PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Theorie der Gartenkunſt.
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Fuͤnfter Band.
Nebſt Regiſter.
Leipzig,beyM. G. Weidmanns Erben und Reich.1785.
[II][III]

Vorbericht.

Endlich gelingt es mir, den Freunden der ſchoͤnen Gartenkunſt hier den fuͤnften und letzten Band dieſes Werks zu uͤberreichen. So viele gluͤckliche Stunden ich bey der Ausarbeitung genoſſen, ſo wurden ſie doch oft von den mancherley Schwierigkeiten getruͤbt, womit ich zu kaͤmpfen hatte. Schon die Entfernung von den Zeichnern, den Ku - pferſtechern und dem Druckort hatte mancherley Unbequemlichkeit. Ich habe an meinem Wohnort nichts gehabt, was zur Befoͤrderung dieſes Werks haͤtte beytragen koͤnnen; alles mußte ich erſt aus der Ferne ſu - chen. Ich war daher genoͤthigt, nicht allein einen koſtbaren Briefwech - ſel zu unterhalten, ſondern auch manche theure und ſeltene Architectur - werke und Kupferſtiche anzukaufen; und außer den kleinern Reiſen, die ich in den Jahren der Ausgabe dieſer Theorie jeden Sommer machte, unternahm ich zuletzt noch eine durch ganz Deutſchland bis an die Graͤnze Helvetiens, um ſelbſt zu ſehen, wie weit es mit der Verbeſ - ſerung des Gartengeſchmacks gekommen ſey. Man wird durch dieſes ganze Werk, und beſonders in dem gegenwaͤrtigen Bande, die Fruͤchte dieſer Reiſen ſehen. Aber man ſieht nicht die betraͤchtlichen und uner - ſetzten Koſten, die ich aufgeopfert habe, um dieſe Theorie ſo vollkom - men zu liefern, als nur moͤglich war.

2IndeſſenIVVorbericht.

Indeſſen hat der rechtſchaffene Buchhaͤndler, der den Verlag dieſer Theorie beſorgte, von ſeiner Seite zur Befoͤrderung und Ver - zierung der Ausgabe nicht wenig beygetragen. Mit einer edlen und unverdroſſenen Bereitwilligkeit erfuͤllte er alle meine Wuͤnſche, die auf die Verſchoͤnerung dieſes Werks giengen, und woran Kunſtliebhaber und Kuͤnſtler vom erſten Range mit uns vereinigt gearbeitet haben. Die Erfindungen der Herren Weinlig, Brandt, Schuricht, Zingg und andrer hat Herr Geyſer, der als Kupferſtecher ſo vielen Antheil an den Verzierungen dieſes Buchs hat, auf eine Art ausgefuͤhrt, wo - durch ſie noch mehr ſchaͤtzbare Denkmaͤler der Kunſt und des Geſchmacks aus unſrer Zeit geworden ſind. Der Reichthum und die Mannichfal - tigkeit der Abbildungen von Gartenſcenen, Landhaͤuſern und Garten - gebaͤuden, die theils als wirkliche Ausfuͤhrungen faſt aus ganz Europa geſammelt, theils als ſchoͤne Ideale und Erfindungen von den beruͤhm - teſten Kuͤnſtlern vorgezeichnet ſind, enthalten eine betraͤchtliche Erwei - terung der Architectur, und ſind nicht weniger lehrreich fuͤr den jun - gen Architecten, als fuͤr den Gartenkuͤnſtler. Wenigſtens hat er hiet eine bequeme und ziemlich weite Ueberſicht ſowohl uͤber das Vorzuͤg - lichſte, was in allen Laͤndern in dieſem Fache vorhanden iſt, als auch uͤber eine Menge von neuen Erfindungen, wodurch die Kunſt noch er - weitert werden kann.

Verſchiedene Gartenkenner, die an ihrem Orte genannt ſind, haben durch eingeſchickte Beſchreibungen, Nachrichten und Zeichnun - gen ſich um die Vollſtaͤndigkeit dieſes Werks ſo verdient gemacht, daß ich ihnen hier oͤffentlich meinen verpflichteten Dank wiederhole. Die Aerndte iſt freylich nicht ſo reich ausgefallen, als ich erwartete; indeſ - ſen ſah ich auf meinen Reiſen ſelbſt, daß in ſehr vielen Provinzen gar nichts geſaͤet war, daß in andern die Saat erſt aufſproßte, und innochVVorbericht. noch andern die Fruͤchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt be - ſonders der zweyte Anhang dieſes Bandes eine faſt allgemeine Ausſicht uͤber alle betraͤchtliche Gaͤrten in Europa. Alle neue Beſchreibun - gen, womit dieſer Band am meiſten bereichert iſt, ſind von mir ſelbſt entworfen, wenn kein andrer Verfaſſer angefuͤhrt iſt.

Ich muß hiebey bemerken, daß die eingeruͤckten Beſchreibun - gen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren muͤſſen; nothwendig, weil die Gaͤrten den beſtaͤndigen Veraͤnderungen der Zeit und des Menſchen unterworfen ſind. Schon an zwey bis drey Gaͤr - ten, die ſo reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth denken; verlaſſen und veraͤndert von neuen geſchmackloſen Beſitzern, denen ſie zufielen, trauern ſie ſchon ihrem Untergange entgegen. Man betrachte demnach die Beſchreibungen davon als Kopien von Gemaͤl - den, wovon die Originale ſich verloren haben, oder von der Hand der Zeit oder unwiſſender Ausbeſſerer unkenntlich geworden ſind.

Es ſcheint ein gluͤcklicher Zufall, daß dieſe Theorie gerade in ei - nem Zeitpunkt erſcheint, wo eine faſt allgemeine Liebe der Gaͤrten ſich durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geiſt der nuͤtz - lichen Gartenkultur belebt uͤberall die wahren Patrioten, und wenig - ſtens herrſcht die unbedingte Nachahmung der engliſchen Manier uͤberall da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht behaupten, daß faſt alles, was Deutſchland, Frankreich und Norden an guten Gartenanlagen aufzuweiſen haben, erſt in der letz - ten Haͤlfte dieſes Jahrhunderts entſtanden iſt. Es gehoͤrt bloß zur Geſchichte dieſer Theorie, zu bemerken, daß ſie ſeit ihrer Erſcheinung ſchon manche gluͤckliche Wirkung in verſchiedenen Laͤndern, wohin ſie zum Theil durch die franzoͤſiſche Ueberſetzung gebracht iſt, veran - laßt hat.

3ManVIVorbericht.

Man darf nun doch nicht ſagen, daß es an einer Anleitung zur Beurtheilung und Anlage der Gaͤrten und zu den mannichfaltigen Ar - ten der Verſchoͤnerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund - ſaͤtze der Kunſt noch unentwickelt waren, ließ es ſich eher entſchuldigen, wenn man immer nach engliſchen Zeichnungen und Planen lief, immer kopirte, was man in dieſem oder jenem Garten fand, der in Ruf ſtand. Der Weg iſt wenigſtens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken und Studium der Natur weiter fortſchreiten kann.

Der ſchoͤnſte Garten iſt der, welcher in ſeiner Art ganz das iſt, was er ſeyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der vollkommenſte Garten iſt der, welcher die wenigſten Fehler hat. Wenn inzwiſchen noch jetzt in den neuen Anlagen ſo manche Verirrungen des Geſchmacks erſcheinen, ſo darf man die Schuld nicht immer den Gaͤrt - nern oder den Anlegern beymeſſen. Ich habe es ſelbſt geſehen, wie es an ſo manchen Hoͤfen geht. Iſt der Liebling des Fuͤrſten oder der Gartendirector ein Ingenieur, ſo muß der Garten Waͤlle und Ver - ſchanzungen aufnehmen. Iſt er ein franzoͤſiſcher Marquis, ſo ſchlaͤgt er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poëtes dramatiques vor. Kennt er nur Verſailles, Marly u. ſ. w., ſo muͤſſen die Baͤume und Gebuͤſche ſich in die kunſtreichſte Architectur umbilden laſſen. Hat er nur die neuen Anlagen um Paris geſehen, ſo wird der Bezirk mit chi - nefiſchen Thuͤrmchen, Moſcheen, Kiosken u. ſ. w. bunt genug ver - ziert werden. Leitet eine geiſtloſe Hofdame die Anordnung, ſo wird ſie die ſchoͤnſten Plaͤtze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen dieſen Thorheiten und Kuͤnſteleyen iſt immer das Gewoͤhnliche auch das Schlimmſte, naͤmlich, daß aufgeklaͤrte Gartenkenner, die weit daruͤber hinausſehen, nicht gefragt oder doch nicht gehoͤrt werden. Der hirn - loſe Hofſchranze weiß ſie bald zu uͤberſchreyen. Dieß iſt auch die Ur -ſache,VIIVorbericht. ſache, daß im Ganzen betrachtet der Adel, der von dieſen Feſſeln frey iſt, weit beſſere Gaͤrten hat, als die Fuͤrſten. Es iſt ein ſchaͤdliches Vorurtheil, wenn man ſagt: ein Fuͤrſt koͤnne machen was er wolle; er habe zu befehlen; es koſte ihm ſein Geld. Nein, gnaͤdiger Hert, wuͤrde ich einem Prinzen ſagen, laſſen Sie dieſes Vorurtheil nicht gelten. Um einen Hoͤfling, der dieſe Meynung aͤußert, bekuͤmmert ſich die Welt nicht viel, aber wohl um den Fuͤrſten, der dieſer Meynung folgt. Sie duͤrfen nicht geradezu machen, was Ihnen einfaͤllt. Ihre Werke ſtehen oͤffentlich da; der Kenner, der Ihre Gebaͤude, Ihre Gaͤrten ſieht, beur - theilt ſie zugleich, und ein Urtheil, das ſich auf Kenntniß ſtuͤtzt, kann einem Fuͤrſten nicht gleichguͤltig ſeyn. Der Geſchmack Ihrer Werke geht mit in Ihre Geſchichte uͤber. Man nennt Ihren Namen wenn der Name Ihrer uͤbel unterrichteten Rathgeber laͤngſt vergeſſen iſt.

Jeder anſehnliche Hof ſollte billig einen aufgeklaͤrten Mann zum beſondern Gartendirector waͤhlen, der ganz allein ſeine Talente, Kraͤfte und Zeit dieſem Geſchaͤfte widmete, der Kenntniß, Geſchmack, Eifer, Verbindung und Anſehen genug haͤtte, um ſowohl die Ehre der Gaͤr - ten des Landes, als auch die Ausbreitung der nutzbaren Gartenkultur befoͤrdern zu koͤnnen. So lange ein ſo wichtiges Geſchaͤfte Perſonen aufgetragen wird, die entweder gar nicht die dazu noͤthigen Eigenſchaf - ten beſitzen, oder ſchon mit andern Arbeiten zu ſehr uͤberladen ſind, ſo lange darf man ſich wenig Fortgang fuͤr die wahre Kultur der Gaͤrten verſprechen. Man kann ein braver Officier, ein feiner Cavalier, ein guter Hofmarſchall ſeyn; man kann durch Witz und Verſtand glaͤnzen; und doch ein elender Gartendirector ſeyn. Wie wenige giebt es, die eben die Wiſſenſchaft, eben den Geſchmack, eben das Studium, eben die Beobachtung, eben die Uebung beſitzen, die gerade zu einem ſolchen Poſten erfordert werden!

UnſreVIIIVorbericht.

Unſre Zeit ſcheint ſich durch eine ſo große und ausgebreitete Re - volution in Anſehung der Gaͤrten auszuzeichnen, als noch niemals war. Ich werde die Fortgaͤnge der ſchoͤnen Gartenkunſt ſowohl, als auch alle Veraͤnderungen, die ſie betreffen, kuͤnftig im Gartenkalender be - richten; man wird darinn unter einem beſondern Abſchnitt Nachtraͤge zu dieſem Werke finden.

Einer der ſchaͤtzbarſten Vortheile, die ich dieſer Theorie verdanke, iſt die Ehre der Bekanntſchaft mit vielen Hoͤfen, mit vielen Perſonen vom erſten Stande, und von den erſten Verdienſten. Die mancher - ley Beweiſe des Wohlwollens und der Gefaͤlligkeit, womit man mich auf meinen Gartenreiſen uͤberall aufzunehmen gewuͤrdigt hat, verlan - gen hier noch meine ehrerbietigſte und waͤrmſte Dankbarkeit. Dieſe huldreiche und guͤtige Aufnahme bin ich freylich mehr dem Gegenſtande, der die Fuͤrſten, den Adel und alle Freunde der ſchoͤnen Natur ſo nahe intereſſirt, als der Behandlung ſchuldig; ſie hat indeſſen nicht wenig meinen Eifer belebt, um die Gartenkunſt ſo weit dem Ziel ihrer Aus - bildung entgegen zu fuͤhren, als es meine Kraͤfte und unſer Zeitalter verſtatten.

Theorie
[1]

Theorie der Gartenkunſt.

V Band. A[2][3]

Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen nach den Tageszeiten.

Die verſchiedenen Abſchnitte des Sommertages kuͤndigen ſich durch einen ver - ſchiedenen Charakter an. Heiterkeit und Lebhaftigkeit umſchweben den Mor - gen; Staͤrke des Lichts und Schwuͤle druͤckt den Mittag; Milde und Ruhe erfriſchet den Abend. Die Natur verbindet mit jedem Theil des Tages eine Menge von Er - ſcheinungen, die ihm eigenthuͤmlich zugehoͤren, und die Gegenſtaͤnde der Landſchaft zeigen ſich unter den Abwechſelungen der Beleuchtung in immer neuen Geſtalten. Es laſſen ſich demnach Scenen anordnen, wo die Eigenthuͤmlichkeiten von jedem Theil des Tages nicht blos wahrgenommen, ſondern auch, von ihren Beſchwerlich - keiten befreyet, unter einem erhoͤheten Reize genoſſen werden. Man kann bald aus beſonders geſtimmtem Geſchmack, bald nach der Lage der Gegend, die man bewohnt, bald aus Beduͤrfniß der Lebensart und der Geſchaͤfte ſich ſeinen Garten fuͤr den Mor - gen, oder fuͤr den Mittag, oder fuͤr den Abend bilden. Man kann ſelbſt dieſe ver - ſchiedenen Arten von Anlagen in einem ausgedehnten Park, als eben ſo viele beſon - dere Scenen, in eine harmoniſche Verbindung mit dem Ganzen bringen.

A 2I. Mor -4Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

I.

Morgengarten oder Morgenſcene.
Wie glaͤnzt die Morgenroͤthe Auf Berg und Wald,
Wo ſchon des Hirten Floͤte Ins Land erſchallt!
Die Huͤgel und die Weide Stehn aufgehellt;
Und Fruchtbarkeit und Freude Bebluͤmt das Feld.
Die Lerche ſteigt und ſchwirret Von Luſt erregt;
Die Taube lacht und girret, Die Wachtel ſchlaͤgt.
Der Schmelz der bunten Flaͤchen Glaͤnzt voller Pracht;
Und von den lauten Baͤchen Entweicht die Nacht.
*)Von Hagedorn.
*)

Dieſe liebliche Heiterkeit, dieſe friſche Anmuth, dieſe laute Wonne der erwa - chenden Natur, wie belebt und erweitert ſie jedes Herz! Alles iſt Freude und ruſt zur Freude.

Der Morgengarten eroͤffne ſich demnach, um die Freude des jungen Tages zu empfangen. Er verbreite ſich in einem bluͤhenden Thale, an deſſen Seite ſich ein Berg oder eine Felſenſpitze erhebt, auf welche die aufgehende Sonne ihren roͤthenden Glanz hinſtreue; oder er ſchmiege ſich uͤber ein huͤgeligtes Gefilde mit ſanften Ab - haͤngen hinab. Allezeit aber breite er ſeinen ganzen Bezirk vor dem oͤſtlichen Strahl hin, und gewaͤhre die ganze Pracht des Anblicks der aufſteigenden Sonne, mit tauſend zufaͤlligen Reizen begleitet. Noch erquicket das Licht, ohne zu beſchwe - ren; der Glanz, der ſich auf den Fluren zerſtreut, erheitert, ohne zu blenden. Tauſend flimmernde Lichter ſpielen, zur Ergoͤtzung des Auges, in dem Laube der Baͤume, auf den blumigten Wiefen, und auf dem vermiſchten Gruͤn der Felder; ein wunderbar entzuͤckendes Schauſpiel, das ſelbſt in gefuͤhlloſe Seelen ein ſtum - mes Erſtaunen ſtrahlt. Gruͤn iſt das Feyerkleid der Natur, die Seele der Gaͤr - ten, und die Entzuͤckung des Auges; aber Gruͤn iſt nirgends geſuchter, nirgends ſchoͤner, als unter den Malereyen des aufgehenden ſowohl als des untergehenden Lichts. Der Morgengarten waͤhle, wo er kann, ſeine Lage mit Ausſichten auf angraͤnzende Wieſen und Gebuͤſche.

