doch erholte ich mich gleich widerumb / und ſagte / ich ſihe wol daß du bald anders biſt; dann erſt wareſtu ein todter Stein / jetzt aber biſt du ein beweglicher Leib / wer biſt du aber ſonſt / der Teuffel oder ſein Mutter? Nein antwortet er / ich bin deren keins / ſonder bald anders / maſſen du mich ſelbſt ſo genant und darvor erkandt haſt; und koͤndte es auch wol moͤglich ſeyn / daß du mich nicht kennen ſolteſt / da ich doch alle Zeit und Taͤge deines Lebens bin bey dir geweſen? daß ich aber niemahl mit dir muͤndlich geredt hab wie et - wan Anno 1534. den letzten Julij mit Hanß Sach - ſen dem Schuſter von Noͤrnberg / iſt die Urſach / daß du meiner niemahlen geachtet haſt; unangeſehen ich dich mehr als ander Leut bald groß / bald klein / bald reich bald arm / bald hoch bald nider / bald luſtig bald traurig / bald boͤß bald gut / und in ſumma bald ſo und bald anders gemacht hab; ich ſagte / wann dir ſonſt nichts kanſt als diß / ſo waͤreſtu wohl vor diß - mahl auch von mir bliben; Baldanderſt antwortet / gleich wie mein Urſprung auß dem Paradeiß iſt / und mein Thun und Weſen beſtehet ſo lang die Welt bleibt / alſo werde ich dich auch nimmermehr gar verlaſſen biß du wider zur Erden wirſt davon du herkommen / es ſeye dir gleich lieb oder laid; ich frag - te ihn ob er den Menſchen dann zu ſonſt nichts tau - ge / als ſie und alle ihre Haͤndel ſo manigfaltig zuver - aͤndern? O ja / antwortet Baldanders / ich kan ſie eine Kunſt lernen / dardurch ſie mit allen Sachen ſo ſonſt von Natur ſtumm ſeyn / als mit Stuͤhlen und Baͤncken / Keſſeln und Haͤffen ꝛc. reden koͤnnen /maſſenmaſſen ich ſolches Hanß Sachſen auch vnderwiſen / wie dann in ſeinem Buch zuſehen / dariñ er ein baar Geſpraͤch erzehlet / die er mit einen Ducaten und ei - ner Roßhaut gehalten; auch ſagte ich / lieber Bald - anderſt / wann du mich diſe Kunſt mit GOttes huͤlff auch lernen koͤndeſt / ſo wolte ich dich mein Lebtag lieb haben / ja freylich / antwortet er / das will ich gern thun; nahm darauff mein Buch ſo ich eben bey mir hatte / und nachdem er ſich in einen Schreiber verwandelt / ſchribe er mir nachfolgende Wort da - rein.

Jch bin der Anfang und das End / und gelte an allen Orthen.

Manoha gilos, timad, iſaſer, ſale, lacob, ſalet, enni nacob idil dadele neuaco ide eges Eli neme meodi eledid emonatan deſi negogag editor goga naneg eriden, hohe ritatan auilac, hohe ilamen e - riden diledi ſiſac uſur ſodaled auar, amu ſalif ono - nor macheli retoran; Vlidon dad amu oſſoſſon, Gedal amu bede neuavv, alijs, dilede ronodavv agnoh regnoh eni tatæ hyn lamini celotah, iſis to - loſtabas oronatah aſſis tobulu, VViera ſaladid egri - vi nanon ægar rimini ſiſac, helioſole Ramelu o - nonor vvindelishi timinitur, bagoge gagoe hana - nor elimitat.

Alß er diß geſchriben / wurde er zu einem groſ - ſen Atchbaum / bald darauff zu einer Sau / geſchwind zu einer Bratwurſt / und unverſehens zu einen groſ - ſen Baurentreck (mit Gunſt) er machte ſich zu ei - nem ſchoͤnen Kleewaſen / und ehe ich mich verſahe / zu einem Kuͤhefladen; item zu einer ſchoͤnen Blum oder Zweig / zu einem Maulbeerbaum / und darauff in einem ſchoͤnen ſeidenen Teppich ꝛc. biß er ſich end -C 3lichlich wider in menſchliche Geſtalten veraͤndert / und dieſelbe oͤffter verwechſelt / als ſolche gedachter Hanß Sachs von ihm beſchriben; und weil ich von ſo un - derſchidlichen ſchnellen Verwandlungen weder im Ovidio noch ſonſten nirgends geleſen (dann den mehrgedachten Hanß Sachſen hatte ich damahls noch nit geſehen) gedachte ich der alte Protheus ſey wider von den Todten aufferſtanden / mich mit ſeiner Gauckeley zuaͤffen; oder es ſey villeicht der Teuffel ſelbſt / mich als einen Einſidler zuverſuchen / und zubetruͤgen; nachdem ich aber von ihm verſtanden / daß er mit beſſern Ehren den Mon in ſeinem Wap - pen fuͤhre / als der Tuͤrckiſch Kaͤiſer / item daß die Unbeſtaͤndigkeit ſein Auffenthalt: die Beſtaͤndigkeit aber ſeine aͤrgſte Feindin ſeye / umb welche er ſich gleichwol keine Schnall ſchere / weil er mehrentheils ſie fluͤchtig mache; veraͤndert er ſich in einen Vogel / flohe ſchnell darvon / und lieſſe mir das nachſehen.

Darauff ſetzte ich mich nider in das Graß / und fieng an die jenige Wort zubetrachten / die mir Bald - anders hinderlaſſen hatte / die Kunſt ſo ich von ihm zulernen darauß zubegreiffen / ich hatte aber nit das Hertz ſelbige außzuſprechen / weil ſie mir vorkamen / wie die jenige damit die Teuffelsbanner die hoͤlliſche Geiſter beſchweren / und andere Zauberey treiben / maſſen ſie dann auch eben ſo ſeltzamb / unteutſch und unverſtaͤndlich ſcheinen ich ſagte zu mir ſelber / wirſtu ſie anfahen zureden / wer weiß was dir alß - dann vor Hexengeſpenſt damit herbey lockeſt; vil - leicht iſt dieſer Baldanders der Sathan geweſt / der dich hierdurch verfuͤhren will; weiſtu nit wie es den alten Einſidlern ergangen? Aber gleichwol under -lieſſelieſſe mein Vorwitz nicht / die geſchribene Wort ſtet - tig anzuſchauen und zubetrachten / weil ich gern mit ſtummen Dingen hette reden koͤnnen / ſintemahlen auch andere die unvernuͤnfftige Thier verſtanden haben ſollen; wurde demnach je laͤnger je verbichter darauff / und weil ich ohne Ruhm zumelden / ein zimblicher Zifferant bin / und mein geringſte Kunſt iſt / einen Brieff auff einen Faden: oder wohl gar auff ein Haar zuſchreiben / den wohl kein Menſch wird außſinnen oder erꝛathen koͤnnen / zumahlen auch vor laͤngſten wohl andere verborgene Schriff - ten außſpeculirt, als die Steganographiæ Trythenio ſeyn mag; alſo ſahe ich auch dieſe Schrifft mit an - dern Augen an / und fande gleich daß Baldanders mir die Kunſt nit allein mit Exempeln: ſonder auch in obiger Schrifft mit guten teutſchen Worten viel auffrichtiger communicirt, als ich ihm zugetraut / damit war ich nun wol zufrieden / und achtet meiner neuen Wiſſenſchafft nit ſonderlich / ſonder gieng zu meiner Wohnung / und laſe die Legenten der alten Heyligen / nit allein durch gute Beyſpiel mich in meinem abgeſonderten Leben geiſtlich zu erbauen / ſonder auch die Zeit zu paſſiren.

Das X. Capitel.

DAs Leben deß heiligen Alexij kam mir im erſten Grif unter die Augen / als ich das Buch auff - ſchlug; da fande ich mit was vor einer Verachtung der Ruhe er das reiche Hauß ſeines Vattern verlaſ - ſen / die heilige Oerter hin und wieder mit groſſer An - dacht beſucht und endtlich beydes ſein Pilgerſchafft und Leben unter einer Stiegen in hoͤchſter Armut: ohnvergleichlicher Gedult und wunderbarer Be -C 4ſtaͤndig -ſtaͤndigkeit ſeeliglich beſchloſſen haͤtte; ach! ſagte ich zu mir ſelbſt / Simplici was thuſt du? du ligſt halt hier auff der faulen Berꝛenhaut und dieneſt weder GOtt noch den Menſchen! wer allein iſt / wann der - ſelbe faͤlt / wer wird ihm wieder auffhelffen? iſts nicht beſſer du dieneſt deinen Neben-Menſchen und ſie dir hingegen hinwiederumb / als daß du hier ohn alle Leutſeeligkeit in der Einſambe ſitzeſt wie ein Nach - Eul? biſt du nicht ein todtes Glied deß Menſchlichen Geſchlechts wann du hier verharꝛeſt? und zwar wie wirſtu den Winter außdauren koͤnnen / wann diß Gebirg mit Schnee bedeckt: und dir nit mehr wie jetzt von dẽ Nachbarn dein Unterhalt gebrachtwird? zwar dieſe ehren dich jetzunder wie ein Oracul / wann du aber verneujahren haſt / werden ſie dich nit mehr wuͤrdigen uͤber ein Achſel anzuſchauen / ſonder an ſtatt deſſen das ſie dir jetzt hertragen / dich vor ihren Thuͤren mit helff die GOtt abſpeyſen; vil - leicht iſt dir Baldanderſt darumb perſoͤhnlich erſchi - nen / damit du dich bey zeiten vorſehen: und in Unbeſtaͤndigkeit dieſe Welt ſchicken ſolleſt / mit ſol - chen und der gleichen Anfechtungen und Gedancken wurde ich gequaͤlet / als biß ich mich entſchloß auß einem Wald ein Wallbruder oder Pilger zuwer - den;

Demnach erdapte ich ohnverſehens mein Scheer / und ſtutzte meinen langen Rock der mir allerdings auff die Fuͤß gienge (und ſo lang ich ein Einſidel geweſen / an ſtatt eines Klayds auch unter und Oberbetts gedient hatte) die abgeſchnittene Stuͤck aber ſetzte ich darauff und darunter / wie es ſich ſchickte / doch alſo / daß es mir zugleich Saͤck undTaſchenTaſchen abgabe / das jenig ſo ich etwan erbettlen moͤchte darinnen zuverwahren; und weil ich keinen proportionirlichen Jacobs Stab mit feinen getreh - ten Knoͤpffen haben konte / uͤberkam ich einen wilten Aepffel-Stammen / damit ich einem / wann er gleich - wol Degen in der Fauſt gehabt / gar wol ſchlaffen zu - leichten getraut; welchen boͤmiſchen Ohrleffel mir folgents ein frommer Schloſſer auff meiner Wan - derſchafft mit einem ſtarcken Spitz trefflich verſe - hen / damit ich mich vor den Woͤlffen die mir etwann unterwegs begegnen moͤchten / erwoͤhren konte;

Solcher geſtalt außſtaffirt / machte ich mich in das wilde Schappach / und erbettle von ſelbigen Paſtor einen Schein oder Urkunt / daß ich mich ohnweit ſeiner Pfarꝛ als ein Eremit erzeigt und ge - lebt haͤtte nunmehr aber Willens waͤre / die heilige Oerter hin und wider andaͤchtig zubeſuchen; ohnan - geſehen mir derſelbe vorhielte / daß er mir nit recht traue; ich ſchaͤtzte / mein Freund / ſagt er / du habeſt entweder ein ſchlim Stuͤck begangen / daß du deine Wohnung ſo urplaͤtzlich verlaͤſt / oder habeſt im Sinn einen anderen Empedoclem Agrigentinum abzugeben / welcher ſich in den Feuerberg Ætnam ſtuͤrtzte / damit man glauben ſolte / er waͤre / weil man ihn ſonſt nirgends finden koͤndte / gen Himmel ge - fahren; wie waͤre es / wann es mit die eine von ſol - chen Meinungen haͤtte / und ich die Mit-Ertheilung meiner beſſeren Zeugnus darin huͤlffe? ich wuſte ihm aber mit meinen guten Maul-Leder unter dem Schein frommer einfalt und heiliger auffrichtiger Meinung dergeſtalt zubegegnen / daß er mir gleich - wol angeregten Urkundt mittheilete / und bedunckte mich ich ſpuͤrete einen heiligen Neyd oder Eyfer anC 5ihmihm / und daß er meine Weg-Kunfft gern ſehe / weil der gemeine Mann wegen eines ſo ohngewoͤhnlichen ſtrengen und exemplariſchen Lebens mehr von mir hielte / als von etlichen Geiſtlichen in der Nachbar - ſchafft / ohnangeſehen ich ein ſchlimmer liederlicher Kundt war / wann man mich gegen den rechten wah - ren Geiſtlichen und Dienern GOttes haͤtte abſchaͤ - tzen ſollen:

Damals war ich zwar noch nicht ſo gar gott - loß wie ich hernach wurde / ſonder haͤtte mich noch wol vor einen ſolchen vergangen / der eine gute Mei - nung und Vorſatz; ſo bald ich aber mit andern al - ten Landſtoͤrtzern bekandt wurde / und mit denſelben vielfaltig umbgienge und converſirte, wurde ich je laͤnger je aͤrger; alſo daß ich zuletzt gar wol vor ei - nen Vorſteher / Zunfftmeiſter und Præceptor der je - nigen Geſellſchafft haͤtte paſſiren moͤgen / die auß der Landfahrerey zu keinem andern endt eine profeſſion machen / als ihre Nahrung damit zugewinnen; hierzu war mein Habit und Leibs-Geſtalt faſt be - quem und befuͤrderlich / ſonderlich die Leut zur Frey - gebigkeit zubewegen; wann ich dann in einen Fle - cken kam / oder in ein Statt gelaſſen wurde / vor - nemblich an den Sonn: und Feyertaͤgen / ſo krieg - te ich gleich von Jungen und Alten einen groͤſſern Umbſtand als der beſte Marckſchreyer / der ein par Narꝛen / Affen und Meerkatzen mit ſich fuͤhret; alsdann hielten mich theils wegen meines langen Haars und wilten Barts vor einen alten Prophe - ten / weil ich / es war gleich Wetter wie es wolte / barhaͤubtig gieng / andere vor ſonſt einen ſeltzamen Wundermann / die allermeiſte aber vor den ewigen Juden / der biß an den juͤngſten Tag in der Weltherumbherumb lauffen ſoll; ich nam kein Geld zum All - moſen an / weil ich wuſte was mir ſolche Gewohn - heit in meiner eremitage genutzt / und wann mich jemand deſſen etwas zu nennen tringen wolte / ſag - te ich / die Bettler ſollen kein Geld haben; damit brachte ich zuwegen / wo ich etwann ein par Heller verſchmaͤhete / daß mir hingegen beydes an Speiß und Tranck mehrers geben wuͤrde / als ich ſonſt umb ein par Kopffſtuck haͤt kauffen moͤgen.

Alſo marchirte ich die Gutach hinauff uͤber den Schwartzwald auff Villingen dem Schweitzerland zu / auff welchem Weg mir nichts notabels oder ohn - gewoͤhnlichs begegnete / als was ich allererſt gemel - det; von dannen wuſte ich den Weg ſelbſt auff Ein - ſidlen daß ich deßwegen niemand fragen dorffte; und da ich Schaffhauſen erlangte / wurde ich nicht allein eingelaſſen / ſonder auch nach vielem Fatzwerck ſo das Volck mit mir hatte / von einem ehrlichen wol - haͤbigen Burger freundtlich zur Herberg auffge - nommen; und zwar ſo war es Zeit daß er kam und ſich meiner / als ein wolgereiſter Juncker / der ohn - zweiffel in der Frembde auff ſeinen Raiſen viel ſaurs und ſuͤſſes erfahren / erbarmte / weil etliche boͤſe Bu - ben anfiengen mich gegen Abend mit Gaſſen-Koth zuwerffen.

Das XI. Capitel.

MEin Gaſt-Herꝛ hatte ein halbes Tuͤmmelgen da er mich heimbrachte / dahero wolte er deſto genauer von mir wiſſen / woher / wohin / was pro - feſſion und dergleichen; und da er hoͤrete / daß ich ihm von ſo vielen underſchiedlichen Laͤndern die ich mein Tage durchſtrichen / zuſagen wuſte / welcheC 6ſonſtſonſt nicht bald einem jeden zuſehen werden / als von der Moſcau / Tartarey / Perſien / China, Tuͤrckey / und unſern Antipotibus, verwundert er ſich treff - lich und tractirte mich mit lauter Veltliner und Oedtſch-Wein / er hatte ſelbſt Rom / Venedig / Raguſa / Conſtantinopel und Alexandriam geſe - hen / als derowegen ich ihm viel Warzeichen und Gebraͤuch von ſolchen Oertern zu ſagen wuſte / glaubte er mir auch was ich ihm von ferneren Laͤn - dern und Staͤtten auffſchniede / dann ich regulierte mich nach Samuels von Golau Reumen / wann er ſpricht

Wer luͤgen will der leug von ferne!
Wer zeugt dahin erfaͤhrets gerne?

Und da ich ſahe daß es mir ſo wol gelunge / kam ich mit meiner Erzehlung faſt in der gantzen Welt herumber; da war ich ſelbſt in deß Plinij dicken Wald geweſen / welchen man bißweilen bey den Aquis Curiliis antreffe / denſelben aber hernach / wann man ihn mit hoͤchſtem Fleiß ſuche / gleichwol weder bey Tag noch Nacht mehr finden koͤnne; ich hatte ſelbſt von dem lieblichen Wunder-Gewaͤchs Borametz in der Tartarey geſſen; und wiewol ich daſſelbe mein Tage nicht geſehen / ſo kondte ich je - doch meinem Wirth von deſſen anmuͤthigem Ge - ſchmack dermaſſen diſcuriren / daß ihm das Maul waͤſſerig davon wurde; ich ſagte / es hat ein Fleiſch - lein wie ein Krebs / das hat ein Farb wie ein Rubin oder rother Pferſig / und einen Geruch der Sach beydes den Melonen und Pomerantzen vergleicht; benebens erzehlte ich ihm auch in was Schlachten / Scharmuͤtzlen und Belaͤgerungen ich mein Tage geweſen waͤr / log aber auch etwas mehrers darzu /weilweil ich ſahe daß ers ſo haben wolte; maſſen er ſich mit ſolchen uñ dergleichen Geſchwaͤtz wie die Kinder mit den Maͤhrlein auffziehen lieſſe / biß er daruͤber entſchlieffe / und ich in eine wohl accommodirte Cammer zu Beth gefuͤhrt wurde / da ich dann in et - nem ſanfften Beth ohneingewieget einſchlieffe / wel - ches mir lange nicht widerfahren war.

Jch erwachte viel fruͤher als die Hauß-Genoſſen ſelbſt / kandte aber drumb nicht auß der Cammer kommen / einer Laſt abzulegen / der zwar nicht groß / aber doch ſehr beſchwerlich war / ihn uͤber die be - ſtimbte Zeit zutragen; fande mich aber hinder einer Tapezerey mit einem hierzu beſtimbten Ort / welchen etliche eine Cantzeley zunennen pflegen / viel beſſer verſehen / als ich in ſolcher Noth haͤt hoffen doͤrffen; daſelbſt hinſetzte ich mich eilents zu Gericht / und bedachte wie weit meine edle Wildnus dieſer wohl - gezierten Cammer vorzuziehen waͤre / als in welcher beydes frembt und heimiſch an jeden Orten und Enden ohne Erdultung einer ſolchen Angſt und Trangſal / die ich dazumal uͤberſtanden hatte / ſtracks niederhocken koͤndte; nach Eroͤrtherung der Sach / als ich eben an des Baltanderſt Lehr und Kunſt ge - dachte / langte ich auß einem neben mir hangenden Garvier ein Octav von einem Bogen Pappier / an demſelbigen zu exequiren warzu es / neben andern mehr ſeinẽ Cammerꝛathen / contemnirt / und daſelbſt gefangen war; ach! ſagte daſſelbige / ſo muß ich dann nun auch / vor meine treue geleiſte Dienſte und lan - ge Zeit uͤberſtandene vielfaltige Peinigungen / zu - genoͤthigte Gefahren / Arbeiten / Aengſte / Elend und Jammer / nun ererſt / dem allgemainen DanckC 7derder ungetreuen Welt erfahren und einnehmen? ach warumb hat mich nit gleich in meiner Jugend ein Funck oder Goll auffgefreſſen / und alſobald Dreck auß mir gemacht / ſo hette ich doch meiner Mutter der Erden gleich widerumb dienen: und durch mei - ne angeborne Feiſtigkeit ihro ein liebliches Wald - bluͤmlein oder Kraͤutlein herfuͤr bringen helffen koͤn - nen / ehe daß ich einem ſolchen Landfahrer den Hin - dern hett wiſchen: und meinen endlichen Undergang im Scheißhauß nehmen muͤſſen; oder warumb wer - de ich nicht in eines Koͤnigs von Franckreich Secret gebraucht / dem der von Nanara den Arſch wiſcht? warvon ich dann viel groͤſſer Ehr gehabt hette / als einem entloffenen Monacho zu Dienſt zuſtehen? Jch antwortet / ich hoͤre an deinen Reden wol / daß du ein nichtswertiger Geſell: und keiner andern Be - graͤbnuß wuͤrdig ſeyeſt / als eben der jenigen / darin ich dich jetzunder ſenden werde; und wird gleich gel - ten / ob du durch einen Koͤnig oder Bettler an ein ſolchen ſtinckend Orth begraben wirſt / davon du ſo grob und unhoͤflich ſprechen darffſt / deſſen aber ich mich hingegen hertzlich gefreuet; haſtu aber et - was deiner Unſchuld: und dem Menſchlichen Ge - ſchlecht treugeleiſter Dienſte wegen vorzubringen / ſo mugſtu es thun / ich will dir gern / weil noch je - derman im Hauſe ſchlaͤfft / Audienz geben / und dich nach befindenden Dingen von deinem gegenwerti - gen Untergang und Verderben conſerviren.

Hierauff antwortet das Scheermeſſer / meine Voreltern ſeynd erſtlich nach Plinij Zeugnuß lib. 20. cap. 23 in einem Wald / da ſie auff ihrem aignen Erdreich in erſter Freyheit wohnten / und ihr Ge - ſchlecht außbraiteten / gefunden: in menſchlicheDien -Dienſte als ein wildes Gewaͤchs gezwungen und ſa - mentlich Hanff genennet worden, von denſelbigen bin ich zu Zetten Wenceslai in dem Dorff Gold - ſcheur als ein Saamen entſproſſen und erziehlt: von welchem Ort man ſagt / daß der beſte Hanffſaamen in der Welt wachſe; daſelbſt nahm mich mein Er - zihler von den Stengeln meiner Eltern / und ver - kauffte mich gegen dem Fruͤhling einem Krammer der mich unter andern frembden Hanffſamen miſch - te und mit uns ſchacherte; derſelbe Kramer gab mich folgends einem Bauren in der Nachbarſchafft zu - kauffen / und gewann an jedem Seſter einen halben Goldguͤlden / weil wir unverſehens auffſchlugen und theuer wurden; war alſo gemelter Kramer der zweyte ſo an mir gewann / weil mein Erzihler der mich anfaͤnglich verkauffte / dem erſten Gewinn ſchon hinweg hatte; der Bauer aber ſo mich vom Kramer erhandelt / warff mich in einem wolgebau - ten fruchtbaren Acker / alwo ich im Geſtanck des Roß-Schwein - Kuͤhe - und anders Miſſts vermo - dern und erſterben muſte; doch brachte ich auß mir ſelbſten einen hohen ſtoltzen Hanffſtengel hervor / in welchen ich mich nach und nach veraͤnderte / und ſtracks zu mir ſelbſt in meiner Jugend ſagte / nun wirſtu gleich deinen Urahnen ein fruchtbarer Ver - mehrer deines Geſchlechts werden / und mehr Koͤrn - lein Samen hervor bringen / als jemahls einer auß ihnen nicht gethan; aber kaum hatte ſich meine Frechheit mit ſolcher eingebildeten Hoffnung ein wenig gekitzelt / da muſte ich von vilen Voruͤberge - henden hoͤren: Schauet: was vor ein groſſer Acker voll Galgenkraut! welches ich und meine Bruͤder alſobalden vor kein gut Omen vor uns hielten / dochtroͤ -troͤſteten uns hinwiderumb / etlicher ehrbaren alten Bauren Reden / wann ſie ſagten / Sehet! was vor ein ſchoͤner treflicher Hanff iſt das? aber leyder! wir wurden bald hernach gewahr / daß wir von den Menſchen beydes wegen ihres Geitzes und ihrer armſeligen Bedoͤrfftigkeit / nit da gelaſſen wuͤrden / unſer Geſchlecht ferners zu propagiren; Allermaſ - ſen als wir bald Samen zubringen vermeinten / wir von vnderſchiedlichen ſtarcken Geſellen gantz un - barmhertziger weiß auß dem Erdreich gezogen: und als gefangene Vbelthaͤter in groſſe Gebund zuſam - men gekuppelt worden / vor welche Arbeit ſie dann ihren Lohn: und alſo den dritten Gewinn empfin - gen ſo die Menſchen von vns einzuziehen pflegen.

Damit wars aber noch lang nit genug / ſonder unſer Leyden und der Menſchen Tiranney fieng er - erſt an; auß uns / einem nahmhafften Gewaͤchs! ein pures Menſchen-Gedicht (wie etliche das liebe Bier nennen) zuverkuͤnſtlen; dann man ſchleppte uns in eine tieffe Gruben / packte uns uͤbereinander und beſchwerte uns dermaſſen mit Stainen / gleichſamb als wann wir in einer Preß geſtocken waͤren und hiervon kam der vierdte Gewinn den jenigen zu / die ſolche Arbeit verrichteten; folgends lieſſe man die Gruben voll Waſſer lauffen / alſo daß wir uͤberal uͤberſchwembt wuͤrden / gleichſamb als ob man uns ererſt hette ertraͤncken wollen / unangeſehen allbereit ſchwache Kraͤfften mehr bey uns waren; in ſolcher Paiſſe lieſſe man uns ſitzen biß die Zierde unſerer oh - ne das bereits verwelckten Blaͤtter folgends ver - faulte / und wir ſelbſt beynahe erſtickten und verdur - ben; alßdann lieſſe man ererſt das Waſſer wider ablauffen / trug uns auß / und ſetzte uns auff einengruͤnengruͤnen Waſen / allwo uns bald Sonn / bald Regen / bald Wind zuſetzte / alſo daß ſich die liebliche Lufft ſelbſten ab unſeren Ellend und Jammer entſetzte / veraͤnderte / und alles umb uns herumb verſtencker - te / daß ſchier niemand bey uns voruͤber gieng / der nit die Naſen zuhielte / oder doch wenigiſt ſagte pfuy Teuffel; Aber gleichwol bekamen die jenige ſo mit uns umbgiengen dem fuͤnfften Gewinn zu Lohn; Jn ſolchem Standt muſten wir verharꝛen / biß bey - des Sonn und Wind uns unſerer letzterem Feuch - tigkeit beraubt: und uns mit ſambt dem Regen wol geblaicht hatten; darauff wurden wir von unſeren Bauren / einem Haͤnffer oder Hanffbereiter umb den ſechſten Gewinn verkaufft. Alſo bekamen wir den vierten Herꝛn / ſeit ich nur ein Samkoͤrnlein ge - weſen war; derſelbe legte uns unter einen Schopff in eine kurtze Ruhe / nemblich ſolang biß er anderer Geſchaͤfften halber der weil hatte und Tagloͤhner ha - ben koͤndte / uns ferners zuquellen; da dann der Herbſt und alle andere Feldarbeiten verbey waren / nahme er uns nacheinander heꝛvor / ſtellte uns zwey - dutzet weiß in ein kleines Stuͤbel hinder dem Ofen / und heitzte dermaſſen ein / als wann wir die Frantzo - ſen hetten außſchwitzen ſollen / in welcher Hoͤlliſchen Noth und Gefahr ich offt gedachte / wir wuͤrden der - mal eins ſambt dem Hauß in Flammen gen Him̃el fahren / wie dann auch offt geſchihel; wann wir dañ durch ſolche Hitz viel feuer-faͤhiger wurden als die beſte Schwebel-Hoͤltzlein / uͤberantwortet er uns noch einem ſtrengeren Hencker / welcher uns hand - vollweiß under die Prech nahm / und alle unſere in - nerliche Gliedmaſſen hundert tauſendmal kleiner zerſtieſſe / als man dem aͤrgſten Ertz-Moͤrder mitdemdem Rad zuthun pflegt; uns hernach auß allen Kraͤfften umb einen Stock herumb ſchlagende / da - mit unſere zerbrochene Gliedmaſſen ſauber herauß fallen ſolten / alſo daß es ein anſehen hatte / als wañ er unſinig worden waͤre / und ihm der Schweiß: und zu Zeiten auch ein Ding ſo ſich darauff reimet / daruͤber außgieng; hierdurch wurde diſes der ſiben - de / ſo unſertwegen einen Gewinn hintrug.

