PRIMS Full-text transcription (HTML)
Der Lieflaͤndiſchen Chronik Andrer Theil
von Liefland unter ſeinen Herren Meiſtern, welche die alte Geſchichte des Ordens und der benachbarten Voͤlker erleutert.
Sowol mit Zuziehung der gedruckten und ungedruckten Schriftſteller als fuͤrnemlich aus einer zalreichen Menge alter Documente im Original, beglaubten Copeien und andern Abſchriften zuſammen getragen: nebſt angehaͤngten Tabellen, worinne die Ramen der Erz - und Biſchoͤfe von Riga, Revel, Doͤrpt und Oeſel, die Sigille der Ordensgebietiger, die Wapen der lieflaͤndiſchen Staͤdte, das Verzeichnis aller ehemaligen Schloͤſſer, wie auch alle zur Zeit des Ordens und nachher gepraͤgte auch noch vorhandene Muͤnzen aus den beruͤmteſten Cabinetten geſamlet ꝛc. beſchrieben worden
Halle im Magdeburgiſchen, gedruckt beyJohann Juſtinus Gebauer.1753.

Denen Hochverordneten Obrigkeiten und Haͤmtlichen Mitgliedern eines Hochanſehnlichen Ritterſtandes der zu der vormaligen hochberuͤmten lieflaͤndiſchen Ordensprovinz gehoͤrigen Herzogtuͤmer Lief-Eſth-und Curland wie auch der Provinz Oeſel widmet dieſen andern Theil der lieflaͤndiſchen Chronik in ſubmiſſem Gehorſam der Verfaſſer.

Hochwolgeborne Herren, Gnaͤdige Herren,

Ew. Hochwolgebornen geruhen der pflicht - maͤßigen Zuſchrift dieſes andern Theils der lief - laͤndiſchen Chronik deſto geneigtere Aufname zu ſchenken, je naͤher mich mein Beruf ans kaiſerliche Lyceum zur Hiſtorie, und ſonderlich zur einheimiſchen Geſchichte des Lan - des verbindet, und welcher wegen Kuͤrze unſrer nicht mehr um Geld feil ſtehenden Scribenten eine genauere Unterſuchung der alten Ordensverfaſſung von mir erfordert.

Die Anfechtung wurde im vorigen Jahrhundert manchem die erſte Lehrmeiſterin der Landesgeſchichte, und Liefland hatte die betruͤbte Erfarung damals in Haͤnden, was die Gleichguͤl - tigkeit oder Kaltſinnigkeit gegen dis edle Studium fuͤr uͤble Fol - gen nach ſich zoͤge. Der Mangel der Huͤlfsmittel aber trug Schuld, daß ein Cavalier nicht eher an die Hiſtorie ſeines Va - terlandes mit Ernſt denken konte, als bis er nach Niederlegung oͤffentlicher Aemter und Kriegesdienſte auf ſeinen Landguͤtern ein ruhig und unbeſchaͤftigt Alter abwartete. Nunmehr wer - den auch die juͤngern Gelegenheit haben, ihr Vaterland eigentli - cher zu kennen, und mit dieſer Kentnis die Reiſen in fremde Laͤn - der deſto nuͤtzlicher und fruchtbarer anzutreten.

) (Die

Die Verdienſte, Hochwolgeborne Herren, die theils Dero ruhmwuͤrdige Vorfahren und Anherren, theils Dero hohen Anverwandte durch das Regiment der Kirche und des Ordens ſich erworben, bleiben unvergeslich. Die Wirkungen derſelben liegen am Tage, ob uns gleich die Parteilichkeit oder Scheelſucht damaliger Geſchichtſchreiber viel namhafte Thaten verhelet, oder ſie auf der unrechten Seite vorgeſtellet. Haben nicht dieſe Helden der alten Zeit ein blindes und aberglaͤubi - ſches Volk von unterſchiedenen Sitten und Sprachen durch das Gluͤck der Waffen zur Annemung der geoffenbarten Reli - gion gebracht, und nach den Grundſaͤtzen ihrer Kirche durch noͤtige Zwangsmittel vor dem oft gewagten Ruͤckfal verwa - ret? Haben ſie nicht mit Verleugnung aller Gemaͤchlichkeit und Ruhe ſich an die Spitze der Heere geſtellet, wenn ſie ent - weder das Chriſtentum auszubreiten oder zu beſchuͤtzen hat - ten? Und wie gluͤcklich ſind nicht dieſe Unternemungen abge - laufen, bis die groſſe Vorſicht die Kriegesſchule aͤnderte, und ihnen unter der Anfuͤrung gekroͤnter Haͤupter andere Ritter - dienſte anwies?

So viel glorwuͤrdige Koͤnige der Pohlen und Schweden die einzelnen Theile des alten Lieflandes beherrſchet, ſo viel Ehrenbuͤhnen oͤfneten ſich dem lieflaͤndiſchen Adel, Uebungen eines ritterlichen Heldenmuts zu zeigen. Jch berufe mich auf das Vertrauen der groͤſten Potentaten zu der Pflicht und dem Wohlverhalten eingeborner Lieflaͤnder, die unter ihren Armeen Dienſte genommen, und auf dem Bette der Ehren ſichs zur Unſterblichkeit angerechnet, Blut und Leben fuͤr ihren Koͤnig, nicht ihre Treue zu verlieren. Wie wichtige Bedienungen des Staats, des Hofes und Landes in erlauchten Collegien und Regierungen haben nicht Dero an Wiſſenſchaft und Klugheit beruͤmte Vorfaren verwaltet, die entweder durch neue Ver - dienſte den alten Adel erhoͤhet, oder einen neuen auf ihre Nach - kommen fortgepflanzet? Hier verſchweige ich dieſe Namen, die in der fernern Folge der lieflaͤndiſchen Chronik eine anſehnliche Zierde geben, mit Ehrerbietung, aus Beiſorge bey ſo zalreicher Menge derſelben einige zu uͤbergehen.

Was ſol ich von jenen wohlverdienten Maͤnnern ſagen, welche das Gluͤck hatten, Zeugen der Siege eines unſterblich groſſen Petrus zu ſeyn; die dieſem nunmehr verewigten Helde in ſeinen Feldzuͤgen durch unuͤberſteigliche Gefaͤrlichkeiten nach - ſchritten, und von ſeiner allerhoͤchſten Perſon die Kriegeskunſt lernten; die er wuͤrdig fand, ſeiner hohen Weisheit in Rath - ſchlaͤgen theilhaftig zu machen, und ihnen nach wohlgepruͤf - ter Faͤhigkeit das Ruder des Regiments und Staats in Mili - tair - und Civilgeſchaͤften anzuvertrauen? Sie haben den Nach -ruhmruhm und Lohn rechtſchaffener Patrioten: und die jetzo von den - ſelben ſich noch am Leben befinden, werden ihre Verdienſte ums Reich und das Vaterland nach dem Wechſel der Zeit mit der Ewigkeit in der Hiſtorie unverweslich erhalten.

Die Ordnung der Gedanken fuͤret mich auf die gluͤckſe - lige Regierung der unvergleichlichen Eliſabeth, der glorwuͤr - digſten Kaiſerin und Selbſtherſcherin aller Ruſſen. Sie, Hochwolgeborne Herren, genieſſen die vorzuͤgliche Gna - de, der allergnaͤdigſten und ſanftmuͤtigſten Monarchin zur Hand zu ſeyn, ihren Laͤndern weislich zu rathen, ihre Befele zu befolgen, ihren Unterthanen Gerechtigkeit zu verſchaffen, und zum Theil unter ihren Siegesfahnen in Dienſten zu ſte - hen. Sie widmen nicht nur wackere Soͤhne fuͤr den Staat und die Heere unſerer allerhoͤchſten Souveraine, ſondern er - ziehen ſie auch zu dieſen Ehrenaͤmtern gelehrt und rittermaͤßig. Sie koͤnnen nicht ohne empfindliche Ruͤhrung und Dankbar - keit bleiben gegen die hoͤchſte Vorſicht GOttes und gegen ſei - ne Geſalbte, die eine an Verdienſten ſo glaͤnzende Ritterſchaft bey den theuer hergebrachten Privilegien nicht nur erhaͤlt, ſon - dern dieſe Freiheiten aufs grosmuͤtigſte vermeret; die den Wohlſtand des Landes mit ausnemender kaiſerlichen Huld ver - beſſert und uns den unſchaͤtzbaren Frieden erhaͤlt. Der al - maͤchtige Arm des Hoͤchſten unterſtuͤtze die Schultern, welche die Regierungslaſt ſo weitlaͤufiger Reiche und Provinzen tra - gen, mit auſſerordentlicher Kraft, und begluͤcke das allerhoͤch - ſte |kaiſerliche Haus mit alle dem Gute, was die von tiefſter Ehrfurcht und treueſter Liebe geruͤhrte Vaſallen und Untertha - nen vom Himmel erbitten. GOtt goͤnne auch unſern Nach - barn die Fruͤchte eines ſo geſegneten Regiments, und laſſe inſon - derheit Curland unter dem Scepter eines allerweiſeſten Auguſts bey dem Fette und der Fruchtbarkeit ſeiner Felder mit uns uͤber die Tage des ewigen Friedens vergnuͤgt und froͤlich ſeyn.

Die Betrachtung ſolcher Vorzuͤge, Hochwolgeborne Herren, beweget mich, dieſe wenigen Nachrichten, die Krieg, Brand, Verwuͤſtung und andere Ungluͤcksfaͤlle uns uͤbrig gelaſ - ſen, Denenſelben zu beſondrer Geneigtheit zu empfelen; weil ſie auſſer buͤrgerlichen Haͤndeln auch das Andenken Dero beſt - verdienten Vorfaren der Nachwelt aufheben. Nicht meine maͤßige Wiſſenſchaft, ſondern Dero edelmuͤtigen Befoͤrderung iſt es zuzuſchreiben, daß aus der Zeit des Ordens mehreres be - kant geworden, daß man einige lateiniſche Documente zum Nu - tzen der ſtudierenden Jugend auf behalten, und daß wir die be - ruͤmte rußiſche Nation, aus den Zeugniſſen vernuͤnftiger Ge - ſchichtſchreiber, in ihrer wahren hoͤchſt wuͤrdigen Geſtalt der) (2WeltWelt darſtellen koͤnnen. Es wuͤrde aber manches aus den alten Zeiten in groͤſſere Deutlichkeit geſetzet worden ſeyn, wenn eine ſo fuͤrtrefliche Ritterſchaft nach dem Exempel des uͤbrigen euro - paͤiſchen Adels Belieben faͤnde, Dero Geſchlechtsregiſter zum Gedaͤchtnis ſo hochberuͤhmter Vorfaren im Druck kund zu ma - chen. Was hier und da dem groſſen Univerſallexico einverlei - bet worden, iſt zu abgebrochen, und enthaͤlt zu wenig aufs Ganze, zu geſchweigen, daß dieſes weitlaͤuftige Werk in den Haͤnden der meiſten Praͤnumeranten ſich unvolſtaͤndig befin - det. Die andern Familiennachrichten kleinerer Buͤcher zeigen uns den lieflaͤndiſchen Zweig nur durchs Fernglas, oder beken - nen ihre Unwiſſenheit, weil ſie erſt aus Liefland den Zuſammen - hang erwarten.

Die Muͤnzen der Ordenszeit ſind von Liebhabern fleißig genug geſamlet. Da nun noch eine gute Anzal derſelben zer - ſtreuet, dieſe aber auſſer ihrer Ordnung und Zeitfolge wenig vorſtellen: ſo waͤre allerdings zu wuͤnſchen, daß ſie entweder aus vielen Haͤnden in ein Cabinet geriethen, oder daß eine hinlaͤngliche und nach den Jahren eingerichtete Samlung an einem oͤffentlichen Orte zum Beſehen aufgeſtellet, und durch dieſes Aufheben ihrer Vergeſſenheit und ihrem Untergang ent - riſſen wuͤrde. Sie ſind die unverwerflichſten Denkmale, daß Liefland wirklich das geweſen, wie es die Geſchichte be - ſchreiben.

Jch weis keine angenemere Belonung meiner eigenen Ar - beit, als Dero Beifal, den mir aufs zuverſichtlichſte ausbitte, und fuͤr den ich mit begierigſter Gegenerkentlichkeit bin,

Gnaͤdige Herren, Ew. Hochwolgebornen Riga, den 25ſten April 1753. unterthaͤniger und gehorſamſter Diener Johann Gottfried Arndt.

Vorrede.

Die Seltenheit unſerer Geſchichtſchreiber kan die Ausar - beitung einer neuen Ordensgeſchichte von Liefland zur Gnuͤge rechtfertigen, die bey ſo bewandten Um - ſtaͤnden keine unnoͤthige Arbeit ſeyn kan. Wenige Lieb - haber beſitzen die theuren Werke des Huitfelds, des Pontanus und Chytraͤus, welche Schriftſteller doch noch nicht einmal zur Hauptabſicht gehabt, die Haͤndel des lieflaͤndiſchen Ordens aus - fuͤhrlich zu erzehlen. Die Menge der pohlniſchen und preußiſchen Ge - ſchichtſchreiber treiben ſie gleichfals bey andern Materien nur als ein Ne - benwerk. Die ſo den Staat von Rusland beſchrieben, bleiben nur bey den neueſten lieflaͤndiſchen Begebenheiten. Unſere einheimiſchen Ge - ſchichtſchreiber, Ruſſow*)Von des revelſchen Paſtor Balthaſar Ruſſows platdeutſchen Chronik von Lief - land ſind 3 Ausgaben vorhanden. Die erſte iſt zu Roſtock 1578 in 4 gedruckt; die andere eben daſelbſt, in 8, noch in eben dem Jahr, doch mit einigen Zuſaͤtzen; die dritte zu Barth in Pommern in gros 4, durch Andreas Seitner, in der fuͤrſtlichen Druckerey, welche letztere die beſte und volſtaͤndigſte iſt. Er hat eine beiſſende Schreib - art, und mahlet die Laſter ſeiner Zeit ohne Anſehen der Perſon mit natuͤrlichen Farben. Da hingegen Salomon Hennigs Chronik von Lief - und Curland mit Chytraͤi Vorrede vielen parteiiſch vorkoͤmt, weil ſie mit noch lebenden Perſonen oder deren Haͤu - ſern zu thun gehabt. Sie ſamlet auch nur die Begebenheiten von 1554 bis 1590, wes - wegen man ſie beim Ruſſow zur Fortſetzung gebrauchen kan. Sie iſt ſo wol, als die Arbeit des Menius und Herrn von Ceumern, in den Nebenanmerkungen dieſes Theils beſchrieben worden, wo auch von unſern ungedruckten Geſchichtſchreibern Nach - richt zu finden iſt. und Kelch**)Der Paſtor zu St. Johannis in Jerwen, nachmaliger Praͤpoſitus, und zuletzt re - velſcher Oberpaſtor, Herr Chriſtian Relch, hat eine lieflaͤndiſche Krieges - und Friedensgeſchichte geſchrieben, die zu Rudolphſtadt 1695 in 4 gedruckt worden. Sie hat ihres ordentlichen Vortrages und ihrer Volſtaͤndigkeit halber durchgaͤngig Bei - fal erhalten, ohnerachtet dieſe Arbeit vor dem Druck wider des Verfaſſers Willen ei - ne oͤffentliche Durchſichtigung ausſtehen muͤſſen. Jn den lieflaͤndiſchen Hiſtorien, ſo in lateiniſcher, engliſcher, franzoͤſiſcher, ſchwediſcher und andern Sprachen geſchrieben ſind, hat man dieſes Werk theils ſtuͤckweiſe, theils voͤllig uͤberſetzet, auchhier, ſind bey uns ſo ſelten, daß ſie aufadenVorrede. den oͤffentlichen Buͤcherauctionen um 3 bis 4 Dukaten erſtanden werden; daher ſie ſchwerlich jungen Leuten in die Haͤnde gerathen; zu geſchweigen, daß ſie ſich bey den Zeiten des Ordens nur kurz aufgehalten. Die beiden Herren Schurtzfleiſche*)Dieſe beiden Herren Bruͤder haben das Ordensregiment, der Profeſſor nemlich Con - rad Samuel in einer hiſtoriſchen Diſſertation in 4, der Hofrath aber und Profeſſor der Hiſtorie, Heinrich Leonhard, in einem eigenen Tractat in 8 abgehandelt. Beide irren ſchon in dem Titel de ordine Enſiferorum, weil von dem Schwerdtbruͤderorden nur 2 Meiſter, die andern 46 aber ordinis Crucigerorum, oder wie ſie ſich ſelbſt ſchrei - ben, Teutonicorum in Livonia geweſen. Der letztere giebt unſern Schriftſtellern nach academiſcher Gewonheit ein lateiniſch Kleid. Seine Zuſaͤtze ſind Berichte des Duisburgers, Venators und Bredenbachs. Unter den auswaͤrtigen Geſchicht - ſchreibern nimt er Kojalowiczen mehrentheils als entſcheidend an, und unter denen, ſo ohne Documente geſchrieben, haͤlt man ſeine Arbeit fuͤr die gelehrteſte. in Wittenberg haben zwar die Ordensge - ſchichte eigentlich zu ihrem Zweck erwehlet**)Es liegen unter unſern Handſchriften auch einige, die ſich ausdruͤcklich fuͤr herrmei - ſterliche Chroniken ausgeben, deren Dicke noch keinen Finger breit ausmacht, und die oft recht wunderliche Geſchoͤpfe ſind. Zu allem Gluͤck haben ſich ihre Verfaſſer nicht nennen wollen.; allein die Huͤlfsmittel, de - ren ſie ſich bedienet, waren nicht von der Beſchaffenheit, daß ſie dieſelbe zu - verlaͤßig darnach abhandeln konten.

