PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutſchen auserleſene und bißher ungedruckte Gedichte /
nebenſt einer Vorrede von der deutſchen Poeſie.
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Mit Churfl. Saͤchſ. Gn. Privilegio.
LEIPZIG /Bey J. Thomas Fritſch. 1695.

An Seine Excellentz Den Herrn von Buͤlau / Seiner Hochfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen-Coburg hoch-betrauten ge - heimbden Rath und Hof - Marſchall ꝛc. ꝛc.

Meinen gnaͤdigen Herrn.

Hoch - und wohlgebohrner ꝛc. Gnaͤdiger Herr.

NAchdem ich in meinem ver - moͤgen ſo viel nicht habe / als zu ausbildung meines unterthaͤnigſten gemuͤths von noͤthen iſt / ſo habe ich es ſo lange von andern entlehnet. Ich uͤberliefre Ew. Excellentz ein buch / welches ſein weſen frembden / ſein leben dem verleger / und mir nichts als die ord - nung zu dancken hat / in welcher Sie es allhier fuͤr augen ſehen. Dennochuͤber -uͤbergebe ich es als das meinige; nicht weiln ich etliche gedichte dabey habe / welche ich ohne dem Ew. Excellentz / durchleſung unwuͤrdig achte: ſondern / weiln ich alles zu dem ende geſammlet / damit ich es Denenſelben als ein zeugniß meiner allerinnigſten ergeben - heit opffern moͤchte. Ew. Excellentz koͤnnen dieſes geſchencke nicht wohl ver - ſchmaͤhen; weiln Sie viel geringere mit danck annehmen: Ich aber weiß denen nach-kindern des Herrn von Hoffmannswaldau und Lohenſtein keinen beſſern vormund zu ſuchen / als Ew. Excellentz / weiln Sie nicht al - lein ſelbſt in der Poeſie ſehr wohl er - fahren; ſondern auch allen ihren liebha - bern mit einer beſondern neigung zu - gethan ſind. Wenn ich mich nicht er - innerte / daß Ew. Excellentz allen ſchmeicheleyen von natur gehaͤßig / und denenjenigen am meiſten gewogen waͤ -a 3ren /ren / welche Sie am allerwenigſten loben; ſo wuͤrde ich mich ohne zweif - fel bemuͤhen / Dero wohlthaten / wel - che Sie hauffen-weiſe uͤber mich aus - geſchuͤttet / hier auszuſtreichen: So aber begnuͤge ich mich nur zuſagen / daß ich lebens-lang fuͤr Dero hohes wohlſeyn GOtt anruffen und mit dem allereifrigſten reſpecte beharren werde

Ew. Excellentz

unterthaͤnigſt-gehorſamſter knecht

B. N.

Vor -

Vorrede.

ES giebet viel leute / welche die deutſche poeſie ſo hoch erheben / als ob ſie nach allen ſtuͤcken vollkom - men waͤre; Hingegen hat es auch andere / welche ſie gantz erniedri - gen / und nichts geſchmacktes dar - an finden / als die reimen. Beyde ſind von ihren vorurtheilen ſehr eingenommen. Denn wie ſich die erſten um nichts bekuͤmmern / als was auff ihrem eignen miſte gewachſen: Alſo verachten die andern alles / was nicht ſeinen urſprung aus Franckreich hat. Summa: Es gehet ihnen / wie den kleider - narren / deren etliche alles alte / die andern alles neue fuͤr zierlich halten; ungeachtet ſie ſelbſt nicht wiſſen / was in einem oder dem andern gutes ſte - cket. Wir duͤrffen uns mit unſrer Poeſie ſo klug nicht duͤncken / daß wir die auslaͤnder dagegen ver - kleinern wolten. Denn wir haben noch einen groſ - ſen berg vor uns / und werden noch lange klettern muͤſſen / ehe wir auff den gipffel kommen / auff wel - chem von denen Griechen Homerus und Sopho -a 4cles,Vorrede. cles, von denen Roͤmern Horatius und Maro ge - ſeſſen. Mit den Hochzeit-Begraͤbniß - und Na - mens-Gedichten / damit ſich alle knaben in der ſchule qvaͤlen / iſt es fuͤrwahr nicht ausgerichtet. Es gehoͤ - ret mehr zu einem dichter; und die vers-macher / welche uns eine zeitlang her mit regeln uͤberſchuͤt - tet / moͤgen ſich ſo viel einbilden / als ſie wollen / ſo haben doch die meiſten davon die Poeſie mehr ver - ſtuͤmpelt / als ausgebeſſert. Denn ihr gantzes ab - ſehen iſt / eine leichtſinnige ſchreib-art einzufuͤhren / vermoͤge welcher man einen gantzen bogen voll verſe / ohne ſonderliche bemuͤhung / hinſchmieren moͤge. Von ſcharffſinnigen bey-woͤrtern aber / von klugen erfindungen / und von unterſcheidung der guten und falſchen gedancken / ſagen ſie nichts; Da doch die - ſes die ſeele und die weſentliche theile eines rechtſchaf - fenen gedichtes ſeyn. Daher entſpringen ſo viel pfuſcher / welche auff allen hochzeiten die Venus einfuͤhren / bey allen begraͤbniſſen den tod ausſchel - ten; Und wenn es ja hoch kommt / ihrer Phyllis ein lied vom ſterben herſingen / welches offt mehr todt als der ſaͤnger / und kaͤlter / als ſeine gebietherin ſelber iſt. Zwar haben ſie ihre entſchuldigung: Man muͤſte aus der Poeſie kein handwerck machen / und die jugend bey zeiten zuruͤck halten / damit ſie ſich nicht zu ihrem ſchaden darinnen vertieffte. Allein / wenn die guten leute fein ehrlich ſagten / was zu ei - nem Poeten erfordert wuͤrde / und nur diejenigenzumVorrede. zum dichten ermahnten / welche die natur dazu er - kohren / andere aber bloß einen verß recht urtheilen und unterſcheiden lehrten / ſo haͤtten ſie dieſer ent - ſchuldigung nicht vonnoͤthen. Es ſind keine ſeltza - mere thiere / als Poeten: Denn ſie laſſen ſich / wie die paradieß-voͤgel / alle tauſend jahre kaum einmahl ſehen. Rom hatte bald acht hundert jahr geſtan - den / ehe es den beruͤhmten Virgilius erlebte; Und es iſt faſt keine provintz / welche uns nicht etliche helden oder gelehrte gegeben; Aber der gantze kreyß der welt ruͤhmt ſich kaum etlicher rechtſchaffenen Poeten. Darum hat es ſo groſſe noth nicht / als man meynet; Denn es gehoͤrt gar viel dazu / ehe man ſich in der Poeſie vertieffen kan. Daß aber viel junge leute damit die zeit verderben / und die an - dern guten kuͤnſte an die ſeite ſetzen / ruͤhret von der unerfahrenheit ihrer lehrer her / welche ihnen einbil - den / man brauche zum dichten nichts / als verße ma - chen; da ſich doch alle wiſſenſchafften in einem Po - eten / nicht anders als in einem centro verſammlen muͤſſen / und derjenige nichts gutes ſchreiben kan / welcher nicht alles / was es ſchreibt / mit augen ge - ſehen / mit ohren gehoͤret / und an ſeiner eigenen per - ſon erfahren hat. Die fuͤrnehmſten von den alten Poeten lebten bey hofe / und wurden durch oͤffteres umgehen mit klugen leuten ſo ausgemuſtert / daß ſie an die ſchulfuͤchſereyen / mit welchen wir das papier anietzt beklecken / nicht einſt gedachten. Sie hattena 5da -Vorrede. dabey ſehr wohl ſtudiert; ſie waren die lehrmeiſter der guten ſitten / und hatten von allem / was uns nur in den verſtand und in die ſinnen faͤllt / eine gruͤndliche kaͤnntniß und wiſſenſchafft. Zudem leb - ten ſie zu einer zeit / da man die galanten ſtudia ſehr wohl verſtund / da die Roͤmiſche waffen auffs hoͤch - ſte ſtiegen / und unter der gluͤckſeligen regierung des Kaͤyſers Auguſtus ein ieder gelegenheit genug fand / ſich groß zu machen. Wenn ſie denn etwas dichten wolten / ſo thaten ſie es entweder zu ihrer luſt / oder fuͤr groſſe Herren / oder bey ſeltzamen und beſondern begebenheiten. Hernach uͤberlaſen ſie dasjenige / was ſie machten / wohl zwantzig mahl / und ſtrichen offt beßre verße aus / weder ihre nach - folger geſchrieben haben. Darum konten auch ih - re gemaͤchte nicht anders als herrlich ſeyn; und iſt kein wunder / daß ſie bey allen ihren nachkommen einen ſo unſterblichen preiß und ruhm erworben. Hingegen lernen von uns die meiſten ihre klugheit in der ſchule / bekuͤmmern ſich mehr um worte als gute ſachen / und fangen ſchon an Poeten zu wer - den / ehe ſie noch einmahl wiſſen was verße ſeyn. Wir leben uͤber dieſes in einem lande / wo die kuͤnſte wegen vieler herrſchafften zertheilet ſind / wo man mehr von einem glaſe wein / als liedern haͤlt; Die wenigſten die galanterie noch recht verſtehen / und die Cavaliers diejenige fuͤr ſchulfuͤchſe ſchelten / welche die Frantzoſen fuͤr beaux esprits erkennen. WirlebenVorrede. leben auch zugleich zu einer zeit / da die Deutſchen faſt nicht mehr Deutſche ſeyn; Da die auslaͤndi - ſchen ſprachen den vorzug haben / und es eben ſo ſchimpfflich iſt / deutſch zu reden / als einen ſchwei - tzeriſchen latz oder wamſt zu tragen. Hierzu kom - met unſre eigne unachtſamkeit / daß wir unſere feh - ler gar zu geringe achten / alles hinſudeln / wie es uns in die feder fleuſt / und lieber zehen bogen ſchlim - me verße / weder ſechs zeilen gute machen; Und denn ferner die thorheit derjenigen / welche den lor - beer-krantz um 10. thaler erkauffen / und dadurch den herrlichen namen eines Poeten / welcher uͤber drey oder vieren in der welt noch nicht gebuͤhrt / vie - len ehrlichen gemuͤthern vereckeln / ungeachtet ſie nichts davon haben / als die muͤhe / daß ſie bey unter - zeichnung ihres namens etliche buchſtaben mehr / als andere / ſchreiben. Und dieſes alles iſt urſache / warum die Poeſie in Deutſchland nicht hoͤher ge - ſtiegen. Allein / ſo ſchlecht ſie iſt / ſo iſt ſie doch noch in ſolchem ſtande / daß wir uns derſelben nicht gaͤntz - lich ſchaͤmen duͤrffen; und handelt der gute Jeſuit Bouhours ſehr thoͤricht / wenn er uns unter die Moſcowiter und Barbarn zehlet. Wenn man de - nen frantzoͤſiſchen verßen den reim / und den einhalt ihrer lobgedichte die luͤgen benaͤhme / ſo wuͤrden ſie alle beyde ſehr kahl ausſehen. Denn die erſten ſind ohne reimen nichts weniger als verße / indem ſie al - lenthalben den thon verletzen; Die andern aber ſoſchmei -Vorrede. ſchmeichelhafftig / daß man mit ihrer ſchwachheit muß mitleiden haben. Hingegen iſt die deutſche Poeſie viel zaͤrtlicher / und laͤſt nicht allein im ſcan - diren denen ſyllben ihren natuͤrlichen klang / ſon - dern nimmt auch den accentum pronunciationis, das iſt / die emphaſin eines ieden wortes ſehr wohl in acht / und verdoppelt gleichſam allemahl daſelbſt / wo die krafft der rede ſtecket / den thon / welches weder die Lateiner noch Griechen gethan. Wir wollen zum exempel den beruͤhmten / und meines er - achtens den nachdruͤcklichſten verß des Virgilius nehmen:

