NIcht unweißlich hat der verſtaͤndige Plato, den die Heyden zu ſeiner Zeit Goͤttlich prey - ſeten / geredet / wann er ſpricht / daß auß einem wol-erzogenen Juͤngling ein Goͤttliches / und auß einem uͤbel-erzogenen ein wildes Thier werde / und deſſen Zuhoͤrer / der Peripatetiſche Printz Ariſtoteles bekraͤfftiget ſolches / wann er darfuͤr haͤlt / daß gar viel daran gelegen ſey / von was fuͤr Maͤnnern / auf was fuͤr Weiſe / durch welche Wiſſenſchafften / in welcher Zeit und Ort die Jugend unterrichtet werde. Dann auß ſo - thanen wol-erzogenen Juͤnglingen werden dermahl - eins ſolche Leute / die ihrem Vatterland mit groſſem Nutzen vorſtehen koͤñen / und wir ſehen es an dem Lande der Griechen / welches / ſo lange die hohe Schulen und Wiſſenſchafften darinn im Flor geweſen / an ſich ſelber bey der gantzen Welt ein Schrecken und Wunder ge - achtet worden / ſo bald aber durch die eingeriſſene Bar - barey die hohe Schulen darauß vertrieben / uñ alle Loͤbl. Wiſſenſchafften von dannen verbannet worden / iſt es in ſolchen miſerablen Stand gerathen / daß es eine rech - te Sclavin unwuͤrdiger Nationen iſt geworden. Sol - chem nach / und in Betrachtung deſſen / ſiehet man un - ter den wol-beſtelleten Chriſtl. Policeyen (auſſerhalb Moſcau /) kein einziges Reich noch Land / oder Reſpu - bliq, welche nicht ihre feine hohe Schulen fuͤr die Ju - gend unterhalten; Wie es auf denſelben herzugehen pflege / das iſt in gegenwaͤrtigem Roman zur Gnuͤge beſchrieben / dann unter ſo viel Studenten findet man allerhand Gemuͤther / welche guten Theils / wann ſie in die erſte Freyheit gleichſam außgeflogen ſind / der Buͤ - cher wenig achten / ſondern / zumahlen wann ſie von be -**mittelVorſprach. mittelten Eltern herkommen / dem Frauenzim̃er nach - gehen / theils im Freſſen und Sauffen ſich wuͤhlen / theils auf den Kleider-Pracht und Stutzen ſich legen / andere balgen und ſchlagen ſich / in Meynung / eine ſonderbare Ehre dardurch zu erwerben / und was dergleichen Ex - ceſſen auf Academien mehr ſind / daß alſo ſchier nur die / welche armer Herkunfft / und ſich anders keines Aufent - halts zu getroͤſten haben / auß Noth gezwungen auf gu - te Wiſſenſchafften legen / welche demnach endlich fuͤr den auß der Art geſchlagenen Kindern der reichen und fuͤrnehmen Maͤnner herfuͤr geſuchet / und zu hohen Eh - ren befoͤrdert werden. Guͤnſtiger Leſer / du wirſt aller - hand Exempla in dieſem Academiſchen Roman finden / und glaube ich / es ſey nichts außgelaſſen / was einiger Maſſen darzu mag erfordert werden. Cavina zeiget an ſeiner Perſon ein fleiſſiges Muſen-Kind / Cerebacchius einen Debouchanten im Freſſen und Sauffen / Vene - reus einen Courtiſan, und Klingenfeld einen Balger / Troll aber einen halb-Gelehrten / der immerdar ein Huͤmpler und Stuͤmpler bleibet / dieſe Perſonen / damit ſie ihre Rolle wol ſpielen / raͤyſen in Geſellſchafft eines fuͤrnehmen und reichen Jtaliaͤniſchen Printzen / der ſie allenthalben defrayrt / biß ſie verſchiedene Academien beſuchet / und das Studenten-Leben rechtſchaffen præ - ſentiret haben. Man ſoll aber nicht gedencken / daß ich mich gekitzelt / mit den Haͤndeln derer / die das Academi - ſche Leben und Zeit mißbrauchet; Nein / ich habe ſolche Voͤgel nur abgemahlet / damit man ſie an ihren Federn kenne / und ſich ihrer zu entſchlagen hingegen dem Je - nigen zu folgen wiſſe / was als ruͤhmlich und zur Lehre iſt vorgeſtellet worden. Lebe wol / Vielgeneigter Leſer / und nimm das / was dir anſtehet / und nutzlich iſt / auß dieſem Buch / das uͤbrige aber laß dir zur Warnung dienen / damit Du und die Deinen dich darnach zu richten haben moͤgeſt.
Klingenfeld / ein Adelicher Student / iſt ungluͤcklich / uͤberkom̃t auf der Flucht ein Pferd / hat ſeltzame Ebentheuren / und leydet Mangel an Geld / kommt nach Bologne / und ſiehet / daß ein Student daſelbſt er - ſtochen worden. Er gehet fort / und wird von einem hoffaͤrtigen Eyſen - freſſer angefochten / den er aber gar bald zu demuͤthigen weiß.
ACh / ich Ungluͤckſeeliger! was fange ich doch nunmehr an? Jch huͤte mich ſo viel fuͤr Uneinigkeit und Streit - Sachen / als ein Menſch von der gan - tzen Welt / und gleichwol fuͤhret mich das Geſchick ſo gar unverſehens und tieff hinein / daß ich mir nicht wieder herauß zu helffen vermag. Was ſoll ich nun anfangen? Nach dieſer ungluͤcklichen That iſt mir die Thuͤre nach Jtalien hinfuͤhro ver - ſperret / und / wo ſoll ich Geld hernehmen / weiter fort - zukommen? Ach! ich elender Menſch / der ſo offtmahl bey den Haaren in das Ungluͤck gezogen wird! Alſo redete und klagete Klingenfeld bey ſich ſelber / da er gantz allein ohnweit Florentz auf dem Feld fortwan - derte / und nicht wuſte / wohin er ſich hinfuͤhro zu wen - den hatte. Er gieng ſtaͤts vor ſich hin / und galt ihm gleich viel / wohin er kaͤme / wann man ihn nur nicht in dem Gebiet von Toſcanen ertappen moͤchte / das Gluͤck fuͤgete es gleichwol alſo / daß er ſich nach der lincken Seiten lenckete / allwo er bald einen angeneh - men Wald erreichete / woſelbſt er ſich unter einem Schatten-reichen Baum bey der warmen Som̃ers -AZeit2Deß AcademiſchenZeit niederlegete / und deß ſuͤſſen Schlaffes genoſſe. Er hatte weder zu beiſſen / noch zu brechen / darzu nur etliche wenige Pfenninge in ſeiner Taſchen.
Der Schlaff hielte ihn ſo lang in Ruhe / daß die Sonne daruͤber nicht allein ſchlaffen gieng / ſondern er ſchlieff darzu noch einen guten Theil in die Nacht hinein / und ich glaube / er waͤre von ſich ſelber noch nicht erwachet / wo er nicht durch was ſonderliches waͤre aufgemuntert worden / nemlich: Es galoppire - te Jemand auf einem ſchweren Pferd daher / wor - durch die Erde erſchuͤtterte / daß ſie unter ihm bebete / wannenhero ſich ſeine eingeſchlummerte Sinnen wie - der ermunterten / und ſeine Augen erſchloſſen. Da - mahl hielte der unvermuthliche Reuter ſtill / ſtieg vom Pferd ab / band es an einen Zweigen / loͤſete die Hoſen / und verrichtete das Werck der Natur. Klingenfeld ſahe dem Handel ein wenig zu / gedachte aber bald bey ſich ſelber alſo: Dieſer Menſch iſt ſo unverſchaͤmt / daß er ſich mir bey nahe vor die Naſe ſetzet / dannen - hero thue ich ja nicht unrecht / wann ich mich nach ei - nem tauglichen Mittel umſehe / um dieſem unleyd - lichen Geſtanck mich forderſamſt zu entziehen. Als er dieſes bey ſich reſolviret / ſtund er auf / und ſchlich in ſanfften Tritten nach dem Roß / loͤſete es behende / und nachdem er ſich darauf geſchwungen / rieff er Jenem / dem es gehoͤrete / zu / und ſprach: Mein Freund / es iſt billich / daß ich mich behende auß dieſem Geſtanck / wo - mit du dieſe Gegend anjetzo erfuͤllet haſt / erhebe / folge mir nur bald nach / und ſo du mich antriffſt / wil ich dir als dann dein Roß unwegerlich wieder zuſtellen. Ob nun gleich der andere mit Fluchen und Schwoͤren darwider proteſtirete / wolte doch Klingenfeld gar nicht darnach hoͤren / ſondern eylete mit ſeinem Pferd fort / biß er nach etlichen wenigen Stunden in einentieffen3Romans I. Buch. tieffen Moraſt verfiel / darauß er ſich zwar letztlich mit groſſer Muͤhe wieder loß machte / aber das Pferd hat - te ſich dergeſtalt verarbeitet / daß es der Ruhe hoͤch - ſtens benoͤthiget / und alſo Klingenfeld abſteigen muſte / um ſeinem Traͤger die Ruhe / und etwas Waͤyde / zu goͤnnen. Er behielte den Zuͤgel ſtaͤts in ſeiner Hand / und ſahe mit Freuden / wie begierig das ermattete Thier bey hellem Mond-Schein in dem fetten Graß waͤydete; Endlich legete ſich das matte Thier nieder / und genoſſe der Ruhe / um ſeine ermuͤ - dete Glieder wieder ein wenig zu erquicken. Klingen - feld ſaſſe neben demſelben / und bewachete es / wie ſei - nen Aug-Apffel / allermaſſen kein Schlaff mehr in ſeinen Augen Platz finden kunte. Als endlich die liebliche Morgen-Roͤthe anbrach / ſtund das Roß von ſich ſelber auf / und gab ſeinem neuen Herꝛn Gelegenheit / ſich wieder in den Sattel einzuſchwin - gen. Nachdem er etwa eine halbe Stunde fortgerit - ten / kam er auß dem Wald auf ein ebenes Feld / allwo er einen Mann erblickete / der zur Seiten her zu ihm kam / und ihm einen freundlichen Morgen wuͤn - ſchete. Klingenfeld danckete ihm gar freundlich / und warte ſeiner ein / ſo bald aber Jener nahe gnug kom - men / griff er dem Pferd in den Zuͤgel / und bemuͤhete ſich / unſern Wandersmann auß dem Sattel zu werf - fen; dieſer aber zuckete ſeinen Degen / und gab ihm ei - nen ſolchen Streich uͤber die Hand / daß er den Zuͤgel muſte fahren laſſen / und damahl erkannte Klingen - feld allererſt / mit wem er es zu thun hatte / nemlich mit dem / der ihm vorige Nacht das Pferd zugefuͤhret hatte. Weil nun dieſer ein groſſes Geſchrey anfieng / und der andere beſorgete / es moͤchte Jemand darzu kommen / daß er Ungelegenheit darvon haͤtte / zuckete er den Hut Spottweiſe vor Jenem / und ſprach:A 2Mein4Deß AcademiſchenMein Freund / leyhet mir nur noch dieſen Tag euer Pferd / Morgen ſollet ihr es gewißlich wieder haben. Hiermit wartete er nicht auf ſeine Antwort / ſondern ſtieß das Roß mit beyden Fuͤſſen / in Ermanglung der Spohren / in die Seiten / und jagete wie ein Vogel darvon. Gegen den Mittag erreichete er ein Dorff / ſo ziemlich weit von der Land-Straſſen abgelegen war / daſelbſt nahm er etwas Speiſe zu ſich / ſetzete ſich aber bald wieder auf / und ritte ſeines Weges.
Die einbrechende Nacht zwang ihn / in einem Wirthshauß / ſo gantz allein an dem Weg ſtund / ein - zukehren / er zohe demnach das Roß in den Stall / ließ ihm etwas Futter langen / nahm die geladene Piſto - len zu ſich / und gieng in die Stube / hieſelbſt ward ihm aufgetiſchet / und weil er wol gekleidet war / gedachte der Wirth / ſo ein leichtfertiger Vogel war / ein Stuͤck Geldes bey ihm zu erhaſchen / berieff demnach ſeine Mord-Bruͤder / und berathſchlagete ſich mit denſel - ben / uͤber den / ihrer Meynung nach / fetten Braten. Nach eingenom̃ener Mahlzeit zeigete man dem Gaſt ein kleines Kaͤmmerlein / darinn ſeine Nacht-Ruhe zu nehmen / derſelbe aber merckete auß allen Umſtaͤnden den Poſſen / und gedachte dieſer Gefahr mit Liſt zu entrinnen. Er wandte vor / zuzuſehen / ob dem Pferd auch wol gewartet ſey / gieng alſo mit den Piſtolen in dem Guͤrtel nach dem Stall / zohe das Pferd / dem der Sattel ſchon abgenom̃en war / mit der bloſſen Halff - ter herauß / und wolte es ſelber traͤncken / wie er aber ſahe / daß ihm 3. Baum-ſtarcke Kerls ſtaͤts auf dem Fuß nachfolgeten / gedachte er wol / daß ihm eine uͤbele Kappe zugeſchnitten ſey / ſchwung ſich demnach in aller Behendigkeit auf das Roß / und jagete mit ihm darvon / obgleich der Wirth / und ſeine Gaͤſte / die Zeche von ihm mit Fluchen und bedrohlichen Wor - ten foderten.
Er5Romans I. Buch.Er kam 3. Stunden hernach zu einem Dorff / und traff eine bequeme Herberge an / er war erfreuet / als man ihm berichtete / daß er ſchon in dem Kirchen - Gebiet ſey / und das Florentiniſche Land hinter ſich geleget haͤtte. Man wolte ihm etwas Speiſe vor - ſetzen / aber er wuſte / wie mager ſein Beutel war / und in dieſer Gegend hatte er ſich keines Wechſels zu ge - troͤſten / dahero wolte er nichts genieſſen / fuͤrwendend / daß er vor wenigen Stunden an jenem Ort ſeine Abend-Mahlzeit zu ſich genommen haͤtte. Dieſe Nacht geſtattete ihm eine ſanffte Ruhe / und als er fruͤhe Morgens erwachete / fragete der Wirth / wo er den Sattel gelaſſen haͤtte? Klingenfeld beredete ihn / daß in voriger Herberge / da er kaum abgeſtiegen / das Roß ſich in dem gepflaſterten Stall uͤberworffen / und den Sattel / ſamt den Piſtol-Holfftern / gantz zerbro - chen / woruͤber er ſo entruͤſtet worden / daß er es hart geſchlagen / und daruͤber habe das Pferd den Zaum / mit welchem er es gehalten / auch zerbrochen. Der Wirth zeigete ihm einen guten Sattel und Zaum / und botte ihm ſolche Stuͤck fuͤr einen guten Preiß an / dieſer war darmit zufrieden / probirete den Sattel und Zaum an ſeinem Pferd / ſetzete ſich hernach auf / und warff dem Wirth einen halben Thaler zu / mit der Bedeutung / daß er nicht einen Pfenning mehr Geld bey ſich haͤtte / muͤſſe er alſo darmit fuͤr jetzo zufrieden ſeyn / biß er in wenigen Tagen wieder komme / ſo wolle er ihm den Reſt bezahlen / damit wandte er das Pferd um / und ritte behende zum Hof hinauß / ſtieß auch das Roß auf dem Feld ſtarck an / und weil daſſelbe auf den Fuͤſſen uͤberauß ſchnell / verließ er ſich darauf / und kam alſo den Bauren / die ihm nachſetzeten / gar bald auß dem Geſichte.
Zwo Stunden hernach erblickete er die ThuͤrneA 3der6Deß Academiſchender groſſen Stadt Bologne, und wie er naͤher hinzu kam / ſahe er einen groſſen Hauffen Menſchen auf dem Feld vor dem Thor / und darunter einen todten wol - gekleideten Menſchen / von welchem man ihm erzeh - lete / daß er vor einer halben Stunde von einem fuͤr - nehmen Cavallier in einer Schlaͤgerey ſey erſtochen worden. Er wuſte wol / daß es in den Staͤdten ziem - lich theuer / und daß die Gaſtgeber dariñ allwege rich - tig muͤſten bezahlet ſeyn / dannenhero ſetzete er ſeinen Weg fort / und gelangete um die Mittags-Stunde zu einem ſchoͤnen Vorwerck / recht an der Land-Straſ - ſen / woſelbſt eine alte Frau ſaß mit gargekochten Speiſen / und den allerſchoͤnſten Fruͤchten / die man haͤtte wuͤnſchen koͤnnen. Klingenfeld ließ ihm ein gut Stuͤck Gebratenes reichen / ſamt einem friſchen Waͤi - tzen-Brodt / und etwas Fruͤchten / noͤthigte hernach ſein Pferd fortzugehen / und wieſe die alte Frau dar - mit ab / daß er auf dem Weg ſey / ein Bettel-Muͤnch zu werden / worzu ihm die from̃e Alte Gluͤck wuͤnſchete / und nichts fuͤr ihr Tractament begehrete.
Am Abend kam er zu einem kleinen Staͤdtlein / und weil ſolches ein Paß / war es ihm unmoͤglich / ſel - biges vorbey zu paſſiren / ritte demnach hinein / und kehrete in einer anſehnlichen Herberge ein / ob er gleich nicht wuſte / mit welchem Contento er von dannen wieder herauß kommen moͤchte / dann er hatte nicht mehr / als nur noch einen halben Orths-Thaler bey ſich. Er zohe ſein Pferd in den Stall / und ließ ihm ein gutes Futter geben / ſorgete auch mehr fuͤr ſelbiges / als fuͤr ſeine eigene Perſon / und ſich glaube / er haͤtte es gerne um ein Stuͤck Geldes verhandelt / damit er deſto fuͤglicher haͤtte fortkommen moͤgen / wann er nur ei - nen rechtſchaffenen Kauffmann vor ſich gefunden haͤtte. Uber der Mahlzeit ward er wol tractiret / undfand7Romans I. Buch. fand ſich darbey ein anſehnlicher Menſch ein / welcher ſehr hoffaͤrtige Minen hatte. Dieſer blickete unſern Klingenfeld ſehr unfreundlich an / und gab gnugſam zuverſtehen / daß er ſeiner wenig achtete. Sie redeten uͤber der Mahlzeit kein Wort mit einander / als aber die Speiſen abgenommen worden / ließ der Fremd - ling eine Frantzoͤſ. Karte langen / und noͤthigte unſern Wandersmann zu einem Spiel. Dieſer betrachtete zwar ſeines Beutels Kranckheit / jedoch hoffete er / durch einen ehrlichen Gewinn / demſelben etwas wie - der einzubringen / ließ ſich demnach nicht lange zum Spielen noͤthigen / ſondern band mit ihm an / aber / weil Jener die 3. erſte Spiele nach einander verlohr / ward er zornig / und warff die Karte untern Tiſch / be - ſchuldigte auch den Klingenfeld / daß er falſch ſpielete. Dieſer excuſirte ſich Anfangs mit hoͤflichen Worten; Aber / als der Wirth herzu kam / und Jenem hart zu - redete / indem er ihm vorwarff / daß er mit allen Leuten Haͤndel anfieng / auch ſchon etliche mahl mit ihm ſel - ber angebunden / und ihn deß falſchen Spielens be - ſchuldiget haͤtte / da ſprach Klingenfeld auß einem hoͤ - hern Thon / und ſagte: Hoͤre Kerl / du muſt wiſſen / daß du es nicht mit einem Bernheuter / ſondern mit ei - nem rechtſchaffenen Teutſchen aufgenommen haſt / du beſchuldigeſt mich deß falſchen Spielens / das iſt eben ſo viel / als wann du mich fuͤr einen Betrieger haͤtteſt außgeſcholten / darum muſt du das Spiel fer - ner continuiren / oder mir andere Revenge geben.
Jener ſprang alſobald hinter dem Tiſch herfuͤr / langete ſeinen langen Degen / und ſprach: Kerl / weiſt du wol / wie ich heiſſe? Du magſt Alexander oder Hannibal heiſſen / bekam er zur Antwort / ſo ſolt du wiſſen / daß fuͤr deinem Namen ich mich im allerge - ringſten nicht fuͤrchte. Wolan / fuhr Jener fort / ſoA 4wiſſe /8Deß Academiſchenwiſſe / daß ich heiſſe der Cremoniſche Eyſenfreſſer / und daß ich zu Padua gantzer 2. Jahre den Namen deß be - ruͤhmteſten Balgers gehabt; Das ſage ich dir zur Nachricht / darum mache dich fertig / du muſt heute noch Blut laſſen. Der andere lachete deß Narren / und ſagte: Es iſt mir lieb / daß ich mich mit einem be - ruͤhmten Balger / wann anders deine Worte mit der That uͤbereinkom̃en / herum ſchmeiſſen ſoll / und heiſ - ſeſt du Eyſenfreſſer / ſo bin ich Klingenfeld genannt / weil ich nichts lieber ſehe / als eine blancke Degen - Klinge auf einem Schlag-Feld / darum ſaͤume nicht lange / ſondern halte dich / wie einem beruffenen Ertz - Balger gebuͤhret.
Der Eyſenfreſſer zeigete durch ſeine Fertigkeit in Entbloͤſſung deß Degens / daß es ihm an guter Courage nicht ermangele. Klingenfeld war auch nicht ſaumſeelig / ſondern zuckete ſeine Klinge / und darauf giengen ſie in der Stuben bey Liecht auf einander loß. Der Erſte wolte dieſem einlauffen / aber er kam uͤbel an / dann Klingenfeld erhaſchete ſeinen Degen beym Gefaͤß / riſſe ihm denſelben auß der Fauſt / warff ihn mit groſſer Behendigkeit zu Boden / und ſetzete ihm ein Knie auf die Bruſt. Damahl tratten etliche feine Leute auß der Nachbarſchafft herein / welche den Tu - mult angehoͤret hatten / und wolten ſteuren helffen / aber der Wirth hielte ſie ab / und ſprach: Es hat keine Noth / ihr lieben Leute / deß Eyſenfreſſers Hochmuth iſt jetzo gedemuͤthiget / er wird uns hinfuͤhro nicht mehr ſolche Haͤndel machen / hiermit gab er unſerm Klingenfeld den Rath / er ſolle jetzo eine freye Zeche fuͤr dieſe gantze Geſellſchafft auf zukuͤnfftigen Tag von dem Eyſenfreſſer bedingen / derſelbe aber wartete nicht ſo lange / ſondern offerirte ſich ſelber darzu / und bathe den Klingenfeld / daß er wolle ſein Freund ſeyn. Alſo9Romans I. Buch. Alſo war der Streit gehoben / und da der Niederge - worffene wieder aufgeſtanden / kuͤſſete er ſeinen Ge - genpart / und ſchwur / daß er hinfuͤhro ſein getreuer Diener ſeyn wolte / inmaſſen noch keiner geweſen / der ihm im Degen uͤberlegen / als er. Sie blieben aber die - ſen Abend nicht lang mehr beyſammen / ſondern / weil es ſchon ziemlich ſpaͤth in die Nacht / verfuͤgete ſich ein Jeder an ſeinen Ort / um der verlangten Nacht-Ruhe zu genieſſen. Als aber der folgende Tag anbrach / be - fahl der ſo genannte Eyſenfreſſer / der ſonſt Ferrarius hieß / daß der Wirth eine gute Collation anſtellen moͤchte. Klingenfeld machte ſich auch bey Zeiten in die Kleider / ſahe nach ſeinem Pferd / und ließ ihm ein gutes Futter reichen. Er hatte zwar keine Luſt / ſich laͤnger an dieſem Ort aufzuhalten / aber Ferrarius, der nunmehr ſein beſter Freund worden / noͤthigte ihn / die Collation mit verzehren zu helffen. Er erſuchte ihn aber darneben auch / ihm den jenigen Vortheil zu zei - gen / Krafft deſſen er ihn vorigen Abends ſo behende unter die Fuͤſſe gebracht haͤtte / welches der andere verrichtete / und war dem Jtaliaͤner dieſe Lection ſo angenehm / als wann ihm ein anderer hundert Tha - ler verehret haͤtte.
Man diſcurriret allhier von den Academien / inſonderheit von denen / die bey den Alten zu Ninive / Babylon / und unter den Kin - dern Jſrael in ſonderbarem Ruff geweſen.
UM den Mittag ſtelleten ſich die erbettene Freunde nach einander ein / und der Gaſtge - ber hatte auch wacker zugerichtet / dahero ſich die Geſellſchafft recht froͤlich bezeigete / und ließ ihm ein Jeder den Florentiner-Wein wol ſchmecken / dan - nenhero ſie in allerhand Diſcurſe verfielen / und be - hauptete der Wirth / er glaube / es ſtuͤnde beſſer in der Welt / wañ man keine Academien haͤtte / als worauf /A 5wie10Deß Academiſchenwie an Ferrario zu ſehen / die Jugend zu allerhand Ex - ceſſen verleitet / und ſo Duͤnckel-witzig wuͤrde / daß ſie ihnen groſſe Streiche einbildeten / dahero ſie ihre vor - geſetzte ordentliche Obrigkeit manchmahl wenig ach - teten / ſondern vielmehr taͤglich im Sauſſen und Schmauſſen / im Spielen und Dobbeln / im Schla - gen und Balgen / oder gar in allerhand Wercken der Unzucht ſtaͤts lebeten. Es war ein alter Geiſtlicher zu - gegen / der klopffete dem Wirth jetzo auf die Schul - tern / und ſprach: Holla! mein Freund / ihr machet kei - nen Unterſcheid zwiſchen dem Mißbrauch und rech - ten Gebrauch der Univerſitaͤten / die jenige Studenten / welche ſich nach ihren vorgeſchriebenen Regeln ver - halten / ſind hoch zu halten / und aller Befoͤrderung werth / inmaſſen die Welt ohne gelehrte Leute nicht wol mag regieret werden. Hieruͤber ſchuͤttelte der Wirth den Kopff / und ſagte: Mein lieber Vatter / auf ſolche Weiſe ſoltet ihr mir wol einbilden / weiß waͤre ſchwartz. Fuͤrs Erſte habe ich noch mein Lebtage keinen frommen Studenten geſehen / und zum andern finde ich weder in der Bibel / noch ſonſten / daß man im Alten Teſtament / und hernach zu Zeiten Chriſti / von Academien gewußt habe.
Der Geiſtliche bedeutete ihm aber das Gegen - theil / daß er nemlich hierdurch manchem rechtſchaffe - nen Studenten zunahe redete; Er ſolle nur nach Bo - logne gehen / oder ſeine Obrigkeit und Beicht-Vatter betrachten / ſo wuͤrde er ſich an denſelben eines andern zu beſcheiden wiſſen; Daß auch die Alten von keinen Academien gewußt / deſſen wolte er ihm wol das Ge - gentheil beybringen / wann er der Geſellſchafft darmit wolte beſchwerlich fallen. Als aber die andern dieſen Pater alſo diſcurriren hoͤreten / noͤthigten ſie ihn / in ſei - nem guten Vorhaben ſich nicht aufzuhalten / aller -maſſen11Romans I. Buch. maſſen ihnen dieſer ein ſehr angenehmer Diſcurs ſeyn ſolte / wannenhero er ſich in folgende Worte mit ei - ner anſtaͤndigen Manier herauß ließ: Wir muͤſſen bekennen / daß das Menſchliche Geſchlecht bald nach der Suͤndfluth unglaublicher Weiſe angewachſen / und den wiederholten Seegen GOttes im 1. Buch Moſis reichlich erfuͤllet. Es ſchreiben etliche / es waͤren immerdar Zwillinge / ein Maͤnnlein und Fraͤulein ge - bohren worden. Ein gelehrter Mann / Auguſtinus Torniellus, hat außgerechnet / daß ein Paar Eheleute innerhalb 250. Jahren / durch ſich und ihre Kinder / haben ſechszehen mahl hundert tauſend / und ſieben und viertzig tauſend Kinder zeugen koͤnnen. Wir wol - len ſchweigen von den Ritterlichen Thaten deß Ni - nus, welche Cteſias beſchreibet / und auß ihm Diodo - rus Siculus, welche bekennen / daß er ſey außgezogen mit 700000. Fußgaͤngern / und 200000. Reutern / 10600. Wagen / die mit krummen und neben ſich ſchneidenden Eyſen bewahret / und darauf umſtrei - chende Schwerdter geweſen / die / je feſter die Waͤgen gelauffen / je ſchneller die Schwerdter loß geſchlagen. Eben darum muſten die erſten Monarchen nothwen - dig hohe und niedrige Schulen anrichten / damit das maͤchtige Volck koͤnte regieret / und die taͤglich-auf - wachſende Jugend in den Kuͤnſten und Sitten erzo - gen werden / welche man durchauß nicht wuſte zu ent - baͤhren Dazumahl ſeyn die gewaltige hohe Schulen in der Heydenſchafft aufgangen / Babylon und Ni - nive / inmaſſen der fuͤrtreffliche Henricus bezeuget; ſin - temahl / was nur an gelehrten / erfahrnen und verſuch - ten Leuten zu ſpuͤren / muſte dahin / als in die beruͤhmte Reſidentzen und Haupt-Staͤdte / geſammlet werden. Auch / wo unter den Handwerckern geſchickte Meiſter und ſubtile Arbeiter in Metallen / Holtz und Steinen /außzu -12Deß Academiſchenaußzuforſchen / wurden von ihren Eltern und Vatter - land beruffen / und in vorgedachte Orte gefuͤhret.
Wolte GOtt / daß wir die gruͤndliche Beſchrei - bung der Univerſitaͤt zu Babylon und Ninive ſehen moͤchten! Fuͤrwahr / die rechtſchaffene Studenten duͤrfften ſich mit Beſtuͤrtzung und Luſt verlieben / an dem Pracht und Majeſtaͤt ſo vieler Collegien / an der wunderbaren Menge der Academiſchen Burger - ſchafft / an Fuͤrſtlichen / herꝛlichen / auch von Natur und Mutterleibe / Adelichen Kindern / an der Weiß - heit ſo heilſamer Geſetzen / an der Zierlichkeit ſo rich - tiger Ordnung in Facultaͤten / Diſciplinen und Ubun - gen / und an der Strengigkeit der Ritterlichen Spie - len / an dem Unterſcheid ſo vieler Voͤlcker und Zun - gen. Etliches Weniges iſt bewußt / von der Koͤnigl. Stifftung / in welcher die Soͤhne deß Großmaͤchti - gen Potentaten abſonderlich erzogen / und neben den Adelichen Sitten / in fremden Sprachen / in nuͤtzlichen Lehren / die zu Regimenten und Kriegen dieneten / Heroiſchen Hiſtorien / ſchoͤner Wolredenheit / auch in der reinen Magia und Chymia, mit ihren Blut-Ange - hoͤrigen / unterrichtet worden.
Nicht allein aber unter der Heydenſchafft ſeyn zur ſelbigen Zeit hohe Schulen aufgangen / ſondern auch bey denen / die GOtt recht erkannt / und geehret haben. Wir leſen im 1. Buch Moſis am 25. Cap. Eſau ward ein Jaͤger und Ackermann / Jacob aber ein Fromm-Mann / und bleib in der Huͤtten. Allhier ſagen die Juden bey dem Lyranus, Jacob ſey bald ein Student worden / Eſau aber ein Walo - und Welt - ling; Melden zugleich / es waͤren ſchon allbereit Schu - len geweſen / eine deß Sems / mit dem Zunahmen Melchiſedech / die andere deß Heber / die dritte deß Abraham. Daher ſtehet in der Chaldæiſchen Dolmet -ſchung:13Romans I. Buch. ſchung: Jacob war ein aufrichtiger Mann / und Die - ner im Hauß der Lehre. Wann dem alſo / (wiewol es im Hebræiſchen anders ſcheinet /) hat der Knabe Jacob in dieſen Dreyen ſtudiren koͤnnen. Und ſoll Niemand gedencken / die Profeſſores haͤtten dazumahl ſchlechte Dinge von der Religion, von den Tugen - den / und noch mehrern irꝛdiſchen und Himmliſchen Stuͤcken gelehret; Dann je naͤher die Laͤuffte an die Suͤndfluth reichen / je herꝛlicher / weiſer / geſchwin - der und keuſcher haben die Wiſſenſchafften gebluͤ - het / ſeyn aber nachmahls von mancherley Winden der Phantaſeyen und Deuteleyen angehauchet wor - den. Wem beliebet / kan aufſchlagen von den alten Egyptern / und finden das theure Lob / welches ſie ih - nen und ihren Nachfolgern in vortrefflichen Wiſſen - ſchafften erworben. Wer Luſt zu lernen von dem Lauff der Sternen / von der Verwandelung der Elementen / von der Krafft der Gewaͤchſen / von dem Unterſcheid der Thiere / von der Groͤſſe der Felder / von der Hoͤhe der Berge / der Tieffe der Abgruͤnde / der Ferne der Laͤnder / den Heimlichkeiten der Schrifft / dem Abſtei - gen der Zeiten / und noch andern / zog in Egypten. Un - terdeſſen bleibet wahr / die erleuchteten Patriarchen haͤtten die Schulen daſelbſt gepflantzet / begoſſen / und GOtt das Gedeyen darzu gegeben. Zu dem liget vor Augen das Kiriath Sepher, die Stadt der Kuͤnſten / darum genennet / weil an dem Ort eine fuͤrnehme Gymnaſtiſche und Academiſche Schul geſtanden.
So bald die Kinder Jſrael in das gelobte Land eingezogen / haben / entweder der Loͤbl. Fuͤrſt Joſua / oder die tapffern Richter / die Studien verleget in die Stadt Abel / welche zu dem Stam̃ Benjamin gehoͤ - rete. Solches iſt offenbahr / auß der Rede der Helden - Frauen / die zu Jacob ſagte: Vorzeiten ſprach man /wer14Deß Academiſchenwer fragen wil / der frage zu Abel / und ſo gienge es wol auß. Jch bin eine von den friedſamen und treuen Staͤdten in Jſrael / und du wilt die Stadt toͤdten / und die Mutter in Jſrael? 2. B. Sam. c. 20.
Was die Meynung dieſer Rede ſey / koͤnnen auch die Laͤyen leſen in ihren Bibeln / und ſehen / daß kluge und verſtaͤndige Maͤnner darinnen gewohnet / welche dem gantzen Volck in zweiffelhafftigen Sachen mit geſundem Rath helffen koͤnnen. Woher aber dieſes? Daher / weil eine hohe Schul daſelbſt geweſen / gele - gen an einem ſtillen Ort / gefaſſet mit heilſamen Ge - ſetzen / verſorget mit gnugſamen Guͤthern / daß auch deßwegen alle Staͤmme ihre liebſte Kinder gen Abel / als zu der holdſeeligen Mutter / ſchicken duͤrffen. Eine ſolche Stadt war Abel / und ließ ſich an den freyen Kuͤnſten erſaͤttigen. Jeruſalem / Bethlehem / Ra - math / Siloa / Gibea / moͤchten prangen wegen der Koͤnigl. Reſidentz / Burg und der H. Stiffts-Huͤtte; Abel war die getreueſte Mutter / die gelehrteſte Mei - ſterin / die fleiſſigſte Pflegerin aller der Edelſten Soͤh - ne in Jſrael. Zu Abel wurde Urtheil geſprochen in Weltlichen / zu Abel wurde Beſcheid gegeben in Geiſtlichen / zu Abel wurden ſcharffſinnige Dinge getrieben in zeitlichen Sachen. Abel blaͤhete ſich nicht wegen der groſſen Gewalt / Reichthums / Schmucks und Vortrefflichkeit / ſondern danckete GOtt / daß die Himmliſche und irꝛdiſche Weißheit eine koͤſtliche Wohnung zwiſchen ihren Mauren auf - geſchlagen hatte.
Zuletzt / als Salomon den praͤchtigen Tempel gebauet / und neben demſelbigen eine gewaltige Uni - verſitaͤt angerichtet / und ſtattlich eingeweyhet / auch mit nachdencklichen Ehren-Tituln oͤffentlich gezie - ret / inmaſſen viel Theologen auß den vernuͤnfftigenSpruͤch -15Romans I. Buch. Spruͤchwoͤrtern / und dem Hauſe der Weißheit / ſo etlich mahl gelobet wird / abmercken / ſeyn die Studia alle gen Jeruſalem geruͤcket / und haben ſich in unter - ſchiedliche Facultaͤten / nemlich die Moſaiſche / Pro - phetiſche / Levitiſche / Juriſtiſche / Mediciniſche / Philoſo - phiſche zertheilet / auch die Juͤnglinge / welche der - mahleins die Prieſterſchafft antretten ſolten / lebeten gleichfalls in einer ſonderbaren Facultaͤt der Muſica - liſchen / und muſten ſich 6. Jahre darinnen uͤben. Jn Summa / dazumahl lieſſen ſich zu Jeruſalem hoͤren verſuchte Leute in der Wolredenheit / Poeterey / Aſtro - nomey / Arithmeterey / Metaphyſica, Phyſiologia, und dergleichen. Hiervon handelt weitlaͤufftiger der Je - ſuit / Johannes de Pineda, in dem 3. Buch von den Geſchichten deß Salomons / am 12. und folgenden Capitel. Dazumahl war zu Jeruſalem die Lehrerin deß gantzen Landes / in ihr lerneten die Knaben die verborgene Schrifft / die Juͤnglinge freye Kuͤnſte / die Maͤnner legten auß die faſt Engliſche Geheimnuͤſſe. Dazumahl wurden zu Jeruſalem vielmehr von Levi - ten / Gaditen / Ephraimiten / Manaſſiten / Simeoni - ten / Rubeniten / Sebuloniten / Jſaſchariten / Dani - ten / Aſſeriten / Naphthaliten / als Benjamiten und Juden gezehlet / welche alle ſich daſelbſt aufhielten / faſſeten die Diſciplinen / ſolche in ihre Heimath zu bringen. Dazumahl fiengen die Studenten an / ehe Profeſſores zu ſeyn / als Auditores, und begriffen die ſchwereſten Wiſſenſchafften nicht nach den Jahren / ſondern nach den Monaten.
Was wollen wir ſagen? dazumahl giengen die Thore der Gymnaſien zu Jeruſalem zeitlicher auf / als die Pforten der Himmel / und die Studenten erwar - teten nicht das Licht der Sonnen / ſondern gebrauch - ten ſich deß Scheins der Sternen / auch die Morgen -roͤthe16Deß Academiſchenroͤthe muſte ſich ſchaͤmen und erbleichen / daß ſo wacke - re Geſellen fruͤher herauß kommen / auß ihren Ge - maͤchern / als ſie von den Enden und Winckeln der Erden.
Das praͤchtige Collegium ſtunde in der Koͤnigl. Stadt / die ſonſt die Burg David heiſſet / auf der Hoͤhe / in geſunder Lufft / umher wohneten die Pro - pheten / die Weiſen / und alle / die zu dem Hauſe der Lehre verordnet / in der aͤlteſten und ſtaͤrckeſten Ve - ſtung / wie es Villalpandus beweiſet. Sieben Saͤu - len werden zwar nahmhafftig gemacht / aber es ſeynd ſieben Stuͤhle / von welchen die Jugend Lectiones hoͤrete. Solche Stuͤhle waren auß ſchoͤnen Marmel - ſteinen zubereitet / auch in andern Gymnaſien mit ſtattlicher Arbeit verfertiget / nach unterſchiedlichen Facultaͤten und Doctoren / die darein beſtellet. Und iſt mit Verwunderung zu mercken / daß die neue Stu - denten bey einem Tiſch und guten Trunck Wein in die Pflicht genommen / und eingeſchrieben worden / daher dieſe Gewonheit auf die Griechen kommen.
Optatus Afer Milevitanus Epiſcopus ſchreibet hiervon: Non autem in Sion, ſed in una ejus valle: Non in illo monte Sion, quem in Syria Palæſtinæ à muris Jeruſalem parvus diſterminat rivus; In cujus vertice eſt magna planities, in qua fuerant ſeptem Synagogæ, ubi Judæorum populus conveniens, legem per Moyſen datam diſcere potuiſſet: Ubi nulla lex audita eſt, nec ab aliquo celebratum judicium, nec aliqua eſt illic ab ullo judice lata ſententia: Quia lo - cus erat doctrinæ, non controverſiæ. Poſt doctrinam, ſi quid agendum erat, intra muros Jeruſalem ageba - tur, inde ſcriptum eſt in Eſaia Propheta 2. De Sion exibit lex & verbum Domini de Jeruſalem. Auf der Hoͤhe deß Bergs Sion / iſt gar eine groſſe Ebene ge -weſen /17Romans I. Buch. weſen / und daſelbſt ſeyn geſtanden ſieben Schulen / in welchen das Juͤdiſche Volck / wann es zuſam̃en kam / koͤnte das Moſaiſche Geſetz lernen. Daſelbſt iſt kein Buͤrgerlich Geſetz jemahls gehoͤret / auch niemahls kein Gericht gehaͤget / viel weniger ein Urtheil von ei - nem Richter geſprochen worden / dann es war ein Ort der Lehre / und nicht deß Rechtens. Bißher Optatus. Und iſt leichtlich zu erachten / daß ein groſſer Zulauff auß Arabien / Syrien Aſſyrien / und andern Graͤntzen geweſen / wegen der durch die gantze Welt beſchreyten Majeſtaͤt deß Salomonis.
Hiervon zeuget die Schrifft / die Weißheit / (der weiſe Salomon /) er bauete (ihm) ein Hauß / und ſandte ihre Dirne / (ſeine Bottſchafften in die benach - barten Provincien /) auß / zu laden oben auf den Pal - laſt der Stadt / (zu der neuen Univerſitaͤt / die mit Profeſſoren und Præceptoren zum Uberfluß erfuͤllet war /) wer alber iſt / (wer nichts hat ſtudirt / iſt aber der Kuͤnſten und Sprachen begierig /) der mache ſich hie - her. Und zum Narren / (einfaͤltigen und armen Ge - ſellen /) ſprach ſie: Kom̃et / zehret von meinem Brodt / (genieſſet meiner Stipendien und Stifftungen /) und trincket deß Weins / den ich ſchencke.
Was iſt erfolget? Es kamen auß allen Voͤlckern / zu hoͤren die Weißheit Salomonis / von allen Koͤni - gen auf Erden / die von ſeiner Weißheit gehoͤret hat - ten. Da muß ja eine groſſe Menge der Studenten geweſen ſeyn / von Edlen Herren / Fuͤrſten und Koͤ - nigs Kindern.
Hieronymus beluſtiget ſich daruͤber / und ſpricht: Et quos ad contemplationem ſui Jeruſalem non traxe - rat, unius hominis ſapientiæ fama perduxit. Habuit illa ætas inauditum omnibus ſeculis celebrandumq́ue miraculum, ut tantam Urbem ingreſſi aliud extra ur -Bbem18Deß Academiſchenbem quærerent, & Salomon Hierareham potius, quà Hyarcham in throno ſedentem aureo: Et de Tantali fonte potantem inter innumeros diſcipulos de natura, de motibus ſyderum deque rebus divinis audirent do - centem. Welche das koͤſtliche Gebaͤu der Stadt Jeruſalem nicht konte zu ſich ziehen / hat das beruͤhm - te Geruͤcht von eines Menſchen Weißheit dahin ge - fuͤhret. Dieſelbige Zeit hat ein von Anfang unerhoͤr - tes Wunder-Werck gehabt / nemlich / daß die Men - ſchen in der groſſen Stadt einzogen / und doch ein an - ders ſuchten auſſer der Stadt / viel lieben mehr den Salomonem einen Hierarcham, als den Hyarchen, welcher auf einem guͤldenen Stuhl ſaſſe / und auß deß Tantalus Brunnen truncke / und darneben ſeine Juͤn - ger von der Natur / den Bewegungen der Sternen / und Goͤttlichen Dingen lehrete.
Bey waͤhrender anderer Monarchey haben glei - cher Geſtalt herfuͤr geleuchtet die hohen Schulen / und lieſet man / was Crœſus zu Sardis in Lydien geſtiff - tet. Und wann nichts vorhanden waͤre / als die einige Nachrichtung / daß die Perſier die Soͤhne deß Koͤnigs unter vier Zuchtmeiſter gethan / nemlich / unter den Froͤmmeſten / Weiſeſten / Nuͤchterſten / und Tapffer - ſten / ſcheinet Sonnen-klar / daß Schulen geweſen. Zu dem / wo nur heroiſche Voͤlcker geweſen und ge - herꝛſchet / daſelbſt ſeyn nutzliche Schulen angeordnet worden / dargegen haben die Weibiſchen Nationen ſolch Werck verlaſſen.
Bey den Uhr-alten Teutſchen ſeyn hohe Schu - len geweſen / und darinnen die angehende junge Hel - den / Fuͤrſten und Hertzogen / von Unſterblichkeit der Seelen / von dem Lohn der Tugenden / von den freu - digen Thaten ihrer Vorfahren / biß an den Groß - Vatter Japhet / durch die Treuen / (ſonſt Truiden /waren19Romans I. Buch. waren Lehrer /) in lieblichen Geſaͤngen und klugen Sprachen / zu einem unerſchrockenen und glorwuͤrdi - gen Tode unterrichtet und gewoͤhnet worden; Und iſt zu beklagen / daß von dieſen theuren Maͤnnern das verteuffelte Hexen-Volck den Namen bekommen / und nunmehr Treutener und Truten heiſſen. Ebe - nermaſſen ſeyn bey den Uhr-alten Schweden / die auch Teutſche / herꝛliche Schulen / und in den Schulen ſehr theure Kuͤnſte und Schrifften geweſen / welche Schrifften ein Naſen-kluger Biſchoff verbrennet / und die Nachkommen auß tollem Eyfer ſolcher Stuͤcke beraubet / welche heutiges Tages auf der gantzen Welt nicht zu finden.
Bey der dritten Monarchey haben die hohen Schulen durch den weiten Erden-Craͤyß zugenom - men in den Volck-reicheſten Staͤdten / Jnſuln und Laͤndern / zu Alexandrien / Rhodien / Corinthen / Athen / Rom / wiewol bey vielen die hohen Schulen fruͤher geſtanden / und darff derohalben es keinen Beweiß / wie auch von den hohen Schulen bey der vierdten Monarchey.
Ehe wir dieſe Rede ſchlieſſen / ſeyn etliche Dinge zu erinnern. Auß der Salomoniſchen Univerſitaͤt zu Jeruſalem ſeyn viel andere hohe Schulen fortge - pflantzet worden. Pythagoras iſt bekandt / der eine hohe Schule in Jtalien angefangen / und meynet Ambroſius, er ſey ein gebohrner Jud geweſen / in der Epiſtel / da Ambroſius die Pythagoriſche Satzungen mit den heiligen Geboten vergleichet. So lauten die Wort deß Ambroſius: Cum ex populo Judæorum (ut pleriq́ arbitrantur,) genus auxerit, ex ejus diſci - plina derivarunt etiam magiſterii præcepta, meritoq́;. Magnus apud eos Philoſophus habitus, æqualem (ut ajunt,) vix reperit. Weil Pythagoras auß dem Juͤ -B 2diſchen20Deß Academiſchendiſ. Volck buͤrtig geweſen / wie ſie faſt alle dafuͤr hal - ten / haben (die Gelehrte /) auß ſeiner vorgeſchriebenen Lehre entlehnet die Geſetze ihrer Meiſterſchafft / und wird nicht unbillich groß unter den Philoſophen ge - achtet / und der ihm gleich / nicht gefunden. Alexander in Libro de Symbolis Pythagoricis refert, Pythago - ram fuiſſe diſcipulum Nazareti Aſſyrii, quidam eum exiſtimant Ezechielem, ſed non eſt, ut oſtendetur poſteà. Der gelehrte Mann Alexander in dem Buch von den Pythagoriſchen Geheimnuͤſſen erzehlet / Py - thagoras ſey ein Schuͤler geweſen deß Nazareten auß Aſſyrien. Laërtius geſtehet / aber etwas dunckel / Py - thagoras ſey beſchnitten geweſen / gewiß iſt es / Pytha - goras hat zur Zeit der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß gelebet. Socrates iſt auch ein Nachfolger der He - breiſchen Weißheit / und hat eine abſonderliche hohe Schul angefangen. Plato, wie Numenius Pythagori - cus betheuret / iſt in der Moſaiſchen Diſciplin hefftig geuͤbet geweſen / daher ihn Juſtinus nennet einen Mo - ſes, der mit Attiſcher Zungen rede. Ambroſius ſaget / Plato habe ſeine Buͤcher / und die Gaͤrten deß Jupi - ters (darvon Plato erzehlet /) auß den Liedern Salo - monis genommen. Letztlich / Ariſtoteles ſelbſten hat ſeine groͤſte Kunſt / wie es Clearchus, ein Juͤnger deß Ariſtotelis, darthut / von einem Juden erlernet. Euſe - bius beruffet ſich auf die Wort deß Clearchus, bey dem Ariſtoteles alſo ſchreibend: Judæus erat ex Cœle - Syria, qui ſunt Calcani ex India; Judæi autem à loco, quem habitant, appellati ſunt, urbs eorum aſperrimo quodam nomine Jeruſalem nuncupatur. Hic ab altio - ribus Aſiæ Locis verſaremur, Philoſophiæ amore ad nos ſpontè venit, qui multò plura nobis attulit, quàm accepit. Das iſt: Es war ein Jude auß Cœle-Syria, welche ſeyn Calcanier auß Jndia; Die Juden aberſeyn21Romans I. Buch. ſeyn von dem Ort / welchen ſie bewohnen / genennet worden. Jhre Stadt wurde mit einem haͤrteſten Namen Jeruſalem genennet. Dieſe kam hernieder von den hohen Orten in Aſien zu den Meer-Staͤdten / und wurde ſo wol mit der Sprach / als mit dem Ge - muͤth / ein Griech; Und nachdem es ſich zugetragen hatte / daß wir zur ſelbigen Zeit eben in denen am Meer gelegenen Orten waren / iſt er auß Liebe der Philoſophey zu uns freywillig kommen / und hat uns weit mehr bracht / als er von uns empfangen. Das bekennet Ariſtoteles; Salomon aber bekennet etwas beſſer: Er ſey ein Meiſter vieler Philoſophen / die ihm folgen werden / wann er ſpricht in dem Prediger: Derſelbige Prediger war nicht allein weiſe / ſondern lehret auch das Volck gute Lehre / und mercket / und forſchet / und ſtellet viel Spruͤche. Er ſuchet / daß er fuͤnde angenehme Worte / und ſchreibe recht die Wor - te der Warheit: Dieſe Worte der Weiſen ſind Spieſſe und Naͤgel / geſchrieben durch die Meiſter der Verſam̃lungen / und von einem Hirten gegeben.
Allhier wird noch mehr von den Juͤdiſchen hohen Schulen / und von der Zucht der Studenten geredet. Cavina kommt unter die Geſellſchafft der Gaudieben / da es wunderlich hergehet / und werden ſie beſchrieben.
AN dieſem Diſcurs hatten alle Anweſende ein ſonderbares Vergnuͤgen / der Muͤnch aber hiel - te jetzo ein wenig auf / und nachdem er von Fer - rario ein groſſes Glaß Wein bekom̃en / und ſelbiges / um die ermattete Zunge zu erquicken / in den Schlund lauffen laſſen / da reuſperte er / und ſprach: Jhr / meine lieben Freunde / wir haben noch etwas Weniges zu erinnern / welches ich nicht gern wolte ungeſaget laſ - ſen. Es beſcheuſt der Prophet Zacharias das 12. Cap. ſeiner Weiſſagung mit folgenden Worten: Zu derB 3Zeit22Deß AcademiſchenZeit wird groſſe Klage ſeyn zu Jeruſalem / wie die war bey Hadadrimon / im Feld Megiddo. Und das Land wird klagen / ein jeglich Geſchlecht beſonders / das Geſchlecht deß Hauſes Davids beſonders / und ihre Weiber beſonders. Das Geſchlecht deß Hauſes Nathans beſonders / und ihre Weiber beſonders. Das Geſchlecht deß Hauſes Levi beſonders / und ihre Weiber beſonders. Alſo alle uͤbrigen Geſchlechte / ein Jegliches beſonders / auch ihre Weiber beſonders.
Allhier iſt eine Frage entſtanden / wer doch der Simei ſey? Dann ja ein anderer iſt Simeon / der Sohn deß Patriarchen Jacobs / ein anderer Simei. Lyranus berichtet / es ſey ein vortrefflicher Mann / vor - trefflich an dem Leben / und an der Weißheit geweſen / und habe eine Schul angerichtet / und beſondere Secten gefuͤhret. Hieronymus erzehlet / daß der Naza - reer Zunfft die 2. Haͤuſer von 2. Geſchlechten außle - gen / nemlich das Sammai und Hilles, von denen die Schrifftgelehrten und Phariſeer entſprungen waͤ - ren / nicht weit zuvor / ehe Chriſtus gebohren / und in dieſe Welt gelanget / und ſolche Schul habe Akibas hernach regieret / aber die beyden Geſchlechte haͤtten den rechten Meſſias gantz nicht annehmen wollen.
Dieſes laſſen wir billich beruhen / und ſagen allein / daß nach Wiederkehrung auß der Babyloniſchen Ge - faͤngnuͤß die Juden ihre hohe Schulen bey dem Thor deß Tempels gegen Aufgang gebauet / und daſelbſt die fuͤrnehmſte Meiſter und Außleger deß Geſetzes gelehret / auch der Gamaliel ſelbſten / welchen Paulus anzeucht / und lobet. Von dieſer hohen Schul / wie ſie in dem Umkraͤyß deß Tempels geſtanden / ſeyn außzu - legen die Worte auß der Apoſtel-Geſchichte / cap. 24. Sie haben mich / ſpricht Paulus / nicht funden im Tempel mit Jemand reden / oder / nach dem Griechi -ſchen23Romans I. Buch. ſchen Grund-Text / mit Jemand diſputiren. Ambro - ſius uͤber die 1. Ep. an die Corinther bejahet / die El - teſten an der Wuͤrde haͤtten auf erhabenen Cantzeln geſeſſen / nach ihnen die andere auf niedrigen Baͤn - cken / und die ſtudirende Jugend auf gelegten von Bintzen / oder dergleichen geflochtenen Materien und Decken an der Erden / daher ſaſſen die Studenten zu den Fuͤſſen ihrer Doctoren und Meiſtern / deſſen ſich Paulus nicht ſchaͤmet / und ſpricht: Jch bin ein Juͤ - diſcher Mann / geboren zu Tarſen in Cilicia, und er - zogen in dieſer Stadt / (Jeruſalem /) zu den Fuͤſſen Gamalielis, gelehret mit Fleiß in dem Vaͤtterlichen Geſetz. Philo berichtet / die Eſſeer / ſo offt ſie in den Schulen zuſammen kom̃en / haͤtten ſie eine feine Ord - nung gehalten / und die jungen Geſellen ſich zu den Fuͤſſen der Alten geſetzet / und zu fleiſſiger Aufmer - ckung ihre Sinne bereitet. Das iſt eine ehrbare und liebliche Zucht geweſen / und ſcheinet auß dem Evan - gelio deß H. Knabens JEſu / weil er nicht auß der Doctoren und Profeſſoren der Schulen Mittel gewe - ſen / habe ſich / nach ſeiner gewoͤhnlichen Demuth / auch neben andere auf die Matten geſetzet / mit Ehrerbie - tung die Elteſten gefraget / die Antwort ſittiglich an - gehoͤret / und darauf ſeine Gegen-Rede abgeleget / daß ſie ſich ſelbſt verwundern muͤſſen / uͤber den hohen Verſtand / und ſcharffen Antwort.
Ferner ſchreibet Athenæus von den Gaſt-Mahlen der Philoſophen zu Athen / welchen Theophraſtes zu dem Ende eine merckliche Summa Goldes im Teſta - ment verſchaffet / nicht / daß ſie in ſolcher Zuſammen - kunfft geiler und leichtfertiger Weiſe Muthwillen treiben ſolten / ſondern / ſo ſie in den ſparſamen Wol - leben Geſpraͤche unter ſich haͤtten / dieſelbige beſchei - dener / nuͤchterer und gelehrter Maſſen vollfuͤhreten. B 4Er24Deß AcademiſchenEr ſchreibet weiter / den Philoſophen haͤtte obgelegen / mit denen vor ſich beruffenen Juͤnglingen zu eſſen und zu trincken nach geordnetem Geſetze / welche Xe - nocrates in ſeiner Academia, auch Ariſtoteles in ſeiner Schul / von Regierung der Nuͤchterkeit / eingefuͤhret.
Wann dann dem alſo / iſt klar / wie hefftig die Al - ten auf die ehrbare Zucht unter den Studenten geſe - hen / beydes in oͤffentlichen Collegien / und haͤußlichen Wohnungen. Wem beliebet / mag aufſuchen alle Stifftungen der hohen Schulen in der gantzen Chri - ſtenheit / er wird in Warheit keine finden / die nicht auf ehrbare Zucht und Adeliche Sitten dringe; Ja / alle Facultaͤten ſeyn dermaſſen gefaſſet / daß immerdar ein Capitel zum wenigſten von der erbarn Zucht handelt.
Die frommen Alten wuſten wol / wie ſehr noͤthig die Nuͤchterkeit / und angenehm die Unmaͤſſigkeit den Studenten waͤre. Dann ſie iſt der Adamitiſchen Natur faſt angebohren / und nahe befreundet / erwuͤr - get doch geſchwinde die Seelen / und machet auß den Menſchen Beſtien Darum befohlen die Alten / Stu - denten ſolten die Unmaͤſſigkeit fliehen / und weil ſie ein ſuͤſſes / aber heimliches und gefaͤhrliches Gifft / bald im Anfang meyden / und den Feind nicht ſo redlich achten / daß ſie mit ihm ſtreiten wolten. Die frommen Alten wuſten wol / wie die boͤſe Gelegenheit muſte ge - meydet / und das Auge von der Uppigkeit abgewendet / verdaͤchtige Oerter verlafſen / und Schand-Buͤcher niemahls angeſchauet / ruchloſe Geſellſchafft gantz verachtet / betriegliche Freuden außgeſchlagen / leicht - fertige Schau-Spiele nimmermehr beſuchet / und der faule Muͤſſiggang mit Fuͤſſen getretten werden.
Hinwieder wuſten die frommen Alten wol / die Keuſchheit waͤre eine ſchoͤne Tugend / eine theure Tu - gend / und ſchmuͤckete die ſtudirende Jugend vor allenandern25Romans I. Buch. andern Dingen mit Weißheit an dem Gemuͤthe / mit friſchen Kraͤfften an dem Leibe / mit lebendigen Gei - ſtern an dem Gedaͤchtnuͤß. Die from̃en Alten wuſten wol / was die Gottesfurcht / die Andacht im Gebette / bey der Predigt / an den Faſten / auch der Gehorſam gegen die Obrigkeit / Niedertraͤchtigkeit / Sittſam - keit / Lindigkeit / Friede / und dergleichen / bey den Stu - denten ſchaffete. Daß aber die Alten ſtreng uͤber der ehrbarn Zucht gehalten / erſcheinet daher / weil ſie den Liebhabern derſelbigen groſſe Belohnungen / und den Verbrechern harte Straffe bewiedmen / wie mit vie - ler hohen Schulen Exempel koͤnte bewieſen werden / zu Pariß / Bononien / und ſonſten. Wer wolte auch ſo thoͤricht und toll ſeyn / den unſaubern Voͤgeln / ſtin - ckenden Hunden / raſenden Panther-Thieren / und bruͤnſtigen Wald-Ochſen / eine Univerſitaͤt aufzu - richten? Jener Soldan in Egypten ſtifftete eine ho - he Schul / und befahle / daß die Religions-Gelehrten den Alcoran deß Mahummeds auf derſelbigen leſen ſolten. Sie unterwunden ſich der Sachen / aber / weil der Alcoran ein Luͤgen - und Laſter-Geſchmeiß / und dem Chriſtenthum zuwider iſt / was geſchahe? Die neue Profeſſores, weil ſie in dem Alcoran ſo ſeltzame / falſche und unerfindliche Greuel funden / geriethen ohne Verzug in verbittere Zaͤnckereyen / und waͤre der gantze Saraceniſche Glaube verworffen worden / wofern der Soldan nicht die gantze hohe Schul zer - trennet / und verjaget haͤtte. Unterdeſſen iſt zu loben / daß dieſer Heyde in ſeinen Schul-Geſetzen nach der ehrbarn Zucht bey den Studenten getrachtet / und ernſtlich anbefohlen. Warum ſolten dergleichen nicht gethan haben unſere Vorfahren / die Chriſten?
Kuͤrtzlich / bey den alten Univerſitaͤten kunte kei - ner / der ein aͤrgerliches Leben fuͤhrete / und nicht / wieB 5einen26Deß Academiſcheneinen redlichen Studenten ziemete / zu den Ehren - Graden gelangen / und Baccalaureus, Magiſter, Licen - tiatus und Doctor werden / auch wann man einen Studenten zu Kirchen-Dienſten gebrauchen wolte / ließ man ſeinen Namen zuvor an die Tafel hefften / damit / wann irgend Leute die Perſon deß aͤrgerlichen Lebens / welches ſie auf Univerſitaͤten gefuͤhret / be - ſchuldigen Vorhabens / und zu beweiſen haͤtten / der - ſelbe mit leeren Faͤuſten abziehen muſte.
Als der Geiſtliche ſeinen Diſcurs hiermit geen - diget / muſte der Haußwirth bekennen / daß er uͤbel ge - than / indem er von allen und jeden Studenten eine gleich uͤbele Opinion gefaſſet / und werde er hinfuͤhro dieſelben / aber nicht ohne Unterſchied / ſondern die ſich bey ihm wol / und nicht / wie dieſer Ferrarius bißhero gethan / anſtelleten / gebuͤhrend zu ehren wiſſen. Un - terdeſſen lieff die Mahlzeit zum Ende / und Klin - genfeld hatte keine Luſt / ſich laͤnger an dieſem Ort aufzuhalten / aber der Wirth lag ihm ſehr an / nur noch dieſen Tag bey ihm zu verziehen / weil Ferrarius reſolviret waͤre / am folgenden Tage gleicher Geſtalt fortzugehen / und ſich nach Boulogne zu verfuͤgen / er verſprach ihm auch / ihm keine Rechnung zu machen / ſondern alles auf deß Cremoners Brett zu ſchreiben / weßfalls der Teutſche ſich bald bereden ließ / und / nachdem die andern Gaͤſte mit einander wieder weg - gegangen waren / ſtunden Klingenfeld / Ferrarius und der Haußwirth am Fenſter / da dann alſobald ein an - ſehnlicher junger Menſch / wol gekleidet / auf einem muntern Hengſt vorbey trabete. Jene fragten / was dieſer fuͤr ein Mann / aber der Wirth ließ ſich verneh - men / daß er gezwungen wuͤrde / ſich niederzulaſſen / wann er das alles erzehlen ſolte / was er bey dieſem Mann zu erinnern haͤtte. Solchem nach ward ihmkein27Romans I. Buch. kein Friede gelaſſen / ſondern die andern ſetzten ſich ne - ben ihn / und noͤthigten ihn zu folgender Erzehlung:
Cavina, war ein Juͤngling von einem guten Geſchlecht / und die Klugheit / welche er in ſeiner Ju - gend blicken ließ / gab Jedermann eine gute Hoffnung von ihm. Er hatte aber das 16. Jahr ſeines Alters kaum hinter ſich geleget / als er ſchon anders Sinnes ward / indem er ſich an etliche leichtfertige Burſch hieng / unter denen einer war / Namens Levion, ein durchtriebener Menſch / welcher ſich anſtellete / als ha - be er ihn in dem Frantzoͤſiſchen Lager geſehen / und ihn gruͤſſete mit dem Namen la Breche, darfuͤr dieſer ger - ne paſſiren wolte / als ein Mann / der ſich bey ſchoͤnen Occaſionen zu Felde ſchon habe legitimirt / unterdeſ - ſen bemuͤheten ſich dieſe Leute / ihn in ihre Geſellſchafft zu bekommen / noͤthigten ihn deßwegen etliche mahl zu Gaſt / und thaten ihr aͤuſſerſtes / ihn zu ihrem unge - bundenen Leben zu bringen. Ein groſſer Kerl / ein leichtfertiger Mann / Cajo genannt / der lange Zeit unter den Teutſchen Truppen gedienet hatte / war Vorſteher dieſer Schelmen / ſo bald dieſer den Cavina geſehen / rieff er Levion an die Seite / und forſchete / ob ſich dieſer Juncker unter ihre Compagnie wolte ein - ſchreiben laſſen? Und als dieſer Anzeige gethan / daß Cavina ſich leicht ſolte bequemen / auf ihre Seite zu tretten / da ſprach Jener: So traget dann Sorge / daß er wol unterwieſen werde / dann ich hoffe / er werde noch ein wackers Mitglied unſerer loͤblichen Zunfft werden.
Hierauf wandte er ſich gegen unſerm Neuling / und gruͤſſete ihn auf eine ſehr hoͤfliche Weiſe / er noͤ - thigte ihn gegen den andern Morgen / da ſie Ver - ſammlung halten wolten / zum Fruͤhſtuͤck / welches Cavina, dem wir den Namen la Breche eine Zeitlanggoͤnnen28Deß Academiſchengoͤnnen wollen / williglich zuſagte / auch mit Levion zu beſtim̃ter Zeit dahin verfuͤgete. Er fand dieſen Vor - ſteher der Gaudieben mitten unter verſchiedenen wolgemachten und anſehnlichen Perſonen / die mit dem Hut in der Hand zu ihm ſprachen / und ihm Re - chenſchafft thaten uͤber das / ſo er von ihnen forſchete. Es waren etliche darunter / die ihm vielerhand Juwe - len / wie auch eine gute Sum̃e von gemuͤntztem Gold und Silber zur Hand ſtelleten; Aber Cajo wolte die Zeit nicht nehmen / ſolche Sorten richtig abzuwiegen / wolwiſſend / daß ſeine Cameraden dieſelbe ohne Be - ſichtigung angenommen / und alſo nicht gehalten waͤren / ihm dieſelbe nach dem vollen Gewicht einzu - lieffern. Hernach ward von dem Fruͤhſtuͤck geredet / da dann keiner deß Magens und Kehl verſchonete / ſondern ein Jeder langte hurtig zu / und der Wein - Becher gieng ohne Unterlaß herum. Als ſie aber am embſigſten ſich hierbey bezeigeten / wurden ſie geſtoͤret durch einen Burger / welcher ſich zu Cajo lenckete / und ihm einen Brieff einhaͤndigte / darinn folgende Worte zu leſen:
ZEiger dieſes Brieffs iſt ein feiner Mann / der wol verdie - net / daß man ihm eine Freundſchafft erweiſe; Jch ver - ſichere euch / daß er ſich gebuͤhrlich wird zu bedancken wiſſen / nach dem er einen Dienſt wird haben genoſſen / weßfalls ich vor ihn bitte / nemlich / daß ihr durch eure Sorgfalt ihn wie - der wollet ſtellen in den Beſitz eines Mantels / von ſchwartzem Spaniſchem Tuch / beſetzet mit ſeidenen Spitzen von derſel - ben Farbe. Deßgleichen eines Smaragden / der in einem guͤldenen Ring ſtehet / und noch etwa〈…〉〈…〉 5. Gulden an Geld. Welche Dinge man ihm geſtern Abend bey der Herberge zum weiſſen Falcken abgenommen. Jch bitte / ihr wollet hierinn nichts ermangeln laſſen / und verſichert glauben / ob ich gleich mich anjetzo nicht zu erkennen gebe / daß ich euch kan Nutzen und Schaden thun.
