PRIMS Full-text transcription (HTML)
Poetiſchen Trich - ters zweyter Theil.
Handlend: I. Von der Poeterey Eigenſchaft / Wol - und Mißlaut der Reimen. II. Von den Poetiſchen Erfindungen / ſo aus dem Namen herruͤhren. III. Von Poetiſchen Erfindungen / ſo aus den Sachen und ihrẽ Vmſtaͤnden herflieſſen. IV. Von den Poetiſchen Gleichniſſen. V. Von den Schauſpielen ins gemein / und ab - ſonderlich von den Trauerſpielen. VI. Von den Freuden - und Hirtenſpielen. Samt einem Anhang von der Teutſchen Sprache: durch ein Mitglied Der Hochloͤblichen Fruchtbringenden Geſellſchaft.
Nuͤrnberg/Jn Verlegung Wolffgang Endters. M. DC. XLVJJJ.

Durch die Vbung und Beliebung.

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Mancher liebt das Lauten - Spiel /
traͤget darzu groſſen Luſt /
hat im Buch der Stuͤcke viel;
doch bleibt ihm noch unbewuſt
ſolche Kunſt / ſo ihm beliebet /
wann er ſie nicht taͤglich uͤbet.
Wem liebt der Poeten Spiel /
und traͤgt darzu guten Luſt /
lieſet der Gedichte viel /
hat den Kunſtgrieff nicht gewuſt /
wann er ohn Verſtaͤndniß liebet /
und ſich nicht im Dichten uͤbet.

Dem Wol Ehrwuͤrdigen / Wol Ed - len / Veſten und Hochbenamten Herrn Eberhart Muͤllern / Des hohen Stiffts zu Ham - burg vornemen Domherrn / und Elteſten da - ſelbſt / etc. Meinem inſonders hochgeehrten Herrn / und wehrten Frennde.

Wol-Ehrwuͤrdiger / Wol-Edler / Veſter vnd Hochbenamter Herꝛ / inſonders Hochgeehrter wehrter Freund.

UNter vielen feinẽ Kunſtſtuͤck - en Daniel Schwenders*Jn den Mathematiſchẽ Erquick ſtundẽ am 480 B lat. iſt auch eine Anweiſung / wie man das Waſſer durch Roͤh - rẽ wider ſein natuͤꝛliches Ge - wicht / aus tiefen Grund / uͤber einen Berg / auf ein hoͤhergelegenes Land / vermittelſt eines TRJCHTERS leiten und fuͤhren koͤnne. Ob nun wol dieſer Aufgabe Kunſt - ſinniger Beweiß unwiderſprechlich / ſo ſol - te doch ſolches Werkſtellungẽ nicht wenig Hinderungen hemmen und unterbrechen. Gleichergeſtalt bemuͤhe ich mich / die tief - quellenden Fluͤſſe des faſt entfernten Heli - cons / durch dieſen Trichter / uͤber muͤhſame Berge / in unſere hochteutſche Sprache zu uͤberbringen. Auf dem Papier iſt die Sa -cheZuſchrift. che leicht erweißlich: Jn dem Werke aber befinden ſich nicht wenig Hinderniß / maſ - ſen ihrer etliche geklagt / der Trichter ſey viel zu eng / und daß etliche Stuͤcke zwar angefuͤhrt / aber nicht gnugſam aus - gefuͤhret.

Andre klagen / daß ſie keine Poeten worden / ob ſie zwar den Trichter geleſen / und koͤnten ſo wenig ein Gedicht verabfaſ - ſen als zuvor: So viel / ſagen ſie / wer ihnen in dem Gedaͤchtniß geblieben / daß ſie nach Anleitung der natuͤrlichen Eigenſchaften unſrer Sprache wuͤſſten / welche Sylben lang oder kurtz / welche reimten / oder nicht reimten; allein koͤntẽ ſie noch den Anfang noch das Ende eines wolklingenden Ver - ſes zu Papier ſetzen / und mangle es allezeit an der Erfindung / von welcher in der erſten Stunde gar zu kurtze Anregung beſchehẽ.

Solchen Mangel nun zu erſetzen / hab ich nicht uͤmgehen ſollen / meine Wenigkeit noch ferner an Tag zu gebẽ / und die verſpro - chenen ſechs Stunden / jedoch wegen Kuͤr - tze der Zeit / nicht mit endlicher Vollkom -A iikmenheit /Zuſchrift. menheit / zu verfertigen: Benebens iſt auch nochmals zu erinnern / daß der Vnterricht alle Wiſſenſchaft beginnt / die vielfaͤltige Vbung aber ſelbe auswuͤrket und vollfuͤh - ret. Der Anfang iſt gleichſam der Schat - ten / den man fuͤr die Sache ſelbſtẽ nicht er - greiffẽ ſol. Solcher geſtalt ſind die erſten 6 Stunden ein Anfang / zu welchem noch viel ein Mehrers erfordert wird / wie zu Ende derſelben vermeldet worden.

Weiln aber / unter andern auch / mein inſonders hochgeehrter Herr / als ein ver - ſtaͤndiger Liebhaber der Teutſchen Spra - che / die vorbeſagten erſten Stunden dieſer Arbeit mit vieler unverſchuldter Gewogẽ - heit beguͤnſtiget / und durch den Ruͤſtigen / unſrer Fruchtbringendẽ Geſellſchaft hoch - verdientes Mitgelied / wegen ſolcher Fort - ſetzung nachfragen / und bittlich anmahnen laſſen: als hab ich meiner Schuldigkeit zu Folge / nicht unterlaſſen wollen / dieſe kurtze Zeit ſeinem beruͤhmten Namen zuzueig - nen / mit hertzlichem Anerwuͤnſchen / daß erlangeZuſchrift. lange Zeit mit allem erſprieſſlichen Woler - gehen verſchlieſſen / und endlich nach dieſer zeitlichen Eitelkeit / der ewigen Seeligkeit mit allen Frommen und Auserwehlten theilhafftig werden moͤge. Hiermit ver - bleibe ich / nechſt Empfehlung des Hoͤchſten gnaͤdiger Obhalt /

Meines inſonders Hochgeehrten Herrn Dienſtbegieriger Knecht G. P. H. beygenamt der Spielende.

A iiijVor -

Vorrede.

D zu der Poeterey abſonder - liche ſeltne Gaben der Natur / und die Erkundigung faſt al - ler Wiſſenſchaften vonnoͤh - ten / kan aus allẽ wolverfaſten und leſwuͤrdigen Gedichten beglaubet werden. Die natuͤrliche Faͤhigkeit ſolcher Kunſt beſtehet in einem darzu gleichſam gewidmeten Verſtand: Dann gleichwie nicht ein jeder / der redet und gehet / ſingen oder ſpꝛingen kan / weil ſeine Stimme / und ſeine Fuͤſſe darzu nicht ſchicklich / alſo kan auch nicht ein jeder ein Trauer - oder Freudenlied zu Papier ſetzen / darauß Feuer und Geiſt erhelle / dardurch er den Namen eines Poeten verdienen moͤchte.

2. Aus beruͤhrter Faͤhigkeit entſtehet der Luſt zu Poetiſiren / daher man ſihet / daß die Knaben / welche mit einem freudigen und wolgeartem Sinne begabt / zu ſolcher Beliebung tragen / und darinnen unter - richtet zu werden verlangen: Traͤge und ſchlaͤfferige Gemuͤter haben keinen LuſtzuVorrede. zu ſo edler Beluſtigung. Die Erfahrung bezeuget / daß bey den Knaben ſolcher Un - terſcheid ſich mit zuwachſenden Jahren und Verſtand leichtlich abmerken laͤſſet / und daß man etlichen das Versſchreiben verbieten muß / wie dem Ovidius / damit ſie nicht bey der Luſt - und Nebenarbeit / dẽ Haubtzweck ihres Studierens aus den Augen ſetzen; in welchem Fall die ſpate Reue zu befahren / maſſen alle Kuͤnſte ihre Liebhabere ernehren / die Poeterey aber laͤſſet die jenigen / ſo ſich auf ſelbe allein be - geben / betteln gehen.

3. Durch die Poeten aber verſtehen wir nicht derſelben ungluͤckſelige Mißge - burten / deren in des Poetiſchen Trichters Vorrede §. 6. gedacht worden / dann ſol - che ſo wenig Poeten / als die ungeſtalten Affen Menſchen / ob ſie uns wol unter al - len Thieren am aͤhnlichſtenſind. Wir ver - ſtehen auch nicht die jenigen / welche der loͤblichen Poeterey ſchaͤndlichſt miß - brauchen / und ſich nicht ſcheuen / mit kitz - lichen / ſchandbaren und unverantwort - lichen Liedern und Gedichten die Jugend zu aͤrgern: Deſwegen auch nicht anders zu ſtraffen / als die / welche gemeine BrunnenA vver -Vorrede. vergifften / oder andere mit der Peſt an - ſtecken: Jch ſage die Jugend: Maſſen wenig bejahrte Leute Zeit und Freude ha - ben Poeten zu leſen; weilen ſie ſich in der Jugend ſolcher Kuͤnſte nicht befliſſen / o - der weil die Bejahrte viel wichtiger Sor - gen ergeben: Ja Petracha / Ronſard und viel andere ſchreiben / daß in ihrem Alter kein guter Vers mehr / aus ihrer Feder fliſ - ſen wollen.

4. Es ſollen aber alle Liebhaber dieſer Kunſt getreueiferichſt gewaꝛnet ſeyn / daß ſie ſich von unreinen Liebsdichtern nicht verkuplen / und zur Unkeuſchheit verlei - ten laſſen. Ein Chriſtlicher Poet han - delt von der Liebe / als von einer Tugend / und bleibt in den Schranken der Erbar - keit. Die Weltling hingegen und Wollu - ſter ſchꝛeiben gleichſam mit einem Schwe - felholtz / aus welchem die buhleriſche Hu - renbrunſt aufflammet / und die unſchuldi - gen Hertzen entzuͤndet. Solche Gedich - te laſſen ſich mit den Egyptiſchen Froͤſchẽ vereinbaren / von welchen wir leſen /*2. Moſe. 8. v. 3. daß ſie gekommen in das Hauß / in die Kammer / auf die Lager und Bette / etc. in dem man ſich be -liebterVorrede. liebter unreinen Gedanken auch in dem Schlaf ſchwerlich erwehren kan. Ob nun wol in dergleichen boͤſen Buͤchern auch gute und ſchoͤne Wort zu finden / ſo iſt doch gewißlich darunter toͤdlicher Schlangen-Gifft verborgen / und moͤch - te man von ſolchen mit dem weiſen Mann ſagen:*Sirach. 12. v. 13. Wann ein Schlangen-Beſchwerer ge - biſſen wird / das jammert niemand als wenig / als wann einer mit wilden Thieren uͤmgehet / und von ihnen zerriſſen wird.

5. Es iſt die edle Poeterey eine Jungfrau / die ihr lange Zeit aufwarten laͤſſet / und nicht ſonder groſſe Muͤhe / benebens zu - vor beſagter Faͤhigkeit und Belieben / zu erwerben. Welcher ihr etwan ſechs Stunden Geſellſchaft geleiſtet / hat viel - leicht einen Zutritt erlangt / aber ihre Tu - gend noch lang nicht erkennen lernen / und muß er zuvor nicht mit geringer Wiſſen - ſchaft ausgezieret ſeyn / wann er dieſes Orts Ehre einlegen will. Wer ſich be - gnuͤgen laͤſſet dieſe Schoͤne von ferne zu gruͤſſen / dem wird ſie auch von ferne dan - ken; wer aber ihre mehrere Kundſchaft verlangt / muß ſeine beſtaͤndige LiebedurchVorrede. durch fernere Belernung erweiſen / und durch vielfaltige Ubung bedient machen.

6. Demnach nun die juͤngſtbeſchriebene ſechs Stunden von der Teutſchen Poete - rey ins gemein guͤnſtige Gewogenheit er - halten / iſt der Spielende von etlichen gu - ten Freunden zu Folgleiſtung ſeines getha - nen Verſprechens zu Verfaſſung der hin - terſtelligen ſechs Stunden / ermanet und bittlich angelanget worden. Wie er nun ſolche Bitt / fuͤr ein Gebot und freundliche Befehlswort aufgenommen / hat er ſol - chem zu gehorſamen ihn angelegen ſeyn laſſen / und gegenwaͤrtiges Werklein / nach ſeiner Wenigkeit / ausgefertiget; der unge - zweiffelten Hofnung / es werde / wo nicht den Gelehrten / jedoch den Anfaͤngern zu dienlicher Nachrichtung gedeyen.

7. Auf den Hohenſchulen werden zwar die Poeten erklaͤret / aber der Grund der Dichtkunſt / und die Anleitung denſelben nachzuahmen / wird / ſo viel mir wiſſend iſt / gaͤntzlich auf die Seiten geſetzet. Sol - cher Grund der Haubtgedichte / als da ſind Trauer - und Freudenſpiele / Feld - und Hirtenlieder / iſt zu finden in Ariſtotele, uͤber welchen der Jtalianer / Caſtelvetro,undVorrede. und der gelehrte Frantzos Maſnardiere, viel Streitfragen erregt / deren wir in die - ſem Werklein meiſtentheils gedenken muͤſ - ſen.

8. Ob nun wol ſich viel benuͤgenlaſſen / wann ſie etwan einem Freunde zu gefallen etliche Reimzeile aufſetzen koͤnnen / und nicht geſinnet ſeyn groſſe Werke zu unter - nehmen: ſo ſtehet doch wol / wañ man von andrer Arbeit mit gutem Verſtand rich - ten kan / und dienet zu merklicher Nach - richtung in kurtzen Lob - und Luſtgedich - ten: Maſſen die gefaͤllige Ubung ſolches ausfuͤndig machen wird. Jn allen Sa - chen ſol man auf die hoͤchſte Staffel der Vollkommenheit zielen / man verbleibet dannoch wol unter der Helffte. Es liegt auch nicht an dem geleſen haben / ſondern an dem Wiſſen / und der vielfaͤltigen Ubung / durch welche alle Kuͤnſte erhalten und be - halten werden.

9. Es bezeuget aber hiermit der Spie - lende / daß er keines Wegs in dem Wahn ſtehet / als ob er der Poeterey ein Meiſter / der andre zu lehren und Geſetze vorzu - ſchreiben vermoͤchte: Nein / keines wegs / ſondern iſt von jedem zu lernen und mehrVer -Vorrede. Verſtaͤndiger Gutachten dem ſeinen vor - zuziehen erbietig: Maſſen er hier nicht das Seinige / ſonder was er bey andern zuvor - benamten / aber vielleicht wenig bekanten Schribenten geleſen / wolmeinend an das Liecht bringen wollen: Des Vertrauens / er werde von ſo geringer Arbeit keine Schande haben / in dem er ſie keiner Ehre wuͤrdig achtet.