Flectere ſi nequeo Sŭperos, Acheronta movebo.

Da ſtecket in denen beyden woͤrtern Superos und Acheronta die emphaſis, und wuͤrde ohne zwei - fel einer / der es in prosa ſagte / das wort Superos lang und alſo ausſprechen:

Si Sūperos nequeo flectere, Acheronta movebo.

Inzwiſchen hat es der Poet kurtz geſetzt / und unge - achtet man im leſen dem thone helffen kan / ſo klin - get es doch nicht ſo natuͤrlich und ungezwungen / als im deutſchen / da ich ihn nicht allererſt ſuchen darff / und beyde der tonus ſcanſionis und pro - nunciationis genau zuſammen treffen. Z. e. Wenn ein Deutſcher des Virgilii verß in proſa uͤberſetzen ſolte / wuͤrde er ſagen: Wenn mich der himmelnichtVorrede. nicht hoͤren will / ſo mag die hoͤlle helffen. Dieſes kan er nun mit eben dem nachdruck und ohne ver - aͤnderung des thons im verſe folgender geſtalt ſagen:

Hoͤrt mich der himmel nicht / ſo mag die hoͤlle rathen.

Was das ſchmeicheln belanget / ſo ſind die Deut - ſchen in entgegenhaltung der Frantzoſen noch uner - fahren; und ungeachtet auch dieſe ſich entſchuldigen koͤnten / daß ſie andre ſachen mehr auffgeſetzt / und Corneille durch ſeine Tragœdien / Scudery mit ſeinem Alarich, Boileau mit ſeinen Satyren ſich zum wenigſten ja ſo bekandt / als andre mit ihren unnoͤthigen lob-ſpruͤchen gemacht; ſo hat doch der erſte die krafft der Griechen noch nicht erreicht; der andere keinen ſonderlichen ruhm erworben / und der dritte das meiſte dem Juvenalis und Horatius abgeborget. Zwar laͤſt man ihnen gantz gerne die ehre / daß ſie im erfinden ſehr hurtig und in ausbildung ihrer gedancken gantz artig ſeyn: allein ſo geſchwin - de ihre erfindungen gebohren werden / ſo bald neh - men ſie auch wieder ein ende / und muͤſſen die Frantzoſen ſelbſt geſtehen / daß ihre gemuͤths-art / und man moͤchte faſt auch ſagen / ihre ſprache / zu ausfuͤhrung eines vollkommenen helden-gedichtes ſich nicht wohl ſchicket. Gleichwohl ſind nicht al - lein ſie / ſondern auch einige der unſrigen der feſten meynung / daß wir ihnen im dichten noch nicht das waſſer reichen / und ein Deutſcher ſo ſcharffſinnigegedan -Vorrede. gedancken zufuͤhren nicht einmahl faͤhig ſey. Nun koͤnte man ſolche leute zwar bald beſchimpffen / wenn man ihnen nur die gedichte der Jeſuiten oder ande - rer gelehrter leute in latein fuͤrlegte; indem es doch eines iſt / ob man lateiniſch oder deutſch was gutes ſchreibet: Allein wir wollen uns ſo weit hier nicht bemuͤhen / ſondern den beweißthum naͤher ſuchen / und erſtlich zeigen / wie weit die Poeſie bey uns geſtiegen: hernach aber / worinnen ſie noch zuver - beſſern ſey. Der erſte / welcher den deutſchen Poe - ten die bahn gebrochen / iſt Opitz geweſen. Ein mann / welcher ſo viel verſtand / als feuer / viel ſprachen zu ſeinen dienſten / und von allen wiſſen - ſchafften eine gruͤndliche und ungemeine kaͤnntniß gehabt. Ich will eben mit Buchner nicht ſagen / daß er die Poeſie ſo hoch erhoben / daß ihm alle die andern nur folgen muͤſſen: Es iſt aber unſtreitig / daß er darinnen mehr gethan / als man meynet / und daß viel versmacher in Deutſchland leben / welche die kraͤffte dieſes Poeten noch nicht erkennet. Sein lob-gedichte auff den koͤnig von Pohlen iſt unver - beſſerlich / und begreifft nebſt denen nachdruͤcklichen bey-worten / heroiſchen gleichniſſen und kurtz ge - ſetzten redens-arten / viel ſchoͤne gedancken. Ich will zu ſeiner vertheidigung nur etliche ſetzen. p. 2. lin. 5. ſagt er:

DuVorrede.
Du wuͤrdeſt koͤnig ſeyn /
Und waͤre nichts um dich / als dein verdienſt allein
Du biſt von jugend auff dem lobe nachgegangen:
Es hoͤrt ſo keiner auff / als du haſt angefangen.
Was ſonſt in langer zeit kein herr verrichten kan /
Das haſtu offtermahls auff einen tag gethan. ꝛc.

Item p. 6.

