PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Theorie der Gartenkunſt.
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Vierter Band.
Leipzig, beyM. G. Weidmanns Erben und Reich.1782.
[II][III]

Vorbericht.

Man wird aus der in dieſem Bande*)S. 27. und 28. vorgelegten Eintheilung der Gaͤrten erſehen, daß nur erſt von der einen Haͤlfte der mannig - faltigen Arten von Anlagen die Grundſaͤtze hier entwickelt ſind. Der Begriff vom Garten kann ſich nicht eher der großen Verwirrung, worinn er bey ſeiner unbeſtimmten Vieldentigkeit bisher verwickelt gelegen, ent - reißen, noch die Kunſt ſelbſt auf reine und zuverlaͤſſige Regeln gefuͤhrt werden, bis man nicht die verſchiedenen Gattungen, Charaktere und Be - ſtimmungen aller der Gartenanlagen unterſcheidet, die ſich nicht blos den - ken, ſondern auch ausfuͤhren laſſen. Die Gegenſtaͤnde der Gartenkunſt ſind nach dem Umfang, den ſie bey dem Plan dieſes Werks erhalten, nicht blos als noch faſt ganz unbearbeitet anzuſehen, ſondern auch, wie die Natur ſelbſt, von einer unerſchoͤpflichen Fruchtbarkeit. Ich darf dieſer Theorie, die ſich in der fortſchreitenden Ausarbeitung etwas mehr erweitert, als ſich bey dem Anfang uͤberſehen ließ, nichts entziehen, was2ihrIVVorbericht. ihr nach ihrer Natur zugehoͤrt. Und von den Geſinnungen der Garten - freunde, wovon ich uͤberall her ſo viele ſchmeichelhafte Beweiſe erfahre, kann ich gewiß erwarten, daß ſie lieber noch einen Band mehr, als an - gekuͤndigt war, freundlich aufnehmen, als dieſes Werk unvollſtaͤndig ſehen wollen. Sie erhalten demnach noch einen fuͤnften Band. Er wird die Grundſaͤtze aller noch uͤbrigen Gattungen von Gaͤrten und gartenmaͤ - ßigen Verſchoͤnerungen enthalten, und zugleich, außer andern Zugaben, die hier unentbehrlichen Regiſter liefern; er wird unverzuͤglich auf den gegenwaͤrtigen Band folgen und das ganze Werk beſchließen.

Ich bemerke nur noch, daß alle ausfuͤhrliche Gartenbeſchreibungen des Anhangs, bey welchen kein Verfaſſer angezeigt iſt, von mir ſelbſt entworfen ſind.

Theorie
[1]

Theorie der Gartenkunſt.

IV Band. A[2]

Vierter Theil.

  • Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungen uͤber den neuern Gartengeſchmack.
  • Zweyter Abſchnitt. Beſtimmung des Begriffs vom Garten.
  • Dritter Abſchnitt. Eintheilung der Gaͤrten.
[3]

Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungen uͤber den neuern Gartengeſchmack.

1.

Die neue Gartenmanier, die ſich in England erhob, hatte ihren Urſprung kei - nem ploͤtzlich aufſteigenden Einfall zu danken. Sie war eine Wirkung von Ueberlegung und Beobachtung der Natur. Ihr war die Bahn durch Unterſuchun - gen von Maͤnnern vorbereitet, die durch Werke voll Scharfſinn und Geſchmack der Stolz der brittiſchen Nation waren. Milton ſah, in dem Sonnenlichte ſeiner Einbildungskraft, Gaͤrten, die ein halbes Jahrhundert nachher ſo genau uͤbereinſtim - mig mit ſeinen Ideen ausgefuͤhrt wurden, als wenn er ſeine Beſchreibung aus ihnen ausgehoben haͤtte. Man hatte gepruͤft, ehe man verwarf; man hatte gedacht, ehe man pflanzte. Die Ausfuͤhrung gelang, da ſie nicht der Beobachtung zuvoreilte, ſondern ihr allmaͤlig nachſchritt.

Dieſen Weg waͤhlte Wilhelm Kent, der Vater der brittiſchen Gartenkunſt, der zuerſt die Gaͤrten ſo pflanzte, wie der reine Geſchmack gewuͤnſcht hatte. Er war Maler, Baumeiſter und Gartenkuͤnſtler, aber mit ſehr ungleichem Verdienſt; im erſten Fach war er nach dem Urtheil eines großen Kenners, des Herrn Horaz Walpole,*)Anecdotes of Painting in England. Vol. IV. London 1780. Der Anhang die - ſes Bandes enthaͤlt eine mit Geſchmack und Witz geſchriebene Hiſtory of the mo - dern Taſte in Gardening, aus welcher diefolgende Vorſtellung von der Einfuͤhrung des neuen Geſchmacks in England entlehnt iſt. Kent ſtarb 1748, im 64ſten Jahr ſei - nes Alters. unter dem Mittelmaͤßigen; im zweyten ein Wiederherſteller dieſer Wiſſenſchaft; und im dritten ein Original, ja ein Erfinder einer Kunſt, die der Ma - lerey Wirklichkeit giebt, und die Natur verſchoͤnert. Mahomed dachte ſich ein Pa - radies; Kent aber erſchuf manche.

A 2Der4Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungen

Der elende Geſchmack, der in allen europaͤiſchen Gaͤrten herrſchte, war ſelbſt in England gegen die Zeit, da Kent erſchien, aufs hoͤchſte geſtiegen. Le Notre hatte ſeine ermuͤdende Symmetrie nicht blos in Frankreich ausgebreitet; er ſuchte ſie auch in Italien noch mehr einzufuͤhren, und gieng ſelbſt nach England, um den denkenden Britten zu ſeiner Manier zu verleiten. Hier pflanzte er die Parks zu St. James und Greenwich, die Denkmaͤler ſeines verirrten Geſchmacks ſind. Die ſeltſamſten Kuͤnſteleyen giengen immer weiter, bis Wiſe die Gaͤrten mit Rieſen, Ungeheuern, Wappen und Motto’s, aus Taxus und Buxbaum geſchnitten, anfuͤllte. Weiter konnte die Ungereimtheit nicht gehen; die Fluth wandte ſich. Bridgmann, der naͤchſte Modegaͤrtner, war weit beſcheidner; er verbannte alles gruͤne Schnitzwerk, und kehrte nicht einmal zu dem genauen Viereck des vorigen Zeitalters zuruͤck. Er erweiterte ſeine Plane, wollte nicht mehr jede Eintheilung gerade ſo, wie das Gegen - uͤberſtehende, machen, und wiewohl er noch ſehr an geraden Gaͤngen mit hohen ge - ſchnittenen Hecken hieng, ſo waren ſie doch nur die Hauptlinien. Die uͤbrigen ver - aͤnderte er durch wilde Gebuͤſche und natuͤrliche Eichenwaͤldchen, obgleich noch inner - halb gerader Hecken. Er gieng weiter, und wagte es, in dem koͤniglichen Garten zu Richmond bebaute Felder und Waldſtuͤcke an den Seiten der unaufhoͤrlichen und ermuͤdenden Alleen einzufuͤhren. Aber das geſchah nicht eher, bis ſich auch andre Kuͤnſtler von der ſtrengen Symmetrie losgeriſſen hatten. Der vornehmſte Schritt, der zu der folgenden Verbeſſerung leitete, war das Niederreißen der Mauern, als Graͤnzen, und die Einfuͤhrung der Graͤben; ein Verſuch, der damals fuͤr ſo erſtau - nenswuͤrdig gehalten ward, daß der gemeine Mann ſie Ha! Ha’s! nannte, um die Wirkung von der Ueberraſchung auszudruͤcken, daß er ſich ſo ploͤtzlich und unvermerkt in ſeinem Gange aufgehalten fand. Kaum war dieſe einfache Bezauberung veran - ſtaltet, als das Ebnen, Maͤhen und Walzen folgte. Das Stuͤck Landes, welches draußen an den Graben ſtieß, ſollte von nun an mit der Flaͤche dieſſeits zuſammen - ſchmelzen; und der Garten ſollte auf der andern Seite von ſeiner erſten Regelmaͤßig - keit befreyt werden, um mehr mit der wildern Gegend draußen uͤbereinzukommen. Der Graben zeichnete den Garten ab. Um aber keine zu auffallende Linie zwiſchen dem Schoͤnen und Rauhen zu ziehen, wurden die angraͤnzende Theile in die Zeichnung des Ganzen hineingezogen; und als die Natur erſt mit in den Plan aufgenommen war, ſo zeichnete jeder Schritt, den man in der Verſchoͤnerung that, neue Annehm - lichkeiten aus, und gab neue Ideen ein.

In dieſem Zeitpunkt trat Kent auf, Maler genug, um die Reize der Land - ſchaft zu empfinden, kuͤhn und zuverſichtlich genug, um zu wagen und zu befehlen, und geboren mit einem Genie, ein großes Syſtem aus der Daͤmmerung unvollkom -mener5uͤber den neuern Gartengeſchmack. mener Verſuche herauszuheben. Er ſprang uͤber die Einfaſſung hinweg, und ſah, daß die ganze Natur ein Garten ſey. Er fuͤhlte den entzuͤckenden Contraſt von un - merklich in einander laufenden Huͤgeln und Thaͤlern, fand Geſchmack an der Schoͤn - heit der ſanften Anhoͤhe und allmaͤliger Vertiefung, und bemerkte, wie ein duͤnner Hayn den Huͤgel mit einem verſchoͤnernden Schmucke kroͤne, und, indeß er die ent - fernte Ausſicht zwiſchen ſeinen reizenden Staͤmmen einließ, dies Perſpectiv durch taͤuſchende Vergleichung erweitere und verlaͤngere.

So gab der Pinſel ſeiner Einbildungskraft den Scenen, die er unter Haͤnden bekam, alle Kuͤnſte der Landſchaftmalerey. Die großen Grundſaͤtze, nach welchen er arbeitete, waren die Perſpective, und Licht und Schatten. Gruppen von Baͤumen theilten eine zu einfache oder ausgedehnte Ebene. Immer gruͤnende Pflanzen und Waͤlder wurden dem harten Lichte des flachen Feldes entgegen geſtellt; und da, wo die Ausſicht weniger gluͤcklich oder ſo unverdeckt war, daß man ſie auf einmal uͤber - ſah, loͤſchte er durch dicke Schatten einige Parthien davon aus, um durch ihre Thei - lung Mannigfaltigkeit zu geben, oder die reichſte Scene, indem er ſie dem Zuſchauer beym Fortgehen aufſparte, noch entzuͤckender zu machen. Indem er ſo einige Lieb - lingsgegenſtaͤnde ausſuchte, Haͤßlichkeiten durch einen Schirm von Gebuͤſchen verdeck - te, und bisweilen der rauheſten Wuͤſte erlaubte, ſich dem reichſten Schauplatz beyzu - geſellen, brachte er die Erfindungen der groͤßten Landſchaftmaler zur Wirklichkeit. Wo es an Gegenſtaͤnden, den Horizont zu beleben, fehlte, da konnte ſein Geſchmack als Architect einen unmittelbaren Endpunkt der Ausſicht herbeyſchaffen. Seine Ge - baͤude, ſeine Sitze, ſeine Tempel waren mehr das Werk ſeines Pinſels, als ſeines Zirkels.

Aber von allen Schoͤnheiten, womit er das Antlitz dieſes herrlichen Landes ſchmuͤckte, uͤbertraf keine ſeine Behandlung des Waſſers. Kanaͤle, zirkelrunde Waſſerbehaͤltniſſe und Caſcaden, die uͤber Marmorſtufen herunterfallen, die letzte ge - ſchmackloſe Pracht italieniſcher und franzoͤſiſcher Gaͤrten, hoͤrten von nun an auf. Die erzwungene Hoͤhe eines Waſſerfalls war nicht mehr. Der ſanfte Fluß mußte von nun an frey ſich ſchlaͤngeln, und wo er durch die verſchiedene Richtung des Ufers unterbrochen war, da ſchien ſein Lauf durch dicke Gebuͤſche, die hingeſtreut wurden, verborgen zu ſeyn, und ſchimmerte wieder in einer Entfernung, wo man glauben konnte, daß er natuͤrlich hervorkam. Sein Ufer ward geebnet, behielt aber eine na - tuͤrliche Regelloſigkeit. Einige wenige hie und da hingeſtreute Baͤume bekraͤnzten das Ufer, das gleichſam ſeine Kruͤmmungen zu begleiten ſchien, und wenn er zwiſchen den Huͤgeln verſchwand, ſenkten ſich von der Hoͤhe herabkommende Schatten gegen ſeinenA 3Fortgang,6Erſter Abſchnitt. Vermiſchte BemerkungenFortgang, und bildeten den entfernten Lichtpunkt, unter welchem er ſich verlor, und wo er ſich nach einer oder der andern Seite des blauen Horizonts wandte.

Da Kent demnach nur die Farben der Natur brauchte und ihre ſchoͤnſten Zuͤge hinzeichnete, ſo ſah Britannien eine neue Schoͤpfung unter ſeinen Augen entſtehen. Der lebendigen Landſchaft ward ihre Wildheit genommen, um ſie zu verſchoͤnern, nicht aber etwas ganz neues aus ihr zu ſchaffen. Den Formen der Baͤume ließ man Frey - heit; ſie breiteten ihre Zweige ohne allen Zwang aus, und wo irgend eine hohe Eiche oder herrliche Buche, von der Verſtuͤmmelung verſchont, den Wald uͤberlebt hatte, da ward alles Buſchwerk und Geſtraͤuch entfernt, und dem Baum ſeine Ehre wieder - gegeben, um ihrem Platz zur Zierde und zur Beſchattung zu dienen. Wo das ver - einte Laub eines alten Waldes ſeine wallende Decke weit umher verbreitete und ehrwuͤr - dig in ſeiner Dunkelheit da ſtand, da machte Kent die vordern Reihen duͤnne, und ließ nur ſo viele abgeſonderte und zerſtreute Baͤume ſtehen, als noͤthig war, um die folgende Finſterniß ſanfter zu machen, und miſchte unter die ſo verlaͤngerten Schatten der uͤbrigen Staͤmme einige Strahlen von Licht, die den Boden fleckigt machten.

Nachfolgende Kuͤnſtler fuͤgten neue Meiſterzuͤge zu dieſer erſten Skizze, oder brachten ſelbſt einige der erwaͤhnten Erfindungen zur Vollkommenheit. Die Einfuͤh - rung fremder Baͤume und Pflanzen, die England zunaͤchſt Archibald, Herzog von Argile, verdankt, trug vorzuͤglich zum Reichthum des Colorits bey, der hier in den neuen Scenen ſo weit getrieben iſt. Die Miſchung vom verſchiedenen Gruͤn, der Contraſt in der Form zwiſchen unſern wilden Baͤumen, und den nordlichen und weſtindiſchen Tannen und Fichten, ſind Verbeſſerungen, die neuer ſind, als Kent, oder die ihm doch nur wenig bekannt waren. Die babyloniſche Weide, jede bluͤhende Staude, jeder Baum vom zaͤrtlichen oder kuͤhn gezeichneten Blatt, ſind neue Tinten in der Kompoſition brittiſcher Gaͤrten. Das letzte Jahrhundert war gewiß ſchon mit mancher der ſeltenen Pflanzen bekannt, die wir jetzt bewundern. Vermuthlich aber haben die Linden und die Roßkaſtanien, die ſich ſo gut mit der eingefuͤhrten Re - gelmaͤßigkeit vertrugen und uͤberall angepflanzt wurden, die Vernachlaͤſſigung mancher andrer Baͤume und Straͤucher verurſacht.

So gerecht auch die Lobſpruͤche ſind, die Kents Entdeckungen verdienen, ſo war er doch weder ohne Huͤlfe, noch ohne Fehler. Pope trug ohne Zweifel viel zur Bildung ſeines Geſchmacks bey. Die Zeichnung des Gartens fuͤr den Prinzen von Wallis zu Carltonhouſe war ſichtbar von dem Popenſchen zu Twickenham ent - lehnt. Pope zeigte eine gezwungene Beſcheidenheit, wenn er ſagte, daß er unter allen ſeinen Werken am meiſten auf ſeinen Garten ſtolz ſey. Und doch war es eine ſonderbare Anſtrengung der Kunſt und des Geſchmacks, einem Platz von fuͤnf Mor -gen7uͤber den neuern Gartengeſchmack. gen Landes ſo viel Mannigfaltigkeit und Ausſchmuͤckung zu geben. Der Uebergang von der Finſterniß der Grotten zum hellen Tag, die ſich entfernende und wieder ver - ſammelnde Schatten, die dunkeln Luſtwaͤldchen, der breite Raſen, und die Feyerlich - keit der Endigung bey den Cypreſſen, die zu ſeiner Mutter Grab fuͤhren, ſind mit der feinſten Beurtheilung angelegt; und obgleich der Lord Peterborough ihm half, ſeinen Quincunx zu formen und ſeine Reben auszubreiten, ſo waren dies doch eben nicht die angenehmſten Beſtandtheile ſeines kleinen Perſpectivs.