10. Man moͤchte ſagen / daß bereit ihrer viel von der Teutſchen Poeterey geſchrie - ben: Jſt wahr / aber keiner hat noch der Zeit das geſchrieben / was hier zu finden. Gleichwie es aber dẽ Jaͤger keine Schan - de iſt / wann er gleich nicht alles Wildpret auf einmal beſtricket; alſo kan auch dieſe Nacharbeit keinem veraͤchtlich ſeyn / und ſind alle angezogene Gedichte aus eigner Erfindung beygeſetzet / damit der Verfaſ - ſer keines Ausſchreibens beſchuldigt wer - den moͤchte. Lebe wol geliebter Leſer / und wuͤrdige dieſe Stunden mit guͤnſtiger Gewogenheit zu durchleſen.

Die1

Die ſiebende Stund. Von der Poeterey Ei - genſchaft.

OBwol der Redner faſt alle Zierlich - keit des Poeten gebraucht / ſo iſt doch ſeine Kunſt gegen jenen zu achten / als das Gehen gegen dem Dantzen; zu welchem / wie in der Vorrede gedacht / eine natuͤrliche Faͤhigkeit und gleichſam angeborne Geſchicklichkeit vonnoͤhten iſt. Es iſt bekant / daß vortreffliche Redner keine gute Poeten / und hin - wiederuͤm die Poeten ſelten gute Redner geben. Virgilius ſol wenig Wort gemacht haben / und hat ſich auf Befragen / mit dem Lob des niebereu - ten Stillſchweigens entſchuldiget / ſich / gleich vie - len andern / beluſtigend ſeinen Gedanken nachzu - hangen. Demoſthenes und Cicero haben kei - nen Vers ſchreiben koͤnnen und iſt der erſte unter dieſen beeden / wider alles Verhoffen durch groſſe Muͤhe / zu vollkommener Wolredenheit gelanget / in dem er gleichſam die natuͤrliche Vngeſchiklich -keit /[2]Die ſiebende Stund. keit / durch beharrlichen Fleiß uͤberwunden / wel - hes in der Poeterey ſchwerlich nachzuthun ſeyn ſolte.

2. Ob nun wol etliche zu wolermeldter Kunſt geboren / ſo iſt doch die Kunſt nicht mit ihnen ge - boren; ſondern muß erlernet werden / wie alles / was wir Menſchen wiſſen wollen. Man beob - achtet / daß die Kinder in der Wiegen gerne ſin - gen hoͤren; daß das Vieh bey dem Schaͤferslied lieber weidet / und daß kein Volk / ſo grob und Barbariſch es iſt / nicht eine Art der Muſic / deren Geiſt / und vernemliche Stimme die Verſe ſind / gebrauche. Daraus zu ſchlieſſen / daß die Men - ſchen eine natuͤrliche Neigung zu edelbeſagter Kunſt tragen; ja es kan ein Verſtaͤndiger / der von der Poeterey die geringſte Wiſſenſchaft nicht hat / leichtlich bemerken / wann etwan in dem Gedicht / uͤm eine Sylbe verſtoſſen / oder daß der Dichter kein gutes Vrtheil / etc. doch iſt / wie in dem Ge - maͤhl / ein Faͤhler ſichtbarer und leichter zu erkennẽ als der andre.

3. Dieſem nach ſol der Poet alles / was er lieſt / fleiſſig beobachten / und was er ſchreibt / reiflich be - trachten Wil es zu zeiten nicht von ſtatten gehen / ſo ſol er die gantze Sache beſeits legen / und zu an - derer Zeit / wann er aller ſchweren Gedanken ent - laden / wiederuͤm unter die Hand nehmen: oderauch3Die ſiebende Stund. auch wol jedes Gedicht etliche Tage liegen laſſen / und als dann mit guten Nachſinnen wideruͤm - berleſen / und bey ſich darvon / als von eines frem - den Werke urtheilen.

4. Wie nun die Kunſtgedichte den Verſtand des gemeinen Poͤvels weit uͤbertreffen / und die Perlen nicht fuͤr die Saͤue zu werffen; ſo hat man ſich an der Vngelehrten Vrtheil ſo wenig / als des Eſels Anſchreien zu kehren. Es iſt eine groſſe Beſcheidenheit / wann ſolche unpoetiſche Leſer ſa - gen: Jch verſtehe es nicht / und kan deswe - gen auch nicht darvon urtheilen. Die meinſten aber uͤbereilen ſich mit einem gantz un - zeitigen Ausſpruch / und werffen ſich aus ſch wuͤl - ſtiger und ruhmſuͤchtiger Nichtigkeit / zu Richtern auf / in ſolchen Sachen / ſo ſie die Zeit ihres Lebens noch gelernet / noch zu lernen begehren. Man muß aber in dem Poetiſiren abſonderlich auf die Beſchaffenheit der Perſonen ſehen / welche man darmit zu ehren vermeinet; allermaſſen niemand das wolgefallen kan / was er nicht verſtehet / und ihm gleichſam ſeine Vnwiſſenheit aufruͤkket: Jn welchem Fall ins gemein ſchlechter Dank darvon zu gewarten.

5. Es iſt aber eine Sache ſchwer / entweder an ſich ſelbſtẽ / alſo iſt nichts ſchwerers / als das Gold / oder aus Vnvermoͤgen deſſen / der ſie erheben ſoll /Bals4Die ſiebende Stund. als wann etwan ein Kind einen Laſt aufheben ſol - te / welches einen ſtarken Mann leicht zu thun ſeyn wuͤrde. Was nun dem Leſer / aus Vnwiſ - ſenheit ſchwer vorkommet / daran hat ſich der Poet nicht zu kehren / wann er daran nicht Vrſacher iſt / welches auf zweyerley Weiſe geſchehẽ kan. I. Wañ er fremde Wort aus den noch ungeteutſchten Wiſſenſchaften gebrauchet / deren Verſtand we - nig bekant / und derſelben lateiniſche Deutung nicht an den Rand beyſetzet / wie er thun ſolte. II. Wann er ſich durch das Reimgebaͤnd verleiten laͤſſet / daß ſich die Woͤrter nicht nach ihrer richti - gen Ordnung fuͤgen / und die Meinung unlauter machen; und dieſes iſt des Poeten Vngeſchick - lichkeit zuzuſchreiben. III. Wann er gar zu hohe und ſubtile Gedanken / welche der Lieblichkeit des Gedichts zuwider ſind / ausdrucken wil.

6. Wann aber die Einfaͤlle tiefſinnig und Ver - ſtandrichtig / hat er dreyerley Mittel ſich voͤllig zu erklaͤren: I. Kan er das Gemaͤhl zierlich zu Huͤlffe nemen / maſſen man mehr bilden / als ſchreiben und ausreden kan. II. Die Obſchrift / oder den Titel des Gedichts / dardurch des Leſers Sinn / auf den Anfangs unbekanten Zweck gerichtet wird / und in wenigen Worten beſtehen ſol. Jſt aber ſolches nicht genug / kan er II. die kurtze Ver - faſſung ſeiner Gedanken in ungebundener Redevorfuͤgen5Die ſiebende Stund. vorfuͤgen / oder ſelbe zu Ende nach Belieben er - klaͤren / oder auch etliche Anmerkungen dem Ge - dichte nachſetzen. Die Exempel ſind in den An - dachts-Gemaͤhlen zu ſehen.

7. Die Obſchriften / oder Titel der Gedichte ſind zweyerley / die erſten zielen auf derſelben Form / die andern auf den Jnhalt. Die Form des Gedichts beſtehet in dem Reimmaß / und da - her werden ſie benamt Jambiſche oder kurtzlange / Trocheiſche oder langkurtze / Dactyliſche oder langgekuͤrtzte / etc Klingreimen / oder Soñeten / Oden oder Lieder / Sechſtinen / etc. welches beyzufuͤgen gantz uͤberfluͤſſig / maſſen ein jeder das gemeine Reimmaß ableſend leichtlich beobachtet. Jſt aber ſolches noch unbekant und von dem Dichter erfunden / als in unſers Suchenden Reim-oder Verskunſt Widerkehr / Wieder - tritt / Gegentritt / Endſchall / Ringelrei - men / Reimreimen / Schillerreimen / Klappreimen / und viel andere Arten / welche billig obgeſetzet werden / weil ſie noch zum Theil unbekant.

8. Die Obſchrift / welche den Jnhalt des Ge - dichts vermeldet / iſt gleichsfals zweyerley / und be - deutet ſelben entweder ins gemein / als da ſind / Trauergedichte / Trau - oder Hochzeitge - dichte / (welche die Niederlaͤnder auchB ijFeſt -6Die ſiebende Stunde. Feſtgedichte nennen /) Geburtsgedichte / Traumgedichte / Liebsgedichte / Luſtge - dichte / Heldenlieder / Siegslieder / Win - tzerlieder / Trinklieder / Klaglieder / Feld - liedlein / Hirten-und Schaͤferlieder / etc. o - der weiſet den Jnhalt des Gedichts abſonderlich / dahin der Leſer ſeine Gedanken richten ſol / als da iſt die Ruhe des Gemuͤts / des Gekroͤnten / die Sicherheit der From̃en / in der 3. Stun - de §. 21. Werke des Glaubens / in der erſten Stund §. 19. und in den Andachts - Gemaͤhlen hin und wieder. Es kan aber auch zu Zeiten der Titel oder Obſchrift / die Form und den Jnhalt zu - gleich belangen / als in den Letter - oder Buch - ſtabwechslen / Sinnbildern / Wortgrif - lein / etc. und iſt dieſes nicht zu vergeſſen / daß das Woͤrtlein Reim eigentlich auf das Gebaͤnd / das Woͤrtlein Gedicht auf den Jnhalt / das Woͤrt - lein Lied auf das Geſang zielet / welcher Vnter - ſchied von ſehr wenigen bißhero geachtet worden.

9. Wie nun ein jedes Buch oder jede Schrift ſeinen Titel und Obſchrift haben ſol / alſo wird auch zu einem jeden Gedicht ein gewiſſer Titel er - fordert / und der Name deſſelben / welchem es zu Ehren verfaſſet / und gleichſam zugeſchrieben worden. Die Buͤchertitel nimmt man her von ihrem Jnhalt / den ſie behandlen / und nicht vonder7Die ſiebende Stunde. der Anzahl ihrer Capitel / oder Abtheilung: Alſo ſol man auch allezeit das Gedicht benamen von ſeinem Begriff / und nicht von dem Reimmaß / o - der der Versarte. So viel von den ſchweren Ge - dichten.

10. Ferners kan auch das Gedicht gar zu leicht / die Wort gar zu ſchlecht / und der Jnhalt gar zu einfaͤltig ſeyn / welchs gleichſowol des Dich - ters Vnverſtand erweiſet. Es muß unter der gebundnen und ungebundnen Rede ein Vnter - ſcheid ſeyn; allermaſſen auch derſelben Jnhalt einander keines wegs gleichet / oder gleichen ſoll.

11. Die Poeterey iſt eine Nachahmung * deſ - ſen / was iſt / oder ſeyn koͤnt. Wie nun der Mah - ler die ſichtbarliche Geſtalt uñ Beſchaffenheit vor Augen ſtellet / alſo bildet der Poet auf das eigent - lichſte die innerliche Bewantniß eines Dings. Ein Mahler muß natuͤrliche Farben gebrauchen / wann er Lob von ſeiner Arbeit haben wil: Der Poet muß eigentliche und den Sachen gemaͤſſe Wort fuͤhren / wann er mit ſeinem Gedicht beſte - hen ſol. Solche Wort muͤſſen mehrmals nach den Gruͤnden der Mutterſprach erfunden und gefuͤget werden / welches einem jeden zu thun er - laubt / und gehoͤrt hieher die fleiſſige Leſung aller Poeten in fremden Sprachen / daß wir ihrer Re - den Zierlichkeit / ſowol als ihrer Erfindungen Ar -B iijtigkeit8Die ſiebende Stund. tigkeit / in unſre Mutterſprache wolverſtaͤndig - berbringen. Jch ſage wolverſtaͤndig; dann wel - che dem Griechiſchen / Lateiniſchen / oder Frantzoͤ - ſichen gar zu gnau nachhangen / machen ſich bey den Vngelehrten veraͤchtlich / bey den Gelehrten laͤcherlich. Hiervon iſt Meldung geſchehen in der ſechſten Stunde.

12. Die Nachahmung des Poeten beſtehet nun in eigentlicher Beſchreibung der Sachen / da ſeine Wort gleichſam die Farben ſind / mit wel - chen er alles deutlichſt vorbildet: Oder in Erdich - tung gewiſſer Perſonen / denen er die Wort in den Mund leget / und derſelben Gedanken und Tha - ten vorſtellet. Die erſte Bildung iſt in unſren Ge - danken / die andre in unſrem Werck / die dritte in eines andern Werck / das unſrem nach gemacht wird / und dieſes letzte vollfuͤhret der Poet.

13. Ob nun wol der Poet bemuͤhet iſt neue Er - findungen an das Liecht zu bringen / ſo kan er doch nichts finden / deſſen Gleichheit nicht zuvor gewe - ſen / oder noch auf der Welt were. Solche Nachahmung aber kan er auf mancherley Weiſe verſtellen / und zu ſeinẽ Vorhaben dienen machen. Den wahren Gedichtẽ Vmſtaͤnde / und Fuͤgniſſen andichten / wie hernach mit mehrerm gedacht wer - denſol.

14. Von dem Mißlaut und Wollaut derVerſe9Die ſiebende Stund. Verſe ſind folgende Saͤtze zu beobachten. I. lau - tet ſehr uͤbel / wenn zwo gleiche Vor - oder Nachſyl - ben in eine Reimzeil geſetzet werden / als in den Vor - ſylben be.

Hoͤrt / jederman beginnt die Rauber zu beklagen.
Jn der Nachſylben er und en.
Der HErr erhoͤrt die Seinen / entfernet nicht
die Gnad / etc.

Hingegen klingt es wol / wann die Stammwoͤrter aufeinander treffen. Alſo:

Die Liebe liebet ſelbſt die vielbelobte Kunſt /
Der Luſt iſt ohne Luſt / ſo bald die Liſt erkannt.

II. Sollen in einem vollkommenen Gedicht zween verwandte Buchſtaben nicht aufeinander treffen / als da ſind t und d / g und k / b und p / wie auch w / v und b / ꝛc. dieweil hierdurch die Woͤr - ter gleichſam zuſammenflieſſen. Vbel klingt es in poetiſchen Ohren / wann ich ſetze:

Die Bitt dich ſolt erweichen fuͤr
Die Bitte ſolt erweichen
dich / O mein HErr und Gott.