Gunſt will nicht ſeyn getrieben /
Ein herr der liebe ſucht / der muß zum erſten lieben.

Und noch mehr p. 7.

Was kan ein ſolcher herr fuͤr kluge ſinnen haben /
Dem allzeit die vernunfft im becher liegt begraben /
Und auff dem glaſe ſchwimmt? Wer nichts fuͤr leut und land
Als wein vergoſſen hat / der macht ſich zwar bekandt /
Doch nicht durch tapfferkeit: muß boͤſen menſchen trauen /
Die ihn / und ſich / und mich offt zuverkauffen ſchauen;
Iſt ſeiner diener knecht / und trincket durch den wein
(Wie theuer waſſer doch!) viel tauſend thraͤnen ein.

Was koͤnte wohl ſchoͤner als dieſes geſaget wer - den? Jedoch / womit man nicht meyne / daß er hier allein zu hauſe ſey / will ich noch etwas aus ſeinem Veſuv anfuͤhren. p. 29. ſagt er:

O daß doch alle gaben
Der guͤtigen natur ſo viel gebrechen haben!
So mißlich allerſeits und unvollkommen ſind!
Der erden beſte luſt verrauſchet als ein wind /
Und geht gefluͤgelt durch: das ungluͤck aber wachet /
Eh noch das gluͤcke ſchlaͤfft: Das thier / ſo honig machet /
Iſt bey der ſuͤßigkeit nicht von dem ſtachel frey:
Wo eine roſe bluͤht / ſteht auch ein dorn dabey. ꝛc.

Und in ſeinem Vielgutt p. 56. ſagt er:

Es iſt ein groͤſſer lob / daß gute leute fragen /
Warum nicht / als warum / dir was wird auffgetragen ꝛc.

It. kurtz darauff:

Zwar koͤſtlich iſt es wohl / ein theil der welt regieren /
Herr vieler herren ſeyn / das ſchwerdt und ſcepter fuͤhren /
bBeſitzenVorrede.
Beſitzen gut und blut; doch iſt hier minder ruh
Als auff der wilden ſee / die grimmig ab und zu
Mit ihren wellen jagt / und nie vermag zu ſtehen.
In einen groſſen hof / wo tauſend leute gehen
Zu ſuchen gnad und recht / da ſchleichen auch hinein
Gefahr / betrug und liſt. Es fuͤhrt der groſſe ſchein
Viel ſchatten hinter ſich. Die auff dem throne ſitzen
In voller herrlichkeit / und alſo haͤuffig ſchwitzen /
Was meynſtu / daß es ſey? Der ſommer thut es nicht /
Die ſonne kan nicht hin: Was aus der ſtirne bricht /
Iſt arbeit und beſchwer. So viel hier leute dienen /
Sind ihnen mehrentheils zu dienſte ſelbſt erſchienen:
Sie ehren nur die macht des fuͤrſten / und nicht ihn /
Und wenn ſein gluͤcke faͤllt / ſo gehn ſie auch dahin.

Endlich will man ein exempel einer ſatyriſche[n]ſchreib-art haben / ſo findet man ſolches p. 57.

Iſt ferner diß ſo gut / ein ſtarckes lob erlangen /
Bekandt ſeyn weit und breit / mit groſſen titel prangen /
Der kaum kan auff den brief der edlen ahnen zahl
Zerſtuͤmmelt und zerhackt um einen gantzen ſaal
Mit wappen und panier in ihrer ordnung weiſen?
Ich ehre deinen ſtand; Doch ſoll ich dich auch preiſen /
So lebe ritterlich / und laß mich unverlacht /
Ob du gleich edel biſt gebohren / ich gemacht.
Wenn ſchon ein gutes pferd aus Barbarey nicht kommen /
Wenn ſeine ſchlacht ſchon nicht von Napels iſt genommen /
Das ſonſt nur edel iſt / und erſtlich trifft das ziel /
Es habe gleich ſein graß gefreſſen wo es will /
So kriegt es doch den preiß. Die bilder / die hier ſtehen /
Von welcher wegen du pflegſt oben anzugehen /
Die ruffen auff dich zu / und ſchauen / was du thuſt.
Folg ihrer tugend nach / haſtu zum lobe luſt.

Ich hoͤre auff dem geneigten leſer mit anfuͤhru[ng]eines mehrern beſchwerlich zu ſeyn / und ich haͤt[te]auch dieſes wenige wohl weggelaſſen / wenn ich[es]nicht um derjenigen willen thaͤte / welche meyne[n]daß ſie lauter wunder-dinge im Boileau finden / u[nd]dennoch nicht wiſſen / was in unſerm allererſte[n]Poete[n]Vorrede. Poeten / dem Opitz / ſtecket. Es iſt keiner von den alten frantzoͤſiſchen dichtern ſo gluͤcklich / daß man ihn heutiges tages mehr achten ſolte: aber gewiß / ſo lange der welt-kreyß ſtehet / und die deutſche ſpra - che nur deutſch verbleibet / wird wohl niemand die - ſes / was ich aus unſerm Opitz hier angezogen / we - der tadeln noch verbeſſern koͤnnen. Und wenn wir uns alle bemuͤheten / den weg zugehen / den er ge - gangen; das iſt: durch leſung der Griechen und Roͤmer klug zu werden; ihre gedancken mit an - muth anzubringen / und endlich eigne aus unſrem gehirne auszubruͤten / ſo wuͤrden wir denen Fran - tzoſen bald naͤher kommen / und uͤber die ungleich - heit unſrer und ihrer ſchrifften nicht mehr klagen doͤrffen: maſſen ſie doch alles / was ſie ſagen / de - nen alten entweder nachgeafft oder abgeſtohlen. Nach Opitzen ſind Tſcherning / Dach und Flem - ming gefolget / deren erſter ihm aber nicht beykom - met: Der andere iſt unvergleichlich in geiſtlichen liedern und ungemein gluͤcklich in uͤberſetzung der pſalmen / und iſt nur ſchade / daß man ſeine ſachen der welt nicht mehr bekandt gemacht: Den drit - ten ziehet Herr Morhoff nicht allein Opitzen / ſon - dern auch faſt allen andern vor. Allein meines er - achtens iſt er zwar ein guter Poet / und behaͤlt noch wohl heute den ruhm / daß er unter ſeinen lands - leuten am beſten geſungen; wenn ich ihn aber bey die drey beruͤhmten maͤnner / Gryphius, Hoff -b 2manns -Vorrede. mannswaldau und Lohenſtein ſtelle / ſo duͤrffte ich faſt von ihm und ſeines gleichen das urthel faͤllen / was man vor zeiten von denen helden des koͤnigs Davids ſagte: Sie waren zwar groſſe helden / aber ſie kamen nicht an die zahl der drey. Denn dieſe haben nicht allein den Opitz weit gluͤcklicher als Flemming gefolget; ſondern in gewiſſen ſtuͤcken auch uͤbertroffen. Und zwar / was den Herrn Gryphius belanget / ſo iſt unſtreitig / daß ſeine ge - lehrſamkeit unmaͤßlich / ſein verſtand unvergleich - lich / und ſo wohl in erfindung als ausbildung der dinge ſehr hurtig und ſchnell geweſen. Seine Tra - gœdien ſind voller krafft / alle bey-woͤrter wohl ausgeſonnen / und wenn ich die warheit ſagen ſoll / ſo maͤnnlich / nachdruͤcklich und donnernd / daß es ihm keiner von allen ſeinen nachfolgern hierinnen gleich gethan. In bewegung und vorſtellung der affecten hat er ebenfalls etwas ſonderliches. Ich will deſſen nur ein exempel geben; p. 11. klaget die verlaſſene wittib des ermordeten Leo Armenius folgender geſtalt:

Du ſchwefel-lichte brunſt der donner-harten flammen /
Schlag loß / ſchlag uͤber ſie / ſchlag uͤber uns zuſammen!
Brich abgrund / brich entzwey / und ſchlucke / kan es ſeyn /
Du klufft der ewigkeit / uns und die moͤrder ein.
Wir irren / nein nicht ſie! nur uns / nur uns alleine /
Sie auch! doch fern von uns. Wer weinen kan / der weine
Der augen qvell erſtarrt. Wie iſts? Wird unſer hertz
In harten ſtahl verkehrt? ruͤckt uns der grimme ſchmertz
Das fuͤhlen aus der bruſt? Wird unſer leib zur leichen?
Komm / wo der wetter-ſtrahl das haupt nicht will erreichen /
WofernVorrede.
Wofern die erde taub / komm du gewuͤnſchter tod!
Du ende ſchwartzer angſt / du port der wilden noth!
Wir ruffen den umſonſt / der die betruͤbten meidet /
Und nur den geiſt anfaͤllt / der keine drangſal leidet.
Kommt ihr / ihr moͤrder / kommt und kuͤhlt den heiſſen muth /
Die hell-entbrannte rach in dieſer adern blut. ꝛc.

