PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Theorie der Gartenkunſt.
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Fuͤnfter Band.
Nebſt Regiſter.
Leipzig,beyM. G. Weidmanns Erben und Reich.1785.
[II][III]

Vorbericht.

Endlich gelingt es mir, den Freunden der ſchoͤnen Gartenkunſt hier den fuͤnften und letzten Band dieſes Werks zu uͤberreichen. So viele gluͤckliche Stunden ich bey der Ausarbeitung genoſſen, ſo wurden ſie doch oft von den mancherley Schwierigkeiten getruͤbt, womit ich zu kaͤmpfen hatte. Schon die Entfernung von den Zeichnern, den Ku - pferſtechern und dem Druckort hatte mancherley Unbequemlichkeit. Ich habe an meinem Wohnort nichts gehabt, was zur Befoͤrderung dieſes Werks haͤtte beytragen koͤnnen; alles mußte ich erſt aus der Ferne ſu - chen. Ich war daher genoͤthigt, nicht allein einen koſtbaren Briefwech - ſel zu unterhalten, ſondern auch manche theure und ſeltene Architectur - werke und Kupferſtiche anzukaufen; und außer den kleinern Reiſen, die ich in den Jahren der Ausgabe dieſer Theorie jeden Sommer machte, unternahm ich zuletzt noch eine durch ganz Deutſchland bis an die Graͤnze Helvetiens, um ſelbſt zu ſehen, wie weit es mit der Verbeſ - ſerung des Gartengeſchmacks gekommen ſey. Man wird durch dieſes ganze Werk, und beſonders in dem gegenwaͤrtigen Bande, die Fruͤchte dieſer Reiſen ſehen. Aber man ſieht nicht die betraͤchtlichen und uner - ſetzten Koſten, die ich aufgeopfert habe, um dieſe Theorie ſo vollkom - men zu liefern, als nur moͤglich war.

2IndeſſenIVVorbericht.

Indeſſen hat der rechtſchaffene Buchhaͤndler, der den Verlag dieſer Theorie beſorgte, von ſeiner Seite zur Befoͤrderung und Ver - zierung der Ausgabe nicht wenig beygetragen. Mit einer edlen und unverdroſſenen Bereitwilligkeit erfuͤllte er alle meine Wuͤnſche, die auf die Verſchoͤnerung dieſes Werks giengen, und woran Kunſtliebhaber und Kuͤnſtler vom erſten Range mit uns vereinigt gearbeitet haben. Die Erfindungen der Herren Weinlig, Brandt, Schuricht, Zingg und andrer hat Herr Geyſer, der als Kupferſtecher ſo vielen Antheil an den Verzierungen dieſes Buchs hat, auf eine Art ausgefuͤhrt, wo - durch ſie noch mehr ſchaͤtzbare Denkmaͤler der Kunſt und des Geſchmacks aus unſrer Zeit geworden ſind. Der Reichthum und die Mannichfal - tigkeit der Abbildungen von Gartenſcenen, Landhaͤuſern und Garten - gebaͤuden, die theils als wirkliche Ausfuͤhrungen faſt aus ganz Europa geſammelt, theils als ſchoͤne Ideale und Erfindungen von den beruͤhm - teſten Kuͤnſtlern vorgezeichnet ſind, enthalten eine betraͤchtliche Erwei - terung der Architectur, und ſind nicht weniger lehrreich fuͤr den jun - gen Architecten, als fuͤr den Gartenkuͤnſtler. Wenigſtens hat er hiet eine bequeme und ziemlich weite Ueberſicht ſowohl uͤber das Vorzuͤg - lichſte, was in allen Laͤndern in dieſem Fache vorhanden iſt, als auch uͤber eine Menge von neuen Erfindungen, wodurch die Kunſt noch er - weitert werden kann.

Verſchiedene Gartenkenner, die an ihrem Orte genannt ſind, haben durch eingeſchickte Beſchreibungen, Nachrichten und Zeichnun - gen ſich um die Vollſtaͤndigkeit dieſes Werks ſo verdient gemacht, daß ich ihnen hier oͤffentlich meinen verpflichteten Dank wiederhole. Die Aerndte iſt freylich nicht ſo reich ausgefallen, als ich erwartete; indeſ - ſen ſah ich auf meinen Reiſen ſelbſt, daß in ſehr vielen Provinzen gar nichts geſaͤet war, daß in andern die Saat erſt aufſproßte, und innochVVorbericht. noch andern die Fruͤchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt be - ſonders der zweyte Anhang dieſes Bandes eine faſt allgemeine Ausſicht uͤber alle betraͤchtliche Gaͤrten in Europa. Alle neue Beſchreibun - gen, womit dieſer Band am meiſten bereichert iſt, ſind von mir ſelbſt entworfen, wenn kein andrer Verfaſſer angefuͤhrt iſt.

Ich muß hiebey bemerken, daß die eingeruͤckten Beſchreibun - gen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren muͤſſen; nothwendig, weil die Gaͤrten den beſtaͤndigen Veraͤnderungen der Zeit und des Menſchen unterworfen ſind. Schon an zwey bis drey Gaͤr - ten, die ſo reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth denken; verlaſſen und veraͤndert von neuen geſchmackloſen Beſitzern, denen ſie zufielen, trauern ſie ſchon ihrem Untergange entgegen. Man betrachte demnach die Beſchreibungen davon als Kopien von Gemaͤl - den, wovon die Originale ſich verloren haben, oder von der Hand der Zeit oder unwiſſender Ausbeſſerer unkenntlich geworden ſind.

Es ſcheint ein gluͤcklicher Zufall, daß dieſe Theorie gerade in ei - nem Zeitpunkt erſcheint, wo eine faſt allgemeine Liebe der Gaͤrten ſich durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geiſt der nuͤtz - lichen Gartenkultur belebt uͤberall die wahren Patrioten, und wenig - ſtens herrſcht die unbedingte Nachahmung der engliſchen Manier uͤberall da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht behaupten, daß faſt alles, was Deutſchland, Frankreich und Norden an guten Gartenanlagen aufzuweiſen haben, erſt in der letz - ten Haͤlfte dieſes Jahrhunderts entſtanden iſt. Es gehoͤrt bloß zur Geſchichte dieſer Theorie, zu bemerken, daß ſie ſeit ihrer Erſcheinung ſchon manche gluͤckliche Wirkung in verſchiedenen Laͤndern, wohin ſie zum Theil durch die franzoͤſiſche Ueberſetzung gebracht iſt, veran - laßt hat.

3ManVIVorbericht.

Man darf nun doch nicht ſagen, daß es an einer Anleitung zur Beurtheilung und Anlage der Gaͤrten und zu den mannichfaltigen Ar - ten der Verſchoͤnerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund - ſaͤtze der Kunſt noch unentwickelt waren, ließ es ſich eher entſchuldigen, wenn man immer nach engliſchen Zeichnungen und Planen lief, immer kopirte, was man in dieſem oder jenem Garten fand, der in Ruf ſtand. Der Weg iſt wenigſtens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken und Studium der Natur weiter fortſchreiten kann.

Der ſchoͤnſte Garten iſt der, welcher in ſeiner Art ganz das iſt, was er ſeyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der vollkommenſte Garten iſt der, welcher die wenigſten Fehler hat. Wenn inzwiſchen noch jetzt in den neuen Anlagen ſo manche Verirrungen des Geſchmacks erſcheinen, ſo darf man die Schuld nicht immer den Gaͤrt - nern oder den Anlegern beymeſſen. Ich habe es ſelbſt geſehen, wie es an ſo manchen Hoͤfen geht. Iſt der Liebling des Fuͤrſten oder der Gartendirector ein Ingenieur, ſo muß der Garten Waͤlle und Ver - ſchanzungen aufnehmen. Iſt er ein franzoͤſiſcher Marquis, ſo ſchlaͤgt er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poëtes dramatiques vor. Kennt er nur Verſailles, Marly u. ſ. w., ſo muͤſſen die Baͤume und Gebuͤſche ſich in die kunſtreichſte Architectur umbilden laſſen. Hat er nur die neuen Anlagen um Paris geſehen, ſo wird der Bezirk mit chi - nefiſchen Thuͤrmchen, Moſcheen, Kiosken u. ſ. w. bunt genug ver - ziert werden. Leitet eine geiſtloſe Hofdame die Anordnung, ſo wird ſie die ſchoͤnſten Plaͤtze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen dieſen Thorheiten und Kuͤnſteleyen iſt immer das Gewoͤhnliche auch das Schlimmſte, naͤmlich, daß aufgeklaͤrte Gartenkenner, die weit daruͤber hinausſehen, nicht gefragt oder doch nicht gehoͤrt werden. Der hirn - loſe Hofſchranze weiß ſie bald zu uͤberſchreyen. Dieß iſt auch die Ur -ſache,VIIVorbericht. ſache, daß im Ganzen betrachtet der Adel, der von dieſen Feſſeln frey iſt, weit beſſere Gaͤrten hat, als die Fuͤrſten. Es iſt ein ſchaͤdliches Vorurtheil, wenn man ſagt: ein Fuͤrſt koͤnne machen was er wolle; er habe zu befehlen; es koſte ihm ſein Geld. Nein, gnaͤdiger Hert, wuͤrde ich einem Prinzen ſagen, laſſen Sie dieſes Vorurtheil nicht gelten. Um einen Hoͤfling, der dieſe Meynung aͤußert, bekuͤmmert ſich die Welt nicht viel, aber wohl um den Fuͤrſten, der dieſer Meynung folgt. Sie duͤrfen nicht geradezu machen, was Ihnen einfaͤllt. Ihre Werke ſtehen oͤffentlich da; der Kenner, der Ihre Gebaͤude, Ihre Gaͤrten ſieht, beur - theilt ſie zugleich, und ein Urtheil, das ſich auf Kenntniß ſtuͤtzt, kann einem Fuͤrſten nicht gleichguͤltig ſeyn. Der Geſchmack Ihrer Werke geht mit in Ihre Geſchichte uͤber. Man nennt Ihren Namen wenn der Name Ihrer uͤbel unterrichteten Rathgeber laͤngſt vergeſſen iſt.

Jeder anſehnliche Hof ſollte billig einen aufgeklaͤrten Mann zum beſondern Gartendirector waͤhlen, der ganz allein ſeine Talente, Kraͤfte und Zeit dieſem Geſchaͤfte widmete, der Kenntniß, Geſchmack, Eifer, Verbindung und Anſehen genug haͤtte, um ſowohl die Ehre der Gaͤr - ten des Landes, als auch die Ausbreitung der nutzbaren Gartenkultur befoͤrdern zu koͤnnen. So lange ein ſo wichtiges Geſchaͤfte Perſonen aufgetragen wird, die entweder gar nicht die dazu noͤthigen Eigenſchaf - ten beſitzen, oder ſchon mit andern Arbeiten zu ſehr uͤberladen ſind, ſo lange darf man ſich wenig Fortgang fuͤr die wahre Kultur der Gaͤrten verſprechen. Man kann ein braver Officier, ein feiner Cavalier, ein guter Hofmarſchall ſeyn; man kann durch Witz und Verſtand glaͤnzen; und doch ein elender Gartendirector ſeyn. Wie wenige giebt es, die eben die Wiſſenſchaft, eben den Geſchmack, eben das Studium, eben die Beobachtung, eben die Uebung beſitzen, die gerade zu einem ſolchen Poſten erfordert werden!

UnſreVIIIVorbericht.

Unſre Zeit ſcheint ſich durch eine ſo große und ausgebreitete Re - volution in Anſehung der Gaͤrten auszuzeichnen, als noch niemals war. Ich werde die Fortgaͤnge der ſchoͤnen Gartenkunſt ſowohl, als auch alle Veraͤnderungen, die ſie betreffen, kuͤnftig im Gartenkalender be - richten; man wird darinn unter einem beſondern Abſchnitt Nachtraͤge zu dieſem Werke finden.

Einer der ſchaͤtzbarſten Vortheile, die ich dieſer Theorie verdanke, iſt die Ehre der Bekanntſchaft mit vielen Hoͤfen, mit vielen Perſonen vom erſten Stande, und von den erſten Verdienſten. Die mancher - ley Beweiſe des Wohlwollens und der Gefaͤlligkeit, womit man mich auf meinen Gartenreiſen uͤberall aufzunehmen gewuͤrdigt hat, verlan - gen hier noch meine ehrerbietigſte und waͤrmſte Dankbarkeit. Dieſe huldreiche und guͤtige Aufnahme bin ich freylich mehr dem Gegenſtande, der die Fuͤrſten, den Adel und alle Freunde der ſchoͤnen Natur ſo nahe intereſſirt, als der Behandlung ſchuldig; ſie hat indeſſen nicht wenig meinen Eifer belebt, um die Gartenkunſt ſo weit dem Ziel ihrer Aus - bildung entgegen zu fuͤhren, als es meine Kraͤfte und unſer Zeitalter verſtatten.

Theorie
[1]

Theorie der Gartenkunſt.

V Band. A[2][3]

Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen nach den Tageszeiten.

Die verſchiedenen Abſchnitte des Sommertages kuͤndigen ſich durch einen ver - ſchiedenen Charakter an. Heiterkeit und Lebhaftigkeit umſchweben den Mor - gen; Staͤrke des Lichts und Schwuͤle druͤckt den Mittag; Milde und Ruhe erfriſchet den Abend. Die Natur verbindet mit jedem Theil des Tages eine Menge von Er - ſcheinungen, die ihm eigenthuͤmlich zugehoͤren, und die Gegenſtaͤnde der Landſchaft zeigen ſich unter den Abwechſelungen der Beleuchtung in immer neuen Geſtalten. Es laſſen ſich demnach Scenen anordnen, wo die Eigenthuͤmlichkeiten von jedem Theil des Tages nicht blos wahrgenommen, ſondern auch, von ihren Beſchwerlich - keiten befreyet, unter einem erhoͤheten Reize genoſſen werden. Man kann bald aus beſonders geſtimmtem Geſchmack, bald nach der Lage der Gegend, die man bewohnt, bald aus Beduͤrfniß der Lebensart und der Geſchaͤfte ſich ſeinen Garten fuͤr den Mor - gen, oder fuͤr den Mittag, oder fuͤr den Abend bilden. Man kann ſelbſt dieſe ver - ſchiedenen Arten von Anlagen in einem ausgedehnten Park, als eben ſo viele beſon - dere Scenen, in eine harmoniſche Verbindung mit dem Ganzen bringen.

A 2I. Mor -4Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

I.

Morgengarten oder Morgenſcene.
Wie glaͤnzt die Morgenroͤthe Auf Berg und Wald,
Wo ſchon des Hirten Floͤte Ins Land erſchallt!
Die Huͤgel und die Weide Stehn aufgehellt;
Und Fruchtbarkeit und Freude Bebluͤmt das Feld.
Die Lerche ſteigt und ſchwirret Von Luſt erregt;
Die Taube lacht und girret, Die Wachtel ſchlaͤgt.
Der Schmelz der bunten Flaͤchen Glaͤnzt voller Pracht;
Und von den lauten Baͤchen Entweicht die Nacht.
*)Von Hagedorn.
*)

Dieſe liebliche Heiterkeit, dieſe friſche Anmuth, dieſe laute Wonne der erwa - chenden Natur, wie belebt und erweitert ſie jedes Herz! Alles iſt Freude und ruſt zur Freude.

Der Morgengarten eroͤffne ſich demnach, um die Freude des jungen Tages zu empfangen. Er verbreite ſich in einem bluͤhenden Thale, an deſſen Seite ſich ein Berg oder eine Felſenſpitze erhebt, auf welche die aufgehende Sonne ihren roͤthenden Glanz hinſtreue; oder er ſchmiege ſich uͤber ein huͤgeligtes Gefilde mit ſanften Ab - haͤngen hinab. Allezeit aber breite er ſeinen ganzen Bezirk vor dem oͤſtlichen Strahl hin, und gewaͤhre die ganze Pracht des Anblicks der aufſteigenden Sonne, mit tauſend zufaͤlligen Reizen begleitet. Noch erquicket das Licht, ohne zu beſchwe - ren; der Glanz, der ſich auf den Fluren zerſtreut, erheitert, ohne zu blenden. Tauſend flimmernde Lichter ſpielen, zur Ergoͤtzung des Auges, in dem Laube der Baͤume, auf den blumigten Wiefen, und auf dem vermiſchten Gruͤn der Felder; ein wunderbar entzuͤckendes Schauſpiel, das ſelbſt in gefuͤhlloſe Seelen ein ſtum - mes Erſtaunen ſtrahlt. Gruͤn iſt das Feyerkleid der Natur, die Seele der Gaͤr - ten, und die Entzuͤckung des Auges; aber Gruͤn iſt nirgends geſuchter, nirgends ſchoͤner, als unter den Malereyen des aufgehenden ſowohl als des untergehenden Lichts. Der Morgengarten waͤhle, wo er kann, ſeine Lage mit Ausſichten auf angraͤnzende Wieſen und Gebuͤſche.

Die5nach den Tageszeiten.

Die Helligkeit eines nahen Sees iſt ein wichtiger Umſtand fuͤr dieſen Charak - ter, und die mannichfaltigen verſchoͤnernden Schauſpiele des fruͤhen Lichts, die ſich auf ſeiner Flaͤche und an ſeinem Ufer umher malen, geben dem Auge eine Unter - haltung, wobey es gerne verweilt. Ein betraͤchtlicher Strom, der ſich vor dem Morgengarten voruͤber waͤlzt, gewaͤhrt eine noch groͤßere Lebhaftigkeit. Allein auch kleine Baͤche, die unter dem Spiel des Lichts, zwiſchen Gras und Blumen huͤ - pfen, oder mit einem hellen Geraͤuſch dahin ſprudeln, tragen nicht wenig zur Be - lebung der Scene bey, und ſind zugleich mehr in der Macht des Garten - kuͤnſtlers.

Die Gipfel der Hayne und Waͤlder, die Hoͤhen der Berge und die Spi - tzen der Felſen ſtellen in den Morgenſtunden zauberiſche Spiele des Lichts dar, das zuerſt an ihnen ſanft aufglimmt, ſie gelb und roͤthlich faͤrbt, und endlich mit einem ſtrahlenden Glanze uͤberſtroͤmt, der ſie in der ganzen Landſchaft ſtark heraushebt, indeſſen ſich an ihren Seiten lange Schatten hinſtrecken, und angenehme Ruheſtel - len fuͤr das Auge bilden. Selbſt ein Kirchthurm oder die Spitze eines andern an - ſehnlichen Gebaͤudes in der Naͤhe kann in dieſer Abſicht wichtig werden. Dieſe Gemaͤlde des Morgenlichts ſind ſo reizend, daß der Anleger ſie nicht uͤberſehen darf, wo er Gelegenheit hat, ſie zu gewinnen.

Der Morgengarten liebt viel freye Plaͤtze, Raſen und Blumen, dieſe lieb - lichen Bilder der Jugend, die ſich im Glanz des Thaues ſchoͤner heben. Die Freyheit iſt dem Auge, das von ſo vielen heitern Gegenſtaͤnden gerufen wird, hier doppelt angenehm. Sie iſt zugleich ein beſonderes Eigenthum dieſer Scene. Manche Gegenſtaͤnde gewinnen eine groͤßere und ſchoͤnere Wirkung, wenn ſie nicht gedraͤngt ſind, ſondern von einander mehr abgeſondert erſcheinen, ſich ganz uͤberſe - hen und an verſchiedenen Stellen einzeln betrachten laſſen. Wir athmen in dieſen Stunden ſo gern die Friſchheit der hereinſtreichenden Luft und die neuen Wohlge - ruͤche der Kraͤuter, wir lieben ſo ſehr die Milde des Lichts und die Freyheit der Aus - ſicht umher, daß wir jede Verſchließung, die uns einen dieſer Vortheile raubt, mit Recht anklagen.

Die Bepflanzung des Morgengartens folge dieſer Bemerkung. Sie waͤhle Baͤume von zarten, duͤnnen, gefiederten und leichten Blaͤttern, die einen gemilder - ten Schatten verſtreuen, wie

  • der Quitſchernbaum (Sorbus aucuparia, L.)
  • die Zitterpappel (Populus tremula, L.)
A 3die6Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
  • die virginiſche Robinie (Robinia Pſeudo-acacia, L.)
  • die Gleditſia (Gleditſia triacanthos, L.)
  • die Amorpha (Amorpha fruticoſa, L.)
  • die Sophora (Sophora tetraptera, J. Miller.)

Einige dieſer Baͤume ſchicken ſich noch beſonders wegen des Hellgruͤnen ihrer Blaͤtter in eine Morgenſcene, als die virginiſche Robinie und die Amorpha; und nach dieſer Eigenſchaft koͤnnen auch

  • der virginiſche Ahorn (Acer negundo, L.)
  • der virginiſche Storaxbaum (Liquidambar Styraciflua, L.)

und noch einige andere dieſer Art dazu gewaͤhlt werden. Die Gruppen, aus die - fen Baͤumen zuſammengeſetzt, gewinnen ein uͤberaus gefaͤlliges Anfehen, wenn ſie nur klein und hin und her zerſireut ſind, um die ſanften Strahlen des Morgens durch ihre leichtere Belaubung freyer durchſpielen zu laſſen. Und wenn zwiſchen ihnen gruͤnende Raſen und freye Blumenfluren ſich herumwinden, und dieſe anmuthigen Plaͤtze noch von herumirrenden lautrieſelnden Baͤchen erfriſcht und hin und wieder von umherſchweifenden Lichtern und Schatten verſchoͤnert werden, ſo ſcheint die Anmuth dieſer Scene vollendet zu ſeyn.

Die Gebaͤude, die in Morgengaͤrten aufgefuͤhrt werden, muͤſſen mit ihrer Lebhaftigkeit, Ergoͤtzung und anmuthigen Geſchaͤftigkeit uͤbereinſtimmen. Wallet ein See neben dem Garten, ſtroͤmt ein Fluß vor ihm voruͤber, oder durchſtreicht er ſeinen Bezirk, ſo mag eine feine Fiſcherwohnung das Ufer zieren; denn die Geſchaͤfte des Fiſchfangs gehoͤren dem fruͤhen Tage. Liebt der Beſitzer den Umgang mit den Wiſſenſchaften, ſo mag auf ſchoͤnen Saͤulen ein Tempel, dem Apoll geheiligt, em - porſteigen, und vor dem Eingang die Statue des Vaters der Muſen, beglaͤnzt vom Morgenſtrahl, voll Entzuͤckung die Leyer zu ruͤhren ſcheinen. Allein auch außer die - ſen Beziehungen, koͤnnen wir dieſer Tageszeit*)S. dritten B. S. 76-77. einen Tempel weihen, der ganz ſeinem beſondern Charakter zuſtimmt. Man ſehe dieſen Tempel des Morgens.

Der7nach den Tageszeiten.
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8Fuͤnfter-Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Der junge Phoͤbus ſteigt uͤber die Kupel, die als eine halbe Erdkugel in Bas - relief gearbeitet iſt, empor, und erleuchtet mit ſeiner Fackel ihre oͤſtliche Flaͤche; uͤber dem Eingang zeigt ſich der Kopf des Apoll, des Freundes der Mor - genſtunden.

Auch ein Vogelhaus iſt ein ſehr ſchickliches Gebaͤude in einem Morgen - garten, indem ihn die geſiederten Bewohner mit einem Concert von mannichfaltigen Stimmen beleben, das nie froher und muthiger iſt, als wenn ſie den aufſteigenden Tag begruͤßen. Man ſehe dieſen kleinen zum Theil verfallenen toſcaniſchen Tempel.

Er9nach den Tageszeiten.
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V Band. B10Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Er ſteht auf einer Anhoͤhe, von welcher man die aufgehende Sonne den Horizont heraufſteigen ſieht. Die Vorhalle dieſes Tempels iſt mit Gitterwerk verwahrt, und dient einer Menge Geſangvoͤgel zum Aufenthalt. Ein daneben gelegenes Kabinet, das die Zelle des Tempels einnimmt, gewaͤhrt durch die nach der Vorhalle ebenfalls mit Gittern verſchloſſene Thuͤre den Genuß jener melodiſchen Nachbarſchaft. Der uͤber dem Kabinet beſindliche Raum unter dem Dache iſt zu einem ſichern Aufent - halt bey ungeſtuͤmem Wetter fuͤr die hier verſammelten Voͤgel beſtimmt. Ein an - genehmer Hayn, der ſich hinter dem Tempel ausbreitet, fuͤhrt durch verſchiedene ſchlaͤngelnde Wege zu dieſem dem Morgen geheiligten Monument.

Die Gebaͤude, die noch das Anſehen der Vollkommenheit haben, vertragen in einer Morgenſcene einen lebhaften Anſtrich; ſelbſt das voͤllige Weiße iſt hier ſchick - lich, indem es die Erleuchtung noch mehr erhebt. Auch die Kupeln, die kleinen Thuͤrme und uͤbrigen Spitzen dieſer Gebaͤude koͤnnen eine ſolche Stellung erlangen, daß ſie von dem glaͤnzenden Strahl, den ſie empfangen, uͤber den anliegenden Auf - tritt einen verſchoͤnernden Schimmer ausſtreuen. Die ſtarken Kontraſte von Licht und Schatten, die vornehmlich durch die Hoͤhen der Gegenſtaͤnde, durch Berge, Fels - ſpitzen, Waldgipfel und Gebaͤude veranlaßt werden, machen uͤberhaupt eine vorzuͤg - liche Schoͤnheit der Landſchaft in den Stunden des Morgens aus.

II. Mittagsgarten oder Mittagsſcene.

Der Mittag hat gegen die uͤbrigen Abſchnitte des Tages die wenigſte Anmuth. Die uͤber unferm Haupt ſtehende Sonne erfuͤllt alles mit einem Glanz, der das Auge blendet, und mit einem Feuer, das alle Munterkeit der thieriſchen Schoͤ - pfung verzehrt. Die dampfende Hitze der Luft ſcheint ſelbſt die Kraͤfte des Geiſtes zu erſticken; mit Muͤhe erhebt er ſich zu Arbeiten, die ihm ſonſt leicht und erfreulich ſind. Alles wird in eine matte Unthaͤtigkeit verſenkt. Die Blumen und Pflanzen laſſen entkraͤftet ihre Haͤupter ſinken; die Thiere ſtrecken ſich an Suͤmpfen und Ge - waͤſſern hin, und vergeſſen ihre Weide; die befiederten Saͤnger laſſen ihre melodiſchen Lieder verſtummen, und hangen traͤumend an laubreichen Zweigen; die Luft iſt ſtille, das Waſſer ſcheint in einen Spiegel gegoſſen, und unbewegt ruhen darauf die Schat - ten der Baͤume. Dies ſind die Stunden, wo Erquickung und Ruhe Beduͤrfniß der Natur werden.

Das11nach den Tageszeiten.

Das erſte, worauf der Anleger eines Mittagsgartens oder einer Mittagsſcene ſeine Aufmerkſamkeit zu richten hat, iſt die Anwendung der Mittel, um die Unbe - quemlichkeit der Tageszeit zu mildern. Wir ſuchen den Schatten und ſeine Kuͤh - lung. Dichte Lauben, ſtark belaubte Hayne und nicht zu ſehr verwilderte Dickigte bieten uns erwuͤnſchte Ruheplaͤtze an. Zur Pflanzung in dieſen Scenen empfehlen ſich verſchiedene Baͤume durch den Reichthum und die Groͤße des Laubwerks, als

  • die großblaͤttrige Linde,
  • die Roßkaſtanie,
  • der Ahorn, mit verſchiedenen Arten,
  • Die caroliniſche Pappel (Populus Heterophylla, L.)
  • die Katalpa (Biguonia Catalpa, L.)
  • der nordamericaniſche Platanus (Platanus occidentalis, L.)
  • der Tulpenbaum u. a.

Dieſe laubreichen Anpflanzungen befriedigen nicht blos das Beduͤrfniß der Kuͤhlung; ſie geben zugleich liebliche Plaͤtze zum Aufenthalt, zur Tafel, zum Leſen, zum Spiel, zum Schlaf; ſie gewaͤhren, indem man in ihnen verweilt, eine Folge von ſanften Em - pfindungen; ſie reizen ſelbſt in der Ferne durch die Vorſtellung der Erquickung, die ſie in ihrem Schooß enthalten. Allein die Pflanzungen duͤrfen doch nicht ſo dicht ſeyn, daß ſie der Luft allen Einzug verwehren; ſie koͤnnen demnach hin und wieder mit einigen luftigen Gruppen abwechſeln. Nichts iſt anmuthiger, als aus der tiefen Nacht der Belaubung zuweilen in eine mildere Daͤmmerung heruͤber zu irren, und hier bald das Auge an dem Spiel der durchfallenden Lichter, bald das Gefuͤhl unter den kuͤhlenden Athmungen der Luft zu beleben.

Außer den Anpflanzungen geben auch Grotten*)S. 3ten B. S. 84-96. in Felſen und an Waſſer - faͤllen angenehme Zufluchtsoͤrter vor der Hitze, und ſind einem Mittagsgarten ſehr angemeſſen.

Ein ausgebreiteter See iſt in dieſen Stunden zu blendend fuͤr das Auge, das, von dem Glanz des Tages belaͤſtigt, ſich gern in der erquickenden Dunkelheit des Schattens verbirgt. Maͤßige Waſſerguͤſſe, halb mit Geſtraͤuch verdeckt, erfriſchen die Einbildungskraft, wie die Scene. Selbſt Springwaſſer, die in den Gaͤrten der heißen Himmelsſtriche ihren Urſprung hatten, ſcheinen mit dem Charakter dieſerB 2Anlage12Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder ScenenAnlage vereinbar; ſie koͤnnen hie und da, z. B. vor einem Speiſeſaal, einen Grad der Schicklichkeit gewinnen, der ihnen ſonſt fehlt; und bey einem Ruhekabinet hat ſelbſt ihr monotoniſches Geplaͤtſcher einen geheimen Zauber, der zum Schlummer einladet. Allein ſtarke Waſſerfaͤlle und rauſchende Stroͤme haben zu viel Lebhaftig - keit, als daß ſie bey der allgemeinen Ruhe, die uͤber den Mittag ſchwebt, hier ſchick - lich ſcheinen koͤnnten.

In dieſer Art von Gaͤrten muͤſſen die Gebaͤude nicht frey ſtehen, ſondern ſich, wo nicht ganz, doch zum Theil, in Schatten verhuͤllen. Denn ihre Lage muß dazu beytragen, den allgemeinen Charakter der Scene, Sehnſucht nach Kuͤhlung, verbreiten zu helfen, und zugleich den Glanz zu verdunkeln, den ſie auf einer ſchattenfreyen Stelle zum Nachtheil des Auftritts zuruͤckwerfen wuͤrden. Eben dieſe Beſchattung verlangt auch außerdem noch die Beſtimmung der Ge - baͤude in einem Mittagsgarten. Sie koͤnnen faſt nur allein dem Ausruhen von der Ermattung in der Hitze, der Erholung an der Tafel und den Erfriſchungen des Bades gewidmet ſeyn. Man kann hier verſchiedene Tempel, bald der Ruhe, bald dem Bacchus, bald dem Comus geweihet, auffuͤhren, und ſie mit einem eigenen Charakter und Gepraͤge ihrer Beſtimmung bezeichnen: ein neues Feld zur Erfin - dung und zum Ruhm fuͤr den ſinnreichen Architecten.

Ein ſchoͤnes Beyſpiel von dieſem Verdienſt betrachte man hier.

Ein13nach den Tageszeiten.
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14Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Ein freyſtehender mit Kabinetten umgebener cipicriniſcher Saal, dem Mittag und der Gaſtfreundſchaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingaͤnge ſtehen jedem Weltbuͤrger offen, der mit reinen Haͤnden und Herzen erſcheint, wie die neben dem vordern und hintern Eingange ſich erhebenden Springbrunnen andeu - ten; die Chimaͤren mit Fruchtkoͤrben auf den Haͤuptern aber laden zum Genuß der Guͤter der Natur ein. Das Gebaͤude ſteht in der Mitte einer freyen Pflanzung von ſchoͤnen, geraden, edlen Fruchtbaͤumen, die ihre Schaͤtze zur Kuͤhlung der Sommer - hitze geben, und iſt inwendig nach Art der Oporotheken der Alten*)Varro de re ruſtica Lib. I. cap. 2 und 59. verziert. Eine ſolche von friſchem Obſt mit Geſchmack und Einſicht angeordnete Verzierung iſt eben ſo abwechſelnd als angenehm.

Nicht minder ergoͤtzend iſt es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, ſich in einem kuͤhlen Bade zu erfriſchen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgeſonderten beſchatte - ten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch ſchoͤner noch iſt ein freyer Badort, den ſein Genius den Nymphen gewidmet zu haben ſcheint, die hier zuweilen unter dem Schutz einer Felſenwand den Guͤrtel loͤſen, um ihren Reiz der kryſtallenen Flut ſanfter Waſſerguͤſſe anzuvertrauen.

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III. Abend -15nach den Tageszeiten.

III. Abendgarten oder Abendſcene.

Wie reich der Sommerabend an ſanften Schoͤnheiten und maleriſchen Zufaͤlligkei - ten iſt, das ſagt uns ſo oft bey unverfaͤlſchter Empfindung der entzuͤckte An - blick, das ſagen uns tauſend ruͤhrende Nachbildungen der Dichter und der Landſchaft - maler. Wenn die Kuͤhle des Abends, bemerkt ein feiner Beobachter,*)Der Marquis von Girardin in der Compoſition des Payſages. jene lieb - liche und anmuthige Farbe verbreitet, welche die Stunden der Ruhe und des Ver - gnuͤgens ankuͤndigt, dann herrſcht in der ganzen Natur eine erhabene Harmonie der Farben. In folchen Augenblicken hat Claude Lorrain die ruͤhrenden Kolorite ſei - ner ruhigen Gemaͤlde gewaͤhlt, wo die Seele mit den Augen zugleich gefeſſelt wird; um dieſe Zeit weiden ſich unſere Blicke gern an einer großen Landſchaft. Die Maſ - ſen von Baͤumen, wo das Licht durchſchimmert, unter welchen das Auge einen ange - nehmen Spazierweg erblickt; große Flaͤchen von Wieſen, deren Gruͤn von den durch - fichtigen Schatten des Abends noch verſchoͤnert wird; das reine Kryſtall eines ruhigen Gewaͤſſers, worinn ſich die benachbarten Gegenſtaͤnde beſpiegeln; leichte Gruͤnde von lieblicher Geſtalt und dunſtiger Farbe: dies ſind uͤberhaupt die Gegenſtaͤnde, die ſich am beſten fuͤr die Abendſeite ſchicken. Es ſcheint in dieſen Augenblicken, als wenn die Sonne, bereit den Horizont zu verlaſſen, vor ihrem Abſchiede erſt gern die Erde mit dem Himmel vermaͤhle; auch gehoͤrt der groͤßte Theil von Abendgemaͤlden fuͤr den Himmel. Denn da betrachtet der fuͤhlende Menſch ſo gern dieſe unendliche Mannichfaltigkeit von reizenden und ruͤhrenden Nuͤancen, womit ſich der Himmel und die Fernen der Landſchaft verſchoͤnern; es ſind die koſtbaren Augenblicke der Ruhe und der Erholung.

In der That iſt es eine gewiſſe ruhige Milde und Lieblichkeit, eine unbeſchreib - liche Sanftheit, welche ſich des Abends uͤber alle Scenen der Natur ergießt, und den Charakter dieſer Tageszeit ausmacht. Alle Abendbilder der Dichter und der Land - ſchaftmaler, welche die Natur empfanden, ſind in dieſem Charakter.

Wenn des Abends Roſenfluͤgel
Kuͤhlend uͤber Thal und Huͤgel,
Ueber Wald und Wieſe ſchwebt;
Wenn der Thau die Baͤume traͤnket,
Sich in bunte Blumen ſenket,
Und an jungen Aehren bebt;
Wenn16Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
Wenn im Schalle heller Glocken
Heimwaͤrts ſich die Schafe locken,
Und im Gehn das Laͤmmchen ſaugt;
Wenn die Erlen duftend ſaͤuſeln,
Wenn die Muͤcken Teiche kraͤuſeln,
Wenn der Froſch ſich quaͤkend blaͤht,
Wenn im Nachtigallenthale
Heſper mit verliebtem Strale
Heimlich meine Quelle kuͤßt;
Wenn das Geißblatt ſuͤße Duͤfte
In dem Wehen leiſer Luͤfte
Labend mir entgegen haucht;
Wenn der Fiſch im Waſſer huͤpfet,
Aus der kalten Tiefe ſchluͤpfet,
Und der Schwan zu Neſte geht;
Wenn, wie eine Braut erroͤthend,
Luna freundlich koͤmmt, und floͤtend
Philomele ſie begruͤßt
*)Fr. Leop. Graf zu Stolberg.
*)

Dies ſind die Augenblicke der lieblichſten Bilder und der ſuͤßeſten Empfindungen: eine frohe Erholung der erſchoͤpften Kraͤfte, ein gelaſſenes Nachſinnen, eine ſanfte Milde, die ſich uͤber alle unſere Gedanken, alle unſere Empfindungen verbreitet, ein Gefuͤhl von der Veraͤnderung und Verſchwindung der Scenen der Welt, das nicht ſchmerzhaft, nicht niederſchlagend iſt, ſondern das empfindſame Herz lehrreich unter - haͤlt. In dieſen Augenblicken fuͤhlen wir uns ſo geneigt zum Genuſſe jeder Art von gemilderter Empfindung, zu Ergießungen vertraulicher Zaͤrtlichkeit, zu ruhigen Un - terredungen uͤber den Werth des Lebens, uͤber ſeine Beſtimmung und ſeine Hoffnun - gen. **)Das Landleben 4te Aufl. 1776 vorletzte Betrachtung.Alle Veraͤnderungen, die jetzt in der Natur vorgehen, das allmaͤlige Ent - weichen der Sonne, die Verlaͤngerung der Schatten, die Verduͤſterung ganzer Flaͤ - chen, indeſſen nach und nach der noch an den Hoͤhen ſchwebende falbe Schein ver - liſcht, die verſtummende Geſchaͤftigkeit des Tages, die beginnende Ruhe aller Ge - ſchoͤpfe, das Aufgluͤhen des Mondes und die feyerliche Majeſtaͤt des ſich hie und da ſternenden Himmels, vereinigen ſich, dieſe Stimmung der Seele zu unterhalten. Wie beſeligend iſt nicht dieſer Selbſtgenuß in der Feyer des Abends, wenn lieb - liche Gefuͤhle und ſuͤße Phantaſien mit ernſten Betrachtungen wechſeln, bald in der Unterredung mit einem weiſen Freund, bald in der ſtummen Unterhaltung der Ein - ſamkeit! Wie manche ſanfte Seele findet nicht ihre Empfindung in dieſer Stelle wieder!

Wenns17nach den Tageszeiten.
Wenns in meiner Bruſt zu enge
Um die Abenddaͤmmrung wird,
Schleich ich weg aus dem Gedraͤnge,
Das am Tage mich umſchwirrt;
Athme in der Laube Kuͤhle
Hier der Bluͤthen Balſamduft,
Seh der Voͤgel letzte Spiele
In der ſtillen Abendluft;
Denk an alles, was auf Erden
Meines Lebens Wonne iſt,
Bis in Scenen, die einſt werden,
Ahndend ſich der Geiſt vergißt.

Um uns dieſe Vortheile zu geben, breite ſich der Abendgarten nach der Gegend hin, wo die Seele die Feyer der untergehenden Sonne, alle maleriſche Geſtalten, wo[r]inn der Himmel, das Waſſer und die Landſchaft erſcheinen, tauſend bezaubernde Zufaͤlligkeiten, die das ſinkende Licht bildet, genießen kann. Iſt die Pracht dieſes Schauſpiels geendigt, ſo verſchwindet der blendende Glanz; eine liebliche Beleuch - tung, ſchoͤner als der Tag gab, fließt uͤber die Landfchaft hin; der Schimmer, der hin und wieder von den wachſenden Schatten der Berge, der Baͤume und Gebaͤude begraͤnzt wird, finkt immer mehr in die Daͤmmerung herab; ein ſtill aufwallender Dunſt uͤberſchleyert die Waͤlder und ſelbſt die Gewaͤſſer mit einem duͤnnen Flor; alle Scenen der Natur wechſeln mit jedem Augenblicke ihre Geſtalt.

Eine Miſchung von kleinen Huͤgeln und Thaͤlern, ein großer gruͤner Abhang gegen Weſten, mit einer Ansſicht auf benachbarte Waͤlder und Berge, auf Ge - birge und andere praͤchtige Fernen der Landſchaft, ſcheint die vortheilhafteſte Lage fuͤr den Abendgarten darzubieten. Gewaͤſſer ſind beſonders fuͤr dieſe Art der Anlage wichtig; ſie vervielſaͤltigen die Schoͤnheit der untergehenden Sonne, und verlaͤngern die letzten Augenblicke des Tages. Ein angraͤuzender oder doch nicht zu entfernter See, wovon eine anſehnliche Flaͤche dem Auge uͤberſehbar iſt, ſtimmt ſowohl der Anmuth, als auch beſonders der Ruhe des Abendgartens ſo ſehr zu, daß man ihn ungern vermißt. Sind ſeine Ufer mit Hoͤhen und Wald verſchoͤnert, ſo[ſtellen] ſie durch ſanfte Wiederſcheine, die ſie auf der hellen Fluth bilden, und durch tauſend Zufaͤlle von Licht und Schatten einen wunderbar entzuͤckenden Anblick dar. Ein wildrauſchender Strom ſchickt ſich nicht zu der Stille der Scene; allein ein maͤßi - ger Waſſerfall, halb von Buͤſchen uͤberſchattet, und halb von den Strahlen derV Band. CAbend -18Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder ScenenAbendſonne vergoldet, vertraͤgt ſich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn et - was belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu ſeinem Charakter gehoͤrt. Aus dieſem Grunde iſt uns des Abends die, ſuͤße Schwermuth erregende, Muſik der Wald - hoͤrner ſo angenehm, wenn wir ſie aus der Ferne ſchwaͤcher heruͤbertoͤnen hoͤren.

Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften und Ruhigen nach, womit die Natur dieſen Theil des Tages bezeichnet. Daher ſchi - cken ſich ſehr wohl fuͤr ihn, wie ſchon ein großer Kenner bemerkt hat,*)Whately in Obſervations on modern Gardening. dunkelfarbigte Gebaͤude; obgleich die, welche einen lebhaften Anſtrich haben, durch eine beſondere Wirkung der untergehenden Sonne nicht ſelten angenehm ins Auge fallen. Man kann ſich ſelbſt der hellern Farbe oft bedienen, um die Einfoͤrmigkeit der Daͤmmerung zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontraſt des Lichts und des Schattens mehr erzeugt werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am erſten anfangen, die Daͤmmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelſten Gruͤn ſind, wenn die nach der Abendſeite ſtehenden Gebaͤude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das Waſſer dieſer Abſicht gemaͤß eingerichtet werden: ſo laͤßt ſich, wenn ſchon lange die groͤßern Wirkungen verſchwunden ſind, noch eine abwechſelnde Schattirung gewinnen.

Einzelne, hohe und ſchattenreiche Waldbaͤume, worunter bequeme Sitze angelegt ſind, erfreuen, wo die Natur ſie ſchenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten uͤberaus anmuthige Ruheplaͤtze an, indem ihre Gipfel ſich in der Abendroͤthe ſchoͤner heben, und außerdem uͤber den benachbarten Bezirk verlaͤngerte Schatten ausbreiten. Tiefe Dickigte verbieten den ſanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Ein - gang. Allein zerſtreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verſchoͤne - rung die lieblichen Gemaͤlde des Abendlichts auf. Kleine Gebuͤſche, die in ihre Schat - ten die Nachtigall locken, um hier ihre zaͤrtlichen Melodien durch die Abendſtille freyer dahin fließen zu laſſen, vermehren nicht wenig die Wolluſt dieſer Scene.

Zu den Pflanzungen im Abendgarten ſind uͤberhaupt ſolche bluͤhende Straͤucher und Blumen zu waͤhlen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgeruͤche reicher zu verſpenden pflegen, als

  • die Syringen,
  • das Geißblatt mit ſeinen verſchiedenen Arten,
  • die Coronilla (Coronilla glauca, L.)
die19nach den Tageszeiten.
  • die Nachtviole (Heſperis triſtis, L.)
  • der Storchſchnabel (Geranium gibboſum, L.)
  • die Asphodillilie (Hemerocallis flava, L.)
  • die wohlriechende Reſede (Reſeda odorata, L.)
  • die Jalappa (Mirabilis Jalappa, L.) und verſchiedene andere.

Auch in Ruͤckſicht auf die angenehmen Ausduͤnſtungen ſind Waͤlder und Wieſen in der Naͤhe des Abendgartens uͤberaus erfriſchend.

Fuͤr dieſe Art von Gaͤrten kann der erfindende Architect nicht weniger Gebaͤude beſtimmen, die ganz zu ihrem Charakter gehoͤren. So iſt dieſer Tempel des Abends.

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C 2An20Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

An den Waͤnden, die aͤußerſt einfach gehalten ſind, haͤngen Mohnzweige; uͤber dem Eingange ſteht der Abendmond; auf dem meiſt flachen Dache ruhet Phoͤbus, nach vollbrachter Arbeit, mit umgekehrter Fackel; alles eilt, den Charakter des Ge - baͤudes zu vollenden, das der Lieblingsaufenthalt eines Weiſen zu ſeyn ſcheint, der nach den Geſchaͤften des Tages gern einſam ſeinen Abend unter dem erquickenden Schatten der Betrachtung feyert.

Von einer andern nicht weniger gluͤcklichen Erfindung iſt dieſer Pavillon, dem Abend und der Freundſchaft im engern Verſtande gewidmet.

Er21nach den Tageszeiten.
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22Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Er ruhet am Ende eines Parks, wo ihn der Ankommende erſt erblickt, wenn er ihm nahe iſt. Zu dem offenen Porticus gelangt man aus dem hinter ihm gelegenen Ge - ſellſchaftszimmer, von außen aber gar nicht. Zwo zu beyden Seiten abwaͤrts ge - hende breite Treppen fuͤhren in einen hinter dem Gebaͤude im Thal liegenden Platz, der mit Blumen und Orangeriebaͤumen beſetzt iſt. Der Unbekannte gelangt in die - ſen und wieder zuruͤck, ohne in das Gebaͤude ſelbſt zu kommen; der Freund aber kennt eine zur Rechten gelegene, verborgene, bequeme Treppe, und dieſe fuͤhrt ihn in ein klei - nes Apartement, das aus einem Vorzimmer, einem Saal, und zweyen einander folgenden Kabinetten beſteht. Das letztere von dieſen liegt an den zum Bade be - ſtimmten Gemaͤchern. Das zweyte Stockwerk enthaͤlt die zur Erwaͤrmung des Bad - waſſers und andern Bequemlichkeiten erforderlichen Behaͤltniſſe.

Die Nacht, welche die Natur zur Ruhe aller Geſchoͤpfe beſtimmte, ſcheint zwar von dem Vorrecht der Tageszeiten, einen ihnen gewidmeten Garten zu haben, ausgeſchloſſen zu ſeyn. Wie gern entziehen wir indeſſen nicht zuweilen dem Schlafe einige Stunden der Sommernacht, um uns an ihren ſanften Annehmlichkeiten zu la - ben! Und mit wie vielem Rechte beſchaͤftigt nicht der Weiſe, waͤhrend dieſer heiligen Feyer der Natur, ſeinen Geiſt mit der Betrachtung der Welten, die uͤber ſeinem Haupte leuchten!

Fuͤr das Auge ſind die bluͤhenden Schoͤnheiten der Erde verſchwunden. Aber der dunſtfreye Himmel zeigt, wenn der Mond in feyerlicher Pracht an ihm herauf - ſteigt, ein Schauſpiel, das die Erde wieder mit einem neuen Reize verſchoͤnert. Ein breites ſchweigendes Gewaͤſſer, oder ein See, worinn das Licht der Nacht in ſanftem Abglanz zerfließt; murmelnde Baͤche oder kleine Waſſerguͤſſe mit maͤßigem Geraͤuſch und regelmaͤßigem Fall; Gruppen, Hayne und Waͤlder, worinn der ſtille Silber - ſchimmer umher ſchleicht, und ſich in tauſend erheiterte Stellen zerſtreut; ein ruhiges Thal, von erfriſchten Kraͤutern, oder gemaͤhetem Klee duftend; Pflanzungen von wohl - riechenden Blumen und Straͤuchern alles dies ſcheint zum wolluͤſtigen Genuß ei - ner ſchoͤnen Sommernacht zu gehoͤren. In einer Gegend, mit dieſen Annehmlichkeiten bereichert, iſt ein Schlafkabinet nicht blos eine ſchickliche Verzierung der Scene, ſon - dern es kann auch zum anmuthigen Gebrauch eingerichtet werden, wie ſchon an ei - nem andern Ort gezeiget iſt. *)S. 3ten B. S. 37.Seine Beſtimmung kann durch die Form, durchdie23nach den Tageszeiten. die aͤußere und innere Verzierung mit Bildhauerarbeit und Gemaͤlden, und ſelbſt durch eine kurze Inſchrift deutlicher bezeichnet werden. Eine ſanfte Einladung zur Ruhe empfange den Muͤden beym Eintritt.

Frey von des Tags unruhigem Getuͤmmel
Entſchlummert die Natur;
Die ſtille Racht ſenkt ſich herab vom Himmel
Auf Wald und Flur.
Der Abendwind kuͤhlt ſanft die ſchwuͤlen Luͤfte,
Und Wieſe, Hayn und Au
Streun ringsumher balſamiſchſuͤße Duͤfte,
Erfriſcht vom Thau.
Schon winket mir der Schlummer, und ſchon ſinken
Die muͤden Augen zu;
Kaum ſeh ich noch den Abendſtern dort blinken;
O! ſuͤße Ruh!

Allein der ſchlaffliehende Forſcher der Geſtirne findet in einer ſolchen Gegend gerne auf einer Anhoͤhe ein Gebaͤude, das, wie dieſes, der Mitternacht und der Sternkunde gewidmet iſt.

Es24Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
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25nach den Tageszeiten.

Es ſtellt einen Windthurm nach der Beſchreibung des Vitruv*)Lib. I. cap. 6. vor. Der Triton auf dem Gipfel zeigt mit einer Ruthe die verſchiedenen Wendungen des Win - des. Acht Hauptwinde ſind auf der Frieſe abgebildet; dieſe achte aber ſind wieder, durch die an den obern Rinnleiſten angebrachten Koͤpfe und die muſchelfoͤrmigen Rip - pen des Dachs in vier und zwanzig, die zwiſchen jenen liegen, abgetheilt. Das obere Stockwerk enthaͤlt einen zu aſtronomiſchen Beobachtungen eingerichteten großen Saal, mit weiten Oeffnungen nach allen Seiten.

V Band. DSechster26Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Sechster Abſchnitt. Gaͤrten nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

I. Koͤnigliche und fuͤrſtliche Gaͤrten; Parks der erſten Groͤße oder in einem praͤchtigen Styl.

Bey allen Nationen unterſcheiden ſich die Koͤnige und Fuͤrſten des Volks, auch durch die Art ihrer Wohnung, von ihren Unterthanen und von den uͤbrigen Staͤmmen. Selbſt der Anfuͤhrer einer wilden Horde wohnet in einem groͤßern Zelt oder in einer hoͤher gelegenen Huͤtte. Es geſchah nicht blos aus einem Gefuͤhl der Verehrung, daß rohe Voͤlker ihren Fuͤrſten den Vorzug einer edlern Wohnung ga - ben; auch die Begriffe von Schicklichkeit und Wuͤrde, die ſich in geſellſchaftlichen Verbindungen ſo fruͤh entwickeln, forderten ihn. Und auf die Wahrheit dieſer Be - griffe haben alle aufgeklaͤrte Architekturlehrer das Geſetz gegruͤndet, daß ein Fuͤrſt an - ders, als ſein Unterthan, wohnen, und daß Wuͤrde, Pracht und Groͤße ſein Schloß von der Einfalt und Beſcheidenheit eines Privathauſes unterſcheiden muͤſſe.

Eben dieſer Unterſchied der Wohnung breitet ſich mit Recht auch uͤber die Gaͤr - ten aus. Sie duͤrfen dem Charakter ihrer Beſitzer folgen, und ſind nicht weniger, als die Gebaͤude,*)S. 3ten Band S. 16-17. den allgemeinen Regeln der Schicklichkeit unterworfen. Man ſucht in dem Park eines Luſtſchloſſes doch etwas anders zu ſehen, als in dem Gar - ten einer Privatwohnung.

Durch Groͤße und Pracht muͤſſen ſich die Gaͤrten der Koͤnige und Fuͤrſten aus - zeichnen. Man ſchien die Wahrheit dieſer Forderung ſchon ehemals zu empfinden; allein man ſuchte ihre Befriedigung, wo ſie nicht ganz zu finden war. Man uͤber - haͤufte die Gaͤrten der Fuͤrſten mit einer groͤßern Menge von Waſſerkuͤnſten, von Sta - tuen, Buͤſten, Vaſen, Triumphboͤgen, Obelisken und andern Prachtwerken der Kunſt. Man vergaß aber, daß Pracht und Groͤße auch in der Natur und vor allen in ihr zu ſuchen ſind.

Dieſen Geſichtspunkt ſcheint ſelbſt ein vortrefflicher Dichter in einem Lehrge - dichte von claſſiſchem Werth**)Les Jardins. Poeme par M. l’Abbé Delille. Paris 1782. Cant. 1. p. 8. uͤberſehen zu haben. Indem er die verſchiedeneManier27nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. Manier des Kent und le Notre einander entgegenſtellt, ſo ſagt er von dieſer, daß ſie in den Gaͤrten der Großen doch ihren Platz verdiene.

L’un eſt fait pour briller chez les grands & les rois;
Les rois ſont condamnés à la magnificence.
On attend autour d’eux l’effort de la puiſſance;
On y veut admirer, enivrer ſes regards
Des prodiges du luxe & du faſte des arts.
L’art peut donc ſubjuguer la nature rebelle.

Indeſſen ſetzt er eine mehr uͤberlegte Einſchraͤnkung hinzu:

Mais c’eſt toujours en grand qu’il doit triompher d’elle:
Son éclat fait ſes droits; c’eſt un uſurpateur
Qui doit obtenir grace, à force de grandeur.

So moͤgen Verſailles und Sans-Souci, als Muſter zu dieſer Vorſchrift, durch die Wunder der Kunſt glaͤnzen. Aber ſollen denn die Koͤnige auch nicht die Wunder der Natur ſehen? Sollen ſie denn ſelbſt in ihren Gaͤrten noch immer von der blendenden, oft ſo leeren Pracht, die ſie am Thron umgiebt, verfolgt werden?

Es giebt eine Groͤße in der Natur, die alle Macht der Kunſt nicht hervor - bringen kann. Eine Lage ganz nahe am Meer, oder auf einer Anhoͤhe, von welcher der Blick weite Landſchaften uͤberſchaut, die in ferne Gebirge hinausdaͤmmern, oder in eine Reihe praͤchtiger Waͤlder hinſtreift, hinter deren Schatten der unermeßliche Ocean hervorglaͤnzt, hat ohnſtreitig eine Erhabenheit, die jede Kuͤhnheit des menſch - lichen Geiſtes uͤberſteigt. Gebt hier den Koͤnigen ihre Sommerſchloͤſſer, wie ſie Daͤnnemarks Koͤnige zu Friedrichsberg,*)S. 3ten B. S. 217. zu Sophienberg,**)S. 214. zu Ma - rienluſt***)S. 210. haben. Laßt die Wellen des Meeres unter der Staͤrke ihrer Flotten ſich ſchmiegen, oder die reichen Handlungsſchiffe ihrer Voͤlker ſanft in friedfertige Haͤfen fuͤhren. Laßt ſie in ihren weit gedehnten und geſegneten Provinzen die Staͤdte uͤberſchauen, wo der Fleiß bey der Kunſt wohnt, die Landhuͤtten, wo Zufriedenheit ſich der Arbeit zugeſellt, die Huͤgel, die mit ungezaͤhlten Heerden bedeckt ſind, dieD 2Fluren,28Sechster Abſchnitt. GaͤrtenFluren, deren reiche Saaten in die Ferne hinwallen. Iſt dieſer Anblick nicht erhe - bend, nicht edler, als der Anblick von koſtbaren unnuͤtzen Waſſerkuͤnſten, oder coloſ - ſaliſchen Statuen, oft ungluͤcklich genug bis zur Unkenntlichkeit nachgeformt?

Nach der Groͤße der Lage fordern die Gaͤrten der Koͤnige und der Fuͤrſten einen weitern Umfang, als andere Gaͤrten, ſowohl nach den Begriffen der Wuͤrde, als auch, weil ſie dem Gefolge des Hofes, oft auch dem Volke zum Spaziergang offen ſtehen. Es muß Platz zum Ausweichen ſeyn. Allein es muß auch eine Gegend oder vielmehr eine Folge von Gegenden ſeyn, die nichts Duͤrftiges, nichts Gemeines zeigen, ſondern geſchickt ſind, durch Bepflanzung und Auszierung zu einer großen Wirkung eingerichtet zu werden. Alles, was dieſe Wirkung hervorbringt und un - terſtuͤtzt, gehoͤrt in den Plan der Anlage; jeder Zuſatz, der einen Geiſt der Kleinig - keit verraͤth, jedes kunſtreiche Spielwerk, jede gewitzelte Taͤndeley, ſo ſehr auch alles dies nach dem jetzigen Geſchmack der Hoͤfe ſeyn moͤchte, die in ihren oͤffentlichen Wer - ken ſo oft ihre Wuͤrde vergeſſen, alles dies iſt hier zu verbannen.

Praͤchtige Waͤlder und majeſtaͤtiſche Maſſen von Gruppen, weite Oeffnungen und Zwiſchenraͤume mit Raſen und Gebaͤuden erheitert, große helle Seen mit ſchoͤn umkraͤnzten Ufern, lebhafte Fluͤſſe und ſtarke Waſſerfaͤlle, Ausſichten in reiche Land - ſchaften, edle Tempel auf Anhoͤhen und wichtige Monumente machen, mit Weisheit angeordnet, eine Wirkung, die mit der Erwartung von koͤniglichen und fuͤrſtlichen Gaͤrten zutrifft. Jeder Theil hebe ſich durch Groͤße und edle Schoͤnheit; und in der Verbindung aller Theile, in der Uebereinſtimmung der fernen und nahen Maſſen, leuchte ein Geiſt der Anordnung hervor, der ein Gefuͤhl von Wonne vermiſcht mit Bewunderung erregt. Alles ſey lebhaft und glaͤnzend. Die Gebaͤude muͤſſen wohl gewaͤhlt, und ihre Beſtimmung nicht allein den Scenen, ſondern auch der Wuͤrde dieſer Gattung angemeſſen ſeyn. Einſiedlerwohnungen, ſo oft man ſie auch findet, ſcheinen hier unſchicklich. Der Fuͤrſt mag zuweilen die Erquickung der Einſamkeit ſuchen, er darf ſich nur nicht in einen Waldbruder verkriechen; ſein Volk verlangt ihn unter ſich zu ſehen, um Licht und Waͤrme von ihm zu empfangen. Aber Tem - pel von edlen Formen und Beſtimmungen zieren mit Recht ſeinen Garten. Er mag ſie der Weisheit, dem Apoll, den Muſen, der Wohlthaͤtigkeit, der Großmuth, der Vaterlandsliebe, dem Frieden widmen; wer huldigt nicht gern dem Fuͤrſten, der dieſen Gottheiten oder Tugenden auch an dem Ort ſeines Vergnuͤgens huldigt? Al - lein dieſe Gebaͤude muͤſſen nach dem, was ihre Beſtimmung fordert, ſich durch einen reichen, glaͤnzenden und doch edlen Geſchmack hervorheben; und ſelbſt ihr aͤußeres An - ſehen, ſelbſt ihr Anſtrich, kuͤndige dem Auge an, was es bewundern ſoll.

Die29nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Die Natur ſcheint einige Baͤume und Gewaͤchſe, durch die Pracht ihrer Hoͤhe und ihres Anſehens, fuͤr die Gaͤrten der Fuͤrſten beſonders auszuzeichnen. Verſchie - dene Arten von Ahorn, als

  • d〈…〉〈…〉 le〈…〉〈…〉 e (Acer Platanoides, L.)
  • der Zuckerahorn (Acer Saccharinum, L.)
  • der italiaͤniſche Ahorn (Acer Opalus, L.)
  • der abendlaͤndiſche Platanus,
  • der Tulpenbaum,
  • die italiaͤniſche und caroliniſche Pappel,
  • die caroliniſche Linde,
  • die große amerikaniſche Eiche,
  • die Weyhmouthsfuhre,
  • die weiße Ceder (Cupreſſus Thyoides, L.)
  • die virginiſche Cypreſſe (Cupreſſus diſticha, L.)
  • die Balſamtanne (Pinus balſamea, L.)
  • der Lerchenbaum

dieſe und ihnen aͤhnliche Baͤume von einem ſtolzen Wuchs oder einer vorzuͤglichen Seltenheit empfehlen ſich mit Recht zur Bildung der Hayne und Gruppen in die - fen Gaͤrten. Der Kuͤnſtler, der ſie in ſeinen Pflanzungen gehoͤrig zu verbinden weiß, kann ſehr große Wirkungen gewinnen. Noch mehr wird er gewinnen, wenn er Beurtheilung genug beſitzt, mit ihnen ſolche Stauden und Blumengewaͤchſe ge - ſchickt zu vereinigen, die ſich durch ihren hohen Wuchs, durch die Groͤße, die Leb - haftigkeit, den Glanz und die Mannichfaltigkeit ihrer Blumen auszeichnen. Große Gruppen von ſolchen Gewaͤchſen, wohl gepflanzt und unterhalten, erheben ſowohl auf freyen Raſen, als auch in Haynen und zwiſchen Baumgruppen zerſtreut, ſehr fuͤhlbar die Pracht der Scenen. Hiebey haͤngt nicht wenig von der Wahl der Ge - genden ab. Ein Hayn oder eine Sammlung von Gruppen, die einen praͤchtigen Auftritt darſtellen ſollen, darf nicht in der Tiefe, kaum einmal auf einer Ebene, an - gepflanzt werden. Ein Berg oder eine maͤßige Anhoͤhe giebt eine dieſem Charakter mehr angemeſſene Lage. Eine Pflanzung, die ſich allmaͤlig aufſteigend auf einer Hoͤhe hebt, gewinnt nicht blos einen Schein von Groͤße, ſondern faͤllt auch edler ins Auge.

Fuͤrſtengaͤrten bey Reſidenzen ſcheinen ſchon mehr Ausdehnung und Pracht zu erfordern. Sie muͤſſen Raum haben fuͤr die groͤßern Verſammlungen des Volks,D 3nicht30Sechster Abſchnitt. Gaͤrtennicht allein zu Spaziergaͤngen, ſondern auch zu den oͤffentlichen Feſten, die hier zu - weilen zu halten ſind. Unter dieſen Feſten verſtehen wir nicht die eben ſo ſchnell ver - praſſelnden als unnuͤtzen Feuerwerke, wodurch oft an Einem Abend die Einkuͤnfte einer ganzen Provinz, dem Landmann, den Kuͤnſten, den Krankenhaͤuſern entriſſen, in die Luft fliegen; nicht jene tobenden Ergoͤtzlichkeiten, unter welchen der Donner der Kanonen die Pflanzungen zittern macht, und ihre geſangreichen Bewohner ver - ſcheucht. Es giebt ſanftere und edlere Gartenfeſte, Feſte zum Andenken gluͤcklicher Begebenheiten des Landes, wo der Fuͤrſt ſeinen Unterthanen die Freuden der Muſik und des Tanzes vor ſeinen Augen erlaubt; Feſte der Verbindungen armer Dorfmaͤd - chen auf Koſten des Staats mit tugendhaften Juͤnglingen; Feſte des Fruͤhlings und der Aerndte, belebt durch feyerliche Geſaͤnge; verfeinerte Nachahmungen arcadiſcher Beluſtigungen durch Spiel und Handlung; ſo manche Arten von noch wenig einge - fuͤhrten, noch unerkannten Ergoͤtzungen der Prinzen, wobey ihre Wohlthaͤtigkeit die Unſchuld und die Luſt laͤndlicher Scenen begleiten koͤnnte.

Auch mag ſelbſt in ſolchen Luſtſchloͤſſern, die der gewoͤhnlichen Reſidenz ſehr nahe ſind, mehr Groͤße und Glanz der Architektur erſcheinen, wie in dieſen bey - den Gebaͤuden. *)Die innere Einrichtung dieſer Gebaͤude ſehe man hinten in dem Verzeichniß der Kupferverzierungen.

Je31nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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32Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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Je weiter ſich die Luſtſchloͤſſer der Koͤnige und Fuͤrſten von ihren Reſidenzſtaͤd - ten entfernen, deſto mehr ſcheinen ſie auch den Charakter einer gemaͤßigten Groͤße und Hoheit annehmen zu duͤrfen, doch ohne der Wuͤrde ihrer Bewohner etwas zu entziehen. *)Man vergleiche 3ten B. S. 16.Die Vorſtellungen von Luſtſchloͤſſern, die hier folgen, geben, mit den vorigen Gebaͤuden verglichen, hieruͤber ſogleich dem Auge des Beurtheilers eine Aufklaͤrung.

So33nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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V Band. E34Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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35nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

So darf ein fuͤrſtlicher Park, dem Charakter dieſer Luſtſchloͤſſer zuſtimmend, in der Entfernung von der Reſidenz, ſchon weniger Umfang, weniger Reichthum und Pracht haben. Er darf mehr von der ungeſchmuͤckten Natur, weniger von den Be - ſtrebungen der Kunſt zeigen. Er darf ſelbſt, als ein Ort der Erholung von den Geſchaͤften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einſamkeit ſeiner Lage, durch die Stille der Waͤlder, durch die ſanfte geraͤuſchloſe Laͤndlichkeit ſeiner Ausſichten ſich auszeichnen. Manche Fuͤrſten liebten mit Recht ſolche entferntere Gegenden; ſie gaben hier ihren Schloͤſſern mit ihrem Namen auch den Namen der Ruhe, die ſie ſuchten.

Dieſer ſchaͤtzbare Geſchmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens ſcheint ſich unter ihnen in unſern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geiſt der Gaͤr - ten kann ihn unſtreitig mehr naͤhren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Gluͤckliche Fuͤrſten, die ſchon in ihrer Jugend lernten, ſich an den ſanften Erholungen im Arm der Natur zu begnuͤgen! Denn der Geſchmack an der Natur verfeinert den Geiſt und veredelt die Empfindungen; er beſaͤnftigt jede ungeſtuͤme Leidenſchaft; er erweckt den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verſchoͤnern, nicht ſie zu verheeren; er beſeligt das Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu ſeltenen Erfahrung:

Nicht im Getuͤmmel, nein, im Schooße der Natur,
Am Silberbach, in unbelauſchten Schatten,
Beſuchet uns die wahre Freude nur;
Und uͤberraſcht uns oft auf einer Spur,
Wo wir ſie nicht vermuthet hatten.
*)Wieland.
*)
E 2II. Gaͤr -36Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

II. Gaͤrten fuͤr den Adel und fuͤr Perſonen vom Stande; Parks in einem edlen Styl.

Die Gaͤrten der Fuͤrſten, wenn ſie nach den eben angefuͤhrten Bemerkungen ange - legt werden, machen mit ihren Gebaͤuden unſtreitig Parks der erſten Groͤße, Parks in einem praͤchtigen Styl aus. Sie heben ſich als die anſehnlichſte Gat - tung von Gaͤrten, durch Umfang, durch Erhabenheit und Glanz. Sie machen aber immer nur eine beſondere und beſtimmte Gattung aus; denn Park und Garten koͤnnen durch keinen weſentlichen Unterſchied getrennt werden, obgleich die gemeine Meynung unter jenem uͤberhaupt mehr Ausdehnung der Gegenden, mehr freye land - ſchaftliche Natur, mehr Mannichfaltigkeit der Scenen zu begreifen pflegt.

Die Landhaͤuſer des Adels duͤrfen keine Majeſtaͤt oder Hoheit zeigen; Wuͤrde, mit einer gewiſſen gemilderten Pracht vereinigt, iſt ihr anſtaͤndiger Charakter. *)S. 3ten B. S. 16-17.

Und37nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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38Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Und dieſer Charakter muß auch ihre Parks auszeichnen. Sie duͤrfen ſchon weniger Umfang in der Landſchaft einnehmen; die Pflanzungen duͤrfen weniger aus gewaͤhl - ten und ſeltenen Gewaͤchſen zuſammengeſetzt ſeyn; die kuͤnſtlichen Anlagen duͤrfen we - niger Aufwand, beſonders die Gebaͤude weniger Glanz und Pracht zeigen.

Dennoch findet in den Parks dieſer Gattung, die naͤher an die Natur als an die Kunſt ſich halten, eine Wuͤrde, ein Reichthum, eine Mannichfaltigkeit von Scenen Platz, die ſowohl dem Anſehen der Beſitzer zuſtimmen, als auch von einer unerſchoͤpflichen Unterhaltung ſind.

Feyerliche, große und praͤchtige Scenen und Ausſichten, als die Nachbarſchaft des Meeres, oder uͤber einander aufgethuͤrmte Gebirge, ſind nicht von dieſen Parks ausgeſchloſſen; ſie koͤnnen vielmehr als zufaͤllige Theile ſehr willkommen und fuͤr das Ganze der uͤbrigen dieſer Klaſſe zugehoͤrigen Auftritte von einer trefflichen Wirkung ſeyn. Allein man darf ſie hier nicht als ein nothwendiges Zubehoͤr dieſer Gat - tung anſehen.

Alles aber, was die Natur in der Bildung ihrer Gegenden und Ausſichten, in Waͤldern, in Haynen und Gruppen, in Raſen, in Pflanzen und Blumen, in Seen und Waſſerfaͤllen, in Baͤchen und Fluͤſſen Edles und Reizendes hat, und ein - zeln bereits entwickelt iſt;*)S. 2ten B. was der Geſchmack hierinn durch Anordnung, Ver - bindung und Bearbeitung erhoͤhen, was die Kuͤnſte der Bepflanzung, der Bebauung und Auszierung**)S. 3ten B. zur Beſtimmung und Verſtaͤrkung der Wirkungen mit Recht hinzufuͤgen duͤrfen; das gehoͤrt in die Parks dieſer Klaſſe. Sie verſtatten, nach der Verſchiedenheit der Gegenden, alle Arten von laͤndlichen Scenen, und Pflanzungen, von der feinſten Strauchgruppe an, die auf einem Raſen bluͤht, bis zu der kuͤhlen Daͤmmerung des bejahrten Buchwaldes; doch unter dieſem Geſetze, daß uͤberall, wo keine Ueberraſchung Statt hat, Verbindung und ſchicklicher Uebergang ſey. Sie nehmen alle Gattungen von Gebaͤuden auf, von der dunkeln Waldhuͤtte bis zu dem heiterſten Tempel, von dem Muſikhauſe bis zu der Todtenkapelle. Sie koͤnnen daher, in einem ſehr ausgebreiteten Umkreiſe, gleichſam eine Folge von verſchiedenen klei - nen Gaͤrten oder bearbeiteten Gegenden, eine Gallerie von ausgewaͤhlten reizenden Gemaͤlden, welche die Natur entwarf und der Geſchmack vollendete, in ſich faſſen. In ausgedehnten Parks koͤnnen ſelbſt kleine Kirchen oder Kapellen, zum gottesdienſt - lichen Gebrauche beſtimmt, Platz finden. Sie muͤſſen zu dieſer Abſicht von demLand -39nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. Landhauſe etwas entfernt ſeyn, in einer ſtillen, feyerlichen oder ernſten Lage, in eini - ger Dunkelheit, von alten Eichen oder edlen emporſtrebenden Platanen umſchattet; nichts Glaͤnzendes oder Ueppiges in der Naͤhe. In ihrer Bauart muß ſich mit der Einfalt Wuͤrde vereinigen und ein edles aͤußeres Gepraͤge, das ihre Beſtimmung an - kuͤndigt. Hier ſind zwo Vorſtellungen dieſer Art.

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Obgleich40Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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Obgleich ſolche Gebaͤude zu wichtig ſind, als daß ſie blos als Gegenſtaͤnde zur Mit - wirkung bey den Eindruͤcken der uͤbrigen Scenen angelegt werden ſollten, und obgleich auch ihre Lage eben keinen Genuß ihres Anſehens aus einer betraͤchtlichen Ferne ver - ſtattet: ſo duͤrfen doch ihre Wirkungen, wo ſie zufaͤllig eintreffen und zum Vortheil ſich anbieten, nicht vernachlaͤßigt werden; denn dieſe Wirkungen haͤngen ihnen ſo ei - genthuͤmlich an, daß ſie von keinem andern Werke der Architektur leicht zu gewin - nen ſind.

Die Parks dieſer Klaſſe ſtellen verſchoͤnerte Gegenden oder einen ausgeſchmuͤck - ten Theil der Landſchaft dar, worinn der Adel ſeine Beſitzungen hat. Dennoch koͤnnendarinn41nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. darinn ganze Reviere dem Nuͤtzlichen gewidmet bleiben. Man darf keine frucht - baren und fetten Striche blos dem Vergnuͤgen aufopfern. *)S. 4ten B. S. 11-13.Die Getreidefluren, die Waͤlder, die Wieſen duͤrfen ſich nicht allein den Anlagen naͤhern, oder ſie um - kraͤnzen; ſie koͤnnen ſelbſt, wenn ſie nicht zu ausgedehnt von Umfange ſind, als laͤnd - liche Scenen und als anmuthige Unterbrechungen in dem Bezirk eines betraͤchtlichen Parks erſcheinen. Die Viehweiden, beſonders der Schafe und Rinder, ſtellen ſehr frohe und belebende Auftritte dar, die eben ſo wenig aus dem Bezirk laͤndlicher Luſt - plaͤtze auszuſchließen ſind, als ein kluger Landwirth ſie von ſeinem Anblick verban - nen wird.

Bey allen einzelnen Theilen, die in die Bildung eines ſolchen Parks kommen koͤnnen, iſt allerdings die Auswahl und die Verbindung zu einem beſtimmten Gan - zen die vornehmſte Kunſt; und hiebey koͤmmt nicht wenig auf die weiſe Abſonderung alles Unſchicklichen, auf die Vereinigung der innern Anlage mit den umliegenden Auftritten, auf die Einrichtung der Graͤnzen, und auf die Benutzung der Ausſichten in die Landſchaft an. Es iſt uͤber alle dieſe Gegenſtaͤnde ſchon hin und wieder viel in dieſem Werke geſagt. Auch ſind darinn bereits ſo manche edle Parks, beſonders der Britten, beſchrieben. Und dieſe Beſchreibungen, die weit mehr den Geſchmack leiten, als eine Reihe von Regeln, und zugleich die Einbildungskraft mit ſo mannich - faltigen Bildern bereichern, ſind unſtreitig ſehr vortheilhaft fuͤr das Genie des Kuͤnſt - lers, wenn es ſich dabey von einer geſunden Beurtheilung unterſtuͤtzen laͤßt. Auch ohne die Erinnerung an dieſe Vortheile, wuͤrde man wohl die folgende Sammlung von kurzen Entwuͤrfen engliſcher Parks, die zu der edlern Gattung gehoͤren, mit Vergnuͤgen durchlaufen.

Stourton oder Stourhead. **)In Dortſetſhire.

In dieſem angenehmen und reich verzierten Park gelangt man zuerſt auf einen großen Raſenplatz, worauf die Statue des Apoll, eine Kopie von der zu Belvedere in Rom, ſteht. Am Ende des Raſens fuͤhrt ein ſchattigter ſchlaͤngelnder Gang zu einer ſchoͤnen Allee von Kiefern, die auf einen ſehr hohen Obelisk ſtoͤßt, der ſich aber außer der Graͤnze des Parks erhebt. Von hier waͤhlt man einen kurzen Weg durch ein Waldſtuͤck hinab, bis zu einem großen Zelte im morgenlaͤndiſchen Geſchmack. Aus dieſem genießt man einen reizenden Proſpect uͤber den See, das Pantheon, den Sonnentempel, einen herabhaͤngenden Wald, u. ſ. w. welches eine ſehr verſchoͤnerte Landſchaft darſtellt.

ManV Band. F42Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Man geht von hier auf die eine Seite des Sees hinab, und, mittelſt einer hoͤl - zernen Bruͤcke von einem weit geſpannten Bogen im Geſchmack des Palladio, uͤber einen Arm deſſelben, in den erwaͤhnten haͤngenden Wald, worinn hingeſetzte Steine den Weg nach einer Grotte zeigen. Ihr mit Epheu bewachſenes Dach und der mit Kieſeln gepflaſterte Fußboden deuten an, daß es die Wohnung der Natur iſt. Das Licht faͤllt von oben durch eine runde Oeffnung im Dach hinein; durch die hinabhaͤn - genden zarten Zweige ſieht man einen Theil des Sees. In einem Winkel der Grotte erſcheint ein marmornes Gefaͤß zum kalten Bade; das Waſſer dazu koͤmmt aus einer klaren Quelle, die bey einer ſchlafenden Nymphe, die hinten in der Grotte liegt, lang - ſam herablaͤuft.

Nicht weit davon iſt eine kleinere Grotte, die charakteriſtiſch verziert und der Aufenthalt eines Flußgottes iſt, der ſich auf eine Urne lehnt. Das herauslaufende klare Waſſer iſt wirklich die Quelle des Fluſſes Stour, der ſich daraus ergießt und ſodann in den See faͤllt. Von dieſem angenehmen Ort ſteigt man einige Stufen von unbearbeiteten Steinen hinauf, und geht, durch das Gehoͤlze uͤber der Grotte, wieder zum gruͤnen Ufer des Sees hinab, zum Pantheon.

Von dem Gange vor dieſem Gebaͤude ſieht man uͤber den See nach der Anhoͤhe zuruͤck, auf deren Abhange das gedachte Zelt ſteht. Dies Pantheon iſt nach dem roͤmiſchen eingerichtet, und nach dem Tempel der Eintracht zu Stowe wohl das edelſte Gartengebaͤude in England. Die Rotunde hat 36 Fuß im Durchmeſſer, und wird durch eine Oeffnung von oben her erleuchtet. In den Niſchen ſtehen Sta - tuen und uͤber ihnen Basreliefs, die auf ſie Beziehung haben.

Von dieſem Tempel wendet man ſich rechts, und wird durch eine praͤchtige Kaſcade uͤberraſcht, die in ein rauhes Thal außerhalb des Gartens hinabſtuͤrzt. Der Weg fuͤhrt durch ein kleines Gebuͤſch uͤber eine wild angelegte Treppe. Jetzt befindet man ſich auf einmal in einem andern Theil dieſer Anlage; man ſteigt einen Huͤgel hinan, dem die ſteile Hoͤhe durch einen in die Laͤnge gezogenen Fußſteig benommen iſt, und erreicht einen dick gepflanzten Hayn mit einer aus Baumwurzeln verfertigten Ein - fiedeley, worinn ein Todtenkopf und ein Stundenglas die ernſthafte Geſellſchaft des Einſiedlers ſind.

Wenn man von hier auf der Seite des Huͤgels fortwandert, zieht der Tempel der Sonne die Aufmerkſamkeit auf ſich. Aus dieſem ſchoͤnen Gebaͤude uͤberſieht man nicht nur die bisher angefuͤhrten Gegenſtaͤnde, ſondern auch die umliegende Gegend und den Alfredsthurm. Man geht von hier einen Abhang von ſeinem Raſen hinab, und durch eine unterirrdiſche Grotte unter dem Weg hindurch, uͤber den man zuvor vermittelſt des rauhen Bogens weggegangen war. Auf einmal befindet man ſichwieder43nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. wieder bey einer ſteinernen Bruͤcke von drey Bogen, die uͤber einen Arm des Sees gebaut iſt. Von dieſer Bruͤcke und etwas weiter linker Hand ſieht man eine Menge naher und ferner Gegenſtaͤnde, die des Pinſels eines Claude Lorraine wuͤrdig ſind. Von hier geht man am Raude des Gehoͤlzes bey dem Tempel der Ceres von dori - ſcher Ordnung, deſſen Saͤulengang gegen den See liegt, vorbey, durch einen be - deckten Gang nach einem kleinen laͤndlichen Orangeriehauſe, mit Blumenfluren und wohlriechenden Straͤuchern vor dem Eingang; und von hier fuͤhrt ein Fußſteig wie - der nach dem Thorweg, durch den man in dieſe Anlage gekommen war.

Man faͤhrt durch den Park, um den Alfredsthurm zu ſehen. Dies Gebaͤude iſt zum Andenken eines Sieges errichtet, den dieſer große Koͤnig hier erfochten haben ſoll. Man gelangt zuerſt an ein kleines Gebaͤude im gothiſchen Geſchmack, das Kloſter genannt, das eine romantiſche Lage hat. Man koͤmmt weiter, auf einem ſich ſchlaͤngelnden Wege, auf eine ſehr lange Terraſſe, von welcher ſich dem Auge eine ungemein weite Ausſicht uͤber die umliegende Gegend darſtellt. Am Ende der - ſelben ſteht der Alfredsthurm, auf einer vorſpringenden mit Kiefern bepflanzten An - hoͤhe. Es iſt ein großes dreyeckigtes Gebaͤude von weißen Ziegelſteinen, 155 Fuß hoch. Auf jeder Ecke iſt ein Thurm, und in einem eine Windeltreppe, die zu dem oben befindlichen kleinen Zimmer fuͤhrt, das groß genug iſt, um Teleſcope darinn zu haben. Man muß uͤber den weiten Umfang des Laudes, das ſich in der Ausſicht verbreitet, erſtaunen. Inwendig iſt das Gebaͤude oben offen. Sein Hauptzweck iſt, daß es einen Geſichtspunkt abgeben ſoll, und dieſer iſt in der That ſehr edel. Es hat gar keine Verzierungen, ausgenommen Alfreds Statue in einer Niſche uͤber dem Eingang, und beſteht aus nichts als hohen Mauern mit den hervorſpringenden Thuͤrmen. Die Verhaͤltniſſe ſind aber ſo gut, daß man nicht leicht ein Gebaͤude ſehen wird, worinn ſo viel Simplicitaͤt mit wahrer Groͤße verbunden iſt.

Donnington-Caſtle. *)In Berkſhire.

Der Platz um das Wohnhaus iſt mit vielem Geſchmack eingerichtet. Es liegt auf einer Anhoͤhe und hat hinter ſich einen Huͤgel mit Waldung. Um das Haus herum iſt ein ſchoͤner großer Raſenplatz, der ſich zum Waſſer hinabſenkt. Ein be - traͤchtlicher durch die Kunſt noch breiter gemachter Fluß laͤuft darneben mit ſanfter Kruͤmmung vorbey. In ihm liegen drey bis vier Inſeln, wovon eine dick mit Buſch - werk bepflanzt, und der Aufenthalt von Schwaͤnen und allerley wildem Waſſergefluͤ -F 2gel44Sechster Abſchnitt. Gaͤrtengel iſt, die das Waſſer beleben. Jenſeit des Waſſers ſieht man ſanft aufſteigende Kornfelder. Der Raſenplatz iſt mit vielem Geſchmack theils mit einzelnen Baͤumen, theils mit Klumpen beſetzt. Zuletzt iſt das Waſſer an beyden Seiten mit Wald um - geben, und ſchließt die Ausſicht auf eine angenehme Art. Durch beyde Waͤlder ſchlaͤngelt ſich ein Gang laͤngs dem Ufer des Fluſſes, und giebt den Genuß von man - cherley abwechſelnden Ausſichten. An einer Stelle ſteht ein wohlgebauter gothiſcher Tempel von Kieſeln, bey einem Waſſerfall, den der Fluß bildet, indem er eine na - tuͤrliche Reihe von Steinen herabfaͤllt. Donnington-Caſtle muß den Liebhabern der alten engliſchen Dichtkunſt verehrungswuͤrdig ſeyn, weil es der Aufenthalt ihres Vaters, des Geoffrey Chaucer, war. Man zeigt noch den Ort einer großen Eiche, die Chaucers Eiche hieß, worunter der Dichter zu ſitzen und zu dich - ten pflegte.

Summer-Caſtle. *)In Lincolnſhire.

Der Proſpect von Summer-Caſtle iſt ungemein reizend. Das Thal iſt reich mit Holz beſetzt, und der See ſo angelegt, daß er ſich auf eine gluͤckliche Art mit der Waldung verbindet. Das Waſſer thut eine gute Wirkung; es iſt eine halbe (engl.) Meile lang, ſehr breit, und hat die ſchoͤnſten Ufer. Kleine Hayne, einzelne Baͤume und Einzaͤunungen wechſeln auf das angenehmſte mit einander ab. Hier liegt das Dorf an einem ſanften Abhange, und manche Haͤuſer ſtecken zwiſchen den Gebuͤſchen; dort ſchmiegen ſich die Kornfelder zum Waſſer hinab; alles dies verbrei - tet ſo mancherley Abwechſelungen, als man nicht uͤberall bey Waſſerſtuͤcken findet. Seen, die ſich durch ein Thal fortkruͤmmen, und an den Seiten mit großen gruͤnen Plaͤtzen und dicken Waͤldern umgeben ſind, nennt man nordamerikaniſche Scenen, und dieſe ſind jetzt in den Parks ſo haͤufig anzutreffen, daß eine ſolche Abwechſelung von Erſcheinungen, die dem Auge allerley landwirthſchaftliche Geſchaͤfte darſtellen, nicht anders als gefallen kann. Sie thun uͤbrigens die Wirkung, daß das Waſſer dadurch groͤßer ſcheint, als wenn es von einer großen gruͤnen Raſenflaͤche umgeben iſt.

