MJlen und Saladin die zwey vertrauten hirten /
Die wurden neulich ein’s ſich gaͤntzlich aufzuguͤrten /
Sie legten taſch’ und ſtab / mit dieſen auch den ſinn /
Und den geſtreckten leib zu jener buche hin.
Die heerde hatten ſie dem Damon uͤbergeben /
Der muſte ſie gar offt des huͤtens uͤberheben /
Davor verehrten ſie ihm denn bisweilen was /
Bald ein gefaͤrbtes riet / bald ein geſchnittnes glas /
Bald ſuͤſſes ziegenfleiſch / bald abgezogne felle /
(Davor gab er zugleich auch achtung auf die ſtaͤlle)
Ja unlaͤngſt gaben ſie (er traͤgt’s noch dieſe zeit)
Jhm’ ein noch taugliches / doch abgelegtes kleid.
Die hirten lagen da nur eine weile ſtille /
Jhr ſchlaff war einerley / als wie ihr gleicher wille /
Drauf fieng der Saladin zu dem Mileno an:
Jch weiß nicht was mir fehlt / daß ich nicht ſchlaffen
kan /
Es iſt als laͤge mir was irgend auf dem hertzen /
Es macht gar offte mir verdruß und ſeelen-ſchmertzen /
Kein eſſen ſchmeckt mir nicht / darzu hat meine bruſt /
Zu keinen ſpielen auch nicht die geringſte luſt /
Jch glaube / wo das ding noch laͤnger ſo wird waͤren /
So muß ich wie ein lamm / das kranck iſt / ab mich
zehren /
Hofm. w. IV. Th. FAch82Ach waͤr’ ich / liebſter freund / ach waͤr’ ich doch nur todt /
So ſchlieff ich ja mit ruh’ und fuͤhlte keine noht.
Jch hab es laͤngſt gemerckt dir muͤſſe ſo was fehlen /
Fieng drauf Mileno an / du wolſt es zwar verhehlen /
Doch / glaub’ es / als ich nechſt mich kaum zu dir genaht /
Daß dich dein eigner blick mir bald verrahten hat.
Jch dachte da bey mir: was muß den ſchaͤfer plagen /
Er hat ja ſonſt zu mir gar groſſe luſt getragen /
Jtzt aber / da das feld doch luſtig / koͤmmt er mir
Sehr traurig / blaß / beſtuͤrtzt und gantz veraͤndert fuͤr.
Jch hatt’ es dazumahl gantz buͤßlich nur vergeſſen /
Sonſt haͤtt’ ich dich gefragt / und troſt dir zugemeſſen /
Als aber drauf dein fuß ſo eilends mich verließ /
So dacht’ ich weiter nach / was wol dein unmuht
hieß.
Doch wuſt’ ich lange mich in dich nicht recht zu finden /
Jch fand auch nichts worauf ich ſicher konnte gruͤnden /
Jch gieng im walde rum / ich dachte hin und her /
Was doch dem Saladin wol zugeſtoſſen waͤr.
Da kam ich ohngefehr und gleichſam in gedancken /
Auf einen ſeiten-weg / um den aus dornen rancken
Die kuͤnſtliche natur hatt’ einen zaum gemacht /
Dergleichen wol noch nie kein landmann hat erdacht.
Jch glaub’ es hatte mir’s der Pan ſo eingegeben /
Der Pan / der hirten-gott / der vor der ſchaͤfer leben
Als wie vor ſeines ſorgt; damit ich / Saladin /
Dir moͤchte dieſen dorn aus deinem fuſſe ziehn.
Da ſtund ein eichenbaum mit ſehr gekruͤmten zweigen /
(Jch daͤcht’ ich wolt’ ihn dir noch dieſe ſtunde zeigen /
Es war ein junger baum / ſonſt gleich / und ziemlich
breit /
Und auf der rinde noch mit mooſſe nicht beſtreut.)
Da ſah’ ich was mir nun die ohren koͤnnte raͤumen /
Doch dacht’ ich: will Milen dir irgend hier was traͤu -
men /
Schlaͤffſtu nicht irgend auch? doch nein / ich ſeh’s gewiß /
Jch fuͤhlt auch ja vorher da mich ein kaͤfer biß.
Es83Es hat zwar Saladin ſich offtermahls vermeſſen /
Er habe Lislichen vorlaͤngſten ſchon vergeſſen /
Alleine dieſe ſchrifft / die in den daum gehaun /
Laͤſt ſeine regungen mich gar zu deutlich ſchaun.
