PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Theorie der Gartenkunſt.
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Erſter Band.
Leipzig, beyM. G. Weidmanns Erben und Reich.1779.
[II][III]

Sr. Koͤnigl. Hoheit dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn Herrn Friederich, Erbprinzen zu Daͤnnemark und Norwegen, Herzogen zu Schleswig, Holſtein, Stormarn und der Dithmarſchen, wie auch zu Oldenburg und Delmenhorſt ꝛc. ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigſten Erbprinzen und Herrn.

[IV][V]
Durchlauchtigſter Erbprinz und Herr, Gnaͤdigſter Erbprinz und Herr,

Ew. Koͤnigl. Hoheit habe ich die Ehre hier in tiefſter Un - terthaͤnigkeit den Anfang einer ausfuͤhrlichen Theorie der Gartenkunſt zu uͤberreichen. Mit den lebhafteſten Empfin - dungen der Ehrerbietung und der Dankbarkeit weihe ich Ew. Koͤnigl. Hoheit eine Kunſt, welche die anſtaͤndigſte Ergoͤtzunga 3der[VI]der Fuͤrſten iſt, die edel genug empfinden, um unter dem Ge - toͤſe des Hofes noch einen Geſchmack an den unſchuldigen Freu - den der Natur zu erhalten, und nach Tagen, die unter wohl - thaͤtigen Geſchaͤften fuͤr die Menſchheit vollbracht wurden, ſich mit dem Schatten einer Laube zu begnuͤgen. Noch erwartet dieſe Tochter der neuern Zeit, dieſe juͤngſte der liebenswuͤrdi - gen Kuͤnſte, in den Academien ihrer aͤltern Geſchwiſter eine Stelle. Eben ſo edel, wie irgend eine ihrer Schweſtern, mehr, wie irgend eine, reich und ſich verbreitend in dem Ausguß ihrer Ergoͤtzungen, eilet ſie, die ihre beſſere Bildung nicht in Grie -chen -[VII]chenland, nicht in Italien fand, dem Beſchuͤtzer der Kuͤnſte in Norden entgegen, und freuet ſich, von Seiner milden Hand geleitet, die Gefilde zu verſchoͤnern, wo unter Seinen Augen ein ewiger Friede wandelt. Ja in dieſen immer ruhigen Ge - filden, wo der Landmann in ſorgloſer Einfalt ſeine Tage in eben der Huͤtte verlebt, die ſeine Urvaͤter bewohnten, und von den Obſtbaͤumen bricht, die ſie fuͤr ihn pflanzten, wo keine Kriegsroſſe ſeine goldne Aerndte zertreten, wo fiſchreiche Seen zwiſchen fruchtbaren Saatfeldern glaͤnzen, und der Schatten friſcher Waͤlder ſich lieblich verbreitet, in dieſen von Ew. Koͤnigl. [VIII]Koͤnigl. Hoheit weiſen Vorſorge noch mehr begluͤckten Gegen - den wird die Gartenkunſt neue Fortſchritte fuͤr ihren Ruhm zu wagen berechtigt ſeyn.

Ich verharre in der tiefſten Ehrfurcht

Ew. Koͤnigl. Hoheit meines gnaͤdigſten Erbprinzen und Herrn

unterthaͤnigſter treugehorſamſter Chriſtian Cay Laurenz Hirſchfeld.

Vor -[IX]

Vorbericht.

Die Freunde der Gartenkunſt empfangen hier den Anfang eines Werks, das bereits vor einiger Zeit angekuͤndigt worden, und worauf ich vor mehrern Jahren durch zwo kleinere Schriften (Anmerkungen uͤber die Landhaͤuſer und die Gartenkunſt. 8. Leipzig, 1773. Theorie der Garten - kunſt. 8. Ebendaſ. 1775.) vorbereitet habe. In der erſten war meine vor - nehmſte Abſicht, zuvoͤrderſt die mancherley Vorurtheile und Ausſchwei - fungen, die in Anſehung der Gaͤrten unter uns herrſchen, aufzudecken, und dem falſchen Geſchmack einige Grundſaͤtze entgegen zu ſtellen. Was nach dieſem Verſuch uͤbrig blieb, naͤmlich eine genauere Entwickelung der Regeln, nach welchen man bey Bildung ſchoͤner Gaͤrten uͤberhaupt zu ver - fahren hat, war ich bemuͤhet in der andern Schrift vorzulegen. Dieſe beyden kleinern Schriften, die wegen ihrer Beziehung auf einander als zwey Theile eines Ganzen anzuſehen ſind, koͤnnen als fuͤr ſich beſtehende Handbuͤcher dem Gartenfreunde, der nur die nothduͤrftigſten Kenntniſſe ſucht, noch immer nuͤtzlich ſeyn.

Der Beyfall, den das Publikum dieſen Verſuchen gegeben, die Aufmunterung einiger beruͤhmten Maͤnner unſrer Nation, das Beduͤrfniß einer noch neuen Wiſſenſchaft, die nur erſt durch wiederholte Bearbeitung einige Vollkommenheit erhalten kann, und der anziehende Reiz, der Ge - genſtaͤnden dieſer Art eigen iſt, mußten mich leicht bewegen, jetzt dieſes aus - fuͤhrliche Werk uͤber die Gartenkunſt folgen zu laſſen. Es iſt nicht ge - ſchrieben, um eine ploͤtzliche Veraͤnderung mit unſern Gaͤrten zu bewirken, wiewohl die meiſten einer Veraͤnderung beduͤrftig ſcheinen, ſondern um ein nicht unangenehmes Nachdenken uͤber dieſe Gegenſtaͤnde zu veranlaſſen, den wißbegierigen Liebhaber in die Verfaſſung zu ſetzen, mit RichtigkeitbdavonXVorbericht. davon zu urtheilen, und mit einiger Theilnehmung des guten Geſchmacks ſich ſelbſt, wenn er Gelegenheit hat, einen Garten zu ſchaffen. Noch iſt die Gartenkunſt faſt ganz von unſern Schriftſtellern vernachlaͤßigt, noch an ſo vielen Orten von bloßer Mode und vom Vorurtheil beherrſcht. Man legt indeſſen noch ſo oft neue Gaͤrten an, wobey man freye Wahl hat; man zieht dabey ſo oft gemeine Gaͤrtner zu Rathe. Sollte ein Guts - beſitzer oder ein andrer Eigenthuͤmer, der einen Garten bauet, denn nicht auch einmal nachfragen, was dieſer oder jener Mann, dem er doch etwas mehr Kenntniß und Geſchmack, als einem bloßen Pflanzer, zutrauen muß, uͤber die Einrichtung eines Gartens geſchrieben hat?

Waͤre ein Werk vorhanden, das nach dem hoͤhern mir vorſchwe - benden Ideal den Erforderniſſen der Gartenkunſt vollkommen Genuͤge lei - ſtete, ſo wuͤrde die Muͤhe und der Aufwand, der hier aufgeopfert worden, ſehr uͤberfluͤßig ſeyn. Bey den wenigen auslaͤndiſchen Schriften hat man nicht immer auf unſre einheimiſchen Beduͤrfniſſe, auf die Vortheile unſers Klima, auf die Eigenthuͤmlichkeiten unſers Landes Ruͤckſicht nehmen koͤn - nen. Man iſt oft zu einſeitig nach dem Geſchmack ſeiner Nation gewe - ſen. Man hat die mannigfaltigen Arten von Gaͤrten, die in dem ver - ſchiedenen Genie des Klima, der Lagen des Bodens, der Jahreszeiten ge - gruͤndet ſind, die einzelne Perſonen ſich nach ihren Launen oder wahren Beduͤrfniſſen entwerfen, Gaͤrten, die wirklich ſeyn koͤnnen, und deren naͤ - here Beſtimmung in der Folge dieſes Werks vorkommen wird, nicht ge - nau unterſchieden, oder ſie vielmehr ganz uͤberſehen.

Dieſer Band enthaͤlt nur noch wenig mehr, als die erſten und all - gemeinen Grundſaͤtze der Gartenkunſt, die, ſo wenig man bisher darauf gerechnet zu haben ſcheint, doch eine genaue Entwickelung erforderten. Der Plan des Ganzen wird ſich in der Folge von ſelbſt darlegen. In - zwiſchen muß ich hier die Erinnerung vorausgehen laſſen, daß man die Gartenkunſt von botaniſcher und oͤkonomiſcher Gaͤrtnerey zu unterſcheidenhat,XIVorbericht. hat, und daß alles, was dieſes Werk uͤber jene vortragen wird, ſich auf das Schoͤne und den Geſchmack bezieht. Was zur Erziehung und War - tung der Baͤume und Pflanzen gehoͤrt, iſt ſchon in tauſend Schriften ge - lehrt, und liegt außer meinem Bezirk.

Eine ganz vollkommene Theorie der Gartenkunſt iſt nicht das Werk eines einzelnen Schriftſtellers. Sie erfordert die Unterſtuͤtzung der Fuͤr - ſten und anderer Großen, wenn ſie zu der Vollkommenheit ſteigen ſoll, der ſie faͤhig iſt. Ich habe mich bey der oͤffentlichen Ankuͤndigung darauf ein - geſchraͤnkt, daß ich um Mittheilung intereſſanter Beſchreibungen von wirk - lich vorhandenen ſchoͤnen Gaͤrten, ohne welche eine Theorie dieſer Kunſt nicht vollſtaͤndig und lehrreich genug ſeyn kann, gebeten habe. Ich wie - derhole dieſe Bitte mit dem ganzen Eifer, den ich dieſer Kunſt geheiligt habe. Ich wuͤnſche nicht blos Beſchreibungen von Gaͤrten, ſondern auch Zeichnungen von Landhaͤuſern und allen Arten von Gartengebaͤuden, Tem - peln, Pavillons, Cabinetten, Einſiedeleyen u. ſ. w. zu erhalten, die, als wirklich ausgefuͤhrte Werke oder als Erfindungen, einen reinen und vor - zuͤglichen Geſchmack der Architektur beweiſen. Durch eine ſolche gefaͤlli - ge Mittheilung wuͤrden neue Nationalerfindungen und manche ſchaͤtzbare Denkmaͤler der Gartenkunſt, die oft hie und da verborgen bleiben, zu ihrem Ruhm und zur Nacheiferung mehr bekannt werden. Ich gelobe einen guten Gebrauch, wo ſich ein Gebrauch machen laͤßt, und auf alle Faͤlle jede Art von Dankbarkeit. Sollte ich bey dieſem Unternehmen, welches noch das erſte unter uns iſt, und welches das Vergnuͤgen der Fuͤr - ſten und des Adels ſo unmittelbar betrifft, eine Fehlbitte zu thun fuͤrchten? Was indeſſen in der Folge fuͤr dieſes Werk ſowohl gethan wird, als auch was nicht gethan iſt, ſoll bey Ueberlieferung des letzten Bandes getreu angezeigt werden.

Dieſer Band liefert ſchon eine Beſchreibung, die ich von einem Luſt - ort meines Vaterlandes entworfen habe. Von verſchiedenen andern ein -b 2heimi -XIIVorbericht. heimiſchen Gaͤrten werde ich in der Fortſetzung theils eigene, theils mitge - theilte Schilderungen vorzulegen ſuchen. Noch fehlt es uns, bis etwa auf ein paar Ausnahmen, an gedruckten Nachrichten von deutſchen Gaͤr - ten ganz. In jedem der folgenden Baͤnde ſoll fuͤr ſolche Beſchreibungen von Gaͤrten, die fuͤr ſich ein gewiſſes Ganzes ausmachen, oder die bey den Regeln ſelbſt nicht bequem als Beyſpiele und Erlaͤuterungen zum Grunde gelegt werden koͤnnen, ein beſonderer Platz offen gelaſſen werden.

Unter den Kupferverzierungen trifft man hier zuvoͤrderſt nuͤtzliche Nachbildungen auslaͤndiſcher, zum Theil von den beruͤhmteſten Baumei - ſtern errichteter Landhaͤuſer und Gartengebaͤude an, die aus verſchiede - nen koſtbaren und oft ſeltenen Werken ausgewaͤhlt ſind und dazu dienen, den reinern Geſchmack in dieſem Theil der Architektur zu zeigen. Bey ſolchen Gebaͤuden kommt es vornehmlich darauf an, die Schoͤnheit der Form und des aͤußern Anſehens bey der Verſchiedenheit ihrer Groͤße und ihres Charakters kennen zu lernen, da die innere Einrichtung ſich nach der Bequemlichkeit, dem Gutduͤnken und den mancherley Abſichten der Be - wohner richtet, und das, was eigentlich Baukunſt iſt, hier nicht gelehrt wird. Andre von dieſen Landhaͤuſern und Gartengebaͤuden ſind Erfin - dungen geſchickter Architekten, die eine Ausfuͤhrung erwarten. Was an Gebaͤuden von dieſer Claſſe bey verſchiedenen Nationen, die im Beſitz des guten Geſchmacks ſind, hie und da ausgefuͤhrt oder vorgezeichnet iſt, da - von wird man hier jetzt und in der Fortſetzung das, was der Nachahmung oder doch der Bemerkung werth ſcheint, wie in einer kleinen Gallerie, ge - ſammelt und nachgebildet finden.

Die groͤſſern landſchaftlichen Vorſtellungen, die einzelne Naturſce - nen oder charakteriſtiſche Gegenden betreffen, bin ich faſt alle dem edel - muͤthigen Eifer eines Mannes ſchuldig, der gleich bey der erſten Ankuͤndi - gung dieſes Werks ſich mir freundſchaftlich zugeſellet hat. Mit den Ta - lenten eines Landſchafters geboren, folgte er dem Rufe der Natur ſchoninXIIIVorbericht. in ſeiner Jugend; allein die reichere Naͤhrerinn der Kuͤnſtler, die Bild - nißmalerey entzog abermals der Landſchaftmalerey ein Genie, das fuͤr ſie erſchaffen ſchien. Indeſſen kehrt er in heitern Stunden zur Landſchaft - malerey, der vertrauteſten Schweſter der Gartenkunſt, zuruͤck. Er hat ſo viel brauchbare Kenntniß von ihr und ſo viel Geſchmack, daß ich es fuͤr einen Vortheil der Gartenkunſt anſehen muͤßte, wenn ihm zur Anwen - dung ſeiner Talente Gelegenheit gegeben wuͤrde. Ich werde kuͤnſtig voll - kommnere Gegenden und Gartenſcenen von ihm mittheilen, die, wie ich hoffe, unter dem Grabſtichel weniger, als die gegenwaͤrtigen, verlieren werden, und die den vorgetragenen Grundſaͤtzen naͤher kommen. Ich habe verſchiedene Gartenſtuͤcke, als eigene Erfindungen von ihm, in Haͤn - den, die den beſten englaͤndiſchen Blaͤttern von Windſor, von Kew und andern gleich ſind, und unter ihnen einige, worin die Gegenſtaͤnde mit ihren Farben ſo vortrefflich belebt ſind, daß man die Natur ſelbſt zu ſehen glaubt, und den Mangel eines Mittels beklagt, ſie fuͤr die Beſitzer dieſes Werks allgemeiner zu machen. Der Kuͤnſtler, dem ich hier blos Gerechtigkeit widerfahren laſſe, iſt Herr Johann Heinrich Brandt in Hannover.

Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupferſtiche bey landſchaft - lichen Vorſtellungen uͤberhaupt ſchon bemerkt. *)S. 188.Indeſſen liefern ſie in Werken dieſer Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern die Idee, die man durch Worte zu erwecken ſucht; zugleich geben ſie der Phantaſie eine nicht unangenehme Beſchaͤftigung. Man hat in den aͤl - tern Architekturwerken eine Menge von Kupferſtichen verſchwendet, um die falſche ſymmetriſche Manier in den Gaͤrten noch mehr zu unterſtuͤtzen. Sollte die Kupferſtecherkunſt ſich nicht auch fuͤr die freyen und edlen Na - turſcenen in den Gaͤrten beſchaͤftigen?

Ich wuͤnſche von wirklich vorhandenen Gaͤrten lieber Zeichnungen einzelner ſchoͤner Partien, als bloße Grundriſſe des Ganzen zu erhalten. b 3InXIVVorbericht. In Gaͤrten von einer gluͤcklichen Lage und geſchmackvollen Einrichtung werden doch immer einige ſich auszeichnende Gegenden oder Theile von Gegenden ſeyn, die mehr als andre der Beobachtung werth ſind. Eine Sammlung von ſolchen charakteriſtiſchen Partien iſt weit mehr unterrich - tend und aufheiternd, als todte Grundriſſe, worin die Verhaͤltniſſe der Theile gegen einander, die gegenſeitigen Beziehungen der Maſſen und Formen, der Tiefen und Erhoͤhungen, die Mannigfaltigkeit der Anſich - ten und ihrer Wirkungen, und tauſend andre wichtige Umſtaͤnde doch nicht ſichtbar werden.

Eine franzoͤſiſche Ueberſetzung dieſer Theorie, die jedesmal mit der deutſchen Ausgabe erſcheint, liefert Herr Friedrich de Caſtillon, Pro - feſſor der Mathematik bey der koͤnigl. neuen Ritteracademie zu Berlin. Ich kann dieſe Anzeige nicht geben, ohne ihm hier oͤffentlich meine lebhafte Verbindlichkeit zu bezeugen, und ohne zugleich unſerm Sulzer, deſſen Verehrung eine meiner aͤlteſten und angenehmſten Empfindungen iſt, den waͤrmſten Dank fuͤr ſeinen gefaͤlligen Antheil an der Befoͤrderung meines Unternehmens zu ſagen. Ihm, dem die Gartenkunſt in Deutſchland zuerſt ihre ehrenvolle Stelle unter den ſchoͤnen Kuͤnſten dankt, die er mit ſo vieler Wuͤrde erzog, ihm weihe ich die erſten Blumen dieſes Fruͤhlings, die ich zum Opfer fuͤr ſeine Erhaltung unter frommen Wuͤnſchen dem Gott der Geſundheit auf den Altar ſtreue.

Vorlaͤufige[1]

Vorlaͤufige Betrachtungen.

I Band. A[2]
  • Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen.
  • Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.
  • Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt, als ſchoͤne Kunſt betrachtet.
  • Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung und Wuͤrde der Gaͤrten.
[3]

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen.

I. Urſprung der Gaͤrten.

Die Natur hatte den Menſchen gebildet, die Freuden der ſchoͤnen Jahrszeiten zu genießen, und die Vortheile des Landlebens mußten ſich ihm bald zum fruͤhen Genuß ankuͤndigen. Aber die Spuren der Gartenkunſt ſind nur erſt in den Zeiten des Lichts, der Ruhe und der gemilderten Sitten aufzuſuchen. Was kann man hoffen, davon bey Voͤlkern zu finden, die noch in dem Stande der erſten Wildheit leben, deren ganze Thaͤtigkeit auf die Befriedigung ihrer vielen natuͤrlichen Beduͤrf - niſſe eingeſchraͤnkt iſt, die von der Noth zur Jagd und zum unſtaͤten Leben hingeriſſen werden? Eben ſo wenig koͤnnen Gaͤrten bey einem Volke empor kommen, das be - ſtaͤndig in den Waffen ſteht, Unruhe ſucht, wenn es ſie nicht hat, und mehr Ver - gnuͤgen in Anfaͤllen und Herumſchweifungen ſindet, als in der Vertheidigung und dem Anbau einer Gegend. Auch alsdann, wenn der Menſch ſich der rauhen Lebens - art entwoͤhnet, wenn er Sicherheit und Gemaͤchlichkeit zu lieben anfaͤngt, wenn er unter dem Schatten des Friedens ſein Eigenthum bebauen und ſich daran ergoͤtzen lernt, gehoͤrt doch noch eine gewiſſe Verfeinerung ſeiner Sinne und ſeiner Gefuͤhle dazu, ehe er Luſtgaͤrten von einiger Bedeutung anzulegen faͤhig ſeyn wird. Der Geiſt muß ſich erſt an die Scenen der Ruhe und der natuͤrlichen Schoͤnheit gewoͤhnet haben, das Auge zur Wahrnehmung landſchaftlicher Reize geuͤbt ſeyn, und das Herz ſich leicht und gerne milden Eindruͤcken eroͤffnen. Ja, die Erfahrung lehrt, daß, wenn Zeitalter ſchon zu einem feinen Geſchmacke gelangten, ſie weit eher ſchoͤne Ge - baͤude zu errichten und vortreffliche Gemaͤlde auszufuͤhren wußten, als Gaͤrten wohl anzulegen; als wenn die Gartenkunſt, die doch ſo nahe mit der Natur verwandt iſt,A 2mehr4Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenmehr Schwierigkeiten unterworfen waͤre. Das Klima, das die Heiterkeit und Froͤh - lichkeit des Menſchen, ſo wie die Annehmlichkeit eines Landes, befoͤrdert, kann dem Anbau der Gaͤrten guͤnſtig ſeyn, ob es gleich nicht allezeit ſo geweſen iſt. Der Wohl - ſtand und der Ueberfluß koͤnnen zur Bildung der Gaͤrten behuͤlflich ſeyn, ob ſie gleich oft zur unnuͤtzen Pracht und zum Ekel an wahrer Schoͤnheit verleitet haben. Bey einer gewiſſen Milde der Sitten und Veredelung des Geſchmacks wird ſich vornehm - lich die Liebe der Gaͤrten zu ihrer ſchoͤnern Ausbildung beeifern.

Ohne Zweifel waren die erſten Gaͤrten oder vielmehr die erſten Plaͤtze, die man zu Gaͤrten zu bebauen anfieng, blos dem Nuͤtzlichen gewidmet. Der Menſch ſamm - lete die Baͤume und Pflanzen, bey welchen er Nahrung und einen angenehmen Ge - ſchmack fand, um ſeine Wohnung her, und ſchenkte ihnen ſeine vorzuͤgliche Pflege. Nothdurft ſowohl als natuͤrlicher Hang zur Erfriſchung lehrten ihn Schatten und Waſſer ſuchen. Die Natur ließ vor ſeinen Augen in den Thaͤlern und auf den Huͤ - geln eine große Mannigfaltigkeit von farbigen Blumen aufſprießen, die ihn ergoͤtzten, die er nahe um ſich her verpflanzte, und durch eine ſorgfaͤltige Wartung zur groͤßern Schoͤnheit erzog. Tauſendfaͤltige Beobachtungen, die er einſammlete, vermehrten ſeine Kenntniß und reizten ſeinen Geſchmack. Und indem er reichlicher ſeine Beduͤrf - niſſe befriedigte, ſo erkannte er leicht, wie viele und mannigfaltige Beziehungen die Gegenſtaͤnde der Natur auch auf die Beluſtigung ſeiner Sinne und ſeiner Einbil - dungskraft haͤtten. Die Liebe zur Einſamkeit, der Ekel an den Unruhen und Be - ſchwerlichkeiten der groͤßern Geſellſchaft, die Ausſicht auf eine bequemere Art der Er - haltung unterſtuͤtzten den Trieb zum laͤndlichen Vergnuͤgen. Durch Muße und Nach - denken, mit der taͤglichen Erfahrung befruchtet, lernte er allmaͤhlig der Natur ihre maͤchtigen Zaubereyen ab, und ſuchte ſie zum laͤngern Genuß auf dem Platze, den er liebte, zu vereinigen und feſtzuhalten. Dies war ohngefaͤhr der erſte Urſprung der Luſtgaͤrten, wovon die warme Phantaſie der Dichter mehr, als die kalte Muthma - ßung, anzugeben faͤhig iſt. Denn da, wo die Geſchichte ſchweigt, uͤber deren An - fang ſich die erſte Entwickelung der Gaͤrten hinaushebt, iſt es doch nur der Laut der Muthmaßung, der gehoͤrt werden kann.

Freylich ſehr roh mußten die erſten Gaͤrten ſeyn, noch weit von der richtigen Anordnung entfernt, die erſt Zeit, Geſchmack und Ueberlegung ihnen nach und nach mittheilen konnten. Man weiß nicht, wornach man fragt, wenn man die Beſchaf - fenheit der aͤlteſten Gaͤrten wiſſen will. Allgemein ließe ſich wohl ihre vermuthliche Geſtalt angeben. Will man aber naͤher unterrichtet ſeyn, ſo beliebe man zuvoͤrderſt eine zuverlaͤßige Antwort auf die Frage zu geben: wie ſah eigentlich das erſte Gemaͤlde aus, womit die Kunſt anfieng?

Man5der Alten und der Neuen.

Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunſt bey den Alten keine ſo merkliche Vollkommenheit gewonnen hat, als die andern ſchoͤnen Kuͤnſte. Es iſt wahr, das griechiſche und italieniſche Klima erheiterte mit der Landſchaft den Geiſt; es erzeugte eine Menge natuͤrlicher Schoͤnheiten, und ſchaͤrfte die Faͤhigkeit, ſie mit einer Art von Wolluſt zu genießen. Allein es fehlten der Gartenkunſt die maͤchtigen Triebfedern, die fuͤr einige andere der ſchoͤnen Kuͤnſte ſo wirkſam waren. Dieſe er - hoben ſich mit den großen republikaniſchen Beſtrebungen des Geiſtes, mit dem Kampf nach Freyheit, nach Herrſchaft, nach Ruhm und Unſterblichkeit, mit den ſichern ſo - gleich gegenwaͤrtigen Belohnungen des Vaterlandes. So ſtieg vornehmlich die Be - redtſamkeit, die Poeſie und die Bildhauerkunſt. Die Anlage der Gaͤrten aber er - forderte eine Denkungsart, die der heroiſchen entgegen war, die Ruhe der Leiden - ſchaften, die Liebe der Stille und des laͤndlichen Vergnuͤgens. Wenn damals auch gleich zuweilen der verjagte, oder ſich ſelbſt entfernende Weiſe das Getuͤmmel der ſtaͤd - tiſchen Geſchaͤfte mit dem Frieden eines verborgenen Landhauſes verwechſelte: ſo war doch weder ſein Geiſt noch ſein Geſchmack immer aufgelegt genug, ſich mit einer vor - zuͤglichen Verſchoͤnerung eines zum Garten geſchickten Platzes zu befaſſen. Je mehr ſich die heroiſchen Zeiten verloren, deſto mehr breitete ſich wirklich der Geſchmack an den Gaͤrten aus. Die Roͤmer waren, als ſie die Menge ihrer Villen und Gaͤrten anlegten, nicht mehr die Zeitgenoſſen des Fabricius, ſondern des Lucullus. Es war nicht mehr die nuͤtzliche Beſchaͤftigung, nicht mehr die ſanfte einfaͤltige Freude, ſondern es war die verfeinerte Wolluſt des Landlebens, wornach ſie duͤrſteten.

Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gaͤrten zum Vergnuͤgen angelegt haben ſollte. Die Reizungen der ſchoͤnen Natur haben eine faſt allgemeine Wirkung. Religion und Nationalmeynungen ſchraͤnken ſie nicht ein. Der roͤmiſche Moͤnch beluſtigt ſich in dem Garten ſeines Kloſters ſo gerne, als der Muſelmann ſeinen Landhaͤuſern am Meere zueilt, um da die friſche Luft zu genießen, die ihm Conſtantinopel verſagt.

Die Anlegung der Gaͤrten iſt lange ſchon ein Gegenſtand des oͤffentlichen Auf - wandes nicht blos der Fuͤrſten, ſondern auch der beguͤterten Glieder der Nationen ge - worden. Die Nothdurft erforderte um volkreiche Staͤdte einen fleißigern Anbau der Gewaͤchſe, die der Menſch zu ſeiner Nahrung braucht; und neben dieſen Plaͤtzen er - hoben ſich auch bald Gaͤrten, die dem Genuß der Freyheit, der friſchen Luft und des Vergnuͤgens gewidmet wurden. Man ſieht noch gemeiniglich Gaͤrten um groͤßere Staͤdte, wo der Handel Wohlſtand, oder der Reichthum einen gewiſſen Luxus er - zeugt hat.

A 3Die6Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Die Gaͤrten, die zu den oͤffentlichen Denkmaͤlern der Nationen gehoͤren, laſſen ſich aus ſo mancherley erheblichen Geſichtspunkten betrachten, daß die gaͤnzliche Un - achtſamkeit oder Gleichguͤltigkeit mancher Reiſebeſchreiber von dieſer Seite nicht an - ders als tadelhaft angeſehen werden kann. Sie ſind Gegenſtaͤnde nicht blos der Cultur und des Wohlſtandes, ſondern auch des Geſchmacks eines Landes; ſie koͤn - nen, wenn ſie nicht blos nachgeahmet, ſondern mit eigener Wahl angelegt ſind, zum Theil einen Beweis von dem Nationalcharakter abgeben, der ſich in ihnen ſichtbar macht. Die neueſten brittiſchen Parks kuͤndigen dem Reiſenden eine Nation an, deren Geiſt hoͤhern Schoͤnheiten entgegenſtrebt, das Große und Edle ergreift, und ſich gern mit kuͤhnen Unternehmungen befaßt. Der Hang zu dem Zierlichen und Witzigen, ſo wie ein gewiſſer Geiſt der Kleinigkeit, womit jener Hang ſich leicht ver - miſcht, war in den aͤltern franzoͤſiſchen Gaͤrten ausgepraͤgt.

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II. Gaͤrten7der Alten und der Neuen.

II. Gaͤrten des Alterthums.

Unter allen Nationen des Alterthums ſind die Roͤmer am meiſten wegen ihrer Landhaͤuſer und Gaͤrten beruͤhmt geweſen. Gleichwohl geſchiehet ſchon lange vor ihnen bey aͤltern Voͤlkern Erwaͤhnung von Gaͤrten, die damals nach dem Ge - ſchmack der Zeit ihren Werth moͤgen gehabt haben, die aber von einigen neuern Schriftſtellern uͤbermaͤßig erhoben worden, weil ſie, anſtatt ſie naͤher zu unterſuchen, den uͤbertriebenen Lobſpruͤchen anderer nachzulallen bequemer fanden.

1. Schwebende Gaͤrten der Babylonier.

Man hat der Babyloniſchen Gaͤrten nicht gedenken koͤnnen, ohne in eine Art von Erſtaunen zu fallen, ohne dabey zu wiſſen, woruͤber man erſtaunte. Selbſt der beruͤhmte Temple trug kein Bedenken zu behaupten, es waͤren die praͤchtigſten Gaͤrten geweſen, die jemals die Welt geſehen haͤtte. Bey einer naͤhern Betrachtung dieſer ſchwebenden Gaͤrten aber verliert ſich ein großer Theil von ihrer wunderbaren Pracht.

Man nehme auf einige Augenblicke an, daß die Beſchreibungen des Dio - dor,*)Lib. 2. cap. 4. Strabo**)Lib. 15. und Curtius***)Lib. 5. cap. 1. ihre hiſtoriſche Richtigkeit haben. Nach dieſen Schriftſtellern waren es kuͤnſtliche Erhoͤhungen, die unten auf Pfeilern ruheten, oben in dem aufgetragenen Erdreich mit Baͤumen bepflanzt, in verſchiedene Abſaͤtze vertheilt, und durch eine gewiſſe Waſſerkunſt befruchtet waren. Ich ſehe hier nichts anders, als ein Werk eines kuͤhnen Geiſtes, der etwas ſeltſames unternehmen wollte, ohne ſich von einer richtigen Beurtheilung leiten zu laſſen. Es war ein Werk, das der Natur Trotz bieten ſollte, ein einzelnes gewagtes Werk, das nicht wohl einer Nachahmung faͤhig war. Noch weniger laͤßt ſich begreifen, wie es den Namen eines Garten anders, als in einem ſehr ungewoͤhnlichen Verſtande, verdienen koͤnnen.

Aber wenn es nun auch mit der Glaubwuͤrdigkeit dieſer Schriftſteller nicht gar zu ſicher ſtuͤnde? Nur der einzige verdaͤchtige Beroſus, der gar zu gern die Selten - heiten ſeines Landes auf Koſten der Wahrheit erhebt, redet von den Gaͤrten aus ſei - nem eigenen Zeugniſſe; die andern berichten blos nach andern; und ſelbſt Curtius ſcheint an ihrer Wirklichkeit zu zweifeln, da er ſie vulgatum Graecorum fabulis mi -raculum8Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenraculum nennt. Vermuthlich befand ſich zu Babylon ein Huͤgel, der in verſchie - dene Abſaͤtze getheilt und mit hohen Baͤumen bekleidet war. Das Ungewoͤhnliche eines ſolchen Gegenſtandes in einem ebenen Lande erſchien einer erhitzten Phantaſie wunder - bar, und die Sage machte daraus ein Wunder in der beſten Form. Was dieſer Vermuthung einen Grad der Wahrſcheinlichkeit mehr giebt, iſt das Stillſchweigen des Herodot. Er hatte Babylon ſorgfaͤltig beſucht, er beſchreibt alle Seltenheiten ausfuͤhrlich; von den ſchwebenden oder hangenden Gaͤrten aber ſchweigt er ganz. Und nur Schriftſteller reden davon, die viel juͤnger ſind als er.

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2. Gaͤrten der Perſer.

Die Gaͤrten der alten Perſer, die nicht wenig im Alterthum ihr Lob hatten, verdienen allerdings dieſen Namen mehr, als die zu Babylon. Es ſcheint aber, daß ſie mehr natuͤrlich angenehme Plaͤtze, mehr Gegenden voll freywillig wachſender ſchoͤner Fruchtbaͤume, Pflanzen und Blumen, als Gaͤrten geweſen, die nach einer beſtimmten Abſicht angelegt worden. Das Klima und das Erdreich beguͤnſtigten vorzuͤglich die herrlichen Gewaͤchſe und Fruͤchte, die dieſem Lande eigenthuͤmlich ſind. Der Fremde, der ſie auf ſeiner vaͤterlichen Flur nicht geſehen hatte, ward von ihnen deſto mehr bezaubert, je mehr neu und reizend er ſie ſowohl fuͤr das Auge, als auch fuͤr den Geſchmack fand. Und bald war der Ruhm der perſiſchen Gaͤrten verbreitet. Die9der Alten und der Neuen. Die Beſchreibungen, die von ihnen auf uns gekommen ſind, haben mit andern aus dem Alterthum, die von den Gaͤrten handeln, das Mangelhafte, daß ſie ſich blos auf eine kurze Anzeige der Gegenſtaͤnde einſchraͤnken, die Anordnung derſelben aber faſt ganz unberuͤhrt laſſen. Selbſt Xenophon erwaͤhnt nur im Allgemeinen luſtiger Plaͤtze oder Gaͤrten, die er fruchtbar und ſchoͤn nennt, und wobey er nur der Frucht - baͤume und Waͤſſerung gedenket, woraus Carlencas und andere Scribenten ſeiner Art Luſtſaͤle und praͤchtige Fontainen nach franzoͤſiſchem Geſchmack machen wollen. Die einzige Spur von einem Anfang der Kunſt, die ſich beym Xenophon*)Im Oecon. ſindet, iſt der Garten des juͤngern Cyrus zu Sarden in Lydien, worin Lyſander die Schoͤnheit und Ordnung der Baͤume, die in einen Quincunx geſtellt waren, bewun - derte, weil er vermuthlich ſo etwas in Sparta, das ſeinen Feldbau von Sklaven be - ſorgen ließ, noch nicht geſehen hatte. Bey aller Vergleichung der vorhandenen Stellen der alten Schriftſteller laͤßt ſich nichts anders mit Gewißheit erkennen, als daß die ſo geruͤhmten Gaͤrten oder Paradieſe der Perſer Fruchtgaͤrten geweſen, die ihren Ruhm blos der natuͤrlichen Annehmlichkeit der Lage und der Schoͤnheit der Ge - waͤchſe zu danken hatten.

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I Band. B3. Gaͤrten10Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

3. Gaͤrten der Griechen.

Die Griechen bewohnten zum Theil Gegenden, die zum Anbau der Gaͤrten ſehr geſchickt und einladend waren. Die Lebhaftigkeit ihres Geiſtes, ihre beſondere Empfindlichkeit gegen angenehme Eindruͤcke, ihr Hang zum Vergnuͤgen und zur Ab - wechſelung, mußte ſie nicht weniger zur Liebe der Gaͤrten reizen. Sie waren auch dagegen eben ſo wenig gleichguͤltig, als gegen die großen Schoͤnheiten der Natur ſelbſt, wovon ihre Dichter uns Nachbildungen hinterlaſſen haben. Allein bey allem dieſen ſcheint es doch, daß ſie in den erſten Zeiten zu ſehr mit harten Beduͤrfniſſen beladen, in der Folge zu ſehr mit den Geſchaͤften der Staatseinrichtungen und des Krieges uͤberhaͤuft, endlich fuͤr andere Kuͤnſte und vornehmlich fuͤr Ergoͤtzungen von einer ſtaͤrkern Art zu lebhaft eingenommen geweſen, als daß ſie Zeit und Ruhe genug finden koͤnnen, fuͤr den ſanftern Reiz der Gaͤrten recht thaͤtig zu werden. Die Men - ge von Statuen, Tempeln, Theatern und andern Gebaͤuden, die in Griechenland nicht blos die Staͤdte, ſondern auch zum Theil die Landſtraßen, die Haine und die Gefilde erfuͤllten, gaben dem Auge, das Verſchoͤnerung ſuchte, ſchon Unterhaltung genug. So viele Wunder der Kunſt ſchienen zu laͤndlichen Scenen voll Einfalt und ſtiller Anmuth nicht Raum mehr zu laſſen. Die Gaͤrten der Griechen haben daher auch nie das Anſehen erreicht, zu welchem ſonſt die ſchoͤnen Kuͤnſte bey dieſer Nation geſtiegen ſind.

Homer*)Odyſſ. Lib. 7. beſchreibt die Gaͤrten des Alcinous, die man oft eben ſo unmaͤßig, als die babyloniſchen, erhoben hat, da doch ſelbſt die aͤltern Schriftſteller keinem als dem Homer folgen konnten. Ihre Schoͤnheit beſtand in Granaten-Feigen - und Oelbaͤumen und andern Arten von Baͤumen; in einer gewiſſen Abtheilung, nach welcher den Fruchtbaͤumen, den Weinſtoͤcken und den ſogenannten Kuͤchengewaͤchſen beſondere Plaͤtze angewieſen waren; in dem Waſſer, das zur Befruchtung hin und wieder geleitet war. Es ſcheint auch, daß die Baͤume und uͤbrigen Gewaͤchſe in einer gewiſſen Ordnung und Symmetrie gepflanzt geweſen, womit die Kunſt faſt uͤberall ihren Anfang nahm und nehmen konnte, doch ohne daß ſie nachher auf dieſem Punkt haͤtte ſtille ſtehen ſollen. Man ſieht in dieſer Beſchreibung die erſte Entwicke - lung eines Gartens in der Auswahl der Baͤume und Gewaͤchſe, in der Sorgfalt fuͤr ihre Befruchtung und in ihrer Stellung nach einer gewiſſen Ordnung, wodurch man ſich von der Wildheit der Natur zu entfernen ſuchte. Aber noch giebt dieſe Be - ſchreibung, ſo wie ſie da iſt, keinen großen Begriff von einem koͤniglichen Luſtgarten. Man11der Alten und der Neuen. Man erblickt nichts mehr, als einen nuͤtzlichen Fruchtgarten in einem dazu beſonders abgetheilten Strich Landes.

Dieſes Beyſpiel der Nutzbarkeit und der Einfalt in den Gaͤrten mußte den ſpaͤ - tern Griechen, die immer noch in dem Homer ihren Lehrer erkannten, beſtaͤndig vor Augen ſchweben und ihnen zur Regel werden, von welcher abzuweichen ſie ſich nach aller Vermuthung nicht erlaubten. Hohe Platanen, die Schatten warfen, und fließendes Waſſer, das Kuͤhlung gab, waren mit einigen Statuen faſt die ein - zigen Schoͤnheiten in den Gaͤrten der Philoſophen zu Athen. In den Romanen des Heliodor, Achilles Tatius und Euſtathius aus den letzten Zeiten der Grie - chen, beweiſen die eingeſtreuten Beſchreibungen der Gaͤrten, daß ſie damals noch ganz ohne eine ſorgfaͤltige Anlage, ohne Abwechſelung und Zierde geweſen. *)In dem zweyten Bande der Pitture antiche d’Ercolano kommt auf der 20ſten Tafel ein bey Portici entdecktes Gemaͤlde vor, das nicht eigentlich einen griechiſchen Garten, wie man vorgegeben, ſondern blos ein Gartenſtuͤck vorſtellt, wie auch die neuern Maler oft geliefert haben. Es ſind vier Lauben ſymmetriſch angelegt und durch ein mit Vaſen geziertes Gitterwerk mit einander verbunden. Die beyden Lauben am Ende ſtimmen, ſo wie die bey - den in der Mitte, in Form und Verhaͤlt -niß uͤberein. In jeder der beyden mittel - ſten ſprudelt ein Springbrunnen. Weil auf den Lauben in der Mitte Voͤgel ſitzen, ſo hat man ſie fuͤr Vogelhaͤuſer angeſehen, welchem aber ihre Einrichtung widerſpricht. Hinter dem Gitterwerk laſſen ſich Pflanzen und Blumen ſehen. Wahrſcheinlich iſt dieſes Gemaͤlde in ſpaͤtern Zeiten verfertigt, und eine bloße Phantaſie des Kuͤnſtlers. Dieſes gilt auch von der Vorſtellung auf der 49ſten Tafel, die faſt im gleichen Ge - ſchmack iſt.

B 24. Villen
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12Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

4. Villen und Gaͤrten der Roͤmer.

Wenn die Griechen ſich mehr an der natuͤrlichen Schoͤnheit und Einfalt der Gaͤrten ergoͤtzten: ſo glaubten die Roͤmer ſich nur durch die Kunſt, die Pracht und den Ueberfluß der Villen befriedigen zu koͤnnen. Bey ihnen laͤßt ſich erſt ein Stand - ort nehmen, von welchem man einen ſichern Blick in die Luſtplaͤtze des Alterthums werfen kann.

In den Zeiten der Wildheit konnte die ſanftere Empfindlichkeit fuͤr das Schoͤ - ne, die von ſtaͤrkern Leidenſchaften und Thaͤtigkeiten uͤbertaͤubt ward, noch nicht laut genug durchdringen. Erſt mußte die Begierde zur Gewaltthaͤtigkeit und zum Raube uͤberwaͤltigt, die Liebe zur Ruhe befeſtigt werden; und Plutarch bemerkt ausdruͤck - lich in dem Leben des Numa, daß dieſes bey den aͤlteſten Roͤmern durch nichts ge - ſchwinder bewirkt worden, als durch die Cultur des Ackerbaues und die Gewoͤhnung zum Landleben. Bey ſolchen Beſchaͤftigungen und bey den Annehmlichkeiten des Friedens konnten die feinern Gefuͤhle, die zur Bemerkung und zum wahren Genuß der Schoͤnheit erfordert werden, den Anfang ihrer Entwickelung nehmen. Einige Bequemlichkeit der Landhuͤtten folgte ohne Zweifel bald nach der Befriedigung der erſten Beduͤrfniſſe, und mit jener blieb lange eine kunſtloſe Einfalt vereinigt. Dies war auch der Charakter der Landwohnungen der aͤlteſten Roͤmer, ehe ſie mit dem Ueberfluß und den Kuͤnſten bekannter wurden, da ſie in der villa ruſtica noch nicht daran dachten, was eine vrbana ſeyn wuͤrde. *)Varro Lib. 1. cap. 13.Auch konnte es nicht anders ſeyn, da ſie nur fuͤr die Beſchaͤftigung mit ihren Aeckern und Heerden auf dem Lande wohn - ten, und faſt kein anderes Vergnuͤgen kannten, als was eine ſtrenge Arbeitſamkeit gewaͤhrt. Mit der allmaͤhligen Ausbildung ihres Geiſtes, mit dem Wachsthum des Reichthums und der Liebe zur Baukunſt verfeinerte ſich erſt ihre Neigung zu Land - haͤuſern. Aber nachher und am meiſten gegen das Ende der Republik fielen ſie, durch die eroberten Schaͤtze und die Weichlichkeit fremder Sitten verleitet, auf eine Pracht und Ueppigkeit, die, wenn auch die Politik ſie nicht misbilligte, doch ſchon ein ge - ſunder Geſchmack verwirft. Die Liebe zum Landleben artete in eine Ausſchweifung aus. Der ruhige und edle Genuß der Annehmlichkeiten der Natur ward von dem Luxus unterbrochen. Und die Menge und der Umfang der Landpalaͤſte raubten nicht ſelten einen weiten nutzbaren Raum, der dem Pfluge gehoͤrte. **)Varro l. c. und Lib. 3. cap. 2. Horat. Lib. 2. od. 15.

Sehr13der Alten und der Neuen.

Sehr fluͤchtig muͤßte der die Schriſten der Roͤmer geleſen haben, der nicht dieſen ihren Enthuſiasmus fuͤr den Aufenthalt auf dem Lande kennen ſollte. Nicht nur die Buͤrger im geringern Verſtande, die beſonders durch die Vortheile der Cul - tur ihrer Laͤndereyen an dieſe Lebensart gefeſſelt wurden, ſondern auch die vornehmen Familien ſuchten die Luft des Landes als etwas, das unentbehrlich ſchien. Man hielt die Zeit der Ruhe und des Vergnuͤgens auf dem Lande fuͤr ſo wichtig, daß man nach ihrer Dauer die eigentliche Laͤnge des Lebens zu meſſen anfieng. Der Conſul M. Plautius rechnete die Jahre ſeiner anſehnlichen Bedienungen im Staat, ſeiner Feldzuͤge, ſeiner Triumphe von ſeinem wahren Leben ab, das er, nach der Aufſchrift ſeines noch bis jezt erhaltenen Grabmals ohnweit Tivoli, nur auf neun Jahre ge - bracht hatte, die er naͤmlich auf ſeinem Landhauſe genoſſen. Und mit andern edlen Buͤrgern dachte ſelbſt der Kaiſer Diokletian auf eine aͤhnliche Art. Die beſten Schriftſteller, und vornehmlich die Dichter, wetteiferten, die ſchoͤne Natur, die ſie liebten, zu erheben, und die Phantaſie ihrer Mitbuͤrger durch maleriſche Beſchreibun - gen zu reizen. Das Gewuͤhl der volkreichen Stadt Rom ermuͤdete, wie die Staats - angelegenheiten, die nicht blos den Senat, ſondern auch die andern Buͤrger beſchaͤf - tigten; und die Sehnſucht nach Ruhe und Freyheit, die ſchon dem Menſchen ſo na - tuͤrlich iſt, mußte dadurch noch heftiger werden. Mit allem dieſen vereinigten das Klima und die natuͤrliche Schoͤnheit Italiens ihre maͤchtigen Einfluͤſſe. Wie vie - len Reiz mußten nicht beſonders damals die Gegenden haben, nach deren Ausſichten ſelbſt noch die groͤßten neuern Landſchaftmaler, ein Pouſſin, Breenberg, Schwa - nevelt und andere, fleißig ſtudirten!

Wenn Baja und andere Luſtplaͤtze den ankommenden Gaſt nur zur Wolluſt hinriſſen, ſo theilte hingegen der weiſere Roͤmer an andern Orten ſeine Zeit auf dem Lande zwiſchen der Sorge fuͤr den Feldbau, der Philoſophie und dem maͤßigen Be - cher. Das Landhaus war ihm am liebſten, das er, wie Cicero, ſeine Akademie nennen konnte. Er las, ſchrieb, unterredete ſich, betrachtete fleißig die ſchoͤne Na - tur, und unterrichtete die vornehme Jugend, die ihn oft nach ſeinem Landſitze zu be - gleiten pflegte. Bald beſchaͤftigte ihn ſeine Bibliothek, die ſelten dem Landhauſe fehlte, bald die Sorge fuͤr das Vaterland, die ihn oft von der ſtillen Flur in die Unruhen des Senats zuruͤckrief. Muͤde von der ernſthaften Philoſophie ſchoͤpfte er bey der Poeſie und Muſik neue Erfriſchungen. Zuweilen ergoͤtzte ihn das Fiſchen oder die Jagd, oder das Bad, die ihre Einfluͤſſe, die ſie zunaͤchſt auf den Koͤrper haben, auch uͤber den Geiſt ausbreiteten. Oft erheiterte ihn der Beſuch eines be - nachbarten Freundes und der Abendſchmaus in einer froͤlichen Geſellſchaft; und ſelbſt Cato war nach dem Bericht des Plutarch fuͤr dieſe Art des Vergnuͤgens noch em -B 3pfindlich14Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenpfindlich genug. Man lobte an der Tafel vortreffliche Maͤnner, vergaß unter ihrem Lobe alles, was die Welt verdruͤßliches hat, und glaubte des Landlebens nicht wuͤr - diger zu ſeyn, als ſich mit ſo erheblichen Gedanken und Geſpraͤchen, wie einſt M. Varro, zu beſchaͤftigen. *)Cicero Orat. Phil. II. Die Lebensart des Plinius**)Lib. 1. epiſt. 9. lib. 9. epiſt. 36. conf. Martial. lib. 4. epigr. 90. auf ſeinem Landhauſe, die er uns genau genug beſchrieben, enthaͤlt das Muſter eines weiſen und gluͤcklichen Landlebens, das damals ſo mancher edle Roͤmer genoß.

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a. Von den Villen.

Die Villen entſtanden in den fruͤhern Zeiten, als unter den Roͤmern Laͤnde - reyen zum Anbau vertheilet wurden. Sie brachten ihre Feldfruͤchte dahin. Mit der Einfalt war noch eine gewiſſe Duͤrftigkeit vereiniget. Keine Pracht, keine Aus - zierung; uͤberall nur Huͤtten fuͤr den Hirten und Saͤemann. Sie pflanzten umher noch nichts zur Ergoͤtzung des Auges oder des Geruchs, ſondern nur allein, was un - mittelbaren Vortheil gab. Nachher aber erweiterten ſie ihre Villen nicht blos zur Bequemlichkeit, ſondern auch zur Groͤße und Pracht.

Die ſchoͤnſten Gegenden wurden ausgewaͤhlt, und mit einer unzaͤhligen Menge von Landhaͤuſern der vornehmen roͤmiſchen Familien bebauet. Setien liebten die Roͤmer der Fruchtbarkeit der Felder, der Jagd, des Fiſchfangs und des guten Weins wegen. Nicht weniger empfahl ſich Albanien durch die Milde des Him - mels und durch den Reiz der Landſchaft. Tiburs geſunde, heitre und mit den treff - lichſten Weintrauben bereicherte Huͤgel ſind von Dichtern, Geſchichtſchreibern undRednern15der Alten und der Neuen. Rednern um die Wette geprieſen. Horaz wuͤnſchte da ſeine Tage zu beſchließen; Properz, Quintilian, Catull und andere feine Geiſter waͤhlten hier ihre Land - ſitze; und man hielt die Luft fuͤr ſo geſund, daß Martial ſich wunderte, wie Cu - riaz daſelbſt ſterben koͤnnen. Von dem Geraͤuſch der Staͤdte entfernt, lag die Ge - gend von Praͤneſte in einer angenehmen Kuͤhlung auf ihren Anhoͤhen. Schoͤne Quellen und Waſſerleitungen, Kuͤhle und Anmuth, ein Ueberfluß von Fruͤchten und Roſen von der edelſten Art, deren Gebuͤſche uͤberall Wohlgeruͤche aushauchten, cha - rakteriſirten dieſe Landſchaft; zur Rechten eine unermeßliche Plaͤne, vorne große Stre - cken von Bergen, die zur Linken mit den Thaͤlern, die ſie bildeten, einen reizenden Contraſt machten. Wie entzuͤckend war nicht die Lage von Tuſculanum. Sanfte Huͤgel und allmaͤhlige Vertiefungen in beſtaͤndiger Abwechſelung; Ueberfluß aller Fruͤchte in den niedern Gefilden und auf den Anhoͤhen; ein geſunder, milder und im - mer heitrer Himmel; gegen Abend die Ausſicht nach Rom, und das tuſciſche und mittellaͤndiſche Meer; gegen Morgen die albaniſchen Berge, die labicaniſchen und algidenſiſchen Waͤlder; gegen Mitternacht die anmuthigen tiburtiniſchen und ſabiniſchen Gefilde, und die Anhoͤhen von Praͤneſte. Laͤndlicher Reiz und Pracht der Gebaͤude von allen Arten von Marmor waren vereinigt, dieſe Gegend, beſonders in den fruchtbaren Anpflanzungen nach Rom hin, zu verſchoͤnern; und die koͤnigli - chen Villen, die uͤberall hervorglaͤnzten, haben ihr, wie die Thaten der Roͤmer ihren Namen, in den alten Schriftſtellern eine Ewigkeit des Ruhms erworben. Alle dieſe Landſchaften, ſo viele anmuthige Anhoͤhen, Vorgebirge, Ufer und Meerbuſen wurden mit Landhaͤuſern gleichſam beſaͤet, daß das engere Land kaum ihre Menge faſſen konnte. Sehr viele vornehme Roͤmer hatten mehr als eine Ville; eine groͤ - ßere Anzahl gehoͤrte, ſo wie die Pracht einer jeden, zu dem oͤffentlichen Anſehen, das man ſich geben konnte. Noch jezt reizt uns das zauberiſche Bild aller dieſer herr - lichen Luſtplaͤtze, die ehemals das roͤmiſche Italien belebten. Siehe, ſo malt es uns Thomſon*)In dem Gedicht uͤber die Freyheit. wieder vor, ſiehe, wie die Villen Froͤlichkeit uͤber die Gefilde aus - breiten und ſich in lebendiger Ausſicht erheben, hier an dem verſteckten Falle von Baͤ - chen, die jezt verloren, und von Stroͤmen, die durch Geſaͤnge beruͤhmt ſind; dort im umſchloſſenen Thale Umbriens, oder auf der Hoͤhe ſeiner warmen Huͤgel, welche die ſuͤßduftige Luft athmen; hier an der rebenvollen Kuͤſte von Baja, wo ruhige Seen, von ſanften Weſtwinden gefaͤchelt, unaufhoͤrlich das Ufer kuͤſſen, und unbe - woͤlkte Sonnen durch die reinſte Luft ſcheinen; dort in der weiten Nachbarſchaft von Rom; wie ſie weit hinaufglaͤnzen bis an die ſabiniſchen Huͤgel, bis an den brauſen - den Anio und Tiburs Olivenſchatten; bis hin wo Praͤneſte ſeine Stirne in die Lufthebt;16Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenhebt; und wie ſie hinabwaͤrts ſich bis an das ſonnigte Ufer ausbreiten, bis dahin, wo Alba Kuͤhlung aus dem Meere ſchoͤpft.

Sowohl aus den Beſchreibungen der alten Schriftſteller, als auch aus den neuern Entdeckungen erhellet, daß die Roͤmer wetteiferten, die angenehmſten Lagen fuͤr ihre Villen aufzuſuchen. Vornehmlich ſind es die Gemaͤlde des Plinius*)Lib. 2. epiſt. 17. lib. 5. epiſt. 6. von ſeinem Laurentin und Tuſci, die faſt alles uͤbertreffen, was das Alterthum von dieſer Seite ruͤhmt. Die immer abwechſelnden Ausſichten des erſten bald nach dem Meere, bald nach Waͤldern und fernen Bergen, bald nach anmuthigen Villen um den Strand her, bald nach Wieſen und Heerden hin, machten dieſen Sitz zu einem Elyſien; und zum Gluͤck ward er von einem Geiſt bewohnt, der ſeine Annehmlichkei - ten zu fuͤhlen faͤhig war. Die Zimmer waren mit einer gleichen Aufmerkſamkeit fuͤr die Unterhaltung des Auges und des Geiſtes angelegt. In einigen konnte man ſich uͤber den Anblick und das Getoͤſe des Meeres ergoͤtzen; in andern, die mehr nach der Mitte der Gaͤrten hin lagen, vernahm man dieſes Geraͤuſch aus der Ferne, wie ein gelindes Gemurmel; und in noch andern ward man ganz einer tiefen Stille uͤberge - ben. Nicht weniger reizend war die Lage der andern beruͤhmten Ville des Plinius, in der Naͤhe des apeniniſchen Gebirges. Man ſtelle ſich, ſchreibt er, ein Am - phitheater von einer unermeßlichen Ausdehnung vor, dergleichen nur allein die Natur zu bilden vermag. Eine breite und weit ausgeſtreckte Ebene wird von Bergen um - guͤrtet, deren Gipfel hohe und bejahrte Waͤlder traͤgt. Da kann man beſtaͤndig eine mannigfaltige Jagd anſtellen; von da ſenken ſich mit dem Abhange des Berges ein - gehauene Hoͤlzungen herab; zwiſchen ihnen liegen fette erdreiche Huͤgel, die auch den ebenſten Feldern nichts an Fruchtbarkeit nachgeben, und worauf eine ſegenvolle Aerndte zwar ſpaͤt, aber nichts deſtoweniger ihre ganze Reife gewinnet. Tiefer unter ihnen herab erſcheinen auf allen Seiten Weinberge. Die Wieſen ſchimmern von den Far - ben der Blumen, und ſind voll von Klee und andern zarten Kraͤutern, die von rie - ſelnden Baͤchen gewaͤſſert immer ein friſches Anſehen behalten. Mitten durch die Landſchaft ergießt ſich die Tiber, die auf ihren Schiffen die Fruͤchte des Landes Rom zufuͤhrt. Aber eine noch groͤßere Wolluſt gewaͤhrt der Anblick dieſer Gegend, wenn man ſie von einem Berge betrachtet. Alsdann glaubt man, nicht blos eine natuͤr - liche, ſondern eine nach dem hoͤchſten Ideal der Schoͤnheit nachgebildete Landſchaft vor ſich zu ſehen; von einer ſolchen Mannigfaltigkeit, von einer ſolchen Anordnung wird das Auge, wohin es ſich nur wendet, entzuͤckt. Das Landhaus hat auf dem Abhange eines Huͤgels eine Ausſicht, als wenn es auf dem Gipfel laͤge. Die An - hoͤhe erhebt ſich ſo allmaͤhlig und unvermerkt, daß ſie beym Hinaufgehen auf eineange -17der Alten und der Neuen. angenehme Art uͤberraſcht, indem man, wenn man noch nicht einmal zu ſteigen glaubt, ſie ſchon erſtiegen hat. Hinter ſich hat das Landhaus das apeniniſche Ge - birge, wiewohl noch in einer ziemlichen Entfernung. Von daher koͤmmt an heitern und ſtillen Tagen eine friſche Luft; aber der Wind iſt nicht ſcharf, noch gar zu ſtark, weil er von der Entfernung des Orts, woher er weht, geſchwaͤcht wird. Noch weiter malt Plinius die Anmuth dieſes Landſitzes aus.

Der Kuͤhlung ſowohl als der Ausſicht wegen baueten die Roͤmer zum Theil ihre Villen nicht blos an den Ufern, ſondern oft ſelbſt in das Meer hinein. Nicht des praͤchtigen, aber ſpaͤtern Landhauſes des Diokletian zu Spalatro in Dalma - tien*)Von den Ruinen dieſes Gebaͤudes iſt folgendes ein wichtiges Werk: The Ruins of the Palace of the Emperor Diocletian at Spalatro in Dalmatia by R. Adam, fol. London 1764.zu gedenken, ſo waren die Luſthaͤuſer der verſchuͤtteten Staͤdte, die nicht auf einer Hoͤhe, wie die zu Pompeji lagen, der Geſundheit und des Vergnuͤgens wegen ins Meer hineingefuͤhrt. Die Ville des Cicero bey Aſtura**)Ad Atticum lib. 12. epiſt. 20. lag im Meer; auch Lucullus***)Plutarch. in vita Luculli. bauete bey Baja Wohnungen von ſeinem Landhauſe bis ins Meer hinein. Dieß iſt die Gewohnheit, deren Horaz†)Lib. 3. od. 1. erwaͤhnt, und die dem Statius††)Lib. 2. ſylv. Veranlaſſung gab, eine liebliche landſchaftliche Abendſcene zu malen.

Quum iam feſſa dies, et in aequora montis opaci
Vmbra cadit, vitreoque natant praetoria ponto.

Andere vornehme Roͤmer, als Lucullus, Marius, Pompejus, Caͤſar baueten um Baja Villen auf den hoͤchſten Spitzen der Berge, vielleicht aus Stolz, vielleicht der weitern Ausſicht wegen, vielleicht um ſich dadurch den Vortheil kriegeriſcher Wachthaͤuſer zu verſchaffen. †††)Seneca epiſt. 51.Dieſes ſcheint, als Pracht und Groͤße ſtiegen, mehr gewoͤhnlich geworden zu ſeyn.

Der weiße Marmor, der beſonders in den letzten Zeiten der Republik zu den roͤmiſchen Landhaͤuſern gebraucht ward, mußte ihnen ein ſehr lebhaftes Anſehen ge - ben, und in der Ferne von einer ſchoͤnen Wirkung ſeyn. Man begnuͤgte ſich zuletzt nicht mehr mit den einheimiſchen Marmorarten; man holte ſie aus Griechenland und andern entlegenen Gegenden, und ſuchte dadurch ſelbſt die Schoͤnheit der Tempel zu uͤbertreffen. ††††)Iuvenal. Sat. 14.

WennI Band. C18Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Wenn die Haͤuſer in der Stadt gewoͤhnlich nur von zwey Stockwerken waren, ſo hatten insgemein die Villen nur eine Etage, wiewohl ſich bey den neuern Entde - ckungen Ausnahmen gefunden. *)Winkelmanns Anmerk. uͤber die Bau - kunſt der Alten S. 34. Einige neuerlich entdeckte Villen beſchreibt er im Sendſchrei - ben von den Herkulaniſchen Entdeckungen S. 27-29. und in den Nachrichten von den Herkulaniſchen Entdeckungen S. 24. 25. Andere Ruinen von roͤmiſchen Villen werden in Volkmanns Nachrichten von Italien an ihrem Ort haͤufig angezeigt.Nach dem Bericht des Valerius Maximus**)Lib. 8. cap. 1. ward indeſſen M. Aemilius Porcina zu einer Geldſtrafe verurtheilt, weil er ein Landhaus in der Nachbarſchaft von Rom zu hoch gebauet hatte.

Der Kuͤhlung ſowohl als der Zierde wegen wurden die innern Waͤnde mit Marmor von mancherley Farben ausgelegt. Selbſt in die Zimmer ward ſpringen - des Waſſer geleitet.

An picturata lucentia marmora vena
Mirer? an emiſſas per cuncta cubilia lymphas?
***)Statius in Tiburt. Manl. Vopiſ.
***)

Die Wohnzimmer waren nach den Jahrszeiten verſchieden eingerichtet; und die Speiſeſaͤle lagen gemeiniglich da, wo man waͤhrend der Tafel die angenehmſte Aus - ſicht haben konnte. Durch viele Fenſter verſchaffte man nicht allein den innern Thei - len Heiterkeit und Glanz, ſondern lockte auch Waͤrme oder Kuͤhlung herein. Die innern Verzierungen mit Marmor, moſaiſcher Arbeit, Elfenbein, Gold, Gemaͤlden und Statuen (die aber doch zum Theil Bildniſſe beruͤhmter Vorfahren und anderer großen Maͤnner vorſtellten, deren Andenken Nacheiferer erwecken konnte,) wurden zu - letzt ſo haͤufig, daß ſie nicht mehr Gegenſtaͤnde des Geſchmacks und der Anmuth, ſon - dern einer geſuchten Ueppigkeit waren. ****)Senec. Epiſt. 86. Stat. 1. 3. ſylv.

Nahe umher Hallen mit ſchoͤnen Saͤulen, deren Schoͤnheit von der Laͤnge ver - mehrt ward, und worunter ſie bey Regen und Hitze einen bequemen Spaziergang fanden; andere Gaͤnge, einige offen, einige bedeckt, von Baͤumen und Gebuͤſch ſchattigt. In dem naͤhern und entferntern Bezirk umher Baͤder, Vogelhaͤuſer, Thiergaͤrten, Fiſchteiche und große Waſſerbehaͤltniſſe, Weinberge, Schattengaͤnge Gaͤrten. Zuweilen ward ſelbſt die Natur gezwungen, ſich dem Geſchmack oder Eigenſinn zu unterwerfen.

Mons erat hic, vbi plana vides; haec luſtra fuerunt,
Quae nunc tecta ſubis; vbi nunc nemora ardua cernis,
Hic19der Alten und der Neuen.
Hic nec terra fuit. Domuit poſſeſſor et illum
Formantem rupes, expugnantemque ſecuta Gaudet humus.
*)Stat. 2. 2. de Pollii villa.

Eine der praͤchtigſten und beruͤhmteſten Villen in den ſpaͤtern Zeiten war die Ville des Hadrian, die er nach ſeiner Zuruͤckkunft von ſeinen weitlaͤuftigen Reiſen zu Tibur erbauete, und worin er alles aufſtellte, was er an ſchoͤnen Kunſtwerken in Aſien und Griechenland aufgefunden hatte. Man erſtaunt noch uͤber den Umfang der Ruinen von Gebaͤuden, die mehr eine kleine Stadt als einen Landpalaſt anzukuͤn - digen ſcheinen. Indeſſen zeugen ſie noch von dem reinen Geſchmack der Architektur, und laſſen erkennen, daß die groͤßten Baumeiſter hier beſchaͤftigt geweſen. Theater, weitlaͤuftige Saͤle, Hoͤfe, Baͤder, Waſſerdehaͤltniſſe, Statuen, Colonaden, Tem - pel und ſodann eine Nachahmung der beruͤhmteſten Oerter Griechenlandes**)Aelius Spartianus in vita Hadria - ni: Tiburtinam villam mire exaedifica - vit, ita vt in ea et Prouinciarum et lo - corum celeberrima nomina inſcriberet: velut Lyceum, Academiam, Prytaneum, Canopum, Poecilen et Tempe vocaret, et vt nihil praetermitteret, etiam inferos finxit. Der beruͤhmte italiaͤniſche Ar - chitekt Ligorio hat davon eine Beſchreibung und einen Riß herausgegeben, der ſehr fehlerhaft und zu willkuͤhrlich iſt. Nach ihm haben verſchiedene italiaͤniſche Anti - quare und unter ihnen auch der Pater Kir - cher uͤber dieſe Ville geſchrieben, der letzte in ſeinem Latium, wo zugleich der Plan des Ligorio beygefuͤgt iſt. Er hat groͤß - tentheils des Ligorio Beſchreibung wieder - holt, weil ſie zu ſeiner Zeit noch nicht be - kannt gemacht war, ſondern in dem Ar - chiv des Cardinal Franciſcus Barberini aufbewahrt ward. Uebrigens ſind alle Abbildungen alter Villen in des P. Kircher Latium fuͤr nichts mehr als fuͤr Werke ſei -ner Phantaſie zu halten. Haverkamp hat nachher die italiaͤniſche Beſchreibung des Ligorio mit einer lateiniſchen Ueberſetzung herausgegeben, die ſich in Graevii The - ſauro Antiqu. et Hiſtor. Ital. Tom. 8. Part. 4. befindet. Ebendaſelbſt iſt auch die Beſchreibung dieſer Ville von Anto - nius del in Antiqu. Tiburtinis, die hin und wieder den Ligorio zu ergaͤnzen und zu berichtigen ſucht, anzutreffen. Der franzoͤſ. Architekt Peyre hat ebenfalls einen Plan von dieſer Ville aufgenom - men. Alles iſt aber ſo ſehr verfallen, daß es aͤußerſt ſchwer iſt, den Zuſammen - hang des Ganzen in den Ruinen zu er - kennen. Ueber die Villen der Alten haben uͤbri - gens Antiquare und Architekten ſchon ſo oft geſchrieben, daß mir, um der Wieder - holung auszubeugen, nur eine kleine Nach - leſe und eine Vorſtellung aus einem etwas verſchiedenen Geſichtspunkte uͤbrig geblie - ben. Die meiſten Schriftſteller haben in - deſſen dieſen Gegenſtand blos als Alter -thums -C 2wett -20Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenwetteiferten, die Pracht dieſer Ville zu erheben, die indeſſen kaum achtzig Jahre ſtand, von den folgenden Kaiſern ausgepluͤndert und oͤde gelaſſen ward, bis zuletzt die Gothen die Zerſtoͤrung dieſes herrlichen Gebaͤudes vollendeten.

b. Von
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**)thumsforſcher unterſucht, und ſich mehr mit Namen und Lagen beſchaͤftigt, als mit dem, was zur Kunſt und zum Geſchmack gehoͤrt. Ich will von den hieher gehoͤri - gen Werken diejenigen, die ich vor mir liegen habe, anzeigen, und ſie in eine ge - wiſſe Ordnung bringen, nachdem ſie bald mehr zur antiquariſchen Gelehrſamkeit, bald mehr zur Kunſt gehoͤren. Zu der erſten Claſſe. Corradini vetus Latium 4. Rom. 1705. Tom. 2. lib. 2. cap. 18. 19. lib. 3. cap. 7. von den Villen in dem alten Setien und Circeje. Vul - pii vetus Latium Tom. 6. Patavii 1734. lib. 10. cap. 3. u. 4. beſonders von der Lage des Laurentin des Plinius Tom. 7. Patavii 1736. lib. 12. cap. 6. von den Villen in Albanien. Tom. 8. Rom. 1742. lib. 14. cap. 3. 4. 5. von den Tuſculaniſchen Vil - len, und im 4ten Kap. beſonders von den Villen des Lucullus. Tom. 9. Rom. 1743. lib. 16. cap. 9. von den Villen zu Praͤneſte. Tom. 10. Rom. 1745. Pars 1. lib. 18. cap. 7. 8. 9. 10. von den Villen zu Tibur. Antonii del Antiqu. Tiburtinae in Graevii Theſ. Antiqu. et Hiſtor. Ital. Tom. 8. Part. 4. Ebendaſelbſt Matthaei memoriae Hiſtoriae Antiqui Tuſculi, quod nunc dicitur Fraſcati. Ebendaſelbſt Joſephi Mariae Suareſii Praeneſte antiqu. lib. I. cap. XI. u. XII. Loffredi et Maz - zellae Situs et Antiquitas Puteolorum etc. in Graevii Theſ. Tom. 9. Part. 4. Camilli Peregrinii diſſertationes de Campania fe - lice in Graevii Theſ. Tom. 9. Part. 2. Georg Greenii de Ruſticatione Romano - rum et de villarum antiqu. ſtructura apud eosdem comment. Lipſ. 1667. Dieſe Ab - handlung iſt in dem 1ſten Th. des novi Theſauri Antiqu. Roman. cong. ab A. H. de Sallengre, Hagae Com. 1716. wieder abgedruckt. Découverte de la Maiſon de Campagne d’Horace etc. par M. l’Ab - Capmartin de Chaupy. 8. Rome 3 Tom. 1767.

21der Alten und der Neuen.

b. Von den Gaͤrten.

Von den Villen muß man die Gaͤrten, die oft mit einander verwechſelt wer - den, unterſcheiden, ſo wie in ſpaͤtern Zeiten die Roͤmer ſelbſt zwiſchen beyden denC 3Unter -**)1767. u. 1769. Nicht blos uͤber die Ville des Horaz, ſondern auch uͤber die Lage an - derer Landhaͤuſer und Oerter in dem alten Italien und ihre jetzigen Ruinen, werden hier mit vielem Fleiß und antiquariſcher Gelehrſamkeit Unterſuchungen angeſtellt, die hin und wieder Berichtigungen anderer Antiquare betreffen. Nur iſt der Verfaſſer zu weitſchweifig und zu voll von Neben - dingen. Er behauptet, daß Horaz nur eine Ville gehabt. Diſſertazione ſo - pra la villa di Orazio Flacco dell Abb. Domen. de Sanctis. Rom. 1761. betrifft die Lage. Diſſertazioni due d’una antica villa ſcoperta ſul doſſo del Tuſcolo, 4. Venez. 1746. Der V. Zuggeri handelt von der Lage des ciceroniſchen Tuſculan, die er gegen Kircher und Vulpi auf einen Berg ſetzt. Giuſepe Rocco Volpi diſ - ſertazione intorno alla villa Tiburtina di Manlio Vopiſco. (V. nelle Diſſertazioni dell Acad. Etruſca di Cortona 4. Tom. II. pag. 163-192. Rom. 1738.) Eben - deſſelben Commentario della Villa di Man - lio Vopiſco in Tivoli. (V. nella Raccolta d’Opuſcoli ſcientif. e filolog. Tom. XXVI. pag. 1-114. Venez. 1742. 12. ) Trinck - huſii diſſertatio de hortis et villis Cice - ronis 4. Gerae 1673. Io. Fried. Chri - ſtii Villaticum 8. Lipſ. 1746. handelt gele - gentlich von den Villen des Statius. Auf gewiſſe Weiſe kann hieher ein Werk gerechnet werden, das ich vornehm -lich anzeige, weil alle Verzeichniſſe ſeltener Buͤcher es unter den uͤberaus raren anfuͤh - ren, das viele Gelehrte auch nur zu ſehen ſich vergebens bemuͤhet haͤtten. Hortorum libri triginta. Autore Benedicto Curtio, Symphoriano equite in eccleſia Lugdu - nenſi. Lugduni fol. 1560. 683 Seiten. Der Verfaſſer geſteht ſelbſt, daß er zwar manches aus ſeiner eigenen Erfahrung ge - ſammelt, das Meiſte aber aus den Schrift - ſtellern des Alterthums und ſeiner Zeit zu - ſammengetragen habe. In der That be - ſteht faſt das ganze Werk aus einer bloßen Compilation. Mit vielem Fleiß und Be - leſenheit ſind die Stellen der griechiſchen und roͤmiſchen Schriftſteller aufgeſucht, aber ohne Auswahl, Ordnung und Ver - bindung der Materien hingeworfen. Ei - genes Urtheil findet man ſelten; auch fehlt faſt uͤberall eine beſtimmte Anzeige der Quellen. Die phyſikaliſchen und oͤkono - miſchen Kenntniſſe des Verf. gehen nicht viel uͤber die Graͤnzen dieſer Wiſſenſchaften bey den Alten. Außerdem iſt das Fabel - hafte mit dem Wahren, das Gemeine mit dem Wichtigen, das Unnuͤtze mit dem Nuͤtz - lichen vermiſcht. Uebrigens ein zuſam - ſammengetragener Haufe von Wahrheiten, Meynungen und Erfahrungen der Alten uͤber den Landbau, beſonders die Baum - zucht, und die verſchiedenen Gattungen der Baͤume, Pflanzen, u. ſ. w. Was in eini - gen Kapiteln von den Gaͤrten der Altenbey -22Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenUnterſchied bemerkten, der ſich wirklich zwiſchen ihnen befindet. *)Columella lib. 2. cap. 3. Plin. Nat. Hiſtor. lib. 19. c. 20.Weil man die Villen aus den Beſchreibungen der alten Schriftſteller genauer kennt, als die Gaͤrten, und jene auch mehr als dieſe auf gewiſſe beſtimmte Regeln gebracht zu ſeyn ſchienen: ſo hat man zuweilen den eigenthuͤmlichen Ruhm der Villen zugleich den Gaͤrten zuge - theilt, und dieſen eben ſo vielen Werth beygelegt. Wenn man die Gaͤrten der Roͤ - mer gelobt hat, ſo iſt es faſt immer der Villen wegen geſchehen, zu welchen ſie ein gewiſſes Zubehoͤr abgaben. Und es ſcheint, daß man ſie deswegen weniger unter - ſucht hat, um ſie deſto allgemeiner ruͤhmen zu koͤnnen.

Aus

**)beygebracht wird, iſt blos eine Sammlung von dahin gehoͤrigen Stellen ohne Beur - theilung. Zur zwoten Claſſe. Unter den Wer - ken, worin die Villen der Alten mehr von der Seite der Architektur und des Ge - ſchmacks betrachtet werden, zeichnen ſich dieſe vornehmlich aus. Scamozzi in ſei - ner Idea dell Architettura univerſale hat im 12ten Kapitel des 3ten Buchs eine Ab - bildung des pliniſchen Laurentin gegeben; allein er iſt ſehr von der Beſchreibung des Roͤmers abgewichen, und hat zu ſichtbar den Geſchmack ſeines Landes in der Archi - tektur untergeſchoben. Les plans et les deſcriptions de deux maiſons de cam - pagne de Pline. Paris 1699. Londres 1707. 8. In dieſem Werk iſt Felibien etwas ge - nauer, als Scamozzi, doch ebenfalls von dem Plinius abweichend und noch zu ſehr nach dem neuern franzoͤſiſchen Geſchmack abgemeſſen. The Villas of the An - cients illuſtrated by Robert Caſtell. Lon - don 1728. gr. Fol. Dieſes praͤchtig ge - druckte und verzierte Werk enthaͤlt in 3 Abtheilungen eine Ueberſetzung der Be - ſchreibung des Plinius von ſeinen beyden Villen, Anmerkungen uͤber die Theile und Einrichtungen derſelben, Plane und Auf -riſſe von beyden, und vermiſchte Betrach - tungen uͤber die Landhaͤuſer der Roͤmer uͤberhaupt; aber auch dieſer Schriftſteller hat ſich in vielen Stuͤcken nicht genau ge - nug an den Roͤmer gehalten, welches ſchon der beruͤhmte Ioh. Matth. Gesner (Acta Eruditorum Lipſ. an. 1731. p. 111.) gezeigt hat. Délices des Maiſons de Campagne appellées le Laurentin et la Maiſon de Toſcane. 8. Amſterdam 1736. Es iſt das oben angefuͤhrte Werk des Fe - libien; man findet darin die ſcamozziſche Beſchreibung mit einer Kritik, Riſſe und einige aus dem Plinius uͤberſetzte Nach - richten. Crubſacius wahrſcheinlicher Entwurf von des juͤngern Plinius Land - hauſe und Garten, Laurentin. 8. Leipzig 1760. Dieſer Schriftſteller, Oberland - baumeiſter und Profeſſor zu Dresden, hat ſich genau an die Beſchreibung des Pli - nius gehalten und ſeinen Entwurf der Wahrſcheinlichkeit am naͤchſten gebracht. Nach einer Ueberſetzung der pliniſchen Be - ſchreibung erlaͤutert er die verſchiedenen Theile der Ville in gruͤndlichen Anmerkun - gen, die hie und da den Felibien widerle - gen und berichtigen.

23der Alten und der Neuen.

Aus der verſchiedenen Art, wie die alten Schriftſteller der Villen, und wie ſie der Gaͤrten gedenken, laͤßt ſich vielleicht ein Beweis fuͤr die groͤßere oder geringere Vollkommenheit derſelben annehmen. Es werden nicht allein weit mehr Villen als Gaͤrten, ſondern jene auch ausfuͤhrlicher beſchrieben, da dieſe gewoͤhnlich nur eine kurze Anzeige, oder ein nur allgemeines Lob ihrer Fruchtbarkeit oder ihrer Annehmlichkeit er - halten. Wahrſcheinlicher Weiſe hatten, doch wenigſtens in den ſpaͤtern Zeiten, wie Plinius*)Plin. Nat. Hiſtor. lib. 19. c. 20.und andere nicht undeutlich zu erkennen geben, die meiſten Villen ihre Gaͤrten. Es ſcheint alſo die Vermuthung, die ich hier wage, ſich zu ergeben, daß ſelbſt nach dem Begriff der Roͤmer ihre Gaͤrten verhaͤltnißmaͤßig eine weit geringere Vollkommenheit hatten, als ihre Landhaͤuſer. Ohne Zweifel wuͤrden die roͤmiſchen Schriftſteller, die ſonſt jede Art des Ruhms und jedes Verdienſt ihrer Zeiten und die ſchoͤnen Kuͤnſte ſo ſorg - faͤltig bemerkten, uͤber dieſen Punkt mehr geſagt haben, wenn ſie davon viel erhebli - ches mehr haͤtten ſagen koͤnnen. Und von der Vollkommenheit der einen Kunſt bey einer Nation auf die Vollkommenheit der andern zu ſchließen iſt eine Uebereilung, die, nachdem ſie ſchon in Anſehung der Muſik der Alten begangen iſt, bey der Gar - tenkunſt nicht noch einmal begangen werden muß.

Die Roͤmer ſcheinen uͤberhaupt mehr auf das geſehen zu haben, was einen Eindruck der Groͤße und Pracht geben konnte; daher ihre Liebe zu Gebaͤuden, Baͤ - dern, Rennbahnen, Saͤulengaͤngen, Statuen, Waſſerbehaͤltniſſen, und andern Ge - genſtaͤnden, die mehr ins Auge fielen. Und dieſer Geſchmack konnte ſich leichter und geſchwinder befriedigen, als der durch ihn ſchon etwas unterdruͤckte Geſchmack an An - pflanzungen, die mehr Zeit und Geduld verlangen. Lucull**)Varro: Hortos Luculli, cuius vil -la erat in Tuſculano, non floribus fru - ctibusque, ſed tabulis fuiſſe inſignes. ſahe mehr auf die Auszierung durch Gemaͤlde, als auf Blumen und Fruͤchte; und es iſt nicht unbe - kannt, wie viele Nachahmung er auch von dieſer Seite fand. Man glaubte viel - leicht, ſich mit der Fruchtbarkeit des Bodens und mit dem Reiz der Ausſichten, wel - che beſonders die Villen auf den Anhoͤhen und an den Meerufern hatten, begnuͤgen zu koͤnnen, und der Verſchoͤnerung der Gaͤrten weniger Sorge ſchuldig zu ſeyn. Und als nachher die Menge der Landhaͤuſer uͤberall den Erdboden zu verengen anfieng, mußte es wenigſtens in vielen Gegenden an Raum zu ausgedehnten Gaͤrten fehlen.

In den Tagen des Auguſt waren ſchon die herrlichſten Villen vorhanden; gleichwohl waren die Gaͤrten noch weit entfernt, einen ſichern Anſpruch auf Luſtgaͤrten zu machen. Virgil***)Georg. lib. 4. v. 121. nennt blos Endivien, Gurken, Epheu, Baͤrenklau, Myrthen, Narciſſen und Roſenſtoͤcke als die Gegenſtaͤnde in einem Garten. Colu -mella24Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenmella merkt ausdruͤcklich an,*)Praefat. ad carmen de cultu hort. daß der Gartenbau von den aͤltern Roͤmern ſehr vernachlaͤßiget worden, und daß er erſt zu ſeiner Zeit in einige Aufnahme gekommen. Er betrat daher eine Bahn, die ihm Virgil offen gelaſſen; allein die Vorſchriften, die er in ſeinem kleinen Lehrgedicht vortraͤgt, ſo nuͤtzlich ſie ſonſt ſeyn moͤgen, betreffen doch nur den oͤkonomiſchen Gartenbau. Indeſſen gedenkt er**)Lib. 10.verſchiedener Blu - men, die zur Schoͤnheit der Gaͤrten gerechnet werden, der Violen, Roſen, Lilien, Hyacinthen, Levkojen. Weiter aber ſagt Columella von irgend einer Anlage und Einrichtung eines Gartens zur Ergoͤtzung eben ſo wenig etwas, als andere roͤmiſche Schriftſteller, die von dem Landbau und von den Villen handeln.

Nur allmaͤhlig erſt ward Italien mit den edlern Baͤumen, die von da in an - dere Laͤnder von Europa weiter verpflanzt ſind, bereichert. Denn aus groͤßtentheils entfernten Gegenden mußten die Roͤmer ſie ſuchen: aus Syrien die Feigen, aus Meden die Citronen, aus Perſien die Pfirſiche, aus Africa die Granaten, aus Cypern die Lorbeern, aus Griechenland die Myrthen, aus Epirus die Apricoſen und allerley Arten von Aepfeln und Birnen, aus Armenien die Pflaumen, aus Pontus die Kirſchen u. ſ. w. Die Seltenheit ſowohl als die natuͤrliche Schoͤnheit dieſer Baͤume, mit dem angenehmen Geſchmack ihrer Fruͤchte, mußten beſonders in der erſten Neuheit die Roͤmer bezaubern und ihnen die Gaͤrten reizend machen, die mit ſolchen Pflanzungen, und außerdem mit den neuen Blumenarten allmaͤhlig erwei - tert wurden, die ſie aus Griechenland, Aſien und Africa holten.

Indeſſen ſind alle die Anzeigen, die uns von den roͤmiſchen Gaͤrten uͤbrig ge - blieben ſind, ſo allgemein und unvollſtaͤndig, daß wir zwar verſchiedene Gegenſtaͤnde, nicht aber, worauf es vornehmlich ankoͤmmt, die Kunſt ihrer Anordnung, daraus kennen lernen. Noch weniger wuͤrden wir uns einen Begriff von ihnen zu machen im Stande ſeyn, wenn uns nicht der juͤngere Plinius eine naͤhere Beſchreibung von ſeinen Gaͤrten, obgleich nicht ſo ausfuͤhrlich als von ſeinen Landhaͤuſern, hinterlaſſen haͤtte. ***)Epiſt. 17. lib. 2. Epiſt. 6. lib. 5.