Nachdem der koͤnigliche grosbrittanniſche geheime Juſtizrath, Hi - ſtoriographus, und Bibliothekarius zu Hannover, Herr Daniel Gru - ber, durch ſeine Entdeckungen in den Originibus Liuoniae der Ordenshi - ſtorie von Liefland die Bahn gebrochen; ſo ſchien es nicht ganz unmoͤglich, dieſen Fuſtapfen nachzuſpuͤren, zumal da in dem ſchoͤnen gruberſchen Werke eine ganze Bibliothek zur lieflaͤndiſchen Hiſtorie angewieſen wor - den. Der Herr Rittmeiſter Otto Magnus von Aderkas auf Kuͤrbis bot auch gleich aus freien Stuͤcken durch Vorſchub gedruckter und unge - druckter Schriftſteller, die nur einiger maaſſen in die Geſchichte des Landes einzuſchlagen ſchienen, die erſte huͤlfreiche Hand dazu an. Wir haben eine ſo ruͤmliche Beihuͤlfe nicht obenhin angenommen, ſondern ſie zur Ermun - terung gebraucht, ſelbſt Hand ans Werk zu legen, und ſind aus mehr als einer Bibliothek mit den benoͤthigten, theils geſuchten, theils unge - ſuchten Huͤlfsmitteln verſehen, und alſo zur Ausarbeitung dieſes Theils gleichſam berufen worden.

Die Quellen, daraus die Geſchichte des Ordens geſchoͤpfet werden muſte, und worauf alles ankam, waren verſiegen, oder doch hinter ſolche Zaͤune verleget, zu denen der Zugang hoͤchſt ſchwer war. Man hatte unszwar**)hier und da mit ſinreichen Ausdruͤcken und eingeſtreueten Urtheilen verſchoͤnert. Bey verſchiedenen Begebenheiten des 16ten und 17ten Jahrhunderts hat er die hoͤchſte Glaub - wuͤrdigkeit, weil ihm das revelſche Archiv zu ſeinem Gebrauch offen geſtanden. Die Fortſetzung, welche dieſer Verfaſſer bis 1706 handſchriftlich hinterlaſſen, verdienet ſorg - faͤltig aufgehoben zu werden. Was ſeine perſoͤnlichen Umſtaͤnde betrift, ſo war er am 5ten December 1657 in der Stadt Greiffenhagen in Pommern geboren. Sein Vater Gottfried Relch war Prediger, ſein Grosvater aber Paul Kelch Buͤrgermeiſter in beſagter Stadt. Von ſeiner erſten Ehe finden wir weiter nichts, als daß er mit ſeinen noch uͤbrigen 3 Stief - toͤchtern Richtigkeit getroffen. Seine andere Ehe volzog er am 25ſten Nov. 1696 mit Jungfer Euphroſyna Coſtera, einer Tochter des Magiſter Caſpar Coſteri, Pa - ſtoris zu Haggers und Praͤpoſiti des oſtharriſchen Kreiſes, in welcher er 3 Toͤchter erzeuget, und einen einzigen Sohn, Chriſtian Relch, der den 23ſten April 1704 geboren, und jetzo Rathsherr und Kaufman in Doͤrpt iſt, welcher uns auf Verlangen dieſe wenige Nachricht von ſeinem ſeligen Herrn Vater mittheilen koͤnnen. Er ſo wol, als ſeine Frau ſtarben beide 1710; er nemlich in der groſſen Peſt zu Revel, nachdem die Stadt an die Ruſſen uͤbergegangen war, in dem Paſtorathauſe bey St. Nicolai, bey welcher Gemeine der ſelige Praͤpoſitus zum Oberpaſtor berufen geweſen.Vorrede. zwar dieſen und jenen Canal angewieſen: allein wie ſolten ſolche kleine Stroͤmgen das leere Meer der hiſtoriſchen Begebenheiten fuͤllen koͤnnen, welches durch gar zu ſtarke und oͤftere Ableitungen bis auf den Grund ausgetrocknet war? Der wichtigen und ſchon bekanten Zerſtoͤrung des al - ten erzbiſchoͤflichen Archivs zu Kokenhauſen nicht zu gedenken, ſo hat die buͤrgerliche Geſchichte durch den 1532 entſtandenen Brand in Riga und den Verluſt der Gildeſtubenbuͤcher einen anſehnlichen Abgang erlitten. Aus dem rigiſchen Archiv holten die Pohlen 1620 ein ſtark Packet Ori - ginale weg. Jm Jahr 1621 wurden aus Mitau durch die Schweden viele daſelbſt verwarte lief - und eſtlaͤndiſche Documente nach Stock - holm gebracht, dergleichen 1710 den oͤffentlichen Archiven der Regierung, des Burggerichts und des Conſiſtorii zu Revel ſo gar mit Wegnehmung aller hiſtoriſchen Privatſamlungen in Eſtland wiederfuhr. Jm Jahr 1674 den 9ten Febr. gerieth das Obertheil des rigiſchen Rathhauſes in Brand, wodurch die Protocolle bis 1660 zu Aſche wurden, welchen Ver - fal der Hr. Oberpaſtor, Mag. Brever in einer beweglichen Predigt uͤber Amos VII, v. 4. 5. 6 den Tag darauf beklagte. Laut des hard - tiſchen Verzeichniſſes giengen recht alte und wichtige lieflaͤndiſche Brief - ſchaften bey ploͤtzlicher Abbrennung des koͤniglichen Schloſſes zu Stock - holm 1697 in Rauch auf, die uns 3 Jahrhunderte hindurch Licht gege - ben haͤtten. Weil auch bey den unruhigen Kriegeszeiten das Ritterſchafts - archiv von Haus zu Haus, ja wol gar zu Lande herum wandern muͤſſen, ſo iſt manches ſchoͤne Original daruͤber verloren gegangen. Denn ob ſich wol dann und wann ein Ulyſſes nach langen Umſchweifen und zwar ganz unkentlich wieder zu Hauſe eingefunden; ſo haben doch viele durch die uͤble Haushaltung des Mars ihren Reſt, oder in den Briefladen der Privat - leute ein unrecht angewieſenes Quartier bekommen, und in ſolchem un - ſchuldig vermodern muͤſſen.

Dieſer Verluſt waͤre einigermaſſen zu verſchmerzen, wenn ſich die al - ten Aufſaͤtze der Pfaffen finden wolten, welche zur Zeit der Ordensregie - rung merkwuͤrdige Veraͤnderungen erlebet haben. Auch dieſen Papieren haben die Regenten das Garaus gemacht. Der culmiſche Kanzler Lu - cas David berichtet, daß der Orden alle preußiſche Chroniken auſſer den Duisburger und Jeroſchin verbrant habe. Der Hochmeiſter Mi - chael von Sternberg lies alle Chroniken vertilgen, weil ſie den Hußiten das Wort redeten, daher viele ihre Chroniken vermaurten. An Kettlern ſelbſt haben manche bemerken wollen, daß er keine Chroniken leiden koͤn - nen, weil die Moͤnche gemeiniglich der Cleriſey Recht gegeben.

Die Privilegien der Staͤdte, ſo die Vorſicht ihres Magiſtrats meh - rentheils in Urſchriften aufgehoben, gehen hie und da in Abſchriften durch die Haͤnde, und erlauben uns noch einige Blicke in die verloſchenen Zeiten des Alterthums. Doch liegen noch manche unter dem Namen der henſi - ſchen Vertraͤge, oder wolmerſcher und wendenſcher Receſſe, in ſtarken Stoͤſſen unaufgeloͤſt und unberuͤret. Sie werden auch in dieſer langen Ruhe ungeſtoͤrt bleiben. Jhre Schrift erfordert mehr als 2 Augen, und die Durchſicht derſelben eine Freiheit von andern oͤffentlichen Geſchaͤften. Da ſie keinen andern Gehalt als ein kleines Vergnuͤgen fuͤr die Neubegier - de gewaͤhren, ſo duͤrfte wol der Tag ihrer Auferweckung ſo bald noch nicht anbrechen.

Bey ſo oftmaliger Ausleerung der Archive koͤnnen die einheimiſchen Urkunden wenig Stof zur Hiſtorie ertheilen. Es iſt daher kein Wunder, wenn die zahlreiche Samlung unſerer Handſchriften nichts beſonders ent - haͤlt, und die Liebhaber der Hiſtorie die angewandten Schreibekoſten alsa 2einVorrede. ein anſtaͤndiges Almoſen anſehen muͤſſen. Wir berufen uns auf die Erfah - rung aller geſchickten Kenner, ob ſie in dergleichen Abſchriften was anders finden, als eine magere Geſchichte der alten Zeiten, die ihres gezerreten und uͤbel ausgedehnten Vortrags halber mit altvaͤteriſchen Formeln we - nig oder nichts ſagen, und einen lehrbegierigen Leſer von einem Blat zum andern auf ein leeres Jch weis nicht warten laſſen. Jn dem vorigen Jahrhundert, da das Chronikenſchreiben in Liefland recht zur epidemi - ſchen Krankheit geworden, haben die Verfaſſer nicht fuͤr die gelehrte Welt, ſondern zu ihrem Zeitvertreib geſchrieben, oder nur die Abſicht gehabt, die Begebenheiten ihrer Zeiten zu bemerken; daher ſie entweder die alte Hi - ſtorie fluͤchtig uͤberhuͤpfen, oder den alten Ruſſow und Henning bald ſtuͤck - weiſe, bald ganz ausſchreiben, nach dem einer vor dem andern was zuſam - menhaͤngendes liefern wollen. Selbſt Neuſtaͤdt bindet ſich im Anfang ſeiner Geſchichte an keine Ordnung, und Thomas Hiaͤrne*)Von dieſem arbeitſamen Manne iſt in der Vorrede des erſten Theils etwas erwehnet worden. Seine eigene Handſchrift mit Luftens Fortſetzung wird in Riga auf dem Ritterhauſe verwahret. Er wandte eine erſtaunliche Muͤhe auf die Hiſtorie des Lan - des, und ſein geſchriebenes Werk wurde ſo guͤltig aufgenommen, daß Oernhielm, Patkuͤl, Stralenberg und Nettelbladt in ihren gedruckten Werken ſich auf ihn be - rufen. Nichts deſto weniger erkennet ein vornehmes Urtheil ſeine Ordensgeſchichte fuͤr mager und trocken. Jndeſſen behaͤlt ſein Fleis einen ewigen Nachruhm. Sein| ſchon fertiges Werk bahnte ihm erſt den Weg zu Urkunden. Seine Collectanea zeigen, was von ihm zu hoffen geweſen. Er bediente ſich der oxenſtierniſchen Bibliothek auf Fyholm. Der ſchwediſche Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie ertheilte ihm gegen einen eidlichen Revers vom 29ſten May 1676 die Freiheit, alle zur eſt - und lieflaͤndiſchen Hiſtorie gehoͤrige Sachen aus dem Reichsarchiv abzuſchreiben, doch alle Staatsgeheimniſſe zu verſchweigen. Hiaͤrne wuͤrde mit ſeiner Arbeit alle praleriſchen Menios uͤbertroffen haben, wenn nicht das Vorhaben, die lieflaͤndiſche Hiſtorie auf einmal und diplomatiſch in vielen Folianten ans Licht zu ſtellen, ihn ſo wie andere um Zeit und Leben gebracht haͤtte., der unſern Livius vorſtellet, bringt auſſer den kurzen Auszuͤgen aus der gruberi - ſchen Handſchrift und den daͤniſchen Geſchichtſchreibern wenig erhebli - ches von der Regierung der Erzbiſchoͤfe und des Ordens vor. Hierzu komt noch, daß ſeine Handſchrift in denen Documenten aus dem Huitfeld und Pontanus durch unlateiniſche Schreiber oft bis zur Unverſtaͤnd - lichkeit gemishandelt worden.

Solchen Hauptmaͤngeln der Handſchriften haben gelehrte und tuͤchti - ge Maͤnner durch Hervorſuchung der noch vorhandenen oder auswerts be - findlichen Urkunden abzuhelfen geſucht. Weil aber hierdurch die Hiſtorie ein geraumiges Feld bekommen, und die letzten Jahre von 1560 bis auf ihre Zeiten an Documenten ſehr fruchtbar ſind, ſie aber den ganzen Um - fang auf einmal durchzuarbeiten ſich vorgeſetzet; ſo hat ſie der Tod bey ſo weit geſtecktem Ziel ohne Uebereilung abholen koͤnnen.

Der gelehrte rigiſche Rathsherr, Herr Johan Witte**)Dieſer fertige Man ward wegen ſeiner ſiebenjaͤhrigen Treue und Sorgfalt, die er als Agent am koͤniglich ſchwediſchen Hofe in Staatsſachen bewieſen, 1648 als Archi - varius und in claſſe Secretariorum Rigenſ. gebraucht, wo er ſehr gute Dienſte gelei - ſtet, ſo dann 1654 am 27ſten October zum vogteilichen Gerichtsſecretarius, ernennet und 1656 in den Rath gezogen. Er bekleidete bis an ſein Abſterben, ſo am 25ſten Julii 1657 erfolget, die Wuͤrde eines Ober - Bau - und Waiſenherrn. Daß er 1654 auf die Empfelung des Grafen Erichs Oxenſtierna, Praͤſidentens des Cammercol - legii, der ihm alle ſeine Handſchriften gegeben, die Stelle eines koͤniglichen Hiſtorio -graphus, hat mit auſſerordentlichem Fleis und erſtaunlicher Arbeitſamkeit das Archiv derStadtVorrede. Stadt Riga durchſucht, und auſſer vielen herrlichen Huͤlfsmitteln, durch hohen Vorſchub aus Schweden einen ziemlichen Vorrath von Urkunden ſich abgeſchrieben, die doch mit ſeinem Abſterben der Nachwelt eben ſo bald durch Verſchlieſſung, als ſeine Perſon durch den Tod entzogen worden.