Hier iſt auch nicht zu vergeſſen / was unſer Mind render in der Vorrede ſeines ſingendẽ Jſaja ver - meldet: Es iſt / ſagt er / bey vielen eingefuͤhret / daß wir das E in der ungebundnen Rede gar nicht / oder wenig ausſprechen / als: im Zorn / dem Gott / dem Heil / etc. da es nach der Sprach -B iiijlehre /10Die ſiebende Stunde. lehre / und nach der Nennendung (dem Caſu ab - lativo) und der Gebendung (dem Caſu dativo) beſſer ſtuͤnde: im Zorne / dem Gotte / dem Heile / etc Mich wil hierbey bedunken / daß die - ſe letzere Meinung / inſonderheit in den Reimen zu behalten ſeye / und derowegen habe ich nach ſolchen und dergleichẽ Woͤrtern allezeit einen ſelb - lautenden geſetzet / etc. Ein jeder ſchreibet nach ſei - ner Mundart / wie auch der Gekroͤnte gethan / und deswegen von dem Genoſſenen vertheidiget wird.

15. III. Machen die unordentlichen verſetzten Wort / das Gedichte uͤbellauten / und mehrmals auch unvernemlich / oder den Verſtand zweiffel - hafftig. Hingegen die letchtflieſſende Rede / ma - chet das Gedicht wolklingend. Mit den Teut - ſchen Gedichten hat es gantz eine andere Mei - nung / als mit den Lateiniſchen / in welchen die Woͤrter mit allem Fleiß verſetzet werden; und ſuchet der uͤbertreffliche Jeſuit Marius Betti - nus*Apiar. X. Progym. I. f. 21. & 22. einen Muficaliſchen Kunſtklang in folgen - den Verſen:

Cuncta11Die ſiebende Stunde.
Cuncta ne in æquoreos abierunt irrita ventos?
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diateßaron diateſſaron. Cuncta ne lethæis merſa feruntur aquis?
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ditonus diateſſaron. Qualis cæruleis tumido ſub gurgite terror Piſcibus.
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hexachordum. hexachordum. Vecta eſt frenato, cærula, piſce, Thetis.
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Diateſſeron ditonus Hexachordum.
B vJe12Die ſiebende Stund.

Dieſes gehet in unſrer Sprache nicht an / wie be - ſagt / und kan niemand davon urtheilen / der nicht die Muſic ſamt der Poeterey aus dem Grund verſtehet. Je kuͤrtzer aber / ſonderlich in den Lie - dern / die Meinung gebunden wird / je lieblicher iſt der Vers / und ſol eine jede Reimzeil zum we - nigſten mit einem Zwerchſtrichlein ſchlieſſen.

16. IV. Beruhet die Lieblichkeit des Gedichts in den vielfaͤltigen Reimworten / und derſelben rei - nen Schluß-Zum Exempel:

Sehet den bekraͤntzten Lentzen /
nun in unſren Grentzen glaͤntzen!
Seht im fetterfuͤlltem Feld /
ſich in gruͤnen Matten gatten
Blumen / in den blinden Schatten
unter jenem Baumgezelt.
Kommt die Fluten zu beſchauen /
ſo ſich mit den Auentrauen.

Jch haͤtte auch alſo ſagen koͤnnen.

Seht den neubegruͤnten Lentzen
in den nun erfreuten Grentzen.
wie das erſtbeſamte Feld
nechſt den gruͤnlich-gelben Matten
liebet jener Baumen Schatten
unter ihrer Aeſte Zelt.
Kommt13Die ſiebende Stund.
Kommt die Baͤche zu beſchauen /
die befeuchten unſer Auen.

Dergleichen Exempel ſind bey allen guten Poe - ten zu finden / und kan mehrmals in der Mitte die Wortgleichung den Reimen verſuͤſſen / wann es auch keine richtige Reimung iſt / wie zum Schluß - wort erfordert wird.

V. Beſtehet die Lieblichkeit des Gedichts in kunſt - richtigen Gebrauch / der Wahl und Abwechslung der Reimarten / welche Ariſtoteles*c. 5. de Poetica auch gut ſpricht / und billich ſol beobachtet werden. Es wird aber das Reimmaß veraͤndert I. wann ſich der Jnhalt aͤndert / oder daß der Vortrag auf eine ge - wiſſe Sache gezogen wird / wie die Exempel in den Andachts-Gemaͤhlen zu finden. II. Wann in den Trauer - oder Freudenſpielen ein unerwarter Fall ſich begiebet / und dardurch die Gemuͤter be - wogen werden / in dem die Hoffnung und Furcht widereinander ſtreiten. Alſo hat Seneca**in Hippolyto. den Theſeum / als er wegen ſeines Weibs Tod ſehr be - truͤbt / aus der Jambiſchen Reimart in die Tro - chaiſche fallen machen. Dergleichen auch Me - dea gethan / als ſie die Hoͤllen-Goͤtter zur Rache angeruffen. III. Werden auch die langen und kurtzen Verſe zierlich vermengt in den Liedern / ie -doch14Die ſiebende Stund. doch der geſtalt / daß das Reimmaß / aber nicht die Reimart geaͤndert werde: Das iſt / wann man Jambiſch angefangen / kan man wol ſechsſylbig / vierſylbige / und zweyſylbige Reimzeile ſolcher Art fuͤhren / aber keine Trochaiſche untermengen. Ein Exempel iſt in dẽ Lied / Wie ſchoͤn leucht uns der Morgenſtern / etc. nach welchen wir geſetzt das Lied: Was iſt doch ſchoͤner als die Blum.

Die15

Die achte Stund. Von den Poetiſchen Er - findungen.

ES iſt in der erſten Stund §. 15. ge - dacht worden / daß die Erfindun - gen hergefuͤhret werden von den Worten / oder von dem Sachen ſelbſten / derſelben Umſtaͤnden und Gleichniſſen. Von dem Wort flieſſen her vielerley Erfindungen. Als: I. Wann man die Namen der Perſonen betrachtet / welche man mit dem Gedicht zu ehren gewillet iſt / und auf ſelbe mit dem Jnhalt zielet /*Alluſio. als auf Reymund / kan ich bringen reines Munds ſeyn / oder des Rey - ens Mund. Der ſolchen Namen fuͤhret / moͤch - te / nach Begebenheit ſagen:

Jungfrau vertrauet mir / was euch be -
kuͤmmerthat /
ich halte reinen Mund / im Namen und
der That.

Die Jungfrau aber koͤnte antworten:

Jhr16Die achte Stund.
Jhr ſeyd des Reyens Mund mit Namen
und der That:
ihr ſinget / was man euch geheim vertrau -
et hat.

Hieher gehoͤren die Wortgleichungen*Paranomaſiæ. ſo in allen Reimgebaͤnden wolkommen.

2. Wann man den Reimſchluß alſo fuͤget / daß die erſten Buchſtaben den Namen ſamlen. Zum Exempel ſey erſtbeſagter Name Reimund.

R eitzt den Menſchen ſein Beginnen
E hr und Reichthum zu gewinnen /
Jn den Fruͤling ſeiner Zeit;
M er nach gar kurtzen Jahren
V ngluͤkk und viel Leids erfahren.
N echſt ihm ſteht der Tod bereit /
D er fuͤhrt zu der Ewigkeit.

Dieſe Art nennet unſer Suchender Vor - lauff / und laͤſſet ſich auf mancherley Weiſe ma - chen / daß nemlich die Buchſtaben zu ruͤcke in der Mitten oder zu Ende / oder in der Reimzeile nach - einander geleſen / den aufgegebenen Namen gleichſam verborgen ſchlieſſen. Ein Exempel der letzten Art ſey der Name

Degenwert.
Der17Die achte Stund.
Der Ehr Geitz Eben Nutzt /
Wie Eitler Reichthum Trutzt.

Weil aber dergleichen zu den Poetiſchen Fecht - ſpringen gehoͤrt / wollen wir ein mehrers darvon zu melden muͤſſigerm Nachdenken heimgeben.

3. Wann der Nam zu keiner Erfindung die - nen wil / ſo kan man die Buchſtaben verſetzen / und eine andere Meinung herausbringen / die Nie - derlaͤnder neñen es Letterkeer. Hierbey aber ſind folgende Lehrſetze zu beobachten. I. Daß die Teut - ſchen Namen mit Teutſchen Endungen den Let - terwechſel ſchlieſſen / daß nicht das Teutſche un - ter das Lateiniſche vermiſchet werde / und ſolches deswegen / weil die Endungen in Latein / as. es us, Andreas / Johannes / Georgius / ſehr hin - derlich / und verantwortlicher geſetzet wird Andꝛe / Johann / Georg / etc. maſſen man auch alle Lateiniſche Nachſatzwoͤrter / als Superintendent, General, Patricius, &c. mit Fug nicht gebrauchẽ kan. II. Muͤſſen in dem Wechſelſchluß alle Buch - ſtaben eingebracht und keiner mit dem andern faſt gleichlautenden veraͤndert werden; ſonſt iſt es un - artige Stimpelarbeit / und wider die Kunſt. Doch hat das H. als ein hauch - und kein vollſtimmiger Buchſtab die Befreyung / daß ſelber mag einge - bracht / oder ausgelaſſen werden. III. Sol derLetter -18Die achte Stunde. Letterwechſel eine gantze / oder zum wenigſten eine halbe Meinung geben / welche das Gemaͤhl voͤllig erſtatten kan und in das Reimgebaͤnd mit muß eingebracht werden. Zum Exempel: der Name des Teuren und Geiſtreichen Lehrers ſeeliger Ge - daͤchtniß

Johann Saubert:

Heiſſet verſetzt Jonas Abendruh. Hier iſt eine gantze Meinung / und das Gemaͤhl ein Zier / die auch kan ausgelaſſen werden: Die Erklaͤrung iſt zu leſen in dem CLXVII. Geſpraͤchſpiele §. 12. Der Letterwechſel iſt leichtlich zu finden / wann man die Buchſtaben des Namens auf kleine Hoͤltzlein ſchreibet und ſo langverrucket / bis eine halbe oder gantze Meinung herauskommet. G. S. CXLVI. §. 40. Jn erſtbeſagtem Exempel iſt die Meinung gantz / in folgenden halb und deswegen mit einem Gemaͤhl zu ergaͤntzen.

Die Fruchtbringende Geſellſchaft.
Durch einen Letterkehr:
Deutſcher Gegend lieblicher Safft.

Weil aber hier kein Stammwort / ſetze ich darzu das Fruchthorn / welches die Poeten der Amal - thee zugeeignet / zu bedeuten / daß ſolcher Safft Fruͤchte bringe. Hiernach richte ich auch das Reimmaß alſo:

Deutſcher19Die achte Stund.
[figure]
[figure]
DEutſcher Gegend lieblicher Safft
bringet allẽ niedliche Frucht /
hegt der edlen Tugenden
Zucht /
und der Sprache loͤbliche
Krafft /
Aller Deutſchen Namen zu ſchutzen /
und mit vielen Schriften zu nutzen.

4. Es koͤnnen auch viel ein - und zweyſylbige Woͤrter uͤmgeſetzet werden / und eine andere Meinung geben / als

Reimund: Dein Rum.
Degenwert: Gewert den.

Borg: grob. Raht: hart. Baur: Raub. Erde: Rede. Singe: Genieß. Diener: Nei - der. Dunſt: Stund. Gelt: Legt. Gras: Sarg. Erden: Ernde. Garb: Grab. Korn: Kron. Halm: Mahl. Rhe: Ehr. Gewalte: Alte Weg. Freyen: Eifern. Gar - ten: Tragen. Liebſte: Beſtiel. Markt: Kramt. Uhr: Ruh. Reben: Erben. Wie dieſer und andrer Auslegung zu leſen in dem VI. Theil der Geſpraͤchſpiele. Ja / ein Wort ſchlieſſt zu zeiten etliche Wechſel / die alle in eine ReimzeileCkoͤn -20Die achte Stund. koͤnnen verfaſſet werden / als Lieb / Beil / Leib / Blei / und wann man wil geſchehen laſſen / daß das i in ein verwechſelt werde / wie etliche wollẽ / kan es auch heiſſen uͤbel.

Die Lieb in unſrem Leib heiſſt uͤbel manch -
erley /
bald iſt ſie wie ein Beil / bald gantz erſtarr -
tes Blei.

5. Es begiebt ſich mehrmals / daß ein Buch - ſtab uͤberbleibt in der Auskunft des Worts / wel - cher in dem Gedicht mit nachfolgendem Wort muß verbunden werden; jedoch kan dieſes nicht fuͤglich beſchehen / es gehe dann ein vollſtaͤndiger Buchſtabwechſel vorher. Zum Exempel ſetze ich den Namen

Degenwehrt.

Der vollſtaͤndige Schluß / oder Auskunft der verwech ſelten Buchſtaben fuͤget folgendes:

1 Degen wehrt / 2 gewehrt den /
3 Ehrt den Weg / 4 der gewehrt.

Die unvollkommen Auskunften ſind:

5 Wegen der th. 6 reden Hegt w.
7 Weg / red enth. 8 geredten w.

Dieſes alles kan in ein Gedicht gebracht werden / nach gehenden Jnhalts.

Man21Die achte Stund.
Man acht deinen Degen wehrt / 1 wegen der
bewuſten That / 5
wie du dann von Jugend auf zu der Tu -
gend dich gewehnt; 4
Sie gewehrt den 2 Heldenmann / der ſich
ſtetig nach ihr ſehnt /
und ehrt den belobten Weg / 3 ſo man nennt
den engen Pfad.
Hinweg Red enthalte 7 dich reden hegt gar
wenig Lob. 6
aus geredtem Werk 8 erhellt der verdien -
ten Wuͤrden Prob.

Wir wollen noch ein Luſt gedicht ſetzen. Wann das Wort Weib durch die Endbuchſtaben ver - aͤndert wird / ſo kommt heraus / Weich / Weid / Weil / Weih / Weyr / Weitz / Weiſ / Wein / etc. Dieſe Woͤrtlein alle geben zu folgenden Ge - danken Anlaß.