Sein Garten zu Laurentin war mit einem Baumgang eingeſchloſſen, der hier mit Buchsbaum, dort mit Rosmarin eingefaßt war. An dem innern Umfang des Baumganges lag ein junger und ſchattigter Weingarten, der einen weichen und zum Gehen bequemen Boden hatte. Den Garten zierten viele Feigen - und Maul - beerbaͤume, weil das Erdreich ihnen mehr, als andern Arten, guͤnſtig war. Im Garten lag ein Speiſeſaal, aus welchem man, wiewohl entfernt von dem Proſpect nach dem Meere, nicht weniger eine ſchoͤne Ausſicht genoß. In der weitern Be -ſchreibung,25der Alten und der Neuen. ſchreibung, worin Plinius vornehmlich der Gebaͤude im Garten und um die Haupt - wohnung her gedenkt, wird noch eines Gartenaltans oder einer Erderhoͤhung erwaͤh - net, die mit wohlriechenden Veilchen bepflanzt war.

Etwas genauer hat er den Garten zu Tuſcum geſchildert, ohne Zweifel, weil er durch die eigene Anlegung des Beſitzers, wie ausdruͤcklich bemerkt wird, mehr An - nehmlichkeit fuͤr ihn erhalten zu haben ſchien. Zu den mancherley Theilen dieſes Gartens gehoͤrte ein offener, freyer Platz oder erhabener Gang, der in vielerley Abſaͤtze und Geſtalten getheilt und mit Buchsbaum umfaßt war. Etwas weiter davon ein ſanft abhaͤngender Raſenteppich, auf welchem verſchiedene einander entgegengeſetzte Figuren von Thieren (der Anfang der Gartentaͤndeley) mit Buchsbaum vorgeſtellt wurden; der Boden dazwiſchen war mit ſchoͤnem Baͤrenklau gezieret. Rings um - her lief ein Spaziergang, von dicken und auf verſchiedene Weiſe beſchnittenen gruͤnen Baͤumen eingeſaßt. Nach dieſem folgte ein Baumgang nach Art eines Rennplatzes, der Buchsbaum von mancherley Form und niedrige geſchorne Baͤumchen in ſich ſchloß. Alle dieſe Scenen waren von einer Mauer umgeben, die mit Buchsbaum bedeckt den Augen entzogen war. In dem Verfolg der Schilderung koͤmmt Plinius bald auf die Gebaͤude, bald auf die uͤbrigen Stuͤcke, die zu dem Gartenplatz gerechnet werden koͤnnen. Zu den erſten gehoͤren vornehmlich die Reitbahn, die Baͤder, der Speiſe - ſaal, das Schlafzimmer, wohin weder Sonnenhitze noch Geraͤuſch dringen konnte. Von außen ſchlaͤngelten ſich die Ranken des Weinſtocks an den Fenſtern hinauf, und inwendig war Auszierung von Marmor und Malerey von Voͤgeln, die auf Zweigen ſaßen, unter welchen eine Quelle rauſchte; eine gluͤckliche Ausſchmuͤckung eines Gar - tengebaͤudes. In dem uͤbrigen Theil des Gartenplatzes erſchienen bald Marmor - baͤnke, die ſich zum Ausruhen darboten, bey welchen anmuthige Quellen umher rie - ſelten, die hie und da hingeleitet das Gruͤne durch Waͤſſerung belebten; bald ſprin - gendes Waſſer oder Fontainen, (oft faͤlſchlich fuͤr eine Erfindung der Neuern ausgege - ben,) die ſich in marmorne Becken goſſen; bald Gaͤnge, die von Buchsbaum durch - ſchnitten und eingefaßt waren. Außer den Proſpecten, die das Innere des Gartens ſelbſt verſchaffte, hatte man Ausſichten auf Weinberge, Felder, Wieſen, Berge, Waͤlder voll natuͤrlicher Schoͤnheit; Ausſichten, die den Aufenthalt im Garten er - goͤtzender machen mußten, ohne daß eben dadurch ſeine Einrichtung ſelbſt zu einem Muſter erhoben werden koͤnnte, wie man unbedaͤchtig vorgegeben hat.

Wer ſelbſt unterſucht hat, der wird noch immer eingeſtehen, daß es ſehr ſchwer iſt, ſich von der Anlage und Verbindung aller Gegenſtaͤnde dieſes Gartens einen ganz beſtimmten Begriff zu machen; wenn man nicht etwa, wie Felibien, nach demI Band. DModell,26Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenModell, das man ſich einmal von einem Garten in den Kopf geſetzt hat, einen roͤ - miſchen Garten beurtheilen, und Geſtalt und Stelle der Sachen nach Willkuͤhr aͤndern will.

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III. Gaͤrten der Neuern.

Aber dahin iſt alle die Herrlichkeit der Villen, die ehemals das roͤmiſche Italien zierten. Die Zeit, das Erdbeben, das Meer, die Verwuͤſtungen der Vulca - nen und der Barbaren haben davon nichts als einige Ruinen uͤbrig gelaſſen; und von der unzaͤhligen Menge der Landhaͤuſer iſt nicht ein einziges ganz verſchont geblieben. Oede, menſchenleer und von einer boͤſen Luft angeſteckt, trauren jetzt ſo viele Gegen - den, wo praͤchtige Villen umher die angenehmſten und fruchtbarſten Landſchaften be - ſchatteten. Wo Luſtwaͤlder dufteten, da rauchen jetzt Vulcane; und an eben den Stellen, wo die Luculle in Palaͤſten voll Marmor und Gold die Einkuͤnfte von Pro - vinzen an einem Abend verſchmaußten, ſchmachtet jetzt ein armes Volk in elenden Huͤtten. Mit Empfindungen vermiſcht von Ehrfurcht, die das Alterthum einfloͤßt, und von Wehmuth, die der Anblick der Zerſtoͤrung ſchoͤner Werke erregt, betrachtet der Reiſende die Ueberbleibſel, die hie und da dem Auge begegnen, und zum Theil von den Haͤnden der Unwiſſenheit verworfen, verbauet und dadurch noch unkenntlicher gemacht ſind. Ein Verluſt, den alle uͤbriggebliebene Beſchreibungen, ſo verſtaͤnd - lich ſie ehemals moͤgen geweſen ſeyn, und ſelbſt ſo manche nur wahrſcheinliche Abbil - dungen nicht erſetzen koͤnnen.

Die27der Alten und der Neuen.

Die Zeiten, die nach dem Ende der roͤmiſchen Republik folgten, die Gewalt - thaͤtigkeiten verſchiedener Kaiſer, die Einfaͤlle barbariſcher Voͤlker, und die mit un - zaͤhligen Unruhen wieder einreißende Wildheit, unterdruͤckten den Geſchmack an dem Landleben, je mehr jetzt die ſchoͤne Natur und die vormals ſo angenehmen Landſitze verheert wurden. So viele Verwuͤſtungen, die ſchnell hinter einander in Italien einſtuͤrmten, mußten auch dieſen reizenden Scenen, wie vielen andern, bald einen voͤlligen Untergang zuziehen. Der Barbar ſiegte uͤber den Menſchen, wie uͤber die Kuͤnſte. Die Waffen wurden wieder die vornehmſte Beſchaͤftigung. Und die Ver - miſchung der aberglaͤubiſchen Geſinnung mit der kriegeriſchen mußte bald einen Geiſt ausbreiten, der von der edeln Einfalt und von den reinen Freuden der Natur abfuͤhrte. Die Vermengung ſo vieler verſchiedener Voͤlkerſchaften half nicht weniger einen ver - dorbenen Geſchmack ausbreiten. Das unbeſchuͤtzte Eigenthum ward geraubt und verwuͤſtet; und wenn der Feldbau noch einige Cultur empfieng, ſo war es blos Noth - durft, die dazu trieb.

Man fieng an die Gegenden fuͤr die ſchoͤnſten zu halten, wo ein Kloſter ſich neben dem andern erhob. Die Baukunſt ſchien ſich ein Verdienſt der Heiligkeit daraus zu machen, blos Capellen und Kirchen zu errichten. Und wenn ſie ſich mit andern Gebaͤuden befaßte, ſo waren es gothiſche Klumpen von Schloͤſſern, mehr zur Vertheidigung, als zur Anmuth, mehr ſchrecklich als ſchoͤn, auf ſteilen Felſen in wilden Gegenden aufgethuͤrmt.

Indeſſen waren bis ins zwoͤlfte Jahrhundert die Moͤnche faſt die einzigen, die ſich des verlaſſenen Landbaues annahmen. Ihr Eifer trieb ſie zum Theil in einſame Wuͤſten und ungeſunde Gegenden, in Waldungen und Gebirge, um der Verfuͤhrung der Zeit auszuweichen und die Sinnlichkeit zu bekaͤmpfen. Hier bebaueten ſie ſo manche Wildniß mit eigenen Haͤnden. Die Fuͤrſten ſchenkten ihrem Fleiße Laͤnde - reyen, Wohnungen und Knechte. Dieſes Verdienſt, das Land durch Anbau aus ſeiner alten Unfruchtbarkeit, worin es unter den Einfaͤllen barbariſcher Voͤlker ver - ſunken war, heraus zu reißen, erwarben ſich beſonders die Baſilianer und Bene - dictiner in Italien. Auch in Frankreich, in England und Schottland waren die Moͤnche die erſten Verbeſſerer des Landes. Ohne ihre nuͤtzliche Beſchaͤftigung waͤren viele Gegenden, die jetzt tauſend Menſchen ernaͤhren, Einoͤden, Moraͤſte und ein Aufenthalt wilder Thiere geblieben.

Allein die Barbarey der Zeit war noch zu maͤchtig, als daß bey dieſer Liebe zum Landbau ſich zugleich ſchon ein guter Geſchmack an Luſtgaͤrten haͤtte erheben koͤn - nen. Dieſem naͤherten ſich am meiſten die ſpaͤter errichteten Moͤnchsorden, die inD 2der28Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtender Abſicht, ſich die Wiſſenſchaften zum bequemen Geſchaͤft zu machen, die ruhig - ſten, heiterſten und anmuthigſten Gegenden zum Aufenthalt auswaͤhlten.

Mit der allmaͤhligen Wiederherſtellung des Friedens, der Vernunft und der Kuͤnſte kehrte hin und wieder der Menſch zu ſich ſelbſt zuruͤck, und naͤherte ſich wieder den unſchuldigen Freuden des Landlebens. Die ſchoͤne Baukunſt, die mit der Zu - ruͤckkehr der uͤbrigen Kuͤnſte in Italien aus den alten Ruinen gleichſam von neuem geboren ward, fieng nach und nach an ſich auch uͤber die Landhaͤuſer auszubreiten. Das Land ward wieder mit froher Empfindung bewohnt, und heitrer gieng die Sonne uͤber die Landſchaften auf, wo der Menſch ſich von neuem gluͤcklich fuͤhlte.

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1. Gaͤrten in Italien.

Nach ſo mannichfaltigen Umwaͤlzungen und Verheerungen, wodurch Italien viele Jahrhunderte hindurch entkraͤftet und von ſeiner alten Schoͤnheit herabgeſetzt worden, fieng es endlich wieder an die Erquickungen des Friedens zu genießen. Die Freyheit, zu welcher ſich verſchiedene Staͤdte wieder erhoben, der Reichthum, den der Handel verſchaffte, die Kenntniß und der Edelmuth einiger Paͤbſte und Fuͤrſten erweckte allmaͤhlig die Liebe der ſchoͤnen Kuͤnſte, und breitete in den Geiſtern mehr Heiterkeit, in den Empfindungen mehr Verfeinerung aus. Die ſchoͤnen Kuͤnſte ſchritten bald einer Vollkommenheit nach der andern entgegen, nachdem ſie ſich nur erſt einmal aus der alten Nacht hervorgearbeitet hatten. Nur blieb bey dieſer faſtallge -29der Alten und der Neuen. allgemeinen Wiedererweckung des Gefuͤhls fuͤr das Schoͤne die Gartenkunſt noch lange vergeſſen.

So leicht es, dem Anſcheine nach, haͤtte ſeyn ſollen, auf die Spur der wahren Schoͤnheit in den Gaͤrten zu kommen, ſo lange dauerte es doch, ehe man ſie finden konnte. Das Anſtaͤndige, Harmoniſche, Schoͤne war ſchon in hundert Werken der Malerkunſt aufgeſtellt; und eben die Nationen, die dieſe Werke geliefert hatten, wußten noch nicht, was ſie mit den Gaͤrten anfangen ſollten, und uͤberließen ſie den albernen Einfaͤllen der Unwiſſenheit oder einer ungluͤcklichen Verkuͤnſtelung. Ja, was dieſe Bemerkung noch auffallender macht, ſo waren die vortrefflichſten Landſchaft - gemaͤlde vorhanden; viele Kuͤnſtler in Italien, den Niederlanden und Frankreich hatten darin das Reizende der Natur, die ſie nach ihren ſchoͤnſten Seiten ſtudirten, in dem ganzen Umfang nachgebildet, den nur die Graͤnzen der Kunſt verſtatten. Und noch immer dachte man nicht daran, daß der Garten eine Landſchaft im Kleinen ſeyn ſollte, abgeſondert von der großen Maſſe einer Provinz, und durch den gefaͤlligen Beyſtand der Kunſt in natuͤrlicher Schoͤnheit erhoben.

Addiſon*)Anmerkungen uͤber Italien.glaubte, daß die Franzoſen die erſte Einrichtung ihrer Gaͤrten von den Italienern genommen haͤtten; eine Meynung, fuͤr welche er die Beweiſe ſchuldig geblieben iſt. Vielmehr koͤnnte man behaupten, daß die Franzoſen ihren Geſchmack den Italienern zugebracht haben; wenigſtens iſt ſo viel gewiß, daß le Note nach Italien gieng, daß er da verſchiedene Gaͤrten anlegte, und daß ſein Ge - ſchmack noch jetzt in manchen Gegenden dieſes Landes ſichtbar iſt.

Unlaͤugbar iſt es inzwiſchen, daß die Italiener ſchon vor den Zeiten des le Notre ihre Luſtgaͤrten hatten. Der beruͤhmte Montaigne, der gegen das Ende des ſechzehnten Jahrhunderts in Italien reiſete, hat uns eine Nachricht von eini - gen Gaͤrten hinterlaſſen, die hinlaͤnglich beweiſet, wie fehlerhaft ſie noch zu einer Zeit waren, wo die groͤßten Genies an der Wiederherſtellung der uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſte arbeiteten. Und dieſe Gaͤrten fand nicht allein der gute Montaigne ſehr ſchoͤn, ſon - dern ſie waren auch zu der Zeit ſo beruͤhmt, daß man Schriften und Abbildungen von ihnen hatte. **)Von dieſen Gaͤrten lag einer zu Ba - gnaja, der andere bey Tivoli; der erſte gehoͤrte dem Cardinal Gambara, der an - dere dem Cardinal von Ferrare. Ich will nur einige Stellen in der alten drolligenSprache des Montaigne, die ſich hier treff - lich zu dem Gegenſtande ſchickt, anfuͤhren. La muſique des orgues, qui eſt une vraie muſique & d’orgues naturelles, ſonans touſiours toutefois une mesme choſe, ſe faict par le moien de l’eau qui tumbe aveqgrand

D 3Volkmann30Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Volkmann,*)Nachrichten von Italien, 1ſter Band. deſſen Urtheil Glauben verdienet, verſichert von den jetzigen Gaͤrten der Italiener, daß ſie nicht das bedeuten, was ſie ſich davon einbilden. Die Anlage, ſagt er, iſt ſimpler, als die von den franzoͤſiſchen; man findet aber auch keine ſolche praͤchtige Alleen, ſolche hohe Hecken, ſo viele kleine Cabinette und Abwechſelungen darin. Inzwiſchen gefallen ſie vielleicht den meiſten Reiſenden aus noͤrdlichen Gegenden, beſonders wegen der Neuheit der Gewaͤchſe, welche man bey uns vergebens ſucht; dahin gehoͤren die verſchiedenen immer gruͤnenden Baͤume. Die Waſſerwerke ſind in der That meiſtens bloße Spielwerke, wenn die Italiener, die nichts beſſers kennen, ſie gleich fuͤr unverbeſſerlich halten. Sie beſtehen groͤßten - theils aus Fontainen, mit einem niedrigen duͤnnen Strahl, der auf allerley Art ver - aͤndert werden kann, aus kleinen mit wenigem Waſſer verſehenen Caſcaden und der - gleichen Stuͤcken.

Gleichwohl zeichnen ſich nach der Beſchreibung eben dieſes Schriftſtellers ver - ſchiedene groͤßere Gaͤrten aus: um Turin die bey den Luftſchloͤſſern Venerie, Stu - pinigi und Vigne de la Reine; zu Florenz Boboli; zu Rom die Vaticani - ſchen Gaͤrten, der ausgedehnte Ludoviſiſche Garten, und die bey den Villen Cor - ſini und Medicis die ihre Schoͤnheiten haben von der angenehmen Lage, denabwech -**)grand violance dans unè cave ronde, voutée, & agite l’air qui y eſt, & le con - treint de gaigner, pour ſortir, les tuyaus des orgues & lui fournit de vent. Un autre eau pouſſant une roue à tout cer - teines dents, faict batre par certein or - dre le clavier des orgues; on y oit auſſi le ſon de Trompetes contrefaict. Ailleurs on oit le chant des oiſeaus, qui ſont des petites flutes de bronſe qu’on voit aus regales, & randent le ſon pareil à ce petits pots de terre pleins d’eau que les petits enfants ſouflent par le bec, cela par artifice pareil aus orgues, & puis par autres reſſorts on faict rémuer un hibou, qui, ſe preſentant ſur le haut de la roche, faict ſoudein ceſſer cete harmonie, les oiſeaus étant effraïés de ſa preſance, & puis leur faict encoreplace. Ailleurs il ſort come un bruit de coups de canon; ailleurs un bruit pluis dru & menu, come des harquebu - ſades: cela ſe faict par une chute d’eau ſoudeine dans des canaux, & l’air ſe tra - vaillant en mesme tamps d’en ſortir, enjandre ce bruit. On voit une py - ramide fort élevée qui jette de l’eau de pluſieurs manieres differentes. Autour de la pyramide ſont quatre petits lacs; au milieu de chacun eſt une gondole de pierre, montée par deux arquebuſiers, qui, après avoir pompé l’eau, la lancent avec leurs arbalêtes contre la pyramide, & par un Trompette qui tire auſſi de l’eau &c. Journal du Voyage en Italie. Rome, 1774. 12. Tom. 2. pag. 207. &c. Tom. 3. pag. 347. u. ſ. w.31der Alten und der Neuen. abwechſelnden Durchſchnitten, maleriſchen Proſpecten, Alleen, kleinen Luſtwaͤldern, Blumenparterren, Raſenſtuͤcken, Grotten, Statuen die zum Theil die Nachah - mung des aͤltern franzoͤſiſchen Geſchmacks verrathen, aber mit noch mehr kleinen Spielwerken angefuͤllt ſind.

Italien iſt indeſſen voll ſowohl von edlen Landhaͤuſern, als auch von Vignen, oder kleinen Luſthaͤuſern, worin man außer der Stadt freye Luft ſchoͤpft, und die mit anmuthigen Weingaͤrten umzogen ſind. Durch den Geiſt der beruͤhmteſten Architek - ten, beſonders eines Palladio, Scamozzi, haben ſich um Turin, Mayland, Vi - cenz, Padua, Florenz, Venedig und Rom Landhaͤuſer*)Abbildungen verſchiedener ſchoͤner Landhaͤuſer des venetianiſchen Adels von Palladio aufgefuͤhrt ſ. in ſeiner Architet - tura, und in Sandrats Palatiorum Roman. Pars II. cui acceſſerunt Andreae Palladii praedia aedesque hortenſes in ſtatu Ve - neto exſtructae. Fol. Nuͤrnberg 1694. Plans und Aufriſſe von den durch Sca - mozzi theils angelegten, theils verbeſſerten Villen um Vicenz, Padua und Venedig ſ. in ſeiner Idea dell Architettura univer - ſale. Die Landhaͤuſer der Venetianer an der Brenta ſind von dem Architekten und Maler Coſta in Kupfer gebracht in dem Werke: Delizie del ſiume di Brenta,cioè vedute de Palazzi e caſini, che ſi vedono lungo la Brenta ſino a Padua, diſegnate ed inciſe da Gianfr. Coſta etc. fol. Ven. 1750-1756. 2 Theile. Noch hat man von den toſcaniſchen Villen ein eigenes Werk: Vedute delle Ville e d’al - tri luoghi della Toſcana. Fol. Florenz 1757. 50 Blaͤtter. Nur wenige von den hier abgebildeten toſcaniſchen Villen ſind in einem reinen Geſchmack; die meiſten von einer ſonderbaren Architektur, mit allerley Verzierungen uͤberladen; einige blos alt - gothiſche unfoͤrmliche Klumpen. Der Stich iſt von verſchiedenen Kuͤnſtlern und von ungleichem Werth.erhoben, die ſich durch die ſchoͤne Architektur empfehlen, und an die roͤmiſchen Villen eine angenehme Zu - ruͤckerinnerung erwecken. Die Ufer der Brenta ſind uͤberall mit Villen bepflanzt. Nahe vor Florenz bringen die ſchoͤnen Landhaͤuſer, die ſehr zahlreich, ſehr weiß und hin und wieder unter den angebauten Huͤgeln und gruͤnen Plaͤtzen zerſtreuet ſind, eine aͤußerſt angenehme Wirkung fuͤr das Auge hervor. In vielen Gegenden von Toſca - na prangen uͤberall die Huͤgel mit Villen, die zuweilen mit Luſtſchloͤſſern abwechſeln; von den mit Wein, Oel - und Obſtbaͤumen bepflanzten Hoͤhen genießen ſie ſehr reizende Ausſichten, und eine reine geſunde Luft. Bey Genua ſind die beyden Ufer des Meeres mit praͤchtigen Luſthaͤufern bedeckt. Nicht weniger ſind die romantiſchen Landſchaften des Meerbuſens von Neapel bis Portici, und ſelbſt verſchiedene Striche in Sicilien, mit Villen und Luſtgaͤrten verſchoͤnert.

Noch einen Blick, ehe wir dieſes Land verlaſſen, muͤſſen wir auf den Garten auf der Iſola Bella, der beruͤhmteſten unter den Borromaͤiſchen Inſeln werfen,einen32Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrteneinen Garten, deſſen Anlage auf einem vormals ganz unfruchtbaren Felſen faſt eben ſo einzig in ihrer Art iſt, als die von den babyloniſchen Gaͤrten. Der Garten*)Volkmanns Nachrichten von Ita - lien, 1ſter B. Eine Abbildung dieſer In - ſel iſt in Keyßlers Reiſen, 1ſter Theil. Marcus Antonius del , ein meylaͤndi -ſcher Kupferſtecher, hat von der Iſola Bella einen großen Kupferſtich, und von beyden Inſeln acht andere kleinere heraus - gegeben.zeigt ſich vom weiten als eine Pyramide, weil er aus zehn Terraſſen beſteht, die im - mer abnehmen oder ſpitzer zuſammenlaufen. Auf der oberſten, die ſechzig Ellen uͤber dem Meer erhaben und fuͤnf und vierzig Schritte lang iſt, hat man eine herrliche Ausſicht. Sie iſt mit Quaderſteinen gepflaſtert, auf welchen das Regenwaſſer in den unten verborgenen Ciſternen geſammelt und durch Roͤhren zu den Waſſerwerken geleitet wird. An den vier Ecken der oberſten und untern Terraſſen ſtehen große ſteinerne Statuen. Jede der neun untern Terraſſen hat einen breiten, mit Citronen, Pomeranzen und andern dergleichen Baͤumen beſetzten Spaziergang, woran man das ganze Jahr hindurch Bluͤthen und Fruͤchte ſieht. Die Myrthen-Lorbeer - und Pfirſchenbaͤume bleiben im Winter frey ſtehen. Der ganze Garten liegt gegen Mittag. Zu beyden Seiten ſind zwey ſchoͤne Gartenhaͤuſer in der Form von Thuͤr - men angebracht, deren untere Zimmer mit dem See in gleicher Linie liegen, und mit ſchoͤnem rothen und ſchwarzen Marmor verziert ſind. Linker Hand des Gartens be - merkt man einen bedeckten auf ſteinernen Saͤulen ruhenden Gang, der mit Citronen - baͤumen beſetzt iſt. Auf der andern Seite koͤmmt man in eine Allee mit fuͤnffach ſtehenden großen Pomeranzenbaͤumen. Das Wohngebaͤude iſt weitlaͤuftig, von guter Architektur und mit vielen Gemaͤlden geziert. Das Angenehmſte darin ſind die untern Zimmer, woran beſtaͤndig die Wellen des Sees ſpuͤlen. Sie ſind als Grotten mit allerley Muſchel - und Marmorwerke verziert; in den heißen Tagen des Sommers kann man ſich keinen angenehmern Ort gedenken. Aus einer Grotte von baͤuriſchem Werk ſteigt man mittelſt einer gedoppelten Treppe auf die vorgedachte hohe Terraſſe. Hier genießt man eine Ausſicht, dergleichen wenig gefunden wird. Auf einer Seite liegen die Alpen, welche ſich in dreyfachen Abſaͤtzen oder Bergen erheben. Unten ſind ſie ſehr fleißig angebaut, etwas hoͤher mit Waldung beſetzt, und oben mit Eiß und Schnee bedeckt. Inſonderheit iſt der Anblick des Mor - gens, wenn die erſten Stralen von den Eisſpitzen zuruͤckprallen, vortrefflich. Auf der andern Seite ſieht man uͤber die große Flaͤche des Sees bis an das oͤſtliche Ufer, und gegen Norden ein fruchtbares Ufer, das mit Weinbergen, Flecken und kleinen Staͤdten beſaͤet iſt. Der Anblick des Sees ſelbſt iſt nicht weniger ſchoͤn; außerdem33der Alten und der Neuen. dem hellen Waſſer und einer Menge von Waſſervoͤgeln ſieht man den ganzen Tag viele Fiſcherboͤte und kleine Schiffe, welche die Waaren zwiſchen der Schweiz und Italien hin und herfuͤhren, darauf herumſegeln.

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2. Gaͤrten in der Schweiz.

Die Verbindung der Alpen fuͤhrt uns nach der Schweiz. Wenn die Na - tur ein Land gebildet hat, das mit einer erſtaunlichen Groͤße und Mannigfaltigkeit heroiſcher Gegenſtaͤnde eine vorzuͤgliche Annehmlichkeit der Ausſichten vereinigt, ſo iſt es die Schweiz. Es ſcheint, daß die Natur hier gleichſam ganz Original ſeyn wollen, ſo kuͤhn, ſo ſeltſam und auffallend iſt ihre maleriſche Manier; und auswaͤr - tige Landſchaftmaler, die dieſe Gegenden nachbilden wollten, fuͤhlten es bald zum Er - ſtaunen, wie weit der Charakter dieſer landſchaftlichen Proſpecte ſich uͤber andere er - hebt. Ich rede nicht von den wilden Gegenden, wo die Natur nichts als ihre Schreckniſſe und Schauer gehaͤuft hat, ſondern von den milden Strichen, die ſich durch eine Sammlung aller landſchaftlichen Reize auszeichnen, die von dem Anblick jener fuͤrchterlichen Gebirge entweder entlegen ſind, oder nur in der Ferne ihren ſchim - mernden Gipfel ſich erheben und vom aͤußerſten Horizont her eine gewiſſe feyerliche Majeſtaͤt verbreiten ſehen. Die beſtaͤndige Abwechſelung von Erhoͤhungen und Ver - tiefungen; die Huͤgel, die Berge, die Gebirge, mit ihren Waldungen und Weiden,I Band. Emit34Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenmit ihren grauen felſigten Hoͤhen, gebrochenen Abſaͤtzen und Waſſerfaͤllen, mit ihren Doͤrfern und bebaueten Plaͤtzen; die Seen und Fluͤſſe in den Ebenen; die Viehtrif - ten; die einzeln zerſtreuten Huͤtten der Freyheit; die groͤßtentheils kuͤhnen Lagen der Staͤdte und alter Schloͤſſer; die reizenden Fluren voll Obſtbaͤume und Weingaͤrten alles dieſes vereinigt ſich, eine ſo unendliche Mannigfaltigkeit von ſchoͤnen Proſpecten zu bilden, deren ſich nur wenige Weltgegenden ruͤhmen koͤnnen. Der Freund des Landlebens hat hier alſo einen weſentlichen Theil ſeines Vergnuͤgens, eine Menge zau - beriſcher Ausſichten, die er aus ſeinem Garten genießen kann, und deren froher Ge - nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derſelben belebte. *)Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend. Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776.Die ſanften Ab - haͤnge der Berge bieten ihm die ſchoͤnſten Lagen fuͤr Landhaͤuſer an, und von den Hoͤhen herab eilt ihm das reinſte Waſſer freywillig entgegen.

Weil die Natur ſich ſo mild gegen die Schweizer beweiſet, ſo folgen ſie auch ihrem Wink. Ihre Gaͤrten ſind faſt durchgehends Schauplaͤtze wahrer natuͤrlicher Schoͤnheiten, entfernt von leeren Zierrathen und kleinen Kuͤnſteleyen. Ausgedehnte Ausſichten, die ſchoͤnſten Wieſen in der Naͤhe rings umher, viel ſpringendes Gewaͤſſer, Fruchtbaͤume, Weinreben, zuweilen ein Blumenbeet, erhoͤhete Raſenſitze, von wel - chen das Auge frey in die umherliegende Gegend ſchweifen kann, einige ſchattigte Lauben, nur ſehr ſelten eine Statue. Indem Natur und Fleiß die Landſchaft umher zu verſchoͤnern wetteifern, ſo begnuͤgt man ſich mit dem Genuß dieſer Reizun - gen, und verachtet die eiteln Bemuͤhungen, den Gartenplatz mit Taͤndeleyen zu fuͤllen. In ihren Landhaͤuſern iſt keine Pracht, nur Bequemlichkeit; ſie empfehlen ſich mehr durch die geſunde und herrliche Lage, als durch die Architektur.

Und wie viele reizende Gegenden dieſes Landes ſind nicht mit Landhaͤuſern und Gaͤrten bebauet! Die beyden Ufer des Zuͤrcher Sees, deſſen Schoͤnheit nur ein Geßner in der Idylle, nur ein Aberli im Gemaͤlde nachbilden kann, ſind zwiſchen einer Menge reicher Doͤrfer mit Landguͤtern und Luſtgaͤrten bepflanzt. Hinter ihnen erhebt ſich ein langes Gebirge voll der fruchtbarſten Weinſtoͤcke; noch hoͤher erſcheinen Felder und Wieſen in der anmuthigſten Abwechſelung, und Tannenwaͤlder ſchließen den dunklern Geſichtskreis. Nicht weniger iſt die Gegend um den Genferſee mit Landhaͤuſern beſaͤet, die ſich unter ſo mancherley ſchoͤnen Ausſichten mit einem male - riſchen Reiz heben, und in der Ferne auf das Auge des Reiſenden eine bezaubernde Wirkung thun. Wohin ſich der Blick wendet, wird er durch die Ausſicht entzuͤcket, bald nach dem praͤchtigen See hin und den Segeln, die ihn beleben, bald nach den Luſtgefilden, Weinbergen, Wieſen, Waͤldchen, Hirtenhuͤtten, die ſeine Ufer um -zingeln,35der Alten und der Neuen. zingeln, bald nach dem Amphitheater grauer Gebirge, die an der einen Seite ſich mit den Wolken vergeſellſchaften. Ich uͤbergehe die Gegend von Murten bis Lau - ſanne, den Strich von Biel, die Ufer des Neufchateler Sees die voll von Landhaͤuſern ſind mitten unter den ſanften Reizungen, womit der Himmel je eine Landſchaft beſeligte.

Auch verſtehen ſich die Schweizer in dieſen zauberiſchen Gefilden ſehr gut auf die Vortheile des Landlebens. Im Sommer ſind faſt alle Staͤdte leer. Wer auch nur ein mittelmaͤßiges Vermoͤgen hat, wendet es auf den Ankauf eines Landgutes oder Sommerhauſes, und bringt da mit ſeiner Familie die ſchoͤnen Monate des Jah - res zu, bis die Weinleſe mit den ihr eigenen Luſtbarkeiten geendigt iſt.

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3. Gaͤrten in Frankreich.

Der Nationalgeſchmack der Franzoſen, der nach Taͤndeley und Schimmer haſcht, hat die Neigung zum Landleben faſt ganz bey der Nation vertilgt. Auch giebt die elende Bebauung der Felder faſt in allen Provinzen, und die Unterdruͤckung, die Armuth, der Schmuz, worin der Landmann lebt, wenig Anlockung. Die Ge - winnſucht verſammelt die Menſchen in den Staͤdten; Galanterie und Vergnuͤgen der Geſellſchaft beſchaͤftigen die vornehmern Familien; und die von der erſten Claſſe ſind im beſtaͤndigen Gedraͤnge, um an den Hof zu kommen, und da die Eitelkeiten der Ehrſucht zu befriedigen. Der Schimmer des Hofes iſt fuͤr das Auge der Nation ſo blendend, daß ein Miniſter faſt kein groͤßeres Ungluͤck zu kennen ſcheint, als wennE 2ihm36Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenihm die Veraͤnderlichkeit des Cabinets Gelegenheit giebt, auf ſein vaͤterliches Land - gut zuruͤckzukehren.

Die Franzoſen haben daher in Vergleichung mit den Nationen, die auf eben der Stufe der Cultur ſtehen, nicht gar viel erhebliche Landhaͤuſer und Gaͤrten. Denn die beruͤhmten Gaͤrten zu Verſailles, Marly, Fontainebleau u. ſ. w. ſind Gaͤrten des Koͤnigs, nicht der Nation. Die Beſchreibungen dieſer Gaͤrten ſind mit den Abbildungen ſo haͤufig geworden, daß man es nicht mehr wagen darf, noch eine da - von zu wiederholen. *)Einige der vornehmſten ſind dieſe. Deſcription de Paris, de Verſailles, de Marly, de Meudon, de St. Cloud, de Fontainebleau &c. par Piganiol de la For - ce. Paris 1736. 1742. 8 Vol. in 12. Les Délices de Verſailles, de Trianon & de Marly par Edelinck. Paris 1713. in 12. 1751. in 8. 2 Vol. Nouvelle Deſcription de Verſailles & de Marly in 8. Paris 1738. Man hat außerdem von Verſailles eine Beſchreibung mit Kupf. von Monicart in 2 Th. 4. Paris 1720. und viele Plane und perſpectiviſche Aus - ſichten von Potre, Perelle, Menaut, La -monce, Sallé, Girard u. ſ. w. Die Statuen, Fontainen, Grotten u. ſ. w. ſind einzeln ebenfalls oft beſchrieben, wohin unter andern gehoͤrt: Recueil des Figures, Groupes, Termes, Fontaines, Vaſes, Sta - tues & autres ornemens de Verſailles, gravé par Sim. Thomaſſin. IV Tom. Am - ſterd. 4. 1695. mit 218 Kupf. Archi - tecture des Jardins, kl. Fol. Paris 1762. mit 70 Blaͤttern. Auch findet man Ab - bildungen von franzoͤſtſchen Luſtſchloͤſſern und Gaͤrten in großer Anzahl in Mallets Geometrie practique, gr. 8. 4 Tom. Paris 1702. vornehmlich im erſten Theil.

Ehe Ludwig der Vierzehnte erſchien, waren freylich die Gaͤrten in Frank - reich ein bloßer Sammelplatz von Baͤumen, Blumen, Raſen und Waſſer, mit ſo wenig Geſchmack und Abſicht, daß nach der Ausſage der Franzoſen nichts wilder und nachlaͤßiger war. Und doch waren wohl dieſe Gaͤrten, worin vielleicht nur der Geiſt der Anordnung fehlte, mehr der Natur gemaͤß, als die, welche nachher mit ſo ungeheuern Koſten und unter einem ſo rauſchenden Beyfall angelegt wurden. Man ſah in den koͤniglichen Gaͤrten zu Verſailles, Marly, St. Germain, Chantilly, Meudon und andern zierlich gezirkelte Blumenbeete, Terraſſen, Fontainen, große Waſſerkuͤnſte, hohe Hecken, Gitterwerke, Labyrinthe, Grotten, Statuen, geſchnitz - te Arbeit; alle dieſe Scenen ſah man entſtehen, und unter ihrem Pomp und Ueber - fluß zugleich die Natur verſchwinden. Es mochten Schoͤnheiten fuͤr den fluͤchtigen Begaffer ſeyn: aber nach den Grundſaͤtzen einer aͤchten Gartenkunſt waren es uͤber - triebene, und zum Theil uͤbel angebrachte Kuͤnſteleyen; es mochte Empfindung darin ſeyn, aber eine falſche; Genie, aber ein ſolches, das aus Mangel einer gluͤcklichernRichtung37der Alten und der Neuen. Richtung ſeine Kraft verſchwendete. Nicht die Weitlaͤuftigkeit und die Pracht, die in dieſen Gaͤrten herrſcht, auch nicht die haͤufigen Geldverſprechungen, die der ent - zuͤckte Ludwig mit jedem Augenblicke wiederholte, worin er die Entwuͤrſe des le Notre naͤher faßte, beweiſen, daß die Kunſt hier ein Vorrecht hatte, das Natuͤrliche zu verdraͤngen. Die Bemerkung, die Home*)Grundſaͤtze der Kritik, 2ter Th.daruͤber macht, iſt faſt beſchaͤmend. Man ſollte glauben, ſagt er, die Natur waͤre zu geringe gehalten worden, in den Werken eines großen Monarchen nachgeahmt zu werden, und daß man daher unna - tuͤrlichen Dingen den Vorzug gegeben, die man vermuthlich fuͤr wunderbar angeſehen hat. Der groͤßte Misbrauch, den man von der Kunſt gemacht, war gewiß der, da ſie Gegenſtaͤnde der Natur unter gewiſſe Regeln zwingen wollte, die ſich am we - nigſten auf ſie anwenden laſſen. Selbſt Schriftſteller,**)Aus Hunderten nur z. B. Pluche im Spectacle de la nature, das ſo allge - mein geleſen worden; die Verfaſſer der Ar - tikel in der Encyclopédie, welche die Gar - tenkunſt betreffen; d’Argenville in ſeiner Theorie & la practique du Jardinage, l’on traite à fond des beaux jardins &c. 4. 3me Edit. à la Haye 1739. mit vielen Kupfern. Die Vorſchriften des d’Argen - ville ſind etwas mehr uͤberlegt und hin und wieder durch Lectuͤre mehr aufgeklaͤrt,als man ſie bey andern Schriftſtellern fin - det, aber faſt durchgehends von den fran - zoͤſiſchen Gaͤrten, die er fuͤr Muſter hielt, abgezogen. Wer den aͤltern franzoͤſiſchen Gartengeſchmack unter gewiſſe Regeln ge - bracht ſehen will, der kann hier befriedigt werden. Auch gehoͤren hieher faſt alle aͤl - tern Architekturlehrer, und unter ihnen ſelbſt der ſo ſehr geprieſene Blondel in ſeinem Werk: de la Diſtribution des Maiſons de Plaiſance &c. 4. 2 Tom. Paris 1737-1738. in den Kapiteln, wo von der Auszierung der Gaͤrten die Rede iſt. durch Gewohnheit und Vorurtheil verleitet, vergaßen ſich ſo weit, daß ſie dieſen Geſchmack oͤffentlich zu em - pfehlen und ihn zu einem allgemeinen Geſetz zu erheben ſuchten. Andere erroͤtheten nicht vor nicht gar langer Zeit, es noch als einen Ruhm anzufuͤhren, daß dieſe ge - zierte Gartenkunſt vor allen ſchoͤnen Kuͤnſten in ihrem Vaterlande das beſondere Gluͤck gehabt, daß ſie bisher noch nicht ausgeartet ſey, das iſt, ſich nicht verbeſſert habe.

Man hat bey der Anlage einiger Gaͤrten des Koͤnigs von Frankreich allerdings Wunder gethan, aber ſolche, die bey den freywilligen Wirkungen der Natur in an - dern Gegenden uͤberfluͤßig waren, und deren Abſicht auf einem ganz andern Wege haͤtte wirklich erreicht werden koͤnnen. Erſtaunen und Bewunderung im Anfang, bald darauf Langeweile, und dann Ekel, dies iſt die Wirkung, die ſelbſt die beruͤhm - ten Gaͤrten von Verſailles haben, denen uͤbrigens ſchon mehr als ein Vorwurf ge - macht worden iſt.

E 3Indeſſen38Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Indeſſen hatte das Anſehen dieſer Gaͤrten, verſtaͤrkt durch den allgemeinen Ruhm des franzoͤſiſchen Witzes, den Erfolg, daß dieſer Geſchmack in der Garten - kunſt ſich weiter ausbreitete, oder ſich doch bey einigen Nationen mehr befeſtigte. Das Vorurtheil, daß nichts ſchoͤner ſey, als was unter dem vergoͤtterten Ludwig ausge - fuͤhret worden, feſſelte nicht blos den Franzoſen, es band auch den Auslaͤnder. Die Regelmaͤßigkeit ward uͤberall Mode, aber zugleich deſto ekelhafter, je mehr ſie von Groͤße und Pracht verlaſſen ward, die man vergebens mit hundert neuen kleinen Kuͤnſteleyen zu erſetzen ſuchte.

Haͤtte man ſich fruͤher bemuͤhet, mehr eine Unterſuchung des Charakters ſolcher Gaͤrten anzuſtellen, als uͤbertriebene Lobſpruͤche zu verſchwenden; waͤre man dabey be - dachtſam genug geweſen, nicht jede Kuͤnſteley fuͤr Schoͤnheit auszugeben: ſo wuͤrden ſie vielleicht, zwar nicht als allgemeine Muſter, aber als eine beſondere Gattung ſym - metriſcher und ausgezierter Gaͤrten, ſich in einiger Achtung erhalten haben. Allein das uͤbermaͤßige Geſchrey blinder Bewunderer, die Dinge fuͤr die einzigen und wah - ren Gartenſchoͤnheiten anſahen, die es nicht waren, mußte um ſo mehr den Wider - ſpruch der Kenner rege machen, je mehr der natuͤrliche Geſchmack der Britten ſich auszubreiten anfieng. Es iſt kein leerer Tadel, was ſchon Laugier*)Eſſai ſur l’Architecture. Paris 1753. S. 276. ſeq. und andere Maͤnner geſagt haben; ſondern es ſind gegruͤndete Einwuͤrfe, die jeder machen mußte, der von ſolchen Dingen zu urtheilen faͤhig war.

In unſern Tagen ſcheint die Aufklaͤrung uͤber die Gartenkunſt ſich aus Eng - land nach Frankreich verbreitet zu haben. Man hat einſehen gelernt, daß dieſe Kunſt, wenn ſie zu ihrer wahren Wuͤrde erhoben werden ſollte, ſo wenig als irgend eine der andern ſchoͤnen Kuͤnſte, das Unſchickliche, das Einfoͤrmige, das Gezierte vertrage, und daß ſie von einem ſichern Gefuͤhl des Schoͤnen und von einer geſunden Urtheilskraft geleitet werden muͤſſe. Man hat geſehen, wie Beobachtungen der Em - pfindung und die Kritik des Schoͤnen auch auf dieſe Kunſt ſich anwenden ließen; und man mußte dabey leicht wahrnehmen, daß eine nachlaͤßigere Einrichtung weit mehr gefaͤllt, als eine aͤngſtlich ausſtudirte Genauigkeit, daß aus dem Mangel der Freyheit und Mannigfaltigkeit Ekel und Ermuͤdung entſteht, daß unverſchloſſene und anmu - thige Ausſichten, Abwechſelung der Scenen und ſelbſt eine gewiſſe Wildniß den ſorg - faͤltigſten Abmeſſungen und der puͤnktlichſten Regelmaͤßigkeit unendlich weit vorzuzie - hen ſind, kurz, daß das durch die beſcheidene Kunſt verſchoͤnerte Natuͤrliche allein das Vorrecht behaͤlt, einen wahren angenehmen Eindruck zu machen, und ſelbſt den Ver - ſtand zu ergoͤtzen.

Die39der Alten und der Neuen.

Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, uͤber die alte ſymmetriſche Ma - nier zu ſpotten; die Enthuſiaſten erheben bis zur Ausſchweifung den eingebildeten Ge - ſchmack der Chineſer; die Kenner ſuchen auf dem Wege des Britten und der Na - tur die wahren Grundſaͤtze auf, denen die Bildung ſchoͤnerer Gaͤrten, als ihre Vor - fahren hatten, folgen muß. Man beſchaͤftigt ſich jetzt, neue Gaͤrten in einem rei - nern Geſchmack anzulegen, oder die alten zu verbeſſern. Ein Vertrauter der ſchoͤnen Kuͤnſte, ein Mann, der mit dem Geſchmack und der Philoſophie, womit er ſchreibt, auch ſeine Tage zu verſchoͤnern weiß, hat uns eine ſo angenehme Beſchreibung ſeines Gartens gegeben, daß der Liebhaber ſich ohne Zweifel freuen wird, ſie hier wieder zu finden. Er iſt fuͤr die Nation ein Muſter eines beſcheidenen und laͤndlichrei - zenden Gartens. Und hier wuͤrde der Genuß eines ſchoͤnen Fruͤhlingstages in dem Umgang ſeines Beſitzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Feſte von Verſailles.

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Garten des Herrn Watelet bey Paris. *)Eſſai ſur les Jardins par M. Watelet. Paris 8. 1774. S. 138. u. ſ. w.An einen Freund.

Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewaͤſſert der Fluß angenehme Wie - ſen; und indem er ſich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge Inſeln, die vondichten40Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtendichten Weiden und hohen Pappeln beſchattet werden. Die Ufer dieſer ſich ſchlaͤn - gelnden Canaͤle ſind uͤberall ſchattigt, und das friſche Waſſer erhaͤlt ſie beſtaͤndig gruͤn. Maleriſche Anſichten, Landſchaften, mit Doͤrfern und Schloͤſſern geziert, ſchmeicheln von allen Seiten dem Auge. Auf einem Platze von nicht großem Um - fange bringen die Mannigfaltigkeit und Unregelmaͤßigkeit des Grundes, die Kruͤm - mungen der Baͤche, die unabgemeſſene Stellung der Baͤume, Abhaͤnge, Inſeln, dahin fuͤhrende Daͤmme eine ſo angenehme Abwechſelung hervor, daß man aus dem kleinen Bezirke, worin man ſich befindet, nicht herauszutreten wuͤnſcht, und man ſie - het ſich durch eine Hecke von Weißdorn und durch die Ufer verſchiedener Canaͤle mehr zuruͤckgehalten, als eingeſchloſſen.

Dieſe ungemeine Gegend war lange vernachlaͤßigt worden. Die Schoͤnhei - ten, deren ſie faͤhig war, waren nur in der Moͤglichkeit, ſie wirklich zu machen, vor - handen, als ich vor ungefaͤhr zwanzig Jahren an einem Fruͤhlingstage dieſe reizende Lage entdeckte. Ich ließ mich uͤber den Fluß ſetzen, um in die Stadt zuruͤckzukeh - ren; ich war auf der Faͤhre ohne Bewegung, beſchaͤftigt mit meinen Freunden und mit den Kuͤnſten; zwey Gedanken, die mir ſo ſuͤß ſind, daß ich ihnen, wie Sie wiſſen, das Recht zugeſtanden habe, uͤber alle andere zu herrſchen. Ich ließ meine Blicke umherſchweifen. Das Gebuͤſche, das ich eben jetzt zu ſchildern verſucht habe, zog ſie auf ſich. Es bot mir auf eine halbe Viertelmeile weit eine zu angenehme Anſicht dar, als daß ich nicht haͤtte verlangen ſollen, ſie vollkommener zu genießen. Eine Wieſe, Waſſer, ſchattigte Buͤſche! Hier, ſagte ich zu mir ſelbſt, hier ſollte man, fern von dem ermuͤdenden und unfruchtbaren Getuͤmmel der großen Geſellſchaften, fern von der ſo kindiſchen und ſo traurigen Unruhe der Menſchen, die vergebens das Gluͤck ſuchen, von dem ſie ſich entfernen, hier ſollte man in Ruhe ſowohl die An - nehmlichkeiten der Wiſſenſchaften genießen, als auch die Schoͤnheiten der Natur.

Ich widerſtand dieſem Eindrucke nicht. Kaum war ich ans Land, als ich meine Schritte nach einem Orte richtete, der durch die Wirkung einer geheimen Sym - pathie mich zu ſich lockte. Ich gieng auf einem kleinen Wege uͤber eine blumenreiche Wieſe an den Ufern des Fluſſes hin, die nicht jaͤhe, ſondern bis an die Oberflaͤche des Waſſers ſanft abhaͤngig ſind. Ich kam auf einen mit Linden beſetzten Weg. Inſeln, von alten Weiden beſchattet, ſtellten ſich meinem Anblicke dar; eine kleine laͤndliche Wohnung brachte vor meinen Augen die Ideen, die ich mir gebildet hatte, zur Wirklichkeit. Dieſe Wohnung, die ſich an der Seite der Wieſe erhob, hatte ſo viel Simplicitaͤt, daß ſie einem Pfarrhauſe glich. Nahe am Hauſe bildet ein Quincunx von großen Pappeln und Linden eine Decke, welche die Sonne mit ihren heißeſten Stralen nicht durchdringen kann. Dieſer ſchattigte Aufenthalt erſtrecktſich41der Alten und der Neuen. ſich bis an das Ufer eines natuͤrlichen Canals, der von Inſeln und kleinen halb durch - geriſſenen Daͤmmen gebildet wird, wo der Lauf des Waſſers, das ſich bricht und im Entfliehen aufbrauſet, den Landſchaftern intereſſante Zufaͤlligkeiten darſtellet. Am Hauſe gegen die bunte Wieſe zu, auf welcher es wie auf einem praͤchtigen Teppiche ſteht, war ein kleiner Fruchtgarten, und auf der Seite des Fluſſes ſtellten vier Reihen Linden, die ſonſt vernachlaͤßigt wurden, aber vielen Schatten gaben, eine Art von zierlichem Zugang vor, wovon bisher kein Gebrauch gemacht war. Zwiſchen Mit - tag und Abend oͤffneten ſich meinem Auge die weiteſten und ſchoͤnſten Ausſichten.

Der Fluß geht an der Wieſe, die er bewaͤſſert, zwo oder drey Meilen fort, und verliert ſich zuletzt nach den fruchtbaren Huͤgeln zu, die den Horizont ſchließen.

Nicht weit von dem andern Ufer liegt ein Dorf, das durch eine hin - und wie - der gehende Faͤhre belebt iſt; weiter hin verſchoͤnern noch andere Doͤrfer und kleine Marktflecken die Scene; und dieſe abwechſelnde Gegenſtaͤnde fuͤhren das Auge bis zu den entfernteſten Bergen, uͤber welche eine Waſſerleitung geht. Auf der Mit - tagsſeite bringen ſehr betraͤchtliche Flecken andere Abwechſelungen hervor, und die ganze weite Gegend, die ſich umher zeigt, iſt durch alle Arten von Cultur und durch Fruchtbaͤume verſchoͤnert. Ueber dieſe Ebene erhebt ſich in der Entfernung ein kleiner einzeln ſtehender Berg, der die Einfoͤrmigkeit des Auftritts unterbricht.

Wenn man, das Haus im Geſicht, nach Morgen ſeine Blicke wendet, ſo ſieht man uͤber das Thal hin einen kleinen mit Wein bepflanzten Huͤgel, der ein nicht un - angenehmes Amphitheater darſtellt. Auf dieſem Huͤgel liegt ein Dorf, das einige wohlgebauete Haͤuſer mit abhaͤngigen Gaͤrten hat, die ſich ins Thal herunterziehen und den Blick laͤngſt der Wieſe hinleiten. Die Ausſicht wird durch entfernte An - hoͤhen begraͤnzt, uͤber welche noch hoͤhere Berge hervorragen und den Horizont ſchließen.

Auf der andern Seite des Canals erregten verſchiedene Inſeln, die damals unbe - bauet und von dieſer kleinen Laͤnderey unabhaͤngig waren, das Verlangen, noch weiter ſpazieren zu gehen und Anſichten zu ſuchen, die den beſchriebenen gleich waͤren.

Gegen Mitternacht liegt eine von Bergen eingeſchloſſene und mit Kirſchbaͤumen und Feigenbaͤumen umgebene kleine Stadt, welche mit der weit ausgedehnten Flaͤche des Waſſers und den artigen mit Baͤumen bekraͤnzten Wohnungen eine der ſchoͤnſten Anſichten dieſer reizenden Einoͤde bildet.

Eine ſo gluͤckliche Entdeckung blieb nicht ungenuͤtzt. Davon entzuͤckt zu wer - den, der Entſchluß, den Genuß davon mit Freunden zu theilen, ſie dahin zu fuͤhren, ihnen die empfangenen Eindruͤcke mitzutheilen, mit ihnen davon Beſitzer und Bewoh - ner zu werden: alles dieſes war das Werk einer kurzen Zeit.

I Band. FBald42Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Bald wußten die angenehmſten Kuͤnſte der Wohnung einige ihr mangelnde Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten zu geben, ohne der Simplicitaͤt, die ſich ſo - wohl mit der Natur vertraͤgt, Eintrag zu thun. Sie ſchmuͤckten ohne Pracht das Auswendige und Inwendige. Ein Kuͤnſtler, der durch die groͤßten Unternehmun - gen in der Malerey beruͤhmt iſt, ward ein Architekt aus Freundſchaft, wie die Liebe ehemals einen Maler bildete. Mit einem Worte, die Talente, deren Anwendung den Werth der natuͤrlichen Schoͤnheiten ſowohl kennen lehrt, und die Empfindungen, die den Genuß davon ſo angenehm machen, vereinigten ſich unſer Werk zu vollenden.

Konnte wohl die Natur Bemuͤhungen, die ſie ehren, widerſtreben? Ohne Zweifel nicht. Auch ſind die ſchattichten Gebuͤſche und Straͤuche hoͤher gewachſen, und haben ſich bis zum Beneiden vervielfaͤltigt. Auf den vortheilhafteſten Seiten haben ſich Ausſichten entwickelt; es ſind Bruͤcken angelegt, wovon einige, auf den am Ufer befindlichen Baͤumen erhoͤhet, uͤber die Inſeln und an den Canaͤlen zu weiten Spaziergaͤngen fuͤhren. Andere, die tiefer gerade uͤber dem Waſſer auf kleinen Fahr - zeugen liegen, werden mit Blumen aller Jahrszeiten ausgeſchmuͤckt. Gaͤnge, die von Pappeln beſchattet werden, kruͤmmen ſich an den Ufern dahin, und bilden, in - dem ſie ſich mit den Bruͤcken, den Daͤmmen und kleinern Wegen vereinigen, die Einfaſſung dieſes angenehmen Aufenthalts. Mit Wahl angebrachte Cabinets die - nen zu noͤthigen Bedeckungen, und bieten Gemaͤlde dar, welche die Blicke aufhalten und feſſeln; und am Waſſer ſind auf allen Seiten Sitze und hervorſpringende Lauben angebracht, um die Kuͤhlung beſſer zu genießen. Ein Kaffeeſaal hat ſeinen Platz im Schatten alter Baͤume gefunden, die an das Haus ſtoßen. Hier findet man in dem Stamm desjenigen, der ſeinen Gipfel am hoͤchſten in die Luft ausſtreckt, folgende Worte eingegraben, die zum Theil aus einem der liebenswuͤrdigſten Dichter ent - lehnt ſind.

Antiques peupliers, l’honneur de nos bocages,
Ne portez point envie aux cedres orgueilleux.
Leur ſort eſt d’embellir les lambris des faux ſages;
Le vôtre eſt d’ombrager l’aſyle des heureux.

Eine Menagerie in der Nachbarſchaft des Kaffeeſaals verbindet mit dem Nutzbaren Mannigfaltigkeit, und theilt dem Hauptgemaͤlde Bewegung mit. Auf einer mit dem friſcheſten Raſen geſchmuͤckten Halbinſel befinden ſich Schafe, welche die Land - ſchaft beleben; und in einem Luſtgange von großen Linden, den ein Bach begraͤnzet, liefert ein wohlverſehener Stall dem benachbarten reinlichen Milchhauſe einen Theil der Schaͤtze und der ſuͤßen Koſt des Landes.

Es43der Alten und der Neuen.

Es waͤre noch uͤbrig, Ihnen einige beſondere Theile unſerer Spaziergaͤnge be - kannt zu machen und einige Aufſchriften mitzutheilen, die ſich an maleriſchen Plaͤtzen befinden, wo man am gewoͤhnlichſten verweilt. Aber muß ich nicht befuͤrchten, daß die Strenge Ihres Geſchmacks nicht zuletzt uͤber die Nachſicht Ihrer Freundſchaft die Oberhand behalten werde? Einige Worte ſind hier auf die Gegend eingerichtet, wie man gefallenden Melodien Worte unterzulegen pflegt. Ohne die Gegend verlieren die erſtern, wie die letztern ohne die Melodie.

Indeſſen, wenn die Freundſchaft ſich an einzelnen Beſchreibungen ergoͤtzt, und wenn die Einbildungskraft, die in Ihrem Geiſte alles, was ein Recht auf Ihr Herz hat, zur Wirklichkeit bringt, Sie an dieſen Ort verſetzet hat, wo wir Sie zu beſitzen wuͤnſchen: ſo darf ich es wagen, Sie in einige von den Plaͤtzen zu fuͤhren, wo wir uns mit unſern Hamadryaden unterhalten.

Hier ſtehet eine alte Weide mitten auf einem ſchattigten Wege, der an dem ſich ſchlaͤngelnden Canale hingeht. Dieſer Baum hat das Anſehen, daß er mehr als eine Veraͤnderung der Bewohner dieſes Ufers erlebt hat. Sein knotigter Stamm iſt noch mit Zweigen und Laub gekroͤnt. In der Hoͤhe, nach welcher ſich natuͤrlicher Weiſe die Blicke richten, ruft eine Art von Mund die Idee der Orakel zuruͤck, die ſich ehemals hoͤren ließen, ohne Zweifel um den Menſchen den Rath zu ertheilen, den ſie ſo oft noͤthig haben. Sie reden zu unſerer Zeit nicht mehr: aber an dieſem Ort ſchreiben ſie noch; und hier ſind die Worte, welche die Hamadryade an diejeni - gen, die vor ihrer Wohnung voruͤbergehen, zu richten ſcheint.

Vivez pour peu d’amis; occupez peu d’eſpace;
Faites du bien ſurtout; formez peu de projets.
Vos jours ſeront heureux; & ſi ce bonheur paſſe,
Il ne vous laiſſera ni remords, ni regrets.

In einiger Entfernung von dieſer alten Weide befindet ſich eine Art eines Ca - binets, das von dem Ufer uͤber das Waſſer hervorſpringt; es ruhet auf einem darun - ter befindlichen Baume, deſſen ausgebreitete Zweige Anlaß gegeben haben, einen bequemen Sitz daraus zu bilden. Man iſt da mit Aeſten umgeben, die den Baum bekraͤnzen, von allen Seiten zum Gelaͤnder diener, und nichts frey laſſen, als den zum Sitzen noͤthigen Raum. Nichts iſt ſo ſehr fuͤr das Nachdenken eingerichtet, als dieſer Aufenthalt, wo das gleichſam verhuͤllte Geſicht dennoch durch das Laub dringt, wo man die Bewegung der Gewaͤſſer erblickt, und wo ihr Geraͤuſch hoͤrbar genug iſt, um zum ſtillen Nachdenken einzuladen. Auf beyden Seiten des Sitzes ſcheinen die Zweige ſich einander zu naͤhern, damit man das leſen moͤge, was auf ihrerF 2Rinde44Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenRinde gegraben iſt. Einer davon druͤckt ſich in der Ungewißheit uͤber die Verfaſſung, worin ſich der, zu welchem geredet wird, befinden kann, alſo aus:

De ce riant ſéjour, de ce paiſible ombrage
Eprouvez les charmes ſecrets.
Infortunés, retrouvez y la paix;
Heureux, ſoyez le davantage!

Ein anderer nimmt mehr den Ton der Ueberlegung an:

Conſacrer dans l’obſcurité
Ses loiſirs à l’étude, à l’amitié ſa vie,
Voilà des jours dignes d’envie.
Etre chéri, vaut mieux qu’être vanté.

Wenn Sie voll Nachdenken uͤber dieſe Maxime, wovon das Herz beſſer urtheilt, als der Verſtand, auf dieſem Wege umherzuſchweifen fortfahren, ſo werden Sie bald eine von den Bruͤcken, wovon ich geredet habe, gewahr werden.

Zwoͤlf kleine Fahrzeuge halten einige Zolle uͤber der Oberflaͤche des Waſſers einen Fußboden, hundert Fuß lang, und breit genug, daß zwo Perſonen darauf Platz haben. Auf beyden Seiten ſtehen Kaſten mit Blumen. Die Zwiſchenraͤume ſind mit rautenfoͤrmigem Gitterwerke erfuͤllt, durch welches die Blicke das Waſſer gewahr werden. Die Bruͤcke, die weiß gemalt und mit Blumen geſchmuͤckt iſt, ladet Sie ein, hinab - zuſteigen. Die Anſichten ſind bey jedem Schritte verſchieden, und in der Mitte, wo ſich der Raum erweitert, ſtehen Sitze. Man verweilt ſich, um das laͤndliche Gemaͤlde zu betrachten, das man auf allen Seiten erblickt. Man genießt den Duft der Blumen mit der Kuͤhlung des Waſſers, das man unter dem Fußboden, auf welchem man ſitzt, hinwegfließen ſieht. Hier bringen Ihre Freunde einige angenehme Abende zu, indem ſie ſich von ihren Beſchaͤftigungen, von den Gegenſtaͤnden ihres Geſchmacks, von ihren Reiſen unterhalten; und einer von ihnen hat da dieſe Verſe hingeſchrieben.

Des jours heureux, voici l’image.
Les Dieux ſur nous verſent-ils leurs faveurs?
Ils offrent ſur notre paſſage
Quelques afpects riants du repos & des Fleurs.

Aber wir wollen zu unſerm Spaziergang zuruͤckkehren und uns an das aͤußerſte Ende der groͤßten Inſel begeben, davon wir ſchon einige Theile durchgewandelt haben. Man geht mitten durch einen Wald von Weiden, und gelangt auf gewundenen und ſchattigten Gaͤngen zu dem Orte, wo der Fluß zween Canaͤle bildet, die dieſen Platz einfaſſen, ehe ſie wieder in den Fluß zuruͤckfallen.

An45der Alten und der Neuen.

An dieſer Spitze ſtellt ſich eine wilde Anſicht dar. Eine oͤde Inſel erhebt ſich in einiger Entfernung, und haͤlt die Blicke auf; ein durchgeriſſener Damm giebt dem Waſſer Bewegung, indem er dem Strom widerſteht, der ihn ganz zu zerſtoͤren ſich beſtrebt; und wenn der Fluß hoͤher iſt, ſo bildet er hier einen Waſſerfall, der dieſem einſiedleriſchen Orte ſehr angemeſſen iſt. Die benachbarte Inſel iſt mit keinen Baͤu - men beſetzt, welche die Blicke einſchraͤnken. Man ſieht uͤber dieſelbe hinweg, und erblickt Gebaͤude, die einen Theil einer nicht entfernten kleinen Stadt ausmachen. Unter dieſen Gebaͤuden iſt eins, das uͤber die andern hervorragt, und am erſten in die Augen faͤllt; ein Gegenſtand, der an ſich wenig intereſſant iſt; aber es ward bewohnt von Heloiſen. Wer wuͤrde bey dieſem Namen nicht ſtille ſtehen, um es zu betrach - ten? Wer wuͤrde nicht einen Augenblick von dieſer zaͤrtlichen und ungluͤcklichen Lieb - haberinn reden? Nach ihrem traurigen Schickſal begab ſie ſich in ein Kloſter, deſſen Vorſteher der gelehrte, der unruhvolle, der viel verlangende, der eiferſuͤchtige Abaͤ - lard war; und dieſes iſt das Kloſter, das Sie hier ſehen.

Wenn bey dieſer Erzaͤhlung einige junge Perſonen gegenwaͤrtig ſind, ſo darf man ſich vorſtellen, daß ſie in ihrem Bufen Bewegungen fuͤhlen, die ſchneller als die gewoͤhnlichen ſind; ihr Blick wird ungewiß und verlegen; ſie wenden die Augen hin - weg, und finden alsdenn dieſe Worte, die ohne Zweifel, wenn es das Klima ver - ſtattete, in eine Myrthe gegraben waͤren.

Ces toits élevés dans les airs
Couvrent l’aſyle vecut Héloiſe.
Coeurs tendres, ſoupirez & retenez mes vers.
Elle honora l’Amour, & l’Amour l’immortaliſe.

Will man dieſe angenehme Stellung verlaſſen, ſo kann man unter mehrern Gaͤngen waͤhlen, die aus dem Weidenhain nach dem großen Bette des Fluſſes fuͤhren. Hier ſind die Anſichten fuͤr das Nachſinnen und fuͤr die Dichtkunſt zu entbloͤßt.

Die Seele, die mit den Blicken umherſchweiſt, genießt in der That, aber auf eine ungewiſſe Art, die Schoͤnheiten, die ſie gleichſam von ſich ſelbſt zu weit wegfuͤh - ren. Sie muß mit naͤhern Gegenſtaͤnden umgeben ſeyn, wenn ſie begeiſtert werden ſoll; ſie muß, weniger zerſtreut, in einem ſuͤßen Tiefſinne Empfindungen fuͤhlen, wo - von ſie ſich mit Vergnuͤgen Rechenſchaft giebt. Ich werde Sie alſo mit ſchnellern Schritten uͤber einen terraſſirten ungemein langen Weg hinwegeilen laſſen, der an dem Aeußerſten der Inſel auf der Seite, wo der Canal ſchiffbar wird, hingeht. Die Fahrzeuge, die beſtaͤndig aus den an die See graͤnzenden Provinzen kommen, beleben dieſe praͤchtige Scene; aber ſie floͤßt nur Bewunderung ein; auch verlaͤßtF 3man46Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenman ſie gern, um wieder in das Innere der Canaͤle und der Spaziergaͤnge zuruͤckzu - gehen, durch welche eine hoͤlzerne Bruͤcke von betraͤchtlicher Laͤnge hindurchgeht. Durch die Lage der drey Inſeln, die niedriger ſind, als der uͤbrige Boden, wird dieſe Bruͤcke bis zu der Hoͤhe des Wipfels der Baͤume erhoben, und die Geſtraͤuche, die ſie umkraͤnzen, werfen einen Sch[a]tten, der dieſen Uebergang in eine bedeckte Allee verwandelt. Man kann hier ſpazieren gehen, ohne ſich vor der Sommerhitze fuͤrch - ten zu duͤrfen; und man trifft hier von einer Stelle zur andern, je nachdem die ver - ſchiedenen Canaͤle ihre Richtung nehmen, Ausſichten an, die dieſe ſeltene Situation unendlich maleriſch machten. Auch erweitert ſich nach und nach uͤber den Canaͤlen die Bruͤcke, ſo daß Platz zu Sitzen vorhanden iſt, um auszuruhen, die Kuͤhlung zu ge - nießen, und ſich an reizenden Ausſichten zu weiden.

Von hier aus entdeckt man beſonders die angenehmen Kruͤmmungen, die das Waſſer in ſeinem freyen Laufe macht, und die ſo reizenden und getreuen Vorſtellun - gen, die der Widerſchein der darin ſich malenden Gegenſtaͤnde hervorbringt.

Es war natuͤrlich, von dieſen ſchoͤnen Wirkungen mit denen, welchen ſie ge - fallen koͤnnen, einen Augenblick zu reden. Hier iſt das, was man zu ihnen ſagt:

Ici l’onde, avec liberté,
Serpente & réfléchit l’objet qui l’environne.
De ſa franchiſe elle tient ſa beauté;
Son cryſtal plait, & ne flatte perſonne.

Eine Muͤhle zeigt ſich an einem der aͤußerſten Enden dieſer Bruͤcke. Ihr An - blick zieht allemal diejenlgen an ſich, die ſelten ſolche Maſchinen in der Naͤhe beob - achtet haben. Man tritt hinzu, und man findet ſich hoͤher als das Rad; das Ge - raͤuſch, das es erregt, die abgemeſſenen Schlaͤge und die ſich immer gleiche Bewe - gung laden einige Augenblicke zum Nachdenken ein. Man betrachtet mit einer theil - nehmenden Aufmerkſamkeit die Radſchaufeln, deren eine nach der andern aus dem Waſſer hervorgeht, nach und nach bis zur hoͤchſten Stufe ihres Umkreiſes ſich erhebt, um wieder herabzuſteigen, unterzuſinken und zu verſchwinden. Dieſer Gegenſtand kann in der That zu Betrachtungen veranlaſſen; aber ſolche, deren Schattirungen zu dunkel waͤren, wuͤrden dem Colorit des Gemaͤldes minder angemeſſen ſeyn, als dieſe:

Ah! connoiſſez le prix du tems,
Tandis que l’onde s’écoule,
Que la roue obéit à ſes prompts mouvemens.
De vos beaux jours le fuſeau roule.
Jouiſſez, jouiſſez, ne perdez pas d’inſtans.
Sie47der Alten und der Neuen.

Sie wuͤrden auch in Verſuchung gerathen, auf kleine Inſeln herunterzuſteigen, die dem Waſſer gleich liegen, und verſchiedene Theile der Bruͤcke unterſtuͤtzen; man gelangt auf Treppen dahin. Man findet da Schatten, Baͤnke, angenehme Spa - ziergaͤnge, aber ſie werden zuweilen von dem Fluſſe uͤberdeckt, und die alten Pappeln, die ſie beſchatten, tragen an ihrer Rinde die Kennzeichen verſchiedener Ueberſchwem - mungen, die ſie nicht gehindert haben, ihren Wipfel in die Luͤfte empor zu heben. Indeſſen druͤckt eine davon, die bey ſolchen Zufaͤllen empfindlicher als die andern iſt, ſich alſo aus:

Dans ces climats plus d’un orage
A troublé le Ciel & les coeurs.
L’onde, franchiſſant ſon rivage
A ſubmergé nos vergers & nos fleurs.
Dieux bienfaiſans, reparez ces malheurs!
Et que les habitans d’une modeſte bocage
Par vos faveurs trouvent ſous nos rameaux
Quelqu’abri pour un doux repos.
A qui tient peu de place, il faut ſi peu d’ombrage.

Ich wuͤrde die Rechte der Freundſchaft misbrauchen, wenn ich Sie uͤberall hin - fuͤhren wollte, wo ſich noch artige Ausſichten und einige ſchlechte Verſe finden. Gluͤck - liche Stunden der Muſe haben dieſe hervorgebracht, wie der milde Fruͤhling auf un - ſern Wieſen die Blumen ausſaͤet; aber Sie wiſſen, daß ſie nicht ſtolz werden, wenn man ſie betrachtet, und daß ſie ſich nicht beleidigt finden, wenn man ſie nicht bemerkt.

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4. Gaͤrten48Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

4. Gaͤrten in Spanien.

Der Spanier liebt das Landleben nicht; zwar nicht aus Leichtſinn oder einem verwoͤhnten Geſchmack, ſondern vielmehr aus einer eigenen Art von Traͤgheit, die man am nachdruͤcklichſten die ſpaniſche nennt, die theils in einer ſonderbaren Mi - ſchung des Temperaments, theils in Nationalvorurtheilen ihren Grund zu haben ſcheint. So fuͤhllos iſt der Spanier gegen die Reizungen der Natur, daß er nichts als die Ergoͤtzungen ſeiner Hauptſtadt kennt, nichts von angenehmen Landſitzen weiß, nichts von Anpflanzungen der Baͤume, nicht einmal von laͤndlichen Luſtoͤrtern und Schatten in der Nachbarſchaft der Staͤdte. Eine Sorgloſigkeit, die deſto unbe - greiflicher iſt, je mehr natuͤrliche Annehmlichkeiten das Land in ſeinem Schooß verei - nigt. Alles liegt unbebauet und oͤde; in vielen Gegenden erſcheint nach meilenlangen Reiſen kein Baum, der eine erquickende Kuͤhlung gaͤbe. Sogar um Madrid ſieht man keine Luſthaͤuſer, keine Gaͤrten; und erſt vor einigen Jahren hat man nach dem Bericht des Puente*)Reiſe durch Spanien, 2ter Th. 1ſter Band.den Anfang zur Verbeſſerung der Wege um die Hauptſtadt und zur Verſchoͤnerung durch Baumpflanzungen gemacht.

Die Gaͤrten des Koͤnigs ſind alſo hier nur diejenigen, die einige Aufmerkſam - keit verdienen. Man ruͤhmt die Gaͤrten des Eſcurials, der anmuthigen Lage, der großen Terraſſen, der vielen beſtaͤndig laufenden Springbrunnen und des geraͤumigen Parks wegen, der daran graͤnzt, und mit vielen ſeltenen Fruchtbaͤumen erfuͤllt iſt. Mehr erhebt ſich der Garten bey dem Luſtſchloß Ildefonſo. **)Des P. Caimo Lettere d’un Vago Italiano. Man ſagt, daß dieſer Gar - ten 4,000,000 Piaſter gekoſtet hat; aufdie einzige Waſſerkunſt, das Bad der Dia - na, ſind allein 300000 Piaſter verſchwen - det. Nur einen kleinen Theil dieſer unge - heuern Summe auf einen brittiſchen Park verwendet, welch ein ganz anderes Werk!Natur und Kunſt, ſagt Caimo, haben ſich wetteifernd bemuͤhet, da uͤberall Schoͤnheiten zu verbreiten, und den Garten zugleich praͤchtig und angenehm zu machen. Man findet in dem - ſelben Springbrunnen, ſchoͤne Waſſerfaͤlle, Canaͤle, Sitze, bedeckte Gaͤnge, Lauben, Grotten, Labyrinthe, Parterren und Hecken von Myrthen und Lorbeerbaͤumen; alles iſt aufs ſchoͤnſte vertheilt und thut die angenehmſte Wirkung. Das Waſſer koͤmmt von dem naͤchſten Gebirge, welches rings umher liegt, und macht, wo es zuſammen - fließt, eine Art von Strom, der in ein großes Behaͤltniß faͤllt. Viele Waſſerwerke beleben dieſen Garten. Die Alleen ſind ſehr lang; einige bis auf drey Viertelmeilen, und faſt alle ſind mit Hecken beſetzt, die durch ihre Hoͤhe und Dicke einen angenehmenSchatten49der Alten und der Neuen. Schatten machen, und mit verſchiedenen Statuen der neuen Bildhauerey, als den Muſen, den Jahreszeiten u. ſ. w. geziert ſind.

Nichts aber ſcheint in Spanien, nach der Beſchreibung des Baretti,*)Reiſe durch England, Portugal, Spanien und Frankreich, 1ſter Theil. rei - zender zu ſeyn, als der Garten oder Park von Aranjuez. Ein Dichter, ſo druͤckt er ſich aus, wuͤrde ſagen, daß Venus und der Gott der Liebe ſich hier mit dem Ca - tull oder Petrarch berathſchlagen, um der Pſyche, Lesbia, Laura, oder einer ſpaniſchen Infantinn einen Landſitz zu bauen. Stellen Sie ſich einen Park vor, der viele Meilen im Umfange haͤlt, und von Alleen, die zwo bis drey Meilen lang ſind, an verſchiedenen Orten durchſchnitten wird. Jede dieſer Alleen beſteht aus zwo gedoppelten Reihen von Ulmen. Sie ſind ſo breit, daß vier Wagen neben einander fahren koͤnnen; und zwiſchen einer jeden gedoppelten Reihe fließt ein kleiner Canal, daher es ihnen niemals an Feuchtigkeit und friſchem Wachsthum fehlt. Zwiſchen dieſen Ulmen ſind die großen Plaͤtze mit allerley Baͤumen beſetzt, darin ſich viele tau - ſend Hirſche, Haſen, Caninchen, Faſanen, Rebhuͤner und andere Voͤgel aufhalten. Der Park iſt mit keiner Mauer umgeben; das Wild geraͤth indeſſen nicht in Verſu - chung, ihn zu verlaſſen, weil die ganze Gegend umher weder Schatten noch Weide hat. Der Tagus theilt dieſen Ort in zween ungleiche Theile. Das Schloß liegt im Mittelpunkt des Parks, und iſt zum Theil mit einem Garten umgeben. Am Haupteingange des Gartens liegt ein aus vielen Abtheilungen beſtehendes Parterre, das mit Buchsbaum und Myrthen eingefaßt und mit allerley Arten europaͤiſcher und americaniſcher Blumen reichlich beſetzt iſt. In dem Parterre ſind fuͤnf Waſſer - ſtuͤcke angebracht. Rechter Hand des Parterre liegt eine Caſcade, von der das Waſſer des Tagus uͤber kuͤnſtlich gelegte Felſen herabfaͤllt, und durch ein angenehmes Geraͤuſch das Ohr ergoͤtzt. Andere Gegenden ſind mit Fontainen geziert. Von einer ſieht man vier Obſtgaͤrten, die ſo voll von Pomeranzen und Citronen haͤngen, daß die Heſperiden ſelbſt daruͤber neidiſch werden koͤnnten. Man geht vermittelſt ſo ſchattigter Gaͤnge dahin, daß man von keinen Sonnenſtralen getroffen wird. Wenn die Hitze im ganzen Garten groß iſt, ſo befindet man ſich hier im Kuͤhlen. Von dieſen Obſtgaͤrten kommt man in das ſo genannte Bad der Venus. Dieſe Goͤttinn iſt vorgeſtellt, als kaͤme ſie aus dem Bade; das Waſſer troͤpfelt von ihren Haaren in ein Gefaͤß von Marmor, das die Liebesgoͤtter halten. Bey den Fontainen ſieht man viele Statuen und andere Werke der Bildhauerkunſt. Nicht weit von der Fontaine des Neptun liegt ein anſehnlicher runder Raſenplatz, in deſſen Mitte vier große Baͤume ſtehen, und der mit einer hohen dicken Hecke umgeben iſt, die ihn kuͤhlundI Band. G50Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenund angenehm macht. Rechter Hand dieſes Platzes fuͤhrt eine ſchoͤne Bruͤcke von fuͤnf Bogen uͤber den Tagus, und jenſeits liegt wieder ein großer Obſtgarten. Von einer andern Bruͤcke, die uͤber einen kleinen Arm des Tagus geht, hat man auf der linken Seite des Fluſſes einen angenehmen Proſpect in einen nach der Natur wild wachſenden Wald. Vor der Bruͤcke ſteht ein Pavillon, der durch die wild gepflanz - ten Baͤume auf beyden Ufern und durch den Fluß, der hier mit ſtarkem Geraͤuſch an dem Felſen vorbeyeilet, uͤberaus reizend gemacht wird. Von dem Pavillon geht man in eine große Laube von Linden. Bey einem andern Platz, der mit unzaͤhligen auslaͤndiſchen Blumen beſetzt iſt, liegt das artige Gaͤrtnerhaus, daran eine angeneh - me Wieſe ſtoͤßt, die mit hohen und dicken Baͤumen beſchattet iſt. Nicht weit von dem Gaͤrtnerhauſe trifft man eine andere Caſcade vom Waſſer des Tagus an, deſſen helle Fluth das Auge, und deſſen Geraͤuſch, das bald ſchwach, bald ſtark iſt, das Ohr ergoͤtzt. Bey derſelben liegt ein anderer Pavillon, deſſen Lage dem erſten wenig nachgiebt; hinter ſich hat man die Caſcade, und vor ſich die Fontaine des Herkules, die groͤßte im Garten. Baretti, der ſo viel geſehen, verſichert, daß er keinen ange - nehmern Aufenthalt kenne.

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5. Gaͤrten in den Niederlanden.

Die Ausſichten in den Niederlanden ſind wenig abwechſelnd und meiſtens durch Baͤume eingeſchraͤnkt. Sie umfaſſen einen kleinen Geſichtskreis und gar keine Berge; weswegen verſchiedene beruͤhmte Landſchaftmaler die Gegenden um Luͤttich,Maſtricht51der Alten und der Neuen. Maſtricht und an den Ufern des Rheins ſuchten, die mehr maleriſche Proſpecte lie - fern. Indeſſen beleben die vielen Wieſen, die Weiden, die unzaͤhligen Canaͤle, die darauf hin und her ſegelnden Fahrzeuge, die Muͤhlen, der Handel und die außeror - dentliche Geſchaͤftigkeit uͤberall das Land, und bieten dem Auge mancherley angeneh - me Auftritte an.

In der That kann nichts anmuthiger ſeyn, ſchrieb die Lady Montague,*)Briefe waͤhrend ihrer Reiſen in Europa, Aſia, u. ſ. w. als in Holland zu reiſen. Das ganze Land ſcheint ein ausgebreiteter Garten. Die Landſtraßen ſind wohl gepflaſtert, auf jeder Seite mit Reihen von Baͤumen beſchattet, und von breiten Canaͤlen eingeſchloſſen, auf welchen es von hin und herfahrenden Boo - ten wimmelt. Alle zwanzig Schritte geben die Ausſicht auf irgend ein Landhaus, und alle vier Stunden auf irgend eine feine Stadt, von einer ſo unerwarteten Net - tigkeit, daß man davon ganz bezaubert wird.

Eben dieſe Anmuth der Landſchaft bemerkte ein neuer Reiſender**)Bemerkungen eines Reiſenden durch Deutſchland, Frankreich, England und Holland, 3ter Theil. 1775. auf der Fahrt von Amſterdam nach Utrecht auf dem Vechtfluſſe. Die Landhaͤuſer und Gaͤrten, ſagt er, die auf beyden Seiten liegen, machen eine Reiſe auf dem Fluſſe durch dieſe Gegend zur angenehmſten, die ſich die menſchliche Einbildungskraft ſchaffen kann. Alle Augenblicke veraͤndert ſich die Ausſicht auf einen Garten mit Labyrin - then, dann auf einé in tauſendfache Formen kuͤnſtlich geſchnittene Hecke aus Linden, Ulmen oder Iben, dann in lange Alleen von Lindenbaͤumen und Kaſtanien. Zu - weilen geht ein Canal dazwiſchen durch, ein andermal trennt eine kleine Wieſe zween Gaͤrten. Wieder ein anderer Garten hat die angenehmſten und dicht zugezogenen Lauben und lange bedeckte Gaͤnge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein ſchoͤnes Land - haus aus Backſteinen, ein andermal ſind die Gaͤrten mit eiſernem Gitterwerk einge - faßt. Man ſieht in Gaͤrten und Gaͤnge, die mit Bildſaͤulen beſetzt ſind, und an dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herr - liche Einfaſſung ausmachten. Dieſe erfriſchenden Ausſichten, die ein junges Gruͤn verſchoͤnerte, dauerten uͤber eine Stunde bis Breukeln ſo ununterbrochen fort, daß immer ein Luſtgarten an den andern anſchloß. Weiterhin fiengen die Gaͤrten und dichteriſchen Gegenden von neuem an; und wenn ſie auch einmal mit Canaͤlen, gro - ßen Wieſen und einigen Ackerfeldern abwechſelten, ſo erſchienen ſie doch bald wieder, und beluſtigten die Fahrt auf drey Stunden lang. Sie fallen hauptſaͤchlich deswegen ſo angenehm ins Auge, weil der ſchnell voruͤberfahrende Reiſende, uͤber die Abwech -G 2ſelung52Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenſelung und Folge ſo vieler, die in jedem herrſchende Einfoͤrmigkeit und ermuͤdende Regelmaͤßigkeit nicht bemerken kann.

Vorzuͤglich zeichnen ſich auch die Gegenden von Harlem nach Amſterdam, und von Catwic nach Woerden durch ſchoͤne Landhaͤuſer aus. Dieſe Gebaͤude, die oft in die Canaͤle hineingefuͤhrt zu ſeyn ſcheinen, ſind zierlich, ohne praͤchtig zu ſeyn. Die reichſten Beſitzer leben darin mit einem Anſtande, der vom Uebermaaß entfernt iſt, und ſich mit der Bequemlichkeit begnuͤgt.

Die Gaͤrten der Hollaͤnder ſind uͤbrigens im alten franzoͤſiſchen Geſchmack, mit geraden Linien und einem Ueberfluß von Ordnung und Regelmaͤßigkeit. Denn ob man gleich zuweilen einen eigenen hollaͤndiſchen Gartengeſchmack hat annehmen wollen, ſo laſſen ſich doch wohl die Graͤnzlinien, wo er von dem franzoͤſiſchen ſich unterſcheiden ſollte, nicht leicht entdecken. Symmetrie und Ueberfluß der Verzierung iſt beyden eigen, oder machen vielmehr aus beyden nur eins. Wenn indeſſen noch irgend ein Unterſchied bemerkbar ſeyn ſollte, ſo moͤchte er in der engern Zuſammen - ziehung, in der Menge kleiner Spielwerke von Zierrathen, und in dem tiefen, ſtehen - den oder dahin ſchleichenden Waſſer liegen, welches alles man mehr in den hollaͤn - diſchen Gaͤrten wahrnimmt. Sonſt ſind ſelbſt die beruͤhmten Gaͤrten bey den Luſtſchloͤſſern zu Ryswik, Houslaerdick, Sorguliet voll von zierlichen Abmeſſun - gen und gekuͤnſtelten Anlagen.