Wir gedachten / nunmehr koͤndte nichts mehr erſonnen werden / uns aͤrger zupeinigen / vornemb - lich weil wir dergeſtalt von einander ſeparirt: und hingegen doch mit einander alſo conjungirt und verwirꝛet waren / daß jeder ſich ſelbſt und das ſeinig nicht mehr kandte; ſonder jedweder Haar oder Baſt geſtehen muſte / wir waͤren gebraͤchter Hanff; aber man brachte uns ererſt auff eine Plaul / allda wir ſolcher maſſen geſtampfft / geſtoſſen / zer - quetſcht / geſchwungen / und mit einem Wort zu - ſagen / zerꝛieben nnd abgeplaulet worden / als wann man lauter Amianthum, Asbeſton, Biſſinum, Seyden / oder wenigſt einen zarten Flachs / auß uns haͤtte machen wollen; und von ſolcher Arbeit genoß der Plauler den achten Gewinn / den die Menſchen von mir und meins gleichen ſchoͤpffen. Noch ſelbi - gen Tag wurde ich als ein wohl geplauleter und ge - ſchwungner Hanff ererſt etlichen alten Weibern und jungen Lehr-Dienern uͤbergeben / die mir ererſt die allergroͤſte Marter anthaͤtten / als ich noch nie er - fahren / daun ſie anatomirten mich auff ihren unter - ſchiedlichen Hechlen dermaſſen / daß es nicht außzu - ſprechen iſt; da hechelt man erſtlich den groben Ku - der / folgends den Spinnhanff und zuletzt den ſchlechten Hanff von mir hinweg / biß ich endtlichalsals ein zarter Hanff und feines Kauffmanns-Gut gelobt: und zum Verkauff zierlich geſtrichen: einge - packt und in einen feuchten Keller gelegt wurde / da - mit ich im Angrieff deſto linder: und am Gewicht deſto ſchwerer ſeyn ſolte; ſolcher geſtalt erlangte ich abermal eine kurtze Ruhe / und freute mich / daß ich dermaleins durch Uberſtehung ſo vieles Leydts und Leydens zu einer Materi worden / die euch Men - ſchen ſo noͤthig und nutzlich waͤre: Jndeſſen hatten beſagte Weibs-Bilder den neunten Lohn von mir dahin / welches mir einen ſonderbaren Troſt und Hoffnung gab / wir wuͤrden / nunmehr (weil wir die neunne als eine Engliſche und allerwunderbar - lichſte Zahl erlangt und erſtritten haͤtten) aller Mar - ter uͤberhoben ſeyn.

Das XII. Capitel.

DEn n[]chſten Marck Tag trug mich mein Herꝛ in ein Zimmer / welches man eine Faß Cammer nennet wurde ich geſchauet / vor gerechte Kauff - manns-Wahr erkandt und abgewogen / folgends einem Fuͤrkaͤuffler verhandelt / verzolt / auff einen Wagen verdingt / nach Straßburg gefuͤhrt / ins Kauffhauß gelieffert abermals geſchauet / vor gut erkandt / verzolt und einen Kauffherꝛn verkaufft / welcher mich durch die Kaͤrchelzieher nach Hauß fuͤhren und in ein ſauber Zimmer auffheben lieſe; bey welchem Actu mein geweſener Herꝛ der Haͤnf - fer / den zehenden: der Hanff-Schauer den elfften: der Waͤger den zwoͤlfften: der Zoller den dreyzehen - den: der Vorkaͤuffler den vierzehenden: der Fuhr - mann den fuͤnffzehenden das Kauffhauß den ſeths - zehenden und die Kaͤrchelzieher die mich dem Kauff -mannmann heimfuͤhrten / den ſiebenzehenden Gewinn be - kammen / dieſelbe nahmen auch mit ihrem Lohn den achtzehenden Gewinn hin / da ſie mich auff ihren Kaͤr - chen zu Schiff brachten / auff welchem ich den Rhein hinunter biß nach Zwoll gebracht wurde / und iſt mir unmuͤglich alles zuerzehlen / wer als unterwegs ſein Gebuͤr an Zoͤllen und anderen und alſo auch einen Gewinn von meinetwegen empfangen / dann ich war dergeſtalt eingepackt / das ichs nicht wiſſen kondte.

Zu Zwoll genoſſe ich wiederumb ein kurtze Ruhe / dann ich wurde daſelbſten von der Mittlern oder Englaͤndiſchen Wahr außgeſondert / wiederum - ben von neuem anatomirt und gemartert / in der Mitten von einander geriſſen / gekolpfft und gehe - chelt / biß ich ſo rein und zart wurde / daß man wohl reiner Ding als Kloſter-Zwirn auß mir haͤt ſpinnen moͤgen / darnach wurde ich nach Ambſterdam ge - fertigt / alldorten gekaufft und verkaufft und dem Weiblichen Geſchlecht uͤbergeben / welche mich auch zu zartem Garn machten / und mich unter ſolcher Arbeit gleichſamb all Augenblick kuͤſten und leckten; alſo daß ich mir einbilden muͤſte / alles mein Leyden wuͤrde dermal eins ſein Endtſchafft erꝛaicht haben; aber kurtz hernach wuxde ich gewaſchen / gewunden / dem Weber unter die Haͤnd geben / geſpuhlt / mit ei - ner Schlicht geſtrichen / an Weber-Stul geſpannet / geweben und zu einem feinen Hollaͤndiſchen Lein - wad gemacht / folgends geblaicht und einem Kauff - herꝛn verkaufft / welcher mich wiederumb Elenweiß verhandelte / biß ich aber ſo weit kam / erlitte ich viel Abgang; das erſte und groͤbſte Werck ſo von mir abgieng / wurde zu Lundten geſponnen / in Kuhetreckgeſot -geſotten und hernach verbrandt / auß dem andern Abgang ſpannen die alte Weiber ein grobes Garn / welches zu Zwilch und Sacktaffel geweben wurde / der dritte Abgang gab e[i]n zimblich grobes Garn / welches man Baͤrdtlen Garn nennet / und doch vor Haͤnffin verkaufft wurde / auß dem vierten Abgang wurde zwar ein ſpiner Garn und Tuch gemacht / es mochte mir aber nicht gleichen (geſchweige jetzt der gewaltigen Saͤuler / die auß meinen Cammerꝛathen den anderen Hanffſtengelen (darauß wan Schleiß - Hanff machte) zugerichtet wurden. Alſo daß mein Geſchlecht den Menſchen trefflich nutz / ich auch bey nahe nicht erzehlen kan / was ein und anders vor Ge - winn von denſelbigen ſchoͤpffet) den letzten Abgang litte ich ſelbſt / als der Weber ein par Kneul Garn von mir nach den diebiſchen Maͤuſen warffe.

Von obgemeldtem Kauffherꝛen erhandelte mich eine Edel Frau / welche das gantze ſtuͤck Tuch zerſchnitte und ihrem Geſind zum neuen Jahr ver - ehrete / da wurde der jenige Particul davon ich meh - rentheils meinen Urſprung hab / der Cammer - Magd zutheil / welche eine Hembt darauß machte / und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich / daß es nicht alle Jungfern ſeynd die man ſo nennet / dann nicht allein der Schreiber ſonder auch der Herꝛ ſelb - ſten wuſten ſich bey ihr zu behelffen weil ſie nicht heßlich war; ſolches hatte aber die laͤng keinen Be - ſtandt / dann die Frau ſahe einsmals ſelbſten / wie ihre Magd ihre Stell vertratt / ſie bollert aber deß - wegen drumb nicht ſo gar greulich / ſonder thaͤt als eine vernuͤnfftige Dame, zahlt ihre Magd auß und gab ihr einen freundlichen Abſchied; dem Junckern aber gefiele es nicht beym beſten / daß ihm ſolchFleiſchFleiſch auß den Zaͤhne - gezogen wurde / ſagte dero - wegen zu ſeiner Frauen / warumb ſie dieſe Magd ab - ſchaffe / die doch ein ſo hurtig / geſchicktes und fleiſ - ſigs Menſch ſeye; ſie aber antwortet / lieber Jun - cker / ſeyt nur ohnbekuͤmmert / ich will hinfort ihre Arbeit ſchon ſelber verſehen;

Hierauff begab ſich meine Jungfer mit ihrer Bagage, darunter ich ihr beſtes Hembd war / in ihr Heimat nach Cammerich / und brachte einen zimb - lichen ſchweren Beurel mit ſich / weil ſie vom Herꝛn und der[Frauen] zimlich viel verdienet und ſolchen ihren Lohn fleiſſig zuſammen geſpart hatte / daſelbſt fande ſie keine ſo fette Kuͤchen als ſie eine verlaſſen muͤſſen / aber wol etliche Buler die ſich in ſie vernar - reten / und ihr beydes zu waͤſchen und zu naͤhen brachten weil ſie ein Profeſſion darauß machte und ſich darmit zuernaͤhren gedachte; under ſolcher war ein junger Schnautzhann dem ſie das Seil uͤber die Hoͤrner warff / und ſich vor ein Jungfer verkauffe; die Hochzeit wurde gehalten; weil aber nach ver - floſſenem Kuͤßmonat genugſamb erſchiene das ſich beyden jungen Eheleute vermoͤgen und einkommen nit ſo weit erſtreckte / ſie zu unterhalten / wie ſie biß - her bey ihren Herꝛn gewohnet geweſen / zumahlen eben damahl im Land von Luͤtzemburg mangel an Soldaten erſchiene; als wurde meiner jungen Frau - en Manu ein Cornet / villeicht deßwegen / weil ihm ein anderer den Raum abgehoben / und Hoͤrner auffgeſetzt hatte; Damahl fieng ich an zimblich duͤrꝛ und brechhafftig zuwerden / derowegen zerſchnitte ich meine Frau zu Windeln / weil ſie ehiſtes eines jungen Erben gewaͤrtig waͤr / von demſelbigen Ban -ckertckert wurde ich nachgehends als ſie geneſen / taͤglich verunrainigt / und eben ſo offt wider außgewaſchen / welches uns dann endlich ſo bloͤd machte / daß wir hierzu auch nichts mehr taugten: Und derowegen von meiner Frauen gar hingeworffen: von der Wuͤrthin im Hauß aber (welche gar ein gute Hauß - halterin war) wider auffgehoben: außgewaͤſchen und zu andern dergleichen alten Lumpen auff die o - bere Buͤhn gelegt wurden; daſelbſt muſten wir ver - harren biß ein Kerl von Spinal kam / der uns von allen Orthen und Enden her verſamblet / und mit ſich heim in eine Papiermuͤhl f[u]ͤhrte / daſelb wurden〈…〉〈…〉 lichen alten Weibern uͤbergeben / die uns gleichſamb zu lauter Streichpletzen zerriſſen / allwo wir dann mit einem rechten Jammer-Geſchrey un - ſer Ellend einander klagten; damit hats aber drum noch kein End / ſondern wir wurden in der Papier - muͤhl gleich einem Kinderbrey zerſtoſſen / daß man uns wohl vor kein Hanff - oder Flachsgewaͤchs mehr hette erkennen moͤgen / ja endlich eingebeitzt in Kalch und Alaun und gar im Waſſer zerfloͤſt / alſo daß man wohl von uns mit Warheit hette ſagen koͤnnen / wir ſeyen gantz vergangen geweſen; aber unverſehens wurde ich zu einem feinen Bogen Schreibpapier creirt, durch andere mehr arbeiten neben anderen meinen Cameraden mehr erſtlich in ein Buch / end - lich in ein Riß / und alßdann ererſt wider unter die Preß gefuͤrdert / zuletzt zu einen Ballen gepackt und die einſtehende Meß nach Zurzach gebracht / daſelbſt einem Kauffmann von Zuͤrch verhandelte / welcher uns nach Hauß brachte / und das jenige Riß darinn ich mich befande / einem Factor oder Haußhalter ei - nes groſſen Herꝛn wider verkauffte / der ein großBuchBuch oder Iournal auß mir machte; biß aber ſol - ches geſchahe / gienge ich den Leuthen wohl ſechs und dreiſſigmahl durch die Haͤnde / ſeyt ich ein Lump ge - weſen.

Dieſes Buch nun / worin ich als ein rechtſchaff - ner Bogen Pappier auch die Stell zweyer Blaͤtter vertratte / liebte der Factor ſo hoch / als Alexander Magnus den Homerum; es war ſein Virgilius, darin Auguſtus ſo fleiſſig ſtudirt / ſein Oppianus darin Antonius Keyſers Severi Sohn ſo embſich geleſen; ſeine Commentarij Plinij Iunioris, welche Largius Licinius ſo werth gehalten; ſein Tertullia - nus, den Cyptianus allzeit in Haͤnden gehabt, ſei[e]pædia Cyri, welche ihm Seipio ſo gemein gemacht; ſein Philolaus Pithagoricus daran Plato ſo groſſen Wolgefallen getragen; ſein Speuſippus den Ariſto - teles ſo hoch geliebt; ſein Cornelius Tacitus, der dem Kayſer Tacitum ſo hoͤchlich erfreut / ſein Com - minæus den Carolus Quintus vor allen Scribenten hochgeachtet / und in ſumma ſummarum ſeine Bi - bel / darinnen er Tag und Nacht ſtudirte; zwar nit deßwegen / daß die Rechnung auffrichtig und juſt ſeyn: ſonder daß er ſeine Diebsgriff bemaͤnteln: ſei - ne Untreu und Bubenſtuͤck bedecken: und alles der - geſtalt ſetzen moͤchte / daß es mit dem Iournale uͤber - ein ſtimme.

Nach dem nun bemeltes Buch uͤberſchriben war / wurde es hingeſtellt biß Herꝛ und Frau den Weeg aller Welt giengen / und damit genoſſe ich ein zimbliche Ruh / als aber die Erben getheilt hatten / wurde das Buch von denſelben zerriſſen und zu al - lerhand Pack-Papier gebraucht / bey welcher Occa - ſion ich zwiſchen einen verprembten Rock gelegtwurde;wurde; damit beydes Zeug und Poſſamenten kei - nen Schaden litten / und alſo wurde hieher gefuͤhrt / und nach der wider Außbackung an dieſen Ort con - temnirt, den Lohn meiner: dem Menſchlichen Ge - ſchlecht treu geleiſten Dienſten / mit meinem endli - chen Untergang und Verderben zuempfangen; war - vor du mich aber wohl erretten koͤndteſt.

Jch antwortete / weil dein Wachsthum und Fortzihlung auß Feiſtigkeit der Erden / welche durch die excrementa der animalien erhaltẽ werden muß / ihren Urſprung / Herkommen und Nahrung em - pfangen / zumahlen du auch ohne das ſolcher Ma - ten gewohnet: und von ſolchen Sachen zureden ein grober Geſell biſt ſo iſt billich daß du wider zu deinẽ Urſprung kehreſt; warzu dich dann auch dein aigner Herꝛ verdambt hat / damit exequirte ich das Urthel; aber das Scheermeſſer ſagt / gleich wie du jetzunder mit mir procedireſt / alſo wird auch der Todt mit dir verfahren / wann er dich nemblich wider zur Erden machen wird / davon du genommen worden biſt; und darvor wird dich nichts friſten moͤgen / wie du mich vor dißmahl hetteſt erhalten koͤnnen.

Das XIII. Capitel.

JCh hatte den Abend zuvor eine Specification ver - lohren aller meiner gewiſſen Kuͤnſte / die ich et - wan hiebevor geuͤbet und auffgeſchriben hatte / da - mit ich ſolche nicht ſo leichtlich vergeſſen ſolte / es ſtund aber drumb nit darbey / welcher geſtalt und durch was Mittel ſolche zu practiciren; zum Exem - pel ſetze ich den Anfang ſolcher Verzaichnuß hieher.

Lundten oder Zintſtrick zu zurichten / daß er nicht rieche / als durch welchen Geruch offt dieDMuß -Mußquetirer verꝛathen: und dero Anſchlaͤg zu nichts werden;

Lundten zu zurichten daß er brenne wann er gleich naß wird.

Pulver zu zurichten / daß es nicht brenn / wann man gleich einen gluͤhenden Stahl hinein ſteck / wel - ches den Veſtungen nutzlich / die deß geſaͤhrlichen Gaſts eine groſſe quantitaͤt herbergen muͤſſen;

Menſchen oder Voͤgel allein mit Pulver zu - ſchieſſen / daß ſie ein Zeitlang vor todt liegen bleiben / hernach aber ohne allen Schaden wieder auffſte - hen.

Einem Menſchen eine doppelte Staͤrck ohne Ebers-Wurtzel und dergleichen verbottene Sachen zu wegen zubringen.

Wann man in Außfaͤllen verhindert wird / dem Feind ſeine Stuͤck zuvernaglen / ſolche in eyl zu zurichten / daß ſie zerſpringen muͤſſen.

Einem ein Rohr zu verderben / daß er alles Wildbret damit zu Holtz ſcheuſt / biß es wiederumb mit einer andern gewiſſen Materi außgebutzt wird.

Das Schwartze in der Scheiben ehender zu - treffen / wann man das Rohr auff die Achſel legt und der Scheiben den Rucken kehrt / als wann man ge - meinem Gebrauch nach aufflegt und anſchlaͤgt;

Ein gewiſſe Kunſt / daß dich keine Kugel treffe.

Ein Jnſtrument zu zurichten / vermittelſt deſ - ſen man / ſonderlich bey ſtiller Nacht / wunderbarli - cher Weiß alles hoͤren kan / was in unglaublicher Ferne thoͤnet / oder gered wird (ſo ſonſt ohnmenſch - lich und ohnmuͤglich) den Schildtwachten: und ſonderlich in den Belaͤgerungen ſehr nuͤtzlich / ꝛc.

Solchergeſtalt waren in beſagter Specifica -tiontion viel Kuͤnſte beſchrieben / welche mein Gaſt - Herꝛ gefunden un auffgehabẽ hatte; derowegen tratte er ſelber zu mir in die Cammer / wiſe mir die Ver - zaichnus / und fragte / obs wol muͤglich ſey / daß dieſe Stuͤck natuͤrlicher Weiſe verꝛichtet werden koͤndten; er zwar koͤndte es ſchwerlich glauben / doch muͤſſe er geſtehen / daß in ſeiner Jugent / als er ſich Knabenweiß bey dem Feldmarſchalen von Schauen - burg / in Jtalia auffgehalten / von etlichen außge - ben worden waͤre / die Fuͤrſten von Savoya ſeyen alle vor den Kuglen verſichert; ſolches haͤtte gedachter Feldmarſchall an Printz Thome verſuchen wollen / den er in einer Veſtung belaͤgert gehalten; dann als ſie einsmals beyderſeits eine Stundt Stillſtandt beliebt / die Todte zubegraben und Unterꝛedung mit - einander zupflegen / haͤtte er einem Corporal von ſei - nem Regiment / der vor den gewiſſeſten Schuͤtzen unter der gantzen Armee gehalten worden / Befelch geben / mit ſeinem Rohr / damit er auff fuͤnfftzig Schritt ein brennente Kertzen ohnaußgelecht butzen koͤnnen / gedachtem Printzen / der ſich zur conferenz auff die Bruſtwehr deß Walls begeben / auff zupaſ - ſen / und ſo bald die beſtimbte Stundt deß Still - ſtands verfloſſen / thme ein Kugel zu zuſchicken; die - ſer Corporal haͤtte nun die Zeit fleiſſig in acht genom - men / und mehr ermeldten Printzen die gantze Zeit deß Stillſtands fleiſſig im Geſicht und vor ſeinem Abſehen behalten; auch / als ſich der Stillſtand mit dem erſten Glockenſtreich geendet / und jeder von beyden theilen ſich in Sicherheit rettirtrt / auff ihn loß getruckt; das Rohr haͤtte ihm aber wider alles Vermuthen verſagt / und ſeye der Printz / biß der Corpotal wieder geſpannt / hinder die BruſtwehrD 2kom -kommen; warauff der Corporal dem Feldmarſchall / der ſich auch zu ihm in den Lauffgraben begeben ge - habt / einen Schweitzer auß des Printzen Quarti ge - wiſen / auff welchen er gezielt / und denſelben derge - ſtalt getroffen / daß er uͤber und duͤber geburtzelt; warauß dann handgreifflich abzunehmen geweſen / daß etwas an der Sach ſey / daß nemblichen kein Fuͤrſt von Savoya von Buͤchſen-Schuͤſſen getroffen oder beſchaͤdigt werden moͤge; ob nun ſolches auch durch dergleichen Kuͤnſte zugienge oder ob vielleicht daſſelbe hohe Fuͤrſtl. Hauß ein abſenderliche Gnad von Gott habe / weil es wie man ſagt / auß dem Ge - ſchlecht deß Koͤniglichen Propheten Davids ent - ſproſſen / koͤndte er nicht wiſſen.

Jch antwortet / ſo weiß ichs auch nicht; aber diß weiß ich gewiß / daß die verzaichnete Kuͤnſte na - tuͤrlich und keine Zauberey ſeyn / und wann er ja ſolches nicht glauben wolte / ſo ſolte er mir nur ſagen welche er vor die verwunderlichſte und ohnmuͤglich - ſte halte / ſo wolte ich ihm dieſelbige gleich probiren doch ſo ferne es eine ſey / die nicht laͤngere Zeit und andere Gelegenheit erfordere / als ich uͤbrig haͤtte ſolche ins Werck zuſetzen / weil ich gleich fort wan - dern: und meine vorhabende Raiß befuͤrdern muͤ - ſte; darauff ſagte er / diß kame ihm am unmoͤglichſten vor / daß das Buͤchſen-Pulver nicht brennen ſoll / wann Feur darzu komme / ich wuͤrde dann zuvor das Pulver ins Waſſer ſchuͤtten; wann ich ſolches natuͤrlicher Weiß ſo probiren koͤnne / ſo wolle er von den andern Kuͤnſten allen / deren gleichwol uͤber die 60. waren / glauben was er nicht ſehe / und vor ſol - cher Prob nicht glauben koͤnne; ich antwortet / erſolteſolte mir nur geſchwind einen einigen Schuß Pul - ver und noch eine Materia die ich darzu brauchen muͤſte / ſambt Feuer herbey bringen / ſo wuͤrde er gleich ſehen daß die Kunſt juſt ſeye; alß ſolches ge - ſchahe lieſſe ich ihn der gehoͤrde nach procediren / folgends anzuͤnden aber da vermochte er nit mehr als etwan nach und nach ein baar Koͤrnlein zuver - brennen / wiewol er ein viertel Stund damit umb - gieng / und damit nichts anders außrichtete / alß daß er ſowol gluͤende Eyſen als Lunden und Koh - len im Pulver ſelbſt uͤber ſolcher Arbeit außloͤſchte; ja ſagte er zuletzt / jetzt iſt aber das Pulver verderbt; ich aber antwortet ihm mit dem Werck / und macht das Pulver ohne einigen Coſten ehender man 16. zehlen kondte / daß es hinbrannte / da ers mit dem Feur kaum anruͤhrte; Ach! ſagte er / hette Zuͤrch diſe Kunſt gewuͤſt / ſo hetten ſie verwichen ſo groſſen Schaden nit gelitten / als das Wetter in ihren Pul - ver-Thurn ſchlug.

Wie er nun die Gewißheit dieſer natuͤrlichen Kunſt geſehen / wolte er kurtzumb auch wiſſen / durch was Mittel ein Menſch ſich vor den Buͤchſen-Kug - len verſichern kondte; aber ſolches ihm zu commu - niciren war mir ungelegen; er ſetzte mir zu mit Lieb - koſſungen und Verheiſſungen / ich aber ſagte / ich be - doͤrffe weder Gelt noch Reichthumb; er wendet ſich zu Betrohungen / ich aber antwortet / man muͤſte die Pilger nach Einſidlen paſſiren laſſen; er ruckte mir vor die Undanckbarkeit vor empfangne freundliche Bewuͤrthung / hingegen hielte ich ihm vor er hette bereits genug von mir darvor gelernet; demnach er aber gar nicht von mir ablaſſen wolte / gedachte ich ihn zubetruͤgen; dann wer ſolche Kunſt von mir ent -D 3wederweder mit Lieb oder Gewalt erfahren woͤllen / hette ein hoͤhere Perſohn ſeyn muͤſſen; und weil ich merck - te / daß ers nicht achtete / obs mit Woͤrtern oder Creutzen zugieng / wann er nur nicht geſchoſſen wuͤrde; beſchlug ich ihn auff dem Schlag wie mich Baldanderſt beſchlagen / damit ich gleichwohl nicht zum Luͤgner wurde / und er doch die rechte Kunſt nit wuͤſte; maſſen ich ihm folgenden Zettel darvor gab.

Das Mittel folgender Schrifft behuͤt / daß dich kein Kugel trifft.

Aia, vitom, rahoremarhi, ahe, menalem renah, oremi, naſiore ene, nahores, ore, eldit, ita, ardes, inabe, ine, nie, nei, alomade, ſas, atri, ita, ahe, eli - me, arnam, aſa, locre, rahel, nei, vivet, aroſeli, di - tan, Veloſelas, Herodan, ebi, meniſes, aſa elitira, eve, hat ſatierida, ſacer, elachimai, nei, cleriſa.

Alß ich ihm dieſen Zettel zuſtellte / ſtellte er demſelbigen auch Glauben zu / weil es ſo kauder - welſche Wort waren die niemand verſtehet / wie er vermeintete; aber gleichwol wuͤrckte ich mich ſolcher geſtalt von ihm loß / und verdiente die Gnad / daß er mir ein baar Thaler auff den Weeg zur Zehrung mitgeben wolte / aber ich ſchlug die Annehmung ab / und lieſſe mich mehr als gehen nur mit einem Fruͤſtuck abfertigen. Alſo marchirte ich den Rhein hinunter auff Egliſau zu / unterwegs aber blibe ich ſitzen wo er der Rhein ſeinen Fall hat / und mit groſ - ſen ſauſſen und prauſſen theils ſeines Waſſers gleich - ſamb in Staub verwandelt.

Damals fienge ich an zubedencken / ob ich der Sach nit zuvil gethan / in dem ich meinen Gaſt - Herꝛn / der mich gleichwol ſo freundlich bewuͤrdet / mit Dargebung der Kunſt hinders Liecht gefuͤhrt;vil -villeicht / gedachte ich / wird er diſe Schrifft und naͤr - riſche Woͤrter kuͤnfftig ſeinen Kindern oder ſonſt ſei - nen Freunden als ein gewiſſe Sach / communicirn, die ſich alßdann darauff verlaſſen: in unnoͤthige Ge - fahr geben: und daruͤber ins Graß beiſſen werden / ehe ſie zettig / wer waͤre alßdann an ihrem fruͤhen Todt anders ſchuldig als du? wolte derowegen wi - derumb zuruͤck lauffen / einen Widerꝛuff zuthun / weil ich aber ſorge muſte / wann ich ihm wider in die Kluppen kaͤme wuͤrde er mich haͤrter als zuvor hal - ten / oder mir doch wenigſt den Betrug eintraͤncken; als begab ich mich ferners nach Eglißau / daſelbſt er - bettelt ich Speiß / Tranck / Nachtherberg und einen halben Bogen Pappier / darauff ſchriebe ich fol - gends: Edler und frommer hochgeehrter Herꝛ / ich bedancke mich nachmalen der guten Herberg / und bitte GOtt daß ers dem HErꝛn wieder tauſendfaltig vergelten wolle / ſonſt hab ich ſorg / der Herꝛ moͤch - te ſich vielleicht kuͤnfftig zu weit in Gefahr wagen und Gott verſuchẽ / weil er ſo eine treffliche Kunſt von mir wider das Schieſſen gelernet; als habe ich dẽ Her - ren warnen: und ihm die Kunſt erlaͤutern wollen / damit ſie ihm vielleicht nicht zu unſtatten und ſcha - den gereiche; ich hab geſchrieben.