Weiber-Lob.
Gleichwie das Woͤrtlein Weib ſich leicht -
lich laͤſſt verſtellen /
doch daß der Buchſtab W bleibt auf des
Namens Schwellen;
ſo weicht der Weiber Sinn; iſt bald der
Augen Weid / (Leid.
und ůber kurtze Weil ein Ehgeweihtes
C ijDas22Die achte Stund.
Das Weib gleicht einem Weyr der niemals
ſatt gefuͤllet /
ſie gleichet auch dem Weitz / der durch die
Naͤſſe quillet /
der Weiſe wird bethoͤrt durch Weiber
und den Wein /
doch wird hierbey dem Mann / mehr
wol als uͤbel ſeyn.
*ad exemplum I. Stratii Epigr. ult.
*

Die Woͤrter / welcher Veraͤnderung zu der Er - findung Anlaß gegeben / muͤſſen wegen beſſern Verſtands mit andern Druckbuchſtaben bemerk - et ſeyn.

6. Dieſen Erfindungen gleichen faſt die Wort - grifflein / deren Scaliger eine groſſe Anzahl er - ſonnen / und wol moͤchten genennet werden Wortraͤhtſel /*H. Schottels Verskunſt am 308. Blat. weil ſie in Luſtgedichten zu ſonderlichen Aufgaben koͤnnen gebraucht werdẽ. Hiervon iſt nun zu wiſſen: I. Daß man in denſel - ben beſſer kan fortkommen / wann man das au / ei / ſch / ch / zu zeiten auch das ſt / tz / pf und der - gleichen Doppelbuchſtaben fuͤr einfache gelten laͤſſt. II. Daß man die Woͤrter abtheilet / und den erſten Buchſtaben in den Einſylbigen die er - ſte Sylben aber in mehr ſylbigen Woͤrtern / nen - net das Haubt / den zweyten den Leib / oder denBauch23Die achte Stund. Bauch / den dritten den Fuß oder den Schwantz. III. Sol in einem Wortgrifflein mehr nicht / als ein Buchſtab oder eine Sylben / ſo mangelt / oder zu viel iſt / verhuͤllet werden / wann man gleich un - terſchiedliche der elben zuſammen in ein Reim - gebaͤnd bringet. Weil dieſe Erfindungen / mit welcher ſich wolermeldter Scaliger Barlaͤus uñ viel andere in Lateiniſcher Sprache ſehr beluſti - get / in dem Teutſchen noch fremd / wollen wir et - liche Exempel derſelben ſetzen.

Haus: ſau.
Jſt dein Haus ohne Haubt (oder Dach nem -
lich den Buchſt. H) ſo giebt es zu erkeñen /
Daß man auch hinter ſich kan deinen Na -
men nennen.
Weyr: Eyr.
Jch bin des Waſſers voll / mein Burger
iſt der Fiſch /
bin ich des Haubts beraubt (des Buchſtabs
w) ſo traͤgt man mich zu Tiſch.
Schul: Schuh.
Jch (die Schul) bin der Kinder Haß / ohn
mich ſie ſich gefehren:
Wañ ich den Fuß verliehr (den Buchſtab 1)
die Fuͤſſe mein begehren.
C iijDapfer:24Die achte Stund.
Dapfer: Pferd.
Jch bin des Mannes Lob / und werd ein
Helden Thier /
ſo bald man mich verkehrt / daß ich den
Hals (das a) verlier.
Adel: Nadel.
Jch bin der Tngend Zucht / der Ahnen Eh -
renmahl:
mich machet Fadenreich der Titel von
der Zahl.

Nemlich das Nbedeutet den Numerum.

Hoͤren / Hoͤrner.
Was murret doch der Hund? du kanſtes
leichtlich hoͤren /
er wil dir noch ein r*e enim eſtlitera canina. zur Ochſen-Kron
verehren.

7. Bevor wir zu den Zeit - oder Jahrreimen ſchreiten / wird dem Leſer nicht zu entgegen ſeyn / von Vrſprung der Zahlen der Gelehrten unter - ſchiedliche Meinungen / zu vernehmen. Etliche wollen / daß die Zahlen von den Puncten oder Tuͤpplen entſtanden / die hernach wie ein Lateini - ſches I hoͤher gezogen worden / alſo. /: / / /I, II,25Die achte Stund. I II. III, IIII weil aber der Strichlein zu viel wor - den / were die fuͤnffte Zahl mit dem fuͤnfftẽ Stim̃ - buchſtaben / V die zehende mit zwey gegeneinan - der ſtehenden VV, alſo X bemerket worden. Fuͤnf - tzig ſey ein halbliegendes V oder L / hundert der er - ſte Buchſtab von Centum. Fuͤnfhundert ſey ein ſolches gekruͤmtes L geweſen / und von den Vn - gelehrten Schreibern zu einem D gemachet wor - den / Tauſend M / komme her von dem Lateini - ſchen Mille.

8. Andre wollen es kommen ſolche Zahlen her von den Fingern / wie ſolche Meinung aus dem Paſquier angefuͤhret worden in dem CLXXVII. Geſpr. §. 24. und andrer Meinung beſchrieben wird von Beda, Pungio, Bettino, &c.

9. Die gemeinen Zahlen / ſo von den Roͤmk - ſchen unterſchieden / wollen etliche von den Grie - chiſchen Buchſtaben herholen. Wie wenig a - ber dieſelben gleichen / iſt leichtlich zuerſehen.

Wol ſagen ſie / man finde einen beſſeren Vr - ſprung / und laſſe uns inzwiſchen unſre Meinung.

10. Daß in der Hebreiſchen und Griechiſchen Sprache die Buchſtaben Zahlen bedeuten / und zwar nach ihrer Ordnung. / iſt auſſer: allemC iiijZweiffel.26Die achte Stund. Zweiffel. Daß aber dieſe Zahlen ſollen von den Buchſtaben entſtanden ſeyn / iſt nicht zu erſehen. Woher dann? Vielleicht von den Puͤnctlein / alſo:

[figure]

Das 0 oder Zero wird deswegen rund gebildet / weil alle Zahlen hier wieder anfangen / und gleich - ſam uͤmkehren / daß ſie von vorgeſetzten 9. Figu - ren eine jede Menge / ſie ſey auch beſchaffen / wie ſie wolle / begriffen werden muͤſſe. Dieſes 0 wird mit der Meßkunſt Tuͤppel oder dem Geometri - ſchen Punctverglichen / welcher keine Groͤſſe hat / aber doch aller Linien Groͤſſe verurſachet / alſo iſt das 0 keine Zahl / machet aber aller Zahlen Groͤſſe und Vielheit.

11. Gewiß iſt unſrem Verſtand nichts ge - maͤſſer als die Ordnung / ohne welche er ſolchen Namen nicht haben wuͤrde. Nun kan keine Ord - nung ohne die Zahlen beſtehen / daß daher etliche aus den Zahlbuchſtaben der Eheleute Namen / von eines oder des andern Todes fall aberglaubiſchzu27Die achte Stund. zu urtheilen vermeinen. Hiervon iſt in vor beſag - ten Scribenten zu leſen.

12. Belangend nun die Zahlreimen / ſind derſelben vornemlich zweyerley. I. Wann man nach der Lateiner Weiſe gebrauchet J / V / X / L / C / D / M / und ſolten bey dieſer Gebrauch die Stim̃ - buchſtaben J und V nicht fuͤr die Mitſtimmer J. V. geſetzet werden / maſſen alle Zahlbuchſtaben eines Geſchlechts ſeyn muͤſſen - Doch wird dieſe Vermiſchung durch den boͤſen Gebrauch gleich - ſam gerechtfertiget Es findet ſich die Jahrzahl M. D. C. XL. V. J J in folgender Zeil:

Man nennt Der reChten SaXen Lob Von
Freihelten.

Wegen des X / welches wir wenig gebrauchen / ſind dieſe Verſe boͤß zu ſetzen / und werdẽ die Zah - len fuͤglicher zerſchlagen wie aus folgendem Ex - empel erhellet.

Der hoChLob LIChen Fr VChtbr Jngen -
Den GeſeLLſCaſt Vrſpr Vng.

Hieraus kommet die Jahrzahl 1617. bemerkend den Anfang hochbemeldter Geſellſchaft Dieſe Jahr - oder Zahlſchriften dienen zwar den Poeten / wie zu ſehen in dem Teutſchen Palmbaum / und in dem 16. Gedichte dẽ V. Theil der Geſpraͤchſpiele vorgeſetzet / koͤnnen aber auch in ein kurtzes Reim -C vmaß28Die achte Stund. maß gebracht werden: wiewol ſeltẽ ohne Zwang / Zum Exempel:

Dieſe Reimart iſt faſt ſchwer und Lateiniſiret gar zu ſehr. Wer das Vund V. unterſcheidet / wie beſagter maſſen ſeyn ſolt / wuͤrde auſſer allẽ Zweif - fel eines Fehlers beſchuldiget werden.

13. Weil aber die Hebreer und Griechen mit den Buchſtaben zu zehlen pflegen / koͤnte man den - ſelben zu Folge / auch alle Mitſtimmer fuͤr Zahl - buchſtaben gebrauchen / alſo

Das w iſt ein doppelt v und kan in der Rechnung zweymal 80. oder 160 gelten. Zum Exempel:

Die wir Fried und Freude hoffen /
hat nun Streit und Leid betr offen.
Hoͤchſter / gieb doch dieſer Zeit /
endlich Sieg und Einigkeit.
Die29Die achte Stund.

14. Wolte man den Hebreern ferner nach ah - men / koͤnte man die Anfangsbuchſtaben / wie ſie die Endlettern zu den mehrerm Zahlen gebrau - chen alſo.

Nach dieſer Rechnung ſchriebe man die jetztlauf - fende Jahrzahl alſo: L. G. q. k. Dieſes wie auch alles anders / wird dem beliebten Gebrauch heim - gegeben.

15. Es iſt auch noch eine andere Art der Zahl - buchſtaben nemlich alſo:

30Die achte Stund.

Wie hiervon zu leſen H. D. Schottel in ſeiner Sprachkunſt am 205 Blat und in der Reim-o - der Verskunſt am 312. Blat.

16. Ob nun wol dieſe und dergleichen Erfin - dungen von den Woͤrtern und Buchſtaben her - genommen zu den Poetiſchen Fechtſpringen ge - rechnet werden / und wegen des Zwangs / und mehrer Muͤhe als Lieblichkeit wenig zu achten / ſo haben ſie doch in den Luſtgedichten / wegen ihrer Seltzamkeit einen feinen Gebrauch / und dieſes beſonders / daß ſie dem Ende allein / zu welchem ſie gewidmet / gleichkommen / da man oft trauer und Hochzeitgedichte in gleichen Begebenheiten ge - brauchen kan. Die Letterwechſel / wann ſie nach der Kunſt geſchloſſen / oder mit einem Sinn - bild artig verknuͤpfet / beluſtigen meines Erachtens vor allen andern.

Die31

Die neunde Stund. Von den Sachen ſelbſten / und ihren Vmſtaͤnden.

DIe zweyte Art der Erfindungen wird hergefuͤhrt von den Sachen ſelbſten / welche der Poet behandelt. Wie nun dieſelben unterſchiedlich / und mancherley / ſo muͤſſen auch in allen derſelben Wiſſenſchaft erfahren und kundig ſeyn. Wil er von den Sternen / und dem Himmel / Gewuͤlk / Blitz / Donner / Luftzeichen /*Meteoris. und ihrer Beſchaffenheit redẽ / ſo muß er derſelben Wiſſen - ſchaft eigentlich und vollſtaͤndig beſitzen. Wil er von den Baͤumen / Blumen / Fruͤchten / Erdge - waͤchſen und dergleichen reden / ſo muß er derſelbẽ Eigenſchaft erlernet haben. Wil er von der Ehre / Reichthum / Schoͤnheit / von den Tugenden und Laſtern handlen / ſo muß er der Sittenlehre nicht unerfahren ſeyn.

2. Hieraus erhellet etlicher maſſen / daß derPoet32Die neunde Stund. Poet / welcher dieſen Namen mit Ehren ſchuͤtzen wil, vielmehr als der Redner / wiſſen muß. Ja er hat von noͤhten die Kundigung vieler Geſchichte und aller Poetiſchen Gedichte: Eines Theils die Poetiſchen Reden ſattſam zuverſtehen / anders Theils denſelben mit Beſcheidenheit nachzuah - men / wie folgends ſol angefuͤhret werden. Von dieſen allen uͤmſtaͤndig zu reden / wil die Kuͤrtze dieſes Buͤchleins nicht leiden: Es iſt aber ſolche vielfaͤltige Wiſſenſchaft zu befinden ſowol in der alten und neuen Poeten wolverfaſſten Schrif - ten.

3. Hierbey kommet zu erinnern / daß der Poet in jeder Kunſt und Wiſſenſchaft die eigentlichen / und der Sachen gemaͤſſe Woͤrter beobachtẽ muß. Obwol noch der Zeit ſolche Kunſtwoͤrter in kein gewiſſes Werk zuſammen gebracht / wie bey den Frantzoſen / ſo kan man doch dieſelben hin und wieder finden / oder von den Meiſtern dieſer oder jener Arbeit / meiſterlich / wie ſie ſagen / reden lernẽ. Wer das Wildſchuͤtzen Latein nicht kan / dem wird man das Weidmeſſer ſchlagen: Wer un - recht von den Bergwerken redet / muß die Schich - te zahlen: Wer unverſtaͤndig von der Mahlerey redet / werden die Jungen / welche die Farbe reiben / auslachen. Gewißlich iſt dieſes kein geringesStuck33Die neunde Stund. Stuck / und iſt beſſer von einer Sache ſtillſchwei - gen / als unverſtaͤndig reden.

4. Jns gemein kan man von den Anfang / Mittel und Ende eines jeden Dinges genug zu redẽ finden. Als wañ man in den Trauergedichten von dem Tod / der ewigen Seeligkeit / des Menſch - lichen Lebens Kuͤrtze / Jammer und Eitelkeit han - delt. Jn den Hochzeit - oder Feſtgedichten / (wie es die Niederlaͤnder nennen) fuͤhret man an von des Eheſtands und der Liebe Beſchaffenheit / von dem Haushalten / von dem Kinderſegen / etc. Jn den Lobgedichten / pflegt man der vorweſenden Sache Vhrheber / erfordertẽ Fleiß / Nutzen und Frommen / etc. zu betrachten und ſolches alles oder nur ein Stuck derſelben mit Poetiſchen Wor - ten zu beſchreiben.

5. Hier ſollen aber alle Glieder des Gedichts gleichgeſtaltet beyſammengefuͤget ſeyn / allermaſ - ſen eine lange Naſen zu einem kurtzen Fuß / und eine kleine Hand zu einem groſſen Haubt / ſich - belſchicken wuͤrde. Sonderlich aber ſihet man des Poeten Kunſt in der Beſchreibung / welche ein redendes Gemaͤhl / und mit den natuͤrlichen Wor - ten eigentlichſt ausgebildet ſeyn ſol / von welchel - folget.