Ein ſonderbarer Geſchmack der Hollaͤnder iſt es, daß ſie ihre Gartenplaͤtze ſo gerne mit Canaͤlen und Graben durchſchneiden, worin das ſtehende Waſſer, das tief, dunkel und ohne alle Schoͤnheit iſt, aus Mangel der Bewegung und des Abfluſſes noch dazu ungeſunde Duͤnſte verbreitet. Dieſer Geſchmack, den die Gothen nicht ſchlechter haͤtten einfuͤhren koͤnnen, ſcheint aus der Natur ihres Landes entſtanden, und durch die Gewohnheit ihnen ehrwuͤrdig geworden zu ſeyn, ſo ſehr er auch gegen alle Vernunft iſt. Selbſt nach Oſtindien haben ſie ihn ausgebreitet. Auf der Landſeite um Batavia her ſind die Gegenden wohl auf einige Meilen weit voll Land - haͤuſer und Gaͤrten. Allein auch hier haben ſie alles mit Canaͤlen durchwaͤſſert, um die boͤſe Luft noch giftiger zu machen; jeder Garten, jedes Stuͤck Feld iſt mit einem beſondern Graben durchſchnitten, der die unreinen Pfuͤtzen und Moraͤſte vermehren hilft. Man hat ſogar oft Koſten verſchwendet, um ein Luſthaus oder einen Garten ſelbſt auf einer Anhoͤhe mit einem Graben einzufaſſen.

Man weiß uͤbrigens, daß lange Zeit die vortrefflichen Blumenarten den hollaͤndiſchen Gaͤrten einen eigenen Vorzug gaben. Ihre Beſitzer glaubten ſienicht53der Alten und der Neuen. nicht anders ſchoͤn finden zu koͤnnen, als wenn ſie Blumen zeigten, die unter einem fremden Himmel geboren waren und viel gekoſtet hatten. Die Blumenzucht ward eine ſehr eintraͤgliche Kunſt, und dieſer Geſchmack breitete ſich auch in Deutſchland, beſonders in den Seeſtaͤdten und benachbarten Gegenden aus. Jetzt ſcheint er ſehr gefallen zu ſeyn, vielleicht weil ihn eine unſinnige Liebhaberey zu koſtbar machte, als daß er lange ſtehen konnte. *)Die Stadtregiſter von Alkmaar be - zeugen, daß man im Jahr 1637 hundert und zwanzig Tulpen mit ihrer Brut zum Nutzen des Waiſenhauſes oͤffentlich fuͤr neunzigtauſend Gulden verkaufte. Eineeinzige, der Vicekoͤnig, ward um viertau - ſend zweyhundert und drey Gulden ver - kauft; eine andere, der Admiral von Enk - huyſen, um fuͤnftauſend zweyhundert Gulden.

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6. Gaͤrten in England.

Der geſunde Geſchmack der Englaͤnder macht ihnen das Landleben ſchaͤtzbar, auf deſſen Veredelung ſie das verwenden, was andere Nationen in ihren Hauptſtaͤdten durchbringen. Der Reichthum, die Pracht und der Geſchmack der brittiſchen Lords iſt nicht in London, ſondern auf ihren Landſitzen in den Provinzen ſichtbar. Das gelinde Klima, die natuͤrliche Fruchtbarkeit und Schoͤnheit ihres Landes, der Wohlſtand der Felder, die gluͤckliche Freyheit ſind nicht geringe Reizungen fuͤr dieſe Nation, wovon ein großer Theil ſo ſehr, als der Schweizer, das Landleben liebt. G 3Die54Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenDie Gebirge, Berge, Thaͤler, Fluͤſſe, Waſſerfaͤlle, beſonders die herrlichen Wal - dungen und Wieſen, die Pflanzungen, Meyerhoͤfe, Doͤrfer machen nach ihren Lagen und Abwechſelungen viele Gegenden zu Urbildern der ſchoͤnſten Landſchaftgemaͤlde. Und welche Annehmlichkeit hat nicht in unſern Zeiten die Cultur uͤber dieſes Reich ausgebreitet. Ueberall liegen adeliche Sitze und Landhaͤuſer zerſtreut, die beſonders nach dem Anfange dieſes Jahrhunderts eine edle Architektur*)Die Architektur der neuern englaͤn - diſchen Landhaͤuſer kann man aus den Blaͤttern des Canot, Miller, Newton, Vivares, White, Roberts, Paſtorini, Zucchi und anderer kennen lernen. Ferner The Works in Architecture of Robert and James Adam, Eſquires. Num - ber I. II. III. London, fol. 1773. 1774. 1775. Dieſes praͤchtige Werk ſtellt in vielen vortrefflichen Blaͤttern die Grund - riſſe und Ausfuͤhrung der neuern Land - haͤuſer der brittiſchen Lords, mit beygefuͤg -ten kurzen Beſchreibungen in engl. und franz. Sprache, dar. Die drey erſten Hefte betreffen die Ville des Herzogs von Northumberland zu Sion in der Graf - ſchaft Middleſex, die Ville des Lord Mans - field zu Kenwood in eben der Grafſchaft, und die Ville des Grafen von Bute zu Lu - ton in der Grafſchaft Bedford. Die IIII. Numb. die 1777 herausgekommen, ent - haͤlt keine Landhaͤuſer, ſondern oͤffentli - che Gebaͤnde zu London und Edin - burg.im griechiſchen Ge - ſchmack erhalten haben. Und um dieſe Landhaͤuſer verbreiten ſich meilenlang die herr - lichſten Parks, die alles in ſich vereinigen, wodurch die Natur, von der beſcheidenen Kunſt unterſtuͤtzt, einnehmen und bezaubern kann. Keine andere Nation kann Parks in einer ſolchen Menge aufweiſen, als die Englaͤnder beſitzen und noch taͤg - lich anlegen.

Das Natuͤrliche und das Große macht den Hauptcharakter der brittiſchen Gaͤrten oder Parks; denn Parks und Gaͤrten im wahren Geſchmack ſtehen ungefaͤhr in eben dem Verhaͤltniſſe gegen einander, wie das groͤßere Landſchaftgemaͤlde gegen das kleinere. Der Britte verlangt einen groͤßern Raum, auf welchem er ſich frey der Wirkſamkeit ſeines Genies uͤberlaſſen kann. Wenn er die verſchiedenen Kraͤfte unterſucht hat, welche Waſſer, Felſen, Berge, Huͤgel, Waldungen, Gebaͤude auf die Seele beweiſen; ſo uͤberlegt er, wie den Wirkungen dieſer Kraͤfte mehr Richtung, Staͤrke und beſonders eine gluͤckliche Harmonie durch die Kunſt gegeben werden koͤnne. Er merkt, wie der Landſchaftmaler, auf das ganze Gemiſch der Wirkungen, welche die Lage, die Groͤße, die Entfernung, die Abwechſelungen des Lichts und des Schat - tens, und die verſchiedenen Zeiten des Tages hervorbringen; und ſelbſt die kleinern Umſtaͤnde, die ſich mit Vortheil in das Ganze einflechten laſſen, entgehen ſeiner Auf - merkſamkeit nicht. Am beſten wird man den Charakter der brittiſchen Garten -kunſt55der Alten und der Neuen. kunſt uͤberhaupt aus den Beſchreibungen einiger von den ſchoͤnſten Parks erkennen, die zugleich der Phantaſie eine angenehme Erfriſchung anbieten. *)Uns Deutſchen ſind bisher die eng - laͤndiſchen Gaͤrten zu Kew und zu Stowe noch immer am meiſten bekannt, und gleich - wohl giebt es ungemein viele andere, die in Anſehung ihrer genauern Verwandt - ſchaft mit der Natur den Vorzug verdie - nen. Der Park zu Kew iſt durch ſchoͤne Monumente und Tempel ausgeſchmuͤckt, aber, wenn man die einzige Pagode aus - nimmt, ganz und gar ohne freye Ausſich - ten in die gluͤcklichſten Landſchaften Bri - tanniens, durch welche die Themſe ſich win - det. Die Ausſichten ſind insgeſammt auf den innern Bezirk des Gartens verengt, und fuͤhren das Auge immer von einem Tempel auf den andern. Es enthaͤlt aber dieſer Park alle auslaͤndiſche, unter dem brittiſchen Himmelsſtrich treibende Holz -arten, die, wie der ſchoͤnſte Raſen daſelbſt, uͤberaus gut und reinlich unterhalten ſind; und in dieſem Betracht verdient er geſehen zu werden. Der Park zu Stowe iſt weit groͤßer, hat praͤchtige Gebaͤude und an koſtbaren Tempeln und Monumenten einen Ueberfluß; es ſind auch herrliche Par - tien darin, von welchen die eliſaͤiſchen Fel - der einen ganz beſondern Eindruck machen; die Ausſichten gehen verſchiedentlich uͤber den Bezirk des Gartens hinaus. Aber man ſieht ihm doch noch an, daß große franzoͤſiſche Anlagen mit vieler Kunſt in englaͤndiſche umgeſchaffen ſind.

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a. Der Park zu Wentworth. **)In Yorkſhire. S. Arthur Youngs Reiſe durch die noͤrdlichen Provinzen von England u. ſ. w. 1772. 1ſter Theil, 5ter B.

Der Park und die Gegend um Wentworth ſind uͤberaus reizend. Von wel - cher Seite man ſich auch demſelben naͤhert, findet man praͤchtige Waldungen, aus -gebrei -56Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtengebreitete Waſſerſtuͤcke und zierliche Tempel. Die Proſpecte ſind ſo abwechſelnd, daß es faſt unmoͤglich iſt, eine Beſchreibung davon zu machen, ohne undeutlich zu werden.

Viele Gegenſtaͤnde ſieht man am beſten bey der Haupteinfahrt von Rother - ham. Gleich zu Anfang iſt der Anblick reizend; man ſieht eine praͤchtige Reihe von Huͤgem, Thaͤlern, Seen und Waͤldern vor ſich, und im Mittelpunkt liegt das Wohn - gebaͤude. Das Auge blickt natuͤrlicher Weiſe in das vor ihm liegende Thal hinab, und folgt dem ſich durch daſſelbe kruͤmmenden Waſſer. Gegenuͤber fuͤhrt eine weit ausgebreitete und mit einzelnen Baͤumen beſetzte Anhoͤhe zu dem Wohngebaͤude hinan, das ganz abgeſondert und edel da ſteht, und die Ausſicht uͤber alle rings umher lie - gende Gegenden hat. Der Wald verbreitet ſich hier gegen alle Seiten auf eine un - beſchreiblich praͤchtige Weiſe. Auf der linken Seite erhebt ſich mitten im Walde eine Pyramide, und von hier fuͤhrt der Weg nach einem abhaͤngenden Huͤgel, der uͤber hundert Acker Waldes in ſich faßt, und das ſchoͤnſte Amphitheater darſtellt.

An einem Orte ſteht ein Tempel von baͤuriſchem Werke auf einem wellenfoͤrmig aufſteigenden Huͤgel, und auf einem andern ein joniſcher von leichter Architektur, der den umliegenden Hainen eine Zierde giebt. Von hier zeigt ſich das Wohngebaͤude am vortheilhafteſten; denn von andern benachbarten Plaͤtzen ſcheint es zu niedrig zu liegen. Aus dieſem Geſichtspunkte zeigt ſich das Gegentheil; denn vor ſich hat man einen allmaͤhlig ſteigenden Huͤgel, auf deſſen Haͤlfte das Gebaͤude ſteht; von hier hat man noch eine ſteile Anhoͤhe vor ſich. Laͤge es ganz oben, ſo verloͤre man den Pro - ſpect aller ſchoͤnen Pflanzungen jenſeit des Hauſes.

Wenn man von hier in den Wald hinabgeht, durch welchen der Weg fuͤhrt, ſo faͤllt ein artiger Proſpect in die Augen. Erſt kruͤmmt ſich das Waſſer ſehr ange - nehm durch das Thal, und auf der andern Seite erhebt ſich eine Anhoͤhe bis zu ge - dachtem baͤuriſchen Tempel, an welchen hinterwaͤrts ein finſterer Wald ſtoͤßt. Auf der rechten Seite iſt eine Anhoͤhe mit allerley Gebuͤſchen beſetzt; oben ſteht eine Py - ramide, die ihre Spitze aus einem dicken Klumpen von Baͤumen erhebt; alles zu - ſammen thut eine große Wirkung. Im Mittelpunkte des Proſpects ſieht man zwi - ſchen Huͤgeln hindurch das Wohngebaͤude liegen. Etwas mehr linker Hand bilden eine Menge Eichen, die aus andern Geſichtspunkten beſondere Klumpen ausmachen, einen anſehnlichen Wald, der ſich von der Spitze des Waſſers gegen die Anhoͤhe auf der linken Seite des Hauſes erhebt, und zuletzt wird man den joniſchen Tempel an einem reizenden Orte gewahr, wodurch die ganze Landſchaft verſchoͤnert wird.

Der Weg fuͤhrt darauf durch den oben gedachten Wald, durch welchen viele Gaͤnge mit der groͤßten Abwechſelung gehauen ſind. In einem Theile deſſelben liegtauf57der Alten und der Neuen. auf einem kurz geſchornen Raſenplatze ein Haus, worin man bey heißem Wetter ſpeiſet. Von hier fuͤhrt der Weg zu dem Vogelhauſe, welches artig und im chine - ſiſchen Geſchmack angelegt iſt. Man trifft viele Canarienvoͤgel und andere Arten von Voͤgeln darin an. An einem andern Orte des Waldes erblicket man auf einem kleinen freyen Platze einen achteckigten Tempel, und von hier fuͤhrt der Weg auf eine ſteinerne Bruͤcke, die uͤber ein ſchmales mit dickem Buſchwerke umgebenes Waſſer geſchlagen iſt.

Kommt man aus dem Gehoͤlze, ſo ſtellt ſich dem Auge auf einmal eine Menge neuer Proſpecte dar. Die Baͤume ſind nach verſchiedenen Gegenden gepflanzt, be - halten aber ihr edles Anſehen. Vor ſich erblickt man einen ſchoͤnen Strich Waldes, den joniſchen Tempel, der hier von den Haͤnden der Grazien an einen Platz geſtellt zu ſeyn ſcheint, der nicht beſſer ausgewaͤhlt werden kann.

Der Weg fuͤhrt abermals uͤber den Huͤgel, und geht ſchief hinunter zu dem achteckigten Tempel. Dies artige Gebaͤude liegt ſehr reizend im Thale, und hat den Proſpect uͤber das Waſſer zwiſchen verſchiedenen Hainen und den Baͤumen, womit die benachbarten Huͤgel beſetzt ſind.

Bey der untern Einfahrt von der Seite von Rotherham faͤllt der Park nicht weniger trefflich in die Augen. Rechter Hand zeigt ſich die große Pyramide, gegen - uͤber ragt der baͤuriſche Tempel oben uͤber das Gebuͤſche auf eine ſehr maleriſche Weiſe hervor. Linker Hand erſtreckt ſich der See mit ſolchen Buchten durch das Thal, als die Kunſt nachmacht, um die ſchoͤne Natur zu ſchildern. Die Ausſicht wird hin und wieder durch Klumpen von Baͤumen unterbrochen, die bis ans Ufer vorgehen. Zweyhundert Ellen hinter dem Ufer faͤllt der achteckigte Tempel in die Augen. Auf der andern Seite uͤberſieht man einen großen Theil des Parks, der theils mit einzel - nen Baͤumen, theils mit ganzen Klumpen beſetzt iſt. Auf allen Seiten zeigen ſich in der Entfernung die ſchoͤnſten Proſpecte von angebaueten Huͤgeln.

Dieſer Weg fuͤhrt zu einem kleinen Luſthauſe. Aus den Fenſtern ſieht man jenſeits des Waſſers ſteile Huͤgel vom Ufer an ſich erheben, die oben mit einem Walde gekroͤnt ſind. Darauf laͤuft der Weg um den Huͤgel, auf welchem der baͤuriſche Tempel ſteht, und man befindet ſich auf einmal bey dem Wohngebaͤude, welches einen artigen Contraſt mit den andern Zugaͤngen, die das Haus alle von weitem zeigen, verurſacht.

Einen andern herrlichen Geſichtspunkt hat man gegen Suͤden von einem Huͤ - gel. Hier zeigt ſich in einem Thale Rotherham mit der ganzen umliegenden Ge - gend, die mit Doͤrfern beſaͤet iſt, und zu beyden Seiten erheben ſich die Huͤgel gegen die Wolken. Das Wohnhaus ragt zwiſchen neun bis zehn andern Huͤgeln undI Band. HWaͤldern58Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenWaͤldern hervor, welches ein majeſtaͤtiſcher Anblick iſt. Die Pyramide und die hin und wieder ſtehenden Tempel geben der Scene eine Abwechſelung, die bey dem großen Umfange noͤthig war. Dies iſt vielleicht der ſchoͤnſte Proſpect in Yorkſhire; denn das Gebaͤude bildet mit dem Park und den Waͤldern eine in der Runde zuſammen - haͤngende Landſchaft, die ſchoͤn und groß iſt, und die umliegende Gegend zeigt eine unabſehliche Weite angebaueter Laͤndereyen und arcadiſcher Scenen.

Wenn man ſich von dieſem Platz linker Hand wendet, ſo wechſelt die Landſchaft beſtaͤndig ab, und gefaͤllt jedesmal aufs neue. Man geht durch ein mit Waſſer ver - ſehenes Thal nach der weſtlichen Ecke des Parks, wo man abermals eine Ausſicht hat, die den uͤbrigen nichts nachgiebt. Man ſieht uͤber eine Anhoͤhe weg, und wird das an verſchiedenen Stellen durch die Baͤume ſcheinende Waſſer, und am Ufer deſſel - ben den achteckigten Tempel gewahr, welches mit den uͤbrigen hoch liegenden Gebaͤu - den einen artigen Contraſt macht. Auf der linken Seite erhebt ſich der Wald und vereinigt ſich mit dem bey dem Wohngebaͤude. Gegenuͤber liegt der baͤuriſche Tem - pel und hinter demſelben ein duͤſterer Wald; noch hoͤher in einem duͤnneren Walde ſteht die Pyramide, welches zuſammen eine praͤchtige Wirkung thut. Rechter Hand erblickt man eine Menge angebaueter Huͤgel.

Die oft angefuͤhrte Pyramide verdient noch eine naͤhere Beſchreibung. Sie beſteht aus einem dreyeckigten Thurme, der ohngefaͤhr zweyhundert Fuß hoch auf ei - nem Huͤgel angelegt iſt; man ſteigt vermittelſt einer Wendeltreppe hinauf, und hat oben eine erſtaunliche Ausſicht, die das Auge uͤberraſcht. Man uͤberſieht das Haus, alle umliegende Huͤgel, Waͤlder, Waſſer, Tempel u. ſ. w. mit einem Blicke, und in einer mehrern Entfernung einen unermeßlichen Strich angebaueter und eingezaͤu - neter Felder.

Nicht weit von der Pyramide iſt eine Arcade aufgefuͤhrt, die dem joniſchen Tempel zum Proſpecte dient. Man ſieht von dieſem zierlichen Gebaͤude eine reizende Landſchaft; in dem tieferliegenden Thale faͤllt das Waſſer an manchen Stellen in die Augen; auf der einen Seite zeigen ſich die verſchiedenen bisher beſchriebenen Luſt - waͤlder, bis an den großen Wald von hundert Ackern. Bey gedachtem Tempel liegt die Menagerie, dem Gewaͤchshauſe gegenuͤber; man trifft in derſelben eine erſtaun - liche Menge goldfarbener Faſanen, Kakadus und andere ſeltene Voͤgel an. Von hier geht man eine Terraſſe hinab, und waͤhrend der Zeit wird das Auge durch die Abwechſelung von Huͤgeln, Thaͤlern, ſchlaͤngelndem Waſſer, Waͤldern und Tempeln ergoͤtzt.

Mit einem Worte, Wentworth iſt in allen Betrachtungen einer der ſchoͤnſten Plaͤtze des Koͤnigreichs. Bey andern Landſitzen bewundert man bald das Haus mitſeinen59der Alten und der Neuen. ſeinen Merkwuͤrdigkeiten, bald den Park; bey manchen ruͤhmt man die zur Zierde in dem Park aufgefuͤhrten Gebaͤude, oder auch die ſchoͤnen Proſpecte uͤberhaupt. Hier iſt alles vereinigt. Das Gebaͤude iſt eins der groͤßten in England. Der Park hat alle Schoͤnheiten der Natur und Kunſt, die man ſich nur gedenken kann; die praͤchtigen Waͤlder uͤbertreffen alle Beſchreibung. Die Tempel haben eine ſchoͤne Architektur und eine ſo wohl gewaͤhlte Lage, daß ſie den Reiz eines jeden Platzes auf - ſerordentlich erheben. Dazu kommt die Schoͤnheit der umliegenden Landſchaft, die aus angebaueten Huͤgeln, Doͤrfern und Staͤdten beſteht.

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b. Duncombe-Park. *)In Yorkſhire. S. Young am ang. Ort, 7ter B.

Duncombe-Park gehoͤrt unter die ſchoͤnſten in England. Der am Hauſe liegende Garten hat eine Terraſſe, von der man die umliegenden Landſchaften beſſer uͤberſieht, als man ſie mit Worten beſchreiben kann. An einem Ende ſteht ein jo - niſcher Tempel, von dem man einen herrlichen Proſpect hat; man ſieht auf der lin - ken Seite hohe Baͤume bey dem Tempel, etwas mehr rechter Hand einen weiten Um - fang von einer Landſchaft. In der Tiefe kruͤmmt ſich ein Thal um einen Wald, der am Huͤgel ein Amphitheater bildet. An der andern Seite der Terraſſe liegt ein toſcaniſcher Tempel mit einer Colonnade. Der gegenuͤber liegende Wald verbreitet ſich uͤber einen anſehnlichen Huͤgel, und ſtoͤßt an das Ufer eines ſchoͤnen Fluſſes, der ſich durch das Thal kruͤmmt, und in der Mitte deſſelben einen großen Waſſerfall hat, uͤber welchen die Baͤume wild heruͤberhaͤngen. Das Thal iſt durch Hecken in ver - ſchiedene Wieſen abgetheilt. Die Kruͤmmungen des Stroms ſind ſchoͤn, und wer - den durch einzeln ſtehende Baͤume unterbrochen.

H 2Dieſen60Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Dieſen Anblick, der alles darbietet, was man nur in einer abwechſelnden Land - ſchaft wuͤnſchen kann, behaͤlt man laͤngſt der ganzen Terraſſe, bis zu dem toſcani - ſchen Tempel. Er ſtehet gleichſam auf der Spitze eines hohen Vorgebirges, von dem ſich die Ausſicht noch mehr erweitert; man entdeckt eine neue Terraſſe, und uͤber - ſieht viele abwechſelnde Scenen, die des beſten Pinſels wuͤrdig ſind. Auf der linken Seite faͤllt das gedachte Thal noch vortheilhafter in die Augen, weil man eine weit groͤßere Strecke des von dem Huͤgel herabſtehenden Waldes uͤberſieht. Das Thal mit allen Einzaͤunungen, der Fluß mit der Caſcade liegen ſo tief, daß man gleichſam von oben darauf ſieht. Das mit Holz beſetzte Ufer macht eine Kruͤmmung gegen den Garten. Vor ſich hin ſieht man zwiſchen Huͤgeln uͤber ein ſich erweiterndes Thal hin, und entdeckt in der Entfernung einen alten Thurm und die Kirchſpitze von Helmſley. Mehr zur Rechten fuͤhrt das verlaͤngerte Thal das Auge gleichſam in einen von andern Huͤgeln umgebenen Keſſel, welches der ganzen Scene ein etwas fuͤrchterliches und zugleich majeſtaͤtiſches Anſehen giebt. Der dunkle Schatten des herabhaͤngenden Waldes macht mit dem ſchoͤnen Strom einen merklichen Contraſt. Er iſt hier viel breiter, und die Caſcade, welche man vor ſich hat, ergoͤtzt das Auge und das Ohr.

Der Proſpect dieſes Tempels beſteht alſo vornehmlich in zwey Thaͤlern zur Rechten und zur Linken, die nur blos aus dieſem Geſichtspunkte, von dem erſten Tempel aber gar nicht, geſehen werden koͤnnen. Die gegenuͤber liegende Waldung, die aus jedem Thale ein Amphitheater macht, wird durch einen dem Tempel gegen - uͤber ſtehenden Huͤgel getheilt, welcher mit Farnkraut und allerley Geſtraͤuche bewach - ſen iſt, und ſich dadurch von allen andern deſto mehr unterſcheidet. Dieſer Tempel beſteht inwendig aus einem runden Saale mit einer Kuppel, der mit eingelegter Ar - beit und vier Statuen in Niſchen verziert iſt.

Dies ſind nicht die einzigen Schoͤnheiten dieſes Parks, ſondern zwo engliſche Meilen davon trifft man einen eben ſo bezaubernden Ort an, der von einer alten ver - fallenen Abtey Ryewalls-Abtey heißt, und auch dazu gehoͤrt.

Man ſieht hier eine in edlen Kruͤmmungen fortlaufende Terraſſe am Rande eines ausgebreiteten Huͤgels; auf der einen Seite liegt ein tiefes Thal, und auf der andern eine dicke Anpflanzung, die mit allerley Geſtraͤuchen eingefaßt iſt. An dem einen Ende ſteht ein runder Tempel mit einer toſcaniſchen Colonnade, und am andern ein joniſcher Tempel mit einer Halle. Von jenem Tempel iſt die Ausſicht ſehr an - genehm; vorwaͤrts liegt ein in verſchiedenen Kruͤmmungen fortlaufendes, mit einzel - nen Baͤumen und Waſſer verſehenes Thal; jenſeits deſſelben verbreitet ſich ein weit - laͤuftiger Wald uͤber viele Huͤgel, die eine Abwechſelung von ſteilen Anhoͤhen, Tiefenund61der Alten und der Neuen. und hohlen Stellen geben. Hin und wieder wird die Waldung durch angebauete Einzaͤunungen unterbrochen. Am Ende des Thales und am Fuße des Waldes liegt eine kleine Huͤtte, die dem ganzen Gemaͤlde eine reizende Abwechſelung giebt. Die entfernteren Huͤgel, die man daruͤber hervorragen ſieht, ſind meiſtens unfruchtbar und mit wilden Geſtraͤuchen bewachſen. Sie ſchließen gleichſam dieſes kleine Para - dies ein, und heben den Anblick deſſelben durch ihren Contraſt.

Wendet man ſich etwas zur Rechten, ſo ſieht man auf ein anderes herrliches Thal hinab, das viele Kruͤmmungen hat; und der jenſeits liegende Huͤgel iſt von unten bis auf die oberſte Spitze mit Waldung beſetzt. Das Thal beſteht aus lauter Wieſen, die durch gruͤne Hecken von einander abgeſondert, und mit einzelnen hohen Baͤumen beſetzt ſind. Dies Thal verliert ſich zuletzt zwiſchen Huͤgeln, die theils mit Hoͤlzung bewachſen ſind, theils unangebauet, theils wuͤſte liegen.

So wie man laͤngſt der Terraſſe hingeht, wechſeln die Ausſichten ab. Nichts iſt reizender, als das Thal, wodurch ſich der von uͤberhaͤngenden Baͤumen beſchattete Fluß ſchlaͤngelt. Die Baͤume verbreiten ſich vom Ufer uͤber eine Reihe von Huͤgeln, die durch eingezaͤunte Wieſen abwechſeln.

Indem man den Weg fortſetzt, erweitert ſich die Landſchaft, und zeigt dem Auge noch mehr Schoͤnheiten. Das Thal wird hier breit; die Einzaͤunungen haͤu - fen ſich; das ſchoͤne Gruͤn der Wieſen, einzeln ſtehende Baͤume, und ein ſchneller Strom liefern den ſchoͤnſten Anblick; ein unter hohen Baͤumen liegendes Pachter - haus macht ihn noch abwechſelnder.

Noch weiter auf der Terraſſe zeigt ſich ein Proſpect, der alle bisherige uͤbertrifft. Man ſieht durch eine Oeffnung in einem dicken Gebuͤſche, welches am Rande eines Abgrundes waͤchſet, auf die Ruinen einer alten Abtey hinab, die mitten in einem kleinen ſchoͤnen Thale liegt; zwiſchen den Ruinen wachſen hin und wieder ein - zelne Baͤume; dies giebt einen maleriſchen Proſpect, den man nicht beſchreiben kann.

Darauf macht die Terraſſe eine Kruͤmmung, von der ſich die Ausſichten aus einem ganz andern Geſichtspunkte darſtellen. Hier uͤberſieht man die Ruinen der Abtey, welche zerſtreut liegen, voͤllig; man hat das ſchoͤne breite Thal vor ſich, wel - ches ſich theils zwiſchen den Huͤgeln verliert, theils gegen andere Huͤgel erhebt, die mit Waldung bewachſen ſind. Gegenuͤber zeigt ſich der Wald in ſeiner ganzen Schoͤnheit, und die Abtey hat mit den einzeln liegenden Haͤuſern einen ſehr maleri - ſchen Anblick. Die Einzaͤunungen des Thales, die einzeln ſtehenden Baͤume, die Hecken machen eine reizende Landſchaft aus, die ſich mit zween weit entlegenen Huͤ - geln endigt.

H 3Etwas62Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Etwas weiter hin ſieht man von einer jaͤhen Anhoͤhe gleichſam gerade in die Ruinen hinein. Ueber dieſen Weg entdeckt man das Thal, und etwas hinter ſich eine Bruͤcke mit drey Bogen uͤber den Fluß. Das jenſeitige Ufer iſt mit Waldung beſetzt, uͤber welche nackende Huͤgel hervorragen.

Der Proſpect von dem joniſchen Tempel iſt ſchoͤn, und von den bisherigen ganz verſchieden. Eine Kluft geht von dieſem hinab, und hebt ſich nach der Rich - tung der Terraſſe gegen den jenſeitigen toſcaniſchen Tempel, der auf dem Gipfel der Anhoͤhe ſteht. Die Abtey zeigt ſich aus einem neuen Geſichtspunkte, und die Bruͤcke ſcheint mit uͤberhangenden Baͤumen umgeben. Der Tempel ſelbſt hat eine Halle und einen Saal, der mit Gemaͤlden, Bildhauerwerk und Vergoldung, alles im guten Geſchmack, geziert iſt.

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c. Park zu Hagley. *)Bey Stourbridge in Worceſterſhire. S. Betrachtungen uͤber das heutige Gar - tenweſen. Aus dem Engl. 1771. S. 239. u. ſ. w. Man hat uͤber dieſen Park auch ein ſchoͤnes maleriſches Gedicht von Mau -rice: Hagley. A Deſcriptive Poem. 4. London 1776. Ferner eine neue Beſchrei - bung: Letters on the beauties of Hag - ley &c. by Joſeph Heely. 8. 2 Vol. 1777.

Hagley liegt mitten in einer fruchtbaren und angenehmen Gegend, zwiſchen den Gebirgen von Clent und Witchberry. Die letztern von dieſen Bergen ſind in drey ſchoͤne Anhoͤhen vertheilt. Die eine unter denſelben iſt mit Waldung be - deckt; die andere iſt eine offene Schaftrift, mit einem Obelisken auf ihrer oberſtenSpitze;63der Alten und der Neuen. Spitze; auf der dritten zeigt ſich der bedeckte Gang vom Tempel des Theſeus, voll - kommen nach dem Muſter des athenienſiſchen, giebt dieſem auch an Groͤße wenig nach. Er ſteht kuͤhn auf dem Gipfel des Berges, und hat mit dem dunkeln Hinter - grunde eines Tannenwaldes und uͤber den vorne und an den Seiten befindlichen Ab - haͤngen ein recht majeſtaͤtiſches Anſehen. Das Haus bekoͤmmt von dieſen Anhoͤhen ein ſehr vortheilhaftes Anſehen; und man kann aus einem jeden Standorte derſelben einige ſchoͤne Ausſichten entdecken. Stourbridge, eine ſehr belebte Stadt, liegt gleich am Fuße derſelben; die Ruinen vom Dudleyſchloſſe zeigen ſich in keiner gro - ßen Entfernung; das Land iſt mit Einwohnern und den Spuren ihres Fleißes ange - fuͤllt; und ein kleines Stuͤck, das ſich von der Gegend, wo die in der Nachbarſchaft verarbeiteten Mineralien gegraben werden, bis uͤber den Horizont heruͤber verbreitet, iſt ein Beweis des Reichthums, ohne der Schoͤnheit der Landſchaft einigen Abbruch zu thun.

Von den Clenter Bergen ſind die Ausſichten noch groͤßer. Sie erſtrecken ſich auf der einen Seite bis zu den ſchwarzen Gebirgen in Wallis, welche ſich, in einer langen Linie in einer Entfernung von ſechzig (engl.) Meilen, durch die Oeffnung zwi - ſchen den rauhen und ungeheuern Malverngebirgen und zwiſchen der einſamen Spitze vom Wrekinberge zeigen, die beyde von hier dreyßig Meilen entfernt ſind und eben ſo weit von einander abſtehen. Das Land beſtehet aus einer Miſchung von Bergen und Thaͤlern, und iſt ſehr geſchloſſen; ausgenommen in einer einzigen Gegend, wo eine Hayde, die von Erhoͤhungen, Teichen und verſchiedenen andern Gegenſtaͤnden eine angenehme Abwechſelung erhaͤlt, mit einem bearbeiteten Felde, das von jener umgeben wird, einen vortrefflichen Contraſt macht. Von der andern Seite der Clenter Berge verbreitet ſich der Proſpect nicht ſo weit. Der Boden aber iſt weit rauher und unebener. Dennoch iſt er an vielen Orten mit großen und ſchoͤnen Waͤl - dern bedeckt; und die Ausſicht erhaͤlt von den vielen Landſitzen des Adels und anderer Standesperſonen einen anſehnlichen Vortheil. Weil uͤberdieß die Berge ſelbſt ſehr irregulaͤr ſind, ſo unterbrechen oft große weit vorſtehende Vorgebirge die Beſchaͤfti - gung der Augen, indem ſie zugleich die Scene veraͤndern. An andern Orten zeigen tiefe Thaͤler, die ſich nach und nach in der Landgegend verlieren, die da befindlichen Gegenſtaͤnde in einem abwechſelnden Lichte. In einer von dieſen Tiefen iſt ein arti - ges Bauerhaus unter einem hohen Abhange aufgebauet, welches uͤberdieß auf den Seiten und im Ruͤcken mit Waldung umringt iſt, und die Vorſtellung einer Einſie - deley mitten in einer ſo offenen und freyen Gegend erregt. Von den daruͤber befind - lichen Hoͤhen faͤllt der ganze Auftritt in die Augen, welcher vorher von den Witch - berry-Bergen uͤberſehen werden konnte, ſich aber hier uͤber den Park zu Hagleyzeigt,64Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenzeigt, der einen vortrefflichen Vorgrund abgiebt, an ſich ſelbſt ſchoͤn iſt, und die Land - ſchaft ausfuͤllet.

Obgleich das Wohnhaus im Park niedrig iſt, ſo iſt es doch uͤber die umliegende Landſchaft erhaben, die man aus demſelben bis zu einem ziemlich entfernten Horizont uͤberſehen kann. Es wird von einer Wildbahn eingeſchloſſen, die aus einem artigen unebenen Boden beſteht, und mit anſehnlichen Klumpen, kleinen Gruppen und ein - zelnen Baͤumen wechſelsweiſe beſetzt iſt. Von vorne hat es eine offene Ausſicht, auf der einen Seite aber wird es von den Witchberry-Bergen, und auf der andern, wie auch im Ruͤcken, von den Anhoͤhen des Parks umringt, die hoch, ſteil und alle mit erhabenen abhaͤngigen Waͤldern bedeckt ſind. Die Wildbahn, welche bald an dem Fuße dieſer Berge hinlaͤuft, bald die Anhoͤhen hinaufſteigt, oder ſich auch bisweilen laͤngſt den Bloͤßen in die Tiefe des Waldes hineinwindet, beſchreibet einen ſchoͤnen Umzug von einer waldigten Scene, die ohnedies, in Anſehung des dichten Laubwerks und des praͤchtigen Wuchſes, ſchon reich genug iſt.

Allein obgleich der Wald zuſammenhaͤngend zu ſeyn ſcheint, ſo oͤffnet er ſich doch wirklich oft in Wildbahnen, die einen großen Theil ſeines innern Raums einnehmen. In der Menge, in der Abwechſelung und Schoͤnheit dieſer Wildbahnen, in den Schatten der Gebuͤſche, wodurch jene von einander abgeſondert werden, wie nicht weniger in ihren eigenen Schoͤnheiten und Abwechſelungen, beſteht der Ruhm von Hagley. Nicht zwo Oeffnungen ſind in ihrem Maaße, in ihrer Figur oder in ih - rem Charakter einander gleich. Einige ſtrecken ſich in ſehr lange Wege aus; andere erweitern ſich nach allen Seiten. Auch unterſcheiden ſie ſich durch Gebaͤude, durch Ausſichten, und oft blos durch den Charakter der Gehoͤlze, von denen ſie eingefaßt ſind. Bey der einen machen etliche nachlaͤßige Linien von Baͤumen, und bey einer andern viele ſehr verſchiedene und gaͤnzlich irregulaͤre Theile die Graͤnze aus. Der Boden iſt nirgends eben; ſondern bald ſtuͤrzet er von ſteilen Abhaͤngen herab, bald macht er nur allmaͤhlige Erhoͤhungen, bald ſchlaͤngelt er ſich um mittelmaͤßige Anhoͤ - hen herum, bald bekommt er mit einer unendlichen Abwechſelung eine unterbrochene und wellenfoͤrmige Geſtalt.

Ein achteckigtes Sommerhaus, welches dem Andenken des beruͤhmten Thom - ſons gewidmet, und in der Gegend, die er am liebſten beſuchte, aufgebauet iſt, ſte - het auf dem Gipfel einer ſteilen Hoͤhe. Eine Wieſe windet ſich durch das unten be - findliche Thal, bis ſie ſich auf beyden Seiten hinter einigen Baͤumen verliert. Die - ſem Hauſe gegenuͤber kroͤnet ein anſehnlicher Wald den Gipfel eines großen, laͤnglich runden und erhabenen Berges, und ſenket ſich an den Seiten bis an den Fuß deſſel - ben herab. So wie er an der einen Seite herabſteigt, ſo zeigt ſich die entfernteLandſchaft65der Alten und der Neuen. Landſchaft mehr oder weniger, und hinter dem Abhange an der andern Seite erſchei - nen die Clenter Berge. Gleich am Fuße derſelben, da wo ſich der Wald endigt, ſtehet ein dunkler antiker Thurm. In der Mitte des Waldes aber ſiehet man einen bedeckten Gang nach doriſcher Bauart, nebſt einem Theile von der Wildbahn vor demſelben. Die Scene iſt ſehr einfach; die Hauptvorſtellungen ſind groß; ſie fallen weit mehr in die Augen, als alle uͤbrigen, und ſind aufs genaueſte mit einander verbunden.

Die naͤchſtfolgende Oeffnung iſt klein, und umzirkelt eine auf einem Huͤgel auf - gerichtete Rotunda. Die Baͤume, von welchen ſie eingeſchloſſen iſt, ſind groß, aber ihr Laubwerk iſt nicht ſonderlich dichte; und weil ihre Staͤmme unter den Aeſten, ihre Zweige aber durch dieſelben erſcheinen, ſo machen ſie in einem ſo kleinen Platze ſehr wichtige und angenehme Umſtaͤnde aus. Sie hat eine ganz einſame Lage, kei - nen Proſpect, und nur einen einzigen ſichtbaren Ausgang; und dieſer iſt kurz und enge, bis zu einer mit einem bedeckten Gange gezierten Bruͤcke, die uͤber das Ende eines Stuͤckes von einem Fluſſe angelegt iſt.

Der Hain hinter der Rotunda ſondert dieſe von einer großen, freyen und wal - digten Oeffnung ab, die uͤberdieß von einem duͤnnen Gehoͤlze eingefaßt, nachlaͤßig gezieret, und mit vielem Farnkraut uͤberwachſen iſt. Dieſe Wildniß iſt mitten in ſo vieler Schoͤnheit und Zierde, welche in den benachbarten Wildniſſen hervorleuchtet, eine wohlangebrachte Schattirung. Uebrigens iſt der Ort an ſich ſelbſt angenehm und nirgends eingeſchraͤnkt; man hat am Ende deſſelben aus einem gothiſchen Ge - baͤude eine perſpectiviſche Ausſicht auf den Wald und Thurm, die ſich vorhin beyde zugleich mit den Witchberry-Bergen und mit einem großen Striche der Landgegend von vorne zeigten.

Der Thurm, welcher im Proſpecte allezeit mit Waldung verbunden iſt, ſtehet gleichwohl nur auf einem Stuͤcke von einer Ebene, die laͤngſt auf der breiten Hoͤhe eines Berges hinlaͤuft, und ſich auf beyden Seiten in einer kleinen Strecke herab - lenket. Dichte Haine verſtecken die Abhaͤnge. Zur Rechten verliert ſich die herab - neigende Wildbahn gar bald unter den Baͤumen; der Abſturz zur Linken aber iſt ſteiler und kuͤrzer, ſo daß ihn das Auge bis in die Tiefe verfolgen kann. Der Thurm hat eine Ausſicht uͤber das Ganze. Er ſelbſt ſcheint das Ueberbleibſel eines, theils ganzen, theils eingefallenen und theils mit Gebuͤſchen uͤberwachſenen Schloſſes zu ſeyn. Man kann ſich keine ſchoͤnere Lage fuͤr daſſelbe vorſtellen. Es ſtehet an ei - nem freyen, aber einſamen Orte; es hat einen ſehr weit ausgedehnten Proſpect, und iſt uͤberall ein wichtiger Gegenſtand.

Am Ende des unter demſelben befindlichen Thals iſt in einem finſtern und aller Ausſicht beraubten Winkel eine aus Wurzeln und Moos zuſammengeſetzte Einſiedler -I Band. Jwohnung66Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenwohnung. Hohe Seiten und ein dichtes von Roßkaſtanien verdunkeltes Gebuͤſche ſchließen dieſen abgeſonderten Ort ein. Ein ſchmaler Bach rieſelt durch denſelben hindurch; und zwey kleine Gewaͤſſer ſammeln ſich in der Tiefe. Auf der einen Seite erſcheinen ſie durch die Gruppen der Baͤume; die andere Seite aber iſt offen, jedoch mit Farnkraut uͤberwachſen. Dieſes Thal macht das Ende des Parks aus; und unmit - telbar uͤber demſelben erheben ſich die Clenter Berge in aller ihrer Unregelmaͤßigkeit.

Auf der andern Seite von dem Schloſſe iſt ein langer Abhang, der wie das uͤbrige mit vortrefflichen Waldungen bedeckt iſt, welche gleichfalls ſchoͤne, aber von allen vorigen unterſchiedene, Wildbahnen umſchließen. In der einen iſt der Boden ſehr rauh, die Graͤnze iſt ſtark unterbrochen, und blos durch die Staͤmme der Baͤu - me bezeichnet, die ſehr hoch aufſchießen, ehe die Aeſte anfangen. Die folgende iſt weit einfacher; der Boden faͤllt von einer ebenen Hoͤhe in eine große Tiefe herab, die ſich ſchief nach dem Thale zu lenket, wo ſie ſich in die Waldung verliert. Dieſe haͤngt vermittelſt eines kurzen Weges durch zwo Haine mit einer andern zuſammen, welche die Tinianiſche Wildbahn heißt, wegen der Aehnlichkeit, die ſie mit den Wildbahnen dieſer beruͤhmten Inſel haben ſoll. Sie iſt mit den praͤchtigſten Baͤu - men eingefaßt, die alle friſch, lebhaft und ſo voll Blaͤtter ſind, daß kein Stamm, kein Aſt erſcheint, ſondern große Flaͤchen von Laubwerk einen wellenfoͤrmigen Umzug bezeichnen. Dennoch aber wird dieſe Wirkung nicht von den bis auf den Boden herabhangenden Aeſten erzeuget; dem Anſehen nach ſchießen ſie einige Fuß hoch uͤber der Erde wagrecht aus ihren Staͤmmen in eine erſtaunende Weite hervor, und wer - fen einen Schatten unter ſich, worin man in allen Stunden des Tages einen unmit - telbaren Zufluchtsort finden kann. Der gruͤne Raſen iſt hier ſo anmuthig, als in der offenen Gegend. In beyden kruͤmmet ſich der Boden uͤber allmaͤhlige Anhoͤhen und kleine Vertiefungen, wodurch er der Oberflaͤche eine richtige Abwechſelung giebt, ohne ſie zu zertheilen. Nirgends ſind ſtarke Linien gezogen. Keine erſtaunenswuͤr - dige Gegenſtaͤnde finden hier ſtatt; ſondern alles iſt in einer mittlern Beſchaffenheit; alles iſt ſanft, ruhig und heiter, in der angenehmſten Zeit des Tages blos munter und unterhaltend, und in den ſtilleſten Stunden der Nacht nicht traurig. Indeſſen aber iſt der Auftritt wirklich ganz beſonders der Ruhe der letztern angemeſſen, wenn das Licht des Mondes auf dem dichten Laubwerk des Hains zu ruhen ſcheint, und zugleich den Schatten eines jeden Zweiges deutlich bezeichnet. Alsdann iſt es ein reizender Zeitvertreib, hier herum zu ſpazieren; das Gras und das darin geflochtene Gewebe der Feldſpinnen vom Thau glaͤnzen zu ſehen; zu horchen, und doch nichts zu hoͤren, das ſich ruͤhrte, es muͤßte denn ein verwelktes Blatt ſeyn, das ganz langſam durch die Aeſte eines Baums herabfaͤllt; und die friſche Abendluft zu ſchoͤpfen, ohnedie67der Alten und der Neuen. die Beſchwerlichkeit der Kaͤlte zu empfinden. Eine einſame ehemals von Pope fuͤr dieſen Ort beſtimmte und nunmehr ſeinem Andenken in einer Inſchrift gewidmete Urne unterhaͤlt, wenn ſie ſich vermittelſt des Mondlichts durch die Baͤume zeigt, das Nachdenken und die Verfaſſung, in welche die Seele ganz unmerklich durch die uͤbri - gen Umſtaͤnde dieſer reizenden Scene verſetzt wird.

Der doriſche bedeckte Gang, welcher gleichfalls den Namen des Dichters fuͤhrt, iſt auch in der Naͤhe, ob er gleich nicht in die Augen faͤllt. Er ſtehet auf dem Abhange eines Berges; und Thomſons Haus mit ſeinen Hainen iſt ein angenehmer Gegenſtand in dem Proſpecte von jenem. In dem unten liegenden Thale iſt eine Bank angebracht, die verſchiedene kurze Ausſichten vor ſich hat. Die eine iſt an der Anhoͤhe hinauf bis zu dem bedeckten Gange; und andere erſtrecken ſich durch die Oeffnungen im Walde bis zu der Bruͤcke und zu der Rotunda.

Die naͤchſte Wildbahn iſt groß. Der Boden iſt uneben und hoͤckerich, hat aber dennoch einerley Richtung, indem ſich die Erhoͤhungen von allen Seiten nach einem allgemeinen Abhange neigen. Der Umzug bekoͤmmt ſeine Abwechſelung von verſchiedenen auf den Huͤgeln gepflanzten Gruppen von Baͤumen; und durch die Oeffnungen zwiſchen denſelben zeiget ſich ſehr oft ein perſpectiviſcher Anblick der Land - gegend. Auf der oberſten Hoͤhe iſt ein Haus, welches die praͤchtigſte Lage in ganz Hagley hat. Von demſelben hat man eine Ausſicht an dem kuͤhnen Hange der Wildbahn hinunter und uͤber ein ganzes Thal, welches bis zu den hinter demſelben befindlichen Bergen mit den vortrefflichſten Baͤumen angefuͤllt iſt. Der eine von dieſen Bergen iſt mit einem abhaͤngigen Walde bedeckt, der nur darum eine Oeffnung hat, um Thomſons Haus nebſt den darum liegenden Hainen und Anhoͤhen zu zei - gen. Die uͤbrigen ſind die Witchberry-Berge, die ſich vorwaͤrts in die Landſchaft hereinzudraͤngen ſcheinen. Und indem die dichten Wipfel der Baͤume im Thal ſich in eine fortlaufende Oberflaͤche verwandeln, ſo geben ſie dem Tempel des Theſeus eine ſehr breite Grundflaͤche, verbergen die Hoͤhe, auf welcher er gebauet iſt, und preſſen ſich bis uͤber den Grund deſſelben. Weiter zuruͤck ſtehet der Obelisk; vor demſelben iſt die Schaftrift, und hinter ihm der Wald von Witchberry; hinter dem Tempel aber ſind die Tannen. Dieſe beyden Gehoͤlze hangen mit jener großen waldigten Scene zuſammen, die ſich uͤber den andern Berg und uͤber das ganze da - zwiſchen liegende Thal verbreitet. Eine ſolche Ausdehnung von Waldung, eine ſol - che Abwechſelung in der Anlage derſelben; Gegenſtaͤnde, die an ſich ſelbſt ſo vortrefflich ſind, und durch ihre Lagen noch mehr veredelt werden, die einen Contraſt unter ein - ander machen, alle deutlich von einander unterſchieden, alle gluͤcklich verbunden ſind; ſo ſchoͤne Theile eines ſo großen Ganzen, die von einer reizenden Flur uͤberſehen, undJ 2von68Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenvon einer anmuthigen Landgegend umringt werden: dieſes alles macht zuſammen wirklich einen Auftritt von Pracht und Groͤße aus.

Die verſchiedenen Wildbahnen werden durch die ſchoͤnſten Baͤume von einander abgeſondert, welche bisweilen in weitſchichtige, von Lichtſtrahlen durchkreuzte und von einem jeden Luͤftchen durchdrungene Haine aufwachſen, noch weit oͤfterer aber vermit - telſt ihrer zuſammenſtoßenden in einander geflochtenen Zweige einen tiefen undurch - dringlichen Schatten verbreiten. Große weit ausgeſtreckte und tief herabhaͤngende Aeſte verſperren oft die Ausſicht. Bisweilen iſt ein leerer Raum mit lebendigem Gehoͤlze, mit Haſelſtraͤuchen, Dorngebuͤſchen und Hagebuchen angefuͤllt, deren bu - ſchigte Haͤupter ſich mit dem Laubwerk der Baͤume vermiſchen, und deren ſchwache Reiſer in unzaͤhlbarer Menge ſich um ihre Staͤmme herum verſammeln, und auf dieſe Art die Waldung verdicken und verfinſtern. Hier und da beſtehet die Abtheilung blos aus ſolchem lebendigen Gehoͤlze, welches, weil es nicht ſo gepreßt und erſtickt wird, weit ſtaͤrker aufſchießet, ſich viel weiter ausbreitet, und oben in ein niedrig ge - woͤlbtes Gebuͤſche zuſammenlaͤuft. An andern Orten verdunkelt ſich der Schatten unter den hohen Schwibboͤgen der laͤngſten Eſchen, oder dehnet ſich unter den Aeſten der ehrwuͤrdigſten Eichen in der Breite; dieſe zeigen ſich in allen moͤglichen Geſtalten, in welchen Baͤume nur wachſen koͤnnen. Der Boden unter denſelben iſt bisweilen beynahe voͤllig eben, bisweilen ein wenig erhaben, insgemein aber ſehr irregulaͤr und ganz ungleich. An verſchiedenen Orten laufen große Hoͤhlungen an den Seiten der Berge herab, die ſeit Jahrhunderten in den ſtuͤrmiſchen Monaten von dem herab - ſchießenden Waſſer ausgewaſchen ſind; denn ſehr bejahrte, mitten in dieſen Canaͤlen ſtehende Eichen beweiſen ihr Alterthum. Einige unter denſelben erhalten ſich die meiſte Zeit des Jahres hindurch ganz trocken; in andern aber fallen kleine Gewaͤſſer den ganzen Sommer hindurch herab. Sie ſind ſowohl tief als breit; die Seiten ſind gemeiniglich ſteil, und oft ſenkrecht abgebrochen oder ausgehoͤhlt; und die auf den Ufern ſtehenden Baͤume verlaͤngern nicht ſelten ihre gaͤnzlich bemoosten Wurzeln uͤber dieſe Waſſergraben, bis in den jenſeitigen Boden hinuͤber. Tief unten in einem von dieſen Schluften iſt unter einem dicken Schatten von wilden Kaſtanienbaͤumen eine platte Bank, in der Mitte verſchiedener kleiner Stroͤme und Waſſerfaͤlle, die zwiſchen großen frey liegenden Steinen und den Kloͤtzern abgeſtorbener Baͤume, welche den Boden unterbrechen, dahin rauſchen. Auf dem Rande eines andern Canals, der ſich durch eine zahlreiche Dolenhecke unterſcheidet, befindet ſich in einer noch wildern Lage, neben einem tiefern Abgrunde, und in einer noch dichtern Finſterniß, eine Huͤtte. Die Waſſerfaͤlle ſind hier beynahe ſenkrecht; die Wurzeln verſchiedener von den herumſtehenden Baͤumen ſind, nachdem die Erde ganz weggeſpuͤlt worden, mei -ſtentheils69der Alten und der Neuen. ſtentheils bloß; große Aeſte von andern ſinken unter dem Drucke ihrer eigenen Laſt herab, und haben das Anſehen, als ob ſie alle Augenblicke von ihren Staͤmmen los - brechen wollten; und die ſchoͤnſten, noch in ihrem Wachsthum ſtehenden Eſchen lehnen ſich ſchief uͤber den Graben heruͤber, der die Luft um ſich herum kuͤhl macht.

Ueber dieſe Tiefen, durch die Waͤlder, Haine und dichtere Gebuͤſche, wie auch laͤngſt an den Seiten der Wildbahnen, ſind kieſigte Gaͤnge, und zwar ſo angelegt, daß ſie die Gemeinſchaft allezeit unterhalten und zu den Hauptſcenen fuͤhren, ob ſie gleich insgemein vor den Augen verſteckt ſind. Die Schoͤnheit ſo vieler Spazier - wege, die Vielheit und der Charakter der Gebaͤude und die gute Verfaſſung, worin der ganze Ort erhalten wird, dieſes alles giebt dem Park ein vortreffliches Anſehen. *)Von mehrern brittiſchen Parks kann man Beſchreibungen in den beyden ange - fuͤhrten Schriften finden; ſo auch in eben des Youngs Reiſe durch die oͤſtlichen Pro - vinzen von England, als eine Fortſetzung der erſten Reiſe. Aus dem Engl. 8. 3ter und 4ter Theil 1775. Man hat ge - fragt, warum die Englaͤnder, wenn ihre Parks ſo ſchoͤn waͤren, ſie nicht in Kupfer - ſtichen zeigten? Ich antworte: Von Canot und Maſon hat man einige Seiten von dem Park des Grafen von Weſtmore - land. Der große Park zu Windſor iſtnach ſeiner letzten Verſchoͤnerung in 8 Aus - ſichten von Sandby, Maſon, Vivarez, Canot, Roocker und Auſtin in Kupfer ab - gebildet. Von dem alten und von dem neuen Stowe kenne ich zwey Werke: A General Plan of the Woods Park and Gardens of Stowe, by Bridgemann, fol. 1739. Stowe: a Deſcription of the ma - gnificent Houſe and Gardens &c. a new edition. 8. London 1766. Das erſte ſtellt den Garten in ſeiner alten Regelmaͤßigkeit, das andere in ſeiner neuen Verſchoͤnerung vor, und enthaͤlt Abbildungen der Tempel,Saͤulen,

J 3Auch
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70Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Auch in Schottland kennt der edlere Theil der Bewohner die Reize des Landle - bens. Zwar iſt ihnen das Klima ſehr nachtheilig; von den Fruchtarten bringt die Natur nur eine geringe Anzahl zur Reife. Viele Gegenden liegen ſo oͤde, daß das Geſicht durch nichts ergoͤtzt, die Scene durch nichts veraͤndert wird, als etwa durch eine Heerde Schafe, oder durch den duͤſtern Eingang in eine Kohlengrube, oder durch den Gipfel eines großen nackten Berges in der Ferne. Die Abwechſelung von Sonnenſchein und Schatten iſt, wie Johnſon klagt,*)Reiſe nach den weſtlichen Inſeln bey Schottland. da eine aͤußerſt unbekannte Sache; das Land dehnt ſich in einfoͤrmiger Nacktheit aus, auf viele Meilen ganz entbloͤßt von Gebuͤſch und Baͤumen, deren Anpflanzung noch durch eine unbegreifliche Nachlaͤßigkeit verſaͤumt wird. Inzwiſchen zeichnen ſich verſchiedene Gegenden durch einen Charakter von Groͤße und Majeſtaͤt aus, der ihnen eigenthuͤmlich zu ſeyn ſcheint.

Man

*)Saͤulen, Monumente, die Inſchriften, die Beſchreibung des Hauſes, der Gemaͤlde u. ſ. w. Die Kupferſtiche ſind aber ſehr mittelmaͤßig und zu klein. Von Kew ha - ben wir außer vier großen Blaͤttern von Maſon, Elliot und Canot nach Woolletts Zeichnung, die verſchiedene Partien von dem Park vorſtellen, noch: Plans, Eleva - tions, Sections and Perſpective Views of the Gardens and Buildings at Kew in Surry, by William Chambers, fol. London 1763. Dieſes Werk enthaͤlt Riſſe und Ab - bildungen der Tempel und uͤbrigen Gebaͤu - de, und 8 ſchoͤne Partien von dem Park, geſtochen von Woollet Major, Sandby, Grignion und Roocker. Auch findet man einige ſchoͤne Naturſcenen in Parks, be - ſonders Waſſerfaͤlle, in der engl. Origi - nalausgabe von Arthur Youngs Reiſe: The ſix months Tour through the North of England. Second Edit. 1771. 4 Vol. welche in der deutſchen Ueberſetzung fehlen. Außerdem gehoͤrt noch hieher: Detail des nouveaux Jardins à la mode, fol. Paris 1775. Dieſe Sammlung iſt ſchon auf ei - nige Hefte, die viele Blaͤtter enthalten, angewachſen, und wird noch fortgeſetzt;ſie ſtellt zugleich ſowohl einzelne Partien, als auch Gebaͤude aus verſchiedenen ſchoͤ - nen Parks der Britten vor; uͤberhaupt aber iſt zu wuͤnſchen, daß dabey mehr Aus - wahl der Gaͤrten und mehr Sorgfalt des Grabſtichels beobachtet ſeyn moͤchte. Viele von den beſten englaͤndiſchen Parks ſind noch zu neu, und werden noch jaͤhr - lich verſchoͤnert. Mehr Schwierigkeiten iſt naͤchſtdem die Abbildung eines Parks, als eines ſymmetriſchen Luſtgartens unter - worfen; von dieſen konnte man leicht eine ſo unzaͤhlige Menge von Zeichnungen haͤu - fen, zumal da ſie ſich faſt alle ſo aͤhnlich ſahen. Endlich befinden ſich die Kuͤnſtler in der Hauptſtadt, und die ſchoͤnſten Parks in den entlegenen Provinzen. In Ab - ſicht auf Grundriſſe zu Gartengebaͤuden iſt, außer den Werken der Architekten William und John Halfpenny, beſonders des Ro - bert Morris Architecture improved in a Collection of Deſigns from Lodges and other Decorations in Parks, Gardens &c. 8. London 1757. zu bemerken.

71der Alten und der Neuen.

Man ſieht ſehr viele Landhaͤuſer, die gut gebauet und wohl unterhalten ſind. Beſonders haben, wie Topham bemerkte,*)Briefe von Edinburg in den Jahren 1774 und 1775 geſchrieben. 28ter Br. die Landhaͤuſer in der Naͤhe von Edin - burg wegen der romantiſchen und abwechſelnden Beſchaffenheit des Landes ein male - riſches und ſchoͤnes Anſehen. Ihre Beſitzer, ſetzt er hinzu, verdienen wegen ihres bey der Anlage gezeigten Geſchmacks und Verſtandes alles Lob. Der aufruͤhreriſche Geiſt und die ungluͤcklichen Zerruͤttungen verhinderten in vorigen Zeiten die Aufmerk - ſamkeit auf die laͤndlichen Vergnuͤgungen und die Verſchoͤnerung der Geſtalt des Lan - des. Jetzt wird dieſe nuͤtzliche Beluſtigung befoͤrdert.

Allein die Luſtgaͤrten ſind hier nicht ſo gut angelegt, noch zu ſehr nach ſteifen Linien, und nicht mit der edeln Freyheit und großen Mannigfaltigkeit laͤndlicher Ge - genſtaͤnde, wodurch die Parks in England ſo beruͤhmt geworden ſind.

Selbſt in Irrland liegen, wie Twiß**)Reiſe durch Irrland im Jahr 1775. erwaͤhnet, verſchiedene anmuthige Landhaͤuſer und Gaͤrten; dieſe ſind groͤßtentheils in dem neuen Geſchmack der Eng - laͤnder angelegt.

7. Gaͤrten
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72Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

7. Gaͤrten in Deutſchland.

Die Gaͤrten in Deutſchland ſind lange durchgaͤngig der ſymmetriſchen Ma - nier unterworfen geweſen, und man glaubte bey uns, ſo wie in andern Laͤndern, daß nur dieſe die richtige ſey. Unſre Architekturlehrer, welche ebenfalls die Anlage der Gaͤrten unter ihr Gebiet zogen, verbreiteten dieſes Vorurtheil, indem ſie ihr die Re - gelmaͤßigkeit vorzeichneten. Noch mehr wirkte die Gallomanie, eine ſonderbare Krankheit bey unſerer Nation, die einen großen Theil derſelben von den Fuͤrſten an bis zu den Kraͤmern beherrſchte, und gegen welche weder der Spott der Patrioten, noch die Denkmaͤler, die unſre eigene Kraft und Wuͤrde beweiſen, maͤchtig genug ſchienen. So machts der Franzoſe, ſo hab ichs in Frankreich geſehen. Dies war genug, um den erfindſamen Deutſchen zum Nachahmer herabzuwuͤrdigen. Wir bekamen franzoͤſiſche Gaͤrten, ſo wie wir franzoͤſiſche Moden hatten. Und um die Nachahmung deſto geſchwinder und allgemeiner zu machen, ſo geruheten un - ſre Großen das erſte Beyſpiel zu geben, und bald ein klein Verſailles, bald ein klein Marly, bald ein klein Trianon, alles aber in beſcheidener Miniatur, anlegen zu laſſen. Bald pfropften wir unſere Gaͤrten, anſtatt edler Baͤume, mit elenden Klum - pen von todtem Holz und Stein voll, die mit dem Namen von Statuen beehrt wur - den; bald ahmten wir dem verſchwenderiſchen Pomp hollaͤndiſcher Blumenflu - ren nach.

Vernunft und Geſchmack fangen indeſſen jetzt an, wenigſtens als eine ſchoͤne Morgenroͤthe, uͤber unſre Gaͤrten aufzugehen. Bey einer Nation, die vielleicht mehr als eine andere gegen die Schoͤnheiten der Natur empfindlich iſt, mehr als eine an - dere die maleriſche Idylle liebt, konnte es nur die Verblendung der Nachahmung ſeyn, die ſie auf eine Zeit taͤuſchte. Ein Selbſtbetrug, der ſo wahren und ſo maͤch - tigen Gefuͤhlen entgegen war, konnte nicht lange dauern; und die Nachahmung mußte wenigſtens einen Stillſtand haben, nachdem man es einmal empfand, wie weit ſie irre fuͤhrte.

Die Nachrichten von der englaͤndiſchen Gartenverbeſſerung haben, die Wahr - heit zu geſtehen, wohl die erſte Aufheiterung uͤber dieſen Gegenſtand in Deutſchland vorbereitet. Wir duͤrfen noch uͤber keine ploͤtzliche Revolution, keine ſehr verbreitete Nachahmung klagen. Es ſcheint, daß eigene Ueberlegung wirkſam wird, die im - mer einen langſamern Gang haͤlt, als bloße Nachahmung. Es mag hie und da wohl einzelne unuͤberlegte Copien der englaͤndiſchen Manier, ſelbſt einige Nachaͤffun - gen chineſiſcher Seltſamkeiten geben. Aber im Ganzen ſcheint doch die angenehmeErwar -73der Alten und der Neuen. Erwartung durch, daß jetzt der Geiſt der Nation ſich auch hier einer eigenen Ueber - legung und Thaͤtigkeit uͤberlaſſen will, und daß wir Gaͤrten gewinnen werden, die mit dem Gepraͤge des deutſchen Genies bezeichnet ſind.

Wir haben nicht blos Anfaͤnge, wir haben ſelbſt ſchon einige gluͤckliche Aus - fuͤhrungen, die deutſch ſind, ob man ſie gleich, um ſie von der alten Manier zu un - terſcheiden, unter dem Namen englaͤndiſcher Gaͤrten verſteckt. Warum geben wir ihnen nicht ihren eigenen Namen, den Namen des Landes, der Erfinder? Die hollaͤndiſche, die franzoͤſiſche, die englaͤndiſche Manier iſt beſtimmt; man denket ſich bey dem Namen einer jeden ſchon ihren charakteriſtiſchen Unterſchied. Und was kann uns bereden, Nationalanlagen mit einem fremden Namen zu belegen, der ſie fuͤr bloße Nachahmungen ausgiebt? Iſt es etwa mehr Empfehlung, wenn der deutſche Fuͤrſt einen englaͤndiſchen, als wenn er einen deutſchen Garten hat? Laͤßt ſich nicht eine Manier gedenken und einfuͤhren, die deutſch genug iſt, um dieſen Na - men anzunehmen? So viel iſt gewiß, daß wir ſchon wirklich einige Gaͤrten haben, die zwar in gewiſſen Theilen dem englaͤndiſchen Geſchmack zugehoͤren, vielleicht ſelbſt Nachahmungen davon ſind, im Ganzen aber das Gepraͤge eines eigenen von jenem abweichenden Geiſtes haben. Einige edle Deutſche, ſelbſt einige vortreffliche Fuͤr - ſten, haben ſich mit einer ſeltenen Feinheit des Geſchmacks dieſes Verdienſt zu erwerben gewuͤrdigt. Und warum duͤrfte ich hier nicht beſonders die jetzt regierenden Fuͤrſten zu Gotha, Deſſau und Carlsruhe mit der waͤrmſten Verehrung nennen, die eben den wohlthaͤtigen Geiſt, womit ſie ihre Voͤlker begluͤcken, auch auf die Verſchoͤnerung der lebloſen Natur rings um ſich her verbreiten, und gleichſam mit eigenen Haͤnden die ehrwuͤrdigen Schattenlauben woͤlben, unter welchen ſie nur ausruhen, um ſich zu neuen Geſchaͤften fuͤr den Ruhm der Menſchheit zu erfriſchen?

Deutſchland, das die Ehre der Gaͤrten ſelbſt durch die Mitwirkung ſolcher er - habenen Kenner ſich ausbreiten ſieht, koͤnnte ſehr leicht eine Menge der ſchoͤnſten Luſt - plaͤtze gewinnen. Wie viele reizende Gegenden von den Gebirgen in Sachſen bis zu den Geſtaden der Nordſee herunter, in den meiſten Provinzen auf allen Seiten, und beſonders an den Ufern der Elbe, des Rheins, des Mayns, Gegenden, wel - che die herrlichſten Anlagen der Natur enthalten!

Nicht weniger iſt beſonders dieſes mein geliebtes Vaterland, Holſtein, mit Schoͤnheiten geſchmuͤckt, die den Fremden einnehmen und den oft umwoͤlkten Augen des Einwohners unbekannt voruͤbergehen. Keine ſteilen Felsgeruͤſte, keine Gebirge, keine Gegenſtaͤnde, die Erſtaunen einfloͤßen, außer den beyden Meeren, welche die friedfertigen Ufer dieſer Provinz beſpuͤlen, und, indem ihre Wellen, durch manches dahinfliegende Schiff belebt, an den blauen Horizont hinſchlagen, Ausſichten in dasI Band. KUner -74Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenUnermeßliche eroͤffnen. Aber dagegen eine Menge laͤndlicher Reize uͤber den frucht - barſten Boden verbreitet; ſanfte Erhoͤhungen und Vertiefungen, ein anmuthiges Ge - miſch von Kornfeldern, von Wieſen, von Viehtriften, von Gebuͤſchen, von Wal - dungen, von meilenlangen Seen, deren heller Spiegel das Bild der friſchgruͤnenden Landſchaft zuruͤckwirft; keine Weinberge, aber Huͤgel voll fetter Heerden, die im fro - hen Ueberfluß umherirren; und wenn auch der Fruͤhling und der Sommer ihre ſchoͤ - nen Tage daherfuͤhren, ſo iſt es doch beſonders der milde Herbſt, der mit einer ſtillen einnehmenden Heiterkeit laͤchelt und ſpaͤt den Genuß der Landfreuden verlaͤngert. Und in dieſen Gefilden ein Adel, der das Erbtheil ſeiner Vaͤter lange in ungeſtoͤrter Ruhe genießt, der ſeine weiten Laͤndereyen beherrſcht, und dem, was der Geſchmack entwer - fen wuͤrde, der Reichthum ausfuͤhren helfen koͤnnte. In der That faͤngt auch hier der Geiſt der Verſchoͤnerung an, ſeine Wirkſamkeit auszubreiten. Die Gehoͤlze oͤff - nen ſich zu freyen labyrinthiſchen Spaziergaͤngen, zu kuͤhlen Laubſitzen, zu friſchen Ra - ſenplaͤtzen; man eilt heitern Ausſichten und Scenen der Natur entgegen; und bald entſteht hie und da ein Ganzes von einer Verſchoͤnerung, die bisher unbekannt war.

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Beſchrei -75der Alten und der Neuen.

Beſchreibung von Aſchberg.

Unter den anmuthigſten Plaͤtzen in Holftein nimmt Aſchberg eine der erſten Stellen ein. Der Ploͤnerſee, an welchem dieſer Ort liegt, giebt ihm ſo viele zau - beriſche Schoͤnheiten, als in wenig Gegenden vereinigt erſcheinen. Dieſer See ge - hoͤrt unſtreitig zu den ſchoͤnſten Gewaͤſſern, welche unſre Erdflaͤche zieren; ſein Anblick erhebt und erfreut ſchon in der Ferne; und der Landſchaftmaler trifft in den Proſpecten ſeiner Ufer und Inſeln Gemaͤlde der Natur an, bey welchen die Einbildungskraft nichts mehr zu verſchoͤnern hat.

Der See bildet eine uͤberaus lange und breite Waſſerflaͤche, die indeſſen nicht ſo ausgedehnt iſt, daß ſeine Ufer nicht von allen Seiten uͤberſchauet werden koͤnnten; und gerade durch dieſes Ueberſehbare ſeines Bezirks gewinnt er mehr an vortheilhafter Wirkung. Nichts iſt reizender an Geſtalt und abwechſelnder als ſeine Ufer. Bald graͤnzen ſie an ein Dorf, bald an eine Wieſe, bald an einen Meyerhof, bald an einen Wald, bald an einen Huͤgel hin; nur ſelten erſcheint eine merkliche Erhoͤ - hung; an den meiſten Seiten iſt die Graͤnze niedrig, und das Waſſer verliert ſich anmuthig in die gruͤnende Landſchaft umher. Die Einbuchten ſind mannigfaltig, und ſchmiegen ſich in ſanft gebogene Linien. Hin und wieder laufen einige Striche des Sees durch kleine Eingaͤnge tief in das Land hinein, und bilden eine Menge von neuen Proſpecten, die durch die Einfaſſung der umherſtehenden Baͤume, Gebuͤſche und Haine noch mehr verſchoͤnert werden. Auf einer andern Seite ziehen ſich wie - der ſchmale Landflaͤchen gruͤnend, mit Gebuͤſch oder einzelnen Baͤumen bekleidet, ins Waſſer, worin ſie zu ſchwimmen ſcheinen. Verſchiedene kleine Inſeln, die zerſtreut umherliegen, geben dem See eine uͤberaus anmuthige Verzierung. Sie reizen nicht blos durch ihr ſchoͤnes Gruͤn, das ſich hier lange in ſeiner Lebhaftigkeit erhaͤlt, ſondern auch durch Gebuͤſch und einzelne Baͤume, die gegen das helle Waſſer einen ſehr ma - leriſchen Proſpect geben. Sie ſind ſo klein und ſo eben, daß man ſie ganz uͤberſieht; ſo unmerklich erhoͤhet, daß ſie mit dem Waſſer eine gleiche Linie zu halten, mit ihm ſich zu bewegen ſcheinen. Dieſe herrliche Waſſerflaͤche, die mit allen Schoͤnheiten der Natur bereichert iſt, wird durch hin und wieder rudernde Fiſcherboͤte und Seevoͤ - gel, die kreiſchend ſich in der Luft umherwaͤlzen, belebt. Einige Huͤgel umher, die Buſchwerk und kleine eingezaͤunte Felder tragen, die Waldungen und die Inſeln ge - ben dem lichtvollen Gewaͤſſer eine liebliche Schattirung; und die Wolken und die Ufer bilden mit ihren abwechſelnden Geſtalten und Farben eine Menge von Wiederſcheinen, die in einer unnachahmlichen Schoͤnheit umherſchweben. An einigen Einbuchten des Sees erblickt man uͤberaus anmuthige Scenen von Waldung und Waſſer inK 2Ver -76Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenVerbindung, wo hohe Buchen mit Eichen untermiſcht in einer dichten Woͤlbung von Laubwerk ſich eine kleine Anhoͤhe hinaufziehen, von da auf das Waſſer des Ufers einen dunkeln Schatten zuruͤckwerfen, indeſſen die benachbarte Flaͤche im Sonnenlicht erheitert dahinſpielt. Doch alle dieſe Annehmlichkeiten wurden noch durch eine zu - faͤllige Abendſcene erhoͤhet, die uns uͤberraſchte, indem wir nach dem Untergang der Sonne an einer kleinen zirkelfoͤrmigen Ecke des Sees ſtanden, deren gegenſeitiges Ufer von einem dicken Gebuͤſch begraͤnzt war. Ein breiter hochrother Abendſtral er - ſchien hinter der Daͤmmerung des Gebuͤſches; wo ſeine kurze Beſchattung aufhoͤrte, da glaͤnzte das Waſſer in eben der Farbe, die am Himmel leuchtete; und das Ufer ſpiegelte ſeine dunkle Geſtalt in der brennenden Fluth; das Feuer und die Finſterniß konnten in keinen mehr romantiſchen Contraſt kommen; der uͤbrige Strich des Waſſers naͤher nach uns hin zeigte eine wunderbare Miſchung von Weiß, Dunkel, Roͤthlich, Blaͤulich, Gelb, nachdem die von der Abendroͤthe gefaͤrbten Wolken darin abglaͤnzten; eine tiefe Stille herrſchte umher; nur dann und wann ließ ſich ein leiſes Gequaͤckſel von einem Froſch hoͤren; aus einer finſtern Ecke fuhr ein rudernder Kahn heraus, ward in dem Bezirk des Glanzes ſichtbar, verlor ſich wieder ſchnell in den Schatten, und ließ nichts zuruͤck, als eine zitternde Bewegung des Waſſers und eine zweifelhafte Erinnerung an die taͤuſchende Erſcheinung. Doch eine ſo ſeltene und ſo zauberiſche Scene verſchwindet in jeder Beſchreibung, wie ſie nach einigen Minuten vor unſern Augen verſchwand.

Um dieſen See lacht eine friſche, fruchtbare, uͤberall angebauete Landſchaft mit allen Reizen der Abwechſelung. Sie beſteht groͤßtentheils aus Ebenen, die mit Huͤ - geln, kleinen Erhoͤhungen, Gebuͤſchen, Waldungen, Wieſen, eingezaͤunten Korn - feldern, einigen Doͤrfern und Meyerhoͤfen unterbrochen iſt; umher weidende Rinder und Schaftriften vermehren ihre Anmuth, wie der Geſang mannigfaltiger Voͤgel, die uͤberall die Luft und die Buͤſche fuͤllen.

Von Ploͤn laͤuft der Weg nach Aſchberg eine kleine Meile faſt immer an dem Rande des Sees hin, von welchem er zuweilen etwas entfernt uͤber kleine Anhoͤhen und neben ſchattigten Gebuͤſchen hin ſich verliert. Eine unendliche Abwechſelung von reizenden Durchſichten und Proſpecten ſowohl der Ufer, ihrer Einbiegungen und ver - ſchiedenen Einfaſſungen, als auch der weiten Landgegend bezaubert das Auge. Hun - dert Lerchen wirbelten ihr Lied uͤber uns in den Wolken; in den Gebuͤſchen, durch welche zuweilen unſer Wagen lief, wetteiferte die Nachtigall mit minder melodiſchen Saͤngern; und dann ward das Ohr durch das Rieſeln kleiner Baͤche beluſtigt, die in den See eilten, und durch das ſtaͤrkere Geraͤuſch des Waſſers, das ſich an den Aus - fluͤſſen um die Fiſchkiſten zuſammendraͤngt.

Ein77der Alten und der Neuen.

Ein anſehnlicher mit Waldung bekleideter Berg, der ſich in der ganzen vorlie - genden Gegend auszeichnet, feſſelt ſchon in der Ferne die Aufmerkſamkeit; und dieſer Berg iſt eigentlich der paradiſiſche von vielen Fremden jaͤhrlich beſuchte Luſtplatz, von dem ich hier einen Schattenriß mittheile.

Man beſteigt den Berg aus einem nahe an dem Wohngebaͤude des Beſitzers von dem adelichen Gute Aſchberg liegenden Garten, der noch in der alten Manier angelegt iſt, Symmetrie, kurze Hecken, viel ſumpfigtes Waſſer in Canaͤlen nach hollaͤndiſchem Geſchmack, in der Mitte einen guten Salon und verſchiedene kleine Luſthaͤuſer hat. Die beſte Partie im Garten iſt am Hauſe eine Seitenallee von vier Gaͤngen von hohen und ſchattenreichen Linden, unter welchen man die Ausſicht nach dem Berge und auf den See vor ſich und zur Seite hat; an der andern Seite der Gebaͤude liegt ein ſchoͤnes Gehoͤlz in Verbindung mit Waſſer.

Man vergißt bald dieſen kleinen Kunſtgarten, um auf dem Berge die freyen und hoͤhern Ergoͤtzungen der Natur zu genießen. Der Berg iſt nicht ſteil, aber rund und breit, und uͤberall mit einer ſchattenvollen Waldung bedeckt; zwiſchen Buchen, Eichen und Eſchen ſind Tannen, Kaſtanienbaͤume, Kirſchbaͤume und andere Anpflan - zungen verſtreut; zuweilen laͤuft eine Art von wilden Baͤumen ohne Vermiſchung eine Strecke fort. Indem man die Erhoͤhung zu beſteigen anfaͤngt, tritt man gleich in den Schatten hoher und ſchoͤner Baͤume, die mit niedrigem Buſchwerk untermiſcht ſind. Doch iſt der Boden an einigen Stellen zu ſehr verwildert, mit Neſſeln und anderm kriechenden Geſtraͤuch bedeckt. Die Holztaube, der Kuckuk, die Nachtigall, der Buchfinke, die Weindroſſel und andere Arten von ſingenden und floͤtenden Voͤ - geln empfiengen uns mit einem Concerte von mannigfaltigen Stimmen.

Der Hauptweg, der den Berg hinauffuͤhrt, iſt eben, bequem und ſchlaͤngelnd; uͤberhaupt ſind die Gaͤnge mit einem guten Geſchmack angelegt; ſie richten ſich immer nach der Beſchaffenheit des Bodens, und laufen in abwechſelnden edlen Kruͤmmungen, ohne Ziererey, fort. Die Ausſicht nach dem See iſt gleich verſchloſſen. Indem man fortſteigt, ſteigt auch die Erwartung der Eroͤffnung eines Proſpects, und dieſe Er - wartung wird nicht befriedigt. Der Weg laͤuft in der Runde um den Berg in einer allmaͤhligen Erhoͤhung. Von den hohen und dichten Baͤumen fallen Schatten herab, die alles erfuͤllen; nur hie und da brechen einige ſchwache Blicke der Sonne durch. Man ſieht auf der linken Seite in die Tiefe herunter, wo zwey ſchattigte Gaͤnge neben einander laufen; weiter hin begegnen ſich in der Tiefe mehr Wege. Die Baͤume werden etwas duͤnner, doch erblickt man blos einigen Schimmer von Waſſer oder Ufer. Noch immer hebt ſich die Erwartung der Anhoͤhe und der Ausſicht auf denK 3See.78Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenSee. Der Weg leitet rund um den Berg von dem See weg nach der andern Seite hin, wo einige Proſpecte von der ſchoͤnen Landgegend durchſchimmern.

In dieſem Bezirk faſt auf der Hoͤhe trifft man eine mit Stroh uͤberzogene Huͤtte an. Sie iſt pyramidenfoͤrmig und durchgehends von ſehr einfacher Architektur, in - wendig mit Baumrinden ausgeſchlagen. Zwey Ruhebaͤnke machen ihre ganze Aus - zierung. Die etwas eingeſchraͤnkte Ausſicht geht nach der Landgegend; man erblickt ein Dorf und einige eingezaͤunte Felder. Nahe vor dem Eingange iſt eine jaͤhe tiefe Niedrigung des Berges, mit jungen Eichen und kleinem Buſchwerk beſetzt, ein ge - liebter Aufenthalt der Voͤgel. Dieſe Huͤtte liegt offen, gerade am Wege, und ſcheint dieſe Stelle einzunehmen, um den muͤden Wanderer hereinzurufen, und ihm einen bequemen Ruheplatz anzubieten.

Bald nachdem man die Huͤtte verlaſſen, erreicht man den Gipfel des Berges. Buchen, Eichen, Tannen, Hagebuchen und Eſchen umkraͤnzen hier einen ebenen, runden Platz, der etwan ſechzig Schritte im Umkreis begreift, von den umherſtehen - den Baͤumen Beſchattung, und zur Bequemlichkeit blos einige Baͤnke, uͤbrigens keine Verzierungen hat. Von dieſer Hoͤhe genießt man blos eine einzige ganz offene Aus - ſicht, die herrlich und ausgedehnt iſt, aber eine groͤßere Wirkung thun muͤßte, wenn die Oeffnung mehr erweitert wuͤrde. Im Vorgrunde hat man einen tiefen dunkeln Theil des Waldes. Die Ausſicht faßt einen ausgebreiteten Bezirk des Sees, und am Horizont erſcheint ein Theil der Stadt Ploͤn mit dem Schloß, das groß und in einer kuͤhnen Lage auf einer Anhoͤhe uͤber alle andere Gegenſtaͤnde, die das Auge um - her entdeckt, hervorragt. Der Anblick dieſes Schloſſes, das außer dem, was es von der Lage erhaͤlt, aus großen und ſtarken Maſſen von Mauerwerk mit Thuͤrmen beſteht, und ein aͤlterndes Anſehen gewinnt, iſt in einer ſo heitern und offenen Land - ſchaft von einer trefflichen Wirkung. Indem man, das Geſicht nach dem Schloſſe gerichtet, ſteht, hat man meiſtens ruͤckwaͤrts eine halbe Oeffnung nach der Landgegend hin, wo eine auf einer Hoͤhe liegende Muͤhle viel zur Belebung beytraͤgt. Die Haupt - oͤffnung nach dem See und dem Schloß iſt ein uͤberaus intereſſanter Proſpect, und dieſe Hoͤhe ungemein reizend, obgleich die Lage fuͤr die Ausſichten noch nicht genug benutzt iſt. Wenn es, wie man ſagt, im Vorſchlag geweſen, auf dieſem Gipfel des Berges einen Tempel anzulegen: ſo waͤre die Lage dazu ungemein guͤnſtig. Ich wuͤrde rathen, dieſen Tempel einer erhabenen Gottheit zu widmen, etwan der Sonne, deren Tempel in einem beruͤhmten koͤniglichen Park, wider die Erwartung des richtigen Ge - ſchmacks, auf eine unanſehnliche Ebene hingeſtellt iſt. Sollte der Tempel in der Fer - ne eine lebhafte Wirkung haben, ſo muͤßte ſeine Architektur etwas koloſſaliſch, und der obere Theil der Waldung weggehauen werden. Doch wenn nur ſeine Kuppel uͤberdas79der Alten und der Neuen. das Gehoͤlz hervorragen ſollte, ſo wuͤrde er die Schoͤnheit der Proportion beybehalten koͤnnen, und in der Ferne umher noch immer einen reizenden Anblick gewaͤhren; man duͤrfte ihm dabey nur ein Treppenwerk geben, das ihn erhoͤhete; die benachbarten Baͤume duͤrften nur etwas abgeſtutzt werden; und es wuͤrde ein Werk entſtehen, das noch bis jetzt das einzige in dieſem Lande waͤre.