Das Mittel der folgent Schrifft / behuͤt daß dich kein Kugel trifft.

Solches verſtehe der Herꝛ recht / und nehme auß jedem unteutſchen Wort / als welche weder zau - beriſch noch ſonſt von Kraͤfften ſeyn / den mittlern Buchſtaben herauß / ſetze ſie der Ortnung nach zu - ſammen ſo wird es heiſſen / ſteh an ein Ort da niemand hinſcheiſt / ſo biſtu ſicher. Dem folge der Herꝛ / dencke meiner zum beſten / und bezeiheD 4michmich keines Betrugs / warmit ich uns beyderſeyts Gottes Schutz befehle / der allein beſchuͤtzet welchen er will dat: ꝛc.

Deß andern Tags wolte man mich nicht paſſiren laſſen / weil ich kein Geld hatte / den Zoll zuent - richten / muſte derowegen wol zwo Stund ſitzen bleiben biß ein ehrlicher Mann kam / der die Gebuͤhr Gottes-Willen vor mich darlegte; daſſelbe muß mir aber ſonſt niemand als ein Hencker geweſen ſeyn; dann der Zoller ſagte zu ihm / wie dunckt euch Meiſter Chriſtian / getraute ihr wol an dieſem Kerl einen zeitlichen Feyerabent zu machen? ich weiß nit? antwortet Maiſter Chriſtian / ich hab meine Kunſt noch nie an den Pilgern probirt / wie an euers gleichen Zollern; davon kriegte der Zoller ein lange Naß / ich aber trolte fort Zuͤrch zu; allwo ich auch ererſt mein Schreiben zuruck auff Schaffhauſen be - ſtelte / weil mir nit geheur bey der Sach war.

Das XIV. Capitel.

DAmahl erfuhr ich daß einer nit wol in der Welt fort kombt der kein Geld hatt / wann einer deſſen zu ſeines Lebens Auffenthalt gleich gern entbehren wolte an[die]Pilger / die Geld hatten und auch nach Einſidlen wolten / ſaſſen zu Schiff und lieſen ſich den See hinauff fuͤhren / da hingegen muſte ich durch Umbweeg zu Fuß fort tantzen / keiner andern Urſachen halber / als weil ich den Fergen nit zube - zahlen vermochte; ich lieſte mich ſolches aber mit nichten anfechten / ſonder machte deſto kuͤrtzere Tag - raiſen / und nam mit allen Hoͤrbergen verlieb wie ſie mir anſtunden / und hette ich auch in einen Bain Haͤuſel uͤbernachten ſollen; wann mich aber jrgentseinein Fuͤrwitziger meiner Seltzamkeit wegen auffnam / umb etwas wundeꝛlichs von mir zuhoͤren / ſo tractirte ich denſelben wie ers haben wolte / und erzehlte ihm allerhand ſtorgen die ich hin und wider auff meinen weiten Raiſen geſehen / gehoͤrt und erfahren zuhaben vorgab; ſchaͤmte mich auch gar nicht / die Einfall / Lugen und Grillen der alen Scribenten und [t]en vorzubringen / und vor eine Warheit darzugeben / als wann ich ſelbſt uͤberal mit und darbey geweſt waͤre; Exempels weiß; ich hatte ein Geſchlecht der pontiſchen Voͤlcker / ſo Thyby genant / geſehen; die in einen Aug zween Aug-Aepffel: in dem andern die Bildnuß eines Pferds haben / und bewiſe ſolches mit Philatchi Zeugnus; ich war / beym Vrſprung deß Fluß Gangis / bey dem Aſtomis geweſen / die weder eſſen noch Meuͤler haben / ſonder nach Pliny Zeugnns allein durch die Naſe von Geruch ſich er - naͤhren; jtem bey den bitiſchen Weibern in Scythia, und den Tribalis in Illyria die zween Aug Acpffel in jeden Aug haben; maſſen ſolches Appollonides und Heſigonus bezeugen; ich hatte vor etlichen Jahren mit den Einwohnern deß Berg Mili gute Kundſchafft gehabt / welche wie Megaſtenes ſagt / Fuͤſſe haben wie die Fuͤchs / und an jeden Fuß acht - zehen; bey den Troglotidis gegen Nidergang war - hafftig / hatte ich mich auch ein weil auffgehalten / welche wie Cteſias bezeugt / weder Kopff noch Halß: ſonder Augen Maul und Naſe auff der Bruſt ſtehen haben; nicht weniger bey den Monoſcelis oder Scio - podibus / die nur einen Fuß haben / damit ſie den gantzen Leib vor Regen und Sonnenſchein beſchir - men: und dannoch mit ſolchem einigen groſſen Fuß ein Hirſch uͤberlauffen koͤnnen; ich hatte geſehen dieD 5AntroAntropophagi in Seythia und die Caffres in Jndia die Menſchen Fleiſch freſſen; die Andabati ſo mit zugethanen Augen ſtreitten und in den Hauffen ſchla - gen; die Agriophani / die Loͤwen und Panterthier Fleiſch freſſen; die Arimphei ſo unter den Baͤumen ohn alle Verwahrung ſicher hinein ſchlaffen / die Bactriani / welche ſo maſſig leben / daß bey ihnen kein Laſter verhaffter iſt / als Freſſen und Sauffen; die Samogeden die hinder der Moſcau unter dem Schnee wohnen / die Jnſulaner im ſinu Perſarum als zu Ormus / die wegen groſſer Hitz im Waſſer ſchlaffen; die Gruͤnlaͤnder / deren Weiber Hoſen tragen; die Berbeti / welche alle die ſo uͤber 50. Jahr leben / ſchlachten und ihren Goͤttern opffern; die Jndianer hinder der Magelaniſchen Straſſen / am Mare Pacificè / deren Weiber kurtze Haar die Maͤn - ner ſelbſt aber lange Zoͤpff tragen; die Condei, die ſich von Schlangen ernaͤhren; die unteutſche hinder Liffland / die ſich zu gewiſen Zeiten deß Jahrs in Wer - woͤlff verwandlen / die Gapij welche ihre alte nach er - langten ſibenzigſten Jahr mit Hunger hinrichten; die ſchwartze Tartern / deren Kinder ihre Zaͤhn mit auff die Welt bringen; die Geta ſo alle Ding / auch die Weiber gemein haben die Himatopodes / welche auff der Erden kriechen wie die Schlangen / Bra - ſilianer ſo die frembte mit Wainen: und die Mo - ſineci ſo ihre Gaͤſt mit Pruͤgeln empfangen; ja ich hatte auch die ſelenitiſche Weiber geſehen / welche (wie Herodotu behaubtet) Eyer legen und Men - ſchen drauß hecken / die zehenmal groͤſſer werden als wie in Europa.

Alſo hatte ich auch viel wunderbarliche Brunnen geſehen / als am Vrſprung der Weixel einen / deſſenWaſſerWaſſer zu Stein wird / darauß man Haͤuſer bauet; jtem den Brunnen bey Zepuſio in Ungarn / welches Waſſer Eiſen verzehrt / oder beſſer zureden / in eine Materiam verendert / auß deren hernach durchs Feur Kupffer gemacht wird / da ſich der Regen in Victril veraͤndert mehr daſelbſt einen gifftigen Brunnen / deſſen Waſſer / wo der Erdboden damit gewaͤſſert wird / nichts anders als Wolffskraut herfor bringt / welcher wie der Mon ab: und zunimbt / mehr da - ſelbſt einen Brunnen / der Winterszeit warm: im Sommer aber nichts als lauter Eiß iſt / den Wein damit zu kuͤhlen; ich hatte die zween Bruͤnnen in Jrrland geſehen / darinnen das eine Waſſer wann es getruncken wird / alt und grau: das ander aber huͤbſch jung macht; den Brunnen zu Aengſtlen im Schweitzerland / welcher nie laufft / als wann das Viehe auff der Wait zur Traͤncke kombt; item vnter - ſchiedliche Brunnen in Jßland / da ein heiß: der ander kalt Waſſer der dritte Schweſſel / der vierte geſchmoltzen Wax herfor bringt; mehr die Waſſer Gruben zu S. Stephen gegen Sanen Land in der Eidgroſſchafft / welche die Leut vor ein Kalender brauchen / weil das Waſſer truͤb wird / wann es regnen wil / und hingegen ſich klar erzaigt / wann ſchoͤn Wetter obhanden; nicht weniger den Schant - libach bey ober Naͤhenheimb im Ellſaß / welcher nit ehe fleuſt / es ſolle dann ein groß Unglick / als Hunger / Sterben oder Krieg uͤbers Land geben; den gifftigen Brunn in Arcadia / der Alexandrum Mag - num umbs Leben brachte; die Waffer zu Sibaris, welche die graue Haar wider ſchwartz machen / die Aquæ Sueflanæ die den Weibern die Unfruchtbar - keit benemmen; die Waſſer in der Jnſul EnariaD 6welchewelche Grieß und Stein vertreiben / die zu Clytum - no, darinn die Ochſen weiß werden / wann man ſie damit badet / die zu Solennio, welche die Wunden der Liebe heylen; den Brunnen Aleos dardurch das Feur der Liebe entzuͤndet wird; den Brunnen in Perſia darauß lauter Oehl: und einen ohnfern von Cronweiſſenburg darauß mir Karchſalb und Wa - genſchmir quilt; die Waſſer in der Jnſul Naxo / darinn man ſich kan truncken trincken; den Brun - nen Arethuſam / darinnen lauter Zucker Waſſer; auch wuſte ich alle beruͤmbte Palludes / See / Suͤnpff und Lachen zubeſchreiben / als den See bey Zirckmitz in Kaͤrnten / deſſen Waſſer zwo Elen lang / hinderlaͤſt; folgents wann ſolche gefangen / von den Bauren beſambt / abgemaͤhet und eingeaͤrndet: hernach aber auff den Herbſt wider von ſich ſelbſt 18. Ellen tieff mit Waſſer angefuͤllt wird / welches den kuͤnfftigen Fruͤhling abermal ein ſolche Maͤnge Fiſch zum beſten gibt; daß Todt Meer in Judea! den See Leomondo in der Landſchafft Lennos, welcher 2〈…〉〈…〉. Meilen lang und vil Jnſuln: darunter auch eine ſchwimmende Jnſul hatt / die mit Viehe und allem was drauff iſt / vom Wind hin und her getriben wird; ich wuſte zu ſagen vom Feder See in Schwaben / vom Bodenſee bey Coſtnuͤtz / vom Pilatus See auff dem Berg Fractmont, vom Ca - marin in Sicilia, von dem Lacu Bebeide in Theſalia, vom Gigeo in Tydia; vom Ma[re]tte in Ægypten, vom Stymphalide in Arcadia vom Laſconio in By - thinia, vom Icomede in Æthiopia; vom The - ſprotio in Ambratia; vom Traſimeno in Umbria; vom Meotide in Scytſia; und vilen andern mehr.

So hatte ich auch alle namhaffte Fluͤß in derWeltWelt geſehen / als Rhein und Thonau in Teutſch - land / die Elb in Sachſen / die Moldau in Boͤhmen; den ihn in Bayern / die Wolgau in Neuſſen / die Jems in England / den Tagum in Hiſpannia; dem Amphriſum in Theſalia; den Nilum in æ - gypten, den Iordan in Iudea; den Hippanim in Scythia; den Bagradam Africa; den Gangem in India; Rio dela platta in America; den Eurotam in Laconia; den Euphratem in Meſopotamia; die Tyber in Italia; den Cidnum in Cilitia; den Ache - loum zwiſchen Ætolia und Arcarnania; den Bori - ſtenem in Thracia, und den Sabatſicum in Syria, der nur 6. Tag fleuſt / und den ſibenden verſchwindet / item in Sicilia einen Fluß / in welchem nach Ari - ſtoreli Zeugnuß die erwirgte und erſtuͤckte Voͤgel und Thier wider lebendig werden ſo dann auch den Gallum in Phrygia welcher nach Ovidy Mainung unſinnig macht wann man drauß trinckt; ich hatt auch deß Pliny Brunnen zu Dodona geſehen / und ſelbſt Probiert / daß ſich die brennente Kertzen auß - leſchen: die außgeleſchte aber anzuͤnden / wann man ſolche nur darn haͤlt, ſo war ich auch bey den Brunnen zu Appollonia geweſen / deß Nymphæi Becher genant welcher denen ſo drauß trincken / wie Theopompus meldet / alles Ungluͤck zuver - ſtehen gibt ſo ihnen noch begegnen wird.

Gleichermaſſen wuſte ich auch von andern wun - derbarlichen Dingen in der Welt auff zuſchneiden / als von den Calaminiſchen Waͤlden / die ſich von einem Qrt znm andern treiben laſſen / wo man ſie nur hin haben will; ſo war ich auch in den Cimini - ſchen Wald geweſen / allwo ich meinen Pilgerſtab nit in die Erde ſtecken dorffe / weil alles was dortD 7inin die Erde kombt ſtrachs einwurtzelt / daß mans nit wider herauß kriegen kan / ſonder geſchwind zu einen groſſen Baum wird; ſo hatte ich auch die zween Waͤld geſehen / deren Prinius gedenckt welche biß - weilen dreyeckicht / biß weilen viereckicht und biß - weilen Stund ſeynt / nichtweniger den Felſen / den man zu zeiten mit einem finger: biß weilen aber mit keinen Gewalt bewegen kan;

In Summa Summarum ich wuſte von ſeltzamen und verwunderungs wuͤrdigen Sachen nit allein etwas daher zuluͤgen / ſonder hatte alles ſelbſt mit meinen aignen Augen geſehen / und ſolten es auch beruͤhmbte Gebaͤu als die ſieben Wunder-Werck der Welt / der babilaniſch Thuren / und dergleichen Sa - chen geweſen ſeyn / ſo vor vilen hundert Jahren ab - gangen; alſo machte ichs auch / wann ich von Voͤ - geln / Thieren / Fiſchen und Erdgewaͤchſen zureden kam; meinen behoͤrbergern die ſolches begehrten die Ohren damit zu grauen / wann ich aber verſtaͤndige Leut vor mir hatte / ſo hiebe ich bey weitem nit ſo weit uͤber die Schnur / und alſo brachte ich mich nach Ein - ſidlen / verꝛichtete dort meine Andacht / uñ begab mich gegen Bern zu / nicht allein auch dieſelbe Statt zu be - ſchauẽ / ſonder von dar durch Savoya in Italia zugehẽ.

Das XV. Capitel

Es gluͤckte mir zimlich auff dem Weeg / weil ich treuhertzige Leut fand die mir von ihrem Uber - fluß beydes Herberg und Narꝛung gern mittheylten und daß umb ſo vil deſto Lieber / weil ſie ſahen daß ich nirgents weder Geld fordert noch an namb / wann man mir gleich ein Angſter oder zween geben wolte; in der Statt ſahe ich einen noch ſehr jungen wolgebutzten Menſchen ſtehen / umb welchen etlicheKinderKinder lieffen die ihn Vatter nenneten / weßwegen ich mich dann verwundern muſte / dann ich wuſte noch nicht / daß ſolche Soͤhn darumb ſo Jung heyr - rathen / damit ſie deſto ehenter Statts-Perſonen abgelegen / und deſto fruͤher auff die Prafecturen geſetzt werden moͤchten; diſer ſahe mich vor etlichen Thuͤren bettlen / und da ich mit einem tieffen Buͤck - ling (dann ich konte keinen Hut vor ihm abziehen weil ich barhauptig gieng) bey ihm veruͤber paſſiren wolte / ohne daß ich etlicher unverſchaͤmbten Bettler - Brauch nach auff der Gaſſen angeloffen haͤtte / grief - fe er in Sack / und ſagte / ha: warumb forderſt mir kein Allmoſen ſeh hier da haſt du auch ein Lutzer; ich antwortet Herꝛ / ich kondte mir leicht einbilden daß er kein Brodt bey ſich traͤgt / drumb hab ich ihn auch nicht bemuͤhet; ſo trachte ich auch nicht nach Geld / weil den Bettlern ſolches zuhaben nicht ge - buͤrt; indeſſen ſamblete ſich ein Umbſtandt von al - lerhand Perſonen / deſſen ich dann ſchon wol ge - wohnt war / er aber antwortet mir / du magſt mir wol ein ſtoltzer Bettler ſeyn / wann du das Geld verſchmaͤheſt; nein Herꝛ / er belieb nur zuglauben ſagte ich / daß ich daſſelbe darumb verachte damit es mich nicht ſtoltz machen ſoll er fragte / wo wilſtu aber herbergen wann du kein Geld haſt? ich ant - wortet / wann mir GOtt und gute Leut goͤnnen / unter dieſem Schopff mein Ruhe zunehmen / die ich jetzt trefflich wol bedarff / ſo bin ich ſchon verſorgt und wol content, er ſagte / wann ich wuͤſte daß du keine Laͤufe haͤtteſt / ſo wolte ich dich herbergen und in ein gut Beth legen; ich hingegen antwortet ich hette zwar ſo wenig Laͤuß als Helleꝛ / wuͤſte aber gleich - wol nicht / ob mir rathfam waͤr in einẽ Beth zuſchlaf -fen /ſen / weil mich ſolches verleckern: und von meiner Gewohnheit hart zuleben / abziehen moͤchte; mit dem kam noch ein feiner reput[ir]licher alter Herꝛ da - her / zu dem ſagte der Junge / ſchauet umb Gottes - willen einen andern diog[e]nem Cinnam! ey: ey: Herꝛ Vetter / ſagt der Alte / was redet ihr / hat er dann ſchon jemand angebollen oder gebiſſen / gebt ihm darvor ein Allmoſen und laſt ihn ſeins Wegs gehen; der Junge antwortet / Herꝛ Vetter er will kein Geld / auch ſonſt nichts annehmen / was man ihm guts thun will, erzehlte dem Alten darauff alles was ich gered und gethan hatte; ha: ſagt der Alt viel Koͤpff viel Sinn; gab darauff ſeinen Dienern Be - felch / mich in ein Wirthshauß zufuͤhren / und dem Wirth gutzuſprechen vor alles was ich dieſelbe Nacht verzehren wuͤrde; der Junge aber ſchriehe nur nach / ich ſolte bey Leib und Leben morgen fruͤhe wieder zu ihm kommen / er wolte mir ein gute kalte Kuͤch mit auff den Weg geben.

Alſo endtranne ich auß meinem Umbſtand / da man mich mehr gehetzt / als ich beſchreibe; kam aber auß dem Fegfeur in die Hell / dann das Wirthshauß ſtack voller trunckner und toller Leute / die mir mehr Dampfs anthaͤten als ich noch nie auff meiner Pil - gerſchafft erfahren; jeder wolte wiſſen wer ich waͤre; der eine ſagte ich waͤre ein Spion oder Kundtſchaff - ter / der ander ſagte ich ſey ein Widdertauffer / der dritte hielte mich vor einen Narꝛen / der vierdte ſchaͤtz - te mich vor ein heiligen Propheten / die allermeiſte aber glaubten ich waͤre der ewig Jud / davon ich be - reits oben Meldung gethan; als daß ſie mich bey nahe dahin brachten auffzuweiſſen daß ich nicht be - ſchnitten waͤr; endlich erbarmbt ſich der Wirth uͤbermich /mich / ruͤſte mich von ihnen und ſagte / laſt mir den Mann ungeheyet / ich weiß nicht ob er oder ihr die groͤſte Narꝛen ſeindt / und damit liſe er mich ſchlaf - fen fuͤhren.

Den folgenden Tag verfuͤgte ich mich vor deß jungen Herꝛn Hauß / das verſprochen Fruͤhſtuͤck zu - empfahen; aber der Herꝛ war nicht daheimen / doch kam ſeine Frau mit ihren Kindern herunter / viel - leicht meine Seltzſamkeit zu ſehen / davon ihr der Mann geſagt haben moͤchte; ich verſtunde gleich auß ihrem Diſcurs (gleichſamb als ob ichs haͤtte wiſ - ſen muͤſſen) daß ihr Mann beym Senat waͤre / und ohngezweiffelte Hoffnung haͤtte / denſelben Tag die Stell eines Land-Vogts oder Land-Ambtmanns zubekommen / ich ſolte / ſagte ſie / nur noch ein we - nig verziehen / er wuͤrde bald wieder daheimen ſeyn; wie wir nun ſo miteinander redeten / tritt er die Gaſ - ſen dort her / und ſahe meinem beduncken nach bey weitem ſo luſtig nicht auß als geſterabend; ſo bald er unter die Thier kam ſagte zu ihm. Ach Schatz was ſeyt ihr worden / er aber lieffe die Stiegen hinauff / und im vorbey gehen ſagte er zu ihr / ein Hundsfutt bin ich worden; da gedachte ich / hie wirds vor diß - mal ſchlechten guten Willen ſetzen / ſchlich derowe - gen allgemach von der Thier hinweg / die Kinder aber folgten mir nach ſich uͤber genug zuverwun - dern / denn es geſelleten ſich andere zu / welchen ſie mit groſſen Freuden ruͤmbten was ihr Vatter vor ein Ehren-Ambt bekommen; ia: ſagten ſie zu jegli - chen das zu ihnen kam / unſer Vatter iſt ein Hunds - futt worden / welcher Einfalt und Thorheit ich wol lachen muſte.

Da ich nun merckte / daß es mir in den Staͤd -tenten bey weiten nicht ſo wol gieng als auff dem Land / ſchaͤtzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu kommen / wann es anders muͤglich ſeyn koͤndte ſolche umbzugehen; alſo behalff ich mich auff dem Land mit Milch / Kaͤß / Ziger / Butter und etwan ein wenig Brod / das mir der Landtmann mittheilete / biß ich bey nahe die Savoyſche Craͤntzen uͤberſchritten hat - te; einsmals wandelt ich in ſelbiger Gegent im Koth daher biß uͤber die Knoͤchel / gegen einem adeli - chen Sitz / als es eben regnete / als wann mans mit Kuͤbeln herunter gegoſſen haͤtte; da ich mich nun demſelben adelichen Hauſe naͤherte / ſahe mich zu allem Gluͤck der Schloß-Herꝛ ſelbſten / dieſer ver - wundert ſich nicht allein uͤber meinen ſeltzſamen Auffzug / ſonder auch uͤber meine Gedult; und weil ich in ſolchem ſtarcken Regenwetter nicht einmal unterzuſtehen begehrte / ohnangeſehen ich daſelbſt Gelegenheit genug darzur hatte / hielte er mich bey nahe vor einen puren Narꝛen; doch ſchickte er einen von ſeinen Dienern zu mir herunter / nicht weiß ich ob es auß Mitleyden oder Fuͤrwitz geſchahe / der ſagte / ſein Herꝛ begere zu wiſſen wer ich ſeye / und was es zubedeuten habe / daß ich ſo in dem grauſa - men Regenwetter umb ſein Hauß daherumb gehe.

Jch antwortet / mein Freundt / ſagt eurem Herꝛn widerumb / ich ſeye ein Ball deß wandelbaren Gluͤcks; ein Exemplar der Veraͤnderung / und ein Spiegel der Unbeſtaͤndigkeit deß Menſchlichen Weſens; daß ich aber ſo im Ungewitter wandele / be - deute nichts anders / als daß mich ſeyt es zu regnen angefangen / noch niemand zur Herberg eingenom - men; als der Diener ſolches ſeinem Herꝛn wieder hinderbrachte / ſagte er / diß ſeynd keine Wort einesNarꝛen /Narꝛen / zu dem iſts gegen Nacht / und ſo ellend Wetter daß man keinen Hund hinauß jagen ſolte? lieſe mich derowegen ins Schloß und in die Geſind Stuben fuͤhren / allwo ich meine Fuͤſſe wuſch / und meinen Rock wieder troͤcknete;

Diſer Cavalter hatte einen Kerl / der war ſein Schaffner / ſeiner Kinder Præceptor und zugleich ſein Schreiber / oder wie ſie jetzt heiſſen wollen ſein Secretarius; der Examminirte mich woher / wohin / was Lands und was Stands? ich aber bekant ihm alles wie mein Sach beſchaffen / wo ich nemblich haußhaͤblich: und auch als ein Einſidler gewohnet und daß ich nun mehr Willens waͤre / die heylige Oerter hin und wider zu beſuchen / ſolches alles hinterbrachte er ſeinem Herꝛn widerumb / dero - wegen lieſſe mich derſelbe beym Nachteſſen an ſeine Taffel ſitzen / da ich nit uͤbel tractitt wurde und auff deß Schloß-Herꝛen begehren alles widerhollen muſte / was ich zuvor ſeinem Schreiber von meinen Thun und Weſen erzehlt hatte; er fragte auch allen Particularitaͤten ſo genau nach / als wann er auch dort zu Hauß geweſen waͤre; und da man mich ſchlaffen fuͤhrte / gieng er ſelbſten mit dem Diener der mir vorleuͤchte / und fuͤhrte mich in ein ſolch wol geriſtes Gemach / daß auch ein Graff darin hette verlieb nemmen koͤnnen; uͤber welche all zu groſſe Hoͤfflichkeit ich mich verwunderte und mir nichts anders einbilden konte / als thaͤte ſolches gegen mir auß lauter Andacht / weil ich meiner Einbildung nach das Anſehen eines gottſeeligen Pilgers haͤtte; aber es ſtack ein ander que darhinter / dann da er mit dem Licht und ſeinem Diener unter die Thier kam / ich mich auch bereits gelegt hatte /ſagteſagte er; nun wolan Herꝛ Simplici! er ſchlaffe wol; ich weiß zwar daß er kein Geſpaͤnſt zu foͤrchten pflegt / aber ich verſichere ihn / daß die jenige ſo in diſem Zimmer gehen / ſich mit keiner Karbatſch verjagen laſſen; damit ſchloſſe er daß Zimmer zu / und lieſe mich in Sorg und Angſt ligen.

Jch gedachte hin und her und konte lang nit er - ſinnen woher mich diſer Herꝛ kennen muͤſte / oder gekant haben moͤchte / daß er mich ſo aͤigentlich mit meinen vorigen Nammen nennete; aber nach langem Nachdencken fiele mir ein / daß ich eins - mals / nach dem mein freund Hertzbruder geſtor - ben / im Saur-Brunnen von den Nachtgeiſtern mit etlichen Cavallieren und Studenten zu reden kommen; unter welchen zween Schweitzer / ſo ge - bruͤder geweſen / wunder erzehlt / welcher Geſtalt es in ihres Vattern Hauſe nicht nur bey Nacht ſon - der auch offt bey Tag romore, denen ich aber wider - part gehalten / und mehr als vermeſſen behaubtet / daß der jenige ſo ſich vor Nachtgeiſtern foͤrchte / ſonſt ein faiger Tropff ſey; darauff ſich der eine auß ihnen weiß angezogen / ſich bey Nacht in mein Zim̃er practicirt - und angefangen zu rumpeln / der Meinung mich zu aͤngſtigen und alsdann / wann ich mich entſetzen: und auß Forcht ſtill ligen bleiben wuͤrde / mir die Decke zu nem̃en / nachgehents aber wann der Paß ſolcher Geſtalt abgehe / mich ſchreck - lich zu vexiren und alſo meine Vermeſſenheit zu - ſtraffen; aber wie diſer anfieng zu agiren, alſo daß ich druͤber erwachte / wiſchte ich auß dem Bette und erdapte ohngefehr eine Karbatſch / Kriegte auch gleich den Geiſt beym Fluͤgel und ſagte / holla Kerl /wannwann die Geiſter weiß gehen / ſo pflegen die Maͤgd wie man ſagt / zu Weibern zu werden; aber hier wird der Herꝛ Geiſt jrꝛ ſeyn gangen / ſchlug damit tapffer zu / biß er ſich entlich von mir entriſſe und die Thier traff. Da ich nun an dieſe Hiſtorj ge - dachte / und meines Gaſt-Herꝛen laͤſtere Wort be - trachtete / konte ich mir ohnſchwer einbilden / was die Glocke geſchlagen; ich ſagte zu mir ſelber / haben ſie von den forchterlichen Geſpaͤnſtern in ihres Vatters Hauß die Warheit geſagt / ſo ligſtu ohn zweiffel in eben dem Jenigen Zimmer / darin ſie am alleraͤrgſten poldern; haben ſie aber nur vor die lange weil auffgeſchnitten / ſo werden ſie dich gewißlich wider Karbaitſchen laſſen / daß du ein weil dran zu tauen haben wirſt; in ſolchen Gedancken ſtunde ich auff / der Meinung jrgents zum Fenſter hinauß zuſpringen / es war aber uͤberall mit Eyſen ſo wol vergittert / daß mirs ohnmuͤglich ins Werck zuſetzen / und was das aͤrgſte war / ſo hatte ich auch kein Gewaͤhr: Ja auffs euſſerſt auch meinen kraͤffti - gen Pilgerſtab nit bey mir / mit welchem ich mich auff den Nothfall trefflich gewehrt haben wolte; legte mich derowegen wider ins Bette / wiewol ich nicht ſchlaffen konte / mit Sorg und Angſt erwar - tende / wie mir diſe herbe Nacht gedeyen wuͤrde.