So fehlet es ihm auch nicht an ſcharffſinnigen ge - dancken und denen ſo genannten luſibus ingenii. Pag. 400. im Stuart fuͤhret er den koͤnig alſo re - dend ein:

Was aber klagt ihr an? Vor gieng ich wenig ein /
Itzt leider! nur zuviel / und muß verdammet ſeyn.
Weil ich das ſchwerd entbloͤſt / trug ich beſchimpffte bande /
Und nun ich frieden will / laß ich den kopff zum pfande.
Habt ihr zum fuͤrſten mich und koͤnig nicht gekroͤnt?
Warum denn werd ich mehr als ſclaven itzt verhoͤhnt?
Ich koͤnte frau und kind in wolluſt bey mir wiſſen;
Itzt muß ich frau und kind und ruh und friede miſſen.
Mir ſchwur mein unterthan: itzt bin ich mehr denn knecht!
Gebt antwort! ſprecht frey aus! ſind eure ſachen recht? ꝛc.

Was man aber am meiſten an dieſem manne be - wundern muß / iſt / daß er in luſtigen ſachen eben ſo gluͤcklich geweſen iſt / als in traurigen. Welches ſein ſchwaͤrmender ſchaͤfer Horribilicribifax, Dorn-roſe und andere wercke gnug bezeugen.

Der Herr von Hoffmannswaldau / welcher ein ſchuͤler des Opitzes geweſen / hat ihm doch gantz ei - nen andern weg / als Opitz und Gryphius erweh - let; indem er ſich ſehr an die Italiaͤner gehalten / und die liebliche ſchreib-art / welche nunmehr in Schleſien herrſchet / am erſten eingefuͤhret. Zwar muß ich geſtehen / daß ſein ſtylus zu Tragœdien oder heroiſchen gedichten ſich nicht wohl ſchickenb 3wuͤr -Vorrede. wuͤrde: allein er hat ſich auch an dergleichen dinge niemahls gemacht; ſondern hat ſeine meiſte kunſt in galanten und verliebten materien angewandt / worinnen er ſich auch ſo ſinnreich erwieſen / daß man ihn billig fuͤr den deutſchen Ovidius preiſen mag. Sein Paſtor fido iſt beſſer uͤberſetzt / als der Frantzoͤſiſche; ſeine grabſchrifften ſind voller geiſt; die liebes-briefe / auſſer etlichen harten metaphoren / ſo er von den Welſchen behalten / nicht zuverbeſſern; und aus ſeinen begraͤbniß-gedichten kan man ſehen / daß es ihm an ernſthafften und moraliſchen gedan - cken auch nicht gemangelt: Seine liebes-lieder aber haben ihm nicht allein uͤber alle deutſche / ſondern auch uͤber die meiſten auslaͤndiſchen Poeten den ſitz erworben / und ich glaube ſchwerlich / daß ihm den - ſelbigen auch ins kuͤnfftige iemand beſtreiten wird.

Wir wollen ihm aber laſſen / und wenden uns zu dem fuͤrtrefflichen Herrn v. Lohenſtein / deſſen nahme bereits ſo weit erſchollen / daß er unſre aus - blaſung nicht mehr vonnoͤthen hat. Alle ſeine ge - dancken ſind ſcharffſinnig / ſeine ausbildungen zier - lich / und wenn ich die wahrheit ſagen ſoll / ſo fin - det man in dieſem eintzigen faſt alles beyſammen / was ſich in denen andern nur eintzeln zeiget. Denn er hat nicht allein von Opitzen die heroiſche / von Gryphio die bewegliche / und von Hoffmanns - waldau die liebliche art angenommen; ſondern auch viel neues hinzu gethan / und abſonderlich inſen -Vorrede. ſententien / gleichniſſen / und hohen erfindungen ſich hoͤchſt-gluͤcklich erwieſen. Seine Tragœdien ſind von den beſten. Seine geiſtliche gedancken voller krafft / uñ ſeine begraͤbniß-gedichte unvergleich - lich. In ſeinem Arminius aber hat er ſich als einen rechten Poeten erwieſen / und ſo viel artige / kur - tze und geiſt-volle dinge erſonnen / daß wir uns nicht ſchaͤmen duͤrffen / dieſelbigen allen heutigen Fran - tzoſen entgegen zuſetzen. Ich weiß wohl / daß die wenigſten ihnen die muͤhe nehmen / dieſes herrliche buch durchzuleſen. Darum werde ich hoffentlich nicht unrecht thun / wenn ich einige ſinn-gedichte allhier zum exempel anfuͤhre / um denenjenigen / welche die Deutſchen ſo hoher gedancken unfaͤhig achten / dadurch die augen zu oͤffnen. Part. 1. p. 243. hat er uͤber die Olympia / welche zu bewahrung[i]h - rer keuſchheit den Armeniſchen Koͤnig Artabaces und ſich ſelbſt erſtach / folgende gedancken:

Heb Rom Lucretien biß an das ſtern-geruͤſte!
Weil ſie in adern-brunn den kalten ſtahl geſteckt /
Nachdem ſie vom Tarqvin durch ehbruch war befleckt /
Hier dringt ein reiner dolch durch unbefleckte bruͤſte.
Lucretia ließ zu vorher die ſchnoͤden luͤſte.
Olympia hat nichts von geiler brunſt geſchmeckt /
Die ihren helden-arm zu ſtrenger rach ausſtreckt /
Ch / als zum erſten mahl ſie Artabazes kuͤßte.
Lucretia verſchrenckt dem ſchaͤnder nur den thron;
Hier buͤßt der fuͤrſatz ein luſt / ehre / leben / kron.
Die nachwelt wird geſtehn / die beyder bild wird ſehen;
Gold / ertzt und marmol ſey Olympien zu ſchlecht /
Lucretzen holtz zu gut; Lucretzen ſey nur recht /
Olympien zu viel durch ihren ſtich geſchehen.
b 4UberVorrede.

Uber die vermaͤhlung Herrmanns und ſeiner Thus - nelda hat er part. 1. p. 1423. folgendes Sonnet:

Der helden geiſt iſt ſtahl / ihr hertz aus diamant /
Wenn es mit maͤnnern kaͤmpfft; Alleine wachs bey frauen.
Denn adler lieben zwar nur adler / pfaue pfauen;
Doch Alexandern zwingt der geilen Thais brand.
Die ſpindel Omphalens entweyht Alcidens hand.
Achilles / wenn er liebt / kriegt fuͤr den krieg ein grauen.
Anton ſtirbt als ein weib in einer Mohrin klauen /
Ja auch der goͤtter lieb iſt wahnwitz anverwandt.
Fuͤrſt Herrmann aber liebt mit groſſer tapfferkeit.
Denn er vermaͤhlet ihm Minerven mit Thusnelden /
Sie ihr den Hercules mit Deutſchlands groſſen helden.
Und zwiſchen beyden iſt kaum einig unterſcheid.
Man weiß nicht / wer ſey Mars / wenn ſie die waffen uͤben /
Nicht / wer die liebe ſey / wenn ſie einander lieben.

Bey dem begraͤbniſſe des Kaͤyſers Auguſtus hat er unter andern ſinn-ſchrifften part. 2. p. 952. auch dieſe:

Ihr feinde wißt ihr nicht / mit wem ihr habt gekriegt?
Es iſt der erden Mars / der Roͤmer Alexander /
Des groſſen Caͤſars ſohn. So einer als der ander
Hat den gebrauch an ſich: Er kommt / er ſieht und ſiegt.

Item part. 2. p. 953.

Iſt friede gold / ſo muß der freyheit edler ſchatz
Sein guͤldener als gold. Die traͤgt Auguſt euch an:
Rom aber weigert ſich zu geben raum und platz /
Weil es vergnuͤgter ihm gehorcht / als frey ſeyn kan.

Item part. 2. p. 975.