Es ſcheint, als waͤre die Einrichtung des Gartens zu Rousham, der fuͤr den General Dormer angelegt und fuͤr die beſte von Kents Arbeiten gehalten ward, nach dem Modell von Popens Garten gemacht; wenigſtens war der ſich oͤffnende und zu - ruͤckziehende Schatten im Venusthale daher entlehnt. Das Ganze iſt ſo ſchoͤn und im antiken Geſchmack, als haͤtte der Kaiſer Julian die gefaͤlligſte Gegend um Daphne ausgeſucht, um eine philoſophiſche Einſamkeit zu genießen.

Daß Kents Ideen nur ſelten groß waren, ruͤhrt auf gewiſſe Weiſe von der Neuheit ſeiner Kunſt her. Es wuͤrde ſchwer geweſen ſeyn, die Gartenkunſt auf ein - mal von einem Paar Morgen Landes zum Aushauen ganzer Waͤlder zu erweitern. Er hatte zu kleine Maſſen, ſtrebte zu ſehr nach der unmittelbaren Wirkung und pflanz - te nicht fuͤr die Zukunft. Er entwarf keine große Waͤlder; und die kleinen Gruppen, zumal an den Kruͤmmungen eines ſchlaͤngelnden Bachs, waren zu haͤufig. Sehr gewoͤhnlich war es, drey oder vier Buchen, ſodann eben ſo viel Lerchenbaͤume, dem - naͤchſt eine Gruppe von Cypreſſen, und endlich eine Miſchung aller dieſer Baͤume zu ſehen. Kents letzte Zeichnungen waren indeß in einem hoͤhern Styl. Eine Wie - derholung einiger beſondern Gedanken war ihm mit andern Malern gewoͤhnlich und machte ſeine Hand kenntlich: z. E. ein ſchmaler See zwiſchen ſchlaͤngelnden Ufern, mit zerſtreuten Baͤumen eingefaßt und einer Bank am Ende.

Nachdem Kent die handwerksmaͤßige Gartenkunſt verbannt hatte, wußte er, gleich andern Reformatoren, nicht an der rechten Graͤnze ſtille zu ſtehen. Er war der Natur gefolgt, und ahmte ſie ſo gluͤcklich nach, daß er endlich glaubte, alle ihre Werke waͤren gleich geſchickt fuͤr die Nachahmung. Im Garten zu Kenſington pflanzte er todte Baͤume, um der Scene ein großes Anſehen von Wahrheit zu geben; aber man brachte ihn bald durch Lachen aus dieſer Uebertreibung zuruͤck. Sein er - ſter Grundſatz war: die Natur verabſcheue gerade Linien. Seine Nachahmer ſchie - nen zu glauben, daß ſie nichts lieben koͤnnten, als was krumm waͤre. So viel Maͤn - ner von Geſchmack aus allen Staͤnden nahmen indeſſen dieſe neue Verbeſſerung an, daß man erſtaunen muß, ſo viel Schoͤnheit, durch ſo wenig Ungereimtheiten entſtellt, ausgefuͤhrt zu ſehen.

Henry8Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungen

Henry Englefield war einer der erſten Verbeſſerer des neuen Styls, und ſuchte mit beſonderm Geſchmack die vornehmſte Schoͤnheit aller angenehmen Gaͤrten, Proſpecte und gluͤckliche Geſichtspunkte, aus. Wir werden bald aller Kunſt des Zeichners muͤde, wenn es ihm an dieſen vollendenden Pinſelſtrichen fehlt. Die ſchoͤnſten Scenen, die allein durch ſich ſelbſt beſtehen, ermuͤden, wenn ſie oft geſehen werden. Eine belebte Ausſicht aber iſt ein Schauplatz, der immer am meiſten be - ſucht wird.

Brown und andre vortreffliche Gartenkuͤnſtler ſchritten auf der Bahn des neuern Geſchmacks weiter fort. Wie reich, wie heiter, wie maleriſch iſt nicht durch die Verbeſſerung der Gartenplaͤtze das Anſehen von Britannien geworden! Seitdem die Wegſchaffung der Mauern jede Verſchoͤnerung dem Auge blosſtellt, reiſet man durch eine Reihe von reizenden Gemaͤlden. Und in welchem Schmuck werden alle dieſe Landſchaften erſcheinen, wenn die Gaͤrten, die ſich jetzt noch immer vermehren, einſt in die ganze Fuͤlle ihrer Schoͤnheit aufgebluͤht ſind!

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2. Mit9uͤber den neuern Gartengeſchmack.

2.

Mit dem Zeitpunkt, worinn ſich die Manier des Le Notre in Europa ver - breitete, fiengen faſt uͤberall die Gaͤrten an nichts anders zu ſeyn, als Werke der Nachahmung. Und ihr Schickſal wollte, daß ſie nichts beſſers ſeyn konnten, da Vorurtheil, Mangel der Ueberlegung und Bequemlichkeit ſie in dieſer Nachahmung beguͤnſtigten. Die Wirkung davon war die ekelhafteſte Einfoͤrmigkeit. Kein Werk des Geſchmacks kann reicher und mannigfaltiger ſeyn, als ein Garten; und keines iſt durch die Verblendung der alten Manier duͤrftiger und einfoͤrmiger geworden, als ein Garten. Es iſt noch jetzt kaum zu begreifen, wie der Gartengeſchmack ſich auf dieſen Irrwegen ſo weit verlieren konnte. Nichts als eine platte und unbedeutende Ebene; nichts als gerade Gaͤnge, viereckigte Teiche und Sandplaͤtze, oder ſeltſame Figuren von Buxbaum und Steinen zuſammengeſetzt; nichts von erfreuendem Gruͤn, als Hagebuchen, Linden oder Ypern,[oft] in abgeſchmackte Formen, woruͤber die Natur erſchrack und der Geſchmack erroͤthete, von der Hand einer barbariſchen Kunſt verun - ſtaltet. Man uͤberſah ganz den unendlichen Reichthum von Lagen, Verbindungen, Gegenſtellungen, Ausſichten; die Vereinigung der Hoͤhen mit den Niedrigungen, des Buſchwerks und Waldes mit natuͤrlichem Waſſer; die große Mannigfaltigkeit von Baͤumen, Straͤuchern, Stauden, Blumen und Grasarten, die uns die Natur uͤberall vorzeigt. Lange winkte ſie, durch die Abwechſelung und den Reichthum ihrer Gewaͤchſe, die Wohnplaͤtze des Vergnuͤgens zu bereichern; von allen Seiten reizte ſie, auf der Flur und im Walde, auf Hoͤhen und in Thaͤlern, durch die freyen Scenen ihrer Schoͤnheit, fuͤr welche ſie dem Menſchen Auge und Gefuͤhl gegeben hatte. Allein dennoch lernte er ihr erſt in dieſem Jahrhundert die Kunſt ab, ſich einen Platz des Vergnuͤgens zu pflanzen, den der Geſchmack nicht billigen konnte. Jedes Be - ſtreben mislang, ſo lange er vergaß, auf die Natur zu ſchauen. Und alle die herrli - chen und koſtbaren Gaͤrten, worinn alles, nur nicht Natur und Geſchmack war, muß - ten ſehen, wie Zeit und Kritik ganz ihren Ruhm vernichteten.

Der neue Geſchmack der Britten, der die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit verbannte und wahre Schoͤnheit der Natur in die Gaͤrten rief, fuͤhrte zugleich betraͤcht - liche Vortheile ein. Einer der erſten war der freye Gebrauch aller Arten, ſowohl einheimiſcher als auslaͤndiſcher Baͤume, Straͤucher und uͤbrigen Gewaͤchſe. Die Duͤrftigkeit, die der alten franzoͤſiſchen Manier eigen geweſen, verſchwand, und der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der wilden Baͤume ward in den Gaͤrten ſichtbar. Wo neben den Haynbuchen nur Eibenbaͤume getrauert hatten, da ſieng ein Geſchlecht, eine Art Baͤume und Straͤucher nach der andern an, durch die Schoͤnheit ihresIV Band. BWuchſes,10Erſter Abſchnitt. Vermiſchte BemerkungenWuchſes, die Abwechſelung ihres Laubes und den Reiz ihrer Bluͤthen, die Reviere zu beleben. Ihre Cultur ward zugleich erweitert, mit allen Vortheilen fuͤr die Forſt - wiſſenſchaft, fuͤr die mechaniſchen Kuͤnſte und Handwerke, fuͤr ſo manche Beduͤrfniſſe des buͤrgerlichen Lebens.

Vornehmlich ſind es die americaniſchen Baͤume und Straͤucher, die der eng - liſche Gartengeſchmack in verſchiedene Laͤnder von Europa verbreitet hat. Es iſt wahr, daß manche Gaͤrten ſie leicht entbehren koͤnnen, zumal wenn wir den reichen Vorrath unſrer aͤltern Baͤume beſſer gebrauchen lernen. Allein eben ſo wahr iſt es, daß dieſe Verpflanzung der americaniſchen Gewaͤchſe eine Erweiterung der Schoͤn - heit ſowohl als des Nutzens in unſern Gaͤrten giebt. Sie vermehren durch Wuchs, Laubwerk und Bluͤthen nicht blos die Mannigfaltigkeit der Pflanzungen, ſondern ſie haben auch fuͤr den feinern Geſchmack eine wichtige Empfehlung, indem ſie bey der Anlegung beſonderer Scenen zu ihrer ſtaͤrkern Charakteriſirung dienen. Denn die verſchiedenen Anlagen werden nicht nur durch die Lage und Beſchaffenheit des Bodens, und durch die Verbindungen, welche die Natur ſelbſt macht, gebildet; ſondern ihr Charakter wird auch zum Theil durch die Geſtalt und das Colorit der Gewaͤchſe be - ſtimmt und weiter ausgepraͤgt. Mannigfaltigkeit und charakteriſtiſche Schoͤnheit werden immer die Empfehlung der americaniſchen Baͤume und Straͤucher ſeyn, ohne daß ſie uns verleiten darf, gegen unſre einheimiſchen oder aͤltern Gewaͤchſe gleichguͤltig zu werden.

Man darf ihrer Anpflanzung nicht durch die Beſchuldigung eines großen Auf - wandes widerſtreben, der dadurch veranlaßt wuͤrde. Ohne einen gewiſſen Aufwand laͤßt ſich doch kein Garten anlegen, noch unterhalten. Die Leichtigkeit der Anpflan - zung und Vermehrung und die außerordentliche Schnelligkeit des Wuchſes vieler ame - ricaniſchen Baͤume und Straͤucher machen ſie gewiß wenig koſtbar; und ſehr maͤßig ſind die Preiſe, wofuͤr man ſie ſchon an verſchiedenen Orten in Deutſchland kauft. *)Der Gartenkalender, den ich 1782 angefangen und jaͤhrlich fortfetze, zeigt unter andern auch die Oerter an, wo jetztauslaͤndiſche Baͤume und Straͤucher ver - kauft werden.Außer England iſt in Europa kein Land, das mit dem gemaͤßigten Himmelsſtrich von Nordamerica, als Neuyork, Neujerſey und Penſilvanien, ſo ſehr uͤberein - ſtimmt, als Dentſchland; die Pflanzen dieſer Provinzen ſind unſerm Klima nicht weniger angemeſſen, als unſre einheimiſchen. Die Erfahrung lehrt, daß ſie vortreff - lich bey uns gedeihen, und daß ſelbſt die Gewaͤchſe aus den waͤrmern Gegenden von America ſich immer mehr an unſern Himmelsſtrich gewoͤhnen laſſen. Und haben ſie auf eine Aufnahme bey uns weniger ein Recht, als alle die aus den ſuͤdlichen Reichenvon11uͤber den neuern Gartengeſchmack. von Europa, und ſelbſt aus Aſiens entfernteſten Laͤndern, zu uns verpflanzten Baͤu - me und Straͤucher? Sie haben fuͤr den Bau der Schiffe und andrer Werke der Ar - chitectur, fuͤr die kuͤnſtliche Bearbeitung zu allerley Hausgeraͤthe und Auszierung der Gebaͤude und fuͤr manche Bequemlichkeiten des Lebens einen ganz entſchiedenen Werth; ſie gruͤnden einen vortheilhaften Handel, den man vormals in Gaͤrten nicht kannte, die nur aus unbeweglichen Hecken und Alleen beſtanden.

Gewiß, man darf von dieſer Seite den neuern Gartengeſchmack keiner Verfuͤh - rung zum leeren Aufwand beſchuldigen. Was koſteten dagegen nicht in den alten Gaͤrten allein die Blumen, da man fuͤr eine einzige Zwiebel, die zuweilen ein Wurm in einer Nacht zerſtoͤrte, oder die ihre vergaͤngliche Schoͤnheit doch nur auf wenige Jahre verſprach, oft uͤber tauſend Guͤlden zahlte? Wie verderblich war nicht beſon - ders die Tulipomanie, die ſich in den Jahren 1634 bis 1637 durch Holland und von da zu uns und weiter verbreitete? Man bezahlte in Holland, wie Nicolas van Kampen erzaͤhlt, fuͤr eine einzige Tulpenzwiebel auf 5500 hollaͤndiſche Guͤlden. *)S. den 1ſten B. dieſer Gartenkunſt. S. 53. Man vergleiche S. 48. die Note.Und wie viel deutſches Geld wird nicht noch jetzt an die Haarlemer Blumenhaͤndler verſchwendet? Dennoch giebt einem Baum ſeine Dauer und die jaͤhrlich zunehmende Schoͤnheit ſeines Anſehens, vor der aufbluͤhenden und dahinwelkenden Farbenpracht der herrlichſten Blume, einen unterſcheidenden Werth; auch iſt er nicht der ſorgfaͤlti - gen Wartung, wie dieſe, beduͤrftig. Und wie koſtbar war nicht in den vorigen Gaͤrten die gewoͤhnliche Unterhaltung der Orangerien, die faſt keinen Nutzen brachten, und unſerm Himmelsſtrich eben ſo wenig, als dem Vermoͤgen ihrer Beſitzer, angemeſſen waren?

Die ungeheuern Waſſerkuͤnſte, deren Anlage und Verzierung in der alten Gar - tenmanier ſo viel Geld verſchlungen, kennt der reine Geſchmack nicht mehr. Auch er - ſpart er den Aufwand fuͤr den Ueberfluß von Statuͤen und Vaſen, die, ſo ſchlecht ſie auch waren, doch nicht wenig koſteten.

Die Ausgaben fuͤr das ewige Beſchneiden der Hecken, Alleen, Labyrinthe, Ka - binette, Theater, und wie die Misgeburten der altfranzoͤſiſchen und hollaͤndiſchen Gartenbaukunſt weiter heißen, ſind gewonnen. Die Baͤume und Straͤucher, die der neue Geſchmack pflanzt, erhalten ſich faſt von ſelbſt, weil ſie frey und froͤhlich unter der Hand der milden Natur aufwachſen.

Freylich waren die Plaͤtze der alten Gaͤrten gemeiniglich kleiner als die, welche die neuen Anlagen erfordern; allein jene waren doch nicht beſſer, als Heide oder Sand - land, da hingegen dieſe gruͤnen und bepflanzten Raͤume zugleich nutzbar werden. Die Baͤume und Straͤucher, die hier von der tyranniſchen Gewaltthaͤtigkeit der Scheere verſchont werden, liefern freygebiger Reiſer und Schoͤßlinge zur Vermehrung undB 2zum12Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungenzum Verkauf. Die Flaͤchen ſind nicht leere Sandwuͤſten mehr, ſondern mit nuͤtzli - chen Grasarten beſaͤet. Die Raſen dienen, außer der erfreulichen Bekleidung des Bodens, zur Weide oder zum Grasſammeln. In groͤßern Parks bleiben Fluren und Wieſen unverderbt. Das Kornfeld ſtellt einen froͤhlichen Auftritt dar, und wird mit den uͤbrigen Scenen verbunden. Die Waͤlder verlieren nichts von ihrem Nutzen, in - dem ſie mit weiſem Geſchmack in Gegenden des Vergnuͤgens verwandelt werden; ſie koͤnnen vielmehr bey der groͤßern Sorgfalt, die ihnen gewidmet wird, gewinnen. Leere und unfruchtbare Plaͤtze, die das Auge betruͤben, werden bepflanzt und dadurch nutzbar. Wie viele vortheilhafte Pflanzungen hat nicht England mit der Verſchoͤ - nerung der Parks gewonnen? Und dieſe Liebe zu Anpflanzungen iſt ſelbſt ſchon in eini - gen Gegenden von Deutſchland, beſonders im Hannoͤverſchen, mit dem neuen Ge - ſchmack ausgebreitet; ſie bleibt nicht blos in dem Bezirk der Gaͤrten eingeſchloſſen, ſie geht ſelbſt zu andern Plaͤtzen der Landguͤter uͤber. Die nuͤtzliche Kenntniß der Baͤume und Straͤucher hat ſich ſeitdem auch unter ſolche Klaſſen von Menſchen verbreitet, wo das Vorurtheil ſonſt dieſe Gegenſtaͤnde verſchmaͤhen durfte.