Als es nun umb Mitternacht wurde / oͤffnete ſich die Thier / wiewol ich ſie inwendig wol verrigelt hatte / der erſte ſo hinein tratte / war ein anſehenliche gravitetiſche Perſohn / mit einem langen weiſſen Bart auff die antiquiteliſche Manier mit einem langen Talar von weiſſen Atlas und guldenen Blummen mit Genet gefuͤttert / beklaidet; ihmfolgtenfolgten drey auch anſehenliche Maͤnner; und in dem ſie eingiengen / wurde auch das gantze Zimmer ſo hell / als wann ſie Fackeln mit ſich gebracht hetten / obwollen ich aigentlich kein Liecht oder etwas der - gleichen ſahe; ich ſteckte die Schnauppe unter die Decke und behielte nichts hauſſen als die Augen / wie ein erſchrockenes und forchtſambs Meuͤßlein daß da in ſeiner Hoͤle ſitzet und auff paſſet / zu ſehen ob es plaſy ſey oder nicht / hervor zu kommen; ſie hingegen tratten vor mein Bette und beſchauen mich wol und ich ſie hingegen auch / als ſolches ein gar kleine weil gewaͤret hatte / tratten ſie mit einander in ein Eck deß Zimmers / huben eine ſteinene Plat - ten auff / damit der Ort beſetzt war / und langten dort alle Zugehoͤr herauß / die ein Barbierer zu brauchen Pflegt / wann er jemand den Bart butzet; mit ſolchen Jnſtrumenten kamen ſie wider zu mir / ſetzten ein Stul in die mitte deß Zimmers / und gaben mit wincken und deuten zu verſtehen / daß ich mich auß dem Bethe begeben: auff dem Stul ſitzen: und mich von ihnen parbieren laſſen ſolte; weil ich aber ſtill ligen blieb / griffe der Vornehmbſte ſelbſt an das Deckbeth / ſolches auffzuheben und mich mit Gewalt auff den Stul zu ſetzen; da kan jeder wol dencken wie mir die Katz den Rucken hinauff gelof - fen; ich hielte die Decke feſt und ſagte / ihr Herꝛn was wolt ihr was habt ihr mich zuſcheren? ich bin ein armer Pilger der ſonſt nichts als ſeine aigne Haar hatt / ſeinen Kopff beydes vor Regen / Wind und Sonnenſchein zu beſchirmen; zu dem ſihe ich euch auch vor kein ſcherer Geſindel an? drumb laſt mich ungeſchoren darauff antwortet der Vornemb -ſte /ſte / wir ſeynt freylich Ertz Schaͤrer aber du kanſt uns helffen / muſt uns auch zuhelffen verſprechen wann du anderſt ungeſchorn bleiben wilſt; ich antwortet / wann euer Hilff in meiner Macht ſtehet / ſo verſprech ich zuthun alles was mir muͤglich und zu euer Hilff vonnoͤthen ſey; werdet mir derowegen ſagen wie ich euch helffen ſoll; hierauff ſagte der alte / ich bin deß jetzigen Schloß-Herꝛn Vraͤhne geweſen / und hab mit meinem Vettern von Geſchlecht N: umb zwey Doͤrffer N: N: die er rechtmaͤſſig inhatte / einen unrechtmaͤſſigen Hader angefangen und durch Arg - liſt und Spitzfindigkeit die Sach dahin gebracht / daß diſe drey zu unſerm wilkuͤhrlichen Richtern erwoͤhlet wurden / welche ich ſo wol durch Ver - heiſſung als Betrohung dahin brachte / daß ſie mir bemelte beyde Doͤrffer zuerkanten; darauff fienge ich an / denſelbigen Unterthanen dergeſtalt zu ſchaͤren / ſchrepffen und zwagen / daß ich ein merck - lich Stuͤck Geld zuſammen brachte / ſolches nun ligt in jenem Eck und iſt bißher mein Schaͤrzeuͤg geweſen / damit mir meine Schaͤrerey widergolten werde; wann nun diß Geld wider unter die Men - ſchen kombt (dann beyde Dorffſchafften ſeynt gleich nach meinem Todt wider an ihre rechtmaͤſſige Herꝛn gelangt) ſo iſt mir ſo weit geholffen als du mir helf - fen kanſt / wann du nemblich diſe Beſchaffenheit meinem Vraͤnckel erzehleſt / und damit er dir deſto beſſeren Glauben zuſtelle / ſo laſſe dich Morgen in den ſo genannten gruͤnnen Saal fuͤhren / da wirſt du mein Conterfeyt finden / vor demſelben erzehle ihm / was du von mir gehoͤrt haſt: da er ſolches vorbracht hatte / ſtreckt er mir die Hand dar / und begerte ich ſolte ihm mit gegebener Hand-Treu verſichern / daßichich ſolches alles verꝛichten wolte / weil ich aber viel - mal gehoͤrt hatte / daß man keinem Geiſt die Hand geben ſolte / ſtreckte ich ihm den Zipfel vom Leyla - chen dar / das brannt alſobald hinweg ſo weit ers in die Hand kriegte / die Geiſter aber trugen ihre Scherꝛ-Jnſtrumenten wieder an vorigs Ort / deck - ten den Stein wieder druͤber / ſtellten auch den Stul hin wo er zuvor geſtanden / und giengen wie - der nach einander zum Zimmer hinauß; indeſſen ſchwitzte ich wie ein Braten beym Feur / und war doch noch ſo kuͤhn in ſolcher Angſt ein zuſchlaffen.

Das XVI. Capitel.

ES war ſchon zimblich lang Tag geweſen / als der Schloß-Herꝛ mit ſeinem Diener wieder vor mein Bethe kam; wohl! Herꝛ Simplici, ſagte er / wie hats ihm heint Nacht zugeſchlagen / hat er keine Karbatſch vonnoͤthen gehabt / nein Monſieur, ant - wortet ich / dieſe ſo hierinnen zu wohnen pflegen / brauchtens nicht wie der jenige ſo mich im Saur - brunnen foppen wolte; wie iſts aber abgangen? fragte er weiters / foͤrchtet er ſich noch nicht vor den Geiſtern? ich antwortet / daß es kein kurtzweilig Ding umb die Geiſter ſey / werde ich nimmermehr ſagen; daß ich ſie darumb eben foͤrchte werde ich immermehr geſtehen; aber wie es abgangen / be - zeugt zum Theil diß verbrennte Leylachen / und ich werde es dem Herꝛn erzehlen / ſo bald er mich nur in ſeinen gruͤnen Saal fuͤhret / alwo ich ihm deß Principal Geiſts / der bißher hierinnen gangen / wahres Conterfeit weiſen ſoll er ſahe mich mit Ver - wunderung an / und konte ſich leicht einbilden / daßichich mit den Geiſtern geredt haben muͤſte / weil ich nicht allein vom gruͤnen Saal zuſagen wuſte / den ich noch nie ſonſt von jemand hatte nennen hoͤren / ſon - der auch weil das verbrennete Leylachen ſolches be - zeugte; ſo glaubt er dann nun / ſagte er / was ich ihm hiebevor im Saur-Brunnẽ erzehlt hab? ich ant - wortet / was bedarff ich deß Glaubens / wann ich ein Ding ſelbſt weiß und erfahren habe? ja ſagte er wei - ters / tauſend Gulden wolte ich drumb ſchuldig ſeyn / wann ich diß Creutz auß dem Hauß haͤtte; ich ant - wortet / der Herꝛ geb ſich nur zufrieden / er wird dar - von erledigt werden / ohne daß es ihn ein Heller koſten ſolle; ja er wird noch Geld darzu empfangen.

Mithin ſtunde ich auff / und wir giengen ſtracks mit einander dem gruͤnen Saal zu / welches zugleich ein Luſt-Zimmer und Kunſt-Kammer war; unterwegs kam deß Schloß-Herꝛn Bruder an / den ich im Saurbrunnen[k]arbeitſcht hatte / dann ihn ſein Bruder meinetwegen von ſeinem Sitz / der et - wann zwo Stund von dannen lage / eylends hol - lenlaſſen; und weil er ein zimlich muͤrꝛiſch außſahe / beſorgte ich mich / er ſeye etwann auff eine Rach be - dacht / doch erzaigte ich im geringſten keine Forcht / ſonder als wir in den gedachten Saal kamen / ſahe ich under anderen Kunſtreichen Gemaͤhlen und Antiquitaͤten eben das jenig Conterfeth das ich ſuchte; dieſer / ſagte ich zu beyden Gebruͤdern / iſt euer Uraͤhne geweſen / und hat dem Geſchlecht von N. zwey Doͤrffer als N und N. unrechtmaͤſſiger Weiß abgetrungen / welche Doͤrffer aber jetzunder ihre rechtmaͤſſige Herꝛn wieder inhaben; von den - ſelbigen Doͤrffern hat euer Uraͤhne ein namhaffteſ ſtuͤck Geld erhoben / und bey ſeinen Lebzeiten in demEjenigenjenigen Zimmer darinnen ich heunt gebuͤſt / was ich hiebevor im Saurbrunnen mit der Karbeitſch be - gangen / einmauren laſſen weßwegen er dann ſambt ſeinen Helffern bißhero in hieſigem Hauſe ſo ſchroͤck - lich ſich erzeigt; wolten ſie nun daß er zur Ruhe komme und das Hauß hinfort geheur ſey / ſo moͤch - ten ſie das Geld erheben / und anlegen wie ſie ver - meinten / daß ſie es gegen GOtt verantantworten koͤnnen / ich zwar wolte ihnen weiſen wo es lege / und alsdann in GOttes Namen meinen Weg wei - ters ſuchen; weilen ich nun wegen der Perſon ihres Uraͤhne und beyder Doͤrffer die Warheit geredet hat - te gedachten ſie wohl ich wuͤrde deß verborgenen Schatzes halber auch nicht luͤgen; verfuͤgten ſich derowegen mit mir wiederumb in mein Schlaff - Zimmer / allwo wir das Steinere Platt erhuben varauß die Geiſter den Schaͤrer-Zeug genommen und wieder hingeſteckt hatten / wir fanden aber an - ders nichts als zween jrꝛdene Haͤfen / ſo noch gantz neu ſchienen / davon der eine mit rothem: der an - der aber weiſſem Sandt gefuͤlt war / weßwegen bey - de Bruͤder die gefaſte Hoffnug dieß Orts einen Schatz zufiſchen / allerdings fallen lieſſen; ich aber verzagte drumb nicht / ſonder freute mich dermaleins die Gelegenheit zuhaben / daß ich probieren koͤnde / was der wunderbarliche Theophraſtus Paracelſus in ſeinen Schrifften Tom. 9. in Philoſophia oc - culta von der Transmutation der verborgenen Schaͤtze ſchreibt; wanderte derowegen mit dẽ beyden Haͤfen und in ſich habenden Materien in die Schmide / die der Schloß-Herꝛ im Vor-Hoff deß Schloſſes ſtehen hatte / ſetzte ſie ins Feur / und gab ihnen ihre gebuͤhrliche Hitz / wie man ſonſt zu procedirenpflegt /pflegt / wann Metall ſchmeltzen will / und nach dem ichs von ſich ſelbſten erkalten lieſe / fanden wir in dem einen Hafen eine groſſe Maſa Ducaten Golt / in dem andern aber einen Glumpen vierzehen Loͤthig Silber / und kondten alſo nicht wiſſen / was es vor Muͤntze geweſen war; biß wir nun mit dieſer Arbeit fertig wurden / kam der Mittag herbey / bey welchent Jmbs mir nicht allein weder Eſſen noch Trincken ſchmaͤcken wolte / ſonder mir wurde auch ſo uͤbel / daß man mich zu Beth bringen muſte / nicht weiß ich / war es die Urſach / daß ich mich etliche Tag zu - vor im Regenwetter gar zu unbeſcheiden mortificirt oder daß mich die verwichne Nacht die Geiſter ſo er - ſchroͤckt hatten.

Jch muſte wol zwoͤlff Tag deß Bethes huͤtten / und haͤtte ohne ſterben nicht kraͤncker werden koͤn - nen; ein eintzige Aderlaͤſe bekam mir trefflich neben der Gutwartung die ich empfienge; indeſſen hatten beyde Gebruͤder ohne mein Wiſſen einen Gold - ſchmid hollen: und die zuſammen geſchmoltzene Maſ - ſaten probiren laſſen / weil ſie ſich eines Betrugs beſorgten; nachdem ſie nun dieſelbige juſt befunden / zumahlen ſich kein Geſpenſt im gantzen Hauſe mehr mercken lieſe / wuſten ſie bey nahe nicht zuerſinnen / was ſie mir nur vor Ehr und Dienſt erweiſen ſol - ten / ja ſie hielten mich allerdings vor einen heiligen Mann / dem alle Heimlichkeiten ohnverborgen / und der ihnen von GOtt inſonderheit zugeſchickt worden waͤre / ihr Hauß widerumb in richtigen Stand zu - ſetzen; derowegen kam der Schloß-Herꝛ ſelbſt ſchier nie von meinem Bethe / ſonder freute ſich wann er nur mit mir diſcuriren konde / ſolches wehrete / biß ich meine vorige Geſundheit wieder voͤllig erlangte.

E 2Jn

Jn ſolcher Zeit erzehlte mir der Schloß-Herꝛ gantz offenhertzig / das (als er noch ein junger Knab geweſen) ſich ein freffler Landſtoͤrtzer bey ſeinem Herꝛn Vattern angemeldet / und verſprochen den Geiſt zufragen / und dardurch das Hauß von ſol - chem Ungeheuer zuentledigen / wie er ſich dann auch zu ſolchem Ende in das Zimmer / darin ich uͤber Nacht liegen muͤſſen / einſperꝛen laſſen; da ſeyen aber eben die jenige Geiſter in ſolcher Geſtalt wie ich ſie beſchrieben haͤtte / uͤber ihn hergewiſcht; haͤtten ihn auß dem Bethe gezogen / auff ein-Seſſel geſetzt / ihme feines Bedunckens gezwagt / geſchoren und bey etlichen Stunden dergeſtalt tribuliert und ge - aͤngſtigt / daß man ihn am morgen halb todt dort liegend gefunden; es ſeye ihm auch Bart und Haar dieſelbe Nacht gantz gran worden / wiewol er den Abend als ein dreiſſig jaͤhriger Mann mit ſchwar - tzen Haarn zu Bethe gangen ſeye; geſtunde mir auch darneben / daß er mich / keiner andern Urſa - chen halber in ſolches Zimmer gelegt / als ſeinen Bruder an mir zu revangiren / und mich glauben zumachen / was er vor etlichen Jahren von dieſen Geiſtern erzehlet / und ich nicht glauben wollen; hatte mich mithin zugleich umb Verzeihung und obligirte ſich die Tag ſeines Lebens mein getreuer Freund und Diener zuſeyn.

Als ich nun widerumb allerdings geſundt wor - den / und meinen Weg ferner nehmen wolte / offe - rirte er mir die Pferd / Klaydung und ein ſtuͤck Geld zur Zehrung; weil ich aber alles Rund abſchlug / wolte er mich auch nicht hinweg laſſen; mit Bitt / ich wolte ihn doch nicht zum aller undanckbarſten Menſchen in der Welt machen; ſonder auffs wenigſteinein ſtuͤck Geld mit auff den Weg annehmen / wann ich je in ſolchem armſeeligen Habit meine Wallfart zu vollenden bedacht waͤre; wer weiß ſagte er / wo es der Herꝛ bedarff? ich muſte lachen / und ſagte mein Herꝛ / es gibt mich wunder wie er mich einen Herꝛn nennen mag / da er doch ſiehet daß ich mir fleiß ein armer Bethler zuverbleiben ſuche; wohl: antwortet er / ſo verbleibe er dann ſein Lebtag bey mir / und nehme ſein Allmoſen taͤglich an meiner Tafel; Herꝛ / ſagte ich hingegen / wann ich ſolches thaͤt / ſo waͤre ich ein groͤſſerer Herꝛ als er ſelbſten? wie wuͤrde aber alsdann mein thierlicher Leib beſte - hen / wann er ſo ohne Sorg wie der Reiche Mann auff den alten Kayſer hinein lebte / wuͤrden ihn ſo gute Tage nicht gumpen machen? will mein Herꝛ mir aber je eine Verehrung thun / ſo bitte ich er laſ - ſe mir meinen Rock fuͤrtern weil es jetzt auff den Winter loß gehet: Nun GOtt lob / antwortet er / daß ſich gleichwol etwas findet meine Danckbarkeit zubezeugen / darauff lieſe er mir einen Schlaffbeltz geben / biß mein Rock gefuͤtert wurde / welches mit wuͤllenem Tuch geſchahe / weil ich kein ander Futer annehmen wolte; Als ſolches geſchehen / lieſe er mich paſſiren und gab mir etliche Schreiben mit / ſelbige unterwegs an ſeine Verwandte zubeſtellen / mehr mich ihnen zu recommendiren als daß er viel noͤthigs zuberichten gehabt haͤtte.

Das XVII. Capitel.

ALſo wandert ich dahin / deß Vorſatzes die aller - heiligſte und beruͤmbteſte Oerter der Welt in ſolchem Armen Stand zubeſuchen / dann ich bildete mir ein daß Gott einen ſonderbaren gnaͤdigen BlickE 3auffauff mich geworffen / ich gedachte er haͤtte ein Wohl - gefallen an meiner Gedult und freywilligen Armut / und wuͤrde mir derowegen wol durchhelſſen / wie ich dann in gemeltem Schloſſo deſſen Goͤttliche Hilff und Gnad handgreifflich verſpuͤrt und genoſ - ſen / in meiner erſten Nacht-Herberg geſellete ſich ein lauffer Botte zu mir / der vorgab / er ſeye bedacht eben den Weg zugehen / den ich vor mir haͤtte / nemblich auff Loretten; weilen ich nun den Weg nicht wuſte noch die Sprach recht verſtunde / er aber vorgab / daß er kein ſonderlicher ſchneller Lauffer waͤre / wurden wir eins / beyeinander zubleiben und einander Geſellſchafft zuleiſten; dieſer hatte gemei - niglich auch an den Enden zuthun / wo ich meines Schloß-Herꝛn Schreiben abzulegen hatte / allwo man uns dann Fuͤrſtl. tractirte, wann er aber in einem Wirthshauß einkehren muſte / noͤthigte er mich zu ihm und zahlte vor mich auß / welches ich die laͤnge nicht annehmen wolte / weil mich teuchte ich wuͤr - de ihm auff ſolche weiß ſeinen Lohn den er ſo ſaͤur - lich verdienen muſte / verſchwenden helffen; er aber ſagte / er genieſſe meiner auch wo ich Schreiben zu - beſtellen habe / als wo er meinetwegen ſchmarotzen: und ſein Geld ſparen koͤnnen; ſolcher geſtalt uͤber - wanden wir das hohe Gebuͤrg und kamen miteinan - der in das fruchtbare Jtalia da mir mein Gefaͤhrt ererſt erzehlete / daß er von obgedachtẽ Schloß-Herꝛẽ abgefertigt waͤre mich zubegleitten und zehrfrey zu - halten / batte mich derowegen / daß ich ja bey ihm ver - lieb nehmẽ / und das fꝛeywillige Allmoſen das mir ſein Herꝛ nachſchickte / nit verſchmaͤhen: ſonder lieber als das jenige gemeſſẽ wolte das ich ererſt von allerhandohn -ohnwilligen Leuten erpreſſen muͤſte; ich verwundert mich uͤber dieſes Herꝛen redlich Gemuͤth / wolte aber drumb nicht / daß der verſtelte Bott laͤnger bey mir bleiben: noch etwas mehrers vor mich außlegen ſol - te mit Vorwandt / daß ich allbereit mehr als zuviel Ehr und Gutthaten von ihme empfangen / die ich nicht zuwider gelten getraute; in Warheit aber hat - te ich mir vorgeſetzt / allen Menſchlichen Troſt zu - verſchmaͤhen / und in niedrigſter Demuth / Creutz und Leyden mich allein an den lieben GOtt zulaſſen; ich haͤtte auch von dieſem Gefaͤhrten weder Weg - Weiſung noch Zaͤhrung angenommen / wann mir bekandt geweſt / daß er zu ſolchem Endt abgefertigt worden waͤre;

Als er nun ſahe daß ich kurtz rund ſeine Bey - wohnung nicht mehr haben wolte / ſonder mich von ihm wandte / mit Bitt ſeinen Herꝛen meinetwegen zugruͤſſen / und ihm nachmahlen vor alle erzeigte Wohlthaten zu dancken; nam er einen traurigen Abſcheid und ſagt / nun wolan dann werther Simpli - ci, ob ihr zwar jetzt nicht glauben moͤchtet / wie hertzlich gern euch mein Herꝛ guts thun moͤchte / ſo werdet ihrs jedoch erfahren / wann euch das Futer im Rock zerbricht / oder ihr denſelben ſonſt außbeſ - ſeren wolt; und damit gieng er darvon als wann ihn der Wind hin jagte.

Jch gedachte was mag der Kerl mit dieſen Worten andeuten; ich will ja nimmermehr glau - ben / daß ſeinen Herꝛen diß Futer reuen werde; nein Simplici, ſagte ich zu mir ſelbſt / er hat dieſen Botten ein ſo weiten Weg auff ſeinen Koſten nicht geſchickt / mir ererſt hier auffzurupffen / daß er mei -E 4nennen Rock fuͤttern laſſen / es ſtecket etwas anders darhinder; wie ich nun den Rock viſitirte, befand ich daß er unter die Naͤth eine Ducat an die ander hatte naͤhen laſſen / alſo daß ich ohne mein Wiſſen ein groß ſtuͤck Geld mit mir davon getragen; davon wurde mir mein Gemuͤth gantz unruhig / alſo daß ich gewolt / er haͤtte das ſeinig behalten; ich machte allerhand Gedancken / worzu ich ſolches Geld anle - gen und gebrauchen wolte / bald gedachte ichs wieder zuruck zutragen / und bald vermeinte ich wider eine Haußhaltung damit anzuſtellen / oder mir jrgent[ein]Pfrundt zukauffen; aber endlich beſchloſſe ich / durch ſolche Mittel Jeruſalem zubeſchauen / welche Raiß ohne Geld nicht zuvollbringen.

Demnach begab ich mich den geraden Weg auff Loreten und von dannen nach Rom; als ich mich daſelbſt ein zeitlang auff gehalten / meine Andacht verꝛichtet und Kundſchafft zu etlichen Pilgern[ge - macht] hatte / die auch geſinnet waren / das het - tig Land zu beſchauen / gieng ich mit einem Geneſer auß ihnen in ſein Vatterland; daſelbſt ſahen wir ſich nach Gelegenheit umb / uͤber das mittellaͤndiſche Meer zu kommen; traffen auch auff geringe Nach - frag gleich eingeladen Schiff an / welches fertig ſtunde mit Kauffmans Guͤttern nach Alexandriam zu fahren / und nur auff gute Wind wartete〈…〉〈…〉 ein wunderlichs: ja goͤttlichs Ding iſt umbs Geld bey den Weltmenſchen? der Patron oder Schiffherꝛ hette mich meines ellenden auffzugs halber nit ange - nommen / wann ich gleich eine guͤldene Andacht: und hingegen nur pleyern Geld gehabt hette / dann da er mich das erſte mal ſahe und hoͤrete / ſchlug er mein Begehren rund ab; ſo bald ich ihm aber eineHand -Handvol Ducaten wiſe / die zu meiner Raiß em - ployrt werden ſollen / war der Handel ohn einige fernes Bitten bey ihn ſchon richtig / ohne das wir ſich umb den Schifflohn mit einander verglichen; warauff er mich ſelber inſtruirte / mit was vor pro - viant und andern Notwendigkeit ich mich auff die Raiß verſehen ſolte; ich folgte ihme wie er mir ge - rathen / und fuhr alſo in GOttes Nahmen mit ihm dahin.

Wir hatten auff der gantzen Fart Ungewitters: oder widerwertigen Winds halber keine eintzige Ge - fahr / aber den Meerraubern / die ſich etliche mal mercken lieſſen und Minen machten uns anzugreif - fen / muſte unſer Schiffherꝛ offt entgehen / maſſen er wol wuſt / daß er wegen ſeines Schiffs Geſchwin - digkeit mehr mit der Flucht: als ſich zuwehren / ge - winnen koͤnte; und alſo langten wir zu Alexandria[an]/ ehender als ſichs alle Seefarer auff unſerem Schiff verſehen hatten / welches ich vor ein gut Omen hielte; meine Raiß gluͤcklich zu vollenden. Jch bezahlte mein Fracht und kehrte bey den Fran - tzoſen ein / die aldorten jeweils ſich auffzuhalten pflegen / von welchen ich erfuͤhr / das vor diß mal meine Raiß nach Jeruſalem fort zu ſetzen ohmuͤglich ſeye / in dem der tuͤrckiſche Baſſa zu Damaſco eben damals in Armis begriffen und gegen ſeinem Kayſer rebeliſch war / alſo daß keine Carawane ſie waͤre gleich ſtarck oder ſchwach geweſen / auß Egypten in in Iudeam paſſiren moͤgen / ſie hette ſich dann fre - venlich alles zu verliehren in Gefahr geben wollen;

Es war damals eben zu Alexandria / welches ohne das ein ungeſunden Lufft zuhaben pflegt / eineE 5gifftigegifftige Contagion eingeriſſen / weßwegen ſich vil von dar anderwertlichen hin reterirten / ſonderlich Europeiſche Kauffleut ſo das Sterben mehr foͤrch - ten als Tuͤrcken und Araber; mit einer ſolchen Compagniæ begab ich mich uͤberland auff Roſſeten / einen groſſen Flecken am Nilo gelegen; daſelbſt ſaſſen wir zu Schiff und fuhren auff dem Nilo mit voͤlligem Segel auffwerts / biß an ein Ort ſo ohn - gefaͤhr ein Stund Wegs von der groſſen Statt Al - kayer gelegen / auch alt Alkayr genent wird; und nach dem wir alda ſchir umb Mitternacht außge - geſtigen unſere Hoͤrbergen genommen und deß Tags erwartet / begaben wir uns vollents nach Alkayer der jetzigen rechten Statt / in welcher ich gleichſamb allerhand Nationen antraffe / daſelbſt gibt es auch eben ſo villerley ſeltzame Gewaͤchs als Leute / aber was mir am allerſeltzambſten vorkam / war diſes / daß die Einwohner hin und wider in darzu gemach - ten Oefen vil hundert junge Huͤner auß brietetten / zu welchen Eyern nit eimal die Hennen kammen ſeyt ſie ſolches gelegt hatten / und ſolchem Geſchaͤfft warten gemeiniglich alte Weiber ab.

Jch hab zwar niemalen keine ſo groſſe volckreiche Statt geſehen / da es wohlfeiler zuzehren als eben an diſem Ort; gleich wie aber nichts deſto weniger meine uͤbrige Ducaten nach und nach zuſammen giengen / wans ſchon nit teur war / alſo konte ich mir auch leicht die Rechnung machen / das ich nit erharren wuͤrde koͤnnen / biß ſich der Auffruhr deß Baſſæ von Damaſco legen: und der Weeg ſicher werden wuͤrde / meinem vorhaben nach Jeruſalem zubeſuechen; verhaͤngte derowegen meinen Begir - den den Zigel andere Sachen zubeſchauen / warzumichmich der Vorwitz anraitzte; unter andern war jen - ſeit deß Nili ein Ort da man die Mumia graͤbt / das beſichtigt ich etlich mal / item an einem Ort die bey - de Pyramides Pharaonis und Rodope; machte mir auch den Weeg dahin ſo gemein / das ich frembde unkennlich alleinig dahin fuͤhrn dorffte; aber es ge - lung mir zum leſten mal nit beim beſten; dann als ich einsmals mit etlichen zu den Egyptiſchen Graͤ - bern gieng / Mumia zuhollen / warbey auch fuͤnff Pyramides ſtehen / kamen uns einige Arabiſche Rauber auff die Haube / welche der Orten die Strauſſenfaͤnger zufangen außgangen waren / diſe kriegten uns bey den Koͤpffen und fuͤhrten uns durch Wiltnuſſen und Abweeg an das rothe Meer / allw[o]ſie den einen hier d[e]n andern dort verkauffen.