Der mord-geiſt der ſtadt Rom ſtieg in den pful der hoͤllen /
Und nahm die Furien ihm zu gehuͤlffen an:
Kommt / ſagt er / helffet mir einſt den Auguſtus faͤllen;
Weil argliſt / gifft und ſtahl ihn nicht verletzen kan.
Sie aber wolten nicht ſich deſſen unterfangen;
Was Furien zu arg / hat Livia begangen.
UndVorrede.

Und part. 2. p. 1420. beſchreibet er die annehmlig - keit der liebe ſolcher geſtalt:

Wenn ſo viel zucker waͤr / als ſchnee /
Und ſo viel bienen / als der fliegen;
Wenn alle berge Hyblens klee /
Und des Hymettus kraͤuter truͤgen /
Aus allen eichen trieff ein honig von Athen /
Und man auff doͤrnern nichts als feigen ſaͤhe ſtehn;
Wenn milch in allen ſtroͤhmen fließ /
Und reben-ſafft aus allen qvellen;
Wenn alle ſchleen waͤren ſuͤß /
Im meere lauter nectar-wellen;
Wenn nur jaßminen-oel der wolcken naͤſſe waͤr /
Der monde nichts als thau von zimmet floͤßte her;
Wenn die geſtirne ſchwitzten ſafft /
Der Wuͤrtz und balſam uͤberſtiege /
Und dieſer ſuͤßigkeiten krafft /
In einen geiſt und kern gediege /
So wuͤrde dieſer doch bey liebe wermuth ſeyn:
Denn dieſe zuckert auch das bittre ſterben ein.

Dieſes ſind nur die geringſten ſeiner ſcharffſin - nigen gedancken / und wer ihm die zeit nehmen will / die geſchichte des Arminius durchzublaͤt - tern / wird deren wohl tauſend finden. Es iſt nur ſchade / daß dieſer ungemeine mann uͤber dem ſchluſſe ſeines werckes ſterben muͤſſen / und ſolches nebſt ſeinen andern ſchrifften nicht noch einmahl - berſehen koͤnnen. Denn was ihn etliche beſchuldi - gen / daß er an vielen oͤrtern zu hart / oder auch gar zu gelehrt geſchrieben / wuͤrde ohne zweifel ſchon laͤngſt geaͤndert ſeyn / wenn ihm die zeit und geſchaͤffte an ausputzung dieſer ſeiner geburten nicht ſtets gehin - dert haͤtten. So aber hat man ſie dem leſer ſo lie -b 5fernVorrede. fern muͤſſen / wie er ſie am erſten zur welt gebracht / und muͤſſen dannenhero diejenigen / welche ſie ſehen ſie nicht als vollkommene kinder / ſondern bloß als erſtlinge oder unreiffe fruͤchte betrachten / welche vielleicht gantz anders ſchmecken wuͤrden / wenn ſie die ſonne ſeines verſtandes noch einmahl beſchienen haͤtte.