Aber, ſagt man, was koſten nicht ſo viele ſchoͤne Gebaͤude in den neuern Parks? Die Frage oder vielmehr der Einwurf beantwortet ſich durch wenige Ge - genfragen. Was haben nicht eure Grotten mit allem Muſchelwerk und uͤbriger Ver - zierung gekoſtet? Getraut ſich noch mancher. Gartenbeſitzer von dieſen Grotten, welche die aͤußerſte Beleidigung des guten Geſchmacks ſind, die Koſten zu geſtehen, wofuͤr oft ein edles Landhaus oder drey ſchoͤne Tempel haͤtten erbaut werden koͤnnen? Wer verlangt, daß ein Park alle Arten von Gebaͤuden, die in einer Theorie Platz haben muͤſſen, aufnehmen ſoll? Wo wird mehr Sparſamkeit mit Werken der Architectur empfohlen, als in den neuern Anlagen? Wie oft iſt nicht hier ein einfaches Waldhaus, eine armſelige Fiſcherhuͤtte hinreichend zum Begriff von Schoͤnheit und Uebereinſtim - mung, wo die alte pompeuſe Manier Pavillons baute, die eben ſo koſtbar als unfoͤrm - lich waren? Und wer hat mehr durch Verſchwendung geſuͤndigt, als ſie, die immer ein Luſthaus gegen das andre, eine Grotte gegen die andre anlegte, um den ſehr irrigen Begriff einer gleichfoͤrmigen Nachahmung der Bauart in den Staͤdten zu befriedigen?

Endlich war ſelbſt der verunſtaltende Zwang, den man der Natur anthat, zu - gleich unnuͤtze Verſchwendung. Wie viele Huͤgel und Berge ſind nicht mit unge - heuern Koſten abgetragen, um den ganzen Bezirk des Gartens in eine Ebene zu ver - wandeln? Und nachdem alles zu einer Plaͤne umgeſchaffen war, wie viel Muͤhe und Aufwand ward nicht erfordert, um dem Waſſer, das nicht mehr laufen konnte, muͤh - ſamen Zufluß zu erkuͤnſteln? Jedes Beſtreben, die Natur, der man ſo leicht und mit wahrem Vortheil fuͤr die Verſchoͤnerung in ihren Vorbildungen folgen kann, dieſeNatur13uͤber den neuern Gartengeſchmack. Natur gegen ſich ſelbſt aufzubieten, iſt ein Unſinn, der ſich zunaͤchſt durch den Verluſt der Koſten beſtraft; verungluͤckter Erfolg und Verachtung vermehren dieſe Strafe. Man wuͤrde erſtaunen, wenn man die ungeheuern Summen, die von den Verunſtal - tungen der Natur in manchen Gaͤrten bekannt geworden ſind, von andern groͤßern Misgeburten dieſer Art immer wuͤßte. Und von einem ſehr geringen Theil dieſer Summe haͤtte ein anſehnlicher Garten in dem edelſten Geſchmack angelegt werden koͤn - nen. Aber es war das Schickſal des Menſchen, daß er mit Koſten verunſtalten ſollte; er verſtuͤmmelte Baͤume, er verſtuͤmmelte Pferde, bis ihm nichts mehr uͤbrig blieb, als ſich ſelbſt zu verſtuͤmmeln.

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3.

So groß auch die Verbeſſerungen ſind, welche die Gartenkunſt in England ge - wonnen hat; ſo wuͤrde es doch eine ſeltſame Verblendung des Vorurtheils ſeyn, wenn man ſie fuͤr vollendet anſehen wollte. Eine unpartheyiſche Unterſuchung lehrt bald die mancherley Verirrungen kennen, denen ſich mancher Englaͤnder in ſeinen Gaͤrten uͤberlaͤßt, und die hin und wieder in dieſem Werke bemerkt ſind. Allein einer der er - heblichſten und am wenigſten erkannten Maͤngel der brittiſchen Manier iſt immer noch eine gewiſſe Einſchraͤnkung, die ihr eigen bleibt. Sie iſt bisher nur am meiſtenB 3auf14Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungenauf die angenehme Gattung eingeſchraͤnkt, und breitet ſich nicht uͤber die mannigfaltigen andern Arten von Gaͤrten aus, die ſich nach der Verſchiedenheit der Lage, und dem eigenthuͤmlichen Charakter der Gegenden, nach dem Unterſchied der Jahrszeiten, des Standes und des Beduͤrfniſſes der Beſitzer, und vieler beſondern Beſtimmungen, an - legen laſſen. Die Einſchraͤnkung zeigt ſich nicht blos in der beſtaͤndigen Wiederho - lung der Thuͤrme, Kiosken, Obelisken, Pyramiden, Saͤulen, chineſiſcher Tempel und Bruͤcken u. ſ. f. ſondern auch ſelbſt in der Manier zu pflanzen. Nichts iſt ge - woͤhnlicher, als bald an den Außenlinien der Raſen oder an dem Ufer der Baͤche Baumgruppen von gleicher Zahl und Gattung fortlaufen zu laſſen, bald an den Sei - ten der Spatziergaͤnge die Pflanzungen nach einerley Ordnung anzulegen, indem hin - terwaͤrts die Baͤume, gerade vor ihnen die Straͤucher und an dieſen vorne auf dem Rande die niedrigen Blumenpflanzen zu ſtehen kommen, und darauf zwiſchen dieſen immer wiederkehrenden Gruppen einzelne Baͤume hinzuſtreuen.

Jede Einfoͤrmigkeit in Gartenanlagen iſt, ſobald ſie allgemein wird, gefaͤhr - lich, weil ihr Pfad gerade auf die alte Manier wieder zuruͤckbringt. Eben ſo gewiß iſt es, daß dieſe Einfoͤrmigkeit nirgends ſichtbarer ſeyn kann, als in den Nachahmun - gen, welche Franzoſen und Deutſche von der englaͤndiſchen Manier gemacht ha - ben. Denn man verfolgte einerley Geiſt der Anordnung in einerley Materialien ſo aͤngſtlich, daß man daruͤber das Genie der Gegend, wo man anlegte, vielleicht das Genie des Anlegers ſelbſt, aus dem Geſicht verlieren mußte. Und eben dieſe Genauig - keit in der Nachahmung mußte manche Schoͤnheiten des Originals, die ihm von dem Genius des Orts und der beſondern Laune ſeines Urhebers eingepraͤgt waren, unerreicht laſſen, und dagegen ſeine Fehler, die durch keine neue Wirkungen des Genies wieder verguͤtet wurden, nur deſto ſichtbarer machen. Allein nirgends konnte die Nachah - mung mehr in das Gebiet des Laͤcherlichen hinuͤberſchweifen, als da man anfieng, eng - liſche Gaͤrten bald mit einem altfranzoͤſiſchen zu verbinden, bald in einen kleinen Bezirk hinzutaͤndeln, und das, was nur ein Eigenthum eines ausgedehnten Parks ſeyn kann, in einem Raum von einigen hundert Schritten, wie ein Puppenſpiel, zu - ſammen zu draͤngen. Beyſpiele von dieſer kindiſchen Nachaͤffung ſind an ſo manchen Orten ſichtbar. Bey allem dieſen Aufwand ſah man doch nichts, als Duͤrftigkeit. Eine uͤbel verſtandne Liebe des Natuͤrlichen verfuͤhrte an andern Orten zu dem Wilden, und zuweilen war die ganze Anlage nichts weiter, als ein gekruͤmmter Gang um eine Wieſe; oder wenn mans etwas reicher einrichten wollte, ſo war es ein Gebuͤſch verbun - den mit einem Weg, mit einem Waͤſſerchen, die wie eine Schlange gewunden waren, am Ende mit einer chineſiſchen Bruͤcke, wo ſie zum Uebergang entbehrlich war, dann noch ein Tempelchen, eine Urne, ein kleiner Raſen mit einem Lamm, das ſichhier15uͤber den neuern Gartengeſchmack. hier kaum ein paar Tage ſaͤttigen konnte, ein ſchlaͤngelnder Gang vor dem Hauſe, und eine Einſiedeley am Eingange. Dies ſind an ſo manchen Orten die engliſchen Gaͤr - ten, ſo wie eine elende Nachahmungsſucht, ohne Geſchmack und Erfindung, ſie uns darſtellt. Sobald man es uͤberfluͤßig fand, ſelbſt zu denken, mußte die blinde Nach - ahmung nothwendig Uebelſtand, Verwirrung und Monotonie einfuͤhren.

Wo man Anlagen vom groͤßern Umfang und mit einem gewiſſen Aufwand ma - chen konnte, da ließ man, nicht blos nach Frankreich, ſondern auch nach Deutſch - land, brittiſche Gaͤrtner kommen. Nichts war natuͤrlicher, als daß ſie die Ideen, die ſie in ihrem Vaterlande befolgt oder ausgefuͤhrt geſehen hatten, auf deutſchem Boden wiederholten. Wir erhielten Copien, keine Originale. Und war es denn ruͤhm - licher, dem Eigenſinn eines fremden, oft wenig erfinderiſchen Gaͤrtners, der bey jeder Nachzaͤhlung ſeines Gewinns uͤber die ſtumpfe Gutmuͤthigkeit des Deutſchen ſpottete, zu folgen, als einen einheimiſchen Kenner zu befragen, oder vielmehr durch eigenes Nachdenken den Plan zu ſeinen Anlagen ſich ſelbſt zu entwerfen? Es iſt allgemein wahr, bemerkte Walpole ſehr richtig, daß der Beſitzer, wenn er irgend Geſchmack hat, der beſte Erfinder ſeiner Gartenanordnungen iſt. Er ſieht die Lage zu jeder Zeit des Jahres und des Tages. Er weiß, wo die Schoͤnheit der Bequemlichkeit nicht im Wege ſieht, und bemerkt auf ſeinen ſtillen Spatziergaͤngen oder zufaͤlligen Ritten tauſend Winke, die einem Mann entwiſchen muͤſſen, der in wenig Tagen ein artiges Gemaͤlde entwirft, aber nicht Zeit genug hat, das Einzelne und die Beziehungen ei - nes jeden Theils zu beobachten.

Manche Gutsbeſitzer ſind nicht ohne Kenntniß und Geſchmack; ſie haben ſich auf ihren Reiſen einen Vorrath von Gartenbemerkungen geſammelt; ſie wuͤrden gluͤck - lich ſeyn, wenn ſie damit das Studium der Eigenthuͤmlichkeiten und Beduͤrfniſſe ihrer Gegend vereinigten. Allein ſie vergeſſen dies, welches bey allen Gartenanlagen das Wichtigſte iſt; ſie vergeſſen, uͤber die Leichtigkeit der Nachahmung, das eigene Den - ken. Sie machen es ſich zum Geſchaͤfft, nur das auf ihrem Boden zu wiederholen, was ſie anderwaͤrts geſehen, und jede Copie ſcheint den Ruhm ihres Geſchmacks zu vollenden, wenn ſie nur zeigt, daß ſie in England geweſen ſind.

Es ſey Mistrauen gegen eigene Kraͤfte, oder Traͤgheit, oder Vorurtheil; ſo uͤberlaſſen andere Beſitzer ihre Anlagen blos dem Rath und dem guten Gluͤck ihrer Gaͤrtner. Sonderbar genug, daß eine Kunſt, die ein ſo ſehr verwickeltes Geſchaͤfft des Genies iſt, die, außer ſo manchen unentbehrlichen Kenntniſſen, nicht blos Ge - ſchmack und Gefuͤhl jeder Schoͤnheit der Natur, ſondern auch eine ſcharfſinnige Ueber - legung, eine bluͤhende Einbildungskraft, eine ſchoͤpfriſche Fertigkeit vorausſetzt, aus einem Vorrath von Bildern und Ideen immer das herauszuheben, was jedem Platznach16Erſter Abſchnitt. Vermiſchte Bemerkungennach ſeinem Charakter und zu ſeiner gluͤcklichſten Wirkung zukommt, daß eine ſolche Kunſt von Leuten gefordert wird, welche die meiſte Zeit ohne Bildung und Unterricht ſind, und nur ſaͤen und beſchneiden gelernt haben. Was ſelbſt fuͤr Weltmaͤnner und Philoſophen ein Werk des Verſtandes und einer feinen Empfindung iſt, was ſo viel Muͤhe koſtet, um nur durch den Nebel der Vorurtheile zu dem erſten Lichte reiner Grundſaͤtze durchzudringen, das ſoll ein gemeiner Gartenknecht bewerkſtelligen? Was wird er, um ſich aus dieſem Geſchaͤfft herauszufinden, anders thun koͤnnen, als nach - ahmen? Iſt ein ſolcher Gaͤrtner auswaͤrts geweſen, ſo iſt er zuweilen noch mehr ver - dorben. Er hat nur geſehen, und nicht beobachtet; gelernt, und nicht gedacht. Er wird jeden ſeltſamen Einfall ſorgfaͤltig mit heruͤber bringen, und jeden Auswuchs des auslaͤndiſchen Geſchmacks zu uns verpflanzen.

Wo ſich auch einmal ein geſchickter Kuͤnſtler einfindet, da trifft er nicht ſelten in dem beſondern Geſchmack, in den Vorurtheilen und in dem Eigenſinn des Beſitzers Schwierigkeiten an, die ſeine beſten Entwuͤrfe ſchon im Aufkeimen unterdruͤcken. Ein großer Theil glaubt, mit dem Beſitz auch ein Vorrecht zu haben, Kenner zu ſeyn; faſt Jeder liebt ſeinen Garten, wie ſeine Einfaͤlle, und verachtet die Anlagen eines Andern um ſo mehr, je lauter der Ruf von ihren Vorzuͤgen wird.

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4. Bey17uͤber den neuern Gartengeſchmack.

4.

Bey allen dieſen fuͤr den Fortgang der Gartenkunſt ſo unguͤnſtigen Umſtaͤnden, iſt zuvoͤrderſt keine andere Auskunſt, als ſie der Nachahmung zu entreißen und ſie zum Gegenſtand eines eigenen ſorgfaͤltigen Studiums zu machen. Sie muß eine Be - ſchaͤftigung fuͤr denkende Maͤnner werden, wenn ſie ſich in ihrem Umfang und in ihrer Schoͤnheit enthuͤllen, wenn ſie ganz in der reizenden Mannigfaltigkeit der Natur und der Kunſt, die ſie noch erwartet, ſich verbreiten ſoll.

Es iſt ſchon ehemals bemerket, daß die Gartenkunſt, gleich ihrer Lehrerinn, der Natur, und noch mehr als ſie, alle Arten von Empfindungen erregen, und durch dieſes Vorrecht der ſchoͤnen Kuͤnſte ſich zu dem Rang der Malerkunſt und der Tonkunſt erheben ſoll. Wie wichtig und zugleich wie ſchwer! Sie ſoll nicht blos fuͤr das Auge und fuͤr die Einbildungskraft arbeiten, ſondern auch fuͤr die Empfindung, eine viel groͤßere Kunſt; ſie ſoll durch Bildung und Anordnung der Scenen eine Folge von mannigfaltigen intereſſanten Bewegungen, die ſich gemeinſchaftlich heben, hervorbrin - gen. Wer nur denkt, das Auge zu reizen, ohne das Herz mit genießen zu laſſen, der iſt ſo wenig ein guter Gartenkuͤnſtler, als der ein Muſiker iſt, der blos fuͤr das Ohr ſorgt, ohne Empfindung auszudruͤcken und ſie in Andern zu erregen.

Allein wie viel Talente und Einſichten erfordert dies alles nicht. Wie viel Kenntniſſe, nicht blos der Pflanzen, ſondern auch der landſchaftlichen Malerey und der Baukunſt; wie viel Gefuͤhl, Geſchmack, Beobachtung; wie viel Ueberlegung und Einbildungskraft; welch ein empfindliches und ſcharfes Auge! Wenn in der Malerey, ſagt ein feiner Kenner,*)Der Marquis de Gerardin in ſeiner Schrift: De la Compoſition des Payfages etc. S. 3. 4. wo die Anordnung aller Gegenſtaͤnde allein von der Einbildungskraft des Malers abhaͤngt, wo ſein Gemaͤlde nur einem einzigen Geſichtspunkte unterworfen iſt, wo der Kuͤnſtler von den Phaͤnomenen des Himmels, von den Wirkungen des Lichts, von der Wahl der Farben, und von dem Gebrauche gluͤcklicher Zufaͤlligkeiten Herr iſt, die ſchoͤne Anordnung gleichwohl eine ſo ſeltene und ſo ſchwere Sache iſt; wie koͤnnte man ſich vorſtellen, daß in der Anordnung eines weitlaͤuftigen Gemaͤldes auf dem Erdreiche, wo der Componiſt, bey der naͤmlichen Schwierigkeit fuͤr die Erfindung, jeden Augenblick in der Ausfuͤhrung eine Menge Hinderniſſe antrifft, die er nur durch viele andre Huͤlfsmittel, durch eine ſtarke Ein - bildungskraft, eine lange Erfahrung und einen unermuͤdeten Fleiß uͤberwinden kann: wie koͤnnte man ſich vorſtellen, daß eine ſolche Compoſition dem Ohngefaͤhr oder einemGaͤrtnerIV Band. C18Erſter Abſchnitt. Vermiſchte BemerkungenGaͤrtner uͤberlaſſen, und ohne Grundregeln, ohne Ueberlegung und ohne Entwuͤrfe, ausgefuͤhrt werden koͤnne?