Das XVIII. Capitel.

Jch allein blieb uͤberig / den, als vier vornembſte Rauͤber ſahen / das die naͤrriſche Leute ſich uͤber meinen großmaͤchtigen Schweitzer: oder Cappu - ciner Bart und langes Haar / dergleichen ſie zuſehen nicht gewohnt waren / verwunderten gedachten ſie ihnen ſolches zu Nutz zumachen; nahmen mich dero - wegen vor ihren Part / ſoͤnderden ſich von ihrer uͤbrigen Geſellſchafft / zogen mir meinen Rock auß und bekleydeten mich umb die Scham mit einer ſchoͤnen Art Moß ſo in Arabia Fælice in den Waͤl - den an etlichen Baͤumen zu wachſen pflegt / und weil ich ohne das barfuß: und barhaͤubtig zugehen gewohnet war / gab ſolches ein uͤberauß ſeltzames und frembdes Anſehen; ſolcher Geſtalt fuͤhrten ſie mich als einen wilden Mamn in den Flecken undE 6StaͤttenStaͤtten an rothen Meer herumber und lieſſen mich umb Geld ſehen; mit vorgeben / ſie haͤtten mich in Arabia deſertæ fern von aller menſchlichen Woh - nung gefunden und gefangen bekommen; ich dorffte bey den Leuten kein Wort reden weil ſie mir / wann ichs thun wuͤrde / den Tod trauten / welches mich ſchwer ankam / die weil ich albereit etwas wenigs Arabiſch lallen koͤnte / hingegen war mirs erlaubt / wann ich mich allein bey ihnen befant; da lieſſe ich mich dann gegen ihnen vernemmen / das mir ihr Handel wol gefalle / welches ich auch genoſ - ſe / dann ſie unterhielten mich mit Speiß und Tranck ſo gut als ſie es ſelbſt gebrauchten / welches gemeiniglich Reiß und Schafffleiſch war; ſo erhielte ich auch von ihnen / das ich mich bey Nacht und ſonſt unter Tags auff der Raiß wann es etwas kalt war / mit meinem Rock beſchirmen dorffte / in wel - chen noch etliche Ducaten ſtacken.

Solcher Geſtalt fuhr ich uͤber das rotte Meer / weil meine 4. Herꝛn den Staͤtten und Marckflecken die beyderſeyts daran gelegen / nachzogen; diſe ſambleten mit mir in kurtzer Zeit ein groſſes Geld / biß wie entlich in eine gröſſe Handelſtatt kammen / allwo ein tuͤrckiſcher Baſſa Hof haͤlt / und ſich ein Maͤnge Leut von allerhand Nationen auß der gan - tzen Welt befinden / weil aldorten die Jndianiſche Kauffmans-Guͤtter auß geladen und von dannen uͤber Land nach Aleppo und Alkayr; von dorten aber fuͤrders auff das Mittelaͤndiſche Meer geſchafft werden; daſelbſten giengen zween von meinen Herꝛn nach dem ſie Erlaubtens von der Obrigkeit bekom - men / mit Schalmeyen an die fuͤrnembſte Oerterderder Statt / und ſchryen ihrer Gewonheit nach auß / wer einen wilten Mann ſehen wolte / der in der Wuͤſteney deß Steinigen Arabiæ gefangen worden waͤre / der ſolte ſich da und dahin verfiegen; in deſſen ſaſſen die andere beyde bey mir im Loſament und Zierten mich / das iſt / ſie kaͤmpeln mir Haar und Bart beim zierlichſten und hatten groͤſſere Sorg darzu als ich meine Tage jemal gethan / damit ja kein Haͤrlin darvon verlohren wuͤrde weil es ihnen ſo vil eintrug; hernach ſamblete ſich das Volck in unglaublicher Menge mit groſſem Getraͤng / unter welchem ſich auch Herꝛn befanden dennen ich an der Klaydung wol anſahe / daß es Europeer waren; Nun / gedachte ich jetz wird deine Erloͤſung nahen / und deiner Herꝛn Betrug und Buberey offenbaren; jedoch ſchwige ich noch ſo lang ſtill / biß ich etliche auß ihnen hoch: und nider Teutſch / etliche Fran - tzoͤſiſch und ander italiuniſch reden hoͤrte; als nun einer diß und der ander jenes Vrthel von mir falte konte ich mich nicht laͤnger enthalten / ſonder brachte noch ſo vil verlegen Latein (damit mich alle Natio - nes in Europa auff einmal verſtehen ſollen) zuſam - men / daß ich ſagen konte / ihr Herꝛn ich bitte euch alleſamb umb Chriſti unſers Erloͤſers Willen / das ihr mich auß den Haͤnden diſer Rauber erretten wollet / die ſchelmiſcher weiß ein Spectacul mit mir auſtellen; ſo bald ich ſolches geſagt / wiſchte einer von meinen Herꝛn mit dem Sebel herauß / mir das reden zulegen wiewol er mich nicht verſtanden[;]aber die redliche Europeer verhinderten ſein Begin - nen; darauff ſagte ich ferner auff Frantzoͤſiſch: ich bin ein Teutſcher / und als ich Pilgers Weiß nach Jeruſalem walfarten wolte / auch mit genugſam̃enE 7Paß -Paßbrieffen von den Baſſen zu Alexandria und dem zu Alkayr zu verſehen geweſen / aber wegen deß Damaſceniſchen Kriegs nicht fortkommen moͤchte / ſonder mich ein zeitlang zu Alkayr auffhielte Ge - legenheit zuerwarten; meine Raiß zu volenten / haben mich diſe Kerl ohnweit beſagter Statt neben andern mehr ehrlichen Leuten diebiſcher Weiß hin - weg gefuͤhrt / und bißher Geld mit mir zuſammen / vil 1000. Menſchen betrogen; folgents batte ich die Teutſche / ſie wolten mich doch der Landsman - ſchafft wegen nicht verlaſſen; interim wolten ſich meine unrechtmeſſige Herꝛn nicht zu friden geben / weilen aber unterm Umbſtand Leut von der Obrig - keit von Alkayr hervor / die bezeugten / daß ſie mich vor einen halben Jahr in ihren Vatterland beklaydet geſehen hetten; hierauff berufften ſich die Europeer vor den Baſſa / vor welchem zuerſcheinen meine 4. Herꝛn genoͤttigt worden; von demſelben wurde nach gehoͤrter Klag und Antwort auch der beyden Zeugen Auſſag zu recht erkant und außge - ſprochen daß ich wider auff freyen Fuß geſtellt: die vier Rauber / weil ſie der Baſſen Paßbrieff violiert auff die Galleren im mittellaͤndiſchen Meer ver - dambt: jhr zuſammen gebrachtes Geld halber dem F ſco verfallẽ ſeyn: der ander halb Theil aber in zwey Theil getheilt: mir ein Theil vor mein außgeſtanden Ellend zugeſtelt auß dem andern aber die jenige Perſonen ſo mit mir gefangẽ und verkaufft worden / wider außgeloͤſcht werden ſolten; diß Urtel wurde nicht allein offentlich außgeſprochen ſonder auch alſobald vollzogen / wardurch mir neben meiner Freyheit mein Rock und ein ſchoͤne Summa Gelds zuſtunde.

Als

Als ich nun meiner Ketten daran mich die Mauß - koͤpff wie einen wilden Mann herumb geſchlept / entledigt: mit meinem alten Rock widerumb beklay - det: und mir das Geld das mir der Baſſa zuerkant / eingehaͤndigt worden / wolte mich einer jeden Euro - peiſchen Nation vorſteher oder Reſidenz mit ſich heimfuͤhren; die Hollaͤnder zwar darumb weil ſie mich vor ihren Landsmann hielten / die uͤbrige aber / weil ich ihrer Religion zuſeyn ſchiene, ich bedancke mich gegen allen / vornemblich aber dar - umb / daß ſie mich geſambter Hand ſo Chriſtlich auß meiner zwar naͤrriſchen: aber doch gefaͤrlichen Gefangenſchafft entledigt hatten / wie ich etwann mein Sach anſtellen moͤchte / weil ich nun mehr auch wider meinen Willen und Hoffnung widerumben vil Geld und Freuͤnd bekommen hatte.

Das XIX. Capitel.

MEine Lantsleut ſprachen mir zu / daß ich mich anders kleyden lieſſe / und weil ich nichts zu - thun hatte / machte ich Kundſchafft zu allen Europe - ern / die mich beydes auß Chriſtlicher Liebe und meiner wunderbarlichen Bezeugnuß halber geren umb ſich hatten und offt zu Gaſt luden; und dem - nach ſich ſchlechte Hoffnung erzaigte / daß der Da - maſceniſche in Syria und Iudea bald ein Loch ge - winnen wuͤrde / damit ich meine Raiß nach Jeru - ſalen widerumb vornemmen und vollenden moͤchte / wurde ich anders Sinns / und entſchloß mich mit einer groſſen Portugeſiſchen Kracke (ſo wegfertig ſtunde mit Kauffnanſchatz nach Hauß zu fahren) in Portugal zu begeben / und an ſtatt der wahlfart nach Jeruſalem S. Jacob zu Compoſtel zubeſuchẽ /nach -nachgehents aber mich jrgents in Rhue zuſetzen / und das jenige ſo mir GOtt beſchert / zu verzehren; und damit ſolches ohne meinen ſonderen Coſten (dann ſo bald ich ſoviel Geld kriegte / fieng ich an zu kargen) beſchehen koͤndte / uͤberkam ich mit dem Portugeſiſchen Ober-Kauffmann auff dem Schiff / daß er alles mein Geld annehmen: ſelbigs in ſeinen Nutzen verwenden: mir aber ſolches in Portugal wieder zuſtellen: und interim an ſtatt intereſſe mich auff das Schiff an ſeine Taffel nehmen / und mit ſich nach Hauß fuͤhren ſolte; dahingegen ſolte ich mich zu allen Dienſten zu Waſſer und Land wie es die Gelegenheit und deß Schiffs Nothdurfft erfordern wuͤrde / unverdroſſen gebrauchen laſſen; alſo mach - te ich die Zech ohne den Wirth / weil ich nicht wuſte was der liebe GOtt mit mir zuverſchaffen vorhatte; und nahm ich dieſe weite und gefaͤhrliche Raiß umb ſoviel deſto begieriger vor / weil die verwichne auff dem Mittellaͤndiſchen Meer ſo gluͤcklich abgangen.

Als wir nun zu Schiff gangen / vom Sina Ara - bico oder Rothen Meer auff den Occanum kommen und erwuͤnſchten Wind hatten / namen wir unſern Lauff das Capu[t]bonæ ſperanzæ zu paſſirn, ſegelten auch etliche Wochen ſo gluͤcklich dahin / daß wir uns kein ander Wetter haͤtten wuͤnſchen koͤnnen; da wir aber vermeinten / nunmehr bald gegen der Jn - ſul Madagaſcar uͤber zu ſeyn / erhube ſich gehling eine ſolche Ungeſtuͤmme daß wir kaum Zeit hatten die Segel einzunehmen; ſolche vermehrte ſich je laͤnger je mehr / alſo daß wir auch die Maſſt abhauen und das Schiff dem Willen und Gewalt der Wellen laſſen muſten / dieſelbe fuͤhrten uns in die Hoͤhe gleichſamb an die Wolcken / und im Augenblickſen -ſenckten ſie uns widerumb biß auff den Abgrund hinunder / welches bey einer halben Stund waͤrete und uns trefflich andaͤchtig betten lernet / endlich warffen ſie uns auff eine verborgene Stein Klippe mit ſolcher ſtaͤrcke / daß das Schiff mit grauſamen Krachen zuſtuͤcken zerbrach / warvon ſich ein jaͤm - merlichs und ellendes Geſchrey erhub / da wurde die - ſelbe Gegent gleichſamb in einem Augenblick mit Kiſten Ballen und Truͤmmern vom Schiff uͤber - ſtreut; da ſahe und hoͤrete man hie und dort oben auff den Wellen und unten in der Tieffe die ungluͤck - ſeelige Leut an den jenigen Sachen hangen / die ih - nen in ſolcher Noth am allererſten in die Haͤnde ge - rathen waren / welche mit ellendem Geheul ihren Untergang bejammerten / und ihre Seelen GOtt befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem groſſen Stuͤck vom Schiff / welches etliche Zwerch - Hoͤltzer behalten hatte / daran wir ſich feſt hielten und einander zuſprachen; mithin legten ſich die grauſame Wind allgemach / davon die wuͤttende Wel - len deß zornigen Meers ſich nach und nach beſanff - tigten und geringer wurden; hingegen aber ſolgte die ſtickfinſtere Nacht mit einem ſchroͤcklichen Platz - Regen / daß es das Anſehen hatte / als haͤtten wir mitten im Meer von oben herab erſaufft werden ſol - len; das waͤhrete biß umb Mitternacht / in welcher Zeit wir groſſe Noth erlitten hatten; darauff wurde der Himmel wider klar / alſo daß wir das Geſtirn ſehen kodten / an welchem wir vermerckten / daß uns der Wind je laͤnger je mehr von der ſeiten Africæ in das weite Meer gegen Terram Auſtralem incogni - tam hinein triebe / welches uns beyde ſehr beſtuͤrtzt machte / gegen Tag wurde es abermal ſo dunckel /daßdaß wir einander nicht ſehen kondten wiewol wir nahe beyeinander lagen; in dieſer Finſternus und erbaͤrmlichen Zuſtand trieben wir immer fort / biß wir ohnverſehens innen wurden / daß wir auff dem Grund ſitzen blieben und ſtillhielten; der Zimmer - mann hatte ein Axt in ſeinem Guͤrtel ſtecken / damit viſitirt er die Tieffe deß Waffers und fande auff der einen Seiten nicht wol Schuh tieff Waſſers / wel - ches uns hertzlich erfreute und ohnzweiffeliche Hoff - nung gabe / GOtt haͤtte uns jrgends hin an Land geholffen / daß uns auch ein lieblicher Geruch zuver - ſtehen gab / den wir empfanden / als wir wieder ein wenig zu uns ſelbſt kamen; weil es aber ſo finſter und wir beyde gantz abgemattet zumahlen deß Tags ehiſtes gewertig waren / hatten wir nicht das Hertz ſich ins Waſſer zulegen und ſolches Landt zuſuchen / ohnangeſehen wir allbereit weit von uns etliche Voͤgel ſingen zuhoͤren vermeinten / wie es dann auch nicht anders war; ſo bald ſich aber der liebe Tag im Oſten ein wenig erzeigte / ſahen wir durch die Duͤſtere ein wenig Land mit Boͤſchen bewachſen allernechſt vor uns liegen / derowegen begaben wir ſich alſobalden gegen demſelbigen ins Waſſer / wel - ches je laͤnger je ſeichter wurde / biß wir endlich mit groſſen Freuden auff das truckene Land kamen; da fielen wir nieder auff die Knie / kuͤſten den Erdboden und dancken Gott im Himmel / daß er uns ſo Vaͤtter - lich erhalten und ans Land gebracht; und ſolcher ge - ſtalt bin ich in dieſe Jnſul kommen.

Wir kondten noch nicht wiſſen ob wir auff ei - nem bewohnten oder unbewohnten: auff einem fe - ſten Land: oder nur auff einer Jnſul waren; Aber das merckten wir gleich / daß es ein trefflicher frucht -barerbarer Erdboden ſeyn muͤſte / weil alles vor uns gleich - ſamb ſo dick wie ein Hanff-Acker mit Buͤſchen und Baͤumen bewachſen war / alſo daß wir kaum dar - durch kommen konden; als es aber voͤllig Tage wor - den / und wir etwann ein viertel Sundt Wegs vom Geſtadt an durch die Buͤſche geſchloffen / und der Orten nicht allein keine eintzige Anzeigung einiger Menſchlichen Wohnung verſpuͤren konden / ſonder noch darzu hin und wieder viel frembde Voͤgel / die ſich gar nichts vor uns ſcheuten / ja mit den Haͤnden fangen lieſen / antraffen / kondten wir ohnſchwer erachten / daß wir auff einer zwar ohnbekandten: aber jedoch ſehr fruchtbaren Jnſul ſeyn muͤſten: wir fanden Citronen / Pomerantzen / und Coquos, mit welchen Fruͤchten wir ſich trefflich wohl er - quickten / und alſo die Sonne auffgienge / kamen wir auff eine Ebne / welche uͤberall mit Palmen (davon man den Vin de Palm hat) bewachſen war; wel - ches meinen Cammerꝛathen / der denſelbigen nur viel zu gern tranck / auch mehr als zuviel erfreute; daſelbſthin ſetzten wir ſich nieder an die Sonne / un - ſere Kleyder zutruͤcknen / welche wir außzogen: und zu ſolchem Endt an die Baͤum auff haͤnckten / vor uns ſelbſt aber in Hembtern herumb ſpacierten; mein Zimmerman hieb mit ſeiner Axt in einem Pal - miten Baum / und befande das ſie Reich von Wein waren / wir hatten aber drumb kein Geſchirꝛ ſolchen auffzufangen / wie wir dann auch beyde unſere Huͤt im Schiffbruch verlohrn;

Als die liebe Sonne nun unſere Klayder wie - der getruͤcknet / zogen wir ſelbige an / und ſtiegen auff das Felſechtige hohe Gebuͤrg ſo auff der rechten Hand gegen Mitternacht zwiſchen dieſer Ebne unddemdem Meer liegt / und ſahen ſich umb: befanden auch gleich daß wir auf keinen feſten Landen ſonder nur in dieſer Jnſul waren welche im Umbgraiß uͤber ander - halbe Stund gehens nicht begriffe; und weil wir weder nahe noch fern keine Landtſchafft: ſonder nur Waſſer und Himmel ſahen / wurden wir beyde be - truͤbt / und verluhren alle Hoffnung ins kuͤnfftig wiederumb Menſchen zuſehen; doch troͤſtete uns hinwiederumb / daß uns die Guͤte GOttes an die - ſen gleichſamb ſichern: und allerfruchtbarſten: und nicht an einen ſolchen Ort gefaͤndet hatte / der et - wann unfruchtbar: oder mit Menſchen-Freſſern bewohnet geweſen waͤre; darauff fiengen wir an zu - gedencken was uns zuthun oder zulaſſen ſeyn moͤch - te; und weil wir gleichſamb wie Gefangne in dieſer Jnſul beyeinander leben muſten / ſchwuren wir ein - ander beſtaͤndige Treu; das beſagte Gebuͤrg ſaſſe und flohe nicht allein voller Voͤgel von underſchied - lichen Geſchlechten / ſonder es lag auch ſo voll Neſter mit Eyern / daß wir ſich nicht genugſamb daruͤber verwundern kondten; wir trancken deren Eyer et - liche auß / und namen noch mehr mit uns das Ge - buͤrg herunter / an welchem wir die Quell deß ſuͤſ - ſen Waſſers fanden / welches ſich gegen Oſten ſo ſtarck / daß es wohl ein geringes Muͤhl-Rath trei - ben koͤndte / in das Meer ergeuſt / daruͤber wir aber - mal eine neue Freud empfiengen / und miteinander beſchloſſen / bey derſelbigen Quell unſere Wohnung anzuſtellen.

Zur ſolcher neuen Haußhaltung hatten wir beyde keinen andern Hauß-Rath als eine Art / einen Leffel / drey Meſſer eine Piron oder Gabel / und eine Scheer / ſonſt war nichts vorhanden / mein Cam -mer -merꝛath hatte zwar ein Ducat oder dreyfig bey ſich / welche wir gern vor ein Feurzeug gegeben wann wir nur ein darvor zu kauffen gewuͤſt haͤtten; aber ſie waren uns nirgends zu nichts nutz / ja weniger werth als mein Pulver-Horn / welches noch mit Zintkraut gefuͤllt / daſſelbe duͤrꝛete ich (weil es ſo weich als ein Brey war) an der Sonnen / ze[tt]elte davon auff einen Stein / belegte es mit leichtbren - nender Materia deren es von Mos und Baumwoll von den Coquos-Baumen genugfamb gab / ſtrich darauff mit einem Meſſer durch Pulver und fieng alſo Feur / welches uns ſo hoch erfreute / als die Er - loͤſung auß dem Meer; und wann wir nur Saltz Brod und Geſchirꝛ gehabt haͤtten / unſer Getraͤnck hinein zufaſſen / ſo haͤtten wir ſich vor die allergluͤck - ſeeligſte Kerlin der Welt geſchaͤtzt / obwohl wir vor 24. Stunden unter die ungluͤcklichſte gerechnet wer - den moͤgen / ſo gut Getreu und Barmhertzig iſt GOtt / dem ſey Ehr in Ewigkeit / Amen.

Wir fiengen gleich etwas von Gefluͤgel / deſſen die Maͤnge bey vns ohne ſcheu herumb gienge / trup - tens / waͤſchtens / und ſteckens an ein hoͤltzernen Spiß; da fieng ich an braten zuwenden / mein Cam - merꝛath aber ſchaffte mir indeſſen Holtz herbey und verfertigte eine Huͤtte / uns / wann es vielleicht wi - der regnen wuͤrde / vor demſelben zubeſchirmen weil der Jndianiſche Regen gegen Africa ſehr un - geſund zuſeyn pflegt / und was uns an Saltz ab - gieng / erſetzten wir mit Citronen-Safft / unſer Speiſen geſchmackfamb zumachen.

Das XX. Capitel.

DJſes war der erſte Jmbs / den wir auff unſererJnſulJnſul einnahmen; und nach dem wir ſolchen voll - bracht / thaͤten mir nichts anders / als doͤrꝛ Holtz zuſammen ſuchen unſer Feur zu unterhalten; wir haͤtten gern gleich die gantze Jnſul vollents be - ſichtigt / aber wegen uͤberſtandener Abmattung trengte uns der Schlaff das wir ſich zur Rhue legen muſten / welche wir auch continuirten biß an den lichten Morgen; als mir ſolchen erlebt / giengen wir den Baͤchlein oder refier nach hinunter / biß an Mund da es ſich ins Meer ergeuͤſt / und ſahen mit hoͤchſter Verwunderung / wie ſich eine unſaͤgliche Maͤnge Fiſche in der groͤſſe als muͤttelmaͤſſige Sal - men oder groſſe Karpffen dem ſieſten Waſſer nach ins Fluͤſſlein hinauff zoge / alſo das es ſchiene / als ob man eine groſſe Haͤrdt Schwein mit Gewalt hinein getriben hette; und weil wir auch etliche Bonanas Battades antraffen ſo treffliche gute Fruͤchten ſeyn / ſagten wir zuſammen / wir hetten Schlauraffenland genug / (ob zwar kein vierfieſſig Thier verhanden) wann wir nur Geſellſchafft haͤtten / beydes die Fruchtbarkeit: als auch die vorhandene Fiſch und Voͤgel diſer edlen Jnſul genieſſen zuhelffen; wir konten aber kein eintzig Merckzeichen ſpiren / das jemahlen Menſchen daſelbſt geweſen waͤren.

Als wir derowegen anfiengen zuberatſchlagen / wie wir unſer Haußhaltung ferner anſtellen: und wo wir Geſchirꝛ nehmeu wolten / ſo wol darinn zuko - chen als den Wein von Palmen hinein zufangen und ſeine Art nach verjaͤhren zulaſſen / damit wir ihn recht genieſſen koͤnten / und im ſolchem Geſpraͤch ſo am Uffer herumb ſpatzierten; ſahen wir auff der weitte deß Meers etwas daher treiben welches wirinin der ferne nit erkennen konten / wiewol es groͤſſer ſchiene als es an ſich ſelbſten war; dann nach dem es ſich naͤhret und an unſerer Jnſul geſtrandet / war es ein halb todtes Weibsbilde / welches auff einer Kiſten lag / und beyde Haͤnde in die Handhaben an der Kiſten eingeſchloſſen hatte; wir zogen ſie auß Chriſtlicher Liebe auff trucken Land / und demnach wir ſie beydes wegen der Klaydung und etlicher Zaichen halber die ſie im Angeſicht hatte / vor eine Abyſiner Chriſtin hielten / waren wir deſto geſchaͤf - tiger ſie wider zu ſich ſelbſt zu bringen; maſſen wir ſie / jedoch mit aller Erbarkeit / als ſich ſolches mit ehrlichen Weibsbildern in ſolchen faͤllen zuthun ge - zimbt / auff den Kopff ſtelleten / biß ein zimliche menge Waſſer von ihr geloffen; und ob wir zwar nichts lebhafftigs zu ferner Erquickung bey uns hatten / als Citronen / ſo lieſſen wir doch nicht nach / ihro die ſpiritualiſche Feuͤchtigkeit die ſich in den euſſerſten Enden der Citeronen Schaͤllen enthaͤlt / unter die Naſe zutruͤcken / und ſie mit ſchuͤttlen zu - bewegen / biß ſie ſich entlich von ſich ſelbſt regte und Portugeſiſch anfieng zu reden; ſo bald mein Cammerat ſolches hoͤrete / und ſich in ihrem An - geſicht widerumb ein lebhaffte Farb erzaigts / ſagte er zu mir / diſe Abyſſinerin iſt einmal auff unſerm Schiff bey einer vornehmen Portugeſiſchen Frauen eine Magd geweſen / dann ich hab ſie beyde wol ge - kant / ſie ſeynt zu Anacao auffgeſeſſen / und waren willens mit uns in die Jnſul Annabon zu ſchiffen; ſo bald jene diſen Reden hoͤrete / erzeigte ſich ſehr froͤlich / nennete ihn mit Nammen / und erzehlte nit allein ihre gantze Raiß / ſonder auch wie ſie ſowolwol daß ſie und er noch im Leben / als auch / daß ſie als bekante einander auff Trucknem Land und auſſer aller Gefahr wider angetroffen haͤtten; hierauff fragte mein Zimmerman was wol vor Wahren in der Kiſten ſein moͤchten / darauff antwortet ſie / es waͤren etliche hineſiſche Stuͤck gewant / etliche Ge - wehr und Waffen / und dann unterſchidliche ſo groſſe als kleine Porcelanen Geſchirꝛ ſo in Portugal einen vornehmen Fuͤrſten von ihrem Herꝛn hette geſchickt werden ſollen / ſolches erfreute uns trefflich / weil es lauter Sachen / deren wir am allermaiſten be - duͤrfftig waren. Demnach erſuchte ſie uns / wir wolten ihro doch ſolche Leutſeeligkeit erweꝛſen / und ſie bey uns behalten / ſie wolte uns gern mit kochen / waͤſchen und andern Dienſten als eine Magt an die Hand gehen und uns als ein leibaigne Sclavin unterthaͤnig ſeyn / wann wir ſie nur in unſerem Schutz behalten: und ihr den Lebens Unterhalt ſo gut als es das Gluͤck und diſer Natur in diſer gegent beſcherte / neben uns mit zugenieſſen goͤnnen wolten.