Nachdem Cajo dieſen Brieff geleſen / ſaſſe er einwenig29Romans I. Buch. wenig in Gedancken / und bildete ihm ein / dieſer Bur - ger haͤtte den Brieff etwa ſelber geſchrieben / um die Beute / die ein anderer verlohren / und darvon er etwa moͤchte haben ſprechen hoͤren / ſolcher Geſtalt liſtiglich an ſich zu ziehen. Anderſeits dachte er wieder / daß es all zu verwegen vor einen Burger / ſich ſo liederlich unter ſo viel Feinde zu wagen / im Fall er nicht von ei - ner hoͤhern Macht unterſtuͤtzet waͤre. Weiter bedach - te er / daß es ein gefaͤhrliches Werck ſeyn koͤnte / ſich in ſothanen Faͤllen zu entdecken / und daß die Leute / wel - che verordnet / ihre Geſellſchafft in das Gefaͤngnuͤß / und alsdann auf das Schavot zu bringen / ihnen ge - meiniglich Honig an den Mund ſtreichen / um ſie ſol - cher Geſtalt deſto ehe in das Netz oder Fallſtrick zu bringen. Dieſe verſchiedene Betrachtungen machten den Cajo gantz beſtuͤrtzt / nichts deſtoweniger hielte er ſich lieber an den Jnnhalt deß Brieffs / als an ſeine zweiffelhaffte Einbildungen / und reſolvirte / einem unbekannten / der ihn wol mehr / als zu viel kennen moͤchte / einen Gefallen zu erweiſen. Dannenhero kehrete er ſich nach dem Burger / und ſprach mit ſanff - ter Stimme zu ihm: Was die zween erſten Puncten eurer Forderung belanget / darzu koͤnnen wir euch vielleicht verhelffen / aber das dritte iſt Trinckgeld vor die Meſſieurs, dann gemuͤntzt Gold wird man im Fall der Wiedergebung niemahlen bey uns finden. Jch ſchencke euch / ſprach der Burger / dieſes von Hertzen gerne / und wann ich das andere nur wieder bekom̃e / gebe ich noch ein mehrers darzu. So gehet dann jetzo / verfolgete Cajo, nach euren Geſchaͤfften / und wann es euch uͤber 2. Stunden wieder zu kommen beliebet / ſolt ihr haben / was ihr verlanget / ich wil eurenthal - ben ſorgen. Jnmittelſt / ſo fern man einmahl trin - cken koͤnte auf die Geſundheit eines Unbekandten /wolte30Deß Academiſchenwolte ich es jetzo gerne thun / in Entſtehung deſſen aber / wil ich auf eure Geſundheit trincken / und ihr werdet mir Beſcheid thun. Darauf ließ er 2. groſſe Glaͤſer voll ſchencken / welche an beyden Seiten auß - geleeret wurden. Der Burger gieng darauf nach ab - geſtatteter gebuͤhrlichen Danckſagung ſeines Wegs / um ſich zu beſtimmter Zeit wieder einzufinden.
So bald dieſer Mann ſeinen Abtritt genom - men / redete Cajo ſeine Leute gantz authoritaͤtiſch an / und ſagte: Wer gibt mir Nachricht von dem / das geſtern bey der bezeichneten Herberge erbeutet wor - den / darvon man mir noch keine Rechenſchafft ge - than hat? Bißhero hatte ein Jeder ſeinen Diſcurs gefuͤhret / aber jetzo ſchwiegen ſie mit einander auf ein - mahl Baumſtill. Die Schuldigen wolten ſich nicht offenbaren / und die Unſchuldigen hatten / um Ver - dacht zu meyden / das Hertz nicht / ſich mit ſonderba - rem Ernſt weiß zu brennen. Cajo begunte hierauf graͤßliche Gebaͤrden zu machen / er ſtieß den Rand deß Huts in die Hoͤhe / und ſagte: Was ſoll das bedeuten / ſind einige Schurcken in dieſer Geſellſchafft / die ſich unterſtehen / mich zu affrontiren? Wo iſt der Briga - dier? Sa! Wie waren die Winckel geſtern einge - theilet? Welche ſind es / die jenen Poſt gehabt haben? Aber was iſt diß! Niemand antwortet / gleichwol / waͤret ihr auch allzuſammen ſtumm und taub gewor - den / muß ein gewiſſer Mantel und Ring hier zum Vorſchein kommen / haͤtte man auch von dem einen ſchon Struͤmpffſohlen / und von dem andern Platt - Gold gemacht. Zum Zeichen / daß ich / ſprach er wei - ter / nicht ohne Grund rede / ſehet da! Hiermit warff er den eingehaͤndigten Brieff auf die Tafel / dieſes Schreiben kommet ungezweiffelt von einem Mann / den wir ehren oder fuͤrchten muͤſſen. Laſſet uns dem -nach31Romans I. Buch. nach auf unſere Erhaltung gedencken / und dieſes un - bekannten Manns Begehren ein Genuͤgen thun. Hierauf tratten Levion, und ein anderer / Onnoma ge - nannt / zur Kammer hinauß / um deß Cajo Befehl zu gehorſamen. Welches la Breche hoͤchſt verwunderte / ſehend / daß ein Mann / der kaum gehen kunte / als mit Huͤlffe eines Stabs / ſo ſtarcke Leute fort zu lauffen zwang.
Der Jenige / der dort mit Levion hinauß gehet / ſagte Cajo zu la Breche, iſt einer der Behaͤndeſten von unſerer Compagnie, der uns groſſen Profit zubringet. Auf den Marckt gehet er in Bauren-Kleidung / im Pallaſt / wie ein Advocat, bey Groſſen / wie ein Edel - mann / und ſo bald er etwas findet / ſo ihm anſtehet / wirfft er ſo bald die Hand / als das Auge darauf / ja er wirfft nimmer ſeinen Angel vergebens auß. Er ver - ſorget ſeine Cameraden mit Degen / dann er gehet mit einer ledigen Scheiden an der Seiten zu einem Schwerdtfeger / wann inzwiſchen dieſer geſchaͤfftig iſt / ihm allerhand Gewoͤhr zu zeigen. Er tritt in die Haͤuſer / und ſo ihm Niemand begegnet / nimmt er zu ſich / was ihm anſtehet / und kehret mit einem ſachten Schritt wieder zuruͤck / und gehet alsdann gar das vorige Hauß wieder vorbey / wordurch die Leute ver - leitet werden / daß ſie den nicht finden / der mit einem unverzagten Gelaß ihnen ſchon begegnet iſt. Manch - mahl kleidet er ſich in Frauens-Kleidung / zancket ſich alsdann mit ſeinen Cameraden auf der Straſſen / und fordert Geld von den Leuten / welche meynen / ſie ſeyen Eheleute / und die Frau fodere Geld zu ihrer Haußhaltung. Deß Abends ſetzet er zwo groſſe Scheuſeln oder Poppen / als Menſchen gekleidet / auf die Ecken der Straſſen / alsdann fodert er den vorbey - gehenden den Beutel ab / welche ſolchen leicht her -reichen /32Deß Academiſchenreichen / dann ſie achten ſich zu ſchwach wider drey ſtarcke Maͤnner zu ſtreiten / inmaſſen ſie die Scheu - ſeln fuͤr dergleichen halten muͤſſen.
Einer von der Geſellſchafft / Barillon genannt / der lange Zeit vor einen Capitain auf einer Toſcani - ſchen Galleere gedienet / fragte den Cajo, wo etliche ihrer Bruͤder waͤren / die er nicht ſehe? Worauf ihm Jener antwortete: Euer guter Freund / la Boulina, der in der Stadt allzuviel bekandt iſt / hat ſich hinauß auf das Land begeben / mit einem groſſen beſiegelten Brieff / und Allmoſen zu ſammlen vor eine Kirch / die gleichſam verbrandt iſt / worbey er ſich wunderwol zu verhalten weiß. Gleichwol / weil es nicht allemahl gluͤcket / hat man unlaͤngſt einen Wapentraͤger deß Koͤnigs auß ihm gemacht. La Foreſt und du Buiſſon, nachdem ſie eine Zeitlang im Milaneſiſchen geſtreifft / wurden an einem Jnſtrument von 3. Hoͤltzern gezuͤch - tiget / und ſind an der Wunden geſtorben. Langevyn, la Jeuneſſe und la Fleur, ſind zur See geſandt / um mit hoͤltzernen Degen gegen die Wellen zu fechten. S. Yon, S. Charles und S. Andre la Balaffre, ſind als Martyrer auf einem Creutz geſtorben / und la Rameè hat ſich nicht weit von den Florentiniſchen Graͤntzen zwiſchen Himmel und Erden befeſtigen laſſen.
Jm uͤbrigen fuhr Cajo fort / meine Leute moͤgen gehen / wohin ſie wollen / gebe ich ihnen allemahl die Lehre / daß ſie mit den Buͤtteln und Scharffrichtern gute Freundſchafft halten. Es iſt wahr / antwortete Beaulieu mit einem lachenden Mund / daß ſothane Leut einem / der verwieſen iſt / gehangen zu werden / das Leben koͤnnen erhalten / indem ſie die Roͤhre von einem Blaſe-Balg in den Halß ſtecken / daß ihm die Kehle nicht zugehe. Das iſt es nicht / was ich meyne / ſagte Cajo, ſie koͤnnen einem ein Stuͤck Speck auf denRuͤcken33Romans I. Buch. Ruͤcken legen / und alsdann das Brandmarck oder Koͤnigs Wappen darauf drucken / und ſie koͤnnen ei - nem ſonſten auf allerhand Weiſe favoriſiren.
Als Cajo dieſes ſagte / ward der bezeichnete Man - tel hergebracht / und dem rechten Herꝛn / der auch bald anlangete / wieder gegeben. Man uͤberreichte ihm auch ſeinen Ring / aber er verehrete ihn dem Cajo, der nicht wuſte / ob er ihn annehmen koͤnte / inmaſſen er nicht gewohnet war / ſich ſolcher Sachen zu bedienen / die man ihm ſo gutwillig uͤberließ. Gleichwol nahm er ihn an / ehe der Burger ihn wieder zuruͤck moͤchte ziehen.
Jn der Gaudieben-Zunfft wird eine Hochzeit gehalten / da die Gaͤſte beſchrieben / und uneins unter ſich werden. Haben ſonſten ſeltzame Poſſen und Diſcurſen unter einander.
KUrtz darnach kam herein getretten ein altes Weib / Angilbeida genannt / vergeſellſchafft von einem alten groſſen Kerl / der ſo mager und duͤrꝛ / wie ein Stockfiſch / dieſen hatte ſie beredet / ihme eine reiche Jungfrau zu zufreyen. Allhier ſprach ſie zu ihm offentlich / daß ſeine ihm zugedachte Liebſte ſchon eine Zeitlang gedienet haͤtte / das Menſchliche Geſchlecht fortzupflantzen / und als ſich Lucas, (der magere Kerl /) hieruͤber unwillig bezeigete / ſprach Rogier, eine von der Geſellſchafft zu ihm / daß eine ſolche Dame, die der Kinder gewohnet / bequemer ſey zur Haußhaltung / als eine unerfahrne Jungfrau. Cajo, als Vetter der Jakelyne, (ſo hieß dieſe ehrliche Dame,) nachdem er den Willen deß Lucas verſtanden / und ihn ein wenig beſſer / als gemein / gekleidet ſehend / ſprach zu ihm: Mein alter Freund / es iſt warlich die Gewonheit der verliebten Hertzen / ſich ſchoͤn aufzu - putzen / um anſehnlich vor ihren Matreſſen zu erſchei -Cnen.34Deß Academiſchennen. Aber gewißlich / ob gleich ein langer breiter Barth / der vor kurtzer Zeit nur Wangen und Bruſt bedeckete / euch abgenommen / mag er doch nicht eine Viertel-Uhr eures Alters wegnehmen / als welches ſo beſchaffen / daß nach dem Lauff der Natur ihr wol bald zum Abzug eures Lebens blaſen werdet / ohne / daß ihr vonnoͤthen habt / euch zu beladen mit einiger Equipage, die euch nicht dienen kan / als eure Sachen etwas fruͤher in die andere Welt zu bringen. Die Dirne / die ihr zum Weib verlanget / dienet beſſer vor einen Mann / deſſen Jahr ſich ſo hoch nicht belauffen / als die Eurigen. Eine junge Frau iſt gleich einer al - ten Uhr / die allezeit unrichtig gehet / wann man ſie nicht zum oͤfftern aufwindet / und eine alte Frau iſt ein Faß Wein / welches ſauer wird. Eure Locken ſind ſo duͤnne / daß man wol Nuͤſſe dardurch moͤchte lauf - fen laſſen / und eure kahle Scheitel gleichet ſehr wol einem Calotſchen / oder ledernen Muͤtzlein von Fleiſch - farbe. Eure Naſe deſtilliret ſo viel Troͤpfflein / daß man ſie mit Fug dem Helm eines Deſtillir-Kolbens vergleichen kan / und man ſiehet ſo viel Feuchtigkeit auf eurer Bruſt / als haͤtte es darauf geregnet. Jhr ſtehet an dem Ufer deß Fluſſes der Vergeſſenheit / und habt ein groſſes Stuͤck Weges zuruͤck zu wan - deln / um zugelangen zu dem Brunnen der Jugend / und uͤber dem wuͤrdet ihr euch trefflich koͤnnen betrie - gen / wofern ihr eine Frau / die gewohnet iſt / andern zu dienen / vor euch allein prætendiret zu haben. Was duͤncket euch? fuhr er fort / indem er ſich zu der Rogier kehrete; Mich beduͤncket / antwortete dieſer luſtige Kump / daß es Lucas machen wil / wie die verzagten Soldaten / die ſich nicht erkuͤhnen / einen Sturm zu lauffen / wann vorhin die Breche nicht groß gnug ge - macht iſt / und daß hingegen Jakelyne den Woͤlffinnennach -35Romans I. Buch. nachartet / welche allemahl das garſtigſte Maͤnnlein erkieſen.
Aber ohngeachtet aller dieſer Diſcurſen / verlob - ten ſich doch beyde Perſonen mit einander / und man bedung vor die Braut eine Morgengabe von 1000. Reichsthalern. Was die Guͤther der Jakelyne belan - get / die beſtunden in guter Bekandtſchafft / von wel - cher ſie betheurete / daß ſie groſſen Gewinnſt darvon haͤtte. Sie trug die Bruͤſte ziemlich bloß / welches Lu - cas nicht gerne zu ſehen ſchiene / aber Rogier bildete ihm ein / das ſolches gemaͤchlich waͤre / weil ſie nun nicht ſo viel Muͤhe haben wuͤrde / ſich zu entkleiden. Man machte endlich Anſtalt zur Copulation, und darauf verfuͤgte ſich die Geſellſchafft nach dem Hauß einer alten Kuplerin / Ragonda genannt / dieſes Weib war ein Außbund / als die ſich mit Wahrſagen zu be - helffen wuſte / die thaͤte Geld auf Wucher / kuppelte Eheleute / und verkauffte Jungfrauſchafft von jungen Dirnen / worvon ſie groſſen Gewinn hatte.
Als Ragonda dieſes Paar Verehelichte herein tretten ſahe / gieng ſie ihnen entgegen / und wuͤnſchete ihnen Gluͤck. Die jenige leichtfertige Perſonen / ſo bey ihr im Hauß waren / hatten ſich noch nicht ange - kleidet; Eine hatte das gantze Hauß mit Eyerdottern beſchmieret / um die Fettigkeit auß den Haaren zu bringen. Eine andere machte ſich blanck / und riebe Schmincke auf die Wangen. Zwo andere / die ihre Haͤnde uͤberall mit Mandelbrodt beſtrichen hatten / reichten den Neu-getraueten die Spitze vom Finger / um ſie nicht zu beſudeln. Und eine Jede dieſer garſti - gen Haͤmmel zeigete ein Paar platte Fleiſch-Lappen an der Bruſt / welche / wann ſie angekleidet waren / in die Hoͤhe geruͤcket wurden / jetzo aber auf den Bauch hinunter hiengen. Aber uͤber eine kurtze Zeit præſentir -C 2ten36Deß Academiſchenten ſich dieſe Dames in einer gantz andern Geſtalt / nemlich / als ſchoͤne Jungfrauen / die wol werth wa - ren / mit ehrlichen Leuten umzugehen.
Die zu dieſer Hochzeit Geladene / waren lauter ſolche Leute / die durchs Gluͤck dahin gefuͤhret wor - den / dann allhier ward ein Jeder ſo wol empfangen / als in ſeinem eigenen Hauß / und Ragonda noͤthigte ſie mit einander an eine lange Tafel. Man fieng an zu eſſen / ſonder vorher ein Gebet zu verrichten. Cajo erinnerte ſie deſſen zwar / aber es fand ſich nur ein ei - niger / der ein Creutz machte / und ſolches mit dem Wort Benedicite begleitete / darbey fuͤgend / daß er ſein Lebtage von keinem andern Gebet gewuſt haͤtte. Und ich glaube / ſprach Rogier, ihr haͤttet auch dieſes nicht behalten / im Fall es nicht jedes mahl mit der Speiſe begleitet waͤre. Uber der Mahlzeit kam ein artig Huͤrlein neben la Breche zu ſitzen / zu welcher er ſich ſtaͤts hielte / und darauf nahm ſie Gelegenheit / dieſe Worte zu ihm zu ſagen: Mich duͤncket / mein Engel / daß das Eheband zwiſchen uns Beyden ſich weit beſſer ſchicken ſolte / als zwiſchen jenen zween al - ten Boͤcken. La Breche gab zur Antwort: Daß er darbey keine ſonderbare Beſchwerlichkeit ſehe / dann ich habe euch / ſagte er / allbereit ſo lieb / als ich ſelber wil. Rogier hatte ſich zu den zwo Schoͤnſten von der Geſellſchafft verfuͤget / zu denen er ſagte / daß ſie wol thaͤten / indem ſie ſich ihrer Jugend bedieneten / in - maſſen bey den alten Rumpelflaſchen ſelten eine na - tuͤrliche Schoͤnheit zu finden. Ragonda befand ſich durch dieſe Worte am meiſten beſchimpffet / griff demnach Rogiern nach den Schultern / und bemuͤhe - te ſich / ihn auß dem Hauß zu ſtoſſen / ſagend / daß ſie in ihrem Hauß wolte gereſpectiret werden. Aber eine andere alte Trom̃el mit einem Barth / wie ein Juͤng -ling37Romans I. Buch. ling von 18. Jahren / Quintina genannt / ſtellete ſie wieder zufrieden / indem ſie ihr vorhielt / daß ſie Beyde annoch jung genug / die dritte Generation von Lucas Hochzeit zu ſehen. Hierauf nahm Rogier einen Be - cher / und wolte auf der Ragonda Geſundheit trin - cken / aber / als er denſelben an den Mund ſetzete / hoͤre - te man ein groſſes Geraſſel auf der Straſſen. Ra - gonda meynete / es waͤre der Schultz mit ſeinen Apo - ſteln / welche kaͤmen / ihr Hauß zu beſichtigen / erſuchte demnach die Manns-Leute / um ſich was trutzig an - zuſtellen / aber ſie hoͤreten nicht lange nach ihren Wor - ten / ſondern ein ploͤtzlicher Schrecken uͤberfiel ſie mit einander / daß ſie ſich alle in einem Augenblick von der Tafel / etliche auf den Boden / andere in den Keller verſteckten / etliche lieffen nach dem Secret. Jnzwi - ſchen klopffete man mit groſſer Gewalt an die Thuͤr / worauf Ragonda zum Fenſter herauß guckete / aber ſie kam in einem Augenblick wieder in den Saal gelof - fen / und rieff: Hochzeit / Hochzeit. Sie ſandte ihre Magd herunter / und ließ die Thuͤr aufmachen / dann es waren Onnoma, Levion, Beaulieu, und andere all - zumahl ihre Freunde / welche einen Brat-Spieß con - voyrten / der voll Schafs-Keulen ſtack / die ſie einem Koch entwendet hatten.
Alſo kamen die zerſtreuete Gaͤſte bald wieder herzu / und gleich wie die Tafel mehr Speiſe bekam / alſo verfuͤgten ſich auch mehr Gaͤſte daran. Man legte zu / und ließ mehr Wein holen / und alſo wurden die Becher weydlich gebraucht. Jn dieſer Verſamm - lung waren weiſſe und braune Jungfrauen / (vel quaſi,) Buͤrgers-Kinder / Gaudiebe / leichtfertige Ge - ſellen / kahle Schufften und Huren-Haͤngſte derge - ſtalt unter einander vermenget / daß es ſchiene / als wann / nach Soeratis Zeugnuͤß / alle Maͤñer die Frauen /C 3und38Deß Academiſchenund alle Frauen die Maͤnner gemein haͤtten. Eine dicke Bum̃el / eine der Luſtigſten von allen / ſahe rund umher / und ſprach endlich mit lachendem Mund: Dafern eine Platthoſe unter dem Hauffen / muͤſſe man ihn hinauß ſtoſſen / als ein verdorbenes Glied / dardurch die andern leicht koͤnten angeſteckt werden. Rogier antwortete: Ein ſolcher Menſch dienet wol zu einem Deckel / es regnet nicht / da ſie arbeiten. Je - ner aber ſprach: Gleichwol ſeynd ſie auch ſchlechte Rechenmeiſter / dann ſie koͤnnen nicht multipliciren / und ſind verdrießlich in ihren Conferentzen / inmaſſen ſie langſam zu einem Schluß gelangen. Dieſer dreckichte Knecht / der allezeit trachtete / die Leber zu kuͤhlen / lenckete ſich zu einem Maͤgdlein / die erſt neu - lich in ihre Geſellſchafft ſich begeben / und converſirte mit ihr / ſie aber ſprach: Jſt es moͤglich / daß mein ver - aͤnderter Sinn ſchon ruchbar worden / dann ich habe mich mit dergleichen Arbeit noch nicht lange bemuͤ - het? Er fragte ſie: Wo ſoll ich euch folgende Woche beſuchen? Jhr ſollet ſagen / innerhalb 2. oder 3. Ta - gen / excipirte ſie / und ſagen / welchen Namen ich zu - kuͤnfftige Woche fuͤhren ſoll. Dann die Jungfraͤu - lein von meiner Sorte veraͤndern den Namen und Wohnung ſehr offt. Rogier machte ſich alſobald an eine andere / weil ihm die Vorige zu liſtig / zu dieſer aber / die Diana hieß / ſprach er / daß eine von ihren Schweſtern ihm erzehlet / wie ſie noch vor kurtzer Zeit mit Bohnen pfluͤcken bemuͤhet geweſen / und mit Kraut auf der Straſſen herum zu gehen / daß ſie mit Schuhen / ſo hohe Abſaͤtze hatten / nicht gehen koͤnte / weil ſie niemahl anders / als Pantoffeln getragen. Aber eine andere / Dibberiga genannt / die ſich Silvia nennete / nahm das Wort vor Jene auf / und ſchwur / daß die / ſo ſolcher Geſtalt von ihr redeten / ſie nichtrecht39Romans I. Buch. recht kenneten. Daß ſie von Kind an eine Jungfrau geweſen / welches ſie mit Brieffen und Zeugen gnug - ſam erweiſen koͤnte. Es iſt wahr / ſprach Rogier, daß etliche Perſonen geſaget / daß ſie ſich fuͤr eine Adeliche Dame außgegeben / und dafern ſolche Zeugen nicht ſuffiſant ſind / kan ſie leicht ein groſſes Paquet Liebes - Brieffe aufweiſen / die von trefflichen Herren an ſie geſchrieben ſind / mit der Aufſchrifft: An meine Jungfrau / Jungfrau Dibberiga, wohnend auf dem Kraut-Marckt / da der junge Gaͤrt - ner außhaͤnget. Aber Dibberiga gab dem Rogier keine Antwort / ſondern machte ihm nur eine ver - drießliche Mine.
Diana wolte inzwiſchen wiſſen / woher ſolche Re - den entſprungen / fieng derowegen mit Simonetta ein Gezaͤncke an / hierzu fuͤgete ſich alſobald die argwoͤh - niſche Silvia, die ſich in dieſer Sache intereſſirt befand / und weil ſie alle drey den Magen ziemlich uͤberladen hatten / entſtunde ein wuͤrcklicher Streit darauß. Sie ergriffen einander bey den Koͤpffen / und riſſen alles an Stuͤcken / was ſie erhaſchen kunten / alſo daß man / da die Partheyen wieder geſchieden waren / eine ſel - tzame Vermengung von Haarlocken / Stuͤcken von Kappen / Leinen-Tuͤchern / und anderm Zeug / ligen ſa - he die vorhin gedienet hatten / dieſe ſaubere Perſonen zu zieren. Sie muſten Pflaſter auf die Geſichte legen / um die Naͤgelmahl zu bedecken. Cajo ſtund auf / dieſen Streit zu ſchlichten / aber Ragonda nahm das Werck auf ſich / und bewog ſie allerſeits / einander die Haͤnde zu geben / mit dem Beding / daß ſie alle drey fuͤr Jung - fern von einerley Qualitaͤt paſſiren ſollen. Rogier ſprang ins Mittel / und begunte hertzlich zu lachen als ein Urheber dieſes Zwiſtes / und ein Zeuge der Ver -C 4ſoͤhnung.40Deß Academiſchenſoͤhnung. Flora, die eine angenehme Stimme / und gnugſamen Rauſch hatte / ſang hierauf / nachdem ſich die Gaͤſte wieder an die Tafel verfuͤget / ein Liedlein auf ihre Weiſe / und als ſolches zu Ende / ſprach ſie zu Rogier: Mein Herꝛ Bruder / wie gefaͤllet euch dieſes? Jungfrau von Qualitaͤt / antwortete dieſer / dieſes Lied - lein kom̃t mir vor / wie eure Perſon / dann es iſt ſchon laͤngſt uͤber die Straſſen gelauffen / und wird wieder neu von hohem Alter. Jch kan es außwendig / und wolte wol mit euch eingeſtim̃et haben / wofern meine Stimme mit der Eurigen nur haͤtte uͤberein kommen koͤnnen / aber jetzo bin ich unbequem / ein Concert zu machen / oder den Tact zu halten. Ey lieber / ſprach ſie hierauf zu ihm / beſehet mir doch diß Juͤnckerchen ein - mahl / (auf la Breche zeigend /) der ſie mit einem ver - buhleten Angeſicht anblickete / ich wolte lieber ein Liedlein mit ihm anſtimmen. Aber wie / ſtummer Menſch / ſprach ſie zu la Breche ſelber / ihr ſprechet ja nicht ein einziges Woͤrtlein / oder lauret ihr / um einige Streiche von unſerm Handwerck zu lernen? Man hat / gab la Breche zur Antwort / nicht viel Zeit noͤthig / ein Handwerck zu lernen / darinn der Lehrling den Meiſter uͤbertrifft. Wann gefaͤllet es euch / daß ich euch die verkehrete Metamorphoſin lehre? Jch wil Andromeda, und ihr ſollet Perſeus ſeyn. Das iſt ein loſer Schelm / war ihre Antwort / und lachete / daß ſie den Bauch muſte halten. Jm Anfang ſaß er / als koͤn - te er nicht drey zehlen / und ich wil mich geiſſeln laſſen / wann er nicht der Allerdurchtriebenſte von uns allen / der einen Jeden unter uns vexiren kan.
Jnzwiſchen ſaß Lucas, als ein Block / an der Ta - fel / ohne ein einziges Woͤrtlein zu ſprechen / oder einen Lach auß ſeinem Mund gehen zu laſſen / welches Ra - gonda merckend / ihn etliche mahl beym Ermel zog /mit41Romans I. Buch. mit den Worten: Mich duͤncket / ihr ſeyd allein be - quem / uns mit einander in den Schlaff zu bringen. Jhr Kinder / was iſt dieſer fuͤr ein froͤlicher Braͤuti - gam? Sa / laſſet einmahl einen Becher uͤber die Lip - pen lauffen / und careſſiret eure Braut ein wenig / oder wollet ihr / daß ſie euch um den Halß fliege? Nein / nein / Bruͤderchen / das iſt die Mode in unſerm Land nicht / ſie iſt viel zu beſcheiden darzu / und nun ſie ge - trauet iſt / darff ſie keine Manns-Perſon / ſonder roth zu werden / anſehen. Jch zweiffele daran gar nicht / ſprach Lucas, indem er mehr / als anderthalb Dutzet Runtzeln in die Stirn zog / dann er hatte ſie allwege mit dem einen oder mit dem andern diſcurriren ſe - hen / woruͤber er eyfferſuͤchtig worden. Jch ſehe wol / fuhr er fort / daß ſie ſehr eingezogen iſt / dann ſie wil mit Niemand zu thun haben / als dem ſie nicht obligi - ret iſt. Es ſind / meine Freundin / mehr Tage / als Wo - chen / darum muß man es fein ſacht laſſen ankommen / um ſich nicht zu ſehr zu verarbeiten. Es iſt wahr / repli - cirte Ragonda, aber euch gebuͤhret / dahin zu trachten / daß ein Platz / der nicht wol verſorget iſt / und da man nicht ſtaͤts Hand anſchlaͤget / vom Feind nicht erobert werde. Aber ſie bekam keine andere Antwort darauf / als daß er nimmer ein Liebhaber vom Wein geweſen / und daß er ſich in den Eheſtand begeben / ſey mehr ge - ſchehen / um Geſellſchafft von einer Frau zu haben / als fleiſchliche Luſt mit ihr zu treiben / und daß er ſeine Frau viel zu weiß achte / daß ſie ihm eine Reinigkeit / die er alle Wege behalten / mit Gewalt nehmen wol - te; Woruͤber Ragonda, und die gantze Geſellſchafft / von Lachen ſchier geborſten waͤren. Jene aber ſang darauf ein beſonder Liedlein / welches noch ein groͤſſe - res Gelaͤchter verurſachte.
Kleine / Kleine / ſagte Rogier hierauf zu einer an -C 5dern42Deß Academiſchendern Jungfrauen von ihrer Sorte, ihr habt mir mein Hertz geſtohlen / ich muß einmahl nach eurem Leibe greiffen / um daſſelbe wieder zu bekommen. Aber Ra - gonda zuͤrnete / daß er ſothane Reden in Gegenwart junger Jungfrauen zu fuͤhren ſich nicht entbloͤdete. Dargegen fragete Rogier, ob auch etliche darunter / denen die Ohren keuſcher / als der uͤbrige Leichnam? Und Ragonda antwortete lachend hierauf / daß ſie lauter ehrliche Toͤchter unterhielte / obgleich die Lehr - meiſterin nicht allzuſauber fiele.
Hierauf erluſtigte ſich ein Jeder / entweder mit Tantzen / oder mit Singen / außgenommen Levion, welcher den Mund ſtaͤts voll hatte / worauf eine an - dere Acht hielte / und ihm deßwegen vorhielte / daß er vergeblich ſo lange Medicinam ſtudiret / indem er den Leib ſo gewaltig voll propffete / ſtatt / daß er die Geſell - ſchafft ſolte erluſtigen helffen / man hat euch / ſprach ſie / ja wol auf eine andere Zeit ſingen und tantzen ſe - hen / da Meiſter Hanß auf eurer Hochzeit ſpielete. Levion, der wol wuſte / daß er anfaͤnglich ein Student zu Siena geweſen / hernach aber / als ſeine Eltern ver - ſtorben / auß Mangel der Mittel / ſich zu einem Quack - ſalber in Dienſten begeben / und deſſen Policinello agiret / von welchem er ſich wieder ab - und zu einem ſolchen Handwerck begeben / deſſen er ſich zu ſchaͤmen / inmaſſen man ihn einsmahls daruͤber ertappet / und die Fliegen deßwegen tapffer vom Ruͤcken abgefeget hat. Dieſer Levion, ſage ich / befand ſich zum hoͤchſten affrontiret / flog derowegen von der Tafel auf / ihr die Ohren zu zauſſen / ſie gieng zwar durch / aber er erha - ſchete ſie beym Rock / griffe ihr nach den Ohren / aber / ach Jammer! er kunte keine finden / darauf kehrete er wieder zur Geſellſchafft / und erzehlete / was ihm be - gegnet / daher Rogier Anlaß nahm / zu ſagen: Daskommt43Romans I. Buch. kommt wol zu Paß / fuͤrnemlich im Kaͤmmen / da man leicht ſonſten mit dem Kamm auf die Ohren faͤllet. Ein anderer rieth ihr / ſie ſolte ein Paar gemahlete papierene Ohren machen laſſen / ſich aber darbey vor - ſehen / daß ſie nicht abfielen / ſonſt duͤrfften die Jungen auf der Straſſen ihr nach lauffen / und ruffen: Jung - frau / nehmet eure Ohren mit. Ragonda tratt zu die - ſem unbeohreten Geſchoͤpff / und rieth ihr / daß ſie ſich nicht auf die neue Mode bekappen / ſondern nur eine Cornet-Haube aufſetzen ſolte. Dieſes hoͤrete ein an - derer / der Cornet zu Feld geweſen war / ſprach dem - nach: Holla! halt ein / was habt ihr uͤber die Cornet - ten zu diſponiren / ſolche Autoritaͤt geſtehe ich euch keines Weges / dann ich habe mein Wort ſchon an - derweit gegeben. Bekuͤmmert euch nicht zu ſehr uͤber eure Jungferſchafft / ſprach Jungfer ohne Ohren / dann ich meyne in wenigen Tagen nach Parma zu fah - ren. Haha! ließ ſich Rogier vernehmen / auſſer Zweif - fel meynet ihr daſelbſt wunderliche Dinge außzurich - ten / dann ihr werdet wol wiſſen / daß der Außſchuß allhier zu Parma fuͤr etwas ſonderliches geachtet wird. Aber bey dem Bahrt meines Ober-Elter-Vatters / bekommen die Parmenſer nur zu wiſſen / daß eure Ohren ihren Wohn-Platz verlohren / werdet ihr ſie ehe verjagen / als zu euch locken.
Die Zunfft der Gaudieben wird noch eigentlicher abgemah - let. Sie kommen alle in Vngelegenheit. Ein Amtmann wird hart geſtraffet / wegen ſeiner mißbrauchten Gewalt.
JNdem dieſe Dame alſo vexiret ward / machte einer / Tiboud genannt / der ſich vollgeſoffen hatte / mit der Quintina ein Gezaͤncke / und nañ - te ſie eine alte Pulver-Flaſche. Daran leugſt du die Helfft nicht an / du alter Horn-Traͤger / gab ſie ihmzur44Deß Academiſchenzur Antwort. Welche Worte ihn zu ſolchem Eyfer reitzeten / daß er zu ihr tratt / um ſie mit Ohrfeigen ab - zuzahlen; Aber Ragonda ſtieß ihn zum Hauß hin - auß / um dergleichen Inconvenientien vorzubeugen. Tiboud ſtund vor der Thuͤr / und taumelte von einer Seiten zur andern / wannenhero einer von der Geſell - ſchafft auß Mitleyden zu ihm tratt / und ihn wieder ins Hauß leiten wolte / zu welchem Rogier ſprach: Sehet euch fuͤr / mein Freund / daß der volle Zapff nicht auf euch falle / und euch mit ſeinen Hoͤrnern ei - nen gefaͤhrlichen Stoß anbringe. Jnzwiſchen tratt Ragonda zu unſerm la Breche, und wolte ſich bey ihm einflechten; Aber dieſer woͤhrete mit beyden Haͤnden von ſich / und ſagte / daß ihr ſtinckender Athem capabel waͤre / ihm das Leben zu nehmen / wofern der Seinige / als verſtaͤrcket durch die Menge deß eingezogenen Weins / dieſen Gifft nicht zuruck triebe. Man kunte ſonſt an ihr / uͤber den ſtinckenden Athem / auch thraͤ - nende Augen / und eine rinnende Naſe ſehen / daß es das Anſehen / hatte / als wann alles Eſſen und Trin - cken keinen andern / als dieſen Außgang haͤtten. Die Artigſte von allen Frauens-Perſonen dieſer Geſell - ſchafft war eine / Namens Clytia, aber dieſe verließ die Compagnie bald / und folgete einer Frauen / die im Vorbeygehen ihr einen Winck gegeben hatte. Man verſtund in ihrem Abweſen / daß ſie vor wenigen Mo - naten eine arme Dirne geweſen / welche in der Wein - leſe-Zeit auf die Doͤrffer war außgangen / um einen Pfenning zu verdienen / bey welcher Gelegenheit ſich ein gewiſſer Herꝛ in ſie verliebet / dem ſie die beſte Fe - dern außgerupffet habe. Darauf habe ſie ſich praͤch - tig gehalten / und ſey in dem Liebes-Spiel ſo hoch ge - ſtiegen / daß ihr keine von der Geſellſchafft zu verglei - chen / als gnugſam verſehen mit Anreitzungen / welchekraͤfftig45Romans I. Buch. kraͤfftig ſind / die unempfindlichſte Maͤnner aufzu - muntern / ſonder Jndianiſche Nuͤſſe / eingemachten Jngber / oder Diaſatyrion zu gebrauchen. Daß dem - nach Hofleute / Kauffleute / Advocaten / Burger / &c. ihr allemahl willkommen / daß auch ihr Hauß nicht weniger mit gallanten Leuten / als eine Brandtweins - Bude mit alten Maͤhrlein / angefuͤllet waͤre / ja / daß man nicht in der Stadt muſte wohnen / wann man ſie nicht wolte kennen.
Unterdeſſen hatte Jakelyne vor ihrem Lucas ei - nen Abſcheu bekommen / ſtellete ſich / als wolte ſie et - was anders thun / blieb aber weg / und gieng ihres Weges / und er kunte nicht wiſſen / wohin ſie geſtoben / oder geflogen waͤre. Er bekuͤmmerte ſich auch ſo viel nicht darum / uñ als er ſahe / daß man ihn darzu vexir - te / gieng er ſtillſchweigend fort / und ſprach nicht ein einziges Woͤrtlein darzu. Nachdem nun endlich der Abend eingefallen / giengen ihrer etliche zu Bett / an - dere aber begaben ſich auf die Straſſen / um ihr Heil zu verſuchen. Die Jenigen / ſo in der Ragonda Hauß blieben waren / oͤffneten bey aufgehender Sonne mit den Augen zugleich den Magen / ſam̃leten dahero die uͤbrigen Brocken / und brieten ſolche auf dem Roſt. Levion, der mit 3. oder 4. Maͤnteln umhangen / damit er nicht erfriere / ins Hauß tratt / ſtoͤrete die Geſell - ſchafft / dann ſein Geiſt war ſehr unruhig / weil ſeine 3. Cammeraden / mit welchen er am vorigen Abend außgegangen war / noch nicht wieder kommen waren. Aber endlich kamen ſie gleichwol zum Vorſchein / der eine zwar beladen mit einem Sack voll Kleider / und dergleichen Dingen / welche er im Abgehen einer Kutſchen ertappet hatte / indem er ſich zu den Paſſagi - rern geſellet / als wann er einer von ihrer Geſellſchafft waͤre. Der andere hatte das Hinterſtuͤck eines Man -tels /46Deß Academiſchentels / welches er in einem Spiel-Hauß laͤngſt dem Rucken abgeſchnitten hatte. Aber der Letzte bezeugete ſich am froͤlichſten / dann er war auß dem Lufft-Loch ei - nes Kellers / darinn man ihn geſchloſſen hatte / außge - brochen / man hatte ihn ertappet / da er ein Hauß viſiti - ren wolte / und am folgenden Morgen nach dem Rich - ter begleiten wollen. Levion war nun wieder gutes Muths / diſcurrirte demnach von den Rittern von der Linie, und von ihren verſchiedenen ſubtilen Griffen. Unſere Verſammlung / ſprach er / beſtehet meiſten - theils in aufgerafften Leuten / darvon etliche Solda - ten / andere Studenten / etliche auch gar nichts vorher geweſen / dieſe erlernen ihr Amt / indem ſie hin und wieder ſtreiffen / die Beutel abſchneiden / und derglei - chen Dinge verrichten. Sie gehen auf die Spiel - Bahnen / und wann ſie etliche Spiele gethan / neh - men ſie einen guten Mantel / und laſſen einen alten Lumpen ligen / werden ſie daruͤber ertappet / iſt es gleichſam ein Jrꝛthum / und entſchuldiget man ſich mit einem Bauch voll Complimenten. Jm Sommer enthalten ſie ſich an den Stroͤhmen / und nehmen den Schwimmenden ihre Kleider weg / und darauf ma - chen ſie ſich zu wichtigern Dingen bequem / alsdann nennen wir ſie Feldſchwaͤrmer / oder Finſtermaͤnner. Einer darvon gewan im verwichenen Winter mehr / als 6. andere in 2. Jahren haͤtten thun moͤgen. Er gienge bey Abend-Zeit mit einer brennenden Fackel in der Hand / und wann ihm Jemand folgete / ſich ſei - nes Liechts zu bedienen / langete er / wann ſie auf einen einſamen Platz kom̃en / eine Buͤchſe auß der Taſchen / und loͤſchete die Fackel auß / fiel hernach dem Men - ſchen ploͤtzlich auf den Leib / und ließ ſich die Muͤhe / zu leuchten / rechtſchaffen bezahlen. Aber / wir haben die - ſen guten Kerl verlohren / man hat ihm die Seele außdem47Romans I. Buch. dem Leibe / gleich dem Waſſer auß einem Brunnen / geholet / und der Wind waͤhet jetzo unter ſeinen Fuͤſ - ſen hin. Ein anderer / der jetzo im Feld iſt / und den man den hurtigen Springer nennet / wird ein anderer Hector in unſerm Amt werden. Wir haben auch Frauen / die man die Marckgaͤnger nennet. Jhr mei - ſtes Werck iſt / den Marck / und andere Verſam̃lungs - Plaͤtze / zu beſuchen / allwo ihnen das Gedraͤnge gemei - niglich Gelegenheit ertheilet / etwas zu erſchnappen. Sie gehen bißweilen hin / eine Kohl Feuers zu holen / in ein Hauß / bey welchen ſie ſich zu wohnen ſtellen / oder geben fuͤr / diß oder das zu verkauffen zu haben / oder ſie beſehen eine Feuer-Kammer / und wann ſie ihre Gelegenheit erſehen / nehmen ſie mit / was ſie er - ſchnappen koͤnnen.
Dieſe ſind nicht allein die getreueſte Bewahre - rinnen / ſondern auch die hurtigſte Veraͤnderinnen unſerer Beute / und ſo behende / das Jenige / ſo man ihnen zugeſtellet / zu verwechſeln / oder veraͤndern / daß die Eigener ſolcher Sachen dieſelbe hernach nicht mehr kennen / und ſolten ſie ſolche auch von Stuͤck zu Stuͤck aufs Genaueſte beſichtigen / das habe ich ſel - ber geſehen / dann kurtz zuvor / ehe ich in dieſe Geſell - ſchafft angenom̃en worden / und eben mit einem mei - ner Cam̃eraden neben einer ſolchen hurtigen Frauen ſaſſe / und diſcurrirte / bathe ich ſie / weil ich mit ihr be - kandt / meinem Mantel / den ich taͤglich trug / ein we - nig zurecht zu helffen. Jch meynete / ſie ſolte ihn ſchoͤn machen / und etliche Loͤchlein daran zuſtopffen. Aber / am folgenden Tag fand ich ihn gefuͤttert / mit einem andern Stoff / und das vorige Futter war weg / der Kragen war unterſt zu oberſt gekehret / und ſie hatte ſeidene Knoͤpffe an ſtatt der ſilbernen Poſamenten ge - ſetzet. Jch haͤtte ihn nimmermehr gekannt / wann ſiemir48Deß Academiſchenmir nicht auß dem Traum geholffen haͤtte. Aber / die Principaleſte unter allen von unſern Schweſtern iſt die / welche man die durſtige Schweſter nennet. Sie gehet durch die Stadt mit einem Sack voll Heu / und wann ſie ihre Gelegenheit erblicket / tritt ſie in ein Hauß / und vertauſchet ihren Buͤndel mit einem beſ - ſern. Neulicher Tagen ließ ſie bey einem Seiden - Kramer ein Kind ligen / und nahm darfuͤr ein Stuͤck Satyr hinweg.
Mit einem Wort / wir leben auf die Weiſe der Heyden / welche / ſonder etwas zu kauffen / alles haben / was ihnen noͤthig iſt. Und obgleich die Geſellſchafft an verſchiedenen Orten vertheilet wird / haben wir doch richtige Correſpondentz. Noch haben wir etliche unter uns / Degenmaͤnner genannt / etliche derſelben machten juͤngſtens ſich bekandt / mit etlichen jungen Leuten / von gutem Herkommen / die bequem waren / ſie uͤberal frey zu halten / und die ſich auf ihren Beu - tel verlaſſend / mit Jedermann Krakeel anfiengen / in Hoffnung / ſolchen zu ſchlichten durch den Arm dieſer Degenmaͤnner / weiche von nichts ſprachen / als von Niederſtoſſen / Kopff-abhauen / Arm-zerſtuͤcken / &c. waͤre auch der Gegenpart ſo groß und maͤchtig gewe - ſen / als der groſſe Mogol / oder zum wenigſten wolten ſie ihn zu einem ehrlichen Vertrag zwingen. Aber dieſe Advocaten funden die Practic ſo gut / daß ſie ſich nicht zu ſehr uͤbereyleten / die Partheyen zu einem Accord zu bringen / im Gegentheil hiengen und verhetzeten ſie dieſelbe unter der Hand heimlich mehr und mehr wi - der einander / um deſto mehr mit ihnen zu zechen. Die - ſe Leute haben das Hertz nicht / einen blancken Degen zu ſehen / aber ihre Courage beſtehet in Worten / und wann ſie ja fechten ſollen / geſchiehet es mit Trinck - Glaͤſern. Jnzwiſchen meyneten dieſe reiche Cayalliers,ihre49Romans I. Buch. ihre Feinde bald aufgeopffert zu ſehen / durch Leute / die ihrer nur ſpotteten / und die unterdeſſen auf ihre Unkoſten den Beutel und Magen fuͤlleten / und man - che ſchoͤne Gelegenheit verkundſchafften / darvon ſie unſern Bruͤdern getreue Nachricht ertheileten / um unſern Vortheil nicht zu verſaͤumen.
Nachdem Levion ſo weit gekommen mit ſeiner Erzehlung / begunte er auch von ſeinen Kriegs-Tha - ten zu reden / und erzehlete unter andern / daß ein be - ruffener Negromanticus ihm prophezeyet haͤtte / wie er in einem groſſen Gedraͤng von Menſchen endlich ſterben / und das Feld zum Grab uͤberkom̃en wuͤrde. Er betrog ſich darinn nicht / dann er iſt nicht lange hernach zu Milan gefangen / und auf dem groſſen Marckt aufgehangen / unter einer groſſen Menge Zuſchauer / hernach iſt er neben die Land-Straſſe be - graben worden.
Endlich begunten die Nachbarn zu mercken / was vor liederliche Quanten bey der Ragonda auß - und eingiengen / wannenhero ſie gezwungen ward / ihr Hauß vor den Feldſchwermern / Degenmaͤnnern / und andern / zu zuſchlieſſen / und alſo ſahe man hernach in demſelben / darinn ehemahl mehr Boͤſes / als in der Schachtel der Pandora, beſchloſſen geweſen / nichts anders / als Aminten / Marien / Clorinden / und der - gleichen Damen / die allein beſucht wuͤrden von einigen jungen Rabſchnaͤbeln / die niemahl mit einem Maͤgd - lein courtiſirt hatten. Dieſe hatten auß den Roma - nen einige Lehre empfangen / und wolten lieber cour - tiſiren / als heyrathen / und ſolcher Geſtalt redete man hiervon nichts / als von thoͤrichten Wercken der Liebe. Und Ragonda mit allen dieſen Miraculen der Natur aufgeſchloſſen in ihrem kleinen Serrail / war ſtaͤts geſchaͤfftig / dieſelbe zu unterrichten / damit ſie der -Dmahleins50Deß Academiſchenmahleins bequem ſeyn moͤchten / indem / daß ſie zu er - lernen verlangeten / nemlich das Haar auf verſchie - dene Weiſe zu ſcheiteln / die Pflaͤſterlein wol aufzule - gen / ſich in die Lippen zu beiſſen / und in die Wangen zu reiben / damit eine angenehme Roͤthe hernach fol - gete / man vergaſſe auch nicht der wolriechenden Po - maden / Waͤſſerlein / falſchen Perlen / ſeidenen Baͤn - dern. Die Jungfrauen nenneten einander allzumahl Schweſtern / und die fromme Ragonda ward von ih - nen allen ihre getreue Mama genannt.
Cavina, der mit Jungfer Flora Freundſchafft gemacht hatte / beſuchte ſie taͤglich in der Ragonda Hauß / und lebete mit ihr / und andern ihres gleichen / in einer taͤglichen Ubermaaß von Exorbitantien / wel - ches eine gute Zeit waͤhrete / ohngeachtet aller guten Vermahnungen ſeiner Freunden. Aber / es fielen viel Sachen vor / welche ihm erwieſen / daß die Jenigen / die gegen Wind und Sturm-Wellen anſeegeln / ge - faͤhrlichen Klippen zu begegnen pflegen / daß die De - bouche ein verguͤldeter Pfeil iſt / und daß der / ſo ſich darzu verleiten laͤſſet / nothwendig am Ende die Bit - terkeit derſelben koſten muß. Endlich kamen die Gerichts-Diener hinter dieſe ehrbare Geſellſchafft / welche ſo groß war / daß etliche Gefaͤngnuͤſſe damit angefuͤllet worden / und darvon Ragonda ſelber mit den Meiſten ihrer Brodt-Eſſern nicht befreyet wa - ren. Man hat nicht lange hernach dieſe unzuͤchtige Weibs-Bilder / fuͤrnemlich die Jungen / mit einander nach Livorno, und von dannen nach Marſilien ge - ſandt / woſelbſt ſie ſolten eingeſchiffet / und nach den Weſt-Jndiſchen Jnſeln / die der Frantzoͤſiſche Herꝛ de la Sale vor einiger Zeit entdecket / und im Namen ſeines Koͤnigs Poſſeſſion darvon genommen / geſchickt werden / um zu einer neu-angelegten FrantzoͤſiſchenColonie51Romans I. Buch. Colonie gebraucht zu werden. Die Gaudiebe aber hat man groͤſten Theils geradbrechet / gekoͤpffet / oder gehangen / und weil man dem Cavina noch nichts ſon - derliches erweiſen kunte / derſelbe auch gute Baar - ſchafften hatte / und der Hertzog von Mantua ihm gar gnaͤdig war / wegen ſeines unſchuldigen Vatters / der ſo unſchuldig hingerichtet worden / als iſt er perdon - nirt worden / unter dem Beding / daß er nimmermehr ſeine Gedancken zu dergleichen Leichtfertigkeiten rich - ten / ſondern allſtaͤts ſich aller Tugend und eines ehr - baren Wandels befleiſſen ſolte. Dieſes hat er zuge - ſaget / und redlich gehalten / inmaſſen er ſich kurtz her - nach nach Bononien erhoben / und den Studien mit ſothanen Ernſt obgelegen / daß man ihn jetzo unter die gelehrteſten und ehrbareſten Leute dieſes Landes zehlet.
Hiermit endigte der Wirth ſeine Erzehlung / und Klingenfeld begehrte zu wiſſen / warum dann dieſes Cavina Vatter ſo unſchuldig hingerichtet ſey? Der Wirth gab ihm hierauf folgenden Beſcheid:
Dieſes Cavina Vatter war ein feiner Burger zu Caſal, und ſeine Mutter war in ihrer angehenden Ehe ſo ſchoͤn / daß man ſie auch noch lange Zeit hernach unter die Schoͤnften deß Landes gezeblet hat. Es begab ſich aber / daß der Mantuaniſche Amtmann / oder Podeſtà zu Caſal, in dieſe Frau ſich verliebete / und weil er mit Liebkoſung und guten Worten nichts gewinnen konte / ſo dachte er der Sache auf andere Weiſe zu ratben / aber zu ſeinem groſſen Verderben. Dann er gab vor / dieſer ſchoͤnen Frauen Ebemann haͤtte Verraͤtherey vorgehabt / und ließ ihn alſo in das Gefaͤngnuͤß ſetzen. Das Weib bemuͤhete ſich / ſolchen wieder loß - und in Sicherheit zu bringen / welches ihr auch der Amtmann endlich verwilligte / doch mit dieſer Condition, wann ſie ihn zuvor in ſeinen verliebten Begierden zufrieden ſtellen wuͤrde. Was wolte das gute Weib machen / ihre Ehre war ihr zwar lieb / aber ihres Manns elender Zuſtand gieng ihr noch mehr zu Hertzen. Der Amtmann / der dieſen Zweiffel an ihr wol mercren kunte / bedienete ſich deſſen zu ſeinem vermeyntenD 2Vortheil /52Deß AcademiſchenVortheil / und brachte ſie alſo mit einer kleinen Liebes-Gewalt auf das Bette / allwo er die bitter-ſuͤſſen Venus-Fruͤchte in ſol - chem Uberfluß koſtete / daß ſie ihm hernach nothwendig uͤbel be - kommen muſten. Dann / als er ſich von den verwirꝛten Banden dieſer anmuthigen Schoͤnheit nunmehr beſtrickt ſahe / war ihm unmoͤglich / ſich deren wieder zu entſchlagen / und da er ſich in ſei - nen Gedancken dahin verleiten lieſſe / den armen gefangenen Actæon, als ſeine einzige Hindernuͤß in dieſer Sache / anzu - ſchauen / ſo nahm er ihm vor / denſelben gar auß dem Wege zu raumen / maſſen dann alſobald das Urtheil uͤber ihn geſprochen / und er in dem Gefaͤngnuͤß enthauptet wurde.
Die Frau / als ſie ſolches mit hoͤchſter Wehemuth erfabren / lieff vor ven Amtmann / und hielt ihm vor / wie untreulich er an ihr gehandelt / und da er verſprochen / ihr ihren lieben Ehe-Ge - mahl wieder außzuantworten / ſolchen nun gar Moͤrderiſcher Weiſe um das Leben gebracht haͤtte. Der Amtmann entſchul - digte ſich ſchlimm genug / indem er vorgab / daß zwar die Auß - antwortung deß Gefangenen bewilliget / von ſeinem Leben aber nichts gedacht worden / und alſo waͤre er erboͤtig / ſeiner Zuſage nach zukommen / und ihr deſſen entleibten Coͤrper verabfolgen zu laſſen / zu dem wolte er ſie von nun an uͤber dieſen Verluft derge - ſtalt troͤſten / daß ſie ſich deß Wechſels halber nicht zu beſch weren haben ſolte / kurtz / er wolle ſich ihrer gantz und gar ergeben / und ſie kuͤnfftig als ſeine Liebfte tractiren. Das gute Weib wolte ſich darmit nicht zufrieden geben / ſondern gieng gerades Fuſſes zu ihren naben Freunden / und erzehlete ihnen mit hoͤchfter Wehe - muth / wie der Amtmann mit ihr und ihrem Ehe-Gemahl ſo grauſam verfahren / die dañ unanimiter ſchloſſen / die Sach muͤſte man bey dem Hertzog klagbar machen / der / als ein Gerechrigkeit - liebender Fuͤrſt / dieſer armen unſchuldigen Wittwen ſchon Recht verſchaffen wuͤrde. Und das geſchahe auch / dann / ſo bald der Her - tzog dieſen erſchroͤcklichen Handel vernom̃en / ließ er den Amtmañ vor ſich kommen / ſtellete ihm die Klaͤgerin vor Augen / und fra - gete: Ob er dieſes Weib kenne / und was er vermeyne / daß ihr Vorbringen ſey / welches zumahl ſo wichtig / daß er gern ſehe / wann es nicht wahr waͤre? Man kan leicht erachten / wie dem guten Kerl allhler zu Muth geweſen / inmaſſen auch der Hertzog auß ſeiner Beſtuͤrtzung bald merckete / daß deß Weibs Anklage nicht vergeblich / und alſo drang er deſtomehr in den Beklagten / mit der Warheit herauß zu geben / und durch boßhafftiges Laͤug - nen ſich nicht gar um die jenige Gnade zu bringen / ſo ihm aufdem53Romans I. Buch. dem Fall freywilliger Bekaͤnntnuͤß widerfahren koͤnte. Da fiel nun dieſer boͤſer Haußhalter ſeinem Herꝛn zu Fuͤſſen / bekennete die That umſtaͤndig / und bate um Gnad und Barmhertzigkeit / ſolche auch deſto eher zu erhalten / erbote er ſich / den zwiſchen ihm und dem Weib vorgegangenen aͤrgerlichen Handel mit der oͤf - fentlichen Vermaͤhlung zu purgiren / und gut zu machen. Der Hertzog ſchien hierauf in etwas beſaͤnfftiget zu ſeyn / und das Weib / ob ſie wol Anfangs ſich hier zu nicht verſtehen wolte / ſtelle - te ſie doch endlich alles zu deß Hertzogs Willen und Außſchlag. Darauf wurden nun dieſe Beyde oͤffentlich mit einander ge - trauet / und muſte hierbey der ungluͤckſeelige Braͤutigam ſeine Braut / auf den Fall / da er vor ihr ohne Kinder ſterben ſolte / zu einem Erben aller ſeiner Guͤter / deren in Warheit ſehr viel waren / ordentlich einſetzen. Als ſolches geſchehen / fragte der Hertzog die Klaͤgerin: Ob ſie nunmehro ihrer Klage und An - ſpruchs halber voͤllige Befriedigung erlanget? Sie bejahete ſolches / und ſagete noch darzu dem Hertzog vor ſo gnaͤdigſte Huͤlffe unterthaͤnigſten Danck. Jch aber / ſagte er / kan mich deß von GOtt mir anbefohtenen Obrigkeitlichen Amts wegen / mit allem dieſem noch nicht vergnuͤgen laſſen. Hieß auch hierauf das Weib einen Abtritt nehmen / den Amtmann aber in eben das Ge - ſaͤngnuͤß bringen / allwo er vorhin den unſchuldigen Mann hin - richtenlaſſen / und ihm auf gleiche Art den Kopff vor die Fuͤſſe / beyde Coͤrper aber neben einander in einen Sarck legen. Die Frau / ſo hierum keine Wiſſenſchafft hatte / wurde darauf in das Gefaͤngnuͤß gelaſſen / welche uͤber dieſem unverhofften Spectacul, und daß ſie ſich zweyer Ehe-Gatten ſo kurtz nach einander auf einerley ſchmaͤhliche Todes-Art beraubet ſahe / dergeſtalt er - ſchrocken / daß ſie bald hernach in eine ſchwere Kranckheit gefal - len / und damit dieſes Zeitliche geſegnet. Wiewol ſie endlich auß der letzten Verebcligung noch dieſen Vortheil hatte / daß ſie ihren auß erſter Ehe erzeugten Kindern eine reiche Erbſchafft / die ihr durch deß andern Manns Tod an - und zugefallen / hinter ſich verlieſſe.
Ferrarius macht Geſellſchafft mit einer verſchlagenen Dame, die ihn aber haͤßlich bezeucht. Cavina erzehlet die beruͤhmteſten Kunſt - und Raritaͤten-Kam̃ern in gantz Europa / ſo viel derſelben bekandt ſind.
CAvina iſt eines von den Kindern der erſten Ehe / und weil ſeine zwo Schweſtern vor 3. Jahren geſtorben / hat er alle Guͤther allein geerbet /D 3daß54Deß Academiſchendaß er ſich jetzo in den Adelichen Stand kauffen wil. Klingenfeld bekam hierauf Luſt mit dieſem Mann bekannt zu werden / aber Ferrarius bezeugete / daß er keine Luſt haͤtte / mit ihm umzugehen / inmaſſen er verſchiedene mahl Haͤndel mit ihm gehabt / welche nimmer auß dem Grunde geſchlichtet worden. Dieſe Worte gefielen dem Gaſtgeber ſehr wol / dann / weil er deß Ferrarii gern loß geweſen / war er bemuͤhet / den Cavina an ſich zu ziehen. Nachdem er alſo Abſchied mit Klingenfeld genommen / ſandte er Jemand zu ihm / und ließ ihn zu ſich noͤthigen. Er kam nicht lange hernach / aber Ferrarius verſchloſſe ſich in ſeine Kam - mer / und kam nicht wieder zum Vorſchein. Klingen - feld fand an dem Cavina einen uͤberauß hoͤf - und ma - nierlichen Mann / dannenhero lebeten ſie vertraͤulich dieſen uͤbrigen Tag mit einander / und als ſie von Fer - rario zu reden kamen / ſprach Cavina, daß er ein Prah - ler ſey / und gar keine Courage habe / dahero er auch zu Padua nimmer in einige Conſideration gekommen. Er bekenne zwar / daß er etliche mahl in Action mit ihm geweſen / die er aber ſo liederlich ligen laſſen / daß er ſich ſelber ſchaͤmen muͤſte / mit einem ſolchen lieder - lichen Tropffen es aufgenommen zu haben. Sie fuͤh - reten noch ein und andern Diſcurs mit einander / und funden ſothane innerliche Einigkeit ihrer Hertzen und Gemuͤther / daß es ihnen ſchwer ward / dieſen Abend wieder von einander zu gehen. Cavina nahm endlich Abſchied / und kehrete nach ſeinem Verwanthen / und als am folgenden Tag Klingenfeld aufbrechen wol - te / ſich nach den Schweitzeriſchen Alpen zu wenden / da kam Cavina zu ihm / und noͤthigte ihn / nur dieſen Tag zu verziehen / ſo wolte er am folgenden Tag mit ihm auf Mantua raͤyſen. Aber Klingenfeld ſchwur / daß er keine Zeit habe / laͤnger zu verziehen / ſondern /daß55Romans I. Buch. daß er noch dieſen Tag zu Mantua ſeyn muͤſſe. (Er gedachte aber / wegen Mangel deß Geldes / welches er an gemeltem Ort zu uͤberkommen hoffete /) ſolchem nach wolle er ſich auf den Weg dahin voran machen / und ſeiner allda in einer gewiſſen Herberge erwarten.
Hiermit war Cavina endlich zufrieden / und nach - dem ſie mit einander gefruͤhſtuͤcket / zog Klingenfeld ſeines Weges / welchen wir bald wieder finden wer - den / nachdem wir vorhero angehoͤret / was fuͤr eine poſſierliche Sache ſich gleich hierauf mit dem Ferra - rio begeben. Dieſer Menſch ſtahl ſich heimlich auß der Herberge / ließ den Gaſtgeber zu ſich in ein ander Hauß holen / und nachdem er ihn daſelbſt bezahlet / auch eingewandt / wie es ihm ſo gar unmoͤglich ſey / den Cavina vor ſeinen Augen zu leyden / nahm er Ab - ſchied / und ſetzete ſich auf eine Jtalianiſche Chaiſe mit 2. Raͤdern / die von einem ſtarcken Hengſt gezogen ward / und nach Ferrara lauffen wolte. Der Gaſtgeber war froh / daß er dieſes Prahlers loß worden / und al - ſo fuhr Jener fort / da er vor einem andern Hauß eine ſchoͤne junge Dame mit einem zarten Kindlein zu ſich in die Chaiſe bekam / welche gleicher Geſtalt dieſes Weges / wie ſie vorgab / ziehen wolte. Am folgenden Mittag kam der Fuhrmann wieder zuruck / kehrete bey dem Gaſtgeber ein / bey welchem ſich eben Cavina befand / um dem Klingenfeld zu folgen / und als er in die Stuben kommen / ſetzete er ſich nieder / und fienge ſo hertzlich an zu lachen / daß er bey nahe im Athem waͤre ſtecken blieben. Endlich ſprach er zu ihnen: Ach! ihr lieben Herren / ſpendiret mir nur eine Kanne von dem beſten Verdè-Wein ich wil euch eine ſolche Kurtz - weil darfuͤr erzehlen / daß ihr bekennen ſollet / ihr habt euer Lebtage deßgleichen nicht gehoͤret.
Cavina ließ ihm eine Kanne fuͤr ſein Geld holen /D 4welche56Deß Academiſchenwelche er an den Mund ſetzete / und nachdem er einen hertzlichen Zug gethan / nahm er ſich ſelber in die Ar - me / und fieng noch einmahl an dergeſtalt zu lachen / als wann man ihn kitzelte. Endlich hielte er auf / und ſagte: Jhr Herren habt geſtern geſehen / was fuͤr ei - nen anſehnlichen Ferrarienſer und eine junge ſchoͤne Dame ich weggefuͤhret habe / von denſelben muͤſſet ihr wiſſen / daß Ferrarius ſich unter Weges gar fleiſſig zu der jungen Frauen hielte / und er befand ſie ſo ver - ſchlagen in allen Reden / daß er ſich daruͤber verwun - derte und zugleich ihre Schoͤnheit hoch æſtimirte. Als ſie uͤber die erſte Bruͤcke fuhren / kuͤſſete er ſie / nach der Weiſe hoͤflicher und lieblicher Cavallier, und befand ſie recht fuͤr ſich / auch leicht dahin zu bringen / was er von ihr verlangete. Er kitzelte ſie bißweilen / und ſie / damit ſie ihn zu mehrer Kuͤhnheit veranlaſſete / druͤ - ckete ihm ſeine Haͤnde gantz freundlich / wordurch ſie ihm den Mund ſo waͤſſericht machte / daß er ſich nicht zu behalten wuſte. So viel Bruͤcken / ſo viel Kuͤſſe / und ſo viel Funcken / das Feuer anzuzuͤnden / welches ſich ſolte bey der erſten Gelegenheit loͤſchen. Er bath ſie heimlich um die Schlaff-Geſellſchafft / darzu ſie ſich dann gar gern verſtunde; Und damit ſie ihrer Be - gierde / unter einem Schein der Ehrbarkeit / moͤchten eine Genuͤge thun / beſchloſſen ſie bey ſich / ſie wolten ſagen / ſie waͤren Mann und Weib zuſammen. Jn der erſten Nacht-Herberg gab Herꝛ Urian ſein Fell - Eyß dem Wirth aufzuheben / und befahl / man ſolte ein Bett und Zimmer fuͤr ſich und ſein Weib zurich - ten laſſen. Nach der Mahlzeit giengen ſie mit einan - der ſchlaffen / und legten das kleine Kind zu ihren Fuͤſ - ſen. Was nun nach dieſem zwiſchen ihnen vorgan - gen / weiß ich nicht. Das aber wol / daß die Frau dem Kind in der Wiegen endlich einen Stoß gegeben /daruͤber57Romans I. Buch. daruͤber ſolches aufgewachet / und jaͤmmerlich zu ſchreyen angefangen. Ob ſie nun wol ſolches mit Fleiß gethan / ſtund ſie doch von ihrem entlehnten Mann auf / und verſprach / ſo baiden wieder zu kom̃en / als ſie nur ihr Kind geſtillet haben wuͤrde. Er war muͤde / und beſande dieſen Stillſtand zu ſeiner Ruhe ſehr noͤthig / ſchlieff auch ein / und bedurffte keines Wiegens darzu / fragete auch nichts mehr nach ihr / nachdem er ſeine Luſt gnug gebuͤſſet. Sie ſchuͤret ein Feuer / und begehret vom Wirth / der ſich vom Ge - ſchrey deß Kindes aufmachte / er ſolte ihr ihres Man - nes Felleyß geben / vorwendend / es ſey ein ſtiberner Loͤffel darinnen / den ſie haben muͤſte. Er brachte ihr ſolches / und legete ſich wieder nieder / auf ihr Wort / daß ſie das Feuer wieder wol verwahren wolte / ſo bald ſie ihrem Kind den Brey wuͤrde gegeben haben. Da nun das Kind wieder eingeſchlaffen war / legete ſie es fein ſanffte wieder nieder bey dem Feuer / machet die Thuͤr auf / und bekommt mit dem Felleyß den Schluͤſſel zum freyen Feld. Monſieur ſtunde fruͤhe auf / bezahlete ſeine Zeche / und forderte ſein Felleyß wieder. Der Wirth antwortet / er habe es ſchon ſeiner Liebſten zugeſtellet. Man ſuchte ſie uͤberal / aber verge - bens / ſie hatte in der Nacht ein Loch gefunden / wor - durch dieſer uͤber die Maſſen ungedultig worden / und die Hur verfluchte; Machte alſo durch ſeinen Zorn offenbahr / daß dieſes ſein Weib nicht geweſen. Der Wirth faͤnget auch Haͤndel mit ihm an / und ſchilt ihn / daß er ſein Hauß ſo verunehret / mit Bedrohung / ihn bey der hohen Obrigkeit deßhalben zu verklagen. Der Domine gab es genauer / bath den Wirth / er ſolte ſtillſchweigen / und ließ das Kind auf ſeine Koſten zu einer Pfleg-Mutter thun. Alſo ward der Eyſen - freſſer betrogen / die Dirne um ihre Dienſte reichlichD 5beloh -58Deß Academiſchenbelohnet / und von der ſchweren Kindes-Laſt zugleich entlediget. Wiewol nicht unmoͤglich iſt / daß ſie wie - der ein anders darfuͤr bekommen / welches ihr eben ſo beſchwerlich mag geweſen ſeyn / als das Erſte / deſſen ſie ſich durch ihre Verſchlagenheit entlediget hat.