Die5nach den Tageszeiten.

Die Helligkeit eines nahen Sees iſt ein wichtiger Umſtand fuͤr dieſen Charak - ter, und die mannichfaltigen verſchoͤnernden Schauſpiele des fruͤhen Lichts, die ſich auf ſeiner Flaͤche und an ſeinem Ufer umher malen, geben dem Auge eine Unter - haltung, wobey es gerne verweilt. Ein betraͤchtlicher Strom, der ſich vor dem Morgengarten voruͤber waͤlzt, gewaͤhrt eine noch groͤßere Lebhaftigkeit. Allein auch kleine Baͤche, die unter dem Spiel des Lichts, zwiſchen Gras und Blumen huͤ - pfen, oder mit einem hellen Geraͤuſch dahin ſprudeln, tragen nicht wenig zur Be - lebung der Scene bey, und ſind zugleich mehr in der Macht des Garten - kuͤnſtlers.

Die Gipfel der Hayne und Waͤlder, die Hoͤhen der Berge und die Spi - tzen der Felſen ſtellen in den Morgenſtunden zauberiſche Spiele des Lichts dar, das zuerſt an ihnen ſanft aufglimmt, ſie gelb und roͤthlich faͤrbt, und endlich mit einem ſtrahlenden Glanze uͤberſtroͤmt, der ſie in der ganzen Landſchaft ſtark heraushebt, indeſſen ſich an ihren Seiten lange Schatten hinſtrecken, und angenehme Ruheſtel - len fuͤr das Auge bilden. Selbſt ein Kirchthurm oder die Spitze eines andern an - ſehnlichen Gebaͤudes in der Naͤhe kann in dieſer Abſicht wichtig werden. Dieſe Gemaͤlde des Morgenlichts ſind ſo reizend, daß der Anleger ſie nicht uͤberſehen darf, wo er Gelegenheit hat, ſie zu gewinnen.

Der Morgengarten liebt viel freye Plaͤtze, Raſen und Blumen, dieſe lieb - lichen Bilder der Jugend, die ſich im Glanz des Thaues ſchoͤner heben. Die Freyheit iſt dem Auge, das von ſo vielen heitern Gegenſtaͤnden gerufen wird, hier doppelt angenehm. Sie iſt zugleich ein beſonderes Eigenthum dieſer Scene. Manche Gegenſtaͤnde gewinnen eine groͤßere und ſchoͤnere Wirkung, wenn ſie nicht gedraͤngt ſind, ſondern von einander mehr abgeſondert erſcheinen, ſich ganz uͤberſe - hen und an verſchiedenen Stellen einzeln betrachten laſſen. Wir athmen in dieſen Stunden ſo gern die Friſchheit der hereinſtreichenden Luft und die neuen Wohlge - ruͤche der Kraͤuter, wir lieben ſo ſehr die Milde des Lichts und die Freyheit der Aus - ſicht umher, daß wir jede Verſchließung, die uns einen dieſer Vortheile raubt, mit Recht anklagen.

Die Bepflanzung des Morgengartens folge dieſer Bemerkung. Sie waͤhle Baͤume von zarten, duͤnnen, gefiederten und leichten Blaͤttern, die einen gemilder - ten Schatten verſtreuen, wie

  • der Quitſchernbaum (Sorbus aucuparia, L.)
  • die Zitterpappel (Populus tremula, L.)
A 3die6Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
  • die virginiſche Robinie (Robinia Pſeudo-acacia, L.)
  • die Gleditſia (Gleditſia triacanthos, L.)
  • die Amorpha (Amorpha fruticoſa, L.)
  • die Sophora (Sophora tetraptera, J. Miller.)

Einige dieſer Baͤume ſchicken ſich noch beſonders wegen des Hellgruͤnen ihrer Blaͤtter in eine Morgenſcene, als die virginiſche Robinie und die Amorpha; und nach dieſer Eigenſchaft koͤnnen auch

  • der virginiſche Ahorn (Acer negundo, L.)
  • der virginiſche Storaxbaum (Liquidambar Styraciflua, L.)

und noch einige andere dieſer Art dazu gewaͤhlt werden. Die Gruppen, aus die - fen Baͤumen zuſammengeſetzt, gewinnen ein uͤberaus gefaͤlliges Anfehen, wenn ſie nur klein und hin und her zerſireut ſind, um die ſanften Strahlen des Morgens durch ihre leichtere Belaubung freyer durchſpielen zu laſſen. Und wenn zwiſchen ihnen gruͤnende Raſen und freye Blumenfluren ſich herumwinden, und dieſe anmuthigen Plaͤtze noch von herumirrenden lautrieſelnden Baͤchen erfriſcht und hin und wieder von umherſchweifenden Lichtern und Schatten verſchoͤnert werden, ſo ſcheint die Anmuth dieſer Scene vollendet zu ſeyn.

Die Gebaͤude, die in Morgengaͤrten aufgefuͤhrt werden, muͤſſen mit ihrer Lebhaftigkeit, Ergoͤtzung und anmuthigen Geſchaͤftigkeit uͤbereinſtimmen. Wallet ein See neben dem Garten, ſtroͤmt ein Fluß vor ihm voruͤber, oder durchſtreicht er ſeinen Bezirk, ſo mag eine feine Fiſcherwohnung das Ufer zieren; denn die Geſchaͤfte des Fiſchfangs gehoͤren dem fruͤhen Tage. Liebt der Beſitzer den Umgang mit den Wiſſenſchaften, ſo mag auf ſchoͤnen Saͤulen ein Tempel, dem Apoll geheiligt, em - porſteigen, und vor dem Eingang die Statue des Vaters der Muſen, beglaͤnzt vom Morgenſtrahl, voll Entzuͤckung die Leyer zu ruͤhren ſcheinen. Allein auch außer die - ſen Beziehungen, koͤnnen wir dieſer Tageszeit*)S. dritten B. S. 76-77. einen Tempel weihen, der ganz ſeinem beſondern Charakter zuſtimmt. Man ſehe dieſen Tempel des Morgens.

Der7nach den Tageszeiten.
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8Fuͤnfter-Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Der junge Phoͤbus ſteigt uͤber die Kupel, die als eine halbe Erdkugel in Bas - relief gearbeitet iſt, empor, und erleuchtet mit ſeiner Fackel ihre oͤſtliche Flaͤche; uͤber dem Eingang zeigt ſich der Kopf des Apoll, des Freundes der Mor - genſtunden.

Auch ein Vogelhaus iſt ein ſehr ſchickliches Gebaͤude in einem Morgen - garten, indem ihn die geſiederten Bewohner mit einem Concert von mannichfaltigen Stimmen beleben, das nie froher und muthiger iſt, als wenn ſie den aufſteigenden Tag begruͤßen. Man ſehe dieſen kleinen zum Theil verfallenen toſcaniſchen Tempel.

Er9nach den Tageszeiten.
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V Band. B10Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Er ſteht auf einer Anhoͤhe, von welcher man die aufgehende Sonne den Horizont heraufſteigen ſieht. Die Vorhalle dieſes Tempels iſt mit Gitterwerk verwahrt, und dient einer Menge Geſangvoͤgel zum Aufenthalt. Ein daneben gelegenes Kabinet, das die Zelle des Tempels einnimmt, gewaͤhrt durch die nach der Vorhalle ebenfalls mit Gittern verſchloſſene Thuͤre den Genuß jener melodiſchen Nachbarſchaft. Der uͤber dem Kabinet beſindliche Raum unter dem Dache iſt zu einem ſichern Aufent - halt bey ungeſtuͤmem Wetter fuͤr die hier verſammelten Voͤgel beſtimmt. Ein an - genehmer Hayn, der ſich hinter dem Tempel ausbreitet, fuͤhrt durch verſchiedene ſchlaͤngelnde Wege zu dieſem dem Morgen geheiligten Monument.

Die Gebaͤude, die noch das Anſehen der Vollkommenheit haben, vertragen in einer Morgenſcene einen lebhaften Anſtrich; ſelbſt das voͤllige Weiße iſt hier ſchick - lich, indem es die Erleuchtung noch mehr erhebt. Auch die Kupeln, die kleinen Thuͤrme und uͤbrigen Spitzen dieſer Gebaͤude koͤnnen eine ſolche Stellung erlangen, daß ſie von dem glaͤnzenden Strahl, den ſie empfangen, uͤber den anliegenden Auf - tritt einen verſchoͤnernden Schimmer ausſtreuen. Die ſtarken Kontraſte von Licht und Schatten, die vornehmlich durch die Hoͤhen der Gegenſtaͤnde, durch Berge, Fels - ſpitzen, Waldgipfel und Gebaͤude veranlaßt werden, machen uͤberhaupt eine vorzuͤg - liche Schoͤnheit der Landſchaft in den Stunden des Morgens aus.

II. Mittagsgarten oder Mittagsſcene.

Der Mittag hat gegen die uͤbrigen Abſchnitte des Tages die wenigſte Anmuth. Die uͤber unferm Haupt ſtehende Sonne erfuͤllt alles mit einem Glanz, der das Auge blendet, und mit einem Feuer, das alle Munterkeit der thieriſchen Schoͤ - pfung verzehrt. Die dampfende Hitze der Luft ſcheint ſelbſt die Kraͤfte des Geiſtes zu erſticken; mit Muͤhe erhebt er ſich zu Arbeiten, die ihm ſonſt leicht und erfreulich ſind. Alles wird in eine matte Unthaͤtigkeit verſenkt. Die Blumen und Pflanzen laſſen entkraͤftet ihre Haͤupter ſinken; die Thiere ſtrecken ſich an Suͤmpfen und Ge - waͤſſern hin, und vergeſſen ihre Weide; die befiederten Saͤnger laſſen ihre melodiſchen Lieder verſtummen, und hangen traͤumend an laubreichen Zweigen; die Luft iſt ſtille, das Waſſer ſcheint in einen Spiegel gegoſſen, und unbewegt ruhen darauf die Schat - ten der Baͤume. Dies ſind die Stunden, wo Erquickung und Ruhe Beduͤrfniß der Natur werden.

Das11nach den Tageszeiten.

Das erſte, worauf der Anleger eines Mittagsgartens oder einer Mittagsſcene ſeine Aufmerkſamkeit zu richten hat, iſt die Anwendung der Mittel, um die Unbe - quemlichkeit der Tageszeit zu mildern. Wir ſuchen den Schatten und ſeine Kuͤh - lung. Dichte Lauben, ſtark belaubte Hayne und nicht zu ſehr verwilderte Dickigte bieten uns erwuͤnſchte Ruheplaͤtze an. Zur Pflanzung in dieſen Scenen empfehlen ſich verſchiedene Baͤume durch den Reichthum und die Groͤße des Laubwerks, als

  • die großblaͤttrige Linde,
  • die Roßkaſtanie,
  • der Ahorn, mit verſchiedenen Arten,
  • Die caroliniſche Pappel (Populus Heterophylla, L.)
  • die Katalpa (Biguonia Catalpa, L.)
  • der nordamericaniſche Platanus (Platanus occidentalis, L.)
  • der Tulpenbaum u. a.

Dieſe laubreichen Anpflanzungen befriedigen nicht blos das Beduͤrfniß der Kuͤhlung; ſie geben zugleich liebliche Plaͤtze zum Aufenthalt, zur Tafel, zum Leſen, zum Spiel, zum Schlaf; ſie gewaͤhren, indem man in ihnen verweilt, eine Folge von ſanften Em - pfindungen; ſie reizen ſelbſt in der Ferne durch die Vorſtellung der Erquickung, die ſie in ihrem Schooß enthalten. Allein die Pflanzungen duͤrfen doch nicht ſo dicht ſeyn, daß ſie der Luft allen Einzug verwehren; ſie koͤnnen demnach hin und wieder mit einigen luftigen Gruppen abwechſeln. Nichts iſt anmuthiger, als aus der tiefen Nacht der Belaubung zuweilen in eine mildere Daͤmmerung heruͤber zu irren, und hier bald das Auge an dem Spiel der durchfallenden Lichter, bald das Gefuͤhl unter den kuͤhlenden Athmungen der Luft zu beleben.

Außer den Anpflanzungen geben auch Grotten*)S. 3ten B. S. 84-96. in Felſen und an Waſſer - faͤllen angenehme Zufluchtsoͤrter vor der Hitze, und ſind einem Mittagsgarten ſehr angemeſſen.

Ein ausgebreiteter See iſt in dieſen Stunden zu blendend fuͤr das Auge, das, von dem Glanz des Tages belaͤſtigt, ſich gern in der erquickenden Dunkelheit des Schattens verbirgt. Maͤßige Waſſerguͤſſe, halb mit Geſtraͤuch verdeckt, erfriſchen die Einbildungskraft, wie die Scene. Selbſt Springwaſſer, die in den Gaͤrten der heißen Himmelsſtriche ihren Urſprung hatten, ſcheinen mit dem Charakter dieſerB 2Anlage12Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder ScenenAnlage vereinbar; ſie koͤnnen hie und da, z. B. vor einem Speiſeſaal, einen Grad der Schicklichkeit gewinnen, der ihnen ſonſt fehlt; und bey einem Ruhekabinet hat ſelbſt ihr monotoniſches Geplaͤtſcher einen geheimen Zauber, der zum Schlummer einladet. Allein ſtarke Waſſerfaͤlle und rauſchende Stroͤme haben zu viel Lebhaftig - keit, als daß ſie bey der allgemeinen Ruhe, die uͤber den Mittag ſchwebt, hier ſchick - lich ſcheinen koͤnnten.

In dieſer Art von Gaͤrten muͤſſen die Gebaͤude nicht frey ſtehen, ſondern ſich, wo nicht ganz, doch zum Theil, in Schatten verhuͤllen. Denn ihre Lage muß dazu beytragen, den allgemeinen Charakter der Scene, Sehnſucht nach Kuͤhlung, verbreiten zu helfen, und zugleich den Glanz zu verdunkeln, den ſie auf einer ſchattenfreyen Stelle zum Nachtheil des Auftritts zuruͤckwerfen wuͤrden. Eben dieſe Beſchattung verlangt auch außerdem noch die Beſtimmung der Ge - baͤude in einem Mittagsgarten. Sie koͤnnen faſt nur allein dem Ausruhen von der Ermattung in der Hitze, der Erholung an der Tafel und den Erfriſchungen des Bades gewidmet ſeyn. Man kann hier verſchiedene Tempel, bald der Ruhe, bald dem Bacchus, bald dem Comus geweihet, auffuͤhren, und ſie mit einem eigenen Charakter und Gepraͤge ihrer Beſtimmung bezeichnen: ein neues Feld zur Erfin - dung und zum Ruhm fuͤr den ſinnreichen Architecten.

Ein ſchoͤnes Beyſpiel von dieſem Verdienſt betrachte man hier.

Ein13nach den Tageszeiten.
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14Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Ein freyſtehender mit Kabinetten umgebener cipicriniſcher Saal, dem Mittag und der Gaſtfreundſchaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingaͤnge ſtehen jedem Weltbuͤrger offen, der mit reinen Haͤnden und Herzen erſcheint, wie die neben dem vordern und hintern Eingange ſich erhebenden Springbrunnen andeu - ten; die Chimaͤren mit Fruchtkoͤrben auf den Haͤuptern aber laden zum Genuß der Guͤter der Natur ein. Das Gebaͤude ſteht in der Mitte einer freyen Pflanzung von ſchoͤnen, geraden, edlen Fruchtbaͤumen, die ihre Schaͤtze zur Kuͤhlung der Sommer - hitze geben, und iſt inwendig nach Art der Oporotheken der Alten*)Varro de re ruſtica Lib. I. cap. 2 und 59. verziert. Eine ſolche von friſchem Obſt mit Geſchmack und Einſicht angeordnete Verzierung iſt eben ſo abwechſelnd als angenehm.

Nicht minder ergoͤtzend iſt es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, ſich in einem kuͤhlen Bade zu erfriſchen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgeſonderten beſchatte - ten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch ſchoͤner noch iſt ein freyer Badort, den ſein Genius den Nymphen gewidmet zu haben ſcheint, die hier zuweilen unter dem Schutz einer Felſenwand den Guͤrtel loͤſen, um ihren Reiz der kryſtallenen Flut ſanfter Waſſerguͤſſe anzuvertrauen.