Nach abgang dieſer dreyen beruͤhmten Maͤnner haben ſich in Schleſien Herr Muͤhlpfort / Herr v. Aßig / und die noch lebenden Herr v. Abſchatz / und Herr Gryphius bekandt gemacht / und verdienen abſonderlich die letzten / daß man ſie unter die ſtuͤ - tzen unſerer verfallenden Poeſie wohl zehlen darff. Von auswaͤrtigen / welche durch dichten einigen ruhm erworben / will ich meine gedancken dißmahl verſchweigen; man moͤchte mich / als einen Schle - ſier fuͤr allzu partheyiſch halten. Jedoch werde ich hoffentlich nicht ſuͤndigen / wenn ich an ſtatt der an - dern aller des ſel. Herrn Morhoffs und Herrn v. Beſſer gedencke. Der erſte ſchreibt zwar ſo lieb - lich nicht / als gelehrt. Er hat aber ſehr wohl ver - ſtanden / was zu einem gedichte erfordert wird. Der andere iſt in beyden ſehr gluͤcklich / und hat nicht allein einen ſcharffen geſchmack von guten gedan - cken / ſondern ſchreibet auch ſolche verße / welche ein iegliches ohr vergnuͤgen koͤnnen. Und nun ſol - te man wohl meynen / daß es um die deutſche Poe - ſie ſehr wohl beſchaffen / und wenig zu ihrer voll -kom -Vorrede. kommenheit mehr uͤbrig waͤre: Allein / wie ich ſchon oben erinnert / daß es dem Herrn Opitz noch an zierligkeit / dem Herrn v. Hoffmannswaldau an ernſthafftigkeit / dem Herrn v. Lohenſtein aber an zeit gemangelt; alſo koͤnte ich leicht von allen andern auch etwas zu ſagen finden / wenn ich mich nicht ſelbſt fuͤr ungeſchickt hielte / von leuten / wel - che kluͤger ſind / als ich / mein urthel zu faͤllen. Es wird vielleicht anderwaͤrts gelegenheit geben / meine gedancken hieruͤber auszulaſſen. Inzwiſchen waͤ - ren wir gluͤcklich / wenn ſich keine andere leute mehr als ſolche / wie ich anitzt beſchrieben / im dichten uͤb - ten. Die Poeſie wuͤrde bald hoͤher ſteigen / und es waͤre ein leichtes / dasjenige / was etwan noch ruͤck - ſtaͤndig iſt / nachzuhohlen. Aber ſo iſt das ſchnat - tern der gaͤnſe ſo groß / daß man die ſchwanen da - vor kaum hoͤren kan; Denn ein ieder Schulmei - ſter will nunmehr verße machen / und ungeachtet man ſolche arbeit von der gelehrten leicht unter - ſcheiden kan / ſo verfuͤhrt man doch dadurch junge leute / und verblendet ſie mit ſo vielen vorurtheilen / daß ſie hernach lebenslang von der rechten Poeſie keinen geſchmack bekommen. Jedoch waͤre mei - nes erachtens noch ein mittel / von dieſem irr - gan - ge ſich auszuwickeln / wenn man nur folgende re - geln in acht nehme: Erſtlich unterſuche man ſich ſelber / ob dasjenige / was uns zur Poeſie anreitzet / ein natuͤrlicher trieb / oder nur ein gemachtes ver -langenVorrede. langen ſey. Iſt das letzte / ſo laſſe man doch nur das dichten bleiben; Denn gar keine verße zu ma - chen / iſt ſchlechte ſchande / ſchlimme aber zu ma - chen / iſt etwas naͤrriſches. Die hochzeiten und be - graͤbniſſe wuͤrden doch wohl vollzogen werden / wenn man gleich nicht allemahl dabey reimte; und wolte man ja einen ſchatz anbinden / ſo fin - den ſich noch allezeit gute leute / welche um etliche groſchen ein lied / oder ein verdorbenes Sonnet auffſetzen. Verſpuͤret man aber von natur zum dichten eine ſonderliche begierde und faͤhigkeit / ſo forſche man wieder / wie weit ſie gehe / und ob man ein bloſſer verßmacher / oder ein galanter dichter / oder in der Poeſie groß zu werden gedencke. Das erſte iſt am allergemeinſten: denn die meiſten be - gnuͤgen ſich damit / wenn ſie nur auff einen na - mens-tag oder hochzeit etwas fingen / oder ein lu - ſtiges lied hinſchreiben koͤnnen; Und ſolche brau - chen zu ihrer vollkommenheit ſchlechte muͤhe; wie - wohl es beſſer waͤre / wenn ſie gar zu hauſe blieben / und zaͤrtliche ohren mit ihren gedichten nicht erſt beſchwerten. Zu dem andern gehoͤren feurige und auffgeweckte gemuͤther / welche in der galanterie ſehr wohl erfahren / im erfinden kurtz / in der ausarbeitung hurtig / und in allen ihren gedan - cken ſeltzam ſeyn. Und ſolchen will ich rathen / daß ſie von den Lateinern den Ovidius, Martialis, Au - ſonius, und auffs hoͤchſte den Claudianus; vondenenVorrede. denen Deutſchen den Hoffmannswaldau; von de - nen Frantzoſen aber Boileau, les vers choiſis de Bouhours, und die im mereur galant begriffene gedichte leſen: Daß ſie niemahls eher ſchreiben / als biß ſie ſich dazu geſchickt befinden / keine ſtunde da - mit verderben / als welche ſie zu ihrer ergetzung ausgeſetzt / und endlich in allen dingen der maͤßig - keit folgen. So kan es nicht anders ſeyn / als daß ſie die hochachtung der gantzen welt erwerben. Die dritten muͤſſen nicht allein an natuͤrlichen ga - ben viel reicher / ſondern auch in erfindungen tieff - ſinniger / in der arbeit gedultiger / und in der ſchreib-art feſter und mehr poliret ſeyn. Sie muͤſ - ſen uͤber dieſes entweder ſelbſt mittel / oder doch auskoͤmmlichen unterhalt / und zum wenigſten bey ihren amts-geſchaͤfften die freyheit haben / daß ſie drey oder vier ſtunden des tages verſchwenden duͤrffen. Fuͤr allen dingen aber muͤſſen ſie viel ſpra - chen verſtehen / in allen wiſſenſchafften wohlge - gruͤndet / in der welt erfahren / durch eigene zu - faͤlle gewitziget / ihrer affecten meiſter / und in ur - theilung anderer leute gebrechen vernuͤnfftig ſeyn. Und alsdenn iſt es zeit / daß ſie allgemach anfan - gen Poeten zu werden / welches aber ohne leſung und unterſcheidung poetiſcher buͤcher nicht wohl ge - ſchehen kan. Ich ſage / ohne leſung und unterſchei - dung: Denn man muß nicht alle durchgehends leſen / ſondern nur die beſten / und zwar diejeni -gen /Vorrede. gen / welche uns zu ſtaͤrckung unſers verſtandes / o - der zu ausfuͤhrung unſerer materie am meiſten die - nen. Wir koͤnnen aber die Poeten in zweyerley ſorten / nemlich in alte und neue / und jene wieder in Griechen und Roͤmer / dieſe in auslaͤnder und einheimiſche theilen. Unter denen Griechen hat in heroiſchen gedichten den vorzug Homerus, in Tra - goͤdien Sophocles, in Oden Pindarus und Ana - creon. Von den Roͤmern kan man in verliebten ſachen den Ovidius, in Tragoͤdien den Seneca, in Oden den Horatius, in lob-gedichten den Claudia - nus, in ſatyriſchen den Juvenalis und Perſius, in helden - und ſchaͤfer-gedichten aber den unvergleich - lichen Virgilius leſen. Die uͤbrigen haben entwe - der viel falſche gedancken / oder ſind doch ſo beſchaf - fen / daß man ſich ohne deren durchblaͤtterung wohl behelffen kan. Von denen heutigen auslaͤndern