Noch ein Urtheil uͤber dieſe Sache von einem andern beruͤhmten Kenner, der ſich in dem Vaterlande der ſchoͤnen Gartenkunſt niedergelaſſen hat, wird man hier verſtatten. Da, ſagt Chambers,*)Am Beſchluß der Diſſertation on oriental Gardening. wo ſchlaͤngelnde Gaͤnge, hin und her zer - ſtreute Geſtraͤuche, und unaufhoͤrliche Miſchungen von gruͤnen Plaͤtzen, kleinen Hay - nen und Gebuͤſchen Gartenkunſt genennet werden, iſt es gleich viel, wer Gaͤrtner iſt; auch der Geringſte kann das Wenige, was dabey zu thun iſt, verrichten, und der Beſte kann es dabey nicht weiter bringen, als jener. Wo aber eine beſſere Manier eingefuͤhrt iſt, wo Gaͤrten, ohne der gemeinen Natur zu gleichen, natuͤrlich, wo ſie neu ohne Zwang, und außerordentlich ohne Ausſchweifung ſind, wo die Aufmerkſam - keit des Anſchauers beſtaͤndig unterhalten, ſeine Neugierde erregt, und ſein Gemuͤth durch eine große Abwechſelung von Empfindungen beſchaͤfftigt wird; da muͤſſen die Gaͤrtner Maͤnner von Genie, Erf[a]hrung und Beurtheilungskraft, ſie muͤſſen ſchnell im Empfinden, reich an Mitteln, fruchtbar an Einbildungskraft, und mit allen Be - wegungen des menſchlichen Herzens vertraut ſeyn.

Dennoch ſollte ſich mit Gartenanlagen von irgend einem Umfang oder einer Be - deutung niemand befaſſen, als Maͤnner voll reinen Geſchmacks und ſcharfer Einſicht, oder Gaͤrtner, die ſolchen Maͤnnern gleichen. Aber ſodann muͤßten dieſe auch eine andre Bildung haben, als bisher gewoͤhnlich iſt, und nicht mehr in die Klaſſe gemei - ner Handwerker oder der unterſten Gutsbedienten herabgewuͤrdigt ſeyn, wo jeder Keim von Geſchmack und von edlem Selbſtgefuͤhl erſtickt wird. Noch iſt der Name der Gaͤrtner in manchen Gegenden faſt veraͤchtlich, weil er gemeiniglich Leute bezeichnet, die von geringem Herkommen und noch geringern Einſichten ſind, die nur zu begießen und zu beſchneiden wiſſen, und ohne Geiſt und Beobachtung die maſchinenartige Bear - beitung der Erde verrichten. Und freylich iſt es wohl wahr, daß unter Zwanzigen kaum Einer gruͤndliche botaniſche Kenntniß, und unter Vierzigen kaum Einer gelaͤu - terten Geſchmack beſitzt. Aber waͤhlt Juͤnglinge von Talenten, von offenem Kopf und von freyem Gefuͤhl; waͤhlt ſie nicht immer aus den niedrigen, ſondern auch aus den hoͤhern Staͤnden der buͤrgerlichen Geſellſchaft; gebt ihnen eine Erziehung, die ih - rer kuͤnftigen Beſtimmung mehr angemeſſen iſt, floͤßt ihnen Liebe feiner Sitten und Gefuͤhl des Anſtaͤndigen durch gute Geſellſchaft ein, die eben ſo wichtig fuͤr die Kunſt, als fuͤr den Kuͤnſtler ſind; laßt ſie in Sprachen, in der Kenntniß der ſchoͤnen Kuͤnſte und in den Meiſterwerken des Geſchmacks ſich fruͤhzeitig bilden; laßt ſie die Wiſſen - ſchaft der Pflanzen durch Studium und Beobachtung ganz ſich eigen machen, undmit19uͤber den neuern Gartengeſchmack. mit den vornehmſten Grundſaͤtzen der Malerey, der Perſpectiv und der ſchoͤnen Bau - kunſt vertraut werden; fuͤhrt ſie in den reichſten und kraͤftigſten Landſchaften zur flei - ßigen Beobachtung der Natur in allen ihren Scenen und Veraͤnderungen an, und lehrt ſie zugleich, ihre Einwirkung auf das menſchliche Herz; und die Gaͤnge der Em - pfindung bemerken; ſeyd endlich gerecht gegen Talente, Kenntniſſe, Erfahrung, Er - findungskraft und edle Geſchaͤftigkeit in der Verſchoͤnerung der Natur zu eurem eige - nen Vergnuͤgen, verſorgt den Kuͤnſtler und ehrt die Kunſt. Denn zu der Garten - kunſt, ſagt Sulzer, deſſen Urtheil hier entſcheidet, werden eben ſo viel Talente, und vielleicht mehr erworbene Kenntniſſe erfordert, als zu irgend einer andern der ſchoͤ - nen Kuͤnſte. Wenn ihr auf dieſem Wege keine gute Gartenkuͤnſtler erzieht, ſo gebt die Hoffnung auf, ſie jemals zu finden.

Auch wuͤrde es nicht wenig zur Veredelung der Gartenkunſt beytragen, wenn es den Fuͤrſten, eine eigene Pflanzſchule fuͤr ſie zu errichten, oder den Akademien der ſchoͤnen Kuͤnſte gefiele, ihr wenigſtens eine Stelle in dem Heiligthum ihrer Geſchwiſter einzuraͤumen. Hier wuͤrden Maͤnner von Genie und Ruhm ſich fuͤr ihre Bildung zu beſchaͤfftigen veranlaßt werden; und jede ſanfte Muſe, jede Grazie wuͤrde ſich freuen, ihre junge liebenswuͤrdige Schweſter erziehen zu helfen, und ſie mit ihren Kraͤnzen zu ſchmuͤcken. Und verdient ſie es weniger, als die uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſte, in ihren Tempel aufgenommen zu werden? Wie nahe iſt ſie nicht mit ihnen verwandt? Wie weit der Umkreis der Talente, die ſie in Thaͤtigkeit ſetzt, und der Wirkungen, die ſie verbreitet? Iſt ſie nicht faſt mehr, wie irgend eine der andern, fuͤr das Vergnuͤgen der Fuͤrſten und fuͤr die Verſchoͤnerung der Erde beſchaͤfftigt?

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C 2Zweyter20Zweyter Abſchnitt. Beſtimmung

Zweyter Abſchnitt. Beſtimmung des Begriffs vom Garten.

1.

Die bisherigen Unterſuchungen uͤber ſo mancherley Gegenſtaͤnde, die zum Reich der Gaͤrten gehoͤren, haben ſchon zu der Beſtimmung des Begriffs vom Garten vor - bereitet, die jetzt leichter iſt, als ſie gleich beym Eingang dieſes Werks geweſen waͤre.

Aber wo ſoll man anfangen? Faſt kein Begriff im gemeinen Leben ſowohl, als bey den Schriftſtellern iſt unbeſtimmter und ſchwankender, als der Begriff vom Gar - ten. Die Vorurtheile, die Verſchiedenheit des Geſchmacks bey den meiſten Men - ſchen, und die Veraͤnderung der Gartenkunſt ſelbſt, haben mehr oder weniger zur Ver - wirtung dieſes Begriffs beygetragen. Nachdem man manche Gegenſtaͤnde oder die Art ihrer Einrichtung, die man nach ſeinem beſondern Ideal in Gaͤrten ſuchte oder nicht ſuchte, da vermißte oder antraf, nachdem aͤnderte ſich auch Vorſtellung und Benennung.

Ohne Zweifel war im Anfang, ſobald ſich Familien mit ihren Haͤuptern in ei - ner Gegend zu ihrem Anbau niederließen, ein Garten nichts anders als ein Sammel - platz von nuͤtzlichen Kraͤutern und Fruchtbaͤumen, die man, um ſie nicht mehr in Waͤldern und auf Bergen muͤhſam aufzuſuchen, in der Naͤhe der Wohnung umher anpflanzte. Man brauchte Waſſer und Schatten fuͤr das Beduͤrfniß; man holte, wo irgend der Raum es verſtattete, Feldblumen herbey zur Ergoͤtzung des Auges, das ſich ſchon an den Bluͤthen der Fruchtbaͤume und wilden Straͤucher zu erfreuen ge - lernt hatte; man ſorgte fuͤr eine bequemere Anordnung des Platzes, fuͤr Reinlichkeit und fuͤr den Spatziergang. Und allmaͤlig entſtand, neben dem Garten fuͤr Kraͤuter und Fruͤchte, auch ein Garten fuͤr das Vergnuͤgen. Der Charakter von jenem war Nutzbarkeit, und von dieſem Einfalt. Er dauerte durch Jahrhunderte fort. Die alten Fuͤrſten hatten, wo es recht koͤſtlich war, gutes Obſt und Wein; aber in dem zum Vergnuͤgen beſtimmten Theil waren ihre Gaͤrten nicht beſſer, als ſie bey uns ein gemeiner Pachter hat. Homer pflanzte dem Alcinous einen Garten, der nach dem Begriff der Zeit ſehr praͤchtig ſeyn und mit dem Palaſt, dem er ſilberne Saͤulen und eherne Mauern gab, im Verhaͤltniß ſtehen ſollte. Was war aber dieſer Garten, wenn man das Verdienſt der Beſchreibung des Dichters und die Harmonie ſeiner Sprache davon abzieht, anders, als ein Bezirk von vier Morgen Landes, mit einer Sammlung von Obſtbaͤumen, mit einem Platz fuͤr Kraͤuter, mit zwo Quellen undmit21des Begriffs vom Garten. mit einer lebendigen Umzaͤunung umgeben? Mit welchem immaͤßigen Lobe aber haben nicht manche Bewunderer des homeriſchen Zeitalters, ſelbſt gelehrte Maͤnner, die mit der Sprache des Dichters vertrauter waren als mit Gartenkenntniſſen, dieſen Garten als ein Wunder erhoben?

Die Duͤrftigkeit und Einfalt in den Plaͤtzen, die man Luſtgaͤrten nennen moch - te, dauerte vermuthlich von Homer bis zu den ſpaͤtern Zeiten der Roͤmer fort, wo ein geſchmackloſer Prunk, der alles, nur nichts Bluͤhendes, nichts Laͤndliches hatte, an ihre Stelle trat. Hier iſt es mir uͤberaus angenehm, von einem neuen brittiſchen Gartenforſcher, Herrn Walpole,*)S. die ſchon angezeigte Hiſtory of modern Taſte in Gardening. faſt eben das Urtheil uͤber die Gaͤrten des Pli - nius und ſeiner Landesleute anfuͤhren zu koͤnnen, das ich einige Jahre vorher gegen die blinden Verehrer der roͤmiſchen Gaͤrten behauptete,**)S. den 1ſten B. dieſes Werks S. 21 - 26. 118. und wobey keine gegen - ſeitige Lectuͤre, ſondern nur unpartheyiſche Wahrheit die Uebereinſtimmung veranlaſſen kennte. Was war, ſagt er, die vorzuͤglichſte Schoͤnheit von dem Garten des Plinius zu Tuſcum? Gerade das, was die Bewunderung unſers Landes vor ohn - gefaͤhr ſechzig Jahren war, Buxbaͤume als Ungeheuer, Thiere, Buchſtaben und Namen der Beſitzer und Kuͤnſtler, ausgeſchnitten? In einem Jahrhunderte, in welchem die Baukunſt in vollem Glanz, Reinigkeit und Geſchmack ſtrahlte, als Veſpaſians Amphitheater ſich mit dem Tempel des Friedens, Trajans Forum, Domitians Baͤdern und Hadrians Villa erhob, deren Ruinen noch jetzt Gegen - ſtaͤnde unſers Erſtaunens und unſrer Neugierde ſind, fand eines ſehr gebildeten Kai - ſers Freund, ein Mann von feiner Litteratur und Geſchmack, Vergnuͤgen an dem, was der Poͤbel kaum in einem Collegiengarten bewundert. Die ganze Einrichtung dieſes Gartens des Plinius traf genau mit dem uͤberein, die London und Wiſe nach hollaͤndiſchen Grundſaͤtzen angelegt haben. Er ſpricht von abhaͤngigen Plaͤtzen, Terraſſen, methodiſch aufgeputztem Buſchwerk, Becken, worinn eine Caſcade fiel, Roͤhren, die Waſſer ausſpruͤtzten, Lorbeerbaͤumen mit Ahornen eins ums andre ge - pflanzt und geraden Gaͤngen, von welchen andre ausgiengen, die aus Buxushecken und Aepfelbaͤumen, mit Obelisken vermiſcht, beſtanden. Es fehlt nichts, als die Sticke - rey eines bunten Beets, um dieſe Beſchreibung aus den Zeiten Trajans auf einen Garten unter Koͤnig Wilhelms Regierung anwenden zu koͤnnen.

So aͤnderte ſich in den Tagen der roͤmiſchen Prachtliebe der Begriff vom Gar - ten. Er war nicht mehr der einfaͤltige Obſt - und Weingarten des homeriſchen Fuͤr - ſten; Kunſt und Zierrath fiengen ſchon an, nicht etwa blos das Nuͤtzliche mehr ein - zuſchraͤnken, ſondern ſelbſt die Natur zu verdraͤngen.

C 3Dieſe22Zweyter Abſchnitt. Beſtimmung

Dieſe Idee verlor ſich in den mittlern Zeiten nicht ganz. Der Gartenplatz, der freylich eine Art von Umzaͤunung oder Abſonderung bedurfte, ward bald vom Stolz mit Mauern umzogen und dadurch aller Verbindung mit der ſchoͤnen Natur be - raubt; er bekam eine viereckigte Figur und eine ſymmetriſche Eintheilung; er ward mit geraden Hecken und hohen Alleen bepflanzt, und ein Blumenbeet und in der Folge einige Kunſtwerke machten die ganze innere Verzierung aus. Der Adel war ſtolz ei - nen ſolchen Kerker, worinn eine beklemmende Verſchloſſenheit herrſchte, und keine er - friſchende Luͤſte athmen konnten, zu beſitzen; man wußte nicht, daß ein Garten etwas anders ſeyn konnte, als ein ſolcher Bezirk, worinn eine todte Einſamkeit ſich zu der geſchmackloſeſten Einfoͤrmigkeit geſellte.

Als le Notre die Gaͤrten in Frankreich nach einer genauern Symmetrie hin - zirkelte und mit einem Ueberfluß von pomphaften Verzierungen belaſtete, veraͤnderte ſich auch der Begriff vom Garten, und breitete ſich mit dieſer Manier durch ganz Europa aus. Die geraden Hecken und Alleen blieben; aber ſie wurden ſo ſcharf unter der Scheere gehalten, daß ihre harten Abſchnitte, gegen die Luft betrachtet, einem empfindlichen Auge unertraͤglich wurden. Man uͤberſah die liebenswuͤrdige Wildniß der Formen, die ſchon die Natur den Baͤumen gegeben, man wollte alles beſſer ma - chen, als ſie, ſelbſt die ſtolze Ruͤndung der Roßkaſtanien, den ehrwuͤrdigen Umfang der Linde, und die praͤchtige Krone des Orangenbaums. Nicht blos einzelne Baͤu - me wurden in widerſumige Formen verunſtaltet, ſondern auch aus lebendigen Gebuͤ - ſchen ward eine elende Architectur erzwungen. Kanaͤle, Springbrunnen, mit Mar - mor verbunden, Vaſen, Statuͤen, Gitterwerke und Gelaͤnder verdraͤngten den bluͤhen - den Reiz der Natur. Leere Pracht ohne Natur, und Koſtbarkeit ohne Geſchmack bezeichneten dieſe Plaͤtze auf allen Seiten. Man hielt ſie allein fuͤr wahre Gaͤrten; was anders entworfen oder gedacht ward, ſollte dieſen Namen nicht verdienen. Der Franzoſe, der Verſailles als das hoͤchſte Urbild von Gartenſchoͤnheiten betrachtete, konnte ſich kaum das Paradies ohne praͤchtige Alleen, ohne Waſſerkuͤnſte und Sta - tuͤen vorſtellen. Er konnte ohne Symmetrie und Kuͤnſteley keinen Luſtplatz mehr den - ken. Und halb Europa irrte dem Franzoſen nach.

Dieſer Irrthum dauerte bis zur Einfuͤhrung des brittiſchen Gartengeſchmacks. Nunmehr aͤnderte ſich das, was man unter dem Namen von Garten bisher verſtan - den hatte. Weil aber doch der Begriff, den die franzoͤſiſche Manier eingefuͤhrt hatte, faſt allgemein geworden war, ſo ſchien es noͤthig, den neuen Geſchmack durch die Benennung vom engliſchen Garten beſtimmter zu bezeichnen.

Bald darauf, als die neue Manier ſich verbreitete, fieng man an, Garten und Park nicht blos zu unterſcheiden, ſondern auch einander entgegen zu ſetzen. Und den -noch23des Begriffs vom Garten. noch war ein Park zu den Zeiten der ſymmetriſchen Manier etwas anders, als er nachher, nach der Einfuͤhrung des neuern Geſchmacks, in England und bey den brittiſchen Schriftſtellern ward.