Der Vicepraͤſident des rußiſch-kaiſerlichen Juſtizcollegii, Herr Her - man von Brevern*)Dieſer groſſe Man war am 20ſten Jul. 1563 zu Riga geboren. Sein Vater war D. Joh. Brever, koͤniglicher Superintendent, die Mutter Frau Sophia von Dunten, und ſein Grosvater Herr Joh. Brever, graͤflich - mannsfeldiſcher Con - ſiſtorialſecretair. Seine noch auf Schulen verfertigte Reden, Diſputationen und Ver - ſe liegen der Welt im Druck vor Augen. Jm Jahr 1683 begab er ſich vom rigi - ſchen Gymnaſio nach Deutſchland, beſuchte die vornehmſten Hoͤfe, Handeleplaͤtze und Univerſitaͤten, und ſtudirte 3 Jahr in Altdorf, alwo ihn eine Diſputation de Sym - bolo heroico beruͤhmt machte. Er wandte ſich 1686 nach Jena, und nahm mehrere Reſidenzſtaͤdte von Deutſchland in Augenſchein. Von Wien nahm er ſeinen Weg nach Ungern, und kehrte von Ofen zuruͤck nach Augſpurg. Von da reiſete er nach Venedig, Florenz und Rom, beſichtigte die vaticaniſche Bibliothek, und nahm die Poſt nach Neapolis, wo ihm die tuͤrkiſchen Seeraͤuber den Pas nach Sici - lien unſicher machten. Hier beobachtete er die Flammen und Schluͤnde des Veſu - vius, und richtete ſeine Reiſe wieder uͤber Rom nach Mayland und Genua. So dann begab er ſich nach Turin, und ſo weiter von Geneve nach Paris und Ver - ſaille. Hiernaͤchſt wolte er die Niederlande durchreiſen; allein eine Krankheit, ſo ihn in Amſterdam das Bette zu huͤten noͤtigte, unterbrach ſein Vorhaben nach Eng - land zu ſchiffen. Er trat alſo auf Erinnerung ſeines Herrn Vaters 1691 die Ruͤck - reiſe durch Holſtein, Mecklenburg, Pommern und Preuſſen zu Lande an. Jm Jahr 1693 ward er Aſſeſſor des Landgerichts, 1694 am 5ten Octobr. in den Adel - ſtand erhoben, verheyrathete ſich darauf mit Catharine von Reutern, und nahm 1696 die Praͤſidentenſtelle in dem koͤniglichen Burggerichte zu Riga an. Gleich nach - her ernante ihn der Koͤnig zum ordentlichen Aſſeſſor des 1701 von Doͤrpt nach Riga verlegten Hofgerichts. Bey den vorwaltenden Kriegslaͤuften wandte er ſich mit ſeiner Familie nach Luͤbeck. Seine daſelbſt ausgearbeitete herrmeiſterliche Hiſtorie iſt uns nicht zu Geſicht gekommen. Mit dem Fruͤhjahr kam er wieder nach Riga, wo er ein halbes Jahr in Abweſenheit des Hrn. Statthalters von Strokirch der Landes - regierung vorgeſtanden. Hier noͤtigte ihn der Krieg zum andern mal nach Luͤbeck zu gehen. Alhier erhielt er das kaiſerlich rußiſche Patent als Vicepraͤſident des Hofgerichts, mit welchem er 1711 nach einer gefaͤhrlichen Reiſe im Herbſt zur See uͤber Liebau zu Riga ankam. Jm Jahr 1717 ward er zugleich Vicepraͤſident des erlauch - ten hohen Reichsjuſtizcollegii, und ſtand in Petersburg am kaiſerlichen Hofe in be - ſondern Gnaden. So maͤßig er auch lebte, und ſich vor allen heftigen Leidenſchaften huͤtete, ſo verurſachten ihm doch die Steinſchmerzen am 17ten Jun. 1721 ein ſchmerzli - ches Lager. Das Singgedicht, ſo er uͤber dieſen Stein in ſeinen Nieren mit eigner Hand aufgeſetzet, iſt ſo ſinreich, als beweglich; wie denn auch ſeine gedruckten Ge - dichte viel Schoͤnheiten und artige Gedanken enthalten. Er ſtarb am 3ten Jul. und ſeine Leiche ward von Petersburg nach Riga abgefuͤhret, wo ſie am 23ſten Febr. 1722 beerdiget worden. Unter ſeinen Handſchriften iſt die leſenswuͤrdige Unterſuchung von der Warhaftigkeit des Privilegii, ſo Sigismund Auguſt 1561 fer. 6 poſt Cathar. den Lieflaͤndern ertheilet hat, die bekanteſte; ſonſt finden ſich auch gelehrteAn -, ein Vater zweier hochverdienten Staatsminiſter,bbeſas**)graphus von Liefland vertreten, und dafuͤr aus den Licenten eine jaͤhrliche Penſion von 300 Thlr. Alberts gehoben, erhellet aus einer Birſchrift an den Koͤnig, in wel - cher er ſich ſeine Beſoldung aus dem rigiſchen Portorio ausbittet, weil die Licent - gelder ſehr unordentlich ausfielen. Sein Sohn, Herman Witte, ward am 19ten May 1698 von Carl den XIIten geadelt. Er ſchlos nebſt dem Rathsherrn Joh. von Reutern, und den Elterleuten beider Gilden, am 30ſten Jun. 1710 mit dem rußi - ſchen Generalfeldmarſchal Scheremetow die Capitulation der Stadt Riga, und ſtarb am 2ten Auguſt darauf. Sein Sohn Herman Claudius Witte von Nor - deck, der letzte im Rathe von ſeinem Geſchlecht, war Buͤrgermeiſter, und ſtarb am 19ten Auguſt 1736 auf Uxkuͤl in einem Alter von 53 Jahren.Vorrede. beſas den groſſen Geiſt, der ſich an die merkwuͤrdigſten Sachen des Alter - thums und an die Urkunden des Landes ohne Schwachheit wagen konte. Sein aufgeweckter und lebhafter Witz, der ſich ſchon in ſeinen kleinern Schriften zeiget, wuͤrde uns was ausnehmendes geliefert haben, wenn das oberſte Verhaͤngnis nicht ſeinem Leben ein enger Ziel als ſeinen Ab - ſichten haͤtte ſetzen wollen. Einige ſeiner durch Erbſchaften zerſtreueten Papiere ſind in Abſchriften der Vergeſſenheit gluͤcklich entzogen; dahinge - gen die uͤbrigen ſamt den rareſten Muͤnzen von ihren jetzigen Beſitzern aus ſonderlicher Liebe geheimer gehalten werden, als es der Hiſtorie zutraͤg - lich iſt.

Der Secretair des Generalgouvernements von Eſtland, Herr Bernhard Rieſemann, hatte ſich in den eſtlaͤndiſchen und revelſchen Documenten wohl umgeſehen. Er ſuchte bey ſeinem erfahrnen Alter, und in der nach vielen Amtsgeſchaͤften erbetenen Ruhe, ſein Vergnuͤgen darin, die Hiſtorie des Landes zu erweitern. Wir wuͤrden ſeinem freiwilligen Verſprechen zu Folge ſeine Beitraͤge mit erhalten haben, wenn ihn nicht nach einer kurzen Krankheit ein uns, nicht ihm, unerwarteter Tod den 11ten April 1750 die Feder haͤtte niederlegen heiſſen. Die Erben, welche ſeine Arbeit, die groͤſtentheils die Rechte und Privilegien von Eſtland be - trift, nicht zerſtreuen wollen, werden ſie mit der Zeit vielleicht der Welt mittheilen.

Unter denen, welche zur Ausfuͤhrung und Herbeiſchaffung der ver - lohrnen Hiſtorie von Liefland das meiſte beigetragen, macht der Land - rath und Praͤſident des lieflaͤndiſchen Oberconſiſtorii, Herr Carl Guſtav Clodt von Juͤrgensburg, die erſte Perſon aus. Die Veranlaſſung war folgende. Die Provinzen und Staͤdte des Koͤnigreichs Schweden mu - ſten bey dem Leichenbegaͤngnis des hoͤchſtſeligen Koͤnigs Carls des XIten und der damit verknuͤpften Gluͤckwuͤnſchung wegen der Thronfolge ſich. im Jahr 1697 durch ihre Abgeordneten in Stockholm einfinden. Das damals hochbedraͤngte Liefland hatte, auſſer andern politiſchen Anfechtun - gen, eine recht gefaͤhrliche Obſervation wegen des ſo genanten Biſchofszehnden von ſich abzulehnen. Eine Unterſuchung, die dem groͤſten Theil des Adels den Verluſt der Guͤter und den gaͤnzlichen Untergang drohete; weswegen derſelbe entſchloſſen war, durch eine beſondere Botſchaft nach Rom uͤber dieſen Zehnden eine naͤhere Belehrung einzuziehen, wenn es wegen Kuͤrze der Zeit und ohne Aufſehen geſchehen koͤnte. Die auf das Ausſchreiben des koͤniglichen Generalgouverneurs auf dem Landtage zu Wenden verſamlete Ritterſchaft bemuͤhete ſich um drey angeſehene Mit - glieder, die dieſen Verrichtungen am ſchwediſchen Hofe bey ſo gefaͤhrli - chen Umſtaͤnden gewachſen waͤren. Sie fiel mit einhelliger Stimme auf den Herrn Praͤſidenten Clodt von Juͤrgensburg und ernante ihn zu ihrem Abgeordneten, tanquam (wie die lateiniſchen Worte des deut - ſchen Receſſes lauten,) ad hunc actum maxime idoneum. Dieſer treue Patriote war fuͤr die algemeinen Angelegenheiten des Landes eben ſo be - muͤhet, als fuͤr die Ausfuͤhrung der ihm uͤbertragenen Staatsgeſchaͤfte. Allein das nach Schweden weggebrachte herrmeiſterliche Archiv, ſo Kettler in Mitau verwahret, und das Stilſchweigen der Hiſtorie mach - te der lieflaͤndiſchen Ritterſchaft den Hauptbeweis ſchwer, und ſo langeun -*)Anmerkungen uͤber alle Denkwuͤrdigkeiten von Liefland darunter. Der Prof. und Re - ctor des rigiſchen Gymnaſii, Herr Adam Gottfried Hoͤrnick, hat von dieſem unſern Polyhiſtor mehrere Lebensumſtaͤnde in ſeiner zu Riga gedruckten Gedaͤchtnis - Seule mitgetheilet.Vorrede. unmoͤglich, bis aus tuͤchtigen Urkunden der Grund oder Ungrund der vorgegebenen Frage klaͤrlich dargethan wuͤrde. Zu dem Ende wirkte der - ſelbige durch inſtaͤndiges und anhaltendes Bitten, den 15ten Merz 1698, an den damaligen Canzleyſecretair und Archivarius, Herrn Sven Ley - onmarck, den hohen koͤniglichen Befehl aus, vermoͤge deſſen er alle zu ſeinem Unterricht dienliche Urkunden aus dem Reichsarchiv zur Abſchrift erhielt, in welchem zugleich eine Menge eſtlaͤndiſcher, curlaͤndiſcher, preußiſcher und pohlniſcher Briefſchaften verwahret lagen. Der ge - ſchickte Altertumskundige in Stockholm, Herr Richard von der Hardt, beſorgte dieſe Abſchrift, und unſer redlicher Patriot ſchonete kei - ne Koſten und Geſchenke zur Vergeltung einer ſo vieler Sorgfalt benoͤ - tigten und weitlaͤufigen Arbeit. Dieſe Freigebigkeit aber ermunterte den Abſchreiber, auch einen ziemlichen Theil der vom Herrn Hiaͤrne abge - nommenen Documente wieder herbey zu ſchaffen, durch welche der alten und neuern Hiſtorie von Liefland konte aufgeholfen werden.

Der Sohn deſſelben, der Herr Kammerjunker Jacob Guſtav Clodt von Juͤrgensburg, war nicht nur der einzige Erbe dieſer Stoͤſſe von Schriften, ſondern beſas auch den patriotiſchen Trieb ſeines Herrn Vaters, dieſelben brauchbar und nuͤtzlich zu machen. Er lieferte ſelbige nach genommener deutlichen Abſchrift in das Archiv der Ritterſchaft ein, und vermehrte ſeinen Vorrath mit vielen andern Handſchriften. Wir finden bey ihm die Folge faſt aller gedruckten und ungedruckten Geſchicht - ſchreiber, die nur irgend in die lieflaͤndiſche Hiſtorie einſchlagen; inſon - derheit aber das wohlgeordnete Kabinet der alten lieflaͤndiſchen Muͤn - zen, ſo unſers Wiſſens das ordentlichſte und volſtaͤndigſte in ſeiner Art genennet zu werden verdienet. Der Freigebigkeit des Herrn Kammer - junkers haben wir hier oͤffentlichen Dank abzuſtatten, der ſo theuer an - geſchafte Schriften faſt allein und umſonſt hergegeben, die man zum Ge - brauch unſerer Leſer in dieſem Werke auszugsweiſe angefuͤhret, oder vol - ſtaͤndig mitgetheilet.

Den vortreflichen clodtiſchen Samlungen fuͤgen wir billig die aus - erleſenen Beitraͤge des Herrn Peter von Schievelbein, Obervogts der Stadt Riga, bey. Durch die ruͤhmliche Vorſorge dieſes in unſerer Ge - ſchichte wohl bewanderten Mannes haben wir manches ſeltene Origi - nal zu Geſichte, und manche alte Abſchrift in die Haͤnde bekommen. Da auch zur Zuſammenhaltung und Bergleichung einiger Abſchriften meh - rere Exemplare noͤthig geweſen, ſo hat der Staatsſecretair des kaiſerli - chen Generalgouvernements von Liefland, Herr D. Bernhard Theodor Hausdorf, nach ſeiner Liebe fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften, dieſelben her - beizuſchaffen ſich Muͤhe gegeben. Eine gleiche Art der Beihuͤlfe iſt uns durch den muntern Fleis des Herrn Ernſt Wilhelm Rour, Secre - tairs der Stadt Mitau, zugefloſſen.

Was von buͤrgerlichen Sachen der Stadt unter den Briefſchaften der groſſen Gildenſtube verwahrlich aufgehoben worden, hat der Elte - ſte, Herr Bernhard von Huickelhaven, ſo wie die Doeumente der kleinen Gilde, derſelben Elterman Herr Johan Chriſtoph Kleeburg, uns mit vieler Willigkeit zu unſerm Gebrauch in der Geſchichte uͤberlaſſen wollen.

Aus dieſen allen hat man die ordensmeiſterliche Geſchichte zu Stan - de gebracht, viele Jahrzahlen verbeſſert, die verlornen Namen wiederb 2her -Vorrede. hergeſtellet, und alten Berichten ihre Gewisheit verſchaffet. Zwar iſt die alte Hiſtorie von Liefland fuͤr die Ehre eines Schriftſtellers gefaͤhr - lich genug; weil ſie ſelbſt in den Urkunden durch ſo viele Luͤcken ganzer Jahrzehnde durchbrochen iſt, zumal wenn unſere Leſer getrennete Bege - benheiten in einer anmuthigen Erzehlung und richtigem Zuſammenhang von uns verlangen ſolten. Allein da die witzigſten Einfaͤlle am leichte - ſten ſtraucheln koͤnnen, ſo hat man ſich derſelben mit gutem Bedacht enthalten, und lieber den Titel einer Chronik erwehlet, auch nicht den Text nach den Jahren, ſondern die Jahre nach dem Text eingerichtet, wenn gleich dadurch mehrere Luͤcken entſtanden. Denn Kauf - und Han - delsbriefe in die ledigen Stellen einzuſchieben, die die Jahre haͤtten zur Noth fuͤllen koͤnnen, wuͤrde ſo wol jedermans Erwartung als un - ſerm Endzweck zuwider geweſen ſeyn. Wir geben ſelbſt dieſe Materien fuͤr weiter nichts als einige vom algemeinen Schifbruch uͤbrige Truͤmmern aus. Verungluͤckte oder verſchlagene Leute ſehen ſich nach ein paar Bret - tern um, wenn ſie ihr altes Vaterland wieder finden wollen. Ein Haus aus alten Werkſtuͤcken komt der Natur am aͤhnſichſten. Die Kentnis der Knochen an einem Gerippe iſt eben ſo noͤthig, als die Kentnis der fleiſchichten und feſten Theile des Koͤrpers. Vielleicht finden ſich nach unſern Tagen Kuͤnſtler, welche uͤber dieſe Gebeine eine ſaubere Haut ziehen. Wir haben uns der vorhandenen Documente nicht weiter bedienet, als es unſere Abſicht, Faͤhigkeit, Kraͤfte und Nebenſtunden zu - gelaſſen. Manche gar beſondere Nachrichten ſind um des lieflaͤndiſchen Leſers willen unumgaͤnglich nothwendig geweſen.

So trocken die alte Hiſtorie an ausfuͤhrlichen Begebenheiten iſt; ſo fruchtbar wird ſie nach der Zeit des Ordens an Feldzuͤgen, Belagerun - gen, Streifereien, Scharmuͤtzeln, beruͤhmten Perſonen und merkwuͤr - digen Veraͤnderungen; nicht als ob es vorher an dergleichen Vorfaͤllen gefehlet, ſondern weil die Moͤnche zu gemaͤchlich und neidiſch geweſen, die haͤufigen Siege der Ordensherren und ihrer Ritterſchaft umſtaͤndlich und ruͤhmlich zu melden. Was auch von Moͤnchsarbeiten noch zu Papier ge - bracht worden, hat nicht immer Gedeihen gehabt. Vermuthlich iſt mancher Aufſatz von dem Orden unterdruͤckt, weil mehrentheils die Geiſt - lichen, als der beleidigte Theil, ihr Unrecht und die erlittenen Bedraͤngniſ - ſe zu lebhaft beklagten. Dazu komt noch, daß die Stadt Riga in den er - ſtern Zeiten wenig mit den Meiſtern zu thun gehabt. Es giengen 130 Jahr vorbey, ehe die Buͤrgerſchaft, der ſchon das ſanfte Regiment des Krumſtabs beſchwerlich fiel, auch noch uͤber dem das harte Joch des Kreuzes, wiewol nicht ohne Murren, auf ſich nahm, und dem Meiſter ſo wol als dem Erzbiſchof huldigen muſte. Daher auch die Zahl der Ordensmeiſter des dreizehnten Jahrhunderts ſo wenig, als ihre Na - men, von unſtreitiger Richtigkeit ſind, auch nicht aus dem Archiv der Stadt hergeſtellet werden koͤnnen.

Der Oberſte unter den Ordensgebietigern hies der Meiſter. Die Hoͤflichkeit der mitlern Zeiten ſetzte das Ehrenwort Herr davor, daher ſie Herrmeiſter Domini Magiſtri, keinesweges aber Heermeiſter, Duces exercitus, genennet worden. Jn dem 16ten Jahrhundert ſagte man auch Vorſtenmeiſter, nachdem Plettenberg die Fuͤrſtenwuͤrde erhalten. Wir haben ſie, um den harten und zweideutigen Ausdruck des Alter - thums zu vermeiden, Ordensmeiſter betiteln wollen. Hochmeiſter, Magiſtri generales, waren allein in Preuſſen zu ſuchen, welche ih -renVorrede. ren Landmeiſter unter ſich hatten, obgleich dieſer letztere Name auch in alten Zeiten dem Meiſter von Liefland beigeleget worden.