Formark. **)In Derbiſhire.

Dieſer Landſitz liegt einige (engl.) Meilen von Derby, am ſuͤdlichen Ufer der Trent. Das ſchoͤne neue Wohnhaus hat eine weite herrliche Ausſicht uͤber das Thal, wodurch der Fluß laͤuft. Von der Hinterſeite uͤberſieht man verſchiedene Huͤ - gel mit jungen Pflanzungen. Vom Hauſe fuͤhrt ein Gang mit vielen Kruͤmmungendurch45nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. durch einen angenehmen Wald von Eichen ins Thal zur Trent hinab, und lenket ſich wieder auf einen mit Holz beſetzten Felſen, der unter das Sonderbarſte in dieſer Gegend gehoͤrt. Der Fluß hat nirgends ein ſo romantiſches Ufer. Die Felſen ſte - hen ziemlich hoch und ſenkrecht; an einigen Stellen haͤngen die Baͤume von den Spi - tzen auf eine etwas fuͤrchterliche Art herab, und uͤberſchatten das Waſſer. Der Gang laͤuft vom Rande dieſes Abgrundes fort, und man ſieht auf eine maleriſche Weiſe durch die Baͤume auf den unten ſich fortkruͤmmenden Fluß hinab. Hin und wieder ſind natuͤrliche Durchſichten durch die Baͤume, wodurch man die Landſchaft mit den darinn abwechſelnd liegenden Doͤrfern erblickt. Der Gang laͤuft laͤngs dieſem jaͤhen Abhange, und durch ein Thal fort, deſſen Ende mit dicker Waldung beſetzt iſt. Man ſteigt darauf einen ſteilen Huͤgel ohne Felſen hinan, der dick genug bepflanzt iſt, um den Anblick des Waſſers ſo lange zu verbergen, bis man die Spitze erreicht, und aus dem Schatten in einen Tempel tritt, wo einer der herrlichſten Proſpecte auf einmal hervorbricht. In einer großen Tiefe ſieht man die Trent ſich in kuͤhnen Wendun - gen durch das Thal kruͤmmen, das aus eingezaͤunten Wieſen von dem ſchoͤnſten Gruͤn beſteht. Zur Linken laͤuft ſie nach einem Dorfe, aus deſſen Mitte ſich eine weiße Kirche erhebt, und hinter den Haͤuſern ſchleicht ſie ſich wieder durch Umzaͤunungen von Hecken und einzelnen Baͤumen fort. Hinterwaͤrts erblickt man den vorher ge - dachten Felſen, und geht durch verſchiedene mit einander verbundene Pflanzungen zuruͤck.

Sandbec. *)In Yorkſhire. Das Landhaus ſteht im 4ten B. S. 13.

Dieſer Park iſt mit großem Geſchmack angelegt. Ein mit Waſſer verſehenes Thal iſt mit verſchiedenen Abhaͤngen umgeben, die ſich ſanft ſenken und oben mit einem dicken Walde bepflanzt ſind. Rings herum geht ein mit Kies befahrner Weg durch ein großes Raſenſtuͤck, das durch die neuen Anpflanzungen viele Abwechſelungen be - kommen hat. An einigen Orten ſtehen die Baͤume in Klumpen, an andern einzeln zerſtreut. Die Schattirungen ſind durch die Pflanzung der Baͤume am rechten Ort abwechſelnd und mit Geſchmack angebracht. An einigen Stellen zeigt ſich das Waſ - ſer in breiten Flaͤchen, an andern wird es durch die ſich hineinſtreckenden Raſenſtuͤcke unterbrochen, und dadurch ſcheinen Fluͤſſe nach verſchiedenen Richtungen zu entſte - hen. Kleine Meerbuſen verlieren ſich zuletzt in den Wald. Zuweilen iſt das Ufer mit einzelnen Baͤumen beſetzt, durch deren Zweige man das Waſſer ſieht; zuweilen ſtehen ſie ſo dick, daß ſie einen ſchwarzen Schatten auf das Waſſer werfen; mit einem Worte, man uͤberſieht ein ſchoͤnes mit Baͤumen beſetztes Ufer.

F 3Der46Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Der Weg fuͤhrt zu einem Huͤgel, von dem man einen herrlichen Proſpect des Hauſes, des Parks, des Sees und der Waldungen hat. Das weiße Gebaͤude mit einem Walde von fuͤnfhundert Ackern macht hier eine ſchoͤne Wirkung, und nicht weniger zeigt ſich auch das Waſſer mit den offenen gruͤnen Plaͤtzen aus einem vortheil - haften Geſichtspunkt. Die maleriſchen Ruinen dieſes Parks ſind ſchon an einem an - dern Orte beſchrieben. *)S. 3ten B. S. 116-117. Die erſte dieſer Beſchreibungen iſt aus Volkmanns, die uͤbrigen ſind aus Youngs Reiſen durch England. Zu den in dieſer Theorie bereits angefuͤhrten Quellen, woraus man die Parks der Englaͤnder kennen lernen kann, moͤgen, außer verſchiedenen einzelnen Be - ſchreibungen, noch dieſe gerechnet werden: Peep into the principal Seats and Gar - dens in and about Twickenham with a fuitable companion for thoſe who wishto viſit Windſor or Hampton-Court. By a Lady of diſtinction in the Republic of Lettres. kl. 8. London 1775. Dieſe kleine Schrift von wenigen Bogen giebt zwar nur kurze Nachrichten, iſt aber als Ta - ſchenbuch fuͤr Reiſende bequem. Meiſt in dem Geſchmack iſt: Sketch of a Tour into Derbyshire and Yorkshire, including part of Buckingham, Warwick, Leiceſter, Not - tingham, Northampton, Bedford, and Hertford-shires. 8. London 1778. und: A new pocket companion for Oxford. 1778.

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III. Pri -47nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

III. Privatgaͤrten; buͤrgerliche Gaͤrten; Blumengaͤrten.

1.

Dieſe Gattung iſt ſehr zahlreich; man findet ſie faſt bey allen wohlangebauten, ſtark bewohnten und ſich gut naͤhrenden Staͤdten; am meiſten rings um reiche Handelsplaͤtze. Die Geſchaͤfte ihrer Beſitzer verſtatten ſelten, daß Gaͤrten dieſer Klaſſe in betraͤchtlicher Entfernung von den Staͤdten angetroffen werden, fondern for - dern faſt immer, daß ſie in ihrer Nachbarſchaft umher liegen. Wer indeſſen die Ruhe eines gluͤcklichen Privatlebens, das mit keinen oͤffentlichen Geſchaͤften fuͤr den Staat und fuͤr ſeinen Mitbuͤrger belaſtet iſt, mit aller Freyheit genießen kann, der verbirgt ſich lieber in den Schatten des Landes, ferne von der Stadt, als daß er in ihrer Naͤhe verweilen ſollte.

Die
*)1778. hat, als einen Anhang, Beſchreibun - gen der Landſitze Blenheim, Ditchley, Hey - thorp, Nuneham und Stowe. Zu den Be - fchreibungen, die mit Abbildungen beglei - tet ſind, gehoͤren folgende Werke. A new Display of the beauties of England, or a deſcription of the moſt elegant public Edifices, Royal Palaces, Noblemen’s and Gentlemen’s Seats &c. 3te Edit. London. 8. 1776. 2 Baͤnde, enthaͤlt unter andern ei - ne Menge von Beſchreibungen und ſchoͤnen Abbildungen der vornehmſten Landſitze und Parks. The modern univerſal British Tra - veller, or a new complete and accurate Tour trough England &c. Fol. London 1779. mit 100 Kupfern. Die Proſpecte von Landſitzen ſind faſt dieſelben, wie in dem oben angefuͤhrten Werke, und groͤßer, aber nicht ſo ſauber. Ein neues vortreff - liches Werk iſt: A Collection of one Hun - dred and Fifty ſelect views in England, Scotland and Ireland, Drawn by P. Sand - by Eſqu. R. A. Vol. 2. Printed for John Boydell. London 1781. Außer den Ab - teyen, alten Schloͤſſern, Ruinen, und man -cherley herrlichen und romantiſchen Pro - ſpecten, trifft man hier verſchiedene uͤber - aus feine Vorſtellungen von Landhaͤuſern des Adels und Scenen aus den Parks an. Zur beſondern Kenntniß alter Schloͤſſer und Ruinen von Kloͤſtern und Abteyen in maleriſchen Ausſichten, dienen dieſe zwey Werke: England illuſtrated, or a compen - dium of the Natural Hiſtory, Geography, Topography and Antiquities of England and Wales. 4. London. 2 Vol. 1764. und folgendes. The Antiquities of England and Wales, by Francis Groſe. 4. London. 4 Vol. 1773. Nach den ſchon angefuͤhrten Beſchreibungen und Abbildungen von Sto - we (1ſter B. S. 69. 3ter B. S. 135.) verdient noch dieſe bemerkt zu werden: Sixteen perſpective views together with a General Plan of the magnificent Buil - dings and Gardens at Stow. Fol. London. 1752. Die Kupfer, die freylich viel beſſer feyn ſollten, ſtellen verſchiedene Theile des Parks, die Gebaͤnde und uͤbrigen Werke der Kunſt doch deutlicher vor, als die kleinern Handbuͤcher von dieſem Garten.
*)48Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

Die Parks des Adels verſchoͤnern die Landſchaft, und die Gaͤrten der Buͤrger die Nachbarſchaft der Staͤdte. Sehr viele anſehnliche und beruͤhmte Staͤdte gewin - nen von den umliegenden Gaͤrten und Sommerhaͤuſern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz, ein ſo reiches Gemaͤlde von Wohlſtand und Ergoͤtzung, daß alle empfindſame Reiſen - de davon bis zu einem hohen Grade entzuͤckt und geruͤhrt werden, wenn gleich dies Gefuͤhl bey den Einwohnern ſelbſt durch den Einfluß der Gewohnheit ſchwaͤcher wird. So iſt das reizende Arnothal, in deſſen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Huͤgel umkraͤnzt, die mit Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt ſind; nirgends in Italien, das doch von Villen ſo ſehr verſchoͤ - nert iſt,*)S. 1ſten B. S. 31. erblickt man an einem Orte eine ſo reiche Sammlung von anmuthigen Landſitzen, die Privatperſonen gehoͤren, als in der Nachbarſchaft von dieſer Stadt. So iſt Marſeille mit einer ſolchen Menge von Gaͤrten und Sommerhaͤuſern gleich - ſam umhuͤllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefaͤhr fuͤnftauſend angiebt. **)Papons Reiſe durch die Provence. Aus dem Franz. 1783. S. 149.Wenn man bis auf eine Meile gegen die Stadt koͤmmt, ſo faͤhrt man beſtaͤndig von der Hoͤhe herunter, unter dem Genuß der praͤchtigſten Ausſicht; denn Marſeille iſt auf zwey Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſtlichen Seite mit hohen Bergen und einer Menge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo mit Landhaͤuſern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer unermeßlichen Vorſtadt von Wohnungen und Gaͤrten gleich ſieht. ***)Sulzers Reiſe durch die mittaͤgli - chen Laͤnder von Europa ꝛc. S. 113.So ſind außer verſchiedenen andern Staͤdten der Schweiz,†)S. 1ſten Band S. 34-35. Zuͤrch, Bern, Lauſanne und Genf rings umher auf ihren Hoͤhen mit Landſitzen und Sommerhaͤuſern um - kraͤnzt. Auch in Deutſchland giebt es wenige große und mittlere Staͤdte, deren benachbarter Bezirk nicht mit Gaͤrten und Landhaͤuſern belebt waͤre. Auch geringere Plaͤtze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhaͤuſern ein Anſehen von Groͤße und Wohlſtand. Ich bin verſchiedenemale durch die hannoͤveriſche Stadt Muͤnden auf der Straße zwiſchen Goͤttingen und Caſſel gereiſet, und immer von der bezau - bernden Schoͤnheit ihrer Lage ſo ſehr entzuͤckt worden, daß ich mich kaum ihrem An - ſchauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der Zuſammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zuſammenſtoßen, um die We - ſer zu bilden, die ſchoͤnen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwi - ſchen ihnen die weite gruͤne Ebene, durch welche der erſte Fluß auf der jenſeitigen heſſiſchen Graͤnze ſich herabwindet, an den Abhaͤngen umher die vielen kleinen Som -merhaͤu -49nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. merhaͤuſer, die von der Bauart nichts Schoͤnes haben, aber durch ihre ſanfte Lage, zwiſchen Gaͤrtchen und Gebuͤſchen halb verſteckt, intereſſant werden, alles dies macht zuſammen eine der anmuthigſten Landſchaften in Deutſchland aus, die in England lange ſchon einen Zeichner gefunden haͤtte, und bey uns kaum noch einen Beſchrei - ber hat.

Vornehmlich ſind es reiche Handelsplaͤtze, um welche ſich dieſe Gattung von Gaͤrten zu haͤufen pflegt. Der Ueberfluß oder Wohlſtand, den das Gluͤck des Han - dels erzeugt, erregen ſehr bald die Begierde, ſich durch einen groͤßern Aufwand in Wohnungen und Gaͤrten, ſo wie in Geſellſchaften und Gaſtmalen, auszuzeichnen. Auch ſuchte der Mann, der von der Laſt der Geſchaͤfte und dem Gewuͤhl des Handels ermuͤdet war, einen Ort, wo er an ruhigen Tagen ſich wieder erholen, freyer ath - men, ſich ſelbſt und ſeine Familie genießen konnte; er baute ein Landhaus in der Naͤhe der Stadt, und pflanzte ſich einen Garten. So entſtanden, nicht weniger aus Beduͤrfniß als aus Prachtſucht, die meiſten Gaͤrten um anſehnliche Handels - ſtaͤdte, vornehmlich in Holland und in verſchiedenen Provinzen von Deutſchland.

Allein dieſe Gaͤrten fiengen auch hier am erſten an, auszuarten. Der gute Geſchmack iſt nur ſelten im Gefolge des Reichthums. Der Hang zum Aufwand und zum Pomp handelt wenig mit Ueberlegung, und ſucht ſich bald durch jedes Mittel zu befriedigen, das er auf ſeinem Weg erhaſchen kann. Er will Aufſehen und Bewun - derung erregen; er will durchaus glaͤnzen und uͤbertreffen. Die Thorheit der Nach - ahmung geſellte ſich zu ihm. Dieſe rieth ihm, die Gaͤrten der Fuͤrſten zu kopiren, und der Kraͤmer blaͤhete ſich, wenn er, gleich ihnen, auf Waſſerkuͤnſte und Sta - tuen zeigen konnte. Der Genius des Orts raͤchte ſich an der verwegenen Nachaͤffung. Der eingeſchraͤnkte Bezirk des Platzes machte die Unbeſonnenheit nur deſto ſichtbarer. Was in einem ausgedehnten Garten ſchicklich oder ertraͤglich war, ward hier laͤcher - lich. Man eilte darauf von einer Thorheit zu der andern. Man bemalte den Bo - den mit Steinen und Muſcheln, die Thuͤren mit Springwaſſern, und die bretterne Wand mit wilden Thieren; man ſchnitt aus Taxus Kanapees, und aus den Linden Faͤchel. So wurden viele hollaͤndiſche, ſo manche deutſche Gaͤrten bey den nie - derſaͤchſiſchen und andern Reichsſtaͤdten verunſtaltet. Man verſchwendete koſtbare Spielwerke, und glaͤnzte im Prunk laͤcherlicher Verzierungen; und uͤberall ſtand zwi - ſchen dem Reichthum und dem Aufwand, die hier erſchienen, ein Zeuge, der die Ab - weſenheit des Geſchmacks anklagte. Dieſen Bemerkungen, an deren Wahrheit kein Zweifel graͤnzt, darf ich hier noch wohl das Urtheil eines einſichtsvollen Schrift -V Band. Gſtellers50Sechster Abſchnitt. Gaͤrtenſtellers*)Falconers Bemerkungen uͤber den Einfluß des Himmelsſtrichs, der Lage u. ſ. w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543. beyfuͤgen. Der Handel, ſagt er, iſt gewiſſen Producten des Geſchmacks gar nicht guͤnſtig. Werke der Dichtkunſt trifft man kaum bey irgend einer handelnden Nation an, und die Geſchichte iſt hier wenig mehr, als eine trockene Erzaͤhlung ein - zelner Thatſachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrſamkeit hingegen, die bey einem ausgebreiteten Nutzen fuͤr die Geſellſchaft wenig Unterhaltung gewaͤhren, hat man hier mit großem Gluͤck bearbeitet. Die Hollaͤnder z. B. haben uns meh - rere treffliche Werke uͤber das buͤrgerliche und natuͤrliche Recht gegeben, und die Heil - kunſt danket ihnen einige der wichtigſten Erweiterungen. Allein zu ſolchen Kuͤnſten, wo es auf Geſchmack oder auf die Faͤhigkeit ankoͤmmt, die Schoͤnheit wahrzunehmen, und zu empfinden, hat man bey ſolchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt. Dieſer Mangel am Gefuͤhl des Schoͤnen zeigt ſich an Gebaͤuden, Hausrath, und Anlegung der Gaͤrten. Uebertuͤnchte Bildſaͤulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln gepflanzte Baͤume, viereckig oder kugelfoͤrmig geſchnittene, auch wohl in die Geſtalten von Voͤgeln, Baͤren und Menſchen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen bezeichnen hier den Geſchmack des reichen Staͤdters, der uͤberall nichts an der Natur bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit ſie ſo mannichfaltige Geſtalten von der Kuͤnſteley annimmt, und dem alles ſchoͤn iſt, was in die Augen faͤllt, Aufwand er - fordert, und, weil es ſich von dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem Unwiſſenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftſtellern, ſetzt Falconer hinzu, von dem richtigen Geſchmack der Chineſer in Gaͤrten behauptet wird, verdient keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunſtwerken dieſer Nation eine Vorſtellung, nach welcher man vermuthen moͤchte, ihr Verfaſſer, Chambers, habe nur im Scherz geſchrieben. Andere glaubwuͤrdige Schriftſteller hingegen ſagen uns, daß Werke des Geſchmacks bey den Chineſern, eben ſo wie bey andern han - delnden Nationen, ſchwerfaͤllig, ſchimmernd, mit Flitterſtaat uͤberladen, und mit einem geſuchten unnuͤtzen Aufwand verbunden ſind. Die Pracht eines chineſiſchen Gebaͤu - des beſteht in der Groͤße der Balken und Pfeiler, die von dem koſtbarſten Holz gear - beitet ſind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gaͤrten haben ſie nur, um Kuͤchengewaͤchſe darinn zu erziehen. **)Eine Beſtaͤtigung deſſen, was ich zu - erſt gegen Chambers uͤber die thineſiſchenGaͤrten geſagt. 1ſter B. S. 81-103. Ein anderes ſehr wichtiges Zeugniß gegen ihn giebt ein neuer beruͤhmter und unpartheyi - ſcher Reiſender, Herr Sonnerat (Reiſe nach Oſtindien und China in den Jahren1774

2. Um51nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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**)1774 bis 1781. Zuͤrch 1783. 2ter Band. S. 21.). Man verſteht in China, ſagt er, nicht einmal die Kunſt, Baͤume zu verpflan - zen, ſie zu beſchneiden und zu pfropfen. Ih - re Gaͤrten ſehen gar nichts aͤhnlich; ſie haben nicht einmal Fruchtbaͤume darinn, wenn die Natur ſie nicht hineinpflanzt. Man hoffe ja nicht darinn, wie in den eu - ropaͤiſchen, Pflanzen aus allen vier Welt - theilen zu finden; ein erkuͤnſtelter Fels, ei - ne kleine Bruͤcke, ein Belveder, und eini - ge Irrgaͤnge ſind die ganze Verzierung da - von. Der ſo hoch beruͤhmte Ackerbau be -ſteht in der Pflanzung des Reis, den ein bis an die Knie im Waſſer ſtehender elender Kerl in die am Ufer der Fluͤſſe gemachten Loͤcher vertheilt. Die Chineſer haben nicht einen einzigen Maler; ſie wiſſen weder Zeichnung noch Stellung in ihre Stuͤcke zu bringen, und haben keinen Begriff von der Perſpective. Man findet uͤberall keinen Baumverſtaͤndigen. Selbſt die Tempel, die in allen uͤbrigen Laͤndern durch ihre Pracht Ehrfurcht einfloͤßen, haben in China nichts von Majeſtaͤt an ſich.
**)
52Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

2.

Um dem wahren Charakter, der dieſer Gattung von Landwohnungen und Gaͤr - ten zukoͤmmt, uns mehr zu naͤhern, verdient zuvoͤrderſt bemerkt zu werden, daß ſehr viel von ihrer Lage abhaͤngt, wenn ſie einen vortheilhaften Proſpect nicht allein zur Verſchoͤnerung einer Gegend verbreiten, ſondern auch ſelbſt genießen ſollen. Eine ungemein friſche Lage geben die Ufer eines Fluſſes, noch mehr eines Sees. Hier ver - doppeln die Gebaͤude in dem Wiederſchein den Reiz ihres Anſchauens aus der Ferne, und empfangen ſelbſt von dem Licht und der ſpielenden Bewegung des Waſſers eine neue Heiterkeit. Auf Anhoͤhen, zwiſchen wellenfoͤrmig ſich dahin ſchmiegenden Huͤgeln, an ſanften Abhaͤngen hoher Berge, gewinnen kleine Sommerhaͤuſer mit ihren Gaͤr - ten ein maleriſch reizendes Anſehen. Noch ſchoͤner, wenn gleich an den Fuß der Hoͤ - hen, von welchen ſie herabhaͤngen, das Meer ſeine Wogen hinwaͤlzt, wie an dem ſeelaͤndiſchen Ufer zwiſchen Kopenhagen und Helſingoͤr, oder heitere Landſeen, wie um Genf und Neuſchatel, ihre leichtern Wellen ſanft hinſpielen laſſen. Nicht weniger traͤgt zur Schoͤnheit der Lage bey, wenn rings umher die Gegend um die Sommerhaͤuſer viel Gebuͤſch und Pflanzung zeigt, aus deren dunklem Gruͤn die weiſ - ſen Vorderſeiten hervorſchimmern.

Alle dieſe Lagen gewaͤhren den Vortheil einer anmuthig unterhaltenden Aus - ſicht. Dieſer Vortheil iſt hier um ſo wichtiger, weil dieſe Gaͤrten nicht allemal einen ſo weiten Bezirk umfaſſen, daß darinn eine betraͤchtliche Mannichfaltigkeit von innern Scenen Platz finden koͤnnte. Die Ausſicht in die Landſchaft, die uͤberhaupt bey jeder Anlage vom heitern Charakter unentbehrlich iſt, verguͤtet hier die Einſchraͤnkung des Beſitzes und den Mangel vieler Auftritte und Veraͤnderungen in dem innern Vezirk. Ein kleiner Platz kann durch die Ausſicht hoͤchſt intereſſant werden, wie man beſonders in ſo vielen Gaͤrten der Schweiz ſieht. Und dieſe Lebhaftigkeit, dieſe Groͤße, die - ſer Reichthum, dieſe Mannichfaltigkeit, dieſer Zauber in landſchaftlichen Ausſich - ten, die[oft] aus einem engen Winkel genoſſen werden, wird, wo die Natur ſie ver - ſagt, von keiner Macht der Kunſt fuͤr weite Anlagen hervorgerufen.

Eben der engere Raum, der gemeiniglich nur dieſer Gattung von Gaͤrten ver - ſtattet iſt, erlaubt keinen Reichthum von Scenen, der ihn bald zu ſehr uͤberladen und verſtellen wuͤrde. Die Gegend iſt meiſtens nur von einem gewiſſen beſtimmten, aber einfachen Charakter. Und dieſe Einfachheit muß auch bey allem, was Kunſt und Geſchmack bey einem ſolchen Platz vornehmen, beybehalten werden. Alle Verſchoͤ - nerungen muͤſſen nach dem natuͤrlichen Charakter der Gegend ſich richten.

Wird53nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Wird nur dieſes Geſetz beobachtet, ſo kann der Beſitzer ſeinen Platz nach ſei - nem Geſchmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantiſche oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernſthafte, das Zierliche oder das Nachlaͤßige, das Verſchloſſene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl ſeiner Gewaͤchſe und ſeiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer be - ſcheidenen Maͤßigung vergeſſen. Das Wohlfeile und das Nutzbare iſt hier weit ſchicklicher, als das Koſtbare und weniger Nuͤtzliche. Viele edle Fruchtarten ver - dienen hier das Recht des Vorzugs vor blos ſeltenen Pflanzen. In jeder Anpflan - zung und Einrichtung herrſche Geſchmack, in jeder Verzierung Beſcheidenheit. Die Laube oder das freyere Gebuͤſch mag ſich mit der Buͤſte eines Freundes des Beſitzers, oder mit der Statue eines Patrioten ſeines Vaterlandes ſchmuͤcken; von ihren ſchoͤ - nen Kindern umringt, mag Flora ſich hier einen Kranz winden. Allein ſolche Werke der Kunſt muͤſſen ſich in Anlagen dieſer Art nur ſehr ſelten zeigen. Viel Gruͤn der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewaͤchſe, mit nuͤtzlichen Arten vermiſcht, ein reiner Bach oder ein kleiner Waſſerfall, wo es die Gegend verſtattet, freye und beſchattete Spaziergaͤnge, ruhige Sitze unter Bedeckun - gen des Laubes fordert dieſe Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und unterhaltend ſeyn, und dazu gehoͤrt beſonders auch eine kluge Wahl der landſchaftli - chen Ausſichten, zumal, wenn der Bezirk an Einſchraͤnkung und an einer gewiſſen Duͤrftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung ſich hier nicht immer einer freyen Manier uͤberlaſſen; die Symmetrie wird zuweilen zulaͤßig. *)S. 1ſten B. S. 140.Es iſt nichts ſo ſchwer, als einen Garten natuͤrlich einzurichten, wo die Natur ſelbſt ihren Beyſtand dazu verſagt; und dies iſt nicht ſelten der Fall auf den Plaͤtzen, wo kleine buͤrgerliche Gaͤrten bey Staͤdten angelegt werden.

Ein beſonderer Unterſchied dieſer Gattung ſcheint darinn zu beſtehen, daß ſie mehr das Bearbeitete, das Verſeinerte, das Geſchmuͤckte in einzelnen Theilen ver - goͤnnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Groͤße ihres Charakters nicht uͤberall ſo vollenden koͤnnen, noch duͤrfen. Weil die Theile kleiner, weniger verviel - faͤltigt und verwickelt, dem Auge mehr uͤberſehbar ſind, und oͤfter erſcheinen: ſo fal - len ihre Maͤngel leichter auf, und deſto geſchaͤftiger iſt daher der Fleiß der Ergaͤn - zung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit ſich in buͤrgerlichen Gaͤrten mit einigem Vorrecht auszeichnen.

Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zuſammengeſetzter Gegen - den iſt, die Wirkung ſtarker Contraſte und ſchneller Uebergaͤnge, der Eindruck derG 3Wildniſſe,54Sechster Abſchnitt. GaͤrtenWildniſſe, der Gebirge, der Felſen, alles dies iſt, in ſo fern es nicht leicht in dem Bezirk dieſer Gattung Platz hat, von ihr ausgeſchloſſen. Sie liebt aber das Feine der Umriſſe, das Liebliche der Formen, das Sanfte der Verbindung, das Allmaͤ - lige der Uebergaͤnge, das Heitere der Farben, und das Lachende der Ausſichten.

Selbſt mit dem Theil, der ganz allein ein Eigenthum des Nuͤtzlichen zu ſeyn ſcheint, kann ſich eine gewiſſe Anmuth verbinden. Plaͤtze, mit edlen Fruchtbaͤumen bepflanzt, gehoͤren allerdings in Privatgaͤrten. Allein der gute Geſchmack kann hier eine freye Pflanzung waͤhlen, die ſteifen Linien, welche die Natur nicht kennt, verwerfen, und den nuͤtzlichen Obſtbaum in anmuthigen Gruppen ziehen; er kann an den Fruchtbaum den Weinſtock binden, ihn von Stamm zu Stamm in Kraͤnzen lei - ten, oder unter den nutzbaren Zweigen ſich zugleich eine Laube woͤlben; er kann in den Zwiſchenraͤumen ſchoͤne Grasplaͤtze, kleine Vertiefungen und Erhoͤhungen bilden, und in ihrem Bezirk ſich Pfade umherwinden laſſen; er kann hier Baͤche vertheilen, ſie zwiſchen den Staͤmmen in dem gruͤnen Boden lieblich dahin ſpielen oder in plaͤt - ſchernde Waſſerguͤſſe abfallen laſſen; er kann bequeme Sitze anlegen, wo der Eigen - thuͤmer mit ſeinen Freunden gerne in ſuͤßen Gefuͤhlen und Unterredungen unter dem geliebten Schatten ſelbſtgepflanzter Obſtbaͤume ruht. In der That uͤberall kann der geſunde Geſchmack ſeine Verſchoͤnerungen verbreiten, ohne dem Nuͤtzlichen etwas von ſeinem Vorrechte zu entziehen.

Weil es nirgends ſo leicht iſt, als in dieſer Gattung, die Natur zu verfehlen, ſo muß man ſich ſowohl vor der Unſchicklichkeit, als vor dem Ueberfluß der Verzie - rungen huͤten. Nichts iſt gewoͤhnlicher, als hier Dinge aufgeſtellt zu ſehen, die weder mit der Scene ſelbſt, noch mit einem Garten uͤberhaupt die geringſte Verbin - dung noch Wahrſcheinlichkeit haben. Solche Auftritte, ſo ſehr ſie auch dem gemei - nen Vorurtheil gefallen, beweiſen doch allemal eine duͤrftige oder verirrte Einbildungs - kraft und eine gaͤnzliche Unwiſſenheit in den Grundſaͤtzen der Kunſt. Man glaubt einen Garten geſchaffen zu haben, und hat nichts als ein Gemengſel von unharmoni - ſchen und fremden Theilen, eine bloße Decoration, bunt genug, aber ohne Geſchmack und Intereſſe. So wirft man Statuen und Muͤhlen, Thuͤrme und Huͤtten, Kir - chen und chineſiſche Luſthaͤuſer, Einſiedeleyen und Baͤder, Tempel und Kloſterrui - nen oft in einen Umkreis von hundert Schritten zuſammen, und glaubt ein herrliches Werk von Gartenkunſt geſchaffen zu haben. Der ſicherſte Weg, dieſen Ungereimt - heiten zu entfliehen, iſt der, daß man ſich an die Natur haͤlt, und nach ihrer Anlei - tung vornehmlich Baͤumen, Straͤuchern, Blumen, Raſen und Waſſer, womit ſieihre55nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. ihre Landſchaften malt, den Vorrang giebt. Sollten dieſe kraftvollen natuͤrlichen Gegenſtaͤnde nicht immer in einem Garten ruͤhren und gefallen, wie in der Land - ſchaft? Wenn ſie dieſe Wirkung verfehlen, ſo liegt es nicht an ihnen, ſondern an dem Kuͤnſtler, der ohne Geſchmack und Einbildungskraft ſie nicht auszubilden, nicht zu verbinden, nicht zu einem beſtimmten Charakter anzuordnen weiß, der arm an Erfindung nur das Gemeine aufſtellt, nur wiederholt, was er anderwaͤrts geſehen hat, der nicht das wahre Eigenthum jeder Gattung kennt, noch den Umſtaͤnden und Situationen ihre Vortheile abzugewinnen verſteht.

Das Landhaus oder Wohngebaͤude muß mit dem Garten ein Verhaͤltniß ha - ben. Sein Charakter fuͤr einen Privatmann vom Stande ſoll in Anmuth, in Zier - lichkeit und Feinheit beſtehen;*)S. 3ten B. S. 17. fuͤr einen Buͤrger in einer beſcheidenen Maͤßigkeit mit Nettigkeit und Geſchmack vereinigt; in beyden darf keine Pracht, keine Ueppig - keit, keine Begierde, mit Reichthum zu ſchimmern, erſcheinen. Die innere Ein - richtung iſt ſowohl von den Beduͤrfniſſen des Beſitzers und ſeiner Familie, als auch von dem Gebrauch abhaͤngig. Wird das Haus das ganze Jahr hindurch bewohnt, ſo fordert es mehr Bequemlichkeit, als wenn es nur kurzen Beſuchen auf einige Wo - chen oder Tage eroͤffnet wird. Seine Groͤße muß ſich nicht allein nach dem Charak - ter ſeines Bewohners richten, ſondern auch zum Theil nach dem Umfang der Beſi - tzung. Nach dieſem Unterſchiede giebt es manche Abſtufungen. Hier ſind drey Muſter von Landhaͤuſern dieſer Klaſſe, in der Folge, wie ſie von dem Kleinern zu dem Groͤßern, oder von dem blos Bequemen und Anſtaͤndigen zu dem Zierlichen und Edlern hinaufſteigen.

Die56Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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57nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
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V Band. H58Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
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59nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Die kleinern Gartengebaͤude und einzelnen Luſtkabinette, die dieſe Gattung zu - laͤßt, muͤſſen uͤberhaupt von einer leichten, gefaͤlligen, zierlichen, feinen und geſchmack - vollen Bauart ſeyn. Hat der Garten ſchon ein ſchoͤnes Landhaus, ſo darf in ſeinem Bezirk ein Gebaͤude, das blos der Verzierung, dem Vergnuͤgen, oder einer beſondern gartenmaͤßigen Beſtimmung*)S. 3ten B. S. 36-39. gewidmet iſt, durch keine ſich erhebende Vorzuͤge ſich auszeichnen. Herrſcht aber ein ſolches Gebaͤude allein in ſeinem Umkreis, ſo mag es auch mehr Groͤße, mehr anziehende Schoͤnheit annehmen. In kleinern Gaͤrten ma - chen die Gebaͤude am meiſten Eindruck, indem ſie ſich als wichtige Gegenſtaͤnde dem Auge weit freyer und geſchwinder ankuͤndigen, als unter den mannichfaltigen Natur - ſcenen eines ausgebreiteten Parks; ſie reizen gemeiniglich in der Ferne mehr den Blick des Anſchauers, als der umliegende Platz. Sie ſcheinen daher in einem klei - nern Bezirk mit einem doppelten Rechte ein zierliches und feines Anſehen zu fordern. Aber ihre Vervielfaͤltigung wuͤrde hier die erſten Grundſaͤtze des Geſchmacks beleidi - gen. Das Landhaus oder das Luſthaus muß nicht allein die vortheilhafteſte Lage fuͤr die Ausſicht, ſondern auch durch Umkraͤnzung mit Blumen, Raſen und Straͤuchern eine genaue Verbindung mit dem Garten haben.

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H 23. Zu60Sechster Abſchnitt. Gaͤrten

3.

Zu dieſer Gattung koͤnnen am bequemſten die Blumengaͤrten*)S. 1ſten B. S. 76. u. ſ. w. gerechnet werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gaͤr - ten zuweilen als faſt unentbehrliche Theile anzuſehen, und beſonders ein Eigenthum des angenehmen und heitern Charakters ſind;**)S. 77. ſo werden ſie doch da mehr wie Mittel zur Belebung und Verſchoͤnerung betrachtet, als Anlagen, die fuͤr ſich ein Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine ge - ſchmuͤckte Blumenflur erſcheinen, als ein lebhafter Contraſt. Allein die feinern und edlern Toͤchter der Flora gehoͤren mehr in den geſchmuͤckten Theil des Gartens, als in die Wildniß; denn ſie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer Schoͤnheit und ſeine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Buͤrger, der nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten beſitzt, beluſtigt ſich daher gern an einem Blumengarten. Dieſe Gattung begnuͤgt ſich nicht allein mit einem geringern Raum; ſie ſchickt ſich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plaͤtze in der Naͤhe um die Wohngebaͤude her und hinter ihnen. Hier ſind Blumengaͤrten nicht mehr beſon - dere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verſchoͤnerung; ſie machen vielmehr ein Ganzes, eine eigene fuͤr ſich beſtehende Gattung aus.

Die Beſtimmung der Blumengaͤrten iſt Beluſtigung des Auges durch Man - nichfaltigkeit und Schoͤnheit der Farben, vereinigt mit der Ergoͤtzung des Geruchs. Daher wird der Beſitzer zuvoͤrderſt ſowohl fuͤr die Beſtaͤndigkeit der Flor, als auch fuͤr eine ſolche Anordnung und Verbindung der Blumengewaͤchſe nach Groͤße und Farbe ſorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geſchlechtern, nach Arten und Varietaͤ - ten geordnet ſind, iſt dieſer Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr guͤnſtig iſt dazu eine mit kleinen Huͤgeln und ſanften Vertiefungen unterbrochene, ſich wellenfoͤr - mig dahin ſchmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des Morgens, das den von Thau glaͤnzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen ſtreckt. Neigt ſich außerdem der Boden ſonſt zu einem klaren Wafſerſtuͤck oder zu einem Bach herab, der zwiſchen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwiſchen Kieſeln umherhuͤpft, bald in murmelnden Faͤllen ſich jagt, und an ſeinen Spielen ſelbſt ſich zu ergoͤtzen ſcheint; ſo wird die Situation friſcher, und das Gemaͤlde lebendiger. Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder bluͤhende Straͤucherdie61nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. die Einfaſſung bilden, oder die kleinen Huͤgel bekraͤnzen, und in die Malerey der niedrigen Blumenpflanzen mehr Schattirung und Abwechſelung miſchen. Ihre zufaͤlligen Verſchoͤnerungen beſtehen in den kleinen eben ſo fluͤchtigen als lieblichen Wirkungen, welche die Beleuchtung, beſonders das Streiflicht des Morgens und Abends, ſchenkt; und in den Spielen umhergaukelnder Schmetterlinge, die den Tag uͤber zwiſchen den farbigten Schoͤnen mit eiferſuͤchtigen Liebkoſungen flattern, und erſt am Abend die Geliebte waͤhlen, in deren Arm ſie unter dem ſuͤßen Athmen der Liebe einſchlummern, und die Kuͤhle der Nacht bis ſpaͤt nach dem Aufglimmern der Morgenroͤthe vertraͤumen. In dieſen Scenen moͤgen die Bilder der Grazien und der Liebesgoͤtter die Dauer ſuͤßer Empfindungen unterhalten; ein helles Spring - waſſer mag, ohne gekuͤnſtelte Verzierung, die Lebhaftigkeit des Auftritts vergroͤſ - fern; uͤberſchattete ſeine Ruheplaͤtze umher, und Lauben von Jasmin und Roſen moͤgen zum Genuß dieſer Wolluſt oder zum leichten Schlummer einladen, den nichts, als etwa nur das Saͤuſeln der geſchaͤftigen Biene ſtoͤrt. Wie wohl iſt dem Empfindenden in dieſem Luſtrevier! Wie gluͤcklich, indem er hier, zwiſchen Unſchuld und Frieden, ſeine Sommertage dahin wallen ſieht, bald unter weiſen Betrachtun - gen, bald unter holden Empfindungen oder Erinnerungen, womit er ſich in die Freu - den ſeiner verbluͤhten Jugend zuruͤcktraͤumt. Harmloſer Fruͤhling meiner Tage! Suͤße Bluͤthe meines Lebens! Noch ruͤhrt mich hier dein immer truͤber zuruͤckkom - mendes Bild, einſt die Wonne des Genuſſes, nun die Wehmuth der Erinnerung! Sanfte voruͤberſchimmernde Sommertage, da ich als Knabe unter den Blumen meines Vaters ſpielte, in dem laͤndlichen friedvollen Thale, nah und fern von ruhi - gen Waͤldern und Hoͤhen umkraͤnzt, zwiſchen welchen blos ein hervorglaͤnzender See die Daͤmmerung des weiten Hintergrundes erheiterte! Wie waret ihr damals ſo ſchoͤn, ſanfte voruͤberſchimmernde Sommertage! Wie lieblich war es, an jedem Geſchaͤfte im Garten Antheil zu ſuchen, den Pflanzen in kleinen Eimern Waſſer zu bringen, der Nachtigall nachzufloͤten, und der glaͤnzenden Abendroͤthe entgegen zu huͤpfen! Kein anderer Schmerz, als wenn mich eine Biene ſtach, die ich muthwil - lig von den Blumen jagte, oder ein Dorn im Roſengebuͤſch verwundete; keine an - dere Sorge, als fuͤr die Verlaͤngerung des Genuſſes; denn alles war Genuß des Gegenwaͤrtigen, nichts war ruhloſe Erwartung von der Zukunft. Ihr Staͤdte, ihr Hoͤfe, ihr Ergoͤtzungen und Unruhen und Geſchaͤfte der großen Welt, was waret ihr damals dem, der, nur von ſeiner Geſpielinn, der laͤndlichen Freude, begleitet, kein anderes Gluͤ〈…〉〈…〉 kannte, als ihr zu gehoͤren! Doch das Leben iſt nichts anders, als eine Blumenſcene; alles iſt in Bewegung, aufzugruͤnen, zu bluͤhen, zu welken, und wieder aufzuſprießen. Auch der ſpaͤtere Sommer, ſelbſt der Herbſt unſers Lebens,H 3haben62Sechster Abſchnitt. Gaͤrtenhaben noch ihre Blumen; ſie bluͤhen ſtaͤrker, ſie bluͤhen laͤnger, als die fluͤchtigen Kin - der des Fruͤhlings. Gluͤcklich iſt der, welcher in jeder Jahreszeit des Lebens ihre Blumen zu finden weiß! Gluͤcklich der Mann, der, ſicher vor den Stuͤrmen der Welt, ſeinen Abend im ruhigen Blumengarten genießt, und durch Weisheit wieder belebt, was die allmaͤlig verbluͤhende Phantaſie welken ließ!

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Blumengaͤrten machen nicht blos das Vergnuͤgen der Jugend; ſie ſind auch ein geliebter Aufenthalt der Zaͤrtlichkeit. Perſonen von einem ſanften und milden Charakter, und demnach das andere Geſchlecht, pflegen ſich am meiſten in dieſen klei - nen Scenen der ſtillen Schoͤnheit und beſcheidenen Anmuth zu unterhalten. Faſt nirgends vereinigt die Natur mehr ihre Lieblichkeiten, als hier. Das Reine und Sanfte Einer Farbe, wie in der Hyacinthe, der Balſamine, der Lupine, der Lava - tera; ihre feinen Schattirungen, wie in den mannichfaltigen Arten der Nelken; die Miſchungen und Verſchmelzungen mehrerer milden Farben, wie bey einigen Tulpen; das Suͤße, das Feine, das Liebkoſende, das Erquickende, das Begeiſternde des Wohlgeruchs bey ſo vielen Blumengattungen; alles dieſes erzeugt und unterhaͤlt die Empfindung des Lieblichen, welche die ganze Seele mit einem Wohlbehagen, mit einer Vergnuͤglichkeit, mit einer ſo zauberiſchen Wolluſt fuͤllt, daß die Sprache fuͤr ſie keinen Ausdruck zu haben ſcheint.

Unſtreitig63nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

Unſtreitig kann der Geſchmack die holden Wirkungen eines Blumengartens un - gemein erhoͤhen. Blos bunte Scenen, die gewoͤhnlichſten, ſind fuͤr das gemeine Auge, das nur geblendet, nur zerſtreut ſeyn will; blos einfaͤrbige Scenen geben bald Langeweile und Ermuͤdung. Das Maleriſche allein hat das Vorrecht, zu unter - halten. Dahin gehoͤrt zunaͤchſt, daß die Ordnung der Pflanzung nicht mehr den Regeln der Symmetrie folge, ſondern in Gruppirungen erſcheine, und in ſolchen Zu - ſammenſetzungen und Miſchungen, woraus eine verſtaͤndige Malerey der Blumen - farben entſpringt. *)S. 2ten B. S. 79. Bey dieſer Art von Gemaͤlden koͤmmt es ſowohl auf har - moniſche Verbindung, als auf Contraſt der Farben an. Sehr gluͤcklich verbindet ſich das Weiße mit dem Blaßgelben, dieſes mit dem Fleiſchfarbigen, das Roſenfar - bige und das Himmelblaue mit dem Weißen, das Dunkelblaue mit dem Purpur - farbigen, das Dunkeltsthe mit dem Braunen, das Brandgelbe mit dem Hochro - then, das Graue mit dem Dunkelblauen. Das Weiße verbindet ſich uͤberall, mit dem Gelben, dem Rothen, dem Blauen; es macht Milderungen, die dem Auge ſo lieblich ſchmeicheln; dem Hellgelben, dem Fleiſchfarbigen, dem Roſenfarbigen, dem Hellblauen iſt eine uͤberaus einnehmende Sanſtheit eigen. Die Mittelfarben ma - chen das Gemaͤlde harmoniſch. Zwiſchen dem Gelben und Rothen ſteht das Brand - gelbe, zwiſchen dem Rothen und Blauen das Violet, zwiſchen dem Blauen und Gelben das Gruͤn; dieſe Farben koͤnnen in einander gezogen werden, ohne ſich zu be - leidigen. Die aufſteigende Fortſchreitung geht vom Weißen zum Weißgelben, Gel - ben, Roͤthlichgelben, Brandgelben, Brandgelbrothen, Rothen, Roͤthlichblauen, Violetten, Blaurothen, Blauen, Grauen, bis zum ganz Dunklen und Schwaͤrz - lichen, das entweder dunkelgelb, oder dunkelroth, oder dunkelblau iſt; die herab - ſteigende vom Blauen zum Gruͤnen, zum Gruͤngelben, zum Gelben, zum Weiß - gelben, zum Weißen. Dieſe natuͤrlichen Fortſchreitungen der Farben muͤſſen das Auge des Kuͤnſtlers in der Malerey ſeiner Blumenſcenen leiten. Eine der vornehm - ſten Regeln iſt dieſe, daß die hellern Farben voranſtehen, und ſich dem Auge, das den Umfang eines harmoniſch fortgehenden Gemaͤldes uͤberſchauen ſoll, zunaͤchſt zei - gen. Im Contraſt ſteht das Brandgelbe mit dem Weißen, das Purpurfarbige mit dem Hellgruͤnen, das Hellblaue mit dem Dunkelrothen. Die hellern Farben gewinnen in der Natur und in der Malerey durch die Gegenftellung der dunklen. Dieſe Kunſt, mit den Farben der bluͤhenden Gewaͤchſe intereſſante Gemaͤlde zu ſchaf - fen, eine Kunſt, die fuͤr das Genie ein neues und weites Feld eroͤffnet, kann mehr in dem Blumengarten herrſchen, als in den Zuſammenſetzungen der Bluͤthen - ſtraͤucher. Denn bey dieſen machen faſt immer die Art ihres Wuchſes und ihre Blaͤtter wichtige Eigenſchaften, die das Auge an ſich reißen; bey den Blumenpflan -zen64Sechster Abſchnitt. Gaͤrtenzen hingegen ſind es faſt nur die Blumen. Sie kommen hier gemeiniglich haͤu - figer, groͤßer und anziehender zum Vorſchein, als die Blaͤtter, oder zeigen doch eine reichere Mannichfaltigkeit von Farbenmiſchungen.

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IV. Land -65nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

IV. Landgaͤrten; laͤndliche Gaͤrten.

Der laͤndliche Garten iſt unter allen Gattungen der einfachſte, und am meiſten entfernt von Schmuck und Kunſt. Er iſt indeſſen doch von den gemeinen Gaͤrten des Landmanns unterſchieden, die nichts als Kuͤchengewaͤchſe und einige Obſt - baͤume zeigen, und von fruchttragenden Straͤuchern umwildert ſind. Auch iſt der laͤndliche Garten nicht blos in die Doͤrfer verwieſen; der Buͤrger, der anſehnliche Privatmann kann ihn aus Geſchmack waͤhlen, und um ſein bequemes Wohnhaus anpflanzen.

Seine Lage kann auf einem allmaͤligen Abhange, in einem gekruͤmmten Thal, und ſelbſt in der Ebene ſeyn; ſie verlangt keine großen, praͤchtigen, uͤberraſchenden Ausſichten. Kleine Erhoͤhungen umher, wodurch der Proſpect ins Weite verſperrt wird, ein ſchattenreicher Wald, eine friſche Wieſe, ein ruhiges Gewaͤſſer, oder ein Fiſchteich, Viehtriſten in der Naͤhe und ſelbſt in dem Bezirk, ſcheinen dem Cha - rakter dieſer Lage am meiſten angemeſſen; und als zufaͤllige Belebung viel Geſang der Voͤgel, und in den Tagen des Fruͤhlings das einfoͤrmige Getoͤne des Kukuks und das Gequaͤk der Froͤſche.

Die Anlage des laͤndlichen Gartens, er mag klein ſeyn, oder ſein Bezirk ſich etwas erweitern, iſt auf Einfachheit und eine angenehme Nachlaͤßigkeit eingeſchraͤnket. Er verſtattet keine mannichfaltigen und reichen Gegenſtaͤnde; er liebt die blos einfaͤl - tigen Scenen der Natur, und er zeigt ſie ohne viel Wahl und Anordnung. Seine Pflanzungen beſtehen aus gewoͤhnlichen Baͤumen des Landes; er iſt zufrieden, wenn ſie ihm Schatten und Fruͤchte geben. Man erblicket zwiſchen Weiden, Linden und Ulmen Aepfel - und Birnbaͤume; dieſe wechſeln mit Kirſchen, Nuͤſſen, Quitten, Miſpeln und Pflaumen ab; und findet ſich eine hohe Eiche oder eine bejahrte Buche auf dem Platz, ſo wird ihre wohlthaͤtige Beſchattung genutzt, und eine Bank unter ihren Laubdecken aufgeſtellt. Keine Allee, keine kuͤnſtliche Anordnung der Baͤume; ſie erſcheinen hin und wieder in freyen Gruppen, bald groͤßer, bald kleiner, bald mehr, bald weniger von einander entfernt. Die Gaͤnge, bequem und rein, winden ſich neben dieſen Gruppen, und zuweilen zwiſchen ihren Staͤmmen durch, und fuͤhren hier zu dunkeln Schatten, dort zu einem freyen Platz voll friſchen Graſes hin. Sie ſind bald mit einem Roſengebuͤſch, bald mit Johannisbeeren, Stachelbeeren, Berberi - tzen, Hanebutten und andern Straͤuchern, die eßbare Fruͤchte tragen, eingefaßt. V Band. JZwiſchen66Sechster Abſchnitt. GaͤrtenZwiſchen den Baͤumen und Gebuͤſchen, an den Gaͤngen und neben den Ruhebaͤnken, die hin und wieder an ſchattigten Plaͤtzen ſtehen, erſcheinen Pflanzen, die dem Cha - rakter des Ganzen beyſtimmen, als Maͤrzviolen, Mayblumen, Schluͤſſelblumen, Marienbluͤmchen mit Krauſemuͤnze, Majoran, Thymian, Salvey und Lavendel un - termiſcht. Ein anliegender Grasplatz, worauf einige Kuͤhe umher irren, oder im Winkel die kleinen gelbhaarigten Kinder der Gans ſich zu dem Gefieder ihrer Mutter draͤngen; ein Bach, der vom Springbrunnen, welcher im Vorhof plaͤtſchert, ab - fließt, ſich mit maͤßigem Geraͤuſch durch die Pflanzung ſchlaͤngelt, und ſich in eine niedrige Wieſe, oder in einen von Enten belebten Teich verliert; eine haͤusliche Fa - milie von Tauben, die zwiſchen Schwalben, die nahe bey ihnen unter dem Schutz des Gaſtrechts wohnen, oft den Garten uͤberflattert; in der Ecke einige Bienenkoͤrbe ſind dieſem Charakter ſehr angemeſſene Auszierungen.

Keine Pracht, keine Koſtbarkeit vertraͤgt ſich mit ihm; Nuͤtzlichkeit, Bequem - lichkeit, Reinlichkeit und eine beſcheidene Zierde ſind ſein Eigenthum. Daher keine Statue, keine Vaſen, keine glaͤnzenden Werke der Kunſt in einem laͤndlichen Garten; auch keine edlen, noch weniger praͤchtigen Gebaͤude. Ein reicher Pavillon wuͤrde hier eben ſo uͤbel ſtehen, als eine Grotte oder Einſiedeley. Eine Laube von Ligu - ſtrum, von Roſen, oder ſpaniſchem Hollunder, Geißblatt und Jasmin geflochten, oder von den Aeſten einer Linde gewoͤlbt; ein Waldhaus von Baumrinde zuſammen - geſchlagen und mit Moos uͤberzogen; ein einfaches Bauerhaͤuschen mit Stroh oder Schilf gedeckt; am Teiche eine Fiſcherhuͤtte; oder auf einer kleinen Erhoͤhung ein Sonnenweiſer, dies ſind allein die Werke der Baukunſt, die dieſe Gattung vertraͤgt. Und doch duͤrfen hier Gebaͤude voll Einfalt nur einzeln, niemals zu haͤufig, erſchei - nen; denn der Charakter des Laͤndlichen ſchließt zugleich eine gewiſſe Einſamkeit in ſich, die durch die Mehrheit dieſer Werke verletzt wuͤrde. Ruhe, haͤusliche Einge - zogenheit, ſtille Genuͤgſamkeit, die

im eignen Schatten, durch den Weſt gekuͤhlet, ihr Leben fuͤhlet,*)v. Kleiſt.

und eine nur von friedſamen Geſchaͤften begleitete Behagung an den einfaͤltigen Reizen der Natur, ſind die Vorſtellungen und Empfindungen, die der laͤndliche Garten er - regen ſoll. Er gefaͤllt durch das Sanfte und das Ruhige; ſeine Eindruͤcke ſind nicht ſtark, aber einſchmeichelnd; ſie verſchwinden vor einem Herzen, das voll Leidenſchaft brennt, das nur nach rauſchenden Ergoͤtzungen ſtrebt; aber ſie ruͤhren jede Seele, die noch nicht von der Welt verſtimmt ward, die noch fuͤr das Gefuͤhl des Friedens undder67nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. der Unſchuld offen iſt. Nur eine ſolche Seele empfindet ganz dieſen ſanftruͤhrenden Auftritt an einem heitern Morgen im laͤndlichen Garten:

Das Bild der Anmuth, die Hausfrau, In jener Laube von Reben, pflanzt Stauden und Blumen auf Leinwand, Die Freude laͤchelt aus ihr; ein Kind, der Grazien Liebling, Verhindert ſie ſchmeichelnd, am Halſe mit zarten Armen ihr hangend; Ein anderes taͤndelt im Klee, ſinnt nach, und ſtammelt Gedanken. *)Ebenderſelbe.
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J 2Siebenter68Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter

Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter von beſondern Beſtim - mungen abhaͤngig iſt.

I. Volksgaͤrten.

1.

Man wird, bey den Fortſchritten der Polizey in den neuern Zeiten, nicht leicht eine betraͤchtliche Stadt finden, die nicht in ihrem Umkreis, oder in ihrer Nachbarſchaft einen Platz des oͤffentlichen Spazierganges haͤtte; wenigſtens dienen die bepflanzten Zugaͤnge zugleich zu dieſem Gebrauch. Eine anfehnliche Stadt muß in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plaͤtze haben, wo ſich das Volk in gewiſſen Zeitpunkten der Freude oder der Noth verſammeln und ſich ausbreiten kann, wo eine freye und geſunde Luft athmet, und die Schoͤnheit des Himmels und der Land - ſchaft ſich wieder zum Genuß eroͤffnet. Dieſe Plaͤtze machen eine vorzuͤgliche Zierde der Staͤdte, wenn ſie mit Raſen, mit Springbrunnen, mit Bildſaͤulen geſchmuͤckt, und von Baumpflanzungen und den ſchoͤnern Gebaͤuden umkraͤnzt ſind. Sie locken den Fremden durch die Heiterkeit ihres Anfehens an, und unterhalten den Spazier - gaͤnger in einer gewiſſen Lebhaftigkeit der Empfindung.

Allein außer dieſen Plaͤtzen kann eine weiſe Polizey bald in dem Bezirk der Stadt, bald nahe vor ihren Thoren beſondere Oerter fuͤr den Spaziergang des Volks einrichten. Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geſchaͤften, geſel - lige Unterhaltung iſt die Beſtimmung ſolcher Oerter, und nach dieſer Beſtimmung muß ihre Einrichtung und Bepflanzung abgemeſſen ſeyn. Dieſe Volksgaͤrten ſind, nach vernuͤnftigen Grundſaͤtzen der Polizey, als ein wichtiges Beduͤrfniß des Stadt - bewohners zu betrachten. Denn ſie erquicken ihn nicht allein nach der Muͤhe des Ta - ges mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; ſie ziehen ihn auch, indem ſie ihn auf die Schauplaͤtze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und koſtbaren Ar - ten der ſtaͤdtiſchen Zeitverkuͤrzungen ab, und gewoͤhnen ihn allmaͤlig an das wohlfeile Vergnuͤgen, an die ſanftere Geſelligkeit, an ein geſpraͤchiges und umgaͤngliches We - ſen. Die verſchiedenen Staͤnde gewinnen, indem ſie ſich hier mehr einander naͤhern,auf69von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. auf der einen Seite an anſtaͤndiger Sittſamkeit und ſcheuloſer Beſcheidenheit, und auf der andern an herablaſſender Freundlichkeit und mittheilender Geſaͤlligkeit. Alle gelangen hier ungehindert zu ihrem Rechte, ſich an der Natur zu freuen.

Die Lage der Volksgaͤrten muß, ſo viel als moͤglich, Freyheit der Luft und Heiterkeit der Ausſichten haben. Naͤchſtdem iſt der Schatten hier in allen Stunden des Tages Beduͤrfniß, obgleich der Abend am meiſten den Buͤrger zum Spazier - gang einladet. Denn dieſe Oerter muͤſſen zugleich dem Fremden, dem Siechen, dem Brunnentrinker, dem Mann ohne Geſchaͤfte, dem Geſelligen, der einen Freund auf - ſucht, in jeder Stunde offen ſtehen. Zu der Bepflanzung ſchicken ſich vornehmlich Baͤume, die mit der Groͤße ihres Laubes einen reichen Schatten verbreiten und ein dichtes Obdach woͤlben. Liegt ein Wald nahe an der Stadt, ſo iſt es leicht, darinn oͤffentliche Spaziergaͤnge voll Schatten anzuordnen. Die Gaͤnge muͤſſen breit, be - quem, vielfaͤltig und ausweichend ſeyn. Gerade Alleen ſind hier nicht allein zulaͤßig, ſondern verdienen ſelbſt einen Vorzug, indem ſie die Aufſicht der Polizey, die an ſol - chen Plaͤtzen oft unentbehrlich iſt, erleichtern. Die Anordnung iſt hier von der be - ſondern Beſtimmung des Orts abhaͤngig. Man will ſich finden, ſich ſehen, mit ein - ander umherwandeln, ſich unterhalten. Bequeme Gaͤnge in einer geraden Linie ſtim - men dieſen Abſichten mehr zu, als lauter ſchmale ſich immer kruͤmmende Pfade. Doch kann ein Volksgarten von einem betraͤchtlichen Umfang, außer ſeinen geraden Wegen, auch ſchlaͤngelnde Gaͤnge in Waldſtuͤcken und angelegten Luſtgebuͤſchen ent - halten, und er bedarf ihrer ſelbſt zur Abwechſelung. Die Bequemlichkeit und ſelbſt die Sicherheit erfordert, daß die Wege fuͤr Fahrende und Reitende von den Pfaden der Fußgaͤnger abgeſondert werden.

Baͤnke und Ruheſitze muͤſſen nicht blos unter dem Schatten der Gebuͤſche und Baͤume, und an Stellen, wo ſich anmuthige Ausſichten eroͤffnen, ſondern auch nach dem Verhaͤltniß der Menge der Spaziergaͤnger in der noͤthigen Anzahl und in beque - men Entfernungen angelegt werden. Auch gruͤne ſchattigte Lauben und bedeckte Schirmhaͤuſer, wohin man bey einem Ueberfall von Regen und Gewitter ſeine Zu - flucht nehmen kann, gehoͤren in die Anlage eines Volksgartens. Gebaͤude dieſer Art muͤſſen abwechſelnd an Form, von leichter und einfacher Architektur ſeyn. Volks - gaͤrten bey großen Staͤdten, zumal wenn ſie von dieſen in einiger Abgelegenheit lie - gen, erfordern noch Haͤuſer, wo Erfriſchungen gereicht werden, und dieſe koͤnnen zu - gleich durch ihre Bauart anmuthige Gegenſtaͤnde fuͤr das Auge werden.

Alles dies gehoͤrt mehr zur Bequemlichkeit dieſer Gattung. Allein auch An - ſtalten zum Vergnuͤgen duͤrfen hier nicht fehlen. Liegt der Garten an einem See, oder ſtroͤmt ein Fluß oder ein anderes laufendes Gewaͤſſer durch ſeinen Bezirk, ſoJ 3moͤgen70Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charaktermoͤgen Boͤte und andere Fahrzeuge zu Luſtfahrten und zum Fiſchfang einladen. Die Muſik in einem Gehoͤlz iſt nicht wenig reizend, und die zum wolluͤſtigen Gefuͤhl be - rauſchenden Toͤne des Waldhorns geben einem heitern Sommerabend einen neuen Zauber. Man kann hier Muſikhaͤuſer anlegen, deren Architektur zugleich die Scene ziert.

Koſtbare Kunſtwerke, feine Verzierungen und ſeltene Gewaͤchſe, die Vorſorge erfordern, gehoͤren nicht in Anlagen dieſer Klaſſe. Doch laſſen ſich hier Werke auf - ſtellen, die nuͤtzliche Eindruͤcke auf die Menge verbreiten. Hier ſcheint der Ort zu ſeyn, wo man leicht dem Volk mitten auf den Weg ſeiner Vergnuͤgungen eine gute Lehre hinſtreuen und ſeine Aufmerkſamkeit durch wichtige Erinnerungen anhalten kann. Gebaͤude mit intereſſanten Gemaͤlden aus der Geſchichte der Nation, Bild - ſaͤulen ihrer verſtorbenen Wohlthaͤter, Denkmaͤler von wichtigen Vorfaͤllen und Be - gebenheiten mit lehrreichen Inſchriften koͤnnen hier mit Geſchmack an ſchicklichen Plaͤ - tzen zu ſehr vortheilhaften Wirkungen angeordnet werden. Nur keine Urne, noch andere Monumente des Schmerzes gehoͤren in dieſe Gaͤrten. Jene Gebaͤude, jene Statuen, Buͤſten und andere Denkmaͤler, die das Volk an ſein einheimiſches Ver - dienſt, an die Wohlthaͤtigkeit ſeiner Patrioten, an das Gluͤck ſeiner Nationalbege - benheiten erinnern, ſind ſie nicht an Wuͤrde und Kraft weit mehr, als die Bildſaͤule eines Faun? Einer der oͤffentlichen Spaziergaͤnge in Athen war eine bedeckte Saͤu - lenlaube, die mit Abbildungen der Thaten der verdienteſten Buͤrger angefuͤllt war. Wie wenig hat man noch in unſern Zeiten daran gedacht, nach dem Beyſpiele der Alten, die faſt auf allen Spaziergaͤngen durch Denkmaͤler der buͤrgerlichen Tugend zur Tugend ermunterten, die Oerter des oͤffentlichen Vergnuͤgens mit Werken der Kunſt zu zieren, die an das nuͤtzliche Verdienſt erinnern! Aber auch das ſchoͤne Ver - dienſt kann hier ſeine Monumente fordern. Die Statue, die Buͤſte oder die Denk - ſaͤule des malenden Dichters, und des dichtenden Malers, des Lehrers der Naturſchoͤn - heit und ihres Nachbilders ſind intereſſante Vorſtellungen in Volksgaͤrten. Wie leicht waͤre es, daß jede Stadt an dem Ort ihrer oͤffentlichen Spaziergaͤnge, dem verdien - teſten Manne, der in ihrem Schooß geboren ward, oder deſſen Talente ſie erleuchte - ten, ein Denkmal ſetzte, und mit dieſem Denkmal ihre Mitbuͤrger erwaͤrmte und ihre Nachkommen unterrichtete! Bey großen Reſidenzſtaͤdten ließe ſich ſelbſt eine Art von oͤffentlichen Nationalgaͤrten anlegen, worinn den Dichtern, den Kuͤnſtlern, den ſchoͤ - nen Geiſtern, den Philoſophen beſondere heilige Hayne gewidmet, und dieſe mit ih - ren Monumenten in dazu angeordneten Scenen, die ihrem Charakter zuſtimmten, ausgeſchmuͤckt wuͤrden. Ein neues und fruchtbares Feld fuͤr die patriotiſche Gar - tenkunſt!

2. So71von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

2.

So lange indeſſen die Volksgaͤrten noch nicht ganz die Wuͤrde haben, deren ſie faͤhig ſind, ſo lange muͤſſen ſie ſich mit der Einrichtung begnuͤgen, die ihnen bisher zugetheilet ward. Inzwiſchen giebt es Anlagen dieſer Gattung, die ſich durch Be - quemlichkeit, Anmuth, und reiche Schoͤnheiten der Natur auszeichnen. Die oͤffent - lichen Spaziergaͤnge zu London und Paris ſind beruͤhmt genug, obgleich keine Muſter. Auch Deutſchland hat bey ſeinen anſehnlichſten Staͤdten Gaͤrten dieſer Art, die eine Empfehlung verdienen.

Der Prater bey Wien liegt eine Viertelſtunde vom Stadtthor auf einer groſ - ſen Inſel der Donau und erſtreckt ſich auf eine halbe Meile. Er iſt mit dicken Wal - dungen bewachſen, die mit gruͤnenden Auen und Wieſen untermengt ſind. Eine vier - fach gepflanzte Reihe Kaſtanienbaͤume vermehrt die ungekuͤnſtelte Anmuth dieſer In - ſel. Sie ſtand vormals nur den Kutſchen des Adels offen; allein Joſephs edle Menſchenliebe eroͤffnete hier allen Menſchen, Gehenden, Reitenden und Fahrenden, den Eingang. Sogleich wurden die Auen mit Zelten, Huͤtten, Sommerhaͤuſern zu Erfriſchungen, Ringelrennen, Kegelſchieben und andern Ergoͤtzungen beſaͤet. Dieſe Huͤtten und Sommerhaͤuſer im Walde verſchoͤnerten ſich bey dem Zulauf der Men - ſchen von Jahr zu Jahr. Auch fehlt es nicht an Muſik.

Ein anderer Volksgarten bey Wien iſt der Augarten auf der Donaninſel, welche die Leopoldsſtadt einnimmt. Er war ehemals der Garten des kaiſerlichen Som - merpalaſtes, die alte Favorite genannt, der 1683 von den Tuͤrken verwuͤſtet ward. Von der Zeit an diente der Garten zu einem oͤffentlichen Spaziergange, ward aber ganz vernachlaͤßigt. Endlich uͤbernahm der Kaiſer Joſeph ſelbſt die Verſchoͤne - rung des Platzes. Er ließ ihn erweitern, mit neuen Alleen von verſchiedenen Arten von Baͤumen und nach verſchiedenen Richtungen bepflanzen, Terraſſen zum Genuß der reizenden Ausſichten der umliegenden Gegenden anlegen, Gebaͤude auffuͤhren, be - ſonders ein ſchoͤnes Landhaus, das viele Zimmer enthaͤlt, und nicht nur zum Spiel und Tanz, ſondern auch zum Speiſen Mittags und Abends eingerichtet iſt. Dieſer Beluſtigungsort, der halb eine angenehme Wildniß der Natur und halb gartenmaͤßig eingerichtet iſt, und hinten von der praͤchtigen Donau beſpuͤlt wird, ward ebenfalls, ſobald er verbeſſert war, vom Kaiſer 1775 fuͤr alle Menſchen ohne Unterſchied des Standes eroͤffnet. Die Inſchrift bey dem Eingang: Beluſtigungsort fuͤr alle Men - ſchen, gewidmet von ihrem Freund, kuͤndigt es an, und iſt zugleich ein Denkmal der Gute des Stifters. Seitdem iſt der Augarten, wo den ganzen Tag eine Menge von Spazierenden wimmelt, auf mancherley Art verſchoͤnert. Der menſchenfreund - liche Kaiſer ſteht hier und im Prater oft mitten unter ſeinem Volke, ohne Gefolge,blos72Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterblos von der Liebe ſeiner Unterthanen umgeben, und ſieht mit edler theilnehmender Empfindung, wie ſie ſich frey in große und kleine Haufen zerſtreuen, doch alle ver - eint in der Freude uͤber ihren Wohlthaͤter, der, gleich dem allbelebenden Geiſte der Natur, mit freundlicher Waͤrme uͤber ſie hinſtrahlt.

Berlin hat verſchiedene anmuthige oͤffentliche Spaziergaͤnge*)Man ſehe Hrn. Nicolai muſterhafte Beſchreibung der koͤniglichen ReſidenzſtaͤdteBerlin und Potsdam. Neue Aufl. 8. Ber - lin 1779. 2ter B. S. 708. u. ſ. w. ſowohl in der Stadt ſelbſt, als auch nahe vor dem Thore. Viele Plaͤtze ſind mit Alleen bepflanzt. Der Wald nach Treptow hat die ſchoͤnſten Spazierwege. Die Kaſtanienallee im Luſtgarten iſt ein angenehmer Abendſpaziergang. Der Weidendamm, der mit un - gewoͤhnlich hohen und ſtarken Weidenbaͤumen bepflanzt iſt, gewinnt, ob er gleich mitten in der Stadt liegt, durch die Ausſicht auf Gaͤrten und Wieſen und die mit Schiffen belebte Spree ein reizendes Anſehen. Vornehmlich aber iſt der koͤnigliche Thiergarten oder Park hier merkwuͤrdig. Seine verbeſſerte Anlage und groͤßte Schoͤn - heit verdankt er dem jetzt regierenden Koͤnig, der ihn mit vielen Baumpflanzungen, Spaziergaͤngen und Luſtplaͤtzen erweitern ließ. Dieſer große Park enthaͤlt einige hun - dert Alleen, die ſich auf eine mannichfaltige Art durchkreuzen und durchſchlaͤngeln, und eine reizende Mannichfaltigkeit von Baͤumen und Straͤuchern, die gluͤcklich mit ein - ander vermiſcht ſind, und eine Menge angenehmer Parthien bilden, die den Spazie - renden, der ſie alle aufſuchen will, einige Wochen beſchaͤftigen koͤnnen. In den brei - ten Alleen darf man fahren und reiten; die ſchmalen aber ſind blos zum Gehen. Auf der Seite nach der Spree iſt den ganzen Sommer eine Anzahl von Zelten und Huͤt - ten aufgeſchlagen, worinn Erfriſchungen verkauft werden. An ſchoͤnen Sommer - nachmittagen, beſonders an Sonntagen und Feyertagen, pflegen ſich hier einige tau - ſend Spazierende zu Fuß, zu Pferde und im Wagen zu verſammeln, und alsdann wird oft durch die Muſik der in Berlin in Garniſon liegenden Regimenter, die in die Gebuͤſche vertheilt wird, das Vergnuͤgen der Menge erhoͤht.

Die oͤffentlichen Spaziergaͤnge der Aue zu Caſſel ſind von einem ſehr anſehnli - chen Umfang nicht blos fuͤr Gehende, ſondern auch fuͤr Fahrende und Reitende. Die Pflanzung, die ſchon im Anfange dieſes Jahrhunderts mit damals bereits erwachſe - nen Staͤmmen angelegt ward, beſteht aus großen herrlichen Baͤumen, die hoch und ſchattenreich in ihrer natuͤrlichen Freyheit wachſen, und den Anblick praͤchtiger Wald - ſcenen bilden, in welchen die langen geraden Alleen fortlaufen. Zwiſchen dieſen ſind Hecken angelegt, die meiſtens in ihrem innern Bezirk mit Baͤumen dicht angefuͤllt ſind, welche aus ihnen emporſteigen und die Schatten umher verſtaͤrken. Neben denAlleen73von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. Alleen und in den Heckengaͤngen vermehren viele Raſen den Reichthum des Gruͤns, der, mit der Weitlaͤuftigkeit des Ganzen und den Abwechſelungen der Wege, dieſen Ort ſehr reizend macht. Ein Hirſchgarten, eine Faſanerie und eine Menagerie, die vormals viele auslaͤndiſche ſeltene Thiere enthielt, graͤnzen an die Aue und vermehren ihre Annehmlichkeit, ſo wie die an der Seite ſanft vorbey gleitende Fulde. Doch iſt der Geſchmack der Zeit, worinn dieſer oͤffentliche Garten angelegt ward, noch uͤber - all ſichtbar. Denn nicht allein das Ganze der Pflanzung und der Wege iſt nach einer genauen Symmetrie angeordnet, wiewohl dieſe hier nicht ganz unzulaͤßig iſt;*)S. 1ſten B. S. 141. ſon - dern auch die Auszierung iſt in der vormaligen Manier. Man ſieht noch Schnecken - berge, ein Theater, einen Irrgarten, Baſſins von regulairer Figur, und in einem derſelben eine Inſel, die wie ein Wall gebildet iſt, Kugelbaͤume und Tannen in Py - ramiden umgeformt, geſchorne Heckenwaͤnde von Tannen, und am Ende der Aue die ſogenannten ſieben Berge, die ganz das Anſehen einer Feſtung haben. Um das obere Baſſin wechſeln pyramidenfoͤrmig geſchnittene Tannen mit freyen natuͤrlichen Staͤmmen dieſer Gattung; ſie hatten vormals alle die verkuͤnſtelte Form; das Be - ſchneiden machte aber ſo viel Muͤhe, daß man aus Verdruß daruͤber einen Baum um den andern wieder nach ſeiner Natur wachſen ließ. Vielleicht gewinnen, aus eben dieſer Muͤhſeligkeit der alten widernatuͤrlichen Manier, auch die noch uͤbrigen in Py - ramiden verkuͤnſtelten Baͤume ihre ſchoͤne Waldgeſtalt wieder. Alle die widrigen Eindruͤcke dieſer Verkuͤnſtelung abgerechnet, iſt die Aue doch immer, wegen der ho - hen waldigten Laubbaͤume, des vielen Gruͤns und der reichen Beſchattungen, ein ſehr angenehmer Ort. Einige ziemlich natuͤrliche Bogengaͤnge, die auch zum Durchfah - ren dienen, geben reizende Durchſichten. Das Orangeriehaus, das in einem edlen italiaͤniſchen Geſchmack mit einem flachen Dach gebauet iſt, und deſſen beyde Fluͤ - gel oder Seitenpavillons einige Monate des Sommers von dem Landgrafen und ſeiner Gemahlinn bewohnet werden, faͤllt in verſchiedenen Geſichtspunkten vortheilhaft ins Auge; auch eroͤffnen ſich von dieſem Gebaͤude in die Alleen hinauf Proſpecte voll ho - her Anmuth. Es gehoͤrt uͤberhaupt zu den praͤchtigen Werken, wodurch der Land - graf Carl ſeinen Namen zu verewigen ſuchte, ob es gleich nur erſt ein Theil von dem großen Plan iſt, der hier ausgefuͤhrt werden ſollte, und wovon das Modelhaus zu Caſſel eine Vorſtellung zeigt. Vor und hinter dem Orangeriehauſe ſind kleine Gaͤrten oder gartenmaͤßig verzierte Plaͤtze, mit der ausgeſtellten zahlreichenundV Band. K74Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterund ſchoͤnen Orangerie. Die Anlage der Aue iſt verſchiedener Veraͤnderungen und Verſchoͤnerungen werth. *)Man hat von dem Prater und Au - garten, von dem berliner Thiergarten und von der Aue verſchiedene Grundriſſe und Proſpecte, deren Anfuͤhrung hier unnoͤthigſcheint, da ſie, wegen der gewoͤhnlichen Veraͤnderungen ſolcher Anlagen, bald un - brauchbar oder durch neuere Vorſtellungen verdraͤngt werden.

Der Charakter der Ausſichten bey Volksgaͤrten iſt indeſſen nach der Verſchie - denheit der Lage ſehr abwechſelnd. Bey Landſtaͤdten ſind es gewoͤhnlich Wieſen, Waͤl - der und Kornfluren, die das Auge unterhalten; bey Seeſtaͤdten Proſpecte auf die Pracht des Meeres und auf das geſchaͤftige Gewuͤhl ſchiffreicher Haͤfen; bey Berg - ſtaͤdten die Erhabenheit der Gebirge, das Getoͤſe der Stroͤme und die Wildheit der Waſſerfaͤlle. Manche befeſtigte Staͤdte haben ihre Waͤlle mit Vortheil in bepflanzte Spaziergaͤnge verwandelt. In Hannover werden jetzt die Waͤlle mit vielen Koſten abgetragen, und die geebneten Plaͤtze mit vortrefflichen Platanen, zum oͤffentlichen Spaziergang unter den ſchoͤnen Ausſichten in die umliegenden Landſchaften, bepflanzt. Dennoch hat die Stadt, außer den koͤniglichen Gaͤrten, vor dem neuen Thore eine Allee von Birken und andern Waldbaͤumen mit untergemiſchten Maulbeerbaͤumen, die in ein uͤberaus anmuthiges ſchattenreiches Luſtgebuͤſch mit ſchlaͤngelnden Gaͤn - gen fuͤhrt.

II. Gaͤrten bey Akademien.

1.

Die Muſen lieben nicht finſtre beſtaͤubte Mauern, ſondern heitere Hoͤhen mit ſchat - tenreichen Haynen, mit klaren Quellen und Blumen. Der Helikon, ihre vormalige Wohnung, war einer der fruchtbarſten und waldigſten Berge in Grie - chenland. Ihn verſchoͤnerte die Frucht des Adrachnus, einer Art von Erdbeer - baum (Arbutus), die außerordentlich ſuͤß und heilſam war, und ſelbſt das Giſt der Schlangen weniger ſchaͤdlich machen ſollte. Der Berg naͤherte ſich gegen Norden dem Parnaß, wo er Phocis beruͤhrte, und kam ſeinem Nachbar an Hoͤhe, Um - fang und Groͤße gleich. Die Beherrſcherinnen des Helikons waren die Muſen. Hier war ihr ſchattigter Hayn mit ihren Bildniſſen und den Statuen des Apoll, Bacchus, Linus und Orpheus und der beruͤhmten Dichter. Die Thaͤler des He - likons ſind nach Whelers Beſchreibung gruͤn und bebluͤmt, und werden von liebli -chen75von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. chen Quellen, von klaren Baͤchen und kleinen Waſſerfaͤllen belebt. Der Geſchmack der Griechen war heiter und rein, wie die Luft um die Wohnung ihrer Muſen.

Unſtreitig gewinnen die Geſchaͤfte des Geiſtes einen geſchwindern und gluͤckli - chern Fortgang, wenn wir von Gegenſtaͤnden umgeben ſind, die ihrer Natur nach ſanfte und angenehme Eindruͤcke auf uns machen. Die Schoͤnheit und Heiterkeit ei - ner Gegend ſchmeichelt nicht blos dem aͤußern Sinn, ſie erwaͤrmet nicht blos unſere Lebensgeiſter zu einer ſchnellern Bewegung; ſie belebt auch die Einbildungskraft mit friſchen Bildern, und erhoͤhet durch die Anmuthigkeit, die ſie in den innern Sinn er - gießt, zugleich die ganze Thaͤtigkeit des Geiſtes. Wir fuͤhlen es bald, wie aufge - weckt und heiter der Kopf iſt, wenn wir uns in einer ſchoͤnen Gegend oder im Gar - ten eine frohe Bewegung gemacht, und dann zur Arbeit zuruͤckkehren. Der Dich - ter, der Redner, der Schriftſteller, der Kuͤnſtler muͤſſen aus der reinen Quelle der Natur ihre Bilder ſchoͤpfen; ſie muͤſſen demnach ſehr fruͤh Gelegenheit haben, ſie zu finden. Die Anmuthigkeit des Geiſtes, die von dem Genuß der ſchoͤnen Natur ein - gefloͤßt wird, macht uͤberall unſer Gluͤck im Privatleben und am Hofe, in der Fami - lie und in der großen Geſellſchaft. Die Stadt verwoͤhnt und verunſtaltet ſo leicht den Geſchmack der Jugend; das Land, der Garten giebt zu ſeiner Bildung nicht blos Reiz, ſondern auch Anleitung. Die reinſten und edelſten Vergnuͤgungen gewaͤhrt immer die Natur; wer ſie in ihrem Schooß zu finden ſich gewoͤhnt, der hat eine reiche Quelle angenehmer Empfindungen, die ihm das ganze Leben hinab nachfließt.

Sehr viel iſt an den Umſtaͤnden gelegen, unter welchen die erſte Bildung des Menſchen angefangen wird. Die ganze Stimmung unſerer Empfindungskraft haͤngt meiſt von den erſten Eindruͤcken ab, die unſere Jugend empfaͤngt; dieſe ſetzen uns faſt immer in einen Ton, der uns durch das ganze Leben nicht verlaͤßt. Junge Seelen, denen fruͤh ein Gefuͤhl der Reinlichkeit, der Harmonie, der Annehmlichkeit eingefloͤßt wird, werden dies Gefuͤhl nicht leicht verlieren; es wird in ihre Urtheile, in ihre Handlungen uͤbergehen, ſie uͤberall begleiten. Die Verſperrung, die Unreinlichkeit, die Rauhigkeit, das geſchmackloſe Anſehen, das faſt in allen Schulen volkreicher Staͤdte herrſcht, muͤſſen ſehr natuͤrlich die Seelen der Jugend, die darinn verſchloſ - ſen iſt, erniedrigen, und ſie allmaͤlig gegen die feinern Eindruͤcke der Schoͤnheit in den Werken der Natur und der Kunſt unempfindlich machen. Daher ſo viel Stumpfheit, Geſchmackloſigkeit, und niedrige Plumpheit in den Sitten junger Leute, welche die Schulen verlaſſen. Einrichtungen, welche Begriffe und Empfindungen von Ordnung, von Schicklichkeit, von Schoͤnheit verbreiten, Gebaͤude und Garten - anlagen, die dazu beytragen, ſind demnach bey Erziehungsanſtalten nicht weniger nothwendig, als gute Lehrer. Wie ſelten iſt noch wohl hieran gedacht Die Ge -K 2baͤude,76Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterbaͤude, zum oͤffentlichen Unterricht der Jugend beſtimmt, ſind faſt uͤberall noch un - foͤrmliche, finſtere, ſchmutzige Steinmaſſen, die einem Kerker aͤhnlich ſehen, und wenn ſie noch einen Platz um ſich her haben, ſo iſt er gemeiniglich ſo verſperrt, wie das Gebaͤude ſelbſt, ſo dumpfigt, ſo oͤde und verlaſſen, daß er nicht die mindeſte an - genehme Empfindung veranlaßt. England hat noch von dieſer Seite einen Vor - zug. Bey verſchiedenen Collegien der Univerſitaͤten zu Oxford und Cambridge ſind angenehme Gaͤrten. Auch die Univerſitaͤt zu Dublin hat einen Park zur Er - holung des Geiſtes der jungen Leute, nachdem ſie ſich beym Studiren ermuͤdet haben. Er uͤbertrifft nicht nur an Umfang, ſondern auch an laͤndlicher Schoͤnheit viele oͤffent - liche Gaͤrten. Die Collegiaten haben hier auch einen gut angelegten Garten, wo ſie, von dem großen Haufen abgeſondert, in der Einſamkeit zwiſchen ſtillen Haynen die Wahrheit ſuchen. Bey der neuen Militairakademie zu Stuttgard hat man den Anfang eines beſondern akademiſchen Gartens gemacht, obgleich der Platz etwas ein - geſchraͤnkt iſt. Der junge Akademiker hat hier nicht allein ſeinen Spaziergang, ſon - dern auch Stellen, die er nach ſeiner Willkuͤhr bepflanzen kann; naͤchſtdem findet man Waſſerſtuͤcke, wo unter Aufſicht gebadet wird. Viele Univerſitaͤten in Deutſch - land haben oͤffentliche Spaziergaͤnge; ſie ſind aber von beſondern akademiſchen Gaͤr - ten noch ſehr entfernt.

2.