Vormals war ein Park nichts anders, als ein weiter eingeſchloſſener und mit einer hohen Mauer umgebener Raum, in große ſymmetriſche Stuͤcke vertheilt, mit geraden Alleen bepflanzt, die auf Einen Mittelpunkt zuſammenliefen, oder einen Stern bildeten, und mit hin und wieder ausgegrabenen Teichen und Kanaͤlen. Eine ſolche Anlage hat zwar in der Hitze reichen Schatten, aber zu viel Finſterniß, die durch keine Ausſicht in die Landſchaft, durch keine innere Scene der Anmuth wieder aufge - heitert ward; die Feuchtigkeit des Bodens, die Ausduͤnſtung der ſtehenden Waſſer, die Menge der Muͤcken und die traurige Einſamkeit, die hier herrſchte, beſchwerte den Spatzierenden und erfuͤllte ihn mit Truͤbſinn. Dieſe Parks, die ſo viel unbe - nutztes Land verſchlungen, trugen ganz den Charakter der Zeit, da der Stolz ſich nur uͤber den Beſitz von Macht und Reichthum freute, und jede geſellige Freude verbannte; da die Bewohner der Schloͤſſer ſich wegen der Gewaltthaͤtigkeiten, die ſie ausuͤbten und die ſie wieder befuͤrchteten, hinter Mauern und Thuͤrmen zu verbergen noͤthig fan - den; da die Wildheit der Sitten den Geſchmack an den heitern Schoͤnheiten der Na - tur erſtickte, und die Jagd, die man in dieſen weiten Raͤumen anſtellte, faſt die ein - zige Beluſtigung des Adels war.

Als die neuen Parks in England angelegt wurden, veredelte ſich Sache und Name. Man ſah verſchoͤnerte Landſchaftgemaͤlde in einem reinen Styl, eine Zuſam - menſetzung von Scenen, worinn von der Natur und Kunſt alles entlehnt war, was ſie Großes, Reiches und Bluͤhendes haben. Es geſchah indeſſen ganz willkuͤhrlich, daß man Garten und Park einander entgegen ſtellte. Denn Kleinheit und Symme - trie, die man dem Garten zum unterſcheidenden Charakter beylegen wollte, gehoͤren ihm nicht ſeinem Urſprunge, noch weniger ſeiner wahren Natur und Beſtimmung nach, zu; nur ein freches Vorurtheil hatte ſie ihm aufgebuͤrdet. Und das Laͤndliche, das Freye und das Große kommt ſo vielen Gattungen von Gaͤrten zu, daß man es nicht auf die, welche man unter dem Namen von Parks ſich vorzuſtellen pflegt, ein - ſchraͤnken darf.

Sollte die Thorheit der Nachaͤffung chineſiſcher Gaͤrten ſich wider Vermuthen noch mehr ausbreiten, ſo muß der Begriff vom Garten, der ſich jetzt am meiſten auf - hellen ſollte, unter dem Nebel dieſer eigenſinnigen Unordnung wieder verdunkelt wer - den. Man kann faſt keinen Garten mehr ohne chineſiſche Tempel mit ſeltſamen Schnoͤrkeln, ohne geſchlaͤngelte Bruͤcken, ohne vergoldete oder lakirte Pagoden mit Geklingel, ohne Felſen auf der Ebene, ohne andre phantaſtiſche Spielwerke, worunterNatur24Zweyter Abſchnitt. BeſtimmungNatur und Geſchmack verſchwinden, anlegen. Selbſt der Name von chineſiſchengli - ſchen und engliſchchineſiſchen Gaͤrten iſt jetzt taͤglich auf der Zunge des Franzoſen, und hallt in den Schriften dieſer Nation nach. Leiſer toͤnt er bey dem Englaͤnder, der lieber Selbſterfinder der neuen Manier ſeyn mag, und der dieſe Ehre verdient.

So war der Begriff vom Garten durch Beduͤrfniß, durch Mode, Vorurtheile, Misbraͤuche und ſelbſt durch die Revolutionen, die der Geſchmack in der Gartenkunſt bewirkte, in den verſchiedenen Laͤndern und Zeiten immer der Veraͤnderung unterwor - fen. Was das eine Zeitalter einen Garten nannte, war in einem andern nicht mehr eben das, oder es hatte einige Zuͤge angenommen, die von dem vorigen Gemaͤlde blos eine entfernte Aehnlichkeit uͤbrig ließen.

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2.

Die Gaͤrten, welche dem Nuͤtzlichen gewidmet ſind, wurden in den neuern Zei - ten bequem durch beſondre Benennungen unterſchieden, die von den Gewaͤchſen und Fruͤchten genommen ſind, deren Cultur ſie zum Gegenſtande haben. Die Namen von Kuͤchengaͤrten, von Kraͤuter - und Gemuͤſegaͤrten, von Fruchtgaͤrten, Obſtgaͤrten, Baumgaͤrten, Weingaͤrten, u. ſ. w. unterſcheiden ſogleich die verſchiedenen Arten, und laſſen keinen Zweifel uͤber die vornehmſte Beſtimmung einer jeden von ihnen uͤbrig.

Von25des Begriffs vom Garten.

Von allen dieſen, die ſich mit dem Nutzbaren beſchaͤfftigen, ward der Luſtgar - ten abgeſondert, der im Gegenſatz dem Angenehmen geweihet war. Man nahm an und hat in allen Zeitaltern die Meynung behalten, daß die Beſtimmung eines Luſtgar - tens nur ſeyn koͤnne, angenehme Bewegungen zu erregen, ſo verſchieden auch die dazu angewandten Mittel und ſo wenig ſie immer dieſer Beſtimmung angemeſſen waren.

Ein Garten kann alle die verſchiedenen Bewegungen hervorbringen, welche die Natur durch Groͤße und Mannigfaltigkeit,*)S. 1ſter Band S. 162 u. ſ. w. durch Schoͤnheit,**)S. 166 u. ſ. f. durch Anmuthigkeit und Lieblichkeit,***)S. 174 u. ſ. w. durch Neuheit,****)S. 177 u. ſ. w. durch Contraſt†)S. 180 u. ſ. w. erzeugt. Er kann, wie die Natur, nach den verſchiedenen Charakteren und Kraͤften ihrer Gegenden, Beha - gung, Vergnuͤgen, Wonne, angenehme Schwermuth und Melancholie, Verwunderung, Erſtaunen, Ehrfurcht, und feyerliche Erhebung der Seele erregen. ††)S. 186-227 und 2ter B. S. 5 - 129.Allein er kann dieſe Bewegungen nicht blos durch eine weiſe Mitwirkung der Kunſt verſtaͤrken, ſondern ſie auch in eine harmoniſche Folge und Verbindung unter einander bringen. †††)S. 1ſter Band S. 155. 156.

Die Natur zeigt zuweilen Gemaͤlde, die von ihrer Hand ganz vollendet ſind, und keines nachahmenden Pinſels der Kunſt mehr beduͤrfen. Sie hat Gegenden, denen durch ihre eigene Bildung ein ſolcher beſtimmter und ſtarker Charakter mitgetheilt iſt, daß ſie dadurch irgend eine der vorhin angefuͤhrten Bewegungen in einem hohen Grade hervorzubringen faͤhig ſind. Es giebt demnach Naturgaͤrten. Wir finden ſie in einigen der reichſten und ſchoͤnſten Landſchaften der Schweitz, Italiens, Englands und nicht weniger Deutſchlands. Haͤufiger ſieht man ſie in Laͤndern, wo unter der Gunſt eines vorzuͤglich milden Klima das Pflanzenreich in einem hoͤhern Wachsthum ſchwelgt, und ein faſt immer laͤchelnder Fruͤhling die Huͤgel und die Thaͤler mit einem bunten Teppich freywillig aufbluͤhender Blumen ſchmuͤckt. Und dieſe Gaͤrten der Na - tur ſind nicht blos von dem romantiſchen und feyerlichen Charakter, die nur ſie faſt allein zu bilden vermag, ſondern auch von den angenehmen Gattungen.

Die ſchoͤne Gartenkunſt kann kein anderes Geſchaͤffte haben, als den natuͤrlichen Charakteren der Gegenden nachzuhelfen, um ihre Wirkungen gewiſſer und eindringen - der zu machen. Sie fuͤhrt dies Geſchaͤffte durch Bearbeitung des Bodens und der Lage, durch Anpflanzung, durch Bebauung und durch Auszierung aus; und laͤßt ſich dabey von Beobachtung der Natur, von Pflanzenkenntniß, Geſchmack und Ueberle - gung leiten. Sie lernt von der Natur, um ihre Gehuͤlfinn zu ſeyn.

DieſeIV Band. D26Zweyter Abſchn. Beſtimmung des Begriffs vom Garten.

Dieſe Bemerkungen, die ſich bey einiger Ueberlegung von ſelbſt anbieten, leiten uns zu dem Begriff vom Garten. Er kann nichts anders ſeyn, als eine von der Kunſt*)S. 1ſten B. S. 145. 155. 156. nachgebildete Gegend, zur Verſtaͤrkung ihrer natuͤrlichen Wirkung.

Demnach, ſo viel beſonders charakteriſirte Gegenden es giebt, oder ſo viel Ge - genden ſich zu einem beſtimmten Charakter ausbilden laſſen, ſo viel beſondre einfache Gaͤrten duͤrfen wir unterſcheiden. Alles, was zur feſtern Beſtimmung und zur Ver - ſtaͤrkung der natuͤrlichen Wirkung einer Gegend beytraͤgt, das gehoͤrt in das Gebiet der Gartenkunſt; alles aber, was dieſe Wirkung ſtoͤrt, ſchwaͤcht, unterbricht, unge - wiß macht, iſt von ihrer Graͤnze zu verbannen.

Dies giebt nun auch den Unterſchied an, der ſich zwiſchen einem Garten und einer blos natuͤrlichen Gegend befindet. Da die Natur in der Bildung ihrer Land - ſchaften, bey ſo vielen hoͤhern Zwecken, nicht allezeit auf eine genaue und ſorgfaͤltige Beſtimmung der verſchiedenen Charaktere der Gegenden ſich einſchraͤnken kann; ſo entſpringt zuweilen daraus eine Art von Verwilderung und Vermiſchung, die zwar in das Ganze ihrer großen Gemaͤlde wohl einſtimmt, aber weniger in kleinern Raͤumen gefaͤllt, wo das Auge in ſeinem Urtheil nicht zerſtreut, noch geblendet wird. Eine Gegend kann daher bluͤhend, reizend, entzuͤckend ſeyn. Allein ihr Charakter iſt nicht immer rein, noch beſtimmt genug; nicht immer aus der großen Maſſe hervorſpringend genug; auch fehlt ihrer Rohigkeit alle Milde, alle Verſchoͤnerung, welche die Cultur mittheilt, alle Verſtaͤrkung ihrer Eindruͤcke, die von Genie und Geſchmack durch die Kuͤnſte der Bearbeitung, der Anpflanzung und der Bebauung bewirkt wird.

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27Dritter Abſchnitt. Eintheilung der Gaͤrten.

Dritter Abſchnitt. Eintheilung der Gaͤrten.

Man ſieht[nun]leicht, daß ſich,[indem]wir der Natur folgen, verſchiedene Gat - tungen von Gegenden und Anlagen unterſcheiden laſſen, die alle eben ſo viel beſondre Gaͤrten ausmachen. Garten ſoll uns die allgemeine Benennung, der Ge - ſchlechtsname bleiben, und unter dieſem wollen wir die mannigfaltigen Arten nach einander auffuͤhren. Selbſt der Name, Park, kann, wenn wir nicht mit Worten ſpielen wellen, nichts anders, als eine beſondre Art oder Gattung von Garten be - zeichnen, wie ſich in der Folge entwickeln wird.

Wir koͤnnen in Anſehung der verſchiedenen Arten von Gaͤrten dieſe Eintheilung machen.

Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.

Gaͤrten nach der Verſchiedenheit der beſondern Lage.

  • I) Berggarten;
  • II) Thalgarten;
  • III) Waldgarten.

Gaͤrten nach dem Charakter der Gegend.

  • I) angenehmer, muntrer, heitrer Garten;
  • II) ſanftmelancholiſcher Garten;
  • III) romantiſcher Garten;
  • IV) feyerlicher Garten;
  • V) Gaͤrten, die aus einer Zuſammenſetzung dieſer verſchiedenen Charaktere beſtehen.

Gaͤrten nach dem Unterſchied der Jahreszeiten.

  • I) Fruͤhlingsgarten;
  • II) Sommergarten;
  • III) Herbſtgarten;
  • IV) Wintergarten.

Gaͤrten oder Scenen nach den Tageszeiten.

  • I) Morgengarten oder Morgenſcene;
  • II) Mittagsgarten oder Mittagsſcene;
  • III) Abendgarten oder Abendſcene.

Gaͤrten nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

  • I) koͤnigliche und fuͤrſtliche Gaͤrten; Parks der erſten Groͤße, oder in einem praͤchti - gen Styl;
  • II) Gaͤrten fuͤr Beſitzer vom hohen Adel und vom Stande; Parks in einem edlen Styl;
  • III) Privatgaͤrten; buͤrgerliche Gaͤrten;
  • IV) Landgaͤrten; laͤndliche Gaͤrten.

Gaͤrten, deren Charakter von beſonderen Beſtimmungen abhaͤngig iſt.

  • I) Volksgaͤrten;
  • II) Gaͤrten bey Akademien;
D 2III) Gaͤrten28Dritter Abſchnitt. Eintheilung der Gaͤrten.
  • III) Gaͤrten bey Kloͤſtern, Kloſtergaͤrten;
  • IV) Gaͤrten bey Geſundheitsbrunnen;
  • V) Gaͤrten bey Hoſpitaͤlern;
  • VI) Gaͤrten bey Begraͤbnißoͤrtern.

Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung einzelner Theile eines Landſitzes.

  • I) Vorplatz vor dem Luſtſchloſſe oder Landhauſe;
  • II) Feldſpatzierwege;
  • III) Meyerey;
  • IV) Thiergarten;
  • V) Weinberg;
  • VI) Doͤrfer;
  • VII) Landſtraße.
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Theorie[29]

Theorie der Gartenkunſt.

D 3[30]

Fuͤnfter Theil. Beſtimmung der verſchiedenen Arten von Gaͤrten.

  • Erſter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.
  • Zweyter Abſchnitt. Gaͤrten nach der Verſchiedenheit der beſondern Lage.
  • Dritter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Charakter der Gegenden.
  • Vierter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Unterſchied der Jahreszeiten.
31

Erſter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.

Schon eine gemeine Beobachtung lehrt uns, bey der Cultur der Gewaͤchſe, auf die Beſchaffenheit des Klima, auf ſeine Milde oder Strenge merken. Jeder Himmelsſtrich hat ſeine Pflanzen, die er als ſeine eigene Kinder mit einem gluͤcklichen Erfolg erzieht, und die, aus ihrer Heimat geriſſen, gar zu oft ausarten oder ſterben. Die Natur ſelbſt giebt in Ruͤckſicht auf die Gewaͤchſe den Gaͤrten verſchiedener Laͤnder ſchon einen verſchiedenen Charakter, der von dem Klima abhaͤngig iſt. Die Fluren in Indien und in Arabien ſtellen ganz andere Geſchlechter von Baͤumen und Straͤu - chern auf, als die Pflanzungen in Nordamerica, und dieſe ſind wieder von den Ge - waͤchſen des ſuͤdlichen Europa unterſchieden.

So wie die Pflanzen, ſo muß ſich der Menſch nach der Beſchaffenheit des Him - melsſtrichs richten, unter welchem er baut. Er muß nicht allein beobachten, welche Gewaͤchſe unter ſeinem Klima am beſten, welche weniger, welche gar nicht gedeihen; er muß auch nach dem Charakter eben dieſes Klima die Plaͤtze ſeiner laͤndlichen Er - goͤtzungen einzurichten wiſſen.

Wir duͤrfen nur einen Garten aus dem untern Italien mit einem niederſaͤch - ſiſchen vergleichen, um nicht blos einen Unterſchied zu bemerken, ſondern auch einzu - ſehen, daß dieſer Unterſchied zum Theil von dem verſchiedenen Genie des Himmels - ſtrichs herruͤhrt. Noch auffallender wird dieſer Unterſchied bey Laͤndern in einer wei - tern Entfernung von einander. Es iſt demnach keine geringe Unbedachtſamkeit, wenn wir auslaͤndiſche Gaͤrten verachten, weil ſie nicht ſeyn koͤnnen, wie die unſrigen ſind, oder wenn wir die unſrigen als die vollkommenſten Muſter der Schoͤnheit anſe - hen, wornach wir andere zu beurtheilen uns berechtigt halten. Eben die Abweichung, die das Klima will, wollen oft eben ſo ſehr Sitte und Gewohnheit, die unter den Ein - wirkungen des Klima herrſchen.

Wenn die Alten uns ihre Gaͤrten beſchreiben, ſo erwaͤhnen ſie, mit einem be - ſondern Vergnuͤgen, kuͤhler Grotten, waſſerreicher Quellen, Erfriſchungen des Meeres, luftiger Anhoͤhen, ſchattenreicher Gaͤnge mit Platanen beſetzt und bedeckter Saͤulen - lauben. Das Klima lehrte den Griechen und den Roͤmer Schatten und Kuͤhlung, als Beduͤrfniß, ſuchen; und dieſem Beduͤrfniß folgten die Anlagen ihrer Gaͤrten. Der Platanus ward, ſeines ehrwuͤrdigen Schattens wegen, ſo ſehr geſchaͤtzt, daß man ihn zur Befoͤrderung ſeines Wachsthums ſogar mit Wein begoß.