Darauff trugen wir beyde mit groſſer Muͤhe und Arbeit die Kiſte an den jenigen Ort / den wir uns zur Wohnung außerkohren hatten; daſelbſten offneten wir ſie / und fanden ſo beſchaffene Sachen darinnen / die wir zu unſerem damaligen Zuſtand und Behueff unſerer Haußhaltung nimmermehr anders hetten wuͤnſchen moͤgen; wir packten auß und truͤckneten ſolche Wahr an der Sonnen / warzu ſich unſer neue Koͤchin gar fleiſſig und dienſt - bar erzaigte; folgents fiengen wir an Gefluͤgel zu - metzgen / zu ſiden und zu braten / und in dem meinZim -Zimmerman hingieng / Palm Wein zu gewinnen / ſtige ich auffs Gebuͤrg vor uns / Eyer auß zunem̃en / ſolche hart zu ſiden / und an ſtatt deß lieben Brods zubrauchen / unterwegs betrachtete ich mit hertz - licher Danckſagung die groſſe Gaben und Gnaden GOttes / die uns deſſen barmhertzige Vorſehung ſo Vaͤtter miltiglich mitgetheilt / und ferners zuge - nieſſen vor Augen ſtellere; ich fiele nider auff das Angeſicht und ſagte mit außgeſtreckten Armen und erhobenem Hertzen ach! ach! du allerguͤetig - ſter himmliſcher Vatter / nun empfinde ich im Werck ſelbſten / daß du williger biſt uns zu geben / als wir von dir zu bitten? ja allerliebſter Herr! du haſt uns mit dem Uberflus deiner Goͤttlichen Reichtuͤmber ehender und mehrers verſehen / als wir arme Creaturen bedacht waren / im geringſten etwas dergleichen von dir zubegehren; Ach getreuer Vatter deiner unaußſprechlichen Barmhertzigkeit wolle allergnaͤdigiſt gefallen / uns zuverleyhen / das wir diſe deine Gaben und Gnaden nicht anders gebrauchen / als wie es deinem allerheiligſten Willen und Wolgefallen beliebt / und zu deines groſſen unaußſprechlichen Namens Ehr geraicht / damit wir dich neben allen Außerwoͤhlten hie zeitlich und dort ewig / loben ehren und preiſen moͤgen; mit ſolchen und vielmehr dergleichen Worten / die alle auß dem jnnerſten Grund meiner Seeelen gantz hertzlich und andaͤchtig daher floſſen / gienge ich umb / biß ich die Nothdurfft an Eyern hatte / und damit widerumb zu unſerer Huͤtten kam / allwo die Abend - mahlzeit auff der Kiſten (die wir ſelbigen Tag ſambt der Koͤchin auß dem Meer gefiſcht / und mein Cam -Fmer -merꝛath an ſtatt eines Tiſches gebrauchte) beſtens bereit ſtunde.

Jndeſſen ich nun umb obige Eyer außgeweſen / hat mein Cammerꝛath (welcher ein Kerl von etlich - wenig-und-zwantzig Jahren: ich aber uͤber die vier - tzig Jahr alt geweſen) mit unſerer Koͤchin einen Accord gemacht / der beydes zur ſeinem und meinem Verderben geraichen ſolte; dann nach dem ſie ſich in meiner Abweſenheit allein befanden / und von alten Geſchichten: zugleich aber auch von der Fruchtbarkeit und groſſer Nutznieſſung dieſer uͤber - auß geſegneten: ja mehr als gluͤckſeeliger Jnſul miteinander geſprochen / wurden ſie ſo vertreulich daß ſie auch von einer Trauung zwiſchen ihnen bey - den zureden begundten / von welcher aber die ver - meinte Abiſſinerin nichts hoͤren wolte / es waͤre dann ſach daß mein Cammerꝛath der Zimmerman ſich allein zum Herꝛn der Jnſul machte und mich auß dem Weg raumbte; es waͤre / ſagte ſie / ohn - muͤglich daß ſie ein friedſambe Ehe miteinander ha - ben koͤnnen / wann noch ein Unverheurather neben ihnen wohnen ſolte; er bedencke nur ſelbſt / ſagte ſie ferner zu meinem Cammerꝛathen / wie ihr Argwohn und Eyferſucht plagen wuͤrde / wann er mich heu - rathet / und der Alte taͤglich mit mir converſirt, ob er gleich ihn zum Cornuto zumachen niemal in Sinn nehme? zwar weiß ich einen beſſeren Rath / wann ich mich je vermaͤhlen: und auff dieſer Jnſul (die wol 1000. oder mehr Perſonen ernaͤhren kan) das Menſchlich-Geſchlecht vermehren ſoll; nemb - lich dieſen / daß mich der Alte eheliche; dann wann ſolches geſchehe / ſo waͤre es nur umb ein Jahr oder 12. oder laͤngſt 14. zuthun / in welcher Zeit wir et -wanwan eine Tochter miteinander erzeugen werden / ihme ſolche verſtehe dem Zimmerman ehlich beyzu - legen; alsdann wird er nicht ſo bey Jahren ſeyn / als jetzunder der jetzige Alte iſt; und wuͤrde interim zwiſchen euch beyden die ohnzweifentliche Hoffnung daß der erſte deß andern Schwer-Vatter: und der ander deß erſten Tochtermann werden ſolte / allen boͤſen Argwohn auß dem Weg thun: und mich aller Gefahr / darin ich anderwerths gerathen moͤchte / befreyen; zwar iſts natuͤrlich / daß ein jungs Weibs - Bild wie ich bin / lieber einen jungen als alten Mann nehmen wird; aber wir muͤſſen ſich jetzunder miteinander in die Sach ſchicken / wie es unſer ge - genwertiger Zuſtand erfordert / umb vorzuſehen / daß ich und die ſo auß mir geboren werden moͤchten / das ſichere ſpielen / durch dieſen diſcurs der ſich weit ein mehrers erſtreckte und außeinander zohe / als ich jetzunder beſchreibe / wie auch durch der ver - meinten Abiſſinerin Schoͤnheit (ſo beym Feur in meines Cammerꝛathen Augen viel vortrefflicher herumb glantzte als zuvor) und ihre hurtige Ge - berden / wurde mein guter Zimmerman dergeſtalt eingenommen und bethoͤrt / daß er ſich entbloͤdete zuſagen / er wolte ehe den Alten (mich vermeinen - de) ins Meer werffen und die gantze Jnſul ruini - ren / ehe er eine ſolche Dame wie ſie waͤre / uͤberlaſ - ſen wolte und hierauff wurde auch oben gedachter Accord zwiſchen ihr beyden beſchloſſen; doch der - geſtalt / daß er mich hinderꝛucks oder im Schlaff mit ſeiner Axt erſchlagen ſolte / weil er ſich ſowohl vor meiner Leibs Staͤrcke als meinen Stab den er mir ſelbſt wie einen Boͤhmiſchen Ohrleffel verfertigt / entſetzte.

F 2Nach

Nach ſolchem Verglich zeigte ſie meinem Cam - merꝛathen zunegſt an unſerer Wohnung eine ſchoͤne Art Haffrier Erde / auß welchem ſie nach Art der Jndianiſch-Weiber ſo am Guineiſchen Geſtat woh - nen / ſchoͤn jrꝛden Geſchirꝛ zumachen getraute / thaͤ - te auch allerley Vorſchlaͤg wie ſie ſich und ihr Ge - ſchlecht auff dieſer Jnſul außbringen: ernaͤhren: und biß in das hunderſte Glied ihnen ein geruhigs und vergnuͤgſambes Leben verſchaffen wolte; da wuſte ſie nicht genugſamb zuruͤhmen / was ſie vor Nutzen auß den Coquos Baͤumen ziehen: und auß der Baumwoll ſo ſelbige tragen oder hervor brin - gen / ſich und aller ihrer Nachkoͤmmlingen Nach - koͤmmling mit Kleydungen zuverſehen.

Jch armer Stern kam und wuſte kein Haar von dieſem Schluß und Laugen-Guß ſonder ſetzte mich zugenieſſen / was zugerichtet da ſtunde / ſprach auch nach Chriſtlichem und Hochloͤblichem Brauch das Benedicite; ſo bald ich aber das Creutz beydes uͤber die Speiſen und meine Mit-Eſſer machte / und den Goͤttlichen Seegen anruffte / verſchwende bey - des unſere Koͤchin und die Kiſte / ſambt allem dem was in beſagter Kiſten geweſen war / und lieſe einen ſolchen grauſamen Geſtanck hinder ſich / daß mei - nem Cammerꝛathen gantz unmaͤchtig darvon wur - de.

Das XXI. Capitel.

SObald er ſich wiederumb erkobert hatte und zu ſeinen ſieben Sinnen kommen war / kniete er vor mir nieder / faltete beyde Haͤnd und ſagte wohl ein halbe Viertelſtundt nacheinander / ſonſt nichts / Als: ach Vatter! ach Bruder; ach Vatter! achBru -Bruder! und fieng darauff an mit Widerholung ſolcher Wort ſo inniglich zuwainen / daß er vor Schluchſen kein verſtaͤndlichs Wort mehr herauß bringen kondte; alſo daß ich mir einbildetete / er muͤſte durch Schroͤcken und Geſtanck ſeines Ver - ſtandts beraubt worden ſeyn; wie er aber mit ſol - cher weiß mit nachlaſſen wolte / und mich immer - hin umb Verzeihung batte; antwortet ich / lieb - ſter Freundt / was ſoll ich euch verzeihen / da ihr mich doch euer Lebtag niemahl belaidigt habt? ſagt mir doch nur wie es euch zuhelffen ſey? Verzei - hung ſagte er / bitte ich: dann ich hab wider Gott: wider euch und wider mich ſelbſt geſuͤndigt! und da - mit fienge er ſein vorige Klag wider an / continuir - te ſie auch ſo lang / biß ich ſagte / ich wuͤſte nichts boͤſes von ihm / und dafern er gleichwol etwas be - gangen / deßwegen er ſich ein Gewiſſen machen moͤchte / ſo wolte ichs ihm nicht allein ſo viel es mich betraͤffe / von Grundt meines Hertzens verziehen und vergeben haben / ſonder auch wann er ſich wider GOtt vergriffen / neben ihne deſſen Barmhertzig - keit umb Begnaͤdigung anruffen; auff ſolche Wort faſſte er meine Schenckel in ſeine Arm: kuͤſte meine Knie: und ſahe mich ſo ſaͤhnlich und drauff an / daß ich druͤber gleichſamb erſtummete / und nicht wiſſen oder erꝛathen kondte / was es doch immermehr mit dem Kerl vor eine Beſchaffenheit haben moͤchte; demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nam und an meine Bruſt trucke / mit Bitt mir zuerzehlen was ihm anlege und wie ihm zuhelffen ſeyn moͤchte / beichtet er mir alles haarklein herauß / was er mit der vermeinten Abiſſinerin vor ein Diſcurs gefuͤhrt: und uͤber mich / beydes wider GOtt: wider die Na -F 3tur:tur: wider die Chriſtliche Liebe / und wider das Ge - ſetz getreuer Freundtſchafft / die wir einander ſolen - niter geſchworen / bey ſich ſelbſt beſchloſſen gehabt hatte; und ſolches that er mit ſolchen Worten und Geberden / darauß ſein inbruͤnſtige Reu und zer - knirſchtes Hertz leicht zumuthmaſſen oder abzuneh - men war.

Jch troͤſtete ihn ſo gut ich immer kondte / und ſagte GOtt haͤtte vielleicht ſolches zur Warnung uͤber uns verhaͤnckt / damit wir ſich kuͤnfftig vor deß Teuffels Stricken und Verſuchungen deſto beſſer vorſehen: und in ſtaͤtter Gottesforcht leben ſolten; er hatte zwar Urſach ſeiner boͤſen Einwilligung hal - ber Gott hertzlich umb Verzeihung zubitten; aber noch ein groͤſſere Schuldigkeit ſeye es / daß er ihme umb ſeine Guͤte und Barmhertzigkeit dancke; in dem er ihn ſo Vaͤtterlich auß deß leidigen Sa - thans Luͤſt und Fallſtrick geriſſen: und ihn vor ſei - nem zeitlichen und ewigen Fall behuͤttet haͤtte; es wuͤrde uns vonnoͤthen ſeyn vorſichtiger zuwandlen / als wann wir mitten in der Welt unter dem Volck wohneten; dann ſolte einer oder der ander oder wir alle beyde fallen / ſo wuͤrde niemand vorhanden ſeyn / der uns wiederumb auffhuͤlffe / als der liebe GOtt / den wir derowegen deſto fleiſſiger vor Au - gen haben: und ihne an unterlaß umb Hilff und Beyſtand anflehen muͤſten.

Von ſolchen und dergleichen zuſprechen wur - de er zwar umb etwas getroͤſt / er wolte ſich aber nichts deſtoweniger nicht allerdings zufriden geben / ſonder batte auffs demuͤtigſte / ich wolte ihm doch wegen ſeines Verbrechens eine Buß aufflegen; da - mit ich nun ſein nider geſchlagenes Gemuͤth nachMuͤg -Muͤglichkeit wiederumb etwas auffrichten moͤgte; ſagte ich / dieweil er ohne das ein Zimmerman ſeye / und ſeine Axt noch im Vorꝛath hatte / ſo ſolte er an dem jenigen Ort wo ſo wohl wir als unſere teuffli - ſche Koͤchin geſtrandet am Ufer deß Meers ein Creutz auffrichten / damit wuͤrde er nicht allein ein Gott wohlgefaͤllig Bußwerck verꝛichten / ſonder auch zuwegen bringen / daß kuͤnfftig der boͤſe Geiſt / wel - cher das Zeichen deß H. Creutzes ſcheue / unſere Jn - ſul nicht mehr ſo leichtlich anfallen wuͤrde / ach: antwortet er / nicht nur ein Creutz in die Nidere ſonder auch zwey auff das Gebuͤrg ſollen von mir verfertigt und auffgerichtet werden; wann ich nur O Vatter: deine Huld und Gnad wider habe / und mich der Verzeihung von GOtt getroͤſten darff; er gieng in ſolchem Eyfer auch gleich hin und hoͤrete nicht auff zu arbeiten / biß er die drey Creutz verfer - tigt hatte / darvon wir eins am Strandt deß Meers und die andere zwey jedes beſonder auff die hoͤchſte Gipffel deß Gebuͤrgs mit folgender inſcription auff - richteten.

GOtt den Allmaͤchtigen zu ehren und den Feind deß Menſchlichen Geſchlechts zu Vertruß / hat Simon Meron von Liſtaben auß Portugal mit Rath und Hilff ſeines getreuen Freunds Simplici Simpliciſſimi eines hochteutſchen / diß Zeichen deß Leydens unſers Erloͤſers / auß Chriſtlicher Wol - meinung verfertigt und hieher auffgerichtet.

Von daran fiengen wir an etwas Gottſeeliger zu leben als wir zuvor gethan hatten / und damit wir den Sabath auch heiligen und feyern moͤchten / ſchnitte ich an ſtatt eines Calenders alle Tag eine Kerb auff ein Stecken und am Sontag ein Creutz;F 4alsals dann ſaſſen wir zuſammen und redeten mit - einander von heiligen und goͤttlichen Sachen; und diſe Weiſe muſte ich gebrauchen / weil ich noch nichts erſonnen hatte mich damit an ſtatt Pa - piers und Dinten zubehelffen dardurch ich etwas ſchrifftlichs hette zu unſerer Nachricht auffzaich - nen moͤgen.

Hier muß ich zum Beſchluß diſes Capitels einer artlichen Sach gedencken / die uns den Abend als unſer feine Koͤchin von uns abſchiede / gewaltig erſchroͤckt und aͤngſtigte / dern wir die erſte Nacht nicht wahrgenommen / weil uns der Schlaff wegen uͤberſtandener Abmattung und groſſer Muͤdigkeit gleich uͤberwunden; es war aber diſes; als wir noch vor Augen hatten / durch was vor tauſent Liſt uns der laidige / Teuͤffel in Geſtalt der Abiſſinerin ver - derben wollen / und dannenhero nicht ſchlaffen konten / ſonder lang wachent die Zeit: und zwar mehrentheils im Gebett zubrachten / ſahen wir ſo bald es ein wen g finſter wurde / umb uns her einen unzaͤhligen Hauffen der Lichter im Lufft herumb ſchweben / welche auch einen-ſolchen hellen Glantz von ſich gaben / das wir die Fruͤchte an den Baumen vor dem Laub unterſcheydden konten; da vermeinten wir es waͤre abermal ein neuer Fund deß Widerſachers / uns zu quelen / wurden derowe - gen gantz ſtill und duſamb / befanden aber entlich daß es eine Art der Jahanns Fuͤncklein oder Zintwuͤrm - lein (wie man ſie in Teutſchland nennet) waren / welche auß einer ſonderbaren Art faulen Holtzes entſtehen ſo auff diſer Jnſul waͤchſt; diſe leuchten ſo hell / das man ſie gar wol an ſtatt einer hellbren - nenden Kertzen gebrauchen kan; maſſen ich nach -gehendsgehents diß Buch mehrentheils dabey geſchriben; und wann ſie in Europa, Aſia, und Affrica, ſo ge - mein waͤren als hier / ſo wuͤrden die Lichter Kraͤm - mer ſchlechte Loſung haben.

Das XXII. Capitel.

DJe weil wir nun ſahen daß wir verbleiben muſten wo wir waren / fiengen wir auch unſere Haußhaltung anderſt an; mein Cammerad machte von einen ſchwartzen Holtz / welches ſich beynahe dem Eyſen vergleicht wann es duͤrꝛ wird / vor uns beyde hauen und ſchauffelen / durch welche wir erſt - lich die obgeſetzte drey Creutz eingruben / zweytens das Meer in Gruben laitetten / da es ſich / wie ich zu Alexandria in Ægypten geſehen / in Saltz ver - wandelt / drittes fiengen wir an einen luſtigen Garten zumachen / weil wir den Muͤſſiggang vor den Anfang unſers Verderbens ſchetzten / viertens gruben wir das Baͤchlein ab / alſo daß wir daſſelbe nach unſerm belieben anderwerts hinwenden: den alten Fluß gantz trucken legen; und Fiſch und Krebs ſo vil wir wolten / gleichſamb mit trucknen Handen und Fuͤſſen darauff auffheben konten; fuͤnfftens fanden wir neben den beſagten Fluͤſſlein ein uͤber - auß ſchoͤne Haffner Erde; und ob wir zwar weder Scheiben noch Rath: zumalen auch kein Bohrer oder andere Jnſtrumenten hatten / uns dergleichen etwas zuzurichten / umb uns allerhand Geſchirꝛ zu trehen / ob wir wol das Handwerck nicht gelernet; ſo erſonnen wir doch einen Vortel / durch welchen wir zuwegen brachten was wir wolten / dann nach dem wir die Erde geknettet und zubereittet hattenF 5wiewie ſie ſeyn ſolte / machten wir wuͤrſt darauß in der dicke und lenge wie die Engliſche Tabacks Pfeiffen ſeyn / ſolche kleibten wir ſchneckenweiß auffeinander und formirten Geſchirꝛ drauß wie wirs haben wol - ten / beydes groß und klein / Haͤffen und Schuͤſſlen / zum kochen und trincken; wie uns nun der erſte Brand geriethe / hatten wir keine Urſach mehr / uns uͤber einigen Mangel zubeklagen / dann ob uns wol das Brod abgieng / hatten wir jedoch hingegen duͤrꝛe Fiſch vollauff / die wir vor Brod brauchten / mit der Zeit gieng uns der Vortel mit dem Saltz auch an / alſo daß wir entlich gar nichts zu klagen hatten; ſonder wie die Leut in der erſten guͤldenen Zeit lebeten; da lehrten wir nach und nach wie wir auß Eyern / duͤrꝛen Fuͤſchen und Citronen Schaͤlen / welche beyde leſtere Stuͤck wir zwiſchen zweyen Steinen zu zartem Meel rieben / in Voͤgel Schmaltz / ſo wir von den Walchen ſo genanten Voͤgeln be - kamen / an ſtatt deß Brods wolgeſchmackte Kuchen bachen ſolten; ſo wuſte mein Cammerad den Palm - wein gar artlich in groſſe Haͤffen zugewinnen / und denſelben ein par Tag ſtehen zulaſſen biß er verjaren / hernach ſoffe er ſich ſo voll darin / das er dorckelte / und ſolches thaͤt er auff die letzte gleichſamb alle Tage / Gott geb was ich darwider redete; dann er ſagte / wann man ihn uͤber die Zeit ſtehen lieſſe ſo wuͤrde er zu Eſſig / welches zwar nit ohn iſt; ant - wortet ich ihm dann / er ſolte auff einmal nit ſo vil ſonder die bloſſe Notdurfft gewinnen / ſo ſagte er hingegen / es ſeye Suͤnd / wann man die Gaben GOttes verachte; man muͤſſe den Balmen beyzeiten zu aderlaſſen / damit ſie nit in ihren aignen Bluterſtick -erſtickten; alſo muſte ich ſeinen Begirten den Zaum laſſen / wolte ich anderſt nit mehr hoͤren / ich goͤn - nete ihm nit was wir die voͤlle umbſonſt haͤtten.

Alſo lebten wir / wie obgemeldet / als die erſte Menſchen in der guͤldenen Zeit da der guͤtige Him - mel denſelbigen ohne einige Arbeit alles guts auß der Erden hervor wachſen laſſen; gleich wie aber in diſer Welt kein Leben ſo ſuͤß und gluͤckſeelig iſt / das nit bißweilen mit Gall deß Leydens verbittert werde / alſo geſchahe uns auch; dann umb wie vil ſich taͤglich unſer Kuch und Keller beſſerte / umb ſo vil wurden unſere Kleydungen von Tag zu Tag je laͤnger je ploͤder / biß ſie uns entlich gar an den Leybern verfaulten; das beſte vor uns war diſes / das wir bißhero noch niemal keinen Winter: ja nicht die geringſte Kaͤlte innen worden / wiewol wir da - mal als wir anfieng nackent zu werden / meinen Kerbhoͤltzern nach bereits uͤber anderhalbe Jahr auff diſer Jnſul zugebracht / ſonder es war jederzeit Wetter wie es bey den Europeern in May und Iunio zuſeyn pflegt / auſſer das es ungefaͤhr im Auguſto und etwas Zeit zuvor gewaltig ſtarck zu regnen und zu wittern pflegt / ſo wird auch alhier von einem Solſtitio zum andern Tag und Nacht nicht wol uͤber 5. virtel ſtund laͤnger oder kuͤrtzer / als das ander - mal. Wiewol wir nun allein ſich auff der Jnſul befanden / ſo wolten wir doch nicht wie das unver - nuͤnfftige Vihe nackent: ſonder als ehrliche Chriſten auß Europa beklaidet gehen; hetten wir nun vier - fuͤſſige Thier gehabt / ſo waͤre uns ſchon geholffen geweſen / ihre Baͤlg zu Kleidung anzuwenden; in Mangel derſelbigen aber / zogen wir dem groſſen Gefluͤgel / als den Walchen und Pingwins die HaͤutF 6abab und machten uns Niderkleider drauß / weil wir ſie aber auß Mangel beydes der Jnſtrumenten und zugehoͤrigen Materialien nicht recht auff die Taur beratten konten / wurden ſie hart / unbequem und zerſtoben uns von Leib hinweg / ehe wir ſich deſſen verſehen; die Coquos Baume trugen uns zwar Baunwol genug / wir konten ſie aber weben noch ſpinnen / aber mein Cammerad / welcher etliche Jahr in Indien geweſen / wiſe mir an denen Bletern fornen an den Spitzen ein Ding wie ein ſcharffer Dorn / wann man ſelbiges abbricht und am Grad deß Blats hinzeugt / gleichſamb wie man mit den Bonnen-Scheffen / Phaſeoli genant / umbgehet / wann man ſelbige von ihren Graͤthen reinigt / ſo verbleibt an dem ſelbigen ſpitzigen Dorn ein Faden hangen / ſo lang als der Grad oder das Blad iſt / alſo das man daſelbige an ſtatt Nadel und Faden brauchen kan; ſolches gab mir Urſach und Gelegen - beit an die Hand / daß ich uns auß denſelben Blet - tern Niderkleider machte / und ſolche mit ob - gemelten Faden ihres aignen Gewaͤchs zuſammen ſtach.

Jn dem wir nun ſo mit einander hauſen / und unſer Sach ſo weit gebracht / das wir keine Vrſach mehr hatten / uns uber einige Arbeitſeeligkeit / ab - gang / Mangel oder Truͤbſal zubeſchwern / zechte mein Cammerad im Palm Wein jmmerhin taͤglich fort wie ers angefangen: und nunmehr gewohnt hatte / biß er entlich Lung und Leber entzuͤntete und ehe ich michs recht verſahe / mich / die Jnſul und den Vin de Palm durch einen fruͤhzeitigen Todt zu - gleich quittirte; ich begrube ihn ſo gut als ich konte / und in dem ich deß Menſchlichen Weſen Unbeſtaͤn -digkeitdigkeit und anders mehr betrachtete / machte ich ihm folgende Grabſchrifft.

Daß ich hier: und nicht ins Meer bin worden be -
graben /
Auch nit in d Hoͤll; macht daß umb mich geſtritten
haben /
Drey Ding! das erſte der wuͤthende Ocean!
Das zweit: der grauſamb Feind! der hoͤlliſche
Sathan;
Dieſen entranne ich durch GOttes Huͤlff auß mein
Noͤthen
Aber vom Palmwein / dem dritten / ließ ich mich
toͤdten.

Alſo wurde ich allein ein Herꝛ der gantzen Jnſul / und fieng widerumb ein Einſidleriches Leben an / warzu ich dann nit allein mehr als genugſame Ge - legenheit: ſonder auch ein ſteiffen Willen und Vor - ſatz hatte; ich machte mir die Guͤter und Gaben diſes Orts zwar wol zunutz / mit hertzlicher Danck - ſagung gegen GOtt / als deſſen Guͤtte und Almacht allein mir ſolche ſo reichlich beſcheret hatte; befliſſe mich aber darneben / das ich deren Uberfluß nicht miſſbrauchte / ich wuͤnſchte offt daß ehrliche Chriſten Menſchen bey mir waren / die anderwerts Armut und Mangel leyden muͤſſen / ſich der gegenwertigen Gaben GOttes zugebrauchen; weil ich aber wol wuſte / daß GOtt dem Allmaͤchtigen mehr als muͤg - lich (dafern es anders ſein Goͤttlicher Will waͤr) mehr Menſchen leichtlicher und wunderbarlicher Weiß hieher zuverſetzen / als ich hergebracht wor - den; gab mir ſolches offt Urſach / ihme umb ſeine Goͤttliche vorſehung: und daß er mich ſo Vaͤtterlich vor andern vil 1000. Menſchen verſorgt / und inF 7eineneinen ſolchen geruhigen fridſamen Stand geſetzt hatte / demuͤtig zudancken.

Das XXIII. Capitel.

MEin Cammerad war noch keine Woch Todt geweſen / als ich ein Ungeheur umb meine Wohnung herumb vermerckte; nun wolan / ge - dachte ich / Simplici du biſt allein / ſolt dich nicht der boͤſe Geiſt zu vexirn unterſtehen? vermeineſtu nicht diſer Schadefro werde dir dein Leben ſaur machen; was fragſtu aber nach ihm / wann du GOtt zum freuͤnde haſt? du muſt nur etwas haben das dich uͤbet / dann ſonſt wuͤrde dich Muſiggang und Uberfluß zu fall ſtuͤrtzen; haſtu doch ohne diſen ſonſt niemand zum Feind als dich ſelbſten und diſer Jnſul Uberfluß und Luſtbarkeit / drumb mach dich nur gefaſt zu ſtreitten / mit dem jenigen der ſich am allerſtaͤrckſten zu ſeyn bedunckt / wird derſelbige durch GOttes Hilff uͤberwunden / ſo wuͤrdeſtu ja ob GOtt will vermittelſt deſſen Gnad auch dein aigner Meiſter verbleiben;

Mit ſolchen Gedancken gieng ich ein par Tag umb / welche mich umb ein zimlichs beſſerten und andaͤchtig machten; weil ich mich einer Rencontra verſahe / die ich ohnzweiffel mit dem boͤſen Geiſt auß - ſtehen muͤſte / aber ich betrog mich vor diß mal ſelbſten / dann als ich an einem Abend abermal etwas vermercke / das ſich hoͤren lieſſe / gieng ich vor meine Huͤtte / welche zu negſt an einen Felſen deß Gebuͤrgs ſtunde / warunder die haubt Quel deß ſuͤſſen Waſſers / das vom Gebuͤrg durch diſe Jnſul ins Meer rinnet / da ſahe ich meinen Cammeraden an der ſteinen Wand ſtehen / wie er mit den Fingerninin deren Spalt gruͤbelte; ich erſchrack wie leicht zu - gedencken / doch faſte ich ſtracks wider ein Hertz / be - fahle mich mit Bezaichnung deß heiligen Creutzes in GOttes Schutz / und dachte es muß doch einmahl ſeyn: beſſer iſts heut als morgen / gieng darauff zum Geiſt / und brauchte gegen ihm die jenige Wort die man in ſolchen Begebenheiten zureden pflegt; da verſtunde ich alſobalden / daß es mein verſtorbener Cammerad war / welcher bey ſeinen Lebzeiten ſeine Ducaten dorthin verborgen hatte / der Meinung wann etwan uͤber kurtz oder lang ein Schiff an die Jnſul kommen wuͤrde / daß er alßdann ſolche wider erheben: und mit ſich darvon nehmen wolte; er gab mir auch zuverſtehen / daß er auff diß wenige Geld / alß dardurch er wider nach Hauß zukommen ver - hoffet / ſich mehr als auff GOtt verlaſſen / weſſent - wegen er dann mit ſolcher Unruhe nach ſeinem Todt buͤſſen: und mir auch wider ſeinen Willen Ungele - genheit machen muͤſſen; ich namb auff ſein begehren das Geld herauß / achtete es aber weniger als nichts; welches man mir deſto ehenter glauben kan / weil ichs auch zu nichts zugebrauchen wuſte; dieſes nun war der erſte Schroͤck den ich einnamb ſeit ich mich allein befande; aber nachgehends wurde mir wol von anderen Geiſtern zugeſetzt als dieſer einer ge - weſen; darvon ich aber weiters nichts melden / ſon - der nur noch dieſes ſagen will / daß ich vermittelſt Goͤttlicher Huͤlff und Gnad dahin kam / daß ich kei - nen eintzigen Feind mehr ſpuͤrꝛete / als meine aigne Gedancken / die offt gar variabel ſtunden / dann diſe ſeynd nit zollfrey vor GOtt / wie man ſonſt zuſagen pflegt / ſonder es wird zu ſeiner Zeit ihrentwegen auch Rechenſchafft gefordert werden.