Akademien (das Wort hier in der weitern Bedeutung genommen) oder Oerter, wo die edlere Jugend des Staats fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die Kuͤnſte, und den oͤffentlichen Dienſt des Vaterlandes gebildet wird, verlangen nicht blos eine geſunde, ſondern auch eine angenehme und ruhige Lage. Bey den meiſten Arten dieſer Anſtal - ten ſind mittelmaͤßige Landſtaͤdte den Reſidenzoͤrtern und volkreichen Handelsſtaͤdten vorzuziehen; und bey jenen iſt auch eine laͤndliche, anmuthige und ſtille Gegend leich - ter, als bey dieſen, aufzufinden. Die Gebaͤude ſollten, bey der Einrichtung, die ihre Beſtimmung fordert, zugleich das Gepraͤge einer reinen Architektur und einer edlen Simplicitaͤt tragen; ihr Anſehen ſollte heiter und anmuthig ſeyn. Die Lage zwiſchen angenehmen Hoͤhen und Waͤldern iſt ſehr vortheilhaft; jene locken zum ge - ſunden Steigen und zum Genuß belebender Ausſichten, dieſe erfriſchen mit Schatten und Ruhe. Die Bepflanzung des Gartens ſelbſt muß heiter und froͤhlich ſeyn. Wohlgeordnete Gruppen und Hayne von ſchoͤnen Baumarten und duftenden Straͤu - chern, mit vielen Blumenpflanzen untermiſcht, bieten hier ihren Reiz an. Dieſe Hayne koͤnnen bald dem Apoll, bald den Muſen, bald der Hebe, bald der Goͤt - tinn der Freude gewidmet, charakteriſtiſch angeordnet und mit den Statuen oder Buͤ - ſten dieſer Gottheiten geſchmuͤckt werden. Eine ausgeſuchte Gartenbibliothek, eineSamm -77von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. Sammlung von Naturalien, von Steinarten, von getrockneten Pflanzen koͤnnen be - ſondere Luſtkabinette fuͤllen, und dieſe anmuthig zwiſchen Baumgruppen zerſtreut werden. Die Wiſſenſchaften, oder die Maͤnner, die ſich um ſie verdient gemacht, koͤnnen hier ihre Tempel mit allegoriſchen Verzierungen, oder Monumente mit kurzen Inſchriften finden. Die beruͤhmteſten Philoſophen und Dichter, ſowohl des Alter - thums als der neuern Zeiten, koͤnnen hier ihnen beſonders gewidmete Haͤuſer haben, worinn ihre Schriften ſich neben ihren Bildniſſen befinden. Man kann hier mit Ge - ſchmack, immer der Beſtimmung eines ſolchen Gartens gemaͤß, durch mancherley Arten der Denkmaͤler unterrichten oder erinnern. Einſame Lauben koͤnnen hie und da den Freund der Lectuͤre in ihre Schatten einladen. Doch das Ganze muß Heiter - keit und Froͤhlichkeit durchſcheinen laſſen. Daher viel offene und freye Plaͤtze, viel helles Laub, viel glaͤnzende Blumen, viel gruͤne Raſen und luftige Pflanzungen, Baͤche und Waſſerguͤſſe, wo die Gegend ſie verſtattet; keine Verſperrung der friſchen Luft und der Ausſichten. Die Anordnung des Ganzen muß frey, natuͤrlich, und mit einer edlen Simplicitaͤt entworfen ſeyn, und in der Ausbildung Geſchmack und Feinheit herrſchen. Aber kein leerer Schimmer, keine koſtbaren Verzierungen duͤrfen das Auge blenden.

Neben dieſen Verſchoͤnerungen kann der akademiſche Garten auch Plaͤtze ent - halten, die zunaͤchſt der wiſſenſchaftlichen Kenntniß der Pflanzen gewidmet ſind. Denn die Pflanzenkenntniß iſt jedem Erdbuͤrger nuͤtzlich, und dem Adel, der Guͤter beſitzt, und dem kuͤnftigen Landwirth unentbehrlich. Sie beſchaͤftigt auf einſamen Spazier - gaͤngen und auf Reiſen, und macht uns jedes Feld, jeden Wald durch die Bekannt - ſchaft, die wir da finden, intereſſant; ohne ſie bleibt uns ein großer Theil unſerer Schoͤpfung fremd. Die Ordnung der Gewaͤchſe kann dem Syſtem folgen; ſie er - leichtert die Ueberſicht des Ganzen und das Studium des Einzelnen. Das Nuͤtzliche muß vor dem blos Seltenen, das Einheimiſche vor dem Auslaͤndiſchen den Vorrang haben; doch, wo Raum und Vermoͤgen es verſtatten, darf auch das Seltene und das Auslaͤndiſche nicht ausgeſchloſſen werden. Nur das Unnoͤthige und das Gemeine iſt zu verbannen. Eine vernuͤnftige Auswahl der Pflanzen iſt unentbehrlich. Der Juͤngling muß nicht blos die Gewaͤchſe nach ihren Geſchlechten und Arten, nicht blos nach den Ordnungen des Lehrgebaͤudes kennen lernen, ſondern auch vornehmlich nach ihrem verſchiedenen Nutzen. Er muß lernen, wie dieſer ſchon ſo vervielfaͤltigte Nu - tzen fuͤr den Hausſtand, fuͤr die Manufakturen, fuͤr den Handel noch erweitert wer - den kann. Wie unzaͤhlig ſind nicht die Verbindungen, worinn die Pflanzen mit dem buͤrgerlichen Leben ſtehen! Die Schaͤtze des Pflanzenreichs ſind die erſte Unter -K 3haltung78Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterhaltung und Bereicherung des Staats; der Fuͤrſt, der Miniſter, der ihnen ſeine Aufmerkſamkeit entzieht, verliert Vortheile von der groͤßten Wichtigkeit.

In Gaͤrten von dieſer Beſtimmung kann auch die nutzbare Gaͤrtnerey gelehrt werden. Die kuͤnſtliche Behandlung der Pflanzen, beſonders die Cultur der Frucht - baͤume, giebt eine anziehende Unterhaltung fuͤr die Jugend, und dieſer Zweig von Kenntniß iſt oft fuͤr das kuͤnftige Leben nuͤtzlich. Es iſt eine Erholung von ernſthaf - ten Studien, wobey man wenigſtens nichts wagt, und der Gewinn doch nicht ganz unbetraͤchtlich iſt.

In den abgelegenen Gegenden eines akademiſchen Gartens koͤnnen auch Waſ - ſerbehaͤltniſſe zum Baden, Reitbahnen, Plaͤtze zu mancherley Spielen und Leibes - uͤbungen angelegt, anmuthig umpflanzt und beſchattet, und mit Geſchmack verziert werden. Die beſondere Beſtimmung einer jeden Erziehungsanſtalt veranlaßt ſehr leicht neue Ideen ſowohl zur Einrichtung des Ganzen, als auch zur Auszierung ein - zelner Theile.

III. Gaͤrten bey Kloͤſtern; Kloſtergaͤrten.

1.

Mag es doch ſeyn, daß das Kloſterleben, in der allmaͤligen Entfernung von der Guͤte ſeiner erſten Stiftungen, Misbrauch ward daß es dem Staat eine Menge ſowohl von Schaͤtzen als von Menſchen entzog, die er jetzt mit Recht zum nuͤtzlichern Gebrauch zuruͤckfordert daß es unwiſſende Muͤßiggaͤnger ſammelte und naͤhrte daß es das Brod des armen Landmanns verringerte, den Wohlſtand from - mer Familien verſchlang, und die unerfahrne Jugend um die Ruhe des Lebens be - trog Mag es ſeyn, daß Voͤllerey, Unzucht und Gewaltthaͤtigkeit oft die Heilig - keit der Kloͤſter befleckte; daß oft die Zellen, worinn freywillige Andacht ſich dem Himmel naͤhern ſollte, nur die geheimen Seufzer hoͤrten, die ſich nach der Welt zu - ruͤck ſehnten; daß ſelbſt mitten unter dem Pomp des feyerlichen Opfers die Thraͤnen der Ungluͤcklichen den Zwang, die Verfuͤhrung, die Haͤrte, die ſie litten, und die Unaufloͤslichkeit ihrer Feſſeln vor den Altaͤren anklagten; daß von Tauſenden Jugend, Geſundheit, Reichthum, Talente, Kraͤfte und eine erſtickte Nachkommenſchaft zwi - ſchen dieſen finſtern Mauern verſchlungen wurden. Dennoch haben die Kloͤſter ihre unlaͤugbaren Verdienſte. *)S. 1ſten B. S. 27. 3ten B. S. 98.Sie waren nicht minder Wohnungen einer wahrenFroͤm -79von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. Froͤmmigkeit; die Zufluchtsſtaͤtte der verfolgten Unſchuld und der verlaſſenen Tugend. Sie ſchenkten vielen gedruͤckten Seelen den Frieden, den ſie in der Welt nicht fanden, dem Streit der Leidenſchaften Beſaͤnftigung, den Erwartungen aus der Zukunft Hei - terkeit. Die Wohlthaͤtigkeit, welche die Kloͤſter erhielt, theilte ſich nicht ſelten den Armen und Kranken auch außer ihren Mauern wieder mit, durch Nahrung, durch Arzeney und Pflege. In dieſe Wohnungen rettete ſich der kleine Reſt der von den Barbaren verfolgten Wiſſenſchaften, und in eben den finſtern Saͤlen, wo der Aber - glaube und die Dummheit allein ihre ungeſtoͤrte Freyſtatt zu haben ſchienen, ruheten in ungeleſenen, aber wohl verwahrten Handſchriften die Werke des Alterthums, bis ſie aus ihrem Staube hervorgezogen wurden, und in Europa allmaͤlig wieder Tag machten.

Die Menge der Kloͤſter der roͤmiſchen Kirche mag nicht weniger, als ihre Aus - artung, hie und da ihre Aufhebung und Einſchraͤnkung nothwendig machen. Den - noch ſcheint es, daß in einem betraͤchtlichen Staat noch hie und da einzelne Stiftun - gen dieſer Art beybehalten werden ſollten. Es giebt doch ſo manche Ungluͤckliche be - ſonders unter dem andern Geſchlecht, die einen Anſpruch auf einen ſolchen ſichern Zufluchtsort haben, wo ſie, verborgen vor dem Auge und dem Laͤrm der Welt, den Reſt ihrer Tage zu verleben wuͤnſchen. Wie viel hat nicht das Leben, das zu die - ſem Wunſch berechtigt! Ein kraͤnkelnder oder abgehaͤrmter Koͤrper, eine Verarmung oder Herabſetzung der Familie, eine verungluͤckte Liebe, eine zerſchlagene Hoffnung, die keine Ermannung zu einer neuen uͤbrig laͤßt, ein ſchmerzhafter Verluſt von einem Geliebten und von Kindern, oder eine beſondere Anhaͤnglichkeit an einer ſanften Me - lancholie, eine Sehnſucht nach Ruhe am Abend des Lebens, eine Stimmung der Seele, die keinen Geſchmack mehr an dem Umgang mit der Welt, keine Kraft mehr fuͤr ihre Geſchaͤfte finden kann, alle dieſe Siechen, dieſe Verwundeten, dieſe Ver - ſtimmten ſcheinen mit Recht das Kloſter als den letzten Ruheplatz, der ihnen gehoͤrt, betrachten zu koͤnnen. Allein auch fuͤr die Wiſſenſchaften koͤnnten die Kloͤſter noch hin und wieder trefflich eingerichtet werden, wenn man ſie blos mit guten Koͤpfen be - ſetzte, und ihnen beſtimmte Beſchaͤftigungen mit den dazu erforderlichen Huͤlfsmitteln anwieſe. Die Entfernung von allen uͤbrigen Geſchaͤften und Verbindungen mit der Welt, die Befreyung von aller Sorge fuͤr die Beduͤrfniſſe des Koͤrpers, die Genuͤg - ſamkeit der Seele, die ruhige Einſamkeit, die geſunde Luft wie vieles iſt nicht hier zur Unterſtuͤtzung des Nachdenkens und der Erfindung vereinigt! Die pro - teſtantiſchen Kloͤſter und Stifter fuͤr Frauenzimmer von Adel haben eine gute Be - ſtimmung, und meiſtens auch eine gute Einrichtung. Sie ſind Anſtalten einer an - ſtaͤndigen Verſorgung, und erleichtern die Laſt der Familien; ſie feſſeln nicht durchunuͤber -80Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterunuͤberlegte Geluͤbde einer ewigen Eheloſigkeit, ſie bewachen nur die Unſchuld, und geben die verwahrte Braut wieder zuruͤck, ſobald ſie gefordert wird.

Es kann demnach bey dieſen verſchiedenen Kloͤſtern auch beſondere Gaͤrten ge - ben. Sie ſind uͤberhaupt mit der Idee eines Kloſters ſehr vereinbar. Sowohl die Einſamkeit, als auch die Froͤmmigkeit ſelbſt laden zur Betrachtung der Natur und zur ſtillen Behagung an den Wundern ein, die den Geiſt zu dem Schoͤpfer empor - heben. Selten iſt ein Kloſter ohne Garten; aber auch ſelten hat der Garten einen Charakter, wie ſeine Verbindung mit einem Kloſter fordert. Faſt alle Gaͤrten bey ſolchen Stiftungen enthalten nur, was ihre naͤchſten Beduͤrfniſſe fordern, Gemuͤſe, oder Baumfruͤchte, oder Wein. Einige Kloͤſter laſſen ihre Moͤnche in kleinen abge - ſonderten Haͤuſern wohnen, wovon jeder ſein Gaͤrtchen hat, das von ſeinem Beſitzer bearbeitet und bepflanzet wird, faſt immer mit Kuͤchengewaͤchſen; bey dieſen iſt oh - nehin der Platz zu eingeſchraͤnkt. Sie ſind eben ſo wenig Kloſtergaͤrten, wie wir ſie hier ſuchen.

2.

Gaͤrten bey Kloͤſtern, die nicht dem Nutzbaren gewidmet ſind, verlangen ihren eigenen Charakter; und dieſer iſt ſowohl von der Beſtimmung des Gebaͤudes, als auch von der Lebensart ſeiner Bewohner abhaͤngig. Es waͤre kein Werk der Ueber - legung, hier praͤchtige, glaͤnzende oder wolluͤſtige Scenen zu eroͤffnen, die fuͤr die, welche ſie betreten ſollen, der gewoͤhnlichen Stimmung ihrer Seele ganz widerſpre - chen. Eingezogenheit, Ernſt, Verlaͤugnung, in ſich ſelbſt gekehrte Betrachtung ſind das Eigenthum des aͤchten Kloſterbewohners; ſie ruhen bey ihm in der tiefen Stille ſeiner Zelle, ſie folgen ihm nach, wenn er vom Fuß ſeines Altars ſich erhebt und hinauswandelt, ſein noch von Bußthraͤnen naſſes Auge in dem Angeſicht der Natur wieder zu trocknen. Doch die Natur ſcheint ihm weniger, was ſie andern Buͤrgern der Erde iſt, und gleichwohl iſt ſie ihm mehr. Er ſieht nicht in ihr den Strom von ſinnlichen Freuden, worinn ſich die Phantaſie berauſcht; aber er verwan - delt den ſtillen Wald in einen Tempel der Gottheit, in einen Vorhof des Himmels. Die Roſe iſt ihm kein Schmuck fuͤr die Scheitel der Freude, oder fuͤr den Buſen der Schoͤnheit; ſie entblaͤttert ſich vor ihm, faͤllt und welket dahin, nur ein Bild ſeiner eigenen Vergaͤnglichkeit.

Der Kloſtergarten gehoͤrt zu der Gattung vom melancholiſchen Charakter. *)S. 4ten B. S. 81 u. ſ. w.Entfernung von dem Getuͤmmel der Welt, Verſchloſſenheit, feyerliche Stille, und zu ernſten Betrachtungen einladende Dunkelheit muͤſſen ihn auszeichnen. Gleich beym Eintritt kuͤndige ſich dieſer Charakter an, und empfange die Seele mit einemheiligen81von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. heiligen Schauer. Eine Lage in einem buſchvollen Thal von anliegenden ſteilen Hoͤ - hen beſchattet, in dem Dunkel eines dicken Waldes, zwiſchen Bergen von Tannen geſchwaͤrzt, an ruhenden mit Gebuͤſchen eingeſchloſſenen Gewaͤſſern, die kein Hauch der Winde belebt, wo der blaſſe Schimmer des Mondes in feyerlicher Stille zerfließt, und die nahen Baͤume und Gebuͤſche durch die Miſchung von Finſterniß und Helle in unkennbare ſchauervolle Geſtalten wandelt eine ſolche Lage iſt zu dieſer Gat - tung unentbehrlich. Die Bepflanzung muß in dichten Haynen, gedraͤngten Klum - pen und waldigten Wildniſſen beſtehen, mit Baͤumen vom dunkeln und ſchwaͤrzli - chen Gruͤn, als der gemeinen Eller, der ſchwarzen Eiche, beſonders mit Taxus, abendlaͤndiſchen Lebensbaͤumen (Thuia occident. L.) Fichten, Tannen, und andern Nadelhoͤlzern. Die Pflanzungen muͤſſen ſich nahe an einander anſchließen, um keine betraͤchtliche heitere Zwiſchenraͤume zu laſſen, die dem Eindruck des Ganzen ſchaden koͤnnten, und um Schatten und Dunkelheit zu verſtaͤrken. Hohe bejahrte Eichen und andere ausgebreitete Waldbaͤume, die ſchon die Vorwelt beſchatteten, ſind fuͤr Anlagen dieſer Art eben ſo willkommen, als dichte, waldigte, unwegſame Gebuͤſche und Wildniſſe; ſie koͤnnen zu intereſſanten Scenen mit der beſten Wirkung benutzt werden. Keine glaͤnzende Blumengruppen, keine lebhaft bluͤhende Straͤucher, keine lachende Raſen, keine ſpielende Baͤche, keine heitere Ausſichten duͤrfen hier den Ernſt der Pflanzung unterbrechen. Sie mag ſich in gebildeten finſtern Gruppen und melancholiſchen Haynen zeigen, oder in ſchmalen wilden Waldlabyrinthen von uͤber - haͤngenden Laubdecken verduͤſtert, oder in langen ſchauerlichen Bogengaͤngen, welche die Roßkaſtanie und die Fichte, die Balſampappel und der Eibenbaum mit einem tiefen Dunkel fuͤllen, oder in verborgenen Schattenwinkeln, die heilige Monumente einſchließen uͤberall muß ſie dem Charakter getreu bleiben, den dieſe Gattung heiſcht. Die Hayne, die Gruppen, die Schattengaͤnge koͤnnen mit kleinen Gebet - haͤuſern und Kapellen,*)S. 3ten B. S. 108 u. f. mit Einſiedeleyen,**)S. 96 u. f. mit Denkmaͤlern abgeſchiedener Freunde,***)S. 55-57. 80. 139 u. f. mit Ruinen,†)S. 110 u. f. und ſelbſt mit Graͤbern beſetzt werden, und dadurch an Feyerlichkeit und ruͤhrender Kraft gewinnen. Alles, was die Vergaͤnglichkeit der Scenen dieſer Welt fuͤhlen laͤßt, und zugleich den Geiſt zu hoͤhern Hoffnungen eines unverwelklichen Paradieſes hebt, iſt dieſer Gattung gemaͤß. Noch intereſſanter werden die Denkmaͤler, wenn ſie keine leere Urnen ohne Beſtimmung ſind, ſo ge -woͤhnlichV Band. L82Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterwoͤhnlich es auch iſt, ſie aufzuſtellen, ſondern Erinnerungen an einen wahren Ver - luſt. Kann hier nicht einem abgeſtorbenen frommen Freund eine Urne, ein Grabmal geſetzt werden, das ſeine Aſche enthaͤlt? Wenn die Stille des Abends in den heiligen Hayn winkt, und der Mond, der an dem Grabe ſchleicht, mit ſeiner bleichen Fackel dieſe Inſchrift an einer nahen Eiche erhellt:

Mein Freund iſt hin!
Sein Schatten ſchwebt mir noch vor dem verwirrten Sinn.
Mich deucht, ich ſeh ſein Bild, ich hoͤre ſeine Worte;
Ihn aber haͤlt am ernſten Orte,
Die nichts zuruͤcke laͤßt,
Die Ewigkeit mit ſtarken Armen feſt.
*)v. Haller.
*)

wie reich an feyerlicher Ruͤhrung iſt nicht eine ſolche Scene! Auch Erinnerungen an die Flucht der Zeit ſind hier ſchicklich. Eine kleine Einſiedeley, blos mit einem Stun - denglas auf dem Tiſche, und hinter ihm mit dieſen Worten an der Wand:

En ruit hora, ruit ſic vita ruentibus horis; Sors, quamcunque dabit, non mihi vana ruat.

kann ſchon lehrreich ruͤhren. Man moͤchte vielleicht Einſiedeleyen hier faſt fuͤr uͤber - fluͤßig halten, weil ſchon das Hauptgebaͤude, die ganze Lebensart einſiedleriſch genug iſt; indeſſen haben ſie doch in Kloſtergaͤrten eine Schicklichkeit, die ihnen an vielen andern Orten fehlt, und koͤnnen, wenn ſie auch nicht zur Bewohnung dienen, doch als Gegenſtaͤnde der Bezeichnung gelten, welche die Wirkung des Ganzen verſtaͤrken hel - fen. Doch duͤrfen ſie weder einander durch ihre Lage beruͤhren, noch in einem einzelnen Garten gehaͤuft werden, indem ſie ſonſt den Begriff der Einſamkeit durch die Vor - ſtellung von Geſelligkeit aufheben wuͤrden. Zerbrochene Grabſteine, verfallenes Ge - maͤuer von Epheu durchwachſen, und andere Arten von Ruinen finden hier, als Bilder der Vergaͤnglichkeit, ihre Stelle. Die Gebaͤude eines Kloſtergartens, als Kapellen, Gebeinhaͤuſer, Einſiedlerwohnungen, und ſelbſt die Ruinen muͤſſen im gothiſchen Styl ſeyn; denn er hat ganz das Prachtloſe, das Einfaͤltige, das Ehrwuͤrdige, das dieſer Gattung von Anlagen zukommt, und intereſſirt zugleich durch die Erinnerung an laͤngſt verfloſſene Jahrhunderte.

Wo es Lage und Gegend verſtattet, da winde ſich, nach allen dieſen Scenen der Melancholie, nach allen dieſen labyrinthiſchen Gaͤngen unter dunklen Schattenge - woͤlben, in einſamen Haynen und finſtern Gebuͤſchen ein ſchmaler Pfad durch ein ſich immer mehr an Ernſt verduͤſterndes, immer mehr an Feyerlichkeit der Monumenteſich83von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſich verſtaͤrkendes Revier und wende ſich ploͤtzlich zu einer heitern Hoͤhe, und falle mit einer lebhaften Ueberraſchung in weite, glaͤnzende, entzuͤckende Ausſichten. Welch ein erfriſchender Blick in die Herrlichkeit der Schoͤpfung! Doch der weiſe Kloſterbe - wohner ſiehet hier mehr, als was blos das Auge entzuͤckt, weiter, als ſein ſichtbarer Bezirk reicht.

Die finſtre Decke der Zukunft wird aufgezogen; er ſiehet Ganz andere Scenen der Dinge, und unbekannte Gefilde. *)v. Kleiſt.

In dem Reiz dieſer Ausſichten ſchwebt vor ihm ein Bild von den nahen Woh - nungen des Himmels, ein Vorſchimmer aus den Gegenden, wo ein ewiger Fruͤhling vor ihm bluͤhen, und eine Heiterkeit ohne Untergang ihn umlaͤcheln wird. Die blaue Ferne ſchließt nicht den Kreis der Blicke ſeines Geiſtes; ſie durchdringen die letzte Daͤmmerung der Erdduͤnſte, fliegen fort und breiten ſich aus durch die unermeßlichen Gefilde einer hellen Ewigkeit. Dieſe Ausſicht iſt der Lohn ſeiner kurzen Kloſtertage; von ihr geſtaͤrkt kehrt er in die Schule ſeines Gartens, in die Pruͤfungen ſeiner Zelle zuruͤck, und wartet ruhig auf die Stunde ſeiner Verſetzung in die Wonne der Gegen - den, die ihn ſchon in der Ferne entzuͤckten.

Zu dieſem feyerlichen Ernſt, welcher der Lebensart und dem Wohnplatz der Moͤnche zuſtimmt, duͤrfen ſich aber Gaͤrten bey proteſtantiſchen Kloͤſtern und Stiftern nicht heben. Kloſterpflichten, Gebraͤuche, Sitten ſind hier milder, alles iſt hier mehr herabgeſtimmt. Daher keine ſchauervollen Auftritte mehr, ſondern ſanftere Scenen der Melancholie. Die Unterhaltungen einer ſuͤßen Schwermuth, die Denkmaͤler voll ruͤh - render Erinnerungen koͤnnen hier ſchon durch einige anmuthige Vorſtellungen gemil - dert werden. Doch darf hier nichts einſchleichen, was den Charakter eines weiſen Ernſtes in Munterkeit uͤbergehen laͤßt, oder den Eindruck einer ſtillen Melancholie auf - hebt, die in Gaͤrten dieſer Klaſſe herrſchen muͤſſen.

3.

Hier ſcheint der Ort zu ſeyn, um eines beſondern Geſchmacks an kloſtermaͤßig gebaueten Landhaͤuſern zu erwaͤhnen, der jetzt in England auſkoͤmmt. Der Landſitz des beruͤhmten Horace Walpole, Strawberryhill nahe bey Twikenham, iſt ein Muſter dieſer Art. Das Haus ſieht ſchon von außen einer alten mit Epheu be - wachſenen Abtey gleich. Der Eingang geht durch einen engen dunkeln Kloſterhof, an deſſen Waͤnden alte aus Italien gebrachte Grabſchriften eingemauert ſind. Im Hauſe ſelbſt findet man ein Refectorium, Kapitelſaal, Schlafzimmer, und Kapelle, ſo wie in allen Kloͤſtern. Aus der Bauart, den Meublen, den gemalten Fenſtern und allen Verzierungen ſollte man ſchließen, es waͤre ein Werk aus dem dreyzehnten Jahr -L 2hundert.84Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterhundert. In der Bibliothek herrſcht ebenfalls dieſer gothiſche Geſchmack; die Buͤ - cherſchraͤnke gleichen den heiligen Schreinen der alten Kirchen, und das ſchoͤne Schnitz - werk ſtimmt vollkommen mit der Zeit uͤberein, woraus es geborgt iſt. Die Tiſche, die Stuͤhle, das ganze Hausgeraͤth, die alten bemalten Glasſcheiben ſcheinen wirklich aus den vorigen Jahrhunderten zu ſeyn; alles iſt mit einer ſehr klugen Wahl und mit einer genauen Beobachtung des Koſtums ausgefuͤhrt, ohne bey unſerm veraͤnderten Geſchmack anſtoͤßig zu ſeyn. Einzelne Werke in dieſem Styl fallen als gluͤckliche Nachahmungen auf, und uͤberraſchen durch den ſeltſamen oder auch ungewoͤhnlichen Geſchmack, der darinn erſcheint. Allein es iſt eben nicht zu wuͤnſchen, daß Landhaͤuſer in Kloſtergeſtalt durch die Mode allgemein werden. Sie geben indeſſen zur Wieder - anwendung der gothiſchen Architektur eine ſeltene Veranlaſſung. *)Einige Architekturwerke, vornehm - lich der Englaͤnder, beſchaͤftigen ſich be -ſonders, den gothiſchen Geſchmack in Ge - baͤuden zu zeigen. Dahin gehoͤrt, waszuvoͤrderſtGebaͤude dieſer Art ſollten auch nur mit Gaͤrten im Kloſterſtyl verbunden werden.

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IV. Gaͤrten85von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

IV. Gaͤrten bey Geſundheitsbrunnen.

1.

Die Gaͤrten, die bey Geſundheitsbrunnen und bey Baͤdern angelegt werden, ſind ebenfalls von ihrer beſondern Beſtimmung abhaͤngig. Sie muͤſſen nicht allein bequeme und mannichfaltige Spaziergaͤnge haben, die zur Bewegung in der freyen Luft anreizen, ſondern auch viele Plaͤtze zur Verſammlung, zu geſeltſchaftli - chen Beluſtigungen, zur Ruhe im Schatten. Auf die Befriedigung dieſer Beduͤrf - niſſe muß man bey allem Eigenſinn doch ſehen, welchen oft die Natur in ſolchen Ge - genden zu zeigen pflegt.

Der Bezirk dieſer Gaͤrten darf nicht verſperrt werden. Sie muͤſſen frey und ungehindert uͤber ihre Graͤnzen hinſchauen, und dieſe ſich allmaͤlig in die umliegende Gegend verlieren. Offene und heitere Ausfichten ſind hier fuͤr das Beduͤrfniß des Auges unentbehrlich, und die geſunde, erfriſchende, erquickende Luft muß frey die Luſtplaͤtze durchſtreichen koͤnnen.

Die Pflanzungen muͤſſen nicht allein reiche Beſchattungen in allen Stunden des Tages geben, ſondern auch an einigen Stellen ſolche Spaziergaͤnge, Ruheplaͤtze und Lauben bilden, zu welchen man bey rauhem und windigtem Wetter fliehen und im Freyen beſchuͤtzt verweilen kann. Die ſchoͤnere Pflanzung bildet ſich in Grup - pen und Haynen. Doch duͤrfen auch breite und gerade Alleen, zumal in der NaͤheL 3der*)zuvoͤrderſt die Verzierung einzelner Theile und Gebaͤude betrifft: The City and Coun - try Builder’s and Workman’s Theaſury of Deſigns &c. by Batty Langley. Lon - don. 4. 1740. Demnaͤchſt Gothic Archi - tecture &c. by B. & T. Langley. 4 Lon - don. 1747. enthaͤlt verſchiedene Abbildun - gen und Gartengebaͤude im aͤchten gothi - ſchen Styl. Chineſe and Gothic Archi - tecture properly ornamented being Twenty New Plans and Elevations, on Twelve Copper-Plates &c. engraved from the Deſigns of William and John Halfpenny, Architects. 4. London. ohneJahrzahl. Gothic Architecture decorated conſiſting of a large collection of Tem - ples, Banqueting, Summer and Green Houſes, Garden Seats and Hermitages &c. deſigned by P. Decker, Architect. London. 8. 1759. Mit 12 Kupfertafeln. Einige Werke der Architektur ſind hier im wahren gothiſchen Geſchmack, beſonders die Gebaͤude Taf. 1. 2. und 3. die Garten - ſitze Taf. 6. 7. 8. 9. und die Einſiedeleyen Taf. 10. und 11. Dagegen enthaͤlt Taf. 3. 4. und 12. weit weniger richtige Vorſtel - lungen.86Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterder Wohngebaͤude, um das Brunnenhaus, oder um die Baͤder, in dieſe Anlagen kommen. Sie ſind hier nicht allein als Zugaͤnge ſchicklich, ſondern auch bequem zum geſellſchaftlichen Spaziergang, zur Verbindung der Brunnengaͤſte und zur Un - terhaltung. Man iſt an dieſen Oertern vergnuͤgt, ſogleich aus dem Hauſe oder von dem Brunnen in den Schatten zu treten. Hier muͤſſen demnach hohe und laubreiche Baͤume ihre Zweige ausbreiten, und den Brunnengaſt, ohne ihn im geringſten von der Sonne leiden zu laſſen, mit ihren kuͤhlen Schattengewoͤlben beſchirmen. Dieſe geraden Alleen koͤnnen ſowohl mit erweiterten, doch immer beſchatteten, Verſamm - lungsplaͤtzen in ihrem Bezirk, als auch an den Seiten mit ſchlaͤngelnden Gaͤngen wechſeln, die in die uͤbrigen Anlagen fuͤhren. Hohe Hecken, die ſchon an ſich ſo verwerflich ſind, werden an Brunnenoͤrtern noch unertraͤglicher, indem ſie zwiſchen ihren Waͤnden die Luft, wie den Menſchen, einſperren, und in manchen Stunden des Tages wie ein Treibhaus erhitzen. Jede andere verſtaͤndige Pflanzung giebt ei - nen weit ſicherern und reichern Schatten. Auch lange kuͤnſtliche Bogengaͤnge ſind hier zu vermeiden, weil ſie gemeiniglich eine feuchte und dumpfigte Luft in ſich ſchließen.

Einheimiſche und auslaͤndiſche Baͤume und Straͤucher mit mancherley Stau - den und Blumenpflanzen vermiſcht, koͤnnen die Alleen, oder die mehr freyen und natuͤrlichen Gruppen, Hayne, Lauben und Schattengaͤnge bilden. Von den Baͤu - men ſind ſolche Gattungen zu waͤhlen, die nicht allein reichen Schatten verbreiten, als Roßkaſtanien, Platanen, Ahornen, italiaͤniſche und caroliniſche Pappeln, Tulpenbaͤume, Katalpen, u. f. ſondern auch wohlriechendes Laub und Bluͤthen ha - ben, als Balſampappeln, Linden, virginiſche Robinien (Robinia Pſeudoacacia, L.), bluͤhende Eſchen (Fraxinus ornus, L.) u. a. Die Straͤucher, die zu dieſen Pflan - zungen gehoͤren, bluͤhen entweder faſt den ganzen Sommer hindurch, oder ſie em - pfehlen ſich durch wohlriechendes Laub, oder durch den Duft und die Annehmlichkeit ihrer Blumen. *)S. 4ten B. S. 42-48. 141-142. 151-152.Mit dieſen Baͤumen und Straͤuchern koͤnnen nicht allein ſolche Stauden, die in den Sommermonaten lange bluͤhen, und beſonders wohlriechende, ſondern auch Arzeneykraͤuter von einem angenehmen gewuͤrzhaften und ſtaͤrkenden Geruch, als die roͤmiſche Chamille (Anthemis nobilis, L.), Krauſemuͤnze, Meliſſe, Salvey, Lavendel u. ſ. w. zur Bereicherung der Gebuͤſche verbunden werden. Die niedrigen Straͤucher, beſonders die ſchoͤnbluͤhenden, demnaͤchſt die feinſten Blumen und die angenehmſten Pflanzen erſcheinen an dem Rande der Gebuͤſche und bekraͤnzendie87von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. die Spaziergaͤnge. Alle dieſe Verbindungen von Baͤumen, Straͤuchern und Blu - men ſtellen zuſammen ein großes mannichfaltiges reizendes Gemaͤlde dar. Eine bluͤ - hende Heiterkeit der Natur, die auf allen Seiten Freude verbreitet, herrſche durch die ganze Anlage an einem Brunnenorte. Daher Abwechſelung der ſchattigten und offenen Plaͤtze, vornehmlich Abwechſelung der Baumgruppen mit kleinen Blumen - huͤgeln, mit Raſen, mit wohlriechenden Lauben, mit Sitzen unter Schatten. Die Ausgaͤnge der Pfade muͤſſen immer zu den angenehmſten Ausſichten in die Land - ſchaft fuͤhren.

Die Hayne und Gruppen koͤnnen mit Gaͤngen durchbrochen werden. Luſt - waͤlder von ſchoͤnen, geraden und hohen Staͤmmen mit beſchattendem Laube ſind zum Spaziergang ſowohl, als zum Ruhen uͤberaus anmuthig. Die Pflanzung muß frey im Geſchmack der Natur ſeyn, und durchaus die gerade Linie vermeiden. Daher iſt eine Verſchiedenheit in den Abſtaͤnden der Baͤume ſorgfaͤltig zu beobachten. Es iſt ein angenehmes Schauſpiel, zu ſehen, wie ſich die Spazierenden zwiſchen den vortretenden und zuruͤckweichenden Staͤmmen zerſtreuen, und dieſe ſich ſelbſt zu be - wegen ſcheinen. Viele einſame Lauben und abgeſonderte Schattenſitze ſind hier willkommen. Doch ein weit wichtigeres Erforderniß ſind große umpflanzte Plaͤtze, wo ganze Geſellſchaften ſich im Freyen verſammeln koͤnnen, wo ſie am Morgen ih - ren Kaffee trinken, an warmen Abenden ſpeiſen, ſpielen, tanzen, oder ſich geſellig unterreden. Dieſe Plaͤtze muͤſſen heiter, von ſchoͤnen Luſtgebuͤſchen, von Raſen, von Blumengruppen, von reizenden Ausſichten umgeben, und zugleich von uͤberſchatten - den Laubdecken vor den Strahlen der Sonne beſchirmt ſeyn. Dichte Gruppen, oder eine doppelte oder dreyfache Umkraͤnzung von Laubbaͤumen, zwiſchen welchen Roſen, Geisblatt und andere wohlriechende Straͤucher die Zwiſchenraͤume fuͤllen moͤgen, die - nen zur anmuthigen Ueberſchattung ſolcher friſchen Verſammlungsplaͤtze, die ſo viel zur Unterhaltung der Geſelligkeit beytragen. Da, wo ſich die Brunnengaͤſte waͤhrend des Trinkens am Morgen aufhalten, muß ein reiches Gruͤn, das ſo er - quickend und ſtaͤrkend fuͤr das Auge iſt, uͤberall ſeinen ſanften Teppich und ſeine ſchuͤ - tzenden Vorhaͤnge ausbreiten. Daher kein nahes Waſſer, wo der blitzende Son - nenſtrahl das Auge verwundet, keine weiße blendende Waͤnde an Gebaͤuden umher, kein ſchimmerndes brennendes Steinpflaſter.

Ueberall muͤſſen in den Spaziergaͤngen eines Brunnenorts die Wege tro - cken ſeyn, eine Forderung nicht allein von der Bequemlichkeit, ſondern auch von der Geſundheit. Ueberall muͤſſen die Gruppen, Hayne und Schattengaͤnge mitGarten -88Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren CharakterGartenſtuͤhlen, mit Baͤnken von Holz, und mit andern Arten von Sitzen beſetzt ſeyn, damit der Spazierende ruhen koͤnne, wo ihn Ermuͤdung uͤberfaͤllt.

Zu den Verſchoͤnerungen der Luſtpflanzungen und offenen Plaͤtze gehoͤren Sta - tuen und Gebaͤude. Die erſtern ſtellen an einem Brunnenort mit Schicklichkeit den Aeſculap, oder die Goͤttinn der Geſundheit mit der Schlange in der Hand vor - Aber warum wollen wir nicht auch hier mit groͤßerm Vortheil dem wahren und er - kannten Verdienſt Denkmaͤler ſetzen? Die Statue eines Boͤrhaave, Tiſſot, Zim - mermann, Berger, und anderer Aerzte vom erſten Range, ſollten ſie an einem Brunnenort nicht weit mehr intereſſiren, durch die angenehmen Empfindungen der Dankbarkeit oder der Verehrung fuͤr die Retter der leidenden Menſchheit nicht weit mehr unterhalten, als die weniger bekannten Geſtalten des Alterthums, die wohl zu dem Kunſtverſtaͤndigen, nicht aber zu dem Menſchen reden?

Die Gebaͤude, die in den Luſtgebuͤſchen und Haynen bey einem Brunnenort nicht blos zur Bequemlichkeit gereichen, ſondern auch zur Verſchoͤnerung ſo viel bey - tragen, ſind Muſikhaͤuſer, Tanzhaͤuſer, Speiſehaͤuſer, Trinkhaͤuſer, Spielhaͤuſer oder Kabinette. Sie koͤnnen alle in ſchoͤnen, aber verſchiedenen Formen, zum Theil als Tempel, gebauet, charakteriſtiſch verziert und anmuthig umpflanzt werden; und ſodann eine Reihe von mannichfaltigen Scenen bilden helfen. Auch der Geſundheit kann hier mit Geſchmack ein beſonderer Tempel gewidmet werden. Hier iſt eine Er - findung von dieſer Gattung von Gebaͤuden. *)Dieſer Tempel ward von mir fuͤr Meienberg vorgeſchlagen, wo er aufge - fuͤhrt werden ſoll, und von Herrn Archi -tekt Schuricht ſehr gluͤcklich nach der an - gegebenen Idee gezeichnet.

Der89von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
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V Band. M90Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter

Der Tempel iſt rund, im Geſchmack der Tempel des Alterthums, und offen, mit freyen joniſchen Saͤulen, die ſeine mit Blumenkraͤnzen verzierte Kupel tragen. Er erhebt ſich auf einer etwas erhoͤheten Grundlage, und einige Stuſen fuͤhren zu ihm hinan. In ſeinem Charakter iſt Heiterkeit und Staͤrke vereinigt. Ueber dem Eingange ſieht man in halberhabener Arbeit eine Opferhandlung im antiken Styl und die goldene Inſchrift: Pietas Revaleſcentium. In ſeiner Mitte ſtehen zwey ſchoͤne weibliche Sta - tuen in ebensgroͤße, die Goͤttinn der Geſundheit, und die Goͤttinn der Freude. In - dem ſich beyde Goͤttinnen zur Umarmung naͤhern, erſcheint die Freude mit der rechten Hand in der Stellung, ihren eigenen Blumenkranz, ihr beſtes Geſchenk, der Geſund - heit aufzuſetzen. Der Tempelplatz iſt mit niedrigen ſchoͤn bluͤhenden Straͤuchern um - kraͤnzt; in ſeinem innern Bezirk ſind rings umher kleine lebhafte Gruppen von Blu - men zerſtreut, zwiſchen welchen Pfade ſich winden, und ſein gebaute Baͤnke ſtehen, wo Geſellſchaften unter frohen Unterredungen ruhen.

Doch die nothwendigen und vornehmſten Gebaͤude bey Brunnen und Baͤdern ſind die, welche zur Wohnung der Gaͤſte und zum Trinken oder Baden dienen. Ein großes Gebaͤude, worinn alle, oder doch viele Gaͤſte neben einander wohnen, hat die Unbequemlichkeit eines oͤffentlichen Wirthshauſes und mancherley andere Ungemaͤch - lichkeiten mehr. Doch, wenn es errichtet wird, muß darinn beſonders fuͤr bequeme Ab - ſonderungen der Wohnzimmer, fuͤr Reinlichkeit und friſche Luft geſorgt werden. Sol - che Gebaͤude koͤnnen in den obern Stockwerken, auf den Seiten oder Fluͤgeln, Gallerien und Austritte haben, und unten vornehmlich mit Arcaden oder Saͤulengaͤngen umge - ben ſeyn, die zum Spaziergang bey Regenwetter dienen, und hier oft ein wichtiges Beduͤrfniß werden. Das Brunnenhaus, oder das Gebaͤude, womit die Quelle ein - gefaßt zu werden pflegt, wird am meiſten geſehen, am meiſten beſucht. Es muß von einer edlen und einfachen Architektur ſeyn, und ein heiteres Anſehen haben. Es darf die Form eines runden Tempels annehmen. Sein Anſtrich ſey nicht blendend, ſondern beſtehe in einer ſanftgemilderten, doch muntern Farbe. Eine umherlaufende Gruppe von Straͤuchern mit angenehmen, wohlriechenden, und zum Theil lange dauernden Bluͤthen, als Spiraͤen, Roſen, Hollunder, wohlriechendem Himbeerenſtrauch, Geisblatt, ſtrauchartiger Potentille, Jasmin, Syringen, u. a. giebt dem Brunnenhauſe eine ſchick - liche Verzierung. Dieſe Umpflanzung macht die Scene friſcher. Man geht unter Wohlgeruͤchen und Blumen, dieſen aufheiternden Bildern der Freude, zu der Quelle der Geſundheit. Bey einem oͤffentlichen Badhauſe koͤmmt faſt alles auf die innere zu ſeinem Gebrauch erforderliche Bequemlichkeit an; doch muß ſich auch ſeine Auſ - ſenfeite durch eine ſchoͤne Architektur und durch einen Charakter auszeichnen, der ſeine Beſtimmung ankuͤndigt.

Noch91von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

Noch gehoͤrt zu den Beduͤrfniſſen eines Brunnenorts, daß er in den umliegenden Gegenden umher mancherley wilde Spazierwege zum Gehen, zum Reiten, zum Fah - ren den Brunnengaͤſten anbiete, die laͤngere und ſtaͤrkere Bewegungen und Zerſtreuun - gen ſuchen. Auch ſind in ſeiner Naͤhe oft Plaͤtze noͤthig, wo zur geſunden Bewegung gymnaſtiſche Uebungen und allerley Spiele angeſtellt werden, und dieſe Plaͤtze verſtatten zugleich anmuthige Umpflanzungen und Verzierungen, die ſich auf ihre Beſtimmung beziehen. Alles, was leichte und angenehme Beſchaͤftigung giebt, was die Seele von dem Mitgefuͤhl der koͤrperlichen Schwachheit abzieht, was den Geiſt durch neue reizen - de Bilder erheitert, alles, was dazu beytraͤgt, um in dieſen

inertibus horis Ducere ſollicitae jucunda oblivia vitae.
Horat.

dies alles gehoͤrt in den Plan der Anlagen bey Geſundheitsbrunnen.

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M 22. Nach92Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter

2.

Nach dieſen Vorſchlaͤgen wird es nicht unnuͤtz ſcheinen, wenn wir hier eine kurze Ueberſicht der vornehmſten Brunnen und Baͤder*)Außer einigen Baͤdern der Schweiz habe ich die vornehmſten Brunnenoͤrter in Deutſchland ſelbſt beſucht, als Maien - berg, Pyrmont, Hofgeismar, Wilhelms -bad, Ems, Schwalbach, Wisbaden, und bey verſchiedenen dieſer Brunnen mich wochenlang aufgehalten. folgen laſſen, um zu bemer - ken, wie viel und wie wenig man bisher zu ihrer Verſchoͤnerung gethan hat. Von dieſer Seite ſind ſie noch wenig bekannt, da man bisher ſich nur mit Unterſuchung des Gehalts und der Kraͤfte ihrer Waſſer beſchaͤftigt hat.

Meienberg. **)In der Grafſchaft Lippe-Detmold.

Die Gegend von Meienberg iſt von einem ſehr anmuthigen Charakter. Der Ort liegt am Fuß eines Berges, aus welchem das mineraliſche Waſſer entſpringt; gerade dieſem Berg gegen uͤber, den man bisher den Schanzenberg nennt, ſtreckt ſich gegen Suͤden der nahe Bellenberg. Die ganze Landſchaft iſt gebirgigt. Doch ſpreiten ſich die benachbarten Berge alle aus einander, wodurch Meienberg eine freye und offene Lage gewinnt, welche die Luͤſte beſtreichen koͤnnen. Die hoͤhern Gebirge heben ſich, in einer Entfernung von einer ſtarken Stunde, von Suͤden nach Weſten; ſie ſind alle vom Fuß bis an den Gipfel mit Waldung bewachſen, und ſchließen den Geſichtskreis mit einer praͤchtigen maleriſchen Scene. Ihre maͤßige Hoͤhe und ihre waldigte Bekleidung machen ſie zu uͤberaus reizenden Gegenſtaͤnden; ſie haben nichts von dem Wilden, Oeden oder Fuͤrchterlichen, das oft ein Eigenthum der Gebirge iſt. Der Velmerſtoth erhebt zuerſt in Suͤden ſeinen hoͤher emporragenden Gipfel; an ihn ſchließen ſich andere Gebirge, beſonders der Externſtein, und wo dieſer aufhoͤrt, der teutoniſche Wald, der ſich weſtlich bis in die Grafſchaft Ravensberg erſtreckt, und durch die Niederlage der Roͤmer unter dem Varo beruͤhmt iſt. Man genießt aus den Zimmern der Wohngebaͤude die ſchoͤne Ausſicht auf dieſe Gebirge, uͤber die bis zu ihnen ſich verbreitenden Gefilde, die mit Gaͤrten, Wieſen, Huͤgeln, Kornflu - ren, Baͤchen, Gebuͤſchen, Heerden und Landhuͤtten auf eine lebhafte Art abwech - ſeln. Schoͤner erſcheinen ſie noch in den Augenblicken des ſinkenden Abendlichts, in - dem jede landſchaftliche Scene in der Milde der falben Beleuchtung kenntlicher und ſanfter dem Auge ſich naͤhert, und die hohen Waldungen der mehr ſuͤdlichen Gebirge ihren Schatten tiefer in die Hintergruͤnde der Landſchaft verlaͤngern.

Dieſe93von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

Dieſe Lage von Meienberg, ſo ſehr ſie auch zufaͤllig iſt, macht den Aufent - halt nicht wenig angenehm. Die freyen und mannichfaltigen Ausſichten beleben jedes wohlgeſtimmte Herz. Die umliegenden Berge rufen zu geſunden und ſtaͤrkenden Spaziergaͤngen. Die kleine Muͤhe des Steigens wird bald durch bequeme Fußwege, durch den Reiz abwechſelnder Ausſichten, durch die friſche Luft und die Wohlgeruͤche balſamiſcher Bergkraͤuter belohnt.

Das Brunnenhaus ruhet im Thal, in der Mitte eines ſehr großen Platzes. Es hat keine ſchoͤne Architektur. Unter den Gebaͤuden zeichnen ſich zwey durch ihre Groͤße aus, das Haus des jetzigen verdienten Brunnenarztes, Hrn. Hofraths Tram - pel, unter deſſen Beſorgung die ganze Anſtalt entſtand, und das herrſchaftliche Cur - haus, die beyde an den Brunnenplatz ſtoßen, und ſowohl eine Menge von Wohn - zimmern fuͤr die Brunnengaͤſte, als auch im Erdgeſchoß die Baͤder enthalten. An dem Trampelſchen Hauſe liegt das Ballhaus, das einen ſehr großen Verſammlungs - ſaal hat. Zu dem Brunnenhauſe fuͤhren vier Alleen von Linden und Roßkaſtanien. An der oͤſtlichen Allee iſt vor einigen Jahren ein Luſtgebuͤſch angelegt, das faſt ganz aus mancherley einheimiſchen Baͤumen und Straͤuchern beſteht, die mit einigen aus - laͤndiſchen Gewaͤchſen untermiſcht ſind. Man genießt hier jetzt in allen Stunden einen kuͤhlen Schatten, und, wenn kalte Winde durch die Alleen ſtreichen, eine milde Be - ſchuͤtzung. Schlaͤngelnde Gaͤnge, wo zwey Perſonen bequem neben einander gehen koͤnnen, laufen durch dieſe Pflanzung. Sie iſt ein uͤberaus erfriſchender, waldigter Spaziergang, der jedem Naturfreunde gefaͤllt; anmuthig iſt es, hier in den Mor - genſtunden den Duſt des Laubes und des Graſes zu athmen, und den Thau auf allen Blaͤttern glaͤnzen zu ſehen. Dieſe freye und natuͤrliche Pflanzung war bisher der ſchoͤnſte Theil der Anlagen; die uͤbrige Pflanzung des Brunnenplatzes beſtand in lau - ter ſteifen Heckenwaͤnden von Haynbuchen, die den Schatten, den man ſuchte, nicht gaben, die Ausſicht verſchloſſen, und den freyen Durchzug der geſunden Luͤfte zuruͤck - hielten. Ich hatte hier bey meinem Aufenthalt das Vergnuͤgen, daß die Ausfuͤh - rung meiner Vorſchlaͤge, die zur Verbeſſerung der Anlagen verlangt wurden, beſchloſ - ſen ward. Schon iſt der Anfang gemacht. Die verſperrenden Hecken werden mit den ſchlechten und unſchicklichen Statuen weggeworfen; der Brunnenplatz wird anmu - thiger bepflanzt, und das Ganze erhaͤlt, ſo weit es die beſondere Lage verſtattet, eine natuͤrliche und der Beſtimmung des Orts mehr angemeſſene Einrichtung. *)S. Gartenkalender auf das Jahr 1783. S. 131-148.Noch verdienten die uͤberaus ſchlechten Wege, die hier und in allen umliegenden Gegen - den eben nicht zu Luſtfahrten reizen, eine große Verbeſſerung. Die wilden Spa -M 3ziergaͤnge94Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterziergaͤnge*)S. den angefuͤhrten Gartenkalender S. 149-159. um Meienberg, die ſo voll von Naturſchoͤnheiten ſind, beſonders auf dem Tempelberg, machen eine vorzuͤgliche Annehmlichkeit des hieſigen Aufent - halts aus.

Pyrmont.

In dem Schooß eines ſehr ausgebreiteten, angebaueten, ſchoͤnen und heitern Thals ſprudelt dieſe lange beruͤhmte Quelle von Deutſchlands erſten Geſundheits - brunnen. Es iſt faſt rings umher von waldigten Bergen und romantiſchen Hoͤhen umgeben, die eine Menge von Spazierwegen anbieten, und reich an den intereſſan - teſten Ausſichten ſind. Nichts iſt reizender, als dieſe Umkraͤnzung der Landſchaft mit Bergen, die ſo friſch und heiter in ihrem Gruͤn, ſo abwechſelnd in ihrer Bil - dung und Groͤße ſind, und die noch, wenn die ausbildende Kunſt hier thaͤtig wuͤrde, auf ihren Hoͤhen und Abhaͤngen durch mannichfaltige Arten von Gebaͤuden, ſo wie ſie jede Lage forderte, der praͤchtigſten und erhabenſten Verſchoͤnerungen faͤhig waͤren. Die munterſten Wieſen, Fluren, Landſcenen und Spaziergaͤnge, mit tauſend male - riſchen Ausſichten nach den Bergen, wetteifern gleichſam unter einander zur Beluſti - gung des Auges.

Die Brunnengaͤſte genießen hier die Bequemlichkeit, daß ſie in abgeſonderten Privathaͤuſern ruhige und zum Theil anmuthige Wohnzimmer vorfinden. Zu den oͤffentlichen Gebaͤuden gehoͤrt das Badhaus, das Ballhaus, das Komoͤdienhaus, das Kaffeehaus, die von vielen umher ſtehenden Boutiken noch mehr belebt werden. Das Brunnenhaus, worinn ſich die Trinkquelle befindet, iſt, ohne ſich auszeichnende Architektur, doch gut und weit beſſer gebauet, als das Meienberger. Es ſteht vor dem Eingang einer ſehr großen, langen und ſchattigten Allee, die am Morgen von einer Menge Brunnentrinker, von Muſik, von Geſelligkeit und Vergnuͤgen belebt wird. Man hat in dem obern Theil dieſer Allee rings um ſich ein vermiſchtes Ge - wuͤhl, findet aber bald unten und in den Seitengaͤngen mehr Freyheit und mehr Ent - wickelung reizender Ausſichten der Landſchaft. In der geraden Ausſicht dieſer groſ - ſen Allee hinunter, an deren Ende aus einem Waſſerbehaͤltniß eine Fontaine empor - ſteigt, erheben ſich in der Ferne die gegen uͤber liegenden Berge in einer uͤberaus ma - leriſchen Schoͤnheit, die halb von dem ſanften Dunſt der Morgenluft uͤberſchleyert, und halb von milden Beleuchtungen aufgeheitert noch lieblicher erſcheint.

Eine andere Allee laͤuft vom Brunnenhaus gegen Weſten hin. Sie iſt weni - ger ſchoͤn, wird aber an Schattengewoͤlben und Anmuth zunehmen, wenn die Baͤumeihren95von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ihren natuͤrlichen Wachsthum wieder gewinnen. Sie hat zur Linken, nach dem Klo - ſter Luͤden hin, eine reizvolle Ausſicht, und zur Rechten erſcheint auf einem nahen, runden, von Baͤumen umkraͤnzten Platz die Statue des Aeſculap. Man gelangt zu einem kleinen ſehr anmuthigen, doch ſchmalen Luſtgebuͤſch, das ſich um ein rundes Waſſerſtuͤck windet, und zum Theil aus Gruppen von ſchoͤnen auslaͤndiſchen Baͤumen beſteht, zwiſchen welchen ſich Pſade ſchlaͤngeln. Ein heiterer Platz der Freude! Er verſtattet, zumal wenn die Pflanzung auswendig umher noch etwas erweitert werden koͤnnte, zu ſeiner Verſchoͤnerung ſowohl auf der Erhoͤhung auf der Weſtſeite eine offe - ne Rotunde mit der Statue der Goͤttinn der Geſundheit, als auch auf beyden Seiten am Waſſer eine mit ihr verbundene Kolonnade, mit den Bruſtbildern beruͤhmter Aerzte beſetzt; doch wuͤrde eins von beyden, der Tempel oder die Saͤulengaͤnge, ſchon die Verzierung ausmachen. Die Saͤulen und die Buͤſten wuͤrden in dem nahen hel - len Waſſer ſich ſpiegeln, und mit dem friſchen und mannichfaltigen Gruͤn des Raſen eine ſanfte einnehmende Scene bilden; der Proſpect von der Allee herab wuͤrde anzie - hender und doch nicht geſperrt werden; denn er wuͤrde durch die Saͤulen des offenen Tempels ſtreichen, und die Pflanzung eine Beſtimmung und einen eigenen Cha - rakter gewinnen.

Pyrmont hat außer dieſen Alleen noch manche andere Spaziergaͤnge und an - genehme Plaͤtze, die den Freund der Natur und froher Bewegung zu ſich locken. Hin und wieder ließen ſich vielleicht noch einige Verſchoͤnerungen und Anlagen ma - chen, die der Beſtimmung dieſes Brunnenorts angemeſſen ſind, der, wegen der groſ - ſen Wohlthaͤtigkeit ſeiner Quelle, noch immer aus der Naͤhe und der Ferne von ſo zahl - reichen Hauſen beſucht wird. Und wer wuͤrde ſie beſſer ausfuͤhren, als der vortreff - liche Prinz,*)Se. Durchl. der jetzt regierende Fuͤrſt von Waldeck, Carl Auguſt Friedrich, der ſich waͤhrend der Brunnenzeit in Pyr -mont, zuweilen mit ſeinen Herten Bruͤ - dern, einige Zeit aufzuhalten pflegt. der mit der edlen, offenen Guͤte des Herzens, die in ſeinem Hauſe erblich ſcheint, ſo viel feinen Geſchmack und ſo viel Sorgſalt fuͤr das Vergnuͤgen al - ler Fremden vereinigt, die hier zuſammen ſtroͤmen, der ſo gerne mitten unter ihnen verweilt, und den Fuͤrſten verbirgt, um ganz Mitgeſellſchafter zu ſeyn, und rings um ſich her Freyheit, Geſelligkeit und Heiterkeit zu verbreiten?

Hofgeismar.

Dieſer Brunnenort, ein Paar Meilen von Caſſel entfernt, gehoͤrt in mehr als einem Betracht zu den angenehmen Plaͤtzen. Das Brunnenhaus iſt mit heitern Blu -mengrup -96Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charaktermengruppen umgeben, und in Anſehung der Architektur, die ſeiner Beſtimmung voll - kommen gemaͤß iſt, eines der edelſten Gebaͤude dieſer Art in Deutſchland. Es iſt von runder Form und hat ein flaches Dach, aus deſſen Mitte ſich eine ſchoͤne Ku - pel erhebt. In dem Erdgeſchoß des eigentlichen Brunnenhauſes, wohin verſchie - dene Eingaͤnge hineinfuͤhren, befindet ſich in der Mitte eines geraͤumigen Platzes, der einen runden mit Sitzen verſehenen Arcadengang bildet, die eingefaßte Quelle, zu welcher einige Treppen hinabgehen. Licht, Reinlichkeit und Schoͤnheit kuͤndigen hier gleich eine Anſtalt an, die mit Ueberlegung angeordnet iſt. In dem zweyten Stockwerk befindet ſich wieder ein runder und breiter Arcadengang, von welchem man uͤber ein Dockengelaͤnder in das Erdgeſchoß zu dem Brunnen und den da herum wan - delnden Figuren hinabſieht. Ueber ſich erblickt man das Inwendige der Kupel, die gut ausgemalt und mit Fenſtern durchbrochen iſt, wodurch das Licht von oben vor - theilhaft hereinfaͤllt. Ueberall iſt eine belebende Heiterkeit verbreitet. Aus dieſem obern Arcadengang hat man kleine Altane, die uͤber den Eingaͤngen, die in das un - tere Stockwerk fuͤhren, ausgebaut ſind, und wohin man zum Genuß friſcher Luft tre - ten, oder dieſe durch Eroͤffnung der Thuͤren hereinlocken kann. Mit dieſem Brun - nenhauſe ſind Gallerien, die in einem halben Zirkel hinlaufen, ſehr gluͤcklich verbun - den. Es ſind große, breite, auf beyden Seiten mit Fenſtern ſowohl, als mit Thuͤ - ren verſehene Gaͤnge, aus welchen man im obern Stockwerk einen Austritt in freye, offene, ſchmale und unbedeckte, von einem Dockengelaͤnder eingefaßte Nebengallerien hat, die außen an dem Gebaͤude herumlaufen. Dieſe Gallerien geben ſehr anmu - thige und geſellige Spaziergaͤnge beym ungeſtuͤmen, kalten und regnigten Wetter, und ſind eine faſt unentbehrliche Anlage bey Brunnengebaͤuden; man kann durch die Fenſter und Thuͤren nach Willkuͤhr Licht und Waͤrme und Kuͤhlung hereinrufen. An dieſe Gallerien, die, ſo wie das Brunnenhaus ſelbſt, mit einem flachen von einem Dockengelaͤnder umgebenen Dache gebauet ſind, hat der Architekt wieder zwey große Fluͤgel vortheilhaft anzuhaͤngen gewußt. Die Gallerien winden ſich oben und unten in die Fluͤgel hinein, die meiſtens zum Aufenthalt des Hofes dienen, und mit einem gebrochenen, zur Bewohnung eingerichteten, Dache verſehen ſind. In dem untern Stockwerk des rechten Fluͤgels nach der Gartenſeite befindet ſich ein langer, großer Saal, wo der Hof Tafel und Concerte haͤlt; und in dem untern linken Fluͤgel lau - fen aus der Gallerie dieſer Seite mancherley Galanteriebuden fort, zwiſchen welchen ſpaziert, geſpielt und getanzt wird, und man faſt immer den Landgrafen, ſeinen Hoſſtaat, oder eine andere glaͤnzende Geſellſchaft erblickt. Dieſer Platz iſt daher der lebhafteſte Theil der Brunnengebaͤude. Obgleich bey der Gegenwart des Hofes ihr groͤßter Theil von ihm eingenommen iſt, ſo koͤnnen doch auch Brunnengaͤſte hier ver -ſchiedene97von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſchiedene Zimmer haben, wenn ſie nicht lieber in dem großen nahen Badehauſe wohnen wollen. Wie viel wuͤrden ſo manche andere beruͤhmte Brunnenoͤrter noch gewinnen, wenn ſie ein ſolches ſchoͤnes, mit bequemen Gallerien zum Spazieren und zu oͤffentlichen Vergnuͤgungen eingerichtetes Brunnenhaus haͤtten! Nur macht der farbenreiche aͤußere Anſtrich, worinn Weiß, Roth, Blau, Gelb, Grau in be - ſondern Abtheilungen erſcheinen, daß es ein ganz buntſcheckigtes Anſehen bekoͤmmt. Wie leicht man durch eine ſolche unvorſichtige Ueberladung von Farben an den Auſ - ſenſeiten eines Gebaͤudes die Wirkung ſeiner guten Architektur ſchwaͤchen kann, zeigt dieſes Beyſpiel; denn in einiger Entfernung ſieht die wohlgebauete Kupel einem großen Papageyenbauer aͤhnlich.

Die Gegenwart des zahlreichen und glaͤnzenden Hofes mag freylich fuͤr Brun - nengaͤſte, die ſich hier ſo ganz in dem Genuß der Ruhe zu erfreuen wuͤnſchen, einige Unbequemlichkeit haben. Allein es iſt doch auch gewiß, daß der Hof nicht den geringſten Zwang machen will, und daß Fremde hier unter ſeinen Augen eine voll - kommene anſtaͤndige Freyheit genießen koͤnnen, wenn ſie wollen. Der gute Fuͤrſt ſorgt mit vielen Koſten*)Man rechnet die Einkuͤnfte des Bades auf 800, und die jaͤhrliche Unterhaltung auf 6000 Reichsthaler. fuͤr ihre Bequemlichkeit und fuͤr ihr Vergnuͤgen. Alle Brunnengaͤſte koͤnnen ohnentgeldlich den franzoͤſiſchen Schauſpielen und den oͤffentli - chen Concerten beywohnen, die der Hof hier beſtaͤndig unterhaͤlt.

Doch bequeme und ſchattenreiche Spaziergaͤnge gehoͤren weit mehr zu den Beduͤrfniſſen der Brunnenplaͤtze. Man hat hier den Vortheil, ſowohl aus dem Brunnenhauſe, als auch aus dem Badehauſe ſogleich in den Schatten zu treten, in - dem die Baumpflanzungen ſich nahe an die Thuͤren dieſer Gebaͤude erſtrecken. Der obere Theil des Gartens oder der oͤffentlichen Spaziergaͤnge iſt zwar ganz im franzoͤ - ſiſchen Geſchmack angelegt: man ſieht nur Hecken, die mit hohen Baͤumen regel - maͤßig eingefaßt ſind, oder deren Mitte damit angefuͤllt iſt; Hecken mit Portalen, Fenſtern und andern Oeffnungen. Aber man findet doch hier viel Gruͤn und Schat - ten, indem in den breiten Zwiſchenraͤumen der Hecken ſich hohe Roßkaſtanien und Linden nahe neben einander erheben, unter welchen man in jeder Stunde des Tages einen freyen kuͤhlen Spaziergang auf dem Raſen hat. Zur Rechten liegen verſchie - dene große Lauben zum Speiſen und kleinere Kabinette; man hat um ſich her zurErqui -V Band. N98Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren CharakterErquickung des Auges Laubdecken und Raſen, und, will man ſpazieren, die Be - quemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einfoͤrmigkeit der Anlage iſt doch fuͤr viele Gaͤnge und Sitze unter dichtem Schatten geſorgt, und die - ſer iſt eine Folge von dem natuͤrlichen Wuchs, der den Baͤumen in den innern Re - vieren zwiſchen den Einſaſſungen der Hecken verſtattet iſt. An andern Stellen giebt es runde beſchattete Plaͤtze zum Tanzen fuͤr das Volk, das ſich aus der Nachbarſchaft gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenoͤrtern haͤufig zu verſammeln pflegt, um ſich einen froͤhlichen Tag zu machen.

Was in dieſem Theil der Anlage das Auge am meiſten angreift, das ſind die auf Bretern gemalten Vaſen, Termen und Statuen, ſelbſt auf der Kupel eines Pavillon, und die gedrechſelten Knoͤpfe, die uͤber die Hecken hervorragen. Man ſagt, daß man dergleichen Arten von Verzierungen uͤberſehen muͤſſe. Aber warum uͤberſehen? Wer kann das? Warum und wozu ſind ſie da? Sie machen ja einen Theil des Ganzen, und ſollen uͤberſehen werden? Etwa denn auch das Ganze? Ver - muthlich werden dieſe Reſte der alten gothiſchen Gartenzierrathen, wie der verfal - lende Pavillon, der nichts Schoͤnes hat, von der Zeit zerſtoͤrt werden, die oft ver - gebens dem kluͤgern Geſchmack zeigt, was er thun ſollte.

Die andere groͤßere und ſchoͤnere Haͤlfte des Gartens iſt ein ſogenanntes engliſches Bosquet, oder ein Luſtgebuͤſch im freyen natuͤrlichen Geſchmack, das ſei - nem Anleger*)Dem fuͤrſtlichen Hofgaͤrtner, Herrn Schwarzkopf, einem Mann, der durchKenntniß, Beobachtungsgeiſt und Ge - ſchmack ſich vorzuͤglich auszeichnet. Ehre macht, und eins der erſten Pflanzungen dieſer Art in Heſſen war. Man hat vor einigen Jahren mit dieſem Luſtgebuͤſch ein neues, das noch im Wachsthum iſt, verbunden, und dadurch die Spaziergaͤnge verlaͤngert. Dieſe Pflanzungen beſtehen aus einer großen Mannichfaltigkeit von auslaͤndiſchen und ein - heimiſchen ſchoͤnen Baͤumen und Straͤuchern, aus bluͤhenden und duftenden Stau - den und niedrigen Blumenpflanzen. Die Anordnung iſt die natuͤrliche, da die Blu - menpflanzen voran, dann die hoͤhern perennirenden Stauden, demnaͤchſt die Straͤu - cher, und endlich die Baͤume, denen ſie zugleich zum Untergebuͤſch dienen, folgen, und mit einem edlen Wuchs emporſteigen. Eine reizende Pflanzung fuͤr das Auge und fuͤr den Geruch. Man ſieht mit kluger Wahl manche Blumenſtraͤucher ange - bracht, die faſt den ganzen Sommer hindurch bluͤhen. Der Baumkenner ſtoͤßt hier auf manche ſchoͤne auslaͤndiſche Baͤume, als Tulpenbaͤume, morgenlaͤndiſcheund99von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. und abendlaͤndiſche Platanen, Scharlacheichen und andere amerikaniſche Arten von Eichen, virginiſche Robinien von außerordentlich hohen und geraden Staͤmmen. Die neuere Einfaſſung der Pflanzung mit Liguſtrum iſt zu geziert und einfoͤrmig. Auch haben ſich einige zirkelfoͤrmige Baumſtellungen eingeſchlichen, die hier zu ge - kuͤnſtelt ſcheinen, obgleich eine Stelle davon mit Rothtannen durch ihre Dunkelheit einen guten Contraſt gegen das lebhaſte Kolorit des Ganzen macht. Dem Spazie - renden iſt es nicht bequem, daß in dieſe runde Plaͤtze die Pfade ſich endigen, ohne wieder einen Ausgang zu haben, und ohne hier einen Ruheſitz zu finden. Das Um - kehren auf den vorigen Weg iſt verdrießlich, wie die Taͤuſchung der alten Irrgaͤnge, und hier immer ein Fehler in der Anlage; ſo oft man an den Eingang zuruͤck koͤmmt, erinnert man ſich der Verſchließung, und huͤtet ſich wohl, wieder hinein zu treten. Die Gebuͤſche ſind hier dicht und groß genug, um dieſe Unbequemlichkeit zu ver - meiden und den Gang in ſeinem Fortlauf zu erhalten; uͤberhaupt koͤnnten die Wege zum Vortheil des Spazierenden noch ſehr vervielfaͤltigt werden. An einer Stelle, bey dem Ausgang ins Feld, ſtoͤßt man auf eine Sternpflanzung, die einen widrigen Eindruck macht. Doch alle die kleinen Striche, die das ſchoͤne Gemaͤlde etwas ver - ſtellen, ſind nicht von dem erſten Anleger, ſondern nachher von einem fremden Pinſel hineingetragen.

Die Wendung der Gaͤnge, die durch dieſe Pflanzung laufen, iſt hie und da wohl etwas zu einfoͤrmig. Die gemeine Schlangenlinie in den erſten engliſchen Gaͤrten iſt nicht natuͤrlich, und ermuͤdet nicht weniger, als der gerade Weg. Freye und mannichfaltige Wendungen aber unterhalten den Spaziergaͤnger.

Eine beſondere Lebhaftigkeit erhaͤlt dieſe Pflanzung von einem Bach, der uͤberall ſchlaͤngelnd durch ſie geleitet iſt, viele anmuthige Waſſerguͤſſe hat, mit einem gruͤnen und mit Baͤumen bepflanzten Ufer verſchoͤnert iſt. Dieſer Bach, ſeine kleinen Waſſerfaͤlle, ſeine Einfaſſung, ſeine Bruͤcken bilden zuſammen ein uͤberaus heiteres Revier, das von den Geſaͤngen der Voͤgel noch mehr belebt wird. Die Bruͤcken koͤnnten mehr ſchoͤn und mannichfaltig an Form ſeyn. Die Baͤume am Ufer des Baches koͤnnten zuweilen mit uͤberhaͤngenden Blumengruppen und bluͤhen - den Straͤuchern abwechſeln; ſie koͤnnten ſich zuweilen dem Waſſer mehr naͤhern, zu - weilen mehr von ihm zuruͤckweichen; ſie ſcheinen außerdem noch zu ſcharf auf der Li - nie zu ſtehen. Ein Strauch, der in den Waſſerguß haͤngt, oder eine Blume, die freundlich uͤber den Bach nickt, wuͤrde ſchon den Reiz des Gemaͤldes mehr heben. Die Raſen am Ufer ſind hin und wieder zu kuͤnſtlich ausgeſchnitten. Die BaͤnkeN 2haben100Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterhaben hier noch alle einen gruͤnen Anſtrich. Warum Gruͤn auf Gruͤn? Warum nicht Weiß, wie die Bruͤcken? Die Lebhaftigkeit des Weißen hebt ſich zwiſchen dem Gruͤn fuͤr das Auge, und dieſer Anſtrich iſt ſchicklicher. Noch koͤnnte der begraͤn - zende Zaun des Luſtgebuͤſches entweder ganz aufgehoben, oder mit leichten und wohl - gebauten Thuͤren und Ausgaͤngen in Feld und Wieſe durchbrochen werden.

Die Weitlaͤuftigkeit der Anlage, der ſchwelgeriſche Wachsthum und die ſchat - tenreiche Dichtheit der Pflanzung, der Anblick der ſeltenen Baͤume, die vielen Blu - men und Wohlgeruͤche, die Anmuth des Baches und ſeiner Waſſerfaͤlle, die Lieder der Voͤgel, die Ausſichten auf die angebauete Landſchaft und auf zwey benachbarte waldigte Berge alles dies vereinigt ſich, dieſe Spaziergaͤnge ſo unterhaltend und reizend zu machen, daß ſie wohl die kleinen Verſchoͤnerungen noch zu verdienen ſchei - nen, die hier bemerkt ſind.

Eine allgemeine Erinnerung uͤber die ſogenannten engliſchen Bosquets, wie man ſie jetzt bey uns antrifft, ſcheint hier noch Platz zu haben. Nichts wird jetzt gewoͤhnlicher, als dicke Gebuͤſche von mancherley einheimiſchen und auslaͤndiſchen Baͤumen und Straͤuchern hinzuwerfen, ſie mit ſchlaͤngelnden Gaͤngen zu durchſchnei - den, und mit dieſer Art von Bepflanzung einen ganzen Bezirk anzufuͤllen. Man glaubt ſodann gleich einen engliſchen Garten zu beſitzen. In der That beſtehen viele unſerer neuen Anlagen blos aus einem ſolchen an einander haͤngenden weitlaͤuftigen Gebuͤſch, oft mit einem einzigen ſchmalen Gang. Es iſt wahr, daß dieſe Luſtgebuͤ - ſche durch Mannichfaltigkeit des Gruͤns, der Blaͤtter und der Bluͤthen ergoͤtzen, und den ſingenden Voͤgeln einen ſichern Aufenthalt verſtatten. Dennoch kommen wir, bey der ewigen Wiederholung dieſer Bepflanzung, auf die Einfoͤrmigkeit der alten Manier zuruͤck. Ein Luſtgebuͤſch, das immer verſchloſſen, immer verengt lange fortlaͤuſt, iſt faſt mehr ermuͤdend, als eine gerade Lindenallee, die zugleich auf den Seiten Ausſich - ten in die Landſchaft vergoͤnnt. Man hat um ſich her eine Art von Hecken, und man faͤngt ſogar an, ſie mit der Scheere zu beſchneiden, wie vormals die Haynbuchen. Es entſtehen glatte Waͤnde, und nichts bleibt mehr uͤbrig, wodurch ſich die Pflanzung von den vorigen Heckengaͤrten unterſcheidet, als der gekruͤmmte Gang und die Verſchie - denheit des Laubes. So mancher ſchoͤner Bluͤthenſtrauch wird hier erſtickt, auch ſo mancher Baum von Wuchs und edler Form verſteckt. Die ſchoͤnen Gemaͤlde des Laubwerks finden hier nicht Platz, oder verlieren doch in den ſchmalen ſich kruͤmmenden Gaͤngen ihre Wirkung fuͤr das Auge. Ein Garten, der blos aus einer ſolchen Pflan - zung beſteht, hat keinen Anſpruch auf Schoͤnheit und Mannichfaltigkeit. Waͤre es demnach nicht beſſer, den Luſtgebuͤſchen, die immer einen Theil einer ſchoͤnen Anlageaus -101von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ausmachen koͤnnen, das Einfoͤrmige, das Steife, das Verſchloſſene zu nehmen, ſie zu mehr Licht, mehr Ausſicht, mehr Abwechſelung durchzubrechen, ſie hin und wie - der bald in abgeſonderte freye Gruppen von Baͤumen oder von Straͤuchern umzubil - den, bald mit einem feinen Raſenteppich, mit einem reich geſchmuͤckten Blumenplatz, oder einer andern anmuthigen Naturſcene aufzuheitern?

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Wilhelmsbad.

Wilhelmsbad, eine halbe Stunde von Hanau, behauptet von der Seite der Anmuth unter Deutſchlands Baͤdern wohl den erſten Rang. Man mag auf die Schoͤnheit der Gebaͤude, auf die Reinlichkeit und den guten Geſchmack der Aus - moͤblirung der Wohnzimmer, auf die Sauberkeit der Baͤder, auf die Tafel, wo Feinheit und Anſtand herrſchen, und Perſonen beyderley Geſchlechts von der erſten Klaſſe erſcheinen, auf die Anlagen und Spaziergaͤnge, auf die Nachbarſchaft vonN 3einem102Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charaktereinem der artigſten Hoͤfe, auf die Ordnung in der Einrichtung des Ganzen, und ſo - dann auf die uͤberaus wohlfeilen Preiſe ſehen, wozu alles angeſetzt iſt; ſo wird man hier ſowohl die groͤßte Aufmerkſamkeit auf die Beduͤrfniſſe der Fremden, als auch Aufmunterung zum Genuß der angenehmſten Sommertage finden. Man erblickt hier einen Prinzen,*)Se. Durchl. der Landgraf Georg Wilhelm, regierender Graf zu Hanau und Erbprinz von Heſſen-Caſſel. der, wenn er bauet, pflanzt und verſchoͤnert, ganz Fuͤrſt iſt, aber, um Natur und Geſelligkeit zu genießen, und genießen zu laſſen, ſich wieder in dem Privatmann verbirgt, bey den Brunnengaͤſten ſeine ſtille Wohnung hat, an ihrer Tafel und ſelbſt bey ihren Spielen und Taͤnzen verweilt. Man hat taͤglich das Vergnuͤgen, hier eine Prinzeſſinn**)Ihro koͤnigl. Hoheit Wilhelmine Ca - roline, vermaͤhlte Erbprinzeſſinn von Heſ - ſen-Caſſel, geborne koͤnigl. Prinzeſſinn von Daͤnnemark. zu ſehen, die, ſo ſehr ſie Daͤnnemarks Ruhm unter den Deutſchen, und die Zierde der Koͤnigstoͤchter iſt, ſich dieſer ſelte - nen Vorzuͤge nicht erinnert, und, indem ſie rings um ſich her die Liebe aller Herzen zu ſich in den Kreis ihrer jungen gluͤcklichen Familie ſtroͤmen ſieht, ſich nicht erinnert, daß es die Heiterkeit ihrer Blicke, die Leutſeligkeit ihrer Geſpraͤche, die ſanfte ruͤh - rende Guͤte ihrer Seele iſt, die alles um ſie her zur Empfindung aufbieten.

Unter den vielen Gebaͤuden, die alle eine gute Architektur und ſymmetriſche Verbindung unter einander haben, zeichnet ſich das Arcadenhaus, das in der Mitte ſteht, als das vornehmſte aus. ***)Man hat davon verſchiedene Ku - pferabbildungen, worunter ſich beſonders die drey neuen Blaͤtter auszeichnen, wel - che Herr A. W. Tiſchbein in Hanau 1784 gezeichnet und Herr Weiſe in Caſſel in Ku - pfer geſtochen hat.Es kuͤndigt ſich gleich dem Auge nicht allein durch Groͤße, ſondern auch durch eine reine und edle Architektur ſehr vortheilhaft an, und ſein Anſehen wird von dem ſaubern Anſtrich noch unterſtuͤtzt. Seinen Namen fuͤhrt es von den hohen und breiten Arcaden, die ſich an ſeiner Vorderſeite hin erſtre - cken; ſie dienen zum bequemen Spaziergang in der Hitze, und im Regen. An dieſen Arcaden liegen ein großer und zwey kleinere Saͤle, die zuſammen das Erdgeſchoß ausmachen. Sie ſind alle hell und heiter mit großen Glasthuͤren, die friſche Luft und Kuͤhlung einlaſſen, ſehr edel angelegt und ausgeziert. Manches fuͤrſtliche Schloß hat keinen Saal mit ſolchen Spiegeln, Stuͤhlen, Kanapees und Tiſchen, wie hier. Der groͤßere Saal iſt der Tafel und dem Tanz gewidmet; an Sonnta - gen, wenn viele Fremde aus Frankfurt und der Nachbarſchaft die Geſellſchaft der Curgaͤſte und der Hofleute vermehren, ſieht man darinn zuweilen uͤber 150 Perſo - nen ſpeiſen. In dem mittlern kleinern Saal verſammlet ſich die Geſellſchaft zumFruͤh -103von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

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104Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren CharakterFruͤhſtuͤck, zur Unterredung, zum Spiel; und in dem letztern kleinern Saal ſtehen zwey Billardtiſche. Dieſe drey Saͤle haben durch große Glasthuͤren mit einander Verbindung. In dem zweyten und dritten Stockwerk, welches letztere ſchon die Manſarde iſt, ſind auf beyden Seiten große, bequeme und ſchoͤne Wohnzimmer, alle tapezirt; ein breiter heller Gang laͤuft zwiſchen dieſen Wohnzimmern durch die ganze Laͤnge des Gebaͤudes hin und bildet gleichſam einen praͤchtigen gemeinſchaftlichen Vor - ſaal. In den Pavillons neben dem Arcadenhauſe befinden ſich ebenfalls gute Woh - nungen. Vor dem Arcadenhaus liegt ein großer freyer Platz mit Sitzen; und dem - naͤchſt das Brunnenhaus oder der offene Tempel des Aeſculap, unten die minerali - ſche Quelle, oben die Statue des Gottes, von kleinen Kindergruppen umgeben, wel - che die vier Elemente und den Fruͤhling und Sommer vorſtellen.

Um die Gebaͤude laufen von allen Seiten große Alleen, die Zugaͤnge ſind, und zugleich mit den uͤbrigen Anlagen in Verbindung ſtehen. Aus den Saͤlen des Arca - denhauſes tritt man hinten gleich in einen großen ſchattenreichen Bogengang, der ſich von einem Ende des Gebaͤudes zu dem andern um einen Raſen herumwindet, und zur Seite einige Kabinette und Tiſche hat. Gleich an der linken Seite dieſes Gebaͤudes ſchattet eine vierfache Reihe von hohen ſchoͤnen abendlaͤndiſchen Platanen, die noch be - ſonders fuͤr die Zukunft einen herrlichen Spaziergang verſprechen. Zur Rechten am Ende der Gebaͤude liegt ein ſehr anſehnlicher Quincunx von hohen Linden, wo die Spaziergaͤnger zugleich mit ſanften laͤndlichen Ausſichten uͤber eine bebauete Ebene, und beſonders mit dem Anblick einer ſchoͤnen Meyerey, die in einiger Entfernung ma - leriſch vor einem dunklen Walde ruht, unterhalten werden.

Wilhelmsbad liegt in einer zwar flachen, aber angenehmen Gegend, in - dem ſie rings umher von Waͤldern umkraͤnzt iſt. Sowohl von der Vorderſeite des Arcadenhauſes an, als auch hinter ihm verbreiten ſich die Anlagen der Spaziergaͤnge faſt im Geſchmack eines engliſchen Gartens.

Vor dem Arcadenhauſe erſtreckt ſich ein ziemlich anſehnlicher Wald von Eichen, der jedoch viele große Zwiſchenraͤume hat, worinn Pflanzungen von mancherley ein - heimiſchen und auslaͤndiſchen Baͤumen und Geſtraͤuchen angelegt und mit Blumen - ſtauden vermiſcht ſind. Zur Abwechſelung des Spazierganges und der Ausſichten ſind Vertiefungen und Anhoͤhen gemacht. Dieſe werden ſich beſſer ausnehmen, wenn erſt ihre Bepflanzung angewachſen iſt. Die Gaͤnge winden ſich zwiſchen ihnen um - her, ſteigen und ſenken ſich wieder, und ſind gut mit einander verbunden. Die Pflan - zung iſt noch jung und wird in der Folge den Schatten vermehren helfen, den jetzt die hohen Eichen um ſich her verbreiten. Sie iſt, um ſich dem Wilden des Waldes zu naͤhern, mehr nachlaͤßig hingeworfen, als maleriſch angelegt. Die Spaziergaͤngeſind105von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſind ziemlich weitlaͤuftig. Ueberall findet man weiße Baͤnke, Sitze, Tiſche auf den Hoͤhen und in den kleinen Thaͤlern; unter den hohen Eichen und den Buchen, die zwiſchen ihnen erſcheinen, locken beſchattete Ruheplaͤtze ein. Das Auge wird zuwei - len von gruͤnen mit Klee beſaͤeten Flaͤchen angelockt, vornehmlich in den Vertiefun - gen. Mancherley Arten von Spielen, die nicht blos zur Zeitverkuͤrzung, ſondern auch zur Bewegung dienen, ſind auf den freyen Plaͤtzen, zwiſchen den umpflanzten Spaziergaͤngen angebracht. Auf einer Hoͤhe liegt ein ſchoͤnes Karoſſel, in der Ge - ſtalt eines großen runden offenen Tempels, von vier und zwanzig Saͤulen toſcani - ſcher Ordnung unterſtuͤtzt; in der doppelten Reihe der Saͤulen laufen zwey Reitpfer - de, und zwey Wagen, jeder mit zwey Pferden beſpannt, alles vortrefflich gearbeitet, in der Runde herum; in der Mitte des Gebaͤudes befindet ſich ein Platz, wo der Zu - ſchauer ſitzen, und zugleich ſein Auge mit der angenehmen Ausſicht umher unterhalten kann; an der aͤußern Reihe der Saͤulen ſind Vorhaͤnge angebracht, die bey Sonnen - hitze und Regen heruntergelaſſen werden; unten iſt ein gemauertes Gewoͤlbe, worinn ſich das Triebwerk befindet, und ein kuͤhler Weg durchgeht; ein herrliches und koſt - bares Werk!

Man geht von hier nach der Burg. Dies iſt ein alter halb verfallener gothi - ſcher Thurm, in einem wahren taͤuſchenden Styl, nach der Zeichnung des Prinzen vortrefflich gebauet. Die rohen Feldſteine, die kuͤhnen Maſſen, die ſeltſame gothi - ſche Geſtalt, die ſcheinbaren Merkmale von den Zerſtoͤrungen der Zeit, das Eckige ſowohl, als das Abgeſtumpfte, die Oeffnungen, die Fenſter, das ganze aͤußere Anſehen kuͤndigt ein Werk vergangener Jahrhunderte an; und ſeine Lage zwiſchen ehrwuͤrdi - gen Eichen, die ihren Nachbar zu befragen ſcheinen, ob er nicht mit ihnen von glei - chem Alter iſt, traͤgt nicht wenig zu der guten Wirkung ſeiner Außenſeite bey. Das Inwendige enthaͤlt einige mit feinem Geſchmack verzierte Zimmer. Hier wohnt waͤh - rend des Sommers der Prinz in einer geraͤuſchloſen philoſophiſchen Einſamkeit. Nicht weit davon liegt noch ein Ruinenſtuͤck, worinn ſich Kuͤche und Bedientenzimmer ver - huͤllen. Der Thurm iſt mit einem Graben von fließendem Waſſer umgeben. Um die Gaͤnge an ſeinem Rande laufen kleine Zaͤune von feinen Bluͤthenſtraͤuchern. Un - ter den Eichen liegen einfache Raſenſitze. Verſchiedene Bruͤcken fuͤhren in dieſes Revier.