Die Eigenſchaften dieſer Helden ſind bey den alten Chronikenſchrei - bern durch die Beinamen eines alten, frommen, tapfern, beſcheidenen, erfahrnen und braven Mannes ausgedruckt. Der Herr Hofrath Schurzfleiſch ſchildert ſie gleichſam, wie ſie vor oder nach der Schlacht ausgeſehen, nachdem ſie gluͤcklich oder ungluͤcklich gefochten. Da dieſe al - gemeine Abbildungen zu ſchwach ſind, die meiſten ihre Rolle ſehr kurz ge - ſpielet, auch ihre Handlungen nicht im Zuſammenhang bekant geworden; ſo hat man lieber keine Charactere beibringen wollen. Geſichtsbildungen entwerfen, oder bey jeder Polizeiverordnung ihre Weisheit, Staatskunſt und Einſicht ruͤhmen, hieſſe in den Verſtand unſerer Leſer ein zu groſſes Mistrauen ſetzen, deren Nachdenken und Urtheil manches uͤberlaſſen werden muͤſſen.

Die Abhandlung dieſer Geſchichte beſtehet aus einer fortlaufenden Erzaͤhlung, die man ohne Anſtos fortleſen kan. Die Urkunden zum Be - weis oder zur Erlaͤuterung ſind in die Anmerkungen gebracht. Aus dieſen iſt manches in den Nebenanmerkungen erklaͤret worden, worin manche Urtheile uͤber unſere Geſchichtſchreiber mit vorkommen. Hier - durch hat dieſes Werk zufaͤlliger Weiſe eine Aehnlichkeit mit dem erſten Theil empfangen. Die wenigen Materien, ſo wider die Ordnung ein - geſtreuet und doch mit einem Sterngen bezeichnet worden, ohnerachtet ſie fuͤglicher in die Anmerkungen ſelbſt gehoͤret haͤtten, ſind Spaͤtlinge, mit welchen man wegen der ohnedem ſchon ſtark beſchriebenen Hand - ſchrift dem Drucker die Arbeit nicht noch verworrener machen durfte.

Die Urkunden der aͤlteſten Zeiten haben den Text lateiniſch, davon man einige, die zum Beweis gehoͤren, der ſtudirenden Jugend wegen beibehalten. Unter den deutſchen ſind wol auſſer einigen buͤrgerlichen Geſetzen die monheimiſchen Briefe an die Stadt Riga 1330 die er - ſten. Sie ſind alle in der platten Sprache abgefaſt, die man in etlichen in die hochdeutſche Mundart uͤberſetzet, doch ſo, daß man die alten Wort - fuͤgungen, ſo viel moͤglich, beibehalten wollen. Es war daher nicht noͤ - tig, denenſelben eine neue Ueberſetzung an die Seite zu ſetzen, wie der Herr Landrath von Ceumern bey dem ſylveſtriſchen Privilegio thun muͤſſen. Einige platteutſche hat man zwar zur Probe mit angebracht; wir bitten aber der Rechtſchreibung wegen um Verzeihung, weil eine ans hochdeutſche gewoͤhnte Hand mit ſolchen Abſchriften ungemein ſchwer zurechte komt. Die hochdeutſchen Urkunden fallen ſchon gelaͤufiger; von welchen der Ordensmeiſter Galen 1553 zu Wenden, Montags nach Catharinen, die erſte niederſchreiben laſſen, da die vorhergehenden von eben dem Jahr noch plattentſch abgefaſſet ſind. Doch unterzeichne - ten die Herren Meiſter die hochdeutſchen Briefſchaften noch platteutſch, als: Goͤddert Kedler, Meiſter, myn Handt, oder: Goͤddert, myn egen Handt.

Bey den Auszuͤgen der Urkunden haben wir auſſer dem Jahr und Tage hauptſaͤchlich auf den jedesmaligen Endzweck, die vornemſten Stuͤcke des Jnhalts, und auf die Zeugen geſehen. Damit aber bey der Menge ſo vieler Namen die oͤftere Wiederholung derſelben in den hintereinander folgenden Documenten kein Misvergnuͤgen erwecke, ſo hat man ſolche lieber weglaſſen, als zehnmal einerley Perſonen namhaft machen wol -clen;Vorrede. len; zumal da dieſe Sorgfalt hoͤchſtens nur zur Ausfuͤrlichkeit der Ge - ſchlechtsregiſter dienen koͤnnen. An einigen Stellen hat man die ſonder - baren feierlichen Ausdrucke, weil ſie was beſonders haben, mit unterlau - fen laſſen. Man erkennet ſie gleich an der Seltſamkeit oder an der ihren Zeiten ganz eigenen Einfalt.

Die angehengten fuͤnf Tabellen haben jede ihre beſondere Vorerinne - rung. Wir wuͤnſchten, die von den Muͤnzen und Sigillen durch Kupfer - ſtiche beleben zu koͤnnen. Was die Muͤnzen betrift, ſo koͤnte man Hof - nung haben, dieſelben durch die geneigte Bemuͤhung eines vornemen Goͤn - ners in Kupfer abgeſtochen zu ſehen, wenn diejenigen, ſo dieſe und mehre - re Arten beſitzen, durch Mittheilung der vorhandenen Stuͤcke dazu be - huͤlflich ſeyn wolten. Wie die Beſitzer dadurch ihres Schatzes nicht be - raubet werden, ſondern ihn in vieler Haͤnden vervielfaͤltiget wieder fin - den; ſo wollen wir alle diejenigen, welche ſolches ſchoͤne Vorhaben zu be - foͤrdern gedenken, hiemit aufs ergebenſte erſuchen, die bey ihnen vorraͤti - gen und hier nicht namhaft gemachten Muͤnzen an uns nach Riga einzu - ſenden; wofuͤr man auſſer der Erlegung des Werths ſich ihnen fuͤr ganz beſonders verpflichtet erkennen wird. Die Altertuͤmer der herrmeiſterli - chen Leichenſteine in der Domkirche zu Wenden, und dieſe Zeugen von der ehemaligen Ordensregierung, ſolten billig bey den Liebhabern oder den noch vorhandenen Familien in ſolchem Werth ſeyn, daß man ſie in natuͤrlichen Abbildungen dem ſo nahen Untergang entzoͤge. Wie vieles lieſſe ſich nicht dagegen an nuͤchternen und uͤbel ausgearbeiteten handſchrift - lichen Aufſaͤtzen erſparen?

GOTT wolle uͤbrigens auch dieſer Arbeit den zur Abſicht gehabten Nutzen in Gnaden angedeihen laſſen, deſſen Schirmwaltung wir un - ſere Leſer empfehlen. Geſchrieben zu Riga den 25ſten April 1753.

Der
[1]