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III. Abend -15nach den Tageszeiten.

III. Abendgarten oder Abendſcene.

Wie reich der Sommerabend an ſanften Schoͤnheiten und maleriſchen Zufaͤlligkei - ten iſt, das ſagt uns ſo oft bey unverfaͤlſchter Empfindung der entzuͤckte An - blick, das ſagen uns tauſend ruͤhrende Nachbildungen der Dichter und der Landſchaft - maler. Wenn die Kuͤhle des Abends, bemerkt ein feiner Beobachter,*)Der Marquis von Girardin in der Compoſition des Payſages. jene lieb - liche und anmuthige Farbe verbreitet, welche die Stunden der Ruhe und des Ver - gnuͤgens ankuͤndigt, dann herrſcht in der ganzen Natur eine erhabene Harmonie der Farben. In folchen Augenblicken hat Claude Lorrain die ruͤhrenden Kolorite ſei - ner ruhigen Gemaͤlde gewaͤhlt, wo die Seele mit den Augen zugleich gefeſſelt wird; um dieſe Zeit weiden ſich unſere Blicke gern an einer großen Landſchaft. Die Maſ - ſen von Baͤumen, wo das Licht durchſchimmert, unter welchen das Auge einen ange - nehmen Spazierweg erblickt; große Flaͤchen von Wieſen, deren Gruͤn von den durch - fichtigen Schatten des Abends noch verſchoͤnert wird; das reine Kryſtall eines ruhigen Gewaͤſſers, worinn ſich die benachbarten Gegenſtaͤnde beſpiegeln; leichte Gruͤnde von lieblicher Geſtalt und dunſtiger Farbe: dies ſind uͤberhaupt die Gegenſtaͤnde, die ſich am beſten fuͤr die Abendſeite ſchicken. Es ſcheint in dieſen Augenblicken, als wenn die Sonne, bereit den Horizont zu verlaſſen, vor ihrem Abſchiede erſt gern die Erde mit dem Himmel vermaͤhle; auch gehoͤrt der groͤßte Theil von Abendgemaͤlden fuͤr den Himmel. Denn da betrachtet der fuͤhlende Menſch ſo gern dieſe unendliche Mannichfaltigkeit von reizenden und ruͤhrenden Nuͤancen, womit ſich der Himmel und die Fernen der Landſchaft verſchoͤnern; es ſind die koſtbaren Augenblicke der Ruhe und der Erholung.

In der That iſt es eine gewiſſe ruhige Milde und Lieblichkeit, eine unbeſchreib - liche Sanftheit, welche ſich des Abends uͤber alle Scenen der Natur ergießt, und den Charakter dieſer Tageszeit ausmacht. Alle Abendbilder der Dichter und der Land - ſchaftmaler, welche die Natur empfanden, ſind in dieſem Charakter.

Wenn des Abends Roſenfluͤgel
Kuͤhlend uͤber Thal und Huͤgel,
Ueber Wald und Wieſe ſchwebt;
Wenn der Thau die Baͤume traͤnket,
Sich in bunte Blumen ſenket,
Und an jungen Aehren bebt;
Wenn16Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
Wenn im Schalle heller Glocken
Heimwaͤrts ſich die Schafe locken,
Und im Gehn das Laͤmmchen ſaugt;
Wenn die Erlen duftend ſaͤuſeln,
Wenn die Muͤcken Teiche kraͤuſeln,
Wenn der Froſch ſich quaͤkend blaͤht,
Wenn im Nachtigallenthale
Heſper mit verliebtem Strale
Heimlich meine Quelle kuͤßt;
Wenn das Geißblatt ſuͤße Duͤfte
In dem Wehen leiſer Luͤfte
Labend mir entgegen haucht;
Wenn der Fiſch im Waſſer huͤpfet,
Aus der kalten Tiefe ſchluͤpfet,
Und der Schwan zu Neſte geht;
Wenn, wie eine Braut erroͤthend,
Luna freundlich koͤmmt, und floͤtend
Philomele ſie begruͤßt
*)Fr. Leop. Graf zu Stolberg.
*)

Dies ſind die Augenblicke der lieblichſten Bilder und der ſuͤßeſten Empfindungen: eine frohe Erholung der erſchoͤpften Kraͤfte, ein gelaſſenes Nachſinnen, eine ſanfte Milde, die ſich uͤber alle unſere Gedanken, alle unſere Empfindungen verbreitet, ein Gefuͤhl von der Veraͤnderung und Verſchwindung der Scenen der Welt, das nicht ſchmerzhaft, nicht niederſchlagend iſt, ſondern das empfindſame Herz lehrreich unter - haͤlt. In dieſen Augenblicken fuͤhlen wir uns ſo geneigt zum Genuſſe jeder Art von gemilderter Empfindung, zu Ergießungen vertraulicher Zaͤrtlichkeit, zu ruhigen Un - terredungen uͤber den Werth des Lebens, uͤber ſeine Beſtimmung und ſeine Hoffnun - gen. **)Das Landleben 4te Aufl. 1776 vorletzte Betrachtung.Alle Veraͤnderungen, die jetzt in der Natur vorgehen, das allmaͤlige Ent - weichen der Sonne, die Verlaͤngerung der Schatten, die Verduͤſterung ganzer Flaͤ - chen, indeſſen nach und nach der noch an den Hoͤhen ſchwebende falbe Schein ver - liſcht, die verſtummende Geſchaͤftigkeit des Tages, die beginnende Ruhe aller Ge - ſchoͤpfe, das Aufgluͤhen des Mondes und die feyerliche Majeſtaͤt des ſich hie und da ſternenden Himmels, vereinigen ſich, dieſe Stimmung der Seele zu unterhalten. Wie beſeligend iſt nicht dieſer Selbſtgenuß in der Feyer des Abends, wenn lieb - liche Gefuͤhle und ſuͤße Phantaſien mit ernſten Betrachtungen wechſeln, bald in der Unterredung mit einem weiſen Freund, bald in der ſtummen Unterhaltung der Ein - ſamkeit! Wie manche ſanfte Seele findet nicht ihre Empfindung in dieſer Stelle wieder!

Wenns17nach den Tageszeiten.
Wenns in meiner Bruſt zu enge
Um die Abenddaͤmmrung wird,
Schleich ich weg aus dem Gedraͤnge,
Das am Tage mich umſchwirrt;
Athme in der Laube Kuͤhle
Hier der Bluͤthen Balſamduft,
Seh der Voͤgel letzte Spiele
In der ſtillen Abendluft;
Denk an alles, was auf Erden
Meines Lebens Wonne iſt,
Bis in Scenen, die einſt werden,
Ahndend ſich der Geiſt vergißt.

Um uns dieſe Vortheile zu geben, breite ſich der Abendgarten nach der Gegend hin, wo die Seele die Feyer der untergehenden Sonne, alle maleriſche Geſtalten, wo[r]inn der Himmel, das Waſſer und die Landſchaft erſcheinen, tauſend bezaubernde Zufaͤlligkeiten, die das ſinkende Licht bildet, genießen kann. Iſt die Pracht dieſes Schauſpiels geendigt, ſo verſchwindet der blendende Glanz; eine liebliche Beleuch - tung, ſchoͤner als der Tag gab, fließt uͤber die Landfchaft hin; der Schimmer, der hin und wieder von den wachſenden Schatten der Berge, der Baͤume und Gebaͤude begraͤnzt wird, finkt immer mehr in die Daͤmmerung herab; ein ſtill aufwallender Dunſt uͤberſchleyert die Waͤlder und ſelbſt die Gewaͤſſer mit einem duͤnnen Flor; alle Scenen der Natur wechſeln mit jedem Augenblicke ihre Geſtalt.

Eine Miſchung von kleinen Huͤgeln und Thaͤlern, ein großer gruͤner Abhang gegen Weſten, mit einer Ansſicht auf benachbarte Waͤlder und Berge, auf Ge - birge und andere praͤchtige Fernen der Landſchaft, ſcheint die vortheilhafteſte Lage fuͤr den Abendgarten darzubieten. Gewaͤſſer ſind beſonders fuͤr dieſe Art der Anlage wichtig; ſie vervielſaͤltigen die Schoͤnheit der untergehenden Sonne, und verlaͤngern die letzten Augenblicke des Tages. Ein angraͤuzender oder doch nicht zu entfernter See, wovon eine anſehnliche Flaͤche dem Auge uͤberſehbar iſt, ſtimmt ſowohl der Anmuth, als auch beſonders der Ruhe des Abendgartens ſo ſehr zu, daß man ihn ungern vermißt. Sind ſeine Ufer mit Hoͤhen und Wald verſchoͤnert, ſo[ſtellen] ſie durch ſanfte Wiederſcheine, die ſie auf der hellen Fluth bilden, und durch tauſend Zufaͤlle von Licht und Schatten einen wunderbar entzuͤckenden Anblick dar. Ein wildrauſchender Strom ſchickt ſich nicht zu der Stille der Scene; allein ein maͤßi - ger Waſſerfall, halb von Buͤſchen uͤberſchattet, und halb von den Strahlen derV Band. CAbend -18Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder ScenenAbendſonne vergoldet, vertraͤgt ſich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn et - was belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu ſeinem Charakter gehoͤrt. Aus dieſem Grunde iſt uns des Abends die, ſuͤße Schwermuth erregende, Muſik der Wald - hoͤrner ſo angenehm, wenn wir ſie aus der Ferne ſchwaͤcher heruͤbertoͤnen hoͤren.

Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften und Ruhigen nach, womit die Natur dieſen Theil des Tages bezeichnet. Daher ſchi - cken ſich ſehr wohl fuͤr ihn, wie ſchon ein großer Kenner bemerkt hat,*)Whately in Obſervations on modern Gardening. dunkelfarbigte Gebaͤude; obgleich die, welche einen lebhaften Anſtrich haben, durch eine beſondere Wirkung der untergehenden Sonne nicht ſelten angenehm ins Auge fallen. Man kann ſich ſelbſt der hellern Farbe oft bedienen, um die Einfoͤrmigkeit der Daͤmmerung zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontraſt des Lichts und des Schattens mehr erzeugt werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am erſten anfangen, die Daͤmmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelſten Gruͤn ſind, wenn die nach der Abendſeite ſtehenden Gebaͤude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das Waſſer dieſer Abſicht gemaͤß eingerichtet werden: ſo laͤßt ſich, wenn ſchon lange die groͤßern Wirkungen verſchwunden ſind, noch eine abwechſelnde Schattirung gewinnen.

Einzelne, hohe und ſchattenreiche Waldbaͤume, worunter bequeme Sitze angelegt ſind, erfreuen, wo die Natur ſie ſchenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten uͤberaus anmuthige Ruheplaͤtze an, indem ihre Gipfel ſich in der Abendroͤthe ſchoͤner heben, und außerdem uͤber den benachbarten Bezirk verlaͤngerte Schatten ausbreiten. Tiefe Dickigte verbieten den ſanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Ein - gang. Allein zerſtreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verſchoͤne - rung die lieblichen Gemaͤlde des Abendlichts auf. Kleine Gebuͤſche, die in ihre Schat - ten die Nachtigall locken, um hier ihre zaͤrtlichen Melodien durch die Abendſtille freyer dahin fließen zu laſſen, vermehren nicht wenig die Wolluſt dieſer Scene.

Zu den Pflanzungen im Abendgarten ſind uͤberhaupt ſolche bluͤhende Straͤucher und Blumen zu waͤhlen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgeruͤche reicher zu verſpenden pflegen, als

  • die Syringen,
  • das Geißblatt mit ſeinen verſchiedenen Arten,
  • die Coronilla (Coronilla glauca, L.)
die19nach den Tageszeiten.
  • die Nachtviole (Heſperis triſtis, L.)
  • der Storchſchnabel (Geranium gibboſum, L.)
  • die Asphodillilie (Hemerocallis flava, L.)
  • die wohlriechende Reſede (Reſeda odorata, L.)
  • die Jalappa (Mirabilis Jalappa, L.) und verſchiedene andere.

Auch in Ruͤckſicht auf die angenehmen Ausduͤnſtungen ſind Waͤlder und Wieſen in der Naͤhe des Abendgartens uͤberaus erfriſchend.

Fuͤr dieſe Art von Gaͤrten kann der erfindende Architect nicht weniger Gebaͤude beſtimmen, die ganz zu ihrem Charakter gehoͤren. So iſt dieſer Tempel des Abends.

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C 2An20Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

An den Waͤnden, die aͤußerſt einfach gehalten ſind, haͤngen Mohnzweige; uͤber dem Eingange ſteht der Abendmond; auf dem meiſt flachen Dache ruhet Phoͤbus, nach vollbrachter Arbeit, mit umgekehrter Fackel; alles eilt, den Charakter des Ge - baͤudes zu vollenden, das der Lieblingsaufenthalt eines Weiſen zu ſeyn ſcheint, der nach den Geſchaͤften des Tages gern einſam ſeinen Abend unter dem erquickenden Schatten der Betrachtung feyert.

Von einer andern nicht weniger gluͤcklichen Erfindung iſt dieſer Pavillon, dem Abend und der Freundſchaft im engern Verſtande gewidmet.

Er21nach den Tageszeiten.
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22Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Er ruhet am Ende eines Parks, wo ihn der Ankommende erſt erblickt, wenn er ihm nahe iſt. Zu dem offenen Porticus gelangt man aus dem hinter ihm gelegenen Ge - ſellſchaftszimmer, von außen aber gar nicht. Zwo zu beyden Seiten abwaͤrts ge - hende breite Treppen fuͤhren in einen hinter dem Gebaͤude im Thal liegenden Platz, der mit Blumen und Orangeriebaͤumen beſetzt iſt. Der Unbekannte gelangt in die - ſen und wieder zuruͤck, ohne in das Gebaͤude ſelbſt zu kommen; der Freund aber kennt eine zur Rechten gelegene, verborgene, bequeme Treppe, und dieſe fuͤhrt ihn in ein klei - nes Apartement, das aus einem Vorzimmer, einem Saal, und zweyen einander folgenden Kabinetten beſteht. Das letztere von dieſen liegt an den zum Bade be - ſtimmten Gemaͤchern. Das zweyte Stockwerk enthaͤlt die zur Erwaͤrmung des Bad - waſſers und andern Bequemlichkeiten erforderlichen Behaͤltniſſe.

Die Nacht, welche die Natur zur Ruhe aller Geſchoͤpfe beſtimmte, ſcheint zwar von dem Vorrecht der Tageszeiten, einen ihnen gewidmeten Garten zu haben, ausgeſchloſſen zu ſeyn. Wie gern entziehen wir indeſſen nicht zuweilen dem Schlafe einige Stunden der Sommernacht, um uns an ihren ſanften Annehmlichkeiten zu la - ben! Und mit wie vielem Rechte beſchaͤftigt nicht der Weiſe, waͤhrend dieſer heiligen Feyer der Natur, ſeinen Geiſt mit der Betrachtung der Welten, die uͤber ſeinem Haupte leuchten!

Fuͤr das Auge ſind die bluͤhenden Schoͤnheiten der Erde verſchwunden. Aber der dunſtfreye Himmel zeigt, wenn der Mond in feyerlicher Pracht an ihm herauf - ſteigt, ein Schauſpiel, das die Erde wieder mit einem neuen Reize verſchoͤnert. Ein breites ſchweigendes Gewaͤſſer, oder ein See, worinn das Licht der Nacht in ſanftem Abglanz zerfließt; murmelnde Baͤche oder kleine Waſſerguͤſſe mit maͤßigem Geraͤuſch und regelmaͤßigem Fall; Gruppen, Hayne und Waͤlder, worinn der ſtille Silber - ſchimmer umher ſchleicht, und ſich in tauſend erheiterte Stellen zerſtreut; ein ruhiges Thal, von erfriſchten Kraͤutern, oder gemaͤhetem Klee duftend; Pflanzungen von wohl - riechenden Blumen und Straͤuchern alles dies ſcheint zum wolluͤſtigen Genuß ei - ner ſchoͤnen Sommernacht zu gehoͤren. In einer Gegend, mit dieſen Annehmlichkeiten bereichert, iſt ein Schlafkabinet nicht blos eine ſchickliche Verzierung der Scene, ſon - dern es kann auch zum anmuthigen Gebrauch eingerichtet werden, wie ſchon an ei - nem andern Ort gezeiget iſt. *)S. 3ten B. S. 37.Seine Beſtimmung kann durch die Form, durchdie23nach den Tageszeiten. die aͤußere und innere Verzierung mit Bildhauerarbeit und Gemaͤlden, und ſelbſt durch eine kurze Inſchrift deutlicher bezeichnet werden. Eine ſanfte Einladung zur Ruhe empfange den Muͤden beym Eintritt.