Damit

Damit mich nun dieſelbige deſtoweniger mit Suͤnden beflecken ſolten / befliſſe ich mich nit allein außzuſchlagen was nichts taugte / ſonder ich gab mir ſelbſt alle Tag ein leibliche Arbeit auff / ſolche neben dem gewoͤhnlichen Gebett zuverrichten; dann gleich wie der Menſch zur Arbeit wie der Vogel zum fliehen geboren iſt / alſo verurſacht hingegen der Muͤſſig - gang beydes der Seelen und dem Leib ihre Kranck - heiten / und zuletzt wann mans am wenigſten war - nimbt / das endlich Verderben / derowegen pflantze ich einen Garten deſſen ich doch weniger als der Wa - gen des fuͤnfften Raths bedorffte / weilen die gantze Jnſul nichts anders als ein lieblicher Luſtgarten het - te genant werden moͤgen; meine Arbeit taugte auch zu ſonſt nichts / alß daß ich eins und anders in ein wolſtaͤndigere Ordnung bracht / obwol manchem die natuͤrliche Vnordnung der Gewaͤchſe wie ſie da un - tereinander ſtunden / anmuthiger vorkommen ſeyn moͤchte; und dann daß ich wie obgemelt / dem Muͤſ - ſiggang abſchaffte; O wie offt wuͤnſchte ich mir / wañ ich meinen Leib abgemattet hatte und demſelben ſeine Ruhe geben muſte / geiſtliche Buͤcher / mich ſelbſt darinn zutroͤſten / zuergoͤtzen und auffzubauen / aber ich hatte ſolche drumb nit Demnach ich aber vor dieſem von einem heiligen Mann geleſen / daß er ge - ſagt / die gantze weite Welt ſey ihm ein groſſes Buch / darinnen er die Wunderwercke GOttes erkennen: und zu deſſen Lob angefriſcht werden moͤchte; Alß gedachte ich demſelbigen nachzufolgen / wiewol ich / ſo zuſagen / nit mehr in der Welt war die kleine Jn - ſul muſte mir die gantze Welt ſeyn / und in derſelbi - gen ein jedes Ding / ja ein jeder Baum! ein Antriebzurzur Gottſeligkeit: und eine Eriñerung zu denen Ge - dancken die ein rechter Chriſt haben ſoll; alſo! ſahe ich ein ſtachelecht Gewaͤchs / ſo erinnerte ich mich der doͤrnen Cron Chriſtt / ſahe ich einen Apffel oder Gra - nat / ſo gedachte ich an den Fall unſerer erſten El - tern und bejammert denſelbigen; gewanne ich ein Paͤlmwein auß einem Baum / ſo bildet ich mir vor / wie mildiglich mein Erloͤſer am Stammen deß H. Creutzes ſein Blut vor mich vergoſſen; ſahe ich Meer oder Berg / ſo erinnerte ich mich des einen oder an - dern Wunderzeichens und Geſchichten / ſo unſer Heyland an dergleichen Orthen begangen; fande ich einen oder mehr Stein ſo zum Werffen bequem wa - ren / ſo ſtellte ich mir vor Augen / wie die Juden Chriſtum ſteinigen wolten; war ich in meinem Gar - ten / ſo gedachte ich an das aͤngſtig Gebett am Oel - berg / oder an das Grab Chriſti und wie er nach der Aufferſtehung Mariæ Magdalenæ im Garten er - ſchinen / ꝛc. Mit ſolchen und dergleichen Gedan - cken hanthierete ich taͤglich; ich aſſe nie daß ich nicht an das letzte Abendmahl Chriſti gedachte und koch - te mir niemahl keine Speiß / daß mich das gegen - wertige Feur nicht an die ewige Peyn der Hoͤllen erinnert haͤtte.

Endlich fandt ich / daß ich Præſilien Safft de - ren es vnderſchiedliche Gattung auff dieſer Jnſul gibt / wann ſolche mit Citronen-Safft vermiſcht werden / gar wol auff eine Art groſſer Palmblaͤtter zuſchreiben ſeye / welches mich hoͤchlich erfreute / weil ich nunmehr ordenliche Gebett concipirn und auff - ſchreiben kondte; zuletzt als ich mit hertzlicher Reu meinen gantzen gefuͤhrten Lebens-Lauff betrachtete / und meine Bubenſtuͤck die ich von Jugend auff be -gangen /gangen / mir ſelbſten vor Augen ſtellte / und zu Ge - muͤth fuͤhrete / daß gleichwohl der barmhertzige GOtt unangeſehen aller ſolchen groben Suͤnden / mich bißher nit allein vor der ewigen Verdambnuß bewahrt / ſonder Zeit und Gelegenheit geben hat mich zu beſſern / zubekehren / Jhn umb Verzeyhung zu bitten / und umb ſeine Gutthaten zudancken / be - ſchriebe ich alles was mir noch eingefallen / in dieſes Buch ſo ich von obgemelten Blaͤttern gemacht / und legte es ſambt obgedachten meines Cammeraden hinderlaſſenen Ducaten an dieſen Orth / damit wañ vielleicht uͤber kurtz oder lang Leuth hieher kommen ſolten / ſie ſolches finden und darauß abnehmen koͤn - ten / wer etwan hiebevor dieſe Jnſul bewohnet; wird nun heut oder Morgen entweder vor oder nach meinem Todt jemand diß finden und leſen / denſelben bitte ich / dafern er etwann Woͤrter darinn antrifft / die einem / der ſich gern beſſerte / nit zureden ge - ſchweige zuſchreiben wohl anſtehen / er wolle ſich da - rum nit aͤrgern; ſondern gedencken / daß die Erzeh - lung leichter Haͤndel und Geſchichten auch bequeme Wort erfordern ſolche an Tag zugeben; und gleich wie die Maur-Rauth von keinem Regen leichtlich naß wird / alſo kan auch ein rechtſchaffnes gottſeliges Gemuͤth nicht ſo gleich von einem jedwedern Di - ſcurs, er ſcheine auch leichtfertig als er wolle / ange - ſteckt / vergifftet und verderbt werden; ein ehrlich ge - ſinnter Chriſtlicher Leſer / wird ſich vilmehr verwun - dern und die Goͤttliche Barmhertzigkeit preyſen / wann er findet / daß ſo ein ſchlimer Geſell wie ich geweſen / dannoch die Gnad von GOtt gehabt / der Welt zu reſignirn, und in einem ſolchen Standt zu -leben /leben / darinnen er zur ewigen Glory zukommen / und die ſeelige Ewigkeit nechſt dem heiligen Leyden deß Erloͤſers zu erlangen verhofft / durch ein ſeeligs ENDE.

Relation Jean Carniliſſen von Harlem eines Hollaͤndiſchen Schiff - Capitains an German Schleiffheim von Sulsfort ſeinen guten Freund / vom Sim pliciſſimo Das XXIV. Capitel.

ES weiß ſich ohnzweiffel derſelbe noch wol zuer - innern / was maſſen ich bey unſerer Abraiß ver - ſprochen / ihme die allergroͤſte Raritet mitzubringen / die mir in gantz Jndia / oder auff unſerer Reiß zu - ſtahe; nun habe ich zwar etliche ſeltzame Meer - oder Erd-Gewaͤchs geſamblet / damit der Herꝛ wohl ſein Kunſt-Cammer zieren mag; aber was mich am al - lermehreſten Verwunderungs und Aufhebens weꝛth zuſeyn beduncket / iſt gegenwertiges Buch / welches ein hochteutſcher Mann in einer Jnſul gleichſamb mitten im Meer allein wohnhafftig / wegen Mangel Papiers auß Palmblaͤttern gemacht und ſeinen gan - tzen Lebens-Lauff darinn beſchriben; wie mir aber ſolches Buch zuhanden kommen / auch was beſagter Teutſche vor ein Mann ſeye / und was er vor ein Le - ben fuͤhre / muß ich dem Herꝛn ein wenig außfuͤhr - lich erzehlen / ob er zwar ſelbſt ſolches in gemeltem ſeinem Buche zimblicher maſſen an Tag gegeben.

Alß wir in den Mollucciſchen Jnſulen unſere Ladung voͤllig bekommen / und unſern Lauff gegendemdem Capo bonæ Eſperanzæ zunahmen / ſparꝛeten wir daß ſich unſere Heimreiſe nicht beſchleinigen wolte / wie wir wol anfangs gehofft dann die Winde mehrentheils contrari und ſo variabel giengen / daß wir lang umbgetriben und auffgehalten wurden; weſſentwegen dann alle Schiff auff der Armada mercklich vil Krancke bekamen; unſer Admiral thaͤt ein Schuß / ſteckt eine Flacken auß und lieſſe alſo alle Capitains von der Flott auff ſein Schiff kommen / da wurde gerathſchlagt und beſchloſſen / daß man ſich die Jnſul S. Helena zuerlangen / und daſelbſten die Krancke zuerfriſchen und anſtaͤndiges Wetter zuerwarten; Jtem es ſolten (wann die Armada villeicht durch Ungewitter deſſen wir uns nit verge - bens vorſahen / zertrennt wuͤrde) die erſte Schiff ſo an bemelte Jnſul kamen / eine Zeit von 14. Tagen auff die uͤbrige warthen / welches dann wol außge - ſonnen und beſchloſſen worden; maſſen es uns er - gieng wie wir beſorgt hatten / in dem durch einen Sturm die Flotte dergeſtalt zerſtreut wurde / daß kein einiges Schiff bey dem andern verblibe; alß ich mich nun mit meinem anvertrauten Schiff allein befande / und zugleich mit widerwertigem Wind / Mangel an ſuͤſſem Waſſer und vielen Krancken ge - plagt wurde / muſte ich mich kuͤmmerlich mit lavi - ren behelffen / warmit ich aber wenig außrichtete / mehrbeſagte Jnſul Helenæ zuerlangen (von deren wir noch 400. Meilen zuſeyn ſchaͤtzten) es hette ſich dann der Wind geaͤndert.

Jn ſolchem umbſchweiffen und ſchlechten Zu - ſtand / in dem es ſich mit den Krancken aͤrgert / und ihrer taͤglich mehr wurden / ſahen wir gegen Oſten weit im Meer hinein unſers bedunckens einen eintzi -gengen Felſen ligen / dahin richteten wir unſeren Lauff der Hoffnung etwann ein Land der Enden anzutref - fen / wiewol wir nichts dergleichen in unſeren Map - pen ang zeigt fanden / ſo der Enden gelegen / da wir ſich nun demſelben Felſen auff der Mittnaͤchti - gen Seiten naͤherten / ſchaͤtzten wir dem Anſehen nach daß es ein ſteinaͤchtigs hohes unfruchtbares Gebuͤrg ſeyn muſte / welches ſo eintzig im Meer laͤ - ge / daß auch an derſelben Seiten zubeſteigen oder daran anzulaͤnden unmuͤglich ſchiene; doch empfan - den wir am Geruch / daß wir nahe an einem guten Gelaͤnd ſeyn muͤſten / bemeltes Gebuͤrg ſaſſe und flohe voller Voͤgel / und in dem wir dieſelbe betrach - teten / wuͤrden wir auff den hoͤchſten Gipffelen zweyer Creutz gewahr / daran wir wol abnehmen kondten / daß ſolche durch Menſchliche Haͤnd auff - gerichtet worden / und dannenhero das Gebuͤrg wol zubeſteigen waͤre; derowegen ſchifften wir offt hin - umb und fanden auff der andern Seiten deß gemel - ten Gebuͤrgs ein zwar kleines: aber ſolches luſtiges Gelaͤnd / dergleichen ich mein Tage weder in Oſt - noch Weſt-Jndien nicht geſehen; wir legten ſich 10. Claffter tieff auff den Ancker / guten Sandgrund / und ſchickten einen Nachen mit 8. Mann zu Land / umbzuſehen / ob daſelbſten keine Erfriſchung zube - kommen.

Dieſe kamen bald wider und brachten einen groſſen uͤberfluß von allerhand Fruͤchten / als Citronen / Pommerantzen / Coquos, Bonanes, Batates: und was uns zum hoͤchſten erfreute / auch die Zeitung mit ſich / das trefflich gut Trinckwaſſer auff der Jnſul zubekommen Jtem / ob ſie zwar ei - nen Hochteutſchen auff der Jnſul angetroffen / derallemallem anſehen nach ſich ſchon lange Zeit alda befun - den / ſo lauffe jedoch der Orth ſo voller Gefluͤgel / die ſich mit den Haͤnden fangen laſſen / daß ſie den Na - chen voll zubekommen und mit Stecken todt zuſchla - gen getraut hetten; von gemeltem Teutſchen glaub - ten ſie / daß er irgends auff einem Schiff ein Ubel - that begangen / und dannenhero zur Straff auff di - ſe Jnſul geſetzt worden; welches wir dann auch dar - vor hielten; uͤber das ſagten ſie vor gewiß / daß der Kerl nicht bey ſich ſelbſt: ſonder ein purer Narꝛ ſeyn muſte / als von welchem ſie keine eintzige richtige Red und Antwort haben moͤgen.

Gleichwie nun durch dieſe Zeittung das gantze Schiff-Volck / inſonderheit aber die Krancke hertz - lich erfreut wurden / alſo verlangt auch jederman auffs Land / ſich widerumb zuerquicken; ich ſchickte derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin / nit allein den Krancken ihre Geſundheit wider zuer - hollen / ſondern auch das Schiff mit friſchem Waſſer zuverſehen / welches uns beydes noth war; alſo daß wir mehrentheils auff die Jnſul kamen; da fanden wir mehr ein Jrꝛdiſch Paradeiß als einen oͤden un - bekandten Orth! ich vermerckte auch gleich / daß be - melter Teutſche kein ſolcher Thor ſeyn muͤſte / viel weniger ein Vbelthaͤter / wie die unſerige anfangs darvor gehalten; dann alle Baͤum / die von Art eine glatte Rinden trugen / hatte er mit Bibliſchen und anderen ſchoͤnen Spruͤchen gezaichnet / ſeinen Chriſtlichen Geiſt dardurch auffzumuntern / und das Gemuͤth zu GOTT zuerheben; wo aber keine gantze Spruͤche ſtunden / da befanden ſich wenigiſt die 4. Buchſtaben der Uberſchrifft Chriſti am Creutz / als INRI oder der Nahmen JESU und Mariæ /alsals irgends nur ein Jnſtrument deß Leydens Chri - ſti / darauß wir muthmaſſeten / daß er ohne zweiffel ein Papiſt ſeyn muͤſte / weil uns alles ſo Paͤbſtiſch vorkam; da ſtund memento mori auff Latein; dor - ten Ieſchua Hanoſrum Melech Haichudim auff Hebreiſch / an einem andern Ort dergleichen etwas auff griechiſch / teutſch / arabiſch oder malaiſch (wel - che Sprach durch gantz Jndien gehet) zu keinem anderen Ende / als ſich der Himmliſchen Goͤttli - lichen Dinge dabey Chriſtlich zuerinnern; wir fan - den auch ſeines Cammerꝛathen Grabmal / davon dieſer Teutſche ſelbſt in ſeines Lebens Erzehlung Meldung thut / nicht weniger auch das dritte Creutz / welche ſie beyde am Ufer deß Meers miteinander auffgerichtet / weſſentwegen dann unſer Schiff - Volck den Ort (vornemblich weil ſie gleichſamb an allen Baumen auch Creutz eingeſchnitten ſtunden) die Creutz Jnſul nannten; doch waren uns alle ſol - che kurtze und ſinnreiche Spruͤch lauter raͤtheriſch und dunckele Oracula, auß denen wir aber gleich - wol abnehmen kondten / daß ihr Author kein Narꝛ: ſonder ein ſinnreicher Poet: inſonderheit aber ein Gottſeeliger Chriſt ſeyn muͤſte / der viel mit Be - trachtung himmliſcher Ding umbgebe; folgender Reum den wir auch in einem Baum eingeſchnitten fanden / bedunckte unſeren ſiegen Troͤſter / der mit mir herumb gieng / und viel auff ſchriebe was er fande / den vornembſten zuſeyn / vielleicht weil er ihm was neues war / er lautet alſo.

Ach allerhoͤchſtes Gut! du wohneſt ſo im Fin -
ſtern Liecht!
Daß man vor Klarheit groß / dem groſſen
Glantz kan ſehen nicht.
dann

dann er / der Siegen Troͤſter / welcher ein uͤberauß gelehrter Mann war / ſagte / ſo weit kombt ein Menſch auff dieſer Welt und nicht hoͤher / es wolle ihm dann Gott das Hoͤchſte Gut auß Gnaden mehr offenbaren.

Jndeſſen durchſtriche meine geſunde Schiff - Burſch die gantze Jnſul / allerhand Erfriſchung vor ſich und die Krancke zuſammen zubringen / und be - melden Teutſchen zuſuchen / den alle Principalen deß Schiffs zu ſehen und mit ihme zu conteriren ein groß Verlangen trugen; ſie traffen ihn dannoch nicht an / aber wol ein ungeheure Hoͤle voller Waſ - ſer im Steinfelſen / darin ſie ſchaͤtzten daß er ſeyn muͤſte / weil ein zimblicher aͤnger Fußpfadt hinein gienge / in dieſelbe kondte man aber wegen deß darin ſtehenden Waſſers und groſſer Finſternuß nicht kommen; und wann man gleich Fackeln und Pech - Ring anzuͤndete / ſich damit zubehelffen / und die Hoͤle zu viſitiren / ſo loͤſchte jedoch alles auß / ehe ſie ein halben Stein-Wurff weit hinein kamen mit wel - cher Arbeit ſie viel Zeit umbſonſt hinbrachten.

Das XXV. Capitel.

ALs mir nun unſere Leut von dieſer ihrer vergeb - licher Arbeit relation thaͤten / und ich ſelb er hin - gehen wolte / den Ort zubeſichtigen / und zuſehen was etwan zuthun ſeyn moͤchte / damit wir den be - ſagten Teutſchen zur hand bringen koͤndten; erꝛegte ſich nicht allein ein grauſamer Erdbidem / das mei - ne vermeinten die gantze Jnſul wuͤrde all Augen - blick untergehen / ſonder ich wurde auch eyligſt zum Schiff-Volck beruffen / welche ſich mehrentheils ſo viel deren auff dem Land wahren / in einem faſtwunder -wunderlichen und ſehr ſorgſamen Zuſtand befan - den, dann da ſtund einer mit ploſem Degen vor ei - nem Baum / fochte mit demſelbigen und gab vor / er haͤtte den allergroͤſten Riſen zubeſtreiten; an ei - nem andern Ort ſahe einer mit froͤligem Angeſicht gen Himmel / und zeigte den andern vor eine gruͤnd - liche Wahrheit an / er ſehe GOtt und das gantze himmliche Heer / in der himmliſchen Freud beyſam - men; hingegen ſahe ein anderer auff den Erdboden / mit Forcht und Zittern / vorgebende / er ſehe in vor - ſich habender ſchroͤcklichen Gruben den leitigen Teuffel ſambt ſeinem Anhang; die wie in einem Abgrund herumb wimmelten; ein anderer hatte ein Pruͤgel und ſchluge umb ſich / daß ihm niemand naͤhern dorffte / und ſchrye doch / man ſolte ihm wi - der die viele Woͤlff helffen / die ihn zerzeiſſen wolten / hie ſaſſe einer auff einem Waſſer-Faß (als welche wir zu zurichten und zu fuͤllen an Landt gebracht hatten) gab demſelben die Sporen und wolte es wie ein Pferdt tumlen; dort fiſchte einer auff truck - nem Land mit dem Angel / und zeigte den andern was ihm vor Fiſche anbeiſſen wuͤrden; in ſumma / da hieſſe es wohl viel Koͤpff viel Sinn / dann eine je - der hatte ſeine ſonderbare Anfechtung / welche ſich mit deß andern im wenigſten nicht vergleichte; es kam einer zu mir geloffen / der ſagte gantz ernſtlich Herꝛ Capitain ich bitte ihn doch umb hundert tau - end GOttes Willen / er wolle Iuſtitiriam admini -[ſt]riren / und mich vor den grenlichen Kerlen beſchuͤ - tzen! Als ich ihn nun fragte / wer ihn dann belaydigt haͤtte / antwortet er (und wiſe mil der Hand auff die uͤbrige die ebẽ ſo naͤrꝛiſch und verdollet in den Koͤpffen waren als er) dieſe Tyrannen wollen mich zwingen /Gichich ſoll zwo Tonnen Hoͤring: ſechs weſtphaͤliſche Schuͤncken: und zwoͤlff hollaͤndiſche Kaͤß / ſambt einer Tonnen Butter auff einmal auff freſſen; Herꝛ Capitain ſagte er ferner / wie wolte das Ding ſeyn koͤnnen? es iſt ja unmuͤglich und ich muͤſte ja erwor - gen oder zerberſten! mit ſolchen und dergleichen Grillen giengen ſie umb / welches recht kurtzweilig geweſen waͤre / dafern man nur gewiſt haͤtte / daß es auch wider ein End nehmen: und ohne Schaden abgehen wuͤrde; aber was mich und die uͤbrige ſo noch beym Verſtand waren / anbelangt / wurde uns rechtſchaffen Angſt / vornemblichen weil wir dieſer verꝛuckten Leute je laͤnger je mehr kriegten und ſelb - ſten nicht wuſten / wie lange wir vor ſolchem ſeltzſa - men Zuſtand befreyt bleiben wuͤrden;

Unſer Siegen Troͤſter der ein ſanfftmuͤthiger frommer Mann war / und etliche andere hielten darvor / der offt beruͤhrte Teutſche / denn die unſerige anfaͤnglich auff der Jnſul angetroffen / muͤſte ein heiliger Mann: und Gottes wohlgefaͤlliger Diener und Freunde ſeyn; weßwegen wir dann / weil ihm die unſerige mit Abhauung der Baum: Eroͤſung der Feuchten und Todtſchlagung deß Gefluͤgels ſei - ne Wohnung ruinirten / mit ſolcher Straff vom Himmel herab belegt wuͤrden, hingegen aber ſagten andere officianten / er koͤndte auch wol ein Zauberer ſeyn / welcher uns durch ſeine Kuͤnſte mit Erdbidt - men und ſolcher Wohnwitzigkeit plage / umb uns widerumb deſto ehender von der Jnſul zubringen / oder uns gar darauff zuverderben es waͤre am be - ſten ſagten ſie / daß man ihn gefangen kriegt / und zwinge / den unſerigen wider zum Verſtand zuhelf - fen; in ſolchem Zwyſpalt behaubte jedes theil ſeineMeinung /Meinung / die mich beyde aͤngſtigten; dann ich ge - dachte / iſt er ein Freundt GOttes / und dieſe Straff uns ſeinet halben zukommen / ſo wird ihn auch Gott wohl vor uns beſchuͤtzen; iſt er aber ein Zauberer / und kan ſolche Sachen verꝛichten die wir vor Augen ſehen und in den Leibern empfinden / ſo wird er ohne zweiffel noch mehr koͤnnen / daß wir ihn nicht er - haſchen moͤgen; und wer weiß! vielleicht ſtehet er unſichtbar unter uns? endlich beſchloſſen wir ihne zuſuchen und in unſeren Gewalt zubringen / es ge - ſchehe gleich mit Guͤte oder Gewalt; giengen dem - nach wider mit Fackelen / Bech-Kraͤntzen / und Liechtern in Laternen in obgenannte Hoͤle / es gieng uns aber wider wie es zuvor den andern ergangen war / daß wir nemblich kein Liecht hinein bringen: und alſo auch ſelbſt vor Waſſer / Finſternuß und ſcharpffen Felſen nicht fuͤrders kommen kondten / ob wir zwar ſolches offt probirten; da fienge ein theil an auß uns / zubetten / das andere aber vielmehr zuſchweren / und wuſten wir nicht / was wir zu die - ſen unſern Aengſten thun oder laſſen ſolten;

Da wir nun ſo in der finſteren Hoͤlen ſtun - den / und wuſten nicht wo auß noch ein / maſſen jeder nichts anders thaͤt / als daß er lamentirte hoͤrten wir noch weit von uns den Teutſchen uns folgender Geſtalt; auß der finſtern Hoͤle zuſchreyen! ihr Herꝛn: ſagte er / was bemuͤhet ihr euch umb - ſonſt zu mir oder ſonſt herein zukommen / ſehet ihr dann nicht daß es ein pure Unmuͤglichkeit iſt? wann ihr euch mit denen Erfriſchungen die euch GOtt auff dem Land beſcheret / nicht vergnuͤgen laſſen: ſonder an mir / einem nackenden armen Mann der nichts als das Leben hat; reich werden wollet / ſoG 2ver -verſichere ich euch / daß ihr leer Stro treſchet; darumb bitte ich euch umb Chriſti unſers Erloͤſers Willen / laſt ab von eurem Beginnen / genieſſet gleichwohl die Fruͤchte deß Landts zu eurer Erfriſchung / und laſt mich in dieſer meiner Sicherheit / dahin mich euere beynahe tyranniſche und ſonſt betrohenliche Reden (die ich geſter in meiner Huͤtten vernehmen muͤſſen) zu fliehen verurſacht / mit frieden / ehe ihr (da der liebe GOtt vor ſeyn wolle) daruͤber in Un - gluͤck kombt; da war nun guter Rath theuer; aber unſer Siechentroͤſter ſchrye ihm hinwider zu und ſagte / hat euch geſter jemand moleſtirt, ſo iſts uns von Grund unſers Hertzens leyd / es iſt vom grobem Schiff-Volck geſchehen / das von keiner Diſcretion nichts weiß; wir kommen nicht euch zu pluͤndern noch Beut zu machen / ſonder nur umb Rath zu - bitten / wie den Unſerigen wider zuhelffen ſey / die mehrentheils auff dieſer Jnſul ihre Sinne verloh - ren; ohne das wir auch gern mit euch als einen Chriſten und Landsman reden: euch dem letzten Gebott unſers Erloͤſers gemeß / alle Lieb / Ehr / Treu und Freundtſchafft erweiſſen: und wanns euch beliebt / wider mit uns in euer Vatterland heimfuͤhren moͤchten;

Hierauff kriegten wir zur Antwort / er haͤtte geſter zwar wohl vernommen / wie wir gegen ihm geſinnet waͤren; doch wolt er dem Geſetz unſers Heylands zu folg boͤſes mit gutem bezahlen / und uns nicht verhalten wie den unſerigen wieder von ihrer Unſinnigen Wahnwitz zuhelffen ſeye; wir ſol - ten / ſagte er / die jenigen ſo mit ſolchem Zuſtand behafftet waͤren / nur von den Pflaumen darin ſie ihren Verſtand verfreſſen / die Kernen eſſen laſſen /ſoſo wuͤrde es ſich mit allen in einem Augenblick wider beſſern / welche wir ohne ſeinen Rath an den Pfer - ſigen haͤtten abnehmen ſollen / als an welchen die hi - tzige Kern / wann man ſie mir genieſſe / die ſchaͤdli - che Kaͤlte deß Pferſigs ſelbſt hinderireibe; dafern wir auch vielleicht die Baͤum ſo ſolche Pflaumen trugen nicht kennen wuͤrden / ſo ſolten wir nur Ach - tung geben / an welchem geſchrieben ſtunde /

Verwunder dich uͤber meine Natur /
Jch mach es wie Circe die Zaubriſch Hur.

durch dieſe Antwort und deß Teutſchen erſte Red kondten wir uns wohl verſichert halten / daß er von den unſerigen / ſo wir erſtmals auff die Jnſul ge - ſandt / erſchreckt: und gemuͤſſigt worden / in dieſe Hoͤle ſich zu retiriren; item daß er ein Kerl von rechtſchaffnen teutſchen Gemuͤth ſeyn muͤſte / weil er uns / ohnangeſehen er von den unſerigen mole - ſtirt worden / nichts deſtoweniger anzeigte / durch was die unſerige ihre Sinne verlohren und wor - durch ſie wider zurecht gebracht werden moͤchten; da bedachten wir ererſt mit hoͤchſter Reu / was vor boͤſe Gedancken und falſches Urthel wir von ihm gefaſt / und deſſentwegen zu billicher Straff in dieſe gefaͤhrliche finſtere Hoͤle gerathen waͤren; auß wel - cher ohne Liecht zu kommen unmuͤglich zu ſeyn ſchie - ne / weil wir uns viel zu weit hinein vertiefft hat - ten; derowegen erhub unſer Siechentroͤſter ſeine Stimm wiederumb gantz erbaͤrmlich und ſagte / ach redtlicher Landsman! die jenige ſo euch geſter mit ihren ungeſchliffenen Reden beleydigt haben / ſeynd grobe: und zwar die ungeſchliffneſte Leut von un - ſeren Schiffe geweſen; hingegen ſtehet jetzt hier der Capitain ſambt den vornembſten Officirn euch wi -G 3derumbderumb umb Verzeihung zubitten / euch freundlich zubegruͤſſen und zu tractirn auch mit zutheilen was etwan in unſerem Vermoͤgen befindlich und euch dienlich ſeyn moͤchte; ja wann ihr ſelber woͤlt / euch widerumb auß dieſer vertruͤßlichen Einſambkeit mit uns in Europam zunehmen; aber es wurde uns zur Antwort / er bedanckte ſich zwar deß gut Aner - bietens ſeye aber gantz nicht bedacht / etwas von un - ſeren offerten anzunehmen; dann gleich wie er ver - mittelſt Goͤttlicher Gnaden nunmehr uͤber fuͤnffzehen Jahrlang mit hoͤchſter Vergnuͤgung aller Menſch - lichen Hilff und Beywohnung an dieſem Ort entbaͤrẽ koͤnnen / alſo begere er auch noch nicht wider in Eu - ropam zu kehren / umb ſo thoͤrechter Weiß ſeinen jetzigen vergnuͤgſamen Staud durch eine ſo weite und gefaͤhrliche Reiſe in ein unruhiges jmmerweh - rendes Ellend zuverwechslen.