Das angelegte Waſſer erweitert ſich etwas welter hin in einen groͤßern Bezirk. Man ſieht mancherley Arten von kleinen Jagden und Luſtfahrzeugen darauf liegen. Es windet ſich in verſchiedenen ſchmalern Wendungen unter den laubreichen Aeſten der Eichen umher, fließt unter einigen hohen Bogenbruͤcken durch, und bildet eineV Band. Okleine106Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterkleine Halbinſel mit einem Sonnenweiſer geziert und mit einem angenehmen Sitz im uͤberſchatteten Winkel.

Nicht weit von hier hebt ſich ein aufgeworfener Huͤgel zum Genuß der eroͤffne - ten Ausſicht nach Hanau uͤber die Ebenen, uͤber die umherlaufenden Alleen und Waͤlder hin. Er gruͤnt von Gras, von Blumenpflanzen und Geſtraͤuch, zwiſchen welchen ſich ein Pfad auf den Gipfel hinaufwindet. Hier ſteht ein großer halboffe - ner Sitz, mit einem kleinen Vordach, von zwey Saͤulen getragen. Man ruhet hier unter einer angenehmen Ausſicht. Zunaͤchſt vor dem Auge bluͤhende Pflanzen und Straͤucher; in der Tiefe eine ſehr weit ausgebreitete Wieſe, die einen trefflichen Ra - ſenteppich macht, und rings umher mit Waͤldern umkraͤnzt iſt; uͤber dieſe erheben ſich in der Ausſicht die Thuͤrme von Hanau, dieſer ſchoͤnen, durch Kunſtfleiß beleb - ten, durch Sitten verfeinerten, und durch ihren Fuͤrſten verſchoͤnerten Stadt, und hinter ihr ſtreckt ſich in der Ferne ein hohes dunkles Gebirge empor, das den Ge - ſichtskreis ſchließt; naͤher zur Linken hin ſchaut das Auge uͤber ſchlanke Pappeln nach dem Faſanengarten und ſeinen waldigten Spaziergaͤngen hin. Ein anmuthiger Sitz am Abend, indem das blendende Licht der Sonne zuruͤckweicht, und ihre ſanftere Beleuchtung von der Seite her uͤber die Wieſe und die benachbarten Waͤlder ſtreift.

Die Gegend hinter dem Arcadengebaͤude, die faſt rings umher von einem na - hen dunkeln Wald umgeben iſt, hat ebenfalls ihre Verſchoͤnerungen. Man ſieht hier Gebuͤſche von meiſtens einheimiſchen Hoͤlzern gepflanzt, und darunter bejahrte Eichen und Buchen, ſchlaͤngelnde Gaͤnge, kleine Hoͤhen und Vertiefungen, weiß angeſtri - chene Baͤnke, die uͤberall den Muͤden erwarten, Raſen mit Strauchgruppen ver - ziert einſt ein ſchattenreicheres, noch anmuthigeres Revier. So viel Pracht und Reiz zeigt jetzt eine Gegend, die noch vor einigen Jahren eine menſchenleere Wuͤſte war. Wilhelmsbad iſt ein geliebter Luſtplatz fuͤr alle umliegende Oerter, beſonders fuͤr Hanau und Frankfurt. Man kann hier zugleich alle Arten von fremden Ge - ſundheitswaſſern zum Trinken, alle Arten von laͤndlichen Sommerergoͤtzungen ſich waͤhlen. *)Eine genaue und mehr ausfuͤhrliche Beſchreibung dieſes Orts nebſt der Ge - ſchichte des Baues, der Verſchoͤnerungen u. ſ. w. findet man in den Briefen eines Schweizers uͤber das Wilhelmsbad. Neue Aufl. 8. 1780. Demnaͤchſt in den Betrach -tungen eines Schweizers im Wilhelmsbad. 8. 1780. Der Verfaſſer ꝛc. iſt kein Schwei - zer, ſondern der hanauiſche Rath, Herr Schaͤffer, ein durch Wiſſenſchaft und Charakter des Herzens ſchaͤtzbarer Mann.

Ems. 107von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
Ems.

Die vier folgenden Geſundheitsoͤrter liegen in einem kleinen Umkreis zwiſchen Maynz und Coblenz, in der Nachbarſchaft des Rheins, neben einander. Man reiſet zu ihnen durch Landſchaften, die zu den ſchoͤnſten in Deutſchland gehoͤren.

Ems hat in der Tiefe zwiſchen hohen felſigten Gebirgen eine ſanft melancholi - ſche und einſame Lage; doch ſind die Abhaͤnge zum Theil fruchtbar und mit Wein bepflanzt; im Thal gruͤnen ſchmale Wieſen, durch welche die Lahne ſich ſchlaͤngelt. Dieſe ſo tief verſenkte, ruhige, vor jedem Blick der Neugierde und des Neides ver - borgene, von den Unruhen der Welt ſo weit entfernte Lage hat fuͤr kraͤnkliche Seelen, die an einer kleinen Melancholie haͤngen, einen ſehr einnehmenden Reiz. Sie glau - ben hier ganz in dem Schooß der geſuchten Ruhe ſich einzuſenken, ganz geſichert vor dem Gedraͤnge der Thoren und ſelbſt vor jedem Mislaut der Geſellſchaft. In der That ſcheint auch die hieſige Lebensart etwas von dem ſanften Frieden zu haben, der uͤber dieſes Thal ſchwebt. Keine Schauſpiele, keine Concerte, keine Baͤlle pflegen hier Geraͤuſch und Zerſtreuung zu verbreiten. Auch ſind hier keine Einrichtungen zu oͤffentlichen Ergoͤtzungen. Die Geſellſchaft ſchließt ſich an einander, und iſt auf ei - nen ſanft unterhaltenden Ton geſtimmt.

Doch hat die Lage von Ems einige Unbequemlichkeit, indem die Berge das Thal zu enge verſchließen, und ſowohl die Hitze, als auch bey einfallendem Regen die Kaͤlte einſperren. Das naſſauiſche und das darmſtaͤdtiſche Haus, die beyden Hauptgebaͤude, haben einige plump gebauete Arcaden zum Spaziergang. Man ſieht hier nur eine Allee, die noch dazu ſehr ſchmal iſt. Die Enge des Thals ver - ſtattet keine Anlagen ausgebreiteter Spaziergaͤnge. Man muß ſie in der Wildniß der Berge und der benachbarten Gegend ſuchen, die mit maleriſchen und romantiſchen Schoͤnheiten von der Natur reichlich geziert ſind. Auch die Lahne locket zu den an - genehmſten Waſſerfahrten ein, unter immer abwechſelnden Ausſichten von rauhen Felſen und blumigten Wieſen, von Weinbergen und alten zerſtoͤrten Schloͤſſern, von heitern Doͤrfern und einſamen Kapellen auf nackten Hoͤhen.

Schlangenbad.

Vom Schlangenbad wird man hier gerne die Beſchreibung einer Dame leſen,*)Der Frau von Berleptſt, im hannoͤveriſchen Magazin 4tes Stuͤck 1783. die mit allen den ſanften liebenswuͤrdigen Gefuͤhlen, die ein weibliches Herz veredeln koͤnnen, die Staͤrke eines maͤnnlichen Verſtandes und mit ihm einen heitern, ſchnellO 2und108Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterund leicht uͤberſchauenden Geiſt der Beobachtung vereinigt, die Anſtalten des Men - ſchen ſowohl, als ſeinen Charakter mit eben dem ſeinen Blick durchforſcht, womit ſie die Schoͤnheiten der Natur ausſpaͤhet, und in dem Ausdruck ihrer Urtheile ſich im - mer gleich, frey und edel iſt.

Schlangenbad liegt im Thal, und es erſcheint mit den neuen großen Gebaͤu - den, die von allen Seiten mit Heckengaͤngen umringt ſehr artig ausſehen, als ein ſchoͤnes Landgut. Zwey Wohnungen ſind da. Die eine gehoͤrt dem Churfuͤrſten von Maynz, der den groͤßten Theil des angraͤnzenden Landes beſitzt, und wird das maynziſche Haus genannt. Es iſt ziemlich groß, anſehnlich gebauet, artig ein - gerichtet, hat einen ſchoͤnen Saal und eine angenehmere Lage, als das andere, weil es unter einem hohen mit ſchoͤnem Holz bewachſenen Berge liegt, der bis auf die Hoͤhe, in der Mitte gerade dem Hauſe gegenuͤber, aufgehauen iſt. Das andere Haus, das heſſiſche genannt, gehoͤrt dem Landgrafen von Caſſel, und iſt, wie alle heſſiſche Gebaͤude, aͤußerſt vollſtaͤndig und recht bequem eingerichtet. Eigentlich ſind es drey Haͤuſer, die durch lange bedeckte Gaͤnge an einander haͤngen, ſo daß man bey uͤblem Wetter aus einer Wohnung in die andere mit Bequemlichkeit gehen kann, welches fuͤr Kranke ſehr angenehm iſt. Dieſes Haus hat noch den großen Vorzug, daß ſich darinn die Baͤder befinden; anſtatt daß man aus dem maynzi - ſchen Hauſe heruͤbergehen muß, wenn man ſich baden will. Die Wohnzimmer ſind trefflich eingerichtet, geraͤumig und bequem. Zum heſſiſchen Hauſe gehoͤrt noch ein Saal, oder vielmehr eine ſehr lange Gallerie, wo ſich die Curgaͤſte verſammeln, um zu tanzen und zu ſpielen.

Die Luft iſt hier außerordentlich rein und heiter. Die Spaziergaͤnge beym maynziſchen Hauſe ſind weitlaͤuftig und groß. Eine ſehr ſchoͤne hohe Allee geht, gewiß uͤber vierhundert Schritte lang, ſchnurgerade, und gelinde ſteigend vom großen Saal bis ins Holz, wo ſie ſich verliert; und auf beyden Seiten ſind unzaͤhlig viele Heckengaͤnge, die wegen der Einfoͤrmigkeit nicht gefallen. Zu der Zeit, als das an - gelegt ward, kannte man in Deutſchland den engliſchen Geſchmack in Spazier - gaͤngen nicht, und dieſe koͤnnten mit wenig Muͤhe und Koſten uͤberaus artig darnach eingerichtet werden; denn die Lage iſt vortrefflich.

Eine ſehr nuͤtzliche Anſtalt iſt es, daß hier von den beyden Landesfuͤrſten eine kleine Beſatzung gehalten wird, die fuͤr Ordnung, Ruhe und Sicherheit wacht. Der verſtorbene Landgraf von Caſſel der dieſen von Natur ſo reizenden Ort ſehr liebte, ſorgte viel fuͤr ſeine Verſchoͤnerung. Er ließ noch ein großes ſchoͤnes Haus nicht weit vom alten aufbauen, das aber inwendig noch nicht eingerichtet iſt.

Schlan -109von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

Schlangenbad iſt uͤbrigens ein gar angenehmer Aufenthalt, die fanſteſte, lieblichſte Einſamkeit zwiſchen Bergen, die freylich die Ausſicht verhindern, aber doch ſich genug oͤffnen, um der Gegend nichts Dumpfes zu geben und nichts Finſteres. Schlangenbad iſt nicht, wie Pyrmont, der Aufenthalt lauter rauſchender Freu - de und glaͤnzender Geſelligkeit. Es iſt keine einzige Allee da, wo viele Menſchen bey einander koͤnnten hergehen. Aber die ſchmalen Heckengaͤnge laden, wie die ganze Gegend, die Seele ein zu einſamem und ſtillem Nachdenken. In jedem Luͤftchen wehet philoſophiſche Melancholie; aber es iſt ruhige Melancholle, mehr Ernſt, als Schwermuth, mehr ein Vergeſſen von allem, was dem Herzen wehe thut, als ſchwaͤrmeriſcher Genuß des Gegenwaͤrtigen. Die Einbildungskraft ſchwelgt nicht, ſie ſchlummert in lieblich traͤumender Ruhe. Das liebe Thal, ſo eng, ſo gruͤn, ſo ſtill und einſam, ſcheint mit jedem Blick die Lehre ins Herz zu praͤgen: daß der Menſch wenig bedarf.

Zu aͤhnlichen lieblichen Phantaſien, zu eben ſolchen ſanften Begeiſterungen des Herzens werden leicht empfindſame Seelen in der ſtillen Ruhe dieſes Thals hin - geriſſen. Hier iſt noch eine kleine Schilderung von den Eindruͤcken dieſer Ge - gend. *)Aus der Beſchreibung eines Aufenthalts im Schlangenbade 1777. 8. Riga. 1779.

Der ganze Weg, der ſich durch ein tiefes, einſames und ſchattigtes Thal geſchlaͤngelt, und der Pfad zu einer der verſteckteſten Einſiedeleyen zu ſeyn ſcheint, prallt nun ploͤtzlich auf einen Haufen von koſtbaren Gebaͤuden und kuͤnſtlich angelegten Spa - ziergaͤngen an. Auch ohne das ſanfte Gemurmel, das unaufhoͤrlich und von allen Seiten durch kleine Waſſerfaͤlle und Springbrunnen erregt wird, wuͤrde hier einem jeden die Vorſtellung eines bezauberten Palaſtes durch den Sinn fahren muͤſſen. Wo man ſich hinwendet, iſt ein Gegenſtand, der die Neugierde und den Reiz zum Ver - gnuͤgen lockt. Der muͤdeſte Wanderer wird hier durch immer neue Befriedigung und immer neues Verlangen, ungeſtoͤrt durch die Mattigkeit ſeiner Glieder, von einem Schooß des Vergnuͤgens zum andern fortgerollt. Verdeckte Gaͤnge, geraͤumige Saͤle, lange mit Zimmern beſetzte Hallen, wechſeln labyrinthiſch mit gruͤnen ſchattigten Lau - ben, Hecken, Grasſtuͤcken und Fruchtgaͤrten ab. Rund umher ſind aufgewaͤlzte Berge, theils mit gruͤnen beſchattenden Baͤumen, theils mit fuͤrchterlichen mit Moos bedeckten hervorſtechenden Felſenſpitzen bekleidet. Unzaͤhlige lockende Fußſteige fuͤh - ren unvermuthet zu immer neuen und veraͤnderten Gegenſtaͤnden, bald auf eine rauhe ganz abgelegene Klippe, von der man ploͤtzlich in eine weite herrliche Ausſicht dringt, und der Blick auf viele Meilen weit herumſchweifen kann; bald koͤmmt man wiederO 3in110Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterin ſtille einſame Scenen, voll laͤndlicher ungekuͤnſtelter Einfalt. Jene kleine blu - migte Wieſe, vom daͤmmernden Geſtraͤuch umgraͤnzt, vom murmelnden Bach durch - ſchlaͤngelt, iſt ein recht warmes gefuͤhlvolles Gemaͤlde. Hinter meinem Ruͤcken thuͤrmt ſich ein drohender Fels, deſſen Fußgeſtell mir einen erquickenden Sitz vergoͤnnt, und uͤber ihn her verbreitet ein Wald von hundertjaͤhrigen Eichen den entſcheidenden Schat - ten auf die liebliche Landſchaft. Welche Stille ſcheint dort oben zu herrſchen! Kein Geraͤuſch, außer dem harmoniſchen Schall von liebefrohen unbekuͤmmerten Geſchoͤ - pfen. Ich muß hinauf. Die ſuͤße Erwartung ebnet mir die rauhe beſchwerliche Hoͤhe. O! wie wohl iſt mir, ins Thal hinunter und in die duftenden Gewoͤlbe des Waldes, zugleich mein gegenwaͤrtiges und mein vergangenes Vergnuͤgen mit wahrer Entzuͤckung fuͤhlen zu koͤnnen! O! du ſanfte, heilige Stille anmuthiger vom Geraͤuſch und der Thorheit der Welt entlegener Waͤlder! du kannſt wahre ungezwungene Be - geiſterung in die Seele gießen; zauberiſch ſetzeſt du mich jetzt in den Kreis aller mei - ner Freunde und Liebſten auf der Welt; ich glaube ſie alle um mich her in eben dem weichen Schooße des Vergnuͤgens liegen zu ſehen. Denn nichts zerreißt jetzt die Kette der Gedanken, die meine Seele ſehnſuchtsvoll nach ihnen ausſpannt. Meine Einbildungskraft macht mich durch ihre beſeligenden Gaukeleyen zu dem gluͤcklichſten der Menſchen.

In dieſem bezaubernden Winkel brachte ich mit meinen Freunden drey Mo - nate zu, ohne Ekel oder Ueberdruß uͤber die Einfoͤrmigkeit unſerer ſtillen Freuden be - merkt zu haben. Man fuͤhlt hier, daß man Vergnuͤgen hat, ohne daß der Ver - ſtand ſich abmattet, auszufinden, worinn das Vergnuͤgen beſteht. Dieſe ſuͤße Wir - kung machen die ungekuͤnſtelten Vergnuͤgungen auf uns. Die Seele fuͤhlt in dieſer weichen Lage ein unbeſchreibliches Wohlbehagen, und iſt bey dem angebornen Hang zur Veraͤnderung, aus Furcht, ihr gemaͤchliches Gluͤck zu verlieren, doch der ſtillen einſamen Gegend immer getreu.

Es giebt offene große Gegenden mit allem, was die Natur gewoͤhnlich zu ih - rer Pracht braucht, bis zum Ueberfluß ausgeſchmuͤckt, wo die Sonne mit ihrer gan - zen Majeſtaͤt bis in die verborgenſten Winkel dringt, und ein feſtliches Anſehen, ei - nen gewiſſen Firniß uͤber das Allgemeine verbreitet. Dieſe Gegenſtaͤnde ſind ſchoͤn, bis zum Entzuͤcken ſchoͤn, in den erſten Augenblicken oder Tagen. Aber bald koͤmmt dem immer nach neuem Genuß begierigen Herzen die Luͤſternheit an, etwas Neues zu ſuchen und zu wuͤnſchen. Und alsdann iſt ein ſchmaler Fußpfad unter ſchattigten Baͤumen, am kleinen rieſelnden Bach; ein rauher herabhaͤngender Fels, um wel - chen ſchwermuͤthige Stille eine Sehnſucht nach Ruhe in dem Herzen erreget, das von dem zu vielem Genuß betaͤubt iſt; kurz, die geringſte einfaͤltigſte Gegend, ſo wieſie111von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſie aus den Haͤnden der Natur als Skizze weggelegt worden, iſt alsdann fuͤr uns voll von verfuͤhreriſchen Reizen, die uns mit weichen unmerklichen Roſenketten am un - ſchuldigen Vergnuͤgen feſſeln. Deswegen habe ich nie eine Gegend ſo, wie Schlan - genbad, geliebt, und werde alle die Gegenden immer vorzuͤglich lieben, wo die Na - tur, gleichſam als in ihrer Werkſtaͤtte, alles durcheinander geworfen, und in jeder dieſer Skizzen die Groͤße des Unendlichen zeigt. Immer werden die Bilder dieſes Edens, immer die Erinnerung der dort genoſſenen ſtillen Freuden mir ein Troſt in truͤben und ein Zuwachs von Freude in heitern Stunden ſeyn.

Schwalbach.

Die Berge, die das lange Thal von Schwalbach umgeben, ſind nicht ſo hoch, als um Ems, aber meiſtens kahl und ohne Schoͤnheit. Doch ſpreiten ſie ſich hier aus einander und laſſen die Heiterkeit des Himmels und erfriſchende Luͤfte herein - kommen. Das freye Eindringen der kuͤhlenden Luft iſt an dieſem Orte, wo ſo we - nig von der Natur, als von dem Menſchen fuͤr das Beduͤrfniß des Schattens geſorgt iſt, eine doppelte Wohlthat. Das Auge hat zu ſeiner Erquickung faſt nichts an - ders, als den erfreulichen Anblick der Wieſen, die das Thal bekleiden.

An dieſem Brunnenort iſt faſt gar keine Aufmerkſamkeit fuͤr die Fremden, die hier doch aus allen umliegenden Gegenden zuſammenſtroͤmen, ſichtbar. Der einzige oͤffentliche Verſammlungsſaal iſt ein Muſter von geſchmackloſer Bauart und ſchlech - ter Ausmoͤblirung, und liegt halb in Ruinen. Die Brunnengaͤſte wohnen und ſpei - ſen in Privathaͤuſern, die oft voll Schmutz und Unreinigkeit ſind. Einige elende Ar - caden bey dem Weinbrunnen und dem rothenburgiſchen Hauſe koͤnnen den Mangel des Schattens nicht erſetzen, der hier ſo ſehr empfunden wird. Bey der weitern Ab - gelegenheit des letztern ſchmachtet der Brunnentrinker oft unter einer unertraͤglichen Hitze, und bey allem Raum zur Anpflanzung, der nun wuͤſte liegt, hat er nichts, als einige ſchlechte Hecken, die oben offen ſind und nicht ſchatten. Blos eine einzige Allee iſt da, die nichts ſchoͤnes, aber doch einen guten Schatten hat; allein ſie liegt von den Quellen entfernt, zu welchen der Kranke einen ſehr beſchwerlichen Weg ma - chen muß. Bey einer ſolchen Verfaſſung, welche die Erwartung der Siechen ſo we - nig befriedigt, hat dieſer beruͤhmte Brunnenort keinen andern Reiz, als fuͤr Juden, Pfaffen und Spieler, die ſich am meiſten in dieſer Pfuͤtze herumwaͤlzen.

Wisbaden.

Wisbaden liegt in einer niedrigen Ebene, und in einer Gegend, die keine beſondern Annehmlichkeiten in ſich faßt, ſondern ſie erſt in der Nachbarſchaft und ineiniger112Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charaktereiniger Entfernung gegen den Rhein hin ſuchen muß. Auch fehlt es hier an ſchat - tigten Spaziergaͤngen und an merkwuͤrdigen Anſtalten zu anſtaͤndigen oͤffentlichen Ver - gnuͤgungen. Wisbaden iſt ein elendes Staͤdtchen mit engen Gaſſen.

Fuͤr dieſen Ort war ehemals ein ſehr großes Brunnenhaus beſtimmt, wovon ſich eine Abbildung in dem Modelhaus zu Caſſel befindet, und das hier eine Anzeige verdient. Dieſes Gebaͤude hat eine vortheilhafte, ſeiner Beſtimmung ſehr gemaͤße Anordnung, indem um beyde Stockwerke in der Runde zwey große Arcadengaͤnge laufen, die durch ſechs gerade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnenhauſe, das in der Mitte liegt, verbunden ſind. Auch das geraͤumige flache Dach dieſer Arcaden und Gallerien dient bey kuͤhlem Wetter zum Spazieren, und hat in ſeiner Mitte eine Kupel in Form eines antiken Tempels, die Ruheſitze enthaͤlt. An den Arcaden, die im erſten und zweyten Stockwerk rund um das Brunnenhaus ſich win - den, und es gleichſam einfaſſen, ſind, als Wohnungen fuͤr die Brunnengaͤſte, zwey lange Fluͤgel ebenfalls mit einem flachen Dach angehaͤngt, und dieſe endigen ſich mit zwey Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thuͤren verbinden alle Theile zu einem vollſtaͤndigen Zuſammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem großen Brunnenhaus finden, der mit der Schoͤnheit des aͤußern Anſehens zugleich ſo viel gute Anordnung zu ſeinem Zweck, ſo viel Bequem - lichkeit, ſo viel Anmuth und Heiterkeit der innern Einrichtung vereinigte. Wie viel haͤtte nicht Wisbaden durch die Ausfuͤhrung eines ſolchen Gebaͤudes gewinnen muͤſſen!

Matlock. *)In Derbyshire in England. S. Youngs Reiſen durch die oͤſtlichen Pro - vinzen von England ꝛc. 3ten Th. S. 103 u. ſ. w. Eine andere ſchoͤne Beſchreibungdieſer beruͤhmten romantiſchen Gegend hat Whateley in ſeinen Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen S. 125 u. f.

Die natuͤrlichen Schoͤnheiten der Gegend um Matlock, wo die warmen Baͤ - der ſind, uͤbertreffen die ſchoͤnſten Plaͤtze in England, welche die menſchliche Kunſt zu verbeſſern geſucht hat. Es iſt ein mit vielen Kruͤmmungen verſehenes Thal, wo - durch die Derwent laͤuft, welche an einigen Orten ziemlich breit iſt, und ſanft fließt, an andern zwiſchen abgebrochenen Felſen durchrauſcht, und allerley kleine Caſcaden macht. An der einen Seite iſt das Thal von fruchtbaren Huͤgeln, an der andern von fuͤrchterlichen mit Waldung bewachſenen Felſen umgraͤnzt.

Um dieſe ſchoͤne Gegend recht in Augenſchein zu nehmen, thut man am beſten, den Fluß bey dem Schlagbaume zu paſſiren, und dem ſich ſchlaͤngelnden Fußſteigeden113von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. den Felſen hinauf zu folgen, welcher zu der auf der Hoͤhe liegenden Strecke von Fel - dern fuͤhret. Sie endigen ſich hier mit dem Abgrunde, laͤngſt dem man hingeht. Einem jeden, der Matlock beſehen will, iſt dieſer Weg zu empfehlen, weil hier ohne Zweifel die ſchoͤnſte natuͤrliche Terraſſe von der Welt iſt. Oben lenkt man ſich links zu der hervorragenden Spitze, Hagrock genannt, von der man ſenkrecht uͤber die jaͤhe Anhoͤhe hinab in den Fluß ſieht, der hier einen ſchoͤnen jenſeits mit Baͤumen eingefaßten Spiegel vorſtellet, zweymal vom Felſen herunterſtuͤrzet, und die Scene durch das Geraͤuſche belebet. Das Thal iſt hier enge; aus demſelben erheben ſich die Huͤgel jaͤhling empor, und ſtellen theils ſchoͤne gruͤne Einzaͤunungen, theils nackte Felſen, theils einen waldigten Ruͤcken dar.

Geht man laͤngſt an dieſem Abgrunde hin, und unter dem am Rande deſſelben wachſenden Gebuͤſche fort, ſo hat man viele maleriſche Ausſichten, zuweilen blos ins Waſſer hinab, zuweilen auf ein Stuͤck finſtere und melancholiſche Waldung; manch - mal entdecket man auf einmal eine Durchſicht auf reizende Stellen des Thales, oder auf die fruchtbaren Huͤgel. Dieß waͤhret ſo lange, bis man an eine große Ulme koͤmmt, die mit ihren breiten Zweigen eine felſichte Ecke an dem Abgrunde beſchattet. Hier hat man uͤber ein von der Natur gemachtes Gelaͤnder eine wirklich praͤchtige Scene. Zu beyden Seiten bildet der Fluß einige ſchoͤne Spiegel, und faͤllt viermal uͤber Felſen hinab. Auf der linken Seite iſt der ganze Abhang bis ans Waſſer mit Wald beſetzt, doch ragen hin und wieder Felſenſpitzen hervor. Oben darauf ſind zwey kleine ganz mit Wald umgebene Einzaͤunungen von Grasland, die durch ſperrige Baͤume von einander getrennt ſind. Man kann nichts ſchoͤneres ſehen. Auf der andern Seite des Thales liegen eingezaͤunte Wieſen, und hoͤher hinauf ſind die Huͤgel mit großer Abwechſelung von Saatfeldern abgetheilt. Auf der rechten Seite iſt der Anblick ganz verſchieden. Das Gehoͤlze ſteht ſo enge am Ufer, als wenn es aus dem Waſſer herauswuͤchſe; es verurſacht einen dunkeln Schatten auf dem ſanft darunter wegfließenden Fluſſe. Ueber den Wald weg zeigen ſich einige mit Grasfeldern um - gebene Haͤuſer, und der gruͤne Teppich zieht ſich zwiſchen einigen wilden Strecken von Wald und Felſen herab.

Bey der Anſicht dieſer praͤchtigen Landſchaft wuͤnſchet man billig, daß die Kunſt etwas dazu beytragen moͤchte, um ſie in ihrer ganzen Schoͤnheit zu zeigen. Man duͤrfte nur einen gemeinen Weg (keinen kuͤnſtlichen von kurz abgeſchornen Raſen, wie in den Blumengaͤrten,) laͤngſt dem Abgrunde durch ein kleines dickes Holz anlegen, um auf einmal unvermuthet zu jener Ulme zu kommen, und von dieſer herrlichen Scene uͤberraſcht zu werden. Die Wirkung wuͤrde groͤßer ſeyn, und nicht leicht ih - res gleichen in England haben.

V Band. PGeht114Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter

Geht man weiter, ſo koͤmmt man an eine vorragende mit niedrigen Eſchen be - ſetzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine ſanfte Abwechſelung von den vorigen Scenen iſt. Rechter Hand erhebt ſich ein hundert und ſunfzig Fuß hoher Felſen ſenkrecht aus dem Walde, und iſt ſelbſt ganz mit Holz be - wachſen. Man koͤmmt weiter in ein ſo dickes Holz, daß man nicht um ſich ſehen, aber wohl das Getoͤſe des unten uͤber Felſen wegrauſchenden Stromes hoͤren kann, und ge - langet zuletzt an eine Felſenſpitze, die hoͤher als alle vorigen iſt; und da das Geſicht hier frey iſt, ſo hat man die ganze bewundernswuͤrdige Schoͤnheit des Thales vor Au - gen. Links fließt der Fluß laͤngſt dem ſchoͤnen mit Wald beſetzten Abhange, und dar - uͤber weg zeiget ſich eine große Strecke von Einzaͤunungen, da immer eine hoͤher liegt als die andere.

Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Ausſicht, bis man zu der ſogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felſen weit ins Thal hinein, weswegen man den bisher zuruͤckgelegten Weg ſehr gut uͤberſehen kann. Man erſtau - net uͤber die ſenkrechte Hoͤhe der Felſen, die mit uͤberhaͤngenden Baͤumen beſetzt ſind, und gerade bis an das Waſſer hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Fel - ſen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachſenden Geſtraͤuchen einen wirklich maleriſchen Anblick. Gegen uͤber ſtoͤßt der Wald an das Ufer; uͤberhaupt kann man ſich keine praͤchtigere Verbindung des Waſſers mit der Waldung gedenken.

Von der ſteilen Anhoͤhe iſt ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felſen getrieben; unten iſt ein anderer laͤngſt dem Ufer unter dem Gewoͤlbe hoher Baͤume gefuͤhrt. Er hat ſanfte Kruͤmmungen, in einem ſo guten Geſchmacke, als man ſie faſt nirgends ſieht. Das Geraͤuſche des Fluſſes iſt ſehr angenehm; an manchen Stellen iſt der Buſch duͤnne genug, daß man das Waſſer durchſchimmern ſieht, welches in einem ſo einſamen und finſtern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß ſich wundern, wenn man hoͤrt, daß alle dieſe Gaͤnge, die Stufen nach dem Felſen hinauf, die Bank oben auf demſelben, die Arbeit eines gewiſſen Mannes ſind, der den Leuten im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnuͤgen auf dem Fluſſe zu fahren, angeſchafft. Ein ſolcher Fleiß, und zugleich ſo viel guter Ge - ſchmack, verdient Beyfall. Er iſt der einzige, der etwas zur Verſchoͤnerung von Matlock beygetragen hat.

Der gedachte ſchattigte Gang fuͤhret zu einer Bank, in deren Angeſicht der Fluß einen kleinen Fall macht. Dieſer Fall ſollte umher etwas mit Waldung beſetzt ſeyn. Hernach moͤchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felſen zu beſteigen, zumal da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Ausſichten hat, dahin fuͤhret. Der Felſen iſt ſenkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einerſanften115von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſanften Kruͤmmung vorbey. Gegen uͤber ſteigt ein Huͤgel kuͤhn empor, und zeiget auf ſeinem Ruͤcken viele Einzaͤunungen. An der einen Seite iſt eine ſteile Felſenſpitze, und an der andern ein jaͤher Abgrund von Felſen und Baͤumen. Man ſieht auf das alte Bad hinab, und auf den entfernten Huͤgeln liegen große Strecken von Einzaͤunungen.

Ueberhaupt betrachtet, muß Matlock die Neugierde eines jeden, der es ſieht, befriedigen. Es unterſcheidet ſich von allen merkwuͤrdigen Plaͤtzen dieſer Art in ganz England. Die Felſen zu Keswick ſind majeſtaͤtiſcher, und das Waſſer ſowohl da - ſelbſt, als bey dem ſogenannten Winandermeer, uͤbertrifft das hieſige weit. Dort ſuchet die Kunſt die Localſchoͤnheiten in einem immer ſchoͤnern Lichte zu zeigen: aber hier iſt alles blos Natur. Die natuͤrliche Terraſſe am Rande der Abgruͤnde, und die große Abwechſelung der Proſpecte, die man von derſelben uͤberſieht, uͤbertrifft in ſei - ner Art alles, was man in England ſehen kann.

V. Gaͤrten bey Hoſpitaͤlern.

Da Hoſpitaͤler in Ruͤckſicht ſowohl auf die Geſunden, als auch auf die Kranken, außer den Staͤdten anzulegen ſind, ſo verſtatten ſie noch leichter beſondere Gaͤr - ten, die ihnen zugehoͤren. Sie muͤſſen demnach in einiger Entfernung von der Stadt und andern ſtark bewohnten Plaͤtzen, in einer geſunden und anmuthigen Gegend, nicht in Thaͤlern und Niedrigungen, ſondern an heitern, von der Sonne erwaͤrmten und vor rauhen Winden beſchuͤtzten Hoͤhen, an ſuͤdlichen Abhaͤngen von Huͤgeln oder maͤſ - ſigen Bergen, auf einem ſehr trockenen Grunde, liegen. Bey einer verhaͤltnißmaͤßi - gen Groͤße muͤſſen dieſe Gebaͤude geraͤumige, heitere und zum Ausluͤften bequem an - gelegte Zimmer, ſonnigte Gallerien zum Spazieren oder Sitzen fuͤr die Schwachen, eine Kapelle, oder einen Saal zum Gottesdienſt, und eine Apotheke enthalten. Ihr aͤußeres Anſehen muß nichts Finſteres haben, ſondern eine gewiſſe maͤßige Munter - keit, wie ruhige zunehmende Hoffnung der Wiedergeneſung mitzutheilen pflegt. Ihre Vorderſeite kann mit Inſchriften und Sinnbildern, die auf ihre Beſtimmung hin - winken, verziert werden.

Ein Hoſpital muß frey liegen, nicht von hohen dumpfigten Mauern, nicht von großen uͤberſchattenden Baͤumen eingeſperrt ſeyn. Der Garten muß unmittelbar mit dem Gebaͤude Verbindung haben, oder es vielmehr, wenn es die Lage verſtattet, um - kraͤnzen. Denn ein Blick aus den Fenſtern in dieſe bluͤhenden und froͤhlichen Scenen hin belebt ſchon den Kranken; auch kann er ſeinen Spaziergang nicht weit ſuchen. Die Anlagen, die ſich gleich von den Thuͤren zu verbreiten anfangen, duͤrfen nichtP 2weit -116Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterweitlaͤuftig, nicht mannichfaltig ſeyn, wenn ſie uͤbrigens nur ihrer Beſtimmung ge - maͤß eingerichtet ſind.

Ein Hoſpitalgarten ſoll dem Schwachen einen bequemen Spaziergang, liebliche Erwaͤrmung der Sonne, Erfriſchung durch freye Luft, und durch Wohlgeruͤche der Pflanzen geben; giebt er zugleich lebhafte und erfreuende Ausſichten, ſo hat er ein Verdienſt mehr. Die Pflanzungen muͤſſen ſich demnach um kieſigte, trockene Wege winden, die mit Baͤnken und Stuͤhlen beſetzt ſind. Freye Gruppen haben hier einen Vorzug vor Alleen, die, wenn ſie bejahrt werden, oben zuwachſen, und die Luft ſo leicht feucht und dumpfigt machen. Es darf hier nicht an Schatten fehlen; nur ſoll er nicht uͤberall herrſchen. Demnach muͤſſen die Gruppen ſich nicht zu eng an einander ſchließen, ſondern viele offene und heitere Zwiſchenraͤume laſſen welche die Luft durch - ſtreicht und die Sonnenwaͤrme erfreut. Sie muͤſſen aus keinen traurigen Nadelhoͤl - zern, ſondern aus Baͤumen mit hellem ſchoͤnem Laub, aus lebhaft bluͤhenden und duf - tenden Straͤuchern und Blumen zuſammengeſetzt werden. In einem Hoſpitalgarten muß alles zum Genuß der wohlthaͤtigen Freuden der Natur, zum frohen Vergeſſen aller Schwachheiten und Kuͤmmerniſſe des Lebens, zu ſchoͤnern Ausſichten in kom - mende Tage aufmuntern; alles muß Heiterkeit ſeyn und Heiterkeit verbreiten. Keine Scene der Melancholie, kein Denkmal der Sterblichkeit darf ſie hier unterbrechen. Die Zwiſchenraͤume der Gruppen koͤnnen mit ſchoͤnen Raſen, mit reichen Blumen - pflanzungen belebt werden. Laute rieſelnde Baͤche koͤnnen durch blumigte Reviere ſpie - len, und froͤhliche Waſſerfaͤlle aus ſchattigten Gebuͤſchen dem Ohr entgegen rauſchen. Viele Pflanzen mit ſtaͤrkenden Wohlgeruͤchen koͤnnen ſich hier in große Gruppen ver - einigen. Viele ſingende Voͤgel ſind durch Schatten, durch Ruhe und Freyheit ihrer Wohnungen in dieſe Gebuͤſche zu locken; mit ihrem Geſang toͤnt Freude in das matte Herz. Zur Verzierung koͤnnen einige wohlgebaute Sitze mit einem Vordach, oder ein heiterer Pavillon dienen, der uͤber eine ſchoͤne Ausſicht herrſcht.

Noch koͤnnten groͤßere Hoſpitalgaͤrten ſehr ſchicklich mit Arzeneykraͤutern bepflanzt werden. Dem Kranken wuͤrde der Anblick der Pflanzen, welche die wohlthaͤtige Na - tur zu ſeiner Geneſung beſtimmte, nicht gleichguͤltig ſeyn; er wuͤrde ſich bey ihrem Wachsthum intereſſiren, hier vielleicht eine Lieblingsſtelle finden, die er oft mit Ver - gnuͤgen beſuchte. Man koͤnnte mit dem Ertrag die Apotheke des Hoſpitals, vielleicht auch andere Apotheken verſorgen, oder doch den Leuten, die fuͤr ſie ſammeln, beſtimmt die Pflanzen hier zeigen, die ſie zu ſuchen haͤtten. Viele Pflanzen dieſer Klaſſe em - pfehlen ſich noch durch ſtaͤrkende Geruͤche; und zum wenigſten wuͤrden ſie hier keine unerwartete oder unſchickliche Erſcheinung ſeyn.

VI. Gaͤr -117von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

VI. Gaͤrten bey Begraͤbnißoͤrtern.

1.

Man hat in Frankreich und Italien ſchon einen gluͤcklichen Anfang gemacht, die ſchaͤdlichen Begraͤbniſſe aus den Kirchen und Staͤdten zu verbannen. *)S. 2ten B. S. 58.In der Schweiz hat die Obrigkeit von Genf das erſte Beyſpiel gegeben, die Todten außerhalb ſeiner Mauern zu begraben. Joſeph, der Weiſe, hat verordnet, daß alle Begraͤbnißplaͤtze aus der Hauptſtadt verlegt, und ſelbſt die Familiengruͤfte in den Kir - chen nicht mehr verſtattet werden ſollen. Dieß große Muſter fordert die deutſchen Fuͤrſten zur Nachahmung auf. Auch iſt man in einigen katholiſchen Provinzen des Reichs auf eine fuͤr die Geſellſchaft ſo wohlthaͤtige Veraͤnderung bedacht. Werden die proteſtantiſchen Fuͤrſten auch hier noch laͤnger zoͤgern koͤnnen?

Die aͤlteſte Verſchoͤnerung der abgeſonderten Begraͤbnißplaͤtze iſt die Bepflan - zung mit Baͤumen. Schon bey den Alten gehoͤrte die Cypreſſe den Graͤbern, ſo wie die Roſe ein Bild des Vergnuͤgens war; ſie umpflanzten damit die Grabmaͤler, die ſie nicht in duͤſtern abgelegenen Winkeln verſteckten, ſondern an freyen Plaͤtzen, die von vielen Menſchen beſucht wurden, und ſelbſt an den Landſtraßen anlegten, mit Mo - numenten und Inſchriften belebten, und zugleich lehrreich machten.

Die Tuͤrken begraben außerhalb der Stadt. Sie geben ſich viele Muͤhe, ihre Begraͤbnißplaͤtze durch Bepflanzung mit wohlriechenden Gewaͤchſen angenehm zu ma - chen. Haſſelquiſt fand, beſonders auf den Graͤbern bey Smirna,**)Reiſe nach Palaͤſtina S. 36. hohe Cypref - ſenbaͤume uͤberall ſehr haͤufig, und eine unzaͤhlige Menge Rosmarinſtraͤucher, die eben bluͤheten und einen vortrefflichen Geruch verbreiteten.

Man pflanzte ehemals in Schottland auf die Graͤber, anſtatt der Cypreſſen, den Taxusbaum. Er ſcheint ſchon lange dieſer Beſtimmung zu gehoͤren. Die Al - ten***)Caeſar de bello Gallico VI. 30. Plinii hiſt nat. XIV. 10. legten ihm ſchon die giftige toͤdtende Eigenſchaft bey, die einige neuere Er - fahrungen beſtaͤtigt haben, und andere wieder zweifelhaft machen. Die Dichter ver - duͤſterten das Reich der Schatten mit Waͤldern von dieſem Baum; und StatiusTheb. VIII. 9. laͤßt eine Furie mit einem Brand von einem abgehauenen Taxus den abgeſchiedenen Seelen auf dem finſtern Pfade entgegen gehen, und ſie mit dieſer Flamme zur Tod - tengeſellſchaft einweihen. Es erhellt aus mehrern Zeugniſſen bey den Alten, daß ſieP 3den118Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakterden Charakter dieſes Baums beſſer kannten, als die Neuern, die noch jetzt ohne alle Ueberlegung ihn in ihren Luſtplaͤtzen ſtehen laſſen. Seine freudenloſe Unbeweglichkeit, ſein finſteres Braun, das zwiſchen den weißen Grabſteinen und Trauermaͤlern eine ſo ernſte Feyerlichkeit verbreitet, beſtimmt ihn zu einem Nachbar der Todten, und nicht zum Geſellſchafter der Lebendigen.

Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter fand Forſter ſelbſt auf der Inſel Mid - delbourgh, ſo wie auf den Societaͤtsinſeln. Die Einwohner waͤhlten dazu den Ca - ſuarinabaum. Und wirklich ſchickt er ſich wegen ſeiner braungruͤnen Farbe und der lan - gen niederhaͤngenden Aeſte, an welchen die ſchmalen und faſerigten Nadeln duͤnn und traurig abwaͤrts ſtehen, zu der Melancholie ſolcher Plaͤtze eben ſo gut, als die Cypreſſe. Vermuthlich hat man auch in dieſem Theil der Welt den Caſuarinabaum, aus einer aͤhnlichen Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer auserſehen, als die Cy - preſſe dazu gewaͤhlt ward. *)Forſters Reiſe um die Welt ꝛc. 4. Berlin 1778. 1ſter B. S. 333.

Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter diente nicht blos zur Bezeichnung der Stellen, wo der Reſt von einem Geliebten verſenkt lag, ſondern auch zu einer gewiſ - ſen Reinigung der Luft, indem die Baͤume und Pflanzen die boͤſen Ausduͤnſtungen vermindern, oder ſie doch weniger ſchaͤdlich machen. Sie locken zugleich zu einem laͤn - gern Verweilen an den Plaͤtzen, wo ſo viele ruͤhrende Denkmaͤler zu intereſſanten Er - innerungen und Betrachtungen auffordern, wo der Tod ſelbſt die Weisheit des Le - bens lehrt.

2.

Begraͤbnißplaͤtze, die demnaͤchſt außer den Staͤdten anzuweiſen find, muͤſſen eine Lage haben, die reinigenden Winden den Zugang verſtattet, und eine ruhige, einſame und ernſte Gegend. Sie gehoͤren zu der melancholiſchen Gattung von Gaͤrten. Der Platz muß allerdings durch niedrige Mauern, oder Graben, oder Zaun eine Beſchuͤtzung, aber keine aͤngſtliche Einſperrung haben. Kein heller See, keine weiten froͤhlichen Ge - filde in der Ausſicht, keine heitern Raſen in dem innern Bezirk. Ein finſterer angraͤn - zender Tannenwald, ein dumpfigtes Gemurmel fallender Waſſer in der Naͤhe, ver - mehrt die heilige Melancholie des Orts. Die Baͤume muͤſſen durch braunes und dunk - les Laub die Trauer der Scenen ankuͤndigen; Nadelhoͤlzer gehoͤren beſonders wegen ihrer Steifigkeit und ihres Ernſtes in dieſe Pflanzung. Dieſe Baͤume koͤnnen bald einzeln uͤber den Graͤbern ſich erheben, bald ſich in dichte Gruppen und in kleine dunkle Hayne zuſammen ſchließen, die zugleich von wohlriechenden Pflanzen duften. Dieſe Gruppen und Hayne koͤnnen ſelbſt die Graͤber merkwuͤrdiger Perſonen in ſich faſſen, und durch Denkmaͤler und Inſchriften veredelt werden, die dem Spaziergaͤnger Em -pfindun -119von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. pfindungen oder Betrachtungen anbieten, die er auf der geraͤuſchvollen Buͤhne der Welt nicht findet. Hie und da koͤnnen uͤber den frey liegenden Graͤbern zerſtreute Gruppen trauern, oder kleines Geſtraͤuch mit ſtillem Mitleiden uͤber den weißen Stein hinhaͤngen. In den Gruppen koͤnnen einfame Sitze am Fuß der Graͤber ſtehen, und das Auge ploͤtzlich auf eine uͤberraſchende Inſchrift fallen laſſen.

Bedeckte Hallen mit weinenden Bildern des Schmerzes in halb oder ganz er - habener Arbeit, oder mit kurzen ruͤhrenden Inſchriften, oder mit erhabenen Lehren an den umher wandelnden Sterblichen; Trauergebaͤude,*)S. 3ten B. S. 56 und 57. Todtenkapellen, Sitze der Melancholie,**)S. 4ten B. S. 90. Denkmaͤler,***)S. 3ten B. S. 139 u. ſ. w. die ſich hier haͤufen, und daher eine große Man - nichfaltigkeit der Erfindung fordern, gehoͤren zu den Verzierungen eines großen mit Geſchmack angelegten Begraͤbnißplatzes. Sie koͤnnen ſich bald in den duͤſtern Bezirk ſchattenreicher Pflanzungen verſchließen, bald an der ploͤtzlichen Wendung eines dun - keln Ganges uͤberraſchen, bald zwiſchen den Gruppen hin in der Ferne erſcheinen, und das zweifelnde Auge zu ſich rufen. Doch darf kein Monument entbloͤßt und frey in ſeinem vollen Lichte da ſtehen; es muß ſich halb hinter dem Schleyer eines Baums zu verbergen ſuchen, oder, von irgend einem Geſtraͤuch beſchattet, in einer kleinen Daͤm - merung zu ſchlummern ſcheinen. Dieſe Scenen ſind hier einer großen maleriſchen An - ordnung faͤhig. Die Lichter und Schatten fallen hier zwiſchen den dunkeln Pflanzun - gen und den weißen Steinen der Grabmaͤler ſtaͤrker, und koͤnnen zu außerordentlichen und lebhaft uͤberraſchenden Wirkungen vertheilt werden. Das Ganze muß ein großes, ernſtes, duͤſteres und feyerliches Gemaͤlde darſtellen, das nichts Schauerhaftes, nichts Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erſchuͤttert, und zugleich das Herz in eine Bewegung von mitleidigen, zaͤrtlichen und ſanftmelancholiſchen Gefuͤhlen verſetzt.

Sollte ein oͤffentlicher Begraͤbnißplatz, in dieſem Geſchmack veredelt, nicht eine verdienſtliche Anlage bey Reſidenzen und andern großen Staͤdten, nicht eine lehrreiche Schule fuͤr alle Klaſſen von Buͤrgern, nicht ein unterhaltender Spaziergang fuͤr den Weiſen, nicht ein erwuͤnſchter Zufluchtsort der nachweinenden Liebe ſeyn,

Die allem feind, womit ſich Menſchen troͤſten,
Der Stille hold, worinn ſie ſich verſchließt,
Und nie vergnuͤgt, als wenn ihr Leid am groͤßten,
In Thraͤnen frey und unbehorcht zerfließt?
v. Haller.
Achter120Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung einzelner Theile eines Landſitzes.

I. Vorplatz vor dem Luſtſchloſſe oder Landhauſe.

Der Vorplatz vor einem Luſtſchloſſe oder Landhauſe verdient Aufmerkſamkeit, ſo - wohl wegen ſeiner genauen Verbindung mit dem Gebaͤude, als auch, weil er ein Ort des Aufenthalts und des Vergnuͤgens zu ſeyn pflegt. Ein jedes Gebaͤude von einiger Wichtigkeit verlangt einen Vorplatz, deſſen Groͤße und Einrichtung von dem Werke der Architektur beſtimmt wird. Ein edles Landhaus, das, ohne irgend einen ge - raͤumigen Vorplatz, unmittelbar an Kornfeld, Wald oder Gebuͤſch angraͤnzt, verliert nicht wenig von der Wirkung ſeines Anſehens. Außerdem iſt bey Gebaͤuden, dem Ver - gnuͤgen des Landlebens gewidmet, ein Vorplatz faſt unentbehrlich. Man tritt dahin in den heitern Stunden des erſten Lichts, oder in der milden Kuͤhlung des Abends; man verweilt hier gerne, man ſpazieret umher, man unterredet ſich, man lieſet, man trinkt, man ſpielt. Der Vorplatz mit ſeiner Gegend darf demnach nicht leer, nicht duͤrftig ſeyn; er muß Unterhaltungen fuͤr das Auge und fuͤr den Geiſt haben.

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121einzelner Theile eines Landſitzes.

Außer dem, was ſchon uͤber dieſen Gegenſtand bemerkt iſt,*)S. 3ten B. S. 9-14. bieten ſich uns hier noch verſchiedene einzelne Betrachtungen an. Zwar iſt es ſchwer, uͤber Verſchoͤne - rungen dieſer Art allgemeine Grundſaͤtze feſizuſetzen, wornach man in jedem Fall ſicher verfahren koͤnnte. Faſt eine jede Gegend hat ihren eigenen Charakter und ihre beſon - dern Eigenthuͤmlichkeiten der Lage und der Ausſichten, worauf die Kunſt bey ihren Verzierungen immer den Blick zu richten hat. Auch der beſondere Himmelsſtrich, die Winde und mancherley andere oͤrtliche Umſtaͤnde, der Charakter des Gebaͤudes, und ſelbſt der Geſchmack ſeines Beſitzers koͤnnen merkliche Abweichungen veranlaſſen. Indeſſen giebt es doch einige Regeln der Schoͤnheit und des Geſchmacks, die in den meiſten Faͤllen eine Beobachtung zu fordern ſcheinen.

Luſtſchloͤſſer verlangen, ihres hoͤhern Charakters wegen, den ſie von der Wuͤrde ſowohl des Bewohners als der Architektur erhalten, einen groͤßern, freyern und rei - cher verzierten Vorplatz, als ein Landhaus, die Wohnung des Adels oder des Man - nes vom Stande. Je anſehnlicher und praͤchtiger das Gebaͤude iſt, deſto mehr muß ſich ſein naher Vorplatz durch Groͤße und Kunſt der Verſchoͤnerung uͤbereinſtimmend heben. Auch iſt es ſchicklich, vor dem Auge der Luſiſchloͤſſer Ausſichten von Weite und Pracht zu eroͤffnen.

Die Verſchoͤnerung der Vorplaͤtze gehoͤrt zum Theil der Kunſt zu, die hier Statuen und Gruppen von Bildern bald fuͤr ſich beſtehend, bald als Verzierung der Zugaͤnge, oder der Springwaſſer, Vaſen und andere Werke der Bildhauerey aufzu - ſtellen pflegt. Allein dieſe Werke ſchicken ſich doch mehr fuͤr Luſtſchloͤſſer und edle Landhaͤuſer, als fuͤr Landſitze von einem mittlern Charakter. Sie muͤſſen ſich auſ - ſerdem nicht blos durch das Verdienſt der Kunſtbearbeitung auszeichnen, zumal da ihre freye Stellung ſie der ſchaͤrfern Beurtheilung ausſetzt, ſondern auch Vorſtellun - gen aus den Scenen der ſchoͤnen Natur und des Landlebens enthalten, wodurch ſie der Beſtimmung der Gebaͤude zuwinken; ſie muͤſſen ferner mit weiſer Sparſamkeit und Wahl angebracht werden. Der glaͤnzende Marmor oder der weiße Anſtrich macht eine treffliche Wirkung, wenn ſie auf gruͤnen Raſen erſcheinen.

Dieſe Raſen ſind die angenehmſte Bekleidung der Vorplaͤtze. Ein ſandigter Boden ermuͤdet und ſchwaͤcht das Auge; Muſcheln, Porzellanſtuͤcke, gefaͤrbte Steine u. ſ. w. ſind die elendeſten Spielwerke der alten kindiſchen Manier; aber ein gruͤner Raſen iſt liebliche Natur und Erfriſchung fuͤr den Anblick. Und dieſe Raſen koͤnnen bey allen Arten der Landgebaͤude von dem koͤniglichen Luſtſchloß bis zu der beſcheidenenHuͤtteV Band. Q122Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungHuͤtte des Landmanns zum Teppich der Vorplaͤtze dienen. Sie gewinnen ein ſchoͤne - res Anſehen, wenn ſie ſich von dem Gebaͤude allmaͤlig mit ſanften Abhaͤngen hinab - ſchmiegen, und ſich nach und nach an die Landgegend anſchließen, oder ſich darinn verlieren. Wenn ſie in einer betraͤchtlichen Strecke fortgehen, ſo moͤgen ſie hie und da zu kleinen Erhebungen, mit Blumen oder Straͤuchern bepflanzt, aufſchwellen, und ſich wieder ſenken; nur duͤrfen ſie in der Naͤhe des Gebaͤudes noch keine zu merkliche Ungleichheiten zeigen, noch dadurch den Genuß einer intereſſanten Ausſicht mindern.

Auf den Raſen, zwiſchen welchen ſowohl fuͤr die Zufahrt als auch fuͤr die Fuß - gaͤnger feſte kieſigte Raͤume ſich oͤffnen muͤſſen, machen bald kleine Sammlungen von Blumen, bald hingeſtreute Pflanzungen von niedrigen Straͤuchern, bald Gruppen von Baͤumen, die anmuthigſte Verzierung aus. Nichts iſt laͤndlicher, mannichfal - tiger und reizender, als ein Vorplatz von dieſer Verzierung; ſie giebt ein Gemaͤlde, das an die ſchmalen und einfoͤrmigen Oeffnungen der alten geraden Zugaͤnge, wodurch man vom Landhauſe nicht ohne Muͤhe in die Landſchaft hinausguckt, und an die ver - ſtutzten und halb kahl geſchornen Baͤume nur mit Ekel zuruͤckdenken laͤßt.

L’acier a retranché leur cime verdoyante.
Je n’entends plus au loin, ſur leur tete ondoyante,
Le rapide aquilon légèrement courir,
Frémir dans leurs rameaux, s’eloigner & mourir.
Froids, monotones, morts, du fer qui les mutile
Ils ſemblent avoir pris la roideur immobile.
*)De Lille.
*)

Blumen und kleine bluͤhende Straͤucher koͤnnen bald rund umher den Rafen umkraͤnzen, bald ſeine Winkel bedecken, bald nachlaͤßig zerſtreut ſich hie und da mit - ten aus feinen Flaͤchen emporheben.

Mehr Sorgfalt erfordern die Gruppen der Baͤume, die den gruͤnen Vorplatz ſchmuͤcken ſollen.

Hiebey iſt zuvoͤrderſt zu bemerken, daß uͤberhaupt ganz nahe dicke Waͤlder und große Gebuͤſche die Luft um ein Wohngebaͤude ungeſund machen, daß ſie aber von friſchen Winden und freyen Sonnenſtrahlen, denen der Zugang nicht verwehrt iſt, rein erhalten wird. Die alten Umzaͤunungen der Landſitze mit hohen Mauern oder dumpfigten Alleen werden ſchon, auch ohne das Urtheil des Geſchmacks, von der Re - gel der Geſundheit verworfen.

Demnach muß die Anpflanzung des Vorplatzes aus kleinen Gruppen beſtehen, die Licht und erfriſchende Luͤſte zulaſſen, und leichte Schatten werfen. Die Baͤumemuͤſſen,123einzelner Theile eines Landſitzes. muͤſſen, da ſie dem Auge ſo nahe ſtehen, um einzeln beobachtet zu werden, ſchoͤne Staͤmme und einen angenehmen Wuchs haben; ſie muͤſſen durch das Gruͤn ihres Laubes einen Contraſt mit der Farbe des Raſens machen. Wo ein Baum einzeln er - ſcheint, da mag er mit ſtaͤrkerer Belaubung herabſchatten, wie die Roßkaſtanie oder der amerikaniſche Platanus. Wo mehrere Staͤmme ſich zu einer Gruppe vereinigen, da moͤgen ſich Baͤume mit leichtem oder gefiedertem Laube, wie die Zittereſpe, der Quitſchernbaum, die virginiſche Robinie, zuſammen geſellen. Baͤume mit leicht ſich bewegenden Blaͤttern, die mit jedem Luͤftchen dem Auge ein angenehmes Spiel dar - ſtellen, und wankende Schatten und phantaſtiſche Malereyen auf den Boden hin - ſtreuen, ſodann Baͤume mit heiterm Laube und mit wohlriechenden Bluͤthen ſchicken ſich vorzuͤglich zur Anpflanzung auf Vorplaͤtzen. Ein Spaziergang zwiſchen dieſen Baͤumen, ein Sitz unter ihrer lieblichen Beſchattung iſt uͤberaus ergoͤtzend.

Die Anordnung der kleinen, einzeln auf dem Vorplatze zerſtreuten Gruppen, iſt von den Ausſichten, die man zum Genuß anbieten will, abhaͤngig. Denn ein heiterer Himmel, eine freye Ausſicht in die Landſchaft, eine Entwickelung der Natur in ihrem ganzen Reiz, ſind die Schauſpiele, die hier das Auge ſucht, und die nie ſchoͤner, als zwiſchen wohlgeordneten Gruppen des Vorgrundes, erſcheinen. Baͤume von hohem Wuchs und von beſonderer Lebhaftigkeit des Gruͤns empfehlen ſich am mei - ſten zu Vorgruͤnden, um die Wirkung des Perſpectivs zu heben. Die Gruppen wei - chen aus einander, oder ſchließen ſich naͤher an, je nachdem die Ausſicht zur Verſtaͤr - kung ihrer Wirkung eine groͤßere oder geringere Oeffnung verlangt. Das vornehmſte Verdienſt der Gruppen, in ſo fern ſie als Mittel der Verſchoͤnerung betrachtet wer - den, beſteht darinn, daß ſie die Landſchaft in einzelnen Gemaͤlden und ausgewaͤhlten Perſpectiven zeigen, zur laͤngern und mannichfaltigern Unterhaltung. Denn die ganze Maſſe einer großen Landſchaft, die auf einmal uͤberſchaut wird, zerſtreuet und ermuͤ - det das Auge. Die Baumgruppen des Vorgrundes geben, zur Verſchoͤnerung der einzelnen Parthien landſchaftlicher Scenen, noch den Vortheil, daß das Auge hier die ſanftere Fortſchreitung von der Daͤmmerung zum Licht gewinnt, und im Schat - ten wieder ruhen kann. Auch ſelbſt die Wahl der Baͤume nach der Farbe des Laubes und nach der Groͤße kann der Landſchaft untergeordnet werden; denn die Farben des Vorgrundes ſollen ſich, zur Verſtaͤrkung der Wirkung, mit den Farben der Land - ſchaft allmaͤlig verbinden, wozu auch in den Zwiſchenplaͤtzen kleine Klumpen von Geſtraͤuchen wichtige Mittel werden.

Laufen nicht weit von der aͤußerſten Graͤnze des Vorplatzes Wieſen ab, ſo ge - ben dieſe die leichteſten und natuͤrlichſten Verbindungen. Einzelne Baͤume, die ohne Abſicht, ohne Wirkung da ſtehen, oder gar die Uebereinſtimmung des Ganzen ſtoͤren,Q 2ſind124Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungſind wegzunehmen. Farben, die zu ſtark abſtechen, muͤſſen gemindert werden. Ein Gebaͤude, das eine zu ſtarke Leuchtung hat, iſt ſo lange durch einen Baum oder ein Gebuͤſch zu verdecken, bis die zu ſehr blendende Weiße ſeiner Waͤnde ſich mindert, oder das harte Gelbe ſeines Strohdachs erbleicht, mehr in den Ton des Ganzen ſtimmt und ſich damit verbindet. Wo auch ein unbeweglicher natuͤrlicher Gegenſtand der Harmonie des Ganzen Eintrag thut, da iſt er durch eine Vorpflanzung zu ver - decken. Ein kleines Gebuͤſch kann zuweilen, in einem beſtimmten Abſtand gepflanz, das misfaͤllige Anſehen eines fernen duͤrren Sandhuͤgels ganz verhuͤllen.

Eine weite Ebene, die ins Unendliche fortlaͤuft, ermuͤdet das Auge, ohne es zu erfriſchen. Ihre Einfoͤrmigkeit muß durch Anpflanzung von Baumgruppen, die ſich durch Groͤße und Abſtaͤnde unterſcheiden, und ein in die Ferne ſich verlaͤngerndes Per - ſpectiv geben, oder durch einige Gebaͤude oder Landhuͤtten unterbrochen werden. Eine Heerde, die ſich nahe auf der Flur umher zerſtreut, kann ſchon einigen Begriff von Leben uͤber den Anblick einer weiten leeren Landſchaft verbreiten.

Der nahe Strand des Meeres iſt hie und da durch Gruppen von Baͤumen zu bepflanzen, die ſeine flache Einfoͤrmigkeit mindern. Man waͤhle Baͤume, die im Sande fortkommen, als Birken und Fuhren oder gemeine Kiefern (Pinus ſylve - ſtris, L.), und hinter ihnen auf einem beſſern Boden Eſchen und Ahorne, welche die von den Winden herbey gefuͤhrte Feuchtigkeit aufhalten.

Liegt hinter einem Gehoͤlz eine Windmuͤhle, ein Kirchthurm, ein Dorf oder eine Stadt, ſo laͤßt ſich durch ausgehauene Oeffnungen auf dieſe Proſpecte die todte Stille in dem landſchaftlichen Gemaͤlde vermindern. Die Vorſtellung von Leben und Ge - ſchaͤftigkeit bricht hervor. Die Entdeckung reicher Hintergruͤnde kann oft eine Land - ſchaft erfriſchen, und ſchon der bloße Anblick blauer Berge am Horizont erhebt die Seele.

Weite, offene, bebauete Felder mit Doͤrfern untermiſcht, geben ein lachendes Gemaͤlde von Wohlſtand und Freude; ein ſich vordraͤngender dunkler Wald gewaͤhrt den Begriff von Ruhe und Einſamkeit; ein hell hervorbrechender See erregt das Ge - fuͤhl von Heiterkeit und Freyheit.

Lauter Kornfelder, obgleich ihre Abtheilungen ſichtbar, ihre Farben verſchieden ſind, geben doch nur eine einfoͤrmige Ausſicht; unterbrochen mit Wieſen, mit Wald, mit Doͤrfern, gewinnen ſie mehr Abwechſelung und Reiz.

Die lebhafteſten Ausſichten liefern ein Fluß und ein See; nur muß jener in einer betraͤchtlichen Laͤnge erſcheinen, und dieſer nicht zu ſehr in der Tiefe liegen, die ihn halb dem Auge entzieht.

Huͤgel,125einzelner Theile eines Landſitzes.

Huͤgel, die ſanft aufſchwellen, ſich in allmaͤlige Vertiefungen ſenken, und dann wieder aufſteigen, ſtellen, von einer Hoͤhe betrachtet, eine reizende Scene dar. Noch mehr gewinnt ſie an Schoͤnheit, wenn die hintern Anhoͤhen in mannichfaltigen Lagen ſich uͤber einander erheben, in ihren verſchiedenen Abſaͤtzen, Flaͤchen und Einbuchten die wandelbaren Lichter und Schatten ſich brechen, und auf der obern Spitze ein dunk - ler Wald ſich mit ernſter Stirne an den Wolken mißt.

Von der Hoͤhe des Landhauſes der Blick auf eine Sammlung von Haynen und kleinen Waͤldern, mit hellen grasvollen Zwiſchenraͤumen, hier zur Seite auf einen See, wohin ſich die Gehoͤlze von ihren Anhoͤhen herabneigen, dort auf eine Reihe von Wie - ſen, worinn einzelne Huͤtten ſich im Schatten bluͤhender Obſtbaͤume verhuͤllen welch eine entzuͤckende Ausſicht!

Die herrlichſten Hintergruͤnde der Landſchaft in der Ferne ſind hohe dunkle Wal - dungen, blaue in den Duft ſich verlierende Gebirge, das Meer mit ſeinen ſchwimmen - den Palaͤſten, deren weiße Segel zwiſchen daͤmmernden Wolken umher flattern. Der Charakter dieſer Hintergruͤnde reicht an das Erhabene.

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Q 3II. Feld -126Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

II. Feldſpazierwege.

1.

Feldſpazierwege, die in ihrer Einrichtung Bequemlichkeit und eine gewiſſe Schoͤn - heit vereinigen, ſind ein ſehr angenehmes Eigenthum eines adelichen Landgutes. Sie erfreuen das Auge durch die verlaͤngerte Vorſtellung von der Ausdehnung eines anmuthigen Ritterſitzes, und kuͤndigen dem Ankommenden, indem er den Boden be - tritt, ſogleich den uͤberall aufmerkſamen Geiſt des Beſitzers an. Sie koͤnnen, indem ſie nach allen Gegenden eines Landguts herumleiten, oft Spaziergaͤnge von einer weit reichern Mannichfaltigkeit laͤndlicher Scenen, und einer weit hoͤhern Schoͤnheit der Ausſichten darbieten, als der Park oder Garten ſelbſt, nach ihrem mehr eingeſchraͤnk - ten Umfange, und oft nach ihrer Lage, nicht verſtatten.

Schon die gemeine Einrichtung eines Landguts erfordert Wege zur Verbindung aller Theile; der Beſitzer muß bequem in alle Gegenden kommen koͤnnen, um ihre verſchiedenen Benutzungen und die Arbeiten ſeiner Leute zu uͤberſehen. Die Bequem - lichkeit, die Reinlichkeit, die Anmuth, die in ſeinen Feldwegen herrſcht, iſt zunaͤchſt ein Vortheil fuͤr ihn. Ein ſanft unterhaltendes laͤndliches Vergnuͤgen begleitet ihn nun auf dem Wege, worauf ihn ſeine Geſchaͤfte gehen heißen. Er kann mit ſeiner Familie, mit ſeinen Freunden, die ihn beſuchen, zur geſunden Bewegung weite Spa - ziergaͤnge ins Freye vornehmen, ſie uͤberall die Anmuth ſeiner Gegenden genießen laſ - ſen, und ſie leichter mit der Ueberſicht ſeiner oͤkonomiſchen Einrichtungen unterhalten.

Bequeme und anmuthige Feldſpazierwege ſind die geringſte Anlage, die man in einem Landgute machen kann. Ein Ritterſitz, der ſonſt keine Verſchoͤnerungen hat, ſollte doch wenigſtens in dieſem Theil keine Vernachlaͤßigung zeigen. Er kann ſeine dichten Waͤlder, ſelbſt zum beſſern Wachsthum ihrer Baͤume, mit Spaziergaͤngen eroͤffnen, und den zur Bearbeitung des Feldes und zur Einfuͤhrung der Fruͤchte unent - behrlichen Wegen eine Umpflanzung geben, worinn das Anmuthige zugleich das Nuͤtz - liche umarmt. Es wuͤrde das Vorurtheil eines platten, gewinnſuͤchtigen Pachtergei - ſtes ſeyn, wenn man glaubte, daß dieſe Gattung von Verſchoͤnerung, wenn ſie von Ueberlegung begleitet wird, den nuͤtzlichen Ertrag der Laͤndereyen ſchmaͤlerte.

2.

Die Feldſpazierwege, die ſich bald fuͤr den Fahrenden und Reitenden erweitern, bald ſich in Pfade fuͤr die Fußgaͤnger verengen, gewaͤhren auf gewiſſe Weiſe die Er - goͤtzung einer kleinen Landreiſe. Sie koͤnnen alle Abwechſelungen von Scenen undAusſichten127einzelner Theile eines Landſitzes. Ausſichten einer wohlangebaueten und reizenden Landſchaft unter ihren Geſichtspunkt faſſen, und auf den Gewinn dieſes Vortheils muß ihre Anordnung, ſo viel als moͤg - lich, gerichtet ſeyn. Sie koͤnnen bald zwiſchen duftenden Wieſen und fruchtbaren Kornfeldern, bald auf heitere Anhoͤhen, bald neben erfriſchenden Gewaͤſſern hin, bald in die Kuͤhlungen eines ſchattigten Waldes, bald einer heerdenreichen Weide vorbey, bald durch ein ſchoͤnes reinliches Dorf fuͤhren. Wo irgend die Ueberraſchung oder die allmaͤlig ſich erweiternde Wonne einer reizenden Ausſicht zu gewinnen iſt, da muß der Weg, wenn ihn nichts hindert, ſich hinwenden, um ſie aufzufaſſen. Es iſt oft leicht, die Fehler der Ausſichten durch Pflanzungen zu verbergen, oder ſogar zu ver - beſſern. Zuweilen wird das Auge durch einen Haufen einzelner, unordentlich zer - ſtreuter, krummer, oder von dem Raub der Zeit und der Gewitter halb zerſtoͤrter Baͤume, die auf den Feldern ſtehen, aufgehalten und beleidigt. Man haue ſie weg, da ſie keinen ſchoͤnen Vorgrund bilden; man pflanze hie und da kleine Gruppen von andern nuͤtzlichen Baͤumen hin, die das Auge ergoͤtzen und es zwiſchen ihnen hin nach maleriſchen Durchſichten in die Ferne locken. Ein kahler Huͤgel hat ein todtes Anſe - hen; werden einige Baͤume mit wallendem Laube an ſeinen Abhaͤngen hingepflanzt, ſo gewinnt er Leben. So kann ein kleiner Waſſerfall, der ohne viel Muͤhe von einem durchlaufenden Bach in einem Wieſengrund angelegt wird, in ſeiner Naͤhe umher eine ſehr angenehme Wirkung haben.

Waldgaͤnge gehoͤren zu den anmuthigſten, weil ſie den Schatten geben, der auf den offenen Feldſpazierwegen fehlt. Denn dieſe verſtatten nicht uͤberall Umpflanzung; und in den mildern Stunden des Morgens und des Abends, die nur das Streiflicht verſchoͤnert, und keine blendende Glut des Lichts beſchwert, iſt uns der Anblick der of - fenen Fluren und der weiten Gewoͤlbe des Himmels nicht wenig erfreulich. Wald - gaͤnge muͤſſen uͤbrigens ſich nicht weit von dem Nachlaͤßigen und Wilden ihrer Gegend entfernen; jeder Anſchein einer geſuchten Regelmaͤßigkeit iſt hier ſchon ein Eingriff in das Vorrecht der Natur; und felbſt ein langer gerader durchſchneidender Weg, der keine oͤffentliche Landſtraße iſt, beleidigt das Gefuͤhl, indem er ohne Noth die Schoͤn - heit eines Gehoͤlzes zerſtoͤrt. Ganz nahe an dem Weg muͤſſen hin und wieder wilde Roſen, der Spindelbaum, das Geißblatt und andere vorzuͤgliche Straͤucher mit dem Untergebuͤſch ſich miſchen, oder wohlriechende und ſchoͤnfarbigte Feldblumen in dicken Klumpen zuſammengepflanzt werden.

Die im Freyen laufenden Feldſpazierwege ſind, wie oben bemerkt iſt, nicht uͤberall einer ſchattigten Umpflanzung faͤhig, weil das Nutzbare, das hier gebietet, die Verſchoͤnerung zuweilen nicht neben ſich zulaͤßt. Allein dieſe Wege koͤnnen bald mit eintraͤglichen Fruchtbaͤumen auf den Seiten eingefaßt werden, bald zwiſchenganzen128Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungganzen Gruppen von ihnen fortlaufen, bald einen großen Baumgarten durchſtreichen, wo das Auge ſowohl von den mancherley Bluͤthen, als auch den reifenden Fruͤchten, ſehr angenehm unterhalten wird. Auch zwiſchen den Feldern koͤnnen anſehnliche Klum - pen von Obſtbaͤumen erſcheinen, und in gewiſſen Entfernungen vom Wege die Aus - ſicht erfriſchen. Kleine Zaͤune koͤnnen ſich hier ſelbſt von Fruchtſtraͤuchern bilden, und zuweilen mit neuer Anmuth neben den Luſtpfaden hinlaufen. Doch muß alles mehr ſorglos hingeſtreut, als bedaͤchtig angepflanzt ſcheinen, und ſich dem freyen und un - geſchmuͤckten Reiz der Landſchaft naͤhern. In den weitern Entfernungen von den Wohngebaͤuden und den Doͤrfern ſind die Pflanzungen, welche, ſo uͤberlegt ſie auch ſeyn moͤgen, doch den Anſchein eines natuͤrlichen Entſtehens haben, jeder genauen Re - gelmaͤßigkeit vorzuziehen, und daher hat ſelbſt eine wilde Gruppe von Fruchtbaͤumen einen Vorzug vor einer Allee, die aus eben dieſen Baͤumen beſteht. Die Natur zeigt oft in der Bildung ihrer wilden Pflanzung ſo viel Schoͤnheit, daß der Kunſt faſt nichts zum Zuſatz oder zur Abaͤnderung uͤbrig bleibt.

Buſchigte Umzaͤunungen der Feldwege ergoͤtzen das Auge auf eine mannichfal - tige Art. Im Fruͤhling ſind ganze Stellen dieſer Gebuͤſche von den Bluͤthen des Schleedorns und des Weißdorns uͤberſchneyt, und den erhoͤheten Rand der Zaͤune zieren Veilchen, Schluͤſſelblumen, Maßlieben, und die Bluͤthen der Erdbeerpflan - zen. Im Sommer begruͤßen die wilde Roſe, der Hollunder und das Geißblatt mit ihren Wohlgeruͤchen den Vorbeygehenden. Und im Herbſt weidet ſich ſein Auge an den Farben der beerentragenden Straͤucher. Zugleich ſind dieſe Umzaͤunungen der Aufenthalt vieler Singvoͤgel, die den Weg beleben.

Feldſpazierwege muͤſſen beſonders zu den angenehmſten Stellen eines Landſitzes umherleiten und ſie mit einander verbinden. Solche Stellen koͤnnen durch ein Ge - baͤude, durch einen Sitz, durch ein Gelaͤnder am ſteilen Abhang, und durch irgend ein anderes Merkmal der Bezeichnung dem Auge ankuͤndigen, daß ſie ſich durch ihre Schoͤnheit uͤber die uͤbrigen Gegenden erheben. Eine Huͤtte, ein Borkhaus, oder ein anderes laͤndliches Gebaͤude kann zugleich zur Aufnahme einer Geſellſchaft eingerich - tet werden. Es hoͤrt ſodann auf, blos ein Gegenſtand der Verzierung zu ſeyn; ſelbſt die Bezeichnung des Orts iſt nicht mehr ſeine einzige Beſtimmung; es wird zugleich durch ſeinen Nutzen erheblich, indem es bey dem Ueberfall eines Regens ſeinen Schirm anbietet, und zu geſellſchaftlichen laͤndlichen Ergoͤtzungen dient; und liegt es in einiger Entfernung von dem Wohnhauſe, ſo behaͤlt es, da es kein beſtaͤndiger Pro - ſpect iſt, noch einen gewiſſen Reiz der Neuheit, den oft die naͤchſten Plaͤtze, die am meiſten beſucht werden, allmaͤlig zu verlieren pflegen. Ein ſolches Gebaͤude kann zu - weilen in einem beſondern Theil die Wohnung eines einzelnen alten Greiſes ent -halten,129einzelner Theile eines Landſitzes. halten, der hier ſeine letzten Tage verlebt, oder eines noch geſchaͤftigen Mannes, der eine benachbarte Baumſchule zu warten oder eine andere laͤndliche Anſtalt zu be - wachen hat.

Zu dieſer Gattung von Anlagen gehoͤren noch Feldthore und Bruͤcken. Sie duͤrfen hier nichts von der Zierlichkeit und Feinheit fordern, wozu ſie in den ausge - bildeten Auftritten der Gaͤrten berechtigt ſind, ſondern verlangen vielmehr einen ge - wiſſen rohen und einfaͤltigen Charakter der Bauart. Feldthore bey Eingaͤngen in ausgedehnte Fluren und Gehoͤlze muͤſſen ſich durch ein groͤßeres Anſehen von Staͤrke und Feſtigkeit auszeichnen; ſind ſie ein Zubehoͤr kleiner Bezirke von Wieſen, von Pflanzungen und Baumgaͤrten, ſo koͤnnen ſie ſich ſchon durch mehr Leichtigkeit und landmaͤßige Zierde unterſchelden. Sie koͤnnen hier ſelbſt einen weißen Anſtrich fordern, da ſie im erſten Fall ſich mit dem weniger lebhaften Grauen begnuͤgen.

Faſt eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Bruͤcken. Sie koͤnnen bald aus unbeſchaͤl - ten Knoͤppeln, bald aus einem Brete mit einer gemeinen Lehne, bald aus rohen uͤber einander geworfenen Feldſteinen, bald aus gemauerten Boͤgen gebildet werden. Sie muͤſſen mit Sicherheit und Bequemlichkeit bald ein ſtarkes, bald ein leichteres, bald ein ganz rohes, bald ein etwas geſchmuͤcktes Anſehen verbinden. Ihr verſchie - dener Charakter richtet ſich nach den Gegenden, wo ſie angelegt ſind, und nach den Oertern, wohin ſie fuͤhren. Eine ganz rohe, aus unbehauenen Bretern oder alten Baumaͤſten hingeworfene Bruͤcke ſchickt ſich fuͤr die wilde Gegend eines Waldbachs; eine ſtarke Steinbruͤcke iſt dem Zugang in ein Dorf oder zu einer Waſſermuͤhle an einem reißenden Strom angemeſſen; und eine leichter von Holz gebauete weißange - ſtrichene Bruͤcke mit einem huͤbſchen Gelaͤnder kuͤndigt die Naͤhe einer zierlichen Meyerey an.

3.

Die vielen Gelegenheiten zur Verſchoͤnerung der Landguͤter muͤſſen unſtreitig die Liebe des Adels zum Aufenthalt auf ihnen beleben. Nichts war langweiliger, als die Monotonie der vorigen Gartenmanier, die ſich auf einige Alleen und Hecken nahe bey dem Wohnhauſe einſchraͤnkte. Der Adel fuͤhlte die Quaal der Langeweile, und ſuchte Zerſtreuung; er eilte den Ergoͤtzungen großer Staͤdte zu, und verſchwendete ſein Vermoͤgen. Die Guͤter verfielen in der Abweſenheit des Herrn. Er kehrte zuruͤck, entkraͤftet und ohne Mittel zu ihrer Verbeſſerung. Jetzt, da der Geſchmack an Verſchoͤnerungen ſich zu verbreiten beginnt, faͤngt auch der Adel mehr an, ſeine Beſitzungen auf dem Lande zu lieben, und ſie den koſtbaren Zerſtreuungen der Stadt vorzuziehen. Ich habe zuweilen geſehen, wie junge Herren, die nur fuͤr die Freude der großen Welt und der Hoͤfe geboren zu ſeyn ſchienen, bald ſich dem Zauber ent -V Band. Rriſſen,130Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungriſſen, zu ihren vaͤterlichen Guͤtern zuruͤckkehrten, und hier mit Geſchmack und oft mit einer Art von Begeiſterung zu bauen und zu pflanzen anfiengen. Sie fanden hier nicht bloß Beſchaͤftigung, ſondern auch Unterhaltung und mannichfaltiges Ver - gnuͤgen. Die Bewohnung und Verbeſſerung der Landguͤter, die ſie von ihren Ei - genthuͤmern ſelbſt erhielten, iſt nicht ſelten ſchon eine Folge von der Ausbreitung des neuen anziehenden Gartengeſchmacks geweſen. Der Reichthum, der ſonſt nur die unnuͤtze Pracht und die Verſchwendung in den Reſidenzen unterhielt, kehrt nun zu ſeiner wahren Quelle wieder zuruͤck, naͤhrt den nuͤtzlichen Landmann, vermehrt gluͤck - liche Familien, ſchafft fruchtbare Pflanzungen, erweitert alle Vortheile des Landes fuͤr den Beſitzer, und begluͤckt noch mit ihrem Genuß die ferne Nachkommenſchaft.

III. Meyerey.

1.

Als ſich die Gartenbegriffe, die lange ſo eingeſchraͤnkt waren, als der enge Um - fang der Gaͤrten ſelbſt, zu erweitern anfiengen, und aus den groͤßern Parks der Geſchmack an Verſchoͤnerungen ſich auch in die umliegenden Plaͤtze allmaͤlig verbrei - tete; lernte man bald einfehen, daß alle Theile eines Landgutes eines gewiſſen Schmu - ckes faͤhig ſind. Die zufaͤlligen Schoͤnheiten einer maleriſchen Lage, die hie und da zuweilen dem Auge aufſtießen, unterſtuͤtzten dieſe Bemerkungen noch mehr. Ein - zelne Verſchoͤnerungen der Kunſt, die hin und wieder in den Landguͤtern oft eben ſo zufaͤllig entſtanden, entdeckten, was man in Anſehung des Ganzen ausfuͤhren koͤnnte, ohne dem Nuͤtzlichen Eintrag zu thun. Schon der zierliche weiße Anſtrich eines Pachterhauſes, der ſein Anſehen gegen das dunkle Gruͤn eines hinter ihm liegenden Waldes auszeichnete, reizte den Blick in der Ferne und erregte zugleich eine ange - nehme Vermuthung von der innern Reinlichkeit. Der gute Geſchmack der Archi - tektur fieng, beſonders in England, an*)Dieß zeigen unter andern folgende Architekturwerke. Uſeful Architecture for Erecting Perſonage-Houſes, Farm-Hou - ſes and Jans etc. by William Halfpenny, Architect and Carpenter. 8. London 1760 mit 20 K. T. 3te Ausgabe. Die 2te Aus -gabe kam unter dem Titel: Twelve beau - tiful Deſigns for Farm-Houſes etc. zu London in 4. 1759 heraus. The Gentle - man and Farmer’s Architect: a new Work. Containing a great variety of uſeful and Genteel Deſigns. Being cor -rect, ſich auch uͤber Meyereyen, Pachterwoh - nungen uud die zur Landwirthſchaft gehoͤrigen Gebaͤude auszubreiten. Man ſahedemnach,131einzelner Theile eines Landſitzes. demnach, daß ein Viehhof in einem buſchichten Gehoͤlze oder eine Menagerie vom zahmen Gefluͤgel in einem waldigten Winkel nebſt der Huͤtte des Aufſehers ein ange - nehmes laͤndliches Gemaͤlde machten, daß ein Milchhaus im Schatten durch Lage und Bauart ein gefaͤlliges Anſehen gewinnen konnte, daß ſich uͤberall in das Nuͤtzli - che einige Verſchoͤnerungen einſtreuen ließen, ohne den wirthſchaftlichen Gebrauch einzuſchraͤnken.

2.