excelliren ſonderlich in geiſtlichen ſachen die Engel - laͤnder; in ſcharffſinnigen / in Oden und in ſchaͤ - fer-gedichten die Welſchen; in ſatyriſchen die Hol - laͤnder; in galanten aber / in lob-gedichten und ſchau-ſpielen die Frantzoſen. Die einheimiſchen oder deutſchen Poeten lieſet man fuͤrnemlich wegen des ſtyli. Weilen aber dieſer nach erforderung der materien mancherley iſt / ſo muß man auch hier ei - nen unterſcheid machen / und von Opitz und Flem - ming die heroiſche; von Gryphius die bewegliche und durchdringende; von Hoffmannswaldau dielieb -Vorrede. liebliche / galante und verliebte; von Lohenſtein die ſcharffſinnige / ſpruchreiche und gelehrte / und alſo von einem ieden eine beſondere ſchreib-art lernen / und durch deren kuͤnſtliche vermiſchung diejenige zu wege bringen / welche die Lateiner den ſtylum ſublimem nennen. In Comoͤdien haben Herr Gryphius und Herr Weiſe etwas gethan. Der erſte giebet an luſtigkeit dem Moliere nichts nach / hat aber mehr auff kurtzweil als durchziehung der laſter geſehen. In dem andern iſt der ſtylus gut / ungeachtet ſeine Comoͤdien / wegen der vielen per - ſonen / ſo er dazu gebrauchen muͤſſen / mit denen regeln des Theatri nicht ſehr zuſammen ſtimmen. Es iſt auch nicht zu hoffen / daß wir viel beſſere er - leben werden / weiln es nicht der muͤhe lohnet Co - moͤdien zu machen / wo man nicht zum wenigſten die freude hat / ſie ſpielen zu ſehen. Von ſatyri - ſchen dingen haben wir noch gar nichts auffzuwei - ſen / als was Herr Rachelius geſchrieben / und Herr Opitz hin und wieder in ſeinen gedichten mit einge - ſtreuet. Aber es iſt nichts vollkommenes / und es waͤre zu wuͤnſchen / daß ſich iemand faͤnde / wel - cher uns auch in dieſem ſtuͤcke befriedigen koͤnte. Jedoch / wir fallen zu weit / und ſchwatzen von dingen / welche die allerwenigſten von uns von noͤ - then haben. Denn unter tauſenden iſt kaum einer ſo gluͤckſelig / daß er ſich zur Poeſie rechtſchaffen ſchickete; und ſo er es ja endlich iſt / ſo gebricht esihmVorrede. ihm doch entweder an gedult oder zeit / oder am ge - luͤcke in ſeiner befoͤrderung; und alſo am fuͤrnehm - ſten / welches zu einem dichter erfodert wird / nem - lich / an einem froͤlichen gemuͤthe. Dannenhero thun diejenigen am beſten / welche die mittel-ſtraſſe halten / ſich bloß auff galante gedichte legen / und um die geheimniſſe der hohen Poeſie unbekuͤmmert laſſen. Allein / weil man auch hierzu / wie ſchon gemeldet / ohne vorgaͤnger nicht wohl gelangen kan; ſo hat man dahin geſonnen / wie man ein werck verfertigen moͤchte / welches aus unſerer eige - nen leute arbeit beſtuͤnde / und den leſer / wo nicht in allen / doch in den meiſten ſtuͤcken vergnuͤgen koͤn - te. Und dieſes iſt die urſache / warum man gegen - waͤrtige gedichte zuſammen getragen / und in einem begriffe zeigen wollen / was man in vielen unſerer Landsleute bißher umſonſt geſucht. Es ſind nicht ſachen / welche man aus buͤchern gezogen; ſondern die meiſten ſind entweder noch gar nicht / oder doch nur ſtuͤckweiſe geſehen worden. Hierunter fuͤhren den vorzug die Hoffmannswaldauiſchen / von wel - chen ich wohl ſagen kan / daß viel darunter ſind / welche die vorhin gedruckten gedancken weit uͤber - treffen. Neben dieſen erſcheinen etliche noch uͤbrige gedichte vom Herrn von Lohenſtein / und wird man hoffentlich nicht uͤbel nehmen / daß man abſonderlich deſſen Venus hier eingeruͤcket. Sie hat einen ſol - chen nachbar am Hoffmannswaldau / daß ſie ſich ſei -nerVorrede. ner geſellſchafft nicht ſchaͤmen darff. Die andern / welche ſo guͤtig geweſen / und dieſes werck durch ihre arbeit vergroͤſſern helffen / wollen lieber unbekandt / als genennet ſeyn; und zu dem ende hat man kei - nen eintzigen namen hier ausgedruckt / etliche aber auch nur mit kreutzen bezeichnet. Meines ortes waͤre ich ſo ehrgeitzig nicht geweſen / einige von meinen gedichten mit beyzuſchlieſſen / wenn diejenigen / welche man ausdruͤcklich hierum erſucht / uns nicht gaͤntzlich allen beytrag verſaget haͤtten. Denn ich kenne mei - ne unvermoͤgenheit allzu wohl / und bin dem Auto - ri der Diſſertation de Poëtis hujus ſeculi ſchlecht verbunden / daß er mich ſo gewaltig ausgeſtrichen; mich fehler beſchuldiget / derer ich nicht einmahl faͤ - hig bin; und hingegen dinge an mir gelobet / die er doch ohne zweiffel getadelt haͤtte / wenn er die regeln der hohen Poeſie verſtuͤnde. Allein es gehet nicht allemahl wie man will; der herr verleger brauch - te noch etliche bogen / derowegen muß man es mir zu gute halten / daß ich ſie mit meinen einfaͤllen dißmahl beſudelt. Sonſten habe ich mir die kuͤhnheit ge - nommen / ſo wohl in den Hoffmannswaldauiſchen ſa - chen / als auch in der Venus des Herrn von Lohen - ſtein / dasjenige / was unrecht geſchrieben war / zu verbeſſern; das ausgelaßne zu erſetzen / und etliche hohe gedancken / ſo ſie vielleicht ihrer damahligen ju - gend wegen nicht recht bedacht / in ordnung zu brin - gen. Ich zweiffle nicht / daß ſie es weit gluͤcklichercver -Vorrede. verrichten wuͤrden / wenn ſie noch ſelber lebten; In - zwiſchen hoffe ich doch auch / daß man ſich mit meiner geringen bemuͤhung begnuͤgen werde. Solten et - wan die lieder verſehen ſeyn / und etliche / ſo ich dem Herrn v. Hoffmannswaldau gegeben / einem andern zuſtehen / ſo wird ſich hoffentlich dieſes namens nie - mand zu ſchaͤmen / dieſer groſſe Mann aber auch kei - nen ſchimpff davon haben / weiln ich ihm keine zu - geeignet / welche nicht denen ſeinigen in allem gleich geſchienen. Allzu freye gedancken habe ich in dieſes werck nicht ruͤcken wollen; und dafern ſich ja einige darinnen finden / ſo ſind ſie wider meinen willen mit eingeſchlichen. Endlich hoffet ſo wohl der verleger / als ich / daß dieſes buch nicht allein zu iedermanns beluſtigung / ſondern auch zu vieler erbauung dienen / und manchem den unterſcheid zwiſchen der galanten und pedantiſchen dicht-kunſt zeigen werde. Wird es wohl auffgenommen / ſo duͤrffte dieſer theil leicht noch einen gebaͤhren / in welchem man alles / was in dieſem verſehen worden / ſich auff das aͤuſerſte zu erſe - tzen bemuͤhen wird. So moͤchte man ſich auch wohl bereden laſſen / eheſtens der deutſchen Poeten ſcharff - ſinnige gedancken nebſt einer deutſchen Mythologie heraus zu geben. Inzwiſchen ergetze ſich der ge - neigte Leſer an dieſem wenigen / und fahre wohl!