Als der Fuhrmann ſeine Erzehlung vollendet / da begunten ſie nun alle 3. von neuem rechtſchaffen zu lachen / welches mit ſolcher Vehementz geſchahe / daß ſie ſchier Schaden daruͤber genommen haͤtten. Endlich ſetzete ſich Cavina zu Pferde / und ritte / nach genommenem Abſchied / ſeines Weges. Er war aber kaum auf das Flache gekommen / als er einen Mann zu Pferd hinter ihm herkom̃en ſahe / weil er nun gantz allein / hoffete er einen Gefaͤhrten an dieſem zu erlan - gen / dannenhero hielte er ſein Pferd / und ritte ſacht - muͤthig / biß Jener zu ihm kam / ſie gruͤſſeten einander hoͤflich / und weil dieſer Mann / als ein Teutſcher Kauff - mann / der in ſeinen Geſchaͤfften an verſchiedenen Or - ten in Jtalien geweſen / auch nach Mantua gedachte / hielten ſie ſich zuſammen / und weil es ſchon ſpaͤth in den Tag hinein / hatten ſie gnug zu thun / daß ſie den Po-Fluß paſſirten / da ſie an der andern Seiten ſich in eine Herberge legeten / und ihnen etwas zu eſſen lan - gen lieſſen. Uber der Mahlzeit diſcurrirten ſie von den Academien / oder hohen Schulen / und als der Kauff - mann bemuͤhet war / zu erweiſen / daß die Teutſchen weit mehr auf die Wiſſenſchafften ſpendirten / als die Jtaliaͤner / indem ſie ſo viel Academien aufgerichtet haͤtten / da bezeugete ihm hingegen Cavina, ob es gleich auch Jtalien an wol-beſtelleten Academien nicht er - mangele / ſo glaube er doch / daß ſeine Lands-Leute ein weit mehrers auf ſchoͤne Wiſſenſchafften / Bibliothe - ken / und Kunſt - oder außlaͤndiſche Raritaͤten-Kam - mern / ſpendirten / als die Teutſchen. Was die Kunſt -Kammern59Romans I. Buch. Kammern curieuſer und wolhabender Leute anlan - get / ſprach der Kauffmann / habe ich allemahl ein ſon - derbares Belieben getragen / ſolche genau zu beſichti - gen / moͤchte aber wol wiſſen / wo man die Schoͤnſten anzutreffen haͤtte. Anjetzo ertheilete ihm Cavina dieſe Antwort: Mein Freund / darvon wil ich euch ein gan - tzes Regiſter geben / inmaſſen ich mich ſonderlich be - muͤhet / die principaleſten Kunſt-Kammern von Eu - ropa aufzuzeichnen / um dieſelbe / wofern es mir die Gelegenheit etwa dermahleins goͤnnen moͤchte / in Perſon zu beſichtigen.
Die Oerter / darinn man ſolche ſchoͤne Sachen finden wil / ſeynd nachfolgende: Jn der Jnful Maltha iſt die Kunſt - und Raritaͤten-Kam̃er deß Herꝛn Fran - ciſci Habelæ, Ritters und Vice-Cantzlers / eines ſehr fleiſſigen Antiquarii, auch wol-beguͤterten und curieu - sen Mannes / ſo ums Jahr 1630. daſelbſt reſidiret.
Jm Koͤnigreich Sicilien zu Meſſina deß weit-be - ruͤhmten Medici, Petri Caſtelli.
Zu Neapolis in Campanien / deß Fuͤrſten Tiberii Caraffæ, Vincentii Cioffi Marii Scipiani, und ſonderlich Ferrantis Imperati.
Zu Rom deß Guilandini, Franciſci Angeloni und Thomæ Aldini, vorauß aber deß hoͤchſt-begabten / und denen Gelehrten ſehr affectionirten / Edlen Herꝛn Caſſiani à Puteo, Franciſci Gualdii, wie nicht minder deß Welt-bekandten Athanaſii Kircheri, und am aller - meiſten in dem allerpraͤchtigſten Pallaſt und Luſt - Garten deß Cardinals Barberini Cæſii, der Burg Heſiorum, Farneſiorum, welche der Farneſiorum koͤſt - liche Gaͤrten / vor dieſem Palatini genennet worden ſind. Item, der Mathæjorum, Maffæorum, Ludovi - ſiorum, und vieler anderer.
Zu Piſa, das Raritaͤten-Gewoͤlbe / oder Porticumder60Deß Academiſchender Mediciniſchen Facultaͤt / dero zu Gefallen im uͤbri - gen auch / und zu deſto beſſerer Aufnahm deß Studii daſelbſt / ſonderlich ein bequemer Garten / mit darzu gehoͤrigen jaͤhrlichen Unterhaltungs-Koſten / vom Groß-Hertzogen Ferdinando Mediceſ, darbey ver - ordnet iſt.
Und zu Florentz ſelbſt das Gazophylacium deß Fuͤrſten / von groſſer Koſtbarkeit / Menge und Kunſt darinn enthaltener Dinge. Wie ſonderlich dann in dem auſſer der Stadt nicht weit abgelegenen Luſt - Hof der Groß-Hertzogen / genannt Pratolino, die gar admirablen Ergoͤtzlichkeiten und Pracht / an allen erdencklichen Fuͤrſtlichen Curioſitaͤten / faſt nirgend auf Erden ihres gleichen haben / und etlicher maſſen von Johann Sommern / groͤſſern Theils aber von Johann Heinrich Pflaumern / und am allerumſtaͤnd - lichſten in einem abſonderlichen Jtaliaͤniſchen kleinen Tractat, von Franciſco Vieri, nach der Ordnung be - ſchrieben werden.
Zu Bononien das Cabinet eines dem Auguſtiner - Orden zugethanen Antiquitaͤten Liebhabers / Angeli Aproſii Ventimiglia, und ſonderlich deß in offentli - chem vielfaͤltigem Druck hochberuͤhmten / und in Er - forſch - und Colligirung natuͤrlicher Dinge biß auf ſein Alter / ja faſt biß in ſein aͤuſſerſtes Armuth und Tod unerſaͤttlichen Medici, Ulyſſis Aldrovandi.
Zu Mantua das Muſeum deß Fuͤrſten Ferdinan - di Gonzagæ.
Zu Veron der Edlen von Muſellis, Franciſci Cal - ceolarii, weyland eines fuͤrnehmen Apotheckers da - ſelbſt / und Ludovici Maſcardi, gleichfalls eines An - ſehnlichen und Gelehrten von Adel / und Academici Philarmonici, der ſein Muſeum, reich an trefflichen Antiquitaͤten / Kunſt-Stuͤcken / und vielerley Gabender61Romans I. Buch. der Natur / in ſeiner Mutter-Sprache ſelbſt beſchrie - ben / und Hertzog Frantzen von Modena dedicirt.
Wie nicht minder zu Venedig ſo mancher Fuͤr - treſflicher von Adel und Senatoren / benahmentlich Andr. Vendrameni, Joh. Grimani Roſini, Joh. Franc. Lorendani, &c. und den Schatz der gantzen Sereniſſi - men Republicq, der in der Baſilica zu S. Marco befind - lich / vor Alters groſſen Theils von Stamato, einem Griechen auß Candia buͤrtig / durch offt-widerholten / argliſtigen / naͤchtlichen Einbruch entfuͤhret / doch wie - der bekommen / und biß anhero um ſo viel veſter ver - wahret / zum oͤffterſten den Fremden gezeiget / und nicht ohne hoͤchſtes Verwundern geſehen wird.
Zu Padua, deß Aloyſii Coradini, JCti, und Pan - dectarum Lectoris daſelbſt / Speroni Speronii, Marci Mantuæ Bena Vidii, Urſati ab Urſatiſ, Sertorii Urſati. deß beruͤhmten Medici, Johann Dominici Salæ, Ed - mundi Bruzi, &c. Und zu Milan, oder Maͤyland / deß Edlen Herꝛn Manfredi Septalæ, Canonici daſelbſt / von deſſen gar koͤſtlicher Gallerie vor weniger Zeit in Jtaliaͤniſcher Sprache eine umſtaͤndliche Beſchrei - bung in Druck gegangen.
Ferner zu Jnſpruck / der uͤberauß luſtig-gelege - nen ſchoͤnen Haupt-Stadt in Tyrol / der Durch - leuchtigſten Ertz-Hertzogen von Oeſterreich / woſelbſt dann auſſer den trefflichen Luſt-Garten / Kunſt - und Silber-Kam̃er / Schatz-Gewoͤlbe / Bibliothek, Ruͤſt - Kammer / &c. auf oͤffentlicher Straſſen in der Stadt / unten an der aͤuſſerlichen Wand eines Hauſes / zu ſe - hen iſt ein abhaͤngend / von gediegenem feinem Gold gemachtes Daͤchlein / und auſſer dem Thor / unweit darvon / bey einem Dorff / oben an den hohen ſpitzigen Bergen / der gefaͤhrliche Ort und Klippe / da weyland der Loͤbl. Ertz-Hertzog Maximilian ſich auf der Gem -ſen -62Deß Academiſchenſen-Jagd verſtiegen / welcher Ort hernachmahls mit Hinſetzung eines Crucifixes von 40. Fuß zu ewigem Angedencken bemercket / und auf dem Titul-Blatt eines curieuſen Tractaͤtleins D. Georgii Hieronymi Velſchii, Augſpurgiſchen Medici, in Kupffer-Stuͤck gar klein / doch ſehr wol und accurat præſentiret iſt.
Zu Wien in Oeſterreich / der Allergroßmaͤchtig - ſten Roͤmiſchen Kaͤyſer / derer Schaͤtze und koſtbarſte Raritaͤten taͤglich mehr und mehr vermehret werden.
Zu Breßlau / oder der Haupt-Stadt Schleſiens / ein und andere Raritaͤten-Gemaͤcher und Scrinia cu - rieuser Medicorum und Apotheker / benamentlich deß ſeel. D. Laureæ, deſſen Rariora Exotica und ſchoͤne Bi - bliothek noch heutiges Tages bey den Herꝛn Voll - gnaden gar ſauber und in gutem Eſſe erhalten wer - den. D. Laurentii Scholtzii, der ſonderlich in Schriff - ten / und wegen ſeines Gartens beruͤhmt. Herꝛn Ca - lenbergers / oder ſeel. Herꝛn Jacob Kruſens / deme der Sinn-reiche Andr. Gryphius die Materie zum Buch / de Mumiis Vratiſlavienſibus, hat zu dancken / wiewol nicht alles unwiderſprechlich iſt / was er darinn ſetzet.
Zu Prag / der vorigen Kaͤyſer und Koͤnige in Boͤhmen. Woſelbſt die vor Alters befindliche herꝛ - liche Bibliothec, nebſt der Heydelbergiſchen / ſind gleichſam die Maſſa geweſen / auß welcher die Jetzige im Vatican zu Rom gebildet.
Zu Nuͤrnberg / in der viel-belobten Reichs-Stadt / deß D. Michael Rupert Beßlers / weyland Phyſici da - ſelbſt / welcher auch einen Theil ſeiner Raritaͤten auf eigene Unkoſten / in 35. Kupffer-Platten in Median, der Welt vor Augen geleget / die biß dato einen ge - ſchickten Interpretem beduͤrffen / und inzwiſchen gnug - ſam erweiſen / welcher Geſtalt gemelten Autoris Cu - rioſitaͤt ſonder Zweiffel ein weit Mehres mag habenim63Romans I. Buch. im Hinterhalt gehabt. Und iſt von Nuͤrnberg bey - laͤufftig auch diß nicht unannehmlich in Erinnerung zu ziehen / das Wahrzeichen der Stadt / ein in Stein gehauener Ochs / uͤber der Pforte deß Fleiſch-Hauſes. Jn welches Anſehung der Glorwuͤrdige Koͤnig in Schweden / der Groſſe Guſtav, einmahl im vorbey - Reiten ein wenig ſtill gehalten / und nicht ohne merck - ſame Ergoͤtzung / darbey gefuͤgetes Hypogramma gantz außgeleſen:
Zu Muͤnchen in Baͤyern / in dem daſelbſt befind - lichen allerpraͤchtigſten Schloß / als in Teutſchland zu finden iſt / die Raritaͤten der Durchleuchtigſten Chur-Fuͤrſten von Baͤyern.
Zu Zuͤrch (Tiguri,) in der Schweitz / deß be - ruͤhmt und uͤberfleiſſigen Geſneri.
Zu Baſel / deß Plateri, welchen deßwegen Marti - nus Schookius, Profeſſor zu Groͤningen / Medicum Summum, & Naturæ Ruſpatorem Diligentiſſimum, das iſt / einen allerfuͤrtrefflichſten Artzt / und fleiſſigſten Durchwuͤhler oder Durchſucher der Natur / nennet.
Zu Straßburg / in Elſaß / im Barfuͤſſer-Kloſter.
Zu Stuttgardt / im Wuͤrtemberger-Land / der Herren Hertzogen daſelbſt.
Zu Ulm / Herꝛn Chriſtoph Weickmanns / deß Geheimen Raths / ꝛc. rare Kunſt - und Natural-Kam - mer / dero Beſchreibung er ſelbſt A. 1659. in Druck herauß gegeben / ſo aber anjetzo / nach ſeinem ſeel. Hin - tritt / auß gewiſſen Urſachen / von wenigen geſehen wird.
Zu Hanau / (nahe bey Franckfurt /) Herꝛn Fri - derich Caſimirs / Grafen zu Hanau.
Zu Leipzig / weyland Herꝛn D. Eliæ SigismundiRein -64Deß AcademiſchenReinhards / hoch-meritirten / Treu-eyferigen Superin - tendenten daſelbſt. Herꝛn Burgermeiſters und zu - gleich Chur-Saͤchſiſchen Raths / Herꝛn Chriſtian Lo - rentzen / und Herꝛn D. Boſens / gleichfalls fuͤrnehmen Theologi deß Orts.
Zu Dreßden auf dem Stall / der Chur-Fuͤrſten von Sachſen.
Zu Berlin / oder Coͤlln / deß Chur-Fuͤrſten zu Brandenburg / deſſen Raritaͤten aber vor etlichen Jahren in klaͤglicher Fcuers-Brunſt groſſen Scha - den gelitten.
Zu Magdeburg / Herꝛn Burgermeiſter Otto Guerikens / ſo neulich in Hamburg geſtorben / wiewol deſſen Recipienten / Lufftzieher / und Tubuli, ledige Heb-Kugeln / Electriſche Kugel / Vorſpiel eines Per - petui Mobilis, Aëroſcopia, und andere curieuſe Dinge mehr / (deren groͤſten Theil er dem arbeitſamen Wuͤrtzburgiſchen Jeſuiten / P. Caſparo Schotten / in Schrifften bekandt zu machen vergoͤnnet /) mehr ad Experimenta ſumptuoſa, als ſpontè obvenientia; Mehr ad Cornu Copiæ, aliquod Rerum Artificialium, als Sylvam aliquam Sylvarum Verulamii, oder deſſen fuͤrnehmſten Einhalts; Jch ſage mehr ad Mechani - cam, Magneticam, Pnevmaticam und Hydraulicam, als ſolam Phyſicam gehoͤren / und deßwegen bey an - derer Gelegenheit etwan um ſo viel umſtaͤndlicher in Conſideration zu ziehen ſind.
Zu Hildesheim / das Cabinet, Dactylothecam, und andere Scrinia, Herꝛn D. Friderich Lachmunds / Medici Ordinarii daſelbſt / als welcher mit eigenen Koſten und groſſem Fleiß vor ohngefaͤhr 15. oder 18. Jahren in den fuͤrnehmſten Orten Jtaliens / ſonder - lich und zuforderſt aber zu Venedig / Florentz / Neapo - lis und Rom / mancherley feine Antiquitaͤten und Na -turalia65Romans I. Buch. turalia Selectoria ihm colligiret / dann nachgehends auch / als ein getreuer Plinius, den Bezirck erwehnten ſeines Vatterlandes faſt unablaͤſſig und gar genau durchſuchet / und der Poſteritaͤt hierdurch zu dienen / gleich wie vor wenigen Jahren nunmehr die um ſein Hildesheim und an dem Hartz befindliche Foſſilia in ein gewiſſes Verzeichnuͤß gebracht / alſo kuͤnfftig auch einen Catalogum Subterraneorum ad Lap. Judaicum Spectantium, ruͤhmlich geſonnen iſt zu ediren.
Zu Sachſen-Lauenburg an der Elbe / den in dem Schloß ſtehenden Raritaͤten-Schranck deß Hertzo - gen / woſelbſt auch unterſchiedliche von Helffenbein ſchoͤn-und ſubtil-gedrehete Kunſt-Stuͤcke zu ſehen / von einem blinden oder tauben Meiſter / welches um ſo viel mehr zu verwundern iſt / gemacht.
Und zu Gottorff vorauß die treffliche viel-belobte Kunſt Kammer deß Durchl. Regierenden Hertzogen von Hollſtein / &c. Hertzogen Chriſtian Albrechts / welche vor vielen Jahren ſchon / durch hoch-ruͤhmliche Speſen ſeines Durchl. Herꝛn Vatters / Hertzog Fri - derichs / Chriſt-milder Gedaͤchtnuͤß / anſehnlich gnug / und mit darzu erkaufften Antiquitaͤten / und ſchoͤnen Naturalien-Kammern Bernh. Paludani, weyland fuͤr - nehmen Medici zu Enckhuſen / und dann fuͤrter von Zeiten zu Zeiten vermehret / nunmehro zum dritten oder mehren mahl eine neue Diſpoſition erfordert / und A. 1666. zwar etlicher Maſſen in einer abſonder - lichen gelehrten Teutſchen Schrifft von dem Welt - beruͤhmt-ja faſt ein groͤſſers Theil der Welt in eige - ner Perſon umgefahrnen Herꝛn / Adamo Oleario, er - oͤffnet worden / als welcher derſelben Kunſt-Kam̃er / zuſamt der koͤſtlichen Bibliothec, groſſer Metallenen Sphæræ Armillari Copernicanæ, und deme nicht weit darvon befindlichen admirablen / kuͤnſtlichen / groſſen /Evon66Deß Academiſchenvon Waſſer getriebenen Erd - und Himmels-Globo, biß auf ſein graues Alter nun eine geraume Zeit mit groſſein Nutzen und Ruhm vorgeſtanden; Aber vollends und um ſo viel mehr gantz umſtaͤndlich von Stuͤck zu Stuͤck gelehrter Welt vorgeſtellet worden waͤre / ſo fern ihm / wie zu hoffen und zu wuͤnſchen / der Hoͤchſte ſein Leben noch laͤnger friſten wollen.
Ferner / zu Coppenhagen in Daͤnnemarck / deß Glorwuͤrdigſt-Loͤblichſt - und groſſer Geheimnuͤſſe der Natur hoch-erfahrneſten Koͤnigs Friderici III. deſſen faſt-unvergleichliche Kunſt-und Schatz-Kam - mer / wo nicht ihren Anfang / doch mercklichen Wachs - thum genommen / durch geſchehene Hinzufuͤgung der ſchoͤnen Raritaͤten D. Olai Wormii, geweſenen Koͤnigl. Profeſſoris daſelbſt / die er mit groſſer Sorgfalt colli - giret / hernachmahls gar accurat, A. 1655. beſchrie - ben / und von ſeinem Sohn Wilhelm an Jhro Koͤ - nigl. Maj. dediciret. Jngleichem von Privat-Perſo - nen / das Muſeum Petri Chariſii, mit dem Licetus zu Padua in Antiquitaͤt-Sachen correſpondiret / und deß hoch-begabten / Welt-beruffenen Herꝛn Thomæ Bar - tholini, der zwar nicht alle ſeine / jedoch meiſtentheils zur Anatomie gehoͤrige gar nachdenckliche Curioſitaͤ - ten an einem Ort ſelbſt erzehlet. Sonderlich aber deß weyland nunmehr auch ſehr ſchaͤtzbaren Medici, D. Henrici Fuirenii, welcher als ein Valetudinarius meiſtentheils und fuͤr ſich wol beguͤtert / nicht noͤthig gehabt / die beſte Zeit ſeines Lebens in oͤffentlichem Amt / oder beſchwerlicher Praxi Medica hinzubringen / und vielmehr vor tauſend andern Medicis in der Welt von GOtt das hoch-deſiderable Gluͤck gehabt / in taͤglicher Converſation mit den fuͤrtrefflichſten ge - lehrten Maͤnnern und Kuͤnſtlern / auch erheiſchender Gelegenheit nach / unter ſo manchen ſchoͤnen Experi -menten /67Romans I. Buch. menten / ſeinen gelehrten Speculationibus nach freyem Belieben nachhaͤngend / gleichſam ein im̃er-gruͤnen - des Paradieß der Kunſt und Natur vor Augen und Gemuͤth zu ſehen; Und ligende alſo in der allerhold - ſeeligſten Muſen-Schoß / ein koͤſtlich Muſeum, deſſen Verzeichnuͤß A. 1663. gedruckt / geſtifftet / welches er hernach bey Erb-loſem ſeel. Hintritt / dem Anatomie - Hauß in der Koͤnigl. Univerſitaͤt deß Orts / wie auch ſeine uͤbrige Barſchafft ad pias Cauſas legirt / und ſol - cher Geſtalt als ein rechtſchaffener / gelehrter / wei - ſer Mann / und guter Chriſt / ſein ruͤhmlich-gefuͤhrtes Leben zu treuem Angedencken der Nach-Welt / auch nach ſich immortaliſiret.
Auf der Uranienburg / (gleichfalls in Daͤnne - marck /) das Muſeum und die Obſervatoria deß Welt - beruͤhmten Tichonis de Brahe, wiewol ſolches mehr wegen kuͤnſtlicher Mathematiſchen Inſtrumenten und ſchoͤner Structur, als bloſſer Natural-Sachen / be - ruͤhmt.
Zu Amſterdam hingegen / und um ſo viel mehr / ſo manche koͤſtliche Cabinette und Raritaͤten-Gemaͤ - cher unterſchiedener theils hoch-gelehrten Maͤnner / Apotheker und Materialiſten / theils ſonſt beguͤterter fuͤrnehmer Leute.
Zu Leyden / das mit curieus - und außlaͤndiſchen Dingen gezierete Ambulacrum deß Mediciniſchen Gartens bey der Univerſitaͤt.
Und zu Enckhuſen das Muſeum vorhin gedach - ten fuͤrtrefflichen Medici Paludani, als welcher durch Antrieb angebohrner hitzigen Liebe / zu gruͤndlicher Erforſchung der Wunder-Thaten der Natur / nicht allein viel ſchoͤne Plaͤtze Europæ durchſuchet / ſondern biß in Eaypten / und andere Auſtraliſche / auch Orien - taliſche Orte der Welt / durchwandert.
E 2Nicht68Deß AcademiſchenNicht minder zu Pariß / oder viel beſſer zu reden / in der kleinen Welt der Kron Franckreichs / das koͤſt - liche Conclave deß Cardinal Richelieu, und eines rei - chen Kauffmanns daſelbſt / genennet Prete Segle.
Zu Arle, Aix, oder Aquis Sextiis, (in der Pro - vence,) deß Hoch-Edlen / hoch-begabt - und Koͤnigl. Senatoris daſelbſt / Herꝛn Nicolai Claudii Fabricii Peireskii.
Zu Mompellier, (in Languedock,) weyland ei - nes fuͤrnehmen Medici, Jauberti, wie auch nach ihm eines Apothekers daſelbſt / Laurentii Catellani, auß deſſen Muſeo aber nach ſeinem Tod die Sachen meiſt diſtrahiret worden.
Und dann zu Poictiers, oder Pictaviâ, in der Graf - ſchafft dieſes Namens / das ſchoͤne Gazophylacium, gleichfalls eines Apothekers / Pauli Contanti; Wie dann dieſe Standes-Leute / nebſt den Materialiſten / ſo ſonſt Aromatarii, Simpliciſten / (zum Theil auch Se - plaſiarii genennet werden /) hierzu die beſte Gelegen - heit / wegen ihrer Handlung / und gemeiniglich beſte Unkoſten haben.
Item, es gedencket der Edle Herꝛ / D. Sachſius, ei - nes Engellaͤnders / genannt Herꝛ von Forges, Amphi - Theatri Naturæ, ſo A. 1651. mit hoͤchſter Gemuͤths - Luſt zu Leipzig ſoll zu ſehen geweſen / dann nach Ham - burg / unwiſſend aber / wo weiter hin / und ob wieder nach Engelland / verfuͤhret worden ſeyn.
Es iſt aber unmoͤglich / alle andere (noch mehrere /) Raritaͤten / Kunſt-Kam̃ern / Muſea, &c. nach der Ord - nung nahmhafftig zu machen / die im uͤbrigen noch hin und wieder in Landſchafft-und Staͤdten der alten fuͤnff-theiligen Welt / bey ſo wol Koͤnigen / Chur - Fuͤrften / Cardinaͤlen / Ertz-und Biſchoͤffen / Fuͤrſten / Grafen / Freyherren / Rittern / Staͤdt - und andernStaͤnden /69Romans I. Buch. Staͤnden / als abſonderlich auch unterſchiedenen Ed - len und Unedlen / Geiſt - und Weltlichen / Gelehrt - und halb-Gelehrten / Kauſſleuten / Burgern / und an - dern Privat-Perſonen / befindlich ſind / angefuͤllet mit ſo mancherley Berg-Art-und Ertzen / Corallen / und was darvon gemacht / ſeltzam gebildet oder formirten Steinen und Edelgeſteinen / ſo theils roh / theils ſchoͤn geſchliffen / polirt / außgegraben / und eingefaſſet; Rar - und curieuſen Stuͤcken Agtſtein / in haͤrteſten Stein unter der Erden verwandelten / wol hunderterley Art / Coͤrpern; Außlaͤndiſchen Baͤum - und Fruͤchten / Samen / Zweigen / Hoͤltzern / Wurtzeln; Fremden / theils durchgetrocknet-theils außgeſtopfften Thieren / auch dero Sceletis, oder etlichen von dero Gliedern; Ungeheuren und ſeltzamen Meer-Wundern / See - Fiſchen und Muſchel-Werck; Schwaͤmmen / Voͤ - geln / dero Klauen / Koͤpffen und Federn; Sonderba - ren Gebuhrt - und Mißgebuhrten; Jn Bergen und Sand gefundenen Rieſen-Schaͤdeln / Zaͤhn - und Ribben; Egyptiſchen Mumien / und bedencklichen Si - gillis darauß; Oder auf neue Art balſamirten Coͤr - pern; Uhr-alten Urnis, auß Heydniſchen Graͤbern / Thraͤnen-Glaͤſern / und ruckſtaͤndigen Lampen / die viel hundert Jahr / ohne Zuthuung einigen Oehls / unter der Erden in Gruͤfften gebrennet; Statuen / und außgehauenen / gegoſſen - oder kuͤnſtlich-geſchnitzten kleinen Bildern; Alten Griechiſchen / und ſonſt fuͤr - trefflichen Europæiſchen Gemaͤhlden / Tafeln von ſchoͤnſtem polirten Marmor, oder auch wunderſam zuſam̃en geſetzter Moſaiſcher Arbeit; Inſcriptionen / Medaglien / und andern dergleichen Antiquitaͤten; Papier und Buͤchern / auß heutiges Tages gantz un - gewoͤhnlicher Materie; Geſchirren / Meſſern / Waf - fen / Geſchmeiden und Kleinodien; Kuͤnſtlich-ge -E 3wuͤrckten70Deß Academiſchenwuͤrckten Tapeten / fremden Trachten; Uhrwercken / Muſicaliſchen Inſtrumenten / Machinulis und Model - len; Brenn und Reflexion-Glaͤſern / gegoſſenen ſchoͤ - nen Spiegeln / und anderer zur Optica gehoͤrigen Cu - rioſitaͤt / auch Chymiſchen Geheimnuͤſſen / und vielen andern Experimental - und Kunſt-Stuͤcken mehr. Derg eichen Raritaͤten-Gemaͤcher denen Liebhabern / die etwa nicht wol bemittelt / und deßwegen nicht fuͤg - lich in fremden Landen / die Gebuhrts - und Ruh - Stadt dero durch die Welt ungleich-außgetheileten Schaͤtze der Natur / perſoͤnlich oder ſelbſt in Augen - ſchein nehmen koͤnnen / zu beſehen / ſehr nutzlich und bequem; Ja / es ſind ſolche zu Philoſophiſcher Be - luſtigung gemeynete Muſea etlicher Maſſen ſchon vor Alters im Gebrauch geweſen / oder die und jene Rariora zum wenigſten in Bibliotheken aufgehaben worden / deſſen Exempel geweſen ein Wunder-ſeltza - mer Drachen-Darm / 120. Schuhe lang / in der weit - und breit-beruͤhmten / hoch ſchaͤtzbaren / aber in klaͤg - lichem Rauch hernach aufgegangenen Bibliothek zu Alt-Byzanz / auf welchem gar kuͤnſtlich das Poëma Homeri mit guͤldenen Buchſtaben ſoll geſchrieben geweſen ſeyn / und iſt ſonderlich vom Kaͤyſer Auguſto auß dem Suetonio bekandt / daß er ſeinen Pallaſt auſ - ſer der Stadt / oder ſein Prætorium, nicht ſo wol mit koſtbaren Statuen und Gemaͤhlden / als aͤuſſerlich mit Buſchwerck und Schatten-Gaͤngen / inwendig aber mit Koͤpffen und andern Gliedmaſſen ungeheurer groſſer Thiere / Rieſen-Gebeinen / Waffen der Uhr - alten Helden / und andern nachdencklichen Dingen von Alter und Raritaͤt / außgezieret gehabt habe / da hingegen von andern zu Rom / zu deß erwehnten Au - guſti Zeit / oder nachgeherds / gewiſſe anſehnliche Pi - nacothecæ, Gallereyen und Repoſitoria geſtifftet / unddarinn71Romans I. Buch. darinn allerhand koͤſtliche Gemaͤhlde / Tafeln / Sta - tuen / kuͤnſtliches Silberwerck / ſchoͤne Decken / Klei - der / Signa, und andere Galantereyen / zur Pracht / zu Denck-wuͤrdigem Beybehalten der Antiquitaͤt / und zu Beluſtigung curieuſer Gemuͤther / mit Fleiß ſind aſſerviret worden.
Hiermit beſchloſſe Cavina ſeinen Diſcurs, der Teutſche Kauffmann aber ſagte: Jhr habt mir zwar / mein Herꝛ / deſſen ich euch hertzlichen Danck weiß / ei - ne gute Verzeichnung ſothaner Kunſt-Kammern ge - geben / unter welche ich aber meines Erachtens mit hoͤchſtem Fug zehlen koͤnte / die Raritaͤten-Kam̃er deß Edlen Herꝛn Michaelis Bertoldi de Gileno, eines be - ruͤhmten Medici und fuͤrtrefflichen Chymici zu Haar - burg / und dann gerade gegen dieſem Ort uͤber / nem - lich zu Hamburg / das uͤberauß koͤſtliche und Preiß - wuͤrdige Nummophylacium Lüderianum, oder die wol-verſehene Medaillen-Kammer derer vom Ge - ſchlechte Luͤders / die wol / was rare Schau-Pfenninge belanget / ihres Gleichen wenige hat / als darinn 568. guͤldene / 5328. ſilberne / und 2599. kupfferne rare Me - daillen zu finden ſind / welche eine Sum̃a von 8492. Pfenningen außmachen.
Cavina merckete wol / daß der Kauffmann in ſei - ner Jugend ſich muͤſſe auf die Studia geleget haben / inmaſſen es derſelbe mercklich blicken ließ / dañenhero vertieffeten ſie ſich weiter in ihrem Diſcurs, und kamen auf ſonderbare Collegia fleiſſiger und kluger gelehr - ter Leute / welche hin und wieder in Europa aufgerich - tet worden / oder von ſich ſelber zuſammen geſchlagen haͤtten.
Allhier werden die beruͤhmteſte ſonderbare Collegia gelehr - ter Leute in Europa / fuͤrnemlich aber in Jtalien / eingefuͤhret.
DAmit aber der Kauffmann mercken ließ / was er in dieſer curieuſen Materie ſein Lebtage ange - mercket hatte / ließ er ſich in folgenden Diſcurs anjetzo herauß: Es iſt unmoͤglich / daß ein Jeder alle Bibliotheken / Academien und Kunſt-Kammern be - ſehen oder beſuchen koͤnne / dannenhero haben uͤber dem / um die Schaͤtze der Natur zu erforſchen / und guten Theils darvon frey und ungehindert zu Philo - ſophiren / oder auch ſonſt die gewoͤhnliche Mutter - Sprachen zur Perfection zu bringen / in Muſicaliſcher Luſt / Virtueuſen Diſcurſen und Actionen / Hiſtorien / guter Beredtſamkeit / &c. ſich zu uͤben / gleichwie in Franckreich das gelehrte Collegium, genennet la Con - ference, und in Teutſchland die Hoch-Edle A. 1617. geſtiſſtete Frucht-bringende Geſellſchafft / als ſonder - lich / ja uhrſpruͤnglich / oder kurtz vor dieſen / zu unſerer Zeit bey Hoch-Edlen / Edlen / hoch-gelehrt-ja theils Fuͤrſtl. Perſonen / Senatoren und Eſtats-Leuten in Jtalien / gewiſſe Societaͤten ſich entſponnen / in wel - chen / was etwa einem Mitglied / Zeit waͤhrender Collation, von vorgenommener Materie nicht bey - fallen moͤchte / von dem Andern / Dritten / &c. eroͤrtert wird / und ein Jeder ſein Befinden und Experience darbey in vergnuͤglichſter Freund-Willigkeit beyfuͤ - get; Welches heutiges Tages in kochender Grund - Suppe der Welt von mißguͤnſtigen Ignoranten nur geneydet und verfolget / von Hochtrabenden andern aber / und welche den allerwenigſten Theil der Himm - liſchen Suͤſſigkeit deß warhafftigen Philoſophirens nie geſchmecket / hoͤhniſch gehalten / und wol fuͤr Schulfuͤchſerey gelaͤſtert wird.
Jmmittelſt haben die ihnen gelaſſene / Lehr - ſuchende Geſellſchaffter / in Jtalien um und an / zu Beſtaͤrckung ihrer Lob-wuͤrdigen Verbuͤndnuͤſſenunter73Romans I. Buch. unter ſich / und zum Unterſcheid vom gemeinen Poͤbel / oder Mercenariis Philoſophis ac Medicis, die nur um bloſſen Gewinn / unter der aͤuſſerlichen Larve ver - meynter Wiſſenſchafft ihr Weſen treiben / im uͤbri - gen ihnen belieben laſſen / ſolche ihre Societaͤten / ſo ſie Academien nennen / gleichwie mit gewiſſen weit beſ - ſern Tituln zu belegen / alſo ein Sinn-reiches Emble - ma und na[ch]dencklichen Wahl-Spruch darbey zu erkieſen. Solche Academien benamentlich waren eine Zeitlang / oder ſind noch / De gli Accenſi zu Sena; De gli Affidati zu Pavie, oder Ticino; Anhelantium oder Aſpirantium zu Padua; Apathiſtarum zu Flo - rentz / derer Mitglied der beruͤhmte Medicus, Joh. Nardius, geweſen / deſſen gar curieuſe Tractaͤtlein / de duplici Calore, Noctes Geniales, de Igne Subterraneo, de Lacte, de Rore, in oͤffentlichen Druck gelanget.
De gli Ardenti zu Neapolis, deren Mitglied einer / Namens Academicus Ardens Æthereus, ſonſt der Pro - feſſion ein Caſineſer-Moͤnch / in ſeiner Sprache gar fleiſſig und fein von Edelgeſteinen geſchrieben.
De gli Auvalorati zu Sena, alſo tituliret von dem Wort Valore, das iſt / Krafft / Staͤrcke und Beſtaͤn - digkeit / (in Tugend und Wiſſenſchafften /) dero zum Zeichen ſie einen Eich-Baum fuͤhren / mit dieſer Uber - ſchrifft: Adverſantibus Invaleſcit! und ſol - ches darum / alldieweil ſolche Societaͤt daſelbſt / nahe an Sena, auf einem luſtigen Vorwerck Matthæi Ami - dei, la Quercia Groſſa, oder zur groſſen Eyche genen - net / ihren Urſprung genommen / wie jetzt-gedachter Amideus, ein Apotheker oder Speciarius ſelbigen Orts / doch von fuͤrnehmerer Extraction, mit Umſtaͤn - den ſelbſt berichtet.
Clavigerorum, an einem Ort in der Lombardie. Conſtantium zu Verona und Padua, woſelbſt dieſe Geſellſchafft ſchon A. 1556. aufgerichtet worden iſt.
E 5Degli74Deß AcademiſchenDe gli Corteſii zu Sena, della Cruſca zu Florentz / De gli Deſidioſi zu Sena, De gli Eccitati in der gar alten Stadt Ravenna; Elevatorum zu Padua; Errantium zu Neapolis De gli Eterei, und Furfuriariorum zu Florentz.
Humoriſtarum, (oder der Befeuchtenden /) zu Rom / fuͤhrenden zum Sinn-Bild / einen herab fallen - den Regen / auß den Wolcken / ſo von der See entſtan - den / mit dieſer Uberſchrifft: Redit Agmine Dulci.
Illuſtrium in Caſale, in der Lombardie; Imma - turorum zu Padua; Incognitorum zu Venedig / wor - innen der Welt-bekandt - und hoch-begabte Herꝛ Jo - hann Franciſcus Loredan, fuͤrnehmer Senator der Reſpublic, geweſen.
Indomitorum zu Bononien; De gli Ineguali zu Florentz; Inflammatorum zu Padua; Informium zu Ravenna; Inquietorum an einem andern Ort Jta - liens De gli Inſtancabili zu Venedig; Intentorum zu Meyland.
Intrepidorum zu Ferrara, derer Sinn-Bild eine Buchdrucker-Breſſe / mit dieſem Denck-Spruch: Premat Dum Imprimat!
De gli Intronati zu Sena, von deren Collegio und Gebraͤuchen Herꝛ D. Sachſius umſtaͤndlich handelt / und derer Sinn-Bild ein außgehoͤhleter Kuͤrbs / wor - innen die Bauren Saltz enthalten / mit dieſer Bey - ſchrifft: Meliora Latent!
De gli Invaghiti zu Mantua; Sonderlich aber der Lynceorum zu Rom / welche Academie daſelbſt von dem hoch-begabten Fuͤrſten Friderico Cæſio ge - ſtifftet / und von den erleuchteſten Ingeniis und beſten Profeſſoribus in allen Wiſſenſchafften und Facultaͤ - ten / außgenommen Theologis, jederzeit frequentiret / zum Sinn-Bild traͤget einen in Porphyr gegrabenenLuchs /75Romans I. Buch. Luchs / anzuzeigen / die Scharffſinnigkeit der Gemuͤ - ther / viel verborgene Dinge in dem Abgrund der Na - tur zu erblicken / und getreulich der Welt darzuthun; Als auch benamentlich gedachter Fuͤrſt Cæſius in Phi - loſophicis, Galilæus à Galilæis in Aſtronomicis, und der hoch-gebohrne ſehr curieuſe Fabius Columna gleichfalls in Phyſiognomicis viel gethan; Item, in Zoologicis, durch Beſchreibung etlicher Merck-wuͤr - digſten Thiere / zu Land und Waſſer; Worunter er auch noch abſonderlich ein klein Tractaͤtlein von der Purpur - und andern darzu gehoͤrigen Schnecken - Arten / Gloſſopetris, oder (dem Anſehen nach /) in Stein verwandelten Maltheſichen Schlangen-Zun - gen / ſamt ihrer Minerâ, oder Terra di San Paolo, und andern dergleichen Curioſitaͤten mehr / zu Rom ver - fertiget. Ferner / die Academie der Nobilium zu Bo - nonien; Dero in Venedig hell-leuchtenden della Notte, und dero / dem Namen nach / Occultorum zu Breſcia; Olympicorum zu Vicentz und Verona; Ocioſorum zu Neapolis; Obtuſorum zu Spoleto; Academicorum della Penna zu Bergamo; Peregrino - rum zu Florentz und Venedig; Philarmonicorum zu Vicentz / oder vielmehr zu Verona, woſelbſt der Edle Herꝛ Ludovicus Maſcardi ein Mitglied geweſen / als oben bereit / bey Benennung etlicher Kunſt-Kam - mern deß Orts / Meldung geſchehen.
Die Geſellſchafft della Pittura zu Florentz; De gli Refloridi zu Verona; De gli Ricoverati zu Padua; De gli Rifioriti zu Vicentz; Serenorum zu Neapolis.
Sitientium zu Padua, oder Bononien / woſelbſt dieſe Academie mehr ſich auf Juriſtiſche Sachen / als etwa Philoſophiam Naturalem, beziehend / fuͤhret den Helicon, mit deſſen Caſtaliſchem Brunn zum Wap - pen / und folgende Uberſchrifft: Non Diu Sitient Sitienteſ.
Solli -76Deß AcademiſchenSollicitorum zu Treviſi; Sperantium zu Padua, und Eſte, in der Lombardie; De gli Suegliati, an ei - nem andern Jtaliaͤniſchen Revier; Temperatorum zu Veron; De gli Travagliati zu Sena, gleichſam als die durchs Sieb getrieben / wie ſie dann zu ihrem Kennzeichen fuͤhren ein Sieb / mit dieſem Wahl - Spruch: Donec Impurum! Und endlich De gli Velati, an einem Ort; Venatorum zu Venedig; Unitorum, an einem Ort der Lombardie, &c.
Es iſt auch an Seiten beſagter hoch-ruͤhmlicher Societaͤten / bey dero bloſſen Speculationibus und muͤndlichen Conferencen allezeit nicht geblieben / ſon - dern / gleichwie in der Medicin Galenus zu ſeiner Zeit in Rom einen allgemeinen Frieden zu ſtifften genoͤ - thiget ward / zwiſchen den damahls hefftig-ſtreiten - den Secten / der Empiricorum und Rationaliſten / und Beyde darum mit einander vereiniget / weil er befun - den / daß Raiſon ohne Experience, und Experience oh - ne Raiſon nicht beſtehen kan / (oder / man bringet die Patienten meiſtentheils um den Halß /) und ein pur - lauterer / ſo genannter / raiſonirender Medicus, von ſich ſtoſſende alle Experience, anders nichts ſey / als ein ungluͤcklicher Reuter im Truͤbſand / ohne Sattel / Zaum und Sporen; Hingegen ein bloſſer Experien - cen-Schreyer auch / der alles blind hinein / ohne Ver - ſtand / am Menſchlichen Coͤrper waget / weil es ihm etwa dritthalb mahl vorher bey andern durch plum - pen Fall gelungen / mit gutem glimpfflichen Recht ei - nem Leb-loſen Coͤrper ohne Seele / einer groſſen La - ternen ohne Liecht / und einem Gicht-bruͤchtigen Weg - weiſer / dem die Augen verbunden / verglichen werden koͤnne. Alſo haben mehr-erwehnte Academici, oder Geſellſchaffter / wie auch ſonſt inn - und auſſerhalb Jtalien / unzehlich viel andere Medici, Mathematici,und77Romans I. Buch. und Phyſici mehr / von Jahren zu Jahren / nach Gele - genheit der Zeit / erheiſchender Occaſion, und Befin - dung eigener Baarſchafft / oder Liberalitaͤt von hoher Obrigkeit / und Mildreich-geſinnten tapffern Maͤn - nern / mit allem Ernſt dahin geſtrebet / mancherley Sinnreich - und herꝛliche Speculationes mit wuͤrck - lichen Demonſtrationibus zu beleuchten / die hochwich - tige / und zwar vor Alters ſchon gut gemeynete / aber von etlichen Nachkoͤmmlingen hernach faſt uͤbel-auf - genommene / oder zum wenigſten etwas ſchlaͤfferig - getriebene Philoſophiam Corpuſcularem, durch Be - huͤlff gnugſamer Obſervationum in Chymicis, in Mi - croſcopiâ, in Pnevmaticis, Hydraulicis, Mechanicis, Pyrotechnicis und Technicis aliis, wiederum hervor zu ſuchen / den hellen Tag der warhafftigen Beſchaf - fenheit der Dinge in der Natur / durch die von GOtt uns hierzu gemachte 5. Fenſter der aͤuſſerlichen Sin - nen / vor den unpartheylichen Richter-Stuhl geſun - der Vernunfft / ohne Sclaviſches Anſehen der Per - ſonen derer / die mit bloſſen Opinionen / Præjudiciis und Menſchlicher Authoritaͤt fechten / zu ſtellen / in Mathematicis, und aller anderer Polymathiâ, weder Koſten noch Muͤhe zu ſchonen / und in Summâ, alle Menſchliche Welt-Weißheit um und an / wie ſolche den Namen haben mag / gleichſam als auf 2. Cry - ſtalline / mit Gold umfaſſete Wagſchalen (reiffen Nachdenckens / und gnugſamer Obſervation,) abge - wogen / in ein ſolch Modell zu gieſſen / ſo mit dem holdſeeligen Namen deß Studii, oder Philoſophiæ Experimentalis, bemercket / dem kraͤncklichen Anſehen voriger Zeiten kraͤfftigen Trotz bieten / oder auch in gewiſſen Faͤllen eine gelind - und ertraͤgliche Conci - liation abſtatten koͤnne. Und benamentlich verdie - nen deßfalls einen ſehr groſſen Ruhm die Herren Ex -peri -78Deß Academiſchenperimentales zu Florentz / als auß dero gelehrten Offi - cinen (und auß dem Welt-beruffenen koſtbarſten Laboratorio deß hoch-erleuchteten Groß Hertzogen von Toſcana,) theils allbereit am Tag ſind / theils mehr und mehr mit vielem Verlangen erwartet wer - den / die jenigen trefflichen Experimenta, die faſt in omni ſcibili (vorauß Materiato,) ohne alle Spa - rung benoͤthigter Speſen / zu groſſem Nutz der Edlen Studien / unter Haͤnden verſiret / und kuͤnfftig hinfort verſiren werden.
Jngleichem hat ſich rechtſchaffen immortaliſi - ret / und verbindet ihr ferner zum hoͤchſten die Poſteros durch gleichen Fleiß und Gluͤck die Engliſ. Nation; Zu dero Koͤnigl. Experimental-Societaͤt der Welt - beruͤhmte Verulamius zuerſt / bey Koͤnig Jacobo, ſein hoch-vernuͤnfftiges Project, als einen Alleredelſten Grund-Stein deß ſo hoch-nutzlichen Wercks / gele - get; Herꝛ Robert Boyle aber hernach / und zwar neu - lichſt nur / den principaleſten Preiß unſterblicher Glo - rie unter Koͤnig Carlen darbey[gefuͤget] / und faſt allein ſo viel / (ſonderlich in Chymicis und Pnevma - ticis, Hydraulicis,) als die uͤbrigen ſeiner Herren Ge - ſellſchaffter (ſalvâ tamen hic meritò unius cujusque Autoritate, & Actorum Famâ,) durch unerſaͤttlichen hitzigen Fleiß / ſcharffſinniges Nachdencken / conti - nuirliche Correſpondence in fremde Orte / und ange - wandtes vieles Geld / præftiret.
Es waͤre nur zu wuͤnſchen / daß einige ſeiner Her - ren Lands-Leute im uͤbrigen auch / als er gethan / ab - ſonderlich von unſerer Teutſchen Nation, und dero Conatibus in re literariâ, eine glimpfflichere Opinion ſchoͤpffen moͤchten / als der Augenſchein in unterſchie - denen neuen Engliſchen Buͤchern bezeuget / indem et - liche / wil nicht ſagen / ihr Clima vielleicht dem Unſeri -gen79Romans I. Buch. gen vorziehen / welches der Geographie und etlicher hundert-jaͤhrigen Erfahrenheit Sinn-reichſter In - ventionen bey uns / zuwider lieffe; Uns doch / oder die Unſerigen / die etwas in Schrifften ſuchen zu thun / ohne Unterſcheid Compilatores nennen; Dargegen ich das bekandte Spruͤchwort: Iliacos Muros intus peccatur & extra! nicht eben hier ſonderlich anziehen wil / ſondern zu ertraͤglicher Defenſion der Unſerigen / (wann dieſe etwa was liberal ſind / andere Authores in Schrifften zu allegiren /) einem jedweden unpar - theyiſchen gelehrten Mann / zu deſſen Vernunfft - maͤſſigem Erachten / dieſe 5. Puncta wil geſtellet ha - ben: Was huͤlffe uns / oder andere / ſonſt das Studiren und Buͤcherleſen / ſo man ſich derer nicht gebrauchen ſoll? Ja / worzu halten die Herren Engellaͤnder ſelbſt zu Oxfurth / die heutiges Tages in der gantzen Welt allerberuͤhmteſte koſtbarſte Bibliothec? Oder / ſo fern guten Scribenten præjudicirlich ſeyn ſolte / wann ihre Schrifften von andern Authoribus etwan allegiret werden? Welcher ehrlicher Mann wurde ins kuͤnffti - ge Luſt haben / die jenige wenige Wiſſenſchafft / darzu er (oͤffters mit groſſen Unkoſten und Muͤhe /) gelan - get / zu Papier zu bringen / und ſich um die Nachfolger meritirt zu machen / da er zuvorher wuͤſte / daß zwar der beſte Safft und Krafft ſeiner Gemuͤths-Fruͤchte von Unterſchiedenen wurde zu Nutz gemacht / ſein Name aber gleichwol faſt Tyranniſcher Weiſe ſolte unter die Fuͤſſe getretten / zu ewigen Zeiten vertilget / und etwan im erſten Wachsthum ſo fort annihiliret werden. Da hingegen der Loͤbl. Teutſchen Nation bil - lich vielmehr zum Ruhm / als Verkleinerung / bey æquis Cenſoribus, (derer gleichwol noch etliche in Engelland ſind /) muß gereichen / daß / von welchen Authoribus ſie etwas Gutes genoſſen / durch auß -druͤck -80Deß Academiſchendruͤckliche Meldung derer zu ſeiner Zeit / gleichſam als danckbare Gaͤſte / ſich auch der Herberge bedancken. Und waͤre diß ein ſeltzamer Handel / daß / wann / zum Exempel / heutiges Tages etwas Curieuſes von ei - nem erfahrnen Chymico, Medico, oder Mathematico, erfunden / Morgens darauf pro Memoriâ zu Papier gebracht / und uͤbermorgen irgend von einem andern getreuen Admiratore und Schuͤler der Natur / auß Liebe / ſeinem Naͤchſten ferner darmit zu dienen / in oͤffentlichen Schrifften citiret worden / die Guͤte der Sache deßwegen von ihrem natuͤrlichem Werth was verlieren ſolte / weil ſie endlich ad Literas deduciret / welches Urtheil mir eben ſo raiſonabel vorkommet / als wann etliche Muſicanten / (welches Laſter uͤber alle Maſſen gemein /) vor ſich kriegende ein altes (bißweilen mit 2. 4. und 8. Tactigen Noten unter - mengetes /) Stuͤck / ſo zwar nach allen Regeln der Compoſition in gute Harmonie geſetzet / ja / wegen beywohnender Majeſtaͤt und vermiſcheter Lieblichkeit einmahl von den beſten Meiſtern beliebet worden / auch biß dato keiner Imperfection auß rechtſchaffe - nem Grund der Muſic und Judicio Aurium, uͤberfuͤh - ret werden kan / ſelbiges dannoch unter die Banck und an die Seite ſchmeiſſen / weil es nicht mehr neu / ſagende: O / das iſt was Altes! Und ſolchen vielmehr die heutiges Tages gleichſam auf kupffernen Roll - Wagen von rauhen Stein-Hauffen / durch Antrieb eines Pritſchmeiſters herab klappernde / mit doppelt - und dreyfach-geſchwaͤntzten Noten / als mit ſo viel ſchwartzen Larven vermummerte / nach dem Frantzoͤſi - ſchen geſchwinden Tact lauffende / ja hefftig-abſtuͤr - tzende Satyriſche Ballette, contrapunctirte Couranten / kurtz-abſchnappende Sarabanden / hochlautend - und dem Ohr bißweilen weh-thuende Ritornellen / ſchnell -fluͤſſige81Romans I. Buch. fluͤſſige (und auch deßwegen eitele /) Chiquen / geil-muͤ - thige Maſcharaden / oder andere / mehr liederlich-als Gravitaͤtiſche Comœdianten - und Bier-Fiedler - Stuͤcke / weit vorzuziehen pflegen. Und endlich zwi - ſchen Allegiren und Allegiren iſt auch gar ein groſſer Unterſcheid.
Welche bißher angefuͤhrete 5. Puncte beybene - benſt die Jenigen auch in reiffe Conſideration ziehen wollen / welche ſelbſt Teutſche von Gebuhrt / ſich nicht entuͤbrigen / von ihren Lands-Leuten / die etwa in Schrifften andere Authores nothwendig allegiren / zu groſſem Aergernuͤß und Verkleinerung unſerer gantzen Nation bey Außwaͤrtigen / hoͤhniſch zu judici - ren / und deß falls benamentlich von einigen Membris deß Edlen / aufrichtig-geſinnten Collegii Naturæ Curioſorum im H. Roͤmiſ. Reich / (welche Loͤbl. Societaͤt Anno 1652. zuerſt in Franckenland entſproſ - ſen / durch viel andere Provinzien deß Teutſchen Bo - dens hernach ſich mercklich außgebreitet hat /) faſt ei - ne Superficial-Opinion zu ſchoͤpffen / indem ſie doch ſonderlich eines jedweden Mitgliedes nutzliche Ga - ben / Qualitaͤten / Particulier-Umſtaͤnde / Erudition, und andere Privat-Beſchaffenheiten / unmoͤglich auß bloß ein oder anderm Scripto biß auf ein Haar auß - rechnen / oder alle andere dero Experience, ſo ſich viel - leicht wol etwas weiter hinauß / als auf etliche Bo - gen Papier erſtrecket / ohne beſorglichen darbey ſich findenden Jrꝛthum abmeſſen / und gleichſam deter - miniren koͤnnen.
Es wollen vielmehr ſolche in Cenſurâ anderer ehrlichen Leute ſich uͤbereylende Richter / die / ob ſie auch ſchon was Gering - und Straͤffliches finden moͤchten / am allermeiſten doch mit dem Mantel der Chriſtl. Liebe bedecken ſolten / zum Uberfluß noch die -Fſes82Deß Academiſchenſes mercken: Daß / nachdem wir Teutſchen nicht ſo ſehr ob horridum aliquod Clima von Natur untuͤch - tig gemacht / als vielmehr per fatalem Seculi cor - ruptelam meiſtentheils / dero ad Studium Experimen - tale benoͤthigten offt groſſen Speſen / die hohe Haͤupter oder ſonſt reiche Leute wol herſchieſſen koͤnten / berau - bet / diß vollends taͤglich erfahren muͤſſen / daß / ſo bald wir gleichwol fuͤr uns auß freyem Geiſt etwas Nuͤtz - liches erfunden / ein Jedwedes / Jtalien / Franckreich oder Engelland / uns alſofort auf den Halß ſpringen wil / und Gloriam Inventionis diſputirlich machen / man deßwegen vonnoͤthen hat / um ſo viel behutſamer zu gehen / und ehe man von neuen Erfindungen je was zu Tage bringen wil / zuvorher ſich fleiſſig und wol bey andern Scribenten umzuſehen habe / ob nicht allbereit von einem ſchon laͤngſt an eben demſelben Amboß ge - arbeitet worden; Jm Fall deſſen ja billich iſt / deſſen Namen nicht freventlich zu verſchweigen / ſondern deſſen / was er zur Aufnahm guter Wiſſenſchafften præſtiret / gebuͤhrende Meldung zu thun / deßwegen dann auch vorhin gedachtes Ccllegium Naturæ Curioſorum zu ihrem Symbolo in einen mit Schlangen umflochtenen guͤldenen Ring fuͤhret / ein aufgeſchlagen Buch / auf deſſen einem Blatt ein ſchoͤn gruͤnend Kraut / anzuzeigen / die niemahls muͤſ - ſige Natur; Auf der andern ein Auge / anzuzeigen daſſelbige / was biß anher vertheydiget.
Wann aber je gleichwol von angeregten Rai - ſonen noch keine nicht / contra iniqua iſta Mundi Judi - cia, zureichen ſolte / ſo moͤgen ſie wiſſen / zum Beſchluß / daß / gleich wie in Civili Converſatione es heiſſet / quod vitæ tuæ Dominus ſit, qui propriam contemnit; Alſo in Literario rerum ambitu endlich einmahl die That erweiſen koͤnne / quod propriam Nominis ſuiFamam83Romans I. Buch. Famam conjiciat in periculum, qui temerè alienam radit; Jnmaſſen Niemand ohne Gebrechen lebet / und unter denen Cenſoribus ja hoffentlich keiner bey ſo gar hohen Gedancken ſich finden laſſen wird / daß er dem Recht entfliehen moͤge / deſſen er ſich gegen an - dere gebrauchet / oder unwiderſprechlich den Gipffel aller Vollkommenheit fuͤr ſich erlanget habe.
Troll kommet auf eine ſeltzame Weiſe zu Klingenfeld / diſcur - riret laͤcherlich. Sie erſchlagen zween Moͤrder / werden der Beute hal - ben beſprochen / aber zu Mantua abſolviret.
ALs der Kauffmann hiermit ſeinen Diſcurs be - ſchloſſen / begunte Cavina zu lachen / und ſprach: Es hat das Anſehen / mein Freund / als ob ihr mit mir expoſtuliren woltet / doch hoffe ich / es ſey ſo boͤß nicht gemeynet. Jch laſſe eure Teutſche Nation bey ihren Wuͤrden / und weiß wol / daß manches recht - ſchaffenes Subjectum in eurem Land zu finden / aber die Situation Jtaliens iſt an ihr ſelber zu allen Wiſ - ſenſchafften bequemer / darum muͤſſet ihr auch den Jtaliaͤnern ihren Ruhm laſſen / aber gnug hiervon. Es gilt euch hiermit auf guten Vertrag! Hiermit ergriffe er ein Glaß Wein / brachte es dem Kauffmann zu / und dieſer thaͤte auch willig Beſcheid / darauf ſchie - den ſie endlich von einander / und ein Jeder legete ſich an ſeinem Ort zur Ruhe.
Wir wollen dieſen 2. Raͤyß-Gefaͤhrten ihre Zeit zum Schlaff und Nacht-Ruhe goͤnnen / inzwiſchen aber uns zu dem Klingenfeld wenden / und beſehen / wie es demſelben Zeithero ergangen. Dieſer eylete auß allen Kraͤfften / nach Mantua forderſamſt zu ge - langen / als er aber uͤber den Po-Fluß geſetzet / und jetzt-gedachte Stadt nunmehro bald zu erreichen ver - hoffete / da uͤberfiel ihn die Nacht / daß er ſich in einemF 2gruͤnen84Deß Academiſchengruͤnen Wald bald hernach verirrete / der Schlaff funde zwar keine Statt in ſeinen Augen / aber das arme Pferd empfand ſeine Mattigkeit dermaſſen / daß es ihm unter dem Leibe ſchier umgefallen waͤre. Er ritte demnach unter einen Schatten-reichen Baum / und hielte daſelbſt ſtill / um ſich zu beſinnen / was er thun ſolte / ob er abſteigen oder fortreiten wol - te. Jnzwiſchen ließ ſich Jemand vom Baum hernie - der / und ſchwengete ſich hinter ihn auf das Pferd. Dieſer Menſch klemmete ſich mit beyden Armen um Klingenfelds Leib / und ſchlengete die Beine ziemlich veſte um deß Pferdes Bauch / welches uͤber dieſer un - verſehenen Buͤrden dermaſſen erſchrack / daß es mit den Hinter-Fuͤſſen außſchlug / und mit den Forder - Fuͤſſen in die Erde ſcharrete / auch ſo erſchroͤcklich ſchnaubete und tobete mit Springen und Handthie - ren / daß Klingenfeld nicht wuſte / wie er es anfangen ſolte. Er faſſete aber einen Muth / und ſprach: Packe dich von mir / du magſt ein Menſch / oder ein boͤſer Geiſt ſeyn / und laſſe mich ungehindert meines We - ges ziehen. Laß dich und mich / gab der Andere zur Ant - wort / die Pedes deines muthigen Caballi nur fort tra - gen / damit wir mit einander auß dieſem Boſco auf den flachen Campum kommen moͤgen / dann ich ver - laſſe euch nicht / bevor ich zu Animalibus Rationali - bus kommen bin.
Trolle dich / ſage ich noch einmahl / verfolgete Klingenfeld ſeine Rede / oder ich werffe dich mit Ge - walt vom Pferd hernieder. Jener gab zur Antwort: Jhr muͤſſet mir wol ein ſeltzamer Filius Hominis ſeyn / daß ihr wiſſen koͤnnet / daß ich auß der alten Familia der Trollen progeneriret bin. Traget demnach kein weiter Meditiren / unſern Viam zu proſequiren / ich werde euch doch dieſes mahl nicht derelinquiren. Hierauf
85Romans I. Buch. Hierauf beſaͤnfftigte Klingenfeld ſein Pferd / und in - dem er fort ritte / ſprach er: Sage mir dann / du ſeltza - mes Ebentheuer / wer du biſt / und was fuͤr eine Bege - benheit dich auf den Baum gefuͤhret hat? Jch bin / antwortete der Andere / ein Corpus humanum, dem ſeine Anima Rationalîs annoch inhærîret / den Artibus Liberalibus bin ich ſchon vorlaͤngſt conſecrîret gewe - ſen / und Inopiâ Mediorum auf Academien zu einem Famulo bey einem fuͤrnehmen Domino angenommen worden / welcher Occaſione alicujus Rixæ mit einem ſeiner beſten Freunde zu Bologne duelliret / und dem - ſelben das Corpus im Zorn perforiret hat / daß er co - ram Conſpectu omnium Præſentium niedergeſuncken / und ipſimæ Morti iſt zu Theil worden. Mein Domi - nus hat ſich darauf alſobald einem beſattelten Equo uͤbergeben / um nach der Schweitz zu gehen / und ich bin ihm per Apoſtolorum Pedes nachgefolget / biß mich dieſe Nox obſcura uͤberfallen / und Metu Latro - num gezwungen hat / mich auf den Frondibus Arbo - ris zu verbergen. Reitet nur fort / die gantze benè in - ſtructa Crumena meines fugitivi Domini iſt in mei - nen Caligis, und in dem erſten Diverſorio wil ich euch eure Laborem mediante hâc rechtſchaffen ergoͤtzen.
Unſerm Klingenfeld waren dieſe Worte ſehr lieb / dann / weil er kein Geld mehr hatte / hoffete er / dieſer luſtige Troll ſolte ihm zu ſtatten kommen / und gleich - wie dieſer Kautz von einem Baum herab zu ihm ge - kommen / bildete er ihm ein / er ſey ihm zu dieſem mahl vom Himmel herab zugeſandt worden. Jndem ſie aber mit einander redeten / und ſachtmuͤthig fortrit - ten / kamen zur Seiten her zween zu Pferde angeſto - chen / welche dem Klingenfeld alſobald zurieffen / er ſolle vom Pferd hernieder ſteigen / und ihnen alles uͤberlaſſen / was er und ſein Cammerad in ſeiner Ge -F 3walt86Deß Academiſchenwalt haͤtte. Gleich wie nun Troll nicht gerne mit dergleichen Haͤndel zu thun hatte / als rieff er dieſen Schelmen zu: Jhr Herren Latrones, eine kleine Ex - pectatio iſt hochnoͤthig / biß ich hingehe / und meine ver - grabene guͤldene Medaillen euch einhaͤndige. Hiermit glitſchete er vom Pferde hinten herab / nachdem er vorher dem Klingenfeld ins Ohr geraunet: Haltet euch wol / ich wil inzwiſchen hingehen / und etliche La - pides herholen / damit wil ich dergeſtalt auf dieſe Ne - bulones loß-fulminiren / daß ihnen ihre impudentia grandis hoͤchſtens gereuen ſoll.
Hiermit lieff er behende nach dem Gehoͤltze / und ob ihm gleich einer von den Raͤubern Sporn-ſtreichs nachſetzete / auch ſeine 2. Piſtolen auf ihn loͤſete / kunte er ihm doch nichts thun / dann er lieff von einem Baum zum andern / und wuſte ſich um dieſelbe ſo hurtig herum zu drehen / daß ihm kein Schade geſcha - he; Er entkam alſo in ein dickes Gepuͤſch / durch wel - ches kein Pferd paſſiren kunte / in demſelben blieb er ſtehen / und ſahe dem Handel bey hellem Mondſchein mit groſſer Ergoͤtzlichkeit von weitem zu / rieff auch ſtaͤts: Schlaget zu auf dieſe Lumpen-Canes, ſie ſind nicht werth / daß man ihnen einen eintzigen obolum uͤberlaſſe / vielmehr haben ſie furcam verdienet / und ich wil es noch alſo dirigiren / daß ſie dieſe Nacht car - ceri, quo digniſſimi ſunt, forderſamt mancipiret werden.
Unter dieſen hatte Klingenfeld ſich mit dem an - dern Rauber wacker herum getummelt / und nach - dem er ihm mit ſeinen beyden Piſtolen keinen Scha - den im Dunckeln thun koͤnnen / zuckete er ſeinen De - gen / und gab ihm damit einen ſolchen Fang / daß er von dem Pferde ſanck / und ſchrie: O mein Camerad ich ſterbe! raͤche meinen Tod. Derſelbe wandte ſichAugen -87Romans I. Buch. Augenblicklich nach Klingenfeld / aber ſein Pferd ſtuͤr - tzete uͤber eine Wurtzel / daß es ein Bein zerbrach / und alſo muſte der Rauber zu Fuß fechten / welcher nun Urſach hatte / ſich / wie Troll / zu verſtecken / aber die Rachgier ſporete ihn an / daß er mit dem Degen in der Fauſt / auf Klingenfeld loßgieng / und denſelben in die Lenden deſſen Pferdes ſo tieff hinein ſtieß / daß es ſeinem Herꝛn den Dienſt aufzukuͤndigen gezwun - gen ward. Klingenfeld machte die Beine geſchwind loß / und als er nach dem Rauber ſtieß / traff er fehl / daß ſie mit einander zu ringen kamen. Sie arbeiteten eine gute Weil mit einander / weil aber der Teutſche in der Ringkunſt uͤberauß fertig / warff er ſeinen Ge - genpart endlich zu Boden / und ſtieß ihm den Degen durch den Leib. Darauf beſuchte er ſo wol dieſen / als den andern Rauber / und fand zween wolgeſpickte Beutel mit Geld / an deren Gewicht er genugſam er - kannte / daß er nicht hohe Urſach hatte / ſich uͤber den Verluſt ſeines Pferdes / durch welches er noch einen Noth-Pfenning zu erwerben hoffete / zu beklagen. Er nahm ſeine beyde Piſtolen / lud dieſelbe / ſteckete ſie in den Guͤrtel / wie auch die zween Beutel / welche ſehr lang und groß waren / daß er ſie weder in dem Rock noch in die Hoſen haͤtte verbergen moͤgen. Er haͤtte gerne das Gewoͤhr der Erſchlagenen auch mit ge - nommen / weil er aber beſorgete / ſich dardurch zu ſehr zu beſchweren / ließ er es ligen / und gieng darvon.
Wie er kaum 10. oder 12. Schritte fortkommen war / ſtieß er auf Troll / der ſich nach der Erden buͤcke - te / was machet ihr allhier / O mein getreuer Raͤyßge - faͤhrte / ſprach er / wollet ihr mir nicht beſſer beyſtehen? Ecce, ſprach dieſer / bey dieſem inconſueto Saxo habe ich ſchon alle meine Vires eine geraume Zeit employ - ret / dieſen wolte den leichtfertigen Nebulonibus aufF 4den88Deß Academiſchenden Tergum oder Caput mit ſothaner Vehementz con - jiciret haben / daß ihnen viſus & auditus zugleich ſolte vergangen ſeyn / aber ſeine Gravitas & Quantitas ha - ben die Potentiam meiner Arme uͤbertroffen / daß ich ihn biß dato habe muͤſſen acquieſciren laſſen. Kom̃et nur mit mir / verfolgete Klingenfeld / die Rauber ſind ſchon gezuͤchtiget / und ligen alldort neben meinem Pferde ſchon geſtrecket. Wie? forſchete Troll an - jetzo / hat euer Caballus dieſes Zeitliche geſegnet? Sind die Schelme dem Plutoni cum anima & corpore zu Theil worden? Wo ſind dann ihre Reit-Thiere / ihre veſtimenta, arma, crumena, und andere Lappalia? Das habe ich / war die Antwort / alles ligen laſſen. Jhre Pferde ſind lahm oder todt / ihr Gewoͤhr und Kleider waren mir zu ſchwer / fort zu bringen / und ihre zween Geld-Beutel habe ich mitgenommen.