Der erſte Ordensmeiſter der Ritterſchaft Chriſti oder des Schwerdtbruͤderordens in Lieflanda)Liefland, Livonia, heißt beym Ptolemaͤus auch Levonia, und bey einem unge - nanten preußiſchen Chronikenſchreiber Lyvonia. Ein angeſehener Gelehrter die - ſes Landes*)Dis iſt der in der Vorrede zum 6ten Theil der allgemeinen Welthiſtorie S. 38, und in der Vor - rede zum 9ten Theil angefuͤhrte lieflaͤndiſche Gelehrte, welcher einige ſchoͤne Anmerkungen und Beitraͤge zur allgemeinen Welthiſtorie, von den Gegenden unſers Reichs, eingeſandt, nemlich der Rußiſch Kaͤyſerl. Leibarzt und Doctor der Arzneykunſt, Herr Johann Bernhard von Fiſcher, der um das Aufnehmen gruͤndlicher Wiſſenſchaften und um die Befoͤrderung mediciniſcher heilſa - men Anſtalten, in unſerm Reiche ſich wohl verdient gemacht. Er lebt anietzo vor ſich bey Riga, auf ſeinem neu angelegten Hofe Hinterbergen, deſſen Winter - und Sommerluſt er in Verſen be - ſchrieben, und von den Anfangsbuchſtaben ſeines Namens, ſich den In Beruhigung Vnd Friede wohnenden Montan nennet, welchen Namen wir der Kuͤrze wegen beybehalten. Dieſe phyſiea - liſchen und moraliſchen Betrachtungen ſind 1745 zu Riga in 8vo gedruckt, hinten aber des Ver - faſſers Gedanken von dem Urſprunge des Namens der Stadt Riga, und der Provinzen Cur - und Liefland beygefuͤget, die eigentlich hieher gehoͤren. Dieſe kleine Schrift iſt in Leipzig in der Gleditſchiſchen Buchhandlung zu haben. Da wir nur kurz das Stammwort anzeigen ſo, wer - den neugierige Leſer wohl thun, wenn ſie die ganze Abhandlung mit den Beweiſen aus dem Werk - gen ſelbſt in Erwegung ziehen., welcher unter dem Namen Montan verborgen bleiben wollen, ſucht weit - laͤufig zu beweiſen, daß der Name Liefland von dem eſtniſchen und lettiſchen Worte Liv, ein klein Netz, herzuleiten ſey; weil die Liven zu den Venedis gehoͤret, die Ta - citus wie Schnaphaͤne und Raͤuber beſchreibet. Der Landesname Widduſemme, Mittelland, deſſen ſich die Curlaͤnder und Letten bedienen, ſol ſich nach ſeiner Mei - nung auf das feſte Land beziehen, indem es nur etliche Meilen breit an SemgallenAgren -2Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,1208a)grenzet, ſondern auf die Lage deſſelben gegen die See, weil es nemlich nicht an der freien Oſtſee, ſondern an einem Mittelwaſſer, nemlich dem lieflaͤndiſchen Meerbuſen, liege, der - gleichen Waſſer die Daͤnen und Hollaͤnder Het Binne-Water zu nennen pflegen. Die Ruſſen nanten in ganz alten Zeiten das Land Livonskaja Semla, anjetzo aber nennen ſie es Lieflandie. Die Wenden*)Diejenigen, welche die Namen der Voͤlker gerne aus Stammwoͤrtern ableiten, ſo ihre Rauberel - en, Ueberfaͤlle und Gewaltthaͤtigkeiten anzeigen, finden in Guagnini rerum Polon. tom. I p. 16 das ſlavoniſche Wort Wenda oder Venda, das einen Fiſcherhamen bedeutet, und vielleicht den Wenden den Namen gegeben. Die Wenden aber in Liefland haben heutiges Tages vor an - dern Letten nicht das geringſte Unterſcheidungszeichen mehr uͤbrig. Daher ſind ſie ohne Zweifel dieſelbe Nation, die ehmals am Fluß Winda in Curland gewohnt, und den die Letten noch Wenda ausſprechen. und Letten, welche die Liven ver - drungen und ehmals von einander unterſchieden waren, haben uns jetzo keine Spur von ihrem vormaligen Unterſchiede uͤbrig gelaſſen. Es kan auch die Sprache dieſer ſlavoni - ſchen Voͤlker nicht ſehr unterſchieden geweſen ſeyn. Was fuͤr einen Commentarius koͤnte nicht ein Sprachkundiger hieruͤber verfertigen? Die Stadt Libau in Curland hat ihren Namen von Leepa, ſo auf curiſch und lettiſch den Lindenbaum bedeutet, den auch die Stadt in Wapen hat. Leepicz nent der Litthauer den beſten Meth, der aus dem von Lindenbluͤten geſamleten Honig gebrauet wird. Das ſchoͤne Leipzig in Sachſen hat von den Linden ſeinen Namen durch die Wenden erhalten. Mit dem Urſprung der Wenden wird Heinrich der Lette geſchwind fertig, vtpote a Wyn - dow repulſi. Es waͤre ja eben ſo kurz von den Liven geſchloſſen, Liui vtpote a Liva repulſi. Liwa iſt der alte Name des Stroms und der Stadt Liebau in Curland. Doch Guagnini tom. II p. 42 fuͤhret terram Liuenſem an, in der Liwo, eine hoͤlzerne Stadt mit einem ſteinern Schloſſe, am Fluß Liwiecz lieget. Zu dem in Leuen - klaus, Zeylers, Hennings, Waiſſels und andrer Schriften befindlichen Namen Eifland iſt es ganz unſchuldig gekommen. Man trift in unſern alten und neuen Do - cumenten kein Eifland an, ſondern der Buchdrucker hat das in einen Zug gebrachte L fuͤr ein E geleſen, weil die erſten Schriftſteller, nach der Einfuͤhrung der Buchdrucke - rey, wegen der Entlegenheit der Druckorte, die Durchſichtigung der Bogen nicht ſelbſt beſorgen koͤnnen, wie denn noch in einigen unſrer Handſchriften das zierliche Anfangs L, wegen des durchgehenden Zuges, als ein E geleſen werden kan**)Leuenclau in Pand. Turcicis tom. I part. III p. 181 nennet Eifland die hochdentſche Ausſpra - che, da hingegen die Sachſen Liefland ſagen. Entfernte Voͤlker verfehlen gemeiniglich des rech - ten Namens, den die Nachbarn oder ſolche Nationen, welche mit einem Lande Handel treiben, richtiger ſchreiben und ausſprechen. So geht es dem Athenienſer Laonicus Chalcocondylas, der in ſeinem 3ten Buche de rebus Turcicis auf ein Land Euphraſtaͤ oder Jnflaſtaͤ komt, deſſen Hauptſtadt er Ycra heiſſet. Es mag nun dieſer Grieche oder ſein Abſchreiber gefelet haben; ſo zeiget doch die Beſchreibung dieſer Seeſtadt, wohin die Deutſchen, Daͤnen, Franzoſen und Engellaͤnder handeln, und die ein ariſtocratiſch Regiment haben ſoll, daß ſie Ryca oder Riga, und das Land Liefland oder Eifland heiſſen muͤſſe, und man alſo nur die Buchſtaben verſetzen duͤrfe. Auf die Art wird man mit den verworrenen Namen auch eher fertig, als wenn man nach der Erklaͤrung des Franzoͤſiſchen Ueberſetzers, es auf die Stadt Nogarden deuten wolte. Chalcocondylas hat mehr ungewoͤhnliche Namen. Die deutſchen Ordensherren heiſſen bey ihm Nazaraͤer, weil ſie weiſſe Maͤntel trugen und Geluͤbde thaten. Leuenclau ſelbſt, der die Einwohner des Landes von den Juden ableitet, iſt vom Herrn Praͤpoſitus Kelch S. 13 gruͤnd - lich widerleget worden. Sein Joͤrru, Joͤrru Maſcolon, welches er von den Bauren ſingen hoͤren, und fuͤr ein Klagelied uͤber Jeruſalem und Damaskus haͤlt, iſt ein ordentlich Schaͤfer - liedgen, nicht aber wie Fabricius meinet, ein Ehrengeſang fuͤr die eſtniſchen Waldgoͤtzen. Wir hatten eine Provinz Jdumaͤa, wir haben noch ein Egypten, ein Bethlehem, ein Engeddi, aber keine Juden in denſelben. Dieſe bibliſchen Namen brauchten die Moͤnche, weil ſie darin eine beſondre Andacht ſetzten.. Wir wiſſen nicht, aus welchen Quellen Herr Franz Neuſtaͤdt***)Der ſelige Herr Franz Neuſtaͤdt oder Nieſtaͤdt, ehmaliger Buͤrgermeiſter in Riga, den ſchon Chytraͤus in Saxonia p. 805 wegen ſeiner ſonderbaren Klugheit, Gelaſſenheit und ſtandhaften Weſens ruͤhmet, hat eine handſchriftliche Nachricht von Liefland hinterlaſſen, die aber wenige Liebhaber vollſtaͤndig, ſondern nur in einem Auszuge, beſitzen. Jn der alten Hiſtorie iſt er andern kurz nachgegangen. Jn der neuern Geſchichte aber, ſonderlich vom Jahr 1558, hat er uns die doͤrptiſchen Veraͤnderungen am ordentlichſten beſchrieben, weil ihm ſein Aufenthalt in dem Hau - ſe ſeines Schwiegervaters, des Herrn Buͤrgermeiſter Meyers in Doͤrpt, vieles entdeckt, was unter dem gemeinen Mann entweder gar nicht, oder mit manchen erdichteten Zuſaͤtzen bekant ge - weſen; daher man auch in der doͤrptiſchen Geſchichte ſich faſt allein an ihn halten mus. Wir werden an gehoͤrigem Orte zeigen, daß Neuſtaͤdt unter den Lieflaͤndern von der rußiſchen Na - tion zuerſt unparteiiſche Begriffe geheget, weil er ſich als ein Kaufmann in Pleskow, Nogar - den und Moskau lange aufgehalten, und die Ruſſen naͤher kennen gelernet. Er ſchrieb ſeine Hiſtorie auf dem Landgute Sonzel, wohin er ſich in einem hohen Alter der Ruhe halber begebenhatte, ſeine ſo gar umſtaͤndlichen Nachrich -ten3Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Vinno. a)ten von der Entdeckung dieſes Landes geſchoͤpfet. Es ſcheinet, daß er zu leichtglaͤubig1208 geweſen, (denn zu eigenen Erdichtungen war er zu aufrichtig,) und ohne genugſame Pruͤ - fung ſich etwas zu weit in den Gebrauch der bremiſchen Scribenten eingelaſſen, die ihrem Vortrag durch genaue, ſonſt aber bey jeder Landeserfindung ſehr gewoͤhnliche Um - ſtaͤnde eine Farbe zu geben gewuſt. Seine Erzehlung laͤuft ohngefehr auf folgendes hinaus: Jm Jahr 1148 wolten die Bremer nach Wisby ſegeln, wurden aber durch einen Sturm aus Nordweſt nach Curland verſchlagen, von da ihnen eine Fiſcher - ſchuͤte den Weg nach der Duͤne zeigte. Als die Wilden ſich uͤber ein vorher nie geſehe - nes Schif ſehr verwunderten, ſetzten die Deutſchen zwey ledige Tonnen, mit Brod und andern Eswaren und Naſchwerk bedecket, ans Ufer, und bewirtheten die Heiden ſo wohl, daß dieſe ihre beſten Waaren herbey brachten, wofuͤr ſie von den Deutſchen unter - ſchiedliche Verehrungen erhielten. Hier beſchreibet Neuſtaͤdt den ganzen Bauerkram, als er ob dabey geweſen, und bezeichnet uns faſt die Minen, mit welchen die Liven den Bremern das deutſche Geld zuruͤck gegeben, weil ſie es nicht gekant, und lieber aus - laͤndiſche Waaren zu tauſchen begehret. Den Tag drauf komt ein armer Betler, wel - cher den Kaufleuten fuͤr ein Meſſer, ein Hutband und ein paar Stecknadeln, etliche Ey - er hinleget, bey vermerktem ungleichen Tauſch aber zwey Grauwerksohren mit kleinen ſilbernen Stiften beſtreuet aus dem Buſen ziehet, welche die Deutſchen begierig an - nemen, um die Muͤnze der Liven kennen zu lernen. Dieſe ſilbernen Buckeln, ſagt Neu - ſtaͤdt, haͤtten die Liven Nagat, die Deutſchen aber, von den Ohren eines Eichhoͤrn - gens, ein Oer geheiſſen. Damit nun dieſe Kaufleute die Sprache der Liven lernen moͤchten, ſo koͤrnten ſie einen jungen Menſchen taͤglich mit Zucker, Feigen und Roſinen, brachten auch deſſen Eltern dahin, daß ſie ihr Kind von 15 Jahren mit nach Bremen reiſen, daſelbſt taufen und die deutſche Sprache lernen lieſſen. Anno 1149 fuͤhrten die Bremen dieſen jungen Liven, als nunmehrigen Dolmetſcher, mit nach Liefland. Un - ter andern Handwerkern befand ſich auch ein Goldſchmidt auf dem Schiffe, uͤber wel - chen ſich die Heiden am meiſten verwunderten. Hier weis Neuſtaͤdt die Schifsla - dung wieder aufs umſtaͤndlichſte. Die Chriſten tractirten vor ihrer zweiten Abreiſe noch 30 Liven, ſchrieben ihre Namen auf, ſchloſſen Vergleiche, und namen viere von dieſen Leuten mit nach Deutſchland. Der bremiſche Erzbiſchof ſchickte endlich 1150 auf Philippi Jacobi den Prieſter Meinhard, ſamt ſeinem Chorſchuͤler, Johann Hartmann, und einem Kuͤſter, Thomas Steger dahin, welche am 24ſten May auf der Duͤne gluͤcklich ankamen. Jm Junius brachten noch 2 andere Schiffe einen Glaſer und Schmidt, mit Weib, Kind und Geſellen mit, die viele Keſſel bey ſich hatten ꝛc. So umſtaͤndlich auch dieſer Bericht des Herrn Buͤrgermeiſter Neuſtaͤdts gera - then, ſo gehet doch die Erdichtung des Dionyſ. Fabricius*)Dionyſius Fabricius, ein catholiſcher Geiſtlicher, ſchrieb in lateiniſcher Sprache ein ſo betiteltes Compendium hiſtoriae von Liefland, ſo noch hie und da in Abſchriften verwahret worden, und gehet bis aufs Jahr 1610. Etwas davon iſt verdeutſcht und an Laur. Muͤllers ſeptentrio - naliſche Hiſtorien als ein Supplement angehaͤngt worden. Es enthaͤlt nichts beſonders, als ei - nige ſeltſame Wunderwerke, z. E. daß man durch geweihetes Salz und Weihwaſſer Kranke ge - ſund gemacht. Unſre Bauren macht er zu erſchrecklichen Hexenmeiſtern, welche durch ihre Zau - berey mitten im Sommer Eis und Schnee hervorbringen, und das junge Rockengras mit den Spitzen ſo zur Erde drehen koͤnnen, daß es wie verworrene Haare gewachſen. Hiaͤrne hat die - ſen Schriftſteller im Anfang ſeiner Hiſtorie faſt von Wort zu Wort uͤberſetzt, weil er die Sitten des Landvolks am natuͤrlichſten zu ſchildern gewuſt. Daß es in dem alten Liefland Hexen die Menge gegeben, wird auſſer andern, durch zwey unverwerfliche Zeugen beſtaͤtiget. Der Supe - rintendent Hr. Mag. Hermann Samſonius ließ 1626 bey Gerhard Schroͤdern in Riga 9 auserleſene und wohlgegruͤndete Hexenpredigten drucken, ſo er in der Domkirche zu Riga gehal - ten, darinne der terminus Magiae nach den logicaliſchen Terminis richtig und kuͤrzlich aus GOt - tes Wort erklaͤret wird. Der Paſtor zu Riga, Hr. Roͤtger Becker, gab eben daſelbſt 1644ſein noch weiter. DieſerA 2Schrift -***)hatte, bis ins Jahr 1604. Wir haben auch von ihm geſchriebene Anmerkungen uͤber D. Lau - rent. Muͤllers ſeptentrionaliſche Hiſtorien, ſo zum erſtenmal in Fol. hernach in 4 gedruckt, und auch ins Schwediſche uͤberſetzt worden. Neuſtaͤdt beſchuldiget Muͤllern der Unwarheit, wenn er, Fol. 6, Pitſchur eine Meile von Pleskow entfernt, da es wol 8 Meilen davon liegt; wenn er Fol. 13 alle Thuͤrme zu Pleskow uͤberguldet, Fol. 14 dem Herzog Magnus die Erbauung des Schloſſes Neuenbaus zuſchreibt; Fol. 15 die Stadt Riga der vergebenen Freiheit beſchul - diget. Fol. 18 macht Neuſtaͤdt die berufene Erzehlung von der Freiheit der Bauren, welche ſie durch den poiniſchen Koͤnig Stephan empfangen ſolten und nicht wolten, zur Fabel, welche Erzehlung dennoch in die Schriften der gelehrteſten Maͤnner eingeſchlichen, und verwirft endlich auf demſelben Blat die Beſchreibung der ganzen undeutſchen Nation. Auch Henning S. 156 uͤber - fuͤhret Muͤllern einer Unrichtigkeit, wenn dieſer nach den Stiftshaͤndeln in Pilten dem Herzog Kettler vorwirft, der Herzog habe durch ſeine Abſchickung die Sequeſtration des Stifts Pilten geſucht oder begehret.4Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,1208a)Schriftſteller will Nachricht haben, daß die bremiſchen Kaufleute bey ihrer vierten Ankunft auf der Duͤne den Koͤnig der Liven zu Gaſte geladen, und ihm unter andern Gerichten auch 2 Heringe vorgeſetzt. Der Koͤnig habe die Heringe auf die Nachricht, daß es Seefiſche waͤren, beym Schwanze zu zerlegen angefangen, welches die Deut - ſchen fuͤr ein gluͤckliches Zeichen gehalten; daher die lieflaͤndiſchen Bauern zu ſeiner Zeit noch einen Hering beym Schwanze angefaſſet. Gleich darauf verfaͤlt Fabricius auf die abgedroſchene Fabel von der carthaginienſiſchen Ochſenhaut, fuͤr welche die Deutſchen ſich ein Raͤumgen ausgebeten, und dadurch auf Martinſaare, das iſt auf dem Martinsholm, die erſte Kapelle, unter dem Namen Holme oder Jnſel aufge - bauet haben; welcher letztere Umſtand des Orts vielleicht allein ſeine Richtigkeit hat. Was Saxo Grammaticus lib. IX hiſt. Dan. p. 156, Crantz Dan. l. 2, c. 16, p. 68, Huitfeld in Danmarkis Rigis Kroͤnike part. I p. 14, Bering Flor. Dan. p. 130 und andere, von vier Bruͤdern aus dem Helleſpont melden, die Jarmerich zur See gefangen genommen, und unter denen ein lieflaͤndiſcher Prinz Bico*)Die Stelle beym Saxo erwehnet nicht nur eines koͤnigl. liviſchen Prinzen Bicco, deſſen Nach - kommen Brandis in der zu ſeiner Zeit bekanten bickerſchen Bauerfamilie geſucht, aber ungluͤck - lich gefunden hat; ſondern auch der Liven, welche ſamt den Slaven und Sachſen eine maͤchti - ge Flotte von 7000 Mann verſtaͤrket, ſo daß man fuͤr den ausgeſpanten Segeln den Himmel nicht ſehen koͤnnen. Eine andre Stelle des Saxo im IIXten Buch, fuͤhret der Heldin Hetha Leib - compagnie an, cuius (centuriae) primi fuerunt Grimar ac Grenzle: poſt hos Ger, Liuicus, Hama etc. Allein die daͤniſchen Ueberſetzer haben hierunter ſelbſt keinen Liven verſtanden. Denn gleichwie der aͤltere Dolmetſcher ſich einer andern Leſeart bedienet, und poſt Hosger liuidus durch Hosger den Schwarzen uͤberſetzet; ſo niacht hingegen der juͤngere noch eine Perſon daraus, und giebt es: Nach dieſen kam Ger, Livik, Hama. Die Liven des Adelmi Benedicti, oder nach andern, des Moͤnchs Adamari, deſſen fraͤnkiſche Jahrbuͤcher Marquardus Freherus ge - ſamlet, haben mit unſern Liven eben ſo wenig einige Verwandtſchaft als die, ſo in Eginhards Lebensbeſchreibung Carls des Groſſen vorkommen; weil Sagittarius diſp. de originibus et in - crementis Luneburgi cap. II §. VIII beweiſet, daß man ſtatt der Liuones, die Carl der Groſſe bezwungen haben ſoll, Linones, und fuͤr bellum Liuonicum, Linonicum leſen muͤſſe. Unſre al - ten Liven wohnten um Riga herum, laͤngſt der Duͤne bis Aſcherade, da ſchon Kokenhau - ſen rußiſch war, und erſtreckten ſich nach Lettland zu bis Treyden, und laͤngſt dem rigi - ſchen Meerbuſen nach Eſtland zu bis Salis, wo jetzo noch einige Ueberbleibſel ihrer Nachkom - men vorhanden ſind. am Hofe in groſſen Gnaden geſtanden, hat Menius in ſeinem noch ungedruckten Syntagmate wahrſcheinlich zu machen geſucht. Seiner Meinung nach ſollen die daͤniſchen Schrift - ſteller durch Griechenland, Rußland, durch den Helleſpont, den mit der Lado - gaſee verbundenen finniſchen Meerbuſen, und durch den Orient, alle Daͤnnemark gegen Morgen gelegene Provinzen, als Lief - und Eſtland gemeinet haben, wie denn auch in den Documenten die Oſtſee wuͤrklich Mare orientale genant wird. Fabricius ſetzt den Wohnſitz des liviſchen Koͤnigs, zwiſchen Kirchholm und Uxkuͤl; weil zu ſei - ner Zeit noch eine Bauerfamilie in derſelben Gegend den Namen Koͤnig gefuͤhret; den Koͤnig der Curlaͤnder aber verweiſet er in die Gegend von Grubin, alwo deſſen Nach - koͤmlinge den Herzogen weder gezinſet noch gearbeitet, ſondern nur zum Kriege ein Reuterpferd unterhalten. Die liviſchen Prinzeßinnen, ſchreibt er, haͤtten zum Zeug - niß ihrer koͤniglichen Herkunft, Kronen von meßingenem Blech, die gemeinen Maͤdgen aber nur gewundene Kraͤnze von gefaͤrbten Pferdehaaren getragen. Allein wie vorer - wehnte Bauren ihren Namen, Vorzug und Freiheit aus viel neuern Urſachen herzu - leiten haben, ſo bemerkt ſchon Herr Thomas Hiaͤrne, daß das Bisgen Flittergold in einem baͤuriſchen Hauptſchmuck ſo wenig als die Korallen ein koͤnigliches Gebluͤt anzei - ge, indem ſonſt ſo viel Koͤnigstoͤchter als Bauerdirnen in Liefland ſeyn muͤſten. Ueberhaupt iſt in der Benennung des| Baueradels und der Bauerkoͤnige etwas ſehr un - foͤrmliches; zumal da man nunmehro mit Gewisheit weiß, daß die maͤchtigſten von dieſer Nation ſich mit dem bloſſen Titel eines Elteſten beholfen. Eine der allerverwe - genſten und ungegruͤndeteſten Muthmaſſungen aber iſt die, daß ein gewiſſer ungenanter Verfaſſer vornehme und alte deutſche Geſchlechter, deren Zuname ſich mit kuͤl endi - get, aus ſolchen Familien herleitet, welche den alten liviſchen Adel auch nach einge - fuͤhrtem Chriſtenthum beybehalten. Daß inzwiſchen den Herren Bremern die Ehre der Entdeckung von Liefland gebuͤhre, ſolches berichten faſt alle Scribenten, denen wir noch Heinrich Wolters Zeugniß aus der bremiſchen Chronik beym Jahre 1159,in*)ſein Linteum exorciſticum oder Banntuch in Druck, welches 5 Predigten von der Zaubereyſuͤn - de enthaͤlt. Wir lernen aus dieſen Schriften fuͤr uns, daß Felliu die vornehmſte unter den 9 gemauerten Staͤdten in Liefland geweſen, davon ſchon damals keine Truͤmmer mehr vor - handen waren. Zu Thomaſii Zeiten hoͤrten die Schriften wider die Hexen auf, und iſt auch ſeit der Zeit keine mehr in Liefland verbrant worden.5Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Volquin. a)in des juͤngern Meiboms Samlung deutſcher Geſchichtſchreiber beifuͤgen, welcher1208 als einen Beweis davon anfuͤhret, daß die Bremer in Liefland gleich Leuten von ritterlichem Stande weiſſe Ordensmaͤntel tragen duͤrfen, und der Stadt Bremen in dem Gebete der Bruͤder namentlich ſey gedacht worden, dergleichen keiner andern Stadt wiederfahren. Die haͤufigen Marienbilder ſelbſt auf den Muͤnzen, und die Schluͤſſel bey dem Wapen der Stadt Riga beweiſen ein gleiches*)Es folget nicht, daß die Entdeckung von Liefland deswegen an einem Sonnabend geſchehen ſey, weil das Land der heil. Jungfrau Maria gewidmet worden, und ihr dieſer Tag geweihet war. Es komt viel natuͤrlicher heraus, wenn man annimt, daß die erſten Coloniſten das Wapen des Erzſtifts Bremen deswegen beybehalten, damit ſie ſich ihres Vaterlandes dabey erinnern moͤch - ten. Die Marienbilder ſind noch haͤufig in Liefland vorhanden. Auf der Gildenſtube hat der naͤchſte Nachfolger im Elteſtenamte blos ſeine Auctoritaͤt zu reden, wenn er unter dem Bilde der heil. Jungfrau oder der Docke ſtehet, davon er auch der Dockmann heiſſet. Jn der ſpaniſchen Hiſtoria de nueſtra Sennora de Guadalupe kommen eben dergleichen uͤbertriebene Lobeserhebun - gen von der Maria vor, wie ſie Heinrich der Lette im erſten Theil S. 169, § 2 anbringet... Vinnob)Dieſer Ordensmeiſter wird von etlichen Vinne, vom Herrn Paſtor und nachmaligen Praͤpoſitus Kelch, Winand von Rohrbach, von Strubyczen**)Matthias Strubycz, ein Lieflaͤnder und koͤnigl. polniſcher Secretair, brachte 1577 einen gar nuͤchternen Aufſatz zu Papier unter dem Titel: Breuis atque accurata Liuoniae ducatus de - ſcriptio hiſtorico-geographica, und widmete ihn in einer eigenen Zuſchrift dem Koͤnig Ste - phanus. Herr Mag. Diez ließ dieſes Werkgen von 4 Bogen zu Amſterdam 1727 drucken, und eignete es dem ſachſenherzoglichen Rath Hrn. Joh. Mich. Langguth zu. So klein die - ſe Schrift iſt, ſo vol iſt ſie von Fehlern in den Namen der Perſonen, Oerter, Fluͤſſe, in der Zeitrechnung und der Landesbeſchreibung. Eine Probe von ſeiner ſaubern Chronologie mag uns die 9te Seite geben, wo es heiſſet: Nach Alberts Tode, der 3 Jahr regieret, kam Nicolaus, welcher 22 Jahr Biſchof war, und ſtarb 1242. Albert der andre regierte 30 Jahr, und ſtarb 1282. Johannes von Luͤnen ſtarb 1289 und regierte 13 Jahr. Johannes der andere ſtarb nach 9 jaͤhrigem Regiment 1294. Wie muß hier der Verfaſſer gezehlet haben? Daß es keine Druckfehler ſeyn, bezeugen die mit Buchſtaben uͤberall ausgedruckten Jahre. Die Acta boruſſi - ca eccleſiaſtica, ciuilia et litteraria haben dieſer unbrauchbaren Geſchichte die Ehre gethan, und ſie in dem 5ten Stuͤck des 3ten Bandes von neuen mit allen Unrichtigkeiten abgedruckt, ohne die groben Schnitzer auch nur in einer Note anzuzeigen. Doch laͤſt ſich unter vielen Nieten noch dann und wann ein Treffer greiffen. gar Weimar ge - nant. Peter von Duisburg laͤßt ihn aus, und ſelbſt Arnold von Luͤbeck l. 8, c. 9 gibt deſſen Namen nicht einmal an. Vinno, an ſtatt Vinhold, iſt ein alter ſaͤchſi - ſcher Rittername. So ward ein gewiſſer Vinno, Abt zu Helmwardhauſen zu Kayſer Conrads des 2ten Zeiten 1033 nach dem heil. Grabe geſchickt. Es iſt aber auch nach unſern Documenten ein buͤrgerlicher Vorname. Die ſeiner Regierung mehr Jahre und Thaten unrichtig beylegen, brechen ſie ſeinem Nachfolger Volquin ab. Waiſſel und eine alte Ordenschronik ſetzen ſonſt die Stiftung dieſes Ordens in die Zeit, da Alexander der dritte den paͤpſtlichen Stul bekleidet, welches mit der Zeit - rechnung unmoͤglich beſtehen kan. Hartknoch, in ſeinen Anmerkungen uͤber den Duisburg S. 115 getrauet ſich nicht es auszumachen. Jnnocentius der IIIte ſoll im 16ten Jahr ſeiner Wuͤrde, welches das 1213 Jahr nach C. G. waͤre, an ihn geſchrieben haben, doch iſt der Name des Ordensmeiſters nicht genennet. Es bemerket aber Bernhard Juſtinian in ſeiner italiaͤniſchen Geſchichte der Ritterorden S. 568, daß das paͤpſtliche Breve beym Franciſcus Bosquet l. IV, reg. XVI, ep. 123 und beim Steph. Baluze lib. XVI in der Jahrzahl einen Druckfehler habe. Gewiſſer iſt das Schreiben beſagten Papſtes von 1210 an den folgenden Ordensmeiſter Wolcuin, das ſich in denen Briefſchaften Jnnocentii des IIIten, lib. XIII, ep. 141, p. 479 befindet, woraus die kurze Dauer der Regierung dieſes Vinno zugleich erhellet..