Sie hieß: (ich weiß zwar nicht ob ich’s noch werde wiſ -
ſen /
Und ob die zeit ſie mir nicht aus der acht geriſſen)
Ach treuer Saladin! weil du ſo treu geliebt /
So wird auch deine bruſt ſo ungemein be -
truͤbt /
Du biſt itzt anders wo / und wirſt in fremder
erden
Um deine Liſilis zur leiche muͤſſen werden /
Jch weiß / ich ſterbe hier / du aber / liebſter
baum
Gib meinen ſchatten denn / wie dieſen klagen
raum.
Was meynſtu Saladin? iſt dis nur ein geruͤchte /
Wie du es ſonſt genennt? ach nein / in dem geſichte
Da leſ’ ich / was ich nechſt an jener eiche laß /
Du faͤrbſt dich und wirſt blaß und ich erfahre was.
Nun ich beſchwere dich bey allen hirten goͤttern /
Beym wunder-groſſen Pan’ und unſrer heerd’ errettern /
Verhehle mir’s nicht mehr / bekenne / was dich plagt /
Was du mir wirſt vertraun / das bleibt unnachgeſagt.
Du haſt ja / Saladin / von mehr als ſieben jahren
Schon meinen treuen mund und freundſchafft wohl er -
fahren /
Mich wundert / daß du mir nicht dieſes auch vertraut /
Da du ſonſt groſſe ſtuͤck’ auf meine treu gebaut.
Hier fieng nun Saladin / Milenen an zu bitten /
Er moͤcht’ ihn doch nicht mehr mit kummer uͤberſchuͤt -
ten /
Er haͤtte vor genung gelitten und gehoͤrt /
Nun wuͤrd’ auch ſeine laſt durch den verweiß gemehrt.
F 2Mile -84Mileno / ſprach er drauf / ich ſchwere bey den baͤumen /
Worunter ich mir offt ließ von der liebe traͤumen /
Daß ich dich habe ſtets nach hirten-brauch geliebt /
Und im geringſten nicht dir deine bruſt betruͤbt.
Wenn ich mein wollen-vieh auf eine trifft getrieben /
So hab’ ich gleich gefragt: wo iſt Mileno blieben?
Jch hab ihn nicht geſehn; wenn ich mein vieh getraͤnckt /
So fragt’ ich: hat Milen dem ſeinen ſchon geſchenckt?
Ein tag wurd’ ohne dich mir faſt zu einem jahre;
Erſah’ ich dich denn wo an deinem ſchwartzen haare /
So war’s / als gienge mir mein licht und ſchatten auf /
Und ich nahm augenblicks zu dir dann meinen lauff.
Wuſt ich ein vogel-neſt / wie nechſt die ringel-tauben /
So wolt’ ich ohne dich daſſelbe nicht berauben /
Jch kam vorher zu dir / und ſagte: komm Milen
Wir wollen auf den raub zu je’m wacholder gehn /
Und da die junge zucht der tauben uͤbereilen /
Auch / wo es dir gefaͤllt / ſie unter uns dann theilen.
Koͤnt’ſtu nicht mitte gehn / ſo gieng ich auch nicht hin /
Denn deine gegenwart war mehr als der gewinn.
Daß aber ich / Milen / mit dieſem meinem lieben
Und meiner Liſilis ſo bin zuruͤcke blieben /
Das nimm nicht uͤbel auf; weil du mich treu geliebt /
So hab’ ich ſtets befuͤrcht / du wuͤrd’ſt dadurch betruͤbt.
Doch will zur ſtraff’ ich jetzt die gantze ſach’ erzehlen /
Die mich / du haſt’s gemerckt / bis dato pflegt zu qvaͤlen /
Nur hoͤr’ es mit gedult / betruͤbe dich auch nicht /
Weil mir von neuen ſonſt mein hertz in ſtuͤcken bricht.
Seither / daß ich gemuſt Elyſien verlaſſen /
Jn dem ich mir doch einſt gewuͤnſchet zu erblaſſen /
Elyſien / das land / daß unſer groſſer Pan
Und alles hirten-volck nicht gnugſam loben kan;
Als mich / wie ich geſagt / mein Elis nun verdrunge /
(Elyſien liegt mir noch immer auf der zunge)
So gab ich hoͤchſtbetruͤbt ihm’ einen abſchieds-kuß /
Und goß ein thraͤnen-meer in ſeinen Oder-fluß.
Ach /85Ach! mein Milen ich kan es dir unmoͤglich ſagen /
Was ich vor hertzeleid und jammer da ertragen /
Zumahl da Liſilis / ein hirten-kind alda /
Beſtuͤrtzt und faſt wie todt ſo ſehnlich nach mir ſah.