Rectè, benè, ſagte Troll / ipſiſſimus Ego haͤtte auch am erſten nach den Loculis gegriffen / jam verò, weil ich zu ſpaͤth bin kommen / muß ich ein Mulus wer - den / und mich mit der uͤbrigen Sarcina belegen laſſen. Hiermit nahm er den Klingenfeld bey der Hand / und fuͤhrete ihn wieder nach dem Tummel-Platz / daſelbſt zog er die Buben Mutternacket auß / und wie er noch Leben in dem einen fuͤhlete / nahm er ein Stuͤck faul Holtz / und ſteckete es ihm mit aller Gewalt in den Halß / ſprechend: Hic eſto tibi mortis bolus, friß dich zu todt an dieſem Broͤcklein / du unmenſchliche Beſtia, wer hat dir commitiret / innocenten Peregrinanten nach Leib und Leben zu greiffen? Ecce, das iſt dir nun / ut ipſe vides & ſentis, ſamt deinem ungenannten Commilitoni ſelber widerfahren / auf ein ander mahl diſce cautius mercari, und wann du uns begegneſt / aperi caput, mache eine Reverentz / und dancke mir vor dieſe hoͤchſt-nuͤtzliche Doctrina. Faͤhreſt du aber ſchierkuͤnfftig89Romans I. Buch. kuͤnfftig nach den Inferis, ſo melde ihnen meinen un - bekannten Gruß / und ſage: Jch habe ihnen dieſen fetten Braten geſandt / darbey moͤgen ſie ſich lætifici - ren / wie alle Plutonis filii bey dergleichen Caſibus zu thun pflegen. Solteſt du aber perſeram & veram pœ - nitentiam zu den Superis gelangen / ſo freue dich mit denſelben in ewiger Gloria, und be-gratiarum actio - nire mich / daß ich dir per lethalem hunc bolum zum ewigen bene eſſe verholffen habe.
Jnzwiſchen da Troll alſo redete / hatte der arme Rauber gnugſam zu worgen an dem faulen Holtz / welches ihm die Koͤhle dergeſtalt verſtopffete / daß er nicht lange hernach vollends erſticken muſte. Troll aber nahm ihnen alle Kleider ab / hieng die 2. Degen zu dem Seinigen an die Seite / und ſteckete alle 4. Pi - ſtolen in die zween angelegte Guͤrtel / damit wanderte er / wie ein beladener Maul-Eſel / mit ſeinem Gefaͤhr - ten fort / weil es aber bald hernach ſehr dunckel / und dieſer ſich uͤberauß ſchwer beladen hatte / gleichwol nicht das Allergeringſte von ſeiner Beute zuruͤck laſ - ſen wolte / Klingenfeld auch zimlich abgemattet war / ſo reſolvirten ſie ſich / in dem Wald nieder zu ligen / und deß folgenden Tages zu erwarten. Klingenfeld wuſte nicht / weſſen er ſich zu Trollen zu verſehen haͤt - te / er kannte ihn noch nicht recht / und gedachte / um der zwey Beutel mit Geld willen / moͤchte er ihm bey ſchlaffender Zeit den Reſt geben / und ſeines Weges lauffen / dannenhero ſprach er zu ihm: Troll / es iſt meine Gewohnheit / daß ich deß Nachts auf hundert Schritte Niemand um mich leyde / das werdet ihr euch gefallen laſſen / dann wir kennen uns noch nicht recht / und wann ihr wuſtet / was fuͤr ſeltzame Phanta - ſien ich deß Nachts bekomme / wuͤrdet ihr euch ſelber nicht getrauen / nahe zu mir zu tretten. Sit ita, ſprachF 5Troll /90Deß AcademiſchenTroll / wann ihr ja ein ſolches mirabile Phantaſma ſeyd / ſo werde ich mir euer per tempus concubium zu enthalten wiſſen / bleibet demnach allhier in bona pa - ce, ich wil mich ſchon in einen gewiſſen Angulum zu recondiren wiſſen / daß weder tu à me, noch ego à te ullo modo koͤnnen moleſtirt werden. Hiermit nahm er ſeinen Abtritt / und verſteckete ſich ſo gut er immer kunte.
Klingenfeld fand nicht weit von dannen eine be - queme Lager-Stelle / auf welcher er ſich nieder lieſſe / und wie er etwa ein paar Stunden gelegen / zwang ihn der Leib aufzuſtehen / und etwas zu verrichten / wel - ches durch einen Abgeordneten nicht zu beſtellen war. Er tratt aber ein wenig abſeits von ſeiner Lagerſtelle / um ſich deß vermuthlichen Geſtancks zu entſchuͤtten. Aber Troll hoͤrete das Rauſchen gar bald / dahero ſprang er behende auf / und rieff: Wer da? Komme mir nicht zu nahe / ich bin ein homo deſperatus, armi - ret mit 4. Bombardis, 3. Enſibus, und 2. Brachiis, dar - neben wolverſehen mit einer fuͤrtrefflichen Fortitudi - ne corporis & animi, und wer mir zu nahe tritt / muß auch in mediis tenebris empfinden / daß ich ein alter Hannibal bin. Klingenfeld fieng hieruͤber an zu lachen / und ſprach: Fuͤrchtet euch nicht / mein Came - rad / ich bin es / ich komme ungefaͤhr an dieſen Ort / meinen Leib zu erleichtern / das haͤttet ihr wol / repli - cirte dieſer / bey jenen Latronibus mit beſſerm Fug / als hier bey eurem Comiti, verrichten moͤgen / doch wann ihr es alſo macht / daß der Fœtor nach Occident zeucht / und mir die Nares nicht afficiret / ſo mag es dißmahl hingehen / gehet alsdann hin / und ruhet das reſiduum temporis nocturni auf eurer Lager-Stelle / ich wil die Fores meiner Augen auch ſo bald wieder obſeriren / damit ich deß Somni deſto beſſer theilhafftig werde /damit91Romans I. Buch. damit Adieu, verrichtet eure laborem, und ziehet als - dann wieder ab.
Klingenfeld haͤtte vor Lachen ſchier nicht laͤnger ſtehen koͤnnen / er wandte ſich demnach ein wenig von dem poſſierlichen Menſchen / und nachdem er das Seinige verrichtet / legte er ſich wieder an ſeine auß - geſuchte Stelle / und ſchlieff fein ſanfft / biß an den hellen Morgen. Da erwachte er / und wie er ſich um - ſahe / da erblickete er den Troll an ſeinem Ort / zu wel - chem er hintratt / und ſahe / wie derſelbe ſeine alte Klei - der ab - und dargegen ein koͤſtliches rothes Kleid mit gegoſſenen ſilbernen Knoͤpffen / das er dem einen Rauber abgezogen / anlegete. Er preiſete ſeine Fuͤr - ſichtigkeit / und ſchalt ihn gluͤckſeelig wegen ſeiner ge - machten Beute / die ihm aber hernach bald das Leben gekoſtet haͤtte. Nachdem alſo Troll ſeine Buͤrde etwas geringer gemacht / auch alle 4. Piſtolen gela - den / und ſeine Beute auf ſich geladen hatte / da gien - gen ſie mit einander ihres Weges. Sie hatten das Gluͤck / daß ſie nach einer Stunde gehens auß dem Gehoͤltze kamen / da ſie dann die veſte Stadt Mantua nicht gar weit von ihnen erblicketen / aber als ſie den Wald kaum 100. Schritte hinter ſich geleget / kamen 5. wolberittene Kerl hinter ihnen drein / und nachdem dieſe den Klingenfeld und ſeinen Cameraden etwas betrachtet / loͤſete einer die Piſtol auf Trolln / ſchoſſe aber neben hin / und ſprach: Du Moͤrder / gib dich gefangen / oder du muſt auf dieſer Stelle dein Leben laſſen. Quid dicis, fragte Troll / wer hat dir geſaget / daß ich an einem Moͤrder bin ein Moͤrder worden? Du haſt meinen Herꝛn erſchlagen / verfolgete Jener / und traͤgeſt noch darzu ſeinen Rock an deinem Leibe. Als Klingenfeld die Leute alſo reden hoͤrete / forſchete er / wer dann ſein Herꝛ geweſen / und wie er geheiſſen? Jener92Deß AcademiſchenJener gab zur Antwort / daß er der Obriſt Roſalde geweſen / der ſamt einem Diener geſtern Abend auß ſeinem Land-Gut geritten / und etwa 60. Schritte darvon dieſen Morgen ſamt dem Diener todt gefun - den worden / die Pferde aber haͤtten annoch neben ih - nen geſtanden. Hierauß merckete Klingenfeld den Jrꝛthum / erzehlete ihnen demnach / wie eben dieſe zween Moͤrder / die ihren Herꝛn erſchlagen / auch ih - nen dieſe Nacht in jenem Wald zugeſetzet / man haͤtte ſie aber ſelber deß Lebens beraubet / und ihnen das Jenige abgenommen / was man bey ihnen gefunden. Hiermit wolten Jene nicht zufrieden ſeyn / ſondern ſie nahmen dieſe Zween zwiſchen ſich / und convoyir - ten ſie nach der Stadt Mantua. Unter Weges ſprach Troll zu dem einen Cameraden / ich bin von der Laſſi - taͤt dermaſſen uͤbernommen / daß mir es faſt unmoͤg - lich iſt / einen Pedem vor den andern zu ſetzen / laſſet mich ein wenig auf das Pferd ſitzen / ſo wil ich euch dargegen einem aureum nummum verehren.
Jener ſchalt ihn vor einen unverſchaͤmten Bu - ben / der das Hertz haͤtte / ein ſolches an ihn zu begeh - ren / und ſich ſo freygebig mit dem geraubten Geld zu erweiſen. Aber Troll ſchwur / daß er dieſes Geld nicht geraubet / ſondern / daß es ihm ſein Herꝛ / der ein Cala - briſcher Cavallier, mit groſſer Sorgfalt anvertrauet haͤtte. Hiermit langete er einen Ducaten herfuͤr / und ließ deſſen Glantz dem Reuter in die Augen leuchten / welcher dardurch dergeſtalt geblendet wurde / daß er ihn willig vergoͤnnete / hinter ihn zu ſitzen. Alſo kamen ſie endlich in die Stadt / da man gerades Weges mit ihnen nach dem Richter eylete / bey welchem ſich Klin - genfeld dergeſtalt zu rechtfertigen wuſte / daß man ihm und ſeinen Cameraden ihre vorige Freyheit wie - der ertheilete / weil aber die andern erwieſen / und eyd -lich93Romans I. Buch. lich darthaͤten / daß das rothe Kleid und die zween le - derne Beutel mit Geld ihrem Herꝛn zugehoͤret haͤt - ten / ward ſolches ihnen wieder zugeſtellet / und man ſandte alſobald in den Wald / um / die erſchlagene Moͤrder nach der gewoͤhnlichen Gericht-Stelle zu fuͤhren / allwo ſie auf ein Rad geleget ſind.
Es legte ſich darauf Klingenfeld mit Troll in eine anſehnliche Herberge / woſelbſt dieſer das eine Kleid deß Moͤrders / und die Piſtolen und Degen / der andere aber die bloſſe Piſtolen / ſo ihm ſelber zu - gehoͤreten / verkauffen wolten / um Geld zu machen / darvon ſie zehren moͤchten. Aber Klingenfeld erinner - te ſich bald deß Trolls Rede / darum ſprach er: Mein Freund / ihr habt mir zugeſaget / wann wir in eine Herberge kaͤmen / euren Beutel zu ziehen / und mich deß Dienſtes genieſſen zu laſſen / den ich euch geſtern / als ich auf meinem Pferd euch hinter mir eine Stelle vergoͤnnete / darum bleibe ich darbey / ihr muͤſſet mich in dieſer Herberge frey halten. Per meamfidem, ant - wortete dieſer / es iſt warlich alſo / wie iſt meine Me - moria doch ſo labilis, was ich promittirt habe / wil ich mit beyden Haͤnden halten / und ihr ſollet deſſen Secu - rus ſeyn / daß ihr mit mir auß einer Patina eſſen ſollet / der Potus, der uns erlaben ſoll / muß communis unter uns ſeyn / und neque ego, neque tu ſollen bezahlen / ſondern abſens Dominus muß es in Nomine noſtri verrichten / nemlich ſein Beutel ſoll Geld hergeben / und ſo lange derſelbe klinget / wollen wir fame nicht periren.
Hiermit war Klingenfeld zufrieden / welcher nach der Mittags-Mahlzeit zu einem gewiſſen Kauff - mann gieng / und ſich demſelben zu erkennen gab / der ihm auf ſein Begehren auch augenblicklich 100. Du - caten auf eine Obligation fuͤrſtreckete / dann eben die -ſer Mann94Deß Academiſchenſer Mann hatte ihm bißhero / ſo lange er ſich in Jta - lien aufgehalten / ſeine Wechſel uͤbermacht / weil ihm die Seinigen in Teutſchland gar wol bekandt waren. Mit dieſem Geld kehrete er wieder in die Herberge / und war guter Dinge / ſprach auch den luſtigen Troll von ſeinem Verſprechen frey / weil er nunmehro ſelber wieder einen Noth-Pfenning bekommen haͤtte. Die - ſen Nachmittag kamen etliche anſehnliche Maͤnner zu ihnen in die Herberge / und nachdem ſie auß vielen Diſcurſen verſtanden / daß Klingenfeld den Studiis und freyen Kuͤnſten nachzoͤge / ſprach einer zu ihm / der fuͤr einen fuͤrnehmen Officier anzuſehen / wie er doch / als ein anſehnlicher Mann / ſich zu den groſſen Ver - drießlichkeiten der Studirenden begeben koͤnte / da er doch auſſer Zweiffel wiſſen wuͤrde / wie wenig jetzo ſothane Leute befoͤrdert wuͤrden / und wie viel Unge - mach ſie hergegen außzuſtehen haͤtten. Klingenfeld dargegen ſprach: So viel ich vernehme / werden die Studenten an meinem Herꝛn einen ſchlechten Pro - motorem erhalten / aber derſelbe ſoll wiſſen / daß die Liebe zu den Studiis mich laͤngſt willig gemacht hat / alle die jenige Verdrießlichkeiten / die ſich bey unſerer Profeſſion herfuͤr thun / mit Gedult außzuſtehen / in Betrachtung / daß die freye Kuͤnſten jederzeit bey hohen Monarchen / Koͤnigen und Fuͤrſten hoch ange - ſehen / und mit ſonderbaren Freyheiten begabet ge - weſen. Als der Edle Jtaliaͤner gerne ein mehrers hiervon gewuſt haͤtte / ſtellete ihn Klingenfeld mit nachfolgendem Diſcurs zufrieden:
Auf die ſtudirende Jugend haben hobe Haͤupter allezeit viel gehalten / auch den Orten / da man hohe Schulen angerichtet / und den Studenten ſelber ſonderbare und groſſe Privilegia ertheilet.
OBwol / ſprach er / was die drey erſten Monarchien anlanget / keine ſonderliche Gewißheit vorhan -den /95Romans I. Buch. den / jedoch iſt etwas auß dem Exempel deß groſ - ſen Koͤnigs Nebucad Nezar zu erſehen / weil er lieſſe auß den Kindern Jſrael von Koͤnigl. Stamm und Herren Kinder waͤhlen die Knaben / die nicht gebrech - lich waren / ſondern ſchoͤne / vernuͤnfftige / weiſe / die da geſchickt waͤren zu Dienſten deß Koͤnigs / und zu ler - nen Chaldœiſche Schrifften und Sprachen. Solchen verſchaffte der Koͤnig / daß man ihnen geben ſolte von ſeiner Speiſe / und von dem Wein / den er ſelbſt trun - cke / daß ſie alſo 3. Jahr auferzogen wurden / und dar - nach fuͤr dem Koͤnig dienen ſolten / ſchreibet Daniel in ſeiner Weiſſagung am 1. Capitel.
Hierinnen erſcheinet / Nebucad Nezar habe ſeine Studenten maͤchtiglich wider den Frevel deß Poͤbels und anderer befreyet / und nicht nur mit gebuͤhrlicher Nothduͤrfftigkeit an Koſt und Kleidung verſehen / ſondern in allem gute Ordnung gethan.
Was die Roͤmiſche Kaͤyſer / Chriſtliche Koͤnige / erleuchtete Fuͤrſten und Herꝛſchafften geſtifftet / liget am hellen Tage. Der Kaͤyſer Juſtinianus hat ihm ein ſchlechtes Lob erworben / indem er auß Eingeben ſei - nes vielmehr Hofſchrantzes / als Hofmeiſters / die Jaͤhrlichen Unterhaltungen / welche die Vorfahren in jeden Staͤdten und Flecken den Lehrern der freyen Kuͤnſte zugeeignet / aufgehoben / und zu ſich gen Con - ſtantinopel gezogen / daher die Schulen leer ſtunden / und eine grauſame Barbarey und haͤßliche Bauerey erwuchſe.
Ferner iſt zu wiſſen / daß loͤbliche Regenten Frey - heit gegeben / erſtlich den Orten / da Menſchen ſeyn / die ſtudiren / darnach denen Perſonen / die ſtudiren. Solches bezeuget die Stadt Athen / welche / da ſie auch die hohe Gewalt uͤber das Griechenland verloh - ren / und unter die Bottmaͤſſigkeit der Roͤmer gefal -len /96Deß Academiſchenlen / ſich viel ſtiller und ſeeliger bey den Studien / als ihren vaͤtterlichen Geſetzen befunden / und deßwegen zu herꝛlichen Wuͤrden gelanget. Hadrianus der Kaͤy - ſer / hat den Athenienſern Geld und Getraͤyde Jaͤhr - lich gewiedmet / und noch darzu ein ſtattliches Erb - Stuͤck zum Eigenthum geſchencket. Sonſten ſeyn die Staͤdte / in welchen hohe Schulen gebluͤhet / zu Haͤuptern uͤber die andere erhaben / und ihnen der Zoll / der von den Zufuͤhren an Fruͤchten / und ſonſten gehoͤrigen Waaren / zu zahlen iſt / erlaſſen worden. Jſt billich / dann / gleich wie die Edle Stadt Aach darum / daß ſie der Stuhl oder Sitz der Roͤmiſ. Kaͤyſer iſt / fuͤr ſich und ihre Buͤrger die Freyheit hat / ungehin - dert in dem gantzen Reich zu handeln und wandeln / und darff an keiner Stelle zu Waſſer und Land eini - gen Tribut erlegen; Alſo iſt es ehrbarlich / wann Staͤdte / in welchen die theuren Studien ihren Sitz und Stuhl geſetzet / eben mit ſolcher Gnaden geehret werden.
Es reichet auch dieſes zu der Freyheit deß Orts / daß man einen tauglichen Platz in der Stadt erwaͤh - let / daſelbſt oͤffentliche Collegien / oder Lehr-Haͤuſer / bauet / und in denſelben vor den Augen aller / die es begehren / diſputiren / profitiren / und exerciren laͤſſet. Sintemahlen in heimlichen Winckel-Schulen ab - ſcheuliche Jrꝛthuͤmer einſchleichen / und mercklichen Schaden bringen. Daher haben die Kaͤyſer Theo - doſius und Valentinianus verbotten / an einer andern Stelle / und geboten / allein in dem oͤffentlichem Ca - pittel zu lehren. Julianus, weil die Alexandriner und Cœſarienſer der ſtudirenden Jugend falſche und ſchaͤndliche Meynungen beybrachten / hat ihnen die Profeſſion der Buͤrgerlichen Rechten genommen.
Sonſten haben die Monarchen / Koͤnige / Fuͤr -ſten97Romans I. Buch. ſten und Herren / den Perſonen / die ſtudiren / 180. Freyheiten gegeben / wie ſolche Petrus Rebuffus in folgender Ordnung erzehlet:
Bißhero die Freyheiten der Studenten / welche Petrus Rebuffus zuſammen gezogen / und dergeſtalt geordnet hat.
Nun iſt unlaugbar / erſtlich / daß die Kriegs - Leute weit nicht ſo viel Freyheiten erlanget / als die Studenten / und zwar auß gewiſſen Urſachen; Dann der Kriegs-Leuten Stand wird allezeit gefuͤhret mit gantzer Reichen / Laͤnder / Voͤlcker / Staͤdten und Ge - meinen Schaden / auch / wann es gar gering abgehet / verdrießlichen Unkoſten; Dargegen iſt ſolches bey den Studenten gar nicht zu befahren.
Zum Andern iſt unlaugbar / daß etliche Freyhei - ten un-Chriſtlich ſeyn / daruͤber ich auch etwas uͤber - gangen / und nicht ſetzen moͤgen.
Zum Dritten iſt unlaugbar / daß etliche Frey - heiten nur bey gewiſſen Voͤlckern / in Franckreich / Jtalien / Spanien / und nicht uͤberal gelten; Etliche auch durchauß abgeſchaffet ſeyn. Hierzu hat nicht wenig geholffen / daß die Regnaten und Profeſſoren bey den Univerſitaͤten die groben Verbrechungen mit ſchlechtem Eyffer geſtraffet, und maͤchtigen Buben-Stuͤcken nachgeſehen. Manche Acade - mien haben ihre Freyheiten liederlich gehalten / in langen Jahren kaum einmahl gebrauchet / und end - lich dahin ſterben laſſen.
Zum Vierdten iſt unlaugbar / daß / ſo viel Frey - heiten an der Zahl ſeyn / ſo viel ſeyn auch Zeugnuͤſſe von der Hoheit und Wuͤrden der Studenten.
Zum Fuͤnfften iſt unlaugbar / daß alle und jede Freyheiten ſich auf ein gelehrtes Gemuͤth und ehr - barliches Leben gruͤnden.
Der Printz von Turſis wird als ein Gefangener in Mantua gebracht / woſelbſt ihn Troll vor dem Hertzogen auf eine ſehr laͤcherliche Weiſe vertheidiget.
HJermit beſchloß Klingenfeld ſeinen Diſcurs, an welchem alle Anweſende ein genugſam Ver - gnuͤgen ſchoͤpffeten / ob gleich ſie meiſt Solda - ten waren / ſie unterredeten ſich aber hernach noch eine Zeitlang mit einander / und liebeten den Teutſchen wegen ſeiner ſonderbaren Aufrichtigkeit / erwieſen ihm auch alle Hoͤflichkeit. Als ſie aber eben am Tiſch neben einander ſaſſen / erhub ſich ein Getuͤmmel auf der Straffen / welches ſie allerſeits nach dem Fenſter zog. Man ſahe / daß ein anſehnlicher junger Menſch in einem rothen Kleid zu Pferd von 6. andern zu Pferd gefangen eingebracht wurde / ſo bald Troll denſelben erblickete / rieff er ihm zu / und ſprach: Herꝛ / hieher / hier wohne ich jetzt / wo wollet ihr mit dieſen Leuten hin / ſeyd ihr Officierer oder Gefangener? Der anſehnliche Mann erſahe den Diener gar bald / win - ckete ihm demnach / er ſolle ihm folgen / dannenhero Troll ſich ſtehendes Fuſſes hinauß verfuͤgete / und ſei - nem Herꝛn folgete. Man fuͤhrete denſelben gerades Weges nach dem Stadt-Richter / weil aber derſelbe eben abweſend / und am Fuͤrſtl. Hof war / woſelbſt er die Ebentheuer erzehlete / die er dieſen Morgen mit Klingenfeld gehabt / als muſten ſie mit einander im Unter-Hauſe etwas verziehen. Sie waren allerſeits von ihren Pferden abgeſtiegen / und hatten dieſelbe einem ihres Mittels zu verwahren gegeben. Als aber Troll hinein zu ihnen tratt / und ſahe / daß ſie um ſei - nen Herꝛn herſtunden / und ihn nicht auß den Augen laſſen wolten / da trung er durch ſie hinzu / und als man ihm den Zutritt verwoͤhren wolte / ſchlug er dem einen /der111Romans I. Buch. der ihn zuruͤck ſtoſſen wolte / ſo ungeſtuͤmm an den Halß / daß er taumelte / was haſt du / du Confutius, ſprach er darbey / mir den Zugang zu meinem Herꝛn zu ſperren? Du ſolt wiſſen / daß dieſer Dominus, der ihr Lorrons bewahret / wie einen Crumeniſecam von eures gleichen gantz und gar nicht meritiret / ſolcher Geſtalt captiret / cuſtodiret / und als ein Maleficant tractiret zu werden. Troll hatte dieſes kaum außgere - det / als der andere ſich wieder aufgerafft hatte / und ihm mit der verkehrten Hand dergeſtalt ins Angeſicht ſchlug / daß ihm Hoͤren und Sehen vergieng. Er ſammlete aber ſeine Empfindlichkeit bald wieder zu - ſammen / und ſprach zu ſeinem Beleydiger / du Beſtia rationalis, waͤreſt du wol nicht digniſſimus, daß ich dich deiner Narium und Aurium beraubete? Aber ich wil dieſes Handwerck dem Carnifici uͤberlaſſen.
Jnzwiſchen war er gleichwol zu ſeinem Herꝛn hinzu getrungen / und nachdem er demſelben angedeu - tet / daß er ſein Geld wolbehalten hieher gebracht / hin - gegen gefraget / was dieſe Leute an ihn prætendirten? Da bekam er zur Antwort: Daß ihn dieſe Maͤnner hieher gebracht / um ihn als einen Rauber und Moͤr - der in der Juſtitz Haͤnde zu lieffern. Auf dieſe Worte lauſchete er ſeinem Herꝛn dieſe heimliche Worte ins Ohr: Non ſunt hæc mendacia, warlich dieſe Leute luͤgen nicht / occidiſti, ſpoliaſti, das Rauben und Morden iſt euch nichts neues / aber ich dubitire / ob ihr eben dieſe Leute deßfalls beleydiget habt. Nun / nun / ich beſinne mich / ich kan meine Cogitationes wol be - greiffen / und gedencken / woher dieſer Jrꝛthum ruͤh - ret / Rubra tunica ſanguinolentiam olet. Dieſe Kerl meynen / euer rother Rock muͤſſe euch Blut-ſchuldig machen / aber harre pauliſper, wir wollen bald aliud Reſponſum erwarten und anhoͤren / daß euch PurſchAuditus112Deß AcademiſchenAuditus und Viſus, Guſtus & Tactus, ja Olfactus ſel - ber und alle innerliche Sinne darvon vergehen / ver - ſchwinden / verfliegen / verlauffen und wegkommen werden / wartet nur ein wenig / wo iſt Major domus? Wo iſt Judex hier? Wie heiſſet er? quale ipſi nomen? Jſt er noch nicht in baptiſmate geweſen? Laſſet mich zu ihm / ich wil ihm die Sache ſo eleganter & metho - dicèremonſtriren und demonſtriren / daß mein Te - ſtimonium omni exceptione majus ſeyn ſoll. Hiermit wandte er ſich von ſeinem Herꝛn / und winckete / er moͤchte ſich zufrieden geben / er wolle es ſchon richtig machen / und ſein getreuer Vorſprecher ſeyn. Er lieff aber hinauß in den Hof / und ſchrie uͤberlaut: Holla! Holla! wo iſt der Herꝛ im Hauß? Es kam darauf ein Diener auß dem Hauß / und ſprach: Freund / gebt euch zufrieden / der Herꝛ Richter wird zeitlich genug wieder hier ſeyn / er iſt ein wenig zu unſerm Durch - leuchtigſten Herꝛn auf das Schloß hingegangen / verziehet nur ein wenig / er wird nicht lange auſſen bleiben.
Du liederliche Bulla, gab Troll dieſem Mann zur Antwort / du nenneſt mich Amicum, da ich doch ſehen muß / daß mein Herꝛ unſchuldiger Weiſe in dieſem Hauß als ein Miſſethaͤter / oder ad mi - nimum, wie ein captivus homo dehoneſtiret / tra - ctiret / und moleſtiret wird. Nachdem er dieſes geſaget / ſprang er wie ein Reh wieder in das Hauß hinein / und redete den Hauffen / der ſeinen Herꝛn be - wahrete / folgender Geſtalt an: Agedum, ſodes, wer iſt nun euer aller Orator, und meines innocentiſſimi Domini Beſchuldiger und Accuſator, veni mecum, komme fein bald / wir wollen Fabium in ipſa uſtrina ſuchen / der Meiſter auf der Werckſtaͤtte kan uns am beſten helffen. Alſobald præſentirete ſich der Anſehn -lichſte113Romans I. Buch. lichſte unter den andern / welcher auf ſeine Bruſt klopffete und ſagte: Was wilt du Kerl? Hier iſt der Mann / der dieſem deinem Herꝛn das Leben kan er - halten / oder abſprechen / ich kan ihn ſcharff oder ge - lind anklagen / ob gleich ſein Verbrechen offenbar iſt. Troll hielte zween Finger auf die Naſe / und ſahe ihn an / als durch einen Bruͤll / du biſt mir wol / ſprach er darbey / ein recht poſſierlicher Quant, du biſt Actor und Judex, ja auch Teſtis zugleich. Du muſt voll groſſer Einbildung ſeyn / ſicut omnia ſtultorum ſunt plena. Jndem er weiter zu reden fortfahren wolte / ſchlug ihn der andere gantz ungewaſchen ins Ange - ſicht / und ſagte: Halts Maul / du Lumpenhund / oder haſt du was gegen mich und fuͤr deinen Herꝛn anzu - bringen / ſo thu es mit Beſcheidenheit / und ohne Ver - hoͤhnung. Troll ſahe wol / daß er die groͤſte Schuld zu der Ohrfeige gegeben hatte / und daß ihm ſein Herꝛ eine verdrießliche Mine deßwegen machte / dannenhe - ro redete er den / der ihn geſchlagen hatte / alſo an: Biſt du ein rechtſchaffener Vir, und confidireſt deiner Sachen / ſo komme ſtante pede mit mir / der kleine Richter iſt bey dem Groſſen / ibi virtus unita eſt, da wird uns das Recht am erſten entſcheiden / quid mihi cum alapis? Ohrfeigen wollen es nicht außmachen / ſie exacerbiren nur die Gemuͤther / daß man ſeiner Sinnen berauber wird / und nicht wiſſen kan / quid dicere, quid narrare, quid agere debeamus. Es iſt aber ein elender Mann / der nicht weiß / was er reden und thun oder laſſen ſoll / darum Pax vobiſcum, jaget dem Frieden nach / und folget mir nach der hohen Ju - ſtitz / ich wil den Weg zeigen.
Es ſchiene / daß der andere eben ſo groſſe Luſt hatte / bald abgefertiget zu werden / derowegen machte er nicht viel Worte / ſondern wandte ſich nach derHThuͤr /114Deß AcademiſchenThuͤr / Troll ſtellete ſich neben ihn / zohe den Hut ab / und ſprach: I præ, Domine, ego ſequar, dem Herꝛn gebuͤhret der Ober-Rang, er hat einen ſilbernen De - gen an der Seiten. Jener ſperrete ſich nicht lange / ſondern weil er merckete / daß keine Boßheit in dem Diener ſtack / kehrete er ſich weiter nicht an ſeine Re - den / ſondern gieng ſeines Weges / und Troll blieb ihm beſtaͤndig an der lincken Seiten / er forſchete wol dreiſſig mahl auf der Straſſen / wo der Hertzog lo - girte / aber man wieſe ihn allwege an einen gewiſſen Ort. Endlich kamen ſie mit einander vor das Schloß / woſelbſt der Gegenparth ſtehen blieb / um ſich von der Schildwache examiniren zu laſſen / aber Troll wolte gerade hindurch lauffen / wannenhero ihm die Schild - wacht die Muſqueten vorhielte / und ihn zuruͤck ſtieß. Der poſſierliche Knecht nahm ſolches ſehr uͤbel auf / und ſagte: Hem! Papæ, huy! Und als der Soldat / der ein Schweitzer war / dieſe Worte hoͤrete / reichete er ihm die Hand / und ſagte: Du haſt recht / Lands - Knecht / ich heiſſe Hein Papegey / weil du mich dann ſo eigentlich kenneſt / ſo magſt du paſſiren. Jn dem - ſelben Augenblick aber tratt ein Officier herauß / und fragte den Diener / wo er hin wolte? Jhr ſehet ja wol / war ſeine Antwort / daß mein Naſus nach jenem Thor gerichtet iſt / und wann ich nicht wuͤſte / daß Se - reniſſimus Dux veſter, mein gnaͤdigſter Herꝛ / allhier ſein Logiment haͤtte / ſo haͤtte ich die Bruͤhe von euch und eures gleichen / ihr ſeyd doch rechte Executores plebis, vollkommene Baurenſchinder / und kein ehr - licher homo civicus kan vor die Virginitaͤt ſeiner Tochter mit gutem Gewiſſen Buͤrge werden / weil er weiß / daß ihr alle auß dem Geſchlechte der Diete - richen ſeyd / und es euch keine Difficultaͤt gibt / jedes Schloß / das euch fuͤrgeleget wird / oder das ihr euchſelber115Romans I. Buch. ſelber proponiret / zu reſeriren und zu eroͤffnen / es ge - ſchehe gleich cum oder ſine voluntate Domini, dem es gehoͤret / mag es gerne ſehen oder nicht. Jhr ſeyd und bleibet Hanß Unverſchaͤmt. Aber Amice, ſaget mir / ſeyd ihr dieſes Papegeyen Officier / ſo werdet ihr auch auß Oſt - oder Weſt-Jndien kommen / wie ſtehet es daſelbſt? Wie ſtunde es / als ihr von dannen gienget / und wie wird es daſelbſt hinkuͤnfftig ſtehen / wann wir mit einander dermahleins loco panis unſere Zaͤhne mit Erde fuͤllen muͤſſen / hoc eſt, wann wir nemlich todt ſind / und nunmehr nicht mehr noͤthig haben / uns fuͤr euren Bombardis zu fuͤrchten?
Der Officier merckete wol / daß an dieſem Men - ſchen keine ſonderliche Ehre zu erlangen / wolte ſich demnach nicht weiter in Diſcurs mit ihm einlaſſen / ſondern wandte ſich zu dem andern / und als er den - ſelben befraget / ließ er ſie beyde im Schloß anmel - den / wolte ſie aber nicht paſſiren laſſen. Jnzwiſchen machte ſich Troll gewaltig unnuͤtze / und beſchwerete ſich / daß man wider das Jus Gentium handle / indem man einem freyen Menſchen die freye Straſſe zu wandern / und ſein Recht zu ſuchen / zu waͤgern ſich er - kuͤhnete. Er prahlete dergeſtalt / und machte ſolche Hand-Gebaͤrden / daß die Leute in dem innerſten Schloß-Hof zuſammen kamen / und dieſen poſſier - lichen Prahler betrachteten. Durch dieſes Geraͤuſch ward der Hertzog ſelber zum Fenſter gezogen / welcher deß Trolls bald gewahr ward / dannenhero winckete er auß dem Fenſter / man ſolle ihn nur herein kommen laſſen / dann hohe Herren haben ins gemein ein groſ - ſes Belieben an ſothanen Leuten und ihren Aufzuͤ - gen. Solchem nach wurden ſie Beyde mit einander hinein gelaſſen / und weil Troll merckete / daß ſolches auf das Zuwincken deſſen / der im Fenſter gelegen /H 2geſche -116Deß Academiſchengeſchehen war / bildete er ihm ein / dieſer waͤre der Commendant, oder Obriſte im Schloß / ſo uͤber die Soldateska zu commandiren haͤtte / faſſete demnach den andern / ſeinen Gegenparth / bey dem Rock / und gieng neben ihm her / zum Schloß hinein. Man ließ ihn alſobald vor den Hertzog tretten / der in einem praͤchtigen Zimmer mit ſeinen Leuten war / und als derſelbe den Troll anredete / wer er waͤre / und was er mitbraͤchte / gab dieſer zur Antwort: Strenuiſſime Domine, gnaͤdiger Herꝛ Obriſter / ich habe mich ent - bloͤdet / jenem Papegeyen / der auf der Schildwache vigilirte / mein wichtiges Negocium anzumelden / & parum refert, was iſts daran gelegen / ob ein ſolcher Maul-Aff darum weiß oder nicht. Jhr aber / Illu - ſtriſſimo Signoro, wollet zwey Dinge von mir wiſſen: Quis ſim, wer ich bin / & quid afferam, und was ich mit mir bringe? wir wollen ſecundum ordinem gehen / und dieſe Quæſtiones auß dem Grunde beantworten. Scias ergo, viator, quisquis es, ich ſage / ihr ſollet wiſſen / daß ein jeder Homo iſt pulvis & cinis, wann demnach alle Menſchen Staub und Aſche ſind / wie kan ich mich dann entbrechen / auch einer ſolchen Etymologia zu unterwerffen? Jch bin ein Menſch / Erde und Aſche / aber cœteris paribus, nemlich nur in potentia, aber nicht in actu, nemlich / wann meine anima ratio - nalis von dieſer Wohnung gaͤntzlich excedirt / ſo wer - de ich alsdann allererſt wieder zur Erden werden / da - von wir allerſeits genommen ſind / niſi, es ſey dann / daß der Juͤngſte Tag uns wie ein Fallſtrick uͤberfaͤllet / da wir mit dieſen fleiſchlichen Leibern in die Hoͤhe ſteigen werden / wann aber ſolches geſchehen wird / das weiß der Himmel / horam enim neſcit, quicunq́ue eſt homo.
Zum Andern / zielet eure Quæſtio dahin / was ichmit117Romans I. Buch. mit mir bringe? Jch ſage: Homo hominem ducit, terra terram, cinis cinerem, bin ich ein Menſch / Erde / und Aſche / ſo iſt es dieſer Kerl auch / dieſen bringe ich mit mir / wuͤrdet ihr mich aber fragen / was mein De - ſiderium ſey / ſo wuͤrde longè aliud, warlich etwas Wichtigers herauß kom̃en. Der Hertzog hatte groſſes Behagen an der luſtigen Humeur dieſes Manns / fragte demnach / was er verlange? Darauf dann Troll ſich recht gegen ſeinen Widerparth uͤberſtellete / und zu demſelben alſo ſprach: Jam de tuo luditur co - rio, mein Freund / du biſt Klaͤger / ſo muſt du auch am erſten litem conteſtiren / die Klage anſtellen / und ge - waͤrtig ſeyn / was fuͤr eine redliche Exceptio mei - ner Seits darauf folgen wird. Wolan / aperi Os, er - hebe deine Stim̃e / wie dorten in deß Richters Hauß / da wareſt du ja lauter Maul / profer quæ ſcis, ſage / was du zu ſagen haſt / oder ich abſolvire mich und mei - nen Herum ſtante pede coram judice competente. Jch glaube der Hertzog wird ſchon zufrieden ſeyn / mit dem / was dieſer anſehnliche Mann zwiſchen uns determinirt.
Jetzo ſahe der Hertzog den andern Mann an / welcher ſeine Reverentz fuͤr ihm biß auf die Erde machte / darauf ſprach er: Durchleuchtigſter Gnaͤ - diger / als ich geſtern Abend ſpaͤth auß dem Felde nach meinem Adelichen Hof ritte / erblickete ich einen Mañ zu Pferde mit einem rothen Rock / der einen Haſen verfolgete / und Feuer auf ihn gab / ich ſetzte mit mei - nen Dienern auf ihn loß / und ſtellete ihn zu Rede / wer ihm vergoͤnnet haͤtte / auf meinem Guth zu jagen; Er verantwortete ſich / daß er es zur Luſt gethan / und mir den Haſen gerne bezahlen wolte / aber wir nah - men ihn mit uns / und als wir nur ein wenig fortge - ritten waren / funden wir den Coͤrper deß ObriſtenH 3Roſaldo,118Deß AcademiſchenRoſaldo, welcher erſchlagen und ihm der Rock auß - gezogen war / weil nun ſolcher Rock an dieſem Fremd - ling zu ſehen / habe ich ihn heute anhero gefuͤhret / dann er / und kein anderer / hat dieſen redlichen Obriſten / meinen lieben Herꝛn Vettern / moͤrderiſcher Weiſe erſchlagen / und ihn nach dem Tode gepluͤndert. Er iſt in deß Herꝛn Schultzen Hauß / darinn er von mei - nen Leuten bewahret wird. Jch glaube aber / es wer - de gut ſeyn / wann man ihn ſelber vor Recht ſtelle / dann dieſer Menſch / der ſich vor ſeinen Diener auß - gibt / hat nur ein Hauffen Plauderns / und es iſt kein Grund in ſeiner Rede / dann er weiß ſelber nicht / was er ſaget oder thut / alle ſeine Wercke ſchlagen auf eine Narrendeutung auß.
Troll waͤre auf dieſe Worte ſchier auß der Haut gefahren / ich proteſtire in optima forma, ſprach er / gegen dieſe hohe Injurien / und reſervire mir alle bene - ficia juris ordinaria & extraordinaria, hecterna, ho - dierna & craſtina, replicire aber in der Haupt-Sache brevibus, daß dieſer Kerl meinem Herꝛn groſſes Un - recht thut / indem er ihn vor einen Moͤrder deß erſchla - genen Obriſten außgibt / er iſt perſona illuſtris, in quam non cadit ejusmodi præſumptio, ſolte man ihn nun um dieſes begangenen Mords willen vom Leben zum Tode hinrichten / ſo wil ich ihm biß in alteram vitam folgen / dann ich weiß ſeine Innocentz gar wol / ich wil alles mit ihm leyden / und gar mit ihm ſterben / wann er ſchuldig iſt / und das ſoll weder Aſtaroth, noch Asmotheus, weder Hebelfurk, noch Sodi, weder Beelzebub, noch Belial, weder Lucifer, noch Satanas, weder Damon, noch Seladon, weder Grammatica, noch Rhetorica, weder Schalom, noch Schemhamforas, we - der Thorax, noch Arctophylax, weder Tu, noch Ille, weder Dextrorſum, noch Siniſtrorſum, weder duntaxat,noch119Romans I. Buch. noch coaxat, weder Alexander, noch Hannibal, weder fuſtis, noch rapa, weder furca, noch decipula, weder gith, noch Frith, weder ſalſum, noch inſulſum, weder compoſitum, noch ſimplex, weder declinabile, noch in - declinabile, weder & cetera, noch Semicolon, weder Syntheſis, noch Prolepſis, weder Hircus, noch Capra, weder Londen / noch Amſterdam / weder hic, hæc, hoc, noch ille, illa, illud, weder Hohes noch Niedriges / we - der Auſterum, noch Amarum, weder humidum, noch ſiccum, weder gladius, noch flamma, weder Alter / noch Jugend / weder der Papſt / noch der Kaͤyſer / weder Mahomet / noch Ali / weder unus, noch multus, weder ſuſtulit, noch abſtulit, noch alle Welt verhindern koͤn - nen. Aber ich weiß / daß mein Herꝛ unſchuldig iſt / hoc reverâ ita ſe habet.
Bey dieſer Rede machte er ſo Wunder-ſeltzame Grimmaſſen mit dem Mund / Augen / Haͤnden und gantzem Leibe / daß der Hertzog und alle ſeine Leute / gnug daran zu lachen hatten. Als aber der andere hier - auf ſtillſchwieg / zu vernehmen / was Sr. Durchl. be - lieben wuͤrde / hierauf zu ſprechen / und aber fuͤr hertz - lichem Lachen ſo bald kein Wort geredet ward / da hub Troll abermahl an / und ſagte: Jch ſehe wol / man lachet hier meiner Worte / und die Juſtitia iſt bey die - ſen Leuten taub geworden / darum bitte ich / zeiget mir nur an / wo Illuſtriſſimus Dux ſelber iſt / dixerunt mihi, er hat allhier ſein Logiment.
Hierauf bedeutete ihm der Richter / den er noch kennete / daß dieſer eben dieſe hohe Perſon ſelber waͤ - re / und daß er nicht Urſach haͤtte / ſeines Herꝛn wegen weiter in Sorgen zu ſtehen / allermaſſen ſie die Thaͤ - ter / ſo den Obriſten Roſaldo ums Leben gebracht / ſchon gefunden haͤtten. Hieruͤber beſtuͤrtzete der an - dere gar ſehr / und bathe um Vergebung / welche erH 4leicht -120Deß Academiſchenleichtlich erhielte / inmaſſen er durch den rothen Rock zu dieſem Jrꝛthum war verleitet worden / gleichwol begehrete er / man moͤge die Perſon deßwegen mit ei - niger Straffe anſehen / weil ſie ſich erkuͤhnet haͤtte / auf ſeinem Gebiet die Jagd-Freyheit / welche ihm allein daſelbſt gebuͤhrete / zu turbiren. Troll ließ das Uhrwerck ſeiner verplauderten Zungen abermahl lauffen / und nachdem er dem Hertzogen eine 3. fache Reverentz gemacht / ſprach er alſo: Illuſtriſſimo, Sere - niſſimo, Excellentiſſimo, Doctiſſimo Signoro: Sufficit, daß mein Herꝛ von dem Mord frey und franc erkandt worden / was die Haſen-Jagd concerniret / wird es darmit wenig Difficultaͤten haben / es ſey dann / daß dieſer gute Mann / indem er ſich gar zu ſehr intereſſi - ret bezeiget / bey der Vertheydigung der fluͤchtigen Herren Lang-Ohren / dardurch er Jedermann zu er - kennen geben wil / daß er ihr Conſanguineus und na - her Bluts-Verwanther ſey. Was meinen Herꝛn an - langet / achtet er einen Haſen nicht ein Haar beſſer / als dieſen ſeinen Anklaͤger / nemlich / er wuͤrde fuͤr kei - nen von beyden mehr / als 18. Roͤmiſche Pfenninge bezahlen / wil er aber ja den Haſen bezahlet haben / ſo mag er ihn æſtimiren / hier iſt Geld fuͤr die Fiſche / ich wil euch / mein Freund / einen halben Zekin pro redi - menda vexa erlegen / und mich deßfalls ſchon fuͤr mei - nem Domino zu purgiren wiſſen. Jm uͤbrigen be - halte ich mir vor / und habe mir auch ſchon vorbehal - ten / reſervire mir auch noch ferner / wegen der außge - ſtoſſenen Ehren-ruͤhrigen Worten / alle und jede Juris Beneficia, wie ſolche immer Namen haben moͤgen / und dafern es nicht anders ſeyn kan / kieſe ich das Jus Pugni, oder das Fauſt-Recht / zum Schied-Richter unter uns / nemo ſanæ mentis hoc male interpretabi - tur, ich bin ein rechtſchaffener Kerl / alſo kraͤncket michauch121Romans I. Buch. auch eine ſolche Calumnie, oder Injurie, wie ich es nennen moͤchte / weit mehr / als wañ mich ein Bienen - Koͤnig ins Hertz geſtochen haͤtte.
Es befahl der Hertzog anjetzo dem Anklaͤger / ſo lange nach ſeiner Herberge zu kehren / biß er ſich we - gen deß Standes deſſen / den er angeklaget / gnugſam erkundiget haͤtte / alſo nahm derſelbe ſeinen Abtritt / und weil Troll nicht recht beichten wolte / wer ſein Herꝛ waͤre / muſte ein Edelmann mit ihm nach deß Richters Hauß gehen / und nach ſeinem Stand / Na - men und Herkommen fragen. Troll war deſſen hertz - lich wol zufrieden / er gieng mit dem zugegebenen Edelmann wieder nach deß Richters Hauß / und wie ſie daſelbſt angelanget / fand er einen von den Offici - rern / die mit Klingenfeld in der Herberge einen langen Diſcurs gefuͤhret hatten / dieſer reſpectirete deß Trolls Herꝛn ſehr hoch / und als er deß Hertzogen Edelmann erblickete / den er gleicher Geſtalt gar wol kennete / ſprach er: Mich wundert / daß man dieſen fuͤrnehmen Printzen allhier / wie einen Miſſethaͤter behaͤlt / ich glaube / ſolte unſer Gnaͤdigſter Hertzog ſeines Stan - des gnugſame Wiſſenſchafft haben / er wuͤrde ihn bald zu ſich bitten laſſen. Als demnach der Edelmann fragete / was er dann fuͤr ein Printz waͤre? Da bekam er zur Antwort / daß er der junge Printz von Turſis ſey. Worauf ihn der Edelmann complimentirte / und Befehl von ihm verlangete / wohin er ihn beglei - ten moͤchte / biß er ſeinem Gnaͤdigſten Herꝛn deßfalls Relation abgeſtattet. Troll fuͤhrete anjetzo das Wort / und ſagte: Mein Herꝛ / ihr ſeyd nun erkandt / wir ſind hier bey ehrlichen Leuten / der Hertzog von Mantua iſt ein raiſonabler Printz / laſſet uns nur in meine Her - berge ziehen / damit ich euch den jenigen Teutſchen Cavallier zeige / der ſich und mich auß der MoͤrderH 5Haͤnde122Deß AcademiſchenHaͤnde geſtern Abend errettet hat. Dieſer iſt warlich ein rechtſchaffener Mann / er hat die Rauber in kurtzer Zeit alſo gedemuͤthiget / daß ſie nimmermehr wieder aufſtehen werden. Kommet nur her / ich war auch be - ſchuldiget / daß ich die That an dem erſchlagenen Obri - ſten begangen haͤtte / weil man ſeinen Rock / den ich ei - nem Rauber abgezogen / an meinem Leib gefunden / aber die Warheit iſt an den niedergelegten Raubern gar bald kund und offenbahr worden / darum kom̃et / und laſſet uns dieſe Juſtitz-Kammer verlaſſen.
Troll hat ſeine Poſſen. Der Printz reitet mit dem Hertzogen von Mantua auf die Jagd / Klingenfeld errettet den Hagemann auß den Moͤrdern / kommt ſelber in Gefahr / und zu groſſer Beute.
DEr Printz ließ ſich deſto williger nach dieſer Herberge fuͤhren / weil ſie die Fuͤrnehmſte in der Stadt / und der ihm bekandte Officirer dieſelbe auch hoͤchlich ruͤhmete / alſo wanderten ſie mit einander fort / und deß Klaͤgers Leute ſuchten ihren Herꝛn / den ſie in einer andern Herberge antraffen all - da ſie ihm erzehleten / was der Gefangene fuͤr eine ho - he Perſon ſey / woruͤber Jener den Kopff kratzete. Er beſann ſich aber nicht lange / ſondern gieng alſobald zu dem Printzen in die Herberge / und bath ihn gantz demuͤthig um Vergebung / ſeinen Fehler darmit be - ſchoͤnend / daß ihm ſeine hohe Perſon allerdings un - bekandt geweſen / ſolte er aber gewußt haben / wer er waͤre / ſo wolt er ihm allen gebuͤhrenden Reſpect zuge - tragen haben. Der Printz reichete ihm die Hand / und vergab ihm alles gar willig / aber Troll miſchete ſich zwiſchen ſie beyde ein / und ſagte: Mein Herꝛ / ihr habt zwar dieſen euren Actorem wegen der wider euch an - geſtelleten Action perdonniret / aber ich habe mir ſelbſt coram Sereniſſimo Duce alle Rechtliche Mittelund123Romans I. Buch. und Beneficia vorbehalten / dahero begehre ich Satis - faction von dieſem Edelmann / der aller Haſen Patron ſeyn wil. Der Edelmann muſte deß luſtigen Trollen lachen / fragete ihn demnach / was fuͤr eine Satisfaction er von ihm begehre? Jhr habt meine Worte und Re - den / replicirte Troll / fuͤr eine Narrendeutung geſchol - ten / ſolches ſollet ihr widerruffen / und mir eine Abbit - te thun. Jener gab zur Antwort: Wolan dann / ſo habe ich zwar jetzt-gedachte Reden von euch gefuͤhret / aber ich revocire ſelbige / nachdem ich auß dem Erfolg euren hohen Verſtand erblicket / und ſage / daß ihr kein Narꝛ / ſondern der kluͤgeſte Menſch von gantz Jtalien ſeyd. Das iſt abermahl erlogen / fiel ihm der Einfaͤl - tige ins Wort. Worauf Jener: So moͤcht ihr dann immerhin ein Narꝛ bleiben. Welche Worte dem Trollen ſo hart ins Hertz drungen / daß er ſchier mit der Fuchtel herfuͤr gewiſchet waͤre / wofern er nicht be - ſorget haͤtte / es moͤchte ein Blutvergieſſen erfolgen / in welchem Fall er ſich lieber in Apulia Daunia, als in Lombardia Ciſpadana wolte gewuͤnſchet haben / dann die Blut-Farbe und blancke Degen machten ihn al - ſobald Stock-blind.
Jndeſſen dieſe mit einander redeten / kamen et - liche Fremde zu Pferde in dieſe Herberge / und nach - dem ſelbige abgeſtiegen waren / und ins Logiment her - ein tratten / erkandte Klingenfeld alſobald den wa - ckern Cavina, der ſeinen Teutſchen Kauffmann mit ſich brachte / nachdem ſie alſo dem Printzen Reverentz gemacht / wurden ſie von demſelben hoͤflich empfan - gen / da ſie ſich dann mit einander niederlieſſen / und weil der Printz von deß Cavina Ebentheuren ſchon vorhin etwas vernommen hatte / noͤthigte er ihn / die - ſelbe von Anfang biß zu Ende zu erzehlen / damit er ſie Perſoͤnlich auß ſeinem Munde hoͤren moͤchte. Wel -ches124Deß Academiſchenches dann dieſer mit einer ſchoͤnen Artigkeit zu verrich - ten wuſte / als er aber beſchloſſen / erzehlete er die ſeltza - me Geſchichte deß Ferrario, die er juͤngſt mit einer liſtigen Dirne gehabt / woruͤber die gantze Geſellſchafft ſich dergeſtalt zerlacheten / daß ihnen beynahe der Athem waͤre ſtecken blieben. Sie lieſſen denſelben Abend eine gute Mahlzeit anrichten / und der Printz noͤthigte den Mantuaniſchen Edelmann / der ihn ge - fangen genommen hatte / Troll aber ſchuͤttelte hier - uͤber den Kopff / und ſprach zu dieſem: Mein Freund / haͤttet ihr nicht Palinonidam geſungen / ich wuͤrde euch nicht ein einzig Glaͤßlein Weins eingeſchencket haben / aber nun mag es ſo hingehen / jedoch / daß ihr meinen Herꝛn deß verfolgeten Haſen wegen weiter nicht beſprechen ſollet.
Sie hielten inzwiſchen noch einige Unterredungen mit einander / darinn Cavina erzehlete / welcher Geſtalt ſie dem Klingenfeld am andern Tage alſobald gefol - get waͤren / Troll aber berichtete ſeinen Herꝛn / wie er ſeine Flucht von Bologne biß hieher angeſtellet / und was ſich mit ihm und Klingenfeld im Wald begeben haͤtte / welches abermahl neue Materie zu lachen gab. Endlich aber / als die Abend-Zeit herein brach / tiſchete der froͤliche Gaſtgeber wacker auf / und ein Jeder an ſeinem Ort machte ſich luſtig / und erholete ſich nach dem Ungemach / welches er vorhin außgeſtanden hatte. Nach gehaltener Mahlzeit legete ſich ein Je - der zur Ruhe / und genoß deß erwuͤnſchten Schlaffes / biß ſie am lichten Morgen aufgewecket wurden / dann der Hertzag dieſes Orts ſandte vorigen Edelmann wieder in dieſe Herberge / und ließ den Printzen er - ſuchen / mit ſeinen Gefaͤhrten auf eine Luſt-Jagd mit ihm ins Feld ſpatzieren zu reiten / zu welchem Ende dann auch etliche geſattelte Pferde mitgeſandt wor -den.125Romans I. Buch. den. Ob nun gleich der Printz auf ſeiner Raͤyſe / und alſo auch allhier / lieber incognito leben wolte / war doch ſein hoher Stand ſchon außgebrochen / daß er ſich nicht entbrechen kunte / dem Hertzogen zu folgen / ſolchem nach erſuchte er den Klingenfeld und Cavina, mit ihm zu reiten / und dem Fuͤrſten dieſes Landes zu gehorchen. Dieſe waren willig hierzu / lieſſen auch allerſeits ihre Pferde außputzen. Der Teutſche Kauff - mann kunte ſeine Raͤyſe nicht laͤnger aufſchieben / dannenhero nahm er ſein Roß zwiſchen die Beine / und ritte allein ſeines Weges. Troll ſetzete ſich auch auf ein gutes Pferd / und ſolcher Geſtalt ritten ſie mit einander vor das Thor / nachdem ſie auch kaum einen Augenblick daſelbſt ſtill gehalten / kam der Hertzog mit einer anſehnlichen Suite, und bewillkommete den Printzen de Turſis, ſamt ſeinen Gefaͤhrten. Darauf ritten ſie nach einem Gehoͤltze / allwo ſich die Leute von einander ſtreueten / und ein Jeder verfolgete das erſte Wildpraͤth / das er in die Augen bekommen hatte.
Klingenfeld ſetzete einem Haſen nach / der mehr weiß / als grau / und ihm daher um ſo viel wuͤrdiger vorkam / ſelbigen zu verfolgen. Er befand die Schnel - ligkeit ſeines Pferdes ungemein / und weil die Gegend ziemlich eben / das Gehoͤltze auch nicht allzudichte be - wachſen war / kam er dem Thier ſo nahe / daß er eine Piſtohl darauf loͤſete / und ihm einen Fuß entzwey ſchoſſe. Daranf fiel zwar der Haß / als aber der Teut - ſche herab ſtieg / ſeine Beute zu ſich zu nehmen / da ſprang der Haß unverſehens wieder auf / und lieff auf ſeinen drey Beinen ſo hurtig darvon / als wann ihm nicht das Allergeringſte gemangelt haͤtte. Solchem nach ſchwang ſich Klingenfeld behende wieder in den Sattel / und ſetzete dem Wildpraͤth von neuem nach. Aber daſſelbe hatte ſchon einen ziemlichen Vor -ſprung126Deß Academiſchenſprung gewonnen / daß er es ohnmoͤglich einholen kunte / ſondern er gerieth daruͤber vielmehr in den Wald ſo tieff hinein / daß er darinn verirrete / und ihm ſelber nicht wieder herauß zu helffen wuſte. Er ritte aber biß um den Mittag / da hoͤrete er ein Geſchrey in der Ferne / welchem er nach eylete / und nachdem er et - wa tauſend Schritte fortgeritten / erblickete er von weitem etliche kaͤmpffende Perſonen / unter denen er auch den Teutſchen Kauffmann / Namens Hagemañ / erkandte / dannenhero eylete er vollends hinzu / und ſo bald dieſer ſeiner anſichtig worden / rieff er ihm mit ſtarcker Stimme zu: Mein Herꝛ / kom̃t mir Unſchul - digen bald zu Huͤlffe / ehe ich von dieſen Straffen - Raubern hingerichtet werde. Dieſe Worte waren kraͤfftig gnug / den Teutſchen Edelmann zu einer gnugſamen Aſſiſtentz Augenblicklich anzuſporen / dan - nenhero ſprengete er Großmuͤthig hinzu / und warff einen von den 3. Raubern / mittelſt einer Piſtohl-Ku - gel alſobald vom Pferde. Darauf theileten ſich die andern Rauber / und hielte der eine den Hagemann / der andere unſern Klingenfeld / warm. Aber mit ei - nem groſſen Unterſchied / dann / gleichwie der Kauff - mann ſich / wegen Mattigkeit / ſeiner Haut nicht mehr woͤhren kunte / alſo empfienge er etliche Wunden / und begunte den Degen ſchon ſincken laſſen / da hingegen Klingenfeld / nachdem er ſich verſchoſſen / ſeinem Ge - genpart mit dem Degen auf den Leib giengen / und ihm mit einem wol-gerichteten Streich die rechte Hand laͤhmete / daß er nichts mehr thun kunte / darauf wandte er ſich von dieſem nach dem andern / rieff dem Kauffmann zu / er ſolle ſich / ſo viel moͤglich / in der Eyl verbinden / er wolle dieſe 2. Buben ſchon dahin zu hal - ten wiſſen / daß er ihrenthalben unangefochten blei - ben ſolte; Welche Worte dem guten Hagemann ei - nen ziemlichen Troſt wieder einſprachen.
Aber127Romans I. Buch.Aber / gleich wie ſich Klingenfeld deß einen Fein - des entlediget / alſo fand er hingegen an dieſem nun einen doppelten Gegenſtand. Dieſer war ein Baum - ſtarcker / anſehnlicher / junger Menſch / wol gekleidet / und fochte einen Degen / trutz einem Fechtmeiſter / dannenhero Jener gnug mit ihm zu thun hatte / und waͤhrete ihr Gefecht zu Pferde / darinn Klingenfeld 3. Wunden / aber die doch von keiner Importantz / empfangen / uͤber eine Stunde / nach welcher Zeit der Raͤuber mit groſſer Behaͤndigkeit ein Pfeifflein in den Mund warff / und ſo laut darauf pfiff / daß es ei - nem / der nahe darbey / in die Ohren gellete. Dieſes Thons erſchrack Klingenfeld uͤber die Maſſen / dann er hatte wol ehe von dergleichen Mord-Zeichen ge - hoͤret / dannenhero verſam̃lete er alle ſeine noch uͤbri - ge Kraͤfften / und gieng mit groſſer Fuͤrſichtigkeit auf den Kaͤuber loß. Er gab ihm zwar eine Wunde in die lincke Schulter / aber Jener achtete derſelben we - nig; Und nicht uͤber 10. Minuten hernach / hoͤrete man ein Geraͤuſch / als etlicher Ankommenden zu Pferd / welche dem Klingenfeld und dem Kauffmann eben ſo viel Schroͤcken / als dem Raͤuber Freude brach - ten / wiewol ſie beyderſeits in ihrer Hoffnung und Sorge betrogen wurden / dann gleich hernach kamen 6. von deß Hertzogs Leuten / ſo dieſen Pfiff gehoͤret / und ſich mit einander in den Wald tieff hinein ver - fuͤget hatten / hierunter war Cavina, welcher der Erſte war / der den Raͤuber anfiel / aber Klingenfeld ſprach: Jhr guten Freunde / ich glaube / es werde rathſamer ſeyn / wann wir dieſen Menſchen leben laſſen / dann er hat einen ſchmaͤhlichern und veraͤchtlichern Tod verdienet / als daß er von unſerer Hand ſterbe. Alſo ward ihm das Pferd niedergeſchoſſen / und in dem - ſelben Tempo erlegte er auch einen von den Mantua -nern /128Deß Academiſchennern / daher der volle Hauffe auf ihn eintrang / und ihn den Degen nahmen / man feſſelte ihm die Haͤnde / mit einem Leit-Strick / und ſeinen Cameraden / der ohne dem toͤdtlich verwundet war / ſchenckete man ei - ne Kugel zum Abſchied. Einer von der Geſellſchafft ritte mit dem verwundeten Kauffmann nach der rechten Land-Straſſen / und brachte ihn wieder auf den rechten Weg / darauf nahm er Abſchied / und em - pfieng von ihm eine gute Verehrung.
Jnmittelſt zogen die andern mit dem Gefan - genen fort / und ſahen bald hernach zur Seiten 5. wol - berittene Maͤnner auf ſie anſprengen / welche ſich gleicher Geſtalt nach deß Raͤubers Pfiff gerichtet hatten / damahl gieng es an ein hefftiges Schlagen / die Mantuaner hatten ihr Gewoͤhr richtig gemacht / weil ſie die Unſicherheit dieſer Gegend wol wuſten. Die Raͤuber bemuͤheten ſich zuforderſt / ihren Came - raden zu erledigen / als es ſich aber ſo leicht nicht wol - te thun laſſen / da ſchlugen ſie als raſende Leute drauf / und muſten 2. von deß Hertzogs Leuten / ſamt 3. Raͤu - bern daruͤber das Leben einbuͤſſen. Cavina hatte dem Gefangenen die Moͤrder-Pfeiffe abgenommen / auf welcher er anjetzo einen ſtarcken Laut machte / dann weil er die zween uͤbrige Raͤuber wenig achtete / hoffe - te er noch mehr von dieſem Geſchmeiß heranzulocken. Aber ſie erblickten bald hernach 8. oder 10. von ihren Hof-Leuten / welche der Pfeiffe nachgeritten waren / und mit dieſen ritten ſie vollends zu den Zelten / die mitten im Wald auf einer gruͤnen Wieſen aufge - ſchlagen waren. Es pflegten dieſe Hof-Leute / wann ſie mit ihrem Herꝛn in dieſem Wald auf die Jagd zogen / allemahl ſich alſo zu vertheilen / daß ſie durch ein oder ander Zeichen / am allermeiſten aber durch die knallende Piſtolen-Schuͤſſe kunten benachrichti -get129Romans I. Buch. get werden / wann etwa Jemand unter die Raͤuber gefallen / als welche ſchon 2. Jahr hero ſich ziemlich ſtarck in dieſer Gegend ſehen laſſen / die ſo geheime Schlupffwinckel hatten / daß man ſelbige nicht auß - zufinden wuſte.
Man hatte den zween uͤbrigen Raͤubern die Pferde abgenommen / und ſie / gleich ihrem Camera - den / gebunden / der Hertzog ſaſſe ſchon mit dem Prin - tzen / und andern von der Geſellſchafft / bey dem Mit - tag-Mahl in einem Zelt / als Klingenfeld mit den Gefangenen herangezogen kam. Sie ſtunden dem - nach alle von der Mahlzeit auf / und giengen vor das Zelt / woſelbſt Klingenfeld ſein Wildpraͤth / wie er es nennete / dem Hertzog præſentirete / der die Leute zor - nig anſahe / und ſie in ein angewieſenes Zelt bringen ließ. Klingenfeld muſte uͤber der Tafel / zu welcher er vom Fuͤrſten ſelber genoͤthiget ward / ſeine Rencontre vom Anfang biß zu Ende erzehlen / deren ſich dann alle Anweſende verwunderten. Jnzwiſchen ward zu der Heimkehr alles veranſtaltet / und die Waͤgen wur - den herbey gebracht / die 4. Hirſche / 3. wilde Schwei - ne / 9. Rehe / und 23. Haſen / ſamt 11. Fuͤchſen und 3. Martern / wie auch einem Dachs / ſo man gefangen hatte / darauf zu laden / darauf ſetzete ſich die gantze Geſellſchafft zu Pferde / und ritte / (die Gefangenen muſten zu Fuß gehen /) ihres Weges. Klingenfeld / der zu naͤchſt hinter dem Printzen von Turſis ritte / ruͤhmete unter Weges die Hurtigkeit ſeines gehabten Pferds / welches dem Hertzogen wol gefiel / der ihm darauf das Pferd verehrete. Sie langeten 2. Stun - den nach Mittag zu Mantua wieder an / und als man die Gefangenen in das Schloß brachte / und den treff - lichen Fechter nunmehr / nach abgenom̃enen Feſſeln / in ein finſters Loch / ſamt ſeinen Cameraden / ſtoſſenJwolte /130Deß Academiſchenwolte / da ſprang er hurtig zuruͤck / erwiſchete den De - gen eines Laqueyen / den er behende auß der Scheiden ruͤckete / und ſich damit mitten auf dem Platz ſtellete. Jch wil nicht lange gefangen ligen / ſprach er anjetzo mit heller Stimme / ſondern / weil ich den Tod verdie - net / wil ich gerne ſterben / aber / als ein Mann mit dem Degen in der Fauſt / ich bin ein Edelmann auß Grau - buͤnden / habe mich lange Zeit zu Padua aufgehalten / und bin durch unordentliche Liebe von den Studiis zu einem leichtfertigen Leben verfuͤhret worden / welches mich gar unter die Zunfft der Raͤuber und Moͤrder hat gebracht. Jſt ein Rechtſchaffener unter dieſem Hauffen / der Mitleyden mit mir hat / und mich von der Hand deß Scharffrichters zu befreyen gedencket / der ſtelle ſich gegen mich mit einem bloſſen Degen / uͤberwindet er den beruͤchtigten Carniolani, ſo wird Jedermann bekennen / daß er ein tapfferer Mann ſeyn muͤſſe.