6. Drittens ſind die Vmſtaͤnde vornemlich dreyerley / welche zu feinen Erfindungen dienenkoͤn -34Die neunde Stund. koͤnnen / nemlich / Zeit / Ort und Perſonen / von jeden wollen wir abſonderlich kurtzen Bericht er - ſtatten.

7. Die Zeit in welcher etwas geſchehen / oder als geſchehen gedichtet wird / belanget nicht nur das Gegenwaͤrtige / ſondern auch das Vergange - ne und Zukuͤnfftige. Die gegenwaͤrtige Zeit wird betrachtet ins gemein / als die Kriegs - und Frie - dens-Zeit / die eiſerne / guldene / theure Zeit / etc oder abſonderlich nach dem Jahrgang / als da iſt der Lentz / der Sommer / der Herbſt / der Winter / oder auch nach dem Monat / und mehrmals nach Ab - theilung Tag und Nacht. Zum Exempel fuͤh - re ich ein den Morgen Mittag / Abend und Mit - ternacht / mit folgendem Hochzeit - oder Trau - liedlein.

1. Der Morgen.
Als die fruͤhe Morgenwacht
ihre Fackel aufgeſtecket /
und die ſchattentruͤbe Nacht
aus der lieben Ruh gebrach.
und erwecket;
Hoͤrt ich ein Getuͤmmel wallen /
wo das helle Jaͤgerhifft
durch die wilden Waͤlder trifft /
und die Thaͤler macht erſchallen:
Hoy35Die neunde Stund.
Hoy 'Jaͤger bindet an
auf dem Plan!
ſuchet durch das Nordgeflld /
wo der Hirſch in Bruͤnſten bruͤllt /
ihr fahrt auf der rechten Bahn /
*Alſo reden die Jaͤger auf der Wildbahn fahren.
*
alles Wild /
das ihr werdet heut beſtricken /
muß man auf die Hochzeit ſchicken.
2. Mittag.
Als der guldne Sonnenpracht
ſeine Flammen aufgeſtecket /
und der ſtrengen Stralen Macht /
an des Himmels Hoͤh gebracht /
und entdecket;
Sah ich ein Gewimmel wallen /
wo der naſſe Fiſcherſchifft /
und aufſeine Reiſen trifft /
nechſt die Pegnitz Nympfen lallen:
Hoͤret Schiffer / euren Kahn
lendet an /
wo das Schuppenheer verhuͤllt /
und die truͤben Fluten fuͤllt /
ihr ſeyd auf der rechten Bahn
wol gewillt.
was ihr werdet heut beſtricken /
muß man auf die Hochzeit ſchicken.
D3. Der36Die neunde Stund.
3. Der Abend.
Als des braunen Abendswacht
die Latern ausgeſtecket /
und des ſilbern Monden Pracht
zu beginn der muͤden Nacht /
ausgeſtrecket;
Hoͤrt ich ein Geflatter prallen /
wo der reine Gegenhall
reimet mit der Nachtigall /
und die Wort im Lufft erſchallen:
Hoͤrt ihr Vogler haltet an
auf dem Plan!
ſchnuͤꝛt den Schnepfen / wañ er rufft /
deckt die Lerchen in der Grufft /
ihr ſeyd auf der guten Bahn.
Was die Lufft
Euch wird geben zu beſtricken /
muß man auff die Hochzeit ſchicken.
4. Mitternacht.
Als die finſtre Schattenwacht
alles duͤſter uͤberdecket /
und die Furcht uͤm Mitternacht
ihre ſchwartz verblendte Macht
ausgehecket;
ſah37Die neunde Stund.
ſah ich Feuerflammen fallen /
nechſt berauchtẽ Schorſteinhut /
aus dem Aſchen blinkt die Glut /
und man hoͤrt die Wort erſchallen /
Holla! Koͤche / zuͤndet an
dieſen Span.
Wiſſet ihr nicht eure Pflicht?
Wuͤrget / bruͤet / machet Schicht!
jeder ſchaffe / was er kan.
Die Geruͤcht
habt ihr noch vor Tag zu ſpicken /
man muß ſie zur Hochzeit ſchicken.

Jn dieſem Luſtgedicht iſt neben Wiederholung der Reimwort in allen Saͤtzen / auch zu beobach - ten / daß die vier Elemente / als die Erde mit dem Jaͤger / das Waſſer mit dem Fiſcher / der Luft mit dem Vogler / und das Feur mit den Koͤchen bey - gebracht / und koͤnte zu jedem Satz leichtlich ein ſchickliches Gemaͤhl geſetzet werden; maſſen al. le gute Mahler die Taͤgszeit / von welcher wir redẽ / meiſterlich zu beobachten wiſſen.

8. Den Ort ſtelle tdem Poeten fuͤr augen nach ſeiner weſentlichen Beſchaffenheit / welche er mit eigentlichen Farben ausmahlen / und vorbilden muß. Daher leſen wir in derſelben Schriften die ſchoͤnen Beſchreibungen der Felder / der Fluͤſſe /D ijder38Die neunde Stund. der Einoͤden des Meers / der Staͤtte / Palaͤſt / Schloͤſſer / etc. Hier iſt auch dem Poeten ein Zu - ſatz erlaubt / daß er nemlich Zeit - und Denkſchrif - ten in kurtzen Reimen verfaſſt / erzehlen und ver - melden kan / daß ſelbe in Baͤumen geſchnitten / o - der in Felſen gehauen / oder in Marmolſeulen mit Gold geſchrieben etc. dar und dort zu leſen ſeyn. Hierbey laͤſſet es aber der Poet nicht verbleiben / ſondern er erdichtet ihm einen ſolchen Ort / der ſei - ner Erfindung dienlich iſt: Er bauet Tempel / Palaͤſte / Garten / Schiffe / Bruͤcken / Siegsſeulẽ / Ehrengedaͤchtniſſe / und dergleichen / und zu ſol - chem Ende ſol er in der Baukunſt wol erfahren ſeyn / und nechſt dem Gemaͤhl ſeines ausgedichten Baus / auch den Geometriſchen oder weißkuͤnſti - gen Grundriß beyzufuͤgen wiſſen. Die Exempel ſind in den Geſpraͤchſpielen / Teutſchen Palm - baum und ſonderlich in Porticu AUGUSTI zu ſehen.

9. Nicht weniger ſchoͤne Erfindungen giebet die Betrachtung der Perſonen an die Hand. Es ſind aber derſelben zweyerley / der Geſchichte und der Gedichte. Die Perſonen der Geſchichte werden beſchrieben nach ihren eigentlichen Be - ſchaffenheiten / und finden ſonderlich ſtat in den Trauer - und Freudenſpielen / in welchen die vor - nemſten Perſonen nach ihren Sitten und Ge -muͤts -39Die neunde Stund. muͤtsneigungen auf den Schauplatz gefuͤhret werden / als da ſind großmuͤtige Helden / Tugend - reiche Frauen / geitzige alte Maͤnner / leichtſinnige Juͤnglinge / etc. Dieſen werden zugegeben liſtige Knechte / zornige Soldaten / fleiſſige Botten / ge - ſchaͤfftige Maͤgde / einfaͤltige Kinder / etc bey wel - chem allen zu beobachten / daß die Perſonen ihre Sitten / welche ſowol von ihrem Alter / als ihrer Auferziehung hergenommen werden / nicht aͤn - dern ſollen / ſondern wie ſie das erſte mahl beſchrie - ben / alſo muͤſſen ſie durch das gantze Spiel / einge - fuͤhret werden. Dieſe Sitten ſollten der Wahr - heit aͤhnlich ſeyn / und ſind derſelben zweyerley / ge - wiſſe / und zufaͤllige. Alſo wird die verliebte Phe - dra bey dem Seneca eingefuͤhrt / als eine Veraͤch - terin aller Hoheit / alles Reichthums / aller Ehre / und achtet nichts als ihren Liebſten. Ein raſender Soldat kan von nichts anders reden als ſeiner Mannheit / ſeiner Staͤrke / die er theils veruͤbt / theils zu veruͤben ſich bedrolich vernehmen laͤſſet. Ein Koͤnig ſol ſeinen hohen Ruhm beobachten / die Lindigkeit eines Vatters / benebens der Schaͤrf - fe eines Herrn erweiſen / etc. Zufaͤllige Sitten werden denen angedichtet / welche von einem ge - wiſſen Land oder Statt hergenommen werden / wie wol dieſer Vmſtand mehrmals nicht ausge - druckt wird. Wann ein Starker von einem Ge -D iijringen40Die neunde Stund. ringen uͤberwunden wird / oder ein Knab verſtaͤn - diger redet / als ſein Alter erfordert / oder ein Alter froͤlicher iſt / als der Geitz zulaͤſſet / ſolche und der - gleichen Sitten werden zufaͤllig genennet.

10. Der erdichten Perſonen ſind I. Heydni - ſche Goͤtter / als Apollo / Cupido / Venus / Neptun / welche etliche in ihren Gedichten gebrauchen zur Vorſtellung des Tags / der Begierde / der Liebe / des Waſſers / etc. Hiervon ſagt unſer Ruͤſtiger in dem Vorbericht ſeines Poetiſchen Schauplatzes alſo: Pfui des Teuffeliſchen Weſens / und der mehr als Heydniſchen Blindheit! daß ihr / die ihr euch der wahren Erkantniß Chriſti ruͤhmet / ſogar nichtſchaͤmet der elenden Heyden Goͤtter / welche ihrer altẽ Lehrer und Maͤhrleinſchreiberſelbſt eig - nen Bekantniß nach / Hurer / Ehebrecher / Diebe und Rauber / ja gar leibhaffte Teuf - fel geweſen / ſo andaͤchtig anzuruffen / und ſo meiſterlich herauszuſtreichen / etc. Ver - antwortlicher iſt verſtorbene Perſonen in Traum - geſichten vorzuſtellen / als die Sibyllen / die Hel - den / Poeten / ꝛc.

11. II. Kan an ſtat dieſer fuͤglicher gebil - det / und eingefuͤhret werden / die Tugend / das La - ſter / der Krieg / die Zeiten / etc. allermaſſen ſolche Bildkunſt aus Ceſare Ripa in dem VII. Theil derGe -41Die neunde Stund. Geſpraͤchſpiele uͤmſtaͤndig beſchrieben worden / dahin dann der Leſer beliebter Kuͤrtze willen ver - wieſen wird.

12. III. Koͤnnen als Perſonen unterredend eingefuͤhret werden unvernuͤnfftige Thiere / der - gleichen der beruͤhmte Fabler Eſopus / Homerus von Froͤſchen und Maͤuſen / oder Froͤſchmaͤuſler / Locman / Reiniken Fuchs / etc. und viel andre lob - lichſt hinterlaſſen: Dann obwol etliche in unge - bundner Rede geſchrieben / ſo ſind ſie doch nach dem verhandelten Jnhalt Poeten und Dichter zu nennen.

13. IV. Werden in den Gedichten / als Per - ſonen gebildet / lebloſe Geſchoͤpfe / als der Wein - ſtock / die Baumen / der Fluß / die Felſen / etc. und hieher gehoͤren eigentlich der Gegen - oder Wieder - ruff / welches Wortfuͤr das Lateiniſche Echo fuͤg - lich kan gebrauchet werden. Von dieſer Reim - art iſt folgendes zu merken. I. Kan das gantze Wortzu Ende eines jeden Reimſatzes / und nicht mitten in der Rede wiederholet werden: als.

Wer hoͤret was ich ſag? Gegenhall. ſag?
Es liebet mich ja keine? Gegenhall. keine?
Wann kommet dann die Stunde?
Gegenh Stunde.

II. Wann die Reimſylben widerholet wird / als:

D iiijWas42Die neunde Stund.
Was hat er von der Lehr? Geg. Ehr.
Wird er das Werck verrichten.
Gegenh. richten.
Wer iſt der Wiederlaut? Geg. der Laut.

III. Das h und d die verwante Buchſtaben koͤn - nen eine Befreyung haben / als d und t / b und w / i und .

Es iſt kein Troſt in neubegruͤntem Feld.
Geg. in dem Feld.
Wilſt du mir ihn aus dieſem Wald her -
ſchicken. Geg. bald herſchicken.
Wann kommt der Tag / der hocherfreute
Morgen. Geg. heute morgen.

IV. Wann der Gegenhall einſylbig angefangen worden / muß er auch einſylbig fortgeſetzet werden / iſt er zwey oder dreyſylbig / ſo muͤſſen die folgendẽ Saͤtze auch alſo ſeyn: weil es der Natur nicht ge - maͤß / daß ein Echo einmal mehrſylbig antworte / als das andre mahl. Man wolte dann ſagen / daß man bisweilen die Stimme veraͤndere / oder naͤ - her und weiter arvon ſtehe / oder das Haubt ver - wende / welches alles ſich dem Reimſatz nach nicht thun laͤſſt. Es moͤchte aber verantwort - lich ſeyn / daß einer gegen dem Wiederhall gehend / in dem erſten Reimſatz einſylbig / nachmals zwey - drey-und vierſylbig beantwortet wuͤrde. BlindeWoͤrter /43Die neunde Stund. Woͤrter / die keine Deutung haben / und gantz an - dre Reimwoͤrter dienen hierzu nicht: Dann gleich - wie nicht eine jede Wand oder Maur einen Wie - derhall giebt / auch nicht ein jeder Spiegel bren - net / alſo kan nicht ein jedes Reimwort zum Ge - genwort dienen.

14. Es werden auch zu Zeiten die Perſonen nicht benamt / und doch ihr Geſpraͤch vermeldet / maſſen ſolches nach der alten Poeten*Cauſab. in not. ad Horat. Gebrauch wol thunlich. Wann man aber die Perſonen be - nennt / ſollen ſie in die Mitte / oder zu Anfang je - der Reimzeile geſchrieben werden / und iſt zierlich / wann die Reimſchluͤſſenden Woͤrter verbleiben / die Meinung aber geaͤndert wird. Zum Exempel ſetze ich folgende Geſpraͤchreimen. Zu Anfang des Selbſtſtreits befindlich. Anden Verfaſſer und Dolmetſcher beſagten Werkleins.

Sephyra.
Hoͤrt! wer hat euch aufgetragen /
meine Liebentbrante Wort /
aus geheimen Meuchelort
durch die gantze Welt zu ſagen?
Joſeph.
Man ſol nichts im Hertzen tragen /
noch Gedankẽ / Werk / noch Wort /
welche man an fremden Ort
mit Erroͤhten hoͤretſagen.
D vSe -44Die neunde Stund.
Sephyra.
Warum ſoll ein Teutſcher ſchreiben /
was ich rede mit dem Knecht /
wieder Weiber Kammerrecht /
das ſtets ſol verborgen bleiben?
Joſeph.
Doch wird das Gewiſſen ſchreiben /
als ein Herr / derſeinen Knecht
urtheilt nnd verdammt mit Recht:
Solche Straffe wird verbleiben.
Sephyra.
Sie beſchreiben mein Verlangen
und erheben meine Schand /
ſetzen auch mit eigner Hand
Sachen / die nicht vorgegangen.
Joſeph.
Alſo werden ſie erlangen
Lob und Ehr aus deiner Schand /
weil ſie mit Kunſtkluger Hand /
Dichten mehr als vorgegangen.