Frey von des Tags unruhigem Getuͤmmel
Entſchlummert die Natur;
Die ſtille Racht ſenkt ſich herab vom Himmel
Auf Wald und Flur.
Der Abendwind kuͤhlt ſanft die ſchwuͤlen Luͤfte,
Und Wieſe, Hayn und Au
Streun ringsumher balſamiſchſuͤße Duͤfte,
Erfriſcht vom Thau.
Schon winket mir der Schlummer, und ſchon ſinken
Die muͤden Augen zu;
Kaum ſeh ich noch den Abendſtern dort blinken;
O! ſuͤße Ruh!

Allein der ſchlaffliehende Forſcher der Geſtirne findet in einer ſolchen Gegend gerne auf einer Anhoͤhe ein Gebaͤude, das, wie dieſes, der Mitternacht und der Sternkunde gewidmet iſt.

Es24Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
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25nach den Tageszeiten.

Es ſtellt einen Windthurm nach der Beſchreibung des Vitruv*)Lib. I. cap. 6. vor. Der Triton auf dem Gipfel zeigt mit einer Ruthe die verſchiedenen Wendungen des Win - des. Acht Hauptwinde ſind auf der Frieſe abgebildet; dieſe achte aber ſind wieder, durch die an den obern Rinnleiſten angebrachten Koͤpfe und die muſchelfoͤrmigen Rip - pen des Dachs in vier und zwanzig, die zwiſchen jenen liegen, abgetheilt. Das obere Stockwerk enthaͤlt einen zu aſtronomiſchen Beobachtungen eingerichteten großen Saal, mit weiten Oeffnungen nach allen Seiten.

V Band. DSechster26Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Sechster Abſchnitt. Gaͤrten nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

I. Koͤnigliche und fuͤrſtliche Gaͤrten; Parks der erſten Groͤße oder in einem praͤchtigen Styl.

Bey allen Nationen unterſcheiden ſich die Koͤnige und Fuͤrſten des Volks, auch durch die Art ihrer Wohnung, von ihren Unterthanen und von den uͤbrigen Staͤmmen. Selbſt der Anfuͤhrer einer wilden Horde wohnet in einem groͤßern Zelt oder in einer hoͤher gelegenen Huͤtte. Es geſchah nicht blos aus einem Gefuͤhl der Verehrung, daß rohe Voͤlker ihren Fuͤrſten den Vorzug einer edlern Wohnung ga - ben; auch die Begriffe von Schicklichkeit und Wuͤrde, die ſich in geſellſchaftlichen Verbindungen ſo fruͤh entwickeln, forderten ihn. Und auf die Wahrheit dieſer Be - griffe haben alle aufgeklaͤrte Architekturlehrer das Geſetz gegruͤndet, daß ein Fuͤrſt an - ders, als ſein Unterthan, wohnen, und daß Wuͤrde, Pracht und Groͤße ſein Schloß von der Einfalt und Beſcheidenheit eines Privathauſes unterſcheiden muͤſſe.

Eben dieſer Unterſchied der Wohnung breitet ſich mit Recht auch uͤber die Gaͤr - ten aus. Sie duͤrfen dem Charakter ihrer Beſitzer folgen, und ſind nicht weniger, als die Gebaͤude,*)S. 3ten Band S. 16-17. den allgemeinen Regeln der Schicklichkeit unterworfen. Man ſucht in dem Park eines Luſtſchloſſes doch etwas anders zu ſehen, als in dem Gar - ten einer Privatwohnung.

Durch Groͤße und Pracht muͤſſen ſich die Gaͤrten der Koͤnige und Fuͤrſten aus - zeichnen. Man ſchien die Wahrheit dieſer Forderung ſchon ehemals zu empfinden; allein man ſuchte ihre Befriedigung, wo ſie nicht ganz zu finden war. Man uͤber - haͤufte die Gaͤrten der Fuͤrſten mit einer groͤßern Menge von Waſſerkuͤnſten, von Sta - tuen, Buͤſten, Vaſen, Triumphboͤgen, Obelisken und andern Prachtwerken der Kunſt. Man vergaß aber, daß Pracht und Groͤße auch in der Natur und vor allen in ihr zu ſuchen ſind.

Dieſen Geſichtspunkt ſcheint ſelbſt ein vortrefflicher Dichter in einem Lehrge - dichte von claſſiſchem Werth**)Les Jardins. Poeme par M. l’Abbé Delille. Paris 1782. Cant. 1. p. 8. uͤberſehen zu haben. Indem er die verſchiedeneManier27nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. Manier des Kent und le Notre einander entgegenſtellt, ſo ſagt er von dieſer, daß ſie in den Gaͤrten der Großen doch ihren Platz verdiene.

L’un eſt fait pour briller chez les grands & les rois;
Les rois ſont condamnés à la magnificence.
On attend autour d’eux l’effort de la puiſſance;
On y veut admirer, enivrer ſes regards
Des prodiges du luxe & du faſte des arts.
L’art peut donc ſubjuguer la nature rebelle.

Indeſſen ſetzt er eine mehr uͤberlegte Einſchraͤnkung hinzu:

Mais c’eſt toujours en grand qu’il doit triompher d’elle:
Son éclat fait ſes droits; c’eſt un uſurpateur
Qui doit obtenir grace, à force de grandeur.

So moͤgen Verſailles und Sans-Souci, als Muſter zu dieſer Vorſchrift, durch die Wunder der Kunſt glaͤnzen. Aber ſollen denn die Koͤnige auch nicht die Wunder der Natur ſehen? Sollen ſie denn ſelbſt in ihren Gaͤrten noch immer von der blendenden, oft ſo leeren Pracht, die ſie am Thron umgiebt, verfolgt werden?

Es giebt eine Groͤße in der Natur, die alle Macht der Kunſt nicht hervor - bringen kann. Eine Lage ganz nahe am Meer, oder auf einer Anhoͤhe, von welcher der Blick weite Landſchaften uͤberſchaut, die in ferne Gebirge hinausdaͤmmern, oder in eine Reihe praͤchtiger Waͤlder hinſtreift, hinter deren Schatten der unermeßliche Ocean hervorglaͤnzt, hat ohnſtreitig eine Erhabenheit, die jede Kuͤhnheit des menſch - lichen Geiſtes uͤberſteigt. Gebt hier den Koͤnigen ihre Sommerſchloͤſſer, wie ſie Daͤnnemarks Koͤnige zu Friedrichsberg,*)S. 3ten B. S. 217. zu Sophienberg,**)S. 214. zu Ma - rienluſt***)S. 210. haben. Laßt die Wellen des Meeres unter der Staͤrke ihrer Flotten ſich ſchmiegen, oder die reichen Handlungsſchiffe ihrer Voͤlker ſanft in friedfertige Haͤfen fuͤhren. Laßt ſie in ihren weit gedehnten und geſegneten Provinzen die Staͤdte uͤberſchauen, wo der Fleiß bey der Kunſt wohnt, die Landhuͤtten, wo Zufriedenheit ſich der Arbeit zugeſellt, die Huͤgel, die mit ungezaͤhlten Heerden bedeckt ſind, dieD 2Fluren,28Sechster Abſchnitt. GaͤrtenFluren, deren reiche Saaten in die Ferne hinwallen. Iſt dieſer Anblick nicht erhe - bend, nicht edler, als der Anblick von koſtbaren unnuͤtzen Waſſerkuͤnſten, oder coloſ - ſaliſchen Statuen, oft ungluͤcklich genug bis zur Unkenntlichkeit nachgeformt?

Nach der Groͤße der Lage fordern die Gaͤrten der Koͤnige und der Fuͤrſten einen weitern Umfang, als andere Gaͤrten, ſowohl nach den Begriffen der Wuͤrde, als auch, weil ſie dem Gefolge des Hofes, oft auch dem Volke zum Spaziergang offen ſtehen. Es muß Platz zum Ausweichen ſeyn. Allein es muß auch eine Gegend oder vielmehr eine Folge von Gegenden ſeyn, die nichts Duͤrftiges, nichts Gemeines zeigen, ſondern geſchickt ſind, durch Bepflanzung und Auszierung zu einer großen Wirkung eingerichtet zu werden. Alles, was dieſe Wirkung hervorbringt und un - terſtuͤtzt, gehoͤrt in den Plan der Anlage; jeder Zuſatz, der einen Geiſt der Kleinig - keit verraͤth, jedes kunſtreiche Spielwerk, jede gewitzelte Taͤndeley, ſo ſehr auch alles dies nach dem jetzigen Geſchmack der Hoͤfe ſeyn moͤchte, die in ihren oͤffentlichen Wer - ken ſo oft ihre Wuͤrde vergeſſen, alles dies iſt hier zu verbannen.

Praͤchtige Waͤlder und majeſtaͤtiſche Maſſen von Gruppen, weite Oeffnungen und Zwiſchenraͤume mit Raſen und Gebaͤuden erheitert, große helle Seen mit ſchoͤn umkraͤnzten Ufern, lebhafte Fluͤſſe und ſtarke Waſſerfaͤlle, Ausſichten in reiche Land - ſchaften, edle Tempel auf Anhoͤhen und wichtige Monumente machen, mit Weisheit angeordnet, eine Wirkung, die mit der Erwartung von koͤniglichen und fuͤrſtlichen Gaͤrten zutrifft. Jeder Theil hebe ſich durch Groͤße und edle Schoͤnheit; und in der Verbindung aller Theile, in der Uebereinſtimmung der fernen und nahen Maſſen, leuchte ein Geiſt der Anordnung hervor, der ein Gefuͤhl von Wonne vermiſcht mit Bewunderung erregt. Alles ſey lebhaft und glaͤnzend. Die Gebaͤude muͤſſen wohl gewaͤhlt, und ihre Beſtimmung nicht allein den Scenen, ſondern auch der Wuͤrde dieſer Gattung angemeſſen ſeyn. Einſiedlerwohnungen, ſo oft man ſie auch findet, ſcheinen hier unſchicklich. Der Fuͤrſt mag zuweilen die Erquickung der Einſamkeit ſuchen, er darf ſich nur nicht in einen Waldbruder verkriechen; ſein Volk verlangt ihn unter ſich zu ſehen, um Licht und Waͤrme von ihm zu empfangen. Aber Tem - pel von edlen Formen und Beſtimmungen zieren mit Recht ſeinen Garten. Er mag ſie der Weisheit, dem Apoll, den Muſen, der Wohlthaͤtigkeit, der Großmuth, der Vaterlandsliebe, dem Frieden widmen; wer huldigt nicht gern dem Fuͤrſten, der dieſen Gottheiten oder Tugenden auch an dem Ort ſeines Vergnuͤgens huldigt? Al - lein dieſe Gebaͤude muͤſſen nach dem, was ihre Beſtimmung fordert, ſich durch einen reichen, glaͤnzenden und doch edlen Geſchmack hervorheben; und ſelbſt ihr aͤußeres An - ſehen, ſelbſt ihr Anſtrich, kuͤndige dem Auge an, was es bewundern ſoll.

Die29nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Die Natur ſcheint einige Baͤume und Gewaͤchſe, durch die Pracht ihrer Hoͤhe und ihres Anſehens, fuͤr die Gaͤrten der Fuͤrſten beſonders auszuzeichnen. Verſchie - dene Arten von Ahorn, als

  • d〈…〉〈…〉 le〈…〉〈…〉 e (Acer Platanoides, L.)
  • der Zuckerahorn (Acer Saccharinum, L.)
  • der italiaͤniſche Ahorn (Acer Opalus, L.)
  • der abendlaͤndiſche Platanus,
  • der Tulpenbaum,
  • die italiaͤniſche und caroliniſche Pappel,
  • die caroliniſche Linde,
  • die große amerikaniſche Eiche,
  • die Weyhmouthsfuhre,
  • die weiße Ceder (Cupreſſus Thyoides, L.)
  • die virginiſche Cypreſſe (Cupreſſus diſticha, L.)
  • die Balſamtanne (Pinus balſamea, L.)
  • der Lerchenbaum

dieſe und ihnen aͤhnliche Baͤume von einem ſtolzen Wuchs oder einer vorzuͤglichen Seltenheit empfehlen ſich mit Recht zur Bildung der Hayne und Gruppen in die - fen Gaͤrten. Der Kuͤnſtler, der ſie in ſeinen Pflanzungen gehoͤrig zu verbinden weiß, kann ſehr große Wirkungen gewinnen. Noch mehr wird er gewinnen, wenn er Beurtheilung genug beſitzt, mit ihnen ſolche Stauden und Blumengewaͤchſe ge - ſchickt zu vereinigen, die ſich durch ihren hohen Wuchs, durch die Groͤße, die Leb - haftigkeit, den Glanz und die Mannichfaltigkeit ihrer Blumen auszeichnen. Große Gruppen von ſolchen Gewaͤchſen, wohl gepflanzt und unterhalten, erheben ſowohl auf freyen Raſen, als auch in Haynen und zwiſchen Baumgruppen zerſtreut, ſehr fuͤhlbar die Pracht der Scenen. Hiebey haͤngt nicht wenig von der Wahl der Ge - genden ab. Ein Hayn oder eine Sammlung von Gruppen, die einen praͤchtigen Auftritt darſtellen ſollen, darf nicht in der Tiefe, kaum einmal auf einer Ebene, an - gepflanzt werden. Ein Berg oder eine maͤßige Anhoͤhe giebt eine dieſem Charakter mehr angemeſſene Lage. Eine Pflanzung, die ſich allmaͤlig aufſteigend auf einer Hoͤhe hebt, gewinnt nicht blos einen Schein von Groͤße, ſondern faͤllt auch edler ins Auge.

Fuͤrſtengaͤrten bey Reſidenzen ſcheinen ſchon mehr Ausdehnung und Pracht zu erfordern. Sie muͤſſen Raum haben fuͤr die groͤßern Verſammlungen des Volks,D 3nicht30Sechster Abſchnitt. Gaͤrtennicht allein zu Spaziergaͤngen, ſondern auch zu den oͤffentlichen Feſten, die hier zu - weilen zu halten ſind. Unter dieſen Feſten verſtehen wir nicht die eben ſo ſchnell ver - praſſelnden als unnuͤtzen Feuerwerke, wodurch oft an Einem Abend die Einkuͤnfte einer ganzen Provinz, dem Landmann, den Kuͤnſten, den Krankenhaͤuſern entriſſen, in die Luft fliegen; nicht jene tobenden Ergoͤtzlichkeiten, unter welchen der Donner der Kanonen die Pflanzungen zittern macht, und ihre geſangreichen Bewohner ver - ſcheucht. Es giebt ſanftere und edlere Gartenfeſte, Feſte zum Andenken gluͤcklicher Begebenheiten des Landes, wo der Fuͤrſt ſeinen Unterthanen die Freuden der Muſik und des Tanzes vor ſeinen Augen erlaubt; Feſte der Verbindungen armer Dorfmaͤd - chen auf Koſten des Staats mit tugendhaften Juͤnglingen; Feſte des Fruͤhlings und der Aerndte, belebt durch feyerliche Geſaͤnge; verfeinerte Nachahmungen arcadiſcher Beluſtigungen durch Spiel und Handlung; ſo manche Arten von noch wenig einge - fuͤhrten, noch unerkannten Ergoͤtzungen der Prinzen, wobey ihre Wohlthaͤtigkeit die Unſchuld und die Luſt laͤndlicher Scenen begleiten koͤnnte.

Auch mag ſelbſt in ſolchen Luſtſchloͤſſern, die der gewoͤhnlichen Reſidenz ſehr nahe ſind, mehr Groͤße und Glanz der Architektur erſcheinen, wie in dieſen bey - den Gebaͤuden. *)Die innere Einrichtung dieſer Gebaͤude ſehe man hinten in dem Verzeichniß der Kupferverzierungen.

Je31nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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32Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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Je weiter ſich die Luſtſchloͤſſer der Koͤnige und Fuͤrſten von ihren Reſidenzſtaͤd - ten entfernen, deſto mehr ſcheinen ſie auch den Charakter einer gemaͤßigten Groͤße und Hoheit annehmen zu duͤrfen, doch ohne der Wuͤrde ihrer Bewohner etwas zu entziehen. *)Man vergleiche 3ten B. S. 16.Die Vorſtellungen von Luſtſchloͤſſern, die hier folgen, geben, mit den vorigen Gebaͤuden verglichen, hieruͤber ſogleich dem Auge des Beurtheilers eine Aufklaͤrung.