Nahe an der beſchriebenen Hauptoͤffnung laͤuft nach der andern Seite des Ber - ges ein anderer Weg bequem und ſich kruͤmmend hinab. Weiter hin gehen zwey andere Wege zuruͤck. Man verfolgt den ſeitwaͤrts ſich hinabwindenden Weg unter beſtaͤndigen Waldgeſaͤngen, und hat nun zur rechten Hand tiefe ſchattigte Niedrigun - gen des Berges, zur linken Buſchwerk und dazwiſchen emporragende Baͤume. Noch immer iſt die Ausſicht umher geſperrt.

Dieſe Verſchließung der Ausſichten giebt dieſem Luſtort einen unterſcheidenden Charakter, ſie mag vom Zufall herruͤhren oder ein Werk der Ueberlegung ſeyn, wie ſie es in der That zu ſeyn ſcheint. Denn ein gemeiner Kopf wuͤrde nichts emſiger fuͤr ſeine Pflicht gehalten haben, als uͤberall Durchſchnitte durchzuhauen. Nun un - terſcheidet ſich dieſer Ort mit ſeinem natuͤrlichen Charakter, den keine freche Kunſt verderbt hat, von der umherliegenden Gegend; er bleibt ein ſchoͤnes Ganzes, das ab - geſondert fuͤr ſich in ſeiner eigenen Schoͤnheit ruhet. Ueberall iſt die Landſchaft umher frey, offen, heiter; der Berg aber iſt von ſeiner Waldung verſchloſſen, und mit einer lieblichen Daͤmmerung und Kuͤhle umgeben. Man wandelt hier in der Einſamkeit, da umher die Gegend von arbeitenden Landleuten und Heerden belebt iſt; man ruht oder geht immer in einem tiefen Schatten, da man indeſſen weiß, daß außerhalb des Schattens ringsumher die helleſten Proſpecte lachen.

Verfolgt man ſeinen Weg, ſo trifft man eine offene Stelle an, wo eine Bank einladet, eine große weite Ausſicht zu genießen, die auf einmal zur Rechten hervor - bricht. Man ſieht das Ploͤner Schloß wieder, die große Waſſerflaͤche mit den kleinen Erhoͤhungen und Waͤldern am Ufer, mit einigen gruͤnenden Inſeln; tief zur Linken im Vorgrunde erſcheint das Wohnhaus des Beſitzers, halb mit Buſchwerk und Baͤumen verſteckt; nur die rothe Dachſpitze ragt hervor, und hinter ihr ſchim - mert eine Bucht des Sees dem Auge entgegen. Dieſe Lage iſt ungemein maleriſch, und der mit ſeinem Gebuͤſche, worunter die Spitzen einiger Tannen hervorſteigen, ſich tief herabſenkende Vorgrund bildet eine treffliche waldigte Scene. Von hier zieht ſich der Weg mit einer ſanften Erhebung in den buſchigten Vorgrund. Die Ausſicht auf den See und ſeine Inſeln wird reizender; ein Theil der unten am Wohnhauſe liegenden Seitenallee ſcheint im Waſſer zu ſchwimmen. Sieht man bey dem Fortgehen ſich um, ſo erweitert ſich immer die Waſſerſcene.

Dies80Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Dies iſt die ſchoͤnſte und groͤßte Flaͤche des Sees, die auf dieſer Seite in die Augen faͤllt. Sie iſt mit der Ausſicht auf der Hoͤhe die einzige; und dieſe beyden Oeffnungen der Waldung auf den See hin, beſonders dieſe letzte, geben eine ange - nehme Erfriſchung, ohne den Charakter des Ganzen zu veraͤndern, und reizen die Erwartung, die nicht wieder befriedigt werden ſoll.

Aus dieſer offenen Stelle muß man, anſtatt den an dem Oberrande des Vor - grundes hinlaufenden Weg zu nehmen, in einen ſchmalen von jungen Eichen beſchat - teten Gang einſchlagen. Man iſt wieder in einer waldigten und buſchigten Gegend; die Ausſicht iſt verſchloſſen; alles umher in einer ſanften Daͤmmerung. Einige an - dere Wege laufen zur linken Seite nach der Landgegend ab. Hier tritt man, ohne Gefahr ſich zu verirren, in einen zauberiſchen Irrgarten, den die bluͤhende Phantaſie eines Geßners in der Stunde, da ihn die laͤndliche Muſe einweihete, nicht einladen - der ſchildern kann. Er wird von jungem, dichtem, niederm Gehoͤlz gebildet; die abwechſelnden Baumarten geben liebliche Schattirungen des Gruͤns, und ſanfte Blicke des Lichts ſpielen hin und wieder auf den Woͤlbungen des zarten Laubes; der Boden iſt ganz rein; man ſieht jedes ſchoͤne Baͤumchen aus dem Schooß der Erde empor - wachſen; eine Menge von allen Arten von Voͤgeln, die hier in ungeſtoͤrter Ruhe hecken, flattert mit ſuͤßem Locken und Geſaͤngen in den Gebuͤſchen und uͤber den Weg. In eine ſo unerwartete bezaubernde Scene verſetzt, bey einer ſo ſtillen Einſamkeit, die hier herrſcht, nimmt man ſogleich an der Freude und Zaͤrtlichkeit dieſer kleinen Geſchoͤpfe Theil; man fuͤhlt es, daß man in der Schoͤpfung der Liebe wandelt, und die ſuͤßeſten Empfindungen der gluͤcklichen Menſchheit, welche die Welt immer weg - draͤngt, kehren hier ungehindert in das Herz ein. Lange leitet der Weg, in einer allmaͤhligen Rundung ſich windend, in dieſem entzuͤckenden Revier, wo die Liebe von jedem Zweige athmet, umher. Die verſchiedenen Arten von angepflanzten Baͤum - chen wechſeln in der Folge mit einem Hain von Eichen ab. Nach dem Genuß ſo feiner laͤndlicher Suͤßigkeiten empfindet man kaum die Anmuth der folgenden Plaͤtze. Hoͤhere Eichen, die den Schein des Himmels durchlaſſen, indeſſen Buſchwerk den Proſpect auf der Seite verſchließt, umgeben eine Zeit lang den Weg, der darauf zwiſchen ſchoͤnen jungen Buchen von einem edeln Wuchs und zwiſchen uͤberwoͤlbenden Gebuͤſchen den Berg hinabfuͤhrt. Zur rechten Hand hat man ein ſchoͤnes Gehoͤlz, das hier ganz in dichter Ueberſchattung daͤmmert, dort von durchbrechenden Lichtſtralen erheitert wird, mit angenehmen Senkungen des Berges. Nahe am Ausgange zur Rechten windet ſich ein rauher Gang nach einer Huͤtte zu, die tief im Schatten liegt, und ſich dem Auge des Voruͤberwandelnden beſcheiden zu entziehen ſcheint; ſie enthaͤlt blos Gartengeraͤthſchaft, und verdiente wegen ihrer Lage, wenn ſie oben durch dieStaͤmme81der Alten und der Neuen. Staͤmme der Baͤume erblickt wird, eine edlere Beſtimmung. Der Ausgang laͤuſt wieder in den Kunſtgarten hinein, aus dem man den Berg beſteigt.

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8. Gaͤrten in China.

Unter allen Gaͤrten, welche die uͤbrigen Welttheile beſitzen moͤgen, haben keine in den neuern Zeiten ein ſolches Anſehen erhalten, als die chineſiſchen, oder das, was man unter dieſem Namen reizend genug geſchildert hat. Sie ſind nicht blos ein Gegenſtand der Bewunderung, ſondern auch der Nachahmung geworden. Wenn auch gleich ſchon Nachdenken und Genie, ohne Unterſtuͤtzung eines beſondern Bey - ſpiels, auf die Erfindung der neuen Manier leiten konnten, die man in England auf - genommen und die ſich von da weiter zu verbreiten angefangen hat; ſo iſt es doch wahrſcheinlich, daß die Nachrichten von den Gaͤrten in China viel dazu beygetragen haben. So viel iſt wenigſtens gewiß, daß der Englaͤnder von einem großen Vor - urtheil fuͤr die Gaͤrten in China bezaubert iſt, und daß der Franzoſe und mit ihmI Band. Lder82Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtender Deutſche ſich dieſem Vorurtheil zu uͤberlaſſen anfaͤngt. Man verlangt jetzt nicht etwa Gaͤrten, die mit eigener Ueberlegung, mit beſſerm Geſchmack, als die alten, angelegt waͤren; man verlangt chineſiſche oder chineſiſchenglaͤndiſche Gaͤrten.

Wie aber, wenn dieſe Raſerey einen unſichern Grund haͤtte, wie ſo manche an - dere Raſerey der Mode? wenn die chineſiſchen Gaͤrten, wovon man ſo entzuͤckt iſt, die man ſo hitzig nachzuahmen ſtrebt, nicht vorhanden waͤren, wenigſtens nicht ſo vor - handen waͤren, wie man ſie ſich einbildet? Das waͤre doch ſonderbar. Freylich waͤre es ſo, und nicht weniger laͤcherlich, etwas haben nachahmen wollen, wovon man uͤberfuͤhrt wird, daß es nicht da iſt.

Verſchiedene neuere Schriftſteller haben die chineſiſchen Gaͤrten mit einem un - begraͤnzten und gar zu partheyiſchen Lobe erhoben. Man hat Beſchreibungen von Beſchreibungen copirt, und ſie nicht ſelten mit Zuſaͤtzen einer guͤnſtigen Phantaſie uͤberladen. Indeſſen iſt es Chambers, Architekt des Koͤnigs von England, dem man die erſte verfuͤhreriſche Beſchreibung der chineſiſchen Gaͤrten und die allgemeine Verbreitung ihres Ruhms verdankt. Dieſer Mann, der Wiſſenſchaft, Geſchmack und Genie vereinigt, ragt unter allen Reiſebeſchreibern von China als der Lobredner der Gaͤrten dieſes Reichs hervor. Seine Beſchreibung iſt als die allgemeine Quelle anzuſehen, woraus alle uͤbrigen Schilderungen mit mehr oder weniger Abaͤnderung und Zuſaͤtzen geſchoͤpft ſind. Die erſte Nachricht gab er in ſeinem groͤßern Werke*)Deſigns of Chineſe Buildings &c. by Mr. Chambers. London fol. 1757. S. 14-19. Eine franzoͤſiſche Ueberſetzung die - ſes Werks iſt 1776 zu Paris in kl. Fol. unter dem Titel: Traité des Edifices &c. compris une deſcription de leurs Tem -ples, Maiſons, Jardins &c. herausgekom - men.zwar nur beylaͤufig, indem er ſich vornehmlich mit den Gebaͤuden, Maſchinen und Hausgeraͤthen der Chineſer beſchaͤftigt. Man lobte, man bewunderte den Geſchmack in der Gartenkunſt, den Chambers den Chineſern beylegte; man fieng an, dieſen Geſchmack nachzuahmen. Ohne Zweifel war dieſer Beyfall, den ſeine Beſchreibung fand, eine Veranlaſſung mehr, daß er den erſten kurzen Entwurf in einer beſondern Schrift**)Diſſertation on oriental Garde - ning. London 4. 1772. Eine deutſche Ueberſetzung davon erſchien zu Gotha 1775. 8. weiter ausfuͤhrte, und darin Genie und Geſchmack aufbot, um ein Ge - maͤlde zu liefern, das durch Schoͤnheit und Mannigfaltigkeit nicht weniger, als durch Neuheit, reizte.

Die faſt allgemeine Meynung von der Schoͤnheit der chineſiſchen Gaͤrten ſo - wohl, als auch die ſeltſame Nachahmung, die man hin und wieder von ihnen machen will, ſcheinen eine naͤhere und umſtaͤndliche Unterſuchung dieſer Sache zu rechtfertigen. Ich83der Alten und der Neuen. Ich will die Beſchreibungen des Chambers, die erſte, weil ſie kurz iſt, ganz, die andere, weil ſie ausfuͤhrlicher und unter uns bekannter iſt, nur nach ihren vornehm - ſten Theilen, als die Originalnachrichten von den chineſiſchen Gaͤrten, anfuͤhren; und ſodann die Zweifel und Gruͤnde vortragen, die ich glaube dieſer Beſchreibung ent - gegen ſtellen zu duͤrfen.

1.) Chambers Beſchreibung der chineſiſchen Gaͤrten.

Die Natur iſt das Muſter der Chineſer, und ihre Abſicht, ſie in allen ihren ſchoͤnen Regelloſigkeiten nachzuahmen. Zuvoͤrderſt unterſuchen ſie die Form des Platzes, ob er eben oder abhangend iſt, Huͤgel oder Berge hat, ausgedehnt oder ge - ſperrt, trocken oder feucht iſt, ob er Baͤche und Quellen oder Mangel an Waſſer hat. Auf alle dieſe verſchiedenen Umſtaͤnde ſind ſie ſehr aufmerkſam, und waͤhlen ſolche Anordnungen, die ſich am beſten fuͤr die Beſchaffenheit des Bodens ſchicken, am we - nigſten koſten, die Fehler des Platzes verbergen, und ſeine Vortheile in das ſchoͤnſte Licht ſtellen.

Da die Chineſer nicht die Spaziergaͤnge lieben, ſo findet man bey ihnen ſelten ſolche Zugaͤnge und breite Alleen, wie in den Gaͤrten in Europa. Der ganze Platz iſt in mannigfaltige Scenen abgetheilt; und krumme Gaͤnge, die mitten durch Ge - buͤſche eroͤffnet ſind, fuͤhren zu verſchiedenen Ausſichten, wovon jede auf eine unter - ſcheidende Art durch eine Bank, durch ein Gebaͤude, oder durch einen andern Gegen - ſtand das Auge anlocket.

Die Vollkommenheit ihrer Gaͤrten beſteht in der Menge, Schoͤnheit und Man - nigfaltigkeit ſolcher Scenen. Die chineſiſchen Gartenkuͤnſtler waͤhlen, wie die eu - ropaͤiſchen Maler, die angenehmſten Gegenſtaͤnde einzeln in der Natur aus, und ſuchen ſie auf eine ſolche Art zu verbinden, daß ſie nicht nur ſchon fuͤr ſich hervorglaͤn - zender erſcheinen, ſondern auch in ihrer Vereinigung ein bezauberndes Ganzes aus - machen.

Ihre Kuͤnſtler unterſcheiden drey verſchiedene Arten von Scenen, lachende, fuͤrchterliche und zauberiſche. Die letzte Art iſt die, welche bey uns die romantiſche iſt; und die Chineſer bedienen ſich mancherley Kunſtgriffe, um dadurch Ueberraſchung zu bewirken. Zuweilen laſſen ſie unter der Erde einen Bach oder einen reißenden Strom laufen, der durch ſein ſchreckliches Geraͤuſch das Ohr des Neugierigen be - taͤubt, der nicht weiß, woher dieſes kommt. Ein andermal geben ſie Felſen, Ge -L 2baͤuden84Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenbaͤuden und andern Gegenſtaͤnden, die zur Zuſammenſetzung der Scene gehoͤren, eine ſolche Stellung, daß der Wind, indem er durch die fuͤr dieſe Wirkung beſtimmten Zwiſchenraͤume und Aushoͤhlung ſtreicht, fremde und ſeltſame Toͤne bildet. In die - ſen Partien ſtellen ſie ganz ſeltene Arten von Baͤumen, Pflanzen und Blumen auf; ſie bringen darin durch die Kunſt verſchiedene verlaͤngerte Echos an, und unterhalten da allerhand Voͤgel und ſeltene Thiere.

Die fuͤrchterlichen Scenen ſtellen uͤberhangende Felſen, dunkle Grotten und wilde Waſſerfaͤlle vor, die ſich auf allen Seiten von Anhoͤhen herabſtuͤrzen. Die Baͤume ſind ungeſtaltet, und ſcheinen von der Gewalt des Sturms zerriſſen zu ſeyn. Hier ſieht man einige umgeſtuͤrzt liegen, die den Lauf der Baͤche unterbrechen, und von der Wut des Waſſers dahin geſchwemmt ſcheinen; dort erſcheinen ſie, wie vom Blitz verbrannt und zerſplittert. Einige Gebaͤude liegen in Ruinen; andere ſind halb vom Feuer zerſtoͤrt; und etliche hin und wieder auf den Anhoͤhen zerſtreute ſchlechte Huͤtten ſcheinen zugleich das Daſeyn elender Bewohner anzukuͤndigen. Auf dieſe Scenen folgen gemeiniglich lachende. Die chineſiſchen Kuͤnſtler wiſſen, wel - chen Eindruck der Contraſt auf die menſchliche Seele macht, und ſie unterlaſſen nicht, ploͤtzliche Uebergaͤnge und auffallende Gegenſtellungen in den Formen, in den Farben, in dem Hellen und Dunkeln anzubringen. So geht man aus eingeſperrten Revieren zu ausgebreiteten Ausſichten, von fuͤrchterlichen Gegenſtaͤnden zu angenehmen Sce - nen, von Seen und Fluͤſſen zu Ebenen, Huͤgeln und Gehoͤlz uͤber. Dunkeln und traurigen Farben ſtellen ſie glaͤnzende, einfachen Formen zuſammengeſetzte entgegen. Sie wiſſen mit einer klugen Anordnung die verſchiedenen Maſſen von Licht und Schat - ten ſo anzulegen, daß die Zuſammenſetzung nach ihren Theilen deutlich in die Augen faͤllt, und im Ganzen eine ſtarke Wirkung thut.

Wenn der Platz von einem gewiſſen Umfang iſt, der eine Mannigfaltigkeit von Scenen zulaͤßt, ſo iſt jede gemeiniglich fuͤr einen einzigen beſondern Geſichtspunkt eingerichtet. Iſt er aber zu eingeſchraͤnkt, als daß er mancherley Auftritte faſſen koͤnnte, ſo ſucht man dieſem Mangel durch eine ſolche Anordnung der Gegenſtaͤnde abzuhelfen, daß ſie nach verſchiedenen Anſichten immer in einer andern Geſtalt er - ſcheinen. Zuweilen weiß man dieſes Kunſtwerk ſo weit zu treiben, daß die Anſichten nicht die geringſte Aehnlichkeit unter einander haben.

In groͤßern Gaͤrten bringen die Chineſer verſchiedene Scenen fuͤr den Mor - gen, Mittag und Abend an; ſie richten an ſchicklichen Stellen Gebaͤude auf, die mit den Ergoͤtzungen harmoniren, die einer jeden Tageszeit eigen ſind. Die kleinen Gaͤr - ten, worin, wie bereits bemerkt iſt, eine einfache Anordnung nach mehrern Anſichten mannigfaltig erſcheint, ſtellen eben ſo in verſchiedenen Geſichtspunkten Gebaͤude dar,die85der Alten und der Neuen. die durch den ihnen eigenen Gebrauch gerade die Tageszeit ankuͤndigen, worin man die Scene ganz genießen ſoll.

Weil das Klima in China uͤberaus heiß iſt, ſo bringt man viel Waſſer in die Gaͤrten. In kleinern Gaͤrten, wo es die Lage verſtattet, ſetzt man oft das ganze Revier unter Waſſer, daß nur ſehr wenige Inſeln und Felſen hervorragen. In ge - raͤumigen Gaͤrten legt man große Seen, Fluͤſſe und Canaͤle an. Nach dem Bey - ſpiel der Natur erhalten die Ufer der Fluͤſſe und Seen eine verſchiedene Bildung. Bald ſind ſie ſandig und ſteinig, bald bis tief zum Waſſer herab mit Buſchwerk be - deckt; an einigen Stellen niedrig, mit Geſtraͤuch und Blumen geziert, an andern abwechfelnd mit abhaͤngigen Felſen, die Hoͤhlen bilden, worin ein Theil des Waſſers mit Ungeſtuͤm raufcht.

Zuweilen erblickt man Weiden voll Vieh oder Reißfelder, die ſich in die Seen hinein erſtrecken, zwiſchen welchen man in Kaͤhnen herumfahren kann; zuweilen Buſch - werk an verſchiedeuen Stellen von Baͤchen durchſchnitten, die kleine Nachen tragen. Die Ufer ſind mit Baͤumen bekroͤnt, deren Zweige ſich ausbreiten, ſich verbinden und an einigen Stellen Lauben bilden, unter welchen die Fahrzeuge hinſegeln. Eine ſolche Fahrt fuͤhrt immer zu einem intereſſanten Gegenſtande, bald zu einem praͤchti - gen Gebaͤude auf dem Gipfel eines in Abſaͤtze verarbeiteten Huͤgels, bald zu einer Huͤtte, die mitten in einem See liegt, bald zu einer Caſcade, bald zu einer Grotte, einem kuͤnſtlichen Felſen oder einem andern aͤhnlichen Gebaͤude.

Die Baͤche in den Gaͤrten haben ſelten einen geraden Lauf; ſie winden ſich in Kruͤmmungen und find verſchiedenen Abaͤnderungen unterworfen. Bald ſind ſie ſchmal, brauſend, fortreißend; bald breit, langſam und tief. Schilf und andere Waſſerpflanzen ſpiegeln ſich in den Baͤchen und Seen. Die Chineſer bauen zuwei - len darauf Muͤhlen und andere hydrauliſche Maſchinen, deren Bewegung die Scene beleben hilft. Auch halten ſie eine große Menge Fahrzeuge von verſchiedener Geſtalt und Groͤße. Ihre Seen ſind mit Inſeln beſaͤet; einige davon ſind unfruchtbar mit Fels und Klippen umgeben, andere mit allem bereichert, was Natur und Kunſt zur Verſchoͤnerung geben koͤnnen. Sie legen da auch kuͤnſtliche Felſen an, und uͤber - treffen in dieſer Art von Bauwerk alle andere Nationen. Der Stein, deſſen ſie ſich dazu bedienen, und den ſie aus den mittaͤgigen Gegenden des Reichs holen, iſt blaͤulich und von der Bewegung des Wafſers in regelloſe Geſtalten geformt. Man verbindet durch blaͤulichen Moͤrtel große Stuͤcke, daß ſie Felſen von betraͤchtlichem Um - fang bilden. Alsdenn werden darin Hoͤhlen und Grotten mit Oeffnungen ausgegra - ben, durch welche man den fernen Hintergrund in der Landſchaft erblickt. Man ſieht bey dieſen Felſengebaͤuden an verſchiedenen Stellen Baͤume, Gebuͤſch, DorngeſtraͤuchL 3und86Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenund Moos; und auf dem Gipfel ſind kleine Tempel errichtet, wohin man auf rauhen und ungleichen Stufen ſteigt, die in den Fels gehauen ſind.

Wenn ſich Waſſer genug findet, und der Platz dazu geſchickt iſt, ſo unterlaſſen die Chineſer nicht, Waſſerfaͤlle in ihren Gaͤrten anzulegen. Sie vermeiden dabey alles Regelmaͤßige, und ahmen die Natur nach, wie ſie in gebirgigen Gegenden ver - faͤhrt. Das Waſſer ſpringt aus Hoͤhlen und Felſenritzen hervor. Hier erſcheint ein großer und ungeſtuͤmer Waſſerfall; dort erblickt man eine Menge von kleinen Guͤſſen. Zuweilen wird der Anblick der Caſcade von Baͤumen unterbrochen, deren Blaͤtter und Zweige nur hie und da in Zwiſchenraͤumen das Waſſer durchſchimmern laſſen, das laͤngſt den Seiten des Berges herabfaͤllt. Zuweilen ſind uͤber den ſchnell - ſten Theil des Waſſerfalls, von einem Felſen zum andern, hoͤlzerne Bruͤcken von gro - ber Arbeit geworfen; und oft wird der Lauf des Waſſers von Baͤumen und großen Steinen, welche die Gewalt des Stroms dahin getrieben zu haben ſcheint, aufge - halten.

In dem Buſchwerk der Chineſer wechſeln die Formen und Farben der Baͤume beſtaͤndig ab. Sie wiſſen mit einer gewiſſen Kunſt Baͤume von großen und dickbe - laubten Zweigen mit pyramidenfoͤrmigen, dunkles Laubwerk mit heiterm zu verbin - den; ſie miſchen darunter Baͤume, die Bluͤthen tragen, von welchen ſie Arten haben, die den groͤßten Theil des Jahres hindurch bluͤhen. Die Chineſer haben in ihren Gaͤrten ſogar Staͤmme von Baͤumen, bald ſtehend, bald auf den Boden hingeſtuͤrzt; und ſie treiben es in Anſehung ihrer Formen, der Farbe ihrer Rinde, und ſelbſt ihres Mooſes ſehr weit.

Nichts kann mannigfaltiger ſeyn, als die Mittel, wodurch ſie Ueberraſchung hervorbringen. So fuͤhren ſie oft mitten durch Hoͤhlen und finſtre Alleen, an deren Ausgang man ſich ploͤtzlich von dem Anblick einer reizenden Landſchaft entzuͤckt fuͤhlt, die mit allem, was die Natur Schoͤnes hat, ausgeſchmuͤckt iſt. Ein andermal lei - ten ſie durch gerade Zugaͤnge und Alleen, die immer abnehmen und allmaͤhlig verwil - dern; der Durchgang iſt endlich ganz geſperrt; Geſtraͤuch, Schilf und Steine ma - chen ihn undurchdringlich. Auf einmal eroͤffnet ſich dem Auge eine lachende und ausgebreitete Ausſicht, die deſto mehr gefaͤllt, je weniger man ſie erwartet hatte.

Ein anderes Kunſtwerk der Chineſer beſtehet darin, daß ſie einen Theil der Anordnung durch Baͤume und andere dazwiſchen tretende Gegenſtaͤnde zu verbergen wiſſen. Dieſes erregt die Neubegierde des Zuſchauers; er will in der Naͤhe ſehen, und bey der Annaͤherung findet er ſich von einer unerwarteten Scene ſehr angenehm uͤberraſcht, oder von einer Anſicht, die dem, was er ſuchte, ganz entgegen geſetzt iſt. Das Ende der Scene iſt immer verſteckt, um der Einbildungskraft etwas zu uͤber -laſſen,87der Alten und der Neuen. laſſen, und eben dieſe Regel beobachtet man, ſo viel moͤglich, in allen uͤbrigen An - ordnungen.

Obgleich die Chineſer nicht ſehr geſchickt in der Optik ſind, ſo hat die Erfah - rung ſie doch gelehrt, daß die ſcheinbare Groͤße der Gegenſtaͤnde abnimmt, und daß die Farben ſchwaͤcher werden, in dem Maaße, worin ſie ſich von dem Auge des An - ſchauers entfernen. Dieſe Beobachtungen haben Anlaß zu einem Kunſtſtuͤcke gege - ben, das ſie bisweilen anbringen. Sie legen naͤmlich perſpectiviſche Ausſichten an, durch Baͤume, Schiffe und andere Gegenſtaͤnde, die nach dem Verhaͤltniß ihrer Ent - fernung von dem Geſichtspunkt immer kleiner werden. Um die Taͤuſchung noch auf - fallender zu machen, geben ſie den entfernten Theilen der Zuſammenſetzung graͤuliche Tinten, und bepflanzen den Hintergrund mit Baͤumen von einer weniger lebhaften Farbe und einer geringern Hoͤhe, als die voranſtehenden haben. Auf dieſe Weiſe wird das, was an ſich eingeſchraͤnkt und wenig erheblich iſt, dem Anſcheine nach groß und ausgebreitet.

Gemeiniglich vermeiden die Chineſer die geraden Linien; aber ſie verwerfen nicht immer ihren Gebrauch. Sie machen oft gerade Zugaͤnge, wenn ſie einen in - tereſſanten Gegenſtand ſehen laſſen wollen. Die Wege ſind alsdenn beſtaͤndig in ei - ner geraden Linie angelegt, wenn nicht die Ungleichheit des Bodens oder ein anderes Hinderniß wenigſtens einen gewiſſen Vorwand anbietet, davon abzugehen. Iſt der Boden durchgaͤngig eben, ſo wuͤrden ſie es fuͤr abgeſchmackt halten, einen geſchlaͤngel - ten Weg anzulegen. In einem oder dem andern Fall laͤßt ſich natuͤrlicher Weiſe nicht vorausſetzen, daß man die krumme Linie waͤhlen wuͤrde, wenn man geradezu gehen kann.

Was die Englaͤnder Klumps nennen, Gruppen von Baͤumen, iſt den Chi - neſern nicht unbekannt; aber ſie bringen ſie nicht ſo oft an. Niemals duͤrfen ſie den ganzen Platz einnehmen; ihre Gaͤrtner betrachten einen Garten, wie unſere Maler ein Gemaͤlde: die erſten gruppiren ihre Baͤume auf eben die Art, wie die letztern ihre Figuren; beyde haben ihre Hauptmaſſen und ihre untergeordneten Maſſen.

So weit Chambers in der erſten Beſchreibung. Die andere enthaͤlt theils eine Erweiterung mit Wiederholungen, theils verſchiedene neue Zuſaͤtze, von welchen letztern wir uns hier nur auf die wichtigern einſchraͤnken.

Die Chineſer, faͤhrt Chambers fort, waͤhlen zwar die Natur zum Muſter, allein ſie binden ſich doch nicht ſo genau an dieſelbe, daß ſie allen Schein von Kunſt vermeiden ſollten. Die Kunſt muß die Unzulaͤnglichkeit der Natur erſetzen, und nicht allein angewendet werden, Mannigfaltigkeit hervorzubringen, ſondern auch Neu - heit und Ruͤhrung; denn einfache Anordnungen der Natur trifft man auf allen Fel -dern88Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtendern in einem gewiſſen Grad der Vollkommenheit an, und ſind alſo zu bekannt, als daß ſie ſtarke Empfindungen in dem Gemuͤthe des Anſchauers erregen koͤnnten.

Ihre regulairen Gebaͤude umgeben ſie gemeiniglich mit kuͤnſtlichen Terraſſen, Abhaͤngen und vielen Treppen; die Winkel derſelben ſind mit ausgehauenen Gruppen und Vaſen geziert, untermiſcht mit allerhand kuͤnſtlichen Waſſerwerken, die vereinigt mit der Architektur ihnen ein Anſehen von Wichtigkeit zu geben und den Glanz und das Geraͤuſch mit der Wonne der Scene zu verbinden dienen.

Rund um die Hauptwohnung iſt der Boden mit großer Regelmaͤßigkeit frey gelaſſen, und wird ſehr ſorgfaͤltig gehalten. Man leidet keine Gewaͤchſe, die der Ausſicht des Gebaͤudes hinderlich ſeyn koͤnnen. Sind die Gebaͤude laͤndlich, ſo iſt die Scene, die ſie umgiebt, wild; ſind jene erhaben, ſo iſt dieſe melancholiſch; ſind jene von einem heitern anmuthigen Anſehen, ſo iſt dieſe ſchwelgeriſch; kurz die Chi - neſer ſind darin ſehr eigen, immer einerley Charakter durch alle Theile der Compo - ſition herrſchen zu laſſen.

Von den Gegenſtaͤnden außer ihrem Bezirk ziehen ſie allen Vortheil. Sie ſuchen zwiſchen dem Garten und den entfernten Gehoͤlzen, Feldern und Fluͤſſen eine ſcheinbare Vereinigung zu bewirken; und wo Staͤdte, Schloͤſſer, Thuͤrme und andere betraͤchtliche Gegenſtaͤnde vor ihrem Geſicht liegen, da wiſſen ſie ſich ihrer ſo kuͤnſtlich zu bedienen, daß man ſie aus allen Geſichtspunkten und in allen moͤglichen Richtun - gen ſehen kann. So machen ſie es auch mit ſchiffbaren Fluͤſſen, Landſtraßen, Fuß - wegen, Muͤhlen und andern beweglichen Gegenſtaͤnden, die der Landſchaft Leben und Mannigfaltigkeit geben.

Sie haben Scenen fuͤr jede Jahrszeit. Die Fruͤhlingsſcenen ſind mit Im - mergruͤn, Linden, Lerchbaͤumen, Dornen mit gefuͤllter Bluͤthe, Mandel - und Pfirſich - baͤumen, wohlriechenden wilden und fruͤhzeitigen Roſen und Geisblatt beſetzt. Der Boden und der Rand der Luſtwaͤlder und Gebuͤſche ſind mit wilden Hyacinthen, gel - ben Veilchen, Nareiſſen, Violen, Schluͤſſelblumen, Tuberoſen, Krokus, Schnee - glocken und verſchiedenen Schwerdtlilienarten, mit noch mehreren Blumen, die in den Monaten Maͤrz und April kommen, geziert. Da auch dieſe Scenen an natuͤr - lichen Producten arm ſind, ſo legt man zwiſchen den angebaueten Plaͤtzen Thiergaͤrten von allen Gattungen zahmer und wilder Thiere und Raubvoͤgel an; Vogelhecken und andere Plaͤtze, die zur Ausbruͤtung haͤuslicher Gefluͤgel beſonders eingerichtet ſind; ferner ſchoͤne Milchgewoͤlbe und Gebaͤude zur Uebung im Ringen, Fauſtkampf, Fech - ten, und andern in China bekannten Spielen. Sie bringen auch im Gehoͤlze breite, offene, entlegene Plaͤtze zu militairiſchen Luſtbarkeiten, als Reiten, Voltigiren, Fech - ten, Bogenſchießen und Wettrennen an.

Zu89der Alten und der Neuen.

Zu ihren Sommerſcenen nehmen ſie die reichſten und am beſten ausgearbeiteten Theile ihrer Gaͤrten. Sie ſind voll von allerhand Erfindungen an Teichen, Fluͤſſen und Waſſerkuͤnſten; voll von Schiffen mancherley Bauart, die zum Segeln, Ru - dern, Fiſchen, Vogelfang und zu Gefechten gemacht ſind. Das Gehoͤlze beſteht aus Eichen, Buchen, wilden Kaſtanien, Ulmen, Eſchen, Platanen, aus verſchie - denen Ahorn - und Pappelarten. Die Gebuͤſche ſind aus allerley ſchoͤnen im Winter die Blaͤtter abwerfenden Gewaͤchſen, die dieſer Erdſtrich hervorbringt, und aus allen Blumen und Stauden, die in den Sommermonaten bluͤhen, zuſammengeſetzt; alle zu - ſammen machen das ſchoͤnſte Gruͤn und die praͤchtigſte harmoniſche Farbenmiſchung, die nur zu erdenken iſt. Die Gebaͤude darin ſind geraͤumig, glaͤnzend und zahlreich. In jeder Scene ſind deren eins oder mehrere. Einige dienen zu Gaſtmalen, Baͤllen, Concerten, gelehrten Unterredungen, Spielen, Seiltaͤnzen und zu allerhand Leibesuͤbun - gen; andere wieder zum Baden, Schwimmen, Reiten, Schlafen oder zur Be - trachtung.

Im Mittelpunkt dieſer Sommeranpflanzungen iſt gemeiniglich zum Genuß der geheimen Vergnuͤgungen ein großer Strich Landes abgeſondert, der mit einer Menge verborgener, in viele verwickelte Kruͤmmen gedrehter Gaͤnge, Colonnaden und Durch - gaͤnge durchgeſchnitten iſt, wo ſich die Spaziergehenden leicht verirren koͤnnen. Sie ſind zuweilen durch Gebuͤſche und kleine Gehoͤlze, untermiſcht mit ausgebreiteten Baͤumen, zuweilen durch hoͤhere Anpflanzungen oder ganze Haufen von Roſenſtoͤcken und andern hochaufbluͤhenden Stauden unterſchieden. Das Ganze iſt eine Wildniß von Suͤßigkeiten, mit allen Gattungen duftender und ſchoͤnfarbiger Producte aus - geſchmuͤckt. Faſanen, Pfaue, Rebhuͤner, Perlhuͤner, Wachteln und alle Gattun - gen von Gefluͤgel wimmeln in den Waͤldern; Tauben, Nachtigallen und tauſend andere melodiſche Voͤgel ſitzen auf den Aeſten; Hirſche, Antelopen, ſcheckige Buͤffel, Schafe und tatariſche Pferde ſpringen auf den Ebenen. Jeder Spaziergang fuͤhrt zu einem angenehmen Gegenſtande, zu Orangen - und Myrthenhainen; zu Baͤchen, deren Ufer mit Roſen, Waldreben und Jesmin bekleidet ſind; zu murmelden Quel - len mit Bildſaͤulen ſchlafender Nymphen und Waſſergoͤtter; zu Laubhuͤtten mit Bet - ten von aromatiſchen Kraͤutern und Blumen; zu Felſengrotten, die mit Corallenmu - ſcheln, Erzen, Edelſteinen und Cryſtallen ganz ausgelegt, von kleinen Quellchen wohlriechender Waſſer erfriſcht, und durch kuͤnſtlich wehende ſuͤsduftende Luͤftchen gekuͤhlt werden.

Unter den Pavillons und andern ſchoͤnen Gartengebaͤuden zeichnen ſich die Mondhallen vorzuͤglich aus. Sie beſtehen aus einem einzigen gewoͤlbten, wie eine Halbkugel geſtalteten Saale. Die innere Hoͤhlung deſſelben iſt mit großer Kunſt,I Band. Mwie90Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenwie der naͤchtliche Himmel, gemalt, und mit einer unzaͤhligen Menge kleiner Fenſter - chen durchbrochen, die von buntem Glas und ſo gemacht ſind, daß ſie Mond und Sterne vorſtellen, und gerade das Maaß von Licht hindurchlaſſen, welches noͤthig iſt, um uͤber den ganzen inwendigen Bau die angenehme Dunkelheit einer ſchoͤnen Som - mernacht zu verbreiten. Der Fußboden dieſer Gartenſaͤle iſt zuweilen wie ein Blu - menparterre mit Blumen ausgelegt; hin und wieder ſind darauf laͤndliche Sitze von fein gearbeiteten und roth lackirten Aeſten, die Corallen vorſtellen, angebracht. Meiſtentheils aber quillt ein hellrinnendes Waſſer aus ihrem Boden hervor, und fließt aus den Seiten eines Felſen nach dem Mittelpunkte zu. Kleine Inſeln ſchwim - men auf der Oberflaͤche, und wenden und drehen ſich, wie ſie der Strom treibt. Einige derſelben ſind mit Tafeln zu Gaſtmalen beſetzt, andere mit Sitzen fuͤr Ton - kuͤnſtler, und andere mit Baͤumen, unter welchen Ruhebetten, Sophas, Raſenbaͤnke und andere Bequemlichkeiten zu mancherley Gebrauch ſtehen.

Die Anpflanzung der herbſtlichen Scenen beſtehet in verſchiedenen Arten von Eichen, Buchen und andern die Blaͤtter abwerfenden Baͤumen, die aber ihr Laub lange behalten, und durch das allmaͤhlige Verfaͤrben ein ſehr oft veraͤndertes Colorit gewaͤhren. Unter dieſe miſchen ſie einige Immergruͤne oder Fruchtbaͤume, und die wenigen Gebuͤſche und Blumen, die ſpaͤt im Jahre bluͤhen; ferner abgeſtorbene be - ſchaͤdigte Baͤume und todte Staͤmme von maleriſcher Form, mit Moos und Epheu bedeckt.

Die Gebaͤude, womit dieſe herbſtlichen Scenen geziert ſind, zeigen gemeinig - lich den Verfall an, und ſind dem Voruͤbergehenden eine Erinnerung der Sterblich - keit. Einige davon ſind Einſiedeleyen und Almoſenhaͤuſer, wo die alten treuen Die - ner des Hauſes den Reſt ihres Lebens unter den Graͤbern ihrer Vorfahren, die rund um ſie her begraben liegen, in Ruhe zubringen. Andere ſind Ruinen von Schloͤſſern, Palaͤſten, Tempeln und oͤden Bethaͤuſern; oder halbverſchuͤttete Triumphboͤgen und praͤchtige Grabmaͤler, mit verſtuͤmmelten Inſchriſten, die ehedem dem Gedaͤchtniß alter Helden gewidmet waren; oder es ſind Begraͤbniſſe ihrer Ahnen, Graͤber und Grabſtaͤtte ihrer haͤuslichen Lieblingsthiere, oder was ſonſt noch zum Zeichen der Hin - faͤlligkeit, Widerwaͤrtigkeit und Aufloͤſung des Irdiſchen dienen kann. Alles dieſes fuͤllet, mit Huͤlfe des ſchauervollen Anblicks der herbſtlichen Natur und der rauhen Luft, die Seele mit Melancholie, und erhebt ſie zu ernſten Betrachtungen.

Die verſchiedenen Scenen und andere Theile der chineſiſchen Gaͤrten werden durch Gaͤnge, Landſtraßen, Fußwege, ſchiffbare Fluͤſſe, Seen und Canaͤle vereinigt. Bey allen dieſen Dingen bringen ihre Kuͤnſtler die moͤglichſte Mannigfaltigkeit nicht allein in Anſehung der Figuren und Ausmeſſungen, ſondern auch in ihrer Verzierungan,91der Alten und der Neuen. an, und vermeiden nichts deſtoweniger alle Ungereimtheiten, von welchen unſre alte europaͤiſche Gartenkunſt ſo voll iſt.

Sowohl die geraden als die gewundenen Wege der Chineſer halten ſich an manchen Plaͤtzen in betraͤchtlicher Entfernung von einander, und ſind durch dichtge - pflanztes Buſchwerk getrennt, um alle auswendige Gegenſtaͤnde zu verſtecken, damit dem Wanderer nicht allein die Ausſicht ins Weite benommen, ſondern auch in ihm jene duͤſtre Empfindung erweckt werde, die ſich ganz natuͤrlich der Seele bemeiſtert, wenn man durch das Labyrinth eines einſamen Haines wandelt. An andern Plaͤtzen naͤhern ſich die Gaͤnge einander wieder; das Gebuͤſche waͤchſt allmaͤhlig niedriger und duͤnner; das Ohr vernimmt die Stimme derer, die auf den gegenuͤberliegenden We - gen gehen; und das Auge beluſtigt ſich mit dem verwirrten Anſchauen der Perſonen, die zwiſchen den Staͤmmen und Zweigen der Baͤume durchſcheinen. Auf einmal werden die Anpflanzungen wieder dichter und breiter; die Gegenſtaͤnde verſchwinden, und die Stimmen verlieren ſich in ein verwirrtes Gemurmel. Dann wenden ſich die beyden Gaͤnge unverhofft wieder nach einerley freyen Plaͤtzen, und die verſchiedenen Geſellſchaften werden ſehr angenehm uͤberraſcht, ſich einander an einem Orte zu be - gegnen, wo ſie ſich alle ſehen und ihre Neubegierde ohne Hinderniß befriedigen koͤn - nen. Der Boden des Weges iſt entweder von Raſen oder von Kies; keines von beyden bleibt in den Schranken des Weges, ſondern laͤuft vielmehr ſtreckenlang auf beyden Seiten ins Gehoͤlze, in den Hain oder ins Buſchwerk hinein, um die Natur genauer nachzuahmen, und jenes unangenehme Regelmaͤßige und Steife zu verban - nen, welches ein gegenſeitiges Verfahren in unſern Anpflanzungen hervorbringt.

In den ausgedehnten Gaͤrten hat jedes Thal ſeinen Bach oder ſein Fluͤßchen, das ſich um den Fuß der Huͤgel windet und in groͤßere Fluͤſſe oder Seen hineinfaͤllt. Die Chineſer behaupten, daß keine Gaͤrten, beſonders die weitlaͤuftigen, ohne dieſes in ſo mancherley Geſtalten umzubildende Element vollkommen ſeyn koͤnnen. Es iſt, ſagen ſie, in den Jahrszeiten, wo die laͤndlichen Scenen am meiſten beſucht werden, erquickend und reizvoll fuͤr die Sinne, und eine Hauptquelle der Mannigfaltigkeit, wegen der verſchiedenen Formen und Verwandlungen, deren es faͤhig iſt, und weil es auf allerley Art mit andern Gegenſtaͤnden verbunden werden kann. Seine Ein - druͤcke auf das menſchliche Herz ſind mannigfaltig und ungemein ſtark; und weil es auf vielfache Weiſe geleitet werden kann, ſo ſetzt es den Kuͤnſtler in den Stand, den Charakter einer jeden Anlage zu verſtaͤrken, die Stille einer ruhigen Scene zu heben, einer melancholiſchen das Truͤbe, einer anmuthigen Freude, einer erhabenen Majeſtaͤt, und einer erſchrecklichen Grauſen zu geben.

M 2Sie92Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Sie merken an, daß die verſchiedenen Waſſerſpiele, als Rudern, Segeln, Schwimmen, Fiſchen und Jagen eine unerſchoͤpfliche Quelle des Zeitvertreibes ſind; daß die Bewohner des Waſſers eine edle Unterhaltung, beſonders fuͤr den Naturfor - ſcher, abgeben; und daß Barken und Schiffe, die auf ſeinem Buſen dahin ſchwim - men, und bald von Sturmwinden wuͤtend fortgefuͤhret werden, bald wieder ſanft auf der Oberflaͤche dahin gleiten, durch ihre Vereinigung tauſend von Augenblick zu Au - genblick veraͤnderte Gemaͤlde bilden, die jede Ausſicht beſeelen und verſchoͤnern. Sie vergleichen einen hellen See an einem ruhigen ſonnigen Tage mit einem reichen Ge - maͤlde, das auf alle Gegenſtaͤnde, mit welchen es umgeben iſt, die hoͤchſte Vollkom - menheit verbreitet; mit einer Oeffnung in der Welt, wodurch man eine andere Welt, eine andere Sonne und einen andern Himmel erblickt.

Ihre Seen machen ſie ſo groß, als es der Boden nur verſtattet; oft einige Meilen im Umfange. Sie werden ſo angelegt, daß aus keinem einzigen Geſichts - punkte ihr Ufer uͤberſehen werden, und der Anſchauer auf dieſe Weiſe nicht erfahren kann, wie weit ſich ihr Umfang erſtrecke. Hin und wieder laſſen ſie Inſeln empor - ſteigen, um der Form einen groͤßern Schein von Verwickelung zu geben, die Graͤn - zen zu verſtecken und die Scene zu bereichern. Einige ſind klein, andere groß. Die letztern ſind erhaben, angebauet, und mit gruͤnen Ebenen, Straͤuchern, Gebuͤ - ſchen und Gebaͤuden verſehen; oder ſie ſind uneben, bergig, mit Felſen und Sand - baͤnken umgeben, mit Farrenkraut, hohem Graſe, und hin und wieder weit ausſchwei - fenden, in Thaͤlern ſtehenden Baͤumen bedeckt. Es giebt noch andere Inſeln, die in einer Reihe von Terraſſen bis zu einer betraͤchtlichen Hoͤhe emporſteigen, und mit - telſt verſchiedener praͤchtigen Treppen an einander haͤngen. In den Winkeln dieſer Terraſſen und auf beyden Seiten dieſer Treppen ſtehen viele eherne Dreyfuͤſſe, aus welchen Weihrauch empordampft; auf der hoͤchſten Terraſſe aber ſind gemeiniglich hohe Thuͤrme zu aſtronomiſchen Beobachtungen, ein ſchoͤner Tempel mit Goͤtzenbil - dern, die koloſſaliſche Statue eines Gottes oder ſonſt ein anderes betraͤchtliches Kunſt - werk errichtet, das zugleich zur Zierde des Gartens und dem ganzen Lande zu einem Gegenſtand der Betrachtung dient. Die Chineſer fuͤhren auch in ihren Seen hohe kuͤnſtliche Felſen von außerordentlich fein colorirten Steinen auf, die mit vielem Ge - ſchmack geordnet werden. Sie haben viele Oeffnungen, wodurch man entfernte Aus - ſichten hat. Auf de[r]Oberflaͤche dieſer Felſen laſſen ſie alle Arten von Gras, krie - chenden Gewaͤchſen und Straͤuchen wachſen, die auf Felſen fortkommen. Auf die Gipfel dieſer Felſen ſetzen ſie Einſiedeleyen und Goͤtzentempel, zu welchen man durch unebene gewundene Treppen, die in den Fels gehauen ſind, ſteigen kann.

In93der Alten und der Neuen.

In der Anlage der Gebaͤude aͤußern die chineſiſchen Kuͤnſtler eine ſolche Beur - theilungskraft, daß ſie dadurch die einzelnen Proſpecte bereichern und verſchoͤnern, und gleichwohl dabey dem allgemeinen Anblick des Ganzen, aus welchem beynahe durchgehends die Natur hervorſticht, nichts benehmen. Denn ungeachtet ihre Gaͤr - ten voll von Gebaͤuden und andern Kunſtwerken ſind, ſo kann man ſie doch aus vielen Geſichtspunkten nicht wahrnehmen, oder man ſieht davon nicht mehr, als hoͤchſtens zwey oder drey; ſo kuͤnſtlich werden ſie in Thaͤlern, hinter Felſen und Bergen, oder zwiſchen Gehoͤlze und dickem Geſtraͤuche verſteckt.

Aber nichts deſtoweniger giebt es in den meiſten chineſiſchen Gaͤrten der Ab - wechſelung wegen gewiſſe Plaͤtze, die den Scenen einer außerordentlichen Natur ge - widmet ſind; wo man alle, oder doch den groͤßten Theil der Gebaͤude mit einem Blick uͤberſehen kann, indem ſie in amphitheatraliſcher Ordnung hintereinander hervorragen, ſich eine ziemliche Strecke weit ausdehnen, und durch ihre ſeltſamen Verbindungen die praͤchtigſte Unordnung machen, die man ſich nur denken kann.

Unter die intereſſantiſchen Theile der chineſiſchen Anpflanzungen gehoͤren ihre mit ſchattigen Baͤumen beſetzte offene Plaͤtze. Man ſucht ihnen die angenehmſte Lage zu geben, und ſie mit allen Arten natuͤrlicher Schoͤnheiten auszuſchmuͤcken. Der Boden, worauf dieſe Luſtwaͤldchen gepflanzt ſind, iſt gemeiniglich uneben, aber nicht rauh: entweder auf einer Ebene, wo viele Huͤgel ſanft aufſchwellen, an dem gelinden Abhange eines Berges, der uͤber reiche Ausſichten herrſcht; oder in Thaͤlern, die mit Waͤldern umgeben, und von Quellen und Baͤchen durchwaͤſſert werden. Die, wel - che frey liegen, ſind gemeiniglich mit blumigen Wieſen, weiten Kornfeldern oder Seen umgeben. Die chineſiſchen Kuͤnſtler glauben, daß das Glaͤnzende und Muntere dieſer Gegenſtaͤnde einen angenehmen Contraſt mit dem Dunkeln des Hai - nes mache; und wenn ſie mit Heckengebuͤſchen oder ſparſam gepflanzten Gehoͤlzen umgeben ſind, ſo iſt die Anpflanzung ſo angelegt, daß von jedem Zugange ein Theil des Luſtwaͤldchens verſteckt bleibt, der ſodann, wenn er ſich dem Auge des Kommen - den nach und nach oͤffnet, ſeine Neubegierde ſtufenweiſe befriedigt. Die Baͤume, mit bluͤhenden Geſtraͤuchen untermiſcht, ſtehen nicht gedraͤngt aneinander, ſondern es iſt zwiſchen ihnen ſo viel Raum gelaſſen, daß man ſich auf den Raſen bequem nieder - ſetzen oder ſpazieren gehen kann. Der Raſen bleibt wegen ſeiner ſchattenreichen Lage beſtaͤndig gruͤn, und iſt im Fruͤhling mit einer Menge allerley fruͤhzeitiger Blumen, als Veilchen, Krokus, Tuberoſen, Schluͤſſelblumen, Hyacinthen, Aurikeln, Schnee - gloͤckchen und Narciſſen geſchmuͤckt. Zuweilen pflanzen ſie auch dieſe offenen Haine von Limonen, Orangen, Citronen, Myrthenbaͤumen; zuweilen von allerhand Gat - tungen wohlgebildeter Fruchtbaͤume, die, wenn ſie Bluͤthen tragen, und ihre FruͤchteM 3reifen,94Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenreifen, außerordentlich ſchoͤn ſind. Um das Schwelgeriſche dieſer Scenen noch mehr zu erhoͤhen, pflanzen ſie neben den Baͤumen verſchiedene Weinſtoͤcke mit Trau - ben von allerley Farben, deren Reben die Staͤmme hinauf kriechen, und von einem Baume zum andern in Feſtons herabhaͤngen. In alle ihre offene Haine ſetzen ſie junge Brut von Faſanen, Rebhuͤnern, Pfauen, welſchen Huͤnern und allen Arten ſchoͤner zahmer Gefluͤgel, die zu gewiſſen Zeiten des Tages zuſammenkommen, um gefuͤttert zu werden.

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2.) Gruͤnde gegen die Wirklichkeit der chineſiſchen Gaͤrten, wie ſie Chambers beſchreibt.

Als ich zuerſt dieſe Beſchreibung der chineſiſchen Gaͤrten las, gieng es mir, wie vermuthlich manchem andern Leſer mehr. Ich fand darin wahre und hohe Schoͤnheiten der Natur, nur das davon abgerechnet, was zu den Ausſchweifungen des morgenlaͤndiſchen Geſchmacks gehoͤrt, das Uebertriebene und Spitzfuͤndige,wovon95der Alten und der Neuen. wovon ich den groͤßten Theil in der angefuͤhrten Beſchreibung weggelaſſen habe. Ich ward von ſo vielen reizenden Scenen entzuͤckt, und vergaß bey dieſer Bewegung nachzudenken, ob ſich auch alles wirklich ſo verhalten moͤchte. Ein wiederholtes Leſen ließ mir mit einer gelaſſenen Behagung mehr Ruhe, zu uͤberlegen. Ich fieng an gegen die Wirklichkeit ſolcher Gaͤrten hie und da einen Zweifel zu finden, und konnte mich ſchon vor einiger Zeit nicht enthalten, einige davon zu aͤußern. Bey einer naͤ - hern Vergleichung verſchiedener einſichtsvollen Schriftſteller, die von China handeln, habe ich Gruͤnde entdeckt, die mich noch mehr an dem Daſeyn ſolcher Gaͤrten zweifeln machen, wie Chambers die chineſiſchen beſchreibt. Ich theile ſie hier zur weitern Beurtheilung mit.

China iſt, nach zuverlaͤßigen Zeugniſſen der Reiſenden, bey weitem nicht ſo ſehr angebauet, als man oft vorgegeben hat. Sogar nahe um Peking giebt es noch einige meilenlange Wuͤſten und Moraͤſte. Die entlegenen Provinzen liegen faſt alle ganz wuͤſte, zum Theil ſo wuͤſte, daß Tiger und andere wilde Thiere in Menge um - herſchwaͤrmen. Der Handel verſammlet die Einwohner um die Hauptſtadt und[ſ]choͤnen Fluͤſſe her, wodurch ein ſo ſtarker Zuſammenfluß von Menſchen entſteht, daß die oft einreißende Hungersnoth die ſchrecklichſten Verwuͤſtungen angerichtet hat. In dieſen Gegenden, wo ſich die Thaͤtigkeit der Nation am meiſten aͤußert, muͤßte man die ſo ſehr geruͤhmten Gaͤrten ſuchen, wenn anders die nothwendige Sorge, durch Ackerbau den harten Beduͤrfniſſen abzuhelfen, noch Zeit und Ruhe zur Anle - gung laͤndlicher Luſtplaͤtze verſtattete. Je weiter man in die Provinzen hineinkoͤmmt, deſto weniger trifft man bebauete Laͤnder an; nicht die Haͤlfte des Erdreichs iſt genutzt; nur ſelten erſcheint ein Dorf. Auch weiß man, daß die Chineſer wenig Liebe zum Landbau beſitzen, die uͤberdieß mit dem heißen Wuchergeiſt, einer faſt allgemeinen Seuche der Nation, nicht vereinbar iſt.

Comte, du Halde und andere glaubwuͤrdige Zeugen ruͤhmen zwar den Anbau der Kuͤchengewaͤchſe in China, wovon die Gaͤrten nie leer ſind, weil ſich beſonders der gemeine Mann davon ernaͤhrt. Allein ſie bemerken zugleich, daß an der Menge und Mannigfaltigkeit der Gewaͤchſe und Fruͤchte mehr der gute Erdboden, als die Geſchicklichkeit der Einwohner Antheil hat. Die meiſten Fruͤchte, ſetzen ſie hinzu, kommen den unſrigen nicht gleich, weil die Chineſer nicht die Kunſt verſtehen, oder ſich nicht die Muͤhe nehmen, die Baumfruͤchte zu verbeſſern, und ihnen einen mehr anziehenden Geſchmack zu geben. Alle ihre Sorgfalt von dieſer Seite ſchraͤnkt ſich auf den Kornbau und Reisbau ein. Von der Botanik wiſſen ſie faſt nichts.

Es96Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten

Es iſt ausgemacht, daß keine der ſchoͤnen Kuͤnſte bey den Chineſern zur Vollkommenheit emporgeſtiegen iſt. *)Recherches philoſophiques ſur les Egyptiens & les Chinois, par Mr. de P. 1773. Tom. I. Sect. IV. Von der Perſpectiv haben ſie nicht den ge - ringſten Begriff. In der Malerey klecken ſie Landſchaften, worin weder Sehepunkt noch Ferne iſt. Die dem Geſicht ſich entfernenden Linien ſind ihnen eben ſo unbekannt, als der Punkt, worin ſie ſich vereinigen muͤſſen, indem ſie nicht die geringſte Kennt - niß von den Regeln haben, denen die Wirkungen des Lichts unterworfen ſind. Mit den Gegenſtellungen oder den großen Maſſen von Schatten ſind ſie, wie man leicht hinzudenken kann, ebenfalls ganz unbekannt. Sie wiſſen nichts von der Kunſt, die Farben zu brechen und zu verſetzen. Sie muͤßten alſo ſehr verlegen ſeyn, wenn ſie den Proſpect eines Gartens vorſtellen ſollten. Ihre Zeichnung iſt, wie man weiß, ſehr ſchlecht. Nicht einmal den Blumen, die doch ſo haͤufig gemalt werden, verſte - hen ſie die Richtigkeit der Zeichnung zu geben. Ihre wilde Einbildungskraft zieht ſie von dem Studium der Natur ab, die eine ruhige und bedaͤchtige Betrachtung er - fordert, wozu die Chineſer ſo wenig, als andere morgenlaͤndiſche Voͤlker, aufge - legt ſind.

Schon aus dieſen allgemeinen Bemerkungen wird man eben keine große Er - wartung ſchoͤpfen, daß die ſchoͤne Gartenkunſt von den Chineſern geliebt und mit Gluͤck getrieben werde, vielweniger daß ſie Gaͤrten von ſo vorzuͤglichen Schoͤnheiten beſitzen, wie man uns uͤberreden will.

China iſt kein Reich, das erſt ſeit einigen Jahren von den Europaͤern beſucht wurde, oder wohin nur Leute ohne Einſicht, ohne Beobachtungsgeiſt, ohne Geſchmack gekommen waͤren. Woher koͤmmt es, daß ſo viele Reiſebeſchreiber ſo vieles und ſeit einer ſo langen Zeit von China berichten, ohne der ſo herrlichen Gaͤrten der Nation zu erwaͤhnen, und daß man erſt in der letzten Haͤlfte des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts angefangen hat, ſie mit einer Art von Begeiſterung zu ruͤhmen? Vielleicht waren ſie in den aͤltern Zeiten noch nicht vorhanden, nicht einmal hie und da in einem vor - bereitenden Anfange vorhanden. Allein in dieſem Jahrhunderte mußten ſie doch da ſeyn. Es ſollen ja Gaͤrten ſeyn, die bey der Nation gewoͤhnlich, die nicht blos die - ſem oder jenem Großen eigen ſind, Gaͤrten, welche die Nation ohne Beyhuͤlfe, ohne Beyſpiel, durch ihr eigenes Genie hervorgebracht hat. Es laͤßt ſich nicht wohl den - ken, daß ſolche Gaͤrten ſo ganz neu ſeyn oder ſo verborgen liegen ſollten, daß ſie nur erſt vor etwa dreyßig Jahren von einem Reiſenden haͤtten bemerkt werden koͤnnen. Wenigſtens ſchon hie und da haͤtten ſie laͤngſt vorhanden ſeyn muͤſſen. Die chineſi - ſche Nation iſt unſtreitig keine ſolche, die auf einmal ploͤtzliche Fortg[]nge in einerWiſſen -97der Alten und der Neuen. Wiſſenſchaft oder Kunſt gemacht haͤtte; ihr Genie hat immer nur einen ſchleichenden Gang genommen, nie einen gluͤcklichen Sprung gewagt; das Vorurtheil fuͤr alles, was bey ihr alt geworden, unterſtuͤtzt ihre natuͤrliche Traͤgheit. Die paradiſiſchen Gaͤrten haͤtten alſo ſchon lange bluͤhen muͤſſen, in einer ſo auffallenden Schoͤnheit, mit ſo eigenen hervorſtechenden Reizen, daß jedes fremde Auge ſie mit Bewunderung haͤtte wahrnehmen muͤſſen. Und doch ein ſo tiefes Stillſchweigen von ſo vielen Rei - ſenden, die ſie ſehen konnten und ſehen mußten! Vielleicht waren dieſe Reiſende nicht alle Kenner. Der groͤßte Theil der nach China reiſenden Gelehrten beſtand aus franzoͤſiſchen Jeſuiten, die vielleicht entweder keine Einſicht in die Gartenkunſt haben, oder voll Vorurtheil fuͤr die Manier ihres Vaterlandes ſeyn konnten. Es mag ſeyn. Aber ſo haͤtten ſie doch wenigſtens das Eigenthuͤmliche und das Abwei - chende in dem chineſiſchen Geſchmack bemerken koͤnnen. Außerdem waren verſchie - dene von dieſen Miſſionarien geſchickte Architekten und Maler. Die hohen Schoͤn - heiten der Natur, welche die chineſiſchen Gaͤrten darſtellen ſollen, ſind jedem Auge bemerkbar. Und der franzoͤſiſche Jeſuit haͤtte hier immer eine Ausnahme ſeyn ſollen? Man weiß, wie ſorgfaͤltig dieſe Miſſionarien geweſen, alles merkwuͤrdige in China aufzuzeichnen und ihrem Hofe zu berichten; man weiß, wie beredt ſie zum Theil erzaͤhlen, wie gerne ſie ausſchmuͤcken. Sie beſchreiben ſehr ausfuͤhrlich die Beſchaffenheit des Erdreichs, des Ackerbaues, der Gartengewaͤchſe und aller Fruͤchte. Und doch bey den naͤchſten Veranlaſſungen, von den Luſtgaͤrten zu reden, ſchweigen ſie entweder ganz,*)Ich muß hier wohl die ſeltſame Be - ſchreibung ausnehmen, die der gute Pater Attiret von den Gaͤrten des Kaiſers zu Peking bekannt gemacht hat, (Lettres édi - fiantes, Recueil XXVII, publié en 1749.) die mehr ſeine blinde Bewunderung eines faſt mit nichts als Gebaͤuden und Canaͤ - len angefuͤllten Platzes, als Geſchmack und richtige Einſicht in die Gartenkunſt entdecken.oder geben uns nur einige fluͤchtige Anzeigen, die nichts weni - ger als den ſtolzen Begriff erregen, den man von den Wundern der chineſiſchen Gaͤrten hat.

Chambers iſt es indeſſen, der nach ſeiner Zuruͤckkunft aus China dieſe Gaͤr - ten in Ruf brachte. Man iſt ſehr geneigt, einen Reiſenden, der aus einem entfern - ten Welttheil koͤmmt, wohin ohnedies nur noch wenig Englaͤnder gedrungen waren, erzaͤhlen zu hoͤren. Man hoͤrt ihn deſto aufmerkſamer, je mehr er durch das Neue und Unerwartete ſich der Verwunderung zu bemeiſtern weiß; man hoͤrt ihn mit Zu - trauen, wenn er als ein Mann von Verſtand, und mit Vergnuͤgen, wenn er als ein Mann von Geſchmack erzaͤhlt. Chambers mußte Eingang finden, wenn er gleichwenigerI Band. N98Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenweniger die Wahrheit, als das Anziehende ſeiner Erzaͤhlung, auf ſeiner Seite hatte.

Ich kann es mir vorſtellen, wie ein Mann von weniger Talenten und Beob - achtung, als Chambers, in einigen Gegenden von China verleitet werden kann, da Gaͤrten zu ſehen, wo keine ſind. Nach dem Bericht des Comte*)Nouveaux Mémoires ſur l’Etat préſent de China, Tom. I. ſind einige fruchtbare Provinzen mit anmuthigen Huͤgeln und Canaͤlen erfuͤllt. Die Huͤgel ſind in verſchiedene Abſaͤtze und Stufen vom Fuße bis zum Gipfel bearbeitet, aber blos in der Abſicht, damit das Regenwaſſer ſich uͤberall vertheilen und das beſaͤete Erd - reich mit ſeinen Pflanzen nicht ſo leicht hinabreißen koͤnne. Indeſſen giebt dieſe Ge - ſtalt, worin die Huͤgel gebildet werden, zumal wenn mehrere in einem Bezirk um - herliegen, einen reizenden Anblick. Die Canaͤle, welche die Plaͤnen durchſchneiden, ſind von einer ungemeinen Schoͤnheit, ſowohl des klaren und ſanft dahin fließenden Waſſers, als auch der Einfaſſungen und Bruͤcken wegen, womit ſie bekleidet ſind. Sie laufen gemeiniglich zwiſchen kleinen Erhoͤhungen auf beyden Seiten, die mit Steinen oder groben Marmorſtuͤcken eingefaßt ſind. Die uͤber dieſe Canaͤle gefuͤhrten Bruͤcken, die zunaͤchſt zur Verbindung der Laͤndereyen dienen, ſind von drey bis ſie - ben Bogen, wovon der mittelſte oder Hauptbogen ſehr hoch iſt, damit die Fahrzeuge darunter bequem hinwegfahren koͤnnen. Die Gewoͤlbe ſind von großen Stuͤcken von Steinen erbauet, die Pfeiler aber ſo ſchmal, daß man in der Ferne glaubt, die Bo - gen ſchweben in der Luft. Man ſieht ſolche Bruͤcken von einer Strecke zur andern; und wenn, wie gewoͤhnlich, der Canal gerade iſt, ſo macht dieſe lange Reihe von Bruͤcken eine Art von Allee, die ein praͤchtiges Anſehen hat. Der Hauptcanal der Provinz theilt ſich zur Rechten und Linken in verſchiedene kleinere, die ſich wieder in eine Menge von Baͤchen zerſchneiden, die an Staͤdte und Doͤrfer hinlaufen, zuweilen Teiche und Seen bilden, wovon die angraͤnzenden Laͤndereyen befruchtet werden. Dieſes klare Waſſer, hin und wieder in den Plaͤnen vertheilt, mit Bruͤcken verſchoͤ - nert, mit Fahrzeugen belebt, mit Doͤrfern untermiſcht, durch welche die Baͤche bald hellſchimmernd bald dunkel beſchattet ihren Lauf verfolgen, macht unſtreitig eins der heiterſten Gemaͤlde von Landſchaft. Was wuͤrde noch werden, ſagt Comte,**)Lettre IV. wenn die Kunſt, die oft in Frankreich die wildeſten Gegenden durch die Pracht der Palaͤſte, durch Gaͤrten und Luſthaine verſchoͤnert, in dieſen reichen Gefilden wirkſam wuͤrde, wo die Natur nichts geſpart hat? Eine ſolche Landſchaft iſt zwar kein Garten; wie leicht kann ſie aber nicht von einem Reiſenden, der ſich ganz den Ent - zuͤckungen des Auges uͤberlaͤßt, dafuͤr angenommen werden?

Indeſſen99der Alten und der Neuen.

Indeſſen iſt dies eben nicht der Fall, worin ſich Chambers befindet. Er verſichert, daß er ſich bey den Chineſern ſorgfaͤltig nach den Grundſaͤtzen erkundigt habe, denen ſie bey der Anlage ihrer Gaͤrten folgen. Er nennt beſonders einen chi - neſiſchen Maler Lepqua, aus deſſen Erzaͤhlung er geſchoͤpft. Wenn wir nicht glau - ben, daß er ſich von falſchen Nachrichten der Chineſer hat blenden laſſen, die ſo gern uͤbertreiben, ſo gern alles, was ihre Nation betrifft, vergroͤßern; ſo laͤßt ſich ein an - derer Ausweg zur Erklaͤrung dieſer Sache entdecken.

Chambers hatte in ſeinem Vaterlande bemerkt, daß man theils noch zu ſehr der alten Manier anhieng, theils bey den neuen Verſuchen in Duͤrftigkeit an Erfin - dung und in manche Ausſchweifungen verfiel. Er ſah es mit Verdruß, daß, da jede andere der ſchoͤnen Kuͤnſte ſo viele Lehrer haͤtte, die Gartenkunſt allein verwaiſet zuruͤckblieb, daß kein Mann fuͤr ſie aufſtand, der ſie in ihre Rechte einſetzte. Er fand in ſeinem Verſtande und in ſeiner Einbildungskraft Ideen, die er der Natur und Beſtimmung der Gaͤrten eigenthuͤmlicher hielt, als die gewoͤhnlichen ſind, denen man taͤglich folgte. Er glaubte, daß dieſe Ideen mehr Aufmerkſamkeit erregen, mehr Aufnahme finden muͤßten, wenn ſie einer entfernten Nation untergeſchoben wuͤr - den, die ſchon eine wirkliche Anwendung davon gemacht haͤtte. Er hatte Klugheit genug, unter dieſe Ideen Zuſaͤtze zu miſchen, die dem Nationalgeiſt der Chineſer eigen ſind. Kurz, er pflanzte brittiſche Ideen auf chineſiſchen Boden, um ihnen ein mehr auffallendes Anſehen zu geben, und ſie eindringender zu machen.

Dieſe Vermuthung wird weniger gewagt ſcheinen, wenn man außer allem dem, was oben von den Chineſern angefuͤhrt worden, und woraus man keine vortheilhafte Begriffe von ihren Gaͤrten zu ziehen veranlaßt wird, noch die Beſchreibung des Chambers ſelbſt etwas naͤher betrachtet.

Er ſagt nicht, wo die herrlichen Gaͤrten, die er ſchildert, liegen; auch ſagt er nicht, daß es Gaͤrten des Kaiſers oder dieſer und jener Großen ſind. Er nennt ſie ganz allgemein chineſiſche Gaͤrten, und ſcheint uns uͤberreden zu wollen, daß es Gaͤrten der Nation waͤren, Gaͤrten, die eben ſo gewoͤhnlich in China angetroffen wuͤrden, als die franzoͤſiſchen in Europa. Ja, er geſteht ſelbſt in ſeinem erſten Berichte, daß die Gaͤrten, die er in China geſehen, nur ſehr klein geweſen; und doch paßt die ganze Beſchreibung blos auf große Gaͤrten.

Demnaͤchſt erklaͤrt er ſich ausdruͤcklich, daß er weder mit der kuͤnſtlichen, noch mit der ſimpeln Manier in der Gartenkunſt zufrieden ſey. Jene weiche zu ausſchwei - fend von der Natur ab, dieſe hingegen ſey eine zu gewiſſenhafte Anhaͤngerinn derſelben. Eine mit Beurtheilung unternommene Vereinigung beyder Manieren wuͤrde eine dritteN 2hervor -100Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenhervorbringen, die gewiß vollkommener waͤre, als eine von dieſen beyden. Und dieſe Vereinigung hat er offenbar in der letzten ausfuͤhrlichen Schrift von den chine - ſiſchen Gaͤrten zur Abſicht.

Wenn jemand, ſagt er ferner, kuͤhn genug waͤre, einen Verſuch zu dieſer Ver - einigung zu machen, ſo wuͤrde er ſich dem Tadel beyder Partheyen ausſetzen, ohne eine oder die andere zu beſſern, und ſich dadurch ſelbſt nachtheilig werden, ohne der Kunſt einen Dienſt zu leiſten. Dem ohngeachtet aber koͤnne es doch nicht undienlich ſeyn, das Syſtem eines fremden Volks bekannt zu machen. Er koͤnne es mitthei - len, ohne ſeine eigene Gefahr, und wie er hoffe, ohne ſonſt jemand zu beleidigen. Dieſe Wendung, die Chambers nimmt, giebt ſeine Lage und Abſicht nicht undeut - lich zu erkennen.

Ein groͤßerer Beweis iſt die ganze Schrift ſelbſt. Wenn man nicht annaͤh - me, daß Chambers ſeine Philoſophie, ſeine Einſichten in die Kuͤnſte und in das menſchliche Herz, ſeine bluͤhende Einbildungskraft den Chineſern geliehen haͤtte; ſo wuͤrde man das, was er von ihren Gaͤrten ruͤhmt, mit ſo vielen zuverlaͤßigen Nach - richten, die wir von dieſem Reich und von dem Geiſt dieſer Nation haben, unmoͤglich vereinigen koͤnnen. Er iſt freygebig mit Lobſpruͤchen, worauf ſie auf keine Weiſe Anſpruch machen koͤnnen. Wenn er gleich im Anfang ſagt, daß ihre Gaͤrtner nicht allein Botaniſten, ſondern auch Maler und Philoſophen ſind, daß ſie eine vollkom - mene Kenntniß des menſchlichen Herzens und der Kuͤnſte beſitzen, durch welche die ſtaͤrkſten Empfindungen erregt werden koͤnnen, daß die ſchoͤne Gartenkunſt ein Ge - genſtand der Aufmerkſamkeit des Geſetzgebers iſt; ſo iſt dies eine ſo ungeheure Be - hauptung, als ſie nur gefunden werden kann. Seine Beſchreibung hat hie und da die ſinnreichſten Gemaͤlde der Phantaſie und die wunderbarſten Feenbezauberungen, die nicht von dem Wirklichen abgezogen ſind, und wovon ich die ſeltſamſten nicht ein - mal angefuͤhret habe; ſie laͤßt hie und da Verwirrungen der Einbildungskraft mit bedaͤchtiger Wahl und richtigem Gefuͤhl abwechſeln; und ihr ganzer Inhalt iſt Be - weis genug, daß Chambers, indem er die Grundſaͤtze der chineſiſchen Gartenkunſt zu erheben bemuͤhet ſcheint, mehr bemuͤhet iſt, ſeine eigene vorzutragen.

Wenn demnach ſeiner Schrift die hiſtoriſche Wahrheit abgeht, ſo ſoll dadurch ihr Werth nicht ganz herabgewuͤrdigt werden. Sie bleibt immer als das Werk eines Mannes von viel Kenntniß, Geſchmack und Genie ſchaͤtzbar, und in einzelnen Stellen fuͤr die Gartenkunſt ſehr nuͤtzlich; immer eine angenehme Beſchreibung eines nicht vorhandenen Gegenſtandes; ein ſchoͤnes Ideal, dem nichts weiter fehlt, als daß es vielleicht nie Wirklichkeit haben wird.

Es101der Alten und der Neuen.

Es wuͤrde ein ſeltſames Mißverſtaͤndniß ſeyn, wenn man glaubte, daß ich durch das, was bisher geſagt iſt, das Daſeyn chineſiſcher Gaͤrten uͤberhaupt zweifel - haft machen wollte. In der That koͤnnte nichts ſeltſamer ſeyn. Meine Abſicht iſt blos zu beweiſen, daß China nicht ſolche Gaͤrten hat, als Chambers beſchreibt, als ein allgemeines Vorurtheil ruͤhmt, und eine getaͤuſchte Nachahmungsſucht nach - zubilden verſucht. So weit noch die Nachahmung gekommen iſt, ſo weit iſt ſie auch mehr dem Ideal eines Britten, als dem Muſter eines Chineſers nachgegangen.

Die Gaͤrten in China koͤnnen ſo wenig von dem Geiſt und dem Geſchmack der Nation abweichend ſeyn, als irgend anderswo, oder als irgend ein anderer Zweig der ſchoͤnen Kuͤnſte. Comte*)Lettre VI. giebt eine Nachricht von den chineſiſchen Gaͤrten, die mit dem, was wir ſonſt von der Nation wiſſen, mehr uͤbereinſtimmt, und der Wahrheit naͤher zu treten ſcheint. Die Chineſer, ſagt er, ſind noch nachlaͤßiger in ihren Gaͤrten als in ihren Wohnungen; ſie haben in dieſem Punkt Begriffe, die von den unſrigen ſehr verſchieden ſind. Regelm[aͤß]ige Plaͤtze anzulegen, Blumen zu pflanzen, Alleen und Hecken zu ziehen, wuͤrden ſie fuͤr widerſinnig halten. Das oͤffentliche Wohl erfordert, daß alles beſaͤet ſey; und ihr Privatintereſſe, das mehr als die gemeine Wohlfahrt ſie ruͤhrt, erlaubt ihnen nicht, das Angenehme dem Nuͤtz - lichen vorzuziehen. Ihre Blumen ziehen ſie ſo ſchlecht, daß man Muͤhe hat ſie wie - der zu kennen. Man erblickt zwar in einigen Gegenden Baͤume, die eine große Zierde in den Gaͤrten geben wuͤrden; allein ſie verſtehen nicht die Kunſt, ſie geſchickt zu ſtellen. Anſtatt der Fruͤchte ſind dieſe Baͤume faſt das ganze Jahr hindurch mit Bluͤthen von lebhaftem Roth und Incarnat bedeckt; pflanzte man davon Alleen, mit Pomeranzenbaͤumen untermiſcht, wie ſehr leicht geſchehen koͤnnte, ſo wuͤrde dies den ſchoͤnſten Anblick von der Welt geben. Aber weil die Chineſer nur ſelten ſpa - zieren gehen, ſo ſind Alleen nicht nach ihrem Geſchmack. Ob ſie gleich von der An - ordnung und von der Kunſt, wahre Verſchoͤnerungen anzubringen, nichts verſtehen, ſo machen ſie doch in ihren Gaͤrten Aufwand. Sie bauen Grotten, ſie fuͤhren kleine kuͤnſtliche Huͤgel auf, ſie bringen ganze Felsſtuͤcke dahin, die ſie uͤber einander auf - haͤufen, ohne eine andere Abſicht, als blos die Natur nachzuahmen. Wenn ſie dem - naͤchſt ſoviel Waſſer finden, als noͤthig iſt, um ihren Kohl und ihre uͤbrigen Kuͤchen - gewaͤchſe zu begießen, ſo glauben ſie, daß ſie nichts mehr zu thun uͤbrig haben. Der Kaiſer hat Waſſerkuͤnſte**)Hier muß ich doch einer ſonderba - ren Anekdote von dem Pater Benoit, ei -nem Schuͤler des beruͤhmten de la Caille, erwaͤhnen. Als er als Aſtronom nach Peking gekommen war, ſchenkte er demKaiſervon der Erfindung der Europaͤer; PrivatperſonenN 3aber102Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenaber begnuͤgen ſich mit ihren Teichen und Brunnen. Faſt eben dieſen Begriff von den chineſiſchen Gaͤrten geben zwey gelehrte Schweden, Olof Toreen*)In dem Anhang zu Osbeks Reiſe nach Oſtindien und China. Aus dem Schwediſchen. 8. 1765.und Eckeberg,**)Ebendaſelbſt. von welchem die Akademie zu Stockholm eine beſondere Ab - handlung von der Landwirthſchaft der Chineſer bekannt gemacht hat. In ihren Gaͤrten, ſagt der erſte, ſieht man weder kuͤnſtlich gezogene Baͤume, noch Alleen oder figurirte Blumenſtuͤcke, ſondern es iſt darin alles in einer natuͤrlichen Verwirrung. Anſtatt der Grotten werfen ſie Haufen von einer Steinart zuſammen, die Bergen und Klippen aͤhnlich ſind. Sie bekuͤmmern ſich, erzaͤhlt der Capitain Eckeberg, ſehr wenig um Luſtſtuͤcke, Hecken, bedeckte Gaͤnge und Symmetrie; ihnen gefaͤllt ein nackter Platz mit Steinen von verſchiedener Farbe und Groͤße in Figuren von Dra - chen und Blumen belegt beſſer, als wenn die Zwiſchenraͤume mit Kraͤutern oder Gras gezierer waͤren. Ihre Gaͤnge muͤſſen auch nicht offen, ſondern mehrentheils an den Seiten mit Mauern verſehen ſeyn, an welche Wein oder andere kletternde Gewaͤchſe geſetzt ſind, die man an Stangen von einer Mauer zur andern zieht, und dadurch den Gang bedeckt. Die Ruhebaͤnke ſind in Gaͤngen ohne Mauern an den Seiten angebracht, und durch verſchiedene Setzung der Steine mit vielen Hoͤhlen verſehen, in welche Gefaͤße mit verſchiedenen Blumen geſtellt werden. Die Gaͤnge bilden viele Kruͤmmungen; bisweilen gehen ſie uͤber einen kleinen ebenen, mit Stei - nen belegten Platz, vor ein offenes Luſthaus, auf welchem Blumentoͤpfe ſtehen, bis - weilen durch Bogengaͤnge, die von duͤnnem Bamby doppelt, aber in ungleicher Form geflochten ſind, und worunter eine Art buſchigtes Immergruͤn gepflanzt iſt, das ſich durch dieſelben ſchlaͤgt, und ſie einer gruͤnen mit einem großen Loche verſehenen Wand aͤhnlich macht. Was Eckeberg ſonſt noch anfuͤhrt, das des Beyfalls nicht ganz unwuͤrdig ſeyn moͤchte, iſt doch ſo tief unter Chambers Syſtem, daß dieſes daher keine Unterſtuͤtzung erwarten kann. Die Pracht und der Aufwand, womit die Großen in China umgeben ſind, ſobald ſie oͤffentlich erſcheinen, glaͤnzt gar nicht auf ihr haͤusliches Leben und ihre Luſtgaͤrten zuruͤck, worin nichts von den zauberiſchenSchoͤn -**)Kaiſer einen Kupferſtich, der ſpringende Waſſer vorſtellte. Der Kaiſer verlangte von ihm eine Erklaͤrung der Figuren. Benoit gab ſie; aber dem Kaiſer ſchien es ein Wunderwerk, deſſen Ausfuͤhrung alle Kraͤfte der menſchlichen Kunſt uͤberſtiege. Als Benoit ſich dazu geſchickt erklaͤrte, ward ihm aufgetragen, die Gaͤrten des Kaiſers mit Springbrunnen und Waſſer -faͤllen zu zieren. Der erſte Springbrun - nen verſetzte ihn in eine Art von Entzuͤ - ckung; er ließ den Pater bewachen, und zwang ihn, ſeine Sternwarte mit dem Amt eines Brunnenmeiſters zu verwechſeln.103der Alten und der Neuen. Schoͤnheiten, wovon man traͤumt, aber viel Duͤrftigkeit und geſchmackloſe Einfalt herrſcht, und die naͤher betrachtet weder etwas zu bewundern, noch zu verwundern geben.

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9. Verſchiedene Gaͤrten und Luſtplaͤtze in andern entfernten Weltgegenden.

Die Gaͤrten der Tuͤrken ſcheinen nicht zu verdienen, daß wir ſie ganz uͤberſe - hen, ſo wenig Anſpruͤche ſie auch auf den Ruhm einer beſondern Schoͤnheit haben. Die Annehmlichkeiten des Canals bey Conſtantinopel ſind den Muſelmaͤnnern ſo reizend, daß ſie alle ihre Luſthaͤuſer an ſeinen Ufern bauen, und alſo zugleich die ſchoͤn - ſten Ausſichten in Europa und Aſien haben. Einige Meilen von Adrianopel be - ſteht das ganze Land aus Gaͤrten, und die Ufer der Fluͤſſe ſind mit Reihen von Frucht - baͤumen beſetzt, unter welchen die angeſehenſten Tuͤrken ſich jeden Abend beluſtigen; zwar nicht mit Spazieren, das ſie nicht lieben; ſondern kleine Geſellſchaften waͤhlenſich104Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenſich einen gruͤnen beſchatteten Platz, uͤber den ſie einen Teppich ausbreiten, trinken da Kaffee und haben gewoͤhnlich einen Sklaven bey ſich, der eine feine Stimme ſingt oder auf einem Inſtrumente ſpielt. *)Briefe der Lady Montague.Die Harams oder Frauenzimmerwohnungen der Tuͤrken, die von dem oͤffentlichen Anblick entfernt liegen, ſind gemeiniglich mit Gaͤrten umgeben, in welche die Damen aus ihren Zimmern die Ausſicht haben. Dieſe Gaͤrten, die mit hohen Mauern umſchloſſen ſind, haben nichts von Parterren, ſondern ſind mit hohen Baͤumen bepflanzt, die einen anmuthigen Schatten und einen reizenden Anblick geben. In der Mitte des Gartens iſt der Chiosk, ein großes Zimmer, das gemeiniglich mit einem ſchoͤnen Brunnen in der Mitte prangt. Es iſt neun bis zehn Stufen hoch, und mit vergoldetem Gitterwerk bezaͤunet, um welches ſich Weinreben, Jesminen und Geisblatt winden, und eine Art von gruͤner Mauer machen. Rund um dieſen Ort ſind breite Baͤume gepflanzt; er iſt die Scene ihrer Ergoͤtzungen, und die Damen bringen da ihre meiſten Stunden mit Muſik und Stickwerk zu.