Die Reimwoͤrter koͤnten auch in der Antwort hin - ter ſich verbleiben / wann nemlich die Mein ung verkehret wird. Ein Exempel iſt zu Anfang H. Dilherrns Gartenbuͤchleins.

15. Es iſt auch noch eine feine Art der Ge - ſpraͤchreimen / wann ſelbe getheilet werden / alſo. Syl -45Die neunde Stund.

Sylvano.
Schaͤfer / ſchweigt dein Hirtenſpiel /
lieber ſing uns dein Behagen /
Arſileo.
Meiner Freude wer nicht viel /
wann ich ſelbe koͤnte ſagen.
Sylvano.
Wol / ſo ſag dann einen Theil /
von dem / das dich jetzt erfreuet.
Arſileo.
Es bedarff gar lange Weil /
daß / wo man den Anfang ſcheuet.
Sylvano.
Wol / ſo ſag uns dann das End /
iſt der Anfang nicht zu finden.
Arſileo.
Der den Anfang nicht erkennt /
ſucht den Ausgang gleich den Blinden.
Sylvano.
Soll dann deine Hirten-Luſt /
bey den Heer den ſeyn verſchwiegen?
Arſileo.
Was dem Mund iſt unbewuſt /
kan doch den Verſtand begnuͤgen.
Syl -46Die neunde Stund.
Sylvano.
Alles / was nur einer weiß /
kan man kein Vergnuͤgen nennen.
Arſileo.
Nein / man muß der Freude Preiß /
durch das Schweigen recht erkennen.
Sylvano.
Freude / ſo von Tugend ſtammt /
kan nicht wol verſchwiegen bleiben.
Arſileo.
Meine Freude bleibt geſammt /
daß kein Theil iſt zu beſchreiben.
Sylvano.
Haſt du doch die Froͤlichkeit /
juͤngſt erwieſen in dem Singen.
Arſileo.
Aber ich hab noch der Zeit
keinen Umſtand koͤnnen bringen.
Sylvano.
Sol die Freude ruͤhmlich ſeyn /
muß ſie nicht nur dir behagen.
Arſileo.
Meine Freude were klein /
wann ich ſelbe konte ſagen.
*Aus der Diana drittem Buch / am 416. Bl. uͤberſetzet / deſſen Anfang / Paſtor, malte eſta el callar.
*

Noch47Die neunde Stund. Noch viel andre Arten der Geſpraͤchreimen ſind zu ſehen in den zweyen Theilen beſagter Diana / wie in dem Regiſter aufzuſchlagen.

16. Es iſt auch zierlich / wann man einer Per - ſon / von welches Vorſtellung wir reden / unter - ſchiedliche Namen geben kan: als wann der Nie - derlaͤndiſche Poet*Ian van der Veen f. 290. en de Zegenzangen. den Krieg alſo benamt.

vernieler van het Graan,
Vrſlinder van het vee, ò koortſe van de baan,
O trevis van de ploegh, ô ſchender van de
Boeren,
O Meſter van de dief, ô Vadar von de Höeren,
Beſchutter van de Schelm, Verdediger van
Moort,
Rentmeſter van het Volk, dat beeft als werkẽ
hoott.
Der Schobhejacken vrind die van Geſelſchap
krielen
Der dobbelaers Cornuyt, en overhooft der
Fielen.
De roede van het Land, de geeſel vande Steen
De garde van de Strom.

Zu Teutſch koͤnte man dieſes von dem Krieg al - ſo ausſagen:

Ver -48Die neunde Stund.
Vernichter im Getreid /
Verſchlinger unſers Viehs / Bannfieber
boͤſer Leut /
O Anſtand mit dem Pflug / O Schaͤne
der aller Bauren /
O Meiſter aller Dieb / ein Schutzherr
aller Lauren.
Der Huren Vatersmann / des Todſchlags
Schild und Schutz /
Rentmeiſter armes Volks / und aller Ar -
beit Trutz /
der Schelmen treuer Freund / Geſell -
ſchaft der Gewippten /
der Spieler Wuͤrffelfaß / und aller
Truggeſippten.
die Rute dieſes Lands / die Geiſel unſrer
Staͤtt /
die Hemmung unſers Stroms.

Dergleichen koͤnte aus aller Sprachen Poeten viel beygebracht werden / welches die Kuͤrtze dieſes Werkleins nicht zu. laſſen wil.

Die49

Die zehende Stund. Von den Gleichniſſen.

DIe vierte Quelle der Erfindung iſt die Gleichniß / aus welcher viel hellſcheinende Gedanken herflieſſen. Mann verwundert ſich nicht uͤber einen zerlumpten Bettler / aber wol uͤber deſſelben Bildniß / wann es von einem guten Meiſter gemahlet iſt: Alſo iſt uns mehrmals das Gleichniß angenemer als die Sache ſelbſten / und ſagt hiervon ein Kirchenlehrer alſo:*Auguſtin. Epiſt. 119. Jch glau - be / daß die Bewegung unſers Gemuͤts / ſo lang ſie in das Jrdiſche verwickelt iſt / ſich traͤg und faul zur Erden neiget / bis es durch die Betrachtung des Himmliſchen / und Vergleichung des Zeitlichen und E - wigen aufgemundert und angefriſchet wird. Was theur iſt / achten wir wehrt und hoch / was wir mit Muͤhe erlernen / o - der durch groſſe Arbeit erarnen / beliebetuns50Die zehende Stund. uns mehr / als was wir leichtlich gewiñen; und gleichwie ein Safft / durch ein Glas / faͤhrter fort / ſchoͤner ſcheinet / alſo gefaͤllet uns die Wahrheit in einem ſchoͤnẽ Gleich - niß: Oder / wie der Sonnen Stral ver - mittelſt eines Hohlſpiegels hefftiger bren - net / alſo durchdringet und beflam̃et auch die Gleichniß der Menſchen Sinn.

2. Die Vergleichung aber beſtehet in einem / oder mehr Stuͤcken / und findet ſich oft in gantz widrigen Sachen. Jn einem Stuͤck laͤſſet ſich vergleichen der Geitz / und die Waſſerſucht / nem - lich in der Begierd; ein Ackersmann mit der O - meiſ / wegen der Arbeit / die Krohen mit den Ehe - gatten / wegen ihrer Einigkeit.

3. Jn vielen Stucken beſtehet die Gleichniß / wann zwey gegeneinander gehalten und durch al - le Theile betrachtet werden / wie dorten*Bey Arnob. adverſ. gentes. der Ochs ſich beklagt uͤber der Menſchen Vmbarmhertzig - keit / folgenden Jnhalts: Bin ich / ſagt er / ſo ein geringes Thier / aller Verſtaͤndnis und Hirns beraubt / wie mich die jenigen nen - nen / welche Menſchen heiſſen / und ſich dẽ unvernuͤnftigen Thieren gleich verhalten? Jch bin ſowol nach der Natur erzeuget / als ſie; Jch bin ſowol mit einem lebendi -gen51Die zehende Stund. gen Odem begabt / als ſie: ſie haben Lun - gen / Leber / Magen / Jngebaͤu / Hertz und Nieren; Jch gleichsfals. Sie erzeugen ih - res gleichen / und lieben ihre Zucht: beedes unterlaſſe ich auch nicht. Wie aber? ſie ſind vernuͤnfftig / und verfaſſen ihre Ge - danken / in eine vernemliche Rede: Woher wiſſen ſie dañ / daß auch das / was ich thue / ohne Verſtand und Urſach beſchehe / und daß meine Stim̃e von meinem Geſchlech - te nicht verſtanden werde?

4. Es ſind ferners dreyerley Arten Gleich - niſſen / von welchen abſonderlich zu reden ſeyn wird. Die I. Art iſt das Lehrgedicht / wann in vielen Stuͤcken das Gleichniß fortgeſetzet wird: wie dort in dem Evangelio / das Gleichniß von dem Seemann / von dem Weinberg / von dem guten Hirten. Dieſe Gleichniſſen werden Lehr - gedichte genennet / weil ſie gute Lehren auszubilden und vorzuſtellen pflegen / wiewol ſie auch zu an - dern Haͤndeln mißbrauchet werden. Dem Poe - ten dienen ſie auf mancherley Weiſe / und ſol er ſich in ſolchen Erfindungen ſinnreich erweiſen / uud ſeine Sachen auf nicht gemeine Weiſe vor - zutragen wiſſen. Jn den Andachts-Gemaͤhlen ſind unterſchiedliche Exempel der Lehrgedichte / wollen aber auch eines hieher ſetzen. Der JnhaltEiſt52Die zehende Stund. iſt folgend. Eine Jungfrau hatte eine Perle hohes Werths gefunden / welches ihr ihre fuͤnf Bruͤder wolten abſchwaͤtzen / der aͤltſte war ein Mahler / und verſprache ihr ein treffliches Kunſtgemaͤhl. Der ander war ein Muſicus / uñ wolte ihr ein liebliches Liedlein ſingen und klingen. Der dritte war ein Koch / gelobend / ſie mit den allerniedlichſten Speiſen zu verſehen. Der vier - te ein Apothecker / brachte ihr ein koͤſtliches Rauch - werk. Der fuͤnfte ein Kupler / und verſprache ſei - ner Schweſtẽr / viel Buhler zuzufuͤhren / wann ſie ihn mit dem Perle beſchenken wuͤrde. Die Jung - frau hat dieſe ihre Bruͤder alle beharrlich abge - wieſen / und ihrem Braͤutigam und getreuſten Liebhaber das ſchetzbare Perle uͤmſonſt verehret. Die Jungfrau iſt der Verſtand / das Perle iſt der Wille; ihre Bruͤder ſind die fuͤnf Sinne / das Geſicht / das Gehoͤr / der Geſchmack / der Geruch / und das Gefuͤhl / oder An - ruͤhren.

Dieſer Jnhalt kan zwar ingebundener Rede er - zehlet / aber viel Poetiſcher durch die Perſonbil - dung /*Proſopopœia. folgender maſſen verabfaſſet / und gleich - ſam ausgemahlet werden.

Der53Die zehende Stund.
Der Verſtand und wille des Menſchen.
Meine Perle / die mich zieret /
iſt von uͤberhohem Werth /
und wird nun von meinen Bruͤdern /
durch Geſchenk und Wortbegehrt.
Das Geſicht.
Jch / der allerbeſte Mahler /
ſchenke dir hier meine Kunſt /
Wann du mir die Perle giebeſt /
zu Beglaubung deiner Gunſt.
Das Gehoͤr.
Jch will dir / O liebe Schweſter /
mit der Saͤiten holden Klang /
abverdienen deine Perle /
hoͤre doch das Lobegeſang!
Der Geſchmack.
Liebe Schweſter / meine Gabe /
ſol ſeyn honig ſuͤſſer Moſt /
wann du mir das Perle ſchenkeſt /
und benebens gute Koſt.
Der Geruch.
Jch will dir / O ſchoͤne Schweſter /
halten / was ich jetzund red /
und dir fuͤr die Perle geben /
Myrrhen / Biſam / Muſe / Zibeht.
E ijDer54Die zehende Stund.
Der Kupler.
Fuͤr die Perle / holde Schweſter /
fuͤhr ich dir viel Buhler zu /
Dein Hertz findet in der Liebe /
ſtets vergnuͤgte Friedensruh.
Der Verſtand.
Weichet ferne / ſchnoͤde Bruͤder /
eur Geſchenkbringt Noht und Spott /
Meine Perle / meinen Willen /
gieb ich meinem lieben Gott!

Wann man dieſes Lehrgedichts Bedeutung fuͤr unvernemlich halten wolte / koͤnte man die Erklaͤ - rung der Obſchrift leichtlich beyfuͤgen / wie | geſagt.

5. Es werden alſo ſolche Lehrgedichte herge - fuͤhret von den Geſchoͤpfen / als dem Himmel / den Sternen / Elementen / Thieren / Kraͤutern / Steinen / etc Theils von den Kuͤnſten / Sitten / Tugenden / Laſtern / wie zuvor gedacht worden / und iſt hieraus zu ſehen / daß nichts in der gantzen Welt zu finden / welches nicht durch die Gleichniß belanget werden koͤnte. Nicht aber alle Gleich - niß ſind dem Poeten dienſtlich / ſondern koͤnnen mehrmals fuͤglicher von dem Redner gebrauchet werden / als wann dorten*Bey Ariſt. Rhet. l. 2. c. 39. geleſen wird / daß ein Fuchs / welchem auf der Jagt die Glieder gelaͤm -et / von55Die zehende Stund. et / von den Hundsmucken ſehr gebiſſen wurde; als ihm aber der Jgel ſolche wegjagen wollen / ha - be er ihm gewehret und geſagt / daß dieſe von ſei - nem Blut nunmehr angefuͤllet / und nicht hart beiſſen koͤnten; wann ſie aber verjagt wuͤrden / ſol - te ihm von andern mehr hungerigen hefftiger zu - geſetzet werden. Alſo / ſagt der Redner / wird es euch Samiern mit eurem Rentmeiſter / der ſich nun bereichert / auch ergehen / wann ihr ihn ab - ſchaffen / und einen andern armen an ſeine ſtat verordnen wollt.

6. II. Die zweyte Art der Gleichniſſe wird von den Exemplen und Geſchichten hergefuͤhrt. Hier - durch wird das Aug unſers Gemuͤts zur Betrach - tung maͤchtigſt angehalten / und ſind derſelben dreyerley Arten / als I. Wann ich kleines mit groſ - ſem vergleiche / alſo:

Wie zweiffelſt du / daß GOTT die groſſe
Welt erſchaffen?
Hat doch die Frevelkunſt die kleine doͤrf -
fen machen /
durch Archimedis Hand / etc.
*Lactant. l. 5. de Origin. err. c. 5.
*

II. Wañ ich gleiches mit gleichem in einem Stuͤcke vereinbare / alſo:

E iijMir56Die zehende Stund.
Mir iſt / doch ohn Gefahr / wie Scevola
geſchehen:
Jch hab die Schreiberſchar fuͤr Koͤnig
angeſehen.