Der32Erſter Abſchn. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.

Der Roͤmer verlaͤngerte ſeine Villen ſo gerne eine Strecke in das mittellaͤndi - ſche Meer hinein, um die Kuͤhlungen dieſer Lage zu genießen. Was wuͤrde man von einem Daͤnen ſagen, wenn er ſeinen Landſitz in die Nordſee hinein bauete?

Die Springbrunnen ſind eine Erfindung warmer Laͤnder. Die Roͤmer lieb - ten ſie in Italien; und die Mauren fuͤhrten ſie in Spanien ein, wo ſie noch, der erfriſchenden Kuͤhlung wegen, nicht blos in den Gaͤrten, ſondern auch in den innern Hoͤfen der Wohnhaͤuſer haͤufig plaͤtſchern. Es war aber nicht Ueberlegung, ſondern Nachahmungsſucht, die dieſe Fontainen im kalten Norden ſo ſehr vervielfaͤltigte, daß man ehemals, wie z. B. in Schweden, ohne ſie keinen Garten ſchoͤn finden konnte.

Die morgenlaͤndiſchen Gaͤrten ſuchten mit Recht die Erfriſchung kuͤhler Quellen, rieſelnder Baͤche, reicher Waſſerleitungen; der Hollaͤnder, deſſen Land ſchon einen Ueberfluß von Kanaͤlen und Feuchtigkeiten hatte, leitete ſie nicht blos ge - gen die Natur, ſondern auch gegen die Regel der Geſundheit, in ſeine Gaͤrten ein.

In Spanien, wo viele der ſchoͤnſten Baͤume und Gartenblumen, z. B. die Myrte, der Mandelbaum, der Feigenbaum, die Lilie, die Nelke und verſchiedene Roſen, wild wachſen, koͤnnen die Gaͤrten ihre Cultur entbehren; allein in Deutſchland wird ſie ein Geſchaͤffte des Gartenfreundes.

In den brittiſchen Gaͤrten macht die Vielheit der Raſen, deren vortreffliches Gruͤn von der Feuchtigkeit des Klima beguͤnſtigt wird, eine vorzuͤgliche Schoͤnheit aus; allein unter dem Himmelsſtrich von Frankreich und noch mehr von Italien muß man wenigſtens einen Theil dieſes landſchaftlichen Reizes aufgeben.

In Laͤndern unter einem kalten oder gemaͤßigten Himmelsſtrich iſt der Spatzier - gang, der ſich in die freyen Irrgaͤrten der Natur verliert, uͤberaus ergoͤtzend; allein unter der heißen Zone liebt der Gartenfreund ruhige Bequemlichkeit und unbewegli - ches Sitzen unter tiefen Ueberſchattungen. Ein dichter Hayn mit wild in einander ſich verwickelnden Baͤumen und dunklen, den Sonnenſtrahlen undurchdringlichen, Schattenuͤberwoͤlbungen iſt hier oft allein der Garten, den man ſucht. In Oſtin - dien, wo die Natur durch eine außerordentliche Groͤße und Ausdehnung der Baͤume fuͤr das Beduͤrfniß des Klima geſorgt hat, macht zuweilen ein einziger Stamm, wie der Affenbrodbaum und der Baum der Banianen oder der Pagodenbaum, einen Luſt - wald aus, worunter ganze Geſellſchaften Schirm vor der Hitze des Tages finden.

Soll die Nachaͤffung eines eingebildeten Ideals chineſiſcher Gaͤrten und ihrer Gebaͤude noch laͤnger die Geſchichte unſrer Thorheiten erweitern? Der Englaͤnder hat mit Stolz ſeinen engliſchen Garten. Der Franzoſe will bald einen engliſchen, bald einen chineſiſchen Garten haben. Und der Deutſche, der einen deutſchen Garten haben koͤnnte, was will er?

Zweyter33

Zweyter Abſchnitt. Gaͤrten nach der Verſchiedenheit der beſondern Lage.

I. Berggarten.

Einem Berggarten giebt ſeine Lage,*)S. 1ſter B. S. 190. 191. 195-198. mit der reinen und geſuͤndern Luft, Frey - heit und Heiterkeit und Wonne uͤber die Weite und Mannigfaltigkeit der Aus - ſichten und uͤber die immer wechſelnden wunderbaren Schauſpiele, die ſich am Him - mel und in der Landſchaft bilden. Allein er kann auch durch die Beſchaffenheit ſeiner natuͤrlichen Bildung, ſeiner gegen einander aufſteigenden Huͤgel und Felsſpitzen, ſei - ner wilden Baͤume und Gebuͤſche Verſchloſſenheit und Einſamkeit haben. Er kann durch Anmuth reizen, oder von labyrinthiſchen Wildniſſen ſtrotzen. Er kann man - cherley Arten von Scenen aufnehmen, ſo wie faſt jeder Charakter von Gegenden in ſeinem weitern Bezirk Platz hat. Er liebt Eichen und Buchen, vornehmlich Birken, Fichten und Tannen, deren Gipfel zwiſchen den Wolken rauſcht. Die Unterhaltung der Ausſichten, die dieſer Lage eigen ſind, und worinn ſich die Seele uͤber die Welt, alle ihre Sorgen, ſelbſt alle ihre Beduͤrfniſſe zu erheben ſcheint, die wolluſtvolle Ge - nuͤgſamkeit dieſes Zuſtandes, das frohe belebende Gefuͤhl beym Geraͤuſch von Waſſer - faͤllen, und die holde Schwermuth bey dem ſanftern Gemurmel herabrinnender Quellen und Baͤche, dies kann den Mangel der innern Schoͤnheit oder der feinen Bepflanzung eines Berggartens verguͤten. Auf ſeinem maͤßig aufſteigenden und von Baͤumen oder benachbarten Bergen beſchuͤtzten Gipfel, und noch beſſer auf ſeinen ſanften Abhaͤngen bietet er dem Landhauſe einen anmuthigen Platz an; auf einer zierlichen und reich be - pflanzten Erhebung nimmt er ſelbſt einen Tempel von griechiſcher Schoͤnheit auf; allein auf kuͤhnen Spitzen, wo kahle Felswaͤnde ſich mit ſteilem Abſturz ſenken, for - dert er ein altes Bergſchloß, oder ſeine Truͤmmer. Auf rauhen felſigten Vorgebir - gen am Geſtade des Meers, oder auf hohen Landſpitzen, die ſich kuͤhn in die Fluth hin - einſtrecken, ſind Schloͤſſer oder Feſtungen oder Thuͤrme im gothiſchen Styl faſt die ſchicklichſten Gebaͤude; ihre Rohigkeit, ihre Staͤrke und die Erinnerung ihres vorma - ligen Gebrauchs, alles dieſes ſtimmt ſehr wohl mit der Wildniß des Orts uͤberein.

UeberhauptIV Band. E34Zweyter Abſchnitt. Gaͤrten
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35nach der Verſchiedenheit der beſondern Lage.

Ueberhaupt duͤrfen wir bey keiner Anlage vergeſſen, daß die wahre Kunſt der Verzierung darinn beſteht, jedem Ort und jeder Scene zu geben, was ihr zukommt. In der Natur ſehen wir mit Vergnuͤgen an Felſen Ziegen hangen, und auf Raſen ſich die herumirrende Wollenheerde zerſtreuen; mit Vergnuͤgen ſehen wir bey der Huͤtte des Hirten trinkende Kuͤhe am Brunnen verweilen, oder auf dem Dach einer kleinen Landwohnung eine Familie von Tauben ruhen. Wenn der Idyllendichter oder der Kuͤnſtler uns ſo dieſe Gemaͤlde wiedergiebt, ſo erkennen wir in ihm den treuen Schuͤler der Natur. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit der Ausſtaffirung und Verzierung der Gartenanlagen durch Werke der Baukunſt. Am Ufer eines Sees eine Fiſcher - huͤtte; in einer lachenden Gegend ein Tempel, der Liebesgoͤttinn geweihet; in einer andern, die mehr ernſthaft iſt, ein Tempel der Freundſchaft; in einem einſamen me - lancholiſchen Revier eine Einſiedeley; in einer ſchwelgeriſchen futterreichen Gegend ein Meyerhof; auf einer wilden Felshoͤhe koloſſaliſche Truͤmmer von einer Wohnung alter Helden alles dies iſt Schicklichkeit der Verzierung, und harmoniſche Beywirkung der Kunſt zur Verſtaͤrkung der Eindruͤcke der Natur.

II. Thalgarten.

Eingezogenheit, Ruhe und laͤndlicher Friede wohnen im Thal;*)S. 1ſter B. S. 191-202. alles iſt hier ſanft und milde, in ſtiller Einfalt begraͤnzt. Umherirrende Baͤche, mit leichten laͤnd - lichen Bruͤcken verziert, durchrieſeln dieſe Reviere; ſie ſind zu klein, um das ſtrah - lende Bild der Sonne zu tragen, aber friſche Bluͤmchen, vom Spiel ihrer dahin huͤpfenden Wellen benetzt, beſchauen ſich ganz in ihrem wankenden Spiegel. Schlan - ke Pappeln und Weiden und Ellern, die ſich in der Feuchtigkeit dieſes Bodens freuen, wechſeln mit Pflaumenbaͤumen und andern fruchttragenden Staͤmmen ab, und zer - ſtreuen ſich in leichten durchſichtigen Gruppen an dem Ufer der Baͤche dahin. Nahe umher ſchimmern grasreiche Wieſenplaͤtze unter dem bunten Stickwerk von hundert Feldblumen, mit andern Geſchlechtern, welche die Kunſt erzog, in natuͤrlicher Unord - nung untermiſcht; hin und wieder unterbricht der Schatten bejahrter Baͤume die Helle der Raſen mit dunkeln Flecken; und im bebuſchten Winkel ruhet, frey von Pracht und vom Sturm, unter ihren Obſtbaͤumen die einſame laͤndliche Huͤtte, von der nicht weit einige Kuͤhe unbeſorgt umhergraſen und keines Hirten beduͤrfen. Kann eine Lage dieſer Art ihren ſanften Reiz vergebens anbieten? Wie oft habe ich ſie mit Wolluſt in den Thaͤlern am Fuß der Alpen, die hoch uͤber ſie mit ewig beſchneyten Gipfeln genE 2Himmel36Zweyter Abſchnitt. GaͤrtenHimmel ſich thuͤrmen, in dieſen warmen, fruchtbaren und friedvollen Thaͤlern empfun - den! Wie mancher weiſe und gluͤckliche Freund der Natur genießt ſich da in einer be - ſcheidnen Wohnung ſeines Thalgartens, unter dem breiten Schatten ſeiner Kaſtanien - und Wallnußbaͤume, am Morgen von kraͤuterreichen Wieſen umduftet, und am Abend vom Gemurmel der Baͤche zur Ruhe geladen!

Andre Arten von Thallagen bereiten ſie fuͤr andre Scenen. Eine Thalgegend, von hohen Waldſtuͤcken uͤberſchattet, von dickverwilderndem Gebuͤſch uͤberdeckt, oder mit Felshoͤhen umſchanzt, ſchickt ſich ungemein zu einſiedleriſchen und melancholiſchen Scenen. Man kann der Niedrigung leicht den Schein einer groͤßern Vertiefung ge - ben, indem man die obere Oeffnung enger zuſammenzieht, oder den Rand mit hohem Buſchwerk und ſtarken Baumgruppen von dunkler Farbe des Laubes oder von vieler Beſchattung bekleidet; ein dumpfes Gemurmel von einem Bach, der dem Auge un - ſichtbar bleibt, verſtaͤrkt noch die Vorſtellung der Tiefe.

Ein andres Thal von ſeltſamer Form und Kruͤmmung, worinn ein Strom bald zwiſchen Klippen ſchaͤumt, bald in ſtiller Fluth wieder dahin gleitet, und aus ihr hohe gerade Baͤume aufſteigen laͤßt, bald in wilde kaͤmpfende Waſſerfaͤlle aufgeloͤſt wird, graͤnzt ſchon an die romantiſche Gattung. Die ganze kuͤnſtliche Bearbeitung muß dem Geiſt dieſer verſchiedenen Charaktere folgen.

III. Waldgarten.

Er hat den Charakter des Waldes, und mit ihm die ganze Mannigfaltigkeit der Waldſcenen gemein. *)S. 1ſter B. S. 198. 199. 2ter B. S. 40-46. 53-62.Sein vornehmſtes Eigenthum iſt Reichthum des Schattens, erquickende Kuͤhlung, friedvolle Stille, die zu ernſthaften Betrachtungen und zum Selbſtgenuß einladet, und ſanfte Freude der erſten ſeligen Unſchuld uͤber die Thiere, die hier ihre Freyſtaͤtte haben, und uͤber die mannigfaltigen Familien von Waldvoͤgeln, die zwiſchen den Laubdecken umherflattern und die Schattengewoͤlbe von den kunſtloſen Liedern der Liebe wiederhallen laſſen. Die Waldlage giebt nicht blos in warmen Laͤndern eine beneidenswerthe Bequemlichkeit, ſie hat auch den Vortheil, daß, indem ſchon die Natur vorgepflanzt hat, die uͤbrigen Verſchoͤnerungen ſich leich - ter in dieſe Pflanzungen eintragen laſſen. Und wie wenig vermag die fleißigſte Kunſt des Gaͤrtners gegen die Hand der Natur! Wie lange muͤſſen wir warten, ehe wir in unſern Anpflanzungen einen kleinen Theil der herrlichen Beſchattungen gewinnen, die uns ein Wald voll bejahrter Eichen und Buchen darbietet! Menſchenalter verfloſſen,ehe37nach der Verſchiedenheit der beſondern Lage. ehe er ſeinen Staͤmmen die ehrwuͤrdige Geſtalt geben konnte, die uns bey dem Anblick ihrer Ausdehnung, ihrer Hoͤhe und Staͤrke erhebt. Hier ladet uns die Natur ein, um gleich ohne Muͤhe zu genießen, und uns unter eben dem Schatten, der ſchon unſre Voraͤltern erfreute, in froher Geſellſchaft zu lagern. Indem ein anſehnlicher Wald mancherley Scenen aufzunehmen faͤhig iſt, ſo koͤnnen ihnen auch Architecturwerke von mancherley Charakter zugeordnet werden. Zur Wohnung oder zum Landhauſe aber ſchickt ſich hier am beſten ein edles regelmaͤßiges Gebaͤude, das feſt ohne Plumpheit, einfach ohne Duͤrftigkeit iſt, eine maͤßige Verzierung ſeiner Außenſeiten, einen weiß - lichen Anſtrich der Waͤnde und ein blaues Dach hat.

Es iſt, auch ohne beſondre Bemerkung, klar, daß ein Garten von weitem Um - fang alle dieſe drey angefuͤhrten Lagen in ſich begreifen, und daß durch Berggarten, Thalgarten und Waldgarten eine Zuſammenſetzung eines neuen Ganzen entſtehen kann. Dieſe Verbindung iſt in der Natur gegruͤndet. Der Berg hat ſein Thal neben ſich, und nicht ſelten iſt ſein Gipfel oder Abhang mit einem Walde geſchmuͤckt.

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E 3Dritter38Dritter Abſchnitt. Gaͤrten

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Charakter der Gegenden. *)S. 1ſter B. S. 229.

I. Angenehmer, muntrer, heitrer Garten.

1.

Die Natur hat den Landſchaften nach den ewigen Geſetzen der Mannigfaltigkeit und Schoͤnheit, denen ſie immer folgt, eine große Abwechſelung von Cha - rakteren mitgetheilt; und bey dieſer Einrichtung ſcheint ſie auf die Verſchiedenheit des Geſchmacks und der Neigungen der Menſchen, die dieſe Reviere bewohnen ſollten, geachtet zu haben. Dieſer lieht ſtille Anmuth und ruhige Empfindung, jener Sce - nen von einem blendenden und lebhaften Reiz; ein anderer ergoͤtzt ſich an dem Son - derbaren, und verliert ſich gern in abentheuerliche Romane und in fabelhafte Feener - zaͤhlungen; ein andrer zieht die Einſamkeit und eine ſuͤße Schwermuth jeder geſelligen Freude vor, wandelt oft unter den Graͤbern ſeiner Freunde, und betrachtet mit Sehn - ſucht den geſtirnten Himmel in der Mitternacht; ein andrer eroͤffnet lieber ſeine Bruſt den erhebenden Gefuͤhlen, die Groͤße und Staͤrke einfloͤßen, entzuͤckt ſeinen Geiſt un - ter heroiſchen Thaten, und ſchaut mit Vergnuͤgen die Schrecken des Sturms auf dem tobenden Meere. Alle dieſe verſchiedenen Temperamente und Neigungen befriedigt die Natur, ſelbſt durch die verſchiedenen Charaktere der Gegenden. Und wir koͤnnen unſern Geſchmack auf eine eben ſo mannigfaltige und noch reichere Art in Gaͤrten un - terhalten, als in den verſchiedenen Gattungen der Malerey und der Poeſie. Daher hat jeder Anleger ſelbſt von der Natur das Recht, in der Wahl des beſondern Cha - rakters ſeines Gartens dem Triebe ſeines individuellen Geſchmacks zu folgen.