An den Gaͤrten um Smyrna, bemerkte Haſſelquiſt,**)Reiſe nach Palaͤſtina in den Jahren 1749-1752. Aus dem Schwediſchen. 1762. S. 31. hat die Kunſt kaum die Hand angelegt, außer zur Pflanzung der Pomeranzenbaͤume, die hier nicht wild wachſen, aber doch in großer Menge gefunden werden. Die Natur iſt hier ſchoͤn und milde. Wenn man ihr einige Huͤlfe leiſtete, ſo wuͤrde man hier weit ſchoͤnere Gaͤrten zu Stande bringen, als diejenigen ſind, die unſer nordliches Europa zieren. Man findet hier in den Gaͤrten eine Menge Pomeranzenbaͤume; Feigen -, Oliven - und Granatbaͤume ſtehen hie und da ohne Ordnung unter einander; Pappelbaͤume ſind ganz gewoͤhnlich. Cypreſſen wachſen hin und wieder, und ſteigen, wie die ſchoͤnſten Pyramiden, bis in die Wolken. Dieſes iſt wohl der groͤßte Schmuck, den die Na - tur dieſen Gegenden geſchenkt hat. Nicht weniger ruͤhmt Chandler***)Reiſen in klein Aſien. Aus dem Engliſchen. 1776. S. 112. den natuͤrlichen Reiz der Gegend um Smyrna. Das Gruͤn war im December ſo ſchoͤn, als er es jemals geſehen hatte. Ringelblumen und Anemonen ſchoſſen von ſelbſt und in großer Menge zwiſchen den Raſen unter Oelbaͤumen auf. Ganze Ge - buͤſche von Myrthen in der Bluͤte ſchmuͤckten das unangebauete Land, und in den Gaͤrten ſchimmerte die goldene Frucht zwiſchen den tiefgruͤnen Blaͤttern der Orangen - baͤume hervor. Man ſahe eine Menge Narciſſen und Hyacinthen. Fruͤh im Fe - bruar bluͤheten die Mandelbaͤume; Roſen und Nelken waren gemein und wurden in den Straͤußen verkauft. Chandler hatte, wenige Tage ausgenommen, einen blauenHimmel,105der Alten und der Neuen. Himmel, und eine ungemeine nicht zu beſchreibende Milde der Luft. Von der Schoͤnheit der Gaͤrten ſagt er uͤbrigens kein Wort.

Die Ebene von Scio (das beruͤhmte Chios der Griechen) nordwaͤrts der Stadt beſtehet nach Pokoks Erzaͤhlung*)Beſchreibung des Morgenlandes. Aus dem Engl. 1755. 3ter Th. S. 5. aus lauter Gaͤrten mit Luſthaͤuſern. Sie ſind groͤßtentheils kleine Waͤlder von Orangen - und Limonienbaͤumen. Die ſchoͤnſten haben ſowohl in der Mitte, als auch auf der rechten und linken Seite einen Spazier - gang. An demſelben ſtehen zu beyden Seiten viereckige Saͤulen, zwiſchen welchen Sitze von Quaderſteinen ſind. Einige haben in ihren Gaͤrten Capellen und darunter ein Familienbegraͤbniß. Hieher begeben ſich faſt alle Einwohner zur Sommerszeit aus der Stadt, wohin ſie im Winter wieder zuruͤckkehren. Auch Chandler**)Reiſen in klein Aſien. Aus dem Engl. 1776. S. 66. giebt von dieſer Inſel ein kleines angenehmes Gemaͤlde. Haine von regelmaͤßig ge - pflanzten Limonien, Pomeranzen - und Citronenbaͤumen durchwuͤrzen die Luft mit dem Dufte ihrer Bluͤthen, und entzuͤcken mit ihren goldenen Fruͤchten zugleich das Auge. Myrthen und Jesminen ſind unter ſie gemiſcht, nebſt Oelbaͤumen, und Palmen und Cypreſſen.

Pokok***)2ter Th. 1754. S. 180. erwaͤhnt auch der Gaͤrten, wodurch Damaſcus beruͤhmt iſt. Alles, was an ihnen ſchoͤn iſt, koͤmmt von dem vielen Waſſer her, wovon man hier Herr iſt; ſie ſind mit vielen und mannigfaltigen Arten von Baͤumen angefuͤllt, und gehoͤren zu den beſten in jenen Gegenden. Die morgenlaͤndiſchen Gaͤrten, ſetzt er hinzu, ſind in der That nur Baumgaͤrten oder Waldungen fruchtbarer Baͤume, die nicht regelmaͤßig, ſondern nur in ſchmale Reihen geſetzt ſind. Durch manche Gaͤr - ten ſind kleine Baͤche geleitet; andere ſind mit offenen Waſſerbehaͤltniſſen, oder mit ſpringendem Waſſer und allerley kleinen Waſſerkuͤnſten geziert. In dieſen und in den angenehmen Sommerhaͤuſern beſteht vornehmlich ihre Schoͤnheit. Das Volk bringt oft den ganzen Tag in dieſen Gaͤrten zu, und deswegen ſind ſtets einige verpach - tet, in welchen die Gaͤſte von den Fruͤchten frey eſſen koͤnnen, was ihnen gefaͤllt. Diejenigen, welche Haͤuſer in ihren Gaͤrten haben, begeben ſich im Sommer ſehr oft auf einige Tage dahin. Es iſt uͤbrigens leicht zu gedenken, daß unter allen Him - melsſtrichen, die ſo ſehr der Wut der Sonnenſtralen ausgeſetzt ſind, der Einwohner von ſeinen Gartenplaͤtzen nichts mehr als Schatten der Baͤume, Kuͤhlung des Waſſers und Erfriſchung der Fruͤchte fordert, und ſich gerne begnuͤgt, wenn er dieſe Vortheilehat.I Band. O106Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenhat. Auch geben Thevenot, Tournefort und andere Reiſebeſchreiber keinen gro - ßen Begriff von Kunſt oder Schoͤnheit in den morgenlaͤndiſchen Gaͤrten.

Von den Gaͤrten der heutigen Perſer geben uns Thevenot*)Suite du Voyage an Levant, II Part. S. 285. Paris 1689. 8. und Bruin**)Reizen over Moſcovie door Perſie &c. fol. Amſterdam 1711. S. 131 u. 323. keine ſo vollkommene Nachricht, als Chardin. ***)Voyage en Perſe &c. 4. Amſterdam 1735. Tom. 3. S. 27. 28.Nach dem Bericht des The - venot beſtand der koͤnigliche Garten bey Iſpahan blos in einer Menge junger Frucht - baͤume und großer Ahornbaͤume, die, alle nach der Linie gepflanzt, die ganze Verzierung ausmachten. Alle Gaͤrten ſind in Einem Geſchmack. Ihre Schoͤnheit beſtehet blos in großen geraden Alleen, in einer Menge von Ahorn, Roſenſtoͤcken und Frucht - baͤumen; und vornehmlich iſt es zur Zeit der Fruͤchte ein Vergnuͤgen, ſie zu beſu - chen. Bruin ſchraͤnkt ſich auf die koͤniglichen Gaͤrten zu Caſian und zu Perſe - polis ein; lobt darin Blumen, Canaͤle, Fontainen, Gebaͤude, Cypreſſen, Granat - baͤume; ſagt, daß alles groß und ſchoͤn angelegt ſey; und doch giebt ſeine Beſchrei - bung von dieſen Anlagen keinen hinlaͤnglichen Begriff. Nach Chardins Erzaͤh - lung beſtehen die Gaͤrten der Perſer gewoͤhnlicher Weiſe in einer großen Allee, die den Garten theilt, die nach der Linie gezogen und von Ahorn geſetzt iſt; mit einem Waſſerbehaͤltniſſe in der Mitte, von einer dem Garten angemeſſenen Groͤße; auf den Seiten zwey kleinere Baßins. Der Raum zwiſchen beyden iſt mit allerhand Blu - men beſaͤet, mit Fruchtbaͤumen und Roſenſtraͤuchen bepflanzt; und hierin beſteht die ganze Verzierung. Man weiß nichts von Parterren, gruͤnen Lauben, Labyrinthen und Terraſſen, und von den uͤbrigen Zierden der europaͤiſchen Gaͤrten. Dieſes kommt beſonders daher, daß die Perſer nicht, wie wir, in ihren Gaͤrten ſpazieren, ſondern ſich begnuͤgen, darin die Ausſicht und die friſche Luft zu genießen; ſie ſetzen ſich daher bey ihrer Ankunft in den Garten an einem Orte nieder, und halten ſich da ſo lange auf, bis ſie wieder weggehen. Nach dem Zeugniß eben dieſes beobach - tenden Reiſenden iſt die Gegend von Hyrkanien, die nach Morgen liegt, der ſchoͤnſte Sammelplatz von Blumen, und eine immer bluͤhende Flur, vornehmlich vom September bis zu Ende des April. Das ganze Land iſt alsdenn mit Blumen be - deckt, und dieſe Zeit iſt auch die beſte in Anſehung der Fruͤchte; denn in den andern Monaten wuͤtet eine außerordentliche Hitze und eine boͤſe Luft. Nach Medien und Arabien zu bringen die Felder von ſelbſt Tulpen, Anemonen, Ranunkeln von dem ſchoͤnſten Roth und Kaiſerkronen hervor. In andern Gegenden, als um Iſpahan, wachſen die Jonquillen und Hyacinthen von ſelbſt; und man hat da Blumen waͤh - rend des ganzen Winters, viele Arten von Narciſſen, Lilien, Violen von allen Far -ben,107der Alten und der Neuen. ben, Nelken und Jesmin von einer Schoͤnheit und einem Geruch, die alles uͤber - treffen, was wir davon in Europa haben. Nichts faͤllt unter dieſen Gegenſtaͤnden ſchoͤner in die Augen, als die Pfirſichbaͤume; die Bluͤthe bedeckt ſie oft ſo ſehr, daß das Auge keinen Durchgang finden kann. In der That iſt Perſien das Vaterland der herrlichſten Blumen. Nach dem, ſetzt Chardin hinzu, was von der Anzahl und Schoͤnheit der Blumen geſagt iſt, ſollte man leicht denken, daß es auch da die ſchoͤnſten Gaͤrten von der Welt gebe. Allein nach einer Erfahrung, die man ſehr allgemein findet, iſt da, wo die Natur fruchtbar und gefaͤllig iſt, die Kunſt roher und unbekannter, wie in dieſem Fall mit den Gaͤrten. Wo die Natur Gaͤrten ſo vortrefflich bildet, da hat die Kunſt faſt nichts mehr zu thun.

So iſt auch in Japan die Einrichtung der Gaͤrten, nach Kaͤmpfers bekann - ter Beſchreibung, ohne merklichen Geſchmack. Indeſſen iſt die Schoͤnheit und Mannigfaltigkeit der Blumen, womit alle Huͤgel, Felder und Waldungen prangen, ſo groß, daß Japan in dieſem Punkt mit Perſien um den Vorzug ſtreiten kann. Die ſchoͤnſten verſetzt man in die Gaͤrten, und erhebt ſie durch Kunſt und fleißige Pflege zu einer großen Vollkommenheit. Der Vorzug der Blumen beſteht am mei - ſten in der ſchoͤnen Farbe, und dieſe Blumen machen die vornehmſten Gegenſtaͤnde in den japaniſchen Gaͤrten aus. Außer ihnen aber giebt es hier noch Kaſtanien - baͤume, Limonien, Pomeranzen, die haͤufig und von verſchiedener Art wachſen, Ci - tronen und Pfirſiche. Kriekenbaͤume werden nur ihrer ſchoͤnen Bluͤthe wegen unter - halten, die durch die Cultur die Groͤße einer doppelten Roſe gewinnen, und in ſol - cher Menge hervorbrechen, daß ſie den ganzen Baum wie ein blutiger Schnee be - decken; dieſe Baͤume geben allen Tempelgaͤrten die beſte Zierde, und blos zu dieſem Zweck werden auch oft Apricoſen und andere Pflaumbaͤume unterhalten. Tannen und Cypreſſen, welche die gemeinſten Baͤume der Waͤlder ſind, pflanzt man in langen Reihen auf die Spitzen der Berge, und auf beyde Seiten der Landſtraßen; man ſucht damit ſogar alle ſandigen und wuͤſten Oerter etwas auszuzieren. Eine ruͤhmliche Sorgfalt iſt es, daß ſogar von dieſen Baͤumen keiner gefaͤllt werden darf, ohne Er - laubniß der Obrigkeit des Orts, und ohne zugleich einen jungen Baum wieder an ſeinen Platz zu ſetzen.

Schaw*)Voyages &c. 4. à la Haye 1743. Tom. l. p. 92 u. 295. ruͤhmt die Huͤgel und Thaͤler in den umliegenden Gegenden von Al - gier, die voll von Landhaͤuſern und Gaͤrten ſind, wohin die reichen Einwohner der Stadt ſich waͤhrend des Sommers begeben. Dieſe Landhaͤuſer von einer weißen ſchimmernden Farbe, und mit Fruchtbaͤumen bedeckt, haben eine ſehr angenehme Wirkung auf das Auge, wenn man ſie vom Meer erblickt. Die Gaͤrten bringenO 2eine108Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrteneine große Menge von Fruͤchten und Kraͤutern hervor, und ſind von Quellen und Baͤchen durchwaͤſſert, welches in einem ſo heißen Lande von großem Vortheil iſt. Sie ſind aber nicht weniger als regelmaͤßig, ohne Plan und Anordnung; eine Ver - miſchung von Fruchtbaͤumen, von Gartengewaͤchſen und von Getreide durcheinander; man weiß hier nichts von Parterren, Blumenbeeten, Alleen.

Auf den heitern canariſchen Inſeln bluͤhen anmuthige Gaͤrten. Die Stade Laguna auf Teneriffa iſt nicht blos uͤberaus reizend in Anſehung ihrer Lage, ihrer weiten Ausſicht, ihrer Ebenen und Felder umher, ihrer Waſſerleitungen und erfri - ſchenden Luͤfte, ſondern auch wegen ihrer Gaͤrten mit Orangen, Limonien und andern Fruchtbaͤumen. Die Inſel Canaria verdient wegen des geſunden und milden Klima, des Ueberfluſſes von gutem Waſſer, von Baͤumen, Kraͤutern und Fruͤchten, mit Recht den Namen der gluͤckſeligen Inſel. Der Himmel iſt ſelten mit Wolken uͤberzogen, und faſt immer heiter und frey von Gewittern und Stuͤrmen. Faſt alles, was gepflanzt wird, gedeihet. Die Fichte, wilde Olive, Lorbeer, Pappel, Ro - ſenholz, die indianiſche Feige, wachſen von ſelbſt und ohne Wartung. Alle ameri - caniſche und europaͤiſche Baumfruͤchte reifen hier. Der fruchtbarſte Theil der Inſel iſt der Berg Doramas, nicht weit von der Stadt Palmas. Er iſt mit Hainen von verſchiedenen Arten wohlriechender Baͤume bedecket, deren hohe Zweige ſo dicht ineinander verflochten ſind, daß kein Sonnenſtral hindurchdringt. Die Baͤche, die dieſe ſchattigen Haine bewaͤſſern, das Gefluͤſter der ſanften Winde zwi - ſchen den Baͤumen, und der melodiſche Geſang der Canarienvoͤgel machen ein bezau - berndes Luſtrevier.*)Glas Beſchreibung der canariſchen Inſeln. Aus dem Engl. 1777. S. 243. u. f.

Hinter der Stadt Funchal auf der Inſel Madera erhebt ſich der Grund nach und nach gegen die Berge, die ſich in Geſtalt eines halben Zirkels auf verſchiedene Meilen ausbreiten; hier iſt alles voll Weinberge, Landhaͤuſer und Gaͤrten, welche durch die von den Anhoͤhen herabfallenden Baͤche gewaͤſſert werden, und ein ſehr an - genehmes Anſehen haben. Dieſe Inſel gehoͤrt zu den gluͤcklichſten Wohnplaͤtzen auf dieſer Erde, und man darf ſich nicht wundern, daß die Alten ſie fuͤr den Sitz der ely - ſiſchen Felder hielten. Der Britte, Ovington,**)Reiſe nach Surat in der allgemeinen Hiſtorie der Reiſen, 2ter B. S. 51. giebt uns eine kleine ange - nehme Schilderung von den Vergnuͤgungen des Landlebens, die er hier bey ſeinen Landsleuten genoß, wenn ſie der Stadt uͤberdruͤßig waren. Hier unterredeten ſie ſich unter den ausgebreiteten Orangen - und Limonienbaͤumen, die von Waſſerquellen er - friſcht wurden. Die Natur ſtellte hier die angenehmſte Ausſicht von der Welt vor. Die Huͤgel waren alle mit Weinſtoͤcken bedeckt, und die Thaͤler mit reifen Trauben,die109der Alten und der Neuen. die einen ſtarken Geruch von ſich gaben. Die Gebuͤſche und Waͤlder waren alle friſch und anmuthig; nichts ſchien verwelkt und abfallend, ſondern alles lachte. Die Luſt war heiter und ertoͤnte vom Geſang der Voͤgel. Die Schiffe und das Meer waren in einer mittelmaͤßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten ſich uͤberall neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die dieſen Aufenthalt reizender machten, als je das beruͤhmte Tempe der Alten gewe - ſen iſt.

Bernier, der als ein feiner Beobachter ſo viele weite Reiſen gethan, behaup - tet,*)Allgemeine Hiſtorie der Reiſen u. ſ. w. IIter B. S. 115-117. es gaͤbe kein Land in der Welt, das in einem ſo kleinen Umfang ſo viel Schoͤn - heiten vereinigte, als das Koͤnigreich Kachimir, das am aͤußerſten Ende von Ind - oſtan liegt, von den Bergen des Caucaſus, und zwiſchen den Gebirgen von groß und klein Thibet und Raja-Gamon eingeſchloſſen. Es iſt eine ſehr ſchoͤne Land - ſchaft voll kleiner Huͤgel, die nicht weniger als dreyßig Meilen Laͤnge und zehn oder zwoͤlf Meilen Breite hat. Die erſten Berge, die Kachimir begraͤnzen, das iſt, die an die Ebene reichen, ſind von mittelmaͤßiger Hoͤhe, mit Baͤumen und Viehwei - den bedeckt, wo man Kuͤhe, Schafe, Ziegen und Pferde findet. Unter verſchiede - nen Arten von Wildprete, als Rebhuͤner, Haſen, Gazellen, ſieht man auch viele Bienen. Aber, welches in Indien ſehr ſelten iſt, man findet da nie Schlangen, Tiger, Baͤren oder Loͤwen. Bernier ſagt daher, man koͤnne ſie die unſchuldigen Berge nennen, auf welchen Milch und Honig fließt, wie im gelobten Lande. Ueber dieſe erheben ſich andere hoͤhere, deren Gipfel allezeit mit Schnee bedeckt iſt, und ſtets, uͤber die Gegend der Wolken erhoben, ruhig und helle ſcheint. Von allen die - ſen Bergen fallen uͤberall unzaͤhlige Quellen und Baͤche herab, welche die Einwohner in ihre Reißfelder, und vermittelſt großer Erddaͤmme ſelbſt auf ihre Huͤgel zu leiten wiſſen. Nachdem dieſe ſchoͤnen Gewaͤſſer viele Waſſerfaͤlle und Baͤche gemacht ha - ben, ſo vereinigen ſie ſich endlich, einen Fluß von der Groͤße der Seine zu bilden, der langſam das Koͤnigreich umfließt, durch die Hauptſtadt geht, und ſeinen Aus - gang zu Baramoule zwiſchen zween ſteilen Felſen findet, von da er ſich in verſchie - dene Abſtuͤrze zertheilt, eine Menge kleiner Fluͤſſe, die von den Bergen herabkom - men, fortnimmt und endlich in den Indus faͤllt. So viel Baͤche, die von allen Bergen herabfließen, machen die Felder und Huͤgel ungemein fruchtbar; man ſollte alles fuͤr einen großen Garten anſehen, in welchem ſich Flecken und Doͤrfer befinden, wovon man eine Menge zwiſchen den Baͤumen entdeckt. Zur Abwechſelung erblickt man Wieſen, Reißfelder, Fluren voll Getraide, Safran und allerley Huͤlſenfruͤchte, unter welchen Canaͤle in mannigfaltigen Geſtalten ſich durchſchlingen. Ein Euro -O 3paͤer110Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenpaͤer erkennt da uͤberall unſere Pflanzen, Blumen und Baͤume, Apfelbaͤume, Birn - baͤume, Pflaumen, Apricoſen, Nuͤſſe und Weinſtoͤcke mit ihren Fruͤchten beladen. In der Hauptſtadt, die den Namen des Koͤnigreichs fuͤhrt, hat jedes Haus ſeinen anmuthigen Garten, die alle an dem Ufer eines ausgedehnten Sees liegen. Die Schoͤnheit des Sees wird durch eine Menge kleiner Inſeln vermehrt, die gleichſam ſo viele allezeit gruͤnende Gaͤrten vorſtellen, weil ſie voll Obſtbaͤume und mit großblaͤt - terigen Eſpen von einer erſtaunlichen Hoͤhe eingefaßt ſind. Ueber dem See auf den Abhaͤngen der Berge entdeckt man nichts als Luſthaͤuſer und Gaͤrten. Die Natur ſcheint ſo ſchoͤne Oerter nur zu dieſem Gebrauche beſtimmt zu haben. Sie ſind voll Quellen und Baͤche. Die Luft iſt da allezeit rein. Von allen Seiten hat man die Ausſicht auf den See, die Inſeln und die Stadt. Der ſchoͤnſte dieſer Gaͤrten iſt der koͤnigliche. Man geht in denſelben vermittelſt eines großen mit Raſen eingefaßten Canals, der ſich fuͤnfhundert Schritte weit zwiſchen zwo ſchoͤnen Alleen von Pappel - baͤumen ſtreckt. Er fuͤhret an den Fuß eines großen Luſthauſes, das ſich in der Mitte des Gartens befindet, und da faͤngt ein anderer viel praͤchtigerer Canal an, der bis an das Aeußere der Einfaſſung geht. Dieſer zweyte Canal iſt mit großen Bruchſteinen gepflaſtert. Seine Ufer von eben dem Stein erheben ſich ſchief; und in der Mitte ſieht man von funfzehn zu funfzehn Schritten eine lange Reihe von Waſſerkuͤnſten, ohne viele andere mitzurechnen, die hie und da in verſchiedenen run - den Waſſerbehaͤltniſſen, womit er eingefaßt iſt, ſpringen. Er endigt ſich am Fuße eines andern, jenem ſehr aͤhnlichen Luſthauſes. Dieſe Luſthaͤuſer ſind wie runde Thuͤrmchen bedeckt, und auf dem Waſſer ſelbſt zwiſchen den beyden großen Alleen von Pappelbaͤumen erbauet. Sie haben eine Gallerie, die rings um ſie geht, und vier einander gegenuͤber ſtehende Thuͤren. Zwo derſelben gehen nach den Alleen, wohin man uͤber Bruͤcken koͤmmt; zwo andere auf die gegenuͤber liegenden Canaͤle. Jedes Luſthaus beſteht aus einem großen Saale in der Mitte von vier Cabinettern, welche die vier Ecken ausmachen. Alles iſt inwendig gemalt und vergoldet, und mit Spruͤchen von großen perſiſchen Buchſtaben gezieret. Bernier fuͤgt zu dieſer Be - ſchreibung hinzu, daß die Mogolen mit Recht Kachimir das irdiſche Paradies in Indien nennten, und daß alle witzige Koͤpfe unter ihnen ſogleich nach ihrer An - kunft ſich beſtrebten, die Reize dieſes Landes in verſchiedenen ſchoͤnen Gedichten zu preiſen.

Wie manche Gegenden, wo die Natur ohne den Beyſtand der Kunſt eine Menge ihrer zauberiſchen Schoͤnheiten verſchwendet hat, liegen nicht hie und da in einem Winkel oder auf entfernten Inſeln verſteckt und unbewundert! Jahrhunderte vergehen oft, ehe ein empfindſamer Beobachter ſie bemerkt, unterdeſſen ſie nicht auf -hoͤren,111der Alten und der Neuen. hoͤren, von einem Fruͤhling zum andern in ihrem Reiz aufzubluͤhen. Wie wenige haben z. B. vor und nach dem beruͤhmten Anſon die bezaubernden Annehmlichkeiten empfunden, die der Inſel Juan Fernandez*)Hiſtoriſcher Bericht der von den Englaͤndern geſchehenen Reiſen um die Welt ꝛc. Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f. eigen ſind! Und wie ſehr fand ſich nicht dieſer Britte und ſeine Geſellſchaft von ihr entzuͤckt! Die Waͤlder, welche die meiſten der ſteilſten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebuͤſch und Ge - ſtraͤuch, und an allen Orten zugaͤnglich. Die Unregelmaͤßigkeit der Berge und Ab - gruͤnde bildete in der nordlichen Gegend der Inſel durch eine mannigfaltige Zuſam - menſetzung viele Thaͤler von einer romantiſchen Lage; durch die meiſten floß ein ſehr lauterer Strom, deſſen Faͤlle zuweilen von einem Felſen zum andern herabſtuͤrzten. In dieſen Thaͤlern gab es beſondere Plaͤtze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher Waͤlder, die Hoͤhe uͤberhaͤngender Felſen, der haͤufige Fall und die Durchſichtigkeit benachbarter Stroͤme, Schauplaͤtze von einer ſolchen Zierlichkeit und Wuͤrde darſtell - ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die bloßen Werke der von allem Beyſtand entbloͤßten Natur ſchienen hier alle Beſchrei - bung der lebhafteſten Einbildungskraft zu uͤbertreffen. Der Platz, worauf Anſon ſein Zelt aufſchlagen ließ, zelchnete ſich vor den uͤbrigen durch ſeine Schoͤnheit aus. Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemaͤchlichen Abhange, ohnge - faͤhr eine halbe engliſche Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang durch die Waͤlder nach der Seeſeite zu gehauen, der ſanft nach dem Waſſer hin ab - waͤrts gieng, und die Ausſicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er - oͤffnete. Hinter ſich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald, der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald ſtand, gieng viel ſteiler aufwaͤrts, als der Grasplatz ſelbſt, jedoch nicht ſo hoch, daß nicht noch die landeinwaͤrts gelegenen Felſen und Berge ſich weit uͤber der Baͤume Gipfel aufge - thuͤrmt und die Groͤße des Anblicks vermehrt haͤtten. Ohngefaͤhr hundert Ellen weit an der rechten und linken Seite des Zelts floſſen, durch Baͤume beſchattet, zwey Stroͤme mit kryſtallenem Waſſer, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das ſanfte Gemurmel entfernter Baͤche, der Geſang der zwiſchen Myrthen ſitzenden Voͤ - gel, der liebliche Geruch der Gewuͤrzbaͤume, der uͤberall die Luft erfuͤllte, alles dieſes vermehrte die Anmuth dieſer gluͤcklichen Inſel.

Auch Peru hat nach dem neueſten Berichte des ehrlichen Bayers**)Reiſe nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137. nicht blos fruchtbare Felder, vortreffliche Arten von Obſtbaͤumen und Blumen, ſondernauch112Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrtenauch ſchoͤne Meyerhoͤfe und Landhaͤuſer, die hin und her zerſtreut liegen. Einen vor - zuͤglich reizenden Aufenthalt giebt die Lage und ganze Gegend der peruaniſchen Kuͤ - ſte. Das maͤßige und geſunde Klima und die angenehme Witterung machen hier ein Paradies. Da weder ſcharfe Kaͤlte noch ſtarkbrennende Hitze einfaͤllt, ſo iſt hier ein ewiger Fruͤhling, der keiner Veraͤnderung der Zeit unterworfen iſt. Es giebt niemals finſtre oder truͤbe Wolken; und wenn die Sonnenſtralen zuweilen be - deckt werden, ſo wird dieſes von einem angenehmen und etwas friſchen Nebel verur - ſacht, der die Einwohner zum Spaziergang einladet. Von Donner und Blitz, auch von ſtarken Platzregen weiß man in dieſen Gegenden nichts. Das ganze Jahr hindurch ſind Tag und Nacht einander gleich. Die Erde wird von einem Morgen - thaue und unzaͤhlbaren Baͤchen befeuchtet, die mit lieblichem Rauſchen durch Felder und Wieſen zwiſchen Baͤumen und Gaͤrten herumfließen. Daher bringen dieſe den Einwohnern zu jeder Jahreszeit eine große Menge der beſten Blumen und Fruͤchte.

In den brittiſchen Colonien in Nordamerica, das an natuͤrlichen Schoͤn - heiten, Bergen, Waldungen, klaren Fluͤſſen und praͤchtigen Waſſerfaͤllen reich iſt, finden ſich uͤberall, beſonders an den Ufern der Stroͤme, die anmuthigſten Landhaͤu - ſer. In den fruchtbaren Gegenden Virginiens an dem Ufer des romantiſchſchoͤnen Shenando leben die Einwohner, wie Burnaby*)Reiſe durch die mittlern Colonien der Englaͤnder in Nordamerika ꝛc. Aus dem Engl. 1776. S. 68. erzaͤhlt, in einer uͤberaus gluͤck - lichen Lage. Fern vom Geraͤuſche der Welt wohnen ſie unter dem angenehmſten Kli - ma und in dem fruchtbarſten Lande, das nur zu erdenken iſt. Allenthalben mit rei - zenden Ausſichten und ſchattigen Scenen umgeben; mit hohen Bergen, durchſich - tigen Fluͤſſen, Waſſerfaͤllen, reichen Thaͤlern und majeſtaͤtiſchen Waͤldern; alles un - termiſcht mit einer unendlichen Mannigfaltigkeit bluͤhender Geſtraͤuche: dies iſt die Landſchaft, die ſie umringt. Sie ſind wenigen Krankheiten unterworfen, meiſten - theils ſtark und wohlgewachſen, und leben in der vollkommenſten Freyheit. Sie wiſſen von keinem Mangel, und es giebt nur wenige Laſter unter ihnen. Ihre Un - bekanntſchaft mit den Ueppigkeiten unſers Lebens macht, daß ſie den Mangel der Mittel, ſie zu genießen, nicht bedauern; allein ſie beſitzen etwas, wofuͤr manche Fuͤr - ſten gern die Haͤlfte ihrer Laͤnder hingaͤben Geſundheit, Zufriedenheit und Ruhe der Seele.

Auch113der Alten und der Neuen.

Auch die gluͤcklichen Kinder der Natur, die Einwohner der beruͤhmten Inſel Otaheite in der Suͤdſee, hatten, als Wallis,*)Geſchichte der Seereiſen und Entde - ckungen im Suͤdmeer, herausgegeben von Hawkesworth. Aus dem Engl. 1774. 4. 1ſter B. S. 248. u. f.Bougainville**)Reiſe um die Welt. Aus dem Franz. 8. 1772. S. 175. und Cook***)Geſchichte der Seereiſen, 2ter B. S. 192.ſie vor einigen Jahren nach einander beſuchten, ihr ſchoͤnes Paradies. Die Berge umher liefern auf jedem Schritte abwechſelnde Proſpecte. Die Landſchaften ſind von der Natur reichlich mit allen Schaͤtzen verſorgt, und zeigen uͤberall eine angenehme Unordnung, welche die Kunſt nicht nachzuahmen vermag. Von den Bergen rieſeln in Menge kleine Baͤche herab, die dem Lande die groͤßte Fruchtbarkeit mittheilen und ſeine Zierde vermehren. Das platte Land vom Ufer bis an die Berge iſt ganz mit Fruchtbaͤumen beſetzt, worunter die Inſulaner wohnen. Man glaubt, in die elyſi - ſchen Felder verſetzt zu ſeyn. Ihre Wohnungen liegen einzeln zerſtreut umher in Hainen, unter kleinen Pflanzungen von Platanen oder Moosbaͤumen. Aus dem Hauſe tritt der Bewohner ſogleich in den Schatten, der unter dieſen dickbelaubten Baͤumen uͤberaus angenehm und kuͤhl iſt. Die Haine ſind von allen Geſtraͤuchen gaͤnzlich frey; uͤberall ſtreicht die reine Luft durch, und auf allen Seiten ſieht man Pfade, die ſich von einem Hauſe zu dem andern hinſchlaͤngeln. Nichts kann ange - nehmer ſeyn, als dieſe Schatten in einem ſo warmen Himmelsſtrich, und nichts an - muthiger, als dieſe Gaͤnge. Das Erdreich iſt in gewiſſen Abtheilungen ordentlich umzaͤunt, und dieſes macht die Ausſicht ungemein reizend. Die Brodtfruchtbaͤume und die Aepfelbaͤume ſind an den abhaͤngigen Seiten der Berge in ſchoͤnen Reihen, die Cocos - und Platanenbaͤume hingegen, weil ſie mehr Feuchtigkeit erfordern, in die Ebene gepflanzt. Freywillig bringt die Erde viele vortreffliche Fruͤchte hervor. Unter den Baͤumen ſo wohl auf den Bergen als in den Thaͤlern waͤchſt ſehr gutes Gras, aber kein wildes Gebuͤſch. Ueberall iſt in die Gaͤrten und Haine von Frucht - baͤumen durch ordentliche Graͤben fließendes Waſſer geleitet. Alle bepflanzte und angebauete Striche ſind ſogar mitten in den Gegenden, die von weitem her wuͤſte aus - ſehen, ſehr bluͤhend und fruchtbar.

Eine andere noch merkwuͤrdigere Erſcheinung ſind die Anpflanzungen, die Cook auf ſeiner neueſten Reiſe bey uncultivirten Nationen entdeckte, und die der eng - laͤndiſchen Manier, wovon dieſe Inſulaner nie etwas gehoͤrt hatten, gleichwohl in einigen Theilen nahe kamen. Beſonders fand ſich dieſes auf der Inſel Middelburg. †)Voyage round the World, in H. Brit. Maj. Sloop Reſolution command. by Capt. Cook &c. by Geor. Forſter. 4. Lon - don 1777. Vol. 1. B. 2. Ch. 1. ManI Band. P114Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die GaͤrtenMan ſah Haͤuſer von einem netten Anſehen, deren Seiten mit ſchattigen Baͤu - men bepflanzt waren, wovon die Bluͤthe liebliche Geruͤche verbreitete. Die Huͤgel waren mit kleinen hie und da zerſtreuten Gruppen von Baͤumen ſehr angenehm ausgeziert, und der zwiſchen ihnen liegende Boden war mit Gras ſo eben und von ei - nem ſo ſchoͤnen Gruͤn bedeckt, wie in manchen Theilen von England. Die Ebenen hatten auf beyden Seiten einen Zaun von Rohr, der kreuzweiſe in einem zierlichen Geſchmack geflochten war. Wir zerſtreuten uns, erzaͤhlt Forſter, in der Abſicht, dieſes ſchoͤne Land zu unterſuchen, und hatten bey jedem Schritte Urſache, mit unſern Entdeckungen ſehr zufrieden zu ſeyn. Wir kamen durch eine Thuͤr von artiger Er - findung, die auf jeder Seite in Pflanzungen fuͤhrte. Die Zaͤune waren mit Epheu, inſonderheit mit Winde uͤberzogen, die Blumen von einem ſchoͤnen Himmelblau hat - te. Die Ausſicht veraͤnderte ſich jetzt in einen weitlaͤuftigen Garten, wo wir eine große Menge von Schaddokbaͤumen, hohen Cocosbaͤumen, vielen Bananas, und einige Brodtfruchtbaͤume ſahen. In der Mitte dieſer Stelle fuͤhrte uns der Fußſteig zu einer Wohnung, die mit einer großen Mannigfaltigkeit von bluͤhenden Geſtraͤuchen umgeben war, deren Wohlgeruch die Luft erfuͤllte. Wir giengen durch mehr als zehn anliegende Pflanzungen oder Gaͤrten, die durch Zaͤune abgeſondert waren, und trafen in jedem mehrentheils ein Haus an. Ein andrer Weg fuͤhrte uns zu einer angenehmen und weitlaͤuftigen Ebene, die mit reichem Graſe bedeckt war. Nachdem wir dieſe durchgegangen waren, kamen wir in eine uͤberaus anmuthige Allee eine Meile lang, die aus Cocosbaͤumen beſtand, und ſich in einen andern Weg, zwiſchen ſehr regelmaͤßigen Pflanzungen und mit Schaddoks und andern Baͤumen umgeben, endigte. Dieſer brachte uns durch ein bebauetes Thal zu einer Stelle, wo verſchie - dene Fußſteige einander durchkreuzten oder zuſammenſtießen. Hier ſahen wir eine ſchoͤne Ebene, mit einem zarten gruͤnen Raſen bedeckt, und von allen Seiten mit großen ſchattigen Baͤumen umgeben. Wir ruheten hier und athmeten die ange - nehmſte Luft von der Welt, die mit Geruͤchen beladen war, die einem Sterbenden haͤtten das Leben wiedergeben koͤnnen. Eine kuͤhle Luft aus der See ſpielte mit unſern Haaren, und faͤchelte uns Kuͤhlung zu. Eine Menge kleiner Voͤgel zwitſcherte auf allen Seiten, und viele wilde Tauben girrten zaͤrtlich in dem tiefſten Schatten des Baums, worunter wir ſaßen. Dieſer abgeſonderte Ort, der an den beſten Pro - ducten der Natur ſo reich war, wo wir ſo einſam, ohne ein menſchliches Weſen, als unſere beyden Fuͤhrer, ſaßen, brachte bey uns die Vorſtellung eines bezauberten Landes hervor, die als das Geſchoͤpf unſerer eigenen Einbildungskraft gemeiniglich mit allen moͤglichen Schoͤnheiten zugleich ausgeziert iſt. In der That koͤnnte es keine erwuͤnſch - tere Gegend geben, ſein Leben in der Stille zuzubringen, wenn ſie nur mit einer kry - ſtallenen Quelle oder einem kleinen murmelnden Bache verſehen waͤre. Allein Waſſeriſt115der Alten und der Neuen. iſt ungluͤcklicher Weiſe der einzige Segen, der dieſer kleinen bezaubernden Inſel ver - ſagt iſt. Auf der linken Seite dieſer Gegend entdeckten wir eine ſchattige Allee, die uns zu einer andern Ebene fuͤhrte, an deren Ende wir einen kleinen aus Corallen - klippen zuſammengeſetzten und anmuthig bepflanzten Huͤgel wahrnahmen, auf deſſen Spitze zwey Huͤtten ſtanden. Von da giengen wir etwas weiter, und fanden immer dieſelben reizenden Pflanzungen und in ihrer Mitte eben ſolche Haͤuſer, wie vorher. Nicht weniger merkwuͤrdig iſt die Beſchreibung dieſes Reiſenden von der Rotterdam - Inſel. *)Voyag[e]round the World &c. Vol. 2. B. 2. Ch. 8. Eine anſehnliche Verſchiedenheit von Pflanzen bedeckte den Boden in wilder Verſchwendung, und die große Menge Pflanzungen aller Arten machte, daß die ganze Inſel wie ein ſchoͤner Garten ausſah. Der Boden erhob ſich in verſchiedene kleine Huͤgel, die mit Hecken und Buͤſchen bedeckt waren und die angenehmſte Aus - ſicht hervorbrachten. Der Fußſteig gieng zuweilen unter langen Reihen von hohen Baͤumen fort, die in betraͤchtlichen Entfernungen von einander gepflanzt waren, und auf einem Boden ſtanden, der mit dem reichſten Gruͤn bedeckt war. Bisweilen ſchlug eine dicke und undurchdringliche Laube von wohlriechenden Gebuͤſchen ein Ge - woͤlbe daruͤber, und verbarg dieſen gruͤnen Boden gaͤnzlich vor der Sonne; an bey - den Seiten ſah man bald bepflanzte, bald wilde Stellen. Der Reichthum an Waſſer und die Fruchtbarkeit des Bodens ſchienen die Urſache zu ſeyn, daß die Brodtfrucht - und Schaddokbaͤume hier ſehr haͤufig und alle Gewaͤchſe im großen Ueberfluß waren. Die langen Alleen von Fruchtbaͤumen und unter ihnen der angenehme gruͤne Raſen waren den ſchoͤnſten Plaͤtzen auf Middelburg-Inſel gleich. Die buſchigen Lau - ben, welche die Fußſteige bewoͤlbten, waren mit ſchoͤnen Blumen von allerley Arten behangen, wovon viele die Luft mit Wohlgeruch erfuͤllten. Eine Mannigfaltigkeit von Scenen, die verſchiedene kleine Huͤgel und Gruppen von Haͤuſern und Baͤumen hervorbrachten, zierte dieſe Inſel.

Es wuͤrde leicht ſeyn, noch manchen entlegenen Erdwinkel, noch manche ferne Inſel zu durchirren, um den Menſchen mit dem Anbau ſeiner Gaͤrten beſchaͤftigt an - zutreffen. Allein, nachdem wir ſchon in die vornehmſten Gegenden des Erdbodens, die durch Gaͤrten merkwuͤrdig ſind, einen Blick geworfen haben, ſo wuͤrden wir wohl nicht viel mehr als Gleichfoͤrmigkeit oder Duͤrftigkeit vorfinden. Denn auch in den Gaͤrten zeigt es ſich, wie gerne der Menſch die Bequemlichkeit der Nachahmung nuͤtzt. In manchen Winkel der andern Welttheile hat der Europaͤer ſeinen Ge - ſchmack hinuͤbergetragen. Indien hat in ſeinen ſchoͤnſten Gegenden Gaͤrten, die mit den unſrigen voͤllig uͤbereinſtimmen, die Baͤume und Gewaͤchſe ausgenommen.

Unter andern Himmelsſtrichen winkt noch die Natur dem bloͤdſinnigen Menſchen vergebens. Sie laͤßt aus einem fruchtbaren Boden Blumen, wohlriechende Ge -P 2waͤchſe,116Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten ꝛc. waͤchſe, anmuthige Baͤume vor ſeinen Augen emporwachſen; ſie laͤßt Quellen zu ſei - nen Fuͤßen hinrieſeln und Schatten ſich zu ſeinem Haupte hinneigen, ohne daß er ihre freundliche Einladung verſtehen lernt.

Believe the Muſe, thro this terreſtrial vaſt
The ſeeds of grace are ſown, profuſely ſown,
E’vn where we leaſt may hope: the deſert hills
Will hear the call of art; the vallies dank
Obey her juſt beheſts, and ſmile with charms
Congenial to the ſoil, and all its own.
For tell me, where ’s the deſert? there alone
Where man reſides not; or, if chance reſides,
He is not there the man his maker form’d,
Induſtrious man, by heav’n’s firſt law ordain’d
To earn his food by labour. In the waſte
Place thou that man with his primaeval arms,
His plough-ſhare, and his ſpade; nor ſhalt thou long
Impatient wait a change: the waſte ſhall ſmile
With yellow harveſt; what was barren heath
Shall ſoon be verdant mead. mason.
[figure]
Zweyter117

Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.

Auch ohne ſcharfſinnige Beobachtung faͤllt es gleich bey der erſten Betrachtung der meiſten heutigen europaͤiſchen Gaͤrten in die Augen, daß der Geſchmack oder die Manier in denſelben ſich uͤbereinſtimmig auf Einen Punkt zuſammengezogen hat. Eine große Einſchraͤnkung und Einfoͤrmigkeit, eine genaue und zierliche Ab - meſſung aller natuͤrlichen und kuͤnſtlichen Gegenſtaͤnde, eine ſymmetriſche Anordnung derſelben, ein Ueberfluß von willkuͤhrlichen Verzierungen dies iſt der weſentliche Theil von dem Charakter der Gaͤrten, wie man ſie bisher von einem Ende Europens bis zu dem andern geſehen hat. Die mancherley kleinen Spielwerke und aͤngſtlichen Verunſtaltungen ſind mehr zufaͤllig; wenigſtens werden ſie nicht uͤberall ſo haͤufig angetroffen.

I. Urſprung des alten Geſchmacks.

Man hat behaupten wollen, daß dieſe Einſchraͤnkung, Einfoͤrmigkeit, Regel - maͤßigkeit und Symmetrie, die in den Gaͤrten herrſchend geworden ſind, und die man unter dem Namen des aͤltern oder des ſymmetriſchen, oder des fran - zoͤſiſchen Gartengeſchmacks zuſammenfaßt, wirklich eine Nachahmung der Gaͤr - ten der Alten ſey, und daher ohne allen Tadel ſeyn muͤſſe; zwey Irrthuͤmer in Einer Behauptung.

So nachlaͤßig auch die Schriftſteller der mittlern Zeiten in Aufbewahrung der Nachrichten geweſen, welche die Gartenkunſt betreffen; ſo weiß man doch, daß dieſer Geſchmack vor dem Zeitalter des le Notre nicht viel ſichtbar geworden. Die vor - hergehenden Jahrhunderte waren der Anlegung der Luſtgaͤrten wenig guͤnſtig. Dieſe, wenn ſie den Namen ſchon haͤtten verdienen koͤnnen, zeigten noch uͤberall Spuren einer Wildniß, die weit entfernt war, ſich abgemeſſenen Regeln zu unterwerfen. Man ſchraͤnkte ſich auf den Anbau nuͤtzlicher Gewaͤchſe, auf Waſſer und Schatten und die nothwendige Reinlichkeit ein. Wie haͤtte man denn eben damals die Gaͤrten derP 3Alten118Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenAlten zum Muſter nehmen koͤnnen, die wir noch itzt nach ſo mancherley daruͤber an - geſtellten Unterſuchungen und Aufklaͤrungen nicht einmal ſo genau kennen gelernt ha - ben, daß wir einen ganz zuverlaͤßigen Begriff davon angeben koͤnnten? Und wenn der heutige Geſchmack der Gaͤrten nach dem roͤmiſchen ſich wirklich haͤtte bilden koͤn - nen, waͤre denn dieſes ſchon Beweis genug, daß er richtig und unverbeſſerlich ſey? In wie manchen Faͤchern der ſchoͤnen Kuͤnſte ſind wir nicht von den Alten unterſchie - den; haben wir uns nicht freywillig von ihnen entfernt und ſie ſogar uͤbertroffen? Der juͤngere Plinins*)Das unertraͤgliche Beyſpiel davon iſt dieſes: Alibi ipſa buxus interuenit in for - mas mille deſcripta, litteris interdum, quae modo nomen domini dicunt, modo artificis. Lib. 5. epiſt. 6. hat zwar ſchon einige Spielwerke mit dem Buchsbaum in ſeinen Gaͤrten angebracht; aber wer wird ihn deswegen loben? Ein ſehr ſeltſames Vorurtheil iſt es, das mit dem heraufgeforderten Schatten des Alterthums unſre Gar - tenanlagen feyerlich machen will.

Man braucht nicht zu falſchen Muthmaßungen und zu unnatuͤrlichen Umwegen ſeine Zuflucht zu nehmen, wo man die Wahrheit in der Naͤhe finden und auf dem geraden Pfad zu ihr kommen kann. Wenn ſich ſogleich mit dem Zeitalter des le Notre eine faſt allgemeine Veraͤnderung mit den Gaͤrten ereignete, ſo darf man wohl die Urſachen davon nicht erſt in der Ferne ſuchen.

Dieſer Mann trat zu einer Zeit auf, wo die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte, gleich - ſam durch eine allgewaltige Erſchuͤtterung der Genies erweckt, ihrer Wiederherſtellung entgegeneilten. Er arbeitete fuͤr einen Monarchen, auf welchen ganz Europa auf - merkſam war. Er legte Gaͤrten mit einer Regelmaͤßigkeit und mit einer Pracht an, wovon man weder die eine noch die andere in irgend einem Lande bisher geſehen hatte. Er bepflanzte mehr als eine Gegend mit ſolchen Gaͤrten, wobey er nicht ſelten den Eigenſinn der Natur mit ungeheuern Koſten uͤberwaͤltigte. Er uͤbte beynahe die ganze letzte Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts hindurch ſeine Kunſt nicht allein in Frankreich, ſondern auch in Italien. Der allgemeine Ruf des franzoͤſiſchen Geiſtes trug dazu bey, um den Ruhm dieſer Gaͤrten zu vermehren. Man kannte ſchon damals nichts ſchoͤners, als was Frankreich erfunden hatte. Man nahm von da Witz, Wiſſenſchaften und Sitten in dem groͤßten Theil von Europa an. Man ſahe dieſe Gaͤrten und erſtaunte, weil man ſolche Anlagen noch nirgends angetroffen hatte. Die zuruͤckkehrenden Reiſenden unterſtuͤtzten durch muͤndliche Erzaͤhlungen die Nachrichten, welche die geſchaͤftigen Schriftſteller der Nation davon uͤberall ver - breiteten. So ward der franzoͤſiſche Geſchmack herrſchend; und wer wird ſich daruͤber verwundern? Man trifft ihn uͤberall in Italien, in Holland, in Spanien,in119und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. in Deutſchland, in Norden, ſelbſt in den aͤltern Zeiten in England an. *)Délices de la Grand-Bretagne &c. par Beeverell. Leide 1707. Tom. V. wo eine Menge von Riſſen und Abbildun - gen der aͤltern englaͤndiſchen Gaͤrten vor -koͤmmt. Der Vitruvius Britannicus, fol. 1731. Tom. 3. enthaͤlt ebenfalls viele Gartenriſſe in der alten Manier.Faſt uͤberall hat er aus den Gaͤrten Laubſtaͤdte, aus den Fußwegen Straßen, aus den Ge - buͤſchen Mauern mit Pfeilern, Woͤlbungen, Schwibboͤgen und Fenſtern, Cabinette, Speiſeſaͤle, Tanzſaͤle, Theater, aus einzelnen Baͤumen Pyramiden, Obelisken oder andere ſeltſame Figuren geformt; faſt uͤberall das genaueſte Ebenmaaß und die ſorg - faͤltigſte Regelmaͤßigkeit eingefuͤhrt, wo eine Laube der andern, eine Statue der an - dern, ein Blumenſtuͤck dem andern, eine Waſſerkunſt der andern zuwinkt, wo Frey - heit, Mannigfaltigkeit und ſchoͤne Unordnung von der Genauigkeit ganz verſchlungen ſind. Ein regelmaͤßiges Viereck, eine ganz gerade Ebene, oft durch muͤhſame Weg - ſchaffung der natuͤrlichen Erhoͤhungen erzwungen, ein breiter Hauptweg in der Mitte, zu den Seiten eine gerade Hecke oder Allee, zuweilen in poſſirliche Figuren geſchoren, an den Ecken ein roth angeſtrichenes Luſthaͤuschen, Fluren mit bunten Steinchen und Glas belegt, dann ein mit Buchsbaum oder Porcellainſtuͤcken gezogenes Wapen des hochadelichen Beſitzers, Landungeheuer, die Waſſer ſpieen, Waldmaͤnner, die es aus ihren Bruͤſten ſpritzten, eine ganze Voͤlkerſchaft von Puppen vom blitzſchleudern - den Zevs bis auf den bockfuͤßigen Satyr dies war ungefaͤhr der niedliche Ge - ſchmack in einer langen Reihe der neuern Zeiten, der die Natur gerade da verdraͤngte, wo ſie vorzuͤglich ihren reizenden Wohnſitz haben ſollte, und der durch die unertraͤg - lichſte Art von Symmetrie und alberner Kuͤnſteley ermuͤdete. Und wenn dieſe kleinen Spielwerke, die man ſo haͤufig in die Gaͤrten aufnahm, auch nicht eben zum franzoͤ - ſiſchen Geſchmack gehoͤrten, ſo waren ſie doch durch ihn veranlaßt und eine natuͤrliche Folge von ihm. Faſt die meiſten Gaͤrten konnten nicht leicht eine Ueberſchrift am Eingange finden, die fuͤr ihren Charakter treffender geweſen waͤre, als dieſe:

Der Garten iſt ſehr ſchoͤn geſchmuͤckt!
Hier Statuen und dort Caſcaden;
Die ganze Goͤtterzunft, hier Faunen, dort Najaden,
Und ſchoͤne Nymphen, die ſich baden;
Und Gold vom Ganges hergeſchickt,
Und Muſchelwerk und guͤldne Vaſen,
Und Porcellan auf ausgeſchnittnen Raſen,
Und buntes Gitterwerk, und eines ſuch ich nur
Iſts moͤglich, daß was fehlt? Nichts weiter die Natur.
**)Weiße.
**)
Die120Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten

Die Urſachen, die zur Ausbreitung dieſes Geſchmacks beygetragen hatten, tru - gen auch allerdings dazu bey, daß er ſich ſo lange in ſeinem Anſehen erhielt. Allein mit ihnen vereinigten ſich noch einige andere. Die kleinern Eigenthuͤmer glaubten dem Beyſpiel der Fuͤrſten folgen zu duͤrfen; die Nachahmung vervielfaͤltigte die Co - pien; und man fieng bald an ſich zu uͤberreden, daß das, was man ſo allgemein ſich ausbreiten ſah, keiner Verbeſſerung mehr beduͤrftig ſey. Man nahm, wiewohl ſehr unrichtig, als eine Grundregel an, daß ein Garten, wegen der nahen Verbindung mit dem Gebaͤude, den Vorſchriften der Baukunſt unterworfen ſeyn, und in demſel - ben nicht weniger Ebenmaaß, Symmetrie und Genauigkeit herrſchen muͤſſe. Die Lehrer der Baukunſt in Italien, Frankreich und Deutſchland, welche die Gartenkunſt mit in den Bezirk ihrer Regeln hineinzogen, verbreiteten eben dieſes Vorurtheil, und dieſes war deſto nachtheiliger, da ſie faſt die einzigen Schriftſteller waren, die von der Anlage der Gaͤrten handelten. Die Gartenkunſt war unter ihren Haͤnden nichts anders, als Architektur auf die Erdflaͤche angewandt. Die Land - ſchaftmaler wagten es nicht, ſich dieſem Geſchmack entgegen zu ſetzen; vielmehr nah - men ſie auch noch da, wo ihnen freye Wahl uͤberlaſſen war, ihre Ideen von den Gartenſtuͤcken, die ihnen vor Augen lagen, und vergaßen in dieſem Theil der Nach - ahmung auf das Vorbild, die Natur, achtſam zu ſeyn.

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II. Ent -121und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.

II. Entſtehung des neuen Geſchmacks.

1.

Endlich erhob ſich ein neuer Geſchmack in den Gaͤrten, der englaͤndiſche, der dem franzoͤſiſchen faſt ganz entgegengeſetzt iſt. Merkwuͤrdig iſt es, daß dieſe Revolution gerade aus einem Lande ausgehen mußte, worin, ſelbſt nach dem Ge - ſtaͤndniſſe der Nation, die uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſte, die Kupferſtecherkunſt etwa aus - genommen, noch wenig Ausbildung gewonnen hatten. Die ſchoͤnen Kuͤnſte, verſi - chert Home,*)Verſuche uͤber die Geſchichte des Menſchen, 1ſtes B. 5ter Verſuch, 2ter Abſchnitt. ſind unter uns noch ſehr von der Vollkommenheit entfernt; ſie ſind zwar in einem Fortgang zu ihrer Reife; aber außer der Gartenkunſt gehen ſie noch mit langſamen Schritten fort. Der einzige Beweis, ſagt Gray,**)Gedichte oder vielmehr Briefe von Maſon herausgegeben. daß wir in Abſicht auf die Vergnuͤgungen Originaltalente haben, iſt unſre Geſchicklichkeit, Gaͤr - ten oder vielmehr Luſtgegenden anzulegen. Aber dieſes iſt, ſetzt er hinzu, auch keine geringe Ehre fuͤr uns, weil weder Italien noch Frankreich jemals den geringſten Begriff davon gehabt hat, und weil ſie es nicht einmal verſtehen, wenn ſie es auch ſehen. Es iſt voͤllig gewiß, daß wir blos die Natur zu unſerm Vorbilde hatten. Dieſe Kunſt iſt unter uns geboren; und es war nichts ihr aͤhnliches in Europa, ſo wie uns damals von chineſiſchen Gaͤrten gar nichts bekannt war.

Nicht gar lange iſt es, daß in eben den Gegenden, in welchen ſich dieſer Ge - ſchmack auszubreiten angefangen, die Gaͤrten ſelbſt noch ganz der alten Art von An - lage anhaͤngig waren. Addiſon***)Zuſchauer 414 St. klagte noch uͤber die zu große Zaͤrtlichkeit und Zierlichkeit der brittiſchen Gaͤrten, uͤber die Baͤume, die als Kugeln, Kegel und Py - ramiden geſchnitten waren, uͤber die an allen Buͤſchen und Pflanzen gar zu ſichtbaren Merkmale der Scheere.

Indeſſen da die Schriftſteller der andern Nationen entweder ganz ſchwiegen, oder gelegentlich in Werken, die von der Baukunſt handelten, die alte Manier em - pfohlen, ſo fiengen die Britten an, nach und nach in Schriften das Weſen der Gar - tenkunſt aufzuklaͤren. Die Morgenroͤthe gieng auch hier vor dem Tage her. Franz Bacon,****)Sermones fideles, ethici, politici &c. Lugd. Bat. 1644. dieſes allgemeine Genie, das in dem Reiche der Wiſſenſchaften LichtwerdenI Band. Q122Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenwerden hieß, war der erſte, der uͤber die Gaͤrten eine Erleuchtung verbreitete, die aber noch von der alten Finſterniß eingeſchraͤnkt ward. Er forderte zu einem guten Garten dreyßig Morgen, und zerlegte ihn in drey Theile, in einen Platz voll Gras beym Eingange, in einen Platz voll Gebuͤſche oder die Wildniß beym Ausgange, und in den eigentlichen Garten in der Mitte, außer den Spaziergaͤngen auf beyden Seiten. Fuͤr den erſten Platz beſtimmte er vier, fuͤr den zweyten ſechs, fuͤr jeden Gang an den Seiten vier, und fuͤr den eigentlichen Garten zwoͤlf Morgen. Auf beyden Seiten des graſigten Platzes verlangte er bedeckte Gaͤnge, unter welchen man beſtaͤndig im Schatten bis an den Garten gehen koͤnnte. Die Verzierungen und Figuren von verſchiedener Farbe auf der Erde nahe an den Fenſtern des Gebaͤudes erklaͤrte er fuͤr bloße Spielwerke, die man auch auf den Torten finde. Eben dieſes Urtheil faͤllte er von den in allerley Geſtalten verſchnittenen Baͤumen. Anſtatt einer vollkommenen Ebene wuͤnſchte er mitten im Garten einen kleinen Berg, der angenehm in die Augen fiele, mit einem zierlichen Sommerhauſe errichtet zu ſehen, zu welchem drey Reihen Stufen hinauffuͤhrten. Stehende Teiche und Fiſchbehaͤltniſſe verbannte er; das Waſſer ſollte beſtaͤndig fließend ſeyn. Die ſonderbaren Erfindungen, das Waſſer in Bogen ſpringen zu laſſen, und andere Kuͤnſteleyen truͤgen weder zur reinen und geſunden Luft im Garten, noch zur Anmuth bey. Der aus Gebuͤſchen beſtehende Platz, der den dritten Theil des Gartens ausmachte, muͤßte einer natuͤrlichen Wild - niß ſehr aͤhnlich ſeyn. Hin und wieder koͤnnten Gebuͤſche von wohlriechenden Brom - beeren, Geisblaͤttern und wildem Wein angelegt werden. Der Boden aber muͤſſe allenthalben mit Violen, beſonders mit Erdbeeren und Schluͤſſelblumen beſaͤet ſeyn, weil dieſe Pflanzen einen angenehmen Geruch ausduften und im Schatten gut vor - kommen. Die Gebuͤſche duͤrften nach keiner genauen Ordnung angelegt ſeyn. Klei - ne Erderhoͤhungen waͤren umher mit mannigfaltigen Blumen und duftenden Geſtraͤu - chen zu beſaͤen. Beſondere trockene Gaͤnge, die in jeder Stunde des Tages Schatten gaͤben, muͤßten um dieſen Platz umherlaufen; in den meiſten waͤren fruchttragende Baͤume von allerley Art anzupflanzen. Zu Ende beyder Seiten des Gartens koͤnnte man kleine Berge anlegen, die eine freye Ausſicht auf das Feld gewaͤhrten. In dem eigentlichen Garten muͤßten die Gaͤnge breit und mit Fruchtbaͤumen beſetzt ſeyn; man koͤnne auch einige Pflanzſchulen von fruchttragenden Baͤumen, imgleichen kuͤnſtliche und niedliche Lauben mit Sitzen, die nach einem guten Geſchmack geordnet waͤren, anbringen. Allein dieſes duͤrfe gar nicht allzudichte beyſammen ſeyn; der eigentliche Garten muͤſſe offen und frey gelaſſen werden, daß die Luft durchſtreichen koͤnne. In den Seitengaͤngen muͤſſe man Schatten ſuchen; jener ſey fuͤr die gemaͤßigten Jahrs - zeiten, den Fruͤhling und Herbſt, und im Sommer fuͤr den Morgen und Abend. Angenehm123und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Angenehm waͤren Spaziergaͤnge auf Huͤgeln und verſchiedenen Anhoͤhen, wenn die Natur ſie verſchaffte. So viele zur Pracht gehoͤrige Dinge, welche die Prinzen nach dem Rath ihrer Gaͤrtner mit ſo großen Koſten und geringer Beurtheilung zu - ſammenſetzten, truͤgen nichts zu einem aͤchten Vergnuͤgen und zur Anmuth der Gaͤr - ten bey. So aufgeklaͤrt dieſs Bemerkungen und ſo richtig dieſe Vorſchlaͤge des Bacon ſind, ſo waren ſie doch mit andern vermiſcht, die dem reinern Geſchmack der Gartenkunſt ganz entgegen ſtehen; ſo maͤchtig iſt die Tyranney der Mode, daß ſelbſt ein ſolcher Mann von ihr uͤberwaͤltigt wird. Er billigte die viereckige Figur der Gaͤrten; hoͤlzerne Bogen mit Thuͤrmchen, worin Voͤgel eingekerkert ſind, mit ver - goldeten Bildern, die kleine Streifen von gemaltem Glaſe haben; Saͤulen und hohe Pyramiden von Holz, die hin und wieder angebracht und mit Einfaſſungen verſehen ſind; viereckige Waſſerbehaͤltniſſe von dreyßig oder vierzig Schuhen mit Statuen be - ſetzt. Und da er ein gewiſſes beſtimmtes Modell zum Grunde legte, ſo gab er zu einer Einſchraͤnkung Anlaß, die ſich ſo wenig mit der Mannigfaltigkeit der natuͤrlichen An - lagen, als mit der Fruchtbarkeit des ſchaffenden Genies vertraͤgt. Indeſſen war Bacon hier doch mehr als Prophet einer ungebornen Wiſſenſchaft, wie ihn Maſon nennt; er that mehr, als ankuͤndigen; er fieng an zu ſchaffen.

Eben die natuͤrliche landſchaftliche Schoͤnheit, die das beſtaͤndige Eigenthum der Gaͤrten ſeyn ſollte, zeigte nachher Milton*)Verlornes Paradies, 4ter Geſ. nach Zachariaͤs Ueberſetzung. in der meiſterhaften Beſchreibung des Paradieſes oder Gartens von Eden.

Blumen, welche die Kunſt auf keinen Beeten hervorbringt,
Sondern allein die guͤt’ge Natur, im verwilderten Haine;
Auf den Ebenen im Thal, und auf dem fruchtbaren Huͤgel,
Wo die Sonne zuerſt die offenen Felder des Morgens
Sanft erwaͤrmet; und da, wo undurchdringliche Schatten
Kuͤhle mittaͤgliche Lauben geſchwaͤrzt. So ſchien hier die Gegend
Wie ein Landſitz, umringt mit mancher lachenden Ausſicht.
Waͤlder, in denen die koͤſtlichen Baͤume wohlriechendes Gummi
Oder auch Balſam weinten; von andern hiengen die Fruͤchte
Glaͤnzend herab, mit goldenen Schalen; hier wurden die Fabeln
Von den Gaͤrten Heſperiens wahr; hier oder ſonſt nirgend.
Fruͤchte vom ſchoͤnſten Geſchmack. Es lagen zwiſchen den Waͤldern
Blumige Wieſen und Auen, bedeckt mit graſenden Heerden.
Oder Huͤgel voll Palmen, und manche gewaͤſſerte Thaͤler
Schloſſen den Blumenſchoos auf, und zeigten die duftenden Schaͤtze,
Farbige Blumen, und Roſen mit keinen Dornen bewaffnet.
Q 2Auch124Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten
Auch entdeckte der Blick von Baͤumen umſchattete Hoͤhlen;
Grotten mit kuͤhlen Gemaͤchern, woruͤber der fruchtbare Weinſtock
Purpurne Trauben gelegt, und angenehm ſchlaͤngelnd ſich fortbog,
Murmelnd fallen indeß von Klippen ſilberne Quellen,
Die mit rieſelndem Lauf ſich in die Auen vertheilen,
Oder in einem ſtehenden See die Fluthen verſammeln,
Welcher dem Ufer, mit Myrthen gekroͤnt, den cryſtallenen Spiegel
Vorhaͤlt; lieblich erſchallt hiezu die Stimme der Voͤgel;
Und die ſuͤßeſten Luͤfte, die reinſten Fruͤhlingsluͤfte,
Welche den holden Geruch der Fluren und Waͤlder verhauchen,
Stimmen dazu mit ſanftem Geraͤuſch die zitternden Blaͤtter.

Allein die Stimme dieſes Herolds des guten Geſchmacks konnte noch nicht durch die harten Vorurtheile ſeiner Zeit durchdringen. Lord Temple*)Der Garten des Epikur, in ſeinen miſcellanies. erſchien, mehr wie Vertheidiger der alten Manier, als daß er auf der vorgezeichneten Bahn des Dich - ters haͤtte vorruͤcken ſollen. Er verſicherte, daß man in England nie eine ſo große Neigung zu Luſtgaͤrten gehabt, als zu ſeiner Zeit, daß ſie nie beſſer unterhalten wor - den, daß ſie nirgends ſchoͤner ſeyn koͤnnten, als in ſeinem Vaterlande. So viel Gu - tes er auch von der Anlage der Fruchtgaͤrten, von der Ziehung der Obſtbaͤume, die in England fortkommen, vortraͤgt; ſo ſehr ſtechen dagegen ſeine Vorſchriften ab, wo es auf Geſchmack ankoͤmmt. Er verlangt vier Stuͤck zu einem Garten, Fruͤchte, Blumen, Schatten, Waſſer. Zunaͤchſt am Hauſe muͤſſe ein Raſen liegen, auf allen Seiten mit Blumen eingefaßt; der Mangel an Blumen bringe eine gewiſſe Leere hervor, die mit einigen Springbrunnen und Statuen gehoben werden koͤnnte. Der naͤchſte Platz um das Wohnhaus muͤſſe ganz offen ſeyn; keine andern Baͤume, als die an kleinen Gelaͤndern gezogen ſind. Wenn dieſes die eine Haͤlfte des Garten - platzes wegnaͤhme, ſo koͤnne man die andern mit Fruchtbaͤumen erfuͤllen, wenn man nicht etwa des Schattens wegen in dem Zwiſchenraum ein kleines Gehoͤlz anlegen wolle. So weit nicht ganz unrecht, wenigſtens ertraͤglich genug nach dem Geſchmack ſeiner Zeit. Aber weiter fordert der Lord ein vollkommenes Viereck, als die ange - nehmſte Form des Gartens; außerdem muͤſſe er ganz eben oder doch nur wenig ab - haͤngig ſeyn. Sein Muſter war der Park zu Moore, nach ſeiner Meynung der ſchoͤnſte, den er in England und in andern Laͤndern geſehen. Mitten auf einer von Sand bedeckten und mit Lorbeerbaͤumen eingefaßten Terraſſe lag ein großes Cabinet; von der Terraſſe ſtieg man in ein geraͤumiges Parterre herab auf drey ſteinernen Trep - pen, wovon eine in der Mitte, die andern aber auf beyden Enden lagen. Fontainen,Statuen,125und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Statuen, ſteinerne Arkaden, die an Pavillons ſtoßen, Grotten mit Springwaſſer und Muſchelwerk fehlten hier nicht. Nach ſolchem Muſter muͤſſe man Gaͤrten bauen; je regelmaͤßiger, deſto ſchoͤner. Doch die Finſterniß dieſer Vorurtheile ward von einer ſchwachen Daͤmmerung erhellt. Es kann Gaͤrten geben, ſagte Tem - ple, die nichts von Regelmaͤßigkeit haben, und dennoch angenehmer und ſchoͤner aus - fallen; dazu wird eine vortheilhafte Lage und ſodann Kunſt und Fleiß erfordert, um das Unregelmaͤßige ſo zu bearbeiten, daß es eine Geſtalt erhaͤlt, die immer ſehr an - genehm iſt. Er verwarf dabey die nackten Mauern, womit eine alte Gewohnheit die Gaͤrten einſperrte; ſie muͤßten, um die haͤßliche Wirkung zu verlieren, bekleidet wer - den. So weit Temple und weiter nicht.

Aber Addiſon*)414 St. des Zuſchauers.folgte, und fuͤhrte das, was Pope**)173 Blatt des Aufſehers, und inſeinem Briefe uͤber den falſchen Geſchmack an den Grafen von Burlington. faſt zu eben der Zeit durch feinen Spott zu bewirken ſuchte, durch ſeine maͤnnliche Beurtheilung und ſeinen claſſiſchen Geſchmack der Vollendung naͤher entgegen. Von dieſer Zeit an erhob ſich eine merkliche Revolution in der Gartenkunſt. Addiſon zeigte zuvoͤrderſt, worin die wahren Vergnuͤgungen der Einbildungskraft beſtehen; und daraus leitete er rich - tige Anmerkungen uͤber die falſche Manier, die damals noch uͤberall herrſchte. Die Werke der Kunſt, behauptete er, ſind in Vergleichung mit den Werken der Natur ſehr mangelhaft; ſie koͤnnen nichts von der Weite und Unermeßlichkeit haben, die dem Geiſte des Zuſchauers ein ſo großes Vergnuͤgen verſchaffen. Man trifft in den rauhen ſorgloſen Zuͤgen der Natur weit mehr Kuͤhnes und Meiſterhaftes an, als in den niedlichen Strichen und Verzierungen der Kunſt. Die Schoͤnheiten des ſtatt - lichſten Gartens oder Palaſts liegen in einem engen Bezirke; die Einbildungskraft laͤuft ſogleich daruͤber hin und verlangt noch etwas zu ihrer Befriedigung. Aber in den weiten Gefilden der Natur ſtreift das Auge hin und wieder ohne Graͤnzen, und wird von einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Bildern, ohne ein gewiſſes Maaß oder eine Zahl, geſaͤttigt. Wir koͤnnen verſichert ſeyn, daß ſelbſt kuͤnſtliche Werke einen großen Vortheil von der Gleichheit erhalten, die ſie mit Werken der Natur haben, weil hier nicht allein die Gleichheit ergoͤtzend, ſondern auch das Muſter ſehr vollkommen iſt. Ueberhaupt befindet ſich in der Natur etwas Groͤßeres und Herrli - cheres, als in den Seltenheiten der Kunſt; ſehen wir nur einige gluͤckliche Nachah - mung davon, ſo giebt uns der Anblick eine edlere Art des Vergnuͤgens, als wir von den feinen und genauern Werken der Kunſt erhalten. Ein weitgeſtreckter Boden mit einer anmuthigen Vermiſchung von Garten und Wald bedeckt, der uͤberall eine kuͤnſtliche Rauhigkeit vorſtellet, reizt mehr, als die gewoͤhnliche Zierlichkeit in denQ 3Luſt -126Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenLuſtgaͤrten. Warum ſollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von Garten durch haͤu - figes Baumſetzen verwandelt werden, das dem Eigenthuͤmer zu eben ſo vielem Nutzen als Vergnuͤgen gereichen kann? Ein mit Weiden uͤberwachſenes Land, oder ein mit Eichen beſchattetes Gebirge ſind nicht allein ſchoͤner, ſondern auch nuͤtzlicher, als wenn ſie wuͤſte und ungeſchmuͤckt laͤgen. Kornfelder machen eine angenehme Ausſicht, und wenn fuͤr die dazwiſchen laufenden Gaͤnge ein wenig geſorgt, dem natuͤrlichen Stick - werke der Wieſen durch einige kleine Zuſaͤtze der Kunſt geholfen wird, und die ver - ſchiedenen Reihen der Hecken mit Baͤumen und Blumen abwechſeln; ſo laͤßt ſich ſchon aus einem Gute eine artige Landſchaft bilden. Um dieſe geſunden Grund - ſaͤtze noch mehr zu unterſtuͤtzen, gab Addiſon*)477ſtes St. nachher eine kleine artige Schilde - rung von einem der Natur gemaͤßen Garten. Hier iſt ſie: Ich habe verſchiedene Morgen Land um mein Haus herum, welche ich mei - nen Garten nenne, und von welchen ein erfahrner Gaͤrtner nicht wiſſen wuͤrde, wie er ſie nennen ſollte. Es iſt eine Verwirrung von einem Kuͤchengarten und Grasplatze, Baumgarten und Blumengarten, die ſo vermiſcht unter einander liegen, daß ein Fremder ihn als eine natuͤrliche Wildniß anſehen wuͤrde. Meine Blumen wachſen an verſchiedenen Theilen des Gartens in der groͤßten Geilheit und Menge auf. Ich bin in keine einzige beſonders, wegen ihrer Sel - tenheit, verliebt; und treffe ich eine im Felde an, die mir gefaͤllt, ſo gebe ich ihr einen Platz in meinem Garten. Verſchiedene große Flecken Landes ſind mit tauſend abwechſelnden Farben bedeckt. Die einzige Ordnung, die ich in die - ſem Stuͤcke beobachte, beſteht darin, daß ich die Geburten von einerley Jahrs - zeit in einem Platze zuſammenſetze, damit ſie zugleich erſcheinen und ein Ge - maͤlde von der groͤßten Mannigfaltigkeit ausmachen moͤgen. Eben die Unre - gelmaͤßigkeit findet ſich unter meinen Pflanzen, die in eine ſo große Wildheit aufſchießen, als ihre Natur erlaubt. Ergoͤtzend iſt es, wenn ich in einem Labyrinth von meiner eigenen Zucht ſpaziere, und nicht weiß, ob der naͤchſte Baum, den ich antreffen werde, ein Apfelbaum, oder eine Eiche, eine Ulme oder ein Birnbaum iſt. Mein Kuͤchengarten hat gleichfalls ſeine beſondern angewieſenen Abtheilungen; denn ich bin der Meynung, daß ein Kuͤchengar - ten angenehmer ausſieht, als die feinſte Orangerie oder das kuͤnſtlichſte Ge - waͤchshaus. Ich ſehe gern eine jede Sache in ihrer Vollkommenheit, und es vergnuͤgt mich weit mehr, meine Gaͤnge von Kohlkraͤutern und Stauden, nebſt tauſend ungenannten Kuͤchenkraͤutern, in ihrem vollen Geruche und Gruͤnen aufwachſen zu ſehen, als die zarten Pflanzen fremder Landſchaften, die nur einekuͤnſtliche127und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. kuͤnſtliche Waͤrme erhaͤlt, oder die in einer fuͤr ſie unguͤnſtigen Luft vertrocknen. In dem oberſten Theile meines Gartens entſpringt ein Brunn, der einen kleinen ſich herumſchlingenden Bach macht; er iſt ſo geleitet, daß er die meiſten Pflan - zen beſucht; er fließt wie in einem offenen Felde, durch Ufer von Violen und Schluͤſſelblumen, durch Weiden und Pflanzen, die von ſelbſt hervorgeſproſſen zu ſeyn ſcheinen. Weil mein Garten alle Voͤgel des Landes zu ſich einladet, indem er ihnen die Bequemlichkeit der Brunnen und Schatten, der Einſamkeit und der Beſchirmung anbietet; ſo leide ich nicht, daß jemand im Fruͤhling ihre Neſter zerſtoͤrt, oder ſie von den Orten verjagt, wo ſie ſich der reifen Fruͤchte wegen gerne verweilen. Ich ſchaͤtze meinen Garten hoͤher, wenn er voll Amſeln, als wenn er voll Kirſchen iſt, und ich gebe ihnen gerne die Frucht fuͤr ihren Geſang. Daher habe ich beſtaͤndig die Muſik der Jahreszeit in ih - rer Vollkommenheit, und es vergnuͤgt mich ungemein, wenn ich die Aelſter oder die Droſſel in meinen Spaziergaͤngen herumhuͤpfen, und vor meinen Au - gen die verſchiedenen kleinen Durchſchnitte und Alleen, durch welche ich luſt - wandle, hin und wieder durchſtreichen ſehe. Alle meine Arbeiten laufen in die ſchoͤne Wildniß der Natur, ohne nach der feinern Zierlichkeit der Kunſt zu ſtreben. Solche Aufklaͤrungen, wie hier Addiſon uͤber die Einrichtung eines Gartens giebt, mußten nicht allein den Beyfall des leſenden Publikums finden, ſondern auch den un - ternehmenden Theil wirkſam machen. Man fieng an, dieſen Ideen Wirklichkeit zu geben. Kent, ein Mann von großem Genie und von feinem Geſchmack, deſſen Name unter uns noch wenig bekannt zu ſeyn ſcheint, brach bald nach dem Anfang dieſes Jahrhunderts zuerſt als Kuͤnſtler die Bahn. Er verließ die gemeine Regel - maͤßigkeit, weil er einſah, wie ſehr ſie ermuͤdete und zuletzt gar Ekel erregte. Er bemerkte, daß die Natur die Symmetrie nur in kleinen Koͤrpern, nicht aber in großen Stuͤcken Landes liebt, daß ſie in ihren angenehmſten Werken Mannigfaltigkeit und eine ſchoͤne Unordnung herrſchen laͤßt. Er fuͤhlte die unwiderſtehlichen Eindruͤcke, welche große und angenehme Gegenſtaͤnde der Natur in einer freyen und kuͤhnen An - ordnung auf die Seele beweiſen, und daß dieſe Eindruͤcke weit ruͤhrender und unterhal - tender ſind, als alle diejenigen, welche kleine zierliche Anlagen hervorbringen. Er waͤhlte fuͤr die Abwechſelung die gebogene Linie, gab den Baͤchen und Waſſern einen kruͤmmenden Lauf, bepflanzte die Anhoͤhen, ohne ſie zu ebenen, verſchoͤnerte natuͤrliche Buſchwerke, ohne ſie zu zerſtoͤren, zog gruͤnende Raſen einem ſandigen Platze vor, eroͤffnete dem Auge eine Menge reizender Ausſichten, veredelte einen anmuthigen Hain mit Gebaͤuden; kurz, Kent fand den Garten, wo er ihn ſuchte, in der Natur. Seine128Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenSeine neuen Zeichnungen und Anlagen wurden von dem Nationalgeſchmack ſeiner Landsleute mit einer Art von enthuſiaſtiſchem Beyfall aufgenommen; und der britti - ſchen Gartenkunſt konnte ein ſchneller Fortgang und eine immer beſſere Ausbildung nicht fehlen, nachdem ſie einmal auf den rechten Weg gebracht war. Ihm folgten mehr Kuͤnſtler, die auf der eroͤffneten Bahn weiter fortſchritten.

Nun entſtanden nach und nach mehr ſcharfſinnige und ausfuͤhrliche Unterſuchun - gen, die der Gartenkunſt beſonders gewidmet wurden. *)Außer den ſchon oben angefuͤhrten Schriften des Chambers und außer dem, was Home in ſeinen Grundſaͤtzen der Kritik beybringt, gehoͤren hieher folgende Werke. The Works of Schenſtone, Eſqu. 8. Edin - burgh, 2ter Th. 1768. S. 74-88. The Riſe and Progreß of the preſent Taſte in Planting Parks, Pleaſure - Grounds, Gardens &c. in a poetic Epiſt - le &c. 4. 1767. Eſſay on Deſign in Gardening. 8. 1768. Obſervations on modern Gardening, illuſtrated by deſcri - ptions. The fourth Edition. London. 8. 1777. Von dieſem Werke des Hrn. Wha - tely iſt außer der deutſchen Ueberſetzung (Leipzig 8. 1771. ) auch eine franzoͤſiſche: L’art de former les Jardins modernes ou l’art des Jardins Anglois, Paris 8. 1771. vorhanden, wozu der Ueberſetzer noch ei -nen kurzen Vorbericht uͤber den Urſprung der Kunſt, und eine Beſchreibung des Parks zu Stowe gefuͤgt hat. An Eſſay on the different natural Situations of Gardens. 4. London 1774. Letters on the beauties of Hagley, Envill and the Leaſowes: with critical remarks and obſervations on the modern Taſte in Gardening, by Joſeph Heely, Eſq. 8. 2 Vol. 1777. Der malenden Gedichte uͤber einzelne Parks hier nicht zu gedenken, hat Maſon ein ſchoͤnes Lehrgedicht, das noch das einzige uͤber die Gartenkunſt iſt, angefangen: The Engliſh Garden, Lon - don 4. 1772. 2te Aufl. wovon 1773 zu Leipzig eine deutſche Ueberſetzung her - ausgekommen. Das zweyte Buch die - ſes Gedichts iſt 1777 zu London er - ſchienen.Unter den Schriftſtellern, die ſich fuͤr ſie beſchaͤftigten, war Home in ſeinen Grundſaͤtzen der Kritik und Wha - tely in ſeinen Bemerkungen uͤber die neuere Gartenkunſt am meiſten merkwuͤrdig. Was jener indeſſen von den Gaͤrten beybrachte, war eine bloße Excurſion, um einige Anwendung von ſeinen vorgetragenen Grundſaͤtzen zu machen; er geſtand ſelbſt, daß er nichts weniger als dieſe Materie erſchoͤpfen wollte. Obgleich in einzelnen Vorſchlaͤ - gen neu und ſcharfſinnig, ſo war doch manches wieder zu eigenſinnig nach ſeinen allge - meinen Grundſaͤtzen abgemeſſen, als daß man auf ſeinen Boden, wie einige vorgeben wollen, ſo ganz ſicher bauen koͤnnte. Whately betrachtete die Gartenkunſt in einem weiten Geſichtspunkt, als eine Verſchoͤnerinn ganzer Landſchaften. Vor ihm hat keiner unter ſeinen Landsleuten dieſen Gegenſtand mit einem ſo eindringenden Scharf - ſinn und einer ſo kuͤhnen Ausdehnung behandelt. Seine Kritik uͤber die natuͤrlicheSchoͤnheit129und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Schoͤnheit iſt tiefſinnig, ſeine Grundſaͤtze ſind zuſammengedraͤngt und in einer ge - nauen Verbindung vorgetragen. Man koͤnnte ſie eine Metaphyſik der Parks nennen. Aber bloße Metaphyſik iſt oft der Empfindung nachtheilig, und in der That ſcheint es, daß Whately zu wenig auf ſie gerechnet habe. Außerdem iſt er nicht allein oft dunkel, welches zum Theil von dem zu haͤufigen Gebrauch der Kunſtwoͤrter herruͤhrt, ſondern auch zu einſeitig, indem er allein ſein Augenmerk auf die weitlaͤuftigen vater - laͤndiſchen Parks richtet, aus ihnen ſchoͤpft und auf ſie zuruͤckfließen laͤßt. Und da die einzelnen Vorſchriften, die in ſeinem Werk verborgen liegen, aus dem Raiſonne - ment nicht genug herausgewickelt ſind, ſo wird der Kuͤnſtler, der ſich zur Arbeit an - ſchickt, nicht die praktiſche Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet.

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2.

Unter den franzoͤſiſchen Schriſtſtellern erhob ſich der beruͤhmte Buͤrger von Genf zuerſt gegen den falſchen Geſchmack in den Gaͤrten. Das Elyſium oder der Baumgarten ſeiner Julie, den er ſchilderte,*)Julie ou nouvelle Heloiſe, Part. IV. Lett. XI. war laͤndlich, gleichſam vernachlaͤßi - get und doch reizend. Und ſeine Anmerkungen, die er dabey uͤber die gewoͤhnlichen Gartenanlagen einſtreuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des Geſchmacks, daß ſie ſchon damals die Aufmerkſamkeit haͤtten rege machen ſollen, dieerſtI Band. R130Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenerſt ſpaͤter der Ruf der englaͤndiſchen Gaͤrten in Frankreich ganz geweckt zu ha - ben ſcheint. Hier ſind einige der ſchoͤnſten Stellen aus ſeiner Schilderung dieſes Gartens.