Er war der erſte Grosmeiſter des vom Biſchof Albert in die -1201 ſem Jahre geſtifteten Ordens der Schwerdtbruͤder. Sei - ne Herkunft, Thaten und Regierung ſind von den Ge - ſchichtſchreibern, der damaligen Schwaͤche dieſes neuen Or - dens wegen, in wenige oder gar keine Betrachtung gekommen. Die Geſchichte ſeiner Ordensbruͤder, die er als ein tapfrer Vorgaͤnger angefuͤhret, und ſeinen gewaltſamen Tod haben wir unter dieſen Jah - ren im erſten Theil dieſer Chronik zu ſuchenc)Da der lundiſche Erzbiſchof Andreas und der Biſchof von Schleswig, Nico - laus, den Winter 1206 zu Riga mit aſcetiſchen Uebungen zubrachten, ſo haben unſere Verfaſſer, Herr Kelch und Menius***)Friedrich Menius ein Pommer, ehemaliger Prediger und nachmaliger Profeſſor der Geſchichte und Alterthuͤmer in Doͤrpt, ein Mann von groſſer Arbeitſamkeit, aber wunderlichen Einfaͤllen, erwehnet im hiſtoriſchen Prodromus S. I ſeiner bey Gerhard Schroͤder zu Riga 1630 gedruck - ten Jntrada, welche nur eine vorlaͤufige Ankuͤndigung ſeiner Univerſalhiſtorie von Liefland ent - haͤlt. Sie iſt von ihm zu Riga, da er noch Paſtor der Kirchen zu Neuermuͤhlen, Duͤne - muͤnde, Czernichow und Rodenpois war, in einer etwas ſtachlichten Schreibart aufgeſetzet, die er hier und da mit des Traianus Boccalini Relation vom Parnas noch beiſſender gemacht. Weil dieſe kleine Schrift von etwan 4 Bogen bey uns faſt unſichtbar geworden, ſo wollen wir unſern Leſern den Entwurf ſeiner Univerſalhiſtorie aus einer Abſchrift vorlegen, damit ſie urthei - len koͤnnen, ob Menius mit manchen nichtsbedeutenden Kleinigkeiten, ſeltſamen Gedanken,aber - entweder den Aufenthalt dieſer Praͤlaten mitBder6Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,1208c)der Ankunft des in Liefland ſo beliebten Biſchofs von Modena, Wilhelms, in der Geſchichte verwechſelt; oder es muß die Urkunde dieſes paͤpſtlichen Geſandten, welche eine Landeseintheilung von 21 Artikeln enthalten ſol, in das Jahr 1226 fallen. Denn.

***)aberglaͤubiſchen Meinungen und offenbaren Unrichtigkeiten ſeine groſſen Verſprechungen zu erfuͤl - len im Stande geweſen, oder nicht.

Der Anfang dieſes weitlaͤufigen Werks ſol mit der Cosmographie geſchehen, und die Polhoͤhe, das Clima, die Zone und Tages - und Nachtlaͤnge in Winter und Sommer bezeichnen. Hier - auf folget die Aſtronomie, unter welchen Zeichen und Planeten Liefland liege, um welche Stunde und Minute Sonne und Mond aufgehe, und welches Zeichen alle Augenblicke uͤber jedem Orte ſtehe. Die geographiſche Abhandlung ſol uns das feſte Land, die Jnſeln, die Seen, Haͤfen, Fluͤſſe, Stroͤme, Edelhoͤfe, Kreiſe, Schloͤſſer, Staͤdte, Kirchen, freien Paͤſſe, Handel und Wan - del, Wege und Stege, Wirthshaͤuſer und Herbergen, und wer weis was ſonſt noch, und zwar nach der Reihe, entdecken. Jn der Topographie wird die Lage des Orts, die Beſchaffenheit der Grenzprovinzen, wie auch das beſondere jedes Kreiſes vorgetragen. Die pragmatiſche Be - ſchreibung erſtrecket ſich erſtlich auf den Feldbau, und handelt von den 4 Jahreszeiten, den ge - meinſten Winden, der Luft, Natur der Erde, Fruchtbarkeit der Felder, von Heuſchlaͤgen, Gaͤr - ten, Holzungen, Obſtbaͤumen, Wurzeln, Blumen, Bergen, Erzten, Brunnen, Baͤchen, Fi - ſchen, Gewaͤſſern, zahmen und wilden Thieren, Voͤgeln, Gewuͤrmen, Alterthuͤmern, Ueber - flus und Mangel des Landes; zum andern auf die Schiffart, ob ein Waſſer ſalzig oder ſuͤs ſey, wo Grundſand, Reffe, blinde Klippen liegen, ob kleine oder groſſe Schiffe zu gebrauchen ſeyn; drittens, auf die Policey, da die Menge der Einwohner, ihre verſchiedenen Sprachen, Haus - haltungsart, Kleidertracht, Gemuͤthsart, Nahrung, Gewerbe, Jahrmaͤrkte, Muͤnzen, Maas, Gewichte, Regierungsform, Richter, Privilegien, Zoll, Tribut, Tapferkeit, Gaſte - reien, Hochzeit - und Begraͤbnisceremonien beſchrieben werden; und viertens auf die Kirchenſa - chen, die Schulen und Lehrer im Lande, auf die vorige und jetzige Religion, die gottesdienſtli - chen Gebraͤuche, auf die Prediger, auf deren Beſoldung, auf die Conſiſtoria und das Miniſte - rium. Endlich macht die Abhandlung vom Alterthum des Landes, von den Geſchichtſchreibern, den erſten Stiftern, dem Erbauungsjahr und Namendeutung jedes Ortes, den Wapen, erſten Einwohnern, Urſprung der Geſchlechter, den obrigkeitlichen Perſonen, beruͤhmten Maͤnnern und vielen andern Merkwuͤrdigkeiten den Beſchlus. Dieſes alles ſolte den erſten Band aus - machen.

Jm andern Theile folget die ordentliche Geſchichte in 3 Buͤchern, nemlich 1) von den Zeiten der Ordensherren, 2) von der ſchwediſchen und polniſchen Regierung zugleich, und 3) von dem ſchwediſchen Regiment alleine. Dabey verſpricht der Verfaſſer alle Misgeburten, Wun - derzeichen, Kaͤlte und Hitze, Feuer, Blitz, Brand, Ungewitter, Hagel, Erdbeben, Waſſers - noth, theure Zeit, Ungeziefer, Peſt, Sterben, Krieg, Friede, Tumult und hundert andre ent - ſetzliche Begebenheiten nicht zu vergeſſen.

Vom erſten Theile, glaubt Menius, wuͤrden die Herren Aerzte, Wundaͤrzte, Apotheker und alle Hausvaͤter auſſerordentlichen Nutzen haben, wenn ſie die Polhoͤhe, die Tages - und Nachtlaͤnge, der Sonnen Auf - und Untergang, den Grad der Sonne, des Mondes, und der Planeten aus der von GOtt verordneten geheimen Naturkunſt verſtuͤnden. Kraͤuter ſamlen, Arzneyen gebrauchen, Waſſer diſtilliren, durch Charactere heilen und Schaͤtze graben, alles dieſes wuͤrde weit beſſer gehen, wenn dieſes Werk ans Licht treten ſolte.

Bey Gelegenheit der Bergwerke berichtet der Verfaſſer, daß man den Duͤneſtrom hinauf, Eiſen, Kupfer, Wismuth, und Galmey gegraben, welches aber der Krieg unterbrochen; daß er ſelbſt aus dem kleinern Bache in ſeinem Kirchenſprengel reine, klare und groſſe Perlen ſamlen ſehen, auch davon einige beſitze, dergleichen Perlenfiſcherey an manchen Orten in Lief - und Eſtland angetroffen werde; die meiſten aber fallen ſehr unreif.

Jn Unterſuchung der alten Geſchlechtsnamen ſcheinet Menius einen Fehlſchus |zu thun, wenn er hieſigen Familien unvermuthete auswaͤrtige Erbſchaften zeigen will, und die Herren von Koß - kuͤl, vermuthlich von dem Worte Kooſt, ſo nach der oeſelſchen Mundart einen Loͤffel bedeutet, zu Herren von Loͤffelsdorf machet; da doch der Name ſolcher Gegenden von Koſk, einem Waſ - ſerfall oder Damm herzuleiten, von deſſen Laͤnge oder Hoͤhe die Bauren gar viele Oerter in Eſt - Finn - und Jngermannland benennet haben. Etwas gluͤcklicher gehet es doch den Herrn v. Uxkuͤl, die er nach ſeiner etymologiſchen Kunſt bis auf einen Buchſtaben getroffen und ſie Her - ren v. Eindorff nennet, da ſie doch v. Meindorf heiſſen, welcher Name richtig aus Nieder - ſachſen und nicht aus Uxkuͤl herzuholen war.

Weiter raͤth dieſer Verfaſſer, daß man die Jahre und Zeiten am Himmel, Erde, Menſchen und Vieh, Hitze, Kaͤlte und Miswachs in genaue Obacht nehmen und die darauf erfolgten Ver - aͤnderungen in den 3 Hauptſtaͤnden bemerken ſolle; weil ſeiner Meinung nach dieſe vorgemeldete Wunderzeichen die nuͤzlichſten Lehrmeiſter auf die kuͤnftigen Begebenheiten abgeben.

Hierauf beweiſet er die Unzulaͤnglichkeit der ruſſowiſchen Chronick, und beſchuldiget den cur - laͤndiſchen Rath, Salomon Henningen, einer unfoͤrmlichen Ordnung, daß er keine weitere Nach - richten, als aus ſeines Vaters Archiv beſeſſen, den Wohlſtand der Hiſtorie bey Seite geſetzt und mehr um Einſchiebung ſeines Adelbriefes, als noͤthige Nachrichten bekuͤmmert geweſen, dafuͤr er ihm aus dem Boccalini eine derbe Lection lieſet, und verſpricht aus ſeiner eigenen Feder am Ende ſeiner Univerſalhiſtorie von Liefland eine unpartheiiſche Critik uͤber unſre Schriftſteller zu liefern.

Nachher begegnet er dem Einwurfe, als verſtuͤnde ein Prediger, wie Ruſſow und er, keine Geſchichte abzufaſſen; zeiget aber, daß die bisherigen Staatsleute, die von Liefland ſchreiben wollen, eben auch nicht ſonderlich Mazariniſch gedacht, noch gar zu politiſch geſchrieben haben.

Zu -
***)7Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Volquin.

Der groſſe Biſchof Albert ſparte keine Klugheit, die neue Republik in Flor1208 zu bringen, und das wichtige Werk der Heidenbekehrung zu erleichtern. Er ſorgte zuerſt fuͤr die Schiffart, um viele Buͤrger nach Riga zu ziehen; ſo wie er bisher der Ritterſchaft und der Cleriſey viele Freiheiten zugeſtanden. Um die neue Stadt volkreicher zu machen, und ſie mit allen Beduͤrfniſſen zu verſehen, findet ſich folgende Verordnung von ihm (dabey aber ſowol der lateiniſchen Ur - ſchrift als der altdeutſchen Ueberſetzung die Jahrzahl fehlet): Alle Kaufleute, ſonderlich die gothlaͤndiſchen (Gutlenſes) beſchiffen die Duͤne Zolfrey. Al - le Hafen in Liefland werden zu Freyhafen erklaͤret. Kein Buͤrger oder Deut - ſcher traͤget das gluͤende Eiſen, oder hat noͤthig ſich in einen Zweikampf einzulaſ - ſen. Die ſchifbruͤchigen Guͤter darf niemand ihnen abnehmen. Keine Gil - de (Gilda) darf ohne biſchoͤfl. Auctoritaͤt angeleget werden. Vier und eine halbe Mark an Denarien machen eine gothlaͤndiſche Mark Silber aus. Zwey Oer davon bekomt der Muͤnzer. So viel ſollen auch die rigiſchen Pfennige (dena - rii) gelten, und an Gewichte, doch nicht an Geſtalt, den gothlaͤndiſchen gleich ſeyn. Ein Todtſchlaͤger erleget ohne Unterſchied 40 Mark an Denarien. Dieſe Ordnung iſt von dem Biſchof Bartholomaͤus zu Paderborn, dem Biſchof Peter zu Ratzeburg, Bruder Bernhard Graf von der Lippe, Heinrich Graf von Pleſſe, Alexander von Luͤneborch, Daniel dem Prieſter, Ru - dolph Lange (Longus), Philip Joh. Travemann, Weſſel Born - ſchatte, Engelbert Enervorn und andern mehr unterſiegelt.

Denn die zwiſchen der Geiſtlichkeit und den Rittern obwaltenden Grenzſtreitigkeiten legte Jnnocentius der IIIte ſelbſt bey, wie ſeine Briefe bezeugen, worin kein Biſchof von Modena ſtehet. Honorius der IIIte aber ſandte zuerſt dieſen brauchbaren Mann ums Jahr 1224 nach Liefland, wie die paͤpſtlichen und andere Schriftſteller auf das einmuͤthigſte berichten.
21

***)Zuletzt werden die Herren Gelehrten unter langen Ehrentiteln erſuchet, aus einem Verzeichniß von 66 Buͤchern, welche dem Verfaſſer fehlen, die vorhandenen geneigt einzuſenden. Da nun Menius zur Ausfuͤhrung eines ſo weitlaͤufigen Werks, noch erſt das ganze Land durchzureiſen geſonnen war, ſelbige Reiſe aber, der dazu erforderlichen betraͤchtlichen Unkoſten wegen, nicht zu Stande gekommen; ſo kan die groͤſſere Hiſtorie dieſes muͤhſamen und recht eigenen Mannes, auf deren Abſchrift ſich einige beziehen, unmoͤglich alle Stuͤcke dieſer Jntrada, ſon - dern vielleicht nur die Ausfuͤhrung einzelner Materien, oder auch die Samlung der lieflaͤndi - ſchen Rechte enthalten; wovon uns deſſen 1633 zu Doͤrpt herausgegebener Prodromus vorlaͤu - fig benachrichtiget, den aber der Herr Vicepraͤſident von Brevern mit Recht einen Prodro - mum vieler Pralereien zu nennen pflegte. Sein Lebenswandel erhellet aus dem beim damaligen doͤrptiſchen Hofgerichte am 19ten Febr. 1638 gefaͤlletem Urtheil, darinne er in puncto atrocis diffamationis gegen des Prieſters Caſpar Pegius nachgelaſſene Witwe, eine geborne Chriſtina Pauli, in die Reichsacht und als ein in ſchwediſchen Reichen banniſirter Vogelfrey erklaͤret wird. Ja ein Jahr vorher, ward er von dem Oberfiſcal wegen begangenen criminis bigamiae belanget. Von ſeinen beſondern| Meinungen in der Religion, die er, unter dem ſymboliſchen Namen Sa - lomon Majus, mit alchymiſtiſchen Erklaͤrungen der 3 erſten Kapitel Moſis, in dem Tractat: Conſenſus Hermetico-Moſaicus entdecket, weswegen er den 11ten April 1645 vor dem ſtockhol - miſchen Conſiſtorio verhoͤret und nach gethanem Wiederruf abgeſetzet worden, |iſt Nettelbladts 5tes Stuͤck der ſchwediſchen Bibliotheck S. 125 nachzuſehen. Jm Jahr darauf ſchrieb er eine Nachricht von ſeinen verlornen Sachen, durch deren Verluſt ohne Zweifel ſein unter Haͤnden habendes hiſtoriſches Werk den groͤſten Stos bekommen, welches Verzeichnis man vielleicht kuͤnf - tig dem Leſer mittheilen wird, weil es noch in der Handſchrift verdeckt liegt. Witte in diario biographico meldet, daß er zuletzt Verwalter der Kupferbergwerke in Schwe - den geworden, wozu ihn die Achtung fuͤr die Chymie vielleicht befoͤrdert hat. Er hat Diatribam criticam de maris Balthici nominibus et oſtiis herausgegeben, ingleichen in deutſcher Sprache eine Probe von der letzten Zeit und dem juͤngſten Gerichte wieder Joh. Doͤling. Er gab auch relationem de inauguratione Academiae Guſtauianae Dorpatenſis die 15 Octobr. 1632 facta in Druck. Sein Ende faͤllt in den September des 1659ſten Jahrs.