In England war es der vortreffliche Whately*)Obſervations on modern Gardening S. 161. u. f., der zuerſt einige richtige Bemerkungen uͤber dieſe Verſchoͤnerung einer Laͤnderey oder Meyerey (ornamented Farm) bekannt machte. Viele von den groͤßten Schoͤnheiten der Natur, ſagt er, werden in den Feldern gefunden, und ſie begleiten die gewoͤhnliche Verfaſſung des Landbaues. Waldung und Waſſer kann hier in verſchiedenen Geſtalten und Lagen gezeigt werden. Man kann die Umzaͤunungen erweitern oder theilen, und ihnen alle Einfaſſungen geben, die man nur will. Eine jede kann ein angenehmes Stuͤck Landes ausmachen, und zuſammen koͤnnen ſie reizende Ausſichten erzeugen. Die Saatfelder, die Triften, die Wieſen koͤnnen auf einander folgen, und zuweilen kann, ohne eine Unſchicklichkeit zu beſorgen, eine kleine Wildniß mit untergemiſcht werden. Kurz, hier findet eine jede in einem unbezaͤunten Lande nicht ungewoͤhnliche Schoͤn - heit Statt, ſie mag nun aus einer Vernachlaͤßigung oder aus einer Verbeſſerung ent - ſtehen. Auch die Gebaͤude, die in einer ſolchen Landſchaft haͤufig vorkommen, ſind oft reizende Gegenſtaͤnde. Die Kirche und der Landſitz gehoͤren zu den anſehn - lichſten. Selbſt die Wirthſchaftsgebaͤude, wenn ſie ſich in einer vvrtheilhaften Lage befinden; die Staͤlle, Scheunen und Nebengebaͤude, wenn ſie mit der Abſicht, ſie in Gruppen zu verbinden, angelegt ſind, (und ſie laſſen ſich mit Baͤumen ſehr ſchick - lich verbinden) machen zuſammen eine maleriſche Zeichnung aus. Einige von ſolchen Gebaͤuden koͤnnen von der Gruppe getrennt, und hie und da in den Feldern ange - bracht werden. Das Taubenhaus oder der Milchkeller koͤnnen von den uͤbrigen ab - geſondert ſeyn; ſie koͤnnen in ihrer Anlage ſchoͤn ſeyn, und uͤberall, wo ſie die beſte Wirkung haben, hingebauet werden. Eine gewoͤhnliche mit einer Menge von Baͤu - men begleitete Scheune iſt bisweilen in der Ferne ſehr ſchoͤn; eine hollaͤndiſche Scheune iſt es in der Naͤhe; und ein Heuſchober iſt insgemein in jeder Lage ein an -R 2genehmer*)rect Plans and Elevations of Perſonage and Farm-Houſes by T. Lightoler, Ar - chitect. London. 4. 1764 mit 25 Kupferta - feln, worunter N. 2 und 9 die beſten Vorſtel - lungen enthalten. Deſigns and eſtimatesof Farm-Houſes etc. by Daniel Garret. 2te Auflage fol. London 1759 mit 9 Kupfer - tafeln.132Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerunggenehmer Umſtand. Dieſe alle koͤnnen einzeln angebracht werden; und außer ihnen ſind alle Arten von Bauerwohnungen ſchicklich. Unter ſo vielen Gebaͤuden koͤnnen einige zu andern Abſichten angewendet werden, als ihre ſcheinbare Einrichtung anzu - zeigen ſcheint; und ihre aͤußerliche Geſtalt mag beſchaffen ſeyn, wie ſie will, ſo koͤn - nen ſie doch inwendig einen angenehmen Ort des Aufenthalts, zur Erfriſchung, zum Zeitvertreibe, oder zur Bedeckung vor dem Wetter, abgeben.

Dieſe Bemerkungen begleitet Whately mit der Beſchreibung von Woburn, bey Meybridge in Surry, die er fuͤr die vollkommenſte Ausfuͤhrung in dieſer Gat - tung von Verſchoͤnerung haͤlt, nachdem er vorher eine Schilderung von den beruͤhm - ten Leaſowes*)S. den 4ten B. S. 247 u. f. oder Hinterfeldern gegeben.

Die geſchmuͤckte Laͤnderey oder Meyerey zu Woburn enthaͤlt hundert und funfzig Morgen Landes, wovon beynahe fuͤnf und dreyßig bis auf den hoͤchſten Grad verſchoͤnert ſind; von den uͤbrigen ſind ohngefaͤhr zwey Drittheile zu Triſten, und das dritte zum Ackerbau beſtimmt. Dennoch aber verbreiten ſich die Verzierungen uͤber ein jedes beſonderes Stuͤck. Denn ſie ſind laͤngſt an den Seiten eines Spaziergan - ges angebracht, der nebſt ſeinem Zubehoͤr einen breiten Zirkel rund um die Triften beſchreibt, und durch Saatfelder, wiewohl viel ſchmaler, fortgefuͤhret iſt. Dieſer Weg iſt eigentlich ein Garten; alles innerhalb deſſelben iſt Laͤnderey, welche ganz an den zwo Seiten eines Berges und auf einer Ebene an dem Fuße deſſelben ange - bracht iſt. Die Ebene iſt in Felder abgetheilt; und die Triften nehmen den Berg ein. Sie werden von dem Spaziergange eingeſchloſſen, und von einem andern Wege durchſchnitten, der uͤber die Hoͤhe des Berges fuͤhret, welcher gleichfalls praͤchtig geziert iſt, und die Triften in zwo Fluren theilet, deren jede ganz und gar mit Garten eingefaßt iſt.

Dieſe ſind von ſich ſelbſt einnehmend: in beyden hat der Boden eine ſehr ſchoͤne Lage. Es wechſeln theils Klumpen, theils einzelne Baͤume darauf ab; und die Gebaͤude auf dem Spazierwege ſcheinen mit ihnen verbunden zu ſeyn. Auf dem Gipfel des Berges iſt ein großes achteckigtes Haus; und nicht weit von demſelben zeigen ſich die Ruinen von einer Capelle. Von der einen Flur ſieht man dieſe Rui - nen, auf der Hoͤhe eines gemaͤchlich anſteigenden Huͤgels, auf den Seiten und im Ruͤcken mit Gruppen von Baͤumen eingeſchloſſen; von der andern erſcheinet das Acht - eck auf dem hohen Rande eines ſteilen Abſturzes und an der Seite eines artigen Hayns, der ſich von dem Abhange herabneigt. Dieſe Flur wird auch noch durch ein zierliches gothiſches Gebaͤude verſchoͤnert; die erſtere aber unterſcheidet ſich durch das Wohnhaus, und durch eine Laube am Eingange. Und in beyden trifft man be -ſtaͤndig133einzelner Theile eines Landſitzes. ſtaͤndig etwas weniger betraͤchtliche Gegenſtaͤnde an, als Sommerhaͤuſer, Huͤtten und Bruͤcken.

Indeſſen aber ſind die Gebaͤude nicht die einzigen Verſchoͤnerungen des Spa - zierganges. In einer anſehnlichen Strecke des Weges wird ihm die Ausſicht auf das Land von einer dicken und hohen Hecke benommen, welche mit Geißblatt, Jas - min und andern wohlriechenden Gewaͤchſen durchflochten iſt, deren Zweige die dich - rern Aeſte der Hecke umwinden. Ein groͤßtentheils mit Sande oder Kies bedeckter Fußſteig gehet in einer gebogenen Linie bald nahe unter der Hecke, bald in einer klei - nen Entfernung vor derſelben dahin; und der gruͤne Raſen zu beyden Seiten erhaͤlt von Gruppen niedriger Straͤucher, von Tannen, oder den kleinſten Baͤumen und oft von Blumenpflanzungen ſeine Abwechſelung. Dieſe letztern ſind nur allzu ver - ſchwenderiſch herumgeſtreut, ſo daß ſie dem Auge beynahe unangenehm werden; im Gegentheil aber erfuͤllen ſie auch die ganze Gegend mit ihren Geruͤchen, und ein je - des Luͤftchen iſt mit einem angenehmen Dufte erfuͤllt. Jedoch iſt die Verzierung an einigen Orten weit gemaͤßigter: indem der Spaziergang durch groͤßere Gehoͤlze von immer gruͤnen Waldbaͤumen, durch Gebuͤſche von hangenden Straͤuchern, oder durch weit anſehnlichere lichte Pflanzungen dahin laͤuft. An dem einen Platze iſt er voll - kommen ungekuͤnſtelt, ohne einen einzigen Zuſatz, ohne Kies, ohne einige niedrige Umzaͤunung, welche ihn von der uͤbrigen Flur abſchneiden koͤnnten; denn er unter - ſcheidet ſich nur durch den Reichthum ſeines belebten Gruͤns, und durch die Sorg - falt, welche man auf ſeine Erhaltung wendet. In den Saatfeldern iſt er gleich - falls gruͤn und berafet, indem er der Richtung der Hecken folgt, welche die verſchie - denen Stuͤcke einſchließen. Dieſe Hecken werden bisweilen durch bluͤhende Geſtraͤu - che verdicket; und in jedem Winkel, oder offenen Platze, iſt ein Roſengebuͤſch, oder eine bald dichtere bald zerſtreutere Menge von Baͤumen, oder auch eine Blumen - pflanzung. Iſt aber der Boden zur Verſchoͤnerung der Felder mit großem Fleiß zugerichtet worden; ſo hat man auf der andern Seite viele fuͤr einen Garten neue Ge - waͤchſe von der Landgegend entlehnt; und die Straͤucher und Blumen, die man der einen beſonders eigen zu ſeyn glaubt, ſind dem andern im reichen Ueberfluſſe mitge - theilet worden; und ihre Anzahl ſcheinet ſich vermittelſt ihrer Ordnung in ſo vielen und ſo verſchiedenen Gegenden zu vervielfaͤltigen. Dennoch aber wuͤrde ein einge - ſchraͤnkterer Gebrauch derſelben beſſer, und eine weniger ausſchweifende Abwechſelung reizender geweſen ſeyn.

Allein das Uebertriebene zeiget ſich blos in den Einfaſſungen des Spazierweges. Die Scenen, durch welche er fuͤhret, ſind wirklich ſchoͤn, uͤberall reich, und allezeit angenehm. Eine außerordentliche Munterkeit verbreitet ſich uͤber beyde Fluren; undR 3dieſe134Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungdieſe entſtehet nothwendig aus der Menge und Pracht der auf denſelben befindlichen Gegenſtaͤnde, aus der Vorleuchtung der Gebaͤude, aus den Ungleichheiten des Bo - dens, und aus den Verſchiedenheiten der Pflanzungen. Obgleich die Klumpen und Hayne fuͤr ſich beſonders ſehr klein ſind, ſo haͤufen ſie ſich doch oft vermittelſt der Perſpectiv, und ziehen ſich in anſehnliche Gruppen zuſammen, die in ihren Figuren, Schattierungen und Lagen reizend werden. Von der Hoͤhe des Berges hat man zwo vortreffliche Ausſichten vor ſich. Die eine iſt luſtig und erſtrecket ſich weit uͤber eine fruchtbare Ebene, die von der Themſe gewaͤſſert und theils von dem St. Annens - Berge, theils von dem Schloſſe zu Windſor unterbrochen wird. Eine Wieſe von einem großen Umfange und von einer beſondern Lebhaftigkeit liegt gleich vor den Augen in der Tiefe, indem ſie ſich zugleich bis an die Ufer des Fluſſes verbreitet; und jenſeit deſſelben iſt die Gegend mit Laͤndereyen, Doͤrfern und allen moͤglichen Spuren des Reichthums und der Bearbeitung angefuͤllt. Die andere Ausſicht hat mehr Waldung. Ein Kirchthurm, oder die Thurmſpitzen von Landwohnungen ſtei - gen bisweilen uͤber die Baͤume hinauf; und der verwegene Schwibbogen von der Waltonbruͤcke iſt hier ein ſehr deutlicher Gegenſtand, der nicht nur ein ſonderbares, ſondern auch ein majeſtaͤtiſches Anſehen hat. Die auf der Ebene eingeſchloſſenen Felder erſcheinen weit einſamer und ſtiller; ein jedes iſt auf ſich ſelbſt eingeſchraͤnkt; und alle zuſammen machen einen angenehmen Contraſt mit der freyen Gegend, die ſich uͤber ihnen eroͤffnet.

Mit den Schoͤnheiten, die einen Garten zu beleben vermoͤgend ſind, vermi - ſchen ſich uͤberall verſchiedene Eigenſchaften einer Laͤnderey. Beyde Fluren ſind voll davon. Das Schreyen des Hornviehes, das Bloͤken der Schaafe, und das Klin - geln der Schellen erſchallet durch alle Pflanzungen. Selbſt das Geſchrey des Fe - derviehes iſt nicht vergeſſen. Denn nicht weit von dem gothiſchen Gebaͤude iſt ein Huͤnerſtall von einer ſehr einfachen Anlage angebracht; das auf dem Waſſer lebende Gefluͤgel hat man mit einem kleinen geſchlaͤngelten Fluſſe verſorgt: und das andere gehet unter den blumigten Straͤuchern an den Ufern deſſelben herum, oder ſuchet zer - ſtreut auf der benachbarten Flur ſeine Nahrung. Die Fruchtfelder ſind Vorwuͤrfe, welche mit den Spuren aller laͤndlichen Verrichtungen prangen, die in einer Landge - gend von der Saatzeit an bis zur Erndte erfordert werden. Allein, obgleich ſo viele Umſtaͤnde von einer Laͤnderey zuſammen kommen, ſo fehlet doch die natuͤrliche Ein - falt derſelben. Dieſe Eigenſchaft verliert ſich in einer ſolchen Verſchwendung der Zier - rathen. Ein laͤndlicher Charakter iſt bey allen praͤchtigen Verſchoͤnerungen, die nur an einem Garten koͤnnen verwendet werden, nicht zu erhalten.

3. Einige135einzelner Theile eines Landſitzes.

3.

Einige Zeit nachher gab der maleriſche Watelet*)Eſſai ſur les Jardins S. 22 u. f. Faſt um eben dieſe Zeit trug auch der un - genannte Verfaſſer von der Theorie desJardins S. 113 u. 307 u. f. einige Vor - ſchriften uͤber dieſe Gattung von Verſchoͤ - nerung vor. in Frankreich zuerſt eine ſchoͤne Beſchreibung von einer Meyerey (ferme ornée), die von den Ideen der Brit - ten etwas abweicht, aber eine freye, leichte und anmuthige Zuſammenſetzung in ſei - nem Gemaͤlde macht.

Die Wohnung, ſagt er, ſoll an dem Abhang eines Huͤgels liegen, von wel - chem man die Gebaͤude und die Behaͤltniſſe, wo die Wohlthaten der Natur aufbe - wahret und genutzet werden, leicht uͤberſehen kann. Der Genuß des Landes muß ein Zuſammenhang von unerkuͤnſtelten Begierden und von leicht erlangten Befriedi - gungen ſeyn. Die Wohnung, worinn Nutzbarkeit und Vergnuͤgen ſich vereinigen ſollen, muß daher ſo gelegen ſeyn, daß man den ganzen Umfang der angraͤnzenden Einrichtungen ohne Hinderniß entdecken kann. Gegen Mitternacht wuͤrde ſie zu oft die Strenge eines beſchwerlichen Windes erfahren. Gegen Abend wuͤrde der Glanz der brennenden Sonne, deren Strahlen die Graͤnzen des Horizonts blenden, den Blick ermuͤden und zuruͤck ſtoßen. Aber die Ausſicht zwiſchen Mittag und Morgen wird der Neigung, ſich mit dem Anblicke der Landſchaft zu beſchaͤftigen, keine Hin - derniſſe entgegen ſtellen, und dieſe Neigung wird durch die Leichtigkeit des Genuſſes genaͤhrt werden.

Dieſem Vergnuͤgen uͤberlaſſen, werde ich gewahr, daß der Huͤgel auf Wieſen herunter ſteigt, durch die ein kleiner Bach ſich ſchlaͤngelt; daß der entgegen ſtehende Abhang angebauete Plaͤtze, Weinberge darſtellet, und auf dem Gipfel ſehe ich Waͤl - der, die nahe genug ſind, um in mir das Verlangen, mich dahin zu begeben, rege zu machen. Auf eben dieſem Gipfel ſehe ich, aber in einer groͤßern Entfernung, Kornfelder, die mir die Idee ihres Reichthums zubringen, ohne mich durch ihre Einfoͤrmigkeit zu beleidigen.

Nach dieſem erſten fluͤchtigen Blicke ſehe ich zuruͤck nach dem Fuße des Huͤgels, wo ich mich befinde, und meine Augen verweilen ſich bey der Meyerey.

Die Verbindung verſchiedener Gebaͤude, Hoͤfe, eingeſchloſſener Plaͤtze, feſ - ſelt meinen Blick, und erregt meine Aufmerkſamkeit. Ich ſteige vom Huͤgel herab; meine Einbildungskraft iſt voll von ſchaͤferiſchen Ideen. Das Verlangen iſt erregt, es koͤmmt darauf an, es zu unterhalten und zu befriedigen. Aber je vollkommener der Geſchmack in der Geſellſchaft iſt, davon ich einen Theil ausmache, eine deſto fei - nere Kunſt muß angewendet werden. Das Nutzbare und das Angenehme muͤſſen aufeine136Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungeine geſchickte Art mit einander verbunden ſeyn, ſich wechſelſeitige Huͤlfe leiſten, und nie ſich ſchaden. Von dieſem Grundſatze unterrichtet, und beſorgt, ihm gemaͤß zu handeln, hat der Beſitzer alles ſchicklich geordnet, ſogar die Wege, die er mich fuͤh - ren will. Dieß iſt gleichſam die Expoſition ſeines Romans. Die Abhaͤngigkeit des Bodens, wo ich gehe, iſt unmerklich gemacht, und die Wege ſchlaͤngeln ſich in ſanften Beugungen. Sie fuͤhren nicht in einer geometriſchen Direction zu dem Orte, wohin ich zu gehen gedenke; ſie kruͤmmen ſich nicht genug, um mich aufzuhalten. Iſt nicht das gerade dasjenige, was den Menſchen am meiſten gefaͤllt? Nichts iſt dem Gange unſrer Ideen aͤhnlicher, als die Wege, die man auf freyem Felde fin - det. Selten ſind ſie ganz gerade. Ein unentſchiedener Zuſtand iſt ohne allen Zwei - fel fuͤr uns viel bequemer, als die groͤßte Genauigkeit, und viel natuͤrlicher, als die Praͤciſion.

Aber indem ich auf meinem geſchlungenen und ſanft abhaͤngigen Wege fortge - gangen bin, habe ich ſchon manche angenehme Ausſichten entdeckt; ich habe ſie nach - her aus den Augen verloren, um ſie mit deſto groͤßerm Vergnuͤgen wieder zu finden. Immer finde ich mich geſichert gegen die Sonne durch Baͤume, die von ungefaͤhr da zu ſtehen ſcheinen, oder durch den Schutz, den mir kleine Hecken gewaͤhren, welche mancherley angebauete Plaͤtze umgeben. Ihre Verſchiedenheit beſchaͤftiget mich. Ich nehme Antheil an der Sorgfalt, mit der man ſie unterhaͤlt. Ich fuͤhle mich allmaͤlig ermuͤdet, und eben itzt will ich ſtill ſtehen, um beſſer zu genießen. Der Schatten einer Gruppe von Baͤumen, wo ich eine Raſenbank und einen kleinen Spring - brunnen finde, haͤlt mich auf, und ladet mich ein, einige Augenblicke da auszuru - hen. Ich ſetze mich nieder, ein wohlangebrachtes Gemaͤlde ziehet meine Blicke an ſich, und ich verlaͤngere gern die nothwendige Erholung. So erhoͤht ein leichter Kunſtgriff den Genuß, der ſich auf Beduͤrfniſſe gruͤndet. Aber wenn die Abſicht ſich wahrnehmen laſſen darf; ſo muß ſie nicht zu deutlich in die Augen fallen. Ein - nehmen und nicht zwingen, dieß iſt die Kunſt aller angenehmen Kuͤnſte. An Or - ten, die zum Spaziergehen beſtimmt ſind, muͤſſen alſo die Abſtaͤnde und gluͤcklichen Zufaͤlle die Nothwendigkeit der Ruheplaͤtze entſcheiden. Es muß ſcheinen, als ob ein bloßes Ungefaͤhr ihnen ihre Geſtalt und ihre Anmuth gegeben haͤtte. Bald wird man, als eine Veranlaſſung ſich zu verweilen, einige außerordentliche gluͤcklich grup - pirte Baͤume darſtellen; bald eine Quelle, die, indem ſie ihre Waſſer vergießet, Kuͤhlung verſpricht und giebt; bald eine weite Ausſicht, die einige Augenblicke er - fordert, um ſie zu durchlaufen; einen maleriſchen anziehenden Geſichtspunkt, einen unerwarteten Gegenſtand, der die Schritte zuruͤckhaͤlt, und die Blicke feſſelt.

Jetzt,137einzelner Theile eines Landſitzes.

Jetzt, da ich bis an den Fuß des Huͤgels gekommen bin, werde ich die Ge - baͤude des Meyerhofs gewahr, und die Sorgfalt, davon ich uͤberall Spuren entde - cke, nimmt mich immer mehr ein. Die aͤußern Mauern ſind mit einer Aufmerk - ſamkeit, die mich vergnuͤget, aufgefuͤhrt und unterhalten; die Steine ſind mit Zie - geln vermiſcht. Dieſe Verſchiedenheit hat Gelegenheit gegeben, eine Art von Grundmauer zu bilden, und oben einen Kranz anzuſetzen. Hierdurch hat man dem ganzen Baue der Mauer eine Zierde zu geben gewußt, ohne ſich von dem Charakter zu entfernen, der ihr zukoͤmmt. Von dem Haupteingange ſind, ohne viele Sym - metrie, aber in der Figur eines halben Zirkels, große Baͤume geſetzt, die einen Schatten um ſich her verbreiten, den die Arbeiter und andere, die auf den Meyer - hof kommen, oft noͤthig haben. Einige Ruhebaͤnke ſind fuͤr ſie angebracht; und im Schatten fließt ein Springwaſſer, das von dem Huͤgel herabgeleitet worden, in ein ſteinernes Becken, deſſen Geſtalt und Verhaͤltniſſe bey aller ihrer laͤndlichen Kunſtlo - ſigkeit gefallen. Wer in Italien gereiſet iſt, miskennt den Reiz nicht, welcher oft den gemeinſten Gegenſtaͤnden durch die Einfalt der Maſſen, und durch die gluͤckliche Beziehung der Haupttheile auf einander, mitgetheilet wird.

Nicht weit vom Springwaſſer iſt eine bequeme Traͤnke fuͤr die nutzbaren Thiere, wenn ſie bey ihrer Zuruͤckkunft von der Weide, oder von der Arbeit, ihren Durſt zu loͤſchen und ſich zu erfriſchen noͤthig haben.

Nun kommen wir in den Hof, der mit allen erforderlichen Gebaͤuden einge - faſſet iſt. Die verſchiedenen Beſtimmungen derſelben ſind uͤber ihren Eingaͤngen an - gezeigt, ſo daß ich, mit Huͤlfe einiger Blicke, mich als einen Bewohner dieſes Aufenthalts betrachten kann, deſſen vornehmſte Weſen ich auf einmal kennen lerne.

Ordnung und Reinlichkeit herrſchen hier, aber ohne einige Beſtrebung, die misfaͤllt, oder beleidigt, wenn ſie gezwungen oder uͤbertrieben iſt. Hier darf die Sorgfalt, die man fuͤr das Angenehme traͤgt, dem Nutzbaren nicht nachtheilig ſeyn. Es darf kein Gedanke darauf gerichtet werden, die Einkuͤnfte einer Einrichtung, die ſich als vortheilhaft ankuͤndigt, ganz auf das, was nur zur Ausſchmuͤckung dient, zu verwenden; aber man muß auch die Nachlaͤßigkeit und die Unreinlichkeit vermei - den, die ſchaͤdlicher ſind, als eine zu weit getriebene Sorgfalt, und unangenehme Ideen von Verlaſſung und Geiz erwecken.

Verſchiedene Ausgaͤnge, die ich im Hofe erblicke, beſchaͤftigen meine Neu - gier. Hier ſind beſondere Hoͤfe fuͤr die Ackerpferde, fuͤr andere dienſtbare Thiere, und fuͤr die Aufbewahrung oͤkonomiſcher Geraͤthſchaften beſtimmt.

V Band. SMitten138Achter Abſchnitt. Gaͤrtenmaͤßige Verſchoͤnerung

Mitten durch dieſe Hoͤfe erblicke ich außerhalb Fußſteige. Ich ſehe Gras, Gebuͤſche, Blumen. Dieß reizt mich auf verſchiedenen Wegen fortzugehen, die ich mit Raſen und Baͤumen eingefaſſet finde. Dieſe Wege leiten mich zu Triften, die mit Vieh bedeckt ſind; ſie fuͤhren zu Gebaͤuden, die, wie von ungefaͤhr in das Gebuͤſch geſtellt, meine Neugier reizen, und ſich um den Vortheil, meine Wahl zu beſtimmen, zu ſtreiten ſcheinen.

Baͤche, die die Triften befruchten, durchkreuzen die Wege, die ſich mir dar - ſtellen, und kleine kunſtloſe Bruͤcken, deren jede immer eine andere Geſtalt hat, ver - ſchaffen mir den Uebergang. Bald gehe ich an einer Hecke von bluͤhenden Straͤu - chen hinunter, die ich an einem ſo laͤndlichen Orte zu finden nicht vermuthete. Bald ſehe ich mich in einem ſchattigten Gange von Weiden und Pappeln, die durch die Verſchiedenheit ihrer Geſtalten dem Auge die maleriſche Mannichfaltigkeit darſtellen, die man niemals vernachlaͤſſigen ſoll. Bald finde ich an dem Wege, den ich gehe, von einander abſtehende Baͤume, welche Weinſtoͤcken zur Unterſtuͤtzung dienen. Die Reben, welche ſich durch Huͤlfe der Zweige, um die ſie ſich ſchlingen, ausbrei - ten, vereinigen und kraͤuſeln ſich, um dem Auge zu ſchmeicheln, und das Verlan - gen zu beleben, indem ſie die Reichthuͤmer, womit ſie beladen ſind, unter einer ge - faͤlligen Geſtalt erſcheinen laſſen.

So komme ich bis zu dem Orte, der fuͤr das Milchwerk beſtimmet iſt. Das Waſſer fließet in die Melkerey, die ſo angebracht iſt, daß große Hitze nicht in ſie eindringen, und daß dagegen friſche geſunde Luft in ſie eingelaſſen werden kann. Die Staͤlle ſind mit keiner ihrer eigentlichen Beſtimmung nicht gemaͤßen Koſtbarkeit aufgefuͤhret; weder in ihrer aͤußerlichen Geftalt, noch in der Wahl der Materialien, iſt etwas Geſuchtes. Ein jeder Begriff von Eitelkeit ſchwaͤcht den Begriff vom Schaͤferleben, der hier der herrſchende feyn muß. In Reinlichkeit und Ordnung beſtehet der eigentliche Luxus, der bey dieſem Theile der Laͤnderey Statt findet. Die allein ſtehenden Scheuern ſind nicht zu entfernt von den Staͤllen, und fuͤr Feuers - bruͤnſte geſichert. Die Triften ſind nahe, und liegen an den Ufern des kleinen Baches, der ſich durch ſie ſchlaͤngelt, und Fruchtbarkeit uͤber das ganze Thal ver - breitet.

Ein Behaͤltniß fuͤr die Milch iſt nicht weit davon. Von dichten Baͤumen be - ſchattet, durch einen nahen kuͤhlen Fluß erfriſcht, bietet daſſelbe alles dar, was ir - gend eine laͤndliche Einrichtung angenehmes hat, und laͤßt ein wenig mehr Verzierung zu. Die Reinlichkeit iſt daſelbſt zu unvermeidlich, als daß man es nicht entſchuldigenkoͤnnte,139einzelner Theile eines Landſitzes. koͤnnte, wenn ſie ein wenig uͤbertrieben iſt. Man findet ſich nicht beleidiget, wenn man Sorgfalt, und vielleicht auch Schmuck, an Gegenſtaͤnde verſchwenden ſieht, denen die Natur ſelbſt eine beſondere Vollkommenheit mitgetheilet hat, und die uns an das Zeitalter und an den gluͤcklichen Zuſtand erinnern, deſſen reizende Schilde - rungen in den Werken der Dichter uns noch immer gefallen. Mit einem Vergnuͤ - gen, das von den Ideen des Hirtenlebens erzeugt wird, nimmt man ſelbſt an die - ſem Orte gern ein laͤndliches Mahl ein, bey welchem Milch und einige Fruͤchte die vorzuͤglichſten Speiſen ſind.

Wenn meine Meyerey alles in ſich vereinigen darf, was nutzbar iſt, und zu - gleich gefaͤllt; ſo wird in einiger Entfernung von dem Orte, wo man die Milch zu - bereitet, ſich die Fabrik des Honigs befinden. Auf einem Platze, der mit einer bluͤhenden Hecke umzaͤunt iſt, ſtehen die Bienenkoͤrbe auf Amphitheatern gegen Mit - tag, wohl verwahret auf der Seite der Mitternacht. Der ganze Platz enthaͤlt Pflanzen und Blumen, die die Bienen lieben. Thymian, Lavendel, Majoran, Weiden, Linden, Pappeln ſind daſelbſt in Menge, und durchwuͤrzen ſchon von fern - her die Luft, die man einathmet. Hier iſt der Luxus in Wohlgeruͤchen und Blumen eben ſo erlaubt, als an dem Orte, den wir eben verlaſſen haben, der Luxus in Rein - lichkeit. So muͤſſen die Wolluͤſte, wenn ſie die Vernunft nicht beleidigen ſollen, in der Natur eine Unterſtuͤtzung, oder einen Vorwand finden. Um das Bienenhaus her ſind fruchttragende und wohlriechende Gebuͤſche gepflanzet, die dazu dienen, die jungen Schwaͤrme aufzuhalten, wenn ſie, aus ihren Koͤrben entflohen, oder ver - ſcheucht, ſich neue Beſitzungen ſuchen.

Ein kleines, weder ſchnelles, noch tiefes, Gewaͤſſer befriedigt ihre Beduͤrf - niſſe, und verurſacht durch leiſe Abfaͤlle ein ſich immer gleiches ununterbrochenes Ge - raͤuſch, das ſie an ihre Wohnungen feſſelt. Alle benachbarte Plaͤtze ſind voll von Kraͤutern, die dem Honige geſunde Eigenſchaften und einen feinen Geſchmack geben koͤnnen. Die Wieſen, in deren Mitte das Bienenhaus ſiehet, theilen ihnen uͤber - fluͤſſige Nahrung mit. Das iſt noch nicht alles. Ein kleines Gebaͤude enthaͤlt den Vorrath von Bienenkoͤrben, die man im Winter verfertigt; das Laboratorium, wo, vermittelſt einiger Gefaͤße und Oefen, der Honig vom Wachſe geſondert wird; und endlich den friſchen Ort, wo man denſelben zu dem mannichfaltigen Gebrauche, wozu er beſtimmt iſt, aufbewahret.

In einem andern Theile dieſer Gebuͤſche erheben ſich einige andere Gebaͤude von weiterm Umfange. Sie ſind fuͤr die Seidenwuͤrmer, und fuͤr alles, was aufS 2ſie140Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungſie Beziehung hat, beſtimmt. Alle dieſe Einrichtungen ſollen nicht von der Groͤße ſeyn, daß eine jede derſelben die ganze Sorgfalt des Eigenthuͤmers allein erforderte. Das Verlangen, Reichthuͤmer zu erwerben, erheiſchet freylich weitlaͤuftige Einrich - tungen; alsdann werden große Bemuͤhungen durch einen großen Gewinn belohnt, oder auch durch manchen empfindlichen Verluſt vereitelt. Es giebt ein Maaß, das mit der Befriedigung des Menſchen in beſſerm Verhaͤltniſſe ſteht. Sein wahres Gluͤck wird immer in einem Zuſammenhange von maͤßigen Geſchaͤften, Begierden und Erholungen beſtehen; in geringern, aber nicht ſo theuer erkauften Vortheilen; in keinen rauſchenden, aber in ſtillen und oͤfter genoſſenen Freuden. Ueberdieß wird die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe beguͤnſtigen, und denen, welche man genießen laͤßt, weit mehr ſchmeicheln, als Ge - genſtaͤnde, die Erſtannen erregen und oft beleidigen. Ihr muͤſſet nicht die Verwun - derung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Gaͤſten hervorzubringen ſuchen. Wenn ihr Vortheile, die mittlern Gluͤcksumſtaͤnden angemeſſen ſind, ihnen dar - bietet, und mit ihnen theilet; ſo werden die meiſten ſie deſto freyer genießen, je we - niger ſie dieſelben zu groß fuͤr ihre Wuͤnſche finden; und ihr werdet nicht, wie dieje - nigen, die mit uͤbel verſtandenem Ueberfluſſe prahlen, Gefahr laufen, Neid zu erwecken.

Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwuͤrmer und ihre Arbeiten geſehen habe, die zur Hervorbringung der kuͤnſtlichen Werke, in wel - chem Verſtand und Fleiß ſich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Ge - ſchrey verſchiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das Federvieh aufbehalten wird.

Wozu wuͤrden auch hier reiche Auszierungen und uͤberfluͤſſige Kunſtwerke nuͤ - tzen? Abſicht zieht natuͤrlicher Weiſe die Aufmerkſamkeit an ſich, und bringt un - fehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets ſind geraͤumig und ſo wohl eingerichtet, daß ich die Gefangenen, die darinnen eingeſchloſſen ſind, nicht beklage. Die ſelte - nern Arten ſind abgeſondert, um die Geſchlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit der Hitze; Behaͤltniſſe, die gegen ſtrenge Witterung ſchuͤtzen; Sand, Miſt, Waſ - ſer; alles, was mich von der Gluͤckſeligkeit dieſer nutzbaren Geſchoͤpfe uͤberzeugt, gewaͤhret mir ein groͤßeres Vergnuͤgen, als kuͤnſtlich gearbeitetes und vergoldetes Gitterwerk, als marmorne Waſſerbecken, die bey der geringſten Hitze austrecknen, und, ohne einen wahren Nutzen zu verſchaffen, Beweiſe einer zur Unzeit verſchwen - deten Pracht abgeben.

Nicht141einzelner Theile eines Landſitzes.

Nicht weit von dem Gefluͤgel des Hofes iſt der Ort, der fuͤr das Waſſergefluͤ - gel eigentlich beſtimmt iſt. Canaͤle, oder ein Arm von dem kleinen Fluſſe, verſe - hen dieſe Geſchoͤpfe ſowohl mit dem Nothwendigen, als mit dem Ueberfluͤſſigen, das ihnen eigen iſt. Auch ſind die in ihren Aufenthalt geleiteten Waſſer mit Weiden und Binſen eingefaſſet, und auf denſelben befinden ſich kleine Huͤtten, deren An - muth und Bequemlichkeit ſie dahin einladet.

Weiterhin befindet ſich eine noch intereſſantere Einrichtung: ein Garten voll ſolcher mediciniſcher Pflanzen, die Menſchen und Thieren am nothwendigſten ſind. Sie ſind ſorgfaͤltig gepfleget, in gewiſſe Reihen geordnet, und mit Zeichen verſehen, ſo daß ich, in wenig Worten, mit ihrem Namen, mit ihrer Claſſe und mit ihren vornehmſten Eigenſchaften bekannt gemacht werde. Dieſe Vorſorge, die ſich mit der Menſchenliebe, mit der Oeconomie und den Kenntniſſen jetziger Zeit ſo wohl vertraͤgt, veranlaßt mich, nicht ohne Ruͤhrung die Behauſung zu beſuchen, die fuͤr kranke Dienſtboten beſtimmet iſt. Eine verſtaͤndige Wirthſchafterinn, und ein Mann, der die nothwendigſten Grundſaͤtze kennet, und in dieſer ganzen kleinen Ge - gend bey dringenden Nothfaͤllen Huͤlfe zu leiſten faͤhig iſt, bewohnen nebſt einigen Bedienten einen reinlichen Aufenthalt. Dieſer unterhaͤlt ein Laboratorium, wo ſich nicht die kuͤnſtlichſten, aber die unentbehrlichſten Geraͤthſchaften befinden; er ſorgt fuͤr einen Vorrath von Wurzeln und Kraͤutern, die man ſtets bey der Hand haben muß; er hat eine mediciniſche Bibliothek, die ausgeſucht und eben deswegen nicht zahlreich iſt.

Der Ort iſt luftig, geraͤumig und geſund. Einige laͤndliche Alleen dienen zu Spaziergaͤngen. Am Ende derſelben iſt auf einer Anhoͤhe ein Bethaus, welches, auf verſchiedenen Seiten des Thals, den zugleich maleriſchen und intereſſanten An - blick eines zur Dankſagung fuͤr empfangene Wohlthaten gewidmeten Tempels dar - ſtellt. In der Naͤhe iſt ein kleines Haus, in der Geſtalt einer Einſiedeley, wo man ausruhen kann, wo man Stuͤhle, einen Tiſch und alles findet, was man bey der Verweilung von einigen Augenblicken noͤthig haben kann.

Man uͤberſieht nun die ganze Laͤnderey, und man erinnert ſich, indem man noch einmal die Blicke darauf heftet, der Empfindungen, die man darinnen hatte. Alsdann iſt es ſehr natuͤrlich mit dem Weiſen auszurufen: o! wie gluͤckſelig wuͤrden die Bewohner des Landes ſeyn, wenn ſie den Werth der Guͤter beſſer ſchaͤtzten, die ſie genießen, oder doch genießen koͤnnten! Man fuͤhlt ein Verlangen, ſich auf im -S 3mer142Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungmer mitten in dieſer Laͤnderey niederzulaſſen. Der Beſitzer hat ſich, nahe bey der Einſiedeley, eine ſokratiſche Wohnung errichtet. Sie dient ihm, ſich von Zeit zu Zeit einen innigern und uͤberlegtern Genuß aller dieſer Auftritte aus dem Schaͤfer - leben zu verſchaffen. Er kann ſie mit einem Freunde theilen; denn wenn der Ge - nuß von Freuden dieſer Art eine gaͤnzliche Einſamkeit verlangt, ſo ſtoͤret ſie doch nie ein Freund, mit welchem man von der Gluͤckſeligkeit, die man empfindet, ſich be - ſpricht; er vertritt die Stelle unſrer Seele; man ſagt ihm, was man ſich ſelbſt zu ſagen noͤthig hat. Er iſt das Ich, welches man perſonificirt, ohne ſich einen Egoiſmus vorwerfen zu duͤrfen, und dieſes empfindliche und reine Vergnuͤgen wird lebhafter, indem man es mit einem andern theilt.

Die Wohnung, wenn ſie den Namen verdienen ſoll, den ich ihr eben jetzt beygelegt habe, muß von der aͤußerſten Simplicitaͤt ſeyn. Der Beſitzer wird, in - dem er darinnen ſich aufhaͤlt, ſelbſt ein Mitſpieler ſeines Auftritts aus dem Schaͤfer - leben. Buͤcher und ein Blumengarten ſind die vornehmſten Ergoͤtzungen, die er ſich daſelbſt verſchafft. Er wartet die Blumen, oder er findet ein Vergnuͤgen daran, ſie warten zu ſehen; er lieſet die Buͤcher, ſich zu unterrichten, oder zu beluſtigen; er iſt ganz frey von fremden Sorgen; er oͤffnet ſeine Seele den Eindruͤcken, die ſie von den ſie umgebenden Gegenſtaͤnden empfaͤngt. Aber weit von ihnen ſind die hef - tigen Bewegungen, die ungebaͤndigten Affecten, die der Gluͤckſeligkeit nachtheiliger und fuͤr die Tugend von traurigern Folgen ſind, als die natuͤrlichen Leidenſchaften.

Er entferne ſich von dem betaͤubenden und berauſchenden Getuͤmmel der Geſell - ſchaften, wo Phantomen fuͤr Wirklichkeiten gelten, wo der Wahnſinn des Stolzes, der Ehrſucht und der Wolluſt fuͤr den natuͤrlichſten Zuſtand angeſehen wird. Er mache einen Waffenſtillſtand mit ſeinen Feinden; als ein freygelaſſener Sclave laſſe er ſeine Feſſeln hinter ſich zuruͤck. Er miſche zum wenigſten in ſeine gewoͤhnliche Le - bensart Tage der Einſamkeit, die ein ſo lebhaftes Vergnuͤgen gewaͤhren, wenn man es zu empfinden faͤhig iſt, und ein ſo nuͤtzliches, wenn man davon Gebrauch zu ma - chen weiß. Eine unſchaͤtzbare Anwendung der Muße und des Ueberfluſſes, deſſen ſchwankende Idee verfuͤhrt, und deſſen wirklicher Gebrauch ermuͤdet, die man mit ſo vieler Begierde ſuchet, und die man oft ſo laͤſtig findet, ſelbſt wenn man ſich des Genuſſes am meiſten ruͤhmt.

In dieſen Augenblicken iſt der Beſitzer im Stande, Ordnung zu unterhalten, noͤthige Anſtalten zu treſſen, Beduͤrfniſſen abzuhelfen, befriedigte Menſchenliebe, Einſichten und nuͤtzlichen Fleiß mit gleichen Schritten fortgehen zu laſſen. Er ſieht alles, er verbeſſert, er macht vollkommener, er verſchoͤnert, er erfindet, er bringthervvr.143einzelner Theile eines Landſitzes. hervor. Mit der wirthſchaftlichen Aufmerkſamkeit verbindet er mitleidige Sorgen; er thut Gutes, er empfindet die Suͤßigkeit des Wohlthuns, und die Zeit verfließet ſo ſchnell, daß ihm davon kaum zu einigen weiten Spaziergaͤngen etwas uͤbrig bleibt.

Indeſſen hat er ſich noch intereſſantere Spaziergaͤnge zu verſchaffen gewußt. Laͤngſt an dem Ufer des kleinen Bachs geht ein gebahnter Weg hinunter, der ſich, wie der Bach, ſchlaͤngelt, und zu laͤndlichen Ausſichten und wohlangebrachten Ruheplaͤtzen fuͤhret; dieſe letztern ſind zugleich zum Fiſchen eingerichtet, ſchatticht und bequem. Man findet daſelbſt die noͤthigen Geraͤthſchaften, und kleine Fahr - zeuge, um die Fiſcher zu begleiten.

Auf andern Wegen hat man die Ausſicht nach den verſchiedenen Fabriken, die wir durchgegangen haben. Wenn er Luſt hat, auf den Abhang ſich zu erheben, der dem, von welchem er herabſtieg, gegenuͤber ſteht; ſo findet er Bruͤcken und Gaͤn - ge, die, ſo wie der Boden ſich erhebet, mit Kirſchbaͤumen, Aepfelbaͤumen, und andern nuͤtzlichen Baͤumen beſetzt ſind.

So weit Watelet.

Nachher konnte auch de Lille in ſeinem reizenden Lehrgedichte uͤber die Gaͤrten*)Les Jardins. Poeme. S. 87 89. die Schilderung von einer wohl angelegten Meyerey nicht uͤbergehen.

La ferme, le tréſor, le’plaiſir de ſon mâitre,
Reclamera d abord ſa parure champêtre.
Que l orgueilleux chateau ne la dédaigne pas;
Il lui doit ſa richeſſe; et ſes ſimples appas
L emportent ſur ſon luxe, autant que l art d Armide
Cêde au ſouris naïf d une vierge timide.
La ferme! A ce ſeul nom les moiſſons, les vergers,
Le règne paſtoral, les doux ſoins des bergers,
Ces biens de l âge d’or, dont l image chérie
Plut tant à mon enfance, âge d’or de la vie,
Réveillent dans mon coeur mille regrets touchans;
Venez; de vos oiſeaux j’entends déjà le chants;
J entends rouler les chars qui trâinent l abondance,
Et le bruit de fléaux qui tombent en cadence.
Ornez donc ce ſéjour. Mais abſurde à grands frais,
N allez par ériger une ferme en palais.
Elégante144Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
Elégante à la fois et ſimple dans ſon ſtyle,
La ferme eſt aux jardins ce qu aux vers eſt l idyle.
Ah! par les dieux des champs, que le luxe effronté
De ce modeſte lieu ſoit toujours rejetté.
N allez pas déguiſer vos preſſoirs et vos granges.
Jeveux voir l appareil des moiſſons, des vendanges.
Que le crible, le van le froment doré
Bondit aves la paille, et recombe épuré,
La herſe, les traîneaux, tout l attirail champêtre
Sans honte à mes regards oſent ici paroître.
Sur-tout, des animaux que le tableau mouvant
Au-dedans, au de-hors lui donne un air vivant.
Ce n eſt plus du château la parure ſtérile,
La grace inanimée et la pompe immobile:
Tout vit, tout eſt peuplé dans ces murs, ſous ces toits.
Que d oiſeaux différens et d inſtinct et de voix,
Habitans ſous l ardoiſe, ou la tuile, ou chaume,
Famille, nation, république, royaume,
M occupent de leurs moeurs, m amuſent de leurs jeux!
A leur tête eſt le coq, père, amant, chef heureux,
Qui, roi ſans tyrannie, et Sultan ſans molleſſe,
A ſon ſerrail aílé prodiguant ſa tendreſſe,
Aux droits de la valeur joint ceux de la beauté,
Commande avec douceur, careſſe avec fierté,
Et fait pour les plaiſirs, et l empire, et la gloire,
Aime combat, triomphe, et chante ſa victoire.
Vous aimerez à voir leurs jeux et leurs combats,
Leurs haines, leurs amours, et juſqu à leurs repas.
La corbeille à la main, la ſage ménagère
A peine a reparu; la nation légère
Du ſommet de ſes tours, du penchant de ſes toit:
En tourbillons bruyans deſcend toute à la fois:
La145einzelner Theile eines Landſitzes.
La foule avide en cercle autour d elle ſe preſſe;
D autres, toujours chaſſés et revenant ſans ceſſe.
Aſſiègent la corbeille, et juſques dans la main,
araſites hardis, viennent ravir le grain.
Soignez donc, protégez ce peuple domeſtique.
Que leur logis ſoit ſain, et non pas magnifique.
Que lui font des réduits richement décorés,
Le marbre des baſſins, les grillages dorés?
Un ſeul grain de millet leur plairoit davantage.
Ainſi nous plaít la ferme et ſon air animé.
[figure]
V Band. T4. Man146Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

4.

Man ſieht, daß in dieſen Beſchreibungen einer geſchmuͤckten Meyerey die vor - nehmſten Grundſaͤtze enthalten ſind, welche dieſe Gattung von Verſchoͤnerung betref - fen. Inzwiſchen laſſen ſich doch noch verſchiedene Bemerkungen machen, die hieher gehoͤren.

Wenn gleich die Landwirthſchaft nach der Verſchiedenheit ſowohl der Gewohn - heit und der Beduͤrfniſſe der Laͤnder, als auch des Umfangs und der Beſchaffenheit der Gegenſtaͤnde ſelbſt, womit ſie ſich mehr oder weniger beſchaͤftigt, ſehr merkliche Abweichungen haben kann; ſo ſind doch die vornehmſten Anſtalten, die zu ihr gehoͤ - ren, faſt uͤberall dieſelben. Das zur Wohnung beſtimmte Gebaͤude muß ſich von denen unterſcheiden, die einen blos oͤkonomiſchen Gebrauch haben; und von dieſem haͤngt zunaͤchſt ihre nothwendige Einrichtung ab. Sie muͤſſen zugleich eine Lage ha - ben, die ihrer Beſtimmung angemeſſen iſt. Alles, was zur Verſchoͤnerung ihrer Lage, ihrer Bauart und ihrer Außenſeiten gethan wird, darf den wirthſchaftlichen Gebrauch nicht einſchraͤnken.

Das Wohnhaus, das dem Landwirth und ſeiner Familie zum Aufenthalt dient, muß ſich durch eine beſcheidene und einfache Architektur auszeichnen. Sein aͤußerli - ches Anſehen muß Reinlichkeit und Wohlſtand ankuͤndigen. Es erſcheint ſehr vor - theilhaft auf dem Abhange eines Huͤgels; doch kann es ſelbſt in der Mitte einer Ebene, zwiſchen Fruchtfeldern und Wieſen, eine lebhafte Figur machen. Die Meyerey iſt uͤberall ſchicklich, wo ſich ein fruchtbarer Boden befindet; doch liebt ſie in ihrem Bezirk Hoͤhen und Thaͤler, um eine Verſchledenheit von Producten und um fließendes Waſſer zu gewinnen. Alle uͤbrige Gebaͤude, als Scheunen, Vorraths - haͤuſer, Viehſtaͤlle, Milchhaus, Taubenhaus, Huͤnerhaus, und andere Behaͤlt - niſſe fuͤr allerley zahmes Gefluͤgel, koͤnnen in bequemen Entfernungen von einander angelegt werden. Sie muͤſſen mit einer gemaͤßigten Zierlichkeit, mit einer gewiſſen nachlaͤßigen Einfalt und laͤndlicher Kunſtloſigkeit gebauet ſeyn, und koͤnnen mit Gruppen von Baͤumen maleriſch umpflanzt werden. Das Gruͤn und die laubigte Umhuͤllung, woraus die Gebaͤude ſich hie und da ſchoͤner hervorheben, erfreut das Au - ge, und der Schatten der Baumgruppen erquickt zugleich den Arbeiter und das Vieh, Fließendes und reines Waſſer iſt hier eines der erſten Beduͤrfniſſe fuͤr die Thiere und fuͤr die Reinlichkeit; und ein anſehnlicher rauſchender Bach, der in verſchiedene Arme zertheilt und mit laͤndlichen Bruͤcken in abwechſelnder Geſtalt belebt iſt, uͤbertrifft an Schoͤnheit den Teich, der zwiſchen Schilf und uͤberhaͤngenden Birken und Weiden trauert, aber doch den wilden ſowohl, als den zahmen Enten ein geliebter Aufent - halt iſt. Alle die angefuͤhrten Gebaͤude koͤnnen bald auf den Abhaͤngen eines Huͤ -gels,147einzelner Theile eines Landſitzes. gels, bald in der Niedrigung, zwiſchen Baumgruppen und Waſſer und Bruͤcken und Wegen zerſtreut, in beſtimmten Geſichtspunkten ſehr maleriſch und als ein wohl - geordnetes Ganze erſcheinen.

Wenn gleich Saatfelder zu dem Bezirke einer Meyerey gehoͤren, ſo ſind doch friſche Wieſen und belebte Viehtriften beſonders ihr Eigenthum; alle aber koͤnnen in abwechſelnden Miſchungen ein reizendes Landſchaftgemaͤlde bilden, das durch man - nichfaltige Schattirungen des Gruͤns und durch Scenen der Fruchtbarkeit, des Ue - berfluſſes und der Freude ergoͤtzt. Die Wieſen koͤnnen, ohne ihre Nutzbarkeit ein - zuſchraͤnken, eine Bildung erhalten, wodurch ſie ſchoͤner ins Auge fallen. Sie rei - zen weniger, wenn ſie in einer ſteifen oder kuͤnſtlichen Figur erſcheinen, oder wenn ihr Umriß von allen Seiten ſichtbar iſt; ſie reizen mehr, wenn ſie ſich in freyen Wen - dungen dahin ſchmiegen und ſich hinter einem Wald, einem Huͤgel, oder Berg ver - lieren. Es verhaͤlt ſich hier ſo, wie mit Raſen und Gewaͤſſern. Viehweiden ſind nirgends angenehmer, als zwiſchen den breiten Oeffnungen eines waldigten Berges, auf den Abhaͤngen einer hin und her von Baumgruppen ſchattirten Hoͤhe, und in den Ungleichheiten eines huͤgeligten Gefildes, das ſich zu einem angraͤnzenden Gewaͤſſer hinabzieht. Die abwechſelnden Stellungen und Lagen der Viehgruppen, wovon einige die Kuͤhlung der Hoͤhe, oder eines Baums, andere die Erfriſchung des Waſſers ſuchen, einige graſend umher irren, andere ſich zur Ruhe im Schat - ten ſtrecken, die beſtaͤndige Lebhaftigkeit des Auftritts, das frohe Gebruͤll mit dem Gelaͤute der Schellen, die fernher toͤnen, die Stimme des rufenden Hirten oder ſei - nes dienſtbefliſſenen Hylax, die lauten Scherze der Milchmaͤdchen am Abend alles dieß giebt hier einen ſo wahren, ſo belebenden Mitgenuß der Freuden des Hir - tenlebens, als ſelbſt die ſchoͤnſten Gemaͤlde eines Berchem oder Adrian von dem Velde vergebens anbieten.

Alle Pflanzungen um eine Meyerey ſind auf das Nutzbare gerichtet, und das Anmuthige hat hier Platz, in ſo fern es zugleich nutzbar iſt. Man ſucht hier das Vergnuͤgen nur in den Wohlthaten der Natur auf; ſie finden, ſie genießen, ſie er - halten und vermehren, iſt die Ergoͤtzung des Landwirths. Findet er eine liebliche Blume, eine wohlriechende Pflanze, einen ſchoͤn bluͤhenden Strauch; ſo ſchmuͤckt er mit ihnen einen kleinen Platz ſeines Fruchtgartens, oder eine Laube, oder einen kurzen Spaziergang, ohne daraus einen vorzuͤglichen Gegenſtand ſeiner Beſchaͤfti - gung zu machen. Er verwirft das Schoͤne nicht, das ſich ihm anbietet; er nimmt es freundlich auf, aber er ſucht es nicht muͤhſam.

Fruchtbaumpflanzungen ſind ein wichtiges Erforderniß bey einer wirthſchaftli - chen Anſtalt. Denn ſie geben uͤberhaupt einem Lande eine augenſcheinliche und ſichereT 2Erweite -148Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungErweiterung der Nahrung und des Handels. Ihre Vortheile vergroͤßern ſich mit jedem Jahre, und verbreiten ſich uͤber die ſpaͤteſte Nachkommenſchaft hinaus. Der Gewinn dieſer Vortheile iſt mit geringer Muͤhe, und faſt nur im Anfang, verbun - den; ſie laſſen ſich in der Folge ohne erhebliche Anſtrengung der Koſten, und ohne Zeitverluſt einerndten. Die Obſtbaumzucht iſt keiner einzigen Arbeit des Landmanns hinderlich. In den Feyerſtunden, die dem Landbau nicht gewidmet ſind, kann er ſich ſelbſt zum Vergnuͤgen mit ſeinen Fruchtbaͤumen beſchaͤftigen. Sie bereichern ſeine Haushaltung mit einem mannichfaltigen, angenehmen und zugleich geſunden Vorrath zur Speiſe und zum Getraͤnk, zum Viehfutter und zum eintraͤglichen Han - del nicht weniger, als die Feldfruͤchte, die ihm Schweiß und Zeit koſten; ſie huͤllen ſeine Wohnung in die Ruhe eines anmuthigen Schattens ein; und ſpaͤt ſpielen und ſammeln noch ſeine Enkel unter eben den Staͤmmen, worunter er mit ſeinem gelieb - ten Weibe ſo oft von der Arbeit ausruhete, ſo oft voll ſtiller Zufriedenheit in die Daͤmmerung der Zukunft hinaus blickte. Die Vortheile der Obſtbaumzucht ſind ſo groß und ſo zuverlaͤßig, daß ſelbſt in manchen Laͤndern, die ſchon mit Fruchtbaͤumen genug bereichert ſcheinen, ihre Anpflanzungen noch jaͤhrlich mit dem lebhafteſten Eifer fortgeſetzt werden. In ſo vielen Provinzen von Deutſchland ſowohl, als auch von andern Laͤndern, naͤhren ſich nicht allein die Einwohner ſehr reichlich von der Obſtbaumzucht, ſondern gewinnen auch noch davon ein anſehnliches verzinsbares Vermoͤgen*)Viele Nachrichten davon findet man in meinem Gartenkalender ſchon von den Jahren 1782, 83, und 84.. Die Benutzung der Baumfruͤchte iſt ſo vielfaͤltig und ſo ſehr noch der Erweiterung faͤhig, daß ſie eine eigene Abhandlung erforderte, die jedoch ſo we - nig zu dem Plan dieſes Werks gehoͤrt, als eine Anweiſung zur Erziehung der Frucht - baͤume ſelbſt**)Die beſten neuern Schriften uͤber die Obſtbaumzucht, ſo wie uͤber andereZweige der oͤkonomiſchen Gaͤrtnerey, fin - det man in den angefuͤhrten Jahrgaͤngen des Gartenkalenders und in ſeinen Fortſe - tzungen angezeigt..

Die Meyerey verſtattet eine Anxflanzung von allen Gattungen und Arten der Fruchtbaͤume und Fruchtſtraͤucher, nicht allein der gemeinnuͤtzigen, als Aepfel, Birnen, Kirſchen, Pflaumen, Hanebutten, Wallnuͤſſe, Kaſtanien, ſondern auch der ſeinen, die mehr zum Luxus des Geſchmacks als zum Beduͤrfniß gehoͤren, als Pfirſchen und Apricoſen, und die roh oder eingemacht zum Verkauf dienen. Sie ordnet die Pflanzung dieſer Baͤume und Straͤucher in ſolchen Gegenden und Lagen an, die ihrem Fortkommen und Ertrag die vortheilhafteſten ſind. Doch ſind dieſe Gegenſtaͤnde des Nutzens zugleich von einer ihnen eigenthuͤmlichen Anmuth begleitet. Sie149einzelner Theile eines Landſitzes. Sie ſchmeicheln dem Auge, dem Geruch und dem Geſchmack, und der Spazier - gang iſt unter ihnen von der Bluͤthe im Fruͤhling an bis zur Einſammlung der Fruͤchte im Herbſt uͤberaus angenehm; und wenn ſie ſchon ihre Schaͤtze abgeliefert haben, ſo geben noch die maleriſchen Veraͤnderungen in den Farben ihrer Blaͤtter, ehe ſie fal - len, auf vielen Staͤmmen ein ergoͤtzendes Schauſpiel. Auch die Anordnung der Pflanzung kann zugleich zum Vergnuͤgen gereichen, indem ſie bald einzelne Baͤume, bald Gruppen, bald ganze Hayne mit kluger Abwechſelung erſcheinen laͤßt; die gras - reichen Zwiſchenraͤume hin und wieder bald mit Klumpen von Fruchtſtraͤuchern, zwi - ſchen welchen bequeme Gaͤnge ſich winden, bald mit Raſenſitzen, bald mit fließendem Waſſer unterbricht; und bald durch die allmaͤlige Fortſchreitung der Cultur von der Saamenſchule zur Pfropfſchule, von dieſer zum Baumgarten, von dieſem zum Obſt - wald ergoͤtzt, bald aber durch eine wohlgewaͤhlte Verbindung verſchiedener Frucht - gattungen ein intereſſantes Gemaͤlde darſtellt.

Nicht weniger, als die Fruchtbaumpflanzungen, gehoͤren Kuͤchengaͤrten und der Anbau von mancherley Gemuͤſe in den Bezirk der Meyerey. Hier ſcheint allein das Nutzbare ſeine Herrſchaft zu haben, und jeden Verſuch von Verſchoͤnerung aus - zuſchließen. Die Eintheilung in den Kuͤchengaͤrten iſt gemeiniglich ſo methodiſch, ihr Anſehen ſo einfoͤrmig, ſo wenig anziehend, daß nur allein die Vorſtellung der Nuͤtzlichkeit das Auge an ſie zu feſſeln vermag. Dennoch kann dieſe wirthſchaftliche Anſtalt einen gefaͤlligen Reiz erhalten, ſelbſt außer dem Vergnuͤgen, das ſchon die Bemerkung der Verſchiedenheit der Gewaͤchſe, des allmaͤligen Fortgangs ihres Wachsthums, und die Erwartung ihrer Reifung giebt. Eine ſymmetriſche Anord - nung der Beete iſt hier zulaͤſſig, obgleich nicht nothwendig; die verſchiedenen Re - viere ſchmiegen ſich willig unter eine Mannichfaltigkeit von Formen, die ihnen ein nicht ſo kuͤnſtliches und ſteifes Anſehen geben. Doch ſind es vornehmlich die hohen Mauern, die gewoͤhnliche Einſchließung der Kuͤchengaͤrten, die von allen Seiten ein gewiſſes finſtres Weſen uͤber ſie ausbreiten; denn ſie ſperren ſie in einen abgeſon - derten Bezirk ein, und heben ihre natuͤrliche Verbindung mit den Annehmlichkeiten und Ausſichten der umliegenden Gegend auf. Und doch iſt es eben dieſe Verbindung der landſchaftlichen Scenen, wodurch ſie, unter dem Zauber ihrer bald contraſtiren - den, bald harmoniſch ſich verſtaͤrkenden und erhebenden, ſich unter einander erſetzen - den, verguͤtenden, verbeſſernden Wirkungen, einen ſo maͤchtigen Reiz auf den em - pfindenden Naturkenner gewinnen. Dieſe Verbindung einer Scene, ſie ſey anmu - thig oder ſelbſt misfaͤllig, dieſe ihre Verbindung mit den benachbarten Gegenſtaͤnden entſcheidet fuͤr ihren Vortheil oder Nachtheil am meiſten; ſo wie ein Bild auf das andere, ein Gedanke auf den andern Licht oder Schatten wirft. Warum laſſen wirT 3dieſe150Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungdieſe Verbindung eines Kuͤchengartens mit andern nuͤtzlichen Anpflanzungen, oder mit dem Reiz einer angebauten Landſchaft, nicht zu unſerm eigenen Bergnuͤgen be - ſtehen? Wozu das ſteife Viereck, worinn man nun immer einen Kuͤchengarten ein - zuſchließen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regel - maͤßigkeit, geſehen? Wozu dieſe hohen abſondernden Mauern, ſo koſtbar in der Auffuͤhrung und in der Erhaltung, ſo kalt von Anſehen? Koͤnnen die wenigen Fruchtbaͤume, die an ihnen gezogen werden, ihre Koſten verguͤten? Giebt nicht Waſſer oder Graben oder Zaun ſchon Schutz genug? Laſſen ſie nicht die belebenden Luͤfte freyer eindringen? Und koͤnnen nicht Hoͤhen oder Wald oder angepflanztes Gebuͤſch die Seiten decken, woher ſchaͤdliche Winde ſtuͤrmen? Durch eine ſol - che Veraͤnderung wuͤrde der Kuͤchengarten, dieſe Scene einer ſorgfaͤltigen Cultur und beſtaͤndigen Geſchaͤftigkeit, frey erſcheinen, ſeine Monotonie und unſchickliche Ver - ſperrung verlieren, an den Reizen und Ausſichten der umliegenden Pflanzungen oder der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen. Man empfindet dieſe Wirkung bey den Kuͤchengaͤrten in Holland, die oft blos mit einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt ſind, und in verſchiedenen Gegenden von Deutſchland, wo man mancherley Kuͤchengewaͤchſe auf freyem Felde anbaut. Mit aller Ordnung, die in einem Kuͤchengarten herrſchen muß, und oft eine Art von Regelmaͤßigkeit erfordert, mit aller noͤthigen Bequemlichkeit, ſich jedem Gewaͤchſe naͤhern, es beobachten, und warten zu koͤnnen, mit aller Reinlichkeit laͤßt ſich zugleich ſo viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geſchmack hier zuweilen mit Vergnuͤ - gen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfaͤllig iſt, muß entfernt, oder vor dem Anblick verdeckt werden. Nuͤtzliche Fruchtſtraͤucher koͤnnen bald die Gaͤnge einfaſſen, bald eine ſcharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an ſich zieht. Indeſſen muß kluge Oe - konomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteſte zu nutzen, verſtaͤndige Auf - merkſamkeit auf das Eigenthuͤmliche bey jeder Gattung der Gewaͤchſe und ihrer Arten, und eine unablaͤßige Anſtrengung, uͤberall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren, durch den ganzen Bezirk des Kuͤchengartens hervorleuchten.

Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepraͤge des Fleißes und der Cultur tragen. Jeder Fleck muß bepflanzt, beſaͤet, oder auf eine andere Art be - nutzt ſeyn. Bey der Wohnung iſt Schatten fuͤr den Menſchen und das Vieh faſt unentbehrlich, und ein angepflanztes wildes Waͤldchen ſehr erfreulich. Liegt eine Pfuͤtze oder ein feuchter quellreicher Grund in der Naͤhe, ſo ſuche man ihn durch Ausgraben und Reinigung in ein nuͤtzliches Waſſerſtuͤck zu verwandeln, oder, wenn dieß nicht ausfuͤhrbar iſt, ihn mit Weiden, Pappeln und Ellern zu bepflanzen. Esiſt151einzelner Theile eines Landſitzes. iſt kein Platz ſo oͤde, ſo unfruchtbar, der nicht irgend einer Cultur und Verbeſſerung ſeines Anſehens faͤhig waͤre.

Endlich kann ein anſehnlicher Park ſich mit einer Meyerey verbinden, ſo wie mit einem Thiergarten und mit einem Weinberg. Nur darf in den meiſten Faͤllen der Uebergang nicht ploͤtzlich ſeyn, ſondern nur durch allmaͤlige Fortſchreitung ſich vereinigen. Die Scenen, die jeder Gattung zugehoͤren, ziehen durch den Reiz der Neuheit oder doch der Abwechſelung an; allein ſie ſtechen durch den Unterſchied des Charakters zu merklich ab, und ſind doch zugleich eines uͤberraſchenden Contraſtes zu wenig faͤhig, als daß ſie, ohne alle Verbindung, auf einander folgen koͤnnten.

5.

Die Weiden, die Heerden, die hirtenmaͤßigen Beſchaͤftigungen, die ſanfte Einfalt, die ganze einnehmende Laͤndlichkeit einer Meyerey koͤnnen einem dichteriſchen Geiſte Veranlaſſung geben, hier zuweilen Nachahmungen des arcadiſchen Hirtenle - bens anzuordnen. Dieſe Nachahmungen ſcheinen der hoͤchſte Grad der Verſchoͤne - rung einer Meyerey zu ſeyn, oder vielmehr eine Anlage, die ihnen einen ganz neuen Charakter giebt. Sie hoͤrt auf, die blos nuͤtzliche und die geſchmuͤckte Meyerey zu ſeyn, ſie wird die hirtenmaͤßige, die arcadiſche. Sie erneuert das Bild des theo - critiſchen Weltalters, erinnert wieder an die Zeit der erſten Einfalt der Sitten, der harmloſen Unſchuld des Schaͤferlebens und der ruhigen Genuͤgſamkeit mit dem, was die Natur anbot.

Wie gluͤcklich war man in den goldnen Jahren,
Da Koͤnige noch Hirten waren,
Und Hirten Koͤnige, durch ihre Heerden reich,
An Unſchuld Schaf und Schaͤfer gleich
*)Wernike.
*)!

Ohne Zweifel war damals der Landbewohner gluͤcklich, gluͤcklicher als er es jetzt ſeyn darf, oder auch ſeyn will. Die empfindungsvolle Zuruͤckerinnerung an dieſes Gluͤck iſt eine Wirkung dieſer Anlage. Sie fordert anmuthige, ruhige und gras - reiche Thaͤler und Huͤgel zur Weide der Heerden. Sie bildet Schaͤferhuͤtten in den ſchoͤnſten Lagen, Milchhaͤuſer und reinliche Staͤlle. Sie geſellet den einſamen Hir - ten zaͤrtliche Hirtinnen zu, die mit ihnen die Huͤtten der Einfalt und Liebe bewohnen. Sie giebt ihnen ſanfte Sitten, reinliche und gefaͤllige Kleidung, Spiele der Unſchuld, zuweilen ein frohes Feſt, von Geſang und Tanz begleitet, und immer einen Mittel - ſtand des Gluͤcks, der von Duͤrftigkeit und von Ueberfluß gleich entfernt iſt. Sie ord - net die Feſte nach dem Geſchmack des erſten Weltalters an, Feſte, wie ſie Theocritund152Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungund Geßner ſchildern. Sie entfernt alles, was auf Schmutz und Niedrigkeit faͤllt, was Armuth oder Unterdruͤckung ankuͤndigt; ſie beſtreuet alles mit den Blumen der Anmuth. Sie ſtellt Denkmaͤler und an ihnen Inſchriften auf, die ſich auf die Fa - bel des Alterthums oder die Erzaͤhlungen der Idyllendichter beziehen. Sie miſcht aber dieſe Gegenſtaͤnde, Anſpielungen und Inſchriften nicht mit ſolchen, die aus neuern Zeiten und Laͤndern entlehnt ſind; ſie ſtellt Thomſons Urne nicht neben der Denkſaͤule des Virgil. Sie giebt ihren Gebaͤuden kein gothiſches, kein hollaͤndi - ſches Gepraͤge, ſondern den Stil der alten Architektur. Sie fuͤhrt den Tempel des Pan in der laͤnglichen Geſtalt und in der Einfalt der doriſchen Saͤulen auf, ver - ziert ſeinen Eingang blos mit einer kleinen Hirtenfloͤte oder einem Schaͤferſtock, und breitet uͤber ſein ganzes Anſehen Beſcheidenheit und laͤndliche Einfachheit aus. Kurz, ſie ſucht eine reine und unvermiſchte Nachahmung des alten Hirtenlebens darzuſtellen, und, indem ſie die lieblichen Bilder der Idyllendichter zuruͤckbringt, die Einbildungs - kraft zu erfriſchen, und durch die ſanften Empfindungen zu ruͤhren, die ein Eigen - thum dieſer Scenen ſind. Ein ſchoͤner Verſuch dieſer Art waren die Leaſowes oder Hirtenfelder des beruͤhmten Shenſtone; aber ſie hatten noch manche Fehler und Maͤngel in der Ausbildung, als daß ſie auf das Verdienſt eines vollkommenen Mu - ſters Anſpruch machen konnten.

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IV. Thier -153einzelner Theile eines Landſitzes.

IV. Thiergarten.

In ausgedehnten Parks koͤnnen Thiergaͤrten ſehr intereſſante Theile ausmachen, die, als dunkle Wildniſſe und als ſtarke waldigte Schattirungen, zur Unter - brechung dienen, und den Contraſt heitrer Scenen fuͤhlbarer machen; den Ernſt ihres Anſehens mildern ſie wieder durch die Vorſtellung anmuthiger Schatten, die in ihrem Innern daͤmmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagd - ergoͤtzungen, die ſie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine beſondere Gattung von Gaͤrten angeſehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen in einem Landgute unabhaͤngig iſt.

Thiergaͤrten ſind in Landguͤtern nuͤtzlich, um das Wild von dem Ueberlaufen in die benachbarten Gegenden und von der Verwuͤſtung der Kornfelder des Landmanns abzuhalten. Dieſe letzte Betrachtung kann dem Herzen eines menſchenfreundlichen Gutsbeſitzers nicht gleichguͤltig ſeyn; er verabſcheuet die Grauſamkeit ſo mancher klei - nen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns unge - hindert vor ſeinen Augen die Fruͤchte ſeines Schweißes, die Hoffnung ſeiner Erhal - tung abweiden laſſen, und jede rechtmaͤßige Beſchuͤtzung ſeines Eigenthums als einen Hochverrath anzuſehen ſich erfrechen; eine Grauſamkeit, welche die ſchaͤrfſte Ahndung der Landesfuͤrſten verdiente, denen das gekraͤnkte Recht eines Bauern wichtiger iſt, als die Jagdluſt eines Landjunkers. Ich war vormals ein ſehr eifriger Liebhaber der Jagd, ſagte einſt zu mir ein großer menſchenſreundlicher Prinz, die Liebe dieſer Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß dieſe Neigung den Unterthanen beſchwerlich werden koͤnnte, und unterdruͤckte ſie. Ein ſolches Beyſpiel des Edel - muths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Menſchheit nacherzaͤhlt zu werden.

Ein Thiergarten erfordert zuvoͤrderſt die weſentliche Einrichtung, die ſeiner Beſtimmung angemeſſen iſt: Befriedigung ſeiner Graͤnze, ſichern Schatten, zu - laͤngliche Nahrung und Waſſer fuͤr das Wild, und Schutz im Winter. Das erſte Beduͤrfniß iſt demnach ein dichtes Gehoͤlz, das aber einen grasreichen Boden, Wie - ſen oder offene freye Plaͤtze enthaͤlt, die entweder in ihrer natuͤrlichen Schoͤnheit gruͤ - nen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber beſaͤet ſind. Große, geraͤu - mige Plaͤtze geben den Vortheil, daß zwiſchen den waldigten Gebuͤſchen die Luft freyer durchſtreicht, und daß darauf das Wild zum Vergnuͤgen des Auges hervortreten kann. Aber eben ſo noͤthig ſind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten von buſchigtem Unterholz und ſich durch einander ſchlingenden Geſtraͤuchen gebildet.

V Band. UDa154Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

Da ſich ein Thiergarten durch Anpflanzungen erweitern und ſeiner Beſtimmung mehr gemaͤß einrichten laͤßt, ſo hat man allerdings auf die Baͤume und Straͤucher zu ſehen, die hier einen Platz verdienen. Eichen, Buchen und Haſeln geben, wie bekannt iſt, eine gute Maſt auch fuͤr das Wild. Allein auch die Fruͤchte der Roß - kaſtanie liebt der Hirſch als eine gute Nahrung; nur muͤſſen die Baͤume, um viel zu tragen, frey ſtehen, nicht in Alleen oder auf eine andre Art dicht zuſammenge - pflanzt. Gerne frißt das Wild die Rehheide oder das Pfriemenkraut (Spartium Sco - parium, L.), wovon es auch einen angenehmen Geſchmack annimmt, und verſchiedene Arten von Genſter (Geniſta tinctoria, Gen. piloſa, Gen. germanica, L.), die mit ihren ſchoͤnen citrongelben und lange dauernden Blumen ganze Plaͤtze verſchoͤnern. Von einigen Baͤumen greift es weder das Laub noch die Rinde an, als vom Wall - nußbaum, vom Schlingebaum (Viburnum Lantana, L.), vom Eibenbaum (Ta - xus, L.), vom Sadebaum (Juniperus Sabina, L.), vom hochſtaͤmmigen Buchs - baum (Buxus arboreſcens, L.), und von der Stechpalme (Ilex aquifolium, L.). Von andern Baͤumen nimmt es zwar das Laub, laͤßt aber die Rinde ungeſchaͤlt; dahin gehoͤrt die Eiche, die Haynbuche, die Eller, die Linde, die Birke, der Kirſch - baum, der Pflaumbaum, die Haſeln, der Maulbeerbaum, die Waſſerhuͤlſe (Acer campeſtre, L.), der Faulbaum (Rhamnus frangula, L.), der Stachelbeerſtrauch, der Berberitzenſtrauch, die gemeine Hanebutte (Roſa canina, L.), der Kreuzdorn (Rhamnus catharticus, L.), der Schwarzdorn (Prunus ſpinoſa, L.), der Weißdorn (Crataegus oxyacantha, L.), der Himbeerſtrauch und die Reinweide (Liguſtrum vulgare, M.). Alle dieſe Baͤume und Straͤucher ſchicken ſich vorzuͤglich zu Anpflan - zungen in Thiergaͤrten.

Fließende Baͤche geben, ſowohl fuͤr das Beduͤrfniß des Trunks, als auch fuͤr die Erfriſchung der Scene, ein weit beſſeres Waſſer, als ſtehende Teiche; doch ſucht der Hirſch zuweilen auch einen Sumpf, um ſich abzukuͤhlen. Ein kleiner See, der mitten in der Waldung hervorbricht, iſt ein ſehr uͤberraſchender Gegenſtand, der uns nicht wenig vergnuͤgt, zumal wenn er hin und wieder von nahen Waldſtuͤcken und dichten Klumpen am Ufer beſchattet wird, oder ein Jagdgebaͤude in ſeiner Flut den ſanften Widerſchein verlaͤngert.

Die Strenge des Winters verlangt Sorgfalt fuͤr die Nahrung der Thiere und beſchirmende Wildhaͤuſer. Dieſe muͤſſen trocken, warm, niedrig und mit Stroh gedeckt ſeyn. Ihre Bauart ſey im letzten Grade einfach und ungeſchmuͤckt; alles roh, nachlaͤſſig und wie vom Zufall zuſammengeworfen. Kein Anſtrich der Thuͤre, kein gebahnter Zugang fuͤr den Fuß des Menſchen. Dichte Klumps von hohen Ei - chen oder Buchen oder Roßkaſtanien erheben ſich rings umher. Bauwerke von ei -nem155einzelner Theile eines Landſitzes. nem ſo rohen und wilden Charakter ſchicken ſich ungemein fuͤr die Scene, und geben, ſelbſt in der gruͤnenden Jahrszeit zwiſchen den Oeffnungen der umherhangenden Laub - decken, einen maleriſchen Anblick.

Außer den Vortheilen, welche die Unterhaltung des Wildes gewaͤhrt, laſſen Thiergaͤrten auch Verſchoͤnerungen zu, die, ohne ihre urſpruͤngliche Beſtimmung aufzuheben, ſie zugleich zu Gegenden des Vergnuͤgens machen. Faſt die meiſten Annehmlichkeiten eines Waldes bieten ſich hier wieder zum Genuß an. Das Licht der Raſen mit der ſanften Nacht der Baͤume abwechſelnd; der Schatten und, ſeine Schweſter, die Kuͤhlung; die feyerliche Ruhe waldigter Verſchloſſenheit; die Ge - ſellſchaft des hier aufſpringenden, dort neugierig verweilenden und umher ſchauenden Wildes; die durch einander hinſchmelzenden Lieder der Buſchſaͤnger, die hier in Si - cherheit ſich gerne anbauen; die heitern Zwiſchenraͤume und perſpectiviſchen Durchſich - ten durch Gebuͤſche und Baumgruppen zu den finſtern Maſſen entfernter Wildniſſe hinan alles dieß giebt fuͤr Auge und Empfindung eine uͤberaus ſanfte Unterhaltung.

In Gegenden von dieſem Charakter wohnt waldigte Einſamkeit und Ruhe. Die Scenen koͤnnen ſelten einen andern Eindruck gewaͤhren. Denn Wieſen und Waldung mit Verſchloſſenheit, als die vornehmſten Gegenſtaͤnde, geben den Em - pfindungen einen Ton, der zu herrſchend iſt, als daß ihn ein einzeiner Auftritt oder ſeine Verzierung verſtimmen koͤnnte.

Ein Thiergarten, mit Ungleichheiten des Bodens, mit Anhoͤhen und Tiefen, hat doch vor einer bloßen Ebene einen Vorzug. Die dichten Maſſen und die einzelnen lichten Gruppen, die abwechſelnd auf Huͤgeln hinanſteigen, ſtellen eine uͤberaus praͤch - tige Scene dar; und von dieſen Huͤgeln den Blick wieder herab in die buſchigten Tic - fen geworfen, oder ihn uͤber die umliegenden Waldſtuͤcke mit ihren Oeffnungen zer - ſtreut, welch ein erfriſchender Genuß! Auch liefert die huͤgeligte oder bergigte Be - ſchaffenheit des Bodens fuͤr die Wirkung der Gebaͤude hier reizendere Lagen.

Alle Anpflanzungen in Thiergaͤrten muͤſſen dem natuͤrlichen Charakter der Ge - hoͤlze beyſtimmen, eine gewiſſe ſorgloſe Verwilderung und angenehme Unordnung ſehen laſſen. Das Genaue, das Zierliche oder Geſchmuͤckte wuͤrde hier, da das Ganze eine Wildniß zur Bewohnung der Thiere iſt, nur eine ſeltſame Abſtechung machen. Nach dieſer Bemerkung ſcheinen gerade Alleen, ſo ſchicklich ſie als Zu - gaͤnge zu Schloͤſſern und Landhaͤuſern ſeyn moͤgen, doch in Thiergaͤrten ſchon eine zu kuͤnſtliche Pflanzung zu ſeyn. Sie ſind an der Graͤnze umherlaufend noch ertraͤg - lich; aber mitten im Thiergarten koͤnnen ſie faſt nicht erſcheinen, ohne ganz misfaͤl - lig zu werden. Große Klumps, nachlaͤßig hingeworfen, wilde unregelmaͤßige Maſ - ſen, und dicht in einander verwilderndes Gebuͤſch, auf Wieſen und freyen Raſen -U 2plaͤtzen156Achter Abſchnitt. Gaͤrtenmaͤßige Verſchoͤnerungplaͤtzen in Gruppen verſtreut, ſind gerade die Art von Anpflanzung, die nach dem Beyſpiel der Natur hier den Vorzug verdient.

Zwiſchen den von der Natur oder von der Hand des Fleißes bepflanzten Klumps, Haynen, Gebuͤſchen und Dickigten muͤſſen ſich bald Fußſteige, bald Wege zum Fah - ren und Reiten umherwinden. Nichts iſt anmuthiger, als in dieſen einſamen und ruhigen Waldrevieren ſeinen Spazierweg zu verfolgen.

Es iſt nicht unſchicklich, in einem ausgebreiteten Thiergarten beſondre Ge - genden zum Vogelfang, oder zur Entenjagd, oder zum Angeln zu beſtimmen, und ſie zu dieſen Ergoͤtzungen einzurichten.

An Gebaͤuden nimmt ein Thiergarten bald ein kleines Jagdſchloß oder Jagd - haus*)Einen Vorſchlag zu einem ſolchen Gebaͤude ſ. im 3ten B. S. 37 38., bald einen Tempel der Diana auf waldigten Hoͤhen, bald eine dieſer Goͤt - tinn gewidmete Felſengrotte in Winkeln, wo man das Wild bey dem ungeſtoͤrten Genuß ſeiner Freyheit nicht ohne Vergnuͤgen belauſchet, bald ein rohes von Baum - rinden zuſammengeſchlagenes Waldhaus auf. Nur muß jedesmal die Gegend mit dem beſondern Charakter dieſer Gebaͤude uͤbereinſtimmen. Zwiſchen dicken Wald - maſſen alter Eichen erhebe ſich auf einer ſteilen Bergſpitze ein gothiſches Jagdſchloß mit ſeinen halb zertruͤmmerten Thuͤrmen empor; ſeine rauhe Geſtalt ſtimmt, zur Verſtaͤrkung des Eindrucks, der erhabenen Wildheit der Natur zu, und bringt die Erinnerung der Jahrhunderte roher Jagdbegierde zuruͤck, zu welcher ſich bald die fuͤr uns ſo ſchmeichelhafte Vergleichung unſrer mildern Sitten geſellt. Der Tempel der Jagdgoͤttinn ſteige auf einem anmuthigen Huͤgel zwiſchen edeln ſchattenreichen Gruppen, im griechiſchen Stil, ohne Pracht, mit einer maͤßigen Zierlichkeit er - bauet, empor; er moͤge ſich am Eingang mit vier Saͤulen der joniſchen Ordnung und mit einem grauweißlichen Anſtrich ſeiner Außenſeiten begnuͤgen; und uͤber dem Eingang kuͤndige ein wohl gewaͤhltes Sinnbild die Beſtimmung des Gebaͤudes an; eine Statue der Diana in einem bedeutungsvollen und intereſſanten Ausdruck, frey von der gemeinen Vorſtellung, die man ſo oft erblickt, reize beym Eintritt das Auge des Kenners, oder es werde von Gemaͤlden der Jagd gerufen, wo ſich die Goͤttinn mit ihren Nymphen ergoͤtzt. Eine Grotte, der Diana gewidmet, muß der Bau - art getreu ſeyn, die dieſe Art von Werken verlangt**)S. 3tes B. S. 84. u. f.. Ein Waldhaus von Baum - rinden zuſammengeſetzt, erfordert keine edle Lage auf Anhoͤhen; es erſcheint am ſchick - lichſten in Niedrigungen zwiſchen Huͤgeln, die mit verwildertem Gebuͤſch uͤberkleidet ſind, oder in dunkeln Dickigten; und es verlangt in ſeiner ganzen Anlage durchausdie157einzelner Theile eines Landſitzes. die hoͤchſte Einfalt und Nachlaͤßigkeit und ſelbſt eine Art von Rohigkeit, die jede Hand der ſchmuͤckenden Kunſt zuruͤckgeſtoßen zu haben ſcheint.

Sowohl die Groͤße und der wilde oder anmuthige Charakter eines Thiergar - tens uͤberhaupt, als auch die Beſchaffenheit der einzelnen Gegenden und Lagen, ge - ben eine naͤhere Beſtimmung, welche Art von dieſen Gebaͤuden jedesmal in der Wahl den Vorzug verdient. Auch kann hier allerdings auf den Charakter und das Ver - moͤgen des Beſitzers Ruͤckſicht genommen werden. Ein weit ausgedehnter koͤnigli - cher Thiergarten verlangt eine edlere und reichere Verzierung durch Gebaͤude, als die kleine Wildbahn eines Edelmanns, wo zuweilen ein einfaͤltiges Mooshaus ſchon hinreichend ſeyn kann. Allemal aber iſt weiſe Sparſamkeit noͤthig, damit der na - tuͤrliche Charakter eines Thiergartens, Einſamkeit und Wildniß der Natur, nicht durch eine Ueberladung mit Werken der Baukunſt zerſtoͤrt werde.

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V. Weinberg.

Weinberge gehoͤren zu dem Nuͤtzlichen. Allein ſie machen zugleich die ſchoͤn - ſten Gegenſtaͤnde fuͤr das Auge in allen Landſchaften aus, die ein waͤrme - rer Himmel mit ihrem Segen ſchmuͤckt. Der Reiſende, an deſſen Straße ſie empor gruͤnen, erfriſcht ſich bey ihrem Anblick, der Cultur und Froͤhlichkeit an - kuͤndigt; und die Feſttage der Weinleſe ſtellen ſo viele heitre Scenen dar, daß jeder Freund der Natur und des Menſchen gerne an ihnen Theil nimmt, gerne ſieU 3mit158Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungmit einem frohen Nachgenuß in den Gemaͤlden der Dichter und der Landſchafter wie - der erblickt.