Mit Entzuͤcken durchlief ich dieſen Baumgarten, und ſah ich gleich keine aus - laͤndiſchen Gewaͤchſe, keine indiſchen Pflanzen, ſo fand ich doch die einheimi - ſchen ſo geordnet und vereinigt, daß ſie eine beſſere und angenehmere Wirkung thaten. Der gruͤnende, dichte, aber kurze Raſen war mit Quendel, Thy - mian, Krauſemuͤnze, Majoran und andern wohlriechenden Kraͤutern vermiſcht. Man ſah darunter tauſend Feldblumen ſchimmern, unter welchen das Auge mit Verwunderung Gartenblumen entdeckte, die mit den andern natuͤrlich zu wachſen ſchienen. Von Zeit zu Zeit fand ich dunkle Gebuͤſche, gleich dem dichteſten Walde den Sonnenſtralen undurchdringlich. Sie beſtanden aus Baͤumen von dem geſchmeidigſten Holze; man hatte die Zweige bis zur Erde niedergebogen und durch eine Kunſt Wurzel faſſen laſſen, die dem natuͤrlichen Wachsthum der Manglebaͤume in America aͤhnlich war. An den offenen Orten ſah ich hier und da, ohne Ordnung und Symmetrie, Geſtraͤuche von Roſen, Himbeeren, Johannisbeeren, ſpaniſchem Flieder, Haſelſtraͤuchen, Hollunder, Pfriemenkraut, Kleeblatt, welche die Erde ſchmuͤckten und ihr das Anſehen gaben, als laͤge ſie brach. Ich folgte unregelmaͤßig geſchlungenen Luſtgaͤngen, die mit dieſen bluͤhenden Buͤſchen beſetzt und mit tauſend Kraͤnzen von Hopfen, weißer Winde, Waldreben und andern Pflanzen dieſer Art bedeckt waren, mit welchen ſich auch Geisblatt und Jesmin zu vermengen ſich herab - ließen. Dieſe Kraͤnze ſchienen nachlaͤßig von einem Baum auf den andern hingeworfen, wie ich ehedem in den Gehoͤlzen bemerkt hatte, und bildeten uͤber uns eine Art von Decke, die uns vor der Sonne beſchuͤtzte, da wir unterdeſſen unter unſern Fuͤßen einen angenehmen, trockenen, bequemen Gang auf ſeinem Moos ohne Sand, Gras und rauhen Reiſern hatten. Nur hier entdeckte ich erſt nicht ohne Verwunderung, daß dieſe gruͤnen, dichten Gebuͤſche, die mir in der Ferne groß geſchienen hatten, blos aus ſolchen kriechenden, umſchlingenden Pflanzen beſtanden, die an den Baͤumen hinangewunden waren, und ihre Gi - pfel mit dem dichteſten Laube umgaben, ihre Staͤmme aber beſchatteten und er - friſchten. Alle dieſe kleinen Spaziergaͤnge waren von einem lautern, hellen Gewaͤſſer umgeben und durchſchnitten, das ſich bald in faſt unmerklichen Canaͤ - len durch das Gras und die Blumen verlor, bald in breitern Baͤchen uͤber rei - nen geſprenkelten Kies floß, der es noch glaͤnzender machte. Man ſah Quellen aus der Erde entſpringen und aufwallen; zuweilen aber auch tiefere Canaͤle,wo131und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. wo das ſtille, ſanftfließende Waſſer dem Auge die Gegenſtaͤnde zuruͤckwarf. Woher, ſagte ich zu Julien, koͤmmt jenes Waſſer, das ich auf allen Seiten ſehe? Dorther, antwortete ſie, und zeigte nach der Gegend, wo die Terraſſe in ihrem Garten war. Es iſt der naͤmliche Strom, der im Blu - mengarten mit großen Koſten eine Waſſerkunſt bildet, um die ſich niemand mehr bekuͤmmert. Aus Ehrerbietung fuͤr meinen Vater, der ſie angelegt hat, will Herr von Wolmar ſie nicht eingehen laſſen; mit welchem Vergnuͤgen aber ſehen wir taͤglich im Baumgarten dieſes Waſſer fließen, dem wir im Garten nicht zu nahe kommen! Die Waſſerkunſt ſpringt fuͤr die Fremden; der Bach hier fließt fuͤr uns. Hier ſah ich, daß man bedacht geweſen, das Waſſer durch gehoͤrige Vertheilung und Wiedervereinigung nach den Regeln der Spar - ſamkeit ſich ſchlaͤngeln zu laſſen, daß man den Abhang des Bodens, ſo viel moͤglich, verſchont hatte, um ſeinen Umlauf zu verlaͤngern und ſich das Mur - meln einiger kleinen Waſſerfaͤlle zu verſchaffen. Eine Schicht von Thon, ei - nen Zoll hoch mit Kies aus dem See beſtreut, und mit Muſchelwerke durch - ſaͤet, machte das Bette dieſer Baͤche aus. Eben dieſe ſchoſſen zuweilen unter einigen breiten, mit Erdreich und Raſen bedeckten Ziegeln hinweg, und bil - deten bey ihrem Ausgange eben ſo viele kuͤnſtliche Quellen. An unebenen Or - ten wurden duͤnne Canaͤle durch Heber in die Hoͤhe getrieben, und fielen ſpru - delnd nieder. Das ſo genetzte und erfriſchte Erdreich trieb ſtets neue Blumen hervor, und erhielt ohne Unterlaß das Gras gruͤnend und ſchoͤn. Alles iſt gruͤn, friſch, lebhaft, und die Hand des Gaͤrtners zeigt ſich nirgends. Man laͤßt an allen bearbeiteten Orten Gras ſaͤen, und bald verdeckt es durch ſein Wachsthum die Spuren der Bearbeitung. Duͤrre und kahle Plaͤtze laͤßt man im Winter mit Duͤnger bedecken; dieſer zehrt das Moos hinweg, belebt von neuem Gras und Pflanzen; die Baͤume ſelbſt befinden ſich dabey nicht ſchlech - ter, und im Sommer iſt nichts mehr zu ſehen. Dieſe beyden Seiten waren mit Mauern eingeſchloſſen; die Waͤnde aber ſind uͤberkleidet worden, nicht durch Spaliere, ſondern durch dichte Straͤucher, welche machen, daß man die Graͤnzen des Orts fuͤr den Anfang eines Gebuͤſches anſieht. Um die beyden andern Seiten ziehen ſich ſtarke, lebendige Hecken, mit Ahorn, Weißdorn, Stechpalmen, Reinweide und andern vermiſchten Geſtraͤuchen ſtark beſetzt, die ihnen das Anſehen von Hecken benehmen und die Geſtalt eines jungen ge - hauenen Gehoͤlzes geben. Man ſieht nichts gekuͤnſtelt, nichts nach der Schnur gezogen; niemals kam die Schnur an dieſen Ort; die Natur pflanzt nichts nach der Schnur. Die Kruͤmmungen mit ihrer verſteckten UnregelmaͤßigkeitR 2ſind132Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenſind mit Kunſt angebracht, um den Spaziergang zu verlaͤngern, das Ufer der Inſel zu verbergen, ihren ſcheinbaren Umfang zu erweitern, ohne daß man je - doch unbequeme und allzuhaͤufige Umwege nehmen muͤßte.

Nach dieſer Beſchreibung machte Rouſſeau eine kleine Ausſchweifung zu der alt - franzoͤſiſchen Gartenmanier, beſtrafte mit einem bittern Spott die gewoͤhnlichen Ver - unſtaltungen der Baͤume, die ſymmetriſchen Kuͤnſteleyen und ekelhaften Verzierun - gen. Man ſollte glauben, fuhr er fort, die Natur ſey in Frankreich anders, als in der ganzen uͤbrigen Welt beſchaffen; ſo ſehr ſorgt man dort dafuͤr, ſie zu ent - ſtellen. Die Parks ſind nur aus langen Stangen gepflanzt; es ſind Waͤlder von Maſtbaͤumen; und man ſpazieret dort mitten in Gehoͤlzen, ohne Schatten zu finden. Man bauet Plaͤtze, an die niemand gehen, und die man ſtets ungeduldig verlaſſen wird, um auf das Feld zu kommen; eine traurige Gegend, wo man nicht ſpazieren, ſondern durchgehen wird, einen Spaziergang aufzuſuchen. Der Irrthum gewiſſer Leute, die Geſchmack vorgeben, iſt, daß ſie uͤberall Kunſt fordern, und nur dann zu - frieden ſind, wenn ſie hervorſticht; da hingegen wahrer Geſchmack darin beſteht, die Kunſt zu verbergen, zumal wenn von Naturwerken die Rede iſt. Ein Mann von Geſchmack aber, der da lebt, um zu leben, der ſeiner ſelbſt zu genießen weiß, wird ſeinen Garten ſo bequem und anmuthig einrichten, daß es ihm zu allen Stunden des Tages da gefallen koͤnne; zugleich aber ſo einfaͤltig und natuͤrlich, daß er nichts ge - than zu haben ſcheine. Er wird Gruͤn, Waſſer, Schatten und Kuͤhle vereinigen; denn das alles vereiniget auch die Natur. Er wird nirgends Ebenmaaß anbringen; dieſes iſt ein Feind der Natur und der Mannigfaltigkeit.

Dieſes Beyſpiels und dieſer Erinnerungen ungeachtet ſchien der reinere Ge - ſchmack, den ein ſo angeſehener Schriftſteller empfahl, doch noch keinen merklichen Fortgang zu gewinnen. Was ſpaͤter hin, wie eine ploͤtzliche Revolution, blos durch Nachahmungsſucht erfolgte, ſchien durch eigene Ueberlegung nicht bewirkt werden zu koͤnnen. Selbſt einige Schriftſteller, die den beſſern Weg ſuchten, traten noch hin und wieder auf eine falſche Spur. Ceſſierres wagte ſelbſt ein Lehrgedicht. *)Les Jardins d’ornemens, ou les Géorgiques françoiſes. Nouveau Poëme en quatre chants, Paris 1758. par M. Gouge de Ceſſierres. 8. Lange vor ihm hatten Rapin**)Horti. und Vaniere***)Praedium ruſticum. etwas aͤhnliches verſucht; allein ſie waren blos bey dem Nutzbaren, bey oͤkonomiſcher Gaͤrtnerey und Landwirthſchaft ſte - hen geblieben, ohne ſich uͤber die Anlegung ſchoͤner Luſtplaͤtze zu verbreiten, ohne ſich in einigen wenigen Stellen, die dahin einſchlugen, uͤber den Geſchmack ihrer Zeit zu erheben. Ceſſierres wollte den angenehmern Theil, den ihm ſeine Vorgaͤnger uͤbriggelaſſen,133und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. gelaſſen, bearbeiten. Mit einem guten Geſchmack, aber nicht mit der kuͤhnen und feurigen Einbildungskraft eines Maſon, vielleicht auch mit einer zu furchtſamen Be - ſcheidenheit betrat er ſeine Bahn. Hin und wieder war er auf dem rechten Wege; hin und wieder eiferte er mit Vernunft gegen den ſeltſamen Geſchmack, den er vor ſich ſah. Und doch haben ſeine Scenen eine gewiſſe Duͤrftigkeit, weil er ſein Ideal von den Gaͤrten ſeines Vaterlandes abzog; gewoͤhnliche Anlagen, und beſonders Blu - menſtuͤcke gefielen am meiſten ſeiner Muſe, die nicht Muth genug zu haben ſchien, zu den hoͤhern landſchaftlichen Schoͤnheiten empor zu ſchweben.

Allein erſt vor wenig Jahren, da die Nachrichten und Beſchreibungen von den neuen brittiſchen Parks ſich mehr verbreiteten, und Whately’s bekannte Schrift uͤber dieſe Kunſt unter den Franzoſen uͤberſetzt ward, haben ſie ſelbſt angefangen, dem beſſern Geſchmack in Gaͤrten eigene Unterſuchungen zu widmen. Dieſe Auf - merkſamkeit der Schriftſteller verdiente Beyfall. Denn kaum ward ein großer Theil der Nation mit der neuen Manier bekannt, als er ſchon auf der andern Seite wieder auszuſchweifen und ſich einer blinden und uneingeſchraͤnkten Nachahmung der englaͤn - diſchen Gaͤrten ſo ſehr zu uͤberlaſſen anfieng, daß man uͤber dieſe Anglomanie, wie man dieſe Uebertreibung nannte, laute Klagen fuͤhrte. Watelet,*)Eſſai fur les Jardins par M. Wate - let &c. 8. Paris 1774. Eine deutſche Ue -berſetzung davon iſt 1776 in 8 zu Leipzig herausgekommen.ein Kuͤnſtler und Dichter vom Range, iſt der erſte Schriftſteller ſeiner Nation, der in einer eige - nen Schrift die Gaͤrten den Regeln der Vernunft und des Geſchmacks unterwarf. Seine Grundſaͤtze ſind das Reſultat einer bedaͤchtigen Ueberlegung, die aber auch von den Verſchoͤnerungen einer bluͤhenden Einbildungskraft nicht entbloͤßt iſt. Vertraut mit den Maximen und Wirkungen der Malerey wandte er die Regeln dieſer Kunſt, ſo weit ſie in dieſer Anwendung reichen, auf die Gartenkunſt mit einem viel gluͤckli - chern Erfolg an, als ehemals die Lehrer der Architektur, die ſehr unrichtig die Sym - metrie in die Gartenanlagen uͤbertrugen. Die Anordnung ſeiner Grundſaͤtze iſt zwar nicht genau zuſammenhaͤngend, aber doch natuͤrlich genug. Er fand es vielleicht be - quemer, bey einer Kunſt, die er noch nicht wiſſenſchaftlich behandelt vor ſich ſah, ja die kaum noch reif genug ſcheint, in die Form einer Wiſſenſchaft hinuͤber zu gehen, einzelne Grundregeln mit ihren Erlaͤuterungen uͤber dieſe und jene zu ihr gehoͤrige Zweige auszuſtreuen, und ſowohl den Verſtand, als auch die Empfindungskraft ſeiner Landsleute auf ſie aufmerkſam zu machen. Das Verdienſt ſeiner Schrift wird durch die lebhafte Empfindung, womit er ſeine Gegenſtaͤnde betrachtet, und durch die feine und maleriſche Schreibart nicht wenig erhoͤhet.

R 3Watelet134Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten

Watelet folgten bald zwey andere Schriftſteller,*)Théorie des Jardins. 8. Paris 1776. De la Compoſition des Payſages, ou des Moyens d’embellir la Nature autour des Habitations, en joignant l’agréable à l’utile. Par M. L. Gerardin &c. 8. Paris 1777. die mit vieler Beobach - tung, Kenntniß und Anmuth uͤber die Gaͤrten ſchrieben. Ihre Schriften, die, im Ganzen gerechnet, das Gepraͤge der Wahrheit und des Geſchmacks an ſich tragen, wenn man gleich nicht allen ihren Urtheilen und Forderungen beytreten wird, zeichnen ſich vor denen, die vielleicht noch neben ihnen entſtanden ſind und nach ihnen entſtehen werden, ſo vorzuͤglich aus, daß ſie mit ihrem eigenen Ruhm ihren Platz einneh - men. Dieſe drey Werke ſind allein hinreichend, den Genius der Gaͤrten wegen der Beleidigungen der vorigen Zeit, die er in Frankreich empfieng, wieder auszu - ſoͤhnen, den Geſchmack der Nation zu berichtigen, und den Verehrern des alten Vor - urtheils, die hier und da noch im Winkel ſich regen, Stillſchweigen zu gebieten.

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3.

Unterdeſſen daß auch in Deutſchland die Lehrer der Baukunſt die eingefuͤhrte Symmetrie in den Gaͤrten noch immer beguͤnſtigten, dachte keiner von unſern feinen Schriftſtellern, die ſich hie und da fuͤr die andern ſchoͤnen Kuͤnſte zu beeifern anfiengen, an die Gartenkunſt; ja man beſann ſich noch kaum ſo weit, um dieſer eine Stelle unter ihren Geſchwiſtern einzuraͤumen. Von ſo vielen unſrer beſten Dichter, die ſogern135und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. gern und ſo oft die Schoͤnheiten der Natur beſangen, erinnerte ſich kaum einer, eben dieſe Schoͤnheiten in die Gaͤrten zuruͤckzurufen. Geßner*)S. ſeine Idyllen: Menalkas und Aeſchines; der Wunſch. war faſt der einzige, der einen lehrreichen Wink gab. Sein Jaͤger Aeſchines, der dankbar den jungen Hirten Menalkas in die Stadt zu kommen bittet, will ihm unter andern die Gaͤrten empfehlen. Dort hat man auch, ſagt er, Baͤume und Blumen; dort hat ſie die Kunſt in gerade Gaͤnge gepflanzet, und in ſchoͤn geordnete Beeten geſammelt; dort hat man auch Quellen; Maͤnner und Nymphen von Marmor gießen ſie in große marmorne Becken. Allein Menalk, ein Freund der unverſtellten Natur, antwortet: Schoͤner iſt der ungekuͤnftelte ſchattige Hain mit ſeinen gekruͤmmten Gaͤngen; ſchoͤner ſind die Wieſen mit tauſendfaͤltigen Blumen geſchmuͤckt; ich hab auch Blumen um die Huͤtte gepflanzet, Majoran und Lilien und Roſen; und o! wie ſchoͤn ſind die Quellen, wenn ſie aus Klippen ſprudeln, oder aus dem Ge - buͤſche von Huͤgeln fallen, und dann durch blumige Wieſen ſich ſchlaͤngeln! Nicht weniger getreu der Natur ſchilderte der Dichter den laͤndlichen Garten, der mit zu dem Plan der Gluͤckſeligkeit gehoͤrte, die ſeine Muſe wuͤnſchte: Hinten am Hauſe ſey mein geraumer Garten, wo einfaͤltige Kunſt den ange - nehmen Phantaſien der Natur mit gehorſamer Huͤlfe beyſteht, nicht aufruͤh - riſch ſie zum dienſtbaren Stoff ſich macht, in groteske Bilder ſie zu ſchaffen. Waͤnde von Nußſtrauch umzaͤunen ihn, und in jeder Ecke ſteht eine gruͤne Huͤtte von wilden Roſinen; dahin wuͤrd ich oft den Stralen der Sonn entwei - chen, oder ſehen, wie der braune Gaͤrtner die Beeten umgraͤbt, um ſchmackhafte Gartengewaͤchſe zu ſaͤen; oder ich huͤlf ihm die flatternden Gewaͤchſe an Staͤben aufbinden, oder der Roſenſtauden warten, und der zerſtreuten Nelken und Li - lien. Außen am Garten muͤßt ein klarer Bach meine grasreiche Wieſe durch - ſchlaͤngeln; er ſchlaͤngelte ſich dann durch den ſchattigen Hain fruchtbarer Baͤu - me, von jungen zarten Staͤmmen durchmiſchet. Ich wuͤrd ihn in der Mitte zu einem kleinen Teich ſich ſammeln laſſen, und in des Teiches Mitte baute ich eine Laube auf eine kleine aufgeworfene Inſel; zoͤge ſich dann noch ein kleiner Rebberg an der Seite in die offene Gegend hinaus, und ein kleines Feld mit winkenden Aehren, waͤre der reichſte Koͤnig dann gegen mich beneidenswerth? Was entzuͤcket mehr als die ſchoͤne Natur, wenn ſie in harmoniſcher Unord - nung ihre unendlich mannigfaltigen Schoͤnheiten verwindet? Zu kuͤhner Menſch, was unterwindeſt du dich, die Natur durch weither nachahmende Kuͤnſte zu ſchmuͤcken? Baue Labyrinthe von gruͤnen Waͤnden, und laß den geſpitzten Ta - xus in abgemeſſener Weite emporſtehen; die Gaͤnge ſeyn reiner Sand, daßkein136Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenkein Geſtraͤuchchen den wandelnden Fußtritt verwirre. Mir gefaͤllt die laͤndli - che Wieſe und der verwilderte Hain; ihre Mannigfaltigkeit und Verwirrung hat die Natur nach geheimern Regeln der Harmonie und der Schoͤnheit geord - net, die unſre Seele voll ſanften Entzuͤckens empfindet. Inzwiſchen blieb doch die ſchoͤne Gartenkunſt noch immer von unſern Schriftſtellern verlaſſen. Etwa hie und da ein kleiner Seitenblick oder eine Klage uͤber den falſchen Geſchmack war alles, was man fuͤr ſie that, bis Sulzer*)Allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤn - ſte. Artikel: Gartenkunſt.ſie unter uns zuerſt in der Reihe der andern ſchoͤnen Kuͤnſte auffuͤhrte. Er ſchenkte ihr zwar nur wenige, groͤßtentheils nur allgemeine, aber ſehr richtige und fruchtbare Bemerkungen. Einer Kunſt, die noch ſo jung, ſo unbekannt war, mußte die Aufmerkſamkeit von dem wei - ſen Pflegevater der deutſchen Kuͤnſte ſchon eine wichtige Empfehlung ſeyn. So - wohl durch eine herrſchende Lieblingsneigung, als auch durch das Beduͤrfniß der Gar - tenkunſt ſelbſt bewogen, wagte ich darauf zu ihrer Erweiterung einige vorlaͤufige Ver - ſuche. **)Anmerkungen uͤber die Landhaͤuſerund die Gartenkunſt. 8. Leipzig 1773. Theorie der Gartenkunſt. 8. Leipzig 1775.

Noch bis jetzt ſcheint man außer England, Frankreich und Deutſchland dieſe angenehmſte der edlen Kuͤnſte nicht genug zu ſchaͤtzen; in ſo ferne man aus dem tiefen Stillſchweigen ſchließen darf, das in Anſehung ihrer die Schriftſteller der uͤbri - gen aufgeklaͤrten Nationen beobachten.

III. Anmer -
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137und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.

III. Anmerkungen uͤber den alten und den neuen Geſchmack.

1.

Wir werden weiterhin zuweilen auf die Unſchicklichkeit des alten und auf die Aus - ſchweifungen des neuen Geſchmacks ſtoßen; ehe wir dahin kommen, ſcheinen einige allgemeine Bemerkungen uͤber beyde hier einen Platz zu fordern.

Wenn wir das Weſen der alten Manier in der Symmetrie ſetzen, ſo wird man wohl ſchon ſo weit aufgeklaͤrt ſeyn, um uͤberhaupt zu wiſſen, daß herrſchende Sym - metrie in Gaͤrten gegen die Anweiſung der Natur und gegen das Geſetz der Mannig - faltigkeit iſt. Und wenn wir auch nicht laͤugnen, daß der Menſch ein Wohlgefallen an Ebenmaaß hat, ſo iſt es doch nicht in den Gaͤrten, wo er dieſe Art des Vergnuͤ - gens genießen ſoll.

Weil die erſten und meiſten Gaͤrten neben Gebaͤuden angelegt wurden, ſo war der Irrthum leicht geboren, daß ein Garten nach eben den Regeln, wie ein Gebaͤude, einzurichten waͤre. Daß der Irrthum entſtand, daruͤber darf man ſich nicht ver - wundern; aber wohl daruͤber, daß er ſich ſo weit ausbreitete und ſo lange erhielt. Die Symmetrie durfte nur in einigen Gaͤrten, die einen Ruf gewannen, eingefuͤhrt, ſie durfte nur von einigen angeſehenen Lehrern der Baukunſt, welche die Gartenkunſt bald mit unter ihre Herrſchaft zwangen, vorgezeichnet werden; ſo ward ſie leicht von der Gewohnheit beguͤnſtigt und von dem Vorurtheil beſchuͤtzt. Bey der Leichtigkeit der ſymmetriſchen Anlagen fand der nachahmende Geiſt ſeine Bequemlichkeit. Man durfte nur das eine oder das andere Vorbild vor Augen haben, um es bald ohne Muͤ - he nachzubilden. Und alles, was man an Veraͤnderungen der alten ſteifen Manier anbringen wollte, blieb ſo klein, ſo unbedeutend, daß Gaͤrten und Gartenriſſe, von einem Ende Europens bis zu dem andern, ſich faſt immer ſo aͤhnlich ſahen, als wenn ſie in Einer Schule und nach Einem Modell gemacht waͤren. Wenn ſich der Geſchmack an der unveraͤnderlichen Regelmaͤßigkeit noch laͤnger erhalten ſollte, ſo iſt unſtreitig eine Urſache mehr davon dieſe, weil er das, was der mit der Natur uͤber - einſtimmende Geſchmack erfordert, Beurtheilungskraft, Gefuͤhl und Genie, ſehr be - quem entbehren kann.

Nur ſelten weiß der menſchliche Geiſt auf der rechten Graͤnze ſtehen zu bleiben. Man bemerkte, daß dem zunaͤchſt um ein Wohngebaͤude liegenden Platz mehr Ord - nung und Regelmaͤßigkeit, als den entferntern, zukomme; man vergaß aber zu be - merken, daß, wenn ſich eben dieſer Platz weiter ausdehnte und zu einem Garten be -I Band. Sbauet138Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des altenbauet werden ſollte, er nicht mehr den Regeln der Symmetrie unterworfen ſeyn koͤnn - te. Ganz anders iſt es doch mit freyen offenen Plaͤtzen in der Nachbarſchaft der Ge - baͤude; ganz anders mit Plaͤtzen, die zu Gaͤrten beſtimmt werden. Jene muͤſſen als freye Plaͤtze, und wegen ihrer Verbindung mit dem Werke der Architektur, wovon ſie gleichſam als fortlaufende oder doch zuſammenhaͤngende Theile anzuſehen ſind, ſym - metriſch abgetheilt und eingerichtet werden; ſie moͤgen außerdem ſo viel Verzierung und Pomp annehmen, als der Charakter und die Beſtimmung des Gebaͤudes nur immer verſtattet. Allein Plaͤtze, die zu Gaͤrten bebauet werden, muͤſſen bey dieſer Beſtimmung ſogleich die Regeln der Architektur verlaſſen, und ſich der freyern Anord - nung der Natur naͤhern.

Um noch deutlicher einzuſehen, wie weit der Gartenkuͤnſtler von dem Architekten entfernt ſey, wie wenig beyde nach einerley Geſetzen arbeiten koͤnnen, darf man nur bemerken, daß jener mit der Verſchoͤnerung einer Horizontalflaͤche, dieſer mit der Ver - ſchoͤnerung einer Verticalflaͤche ſich beſchaͤftigt. Aus dieſer offenbaren Verſchiedenheit der Flaͤchen, die jeder von dieſen Kuͤnſtlern bearbeitet, entſpringt auch eine Verſchie - denheit ihrer Abſichten und Entwuͤrfe. Der Architekt will auf einmal das Auge be - friedigen, es auf einmal die ganze harmoniſche Einrichtung ſeines Werks umfaſſen laſſen; der Gartenkuͤnſtler will nach und nach mit einer allmaͤhligen Fortſchreitung unterhalten. Jener muß ſeinen Plan ſo einfach anlegen, daß er ohne Verwirrung, ohne Muͤhe ſich uͤberſehen laͤßt; er muß den Theilen gleiche regelmaͤßige Formen und Verhaͤltniſſe geben, wodurch ihre Zuſammenſtimmung zu dem Ganzen bald wahrge - nommen wird. Der Gartenkuͤnſtler hingegen, der einer andern Abſicht auch einen andern Entwurf unterordnet, muß ſeinen Plan zu verbergen ſuchen, eine gewiſſe an - muthige Verwickelung in ſeine Anlagen bringen, Ungleichheiten und regelloſe Zu - faͤlligkeiten liegen laſſen, kurz, ſo verfahren, daß der Zuſchauer nicht auf einmal be - friedigt, ſondern nach und nach beſchaͤftigt und lange unterhalten werde. Durch Re - gelmaͤßigkeit und Symmetrie erhaͤlt der Architekt die Wirkung, die er ſuchen ſoll; aber auf eben dieſem Wege verfehlt der Gartenkuͤnſtler diejenige, wornach er ſtreben ſoll. Bey der Verſchiedenheit der Wirkungen muͤſſen beyde auch von einem verſchie - denen Punkt ausgehen. Der Gartenkuͤnſtler arbeitet am gluͤcklichſten, wenn er faſt uͤberall das Gegentheil von dem thut, was der Baumeiſter beobachtet.

Auch hat er ein ganz anderes Vorbild, als der Architekt, das Vorbild der Natur in ihren ſchoͤnſten Gegenden, das ihm zur Anleitung dient. Die Natur ord - net alle Gegenſtaͤnde in der Landſchaft mit Freyheit und Ungezwungenheit an. Keine ſymmetriſche Gleichheit, keine kuͤnſtliche Abzirkelung, keine Einfoͤrmigkeit im Um - fang, in Geſtalt und Bildung der Tiefen, Anhoͤhen und Ebenen, der Pflanzen,Blumen,139und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Blumen, Stauden und Waͤlder, der Baͤche, Fluͤſſe und Seen. Alles erſcheint in einer ganz freyen Anordnung, mit der groͤßten Abwechſelung, mit einer Art von an - genehmer Nachlaͤßigkeit und Zerſtreuung, die mehr werth iſt, als die ſorgfaͤltigſte Genauigkeit. Dieſes Vorbild ſtellt die Natur dem Gartenkuͤnſtler zur Nachahmung vor Augen. Da er durch eben die Gegenſtaͤnde, wodurch ſie ergoͤtzt, ergoͤtzen ſoll, ſo muß er dieſe Gegenſtaͤnde auch in einer aͤhnlichen Anordnung, als er bey ihr wahr - nimmt, erſcheinen laſſen. Sie iſt Muſter und Regel. Der Gartenkuͤnſtler kann nur gluͤcklich arbeiten, in ſo fern er ihr getreu bleibt. Ein ſchoͤner Garten iſt kein anderer, als der nach der ſchoͤnen Natur mit Geſchmack und Beurtheilung ange - legt iſt.

Noch eine widrige Wirkung der Symmetrie iſt die Einfoͤrmigkeit und Lange - weile, die von ihr unzertrennlich iſt, und die der Beſtimmung der Gaͤrten gerade ent - gegen ſteht. Alles, natuͤrliche und kuͤnſtliche Gegenſtaͤnde, alles ſieht ſich ſo gleich; keine Mannigfaltigkeit, keine angenehme Unterbrechung; alles iſt auf einmal uͤber - ſchaut, auf einmal begriffen. Wir fuͤhlen es, daß die Eindruͤcke bald ermatten, alle Kraft verlieren; wir wollen beſchaͤftigt ſeyn, und finden nichts, das uns mehr ruͤhrt; wir entwinden uns der Langeweile, indem wir uͤber den engen geſperrten Be - zirk des Gartens hinaus in die freyen Gefilde wandeln, wo die Natur uns wieder mit der ihr eigenen Mannigfaltigkeit reizender Scenen ergoͤtzt.

So augenſcheinlich dieſe Bemerkungen den Unterſchied zwiſchen der Kunſt des Gaͤrtners und der Kunſt des Architekten machen; ſo iſt doch faſt ein Jahrhundert verfloſſen, ehe man es einſehen lernte, ehe man ſich von dem Irrthum, der den Gaͤr - ten Symmetrie zutheilte, erholen konnte. Noch jetzt, nachdem ſchon ſo manches Licht uͤber die Gartenkunſt aufgegangen iſt, nachdem man in mehr als einem Lande das alte Vorurtheil zu ſtuͤrzen ſich gluͤcklich bemuͤhet hat, giebt es hie und da manche ſonſt aufgeklaͤrte Koͤpfe, die, vom langen Wahn verwoͤhnt, die Unrichtigkeit der ſymmetriſchen Gartenanlagen nicht einſehen wollen. Man hat ſelbſt ihre Vertheidi - gung gewagt; aber mit Gruͤnden, die keine Pruͤfung aushalten. *)Man ſehe unter andern: Sur la Formation des Jardins. 8. Paris 1775.

Indeſſen giebt es doch einige Faͤlle, worin ſymmetriſche Gartenanlagen eine zulaͤßige Ausnahme ſind; und will man ſolche Plaͤtze nicht mehr mit dem Namen von Gaͤrten beehren, ſo mag man ihnen einen andern ausfinden. Symmetrie iſt alſo verſtattet in Gaͤrten neben oder hinter Haͤuſern in Staͤdten und Vorſtaͤdten, in Plaͤ - tzen um Palaͤſte, in Spaziergaͤngen des Volks.

S 2Man140Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten

Man liebt faſt in allen Staͤdten einen freyen Austritt hinter den Wohnhaͤuſern, um den Genuß der friſchen Luft und eines bequemen Spazierganges zu haben; daher die alte und noch herrſchende Gewohnheit, da kleine Gaͤrten oder Luſtplaͤtze anzulegen. Dieſe Gewohnheit iſt weniger anſtoͤßig, als jene, die das Land in die Stadt traͤgt, indem ſie die Vorderſeiten der Haͤuſer auf den Gaſſen mit Baͤumen bepflanzt, die zwar den Vortheil des Schattens geben, aber dem freyern Durchzug der Luft weh - ren, den Gebaͤuden durch ihre Feuchtigkeit ſchaden, und ihrem Anſehen nicht wenig entziehen. Dieſe Gaͤrten hinter den Haͤuſern haben faſt keine andere Beſtimmung, als darin friſche Luft zu athmen, einen Spaziergang oder einen Sitz im Schatten zu finden, den Anblick des Gruͤns und des offenen Himmels zu genießen; und in dem zufriednen Genuß dieſer Vortheile iſt ihre Beſtimmung erfuͤllt. Der enge Raum verſtattet darin keinen Reichthum, noch Mannigfaltigkeit der Scenen. Die Nach - barſchaft der Gebaͤude mag hier ihre Symmetrie ausdehnen; das Ebenmaaß in Gaͤn - gen, Beeten und Baumpflanzungen dient hier zur Bequemlichkeit, und laͤßt den Beſitzer ſein kleines Eigenthum deſto freyer uͤberſehen. Eine dicke Mauer mag ſei - nen Gewaͤchſen mehr Schutz und Waͤrme mittheilen; eine Laube auf dieſer Ecke mag einer andern auf jener zuwinken, wenns auch nur waͤre, um den Platz nicht leer zu laſſen; ein kuͤnſtlicher Springbrunnen ſpiele und plaͤtſchere einem andern entgegen, weil kein fließender Bach da iſt, um ihn zu verdraͤngen. Auf einem ſo eingeſchraͤnk - ten Platz wird man mehr fuͤr Beduͤrfniß und Bequemlichkeit, als fuͤr Ergoͤtzung der Phantaſie zu ſorgen haben. Die Natur giebt hier die Rechte auf, die ſie in ausge - dehnten Gegenden behauptet, und der Geſchmack iſt ſchon befriedigt, wenn er nur nicht beleidigt wird. Eben dieſes gilt von Gaͤrten, die nahe um die Staͤdte herum, zuweilen in einer Reihe neben einander, in ſehr kleinen Bezirken liegen.

Freye Plaͤtze um Gebaͤude, beſonders um Palaͤſte, erfordern, wie ſchon oben bemerkt iſt, eine ſymmetriſche Einrichtung und Verzierung, wegen ihrer genauen Verbindung mit dem Werke der Architektur, dem ſie zugehoͤren. Selbſt ihr ebener Boden hat ſie ſchon dazu vorbereitet. Außerdem wuͤrde ihre freyere Bepflanzung dem Licht und dem edlern Anſehen der Gebaͤude ſchaden, deren Anblick ſie ſchon in der Ferne verſchoͤnern zu helfen beſtimmt ſind. Die Wichtigkeit oder der Adel eines Ge - baͤudes muß ſich durch alle Theile ſeiner Nachbarſchaft ankuͤndigen. Sie fuͤhren den Namen von Gaͤrten in einer ſehr uneigentlichen Bedeutung; man ſollte ſie nennen, was ſie ſind, gezierte Plaͤtze, Vorplaͤtze, offene Vorhoͤfe oder wie man anders will. Alle andere Plaͤtze, die mitten in Staͤdten liegen, verlangen eben ſo Symmetrie in der Bepflanzung und Auszierung.

Von141und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.

Von oͤffentlichen Gaͤrten fuͤr das Volk werden wir in der Folge zu reden Gele - genheit haben. Nur jetzt begnuͤgen wir uns zu bemerken, daß ſolche Spaziergaͤnge, die dem gemeinen Gebrauch offen ſtehen, nicht weniger eine ſymmetriſche Einrichtung zulaſſen. Man hat nicht eben die Abſicht, die angenehmen Schauſpiele der Natur zu genießen; man verſammelt ſich, dem Koͤrper Bewegung zu geben, und auf be - quemen Spaziergaͤngen das Vergnuͤgen der Geſellſchaft und der Unterredung zu ſu - chen. Man will ſich ſehen und ſich finden; ebene, offene, gerade und breite Gaͤnge und Alleen befoͤrdern dieſe Abſicht, und noch eine andere, die Verhuͤtung aller Unord - nung unter der vermiſchten Menge.

Alle uͤbrige Gaͤrten, ich wiederhole es, vertragen nicht die Symmetrie, die ih - rer Beſtimmung und der Natur ganz entgegen iſt. Da ſie in dem Schooße des Landes liegen, ſo ſollen ſie hier, wo wir den Zwang und Stolz der Staͤdte fliehen, uns durch laͤndliche Freyheit entzuͤcken und durch alle die großen und mannigfaltigen Scenen, die nur je die ſchoͤne Natur, von der beſcheidenen Hand der Kunſt geleitet, den Sinnen und der Einbildungskraft vorzuzaubern vermag.

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S 32. Was142Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten

2.

Was uͤber den englaͤndiſchen Geſchmack bey der Erzaͤhlung von ſeiner Einfuͤh - rung geſagt iſt, lehrt ſchon, daß er, uͤberhaupt genommen, der Geſchmack der Natur und der Vernunft iſt, gerade den Kuͤnſteleyen und dem falſchen Witz der alten Ma - nier entgegengeſtellt. Indeſſen iſt dieſer Geſchmack, bey der Auswahl der ſchoͤnen Gemaͤlde der Natur, die mit Wahrheit und Simplicitaͤt zur Seele reden, bey den freyen, anmuthigen und edlen Scenen und Anordnungen, die er ſich eigen gemacht hat, nicht ganz von Eigenſinn und Ausſchweifung frey. Hier ſind nur einige Be - merkungen; andere wird man an andern Stellen finden.

Man koͤnnte faſt ſagen, daß in dem englaͤndiſchen Geſchmack das Natuͤrliche, ſo wie in den franzoͤſiſchen Gaͤrten das Kuͤnſtliche, uͤbertrieben wird. Die gar zu beſorgte Liebe des Natuͤrlichen wird nicht allein Verſchoͤnerungen der Kunſt, die noch immer zulaͤßig ſind, ſondern ſogar manchen Gegenſtaͤnden der Natur ſelbſt feindſelig. Man zieht wilde Staͤmme ſchoͤnen Fruchtbaͤumen, auslaͤndiſche Gewaͤchſe einhei - miſchem Baumwerk zu parteyiſch vor. Man ſucht alles zu ſehr in die Wildniß uͤbergehen zu laſſen, und die Gaͤrten ſind oft von gemeinen Feldern wenig unter - ſchieden.

Man verwirft aus eben dieſer gar zu aͤngſtlichen Nachahmung der Natur alles, was die nachhelfende Hand des Menſchen verrathen koͤnnte; man will nichts anders, als in einer gebogenen Linie ſehen, keine gerade Gaͤnge, Alleen, Blumenbeete, die bey der gehoͤrigen Anlage und Einſchraͤnkung doch nichts haben, das wider das Na - tuͤrliche ſtreitet.

Man uͤbertreibt dabey auf einer andern Seite wieder das Kuͤnſtliche. Alle Arten von Gebaͤuden alter und neuer Zeiten werden ohne Unterſchied in die brittiſchen Parks aufgenommen; und man erblickt nicht felten einen aͤgyptiſchen Obelisk, eine griechiſche Rotunde, ein roͤmiſches Grabmal, eine gothiſche Kirche, eine tuͤrki - ſche Moſchee und einen chineſiſchen Tempel, aus einem einzigen Geſichtspunkt. Man vergißt, bey der Vermengung ſo mancherley auslaͤndiſcher Bauarten, die Un - ſchicklichkeit und den Widerſpruch der Bewegungen, die dadurch in der Seele erregt werden. Man vergißt, daß Gebaͤude nicht blos zur Anfuͤllung eines Platzes, nicht blos zur Bezeichnung und Verſchoͤnerung der Proſpecte, welches in der That eine noch zu unerhebliche Beſtimmung ſeyn wuͤrde, dienen, daß ſie nicht bloße Gegenſtaͤn - de, ſondern Gegenſtaͤnde von einer Bedeutung und einem Charakter ſeyn ſollen, der mit dem Charakter des Landes und des Orts beſonders harmonirt.

Die143und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.

Die gar zu zaͤrtliche Anhaͤngigkeit an der neuen Manier hat noch eine ſehr ver - derbliche Wirkung: ſie verleitet zu Verwuͤſtungen. Indem ſie ganz nach ihrem Ei - genſinn alles in das Gleis der Natur zu bringen vorgiebt, zerſtoͤrt ſie nicht ſelten die Natur ſelbſt oder doch Anpflanzungen, welche die Natur mit Vergnuͤgen gedeihen ließ. Die Axt, klagt Chambers, hat oft in einem Tage den Wuchs einiger Jahrhunderte verheeret, und tauſend ehrwuͤrdige Pflanzen, ganze Waͤlder davon ſind weggehauen worden, um ſchlechtem Gras und wenigem amerikaniſchen Un - kraut Platz zu machen. Unſere Kuͤnſtler haben von Landsend an bis an den Twend kaum einen Acker Schatten, kaum drey Baͤume in einer Linie gelaſſen; und wenn ihre Verwuͤſtungslaune noch laͤnger zu raſen fortfaͤhrt, ſo wird im ganzen Koͤnigreich kein Waldbaum mehr ſtehen bleiben. Ohne Zweifel iſt dieſe Klage etwas uͤber - trieben. Aber gewiß bleibt es immer, daß die Ausbreitung des englaͤndiſchen Ge - ſchmacks hie und da, und beſonders in Frankreich, zu mancher blinden Verheerung ſchoͤner Anpflanzungen verfuͤhrt hat. Man hat ſelbſt angefangen, die Alleen in den Gaͤrten zu Verſailles niederzureißen, die doch, weil ſie einmal da waren, als Gaͤr - ten fuͤr oͤffentliche Spaziergaͤnge, als Muſter der ſymmetriſchen Gattung, haͤtten verſchonet werden ſollen. So wenig weiß man, wenn einmal die Nachahmungs - ſucht treibt, ſich auf dem rechten Punkt ſtillſtehend zu erhalten.

Man wird dieſe Vorwuͤrfe nicht beſchuldigen, daß ſie uͤbertrieben ſind. Ich verehre den Geiſt der Britten auch in ihren Parks; ich opfere den großen Verdien - ſten, die ſie um die Verbeſſerung der Gartenkunſt beſitzen; und ich bin nichts weniger als geneigt, den unmaͤßigen und ungegruͤndeten Tadel zu billigen, den einige par - teyiſche Verfechter der alten Manier ſich noch immer zu erlauben fortfahren. Es ſey mir indeſſen vergoͤnnt, mit einer Anmerkung zu ſchließen, die fuͤr meine Lands - leute gehoͤrt.

Dem Deutſchen iſt es nicht anſtaͤndig, in ſeinen Gaͤrten bloßer Nachahmer zu ſeyn, ihm, der andere Nationen in ſo mancher Wiſſenſchaft und Kunſt uͤbertrifft. Es iſt alſo ſehr weit von mir entfernt, blinde Nachahmung anzurathen, da er Geiſt und Erfindung genug hat, um ſich ſeinen eigenen Weg zu waͤhlen. Alles ohne ei - gene Pruͤfung, ohne eigene Ueberzeugung, daß es wahr und ſchoͤn ſey, nachmachen, weil man es bey andern ſieht, das iſt ſklaviſche Nachfolge. Aber von andern Na - tionen dieſes oder jenes aufnehmen, was man ſelbſt nach angeſtellter Ueberlegung fuͤr wahr und ſchoͤn erkennen und billigen muß, was man ſelbſt bey ſeinem Klima, bey ſeinen Landeinrichtungen, bey ſeinen Beduͤrfniſſen anwendbar findet, das iſt vernuͤnf - tiger Gebrauch der Kenntniſſe. Auf ſolche Weiſe laͤßt ſich in der Gartenkunſt auchmanches144Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten ꝛc. manches nuͤtzen, was wir bey andern Nationen vorfinden. Alſo nicht bloße Nach - ahmung ſo wenig des englaͤndiſchen, als des franzoͤſiſchen Gartengeſchmacks, ob - gleich, wenn es doch nicht ohne Nachahmung ſeyn koͤnnte, der erſte allein der Nach - ahmung werth waͤre. Es wird ſich in der Folge zwiſchen beyden Arten des herrſchen - den Geſchmacks ein Mittelweg ergeben, der, indem er die alte Manier verlaͤßt, ſich nicht ganz in die neue verliert, ſondern zwar zuweilen in ihren gebahnten Pfad ein - biegt, aber noch oͤfter ſeine eigene Richtung verfolgt.

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Dritter145

Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt, als ſchoͤne Kunſt betrachtet.

Schon lange waren Gaͤrten, ehe man an eine Gartenkunſt dachte; ſo wie man einige Jahrhunderte hindurch Gebaͤude hatte, ohne noch mit der ſchoͤnen Baukunſt bekannt zu ſeyn. Auch laͤßt es ſich nicht anders denken, als daß die Gaͤr - ten anfaͤnglich blos dem Nuͤtzlichen gewidmet geweſen; und dieſe ihre erſte Beſtimmung dauert noch in den Kuͤchengaͤrten und Fruchtgaͤrten fort. Aber da durch allmaͤhlige Ausſchmuͤckungen und Verfeinerungen, die neben dem Nuͤtzlichen eingefuͤhrt wurden, die Gaͤrten in das Gebiet des Schoͤnen uͤbergiengen, und dadurch zwiſchen einem ge - meinen Garten und zwiſchen einem Luſtgarten ein weſentlicher Unterſchied entſtand; ſo iſt nunmehr die Gartenkunſt theils den allgemeinen Regeln des guten Geſchmacks, und theils den beſondern unterworfen, die aus der Beſtimmung der Gaͤrten herge - leitet werden.

Ich muß hier zuvoͤrderſt durch eine Anmerkung, die man in dieſem ganzen Werke nicht aus dem Geſichte verlieren darf, einem Irrthum vorbeugen, den der Ausdruck Gartenkunſt leicht veranlaſſen koͤnnte. Man darf darunter kein Beſtreben verſtehen, ohne Ruͤckſicht auf die Anleitung der Natur zu verſchoͤnern, ſie uͤbertreffen zu wollen, ſie kuͤnſtlichen Formen und Anlagen zu unterwerfen, von ihr Wirkungen zu verlangen, die ſie nicht kennt, u. ſ. w. Kunſt bedeutet hier, dasjenige, was die Natur Angenehmes und Intereſſantes hat, auf eben die Art, durch eben die Mittel, deren ſie ſich bedient, vereinigen, und die Schoͤnheiten, die ſie in ihren Landſchaften verſtreuet, auf Einen Platz ſammlen zu wiſſen; ein neues Ganzes, dem weder Har - monie noch Einheit fehlt, hervorzubringen; durch Verbindung und Anordnung zu ſchaffen, und doch nicht von der Natur abzuweichen; durch Bepflanzung, durch Ausbildung, durch Stellung, durch Contraſt die Charaktere natuͤrlicher Gegenden zu verſtaͤrken und die Wirkungen zu vervielfaͤltigen; durch harmoniſche Vereinigung mit Gegenſtaͤnden, die der Kunſt gehoͤren, die Eindruͤcke der Natur zu erhoͤhen. Der Ausdruck Gartenkunſt iſt freylich nicht ganz bequem; allein die Ausdruͤcke Gar - tenbau, Gartenbaumeiſter koͤnnen noch weit eher zum Misverſtande verleiten.

Da wir uns in der Folge mit einer genauern Entwickelung der Grundſaͤtze dieſer Kunſt beſchaͤftigen werden, ſo bleiben wir hier blos noch bey der Betrachtung der Gar - tenkunſt ſtehen, in ſo fern ſie eine Stelle neben den uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten ein - nimmt.

I Band. TMit146Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,

Mit keiner von ihnen ſteht ſie in einer ſo nahen Verwandtſchaft, als mit der Malerey. Gleichwohl hat man, durch Vorurtheil verblendet, dieſe ſo genaue und natuͤrliche Verbindung lange verkennen koͤnnen, indem man die Baukunſt als ihre naͤchſte Verwandtinn unterſchob. Wenn es indeſſen, wie oben gezeiget worden, nicht die Baukunſt iſt, deren Geſetzen die Gartenkunſt unterworfen ſeyn kann; wenn beyde Kuͤnſte in ihrer Natur und Beſtimmung zu weit von einander entfernt liegen, als daß ſie ſich zur Befolgung einerley Regeln und Maximen vereinigen koͤnnten: ſo iſt unter allen uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten unſtreitig keine mehr mit der Gartenkunſt ver - wandt, als die Malerey, und beſonders die Landſchaftmalerey.

Zwar haben beyde ſowohl ihre beſtimmten Graͤnzlinien, wo ihre weſentliche Abweichung von einander anhebt, als auch ihre einzelne Stellen, wo die eine mit dem Vorzug einer groͤßern Leichtigkeit oder hoͤhern Kraft hervortritt, die andere einge - ſchraͤnkter zuruͤckſteht. So entgehen der Kunſt des Gaͤrtners die Schoͤnheiten der Woͤlken und des Regenbogens, die lieblichen Erſcheinungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne, die Wirkungen des Lichts zwiſchen Felſen und Bergen, die Anmuth zufaͤlliger Beleuchtungen und Verdunkelungen, der ſanfte Reiz duftiger Ent - fernungen, u. ſ. w. die er nicht, wie der Maler, zur Darſtellung anhalten kann, die er blos als Geſchenke der freygebigen Natur zur Verſchoͤnerung ſeines Werks abwar - ten muß. Handlungen ſind das Eigenthum des Malers, nicht des Gartenkuͤnſt - lers. So viel Kraft jener ſeinen Werken durch die Schilderung intereſſanter Hand - lungen einpraͤgen kann, ſo viel geht fuͤr dieſen verloren. In der Malerey ſcheint die Landſchaft nur wegen der darin vorgeſtellten Handlung da zu ſeyn; in der Gartenkunſt iſt die Landſchaft ohne Handlung und blos ihrer ſelbſt wegen da. Um ihr mehr Leben und Intereſſe mitzutheilen, ſchlaͤgt Watelet vor, bey Tempeln, Altaͤren, Triumph - boͤgen Pantomimen erſcheinen zu laſſen, die, nach dem Coſtume gekleidet, Ceremonien nachahmten, opferten, tanzten. Wenn dieſe Idee vielleicht zu ſpitzfindig und von der Beſtimmung eines Gartens zu entfernt ſcheint; ſo moͤchte dagegen die Anſtellung arkadiſcher Beſchaͤftigungen und Feſte mehr gartenmaͤßig ſeyn. Allein ſolche Auf - tritte von Handlungen, ſo ſehr ſie auch beleben, laſſen ſich doch nur zu gewiſſen Zeiten hervorbringen; ſie ſind zufaͤllige Erſcheinungen, nicht ein beſtaͤndiges Zugehoͤr. Die Leinwand nimmt willig alle Arten von Zuſammenſetzungen an, die nur immer die Phantaſie des Malers entwerfen mag. Der Gartenkuͤnſtler iſt oft durch die Wider - ſpenſtigkeit des Bodens, den Eigenſinn der Lagen und Formen in der Gegend, worin er bauet, eingeſchraͤnkt. Er kann nicht uͤberall bezwingen. Er kann nicht mit der Freyheit, nicht mit der Leichtigkeit eines Landſchaftmalers ſchaffen. Er muß oft der Natur blos nachgehen, und ſich von ihren eigenen Bildungen leiten laſſen.

Aber147als ſchoͤne Kunſt betrachtet.

Aber an mehr als an einem Platz kommen doch der Landſchaftmaler und der Gartenkuͤnſtler wieder zuſammen. Beyden enthuͤllt die Natur in ihren Landſchaften eine unendliche Mannigfaltigkeit von Lagen, Gegenſtaͤnden und Charakteren; beyde ſollen zuvoͤrderſt beobachten und auswaͤhlen.

Alle große Landſchaftmaler hielten das Studium der ſchoͤnen Natur fuͤr ihre erſte Pflicht. Lucas von Uden eilte ins Feld, der Morgenroͤthe entgegen, um die ge - ſchwinden Abwechſelungen beym Anbruch des Tages zu beobachten. Claude Gille’e brachte oft ganze Tage und Naͤchte auf dem Lande zu, immer aufmerkſam auf die verſchiedenen Erſcheinungen der Natur, beym Aufgang und Untergang der Sonne, bey Regen und Gewittern; er zeichnete nur im freyen Felde, und dann eilte er zuruͤck, um das Merkwuͤrdigſte in einem Gemaͤlde auszufuͤhren. Kaum hatte das Morgen - licht die Gegenden ſichtbar gemacht, ſo war Bernhard Graat ſchon auf dem Felde, oder im Walde, oder an den Baͤchen, um ſeinem betrachtenden Geiſt die Natur mit ihren Reizungen einzupraͤgen; und ſo bald er zuruͤckgekehrt war, ſchilderte er ſie auf der Leinwand ab. Mit eben dem Geiſt der Beobachtung beſtiegen Peter Breugel und Felix Meyer, jener die Berge von Tyrol, dieſer die Alpen, um die ſchoͤnſten Waſſerfaͤlle, die Hoͤhe und Rauhigkeit der Gebirge, die in den Wolken verborgenen Gipfel, die Umhuͤllungen des Nebels, der Natur abzulauren. Beym Jagen und Fiſchen ſchaueten Metelli und Bianchi auf die mannigfaltigen Auftritte der Natur, fuͤr welche ſie ihr Zeichnungsbuch beſtaͤndig bey ſich trugen. Um mehr Gelegenheit zu haben, die Natur in ihren Bildungen zu belauſchen, miethete Pouſſin vier Woh - nungen auf einmal, zwo in den hoͤchſten Gegenden von Rom, die dritte zu Tivoli, die vierte zu Fraſcati. Auf dem angenehmen Schloſſe Bentheim in der Nachbar - ſchaft von Haag, wo Berghem einen Theil ſeines Lebens zubrachte, unterrichtete er ſich in dem Reiz perſpectiviſcher Ausſichten und arkadiſcher Viehtriften. Kurz, alle beruͤhmte Landſchaftmaler ſtudirten ſorgfaͤltig die Natur, die ſie nachahmen ſoll - ten. Sie malten nur, wenn ſie mit Empfindung geſehen und mit Ueberlegung beob - achtet hatten; und man konnte erwarten, daß ſie gluͤcklich malten.

Nicht weniger ſoll der Gartenkuͤnſtler zuerſt ſein Auge und ſeinen Geiſt in dem Schoͤnen der Natur unterrichten. Es iſt ganz etwas anders, die Scenen der Land - ſchaft mit ſinnlichem Wohlgefallen anſehen, ganz etwas anders, ſie mit kritiſchem Auge betrachten. Der Gartenkuͤnſtler, der gluͤcklich arbeiten will, muß einen Reich - thum von laͤndlichen Ideen beſitzen; und dieſe erlangt er nur durch eine genaue und anhaltende Beobachtung der Natur. Er muß nicht blos eine ausgebreitete Kennt - niß der verſchiedenen Lagen, Gegenſtaͤnde und Charaktere in der Landſchaft haben, ſondern auch mit allen den Wirkungen vertraut ſeyn, welche dieſe Lagen, GegenſtaͤndeT 2und148Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,und Charaktere ſowohl einzeln, als auch in den unendlich mannigfaltigen Zuſammen - ſetzungen, worin ſie geordnet werden koͤnnen, auf die menſchliche Seele haben. Dies iſt das wahre Studium der Natur, ein Studium, das nicht das Werk einiger Tage, ſondern mehrerer Jahre iſt; das nicht in einigen duͤrftigen und gleichfoͤrmigen Gegen - den, ſondern in den heiterſten, mit Mannigfaltigkeit und Contraſt bereicherten Land - ſchaften, vollendet wird. Es erfordert ein ſcharfes und feines Auge, eine ſchnelle Empfindungskraft, einen Geiſt, der ein wohlgeordnetes Ganzes in allen ſeinen Thei - len leicht zu faſſen faͤhig iſt. Die Geſellſchaft eines Landſchaftmalers, indem er mit den angegebenen Talenten nach den ſchoͤnſten Ausſichten zeichnet, iſt fuͤr den jungen Gartenkuͤnſtler ſehr lehrreich. Nicht genug kann man dieſen auf die ſorgfaͤltige Beobachtung der Natur hinweiſen. Wie will er Erhoͤhung und Vertiefung einrich - ten, Pflanzen, Stauden und Baͤume anordnen, Waſſer vertheilen und leiten, Wild - niſſe bearbeiten, wenn er nicht mit den Kraͤften und Wirkungen dieſer Gegenſtaͤnde, ſie moͤgen einzeln oder zuſammengeſetzt ſeyn, genau bekannt iſt? Nur in den ſymme - triſchen Gaͤrten der Architekten moͤchte die Aufmerkſamkeit auf die ſchoͤne Natur ent - behrlich ſeyn; man fand es wenigſtens fuͤr gut, faſt ganz daruͤber hinwegzuſehen. Verlangt man Gaͤrten, die wegen der verſchoͤnerten Natur, welche ſie darſtellen, dieſen Namen verdienen; ſo muß der Kuͤnſtler, ehe er ſich ans Werk wagt, mit dem Auge des Landſchafters viel beobachtet, viel ſeine Phantaſie mit laͤndlichen Bildern bereichert haben. Ohne dieſe Vortheile wird er oft verlegen, oder doch duͤrftig ſeyn; er wird ungluͤckliche Copien von einer Nachahmung machen, wo er eine ſchoͤne Nach - ahmung ſelbſt machen koͤnnte; und bey einer jeden neuen Arbeit wird ſein immer mehr entartetes Werk ſeinen erſchoͤpften Geiſt ankuͤndigen. Kent erzaͤhlte oft, daß er ſei - nen Geſchmack in der Anlage der Gaͤrten dem fleißigen Leſen der maleriſchen Beſchrei - bungen des Spenſer zu danken habe. Wie viel leichter und lebhafter muß nicht die malende Natur ſelbſt unterrichten.

Der Beobachtung folgt die Auswahl fuͤr den Maler ſowohl als fuͤr den Gar - tenkuͤnſtler.

Naturam pinxiſſe parum eſt, niſi picta venuſte Rideat et laetos oſtendat ſplendida vultus. marsy.

Alles, wie es das Auge vorfindet, nachſchildern, waͤre ſo viel, als nicht beobachtet haben. Der vollkommene Landſchafter erhebt ſich uͤber den bloßen Copiiſten der Na - tur; er arbeitet als Kuͤnſtler, als ein Mann von Ueberlegung und Geſchmack. Er malt daher nur die gewaͤhlte Natur. Er ſondert das Gemeine, das Unbedeutende,das149als ſchoͤne Kunſt betrachtet. das die Natur bey dem hoͤhern, mehr auf Vollkommenheit als Schoͤnheit gerichteten Plan ihrer Anordnungen liegen laſſen konnte, bey den Vorwuͤrfen ab, womit er ſich beſchaͤftigt. Er ſucht die ſchoͤnſten, anmuthigſten, pikanteſten Theile aus den wei - ten Maſſen der Landſchaft hervor, um daraus ein neues Ganzes zu bilden, das nicht mehr die gewoͤhnliche Natur iſt, ohne deswegen aufzuhoͤren, natuͤrlich zu ſeyn. Er verbeſſert Anlagen und Gegenſtaͤnde, ohne ihren Charakter umzuſchaffen; veraͤndert ſie, ohne ſie unkenntlich zu machen. Er erweitert und verengt, ſetzt hinzu und wirft weg, ohne in Entſtellung oder Disharmonie zu fallen. Sein Werk iſt vollendet, und eine neue Natur liegt dem Auge enthuͤllt; alles iſt Wahrheit, und doch iſt das Urbild nirgends ganz anzutreffen; alles ſtellt eine ſchoͤnere Schoͤpfung dar, ſo ſehr hat Beobachtung und Genie die einzelnen Theile aufgeſucht und gewaͤhlt. So auch und nicht minder der Gartenkuͤnſtler.

Die Compoſition giebt einen neuen Standpunkt an, wo er neben dem Land - ſchaftmaler hintritt. Sie verſtattet zuvoͤrderſt beyden eine vollkommene Freyheit in ihren Zuſammenſetzungen, in der Ausdehnung der Flaͤchen und Fernen, in der Mi - ſchung und Bildung der Baͤume, der Raſen, des Waſſers, in der Bepflanzung und Verzierung, in offenen oder eingeſchraͤnkten, huͤgelichen oder ebenen, heitern oder oͤden Lagen der unendlichen Mannigfaltigkeit zu folgen, wodurch die Natur mit einer unerſchoͤpflichen Kunſt Ergoͤtzung wirkt. Aber ſie verlangt auch von beyden eine gleiche Fertigkeit, die Verhaͤltniſſe wahrzunehmen, die Lagen und Gegenſtaͤnde mit ihren Beziehungen und Entgegenſtellungen, mit ihren allmaͤhligen Fortſchreitun - gen und Abweichungen zu beſtimmen; Kenntniß der Geſetze der Perſpectiv, um die Vorwuͤrfe ſo zu ordnen, daß ſie ſowohl durch Geſtalt als Farbe in verhaͤltnißmaͤßigen Erſcheinungen eine vortheilhafte Wirkung auf das Auge thun; eine weiſe Anordnung, die ſowohl der Ermuͤdung als der Zerſtreuung des Auges vorbeugt, die es ſtufenweiſe zu den ſchoͤnſten Partien leitet, unterdeſſen daß es hier durch eine Verſperrung von Huͤgeln, Gehoͤlz oder Gebaͤuden vor dem Ausſchweifen in leere unbefriedigende Aus - ſichten oder vor der Verwirrung fremder Gegenſtaͤnde bewahret wird, dort an unbe - pflanzten Plaͤtzen von dem Genuß ausruhet; endlich Zuſammenſtimmung aller Theile zu einem harmoniſchen Ganzen, bey aller Mannigfaltigkeit, bey allen Ungleichheiten und Zufaͤlligkeiten.

Die Zuſammenſetzung laͤndlicher Vorwuͤrfe reizt nie mehr, als wenn ſie zu - gleich durch Bewegung belebt wird. Zum Theil gewinnt der Landſchafter ſowohl als der Gartenkuͤnſtler dieſe Wirkung durch die Wellenlinie, die beyde der Natur ab - lernen ſollten. Wenn man gleich vielleicht Grund gehabt, die Hogarthſche Schoͤn - heitslinie nicht als einen allgemeinen Grundſatz in der Malerey gelten zu laſſen; ſo iſtT 3es150Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,es doch außer Zweifel, daß der Landſchafter, in ſo fern er Gegenſtaͤnde der natuͤrlichen Landſchaft ſchildert, dieſe Regel der Schoͤnheit nicht aus der Acht laſſen darf. Sie liegt ihm in den Formen und Umriſſen der Landſchaft zu hell vor Augen, als daß er ſie verkennen koͤnnte; ſie wird alſo von der Natur gelehrt. Sie iſt der Beweglich - keit eigen, ſo wie die gerade Linie der Unbeweglichkeit zugehoͤrt. Sie iſt endlich von einer Wirkung, die der Gartenkuͤnſtler ſo wenig, als der Landſchaftmaler, verlieren darf. Allein auch durch andere mehr in die Augen fallende Mittel ertheilt der Landſchafter ſeinen Werken den Schein der Bewegung und des Lebens, durch die Ausſtaffirung mit Figuren, mit Viehtriften, mit Brunnen, Gebaͤuden und Rui - nen; durch alles, was die Gegenwart des Menſchen ankuͤndigt, oder zu errathen giebt; durch die Wirkung des Windes in Baͤumen und Gewaͤſſern, durch ſchaͤumen - de Waſſerfaͤlle. Faſt durch eben dieſe Mittel kann der Gartenkuͤnſtler Bewegung, die Seele der Natur, in ſein Werk bringen, mit dem wichtigen Vorzug, daß alles bey ihm zur Wirklichkeit uͤbergeht. Einige dieſer Mittel, den Garten zu beleben, liegen mehr in der Natur, andere mehr in der Kunſt. Die Bewegung des Laubes, ſo wie die Bewegung der Wolken, die der Gartenkuͤnſtler allein dem Eigenſinn der Natur uͤberlaſſen muß, iſt zufaͤllig, und trifft nicht immer in dem Augenblicke ein, wo ſie bey Mitwirkung anderer Gegenſtaͤnde eine lebhaftere oder verſtaͤrkte Empfin - dung hervorbringen koͤnnte. Mehr aber iſt in ſeiner Gewalt die Bewegung des Waſſers, mit den mannigfaltigen Modificationen, deren ſie faͤhig iſt.

Endlich vereinigen ſich die Landſchaftmalerey und die Gartenkunſt beym Colo - rit. Nicht durch das Einfaͤrbige und Matte zu ermuͤden, ſondern durch das Man - nigfaltige und Lebhafte zu erfriſchen, iſt das erſte Geſetz der ſchoͤnen Natur. Wenn einerley Gruͤn in einem Landſchaftſtuͤck oder in einem Garten herrſcht, wie in den Ge - maͤlden des Bourdoe, wie in den alten Thierparks oder in den heutigen Gaͤrten der Tuͤrken, oder ſelbſt in den Gaͤrten zu Verſailles; ſo giebt eine ſolche Einfaͤrbigkeit ein trauriges Anſehen, und bewoͤlkt die Seele bald mit Ueberdruß. Die Gegenſtaͤn - de der Natur zeigen niemals einen groͤßern Reichthum und mehr Abwechſelung der Farben, als im Fruͤhling und Sommer. Sogar in kleinen Strichen der Landſchaft iſt das Gruͤn durch unendliche Schattirungen vervielfaͤltigt. Dies iſt das Mittel, wodurch die Natur das Auge ſo gefaͤllig reizt, ſo unterhaltend ergoͤtzt. Sie winkt dem Landſchafter und dem Gartenkuͤnſtler, auf ihre Vorbildungen aufmerkſam zu ſeyn. Allein, ſo wenig beyde das nachahmen ſollen, was das Ungefaͤhr vorſtellt, ſo wenig duͤrfen ſie auch alle Farben ohne Unterſchied nachbilden, die ſich ihnen darbieten; ſie muͤſſen nur ſolche waͤhlen, die ihren Abſichten gemaͤß, ſowohl fuͤr das Ganze, als auch in jedem einzelnen Theil, von der vortheilhafteſten Wirkung ſind. Das Mun -tere151als ſchoͤne Kunſt betrachtet. tere und Heitere muß die Hauptfarbe ſeyn; einzelne Partien aber, z. B. Grotten und Ruinen, koͤnnen Baͤume und Buſchwerk von einer dunklern Farbe erfordern. Au - ßer der Abwechſelung, die ſich ſchon in jeder Gattung von Baͤumen findet, zeigt ſich bey ihnen noch eine große Verſchiedenheit, die ſich durch die mannigfaltigen Richtun - gen der Zweige, durch die ſtaͤrkere oder geringere Belaubung, durch die Dichtigkeit oder Duͤnnigkeit der Blaͤtter, durch das Gruͤne, Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche des Laubes, und die tauſendfachen Schattirungen deſſelben aͤußert. Nicht weniger ſind in allen Geſchlechtern der Pflanzen dieſe Abaͤnderungen und Miſchungen der Far - ben ſichtbar. Die Anordnung der Baͤume und Pflanzen nach der Zuſammenſtim - mung oder Abweichung ihrer Farben iſt in der Macht des Gartenkuͤnſtlers. Er kann durch ihre Anpflanzung und Verbindung eine ſo vollkommene Malerey, wie nur irgend der Landſchafter, fuͤr das Auge hervorbringen; eine Malerey, die in ihrer Wirkung ſchneller und bezaubernder, wenn gleich weniger beſtaͤndig iſt. Er kann durch die ſanfteſten Gradationen von Verminderung und Erhoͤhung, von Schatten und Licht, durch die pikanteſten Miſchungen und Verſchmelzungen der Farben, der ſchoͤpferiſchen Natur Gemaͤlde vorzeigen, die ſie ſelbſt vielleicht nur hie und da in einer gluͤcklichen Laune bildete. Und er ſoll hier, was er kann. Wenn ſich der Boden ſeinen Arbeiten nicht widerſpenſtig bezeigt, ſo findet er faſt mehr Leichtigkeit, als der Landſchaftmaler; die Farben werden ihm ſchon mit den Gegenſtaͤnden uͤberliefert, er darf nur auswaͤhlen und zuſammenfuͤgen. Weil aber durch die immer fortſchreiten - den Veraͤnderungen im Pflanzenreich auch ſeine Farben der Veraͤnderung unterworfen ſind; ſo hat er viel Ueberlegung anzuwenden, um die Schoͤnheit und Harmonie in ſeinen Malereyen wenigſtens fuͤr einige Monate zu erhalten. Er muß alſo nicht blos wahrnehmen, was jetzt iſt, ſondern auch vorherſehen, was in einem laͤngern oder kuͤr - zern Zeitraum der angenehmen Jahreszeit, fuͤr den er beſchaͤftigt iſt, ſich ereignen wird. Was wuͤrde einnehmender ſeyn, als wenn die Tinten des Gruͤns, wel - ches verſchiedene Baͤume uns geben, auf eine verſtaͤndige Weiſe ſo verbunden wuͤrden, daß das Helldunkele dabey eben ſo genau beobachtet waͤre, eben ſo bezauberte, als in einem ſchoͤnen Gemaͤlde? Der Gartenkuͤnſtler ſollte ein vortrefflicher Maler, oder we - nigſtens vorzuͤglich mit dem Theil der Malerey vertraut ſeyn, der in der Kenntniß der Sympathie der verſchiedenen Farben und des verſchiedenen Tons einer jeden beſteht; alsdann wuͤrde er das Gruͤn mit einander auf eine Art verbinden, die uns ein außer - ordentliches Vergnuͤgen empfinden ließe. Dies iſt das Urtheil eines angeſehenen Architekturlehrers,*)Eſſai ſur l’Architecture (par M. Laugier) 8. Paris 1753. S. 287. der in ſeinen Digreſſionen zur Gartenkunſt verſtaͤndig genug war, ſie nach ihren eigenen Grundſaͤtzen zu richten, und ihre naͤhere Verwandtſchaft mit der Malerey anzuerkennen.

Auch152Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,

Auch nicht immer ſind Malerey und Gartenkunſt ſo getrennt geweſen, daß nicht ſchon zuweilen beruͤhmte Maler mit gluͤcklichem Erfolg Gaͤrten angelegt haͤtten. Domenichino bauete nicht allein fuͤr den Cardinal Aldobrandini ſeine Ville zu Fraſcati, ſondern er ordnete auch die Spaziergaͤnge, die Brunnen, die Ausſichten im Garten auf eine maleriſche Art mit vielem Geſchmack an. Auf eine aͤhnliche Art beſchaͤftigte ſich Peter von Cortona fuͤr den Cardinal Sachetti. Viele angeneh - me Gaͤrten um Florenz und Mantua ſind von Malern in einem ſo guten Geſchmack angelegt, als es ihre Zeiten, wo die Gartenkunſt noch wenig ausgebildet war, nur immer erlaubten. Man trifft darin das Maleriſche und Laͤndlichreizende mehr an, als in vielen andern Gaͤrten. Und vielleicht wuͤrden Gartengebaͤude und Luſthaͤuſer, deren Hauptcharakter Simplicitaͤt und Anmuth iſt, gluͤcklicher von Malern angelegt werden, oder von Architekten, die mit ihrer Kunſt die Talente des Landſchaftmalers vereinigten.

Nach dieſen Vergleichungen beyder Kuͤnſte wird man dennoch leicht wahrneh - men, daß im Grunde die Gartenkunſt die Landſchaftmalerey ſo weit uͤbertrifft, als die Natur die Copie. Keine der nachahmenden Kuͤnſte iſt in die Natur ſelbſt mehr verwebt, oder gleichſam mehr Natur, als die Kunſt der Gaͤrten. Alles geht hier in eine wirkliche Darſtellung uͤber. Die Beweglichkeit der Gegenſtaͤnde wird nicht als blos angedeutet wahrgenommen, ſondern als wirklich empfunden. Das Waſſer, das im Landſchaftgemaͤlde nur durch den Widerſchein lebendig wird, giebt durch ſein Anſehen und Geraͤuſch den Genuß ſeiner Gegenwart. Die Farben gluͤhen oder ſchimmern dem Auge mit einem Glanz, mit einer Heiterkeit, mit einer Waͤrme entgegen, wel - che die Zaubermacht der Titiane vergebens zu erreichen ſtrebt. Die allmaͤhlige Dar - ſtellung der Gartenſcenen giebt einen weit laͤngern, unterhaltendern Genuß, als das ſchoͤnſte und ausfuͤhrlichſte Landſchaftgemaͤlde, welches das Auge bald umfaßt; fort - ſchreitende Bewegungen ſind mehr die Wirkung der Gaͤrten, als der Malerey. Au - ßer allem dieſem gewinnt der Gartenkuͤnſtler unendlich durch die Ausdehnung, da hin - gegen auf der Leinwand nicht fuͤr jede Art der Abwechſelung Raum iſt, und die klei - nern Schattirungen, die oft von der anmuthigſten Wirkung ſind, nicht ausgedruͤckt werden koͤnnen. Vieles, das in der Natur ſchoͤn iſt, verliert in der Nachahmung, ſelbſt unter den Haͤnden des verſtaͤndigſten und aufmerkſamſten Landſchafters. Vie - les, das er in einen engen Bezirk bringen muß, verirrt ſich leicht in einen unordentli - chen Haufen, ſelbſt bey allem Fleiß, die Regeln der Perſpectiv zu beobachten. End - lich bleibt die Zuſammenſetzung des Landſchaftgemaͤldes immer dieſelbe, man mag ſie von einer Seite betrachten, von welcher man will; der Kuͤnſtler kann ſo wenig, als der Beobachter, die Anordnung aͤndern, die einmal gemacht iſt; die Wirkung derAnord -153als ſchoͤne Kunſt betrachtet. Anordnung iſt daher auch eben ſo unveraͤnderlich. Allein der Gartenkuͤnſtler kann ſeine Zuſammenſetzung durch die Geſichtspunkte, aus welchen er ſie betrachten laͤßt, gleichſam vervielfaͤltigen. Er kann durch die Richtung der Gaͤnge mehr Stand - punkte vorzeichnen, wo der Beobachter ſtille ſtehen, wo er ſeine Anordnung von einer neuen Seite wahrnehmen ſoll. Er kann alſo durch die Abwechſelung und Mannig - faltigkeit der Anſichten, die er nach ſeinen Abſichten beſtimmt, eine Reihe von Be - wegungen hervorbringen, die ſich durch ihre eigene Kraft unter einander heben und der Seele einen Genuß gewaͤhren, den ſie ſelbſt von den Meiſterwerken eines Sach - leven oder Elzheimers vergebens erwartet.

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I Band. UVierter154Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung

Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung und Wuͤrde der Gaͤrten.

Gaͤrten ſind die Plaͤtze, auf welchen der Menſch alle Vortheile des Landlebens, alle Annehmlichkeiten der Jahreszeiten mit Bequemlichkeit, mit Ruhe genie - ßen kann. So viel Vortheile und Ergoͤtzungen die Natur ihrem empfindſamen Freunde aufbewahret, ſo viel kann er in dem Umfang eines ausgebreiteten, wohl an - gelegten Gartens finden. Ja, dieſe Vortheile und Ergoͤtzungen erhoͤhen und ver - vielfaͤltigen ſich hier in eben dem Grade, in welchem Vernunft und Geſchmack bemuͤ - het ſind, einen Garten durch die Reize der Cultur uͤber eine ſich ſelbſt uͤberlaſſene Ge - gend zu erheben.

Wer kennt nicht dieſe von den Dichtern aller Jahrhunderte beſungenen, von den Philoſophen oft geprieſenen, oft ſich ſelbſt gewuͤnſchten Freuden, dieſe von dem zum Genuß ſeines Daſeyns noch nicht verſtimmten Menſchen ſo gern empfundenen Freuden des Landes? Freuden, die ſelbſt Bacon fuͤr die reinſten aller menſchlichen Ergoͤtzungen hielt; die Addiſon ſo wuͤrdig fand, daß er den Geſchmack an ihnen fuͤr eine tugendhafte Gewohnheit des Gemuͤths erklaͤrte. Man wuͤrde beſchreiben, was mehr empfunden werden kann, empfehlen wollen, was jeder gerne liebt, wenn man es wagte, noch einmal von ihnen ein ausfuͤhrliches Gemaͤlde aufzuſtellen. Von die - ſem ſuͤßen Genuß der Freyheit, der Ausſichten, der Spaziergaͤnge, der Luft, der Kuͤhlung, des Wohlgeruchs mit ihren Vortheilen fuͤr den Geiſt und fuͤr die Geſund - heit; von dieſen frohen Umherirrungen und Zerſtreuungen, dieſen Beluſtigungen aller Sinne, dieſer ruhigen Behagung des Herzens an den laͤndlichen Scenen der Natur, dieſem angenehmen Vergeſſen aller Sorgen und Unruhen der Welt, dieſen ſtillen Betrachtungen des Geiſtes zu ſeinem und aller Weſen Urheber hinauf; von dieſem zaubervollen Dahinſchwaͤrmen der Phantaſie uͤber Schoͤnheit, Groͤße, Man - nigfaltigkeit, uͤber Leben, Bewegung und Wonne der Schoͤpfung und alles dieſes mit einer unverſtellten Wahrheit der Empfindung, mit einer Unſchuld, worauf ſelbſt der Vater der Natur mit Wohlgefallen herablaͤchelt. In der That iſt ein Garten nicht blos beſtimmt, ein Aufenthalt des Vergnuͤgens zu ſeyn, obgleich die Gartenkunſt zuerſt von dieſem Vergnuͤgen ausgeht. Er ſoll die Wohnung der Er - quickung nach dem Kummer, der Ruhe aller Leidenſchaften, der Erholung von der Muͤhe, der heiterſten Beſchaͤftigung des Menſchen ſeyn. Er ſoll die Lieblingsſcene der Betrachtung der Natur ſeyn, der Zufluchtsort der Philoſophie, der Tempel der Anbetung der hoͤchſten Weisheit.

Die155und Wuͤrde der Gaͤrten.

Die allgemeine Beſtimmung der Gaͤrten iſt uͤberhaupt in den Kraͤften der ſchoͤnen Scenen der laͤndlichen Natur gegruͤndet. Der Garten ſoll vermittelſt der Kraͤſte ſeiner Gegenſtaͤnde recht fuͤhlbare Eindruͤcke auf die Sinne und die Einbildungs - kraft machen, und dadurch eine Reihe lebhafter angenehmer Empfindungen erregen.

Wenn der Eindruck des Angenehmen als die Hauptempfindung, fuͤr welche die Gartenkunſt beſchaͤftigt iſt, hier angenommen wird, ſo iſt damit nicht geſagt, daß er nicht durch verwandte Gattungen eine gewiſſe Miſchung, Milderung oder gar merk - liche Abaͤnderung vertragen ſollte. So wie uͤberhaupt einerley Art der Empfindung ermuͤdet, wenn ſie, ſich immer gleich, fortdauert; ſo entſchlummern wir ſelbſt in dem Genuß der ſuͤßeſten Wolluſt, die uns zu lange bezaubert. Die Abwechſelung oder der allmaͤhlige Zufluß anderer Eindruͤcke von einer aͤhnlichen oder verwandten Art er - halten die Empfindung in ihrem wahren Leben und in ihrer Schmackhaftigkeit. Die Modificationen unſerer Empfindung, die von den Einwirkungen der aͤußerlichen Dinge abhaͤngen, ſcheinen ſelbſt der Seele ſo unentbehrlich, daß ihre Abweſenheit eine zu be - klagende Einſchraͤnkung unſerer Natur ſeyn wuͤrde. Es wird alſo die Erregung an - genehmer Empfindungen die allgemeine Beſtimmung der Gartenkunſt ſeyn; aber dieſe kann die Empfindungen hinzufuͤgen, die einſiedleriſche, melancholiſche, finſtere, ro - mantiſche, feyerliche und andere Gegenden erwecken. Es iſt der Beruf der Garten - kunſt, durch eine harmoniſche Folge verſchiedener Bewegungen, durch die Bewegun - gen des Großen, des Mannigfaltigen, des Neuen, des Schoͤnen, des Wilden, des Melancholiſchen u. ſ. w. zu ergoͤtzen.

Die Gegenſtaͤnde der Gaͤrten ſind zunaͤchſt keine andere, als Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen laͤndlichen Natur ſelbſt. Der Gartenkuͤnſtler muß daher zuvoͤrderſt ſolche Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen Natur ſammeln und auswaͤhlen, die eine vorzuͤgliche Einwir - kung auf das Empfindungsvermoͤgen und die Einbildungskraft haben; er muß dieſen Gegenſtaͤnden eine ſolche Ausbildung geben, und ſie in eine ſolche Verbindung und Anordnung bringen, daß dadurch ihr Eindruck verſtaͤrkt werde. Dadurch veraͤndert ein Platz die Natur einer blos ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Gegend, und faͤngt ſchon an, in einen Garten uͤberzugehen. Dies iſt das erſte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt.

Weil aber der Garten, als ein Werk des Fleißes und des Genies, die Phan - taſie und die Empfindung ſtaͤrker bewegen ſoll, als eine blos natuͤrliche Gegend; ſo ſoll der Kuͤnſtler den Eindruck der Gegenſtaͤnde der Natur, die er mit Ueberlegung und Geſchmack geſammelt, ausgebildet und mit einander verbunden hat, dadurch zu heben ſuchen, daß er uͤbereinſtimmende Gegenſtaͤnde der Kunſt darunter miſche und mit dem Ganzen verknuͤpfe. Dies iſt das zweyte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt.

Beyde Hauptgeſetze entſpringen, wie zwey Baͤche, aus einer einzigen Quelle, und laufen neben einander fort. Dieſe Quelle iſt der Grundſatz: Bewege durch denU 2Garten156Vierter Abſchnitt. Von der BeſtimmungGarten ſtark die Einbildungskraft und die Empfindung, ſtaͤrker als eine blos natuͤrlich ſchoͤne Gegend bewegen kann. Rufe daher natuͤrliche Schoͤnheit der Landſchaft herbey; rufe aber auch die Kunſt, damit ſie jene durch ihre Einwirkung mehr erhoͤhe.

So viel verſchiedene Gattungen von Gaͤrten es giebt, ſo viel beſondere Beſtim - mungen laſſen ſich gedenken, die eine Quelle der Regeln fuͤr ihre Einrichtung werden. Man kann bey Gartenanlagen mannigfaltige Abſichten haben, mehrere von ihnen ver - binden; aber uͤberall muß doch Bildung im Geſchmack der Natur herrſchen, uͤberall Plan zur Ergoͤtzung und Unterhaltung des Menſchen ſeyn.

Dieſe hoͤhere Beſtimmung der Gaͤrten erweitert und veredelt den Geſichtspunkt, aus welchem ſie betrachtet werden koͤnnen, erhebt ſie in die Claſſe wuͤrdiger Kunſtwerke und unterwirft ſie daher den Regeln des Geſchmacks und der Schoͤnheit, denen ſie nicht unterworfen waren, ſo lange ſie unter den Haͤnden gemeiner Gaͤrtner blieben.

Es erhellet leicht bey dem erſten Anblick dieſer Wendung, daß Gaͤrten, die die - ſen Namen verdienen ſollen, der Mode und dem bloßen Willkuͤhr entriſſen werden. Es iſt nicht mehr die Frage, was ſie geweſen ſind oder noch ſind, ſondern was ſie ſeyn muͤſſen, wenn ſie ganz die gluͤckliche Wirkung thun ſollen, deren ſie bey einer verſtaͤn - digen Anlage faͤhig ſind. Man ſpiele mit den kleinen Kunſtgaͤrten in Staͤdten und Vorſtaͤdten, ſo lange man will. Aber Gaͤrten in der wahren Bedeutung erheben ſich uͤber blinden Einfall und phantaſtiſche Kuͤnſteley, und folgen nur dem Zuruf der Vernunft und des Geſchmacks.