So33nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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V Band. E34Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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35nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

So darf ein fuͤrſtlicher Park, dem Charakter dieſer Luſtſchloͤſſer zuſtimmend, in der Entfernung von der Reſidenz, ſchon weniger Umfang, weniger Reichthum und Pracht haben. Er darf mehr von der ungeſchmuͤckten Natur, weniger von den Be - ſtrebungen der Kunſt zeigen. Er darf ſelbſt, als ein Ort der Erholung von den Geſchaͤften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einſamkeit ſeiner Lage, durch die Stille der Waͤlder, durch die ſanfte geraͤuſchloſe Laͤndlichkeit ſeiner Ausſichten ſich auszeichnen. Manche Fuͤrſten liebten mit Recht ſolche entferntere Gegenden; ſie gaben hier ihren Schloͤſſern mit ihrem Namen auch den Namen der Ruhe, die ſie ſuchten.

Dieſer ſchaͤtzbare Geſchmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens ſcheint ſich unter ihnen in unſern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geiſt der Gaͤr - ten kann ihn unſtreitig mehr naͤhren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Gluͤckliche Fuͤrſten, die ſchon in ihrer Jugend lernten, ſich an den ſanften Erholungen im Arm der Natur zu begnuͤgen! Denn der Geſchmack an der Natur verfeinert den Geiſt und veredelt die Empfindungen; er beſaͤnftigt jede ungeſtuͤme Leidenſchaft; er erweckt den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verſchoͤnern, nicht ſie zu verheeren; er beſeligt das Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu ſeltenen Erfahrung:

Nicht im Getuͤmmel, nein, im Schooße der Natur,
Am Silberbach, in unbelauſchten Schatten,
Beſuchet uns die wahre Freude nur;
Und uͤberraſcht uns oft auf einer Spur,
Wo wir ſie nicht vermuthet hatten.
*)Wieland.
*)
E 2II. Gaͤr -36Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

II. Gaͤrten fuͤr den Adel und fuͤr Perſonen vom Stande; Parks in einem edlen Styl.

Die Gaͤrten der Fuͤrſten, wenn ſie nach den eben angefuͤhrten Bemerkungen ange - legt werden, machen mit ihren Gebaͤuden unſtreitig Parks der erſten Groͤße, Parks in einem praͤchtigen Styl aus. Sie heben ſich als die anſehnlichſte Gat - tung von Gaͤrten, durch Umfang, durch Erhabenheit und Glanz. Sie machen aber immer nur eine beſondere und beſtimmte Gattung aus; denn Park und Garten koͤnnen durch keinen weſentlichen Unterſchied getrennt werden, obgleich die gemeine Meynung unter jenem uͤberhaupt mehr Ausdehnung der Gegenden, mehr freye land - ſchaftliche Natur, mehr Mannichfaltigkeit der Scenen zu begreifen pflegt.

Die Landhaͤuſer des Adels duͤrfen keine Majeſtaͤt oder Hoheit zeigen; Wuͤrde, mit einer gewiſſen gemilderten Pracht vereinigt, iſt ihr anſtaͤndiger Charakter. *)S. 3ten B. S. 16-17.

Und37nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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38Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Und dieſer Charakter muß auch ihre Parks auszeichnen. Sie duͤrfen ſchon weniger Umfang in der Landſchaft einnehmen; die Pflanzungen duͤrfen weniger aus gewaͤhl - ten und ſeltenen Gewaͤchſen zuſammengeſetzt ſeyn; die kuͤnſtlichen Anlagen duͤrfen we - niger Aufwand, beſonders die Gebaͤude weniger Glanz und Pracht zeigen.

Dennoch findet in den Parks dieſer Gattung, die naͤher an die Natur als an die Kunſt ſich halten, eine Wuͤrde, ein Reichthum, eine Mannichfaltigkeit von Scenen Platz, die ſowohl dem Anſehen der Beſitzer zuſtimmen, als auch von einer unerſchoͤpflichen Unterhaltung ſind.

Feyerliche, große und praͤchtige Scenen und Ausſichten, als die Nachbarſchaft des Meeres, oder uͤber einander aufgethuͤrmte Gebirge, ſind nicht von dieſen Parks ausgeſchloſſen; ſie koͤnnen vielmehr als zufaͤllige Theile ſehr willkommen und fuͤr das Ganze der uͤbrigen dieſer Klaſſe zugehoͤrigen Auftritte von einer trefflichen Wirkung ſeyn. Allein man darf ſie hier nicht als ein nothwendiges Zubehoͤr dieſer Gat - tung anſehen.

Alles aber, was die Natur in der Bildung ihrer Gegenden und Ausſichten, in Waͤldern, in Haynen und Gruppen, in Raſen, in Pflanzen und Blumen, in Seen und Waſſerfaͤllen, in Baͤchen und Fluͤſſen Edles und Reizendes hat, und ein - zeln bereits entwickelt iſt;*)S. 2ten B. was der Geſchmack hierinn durch Anordnung, Ver - bindung und Bearbeitung erhoͤhen, was die Kuͤnſte der Bepflanzung, der Bebauung und Auszierung**)S. 3ten B. zur Beſtimmung und Verſtaͤrkung der Wirkungen mit Recht hinzufuͤgen duͤrfen; das gehoͤrt in die Parks dieſer Klaſſe. Sie verſtatten, nach der Verſchiedenheit der Gegenden, alle Arten von laͤndlichen Scenen, und Pflanzungen, von der feinſten Strauchgruppe an, die auf einem Raſen bluͤht, bis zu der kuͤhlen Daͤmmerung des bejahrten Buchwaldes; doch unter dieſem Geſetze, daß uͤberall, wo keine Ueberraſchung Statt hat, Verbindung und ſchicklicher Uebergang ſey. Sie nehmen alle Gattungen von Gebaͤuden auf, von der dunkeln Waldhuͤtte bis zu dem heiterſten Tempel, von dem Muſikhauſe bis zu der Todtenkapelle. Sie koͤnnen daher, in einem ſehr ausgebreiteten Umkreiſe, gleichſam eine Folge von verſchiedenen klei - nen Gaͤrten oder bearbeiteten Gegenden, eine Gallerie von ausgewaͤhlten reizenden Gemaͤlden, welche die Natur entwarf und der Geſchmack vollendete, in ſich faſſen. In ausgedehnten Parks koͤnnen ſelbſt kleine Kirchen oder Kapellen, zum gottesdienſt - lichen Gebrauche beſtimmt, Platz finden. Sie muͤſſen zu dieſer Abſicht von demLand -39nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. Landhauſe etwas entfernt ſeyn, in einer ſtillen, feyerlichen oder ernſten Lage, in eini - ger Dunkelheit, von alten Eichen oder edlen emporſtrebenden Platanen umſchattet; nichts Glaͤnzendes oder Ueppiges in der Naͤhe. In ihrer Bauart muß ſich mit der Einfalt Wuͤrde vereinigen und ein edles aͤußeres Gepraͤge, das ihre Beſtimmung an - kuͤndigt. Hier ſind zwo Vorſtellungen dieſer Art.

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Obgleich40Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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Obgleich ſolche Gebaͤude zu wichtig ſind, als daß ſie blos als Gegenſtaͤnde zur Mit - wirkung bey den Eindruͤcken der uͤbrigen Scenen angelegt werden ſollten, und obgleich auch ihre Lage eben keinen Genuß ihres Anſehens aus einer betraͤchtlichen Ferne ver - ſtattet: ſo duͤrfen doch ihre Wirkungen, wo ſie zufaͤllig eintreffen und zum Vortheil ſich anbieten, nicht vernachlaͤßigt werden; denn dieſe Wirkungen haͤngen ihnen ſo ei - genthuͤmlich an, daß ſie von keinem andern Werke der Architektur leicht zu gewin - nen ſind.

Die Parks dieſer Klaſſe ſtellen verſchoͤnerte Gegenden oder einen ausgeſchmuͤck - ten Theil der Landſchaft dar, worinn der Adel ſeine Beſitzungen hat. Dennoch koͤnnendarinn41nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. darinn ganze Reviere dem Nuͤtzlichen gewidmet bleiben. Man darf keine frucht - baren und fetten Striche blos dem Vergnuͤgen aufopfern. *)S. 4ten B. S. 11-13.Die Getreidefluren, die Waͤlder, die Wieſen duͤrfen ſich nicht allein den Anlagen naͤhern, oder ſie um - kraͤnzen; ſie koͤnnen ſelbſt, wenn ſie nicht zu ausgedehnt von Umfange ſind, als laͤnd - liche Scenen und als anmuthige Unterbrechungen in dem Bezirk eines betraͤchtlichen Parks erſcheinen. Die Viehweiden, beſonders der Schafe und Rinder, ſtellen ſehr frohe und belebende Auftritte dar, die eben ſo wenig aus dem Bezirk laͤndlicher Luſt - plaͤtze auszuſchließen ſind, als ein kluger Landwirth ſie von ſeinem Anblick verban - nen wird.

Bey allen einzelnen Theilen, die in die Bildung eines ſolchen Parks kommen koͤnnen, iſt allerdings die Auswahl und die Verbindung zu einem beſtimmten Gan - zen die vornehmſte Kunſt; und hiebey koͤmmt nicht wenig auf die weiſe Abſonderung alles Unſchicklichen, auf die Vereinigung der innern Anlage mit den umliegenden Auftritten, auf die Einrichtung der Graͤnzen, und auf die Benutzung der Ausſichten in die Landſchaft an. Es iſt uͤber alle dieſe Gegenſtaͤnde ſchon hin und wieder viel in dieſem Werke geſagt. Auch ſind darinn bereits ſo manche edle Parks, beſonders der Britten, beſchrieben. Und dieſe Beſchreibungen, die weit mehr den Geſchmack leiten, als eine Reihe von Regeln, und zugleich die Einbildungskraft mit ſo mannich - faltigen Bildern bereichern, ſind unſtreitig ſehr vortheilhaft fuͤr das Genie des Kuͤnſt - lers, wenn es ſich dabey von einer geſunden Beurtheilung unterſtuͤtzen laͤßt. Auch ohne die Erinnerung an dieſe Vortheile, wuͤrde man wohl die folgende Sammlung von kurzen Entwuͤrfen engliſcher Parks, die zu der edlern Gattung gehoͤren, mit Vergnuͤgen durchlaufen.

Stourton oder Stourhead. **)In Dortſetſhire.

In dieſem angenehmen und reich verzierten Park gelangt man zuerſt auf einen großen Raſenplatz, worauf die Statue des Apoll, eine Kopie von der zu Belvedere in Rom, ſteht. Am Ende des Raſens fuͤhrt ein ſchattigter ſchlaͤngelnder Gang zu einer ſchoͤnen Allee von Kiefern, die auf einen ſehr hohen Obelisk ſtoͤßt, der ſich aber außer der Graͤnze des Parks erhebt. Von hier waͤhlt man einen kurzen Weg durch ein Waldſtuͤck hinab, bis zu einem großen Zelte im morgenlaͤndiſchen Geſchmack. Aus dieſem genießt man einen reizenden Proſpect uͤber den See, das Pantheon, den Sonnentempel, einen herabhaͤngenden Wald, u. ſ. w. welches eine ſehr verſchoͤnerte Landſchaft darſtellt.

ManV Band. F42Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Man geht von hier auf die eine Seite des Sees hinab, und, mittelſt einer hoͤl - zernen Bruͤcke von einem weit geſpannten Bogen im Geſchmack des Palladio, uͤber einen Arm deſſelben, in den erwaͤhnten haͤngenden Wald, worinn hingeſetzte Steine den Weg nach einer Grotte zeigen. Ihr mit Epheu bewachſenes Dach und der mit Kieſeln gepflaſterte Fußboden deuten an, daß es die Wohnung der Natur iſt. Das Licht faͤllt von oben durch eine runde Oeffnung im Dach hinein; durch die hinabhaͤn - genden zarten Zweige ſieht man einen Theil des Sees. In einem Winkel der Grotte erſcheint ein marmornes Gefaͤß zum kalten Bade; das Waſſer dazu koͤmmt aus einer klaren Quelle, die bey einer ſchlafenden Nymphe, die hinten in der Grotte liegt, lang - ſam herablaͤuft.

Nicht weit davon iſt eine kleinere Grotte, die charakteriſtiſch verziert und der Aufenthalt eines Flußgottes iſt, der ſich auf eine Urne lehnt. Das herauslaufende klare Waſſer iſt wirklich die Quelle des Fluſſes Stour, der ſich daraus ergießt und ſodann in den See faͤllt. Von dieſem angenehmen Ort ſteigt man einige Stufen von unbearbeiteten Steinen hinauf, und geht, durch das Gehoͤlze uͤber der Grotte, wieder zum gruͤnen Ufer des Sees hinab, zum Pantheon.

Von dem Gange vor dieſem Gebaͤude ſieht man uͤber den See nach der Anhoͤhe zuruͤck, auf deren Abhange das gedachte Zelt ſteht. Dies Pantheon iſt nach dem roͤmiſchen eingerichtet, und nach dem Tempel der Eintracht zu Stowe wohl das edelſte Gartengebaͤude in England. Die Rotunde hat 36 Fuß im Durchmeſſer, und wird durch eine Oeffnung von oben her erleuchtet. In den Niſchen ſtehen Sta - tuen und uͤber ihnen Basreliefs, die auf ſie Beziehung haben.

Von dieſem Tempel wendet man ſich rechts, und wird durch eine praͤchtige Kaſcade uͤberraſcht, die in ein rauhes Thal außerhalb des Gartens hinabſtuͤrzt. Der Weg fuͤhrt durch ein kleines Gebuͤſch uͤber eine wild angelegte Treppe. Jetzt befindet man ſich auf einmal in einem andern Theil dieſer Anlage; man ſteigt einen Huͤgel hinan, dem die ſteile Hoͤhe durch einen in die Laͤnge gezogenen Fußſteig benommen iſt, und erreicht einen dick gepflanzten Hayn mit einer aus Baumwurzeln verfertigten Ein - fiedeley, worinn ein Todtenkopf und ein Stundenglas die ernſthafte Geſellſchaft des Einſiedlers ſind.

Wenn man von hier auf der Seite des Huͤgels fortwandert, zieht der Tempel der Sonne die Aufmerkſamkeit auf ſich. Aus dieſem ſchoͤnen Gebaͤude uͤberſieht man nicht nur die bisher angefuͤhrten Gegenſtaͤnde, ſondern auch die umliegende Gegend und den Alfredsthurm. Man geht von hier einen Abhang von ſeinem Raſen hinab, und durch eine unterirrdiſche Grotte unter dem Weg hindurch, uͤber den man zuvor vermittelſt des rauhen Bogens weggegangen war. Auf einmal befindet man ſichwieder43nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. wieder bey einer ſteinernen Bruͤcke von drey Bogen, die uͤber einen Arm des Sees gebaut iſt. Von dieſer Bruͤcke und etwas weiter linker Hand ſieht man eine Menge naher und ferner Gegenſtaͤnde, die des Pinſels eines Claude Lorraine wuͤrdig ſind. Von hier geht man am Raude des Gehoͤlzes bey dem Tempel der Ceres von dori - ſcher Ordnung, deſſen Saͤulengang gegen den See liegt, vorbey, durch einen be - deckten Gang nach einem kleinen laͤndlichen Orangeriehauſe, mit Blumenfluren und wohlriechenden Straͤuchern vor dem Eingang; und von hier fuͤhrt ein Fußſteig wie - der nach dem Thorweg, durch den man in dieſe Anlage gekommen war.