Ein Weinberg kann als eine beſondre Gattung von Gaͤrten angeſehen werden; und in manchen Landſchaften ſieht man keine andre, als dieſe. Seine Lage auf ſon - nigten Anhoͤhen oder an huͤgeligten Abhaͤngen giebt ihm einen Charakter von Heiter - keit, der ſich ſchon bey der Annaͤherung ankuͤndigt. Man genießt hier eine freye Ausſicht, und athmet voll Ruhe in einer reinern Luft. Wird das Auge durch den Anblick eines Sees, der in der Niedrigung dahin wallet, oder eines voruͤberfließen - den Fluſſes, oder eines Gemiſches von Wieſen und Landhuͤtten, die unter ihm in der Tiefe ruhen, ergoͤtzt; ſo hat die Lage einen ſo friſchen und doch ſo ſanften Reiz, der dieſer Gattung uͤberaus angemeſſen iſt. Der Charakter eines Weinbergs iſt Ein - ſachheit. Er vertraͤgt keine fremden Pflanzungen. Allein die Weinſtoͤcke ergoͤtzen nicht nur durch das Liebliche der Ueberſchattung und durch die Erwartung der edlen Fruͤchte; ſie laſſen ſich auch zu kuͤhlen Bogengaͤngen bilden, in welchen die reifenden Trauben aus dem dichten Laubdach anlockend ſich hervordraͤngen und herabhangen; an den Seiten koͤnnen andre Spazierwege bald frey, bald leicht uͤberſchattet, dahin laufen, oder kleine Reblauben ſich woͤlben. Das Vergnuͤgen des Spazierganges kann ſich hier mit der Ruhe und der ſanften Anmuth der Ausſichten vereinigen. Auf der Hoͤhe kann ein Tempel, dem wohlthaͤtigen Gott des Weins gewidmet, und mit den Sinnbildern ſeiner Freuden bezeichnet, oder mit den tanzenden Figuren der Satyren umgeben, leicht und froͤhlich erbaut, zwiſchen den geſelligen Umarmun - gen von Epheu und Reben emporſteigen; und unten am Eingange des Weinberges mag eine Huͤtte, die Wohnung des Winzers, nachlaͤßig ruhen. Der Tempel kann inwendig zur Bewohnung fuͤr einige Perſonen eingerichtet werden, oder die noͤthigen Bequemlichkeiten fuͤr einen kurzen Aufenthalt des Beſitzers enthalten. Ruhe und liebliche Einfalt herrſche durch den ganzen Bezirk. Seine ſchoͤnern Tage ſchenkt dem Weinberg der Herbſt, in deſſen Scenen er ſelbſt ein uͤberaus intereſſanter Theil ſeyn kann, indem das mildere Sonnenlicht zwiſchen den duͤnnern, falben, ſich ma - leriſch aͤndernden Blaͤttern die blauen und gelben Trauben hoͤher faͤrbt, und mit jedem entwoͤlkten Mittag der Luͤſternheit reizender entgegen ſchwellen laͤßt.

VI. Doͤr -159einzelner Theile eines Landſitzes.

VI. Doͤrfer.

1.

Kein Anblick iſt erfreuender fuͤr den Menſchenfreund, als ein Dorf, worin Rein - lichkeit, Anmuth und Wohlſtand herrſchen. Es iſt ſo ſehr dem nauͤrlichen Gefuͤhl von Gerechtigkeit gemaͤß, daß die Klaſſe unſrer Nebenmenſchen, welche die ſchwerſte Arbeit fuͤr die Unterhaltung der Geſellſchaft traͤgt, auch wieder, ſo viel es ſeyn kann, ihren Antheil an dem Gluͤck und an den Annehmlichkeiten des Lebens nehme. Und die Befriedigung dieſes Gefuͤhls wird von einem gewiſſen innerlichen Behagen und einer ſanften Erheiterung der Seele begleitet. Dieß iſt die Wirkung, die der Anblick des Wohlſtandes unter den Landleuten hervorbringt; und zu ihnen ge - ſellen ſich noch die angenehmen Vorſtellungen von Reinlichkeit, von Ordnung, von Anmuth, die uns deſto mehr ruͤhren, je ſeltener wir ſie in einer ſolchen Lage zu finden gewohnt ſind. Wir ergoͤtzen uns bey der Vorſtellung von Seelen, die ſich uͤber die Muͤhſeligkeit und uͤber die gewoͤhnlichen Schranken ihres Standes zu erheben wiſſen, worinn die helleren Begriffe von Regelmaͤßigkeit und Schoͤnheit aus dem finſtern Chaos der Unwiſſenheit hervorleuchten, und die durch veredelte Gefuͤhle faͤhig ſind, die Annehmlichkeiten des Lebens mit uns zu genießen. Gewiß, ein Dorf, worinn Reinlichkeit und Anmuth erſcheinen, kuͤndigt ſchon eine beſſere Geſellſchaft von Men - ſchen an; wir finden ſchon mehr Reiz, uns ihnen durch Geſpraͤch und Umgang zu naͤhern. Ein Landmann, der ſeine Wohnung liebt und verſchoͤnert, der gern um ſie her Fruchtbaͤume pflanzt, und ſeinen Gemuͤsgarten wohl unterhaͤlt, hat ein Recht auf die Achtung der uͤbrigen Staͤnde.

Man ſehe das Gegenbild. Wie tief unter ihm ſteht der Dorfbewohner, der unter Schmutz und Armuth in einer nackten, zerfallenen Huͤtte lebt! Welch einen traurigen und niederſchlagenden Eindruck machen nicht die elenden Menſchenſtaͤlle in den Doͤrfern von Bayern, Weſtphalen und verſchiedenen Gegenden von Nieder - ſachſen! Kaum ſollte man glauben, daß da etwas beſſers, als Thiere, wohnen kann. Die Staͤlle der Schweine und die engen Schlafloͤcher liegen an einander; vor der Thuͤre haͤuft ſich der Miſt zu Huͤgeln; man muß daruͤber weggehen, um hinein und heraus zu kommen; Rauch und Geſtank fuͤllen das Inwendige mit Ekel und mit dem Saamen von allen Krankheiten, die aus der Unreinlichkeit entſpringen. Die Fenſterchen, die aus drey bis vier kleinen Scheiben beſtehen, ſind aus einer niedrigen Kargheit der Erbauer in die Wand befeſtigt, und koͤnnen daher nie zur Ausluͤftung der Schlafſtellen geoͤffnet werden; die Ungluͤcklichen muͤſſen demnach eineLuft160Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungLuft einathmen, die oft ſeit einem halben Jahrhunderte ein immer ſchaͤdlicheres Gift ward, und welche fuͤrchterliche Wirkungen muͤſſen nicht dieſe ewig verſchloſſenen und ewig ſich anhaͤufenden Ausduͤnſtungen bey einfallenden Krankheiten haben! Man erſchrickt bey dem Anblick ſolcher Behaͤltniſſe fuͤr Weſen, denen der Schoͤpfer Ver - nunft und Gefuͤhl gab, und die von beiden ſo entbloͤßt ſind, daß ihnen kaum noch der Inſtinct uͤbrig ſcheint, den ſie mit ihrer Geſellſchaft, dem Vieh, gemein haben.

In vielen niederſaͤchſiſchen Doͤrfern kann in den regnigten Monaten kaum der Nachbar zu dem Nachbar durch alle die Unreinigkeiten, die uͤberall aufgehaͤuft liegen, hindurchdringen; und faſt immer ſind die Wege ſo ausgefahren und ſo ſchmutzig, daß oft ſchon in der Ferne der Anblick eines Dorfs, der erfreuen ſollte, dem Reiſen - den einen Schauder erweckt. Wie elend muß es nicht in dem Kopf und dem Herzen ſolcher Menſchen ausſehen, die es nicht fuͤhlen, daß ſie zu dem klaͤglichſten Zuſtande herabgeſunken ſind! Wem es gleich viel iſt, ob er in Schmutz oder in Reinlichkeit wohnt, dem wird auch leicht jedes niedertraͤchtige Laſter gleichguͤltig werden; wer ſein Einenthum nicht mehr ſchaͤtzt, der wird jeder gemeinen Ausſchweifung, jeder Toll - heit in den Schenken und auf den Landſtraßen entgegen laufen. Unempfindlichkeit, Dummheit und Niedertraͤchtigkeit muͤſſen ſich ganz ſolcher ungluͤcklichen Seelen be - maͤchtigen, und ihr Zuſtand iſt im hohen Grade erbaͤrmlich, er mag nun eine Folge von Mangel an Erziehung, von Tyranney, von Verarmung oder von herrſchender La - ſterhaftigkeit ſeyn. Nichts fehlt noch in manchen Provinzen von Deutſchland mehr als eine vernuͤnfrige Dorfpolizey. Man koͤmmt der Unwiſſenheit und der Traͤgheit des Landmanns von dieſer Seite wenig zu Huͤlfe; man uͤberlaͤßt ihn vielmehr ganz ſeiner Unbequemlichkeit und ſeiner ekelhaften Lage.

Indeſſen ſollte man doch von ihm ſelbſt einige Wirkſamkeit zur Verbeſſerung ſeines Zuſtandes erwarten. Es iſt ein natuͤrlicher Trieb des Menſchen, ſein Eigenthum zu verſchoͤnern. Der Wilde ſchmuͤckt ſeine Bekleidung aus, verziert ſeine Waffen, ſchnel - det Figuren in ſein Hausgeraͤth, und bemalt ſelbſt ſeinen Leib. Alles, was taͤglich am naͤchſten um ihn iſt, und ſelbſt ſeine Perſon wird ein Gegenſtand ſeiner Verzierung, ſo ſeltſam ſie auch zuweilen, bey der Rohigkeit ſeines Gefuͤhls, ausfaͤllt. Es iſt faſt keine ungebildete Voͤlkerſchaft, bey welcher ſich nicht dieſe Neigung zur Verſchoͤne - rung ihres Eigenthums auf irgend eine Weiſe aͤußern ſollte. Und ſind nicht die Woh - nungen ein ſehr wichtiger Theil unſerer Beduͤrfniſſe? Ein Menſch, der ordentlich zu denken und zu empfinden gewohnt iſt, und ſich in einer ruhigen Verfaſſung befin - det, macht es ſich gerne zum Geſchaͤfte, ſeine Wohnung vor Verfall und Unſauber - keit zu bewahren, ſie bequem und angenehm einzurichten, und den umliegenden Platz auszuſchmuͤcken.

2. Wohl -161einzelner Theile eines Landſitzes.

2.

Wohl angelegte Doͤrfer gehoͤren zu den wohlthaͤtigſten Verſchoͤnerungen eines Landes, und ihr Anblick iſt ſo anziehend, ſo erheiternd, daß aufgeklaͤrte Reiſende ſie immer mit einem beſondern Vergnuͤgen zu bemerken pflegen. Zwar ſind ſie noch nicht ſo allgemein oder ſo zahlreich in den europaͤiſchen Reichen, als ein Menſchen - freund wuͤnſchen moͤchte; indeſſen giebt es hin und wieder doch ſchon ſchaͤtzbare Mu - ſter, die zur Nachahmung anleiten koͤnnen.

Die ſchoͤnſten Doͤrfer, die ich in Deutſchland gefunden, find die Maynzi - ſchen an den Ufern und in der Nachbarſchaft des Mayns und des Rheins. Sie ſind faſt durchgaͤngig mit Ziegeln gedeckt, und fallen in der Ferne ſo lebhaft und freundlich ins Auge, daß die Landſchaft mit einer Menge kleiner Staͤdte beſaͤet ſcheint. Sie ſind groß und geraͤumig gebauet, und haben vollkommen das Anſehen der Rein - lichkeit und des Wohlſtandes. Einige genießen an den Ufern des Mayns eine rei - zende Lage. Verſchiedene Haͤuſer ſind anmuthig mit Weinranken uͤberzogen. Bey allen Doͤrfern aber erblickt man große Umpflanzungen von Obſtbaͤumen; man faͤhrt zuweilen durch ganze Waͤlder von ihnen hin. Die Straßen, die durch ſie fuͤhren, ſind ſo reinlich, daß manche kleine fuͤrſtliche Reſidenzen ihnen weichen muͤſſen, und hin und wleder mit vielen Obſtbaͤumen beſetzt, die einen Reichthum von Fruͤchten geben. Man ſieht ganze Gefilde in einen Garten verwandelt, wo Erbſen, Bohnen, verſchiedene Kohlarten, Gurken u. ſ. w. in langen Strecken angepflanzt ſind, zwi - ſchen welchen Obſtbaͤume zerſtreut ſtehen, die ſo wenig hier, als in den mit Korn be - ſaͤeten Flaͤchen, dem Fortkommen der unter ihnen angebaueten Gewaͤchſe ſchaden, wie der Augenſchein lehrt. Nichts aber iſt einnehmender, als die Lage und Schoͤnheit der Doͤrfer am Rhein, indem man von Maynz nach Coblenz auf dem Strom hinunterfaͤhrt. Man fragt jeden Augenblick nach dem Namen des Staͤdtchens, und hoͤrt es ein Dorf nennen. Die Wohnungen ſind alle ſo ſchoͤn ge - bauet, ſo rein und einladend von Anſehen, mit graulichem und blaͤulichem Schiefer gedeckt, mit heitern Fenſtern und weißen Waͤnden, ſo nahe am Waſſer, daß ſie darinn ihren Wiederſchein mit einem maleriſchen Reiz verbreiten.

Die meiſten Doͤrfer in Schwaben ſind nach Sulzers Bemerkung, die ich ſelbſt richtig befunden, gegen die ſaͤchſiſchen und brandenburgiſchen, Staͤdte, und die Bauerhaͤuſer beynahe Pallaͤſte in Vergleichung der elenden Huͤtten in Nie - derdeutſchland. Das Landvolk iſt auch, je weiter man nach der ſuͤdlichen Graͤnze von Deutſchland koͤmmt, verſtaͤndiger, arbeitſamer, gerader und ehrlicher, auch weit beſſer gekleidet, als in den andern Provinzen.

V Band. XDieſe162Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

Dieſe Beobachtung gilt auch von dem Elſaß. Die Doͤrfer ſind ſehr gut ge - bauet, voll geſunder und heitrer Geſichter, die den gluͤcklichſten Nationalcharakter ankuͤndigen. Gewiß, um nichts anders wuͤrde ich, wenn Koͤnige zu beneiden waͤ - ren, den Koͤnig von Frankreich beneiden, als um dieſes ſchoͤne Land, und um dieſe gutartigen, aufgeklaͤrten, offenen und froͤhlichen Menſchen in Elſaß. Ueberall um die Doͤrfer ein Boden, den die Natur nicht fruchtbarer liefern kann; weite bis auf jeden Fleck angebauete Ebenen; Obſt, Wein, Gemuͤſe in reizendem Ueberfluß; ein uͤberaus mildes und gluͤckliches Klima. Ueberall Spuren des Fleißes, des Wohlſtandes und ſelbſt des Reichthums; uͤberall Genuß des Eigenthums und Freude. Welch einen auffallenden Contraſt machen dagegen die Doͤrfer in den mei - ſten Provinzen von Frankreich! Armuth und Schmutz wohnt faſt uͤberall bey dem Landmann in ſeinen elenden Huͤtten; ſie liegen gemeiniglich ganz kahl da, ohne Garten, ohne Baum; und man weiß hier wenig von dem angenehmen laͤndlichen Anſehen, das in andern Laͤndern die Doͤrfer von den waldigten Umhuͤllungen der Obſtbaͤume erhalten, woraus die Daͤcher hervorragen.

Wenn wohl angelegte Doͤrfer ſchon in den Ebenen ſo reizende Gegenſtaͤnde ſind, wie viel mehr muͤſſen ſie an den Abhaͤngen der Gebirge, auf lieblichen Hoͤhen und zwiſchen ſanften ſich wellenfoͤrmig fortwindenden Thaͤlern gewinnen. Durch dieſe neuen Schoͤnheiten der Lage heben ſie ſich in der Schweiz. Der bald erhabene, bald romantiſche, bald ſanftreizende Charakter dieſer Landſchaften bildet die ſchoͤnſten Gemaͤlde, die nur irgend das Auge des Reiſenden entzuͤcken, und den Geiſt des Landſchaftmalers zur Nachbildung auffordern koͤnnen. Und zu dieſen ſo erhebenden, ſo uͤberraſchenden und belebenden Wirkungen der Lagen, geſellen ſich noch die heitern Vorſtellungen von der Gluͤckſeligkeit dieſes Landvolks durch Freyheit und Eigenthum und faſt arcadiſche Hirtenſitten, durch Geſundheit und Muth, und durch die aus - nehmende Schoͤnheit des andern Geſchlechts. Kein Reiſender gieng aus der Schweiz, ohne den lebhafteſten Eindruck von dieſem ſeltenen Reiz ihrer Land - wohnungen. Man ſehe einige Gemaͤlde davon. Hier zuvoͤrderſt eins von den Ufern am Thunerſee. An dem einen Ufer, ſchreibt de Luͤc*)Phyſiſchmoraliſche Briefe uͤber die Berge ꝛc. S. 56 u. f., erheben ſich große Felſen, die den Grund zum ſchoͤnſten Amphitheater ausmachen. Es iſt nur ein einziger Blick noͤthig, um zu ſehen, was fuͤr herrliche Viehweiden ihn bedecken. Durch die Menge von Doͤrfern und Huͤtten, die darauf geſaͤet ſind, und zwar bis zu einer erſtaunlichen Hoͤhe hinauf, kann man von der Guͤte derſelben urthei - len. Man koͤnnte aus allen den auf dem Berge herum zerſtreut liegenden Haͤuſern eine ziemlich große Stadt machen, deren Einwohner nicht nur ſelbſt von ihremLande163einzelner Theile eines Landſitzes. Lande leben, ſondern auch noch den umliegenden Staͤdten davon mittheilen. Die Einrichtung der Lage dieſer Doͤrfer ſcheint faſt zu einer Erquickung fuͤr das Auge gemacht zu ſeyn. Der ganze Boden iſt dem Anſehen nach voll tiefer Furchen von den Baͤchen und Waſſern, die von der Hoͤhe des Berges herabkommen, und von dem, das ſich durch den Regen ſammelt. Die Baͤume ſcheinen ſich in die Vertie - ſungen gefluͤchtet zu haben, die Haͤuſer hingegen liegen an den hoͤchſten Oertern. Jedes dieſer Haͤuſer hat ſeinen kleinen Garten neben ſich, und zuweilen ſeinen Baumgarten, der mit Pfaͤhlen eingeſchloſſen iſt. Die Doͤrfer ſind an die Oerter hin gebauet, wo das meiſte Waſſer iſt, und auch ſtehen da die groͤßten Baͤume; zwiſchen dieſen Baͤumen erblickt man die Strohdaͤcher oder zuweilen blos die Kirch - thuͤrme. In der Entfernung, wo wir waren, konnte das Auge alles zuſammen auf einmal faſſen; und die Oberflaͤche des Sees, der eben war, wie ein Spiegel, warf dieſes Gemaͤlde ſo deutlich und klar zuruͤck, daß man in Verſuchung geweſen ſeyn wuͤrde zu zweifeln, daß das eine nur ein Wiederſchein ſey, wenn es nicht Stuͤck vor Stuͤck das andere enthalten haͤtte, und dann dabey auf dem Kopfe ſtand. Bald kamen wir in ein Thal hinab, und erfreuten uns an der Schoͤnheit der Obſtgaͤrten, an dem vorzuͤglichen Anſehen der Erdfruͤchte, an der Nettigkeit der Haͤuſer, und vornehmlich an der gluͤcklichen Sicherheit der Einwohner, die gar keine Gefahr dabey fuͤrchten, einen großen Theil ihrer Erndten unter dem Schutz bloßer Daͤcher um ihre Wohnungen her zu bewahren. Je naͤher man gegen Zuͤrch kommt, bemerkt Sulzer*)Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa S. 390., deſto lebhafter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤuſern be - ſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr, als Wohnungen des Landmanns, anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlſtand, ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤuſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die laͤngſt an beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte habe ich Landvolk ange - troffen, dem man den Wohlſtand und ſogar den Ueberfluß deutlicher angeſehen haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zuͤrch herum, wenigſtens auf eine Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu einer der herrlichſten, die man ſich in der Einbildungskraft vorſtellen kann. Das ganze Land von Appenzell, erzaͤhlt Coxe**)Briefe uͤber die Schweiz. Aus dem Engl. S. 28 u. f., iſt, die nackten Felſen ausgenommen, in der That ein einziges zuſammenhaͤngendes Dorf, ein ſchoͤner Hof dicht an dem andern; und dieß ſtellt den allerliebſten Anblick dar, den man ſich nur er - ſinnen kann. Jeder Hof hat ſein kleines Gebiete, das gemeiniglich aus einemX 2oder164Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungoder zwey Stuͤcken ſchoͤnen Wieſengrundes beſteht, und haͤufig mit Fruchtbaͤu - men umkraͤnzt iſt. Wir traten in einige Haͤuſer, die alle von Holz gebauet ſind. Reinlichkeit und Gemaͤchlichkeit ſind die Hauptabſicht der Beſitzer, und die erſte leuchtet uͤberall ſo ftark hervor, daß es mir ein merkwuͤrdiger Beweis iſt, wie viel dies Volk auf dieſes weſentliche Erforderniß haͤlt. Die ununter - drochene Kette bebaueter Berge, die haͤufig mit Gehoͤlz bedeckt und mit Hoͤfen uͤber und uͤber beſetzt iſt, ſtellt eine unbeſchreiblich ſchoͤne Landſchaft dar; und dieſe Landwohnungen liegen alle auf ihrem ganz eigenen Fleckchen, als wenn es ihnen der Genius des Geſchmacks ausgeſucht haͤtte, um ihnen die vortrefflichſte Wirkung zu geben. Man ſieht, daß ſie ſo vielen einzeln von einander unab - haͤngigen Familien zugehoͤren, die doch ſo geſellig, als unabhaͤngig, und nur zu der Behauptung der gemeinſchaftlichen Freyheit verbunden find. Der groͤßte Theil der Einwohner iſt noch der urſpruͤnglichen Einfalt des Hirtenlebens ge - treu. Dieſe Schilderungen ſind von verſchiedenen Beobachtern und aus ver - ſchiedenen Gegenſtaͤnden der Schweiz ausgehoben; ich finde darinn eben die Beodachtungen, die ich an dieſen Oertern ſelbſt zu machen das Vergnuͤgen ge - habt. Eben dieſe Anmuthigkeit der Lagen, eben dieſe Reinlichkeit und Bequem - lichkeit der Landwohnungen, eben dieſer Wohlſtand ihrer Eigenthuͤmer iſt durch alle Kantons ausgebreitet, und dazu koͤmmt, daß das ganze Land faſt nichts als einen großen zuſammenhangenden Obſtgarten darſtellt, der in vielen Gegen - den mit den reichſten Weinbergen abwechſelt. Mancher Edelmann in Deutſch - land hat keine ſo gute, nette und anmuthige Wohnung, als der Bauer in der Schweiz. Die meiſten Dorfhaͤuſer ſind mit einem großen Vordach verſehen, das weit uͤber den Grund des Gebaͤudes hervorragt, und Schnee, Regen und Wind abhaͤlt. Die Landwohnungen im Kanton Bern unterſcheiden ſich durch eine eigenthuͤmliche Bauart, wie dieſe Vorſtellung zeigt.

Entfernt165einzelner Theile eines Landſitzes.
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Entfernt vom eiteln Land der muͤhſamen Geſchaͤfte, Wohnt hier der Seele Ruh und flieht der Staͤdte Rauch.
v. Haller.
166Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

Um Florenz ſind die Wohnungen der Landleute weit netter und bequemer, als in irgend einem Theil von Italien. Das ganze Land umher iſt in kleine Pach - tungen vertheilt, und jede mit einem artigen Landhauſe verſehen. Die Landleute haben ein geſundes und froͤhliches Anſehen. Die natuͤrliche Schoͤnheit der Baͤue - rinnen wird weder durch Schmutz noch durch Elend verunſtaltet; ihr Haar iſt auf eine anſtaͤndige Art geordnet und mit Blumen geziert; und auf der Scheitel ein klei - ner Strohhut befeſtigt. Auch die Gegend von Mayland, die von ausnehmen - der Schoͤnheit und Fruchtbarkeit iſt, faͤllt, nach Sulzers*)S. 324. Beobachtung, wie ein einziger unermeßlicher Luſtgarten ins Auge. Alle Felder tragen außer dem Getraide auch Wein, der aber nur in der Hoͤhe uͤber dem Acker gezogen wird, und Maul - beerbaͤume, die auf den Aeckern zerſtreut ſtehen. Die Doͤrfer ſind groß und ſchoͤn, die Bauerhaͤuſer weitlaͤuftig, an weiten mit Wirthſchaftsgebaͤuden umgebenen Hoͤ - fen, und durchgehends maſſiv und gut gebaut.

Die Doͤrfer in Holland ſind wegen ihrer Reinlichkeit und Anmuth bekannt. Die wohlgebaueten Haͤuſer ſind angenehm umpflanzt; faſt ein jedes hat einen Gar - ten, den der Landmann ungemein ſorgfaͤltig unterhaͤlt. Die Maler des Landes ha - ben uns Ausſichten von Doͤrfern geliefert, die bloße Nachbildungen ſind, und doch ſo ſehr einnehmen, als wenn ſie von einer verſchoͤnernden Phantaſie ausgefuͤhrt waͤ - ren. Man hat hin und wieder die hollaͤndiſche Bauart und Einrichtung der Doͤr - fer in andern Laͤndern nachgeahmt. In der Nachbarſchaft von Wien z. B. iſt ein ſchoͤnes Dorf, Thereſienfeld in dieſem Geſchmack angelegt; die Haͤuſer ſind alle von einem Stockwerk; jedes iſt umkraͤnzt von einem umzaͤunten Garten.

Man kann leicht denken, daß es in England, wo der Geiſt der Verſchoͤne - rung ſich ſchon ſo weit verbreitet hat, an reizenden Doͤrfern nicht fehlt. Young**)Reiſen durch die oͤſtlichen Provinzen von England 4 Th. S. 69. ruͤhmt beſonders die Gegend von Rye bis Hawkhurſt in Suſſex, wo der Weg, funfzehn (engl.) Meilen, uͤber Huͤgel und Thaͤler, und unter der Ausſicht uͤber ſehr angenehme waldigte Gegenden, durch viele Doͤrfer und bey einzelnen Haͤuſern vorbey - fuͤhrt. Dieſe Landwohnungen ſind artig gebauet und haben ein reinliches Anſehen. Die kleinen Gaͤrten ſind wohl unterhalten und mit Zaͤunen eingefaßt. Viele Waͤnde ſind geweißt, und ſo gar die Taubenhaͤuſer mit Ziegeln gedeckt, ſehr reinlich und feſt gebauet. Alles verraͤth wohlhabende Einwohner. Es iſt ein angenehmer und beruhigender Anblick, hier Zufriedenheit und Froͤhlichkeit in Huͤtten wohnen zu ſe. hen.167einzelner Theile eines Landſitzes. hen. Gluͤckliches Volk! Aus ſeinen Augen ſtrahlt Vergnuͤgen, und Geſundheit wohnt auf ſeinen Wangen. Eine ſolche gezierte Landſchaft iſt in der That ſchoͤn zu nennen; jeder Beſitzer eines Landguts koͤnnte auf dieſe Weiſe dem Reiſenden einen angenehmen Anblick verſchaffen. Arbeitſame Britten ſollten alle ſo leben; unter - ſtuͤtzten die Geſetze die geſegneten Umſtaͤnde, in welche die Vorſehung England ge - ſetzt hat, beſſer, dann koͤnnten alle ſo leben.

3.

Ein Dorf iſt ein ſchicklicher Gegenſtand in jeder Gegend, die fruchtbar oder auch des Anbaues faͤhig iſt, uͤberall, wo ein Zweig der Landeultur wirkſam werden, und fleißige Arbeiter naͤhren kann. Der erſte Landmann baute ſich ohne Zweifel mitten in ſeinem Felde an, ſo wie der erſte Gaͤrtner an der Stelle, wo er ſeine ganze Gartenflur uͤberſehen konnte. Dieſe urſpruͤngliche Einrichtung iſt der Ordnung ge - maͤß, und ſehr vortheilhaft. Die Naͤhe der Wohnung, die eine unmittelbare Ver - bindung mit dem Felde, den Wieſen und dem uͤbrigen Landeigenthum des Beſitzers hat, erleichtert die Ueberſicht ſowohl, als die Arbeit und die Einfuͤhrung der Fruͤchte, beſchaͤftigt immer ſein Auge und ſeinen Geiſt mit der Vorſtellung ſeines Berufs, er - ſpart viel Zeit und unnuͤtze Muͤhe. Der beſtaͤndige Anblick erhaͤlt nicht blos ſeine Wachſamkeit rege, ſondern leitet auch ſehr natuͤrlich auf mancherley Verbeſſerung des Feldes und Vervielfaͤltigung ſeiner Vortheile. Die angebaueten Stellen in den unfruchtbaren Gegenden der Alpen und der apenniniſchen Gebirge zeigen, wie nuͤtzlich es iſt, wenn der Landmann ſein Land in der Nachbarſchaft ſeiner Wohnung hat. Die roͤmiſchen Doͤrfer ſtellten die Haͤuſer, wie in Staͤdten, dicht neben ein - ander; die alten Germanier aber baueten kluͤger ſie mehr aus einander, und gaben jeder Wohnung geraͤumige Plaͤtze. Noch jetzt herrſcht in der Schweiz die Ein - richtung, daß, ob ſie gleich zuſammengebauete Doͤrfer hat, doch in den meiſten Gegenden die Landwohnungen von einander abgeſondert, jede mit ihrem Eigenthum von Land und Fruͤchten umgeben, liegen. Auch in den Provinzen von England, die am beſten angebauet ſind, ſieht man eben dieſe Einrichtung. Die Zuſammen - draͤngung der Bauerhuͤtten mag zwar die Geſelligkeit befoͤrdern und Huͤlfsleiſtungen in der Noth erleichtern. Allein ſie vermehrt auch die Gefahr bey entſtehendem Feuer ſowohl, als bey anſteckenden Krankheiten, veranlaßt mehr Zerſtreuung und Muͤßiggang, mehr Anhaͤufung der Unreinlichkeit, zumal bey der Vieh - zucht. Wie ruhig und gemaͤchlich lebt nicht dagegen der Landmann in abgeſon - derten Wohnungen, ganz in dem Schooß ſeiner Familie, ganz ſeinen Geſchaͤf - ten und dem Genuß ſeines haͤuslichen Gluͤcks uͤberlaſſen, rings um ihn her ſeinFeld,168Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungFeld, ſeine Wieſen, ſein Weinberg, ſeine Milchkuͤhe, ſeine Schaafe, ſeine Ziegen, ſein ganzes belebtes und unbelebtes Eigenthum! Wie einnehmend faͤllt nicht eine ſolche Lage, ein kleines, aber vollſtaͤndiges Gemaͤlde von menſchli - cher Gluͤckſeligkeit, ins Auge! Sie erleichtert zugleich die Verſchoͤnerung des Platzes um die Wohnung mit umher gepflanzten Gruppen von Fruchtbaͤumen und mit geraͤumigern Gaͤrten, in deren Anlage der Landmann hier freyere Wahl gewinnt.

Die Bauart der Wohnung richtet ſich nach ihrer Beſtimmung. Sie dient dem Landmanne und ſeiner Familie zum Aufenthalt, und muß ſeiner Lebensart, ſeinen Geſchaͤften und Beduͤrfniſſen, die verſchiedene Abſtufungen leiden, gemaͤß eingerichtet ſeyn. Auch auf das Klima und auf die beſondre Lage muß bey der Einrichtung Ruͤckſicht genommen werden. Mit der Bequemlichkeit und Rein - lichkeit des Innern muß ſich ein gefaͤlliges und munteres aͤußeres Anſehen verei - nigen. Die Scheune und der Stall werden, wo es ſeyn kann, als beſondere Gebaͤude hinter der eigentlichen Wohnung aufgefuͤhrt und von ihr abgeſondert, aber nicht weit entfernt.

Geſundes und reines Waſſer iſt ſowohl in Doͤrfern, als auch bey einzelnen Landwohnungen, ein unentbehrliches Beduͤrfniß. Jedes Haus muß ſeinen Brun - nen im Hofe, oder ſein Waſſerbehaͤltniß zum haͤuslichen Gebrauch und zur Traͤn - kung der Thiere in der Naͤhe haben; plaͤtſchert eine laufende Trinkquelle unter dem Schatten hoher Baͤume vor der Thuͤre, ſo geſellt ſich zugleich die Anmuth zu dem Nutzen. Die Schweiz hat wegen ihrer vielen Baͤche und Quellen, die uͤberall von den Bergen ſich ergießen, von dieſer Seite einen beneidenswer - then Vorzug. Faſt jede Landwohnung hat ihren Springbrunnen, der zuweilen artig verziert iſt, und den ablaufenden Ueberfluß ſeines Waſſers einen Bach bil - den laͤßt, der ſich zwiſchen den benachbarten Huͤtten hinſchlaͤngelt, ſich verſtaͤrkt und anmuthig fortrauſcht, oft mit umhergepflanzten Baͤumen verſchoͤnert. Flieſ - ſende Baͤche oder kleine Arme von Fluͤſſen ſind in mancher Ruͤckſicht ein ſo wich - tiges Beduͤrfniß fuͤr Doͤrfer, daß man, ſo weit es nur andere Umſtaͤnde ver - ſtatten, ſie ſuchen, in ihrer Naͤhe hinbauen, oder ſie herbeyleiten ſollte. Sie geben zugleich die anmuthigſte Verſchoͤnerung, rauſchen Leben und Vergnuͤgen daher, nehmen laͤndliche Bruͤcken auf, waͤſſern die Pflanzungen, und bieten Gaͤnſen und Enten ihre geliebte Waſſerfahrt an.

Die Huͤtten des Landmanns koͤnnen keine anſtaͤndigere und ſchoͤnere Ver - zierung ihres naͤchſten Bezirks haben, als wohl unterhaltene Gemuͤsgaͤrten undFrucht -169einzelner Theile eines Landſitzes. Fruchtbaumgaͤrten. Sie verſorgen ihn mit ſchmackhafter und geſunder Nahrung, und zuweilen mit einem Ueberfluß zum vortheilhaften Landhandel. Allein ſie ver - anlaſſen auch die angenehmſten Beſchaͤftigungen, und wenn er im Herbſt den Reichthum der Fruͤchte ſeines Gartens einſammelt, ſo feyert er mit ſeinen Haus - genoſſen ein Feſt, das die reinſte Freude gewaͤhrt, weil es ein Feſt der Natur iſt. Auch wenn in Feyerabenden das Landvolk hin und her unter ſeinen Frucht - baͤumen zerſtreut ruhet, oder ſich mit Geſang und Spiel und Tanz ergoͤtzt, ſo ſtellt dieß eine der heiterſten Landſcenen dar, die an die Gluͤckſeligkeit des erſten Weltalters wieder erinnert. Wie reizend eine Gegend durch Gartenanbau wer - den kann, das zeigen, außer ſo vielen andern Beyſpielen, die ſogenannten Vierlande bey Hamburg. Ueberall lacht Fruchtbarkeit und Cultur dem Auge entgegen. Man reiſet faſt durch lauter Gaͤrten, oder durch Felder, die garten - maͤßig bearbeitet ſind; und uͤberall erblickt man in ihnen die Beſitzer mit einer gluͤcklichen Emſigkeit verbreitet. Die Gaͤrten wechſeln mit fruchtbaren Kornflu - ren, die mit einzelnen Baͤumen oder ſchoͤnen Baumklumpen abgetheilt ſind, mit Wieſen, mit Viehgruppen, die halb im hohen Graſe verſteckt ſind, mit Doͤr - fern und mit abgeſonderten Landwohnungen ab. Die Gaͤrten ſind voll Kuͤchen - gewaͤchſe, beſonders voll großer, ſchoͤner und ſchmackhafter Erdbeeren, die hier in einer erſtaunlichen Menge gewonnen werden, voll Kirſchbaͤume und andern Obſtgattungen. Der Verkauf der Erdbeeren und Kirſchen iſt ungemein betraͤcht - lich. Die Lage zum Abſatz iſt nicht weniger vortheilhaft, als der Fleiß dieſer Landleute gluͤcklich iſt. Sie verkaufen nach Hamburg, und ſenden den andern Ueberfluß nach den luͤneburgiſchen Sandgegenden. Die geſunden und froͤhli - chen Landmaͤdchen begruͤßen den Reiſenden, indem ſie ihnen die angenehmſten Geſchenke der Natur, Blumen, Erdbeeren und Kirſchen, anbieten. Man genießt recht gluͤckliche Stunden, wenn man durch dieſe geſegneten Gefilde faͤhrt.

Die gruͤnen Einzaͤunungen der verſchiedenen Grundſtuͤcke, um die Doͤrfer oder einzelnen Landwohnungen her, tragen nicht wenig zur Verſchoͤnerung des Lan - des bey, dem ſie ein lachendes Anſehen geben. Sie erregen zugleich die Vor - ſtellung von beſtimmtem Eigenthum und von Aufhebung der Gemeinheiten; ſie ſetzen die Fluren gegen die Verwuͤſtungen des Windes und des Sandes mehr in Sicherheit; ſie verſtatten Viehweiden ohne Huͤtung, eine beſſere Benutzung des Duͤngers und eine groͤßere Befruchtung des Landes; ſie koͤnnen ſelbſt in ei - nigen Gegenden von mancherley Fruchtſtraͤuchern angelegt und dadurch noch nuͤtz - licher werden.

V Band. YDie170Achter Abſchnitt. Gaͤrtenmaͤßige Verſchoͤnerung

Die ſchoͤnſten Lagen der Doͤrfer und abgeſonderten Landwohnungen ſind auf maͤßigen Anhoͤhen und ſanften Abhaͤngen, zwiſchen abwechſelnd fortlaufenden Huͤgeln, an dem Uſer eines Fluſſes, oder eines klaren Sees, der den Gebaͤu - den den Spiegel lieblicher Wiederſcheine darbietet, oder den die nahen Bepflanzun - gen mit einer gruͤnen Schattirung bekraͤnzen.

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Gruppen von Fruchtbaͤumen geben jeder laͤndlichen Huͤtte ein maleriſches An - ſehen. Auch kann ein Dorf mit gemeinſchaftlichen, großen und wohl verzierten Brunnen, bey welchen das Vieh ſich zur Traͤnke verſammelt, und mit freyen Plaͤ - tzen unter hohen ſchattenreichen Baͤumen verſchoͤnert werden, wo die Jugend ihre Taͤnze und Spiele haͤlt, und die Alten ſich umher auf Baͤnken und Raſenſitzen zu zu muntern Erzaͤhlungen lagern. Auf dieſen Plaͤtzen koͤnnten auch hie und da ein - fache Saͤulen oder behauene Feldſteine mit dem Namen und zum Andenken ſolcher Landleute errichtet ſtehen, die ſich um ihr Dorf durch eine ſeltene oder merkwuͤrdige Handlung verdient gemacht. Wer das Dorf von einer großen Feuergefahr oder ei - nem ſeiner Nachbarn das Leben gerettet, wer zur beſſern Erziehung der Jugend vonſeinem171einzelner Theile eines Landſitzes. ſeinem eigenen Vermoͤgen eine kleine Stiftung angelegt, wer eine neue gemeinnuͤtzige Erfindung in irgend einem Theil der Landwirthſchaft gemacht, der ſollte hier ſein Ehrendenkmal haben, bey welchem vielleicht noch ſpaͤt

Die Jugend ſteht erſtaunt und zeigt in den Geberden
Die edle Ungeduld, noch loͤblicher zu werden
*)v. Haller.
*).

Der Tag der Errichtung eines ſolchen Denkmals muͤßte ein oͤffentliches Feſt fuͤr das ganze Dorf ſeyn. Alte und Junge hielten in ihrem beſten Schmuck einen feyer - lichen Aufzug zu dem Platze hin. Der aͤlteſte und wuͤrdigſte Greis traͤte hervor mit einer kurzen und kunſtloſen Lobrede auf den Mann, deſſen Ehre dieſer Tag gehoͤrte, und mit einer Aufmunterung zu aͤhnlichen Tugenden. Die naͤchſten Verwandten des Ehreumannes haͤtten bey dieſem Feſt den Vorgang in der ganzen Verſammlung. Man erfreute ſich zuletzt bey einer oͤffentlichen laͤndlichen Mahlzeit, und die Jugend duͤrfte ſich am Abend mit Taͤnzen unter der Aufſicht der Aelteſten des Dorfs ergoͤtzen. Sollte eine ſolche Veranſtaltung nicht zur Nachahmung edler Handlungen wirkſam ſeyn?

Uebrigens laſſen ſich leicht in den Doͤrfern kleine Verſchoͤnerungen anbringen, die ihr Anſehen haben. Die Zwiſchenraͤume der Wohnungen duͤrfen nur mit Baum - gruppen, oder mit Gebuͤſchen von fruchttragenden Straͤuchern gefuͤllt werden, ſo wird ſogleich das Ganze ſich beſſer verbinden und ſich ſchoͤner ausnehmen, als eine lange unbedeutende Reihe von Haͤuſern. Auch die Kirche kann, wenn ſie auf einer kleinen Hoͤhe liegt und von einigen Baͤumen umgeben iſt, in der Ferne mit ihrem Thurm einen angenehmen Proſpect bilden. Ekelhafte Gegenſtaͤnde laſſen ſich durch geringe Pflanzungen verſtecken. Ein ſchoͤner ſchattender Baum, eine einzige wohl - gebauete Bank vor dem Eingange der Wohnung giebt ſchon eine angenehme Veraͤn - derung. Ein weißer Anwurf der Waͤnde, ein geraͤumiges helles Fenſter, oder eine nette Thuͤre hebt ſchon die Vorderſeite, und laͤßt eine gute Verfaſſung des Innern erwarten. Alle dieſe kleinen Verzierungen, die in der Wirkung des Ganzen zuſam - men doch wichtig werden, kann der Beſitzer leicht und ohne Aufwand machen; ſie han - gen blos von einer geringen Aufmerkſamkeit ab, die er auf ſein Eigenthum wendet.

4.

Aber in ſo manchen Laͤndern, wo noch Sclaverey und, ihre Mittyranninn, die Armuth den Landmann druͤckt, iſt, anſtatt aller Verſchoͤnerung, nur Befreyung von Elend zu empfehlen. Und was iſt die Leibeigenſchaft, worunter der gute und nuͤtzliche Landbewohner hie und da noch ſeufzet, anders als Sclaverey, oder Berau - bung ſeiner natuͤrlichen Freyheit? Wenn er ſeinen Aufenthalt nicht nach Willkuͤhr veraͤndern; ſich nicht nach ſeiner Neigung verheirathen darf; wenn ſeine Kinder mitY 2allen172Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungaͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße, oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt: was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey?

Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In England herrſcht mehr buͤrgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Daͤnnemark mehr, als in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig iſt weniger Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland. Eben ſo hat die Leibeigenſchaft des Landmanns ihre Abfaͤlle; ſie war in Boͤhmen grauſam; in Niederſachſen iſt ſie ertraͤglich, durch Menſchenliebe oder doch durch die Aufmerkſamkeit der Regierung gemildert. Indeſſen ſo laͤſtig auch die Unterhal - tung der Leibeigenen fuͤr manchen Gutsbeſitzer ſeyn mag, ſo iſt doch die duͤrftige Er - naͤhrung kein Erſatz fuͤr das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Ausſicht, an einer andern Stelle von ſeinen Kraͤften Gebrauch zu machen, und ſich ein beſſeres Gluͤck zu ſchaffen, iſt fuͤr ihn auf ewig verſchloſſen. Alle Talente ſeiner Soͤhne zu Kuͤnſten und andern nuͤtzlichen Gewerben in der buͤrgerlichen Geſellſchaft gab ihnen die Natur vergebens; ſie duͤrfen nicht ausgehen, zu lernen, ſie ſind an die Lebensart, an den Pflug ihres Vaters gefeſſelt.

Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten wird? Hat man bey dieſem Einwurf ſie denn alle in der That befragt? Und keiner ſollte in der That Freyheit wollen? So waͤre dieß eben die ſchrecklichſte Wir - kung der Leibeigenſchaft, daß ſie alles Gefuͤhl fuͤr das edelſte Gut erſtickt, daß ſie die unempfindlichſte Traͤgheit zur andern Natur macht, daß ſie den maͤchtigen Trieb des ordentlich denkenden Menſchen, ſich eine Beſitzung zu erwerben und davon freyen Ge - brauch zu machen, uͤberwaͤltigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenſchaft iſt, daß ſie den Menſchen durch Beraubung aller natuͤrlichen Empfindlichkeit ſo tief erniedrigt, daß er ſelbſt ſeine Feſſeln liebt, wer wagt es denn noch ſie zu vertheidigen?

Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge - ben. Wo iſt der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigſte Parthey iſt? Was kann die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menſchen anders ſeyn, als Misbrauch der Gewalt des Maͤchtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine ſtillſchweigende Genehmigung der Landesfuͤrſten Beſtand gehabt? Der Deſpotiſmus unterdruͤcken - der Fuͤrſten uͤber Voͤlker, ſagt Herr von Sonnenfels*)Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von Retzer. 8. Wien. S. 12 14. 1782., iſt ein Greuel; aber dergreulich -173einzelner Theile eines Landſitzes. greulichſte, der unertraͤglichſte Deſpotismus iſt der, welchen Buͤrger uͤber ihre Mit - buͤrger ausuͤben. Das war die Leibeigenſchaft, dieſer Schandfleck der Verfaſſung, worin ſie geduldet wird, die Schande der ſich ſo nennenden Rechtswiſſenſchaft, welche den Menſchen zur Sache herabkluͤgelte, die Schande der Vernunft, welche zur Ver - theidigung ihrer Rechtmaͤßigkeit Scheingruͤnde erſann. Nie hat die wehrloſe Schwach - heit der Staͤrke ein Recht uͤber ſich zu einem andern Endzwecke, als zu ihrem Schutze, zu ihrem Beſten, anvertrauen wollen, anvertrauen koͤnnen. Und nie iſt ein Zu - trauen ſchaͤndlicher gemisbraucht worden, als da man das Schutzrecht in Herrenrecht verwandelte, und Geſchoͤpfe, die aus der Hand der Natur, auf gleichen Wegen, mit gleichen Kraͤften des Koͤrpers, mit gleichen Faͤhigkeiten des Geiſtes ausgeruͤſtet kommen, zum Eigenthum ihrer Mitgeſchoͤpfe abwuͤrdigte. Wie, um aller Ver - nunft willen, haͤtten Menſchen, auch zum Schutze ihres Lebens, dasjenige jemals veraͤußern wollen, das des Lebens groͤßten, einzigen Werth ausmacht? Wie konn - ten einige tauſend geſunde, arbeitſame, ruͤſtige Menſchen jemals das Eigenthum eines von ſchwachen Aeltern gebornen, durch Muͤßiggang und Wolluͤſte entnervten, unbeholfenen Schwaͤchlings werden? Oder eines geinfelten Moͤnchen, deſſen Ab - geordneter den arbeitſamen Hausvater heute mit Ungeſtuͤm vor der Thuͤre zur Frohne herauspocht, vor der nur noch geſtern einer ſeiner Ordensgenoſſen demuͤthig um Nah - rungsmittel gebettelt hatte? Aber indeſſen die Philoſophie ein ſo widerſinniges, em - poͤrendes Paradox mit der entſchiedenen Uebermacht der ſiegenden Wahrheit bekaͤm - pfet, indeſſen Academien Preiſe fuͤr den ausfuͤhrbarſten Vorſchlag beſtimmen: wie der ſeufzenden Menſchheit dieſes Joch abgenommen werden koͤnne; thut es Joſeph. So loͤſet die erhabene Menſchenliebe eines Geſetzgebers und ſein Muth, ſich durch die Beſorgniſſe, die der Eigennutz erhebt, nicht irre machen zu laſſen, mit einem Wort die verwickeltſten Aufgaben der Academien. Joſeph hob die ſchreckliche Leibei - genſchaft in Boͤhmen auf. Joſeph ließ durch das ganze oͤſterreichiſche Pohlen die Verordnung ergehen, daß die Bauern, die bisher fuͤnf bis ſechs Tage der Woche zu Frohndienſten verwenden mußten, ſie nur drey Tage zu leiſten haͤtten; fuͤr ihre Kinder ließ er Schulen anlegen; und ſo fieng er an, ſie durch mehr Freyheit und Unterricht aus der Barbarey zu reißen. Alle Menſchenfreunde in ſeinen Staaten und außer ihnen vereinigten ihre Freude mit dem Entzuͤcken ſeiner befreyten und be - gluͤckten Unterthanen.

Aber, wird vielleicht geſagt, man kann doch die Verfaſſung ertraͤglich machen, ohne ſie aufzuheben. Allein iſt Ertraͤglichkeit eine Verbeſſerung des Ganzen? Iſt ſie nicht von der Geſinnung der Gutsbeſitzer abhaͤngig, und daher eben ſo wandelbar, als dieſe? Es iſt wahr, die zuſaͤllige Menſchenliebe des Be -Y 3ſitzers174Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungſitzers kann den Zuſtand ſeiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich. Aber wenn die Menſchenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfaſſung ſelbſt, die ein Uebel iſt?

Ihre ploͤtzliche Aufhebung wuͤrde vielleicht in den meiſten Faͤllen eben ſo wenig eine Wohlthat fuͤr den Leibeigenen ſeyn, als wenn man einen Vogel, der vom Neſte an Jahre hindurch im Bauer geſeſſen, auf einmal in freye Luft fliegen laͤßt. Sie erfordert, um nicht eine groͤßere Verwirrung zu veranlaſſen, eine gewiſſe Vorbereitung und Klug - heit in der Ausfuͤhrung. Allein eben dadurch leidet ihre Ausfuͤhrbarkeit ſelbſt nichts. Daß ſie eine genaue Ueberlegung und Benutzung der mancherley Verhaͤltniſſe und oͤrt - lichen Umſtaͤnde, die dabey vorkommen, verlangt, iſt der Natur der Sache ſehr gemaͤß. Und außerdem lehren ſchon ſo manche Vorgaͤnge, wie die Ausfuͤhrung vorbereitet und ausgefuͤhrt werden kann. Ihre Wirkung iſt nicht allein die Wiedereinſetzung der Men - ſchen in ihre natuͤrlichen Rechte, ſondern auch die Verbeſſerung der Guͤter ſelbſt und die Vermehrung ihrer Einkuͤnfte. Man frage nach in den Laͤndern, wo keine Leibeigen - ſchaft war, oder wo ſie aufgehoben ward; man ſehe jetzt in Daͤnnemark den Ertrag der Guͤter, wo dieſe Verbeſſerung eingefuͤhrt iſt. Die Erfahrung entſcheidet, und laͤßt keinem Einwurf Platz. Ueberall ſind die herrlichen Fruͤchte dieſer Veraͤnderung ſichtbar, auf der Seite des Herrn mehr Bequemlichkeit, mehr Verbeſſerung ſeiner Guͤter, mehr Einkuͤnfte; auf der Seite des Volks mehr Muth, mehr Arbeitſamkeit, mehr Aufklaͤrung, mehr Trieb zur buͤrgerlichen Tugend, mehr Vermoͤgen zur Be - ſtreitung der Abgaben, mehr Familien und mehr Wohlſtand fuͤr ſie. Bey ſolchen wichtigen Verbeſſerungen wird man nicht mehr aͤhnliche laͤcherliche Fragen wiederho - len, wie dieſe: wo nehmen wir Kaͤſe und Butter her, wenn in Niederſachſen die Leibeigenſchaft aufgehoben wuͤrde? Fehlen denn etwa dieſe Beduͤrfniſſe in Holland und in der Schweiz? Wenn das Vorurtheil der Gewohnheit oder des uͤbel unterrich - teten Eigennutzes nach und nach verſchwindet, ſo wird das, was zunaͤchſt ein Gegen - ſtand der Gerechtigkeit und der Menſchenliebe iſt, zugleich als ein Gegenſtand der Klug - heit betrachtet werden, und eine hie und da noch verſchloſſene Quelle wahrer buͤrgerlicher Gluͤckſeligkeit ſich zu ergießen anfangen.

Sollten denn einſt die ſchoͤnen Tage anbrechen, wo der Landmann uͤberall durch Frey - heit und Eigenthum zu den gluͤcklichen Gefuͤhlen der Menſchheit ſich erheben duͤrfte; ſo wuͤr - de die Verachtung oder Geringſchaͤtzung der Doͤrfer aufhoͤren, und der Weiſe mit mehr Vergnuͤgen ſeine Wohnung mitten unter den Bebauern des Feldes aufſchlagen. Er wuͤr - de nuͤtzlichen Unterricht und geſellige Neigungen unter ihnen verbreiten; durch ſeinen Um - gang den Sieg uͤber ſchaͤdliche Vorurtheile ſich erleichtern; durch ſeine Anleitung die Quel - len der Zufriedenheit des Lebens eroͤffnen. Gerne wuͤrden ſie den Freund aufnehmen, derſich175einzelner Theile eines Landſitzes. ſich unter ihnen niedergelaſſen, gerne den Weiſen hoͤren, der es nicht verſchmaͤhte, unter ihnen zu leben. Das Schauſpiel wohl angebaueter Felder und nuͤtzlicher Landgaͤrten, die ſich unter ſeinen Augen vermehrten, wuͤrde ihn taͤglich mit den angenehmſten Empfin - dungen unterhalten, und der Geſchmack an den Freuden der Natur ſich durch den Mitge - nuß des Gluͤcks zufriedener Menſchen erhoͤhen. So fand ich in der Schweiz nicht allein Staatsmaͤnner und Helden vom erſten Range, die zur Ruhe des Privatlebens zuruͤckge - kehrt waren, ſondern auch philoſophiſche Prinzen in mittelmaͤßigen, blos bequemen Land - haͤuſern, mitten unter den Huͤtten der gluͤcklichen Mitgenoſſen der Freyheit, wohnen.

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VII. Land -176Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung

VII. Landſtraße.

1.

Nichts kuͤndigt lebhafter die Cultur eines Landes und den weiſen Geiſt ſeiner Re - glerung an, als wohl angelegte Landſtraßen. Aber auch ihr gaͤnzlicher Man - gel faͤllt dem gemeinſten Begriff von oͤffentlicher Ordnung ſchon ſo ſehr auf, daß da - durch ein nachtheiliger Schluß auf Landesherren und Obrigkeiten faſt unvermeidlich wird. Es iſt nicht genug, daß gute Landſtraßen die Verbindung unter den verſchie - denen Theilen eines Reichs erleichtern, daß ſie das Reiſen und den Handel befoͤrdern, daß ſie die Schoͤnheit ſowohl der Staͤdte als auch der Provinzen erhoͤhen. Sie ſind ſelbſt unentbehrlich, um ganze Voͤlker vor Wildheit und Barbarey zu bewahren, um ihre Unterwuͤrfigkeit unter dem Willen der Geſetze zu erleichtern, um den Gang der Gerechtigkeit zu beſchleunigen, um die wohlthaͤtigen Wirkungen des geſellſchaftlichen Lebens und um gegenſeitige Nothhuͤlfe zu befoͤrdern.

Kein Volk hat jemals auf die Einrichtung ſeiner Landſtraßen mehr Thaͤtigkeit bewieſen, als die Roͤmer, die keine Art von großen und gemeinnuͤtzigen Unterneh - mungen unterließen. Bey der ungeheuern Groͤße dieſes Reichs befoͤrderten die Land - ſtraßen nicht blos die Bequemlichkeit der Reiſenden, die aus allen Laͤndern nach Rom ſtroͤmten, ſondern auch die Maͤrſche der Armeen und die ſchnelle Verbreitung der Verordnungen der Regierung. Man ſah die Anlegung oder Verbeſſerung der Heer - ſtraßen als ein ſo großes Verdienſt an, daß der Senat deswegen dem Auguſt, dem Veſpaſian und dem Trajan Ehrenpforten errichtete. Die roͤmiſchen Heerſtraßen erſtreckten ſich von den aͤußerſten abendlaͤndiſchen Gegenden von Europa und Africa bis in klein Aſien. Sie hatten eine Laͤnge von 1500 bis 1600 Meilen, und in dieſer Laͤnge liefen ſie von Rom an gerechnet fuͤnf und zwanzigmal durch das Reich. Man gieng durch Seen und Moraͤſte, man durchbrach Berge und Felſen, um den Heerſtraßen, ſo viel geſchehen konnte, den kuͤrzeſten und geradeſten Fortlauf zu ge - ben. Jede Meile war mit einer Saͤule bemerkt. Dieſe Meilenſaͤulen waren bald rund, bald viereckigt, bald von einer andern Figur; acht bis neun Fuß hoch; und ſtanden auf kleinen Fußgeſtellen. Sie hatten Aufſchriften, welche die Meilenzahl der Entfernung von Rom anzeigten, oft zugleich als Denkmaͤler zum Ruhm der Wohlthaͤter, welche die Straße anlegen laſſen, errichtet waren. Neben den Mei - lenſaͤulen pflegten die Roͤmer noch andere Steine hinzuſetzen, die wie Stufen oder kleine Fußgeſtelle ausgehauen waren, und zum Ausruhen fuͤr muͤde Fußgaͤnger und zum Aufſteigen der Reitenden dienten. Sie verſchoͤnerten außerdem die Seiten derLand -177einzelner Theile eines Landſitzes. Landſtraßen mit Tempeln, mit Luſthaͤuſern, mit Graͤnzbildern, mit Grabmaͤlern, mit Ehrenſaͤulen und andern Arten von Denkzeichen des Verdienſtes, wodurch der Reiſende angehalten und nuͤtzlich beſchaͤftigt ward. Die großen Heerſtraßen oder koͤnig - lichen Wege waren ſechszig Fuß breit, da hingegen die Zwiſchenwege, die ſeitwaͤrts nach Staͤdten und Doͤrfern abliefen, eine geringere Breite hatten.

In den neuern Zeiten hat man in verſchiedenen Laͤndern den Vortheil guter Landſtraßen zu ſchaͤtzen gewußt. Beweiſe davon ſieht man in den Niederlanden, in England, in Frankreich, im Oeſterreichiſchen, in der Schweiz, im El - ſaß, in einem Theil von Schwaben, in der Pfalz, im Heſſiſchen, im Han - noͤverſchen und in Seeland. Allein eine ſo wichtige Anſtalt iſt in Europa, ſelbſt in den Reichen, wo man ihren Nutzen einſieht, noch lange nicht ſo ausgebreitet, als ſie zu ſeyn verdient; und in vielen Provinzen, ſogar in Deutſchland, iſt noch keine Spur ihres Anfangs anzutreffen. Indeſſen ſteigt vielleicht aus dem, was ge - than iſt, ein Geiſt der Aufmunterung fuͤr die bisher noch vernachlaͤßigten Gegen - den empor.

2.

Da der Bau der Landſtraßen, ihre Feſtigkeit und Bequemlichkeit in Werken von einem andern Inhalt, als dieſes, gelehrt wird, ſo ſchraͤnken wir uns blos auf Bemerkungen ein, die ihre Verſchoͤnerung betreffen. Von dieſer Seite iſt noch weniger gethan. Alleen in einigen Gegenden, Meilenzeiger, Kapellen, Bildniſſe und Kreuze iſt faſt die ganze Verſchoͤnerung der meiſten neuern Landſtraßen.

Von der Bepflanzung reden wir nachher. Die Meilenzeiger ſind in vielen Gegenden kleine Feldſteine, die ſo eben uͤber dem Boden emporragen, und die kaum der Reiſende bemerkt; in andern ſind ſie Pfaͤhle von Holz und ganz roh gearbeitet, oft mit etwas Roth, das ſich hiezu ſo wenig ſchickt, uͤberſtrichen, oft als ein halber Galgen gebildet, der an die wahren Henkersplaͤtze erinnert, dieſe ſcheuslichſte Ver - zierung, womit die Barbarey zuweilen noch die Landſtraßen verunſtaltet. Ein Mei - lenzeiger, deſſen urſpruͤngliche Beſtimmung zwar nur Bezeichnung iſt, ſollte doch, vor den Augen des Volks und der Fremden aufgeſtellt, ſich durch etwas mehr Wuͤrde der Materie oder der Bearbeitung unterſcheiden. Was iſt leichter, als einem Meilenzeiger eine ſeiner Beſtimmung angemeſſene Bildung zu geben? Auf den ſchoͤnen Landſtraßen in Seeland beſtehen ſie aus edlen Saͤulen von ganz weißem oder blaͤulichweißem nordiſchen Marmor, mit welcher Farbe ſie noch in der Daͤmmerung ſchimmern; ſie haben alle eine ſchickliche Form und Verzierung; ſie zeigen, ſelbſt durch die Verſchiedenheit ihrer Hoͤhe, bald die halbe, bald die ganze Meile an, die zu - ruͤckgelegt iſt. Auch die Wegweiſer an den Landſtraßen koͤnnten ſelbſt noch einenV Band. ZTheil178Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungTheil von Verſchoͤnerung gewinnen, ob ſie gleich zunaͤchſt nur Gegenſtaͤnde der Noth - wendigkeit ſind. Ihre gewoͤhnliche galgenfoͤrmige Geſtalt oder ihre Verkuͤnſtelung in abgebrochene Menſchenarme und verſtuͤmmelte Zeigefinger ſind einem empfindli - chen Auge anſtoͤßig. Waͤre es nicht eben ſo leicht, ihnen eine edlere Form zu geben? Und wuͤrden nicht, wenn ſie von Stein gebildet waͤren, die Namen der Oerter ſich deutlicher erhalten, als auf Holz, worauf Luft und Witterung ſo bald alles ausloͤ - ſchen? Man koͤnnte ſie ſelbſt noch durch abwechſelnde Inſchriften kurzer Wuͤnſche fuͤr den Reiſenden intereſſant machen.

Die Kapellen oder Bethaͤuſer, die Bildniſſe der Heiligen, die Kreuze, die man in Laͤndern der roͤmiſchen Kirche ſo oft an den Seiten der Landſtraßen erblickt, ſind, wenn ſie nur nicht zu gehaͤuft erſcheinen, als oͤffentliche Erinnerungszeichen der An - dacht immer ehrwuͤrdig, ob ſie gleich mehr in die Kirchen und ihre umliegenden Plaͤtze hingehoͤren. Es iſt immer ein ruͤhrender Anblick, wenn man den armen frommen Wanderer bey ihnen verweilen, knien, und ſich Schutz und Verſorgung auf den Verfolg ſeiner Reiſe erflehen ſieht. Der erfriſchte Muth, womit er den neuen Be - ſchwerlichkeiten ſeines Weges entgegeneilt, war doch des Verweilens, des Gebets bey dieſen Denkmaͤlern werth.

Allein es giebt doch, außer dem Bezirk der Religionsbegriffe, wichtige Gegen - ſtaͤnde der Moral oder des Nationalintereſſe, wovon Sinnbilder und Denkmaͤler an den Seiten der Landſtraßen ſchicklich ſeyn koͤnnen. Sehr unrecht verweiſen wir Grab - maͤler mit unterrichtenden Bildern und Inſchriften an abgelegene Oerter, wohin niemand gerne koͤmmt; die Alten, die ſie an ihren Heerſtraßen anlegten, wußten ſelbſt noch die letzten Ueberbleibſel der Sterblichkeit lehrreich zu machen. In beſon - dern Faͤllen laſſen ſich allerdings noch jetzt Grabmaͤler an dem Rande oder in der Ge - gend der Landſtraßen errichten; nur muͤßte es ſeltener und mit weiſer Wahl geſche - hen. Weniger bedenklich ſind immer an Landſtraßen andre Denkmaͤler des Verdien - ſtes von einer ausgebreiteten und oͤffentlichen Wohlthaͤtigkeit; Denkmaͤler der Frey - gebigkeit gegen das Volk, der großmuͤthigen Errettung, des Muths und des Sieges. Ein Landesherr, der ſeinem Lande gute Landſtraßen und Reinigung von Raͤuberban - den ſchenkt, verdient hier ſchon eine Saͤule, die das Andenken dieſer Wohlthaten erhaͤlt. Eine oͤffentliche Herberge, ein vor Wind und Hitze beſchirmter Ruheplatz, ein Brunnen am Wege kann hier als ein verdienſtliches Werk mit einer lehrreichen Inſchrift bezeichnet werden. Wichtige Nationalbegebenheiten haben noch ein ſtaͤr - keres Intereſſe ſelbſt fuͤr den reiſenden Fremden; denn ihre Denkmaͤler leiten ihn doch in die Geſchichte des Landes zuruͤck, worinn er ſich befindet, und bald iſt ſein Geiſt mit andern Zeiten, mit Thaten, mit Charakteren und Sitten beſchaͤftigt. Plaͤtzemerkwuͤr -179einzelner Theile eines Landſitzes. merkwuͤrdiger Nationalverſammlungen, wichtiger Entſcheidungen durch Vergleiche oder durch den Ausſchlag der Waffen, leere verlaſſene Oerter, wo vormals eine Stadt bluͤhete, oder ein Beſchuͤtzer ſeiner Voͤlkerſchaft wohnte, Gegenden, wo ein beruͤhmter Held blutete, koͤnnen, wenn die Landſtraße ſie beruͤhrt, verſchoͤnert durch Denkmaͤler, die den Begebenheiten angemeſſen ſind, dem Reiſenden eine uͤberaus nuͤtzliche Unterhaltung gewaͤhren.

Einige ſchoͤne Denkmaͤler dieſer Art ſieht man in der Schweiz. Dahin ge - hoͤrt beſonders das Beinhaus bey Murten im Kanton Bern, das ganz nahe am Wege liegt. Es hat die Form einer Kapelle, worinn die Gebeine des Heers, das der maͤchtige Herzog Carl von Burgund hier in einer Schlacht mit den ſiegenden Schweizern verlor, geſammelt ſind. Die Kapelle hat an den Seiten uͤberall Oeff - nungen, durch welche man dieſe traurigen Ueberbleibſel von zehntauſend Erſchlagenen erblickt, eine ſehr ruͤhrende Scene! Hallers Inſchrift ruft den vorbeyreiſenden Schweizer an, ſich hier der Tugenden ſeiner tapfern Vaͤter zu erinnern.

Steh ſtill, Helvetier! hier liegt das kuͤhne Heer,
Vor welchem Luͤttich fiel und Frankreichs Thron erbebte.
Nicht deiner Ahnen Stahl, nicht kuͤnſtliches Gewehr,
Die Eintracht ſchlug den Feind, die ihren Arm belebte.
Lernt, Bruͤder, eure Macht: ſie liegt in eurer Treu;
O wuͤrde ſie noch jetzt bey jedem Leſer neu!

Außer den reichen Gallerien helvetiſcher Nationalgemaͤlde, die ſich auf der langen bedeckten Kapellbruͤcke zu Lucern befinden, iſt nicht weniger ſchaͤtzbar Tells Kapelle an dem Vierwaldſtaͤdterſee. Sie ſteht an dem Orte, wo dieſer erſte Held der Schweizer von dem Schiffe, worinn er gefangen weggefuͤhrt werden ſollte, ans Land ſprang und den unwegſamen Berg erſtieg, wodurch er ſich und nachher durch die Folgen ſeiner Thaten das ganze Land in Freyheit ſetzte. Das Gebaͤude, das den Namen einer Kapelle fuͤhrt, iſt ein kleiner offener Tempel, der dieſem Helden der Freyheit errichtet iſt. Er iſt gegen den See zu nur mit einem hoͤlzernen Gelaͤnder ver - ſchloſſen, das jeder eroͤffnen kann. In der Mitte ſteht ein Altar, wo alle Jahr an einem beſtimmten Tage zum Andenken der erworbenen Freyheit eine Predigt oder Meſſe gehalten wird. An den Mauern inwendig ſieht man Gemaͤlde, welche die Thaten des Tell vorſtellen. Der Eintritt in dieſes Gebaͤude, das, wenn ſeine Lage nicht von dem Orte der Begebenheit abhaͤngig waͤre, in einer mehr beſuchten Gegend zu ſtehen verdiente, fuͤllt jeden Reiſenden mit der Bewunderung der merkwuͤrdigen Thaten, wodurch ein geringes und armes Volk gegen alle Beſtrebungen einer tyran -Z 2niſchen180Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungniſchen Macht ſich hier ſeine Freyheit errang, die nun ſchon ſeit mehrern Jahrhun - derten unerſchuͤttert ſteht, gleich dem ehrwuͤrdigen hohen Felſen des Axenberges, der ſich hinter der Kapelle uͤber die Wolken erhebt.

Wie intereſſant und edel ſind nicht ſolche Verſchoͤnerungen der Landſtraßen! Und wie verabſcheuungswuͤrdig iſt nicht dagegen ihre noch in ſo vielen Laͤndern ge - woͤhnliche Verunſtaltung durch Galgen und andre Richtplaͤtze! Kann denn die Ge - rechtigkeit nicht die Schelme ſchrecken, ohne die Empfindung ehrlicher Leute zu em - poͤren, und, zuweilen mitten in einer paradieſiſchen Gegend, die Einbildungskraft des Reiſenden zu martern und auf ſeinen ganzen Weg zu verfolgen? Iſt es denn ſo gleichguͤltig, tauſend rechtſchaffene Einwohner und Fremde mit dem ſcheuslichſten, oft unerwarteten Schauſpiel zu quaͤlen, blos um Einen Schurken ſcheu zu machen? Und wird der Zweck erreicht? Macht nicht die Gewohnheit den Eindruck allmaͤlig immer ſchwaͤcher? Denkt wohl der Verbrecher bey der That an Galgen und Rad, an dieſe Schreckbilder der Gerechtigkeit, die er fuͤrchten ſoll? Oder denkt er nicht vielmehr an Geſchicklichkeit und Gelegenheit, gluͤcklich zu entwiſchen? Wird nicht noch immer auf eben den Landſtraßen, wo dieſe Blutgeruͤſte drohen, gepluͤndert und gemordet? Eine wachſame Polizey in den Doͤrfern ſowohl, als in den Staͤdten, wird gewiß mehr wirken, als dieſe Schreckbilder. Anſtatt die Landſtraßen und die ſchoͤnſten Huͤgel und Ausſichten ſo zu verunſtalten, wuͤrde ich rathen, die Gerichts - plaͤtze in dunklen ſcheuslichen Abgruͤnden, in oͤden waldigten Vertieſungen, von rau - hen Felſen und ſchwarzen Tannen eingeſchloſſen, wo die Eule ihre Klagen in das Geſchrey der Raubvoͤgel miſcht, wo Finſterniß, Einſamkeit und Wildheit die Ein - bildungskraft ſchrecken, anzulegen. In ſolchen von der Wohnung der Redlichen abgeſonderten, verlaſſenen und greulichen Einoͤden, deren bloßer Anblick ſchon Furcht und Entſetzen erregt, moͤchte die Gerechtigkeit, wenn ſie nicht anders kann, ihre ſchrecklichen Opfer vollziehen. Wo der Galgen an den Landſtraßen blos ein andres Gebiet oder Graͤnze bezeichnen ſoll, wozu jede Saͤule ſich beſſer ſchicken wuͤrde, da weiß ich nicht, was man von einem Herrn denken ſoll, der nur zu zeigen ſuchet, daß er kann haͤngen laſſen.

Edler iſt es, oͤffentliche Denkmaͤler der Wohlthaͤtigkeit, als der Gerechtigkeit, aufzuſtellen. Wie edel waͤre es nicht, z. B. wenn die Landpolizey bedacht waͤre, uͤberall an den Landſtraßen, wo ſich rinnende Quellen zeigen, fuͤr die Wohlthat ihrer Erhaltung zu ſorgen! In oͤden Gegenden, wo keine Wirthshaͤuſer ſind, oder wo ſie doch keine Labung fuͤr den ſchmachtenden Reiſenden enthalten, wuͤrde eine wohl unterhaltene Quelle am Wege gewiß ein ſehr verdienſtliches Werk ſeyn. Man koͤnnte durch irgend eine Art von Bezeichnung den Vorbeyreiſenden dahin winken undihn181einzelner Theile eines Landſitzes. ihn menſchenfreundlich einladen, hier ſeinen Durſt zu ſtillen; ein Sitz an der erfri - ſchenden Stelle und der Schatten einiger Baͤume, die Kuͤhlung uͤber ſie herabſaͤn - ſelten, wuͤrden nicht vergebens Erquickung anbieten. Die Sorge fuͤr die oͤffentli - chen Trinkquellen an den Landſtraßen waͤre dem naͤchſten Beamten oder Dorf aufzu - tragen. Wie oft wuͤrde der arme Wanderer nicht ſeinen ruͤhrenden Dank wieder - holen, und was fuͤr einen edlen Begriff von dem Geiſt der Regierung eines ſolchen Landes wuͤrden nicht die Reiſenden mit ſich nehmen!

3.

Die uͤbrigen Verſchoͤnerungen der Landſtraßen beſtehen in der Bepflanzung und in den Ausſichten. Die erſte iſt mehr ein Werk des Fleißes, die andre mehr ein Geſchenk der Natur.

Nothwendigkeit des Schattens und Anmuth empfehlen die Bepflanzung der Landſtraßen; nur darf dieſe keine zu dichte Beſchattung geben, die das Durchſtreichen der Luft und das Austrocknen des Weges hindere. In ſeuchten Gegenden muß uͤberhaupt die Baumpflanzung ſparſamer ſeyn. Auch ſollte man die Auswahl der Baͤume mehr nach der Beſchaffenheit des Bodens beſtimmen; der oͤftere Mangel dieſer Sorgfalt veranlaßt ſo manche verungluͤckte Anpflanzung. Man hat an ver - ſchiedenen Orten in Deutſchland die Bepflanzung der Wege aus dem oͤkonomiſchen Grunde vorgeſchlagen, den Holzmangel zu erſetzen. Allein da die oͤftere Umhauung und Wiederanpflanzung der Baͤume, wenn ſie nicht etwa zu dicht ſtehen, viele Un - bequemlichkeit hat, ſo lange man die Seiten der Landſtraßen alleenweiſe mit einer einfachen Reihe beſetzt; ſo wuͤrde dieſer erwartete Holzgewinn nur alsdann etwas er - heblich werden, wenn man anſehnliche Gruppen, wo ſich leichter aushauen und wieder nachpflanzen laͤßt, anlegen wollte. Das bloße Kappen der Weiden und andrer Baͤume giebt doch nur einen wenig betraͤchtlichen Vorrath von Brennholz, giebt Verunſtaltung fuͤr das Auge und Mangel an Schatten.

Die gemeine Baumverſtutzerey, die noch hie und da den Gartenknechten ver - ſtattet wird, iſt eben ſo wenig bey den Baͤumen an den Landſtraßen, als in den Gaͤrten, zu dulden. Hier darf ich wohl eine Erinnerung, die ich an einem andern Orte*)Im Gartenkalender auf 1783. S. 215 u. f. uͤber dieſe unſinnige Mode der Baumverſtuͤmmelung gegeben, wieder an - fuͤhren, weil ſie Leuten, die noch immer blind an den alten Vorurtheilen hangen, nicht oft genug geſagt werden kann. Was iſt ſchoͤner, als die freye Rundung der Roßkaſtanie und der praͤchtige Umfang der Linde, dieſer beyden gewoͤhnlichen Alleen - baͤume, die uns ſo die Natur erzieht? Was erfreuender, als die majeſtaͤtiſche Woͤlbung der hohen Laubdecken dieſer Baͤume, worunter Schatten, Kuͤhlung undZ 3Ruhe182Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungRuhe wohnen, ſo lange die freche Hand des Verſtuͤmmlers ſie verſchont? Und was beweiſet mehr Unſinn, als dieſe waldigten Gipfel, die von frohen Saͤngern be - wohnt in der Luft zu wallen beſtimmt waren, zu kahlen Pfaͤhlen herabzukappen, oder ſie in Kegel, Faͤchel und andre kindiſche Figuren zu verunſtalten? Gleichwohl ſieht man dieſe oͤffentlichen Deukmaͤler einer nicht blos albernen, ſondern auch aͤrger - lichen Baumverſtutzerey noch in ſo vielen Gaͤrten, noch in ſo vielen Zugaͤngen zu großen Staͤdten. Vergebens ſagt man, daß dieſes unaufhoͤrliche Verſtutzen und Verſchneiden den Wachsthum der Baͤume befoͤrdere. Das iſt Wahn, den nur der Blinde haben kann. Seht den Wuchs, die Hoͤhe, die Staͤrke der Waldbaͤume, die keine Scheere beruͤhrt; ſeht die Linden und andre Gartenbaͤume, die hie und da in den Doͤrfern ſtehen. Alle beſchaͤmen ſie eure Baͤume, die immer kraͤnkeln, ſo lange ihr ſie in dem Wachsthum unterbrecht, wozu die Natur ſie treibt. Nicht we - niger gegen Natur und Erfahrung iſt der Wahn, der fruͤhern Schatten von der ge - woͤhnlichen Baumverſtutzerey erwartet. Wie kann der Baum bald Schatten geben, der immer verwundet, immer zerſtuͤmmelt, immer in ſeinem Wachsthum geſtoͤrt wird? Und wenn ihr, wie uͤberall gewoͤhnlich iſt, die Außenzweige wegſtutzt, was thut ihr anders, als daß ihr auf beyden Seiten mehr Sonne in eure Allee ruft? Koͤnnt ihr gegen das Zeugniß der Augen glauben, daß die inwendige Seite des Baums in dem Grade zunehme, wie ihr die auswendige vernichtet? Koͤnnt ihr es mit Vernunft verſuchen, die Triebe anders zu lenken, als die Natur des Baums will? Wollt ihr verlangen, daß die Sonne immer in einerley Richtung, gerade uͤber euerm Haupte, ſtehen bleibe? Oder daß ſie die Gipfel, die ihr zu einer ebe - nen Flaͤche geſchoren, und an Laubwerk verduͤnnt habt, weniger mit ihren Strahlen durchbreche?

Man hat, um die Wegebepflanzungen nutzbar zu machen, ſchon lange in vie - len Gegenden Fruchtbaͤume dazu gewaͤhlt, als Aepfel -, Birnen -, Pflaumen -, Kir - ſchen -, Wallnuß - und Kaſtanien - Baͤume. Beyſpiele von ſolchen Bepflanzungen mit Obſtbaͤumen ſieht man auch in verſchiedenen Provinzen von Deutſchland, und der Schweiz; eines der ſchoͤnſten iſt die beruͤhmte Bergſtraße in der Pfalz. Allein die Beſetzung oͤffentlicher Landſtraßen mit Obſtbaͤumen, ſo reizend ihr Anblick zur Zeit der Bluͤthe und der Fruͤchte iſt, hat doch ihre Unbequemlichkeit. Die Be - pflanzung koſtet viel, wo keine große Baumſchulen gehalten werden. Die Baͤume verderben leicht, da ſie ſelten hier die noͤthige Reinigung von Moos, von Auslaͤufern und wilden Schoͤßlingen erhalten. Sie geben auch, zum Theil des langſamen Wuchſes wegen, ſpaͤter Schatten, als manche wilde Staͤmme. Und endlich wer - den die Fruͤchte oft unreif abgeriſſen, und ſchaffen Niemanden wahren Nutzen. Al -lein183einzelner Theile eines Landſitzes. lein fuͤr kleine Landwege in den Ritterguͤtern, zumal in der Nachbarſchaft des Wohn - hauſes, iſt die Bepflanzung mit Obſtbaͤumen mehr anzurathen. Soll ſie auf oͤffentlichen Landſtraßen mit dem Gewinn der Fruͤchte erweitert werden; ſo muͤßte es in Gegenden ſeyn, wo Doͤrfer liegen, deren Bewohner ſich in den Ertrag der Baͤume theilten und durch das gemeinſchaftliche Intereſſe zur Aufſicht belebt wuͤrden. Frey - lich wird in Laͤndern, wo Baumfruͤchte nicht zu den Seltenheiten der Naturproducte gehoͤren, weniger von den Obſtbaͤumen an den Landſtraßen geraubt, oder der Raub weniger geachtet; man darf hier nicht einmal Raub nennen, was durch eine Art von Uebereinkunft oder durch Gebrauch ein erlaubter Genuß iſt; der voruͤberziehende durſtige Fremdling nimmt vor den Augen des Eigenthuͤmers etwas Obſt, ohne einen Vorwurf zu fuͤrchten.

Von den wilden Staͤmmen empfehlen ſich zur Bepflanzung der Landſtraßen beſonders ſolche Baͤume, die geſchwind wachſen und eine reiche Beſchattung geben, als die weiße, die gemeine ſchwarze und die italiaͤniſche Pappel, die Roßkaſtanie, die Linde, der nordamericaniſche Platanus, und andere. Weiden, ſo nuͤtzlich ſie auch dem Landmann ſind, haben als Verzierung der Landſtraßen ein zu duͤrftiges Anſehen, und geben zu wenig Schatten. Man koͤnnte mit dieſen und andern Baͤumen ab - wechſeln, weil die gewoͤhnliche Manier, immer einerley auf einander folgen zu laſ - ſen, eben ſo ermuͤdend iſt, als die gerade Linie, worinn ſie erſcheinen. Die ſchwar - zen Pappeln, beſonders die italiaͤniſche, nehmen ſich faſt am ſchoͤnſten an dem Rande der Landſtraßen aus. Ihr gerader und hoher Wuchs, ihr leichtes und ſchwan - kendes Anſehen, ihre immer beweglichen, rauſchenden und reichen Laubkronen, das ſchoͤne Gruͤn und die lange Dauer ihrer Blaͤtter, alle dieſe Eigenſchaften vereinigen ſich zu einem reizenden Anblick; ſie verbreiten Leben umher, und haben ſelbſt etwas Geſellſchaftliches. Eine ungemein anmuthige Straße, mit dieſer Art von Pappeln beſetzt, laͤuft von Durlach nach Carlsruhe. Auch die Zitterefpe gefaͤllt dem Auge durch das immer ſcherzhafte Spiel ihres Laubes, und die weiße Pappel giebt, indem ſie die ſchimmernde Seite ihrer Blaͤtter zeigt und wieder umwendet, einen maleriſchen Anblick. Auf der Straße von Savigliano nach Turin befanden ſich, nach Sulzers*)Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa im Jahr 1775 1776. Leipzig 1780. S. 290. Bemerkung, die vortrefflichſten weißen Pappeln, die er jemals ſah. Sie thun eine bewundernswuͤrdige Wirkung auf das Auge. Da ſie etwas dicht an einander gepflanzt ſind, etwa acht Fuß aus einander, voͤllig gerade und gleich hoch, graulich weiße Staͤmme und hohe dichtgewachſene Kronen haben, ſo glaubte er ſich in einer mit natuͤrlichen Saͤulen umgebenen Halle oder einem Saͤulen -gang184Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerunggang zu befinden. Die Staͤmme ſind in der That ſo gerade, ſo glatt, von ſolchem Verhaͤltniß der Dicke gegen die Hoͤhe, und in ſolcher Weite aus einander, daß man ſie fuͤr Saͤulen halten kann. Da, wo etliche Reihen dieſer Baͤume neben einander ſtehen, bildet man ſich ein, in dem doppelten Periſtyl eines alten griechiſchen Tem - pels zu ſeyn. Niemals, ſetzt Sulzer hinzu, habe ich in Gaͤrten oder Luſtwaͤl - dern etwas geſehen, das einen ſo feyerlichen Eindruck auf mich gemacht haͤtte, als dieſe herrlichen Alleen von Pappeln.

So angenehm auch die Beſetzung der Landſtraßen mit Baͤumen auf beyden Seiten in gerader Linie iſt, ſo hat dieſe Art der Bepflanzung doch zwey Unbequem - lichkeiten: ſie ermuͤdet durch die Einfoͤrmigkeit, und ſie verſtecket oft die ſchoͤnſten Ausſichten. Man bemerkt, daß ſelbſt in der Bergſtraße ſich zuweilen die anmu - thigſten Landſchaftgemaͤlde hinter den waldigten Baͤumen verbergen. Die Bepflan - zung ſollte daher ſo eingerichtet werden, daß ſie immer einen ſchoͤnen Vorgrund zu den Landſchaften ausmachte. Und dazu ſind Gruppen mit perſpectiviſchen Oeffnun - gen die trefflichſten Mittel. Schlaͤngelt ſich die Straße mit langen freyen Kruͤm - mungen fort, ſo kann nichts reizender fuͤr das Auge ſeyn, als vor ſich auf die bald groͤßern, bald kleinern, bald naͤhern, bald entferntern Baumgruppen hinzuſchauen, die ſich mit den Wendungen des Weges dahinwinden. Und im Verfolg der Reiſe aͤndert ſich immer, mit jeder Fortſchreitung, die Ausſicht der Landſchaft. Die Gruppen ſind ſodann nicht mehr bloße Mittel der Beſchattung; ſie erhalten eine hoͤ - here Beſtimmung, indem ſie Geſichtspunkte werden, die den Reiz der Landſchaft in einzelnen verſchoͤnerten Gemaͤlden erſcheinen laſſen. Die Anlage der Gruppen iſt demnach in dieſem Fall allein dem Charakter der Landſchaft und ſeinen Wirkungen untergeordnet. Die großen Maſſen der Landſchaft muͤſſen in kleinern Partien ge - ſammelt werden, die das Auge nicht mehr zerſtreuen, ſondern es anhalten und be - ſchaͤftigen. Die abgeſonderten Theile muͤſſen in Richtungen und in Lichtern erſchei - nen, wodurch ſie einen neuen Reiz gewinnen. Sie muͤſſen eine Folge von nach und nach hervortretenden, immer abwechſelnden Gemaͤlden werden, die, durch die Abaͤn - derung der Vorgruͤnde, durch die verſchiedenen Miſchungen des Lichts und des Schattens, durch die Verſchmelzungen der Farben, doch der umliegenden Landſchaft, ſo ſehr ſie aus ihrer Maſſe hervorbrechen, nicht ganz zu gehoͤren ſcheinen. Eine Anlage von dieſer Kunſt wuͤrde nicht bloße Ergoͤtzung fuͤr das Auge, ſondern zu - gleich die feinſte Unterhaltung fuͤr den Geiſt geben. Allein ſo lange auch ſchon die Natur ſelbſt dahin winkte, ſo wenig ſcheint man doch bisher darauf geachtet zu haben.

Die185einzelner Theile eines Landſitzes.