In dieſer Richtung wird die Gartenkunſt Philoſophie uͤber die mannigfaltigen Gegenſtaͤnde der Natur, ihre Kraͤfte und Einwirkungen auf den Menſchen, uͤber die Verſtaͤrkung der Eindruͤcke, die er davon empfangen ſoll; nicht bloße Beluſtigung des aͤußern Sinnes, ſondern innere wahre Aufheiterung der Seele, Bereicherung der Phantaſie, Verfeinerung der Gefuͤhle; Erweiterung des Bezirks fuͤr Geſchmack und Kunſt; Beſchaͤftigung des menſchlichen Schoͤpfungsgeiſtes auf einem Platze, worauf er noch wenig wirkſam war; Veredelung der Werke der Natur und Verſchoͤnerung einer Erde, die auf eine Zeit unſere Wohnung iſt. Wenigſtens reicht ſo weit ihr Umfang, ſo weit die hohe Beſtimmung, wornach ſie ſtreben ſoll.

In gewiſſer Abſicht kann die Gartenkunſt ſich mit Recht eines merklichen Vor - zugs vor den uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſten ruͤhmen. Sie iſt Kunſt, und doch iſt keine ihrer Geſchwiſter gleichſam mehr in die Natur ſelbſt eingeflochten, als eben ſie. Sie giebt das mannigfaltige und große Vergnuͤgen laͤndlicher Scenen ganz, was die Land - ſchaftmalerey nur theilweiſe gewaͤhrt; ſie giebt es auf einmal, was die ſchildernde Poe - ſie nur durch eine fortſchreitende Folge ihrer Bilder nach und nach erweckt. Sie ruͤhrtnicht157und Wuͤrde der Gaͤrten. nicht durch eine entfernte Nachahmung; ſie ergreift unmittelbar die Sinne, ſchlaͤgt ge - radezu an die Organe unſerer Empfindung, durch die Gegenwart wirklicher Gegen - ſtaͤnde, ohne ſie erſt durch Huͤlfe der Wiedererinnerungskraft und der Imagination wahrnehmen oder fuͤhlen zu laſſen. Sie giebt ſelbſt ein laͤngeres und dauerhafteres Vergnuͤgen, als Statuen, Gemaͤlde und Gebaͤude; denn ein Garten erhaͤlt durch den Fortgang des Wachsthums, durch die Veraͤnderungen der Jahreszeiten und der Wit - terung, durch die Bewegungen der Wolken und des Waſſers, durch die Dazwiſchen - kunft der Voͤgel und Inſekten, durch tauſend kleine Zufaͤlligkeiten bey Gegenden und Ausſichten immer eine Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen, die weder an Belu - ſtigung leer werden, noch ermuͤden. Der Geſchmack der Menſchen an der Bildhaue - rey, Malerkunſt und Architektur iſt meiſtens ſehr eingeſchraͤnkt; man muß gelernet haben, ehe man hier bewundern kann; und das Vergnuͤgen an den Werken dieſer Kuͤnſte wird erſt durch ein gewiſſes Maaß von Zeit und Unterſuchung intereſſant, die man ihnen aufgeopfert hat. Allein die Reize eines wohl angelegten Gartens ſind, ohne Unterricht und Erklaͤrung, den Kundigen und Unkundigen gleich empfindbar. Die Einwirkung der Gartenkunſt iſt zutreffend, ihre Herrſchaft allgemein. Wir alle freuen uns uͤber die reizenden Scenen des Sommers; wir alle trauren bey dem Anblick der Gefilde, die von ihm verlaſſen leer und oͤde da liegen. Cultur und Anmuth des Landes ſtreuen jedem Auge Vergnuͤgen entgegen, da Rauhigkeit und Unfruchtbarkeit Verdruß uͤber die Haͤrte der Natur oder Unwillen uͤber die Unthaͤtigkeit des Menſchen erwecken.

Landhaͤuſer und Gaͤrten ſind Zeugen des oͤffentlichen Geſchmacks, die niemals der Politik gleichguͤltig ſeyn ſollten, nicht ſo wohl, weil von ihrer Beſchaffenheit ein Theil der Achtung oder des Tadels fuͤr eine Nation abhaͤngt, als vielmehr, weil auch dieſe Gegenſtaͤnde eine ſittliche Gewalt uͤber die Gemuͤther der Buͤrger haben. Wie ein - nehmend und mit welcher Empfehlung des Staats und ſeiner Bewohner faͤllt nicht eine mit ſchoͤnen Landhaͤuſern und Gaͤrten bereicherte Provinz in die Augen! Ja, bey dem taͤglichen Anſchauen helfen ſie die Empfindungen und Begriffe des Reinlichen, Harmo - niſchen, Anſtaͤndigen, Schoͤnen und Angenehmen, die fuͤr die Cultur des Geiſtes und Herzens ſo wichtig ſind, verbreiten. Man hat in Schottland beobachtet, ver - ſichert Home,*)Grundſaͤtze der Kritik. daß ſogar ein neu geebneter Landweg einen gewiſſen Einfluß von dieſer Art auf das gemeine Volk in der Nachbarſchaft des ebenen Weges gehabt. Sie bekamen einen Geſchmack fuͤr Regelmaͤßigkeit und Reinlichkeit, den ſie zuerſt auf ihre Vorhoͤfe und Gaͤrten, und zunaͤchſt auch auf ihre Zimmer ausbreiteten. Der Geſchmack fuͤr Regelmaͤßigkeit und Reinlichkeit, der auf dieſe Weiſe eine gewiſſe Staͤrke gewann, erſtreckte ſich allmaͤhlig auch auf die Kleidung, und endlich ſelbſt auch auf das Betragen und die Sitten.

U 3Die158Vierter Abſchnitt. Von der Beſtimmung ꝛc.

Die Gartenkunſt ahmet nicht nur die Natur nach, indem ſie den Wohnplatz des Menſchen verſchoͤnert; ſie erhoͤht auch ſein Gefuͤhl von der Guͤte der Gottheit, ſie be - foͤrdert die Froͤhlichkeit und Anmuthigkeit ſeines Geiſtes, und ſelbſt das Wohlwollen gegen ſeine Nebengeſchoͤpfe, ſo wie die Bewohner ſchoͤner Laͤnder davon mehr haben, als die, welche das Schickſal in elenden Gegenden verkerkert haͤlt. Die oͤden Wuͤſten Laplands und Sibiriens ermuͤden und ſchrecken nicht nur den Reiſenden; ſie ver - graben auch den Geiſt und die Empfindungskraft des Einwohners, indem ſie Unthaͤtig - keit, Misvergnuͤgen, ein muͤrriſches und niedergeſchlagenes Weſen einfloͤßen. In Ge - genden, die wohl bebauet und mit anmuthigen Gaͤrten bepflanzt ſind, wird man den Menſchen ſich viel eher an die anſtaͤndigen und ſtillern Ergoͤtzungen der Natur gewoͤh - nen ſehen, die ihn allmaͤhlig die groben und koſtbaren Arten von Zeitvertreiben ver - ſchmaͤhen lehren. Sein Geiſt wird unter ſo vielen reizenden Gegenſtaͤnden Heiterkeit und ein aufgewecktes Weſen, ſeine Gefuͤhle werden mehr Milde, mehr Verfeinerung annehmen. Er wird ſeine ganze Natur belebter fuͤhlen, ſich in allen ihren ſchoͤnen Faͤ - higkeiten geſchwinder und gluͤcklicher zu entwickeln. Gewiß wichtiger, als dem gemei - nen Verſtande begreiflich iſt, ſind die Einwirkungen der ſchoͤnen Auftritte des Landes und der Gaͤrten auf die Einbildungskraft und die Empfindſamkeit des Menſchen. Die Phantaſie, die ſich aus ihnen erweitert und bereichert, wird nicht mit den unbe - lebten Gegenſtaͤnden in der Tiefe bleiben; ſie wird mit einem erleichterten Flug von ei - ner Reihe neuer Bilder zu der andern ſich erheben lernen, bis ſie uͤber die bekannten veranlaſſenden Vorwuͤrfe hinaus, durch eine geiftige Betrachtung der urſpruͤnglichen Schoͤnheit und Groͤße, in Entzuͤckungen dahinſchwebt, die uͤber die gewoͤhnlichen Ein - druͤcke der Natur auf die Organe der Empfindung unendlich erhaben ſind.

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Theorie[159]

Theorie der Gartenkunſt.

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  • Erſter Theil. Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.
  • Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren der Landſchaft und ihren Wirkungen.
161

Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.

Weil die Gartenkunſt ſo genau mit der Natur verbunden iſt, daß ſie ſelbſt nichts anders als die Natur in einer etwas abgeaͤnderten Geſtalt zu ſeyn ſcheint; ſo iſt ihr erſter und vornehmſter Beruf, ſich mit den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen Natur zu beſchaͤftigen. Dieſe ſind von verſchiedener Art und von verſchiedenen Kraͤften. Sie haben alſo auch verſchiedene Einwirkungen auf den Menſchen, wovon uns Beob - achtung und Empfindung uͤberzeugen, und wozu der Urheber der Natur ihnen die noͤ - thige Richtung zu geben nach dem Plan der vollkommenſten Weisheit nicht uͤberſehen konnte. Die Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen Natur liegen vor dem Menſchen ausgebreitet; die Werkzeuge ſeiner Sinne ſind dazu harmoniſch gebildet, ihre Eindruͤcke aufzufan - gen, durch eine weitere Fortpflanzung derſelben die Einbildungskraft in Bewegung zu ſetzen, und durch die Erſcheinung angenehmer Bilder die Empfindung zu beleben.

Die Gegenſtaͤnde der laͤndlichen Natur haben mehr als einen Weg, auf wel - chem ſie die Wirkungen ihrer Eigenſchaften zur Seele bringen und ihre Empfindſam - keit reizen. Der vornehmſte Weg iſt das Geſicht, der vollkommenſte und ergoͤtzlich - ſte unter allen Sinnen. Durch das Auge nehmen wir die Lage der Gegenſtaͤnde, ihre Geſtalt oder Form, ihre Farben und ihre Beweglichkeit wahr; ſo viel be - ſondere ſinnliche Schoͤnheiten in allen dieſen enthalten ſeyn koͤnnen, ſo viel koͤnnen von dem Auge aufgefaßt werden. Unter den uͤbrigen Sinnen, die fuͤr die Annehmlich - keiten der Natur gebildet ſind, tritt das Gehoͤr am naͤchſten hervor, das die harmo - niſchen Toͤne empfaͤngt. Der Geruch, der die ſuͤßen Ausathmungen der Pflan - zen und Gewaͤchſe aufnimmt, ſcheint der letzte zu ſeyn, wenn man ihm nicht noch allenfalls den groͤbern Sinn des Gefuͤhls, der die Erfriſchungen der Luft genießt, bey - geſellen will. Durch alle dieſe Zugaͤnge ſtroͤmen die laͤndlichen Schoͤnheiten und An - nehmlichkeiten der Natur mehr oder weniger in die Seele ein. Der Eindruck, den die Gegenſtaͤnde auf einen Sinn machen, kann, durch die Mitbewegung noch eines andern oder mehrerer Sinne zugleich, verſtaͤrket werden. Die Begriffe mehrerer Sinne, die uͤbereinſtimmen, preiſen den Gegenſtand ſtaͤrker an. Ein Hain voll jun - gen Laubes und heitrer Ausſichten ergoͤtzt mehr, wenn wir darin zugleich das Lied derI Band. XNach -162Erſter Abſchnitt. Von den GegenſtaͤndenNachtigall, das Gemurmel eines Waſſerfalls hoͤren, wenn zugleich ein friſcher Veil - chenduft uns entgegenwallt.

Es iſt in der Macht des Gartenkuͤnſtlers, durch das Auge, durch das Ohr und durch den Geruch zu ergoͤtzen. Allein weil die Ergoͤtzung aller dieſer Sinne in gleichem Grade theils nicht ganz von ihm abhaͤngt, theils auch wegen der Verſchie - denheit der innern Vollkommenheit der Sinne ſelbſt nicht ſo geſucht werden ſoll; ſo iſt es ſein Beruf, ohne gaͤnzliche Zuruͤckſetzung des Geruchs, fuͤr das Auge und das Ohr, am meiſten aber fuͤr das Auge zu ſorgen. Er ſoll demnach vornehmlich ſichtbare Schoͤnheiten der laͤndlichen Natur aufzuſtellen ſich bemuͤhen.

I. Von der Groͤße und Mannigfaltigkeit.

Unter den gartenmaͤßigen Eigenſchaften der natuͤrlichen Gegenſtaͤnde, die jetzt naͤher zu beſtimmen ſind, fordert die Groͤße zuerſt unſre Betrachtung.

Wir haſſen Einſchraͤnkung, und lieben Ausdehnung und Freyheit: eine unlaͤug - bare urſpruͤngliche Stimmung der Seele, fuͤr welche die Erfahrung ſtark genug redet. Das Anſchauen kleiner Vorwuͤrfe auf einem abgezirkelten Platz, wie bald ſaͤttigt es nicht und erregt Ekel! Wie erquickend iſt dagegen nicht der Anblick einer ganzen Landſchaft, der Berge, Felſen, breiten Gewaͤſſer, Waldungen! Wie ſehr erweitert ſich nicht die ganze Seele, ſpannet alle ihre Kraͤfte an, arbeitet, um alles zu um - faſſen, wenn ſich die Ausſicht auf den Ocean voraus eroͤffnet, oder wenn in einer hellen Winternacht die graͤnzenloſe Schoͤpfung voll leuchtender Planeten und brennender Fix - ſterne ſich unſerm Auge zu entwickeln ſcheint! Die Liebe des Menſchen zum Großen, die ſeine hoͤhere Beſtimmung anzukuͤndigen ſcheint, wirkt ſo ſtark und ſichtbar, daß an ihrer Wahrheit nicht mehr gezweifelt werden kann. Der Genuß der Groͤße giebt der Einbildungskraft und dem Geiſt eine Nahrung, die eine Art von Allgenuͤgſamkeit mit ſich fuͤhrt; man erhebt ſich von dem gewoͤhnlichen niedrigen Standort hinauf zu einer hoͤhern Sphaͤre der Bilder und der Empfindung; man fuͤhlt es, daß man nicht mehr der alltaͤgliche Menſch, ſondern ein Weſen von einer Kraft und Beſtimmung iſt, die weit uͤber den Punkt, auf welchem wir ſtehen, hinausragt.

Die Landſchaft iſt, mehr als ein Garten, von der Natur beſtimmt, um uns die Ergoͤtzungen, die aus Groͤße entſpringen, zu gewaͤhren. Allein auch dieſer ſoll uns dieſe Ergoͤtzungen um ſo mehr zu verſchaffen ſuchen, je mehr er eine beſondere Verbindlichkeit hat, den Menſchen auf eine ſeiner Wuͤrde gemaͤße Art zu beſchaͤftigen. Er163der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Er iſt freylich eingeſchraͤnkter, als die freye Landſchaft; aber noch immer kann er, zum Theil wenigſtens, durch die hoͤhern Empfindungen der Groͤße einnehmen.

Groͤße im landſchaftlichen Verſtande ſchließt Ausdehnung der natuͤrlichen Ge - genſtaͤnde, alſo auch Ausdehnung des Raums in ſich, worin ſie ſich befinden. Noch ließe ſich eine andere Art, naͤmlich intenſive Groͤße (Wuͤrde) unterſcheiden; ſo wuͤrde ein Eichenhain durch den Vorzug ſeiner Staͤmme groß ſeyn, ein Weidengebuͤſch aber klein, wenn gleich dieſes ſich in einem weitern Umfange, als jenes, ausbreitete.

Mit Groͤße iſt Mannigfaltigkeit verwandt. Wenn jene Ausdehnung der Theile hat, ſo hat dieſe Verſchiedenheit und Abaͤnderung der Theile. Durch harmo - niſche Verbindung von Groͤße und Mannigfaltigkeit entſteht das vollkommenſte Werk in der Landſchaft und auf dem Gartenplatz.

Mannigfaltigkeit ſcheint faſt noch unentbehrlicher fuͤr das Beduͤrfniß des Gei - ſtes, als Groͤße. Einerley Gegenſtaͤnde, die immer unveraͤndert vor den Augen da liegen, eine ewige Stellung, eine ewige Monotonie, eine ewige Einfaͤrbigkeit, ſind nicht blos ermuͤdend, ſie fuͤhren eine Art von geheimer Marter bey ſich. Man laufe wiſchen einfoͤrmigen Hecken hinauf und wieder herunter, dann noch einmal vorwaͤrts, noch einmal zuruͤck; uͤberdruͤßig des beſtaͤndigen Zuruͤckwanderns nimmt man, auch wenn noch kein Schwindel da iſt, gern die erſte beſte Bank in Beſitz:

Weil die verſchiedenen und abaͤndernden Theile, woraus Mannigfaltigkeit ent - ſteht, zugleich gewiſſe Grade der Ausdehnung haben koͤnnen, ſo kann auch eine naͤhere Vermiſchung der Groͤße und Mannigfaltigkeit entſpringen. Indeſſen ſind beyde noch ſo weſentlich unterſchieden, daß ſie keiner Vermengung ausgeſetzt ſind. Zwey Gemaͤlde eines großen Dichters ſcheinen die Sache auf einmal in ihr Licht zu ſetzen; ich ſtelle ſie auf, ohne auf die charakteriſtiſchen Zuͤge, die jedes geſunde Auge ſelbſt ſehen kann, einen beſondern Wink zu geben. Ein Gemaͤlde der Groͤße:

Ein angenehm Gemiſch von Bergen, Fels und Seen
Faͤllt nach und nach erbleicht, doch deutlich ins Geſicht;
Die blaue Ferne ſchließt ein Kranz beglaͤnzter Hoͤhen,
Worauf ein ſchwarzer Wald die letzten Stralen bricht.
Bald zeigt ein nah Gebirg die ſanft erhobnen Huͤgel,
Wovon ein laut Gebloͤk im Thale widerhallt;
Bald ſcheint ein breiter See ein meilenlanger Spiegel,
Auf deſſen glatter Flut ein zitternd Feuer wallt;
X 2Bald164Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden
Bald aber oͤffnet ſich ein Strich von gruͤnen Thaͤlern,
Die, hin und her gekruͤmmt, ſich im Entfernen ſchmaͤlern.

Ein Gemaͤlde der Mannigfaltigkeit, das auf einem benachbarten Berge bey Bern, der Vaterſtadt des Dichters, gemacht zu ſeyn ſcheint, weil es die Ausſicht getreu nach der Natur trifft, iſt dieſes:

Die Huͤgel decken gruͤne Waͤlder,
Wodurch der falbe Schein der Felder
Mit angenehmem Glanze bricht;
Dort ſchlaͤngelt ſich durchs Land, in unterbrochnen Stellen,
Der reinen Aare wallend Licht;
Hier lieget Nuͤchtlands Haupt (Bern) in Fried und Zuverſicht
In ſeinen nie erſtiegnen Waͤllen.
So weit das Auge reicht, herrſcht Ruh und Ueberfluß;
Selbſt unterm braunen Stroh bemooster Bauernhuͤtten
Wird Freyheit hier gelitten,
Und nach der Muͤh Genuß.
Mit Schafen wimmelt dort die Erde,
Davon der bunte Schwarm in Eile frißt und bloͤkt;
Wann dort der Rinder ſatte Heerde
Sich auf den weichen Raſen ſtreckt,
Und den gehluͤmten Klee im Kauen doppelt ſchmeckt.
Dort ſpringt ein freyes Pferd mit ſorgenloſem Sinn
Durch neubewachsne Felder hin,
Woran es oft gepfluͤget.
Und jener Wald, wen laͤßt er unvergnuͤget?
Wo dort im rothen Glanz halb nackte Buchen gluͤhn,
Und hier der Tannen fettes Gruͤn
Das bleiche Moos beſchattet;
Wo mancher helle Strahl auf ſeine Dunkelheit
Ein zitternd Licht durch rege Stellen ſtreut,
Und in verſchiedner Dichtigkeit
Sich gruͤne Nacht mit guͤldnem Tage gattet.
Wie165der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.
Wie angenehm iſt doch der Buͤſche Stille,
Wie angenehm ihr Widerhall!
Wenn ſich ein Heer gluͤckſeliger Geſchoͤpfe,
In Ruh und unbeſorgter Fuͤlle,
Vereint in einen Freudenſchall.
Und jenes Baches Fall,
Der ſchlaͤngelnd durch den gruͤnen Raſen
Die ſchwachen Wellen murmelnd treibt,
Und, ploͤtzlich aufgeloͤſt in Schnee - und Perlenblaſen,
Durch jaͤhe Felſen rauſchend ſtaͤubt.
von Haller.

Uebrigens iſt Mannigfaltigkeit nicht blos auf die Gegenſt[aͤnde allein einge -]ſchraͤnkt, ſondern erſtrecket ſich auch auf die verſchiedenen Seiten und Geſichtspunkte, woraus die Gegenſtaͤnde erblickt werden. Ein einzelnes Gebaͤude, eine einzelne Grup - pe, oft ſogar ein einzelner Baum, kann in der Anſicht gleichſam vervielfaͤltigt werden.

Schon nach dem Geſetze der Mannigfaltigkeit iſt zum Gartenbau ein Platz ge - ſchickter, der Anhoͤhen, Abſaͤtze, Vertiefungen hat, welche die Gegenſtaͤnde aus ver - ſchiedenen Geſichtspunkten zeigen und eine Abwechſelung der Proſpecte geben. Das Offene ſoll mit dem Verſchloſſenen, das Helle mit dem Dunkeln, das Reizende mit dem Melancholiſchen, das Sanfte mit dem Erhabenen, das Wilde und Romantiſche mit dem Zierlichen abwechſeln; die leeren Stellen ſind zu bepflanzen, die Anhoͤhen mit Buſchwerk, Waſſerfaͤllen und Gebaͤuden zu beleben; und ſelbſt mehrere Gegen - ſtaͤnde von einer Art muͤſſen durch ihren Charakter, durch ihre Form, durch ihre Lage von einander unterſchieden erſcheinen.

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X 3II. Von166Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

II. Von der Schoͤnheit.

Von Schoͤnheit erhalten Groͤße und Mannigfaltigkeit ihre letzte Vollkommenheit. Der Gartenkuͤnſtler ſoll alſo nach dem Beyſpiel der Natur bedacht ſeyn, den ausgedehnten und abaͤndernden Theilen ſo viel Schoͤnheit zu geben, als ſie faͤhig ſind. Wenn Schoͤnheit nach der Meynung einiger Kunſtrichter in den Eigenſchaften der Gegenſtaͤnde beſteht, wodurch ſie ſinnliches Wohlgefallen erwecken; ſo wuͤrde ſchon in Groͤße und Mannigfaltigkeit ein Theil der Schoͤnheit liegen.

Allein Schoͤnheit kann noch fuͤr ſich, abgeſondert von Groͤße und Mannigfal - tigkeit, betrachtet werden; und hier wollen wir einen eigenen Weg verſuchen, und landſchaftliche Schoͤnheit, die zugleich gartenmaͤßige Schoͤnheit iſt, von allen uͤbri - gen Gattungen unterſcheiden, die man noch etwa von Schoͤnheit angeben moͤchte.

Es ſcheint, daß landſchaftliche Schoͤnheit ſich auf zween weſentliche Punkte, auf Farbe und Bewegung, vereinigen laͤßt.

In der Proportion kann uͤberhaupt gerechnet allerdings Schoͤnheit ſeyn; nur ſcheint das Schoͤne des Pflanzenreichs nicht nothwendig durch Proportion beſtimmt zu werden. Indem ein beruͤhmter englaͤndiſcher Kunſtrichter wider die erſte Be - hauptung ſtreitet, ſo giebt er daneben der andern eine ſo große Wahrſcheinlichkeit, daß ſein Urtheil hier eine Stelle verdient. Im Pflanzenreich, ſagt er,*)Burkes philoſoph. Unterſuchungen uͤber den Urſprung unſrer Begriffe vom Erha - benen und Schoͤnen. Nach der 5ten engl. Ausg. 8. 1773. S. 148. finden wir nichts, das ſo ſchoͤn ſey, als die Blumen. Aber Blumen giebt es faſt von jeder Geſtalt und von jeder Anordnung der Theile. Die Mannigfaltigkeit der Formen, worin ſie von der Natur ausgebildet werden, iſt unendlich. Was iſt es denn fuͤr eine Proportion, die wir zwiſchen dem Staͤngel der Blumen und ihren Blaͤttern, oder zwiſchen den Blaͤttern und den Staubfaͤden gewahr werden? Wie ſchickt ſich der ſchlanke Stiel der Roſe zu dem dicken Kopfe, unter welchem er ſich beuget? Aber die Roſe iſt doch eine ſchoͤne Blume. Und getrauen wir uns wohl zu ſagen, daß ſie nicht einen Theil ihrer Schoͤnheit eben dieſem Mangel an Proportion zu danken haben koͤnne? Die Roſe iſt eine große Blume, und waͤchſt doch auf einem kleinen Strauche. Die Aepſelbluͤte iſt ſehr klein, und waͤchſt auf einem großen Baume. Doch ſind beyde, die Roſe und die Aepfelbluͤte, ſchoͤn; und die Pflanzen, worauf ſie wachſen, erhalten, dieſer Disproportion ungeachtet, durch ſie ihren einnehmendſten Schmuck. Welcher Baum kann, der allgemeinen Empfindung nach, ſchoͤner ſeyn, als ein Oran -genbaum,167der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. genbaum, wenn Blaͤtter, Bluͤten und Fruͤchte zugleich an ihm prangen? Aber um - ſonſt ſuchen wir bey ihm ein beſtimmtes Maaß der Hoͤhe, Breite und jeder andern Dimenſion des Ganzen, oder ein beſtimmtes Verhaͤltniß der Theile unter einander. Ich gebe zu, daß es Blumen giebt, bey denen man eine regelmaͤßige Figur und eine kuͤnſtliche Stellung und Anordnung der Blaͤtter findet. Eine ſolche Figur und eine ſolche Anordnung der Blumenblaͤtter hat z. B. die Roſe; aber wenn man ſie von der Seite anſieht, ſo geht dieſe Regelmaͤßigkeit der Figur groͤßtentheils verloren; die Ordnung der Blaͤtter verwirrt ſich, und doch bleibt die Roſe noch ſchoͤn. Die Roſe iſt ſogar ſchoͤner, bevor ſie voͤllig aufgebluͤhet iſt; und die Knoſpe iſt ſchoͤner, ehe ſie dieſe regelmaͤßige Figur bekommen hat.

Dieſer Ausnahme im Pflanzenreich ungeachtet kann doch noch aus der Form, die in den bildenden Kuͤnſten einen ſo weſentlichen Theil der Schoͤnheit beſtimmt, auch landſchaftliche Schoͤnheit, wiewohl in einer abgeaͤnderten Wendung, entſpringen. Zwar genau abgemeſſene Verhaͤltniſſe aller einzelnen Theile zu einem Ganzen hat die Natur in dem menſchlichen Koͤrper, dem wichtigſten Gegenſtande fuͤr den bildenden Kuͤnſtler, beobachtet und zur Nachahmung vorgeſchrieben. Allein in den Anlagen reizender Landſchaften, wo ſie ſich in den weiten Maſſen auch mehr Freyheit, als in einzelnen Werken, die ſie vollkommen ausarbeiten wollte, uͤberlaſſen konnte, hat ſie die Genauigkeit der Verhaͤltniſſe nicht ſo ſorgfaͤltig beobachtet. Wer kann ſagen, daß in den Bekleidungen eines Felſen, die hier aus hohen Tannen, dort aus niederm Geſtraͤuch, und da wieder aus Moos beſtehen, genaue Beobachtung der Verhaͤltniſſe, oder daß in den Staͤmmen eines Waldes, in den Auslagen und Verbreitungen ſeiner Zweige, in den Farben ſeines Laubes eine ſolche Uebereinſtimmung herrſche, nach welcher uͤberall die Gruͤnde angegeben werden koͤnnten, warum dieſe Lage, dieſe Aus - bildung nur dieſe und nicht eine andere ſeyn duͤrfe? Es ſcheint ohne Widerſpruch wahr zu ſeyn, daß bey der Anordnung der Landſchaften die Natur im Allgemeinen eben nicht darauf gerechnet hat, durch eine beſtimmte Form der Gegenſtaͤnde Schoͤnheit zu geben, weil Gegenſtaͤnde einer Art unter ſo ſehr verſchiedenen und entgegengeſetzten Formen noch immer einer unverfaͤlſchten Empfindung als ſchoͤn erſcheinen. Wir fin - den einen Hain ſchoͤn, der ſchlanke hohe Baͤume hat, einen andern nicht weniger, der mit niedrigen Staͤmmen verſehen iſt; er woͤlbe ſich zu dichten Schatten, oder er laſſe durch geraͤumige Oeffnungen das Spiel des Sonnenlichts durchfallen, er wird uns immer einen frohen Anblick abfordern. Ein Fluß verbreite ſich in einem aus - gedehnten Beete durch das Thal hin, oder er falle in verſchiedenen Abtheilungen ſeines Waſſers vom Huͤgel herab; er wird in beyden Faͤllen ſeinen Anſpruch auf Schoͤnheit behaupten.

Wenn168Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

Wenn alſo in landſchaftlichen Gegenſtaͤnden durch die Form Schoͤnheit erhalten werden ſoll, ſo ſcheint es, daß dieſes nur durch gebogene oder gekruͤmmte Linien geſchehen kann. Die gerade Linie iſt in der Landſchaft nicht ſchlechterdings und ganz ohne Schoͤnheit. Allein gewiß iſt es, daß gebogene Linien eine empfindbare Schoͤn - heit enthalten, einen laͤnger beſchaͤftigenden Eindruck machen. Ein Wald, der uͤber einige Huͤgel und Thaͤler fortlaͤuft, und zu den Seiten bald hie bald da einen Arm ausbreitet, iſt unſtreitig ſchoͤner, als ein anderer, der gleichſam nach der Schnur ab - gemeſſen in einer Ebene ruhet. Man koͤnnte ſagen, hier iſt es Abwechſelung, wor - aus Schoͤnheit entſteht; allein die gebogene Linie iſt es ja eben, die Abwechſelung hervorbringt.

Sichtbarer iſt es, daß Farbe und Bewegung, als weſentliche Theile, land - ſchaftliche Schoͤnheit ausmachen.

1. Farbe.

Die Natur wollte, daß der Menſch ihre Werke nicht mit Kaltſinnigkeit anſe - hen ſollte. Sie gab daher den Oberflaͤchen der Koͤrper mittelſt des Lichts und der Farben einen ſolchen Reiz, wodurch ſie Vergnuͤgen und Wohlgefallen erwecken und zur oͤftern Betrachtung einladen. Waͤre alles in der Natur einfaͤrbig, wie bald wuͤrde nicht das Auge in dem Anſchauen ermuͤden und der Geiſt Ekel und Ueberdruß em - pfinden; eben dieſen Erfolg wuͤrde der Mangel der Lebhaftigkeit und Munterkeit der Farben haben. Die Farben ruͤhren den Menſchen uͤberhaupt betrachtet mehr, als die Formen; fuͤr jene braucht er nur das Auge zu oͤffnen, fuͤr dieſe reicht der bloße Anblick noch nicht zu, wenn er nicht zugleich von Vergleichung und Beurtheilung, alſo von einem Geſchaͤfte des Geiſtes, begleitet wird. Die Farbe iſt gleichſam eine Art von Sprache, womit die lebloſen Gegenſtaͤnde der Natur zu dem Auge reden, eine Sprache, die uͤberall und in jedem Winkel des Erdbodens verſtaͤndig iſt. Durch die Farbe erhalten die Gegenſtaͤnde eine große Gewalt uͤber die Empfindung; ſie erre - gen dadurch das Gefuͤhl der Freude, der Liebe, der Ruhe und andre Bewegungen ſo maͤchtig, daß man leicht wahrnimmt, daß die Gartenkunſt eben ſo wohl vortheilhafte Wirkungen von den Farben gewinnen kann, als die Natur ſelbſt ſie zu dieſer Abſicht gebraucht.

Es iſt wahr, die Natur hat eine erſtaunliche Mannigfaltigkeit von Farben, die durch Erhoͤhung und Maͤßigung, durch Feuer und ſanftere Helle, durch Miſchungenund169der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. und Verſchmelzungen, durch abwechſelnde und unerwartete Einfaͤlle des Lichts, durch Spiel und Widerſchein ein Schauſpiel vorſtellen, welches das Auge in der weiten Schoͤpfung nicht praͤchtiger oder ſchoͤner finden kann. Und dieſen Schauplatz der Farbenergoͤtzung eroͤffnet die Natur nicht blos dem Landſchaftmaler, ſondern auch ſei - nem Nebenbuhler, dem Gartenkuͤnſtler.

Man werfe das Auge auf eine reiche Blumenflur, beſonders wenn das koͤnigli - che Geſchlecht der Tulpen bluͤhet. Was fuͤr eine wunderbare Mannigfaltigkeit und Herrlichkeit der Farben! Es iſt kaum zu begreifen, wie der Britte ſein ſonſt ſo empfindliches Auge dieſen Schoͤnheiten weniger zu goͤnnen ſcheint, da indeſſen der Hollaͤnder ſie als den hoͤchſten Reiz der Gaͤrten anſieht. Wenn gleich ein Garten oder Park ohne Blumen ſchoͤn ſeyn kann, und ein Platz mit den herrlichſten Blumen erfuͤllt noch kein Garten iſt; ſo bietet doch die Natur allein ſchon durch die Farben der Blumen, wenn wir auch nicht auf ihre balſamiſchen Ausduftungen achten wollen, ſo viel Ergoͤtzung an, daß man, ohne ungerecht zu ſeyn, ſie im Garten nicht ganz vernachlaͤßigen kann.

So groß auch die Farbenpracht im Blumenreiche iſt, ſo wird ſie doch von einem andern Schauſpiel noch uͤbertroffen. Dieſes Schauſpiel, das erhabenſte und ſchoͤnſte der uns ſichtbaren Natur, auch in Anſehung der Farben, iſt die Morgenroͤthe und die untergehende Sonne, mit den unendlich abwechſelnden Erſcheinungen, die ſie beglei - ten: ein Schauſpiel, das die groͤßten Dichter zu den trefflichſten Beſchreibungen ent - zuͤckte, das einen Lukas van Uden und einen Claude Gille’e, und neben ihnen ſo viele maleriſche Genies zu Nachbildungen begeiſterte, ſo weit ſie nur der Kunſt er - reichbar waren; aber auch ein Schauſpiel, das ſelbſt groͤbern Werkzeugen des Auges ſeine Schoͤnheit empfindbar eindruͤckt. Immer habe ich manche Landhaͤuſer und Gaͤrten mit einem geheimen Mitleiden angeſehen, die durch umzingelnde Gebaͤude, Mauern oder hohe Baͤume der freyen Ausſicht auf dieſes hoͤchfte Schauſpiel der Na - tur beraubt ſind. Moͤchte doch nie der Baumeiſter und der Gartenkuͤnſtler vergeſſen, dem Auge die Oeffnung zu laſſen, wodurch es den Genuß des herrlichſten Anblicks in der Schoͤpfung gewinnen kann!

Aber außer der kurzen Pracht der Farben im Blumenreich und beym Aufgange und Untergange der Sonne, hat die Natur fuͤr eine zwar weniger herrliche, allein dauerhaftere, Schoͤnheit der Farben in der allgemeinen Bekleidung der Landſchaft ge - ſorgt. Das Gruͤne, wohlthaͤtig ſtaͤrkend und erquickend fuͤr das Auge, iſt die Haupt - farbe der ſchoͤnen Landſchaft. Aber welche unendliche Abwechſelung dieſer Farbe durch Erhoͤhung, Verminderung und Verſchmelzung, ſchon in einer einzigen Gegend, und zwar nicht blos durch die Wirkung der allmaͤhlig entweichenden und duftigen Ferne,I Band. Yſondern170Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤndenſondern durch die Wirkung des gegenwaͤrtigen Lichts in den nahen und naͤchſten Gegen - ſtaͤnden, in niedrigen Kraͤutern, in hoͤhern Pflanzen, in Gebuͤſchen und Baͤumen! Und hier uͤberlaͤßt die Natur nicht allein dem Gartenkuͤnſtler, durch eben die Mannig - faltigkeit und Abwechſelung des Gruͤns zu reizen, wodurch ſie in der Landſchaft reizt; ſie verſtattet ihm ſogar, durch eine ſorgfaͤltigere Miſchung der Farben ſie in dem nachlaͤßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu uͤbertreffen, und durch eine neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleichſam ein Gemaͤlde von hoͤherer Vollkommenheit darſtellt.

Zur beſondern Schoͤnheit der Farben gehoͤrt Helle und Lebhaftigkeit; das Ge - maͤßigte, wie ſanftes Blau, Roſenroth, Violet, helles Gruͤn; Abwechſelung, mit unmerklichen Abaͤnderungen und ſanftfortſchreitenden Verbindungen.

Wenn das Feuer der Farben dem Gartenkuͤnſtler nur in der Pflanzung einiger Blumenarten erreichbar ſcheint, ſo kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig - keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gemaͤßigte in den Farben giebt Erquickung und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Froͤhlichkeit, wie das lichtere Blau und Roſenroth. Abwechſelung gewaͤhrt durch das fortſchreitende Vergnuͤgen Unterhaltung, und beſchuͤtzt den Genuß vor Ermuͤdung.

Aus dieſen Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenkuͤnſtler bey ſeinen Arbeiten leiten muͤſſen, entſpringen einige allgemeine Hauptgeſetze, die er in Abſicht auf die Farbengebung zu beobachten hat.

  • 1) Er vermeide Einfaͤrbigkeit, und wiſſe, daß er gerade der Anweiſung der Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Gruͤn waͤhlt.
  • 2) Er denke nie, daß es gleichguͤltig ſey, die Farben ſeiner Pflanzen, Stau - den und Baͤume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fuͤgt, ſondern daß Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittelſt der Farben eine gluͤckliche Wirkung auf das Auge hervorbringen will.
  • 3) Er ſorge vornehmlich fuͤr Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit zu erwecken. Dieſe Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzuͤglich die naͤchſtſtehenden Gegenſtaͤnde beleben, ſondern auch die herrſchende, die Hauptfarbe ſeines laͤndlichen Gemaͤldes feyn.
  • 4) Er unterſcheide diejenigen Partien ſeines Platzes, die entweder nach der natuͤrlichen Lage und Beſchaffenheit, oder nach der Beſtimmung und nach dem Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hinſtellung der Gebaͤude u. ſ. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der abſeitige Weg ins Gebuͤſch mag ſich mit weniger munterm Gruͤn beſchatten. Dunkles und ernſthaftes Laub verlangt die Grotte und die Einſiedeley zu ihrer Umhuͤllung.
5) Er171der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.
  • 5) Er ſtudire die Sympathie der Farben, und ſuche unter verwandten Gat - tungen eine ſolche Miſchung und Verbindung hervorzubringen, daß eine vollſtaͤn - dige Harmonie daraus entſtehe. Er merke nicht blos, welche Wirkung die Ver - bindung der Farben in der Naͤhe und in dem gegenwaͤrtigen Zeitpunkt thut, ſon - dern auch, welche ſie in einer gewiſſen Entfernung, in dem Fortlauf der Jahres - zeiten, und ſelbſt nach einigen Jahren haben werde.
  • 6) Er gebe, ſo viel als moͤglich, ſeinen Gegenſtaͤnden, den natuͤrlichen ſowohl als den kuͤnſtlichen, einen ſolchen Ort, eine ſolche Stellung, daß ſie entweder durch die geradezu gehende Erleuchtung, oder durch die gebrochenen Einfaͤlle des Son - nenlichts, wie es Lage und Abſicht zulaſſen und erfordern, ſich in einer groͤßern Schoͤnheit erheben. Eine Regel von Wichtigkeit, wogegen aber faſt taͤglich ge - ſuͤndigt wird. Er ſtelle die vom Thau befeuchtete Blumenflur dem Morgenlichte entgegen, und laſſe das Bad im Gebuͤſche von den ſanften Blicken der entweichen - den Sonne verguͤlden.

Das Sonnenlicht bietet eine Menge von unerkannten Schoͤnheiten fuͤr die Gar - tengegenſtaͤnde an. Man begnuͤgt ſich zu wiſſen, daß man ihm wehren kann, um Schutz vor den heißen Stralen zu erhalten; man denkt mit einer gemeinen inſtinct - maͤßigen Sorge, die auch der Bewohner des Waldes beſitzt, auf Bequemlichkeit. Allein man vergißt, wie man das gemaͤßigte Licht zur Verſchoͤnerung der Gegenſtaͤnde herbeylocken und vertheilen kann; eine Kunſt, die der Gartenkuͤnſtler dem Landſchaft - maler nicht allein uͤberlaſſen ſollte.

2. Bewegung.

In Bewegung kann uͤberhaupt ſchon Schoͤnheit ſeyn, weil darin Mannigfal - tigkeit und Abwechſelung ſtatt findet. In landſchaftlichen Gegenſtaͤnden iſt die Be - wegung unentbehrlich, wenn ſie einen dauerhaften Eindruck machen ſollen. Die herrlichſte Ausſicht in eine reizende Gegend wird bald anfangen, uns ſchwaͤcher zu be - ſchaͤftigen, wenn ſie lauter ruhende und unbewegliche Gegenſtaͤnde enthaͤlt, wenn nichts erſcheint, das die einfoͤrmige Stille unterbricht und irgend ein Leben verkuͤndigt. Dieſe Bemerkung haben die groͤßten Landſchaftmaler verſtanden, die doch in Anſe - hung der hervorzubringenden Bewegung dem Gartenkuͤnſtler weit nachſtehen muͤſſen, die Bewegung blos andeuten, nicht aber vor die Empfindung bringen koͤnnen. Sie beleben daher ihre Landſchaften bald mit Hirten, bald mit Reiſenden, bald mit einer umherirrenden Heerde, bald mit dem Flug der Voͤgel; ſie laſſen den Wind in dem Laube wehen, den Waſſerfall ſtuͤrzen, und aus den Huͤtten Rauch emporwallen;Y 2kurz,172Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤndenkurz, ſie vergeſſen nichts, was in ihren nachgebildeten Landſchaften den Begriff der Bewegung und des Lebens erzeugen kann. Weit mehr ſoll der Gartenkuͤnſtler auf ſeinen Platz wirkliche Bewegung zu bringen ſuchen, weil das Vorbild der Natur und das Beduͤrfniß ſeines Werks, zur Gewinnung einer hoͤhern Kraft, ihn dazu auffor - dert. Man findet gemeiniglich auch in den kleinſten Gaͤrten ſpringendes Waſſer, nicht, wie ich glaube, um allemal in dieſem Stuͤck die groͤßern Gaͤrten nachzuahmen, ſondern weil man es wirklich fuͤhlt, wie viel Leben und Anmuth die Bewegung giebt. In der That erfriſcht nichts mehr, als Bewegung in landſchaftlichen Gegenſtaͤnden; der ſchoͤnſte Baum gewinnt noch einen neuen Reiz, wenn ein ſanfter Wind in ſeinen Blaͤttern ſpielt. Wenn der Gartenkuͤnſtler das Vergnuͤgen der Bewegung erhalten will, ſo ſcheint es, daß er auf dieſe Punkte ſeine Aufmerkſamkeit richten muß.

  • 1) So viel von ſeiner Wahl abhaͤngt, finde er zu ſeinem Garten einen Platz aus, bey welchem die umliegende Gegend bewegliche Ausſichten (vues mou - vantes) gewaͤhrt, Ausſichten auf Doͤrfer, Huͤgel, Felder und Wieſen, wo Heer - den weiden und der Landmann arbeitet, auf Seen und Fluͤſſe, die von ſegelnden Fahrzeugen und Fiſchern belebt werden, auf Landſtraßen in der Ferne, die mit hin und her wandelnden Figuren bedeckt ſind u. ſ. w.
  • 2) Will er im Garten ſelbſt Bewegung anbringen, ſo ſuche er ſie in Gegen - ſtaͤnden, die ihrer Natur nach einer Bewegung faͤhig ſind. Er vermeide alſo die gewoͤhnlichen Kinderſpiele und Kuͤnſteleyen, wodurch man unbewegliche Gegen - ſtaͤnde in Bewegung zu ſetzen ſucht, in der falſchen Meynung, dadurch eine gar - tenmaͤßige Verzierung hervorzubringen.
  • 3) Weil zu viel oder zu ſtarke Bewegung zerſtreut oder betaͤubt, ſo bemuͤhe er ſich um eine gemaͤßigte Bewegung. Ein brauſender Waſſerfall, der durch den ganzen Garten ſtark vernommen wird, ſtoͤrt die Empfindung der ſanftern Schoͤn - heiten, welche die uͤbrigen Gegenſtaͤnde einfloͤßen. Die tobenden Waſſerkuͤnſte ſind oft eine Art von Ungeheuern in den Gaͤrten geworden. Ein gelinder Waſſer - fall hingegen erfriſcht das Auge und das Ohr durch ſeine Bewegung.
  • 4) Er uͤberlege, durch welche Mittel er Bewegung und Leben hervorbringen kann. Nicht alles hat ihm die Natur uͤberlaſſen; nicht alles iſt auch gleichſchick - lich, was er liefern kann. Die Bewegung der Luft und der Wolken, wodurch die Natur die Schoͤpfung allmaͤchtig belebt, behielt ſie ſich vor; aber ſie verſtattet ihm, ſeinen Platz durch andere Mittel zu beleben. Er kann das Waſſer bald ſtaͤrker, bald gelinder fließen, es von Abſaͤtzen ſich hinunterwaͤlzen oder von jaͤhen Anhoͤhen herabſtuͤrzen laſſen; er kann es leiten und vertheilen, wo er will. Er kann ſeine ſchlanken Baͤume und Gebuͤſche dem Winde freyſtellen. Er kann durchſeine173der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. ſeine Blumen Schaaren von buntgeſchmuͤckten Inſekten, durch ſeine Schatten ganze Geſchlechter von Voͤgeln locken, die durch Umherfliegen und Geſang den Garten beleben. Es giebt eine Art der Bewegung fuͤr das Auge, eine andere fuͤr das Ohr; und beyde nicht blos zu erhalten, ſondern ſie auch in Einem Zeitraum mit einander zu verbinden, iſt in der Macht des Gartenkuͤnſtlers.

Vornehmlich ſind es die Geſchlechter der Thiere, womit die Natur ihre ſchoͤ - nen Landſchaften belebt; der Gartenkuͤnſtler verſaͤume nicht, ihr darin nachzufolgen. Er locke am meiſten wildes Gefluͤgel in ſeine Reviere, durch Schatten, durch Waſſer, durch Verhinderung der gewoͤhnlichen Nachſtellungen. Gerne wird die Nachtigall, die Wachtel, die Lerche und ſo mancher andere einheimiſche Vogel in unſern Gaͤrten, unter dem Schutze des Gaſtrechts, ſeine Wohnung nehmen, ſeine junge Brut ver - pflegen, und bald ſich in zahlreiche Familien ausbreiten. Und welche anmuthige Ge - ſellſchaft und Aufheiterung, ſich uͤberall von froh herumfliegenden melodiereichen Voͤ - geln oder doch von ſolchen Geſchlechtern, die durch ihre Geſtalt und Farben ergoͤtzen, umgeben zu ſehen! Wer die gefiederten Saͤnger aus ſeinem Garten verbannt, oder ihnen doch nicht Anlockung und ſichern Aufenthalt genug verſchafft, der muß gar kei - nen Begriff von der Wolluſt der Bewegung und des Lebens haben, die er ihm da - durch raubt. Es iſt nicht blos Vergnuͤgen, es iſt auch Ruhm fuͤr den Gartenbeſitzer, das furchtſame Gefluͤgel durch freundliche Begegnung zu einem Grad der Zahmheit zu gewoͤhnen.

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Y 3III. Von174Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

III. Von der Anmuthigkeit und Lieblichkeit.

Die Wirkung der Schoͤnheit, ſie mag aus Farbe oder Bewegung entſpringen, iſt dieſe, daß ſie mit dem Augenblick, worin ſie ſich in die Einbildungskraft ergießt, lebhaftes Vergnuͤgen erweckt.

Allein es giebt an den Gegenſtaͤnden in ihrer Lage und Verbindung noch Eigen - ſchaften, wodurch ſie weniger lebhaft vergnuͤgen, wodurch ſie nicht bezaubern, ſondern nur einnehmen. Dieſe Eigenſchaften ſind Anmuthigkeit und Lieblichkeit. Sie ſind mit Schoͤnheit ſo nahe verwandt, daß es ſchwer iſt, die Familienzuͤge ſo genau zu entwickeln, um jede Perſon fuͤr ſich durch beſtimmte Merkmale unterſchieden darzu - ſtellen. Gleichwohl iſt Schoͤnheit nicht Anmuthigkeit oder Lieblichkeit, und letztere ſind nicht Schoͤnheit; welches die Empfindung ſchneller, und, wie es ſcheint, auch ſicherer entſcheidet, als das Raiſonnement. Der Unterſchied der Wirkungen auf das Gefuͤhl ſcheint am beſten die Kennzeichen des Schoͤnen und des Anmuthigen fuͤhlbar zu machen.

Zwiſchen Anmuthigkeit und Lieblichkeit iſt der Zwiſchenraum ſo unmerklich, daß er ſich kaum bezeichnen laͤßt; die Empfindung ſchluͤpft hier ſo ſchnell in einander, daß die Muͤhe ganz vergeblich ſcheint, ſie zur Pruͤfung anzuhalten, um zu erfahren, wo die Graͤnze ſey, wo das Anmuthige aufhoͤre und das Liebliche anfange. In - deſſen ſcheint uns eine geheime Stimme des feinern Gefuͤhls zu verſtehen zu geben, daß Lieblichkeit ein hoͤherer Grad von Anmuthigkeit ſey, und tiefer, als dieſe, in den innern Sinn eindringe, daß das Anmuthige mehr die Phantaſie, das Liebliche aber mehr die Empfindungskraft beruͤhre. Da ſich hier kein deutlicher Unterſchied ent - wickeln laͤßt, ſo wollen wir unter Anmuthigkeit und Lieblichkeit einerley Sache be - greifen.

Die Wirkung der Annehmlichkeit iſt von der Wirkung der Schoͤnheit unter - ſchieden. Wenn dieſe lebhaftes, ſtarkes, auch wohl begeiſterndes Vergnuͤgen giebt, ſo gewaͤhrt jene eine ſanftere Bewegung der Seele, eine ſtille Zuneigung des Gemuͤths zu dem Gegenſtande, ein gelaſſenes und verweilendes Behagen uͤber ſeine Betrach - tung. Das Anmuthige iſt alſo von dem Großen, Erhabenen, Praͤchtigen und Schoͤnen unterſchieden. Seine Eindruͤcke ſind viel ſchwaͤcher; aber ſanft und erhei - ternd. Es ſtaͤrkt zwar nicht, wie eine nahrhafte Speiſe; aber es giebt eine Erfri - ſchung, wie auf einer wohlbeſetzten Tafel ein Aufſatz von milden Fruͤchten. Es iſt nur Seelen empfindbar, die von einer ruhigen Denkungsart und von einer beſondernFeinheit175der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Feinheit des Gefuͤhls ſind; bey andern, deren Empfindung gleichſam mit einer har - ten Schale umgeben iſt, dringt es nicht durch. Die Schoͤnheit gebietet; die An - muthigkeit ſchmeichelt ſich ein.

Bey dem Anmuthigen liegt alſo eine gewiſſe Maͤßigung zum Grunde; Maͤßi - gung in Licht und Farbe, Maͤßigung in der Bewegung, es ſey Bewegung fuͤr das Auge oder fuͤr das Ohr. Der Regenbogen in dem vollen Glanz ſeiner Farben iſt ſchoͤn; er iſt anmuthig in der allmaͤhligen Verloͤſchung ſeines Schimmers. Die freyen Stralen der Morgenſonne ſind ſchoͤn; anmuthig, wenn ſie gebrochen durch die gruͤnen Blaͤtter einer Laube fallen. Das gluͤhende Gold der Abendſonne am weſt - lichen Himmel iſt ſchoͤn; anmuthig der Widerſchein, das Spiel des Lichts, der da - zwiſchen aufſteigende Duft, womit ſie die Landſchaft uͤberſtreut. Die farbenreiche Tulpe iſt ſchoͤn, die beſcheidene Viole anmuthig; der Waſſerfall iſt ſchoͤn, die mur - melnde Quelle anmuthig; der frohe Schlag der Nachtigall iſt ſchoͤn, ihr Seufzer in der Abenddaͤmmerung anmuthig. Ich weiß nicht, ob das Gefuͤhl anderer mit dem meinigen in dieſem Punkte zuſammentrifft; indeſſen moͤchte ich faſt mit Gewißheit annehmen, daß der Unterſchied in den angegebenen Verhaͤltniſſen wirklich der iſt, wie ihn das Gefuͤhl beſtimmt, wenigſtens fuͤr uns ſo lange beſtimmt, bis ein deutlicher Begriff uns eines andern uͤberfuͤhren wuͤrde.

Um der Gartenkunſt naͤher zu kommen, wird eine Beobachtung zu bemerken ſeyn, die in Anſehung des Anmuthigen einen allgemeinen Grundſatz anbietet. Wir finden, daß die Natur aus dem Anmuthigen und Lieblichen ſelten allein ein ganzes Gemaͤlde entwirft; vielmehr finden wir, daß ſie es unter dem Großen, Mannigfalti - gen und Schoͤnen vermiſcht. Wir ſehen auch, daß diejenigen Dichter, die man im engern Verſtande malende Dichter zu nennen pflegt, die uns die Jahreszeiten und laͤndliche Scenen ſchildern, ſich bey den Auftritten der Natur nicht auf das Anmuthi - ge allein einſchraͤnken, ſondern es in dem Ganzen ſtellenweiſe vertheilen. Die Natur iſt hier Lehrerinn. Sie vernachlaͤßigt nicht das Anmuthige, weil es ſeine Wirkung hat; allein ſie waͤhlt es auch nicht allein, weil ſodann ſeine Wirkung zu ſchwach ſeyn wuͤrde; ſie verbindet es vielmehr mit Gegenſtaͤnden von hoͤhern Kraͤften, um durch die Miſchung einen deſto mannigfaltigern und angenehmern Eindruck zu machen. Nach dieſer Anweiſung ſuche der Gartenkuͤnſtler anmuthige und liebliche Gegenſtaͤnde in der Natur fuͤr ſeinen Platz aus, ſehe ſie nicht als ein Ganzes, ſondern nur als Theile an, und vereinige ſie als ſolche mit dem uͤbrigen wichtigern Vorrath, woraus er ſein Werk bilden will.

Weil176Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

Weil ſich vortreffliche Dichter, die aus der Natur malen, nach ihren Vorbil - dungen richten; ſo iſt es ſchwer, aus ihnen Stellen auszuzeichnen, wo das Anmuthige nicht zugleich mit dem Schoͤnen vermiſcht waͤre, wenn gleich einige, wie Thomſon, mehr das Schoͤne, andere, wie Geßner, mehr das Anmuthige hervorſtechen laſſen. Indeſſen betrachte man von dem letztern ein Gemaͤlde des laͤndlich Anmuthigen. *)Idylle: der Wunſch.

Im gruͤnen Schatten woͤlbender Nußbaͤume ſtuͤnde mein einſames Haus, vor deſſen Fenſtern kuͤhle Winde und Schatten und ſanfte Ruhe unter dem gruͤnen Gewoͤlbe der Baͤume wohnen; vor dem friedlichen Eingang einen klei - nen Platz eingezaͤunt, in dem eine kuͤhle Brunnquelle unter dem Traubengelaͤn - der rauſchet, an deren abfließendem Waſſer die Ente mit ihren Jungen ſpielte, oder die ſanften Tauben vom beſchatteten Dach herunterfloͤgen und nickend im Graſe wandelten, indeß daß der majeſtaͤtiſche Hahn ſeine gluchzenden Hennen im Hof umherfuͤhrt; ſie wuͤrden dann auf mein bekanntes Locken herbeyflattern ans Fenſter, und mit ſchmeichelndem Gewimmel Speiſe von ihrem Herrn for - dern; auf den nahen ſchattenreichen Baͤumen wuͤrden die Voͤgel in ungeſtoͤrter Freyheit wohnen, und von einem Baum zum andern nachbarlich ſich zurufen und ſingen.

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IV. Von177der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.

IV. Von der Neuheit und dem Unerwarteten.

Neuheit giebt eine der lebhafteſten Bewegungen, und faſt mehr als Schoͤnheit und Groͤße. Sie kann theils in dem Gegenſtande ſelbſt, theils aber auch in der Art der Erſcheinung eines Gegenſtandes liegen. Landſchaftliche Gegenſtaͤnde koͤnnen fuͤr einen Menſchen von gewiſſen Jahren ſelten lauter Neues mehr haben; es ſcheint alſo, daß Neuheit hier mehr in der Lage und Verbindung zu ſuchen iſt, wodurch ein Gegenſtand einen Grad von dem Reiz gewinnt, als wenn er ſelbſt fuͤr uns neu waͤre. Weil aber die Bewegung der Neuheit[von]einer kurzen Dauer iſt, ſo muͤſſen die Ge - genſtaͤnde zugleich entweder durch Groͤße oder durch Schoͤnheit ruͤhren. Indem dieſe, durch ihre eigenen Eindruͤcke, die ſie zu der Bewegung der Neuheit hinzufuͤgen, ſie erhoͤhen, ſo ſetzen ſie auch ihre Einwirkungen noch fort, wenn jene Bewegung der Neuheit anfaͤngt ſchwaͤcher zu werden, oder allmaͤhlig verſchwindet.

Unterſcheidet man Neuheit des Ganzen, und Neuheit in den Theilen und zu - faͤlligen Veraͤnderungen; ſo ſieht man leicht, daß in einem weitern Verſtande und mit groͤßerm Recht landſchaftliche Gegenſtaͤnde durch Neuheit bewegen koͤnnen. Freylich ruͤhrt uns ein Gegenſtand mehr, der ganz neu fuͤr uns iſt, als ein anderer, bey dem wir blos in den Theilen und Veraͤnderungen Neuheit antreffen. Allein doch bringt dieſe ihre Bewegung hervor. Ein Wald iſt kein neuer Gegenſtand fuͤr uns; allein mit dem jungen Laube, womit er ſich im Fruͤhling bekleidet, nimmt er fuͤr uns den Reiz des Neuen an. Eine Roſe iſt nichts Neues fuͤr uns; allein wie ergoͤtzt uns nicht die erſte aufgebrochene Knoſpe, die wir am Roſenſtock finden. Die Natur laͤßt an den Gegenſtaͤnden, die wir taͤglich vor Augen haben, auch taͤglich Veraͤnde - rungen erſcheinen, durch deren Neuheit die Gegenſtaͤnde eine anziehende Kraft behal - ten. Welche Menge von neuen Erſcheinungen im ganzen Pflanzenreiche, und ſelbſt an einer einzigen Blume! Solche Gegenſtaͤnde ſoll alſo der Gartenkuͤnſtler ſuchen, in welchen die Natur ſelbſt durch eine ununterbrochene Fortwirkung immer neue Ver - aͤnderungen hervorbringt. Sind ſie nicht weit uͤber die todten Kunſtwerke erhoͤht, zu welchen man gemeiniglich ſeine Zuflucht nimmt, wenn man einen Garten durch etwas Neues angenehm machen will?

Allein weil Neuheit auch auf gewiſſe Weiſe durch den Geſichtspunkt erhalten werden kann, aus welchem man einen Gegenſtand erblickt, und weil die Natur auch auf dieſem Wege Neuheit verſchafft; ſo darf auch der Gartenkuͤnſtler dieſes Mittel der Ergoͤtzung nicht mit Gleichguͤltigkeit anſehen. Von wie vielen Seiten iſt nicht einerley Gegenſtand eines Anblicks faͤhig, wobey er jedesmal anders erſcheint! BaldI Band. Zin178Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤndenin der Naͤhe, bald in der Entfernung, bald frey, bald halb verdeckt, bald in dieſer, bald in jener Stellung und Verbindung erblickt, kann er wenigſtens auf einige Au - genblicke eine ſolche taͤuſchende Wirkung gewinnen, als wenn an ſeiner Stelle immer ein ganz neuer Gegenſtand hervortraͤte. In der Wiſſenſchaft, durch neue Geſichts - punkte den Sachen ſelbſt eine Art von Neuheit zu verſchaffen, liegt einer der groͤßten Vortheile fuͤr den Gartenkuͤnſtler. Daß auch in Abwechſelung und in Bewegung Neuheit ſeyn kann, darf nur angezeigt und nicht erſt entwickelt werden.

Mit dem Neuen iſt das Unerwartete zwar nicht einerley, aber doch nahe ver - wandt. Die Wirkung des Neuen bey angenehmen Gegenſtaͤnden iſt Verwunderung, die beluſtigt; die Wirkung des Unerwa[rteten]bey eben einer ſolchen Art von Gegen - ſtaͤnden iſt Ueberraſchung, ein lebhafteres Gefuͤhl, das in einem hoͤhern Grade belu - ſtigt. Es iſt ſichtbar, daß der Gegenſtand, der angenehm uͤberraſchen ſoll, auch die dazu erforderlichen Eigenſchaften haben muß; und dabey wird man auch leicht eingeſtehen, daß keine andere als ſolche Gegenſtaͤnde ſich fuͤr die Beſtimmung des Gartens ſchicken, indem widrige, ekelhafte und fuͤrchterliche Ueberraſchungen nicht damit uͤbereinſtimmen. Da Ueberraſchung aus der unerwarteten oder ploͤtzlichen Erſcheinung eines Gegenſtandes entſteht, und indem ſie auf einmal die gewoͤhnliche Folge unſrer Ideen unterbricht, ſich durch eine ſtarke Bewegung aͤußert; ſo iſt ſie als ein treffliches Mittel anzuſehen, die Eindruͤcke eines Gartenplatzes, der dazu frey - lich Ausdehnung und viel natuͤrliche Anlage haben muß, zu erhoͤhen.

Weil das oͤftere Wiederſehen einerley Gegenſtaͤnde und die laͤngere Bekannt - ſchaft mit ihnen, auch in den angenehmſten Gegenden, allmaͤhlig den Geſchmack an denſelben ſchwaͤcht, eine gewoͤhnliche Wirkung, die nicht in den Dingen, ſondern in der Einrichtung unſrer Natur ihren Grund hat; ſo ſoll das Unerwartete dem Ge - ſchmack wieder eine Staͤrke geben. Die Beobachtung dieſes Geſetzes iſt nicht ohne Schwierigkeit; und ſelbſt das, was das erſtemal unerwartet war und als unerwartet uͤberraſchte, iſt es das zweyte und drittemal nicht mehr, wenigſtens nicht in dem Grade, wie vorher. Die ganze Fuͤlle der Ueberraſchung gewaͤhrt die wunderbar bil - dende Natur mehr dem Reiſenden in groͤßern Landſchaften, beſonders in denen, die viele Huͤgel und Berge haben, wie die Schweiz. Allein weil doch der Gartenkuͤnſt - ler daran arbeiten ſoll, daß die Gegenſtaͤnde nicht blos unterhaltend bleiben, ſondern auch lange und ſtark beſchaͤftigen; ſo ſoll er keine Gelegenheit verſaͤumen, wo er ange - nehm uͤberraſchen kann. Hiezu kommt noch die Betrachtung, daß, wenn auch die erſte Bewegung ſich wieder verliert, doch immer eine angenehme Wiedererinnerung zuruͤckkehrt, ſo oft wir an den Ort kommen, wo die Ueberraſchung geſchah, oder den Gegenſtand ſehen, der dieſe Wirkung auf uns hatte. Und wenn alljaͤhrlich ein ge - wiſſer Aufwand fuͤr einen Garten gemacht werden kann, ſo wird es leicht ſeyn, durchmanche179der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. manche Veraͤnderungen die Wirkung der Ueberraſchung zu erhalten, ohne dem eigen - thuͤmlichen Charakter des Gartens Eintrag zu thun.

Aus dieſen Bemerkungen entſpringen die allgemeinen Regeln fuͤr den Gartenkuͤnſtler.

  • 1) Er mache nie ſeine Anlagen ſo, daß bey dem erſten Anblick der Plan des Ganzen auf einmal in die Augen faͤllt. Er laſſe nicht uͤberſehen, noch rathen, welche Scene jedesmal folgen werde. Je mehr er verbergen kann, deſto lebhafter wird die ploͤtzliche Erſcheinung bewegen. Wo man am wenigſten vermuthete, da iſt die Ueberraſchung am angenehmſten.
  • 2) Er ſehe auf die Gegenſtaͤnde, Lagen, Ausſichten u. ſ. w. wodurch er uͤber - raſchen will. Es iſt nicht genug, daß ſie angenehm und uͤberhaupt faͤhig ſind, gartenmaͤßige Empfindungen zu erwecken; ſie muͤſſen auch erheblich, ausgewaͤhlt, hervorſtechend ſeyn. Das Gemeine, wenn es auch noch ſo ploͤtzlich erſcheint, bringt nur eine geringe Wirkung hervor.
  • 3) So wird auch ohne Mannigfaltigkeit und Abwechſelung die Wirkung nur ſchwach ſeyn. Wenn nach einem Gegenſtande, der uͤberraſchte, eben derſelbe oder ein aͤhnlicher wieder erſcheint; ſo hat er ſchon den groͤßten Theil ſeiner Kraft fuͤr uns bewieſen, und wir wandeln weniger bewegt oder gar gleichguͤltig voruͤber. Viele und ſehr verſchiedene Gegenſtaͤnde, alle in einer unerwarteten Erſcheinung, erzeugen eine an einander hangende Reihe der angenehmſten Bewegungen, die unſre Seele weit uͤber ihren alltaͤglichen Empfindungskreis hinausheben.
  • 4) Aber ſorgfaͤltig huͤten ſoll ſich der Gartenkuͤnſtler, daß er aus Liebe zur Ue - berraſchung nicht auf ſpitzfindige Erkuͤnſtelungen, auf Spielwerke und Dinge falle, die unter der Wuͤrde eines Gartens ſind, in welchem nicht weniger, wie in jedem andern Werk der Kunſt, geſunde Vernunft und reiner Geſchmack herrſchen ſoll.
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Z 2V. Vom180Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

V. Vom Contraſt.

Contraſt, eine Art von Abwechſelung, die aus der Vergleichung eines Gegenſtan - des mit einem andern ihm unaͤhnlichen entſpringt, iſt ein Mittel, ſehr lebhafte Bewegungen hervorzubringen, und den Einwirkungen der Gegenſtaͤnde ſtaͤrkern Nachdruck zu geben. Die Natur bedient ſich deſſelben in ihren herrlichſten Landſchaf - ten; und verſtaͤndige Maler haben in ausgedehnten Stuͤcken mit Vo[r]theil ihre Vor - bildung genutzt. Man wird nicht leicht eine trefflichere Schilderung von einer aus - gebreiteten Landſchaft finden, worin die Gegenſtaͤnde ſtark contraſtiren, als die iſt, welche Brydone von der Gegend um Neapel giebt. *)Reiſe durch Sicilien und Malta ꝛc. Aus dem Engl. 1ſter Th. 2ter Br. 8. 1774.

Wir befanden uns bald, mitten in dem Meerbuſen von Neapel, von den ſchoͤnſten Ausſichten und Schauplaͤtzen von der Welt umgeben. Der ganze Raum des Meerbuſens, der mit allen ſeinen Kruͤmmungen und Ungleichheiten einen weiten Umfang hat, erhaͤlt durch alle die Reichthuͤmer der Kunſt und der Natur eine ſo wun - derbare Mannigfaltigkeit, daß faſt nichts fehlt, um das Schauſpiel ganz vollkommen zu machen; und es iſt ſchwer zu ſagen, ob die Ausſicht wegen der Sonderbarkeit vie - ler dieſer Gegenſtaͤnde, oder wegen der unglaublichen Mannigfaltigkeit des Ganzen angenehmer ſey. Eine bewundernswuͤrdige Vermiſchung von Altem und Neuem, von Dingen, wovon einige ſich emporheben und beruͤhmt werden, und andere zu Grunde gehen; Palaͤſte, die ſich uͤber den Spitzen anderer Palaͤſte erheben, und alte Pracht und Herrlichkeit, die von neuerer Thorheit unter die Fuͤße getreten wird; we - gen ihrer Fruchtbarkeit ehemals beruͤhmte Berge und Inſeln, die in kahle unfrucht - bare Wuͤſteneyen, und unfruchtbare Wuͤſteneyen, die in fruchtbare Felder und reiche Weinberge verwandelt ſind; Berge, die zu Ebenen herabgeſunken, und Ebenen, die zu Bergen aufgeſchwollen; Seen, die von Vulcanen ausgetrocknet, und ausgeloͤſchte Vulcane, die zu Seen geworden ſind. Die Natur ſcheint dieſe Kuͤſte in ihrer ſon - derbarſten Laune gebildet zu haben; jeder Gegenſtand, den man hier erblickt, iſt ein Spiel der Natur. Sie ſcheint nirgends ernſthaft zu Werke gegangen zu ſeyn, ſon - dern dieſen ganzen Fleck der unumſchraͤnkteſten Aeußerung ihres Eigenſinnes und ihrer Luſtigkeit gewidmet zu haben. Ein wenig nach Weſten liegen die Inſeln Iſchia, Procita und Niſida; das beruͤhmte miſeniſche Vorgebirge; die Gefilde von Baja, Cuma und Puzzoli; die ſo maleriſch gelegene Stadt Puzzoli mit dem uͤber ihr rauchenden Solfatara; das ſchoͤne Vorgebirge Panſilipo, welches das angenehmſteSchau -181der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Schauſpiel darbietet, das man ſich nur vorſtellen kann; die große und reiche Stadt Neapel mit ihren drey Caſtellen, ihrem mit Schiffen von allen Nationen angefuͤllten Hafen, ihren Palaͤſten, Kirchen und unzaͤhligen Kloͤſtern; der praͤchtige Landſtrich von hier nach Portici, der mit ſchoͤnen Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt iſt, und nichts anders, als eine Fortſetzung der Stadt, zu ſeyn ſcheint; der Palaſt des Koͤ - nigs mit vielen andern, die ihn umgeben, alle uͤber den Daͤchern der vormaligen Pa - laͤſte von Herkulaneum erbauet, die durch die Ausbruͤche des Veſuvs beynahe hundert Fuß tief begraben worden; die ſchwarzen Felder von Lava, mit Gaͤrten, Weinbergen und Baumgaͤrten untermiſcht; der Veſuv ſelbſt in dem hintern Grunde des Schauplatzes, der Buͤndel von Feuer und Rauch auswirft, die in der Luft uͤber unſern Haͤuptern breite Striche machen, welche ſich, ohne gebrochen oder zerſtreut zu werden, bis an den aͤußerſten Rand des Horizonts erſtrecken; eine Menge von ſchoͤnen Staͤdten und Doͤrfern rund um den Fuß des Berges, unbekuͤmmert wegen des uͤber ihnen haͤngenden Verderbens, unter ihnen zum Theil die geheiligten Woh - nungen der alten Roͤmer. An den Berg ſtoͤßt die ausgedehnte und romantiſche Kuͤ - ſte von Caſtello Mare, Sorrentum und Mola, wo ſich alle maleriſche Gegen - ſtaͤnde der Natur in der groͤßten Mannigfaltigkeit zeigen. Man ſtelle ſich dieſe Ausſichten vor, wie ſie Brydone genoß, aus der Mitte des Meerbuſens, bey einer Windſtille, an einem heitern Nachmittage des Maymonats, in Stunden, wo die Sonne ſich allmaͤhlig ihrem Untergange naͤhert und allen Scenen ein ſchoͤneres Licht zuwirft; dieſe Ausſichten in eine ſolche ausgebreitete und mit dem groͤßten Contraſt ſo vieler Gegenſtaͤnde erfuͤllte Landſchaft und man faſſe, ſo weit es die Phantaſie vermag, den ganzen Genuß der Bewegungen, die ſie hervorbringen mußten.

Die Natur zeigt wenig Landſchaften, in welchen der Contraſt ſo hervorſtechend iſt, als in der eben angezeigten. Allein dem ohngeachtet ergoͤtzt ſie in allen Revieren von einigem Umfang durch gewiſſe Grade des Contraſtes; und ſo wie der Landſchaftmaler dieſer Anleitung folgt, ſo ſoll auch der Gartenkuͤnſtler ſie nicht aus der Acht laſſen.

Zuvoͤrderſt ſind in Anſehung der Hervorbringung des Contraſtes dieſe allgemei - nen Bemerkungen wahrzunehmen.

  • 1) Nur in groͤßern Landſchaften, und nicht in einer abgezirkelten laͤndlichen Gegend, ergoͤtzt eigentlich die Natur durch den Contraſt der Gegenſtaͤnde. Der Garten, worin Bewegungen dieſer Art hervorgebracht werden ſollen, muß daher von einem nicht geringen Umfang ſeyn, wobey entweder ſchon die Natur vorgear - beitet hat, oder doch die noͤthigen Anlagen ſich mit Bequemlichkeit machen laſſen. Auf einem kleinen Platz Contraſt ſuchen, wuͤrde Ueberladung und alſo Verwirrung werden.
Z 32) Man182Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden
  • 2) Man ſuche nicht zu aͤngſtlich und nicht uͤberall Gegenſtellung in den Gaͤr - ten anzubringen. Die Beobachtung der Natur lehrt uns, daß ſie ſich einer ge - wiſſen bedaͤchtigen Nachlaͤßigkeit uͤberlaͤßt, wenn ſie Gegenſtaͤnde mit einander in einen Contraſt ſetzt, und daß ſie nicht an allen Stellen Ungleichheit und auffal - lende Abſtechung hinzulegen bemuͤhet iſt, ſondern vielmehr oft eine Reihe von aͤhn - lichen Scenen folgen laͤßt. Das Widerſpiel wuͤrde nur zu dem Seltſamen und Gezwungenen verleiten.
  • 3) Der Contraſt kann ſtatt haben entweder bey Gegenſtaͤnden, die von einer ganz entgegengeſetzten Art und Beſchaffenheit ſind, oder bey Gegenſtaͤnden von einer Art, die nur in Anſehung ihrer Eigenſchaften unaͤhnlich ſind. Die erſte Art des Contraſtes wirkt freylich ſtaͤrker; allein ſie iſt mit vieler Vorſicht auf einem Gartenplatz anzubringen, weil der Gartenkuͤnſtler ſich leicht verirren kann, Ge - genſtaͤnde aufzuſtellen, die nicht mit dem Ganzen harmoniren, und wohl gar die Hauptbewegung ſtoͤren. Dieſer Contraſt herrſcht vornehmlich in Landſchaften, und kann auch in ausgedehnten Parks ſehr leicht ſeine Stelle erhalten. Die an - dere Art des Contraſtes iſt gewoͤhnlicher in eingeſchraͤnktern Gaͤrten, aber von einer ſchwaͤchern Wirkung. Man ſuche, ſo viel es der Raum und die Beſtimmung des Gartens, die man nie aus dem Geſichte verlieren ſoll, verſtatten, beyde Arten des Contraſtes geſchickt mit einander zu vereinigen.
  • 4) Weil man oft der erſten Art des Contraſtes gar zu anhaͤngig war, ſo ſind dadurch die ſonderbarſten Uebertreibungen entſtanden. Man wollte gewiſſe ro - mantiſche Scenen der Natur nachahmen, die ſie nur hie und da als Spiele ihrer Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeſchmackte; zumal da man an - fieng, aus dem, was bey der Natur nur ſeltene Erſcheinung iſt, ein eigenes Haupt - werk zu machen. Dieſer Tadel trifft nicht unſre gewoͤhnlichen Gaͤrten, die noch weit davon entfernt ſind, ſondern einige Parks der Englaͤnder und am meiſten die Gaͤrten der Chineſer, wie man ſie uns wenigſtens beſchreibt. Daß dieſe die Gegeneinanderſetzung nach der Zuͤgelloſigkeit des orientaliſchen Geſchmacks uͤber - treiben moͤgen, daruͤber darf man ſich nicht wundern; aber wohl daruͤber, daß Chambers dieſe Ausſchweifung billigt.

Den angenehmen Scenen, ſagt er, ſetzen die Chineſer die fuͤrchterlichen entgegen. Dieſe ſind eine Zuſammenſetzung duͤſterer Gehoͤlze, tiefer, der Sonne un - zugaͤnglicher Thaͤler, uͤberhangender unfruchtbarer Felſen, dunkler Hoͤhlen und unge - ſtuͤmer Waſſerfaͤlle, die ſich von allen Seiten von den Bergen herabſtuͤrzen. Die Baͤume ſind uͤbel geſtaltet, aus ihrem natuͤrlichen Wachsthum herausgezwungen, und dem Anſcheine nach von der Gewalt der Gewitter zerriſſen. Einige ſind ausge -riſſen183der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. riſſen und hemmen den Lauf der Stroͤme; andere ſind wie vom Blitz verbrannt und zerſchmettert. Die Gebaͤude ſind Ruinen, oder halb vom Feuer verzehrt, oder durch die Wut der Gewaͤſſer weggeſpuͤlt. So weit moͤchte alles dieſes noch leidlich ſeyn, und ſo weit hat man auch zum Theil die Nachahmung ſchon getrieben. Aber nun! Fledermaͤuſe, Eulen, Geyer und alle Raubvoͤgel flattern in den Gehoͤlzen umher; Woͤlfe und Tiger heulen in den Waͤldern; halb verhungerte Thiere ſchleichen uͤber die Haiden; Galgen, Kreuze, Raͤder und alle Torturwerkzeuge kann man von den Landſtraßen her ſehen. In dem ſchrecklichen Innern der Waͤlder, wo die Wege uneben und mit Unkraut bewachſen ſind, ſtehen dem Gott der Rache geweihete Tem - pel. Neben allem dieſen ſieht man ſteinerne Pfeiler mit Beſchreibungen tragiſcher Begebenheiten und allerhand ſchrecklichen Handlungen der Grauſamkeit. Dazu kommen abgelegene Oerter, die mit koloſſaliſchen Figuren von Drachen, hoͤlliſchen Furien und andern graͤßlichen Geſtalten angefuͤllet ſind. Was Chambers mehr davon erzaͤhlt, zeugt, wie dieſes, von einer Ausſchweifung, die vielleicht nicht weiter getrieben werden kann. Das Seltſamſte iſt, daß dieſe Scenen des Schreckens des - wegen angelegt werden, um die Wirkungen der angenehmen Auftritte durch den Con - traſt zu heben. Wenn alles ſich wirklich ſo verhielte, wer haͤtte noch Luſt oder Muth in dieſe ſcheußlichen Gegenden zu treten? Und welchem Menſchen von geſundem Ge - fuͤhl koͤnnten ſolche Verunſtaltungen der ſchoͤnen Erde Gottes gefallen?

Wenn es gleich nicht zu vermuthen iſt, daß unſere traͤge oder maͤßigere Ein - bildungskraft jemals zu einer Art ſolcher Ausſchweifungen ſich verirren ſollte; ſo ver - dient doch hier bemerkt zu werden, daß alle Gegenſtaͤnde von der fuͤrchterlichen Gat - tung ſich nicht mit der Beſtimmung der Gaͤrten vertragen, man mag ſie aus blos zufaͤlligen Grillen ergreifen, oder aus Liebe der Neuheit und des Contraſtes waͤhlen. Auch die, welche nur einen geringen Grad des Fuͤrchterlichen enthalten, laſſen ſich ſelbſt auf groͤßern Plaͤtzen ſo ſchwer in eine gluͤckliche Verbindung mit dem Ganzen bringen, daß man ſie eher abrathen als zulaſſen muß.

Wir haben in den meiſten Gaͤrten Verzierungen, die zwar nicht zu dem Fuͤrch - terlichen, doch zu dem Widrigen gehoͤren: die Nachbildungen von Ungeheuern des Landes und des Waſſers, von Rieſen, Herkuleſſen, Drachen und Loͤwen, die Waſſer ſpeyen, Wallfiſchen u. ſ. w. Als man ſie einfuͤhrte, war man weit entfernt, irgend eine Art des Contraſtes dadurch hervorbringen zu wollen; man ergriff ſie, weil man zur Zeit nichts beſſers bey der Hand hatte, oder weil man glaubte, daß bey einem Baſſin auch nothwendig ein Wallfiſch abgebildet ſeyn muͤſſe. Indeſſen war es ein Schritt naͤher nicht blos zum Widerſinnigen, ſondern auch die edlere Einwirkung eines anmuthigen Platzes zu verderben.

Doch184Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden

Doch ich komme wieder zu dem wahren Contraſt in gartenmaͤßigen Gegenſtaͤn - den. Weil indeſſen ſchon vor mir Home*)Grundſaͤtze der Kritik. daruͤber eine richtige Vorſchrift gegeben, die das enthaͤlt, was ich allenfalls daruͤber ſagen moͤchte, ſo darf ich ſie hier nur an - fuͤhren. Die Bewegungen, ſagt er, welche durch die Gartenkunſt erregt wer - den, ſind aufs Beſte ſo ſchwach, daß man ſich jedes Vortheils bedienen ſollte, um ſie zu ihrer aͤußerſten Staͤrke zu bringen. Man kann ein Stuͤck Landes zu großen, lieblichen, muntern, zierlichen, wilden, melancholiſchen Scenen anlegen. Wenn dieſe verſchiedenen Scenen in einem Fortgang geſehen werden, ſo muß man die gro - ßen mit den lieblichen, die regelmaͤßigen mit den wilden, die muntern mit den melan - choliſchen contraſtiren, ſo daß immer eine Bewegung auf die entgegengeſetzte folge. Ja man erhoͤht das Vergnuͤgen noch, wenn man den Fortgang durch rauhe unange - bauete Striche ſowohl, als durch weite unbeſchraͤnkte Proſpecte unterbricht, die an ſich ſelbſt unangenehm ſind, aber in dem Fortgange das Vergnuͤgen fuͤr die angeneh - men Gegenſtaͤnde erhoͤhen. Wir haben hierin die Natur zur Fuͤhrerinn, die oft ihre ſchoͤnſten Landſchaften mit rauhen Felſen, kothigen Suͤmpfen, duͤrren und ſteinigen Haiden untermengt. So weit hat Home Recht.

Aber bald nachher verfuͤhrt ihn ſeine Theorie zu Vorſchlaͤgen, die uͤbertrieben ſind. Gaͤrten bey großen Staͤdten naͤmlich ſollten einen Schein von Einſamkeit ha - ben. Dagegen muͤſſe ein Garten in einem oͤden Lande mit der Einſamkeit der Ge - gend in Contraſt gebracht werden; keine Tempel, keine dunkeln Gaͤnge, ſondern ſprin - gende Waſſer, Caſcaden, lebhafte, muntre, ſchimmernde Gegenſtaͤnde. Ja man ſollte ſogar in einem ſolchen Garten die Nachahmung der Natur vermeiden, und ihm das Anſehen einer außerordentlichen Kunſt und Regelmaͤßigkeit geben, um die ge - ſchaͤftige Hand des Menſchen ſehen zu laſſen. Dies iſt eine von den blendenden willkuͤhrlichen Forderungen, die Home macht, um die Anwendbarkeit ſeiner ſonſt ſo tiefſinnigen Theorie durchzuſetzen. Hier iſt aber nicht allein Widerſpruch mit ſeinen uͤbrigen Grundſaͤtzen von der Gartenkunſt, ſondern auch eine Behauptung, der bey aller anſcheinenden Wahrheit noch immer andre Gruͤnde ſich entgegenſetzen. So we - nig als irgend ein fuͤr ſich beſtehendes Werk der Kunſt deswegen von ſeiner ihm eigen - thuͤmlichen Einrichtung ganz abweichen darf, um den Regeln eines andern Werks, womit es in einer zufaͤlligen Verbindung ſteht, anhaͤngig zu werden; ſo wenig darf die Nachbarſchaft einer Stadt oder die Beſchaffenheit einer Gegend eine ſolche Veraͤn - derung in dem Charakter eines Gartens verurſachen. Wuͤrden Gaͤrten blos zur Aus - ſchmuͤckung einer Gegend oder einer Landſchaft, blos fuͤr die Ergoͤtzung der Reiſenden angelegt, und zwar mit einer ſolchen Ausdehnung, daß allein nur die Eindruͤcke einerGegend185der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Gegend durch einen Garten gehoben werden ſollten; ſo wuͤrde jener Vorſchlag ſeine Richtigkeit haben. Aber dann waͤr ein ſolcher Garten nur als ein Mittel, die Land - ſchaft zu verſchoͤnern, nicht aber als ein Werk, das fuͤr ſich beſteht, anzuſehen. Soll ein Garten ſeinen eigenen Grundſaͤtzen unterwuͤrfig ſeyn, ſo kann er nicht von den Eigenſchaften eines ihm benachbarten Gegenſtandes eine Veranlaſſung nehmen, ſeine innere Einrichtung darnach umzuaͤndern. Wo ſollte man die wahren Regeln der Kunſt ſuchen, wenn ſie erſt dem Willkuͤhr uͤberlaſſen werden? Ein Garten iſt nicht blos wegen der Gegend da; bey der gehoͤrigen Anlage iſt er ein Werk, das ſeinen ei - genen Umkreis beſchreibt, und darin ſeinen eigenen Charakter und ſeinen eigenen Werth enthaͤlt.