Das XXVI. Capitel.

NAch Vernehmung dieſer Meinung waͤre uns der Teutſche zwar wol geſeſſen geweſen / wann wir nur wider auß ſeiner Hoͤlen haͤtten kommen koͤn - nen; aber ſolches[uns] unmuͤglich; dann gleich wie wirs ohne Liecht nicht vermochten / alſo dorfften wir auch auff keine Hilff von den Unſerigen hoffen / wel - che auff der Jnſul in ihrer Dollerey noch herumb raſeten. Derowegen ſtunden wir in groſſen Aeng - ſten / und ſuchten die allerbeſte Wort herfuͤr / den Teutſchen zu perſuadirn, daß er uns auß der Hoͤlen helffen ſolte / welche er aber alle nichts achtete / biß wir endlich (nach dem wir ihm unſeren und der un - ſerigen Zuſtand gar beweglich zu Gemuͤth gefuͤhrt / er auch ſelbſt ermaſſe / daß kein theil dem andern vonsnuuns ohne ſeinen Beyſtand nicht helffen wuͤrde koͤn - nen) vor GOtt dem Allmaͤchtigen proteſtirten / daß er uns auß Hartnaͤckigkeit ſterben und Verderben lieſe / und daß er deſſentwegen am juͤngſten Gericht wuͤrde Rechenſchafft geben muͤſſen; mit dem An - hang / wolte er uns nicht lebendig auß der Hoͤlen helffen / ſo muͤſte er uns doch endlich wann wir da - rin verderben und geſtorben waͤren / todt herauß ſchleppen; wie er dann auch beſorglich auff der Jn - ſul Todte genug finden wuͤrde / die ewig Rach uͤber ihn zuſchreyen Urſach haͤtten / umb willen er ihnen nicht zuhilffe kommen / ehe ſie einander vielleicht / wie zu foͤrchten / in ihrem unſinnigen Zuſtand ſelb - ſten entleibten; durch diß Zuſprechen erlangten wir endlich / daß er uns verſprach auß der Hoͤlen zufuͤh - ren jedoch muſten wir ihm zuvor folgende fuͤnff Puncten / wahr / ſtaͤtt / veſt und unzerbruͤchlichen zu - halten / bey Chriſtlicher Treu und Altteutſchem Bi - dermanns Glauben verſprachen.

Erſtlich daß wir die jenige ſo wir anfaͤnglich auff die Jnſul geſaͤndet / wegen deſſen damit ſie ſich gegen ihm vergrieffen / weder mit Worten noch Wercken nicht ſtraffen ſolten; zweyten daß hinge - gen auch vergeſſen todt und ab ſeyn ſolte / daß er / der Teutſche / ſich vor uns verborgen / und ſo lange nicht in unſer Bitten und Begehren verwilligen wollen; drittens daß wir ihn als eine freye Perſon die niemand unterworffen / wider ſeinen Willen nicht muͤſſigen wolten / mit uns wiederumb in Europa[m]zuſchiffen / vierdtens daß wir keinen auß den Unſeri - gen auff der Jnſul hinderlaſſen wolten / und fuͤnff - tens daß wir niemanden weder ſchrifft: noch muͤnd -G 4lichich vielweniger durch eine Mappa kundt: oder of - fenbar machen wolten / wo und unter welchem Gra - du dieſe Jnſul gelegen; nach dem wir nun ſolches zuhalten betheuert / lieſſe er ſich gleich mit vielen Liechtern ſehen / welche auß den Finſtern wie die helle Stern hervor glaͤntzten / wir ſahen wol daß es kein Feur war / weil ihm Haar und Bart voll hinge / welches auff ſolchen Fall verbrennt waͤre; hielten es derowegen vor eytel Carfunckelſtein / die wie man ſagt / im Finſtern leuchten ſollen; da ſtiege er einen Felſſen auff den andern ab / und muſte auch an etlichen Orten durchs Waſſer watten / alſo daß er durch ſeltzſame Gruͤme und Umbweg (welche uns unmuͤglich zufinden geweſt waͤren / wann wir gleich wie er mit ſolchen Liechtern verſehen geweſt waͤren) ſich gegen uns naͤhern muſte; es ſahe alles mehr einem Traum: als einer wahren Geſchichte: der Teutſche ſelbſt aber mehr einem Geſpenſt: als einem wahrhafftigen Menſchen gleich; alſo daß ſich etliche einbildeten / wir waͤren auch gleich unſeren Leuten auff der Jnſul mit einer aberwitzigen Wahnſucht behafftet.

Als er nun nach einer halben Stund (dann ſo lange Zeit muſte er mit auff und abſteigen zubrin - gen / ehe er zu uns kommen konte) bey uns an - langte / gab er jedem nach teutſchen Gebrauch die Hand / hieſſe uns freundlich willkommen / und batt wir wolten ihm verzeihen / daß er auß Mißtrauen ſo lang verzogen haͤtte / uns wider an Tages-Licht zubringen; reichte darauff jedem eins von ſeinen Lichtern / welches aber keine Edelgeſtein: ſonder ſchwartze Keffer waren in der groͤſſe als die ſchroͤterinin Teutſchland / diſe hatten untem am Hals einen weiſſen Flecken ſo groß als ein Pfenning / da leuchtete in der finſtere vil heller als ein Kertze / maſſen wir durch diſe wunderbarliche Lichter mit unſerm Teutſchen wider gluͤcklich auß der grauſam - men Hoͤllen kamen /

Diſer war ein langer ſtarcker wol proportio - nirter Mann mit geraden Glidern / Lebhaffter ſchoͤner Farb / Corallen rothe Lefftzen / lieblichen ſchwartzen Augen / ſehr heller Stimm / und einem langen ſchwartzen Haar und Bart hie nnd da mit ſehr wenigen grauen Haaren beſprengt / die Haubthaar hiengen ihm biß uͤber die Huͤffte / und der Bart biß uͤber den Nabel hinunter; umb die Scham hatte er einen Schurtz von Balm-Blaͤttern und auff dem Haupt einen breiten Hut hatte auß Bintzen ge - flochten / und mit einem Gummi uͤberzogen / der ihn wie ein Tyriſol / beydes vor Regen und Son - nenſchein beſchuͤtzen konte; und im uͤbrigen ſahe er beynahe auß / wie die Papiſten ihren Sanctum Onoffrium abzumahlen pflegen; er wolte in der Hoͤllen mit uns nit reden / aber ſo bald er herauß kam / ſagte er uns die Vrſach / nemblich das ſie diſe Art an ſich: wann man darinn ein groß Getoͤß haͤtte / daß alsdann die gantze Jnſul daruon erſchit - tere / und einen ſolchen Erdbidem erzaige / daß die jenige ſo darauff ſeyen / vermeinen ſie wuͤrde unter - gehen / ſo er bey Lebzeiten ſeines Cammeraden vil mal probirt haͤtte / welches uns erinnerte an das jenige Loch in der Erden ohnweit der Statt Vieburg in Finnland / darvon Johann Raun in ſeiner Coſmographia am 22. Cap: ſchreibet; er verwiſeG 5unsuns darneben daß wir ſich fo frevenlich hinein be - geben / und erzehlte zugleich daß er und ſein Cam - merad wol ein gantz Jahr zugebracht / ehe ſie ſich deß Weegs hinein erkuͤndigt / welches ihnen aber gleich wol ohne gedachte Keffern / weil ſonſt alle Feur darin außloͤſchen / in vilen Jahren nimmer - mehr muͤglich geweſen waͤre; mithin naͤherten wir ſich zu ſeiner Hitten / die hatten die unſerige ſpolitt und allerdings ruinirt / welches mich hefftig ver - troſſe / er aber ſahe ſie kaltſinnig an / und thaͤt nicht dergleichen / das ihm ein Layd dardurch widerfahren waͤre; doch troͤſtet ich ihn / mit Entſchuldigung / daß ſolches wider mein Willen und Befelch ge - ſchehen / GOtt geb auß was Verhaͤngnus oder Be - felch / villeicht ihm zuerkennen zugeben / wieweit er ſich der Gegenwart und Beywohnung der Men - ſchen / vornemblich aber der Chriſten und zwar ſeiner Europeiſchen Landsleut zuerfreyen; die beyde ſo die Zerſtoͤhrer ſeiner armen Wohnung gemacht haͤtten / wuͤrde uͤber dreyſſig Ducaten in ſpccie nit ſeyn / die er ihnen gern goͤnne / hingegen waͤre der groͤſte Verluſt / den er erlitten / ein Buch das er mit groſſer Muͤhe von ſeinem gantzen Lebens Lanff: und wie er in diſe Jnſul kommen / beſchrieben; doch koͤnte ers auch leicht verſchmirtzen / weil er ein anders verfertigen koͤnte / wann wir ihm anders die Palm-Baͤum nit alle abhauen: und ihm ſelbſt das Leben laſſen wuͤrden; darauff erinnerte er ſelbſt zu - eilen / damit wir denen ſo ihre Vernunfft in den Pflaumen verfreſſen hatten / fein zeitlich wider zu - hilff kommen moͤchten.

Alſo gelangten wir zu angeregten Baumendarbeydarbey die unſerige beydes krancke und geſunde ihr Laͤger auffgerichtet; da ſahe man nun ein wunder - barlichs abentheurlichs Weſen; kein eintziger unter allen war noch bey Sinnen; die jenige aber ſo ihr Vernunfft noch hatten / waren zerſtoben und von den verꝛuckten entweder auff das Schiff oder ſonſten hin in die Jnſul geflohen; der erſte der uns auff - ſtieſſe / war ein Buͤchſenmeiſter / der kroche auff allen vieren daher / kraͤchſtete wie ein Sau / und und ſagte jmmerfort / Maltz / Maltz; der Meinung weil er ſich einbildete / er waͤre zu einer Sau worden / wir ſolten ihm Maltz zufreſſen geben; derohalben gabe ich ihm auß Rath deß hochteutſchen ein par Kern von denen Pflaumen / darin ſie alle ihre Witz verfreſſen / mit verſprechen / wann er ſolche geſſen haben wuͤrde / daß ſolche zuſich genommen / alſo das ſie kaum warm bey ihm worden / richtet er ſich wider auff und fieng an vernuͤnfftig zureden; und ſolcher Geſtalt brachten wir alle ehender als in einer Stund wider zurecht / da kan ſich nun jeder wol einbilden / wie hoch mich ſolches erfreute / und was Geſtalten ich mich obgedachten Hochteutſchen verbunden zu ſeyn erkennete / ſeintemal wir ohne ſein Hilff und Rath mit allem Volck ſambt dem Schiff und Guͤttern ohn allen Zweiffel haͤtten ver - derben muͤſſen;

Das XXVII. Capitel.

DA ich mich nun widerumb in einem ſolchen guten Stand befande / lieſſe ich durch den Trompeter dem Volck zuſammen plaſen / weil dieG 6wenigewenige geſunde ſo noch ihre Witz behalten / wie ob - gemelt / hin und wider auff der Jnſul zerſtreut vmb - giengen / als ſie ſich nun ſambleten / fande ich daß in ſolcher Dollerey kein einiger verlohren worden; derowegen thaͤt unſer Caplan oder Siechentroͤſter eine ſchoͤne Predig / in deren er die Wunder GOttes prieſe / vornemblich aber vilgemelten Teuͤtſchen der zwar alles beynahe mit einem Vertruß an - hoͤrete / dergeſtalt lobte / das der jenige Matraſe / ſo ſein Buch und 30. Ducaten angepackt / ſolches von freyen Stuͤcken wider hervor brachte und zu ſeinen Fuͤſſen legte; er wolte aber das Geld nit wider annehmen / ſonder batt mich / ich wolte es mit in Holland nemmen und wegen ſeines verſtorb - nen Cammeraden armen Leuten geben; dan wann ich / ſagte er / gleich vil Tonnen Golds haͤtte / wuͤſte ichs doch nicht zubrauchen; was aber das gegen - wertige Buch / ſo der Herꝛ hiebey zuempfangen / anbelangt / ſchenckte er mir daſſelbig / ſeiner dabey im beſten zugedencken.

Jch lieſſe vom Schiff Areca / Spaniſchen Wein / ein par weſtphaliſche Schuͤncken / Reiß und anders bringen / auch darauff ſiden und braten / diſen teutſchen zu gaſtirn und ihm alle Ehr anzuthun / aber er namb allerdings keine Lourboiſie an / ſonder behalffe ſich mit ſehr wenigen: und zwar mit der allerſchlechtiſten ſpeiß / welches wie man ſagt / wider aller teutſchen Art und Gewonheit laufft; die unſerige hatten ihm ſeinen vorraͤthigen Vin de Palm außgeſoffen / derowegen betrug er ſich mit Waſſer / und wolte weder Spaniſchen noch Rheini - ſchen Wein trincken / doch erzeigte er ſich froͤlich /weilweil er ſahe daß wir luſtig waren; ſein groͤſte Freud erw ſe er mit den Krancken umbzugehen / die er alle einer ſchnellen Geſundheit vertroͤſtete / und ſagte / er erfreue ſich dermal eins daß er den Menſchen: vornemblich aber Chriſt und ſonderlich ſeinen Landsleuten einmal dienen koͤnte / welcher ehe er ſchon lange Jahr beraubt geweſt waͤre; er war bey - des ihr Koch und Artzt / maſſen er mich unſerm Mecio und Balbierer fleiſſig conferirte / was etwan an dem einen und amdern zuthun und zulaſſen ſein moͤchte / weßwegen ihn dan beydes die Officianten und das Volck gleichſamb wie einem Abgott ehreten.

Jch ſelbſt bedachte mich weiln ich ihm dienen moͤchte; ich behielt ihn bey mir / und lieſſe ohne ſein Wiſſen durch unſere Zimmerleut widerumb ein neue Huͤtte auffrichten in der Form wie die luſtige Garten-Haͤuſer bey uns ein Anſehen haben; dann ich ſahe wol daß er weit ein mehrers meritirte, alß ich ihm anthun kondte oder er annehmen wolte; ſei - ne Converſation war ſehr holdſeelig / hingegen a - ber mehr als viel zu kurtz / und wann ich ihm etwas ſeiner Perſohn halber fragte / miſe er mich in gegen - wertiges Buch / und ſagte / zu demſelbigen hette er noch genuͤge beſchriben davon ihn jetzt zugedencken verdrieſſen thaͤt; Alß ich ihn aber erinnerte / er ſollte ſich gleichwol wider zu den Leuten begeben / damit er nit ſo einſamb wie ein unvernuͤnfftig Vihe dahin ſterbe / warzu er dann jetzt gute Gelegenheit hette / ſich mit uns wider in ſein Vatterland zumachen? antwortet er mein GOtt was wolt ihr mich zeichen hier iſt Fried / dort iſt Krieg; hier weiß ich nichtsG 7vonvon Hoffart / vom Geitz / vom Zorn / vom Neyd / vom Eyfer / von Falſchheit / von Betrug / von al - lerhand Sorgen beydes umb Nahrung und Klay - dung noch umb Ehr und Reputation; hier iſt eine ſtille Einſame ohne Zorn / Hader und Zanck; eine Sicherheit vor eitlen Begierden / ein Veſtung wider alles undrdenliches verlangen; ein Schutz wider die vielfaͤltige Strick der Welt und ein ſtille Ruhe / da - rinnen man dem Allerhoͤchſten allein dienen: ſeine Wunder betrachten / und ihm loben und preyſen kan; als ich noch in Europa lebte / war alles (ach Jammer! daß ich ſolches von Chriſten zeugen ſoll) mit Krieg / Brandt / Mord / Raub / Pluͤnderung / Frauen - und Jungfrauen ſchaͤnden ꝛc. erfuͤllt; Alß aber die Guͤte GOTTes ſolche Plagen ſambt der ſchroͤcklichen Peſtilentz und dem grauſamen Hunger hinweck nahm / und dem armen betrangten Volck zum beſten den edlen Frieden wider ſendete / da ka - men allerhand Laſter deß Wolluſts / als Freſſen / Sauffen und Spielen; huren / buben und ehebre - chen; welche den gantzen Schwarm der anderen La - ſter alle nach ſich ziehen / biß es endlich ſo weit kom - men / daß je einer durch Unterdruckung deß andern ſich groß zumachen / offentlich practicirt, dabey dañ kein Liſt / Betrug und Politiſche Spitzfindigkeit ge - ſparꝛt wird; und was das alleraͤrgſte / iſt dieſes / daß keine Beſſerung zuhoffen / in dem jeder vermeinet / wann er nur zu acht Tagen wanns wol geraͤth dem Gottesdienſt beywohne / und ſich etwan das Jahr einmahl vermeintlich mit GOtt verſoͤhne / er habe es als ein frommer Chriſt / nit allein alles wol auß - gerichtet / ſondern GOtt ſeye ihm noch darzu umbſolcheſolche laue Andacht viel ſchuldig; ſolte ich nun wi - der zu ſolchem Volck verlangen? muͤſte ich nit be - ſorgen wann ich dieſe Jnſul / in welche mich der liebe GOtt gantz wunderbarlicher weiß verſetzt / widerum̃ quittirte / es wuͤrde mir auff dem Meer wie dem lonæ ergehen? nein! ſagte er / vor ſolchen Beginnen wol - le mich GOtt behuͤten.

Wie ich nun ſahe daß er ſo gar keinen Luſt hat - te / mit uns abzufahren / fienge ich einen andern Di - ſcurs an / und fragte ihn / wie er ſich dann ſo einig und allein ernaͤhren und behelffen koͤndte? Jtem ob er ſich / in dem er ſovil hundert vnd tauſend Meilen von andern lieben Chriſten-Menſchen abgeſondert lebe / nicht foͤrchte; ſonderlich ob er nicht bedencke / wann ſein Sterbſtuͤndlein herbey komme / wer ihm alßdann mit Troſt / Gebett / geſchweige der Handrei - chung / ſo ihm in ſeiner Kranckheit vonnoͤthen ſeyn wuͤrde / zu huͤlff und ſtatten kommen werde; ob er alßdann nit von aller Welt verlaſſen ſeyn (und wie ein wildes Thier oder Vieh dahin ſterben muͤſte? da - rauff antwortet er nie / was ſeine Nahrung anlan - lange / verſorge ihn die Guͤtte GOttes mit mehrem als ſeiner tauſent genieſſen konten; er haͤtte gleich - ſamb alle Monat durchs Jahr ein ſondere Art Fiſch zugenieſſen / die in und vor dem ſieſſen Waſſer der Jnſul zulaichen ankaͤmen; ſolche Wolthaten Got - tes genieſſe er auch von dem Gefluͤgel ſo von einer Zeit zuer andern ſich bey ihm niderlieſſen / entweder zu ruhen und ſich zuſpeyſen oder Eyer zulegen und junge zuhecken; wolte jetzt von der Jnſul Frucht - barkeit als die ich ſelbſt vor Augen ſehe / nichts melden; betreffend die Hilff der Menſchen deren erbeybey ſeinem Abſcheid beraubt ſeyn muͤſte / bekuͤm̃ere ihn ſolches im geringſten nichts / wann er nur GOtt zum Freunde hab; ſo lang er bey den Menſchen in der Welt geweſen / haͤtte er jeweils mehr Vertruß von Feinden als vernuͤegungen von Freunden em - pfangen / und machten einen die Freund ſelbſt offt mehr Ungelegenheit als einer Freundſchafft von ihnen zuhoffen; haͤtte er hier keine Freund die ihn liebten und bedienten / ſo haͤtte er doch auch keine Feinde die ihn haſſen / welche beyde Art der Men - ſchen einen jeden zum ſuͤndigen bringen koͤnten / deren er aber beyder uͤberhoben / und alſo GOtt deſto geruhiger dienen koͤnte; zwar haͤtte er anfaͤng - lich vil verſuchungen beydes von ihm ſelbſten und den Erbfeind aller Menſchen erdulten und uͤber - ſtehen muͤſſen / er haͤtte aber allwegen durch Goͤtt - liche Gnad in den Wunden ſeines Erloͤſers (dahin noch ſein einiger Zuflucht geſtelt ſeye) Hilff / Troſt und Errettung gefunden und empfangen;

Mit ſolchem und gleichmaͤſſigen mehrerem Geſpraͤch brachte ich mein Zeit mit dem Teutſchen zu in deſſen wurde es mit unſeren krancken von Stund zu Stund beſſer ſo das wir den vierten Tag auch kein eintztgen mehr hatten der ſich klagt; wir beſſerten im Schiff was zubeſſern war / nahmen friſch Waſſer und anders von der Jnſul ein / und fuhren / nach dem wir 6. Tag ſich auff der Jnſul genugſamb ergetzt und erfriſcht / den 7. Tag aber gegen der Jnſul S. Helenæ / allwo wir theils Schiff von unſerer Armada fanden / die auch ihren Krancken pflegten und der uͤberigen Schiff erwar - teten; von dannen wir nachgehents gluͤcklich allhier in Holland ankommen;

Hie -

Hiebey hat der Herꝛ auch ein par von den leichtenden Keffern zuempfangen / vermittelſt deren ich mit offtgemelten teutſchen in obgeſagte Hoͤle kommen / welches wol ein grauſamme Wunder - ſpeluncke iſt / ſie war zimlich proviantirt mit Eyern welche ſich wie mir der Teutſche ſagt / in derſelbigen uͤbers Jahr halten / weil das Ort mehr kuͤhl als kalt iſt; in dem hinderſten Winckel der Hoͤllen hatte er vil hundert diſer Keffer / davon es ſo hell war / als in einem Zimmer darin uͤberfluͤſſig Lichter bren - nen; er berichtet mich / daß ſie zu einer gewiſen Zeit deß Jahrs auff der Jnſul von einer ſonderen Art Holtz wachſen / wuͤrden aber innerhalb 4. Wochen von einer Gattung frembder Voͤgel / die zu derſelbẽ Zeit ankommen und junge hecken / alle miteinander auffgefreſſen / alsdann muͤſſe er die Notdurfft ſenden / ſich deren das Jahr hindurch an ſtatt der Lichter ſon - derlich in beſagter Hoͤle zubedienẽ in der Hoͤle behal - ten ſie ihre Krafft uͤbers Jahr / in Lufft aber truͤcknet die leuchtende Feuͤchtigkeit auß / daß ſie den geringſten Schein nit mehr von ſich geben / wann ſie nur acht Tag todt geweſen; und gleich wie allein diſe geringe Keffern der Teutſche ſich der Hoͤllen erkuͤndigt und ihm ſelbige zu ſeinem ſichern Auffenthalt zunutz gemacht; alſo haͤtten wir ihm auch mit keinem Men - ſchlichen Gewalt / wann wir gleich 100000. Mann ſtarck geweſt waͤren / ohne ſeinen Willen nicht her - auß bringen koͤnten; wir ſchencken ihm bey unſerer Abraiß einen Engliſchen Prillen / damit er Feur von der Sonnen anzuͤnden koͤnte / welches auch das eintzige war ſo er von uns bittlich begehrt; und ob er zwar ſonſt nichts von uns annemmen wolte / ſo er von uns bittlich begehrt; und ob er zwar ſonſtnichtsnichts von uns annemmen wolte / ſo hinderlieſſen wir ihm doch eine Axt / ein Schauffel / ein Hau / zwey Stuͤck baunwollen Zeuͤg von Bengala / ein halb Dutzet Meſſer / eine Schaͤr / zween kuͤpfferne Haͤffen und ein par Kaninchen / zu probiern ob ſie ſich auff der Jnſul vermehren wolten; warmit wir dann einen ſehr freuͤndlichen Abſcheyd von einander genommen; und halte ich diſe Jnſul vor den aller - geſuͤndeſten Ort in der Welt / weil unſer Krancke innerhalb fuͤnff Tagen / alle miteinander widerumb zu kraͤfften kamen / und der Teutſche ſelbſt die gan - tze Zeit ſo er daſelbſt geweſen Von Kranck heit nichts gewahr worden.

ENDE.

Be -

Beſchluß.

Hochgeehrter großguͤnſtiger lieber Le - ſer / ꝛc. dieſer Simpliciſſimus iſt ein Werck vom Samuel Greifnſon vom Hirſchfeld / maſ - ſen ich nicht allein dieſes nach ſeinem Abſter - ben unter ſeinen hinderlaſſenen Schrifften gefunden / ſonder er bezeugt ſich auch ſelbſt in dieſem Buch auff den keuſchen Joſeph den er gemacht / und in ſeinem Satyri ſchen Pilger auff dieſen ſeinen Simpliciſſimum, welchen er in ſeiner Jugend zum theil geſchrieben / als er noch ein Mußquetirer geweſen; auß was Urſach er aber ſeinen Namen durch Verſetzung der Buchſtaben veraͤndert / und German Schleifheim von Sulsfort an deſſen ſtatt auff den Titul geſetzt / iſt mir unwiſſent; ſonſten hat er noch mehr feine Satyri ſche Ge - dichte hinderlaſſen / welche / wann diß Werck beliebt wird / wol auch durch den Truck an Tag gegeben werden koͤndten; ſo ich dem Le - ſer zur Nachricht nicht verbergen wollen; dieſen Schluß habe ich nicht hinderhalten moͤ - gen weil er die erſte fuͤnff Theil bereits bey ſei - nen Lebzeiten in Truck gegeben. Der Leſer leb wol. dat. Rheinnec den 22. Apprilis Anno 1668.

H. I. C. V. G. P. zu Cernhein.

About this transcription

TextContinuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben
Author Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Extent176 images; 39201 tokens; 8691 types; 267484 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationContinuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. . [82] Bl. FelseckerNürnberg1669.

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Badische Landesbibliothek Karlsruhe Karlsruhe BLB, KK 400http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-7278

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Prosa; core; ready; china

Editorial statement

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:58Z
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ShelfmarkKarlsruhe BLB, KK 400
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