Da das Angenehme, Muntre und Heitre nur durch die Grade unterſchieden iſt,**)S. 1ſter B. S. 210. ſo verlieren ſie ſich in den Scenen der Natur, die dieſen Charakter ausma - chen, nicht ſelten ſo unvermerkt in einander, daß ſich die Graͤnzlinien nicht mehr be - zeichnen laſſen. Lage, Verbindungen und tauſend abwechſelnde Zufaͤlligkeiten bewir - ken die Unterſchiede oft ſo fein und ſchnell, machen ſie unter einander ſo abſtechend, ſo hervorſpringend und wieder ſo zuruͤckweichend, daß die Kunſt des Beobachters ſich vergebens beſtrebt, alle Abaͤnderungen unter einer beſtimmten Ordnung aufzuzaͤhlen. Indeſſen39nach dem Charakter der Gegenden. Indeſſen wenn wir auch alles das, was von Lage, Verbindung und Zufaͤlligkeit ab - haͤngig iſt, nicht genau zu beſtimmen unternehmen koͤnnen, ſo laſſen ſich doch vielleicht einige Gegenſtaͤnde ſelbſt auszeichnen, die in dieſem Charakter einen Unterſchied ma - chen. So liefert z. B. die Natur zu dem Charakter des Angenehmen Berge, Huͤgel, Thaͤler, Wieſen, Waͤlder; Seen, Fluͤſſe, Gruppen, Hayne und Ausſichten auf man - nigfaltig abaͤndernde und belebte Gegenſtaͤnde der Landſchaft, als Weiden voll Heer - den, ſchiffreiche Haͤfen und Ufer voll Beſchaͤfftigungen des Fiſchfangs erheben dieſen Charakter ſchon zu dem Muntern; friſchgruͤnende Raſen, Blumen und Bluͤthen der Gebuͤſche mit ſanften Farben, wie das Fleiſchfarbige, das Roͤthliche, Blaͤuliche, Blaßgelbe und Weiße, leichte Gruppen von Straͤuchern und Baͤumen mit hellem Laub und gefiederten Blaͤttern, klare, rieſelnde Baͤche und ſpielende Waſſerfaͤlle vollen - den ihn zu dem Heitern. Allein dieſe Unterſchiede ſind in der kuͤnſtlichen Anlage eben ſo wenig immer zu beobachten, als ſie ſich in der Natur untermiſcht erhalten. Und gemeiniglich iſt ein Garten in der einen Jahreszeit heiter, und in der andern blos an - genehm. Die Kunſt verſtaͤrkt dieſen Charakter durch mancherley Arten von zuſtim - menden Gartengebaͤuden, als Luſthaͤuſer, Luſtkabinette, Vogelhaͤuſer, Fiſcherhuͤtten, Waldhaͤuſer, Pavillons, Tempel, die anmuthigen Gegenſtaͤnden und Weſen gewid - met ſind; durch Statuͤen und allegoriſche Bilder; durch Denkmaͤler, welche die Phantaſie auf frohe Erinnerungen leiten.

Der Charakter des Angenehmen iſt uͤberaus reich und mannigfaltig in der Natur verbreitet, und die meiſten Gaͤrten werden mit Recht in dieſem Geſchmack angelegt. Maler und Dichter, mit einer bluͤhenden Einbildungskraft belebt und mit den Reizen der Natur vertraut, gluͤckliche Privatleute von Geſchmack, alle die wohlgebildeten und in ſich genuͤgſamen Seelen, die ſich auf den Genuß der unſchuldigen Ergoͤtzung des Landlebens verſtehen, waͤhlen und bilden Anlagen dieſer Art mit dem beſten Er - folg. In dieſen Gaͤrten wohnen alle die ſanften, beruhigenden, erwaͤrmenden, auf - heiternden Freuden, womit die bluͤhende Natur den Menſchen beſeligen kann, und wovon die Erinnerung in weniger aufgehellten Tagen noch von einer wehmuͤthigen Sehnſucht begleitet wird. O! Silberbach, der vormals mich vergnuͤgt, Wann wirſt du mir ein ſanftes Schlaflied rauſchen? Gluͤckſelig! wer an deinen Ufern liegt, Wo voller Reiz der Buͤſche Saͤnger lauſchen. Und du, o! Hayn! o! duftend Veilchenthal! O! holder Kranz von fernen blauen Huͤgeln! O! ſtiller40Dritter Abſchnitt. GaͤrtenO! ſtiller See, in dem ich tauſendmal Auroren ſah ihr Roſenantlitz ſpiegeln! Bethaute Flur, die mich ſo oft entzuͤckt! Wann wird von mir dein bunter Schmelz erblickt? v. Kleiſt. Alle Theile, woraus der Dichter dies ſchoͤne Landſchaftgemaͤlde, den Gegenſtand ſei - ner ſchwermuͤthigen Zuruͤckerinnerung, zuſammengeſetzt, gehoͤren vollkommen zu dem Charakter, wovon wir handeln; und die Natur ſtellt ſie in tauſend Gegenden, die der Kunſt bald mehr, bald weniger nachzuarbeiten uͤberlaſſen, vor unſern Augen auf. Allein wie unendlich mannigfaltig iſt nicht ihre Manier in der Zuſammenſetzung! Wie viele Abaͤnderung in der Bildung der kleinen Anhoͤhen und Vertiefungen! Wie abwechſelnd die Art, wie die Huͤgel ſanft gegen einander aufſchwellen, oder wild von einander abſpringen, oder wellenfoͤrmig neben einander ſich hinſchmiegen, oder kuͤhn uͤber einander aufſteigen und dann wieder zu Thaͤlern herabſinken! Wie mannigfaltig die Verbindung der Pflanzen, der Straͤucher, der Baͤume, der Gruppen, der Hayne, der Waͤlder, der Wildniſſe, der Gewaͤſſer unter einander! Welche unzaͤhlbare ver - ſchiedene Wirkungen des Lichts und Schattens zwiſchen Hoͤhen und Niedrigungen, zwiſchen Baͤumen und Waſſer, in ploͤtzlichen Begraͤnzungen und in allmaͤligen Ent - fernungen! Immer auf die Natur zu ſchauen, immer ſo mannigfaltig, ſo reich, ſo neu in der Zuſammenſetzung zu ſeyn, als ſie, iſt hier das vornehmſte Geſetz.

Bey einer Anlage vom anmuthigen Charakter wird eine Miſchung von mannig - faltigen Ungleichheiten und Erhebungen des Bodens, von kleinen Huͤgeln und Thaͤ - lern*)S. 2ter B. S. 7. vorausgeſetzt. Und die Kunſt ihrer Bearbeitung beſteht vornehmlich darinn, ſie zu den veredelten Wirkungen eines harmoniſchen Gemaͤldes mit einander zu verbin - den, ſie mit Gruppen von Blumen, von Straͤuchern, von Baͤumen, mit Haynen und Luſtwaͤldern zu bepflanzen, mit ſchoͤnen Raſen zu ſchmuͤcken, mit laufendem und fallendem Waſſer, mit Bruͤcken und Gebaͤuden zu beleben. Viel Abwechſelung des Freyen und des Verſchloſſenen, des Hellen und des Schattigten, viel heitre Durch - ſichten und ſpielende Wiederſcheine, viel feine Malerey der Baumgruppen vom ſchoͤn - ſten Wuchs und Laubwerk, viel bluͤhende Straͤucher und farbigte Blumen, viel Pflan - zen von ſuͤßen Duͤften, viel Anlockung ſingender Voͤgel, viel klares, rinnendes, rie - ſelndes und rauſchendes Gewaͤſſer, viel Mannigfaltigkeit und Reiz der Ausſichten in die Landſchaft umher gehoͤrt in dieſe Gattung von Zuſammenſetzung.

Wo41nach dem Charakter der Gegenden.

Wo die Natur in der erſten Bildung Erhebungen und Senkungen des Bodens verſagt hat, und nichts als eine Ebene liefert, da muß der Gartenkuͤnſtler, wenn er in einer ſolchen Gegend eine betraͤchtliche Anlage machen ſoll, ſeine ganze Einbildungs - kraft anſtrengen, um die Maͤngel dieſer Lage zu verbeſſern. Man kann die ebene Flaͤche hie und da in ſanfte Ungleichheiten umarbeiten und ihr dadurch ein froͤhliches Anſehen mittheilen; man kann Huͤgel aufwerfen, ihren Gipfel mit hohen Gruppen noch mehr erhoͤhen und ihre hinfließenden Abhaͤnge zu ſchoͤnern Raſen bereiten; man kann an der ausgegrabenen Stelle einen See mit einer Inſel anlegen, und ihn mit allerley Gefluͤgel beleben; man kann die innern Proſpecte vervielfaͤltigen oder bald durch weitlaͤuftig gepflanzte, bald durch enger ſich zuſammenziehende, bald durch ſich aufthuͤrmende, bald durch niedrige Baͤume und dahinſinkendes Buſchwerk, bald durch heitre, bald durch finſtre Gruppen viele treffliche Ausſichten bilden, zwiſchen welchen das Auge in die Ferne auf einen intereſſanten Gegenſtand, auf ein angenehmes Gar - tengebaͤude, auf ein Dorf, auf eine Kirche geleitet wird; man kann geraͤumige Ge - genden fuͤr eine Heerde abſondern, die ſo viel zur Ausſtaffirung und Belebung einer Landſchaft wirkt; man kann weite Plaͤtze mit reichen Pflanzungen von Blumen und bluͤhenden Straͤuchern aufheitern, und hinter ihnen dichte Haufen hochaufſteigender Baͤume anpflanzen, die den Anſchauer mit der Erwartung einer verborgenen Anhoͤhe taͤuſchen. Schon durch dieſe Mittel kann der Gartenkuͤnſtler der Ebene ihr todtes und duͤrftiges Anſehen nehmen und ſie in gartenmaͤßige Scenen umſchaffen. Da eine ſolche Situation faſt gar nicht durch fließendes Waſſer belebt werden kann, ſo muͤſſen freye und anmuthig verzierte Raſen und froͤhliche Gruppen und Hayne, beſonders von auslaͤndiſchen und ſeltenen Baͤumen, am meiſten zu ihrer Verſchoͤnerung beytragen.

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IV Band. F2. Die42Dritter Abſchnitt. Gaͤrten

2.

Die Kunſt der Anpflanzung, die am meiſten in den angenehmen Gattungen von Gaͤrten ihre Anwendung finden muß, iſt ſo wichtig und doch noch ſo wenig be - kannt, daß wir mit Beziehung auf das, was von einzelnen Baͤumen,*)S. 2ten B. S. 31. 32. von Grup - pen,**)S. 33-36. von Haynen,***)S. 37-39. vom Walde,****)S. 40-43. von Gebuͤſch und Wildniß,*****)S. 46-48. von Malerey des Laubwerks,†)S. 49-52. von Blumen,††)S. 76-80. von Verzierung der Raſen†††)S. 83. bereits geſagt iſt, hier daruͤber noch verſchiedene beſondere Bemerkungen und Regeln vorzutragen haben.

Bey Anpflanzung der Gruppen und Hayne kann man theils auf das Laub der Baͤume und Straͤucher, theils auf die Farben ihrer Bluͤthen, theils auf ihre Wohl - geruͤche Ruͤckſicht nehmen. Bey einigen ſehen wir die Schoͤnheiten des Laubes, die Reize der Bluͤthe und die Annehmlichkeit des Geruchs vereinigt. Die Schoͤnheit des Laubes wird durch die zarte oder kuͤhne Zeichnung der Blaͤtter, durch eben ihr Leich - tes und Gefiedertes, demnaͤchſt durch das Friſche, das Hellgruͤne, das Heitere und Glaͤnzende des Gruͤns beſtimmt. Weil indeſſen die Schoͤnheit der Zeichnung in den Blaͤttern ſich nur einem Auge ankuͤndigt, das die Baͤume und Straͤucher in der Naͤhe aufmerkſam beurtheilt, ſo kommen die uͤbrigen Eigenſchaften des Laubwerks, die ſich geſchwinder und leichter mittheilen, mehr in Betrachtung. Bey den Baͤumen iſt außerdem der gerade Wuchs und das ſchlanke und ſchoͤne Anſehen der Staͤmme fuͤr Gruppen und Hayne, wo das Auge gleich urtheilt, von Wichtigkeit. Die lange dauernden Schoͤnheiten des Laubes, die mit einer großen Wirkung ins Auge fallen, und deren Charakteriſtik bereits entworfen iſt,††††)S. 14-21. darf der Gartenkuͤnſtler niemals uͤberſehen. Allein auch die Farben der Bluͤthen und Straͤucher ſind ſo ſehr hervorſte - chende Eigenſchaften, daß ſie bey Anpflanzungen in anmuthigen Gaͤrten eine vorzuͤgli - che Aufmerkſamkeit verdienen.

a. Farbe der Bluͤthe.

Die Hauptfarben in den Bluͤthen der Baͤume und beſonders der Straͤucher find das Weiße, das Gelbe, das Rothe und das Blaue. Jede von ihnen be -greift43nach dem Charakter der Gegenden. greift wieder eine Mannigfaltigkeit von Miſchungen, Nuͤancen und Schattirungen unter ſich, die in dem Gelben und Rothen am meiſten bemerkbar ſind. Wie viele Steigerungen, Abfaͤlle, Beymiſchungen als gewoͤhnliche Eigenſchaften, und wie viele Zufaͤlligkeiten in den Abarten! Die Theorie wuͤrde ſich in ein unermeßliches Feld ver - lieren, wenn ſie es wagen wollte, die Fortſchritte und Abaͤnderungen auch nur einer einzigen Hauptfarbe in den Geſchlechtern, Arten und Abarten der bluͤhenden Gewaͤchſe anzugeben; ſie wuͤrde ſich mit vergeblichen Verſuchen ermuͤden, weil jeder Boden, jeder Himmelsſtrich, jeder beſondre Stand, jede abaͤndernde Witterung, jede Art der Behandlung Verſchiedenheiten erzeugt, die unter andern Umſtaͤnden wieder durch neue Verſchiedenheiten verdraͤngt werden. Es bleibt nichts uͤbrig, als ſich auf die Anzeige der allgemeinen Unterſchiede der Hauptfarben einzuſchraͤnken, zumal da ein erfahrner Gaͤrtner, der taͤglich mit den Gewaͤchſen umgeht, leicht die Abaͤnderungen und Nuͤancen einer jeden Hauptfarbe in den Baͤumen und Straͤuchern, die unter ſeinen Augen wachſen, wahrnehmen wird. Die wilden Baͤume und Straͤucher*)Man beliebe hiebey zu bemerken, daß bey dieſen und allen folgenden Anzeigen es gar nicht zu dem Plan dieſes Werks ge - hoͤrt, vollſtaͤndige Verzeichniſſe der Baͤume, Straͤucher und Pflanzen mitzutheilen, ſon - dern nur einen Wink auf eine neue Einthei - lung der Gewaͤchſe, nach der Mannigfal - tigkeit ihrer Anwendung in Gaͤrten, zu ge -ben. Hierauf iſt bisher noch faſt gar nicht gedacht; allein der aufmerkſame Garten - freund bedarf auch nur eines Winks, um dieſe Bahn weiter zu verfolgen. Auch ſchraͤnken wir uns hier billig nur auf ſol - che Baͤume und Straͤucher ein, die in Deutſchland im Freyen fortkommen. ſind demnach

aa) Weißbluͤhende,

als:

  • Aeſculus Hippocaſtanum, L. die Roßkaſtanie.
  • Bignonia catalpa, L. die Katalpa.
  • Clethra alnifolia, L. die erlenblaͤttrige Klethra.
  • Ciſtus, L. Ciſten.
  • Clematis, L. Waldrebe.
  • Crataegus, L. Weißdorn; verſchiedene Arten, beſonders Crataegus Aria, L. der Mehlbeerbaum, und Crat. Crus galli, L. der virginiſche Weißdorn.
  • Cephalanthus occidentalis, L. der amerikaniſche Knopſtrauch.
  • Chionanthus Virginica, L. der virginiſche Schneeflockenbaum.
  • Ceanothus americanus, L. der amerikaniſche Ceanothus.
  • Cornus ſanguinea, L. der Hartriegel.
  • florida, L. der nordamerikaniſche Hartriegel.
  • alba, L. der weiße Hartriegel.
F 2Dirca44Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
  • Dirca paluſtris, L. der virginiſche Kellerhals.
  • Fraxinus ornus, L. die bluͤhende Eſche.
  • Jaſminum officinale, L. der weiße Jasmin.
  • Lonicera Periclymenum, L. das Geißblatt.
  • Caerula, L. die blaubeerigte Heckenkirſche.
  • Magnolia glauca, L. die ſchmalblaͤttrige Magnolia.
  • Meſpilus Pyracantha, L. der immergruͤnende Dorn.
  • Amelanchier, L. der Quandelbeerbaum.
  • Prunus Pumila, L. die niedrige canadiſche Kirſche.
  • Mahaleb, L. die Mahalebkirſche.
  • Padus, L. die Vogelkirſche.
  • Virginiana, L. die virginiſche Vogelkirſche.
  • nana du Roi, die nordamericaniſche niedrige Vogelkirſche.
  • ſpinoſa, L. der Schlehdorn.
  • Philadelphus coronarius, L. der wilde Jasmin.
  • Roſa alba, L. die weiße Roſe.
  • Robinia Pſeudoacacia, L. der amerikaniſche Schotendorn.
  • Staphylea pinnata, L. der Pimpernußſtrauch.
  • trifolia, L. der americaniſche dreyblaͤttrige Pimpernußſtrauch.
  • Syringa fl. albo, Münchhauſen. der weiße ſpaniſche Hollunder.
  • Spiraea alba, Miller. die weißbluͤhende americaniſche Spierſtaude.
  • hypericifolia, L. die canadiſche Spierſtaude mit dem Johannis - krautblatt.
  • chamadrifolia, L. die ſibiriſche Spierſtaude.
  • opulifolia, L. die Spierſtaude mit Waſſerholderblaͤttern.
  • Sorbus aucuparia, L. der Quitſchernbaum.
  • Stewartia Malacodendron, L. die Stewartia.
    *)Dieſer neue Strauch aus Virginien, der in England im Freyen fortkommt, und zu Kew gebluͤhet hat, verdient die Aufmerk - ſamkeit der Gartenfreunde wegen ſeiner großen, ſchoͤnen, gruͤnen Blaͤtter, wovondie aͤltern mit einem milden Roſenroth ſpie - len; vornehmlich aber empfehlen ihn ſeine praͤchtige weiße Blumen, deren Mitte viele gelbe Staubfaͤden zeigt.
    *)
  • Tilia europaea, L. die Linde.
  • Viburnum Lantana, L. der Schlingbaum.
  • opulus, roſeum, L. der Schneeballenbaum.
  • laceolatum, Münchh. der amerikaniſche Schlingbaum.
bb) Gelb -45nach dem Charakter der Gegenden.
bb) Gelbbluͤhende,

als:

  • Berberis vulgaris, L. der Berberitzenſtrauch.
  • Cytiſus Laburnum, L. der Bohnenbaum.
  • ſeſſilifolius, L. der kleine italieniſche Bohnenbaum.
  • nigricans, L. der ſchwaͤrzliche Bohnenſtrauch.
  • Colutea arboreſcens, L. der Blaſenbaum.
  • iſtria, L. der levantiſche Blaſenbaum.
  • Coronilla Valentina und Cor. Emerus, L. die Coronilla.
  • Ciſtus, L. einige Arten von Ciſten.
  • Caſſia Marylandica, L. die marylaͤndiſche Caſſia.
  • Elaeagnus anguſtifolia, L. der wilde Oelbaum.
  • Hypericum, L. das Johanniskraut, verſchiedene Arten davon.
  • Jaſminum fruticans, L. der gelbe Jasmin.
  • Potentilla fruticoſa, L. die Potentilla.
  • Robinia Caragana, L. der ſibiriſche Erbſenbaum.
  • Robinia fruteſcens, L. der kleine ſibiriſche Erbſenbaum.
  • Roſa eglanteria, L. die gelbe Roſe.
  • Spartium ſcoparium, L. der gemeine Genſter.
  • Sophora tetraptera, Miller. die Sophora.
    *)Ein neuer neuſeelaͤndiſcher Strauch mit großen traubenweiſe haͤngenden gelben Blumen; er bluͤhet in England im Freyen, und bringt reifen Saamen. Herr JohannMiller, Verfaſſer der Illuſtratio. ſyſtema - tis Sexualis Linn. hat ihn in ſeiner neuen Pflanzenſammlung zuerſt bekannt gemacht.
    *)
cc) Rothbluͤhende,

als:

  • Amygdalus nana, M. der Zwergmandelbaum.
  • pumila, L. der Zwergmandelbaum mit gefuͤllten Blaͤttern.
  • Acer rubrum, L. der rothbluͤhende Ahorn.
  • Aeſculus Pavia, L. die Pavia, oder rothbluͤhende Roßkaſtanie.
  • Colutea orientalis, M. der morgenlaͤndiſche Blaſenbaum.
  • Cercis ſiliquaſtrum, L. der Judasbaum.
  • Canadenſis, L. der canadiſche Judasbaum.
  • Ciſtus, Clematis, verſchiedene Arten von Ciſten und Waldreben.
  • Daphne Mezereum, L. der Kellerhals.
  • Cneorum, L. das Steinroͤſelein.
  • Ononis fruticoſa, L. der ſtaudige Hauheckel.
  • Punica grannatum, fl. pl. Münchh. der Granatbaum.
F 3Pyrus46Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
  • Pyrus malus coronaria, L. der virginiſche wilde Aepfelbaum.
  • Perſica fl. pl. Münchh. der Pfirſichbaum mit gefuͤllten Bluͤthen.
  • Roſa, L. verſchiedene Arten.
  • Robinia hiſpida, L. der rothbluͤhende Schotendorn.
  • Rubus odoratus, L. der wohlriechende Himbeerſtrauch.
  • Syringa perſica, L. der ſpaniſche reinweidenblaͤttrige Hollunder.
  • Spiraea ſalicifolia, L. die gemeine Spierſtaude.
  • tomentoſa, L. die virginiſche Spierſtaude mit wolligen Blaͤttern.
dd) Blaubluͤhende,

als:

  • Clematis, verſchiedene Arten von Waldreben.
  • Guilandina dioica, L. der Schuſſerbaum.
  • Lycium chinenſe, Mill. das chineſiſche Lycium.
  • Syringa vulgaris, L. der blaue ſpaniſche Hollunder.

und einige andre, obgleich die Natur dieſe Farbe unter den Bluͤthen der Baͤume und Straͤucher nicht ſo reich ausgetheilt hat, als unter den Blumenpflanzen.

Wie viel Baͤume und Straͤucher mit ſchoͤnen Bluͤthen, die aus dieſen vier Hauptfarben gemiſcht ſind, wie z. B. vom Tulpenbaum, ſind nicht zuruͤck! Und mit welchen herrlichen Bluͤthen, beſonders im Rothen, Fleiſchfarbigten und Weißen, und ihren lieblichen Vermiſchungen, ſind nicht faſt alle Fruchtbaͤume geſchmuͤckt!

b. Wohlgeruch.

aa) der Bluͤthe,

als:

  • Azalea viſcoſa, L. die Azalea.
  • Berberis vulgaris.
  • Crataegus Aria.
  • Oxyacantha.
  • Clematis, verſchiedene Arten davon.
  • Coronilla Valentina.
  • Clethra alnifolia.
  • Cephalanthus occidentalis.
  • Calycanthus floridus, L. der[caroliniſche] Gewuͤrzſtrauch.
  • Daphne Mezereum.
  • Cneorum.
  • Elaeagnus anguſtifolia.
  • Fraxinus ornus.
Geniſta47nach dem Charakter der Gegenden.
  • Geniſta hiſpanica, L. der ſpaniſche Genſter.
  • Hopea tinctoria, L. die caroliniſche Hopea.
  • Jaſminum officinale.
  • Azoricum, L. der azoriſche Jasmin.
  • humile, L. der niedrige Jasmin.
  • Laurus aeftivalis, L. der Sommerlorbeerſtrauch.
  • Lonicera Periclymenum.
  • Magnolia, beſonders die glauca und tripetala, L.
  • Philadelphus coronarius.
  • Ptelea trifoliata, L. die dreyblaͤttrige Ptelea.
  • Pyrus malus coronaria.
  • Pyraſter, L. der wilde Birnbaum.
  • Prunus Padus.
  • Virginiana.
  • Mahaleb.
  • nana.
  • Rubus odoratus.
  • Robinia Pſeudoacacia.
  • Rhus Typhinum, L. der virginiſche große Sumach.
  • Roſa, verſchiedene Arten, beſonders
  • Roſa moſchata, Mill. Biſamroſe.
  • ſcandens, M. die kletternde italieniſche Roſe.
  • ſemper virens, L. die immer gruͤnende Roſe.
  • cinnamomea, L. die Zimmetroſe.
  • Damaſcena, M. die Damaſcenerroſe.
  • provincialis, M. die Provenzroſe.
  • gallica, L. die Cſſigroſe.
  • eglanteria.
  • Carolina, L. die caroliniſche Roſe.
  • Syringa vulgaris und Syringa fl. albo.
  • Sambucus Canadenſis, L. der nordamerikaniſch niedrige Hollunder.
  • Ebulus, L. der Zwerghollunder.
  • Sorbus aucuparia.
  • Tilia europaea.
  • Caroliniana, M. die caroliniſche Linde.
  • Viburnum Lantana.
bb) des48Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
bb) des Laubes.
  • Laurus aeſtivalis.
  • ſaſſafras, L. der Saſſafrasbaum.
  • Myrica cerifera, L. der Wachsbaum.
  • Populus balſamifera, L. die Balſampappel.
  • Pr. Lauro-Ceraſus, L. der Kirſchlorbeerbaum.
  • Roſa eglanteria.
  • rubiginoſa, L. die wohlriechende Roſe.
  • Salix pentandra, L. die lorbeerblaͤttrige Bergweide.

Viele Nadelhoͤlzer duften einen nicht unangenehmen Geruch aus; bey einigen Laub - baͤumen ſind beſonders die jungen im Fruͤhling ausſchlagenden Blaͤtter ſehr wohlriechend, z. B. der Birkenbaum und der Lerchenbaum.

Mit dieſen nach den Hauptfarben ihrer Bluͤthe und nach ihrem Wohlgeruch aus - gezeichneten Baͤumen und Straͤuchern koͤnnen nun mancherley Arten von blumentra - genden Stauden, Zwiebelgewaͤchſen und Pflanzen, ebenfalls nach dem Unterſchied der Farbe und des Wohlgeruchs, in Luſtgebuͤſchen und Gruppen verbunden werden.

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3.

Die Anordnung der Baͤume und Straͤucher erfordert viel Kenntniß der Pflan - zen, viel Beobachtung und Studium, viel Verſuche; und doch glaubt man, daß nichts leichter ſey, als dieſer Theil. Unendlich iſt indeſſen der Unterſchied zwiſchen einem Gartenknecht, der nur einzuſetzen weis, und zwiſchen einem Mann, der mitGeſchmack49nach dem Charakter der Gegenden. Geſchmack pflanzt. Jener braucht faſt nur die Hand, dieſer das Auge, aber kein gemeines, noch ungeuͤbtes Auge, ſondern das durch die Geſetze der Perſpectiv gelehrt, und durch die Schoͤnheiten der Landſchaftmalerey verfeinert iſt.

Vielleicht aus dem Gefuͤhl der Schwierigkeiten, mit Geſchmack das Baumwerk anzuordnen, ſchraͤnkte man ſich in der alten Manier auf die Pflanzungen in gerader Linie, auf unaufhoͤrliche Alleen oder Quincunxe ein; dieſe Art zu pflanzen war ſo be - quem, ſo leicht, daß der gemeinſte Kopf ſie verrichten konnte. Allein die Klumps, ſo wie man ſie in der neuen Manier einfuͤhrte, waren eben ſo leicht, und wenn die uͤbri - ge Pflanzung aus nichts weiter beſtehen ſollte, ſo waͤre jede Sylbe, die man daruͤber ſagte, ſchon Verſchwendung. Nichts iſt gewoͤhnlicher, als die ganze Pflanzung, wie ein unordentliches Gemiſch von allerley Baͤumen und Straͤuchern, hinzuwerfen; und durch ſolche wilde verworrene Haufen glaubt man alles vollendet zu haben, was Natur oder englaͤndiſche Manier erfordern. Allein wenn auch unter gewiſſen Um - ſtaͤnden große unordentlich zuſammengeworfne Klumpen von mancherley Baͤumen und Straͤuchern in anſehnlichen Pflanzungen zur Abwechſelung dienen, und von einer gu - ten Wirkung ſind; ſo darf man doch nicht vergeſſen, daß zwiſchen einem wilden Ge - mengſel und einer geſchmackvollen Pflanzung ein Unterſchied bleibt, der jenem gewiß kein Recht giebt, durch die ganze Anlage zu herrſchen.

Auf der andern Seite iſt nichts ermuͤdender, als Pflanzungen von einerley Ge - ſchlecht oder Art der Baͤume und Straͤucher. Dies iſt ganz gegen das Geſetz der Mannigfaltigkeit und gegen das Verfahren der Natur, die nicht unterlaͤßt, in einem Eichenwald hie und da eine Buche, und in einem Buchenwald hin und wieder eine Eiche, eine Birke oder einen andern Baum oder Strauch einzuſtreuen. Vergebens ſucht man dieſe Einfoͤrmigkeit mit dem Vorwande zu rechtfertigen, daß man einem ge - wiſſen beſtimmten Charakter getreu zu bleiben ſtrebe. Allein man vergißt zu beden - ken, daß Mannigfaltigkeit nicht die Einheit des Charakters ſtoͤrt. Zu ſanften Sce - nen des Vergnuͤgens winkt die Roſe, die Syringe, der Jasmin, das Geißblatt, die Potentille, der Bohnenbaum, der Zwergmandelbaum, der rothbluͤhende Schotendorn u. ſ. w. und alle dieſe und ihnen aͤhnliche Straͤucher geben, mit Geſchmack vereinigt, ein mannigfaltiges und doch harmoniſches Gemaͤlde.

Naͤchſt der Anlegung der Raſen iſt die Pflanzung der Baͤume und Straͤucher das wichtigſte Mittel, einer Gegend ein bluͤhendes und froͤhliches Anſehen zu geben. Selbſt alle misfaͤllige Gegenſtaͤnde und Anſichten laſſen ſich leicht und wohlfeil genug durch einen Baum oder ein Gebuͤſch verdecken.

Die Natur hat von dieſer Seite nicht mehr fuͤr das Beduͤrfniß oder Vergnuͤgen des Menſchen ſorgen koͤnnen. Fuͤr jede Art des Bodens, fuͤr jede Art des StandesIV Band. Ghat50Dritter Abſchnitt. Gaͤrtenhat ſie uns eine Menge von Gewaͤchſen angewieſen, die ſich dahin ſchicken; er mag ſo duͤrre, ſo rauh, ſo ſumpfigt ſeyn, als er will, wir koͤnnen ihn mit Pflanzen auszieren, die da zu wachſen ſich freuen. Zwar fordern viele Geſchlechter einen fruchtbaren, fetten und lockern Boden, als die Linde, die Roßkaſtanie, die Ulme, der Platanus, der Tulpenbaum, die weiße und die ſchwarze Eiche, der canadiſche Judasbaum (Cer - cis Canadenſis, L.), der weiße Wallnußbaum (Juglans alba, L.), der Wachsbaum (Myrica cerifera, L.), der wohlriechende Himbeerſtrauch (Rubus odoratus, L.), u. ſ. w. Andere lieben einen kuͤhlen und trocknen Boden, wie die Buche, die Eſche, der virginiſche Schotendorn (Robinia Pſeudoacacia, L.), die Gleditſie (Gleditſia triacanthos, L.), der Lotusbaum (Celtis auſtralis, L.), der ſchwarze Wallnußbaum (Juglans nigra, L.), die rothe Ceder (Juniperus virginiana, L.), der Zuckerahorn (Acer ſacharinum, L.), der Saſſafras (Laurus ſaſſaſras, L.), u. ſ. w. An feuch - teu und naſſen Oertern, als an Graͤben, an Baͤchen und auf Wieſen, wachſen gern die Ellern, verſchiedene Arten von Weiden, die Pappeln, der rothbluͤhende Ahorn (Acer rubrum, L.), der Ahorn mit dem Eſchenlaube (Acer negundo, L.), der virginiſche Kellerhals (Dirca paluſtris, L.), der Lebensbaum (Thuya occidentalis, L.), der wohlriechende Apfelbaum (Pyrus coronaria, L.), die weiße Ceder (Cupreſſus Thyoi - des, L.), die Zaubernußſtaude (Hamamelis virginiana, L.), u. a. Mit der Duͤrf - tigkeit eines ſandigten Bodens begnuͤgen ſich die Birke, die Zittereſpe, der ſibiriſche Erbſenbaum (Robinia Caragana, L.), die Sandbeere (Arbutus uva urſi, L.), die Wacholderſtaude, die Nadelhoͤlzer, als Tannen, Fichten, Cedern, u. ſ. w. Eben ſo giebt es Stauden - und Zwiebelgewaͤchſe, und andre Pflanzen, die in allen dieſen verſchiedenen Arten des Erdreichs nicht weniger gluͤcklich gedeihen, als die Baͤume und Straͤucher. So wachſen und bluͤhen z. B. auf naſſen Raſen, auf Wieſen und an Baͤchen alle Arten des Fingerhutes (Digitalis), der Wieſenſtorchſchnabel (Gera - nium pratenſe, L.), die Waſſerbenedictenwurzel (Geum nivale, L.), der rauhe ſchmalblaͤttrige Baͤrenklau (Heraeleum ſphondylium, L.), das virginiſche Waſſer - blatt (Hydrophyllum virginiauum, L.), die Wieſenkreſſe (Condamine pratenſis, L.) und verſchiedene Sorten der Wieſendiſtel (Carduus heterophyllus, diſſectus, tu - beroſus, humilis, L.). An Meerufern und auf Inſeln, wo im ſteinigten, ſalzigen Grund ſonſt nichts fortkommt, erblicken wir doch