Die Gruppen, die zum Gewinn ſchoͤnerer Landſchaftsgemaͤlde angelegt werden, koͤnnen wieder mit einer Pflanzung in gerader Linie abwechſeln, zumal an Stellen, wo keine Ausſicht lockt. Die Straße hat an ſich faſt keine andre Annehmlichkeit, als die aus ihrer Feſtigkeit und Bequemlichkeit zum Fortlauf der Reiſe entſpringt; die Gegenſtaͤnde, die ſie umgeben oder aus der Ferne erblickt werden, muͤſſen das Vergnuͤgen der Unterhaltung gewaͤhren. Daher die Unentbehrlichkeit freyer und mannichfaltiger Ausſichten, wenn die Landſtraße Anmuth haben ſoll. Wo rings - umher nichts das Auge ergoͤtzt, oder wo es von widrigen Anſichten beleidigt wird, da gewinnt eine gewoͤhnliche Allee doch ſchon wieder eine Wichtigkeit. Die immer fortſchreitende Heiterkeit offener Ausſichten blendet; ſie wird reizender, indem ſie mit Schatten und Verſchließung wechſelt.

Die Wendungen der Landſtraße werden zuweilen ſchon als nothwendig von der natuͤrlichen Beſchaffenheit des Bodens vorgeſchrieben. Kornfelder, Wieſen, Moraͤſte, Seen, Felſen erfordern oft eine Biegung, eine Kruͤmmung, ſelbſt einen laͤngern Umweg; allein uͤber kleine Anhoͤhen und Berge laͤuft zuweilen die gerade Landſtraße mit neuer Anmuth fort, und unterhaͤlt das Auge mit erweiterten Aus - ſichten. Eben die Kruͤmmungen der Landſtraße, die manchesmal unvermeidlich ſind, tragen nicht wenig zur Veredelung und Vervielfaͤltigung der Proſpecte bey; und ſie koͤnnen nach den Geſetzen des Geſchmacks oft eben ſo noͤthig werden, als nach dem Eigenſinn des Bodens. Eine immer gerade Straße hat freylich den Vorzug, daß ſie geſchwinder und bequemer zum Ziel bringt; allein ſie hat zugleich die langweilige Einfoͤrmigkeit der ununterbrochenen geraden Linie. Sie wird anmu - thiger durch unerwartete Kruͤmmungen und durch ploͤtzlich hervorbrechende Aus - ſichten, worauf die Wendungen leiten. Die geradelinigte Laͤnge der Landſtraßen iſt eben ſo ermuͤdend, als die gar zu große Breite unnuͤtz, fuͤr den Feldbau nachtheilig, und fuͤr den Reiſenden, dem ſie die Annehmlichkeit des Schattens raubt, beſchwerlich iſt. Außerdem iſt die erzwungene Geradigkeit eines betraͤchtlichen Weges ganz wider die Natur, und erfordert ſo manche uͤberfluͤſſige Koſten, die, wenn doch Aufwand geſchehen ſoll, weit gluͤcklicher auf wahre Verſchoͤnerungen gewendet werden koͤnnten. Die Landſtraße laufe demnach, wo ſie kann, eine gerade Strecke fort; allein ſie weigere ſich nicht, wo es die Lage verlangt, einen Umweg zu nehmen; ſie wende ſich vielmehr freywillig, wo ſchoͤnere Ausſichten reizen, in einer kleinen anmuthigen Irre herum. Es iſt nicht genug, Land zu ſehen; wo ſieht man das nicht? Der Reiſende verlangt Zeitverkuͤrzung auf dem einſamen Wege und Unterhaltung fuͤr das Auge. Er will nicht Land, ſondern Landſchaftgemaͤlde haben. Und dieſe gewinnt er zwar zuweilen durch die zufaͤllige Natur; aber der Geſchmack ſchafft ſieV Band. A aihm186Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerungihm durch die Richtungen des Weges und durch kluge Bepflanzung mit Baum - gruppen und Gebuͤſchen.

Wenn die Bepflanzung, anſtatt der Baͤume, mit Zaͤunen abwechſelt, ſo muͤſſen dieſe klein und niedrig gehalten werden, um weder der Luft den Zugang, noch dem Auge die Ausſicht zu verſchließen. Die mit Hecken eingeſchloſſenen Redder, oder enge eingezaͤunte Landſtraßen, die man in Niederſachſen ſo haͤufig findet, machen gerade das Gegentheil von dieſer Anmerkung. Sie ermuͤden durch beſtaͤn - dige Verſchließung, und verlaͤngern den Weg durch Langeweile. Indem die hohen Gebuͤſche der Sonne und den Winden den Eingang verſperren, ſo muͤſſen die Wege, zumal in einem ſo fetten Boden und unter einem ſo feuchten Klima, faſt immer unbrauchbar ſeyn. Sie ſind nicht mit der noͤthigen Erhoͤhung in der Mitte, wo - durch die Feuchtigkeit abfließen koͤnnte, angelegt, ſind bald ausgefahren, tief und voll Loͤcher. Verbeſſerungen werden ohne merklichen Nutzen verſchwendet, wenn die Urſachen der Verſchlimmerung nicht gehoben werden. Oft iſt das, was Ver - beſſerung ſeyn ſoll, nur Verſchlimmerung; dahin gehoͤrt die Ausfuͤllung der Tiefen mit Holz, das bald vermodert und die Loͤcher ſowohl durch das Ruͤtteln der Wagen, als auch durch ſeine Verweſung vergroͤßert. Eben dieſe Redder waren vormals geliebte Schlupfwinkel der Raͤuber. Und noch immer legt man ſie an, weil ſie von dem alten Vorurtheil, das fuͤr die Stimme der Vernunſt zu taub iſt, beguͤn - ſtigt werden.

Noch ſollte man auf Mittel ſinnen, Denkmaͤler und Baͤume an den Land - ſtraßen vor aller Verletzung der Bosheit oder des Muthwillens zu ſichern. Beſtra - fung von der Obrigkeit iſt zwar zum Theil von einiger Wirkung, aber immer ein trauriges und oft unzulaͤngliches Mittel. Wichtiger waͤre es, gerade auf die Den - kungsart des großen Haufens durch moraliſche Kraft zu wirken, und ihm eine ſo erhebende Meynung von ſolchen oͤffentlichen Gegenſtaͤnden einzufloͤßen, daß er ſie mit einer Art von Ehrfurcht fuͤr heilig anſehen lernte. Man muͤßte gleich bey der Erzie - hung der Jugend anfangen, und ſie fruͤhzeitig zur dankbaren Achtung gegen gemein - nuͤtzige Anſtalten gewoͤhnen. Die Prediger muͤßten dieſe Geſinnung durch Gruͤnde in ihrem oͤffentlichen Unterricht unterſtuͤtzen. Den muthwilligen Schaͤnder eines Baums oder eines Kunſtwerks muͤßte die Verachtung der Geſellſchaft verfolgen, ſein Name muͤßte in feyerlichen Zuſammenkuͤnften oͤffentlich genennet werden, als der Name eines Frevlers, der ſich an einem Heiligthum, das nicht ihm, das dem Publicum zugehoͤrt, vergriffen haͤtte. Ohne Zweifel waͤre die Vereinigung dieſer Mittel wirkſamer, als Beſtrafungen an Geld oder mit Gefaͤngniß. Anſtalten, die fuͤr die Sicherheit oder fuͤr das Vergnuͤgen der buͤrgerlichen Geſellſchaft gemacht ſind,mit187einzelner Theile eines Landſitzes. mit einer gewiſſen Ehrerbietung als unverletzbar betrachten, iſt eine eben ſo vortheil - hafte als weiſe Denkungsart. Der Tuͤrke haͤlt jeden Brunnen fuͤr heilig, der am Wege den durſtigen Wanderer erquicken kann. Und ſelbſt wilden Voͤlkern iſt jeder Platz, wo ſie ſich zu irgend einer wichtigen Handlung verſammeln, und jede Art ſeiner Auszierung ehrwuͤrdig und unverletzlich.

4.

Man wird hier noch die Beſchreibung einiger der anmuthigſten bepflanzten Landſtraßen in Deutſchland, ſo wie ich ſie bey meiner letzten Reiſe*)Im Sommer 1783. angetroffen habe, nicht ungern ſehen. Sie zeigen, daß wir ſchon von dieſer Seite viel ge - wonnen, und koͤnnen als Beyſpiele zur Nachahmung in den Provinzen dienen, wo es noch ganz an Anſtalten dieſer Art fehlt.

Im Hannoͤverſchen fangen die am beſten angelegten Landſtraßen an hinter der Hauptſtadt nach der heſſiſchen Graͤnze zu. Eine der ſchoͤnſten, in Anſehung der Bepflanzung und der Ausſicht, iſt die, welche von der ſogenannten Hufe nach Einbek heruntergeht. So reizend auch die Proſpecte von dieſer Seite ſind, indem man im Hinauffahren zuruͤckſieht, ſo kommen ſie doch nicht mit denen in Verglei - chung, die man auf der Hoͤhe gewinnt, und die im Hinunterfahren beſtaͤndig das Auge entzuͤcken. Der Contraſt iſt ungemein auffallend. Nach einer Strecke eines ſchlechten noch nicht verbeſſerten Weges, der zum braunſchweigiſchen Gebiete ge - hoͤrt, gelangt man auf der Spitze des Berges wieder auf die hannoͤverſche Land - ſtraße. Ein trefflicher Weg, eine der anmuthigſten Alleen, eine uͤber alle Erwar - tung entzuͤckende Ausſicht empfaͤngt auf einmal den Reiſenden. Eine große, weit ausgebreitete, fruchtbare und mannichfaltig angebauete Landſchaft, mit Waͤldern und Bergen eingefaßt, fuͤllet das Auge. Die Landſtraße laͤuft mit verſchiedenen Wendungen die Abhaͤnge des Berges bequem hinunter, und mit jeder Umbiegung, mit jeder Vertiefung erſcheint die Landſchaft in veraͤnderten Gemaͤlden. Die ſchoͤnen Baͤume, die von keinem Misbrauch der Gaͤrtnerſcheere gelitten, beſonders die er - wachſenen Quitſchern ergoͤtzten mit ihren geraden Staͤmmen und ihrem vom Gelb - lichen ins Rothe ſich faͤrbenden Beeren nicht wenig das Auge; im Fruͤhling begleiten ſie den Reiſenden mit den ſuͤßen Duͤften ihrer Bluͤthen. Auf einigen Stellen der hannoͤverſchen Landſtraßen hat man kleine mit Baͤumen etwas beſetzte Raſenbaͤnke angelegt, die dem muͤden Wanderer eine wohlthaͤtige Ruhe anbieten. Allein die Maulbeerbaͤume, die man hin und wieder an den oͤffentlichen Wegen dieſes Landes erblickt, ſchicken ſich nicht wohl zu dieſem Gebrauch; denn wegen des beſtaͤndigenA a 2Abneh -188Achter Abſchn. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungAbnehmens der Blaͤtter werden ſie nicht allein niedrig gehalten, ſondern ſind auch faſt immer laublos; ſie dienen eben ſo wenig zur Beſchattung, als ſie dem Auge einen erfriſchenden Anblick darſtellen.

Die Landſtraßen in der fruchtbaren und ſchoͤnen Grafſchaft Hanau gehoͤren zu den beſten, die man nur ſehen kann. Sie ſind ſo eben gebauet, und werden ſo ſorgfaͤltig unterhalten, daß man ſie vollkommen mit der vortrefflichen Straße ver - gleichen kann, die von Kopenhagen nach Friedensburg fuͤhrt. Die Obſtbaͤume, womit einige Straßen eingefaßt ſind, beſonders die Wallnußbaͤume geben zugleich eine nuͤtzliche Verzierung; unter den Fruchtbaͤumen ſind dieſe, nebſt den aͤchten Kaſtanienbaͤumen, wegen der Beſchattung wohl die ſchicklichſten zur Beſetzung oͤffentlicher Wege. Einige andre Straßen dieſes Gebiets ſind mit Linden und Roß - kaſtanien bepflanzt.

Eine der merkwuͤrdigſten Landſtraßen iſt die von Frankfurt am Mayn nach Maynz. Sie iſt eine der beſten gebaueten Straßen, ſo feſt, ſo eben, daß man die vier Meilen in weniger als vier Stunden leicht hinunterrollt. Rings umher ver - breiten ſich die Landſchaften in eine weite Ebene, voll Fruchtbarkeit und reich an ſchoͤnen Doͤrfern, die ſich im Maynziſchen ſo trefflich auszeichnen; zur Rechten ſchwellen in der Ferne der Graͤnze Berge empor. Hinter Hoͤchſt iſt die Straße an verſchiedenen Stellen mit Obſtbaͤumen, vornehmlich mit ziemlich erwachſenen Wall - nußbaͤumen, bepflanzt, unter deren Schatten man hinfaͤhrt. Nichts iſt reizender, als die Hoͤhe, wo man auf einmal den Mayn und den Rhein erblickt, die in einiger Entfernung von einander daher ſtroͤmen und ſich beyde Maynz naͤhern, wo ſie ſich vereinigen. Dieſe ehrwuͤrdige Stadt hebt ſich hier zugleich mit ihrem praͤchtigen Dom, mit ihren vielen Kirchen, Thuͤrmen und Palaͤſten dem Auge ſtolz entgegen; und hinter ihr, wo der mit dem Mayn erweiterte Rhein ſich hinabwaͤlzt, glaͤnzt eine der herr - lichſten Landſchaften mit weit dahin daͤmmernden Bergen. Bey dieſem Anblick ſchwellt der Geiſt zu einer hohen Wonne empor. Man kann ſich den beruͤhmteſten Hauptſtaͤdten naͤhern, ohne etwas von dieſem neuen und erhebenden Gefuͤhl wahrzunehmen. Der Dom mit ſeinen Thuͤrmen bis in die Spitze von rothen Sandſteinen erbauet, die großen Maſſen der vielen Kirchen umher, worunter die der Anguſtiner, des St. Peter und des Ignatius zu den edelſten und praͤchtigſten Gebaͤuden dieſer Art ge - hoͤren, die Vorſtellungen von Andacht und Buͤßungen, die ſich durch die Menge der Kloͤſter, der Kreuze, der Bilder der Heiligen am Wege, der Seele aufdringen, dazwiſchen der Reiz von lieblichen Weinfeldern, von Obſtwaͤldern und Gemuͤsfluren, die ſich immer vermehren, das maͤchtige ſtuͤrmeriſche Fortſtroͤmen des ſtolzen Rheins, der ſeinen ſchwaͤchern beſcheidenen Bruder, den Mayn, gleichſam am Arm mit ſichdahin -189einzelner Theile eines Landſitzes. dahinreißt, die entzuͤckenden Ausſichten rings umher, und dann mitten unter dieſen begeiſternden Scenen das melancholiſche Umherwandeln ſo vieler verſchiedenen Ordens - geiſtlichen und das feyerliche Gelaͤute der Glocken aus den heiligen Oertern, das weit umher erſchallt Alles dieſes erregt ein Gemiſch von Empfindungen, welche die Seele des Reiſenden, der dieſen Eindruck zum erſtenmal empfaͤngt, ſehr lebhaft ruͤhren. Jenſeits Maynz laufen die anmuthigſten Wege zwiſchen lauter Gaͤrten, die mit kleinen artigen Sommerhaͤuſern geſchmuͤckt ſind, und zwiſchen Weinbergen, zum Theil mit Obſtbaͤumen vermiſcht. Die Alleen fangen mit Wallnußbaͤumen an, und wechſeln mit Linden, mit Roßkaſtanien und italiaͤniſchen Pappeln ab. Das Auge wird uͤberall von den heiterſten Ausſichten, und naͤher am Rhein von verſchiedenen anmuthigen Inſeln begruͤßt, die unter der Stadt hin aus dem Strom ſich erheben, und der lebhafteſten Verſchoͤnerungen von der Hand des Geſchmacks noch faͤhig ſind. Der Mayn, der voll Eiferſucht uͤber ſeinen maͤchtigen Nachbar noch immer ſeinen eigenen Fortlauf behaupten will, fließt vom Rhein ſich trennend hinter dieſen Inſeln ſanft voruͤber, und beſpuͤlt, indem dieſer ſeine gruͤnlichen Wellen ſtolz dahinrauſchen laͤßt, mit ſeiner weißen allgemach hingleitenden Flut die Gebuͤſche des Ufers, die ſich in ihm freundlich beſchauen, ohne Unruhe und ohne Furcht, von ihm weggeriſſen zu werden.

Von einem andern Charakter iſt die ſo beruͤhmte Bergſtraße in der Pfalz. Sie laͤuft aus dem Darmſtaͤdtiſchen, in ihrer groͤßten Laͤnge etwa eilf Stunden, nach Heidelberg fort. Man muß die Straße bis zu dieſer Stadt verfolgen, wenn man recht angenehm reiſen will. Denn der Weg nach Manheim, der bald aus der Hauptſtraße ablaͤuft, fuͤhrt durch beſchwerliche Sandgegenden, durch lauter Ebenen, die wenig fruchtbar ſind, zwiſchen einigen Fichtenwaͤldern fort; nur zur Linken wird das Auge in der Ferne durch den Anblick der Berge, an welchen die ſchoͤne Straße hinlaͤuft, mit Sehnſucht nach ihr unterhalten. Die Gegenden, durch welche die Bergſtraße ſich erſtreckt, ſtellen einen großen reizenden Garten dar. Der Weg geht unter dem Schatten ſtarker und bejahrter, auf beyden Seiten gepflanzter, Wallnußbaͤume hin. Zur Linken ſtreckt ſich eine Reihe von anſehnlichen Bergen fort; in ihren Zwiſchenraͤumen und auf ihren Abhaͤngen erſcheinen Doͤrfer, Kirchen, Weinberge, und große Pflanzungen von Obſtbaͤumen, beſonders Wallnußbaͤumen; auf ihren Spitzen zeigen ſich hin und wieder Thuͤrme und Gemaͤuer alter zerfallener Bergſchloͤſſer. Zur Rechten wechſeln Doͤrfer, Felder mit Getraide, noch mehr aber mit allen Arten von Gemuͤs bepflanzt, Weinreben, Fruchtbaͤume, vornehmlich ganze Waͤlder und Klumpen von großen Wallnußbaͤumen ab, die ſich weit in die Ferne hin erſtrecken, und zuweilen alle Ausſicht in die jenſeitigen Ebenen verſchließen. A a 3Es190Achter Abſchn. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungEs iſt ein herrlicher Anblick, den die großen gewoͤlbten Kronen dieſer Baͤume dar - ſtellen, und in der Zeit, wo alle Fruͤchte ſich ihrer Reife naͤhern, wird der Reiſende von dem Reichthum ihres Segens ergoͤtzt. Man erſtaunt in der That uͤber die außerordentliche Menge von Wallnußbaͤumen, die ſich wohl in keinem Winkel der Erde ſo zahlreich bey einander finden, und die man in den vorigen Zeiten ſo haͤufig anpflanzte, weil ſie hier ungemein gluͤcklich emporwuchſen. Schon ſeit einigen hundert Jahren herrſcht hier die vortheilhafte Anzucht dieſer Baͤume, welche die Lage ſo ſehr beguͤnſtigt; denn gegen Norden iſt ſie von Bergen beſchuͤtzt, und auf allen uͤbrigen Seiten ſonnigt und warm. Von Heidelberg, das ſich durch ſeine uͤberaus romantiſche Lage auf den Abhaͤngen eines Berges auszeichnet, an welchen der Necker hinwallet, hat man gegen Bruchſal zu noch eine Strecke die ſchoͤnen Berge zur Seite, welche die Straße begleiten, und wo ſie ſich nach einigen Stunden zu verlieren anfangen, da bleibt dennoch die Landſchaft ein Garten. Bejahrte Wall - nußbaͤume beſchatten die Straße, und erſcheinen immer noch hie und da in Klumpen in den Feldern, die uͤberall mit einer Menge von Gartengewaͤchſen angebauet ſind, zwiſchen welchen Getraidefluren und Wieſen abwechſeln; aus den Weinbergen heben ſich Obſtbaͤume empor, und in der Ferne daͤmmern friedſame Waͤlder.

Verſchiedene Landſtraßen im obern Deutſchland ſind mit italiaͤniſchen Pap - peln beſetzt. Ich fand ſie mit Vergnuͤgen um Aſchaffenburg, um Darmſtadt, um Manheim, um Carlsruhe, gegen Straßburg zu. Auf der Straße von Manheim bis nach Schwetzingen, die eine der angenehmſten iſt, wird man einige Stunden lang von den ſchoͤnſten lombardiſchen Pappeln beſchattet, die zuweilen mit andern Baͤumen, beſonders Wallnußbaͤumen, abwechſeln, und dieſen Lieb - lingen der hieſigen Gegend zuletzt ganz weichen.

Von Bruchſal bis Stuttgard, eine Strecke von acht bis neun Meilen, iſt die Landſtraße durchgaͤngig gebauet, und in den meiſten Gegenden vortrefflich. Hin und wieder iſt ſie noch hier mit alten Wallnußbaͤumen beſetzt. Dieſe Baͤume machen, mit andern Obſtbaͤumen vermiſcht, an den Seiten der Straße in den Fel - dern und Wieſen, wohin ſie ſich erſtrecken, ganze Waͤldchen aus. Beym Eintritt in das Wuͤrtembergiſche ſieht man ſogleich eine noch beſſer unterhaltene Straße, und ein fruchtbares, wohlangebauetes, bergigtes Land, mit Waͤldern, weiten Kornfeldern, Gemuͤsfluren und Weinbergen. Die Landſtraße iſt ganz mit jungen Obſtbaͤumen aller Art beſetzt, nur den Wallnußbaum findet man hier weniger; ſie ſind dicht gepflanzt, und verſprechen mit dem ſtaͤrkern Anwuchs mehr Schatten. Dieſe Bepflanzung mit Fruchtbaͤumen geht einige Meilen fort, bis an Stuttgard.

Zu191einzelner Theile eines Landſitzes.

Zu den herrlichſten Straßen im ſuͤdlichen Deutſchland gehoͤrt die, welche von Enzwengen nach Pforzheim durch das Ensthal fuͤhrt. In einer Laͤnge von beynahe drey Stunden erheben ſich zur Rechten des Weges Gebirge und Berge, vom Fuß bis zu ihrer, oft ſteilen, Spitze mit Weinreben bepflanzt, zwi - ſchen welchen uͤberall Obſtbaͤume bald in Gruppen, bald einzeln erſcheinen. Zur Linken ſchlaͤngelt ſich das ſchoͤnſte Thal in der Tiefe hin; die kleine Ens windet ſich hindurch, verbirgt ſich zuweilen hinter Gebuͤſchen, und glaͤnzt wieder an einigen Stellen froͤhlich hervor; faſt uͤberall iſt die Flaͤche der Wieſen von Fruchtbaͤumen ſchattirt, die eben eine lebhafte Scene darſtellten. Es war ein recht begeiſternder Anblick, uͤberall in den lieblichen Wieſen des Thals die Landleute mit der letzten Heuaͤrndte beſchaͤftiget und in den Baͤumen Knaben hangen zu ſehen, die das Obſt brachen; die Straße wimmelte von Maͤdchen, die den Segen der Fruchtgoͤttinn in vollen Koͤrben auf dem Kopfe heim trugen. Jenſeits des Thals erheben ſich allmaͤh - lich aufſteigende Hoͤhen mit Getraide und Waͤldern; dieſe ſenken ſich zuweilen zu den heitern Grasflaͤchen des Thals herab, und machen dagegen mit ihren großen Maſſen von Schatten einen trefflichen Contraſt. Die ſteilen Gebirge zur Rechten niedrigen ſich nachher zu Bergen; dieſe verlieren ſich wieder ſeitwaͤrts; und die Weinpflanzungen zeigen ſich mit Kornfluren untermiſcht. Doch das Auge verliert nichts. Die Straße laͤuft bald wieder zwiſchen Waͤldern von Obſtbaͤumen fort, die auf beyden Seiten in der mehr flachen Gegend erſcheinen. Ein uͤberraſchender Auftritt iſt die Stelle, wo man in das baadendurlachiſche Gebiet uͤbergeht. Man wird von einer ſchoͤnen Allee von italiaͤniſchen Pappeln empfangen, die den Reiſenden ſogleich an einen menſchenfreundlichen Fuͤrſten erinnert; ſie windet ſich faſt zwey Stunden lang bis Pforzheim.

Von hier bis nach Durlach iſt die Landſtraße nur hie und da ſtellenweiſe mit aͤltern Obſtbaͤumen beſetzt; doch erblickt man dieſe auf beyden Seiten des Weges in den Feldern in Haufen zerſtreut. Die Straße iſt auch hier trefflich gebauet, und gehoͤrt zu den beſten in Deutſchland. Der Reiſende wird zugleich von dem Anblick eines ſchoͤnen, fruchtbaren und fleißig angebaueten Landes, voll großer herrlicher Waͤlder und futterreicher Wieſen an ihrem Fuße, ergoͤtzt. Man ſieht einige Nadel - hoͤlzer, doch am meiſten Laubbaͤume. Die Straße laͤuft zuweilen zwiſchen den an - muthigſten Waͤldern und Wieſen hin; dieſe letzten breiten ſich in großen Flaͤchen hin, und ſind von vielen Gruppen fruchttragender Baͤume ſchattirt. Man faͤhrt durch wohlgebauete Doͤrfer, die zwiſchen Obſtwaͤldern ruhen und mit allem Anſehen des Wohlſtandes geſchmuͤckt ſind; ſie gehoͤren zu den ſchoͤnſten, und uͤbertreffen an Ge - raͤumlichkeit und Reinlichkeit viele Flecken in Niederdeutſchland. Der edleFuͤrſt192Achter Abſchn. Gartenmaͤßige VerſchoͤnerungFuͤrſt*)Se. Durchl. Carl Friedrich, Markgraf zu Baadendurlach und Baaden. hat 1783 die Leibeigenſchaft, die doch ſehr ertraͤglich war, im ganzen Lande gegen alle Beſorgniſſe, die dagegen erregt wurden, mit einem Verluſt anſehnlicher jaͤhrlicher Einkuͤnfte, zum Ruhm der Menſchheit und zum Segen der Nachkommen - ſchaft aufgehoben. Fuͤr dieſe großmuͤthige That wollte er nicht den Dank ſeines geruͤhrten Volks annehmen; er verſicherte, er habe nur gethan, was er fuͤr ſeine Pflicht gehalten, und was er zu thun lange gewuͤnſcht habe. Die Doͤrfer feyerten das große Feſt der Freyheit. Die Aemter ließen Dankſagungen gegen ihren men - ſchenfreundlichen Fuͤrſten drucken, die ſelbſt der Fremde mit innigſter Ruͤhrung las. Die Kirchen ertoͤnten von feyerlichen Dankreden. Der Abend des Feſtes ward zur Ergoͤtzung verwendet. Das Landvolk trank auf das Wohl eines ſo edelmuͤthigen Vaters, tanzte und frohlockte in dem neuen Gefuͤhl der Freyheit. Bey allem dieſem Jubel, bey allen dieſen Dankthraͤnen ſeines Volks wiederholte der Menſchenfreund: er habe nur gethan, was er fuͤr ſeine Pflicht gehalten, und was er zu thun lange gewuͤnſcht habe. Er dankte vielmehr ſelbſt der Vorſehung fuͤr das Vergnuͤgen, das ſie ihm ſchenkte, ein freyes Volk zu regieren.

Die Straße von Durlach nach Carlsruhe iſt als eine der ſchoͤnſten Alleen - ſtraßen bekannt, die wir nur in Deutſchland haben. Sie iſt trefflich gebauet, geht in einer ganz geraden Linie eine kleine Meile fort, und iſt auf beyden Seiten mit hohen und praͤchtigen italiaͤniſchen Pappeln beſetzt. Sie ſtellen bloß durch ihren natuͤrlichen Wuchs ſchoͤne Pyramiden vor, ſind faſt vom Fuß an voll Zweige, und bieten einen ſehr anmuthigen Schatten dar.

Beym Herausfahren aus Carlsruhe hat man gleich an der Landſtraße zu bey - den Seiten eine Bepflanzung von Platanen und zur Rechten einen ſchoͤnen Wald. Auf dieſe Allee folgt eine andre von italiaͤniſchen Pappeln; ſie faßt die Landſtraße, eine Strecke von fuͤnf Stunden lang, bis nahe vor Raſtadt ein. Doch ſind zwi - ſchen dieſen ſchoͤnen Baͤumen Obſtbaͤume eingeſtreut, ſo daß auf zwey Pappeln immer ein fruchttragender Baum folgt. Dieſe Beflanzung giebt der Straße ein ange - nehmes und unterhaltendes Anſehen, und entſchaͤdigt den Reiſenden wegen des An - blicks der vielen Sandgegenden, die er vor ſich hat. Die Straße geht faſt immer, außer einigen Kruͤmmungen, die ſie bey den Doͤrfern macht, in gerader Strecke fort. Sie iſt ungemein gut gebauet, und dennoch zahlen die Reiſenden kein Weggeld. Dieß wird ſelbſt in einigen Gegenden von Deutſchland, wo noch keine Wege ge - macht ſind, eingefordert. Hier glaubt der Landesfuͤrſt, daß er Reiſenden, die ſeine Poſten bezahlen, und ſeinen Poſthaltern gute Straßen ſchuldig iſt. Die Straßenach193einzelner Theile eines Landſitzes. nach Raſtadt laͤuft immer zwiſchen weit ausgeſtreckten Ebenen fort, die mit allen Arten von Gemuͤs, mit tuͤrkiſchem Korn, mit Hanf und etwas Tabak angebauet ſind. Die Cultur dieſer Felder und das Gewuͤhl der emſigen Landleute nimmt ihnen etwas von dem oͤden und einfoͤrmigen Weſen, das auf der Flachheit der Ebe - nen zu ruhen pflegt. In der Ferne rufen zur Linken die Berge des beruͤhmten Schwarzwaldes das Auge; ſie machen eine herrliche Begraͤnzung der flachen Landſchaften, daͤmmern in ſich verlierenden Hoͤhen an Hoͤhen hin, und ſcheinen doch gegen Raſtadt dem Reiſenden wieder naͤher zu ruͤcken. Man erblickt von dieſer Straße nicht mehr Obſtbaͤume in den Feldern, oder doch ſelten. Aber, wer aus den nordlichen Provinzen von Deutſchland kommt, empfindet hier die liebliche Waͤrme, die ſelbſt noch den Herbſtabend begleitet, und die ſuͤßen Duͤfte, womit noch zu der Zeit die Luft umher angefuͤllt iſt. Dieſe lange Pappelallee endigt ſich bey einem Walde, zwiſchen welchem man faſt bis an Raſtadt faͤhrt.

Die Straßen in dem benachbarten niedrig liegenden Elſaß, wohin uns noch ein Uebergang verſtattet ſey, mußten hoch angelegt werden, und ſind wohl unterhal - ten. Man zahlt kein Straßengeld; nirgends ſiehet man Weghaͤuſer und Sperr - thore. Die Straße von Strasburg nach Baſel iſt eine der belebteſten, die man nur finden kann, immer voll von Wagen, von Reitenden und Fußgaͤngern. Denn ſie iſt der gewoͤhnliche Weg nach der Schweiz und nach Italien; ſie fuͤhrt zugleich zu einer Menge von Staͤdten, Feſtungen und Doͤrfern, die den Elſaß bedecken. Nur an ſehr wenigen Stellen iſt ſie mit Fruchtbaͤumen beſetzt, und faſt uͤberall offen. Doch ſieht man in den Feldern und weiten Gemuͤsfluren hie und da große Gruppen von Fruchtbaͤumen zerſtreut, und die Doͤrfer ſind von ihrem Schatten lieblich uͤber - daͤmmert. Es iſt ein uͤberaus erfreuender Anblick, rings umher, ſo weit das Auge reicht, nichts als die fruchtbarſten Landſchaften voll Staͤdte, Flecken und Doͤrfer, voll muntrer und gluͤcklicher Einwohner zu ſehen. Eine ſo weite Plaͤne, die man immer vor ſich hat, kann nur durch den hohen Grad der Fruchtbarkeit, der Cultur und der volkreichen Bewohnung fuͤr den Reiſenden unterhaltend bleiben. Doch geben bis nach Colmar die lothringiſchen Gebirge, die ſich zur Rechten fortſtre - cken, der Ausſicht uͤber die Ebene eine maleriſche Graͤnze; hin und wieder erheben ſich vor ihnen kleinere Berge, die noch zum Gebiete vom Elſaß gehoͤren. Man entdeckt in der Ferne mit Vergnuͤgen die Spuren der Bewohnung und des Anbaues dieſer Berge. Und mit einer noch hoͤhern Wolluſt verweilt das Auge in dem unter - haltenden Anſchauen dieſer großen Kette von hohen und mittelmaͤßigen, ſich uͤber einander empor waͤlzenden und ſich durch ihre eigene Maſſen verduͤſternden Gebirgen. Sie erſcheinen in einer lange fortlaufenden Kette von vielen Meilen, und wechſeln inV Band. B bſehr194Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤner. einzelner Theile ꝛc. ſehr maleriſchen Lagen und Geſtalten. Bald heben ſie ſich zu ſteilen Hoͤhen, bald ſenken ſie ſich wieder zu mittlern Bergen herab, zuweilen mit ſcharfen Abſaͤtzen, meiſtens aber mit ſchoͤnen wellenfoͤrmigen Erhebungen. Sie ruͤcken zuweilen der Straße ſo nahe, als wollten ſie eine noch groͤßere Aufmerkſamkeit fordern. Es iſt eine weit praͤchtigere Strecke von Gebirgen als der Harz, praͤchtiger in der ganzen Lage und in der Zeichnung der Umriſſe. Ich darf hiebey bemerken, daß das Harzgebirge, nach meinen wiederholten Reiſen zu den Alpen, niemals einen ſon - derlichen Eindruck auf mich gemacht, obgleich die dunkeln Waͤlder vom Nadelholz, womit es bedeckt iſt, ihm ein ehrwuͤrdiges Anſehen geben. Die Gebirge von Lothringen ſanken, als ich das letztemal die Straße befuhr, allmaͤhlich in das feyerliche Dunkel eines abgeregneten ruhigen Sommerabends; doch blieb uͤber ihren Haͤuptern die ganze Helle der Abendroͤthe ſchweben, welche den Saum der ſtillen Wolken, die neue Gebirge zu ſeyn ſchienen, vergoldete und hin und wieder einen matten Lichtſtrahl in ihre Finſterniß hinaufſchoß; eine erhabene Scene, wie Oſſian der Natur nachmalt. Wo ſich die Straße von Colmar nach Breyſach gegen den Rhein wendet, verliert man nach und nach dieſe praͤchtigen Berge aus dem Geſichte. Doch bleibt der Weg immer lebhaft und anmuthig; der Koͤnig der deut - ſchen Stroͤme erſcheint bey Kemps in einigen glaͤnzenden Anſichten; und bald fan - gen die Vorgebirge der Schweiz und der Proſpect von Baſel an, das Auge mit ihrem Zauber zu reizen. *)Von den helvetiſchen Landſtraßen die Schweiz zu reden Gelegenheit neh - werde ich in meinen neuen Briefen uͤber men.

Erſter[195]

Erſter Anhang. Beſchreibungen von Gaͤrten.

B b 2[196]197

I. Garten bey dem Poſthofe vor Hannover. *)Dieſer Garten, nebſt dem folgenden Garten zu Marienwerder, gehoͤrte dem Koͤnigl. Großbrit. und Churfuͤrſtl. Han - noͤverſchen Legationsrath Hrn. Jobſt Anton von Hinuͤber, und beyde ſind von ihm an - gelegt. Dieſer vortreffliche Mann, einer der groͤßten Gartenkenner, ward am 15ten Januar 1784 ſeiner ſchaͤtzbaren Familie, ſeinen Freunden und der Menſchheit ent -riſſen. Sanft ruhe die Afche des Edlen, der ſeinen Mitbuͤrgern ſo manche fanfte Freude uͤber die unter ſeiner Hand bluͤhende Natur darbot! Seine Anlagen ſind nicht verloren. Sie ſind in den Beſitz ſeines aͤlteſten Sohns, des Hrn. Hofraths von Hinuͤber, eines durch Geiſt und Herz verehrungswerthen Mannes, ge - kommen.

Dieſer Garten iſt gleich der Liebling von allen, die ihn nur ſehen; er befriedigt den Kenner und feſſelt den bloßen Liebhaber; Reiſende und Einheimiſche ver - einigen ſich in ihm zum Genuß der heiterſten Augenblicke; denn er ſchmeichelt den Sinnen und unterhaͤlt den Geiſt.

Der Begriff der Heiterkeit wird ſogleich beym Eintritt durch eine Gruppe von mancherley Blumen erregt, welche die Mitte eines Raſens ziert. Die Gaͤnge fan - gen zugleich an, das Auge zwiſchen den mannichfaltigen Baumgruppen hinzulocken, und eine lebhafte Erwartung des Vergnuͤgens zu erwecken, das der Freund der ſchoͤnen Natur und des reinen Gartengeſchmacks hier genießen ſoll.

Das Auge irret zwiſchen den Klumps, den Gebuͤſchen, den einzelnen Baͤu - men, den Raſen, den Blumengruppen fort, von Licht zu Schatten, von Schatten zu Licht, vom Offenen zum Verſchloſſenen, vom Heitern zum Dunkeln, von jeder Abwechſelung in der Schattirung des Gruͤns. Die innern Proſpecte ſind bis zum Erſtaunen vervielfaͤltigt und abwechſelnd; jeder Schritt, jede Stellung, jede Wen - dung auf dem Hingange und auf der Ruͤckkehr ſtellt ein neues Gemaͤlde dar. Die Gruppen, von deren Anordnung dieſe gluͤckliche Wirkung beſtimmt wird, ſind mit einer Meiſterhand geſtellt und ausgebildet, immer abwechſelnd an Form, an Groͤße, an Zuſammenſetzung, an Abſtand. Sie ſpringen bald vor, ziehen ſich bald zuruͤck; ſie oͤffnen und verſchließen; ſie verlaͤngern die Proſpecte und verkuͤrzen ſie wieder; ſie ſcheinen alle in Bewegung, um die Gemaͤlde hervorzuſtellen oder zuruͤck zu nehmen, ſie zu erheitern oder zu verdunkeln. Daher die erſtaunliche Mannichfaltigkeit von Anſichten, und die beſtaͤndige Abaͤnderung der Scenen auf einem ſo wenig ausge - breiteten Platze.

B b 3Eine198Erſter Anhang.

Eine andere Schoͤnheit der Gruppen, welche die Pflanzung des Gartens bil - den, und nur hie und da mit einzelnen Baͤumen abwechſeln, beſteht in ihrem male - riſchen Anſehen. Sie ſind mit einem Auge angelegt, das die feinſten Nuͤancen in der Verbindung und Folge der Lichter und Schatten, und in den wechſelnden Farben des Laubwerks aufzufaſſen, das der malenden Natur jeden treffenden Strich in ihren ſchoͤnern Bildern abzulauſchen, und in den Zuſammenſetzungen, mit einem aus - zeichnenden Schein des Neuen, dem Blick des Anſchauers fuͤhlbar wieder zu geben weiß. Die auslaͤndiſchen, beſonders die americaniſchen Baͤume und Straͤucher, ſind mit großer Klugheit zur Malerey mit den einheimiſchen Holzarten gemiſcht; die Lebhaftigkeit der Vorgruͤnde iſt durch das hellere Laub, durch Blumenſtraͤucher und niedrige bluͤhende Pflanzen gehoben; die Entfernungen der Hintergruͤnde ſind durch finſtre Baumarten taͤuſchend vergroͤßert. Man empfindet die maleriſchen Schattirungen der Gruppen, die Fortgaͤnge ſowohl als die Unterbrechungen der hel - len und dunkeln Partien, die entzuͤckenden Schauſpiele der Lichter am beſten in den Stunden des Morgens und des Abends. In dieſen Augenblicken, wo jede Schoͤn - heit der Natur ſich in der mildern Beleuchtung hebt, wo das Streiflicht zwiſchen den Gruppen ſich hier mannichfaltig verbreitet, dort wieder begraͤnzt iſt, wo das Gruͤn ſich mit allen ſeinen Schattirungen auszeichnet, wo die Raſen heitrer ſchim - mern, und ſelbſt der nachbarliche Schatten, der ihr Licht hemmt, lieblich iſt in dieſen ſanften Augenblicken bieten ſich die zauberiſchen Wirkungen dieſer Pflan - zung ganz zur Entzuͤckung des Auges an. Hohe Baͤume, worunter der Kenner manche ſeltene Arten antrifft, erheben ſich praͤchtig aus den Gruppen; ſie berei - chern die Reviere mit ihrem Schatten, und helfen zuweilen an perſpectiviſchen Stellen die Dunkelheit des Hintergrundes vermehren. Schoͤne Raſen umſchlaͤngeln die Gruppen, und ſcheinen ſie gleichſam in freundſchaftliche Umarmung zu ſchließen. Wo kein Gebuͤſch gruͤnt, da ſchmuͤckt uͤberall ihr ſanfter Teppich den Boden, und contraſtirt anmuthig gegen das Laub der Baͤume und Straͤucher, von welchen ſeit - waͤrts der dunkle Schatten wegſchleicht, indeſſen daß die offenen Flaͤchen von einem heitern Licht uͤbergoſſen ſind. Bald aber ſind auch ſie wieder von den benachbarten Gruppen oder einzelnen Baͤumen hie und da mit Schattenſtrichen bezeichnet.

Die Gaͤnge winden ſich immer zwiſchen den Gruppen herum; ſie machen nicht bloß freye und natuͤrliche Wendungen, ſondern locken auch das Auge des Spatzierenden, und erregen, indem ſie ſich bald wieder verlieren, die Erwartung eines weiten Bezirks. Auch der geringſte Umſtand iſt mit Ueberlegung ge - nutzt. Kein Baum, keine Bank ſteht ohne Abſicht da. Alles hat eine Bezie - hung, um die Anſichten zu bezeichnen, und zu heben, um den hellern Hervorſprungoder199Beſchreibungen von Gaͤrten. oder das Zuruͤckweichen der Scenen merklicher zu machen. Die Stuͤhle, die Ruhe - ſitze, die Bruͤcken, die Bildſaͤulen, alles dient dazu, die Geſichtspunkte zu beſtim - men und die Richtungen des Auges leiten zu helfen.

Nicht weniger ſind die aͤußern Proſpecte der umliegenden Landſchaft mit Weis - heit genutzt. Es ſey einer der Kirchthuͤrme der benachbarten Stadt Hannover, wovon drey in eben ſo viel verſchiedenen Anſichten als Obelisken in den Oeffnungen der Gebuͤſche ſich erheben und gerade vor dem Auge zu ſtehen ſcheinen; oder ein Theil der Stadt und ihrer mit neuen Baumpflanzungen ſich verſchoͤnernden Waͤlle; oder ein anliegendes Korngefilde; oder der entfernte Hintergrund der Landſchaft, ein dunkler Wald; oder ein benachbartes Landhaus: uͤberall ſind die aͤußern Proſpecte in ein Eigenthum des Gartens verwandelt. Man genießt, was umher liegt, ohne dem Eigenthuͤmer etwas zu entziehen; man genießt vielleicht freyer und vergnuͤgter, als er ſelbſt. Auch in dieſem Theil der Anlage iſt uͤberall gedacht und ausgewaͤhlt. Es ſind einzelne ausgeſuchte Gemaͤlde, die durch die Anordnung der Ausſichten aus der Landſchaft ausgehoben ſind; ſie erſcheinen in verſchiedenen Maſſen, Groͤßen und Stellungen; und auch hier iſt die Pflanzung ein Mittel, die außer dem Bezirk des Gartens liegenden Scenen bald frey hervortreten, bald leicht durchſchimmern, bald allmaͤhlich zuruͤckweichen, bald ſich ganz verbergen zu laſſen. Die reizenden Bilder der Natur, ſo wohl im Garten als in der Landſchaft, wandeln gleichſam mit dem Spatziergaͤnger umher, wenden und veraͤndern ſich mit ihm bey jedem Schritt; ein magiſches Spiel fuͤr die Phantaſie, die ſich dieſen Eindruͤcken uͤberlaͤßt. Eine Gruppe, ein Buſch, ein Baum ſchiebt ſich vor; und auf einmal iſt das Gemaͤlde veraͤndert. Immer neue Schoͤnheiten eroͤffnen ſich dem aufmerkſamen Spatziergaͤn - ger. Ein ſicherer Beweis von der weiſen Oekonomie, womit die Ausſichten ge - waͤhlt und die Anlage geordnet iſt. Keine ploͤtzliche Fuͤllung der Blicke, die ſie gleich, nachdem der erſte Genuß vollendet iſt, wieder darben laͤßt, ſondern immer fortſchreitende und allmaͤhlich wachſende Unterhaltung. Man ſieht hier, wie viel auf die Kunſt der Pflanzung und Anordnung der Gruppen ankommt, eine Kunſt, die noch in ſo wenig Gaͤrten beobachtet iſt, und wovon man in vielen Provinzen noch gar keinen Begriff hat.

Bald nach dem Eintritt windet ſich zur Linken ein Gang einem großen Ge - baͤude zu, das gleich das Auge an ſich zieht. Es hat die Geſtalt einer Kapelle; ein auf der Spitze hervorragendes Kreuz und die Statue eines Heiligen uͤber dem Eingange, helfen die Taͤuſchung des erſten Anblicks vermehren. Der Heilige haͤlt in der Rechten eine Harke, und legt mit der andern Hand hinter ſich einen Biſchofs - ſtab nieder. Es war, wie die Legende erzaͤhlt, der heilige Paulinus zu Nola inItalien,200Erſter Anhang. Italien, der ſich von einem Gaͤrtner zum Biſchof erhob, aber dieſe Wuͤrde wieder fuͤr die Ruhe und Annehmlichkeit ſeines erſten Standes verließ. Die Geſchichte, wahr oder erdichtet, giebt doch hier Veranlaſſung zu einer neuen und fuͤr die Gaͤrt - nerey ſehr ſchmeichelhaften Vorſtellung. Die aͤußern Waͤnde der Kapelle und das Dach ſind halb mit Weinranken uͤberzogen. Beym Eintreten trifft man einen großen, heitern und ſchoͤnen Saal an, der das Inwendige dieſes Gebaͤudes aus - macht, und mit Kupferſtichen, mit Buͤſten und ganzen Figuren, die beruͤhmten Antiken nachgebildet ſind, ausgeziert iſt. Man hat aus dem Saal verſchiedene fein ausgewaͤhlte Proſpecte.

An der Seite dieſes Gebaͤudes befindet ſich ein Vogelhaus, und vor ihm ein offener bedeckter Sitz. Man ruhet hier unter den lieblichſten Ausſichten, und wird von den mannichfaltigen Stimmen dieſer kleinen befiederten Kloſtergeſellſchaft unterhalten. Gerne wendet man ſich, um ſie in ihren Zellen zu belauſchen; ſie flattern froh hervor und ſcheinen dem neugierigen Beſchauer zuzurufen, daß hier noch das ſuͤße Recht der Liebe, ſelbſt hinter dem verſchließenden Gitter, gilt.

Von dieſer Gegend gelangt man, indem man neben einem wohl angelegten Waſſer fortwandelt, das ſich ins Gebuͤſch mit einem Schein der Vergroͤßerung hin - einzieht, und mit verſchiedenen Bruͤcken geziert iſt, zu Ruinen, die an dieſer Ecke des Gartens liegen. Sie geben einen kuͤhlen Sitz. Man ſchaut von hier zuruͤck auf das Waſſer hin, unter der hohen chineſiſchen Bruͤcke fort. Das Waſſer, das ſich in dieſer Ausſicht verliert und noch weit fortzufließen ſcheint, wird von dem Ra - ſen, der ſich daran hinſchmiegt, und von den Wiederſcheinen der Gebuͤſche, der Blumen und der Bruͤcken verſchoͤnert; Enten rudern darauf ſchnatternd umher. Der Blick faͤllt zuletzt auf die Hinterſeite der Kapelle, hinter welcher die Gipfel der Pflanzung, und beſonders eine uͤber ſie praͤchtig emporſteigende italiaͤniſche Pappel, den Geſichtskreis ſchließen.

Gleich hinter den Ruinen, die maleriſch und in der Ferne taͤuſchend unter den Baͤumen liegen und von ihnen halb uͤberwachſen ſind, befindet ſich eine noch erhal - tene kleine Todtenkapelle, zu welcher ein faſt verdeckter dunkler Seitengang herum - ſchleicht. Sie iſt mit Vorſtellungen der Andacht aus laͤngſt verlebten Jahrhunder - ten der rohen Kunſt, mit gothiſchem Schnitzwerk, mit Bildern der Sterblichkeit, mit Todtenkammern und den uͤbrigen Auszierungen einer Kapelle der roͤmiſchen Kirche angefuͤllt. Alles ſtimmt in dieſer Nachahmung mit den Urbildern dieſer Art ganz getreu uͤberein; alles iſt ſo taͤuſchend, daß man nicht mehr getaͤuſcht zu ſeyn glaubt. Eine Wohnung des ernſten Nachdenkens und der Melancholie; jeder Ge - danke ſinkt hier truͤber herab; das Herz wird von einem maͤchtigen Schauder derSterblich -201Beſchreibungen von Gaͤrten. Sterblichkeit uͤberwaͤltigt. Eine zugemauerte Thuͤre, die eine angefuͤllte Gebein - kammer zu verwahren ſcheint, verſtaͤrkt dieſen Schauder, und macht faſt die ganze Phantaſie zum Grabe. Doch ſeht, die Thuͤre oͤffnet ſich. Welche Ueberraſchung! Licht und Schoͤnheit der Schoͤpfung ſtrahlt auf einmal hervor. Das Herz fliegt frey und ſich ganz wieder eroͤffnend dieſen Scenen entgegen. Es erweitert ſich von neuem im Gefuͤhl des Lebens und ſtroͤmt ganz in der Wonne des Wiederſchauens unſrer ſchoͤnen Erde hin.

Etwas entfernt von dieſem Auftritt, wo man ihn nicht mehr erblickt, liegt in einer ſanften Daͤmmerung ein feines Cabinet, in chineſiſchem Geſchmack verziert. Seine Lage, ſeine Einrichtung, ſeine Ausſichten laſſen gleich wahrnehmen, daß es heitern und geſelligen Vergnuͤgungen gewidmet iſt.

Bald befindet der Spazierende ſich wieder zwiſchen Pflanzungen, die ſich abwechſelnd mit einem maleriſchen Reiz heben; bald laden ihn die Stuͤhle und Sitze ein, die, gleich den Bruͤcken, von einer großen Mannichfaltigkeit ſchoͤner Formen, eine Schule fuͤr den Zeichner, ſind, einen weißen lebhaften Anſtrich, der ſich trefflich gegen das Gruͤn hebt, und eine ſolche Stellung haben, daß man in allen Stunden des Tages im Schatten ſitzen, und das Auge ſich bald an einer rei - zenden Ausſicht weiden, bald im erquickenden Dunkel ruhen kann. Da der Garten fuͤr das Vergnuͤgen der Gartenfreunde immer offen iſt, ſo erleichtert uͤberall die An - lage der Gaͤnge zwiſchen den Gruppen das Ausweichen; und verborgene Schatten - ſitze winken dem, der Einſamkeit ſucht. An einigen Stellen ſind ſanfte Erhoͤhun - gen, beſonders gegen die Graͤnze des Gartens, wo ſich weitere Ausſichten in die Landſchaft eroͤffnen, oder wo die Stadt mit allen ihren Thuͤrmen auf einmal her - vorbricht. Aber wer wuͤnſcht ſich bey dieſem Anblick dahin? Wer koͤnnte dieſen Zauberort fuͤr eine Stadt vertauſchen?

Eben die Mannichfaltigkeit, die durch die ganze Anlage ſichtbar iſt, zeigt ſich auch in der Begraͤnzung des Gartens. Bald erhebt ſich ein hoͤherer Sitz, bald zieht ſich eine dichte Gruppe, bald ein duͤnneres Gebuͤſch, bald ein niedriger Zaun davor, bald ein durchſichtiges Drathgitter, bald ein tiefer mit Zacken oder von unten auf - wachſendem Dornbuſch verwahrter Graben, woruͤber frey der Blick ſtreicht, aber kein Sprung ſich wagt. Man glaubt daher an manchen Stellen nicht mehr im Garten, ſondern in der Landſchaft ſelbſt zu ſeyn; man ſieht das Saatfeld faſt vor ſeinen Fuͤßen gruͤnen, und ſpaͤter hin ſcheint das Gewuͤhl der Aerndte mitten in der Pflanzung zu rauſchen.

Die Weisheit der Anlage erſcheint oft in Umſtaͤnden, die einem gemeinen Auge zu klein ſcheinen, als daß es ſie da ſuchen ſollte. So dient eine Bank, umV Band. C cdas202Erſter Anhang. das Ende des Gartens bey dem Wohnhauſe taͤuſchend zu verſtecken. Eine Bruͤcke, die zunaͤchſt nur zum Uebergange beſtimmt iſt, verſtattet unter ihrem Bogen zugleich einen laͤngern Blick auf das dahin ſpielende Waſſer. Eine andre Bruͤcke iſt unten mehr zugebaut, um das Ende des Waſſers zu verſtecken, und ſie ſteigt zugleich hoͤher, um die Ausſicht in die Landſchaft reicher zu gewaͤhren. Noch eine andre, die an der wildern Graͤnze des Gartens vor einem Gebuͤſch vorbeyfuͤhrt, iſt von einem ganz einfach laͤndlichen Anſehen, da hingegen die chineſiſche Bogenbruͤcke, die ganz frey liegt, mit einer reichern Bauart prangt. So erſcheinen auch vor dem Wohn - hauſe von Nadelhoͤlzern, ſowohl einheimiſchen als americaniſchen, viel haͤufiger dichte Gruppen, um in der laubloſen Jahrszeit durch den Anblick des Gruͤns in der Naͤhe zu unterhalten.

Nicht weniger gluͤcklich iſt der Platz auf der Hinterſeite des Hauſes nach der nahen Landſtraße angelegt. Die Einrichtung iſt ſo taͤuſchend, daß man ſowohl von der Straße im Vorbeyfahren, als auch aus den Fenſtern des Wohnhauſes einen Theil des Gartens und keinen abgeſonderten Platz zu ſehen glaubt. Auf einem Ra - ſen bluͤhet zunaͤchſt vor dem Hauſe eine Sammlung von Blumen und zwey Grup - pen, die eine von Buſchwerk, die andere von einer Tanne und einer Fichte; ſie ſind ſo geſtellt, daß ſie dem Hauſe ein maleriſches Anſehen geben, und zugleich einen Garten anzukuͤndigen ſcheinen. Zwey Gaͤnge machen um den Raſen eine Wendung, als wenn ſie ſeitwaͤrts weiter liefen. Sie ſtoßen aber auf zwey verſteckte Sitze im Winkel, wo man die Voruͤberfahrenden ſehen kann und zugleich einen Aus - gang nach dem Hofe hat.

Doch dieſe Beſchreibung verliert ſich faſt in das Einzelne, da es, bey der Mannichfaltigkeit der Spaziergaͤnge, nur die Abſicht war, den Geiſt der Anlage dieſes kleinen, aber mit großem Verſtande angeordneten, Gartens darzuſtellen. Gartenfreunde, welche nur einen Platz von nicht ſehr betraͤchtlichem Umfang zu be - bauen haben, ſehen hier, wie ſie, vertraut mit der Natur, nicht bloß ihre Schoͤn - heiten nachbilden ſollen, ſondern ihnen auch, durch die Kunſt der Anordnung und Auszierung, mit der Mannichfaltigkeit der Anſichten und Proſpecte den Schein der Groͤße mittheilen koͤnnen. Alles iſt das eigene Werk des Beſitzers; die Natur hat ihm nichts weiter als den Platz gegeben, der aus einer Flaͤche beſtand, die nur an einigen Stellen etwas erhoͤhet iſt. Daher ſcheint auch reines, fließendes Waſſer das Einzige zu ſeyn, was dieſem reizenden Garten fehlt, der ſonſt viel duftende Blumenftraͤu - cher und viel Geſang der Voͤgel hat. Er iſt der ruhige, ſanfte, heitere Wohnplatz ei - nes Weiſen, der die ſeltne Kunſt verſteht, das Gluͤck des Lebens bald unter nuͤtzlichen Ge - ſchaͤfften, bald unter den Wiſſenſchaften, bald in dem Schooß der Freundſchaft und derhaͤuslichen203Beſchreibungen von Gaͤrten. haͤuslichen Geſelligkeit zu vertheilen; und der, um ſelbſt den Ort ſeines Vergnuͤ - gens zum Monument ſeines maͤnnlichen Geſchmacks zu ſchaffen, aus den Gaͤrten ſein beſtaͤndiges Studium macht. So manche Gartenanleger glauben, alles ge - than zu haben, wenn ſie nur ihre Baͤume, ihre Raſen, ihre Blumen hinwerfen, als wenn ſie vom Zufall entſtanden waͤren. Aber wie weit von dieſem Ziel, wo alles lange uͤberlegt, und beobachtet iſt, wo die Wirkungen berechnet und die kuͤnf - tigen Veraͤnderungen in dem Wachsthum der Baͤume ſchon im Anſchlag gebracht wurden, wo die ausbildende Hand noch in jedem Sommer geſchaͤfftig iſt, hinzu - zuſetzen, wegzunehmen, zu verfeinern!

So viele edle Seelen haben in dieſem Garten empfunden, welch einen Un - terſchied es zwiſchen Gaͤrten giebt, die ein Mann von Gefuͤhl und Verſtand anlegt, und zwiſchen jeder gemeinen Pflanzung der Mode. Moͤchten ſie bey dieſer kleinen Beſchreibung ſich der heitern Stunden wieder erinnern, die ſie hier genoſſen. Einige haben hin und wieder an den Baͤnken, Stuͤhlen und Termen ein Denkmal ihrer geruͤhrten Empfindung, einen Dank, eine kleine Inſchrift hinterlaſſen wol - len; ein Beweis, daß ſie in der That von dem Zauber dieſes Platzes erfuͤllt waren, indem ſie ſich nur dem Ausbruch ihres Gefuͤhls uͤberließen, ohne vielleicht an die mindere Schicklichkeit der Art des Ausdrucks zu denken. Indeſſen giebt es noch eine andere Art des Beyfalls, die nicht weniger ſchmeichelhaft fuͤr den Anleger iſt, die ſtille und ernſte Betrachtung des langſam umher wandelnden Kenners, der den ſchoͤpfriſchen Ideen nachſpuͤrt, aus welchen dieß kleine Wunder der Kunſt ent - ſprang.

C c 2II. Marien -204Erſter Anhang.

II. Marienwerder. *)Einige Stunden von Hannover.

Der erſte Blick aus dem Wohnhauſe, der offen, frey und groß iſt, laͤßt gleich eine Anlage von einem betraͤchtlichen Umfang erwarten. Zuerſt breitet ſich vor dem Auge ein anſehnlicher Raſen von edler Form aus, mit verſchiedenen Grup - pen von Baͤumen, die ſeinen Rand ſehr maleriſch bekraͤnzen; zwiſchen ihnen oͤffnen ſich drey Ausſichten, die ſchon die Ausdehnung des Ganzen ankuͤndigen. Gerade aus wird das Auge uͤber den Raſen in die Ferne hin, zwiſchen einer langen Oeffnung großer Gruppen und Gebuͤſche, geleitet, und zuletzt von einem Gegenſtande be - graͤnzt, woruͤber in dieſem Proſpect noch ein ungewiſſes Dunkel ſchwebt, einem Schirmſitz auf einer Hoͤhe. Zur Rechten hat man durch einige ſchoͤne Gruppen wieder zwey maleriſche Durchſichten uͤber eben ſo viele Bruͤcken, die hier am Ende des Raſens erſcheinen; die erſte Ausſicht faͤllt bald auf die naͤhere Pflanzung, die andere ſtreicht uͤber einen Theil des Waſſers, uͤber entfernte Raſen und verliert ſich zwiſchen den Hervorſpruͤngen und Einbuchten der großen Baumgruppen, die, von hier betrachtet, eine zuſammenhaͤngende Waldmaſſe bilden.

Reizend iſt dieſer Vorplatz oder dieſer Anfang des Parks, noch reizender in den fruͤhen Stunden des erwachenden Tages. Indem das aufglimmende Morgenlicht ſich zur Rechten erhebt, werfen die Gruppen nahe vor dem Auge ihre Schatten auf den ſich immer mehr erheiternden Raſen und brechen ſeinen Schimmer hin und wie - der mit dem ſtillen Spiel einer lieblichen Daͤmmerung. Schoͤner hebt ſich das Waſſer, mit dem Spiegel ſeiner gruͤnen Ufer. Fernhin irret das Auge zwiſchen ſtark beſchatteten Stellen, die der Morgenſtrahl nicht trifft, und zwiſchen erleuchte - ten Flaͤchen in die buſchigte Dunkelheit der Graͤnze hin; aber es verweilt mit Ent - zuͤcken bey den lieblichen Malereyen des Lichts auf den Spitzen der Hayne und Ge - buͤſche, die ihre Abwechſelung von Gruͤn in einem ſanftern Reiz ſpielen laſſen. In der zweyten Oeffnung machen die Pflanzungen einige Vorſpruͤnge, welche die Durchſicht maleriſcher bilden. Die Heiterkeit des uͤberglaͤnzten Waſſers wird von dem jenſeits gruͤnenden Raſen erhoͤht, der frey vor dem Blick der Sonne liegt und gleichſam in ihren Strahlen ſchwimmt; demnaͤchſt die Dunkelheit der ſich zuſam - menziehenden Gruppen; ſodann wieder Helligkeit; endlich die ſanfte Finſterniß der Pflanzungen im Hintergrunde, wo das Auge ruht alles dieß macht ein reizendesMorgen -205Beſchreibungen von Gaͤrten. Morgengemaͤlde, das die ganze Phantaſie erfriſcht. Die Bruͤcke in eben dieſer Oeffnung zeigt ſich leicht und mit einem Bogen gebaut, um den Anblick des Waſ - ſers frey zu geben. Indeſſen ruhen in dieſen Stunden die Hayne und Gruppen, in der langen vordern Ausſicht nach dem entfernten Schirmſitze hinauf, noch in einer ſpaͤtern Daͤmmerung, worinn leichte Schatten mit dem kommenden Lichte ſpielen und fliehen.

Ueberall und rings um ſich her wird das Auge durch Gruͤn erquickt. Die Gruppen, die zur Bildung der Ausſicht ſo trefflich geordnet ſind, dienen zugleich zur Bedeckung weniger angenehmen Gegenſtaͤnde. So verbirgt hier gleich die große Gruppe gerade aus bey der erſten Bruͤcke den Anblick eines Pferdeſtalls. Ein an - deres Gebaͤude, das ſich beym Austritt zur Rechten dem Auge aufdringen will, wird ſogleich durch ein Gebuͤſch, hinter welchem hier der Pfad fuͤhrt, wieder verſtecket; und eben dieſes Gebuͤſch iſt ſchmal und ſchmiegt ſich in einer kleinen Kruͤmmung, um vorne einen Blick in einem Schattenwinkel zu verſtatten, der gegen die benach - barte heitere Ausſicht uͤber die zweyte Bruͤcke contraſtirt. Auf der linken Seite iſt eine ſchmale Durchſicht, die bald wieder von den Baͤumen geſchloſſen iſt.

Die Gruppen des Raſens vor dem Hauſe contraſtiren nicht allein mit ihrem Gruͤn gegen die Flaͤche, worauf ſie ſtehen, ſondern auch gegen einander ſelbſt, in - dem die dunklern Nadelhoͤlzer den hellern Laubbaͤumen entgegen geſtellt ſind. Die ſchoͤne Wirkung dieſes Contraſtes zeigt ſich am meiſten, indem man vom Hauſe aus ſich links an dem Raſen hinwendet und auf die Gruppen zur Rechten hinuͤber - ſchaut: ſogleich ſieht man zwiſchen zwey finſtern Tannengruppen eine dahinter ſtehende von Laubholz hervorglaͤnzen, und ihnen gegen uͤber zeigen ſich dieſſeits Gruppen von hellen Blaͤttern.

An beyden Seiten des Raſens winden ſich zwey Gaͤnge hin, die anfangen in die weitlaͤuftigen Reviere dieſes Parks zu fuͤhren und an den Seiten von Gebuͤ - ſchen umſchloſſen ſind, woraus Birken, Ulmen, Pappeln und andere hohe Baͤume ſich erheben, auf deren laubigten Gipfeln das Geraͤuſch kuͤhlender Winde und das Concert muthiger Waldſaͤnger ergoͤtzt. Hier ſchwebt eine weiſe Begraͤnzung vor dem Auge. Es ſollte bey dem Eintritt in den Park nicht zerſtreut, ſondern nur durch einige vorliegende Scenen und Ausſichten angezaubert werden; zwey Haupt - ausſichten zwiſchen den Gruppen waren nicht zu viel, doch dazu hinreichend, und reizend genug, um einen Begriff von der Schoͤnheit des Ganzen vorlaͤufig zu erwe - cken, ohne irgend eine Ueberſicht zu gewaͤhren, noch irgend eine beſtimmte Graͤnze vorzuzeichnen.

C c 3Wir206Erſter Anhang.

Wir beginnen nun unſere Spazier gaͤnge, indem wir den Weg zur Rechten des Raſens folgen, und gelangen bald an eine Bank, an welcher eine Inſchrift des Beſitzers gluͤckliche Zufriedenheit im Schooß des ruhigen Landlebens ankuͤndigt:

Die ihr mit leichter Froͤhlichkeit euch in des Gluͤckes Wirbeln dreht, blickt nicht veraͤchtlich her auf den, der hier zufrieden lebt. *)Man giebt hier die Inſchriften, die faſt alle Stellen aus den beſten engliſchenDichtern ſind, vieler Leſer wegen uͤber - ſetzt.

Man genießt hier eine Durchſicht uͤber den Raſen zwiſchen zwey Gruppen, und eine andere in den durch eine Allee von Roßkaſtanien von dem Park getrennten Kuͤchen - garten hinaus, ohne ſeine Abtheilungen zu zeigen; uͤber ihn hin ſtreicht dieſe noch durch einen Theil der Anlagen, und endigt ſich außer ihrem Bezirk in einer weiten Ferne zwiſchen Kornfeldern.

Wir laſſen den Weg nach der chineſiſchen Bruͤcke, der am Rande des Raſens zwiſchen zwey Gruppen auf beyden Seiten ſich windet, zur Linken liegen, und wan - deln zwiſchen zwey nahen Tannengruppen, die in der Ausſicht vom Hauſe ſich hinter andern verbergen, zu einem Sitz. Indeſſen wir hier unter geraden hohen Birken und Buchen ruhen, zeigt ſich die Vorderſeite des Hauſes in einer maleriſchen An - ſicht, indem die naͤchſte Gruppe ſich davor hinzieht und einen Theil verbirgt. Nicht weit davon ſteht unter einer Tannengruppe eine Bank, ohne Ausſicht, eingeſchraͤnkt auf die nahe buſchigte Vertiefung. Dieſer Sitz, der dem Nachdenken uͤber unſere Tage gewidmet ſcheint, beguͤnſtigt in der Einſamkeit Betrachtungen von der Art, wie dieſe Inſchrift veranlaßt:

Freuden genug verlieh uns hier der Himmel, um unſern Aufenthalt zu verſchoͤnern, doch aber auch ſo viel des Kummers, um uns nach einer gluͤcklichern Wohnung zu ſehnen.

Von hier wendet ſich der Weg etwas zur Rechten. Der Raſen endigt ſich links auf ein Gewaͤſſer, worinn eine kleine, am Rande mit Blumen geſchmuͤckte, Inſel erſcheint. Man ſieht hier die chineſiſche Bruͤcke von der Seite und unter ih - rem Bogen hindurch auf ein waldigtes Gebuͤſch. Die zweyte leichtere Bruͤcke zeigt ſich naͤher; man uͤberſchaut durch ſie hin einen Strich des jenſeitigen Waſſers, ſo - dann den hellern Raſen und einen Theil der Pflanzungen. Weiter fortſchreitend faͤllt das Auge durch eine Oeffnung in einer dunkeln Gruppe, wohin ein Pfad ab - laͤuft, auf eine heiter durchſchimmernde Scene, die aus Raſen, Waſſer und einer entfernten weißen Bruͤcke in dieſer Ausſicht zuſammengeſetzt iſt. Man trifft indeſſen,indem207Beſchreibungen von Gaͤrten. indem man rechts weiter geht, auf einen dunkeln Schattenſitz unter hohen Baͤumen. Ein lieblicher Ruheplatz. Die Ausſicht geht auf das Ende des Raſeus, die Blu - men der Inſel und die halb verſteckte chineſiſche Bruͤcke; hohe Baͤume ſchließen den Geſichtskreis.

Von dieſem Sitz geht zur Rechten, von Baͤumen bedeckt, eine laͤndliche Treppe von rohen Birkenſtaͤmmen hinab. Indem man aus dem Bezirk dunkler Schatten heraustritt, eroͤffnet ſich bey der letzten Stufe auf einmal ein großer, hei - trer, entzuͤckender Schauplatz. Gerade vor dem Auge ein weiter ausgebreiteter Raſen, uͤber welchen in die Ferne hin die Ausſicht ſtreicht und ſich in Kornfeldern und wilden Gebuͤſchen endigt. Faſt an ſeinem Ende erſcheint in dieſem Geſichts - punkt eine anſehnliche groͤßere Gruppe; andre laufen links auf einer kleinen Erhoͤ - hung hinter einander fort; eine groͤßere von ſehr maleriſchem Reiz zeigt ſich am naͤchſten. Aber die ſchoͤnſte Scene bricht weiter zur Linken vor einer der erwaͤhnten Gruppen hervor. Raſen, Waſſer, eine mit Blumen geſchmuͤckte Inſel, von der erſten unterſchieden und etwas erhoͤht, weiße Gartenſtuͤhle, und eine wohlgebauete Bruͤcke vereinigen ſich, neben einem Wald, der den Blick begraͤnzt, das heiterſte Gartengemaͤlde zu bilden. Die Inſel hat keine Baͤume, um den freyen und edlen Umriß dieſes Waldes, oder vielmehr der ſich hier in das ſchoͤne Anſehen eines Wal - des woͤlbenden Gruppen, deren Außenlinien zuſammen fließen, und ſich mit einer ſanften Kruͤmmung herumziehen, durch keinen vorſpringenden Gegenſtand zu unter - brechen. Die Einbuchten der Gruppen machen eine maleriſche Schattirung der dunklern und hellern Stellen gegen einander; und dieſe Wirkung ſteigt durch die Vorpflanzung weißer Weiden vor finſtern Tannen zum lebhaſteſten Contraſt. Ueberhaupt wird der Kenner gleich bemerken, was tauſend gemeine Augen nicht ſehen, daß naͤmlich der Pflanzer die Abwechſelungen des Laubwerks, ſelbſt da, wo dieſe Waldſchoͤnheit nur auf eine kurze Zeit eingeſchraͤnkt iſt, mit Ueberlegung ge - nutzt hat.

Dieſe Scene verbirgt ſich allmaͤhlich im Fortwandeln, um eine neue hervor - brechen zu laſſen. Der Raſen erweitert ſich ſeitwaͤrts, und zugleich ein alter ehr - wuͤrdiger Eichenhayn, der hin und wieder einen ungewiſſen Durchblick verſtattet. Seine herrlichen Staͤmme und ſeine dunklen Haͤupter contraſtiren gegen den hellen Raſen, wie das ernſte Alter gegen die lebhafte Jugend.

Wir laſſen zur Linken den Weg, der in die Gegend fuͤhrt, die beym Herab - ſteigen von der Treppe ſo glaͤnzend ins Auge fiel, und naͤhern uns dem Eichenhayn. Noch immer erweitert ſich zur Rechten der Roſen, der zuletzt von Weidengebuͤſchen begraͤnzt wird. Man gelangt an einige hinter einander am Wege geſetzte Stuͤhle,wovon208Erſter Anhang. wovon jeder dem Auge einen veraͤnderten Proſpect in den Eichenhayn darſtellt. Man wandelt einer kleinen Zugbruͤcke zu, und indeſſen veraͤndern ſich und verſchwin - den die vorigen Ausſichten. Nach dem Uebergange bieten ſogleich einige uralte Eichen die Sitze an, womit ſie umgeben ſind. Die Ausſichten von dieſen Stellen zuruͤck auf die vorliegenden Scenen ſind eben ſo reizend als mannichfaltig, und wer - den beſonders von einer nahen Wieſe belebt, worauf das junge Hornvieh weidet und die laͤndlichen Annehmlichkeiten des Parks vermehrt. Der Eichenhayn hat Gaͤnge, die ſich unter ſeinen Schattengewoͤlben umherſchlaͤngeln.

Indem man heraustritt und ſeine letzten Staͤmme zur Rechten bleiben, ge - langt man in einen verſchloßnen Platz, der von Gebuͤſchen umgeben und von zwey hohen, dicken, weit umher ihre, Aeſte verbreitenden Eichen uͤberſchattet iſt. Bald lacht links aus der gegenuͤber liegenden heitern Gegend ein Gemaͤlde nach dem an - dern hervor. Am meiſten aber wird das Auge vorwaͤrts auf einen Gegenſtand ge - lockt, den es weit im Hintergrunde auf einer Hoͤhe zwiſchen Baͤumen ſehr male - riſch hervorragen ſieht. Der Gegenſtand erſcheint in dieſem Geſichtspunkt undeut - lich, ſeiner Entfernung ſowohl als ſeiner Lage wegen, indem er durch die Baͤume und uͤber ſie hervorſchimmert und zugleich ſelbſt durchſichtig iſt. Auch das ſchaͤrfere Auge iſt noch ungewiß, was es vor ſich hat, ob es ein romantiſches Gebaͤude, oder eine Ruine, oder welche taͤuſchende Erſcheinung es ſey. Inzwiſchen, bis dieſe Dunkelheit in der Naͤhe ſich aufklaͤren wird, irret es ſeitwaͤrts zur Linken in eine an - genehme Waldvertiefung hinein. Und zwiſchen dieſer Vertiefung und jenem noch ungewiſſen Gegenſtande, der in dieſem Geſichtspunkt mit ſo vieler Weisheit noch unkenntlich gelaſſen iſt, zieht ſich eine anſehnliche und dichte Pflanzung mit mannich - faltig abwechſelndem Gruͤn herab.

Man findet unter einer Eiche, die mit den Bildern der Jahrszeiten und mit Inſchriften, die ſich darauf beziehen, umgeben iſt, einen angenehmen Sitz in der Naͤhe einer kleinen mit Baͤnken verſehenen Bruͤcke. Man uͤberſchaut zunaͤchſt in einem halben Eirkel um ſich her die Wieſe, die hier Raſen und Weide zugleich iſt, und die Pflanzungen umher, die durch eine Befriedigung geſchuͤtzt ſind. Zur Rechten auf dem Raſen bilden Silberweiden eine große, helle und lebhafte Gruppe, die in der Mitte durch Pappeln ſchoͤn ſchattirt iſt; auf der vordern Ecke unterbricht eine Buche die weiße Flaͤche der Weiden. Demnaͤchſt erſcheinen zwey kleinere Gruppen, die durch ihre verſchiedenen Laubfarben trefflich contraſtiren. Noch klei - nere niedrige Strauchgruppen zeigen ſich zerſtreut auf dem gruͤnen Teppich, den ſie verſchoͤnern. Im Winkel der Wieſe ruht eine alte mit Stroh gedeckte Huͤrde fuͤr das weidende Vieh. Seitwaͤrts zwiſchen der Huͤrde, die in einigen Geſichtspunktendas209Beſchreibungen von Gaͤrten. das hirtenmaͤßige Anſehen dieſer Gegend noch mehr hebt, und der großen heitern Weidengruppe, liegt hinten eine Pflanzung von dunklem Gruͤn, worinn ein helleres Gruͤn vorſteht und mit dem weißlichen. Schein der Weiden ſich wieder abaͤndert. Zwiſchen der großen Gruppe und den kleinern iſt wieder der Hintergrund abſtechend. Noch eine andre ſchoͤne Ausſicht gewaͤhrt dieſer Sitz. Die Pflanzung zwiſchen dem erwaͤhnten, auf der Hoͤhe liegenden, noch unkenntlichen Gegenſtand und einer wal - digten Vertiefung, die ſich hier eroͤffnet, endigt ſich nach dieſer Gegend her mit hellerm Gruͤn. In der Vertiefung iſt der Hintergrund von finſterm Nadelholz trefflich gebildet, wodurch die Tiefe noch groͤßer wird. In der Mitte eben dieſer Waldvertiefung, welche die Gruppen zuſammen bilden, kuͤndigt eine Bruͤcke, die ſich anmuthig gegen den Schatten der nahen Baͤume hebt, Waſſer an, und macht eine heitre Stelle gegen die Nacht des tiefen Grundes. Weiter hin erblickt man den Umkreis jener angefuͤhrten Waldmaſſe, worinn ſich die hinterſten Pflanzungen zu - ſammendraͤngen; die vordern Gruppen, die naͤher dieſſeits her liegen, erſcheinen verduͤnnt und gleichſam zerſtreut, um zwiſchen ihren Staͤmmen den obern Raſen an dem Rande jener Waldmaſſe durchſchimmern zu laſſen. Man ſchaut hier mit Ver - gnuͤgen die Abwechſelungen des Laubwerks in dieſen Gruppen; ſie ſtehen auf einer kleinen Erhoͤhung. Das Waſſer, das vorher erſchien, iſt hier verdeckt; doch zeigt ſich die Inſel mit ihren Blumen. Am Ende der letzten Gruppen ſpielt ein Waſſer - fall unter einer Bruͤcke hervor, und weiter zur Linken hinauf faͤllt eine andere Bruͤcke mit verſchiedenen Gartenſtuͤhlen und Sitzen anmuthig ins Auge. Ueber die Inſel hin erblickt man einen im Schatten einer Gruppe vertieften Ruheplatz, und uͤber ihn erhebt ſich auf der Anhoͤhe ein großer wohlgebauter Sitz. Eine anſehnliche Gruppe, die gleich, indem man die oben erwaͤhnte Treppe herunter ſtieg, zunaͤchſt erſchien, zeigt ſich hier von einer andern Seite, und erhebt ſich zwiſchen dem eben angefuͤhrten hohen Sitz und einem Pavillon im chineſiſchen Geſchmack. In der Gruppe ſtehen die niedern und heitern Baͤume voran, hinten die hoͤhern und dunklen. Der Pa - villon ragt anmuthig zwiſchen den Gebuͤſchen empor, die ihn halb umhuͤllen. Man ſieht zugleich die Bruͤcke, die zu ihm fuͤhrt, und in der Ausſicht aus dem Hauſe die zweyte war, verſchiedene Gartenſitze, und die Umkraͤnzung des Bezirks mit waldig - ten Gebuͤſchen und Baͤumen.

Alle dieſe Proſpecte werden unter der alten Eiche genoſſen, hinter welcher noch ein Sitz iſt, deſſen Inſchrift eine ſehr wahre Betrachtung veranlaßt:

Von allen Geſchaͤften iſt das Wuͤnſchen das beſchwerlichſte, das Wuͤnſchen iſt die beſtaͤndige Hectik der Thoren, und die Krankheit der Hoͤfe, wovon eine reine Luft und einfache Diaͤt heilt: dieß ſind die Vorzuͤge des Landlebens.
V Band. D dDas210Erſter Anhang.

Das Gemaͤlde der Ausſichten veraͤndert ſich hier indeſſen in einigen Zuͤgen; die Gruppen zur Rechten ſind zuruͤckgewichen, und andere Theile ganz ausgeloͤſcht.

Von dieſer offenen heitern Scene ſchlaͤngelt ſich, von dem letzten Sitz an, ein Weg in eine verſchloſſene Gegend zwiſchen wilden Gebuͤſchen. Das Auge bleibt an nahen Gruppen und Waldſtuͤcken haͤngen. Indem wir am Rande des Parks fort - wandeln, treffen wir auf eine Bank, wo der Blick auf Wieſen, auf Waldſtuͤcke, auf hellere Kornfluren, und wieder auf entfernte Waldungen faͤllt. Nichts kann treffender fuͤr den Ort, als die Inſchrift, und nichts weiſer, als ihre Lehre ſeyn:

Hier, ihr ſtolzen Soͤhne des Geſchmacks, die ihr die laͤndlichen Schatten wegraͤumt, hier lernt die unleidlichen nackten Ebenen vermeiden, denen die Eitelkeit ihren Schmuck geraubt hat.

Ein andrer Pfad laͤuft unten weg. Er fuͤhrt zu einem hohen Sitz unter einer Pappel. Die vorigen Gemaͤlde, welche die Eiche gab, erſcheinen hier unter etwas veraͤnderten Geſichtspunkten. Die Eiche ſelbſt wird hier ein praͤchtiger Gegenſtand, und in ihrem Hayn bricht eine neue Oeffnung hervor. Von dieſem Sitz laͤuft links ein Pfad ins Gebuͤſch hin; wir verfolgen aber den Weg gerade fort.

Zur Rechten wilde Gebuͤſche von mancherley Holz, in der Ferne zur Linken Anhoͤhen mit Haynen von Nadelhoͤlzern bepflanzt. Wir kommen an ein Weiden - gebuͤſch, wo der Blick auf einmal in die Leine herabfaͤllt, die hier tief voruͤber fließt. Wir uͤberſchauen zur Rechten eine große Wieſe, zerſtreute Waldſtuͤcke und ein heitres Korngefilde, hinter welchem ein anſehnliches Gehoͤlz den fernen dunkeln Hintergrund bildet.

Wir wandeln indeſſen weiter fort. Man hat hier wieder einen Ruheſitz und Gebuͤſche umher, wo einige mittelmaͤßige Eichen gegen Silberweiden ſchattiren. Alles iſt Laͤndlichkeit und Einfalt der Natur. Doch ſchweift zur Rechten das Auge auf Gruppen und Waͤlder, in deren Oeffnungen Baͤnke und Stuͤhle aus der Ferne heruͤberſchimmern, und die Verlaͤngerung des Parks ankuͤndigen. Eine große, ſchoͤne Gruppe von Laubholz, auf eine reizende Art ſchattirt, ruft am meiſten das Auge, und hinter ihr ziehen ſich die Tannenpflanzungen weit hin. Beym Fortwan - deln erblickt man zur Linken eine wirthſchaftlich bebauete Flur, und zur Rechten die Leine, von Weiden eingefaßt.

Bey einer Bank, die man im Fortgehen bald erreicht, brechen auf einmal verſchiedene neue Ausſichten hervor. In der Ferne zur Linken ragt der Thurm von dem Kloſter Marienwerder uͤber die waldigten Gipfel empor, naͤher der Pavillon, die Obſtbaumgruppen, die mit ihrem dieſſeitigen Ende erſcheinen, die Knoͤppelbruͤcke ganz in ihrer Laͤnge, der Raſen, der ſich laͤngs dem Walde, wie ſich hier die Hayneund211Beſchreibungen von Gaͤrten. und Klumps zeigen, hinzieht alles dieſes macht hier ein vortreffliches Gemaͤlde aus. Gerade vor ſich hat man eine angenehme Einbucht der Pflanzungen, wo ein Raſen die Flaͤche zwiſchen den Umſchattungen der Waldbaͤume ſchmuͤckt und ein Sitz dem Auge winkt. Dieſes folgt gerne, und irrt weiter hin uͤber eine Bruͤcke, zwiſchen einer ſchon bemerkten großen Gruppe und einer kleinern, durch einen ſchma - len Strich zu den Ruinen eines Wartthurms hinauf. Nun erſcheinen noch zwey Oeffnungen, in deren einer auf der Hoͤhe ein Pyramidalſitz, und in der andern ein Gegenſtand ſich zeigt, der ein Theil eines zerfallenen Gebaͤudes zu ſeyn ſcheint.

Im Fortſchritt wird eine Kruͤmmung der Leine, die bisher mit Weidenge - buͤſchen verdeckt war, ſichtbar. Die vorigen Ausſichten ſeitwaͤrts verſchwinden ganz, und neue erſcheinen. Einige Einbuchten der Pflanzung wechſeln beſonders mit einer weitern Oeffnung, worinn eine Statue auf der Hoͤhe erſcheint. Weiter hin auf einer kleinen Erhoͤhung erblickt man eine Urne unter herabhaͤngenden Baͤumen, und daruͤber erhebt ſich ein dunkler Hayn von Nadelhoͤlzern.

Noch immer wandeln wir an dem buſchreichen Ufer der Leine. Endlich ge - langen wir zu einer Erhoͤhung, und zu einem ſchattenreichen Sitz am Ufer des Fluſ - ſes, der hier mit der Lebhaftigkeit, wie er vom Harz faͤllt, wieder zu rauſchen be - ginnt. Durch die Pflanzungen geht eine laͤndliche Ausſicht hinaus uͤber abwechſelnde Kornfelder, von Waldſtuͤcken und Gebuͤſch bekraͤnzt.

Ein ſchattigter natuͤrlicher Bogengang leitet zur Linken nach einem Sitz. Die Ausſicht trifft auf einen Theil des Kloſters. Der Kirchthurm bildet die Spitze ei - ner großen Baumgruppe, uͤber welche er unmittelbar zu ſtehen ſcheint. Man blickt zwiſchen einigen ſchoͤnen Gruppen von abwechſelnden Farbenmiſchungen, und auf die Raſen hin, die unter ihnen gruͤnen. Uebrigens iſt die Gegend hier einfach, laͤnd - lich und ruhig.