Der Hertzog wolte ſchon Feuer auf ihn geben laſſen / als Klingenfeld bathe / man moͤchte ihm ver - goͤnnen / ſich gegen dieſem deſperaten und ungluͤckſee - ligen Edelmann zu ſtellen / welches ihm endlich durch deß Printzen Fuͤrbitte verwilliget ward. Solchem nach erhub ſich Klingenfeld mit ſeinem entbloͤſſeten Degen in der Fauſt hernieder zu ihm / und ſprach: Carniolani, du haſt geſaget / wer du biſt / und wie du zu dieſem ungluͤckſeeligen Stande gerathen / wolan / du muſt ſterben / ſo nimm dann den Tod in einem Kampff lieber von mir / der ich ein Edelmann auß Teutſchland / und den freyen Kuͤnſten gleicher Geſtalt nachziehe / als von der Hand deß unterſten Juſtitz - Knechts. Hiermit giengen ſie naͤher zu einander / und der Raͤuber reichete unſerm Teutſchen die Hand / be - danckete ſich auch der Wolthat / die er ihm hierinn er -zeigete /131Romans I. Buch. zeigete / und darauf giengen ſie auf einander loß. Der Hertzog / und alle Anweſende / verwunderten ſich zum hoͤchſten uͤber dieſen Kampff / und uͤber die hurtige Geſchicklichkeit der Kaͤmpffenden / in 8. Gaͤngen / die ſie mit einander hielten / kunte keiner dem andern eine einzige Wunde anbringen. Aber im folgenden Gang glitſche der Raͤuber zur Seiten auß / daß er zur Erden ſanck / Klingenfeld tratt damahl zuruͤck / und ließ ihm Zeit / ſich wieder in Poſtur zu ſtellen / welches dem Raͤu - ber dermaſſen gefiel / daß er ſprach: O du unbeſchreib - liche Teutſche Hoͤflichkeit! warlich / mein Freund / die - ſer Dienſt muß euch belohnet werden. Hierauf thaͤ - ten ſie abermahl einen Gang / in welchem der Raͤuber einen Stoß in die Pulß-Ader bekam / welche er vor unheilbar achtete / dannenhero warff er den Degen von ſich / und verlangete mit Klingenfeld allein zu ſeyn. Solches ward ihnen gegoͤnnet / und ein Logi - ment angewieſen. Als ſie da hinein gekommen / band Carniolani ein Schnupfftuͤchlein um die Wunde / und ſprach: Mein wertheſter Freund / euch bekenne ich in meiner Todes-Noth / daß ich zu Padua von der unzuͤchtigen Frauen / eines gewiſſen gelehrten Mañs / dergeſtalt zu allerhand uͤppigen Exceſſen bin verfuͤh - ret worden / daß ich capabel bin geweſen / mich zu den aͤrgſten Greuel-Stuͤcken zugebrauchen / das Schlim - meſte iſt / daß ich all mein Geld darbey zugeſetzet / daß auch auß meinem Vatterland ich nichts mehr zuge - warten gehabt / und weil meine unzuͤchtige Buhlerin endlich an einer hitzigen und anklebenden Kranckheit geſtorben / hat mich die Deſperation, weil ich kein Geld und auch nichts gelernet hatte / zu dem beruffenen Venetianiſchen Banditen verleitet / welche dieſer Ends zu rauben und zu morden pflegen / in dieſer Compagnie habe ich ſchon 2. und 3. Monat zuge -J 2bracht /132Deß Academiſchenbracht / und in waͤhrender Zeit 283. Menſchen pluͤn - dern helffen / 23. Perſonen habe ich mit eigener Fauſt erleget / und 112. in Geſellſchafft meiner Cameraden ermorden helffen. Unſer ſind in allem jedes mahl nur 12. geweſen / und ihr muͤſſet wiſſen / daß darvon 5. heu - te umkommen ſind / und daß mein Tod juſt die Helffte der Zahl vermindert. Ein Jeder hat eine beſondere Hoͤhle vor ſich und ſein Pferd / und die ſind ſehr weit von einander zerſtreuet / auch wird ein Jeder / der in die Geſellſchafft aufgenommen wird / zuforderſt mit einem kraͤfftigen Eyd verbunden / die Schlupffwin - ckeln ſeiner Cameraden / dafern er etwa in der Juſtitz Haͤnde gerathen moͤchte / keines Weges zu verrathen / es iſt mir aber wol erlaubet / euch meine eigene Hoͤhle zu entdecken / und weil ich einen ziemlichen Schatz darinn aufgehoben / ſetze ich euch zum einzigen Erben deſſen ein / es ſey dann / daß der Hertzog dieſes Orts / Krafft ſeiner hohen Authoritaͤt / euch dieſe Beute di - ſputiren moͤchte. Jch ſage euch aber / daß ich euch mei - nen Schatz vermache / wegen deß letzten Dienſts / den ihr mir gethan / und meine Freunde / die mir dar - durch / daß ſie mir kein Geld mehr ſenden wolten / An - laß gegeben / mich zu dieſer verfluchten Lebens-Art zu begeben / ſind nicht werth / daß ſie einen Pfenning dar - von erlangen. Meine Hoͤhle iſt 200. Schritte von dem Ort / da der Kauffmann von uns angegriffen worden / gerade gegen der Sonnen-Aufgang / an ei - nem Huͤgel / neben einem groſſen Eych-Baum / der mit 5. Staͤmmen zugleich auß der Wurtzel herfuͤr bricht / zimlich tieff in einem Dornbuſch / alſo / daß ei - ner / der davon nichts weiß / den Eingang zu der Hoͤhle nimmermehr finden wird.
Jndem er dieſes ſagte / geſchwoll ihm der Arm gar ſehr / dannenhero muſte er das Tuͤchlein wiederloß -133Romans I. Buch. loßmachen / da dann das Blut haͤuffig herauß trang / und alſo bath er / man moͤchte ihm einen Beichtvatter zuſenden / dann er ward ſehr ſchwach. Kaum war der - ſelbe auch angelanget / als der Bube ſeinen Geiſt auf - gab / ehe er noch gebeichtet / oder die Abſolution em - pfangen hatte / dann das Blut war ſamt dem Leben auf einmahl herauß gefloſſen. Man ließ ihn zu dem Ort bringen / da die arme Suͤnder pflegen begraben zu werden / und der Hertzog war es zufrieden / daß Klingenfeld dieſes Raͤubers Guͤther erbete. Es ga - ben aber die zwey Mit-Gefangene Nachricht / daß man ſich nicht lange aufhalten doͤrffte / den Schatz abzuholen / ſonſten wuͤrden die andern Raͤuber bald darhinter her ſeyn. Alſo ritte Klingenfeld noch den - ſelben Abend mit 3. wolbewaffneten Leuten deß Her - tzogs hinauß / welche die angewieſene Hoͤhle / nach ge - gebener Anweiſung / gar leichtlich funden. Klingen - feld ließ die Pferde / zuſamt einem Mann / darvor ſtehen / er aber und die Zween andern giengen mit ei - ner brennenden Fackel hinein / und ſchloſſen die ſtarcke Thuͤr auf / zu welcher ihm der Schluͤſſel vom Raͤuber war gegeben worden. Wie ſie hinein kamen / funden ſie die Hoͤhle ziemlich klein / und hatte ſie von oben herab / durch den Felſen / ein ziemliches Liecht / ſie war mit groſſer Muͤhe in einen klaren Felſen gehauen / und kunte man wol ſehen / daß ſie in den naͤchſten hundert Jahren nicht war angeleget worden.
Sie ſuchten tapffer nach / und funden zween ziem - lich ſtarcke Kaͤſten / dariñ die Schluͤſſel ſtacken / als ſie den einen aufſchloſſen / funden ſie denſelben mit aller - hand koͤſtlichen ſo Mann-als Weibs-Kleidern / auch ſchoͤnen Stoffen / mit ſeidenen und ſammeten / etliche mit guͤldenen Blumen durchwuͤrcket / durchauß ange - fuͤllet. Dieſe Sachen packeten ſie in 2. groſſe Paͤcke /J 3und134Deß Academiſchenund trugen ſie herauß / darnach eroͤffneten ſie auch den andern Kaſten / in welchem ſie 6. groſſe lederne Beu - tel funden / darvon 4. mit lauter Ducaten und andern guͤldenen Pfenningen / die andern 2. aber mit ſilber - ner Muͤntze angefuͤllet waren. Es war die Zeit zu kurtz / alle dieſe Baarſchafften anjetzo zu zehlen / dan - nenhero ſetzten ſie die Beutel / nachdem man ſie wie - der zugebunden / herauß / und darauf erblickete Klin - genfeld ein kleines Kuͤſtlein / welches er aufthaͤte / und ſelbiges mit koͤſtlichen Ringen und allerhand Edel - geſteinen angefuͤllet fand / welches alles ihm uͤber die Maſſen wol gefiel / er nahm ſolches zu ſich / und ließ es nicht auß ſeinen Haͤnden kommen. Unterdeſſen hoͤreten ſie Jemand zur Seiten ſchnauben / welches ſie allart machte / ſie wandten ſich mit den Fackeln darnach zu / und funden eine Thuͤr / dahero ſie in Zweiffel ſtunden / ob ſie ſelbige eroͤffnen ſolten / oder nicht. Endlich faſſete Klingenfeld ein Hertz / und er - oͤffnete die Thuͤr / darinn er aber nichts anders fand / als 2. ſchoͤne Pferde / an einer ſteinernen Krippen / an der Wand hiengen 2. Sattel / und was ſonſten mehr darzu gehoͤrete / weßwegen man die Pferde alſobald zuruͤſtete / und ſie nebſt allem gefundenen Guth her - auß fuͤhrete / weil auch auf genaues Nachſuchen nicht das Allergeringſte mehr zu finden war / giengen ſie hinauß / vertheileten die Beute auf die gefundene und ihre andere Pferde / und ritten Sporn-ſtreichs ihres Weges wieder nach der Stadt / welche ſie mit dem ſpaͤthen Abend erreichten.
Man zeigete dem Hertzogen dieſen Schatz / der ſich deſſen hoͤchlich verwunderte / und einen koͤſtlichen Diamant unter den Steinen fand / welcher wol ein recht Fuͤrſtl. Stuͤck war / dahero ſtund er ihm ſehr wol an / weil er aber unter lauter Raub-Guth war gefun -den135Romans I. Buch. den worden / begehrete er deſſen nicht / ſondern Klin - genfeld ward zum rechtmaͤſſigen Herꝛn dieſes Scha - tzes erklaͤret / welcher ſich deßfalls gar demuͤthig be - danckete / und ſeinen geweſenen Gefaͤhrten / ſo ihm die Beute hatten holen helffen / einen von den ledernen Beuteln mit Silber-Muͤntze angefuͤllet / unter ſich zu theilen / verehrete / daß alſo ein Jeder von den 3. Per - ſonen 400. Reichs-Thaler bekam / welches eine groſſe Freude bey ihnen erweckete. Jn dem andern ledernen Beutel / waren 1600. Reichs-Thaler / an allerhand ſilbernen Muͤntz-Sorten / und ein Jeder von denen Gold-Beuteln faſſete 3000. Ducaten in ſich / welches eine Summa von 12000. Ducaten in ſpecie auß - machte. Die Jubelen wurden hoͤher æſtimiret / und weil dieſelbe am leichteſten fortzubringen / wolte er keine Steine verkauffen / ohnerachtet ſich gar bald verſchiedene Jubilierer angaben.
Bekaͤnntnuͤß und Hinrichtung der zwey uͤbrigen Raͤuber. Huren-Liebe wird umſtaͤndlich mit ihren boͤſen Fruͤchten beſchrieben. Die Teutſchen verachten den Stand und Orden der Hahnreyen mehr / als die Frantzoſen.
DEnſelben Abend blieb der Printz de Turſis auf dem Schloß / und ward herꝛlich bewirthet / aber Cavina und Klingenfeld verfuͤgeten ſich wieder nach ihrer Herberge / woſelbſt ſie ſich recht lu - ſtig von der gefundenen Beute machten. Die zwey koͤſtliche Pferde wurden von einem Cavallier fuͤr 300. Reichs-Thaler mit Sattel und Zeug bezahlet. Am folgenden Morgen verfuͤgeten ſich dieſe zween Gefaͤhrten wieder auf das Schloß / da man die zwey gefangene Raͤuber examinirte / welche bekenneten / daß ſie verarmte Edelleute auß dem Venetianiſchen Gebieth waͤren / die auß groſſem Mangel ſich unterJ 4dieſe136Deß Academiſchendieſe Raͤuber-Zunfft vor einem halben Jahr begeben haͤtten. Sie erzehleten / daß man in ihren Hoͤhlen / welche ſie bezeichneten / gar wenig finden wuͤrde / in - maſſen ſie / ſo bald ſie einige Baarſchafften erbeutet / ſolche alſobald den Jhrigen zugefuͤhret haͤtten / um / darvon zu leben. Jhr Fuͤhrer waͤre ein Obriſt-Lieu - tenant auß Friaul, der von dem Eſtaat zu Venedig vor einigen Jahren disgouſtirt worden. Jm uͤbrigen haͤtten ſie allemahl an Lebens-Mitteln und Pferd - Futter von einem nahe bey dem Ende deß Walds be - legenen Dorff in der Nacht an einem gewiſſen Ort ihre Zufuhr vor baares Geld uͤberkommen / dann ſie haͤtten einsmahls einen Bauren in die Klauen be - kommen / welcher mit dieſem Beding ſein Leben erhal - ten / daß er / nach gethanem leiblichen Eyd / mit ſotha - ner Zufuhr ihnen fuͤr doppelte Bezahlung jedes mahl an die Hand gehen ſolte / welchem er auch bißhero / und ſchon eine gute Zeit vor ihrer Ankunfft in dieſe Geſellſchafft / getreulich nachgelebet haͤtte. Was den Obriſt Lieutenant belanget / wolle derſelbe nur noch ein halb Jahr auf Beute gehen / und ſich alsdann mit ſeinem Schatz in ein fremdes Gebieth begeben / mit welchem ſich Carniolani auch ſchon verabredet haͤtte / ihm zu folgen / der aber vor der Zeit ſein Ende genommen. Die Ubrigen alle wolten dem Handel gleicher Geſtalt nur ſo lang abwarten / biß ſie ein gut Stuͤck Geldes gemacht daß ſie leben koͤnten / alsdann wolten ſie auch ihres Weges gehen / und das Rauben quittiren. Sie zween Gefangene wuͤrden alsdann vor ſich ſelber / und allein / nichts ſonderliches mehr ha - ben außrichten koͤnnen.
Auf dieſe gethane Bekaͤnntnuͤß / welche ſie mit hohen Fluͤchen und Eydſchwuͤren bekraͤfftigten / wur - den ſie gekoͤpffet / geviertheilet / und ihre Leibes-Theilean137Romans I. Buch. an die Land-Straſſen um die Stadt aufgehaͤnget. Solches aber geſchahe hernach allererſt / als unſere fremde Geſellſchafft dieſen Ort ſchon wieder verlaſ - ſen hatte. Jm uͤbrigen muſten Klingenfeld und Cavi - na an bemeltem Morgen wieder zum Hertzogen kom - men mit welchem ſie am Mittag zur Mahlzeit gien - gen / da ſie dann von dem Carniolani zu reden kamen / und es bejammerten / daß ein ſo geſchickter und an - ſehnlicher Edelmann durch ein unzuͤchtiges Weib / und durch bloſſe Huren-Liebe zu ſolchem Elend ver - fuͤhret worden. Freylich iſt es zu bejammern / ſprach Klingenfeld / wann ein ſolch edles Gemuͤth durch das verfuͤhreriſche Frauenzim̃er in das Liebes-Netze faͤllet / dann auß einer ungebuͤhrlichen Liebe kan nimmer nichts Gutes folgen / und beſchreibet ſolche ein gelehr - ter Breßlauer gar wol / wann er ſie in ſeinem Ge - ſchichts-Herold gleichſam alſo anredet: Du biſt / O Tugend-Moͤrderin das neulich-erfundene Hoͤllen - Feuer / von welchem ein einziger Tropff / wann es ei - nen bewaffneten Menſchen beruͤhret / biß auf das Marck hin brennet / Stein und Stahl auffriſſet / und faſt nie zu loͤſchen iſt. Du biſt / O Zauberin / das anmu - thig-liebliche Frauen-Bild / deſſen aͤuſſerliche Wun - der-Geſtalt die Schoͤnheit ſelber beloben muß; Die du doch / wann du uns deinen hulden Kuß und Gruß anbeuteſt / unterdeſſen erbaͤrmlich umbringeſt. Dan - nenhero wil ein Jedweder faſt dahin ſinnen / wie er dich mit einem neuen Ehren-Titul beſchencken moͤge. Die Liebe iſt / welche billig von dem H. Hieronymo ein Aberwitz / vom klugen Petrarcha eine angenehme Wunden / ein liebliches Gifft / eine ſuͤſſe Bitterkeit / eine froͤliche Marterung / ein ſanffter Tod benennet worden. Die Liebe iſt / ſo der gelehrte Drexeliꝰ in ſeinen ſchoͤnen Buͤchern / bald einen Donnerſchlag / von demJ 5Teufel138Deß AcademiſchenTeufel auß der Hoͤllen gebracht / bald eine Feindin GOttes und anmuthiges Schauſpiel deß Teufels / bald ein halßſtarriges und unheilbares Laſter / bald ein Ubel / das die gantze Welt zerſtoͤret / benamet. So wird ſie von andern eine Meuchel-Moͤrderin deß Hertzens / ein freywilliger Tod / ein Verhaͤngnuͤß ſon - der Nothwendigkeit / das gifftigſte Gifft / ein Wurm - ſtich der Tugend / die Unvernunfft der Weiſen / ein Witz der Thoren / eine angenehme Noth / ein eigen - williger Untergang / ein Hencker der Gewiſſen / eine kindiſche Unbedachtſamkeit / welche die Fruͤchte der Baͤume beſiehet / und nicht derſelben Hoͤhe zuvor ab - miſſet / die zu aller Gefahr ihre Augen zuſchleuſſt / oder vielmehr keine hat / weil ſie nur ihren Willen zu erſaͤt - tigen / nicht aber zuvor ihren wenigen Nachdruck / be - dencket / recht artlich begruͤſſet. Die Poeten neñen ſie:
Es ſaſſe ein anſehnlicher Frantzoͤſiſ. Cavallier mit bey der Tafel / welcher viel von den Laſtern eines jeden Landes zu ſagen wuſte. Dieſer behauptete / daß er nicht begreiffen koͤnte / wann man ſagte / daß es un - recht waͤre / daß ein Mann bey deß andern ſeiner Frauen ſchlieff / inmaſſen der Hahnrey-Orden heut zu Tage in aller Welt / fuͤrnemlich aber in Jtalien und Franckreich ſo groß angewachſen / daß man einen auß| achete / wann er ſich deß Gegentheils ruͤhmete / daß er nemlich allein bey ſeiner Frauen ſchlaffe. Klingenfeld ſchuͤttelte anjetzo den Kopff / und ſagte: Es iſt ſchlimm gnug / daß in Jtalien und Franckreich die Ehe - brecheriſche Haͤndel nicht anders / als eine Galanterie, angeſehen / und demnach ſelten geſtraffet werden / wie ſolches ihre Juriſten / Johannes Faber, und andere mehr / zur Gnuͤge bezeugen / und meldet der Frantzoſen fuͤrnehmſter Scribent, daß / als im Jahr 1563. einer / Namens Landa Molinus, wegen eines begangenen und uͤberzeugten Ehebruchs zum Tod verurtheilet worden / habe man es gar uͤbel auf genommen / und ſich vernehmen laſſen / man wuͤrde ſich allein dieſer Urſachen halben mit den Proteſtanten niemahls vereinigen / weil ſie den bißhero in ſelbigem Land unge - ſtrafften Ehebruch nunmehro mit Todes-Straffe zu belegen anfiengen. Ja / die Frantzoſen / wie wir alleweil gehoͤret / wiſſen uns Teutſchen darmit gar empfindlich auf zu ziehen / daß / da ſie nur in einer Mahlzeit ſchwerlich mit einerley Wein oder Bier in ihrem Durſt zu erſaͤttigen waͤren / ſie gleichwol ihre gantze Lebens - Zeit mit einer alleinigen Weibes-Perſon / die doch in ihrem Ge - ſicht und ſchlimmen Verhalten manchmahls ein greulich Feg - Feuer vorſtellete / ſo geſchmeidig zubringen koͤnten / wiewol die Teutſchen dieſen Vorwurff / als welcher ohne dem trefflich nach der Frantzoſen Leichtfertigkeit riechet / ſo groß nicht zu achten ha - ben / und ſich gar gern fuͤr unzeitige Eyfer-Boͤcke / die ihrem Frauenzimmer ſo wenig Freyheit verflatteten / halten laſſen koͤñen / in Erwegung es allerdings beſſer iſt / daß ihnen dieſes ohne Schaden vorgeruͤcket werde / als daß ſie etwa die zur Unzeit zu -gelaſſene140Deß Academiſchengelaſſene Freyheit / maſſen bey den Frantzoſen taͤglich geſchiehet / bernach zn ſpaͤte beſeuffzen muͤſſen / und ſcheinet es / daß von die - ſer Nation alle Hahnreyen in der gantzen Welt / gleich wie von dem Adam alle Menſchen / herftam̃en / angeſehen in Franckreich ein Jeder / der die Hoͤrner nur zu verguͤlden weiß / aller Orten ſichern Paß finden / ja wol gar darzu ein Kuͤſſen unter die Arme bekommen / und bierbey der barmhertzige Wirth einen Corne - lium Tacitum agiren wird; Wie mir dann erzehlet worden / daß ein fuͤrnehmer Parlaments-Herꝛ zu Pariß / ſo der Zeit noch un - verheurathet geweſen / ohnlaͤngſt ſich vernehmen laſſen / im Fall er mit ſeiner zukuͤnfftigen Liebſten nur ſo und ſo viel tauſend er - beyrathen wuͤrde / wolte er gern in die groſſe Bruͤderſchafft der Hahnreyen ſich einſchreiben laſſen; Ja / er wolte die Hoͤrner ſelbſt verguͤlden / und fuͤr deren Erhaltung taͤglich etliche Ave Maria betten; Das laſſe mir gutwillige Cavalliers ſeyn / und Ritter von der groſſen barmhertzigen Bruͤderſchafft / welche mit den Federn vom S. Lucas-Vogel ſo trefflich zu prangen wiſſen. Daß alſo jener Teutſche ſich wol geloͤſet / wann er in einer fuͤr - nehmen Geſellſchafft zu Pariß / da ihm der Teutſchen Unmaͤſſig - keit im Trincken empfindlich gnug vorgeruckt worden / denen an - weſenden Frantz-Maͤnnern / die ihrer Nation anklebende unkeu - ſche Leichtfertigkeit entgegen geſetzet / er ſaget unter andern alſo:
Die Poeten fabuliren / es haben den Jaͤger Actæon ſeine eigene Hunde zerriſſen / als er die Goͤttin Diana einsmahls na - ckend geſehen / welche ihme zur Straffe deßwegen ein paar Hoͤr - ner aufgeſetzet. Wann man mich fragen ſolte / wo dieſe Hoͤrner nachgehends hinkommen / da ſonſt alles biß auf Haut / Bein und Knochen / von den Hunden verzehret worden / wuͤrde ich vielleicht nicht unrecht antworten / daß ſie nach Pariß verehret worden. Dieſes muthmaſſe ich dahero / weil ich ſehe / daß es ſo gefaͤhrlich iſt / ſich bey euch zu verheurathen / und haͤtte ich Sorge / wann mir der Prieſter in Franckreich eine an die Hand gaͤbe / es wur - den mir die Worte auß dem 5. Buch Moſe am 28. Cap. ge - waltig in die Ohren ſchallen: Ein Weib wirſt du dir vertrauen laſſen / aber ein anderer wird bey ihr ſchlaffen. Oder muͤſte mich reſolviren / mit eurem gewoͤhnlichen Troſt und Zuſpruch / den ihr euch unter einander gebet / auch zu vergnuͤgen / und zu geden - cken / wer kein Hahnrey ſeyn wolle / der muͤſſe ſich nicht verheu - rathen / gerade / als wann kein Verheurather ohne Hoͤrner ſeyn koͤnne / welches ihr dann beſtaͤndig glaubet / indem ihr ſinget?
Und dann ferner in dieſen Verſen bezeuget:
Doch iſt es ein ſchlechter Glaube / und kom̃t mir ſolcher vor / wie Printz Moritzen Antwort / als der von dem Herꝛn von Barne - feld nach Ubergab deß fuͤrtrefflichen See-Hafens und Veftung Oſtende gefraget ward: Warum bauet man doch ſo gewaltige Veſtungen / da man ſie doch dem Feind uͤbergeben muß? Das gemahnet mich / ſagte der Printz / als wann man mich fragete: Warum verheurathet man ſich / da man hernach zum Hahnrey wird? Doch koͤnte man die Frantzoͤſiſche Nation noch etwa ent - ſchuldigen / und ſagen / daß ſie der Urſachen halben ſo gute Leute waͤren / und denen Platz-und Statthaltern bey ihren Weibern zuweilen auch etwas goͤnneten / darmit es dem gemeinen Weſen zum Beſten kaͤme / welchem dergeſtalt mit Verſchaffung vieler Unterthanen aufgeholffen wuͤrde. Und dieſer Meynung wa - ren die ſonſt klugen Athenienſer / dann / wann bey ihnen ein Ehe - mann deß andern fruchtbares Weib zu dem Ende begehrete / daß er ſie ſchwaͤngern wollen / iſt ſie ihm unverſager gefolget worden. Wer deß Luftes / Kinder zu erzeugen / erſaͤttiget gewe - ſen / der hat einen andern / ſeine Stelle zu vertretten / moͤgen an - ſprechen / dann ſie darfuͤr gehalten / daß die Kinder nicht den El - tern / ſondern dem gemeinen Vatterland zum Nutz und Beften gebohren / und koͤnten ohne Leute die Laͤnder und Staͤdte nicht ge - ſchuͤtzet / noch erhalten werden / wie bey dem Plutarcho in dem Le - ben deß Lycurgi zu leſen. Und hierauf zielete jener kluge Phi - loſophus, der da wolte / daß in einem vollkommenen Reich alle Weiber gemein ſeyn muͤſten. Auch moͤchte man etwa ſagen / daß ihr Frantzoſen es darum geſchehen lieſſet / damit alle Welt von euch ſagen muͤſſe / daß ihr nicht auß Geilbeit / ſondern auß Luſt zur Kinder Zucht / euch verbeurathet / welches vormahls der Koͤ - nig von Calichut auß eben der Urſache thate / maſſen dieſer nicht ehe bey ſeiner Gemahlin ſchlieff / es haͤtte dann der fuͤrnehmſte Prieſter ihre Jungferſchafft zuvor credentzet / wie dann dieſer Gebrauch noch heutiges Tages vielen Nationen gemein / folg -lich142Deß Academiſchenlich nicht wider das ſo genannte Voͤlcker-Recht iſt. Jn Litthauen hielten ehedeſſen die Weiber unterſchiedene junge Leute / welche ſie Matrimoniorum Adjutores, oder Gehuͤlffen deß Eheſtandes / zu nennen pflegeten. Evenus, Koͤnig in Schottland / hatte ein Geſetz gegeben / worinnen einem jeden Amtmann erlaubet war / denen Braͤuten ſeines Amts Bezircks die ſchwere Buͤrde der Jungferſchafft abzunehmen. So haben auch die Dom Herren zu Leyden hiebevor das Recht gehabt / die erſte Nacht bey ihrer Unterthanen Vertrauten zu ſchlaffen / und dieſes Recht haben ſie Jus Luxandæ Coxæ oder Cunnagii geheiffen.
Weilen dann die Frantzoſen in dieſer heruͤhmten Voͤlcker Fußſtapffen tretten / ſo moͤchte darauß erſcheinen / daß ſie recht - guthertzige Leute / welche verſtehen / was Galanterie ſey / die Teut - ſchen aber Hirn ſchellige und murriſche Ehegatten waͤren / ſo ihre Eheliche Liebe mit dem Eſſig der Eyferſucht allezeit zu ver - ſauren pflegeten / auch ihre Weiber nicht conſideriren / als Mit - Gehuͤlffinnen und Mit-Herꝛſcherinnen im Haußhalten / ſondern als etwa von dem Feind erbeutete Sclavinnen / ſo ihren Maͤn - nern von einem jeden Augenblick Rechenſchafft geben muͤſten. Ja / es erforderten die Teutſchen von ihren Weibern das Jenige / ſo die Allermaͤchtigſten Koͤnige und Tyrannen von ihren Ge - mahlinnen nicht erhalten moͤchten / nemlich / daß ſelbige fuͤr ſie allein ſeyn ſolten / welches ſelten zu geſchehen pfleget / wie auß de - nen Exempeln der Olympias und Philippi, der Cleopatra und Ptolemæi, der Clitemneſtra und Agamemnons / der Helenen und Menelai, der Paſiphaë und Minos, der Phedte und Theſeus, auch vieler andern / zu ſehen. Ja / es haben die Goͤtter ſelbſt ein - ander Hoͤrner auf geſetzet / wie der Mars dem Vulcano gethan. Dem ſey aber / wie ihm wolle / ſo wird angefuͤhrter Urſachen kei - ne die Teutſchen leicht zu einer Nachfolge in der Galanterie be - wegen koͤnnen / ſondern ſie werden die Cocu, oder Guckguck / wie ihr die Hahnreyen zu nennen pfleget / gerne bey euch in Franck - reich laſſen / maſſen ſie kein Belieben zu dieſem Vogel haben / als welcher in anderer Voͤgel Neſter ſeine Eyer zu legen pfleget; Zu deme erndten die Teutſchen nicht gerne / wo ſie nicht geſaͤet ha - ben / wie jener Poet dem Ligurino vorwirfft:
Befuͤrchten auch / wann ſie ſich zu euer ſo genannten Galanterie gewoͤhnen wolten / eine andere euch nicht ungemeine Galanterie Jener auf dem Fuß folgen duͤrffte / ſo man auf Teutſch dieFrantzoſen143Romans I. Buch. Frantzoſen nennet / iſt eine biß anher in Teutſchland / GOtt Lob / noch ziemlich unbekandte Kranckheit / deren ſich doch denen all - taͤglichen Exempeln nach / auch hohe Fuͤrſtliche und andere fuͤr - nehme Standes-Perſonen bey euch nicht erwoͤhren koͤnnen / und iſt damit A. 1495. vor Neapoli das erſte mahl euer Lecker beſtraf - fet worden / ſo / daß ein einziger Medicus, Namens Capicaccius, ſolche zu curiren / uͤber 18000. Kronen gewonnen. Damit ich aber noch etwas von denen Hornwercken der Cornigerorum und Hoͤrner-Traͤger gedencke / ſo belieben die Anweſende zu ver - nehmen / daß alles das Jenige / ſo ich jemahls von den Horn - Traͤgern geleſen / auf dreyerley Art Leute koͤnne gezogen werden / und finde ich in allen Hiſtorien / ſo ich durch blaͤttert / daß dreyer - ley Hoͤrner darinnen gedacht werden: Erſtlich / iſt das Natuͤr - liche / dann das Geiſtliche / zuletzt das Figuͤrliche und Angedichte - te Horn / worvon allhier die Frage am meiſten iſt. Was das erſte Horn anbelanget / ſo iſt bekandt / daß zuweilen Leute mit Hoͤrnern angebohren worden / unter andern gedencket Schottus in ſeiner Phyſica Curioſa, l. 5. q. 6. pag. 672. daß im Jahr 1233. zu Rath - ſtadt auf den Alt-Gebuͤrgen ein Knab mit Hoͤrnern ſey geboh - ren worden. Der Edle Hiſtorienſchreiber Thuanus meldet / daß im Jahr 1599. zu dem Koͤnig ſey gefuͤhret worden / ein gehoͤrne - ter Menſch / Namens Franciſcus Troviluvius, welcher / weil er befahrete / man moͤchte ihn ſeiner ungewoͤhnlichen und ſichtba - ren Hoͤrner halber unter die Mißgebuhrten zehlen / ſein Dorff verlaſſen / und ſich in die Waͤlder retiriret hatte / worinnen der arme Tropff doch endlich gefangen / und aller Orten zur Schau umgefuͤhret worden. Deß Geiſtlichen Horns wird in der Bibel zum oͤfftern gedacht / als im 18. und 112. auch andern Pſalmen mehr / im 1. B. Sam. am 2. Cap. und ſonſt hin und wieder. End - lich ſind die Figuͤrliche und angedichtete. Hoͤrner / welche meh - rentheils in dem Wahn beſtehen / und denen / ſo darmit behafftet / nur Anfangs im Wachſen die meiſten Schmertzen zu verur - ſachen pflegen / gleichwie etwa denen Kindern wiederfaͤhret / wann ſie Zaͤhne hecken / welcher Schmertz ſich nach gehends doch verlieret. Dieſes ſolte einen wol Wunder nehmen / auß was Ur - ſachen man nicht vielmehr den Jenigen / ſo dem andern im Gar - ten graſet / Cocu zu nennen pfleget / als den unſchuldigen Patien - ten / maſſen es auf dieſe Art mit der Natur deß Vogels / ſo / wie gedacht / dem andern in das Neſt leget / beſſer uͤberein kaͤme / dan - nenhero ich in Gedancken ſtehe / daß diß Wort nicht von dem Namen dieſes Vogels / ſondern vielmehr von dem Wort Kucku,oder144Deß Academiſchenoder Coucou, herkomme / womit man die Einfaͤltigen / auch die / denen etwa ein Haſen-Fuchs-oder Laͤmmer-Schwantz / oder auch wol Schelien und Hoͤrner angehenckt worden / außzu - lachen pfleget / wie dann auch der beruͤhmte Scaliger in dieſer Meynung ſtehet. Das Lateiniſche Wort Cornutus ſoll / wie Be - ſoldus wil / ſo viel ſeyn / als Corde nudus, daß er dieſe Schande leyde. Das Teutſche Wort Hahnrey / oder Hahn-Rehe / aber leitet Herꝛ Harsdoͤrffer her von dem Wort / Hahn und Rehe / welches Letztere ſo viel geſagt ſeyn ſoll / als alt / deßwegen von den Pferden / ſo unvermoͤglich ſind / und ihre Schuldigkeit nicht mehr verrichten koͤnnen / geſagt wird / daß ſte zu Reh geritten ſeyen / waͤre alſo / ſeiner Meynung nach / einen zum Hahnreyh machen / ſo viel / als bey eines andern Weib erweiſen / daß deren Mann ein alter und reher Hahn ſey / und daß er die Gebuͤhr / fuͤr ihn bezahle. Daß aber deß Weibes Schande ihrem Mann / der zumahl hiervon nichts weiß / unnachtheilig ſeyn muͤſſe beweiſen viele Rechts-Gelehrten / und ſcheinet / daß auß der Urſache ſich ein groſſer Koͤnig ſelbſten ohne Scheu einen Koͤnig der Hahn - Reyhen / (der Name lautet ſo gut / und wol beſſer / als Rex Aſi - norum,) genennet habe / wie euch dann allen wol wiffend iſt / dero - wegen ihr auch nicht unrecht einen Spruch habt: Quelle ſatiſſe de Croire, que l’honneur d’un homme depend du devant de ſa Femme. Jſt wol und ſo viel geſagt: Es ſey eine groſſe Thorheit / zu glauben / daß deß Mannes Ehre an dem Vordertheil ſeines Weibes hange. Solte aber einen Ehemann ſeines Weibes Ver - halten ſchmertzen / ſo hat er 3. Wege / welche der Petrarcha zeiget / entweder er ſchweige ſtill / gehe darvon / oder raͤche. Das Erſte ſcheinet zu gelind / und ſchimpfflich / das Letzte zu rauh und un - Chriſtlich / das Mittlere aber zielet auf das Kloſter Leben / wel - ches Recept doch denen wenigſten zu ſchmecken pfleget. Und alſo hat dieſer Teutſche / dem ſeinen Lands Leuten zum Vorwurff aufgefuͤhrten Sauff-Gott Bacho, die leichtfertige Goͤttin Ve - nus, ihren / ſo zu ſagen / Leib-eigenen Clienten / denen unzuͤchti - gen Frantzoſen zu nicht geringerer Empfindlichkeit / herb / derb und artlich gnug entgegen geſtellet.
Jch habe zwar mir noch niemahls gefallen laſſen / daß / wann ein oder anderer wunderlicher Kautz / ſich in dieſem oder jenem Laſter hiebevorn etwa beruͤhme gemacht / man ſolches flugs gantzen Nationen / Laͤndern / Provintzien und Staͤdten / zu ihrer Beſchimpffung auf gebuͤrdet und angeklebet hat / es ver - dreuſſt mich auch rechtſchaffen / daß / wann die Spanier mit ih -rem145Romans I. Buch. rem Stehlen / die Jtaliaͤner mit ihrer Rach gier / die Frantzoſen mit ihrer Unzucht / und andere mit noch etwas aͤrgers aufgezo - gen werden / wir Teutſchen allemahl mit unſerm Sauffen her - halten muͤſſen / gleich / als ſchoneten die andern Voͤlcker das lieb - liche Gewaͤchs deß Edlen Weinſtocks ſo ſehr / da ſie ſich doch eben wol darinnen mehrmahls tapffer / und noch aͤrger beſauffen / als ein Teutſchmann immer thun mag. Jener klug-und Grund - gelehrte Schulmann hat hierauf ein artiges Sonnet geſtellet / welches alſo lautet:
Jedoch bin ich der Meynung / daß / wann eine Nation in der Welt deß Laſters der Unkeuſchheit mit Fug zu beſchuldigen iſt / ſo ſeyn es in Warheit die hitzigen Frantzoſen.
Seltzames Exempel einer Dirnen / die durch unzuͤchtiges Beyſchlaffen von der Peſt befreyet worden. Regiſter der Academien in Europa / und von wem ſie geſtifftet worden. Solennia, ſo bey Introdu - ction der Schoniſchen Univerſitaͤt zu Lunden vorgegangen.
DEr Hertzog von Mantua hatte unſerm Klin - genfeld bißhero mit ſonderbarer Andacht zu - gehoͤret / und da derſelbe anjetzo ſeinen Diſcurs vollendet hatte / ſprach der Jeſuit / ſo auch mit an der Tafel ſaſſe / daß ſolche Leute / die in ungebuͤhrlicher Liebe und all zu groſſer Geilheit lebeten / gemeiniglich die Frantzoͤſiſche Kranckheit zu Lohn bekaͤmen; Aber Klingenfeld lachete / und ſprach: Mein Herꝛ / ich kan euch verſichern / daß eine Dienſt-Magd in HollandKdurch146Deß Academiſchendurch unordentliche Liebes-Beywohnung von der Peſt curiret worden / iſt alſo eine ſothane Beywoh - nung der Menſchen nicht allemahl dem Leibe ſchaͤd - lich. Als aber ein Jeder ſich hieruͤber verwunderte / und ein mehrers hiervon zu wiſſen verlangete / ſprach der Teutſche Cavallier alſo: Anno 1636. hat eine Dirne in den vereinigten Niederlanden ſich von der damahlen graſſirenden Peſt angeſtecket befunden / und an 3. Orten deß Leibes die gifftige Druͤſen geſe - hen / deſſen ohngeachtet / hat ſie doch mit ihrem Buh - len in dem Garten / dahin man ſie gebracht hatte / alle Nacht in Unzucht gelebet / darauf ſie endlich wieder geneſen / und dem Geſellen doch keinen Schaden zu - gefuͤget hat. Hieruͤber hat Vincentius Fabricius, ein ſchoͤnes Carmen verfertiget an den gelehrten Clau - dium Salmaſium, welches A. 1636. zu Hamburg auf Koſten Tobiœ Gundermanns in Jacob Rebenleins Druckerey herauß gegeben worden. Dieſe Verſe ſo wol / als der Caſus, ſo dardurch bedeutet worden / ſind rar, deßwegen habe ich ſie angemercket / und lauten ſie alſo:
So viel ich vernehme / ſprach der Hertzog anjetzo zu Klingenfeld / hat der Herꝛ gute Wiſſenſchafften um die Academien / dannenhero werdet ihr Uns einen groſſen Gefallen erzeigen / wann ihr Uns erzehlet / wie viel Academien man in Teutſchland / und auſſerhalb deſſen / zehlet / von welchem Herꝛn dieſelbe / und wann ſie fundiret worden / auch was fuͤr Diſciplinen man darauf tractiret. Klingenfeld neigete ſich gar tieff / und ſprach: Gnaͤdigſter Herꝛ / ob mir gleich alle Na - men der Academiſchen Oerter bekandt / ſo ſind mir doch ihre Stiffter nicht allerdings wiſſend / was im uͤbrigen die Teutſche Academien belanget / ſind ſolche nachfolgende:
Dieſes Lunden in Schonen iſt alſo die juͤngſte Academie, deren Aufrichtung mir annoch in friſchem Andencken / und damit man ſehe / wie es bey derglei - chen Introduction hergehe / wil ich die Ceremonien / ſo bey Einfuͤhrung der Londiſchen oder Lundiſchen Aca - demie A. 1668. gehalten worden / erzehlen / wie folget:K 5Erſt154Deß AcademiſchenErſt wurde um 12. Uhr Mittags die groſſe Glocke der Kirchen gelaͤutet / welches ein Zeichen war / daß die Verſammlung geſchehen ſolle / wie ſie dann auch bald darauf geſchahe. Anfangs ſtellete ſich die Sol - dateſca zu Roß und Fuß / welche vorigen Tages den Herꝛn Gouverneur in Schonen / Herꝛn Guſtav Bauers / Hoch-Graͤfl. Excellentz / als Regis loco ge - genwaͤrtig eingeholet hatte / vor dero Logiment biß an die Kirche / darauf geſchahe die Proceſſion:
Erſtlich / wurden alle Raths-Herren und Præſi - denten auß den Schoniſ. Staͤdten / durch ihren eige - nen Marſchall gefuͤhret. 2. Dieſen folgten die Herren Studioſi, 106. an der Zahl. 3. Die Herren Geiſt - lichen / deren 118. 4. Die Herren Profeſſores, deren 12. waren / alle in ihren ſonderlichen Habiten. 5. Der Herꝛ Pro-Cancellarius, Herꝛ D. Bernhard Oelreich / welcher von 2. Pedellen / 2. Famulis, und 6. Hatſchie - ren in blauer Liberey begleitet wurde. 6. Folgete hoch-gedachten Herꝛn Gouverneurs Excellentz Herꝛ Magnus Durell, und andere mehr. 7. Sechs Kam̃er - Herren / deren Jeder abſonderlich auf blauen Sam - meten Kuͤſſen trugen 1. Togam Doctoralem, Pileum & Palliolum Rectorale, 2. Sceptra, 3. Claves, 4. Sigilla quinque, als 1. Univerſitatis, 2. Facultatis Theologi - cæ, 3. Juridicæ, 4. Medicinæ, 5. Philoſophiæ, 6. Con - ſtitutiones im blauen Sammet gebunden / und die Privilegia.
Als nun alles in der Kirchen in Ordnung war / ſtellete ſich hoch-gedachter Herꝛ Gouverneur und Herꝛ Durell à parte auf einen erhabenen Ort / und wurden die Regalien auf einen darzu gezierten Tiſch geleget. Hierauf fieng der Gouverneur in Schwediſ. Sprach an zu erzehlen / warum dieſe Verſammlung geſchehen waͤre; Die Antwort darauf geſchahe von dem HerꝛnGrafen155Romans I. Buch. Grafen Durell Lateiniſch. Nach ſolchen wurden die Conſtirutiones und Privilegia verleſen. Hiernaͤchſt tratt der Herꝛ Pro-Cancellarius hervor / und creirte den Herꝛn Profeſſorem Bagge zum Rectore Acade - miæ. Als ſolches geſchehen war / tratt der Herꝛ Pro - Cancellarius hinweg / und perorirte der Herꝛ Rector hierauf / welchem nach geendigter Oration der Herꝛ Profeſſor Kundhahn alſobald folgete. Nach dieſem wurde vom Herꝛn D. Winſtrupio, Epiſcopo, gepredi - get / der Text: 1. Reg. 8. v. 17. 18. 19. 20. Mein Vat - ter David hatte es zwar im Sinn / daß er ein Hauß bauete dem Namen deß HErꝛn deß GOttes Jſrael. Aber der HERR ſprach zu meinem Vatter David: Daß du im Sinn haſt / meinem Namen ein Hauß zu bauen / haſt du wol gethan / daß du ſolches fuͤrnah - meſt. Doch ſolt du nicht das Hauß bauen / ſondern dein Sohn / der auß deinen Lenden kommen wird / der ſoll meinem Namen ein Hauß bauen / und der HErꝛ hat ſein Wort beſtaͤttiget / das er geredet hat: Dañ ich bin aufkommen / an meines Vatters Davids Statt / und ſitze auf dem Stuhl Jſrael / wie der HErꝛ gere - det hat / und habe gebauet ein Hauß dem Namen deß HErꝛn / deß GOttes Jſrael. Nach gethaner Pre - digt / ſunge man das Te DEUM Laudamus, und loͤſete darbey 16. Canonen zu zweyen mahlen. Alle / ſo in dieſer Proceſſion waren / wurden darauf herꝛlich tra - ctiret / da dann bey Geſundheits-Truͤncken die Stuͤ - cke ſich tapffer hoͤren lieſſen. Nach geendigtem Con - vivio wurde auch ein ſchoͤnes Feuerwerck angezuͤn - det / welches biß 4. Uhr gegen den Morgen dauerte.
Kaͤyſerliches Diploma uͤber die Helmſtaͤdtiſche Univerſitaͤt. Die Vniverſitaͤt Pariß hat viel Tumulten erlitten. Was man vor Diſciplinen auf dieſer oder jener Vniverſitaͤt fuͤr andern lehre.
SOnſten iſt zu wiſſen / daß in Teutſchland der Roͤmiſche Kaͤyſer durch ſeine hoͤchſte Authori - taͤt / auf Anhalten der Staͤnde / die Academien confirmiret / und ihnen daruͤber ein Kaͤyſerl. Diploma ertheilet / wie ich dann das Kaͤyſerl. Diploma, wodurch die Academie zu Helmſtaͤdt / auf Anſuchen Hertzogs Julii, confirmiret worden / ſelber zum oͤfftern geſehen / und lautet ſolches in Lateiniſcher Sprache / wie folget: Kaͤyſ. Diploma, wodurch Maximilianus II. die Helmſtaͤdtiſche Academiam Juliam beſtaͤttiget:
MAximilianus Secundus, divina favente clementiâ Electus Romanorum Imperator, ſemper Auguſtus, ac Germaniæ, Hungariæ, Bohemiæ, Dalmatiæ, Croatiæ, Sclavoniæ, &c. Rex. Archi-Dux Auſtriæ, Dux Burgundiæ, Brabantiæ, Stiriæ, Carinthiæ, Carniolæ, &c. Marchio Moraviæ, &c. Dux Lucen - burgiæ, ac Superioris & Inferioris Sileſiæ, Würtembergæ & Te - ckæ, Princeps Sueviæ, Comes Habſpurgi, Tirolis, Ferretis, Ky - burgi & Goritiæ, Landgravius Alſatiæ, Marchio Sacri Romani Imperii, Burgoviæ, ac Superioris & Inferioris Luſatiæ, Domi - nus Marchiæ Slavonicæ, Portus Naonis & Salinarum, &c. Notum facimus tenore literarum præſentium univerſis & ſin - gulis. Cum imprimis ad hanc Romani Imperii ſublimitatem divino auſpicio provecti, diligenter proſpicere debeamus, ur ſcientiæ & bonarum liberaliumque artium ſtudia ſedulò exco - lantur, feliciaque ſemper ſumant incrementa, ex quibus nimirùm tanquam divinæ ſapientiæ hauſto fonte, ſubditi clientesque no - ſtri, ad gubernandam Rempublicam, & reliquis mortalium ne - ceſſitatibus proſpiciendum, reddantur aptiores: præſertim cum earundem bonarum literarum tutela & patrocinium ad Cæſarei culminis faſtigium, ejusque moderatores potiſſimum pertineat. Qui etiam ipſarum Cultores & Profeſſores dignis præmiis, ho - noribus atque privilegiis afficientes, complura Gymnaſia in Sa - cro Romano Imperio inſtituerunt & erexernnt. Nos igitur Præ - deceſſotum noſtrorum veſtigiis inſiſtentes, petitione Illuſtris JULII, Ducis Brunſvicenſis & Lüneburgenſis, Conſanguinei & Principis noſtri chariſſimi, nec non & omnium Statuum ejus - dem Ducatus per peculiares eorundem Legatos, noſtros & Sacri Romani Imperii fideles dilectos, Henricum à Luhe, & Matthiam Böttiger, dicti Principis Conſiliarios, nuper exhibita, qua con -tineba -157Romans I. Buch. tinebarur, ut ad præfatorum ſtudiorum liberalium & bonarum artium incrementum, Collegium Scholamque in civitate ſua hæreditaria Helmſtadt, à ſe cœptum & inſtitutum, authoritate noſtra Cæſarea confirmare, atque Juribus, Privilegiis & Immu - nitatibus ſtudii univerſalis ſeu Gymnaſii communire; adeoque illi ſcholæ Juliæ nomen facere dignaremur, permoti; atque ad animum revocantes multa præclara & ſingularia merita, quæ præfatus Conſanguineus & Princeps noſter, nec non & Paren - tes & Anteceſſores ipſius ex Illuſtri Ducum Brunſvicenſium Fa - milia Nobis & Anteceſſoribus Noſtris Romanorum Imperato - ribus & Regibus, & Imperio, nec non inclytæ Domui Noſtræ Auſtriacæ, ſæpius fideliter exhibuerunt & præſtiterunt: Conſi - derantes etiam, quod præfata civitas non modò propter loci oportunitatem inſtituendo Gymnaſio commoda, tum & incolis & finitimorum locorum habitatoribus Studium Univerſale ad excolendam numeroſam juventutem, cumprimis neceſſarium ſit; maturo Procerum Aulæ Noſtræ Cæſareæ habito Conſilio, animo benè deliberato, ex certa ſcientia & motu proprio, Au - thoritate Noſtra Cæſarea, & ex plenitudine poteſtatis præme - moratum Collegium à dicto Conſanguineo & Principe Noſtro in civitate Helmſtadt nuper cœptum & inſtitutum, confirmavi - mus, adeoque de novo in Studium Generale & Univerſitatem publicam ereximus, prout tenore præſentium confirmamus, & de novo inſtituimus & erigimus
Volentes & dictâ Cæſareæ Noſtræ Poreſtatis & Authorita - tis plenitudine decernentes, quod ea ipſa ſchola in Helmſtadt in poſterum Gymnaſium Univerſale eſſe & ab omnibus ſic haberi, dicique ſchola Julia debeat: Et Doctores quarumcunque Fa - cultarum & perſonæ idoneæ, ad id per dictum Ducem, ejusque Succeſſores, vel quibus illi demandaverint, deputandæ, poſſint & valeant in præfata Univerſitate in omnibus Facultatibus, vi - delicet, in ſacra Theologia, in utroque Jure, tam Canonico, quàm Civili, in Artibus & Medicina, nec non in Philoſophia, & quibuscunque ſcientiis legere, & Lectiones, Diſputationes & Repetitiones publicas facere, concluſiones palàm proponere, & præfatas ſcientias docere, interpretari, gloſſare & dilucidare, omnesque actus ſcholaſticos exercere, eo modo, ritu, & ordine, qui in cæteris Univerſitatibus & Gymnaſiis Publicis, obſervari ſolitus eſt. Et quoniam ipſa ſtudia eò feliciori gradu ſumenr augmentum, ſi ingeniis & diſciplinisipſis ſuus honor, ſuus digni - tatis gradus ſtatuatur; ut emeriti aliquando digna laborumſuorum158Deß Academiſchenſuorum præmia reportent: Statuimus & ordinamus, ut per Col - legia Doctorum à prænominato Illuſtri Duce in unaquaque Fa - cultate inſtituenda, doctis & ad id idoneis, & præ cæteris excel - lentioribus in ipſis Facultatibus Doctoribus, hi qui ad ſumen - dam Palmam certaminis ſui idonei judicati fuerint, adhibito per ipſos Doctores Collegii in unaquaque Facultate, prius pro more & conſuetudine atque ſolennitatibus & ritu in cæteris Univerſi - tatibus adhiberi ſolitis, rigoroſo & diligenti examine, in quo conſcientias ipſorum Doctorum, cujuslibet Collegii onerari vo - lumus, quos ſub Juramenti vinculo ad hoc aſtringimus in ea Fa - cultate, quam edidicerint, & qui examini præfato ſe ſubmiſerint, & ſe pro more & juxta ſtatuta & ordinationes per prænomina - tum Ducem fiendas, per aliquos dignos & honeſtos viros de Gremio ipſius Collegii præſentari fecerint, poſſint ad ipſum examen admitti, & invocata Spiritus Sancti gratia examinari: & ſi hoc modo habiles idonei & ſufficientes ad id reperti & ju - dicati fuerint, Baccalaurei, Magiſtri, Licentiati ſive Doctores, pro unius cujusque ſcientia & doctrina creari, & hujusmodi digni - tatibus inſigniri, nec non per Bireti impoſitionem, & aurei an - nuli ac oſculi traditionem, cæteris que conſuetis ſolennitatibus inveſtiri, & conſueta ornamenta atque inſignia Dignitatum prædictarum tradi & conferri, quodque Doctores in eadem Univerſitate promoti & promovendi debeant & poſſint in omni - bus locis & terris Sacri Imperii Romani, & ubique terrarum li - berè omnes actus Doctorum, legendi, docendi, interpretandi & gloſſandi, facere & exercere, omnibusque & ſingulis gaudere & uti privilegiis, prærogativis & exemtionibus, libertatibus, con - ceſſionibus, honoribus, præeminentiis, favoribus ac indultis, qui - bus cæteri Doctores in Bononienſi, Senenſi, Patavino, Papienſi Peruſino, Pariſienſi ac Lipſienſi, & aliis Studiis privilegiatis, pro moti ac inſigniti gaudent & utuntur de conſuetudine vel de Ju - re. Cæterum quo præfata Univerſitas ſive Gymnaſium ſui; gubernatum Magiſtratibus, ſolidiori & firmiori conſiſtat funda mento, damus & concedimus Doctoribus & Scholaribus in dicta Univerſitate exiſtentibus aut futuris, cum conſenſu præ - fati Ducis aut Succeſſorum ejus, authoritatem ac poteſtatem concedendi & faciendi ſtatuta & ordinationes, juxta conſuetu - dinem cæterarum Univerſitatum, nec non creandi & eligendi Rectorem ſcholarum & Syndicos, ſive alios quoscunque Offi - ciales Univerſitatis, prout ipſis viſum fuerit expedire & eſſe opor - tunum. Hoc ſaltem in hac primæva erectione pro majori Il -luſtra -159Romans I. Buch. luſtratione hujus Gymnaſii addito, ur quemadmodum ipſum imperiali culmine & authoritate primordia ſumſit, & à Ducali nomine appellationem accepit, ſic etiam Rectoralis dignitas ab Illuſtri HENRICO JULIO, Duce Brunſvicenſe, & poſtulato Epiſcopo Halberſtadienſe, ſæpedicti Julii filio, quem primum Rectorem eidem aſſignamus, celebre & felix auſpicium habear. Dantes & concedentes dicta Authoritate Noſtra Imperiali jam per Nos deſignato, nec non & in poſterum, ut præmittitur, eli - gendis & creandis Rectoribus, non modò facultatem & juris - dictionem in Scholaſticos, citandi, audiendi, judicandi, exequen - di, puniendi, & omnes alios actus judicis ordinarii exercendi, & Jus Reddendi: Atque eximentes nihilominus Doctores & Scholares Univerſitatis prænominatæ à jurisdictione & ſupe - rioritate cujuscunque poteſtatis ordinarii, ſive cujuscunque al - terius præterquam à noſtra & præfati Ducis & Succeſſorum ejus - dem: ſed etiam jam dictum HENRICUM JULIUM, per Nos deſignatum primum Rectorem, ejusque in illo officio & dignitate in poſterum eligendos, ex ſpeciali gratia & favore, ſa - cri Lateranenſis Palarii Aulæque noſtræ & Imperialis Conſiſto - rii Comites facimus, creamus, erigimus, ac Comitatus Palatini titulo atque dignitate clementer inſignimus, aliorumque Co - mitum Palatinorum numero cætui & conſortio asſcribimus, ad - jungimus & aggregamus. Decernentes & ſtatuentes, quod uni - verſo illo tempore, quo dictæ dignitati Rectoratus præſunt, vel præfuerint, omnibus & ſingulis Privilegiis, Gratiis, Juribus, Im - munitatibus, Honoribus, Exemptionibus & Libertatibus, uti, frui, potiri & gaudere poſſint & valeant, quibus cæteri Latera - nenſis Palatii Comites hactenusuſi, potiti & gaviſi ſunt, ſeu quo - modo libet utuntur, fruuntur, potiuntur & gaudent, conſvetudi - ne vel de jure. Dantes & concedentes illis plenam facultatem & poteſtatem, quod durante Rectoratus & adminiſtrationis eo - rum tempore, ut præmittitur, noſtra authoritate poſſint & va - leant, per totum Romanum Imperium, Regna & Dominia no - ſtra hæreditaria, ac alias ubilibet terrarum & locorum, facere & creare Notarios publicos ſeu Tabelliones, ac Judices ordinarios: ac omnibus perſonis, quæ fide dignæ, habiles, idoneæ & ſuffi - cientes fuerint, (qua in re conſcientias ipſarum oneramus,) No - tariatus ſeu Tabellionatus & Judicatus ordinarii officium con - cedere & dare, eosque ac eorum quemlibet de prædictis officiis per pennam & calamarium, prout moris eſt, inveſtire, Recipien - do ab ipſis Notariis publicis ſeu Tabellionibus & Judicibus or -dinariis160Deß Academiſchendinariis per eos, ut præmittitur, creandis, & ab eorum quolibet, vice ac nomine Noſtro & Sacri Imperii, & pro ipſo Romano Imperio debitum fidelitatis corporale & proprium Juramentum, in hunc videlicet modum: Quod nobis ac Sacro Romano Im - perio, & omnibus Succeſſoribus noſtris Romanorum Imperato - ribus & Regibus legitimè intrantibus fideles erunt, nec unquam interfuturi conſilio, ubi noſtrum periculum tractetur, ſed bo - num & ſalutem noſtram defendent, & fideliter promovebunt, damna verò & incommoda ſedulò cavebunt & avertent; Præ - rerea Inſtrumenta publica & privata, ultimas voluntates, Teſta - menta, & quæcunque Judiciorum Acta, literas matrimoniales, ac omnia & ſingula alia, quæ illis & cuilibet illorum, dicti offi - cii ratione facienda vel ſcribenda occurrent, juſtè, purè, fideliter, omni ſimulatione, machinatione, falſirate, dolo ac fraude remo - tis, ſcribent, legent, facient, & dictabunt; non obſervando odium, amicitiam, munera, pecuniam, vel quascunque alias paſ - ſiones aut favores: ſcripturas verò in formam publicam redi - gendas pro locorum conſvetudine & rerum qualitate, in mem - branis aut chartis mundis, non abraſis ſeu vitioſis, fideliter con - ſcribent ac conſcribi facient, cauſasque hoſpitalium ac miſera - bilium perſonarum, nec non pontium & viarum publicarum conſervationes & inſtaurationes pro viribus promovebunt, ſen - tentias aut dicta teſtium, donec publicata fuerint & approbata ſub ſecreto fideliter retinebunt; omniaque & ſingula alia con - venienti & debito modo facient atque exercebunt, quæ ad di - ctum officium quomodolibet pertinebunt conſuetudine vel de Jure. Volentes, quod hujusmodi Notarii Publici, ſeu Tabellio - nes & Judices ordinarii per eos creandi, liberè poſſint per totum Romanum Imperium, omniaque Regna & Provincias noſtras hæreditarias, ac aliàs ubivis terrarum & Gentium facere, conci - pere, ſcribere & publicare Contractus, Inſtrumenta, Judiciorum Acta, Literas Matrimoniales, Teſtamenta, & ultimas Volunta - tes, Decretumque & Authoritatem interponere, in quibuscunq́; Contractibus tale quippiam requirentibus, omniaque & ſingula alia citra impedimentum facere & exercere, quæ dictum publici Notarii ſeu Tabellionis & Judicis ordinarii officium quovis modo exigere videbitur, decernentesque, quòd omnibus & ſin - gulis Inſtrumentis ac Scripturis, per hujusmodi Tabelliones ſeu Judices ordinarios & Notarios publicos, per præfatos Rectores Scholæ Juliæ creatos & creandos, confectis & conficiendis, ple - na & indubia ubique fildes, tam intra quàm extra Judicium, ad -hiberi161Romans I. Buch. hiberi debear, eaque nullô modô impugnari vel in dubium trabi poſſit, Conſtitutionibus, Ordinationibus, & aliis in contrarium facientibus, non obſtantibus quibuscunque.
Prætereà ut ipſa Univerſitas dignis fulcita prærogativis, nulli alteri, quantumvis vetuſtæ & celebratæ Univerſitati poſt - ponatur, ſæpè dictæ ſcholæ Juliæ, & ſingulis in ea conſtituendis Facultatibus ex ſingulari gratia, peculiaria arma & inſignia, qui - bus in publicis Scriptis, Edictis, Mandatis, aliisque Actibus, loco figilli uti poſſint & debeant, contulimus, prout alio noſtro deſu - per confecto datoque ſpeciali Privilegio, latius continetur. Atq́; inſuper volumus & decernimus per præſentes, quod prænomi - nata Univerſitas, nec non Doctores & Scholaſtici, ac ibidem ali - quam dignitatem ſeu gradum aſſumentes, gaudeant & potian - tur, uti, frui, gaudere, & potiri poſſint & valeant, omnibus & qui - buscunque gratiis, honoribus, dignitatibus, ptæeminentiis, præ - rogativis, privilegiis, conceſſionibus, & immunitatibus, favori - bus & indultis, ac aliis quibuslibet, quibus Univerſitas Bono - nienſis, Senenſis, Patavina, Papienſis, Peruſina, Pariſienſis & Lipſienſis, ac alia Studia privilegiata, ac Doctores & Scholaſtici, ſive Promoti, aut alia dignitate, ſive gradu, inſigniti, gaudent & potiuntur, quomodolibet conſvetudine vel de Jure. Non ob - ſtantibus aliquibus Privilegiis indultis, prærogativis, gratiis, ſta - tutis, ordinationibus, Legibus, Conſtitutionibus, Reformationi - bus, Exemptionibus, aut aliis quibuscunque in contrarium fa - cientibus. Quibus omnibus & ſingulis, ex certa noſtra ſcientia præfata, animo deliberato, & motu proptio, derogamus & de - rogatum eſſe volumus per præſentes. Nulli ergò omninò ho - minum liceat, hanc noſtræ creationis, inſtirutionis, fundationis, erectionis, indulti, gratiæ, derogationis, conſtitutionis, conceſ - ſionis, & Privilegii gratiam (quam ſingulis annis publicè in di - cta Schola Julia prælegi volumus,) refringete, aut quovis auſu temerario contraire, ſive quomodolibet violare & infringere. Si quis autem hoc attentare præſumſerit, noſtram & Imperii Sa - cti Indignationem graviſſimam & pœnam centum marcharum auri puri, toties quoties contra factum fuerit, ſe noverit irremiſ - ſibiliter incurſurum, quarum medietatem Impetialis Fiſci Noſtri ſive Ærarii, reliquam verò partem injuriam paſſorum uſibus, decernimus applicari. Harum teſtimonio Literarum, manu noſtra ſubſcriptarum, & ſigilli noſtri Cæſarei appenſione mu - nitarum. Datum in Arce Noſtra Regali Pragæ, die 9. Menſis Maji, Anno Domini Milleſimo quingenteſimo ſeptuageſimoLquinto. 162Deß Academiſchenquinto. Regnorum noſtrorum, Romani decimo tertio, Hun - garioi duodecimo, Bohemici verò viceſimo ſeptimo.
MAXIMILIANUS. Vice ac nomine Reverendiſſimi D. Danielis, Archi-Cancellarii Moguntini. V. Joh. Bap. Weber. Ad Mandatum Sacræ Cæſ. Majeſtatis proprium, A. Erſtenberger / Sſst.
Als Klingenfeld ſeine Rede hiermit beſchloſſen / fragte ihn der Jeſuit / ob er dann in ſeinem Regiſter der Univerſitaͤten zu Bourges und Caen in Franckreich vergeſſen? Dieſer gab zur Antwort: Daß ſein ſchwa - ches Gedaͤchtnuͤß hieran Schuld haͤtte / im uͤbrigen koͤnne er noch wol mehr Academien in Franckreich finden / weil aber nicht alle hohe Facultaͤten darauf ge - lehret wuͤrden / ſtuͤnde er billich an / dieſelbe unter die vollkommene Univerſitaͤten zu zehlen. Wolan dann / verfolgete der Jeſuit / ſo wil ich dieſer hohen Geſell - ſchafft zu willen / noch ein und anders von etlichen Univerſitaͤten einruͤcken.
Gleich wie demnach Pariß eine groſſe Volck - reiche Stadt / alſo iſt die Academie daſelbſt auch jeder - zeit die Staͤrckeſte geweſen. Man ſiehet daſelbſt vier Schulen / vor ſo viel Nationen / welche ſind die Franci, Normanni, Picardi und Allemanni. Die Fa - cultas Artium, hat hier die hoͤchſte Stelle / alsdann die Theologiſche Facultaͤt / welche in Myſticam, Canoni - cam und Scholaſticam getheilet wird. Dieſer zu Eh - ren / iſt die beruffene Sorbonne, von Roberto Sorbone, aufgerichtet worden. Die dritte Facultaͤt beſtehet bey den Jureconſultis, und die vierdte bey den Medicis und Chirurgis. Auß der erſten Facultaͤt wird der Re - ctor Academiæ erwaͤhlet / welcher in hohen Ehren ſitzet. Man hat 7. Tumulten auf dieſer Academie erlebet.
1. Anno163Romans I. Bnch.Naͤchſt Pariß iſt Orleans, Bourges und Poictiers, hernach Angiers, Thoulouſe, Cahors, Montpelliers, Avignon, Orange, Valenz, Caën, Dole in Burgund und Maſſilien / vor andern beruͤhmt mit ihren Aca - demien.
Unter den Jtaliaͤniſchen Academien iſt die zu Rom wol die Fuͤrnehmſte / als welche auß den Athe - nienſiſchen Reliquiis von den Paͤpſten aufgerichtet worden. Naͤchſt dieſer folget die zu Bologne, auf welcher Innocentius, Roͤmiſcher Papſt / unter dem fuͤrtrefflichen Juriſten Azone ſtudiret hat. Allhier iſt Bartolus in ſeinem 20. Jahr Licentiatus, und im fol -genden165Romans I. Buch. genden darauf Doctor Juris creiret worden. Er war aber beſſer in Jure als in Latinitate. Accurſius hat ſich im 40. Jahr ſeines Alters allhier auf das Jus geleget / und iſt doch noch ein treffliches Lumen darinn ge - worden.
Die uͤbrigen Jtaliaͤniſchen Univerſitaͤten ſind zu Ferrara, Neapolis, (als der Muͤnch dieſen Ort nen - nete / da begunte der Printz de Turſis einen hertzlichen tieffen Seuffzer hoͤren zu laſſen / welcher aber von Niemand mehr / als von Klingenfeld obſerviret ward /) Salerno, Pavia, Padua, Perugia, welche Anno 1290. gegruͤndet / und eben ſolche Privilegia hat / als weyland die Academie zu Conſtantinopel / Piſa, wel - cher der gelehrte Aldus Manutius im Teſtament ſeine Bibliothec, darinn 80000. Buͤcher waren / vermachet hat; Siena, Turin, allwo Eraſmus Roterodamus Do - ctor und Profeſſor geweſen / Macerata und Catana in Sicilien. Jn dieſer Jnſul ſind auch ſchoͤne Collegia und Schulen zu Meſſina, Syracuſa und Palermo.
Man ſaget abor von den Gelehrten in Jtalien / daß man ſich zu Maͤyland auf das Recht / zu Florentz auf die natuͤrliche Philoſophie, in Calabrien auf die Griechiſche / zu Neapolis auf die Toſcaniſche / zu Man - tua auf die Hebrœiſche Sprache / und zu Luca auf die H. Schrifft / zu Verona auf die Humaniora, zu Bologne auf Matheſin, zu Padua auf die Medicin, zu Venedig auf die Muſic, zu Siena auf die Dialectic, zu Perugia auf das Jus Pontificium, zu Vicenza auf Philoſo - phiam Moralem, und zu Pavia auf Sophiſticam vor andern lege.