B 2Der8Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,

Der zweite Ordensmeiſter der Schwerdtbruͤder in Liefland, Volquina)Volquin heiſt beim Strubicz Andreas, beim Kelch hingegen Schenke von Winter - ſtaͤdt, ſeinem Herkommen nach ein Schwabe. Spangenberg laͤſt dieſen Ordens - meiſter gar weg. Andreas Mendo im Buche von Ritterorden q. 2 §. 14 nent ihn unrich - tig den erſten. Pfeffinger in Inſtitution. p. I, l. 1, tit. 21 und Horner verwirren die Per - ſonen noch wunderlicher und ſetzen den letzten zuerſt. Beſiehe Schurzfleiſchen S. 187..

1208
23

Ein in ſeinen Unternehmungen gluͤcklicher Herr, weil er die im Kriege ſo noͤthige Beobachtung des rechten Zeitpunkts niemals aus der Acht lies. Seine Reiſe nach Rom der Theilung Lief - und Lettlands halber, ſein Widerſtand gegen die Litthauer, ſein doppelter Einfal in Harrien, ſein Feldzug nach Jerwen, ſei - ne Streitigkeiten wegen Eſtland, die Verjagung der Eſten aus den lettiſchen Grenzen, ſein bey Winterszeit unternommener Feldzug uͤber das Eis nach Oeſel, und mehrere Umſtaͤnde von ihm befinden ſich ſchon in unſerm erſten Theile.

1211
23

Nachdem der Biſchof Albert allen Buͤrgern ſeiner neuen Stadt Riga die Plaͤtze zu ihren Haͤuſern angewieſen, und ſich einen neuen Platz zur Domkirche gewaͤlet, ſo gieng er am Tage des Apoſtels Jacobi in voͤlligem Ornat, mit den Reliquien, Kreutzen, und der geſamten Proceßion der Geiſtlichen und Laien auſ - ſerhalb der Stadtmauer hinaus, und weihete den Raum, wo die Liven wohn - ten, zur Anlage eines Kloſters und der Kapitelshaͤuſer zur Ehre der heil. Jung - frau und zum Dienſt der Domkirche ein; zu welchem Platz alles gehoͤrte, was zwiſchen der Mauer, der Duͤne und dem Graben lag. Die daſelbſt ſtehenden Haͤuſer der Deutſchen und Liven kaufte er an ſich, oder wies ihnen andre Woh - nungen an und legte einen ſchweren Fluch auf die, ſo dem Kapitel dieſen Platz ſtreitig machen wuͤrden. Die deshalb ausgefertigte Urkunde iſt vom 25ſten Jul. unterzeichnet*)Hieraus folget, daß der Brand, welcher im erſten Theile 1213 erſt angegeben wird, ſchon die er - ſte Domkirche innerhalb den Stadtmauren ruiniret habe. Siehe unten die Note beym Jahre 1547..

1214
24

Zur Zeit der Meiſterſchaft dieſes Volquins, wolte der Biſchof Philip von Ratzeburg mit dem eſtlaͤndiſchen Biſchof Dietrich die Kirchenverſam - lung zu Rom beſuchen. Sie ſegelten beide von Riga ab, kamen aber auf Oeſel in Gefahr, woraus ſie durch Vorſchub ihres Schiffersb)Wir nehmen dieſe Stelle aus dem erſten Theil deswegen mit, damit wir die neuere Muthmaſſung des Herrn Grubers**)Der ſelige geh. Juſtizrath und koͤnigl. Hiſtoriographus, Herr Gruber, hat ſich die Muͤhe gefal - len laſſen, in einem lateiniſchen ſehr verbindlichen Briefe vom 3ten Nov. 1747 einige Anmer - kungen und Verbeſſerungen ſeiner lieflaͤndiſchen Chronik auf unſre Bitte einzuſenden. Die Be - ſitzer des lateiniſchen Exemplars werden nicht ungerne ſehen, wenn ſie nach dem Sinn des Herrn Grubers, einige Stellen darinne aͤndern oder verbeſſern koͤnnen. Wir wollen ſie nach der Ordnung mittheilen: Correctiones et dilucidationes chronici latini. Pag. 1 Raab et Babylonis. Pſalm. 87 v. 4. pag. 8 r) Sunt verba Sulpicii Seueri ad Baſſulam ſocrum de obitu beati Martini. p. 13 h) pro videntes lege vident. p. 15 a) Parentum vocabu - lo pro conſanguineis primus vſus eſt Curtius VI 10. 30, et poſt eum hiſtoriae Auguſtae ſcri - ptores paſſim. Virum parentatum Suetonius in Othon. c. I dixit multarum et magnarum propinquitatum. p. 20 a) adde teſtimonium Wolteri apud Meibom. t. 2, p. 55, p. 23 d) lege: exurunt. p. 26 lin. 27 pro videtur lege vident. p. 28 c) lege: adueniens aduehensque cibaria. p. 29 lin. 4 leg. mouent, lin. 7 nomine, ſupple: ſubſtitit ante portam b) lege vicerimus p. 30 d) lege Iuuenis, deleto quem, p. 32 lin. 16 in ſe, lege, inter ſe. p. 35 lin. 16 proquam, auf die ihn Arnold von Luͤbek l. 6, c. 20,n. 1 errettet wurden. Doch9Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Volquin. Doch konte Philip Rom ſelbſt nicht erreichen, ſondern ſtarb unterweges zu1214 Veronac)Dieſes Verona will Herr Gruber ganz und gar nicht gelten laſſen. Seine Worte in dem Briefe lauten ſo: Veronia aeque incognita eſt atque Neronia. Neque enim Vironia Wirland eſſe poteſt, multo minus Verona Venetorum. Jch wuͤnſchte hiebey, dieſer gelehrte Geſchichtkundige haͤtte nur die geringſte Urſach angegeben, warum das dem Zuſammenhang ſo gemaͤſſe Verona nicht angenommen werden koͤnne, zumal da bekant ge - nug iſt, daß die Moͤnche, oder ihre Abſchreiber, mit der Endigung a oder ia in der Erdbe - ſchreibung der mitlern Zeiten nicht allzugewiſſenhaft umgegangen. Jndeſſen hat dieſer Einwurf mich begierig gemacht dreierley Handſchriften nachzuſchlagen. Die eine iſt von dem etwas weitlaͤuftig gerathenen Auszuge des Hrn. David Werners, unter der Aufſchrift: Anales antiqui Liuoniae, welchen bisher viele fuͤr den wahren Text Hein - richs des Letten gehalten, und ſich daher um das groͤſſere Werk nicht bekuͤmmert. Weil dieſer Auszug ſich in vielen Abſchriften verbreitet, ſo ſind wir gleichfals durch die Aufſchrift verleitet worden, in der Vorrede des erſten Theils zu glauben, daß der Haupttext, wie ihn Herr Gruber herausgegeben, ſo gar ſelten nicht ſey; wovon wir doch nachher das Gegentheil erfahren, und ihn unter den Samlungen unſerer beruͤhm - teſten Liebhaber gar nicht, oder mit vieler Muͤhe antreffen koͤnnen. Jn dieſem Auszu - ge meldet Werner, daß der Grundtext oder das wahre Original von Heinrichs des Letten Chronik, in dem koͤnigl. ſchwediſchen Archiv zu Stockholm verwahret wer - de, und Philip von Ratzeburg in einem Kloſter auf Gothland begraben liege, deſ - ſen Namen er uns verſcheiget; ob ich ſchon nicht einſehe, was die Alpen bey Gothland vorſtellen ſollen, wo keine hohe Gebirge zum Vorſchein kommen. Die andre Hand - ſchrift hat die wittiſche Feder von einem Exemplar der ſchoͤnen Bibliothek des Herrn Johann Axel, Grafens von Oxenſtierna genommen, welches mit der hannoͤveri - ſchen Abſchrift auch in Kleinigkeiten uͤbereinkomt, und ebenfals Neronia und Neronien - ſis beibehalten. Dieſes alles vermehrte meinen Zweifel, der ſich auch aus der zu Ba - ſel 1573 in 12 gedruckten Nauigatio maris Arctoi i. e. Balthici et Sinus Codani de -ſcri -.

CEſt -
b)n. 1 geholfen, anbringen koͤnnen, nach welcher er, ſtatt des im Lateiniſchen befindli - chen Worts Stucuanta, lieber Sarcianta leſen wil. Die Handſchriften, von denen wir gleich ein mehreres ſagen wollen, behalten dieſes ungerathene Wort, deſſen Anfang aber nicht mit St ſondern Sl geſchrieben wird, wie auch meine vorige revelſche Handſchrift hatte. Der eine Text erklaͤrte es in einer Randgloſſe: Sluckhuarda noſter, gleichſam, unſer Kellermeiſter, davon ein guter Schlucker herkommen ſoll. Die andre Abſchrift liefert uns ein Wort mit alten verzogenen Muͤnchszuͤgen, die uns keinen Zweifel uͤbrig laſſen, daß nicht im Grundtext: Et ait Albertus Sluk. nauta noſter, geſtanden, wie Huit - feld einen Rubert von Sluk, ehemaligen Beſitzer der Doͤrfer Obwald, Ruts und Sammitkertel im Revelſchen, unterm Jahre 1249 p. 221 anfuͤhret. Ein Minori - tenbruder Namens Albert Sluck, erſcheinet in den Friedenstractaten mit den Lit - thauern von 1323.
b)

**)quam ocyus, lege, quantocyus p. 37 lin. 14 pro dilatauerunt leg. dilaniauerunt; lin. 33 lege: ubi cum plurimum profeciſſet, p. 39 lin. 2 tantorum i. e. tot hominum, phraſi Tertulliano familiari. h) ad exemplum Vincentii Bellovac. ſpec. hiſtor. lib. 31 c. 83, 84, Cogones Colo - nienſium: cogones, galeae, etc. p. 76 h) lege omen et eiice, ſenſum; p. 81 n) promtualibus leg. pro victualibus vt n. I; p. 97 c) Papp Eſtonibus, Pop Slauis eſt ſacerdos teſte Io. Herbi - nio de eryptis Kiov. c. 14, 8 p. 101 a) Chronicon Kiouienſe ſiue Theodoſii ſiue Neſtoris ante omnia conſulendum; p. 160 b) Alphonſi verum nomen Raphael Sauanarola, p. 182 lin. 29 leg. vitia, dans. Jn der deutſchen Ueberſetzung entdecket der Herr geh. Juſtizrath uns fol - gende wirkliche Fehler: S. 19 f) ſollen Inſcriptiones facti die Protokolle heiſſen. S. 87 e) bedeu - tet Legatus imperii einen Reichsverweſer; S. 90 k) muß Sirmond den Vornamen Jacob be - kommen. S. 147 a) in ſin. ſol id quod eſt in principio ſo viel ſeyn, als eine Petitio principii, wenn man das zum Beweis gebraucht was noch ſelbſt erſt mus erwieſen werden. Noch eine gruberſche Anmerkung nebſt unſern eigenen Verbeſſerungen uͤber den erſten Theil, ſollen weiter unten folgen. Vor der gruberſchen Ausgabe hat man den Werth der alten Annales nicht zu ſchaͤtzen ge - wuſt, obgleich einige Gelehrte ſie auch in gedruckten Schriften angezogen. Selbſt der gelehrte Verfaſſer des andern Aufſatzes in dem 3ten Theil der Liuonic. S. 130, welche 1700 ohne Benen - nung des Orts ans Licht getreten, fuͤhrt daraus Meinhards Antheil an dem ſchwediſchen Einfal in Curland, und die dadurch veranlaßte Verwuͤſtung in Wirland an, nennet aber den Chro - nikenſchreiber Herman von Heldrungen.

10Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1215
29

Eſtlandd)Eſtland heiſt in den lateiniſchen Briefen Jnnocentii des IIIten Eſtia, welche Schreibart die aͤlteſte zu ſeyn ſcheinet, dahingegen andre Eſtonia ſetzen. Tacitus, Solinus und Jornandes nennen die Nation Aeſtier, Eginhard zu Carls des groſſen Zeiten Aiſten, und Caßiodorus Haͤſten, wo andre Aeſten leſen, Saxo der See - laͤnder aber Eſtones. Diejenigen welche auf den Namensurſprung der Provinz ſe - hen, ſchreiben Oeſtland; der Ausſprache nach hoͤret man Eeſten und Eeſtland. Hermelin*)Olaus Hermelin, Profeſſor der Beredſamkeit und Poeſie zu Doͤrpt, koͤnigl. ſchwediſcher Hi - ſtoriographus, und endlich geheimer Kanzleyrath, ein Mann von ausnehmenden Gaben und ei - ner weitläufigen Gelehrſamkeit, blieb, in Begleitung des Koͤnigs auf ſeinen Feldzuͤgen, bey Pul - tawa am 27ſten Jan. 1709, wo ihm die Coſaken den Reſt gaben. Wir haben uns ſeiner Di - ſputation de Origine Liuonorum in 4 bedienet, wie ſie Guſtav Adolph Humble aus Joͤn - koͤping in Schweden vertheidiget, und Joh. Brendeken 1693 in Doͤrpt gedruckt. Mag. Caſpari hat ſie zu Leipzig 1717 in 8 wieder auflegen laſſen. macht es S. 14 u. f. de Origine Linonorum warſcheinlich, daß die aus - gebreitete Nation der Eſten von Oſten ihren Namen fuͤre. Nur laͤſt ſich hiebey fragen: ob ein Volk ſeine urſpruͤngliche Benennung fahren laſſen, und den ihm von ſeinen Nachbarn beigelegten Namen, als ſeinen eigenen, gebrauchen werde? Der Finne nent ſich Some-mees einen Moraſtkerl, der Live Liwe-mees einen Sandmann, bei - de von der natuͤrlichen Beſchaffenheit ihres Landes; und dieſe machen mit den Eſten ei - ne Nation aus. Von den Finnen beweiſets die noch lebende Sprache. Was aber die Ueberbleibſel der alten Liven in der ſo genanten liviſchen Wacke am Salisſtrom betrift, welche ihre alte Sprache noch unter ſich gebrauchen; ſo hat der Herr Paſtor Joh. Conrad Burchard zu Salis auf unſer Anſuchen uns ſolche Proben zuge - ſchickt, die offenbar erhaͤrten, daß die liviſche Sprache ein gebrochener doͤrptiſcher Dialect ſey. Und da dieſe Liven ſich beim Gottesdienſt der lettiſchen Sprache bedie - nen, ſo zeigen die unter ihre Hausſprache mit untergemengten lettiſchen Woͤrter, daß ſie ihre alte Sprache nicht einmal mehr zu reden verſtehen, wie ſie ſelbige auchnicht ſol nach dem Zeugniß des rothen Buchs in Revel ſein erſtes ſchriftliches Lehnrecht vom Koͤnig Waldemar dem Zweiten in Daͤnnemark erhal - ten haben. Es beſteht aus 53 Puncten, und erſtreckt ſich auf alle angeſeſſene Maͤn - ner in Riga, Doͤrpt, Oeſel und in den Bruderlaͤndern. Die Guͤterfolgebleibtc)ſcriptio per Nicolaum Widemannum nicht heben lies, weil es gleich in die Augen faͤlt, daß Neringa daſelbſt die friſche Nehrung bezeichne. Zuletzt half mir die recht ſaube - re Handſchrift des Herrn Paſtor Skodaiski zu Riga, welche an dieſem Orte Vero - nia und gleich darauf gar Veronenſis quidam hatte. Warum ſolte wol Verona nicht der Begraͤbnisort dieſes ratzeburgiſchen Biſchofs ſeyn koͤnnen? Doch da Herr Gruber ſeinen Widerſpruch nicht ſo ausdruͤcklich gemacht haben wuͤrde, wenn er durch die Staͤrke ſeiner Gegengruͤnde nicht geſichert waͤre, ſo wollen wir Leſern, die ſcharfſichtiger ſind als wir, eine zu Nerona datirte Urkunde darlegen, ob ſie vielleicht gluͤcklicher ſind, dieſen Ort aus den darin vorkommenden Umſtaͤnden herauszubringen. Qualiter Domnus Marquardus Brede, Miles, poſt mortem regis Danorum Chriſtophori, reſignat ordini Liuonienſi caſtra Eſtthoniae. Actum Anno 1334. Vniuerſis Chriſti fidelibus, ad quos praeſentes litterae peruenerint, Iacobus Dei gratia, Oſilienſis eccleſiae Epiſcopus ſalutem in Domino ſempiternam. Teno - re praeſentium publice proteſtamur, quod defuncto illuſtri principe, Domino Chri - ſtophero quondam rege Daciae, dum Dominus Marquardus Breyde, Miles, caſtra, quae eiusdem regis nomine tenuerat in Eſtonia, reſignaret, compoſitionem cum fratribus Theutonicis Liuoniac in hunc modum iniuit, ſcilicet quod ipſe Dominus Marquardus promiſit dictis fratribus data ſide, quod nunquam vllo tempore malum ſeu damnum eorum vel ordinis eorundem ſcire aut procurare deberet, ſed ipſos diligere ſemper et honorare et fideliter in omnibus promouere. Et illud idem di - cto Domino Marquardo per fratrem Reynerum Mumme tunc Aduocatum Ierviae extiterat repromiſſum, ex parte fratrum et ordinis praedictorum. Et quia eidem compoſitioni praeſentialiter interfuimus, ſigillum noſtrum praeſentibus duximus ap - ponendum in maiorem euidentiam praemiſſorum. Dat. Neronae anno Domini MCCCXXXIIII ſeria ſecunda ante natiuitatem beatae Mariae virginis, celebrato ge - nerali inibi parlamento. 11Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Volquin. bleibt bey dem maͤnnlichen Geſchlecht in abſteigender Linie, nach welcher ungetheil -1215 te Bruͤder einer auf den andern erben. Das Lehngut faͤlt, im Fall keine maͤnnliche Erben vorhanden ſind, an den Lehnsherren zuruͤck, ohne deſſen Einwilligung es nicht veraͤuſſert werden kane)Dieſes Lehnrecht iſt das erſte in dem ſo genanten rothen Buche zu Revel*)Jm Jahr 1546 lieſſen die eſtlaͤndiſchen Herren Landraͤthe, namentlich Joh. Taube zu Marth, Bruns Wettberg, Herman Anrep, Reinhold von Roſen, und Claas Mecks, als Raͤ - the in Harrien, und Jacob von Loͤwenwolde, Thube Bremen, Herman Lode zu Aſ - ſery, Peter von Tiſenhauſen, Otto Taube zu Kochtel, und Robert von Gilſen, RaͤtheinDer.