Man faͤhrt durch den Park, um den Alfredsthurm zu ſehen. Dies Gebaͤude iſt zum Andenken eines Sieges errichtet, den dieſer große Koͤnig hier erfochten haben ſoll. Man gelangt zuerſt an ein kleines Gebaͤude im gothiſchen Geſchmack, das Kloſter genannt, das eine romantiſche Lage hat. Man koͤmmt weiter, auf einem ſich ſchlaͤngelnden Wege, auf eine ſehr lange Terraſſe, von welcher ſich dem Auge eine ungemein weite Ausſicht uͤber die umliegende Gegend darſtellt. Am Ende der - ſelben ſteht der Alfredsthurm, auf einer vorſpringenden mit Kiefern bepflanzten An - hoͤhe. Es iſt ein großes dreyeckigtes Gebaͤude von weißen Ziegelſteinen, 155 Fuß hoch. Auf jeder Ecke iſt ein Thurm, und in einem eine Windeltreppe, die zu dem oben befindlichen kleinen Zimmer fuͤhrt, das groß genug iſt, um Teleſcope darinn zu haben. Man muß uͤber den weiten Umfang des Laudes, das ſich in der Ausſicht verbreitet, erſtaunen. Inwendig iſt das Gebaͤude oben offen. Sein Hauptzweck iſt, daß es einen Geſichtspunkt abgeben ſoll, und dieſer iſt in der That ſehr edel. Es hat gar keine Verzierungen, ausgenommen Alfreds Statue in einer Niſche uͤber dem Eingang, und beſteht aus nichts als hohen Mauern mit den hervorſpringenden Thuͤrmen. Die Verhaͤltniſſe ſind aber ſo gut, daß man nicht leicht ein Gebaͤude ſehen wird, worinn ſo viel Simplicitaͤt mit wahrer Groͤße verbunden iſt.

Donnington-Caſtle. *)In Berkſhire.

Der Platz um das Wohnhaus iſt mit vielem Geſchmack eingerichtet. Es liegt auf einer Anhoͤhe und hat hinter ſich einen Huͤgel mit Waldung. Um das Haus herum iſt ein ſchoͤner großer Raſenplatz, der ſich zum Waſſer hinabſenkt. Ein be - traͤchtlicher durch die Kunſt noch breiter gemachter Fluß laͤuft darneben mit ſanfter Kruͤmmung vorbey. In ihm liegen drey bis vier Inſeln, wovon eine dick mit Buſch - werk bepflanzt, und der Aufenthalt von Schwaͤnen und allerley wildem Waſſergefluͤ -F 2gel44Sechster Abſchnitt. Gaͤrtengel iſt, die das Waſſer beleben. Jenſeit des Waſſers ſieht man ſanft aufſteigende Kornfelder. Der Raſenplatz iſt mit vielem Geſchmack theils mit einzelnen Baͤumen, theils mit Klumpen beſetzt. Zuletzt iſt das Waſſer an beyden Seiten mit Wald um - geben, und ſchließt die Ausſicht auf eine angenehme Art. Durch beyde Waͤlder ſchlaͤngelt ſich ein Gang laͤngs dem Ufer des Fluſſes, und giebt den Genuß von man - cherley abwechſelnden Ausſichten. An einer Stelle ſteht ein wohlgebauter gothiſcher Tempel von Kieſeln, bey einem Waſſerfall, den der Fluß bildet, indem er eine na - tuͤrliche Reihe von Steinen herabfaͤllt. Donnington-Caſtle muß den Liebhabern der alten engliſchen Dichtkunſt verehrungswuͤrdig ſeyn, weil es der Aufenthalt ihres Vaters, des Geoffrey Chaucer, war. Man zeigt noch den Ort einer großen Eiche, die Chaucers Eiche hieß, worunter der Dichter zu ſitzen und zu dich - ten pflegte.

Summer-Caſtle. *)In Lincolnſhire.

Der Proſpect von Summer-Caſtle iſt ungemein reizend. Das Thal iſt reich mit Holz beſetzt, und der See ſo angelegt, daß er ſich auf eine gluͤckliche Art mit der Waldung verbindet. Das Waſſer thut eine gute Wirkung; es iſt eine halbe (engl.) Meile lang, ſehr breit, und hat die ſchoͤnſten Ufer. Kleine Hayne, einzelne Baͤume und Einzaͤunungen wechſeln auf das angenehmſte mit einander ab. Hier liegt das Dorf an einem ſanften Abhange, und manche Haͤuſer ſtecken zwiſchen den Gebuͤſchen; dort ſchmiegen ſich die Kornfelder zum Waſſer hinab; alles dies verbrei - tet ſo mancherley Abwechſelungen, als man nicht uͤberall bey Waſſerſtuͤcken findet. Seen, die ſich durch ein Thal fortkruͤmmen, und an den Seiten mit großen gruͤnen Plaͤtzen und dicken Waͤldern umgeben ſind, nennt man nordamerikaniſche Scenen, und dieſe ſind jetzt in den Parks ſo haͤufig anzutreffen, daß eine ſolche Abwechſelung von Erſcheinungen, die dem Auge allerley landwirthſchaftliche Geſchaͤfte darſtellen, nicht anders als gefallen kann. Sie thun uͤbrigens die Wirkung, daß das Waſſer dadurch groͤßer ſcheint, als wenn es von einer großen gruͤnen Raſenflaͤche umgeben iſt.

Formark. **)In Derbiſhire.

Dieſer Landſitz liegt einige (engl.) Meilen von Derby, am ſuͤdlichen Ufer der Trent. Das ſchoͤne neue Wohnhaus hat eine weite herrliche Ausſicht uͤber das Thal, wodurch der Fluß laͤuft. Von der Hinterſeite uͤberſieht man verſchiedene Huͤ - gel mit jungen Pflanzungen. Vom Hauſe fuͤhrt ein Gang mit vielen Kruͤmmungendurch45nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. durch einen angenehmen Wald von Eichen ins Thal zur Trent hinab, und lenket ſich wieder auf einen mit Holz beſetzten Felſen, der unter das Sonderbarſte in dieſer Gegend gehoͤrt. Der Fluß hat nirgends ein ſo romantiſches Ufer. Die Felſen ſte - hen ziemlich hoch und ſenkrecht; an einigen Stellen haͤngen die Baͤume von den Spi - tzen auf eine etwas fuͤrchterliche Art herab, und uͤberſchatten das Waſſer. Der Gang laͤuft vom Rande dieſes Abgrundes fort, und man ſieht auf eine maleriſche Weiſe durch die Baͤume auf den unten ſich fortkruͤmmenden Fluß hinab. Hin und wieder ſind natuͤrliche Durchſichten durch die Baͤume, wodurch man die Landſchaft mit den darinn abwechſelnd liegenden Doͤrfern erblickt. Der Gang laͤuft laͤngs dieſem jaͤhen Abhange, und durch ein Thal fort, deſſen Ende mit dicker Waldung beſetzt iſt. Man ſteigt darauf einen ſteilen Huͤgel ohne Felſen hinan, der dick genug bepflanzt iſt, um den Anblick des Waſſers ſo lange zu verbergen, bis man die Spitze erreicht, und aus dem Schatten in einen Tempel tritt, wo einer der herrlichſten Proſpecte auf einmal hervorbricht. In einer großen Tiefe ſieht man die Trent ſich in kuͤhnen Wendun - gen durch das Thal kruͤmmen, das aus eingezaͤunten Wieſen von dem ſchoͤnſten Gruͤn beſteht. Zur Linken laͤuft ſie nach einem Dorfe, aus deſſen Mitte ſich eine weiße Kirche erhebt, und hinter den Haͤuſern ſchleicht ſie ſich wieder durch Umzaͤunungen von Hecken und einzelnen Baͤumen fort. Hinterwaͤrts erblickt man den vorher ge - dachten Felſen, und geht durch verſchiedene mit einander verbundene Pflanzungen zuruͤck.

Sandbec. *)In Yorkſhire. Das Landhaus ſteht im 4ten B. S. 13.

Dieſer Park iſt mit großem Geſchmack angelegt. Ein mit Waſſer verſehenes Thal iſt mit verſchiedenen Abhaͤngen umgeben, die ſich ſanft ſenken und oben mit einem dicken Walde bepflanzt ſind. Rings herum geht ein mit Kies befahrner Weg durch ein großes Raſenſtuͤck, das durch die neuen Anpflanzungen viele Abwechſelungen be - kommen hat. An einigen Orten ſtehen die Baͤume in Klumpen, an andern einzeln zerſtreut. Die Schattirungen ſind durch die Pflanzung der Baͤume am rechten Ort abwechſelnd und mit Geſchmack angebracht. An einigen Stellen zeigt ſich das Waſ - ſer in breiten Flaͤchen, an andern wird es durch die ſich hineinſtreckenden Raſenſtuͤcke unterbrochen, und dadurch ſcheinen Fluͤſſe nach verſchiedenen Richtungen zu entſte - hen. Kleine Meerbuſen verlieren ſich zuletzt in den Wald. Zuweilen iſt das Ufer mit einzelnen Baͤumen beſetzt, durch deren Zweige man das Waſſer ſieht; zuweilen ſtehen ſie ſo dick, daß ſie einen ſchwarzen Schatten auf das Waſſer werfen; mit einem Worte, man uͤberſieht ein ſchoͤnes mit Baͤumen beſetztes Ufer.

F 3Der46Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Der Weg fuͤhrt zu einem Huͤgel, von dem man einen herrlichen Proſpect des Hauſes, des Parks, des Sees und der Waldungen hat. Das weiße Gebaͤude mit einem Walde von fuͤnfhundert Ackern macht hier eine ſchoͤne Wirkung, und nicht weniger zeigt ſich auch das Waſſer mit den offenen gruͤnen Plaͤtzen aus einem vortheil - haften Geſichtspunkt. Die maleriſchen Ruinen dieſes Parks ſind ſchon an einem an - dern Orte beſchrieben. *)S. 3ten B. S. 116-117. Die erſte dieſer Beſchreibungen iſt aus Volkmanns, die uͤbrigen ſind aus Youngs Reiſen durch England. Zu den in dieſer Theorie bereits angefuͤhrten Quellen, woraus man die Parks der Englaͤnder kennen lernen kann, moͤgen, außer verſchiedenen einzelnen Be - ſchreibungen, noch dieſe gerechnet werden: Peep into the principal Seats and Gar - dens in and about Twickenham with a fuitable companion for thoſe who wishto viſit Windſor or Hampton-Court. By a Lady of diſtinction in the Republic of Lettres. kl. 8. London 1775. Dieſe kleine Schrift von wenigen Bogen giebt zwar nur kurze Nachrichten, iſt aber als Ta - ſchenbuch fuͤr Reiſende bequem. Meiſt in dem Geſchmack iſt: Sketch of a Tour into Derbyshire and Yorkshire, including part of Buckingham, Warwick, Leiceſter, Not - tingham, Northampton, Bedford, and Hertford-shires. 8. London 1778. und: A new pocket companion for Oxford. 1778.

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III. Pri -47nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

III. Privatgaͤrten; buͤrgerliche Gaͤrten; Blumengaͤrten.

1.

Dieſe Gattung iſt ſehr zahlreich; man findet ſie faſt bey allen wohlangebauten, ſtark bewohnten und ſich gut naͤhrenden Staͤdten; am meiſten rings um reiche Handelsplaͤtze. Die Geſchaͤfte ihrer Beſitzer verſtatten ſelten, daß Gaͤrten dieſer Klaſſe in betraͤchtlicher Entfernung von den Staͤdten angetroffen werden, fondern for - dern faſt immer, daß ſie in ihrer Nachbarſchaft umher liegen. Wer indeſſen die Ruhe eines gluͤcklichen Privatlebens, das mit keinen oͤffentlichen Geſchaͤften fuͤr den Staat und fuͤr ſeinen Mitbuͤrger belaſtet iſt, mit aller Freyheit genießen kann, der verbirgt ſich lieber in den Schatten des Landes, ferne von der Stadt, als daß er in ihrer Naͤhe verweilen ſollte.

Die
*)1778. hat, als einen Anhang, Beſchreibun - gen der Landſitze Blenheim, Ditchley, Hey - thorp, Nuneham und Stowe. Zu den Be - fchreibungen, die mit Abbildungen beglei - tet ſind, gehoͤren folgende Werke. A new Display of the beauties of England, or a deſcription of the moſt elegant public Edifices, Royal Palaces, Noblemen’s and Gentlemen’s Seats &c. 3te Edit. London. 8. 1776. 2 Baͤnde, enthaͤlt unter andern ei - ne Menge von Beſchreibungen und ſchoͤnen Abbildungen der vornehmſten Landſitze und Parks. The modern univerſal British Tra - veller, or a new complete and accurate Tour trough England &c. Fol. London 1779. mit 100 Kupfern. Die Proſpecte von Landſitzen ſind faſt dieſelben, wie in dem oben angefuͤhrten Werke, und groͤßer, aber nicht ſo ſauber. Ein neues vortreff - liches Werk iſt: A Collection of one Hun - dred and Fifty ſelect views in England, Scotland and Ireland, Drawn by P. Sand - by Eſqu. R. A. Vol. 2. Printed for John Boydell. London 1781. Außer den Ab - teyen, alten Schloͤſſern, Ruinen, und man -cherley herrlichen und romantiſchen Pro - ſpecten, trifft man hier verſchiedene uͤber - aus feine Vorſtellungen von Landhaͤuſern des Adels und Scenen aus den Parks an. Zur beſondern Kenntniß alter Schloͤſſer und Ruinen von Kloͤſtern und Abteyen in maleriſchen Ausſichten, dienen dieſe zwey Werke: England illuſtrated, or a compen - dium of the Natural Hiſtory, Geography, Topography and Antiquities of England and Wales. 4. London. 2 Vol. 1764. und folgendes. The Antiquities of England and Wales, by Francis Groſe. 4. London. 4 Vol. 1773. Nach den ſchon angefuͤhrten Beſchreibungen und Abbildungen von Sto - we (1ſter B. S. 69. 3ter B. S. 135.) verdient noch dieſe bemerkt zu werden: Sixteen perſpective views together with a General Plan of the magnificent Buil - dings and Gardens at Stow. Fol. London. 1752. Die Kupfer, die freylich viel beſſer feyn ſollten, ſtellen verſchiedene Theile des Parks, die Gebaͤnde und uͤbrigen Werke der Kunſt doch deutlicher vor, als die kleinern Handbuͤcher von dieſem Garten.
*)48Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Die Parks des Adels verſchoͤnern die Landſchaft, und die Gaͤrten der Buͤrger die Nachbarſchaft der Staͤdte. Sehr viele anſehnliche und beruͤhmte Staͤdte gewin - nen von den umliegenden Gaͤrten und Sommerhaͤuſern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz, ein ſo reiches Gemaͤlde von Wohlſtand und Ergoͤtzung, daß alle empfindſame Reiſen - de davon bis zu einem hohen Grade entzuͤckt und geruͤhrt werden, wenn gleich dies Gefuͤhl bey den Einwohnern ſelbſt durch den Einfluß der Gewohnheit ſchwaͤcher wird. So iſt das reizende Arnothal, in deſſen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Huͤgel umkraͤnzt, die mit Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt ſind; nirgends in Italien, das doch von Villen ſo ſehr verſchoͤ - nert iſt,*)S. 1ſten B. S. 31. erblickt man an einem Orte eine ſo reiche Sammlung von anmuthigen Landſitzen, die Privatperſonen gehoͤren, als in der Nachbarſchaft von dieſer Stadt. So iſt Marſeille mit einer ſolchen Menge von Gaͤrten und Sommerhaͤuſern gleich - ſam umhuͤllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefaͤhr fuͤnftauſend angiebt. **)Papons Reiſe durch die Provence. Aus dem Franz. 1783. S. 149.Wenn man bis auf eine Meile gegen die Stadt koͤmmt, ſo faͤhrt man beſtaͤndig von der Hoͤhe herunter, unter dem Genuß der praͤchtigſten Ausſicht; denn Marſeille iſt auf zwey Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſtlichen Seite mit hohen Bergen und einer Menge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo mit Landhaͤuſern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer unermeßlichen Vorſtadt von Wohnungen und Gaͤrten gleich ſieht. ***)Sulzers Reiſe durch die mittaͤgli - chen Laͤnder von Europa ꝛc. S. 113.So ſind außer verſchiedenen andern Staͤdten der Schweiz,†)S. 1ſten Band S. 34-35. Zuͤrch, Bern, Lauſanne und Genf rings umher auf ihren Hoͤhen mit Landſitzen und Sommerhaͤuſern um - kraͤnzt. Auch in Deutſchland giebt es wenige große und mittlere Staͤdte, deren benachbarter Bezirk nicht mit Gaͤrten und Landhaͤuſern belebt waͤre. Auch geringere Plaͤtze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhaͤuſern ein Anſehen von Groͤße und Wohlſtand. Ich bin verſchiedenemale durch die hannoͤveriſche Stadt Muͤnden auf der Straße zwiſchen Goͤttingen und Caſſel gereiſet, und immer von der bezau - bernden Schoͤnheit ihrer Lage ſo ſehr entzuͤckt worden, daß ich mich kaum ihrem An - ſchauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der Zuſammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zuſammenſtoßen, um die We - ſer zu bilden, die ſchoͤnen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwi - ſchen ihnen die weite gruͤne Ebene, durch welche der erſte Fluß auf der jenſeitigen heſſiſchen Graͤnze ſich herabwindet, an den Abhaͤngen umher die vielen kleinen Som -merhaͤu -49nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. merhaͤuſer, die von der Bauart nichts Schoͤnes haben, aber durch ihre ſanfte Lage, zwiſchen Gaͤrtchen und Gebuͤſchen halb verſteckt, intereſſant werden, alles dies macht zuſammen eine der anmuthigſten Landſchaften in Deutſchland aus, die in England lange ſchon einen Zeichner gefunden haͤtte, und bey uns kaum noch einen Beſchrei - ber hat.