Jn Spanien iſt zu Salamantica die beruͤhmteſte Univerſitaͤt / welche ein trefflich Pfleg-Hauß hat fuͤr die arme Studenten. Man ſiehet daſelbſt 20. Colle - gia, und zehlet man nimmer unter 4000. Studenten /L 3bißwei -166Deß Academiſchenbißweilen ſteiget die Zahl auf 7000. Auf 27. Cathe - dern wird geleſen / und deß Rectoris Authoritaͤt iſt un - gemein groß. Die uͤbrigen ſind zu Valentz / zu Ilerda, allwo Papſt Calixtus III. Doctor Juris worden / und offentlich docirt hat. Zu Oſſuna, zu Hiſpalis, auf welcher Papſt Sylveſter II. ſtudiret hat. Avicenna, ein Mahometaniſcher Mohr / hat die Medicin hier in trefflichen Flor gebracht. Zu Compluto, oder Alcala de Henares, nahe bey Madrit / da die fuͤrtreffliche Biblia Complutenſia herauß kommen / zu Toledo, zu Palentia und Majorica, allwo deß Raymundi Lullii Lehre in hoher Achtung iſt.
Jn Portugall iſt die Univerſitaͤt Coimbria, die allemahl / fuͤrnemlich in Philoſophia, fuͤrtreffliche Leute gehabt hat.
Zu Oxford iſt die beruͤhmteſte Academie in En - gelland / ſie hat 16. Collegia, und 8. Aulas, oder Hoͤfe. Wegen deß Præſidenten in dem Collegio S. Magdale - næ, hat es juͤngſt einige Weitlaͤufftigkeit geſetzet / weil derſelbe dem Koͤnig nicht nach Begehren willfahren wollen. Die Univerſitaͤt zu Cambridge iſt uͤber dritt - halb hundert Jahr aͤlter / als die Anno 630. fundiret worden. Sie hat 11. Collegia und 4. Aulas. Die Schottiſchen Univerſitaͤten ſind zu S. Andrè und Aberdone, dann die zu Glaſco iſt gantz wieder abge - kommen.
Allhier werden die beruͤhmteſten Gymnaſia eingefuͤhret / ſamt einem Regiſter aller Collegien der Jeſuiten / wie man ſie im Anfang dieſes Seculi gefunden.
UBer jetzt-genannte hat man auch etliche hohe beruͤhmte Schulen / die aber nicht voͤllig die Ehre einer privilegirten Univerſitaͤt erlan - get haben / deren ſind ſehr viele in Teutſchland / darun -ter167Romans I. Buch. ter mir die Schule oder Gymnaſium zu Osnabrugge / Lipſtatt / Duisberg / Herford / Bremen / Goͤrlitz / Dan - tzig / Augſpurg allein bekandt ſind / es ſind aber ihrer noch mehr in Teutſchland. Die Gymnaſia zu Loſanne und Bern in der Schweitz laſſen ſich auch ſehen. Jn Franckreich ſind ſolcher Geſtalt beruͤhmt die Staͤdte Sedan, Rheims, Saumur, Bourdeaux, Montauban und Nismes. Jn den Spaniſchen Niederlanden Dovay. Jn Jtalien Venedig / die Stadt Mantua, Modena, Maͤyland / Verona, &c. Jn Spanien Valladolit, Oſca, Granada und Compoſtella. Und das ſind ſo wol die Univerſitaͤten / als Gymnaſia, ſonſten muͤſſet ihr / ob ihr gleich ein Teutſcher / und ſo viel ich euch anſehe / ein Proteſtant ſeyd / dañoch unſerm Orden den Ruhm geben / daß deſſen Collegia, ſo durch alle Welt zer - ſtreuet ſind / bey Information der lieben Jugend ein Merckliches thun / und deßfalls die herꝛlichſten Semi - naria und Schulen unterhalten.
Das gebe ich ungenoͤthiget zu / war Klingenfelds Antwort / die Herren Jeſuiten haben freylich den Ruhm / daß ſie ſich deß Schulſtaubs weniger entzie - hen / als einige andere Muͤnch-Orden / ſie ſchicken wackere Koͤpffe wieder zu ihren Eltern / und darum tragen auch die Proteſtanten kein Bedencken / ihnen ihre Kinder zur Information anzuvertrauen. Jch moͤchte aber wol wiſſen / wie hoch ſich die Anzahl ihrer Collegien und Kloͤſter erſtrecket. Der Jeſuit lachete ihn hierauf gar freundlich an / und ſagte: Es iſt mir lieb / daß ihr / wider die Gewohnheit eurer Lands-Leu - ten / proteſtirender Religion, unſerm Orden noch ei - nigen Ruhm goͤnnet / darfuͤr wil ich euer Verlangen begnuͤgen. Ob gleich der Jeſuiter-Orden einer von den Neueſten / hat er ſich doch durch die gantze Welt viel weiter außgebreitet / auch reichere StifftungenL 4und168Deß Academiſchenund koͤſtlichere Collegia und Haͤuſer erlanget / als ei - niger anderer Orden. Jn den Catholiſchen Koͤnig - reichen werden ihre Collegia nach den Provintzen ein - getheilet / und in jeder Provintz iſt ein Jeſuit Pater Provincialis, der gantze Orden aber unterhaͤlt einen Pater General, welcher zu Rom lebet / und allemahl ein Mann von groſſer Authoritaͤt iſt. Aber / damit ich eurer Frage ein Gnuͤgen thue / ſollet ihr wiſſen / daß im Anfang gegenwaͤrtiges Seculi die Jeſuiten ihre Collegia, Reſidentien und Profeſs-Haͤuſer in der gan - tzen Welt gehabt / wie es anzeiget folgender
Catalogus Provinciarum Societatis JESU, & Collegiorum ac Domorum, quæ in unaquaq́; Provincia ſunt.
Jn Jtalien 5. Provintzen.
Jn Portugall. Eine Provintz.
Jn Oſt-Jndien. Eine Provintz.
Jn Braſilia. Eine Provintz.
Jn Hiſpania, vier Provintzen.
Jn Sardinia. Eine Provintz.
Jn Weſt-Jndien / zwo Provintzen.
Jn Franckreich drey Provintzen.
Jn den Niederlanden. Eine Provintz.
Jn Teutſchland drey Provintzien.
Jn Siebenbuͤrgen.
Jn Pohlen. Eine Provintz.
So viel Collegia, Reſidentien und Haͤuſer hat - ten die Jeſuiten damahlen in der gantzen Welt / gleich wie aber ſeithero derſelben ſehr viel abgangen / als nemlich alle die in Japon und ziemlich viel in Oſt - Jndien / nachdem nemlich die Chriſten in Japon An. 1635. gaͤntzlich außgerottet / die vereinigten Nieder - laͤnder auch in Oſt-Jndien ſich der meiſten Plaͤtze be - maͤchtiget / wie nicht weniger etliche von Pohlen /nemlich175Romans I. Buch. nemlich die in Lieffland / ſeithero dieſelbe unter Schwe - den gerathen / alſo hat unſer Orden hingegen ander - weit ſo viel neue Collegia und Haͤuſer wieder ange - leget / und hoffe ich / in Engelland werde die Anzahl derſelben in kurtzen Jahren ſo hoch ſteigen / daß die gantze Zahl hoͤher erſcheinen wird / als im Anfang die - ſes Seculi. Alſo waren damahl 26. Provintzen in der gantzen Societaͤt / 16. Profeß-Haͤuſer / und 245. Colle - gia, wiewol ihrer verſchiedene damahl noch nicht re - ſtituirt geweſen / 25. Domus Probationis, und uͤber, ſolche noch 68. Haͤuſer und Reſidentien / welche alle - ſamt ſehr reich dotiret / und mit guten Intraden ver - ſehen ſind.
An dieſem Diſcurs hatte der Hertzog ſo wol / als der Printz de Turſis ein ſonderbares Vergnuͤgen / weil aber Jener merckete / daß Troll bißhero etliche mahl das Maul gerumpffet / und den Kopf geſchuͤttelt hatte / forſchete er anjetzo / was ihm mangele. Dieſer ſprach: Illuſtriſſime Domine, veritas non poteſt celari, wann ich die Warheit reden ſoll / ſo bekenne ich / daß mir un - ter waͤhrendem Diſcurs der Mund ſo trucken worden / ut lingua adhæreat palato, daß die Zunge am Gau - men beklebet. Der Hertzog ließ ihm einen ſilbernen Becher voll Weins reichen / und ſagte: Wann er ihm ſagen koͤnte / was dieſer vor ein Wein / und wo er ge - wachſen / ſo ſolle er den gantzen Becher außleeren / und ſeine Zunge wieder in Gang bringen.
Troll ſetzte den Becher an den Mund / und ſoff ihn halb auß / ehe er ein einziges Wort antwortete / darauf hielte er ihn unterm Arm / und ſprach: Ehe ich mich zu einer genugſamen Reſponſion auf dieſe Durchleuchtige Frage anſchicke / war es noͤthig / daß durch einige Labung ich meine Zunge wieder loͤſete / præterea, war es ja noͤthig / daß ich meinen Guſtumvorher176Deß Academiſchenvorher zu Rath ziehe / ehe ich von dieſem edlen Reben - ſafft judicire. Nun aber antworte ich diſtinguendo: Man begehret zu wiſſen / cujus generis dieſer Wein ſey / ich ſage / er iſt dulce, und nicht amarum, er iſt rubi - cundum, und nicht albeſcens, er iſt gewachſen in Vite, und nicht in Salice. Wann ich ihn trincke / iſt er generis Maſculini, wann ihn meine kuͤnfftige Braut trincket / iſt er generis Fœminini, und wann ihn dieſer Herꝛ Pater (auf den Jeſuiten zielend /) einziehet / ſo iſt und bleibet er generis neutrius, dann ein Muͤnch iſt kein Mann und keine Frau. Keine Frau ratione Sexûs, und kein Mann / dann er lebet allſtaͤts in Cœlibatu, und darff nicht zeigen / daß er ein Mann ſey. Dieſe Diſtinctio gefiel der gantzen Geſellſchafft / inſonder - heit aber dem Hertzogen dermaſſen / daß er ſich recht - ſchaffen daruͤber zerlachete / und dem poſſierlichen Troll den Reſt deß Weins ſamt dem ſilbernen Pocal verehrete / woruͤber dieſer ſo voll Freuden war / daß er etliche mahl herum ſprang / und ſagte: Ago gratias pro poculo, quod trina circum ſaltatione digniſſimum eſt, damit ſteckete er ihn zu ſich / und verwahrete ihn ſehr wol.
Nachdem endlich die Tafel vollendet / nahm der Printz de Turſis Abſchied von dem Hertzogen / und die andern folgeten ihm wieder nach der Herberge / allwo ſich einige Juden befunden / die unſerm Klin - genfeld alle ſeine gefundene Waaren abhandelten / worfuͤr er noch einen ehrlichen Pfenning erhub. Er machte aber das Geld durch einen Mantuaniſchen Kauffmann an einen gewiſſen Teutſchen Handels - mann nach Venedig uͤber / und war alſo verſichert / daß er ſich deſſen von dannen allemahl / wo er auch ſeyn moͤchte / bedienen koͤnte.
Der Printz und ſeine Geſellſchafft reiten fort / und finden ei - nen gewaltigen Freſſer / Cerebacchius genannt / mit welchem ſie ſelzame Aufzuͤge haben / wegen ſeines Freſſens und Sauffens. Die Studenten / ſo ſich ehrbarlich gehalten / ſind allemahl geehret worden.
AM folgenden Morgen ſetzten ſich der Printz de Turſis, Klingenfeld / Cavina und Troll mit ein - ander zu Pferde / nachdem ſie den Gaſtgeber gebuͤhrlich vergnuͤget / und nahmen ihren Weg weiter nach Norden / dann ſie waren entſchloſſen / den naͤch - ſten Weg nach Padua zu nehmen / und ſo weiter einige von den vornehmſten Teutſchen Academien zu be - ſuchen / weßfalls der Printz unſern Klingenfeld mit ſonderlich verbindlichen Worten erſuchte / ihm auf ſeiner fuͤrhabenden Tour Geſellſchafft zu leiſten / ſo wolle er ihn vor ſeinen Hofmeiſter annehmen / und ihm eine raiſonnable Penſion Jaͤhrlich zuſchlagen / damit er ſeinen juͤngſt erworbenen Schatz dermahl - eins in ſeinem Vatterland gantz und ungetrennet vor ſich finden / und ſein Gluͤck dardurch zu einer ehrlichen Heyrath befoͤrdern moͤge / welche Offerten der Teutſche Cavallier auch willig annahm / und ſich obligirte / deß Printzen Wolfahrt auch durch ſein eigen Blut zu ſuchen.
Es war ihnen nicht moͤglich / denſelben Tag die Stadt Padua zu erreichen / ob ſie gleich noch ſo gerne gewolt haͤtten / doch ritten ſie in die ſpaͤthe Nacht hin - ein / und war ihnen nicht wol zu Muth / als ſie / da es dunckel worden / noch keinen benachbarten Ort ange - troffen hatten. Troll war nicht wol damit zufrieden / daß ſich ſein Herꝛ abermahl erkuͤhnete / in die Nacht hinein zu reiten / und weil er beſorgete / er moͤchte hin - ten von einigen Raͤubern angegriffen werden / ſo gab er ſeinem Pferd die Spohren / und ritte die andernMvorbey /178Deß Academiſchenvorbey / daß er vor ſie kam. Der Printz forſchete / was ſolches bedeute? Er aber gab zur Antwort: Omnium rerum viciſſitudo, alles hat ſeine Abwechslung; Deß Tages reitet ihr vor / und ich hinten nach / ſo muß ich deß Nachts ja auch den Vorzug haben / folget mir nur getreulich nach / ego fidus ero veſter præcurſor.
Sie lieſſen ihn ſeines Weges reiten / aber es waͤhrete nicht lange / da burtzelte er mit ſeinem Pferd uͤber einen Stein hin / daß er zu Boden fiel / wie ein Klotz. Der Printz fragte ihn / wie ihm geſchehe? was ihm ſchade? wo er geblieben waͤre? Er antwortete nichts anders / als: Ita eſt illuſtriſſimo Signoro. Wor - auf Jener fortfuhr: Lebſt du noch / oder biſt du todt? biſt du von dir ſelber gefallen / oder hat dich das Pferd herab geworffen? Miror ſanè, war ſeine Antwort / daß ihr mich in einer Stock-finſtern Nacht uͤber zehe - nerley Sachen fraget / ich wolte / daß ihr an meiner Stelle laͤget / ſo wolte ich ſehen / ob ihr auf alle ſolche wunderliche Fragen im Finſtern eine gnugſame Ant - wort finden moͤchtet. Jch aber wil euch meine Mey - nung kuͤrtzlich ſagen: Diſtinguendo inter voluntatem ſpontaneam & coactam, der Wille deß Menſchen iſt bald freywillig / bald gezwungen / in dieſem Fall war mein Wille gezwungen / dann / wie mein Pferd ſtuͤrtze - te / da wolte ich mich nicht waͤgern / auch herab zu ſin - cken / weil ich beſorgete / das Pferd wuͤrde mich ſonſten gar unter die Fuͤſſe bekommen haben / das mir das Hertz im Leib geknacket / die Ribben geborſten / der Bauch zerſchmettert / die Leber und Lunge zerdruͤcket / die Nieren zermalmet / alle Blut-Adern zerquetſchet / und der gantze Leib von Blut und Blut beſudelt waͤ - re / daruͤber waͤre ich alsdann ipſiſſimo Menſchen - Freſſori zu Theil worden / und ihr haͤttet leicht bey den Umligenden koͤnnen querellirt / oder angegeben wer -den /179Romans I. Buch. den / als wann ihr mich ermordet haͤttet. Nunc re - ſponde, nonne bene reſpondi, & me optimè explica - vi, diſtinguendo inter voluntatem ſpontaneam & coactam?
Nun / ſo ſtehe dann auf / rieff ihm der Printz zu / und ſchaffe dich auß dem Staub / ehe wir auch uͤber dich hinfallen. Alſo raffte ſich Troll behende auf / und fuͤhlete mit dem Fuß nach dem Stein / oder Stock / daruͤber ſein Pferd gefallen war / ſo bald er aber mit dem Fuß daran ſtieß / bewegete ſich der Lapis offenſio - nis, und rieff: Apage. Auf dieſe Worte flohe Troll zuruͤck / und ſprach zu den Ubrigen: Habt ihrs gehoͤ - ret / meine Herren und Bruͤder / ſaxa & arbores hic loquuntur, ich glaube / daß in dieſer Gegend die Stei - ne und Baͤume wider den Lauff der Natur reden. Es verwunderte ſich zwar die Geſellſchafft uͤber dieſen Zufall / aber Klingenfeld dachte alſobald / es muͤſſe ein Vollzapff allhier eingeſchlaffen / und mitten auf dem Felde ligen blieben ſeyn / ritte demnach naͤher hinzu / und rieff ihm zu: Du / wer du auch biſt / ſchlaͤffeſt du / oder wacheſt du? In utramque aurem dormio, war die Antwort / welche Rede die andern ſehr Wunder nahm. Klingenfeld fragte ihn weiter / was er fuͤr einer waͤre? Und Jener antwortete: Muſarum filius, Ce - rebacchius dictus. Dieſe Worte fieng Troll alſobald auf / und antwortete wieder: Quid dormiunt liben - ter, ſine lucro & cum malo quieſcunt, die ſolcher Ge - ſtaltſchlaffen / die kommen zu nichts / weder im Studi - ren / noch in der Nahrung. Er ruͤhrete ihntapffer / und noͤthigte ihn / den Schlaff fahren zu laſſen / worauf der volle Zapff: Quid mihi amplius cum ſomno, ſi dormitio tollitur, was iſts dann / wann ihr einen nicht wollet ſchlaffen laſſen? Quandoque bonus etiam dor - mitat Homerus, hat doch euer Pferd auch geſchlaffen /M 2als180Deß Academiſchenals es uͤber meinen Knochen ſtolperte. Troll ſprach zur Geſellſchafft: Luſtig / ihr Herren / wir koͤnnen nicht weit mehr von der gelehrten Stadt Padua ſeyn / dieſe Gegend riechet ſchon nach lauter Latein / kommet nur auf / mein guter Schlucker / ſprach er zum Truncken - bold / ihr muͤſſet uns / an Statt der Laterne / zu einem Wegweiſer dienen. Cerebacchius, alſo nannte ſich dieſer Menſch / ſtund endlich auf / und nachdem er die Geſellſchafft betrachtet / auch vernommen / daß ſie nach Padua gedaͤchten / und von Mantua kaͤmen / da ſprach er: Tota errâſtis viâ, nam hæc, qua inceditis, via, ſine exitu intermoritur, ihr ſeyd von der rechten Land-Straſſen auf einen Holtzweg gerathen / aber ich wil euch wieder zurechte helffen.
Alſo nahm er deß Printzen Pferd bey der Hand / und fuͤhrete es ſanffte fort / dieſer aber gab ihm einen Ducaten / und darauf wanderten ſie fort / dann Cere - bacchius gab ihnen zu erkennen / daß an dieſem Mo - raſtigen Ort man ſich wol fuͤrzuſehen haͤtte. Endlich erblicketen ſie ein Liecht / nach welchem ſie der ſelzame Geleitsmann durch viele Umwege fuͤhrete / und hoch - betheurete / daß ſie in die aͤuſſerſte Lebens-Gefahr ge - rathen muͤſten / im Fall ſie ſich wuͤrden erkuͤhnen / deß geraden Weges nach dieſem Liecht zu reiten / wegen der vielen Loͤcher und Brunnen / die unter Weges an - zutreffen. Wie ſie endlich ziemlich nahe zu der Her - berge kommen / zog der Printz noch einen Ducaten auß der Taſchen / und hielte ihn dem Geleitsmann dar / der ihn aber durchauß nicht annehmen wolte / ſondern ſprach: An poteſt quicquam eſſe abſurdius, quam quò minus viæ reſtat, eò plus viatici quærere? Wie ſolte ich noch mehr Zehrung begehren / da wir doch den Weg ſo nahe zu Ende gebracht haben? Dieſer Hoͤflichkeit verwunderte ſich der Printz / undritte181Romans I. Buch. ritte ihm willig nach / biß ſie vor der Herberge in einem kleinen Doͤrfflein anlangeten / woſelbſt ſie mit einan - der abſtiegen / die Pferde in den Stall zogen / und ihnen eine gute Mahlzeit durch den Cerebacchium, der allhier ziemlich bekandt war / beſtellen lieſſen. Der Gaſtgeber ſtellete ſich ſehr freundlich / brachte alſo - bald eine Schuͤſſel mit Fruͤchten / und eine Flaſche koͤſtlichen Weins zum Anbiß. Bald hernach kam er wieder / und forſchete / ob ſie allein ſpeiſen / oder war - ten wolten / biß die jenige Geſellſchafft kaͤme / die ſchon geſtern das Nacht-Lager auf heute bey ihm beſtellet haͤtte. Cerebacchius machte jetzo groſſe Augen / und ſprach: Auf ſolche Weiſe ſolten wir wol dieſe Nacht nicht einmahl hier bleiben koͤnnen / warum habt ihr uns dann herein kommen laſſen? Turpius ejicitur, quam non admittitur Hoſpes. Doch wolan / ich wil vernehmen / wasdieſer Herꝛ ſaget.
Hiermit tratt er zum Printzen / und empfieng von demſelben Ordre, daß er nur anrichten ſolte / wor - bey man ihm bedeuten ließ / ſo fern noch eine ſtarcke Geſellſchafft ankommen wuͤrde / wolten ſie das beſte Nacht-Lager vor ſich bedungen haben / er moͤge auch machen und ſagen / was er immer wolle. Der Gaſt - geber ſchaffete darauf reichlich an / aber man ſahe wol / daß er darbey der Kreiden gar nicht ſpahrete / und ſchiene es / daß er die Kreide theurer wolte bezah - let haben / als ſeine Tractamenten / woruͤber ſie die Koͤpffe zuſammen ſtecketen. Aber Cerebacchius fieng an zu lachen / und ſagte: Vivitur ex rapto: non ho - ſpes ab hoſpite tutus, wann ein Gaſtgeber einen fet - ten Braten findet / ſo preſſet er ihm das Fett ab. Die - ſer Cerebacchius hatte die Ehre / daß er mit zu Tiſche ſaſſe / weil ſich der Printz incognito hielte / wannenher ſich ſo wol dieſer / als die zween andern zum hefftig -M 3ſten182Deß Academiſchenſten verwunderten / uͤber die ungemeine Gaben deß Cerebacchii im Eſſen und Trincken. Er nahm ein Stuͤck Rind-Fleiſch vor ſich / das zum wenigſten fuͤnff Pfund woge / das ſchobe er in einer kleinen halben Viertel-Stunde / ſamt 3. Pfund Waͤitzen-Brod / mit ſolcher Begierde in den Magen / daß es nicht zu be - ſchreiben. Darnach griff er nach einem Calicutiſchen Hahn / deren zween auf dem Tiſch / und aſſe vor ſeine eigene Perſon denſelben biß auf die Knochen auf / der Mund ſchaͤumete ihm recht / ſo gieng ihm die Mahl-Muͤhle.
Die andern ſagten ihm nichts / ſondern lieſſen ihn gewaͤhren / legten ihm auch von den Fiſchen vor / aber er gab ſelbige wieder von ſich / ſagend: Capiun - tur piſces Hamô, mir iſt bang / es moͤchte noch ein An - gel darinn ſtecken. Er nahm aber eine Flaſche mit Wein / ſetzte ſie vor den Mund / und ſoffe ſie in einem Zug auß / wiſchete das Maul / und ließ den Wirth wieder einfuͤllen. Nun wolan / dachte Klingenfeld bey ſich ſelber / dieſer Menſch fuͤhret den Namen Ce - rebacchius wol mit dem beſten Recht / dann ich glau - be / Ceres habe ſeine Mutter / und Bacchus ſein Vatter geheiſſen. Endlich ward eine Schuͤſſel voll ſchoͤnen Sallats / und 12. Krammets-Voͤgel aufgetragen / als ſolches Cerebacchius ſahe / winckete er dem Wirth / der darauf wieder kam / und ihm eine beſondere weit groͤſſere Schuͤſſel mit Sallat fuͤrſetzete / ſamt einem geraͤucherten Schincken. Den Sallat nahm er zwi - ſchen die Finger / und warff ihn zum Halß hinein / als wie ein Bauersmann / (ſalvo honore,) den Miſt auf den Wagen wirfft. Zwiſchen jeden Mund-voll Sal - lat / ſteckete er eine gantze Scheibe vom Schincken hernach / und ehe eine halbe Viertel-Stunde ver - lauffen / hatte er den Schincken ſamt dem Sallat / undeine183Romans I. Buch. eine Viertel-Maaß ſtarcken Brandtwein zu ſich ge - ſtecket darauf ſteckete er ſein Meſſer ein / und als ihn der Printz zum Schein noͤthigte / noch ein mehrers von Speiſen zugenieſſen / da entſchuldigte er ſich / daß er nicht recht außgeſchlaffen / auch einige Bauch - Schmertzen den Tag uͤber empfunden / ſonſten wolte er ſeine Mahlzeit beſſer gehalten haben. Nun wol - an / ſprach Troll / heiſſet das nicht gefreſſen / ſo weiß ich nicht / was dann Freſſen heiſſet. Jch armer Schlucker ſtehe hier / als ein Famulus mei Domini, und erwarte mit groſſem Verlangen eine Micam panis, quæ cadat de menſa, aber dieſes zarte Huͤndlein mit dem groſſen Rachen friſſet mirs alles vor der Naſen weg. Der Printz aber winckete ihm / er ſolle einhalten / weil er ſich ſonderlich an dieſem Menſchen ergoͤtzete / und alſo gieng Troll in die Kuͤche / und ließ ihm etwas anrich - ten. Nachdem endlich die Mahlzeit vollendet / nahm Cerebacchius noch eine Flaſche mit rothem Wein / und leerete ſie in einem Zug rein auß / ſetzte auch alſo - bald / ohne aufſtehen / ein Quartier guten Aquavit darauf / und bathe / ſie moͤchten ihm nicht uͤbel deuten / daß er ihrer Mahlzeit zu viel geſchonet / allermaſſen er ſich / wie geſaget / nicht gar zu wol auf befinde.
Hierauf ſprach Klingenfeld zu ihm / worvon er dann eigentlich Profeſſion mache? Worauf Jener: Jch lebe auf Univerſitaͤten / finde aber mehr Plaiſir im Eſſen und Trincken / als im Studiren / welches einem den Kopff nur verwirret. O du elender Menſch / fuhr Jener fort / es iſt noch hohe Zeit / daß ihr euch zu den loͤblichen freyen Kuͤnſten wendet / dann ein ſolcher Debauchant, wie ihr ſeyd / iſt ja bey aller Welt ver - haſſet / da hingegen die ſtudirende Jugend / ſo lange ſie in ehrbarer Zucht und Wandel verharret / von der gantzen redlichen Welt jederzeit iſt geliebet und geeh -M 4ret184Deß Academiſchenret worden. Cerebacchius hingegen ſchuͤttelte den Kopff / und ſagte: Jch ſehe wol / was die Studenten anjetzo in der Welt gelten / ein Jeder wil ſich an den Schul-Fuͤchſen reiben / hergegen / wann einer brav freſſen und ſauffen kan / ſo ſtecket zum wenigſten noch ein guter Hof-Mann darinn / und der ſich in den Wiſſenſchafften vertieffet / findet nirgends / als durch ſchweres Geld ſeine Promotion. Jch habe der Exem - pel gnugſam vor mir in meinem Vatterland / es mag eine Facultaͤt ſeyn / wie ſie wolle / ohne Geld / oder hohe Patronen / wird keiner befoͤrdert / wann er auch gnug - ſame Proben ſeiner Erudition abgeleget haͤtte / wiſſet ihr aber mir das Gegentheil zu beweiſen / ſo wil ich euch mit Gedult anhoͤren.
Hierauf ließ ſich der ernſthaffte Klingenfeld in folgenden Diſcurs herauß: Daß die ſtudirende Ju - gend eine geraume Zeit in ehrbarer Zucht geſtanden / und verharret / hoffe ich / ſey auſſer allem Zweiffel; Dann / wo das nicht geweſen / nimmermehr haͤtten ſo viel Kaͤyſer / Koͤnige / Fuͤrſten und Herꝛſchafften / ſo maͤchtigen Schutz ihnen gehalten / und ſie wider allen Unfall verſichert / zu dem kom̃en die Uhr-alten Stiff - tungen der hohen Schulen / welche ordnen und wol - len / daß Doctores, Licentiaten / Magiſtri, Baccalaurei, und ins gemein alle / ſo den Univerſitaͤten einverlei - bet ſeyn / und derſelbigen Freyheit begehren zu genieſ - ſen / ehrbarlich nach den Geboten der Rechten / auch den Geſetzen der Academien leben; Fuͤrnemlich aber dem Rector, darnach aber einer dem andern / nach der Wuͤrden und Gnaden / Hoheit / gebuͤhrliche Ehre be - weiſen.
Sie ordnen und wollen / daß inſonderheit die Doctores, Magiſtri und graduirte Perſonen / ſich einer Tapfferkeit deß Gemuͤths / Beſtaͤndigkeit und zeitigerErfah -185Romans I. Buch. Erfahrenheit annehmen; Die Scholaren aber deß Gehorſams / Reinigkeit / (iſt viel geſaget /) und Em - ſigkeit in ihrem Beruff ſich befleiſſigen ſollen; Von beyden Theilen erfordern ſie leutſeelige und ehrbare Sitten / und in Summa / ein ſolches Leben / welches diſciplinirten und recht-erzogenen Maͤnnern wol an - ſtehet; Dargegen ſeyn den rebelliſchen / ſtuͤrmiſchen / Fried-haͤſſigen / eigenſinnigen Koͤpffen / nachdem ihre Verwuͤrckungen beſchaffen / ernſtliche Straffen an - gebotten und angedrohet worden.
Bey der Univerſitaͤt am Maͤyn iſt befohlen / daß Jaͤhrlich die Philoſophiſche Facultaͤt ihre untergebene Mit-Glieder alſo anreden ſoll: Quod felix fauſtum - que ſit, & quidem univerſæ Reipublicæ literariæ ſa - croſanctas leges noſtras, ac Statuta univerſo cætui no - ſtro publicare cogitamus. In hoc verò promulgandi negotio, tu ſtudioſa cohors, imprimis admonenda nobis occurris, ne illotis quod fertur manibus pedi - busque, neve parum reverenter ad ſtatutorum noſtro - rum publicationem confluxiſſe videaris, imò purgatis cum auribus, tum animis omnes militiæ noſtræ con - ſortes auſcultare, animumque advertere haud oſcitan - ter, præcipimus, optamusque probè ingenuatos, tra - ctabiles, diſciplinarumque ſtudiis, intentos, & eorun - dem flagrantes amore, nobis offerri. Contra verò diſcolos, in diſciplinatos, difficiles, moroſos, ſiniſtro genio, iratisque Muſis & Apolline natos, hinc eminus ablegamus, manifeſtaque conteſtatione tanquam im - belles ignavos & literariæ militiæ inutiles averſamur. Das iſt: Damit es heilſam und gluͤcklich werde die - ſer gantzen Policey / der loͤblichen Studien / gedencken wir unſere hochheilige Geſetze und Ordnungen un - ſern Angehoͤrigen zu eroͤffnen und vorzutragen. Weil wir aber ſolches verrichten / muſt du / O ſtudirendeM 5Jugend /186Deß AcademiſchenJugend / fuͤr allen Dingen erinnert werden / auf daß es nicht das Anſehen habe / ob du mit ungewaſchenen Haͤnden und Fuͤſſen / wie man in Lateiniſcher Sprach zu reden pfleget / und mit ſchlechter Beſcheidenheit zu ſolchem Werck zuſammen gelauffen waͤreſt. Ja / wir gebieten / daß Jede und Jegliche / die unſerer Geſell - ſchafft theilhafftig ſeyn / mit ſaubern Ohren und Ge - muͤthern aufmercken / und ohne einzige Nachlaͤſſig - keit dem Werck beywohnen ſollen; Und wuͤnſchen / GOtt goͤnne uns werthe / geartete / ſtille / den freyen Kuͤnſten ergebene / begierliche und liebreiche Studen - ten. Jm widrigen verbannen wir / die ungebaͤrdige / hartnaͤckigte / ruchloſe / naͤrriſche / trotzige / ungeſchliffe - ne / und zu keiner Redlichkeit gebohrne Tropffen / mit oͤffentlicher Bedingung / als faule / ſchlaͤfferige / fahr - laͤſſige / toͤlpiſche / und zu der Geſchicklichkeit uͤbel ge - ſchickte Eſel.
Wann dann mit ſolchen ſtattlichen Verfaſſun - gen durch die gantze Chriſtenheit ſo gar viel hohe Schulen aufgerichtet worden / wer wil dann nicht erkennen / die Studenten waͤren ſehr theuer geachtet geweſen / ſonſten haͤtte die weiſe Welt ihnen nicht ſo viel praͤchtige Pallaͤſte gebauet / nicht ſo viel koſtbarer Renten geſchencket / auch nicht ſo viel gelehrter Mei - ſter unterhalten. Seynd aber die Studenten ſehr theuer geachtet geweſen / fuͤrwahr / das iſt geſchehen / der ehrbaren Tugenden halben / ſonſt waͤre es ver - blieben.
Und was moͤchte doch die gewaltigen Helden und Gutthaͤter angebracht haben / fuͤr die Studenten von einem Jahr zu dem andern / von einem Jubel - Jahr zu dem andern / ſo feſtiglich / ſo mildiglich / und ſo herꝛlich zu ſorgen / wo nicht die Tugend vorgedrun - gen? Die Tugend hat denen Studenten den Adelzuge -187Romans I. Buch. zugeſchrieben; Die Tugend hat die Studenten zu Herren / zu Biſchoffen / zu Fuͤrſten erhoben / die Tu - gend hat die Studenten in ſteiffe Domereyen gefuͤh - ret / die Tugend hat die Studenten offtmahls auß den Staube genommen / und den Durchleuchtigſten Monarchen an die Seiten geſtellet / die Tugend hat die Studenten in Gunſt gebracht bey Hohen und Niedrigen / bey Jungen und Alten / bey Groſſen und Kleinen / bey Matronen und Jungfrauen. Wem ge - faͤllet / kan leſen / was unterſchiedliche von der Univer - ſitaͤt zu Salmantica in Spanien / und Oxford in En - gelland ſchreiben. Zu Salmantica ſeyn 20. Collegia, wann die Studenten außgehen / ſiehet man ſie alle - zeit zu Paaren / und muͤſſen ihren Obern trefflich ge - horchen. Jmmerdar uͤber 4000. ſtudiren daſelbſt / und leben doch alle gantz ehrbarlich in Worten / Wer - cken / Kleidungen und Gebaͤrden. Ehe einer zu dem Stipendio gelanget / hat er uͤber ſich ein ſcharffes Exa - men, ob ihm etwas in Sitten / Glauben und Gebuͤhre beyzumeſſen? Da iſt keiner / der garſtige Schertz - Poſſen / Wuͤrffel - und Kartenſpiel brauchet / er wolle dann erſtlich haͤßlich geſcholten / fortfahren / und dar - nach in das verdrießliche Gefaͤngnuͤß geworffen ſeyn.
Kuͤrtzlich / die edle Tugend iſt geweſen / und hat zu reichen Pfruͤnden gebracht geſchickte und graduirte Geſellen / und die ungeſchlachte Bloͤcher außgeſchloſ - ſen. Die edle Tugend iſt noch / und hilfft in Spanien den armen / aber gelehrten Studenten / zu Biſchoͤff - lichen / Ertz-Biſchoͤfflichen und Patriarchaliſchen Wuͤrden / da andere von ferne nachgaffen. Die Tu - gend hat Kaͤyſer / Koͤnige / Fuͤrſten und Herren-Kinder auf hohe Schulen gereitzet / und Studenten werden laſſen. Vieler Kaͤyſer / Koͤnige / Fuͤrſten und Herren Kinder ſeyn niemahls als Soldaten im Krieg / ſon -dern188Deß Academiſchendern als Studenten auf hohe Schulen gezogen / nur wegen der edlen Tugenden.
Die edle Tugend iſt Urſach / daß manche Uni - verſitaͤten nicht allein das Doctorat, ſondern auch ne - ben demſelbigen den geehrten Adel ihren Studenten zugleich verliehen. Weil die Studenten der ehrbaren Zucht ſich befliſſen / wurden ihnen die beſten Sachen geſtifftet / und bedunckete manchem / er koͤnte ſein Le - ben nirgend ſeelig beſchlieſſen / wofern von ſeinem Reichthum die Studenten nicht eine koͤſtliche Por - tion bekommen ſolten. Allhier iſt zu erinnern der Brieff / welchen Kaͤyſer Fridericus der Dritte dieſes Namens / an einen jungen Knaben geſchrieben.
Fridericus III. Romanorum Imperator &c. S D. Admirando & inſigni puero Andreæ Canter Grönin - genſi, Joannis Filio.
PErvenit ad noſtræ Majeſtatis auris audientiam ingens de te fama clariſſime infans, inauditumque cunctis ſeculis tuæ lau - dis præconium: quomodo videlicet anre decimum tenerri - mum ætatis tuæ annum, univerſarnm pene liberalium artium peritiam nactus ſis, ac & noſtrarum legum ſacrorumque cano - rum cognitionem: & (quod tantò admirabilius, quantò nobis rarius videtur,) teipſum ajunt, toſtam veteris ac novi Teſtamenti ſeriem, non ſine divinæ Clementiæ ſuffragio palàm profiteri: nec non in publicis diſputationibus intrepido pectore ad quod libet reſpondere. Nos verò cupientes tanti miraculi veritatem plenius experiri, noſtris te familaribus his literis viſitare non in - dignum duximus, ut ad Viennenſem noſtræ Imperatoriæ Ma - jeſtatis ſingulariter adamandam Univerſitatem quam primum venire velis, ingenti namque deſiderio te videre deſideramus, ruamque tam fæcundi ingenii dignitatem imperalium mune - rum participem facere. Iter igitur Viennam verſus, ut primum poteris, accipe, & ad noſtræ celſitudinis Regale ſolium teipſum recipe: ut poſteaque de tam profunda floridiſſimæ juventutis tuæ ſcientia vera experimentum habuerimus, aureis te Docto - rum inſignibus feliciter coronemus dabimus etenim tibi, (nec immeritò) primum in Regali aulâ locum, erisque quantò ætateminor189Romans I. Buch. minor tantò nobis acceptior æſtimandus: vale chariſſime fili, & cura, ne maturo tandem ſenio noſtra in graveſcens Majeſtas, tam admirando incredibilique ſolatio diutius careat. Datum in Alma Univerſitate ſtudii noſtri Viennenſis ſub noſtræ Majeſta - tis ſecreto, Anno 1472. die 25. Menſis Januarii. Regno vero noſtro 33. Anno.
Dieſer Brieff lautet in Teutſcher Zunge / wie folget:
Friderich der Dritte / Roͤmiſcher Kaͤyſer / wuͤnſchet Heyl und alle Wolfahrt dem wunder - baren und vortrefflichen Knaben Andreas Can - ter / von Groͤningen / deß Johannes Sohn.
ES iſt fuͤr unſere Kaͤyſerl. Ohren gelauget / das groſſe Ge - ruͤchte von dir / allerliebſtes Kind / und der von allen Zeiten her unerhoͤrte Ruhm deines Lobes / wie nemlich du vor dem zarteſten 10. Jahr deines Alters faſt aller und jeder Kuͤn - ſien Erfahrenheit uͤberkommen / auch die Wiſſenſchafft unſe - rer Geſetze und der heiligen Canonen / und (was daher deſto hoͤher zu verwundern / je ſelzamer uns beduncket) ſagen die Leute / daß du das voͤllige Alte und Neue Teſtament nicht ohne Huͤlffe der Goͤttlichen Gnaden / vor Jedermann laͤſeſt und er - klaͤreſt / und in oͤffentlichen Diſputationen mit unerſchrocke - nem Hertzen auf jede Frage und Schluß-Rede antworteſt. Wann Wir aber die Warheit eines ſolchen Wunder-Wercks beſſer in Augenſchein zu nehmen begehren / haben Wir dich nicht unwuͤrdig erachtet / mit Unſerm freundlichen Brieff zu beſuchen / daß du auf Unſerer Kaͤyſerl. Maj. inſonderheit ge - liebte Univerſitaͤt zu Wien ankommen wolleſt / ſintemahl mit groſſem Verlange[n w]uͤnſchen Wir dich zu ſehen / und die Wuͤrde deines ſo bere[d]eten Verſtandes der Kaͤyſerl. Schen - ckungen theilhafftig zu machen / derowegen wirſt du dich / ſo bald du kanſt / nach Wien erheben / und zu dem Thron Unſeren Koͤnigl. Hoheit begeben / auf daß / wann Wir von deiner bluͤ - hendeſten Jugend tieffer Wiſſenſchafft ein Bewaͤhrnuͤß ha - ben werden / dich mit den guͤldenen Kleinodien der Doctoren kroͤnen koͤnnen. Wollen derhalben dir / (auch nicht unbillich /) den erſten Sitz in Unſerm Koͤnigl. Hof geben / und du wirſt Uns wie geringer am Alter / ſo viel deſto angenehmer / und auch Unſerer vorgedachten Univerſitaͤt Doctoren werther zuſchaͤtzen190Deß Academiſchenſchaͤtzen ſeyn. Gehab dich wol / liebſter Sohn / und verſchaffe / damit nicht Unſere bey ſo reiffem Alter bau-faͤllige Majeſtaͤt eines ſolchen wunderbaren und unglaublichen Troſts laͤnger entbaͤhren muͤſſe. Geben auf der Univerſitaͤt zu Wien / unter Unſerm Secret / im Jahr nach Chriſti Geburt 1472. den 26. Jenner. Unſers Reichs im 33. Jahr.
Schauet nur mein Freund / das thut ein Kaͤyſer / was thaten neben Jhm andere Unzaͤhlbare?
Cerebacchius excipirt hierauf / und diſcuriret mit Troll. Klingenfeld haͤlt einen ſchoͤnen Diſcurs / von natuͤr - und kuͤnſtlichen Sachen / die bey den Alten zu ſehen geweſen. Der Echo zu Simonetta wird beſchrieben.
ALs Klingenfeld hiermit ſeine Rede beſchloß / ließ ſich Cerebacchius folgender Geſtalt herauß: Es iſt freylich wol gethan / daß man den armen Studenten mit reichen Vermaͤchtnuͤſſen und Stipen - dien unter die Arme gegriffen; Aber / ô tempora! ô mores! wie gewaltig werden dieſe Stipendia anjetzo mißbrauchet / da kan kein Armer mehr zugelangen / ſie ſind bey den Reichen nunmehro erblich worden / und ſitzen ſie ſo feſt darauf / als die Katz auf einem tod - ten Fiſch. Mit den Teſtamenten-Geldern / ſo zu der ſtudirenden Jugend gewidmet / gehet es an vielen Orten eben alſo daher / die Reichen nehmen den Ar - men das Brodt vor der Naſen / und da gilt weder Schrifft noch Gewiſſen / wer Geld hat / ſchwimmet oben / aber doch nur bey ſeines Gleichen. Jm uͤbrigen wundert mich / daß Fridericus, der Roͤmiſche Kaͤyſer / dieſen zehen-jaͤhrigen Knaben / wegen ſeiner Wiſſen - ſchafften / ſo hoch geehret / als ich ein Back-Fiſch von ſolchem Alter war / hielte ich mich hoͤher und gelehrter / als der beſte Mann / haͤtte dieſer Andreas Canter in ſolchem geringen Alter in einer Mahlzeit 8. Pfund Fleiſch / 4. Pfund Fiſche / 2. Pfund Butter / und 6. Pf. Brodts /191Romans I. Buch. Brodts / ſamt 5. Maß Bier / und 3. Maß Weins / auch eine halbe Maß Brandtweins zu ſich nehmen koͤnnen / ſo waͤre er groͤſſerer Verwunderung / ja auch groͤſſerer Ehren werth geweſen in meinen Gedancken / aber nun æſtimire ich ihn vor einen Narren / zumahl alle ſolche præcocia ingenia mit den zunehmenden Jahren dergeſtalt wieder abgenom̃en / daß man ſie zu nichts Wichtiges hat gebrauchen koͤnnen. Weil nun Klingenfeld ſahe / daß bey dieſem Menſchen alle angewandte Muͤhe vergeblich ſeyn wuͤrde / wolte er nicht viel Worte mehr gegen ihm verlieren / ſondern wandte ſich zum Printzen / und fragte ihn: Was ihn bey dieſen Kumpen daͤuchte? Jch habe meine Luſt / ſprach dieſer / an ſeinem Schmauſen / moͤchte ihn dem - nach wol in unſerer Geſellſchafft behalten. Nach - dem endlich Troll auch eine gute Mahlzeit zu ſich ge - nommen / kam er mit ſeinem juͤngſt erworbenen ſilber - nen Becher wieder zur Stuben hinein / und ſprach: Quid ita, meine Herren / ſitzet ihr noch / und ſehet die - ſem Haupt-Freſſer zu? Jch riethe / wir raͤyſeten nicht weiter mit ihm uͤber Feld / er doͤrffte ſonſt / wann ihn ſein unnatuͤrlicher Appetit uͤberfaͤllet / in der Tupin Imben Orden tretten / und einen nach dem andern von unſerer Geſellſchafft bey lebendigem Leibe auffreſſen. Aber / quid moror? was halte ich mich lange auf / die - ſen Becher duͤrſtet ſo gewaltig / daß er kein Wort darfuͤr außſprechen kan. Eſtote miſericordes, gebet ihm etwas zu trincken / ehe dieſer Gulo alles einſaufft. Klingenfeld reichete ihm darauf eine Flaſche / auß welcher er ſeinen Becher voll ſchenckete / und denſel - ben gleich in einem Anſatz außleerete. Salus, Herꝛ Bruder / rieff ihm Cerebacchius darauf zu / ich ſehe / die Trinck-Gaͤnge ſind dir auch noch nicht verſtopffet. E heu, war deß Trolls Antwort / malo fraternitatemCarni -192Deß AcademiſchenCarnificis, quam Helluonis, deß Henckers Bruder - ſchafft ſoll mir lieber ſeyn / als eines ſolchen Freß - Schweins und Sauff-Bullen / wie du elender Kerl biſt.
Cerebacchius aͤrgert ſich hieran gar nicht / ſon - dern lachete der Poſſen / und ſprach: Du magſt gleichwol wiſſen / daß ich kein geringer Kerl / und dei - ner Bruderſchafft wol noch werth bin / inmaſſen der Biſchoff von Muͤnſter mein Groß-Vatter geweſen iſt. Euge plauſibile encomium, ein feiner Ruhm / er - widerte Troll / eines Biſchoffs Enckel ſeyn / ſo muſt du ja nothwendig eines unehelichen Vatters Kind ſeyn / dann ein Biſchoff hat keine Ehe-Frau. So meyne ichs auch nicht / replicirte der andere / ich ſage es deß - halben / mein Vatter iſt ein Obriſter unter bemeltem Biſchoff geweſen / der ſeine Soldaten und Officierer allwege ſeine liebe Kinder tituliret hat / waren ſie nun ſeine Kinder / ſo waren alle ſeine Soldaten ja ſeine Soͤhne / und alſo auch mein Vatter / und weil ich nun meines Vatters ehelicher Sohn bin / ſo muß ja der Biſchoff mein Groß-Vatter / und ich all zu viel zu wuͤrdig ſeyn / dein Bruder zu heiſſen. Anjetzo fieng Troll ſo hertzlich an zu lachen / daß er haͤtte borſten moͤgen. Endlich aber / als er ſich wieder erholet hatte / ſprach er: Ergo diſtinguendum eſt inter filium pro - priè & impropriè dictum, du magſt wol ein eigent - licher Sohn deines Vatters ſeyn / aber dein Vatter war nur ein uneigentlicher Sohn deß Biſchoffs / ſonſt haͤtte dieſer auf einmahl uͤber 15000. Soͤhne im Le - ben muͤſſen gehabt haben / welches eben ſo laͤcherlich / als wann ich behaupten wolte / daß unſer Hoſpes mit der gantzen Welt in certo gradu, und in einer abſtei - genden Diviſion und Subdiviſion verwandt waͤre. Das laͤſſet ſich aber / warff Cerebacchius ein / auf keineWeiſe193Romans I. Buch. Weiſe behaupten / und darauf begunte Troll alle Finger von einander zu ſperren / worbey er folgenden Diſcurs anfuͤhrete: Attende Domine, hoͤre / was ich dir fuͤrbringen wil; Die gantze Welt wird in vier groſſe Haupt-Theile getheilet / darvon iſt Europa ei - ner / ecce Gradum primum. Jtalien iſt einer von den edelſten Theilen Europæ, en Gradum ſecundum. Die Lombardey gibt uns einen Theil von Jtalien / habes Gradum tertium. Das Venetianiſche Gebieth iſt ein Theil der Lombardey / vide Gradum quartum. Ager Patavinus, der Paduaniſche Land-Strich gehoͤret zur Venetianiſchen Lombardey / iſt der fuͤnffte Grad. Dieſes Dorff iſt ein Theil vom Paduaniſchen Ge - bieth / und gibt uns den ſechſten Grad. Unſers Wirths Hauß iſt ein Stuͤck dieſes Dorffs / ecce Gradum ſepti - mum. Unſer Hoſpes ſelber iſt das fuͤrnehmſte Glied ſeines Hauſes / und zugleich Gradus octavus. Gehe ich weiter / ſo machet deß Wirths Ober-Leib / wann man ihn von dem Unter-Leib per diviſionem menta - lem abſondert / den neundten Gradum. Der Arm iſt ein Theil deß Ober-Leibs / machet alſo den zehenden Grad. Die Hand iſt ein Theil deß Arms / und zugleich in noſtro ordine der eilffte Gradus. Der Daume iſt ein Glied der Hand / en Gradum duodecimum. Deß Daumens erſtes Gelenck machet den dreyzehenden Grad. Wann wir aber dieſes Glied theilen in die Haut / Fleiſch / Knochen und Blut / ſo iſt ein jedes Stuͤck der vierzehende Gradus, und in ſelbigem mit der gantzen Welt / gleich wie unſer Hoſpes totus ſelber mit der Welt / in octavo Gradu, nach abſteigender Diviſions-Linie / verwandt / ſieheſt du alſo / daß ich wahr geredet habe.
Es muſte ein Jeder dieſer wunderlichen Dedu - ction von Hertzen lachen / und ſprach Cavina: AufNſolche194Deß Academiſchenſolche Weiſe / mein ehrlicher Troll / moͤchtet ihr unter allen Geſchoͤpffen in der Welt / unter Todten und Le - bendigen / auch unter Vernuͤnfftigen und Unvernuͤnff - tigen gar leicht eine Bluts-Freundſchafft außfinden. Saget mir aber / wann ihr den Cerebacchium tituli - ren wollet / wie wollet ihr ihn wol nennen. Troll ſchmutzerte jetzo / und ſprach darzu: Als ich dieſe ſelza - me Creatur vor etlichen Stunden auf dem Feld li - gend fand / und mit meinem Pferd uͤber ihn herſtuͤr - tzete / da war er / die Warheit bloſſer Dings zu beken - nen / ein Truncus vocalis, ein Klotz / welcher reden kun - te / aber ſeit dem / daß ich ihn jetzo bey der Mahlzeit be - trachtet / erkenne ich / daß er iſt eine Spelunca inſatia - bilis, oder eine unerſaͤttliche Hoͤhle. Du Narꝛ / ſprach der Printz de Turſis darzwiſchen / weiſt du wol / was ein Truncus vocalis iſt? Wer hat ehemahlen einen Klotz reden hoͤren? Klingenfeld ſprach: Mein Herꝛ / ich wil eurem Diener das Wort fuͤhren / und erweiſen / daß man wol ehe redende Kloͤtze / Baͤume und Steine ge - habt / und als der Printz zu vernehmen gab / daß er gerne ein mehrers hiervon wiſſen moͤchte / ließ ſich Jener folgender Geſtalt hoͤren:
Unter andern raren Kunſt-Stuͤcken der klugen Egyptier iſt nicht das Geringſte geweſen / das Bild - nuͤß Memnonis, welches bey Aufgang der Sonnen jedes mahl einen Muſicaliſchen Laut von ſich hoͤren laſſen. Ob nun gleich von dem gemeinen Mann die - ſes vor ein unerhoͤrtes Wunder-Werck geachtet wor - den / ſo war es doch nichts anders / als eine kuͤnſtliche Erfindung kluger Leute / wordurch ſie dem Poͤbel offtmahl eine Einbildung groſſer Wunder-Wercke beybrachten.
Es kan aber ein ſolches Memnonis-Bild auf folgende Weiſe verfertiget werden: Weil bekandtiſt /195Romans I. Buch. iſt / daß die Rarefactio, oder Duͤnnmachung der Lufft groſſe Gewalt hat / ſo laſſe dir ein Poſtement oder Werck machen / welches mitten mit einem Schurtz / oder Gatter unterſcheiden ſey. Nun muß die eine Seite auß einer duͤnnen Metallenen Platten beſte - hen / die da von der aufgehenden Sonnen / gegen welche ſie gerichtet / ſich leichtlich erhitzen laſſe. Jm Schurtz muß auch ein Loch gemacht werden / wor - durch man eine Roͤhre leitet. Jnnerhalb deß oberſten Vierecks / wird ein ſubtiles Rad gemacht / ſo ſehr duͤnne / und ſich gantz leicht bewegen laſſe. Die Achſe wird in beyde Seiten deß Vierecks eingelaſſen. Am erſten Rand dieſes Raͤdleins muͤſſen rund herum kleine Hoͤltzlein / oder Zaͤpfflein / und in dieſe kleine Spitzlein von einem zarten Feder-Kiel eingehefftet werden.
Nun mangelt noch / daß man um dieſes Rad herum an dem Viereck ſo viel Saͤiten / und ſo ge - ſtimmet / als einem beliebet / dergeſtalt anziehe / daß die gefiderte Zaͤpfflein deß umlauffenden Rads die - ſelbe beruͤhre / und ſie anthoͤnend mache. Wann nun die Metallene Seite von der aufgehenden Sonnen erhitzet worden / ſo wird die darinn befindliche Lufft / ſo uͤber Nacht erkaltet / durch die Hitze ſich außbreiten und duͤnne werden / dannenhero ſie einen Außgang ſuchet / und keinen andern / als durch die Roͤhre findet. Das Loͤchlein dieſer Roͤhre wird die außgehende Lufft gerade nach dem Rand deß Raͤdleins fuͤhren / welches alsdann durch ſein Umlauffen alle Saͤiten beruͤhren / und den begehrten Muſicaliſchen Klang von ſich ge - ben wird.
Wer eine Stimme in deß Bildes Mund for - miren wil / kan obgeſetzte Roͤhre heimlich biß zu deß Bildes Mund fuͤhren / wann nun ein Pfeifflein dar -N 2innen196Deß Academiſcheninnen ſtecket / ſo man Anthropogloſſa heiſſet / das iſt ein Pfeifflein / das eines Menſchen Stimme vorbil - det / uͤber das dem Bilde bewegliche Augen in den Kopff bringet / ſo wird die durch die Roͤhre ankom - mende Lufft Wunder thun.
Doch finden ſich viel Verſtaͤndige / ſo das Egypti - ſche Bildnuͤß deß Memnonis vor ein Werck deß Teu - fels / und keines Menſchen urtheilen / weil die Saͤiten eine ſolche lange Zeit / als in demſelben geſchehen / nicht haͤtten außhalten koͤnnen. Jch haͤtte bald ver - geſſen zu melden / daß man in das obere Gehaͤuß eini - ge Loͤchlein machen muͤſſe / damit der Klang der Saͤi - ten hinauß dringe / und gehoͤret werde.
Wer dieſes Stuͤck wol gefaſſet hat / kan deß Memnonis Egyptiſche Voͤgel / ſo ſich beweget / und ei - nen Geſang von ſich hoͤren laſſen / auch ohne Muͤhe in das Werck richten.
Aber / ich gehe weiter in meinem Diſcurs von die - ſer Materie: Pyrrhus, der den Roͤmern ſo viel hat zu thun gemacht / ein Koͤnig in Epirus, hatte einen Achat / in welchem die 9. Muſæ und Apollo mit der Cyther ſehr natuͤrlich zu ſehen waren / und iſt dieſes das Mercklichſte / daß allein die bloſſe Natur / und keines Weges die Kunſt an dieſer Bildung geſchaͤfftig ge - weſen / alſo / daß eine Jede von den Muſen das jenige Zeichen / ſo man ihr zugeleget / fuͤhrete. So mangelte es demnach nur daran / daß ſie auf ihren Inſtrumenten ſpieleten; Aber / was ſoll ich ſagen / auch dieſes ſchiene wuͤrcklich zu geſchehen / und wann man die hoͤrende Augen / und die ſehende Ohren haͤtte zu Rath ziehen moͤgen / wuͤrden ſie bekennet haben / daß ſie gleichſam eine ſtille Harmonie gehoͤret. Die Echo liebte den Narciſſum, und als ſie von dieſem verachtet worden / iſt ſie in einen Stein verwandelt / der hernach allſtaͤtsſeine197Romans I. Buch. ſeine Stimme und Rede behalten hat. Davon Ovidius alſo ſchreibet:
Zu Cyzicum, welches weyland eine beruͤhmte Stadt und Jnſel in dem Propontide, waren ehemah - len 7. Thuͤrne / welche die Stimmen aufſiengen / und wie ein Echo in groſſer Anzahl wieder zuruͤck ſchicke - ten / und ſolches auß deß Orts Natur / und von unge - faͤhr. Zu Olympia geſchahe ſolches auß der Kunſt in einem Gewoͤlbe / welches man deßwegen Heptapho - non, oder Sieben-Laut / nennete / weil es eine Stim̃e ſo viel mahl nachredete. Zu Megara iſt ein Stein / von welchem man ſaget / daß Apollo ſeine Leyer dar - an geſetzet / als er dem Alcathoo, der die Mauer zu Me - gara bauete / helffen wolte / und dieſer Stein iſt das Zeugnuͤß / dann ſo Jemand mit einem andern Stein daran klopffet / ſo gibt er einen Klang / wie die Saͤiten auf ſeiner Leyer gethan haben / welches mir / ſaget Pauſanius in Atticis arte fin. p. 95. gantz wunderſelzam iſt fuͤrkommen / wiewol ich den Coloſſum, welcher zu Thebæ in Egypten uͤber den Nilum, nicht weit von dem Ort / den man Syringes, oder Roͤhren / nennet / mit groͤſſerer Verwunderung betrachtet habe. Da iſt ein Bild eines ſitzenden Menſchen / welches die Einwohner Pharmenopham nennen / und ſagen / daß dieſe Perſon daſelbſt wohnhafft geweſen. Andere ſagen / es ſey Seſoſtris Bild. Dieſes Bild hat Cam - byſes, als ein Feind der Egyptiſchen Goͤtter / verſtoͤret / und nun liget annoch der Ober-Leib auf der Erden /N 3das198Deß Academiſchendas uͤbrige ſcheinet zu ſitzen. Dieſes Bild gibt alle Morgen einen thoͤnenden Hall von ſich wie klin gende Saͤiten. Alſo ſchreibet Strabo libr. 17. p. 534. zu ſeiner Zeit darvon / aber ich halte darvor / daß er damit vor - hin beſchriebenes Memnonis-Bild habe and euten wollen. Von den Baͤumen kan man auch ſagen / daß ſie gleichſam reden / dannenhero ſagen die Poeten einen gar artigen Vers:
Cantat ovis recubans Sylvis titubante caballo.
Wordurch eine Geige oder Violin bedeutet wird / die eine Stimme von ſich gibt / wann man mit dem Fiedel-Bogen daruͤber her wiſchet. Die Poeten haben erdichtet / daß die Pflantzen in dem Wald zu Dodone nicht allein haben reden / ſondern gar weiſſa - gen koͤnnen. Man ſaget / der Maſtbaum auf dem Schiff Argo ſey von ſolchem Holtz geweſen / und habe die Heiden / die auf dem Schiff waren / prophetiſch angeredet / wie ſolches weiter bey Apollonio Rhodio libr. 4. v. 555. kan geleſen werden. Auß ſolchem Do - doniſchen Holtz muß vielleicht auch jenes poſſierliche Bild geſchnitzet geweſen ſeyn / welches weyland die Roͤmer in ihren praͤchtigen Aufzuͤgen fuͤrzutragen pflegten / da es die Zuſchauer anredete. Philoſtratus libr. 6. c. 5. erzehlet / Theſpoſio ein Gymnoſophiſt in Mohrenland / habe einem Jlmenbaum anbefohlen / den Apollonium Tyanæum zu gruͤſſen / ſolches habe der Baum auch gethan / aber mit einer Frauens - Stimme / anzudeuten / daß eine Frau in den Baum verwandelt worden / wie weyland die Daphne in einen Lorbeer-die Phyllis in einen Mandel-Baum / und die Syringa in ein Rohr verwandelt ſind. Apollonius behauptet / er habe bey ſolchen weiſen Leuten Baͤume geſehen / welche auf den Befehl derſelben ſich zur Erden geneiget / eine Reverentz gemacht / und auf alleFragen199Romans I. Buch. Fragen geantwortet. Ja alle Baͤume in jenem ver - zauberten Wald / welcher bey Lucano und Torquato beſchrieben wird / kunten ſprechen / und ſolches zwar nicht allein wie Menſchen / ſondern auch wie aller - hand Thiere:
Alſo redet Lucanus, libr. 6. v. 685. hiervon.
Hier mit ſchwieg Klingenfeld ſtill / aber Cavina ließ ſich an - jetzo vernehmen / daß alle dieſe Erzehlungen nichts behaupteten / daß ein Stein / oder ein Baum / rechtfertig / und in der Warheit geredet habe / ſondern / wañ es geſchehen / ſey es ein bloſſes Kunſt - ſtuͤck geweſen / dergleichen der gelehrte Kircherus vielfaͤltig ins Werck gerichtet; Es bleibet alſo dieſes allein / ſprach er / daß man von den Felſen und Waͤldern / von den Bergen und Thaͤlern / und inſonderheit von etlichen Kunſt-Gebaͤuen / ſagen koͤnne / daß ſie reden / wann ſie die aufgefangene Stimme durch eine Verviel - faltigung dem Zuhoͤrer durch ein liebliches Echo wieder nach den Ohren zuruck ſenden. Was die kuͤnſtliche Echo belanget / weiß ich nicht / ob in der Welt eine ſey / die mehr zu ruͤhmen / als die Jenige / ſo in dem Luſt-Hof Simonetta, eine Jtaliaͤniſche Meile von der Stadt Maͤyland / erſchallet. Dann / in ſelbigem Luſt-Hof hat ehedeſſen der Gubernator von Maͤyland / Ferdi - nand Gonzaga, ein Gebaͤu laſſen aufrichten / welches viel einen groͤſſern Ruhm auß dem verwunderlichen Nachſchall / weder auß der Bau-Ordnung ſelbften gezogen. Jn dem oberſten Ga - den / oder Stock / ſolches Gebaͤues / gibt es eine Gallerie, und Spatzier-Gang / woſelbſt die außgeſandte Stimme 20. mahl wiederkehret / wie P. Dandinus, als ein ſelbſt-Verſucher ſolcher Schall-Luft / bezeuget. Joſephus Blancanus aber gedencket in ſei - nem Tractat von der Echoniſchen Maſſe und viel-ſchallenden Wiederhall / er habe es ſo wol / als viel andere / gehoͤret / und werde auch taͤglich von den meiſten vernom̃en / daß ſelbige Echo bald 2. bald 10. bald 20. bißweilen auch wol 30. mahl / nachdem manN 4ſtaͤrcker /200Deß Academiſchenſtaͤrcker / oder ſchwaͤcher / ruffet / ein zwo-ſylbiges Wort beantwor - tete. Wiewol Nic. Forſterus in ſeinem Florilegio vorgibt / daß Blancanus an der Gewißheit zweiffele / und ſchreibe / die Echo wiederhole nur das Wort 6. oder 7 mahl deutlich / das uͤbrige aber verwandele ſich alles in einen undeutlichen Laut / welches doch dem Blancano angedichtet wird. Es hat auch der viel-geruͤhmte Kircherus Luſt gewonnen / von dieſer Wunder-wuͤrdigen Echo-Urſache was gruͤndlich zu erfahren / derhalben er auß Rom nach Maͤyland an P. Matth. Storr, einen glaubhafften / gelehrten / und auß Teutſchland buͤr - tigen Mann / der nachmahls Philoſophiæ Profeſſor zu Wuͤrtz - burg worden / eine ſchrifftliche Bitte gelangen laſſen / ihm die Ge - legenheit deß Orts und Gebaͤues richtig abzureiſſen / welches derſelbe gethan / und den Abriß dem Kirchero zugeſchickt / dieſer aber ſelbigen ſeinem Werck von der Thon Kunſt eingepflantzet. Es hat das Gebaͤu 2. Stockwercke / ſo mit einer Gallerie unterſchieden. Das Untere fuſſet auf vielen praͤchtig-herum - gereyheten Saͤulen. Der Platz iſt mit Steinen gepflaſtert. An dem oͤberen Gaden befinden ſich drey Theile / ſo fuͤrnemlich Be - trachtens-werth: Erſtlich / der innere und fuͤrnehmſte Theil deß Pallaſts; Hernach 2. gegen einander uͤber ſtehende Seiten - Gebaͤue. Betreffend die Abmeſſung dieſer Theile / ſo hat die Breite 26. Schritte / oder Maͤylaͤndiſche Elen / und 4. Zoͤlle. Die Hoͤhe 16. Schritte / und 4. Zoͤlle. Die Laͤnge 33. Schritte / und 3. Zoͤlle. Die Breite der Gallerie 8. Schritte / und 6. Zoͤlle. Mitten an dem oͤberſten Theil der Wand deß einen Seiten - Gebaͤues iſt ein Fenſter / darauß man der Echo zurufft / und allein der einige Ort / von dannen auß ſie wil angeredet ſeyn. Einer ſo geſchwaͤtzigten Echo zu Liebe / ſprach Klingen - feld / moͤchte ich kaum die Muͤhe nehmen / und den Ort hinan ſtei - gen / außgenommen / wann es auf einen Muſicaliſchen Wider - ſchall / oder freudigen Trompeten-Klang / angeſehen. Da wuͤn - ſchete ich dem Lauteniften / oder Trompeter / das Fenſter zu Si - monetra, und mich naͤchſt darbey / als einen Zuhoͤrer. Jch vermuthe aber / war Cavinæ Gegenrede / es gelte auch nicht gleich / was man fuͤr eine Echo fuͤr die Muſic erkieſe. Man muß freylich / verſetzete der andere / den Unterſcheid der Echo bemercken. Trifft man einen Gegenſchall an / ſo nur einmahl auf einen Thon antwortet / ſo kan ein 2. ſtim̃iges Stuͤck (oder |Bicinium,) darvor geſungen / oder geſpielet werden. So fern das Echo 2. mahl antwortet / ein 3. ſtimmiges / viermahl einQuatuor,201Romans I. Buch. Quatuor, oder 4 ſtimmiges / u. ſ. f. wiewol das Stuͤck von dem Singkuͤnftler ſonderlich darzu gecomponiret ſeyn muß. Singet er dann (zum Exempel /) Ut, ſo antwortet der Ruckſchall Ut. Jndeſſen ſinget er Sol, und durch ſolches Mittel hoͤret man zu einer Zeit die 2. unterſchiedliche Stimmen / als eine liebliche Conſonantz / ſo von den Muſicis eine Quint genennet wird. Wañ aber die Echo fortfaͤhret / das Sol nach zu ſchallen / kan der Sin - gende ein anders Sol, welches hoͤher / oder niedriger ſey / intoni - ren / um eine Octav zu machen / als die vollkommenſte Zuſam̃en - ſtimmung in der Muſic, u. ſ. f. mit Continuirung einer 2. ſtim - migen Fugen / gehet es gar leicht von ſtatten.
Das Syracuſiſche Kunſt-Ohr wird beſchrieben / wie auch noch mehr andere kuͤnſt - und natuͤrliche Echo / oder Widerhallen / ſonderlich in Jtalien und Teutſchland.