III. Wannich groſſes mit kleinem gleiche / alſo:

Man ſchaͤndet dieſen Mann / daß ihn der
Wein ergetzt;
und Cato
*Senec. 1 de Tranqtril. c. 15. Horat. l. 3. od. 21.
* hat doch ſelbſt die Tugend ſo
benetzt.

Hieher gehoͤret / was von der alten Poeten Ge - dichtẽ / als geſchehẽ angefuͤhret wird / und ſol auch deſſenwegen der Poet viel geleſen haben / und ſeine Wiſſenſchaft ſchicklich einzuflechten wiſſen / auch wohin er zielet / an dem Rand beyſetzen; weil ſon - ſten das Reimgebaͤnd den Jnhalt zu zeiten ver - dunkelt.

7. III. Die dritte Art iſt / wann viel Gleichniſ - ſe zu einem Zweck angefuͤhret werden: Solcher geſtalt zielet folgendes auf die Veraͤnderung der Teutſchen Sprache.

Es fuͤhret Frau Natur ſo manchen Wun -
derhandel:
ſie wechſelt aus und ein gleich einem Kauf -
mannshandel /
ver -57Die zehende Stund.
vertauſchet Waar uͤm Waar; Jhr Die -
ner heiſſet Zeit /
der juͤngſt das Schneegewand in Auen
ausgebreit /
die nun den Lentzenrock des Jaͤgers ange -
zogen:
die harterſtarrte Flutzerſchmeltzt im Sil -
berwogen /
in dem geſchlankten Strom / die Strud
war vor Kryſtall /
und ſauſſet durch den Kis mit holdem
Liſplenſchall.
Der Baumen neues Haar / mit weißlich -
gruͤnen Sproſſen /
hat mit der Aeſte Band / das Schatten Zelt
beſchloſſen /
Das voꝛ entdacht und kahl. Der ſuͤſſlich
linde Wind.
verjagt die Nordenſtimm / und kuͤſſt das
Lentzenkind /
die bunte Blumenzucht. Es wird das
Feld gebehren.
Die Saamen wandlen ſich in Gras / Ge -
ſtroͤh und Aehren /
der Acker wird beraubt / und lieget wie -
der brach:
ſo mehrt und mindert ſich der Teutſchẽ
Heldenſprach.
E iiij8. Man58Die zehende Stund.

8. Man kan auch ſonſten viel Gleichniſſen zier - lich zuſammenſetzen / welche nicht auf einẽ Zweck zielen / alſo:

Der Hofmann iſt ein Glas / das Spiegel
iſt benamt /
weil er in allem Thun nach ſeinem Herren
ahmt /
der Kriegsmann iſt ein Hacht / deß rau -
bens meiſt befliſſen /
Der Hausmann iſt ein Bien / die Nah -
rung zu verſuͤſſen /
der Schiffer iſt ein Fiſch / der ſich im
Meer ernehrt /
der Kauffmann iſt ein Fahn / der wie der
Wind ſich kehrt.
Was iſt dann der Regent? ein Aug / das
viel betr〈…〉〈…〉 bet /
ein Nagel in den Wand / der ſeinen Laſt
beliebet etc.

9. Von den Gleichniſſen iſt ferners zu merkẽ / I. daß ſie nicht ſollen gar gemein ſeyn / II. daß ſie nicht zu oft ſollen gebrauchet werden / III. daß ſie ſollen nach dem Verſtand deſſen / welchen man mit ſolchem Gedicht zu ehren vermeint / gerichtet / und wo muͤglich von ſeiner Handthierung her - genommen ſeyn. IV. Daß ſie nicht gezwun -gen /59Die zehende Stund. gen / ſondern dem Verglichenen aͤhnlich kom - men.

10. Hieher gehoͤren die Vmſetzung /*Metaphoræ. welche Rede trefflich zieren / wann nemlich eine Sache wegen groſſer Gleichheit mit der andern uͤmſetzt / oder fuͤr die andre geſetzt wird. Es werden aber hierbey folgende Fehler begangen I. Wann die Vmſetzungen gehaͤuffet werden / und nicht auf einandertreffen / als**Horat. de arte: & malè tor - natos incudi reddere verſus.

Wann auf der Drexelbank der Vers iſt
gantz zergliedert /
hoͤrt man den Ambosſchlag / daß man ihn
wieder ſchmiedet.

Es ſolte heiſſen entweder:

Wie auf der Drexelbank das Holtz oft
krum geloffen /
ſo drehet der Poet die Wort / ſo nicht ge -
troffen.

Oder alſo:

Ach / es mißlinget oft / wann man wil Ver -
ſeſchmieden /
doch laſſen ſich die Wort noch wol zu -
ſammen nieden.

Was die Drexler treffen / und die Schmiede nie -E vden60Die zehende Stund. den nennen / iſt bekant. II. Wann die Vmſetzung von gar ungleichen Sachen hergenommen / als wann dorten Petrarcha den Virgilium / und Ci - ceronem nennet / die Augen der Jtalianiſchen Zunge / oder Sprache. Jener nennet das Meer / den Sandfraß / den Traum / den Affen unſers Thuns / etc. III. Wann in der Vmſetzung gantz wiedrige Sachen gefuͤhret werden / als:

Aus dem verlangten Brunnen /
iſt von des Felſenquell erſtarrtes Eis ge -
runnen /
aus gantz verhaͤrtem Hertz
( Duo bramate fonti
cheſtillam ghiaccio da l’alpeſtre vena
d’un indurato core. )
*Guarininel Paſtor fido.
*

Myrtil vergleichet ſein Verlangen mit dem Durſt eines Waſſerſuͤchtigen / und ſagt / daß die Augen ſeiner liebſten zweyen Brunnen gleichen / welche von einem Felſenharten Hertzen herquel - len / und ſein Hertz zu Eis gefruͤhren machen. Da dann das Flieſſen und zu Eis werden / oder erſtar - rẽ einander zuwider ſind / weil jenes von der Waͤr - me / dieſes von der Kaͤlte kommet.

11. Vnter dieſe Handlung gehoͤret auch die Ge - genhaltung der Vngleichheit / als wann ich ſage:

Ob61Die zehende Stund.
Ob dieſer Tag vergeht /
kommt doch die Sonne wieder:
und niemand mehr erſteht /
der lïegt im Grab darnieder.

12. Die Frantzoſen haben eine Art der Luſtge - dicht / welche der erſtbeſagtem Vngleichheit faſt nahe kommen; ſie nennen es Coq à l’aſne*Paſquier aux Recherches f. 869. den Haanen auf dem Eſel: Wir pflegen zu ſagẽ / reim dich Bundſchuch / weil vielleicht der Alten Schu - he mit Riemen pflegten gebunden und geguͤrtet zu werden. Wir wollen eine Prob thun / und auch in dieſer unbekanten Dichtart eine ungeſtal, te und doch ſtoltze Jungfrau abmahlen. Das Reimgebaͤnd iſt gerichtet nach J. von der Veen Niederlaͤndiſchen Liedern / bemerkt am 288. Blat ſeines Adams Appel.

1.
Schoͤne / wie des Ofens Grund /
euer Mund
gleich dem Kreitengrauen Schnee /
oder vielmehr den Kryſtallen
und Korallen /
die man findt im Thal und See.
2.
Wann die truͤbe Nebel-Nacht
mit Bedacht /
ihr62Die zehende Stund.
ihre Schlafmuͤtz aufgeſetzt /
leuchten eurer Augen Liechter
als ein Trichter /
der mit ſaurem Wein benetzt.
3.
Runtzel ſind an eurer Stirn
gleich dem Zwirn /
der am Haſpel ſteht in Ruh:
Es iſt wie ein Schwantz vom Haſen
eure Naſen /
und die Wangen / wie ein Schuh.
4.
Was ſag ich von eurem Haar?
Zeit und Jahr
zeugen / daß ihr viel geweſt /
nunmehr ſind ſie ſehr verhindert
und gemindert /
daß derſelben fuͤnf im Reſt.
5.
Noch wolt ihr / daß jeder Fluß
ohn Verdruß /
lauffe ſchnell zu eurer Muͤhl:
ja / weil David auf der Harpfen
uͤm die Karpfen
hat geſpielt ſo manches Spiel.
Jhr63Die zehende Stund.
6.
Jhr ſitzt im vertrocknen Land
auf dem Sand;
Euer Wucher hat ein End.
Euch gebricht / mit kurtzen Worten /
aller Orten /
Geld / der Schoͤnheit Element.
7.
Seht / ein groſſer Feur-Comet
ſtetig ſtehet
uͤber eurem kleinen Haus:
ſchaut ſein Bildniß gleich / der Flaſchen /
kraͤnkt die Taſchen /
und bedeut trink-trink-trink aus.
8.
Was hilfft aller Buͤcher Kunſt /
wann der Dunſt /
und der Rauch den Mann vertreibt:
Er wird aller Freud vergeſſen /
Kleid und Eſſen /
wann er uͤbel iſt beweibt.

13. Jn des Lope De Vega Spaniſcher Arca - dia iſt dergleichen / nach gehenden Jnhalts:

Meine64Die zehende Stund.
1.
Meine Hirtin ſchoͤnſtes Bild
du biſt freundlich feind zu nennen
freundlich wie das wilde Wild /
feindlich wie die Neſſel brennen.
Zart von Haaren wie ein Maus /
hart / gleich einem Honighaus.
2.
Weder Speíſe noch Getrank
pfleg ich jetzund auszuſchlagen /
weil ich bin vor Liebe krank /
und kan nichts im Schlaffe ſagen.
Hoͤrt / ich wach und lebe wol:
gieb vom Denken keinen Zohl.
3.
Wegen deiner iſt der Schnee
mir im Winter ſehr beſchwerlich /
wegen deiner iſt der See
und der Donnerſtral gefaͤhrlich:
Doch wann ich nicht gehe weit /
bin ich voll Beſtaͤndigkeit.
4.
Jch weiß nicht / was Eifer iſt /
weil ich niemals hab geleſen /
daß der Monſieur Antichriſt
ſey ein Pfeiffers Sohn geweſen.
Waruͤm65Die zehende Stund.
Waruͤm iſt dann deine Lieb /
wie ein altes Gerſten-Sieb?

14. Alſo iſt auch die Raͤhtſel nichts anders / als eine gar dunkle Gleichniß / welche man zu er - rahten aufgiebet. Zum Exempel:

1.
Sagt mir: Kennt ihr allzumal
Eine Jungfer in dem Thal /
die memals kein Wort geſagt /
wann man ſie nicht hat gefragt.
ſie bewohnt der Mauren Grufft /
und lebt in dem leichten Lufft. 〈…〉〈…〉.
2
Jch bin die leichtſte Laſt / ohn Leid und ohn Beha -
gen /
was man mir anvertraut / vermag ich nicht zu ſa -
gen /
es iſt kein reicher Mann / der mich nicht pflegt zu
tragen. Annulus ſignatorius.
3.
Mein Herr verwahret mich und ich verwahr den
Herrn /
als ſein getreuer Knecht / mein Bart hat manchen
Stern /
man mahlet mich in Wachs / wann man mich
traͤget fern / Clavis
Eine66Die zehende Stund.
4.
Eine feine helle Statt gehet zu bewuſten Ziel /
und giebt einen ſtarken Lauf / doch iſt ihrer Bur -
ger Spiel /
ſtetig ſchweigen / wallen / ſpringen / obwol ſelber
werden viel / flumen & piſces.
5.
Ein Weber ohne Hand wirkt mit den Fuͤſſen Sa -
chen /
daß aller Menſchen Muͤh nicht kan dergleichen
machen /
doch iſt er ſehr verhaſſt / verfolgt und fort und
fort /
verjagt / bis er entfleucht an nicht bewohnten
Ort. Aranea.
6.
Eine. Tochter jenes Walds fliehet unter jhren
Zelt /
Leid und Armut zu vermeiden / von hier in die an -
dre Welt.
Sie kan Noht und Tod gebehren /
doch ſind viel / die ihr begehren. Navis.
7.
Mein Leben iſt ein Buch / darinn ich ſtetig bin /
bis daß es kommt in mich / doch bleibt mein bloͤder
Sinn /
be -67Die zehende Stund.
beharrlich ungelehrt. Sagt nun / wañ ihr jhn keñt /
wer iſt doch der Student? Tinea.
8.
Jch hab ein groſſes Haubt / inwendig kleine Glie -
der /
und einen groſſen Fuß / ein jeder legt ſich nieder /
der meiner Zucht geneuſſt; ein rund und bun -
des Blat /
man erſt uͤm meine Kron und Haubt geſehen
hat. Papaver.
9.
Es iſt ein groſſer Dieb mit einem hohen Bauch /
hangt an dem ſchwachen Strick / und trinkt aus
ſeinem Schlauch:
So bald man ihn nur hat von Galgen abge -
nommen /
ſo iſt er ſelbe Stund uͤm ſeinen Geiſt gekom -
men. Cucurbita.
10.
Jch / der Erdẽ bleicher Purpur trage ſtetig Wehr
und Waffen.
decke mein beguldtes Haubt / wann die Sonne ge -
hehet ſchlaffen
doch ſind meines Lebens Tag allezeit in kurtzer
Zahl /
meine Schoͤne / Farb uñ Ruch / weiſt das Scham -
und Tugendmahl. Roſa.
FMich68Die zehende Stund.
11.
Mich kan man nicht zerſpalten /
doch leichtlich ſcheiden ab /
und bringen in das Grab /
wil man mich ſchwartz behalten /
muß man mich nicht verbrennen /
und durch das Bley zertrennen.
Crinis.
12.
Jch hab wol / was man wuͤnſcht / und kan es doch
nicht geben;
der Haͤnde Wankelart macht mich im Zweiffel
ſchweben /
Jch bringe Freud und Leid / und fuͤhle keines
nicht /
ich hab auch manchen Zwieſt aufrichtig aus -
gericht.
Teſſera.

Dieſe letzere Raͤhtſel beſtehen nicht eigentlich in einer Gleichniß / ſondern vielmehr in einer ver - bluͤmten / und faſt tunkeln Beſchreibung / welche gleichſowol ihr Lob / zu ſolchen Sinnſpielen veran - laſſen / und die muͤſſige Jugend beluſtigen koͤnnen.

15. Es iſt auch der Grund der Sinnbilder be - ſagter maſſen beſchaffen / daß ſelber entweder auf einer Gleichniß / oder verbluͤmten / doch artigenAus -69Die zehende Stund. Ausbildung beſtehet / wie hiervon in dem erſten / zweyten und vierten Theil der Geſpraͤchſpiele uͤm - ſtaͤndig gehandelt worden: wie auch von den Gleichniſſen abſonderlich in dẽ V. und VII. Spiel / des erſten Hunderts: Daß alſo dieſes Orts alles zu wiederholen uͤberfluͤſſig ſeyn wuͤrde. Der ver - ſtaͤndige Leſer wird beſagtes verhoffentlich nicht in Vngunſten aufnemen / und es ihm wo nicht zur Nachricht / jedoch zur Errinnerung dienen laſſen.