Vornehmlich ſind es reiche Handelsplaͤtze, um welche ſich dieſe Gattung von Gaͤrten zu haͤufen pflegt. Der Ueberfluß oder Wohlſtand, den das Gluͤck des Han - dels erzeugt, erregen ſehr bald die Begierde, ſich durch einen groͤßern Aufwand in Wohnungen und Gaͤrten, ſo wie in Geſellſchaften und Gaſtmalen, auszuzeichnen. Auch ſuchte der Mann, der von der Laſt der Geſchaͤfte und dem Gewuͤhl des Handels ermuͤdet war, einen Ort, wo er an ruhigen Tagen ſich wieder erholen, freyer ath - men, ſich ſelbſt und ſeine Familie genießen konnte; er baute ein Landhaus in der Naͤhe der Stadt, und pflanzte ſich einen Garten. So entſtanden, nicht weniger aus Beduͤrfniß als aus Prachtſucht, die meiſten Gaͤrten um anſehnliche Handels - ſtaͤdte, vornehmlich in Holland und in verſchiedenen Provinzen von Deutſchland.

Allein dieſe Gaͤrten fiengen auch hier am erſten an, auszuarten. Der gute Geſchmack iſt nur ſelten im Gefolge des Reichthums. Der Hang zum Aufwand und zum Pomp handelt wenig mit Ueberlegung, und ſucht ſich bald durch jedes Mittel zu befriedigen, das er auf ſeinem Weg erhaſchen kann. Er will Aufſehen und Bewun - derung erregen; er will durchaus glaͤnzen und uͤbertreffen. Die Thorheit der Nach - ahmung geſellte ſich zu ihm. Dieſe rieth ihm, die Gaͤrten der Fuͤrſten zu kopiren, und der Kraͤmer blaͤhete ſich, wenn er, gleich ihnen, auf Waſſerkuͤnſte und Sta - tuen zeigen konnte. Der Genius des Orts raͤchte ſich an der verwegenen Nachaͤffung. Der eingeſchraͤnkte Bezirk des Platzes machte die Unbeſonnenheit nur deſto ſichtbarer. Was in einem ausgedehnten Garten ſchicklich oder ertraͤglich war, ward hier laͤcher - lich. Man eilte darauf von einer Thorheit zu der andern. Man bemalte den Bo - den mit Steinen und Muſcheln, die Thuͤren mit Springwaſſern, und die bretterne Wand mit wilden Thieren; man ſchnitt aus Taxus Kanapees, und aus den Linden Faͤchel. So wurden viele hollaͤndiſche, ſo manche deutſche Gaͤrten bey den nie - derſaͤchſiſchen und andern Reichsſtaͤdten verunſtaltet. Man verſchwendete koſtbare Spielwerke, und glaͤnzte im Prunk laͤcherlicher Verzierungen; und uͤberall ſtand zwi - ſchen dem Reichthum und dem Aufwand, die hier erſchienen, ein Zeuge, der die Ab - weſenheit des Geſchmacks anklagte. Dieſen Bemerkungen, an deren Wahrheit kein Zweifel graͤnzt, darf ich hier noch wohl das Urtheil eines einſichtsvollen Schrift -V Band. Gſtellers50Sechster Abſchnitt. Gaͤrtenſtellers*)Falconers Bemerkungen uͤber den Einfluß des Himmelsſtrichs, der Lage u. ſ. w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543. beyfuͤgen. Der Handel, ſagt er, iſt gewiſſen Producten des Geſchmacks gar nicht guͤnſtig. Werke der Dichtkunſt trifft man kaum bey irgend einer handelnden Nation an, und die Geſchichte iſt hier wenig mehr, als eine trockene Erzaͤhlung ein - zelner Thatſachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrſamkeit hingegen, die bey einem ausgebreiteten Nutzen fuͤr die Geſellſchaft wenig Unterhaltung gewaͤhren, hat man hier mit großem Gluͤck bearbeitet. Die Hollaͤnder z. B. haben uns meh - rere treffliche Werke uͤber das buͤrgerliche und natuͤrliche Recht gegeben, und die Heil - kunſt danket ihnen einige der wichtigſten Erweiterungen. Allein zu ſolchen Kuͤnſten, wo es auf Geſchmack oder auf die Faͤhigkeit ankoͤmmt, die Schoͤnheit wahrzunehmen, und zu empfinden, hat man bey ſolchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt. Dieſer Mangel am Gefuͤhl des Schoͤnen zeigt ſich an Gebaͤuden, Hausrath, und Anlegung der Gaͤrten. Uebertuͤnchte Bildſaͤulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln gepflanzte Baͤume, viereckig oder kugelfoͤrmig geſchnittene, auch wohl in die Geſtalten von Voͤgeln, Baͤren und Menſchen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen bezeichnen hier den Geſchmack des reichen Staͤdters, der uͤberall nichts an der Natur bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit ſie ſo mannichfaltige Geſtalten von der Kuͤnſteley annimmt, und dem alles ſchoͤn iſt, was in die Augen faͤllt, Aufwand er - fordert, und, weil es ſich von dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem Unwiſſenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftſtellern, ſetzt Falconer hinzu, von dem richtigen Geſchmack der Chineſer in Gaͤrten behauptet wird, verdient keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunſtwerken dieſer Nation eine Vorſtellung, nach welcher man vermuthen moͤchte, ihr Verfaſſer, Chambers, habe nur im Scherz geſchrieben. Andere glaubwuͤrdige Schriftſteller hingegen ſagen uns, daß Werke des Geſchmacks bey den Chineſern, eben ſo wie bey andern han - delnden Nationen, ſchwerfaͤllig, ſchimmernd, mit Flitterſtaat uͤberladen, und mit einem geſuchten unnuͤtzen Aufwand verbunden ſind. Die Pracht eines chineſiſchen Gebaͤu - des beſteht in der Groͤße der Balken und Pfeiler, die von dem koſtbarſten Holz gear - beitet ſind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gaͤrten haben ſie nur, um Kuͤchengewaͤchſe darinn zu erziehen. **)Eine Beſtaͤtigung deſſen, was ich zu - erſt gegen Chambers uͤber die thineſiſchenGaͤrten geſagt. 1ſter B. S. 81-103. Ein anderes ſehr wichtiges Zeugniß gegen ihn giebt ein neuer beruͤhmter und unpartheyi - ſcher Reiſender, Herr Sonnerat (Reiſe nach Oſtindien und China in den Jahren1774

2. Um51nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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**)1774 bis 1781. Zuͤrch 1783. 2ter Band. S. 21.). Man verſteht in China, ſagt er, nicht einmal die Kunſt, Baͤume zu verpflan - zen, ſie zu beſchneiden und zu pfropfen. Ih - re Gaͤrten ſehen gar nichts aͤhnlich; ſie haben nicht einmal Fruchtbaͤume darinn, wenn die Natur ſie nicht hineinpflanzt. Man hoffe ja nicht darinn, wie in den eu - ropaͤiſchen, Pflanzen aus allen vier Welt - theilen zu finden; ein erkuͤnſtelter Fels, ei - ne kleine Bruͤcke, ein Belveder, und eini - ge Irrgaͤnge ſind die ganze Verzierung da - von. Der ſo hoch beruͤhmte Ackerbau be -ſteht in der Pflanzung des Reis, den ein bis an die Knie im Waſſer ſtehender elender Kerl in die am Ufer der Fluͤſſe gemachten Loͤcher vertheilt. Die Chineſer haben nicht einen einzigen Maler; ſie wiſſen weder Zeichnung noch Stellung in ihre Stuͤcke zu bringen, und haben keinen Begriff von der Perſpective. Man findet uͤberall keinen Baumverſtaͤndigen. Selbſt die Tempel, die in allen uͤbrigen Laͤndern durch ihre Pracht Ehrfurcht einfloͤßen, haben in China nichts von Majeſtaͤt an ſich.
**)
52Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

2.

Um dem wahren Charakter, der dieſer Gattung von Landwohnungen und Gaͤr - ten zukoͤmmt, uns mehr zu naͤhern, verdient zuvoͤrderſt bemerkt zu werden, daß ſehr viel von ihrer Lage abhaͤngt, wenn ſie einen vortheilhaften Proſpect nicht allein zur Verſchoͤnerung einer Gegend verbreiten, ſondern auch ſelbſt genießen ſollen. Eine ungemein friſche Lage geben die Ufer eines Fluſſes, noch mehr eines Sees. Hier ver - doppeln die Gebaͤude in dem Wiederſchein den Reiz ihres Anſchauens aus der Ferne, und empfangen ſelbſt von dem Licht und der ſpielenden Bewegung des Waſſers eine neue Heiterkeit. Auf Anhoͤhen, zwiſchen wellenfoͤrmig ſich dahin ſchmiegenden Huͤgeln, an ſanften Abhaͤngen hoher Berge, gewinnen kleine Sommerhaͤuſer mit ihren Gaͤr - ten ein maleriſch reizendes Anſehen. Noch ſchoͤner, wenn gleich an den Fuß der Hoͤ - hen, von welchen ſie herabhaͤngen, das Meer ſeine Wogen hinwaͤlzt, wie an dem ſeelaͤndiſchen Ufer zwiſchen Kopenhagen und Helſingoͤr, oder heitere Landſeen, wie um Genf und Neuſchatel, ihre leichtern Wellen ſanft hinſpielen laſſen. Nicht weniger traͤgt zur Schoͤnheit der Lage bey, wenn rings umher die Gegend um die Sommerhaͤuſer viel Gebuͤſch und Pflanzung zeigt, aus deren dunklem Gruͤn die weiſ - ſen Vorderſeiten hervorſchimmern.

Alle dieſe Lagen gewaͤhren den Vortheil einer anmuthig unterhaltenden Aus - ſicht. Dieſer Vortheil iſt hier um ſo wichtiger, weil dieſe Gaͤrten nicht allemal einen ſo weiten Bezirk umfaſſen, daß darinn eine betraͤchtliche Mannichfaltigkeit von innern Scenen Platz finden koͤnnte. Die Ausſicht in die Landſchaft, die uͤberhaupt bey jeder Anlage vom heitern Charakter unentbehrlich iſt, verguͤtet hier die Einſchraͤnkung des Beſitzes und den Mangel vieler Auftritte und Veraͤnderungen in dem innern Vezirk. Ein kleiner Platz kann durch die Ausſicht hoͤchſt intereſſant werden, wie man beſonders in ſo vielen Gaͤrten der Schweiz ſieht. Und dieſe Lebhaftigkeit, dieſe Groͤße, die - ſer Reichthum, dieſe Mannichfaltigkeit, dieſer Zauber in landſchaftlichen Ausſich - ten, die[oft] aus einem engen Winkel genoſſen werden, wird, wo die Natur ſie ver - ſagt, von keiner Macht der Kunſt fuͤr weite Anlagen hervorgerufen.

Eben der engere Raum, der gemeiniglich nur dieſer Gattung von Gaͤrten ver - ſtattet iſt, erlaubt keinen Reichthum von Scenen, der ihn bald zu ſehr uͤberladen und verſtellen wuͤrde. Die Gegend iſt meiſtens nur von einem gewiſſen beſtimmten, aber einfachen Charakter. Und dieſe Einfachheit muß auch bey allem, was Kunſt und Geſchmack bey einem ſolchen Platz vornehmen, beybehalten werden. Alle Verſchoͤ - nerungen muͤſſen nach dem natuͤrlichen Charakter der Gegend ſich richten.

Wird53nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Wird nur dieſes Geſetz beobachtet, ſo kann der Beſitzer ſeinen Platz nach ſei - nem Geſchmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantiſche oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernſthafte, das Zierliche oder das Nachlaͤßige, das Verſchloſſene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl ſeiner Gewaͤchſe und ſeiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer be - ſcheidenen Maͤßigung vergeſſen. Das Wohlfeile und das Nutzbare iſt hier weit ſchicklicher, als das Koſtbare und weniger Nuͤtzliche. Viele edle Fruchtarten ver - dienen hier das Recht des Vorzugs vor blos ſeltenen Pflanzen. In jeder Anpflan - zung und Einrichtung herrſche Geſchmack, in jeder Verzierung Beſcheidenheit. Die Laube oder das freyere Gebuͤſch mag ſich mit der Buͤſte eines Freundes des Beſitzers, oder mit der Statue eines Patrioten ſeines Vaterlandes ſchmuͤcken; von ihren ſchoͤ - nen Kindern umringt, mag Flora ſich hier einen Kranz winden. Allein ſolche Werke der Kunſt muͤſſen ſich in Anlagen dieſer Art nur ſehr ſelten zeigen. Viel Gruͤn der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewaͤchſe, mit nuͤtzlichen Arten vermiſcht, ein reiner Bach oder ein kleiner Waſſerfall, wo es die Gegend verſtattet, freye und beſchattete Spaziergaͤnge, ruhige Sitze unter Bedeckun - gen des Laubes fordert dieſe Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und unterhaltend ſeyn, und dazu gehoͤrt beſonders auch eine kluge Wahl der landſchaftli - chen Ausſichten, zumal, wenn der Bezirk an Einſchraͤnkung und an einer gewiſſen Duͤrftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung ſich hier nicht immer einer freyen Manier uͤberlaſſen; die Symmetrie wird zuweilen zulaͤßig. *)S. 1ſten B. S. 140.Es iſt nichts ſo ſchwer, als einen Garten natuͤrlich einzurichten, wo die Natur ſelbſt ihren Beyſtand dazu verſagt; und dies iſt nicht ſelten der Fall auf den Plaͤtzen, wo kleine buͤrgerliche Gaͤrten bey Staͤdten angelegt werden.

Ein beſonderer Unterſchied dieſer Gattung ſcheint darinn zu beſtehen, daß ſie mehr das Bearbeitete, das Verſeinerte, das Geſchmuͤckte in einzelnen Theilen ver - goͤnnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Groͤße ihres Charakters nicht uͤberall ſo vollenden koͤnnen, noch duͤrfen. Weil die Theile kleiner, weniger verviel - faͤltigt und verwickelt, dem Auge mehr uͤberſehbar ſind, und oͤfter erſcheinen: ſo fal - len ihre Maͤngel leichter auf, und deſto geſchaͤftiger iſt daher der Fleiß der Ergaͤn - zung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit ſich in buͤrgerlichen Gaͤrten mit einigem Vorrecht auszeichnen.

Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zuſammengeſetzter Gegen - den iſt, die Wirkung ſtarker Contraſte und ſchneller Uebergaͤnge, der Eindruck derG 3Wildniſſe,54Sechster Abſchnitt. GaͤrtenWildniſſe, der Gebirge, der Felſen, alles dies iſt, in ſo fern es nicht leicht in dem Bezirk dieſer Gattung Platz hat, von ihr ausgeſchloſſen. Sie liebt aber das Feine der Umriſſe, das Liebliche der Formen, das Sanfte der Verbindung, das Allmaͤ - lige der Uebergaͤnge, das Heitere der Farben, und das Lachende der Ausſichten.