Das wetter kan ſo ſehr nicht dem Getreyde ſchaden /
Kein feind mit ſo viel noth das arme feld beladen /
Als mein gemuͤthe hat zur ſelben zeit geſpuͤrt /
Es war / als haͤtte mich ein donner-ſchlag beruͤhrt.
Bald wolt’ ich wieder mich zu ihr zuruͤcke wenden /
Denn ich getraute mir’s nicht ohne ſie zu enden /
Jch kehrt’ auch vielmahl um. Ach aber meine pein
Die konte dieſesmahl nicht mehr gehoben ſeyn.
Die heerde haben wir ſchon dreymahl abgeſchoren /
Der moſt der iſt auch ſchon ſo vielmahl abgejohren /
Daß ich ſie nicht geſehn. Was meynſtu nun / Milen /
Wie deinem Saladin dies muß zu hertzen gehn?
Zudem gefallen mir auch hier die ſchaͤffer-huͤtten /
Der hirten lebens-art / der ſchaͤfferinnen ſitten
Faſt im geringſten nicht / und waͤr’ſtu nicht bey mir /
Jch glaub’ / ich waͤre ſchon vorlaͤngſten nicht mehr hier.
Es gibt gar kahle trifft das ufer an der elbe /
Die ſchaͤfferinnen ſind auch meiſtentheils ſehr gelbe /
Und etwas bauren-ſtoltz / ſie bilden ſich was ein /
Und meynen wunder! was ſie vor geſichter ſeyn /
Ach ſolten ſie einmahl nur in mein Elis riechen /
Gewiß / ſie wuͤrden ſich vor denen da verkriechen
Die nur das Mittel ſeyn; ach liebſtes vaterland!
Jtzt wird dein werth von mir erſt nach verdienſt er -
kandt.
Zudem ſo giebt es hier auch naſe-weiſe hirten
Die ſoll nun unſer-eins bey tag’ und nacht bewirthen /
Die tadeln offtermahls auch unſrer floͤte klang /
Da doch wie froſch-geſchrey ihr alberer Geſang.
Nechſt ließ ein ſolcher Mann bey mir ein lied beſtellen /
Da’s fertig! wolt er nun ein kluges Urtheil faͤllen /
Und ſprach: das lied gefaͤlt mir im geringſten nicht /
Es iſt nicht hoch genung und praͤchtig eingericht.
F 3Dar -86Daruͤber muſt ich wol recht in dem hertzen lachen /
Daß ſich ein Corydon ſo mauſig wolte machen /
Der doch ſo viel davon / als wie der bock verſteht /
Der forne vor der heerd’ aus ſtoltz und hoffarth geht.
Es iſt in dieſer flur dahin nun leider! kommen /
Wenn man nicht ihren ſinn in obacht hat genommen /
Und marmor / purpur / gold und ſonn’ hineingebracht /
So wird’s / O unverſtand! von ihnen ausgelacht.
Die gaͤnſe wollen nun itzund die ſchwaͤne lehren /
Wie man der lieder zier auf’s neuſte ſoll vermehren /
Der woͤrter ſchmincke muß hinein geſchmieret ſeyn /
Sonſt geht es ihnen nicht in ihren kopff hinein.
Allein Elyſien / ach! daß ich dran gedencke /
Und mit den nahmen auch mich faſt zu tode kraͤncke /
Elyſien das ſingt / und lehrt die ſingen kunſt /
Der ander floͤthen-thon iſt gegen ihm’ ein dunſt.
Jch ſelber habe da mich meiſt entheils beflieſſen /
Die ſchoͤne Liſilis mit liedern zu begruͤſſen /
Sie nahm’ es auch geneigt / wie andre Nymfen an /
Die man mit liedern da ſehr wohl vergnuͤgen kan.
Doch was verweil ich mich / ich muß es dir nur ſagen /
Daß ich zur Liſis ſtets die groͤſte gunſt getragen /
Jch war in ihre pracht recht inniglich verliebt /
Die / weil ich ſie nicht ſeh / mich itzt ſo ſehr betruͤbt.
Da wo der Oder-Fluß die uͤberſchiffte fluthen
Reibt an ein fruchtbahr land und an geſchwancke ruhten /
Da wo die vaterſtadt in ihm den ſchatten macht /
Und unſer hirten-volck um deren Nymfen wacht;
War ein erhabner ort mit baͤumen rings umgeben /
So luſtig / daß nach ihm auch fremde hirten ſtreben /
Dahin verfuͤgte ſich die gantze hirten-ſchaar /
Wenn allen vom Montan was vorzutragen war.