Des -
d)nicht im taͤgl. Umgang brauchen, auſſer wenn ſie mit Eſtlaͤndern ſprechen muͤſſen. Es muß alſo noch der Grund unterſuchet werden, warum der Eſte in ſeiner Sprache ſich ſelbſt einen Eſten und ſein Land Eeſti-ma benennet. Wir haben ſonſt eine ge - ſchriebene Nachricht vom Fuͤrſtenthum Eſten, welche wegen ihrer Kuͤrze und magern Jnhalts hier kaum erwehnet zu werden verdienet. Da die Sprache der Eſten in weit - laͤufigem Verſtande was beſonders, Eſtland aber geſchickte Maͤnner hat, ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß einmal ein Kunſtrichter, dem es weder an einer gehoͤrigen Staͤrke in der Sprachkunde, noch an regelmaͤßigem Witz fehlete, ſich an eine ſolche Materie machte. Die europaͤiſchen Sprachen verrathen ihre ehmalige Verſchwiſterung wenigſtens in Zahlwoͤrtern; der Eſte aber faͤngt, vom Salisſtrom bis gar weit nach Norden und Nordoſten hinauf, die Zahlen mit einem gar ungewohnten uͤks, kaks, kolm, nelli an, welcher Umſtand wohl einer genauern Unterſuchung werth waͤre. Es haben ſchon verſchiedene bemerken wollen, daß die Eſten durchgaͤngig etwas ſtaͤrker vom Leibe und laͤnger von Statur ſeyn als die Letten, wie ſich denn auch dieſe Nationen in der Tracht unterſcheiden. Doch mus man dieſe letztern nicht zu ausgehunger - ten Zwergen machen. Der Dichtkunſt wollen wirs zu gute halten, wenn Piſtorius die Letten nicht in allen Zeilen richtig getroffen. Er ſchreibt nemlich ſo:
Vix homines dicas hos, ſi gens culta videres.
Corpora ſunt illis attenuata fame,
Et breuia, aſſiduo multum ſuppreſſa labore,
Artubus et iuſta pro ratione carent.
His potus lympha eſt, panis de furfure co -
ctus.
Pro plumis ceruix mollibus vrget humum.
Et bene conueniens veſtitus iungitur illis,
Calceus eſt cortex, cetera lana tegit;
Quae tamen haud magna contexta cohae -
reat arte,
Velleribus ſimilis tergoribusque boum.
Atque premunt humiles infirmo corpore
mannos,
His equitant ſimili foemina virque modo.
Man vergleiche hiemit Paul Einhorns Hiſtoria Lettica, die bey Joh. Vogeln zu Doͤrpt 1649 in 4 gedruckt und dem Herzog Jacob von Curland und Semgallen zugeſchrieben iſt. Mehrere Nachrichten findet man in den beckeriſchen zu Witten - berg gehaltenen Diſputationen von lieflaͤndiſchen Voͤlkern, deren Sprache und Ge - braͤuchen, beim Rumpaͤus in der Nachricht vom curiſchen Glauben, Hartknoch in diſſert. de Curonorum et Semgallorum republica und Joh. Menecius im libro de ſacrificiis et Idololatria veterum Curonum, Regiomont. 1551. Jn ganz Curland und Lettland gilt die lettiſche Sprache, in Eſtland und auf Oeſel die eſtniſche. An manchen Orten in dieſen Provinzen findet man eigene Worte und eine geaͤnderte Ausſprache; wo - durch in dieſen zweien Sprachen nur unterſchiedliche Mundarten entſtehen, die man deswegen gar nicht fuͤr eine eigene Sprache ausgeben kan, wenn auch die Mundart et - was unterſchieden iſt. Es komt wol natuͤrlicher heraus, wenn man die Namen der Laͤnder von ihren Be - wonern herfuͤhret, als von der Beſchaffenheit des Landes. Der Eſte und Finne nent Finnland Some-ma, das iſt: der Somen Land, obgleich einige es erklaͤren wollen ſe omma-ma das iſt unſer Land, welches nur der Finne ſagen koͤnte. Der Eſte und Finne ſpricht: Rootſi-ma der Rootzen Land, von den Einwohnern der Provinz Roslagen, und verſteht das Koͤnigreich Schweden darunter, weil ehmals die alten Roxolanen da gewohnt haben. Er ſagt Leto-ma d. i. Litthauen, oder der Leten Land; Wenne-ma, Rußland, entweder der Wenden Land, die zum Theil rußiſche Vaſallen waren, oder auch Bruͤderland, wie die Roͤmer ſagten Germania. Saxa-ma Deutſchland, das iſt der Sachſen Land.
d)C 2Ver -12Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter
1219
35

Desgleichen ſoll Koͤnig Waldemar einen lundiſchen Geiſtlichen, Na - mens Ernemod nach Curland geſchickt haben, welcher das Schlos Pilten angelegt, und in der neubekehrten Lande den erſten Biſchof abgegeben. DieſerBe -e)Verfaſſer der kurzen Nachricht von der wahren Beſchaffenheit der Landguͤter in Eſt - land, Liefland und auf Oeſel*)Dieſe nicht gar weitlaͤufige Schrift iſt 1720 ohne Namen des Orts und des Verfaſſers in Deutſch - land gedruckt worden. Die Muthmaſſung derer iſt am gegruͤndeſten, welche den Herrn Land - und Regierungsrath Richter fuͤr den Urheber beſagten Tractaͤtgens angeben. ziehet dieſen Freibrief auch auf die Erbguͤter, und derſelben Veraͤuſſerung, weil daraus nicht dargethan werden koͤnne, daß Waldemar alle eſtlaͤndiſche Guͤter zu Mannlehnen gemacht, uͤberdem Erichs Privilegium von 1252 dieſem Lehnrechte das erbliche oder Landrecht entgegen ſetze, auch die Ceßions - acte der Provinz Eſtland an den Ritterorden erweiſe, daß auſſer den Lehnguͤtern auch wahre Allodia ſich daſelbſt befinden. So richtig die Sache ſelbſt iſt, ſo unrichtig ſind hingegen die Jahrzahlen, und zwar in ſolchen Buͤchern, auf welche bey dem Beweiſe am meiſten ankomt. Denn Waldemar konte nicht 1215 dem Lande Geſetze geben und es erſt 3 Jahr nachher erobern, vielweniger uͤber Doͤrpt befehlen, welches noch uͤber 8 Jahr in heidniſchen Haͤnden war. So geht es auch mit der Jahrzahl des an - dern Privilegii, nach welcher Erich, zwey Jahr nach ſeiner Enthauptung, ohne Kopf Eſtland beherſchet haben muͤſte. Die Vorrede, welche Erich vor das woldemar - ſche Lehnrecht geſetzet, zeiget deutlich an, daß Woldemar ehemals mit Zuziehung ſei - ner Staͤnde Eſtland ein Lehnrecht verliehen, welches Erich, des vielen Misbrauchs wegen, wieder in Gang zu bringen geſucht, worauf er auch ein damals uͤbliches Land - oder Allodialrecht beſtaͤtiget. Weil Erich in dem 1248 Jahre ſich perſoͤnlich in Eſt - land aufgehalten, und in ſelbigem Jahre der Stadt Revel unterm 11ten May das luͤbiſche Recht verliehen, welches die folgenden Koͤnige von Daͤnnemark ſo oft wie - derholt, beſtaͤtiget und erweitert haben; ſo duͤrfte ſich zu den erſten Rechten von Eſtland nicht leicht eine andere Jahrzahl als 1248 ſchicken. Menius S. 8 raͤth fuͤr das wol - demarſche Mannlehnsrecht aufs Jahr 1238, fuͤr Erichs Confirmation aber auf 1251; wel - ches erſtere ungewiß, das letztere aus obigen Urſachen falſch iſt. Doch der revelſche Com - thur, Rembert von Scharenberg, bezeuget in ſeinem Transſumt etlicher Privilegien, daß dieſer Beſtaͤtigung des Koͤnigs Erich der 2te Octob. 1252 beigeſchrieben ſtehe. Un - ſre Abſchrift eines Briefes vom Koͤnig Erich an die gelinden und guten Maͤnner in Revel und Weſenberg, worin ihnen zugeſtanden wird, daß ſie ihre Guͤter nach Erb - rechte, welches in gemeiner Sprache Landrecht heiſſet, erben koͤnnen, iſt verfiegelt zu Leonnigas 1252 des andern Tages vor dem 1ſten October. Wenn dieſe Jahrzahlen ihre Richtigkeit haͤtten, ſo muͤſten die Daͤnen die Regierung ihres Koͤnigs Abel ſpaͤter als gewoͤhnlich anſetzen. Unter einige merkwuͤrdige Stellen des woldemariſchen Lehnrechts ſind folgende zu rechnen: §. 11. Stirbet ein Mann, der Erben hat, Soͤhne oder Toͤchter, und ſind die Kinder zu ihren Jahren nicht kommen, der nechſte Schwertmage ſol Vormund ſeyn, ob er des Koͤnigs Mann ſey; iſt da kein Schwertmage, der Koͤnig ſol ihr Vor - mund ſeyn; §. 18, Stirbet der Mann ohne Erben, ſo bleibt die Frau in ihres Man - nes Gut Jahr und Tag, das iſt 6 Wochen und ein Jahr, und ſol helfen ſeine Schul - den guͤten und pflegen ſeiner Seele; §. 42, Jſt ein Mann auſſer Landes beſeſſen, ſo entbeut man ihm ſein Gut, komt er denn nicht, ſo bricht er 3 Wedden, das ſind ſechzig Schillinge; §. 49, Wer ein unrecht Urtel findet, das iſt zwo Pfund, und wer ein recht Urtel beſchilt, das iſt 3 Pfund. Da dieſes Lehnrecht 1315, nach Huitfeld S. 385, von Erich dem VIIten ſehr verbeſſert worden; ſo hat ſich wol der Abſchreiber des rothen Buchs mit der Jahrzahl 15 geirret, und dieſelbe bey Woldemars Lehnrecht un - richtig angebracht. Billig ſolte es keine Jahrzahl haben, weil ſich aus keiner Geſchich - te erweiſen laͤſt, daß die Daͤnen den Bruͤderlaͤndern, den Staͤdten Riga und Doͤrpt Geſetze geben koͤnnen.*)in Wirland, mit Bewilligung ihres kurz vorher mit Tode abgegangenen zwoͤlften Stallbruders, Lorenz Ferſen, durch ihren Secretaͤr, Wolfgang Scheffel, im Hoͤfe zu Engedes am 4ten Sept. Sonnabends nach Egidii die koͤnigl. daͤniſchen, hochmeiſterl. preußiſchen, und meiſterl. lieflaͤndiſchen Privilegien aus den Hauptbriefen in ein Buch zuſammen tragen, welches von ſeiner rothen Pergamentſchale den Namen des rothen Buchs fuͤhret. Der Herr Mannrichter von Lode hat ſich deſſen zu ſeiner Hiſtorie wohl zu bedienen gewuſt.13Biſch. Albert. zur Zeit der Regierung des Volquin. Bericht der daͤniſchen Geſchichtſchreiber ſtimmet ebenfals mit der wahren Hiſto -1219 rie nicht uͤbereinf)Wie Huitfeld S. 185 und Pontanus S. 307 das Biſtum Pilten ebenfals zu fruͤh, wie das doͤrptiſche, ſtiften, ſo fehlen ſie dabey in der Namenserklaͤrung des Schloſ - ſes Pilten, ſonſt Danipils genant. Der Koͤnig fragte nemlich den Biſchof, wo er das Schlos anlegen wolte, dieſer antwortete: Ther ſom Pilten ſtaͤaͤr, da wo der Junge ſteht. So gleich hieß der Ort Pilten. Natuͤrlicher laͤſts ja, weil die Curen und Letten jede Burg Pils nennen, daß ſie dieſe neue Feſtung Danipils, der Daͤ - nen Burg geheiſſen, und auch nur ſchlecht weg die Burg. Der Eſte ſagt Lin, daher Revel Lindaniſſe, Danilin, kuͤrzer Tallin und auch auf lettiſch Dampils heiſſet. Die Letten heiſſen die Stadt Wenden Zehf ſo ebenfals einen feſten Ort an - zeiget. Unſere Geſchichtſchreiber legen dem Biſchof Albert die Errichtung des Bi - ſtums Pilten beim Jahre 1229 bey, welches, der Handlung und Zeit nach, richtiger be - ſtehen koͤnte, als das Zeugniß der daͤniſchen Scribenten. Heinrich der Lette wuͤrde eine ſo nahe und wichtige Anſtalt beim J. 1220 uns wol beſchrieben haben. Allein am ſi - cherſten iſt es, daß man nicht fruͤher in Curland Biſtuͤmer ſtifte, ehe das Land erobert und bekehret worden; zumal da um dieſe Zeit das ſemgalliſche noch keine gewiſſe Reſidenz hatte..

Der Graf Adolph von Daſſel begab ſich auf die Ruͤckreiſe nach Deutſch -1220 land. Unter den ankommenden Pilgrimen hingegen befand ſich auch ein edler Herr Bodo von Hohenborgg)Dieſe Namen ſind nach der Vorſchrift des Herrn geh. Juſtizr. Grubers verbeſſert, weil ſie in dem erſten Theil S. 168 unrichtig angegeben worden. Ob nun gleich die damit verglichenen Handſchriften nicht Dasle ſondern Dalle, und Rodo von Hoenberg leſen, ſo wird doch die gruberiſche Muthmaſſung in Abſicht des letzten Namens, durch eine Urkunde beſchoͤniget, welche mit 3 Siegeln, wiewol ohne Meldung der Jahr - zahl, verſehen iſt. Wir glauben, daß ſie aus mehr als einer Urſache aufgehoben und mitgetheilet zu werden verdiene. Hier iſt ſie: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, Amen! Albertvs Dei dignatione Rigenſis Epiſcopus omnibus Chriſti fidelibus tam na - tis quam naſcituris in perpetuum ſalutem! Cum Rigenſis ciuitas ad inhabitatio - nem ſui plus libertatis gratia, quam praediorum circumiacentium ſertilitate*)Die ungehenre Menge der Sandberge um die Stadt,