ES iſt aber / ſprach Klingenfeld / nicht allein dieſes Simo - netta beruͤhmt / wegen ſeines Kunſt-Echo, ſondern die Alten haben ſchon dergleichen ſchoͤne Erfindungen ge - habt / deſſen ſtehet noch auf den heutigen Tag zum Zeug - nuͤß der Echoniſch-gebauete Kercker Dionyſii zu Syracuſa in Sicilien / darinn ſelbiger Tyrann ſeine Sclaven gehabt / und mit - telſt deß Widerſchalls alles erfahren / was dieſelbe mit einander geredet. Dieſes Gefaͤngnuͤß ſoll / wie von manchen / doch irꝛſam - lich / darfuͤr gehalten wird / eine Erfindung deß Wunder-kuͤnſt - lichen Archimedis ſeyn / welcher demſelben die Form eines Ohrs gegeben. Dieſe Echo wird in manchen Raͤyß-Buͤchern geruͤh - met / ſonderlich in der Raͤyß-Beſchreibung della Valle, welcher ſchreibet / es ſey daſſelbe in Warheit ein ſo ſchoͤnes und kuͤnſtliches Werck / als jemahls in der gantzen Welt geſehen / oder erfunden worden; Jndem die Echo es der Natur allerdings nachthut / und nicht allein die Woͤrter / ſondern auch gantze Reden nach - ſpricht / den Thon und Geſang vollkoͤm̃lich nachmacht / geſtalt - ſam in ſeiner Gegenwart / mit unterſchiedlichen Inſtrumenten / die Probe gethan worden. Wann man auch mit einem kleinen Stecken auf den außgebreiteten Teppich ſchlaͤget / gibt es einen ſo ſtarcken Laut von ſich / als haͤtte man ein groſſes Geſchuͤtz loß gebrennet / und diß alles geſchicht in einer nicht von der Natur / ſondern Menſchlicher Kunſt / bereiteten Hoͤhle / daran der Er - finder / ob er gleich nicht Archimedes geheiſſen / (dann dieſer hat zur Zeit Dionyſii nicht gelebet /) dannoch einen ſo hohen undN 5tieff -202Deß Academiſchentieff-ſinnigen Verſtand erwieſen / deſſen ſich auch Archimedes ſelbſt nicht haͤtte zu ſchaͤmen gehabt. Gleichwie die Stimme / ſo die Ohren trifft / einen Laut gibt / daß man ſie hoͤren kan; Alſo / (ſpricht beſagter della Valle,) ſiehet man auß der Erfahrung / daß dieſes groſſe und kuͤnſtliche Ohr / welches mit Menſchen - Haͤnden in den Felſen gehauen iſt / eben dergleichen Wuͤrckungen thut / obſchon andere natuͤrliche Echo, die auf ſolche Weiſe in die Hoͤhle gemacht worden / ſolches nicht zuwegen bringen koͤnnen.
Hiervon / gab Cavina zur Antwort / iſt inſonderheit Bonan - nus, in ſeinen Sicilianiſchen Antiquitaͤten / und der Ritter Mira - bella zu leſen / die dieſes Echoniſche Kunſt-Gebaͤu gar fleiſſig be - ſchreiben. P. Kircherus hat denſelben Ort gleichfalls nicht oben - hin beſichtiget / auch den Widerſchall gehoͤret / und haͤtt darfuͤr / daß / wer die Kunſt deß Wercks wol beobachtet / derſelbe bald mercken werde / den Tyrannen habe kein anders Abſehen zu ſol - chem Gebaͤu bewogen / obn / daß die Gefangene / ſo allda in Ver - wahrung lagen / nicht einmahl Athem holen moͤchten / es kaͤme dann dem Kerckermeiſter zu Ohren. Der Ort befinde ſich auſſer der Stadt Mauren / ſey / nach Anweiſung der Natur / wie ein rechtes Ohr gekuͤnſtelt / auß lebendigem Stein gehauen / kruͤmme und winde ſich Schneckenweiſe allgemach uͤber ſich hinauf / und habe die empfangene Stimme in eine enge Roͤhre verpflantzet / welche in deß Gefangen-Huͤters Gemach gangen / und dieſem alle Geſpraͤche der Verſperreten entdecket. Keiner kunte ſich re - gen / dieſe Echo verkundſchafftete es / und machte auß dem leiſen Wiſpeln ein groſſes Getoͤß / auß einer gelinden Stimme ein lau - tes Geſchrey. Schtaͤget man mit flacher Hand nur auf einen Mantel / wird ein Buͤchſen-Knall darauß / und auß dem Reu - ſpern / ein Donner; Ja / dieſe Kunſt-Echo verſtaͤrcket nicht allein den Schall / ſondern wiederholet auch / als eine feindſelige Brieff - Traͤgerin / denſelben etliche mahl nach einander. Ja / ſie gibt auch eine artliche Muſicantin / verwandelt ein 2. ſtimmiges Stuͤck - lein / in ein 4. ſtimmiges / indem der Widerſchall der erſten Stim̃e gar ſchoͤn auf die andere Stimme trifft / welches eine Sache / die wuͤrdig zu hoͤren.
Allein P. Schott / der dieſer Syracuſaniſchen Echo gleichfalls eine Viſite gegeben / und ſonſt alles alſo befunden / wie Kircherus erzehlet / hat von der unterſchiedlichen Repetition nichts ver - nommen / noch dergleichen mehrmahlige Widerholung verſpuͤ - ren koͤnnen / ob er gleich viel und lange mit ſeinem Gefaͤhrten da - ſelbſt geredet / mancherley Getoͤß und Gepolter erwecket / ge -ſchryen /203Romans I. Buch. ſchryen / und geſungen. Die Urſach ruͤhret vielleicht / ſeiner Ver - muthung nach / daher / daß deß Orts Gelegenheit ſeit dem veraͤn - dert worden. Dann Herꝛ P. Kircherus iſt im Jahr 1638. P. Schott aber 1646. da geweſen / und berichtet Jener / es ſey die obere Mauer / wordurch die Stimme in deß Kercker-Huͤters Schlaff - Gemach gefallen / vermacht / und verſtopffet; Dieſer aber / er habe daſelbſt ein kleines Loͤchlein geſehen / und durch ſelbiges eini - ges Geſtruͤtrich / oder Puſchwerck / ſo da herum gewachſen.
Das mag wol ſeyn / replicirte der Teutſche. Nichts iſt in der Welt ſo kuͤnſtlich / daß es durch die Verwunderung fuͤr ſei - nem Untergang ewig gefriffet wurde. Von den alierberuͤhm - teſten Kunſt-Wercken der alten Welt-Zeiten iſt faſt weiter nichts / als die Gedaͤchtnuͤß uͤbrig geblieben / wiewol mit man - chem auch allerdings dieſe zugleich im Grabe der Vergeſſenheit ſtecket. Und wird inſonderheit die einſame Jungfrau-Echo offt durch einen neuen Bau vertrieben / zumahl von denen / die ſich um einen leeren Schall wenig bekuͤmmern / und mehr beſorget ſind / fuͤr ihre eigene Bequemlichkeit zu wohnen / weder fuͤr den Aufenthalt deß Widerſchalls. Ein Korn-Stadel traͤget mehr ein / dann ein ſolcher Lufft-Schertz / derhalben er auch vorgezogen wird. Zu Charenton, 2. Meilen von Pariß / hat ehedeſſen ein ſeltener Widerſchall ſich hoͤren laſſen / welcher die ihm vertraute Stimme 13. mahl wieder gegeben / wie Merula bezeuget. Aber derſelbe hat einem neu-erbauten Carmeliter-Kloſter muͤſſen raͤumen / und nicht mehr Platzes behalten / als daß er nunmehr nur einmahl die Stimme deß Ruffers widerholet.
Es gedencket ſonſt dieſes Echo zu Charenton auch Jodo - cus Sincerus, in ſeinem Frantzoͤſ. Raͤyß-Buch / und ſchreibet / man ſage / daß ſie 13. mahl antworte / wie andere in Acht genommen; Jhm aber 11. fuͤr 1. wieder gegeben. Und ich beſinne mich ſelbſt eines luſtigen Spatzier-Gangs / laͤngſt dem Waſſer-Teich einer gewiſſen fuͤrnehmen Reichs-Stadt / da gegen uͤber eine Kirche mit 2. Spitzen ſtehet / woſelbſt mir / und meinen Gefaͤhrten / die geliehene Stimme mit 5. faͤltigem Wucher bezahlet worden / auf ſo wol eingetheilete Terminen oder Friſten / daß wir alle Gegen - Stim̃en nach einander gar deutlich hoͤreten / wiewol die Vierdte und Fuͤnffte ein wenig ſchwaͤcher fiel / dann die drey Erſten.
Zu Maͤyntz ſtehet vor der Stadt die St. Peters Kirche / welche vor dem Schwediſch-Teutſchen Krieg / ſo ſich 1631. ange - fangen / noch gantz geweſen / hernach aber das Obdach / ſamt ei - nem Theil der Mauren / darvon eingangen. Allda hat ſich / wiedieſes204Deß Academiſchendieſes Gebaͤu noch vollkoͤmmlich geſtanden / eine 3. ſtimmige Echo hoͤren laſſen / welche 2. Sylben / zwar ſehr ſchnell / doch gantz ver - nehmlich / von ſich gegeben; Aber nach Einbuͤſſung deß Dachs / und eines Stucks von der Mauren / ſich in eine 2. ſtimmige ver - wandelt / darvon man den 2. Gegenhall doch kaum hoͤren kan. Und P. Schottus erzehlet / es habe P. Jac. Bonvicino, ein fuͤrtreff - licher Mathematicus und Profeſſor in dem Jeſuitiſchen Colle - gio zu Genua, von Neapolis an Kircherum geſchrieben / daß / nach / dem damahligen letzten Brandt deß Veſuvii, in dem Thal dieſes Berges eine Echo entſtanden / oder vielmehr von den Ein - wohnern ſelbiger Gegend Zufalls - und Gluͤcks-Weiſe zuwegen gebracht; Dann / als ſie mancherley Roͤhren und Rinnen / deren man / zu Ableitung deß Regen-Waſſers / damit die Weinberge nicht verderben / ſich bedienet / aufgegraben; Jſt darauß eine ſolche Echo entſtanden / daß / wann einer oben auf dem Gipffel deß Berges bey dem Mund-Loch der Rinnen / etwas redet / die Stim̃e / ſo durch die Roͤhren fortgepflantzet / und durch mancher - ley Widerprellungen vermehret wird / denen / die unten am Fluß deß Berges bey den Rinnen wandeln / ſich ſo vollkoͤm̃lich præſen - tiret / als ob Jemand leibhafftig zugegen waͤre / und redete. Auß dieſen Urſachen ſolches natuͤrlichen Geſchwaͤtzes / hoͤret man offt die Unterredungen mancher Hirten / und anderer Leute / Sprach - haltungen aufs Allerdeutlichfte / da dannoch Niemand in der Naͤhe / oder in den benachbarten Orten / zugegen iſt / welches vie - len gantz ſeltzam und abentheuerlich vorkommt.
Die alte Geſchichtſchreiber hielten einen luſtigen Wider - ſchall ihrer Feder nicht unwerth. Pauſanias gedencket / es ſey an der rechten Seiten deß Tempels Chthoniæ eine Gallerie, oder ge - deckter Luſtgang geweſen welchen man Echo geheiſſen / weil da - ſelbſt die Stimme eines ruffenden Menſchen 3. mahl aufs We - nigſte nach geſchallet. Und anderswo / nemlich in ſeinen Eliacis, ſagt er von einer andern bundten Gallerie in Aote, welche man gleichfalls den Gegenſchall genannt / auß Urſache / weil die Stim̃e allda 7. bißweilen auch wol mehrmahl / zuruck ſchallete. Beym Plutarcho lieſet man / daß in den Welt-beruͤchtigten Egyptiſchen Pyramiden / ein geſprochenes Wort 4. oder 5. mahl widerge - ſchallet. Und / beym Plinio, daß in der Stadt Cyzico, am Thor / welches man Thracia genannt / bey den Thuͤrnen ein vielfaͤltiger Widerſchall / durch ſein wunderſames Nachſchwaͤtzen / den Ra - men der Echo bey den Griechen erworben. Und bey der Stadt Olympia, in der Gallerie, welche daher die 7. Stimmige von den Griechen genannt ward / ein Wort 7. mahl beantwortet worden.
Das205Romans I. Buch.Das Grab Metelli, welches noch heutiges Tages faſt gantz / ein Paar kleiner Meilen von Rom / vor dem Thor S. Sebaſtian, unter dem Namen Capo di Bove, das Ochſen-Haupt / nemlich von den Ochſen-Koͤpffen / ſo man Rings herum daran außge - hauen ſiehet / gezeiget wird / iſt ehedeſſen gleichfalls von einem außbuͤndig ſchoͤnen / Echo beſchallet worden. Boterus ſchreibet / dieſer unvergleichlicher Widerſchall habe ſein Spiel gehabt / an einem runden Thurn ſo von dem koͤſtlichſten Marmel Wunder - kuͤnſtlich gebauet / und dieſe zugeſchickte Worte offt wieder zu - ruck geſchickt:
Verſtummet nicht / ohn / biß der Marmel eine Bluhm. Erſt-geſetztes Lateiniſches Wort / ſamt dem nachgeſetzten Virgi - lianiſchen Verſe / ſoll dieſer Kunſt-reichfte Nachſchall zu 8. un - terſchiedenen mahlen vollkoͤm̃lich widerbolet / und nirgends ſei - nes Gleichen gehabt haben / zu dem Ende / daß der Nam dieſer Edlen Matron auch nach ihrem Tod / vermittelſt ſolches Kunſt - und Pracht-vermaͤhlten Ehren-Gedaͤchtnuͤſſes / offt erſchallen / und niemahls in Vergeſſenheit fallen moͤchte.
Boiſſardus bezeuget / es ſey noch bey ſeiner Zeit dieſelbe nicht erſtummet / und beſchreibet die Gelegenheit deß Orts alſo: Uber der Appianiſchen Straffe / an einem niedrigen Ort / ſchauet man ſehr weitlaͤufftige Ruinen oder Steinhauffen deß Staͤdt - leins / welches etliche fuͤr das alte Sinueſſa, andere fuͤr Pometia halten. Andere urtheilen beſſer / es ſey das Schloß geweſen / dariñ die Soldaten von der Leib-Garde, und die Kaͤyſerl Medici, ge - wohnet. Der gantze Umkraͤyß iſt ſchier mit Mauren umfangen. Am Eingang ſelbiges Schloſſes werden zu beyden Seiten vier - eckte groſſe Graͤber / ſtumpffe und dichte Pyramides, (oder Grab - Thuͤrne /) geſchauet / theils mit Steinen von Tivoli, theils mit Ziegeln aufgefuͤhret. Und daß dieſes der Metellorum Begraͤb - nuͤſſen geweſen / zeugen die Uberſchrifften / ſo man darvon herauß geklaubet. Die / welche darunter am beruͤhmteſten / in rund / auß viereckten weiſſen Marmel Stuͤcken / wie ein weiter / dicker Thurn / inwendig hohl / und am Obertheil offen / deren Mauren ungefaͤhr 24. Schuhe dick. Dieſelbe ſtoͤſſet an das Eck der allgemeinen Mauren. Rings umber ſeynd von Marmel Ochſen-Koͤpffe auß - gehauen / in ſolcher Geſtalt / als waͤre ihnen die Haut / ſamt dem Fleiſch abgezogen / wie bey den Opffern der Brauch war / &c. Der206Deß AcademiſchenDer Ochſen-Koͤpffe ſeynd bey nahe 200. darum wird dieſes Grab-Gebaͤu Capo di Boi genannt / und wollen die Antiquitaͤt - Forſcher / es ſey eine doppelte Hecatombe, oder 200. faltiges Opffer; (Hecatombe aber war / nach Julii Capitolini Beſchrei - bung / ein ſolches Opffer: Hundert Altaͤre wurden auf einem Platz aufgebauet / und darauf 100. Schweine / und 106. Schafe abgewuͤrget. War es aber ein Sacrificium Imperatorium, oder Opffer eines Roͤmiſchen Generaliſſimi, ſo wurden 100. Leuen / 100. Adler / und anderer ſolcher Thiere / von jedwedem Geſchlecht 100. geſchlagen /) bey der Leich-Beſtattung Cæciliæ Metellæ ge - ſchehen / deren Name vorn an der Begraͤdnuͤß zu leſen / auf einer ſehr groſſen Marmel-Tafel / gegen dem Thor der Burg zu / mit dieſen Littern: CÆCILIA Q CRETICI F. METELLÆ CRASSI. So Jemand unten an dem Huͤgel / oder Buͤhel / wor - auf der Thurn gebauet iſt / einen gantzen Heroiſchen Vers auß - ſpricht / wird ein verwunderlicher Echo denſelben gantz / und von Sylben zu Sylben / offtmahls widerholen: Jch (ſpricht dieſer Author,) habe den erſten Vers der Virgilianiſchen Buͤcher Æneidos deutlich 8. mahl widerſchallen hoͤren und hernach noch etliche mahl undeutlich / und confus. Nirgends wo wird ein ſol - cher Echo gehoͤret. Man ſagt / dieſer Widerſchall ſey darum ſo kuͤnſtlich erweckt / daß bey der Leich-Begaͤngnuͤß dieſer Gæcilien / das. Heulen / Geſchrey und Weheklagen unermaͤßlich vergroͤſ - ſert und vermehret wuͤrde / indem man ſolche 2. fache Hecatom - be, oder doppeltes Opffer von 100. Altaͤren / verrichtete / und die Grabſpiele / zu Ehren der verblichenen Matron, vorſtellete.
Es hat aber P. Kircherus, nachdem er dieſes beym Boiſſar - do geleſen / und Luſt gewonnen / eine ſolche Wunder-Echo zu hoͤ - ren / zum andern und dritten mahl ſich dahin begeben mit hoͤch - ſtem Fleiß darnach geſuchet / aber ſie gar nicht antreffen koͤnnen. P. Schott, der ein anders mahl mit demſelben Kirchero gantz ey - ferig dieſen Widerſchall geſuchet / eben ſo wenig. Und ob ſie zwar hierauf in Rom bey andern forſch-gierigen Perſonen ſich deß - wegen befraget / iſt doch keiner gefunden worden / der von dieſem Echo was wiſſen wollen. Es ſey auch / ſaget P. Schott, der Ort nicht darnach diſponiret / daß er einen ſolchen Echo ſolte koͤnnen formiren. Dannoch hezeuget auch Pflaumerus mit ſeinem Ge - hoͤr / daß dieſe Echo gantze Verſe / und zwar vielmahl nach ein - ander / wieder zuruck werffe.
Cavina ſagete hierauf: Jch verwerffe darum Pflaumerum ſo wenig / als Boiſſardum, weil ich wol weiß / daß ein ſolcher Wi -derſchall207Romans I. Buch. derſchall nicht unmoͤglich / zumahl / wann die Kunſt zu der na - tuͤrlichen Gelegenheit deß Orts ſich bequemet. Wohnet doch noch auf dieſen Tag an einem Renn-Platz zu Rom eine Echo, ſo die Sylben 8. mahl nach einander widerholet. Dergleichen trifft man auch an bey einer Mauren der Stadt Avignon, wie Herꝛ Kircherus auß eigener Erfahrung bezeuget. Aber die Zeit und Veraͤnderung der Gelegenheit deß Orts hat Zweiffels ohne ſolchen fuͤrtrefflichen Widerhall beſagten Grabes nunmehr ver - trieben / und dieſer Schall-Jungfrauen den Athem erſticket. Jn dergleichen Gedancken ſtehet auch gemelter P. Schottus. Wofern dem alſo / was vor dieſem von ſolcher Echo geſchrieben worden / muͤſſe in der Gelegenheit deß Orts / und der umſtehenden Ge - baͤue / eine groſſe Veraͤnderung vorgegangen ſeyn. Er wiſſe / daß auch nur eine kleine und geringe Aenderung an den Mauren / oder Haͤuſern / gar wol ſo viel koͤnne wuͤrcken / daß ein Echo ent - weder vergehe / oder von neuem entſtehe.
Solches beweiſet er mit dieſem Exempel: Zu Panormo (oder Palermo,) in Sicilien / haben die Jeſuiten einen Meyerhof / vor der Stadt / bey deſſen Fuͤrgang man auf einen langen und breiten Spatzier-Gang kommt / der zu beyden Seiten mit Baͤu - men und Weinſtoͤcken beſetzet / und wo derſe[l]be zu Ende lauffet / ſtehet zur Lincken ein gar hohes / weitlaͤufftiges Hauß; Ein we - nig beſſer hin aber / zur Rechten / ein anders / das weder hoch / noch weitlaͤufftig. Hinter ſolchen 2. Haͤuſern ſtunde vormahls eine alte Capelle allein / darzu man nachmahls von vornen zu / ei - ne andere ſolcher Geſtalt gebauet / daß dieſe Letzte der Alten un - mittelbahr anhafftete. Bevor nun ſolche neue Capell dahin ge - leget ward / hat ſich in dem Spatzier-Gang niemahls einiger Widerſchall verlauten laſſen; Nachdem ſie aber dahin geſetzet / hoͤret man bey Eintritt deß Gartens einen hellen Echo, welcher etliche Sylben aufs Allerdeutlichſte nachſpricht; Vermuthlich auß dieſer Urſach / weil der Gegenhall um etliche Schritte naͤ - her / gegen der Garten-Thuͤr hin / verrucket worden.
Er ſtellet auch das Exempel der Stadt / oder vielmehr deß Schloſſes zu Wuͤrtzburg vor / welches / wie bekandt / nicht allein nach der Zier / ſondern auch / wider den Ernſt / nach der Beveſti - gungs-Kunſt gebauet iſt. Wann man von ſelbigem Schloß einen Schuß thut / verſtaͤrcket und mehret ſich der donnerende Knall zwiſchen den Thaͤlern und Bergen / ſchallet 5. 6. und mehr mahl / nach einander wieder zuruck / gleich / als ob nicht nur ein / ſondern viel Schuͤſſe geſchehen / und auf den Bergen das Wetter herum lieffe.
Soͤlcher208Deß AcademiſchenSolcher Stimm - und Schall-erwiderenden Gegenden / ſprach Klingenfeld / ſolte man in unſerm Teutſchland noch wol mehr antreffen / wann man mit der Nachforſchung ſich wolte bemuͤhen. Es liget in Sachſen das Schloß Obin / welches ehe - deſſen unter die Unuͤberwindliche gerechnet worden / auf einem Felſen / wiewol es heute wuͤſte liget / und um der Graͤntzſcheidung willen nicht beveſtiget werden darff. Deſſelbigen Namens findet ſich auch daſelbſt ein Dorff / wie auch eine halb auß Felſen ge - hauene Kirche / ſamt einer Quelle / ſo von der Natur ſelbſten durch den Felſen geleitet wird. Dieſes wuͤſte Schloß wird von vielen Bergen umgeben / welche verurſachen / daß / wann man allda ein Stuͤck loͤſet / der Knall wunderbarlich herum lauffet / von einer Gegend zur andern / und ſchier in Acht-Theil von der Stunde nachkrachet; Maſſen ſo wol diß / als die Luſtbarkeit der Gegend / manche fuͤrnehme Perſonen zur Beſuchung derſelben bewogen hat.
Das achte ich aber nicht fuͤr was Seltenes / weil es nur ein bloſſer Widerknall iſt / dann zwiſchen dem Knall / oder Hall / und der Gegen-Stimme / oder Echo, gibt es keinen geringen Unter - ſcheid. Der Wider-Knall / oder Nach-Hall / iſt zwar auch ein Gegenſchall / aber verworrener / undeutlicher / ungeſtimmt / und ohne Außdruckung der Sylben / und mag leicht eine Gegend ſich darzu bequemen. Die Echo aber begehret mehr Umſtaͤnde / daß ſie einen ordentlich-abgetheileten oder beſylbeten Nachklang ge - be. Derhalben verwundere ich mich / uͤber ſolchen vielmahligen Nach-Knall bey Obin in Sachſen ſo uͤbrig hoch nicht / ſondern vielmehr uͤber die Jenige / welche / wie M. Robert Plot, ein En - gellaͤnder / in Beſchreibung natuͤrlicher Beſchaffenheit der Eng - liſchen Provintz Oxfort / gedencket / bey Tag 17. bey Nacht aber 20. Sylben / gar deut - und unterſchiedlich widerholet / nemlich in einem Luſt - und Thier-Waͤldlein bey Woogſtock.
Klingenfeld haͤlt eine poſſierliche Unterredung mit Cerebac - chio, der ihm mit lauter Lateiniſchen Verſen / oder Spruͤchwoͤrtern / antwortet / welches warlich offt verwunderlich klinget.
ABer / wir haben gnug geredet von dieſer Mate - rie, ich ſehe / daß Cerebacchius ſchon daruͤber einſchlummern wil / wir muͤſſen noch ein wenig Kurtzweil mit ihm haben. Als Klingenfeld dieſes ge -ſaget /209Romans I. Buch. ſaget / rittelte er den Freſſer beym Leibe / und ſprach: Mein Freund / ſaget uns doch / wo ihr eigentlich zu Hauß gehoͤret? Cerebacchius fuhr in die Hoͤhe / wi - ſchete den Schlaff auß den Augen / und ſagte: Patriâ Monaſterienſis, natione Weſtphalus, Religione Roma - nus. Dieſe Antwort gefiel der Geſellſchafft / ſolchem nach forſchete der Teutſche ferner / weil er zum Freſ - ſen ſo groſſe Luſt haͤtte / wuͤrde er in ſeinem Vatter - land deßfalls beſſer bewirthet werden / warum er dañ ſich in die Fremde begeben haͤtte? Jener ſprach: Eſt mihi namque domi pater, eſt injuſta noverea. Welcher pertinenten Antwort die andern von Hertzen lache - ten / und darauß ſpuͤhreten / daß er vernuͤnfftiger rede - te / wann er truncken / als wann er nuͤchtern waͤre. Dannenhero ſprach der Erſte wieder: Wann der je - nige Muͤnſteriſche Obriſte / den ihr mir beſchrieben / euer Vatter iſt / ſo kenne ich eure Stieff-Mutter wol / habt ihr alſo nicht Urſach / euch uͤber ſie zu beſchweren / dann ſie iſt ſchoͤn / und liebet euren Vatter von gan - tzem Hertzen. Cerebacchius ſahe ihn hierauf an / und ſprach: Blandus amor nihil eſt, & pulchræ gratia for - mæ, hæc mulier bella eſt, quæ ſcit amare Deum. Klin - genfeld antwortete: So ſehet euch aber doch fuͤr / daß ihr die Wuͤrckung ihres Zorns / die ihr durch eure uͤbele Nachrede auf euch gezogen / nicht empfindet. Cereb. Tela præviſa minus nocent. Klingenfeld: Gleichwol kan ſie euch bey eurem Vatter ein uͤbel Bad bereiten. Cereb. Aquila ſæpè iis ipſis configitur ſagittis, quibus ſuæ pennæ aptantur. Klingenfeld: Worinn hat ſie dann euch / oder die Eurigen / am mei - ſten beleydiget? Cereb. Optima prima ferè manibus rapiuntur avaris, implentur numeris deteriora ſuis. Klingenfeld: Dieſer Schade iſt ſo groß nicht / ihr muͤſſet alles nicht achten / wann euer Vatter todt iſt /Omuß210Deß Academiſchenmuß ſie ſchon Rechenſchafft thun. Cereb. Tanta cu - jusque ſunt mala vel bona, quantus eſt animus, qui illa ſuſtinet. Klingenfeld: Gleichwol wolte ich um der Stieffmutter willen nicht einen Fuß breit außgetret - ten ſeyn. Cereb. Velle ſuum cuique eſt, nec voto vivi - tur uno. Klingenfeld: Jhr erweiſet aber durch euer unordentliches Leben gnugſam / daß eure Stieff - Mutter gnugſame Urſache hat / ſich uͤber euch zu be - ſchweren. Cereb. Non eſt compendioſior viâ ad glo - riam, quam ut quisque ſit, qualis haberi velit. Klingen - feld: Solche Lebens-Art wird euch dermahlen eine ſchlechte Reputation geben / ſtehet darvon ab / es iſt noch Zeit gnug. Cereb. Quo ſemel eſt imbuta recens, ſervabit odorem, teſta diu. Klingenfeld: Ey / ſo wolte ich dann auch lieber Profeſſion von einem Soldaten machen / denen alles dergleichen wol und beſſer anſte - het / als den Studenten. Cereb. Nulla fides pietasque viris, qui Caſtra ſequuntur. Klingenfeld: Wann ihr aber in ſolchem Sauff-Leben ſterbet / was wird man euch fuͤr ein Epitaphium aufrichten? Cereb. Bonoſus Imperator, cum vitam laqueo finiiſſet, dictus eſt am - phora pendens. Klingenfeld: Wann ich in eurer Haut ſteckete / wuͤrde ich das Ungluͤck / das ihr euch ſelber brauct / alle Tage beweinen. Cereb. Nullus eſt dolor, quem non longinquitas temporis minuat atque molliat. Klingenfeld: Was haͤlt aber eure Stieff - Mutter von eurem alten Vatter? Cereb. Turpe ſe - nex miles, turpe ſenilis amor. Klingenfeld: Sie ſchei - net gleichwol eine ſchoͤne und fromme Frau zu ſeyn? Cereb. Et genus & virtus, niſi cum re, vilior algâ eſt. Klingenfeld: Jnzwiſchen aber glaube ich / daß ſie auf ſolche Weiſe euren Vatter leicht moͤchte hinters Liecht fuͤhren. Cereb. Eſt profecto Deus, qui, quæ nos gerimus, auditque & videt. Tu da, nate Dei, vitæ nosnevè,211Romans I. Buch. nevè, pudere nevè etiam mortis pœnituiſſe queat. Klin - genf. Das moͤchtet ihr auch wol bedencken. Cereb. Ni - timur in vetitum ſemper, cupimusq́; negata. Klingen - feld: Deßwegen gehet es euch auch nicht zum Beſten. Cereb. Vivo equidem, vitamque extrema per omnia duco. Klingenfeld: Wañ ihr dann nicht in Krieg ge - hen wollet / und doch ſo miſerabel lebet / ſo ſollet ihr euch bey einem fuͤrnehmen Herꝛn in Dienſte begeben. Cereb. Emori potius, quàm ſervire præſtat, adde quod ingenuas didiciſſe fideliter artes, emollit mores, nec ſinit eſſe feros. Klingenfeld: Durch euer Freſſen und Sauffen aber verderbet ihr Witz und Verſtand. Ce - reb. Crede mihi, ſapere eſt non nimium ſapere. Klin - genfeld: Habt ihr dann / ehe der Vatter zur andern Ehe geſchritten / vorhin gute Mittel gehabt / dardurch ihr bewogen ſeyd / euch auf ein ſolches debouchantes Leben zu legen? Cereb. Tum denique homines noſtra bona intelligimus, cum quæ in poteſtate habuimus, ea amiſimus. Klingenfeld: Was wollet ihr mir geben / wann ich euch gute Tage verſchaffe? Cereb. Semper honor, nomenque tuum, laudesque manebunt. Klin - genfeld: Fuͤrs Erſte muͤſſet ihr euch von der boͤſen Le - bens-Art wieder abgeben / und den Studiis fleiſſig ob - ligen. Cereb. Curemus æquam uterque partem, Tu al - teram, ego item alteram. Klingenfeld: So viel ich ſe - he / ſtehet euch nicht zu helffen / ihr ſeyd in der Jugend ſchon verdorben. Cereb. Blanda matrum ſegnes facit indulgentia natos. Klingenfeld: Daruͤber aber ſind eure beſte Jahre verſtrichen. Cereb. Optima quæque dies miſeris mortalibus ævi prima fugit, ſubeunt mor - bi triſtisque ſenectus. Klingenfeld: Wo haltet ihr euch dann nun am liebſten auf? Cereb. Patria eſt, ubicunq́; benè eſt. Klingenfeld: Mich duͤncket aber / wann ihr nicht unverſchaͤmt waͤret / duͤrfftet ihr Hunger leyden? O 2Cereb. 212Deß AcademiſchenCereb. Gnaviter impudentem eſſe oportet, qui ſemel verecundiæ fines tranſierit. Klingenfeld: Habt ihr auch wol ehemahlen Luſt gehabt / euch zu verheura - then? Cereb. Exſors conjugii non benè vivit. Klingen - feld: So habt ihr dann ſchon eine Liebſte / und was iſt ſie fuͤr eine? Cereb. Mulier admodum anus. Klin - genfeld: Hat ſie dann auch gute Mittel? Cereb. Digna res, ubi nervos intendas. Klingenfeld: So werdet ihr ja dann bald fort machen? Cereb. Sat citò, ſi ſat benè. Klingenfeld: Aber / bey einer alten runtzelichten Frauen koͤnte ich keine Freude finden. Cereb. Et genus & formam regina pecunia donat. Klingenfeld: Wann ſie nur in der That reich iſt. Cereb. Ferè libenter homi - nes id, quod volunt, credunt. Klingenfeld: Hat ſie euch auch lange mit dem Jawort aufgehalten? Ce - reb. Veni, vidi, vici. Klingenfeld: Was waren doch eure erſte Complimenten? Cereb. Ut ſalutabis, ita re - ſalutaberis. Klingenfeld: Warum verziehet ihr dann ſo lange mit der Hochzeit? Cereb. Concute, num qua tibi vitiorum inſeverit tibi natura. Klingenfeld: Gibt ſie ſich fuͤr reich auß / ſo wird ſie auch wol in einem ſchoͤnen Hauß wohnen? Cereb. Tectum auguſtum, in - gens, centum ſubnixa columnis. Klingenfeld: Jch glaube / ihr doͤrfftet eurer Alten / wann ihr zu jungen Dirnen kommt / ſchlechte Parol halten? Cereb. Nox & amor, vinumque, nihil moderabile ſvadent. Klin - genfeld: Hat ſie auch wol geweinet / als ihr in die Fremde raͤyſetet? Cereb. Ut flerent, oculos erudiêre ſuos. Klingenfeld: Welcher Religion iſt ſie zugethan? Cereb. Colit Deum, laudat Zwinglium. Klingenfeld: Jhr muͤſſet zuſehen / daß ſie eurer Religion beypflichte. Cereb. Religionem imperare non poſſumus, quia ne - mo cogitur, ut credat invitus. Klingenfeld: Lebet ihr Vatter annoch? Cereb. Abhinc duos & quinquagintaannos213Romans I. Buch. annos mortuus eſt. Klingenfeld: Dieſer mag wol ein fuͤrnehmer Mann geweſen ſeyn? Cereb. Tolluntur in altum, ut lapſu graviore ruant. Klingenfeld: Jſt dann eure alte Braut auch noch fein geſund und ſtarck? Cereb. Senectus ipſa morbus. Klingenfeld: Hat ſie noch einen Bruder? Cereb. Cui Conradi nomen. Klingen - feld: Jſt dann dieſer ein wackerer Mann? Cereb. Odit tum literas, tum virtutes. Klingenfeld: Lebet er aber ſonſten wol? Cereb. Dormit ſecurus, bibit Jeju - nus, it cubitum bis pranſus, ter cœnatus. Klingenfeld: Gehet es ihm dann bey dieſem unordentlichen Leben auch wol? Cereb. Probo viro nihil mali, improbo ni - hil boni contingere poteſt. Klingenfeld: So iſt dieſer Conradus ja wol ein Kumpe / wie ihr ſeyd? Cereb. Hi[s]æmulamur, qui ea habent, quæ nos cupimus. Klingen - feld: So ihr aber euer Leben nicht anders anſtellet / werdet ihr ein ſchlechtes Ende nehmen. Cereb. Non refert, quâ quis moriatur imagine lethi; Unum iter ex æquo ducit ad aſtra pios. Klingenfeld: Wollet ihr aber mit der Zeit nicht anders Sinnes werden? Cereb. Meum ſolius peccatum corrigi non poteſt. Klingen - feld: Jſt dann euer Sinn ſo gar beſtaͤndig auf ein Ding vernarret? Cereb. De tuo ipſius ſtudio conjectu - ram feceris. Klingenfeld: Habt ihr auch noch Credit in der Fremde? Cereb. Quantum quisque ſuâ num̃o - rum poſſidet arcâ, tantum habet & fidei. Klingenfeld: Was haltet ihr von eurem geweſenen Kriegeriſchen Biſchoff von Galen, welcher bald Frantzoͤſiſch / bald Kaͤyſerlich war? Cereb. Omne magnum exemplum habet aliquid iniquitatis, quod publicâ utilitate com - penſatur. Klingenfeld: Aber wie ſchickte ſich die In - fula bey den Harniſch? Cereb. Nemo mortalium omnibus horis ſapit. Klingenfeld: Warum gieng er doch vor Groͤningen / da er ſolchen Ort nichts anzu -O 3haben214Deß Academiſchenhaben vermochte? Cereb. Neſcia mens hominum fati ſortisque futuræ Klingenfeld: Man ſagt von ihm / daß er dem Land viel Dinge zum Nachtheil einge - fuͤhret? Cereb. Conſcia mens recti famæ mendacia ri - det. Klingenfeld: War er dann alſo / wie man ſagt? Cereb. Integer vitæ, ſcelerisque purus. Klingenfeld: Er iſt ein ſonderbarer Liebhaber deß Feuers in ſeinem Leben geweſen / und hat die Bombardier-Kunſt ſo hoch gebracht / als noch kein Teutſcher vor ihn gethan. Ce - reb. Scilicet eſt cupidus ſtudiorum quisque ſuorum, tempus & aſſvetâ ponere in arte juvat. Klingenfeld: Umerdeſſen haben ſeine Unterthanen kaum Zeit ge - habt / das Jhrige zu beſtellen / weil ſie ihm in allen Feld - Zuͤgen folgen muſten. Cereb. Vita hominis ſimilis eſt ferro, quod ſi exerceas, atteritur, ſi non exerceas, rubigo conſumit. Klingenfeld: Jch habe den guten Biſchoff wol gekannt / aber ich weiß nicht / was ich von ihm ſa - gen ſoll? Cereb. Tuo tibi judicio utendum. Klingen - feld: Aber ich komme wieder auf eure Perſon. Jhr ſeyd corpulent, was fuͤr Muͤhe mag es euch gekoſtet haben / uͤber die Schweitzeriſche Alpen zu gelangen? Cereb. Invia virtuti nulla eſt via. Klingenfeld: Habt ihr auch eine Schweſter? Cereb. Cui Juſtinæ nomen. Klingenfeld: Jſt dann dieſe eine geſchickte Dame? Cereb. Inutilis ad pudicitiam, & ad tutandam rem. Klingenfeld: Jhre Stieff-Mutter ſolte ſie fein zur Haußhaltung anhalten? Cereb. Ingenium eſt omnium hominum à labore proclive ad libidinem. Klingenfeld: Hat ſie dann einen Courtiſan? Cereb. Commune omnium amantium eſt. Klingenfeld: So hat ſie eurer Stieff-Mutter ſo wenig vorzuwerffen / als dieſe / Jener. Cereb. Virtutes ipſæ inter ſe æquales & pares ſunt. Klingenfeld: Jſt ſie dann lange alſo ge - artet geweſen? Cereb. Eadem eſt ac ſemper fuit. Klin -genfeld:215Romans I. Buch. genfeld: Hierauß muß ich dann ſchlieſſen / daß eure rechte Mutter auch nicht anders geweſen. Cereb. For - tes creantur fortibus & bonis. Klingenfeld: Habt ihr fuͤr eure Perſon dann gute Vertraulichkeit mit ihr gehabt? Cereb. Cum Patrono Epicureo mihi omnia communia ſunt. Klingenfeld: Jch ſehe wol / daß ihr es allein mit Freſſern und Sauffern haltet. Cereb. Alius ab hoc, diverſus ab illo. Simile ſimili gaudet. Klingenfeld: Wann ihr aber euer Geldchen verpraſ - ſet / duͤrffte euch das Zucht-Hauß dermahleins zum Aufenthalt dienen. Cereb. Illic mihi nec ſeritur, nec metitur. Klingenfeld: Zum wenigſten wird eure alte Frau den Meiſter im Hauß ſpielen / und euch den Hut bald vom Kopff reiſſen? Cereb. Principiis obſta, ſerò Medicina paratur, cum mala per longas invaluêre moras. Klingenfeld: Jch ſehe wol / ihr trauet mir noch nicht / und wollet meinen Worten keinen Glauben geben. Cereb. Nemo credit, niſi ei, quem fidum putat. Klingenfeld: Wann ihr fleiſſig ſtudiret haͤttet / ſo waͤ - ret ihr jetzo ein Doctor, oder ein hoher Staats-Be - dienter. Cereb. Non cuivis licet adire Corinthum. Klingenfeld: Euer Diſcurs gefaͤllet uns wol / habt ihr noch was ſonderliches / ſo theilet es uns mit? Cereb. Graviſſimè lædunt amici, qui expiſcantur arcana. Klingenfeld: Jch bitte euch / urtheilet nicht ſo uͤbel von mir / ſtehet aber von eurem unordentlichen Leben ab / ſo ſollet ihr uns ſehr angenehm ſeyn. Cereb. Ver - bum audimus, monitum ſentimus, modum neſcimus, præſentia credimus. Klingenfeld: Jhr werdet wol manchmahl bekuͤm̃ert ſeyn / wann euch Geld gebricht / oder / wann es euch ſonſten in dieſer Fremde uͤbel ge - het. Cereb. Conſequi fortunam adverſam, non la - mentari decet. Klingenfeld: Jhr ſeyd doch gluͤcklich / daß ihr euch ſelber troͤſten / und zufrieden ſprechen koͤn -O 4net.216Deß Academiſchennet. Cereb. Studia adoleſcentiam alunt, ſenectutem oblectant, ſecundas res ornant, adverſis perfugium ac ſolatium præbent. Klingenfeld: Gehet ihr auch wol mit fuͤrnehmen Leuten um / oder bleibet ihr lieber bey Niedrigen? Cereb. Metiri ſe quemque ſuo modulo ac pede verum eſt. Klingenfeld: Wann ihr lang in Jta - lien bleibet / wird man euch fuͤr keinen Teutſchen mehr anſehen. Cereb. Civi Romano licet eſſe Gaditarum. Klingenfeld: Jch hoffe / das hohe Alter wird euch dermahleins / dafern ihr es erreichet / zu andern Ge - dancken / und zu einem beſſern Leben fuͤhren. Cereb. Se - ra nunquam eſt ad bonos mores via. Klingenfeld: Das war ein gutes Wort / auf ſolche Weiſe verdie - net ihr / gelobet zu werden. Cereb. Nihil ſapientia pul - chrius, nihil virtute amabilius. Klingenfeld: Mein guter Cerebacchi, ich ſehe euch jetzo gantz umgekehret / und das ſo ploͤtzlich. Cereb. Vilius argentum eſt auro, virtutibus aurum. Klingenfeld: Jch wuͤnſche euch Gluͤck / zu dieſem guten Sinn / ſolcher Geſtalt ſoltet ihr noch wol empor kom̃en. Cereb. Dignum laude vi - rum Muſa vetat mori. Klingenfeld: Jſt dieſes alles euer Ernſt / was ihr jetzo redet? Cereb. Mente rectè uti non poſſumus, multo cibo & potu completi. Klingen - feld: O! ſeyd ihr ein ſolcher Schalck / ſo wollen wir euch allein ligen laſſen / was gilt es / wann ihr den Rauſch außſchlaffet / werden ſich ſchon etliche finden / die euch die Hoſen viſitiren? Cereb. Fabricius reſpon - det, ſe à cive ſpoliari malle, quam ab hoſte venire. Klingenfeld: Bekennet mir die rechte Warheit / iſt ein Tugendhafftes Leben nicht beſſer / als ein Laſter - hafftes / wie das Eurige? Cereb. Amara eſt veritas, & qui eam prædicant, implentur amaritudine. Klingen - feld: Jch muß mehr von eurer Freundſchafft wiſſen / Habt ihr auch ſelber einen Bruder? Cereb. Corneliusdictus. 217Romans I. Buch. dictus. Klingenfeld: Gehet es ihm dann wol? Ce - reb. Dives pecoris, dives agris, dives poſitis in fœnore nummis. Klingenfeld: So wird ihn ſeine Frau wol hertzlich lieben? Cereb. Malo virum, qui pecunia, quàm pecuniam, quæ viro egeat. Klingenfeld: Begehen ſie ſich nicht wol mit einander? Cereb. Nulla dies mœro - re caret. Klingenfeld: Hat die Frau dann kein Mit - leyden mit ihrem Mann? Cereb. Xantippe irarum & moleſtiarum ſcatebat. Klingenfeld: Jch glaube / ihr redet es der Frauen auß Haß nach. Cereb. Ubi rerum teſtimonia adſunt, non opus eſt verbis. Klingenfeld: Wuſte dann euer Bruder nicht / daß ſie ſolch ein Kraͤutlein waͤre? Cereb. Fallit enim vitium ſpecie virtutis. Klingenfeld: So wird der gute Cornelius ein elend Leben haben? Cereb. Deus dilectis ſuis iter aſperum facit, ne dum delectantur in via, obliviſcan - tur eorum, quæ ſunt in patria. Klingenfeld: Hat ſie ihn dann ſo bald zum Gehorſam gebracht? Cereb. Aliq uantum temporis, & magni laboris & impenſæ multæ opus fuit. Klingenfeld: Das muß wol ein ein - faͤltiger Narꝛ ſeyn / der ſich von einem boͤſen Weib ſo bald ſolte zu Chor treiben laſſen? Cereb. Glorioſa ſa - pientia non magno æſtimanda eſt, ſtultorum omnia ſunt plena. Welche Worte den Klingenfeld etwas verdroſſen / deßwegen ſtutzete er / und wolte ſich mit ihm nicht weiter bemengen / aber der Printz hatte gar zu groſſe Luſt an dieſem Diſcurs, derwegen winckete er ihm / fort zu fahren / und als eben Cerebachius den Wein-Becher an den Mund ſetzete / zu trincken / rieff ihm dieſer zu: Eſt virtus placitis abſtinuiſſe bonis. Ce - rebacchius aber thaͤte einen guten Trunck / und nach - dem er den Mund gewiſchet / ſahe er ihn ſtarꝛ an / und ſchwieg ſtill. Klingenfeld aber ſprach: Wiſſet ihr wol / was ihr vorhin zu mir geſaget / ſolche Worte ſindO 5maͤchtig /218Deß Academiſchenmaͤchtig / mich anzuſporen / daß ich zu euch trette / und Haͤndel mit euch anfange. Cerebacchius ſprach: Su - perſedeas hoc labore itineris, malo unum diem amici - tiæ, quam mille rixarum. Klingenfeld: Euer zerlum - peter Rock haͤlt mich ab / dann ich ſehe / daß keine Ehre an euch zu erlangen. Cereb. Sæpè ſub ſordido palliolo latet ſapientia. Klingenfeld: At in regno voluptatis virtuti non eſt locus. Hier mit tratt er naͤher zu ihm; Cerebacchius aber erſchrack / und ſagte: Magno exitio Rebuspublicis ſunt inteſtinæ diſſenſiones. Klingen - feld: An neſcis longas mihi eſſe manus? Cereb. Te - cum habita, & nôris, quam ſit tibi curta ſuppellex. Klingenfeld: Waͤre ich ein anderer Mann / ich wuͤrde zuſchlagen. Cereb. Quod aliis vitio vertis, id tu tibi laudi ne duxeris. Klingenfeld: Jhr redet zu keck / wol - tet ihr euch wol gegen feine Leute vergleichen. Cereb. Sic parvis componere magna ſolebam.
Anjetzo griff Klingenfeld nach dem Degen / wel - chem Cerebacchius behende entgegen ſchrye: Nulla ſalus bello, pacem te poſcimus omnes. Klingenfeld: Was wolt ihr mir aber geben / wann ich einhalte? Cereb. Cariſſimè conſtat, quod precibus emitur. Klin - genfeld: Nihil faciendum eſt, cujus nos pœnitere poſ - ſit. Cereb. Sunt tamen homines, quas libidinis ſuæ neque pudeat, neque pœniteat. Klingenfeld: War - lich Cerebacchi, ihr machet mir die Galle ruͤhrend. Ce - reb. Duplex eſt hominum genus, aliud iraſcentium, aliud nihil curantïum. Gleich wie nun der Printz fuͤr Lachen ſchier umgefallen waͤre / alſo ergriff Klingen - feld hingegen im Zorn den Praſſer / warff ihn zur Er - den / und riſſe ihm eine Hand voll Haar auß / und nach - dem er wieder aufgeſtanden / richtete ſich Cerebacchius auch wieder auf / und ſagte: Boni paſtoris eſt tondere pecus, non deglubere. Tuum eſt, ſi quid præter ſpemevenit,219Romans I. Buch. evenit, mihi ignoſcere. Troll fragte den armen Schlucker / wie ihm dieſe Ohrfeige geſchmecket? Cereb. Tua quod nihil refert, percontari deſinas. Troll war fertig in ſeiner Antwort / und ſagte: Omnes homines ſummâ ope decet niti, ne vitam ſilentio tran - ſigant, veluti pecora, wie ſolte ich dañ nicht ein Woͤrt - lein reden? Cereb. Plus oportet ſcire ſervos, quam loqui. Troll: Oratorem iraſci non decet, ſimulare non dedecet, haſt du aber Luſt / ſo wil ich dir auf den Degen kommen. Cereb. Candida pax homines, trux decet ira feras. Troll: Gehe nur hin / und ſchlaffe dei - nen Rauſch auß. Cereb. Septem horas dormiſſe ſat eſt juvenique ſenique. Klingenfeld: Gebt euch zu - frieden / mein Landsmann / mein Zorn iſt wieder uͤber. Cereb. Puncto temporis maximarum rerum momen - ta vertuntur. Klingenfeld: Es ſcheinet / daß ihr alle Poeten außwendig gelernet habt? Cereb. Exiguo durat genialis tempore pompa, ſola Poëtarum car - mina docta manent. Klingenfeld: Morgen muͤſſet ihr mit uns in die Kirche gehen / dann es iſt Sonntag / alsdann wollen wir mit einander fortziehen. Cereb. Luce ſacra requieſcat humus, requieſcat aratrum. Klingenfeld: Was wollen wir Morgen zum Fruͤh - ſtuͤck haben? Cereb. Inter aves perdix, (ſi quis me ju - dice certet,) inter quadrupedes gloria prima lepus. Klingenfeld: Das iſt wol geredet / aber es zielet nur auf Wolleben / darum beſſert euch doch einmahl. Cereb. Naturam expellas furcâ, tamen usque recurret. Klingenfeld: Eure Religion weiſet euch aber viel - mehr an zum Faſten / als zum Schwelgen. Cereb. Non decet rationis decempedâ metiri immenſos re - ligionis noſtræ agros, hoc ore ſumitur, quod fide cre - ditur, & fruſtra ab illis Amen reſpondetur, à quibus contra id, quod accipitur, diſputatur. Troll fiel ihnenjetzo220Deß Academiſchenjetzo ins Wort / und ſagte zu Cerebacchio: Wer hat dich gelehret / ſolcher Geſtalt mit feinen Leuten zu re - den? Worauf Cerebacchius: Quis te ordinavit mihi judicem? Troll: Neſcio. Cereb. Et hæc omnium Aſinorum reſponſio. Troll: Wo gehoͤre ich dann zu Hauß? Cereb. Ignoro. Troll: Hæc eſt omnium Mulorum reſponſio. Cereb. Quomodo differunt Aſi - nus & mulus? Troll: Tanquam minus & majus. Ce - reb. Ergo ego ſum major, tu minor; Ego ſervio Sarci - nis Principum, tu molitorum, Ego ſum animal ſplen - didum, tu ſordidum.
Als Troll ſahe / daß er von der Schul geſchlagen war / ſtellete er ſich ſchamhafftig / ſetzete den ſilbernen Becher vor den Mund / und verbarg ſich darhinter / ſoff aber indeſſen / daß er ſchwartz darbey ward. Cere - bacchius rieff ihm zu: Proſit fratercule, wir koͤnnen deßwegen wol Bruͤder ſeyn / ob du gleich ein Muͤller - Eſel / und ich ein Mulus ſplendidus bin. Troll: Du ſprichſt alles / was dir in den Mund kommt / du muſt einen ſchlechten Zuchtmeiſter in der Jugend gehabt haben. Cereb. Deteriores omnes ſumus licentiâ. Klingenfeld: Jch glaube euer Lehrmeiſter hat euch viel uͤberſehen / weil euer Vatter ein Obriſter war. Cereb. Dat veniam corvis, vexat cenſura columbas. Klingenfeld: Jch glaube / ihr wiſſet nichts von einem ewigen Leben / und ſuchet euren Him̃el in dieſer Welt. Cereb. Scriptura per corporalia docet ſpiritualia, & inviſibilia per viſibilia demonſtrat. Klingenfeld: Gedencket ihr auch wol dermahleins wieder nach Hauß? Cereb. Patria dulciſſima tellus. Klingenfeld: Aber eure Stieff-Mutter thut euch ja allen Tort an. Cereb. Malo eſſe cum timore domi meæ, quam cum periculo domi alienæ.
Unter dieſem Diſcurs gieng Troll / als ein tuͤcki -ſcher221Romans I. Buch. ſcher Menſch bey Cerebacchio her / und ſtieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite / dieſer aber ſtieß ihn gar zur Erden / und ſagte: Improbus eſt homo, qui bene - ficium ſcit ſumere, & reddere neſcit. Als ſich aber Troll mit einer doppelten Fauſt gegen ihn ſtellete / rieff Cerebacchius: Ignoſce, peccavi. Klingenfeld fragte ihn / wie er ſich vor dieſem Menſchen ſo bald fuͤrchte? Cereb. Omnia prius conſilio experiri, quam armis contendere ſapientem decet. Klingenfeld: Jch glau - be / wann ihr moͤchtet Buͤcher ſchreiben / und alle eure Spruͤchwoͤrter anbringen / ſie ſolten wol abgehen. Cereb. Tenet inſatiabile multos ſcribendi Cacoëthes, & ægro in corde ſeneſcit. Klingenfeld: Wann wir euch auf der Raͤyſe frey halten / ihr werdet wol gerne bey uns bleiben. Cereb. Turpe quidem dictu, ſed ſi - nodo vera fatemur, vulgus amicitias utilitate probat. Klingenfeld: Aber / wann wir euch nichts ſpendiren / gebt ihr uns auch wol kein gut Wort: Cereb. Nec vi - ſu facilis, nec dictu affabilis ulli. Klingenfeld: Gleich - wol koͤnte ich mich nicht wegwerffen / zum wenigſten wolte ich dieſem Troll nicht ein Haar weichen / ſon - dern es auf die Spitze ankommen laſſen. Cerebacch. Conſilia audacia prima ſpecie læta ſunt, tractu dura, eventu triſtia. Troll kunte ſich nicht laͤnger enthal - ten / ſondern ſprach: Du magſt gleichwol wiſſen daß ich meine Studia ſo wol abſolviret habe / als du / und dannenhero eben ſolcher Mann bin / als Cerebacchius. Hierauf ſprach dieſer: Bona verba quæſo, fratercule, qui ſtultis eruditi videri volunt, eruditis ſtulti viden - tur. Troll: Meine Logica, Phyſica, Grammatica, Rhetorica, Metaphyſica, und andere Diſciplinen / ſchweben mir gleichwol annoch in friſchem Anden - cken. Cereb. Sit boni oratoris, multa auribus acce - piſſe, multa vidiſſe, multa animo & cogitatione, mul -ta etiam222Deß Academiſchenta etiam lectione percurriſſe. Troll: So magſt du dir gleichwol auch darbey einbilden / daß ich ehe ein Studioſus bin geweſen / als du. Cereb. Coturnices etiam ante veniunt, quam grues. Klingenfeld: Saget mir / mein Freund / wie koͤñet ihr alſobald ein Spruͤch - wort oder Rede finden / die auf unſere Rede oder Fra - ge paſſet? Cereb. Cum à me quidam familiariter po - ſtularent, ut aliquid de ratione dicendi componerem, prorſus ſum equidem reluctatus. Klingenfeld: Wann wir euch nun in unſerer Compagnie allwege frey hal - ten / ſo bleibet ihr wol gerne bey uns / aber wollet ihr Herꝛ oder Diener ſeyn. Cereb. Oportet eum, qui pa - ret, ſperare, ſe aliquo tempore imperaturum, & illum, qui imperat, cogitare brevi tempore ſibi eſſe paren - dum. Klingenfeld: Das iſt wol geredet / aber ihr habt gar zu ein altes Kleid an. Cereb. Quæ vetera ſunt, fuerunt olim nova. Klingenfeld: Der Schneider hat zwar der neuen Mode daran in etwas vergeſſen / aber die ledernen Taſchen / die er an die Seiten gehefftet / ſind ſehr bequem. Cereb. Non culpa tantum vacat, ſed dignus quoque laude admirationeque eſt. Klin - genfeld: Guter Freund / ihr habt ja lange nicht ge - truncken / ſetzet doch die Flaſche einmahl wieder an den Mund. Cereb. Id re quàm verbis, faciam liben - tius. Klingenfeld: Leute / die ſolchen Durſt haben / wie ihr / muͤſſen wol deß Tages offt einziehen. Cereb. Id frequentius, quàm ut exemplo confirmandum ſit. Troll miſchete ſich jetzo abermahl darein / und ſagte: Dieſer Menſch wird euch / mein Herꝛ / all zu drieſte / er redet / was ihm in den Mund kommet. Cereb. Quid dulcius, quam habere, quo cum omnia audeas ſic loqui, ut tecum. Troll: Jch ſage dir aber / daß du hinfuͤhro mit dieſem Cavallier beſcheidener redeſt. Cereb. Ecce. quem penes eſt omnis poteſtas. Troll: Halte deinenSchmaͤh -223Romans I. Buch. Schmaͤh-Mund / oder ich werde dir doch dieſen Abend noch den rothen Safft herauß jagen. Cereb. Juſtitiæ primum munus eſt, ut ne cui quis noceat, niſi laceſſi - tus injuriâ. Klingenfeld: Meynet ihr wol / daß man im Himmel auch Wein trincken werde? Cereb. Ego vitam Deorum propterea ſempiternam eſſe arbitror, quod voluptates eorum propriæ ſunt, Klingenfeld: So haltet ihr gewiß die Leute / die ſtaͤts freſſen / vor hoch gluͤckſeelig? Cereb. Miſer homo, qui ipſe ſibi quod quærit, id ægrè invenit. Sed ille miſerior, qui & ægrè quærit, & nihil invenit. Ille miſerrimus, qui cum eſſe cupit, quod edat non habet. Troll: Darauß mag ja ein Jeder urtheilen / daß mein Stand loͤblicher ſey / als deß Cerebacchii. Cereb. Quò quisque ingenio minus valet, hoc ſe magis attollere, & dilatare cona - tur. Hiermit langete er nach einer vollen Flaſchen mit Wein / und wolte ſolche an den Mund ſetzen / Klin - genfeld aber beſtraffete ihn / daß er ſo gar keine Maß zu halten wuͤſte. Worauf Cereb. Nihil addubito, quin, quâ es humanitate, hanc meam voluntatem ſis boni conſulturus. Jener hielte ihm fuͤr / daß er ja am folgenden Morgen dieſe Flaſche wieder finden / und alsdann außleeren koͤnte / aber Cerebacchius ſchuͤttelte den Kopff mit dieſen Worten: Quid enim eſt ſtul - tius, quam incerta pro certis habere, falſa pro veris? Als ihm Troll hieruͤber die Flaſche auß der Hand riſſe / und ſeinen Becher darauß fuͤllete / muſte er dieſe Worte von Jenem anhoͤren: Qui ſe victoria licen - tius, liberiusque, quàm rectius uſuros credebant. Dar - auf nahm er die Flaſche / und trunck den Reſt in einem Anſatz hinein. Klingenfeld aber ſprach: Jch halte / es wird Zeit ſeyn / daß wir ſchlaffen gehen / und nach - dem Cerebacchius hierauf geantwortet: Diem con - ſumi volebant, id quod factum eſt, da giengen ſie miteinan -224Deß Academiſcheneinander auß der Stuben in die angewieſene Kam - mern / allwo ſich der Printz mit Klingenfeld noch uͤber ein und anders befragte / hernach aber ſchlieffen ſie ein / und genoſſen der angenehmen Ruhe / biß ihnen am folgenden Morgen die Sonne durch ihre Strah - len muntere Augen machete. Am folgenden Tage / als unſere Compagnie ſich den Federn allbereits ent - nommen / da kamen allererſt die Jenige / welche den vorigen Abend dieſe Herberge beſtellet hatten / nach - dem alſo der Printz den Gaſtgeber befriediget / ließ er dem Cerebacchio ein Pferd langen / und alſo ſetzten ſie ſich mit einander auf / und erreichten die Stadt Padua in anderhalb Stunden ohne einigen Anſtoß.
Ein ſchlechter Candidatus. Ein Schweitzer diſcurriret / daß manchmahl ſchlechte Leute zu Magiſtern / Licentiaten und Doctoren promovirt werden / wider die Lehre und Regel der Alten.
SO bald ſie zum Thor hinein kamen / erblicketen ſie einen ſtarcken Zulauff von Menſchen / und als ſie forſcheten / was ſolcher zu bedeuten haͤt - te / ward ihnen angezeiget / daß ein Teutſcher auf den Catheder ſteigen wolte / um ein Doctor Medicinæ zu werden. Sie blieben demnach nicht lange in der Her - berge / ſondern giengen mit einander nach dem groſſen Collegio, und hoͤreten den Teutſchen Medicum diſpu - tiren / der aber ſo ſchlecht beſtund / daß man ihn an ei - nem andern Ort unmoͤglich wuͤrde angenommen ha - ben / dann er wuſte kein Latein herfuͤr zu bringen / ſon - dern ſprach lauter gebrochen Jtaliaͤniſch / war auch in der Medicin weniger beſchlagen / als ein Roßkam̃. Dannenhero wolten ſie ſich nicht laͤnger an ſeiner Diſputation aͤrgern / ſondern giengen wieder nach ih - rer Herberge / und beſtelleten eine gute Mahlzeit. Es kamen bald hernach etliche Studenten / und als ſieden225Romans I. Buch. den Cerebacchium erblicketen / verwunderten ſie ſich / und freueten ſich / daß er noch im Leben / inmaſſen ſie ihn vor todt beklaget haͤtten. Dieſe geſtunden / daß am vorigen Tag zwey Studenten auf anderthalbe Meile von der Stadt ſich mit einander geſchlagen / und darauf in einem Dorff ſich wieder vertragen haͤtten / da dann Cerebacchius mit bey dem Schmauß geweſen / und ſich dergeſtalt uͤberladen / daß er auf dem Ruckwege im Feld ligen blieben / und als ſie uͤber 2. Stunden hernach / und zwar in die Nacht hinein / zu dem Ort gekommen / um ihn auf einem Eſel fortzu - ſchleppen / haͤtten ſie ihn nicht mehr gefunden / wor - auß ſie geurtheilet / er muͤſſe erſchlagen und wegge - ſchleppet ſeyn.
Als endlich die Mittags-Zeit heran nahete, ſetze - ten ſich unſere Fremdlinge zu Tiſch / bey welchen ſich Cerebacchius ſehr beſcheidentlich zu halten wuſte / weil er nuͤchtern war. Hierbey erſchien ein anſehnlicher alter Mann auß der Schweitz / von deſſen Stand ſie zwar nichts wuſten / aber auß den Diſcurſen ließ er mercken / daß er von Jemand in wichtigen Affaires muͤſſe verſchicket ſeyn. Mit dieſem Schweitzer ließ ſich Klingenfeld in einen Diſcurs ein / und erzehlete ihm / wie ſchlecht der heutige Candidatus auf dem Catheder beſtanden. Der Schweitzer ſagte dargegen: Laſſet euch dieſes nicht verwundern / die Jtaliaͤner wurden Narren ſeyn / wann ſie nicht einen jeden Teutſchen / ſolte er auch ſein Lebtag von keiner Gram - matica gehoͤret haben / zur Promotion admittireten / dann ſie bekommen Geld darfuͤr / und ſchaffen ſie her - nach wieder ab. Aber keinen Landsmann werden ſie zum Doctor machen / der nicht wol beſchlagen waͤre. Jm uͤbrigen / wie gehet es auf unſern Teutſchen / ſo Catholiſchen / als Proteſtirenden Academien / was fuͤrPſeltzame226Deß Academiſchenſeltzame Magiſtros, Licentiatos und Doctores machet man daſelbſt wol / da moͤchte einem offt die Gall uͤber - gehen. Die Academiſchen Wuͤrden ſeyn gleichfalls Koͤnigliche Stuͤcke / welche allein den Tuͤchtigſten ſollen gegeben werden / damit ſie ihrer ſchweren Muͤhe und Arbeit hiernaͤchſt eine Ergoͤtzung moͤgen genieſ - ſen. Die Roͤmer pflegten ihre Krone und Tugend - Zeichen keinem andern nach erhaltenem Sieg zu er - theilen / als denen / die ſie wuͤrcklich verdienet hatten. Ehr iſt der Tugend Sold / ſagt der alte Ehrenhold. Ebener Maſſen glauben gelehrte Maͤnner / die Apoſtel haben keinem die Haͤnde auf - geleget / welche ſie untuͤchtig erkennet. Aber / auß den Policeyen ſeyn auch die Academien verderbet / indem die Academien den Policeyen gefolget. Die Poli - ceyen haben offt zu Sceptern / zu Purpur / zu Thro - nen erhaben / von Furcht / von Hoffnung / von Geld bezwungen / fuͤr welchen Nabal ſich ſchaͤmen durffte / ſie unter die Schafs-Knechte zu nehmen. Die Aca - demien haben offt zu Doctoren / zu Licentiaten / zu Magiſtern erhaben / von Dienſten / von Freundſchafft / von Geitz bezwungen / fuͤr welchen Priſcianus ſich ſchaͤ - men durffte / ſie unter ſeinen Schutz anzunehmen.
Das Concilium zu Coſtnitz entzuͤndete groſſes Ungluͤck / doch loͤſchete es dieſes Unweſen / und ſetzte: Ut de cætero floreat ſapientia, & vigeant literarum ſtudia, nullus ad titulos graduum & honorum aſſu - matur, niſi idoneus, & approbatus moribus, & ſcien - tia, atque bene meritus, nec ita levis, & nimium præ - cipitata promotio fiat. Nam ut notum eſt, & multis ridiculoſum, multi Magiſtrorum nomen obtinent, quos magis adhuc diſcipulos eſſe deceret, contra fa - cientes aut venientes, privilegiis, regalibus eisdemuniver -227Romans I. Buch. univerſitatibus conceſſis, ipſo jure priventur. Da - mit ins kuͤnfftige die Weißheit bluͤhe / und die freyen Studien wachſen und gruͤnen moͤgen / ſoll keiner zu den Tituln der Wuͤrden und Ehren angenommen werden / dann der dahin geſchickt und bewaͤhret gefunden iſt / an Sitten und Wiſſenſchafften / und ſonſten wol verdienet / und darum ſoll die Promo - tion nicht leichtlich und gar zu geſchwinde ergehen / dann / wie bewuſt / und vielen laͤcherlich iſt / viel tragen den Namen der Magiſtern / und gebuͤhrete ihnen noch unter den Schuͤlern zu lernen. Die wider dieſe Ordnung thun / ſollen der Koͤniglichen Freyheit / welche den Univerſitaͤten geſchencket / be - raubet werden.