Es kamen auch dahin die ſchoͤnen ſchaͤfferinnen /
Wir ſtunden um ſie rum / ſie ſaſſen mitten innen /
Und hoͤrten alle da den hirten-lehrer an!
Und was der groſſe Pan vor wunder hat gethan.
Allein87Allein da klebt’ ich mehr an meiner Liſis augen /
Und wolt’ aus ihnen mir beliebtre lehren ſaugen /
Sie muſte Panin ſeyn / ſie ſtellt’ auch dieſe zier /
Die unſern goͤttern gleicht / am allerbeſten fuͤr.
Die kleider / die ſie trug / die waren weiß wie wolle /
Die haare rund gedreht wie eine wollen-rolle /
Auff dieſen lag ein krantz von qvendel / roßmarin /
Und ſchien als fiengen da die wieſen an zubluͤhn.
Die augen waren ſchwartz / und gleich den maulbeer -
trauben:
Ach liebſter hertzens-freund du kanſt mir’s gar nicht glau -
ben
Wie dies ſo ſchoͤne ließ / es war ſo wohl gemacht /
Daß mir daruͤber noch das hertz’ im leibe lacht.
Jn ihren haͤnden war ein ſtab mit laub’ umwunden /
(Dergleichen Nymfen-tracht mein Elis hat erfunden)
Den fuͤhrte ſie ſehr wohl und ſetzt’ ihn zierlich an /
Daß ihr es keine hat darinnen gleich gethan.
Milen / ach koͤnt’ ich itzt auff meinen ſeufftzern fahren!
Jch floͤge heute noch zu Elis hirten-ſchaaren
Und zu der Liſis hin. Ach Liſis / liebſtes kind!
Daß wir itzunder doch ſo weit entfernet ſind.
Jch werde mich noch wol hier gar zu tode graͤmen /
Und fang’ allmaͤhlich auch ſchon ziemlich abzunehmen /
Mich deucht / daß auch mein vieh ſchon magrer worden
ſey /
Nachdem es hoͤrt / wie ich ſo ſehr vor liebe ſchrey.
Die boͤcke pflegen nicht / wie vormahls / rumzuſpringen /
Vielleichte / weil ſie mich ſo klaͤglich hoͤren ſingen /
Die laͤmmer bloͤcken nicht ſo ſtarck als wie vorhin /
Vielleichte wiſſens ſie / daß ich ſo troſt-loß bin.
Der hammel der vorhin auff und auch um mich ſprunge /
Und mich zum lachen offt durch ſeine ſtellung zwunge /
Der will itzund beſtuͤrtzt zu meinen fuͤſſen ruhn /
Und nicht ſo luſtig mehr / als wie noch neulich thun.
Ach hilff mir groſſer Pan! wird mir mein wunſch gelingen /
Will ich ein ſaugend lamm zu deinem opffer bringen /
F 4Jch88Jch will auch dein altar und deiner gottheit hauß
Auffs allerpraͤchrigſte mit lanbwerck zieren aus
Milen / ich bin von angſt und auch vom reden muͤde /
Drum laß mich / liebſter freund / itzunder nun zu friede /
Und wo ich noch itzt was von dir etbitten kan /
So fang ein liebes-lied von meiner Liſis an
Milen / der biß hieher mit ſchmertzen zugehoͤret /
Der haͤtte durch ein lied die Liſis nun verehret /
Allein der himmel fieng ein wetter an zu dreun /
Drum muſt es dieſes mahl nur auffgeſchoben ſeyn.
Es war den gantzen tag geſchwuͤhl’ und heiß geweſen /
Da ihnen ſie den baum zur kuͤhlung auserleſen /
(Den baum / der noch betruͤbt um Saladinen ſteht /
Und um die Liſilis mit ihm im leide geht.)
Drum war’s kein wunder nicht; der wind fing an zu pfeiffen
Und durch der baͤume laub mit ungeſtuͤm zu ſtreiffen /
Da hatte dieſes paar der hirten hohe zeit /
Wo ſie nicht wolten ſeyn vom regen eingeweiht.
Sie lieffen eilends fort vor dieſes wetters wuͤtten /
Zu ihren in der naͤh gebauten ſchaͤffer-huͤtten /
Und ſorgten nach dem tantz’ und dieſer liebes-noth /
Auff ein erqvickendes und gutes abend-brodt.