Am Ende dieſes Ganges wird man auf einmal mit einem Anblick uͤberraſcht. Man ſieht nun vor ſich Ruinen, den Gegenſtand, der von dem Sitz unter der Eiche und in andern Geſichtspunkten noch unkenntlich war, ſich uͤberaus maleriſch, wie wahre Felsruinen, auf der nahen Hoͤhe zwiſchen Nadelholz hervorbrechen. Doch entdeckt das Auge noch nicht, von welchem Gebaͤude ſie ſind. Ein Stuhl ladet zur Ruhe ein. Hier zeigen ſich andere Theile der Ruinen, die von jenen abgeriſſen ſcheinen, auf der Anhoͤhe. Ihre Verbindung iſt durch eine dichte Gruppe von Fichten verdeckt. Sie werden dadurch maleriſcher, taͤuſchender und groͤßer. Nahe bey dieſem Stuhl winkt eine hohe Birke mit einem runden Sitz an ihrem Fuß. Sie ruft das Auge wieder von den Ruinen ab. Eine große weite Ausſicht auf Wie - ſen, Kornfeld, Waldſtuͤcke und das Dorf Stoͤckheim; auf der andern Seite inD d 2den212Erſter Anhang. den dunkeln Bogengang zuruͤck, wo liebliche Lichter durch das verſchiedene Laub ſpie - len; weiter hin auf einen langen Strich von Raſen, zwiſchen abwechſelnden Grup - pen, bis an eine dieſſeits von einem weißen Gelaͤnder eingefaßte Pflanzung und einen Sitz in Form einer Pyramide in dem andern Winkel des fernen Hintergrun - des; endlich auf das von Weiden uͤberſchattete Waſſer, das hier einen murmelnden Fall hat, und auf die daruͤber hinfuͤhrende Bruͤcke.

Nach dem Uebergang uͤber die Bruͤcke leitet ein Weg an den Abhang eines Huͤgels, und darauf am Fuß einer buſchigten Anhoͤhe hin, und laͤßt zur Rechten die Feldgegenden uͤberſchauen, bald darauf eine Gruppe von Birken, dann wieder offenes Gefilde. Er windet ſich demnaͤchſt allmaͤhlich zu einer andern Hoͤhe in eine Pflanzung hinauf, wo auf allen Seiten Pfade auslaufen, und endlich zu einer eckig - ten Bank, wovon die Ausſicht in die Spazierwege, die außer dem Bezirk des ei - gentlichen Parks liegen, hinausſtreift.

Von dieſer Bank geht der Pfad etwas hinabſchlaͤngelnd fort. Das Auge blickt zwiſchen verſchiedenen Gruppen und hohen Eichen in eine waldigte Scene vor ſich hinaus, bis es in der Ferne ein von Birkenholz roh zuſammengebundenes Holz in Geſtalt eines Kreuzes wahrnimmt, das Erwartung erregt.

Ehe man zu einer Bruͤcke gelangt, laͤßt man zur Linken drey Baͤnke, wovon jede eine von der andern verſchiedene Ausſicht in den innern Bezirk des Parks hat, Ausſichten auf Gruppen und Raſen, in einem ſanften, ruhigen und laͤndlichen Stil. Iſt man uͤber die Bruͤcke, ſo erblickt man links uͤber eine andere Bruͤcke hinauf ei - nen groͤßern Theil der Ruinen auf der Hoͤhe in einer andern Geſtalt. Zur Rechten zeigt ſich ſchon außer dem Bezirk des Parks ein Theil der um ihn laufenden Pflan - zungen und Spazierfahrten, eine lange natuͤrlich gewachſene Allee, die offen iſt und ſich mit einem Obelisk endigt. Man kommt an einen freyen runden Sitz, von dem man neue verſchiedene Durchſichten hat, und in zwey Oeffnungen Ruinen er - blickt. Das umliegende Revier dieſes Sitzes iſt rings umher mit mannichfaltigen Gruppen und kleinen Haynen bepflanzt. Man geht von hier uͤber eine Bruͤcke, und hat an der linken Seite eine Gruppe, und bey einer alten halbabgeſtorbenen Eiche, meiſt zur Rechten, eine lange Perſpectiv, und vor ſich gerade aus zwiſchen Pflanzungen eine Anhoͤhe, wo ſich wieder eine bejahrte Eiche erhebt. Bald darauf ſieht man einen dreyeckigten Sitz an einer Eiche mit abaͤndernden Ausſichten.

Weiter vorwaͤrts gelangen wir an eine Bank, mit der Ausſicht in zwey neue Oeffnungen von Gebuͤſchen, die Eremitengaͤnge genannt. Eine Inſchrift fuͤhrt auf eine wahre, aber ernſthafte Betrachtung, welche die Seele in eine dieſer Gegend ſo angemeſſene Stimmung ſetzt:

Der213Beſchreibungen von Gaͤrten.
Der Menſch werde am Morgen des Lebens abgeriſſen, oder er falle im Alter, gleich einer reifen Aehre; ſo faͤllt er immer zu rechter Zeit nach dem Plane der Natur, wenn er der Vernunft gelebt hat, und als ein Mann ge - ſtorben iſt.

Beym Fortwandeln in den Eremitengaͤngen ſieht man bald verſchiedene Pfade ſeitwaͤrts ablaufen, und, indem man uͤber einen Kreuzweg geht, oben zur Rechten hinauf in eine weite Oeffnung der Pflanzungen, wo eine Ruine ſich auf der Hoͤhe zeigt. Der Fortſchritt auf dem unterſten der Eremitengaͤnge giebt bald ſeitwaͤrts zur Linken eine lange ruhige Ausſicht, von Baͤumen umſchraͤnkt, und buſchigte ein - ſame Sitze. Die Verſchließung wird immer mehr einſiedleriſch, alles ſtiller und dunkler, je weiter man kommt. Ein Pfad fuͤhrt zu einer kleinen Anhoͤhe hinauf, und hier erblickt man die Einſiedeley unter den Umhuͤllungen der Gebuͤſche.

Sie ruhet einſam, an der Seite und unter dem Dunkel einer alten Eiche, neben welcher Sitze von Feldſteinen liegen, zum Theil mit Kreuzen bezeichnet; an - dere eben ſo bejahrte Eichen ſtreuen ihren ſchweſterlichen Schatten umher, die Scene noch feyerlicher zu verduͤſtern. Das Gebaͤude*)4ter B. S. 84 und 85. traͤgt den Character, den Werke dieſer Art fordern. Das Inwendige ſtimmt ganz mit der aͤußern Geſtalt uͤberein. Welch ein Anblick von Verlaͤugnung der Welt und von Andacht, von Duͤrſtigkeit und von Genuͤgſamkeit, indem man hineintritt! Ein kleiner Betaltar faͤllt ſogleich in die Augen, und mit ihm ein ruͤhrendes Bild der Maria, die mit thraͤnenvollen, wundgeweinten, jammernden Blicken uͤber den geliebten Sohn haͤngt, der erblaßt auf ihrem Schooße ruht; mit der einen Hand ſtuͤtzt ſie ſein ſinkendes Haupt, mit der andern ſtrebt ſie den linken Arm in die Hoͤhe zu halten, indeſſen der rechte an ihren Knien herabhaͤngt. Umher Bildniſſe von Heiligen, Erinnerungszeichen der Vergaͤnglichkeit, Buͤcher der Andacht, des Troſtes und der Kunſt zu ſterben, der ſchwerſten Kunſt des Sterblichen. Alles iſt ſo uͤberredend, ſo taͤuſchend, daß fromme Katholiken zuweilen kein Bedenken fanden, hieher zum Gebet zu kommen. Tritt man aus der Einſiedeley zuruͤck, ſo wird die Taͤuſchung unterhalten, indem der Thuͤre gegenuͤber ein großes Crucifix in die Augen faͤllt, das an einer Eiche un - ter einer kleinen Bedeckung haͤngt; ein Betaltar von rohen Feldſteinen ſteht darunter.

Nahe an dieſer Einſiedeley liegt ein Kirchhof von dunkeln Nadelhoͤlzern um - pflanzt. Eine kleine Grabſcene voll ruͤhrender Erinnerungen fuͤr empfindſame Freunde des guten Sterne. Wir ſehen hier die Grabmaͤler von Maria von Moulines mit einem Kranz und ihrem getreuen Sylviv; von Yorik mit demD d 3Staar,214Erſter Anhang. Staar, von Kapitain Shandy oder Toby mit der Charte von Namur, von Pater Lorenzo mit der Horndoſe auf einem ſchwarzen Kreuz, von Fever, von Trim, von Eliſe, mit ihren Inſchriften und Sinnbildern geziert.

Von der Scene der Einſiedeley weg, fuͤhrt links ein Pfad bey einem Druiden - altar von drey großen Feldſteinen unter einer ſehr alten Eiche vorbey. Wir gehen bald darauf bergab neben einer andern bejahrten Eiche mit einem rohen halbrunden Sitz hin, ſteigen eine Anhoͤhe hinauf zu einer Bank unter Ruinen, und blicken in der Tiefe zwiſchen zwey Gruppen, in deren Mitte ſich ein freyer Platz zeigt. Eine Oeffnung durch finſtre Eichen contraſtirt hier mit einer andern zwiſchen hellen Bir - ken hin.

Unter ſanften laͤndlichen Schatten, unter wechſelnden gebrochenen Durchſichten auf Waſſer in der Tiefe, gelangen wir an den Platz, wo Fremde in den Park ein - zutreten pflegen, wo ſich ein ſchmaler Pfad zwiſchen dichten Gebuͤſchen hereinzuwin - den anfaͤngt. Bald uͤberraſcht er mit einer großen heitern Vorſtellung, indem ſo - gleich ein Theil von ausgebreitetem Raſen und Waſſer durch die Daͤmmerung der Baͤume ſchimmert, und verſchiedene Wege und Baͤnke ſich mit verſchiedenen Aus - ſichten darbieten.

Man blickt auf der erſten ſteinernen Bank zwiſchen zwey Oeffnungen einen Abhang hinab. Das Waſſer erſcheint hier in der Tiefe frey mit der Blumeninſel; zur Linken hin eine Bruͤcke. Jenſeit des Waſſers breitet ſich der große Raſen mit der Weide aus; weiter hin zeigt ſich die alte Eiche mit den Bildern der Jahrszeiten, und tief im entfernten Winkel unter ſchattigten Gebuͤſchen die Strohhuͤrde; eine edle, ausgedehnte und maleriſche Ausſicht. Auf der zweyten Bank hat man eine hohe Gruppe von Birken, die mit geraden Staͤmmen aus der Tiefe empor ſteigen, und hier oben ihre Gipfel vereinigen; unten erſcheint ein anmuthig gelegener Sitz unter Tannen, deren Dunkel gegen die hellen Birken contraſtirt. Zur Linken dieſer Gruppe geht eine ganz einfache laͤndliche Ausſicht hinab uͤber den Raſen; zur Rech - ten eroͤffnet die Durchſicht einen reichen Auftritt, indem uͤber das Waſſer hin, das ſich hier von einer andern Seite hinter der Pflanzung erweitert, eine ſchoͤne große Gruppe erſcheint, mit einem Gartenſtuhl, der vor ihr ſteht, und hinter ihr, wie - wohl in einiger Entfernung, der Gipfel des dunkeln Eichenhayns einen feyerlichen Hintergrund bildet. Bey der dritten Bank iſt der Abhang nicht mehr ſanft, ſondern ſtuͤrzt ſich ſteil auf ein von oben herabkommendes fluͤſterndes Waſſer herab; darauf zeigt ſich die unbeſchaͤlte Knoͤppelbruͤcke von Birkenholz, die, ſehr laͤndlich gebaut, ein maleriſches Anſehen auf der gruͤnen Flaͤche macht; demnaͤchſt ein Theil der Obſtbaum - gruppen, und in der Ferne die Spitzen der Pflanzungen, die mit einer hervorſtechendenSchattirung215Beſchreibungen von Gaͤrten. Schattirung emporſteigen. Indem wir von hier uns weiter wenden, faͤllt der Blick in ein tiefes Gehoͤlz hinab, in deſſen dieſſeitigen Theil, der auf einem Abhange ſteht, ſich ein Pfad in dem unten laufenden Weg uͤber einen Steg hinabwindet. Ein an - drer Sitz unter drey Birken ruft uns, naͤher zu kommen. Man ſchaut links in den Weg nach dem Druidenaltar hin, und rechts fuͤhrt ein dunkler Gang zu einer An - hoͤhe hinauf, wo auf einmal heitre Ausſichten hervorbrechen.

Man trifft auf dieſer Hoͤhe ein offenes Cabinet mit Ruheſitzen an, gerade vor ſich einen ſteilen Abhang, und in der Niedrigung fortſchlaͤngelnde Wege, die den Raſen durchlaufen, und ſich ſeitwaͤrts verlieren. Die weiße Knoͤppelbruͤcke ſchim - mert in dieſem Geſichtspunkt faſt aus der Mitte des großen Raſens herauf, und fuͤhrt uͤber einen ſchmalen Strich des Waſſers hin; und am Ende der gruͤnen Flaͤche hebt ſich der dunkle Eichenhayn, durch welchen eine eroͤffnete Durchſicht im finſtern Hintergrunde eine Bank wahrnehmen laͤßt. Sanft und lieblich iſt auf dieſem Sitz die Wirkung des Abendlichts, wenn ſeine ſinkenden Strahlen ſchraͤg uͤber den großen Raſen ſpielen, indeſſen der empfindende Zuſchauer hier im Schatten ruht. Das in der Tiefe umher weidende Vieh und die milde, mannichfaltig ſchattirte Ausſicht zwi - ſchen den hohen Baͤumen hinab, deren Staͤmme emporſteigen, verſchoͤnert nicht we - nig das ruhige Abendgemaͤlde. Zur Rechten auf dieſer Hoͤhe daͤmmert wieder eine dichte Pflanzung, deren Baͤume auf den Abhang heruͤber haͤngen und ſich mit den Kronen der unten aus der Tiefe heraufragenden Baͤume vereinigen. Unter dieſen Schattengewoͤlben und herabhangenden Laubdecken ſieht man ein ſchmales Waſſer ſich in der Tiefe herumwinden. Zur Linken ſenkt ſich der Blick einen ſanftern Ab - hang in Buſchoͤffnungen hinab, wo er auf einen Stuhl und ſeitwaͤrts auf eine von Schatten uͤberduͤſterte Bruͤcke faͤllt.

Wir gehen von hier rechts um das Kabinet herum zu einer hohen alten Eiche mit einem runden Sitz. Indem wir uns ſetzen, das Geſicht uͤber einen freyen, auf beyden Seiten von Pflanzungen eingefaßten Raſen nach einer großen Gruppe hin - gerichtet, um welche zwey Wege ſich herumſchlaͤngeln, erblickt man rings um ſich her einen waldigten Kranz, der das Auge an ſich zaubert. Weiter zur Rechten hinab kommen wir zu einer andern hohen ehrwuͤrdigen Eiche mit einem viereckigten Sitz. Man hat hier zuruͤck auf den Weg, den man herabkam, eine laͤndliche Ausſicht zwiſchen der Pflanzung, die ſich oben zuſammendraͤngt, und deren hell - laubigter Rand ſchoͤn gegen die hintern Baͤume abſticht. Auf der gegenuͤber liegen - den Seite, meiſt gerade aus, blickt man uͤber den Raſen durch eine große Oeffnung der Pflanzung auf den jenſeitigen Raſen, und zuletzt auf einen dunklen Waldgrund; zur Linken uͤber eine Getreideflur, mitten im Bezirk des Parks, in einem buſchigtenWinkel,216Erſter Anhang. Winkel, vor welchem ein Stuhl ſteht; auf der andern Seite auf einem abwaͤrts laufenden Weg, wo das Auge auf den nahen dichten Baͤumen ruht. Auf der an - dern Seite gegenuͤber wandeln wir nach einem halbrunden Sitz.

Wir gehen hinauf zu ihm; eine ſehr anziehende Scene eroͤffnet ſich hier. Zwey Fluren von verſchiedenem Getreide und Gruͤn, die der Park nicht verſchmaͤht, werden von einem Raſen getheilt und dieſer von einer Bruͤcke verſchoͤnert, die Waſſer ankuͤndigt; hinter der letzten Flur ſteigt eine mit Raſen bekleidete Hoͤhe empor, auf deren Gipfel zwiſchen finſtern Nadelhoͤlzern, die ſich zur Rechten tiefer herabziehen, ſich Ruinen ſehr maleriſch zeigen. Von der letzten Flur heruͤber ſchimmert ein weißer hoher Sitz in einer Hoͤhlung der Pflanzung; zur Linken dieſer Flur ſpringt eine dunkle Gruppe hervor, die trefflich gegen ſie contraſtirt, und auf deren Spitze zwey Birken ſtehen, neben welchen ſich eine Oeffnung in eine Tannenpflanzung hineinzieht. Nahe bey dieſem Vorſprung der Gruppe erſcheint eine andre große dichte Pflanzung, bey welcher das Auge in einem Waldwinkel eine Bruͤcke entdeckt, die in dieſem Geſichts - punkt ein noch unſichtbares Waſſer verraͤth.

Wenn wir dieſen Weg verlaſſen, ſehen wir bald links einen Pfad ablaufen, gehen aber gerade aus neben Obſtbaͤumen hin und ſtoßen auf einen ſchmalen Strich von Nadelhoͤlzern. Neben dieſer ſchweift links ein Pfad nach einer Eiche mit einem Sitz, ein andrer fuͤhrt gerade auf eine runde Gruppe von mannichfaltigen Baum - arten.

Bey dieſer Gruppe ſieht man neben den zwey eben erwaͤhnten Birken an dem Vorſprung der Gruppe einen Steg, unter welchem ſich ein Waſſer ergießt, das ſich hier in ein ziemliches Behaͤltniß ausbreitet. Es iſt umher von Raſen umgeben, frey in Form und in Lage, ein Spiegel der benachbarten Baͤume. Die Pflanzun - gen umher machen hier wieder verſchiedene neue Anſichten von Oeffnungen und Einbuchten.

Von hier fortſchreitend laſſen wir das Waſſer zur Rechten, ſehen bey einer Gruppe zur Linken eine Oeffnung der Pflanzung auf einer Anhoͤhe hinauf, und naͤhern uns wieder etwas dem Waſſer, indem wir auf eine frey im Wege liegende flache Bank ſtoßen. Hier vereinigen ſich viele Ausſichten. Bald erſcheinen die Ruinen, die ſich aus einem finſtern Tannenhayn von einer kleinen Hoͤhe erheben, wohin der Blick zwiſchen zwey Gruppen uͤber Raſen hinaufſteigt; bald eine Bruͤcke, hinter welcher ein anmuthiger bebuſchter Huͤgel aufſchwellt; bald eine weite perſpectiviſche Durchſicht durch die außer dem Umkreis des Parks verlaͤngerten Pflanzungen; bald verſchiedene andere naͤhere Oeffnungen der Gebuͤſche; bald eine Eiche in der Ferne, vor welcher ein großes Kreuz ſich zeigt, das die Nachbarſchaft einer Einſiedeley zuverrathen217Beſchreibungen von Gaͤrten. verrathen ſcheint; bald Sitze und Bruͤcken umher; bald eine Anhoͤhe, mit einigen Gruppen und einem offenen halbrunden Sitz geziert, der ſich im Waſſer ſpiegelt.

An dieſem Waſſer hin fuͤhrt von hier ein Pfad uͤber einen Knoͤppelſteg in ein kleines Gehoͤlz von Nadelbaͤumen; ein anmuthiger Platz in den Jahrszeiten, worinn die Laubpflanzungen noch nicht mit ihrem Gruͤn bekleidet ſind. In der Mitte hebt ſich eine Birke, und an ihrem Fuß ruhet ein runder Sitz, in der Ausſicht auf eine ſanfte Anhoͤhe mit einigen Gruppen im einfaͤltigen Schmuck der Natur. Beym Heraustreten wenden wir uns links gegen eine Bruͤcke, und, indem wir uns ihr naͤhern, zeigt ſich in der Ferne der Obelisk am Ende der Pflanzungen außer der Graͤnzlinie des Parks. Wir laſſen die Bruͤcke zur Linken, ſteigen eine Anhoͤhe hinauf, wo verſchiedene Pfade umherirren, und gelangen auf der mittlern Hoͤhe zu einer Bank, wo ſich eine reiche und fruchtbare Landſchaft eroͤffnet, mit Kornfeldern, Wieſen und Weiden erheitert, und ſchattirt von Gebuͤſchen und Wald. Zur Lin - ken ſteigt eine lange Ausſicht die Anhoͤhe hinauf, von Pflanzungen begraͤnzt. Ein unermeßlicher Proſpect aber erweitert und dehnt ſich zur Rechten hinter Hannover hinaus in entfernte Landſchaften. Das Abendlicht, das man hier zur Linken hinun - ter glaͤnzen ſieht, erhoͤhet nicht wenig den Reiz dieſer Gegenden, indem rings umher die Luͤfte von den letzten Liedern der Lerche ertoͤnen.

Der Weg ſenkt ſich hinunter, windet ſich wieder hinauf und ſteigt durch eine[ſ]chmale Oeffnung; er fuͤhrt in eine Pflanzung von Nadelhoͤlzern. Von hier ſteigt man in einem ſchmalen wilden Pfad hinauf, mit mancherley Nadelholz beſetzt. Ein oͤdes einſames Revier. Man erblickt ſchon einige Ruinen; einzelne Truͤmmer begegnen im Weg, und erinnern den Fuß, vorſichtiger zu ſchreiten. Nun erſchei - nen ſie ſelbſt, die taͤuſchenden Ruinen, deren Erſcheinung in entferntern Geſichts - punkten ſo oft ein anziehender Gegenſtand fuͤr das Auge und fuͤr die Erwartung war. Sie ſind weit uͤber den Boden ausgebreitet, und ſcheinen die Reſte eines ſehr großen und anſehnlichen Gebaͤudes zu ſeyn. Das forſchende Auge entdeckt, was ſie ehe - mals waren. Es erblickt die Truͤmmer einer alten gothiſchen Kloſterkirche. Aller - ley rohes Geſtein zwiſchen durchloͤcherten, vormals gehauenen, nun zerſtuͤckten Bau - ſteinen, zerſtoͤrtes Geſimſe, halbe Bilder von Heiligen und andere kaum kenntliche Figuren, Grabſteine mit Moͤnchsſchrift, zerbrochene Stuͤcke mit meiſt verloͤſchten Inſchriften, ein Taufſtein, ein Weihkeſſel, und andere Truͤmmer, von der Ver - wuͤſtung der Zeit durch einander geworfen zwiſchen Gras und Geſtraͤuch und Baͤumen hingeſtreut, uͤberwachſen und verwildert dazwiſchen noch ſtehendes, halb ſchwankendes, auf jeden Augenblick den Einſturz drohendes Gemaͤuer und Boͤgen und Saͤulenwerk ſo taͤuſchend angeordnet, ſo maleriſch ausgebildet, daß,V Band. E ewie218Erſter Anhang. wie viel der Wirklichkeit abgeht, kaum bemerkt wird. Doch vereinigt ſich hier die Wahrheit mit der Kunſt. Die Grabſteine, der Taufſtein, die Bilder der Heiligen und andere Stuͤcke ſind wirkliche Reſte des Alterthums, aus Kloſterkirchen geſammelt; andere Truͤmmer ſind nur gemacht, und doch betruͤgen ſie in der Ferne das Auge bis zum Erſtaunen. Verriethen nicht die hie und da untermiſchten ruinenartig gemalten Bre - ter in der Naͤhe die Kunſt der Nachahmung; ſo koͤnnte nichts taͤuſchender ſeyn, als die Anordnung dieſer Scene. Oben auf der Hoͤhe hebt ſich der Thurm, meiſt zerſtoͤrt, empor. Hier eroͤffnet ſich eine der herrlichſten Ausſichten, die ſich uͤber den ganzen Park und die umliegenden Landſchaften ausbreitet. Man uͤberſchaut die Menge von Gruppen, Haynen und mannichfaltigen Pflanzungen, die vielen heitern Oeffnungen und Raſen dazwiſchen, die Hoͤhen und Niedrigungen, ein Gemiſch von tauſend lieblichen Farben und Schattirungen, die uͤberall aus dem Gruͤn ſo reizend hervor - ſchimmernden Sitze, wo das feinſte Vergnuͤgen genoſſen wird, den ausgedehnten und praͤchtigen woldigten Umzug des weiten Bezirks. Man blickt in unermeßliche fruchtbare Landſchaften hinaus, auf den Lauf der Leine, die im tiefen Grunde aus Gebuͤſchen hervorſcheint, auf die Stadt Hannover mit ihren Thuͤrmen, auf Waͤl - der und Berge, die weit in die Ferne hin daͤmmern. Mitten unter allen dieſen be - lebenden Ausſichten hoͤrten wir noch unter uns das Getuͤmmel der erſten Heuaͤrndte, den froͤhlichen Zuruf der Heerden, und uͤber unſern Haͤuptern die Triumphlieder der Bewohner der Luͤfte. Alles, alles eilte, den Geiſt und die Empfindung zu erhoͤhen. Und in dieſer wolluſtvollen Erhebung der Seele, unter dieſen begeiſternden Gefuͤhlen, die uns die Herrlichkeit der Natur von allen Seiten zuſtroͤmen ließ, empfanden wir ganz den Eindruck der deutſchen Inſchrift, die neben uns an der Mauer des Thurms ſtand, und die ſo gewaͤhlt, ſo treffend fuͤr dieſe Stelle iſt.

Wenn ſchon ein Blick in dieſe Welt,
Die reizend vor uns lieget,
So ſehr vergnuͤget;
Wie werden uns die Gegenden entzuͤcken,
Wo Licht und Herrlichkeit und Pracht
Den Raum des weiten Himmels ſchmuͤcken;
Wo Doch wer malet in der Nacht
Das Bild vom ungeſehnen Tage?
Empfinde[ſ]elbſt, was noch kein Auge ſah!
Die Ausſicht auf dieß Gluͤck iſt da!
Es iſt dir nah!
Von219Beſchreibungen von Gaͤrten.

Von dem Zauber dieſer Ausſicht erfuͤllt, wandeln wir gerade auf einen hohen Schirmſitz zu, der in verſchiedenen Geſichtspunkten, beſonders vom Hauſe aus, ein hervorſtechender Gegenſtand iſt. Man ſieht zur Rechten in ein Thal hinab, wo die Leine ſich zwiſchen Gebuͤſchen an einer Wieſe fortwindet, und ſodann die hoch auf - ſteigende ferne Landſchaft; zur Linken erſcheint in einer Entfernung von mehr als einer Meile das militaͤriſche Reithaus, und Tannenwaͤlder ſchließen den Horizont. Man kommt uͤber Raſen bey verſchiedenen Gruppen und Sitzen vorbey, unter laͤnd - lichen Ausſichten, worunter beſonders weite Kornfelder erſcheinen, die ſich bis an den fernſten Geſichtskreis verbreiten, hin und wieder mit einigen Doͤrfern belebt und mit Buſchwerk und zerſtreuten Waldſtuͤcken ſchattirt ſind, zur Rechten aber einen Kranz zuſammenhaͤngender Waldungen haben. Man gelangt endlich zu dem groſ - ſen Schirmſitz auf der umpflanzten Hoͤhe. Die Ausſicht zur Linken faͤllt hinab und ſteigt wieder hinauf, in einer langen Strecke fort, nach dem Thurm der großen Ruinen der gothiſchen Kloſterkirche; gerade aus endigt ſie ſich bey dem entfernten Wohnhauſe; und zur Rechten ſtellt ſie einen erhabenen und weiten waldigten Umzug dar, den die Eichenkronen bilden. Die Sandhoͤhe dieſes Schirmſitzes iſt umher mit Pflanzungen von Nadelhoͤlzern bekleidet.

Nahe bey dieſem Sitz liegen kleine Ruinen, die von verſchiedenen Seiten einen Gegenſtand des Proſpects in der Ferne bilden. Man blickt von hier in die Zwi - ſchenraͤume der Pflanzungen in der Niedrigung, auf Sitze und andre Gegenſtaͤnde hin. Zur Linken zeigt ſich fernher durch die Klumps der Nadelhoͤlzer die abhaͤngige Spitze der großen Ruinen; und rechts ruhet das Auge, das durch eine ſehr ent - fernte Pflanzung von Birken hinabirret, bey einem entlegenen etwas erhoͤhten Sitz. Hinter dieſen kleinen Ruinen geht ein Weg nach dem hohen Schirmſitz herum, zwi - ſchen einer dichten Pflanzung von Nadelhoͤlzern. So nahe bey einander dieſe zwey Gegenſtaͤnde liegen, ſo thun ſie ſich doch in den Proſpecten keinen Eintrag; denn durch die Kunſt der Umpflanzung weicht der eine zuruͤck, wenn der andere erſcheint, und nirgends dringen ſie ſich beyde zugleich in einem Geſichtspunkt auf.

Im Fortgehen zur Linken auf dem Abhang hinab, kommen wir auf eine Gruppe, die ſich hier mitten in einem hellen Raſen erhebt und hinter ſich eine wal - digte Umkraͤnzung hat. Der Weg windet ſich links herum, etwas wild zwiſchen Fuͤhren hin; auf beyden Seiten eroͤffnet ſich wieder ein Raſen, der links zu den Ruinen hinauſſchwillt und rechts an eine Bruͤcke graͤnzt, uͤber welche ſich in einer weiten Entfernung der Obelisk zeigt. Man laͤßt hier das kleine Gehoͤlz von Nadel - baͤumen zur Rechten, ſieht einen Pfad hinein - und zwey herumlaufen. Daneben winkt zum Verweilen ein Sitz, von dem man die Hoͤhe hinauf blickt. Man gehtE e 2von220Erſter Anhang. von hier, den Ruinen zu, die ſich allmaͤhlich erhebende Anhoͤhe hinauf, zwiſchen zwey Pflanzungen von Nadelhoͤlzern, die von dem eben erwaͤhnten kleinen Gehoͤlz abzulaufen ſcheinen. Der Pfad faͤllt auf einen freyſtehenden Stuhl. Die Ruinen bleiben hier zur Rechten; man hat vor ſich ſanfte Abhaͤnge, die ſeitwaͤrts herab - fließen; das Weiße von einigen Bruͤcken und Sitzen belebt die Ausſicht; zur Linken ſchweift der Blick zwiſchen Pflanzungen hin, und bricht durch eine Oeffnung, wo er auf einem heitern Stuͤck von Raſen weilt.

Von hier wandeln wir gerade aus, der Oeffnung zu, zwiſchen Fichtenpflan - zungen. Der Weg ſchlaͤngelt ſich hinab, immer zwiſchen Fichten, der Oeffnung entgegen, die ſich erweitert und verlaͤngert. Indem man ſich ihr naͤhert, bricht Licht und Heiterkeit hervor, manche ſchattirte und halbbeleuchtete Stelle, eine Bruͤcke, und in der Ferne auf einem hellen Raſen die weiße Knoͤppelbruͤcke, und weiter hin ſchimmert die chineſiſche Bruͤcke am Hauſe. Eine reizende, das Auge anzaubernde, Durchſicht! Wenn es ſich daran ergoͤtzt hat, ſieht es auf einmal zur Linken eine andre Ausſicht hervorbrechen, den großen Raſen mit der Weide, hinten die alte Eiche mit den Bildern der Jahrszeiten, einen Theil des Eichenhayns, einige Vor - ſpruͤnge der Gruppen in die gruͤne Flaͤche, und naͤher auf eben dieſer Seite eine Bruͤcke.

Der Weg wendet ſich gleich links herum in einen dunkeln Hayn von Nadel - hoͤlzern, der ſich auf einem Abhange hinzieht, und der Einſamkeit und einer ſanften Melancholie gewidmet iſt. Verſchiedene Inſchriften an den Sitzen umher helfen den Eindruck dieſes ſtillen Bezirks erhoͤhen.

Die Einſamkeit ſtaͤrkt den Geiſt, und lehrt ihn ſich auf ſich ſelbſt ver - laſſen.
Hier erklaͤrt ſich das Nachdenken die geheimnißvollen Traͤume des hinfaͤl - ligen Lebens.

Und bey dem heitern Ausgang aus dieſem Hayn begegnet dem Auge dieſe leh - rende Inſchrift:

Ergreife die Weisheit, ehe es dir eine Quaal wird, weiſe zu ſeyn; das heißt: ergreife ſie, ehe ſie dich ergreift.

Wir gehen in Nadelpflanzungen fort, worinn verſchiedene Pfade umher irrten, durch einſame Gegenden und kleine Wildniſſe, uͤber Knoͤppelbruͤcken, bey Raſen - ſitzen vorbey, ſodann unter Ausſichten auf Waſſer und heitre Flaͤchen. Unterdeſſen giebt ein Sitz dem Unempfindlichen dieſe nachdruͤckliche Erinnerung:

Kannſt du in der kleinſten Bluͤthenknoſpe keinen Reiz entdecken, dann verlaß dein Feld und deine Heerde, geh zur eiteln Menge und arbeite um Gold!
Ein221Beſchreibungen von Gaͤrten.

Ein hoher, runder, offener und mit einer vorſpringenden Bedeckung verſe - hener Gartenſitz ruft uns zu ſich. Wir ſehen, indem wir hier ſitzen, zur Rechten einen Weg ſich in die Pflanzung hineinkruͤmmen. In der geraden Ausſicht[ſ]enkt ſich der Raſen zu einem Waſſerſtuͤcke hinab; eine Gruppe, ſo nahe, als wollte ſie hineinſtuͤrzen, ſcheint den Wiederſchein ihrer ſchoͤnen Geſtalt zu ſuchen. Ueber das Waſſer hin erheben ſich auf ihrer Hoͤhe die Ruinen zwiſchen dem duͤſtern Gruͤn. Weiter links erblicken wir Wege, die ſich in verſchiedenen Einbuchten der Pflanzung verlieren. Die Seiten dieſes ſchoͤnen hohen Sitzes ſind von Baͤumen uͤberſchattet; der hintre Theil hat die Geſtalt eines alten Wartethurms, der doch nur durch die Bepflanzung in einigen beſtimmten Proſpecten ſichtbar wird.

Ein anmuthiger Weg fuͤhrt von dieſem Sitz nach der Statue des Pan, der ſchon vorher aus andern Geſichtspunkten, aber unkenntlich, ins Auge fiel. Er ſteht auf einer Hoͤhe, mit der Durchſicht auf Felder und Wieſen, wo ſeine Heerden ruhig weiden, indeſſen er ſich hier mit ſeiner laͤndlichen Muſik ergoͤtzt.

Von dieſer Hoͤhe faͤllt der Blick zugleich in einen buſchigten, dicht bewachſenen Grund, wohin ein Steg hineinfuͤhrt. Wir laſſen dieſen Grund zur Rechten, und gehen den Abhang hinab, an deſſen Ende der Pfad ſich auf einmal in eine kleine, einſame, ſchattenreiche und ſuͤße Schwermuth erregende Wildniß, die von mancher - ley Baͤumen zuſammengepflanzt iſt, herumwendet. Von dem Sitz dieſer Wildniß blicken wir zur Linken auf einen Weg in den dunkeln Hayn der Einſamkeit zuruͤck; ein offener, mehr anmuthiger Pfad ſteigt neben ihm aufwaͤrts hinauf. Die Aus - ſicht iſt hier uͤbrigens verſchloſſen. Bloß eine kleine Oeffnung durch die vorſtehenden Baͤume, wo das Auge einen Strich von der friſchen Weide erreicht, bricht durch, und wird bald wieder begraͤnzt durch die Dunkelheit der hintern Waldmaſſe. In - dem wir weiter vorwaͤrts einer Bruͤcke zugehen, an welcher ein kleiner Waſſerguß im Gebuͤſch rauſcht, bricht wieder ein heitrer Auftritt hervor. Wir wenden uns, ſobald wir uͤber die Bruͤcke ſind, gleich rechts zu einer Bank an einem Roſengebuͤſch. Hier iſt eine liebliche Stelle, wo man gerne verweilt, den ſuͤßen Duft der Roſen zu athmen, den Waſſerguß in das Geraͤuſch der wallenden Baͤume eintoͤnen zu hoͤ - ren, und zugleich das Auge an den mannichfaltigen maleriſchen Anſichten ſchwelgen zu laſſen, welche die Lichter und Schatten an den vorliegenden Pflanzungen bilden. Ganz nahe zur Rechten bey dieſem Roſenſitz ſieht man das Revier, das man bey der Statue des Pan fuͤr einen tiefen buſchigten Grund hielt. Hier aber endeckt ſich der Betrug des Auges, der von der dem Steg gegenuͤber liegenden, ſchmalen und vordringenden Gruppe bewirkt wird; der Steg verſtaͤrkt den Schein der Verſchlieſ - ſung. Man ſieht nun, daß es keine verſenkte buſchvolle Tiefe war, ſondern eineE e 3etwas222Erſter Anhang. etwas dichtere Gruppirung. So viel vermag die Kunſt der Pflanzung. Indem man uͤber den Steg geht, hat man die heitre Anhoͤhe und den Pan im Geſicht.

Wir verfolgen den Weg, der von der Bruͤcke, woruͤber wir zu der Bank am Roſengebuͤſch kamen, gerade fortlaͤuft, und wenden uns links gegen den Vor - ſprung einer Pflanzung. Indeſſen eroͤffnet ſich zur Rechten ein Pyramidalſitz unter dem Schatten einer Eiche, zur Linken eine Bruͤcke, zwey maleriſche von weißen Weiden verſchoͤnerte Gruppen, denen wir uns mit einer Wendung des Weges naͤ - hern. Wir kommen uͤber die Bruͤcke, und von hier rechts in einen ſchattenreichen Dickigt, wo ein Waſſerfall rauſcht. Beym Heraustritt faͤllt der Wartethurm ins Geſicht. Bey einem Schattenſitz am Waſſer und einer Bruͤcke vorbey, die zur Rechten bleibt, ſchreiten wir fort zu dem Anblick einer Urne, die ſich zur Linken auf einer kleinen Anhoͤhe, von Nadelhoͤlzern verduͤſtert, zu verbergen ſcheint. Eine Hangelbirke und eine babyloniſche Weide laſſen ihre Zweige mitleidig uͤber ſie herab - hangen, und ein voran gepflanzter Sumach ſcheint ſie noch mehr dem Auge ent - ziehen zu wollen. Doch fuͤhren einige Stufen naͤher hin. Nahe dabey ſteht eine Bank mit einer Inſchrift, die ſich auf den wuͤrdigen, gegen die Armen ſo wohlthaͤ - tigen, Miniſter bezieht, deſſen Andenken die Urne gewidmet ward, ohne daß der beſcheidne Beſitzer den Namen nannte. Er wollte nichts mehr, als ein Denkmal zur Erinnerung an den, welchen er verehrte; ſeine Hochachtung und Freundſchaft gegen einen ſolchen Mann ſollte ſich in eben dem Schatten verſchließen, worein er ſeine Urne ſtellte.

Von hier fuͤhrt der Weg nach einer gemeinen Knoͤppelbruͤcke, die einen eben ſo rohen Sitz unter dem Schatten der Baͤume hat, die ſich uͤber das Waſſer herab - neigen, und es melancholiſch verdunkeln. Man ſieht hier wieder einen großen Theil der Ruinen nahe vor ſich, auf einer ſteilen Anhoͤhe, die, mit Genſter und Fichten bewachſen, wild und oͤde da liegt. Die Steine ſind hin und her auf der Hoͤhe zer - worfen. Die noch ſtehenden Truͤmmer ſind halb von den verſchattenden Baͤumen verſteckt; ſie erſcheinen nur in zertrennten Stuͤcken; durch ihre Zwiſchenraͤume trauern die hintern Fichten hervor. Sanfte Melancholie ergreift den Empfindenden, und dieſe Verfaſſung der Seele verſtaͤrkt ſich noch bey dem Blick auf die vorige Urne.

Um dieſen Sitz laͤuft ein Weg bis nach der vorhin angezeigten langen Bruͤcke, die vor dem Anblick der großen Ruinen liegt, und worauf wir durch den ſchattigten Bogengang von der Leine her ſtießen. Wo der Weg dahin ablaͤuft, ſteht noch ein Sitz mit einer freyen, der vorigen entgegengeſetzten, doch ſtillen laͤndlichen Aus - ſicht, und mit dieſer ſanft erwaͤrmenden und beruhigenden Inſchrift:

Fuͤhle223Beſchreibungen von Gaͤrten.
Fuͤhle in deinem Herzen die ſuͤßen Erregungen der Natur, nimm an, was ſie dir guͤtig zutheilt, und denk an nichts weiter!

Wir gehen uͤber die Wieſe zuruͤck, indem wir den ſchmalen Bach zur Rechten laſſen, und blicken vorwaͤrts durch verſchiedene maleriſche Klumpen und in waldigten Vertiefungen, die ſich an den Seiten zeigen. Wir gelangen wieder zu der letzten Bruͤcke, am Waſſerfall vorbey, ſehen ihn zur Rechten im Dickigt, und wenden uns herum zu einem Stuhl, der an der Spitze einer ſchmalen Pflanzung ſteht, ge - gen welche eine aͤhnliche ſich zur Beſchattung des durchlaufenden Weges draͤngt. Eine ſchoͤne Ausſicht ſteigt zwiſchen den Pflanzungen ſeitwaͤrts die Hoͤhe hinauf, und in der Niedrigung verlaͤngert ſich der Proſpect zwiſchen den Gruppen in die Ferne hin zu Kornfeldern, vom entlegenen Gehoͤlz begraͤnzt.

Der Fortgang bringt zu einer dreyſitzigen Bank, wovon jede Seite einen unterhaltenden Geſichtspunkt giebt. Der erſte Sitz ſtellt das vorige Gemaͤlde mit einigen Zuͤgen etwas veraͤndert wieder dar; der mittlere giebt dem Auge Ruhe auf der nahen vorliegenden ſchmalen Pflanzung, die ſich gleich einem Schirm vorzieht; der letzte, dem erſten entgegen, laͤßt es wieder uͤber Raſen und Weide und auf drey in dieſem Proſpect neben einander emporſteigende Eichen ausſchweifen.

Von hier ſchreiten wir vorwaͤrts dem erwaͤhnten heitern Auftritt zu, mit einer Wendung des Weges zur Linken nach einer Bank. Ein ſchoͤnes Revier! Vor dem Auge verbreitet ſich der große Raſen mit der Weide in einem weiten Umfang, und fließt in dem heiterſten Gruͤn dahin. Gerade vor ſich hat man die Obſtbaum - gruppen, die auf einer kleinen Erhoͤhung des Raſens fortlaufen; eine beſondere Gruppe dieſer Fruchtbaͤume mit abſtechendem Laube ſchattirt den Rand eines Klumps von Waldbaͤumen. An dem Vorſprung einer ſchattirenden Fruchtbaumgruppe bricht in einigem Abſtande ein Theil der Knoͤppelbruͤcke hervor; weiter hin in der Entfernung ein hoher bedeckter Sitz, halb hinter Baͤumen verſteckt; zur Linken eine Ecke des Kloſtergebaͤudes, die zwiſchen den Umhuͤllungen der Baͤume hervor - ſchimmert.

Von dieſem Sitz laͤuft links ein ſchmaler Pfad zwiſchen den ſchoͤnen Gruppen hin, die gleich bey der Eiche mit den Bildern der Jahreszeiten, als eine ſo treffliche Malerey, ins Auge fielen. Ein anderer Weg hebt ſich oben zur Rechten des letzten Sitzes, eine kleine Anhoͤhe hinauf zu einem andern Sitz, der vor einer Pflanzung ruht. Wir verfolgen den Weg, der gerade aus zu den Obſtgruppen fuͤhrt, wan - deln zwiſchen ihnen durch, erblicken zur Rechten einen laͤndlich einfachen Steg, und fehen die Einbuchten und Vorſpruͤnge der Pflanzungen hier naͤher, als in den vori - gen Anſichten. Wir kommen zu einer Bruͤcke, uͤber welche der Weg laͤuft, wobeyein224Erſter Anhang. ein Stuhl die Ausſicht auf eine gegenuͤber liegende Pflanzung giebt, vor welcher ein ſchoͤn gebauter Sitz ſteht. Nach dem Uebergang uͤber die Bruͤcke ſchreiten wir einem einzelnen Baume mit einem viereckigten Sitz entgegen, der in dieſer offenen und heitern Gegend ſehr abwechſelnde Ausſichten nach allen Seiten gewaͤhrt, und wenden uns von hier rechts der Knoͤppelbruͤcke zu. Sie iſt von angenehmen Aus - ſichten umgeben. Indem man uͤber ſie hinſchreitet, ſieht man zur Linken auf das Waſſer herab, die Blumeninſel, den chineſiſchen Pavillon mit der Pflanzung, die ihn auf jeder Seite zu umhuͤllen ſtrebt, die leichtſchwebende Bruͤcke neben ihm, und im Hintergrunde das Wohnhaus, hinter welchem noch der Thurm der Kloſter - kirche uͤber die Baumgipfel hervorragt; weiter hinauf zur Linken einen Theil des be - deckten hohen Sitzes auf der Anhoͤhe; naͤher hieher erſcheinen verſchiedene Ruheplaͤtze, und gerade in der Ausſicht, wenn man auf der Bruͤcke ſteht, zeigt ſich oben auf der Hoͤhe ein andrer ganz freyer Schirmſitz. An der rechten Seite dieſer Bruͤcke hoͤrt man einen kleinen Waſſerfall rauſchen, und uͤberſieht ein Waſſerſtuͤck mit dem Raſen und ſodann eine große Pflanzung.

Wir folgen dem Weg gerade aus, wenden uns bald rechts zu einer niedrigen Feldbruͤcke von Steinen, und gelangen zwiſchen dem Raſen hin in ein gepflanztes Waldrevier von hohen Baͤumen und dichtem Untergebuͤſch, wo gleich drey verſchie - dene Baͤnke zum Ruhen einladen. Unter der Eroͤffnung mancher ſanften Anſichten ſchlaͤngelt ſich der Weg in dieſem Waldrevier umher, und faͤllt aus einer ange - nehmen Finſterniß auf einmal in einen langen heitern Proſpect.

Alle dieſe weiten Spaziergaͤnge, die wir zuruͤckgelegt haben, zeigen die beſtaͤn - dige Abwechſelung von hellen und dunklen Scenen und die große Mannichfaltigkeit von Hoͤhen und Niedrigungen, von Gruppen und Haynen und Raſen, von maleri - ſchen Verkuͤrzungen und Verlaͤngerungen der Durchſichten, von Vorſpruͤngen und Einbuchten der Pflanzungen, von Lichtern und Schatten, untermiſcht mit Bruͤcken und Sitzen, deren weißer Anſtrich und immer abaͤndernde Form die Lebhaftigkeit und Schoͤnheit des Ganzen vermehrt. Dieſer Geiſt der Abwechſelung iſt durch alle Anlagen verbreitet, und erſcheint auf allen uͤbrigen Wegen, die wir noch in dieſer Beſchreibung durchlaufen koͤnnten. Allein wir wollen ſie der ſo angenehm unterhal - tenden eigenen Aufſuchung des Gartenfreundes lieber uͤberlaſſen, als ihn hier ganz befriedigen.

Indeſſen naͤhern wir uns bey der Zuruͤckkehr zu dem Wohngebaͤude noch einer ruͤhrenden Scene. Der Weg ſchleicht herum, und auf einmal befinden wir uns in einem dunkeln einſamen Revier, wo eine große Urne auf einem Fußgeſtell erſcheint, ein Denkmal fuͤr einen großen Miniſter, der dem Staat, den Wiſſenſchaften undder225Beſchreibungen von Gaͤrten. der Menſchheit unvergeßlich iſt. Man verweilt mit einer dankbaren Erinnerung bey dieſem Monument, indeſſen daß die dichte ſchattenreiche Pflanzung, von Nadelhoͤl - zern verduͤſtert, die ſanfte Melancholie dieſes Platzes vermehren hilft. Der Aus - gang fuͤhrt wieder zum Licht und zur Freude; ein Pfad windet ſich zur Rechten fort, an der Pflanzung herum, und leitet zu einer mit einem Kreuz bezeichneten Bank, woran dieſe ruͤhrende Inſchrift erſcheint:

Geſegnet ſey die guͤtige Hand, die mein Herz unter dieſem friedlichen Schat - ten ſanft zu Ruhe brachte.

Nicht weit von hier hebt ſich ein Weg die Hoͤhe hinauf nach dem großen offe - nen, mit einem Vordach beſchirmten Cabinet oder Ruheſitz. Dieſer Platz herrſcht von ſeiner Anhoͤhe uͤber eine Reihe der heiterſten Ausſichten. Zwey Wallnußbaͤume, die an der linken Seite einen Vorgrund bilden, ſtreuen ihren erquickenden Schatten hin und laſſen unter der Daͤmmerung ihrer Zweige das Auge froh in die unten ſich verbreitenden Gegenden hinausirren. Gerade vor dem Blick am Fuß der Anhoͤhe verbreitet ſich das Waſſer in ſeinem Umfang. Man uͤberſieht die Blumeninſel darinn ganz. Dieſer Gegenſtand wirft ein heitres Licht auf alle angraͤnzende Auftritte. Von dem Waſſer an eroͤffnet ſich der große Raſen mit der Weide. Die Pflanzung der Obſtbaͤume ſowohl, als auch die große naͤhere Waldgruppe, vor welcher ein an - muthiger Sitz erſcheint, werfen eine ſchoͤn abwechſelnde Schattirung uͤber ihn hin. Neben dieſer waldigten Gruppe vorbey, wird das Auge von der uralten Eiche mit den Figuren der Jahrszeiten gerufen, und ruht ſodann in dem fernen ſchattigten Winkel der Huͤrde. Von hier an ziehen ſich die entferntern Gruppen hinter der Pflanzung der Obſtbaͤume weg, und ſcheinen in eine einzige Waldmaſſe zuſammen - zufließen; doch ſind die ſchoͤnen Schattirungen auch hier dem Auge ſichtbar. Ueber einen Theil der Obſtbaumgruppen hin ſchweift der Blick uͤber fortlaufende Raſen, das Fruchtfeld und die buſchigten Ufer der Leine, und weiter verliert er ſich in die ferne Landſchaft hinaus, die mit Kornfluren und Waͤldern wechſelt, ſich etwas ge - gen den Horizont hebt, und in ſeinen blaͤulichen Dunſt hinausdaͤmmert. In eben dieſer Richtung verweilt das Auge naͤher her bey einem Vorſprung der Pflanzung, vor welcher ein Sitz erſcheint. Noch etwas naͤher heran ſteigt eine hohe ſehr anſehn - liche Pflanzung mit vieler Pracht empor; der Blick dahin geht gerade uͤber die Knoͤppelbruͤcke und ruhet bey einem großen, zierlichen Sitz, der in einer Oeffnung dieſer Pflanzung ſchimmert, in welche noch an einer nahen Einbucht der Raſen hin - einſchleicht. Noch naͤher macht eine Gruppe mit hellerm Laube einen Vorſprung, und bildet zwiſchen ſich und der benachbarten Pflanzung, die ebenfalls etwas hervor - tritt, einen ſchattigten Zwiſchenraum, wo ein freyſtehender Stuhl ſchimmert. V Band. F fNoch226Erſter Anhang. Noch eine Oeffnung zieht ſich daneben ins Gebuͤſch hinein. Indem wir noch einmal das Waſſer und die heitre Flaͤche der Raſen uͤberſchauen, und uns etwas zur Rech - ten hinwenden, ſehen wir den alten Eichenhayn ſich mit ehrwuͤrdigem Dunkel in einer weiten Ausdehnung erheben. Ob er gleich einige Durchſichten verſtattet, ſo iſt doch ſein Anſehen von einer gewiſſen feyerlichen Ernſthaftigkeit, die einen ſtarken Contraſt gegen die vor ihm liegenden muntern Auftritte macht. Er ſchließt hier den Geſichtskreis; mit einem erhabenen Vergnuͤgen ruhet das Auge in ſeiner ſtillen Dunkelheit. Doch verſtattet er zur Rechten, wo ſeine letzten Staͤmme ſich ver - ſpreiten, noch einige fern in die Landſchaft hin fortſchreitende Blicke, bis dahin, wo eine waldigte Hoͤhe die Ausſicht begraͤnzt.

Nahe zur Rechten winket uns der Pavillon, deſſen Anblick in ſo manchen Ge - ſichtspunkten reizte. Wir gehen zu ihm hinab. Am Wege begruͤßt uns eine Bank mit dieſer lehrenden Inſchrift:

Eine der ſchoͤnſten Gaben des Himmels iſt es, ein unbemerktes, maͤßiges und ruhiges Leben fuͤhren zu koͤnnen, Schatten und Licht in der Seele zu ordnen, und die Schoͤnheiten der unverſtellten Naturſcenen anzulaͤcheln.

Unter dem Gefuͤhl dieſer Wahrheit kommen wir in ein faſt ganz verſchloſſenes Ge - buͤſch, ſodann uͤber eine Bruͤcke, den Uebergang in eine kleine Inſel, die mit Blu - men, ſchoͤn bluͤhenden Straͤuchern und edlen auslaͤndiſchen Baͤumen geſchmuͤckt iſt. Ein kleiner, anziehender, ſuͤßer Aufenthalt! Man ſieht hier die Gruppen auf dem Raſen vor dem Wohnhauſe von einer andern ſehr maleriſchen Seite. Der Pavillon enthaͤlt ein feines Cabinet, das einen lieblichen Ruheplatz gewaͤhrt. Das Waſſer in ſeinem ganzen Umfang, mit den kleinen Fahrzeugen am Ufer, mit der Blu - meninſel faſt in der Mitte, und die etwas mehr entfernte Bruͤcke macht bey der Ausſicht aus dem Pavillon zuerſt den lebhafteſten Auftritt. Weiter hin uͤber den Raſen bildet die Pflanzung den ſchoͤnſten waldigten Umzug; die Schattirungen des mannichfaltigen Gruͤns fallen hier aufs angenehmſte ins Auge, mit einer ganzen Reihe von maleriſchen Vorſpruͤngen, Einbuchten und Vertiefungen der Gruppen und Hayne, bald dunkler, bald heller, bald verlaͤngert, bald verkuͤrzt, bald mit Stuͤhlen und Sitzen in ihren Oeffnungen erheitert, bald bloß von der Natur mit laubigten Woͤlbungen geſchmuͤckt; bald ſchimmern die freyen weißen Staͤmme der Birken aus der finſtern Vertiefung hervor, bald verduͤſtert die ernſte Tanne und Fichte den fernen Winkel, bald wallen glaͤnzende Laubdecken mit einer ſchwelgeriſchen Pracht auf den Raſen hinab. Auf beyden Seiten wird das Auge durch andre Aus - ſichten unterhalten.

Das227Beſchreibungen von Gaͤrten.

Das große Verdienſt dieſer Anlagen wird außer dem, was darinn dem feinen und erfinderiſchen Gartengenie gehoͤrt, auch durch den Antheil des Fleißes ſichtbar. Außer den alten Eichen, iſt alles von dem Beſitzer angepflanzt, groͤßtentheils mit ſeiner Hand; und dieſer Umſtand wird noch wichtiger durch die Bemerkung, daß der Umfang ſich auf ſechzig Morgen Landes erſtreckt. Wilde und oͤde Gegenden mit Anpflanzung beleben, iſt ſchon Verdienſt; noch mehr aber hier, wo ſo viele Stellen, die jetzt ſo reizende Scenen voll Gruͤn und Leben darſtellen, mit einem todten Flug - ſand uͤberdeckt waren. Das Nuͤtzliche geſellt ſich hier zu dem Anmuthigen. Alle Raſen, die mit guten Grasarten beſaͤet ſind, werden gemaͤhet; darauf dienen ſie zur Weide, welche den Auftritt von neuem belebt.

Nirgends iſt die wahre Graͤnze dieſes Gartens oder Parks ſichtbar; ſie ver - liert ſich ſo allmaͤhlich ins Feld, daß man ſie nicht gewahr wird, oder in die Pflan - zungen bey den umherlaufenden Wegen zum Fahren und Reiten. Dieſe Pflanzun - gen, die zum Theil aus Alleen beſtehen, und um die meiſten Gegenden an der Graͤnze des Gartens ſich herum winden, nehmen noch einen Umfang ein, der viel - mal groͤßer iſt, als er ſelbſt. Sie dienen zu Spazierfahrten und Reitwegen, die nach einer richtigen Anordnung zu den Annehmlichkeiten eines betraͤchtlichen Land - guts gehoͤren. Sie ſind hier mit mancherley Ausſichten und perſpectiviſchen Ver - laͤngerungen angelegt, und mit den Proſpecten des Gartens verbunden; ſie heben und vergroͤßern ſich durch einander, und haben eine gegenſeitige Beziehung, die fuͤr beyde gleich wichtig iſt. Die Wege ſind bequem; auf den Seiten ſieht man Heer - den von Schaafen weiden, einen froͤhlichen laͤndlichen Auftritt.

Was der Garten bey ſeinem weiten Umfang noch aufnehmen zu koͤnnen ſcheint, das ſind einige charakteriſtiſche Gebaͤude, fuͤr welche vielleicht hie und da ein Sitz ent - behrt werden koͤnnte. Indeſſen iſt es auch wahr, daß faſt jeder Stuhl, und jede Bank mit Abſicht geſtellt iſt, faſt immer auf einen intereſſanten Proſpect hinweiſet, zuweilen aber auch dem Auge bloß Ruhe auf dem ſanften Gruͤn naher Laubdecken gewaͤhrt. In den Formen dieſer Gartenſtuͤhle und Sitze ſowohl als der Bruͤcken, herrſcht eine ſo reiche und mannichfaltige Erfindung, daß ſie beynahe eine Akademie fuͤr den Zeichner geben; wenigſtens iſt in keiner Sammlung von Architecturwerken oder von engliſchen Gartenproſpecten der zwanzigſte Theil von allen dieſen verſchie - denen Zeichnungen zu finden.

Faſt alle Sitze und Baͤnke ſind mit Inſchriften verſehen. Es gilt wohl eine Erinnerung gegen ihre Vielheit; allein ſie verguͤten den Fehler des Ueberfluͤßigen und Gehaͤuften durch ihren innern Werth. Oft haben ſie eine oͤrtliche Beziehung auf die Scenen und Ausſichten, die vor Augen liegen; zuweilen geben ſie dem Spazier -F f 2gaͤnger228Erſter Anhang. gaͤnger mit einem ſtarken oder doch edlen Ausdruck eine wichtige moraliſche Lehre, oder eine philoſophiſche Betrachtung auf den Weg. Dahin gehoͤren außer denen, die an ihrer Stelle bemerkt ſind, noch dieſe:

Freund, der du frey von der ſchaͤdlichen Zankſucht hier ein ruhig laͤndlich Leben fuͤhrſt! Fliehe die Sorgen, welche die Ehre begleiten; verlache des Ehrgeizes emporſtrebenden Flug. Sey in ſtiller Zufriedenheit froͤhlich und groß. Lache der eitlen Pracht der Großen. Ergieb dich des Himmels maͤchtiger Vorſehung. Genieße die gegenwaͤrtige goldne Stunde, denke mit Dank an die vergangene; die letzte von allen wuͤnſche und fuͤrchte nicht.
Gebt der Freude ihren freyen Lauf. Schmuͤckt das magre Thal des Lebens mit Blumen und pfluͤckt von jedem Dornſtrauch eine Roſe.
Laßt jeden kommenden Augenblick neue Erkenntniß auf ſeinem Fluͤgel mit - bringen; laßt jede fliehende Minute Erinnerung guter und weiſer Tha - ten ſeyn.
Dem Stolz zum Trotz, zum Trotz der irrenden Vernunft bleibt eine Wahr - heit immer wahr: Alles, was da iſt, iſt recht.
Spiele deine Rolle auf dem Schauplatz des Lebens; ſey zufrieden mit dem, was du biſt; ſey deiner Wuͤrde und deiner Talente werth, indem du immer nach hoͤhern Verdienſten ſtrebſt.
Unſichtbar iſt die Sonne, unhoͤrbar der rollende Donner den Seelen, die nichts von ihrer hohen Abkunft, nichts von ihrem gegenwaͤrtigen Aufent - halt, noch von ihrem kuͤnftigen Wehrt wiſſen.
Mehr zu wuͤnſchen iſt eitel. Zu großes Gluͤck bringt Sorge; es ſchafft nur uͤbergoldeten Kummer. Sey zufrieden, und wuͤnſche nicht mehr.
Sieh mit gelaſſenem Auge den dunkeln Abend des Lebens heran kommen; ſchuͤttele die Sanduhr nicht, heiße ſie auch nicht ſtille ſtehen.
Mein Dach ſey von Stroh, meine Wand von Leim, wenn nur mein Freund von Herzen ſpricht: In dieſer Huͤtte lebt der, den ich liebe, und der mich liebt.
Wollt ihr dieſe ruhige Scene recht genießen, ſo muß euer Herz recht heiter ſeyn, rein vom Haſſe, vom Kummer leer, und ihr muͤßt an ihre Stelle Menſchenliebe gepflanzt haben.
Der229Beſchreibungen von Gaͤrten.
Der Menſch braucht nur wenig, und das Wenige nicht lange; bald muß er der Natur den Staub wiedergeben, den die ſparſame Natur ihm auf eine Stunde lieh.
Beſtaͤndige Gluͤckſeligkeit iſt kein Gewaͤchs der Erde; ihr Boden iſt zu un - fruchtbar, um es hervorzubringen. Es iſt eine fremde himmliſche Pflanze, die nur in himmliſcher Luft gedeiht.
Hier moͤge die Unſchuld, vor Feinden ſicher, wandeln; hier die Betrach - tung ſich mit den Fluͤgeln des Seraphs aufſchwingen! O Einſamkeit! Der Menſch, der dich nicht achtet, ſondern ſich vom Gewinnſt locken, vom Ehrgeiz ſpornen laͤßt, wird nie die Quelle wahrer Hoheit kennen.
Komm, genieße hier den erquickenden Schatten; laß uns eine geſellige Stunde der Freundſchaft weihen; komm, haſche die leicht befluͤgelte Stunde. Denn ſie flieht, die Stunde der Froͤhlichkeit flieht auf luftigen Schwingen dahin.
Es giebt gluͤckliche Augenblicke, wo ſich die Seele zu ernſthaften Gedanken geneigt fuͤhlt und die Einſamkeit ſucht; dann ſammelt ſie ſich, und ſchwebt in dem behaglichen Mittelſtand zwiſchen Schwermuth und ausſchweifender Froͤhlichkeit, zwiſchen toller Freude und uͤbler Laune; ſie uͤberlaͤßt dem ge - dankenloſen Haufen ſeine eiteln Wuͤnſche, blickt um ſich, laͤchelt, und kehrt zu ſich ſelbſt zuruͤck.

Verſchiedene andre Inſchriften unter dieſer großen Menge enthalten vortreff - liche Lehren oder Maximen, nicht weniger vortrefflich ausgedruͤckt; allein ſie ſind zu allgemein, als daß ſie hier eine Wiederholung finden koͤnnten. Andre Inſchriften werden durch die beſondre treffende Beziehung auf die Scene intereſſant, wie dieſe:

Geh, gluͤcklicher Schatten, wohin Gott und dein Gluͤck dich rufen. Ge - nieß ewige Ruh und Seligkeit, indem wir hier deinen ſchnellen Abſchied betrauren, bey deiner Urne an dich denken, und um dich klagen.

Noch andre Inſchriften empfehlen ſich dem Freund der ſchoͤnen Natur, indem ſie die Vortheile des Landlebens erheben.

O! moͤchte doch der Gluͤcklichſte der Menſchen ſein Gluͤck recht erkennen: er, der fern von Stadt und Gedraͤnge tief im Thale mit einigen Erwaͤhlten wohnt, und die reinen Freuden des Landlebens trinkt. Sichere Ruhe iſt ſein Loos; ſeinem Leben iſt der Verdruß fremd und die betruͤgeriſche Hoff -F f 3nung;230Erſter Anhang. nung; er genießt bluͤhende Geſundheit, arbeitet ohne Ehrbegierde; ſeine Zeit fließt hin in ruhigem Nachdenken und unbefleckter Unſchuld.
Ihr ſchoͤnen, ſchauervollen Scenen, beſaͤnftigt das unruhige Herz, gebt dem Muͤden ſanfte Ruhe, macht die wildeſten Leidenſchaften ſtille, und fliſtert dem Ungluͤcklichen Troſt zu.

Einige Inſchriften weiſen den Gartenpflanzer auf die Grundregeln des guten Geſchmacks hin:

Laßt die magiſche Kunſt des Geheimniſſes eure labyrinthiſchen Gaͤnge ver - ſtecken, laßt das Geſicht einen Theil davon entdecken, und das Uebrige mag ſich die Einbildungskraft ausmalen.
Schutzgeiſt der Gaͤrten! Schoͤnſtes Kind der Natur! Verbanne die regel - maͤßige Unfoͤrmigkeit der Riſſe, die mit Linial und Zirkel gemacht werden. Die freyen Anlagen der Natur verachten dieſe Regelmaͤßigkeit. Gieb den Gartenſpaziergaͤngen ihre gefallende Wildheit wieder; laß ſie dem denken - den Menſchen in Stunden, die er der ſtillen Betrachtung weiht, eine ru - hige Zuflucht ſeyn!

Nach dieſen Grundſaͤtzen, die hier empfohlen werden, ſind die Anlagen zu Marien - werder ausgefuͤhrt. Sie kuͤndigen nicht bloß den gluͤcklichen Pflanzer, ſondern auch den Mann von Kenntniß, von Beobachtung und von Gefuͤhl an. Man ſieht hier den großen Reichthum und die Schoͤnheiten unſrer einheimiſchen Baͤume, wenn ein Kenner ſie waͤhlt und ordnet; denn alle dieſe Pflanzungen enthalten nur an eini - gen wenigen Stellen einen auslaͤndiſchen Baum, und wie reich ſind ſie dennoch an ſchonen Malereyen! Die Anordnung laͤßt die Verſchließung und die Eroͤffnung der Auftritte mit einer immer geſchaͤfftigen Abwechſelung erſcheinen; alles zeigt ſich, ſo unbeweglich es iſt, in einer ſcheinbaren Bewegung, um das Auge an ſich zu zau - bern; auch wo es getaͤuſcht wird, verweilt es noch mit Vergnuͤgen an dem Ort der Taͤuſchung. Allein nicht uͤberall wird es auf einen anlockenden und die Erwartung aufſpannenden Gegenſtand gerichtet; oft ruhet es, zumal nach einem etwas laͤngern Fortgang zwiſchen lebhaften Auftritten, in der ſanften Daͤmmerung der Gebuͤſche oder in der tiefen Dunkelheit ferner Einbuchten der Pflanzungen. Die Hoͤhen, die Abhaͤnge, die Niedrigungen, die hellern in ihren Umriſſen ſo verſchiedenen Raſen, die uͤberall den Boden bekleiden, und worinn ſich die kieſigten Wege fortwinden, die ſchattigten Gruppen, wovon jede ein beſoderes, aber in manchen Anſichten neues Gemaͤlde darſtellt, die abaͤndernden Formen, Richtigungen und Malereyen dieſerGruppen,231Beſchreibungen von Gaͤrten. Gruppen, das Annaͤhern und Zuruͤckweichen der Scenen, alles ſtrebt, dem Auge Erwartung, Taͤuſchung, Unterhaltung, Ueberraſchung und Ruhe zu geben. Es iſt eine nicht gemeine Kunſt, die Scenen, die auf einander folgen ſollen, ſo lange einzeln zu verſchließen, bis ſie ſich allmaͤhlich zu ihrem Vortheil, ohne ſich auf ein - ander zu haͤufen, ohne ſich durch ſich ſelbſt zu zerſtoͤren, oder ihre Wirkun - gen zu ſchwaͤchen, entwickeln koͤnnen. Wer nur durchlaͤuft oder unaufmerk - ſam iſt, fuͤr den gilt freylich dieſe Beobachtung nicht, noch das Vergnuͤgen, das ſie gewaͤhrt.

Der Garten zu Marienwerder bleibt eine der erſten Merkwuͤrdigkeiten in der Naͤhe von Hannover, der mit Recht Einheimiſche und Fremde ruft; unter allen neuen Anlagen in Deutſchland behauptet er einen ſehr anſehnlichen Rang. Er iſt ein Denkmal des geſunden, maͤnnlichen und edlen Geſchmacks. Es giebt faſt keine Empfindung, die er nicht erweckte, Heiterkeit, Freude, ſanfte Melan - cholie, ſuͤße Schwermuth, Liebe der Ruhe und der Einſamkeit, der Freundſchaft und der Tugend, Vergeſſenheit der Sorgen, Erhebung uͤber die Thorheiten des Lebens, und ſelbſt ein Vorgefuͤhl von den Scenen einer noch ſchoͤnern Welt.

III. Neue232Erſter Anhang.

III. Neue Anlagen auf dem Carlsberg bey Caſſel.

Der Carlsberg iſt ein großer waldvoller Berg, beruͤhmt genug durch das darauf angelegte herrliche Werk der Architectur und der Waſſerkuͤnſte. *)S. 4ten B. S. 125 126. Dieſes Werk ſoll fuͤnf Millionen gekoſtet haben; die jaͤhrliche Erhaltung ſteigt auf 2000 Rthlr.; der Kitt allein auf 800 Rthlr. Bey denneuen Anlagen hat Se. Durchl. der jetzt regierende Herr Landgraf, uͤberaus betraͤcht - liche Summen verwendet, die noch jaͤhrlich fortgehen.Man erblickt uͤberall vortreffliche Waͤlder von Buchen, und an den leeren Plaͤtzen eine Menge herrlicher Anpflanzungen, beſonders von einheimiſchen und auslaͤndi - ſchen Nadelhoͤlzern, Hayne von Lerchenbaͤumen und Weyhmouthsfichten, von Roth - buͤchen und Silberpappeln, von Tulpenbaͤumen und virginiſchen Robinien. Die neuen Pflanzungen ſind ſchon ſo reich, daß die Zahl der Baͤume und Straͤucher ſich auf fuͤnfhundert verſchiedene Arten und Abarten erſtreckt. Unter dieſen weitlaͤufti - gen Bepflanzungen hat der Carlsberg manche Huͤgel, manche Thaͤler, manche Quellen, Baͤche und natuͤrliche Waſſerfaͤlle, manche Wieſen und grasreiche Ab - haͤnge, und uͤberall entzuͤckende Ausſichten. Bey hellem Wetter uͤberſieht man hier faſt eine kleine Welt, die ſchoͤne Stadt Caſſel und ringsumher auf ſieben und zwan - zig Doͤrfer in den umliegenden Landſchaften. Man bemerkt leicht aus den Vorthei - len dieſer Lage, daß die Kunſt der Bearbeitung hier einen der ſchoͤnſten Gaͤrten in Europa bilden kann.

Die neuen Anpflanzungen und Scenen ſind groͤßtentheils in den mittlern Ge - genden des Berges, auf einigen Anhoͤhen und in den Niedrigungen. Eine große Mannichfaltigkeit von Auftritten, die Schoͤpfung einer fruchtbaren Einbildungskraft, bricht hier auf allen Seiten hervor. Man hat die Zeiten des Homer und Virgil zuruͤckgefuͤhrt; eine Menge von Vorſtellungen der alten Welt iſt in Statuen und Gemaͤlden erneuert; und die Fabeln der Dichter ſind in taͤuſchenden Geſtalten wieder aufgeſtellt. Goͤtter der erſten Groͤße und Halbgoͤtter wohnen hier unter den Sterb - lichen; und neben den elyſiſchen Feldern hat auch Pluto ſein Reich mit allen ſeinen Ungeheuern eroͤffnet. Den Goͤttern ſind hier Tempel, den Philoſophen Griechen - lands Einſiedeleyen und ſelbſt den Zauberinnen Hoͤhlen erbauet. Man hat nicht bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man iſt ſelbſt in die grauen Jahrhunderteder233Beſchreibungen von Gaͤrten. der Pyramiden Egyptens zuruͤckgeſtiegen. Noch mehr. Man glaubte ſelbſt aus den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Taſſo ſchoͤpfen zu duͤrfen; und Armide hat hier nicht allein ihren Palaſt, ſondern auch ihre Gaͤrten wieder ge - funden. Noch nicht genug. Der Tuͤrke erblickt hier ſeine ſchoͤngebaute Moſchee, und der Chineſer ſeine Pagode und ſein Dorf.

Bey der Menge und Verſchiedenheit aller dieſer Vorſtellungen und Scenen wird man leicht denken, daß ſie ſelbſt auf einem ſo ausgebreiteten Platz zuweilen in einander laufen und ein Gemiſch werden, welches das Auge zerſtreut, und die Ein - bildungskraft belaͤſtigt. In der That haben ſchon viele, die den Carlsberg beſuch - ten, dieſe Wirkung empfunden. Ein altes Monument, eine Pagode, eine grie - chiſche Statue, ein Bach, der den Acheron, ein andrer, der den Styx vor - ſtellen ſoll, (ihr ſchoͤnen heitern Baͤche, unter welchen ſchrecklichen Namen murmelt ihr dahin!) und dann auf der Hoͤhe, an deren Fuß dieſe Baͤche laufen, eine tuͤr - kiſche Moſchee fallen oft auf einmal ins Auge, und bringen eine Miſchung von Vorſtellungen und Bildern hervor, die ſich nicht verbinden, noch an einander reihen laſſen. Es iſt nicht genug zu wollen, daß dieſer oder jener Auftritt das, was ſein Name angiebt, auch wirklich fuͤr jeden Zuſchauer ſey, daß dieſer ſich eben dabey denke, was der Gartenkuͤnſtler dachte. Das Auge laͤßt ſich ſo wenig, als die Ein - bildungskraft, Geſetze aufdringen, welche die Natur nicht kennt. Jeder Meiſter eines Kunſtwerks muß den unveraͤnderlichen Wirkungen der Dinge nachgeben, auf den Gang, den der richtig denkende Geiſt in ſeinen Vorſtellungen haͤlt, nicht weniger achten, als auf die gerechten Forderungen des Geſchmacks. Außerdem darf eine Verſchiedenheit von Scenen, die nicht zerſtreuen, nicht belaſten ſoll, nicht anders, als in einer allmaͤhlichen Fortſchreitung erſcheinen; daher das Geſetz der Verſchlieſ - ſung und Abſonderung durch Vorpflanzung, das Geſetz, ſo lange zu verbergen, bis es Zeit iſt, zu eroͤffnen, d. i. bis der Geiſt nach der vollendeten Wirkung des vorhergegangenen Auftritts wieder in der Verfaſſung iſt, die folgenden mit Be - hagung zu genießen.

Bey allen aus der Mythologie entlehnten Vorſtellungen entſtehen zwey Fragen: ob ſie fuͤr unſer Zeitalter noch intereſſant genug ſind, und ſodann, ob ſie ſich in Gartenanlagen ſchicken? Gewiß iſt es, daß die wenigſten Menſchen Kenntniß und Einbildungskraft genug haben, um noch durch die Bilder der alten Mythologie erwaͤrmt zu werden. Allein es iſt wohl die letzte Frage, worauf es am meiſten an - kommt. Allerdings ſind einige Vorſtellungen zu fuͤrchterlich, um auch, ſelbſt der Wirkung des Contraſtes wegen, in Gartenanlagen aufgenommen zu werden, z. B. Pluto und die Ungeheuer ſeines Reichs. Gegenſtaͤnde, die einen ſo hohen GradV Band. G gdes234Erſter Anhang. des Abſcheues und des Entſetzens erregen, ſind ſo wenig fuͤr den Gartenkuͤnſtler, als fuͤr den tragiſchen Dichter beſtimmt. Einige andere Bilder ſcheinen hier ebenfalls nicht ſchicklich, ob ſie gleich fuͤr einen andern Ort anſtaͤndige und ſelbſt anmuthige Vorſtellungen enthalten. Der Tempel des Mercur z. B. iſt unter allen Gebaͤuden dieſer Klaſſe am meiſten im antiken Geſchmack; er iſt rund, mit freyen Saͤulen toſcaniſcher Ordnung, mit guten Verhaͤltniſſen, von Sandſtein aufgefuͤhrt, und hat in der Mitte die Statue des Gottes und eine erhoͤhte Lage mit weiten Ausſichten. Dennoch wuͤrde ſich ein ſolcher Tempel beſſer auf einen großen Handelsplatz ſchicken; und mit der Statue des Mercur ließe ſich eine Boͤrſe oder das Haus eines Staats - mannes zieren, der ſich vom Kaufmann zum Miniſter erhob, und, anſtatt des Maͤklers, den edlen Kuͤnſtler beſchaͤftigt.

Wenn indeſſen fuͤr die Nachahmung der mythologiſchen Fabel in Gaͤrten ein Ort ſchicklich iſt, ſo behauptet der Carlsberg allerdings ſeinen Vorzug. Das ungeheure Werk und der Anblick des coloſſaliſchen Hercules, der oben aus den Wolken auf das Werk, das mit ſeiner Staͤrke vollendet iſt, herabſchauend ſich nun einer ſtolzen Ruhe zu uͤberlaſſen ſcheint, verſetzt die Einbildungskraft auf einmal in die heroiſchen Zeiten des Alterthums. Dieſe erhabene Scene, der Berg, der faſt den Namen eines Gebirges verdient, die auf ſeiner Hoͤhe wallenden Waͤlder, die vielen angepflanzten Hayne von dunklen Nadelhoͤlzern, verbreiten eine ehrwuͤrdige Feyerlichkeit uͤber die ganze Gegend. Und dieſer Eindruck koͤnnte allerdings noch durch eine wohl gewaͤhlte und zuſammenhaͤngende Reihe mythologiſcher Scenen, die jetzt nur zerſtreut oder vermiſcht erſcheinen, ungemein verſtaͤrkt werden.

Es iſt ſichtbar, daß die rieſenmaͤßige Burg des Hercules den Hauptcharakter der Anlage beſtimmt, und uͤber alles immer im Geſichtspunkt emporragt. Die Scenen muͤßten demnach mit dieſem herrſchenden Gegenſtande verbunden ſeyn, und die, welche ihm am naͤchſten verwandt ſind, ſich ihm auch am meiſten naͤhern. In den obern Tempeln koͤnnten die Thaten des Hercules in Basreliefs, in Sta - tuen und Gemaͤlden vorgeſtellt werden. Dieſe Idee hat nicht allein Uebereinſtim - mung mit dem ganzen Werke, ſondern ſelbſt eine entferntere Beziehung auf die Staͤrke und Wuͤrde des heſſencaſſelſchen Fuͤrſtenſtamms und ſeiner tapfern Krie - ger. Demnaͤchſt erhielten die Gottheiten, die mit dem Hercules verwandt ſind, oder deren Geſchichte mit der ſeinigen Verbindung hat, hier oben ihre Tempel, Woh - nungen, Altaͤre, Statuen und andere Denkmaͤler. Dieſe heroiſchen Scenen ſenk - ten ſich mit den Abhaͤngen des Berges allmaͤhlich herab in die Thaͤler, zu den fanf - tern Gottheiten des Friedens und der Gluͤckſeligkeit. Hier wohnten im Thale die Muſen mit dem Vater der Kuͤnſte, hier haͤtten mit ihnen die Grazien, die Goͤttinnder235Beſchreibungen von Gaͤrten. der Blumen und der Freude, der Friede, die Eintracht, der Ueberfluß, alle dieſe haͤtten hier ihre Tempel und ihre Hayne, indeſſen daß man oben am Olymp die Gegenwart der hoͤhern Maͤchte erblickte. Nichts neues aus unſerer Zeit, nichts chineſiſches, nichts tuͤrkiſches duͤrfte in dieſes große Gemaͤlde ſich miſchen, in dieſes Gemaͤlde, das uns eine Reihe der ſchoͤnſten Bilder des Alterthums rein, un - verfaͤlſcht, und harmoniſch vereint, zur Taͤuſchung des Auges und der Einbildungs - kraft, darſtellen, uns aus unſerm Zeitalter, und gleichſam aus dem Gefuͤhl unſrer gewoͤhnlichen Exiſtenz wegzaubern ſollte, in die heitern Stunden zuruͤck, worinn unſre Jugend ſo oft von den Beſchreibungen der alten Dichter begeiſtert ward.

Bey dieſer Einrichtung koͤnnten verſchiedene hier wohl angelegte Scenen erhal - ten, und nur weiter ausgebildet werden.

Der Hayn der Venus iſt eine ſehr anmuthige Scene. Ich fand ſie einmal in einer maleriſchen Stellung unter einem Baum, ihren kleinen loſen Knaben an an der Hand; ſie blickte in das umherliegende Roſengebuͤſch; eine Quelle ſprang zwiſchen zwey Vogelhaͤuſern, wo mannichfaltige Lieder der Liebe ertoͤnten eine gluͤckliche Verbindung lieblicher Bilder. Im folgenden Jahr ſah ich ſie, von dieſer Scene etwas entfernt, hinter einem franzoͤſiſchen gruͤnangeſtrichenen Git - terwerk ſich verbergen. Warum? Den Geſichtspunkt am Ende einer auf ſie hinlaufenden Allee zu bilden. Mit einem Dienſt, den jedes Holzſtuͤck leiſten kann, ſollte man doch die Goͤttinn der ſuͤßeſten Empfindung nicht beſchweren. In ihr ſchoͤnes Roſenthal wuͤrde ich ſie zuruͤckfuͤhren, hier alle zerſtreuende Gegenſtaͤnde, die nicht hieher gehoͤren, entfernen, ſanfte von Roſen und wohlriechendem Himbeer - ſtrauch umduftete Ruheſitze fuͤr ſie bereiten, keine ſchwermuͤthige Tannen mehr dul - den, ſondern ihr einen Hayn von Syringen, Jasmin, Robinien, Gleditſien pflanzen; hier ſollten einige lebhafte Waſſerfaͤlle oder auch Springbrunnen die Hei - terkeit der Scene vermehren; die ſuͤße Saͤngerinn der Nacht ſicher wohnen, und die Vogelhaͤuſer ſollten eine dem Verdienſt ihrer melodiereichen Bewohner mehr angemeſſene und fuͤr den Reiz des Auges mehr anziehende Geſtalt haben.

Das Thal der Philoſophen wuͤrde ich beſonders erhalten und auszubilden ſu - chen. Es iſt wahrlich eine neue und edle Idee, wuͤrdig der Erfindung eines weiſen Fuͤrſten, der ſeine Regierung durch das Muſeum in Caſſel verewigte. Man wird in der That von Verwunderung und Ehrfurcht erfuͤllt, indem man hier von einer Wohnung zur andern, die ſo viele abgeſonderte Einſiedeleyen ſind, fort - geht, und bey dem Eroͤffnen der Thuͤre bald dieſen, bald jenen griechiſchen Weiſen in Lebensgroͤße natuͤrlich abgebildet, und nach dem Koſtum bekleidet, ſitzen ſieht, in einer Beſchaͤftigung, die ihn charakteriſirt. Plato unterrichtet ſeine Schuͤler;G g 2Socrates236Erſter Anhang. Socrates lieſt im Gefaͤngniß; alle uͤbrige erſcheinen in ihren liebſten Studien. Man ſieht hier den Pythagoras, den Heraclit, den Anaxagoras, den Demo - crit, der die Natur ſo fleißig ſtudierte, und ganze Tage allein in einem kleinen Gartenhauſe zubrachte. Jeder hat ſein beſonderes Haus, und ſelbſt Diogenes ſeine Tonne; doch dieſen ſonderbaren Mann moͤchte ich mit ſeinem Faß etwas ſeit - waͤrts ins Gebuͤſch waͤlzen. Dieſes Thal der Philoſophen muͤßte eine der intereſſanteſten Scenen werden, die ſich ſehr gut in den vorgeſchlagenen Plan des Ganzen ſchickte. Die Bauart der einzelnen Wohnungen muͤßte mehr in dem Stil des Alterthums ſeyn, ſo wie die innere Auszierung, die jetzt hie und da ganz den Geſchmack unſers Zeitalters zeigt. Jedes Haus muͤßte durch Bepflanzung mehr abgeſondert, verborgen und beſchattet erſcheinen. Hier wuͤrde ich den Platanus, der ſchon in Griechenland vor den Hallen der alten Philoſophen ſeine Schatten verbreitete, wieder gruͤnen laſſen. Die Wohnungen des Socrates und des Plato, die eben abgeriſſen und zerſtreut liegen, muͤßten, mehr herabgezogen, mit den andern Haͤuſern in eine naͤhere Angraͤnzung gebracht werden. Jede Wohnung muͤßte die Werke des Philoſophen in der beſten Ausgabe enthalten. Eine ſolche Einrichtung wuͤrde nicht bloß mehr angemeſſene Verzierung und mehr Taͤuſchung, ſondern auch ſelbſt mehr Veranlaſſung zur Unterhaltung des Geiſtes mit den Schrif - ten der alten Weiſen in der Einſamkeit geben.

In den veredelten Anlagen wuͤrden die bloß gemalten Scenen nicht laͤnger Platz haben; ſie fallen ohnehin wohl bald weg. Die Wirkung des erſten Anblicks, den bemalte Breter in einiger Entfernung machen, iſt bey der Annaͤherung gleich auf immer verſchwunden; und ſie faͤllt ganz, wenn der Zuſchauer auf den Hin - tertheil oder die Ecke des Brets ſtoͤßt. Ein großer Prinz, der eine Akademie der ſchoͤnen Kuͤnſte in ſeiner Reſidenz naͤhrt, und jaͤhrlich ſo betraͤchtliche Summen auf Gebaͤude und alle Arten von Verſchoͤnerungen großmuͤthig verwendet, kann leicht Werke der Bildhauerkunſt, anſtatt bemalter Breter, ſchaffen laſſen