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I Band. A aZweyter186Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren

Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren der Landſchaft und ihren Wirkungen.

Die Natur, die in allen ihren Werken eine ſchoͤne Mannigfaltigkeit und Abaͤnde - rung herrſchen laͤßt, hat auch uͤber die Oberflaͤche der Erde dieſen Reiz ausge - breitet. Sie hat den Landſchaften eine ſo unendliche Verſchiedenheit von Lage und Bildung eingepraͤgt, daß zwo ganz gleichfoͤrmige Gegenden eine eben ſo ſeltene Er - ſcheinung ſeyn wuͤrden, als eine vollkommene Uebereinſtimmung von zwey Menſchen - geſichtern in Umriß und Zuͤgen.

Nicht ſo allgemein, als die bloße Wahrnehmung dieſer Mannigfaltigkeit, iſt bey den Menſchen die Empfindung der Eindruͤcke, welche die verſchiedenen Lagen in der Landſchaft auf die Seele machen. Dieſe Empfindung kann bey Rohigkeit oder Unachtſamkeit nicht empordringen. Sie ſetzt, wenn ſie ſich aͤußern ſoll, einen Grad von Schaͤrfe und Aufmerkſamkeit des aͤußern Sinnes, eine gewiſſe Leichtigkeit, die Bilder aufzufangen und ſie zur Beruͤhrung oder Erſchuͤtterung der Phantaſie, zur Erzeugung der innern Bewegung feſtzuhalten, eine gewiſſe Behaglichkeit der Seele an ſanftern Gefuͤhlen der Natur voraus.

So merke man bey einer nicht zu ſehr eingeſchraͤnkten Reiſe in den heitern Mo - naten des Jahres auf ſich ſelbſt; man ſey ohne Zerſtreuung, geneigt, ſich den Ein - druͤcken der Gegenden, die nach und nach erſcheinen, zu eroͤffnen. Man wird durch die innere Empfindung von den verſchiedenen Kraͤften der Gegenſtaͤnde und Lagen der Landſchaft eben ſo zuverlaͤßig verſichert werden, als das Auge die Abwechſelung der Formen und Farben wahrnimmt. Jedes ruhige und aufmerkſame Umherwandeln unter abwechſelnden Scenen des Landes wird dieſe Erfahrung wiederholen.

Der Menſch ſteht alſo in einem ſo nahen Verhaͤltniß mit der Natur, daß er ihre Einwirkungen auf ſeine Seele nicht verlaͤugnen kann. Er wird von dem Schoͤ - nen, Lieblichen, Neuen, Großen und Wunderbaren, das ſie ihm aufſtellt, zu man - nigfaltigen Bewegungen hingeriſſen. Sie hat Gegenden, die bald zur lebhaften Freude, bald zur ruhigen Ergoͤtzung, bald zur ſanften Melancholie, bald zur Ehr - furcht, Bewunderung und einer feyerlichen Erhebung der Seele, die nahe an die Andacht graͤnzt, einladen; aber auch Gegenden, die ein niederſchlagendes Gefuͤhl unſrer Beduͤrfniſſe und Schwaͤche, Traurigkeit, Furcht, Schauder und Entſetzeneinfloͤßen.187der Landſchaft und ihren Wirkungen. einfloͤßen. Ich ward in den Alpen von Empfindungen ergriffen, die ich nie ge - kannt, denen ich nie eine ſo außerordentliche Erhebung des menſchlichen Herzens zu - getraut haͤtte; ich wuͤnſchte ſo oft den kleinen Haufen meiner entfernten Freunde her - bey, um ſie neben mir von dieſen neuen, den Geiſt ausdehnenden, erhoͤhenden, er - ſchuͤtternden Gefuͤhlen erfuͤllt zu ſehen, die durch keine Beſchreibung, ſondern nur durch den eigenen Genuß begreiflich ſind. Und nach dem Herabſteigen von jenen Gebirgen, deren mit ewigem Eiſe und Schnee beladene Spitzen dem Feuer der Sonne trotzen, in die ſtillen Thaͤler herab, die tief unter ihnen in der Fuͤlle der Fruchtbarkeit ruhen, welche ganz andre Empfindungen! Es koſtet nicht viel, ſich zu uͤberzeugen, daß jede Art des Gefuͤhls durch Scenen der lebloſen Natur erweckt werden kann. Wenn dieſe ſchon in den Nachbildungen der Kunſt, in den Landſchaftgemaͤlden eines Pouſſin, Salvator Roſa und anderer großen Meiſter ihre Wirkungen beweiſen: wie viel weniger koͤnnen wir an ihrer Kraft zweifeln!

Der Gartenkuͤnſtler ſoll alle Wirkungen der natuͤrlichen Lagen der Landſchaft kennen, um ſolche auszuwaͤhlen, die der Beſtimmung eines Gartens gemaͤße Bewe - gungen hervorbringen, und ihnen eine ſolche Verbindung und Anordnung zu geben, daß dieſe Bewegungen in einer harmoniſchen Beziehung auf einander folgen. Hierin liegt eins der wichtigſten Stuͤcke der Gartenkunſt, und gerade ein ſolches, das noch eine genaue Unterſuchung erwartet.

Zwar zeigen ſich bey Unterſuchungen dieſer Art Schwierigkeiten, die nicht ſo leicht zu uͤberwinden ſind. Man ſoll von der Verſchiedenheit der Lagen in der Land - ſchaft einen Begriff durch Woͤrter und Beſchreibungen geben. Gleichwohl iſt die Kunſt, die Natur vorzuſtellen, noch zu neu, als daß die Sprache ſchon einen hin - laͤnglichen Vorrath von Ausdruͤcken haͤtte, um jeden einzelnen Gegenſtand, jeden Ort, jede Stellung, die unendlich kleinen Verſchiedenheiten und Abweichungen in Lage und Form zu bezeichnen. Man wage es, eine Ebene, ein Thal zu beſchreiben. Wenn man ihre Laͤnge oder Breite, ihre Erhoͤhung oder Vertiefung, ihre Bekleidung oder die Nachbarſchaft der angraͤnzenden Gegenſtaͤnde angeben ſoll: wird es moͤglich ſeyn, durch Worte eine ſo genaue, ſo feſte Idee zu erwecken, daß man gerade dieſe Ebene, gerade dieſes Thal beſonders erkenne, ſo wie es iſt, ohne Verwechſelung mit einem aͤhnlichen, das man geſehen, oder mit einem andern, das die Phantaſie unterſchiebt? Man beſchreibt einen Huͤgel; ſein Fuß, ſeine Seiten, ſein Gipfel ſind ſeine vornehm - ſten Theile. Allein wird dieſe Zergliederung hinreichen? Welche Mannigfaltigkeit liegt nicht in den zugerundeten, verlaͤngerten, verengten, niedergedruͤckten, ausſchwei - fenden, zuſammengepreßten, wieder ausgewickelten Formen! Und wo ſind alle die Woͤrter, die zur beſtimmten Bezeichnung dieſer Formen erfordert wuͤrden? So laſſenA a 2ſich188Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenſich die Hoͤhe oder Groͤße einer Pflanze oder Blume, ihre Blaͤtter, ihre Wurzel an - geben; wie ſoll man aber ihre Stellung, die beſondere Miſchung ihrer Farben, das Zierliche ihrer Blaͤtter, ihre Rauhigkeit oder Anmuth beſchreiben? Und doch haͤngt die Aehnlichkeit eines Gegenſtandes von der Harmonie ſeiner ſaͤmmtlichen Theile ab. Geſetzt, es waͤren auch in der Sprache Ausdruͤcke genug da; ſo wird man doch aus ihnen von der Verbindung aller Theile ſich nur ein unvollkommenes Bild machen. Wie leicht wird man ſich nicht unter der Menge der einzelnen Theile, die nach und nach durch Worte bezeichnet werden, verirren, oder aus ihnen ein ganz andres Ganze zuſammenſetzen, als der Beſchreiber vor Augen hat? Umſchreibungen, zu welchen man ſeine Zuflucht zu nehmen ſucht, ſind mehr geſchickt, hier neue Schwierigkeiten zu erregen, als die alten zu heben. Die Malerey und die Kupferſtecherkunſt bieten ihren Beyſtand an, indem ſie nicht allein die Lagen und Stellungen aller neben ein - ander befindlichen Theile, ſondern auch hundert Nuͤancen und Zufaͤlligkeiten dar - ſtellen, die ſelbſt der maleriſchen Sprache des Dichters nicht erreichbar ſcheinen. Dennoch haben Vorſtellungen landſchaftlicher Scenen von der Hand dieſer Kuͤnſte ihr Unbequemes und Mangelhaftes. Die ſchoͤnſten Ausſichten in der Natur ſind faſt immer im Gemaͤlde am wenigſten intereſſant. Die Mannigfaltigkeit von rei - zenden Anſichten, die oft einer einzigen Scene eigen iſt, laͤßt ſich nicht in eine Nach - bildung einſperren; der enge Raum, worin die Vorſtellungen ſich einſchraͤnken muͤſſen, vermindert ſehr die Wirkung, welche die freye und ausgebreitete Natur ſelbſt hat; Muͤhe und Koſten werden hier ohne einen erheblichen Gewinn verſchwendet. Das Locale verliert uͤberdies faſt allezeit in der Nachbildung; und bey den beſten Arbeiten muß man ſich begnuͤgen, eine Scene zu ſehen, die mit der, welche ſie vorſtellen ſoll, blos einige Aehnlichkeit hat. Das Herrlichſte in der Landſchaft ſind die Malerey der Farben, die Wirkungen des Lichts und des Schattens, und tauſend kleine Zu - faͤlligkeiten, die kein Kupferſtich erreicht. Dieſer angefuͤhrten Unbequemlichkeiten ungeachtet wollen wir ſehen, wie weit uns dieſer Verſuch fuͤhren kann.

Wenn man von den unermeßlichen Flaͤchen des Erdbodens zuvoͤrderſt groͤßere Stuͤcke, die fuͤr ſich ein Ganzes ausmachen koͤnnen, abſondert, ſo bekommen wir Landſchaften; und wenn dieſe Landſchaften wieder in kleinere Theile zerſchnitten wer - den, ſo geben ſie eben ſo viele Gegenden. Nach dieſem Begriff beſteht die Land - ſchaft aus verſchiedenen Gegenden, die mehr oder weniger Ausdehnung, Mannig - faltigkeit und Schoͤnheit haben, und mit einander verbunden ſind. Jede Gegend, die als ein Theil der Landſchaft zu betrachten iſt, hat wieder ihre einzelnen Theile, durch deren Beſchaffenheit und Verbindung ſie eines eigenen Charakters faͤhig iſt. Der Charakter einer ganzen Landſchaft wird durch die groͤßere oder geringere Vollkom -menheit189der Landſchaft und ihren Wirkungen. menheit und Harmonie der verſchiedenen Charaktere der einzelnen Gegenden beſtimmt. Die Landſchaft iſt alſo ihre Schoͤnheit und die Kraft ihres Eindrucks den verſchiede - nen Revieren ſchuldig, die ſich zu ihrer Bildung vereinigen; und dabey wird nicht allein der beſondere Charakter einer jeden einzelnen Scene fuͤr ſich, ſondern auch die Verbindung aller dieſer Scenen unter einander zur Wirkung den Ausſchlag geben.

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I. Von den einzelnen Theilen einer Gegend.

Zuerſt Lage oder Geſtalt des Bodens, Ebene, Anhoͤhe, Vertiefung; ſodann Ausbildung und Belebung deſſelben durch Felſen, Huͤgel, Gebirge, Gehoͤlz, Waſſer, Wieſen, Ausſichten; endlich Zufaͤlligkeiten.

1. Ebene.

Die Ebenen, Anhoͤhen, Vertiefungen ſchraͤnken bald die Anſichten der Gegenſtaͤnde ein, erweitern ſie bald, vervielfaͤltigen und erheben ſie. Alle dieſe Arten von Lagen koͤnnen dem Gartenkuͤnſtler ſo wenig gleichguͤltig ſeyn, als ſie es dem Land - ſchaftmaler und der Natur ſelbſt ſind.

Die Ebene iſt zwar wenig Abaͤnderung faͤhig; allein die Natur bedient ſich ihrer, und in den Gaͤrten kann ſie hin und wieder einen angenehmen Theil ausmachen,A a 3nie190Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterennie aber ſoll ſie ein Ganzes ſeyn. Sie giebt den Begriff der Bequemlichkeit, der Freyheit und des Ungezwungenen; ſie verſtattet ein ruhiges, verweilendes Ueber - ſchauen der Scenen, die ſie enthaͤlt.

Allein eine Ebene, die gefallen ſoll, muß theils nach allen Seiten eine gewiſſe Ausdehnung haben, theils keine leere unbelebte Flaͤche vorſtellen. Ein langer ſchma - ler Strich hat an ſich ſelbſt nichts einnehmendes. Verliert ſich die Ausdehnung der Ebene ohne irgend eine Unterbrechung zu weit, daß das Auge nicht mehr die Graͤnze faßt, ſo wird der Anblick bald ermuͤdend werden. Das Auge muß auf ihr Beſchaͤf - tigung und Unterhaltung finden; iſt ſie leer oder ganz einfaͤrbig, ſo wird ſie Ueber - druß und Langeweile erregen. Selbſt eine weite Flaͤche mit wallendem Getraide, die keinen andern Gegenſtand zeigt, unterhaͤlt nur wenig. Wie erfreuend aber iſt eine Ebene, die von eingezaͤunten Feldern und Kuͤchengaͤrten, die eine Abwechſelung der Auftritte und der Farben geben, unterbrochen iſt!

Noch mehr Leben empfaͤngt die Ebene durch Waſſer, das bald von Sonnen - glanz blinket, bald das Antlitz des blauen Himmels und die abwechſelnden Malereyen der Wolken zuruͤckſtralt.

Da die Ebene an ſich ſelbſt wenig intereſſant iſt, ſo kann ſie noch von der Graͤnze und Nachbarſchaft viel an Eindruck gewinnen. Sie wird ſchon angenehmer, wenn ſie zwiſchen Gruppen von Baͤumen in einen Hain ſich verirrt, oder in ein buſchigtes Gehuͤgel aufſchwillt, als wenn ſie in die leere Ferne verſchwindet; noch viel angeneh - mer, wenn ſich ihr zur Seite ein Gebirge aufthuͤrmt, oder ein hoher Wald, ein ſtark bewohntes Dorf, oder irgend ein anderer wichtiger Gegenſtand ihre Graͤnze mit einer lieblichen Daͤmmerung bezeichnet.

2. Anhoͤhe.

Die Anhoͤhe hat mehr Freyheit, Heiterkeit und Anmuth als die Ebene; das Offene und Luſtige iſt ihr Eigenthum. Sie begraͤnzt Ausſichten, und eroͤffnet zugleich neue; ſie unterhaͤlt durch Vervielfaͤltigung der Anſichten bey dem Hinaufſteigen, uͤber - raſcht auf ihrem Gipfel und gewaͤhrt der Seele ein angenehmes Gefuͤhl der Erhebung, worin ſie gleichſam uͤber Sorgen und unwuͤrdige Beſchaͤftigungen hinausragt, und ih - rer edlern Beſtimmung naͤher entgegenruͤckt. Sie theilt Gebaͤuden auf ihrer Spitze mehr Wuͤrde und Majeſtaͤt mit, und bietet ihnen auf ihren Abhaͤngen freyere, ſanf - tere und anmuthigere Lagen an.

Die191der Landſchaft und ihren Wirkungen.

Die Schoͤnheit der Anhoͤhe beruhet am meiſten in der Figur. Alles Eckige, Scharfabgeſchnittene, Ausgehoͤhlte, Zugeſpitzte beleidigt das Auge. Sanft ge - kruͤmmte Linien hingegen, allmaͤhlige Abfaͤlle, Mannigfaltigkeit in den Biegungen der Abſaͤtze, eine liebliche Rundung des Gipfels, die oben in eine Flaͤche uͤbergeht, geben der Anhoͤhe die angenehmſte Form.

Eine nackte Anhoͤhe gefaͤllt ſchon, wenn ſie uͤbrigens nur die Empfehlung der Figur hat. Allein die Bekleidung theilt ihr einen neuen Reiz zu. Friſches Gruͤn, das uͤberall die Erhoͤhung bedeckt, heiteres Laubwerk und bluͤhendes Gebuͤſch, hie und da ohne Regelmaͤßigkeit auf den Abhaͤngen verſtreut, kleine Gruppen, Baͤume von einer edeln Form, die an den Seiten emporragen, oder einen Theil des Gipfels uͤber - ſchatten, eine herumkletternde Heerde, ein Landhaus von angenehmer Architektur ſind die ſchoͤnſten Verzierungen der Anhoͤhe.

3. Vertiefung.

Die Vertiefung iſt die Wohnung der Einſamkeit und der Ruhe; ſie iſt melan - choliſchen Anlagen und Scenen guͤnſtig, und nimmt willig alles an, was eine Ver - ſchließung und Beſchattung heißt. Der Einſiedler, der Freund ſtiller Betrachtun - gen, des Gefuͤhls ſeiner ſelbſt, findet hier einen bequemern Ruheplatz.

Gebuͤſche voll vom Geſang ungeſtoͤrter Voͤgel, die ſich lieben und anbauen, ſanft dahinſchleichendes oder doch leiſe murmelndes Gewaͤſſer, das Geſchwaͤtz eines ungeſehenen Baches, zuweilen ein lauter Waſſerfall, von Laubwerk uͤberwoͤlbte Gaͤn - ge, ſcheinen die natuͤrlichſte und anmuthigſte Belebung dieſer Lage zu ſeyn.

Die Vertiefung mitten in einer Ebene iſt weniger angenehm, als nahe an ei - nem Gehoͤlze, und wo die Natur ſie am meiſten zu zeugen pflegt, an der Seite eines Berges.

Jaͤhe ſteilabgeſtuͤrzte Tiefen ſind uͤberraſchend, zuweilen zuruͤckſchreckend; aber anmuthig einladend ſind allmaͤhlig ſich dahinſenkende Niedrigungen. Die ſchoͤne Vertiefung fliehet die Regelmaͤßigkeit und jede abgezirkelte Form in der Natur, und nicht weniger ſo in der Anlage von der Hand des weiſen Gartenkuͤnſtlers.

Durch die Miſchung der Ebenen, Anhoͤhen und Vertiefungen bewirkt die Na - tur eine reizende Mannigfaltigkeit in der Landſchaft; der Gartenkuͤnftler ſoll hier ih - rem Beyſpiel folgen, und keine von dieſen Hauptbeſchaffenheiten des Erdbodens ver - nachlaͤßigen. Es war ein ſicherer Beweis, daß man die Natur verfehlte, als man nach dem Geſchmack des le Notre alles in eine ſchnurgerade Ebene umſchuf, jedenatuͤr -192Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterennatuͤrliche Anhoͤhe heruntergrub, und, wo noch eine Erhoͤhung von einigen Stufen geduldet ward, blos ſteinerne Terraſſen aufſtellte.

Die Ebenen, Anhoͤhen und Vertiefungen koͤnnen theils durch ihre Ausdehnung und Groͤße, theils durch ihre gegenſeitigen Verhaͤltniſſe, theils durch ihre Verbin - dungen unter einander ſehr verſchieden und abwechſelnd ſeyn. Die Beſtimmung der Verhaͤltniſſe und die Ausfuͤhrung der Verbindung erfordert in Gaͤrten unſtreitig die groͤßte Kunſt, weil hier faſt alles darauf ankoͤmmt, die Kunſt zu verbergen. Wenn die Anlagen nicht ſchon von der Natur zubereitet ſind, ſondern erſt gemacht werden ſollen; ſo iſt nichts leichter, als daß ſie ein kuͤnſtliches Anſehen annehmen, und nichts ſchwerer, als dieſes verhindern. Die Theilungslinien muͤſſen bedeckt, die Abwech - ſelung der Stuͤcke, ungeachtet des engern Raums, worin ein Garten vor der Land - ſchaft eingeſchloſſen iſt, beobachtet werden, und zwar auf einem Boden, wo erſt die Laͤnge der Zeit die Spuren von den Beſtrebungen der Kunſt ausloͤſchen kann. In - deſſen wird das aufmerkſame Nachdenken und Vergleichen bey der Bearbeitung eines beſtimmten Platzes, womit ſich der Gartenkuͤnſtler beſchaͤftigt, ihm mehr nuͤtzliche Anleitungen herbeyfuͤhren, als allgemeine Vorſchriften bewirken koͤnnen.

4. Felſen.

Felſen, die roh und unbekleidet ſind, haben an ſich etwas unangenehmes, in - dem ſie den natuͤrlichen Charakter der Wildheit und der Wuͤſte an ſich tragen, und ſind wenig intereſſant. In der Landſchaft koͤnnen ſie indeſſen durch ihre Hoͤhe, Aus - dehnung und Rauhigkeit beſondere Scenen bilden, die, wenn man auch nicht auf ihren Contraſt mit den angraͤnzenden und benachbarten Theilen ſehen will, vorzuͤglich faͤhig ſind, Erſtaunen, Ehrfurcht, Schrecken und Schauder einzufloͤßen.

Wenn die Natur Felſen in einen ausgebreiteten Gartenplatz gelegt hat, ſo muß man ſie fuͤr das Ganze zu nutzen ſuchen, ſo viel nur geſchehen kann. Allein kuͤnſtlich angelegte Felſen ſind groͤßtentheils eine ſchwache Nachahmung ohne Intereſſe, verra - then faſt immer die Hand und die Muͤhe des Menſchen, und außerdem vertragen ſie ſich, als ſolche, ſelten mit den uͤbrigen Theilen, womit ſie in Verbindung gebracht werden ſollen.

In ausgedehnten Revieren ſind Felſen oft Hauptgegenſtaͤnde, indem ſie den Eindruck von Staͤrke und Wuͤrde ausbreiten, und der Landſchaft einen heroiſchen Charakter mittheilen. Am meiſten aber, zumal in kleinern Bezirken der Parks, koͤnnen ſie ſelten fuͤr etwas mehr als Nebendinge angeſehen werden. Doch ſind ſieimmer193der Landſchaft und ihren Wirkungen. immer noch nuͤtzliche Nebendinge. Sie dienen zur Unterbrechung, zur Schattirung Sie ſind zu einſiedleriſchen, oͤden, melancholiſchen Lagen wichtig. Sie ſind die na - tuͤrliche Heimat ſowohl der Grotten, als der Baͤche und Waſſerfaͤlle, denen ſie zu einer noͤthigen Unterlage dienen. Eben dieſe Waſſerfaͤlle tragen dazu bey, dieſe Fel - ſen zu beleben, und ihnen etwas von dem Oeden und Wuͤſten, das ihnen eigen iſt, zu benehmen. Nicht weniger wird durch gruͤnes Geſtraͤuch ihre natuͤrliche Wildniß gemindert. Am meiſten ſcheint dies durch eine Huͤtte oder eine andere Spur von menſchlicher Bewohnung bewirkt zu werden. Die rauheſte Einoͤde heitert ſich vor unſern Augen auf, ſobald ſich irgend eine Entdeckung von der Gegenwart menſchlicher Weſen angiebt; wenigſtens wird der Eindruck der Einſamkeit, durch den ſich der Eindruck der Wildniß vermehrt, ſchon ſehr gemildert.

In romantiſchen Gegenden ſind Felſen von einer vorzuͤglichen Wirkung, und dieſe haͤngt von ihrer Lage und ihren Geſtalten ab. Je abwechſelnder, kuͤhner, ver - wickelter, ſeltſamer und abentheuerlicher ihre Geſtalten und ihre Zuſammenſetzungen ſind, je auffallender ſie gegen die benachbarten Theile abſtechen, deſto treffender ſind ſie zu jener Wirkung. Selbſt Formen, die ſonſt bey einer Anhoͤhe, bey einem Huͤgel beleidigen, die gegen allen Begriff von Schoͤnheit anſpringen, ſind fuͤr die Bewir - kung des Romantiſchen von der gluͤcklichſten Kraft. Das Geſpitzte, Abſpringende, Hoͤckerige, Verzogene, Verkettete in der Bildung der Felſen; alles, was von der Regelmaͤßigkeit der Linien, von der gewoͤhnlichen Beſchaffenheit der Formen abweicht; alles, was die Einbildungskraft aus ihrer alltaͤglichen Sphaͤre heraus in eine Reihe neuer Bilder verſetzt, ſie in die Feenwelt, in die Zeiten der ſeltſamſten Bezauberung hinuͤberſchweifen laͤßt das iſt hier an ſeinem Platze.

5. Huͤgel.

In ſo fern Huͤgel zu den Anhoͤhen gehoͤren, haben ſie mit dieſen die oben ange - fuͤhrten Eigenſchaften gemein. Sie machen faſt immer eine der anmuthigſten Bil - dungen des Erdbodens aus.

Eine Kette von mehrern Huͤgeln empfiehlt ſich durch die Verſchiedenheit ihrer Hoͤhen und Zwiſchenraͤume, durch die Schoͤnheit der Linie, die ſie in ihrem Fortlauf halten, und durch die Mannigfaltigkeit ihrer Abhaͤnge und ihrer Bekleidung. Sie werden durch Viehtriften, durch Landhuͤtten, durch Fußſteige und andere Spuren der Cultur und der Bewohnung angenehm belebt. Sie liefern durch die Wirkungen desI Band. B bLichts194Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen CharakterenLichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die ſchoͤnſten Schauſpiele, die der Aufmerkſamkeit kluger Landſchaftmaler allezeit wuͤrdig waren.

6. Gebirge.

Von den Gebirgen gelten uͤberhaupt die Anmerkungen, die von den Anhoͤhen und Huͤgeln gemacht ſind.

Der Charakter der Gebirge iſt Erhabenheit und feyerliche Majeſtaͤt, wovon ſie den Einfluß uͤber die Landſchaft, worin ſie ruhen, nach ihrer Hoͤhe und Ausdehnung verbreiten. Sie ſind ſchon an ſich ſo uͤberaus wichtige Gegenſtaͤnde der Landſchaft, daß ſie allein dieſe zu einer heroiſchen erheben koͤnnen. Alles, was uͤberhaupt in ſol - chen großen, hohen und ausgebreiteten Maſſen Kuͤhnes und Majeſtaͤtiſches ſeyn kann, beſtimmt ihren Charakter. Selbſt die Rauhigkeit und Wildniß, die auf ihnen zu herrſchen pflegt, die Schneelaſten auf ihren Spitzen, die geſpaltenen Abſaͤtze, die drohenden Abſtuͤrze, die aufgeriſſenen weiten Zwiſchenraͤume mit ihren Kluͤften und Abgruͤnden, helfen ihren Eindruck verſtaͤrken.

Sie fordern ſogleich jedes Auge zur Aufmerkſamkeit auf; ſie ruͤhren, erheben und fuͤllen die Seele des Anſchauers; ſie praͤgen Ehrfurcht, Bewunderung und Er - ſtaunen ein; ja ihre Wirkung iſt oft eine Bewegung, die, wenn ſie nicht Schrecken oder Schauder iſt, doch mit ihnen in einer genauen Verwandtſchaft ſteht.

Gebirge ſind die Heimat der Quellen und Fluͤſſe; ſie enthalten Mineralien und Pflanzen, und naͤhren tauſend Inſekten und Voͤgel, die auf den Ebenen weniger be - kannt ſind; ſie bieten die Wolluſt der ruhigen Eingezogenheit und der laͤndlichen Un - ſchuld an, die auf ihnen laͤnger in einer voͤlligen Sicherheit wohnt: alles dieſes erhoͤhet den Genuß ihrer Anmuth.

Die erhabenſten und maͤchtigſten Bewegungen gewaͤhren die Gebirge auf ih - rem Gipfel. Dies ſind die Bewegungen, die aus der Weite und Unermeßlichkeit der Ausſichten, aus den Schauſpielen des Sonnenlichts und der Wolken zwiſchen den Tiefen und an den Spitzen, aus der unendlichen Mannigfaltigkeit und Miſchung der Gegenſtaͤnde entſpringen, worin ſich das Auge und die Einbildungskraft verlieren. Der Anblick des Himmels nahe uͤber dem Haupte, der Wolken und der Blitze unter den Fuͤßen, der Tiefen und der entfernteſten Ausdehnungen einer halben Welt, die verkleinert wie in ein Thal dahingeſunken und von einer ſanften Daͤmmerung begraͤnzt iſt das Gefuͤhl der Groͤße und Neuheit, verſtaͤrkt durch die Einſamkeit und Stille, womit man umgeben iſt die Freyheit und Leichtigkeit, womit die Seelein195der Landſchaft und ihren Wirkungen. in dieſen Revieren wirket, wo ſie gleichſam die Reinigkeit des Aethers, worin ſie ver - ſetzt iſt, anzunehmen ſcheint ihre Erhebung uͤber den gewoͤhnlichen Kreis ihrer Gedanken und Beſchaͤftigungen, ihrer Sorgen und Unruhen, die ſie in der Tiefe zu - ruͤckgelaſſen hat eine Art von Allgenuͤgſamkeit, die ſie erweitert und fuͤllet Welche Empfindungen vereinigen ſich hier zu einem Genuß, der nicht groͤßer ſeyn kann!

In der That, bezeugt der beruͤhmte Philoſoph von Genf, iſt es ein all - gemeiner Eindruck, daß man auf hohen Vergen mehr Heiterkeit des Geiſtes ſpuͤrt; das Vergnuͤgen iſt da minder feurig, die Leidenſchaften ſind ſanfter. Die Gedanken haben da, ich weiß nicht, was fuͤr eine ruhige Wolluſt, die nichts heftiges und nichts ſinnliches bey ſich fuͤhrt. Man iſt da ernſthaft ohne Schwermuth, ruhig ohne Un - empfindlichkeit, zufrieden, daß man iſt und denct; alle zu lebhafte Begierden ermat - ten, verlieren jene Schaͤrfe, die ſie ſchmerzhaft macht, laſſen im Innerſten des Her - zens nur noch eine leichte, ſanfte Aufwallung uͤbrig; und ſo macht eine gluͤckliche Him - melsgegend die Leidenſchaften, ſonſt des Menſchen Peiniger, zu Werkzeugen ſeines Gluͤcks. Alle Schoͤnheit von tauſend erſtaunenswuͤrdigen Schauſpielen wird auf den Bergen noch durch die Duͤnne der Luft vermehrt. Dieſe macht die Farben leb - hafter, die Zuͤge kenntlicher, und bringt alle Geſichtspunkte naͤher; die Entfernungen ſcheinen kleiner, als auf den Flaͤchen, wo die Dicke der Luft den Erdboden in einen Schleyer huͤllt; der Horizont zeigt den Augen mehr Gegenſtaͤnde, als er faſſen zu koͤnnen ſcheint; kurz, das Schauſpiel hat etwas zauberiſches, uͤbernatuͤrliches, das Geiſt und Sinne entzuͤckt; man vergißt alles, vergißt ſich ſelbſt, und weiß nicht mehr, wo man iſt. *)Nouvelle Heloiſe, Part. I. Lett. XXIII.

Mit gleicher Wahrheit des Gefuͤhls hat ein anderer Buͤrger von Genf, ein philoſophiſcher Beobachter der Natur, den Zuſtand der Seele auf den Bergen be - lauſcht, und theils aͤhnliche, theils neue Empfindungen bemerkt. Ich kann mich nicht enthalten, ſo wohl der Beobachtung, als auch des anmuthigen Gemaͤldes we - gen, die Erzaͤhlung hier wieder zu geben, die er von ſeiner Reiſe auf den Berg Chaumont, nahe bey Neufchatel, macht. **)Luͤcs phyſiſch-moraliſche Briefe uͤber die Berge ꝛc. 8. 1778. 13ter Br.

Wir fuhren, ſagt er, ſchlangenweiſe den Abhang des Berges hinan, der mit Holz bewachſen war, und wo zuweilen unſer Weg ſich in finſtern Einoͤden zu ver - lieren ſchien; alsdann kam er wieder ans Licht hervor, und wir fanden uns allmaͤhlig uͤber den Neufchatellerſee hinaufgewunden, der ganz zu unſern Fuͤßen ſchien. In dieſem Augenblicke hatten unſre Augen ein ſonderbares Schauſpiel. Die OberflaͤcheB b 2des196Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterendes Sees, ſehr wenig in Bewegung, warf ſo vollkommen das Blau des Himmels zuruͤck, daß ſie der Himmel ſelbſt zu ſeyn ſchien. Die Baͤume, die unterhalb des Weges an dem Abhange ſtanden, ſtreckten ihr Laub fuͤr unſre Augen uͤber den Hori - zont hervor, und verſteckten uns dadurch das Land an jener Seite des Sees und ſelbſt die Berge; aber zwiſchen den Staͤmmen der Baͤume durch ſahen wir den See, in - dem wir uͤber ihren Zweigen den Himmel erblickten; und die Farbe des einen und des andern war ſo vollkommen gleich, daß es uns ſchien, ohne daß die Illuſion durch irgend etwas waͤre geſtoͤrt worden, als ob wir im unermeßlichen Raum auf einem kleinen Trabanten herumſchwebten. Durch ſolche unſre Aufmerkſamkeit beſchaͤfti - gende Wege kamen wir, ohne es einmal gewahr zu werden, auf den Gipfel des Ber - ges. Alsdann vergroͤßerte ſich der Anblick nach allen Seiten. Nach Morgen zu hatten wir die Seen von Neufchatel, Murten und Biel, in einen gemeinſchaftli - chen Keſſel eingeſchloſſen, davon die Alpen beynahe die Haͤlfte umgaben. Nach Weſten lagen uns die Thaͤler, die durch ihre fruchtbare gruͤne Farbe und durch ihre ſtarke Bevoͤlkerung immer ſchoͤn ſind. Nach Norden und Suͤden dehnt ſich die durch gruͤne Raſen und Felſen angenehm unterbrochene Kette des Jura aus. Mit einem Worte, hier war im eigentlichen Verſtande eine wahre Verſchwendung von praͤchtigen Ausſichten, die rund umher den Horizont bedeckten. Wir bewunderten eine Zeit lang das eine und das andere; aber nach und nach aͤußerte ſich bey Made - moiſelle S. dasjenige, was ich von ihrer Empfindlichkeit erwartet hatte, und was meine Erwartung uͤbertraf: ſie war faſt außer ſich, und ſahe weiter nichts; ſie zog von Zeit zu Zeit ihren Athem mit einer Begierde ein, wie eine durſtige Perſon, die ſich den Durſt loͤſcht; alsdann ſchloß ſie beynahe die Augen und war ſtille. Ich beobachtete ſie, und ſchwieg ebenfalls; man iſt nicht in Verſuchung auszudruͤcken, was man empfindet, denn man wuͤrde keine Worte zu finden wiſſen. Wie iſt mir ſo wohl! wuͤrde alles ſagen, wenn dieſer Ausdruck genug verſtanden wuͤrde. Ma - demoiſelle S. hatte einen andern, der mich ruͤhrte, ohne mich in Erſtaunen zu ſetzen. In dieſer ſanften Traͤumerey brachen Thraͤnen durch ihre halbgeſchloͤſſenen Augen - lieder hervor, und ein Laͤcheln war ſogleich auf ihren Lippen, um jene zu rechtfertigen. Was iſt das? ſagte ſie darauf mit Verwunderung. Gewiß ſind dieſe Thraͤnen vor großem Wohlſeyn vergoſſen. Bin ich denn auf einmal in die vorigen Zeiten meines Lebens zuruͤckgekehrt? Niemals empfand ich, ohne ſichtbare Urſache, irgend etwas dem Zuſtande aͤhnliches, worin ich itzt bin, außer in den heiterſten Tagen meiner erſten Jugend. Wir waren zu Fuße, und giengen langſam auf einem ziemlich großen Raſen hin, als wir anfiengen, dieſe angenehme Art des Daſeyns zu ſchmecken. Wir naͤherten uns einigen kleinen Felſen, die an einem unmerklichenAbhange197der Landſchaft und ihren Wirkungen. Abhange ſich uͤber den Raſen erhoben, und hie und da bequeme Sitze darboten. Wir ſetzten uns hin, und brachten beynahe zwey Stunden daſelbſt zu, ohne es zu be - merken, und faſt in ununterbrochenem Stillſchweigen. Mademoiſelle S. fuͤhlte ſich wie im Himmel, und waͤre gern niemals wieder auf die Erde hinabgeſtiegen, als eine kuͤhle Luft zu wehen anfieng, und, ſo wie die Sonne ſich neigte, ſtaͤrker wurde. Es faͤngt an kalt zu werden, ſagte ſie, laſſen Sie uns gehen. Und ſo verließen wir das Paradies, oder vielmehr das Paradies verließ uns. Die Ruhe, die vollkom - mene Stille aller Organen war es, was ſie auf dem Berge ſo gluͤcklich machte. Seit langer Zeit war die Luft nicht mit ſolcher Leichtigkeit durch ihre Lunge gegangen, wie es hier geſchah; und eben ſo lange war ſie nicht in einem ſolchen Zuſtande geweſen, worin ſie weder Hunger, noch Durſt, noch Ekel, noch Kaͤlte, noch Hitze, noch Schwaͤche, noch Beduͤrfniß zu ruhen oder ſich zu bewegen, noch Furcht oder Verlangen, außer dem, nie aus dieſem Zuſtande verſetzt zu werden, empfand, ein Verlangen, das ſie auch nur fuͤhlte, da ihr Zuſtand anfieng, ſich zu veraͤndern. Ich kann wahrlich das auf keine Weiſe begreifen, was ich ſo oft auf den freyſtehenden Gipfeln der Berge gefunden habe, wenn die Luft ruhig und heiter iſt. Ich weiß keinen Zu - ſtand, an den ich mit ſo viel Luſt zuruͤckdaͤchte. Mein Landsmann Rouſſeau hat genau eben ſo, wie ich, empfunden; und ich habe einmal mit ihm zugleich dieſes Gluͤck genoſſen. Noch immer verſetzt er mich gleich auf die Berge, ſobald ich die zauberkraͤftigen Worte hoͤre: Man iſt da zufrieden, daß man iſt und denkt! Wie ſchallen dieſe Worte immer in meiner Seele wieder! wie ruͤhrten ſie mich, als ich ſie zum erſtenmale las! Wirklich hatte ich mir immer auf die naͤmliche Art meinen Zu - ſtand gedacht; alle meine Organen ſind dann in einem gaͤnzlichen Zuſtande der Ruhe, ſo vollkommen, daß ſie fuͤr mein Gefuͤhl verſchwinden, daß ich ſie gar nicht weiter bemerke. Ich bin ich, ein Weſen, das ſich nicht begreift, aber das ſein Daſeyn fuͤhlt, und das durch dieſes Daſeyn allein ſich gluͤcklich findet. Ich bin der Mann, der gluͤcklich dadurch iſt, daß er lebt, und der dazu keiner weitern Wuͤrze bedarf. Ich bin aber darf ich es wagen, dieſen Vorgenuß der Freyheit meiner Seele aus - druͤcken zu wollen, die von den Feſſeln befreyet, die ſie banden, in hoͤhere Regionen ſich hinaufſchwingt, und im voraus den angenehmen Theil des Todes koſtet? Ich bin geſtorben, und ich fuͤhle, daß der Tod ein Gluͤck iſt; daß ich auf der Erde nichts verlaſſe, was mir Sehnſucht zuruͤck macht; daß meine Seele nichts verlangt, als die Fortdauer dieſes Zuſtandes, um unablaͤßig ihrem Urheber fuͤr ihr Daſeyn zu danken. Ich bin, und ich preiſe dich, mein Gott! Ich breche wirklich durch die koͤrperliche Huͤlle hin! Ich bedarf weiter nichts, um den Zuſtand einer vollkommenen Gluͤckſeligkeit zu begreifen. Solche ſind die Entzuͤckungen, worin ich oft aufB b 3den198Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenden Bergen gerathe, und wo ich mehr Gruͤnde fuͤr die geiſtige Natur der Seele und fuͤr ihre Unſterblichkeit ſammle, als in allen Schriften der Weltweiſen.

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7. Gehoͤlz.

Ohne Gehoͤlz und Waſſer wuͤrde den ſchoͤnſten Formen der Oberflaͤche des Erd - bodens Leben und Intereſſe fehlen. Gehoͤlze gefallen und reizen auf eine mannigfal - tige Art. Ihre Groͤße und Ausdehnung, ihr Umzug, ihre Stellung, ihre groͤßere oder geringere Dichtigkeit, die verſchiedenen Grade in dem Dunkeln oder Hellen ihrer Belaubung, ſind reiche Quellen der Abwechſelung und der Ergoͤtzung. Sie ſind ſchon in der Ferne ſehr anmuthige Gegenſtaͤnde, ertheilen der Landſchaft Schattirung, und erfreuen durch den Genuß der Kuͤhlung und Erfriſchung, durch die Vorſtellung des Aufenthalts, den ſie dem Wild und Gefluͤgel verſtatten, durch den Geſang ihrer befiederten Bewohner, durch die Schauſpiele des Lichts und des Schattens, durch den Wohlgeruch der Blumen und Pflanzen.

Ein Wald kann in der Landſchaft ein ſehr heroiſcher Gegenſtand ſeyn, durch Breite und Laͤnge, und beſonders die Hoͤhe, die er einnimmt. Beſteht er dabey aus bejahrten an die Wolken ragenden Baͤumen, und aus einem dichten und ſehr dunkeln Laubwerk, ſo wird ſein Charakter Ernſt und eine gewiſſe feyerliche Wuͤrdeſeyn,199der Landſchaft und ihren Wirkungen. ſeyn, die eine Art von Ehrfurcht einfloͤßt. Gefuͤhle der Ruhe durchſchauern die Seele, und laſſen ſie, ohne eine vorſetzliche Entſchließung, in ein gelaſſenes Nachſinnen, in ein holdes Staunen dahinſchweben. Nur ſelten wird ſeine Ausdehnung und Dun - kelheit ſo groß oder ungewoͤhnlich ſeyn, daß er, außer der Zufaͤlligkeit eines heftigen Sturms, Erſtaunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefuͤhl von Wonne iſt ge - meiniglich ſeine Wirkung.

Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Froͤlichkeit iſt das Eigenthum des kleinern und duͤnnern Waldes oder des Hains, der edle, ſchlanke, nicht hoch aber zierlich gewach - ſene Baͤume, ein friſches helles Laubwerk, durchſichtige Zwiſchenraͤume, einen ebenen von Unterholz und Geſtraͤuch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das der leichter durchſtreifende Wind in Bewegung ſetzt, das auf den Blaͤttern und auf dem Boden umherhuͤpfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende Vergoldung der aufgehenden und niederſinkenden Sonne, der ſanft durch die Gipfel herabſchleichende Schimmer des Monds ſind die ſchoͤnſten Zufaͤlligkeiten zur Verzie - rung eines Hains.

Die Natur bedient ſich uͤbrigens der Gehoͤlze als eines wichtigen Mittels, Scenen von verſchiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, einſame, oͤde, melan - choliſche, finſtre, muntre, liebliche, heitere nach der verſchiedenen Beſchaffenheit, Anordnung und Verbindung der Staͤmme, des Wuchſes, des Gruͤns und des Laub - werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte ſehen werden.

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8. Waſſer.200Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren

8. Waſſer.

Das Waſſer iſt in der Landſchaft, was die Spiegel in einem Gebaͤude ſind, was das Auge an dem menſchlichen Koͤrper iſt. Es iſt, die Vergnuͤgungen der Fahrt und des Fiſchfangs nicht einmal gerechnet, ſo belebend, ſo erfriſchend und frucht - bar an Einwirkungen, daß ſeine Gegenwart uͤberall gefaͤllt, und ſeine Abweſenheit auch in den ſchoͤnſten Gegenden mit Bedauren empfunden wird. Schon in der Ferne reizt ein Gewaͤſſer; und nach ſeiner Groͤße, Geſtalt und Bewegung iſt es nicht allein mannigfaltiger Eindruͤcke voll, fondern es nimmt auch verſchiedene vortheilhafte Ver - bindungen mit andern Gegenſtaͤnden an.

Die Ausdehnung und Tiefe des Gewaͤſſers iſt eine Quelle ſehr erhabener Em - pfindungen. Ein ploͤtzlicher Anblick weiter Maſſen von Waſſer, als des Meeres, wirket eine ſtarke Ueberraſchung; und bey der allmaͤhligen Ueberraſchung dieſer unge - heuern Scene verliert ſich die Einbildungskraft in die Vorſtellung der Unendlichkeit. Allein ſo ſtark auch die Bewegungen ſind, die durch das Anſchauen des Meeres ent - ſpringen, ſo ermatten ſie doch bald wieder durch das Einfoͤrmige, wenn die Einbil - dungskraft nicht durch Schiffe und Fahrzeuge, deren Umherſegeln die Scene belebt, erfriſcht wird. Am laͤngſten unterhalten ausgebreitete Gewaͤſſer, wenn ſie nicht auf einmal und in ihrer ganzen Strecke, ſondern nach und nach, theilweiſe und in immer abwechſelnden Geſichtspunkten und Durchſchnitten erblickt werden; eine Bemerkung, wovon fuͤr unſre Gaͤrten an der Oſtſee noch wenig Gebrauch gemacht iſt. Auch kleine zerſtreute Inſeln von verſchiedener Form unterbrechen die Einfoͤrmigkeit breiter Waſſer - flaͤchen auf eine angenehme Art; wenn ſie in merklichen Entfernungen von einander liegen, geben ſie einem See ein groͤßeres Anſehen. Hohe Kuͤſten, Felsſpitzen, Vor - gebirge, die auf irgend einer Seite in nicht zu weiter Ferne geſehen werden, ſind eine ſehr anmuthige Begraͤnzung. Bey groͤßerm Gewaͤſſer iſt es angenehmer, wenn ſein Urſprung und ſeine Graͤnze verſteckt iſt, wenn es an einen Wald oder in ein Ge - buͤſch hinlaͤuft, oder ſich um einen Huͤgel herumſchlaͤngelt; die ſcheinbare Groͤße, die es dadurch gewinnt, giebt der Einbildungskraft noch immer Beſchaͤftigung, wenn auch das Auge nichts mehr ſiehet.

Die Klarheit des Waſſers macht ſeine vorzuͤgliche Schoͤnheit aus, und theilet allen Gegenſtaͤnden umher Munterkeit und Freude mit. Der Widerſchein der Wol - ken, der Baͤume, der Geſtraͤuche, der Huͤgel und der Gebaͤude macht eine der lieblich - ſten Stellen im Gemaͤlde der Landſchaft aus. Die Dunkelheit hingegen, die auf Teichen und andern ſtillſtehenden Gewaͤſſern ruhet, verbreitet Melancholie und Trau -rigkeit.201der Landſchaft und ihren Wirkungen. rigkeit. Ein tiefes ſchweigendes, von Schilf und uͤberhangendem Geſtraͤuch verbun - keltes Waſſer, das ſelbſt das Licht der Sonne nicht erhellt, ſchickt ſich ſehr wohl fuͤr Sitze, die dieſen Empfindungen gewidmet ſind, fuͤr Einſie[d]eleyen, fuͤr Urnen und Denkmaͤler, welche die Freundſchaft abgeſchiedenen Geiſtern heiligt.

Die Bewegung des Waſſers hat einen noch groͤßern Reichthum von Wirkun - gen. Verbreitet es ſich ſtill in einer weiten und offenen Flaͤche, ſo kuͤndigt es eine Scene an, die der Ruhe gewidmet iſt. Schleicht es unter einer Ueberſchattung langſam dahin, ſo hat es das Anſehen des Ernſtes und des Truͤbſinns. Tiefdum - pfes verſchloſſenes Gemurmel iſt der Ton der Schwermuth und Trauer. Sanftes Geraͤuſch ladet zum Nachdenken ein, und ſchickt ſich fuͤr Scenen der Einſamkeit. Helles Rieſeln und ſpielendes Gekraͤuſel verbreiten Munterkeit; ſchneller Lauf und huͤ - pfende Faͤlle Freude. Reißende Geſchwindigkeit und ſchaͤumendes Fortjagen erregen den Begriff von Staͤrke. Stroͤme, die in tiefe dunkle Abgruͤnde hinabbrauſen, oder ſich von Felſen und Gebirgen aus dem Gebiete der Wolken herabſtuͤrzen, geben uͤber - aus praͤchtige Auftritte, die nahe mit dem Erhabenen verwandt ſind. Die Gewalt, das Getoͤſe, das wilde Gebruͤll großer Fluͤſſe und Waſſerfaͤlle, die ſich umherwaͤlzen - den ſchaͤumenden Wellen, die getruͤbte Luft umher, der Wiederhall von den Felſen, vereinigen ſich, erhabne Empfindungen zu erwecken, die zuweilen an das Schreckhafte graͤnzen.

In der Verbindung mit andern Gegenſtaͤnden iſt das Waſſer nicht weniger von einer mannigfaltigen gluͤcklichen Wirkung. Es heitert den Schatten auf, und verwandelt die Einoͤde in ein Luſtrevier. Es kann die Wildniß rauher Felſen und Gebirge vermehren, aber auch Heiterkeit und Reiz uͤber ſie ausgießen. Tiefe ſte - hende Teiche machen einen Wald dunkler und trauriger; aber klare Baͤche, die hin und her rieſeln und ſich kraͤuſelnd verfolgen, beleben und erheitern ihn. Welch eine liebliche Malerey in der Landſchaft, wenn an den Kruͤmmungen eines großen und hellen Baches kleine Baumgruppen, bald dichter, bald duͤnner, ſich erheben, mit einzelnen Baͤumen aufhoͤren, und wieder mit neuen Klumpen anfangen, wo Schatten und Stille herrſcht; wenn dann das Waſſer hier unter den gruͤnen Woͤlbungen des Laubwerks oder zwiſchen den Staͤmmen durchſchimmert, dort in der Klarheit einer breiten Maſſe ſcheint, bald ſich hinter einem Gebuͤſch oder einem kleinen Huͤgel ver - liert, bald lachender wieder hervorbricht! Und welche Anmuthigkeit gewinnt nicht noch ein ſanfterhobener Huͤgel, bekraͤnzt mit Gebuͤſch oder einigen wohlgewachſenen Baͤumen, die ihr neues Laub in die blaͤuliche Luft erheben, wenn an ſeinem Abhange herab ein kleiner Waſſerfall bald ſichtbar, bald vom Geſtraͤuch verſteckt, bald weniger, bald mehr geſchwaͤtzig, herunterhuͤpft, dann zwiſchen Kieſelſteinen ruhiger, dannI Band. C cſchneller202Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenſchneller nach Feldbluͤmchen in die nahe Wieſe eilt, und da erreicht vom Stral der Abendſonne verſchoͤnert dahinſchimmert! Den ſchoͤnſten Anblick gewaͤhrt das Waſſer von einer Anhoͤhe betrachtet, wenn es bald in lieblichen Kruͤmmungen um ein Gehuͤ - gel, ein Gehoͤlz, ein Gebuͤſch oder kleine Inſeln, oder Dorfſchaften und Meyerhoͤfe ſeinen ſilbernen Strom ſchlaͤngelt, bald von den Seiten eines herabhangenden Ber - ges, von ſchattenwollen Gruppen von Baͤumen, oder von einem Hain verdeckt hier in einer dunkeln Tiefe ſchleicht, dort durch unerwartete Oeffnungen der Waldung blen - dend hervorſtralt: eine ſolche Scene in ihrer reichen Mannigfaltigkeit, mit allen Spielen der Wiederſcheine, mit allen Schoͤnheiten der Beleuchtung und der Beſchat - tung, von einer Anhoͤhe genoſſen, giebt Empfindungen, die alle Beſchreibung uͤberſteigen.

Es iſt faſt keine Scene, deren Eindruck nicht durch Waſſer erhoͤhet oder ge - mildert, keine Bewegung, die nicht dadurch erweckt, oder unterdruͤckt, oder beſaͤnf - tigt werden ſollte; ſo allgemein iſt die Kraft dieſes Elements.

9. Wieſen.

Wieſen, die zum Theil zu den Ebenen gehoͤren, ſind, ſelbſt bey einer betraͤcht - lichen Laͤnge und Ausbreitung, keines erhabenen Charakters faͤhig; ſie bleiben in dem Bezirk einer mittlern Beſchaffenheit und maͤßiger Bewegungen. Indeſſen ſind ſie uͤberaus ſanfte, ruhige und einnehmende Auftritte der Natur, deren Charakter in dem Freyen und Laͤndlichen beſteht; ſie rufen die lieblichen Bilder der arkadiſchen Hirten - welt zuruͤck, und ſcheinen auf eine vorzuͤgliche Art der Empfindung der Ruhe und der ſtillen Ergoͤtzung des Landlebens gewidmet zu ſeyn.

Die Schoͤnheit der Wieſen beſteht zuvoͤrderſt in den ſanftgekruͤmmten Linien, die ihren Umkreis bezeichnen. Alles Regelmaͤßige, Eckige, Scharfe muß von ihrer Figur ausgeſchloſſen ſeyn; aber kleine Rundungen und maͤßige Einbiegungen helfen der Einfoͤrmigkeit mit dem Genuß der Abwechſelung ab. Demnaͤchſt wird ihre Schoͤnheit durch das Lebhafte und Friſche ihres Gruͤns, durch Unterbrechungen und Schattirungen mit einzelnen Baͤumen, und durch ihre Einfaſſung und Verbindung mit Huͤgeln, Felſen und Gehoͤlz beſtimmt. Bey ausgebreiteten Wieſen fallen kleine Unterbrechungen, die ſchon an ſich den Ueberdruß des Einfoͤrmigen und Leeren hem - men, ſehr angenehm ins Auge; ſie muͤſſen aber kein niedriges Geſtraͤuch und Buſch - werk ſeyn, ſondern wenige, edel gewachſene, nicht zu nah zuſammengedraͤngte Baͤu - me mit einem Laub, das gegen die Farbe der Wieſe abſticht. Nackte, rauhe, vor -uͤber -203der Landſchaft und ihren Wirkungen. uͤberhangende Felſen an der Seite einer mit allen Reizen ausgeſchmuͤckten Wieſe bil - den durch Contraſt und Sonderbarkeit einen Theil von romantiſcher Gegend. Ge - hoͤlze, die gewoͤhnlichſten Einfaſſungen der Wieſen, erhoͤhen durch ihre Schatten noch mehr die Empfindung der Einſamkeit und Ruhe. Ein klarer Bach oder Fluß, der ſich allmaͤhlig dahinwaͤlzt, verbreitet Licht und Erfriſchung, und wandelt die ruhige Behagung der Seele in eine lebhaftere Bewegung, in die Bewegung der Freude.

10. Ausſichten.

Die Ausſichten geben dem Auge den Genuß der verſchiedenen Gegenſtaͤnde in der Landſchaft. Es koͤmmt dabey theils auf die Beſchaffenheit dieſer Gegenſtaͤnde, theils auf ihre Lage und Verbindung mit einander, theils auf die Geſichtspunkte an, woraus ſie betrachtet werden. Die Gegenſtaͤnde koͤnnen durch ihre eigene Wichtig - keit, durch ihre Annehmlichkeit und Schoͤnheit, durch ihre Groͤße, durch ihre Neu - heit, einer Ausſicht einen eigenthuͤmlichen Charakter mittheilen. Allein es giebt auch andere, die ohne allen Eindruck, ohne alle Bedeutung ſind, welche die fuͤr die hoͤhere Vollkommenheit des Ganzen wirkſame Natur in ihren weiten Maſſen zwar mit un - terlaufen laͤßt, die aber der ſorgfaͤltig auswaͤhlende Gartenkuͤnſtler nicht aufnimmt. Faſt noch mehr Kraft erhalten die Gegenſtaͤnde durch ihre Lage und Verbindung mit einander, als durch die eigenthuͤmliche Beſchaffenheit eines jeden einzeln fuͤr ſich be - trachtet. Die Lagen erhellen und verdunkeln, verſtaͤrken und vermindern, modiſi - ciren mit einer unendlichen Abwechſelung die Wirkungen der Formen und Farben, der Groͤße und Bewegung. So koͤnnen endlich nicht blos die Gegenſtaͤnde an ſich, ſondern auch ihre Stellungen, Lagen und Verbindungen in der Anſicht uͤberaus man - nigfaltig und abaͤndernd erſcheinen, nachdem die Geſichtspunkte, woraus ſie ſich be - trachten laſſen, angelegt ſind. Alle dieſe Umſtaͤnde kommen mehr oder weniger bey den Ausſichten in Betrachtung.

Obgleich die Ausſichten in der Natur ſowohl, als auch in kuͤnſtlichen Anlagen und Ausbildungen von einer unendlichen Abaͤnderung ſeyn koͤnnen, ſo laſſen ſich doch einige Hauptcharaktere auszeichnen.

Groͤße und Erhabenheit iſt der erſte; er faßt außer der Wuͤrde und Majeſtaͤt der Gegenſtaͤnde ſowohl Weite, als Menge der Theile in ſich. Nicht leicht wird man eine ſo große und erhabene Ausſicht und zugleich auf eine ſo edle Art beſchrieben finden, als welche Brydone*)Reiſe durch Sicilien und Malta, 1ſter Theil, 10ter Brief. von dem Gipfel des Aetna giebt. Keine menſchliche Ein -C c 2bildungs -204Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenbildungskraft, ſagt er, hat es wohl je gewagt, ſich ein Bild von einer ſo herrli - chen und praͤchtigen Scene zu denken, noch giebt es auf der Oberflaͤche unſers Erd - balls einen Punkt, der ſo viele erhabene Gegenſtaͤnde vereinigte. Dieſe erſtaunliche Hoͤhe uͤber der Flaͤche der Erde, die ſich hier gleichſam in einen einzigen Punkt zu - ſammenzieht, ohne einen andern benachbarten Berg, auf welchem Auge und Ein - bildungskraft auf ihrer Reiſe in die Welt hinunter haͤtten ausruhen und ſich von ih - rem Erſtaunen erholen koͤnnen; dieſe Spitze, die ſich am Rande eines bodenloſen Schlundes erhebt, der ſo alt als die Welt iſt, und oft Feuerſtroͤme und brennende Fel - ſen, mit einem die ganze Inſel erſchuͤtternden Donner, auswirft; und endlich von dieſer Spitze die unumſchraͤnkteſte Ausſicht auf die verſchiedenſten und ſchoͤnſten Sce - nen in der Natur; ſammt der aufgehenden Sonne, die nach Oſten eilet, um dieſen wunderbaren Schauplatz zu erleuchten: welche Gegenſtaͤnde! Die ganze Atmo - ſphaͤre entzuͤndete ſich nach und nach, und zeigte uns, doch nur noch ſchwach, die graͤnzenloſe Ausſicht um uns her. See und Land ſahen noch finſter und verworren aus, als ob ſie erſt aus ihrem urſpruͤnglichen Chaos hervorkaͤmen; Licht und Finſter - niß ſchienen noch nicht geſchieden, bis endlich der Morgen anbrach und die große Scheidung vollbrachte. Die Sterne verloſchen, die Schatten verſchwanden. Die Waͤlder, die uns zuvor tiefe finſtre Abgruͤnde geſchienen hatten, von welchen kein Stral zuruͤckkam, um uns ihre Geſtalt und Farbe zu zeigen, ſtellten ſich uns als eine neue Schoͤpfung dar, die von einem Augenblicke zum andern immer lebendiger und ſchoͤner ward. Die Scene erweiterte ſich immer, der Horizont dehnte ſich von allen Seiten aus, bis die Sonne, gleich dem großen Schoͤpfer, in Oſten erſchien, und mit ihren belebenden Stralen das erhabene Schauſpiel vollendete. Alles ſchien ein Zauber zu ſeyn, und wir konnten kaum glauben, daß wir noch auf Erden waͤren. Zwiſchen uns und der Sonne, die aus dem Meere zu ſteigen ſchien, lagen unermeß - liche Flaͤchen See und Land; die lipariſchen, panariſchen, alicudiſchen Inſeln, und Strombolo und Volcano lagen mit ihren rauchenden Gipfeln unter unſern Fuͤßen; auf ganz Sicilien ſahen wir wie auf eine Landcharte herab, ſahen alle ihre Staͤdte und Berge, und konnten jeden Fluß in allen ſeinen Kruͤmmungen, von ſeiner Quelle an bis zur Muͤndung, verfolgen. Die zahlreichen rundherum liegenden In - ſeln ſchienen, durch eine Art von magiſcher Taͤuſchung, ganz hart an dem Grunde des Aetna zu liegen, und ihn gleichſam einzufaſſen, ſo daß ihre Entfernung nicht zu bemerken iſt. Bey dem Aufgange der Sonne erſtreckte ſich der Schatten des Ber - ges durch ganz Sicilien, und machte ſogar in dem See und in der Luft einen ſicht - baren breiten Strich. Die Gedanken werden ſo, wie die Gegenſtaͤnde, die uns umgeben, immer groͤßer und erhabener; und welcher Geiſt kann da unthaͤtig bleiben,wo205der Landſchaft und ihren Wirkungen. wo ihn die ganze Natur zur Bewunderung auffordert? Es ſchien, als blieben nach dem Grade, nach welchem wir uͤber die Wohnungen der Menſchen erhoben waren, alle niedere und gemeine Empfindungen zuruͤck; als legte die Seele, da ſie ſich den aͤtheriſchen Gegenden naͤherte, ihre irdiſchen Neigungen und Leidenſchaften ab, und naͤhme ſchon etwas von ihrer unveraͤnderlichen Reinigkeit an. Hier, wo man unter einem heitern Himmel ſteht, und mit gleicher Heiterkeit das Ungewitter und den Sturm unter ſeinen Fuͤßen entſtehen, den Blitz von Wolke zu Wolke fahren, und ihn nebſt dem um den Berg herumrollenden Donner den armen Sterblichen unter ſich den Untergang drohen ſieht: hier betrachtet der Geiſt die kleinen Stuͤrme und Unge - witter der menſchlichen Leidenſchaften als Dinge, die ſeine Aufmerkſamkeit nicht ver - dienen. Gewiß ſchon dieſe Lage allein iſt hinlaͤnglich, Philoſophie einzufloͤßen; und Empedokles hatte guten Grund ſie zur Wohnung zu waͤhlen. So weit Bry - done. Ich erinnere mich hiebey eines ſchimmernden Paradoxon des beruͤhmten Rouſſeau. *)Nouvelle Heloiſe, Partie IV. Lettre XI. Die Luſt an entfernten Ausſichten, behauptet er, entſtehe aus der Neigung der meiſten Menſchen, ſich nur den Ort wohlgefallen zu laſſen, wo ſie nicht ſind. Allein dieſe Luſt hat doch noch wohl, glaube ich, eine beſſere Quelle; ſie ſcheint aus der urſpruͤnglichen Beſtimmung unſerer Seele zur Erweiterung zu ent - ſpringen; ausgebreitete Proſpecte ſchaffen allezeit der Einbildungskraft die angenehm - ſte Beſchaͤftigung; und alles, was ihr freyen Lauf giebt, erweckt Vorſtellungen und naͤhrt den Geiſt.

Mannigfaltigkeit der Gegenſtaͤnde giebt der Ausſicht einen eigenen Reiz. Young**)Reiſe durch die noͤrdlichen Provinzen von England, 2ter Theil, 17ter Brief. ſchildert uns eine der trefflichſten Ausſichten von dieſem Charakter, die Ausſicht von dem beruͤhmten Winanderſee, dem groͤßten von allen inlaͤndiſchen Seen in England. Er hat artige Kruͤmmungen, ſo daß es ſcheint, er beſtuͤnde aus verſchiedenen Stuͤcken, zumal da hin und wieder darin auch Inſeln liegen. Das Ufer iſt abwechſelnd: bald ſieht man Felſen und Wald, bald eingezaͤunte Felder und Doͤrfer, auch einen Marktflecken. Es wird von einem Orte zum andern Handel ge - trieben, daher es nichts ſeltenes iſt, eine ſegelnde Barke zu ſehen. Den herrlichſten Proſpect, in welchem man alle ſchoͤne Stellen an dieſem See uͤberſchaut, genießt man von einem Huͤgel an der oͤſtlichen Seite. Man blickt zuerſt auf ein nach ver - ſchiedenen Kruͤmmungen ausgeſtrecktes Thal, ohngefaͤhr zwoͤlf (engl.) Meilen lang, das durchaus eingezaͤunt iſt, und ſich auf verſchiedene Weiſe hebt. Hier dient es Bergen zum Fuße, dort hat es eine Felſenwand, an jenem Ort ſtoͤßt es an einen fin - ſtern Wald, an einem andern ſtreckt es ſich in weiten Ausgaͤngen fort, die alles,C c 3was206Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenwas eine Landſchaft belebt, in einer angenehmen Unordnung darſtellen, einzelne Baͤu - me, Waldung, Doͤrfer, Pachthoͤfe. An dieſes Thal ſtoͤßt der See, der ſich zur Rechten und Linken in einer unregelmaͤßig begraͤnzten Flaͤche ausbreitet. Einen edlern Anblick kann man nicht ſehen. Die Linie der Kuͤſte hat mehr Veraͤnderungen, als man ſich nur in ſeiner Einbildungskraft vorſtellen kann. Bald verengt ſie den See, daß er einem Fluſſe aͤhnlich wird, bald zieht ſich das Ufer zuruͤck und formirt Bayen, als wenn große Schiffe darin ankern ſollten; hier ſchieben ſich Vorgebuͤrge in den See, die zum Theil aus Wald, zum Theil aus eingezaͤunten Feldern beſtehen; dort erheben fuͤrchterliche Landſpitzen ihr Felſenhaupt aus dem See empor. Was aber dieſer Scene eine unbeſchreibliche Anmuth giebt, ſind die zehn kleinen Inſeln, die das Auge alle uͤberſieht. Die groͤßte ſtellt eine wellenfoͤrmige Linie vor, die ſich in artigen Ungleichheiten uͤber dem Waſſer erhebt. An einigen Stellen iſt das Land hoch, an andern niedrig; hier ſtehen die Baͤume einzeln, dort in einem Klumpen beyſammen. Am Ufer liegt eine Pachterwohnung, und hinter ihr ein kleiner Wald. Verſchiedene der andern Inſeln ragen aus dem Waſſer, wie kleine mit Waldung be - ſetzte Huͤgel, hervor; auf andern ſtehen einzelne Baͤume; alle ſind mit dem herrlich - ſten Raſenteppiche uͤberzogen.

Nichts aber giebt einer Ausſicht mehr Aufheiterung und Leben, als die Be - weglichkeit der Gegenſtaͤnde, wodurch ſie einen eigenthuͤmlichen noch von Groͤße und Mannigfaltigkeit unterſchiedenen Charakter erhaͤlt. Unter allen beweglichen Gegen - ſtaͤnden in der Landſchaft zeichnen ſich von Fahrzeugen belebte Gewaͤſſer vorzuͤglich aus; und eine reizende Ausſicht dieſer Art hat auf der Inſel Weight, an einer Anhoͤhe unweit der See, ein angenehmer Landſitz, den Young*)4ter Theil, 24ſter Brief. in ſeiner Reiſe durch die oͤſtlichen Provinzen von England beſchreibt. Man genießt aus dem Gebaͤude die ſchoͤnſte Ausſicht uͤber den Canal von Portmouth bis nach Lymington, und uͤber die Muͤndung des Fluſſes Southampton; man ſieht den hohen Theil von Suſſex, die Huͤgel von Hampſhire und die waldige Kuͤſte von New-Foreſt: dies zuſammen macht vielleicht die ſchoͤnſte Gegend mit einem Fluß aus, die man ſich nur denken kann. Man uͤberſieht einen Fluß, der drey bis ſieben Meilen (engl. ) breit, und fuͤnf und zwanzig bis dreyßig Meilen lang iſt. Dieſe praͤchtige Flaͤche Waſſer iſt be - ſtaͤndig mit einer großen Menge Fahrzeuge bedeckt, von den groͤßten Kriegsſchiffen an bis zu etlichen hundert Fiſcherboͤten. Alle Augenblick veraͤndert ſich der Proſpect, nach den verſchiedenen Stellungen der Schiffe. Dieſer Anblick uͤbertrifft den ſchoͤnſten Seeproſpect weit. Ein graͤnzenloſes Meer faͤllt bey der erſten Anſicht auf, und er -regt207der Landſchaft und ihren Wirkungen. regt erhabene Gedanken; ſieht man es aber lange, ſo verliert es vieles von ſeinen Rei - zungen. Hier hingegen ermuͤdet das Auge niemals.

Allein man muß ſo wenig in den Gaͤrten, als in der Natur, uͤberall freye Aus - ſichten haben wollen. Proſpecte, die immer von allen Seiten vor den Augen offen liegen, zerſtreuen oder ermuͤden doch zuletzt; ſo wie eine ewige Klarheit des Himmels, von keinem ſanften Gewoͤlke gemildert. Das Auge verlangt, wie der Geiſt, Ruhe - punkte, geſperrte Plaͤtze, wo es auf nahen Raſen, unter kuͤhlen Schatten oder dem Geplaͤtſcher eines Bachs ſich wieder erfriſcht. Der Genuß einer kleinen ſanften Sce - ne, die in einer angenehmen Daͤmmerung oder Verſchließung ruht, iſt nie beleben - der, als nach der Wonne heller und ausgedehnter Proſpecte. Verſchiedene Arten von Anlagen, als eine Einſiedeley, ein Bad, verlangen durchaus eine geſperrte Ge - gend; und zuweilen iſt es noͤthig, einen Theil der Ausſicht zu verſchließen, um der Zerſtreuung des Auges vorzubeugen, oder einige Partien in einem ſchoͤnern Lichte er - ſcheinen zu laſſen. Die Natur ſperret in ihren Landſchaften die Ausſicht durch An - hoͤhen und Gehoͤlze; der Gartenkuͤnſtler hat außer dieſen Mitteln noch Gebaͤude.

Fuͤr Gegenden, die gar keine erfreuliche Ausſichten liefern, als kahle Felder, duͤrre Sandebenen, unfruchtbare Haiden, ſumpfige Torfthaͤler, truͤbe Teiche mit Weiden bepflanzt, uͤberhaupt fuͤr Gegenden, die durch das Leere und Einfoͤrmige miß - fallen, verlangt das Auge eine wohlthaͤtige Verſchließung.

Außerdem kann das Weitſchweifige und Unbeſtimmte in den Ausſichten durch kluge Unterbrechungen mit Baͤumen und Gruppen vortheilhaft veraͤndert werden. Eine Landſchaft, deren verſchiedene Theile von einander getrennt und gleichſam ver - ſtreut umherliegen, wird eine deſto ſchlechtere Wirkung thun, je ausgedehnter ſie iſt. Hier kann die gefaͤllige Kunſt ihren Beyſtand leiſten. Durch einzelne Baͤume und kleine Gruppen, die ſie hinpflanzt, koͤnnen die Theile mehr verbunden, mehr zu einem beſtimmten Ganzen charakteriſirt werden; dadurch gewinnt die Landſchaft an Man - nigfaltigkeit, und die Ausſichten werden nicht allein vervielfaͤltigt, ſondern auch reizender.

11. Zufaͤlligkeiten.

Die Natur hat eine Menge von zufaͤlligen Erſcheinungen, womit ſie in ver - ſchiedenen Jahreszeiten und in verſchiedenen Tagesſtunden ihre Landſchaften verſchoͤ - nert. Die mannigfaltigen Veraͤnderungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne; die verſchiedenen Stellungen, Bewegungen und Malereyen der Wolken,zumal208Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterenzumal bey Gewittern und in den Abendſtunden; die durchſtreifenden Sonnenblicke; ploͤtzlich einfallende Beleuchtungen und Beſchattungen; der Schimmer des Mondes im voruͤberwandelnden Gewoͤlk; die Erheiterungen und Verduͤſterungen der Ferne, die ſich nach der Beſchaffenheit des Himmels richtet, der ſeine Geſtalten und Lichter mit ihr verwechſelt; der ſanfte blaͤuliche Duft, der uͤber entfernte Ausſichten ſchwebt; die Spielungen der Farben im Regenbogen; die zwiſchen dem Gruͤn der Wieſe ſchim - mernden Sternchen des Morgenthaues; die romantiſchen Figuren im umherziehenden Nebel; die ſpielenden Bewegungen des Laubes und Waſſers; die lieblichen Wider - ſcheine, die milder und anlockender ſind, als der Stral des urſpruͤnglichen Lichts Alle dieſe Veraͤnderungen in der Natur, die wir hier unter dem Namen der Zufaͤllig - keiten begreifen, ſcheinen neue Lagen, oft neue Gegenſtaͤnde ſelbſt zu bilden. Sie erfriſchen durch eine beſtaͤndige Abwechſelung in der Beleuchtung und Beſchattung der Scene, in den Spielungen des Lichts und der Farben; und ſind fuͤr die Man - nigfaltigkeit und das Leben in der Landſchaft ungemein fruchtbar. Sie uͤberraſchen das erſtaunte Auge oft mit Erſcheinungen, die ſich keine Phantaſie blendender, zau - beriſcher und voruͤbereilender bilden kann.

Der Landſchaftmaler belauſcht die Natur auf ihren geheimſten Wegen, um dieſe Zufaͤlligkeiten, die ihr eigen ſind, nachzubilden, ſo weit es der ſchwachen Kunſt gelingen mag. In der Macht des Gartenkuͤnſtlers iſt nichts von dieſem Zauber; er muß ihn blos von der Natur erwarten, wenn es ihr gefaͤllt, ſeine Reviere damit zu verſchoͤnern.

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II. Cha -209der Landſchaft und ihren Wirkungen.

II. Charakteriſtik verſchiedener Gegenden.

1.

Es giebt in den weiten Landſchaften einige Gegenden, die man gemein, unbedeu - tend, ohne Charakter nennen kann, die keinen Reiz fuͤr den Geiſt und das Auge haben, oder gar auf eine merkliche Art misfallen, und die demnach auch nicht in den Bezirk der Gaͤrten kommen duͤrfen.

Ganz leere und einfoͤrmige Flaͤchen haben kein Intereſſe; und bey einem laͤn - gern Anblick ermuͤden ſie zuletzt.

Haiden und Torffelder, wie in Niederdeutſchland, misfallen durch ihre trau - rige Unfruchtbarkeit. Arabiens und Peru’s weite Sandebenen ſchrecken außerdem noch durch die Vorſtellung der Beſchwerlichkeit und Gefahr, denen der Reiſende in ihnen ausgeſetzt iſt.

Ausgedehnte, wildverwachſene, mit Moraͤſten und Suͤmpfen, mit Finſterniß erfuͤllte Wuͤſteneyen, wie in America, oder lauter Strecken von rauhen Klippen und oͤden Felſen, wie in einigen Gegenden von Island und Groͤnland, erregen Un - muth, Furcht, Schauder. Ihnen ſind die Vorſtellungen von Mangel, von Elend und von Gefahr eigen; der Gedanke der Einſamkeit geht hier in das Schreckhafte uͤber, und ein niederdruͤckendes Gefuͤhl ſeiner Schwaͤche bemaͤchtigt ſich des Menſchen. Die Anrufung eines unſrer groͤßten Dichter:*)von Haller.

Ihr Waͤlder, wo kein Licht durch finſtre Tannen ſtralt,
Und ſich in jedem Buſch die Nacht des Grabes malt;
Ihr hohlen Felſen dort, wo im Geſtraͤuch verirret
Ein trauriges Geſchwaͤrm einſamer Voͤgel ſchwirret;
Ihr Baͤche, die ihr matt in duͤrren Angern fließt,
Und den verlornen Strom in oͤde Suͤmpfe gießt;
Erſtorbenes Gefild, und grauſenvolle Gruͤnde:
O! daß ich doch bey euch des Todes Farben fuͤnde!
O! naͤhrt mit kaltem Schaur und ſchwarzem Gram mein Leid!
I Band. D ddieſe210Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren

dieſe erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beſchreiben will, gruͤndet ſich auf eine richtige Empfindung, die eine Folge von den natuͤrlichen Eindruͤcken dieſer Sce - nen iſt.

Indeſſen kann in einer ſchoͤnen Landſchaft ein ſchrecklicher und fuͤrchterlicher Ge - genſtand erſcheinen, ohne daß ihre angenehme Wirkung dadurch geſtoͤrt wird; ja ſie kann ſelbſt durch den Einfluß des Contraſtes gewinnen. Dieſes beweiſen manche Ketten von lieblichen Thaͤlern in der Schweiz, uͤber welche benachbarte mit Eis und Schnee belaſtete Alpen herabdrohen; dieſes beweiſet der rauchende Vulcan auf der romantiſchen Inſel Sicilien. Doch wird der Gartenkuͤnſtler, der einen viel engern Raum hat, als die Natur, es nicht leicht wagen duͤrfen, hier nachzuahmen.

2.

Die Gegenden, die ſich fuͤr Gaͤrten ſchicken, ſind zuerſt die angenehmen, die muntern, und die heitern; die letztern koͤnnen auch den Namen der lachenden oder reizenden fuͤhren. Sie beſtehen uͤberhaupt aus Abwechſelungen von kleinen Vertie - fungen und Anhoͤhen, aus unmerklichen Kruͤmmungen und mancherley Ungleichheiten des Bodens, aus leichten, freyen und anmuthigen Zuſammenſetzungen von Wieſen, Buſchwerk und Hainen, Blumen, Waſſer und niedrigen Huͤgeln. Felſen, Ge - birge und ſtarke Waſſerfaͤlle ſind hier ausgeſchloſſen. Je mannigfaltiger und ver - wickelter die Zuſammenſetzungen ſind, deſto mehr Amnuth. Das Friſche und Leb - hafte des Gruͤns auf den Raſen und an den Baͤumen, die Klarheit des Waſſers, ſein ſtiller heller Spiegel, oder ſein rieſelnder Lauf, ſein huͤpfendes Geplaͤtſcher, eine Menge ſpielender Baͤche und kleiner Waſſerguͤſſe, Blumen von glaͤnzenden Farben, ſanfte Erhebung der Huͤgel mit Gebuͤſch und bluͤhenden Geſtraͤuchen, liebliche Erhei - terung des Schattens, umherſchwebende Wiederſcheine, Ausſichten auf Scenen voll Leben und Bewegung beſtimmen den Charakter ſolcher Gegenden in verſchiedenen Graden, die von dem blos Angenehmen zum Muntern, und von dem Muntern zum Heitern hinauffteigen.

Die Natur bildet Gegenden von dieſer Gattung in einer unbeſchreiblichen Ab - wechſelung, und in einer verſchwenderiſchen Verſchiedenheit der Groͤße, der Formen, der Farben, der Stellungen und der Verbindungen. Sie kommen, weil die Natur ſie in einer ſo reichen Mannigfaltigkeit liefert, in tauſend Nachbildungen der Dichter und der Landſchaftmaler wieder vor.

Ihr Eindruck iſt gemaͤßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwaͤrmende Aufwallung von Ergoͤtzung, ein ſanftes Dahinſchweben der Seele in Empfindungenund211der Landſchaft und ihren Wirkungen. und Phantaſien, die ihr bekannt ſcheinen, und ſie doch mit ſo neuem Reiz beleben dies ſind fuͤr das unverderbte Gefuͤhl die Wirkungen der angenehmen, der muntern und der heitern Gegend.

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3.

Seltener ſind in der Natur ſanftmelancholiſche, romantiſche und feyerliche Gegenden; aber auch kraͤftiger iſt ihre Einwirkung. Die angenehmen Gegenden ſchwinden mit einer leichten Beruͤhrung vor der Seele voruͤber; dieſe aber ergreifen ſie, halten ſie an. Sie ſind anziehend, bezaubernd, erſchuͤtternd und erhebend; Eindruͤcke, die fuͤr Leute von Geſchmack und feiner Empfindung weit intereſſanter ſind, als tauſend Beluſtigungen von dem gemeinen Schlag.

Eine ſanftmelancholiſche Gegend bildet ſich durch Verſperrung aller Aus - ſicht; durch Tiefen und Niedrigungen; durch dickes Gebuͤſch und Gehoͤlz, oft ſchon durch bloße Gruppen von hohen ſtarkbelaubten nahe an einander gedraͤngten Baͤumen, in deren Gipfel ein hohles Geraͤuſch ſchwebt; durch ſtillſtehendes oder dumpfmurmeln - des Gewaͤſſer, deſſen Anblick verſteckt iſt; durch Laubwerk von einem dunkeln oder ſchwaͤrzlichen Gruͤn, durch tiefherabhaͤngende Blaͤtter und uͤberall verbreitete Schatten;D d 2durch212Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakterendurch die Abweſenheit alles deſſen, was Leben und Wirkſamkeit ankuͤndigen kann. In einer ſolchen Gegend fallen ſparſame Lichter nur durch, um den Einfluß der Dun - kelheit vor dem Traurigen oder Fuͤrchterlichen zu beſchuͤtzen. Die Stille und die Ein - ſamkeit haben hier ihre Heimath. Ein Vogel, der ungeſellig umherflattert, ein un - verſtaͤndliches Geſchwirre unbekannter Geſchoͤpfe, eine Holztaube, die in dem hohlen Gipfel einer entlaubten Eiche girrt, oder eine verirrte Nachtigall, die ihre Leiden der Einoͤde klagt iſt zur Ausſtaffirung der Scene ſchon hinreichend. Eine Gegend von dieſer Art,

Wo alles ruht, wo Blaͤtter nur ſich regen,
Und jener Bach, der oͤde Wieſen traͤnkt
Wo ſchwaches Laub, belebt vom Weſtenwinde,
Die matte Seel in ſanfte Wehmuth bringt,
Und in dem Froſt noch nie beſtralter Gruͤnde
Kein Leid mehr bleibt, das nicht die Stille zwingt;
von Haller.

hat nichts, das eine widrige Empfindung erwecken koͤnnte; ſie iſt vielmehr fuͤr gewiſſe Beduͤrfniſſe des Herzens und des Geiſtes uͤberaus erwuͤnſcht. Sie giebt den ſuͤßen Genuß der Ruhe und der Einſamkeit; eine ſchmeichelhafte Vorſtellung von Selbſtge - nuͤgſamkeit, ein gelaſſenes Vergeſſen der Dinge, die unſern Frieden unterbrachen. Sie lockt und labt die Seele, die, aus den Sorgen und Geſchaͤften der Welt zuruͤck - gekehrt, ſich einmal ſelbſt genießen will. Sie, die Vertraute der Liebe, unterhaͤlt die geheime Zaͤrtlichkeit des Herzens, und ſchmeichelt dem Kummer, bis er ſtumm wird. Der Geiſt uͤbergiebt ſich freyer Betrachtungen, die ſeiner wuͤrdig ſind; alle ſeine Kraͤfte ſammeln ſich und werden wirkſamer. Und die Phantaſie erhebt ſich zu einem ungewoͤhnlichen Flug in eine neue Sphaͤre von Bildern, unter welchen ſie mit einem geheimen Entzuͤcken umherirrt. Wer ſollte ſo wenig Philoſoph oder Freund von ſich ſelbſt ſeyn, der nicht in ſeinem ausgedehnten und heitern Garten eine ſanft - melancholiſche Gegend fuͤr ſich erbauete? Wem koͤnnen ihre Eindruͤcke ganz fremd ſeyn, ſo fremd, daß er ſie nie in der Natur wahrgenommen haͤtte, oder ſie bey ihrem Dichter nicht wieder fuͤhlen ſollte?

Dort, wo waldigte Hoͤhen den blauen Ruͤcken verbreiten,
Und ein friſcherer Weſt von ihrem Gipfel herabhaucht,
Dorthin lenke den Schritt. Folg immer dem kuͤhleren Thale
Tief in der Berge beſchatteten Schoos; bis laubigte Kruͤmmen
Dich zu der wilden Natur einſamem Theater geleitet.
Hier,213der Landſchaft und ihren Wirkungen.
Hier, wo uͤber dem Fels der Eſche ſilberne Blaͤtter
Lieblicher liſpeln ins Thal, und maleriſch hangende Straͤuche
Von dem Fuße des Bergs in ſpiegelnde Fluthen ſich neigen;
Hier beut dir vom bluͤhenden Moos die Wildniß den Sitz dar,
Und eroͤffnet vor dir die ernſte ruhige Scene.
Die dunkeln thauigten Wieſen
Kleidet ein tieferes Gruͤn; ſie hauchen dir ſtaͤrkre Geruͤche.
Ueber den Teichen ſchwebet kein Wind; wie truͤbere Spiegel
Liegen ſie, ruhig und ſtill, weit in die Felder verbreitet.
Ernſt ſteht