16. Hieher gehoͤren auch die Geſichte und Traumgedichte / deren Jnhalt in gewiſſer Nach - ahmung beſtehen / weil aber auch hiervon in dem VII. Theile der Geſpraͤchſpiele gehandelt wordẽ / als beziehen wir uns darauf / und eilen zu dem Meiſterſtuck der Poeterey dem edlen Trauerſpiel.

[figure]
F ijDie70

Die eilffte Stund. Von den Schauſpielen ins gemein / und abſonderlich von den Trauerſpie - len.

ES iſt vor unerdenklichen Jahren die Poeterey abſonderlich zu des Bacchi. Goͤtzendienſt gewidmet geweſen / in dem die Heyden bey Verzehrung ihrer Opfergaben geſprungen und geſun - gen / beedes aber ohne Beobachtung der ſteigenden und fallenden Sylben / nicht zuſammen treffen wollen. Bey dieſen Opfern haben ſie ſich mit Epheu oder Wintergruͤn gekroͤnet / einen Bock / als welcher den Weinberg am meiſten ſchadet / aufgeopfert / und ſich als Waldmaͤnner mit rau - hen Fellen bedecket / etc. daher dann die Tityri / Sa - tyri / und Sileni / (welches die Aelteſten und Hof - meiſter unter ihnen geweſen /) den Vrſprung in den Gedichten genommen / und weil ſie unge - ſcheut (unter dem Schein einer groſſen Weiß -heit /)71Die eilffte Stund. heit /) bey dem Trunk die Laſter hoher Perſonen zn ſchimpfen pflegten / hat es dem gemeinen Mañ ſo wolgefallen / daß man ſie zu mehrerer Beluſti - gung auf den Schauplatz gefuͤhret / und ſowol traurige-als freudige Geſchichte / mit veraͤnder - ten Perſonen vorſtellen laſſen / wie hiervon andere*Scaliger in Poetic. Cauſab. de Satyric. Poeſi, Hein - ſius ad Satyram Horat. uͤmſtaͤndig geſchrieben.

2. Wie nun dreyerley Haubtſtaͤnde / alſo ſind auch dreyerley Arten der Gedichte / welche auf den Schauplatz geſehen und gehoͤret werden. I. Die Trauerſpiele / welche der Koͤnige / Fuͤrſten und groſſer Herren Geſchichte behandlen. II. Die Freudenſpiele / ſo des gemeinen Buͤrgermanns Leben ausbilden. III. Die Hirten - oder Feld - ſpiele / die das Bauerleben vorſtellig machẽ / und Satyriſch*Satyra Latinis ludus direct. ut latè docet Heinſ. l. 1. de Satyr. Horat. f. 14. genennet werden. Dieſe Nach ah - mung der dreyen Staͤnde haben etliche Stuͤcke / ins gemein und zugleich; etliche aber abſonderlich / wie naͤch gehendes ſoll erwaͤhnet werden.

3. Jns gemein haben ſie I. den Jnhalt / wel - cher iſt eine Fabel /*Idem ibidem f. 24. oder erdichte Geſchicht: Zu -F iijzeiten72Die eilffte Stund. zeiten auch eine wahre Begebenheit / mit vielen ſchicklichen uͤmſtaͤnden ausgezieret. Wie nun ein jedes Volk ſeine eigene Sprache und Sitten hat / alſo iſt auch thunlichſt zu dergleichẽ| Vorſtel - lung eine derſelben eigene Geſchicht zu erwehlen. Scaliger*In Hypercrit f. 768. ſagt dorten / daß Terentius gefehlt / wann er die Griechin Glycerium / die Roͤmiſche Geburtsgoͤttin Lucinam anruffen machen. Der - gleichen Fehler werden ſich faſt bey allen Vberſe - tzungen befinden / obwol dem Dolmetſcher frey - ſtehet / ſolche Spiele nach ſeinem Zweck / Land und Sprache zu richten. Wir Teutſche ſollen Teut - ſche Geſchichte ausdichten / und den Jtaliaͤnern / Spaniern / Engelaͤndern / und Frantzoſen / ihre Hiſtorien laſſen / oder doch durch ſelber Erfindun - gen durch zimliche Veraͤnderung uns eigen ma - chen.

4. II. Haben dieſe Spiele ins gemein das Ab - ſehen / zu nutzen und zu beluſtigen. Obwol zu Nachfolge der Ebreiſchen Poeterey alle Gedichte zu GOTTes Ehre billich gerichtet werden ſollen / ſo iſt doch verantwortlich / daß man ſich des Nech - ſten Neigung nach bequemen / und denen / welche theils nicht leſen wollen / theils nicht leſen koͤnnen / die Liebe zur Tugend / durch ein lebendiges Ge -maͤhl73Die eilffte Stund. maͤhl aufſtellet / vor - und einbildet. Jch ſage ein lebendiges Gemaͤhl; maſſen die Rede nicht bilden / das Bild aber nicht reden kan / beedes aber durch die lebendigen Perſonen des Schauplatzes ausgewuͤrket wird. Der Nutz iſt zu betrachten ſowol bey den Zufehern und Zuhoͤrern / als bey den ſpielenden Knaben. Wie die beſte Artzney nicht nutzet / wann ſie von dem Kranken nicht wil / oder kan gebrauchet werden; alſo iſt auch die aller - uͤbertrefflichſte Tugendlehre dem gemeinen Mañ nicht dienlich / wann er ſolche nicht zu Sinne bringet / welches durch beſagte Vorſtellungen ſol - chergeſtalt beſchiehet / als wie man einem Kind / durch der Seugamme Bruͤſte die Artzney ein - floͤſſet / welcher es ſonſten nicht genieſſen moͤchte. Die Perſonen aber / ſo den Schauplatz betretten / werden behertzt in dem Reden / hoͤflich in den Ge - berden / faͤhig in dem Verſtaͤndniß / uͤben das Ge - daͤchtniß / und arten ſich hoͤhern Verrichtungen vorzuſtehen. Was Beluſtigung bey wol ver - faſſten / und wol zu Werck gerichten Schauplatz - ſpielen ſey / iſt beyzubringen unnoͤhtig / das Werk redet.

5. III. Jſt in dieſen Spielen gemein die Ab - theilung derſelben / als der Vorredner / die Aufzuͤ - ge / fuͤnf Handlungen /*Scenœ. (deren die Hirten-SpieleF iiijnur74Die neunde Stund. nur drey zu haben pflegen /) und der Schluß Zu dieſen allen iſt zu rechnen der Chor / oder die Mu - ſic / dienend dergeſtalt / daß zwiſchẽ jeder Handlung*Actus. ein Lied geſungen werden ſol. Dieſes Lied ſol die Lehren / welche aus vorhergehender Geſchichte; zuziehen / begreiffen / und in etlichẽ Reimſaͤtzen mit einer oder mehr Stimmen deutlichſt hoͤren laſſen. Die Reimſaͤtze oder Geſetze dienen dieſes Orts / damit der Singer darzwiſchen ein wenig mit dem Odem raſten kan / und daß die Meinungen / nicht zu ſehr ineinander gemenget ſind / wie in unge - bundner Rede von etlichen zu geſchehen pfleget. Man koͤnte auch zur Nachfolge der Alten / an ſtat der Chorlieder jedesmals zwiſchen den Handlun - gen dantzen: Maſſen Strophe / oder der Vorſatz nichts anders geweſen / als ein Reyẽdantz / auf die linke Hand: An iſtrophe. der Nachſatz das Springen und auf die rechte Hand. Wie ſie nun durch dieſen Dantz des Himmels Lauf vorbilden wollen / als haben ſie durch Epo lon oder das Ab - geſang der Erden Ruhe bedeutet / und das Lied ſtehend angehoͤret. Erliche / ſo dieſes nicht wiſſen / ſetzen beſagte Wort noch zu ihren Pindariſchen Oden / die doch dem Jnhalt nach nichts wenigers als Dantzlieder ſind.

6. IV. Fer -75Die eilffte Stund.

6. IV. Ferners iſt des Poetiſchen Schauſpiels Jnhalt entweder einſchichtig / odẽr mehrſchichtigaFabulœ argumentum eſt vel ſimplex, vel compoſitum. Einſchichtig / wann eine erdichte Geſchichte ohne Nebeninhalt /bEpiſodium. merklicher Veraͤnderung /cPeripetia. oder endlicher Erkantniß vollzogen /dAgnitio. Vid. Heinſ. de Conſlit. Trag. f. 48. & 49. oder durch ein Himmels geſchickeeMachinam. geendet wird / daß alſo die Haubtperſon allein alles zuthun hat Der Mehrſchichtige Jnhalt hat viel Nebenhand - lungen / mit eingemiſchet / daß man faſt zweifflen muß / welches die Haubtperſon zu nennen / und dieſe letzere Art iſt ſo viel gebraͤuchlicher als die er - ſte / weil das Gemuͤt durch ſeltne Verwirrung und unerwarte Begebenheit beſtuͤrtzt / des Ausgangs mit Verlangen erwartet. Beſagter Nebeninhalt muß mit der Haubtſache Kunſtrichtig verbun - den / und nicht bey den Haaren herbeygezogen ſeyn / wie auch alle Vmſtaͤnde der Wahrheit aͤhn - lich / und den Perſonen zugeeignete Reden. Alſo hat GrotiusfIn Sophomp. act. 1. ſcen. 1. den Joſeph folgendes Jnhalts redend eingefuͤhret.

F vNun76Die eilffte Stund.
Nun iſt die Nacht verjagt / und ihrer
Machtberaubt /
es ſcheinet aus dem See der Sonnen ſchoͤ -
nes Haubt;
gleich als ein Braͤutigam mit Purpur
angezogen /
aus ſeiner Kammer geht. Das Liecht
kommt angeflogen /
das wie ein Spiegelglas / des Liechtes Va -
ter weiſt /
und mit der Flammen Glantz des Schoͤp -
fers Wohnung preiſt.
Mich weckt zu dieſer Stund der Fruͤer -
liechte Morgen /
zu meiner Ambtsgebuͤhr / den Felſen -
ſchweren Sorgen.
Was dieſer Nilusfluß / (des Quellen unbe -
kant)
mit ſeinen Armen ſchleuſſt / trag ich in
meiner Hand.
Eim andren mag das Haus von Liba -
no belieben /
des Marmols Tiegerfarb / und ſich im
Jagen uͤben /
nach Voͤgeln / Fiſchen / Wild / das keinen
Namen hat /
und77Die eilffte Stund.
und ſeine Weide ſucht / auf weit entlegner
Saat.
Eim andern mag Gewand von Baby -
lon behagen /
und von der Seeren Werck geſtickte
Kleider tragen;
Der manches Muſchelkind / von Oſten -
meer geſchenkt /
aus Stoltz / aus ſchnoͤdem Stoltz / an ſeine
Bruſt gehenkt.
Ach / eitel-eitler Thand! ſolſt du den Traͤ -
ger lohnen
der uͤberſchweren Laſt? der Laſt kan
nicht verſchonen
die hohe Koͤnigskron-Ein ſchwacheꝛ Eh -
renſchein /
ſo den Perſonen leicht / die nechſt dem Koͤ -
nig ſeyn /
muß das gemeine Volk / verwenden /
lenden / blenden /
daß ſonſt des Reiches Haubt gar leicht -
lich moͤchte ſchaͤnden /
und achten ihme gleich. Jch / nutze leider
nicht
die Ehre / die ich hab. Mein Knabenange -
ſicht
war78Die eilffte Stund.
wahr froͤher / als ich frey ohn Klagen
und ohn Kleid /
mit einer Geiſelruht / die Heerd auf ih -
rer Weid
getrieben / als ich noch / etc.

Dergleichen anſtaͤndige Reden muͤſſen ſonder Verhinderung der Haubtſache mit eingeflochten werden.

7. V. Kommen auch die Poetiſchen Schau - ſpiele in der Reimart mit einander uͤberein; maſ - ſen in allen die langen Jambi, oder zwoͤlff - und dreyzehenſylbige kurtzlange Verſe / oder zuzeiten auch die Opitzianiſchen Trochæi, oder fuͤnfzehen - ſylbige Langkurtze / zu den Erzehlungen / als welche der ungebundenen Rede am naͤchſten kommen / gebꝛaͤuchlich / zu der Gemuͤtsbewegung die kuͤrtzern Reimarten / zu froͤlichen Sachen / die Langgekuͤrtz - ten / und Gekuͤrtzlangen / zu Beſtuͤrtzung / die ab - wallendẽ und kurtzſchlieſſenden Reimen. Jn dem Heldenlied muß man nur ein Reimgebaͤnd ge - brauchen / in andern Gedichten aber hat die Ab - wechſlung / wann ſie mit Verſtand zu Werke ge - bracht / ihr billiches Lob. *Ariſtoteles Poet. c. 5. Hierbey fragt ſich: war - uͤm ſolche Spiele meiſtentheils in gebund - ner Rede geſchrieben werden? Antwort:weil79Die eilffte Stund. weil die Gemuͤter eiferigſt ſollen bewegt werden / iſt zu den Trauer - und Hirtenſpielen das Reimge - baͤnd gebraͤuchlich / welches gleich einer Trompetẽ die Wort / und Stimme einzwenget / daß ſie ſo viel groͤſſern Nachdruk haben. Zu den Freuden - ſpielen dienet auch die ungebundene Rede / in wel - cher der Dichter gleichſowol ſeine Enfindung kan ſehen laſſen.

8. VI. Kommen oftermeldte Schauſpiele miteinander uͤberein in den Worten; wann nem - lich ſowol in dem Trauer als Freudenſpielen hohe Sachen mit hohen Worten / und hingegen gerin - ge Sachen mit ſchlechten und gemeinen Reden fuͤrgebracht werden ſollen. Ein alter Mann ſol keine Kindiſche / und ein Knab keine verſtaͤndige Reden fuͤhren. Jedoch werden hier ausgenom - men die Hirten und Schaͤfer / welchen zugelaſſen aus allerhand Wiſſenſchaften ſchickliche Einfaͤl - le mit unterzumiſchen / wie hiervon in dem erſten Theil der Pegnitz-Schaͤferey aus Meſuardiere Meldung beſchehen.

9. Folget nun von jeden abſonderlich / und zwar erſtlich von den Trauerſpielen / alſo benamt / weil in denſelben traurige Geſchichte verhandelt werden; nicht zwar dergeſtalt / wie etliche vermei - nen / daß der Ausgang nohtwendig traurig</