Selbſt mit dem Theil, der ganz allein ein Eigenthum des Nuͤtzlichen zu ſeyn ſcheint, kann ſich eine gewiſſe Anmuth verbinden. Plaͤtze, mit edlen Fruchtbaͤumen bepflanzt, gehoͤren allerdings in Privatgaͤrten. Allein der gute Geſchmack kann hier eine freye Pflanzung waͤhlen, die ſteifen Linien, welche die Natur nicht kennt, verwerfen, und den nuͤtzlichen Obſtbaum in anmuthigen Gruppen ziehen; er kann an den Fruchtbaum den Weinſtock binden, ihn von Stamm zu Stamm in Kraͤnzen lei - ten, oder unter den nutzbaren Zweigen ſich zugleich eine Laube woͤlben; er kann in den Zwiſchenraͤumen ſchoͤne Grasplaͤtze, kleine Vertiefungen und Erhoͤhungen bilden, und in ihrem Bezirk ſich Pfade umherwinden laſſen; er kann hier Baͤche vertheilen, ſie zwiſchen den Staͤmmen in dem gruͤnen Boden lieblich dahin ſpielen oder in plaͤt - ſchernde Waſſerguͤſſe abfallen laſſen; er kann bequeme Sitze anlegen, wo der Eigen - thuͤmer mit ſeinen Freunden gerne in ſuͤßen Gefuͤhlen und Unterredungen unter dem geliebten Schatten ſelbſtgepflanzter Obſtbaͤume ruht. In der That uͤberall kann der geſunde Geſchmack ſeine Verſchoͤnerungen verbreiten, ohne dem Nuͤtzlichen etwas von ſeinem Vorrechte zu entziehen.

Weil es nirgends ſo leicht iſt, als in dieſer Gattung, die Natur zu verfehlen, ſo muß man ſich ſowohl vor der Unſchicklichkeit, als vor dem Ueberfluß der Verzie - rungen huͤten. Nichts iſt gewoͤhnlicher, als hier Dinge aufgeſtellt zu ſehen, die weder mit der Scene ſelbſt, noch mit einem Garten uͤberhaupt die geringſte Verbin - dung noch Wahrſcheinlichkeit haben. Solche Auftritte, ſo ſehr ſie auch dem gemei - nen Vorurtheil gefallen, beweiſen doch allemal eine duͤrftige oder verirrte Einbildungs - kraft und eine gaͤnzliche Unwiſſenheit in den Grundſaͤtzen der Kunſt. Man glaubt einen Garten geſchaffen zu haben, und hat nichts als ein Gemengſel von unharmoni - ſchen und fremden Theilen, eine bloße Decoration, bunt genug, aber ohne Geſchmack und Intereſſe. So wirft man Statuen und Muͤhlen, Thuͤrme und Huͤtten, Kir - chen und chineſiſche Luſthaͤuſer, Einſiedeleyen und Baͤder, Tempel und Kloſterrui - nen oft in einen Umkreis von hundert Schritten zuſammen, und glaubt ein herrliches Werk von Gartenkunſt geſchaffen zu haben. Der ſicherſte Weg, dieſen Ungereimt - heiten zu entfliehen, iſt der, daß man ſich an die Natur haͤlt, und nach ihrer Anlei - tung vornehmlich Baͤumen, Straͤuchern, Blumen, Raſen und Waſſer, womit ſieihre55nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. ihre Landſchaften malt, den Vorrang giebt. Sollten dieſe kraftvollen natuͤrlichen Gegenſtaͤnde nicht immer in einem Garten ruͤhren und gefallen, wie in der Land - ſchaft? Wenn ſie dieſe Wirkung verfehlen, ſo liegt es nicht an ihnen, ſondern an dem Kuͤnſtler, der ohne Geſchmack und Einbildungskraft ſie nicht auszubilden, nicht zu verbinden, nicht zu einem beſtimmten Charakter anzuordnen weiß, der arm an Erfindung nur das Gemeine aufſtellt, nur wiederholt, was er anderwaͤrts geſehen hat, der nicht das wahre Eigenthum jeder Gattung kennt, noch den Umſtaͤnden und Situationen ihre Vortheile abzugewinnen verſteht.

Das Landhaus oder Wohngebaͤude muß mit dem Garten ein Verhaͤltniß ha - ben. Sein Charakter fuͤr einen Privatmann vom Stande ſoll in Anmuth, in Zier - lichkeit und Feinheit beſtehen;*)S. 3ten B. S. 17. fuͤr einen Buͤrger in einer beſcheidenen Maͤßigkeit mit Nettigkeit und Geſchmack vereinigt; in beyden darf keine Pracht, keine Ueppig - keit, keine Begierde, mit Reichthum zu ſchimmern, erſcheinen. Die innere Ein - richtung iſt ſowohl von den Beduͤrfniſſen des Beſitzers und ſeiner Familie, als auch von dem Gebrauch abhaͤngig. Wird das Haus das ganze Jahr hindurch bewohnt, ſo fordert es mehr Bequemlichkeit, als wenn es nur kurzen Beſuchen auf einige Wo - chen oder Tage eroͤffnet wird. Seine Groͤße muß ſich nicht allein nach dem Charak - ter ſeines Bewohners richten, ſondern auch zum Theil nach dem Umfang der Beſi - tzung. Nach dieſem Unterſchiede giebt es manche Abſtufungen. Hier ſind drey Muſter von Landhaͤuſern dieſer Klaſſe, in der Folge, wie ſie von dem Kleinern zu dem Groͤßern, oder von dem blos Bequemen und Anſtaͤndigen zu dem Zierlichen und Edlern hinaufſteigen.

Die56Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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57nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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V Band. H58Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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59nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Die kleinern Gartengebaͤude und einzelnen Luſtkabinette, die dieſe Gattung zu - laͤßt, muͤſſen uͤberhaupt von einer leichten, gefaͤlligen, zierlichen, feinen und geſchmack - vollen Bauart ſeyn. Hat der Garten ſchon ein ſchoͤnes Landhaus, ſo darf in ſeinem Bezirk ein Gebaͤude, das blos der Verzierung, dem Vergnuͤgen, oder einer beſondern gartenmaͤßigen Beſtimmung*)S. 3ten B. S. 36-39. gewidmet iſt, durch keine ſich erhebende Vorzuͤge ſich auszeichnen. Herrſcht aber ein ſolches Gebaͤude allein in ſeinem Umkreis, ſo mag es auch mehr Groͤße, mehr anziehende Schoͤnheit annehmen. In kleinern Gaͤrten ma - chen die Gebaͤude am meiſten Eindruck, indem ſie ſich als wichtige Gegenſtaͤnde dem Auge weit freyer und geſchwinder ankuͤndigen, als unter den mannichfaltigen Natur - ſcenen eines ausgebreiteten Parks; ſie reizen gemeiniglich in der Ferne mehr den Blick des Anſchauers, als der umliegende Platz. Sie ſcheinen daher in einem klei - nern Bezirk mit einem doppelten Rechte ein zierliches und feines Anſehen zu fordern. Aber ihre Vervielfaͤltigung wuͤrde hier die erſten Grundſaͤtze des Geſchmacks beleidi - gen. Das Landhaus oder das Luſthaus muß nicht allein die vortheilhafteſte Lage fuͤr die Ausſicht, ſondern auch durch Umkraͤnzung mit Blumen, Raſen und Straͤuchern eine genaue Verbindung mit dem Garten haben.

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H 23. Zu60Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

3.

Zu dieſer Gattung koͤnnen am bequemſten die Blumengaͤrten*)S. 1ſten B. S. 76. u. ſ. w. gerechnet werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gaͤr - ten zuweilen als faſt unentbehrliche Theile anzuſehen, und beſonders ein Eigenthum des angenehmen und heitern Charakters ſind;**)S. 77. ſo werden ſie doch da mehr wie Mittel zur Belebung und Verſchoͤnerung betrachtet, als Anlagen, die fuͤr ſich ein Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine ge - ſchmuͤckte Blumenflur erſcheinen, als ein lebhafter Contraſt. Allein die feinern und edlern Toͤchter der Flora gehoͤren mehr in den geſchmuͤckten Theil des Gartens, als in die Wildniß; denn ſie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer Schoͤnheit und ſeine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Buͤrger, der nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten beſitzt, beluſtigt ſich daher gern an einem Blumengarten. Dieſe Gattung begnuͤgt ſich nicht allein mit einem geringern Raum; ſie ſchickt ſich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plaͤtze in der Naͤhe um die Wohngebaͤude her und hinter ihnen. Hier ſind Blumengaͤrten nicht mehr beſon - dere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verſchoͤnerung; ſie machen vielmehr ein Ganzes, eine eigene fuͤr ſich beſtehende Gattung aus.

Die Beſtimmung der Blumengaͤrten iſt Beluſtigung des Auges durch Man - nichfaltigkeit und Schoͤnheit der Farben, vereinigt mit der Ergoͤtzung des Geruchs. Daher wird der Beſitzer zuvoͤrderſt ſowohl fuͤr die Beſtaͤndigkeit der Flor, als auch fuͤr eine ſolche Anordnung und Verbindung der Blumengewaͤchſe nach Groͤße und Farbe ſorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geſchlechtern, nach Arten und Varietaͤ - ten geordnet ſind, iſt dieſer Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr guͤnſtig iſt dazu eine mit kleinen Huͤgeln und ſanften Vertiefungen unterbrochene, ſich wellenfoͤr - mig dahin ſchmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des Morgens, das den von Thau glaͤnzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen ſtreckt. Neigt ſich außerdem der Boden ſonſt zu einem klaren Wafſerſtuͤck oder zu einem Bach herab, der zwiſchen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwiſchen Kieſeln umherhuͤpft, bald in murmelnden Faͤllen ſich jagt, und an ſeinen Spielen ſelbſt ſich zu ergoͤtzen ſcheint; ſo wird die Situation friſcher, und das Gemaͤlde lebendiger. Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder bluͤhende Straͤucherdie61nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. die Einfaſſung bilden, oder die kleinen Huͤgel bekraͤnzen, und in die Malerey der niedrigen Blumenpflanzen mehr Schattirung und Abwechſelung miſchen. Ihre zufaͤlligen Verſchoͤnerungen beſtehen in den kleinen eben ſo fluͤchtigen als lieblichen Wirkungen, welche die Beleuchtung, beſonders das Streiflicht des Morgens und Abends, ſchenkt; und in den Spielen umhergaukelnder Schmetterlinge, die den Tag uͤber zwiſchen den farbigten Schoͤnen mit eiferſuͤchtigen Liebkoſungen flattern, und erſt am Abend die Geliebte waͤhlen, in deren Arm ſie unter dem ſuͤßen Athmen der Liebe einſchlummern, und die Kuͤhle der Nacht bis ſpaͤt nach dem Aufglimmern der Morgenroͤthe vertraͤumen. In dieſen Scenen moͤgen die Bilder der Grazien und der Liebesgoͤtter die Dauer ſuͤßer Empfindungen unterhalten; ein helles Spring - waſſer mag, ohne gekuͤnſtelte Verzierung, die Lebhaftigkeit des Auftritts vergroͤſ - fern; uͤberſchattete ſeine Ruheplaͤtze umher, und Lauben von Jasmin und Roſen moͤgen zum Genuß dieſer Wolluſt oder zum leichten Schlummer einladen, den nichts, als etwa nur das Saͤuſeln der geſchaͤftigen Biene ſtoͤrt. Wie wohl iſt dem Empfindenden in dieſem Luſtrevier! Wie gluͤcklich, indem er hier, zwiſchen Unſchuld und Frieden, ſeine Sommertage dahin wallen ſieht, bald unter weiſen Betrachtun - gen, bald unter holden Empfindungen oder Erinnerungen, womit er ſich in die Freu - den ſeiner verbluͤhten Jugend zuruͤcktraͤumt. Harmloſer Fruͤhling meiner Tage! Suͤße Bluͤthe meines Lebens! Noch ruͤhrt mich hier dein immer truͤber zuruͤckkom - mendes Bild, einſt die Wonne des Genuſſes, nun die Wehmuth der Erinnerung! Sanfte voruͤberſchimmernde Sommertage, da ich als Knabe unter den Blumen meines Vaters ſpielte, in dem laͤndlichen friedvollen Thale, nah und fern von ruhi - gen Waͤldern und Hoͤhen umkraͤnzt, zwiſchen welchen blos ein hervorglaͤnzender See die Daͤmmerung des weiten Hintergrundes erheiterte! Wie waret ihr damals ſo ſchoͤn, ſanfte voruͤberſchimmernde Sommertage! Wie lieblich war es, an jedem Geſchaͤfte im Garten Antheil zu ſuchen, den Pflanzen in kleinen Eimern Waſſer zu bringen, der Nachtigall nachzufloͤten, und der glaͤnzenden Abendroͤthe entgegen zu huͤpfen! Kein anderer Schmerz, als wenn mich eine Biene ſtach, die ich muthwil - lig von den Blumen jagte, oder ein Dorn im Roſengebuͤſch verwundete; keine an - dere Sorge, als fuͤr die Verlaͤngerung des Genuſſes; denn alles war Genuß des Gegenwaͤrtigen, nichts war ruhloſe Erwartung von der Zukunft. Ihr Staͤdte, ihr Hoͤfe, ihr Ergoͤtzungen und Unruhen und Geſchaͤfte der großen Welt, was waret ihr damals dem, der, nur von ſeiner Geſpielinn, der laͤndlichen Freude, begleitet, kein anderes Gluͤ〈…〉〈…〉 kannte, als ihr zu gehoͤren! Doch das Leben iſt nichts anders, als eine Blumenſcene; alles iſt in Bewegung, aufzugruͤnen, zu bluͤhen, zu welken, und wieder aufzuſprießen. Auch der ſpaͤtere Sommer, ſelbſt der Herbſt unſers Lebens,H 3haben62Sechster Abſchnitt. Gaͤrtenhaben noch ihre Blumen; ſie bluͤhen ſtaͤrker, ſie bluͤhen laͤnger, als die fluͤchtigen Kin - der des Fruͤhlings. Gluͤcklich iſt der, welcher in jeder Jahreszeit des Lebens ihre Blumen zu finden weiß! Gluͤcklich der Mann, der, ſicher vor den Stuͤrmen der Welt, ſeinen Abend im ruhigen Blumengarten genießt, und durch Weisheit wieder belebt, was die allmaͤlig verbluͤhende Phantaſie welken ließ!

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Blumengaͤrten machen nicht blos das Vergnuͤgen der Jugend; ſie ſind auch ein geliebter Aufenthalt der Zaͤrtlichkeit. Perſonen von einem ſanften und milden Charakter, und demnach das andere Geſchlecht, pflegen ſich am meiſten in dieſen klei - nen Scenen der ſtillen Schoͤnheit und beſcheidenen Anmuth zu unterhalten. Faſt nirgends vereinigt die Natur mehr ihre Lieblichkeiten, als hier. Das Reine und Sanfte Einer Farbe, wie in der Hyacinthe, der Balſamine, der Lupine, der Lava - tera; ihre feinen Schattirungen, wie in den mannichfaltigen Arten der Nelken; die Miſchungen und Verſchmelzungen mehrerer milden Farben, wie bey einigen Tulpen; das Suͤße, das Feine, das Liebkoſende, das Erquickende, das Begeiſternde des Wohlgeruchs bey ſo vielen Blumengattungen; alles dieſes erzeugt und unterhaͤlt die Empfindung des Lieblichen, welche die ganze Seele mit einem Wohlbehagen, mit einer Vergnuͤglichkeit, mit einer ſo zauberiſchen Wolluſt fuͤllt, daß die Sprache fuͤr ſie keinen Ausdruck zu haben ſcheint.

Unſtreitig63nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Unſtreitig kann der Geſchmack die holden Wirkungen eines Blumengartens un - gemein erhoͤhen. Blos bunte Scenen, die gewoͤhnlichſten, ſind fuͤr das gemeine Auge, das nur geblendet, nur zerſtreut ſeyn will; blos einfaͤrbige Scenen geben bald Langeweile und Ermuͤdung. Das Maleriſche allein hat das Vorrecht, zu unter - halten. Dahin gehoͤrt zunaͤchſt, daß die Ordnung der Pflanzung nicht mehr den Regeln der Symmetrie folge, ſondern in Gruppirungen erſcheine, und in ſolchen Zu - ſammenſetzungen und Miſchungen, woraus eine verſtaͤndige Malerey der Blumen - farben entſpringt. *)S. 2ten B. S. 79. Bey dieſer Art von Gemaͤlden koͤmmt es ſowohl auf har - moniſche Verbindung, als auf Contraſt der Farben an. Sehr gluͤcklich verbindet ſich das Weiße mit dem Blaßgelben, dieſes mit dem Fleiſchfarbigen, das Roſenfar - bige und das Himmelblaue mit dem Weißen, das Dunkelblaue mit dem Purpur - farbigen, das Dunkeltsthe mit dem Braunen, das Brandgelbe mit dem Hochro - then, das Graue mit dem Dunkelblauen. Das Weiße verbindet ſich uͤberall, mit dem Gelben, dem Rothen, dem Blauen; es macht Milderungen, die dem Auge ſo lieblich ſchmeicheln; dem Hellgelben, dem Fleiſchfarbigen, dem Roſenfarbigen, dem Hellblauen