Julius der Dritte / Roͤmiſche Biſchoff / hat die Bullen - oder Brieff-Doctoren / die unter ſeinem Na - men gemacht worden / ſelbſt verworffen. Jſt es dem - nach nicht eine geringe Urſach geweſen / daß der Adel die Academiſchen Wuͤrden verachtet / und ihrem Ge - ſchlecht fuͤr eine Schande gedeutet / ſo ihre Kinder ſolche annehmen wolten. Daß nun ſtoltze / aber nicht im geringſten erfahrne Leute ſeyn / auf Univerſitaͤten Doctores, Licentiaten uñ Magiſtri promovirt worden / wer wil es laͤugnen? Seyn Leute in Theologia auf Univerſitaͤten Doctores, Licentiati promovirt wor - den / die nicht gar 2. Jahr auf Univerſitaͤten haben ſtudiret / ſondern nach einem Magiſtellen ſich geſoͤh - net / niemahls einige Probe diſputando, opponendo, reſpondendo, declamando gethan / die nicht ein einzi - ges Specimen deß Fleiſſes und Geſchicklichkeit vor - zeigen koͤnnen. Jn Warheit / es ſeyn ſtoltze / aber im geringſten nicht erfahrne Leute / Doctoren und Licen - tiaten promovirt worden. Stoltze / weil ſie die Ehren kuͤrtzlich gefordert / die ohne Diebſtahl ihnen nichtP 2koͤnnen228Deß Academiſchenkoͤnnen gereichet werden / ſintemahl ſie erleuchteten Seelen / und nicht den Schmier-Bacchanten zuſtehet / Unerfahrne aber / ja wol Unerfahrne / die nichts ſtudi - ret / und nichts ſtudiren wollen. Das heiſſet nach den Apoſtoliſchen Regeln handeln: Nimm an Weißheit / nimm an Verſtand / vergiſſe nicht / und weiche nicht von der Rede meines Mundes / verlaß ſie nicht / ſo wird ſie dich behuͤten / dann der Weißheit Anfang iſt / wann man ſie gerne hoͤret / und die Klugheit lieber hat / dann alle Guͤter. Achte ſie hoch / ſo wird ſie dich erhoͤhen / und wird dich zu Ehren machen / wo du ſie hertzeſt. Sie wird dein Haupt ſchoͤn ſchmuͤcken / und wird dich zieren mit einer ſchoͤnen Krone. Jch be - ſorge / der Pſalm muͤſſe geaͤndert werden / der fraget und antwortet: Wer iſt / wie der Herꝛ unſer GOtt / der ſich ſo hoch geſetzet hat / und auf das Niedrigſte ſiehet im Himmel und auf Erden. Der den Geringen aufrichtet auß dem Staub / und erhoͤhet den Armen auß dem Koth / daß er ihn ſetze neben die Fuͤrſten / ne - ben die Fuͤrſten ſeines Volcks. Es wuͤrde uͤbel klin - gen / wann man ſagte: Wer iſt wie die Herren unſere Goͤtter bey Univerſitaͤten / die ſich ſo hoch geſetzet ha - ben / und auf den Niedrigen ſehen im Himmel und auf Erden / welche die Ungelehrten aufrichten auß dem Schuͤtzen-Staub / und erhoͤhen den naͤrriſchen Scholaren auß dem Koth / daß ſie ihn ſetzen neben die Fuͤrſten ihres Volcks. Es wird mangeln / dann De - canen und Profeſſoren ſeyn nicht uͤber alle Heyden / und ihre Ehre gehet nicht / ſo weit der Himmel iſt. Endlich bleibet der Spruch Salomonis: Die Wei - ſen werden Ehre erben / aber wann die Narren hoch kommen / werden ſie doch zu ſchanden.
Etliche berichten / dieſe oder jene Facultas Medi - cinæ promoviret zwar ungeſchickte Doctoren / muͤſſenaber229Romans I. Buch. aber zuſagen / innerhalb 5. Jahren die Artzney nicht zu treiben. Was iſt dieſes? Nur etwas. Von den Magiſtern viel zu ſchwaͤtzen / achte ich ohne Noth ſeyn / weilen vielen mangelt / das richtige Conjugiren / De - cliniren / Conſtruiren / und dergleichen Dinge. Die Facultaͤten ſeyn zu ruͤhmen / bey welchen die Candida - ten muͤſſen vorlegen die Jahre / in welchen ſie ſtudiret haben / die Exercitien / welche ſie gehalten haben / und die Zeugnuͤſſen / welche ſie von ihren Præceptoren er - langet haben.
Die Facultaͤten aber ſeyn hoch zu ſtraffen / welche bloſſen Vorſchrifften der hierunter behaltener Fuͤr - ſten / Grafen / Herren / ꝛc. trauen / von einem Glied ih - res Ordens ſich betaͤuben / daͤmpffen und blenden laſ - ſen. Jedoch / eine heilige Gabe ſtillet den Zorn / und ein Geſchenck im Schoß deß hefftigen Grim̃s / ſpricht Salomon. Auch die oͤffentlichen Gaben ſtillen den Zorn deß Examinanten / und das Geſchenck im Schoß deß hefftigen Profeſſoren Grimme. Aber / wer zu ſchencken hat / der iſt wie ein Edelſtein / wo er ſich hin - kehret / iſt er klug geachtet. Unterdeſſen aber iſt es eine Tod-Suͤnde / wann Jemand den hoͤchſten Grad in Theologia, Jurisprudentia, Medicina ſuchet / ihm aber das Gewiſſen ſeine Untuͤchtigkeit aufrucket. Es iſt eine Tod-Suͤnde an denen / die es ſuchen / und an de - nen / die es gewaͤhren. Hiervon reden die Canoniſten unterſchiedlicher Weiſe.
Ferner / werden fromme Chriſten fleiſſig erwe - gen / die Wichtigkeit der Sachen / dann welche unge - lehrte Leute promoviren zu hohen Graden / betriegen die Kirchen und Polyceyen / und das in ſehr wichti - gen Sachen. Beſcheidene Hof-Maͤnner ſchaͤmen ſich einen Stuͤmpler / der nur auf Trompeten blaͤren kan / zu dem Turnier der Fuͤrſten zu beſtellen; UndP 3manche230Deß Academiſchenmanche Univerſitaͤten ſchaͤmen ſich nicht / die Wol - fahrt gantzer Voͤlcker und groſſer Fuͤrſten / auch das Heyl ſo vieler tauſend Seelen den toͤlpiſchen Eſeln unter die Fuͤſſe zu ſtuͤrtzen. Dort doͤrffen Kuͤh-Hoͤrner und Saͤublaͤſer nicht kommen / und iſt doch Schimpff und Spiel; Allhier doͤrffen Bacchanten auftretten / und iſt gefaͤhrlicher Ernſt. Dann die hohen Graden werden darum verdienet / daß die Kirchen haben wa - ckere Prediger / die Ketzer zu widerlegen / und die Un - glaͤubigen zu bekehren. Daher trauen die Fuͤrſten und Biſchoͤffe den Academien / ſeyn ſie betrogen / ſie ſeyn mit unſchaͤtzlichen Suͤnden der Univerſitaͤten be - trogen.
Wann ein ungelehrter Theologus die Chriſtliche Religion durch ſeine Unwiſſenheit verſchnoͤdet den Heyden / oder den Gegentheil auß Furcht ſeiner Un - geſchicklichkeit fleucht; Wann ein ungelehrter Doctor Juris bey einem Fuͤrſten und Herren Rathsbeſtallung annimmt / und durch ſeine Ungeſchicklichkeit die Herꝛ - ſchafft und das Land in Gefahr und Noth bringet; Wann ein untuͤchtiger Advocat ſeinem Clienten die gerechteſte und klareſte Sache verleuret; Wann ein ungelehrter Artzt den Beth-rieſigen vor Balſam Gifft anſchmieret / und ſolchen erwuͤrget / haben nicht ſolche zu buͤſſen in der Hoͤllen / welche um Gelds wil - len auß Eſeln Doctoren machen / ihren Naͤchſten der Seeligkeit / deß Lebens / der Guͤter berauben / den Boͤſen warme Brieffe und Siegel geben mit voller Macht zu ſtehen und zu wuͤrgen? Zu geſchweigen / daß ſolche Promoventen an den Geſetzen Eyd-bruͤchig worden / den ſtinckenden Maulthieren die ſchoͤnſte Kleinodien anhaͤngen / und eine ruchloſe Faulheit an der ſtudirenden Jugend verurſachen / weil Aſinius, Porcus das machen / das leſen / das dichten / das ſchrei -ben /231Romans I. Buch. ben / das ſinnen / das durchwachen / durchleſen / das durchdichten / das durchſchreiben / das durchſinnen um die rothe Groſchen dermahleins verteutſchen / und fuͤr das ſcharffe Examen mit den Examinanten bey ſchertzhafftigen Schwencken / (loquor de caſibus mihi notis,) den ſuͤſſeſten Malvaſier zechen.
Kuͤrtzlich / die Wolfahrt der Kirchen und Poli - ceyen hafftet an der Redlichkeit der Univerſitaͤten / dargegen das Ungluͤck uͤber Kirchen und Policeyen rinnet auß der Truͤgerey der Univerſitaͤten. Solches hat auch gemercket das Concilium zu Trident Seſſ. 7. cap. 13. pag. 64. Editionis Venetæ, dann erſtlich hat es erlaubet / alle die zu examiniren / welche von Bi - ſchoͤffen / Prælaten / auch den Paͤpſtiſchen Legenten ſelbſt zu ſtattlichen Præbenten vorgeſtellet / erwaͤhlet und genennet worden / aber verboten / die Jenigen zu examiniren / welche von Univerſitaͤten und Collegien bey Univerſitaͤten vorgeſtellet / erwaͤhlet und genennet worden. Das iſt geſchehen den 3. Mertzen / im Jahr 1547. Am 11. deß Wintermonats / deß 1563. Jahrs hat ſich der Geiſt / welcher das Concilium regieret / dieſe Exception, die Univerſitaͤt betreffend / geendet / und das vorige ziemlich widerruffen / Seſſ. 24. cap. 18. pag. 236. alſo lauten die Wort an ſelbigem Ort: Præſentati ſeu electi vel nominati à quibusvis Eccle - ſiaſticis perſonis, etiam ſedis Apoſtolicæ nunciis, ad quævis Eccleſiaſtica beneficia non inſtituantur, nec confirmentur, neque admittantur, etiam prætextu cu - jusvis privilegii ſeu conſuetudine etiam ab immemo - rabili tempore præſcriptæ, niſi fuerint prius à locorum ordinariis examinati & idonei reperti. Et nullus ap - pellationis remedio ſe tueri poſſit, quo minus examen ſubire teneatur: præſentatis tamen electis ſeu nomi - natis ab Univerſitatibus, ſeu Collegiis generalium ſtu -P 4diorum232Deß Academiſchendiorum exceptis. Die / ſo den geiſtlichen Perſonen / in was Wuͤrden auch die ſeyn moͤgen / ja deß Apoſto - liſchen Stuhls Bottſchafften ſelbſt vorgeſtellet / er - waͤhlet oder ernennet werden / ſollen niemahls zu ei - nigen geiſtlichen Pfruͤnden eingeſetzet / beſtaͤttiget / oder zugelaſſen werden / auch nicht unter dem Schein eines Privilegii, oder einer von undencklicher Zeit hero verwalteten Gewohnheit / ſie ſeyen dann zuvor von der ordentlichen geiſtlichen Obrigkeit deſſelben Orts examinirt und tuͤchtig befunden worden / und ſoll keinem nachgelaſſen ſeyn / ſich durch das Mittel der Appellation deß Examinis zu entbrechen. Doch werden hiervon außgenommen / die / ſo von den Uni - verſitaͤten / oder den Collegiis der hohen Schulen vor - geſtellet / erwaͤhlet und ernannt werden.
Und abermahls: Expedit maximè animarum ſaluti, à dignis atque idoneis Parochis gubernari: id ut diligentius ac rectius perficiatur &c. Mit außdruͤck - licher Anzeige / es gereichet zu Befoͤrderung der See - len Seeligkeit / wann dieſelbige von wuͤrdigen und tuͤchtigen Pfarꝛ-Herren verſorget wurden. Derohal - ben dann vorgedachte Examina aufs beſte vorzuneh - men / nachmahls erwidert / und unter andern auch noch daruͤber dieſes verordnet worden / daß von den Examinatoribus, ob es gleich Doctores oder Licentiati der H. Schrifft / oder der geiſtlichen Rechten waͤren / ein Eyd geleiſtet werden ſoll / daß ſie / hindan geſetzt aller Menſchlichen Zuneigung / das Examen treulichſt verrichten / auch deßwegen weder zuvor noch hernach einige Gaben nehmen / oder im widrigen Fall ſie und die Geber deß ſchaͤndlichen Laſters der Simoney ſchuldig ſeyn wollen / von dem ſie Niemand abſolvi - ren koͤnte / ſie haͤtten ſich dann zuvor aller der geiſt - lichen Pfruͤnden / die ſie in der Zeit erlanget / wuͤrck -lich233Romans I. Buch. lich entlediget / und ſolten auch hinfuͤhro gantz unfaͤ - hig ſeyn / einige andere geiſtliche Pfruͤnde zu empfa - hen. Jnſonderheit aber befindet ſich auch bey dieſem Decret dieſer Anhang / daß hinwieder die Privilegia und Freyheiten / ſo den Univerſitaͤten verliehen wor - den / nicht gelten / noch angezogen werden koͤnten.
Gregorius Toloſanus diſputiret gruͤndlich von dem Handel / und auß ihm der gelehrte Jeſuit Ada - mus Contzen; Jſt der Muͤhe werth / daß wir beyde anziehen von Wort zu Wort: Neque Doctor indo - ctus debet frui privilegio Doctorum. Et certè tales, qui titulo tenus Doctores ſunt, & qui neglectu ſtudio - rum quod jam didicerant, amiſerunt, digni eſſent, qui iterum examinarentur, non quidem ab his, qui vo - lunt videri Rabini: nam cæcus cæcum duceret, ſed à Magiſtris eruditis, probatis Profeſſoribus, bonæ con - ſcientiæ, & à timentibus Deum, à Rectoribus & Refor - matoribus Scholarum, qui certè non minus neceſſarii ſunt in Republica, quàm viſitatores Eccleſiarum, ſed tales eſſent deputandi, qui in profeſſionibus ſeu facul - tatibus reformandis eſſent peritiſſimi, & munere Pro - feſſorum perfuncti laudabiliter fuiſſent, veterani & emeriti, & non aliunde, vel alii. Nec inficias imus, quin & æquum & ſalutare Reipublicæ putamus, appro - batum ſemel in Doctorem, poſſe iterum reprobari, ſi poſtea inveniatur per reformatores prædictos, vel per ipſos Magiſtros, qui antè approbarunt, inſuffiens: imò & inſignibus poſſe privari ſaltem privilegiis, niſi caſu, vel morbo, vel ſenectute fuerit ſcientia amiſſa. Sic Gordianus Cæſar: Grammaticos ſeu oratores, de -[c]reto ordinis probatos, ſi non ſe utiles ſtudentibus[p]ræbeant, denuò ab eodem ordine reprobari poſſe in -[c]ognitum non eſt. Nam & in his verſatur publica uti -[li]tas, cum propter præſumtionem doctrinæ DoctoresP 5ad234Deß Academiſchenad multa publica officia, & beneficia Eccleſiaſtica ad - mittantur, & imperitia eorum multos ita deceptos læ - dat. Quare examinatus, & probatus, in gradu Licen - tiæ, poteſt in examine Doctorum reprobari cum ex noya cauſa potuerit ſe in utilem reddere, veluti ſi ſit magna temporis diſtantia inter licentiam, aut proly - tatum, & Doctoratum petitum, vel quia uno tantum examine fuerit approbatus, & alia ſuperſunt, ſecun - dum ea, quæ notat Abbas Panormitanus.
Sic Sylveſter de doct. §. 5. Quintò quæritur, quæ requirantur doctorando, ne reprobetur, ſed approbe - tur? Et dico, quod Scholaris reprobari poteſt, non ſolum propter defectum ſcientiæ, quæ ſcilicet judi - canda eſt ſufficiens arbitrio doctorantium, ſed etiam morum: ut probatur in L. magiſtros. C. de Profeſſ. & Medi. Lit. X. junctæ de. II. de magi. & ita ſervat, con - ſuetudo; Unde ſex requiruntur in promovendo ad dignitatem magiſterii. Primò docendi peritia, id eſt ſcientia. Secundò dicendi facundia. Tertiò ſubtilitas interpretandi. Quartò docendi copia. Et hæc haben - tur in l. unica. C. de profeſſ. qui in ur. Conſt. libr. 12. Quintò Excellentia morum: Ut in d. l. Magiſtros. Sextò, motus fortitudinis, ut ſciat adverſus vim forti - tudine reſiſtere, lib. reddatur. C. de Profeſſ. & me. l. X. Unde pauci attingunt dignitatem doctoratus, ut dicit Bar. poteſt. Cy. ia l. omnes populi ff. de Juſt. & Jur. Et qui tempore approbationis habuit has conditiones, ſi poſtea efficiatur inutilis, degradandus eſt à docto - ratu, ut in l. Grammaticos C. de Profeſſ. & me li. X. Reprobari enim poteſt Doctor, vel Magiſter, ut ir l. 11. C. eo & no Bar. in l. ſed & reprobari ff. de excu tu. inprinc. ubi tex. dicit, Medicum poſſe reprobari, & idem in l. ut gradatim. §. reprobari ff. de mut. c hom. ſed non ſine cauſal. Pomponius ſcribit ff. de n - go. geſt.
Ein235Romans I. Buch.Ein ungelehrter Doctor ſoll nicht genieſſen der Freyheiten der Gelehrten / und gewiß die nur nach dem Titul Doctores ſeyn / und vergeſſen haben / was ſie zuvor gelernet / waͤren wuͤrdig / daß man ſie aufs neue examinirte / nicht zwar durch ſolche / welche wollen Ra - binnen geſcholten ſeyn / dann auf die Weiſe wuͤrde ein Blinder den andern fuͤhren / ſondern durch geſchickte Magiſtern / geuͤbte Profeſſoren / gewiſſenhafftige und Gottsfuͤrchtige Maͤnnern / Rectoren und Verbeſſerer / oder Ober-Aufſehern der Schulen / die fuͤrwahr in den Policeyen nicht weniger / als die Kirchen-Vaͤtter / noͤthig ſeyn. Zu dem waͤren ſolche zu erkieſen / welche die beſtaͤndigſte Erfahrung / wie Profeſſionen und Fa - cultaͤten zu reformiren und zu verbeſſern / auch ſelbſten die Profeſſion mit Lob verrichtet haͤtten / alte und wol - verdiente / und keine andere / wir laͤugnen nicht / ver - meynen vielmehr / es ſey billich / und der Policey heil - ſam / daß ein zuvor bewaͤhrter Doctor koͤnne verworf - fen werden / wofern er hernach durch gedachte Refor - matoren auch die Meiſter ſelbſten / die ihn bewaͤhret / untuͤchtig ergriffen wurden; Er koͤnne auch der Zier - den und Freyheiten beraubet werden / doch habe es eine andere Bedeutung / wann die Kunſt / oder Wiſ - ſenſchafft / durch Unfall / oder Kranckheit / oder Alter verlohren worden. Kaͤyſer Gordianus hat alſo ge - ordnet / die Grammatic-Lehrer / oder Redner / durch einhellige Schluͤſſe ihres Ordens gebilliget / wann ſie ſich nicht nuͤtzlich den Studenten erzeigen: Daß ſie hinwiederum von eben dem Orden koͤñen verworffen werden / iſt nicht unbewuſt. Dann auch in dem Fall betrifft es den gemeinen Nutzen / weil wegen Ver - muthung der Kunſt und Geſchicklichkeit die Doctoren zu offenen Aemtern und geiſtlichen Præbenden gelaſ - ſen worden / und derſelbigen Unwiſſenheit nachmahlsviel236Deß Academiſchenviel betreuget / und beleydiget. Derenthalben / wann einer examiniret / und bewaͤhret iſt zu den Wuͤrden der Licentiatur, kan er in dem Examine der Doctur verworffen werden / weil nicht unmuͤglich / daß er auß neuen Urſachen ſich untauglich mache / &c.
Sylveſter: Man fraget / was wird an dem / der be - gehret Doctor zu werden / erfordert / daß er nicht ver - worffen ſondern bewaͤhret werde? Jch ſage / daß ein Student kan verworffen werden / nicht nur wegen der Wiſſenſchafft / dann die muß richtig ſeyn / und / daß ſie richtig ſey zu ſolchen Wuͤrden / erkennet werde / ſon - dern auch wegen der Sitten Mangel. Daher werden 6. Stuͤcke erfordert an dem / der zu den Wuͤrden der Doctur ſoll befordert werden. Erſtlich / Erfahrenheit oder Wiſſenſchafft zu lehren. Zum Andern / Beredt - ſamkeit zu lehren. Zum Dritten / Scharffſinnigkeit zu erklaͤren. Zum Vierdten / Richtigkeit oder Uberfluß der Wiſſenſchafft zu lehren. Zum Fuͤnfften / Vortreff - lichkeit der Sitten. Zum Sechſten / Staͤrcke der Großmuͤthigkeit / daß er wiſſe der Gewalt mit Tapf - ferkeit zu widerſtehen. Item: Wer zu der Zeit / da er iſt bewaͤhret worden / dieſe Eigenſchafften gehabt / wann er nachmahls untuͤchtig wird / iſt er zu verſtoſſen von den Wuͤrden der Doctur. Bißher D. Adam. Contzen.
Solte man nach dieſen Stuͤcken etliche Docto - ren der H. Schifft beſchauen / was wuͤrde alsdann ge - ſchehen? Was ſoll es ſeyn? Dann die Wuͤrde der Doctur iſt vielen groben Hoͤltzern angebotten worden. Vielen groben Hoͤltzern iſt das kuͤnfftige Examen heimlich verrathen worden. Vielen groben Hoͤltzern iſt die Materia der Lectionen 7. oder 8. Wochen zuvor uͤber Land geſchrieben worden. Vielen ſeyn nur ge - meine / und ihnen angewohnete leichte und Leib - Quæſtiones, wie es wackere Studenten heiſſen / vor -gehalten237Romans I. Buch. gehalten worden / und vielen die Zahl der Canoni - ſchen und Apoſtoliſchen Buͤchern in der Bibel nicht gefraget worden? Wie waͤre es / wann von vielen die Zahl der Symboliſchen Buͤchern bey den Evangeli - ſchen Kirchen nicht gefraget worden? Von vielen der Jnhalt der Augſpurgiſchen Confeſſion nicht begehret worden? Vielen die Stellen auß den Prophetiſchen und Apoſtoliſchen Schrifften / welche den Candida - ten gebuͤhren / gnugſam zu erklaͤren / nicht 24. Stun - den / ſondern 24. Wochen / zuvor geſchickt / und wie ſol - che fuͤglich zu handeln / aufgezeichnet worden? Wie waͤre es / wann vielen keine Strittigkeit / welche die Juden und Heyden den Chriſten nicht ohne ſcharffe Witze und grimmige Liſtigkeit zu erregen pflegen / vorgeleget worden? Vielen keine Strittigkeit / wel - che die neuen Arrianer mit unglaublichem Schaden der Jugend treiben / vorgehalten worden? Vielen kei - ne Frage auß den Kirchen-Hiſtorien / keine auß den Concilien / keine auß dem Canoniſchen Recht / keine auß der Bibliſchen Geographia, Chorographia, To - pographia, vorgeleget worden? Vielen die ſchwere Gewiſſens-Faͤlle / auf welche Candidaten in dem ernſthafftigſten und ſchaͤrffeſten Examine antworten muͤſſen / zuvor zierlicher Weiſe beygebracht worden?
Solten auch Doctores der H. Schrifft die Zahl der Canoniſchen Buͤcher nicht voͤllig wiſſen? Solten auch Doctores ſeyn / und die Zahl der Symboliſchen Buͤcher nicht voͤllig wiſſen? Nicht voͤllig geſehen / ge - leſen und verſtanden haben? Solten auch Doctores ſeyn / und keinem Juden oder Heyden antworten koͤn - nen? Solten auch Doctores ſeyn / die die Ordnung der Canoniſchen Buͤcher / ſamt dem Jnnhalt eines Je - den / nicht wuͤſten? Solten auch Doctores ſeyn / und keinem Arrianer / Photinianer / Anabaptiſten antwor -ten238Deß Academiſchenten koͤnnen? Solten auch Doctores ſeyn / und die Kir - chen Hiſtorien von der Geburt Chriſti biß auf das hunderte oder zweyhunderte Jahr nicht wiſſen? Sol - ten Doctores ſeyn / und den Anfang / den Handel / den Außgang der Haupt-Concilien nicht wiſſen? Solten Doctores ſeyn / und den Anfang / den Handel / den Auß - gang der Ketzer und Ketzereyen / der Trenner und Trennereyen nicht wiſſen? Solten auch Doctores ſeyn / und den Anfang und Fortgang der Mißbraͤuche in den Kirchen nicht wiſſen? Solten auch Doctores ſeyn / und die Namen der reinen Vaͤtter / die Zahl der Verfolgungen in der erſten Apoſtoliſchen reinen Kir - chen nicht wiſſen? Solten auch Doctores ſeyn / und wie nach der Himmelfahrt Chriſti die Kirche außge - breitet / in Aſia, Africa, Europa; Zu welcher Zeit in Teutſchland / Jtalien / Gallien / Spanien / Britta - nien fortgepflantzet worden / nicht wiſſen? Nemlich / daß erfuͤllet worden die Regel Petri: Seyd allezeit bereit zur Verantwortung Jedermann / der Grund fordert der Hoffnung / die in euch iſt / und das mit Sanfftmuͤthigkeit / oder Furcht / und habt ein gut Ge - wiſſen / auf daß die / ſo von euch affterreden / als von Ubelthaͤtern / zu ſchanden werden / daß ſie geſchmaͤhet haben euren guten Wandel in Chriſto. Jch ſcheue mich / die Frage zu bejahen / und erſchrecke / ſolche zu verneinen. Si dignos quærimus, pauci promovendi ſunt, ſpricht Adamus Contzen: Suchen wir wuͤrdige Perſonen zu promoviren / ſo ſeyn wenige zu promo - viren / und haben die Facultaͤten / welche im̃erdar neue Doctores erſchaffen / und es GOtt wollen nachthun / (der ſprach: Es werde licht / und es ward licht. Aber wol ſprach er: Es werde eine Feſte zwiſchen den Waſ - ſern / und es ward eine Feſte. Er ſprach: Es verſam̃le ſich das Waſſer / und es geſchach alſo /) deſſen aber keinen ſtattlichen Ruhm zu gewarten.
Adamus239Romans I. Buch.Adamus Contzen hat geſehen die edleſten Juͤng - linge groſſer Herren Soͤhne / und der Fuͤrſten Bluts - Verwandte / die fleiſſig ſtudiret / haben das Zeugnuͤß ihrer Præceptoren begehret / aber die Academiſche Wuͤrden verachtet / und geſaget: Was in die Rapus beydes den Gelehrten und Ungelehrten gegeben wird / iſt keine Zeugnuͤß der Geſchicklichkeit / ſondern ein un - nuͤtz Gepraͤnge muͤſſiger und ſtoltzer Leute. Er hat auch geſehen Magiſtros in Artibus und Philoſophia, die nicht den Unterſcheid verſtanden / zwiſchen den dreyen Figuren der Syllogiſmen. Es unterlaͤſſet auch nicht Jtalien / (ſpricht er ferner /) uns taͤglich Bullen - und Brieff-Doctoren herauß zu ſenden / die kaum ſich be - ſinnen koͤnnen / in welcher Facultaͤt ſie promoviret. Schleuſſet hierauf / die Kirche duͤrffte den Jenigen wol examiniren / der bey der Univerſitaͤt promoviret / von welcher ungelehrte Lappen kommen. Gnug von dieſen. Ob aber auch zu Doctoren der H. Schrifft gemacht werden die Jenigen / welche in Academiſcher Jugend / in Freſſen / Sauffen / Schlemmen / Larven / Allamodiſchen Kleidungen / Federn / Waffen / Flu - chen / und ſonſten Unflaͤtereyen / ſich tapffer gebrau - chet? Jſt bedencklich zu fragen.
Cerebacchius hat ſeinen Diſcurs. Man findet offt gelehrte Diſputanten. Cerebacchius fuͤhret den Cavina in ein Wein - Hauß. Man beredet ſich / dem Cerebacchio eines anzubringen.
ALs der Schweitzer hiermit ſeine Rede geendiget / tratt Troll zu Cerebacchio, und lauſchete ihm dieſe Worte ins Ohr: Hoͤret ihr / (er muſte ihn hinfuͤhro auf ſeines Printzen Befehl beſſer / als im An - fang / reſpectiren /) was dieſer Mann ſaget / auf ſolche Weiſe werdet ihr in Ewigkeit kein Doctor Theologiæ werden. Cerebacchius lachete / und gab ihm dieſe Ant -wort:240Deß Academiſchenwort: Si Fortuna velit, fies de Rhetore Conſul, ſi velit hæc eadem, fies de Conſule Rhetor. Klingenfeld / der wol wuſte / daß er dem Printzen einen Gefallen erzet - gete / wann er ſich mit Cerebacchio wieder in einen Diſcurs einließ / ſprach zu demſelben anjetzo: Jch habe wol gehoͤret / was eure Worte geweſen / und bleibet es wol darbey / daß durch euer vieles Freſſen und Sauf - fen ihr euch aller Academiſchen Promotion werdet verluſtig machen. Cerebacchius ſprach: Venter præ - cepta non audit. Klingenfeld: Eſſe oportet, ut vivas, non vivere, ut edas, nec enim ab homine nunquam ſo - brio poſtulanda prudentia. Cereb. Vina parant ani - mos caloribus aptos: Cura fugit: Multo diluiturque mero. Tunc veniunt riſus, & pauper cornua ſumit. Tunc dolor & curæ, rugaque frontis abit. Klingenfeld: Jhr wiſſet warlich dem Wein das Lob fuͤrtrefflich zu ſprechen; Aber / wiſſet ihr auch wol / was Propertius ſaget / nemlich: Vino forma perit, vino corrumpitur ætas. Cereb. Mendaci homini ne verum quidem di - centi credere ſolemus. Klingenfeld: Jhr ſprechet ſehr frey von den Poeten / auf ein ander mahl muͤſſet ihr beſcheidener von ihnen reden. Cereb. Pictoribus atque Poëtis quidlibet audendi & dicendi ſemper fuit æqua poteſtas. Klingenfeld: Jch bitte euch / ſchweiget hier - von. Cereb. Alium ſilere, quod voles, primus ſile. Troll: Seyd ihr wieder unverſchaͤmt worden? Cereb. In Præ - ſentia Domini ſervum oportet magis eſſe mutum, quam piſcis. Der Schweitzer hatte kein ſonderlich Plaiſir an dieſem Schertz / dann er ſchiene gar ein ernſt - haffter Mann zu ſeyn / dannenhero ſprach er: Jch er - innere mich eines bekandten Teutſchen Candidati, der zum andern mahl von einer Univerſitaͤt / da er Doctor zu werden verlangete / abgewieſen ward; Als er aber / auf Interceſſion guter Freunde / zum dritten mahl ad -mittiret241Romans I. Buch. mittiret worden / ließ er es nicht allein gar ſchlecht li - gen / ſondern / da er kurtz hernach in einen Streit we - gen einer Erbſchafft verfiel / und fuͤr der Obrigkeit ein Verzeichnuͤß aller beweg-und unbeweglichen Guͤther herauß geben ſolte / da brachte er lauter hoch-trabende Doctor-Worte herfuͤr / und gab dem Verzeichnuͤß die - ſen Titul: Jurata Deſignatio omnium Mobiliorum & Immobiliorum. Von dieſem haͤtte man wol ſagen moͤgen: Si tacuiſſes, Philoſophus manſiſſes. Weil ihm das Latein zu ſchwer / moͤchte er wol bey der Mutter - Sprache geblieben ſeyn. Ein einziges Wort / eine Sylbe / ja ein Buchſtabe kan einen im Lateiniſchen gar bald verrathen / ob er es verſtehe / oder nicht. Hin - gegen habe ich auf Academien einen Menſchen ge - kañt / dem man es nicht angeſehen haͤtte / daß er ſo wol ſtudiret hatte / dieſer hatte zu Hauß / und in ſeiner Schul ſo wacker proficiret / daß er auch ſo gar ſeinen eigenen Profeſſoribus im Diſputiren iſt oben gelegen; Daher / weil man daſelbſt die Gradus Academicos, ſonderlich deß Doctorats Utriusque Juris, ihme nicht hat mittheilen / und geben koͤnnen / iſt er auf Koſten ſeines Lands-Fuͤrſten auf die Univerſitaͤt / allwo ich mich auch ſelbiger Zeit aufgehalten / geſchicket wor - den / um ein halb Jahr lang daſelbſt ſeine Studia zu perfectioniren / und endlich den Ehren-Grad deß Do - ctorats anzunehmen. Dieſer Kerl erzeigete ſich ſo Idiotiſch / plump und ungelehrt / daß ſein Profeſſor an ihm / wegen der Promotion, anfienge zu deſperiren; Ja / er bekennete auch offentlich / und zu verſchiedenen mahlen / bey ſeinen Herren Collegis, daß er an ſeinem Koſtgaͤnger und Diſcipul gar nicht finde / was man an ihm ſo ſtattlich gelobet.
Was geſchiehet? Auß Rath anderer Herren Profeſſoren / muſte ihm dieſer Kerl eine Theſin, adQdiſpu -242Deß Academiſchendiſputandum & defendendum, erwaͤhlen / worzu man ihm 3. Wochen Zeit vergoͤnnete. Dieſer aber nahm anfaͤnglich die allerſchwereſte Materie zu Hand / wieſe ſolche ſeinem Herꝛn Profeſſori, welcher daruͤber den Kopff geſchuͤttelt / und ihn gefraget / ob er ihm ge - traue / in ſo ſchwerer Materie beſtand zu ſeyn? Dieſer gab zur Antwort: Er verhoffete / was er nicht koͤnne / das werde ſein Herꝛ Profeſſor koͤnnen. An Statt der 3. beſtimmten Wochen / verfertigte er innerhalb zween Tagen etliche Boͤgen / mit ſo tieff-ſinniger Materie, und accuratem Stylo, daß ſich der Profeſſor nicht gnugſamlich daruͤber verwundern kunte.
Ferner wurde ihm auch die Wahl / Opponenten zu erſuchen / gegeben; Jndem aber der Profeſſor ver - meynete / er werde etwa nur Kerls aufſuchen / die Me - diocris Eruditionis und Scientiæ ſeyn / da hat er ihme die allerfuͤrtrefflichſte Ingenia und Subjecta erkieſet / welche nicht allein in Linguis Orientalibus, ſondern auch in Theoria & in omni Facultate trefflich verſiret / und wol durchgetrieben waren.
Dem Profeſſori war bey dieſer Sache faſt aͤng - ſter und baͤnger / als dem Defendenten ſelber. Der Tag und die Stunde zum offentlichen Diſputiren war da / die allergelehrteſten Auditores ſtelleten ſich ein / die Herren Opponenten begunten ihr Diſputir-Gewoͤhr nach einander aufzuheben; Der Defendent ſahe auf der Cathedra halb todt auß / und wurde Jedermann wegen ſeiner ſo albern Poſtur, an Statt ſeiner / faſt zu todt Angſt; Nachdem er aber die Syllogiſmos zier - lich nach einander reaſſumirte / dieſelbe Meiſterlich diſtinguirte / ſeine Diſtinctiones herꝛlich dilucidirte / und erklaͤrete / hat er ſich darinnen ſo Maſculos, ſo zier - lich und artig / ſo Grund-gelehrt und Ingenios auf - gefuͤhret / daß er nicht allein ſeine gelehrte und imDiſputi -243Romans I. Buch. Diſputiren wol-fundirte und practicirte Herren Op - ponenten mit der langen Naſen abgefertiget / und ſie dann und wann confundiret / ſondern hielte auch ſei - nem eigenen Herꝛn Profeſſori ſolchen Widerpart / daß weder Præſes, noch Opponens, ihnen mehr getrauen durfften / mit andern Dubiis und Motivis, ferner hinter ihn zu kommen / ſondern haben ihm ſaͤmtlich ad Gra - dum Doctoratus gratuliret / und ihn fuͤr wuͤrdigſt den - ſelben anzunehmen offentlich erkeñet / uñ proclamiret.
Eben ein ſolcher war auch Caramuel. Dieſer war ein Muͤnch / Ciſtertienſer-Ordens / von Geburt ein Spanier / und ein ſo gelehrter Mann / als jemahls ei - ner auf Erden geweſen. Er gieng in ein Teutſches Kloſter / allwo er ſich durch ſeine Schrifften der ge - lehrten Welt dermaſſen bekandt gemacht / daß ſich nicht wenig geforchten / mit ihme auß der Philoſophie zu diſputiren. Und weil er etwas ſcharff ſchiene / iſt er niemahlen zu einer hohen Charge promoviret wor - den / auß Forcht / er moͤchte zu viel reformiren.
Dieſes war das Haupt-Fundament, ſo ihn auß dem Kloſter gebracht / weil er geſuchet / eine Condi - tion bey einem Biſthum zu erlangen. Er raͤyſete in der Welt hin und wieder / und kame einsmahls Mor - gens fruͤhe in eine Stadt / allwo der Biſchoff ſelbiges Orts eine offentliche Diſputation faſt an allen Ecken der Stadt anſchlagen laſſen. Caramuel ſahe ſolches mit ſonderlichem Belieben / gabe einem Jungen auf der Gaſſen ein Trinckgeld / damit er ihn an den Ort fuͤhren ſolte / allwo man diſputiren wuͤrde. Er kom̃t hin / und der præſidirende Jeſuit war ſchon begriffen / die vorgebrachte Argumenta mit Diſtinguiren zu ſchlichten / als ſich Caramuel mit unter die Opponen - ten ſetzte.
Weil man ihn nun nicht kandte / wurde er vonQ 2allen244Deß Academiſchenallen außgelachet / und als der Biſchoff fragete / wer gegenwaͤrtiger Pfaff waͤre? Gab man ihm zur Ant - wort / es ſey vielleicht ein Dorff-Pfaff / welcher ſich voll geſoffen / und ungefaͤhr an den Ort gerathen waͤre. Seine Kleider waren wegen der vielen Raͤyſen ſehr beſudelt / deßwegen glaubete der Biſchoff ſelbſten / es muͤſſe dieſer ein liederlicher Geſell ſeyn. Caramuel bliebe aber ſo lange ſtillſchweigend ſitzen / biß die Ord - nung an ihn kame. Der Jeſuit wolte den Studenten / und allen Auditoribus, eine Luſt verurſachen / dann er hielte den Caramuel ſelbſten nur fuͤr einen lauſigen Dorff-Pfaffen / redete ihn derohalben mit dieſen La - teiniſchen Worten an: Quid attuliſti, Domine Paro - che, ex tuo hoſpitio? Was habt ihr / Herꝛ Pfarrer / Gutes auß dem Wirthshauß gebracht. Caramuel ſchuͤttelte den Kopff / und bathe / man ſolle ihme die Theſes communiciren. Als er ſolche in die Haͤnde be - kommen / ſiengen alle Anweſende an zu lachen / dann ſie ſpanneten ſchon auf deſſen laͤcherliche Fauten / die er da begehen wurde / angemercket / daß ſolche diſputabi - lis Materia fuͤr einen Dorff-Pfaffen viel zu hoch-wich - tig war.
Aber Caramuel legete ihnen den Hochmuth / und die Verachtung gegen ihme / bald darnieder / dann er fienge an / und ſagte / er begehre 3. Stuͤcke von dem Præſide, alsdann wolle er diſputiren: Erſtlich / daß der Præſes allein antworten ſolte? Fuͤrs Andere / daß er auf ſeine Argumenta auch formaliter procediren wolle? Und zum Dritten / daß er ſo lange mit ihm zu diſputi - ren verſpraͤche / als es ihm / dem Caramuel, beliebete? Dieſe 3. Stuͤcke verurſachten in dem Biſchoff / Præſi - de, Studenten / und in allen Auditoribus, weit andere Muthmaſſungen und Gedancken. Hieruͤber befahl der Biſchoff dem Jeſuiten / mit ihm zu diſputiren / ſo ſehr er ſich auch darwider geweigert.
Hierauf245Romans I. Buch.Hierauf ſuchet Caramuel eine hohe Subtilitaͤt / ſo der Jeſuit nicht verſtanden. Er nahm eine leichtere / und verfuͤhrete den Præſidem dergeſtalten / daß er dem Caramuel anbotte / den Cathedram zu betretten. Da ſagte der Biſchoff / man ſolle forſchen / wer eigentlich dieſer Moͤnch ſey? Caramuel wolte es nicht ſagen / deßwegen ſchickten ſie in die Stadt / aber vor dem Collegio ſtunde der Fuhr-Knecht / ſo ihn dahin ge - bracht / der fragete die vorbeygehende Studenten / ob der Herꝛ Krampel / (dann anders konte ihn dieſer grobe Geſell nicht nennen /) nicht bald herauß kom̃en wuͤrde? Auß dieſen Worten verſtunden die Studen - ten alsbald / daß es der Muͤnch Caramuel ſeyn muͤſte; Brachten demnach die Poſt zuruck / und der Biſchoff empfieng ihn ſelbſt / lud ihn zu ſich / und ſagete im Hin - außgehen: Nun glaube er veſtiglich / daß ein geſtu - dirter Kloſter-Muͤnch gelehrter ſeye / als 10. geſtudir - te Jeſuiten. Wurde auch gleich darauf vom Biſchoff promoviret / und zu hoͤhern Dignitaͤten befoͤrdert.
Der hochberuͤhmte Jeſuit Ariaga war deß vor - gedachten Caramuels Landsmann / und haben die Jeſuiten noch wenig ſeines Gleichen gehabt. Dieſe Beyde lebeten zu einer Zeit / und haben einsmahls in Prag ſo eyferig und hitzig mit einander diſputiret / daß Ariaga, als welcher mit ſpitzfuͤndigen Quæſtionen und Reſolutionen vom Caramuel hintertrieben wor - den / auß dem Collegio gelauffen / und ſeinen Præſi - dem, den Caramuel, auf der Cathedra ſtehen laſſen / nachdem er zuvor die Theſes in Stuͤcken zerriſſen. Dann es iſt gar gewiß / daß Caramuel weit ein beſſe - rer Philoſophus, als der Ariaga, geweſen / obſchon Ariaga in der Theologia unvergleichlich geprieſen wurde.
Dergleichen Leute / ſprach der Printz / findet manQ 3anjetzo246Deß Academiſchenanjetzo wenige auf den Academien / oder auch in den Kloͤſtern. Der Printz bekraͤfftigte dieſe Worte / und da - mit lieff die Mahlzeit zum Ende / dannenhero ſtunden ſie mit einander auf / und weil Cavina Luſt hatte / die Stadt Padua zu beſehen / erbotte ſich Cerebacchius, mit ihm zu gehen / und ihm die fuͤrnehmſte Oerter der - ſelben zu zeigen / inmaſſen ihm dieſelbe / ſeit dem er all - hier geweſen / ziemlich bekandt worden. Alſo wander - ten ſie mit einander hin / und beſahen zuforderſt die Collegia der Academie, und als Cavina Luſt bezeigete / ein Mehrers zu ſehen / fuͤhrete ihn Cerebacchius in ein anſehnliches Hauß / und ſagete / daß er ihm daſelbſt et - was ſonderliches zu zeigen haͤtte. Er tratt darauf zum Haußknecht / und ſagete ihm etwas ins Ohr / gieng hernach mit Cavina ein wenig ſpatzieren / biß der Haußknecht wieder kam / und ſie mit einander in ein ſchoͤnes Logiment noͤthigte. Wie ſie da hinein kamen / funden ſie auf dem Tiſch 10. Flaſchen mit Wein / Je - der von einer beſondern Sorte / und Cerebacchius ſprach: Jn dieſem Hauß habe ich offt einen guten Tag gehabt / hier wird mein Herꝛ mehr Verſchieden - heit von herꝛlichen Getraͤncken finden / als irgend an einem Ort in gantz Jtalien. Cavina ſahe wol / worauf es angeſehen. Er goſſe ein wenig auß einer Flaſche / und trunck / ſtellete aber darneben dem Cerebacchio frey / zu trincken / worvon er wolte. Dieſer nahm dar - auf eine Flaſche nach der andern vor den Mund / und koſtete einen jeden Wein ins beſonder / ſagete her - nach / weil wir von allem Wein gekoſtet / muͤſſen wir alle Sorten bezahlen / und weil wir ſie alle bezahlen muͤſſen / iſt es am rathſamſten / daß wir ſie auch mit einander außtrincken / dann dieſer Hoſpes ſender kei - nen Wein auß dem Hauß / das iſt ſein ſonderbares Privilegium, welches er fuͤr groſſes Geld erkauffet hat.
Cavina247Romans I. Buch.Cavina ſahe wol / worauf es angeſehen war / er zog aber die Taſche / und nachdem er den vorgeſetzten Wein bezahlet / gab er dem Haußknecht ein Trinck - Geld / und ließ die Flaſchen nach ſeiner Herberge brin - gen / damit man ſie daſelbſt mit guter Muſſe genieſ - ſen moͤge. Darauf nahm er den Cerebacchium bey der Hand / und bathe ihn / daß er weiter mit ihm gehen moͤchte / er wolle ihm einen guten Abend machen. Die - ſer ließ ſich bewegen / und alſo giengen ſie mit einan - der fort / und beſahen / was Merckwuͤrdiges in Padua zu ſehen war. Gegen den Abend kamen ſie wieder nach Hauß / und waren rechtſchaffen muͤde. Cerebacchius, der ſchon eine gute Zeit mit Margara, deß Gaſtgebers Tochter / ziemlich bekandt geweſen / verfuͤgete ſich an - jetzo heimlich zu ihr / und bathe dieſe Nacht um eine Reuter-Zehrung. Sie aber / als die eines ehrlichen Gemuͤths / ließ ihn heßlich ablauffen / und ſeines We - ges gehen. Zu allem Gluͤck hatte ſolches Troll in ei - nem Winckel unvermerckt angehoͤret / der ſich in ſei - nem Hertzen darmit kitzelte / gieng demnach alſobald hin zu Klingenfeld / und erzehlete ihm / was er gehoͤret / erſuchete ihn auch / daß er ihm beyſtehen wolle / ſo hoffe er mit Cerebacchio, der ihm doch allemahl ein Dorn in den Augen geweſen / noch dieſen Abend eine artige Kurtzweil zu haben. Klingenfeld war deſſen zufrie - den / forſchete demnach / ob auch Cerebacchius Scha - den darbey zu beſorgen haͤtte / wo dem alſo / wolle er nichts darmit zu thun haben / dann er waͤre ſein ge - treuer Landsmann.
Troll ſchwur / daß nicht das Geringſte darbey zu beſorgen / und wolle er allen Schaden beſſern. Alſo ließ ihn Klingenfeld gewaͤhren / und gab ihm 2. Tha - ler darzu. Jnzwiſchen nun / da die Fremdlinge mit ein - ander ſpeiſen / und ſich bey dem vielfachen Wein / denQ 4Cavina248Deß AcademiſchenCavina hatte bringen laſſen / luſtig machen / gehet Troll zu der Margara, und uͤberleget es mit ihr / wie man dem Cerebacchio am fuͤglichſten eines anbringen moͤchte / das doch nicht blutete. Sie berathſchlagen ſich eine Weile mit einander / und weil die Jungfrau ſelber Luſt hatte / den unverſchaͤmten Freſſer und Sauffer / der ihr hatte Unehre zumuthen doͤrffen / ein wenig anlauffen zu laſſen / ſo gab ſie den Rath / man ſolle den Cerebacchium in ihrem Namen begruͤſſen / daß er ihr eine Flaſche von dem raren eingeſandten Wein uͤberlaſſen moͤchte / ſo wuͤrde dem Handel ſchon ein guter Anfang gemacht werden. Und es gieng auch alſo / wie wir weiter zu ver nehmen haben. Troll gieng hin zu Cerebacchio, und ſagete ihm ins Ohr: Sauff - Bartel / ich weiß nicht / woher eine Jungfrau noch ei - nige Gunſt zu euch tragen kan / es ſcheinet / daß ihr ein Negromanticus ſeyd / der durch eine Teufels-Kunſt die Hertzen der Menſchen an ſich locken kan. Die ſchoͤne Margara hat in der Kuchen von euch allein das Maul ſo voll / daß ich etliche mahl gewuͤnſchet / ihr moͤchtet in demſelben Augenblick zu einem Stachel - Schwein worden ſeyn / ſo wuͤrde ſie euch bald wieder außgeſpyen haben. Sie traͤget aber Verlangen / den ſchoͤnen Wein zu verſuchen / den ihr gekauffet / und groſſen Theils außgeſoffen / Cavina aber bezahlet hat. Sie iſt recht hellig darnach / und die Hitze deß Kuͤchen - Feuers machet ihr ſchier die Zunge im Mund bekle - ben. Sie uͤberſendet euch allhier ein rares Stuͤcklein von einer kalten Bologniſchen Wurſt / weil ſie weiß / daß euch ſehr groß darmit gedienet iſt.
Cerebacchius wird heßlich betrogen durch die Margara, und Troll verhandelt deſſen Kleider / woruͤber er mit einem Juden in groſ - ſen Streit kommt / der aber durch Trollen bald entſchieden wird.
CErebacchius hoͤrete hoch auf / und bildete ihm das Jenige ein / was ihm die andern gern wolten eingebildet haben. Er nahm ohne ſon - derliche Ceremonien eine Flaſche vom Tiſch / und gieng darmit ſelber in die Kuͤche / uͤberreichete ſolche der Margara, und weil er dardurch ziemlich kuͤhn wor - den / wolte er ſie kuͤſſen; Sie aber ſtieß ihn mit der Hand ſanffte von ſich / und ſagete: Laſſet es uns / biß wir allein kommen / verſparen. Dieſe Worte legete der Muͤnſter-Mañ alſobald zu ſeinem Vortheil auß / leitete ſie demnach an einen Ort allein / und forſchete / ob es nicht moͤglich / daß er ihr nur eine einzige Nacht aufwarten moͤchte? Sie wiſſe ja wol / wie manchen Gang er ihr zu Willen gethan haͤtte. Margara ſtellete ſich zwar etwas widerſinnig / doch alſo / daß er dar - durch mehr und mehr angereitzet ward / dannenhero gab er ihr ſolche gute Worte / daß ſie endlich ihm eine Stunde in dieſer Nacht beſtim̃te / auch ihre Kammer bedeutete / da er zu ihr kommen / und zu ihr einſchlei - chen moͤchte / jedoch mit dem Beding / daß er ſie mit keinem Finger ſolte beruͤhren. Cerebacchius war mit dieſer Reſolution beſſer zufrieden / als mit 2. Flaſchen Weins / gedachte wol: Goͤnnet ſie dir das Bette / ſo goͤnnet ſie dir auch wol etwas mehr.
Alſo gieng er wieder an die Tafel / und ſahe fuͤr Freuden und unzuͤchtiger Begierde ſo roth auß / als ein Calicutiſcher Hahn. Die Geſellſchafft ſahe es ihm wol an / und ob ſie ihn gleich deßfalls zur Rede ſtelle - ten / wolte er ihnen doch nichts ſonderliches darauf antworten. Jnzwiſchen aber ſam̃lete er alſo ein / daß ein anderer wol 8. Tage darmit haͤtte zukommen moͤ - gen. Troll lachete in ſeinem Hertzen / und hoffete / der Geſellſchafft eine luſtige Ergoͤtzlichkeit zu machen. Er kitzelte ſich mit der Margara, welche dieſe HeimlichkeitQ 5ihrer250Deß Academiſchenihrer Hauß-Magd offenbahrete / die eine alte Frau auß der Nachbarſchafft holen muſte / welche in der Jugend ein friſches Leben gefuͤhret / und hernach ſich zu einer Roſpian / oder Kupplerin / hatte brauchen laſ - ſen / biß ſie endlich ſo alt und ſcheußlich worden / daß ſich ihrer kein Menſch mehr bedienen wolte. Dieſe kam gar willig / und empfieng von Troll einen Reichs - Thaler / zu dem Ende / daß ſie ſich in der Margara Bette legen ſolte / woſelbſt ſie von einem jungen Courtiſan, deſſen man ſich auf alle moͤgliche Weiſe zu entbrechen ſuchte / dieſe Nacht uͤber ſolte bedienet werden. Die alte Frau war von Hertzen froh uͤber dieſes Geſchenck / noch mehr aber uͤber die froͤliche Nacht / nahm dem - nach von der Margara ein wolriechendes Waſſer / be - ſtrich ihren runtzlichten gelben Halß und Affen-glei - ches Angeſicht damit / daß ſie ein wenig Geruchs be - kaͤme / ließ ihr hernach etwas zu eſſen langen / und nachdem ſie einen Trunck Weins gethan auß der Flaſche / die von Cerebacchio war hergekommen / gieng ſie nach Hauß / und zog rein Leinwad an / kam auch zu beftimmter Zeit wieder / und ward von der Margara nach ihrem Zimmer und Bette gefuͤhret / darinn ſie ſich verkroche. Troll gieng mit hinein / und beſchauete ihren Kopff-Zierrath / und gantzen Nacht-Habit / den er ſo anmuthig befand / daß er ihm einbildete / dadurch auch dem tapfferſten Mann eine Furcht einzujagen. Sie nahmen endlich das Liecht mit hinauß / und die Jungfrau gieng in eine Kam̃er darneben / ſamt ihrer Magd / da inzwiſchen Troll ſich wieder zu der Geſell - ſchafft verfuͤgete.
Nachdem endlich die Tafel gehoben / bewog Klingenfeld die Compagnie, daß ſie gleichſam ein Verlangen truͤge / ſchlaffen zu gehen; Und da der Hauß-Knecht einem Jeden ſein Lager angezeiget /fuͤhrete251Romans I. Buch. fuͤhrete er den Cerebacchium in ein beſonder Gemach / um darinn gantz allein zu ſchlaffen. Er preiſete hier - auß ſeiner Margara Fuͤrſichtigkeit / als die auſſer Zweiffel nicht ohne Urſach ihm dieſen Ort allein ein - raumen laſſen / damit er dieſe Nacht uͤber / wann er die Runde gehen wuͤrde / von Niemand moͤchte geſe - hen werden. Er entkleidete ſich demnach / biß auf die Unter-Hoſen / legte ſich in das Bette / und erwartete der ihm angeſetzten Zeit / da er inzwiſchen ihm in ſei - nem Hertzen die Suͤſſigkeit ſeiner Freude dermaſſen fuͤrzuſtellen wuſte / daß er gantz auſſer ihm ſelber war. Endlich kam die Zeit heran / dannenhero ſtund er auf / und ſchlich fein ſaͤuberlich hin nach der Margara Kam - mer. Daſelbſt fuͤr der Thuͤr / ſtieß ihm die Hauß-Magd gantz leiſe mit dem Arm an / und ſagte: Signoro, mei - ne Jungfrau laͤſſet euch warnen / daß ihr bey Verluſt ihrer Gunſt nicht hart ſprechet / damit ſie nicht mit euch verrathen werde. Cerebacchius ſtrich ihr uͤber den Backen / und ſagte: Jch wil im Sprechen dieſe Nacht uͤber ein Hecht / und im Liebeln ein Gruͤndlein ſeyn. Alſo machte ſie ihm die Thuͤr fein ſanfft auf / und nachdem er hinein getretten / zog ſie dieſelbe wie - der zu ſich / und hieng ſie außwendig zu. Der Praſſer war voll Feuers der Unzucht / daß er weder das eine mercken / noch das andere hoͤren kunte. Er kunte / ob es gleich dunckel war / das Bett bald erblicken / warff demnach die Unter-Hoſen von ſich / ſchlich ſanffte hin - zu / kuͤſſete die alte Frau auf den Backen / und ſtieg zu ihr ins Bett hinein.
Was er daſelbſt fuͤr Handgebaͤrde und ſelzame Grimmaſſen gemacht / iſt in der Finſternuͤß nicht wol zu ſehen / ich ſchaͤme mich / auch viel darvon zu ſchrei - ben / und iſt mir leyd / daß ich ſo viel darvon geredet habe / jedoch hoffe ich / in den Schrancken der Ehrbar -keit252Deß Academiſchenkeit zu bleiben / ob gleich Cerebacchius der Zucht und Ehrbarkeit viel zu viel thaͤte / darbey aber doch / wider ſein wiſſen / gar haͤßlich betrogen ward.
Wir muͤſſen aber vernehmen / was fuͤr einen arti - gen Poſſen ihm inzwiſchen Troll ſpielete; Dieſer luſt-und liſtige Kumpe legte ein Spaniſch Kleid an / worzu ihm die Margara verholffen / er guͤrtete einen langen Degen an die eine / und einen Dolch an die andere Seite / die lange Haar kreuſelte er / ſetzte einen Spaniſchen Hut auf / und legte ein Pflaſter uͤber das eine Aug. Und weil er perfect Spaniſch redete / kunte er vor einen vollkommenen Spanier anjetzo paſſiren. Er gieng darauf in deß Cerebacchii Kammer / nahm ſeine Kleider und Degen / und nachdem ihm die Hauß - Magd / ſo mit ihm gieng / eines gewiſſen Schacher - Juden Hauß angewieſen / klopffete er daſelbſt an / und alſobald kam der Jud herunter / zu dem ſprach er: Jud / wann es die hohe Noth nicht erforderte / wolte ich dich bey ſo ſpaͤther Nacht nicht beunruhigen / du ſolt wiſſen / daß alleweil mein Camerad an einer ſchleunigen Kranckheit geſtorben / und Morgen fruͤh muß zur Erden gebracht werden / weil er nun keine Mittel hat / bin ich genoͤthiget worden / ſeine Kleider zu verkauffen / daß er darfuͤr moͤge begraben werden. Hiermit zeigete er ihm die Kleider / er wolte aber / weil ſie ſehr zerſchliſſen / nichts ſonderliches darauf bieten / jedoch ſtachen ihn die ſilbernen Knoͤpffe am Rock ſo viel in die Augen / daß er dem Troll 6. Reichs-Thaler darfuͤr zahlete / der damit ſeines Weges gieng / und ſich alſobald in ſein angewieſenes Bett niederlegte. Jnzwiſchen / da es gegen den Morgen gieng / ſtund Klingenfeld mit dem Printzen auf / Cavina verfuͤgete ſich auch zu ihnen / und weil alles ſchon verabredet war / giengen ſie mit einer kleinen Leuchten in die Kam -mer /253Romans I. Buch. mer / darinn Cerebacchius mit der Kupplerin lag / der deſſen zum hefftigſten erſchrack. Sie fragten / wie er hieher kommen waͤre? Er aber winckete / ſie moͤchten die Jungfrau nicht beſchaͤmen / noch einiges Geraͤuſch machen / damit ihre Eltern dardurch nicht munter wuͤrden.
Die Kupplerin verkroch ſich ſo tieff unter die Decke / als ſie immer kunte / und Klingenfeld fragte ihn / was er allhier machete? Cerebacchius ſprach: Nec quisquam eſt tam duro ingenio, nec tam firmo pectore, quin ubi quicquam occaſionis ſit, ſibi faciat bene. Cavina verwieß ihm dieſen Handel / und ſagte / ob er dann wol meynete / daß er ſich deßfalls rechtfer - tigen koͤnte? Cerebacchius lachete unter dieſen Wor - ten: Quin deceat, non videt ullus amans. Klingen - feld: Jhr ſoltet fein bey eurer alten Braut bleiben / ſo wuͤrde unſers Hauß-Wirths Kammer durch dieſe That nicht alſo verunreiniget. Cereb. Alienum no - bis, noſtrum plus aliis placet. Der Printz hatte nun - mehro außgelachet / dannenhero fragte er / was er fuͤr einen Buhlen haͤtte? Cerebacchius ſprach: Deß Hoſpitis caſtiſſima filia. Jn demſelben Augenblick tratt die Margara mit ihrer Magd und Mutter auch herein / da ſich dann Cerebacchius in ſeinem Hertzen ſchaͤmete / daß er nicht bey der Jungfrau / wie er ge - meynet / waͤre / er hub demnach die Decke auf / und er - blickete das gelb-ſchwartze runtzlichte Angeſicht der alten halb-vermoderten Kupplerin / mit welcher er ſich etliche Stunden her ſo luſtig gemacht / er gab ihr etliche Maulſchellen / und ſprang im Hembde zum Bette herauß / woruͤber ſich bey der Geſellſchafft ein ſolch hefftiges Gelaͤchter erhub / daß man es uͤber die gantze lange Straſſe vernehmen kunte. Die Alte ſchalt ihn auß / und rieff ihm ſolche Worte nach / die ihr ihre angebohrne Boßheit in den Mund gab.
Jch254Deß AcademiſchenJch bitte euch um eurer Redlichkeit willen / ſprach Cerebacchius, indem er ſeine Schlaff-Hoſen anzog / ſaget mir vielmehr / wer mir dieſen Poſſen mag geſpie - let haben / und haltet doch einmahl mit eurem Lachen ein / damit ich nicht vollends verzweiffele. Sie kunten ihm aber fuͤr Lachen nichts antworten / dannenhero nahm er ein Liecht / und gieng nach ſeiner Kammer / fand aber dieſelbe offen / und ſeine Kleider waren weg / woruͤber er ſich hefftig beklagete / daß die Ubrigen zu ihm kamen / und nicht wuſten / was ihm ſchaden moͤch - te. Sie funden aber ein Fenſter offen / das auf die Straſſe gieng / welches Troll mit Fleiß aufgemacht hatte / und darauf bildeten ſie ihnen ſamt Cerebacchio ein / es muͤſſe ihm ein Nacht-Dieb die Kleider geſtoh - len haben / wannenhero ſie ein hertzliches Mitleyden mit ihm hatten. Cerebacchius gedachte alſobald an den rechten / der ihm dieſen Poſſen muͤſte geſpielet ha - ben / gieng demnach in Trollen Kammer / fand aber denſelben dergeſtalt ſchnarchend / daß weder er / noch ſonſten einer / den geringſten Argwohn der Kleider halben auf ihn werffen kunte. Alſo legte ſich der Bacchuſ-Sohn in ſein Bette / und erwartete nebſt der gantzen Geſellſchafft deß anbrechenden Tages / und wie derſelbe erſchienen / rieff er der Hauß-Magd / und ſchalt ſie / daß ſie ein Mit-Glied derer geweſen / die ihm dieſen Handel gemacht / er ſandte ſie zu Troll / welcher zu ihm kam / und ſich ſtellete / als wann er groſſes Mitleyden mit ſeinem Ungluͤck haͤtte.
Cerebacchius erſuchte ihn freundlich / dahin be - dacht zu ſeyn / daß er wieder zu einem Kleid kommen moͤchte / inmaſſen er ja ſonſten Tag und Nacht auf dem Bette ligen muͤſſe / welches ihm beſchwerlicher ſeyn wuͤrde / als die aͤrgſte Marter. Troll ſprach: Jch weiß nicht / wo ich ſo bald ein fertiges Kleid bekom -men255Romans I. Buch. men moͤge / zu dem / habt ihr auch Geld / daß ihr eines bezahlen moͤget? Potz Velden / ſprach Cerebacchius, der Dieb hat mit dem Kleid auch alle meine Heller bekom̃en / wie fange ich es doch im̃ermehr an. Klin - genfeld iſt wol ſo ehrlich / und ſpricht ſo lange gut vor mich / biß ich wieder außgehen kan. Gehet nur hin / und thut euer Beſtes / daß ich die Mittags-Mahlzeit nicht verſaͤume. Alſo gieng Troll in ſeiner gewoͤhn - lichen Jtaliaͤniſchen Kleidung / mit einem kurtzen De - gen an der Seiten / hin zu dem vorigen Juden / und weil er kein Pflaſter mehr auf dem Aug hatte / auch Jtaliaͤniſch redete / und ſonſt gantz anderſt gekleidet war / kennete er ihn nicht mehr / dannenhero erſuchte ihn Troll / ob er einige gemachte Kleider haͤtte / weil ein Fremdling in dem und dem Wirths-Hauß / wel - ches er ihm bezeichnete / deren benoͤthiget / der Jud fuͤhrete ihn in ſeine Kammer / und zeigete ihm ſtatt - liche und ſchlechte Kleider / da er dann darunter auch deß Cerebacchii ſeine fand / die er ihm vor wenigen Stunden ſelber verkaufft hatte. Alſo ſuchte er etliche auß / und befahl ihm / uͤber eine halbe Stunde an den bezeichneten Ort zu kommen. Hiermit nahm er ſeinen Abſchied / und gieng ſeines Weges.
Das Verlangen deß Cerebacchii nach ihm war ſehr groß / und als er ſo bald wieder kam / preiſete er ſeinen Fleiß / und verſprach ihm zu dienen / wo er nur immer koͤnte. Aber / wie iſt es / ſprach er / kan ich auf den Mittag wol ein Kleid bekommen? Was wollet ihr mir geben / gab Jener zur Antwort / wann ich euch uͤber eine halbe Stunde eines ſchaffe / darinn ihr noch bey dem Fruͤhſtuͤck erſcheinen moͤget? O du edle Tu - gend / replicirte Cerebacchius anjetzo / deine Wuͤrdig - keit erkenne ich nun allererſt. Aber mein / ſaget mir / wo ſoll ich das Geld darfuͤr hernehmen? Jch traue /war256Deß Academiſchenwar die Antwort / euer Teutſcher Landsmann werde euch nicht verlaſſen / es mangelt ihm ja keines Weges am Geld / deſſen er ohnweit Mantua juͤngſt eine an - ſehnliche Summa mit geringer Muͤhe erworben hat. Jch habe einen Juden / zu dem mich der Hauß-Wirth gewieſen / hieher beſchieden / der ſagte mir / daß er alſo - bald kommen / und etliche Kleider mit ſich bringen wolle. Jch hoffe auch / er werde forderſamſt ſich ein - ſtellen / und euch befriedigen.
Es iſt nicht zu beſchreiben / wie ſehr ſich Cerebac - chius uͤber dieſe Zeitung erfreuete / er vergaß daruͤber ſeiner erlittenen Schmach gaͤntzlich / und warff alle Schuld auf die Margara und ihre Magd. Daruͤber kam der Jud endlich daher getretten mit einer ziem - lichen Laſt Kleider. Klingenfeld und Cavina, ſamt dem Printzen / tratten auch hinein / und als der Jud die Kleider auß einander geleget hatte / und ſelbige eines nach dem andern dem Cerebacchio fuͤrzeigete / er - blickete dieſer ſein eigen Kleid darunter / dannenhero ſtund er auf / legte daſſelbe fein ſaͤuberlich an / da in - zwiſchen die andern nicht wuſten / wie dieſer Hebrceer zu ſeinem Kleid muͤſſe gekommen ſeyn. Nachdem er ſich in ſeinem vollen Habit befand / ſprach er: Jud / was wilt du fuͤr dieſes Kleid haben? Er antwortete: Zwantzig Ducaten. Cereb. Jch wil dir dreiſſig geben. Jud: Das iſt mir ſo viel lieber. Hierauf ſahe ſich Cerebacchius nach einem Pruͤgel um / und als er einen Stock im Winckel gefunden / wolte er auf den Juden loßſchlagen / welcher ein hefftiges Geſchrey anfieng / aber der andere ſagte: Du haſt 20. gefordert / und ich habe dir 30. zugeſaget / was meyneſt du wol? Duca - ten? bey Leibe nicht. Jch meyne Schlaͤge / dann das iſt mein Kleid / welches du mir dieſe Nacht geſtohlen haſt. Der Jud fluchte und ſchwur bey ſeiner Scham̃a /daß257Romans I. Buch. daß es ihm zwar dieſe Nacht erſt gebracht worden / aber von einem Spanier mit einem Aug / dem er 20. Reichs-Thaler darfuͤr erleget haͤtte. Cerebacchius wolte mit dem Kleid darvon gehen / und behauptete / daß er nicht noͤthig habe / ſein Kleid zweymahl zu be - zahlen / es iſt mein Kleid / ſprach er / und bleibet mein Kleid / und eines andern wirſt du mich in Ewigkeit nicht uͤberzeugen / ich ruffe alle dieſe Herren zu Zeu - gen / daß ich es geſtern annoch getragen / und daß es mir dieſe Nacht geſtohlen worden.
Es wolte aber der Jud ſein Kleid nicht fahren laſſen / ſondern berieff ſich auf ſeinen Schutz-Brieff / faſſete alſo den Cerebacchium an / und hielte ihn feſte. Dieſer hingegen bemuͤhete ſich / loßzureiſſen / und dar - uͤber kamen ſie in Handgemeng / daß Cerebacchius endlich um Huͤlff rieff / und ſagte: Hat mich S. Vel - ten mit dieſem Beſchnittenen beſchmiſſen / helffet mir / daß ich ſeiner loß werde / dann ihr wiſſet / daß es mein eigenthuͤmliches Kleid iſt. Sie uͤberwerffen ſich etliche mahl auf der Erden / und die andern ſahen mit lachen - dem Munde zu. Endlich tratt Troll herbey / und riſſe den Juden vom andern hinweg / laß ihn zufrieden / ſprach er / was du vor das geſtohlene Kleid bezahlet haſt / ſoll dir wieder werden / und ein mehrers iſt man dir nicht geſtaͤndig. Nam eſt res vitio affecta. Wann ich meine 20. Reichs-Thaler / ſprach der Jud / die ich dafuͤr außgeleget / wieder bekomme / ſo bin ich zufrie - den / weil ihr ſprechet / daß ihm dieſes Kleid heute ſey geſtohlen worden. Troll zog jetzo die empfangene 6. Reichs-Thaler auß der Taſchen / legte ſie auf den Tiſch /