Regi -

Regiſter derer in dieſem buche ent - haltenen Gedichte. An galanten Gedichten.

  • ACh edle Flavia C. H. V. H. pag. 1
  • Aus meiner mutter mund C. H. V. H. 3
  • Bleßine / laß mich doch C. H. V. H. 5
  • Cupido / der dich mehr C. H. V. H. 8
  • Mein bildniß haſt du hier C. H. V. H. 9
  • Cupido faßte dich vergangen C. H. V. H. 10
  • Ich finde keinen rath C. H. V. H. 11
  • Iſt das nicht Flavia C. H. V. H. 11
  • Es dachte Leßbie C. H. V. H. 12
  • Ich eilte Leßbien C. H. V. H. 12
  • Es wird der bleiche tod C. H. V. H. 13
  • Wann dein rubienen-mund C. H. V. H. 13
  • Eilſt du denn / Flavia C. H. V. H. 14
  • Was macht doch Flavia C. H. V. H. 14
  • Ein ſtern der tugenden C. H. V. H. 15
  • Nimm dieſen blumen-ſtrauß C. E. 15
  • Du reiſt dein bildniß nur C. E. 16
  • Dein auge ſolte mir C. E. 16
  • Die ſchoͤnheit / welche dir C. E. 17
  • Du aͤnderſt nur umſonſt C. E. 17
  • Da deine wangen ſich C. E. 18
  • Aminthe / weiſt du auch C. E. 18
  • Leht wohl! der himmel will C. E. 20
  • Du ſanfftes band / das C. E. 21
  • So offt ich dich erſeh C. E. 21
  • Was ſucht ihr ſterblichen C. E. 22
  • Du glaͤntzendes cryſtall C. E. 23
  • Cupido hatte ſich C. E. 23
  • Als geſtern abend ich C. E. 25
  • Nein! ſchoͤnſte Phillis / nein C. E. 26
  • Wann ich geſtorben bin E. G. R. 26
  • Es hat des kuͤnſtlers hand E. G. R. 26
  • Ich finde zwar ſehr viel B. N. 27
  • Ihr habet mich beſiegt B. N. 27
  • Ihr roſen Indiens B. N. 28
  • Laßt Berenicens haupt B. N. 28
  • So offt ich euch beſchau / ihr angenehme haͤnde B. N. 29
  • Was fluchſt du / Sylvia B. N. 29
  • Ach wirff doch einen blick B. N. 30
  • Du biſt ein plumper kerl B. N. 31
  • So offt ich euch beſchau / ihr angenehmen plintzen B. N. 31
  • Schoͤner mund / darff ich C. H. V. H. 33
  • Geſteh es nur / mein kind33
  • Nicht ſchaͤme dich / du ſaubere Melinde34
  • Albanie / gebrauche[deiner Zeit] C. H. V. H. 35
  • Liſippe will der erden C. H. V. H. 36
  • An verliebten Gedichten. Mund! der die ſeelen C. H. V. H. pag. 38
  • Will das geluͤcke denn C. H. V. H. 38
  • Ich qvaͤlte neulich mich C. H. V. H. 39
  • Kennt Flavia den arm C. H. V. H. 40
  • Geliebte Flavia / du kenneſt C. H. V. H. 41
  • Ach! koͤnte doch mein geiſt C. H. V. H. 43
  • Arbine / meine hand C. H. V. H. 45
  • Iſt diß nicht Flavia C. H. V. H. 47
  • Ein haar / ſo kuͤhnlich trotz C. H. V. H. 49
  • Wenn ich mein truͤbes licht C. H. V. H. 49
  • Iſt meine Chloris kranck C. H. V. H. 50
  • Der arme Thyrſis lag B. N. 50
  • Ich habe / Sylvia / dich B. N. 54
  • Man klaget / Flavia B. N. 54
  • Wie irret doch das rad B. N. 54
  • Ach koͤnte dir mein hertz B. N. 59
  • Auff / ſchoͤnſte / tauche dich B. N. 61
  • Wenn meine feder nicht B. N. 63
  • Dein edler namens-tag B. N. 65
  • Du haſt / o Sylvia B. N. 65
  • Verzeihe mir allhier B. N. 66
  • Der weit-erſchollne tod B. N. 67
  • Komm ſanffter weſten-wind / C. E. 69
  • Komm / Chloris / komm70
  • Kennt Pſyche dieſe brunſt72
  • Ihr augen fließt! beweint81
  • An Sinn-Gedichten. Griſillens tochter kam C. E. 83
  • Mirtille ſtellte ſich C. E. 83
  • Die hoͤrner traͤgt der mann C. E. 84
  • Die karge Lucie hat C. E. 84
  • Ich bin durch ſchimpff und ernſt C. H. V. H. 84
  • Mich hat die Venus mehr / als Jupiter C. H. V. H. 85
  • Hier liegt der wuͤterich C. H. V. H. 85
  • Hier liegt das groſſe haupt C. H. V. H. 85
  • Mich fuͤhrt die kluge welt C. H. V. H. 86
  • Man nahm mir meinen ſchmuck C. H. V. H. 86
  • Ich glaubt / und weiß nicht wie C. H. V. H. 86
  • Du wuſteſt / daß kein reich87
  • Ich fuͤhrte haͤuſer auff87
  • Es wundert mich nicht ſehr D. C. V. L. 87
  • Diß iſt das wunder-bild B. N. 88
  • Schaut / buͤrger! dieſes iſt B. N. 88
  • Schreib / ſprach die Poeſie B. N. 88
  • Ihr Deutſchen / ſaget doch B. N. 89
  • Die welt verwundert ſich B. N. 89
  • Es ſah einſt ein ſoldat B. N. 89
  • Der ſtoltze Ludewig B. N. 90
  • Man ſpricht / daß du ſo groß B. N. 91
  • Iſt das nicht wunderlich B. N. 91
  • Ein rechter Koͤnig flieht B. N. 91
  • Schau / Deutſchland! wo du kanſt B. N. 92
  • Europa zanckte ſich / und wolte B. N. 93
  • Zuͤrnt nicht / ihr Gratien B. N. 93
  • An Hoch-zeit-Gedichten. Die ſchoͤne Marggraͤfin / die ieder94
  • Vergnuͤge deine raſt C. H. V. H. 99
  • Iſt lieben ſeuche / peſt und gifft D. C. V. L. 107
  • Die ſchulen wiſſen noch B. N. 110
  • Das gruͤne feigen-blat / das B. N. 113
  • Ich habe / groſſer Mann B. N. 115
  • Was vor in Griechenland B. N. 118
  • An Begraͤbniß-Gedichten. So bricht der glantz der welt119
  • O unerbittliches verhaͤngniß121
  • So wie ein donnerkeil B. N. 123
  • Wie artig trifft der menſch B. N. 124
  • Als Franckreich ſeinen ſohn B. N. 125
  • Daß himmel und geſtirn B. N. 129
  • Wir arme ſterblichen B. N. 134
  • Mein Herr / wenn durch die laſt B. N. 144
  • So offt ich bey mir ſelbſt B. N. 145
  • Die muntre Sylvia C. E. 147
  • Die mutter / deren hertz E. G. R. 149
  • Der geiſt der Poeſie hat manches B. N. 150
  • Der zunder der natur B. N. 153
  • [N]achdem des gluͤckes ball B. N. 159
  • Der affe der natur B. N. 161
  • An vermiſchten Gedichten. Bey dieſen brennenden und ſchwuͤlen167
  • Geitz und verſchwendung hat B. N. 173
  • Wenn eine wolcke glantz B. N. 179
  • [V]ertraͤgt dein kluges ohr C. K. 182
  • Dein fuͤrſt erklaͤrt dich heut185
  • Paris hat dazumahl wohl B. N. 186
  • Mein freund / ſein groſſer ruhm B. N. 187
  • Ich habe vielmahl ſchon B. N. 188
  • Der weißheit muſter-platz B. N. 190
  • Als neulich Laͤlia B. N. 195
  • Als unlaͤngſt Seladon B. N. 203
  • O himmel! fieng unlaͤngſt B. N. 207
  • Sie iſt ein rauten-zweig C. H. V. H. 208
  • Wir ſchwartzen wolcken wir C. H. V. H. 209
  • Rom ehre den Auguſt B. N. 212
  • In aller thiere heer E. G. R. 213
  • Entferne dich / du eitles weſen C. H. V. H. 221
  • Ich bunte tulipan C. H. V. H. 223
  • Mein auge war ein plitz C. H. V. H. 226
  • Der Florentiner ſchloß C. H. V. H. 227
  • Such / armer / wie du wilt C. H. V. H. 227
  • Wenn wir die gantze welt C. H. V. H. 228
  • O Venus / kroͤne mir D. C. V. L. 229
  • Itzt liebt die gantze welt D. C. V. L. 229
  • Nectar und zucker273
  • Ein himmliſches gemuͤthe284
  • Der menſch tritt nicht vor ſich285
  • Was uͤberzieht mich vor ein wetter C. H. V. H. 286
  • Mich hat ein ſchwaches thier C. H. V. H. 288
  • Die kunſt iſt ohne macht289
  • Was iſt diß thun / ſo dein C. H. V. H. 289
  • Ihr / die ihr ſchlacken-werck B. S. 290
  • Verſchmaͤhe / kluger Mann B. N. 293
  • Laß / groſſe Venus C. S. L. 295
  • Mein letzter abſchieds-brieff C. K. 297
  • Der himmel werde klar299
  • An verliebten Arien. Iſt denn dein hertze gantz erfroren C. H. V. H. 301
  • Ich ſinge tauben ohren C. H. V. H. 302
  • O goͤttin / der ich voller pflicht C. H. V. H. 303
  • Ihr bleichen buhler ſchwartzer zeit C. H. V. H. 304
  • Sylvia / dein kaltes nein E. G. R. 307
  • Was wilt du / Doris / machen C. H. V. H. 308
  • Wie lange ſoll noch meine pein C. H. V. H. 309
  • Niemand weiß / wie ſchwer mirs faͤllt C. H. V. H. 311
  • Mein Damon laß die reinen flammen H. M. 312
  • Ich brenne / Sylvia B. N. 314
  • Wie lange wilſtu grauſam ſeyn B. N. 315
  • Sylvia iſt wohl gemacht B. N. 316
  • Schweig / mein hertz B. N. 317
  • Ach was wird durch Amors hand B. N. 317
  • Ich weiß nicht / ob ich euch B. N. 317
  • Sylvia / dein ſuͤſſer mund B. N. 318
  • Amor / wilſt du / daß ich ſage B. N. 318
  • Du kennſt mein treues hertze C. H. V. H. 319
  • Aſterie / ich bin gebunden H. M. 320
  • Fach / Amaranthe / deine ballen C. H. V. H. 321
  • Ach Flavia! du qvelle B. N. 324
  • Aurora deine erſten blicken C. H. V. H. 325
  • Wiſche die aͤchzenden thraͤnen326
  • Laurette bleibſtu ewig ſtein C. H. V. H. 327
  • Als die Venus neulich ſaſſe C. H. V. H. 328
  • Ich kan mir nicht mehr widerſtreben C. H. V. H. 329
  • Ich ſehe dich zum erſten mahle E. N. 330
  • Erbarme dich / du ſchoͤnheit E. N. 331
  • Macht kein funcke meiner flammen332
  • Ich rede nur mit ſteinen C. H. V. H. 333
  • Ich ungluͤckſeliger! warum bin C. H. V. H. 334
  • Climene / pruͤfe fleiſch B. N. 336
  • Ich bin verletzt C. H. V. H. 337
  • Soll Solimene meine glut C. H. V. H. 338
  • Geliebte Flavia / mich brennen C. H. V. H. 339
  • Komm braune nacht340
  • Parthenie / du ſtrenge meiner ſeelen C. H. V. H. 341
  • Ach daß ich euch nicht meiden muͤſte342
  • Flavia ſchaut meine thraͤnen C. H. V. H. 343
  • Falſche Doris deine thraͤnen C. H. V. H. 344
  • Was vor ein ſtrahl will346
  • Clorinde / kanſtu luſtig ſtehen C. H. V. H. 348
  • Ach zuͤrne nicht / erlauchte Sylvia349
  • Nun laͤngſt-gewuͤnſchte freuden-nacht350
  • Ihr hellen moͤrderin C. H. V. H. 351
  • Es will die ungerathne zeit C. H. V. H. 353
  • Wo ſind die ſtunden C. H. V. H. 354
  • Flora deine roſen-wangen C. H. V. H. 355
  • Sclaven ſchlaffen in den danden356
  • Was qvaͤlſtu mich Luci’gen357
  • Sey tauſendmahl / o ſchoͤnſtes kind358
  • Dorinde ſoll ich denn verbrennen359
  • Was denckt aus mir der himmel doch C. H. V. H. 360
  • Komm / Philoroſe / ſchau die nacht361
  • H[ie]er muͤſſen friſche myrrthen ſtehen362
  • Die freyheit leg ich dir C. H. V. H. 363
  • So ſoll der purpur deiner lippen C. H. V. H. 364
  • Mein hertze ſchmeltzt C. H. V. H. 365
  • Der himmel pflantzet mein geluͤcke C. H. V. H. 367
  • Armſeliger / was hilfft dich doch C. H. V. H. 368
  • Zuͤrne nicht / betruͤbtes hertze B. N. 369
  • Sind das nicht narren-poſſen B. N. 370
  • Ihr waffen gute nacht B. N. 372
  • Was denckt ihr doch B. N. 372
  • Dein augen-plitz / preiß-wuͤrdigſte B. N. 373
  • Schoͤnſte der ſeelen B. N. 374
  • Wie naͤrriſch lebt ein kerl B. N. 376
  • Florinde / ſoll ich dich erſuchen B. N. 377
  • Weinet ihr betruͤbten augen B. N. 379
  • An vermiſchten Arien. Roſen und violen C. H. V. H. 380
  • Der menſch tritt nicht vor ſich381
  • Ihr muſen laufft zuſammen B. N. 382
  • Wer auff ſchwuͤre bauet C. H. V. H. 384
  • Mein hertze fleuch das gluͤcke B. N. 385
  • N[u]n des ſommers luſt-gewinn386
  • Was frag ich denn darnach / wenn du mich nicht388
  • Weil meine kohlen voͤllig glut gefangen388
  • Wohl dem der ſich vergnuͤget C. H. V. H. 390
  • Ich ſoll mich mit gewalt verlieben E. N. 391
Galante
[1]
[figure]

Galante Gedichte.

An Flavien.
ACh edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin /
Ich ſchreib / und weiß nicht was / dein ſcheꝛtzen macht mir ſchmertzen /
Dein ſtern der freundlichkeit reiſt meine freyheit hin /
Du ſchickſt mir einen brieff / und greiffſt mir nach den hertzen.
Ach ein vergebner brieff! du haſt es ja bey dir /
Und mir iſt nur davon ein kleiner reſt erlaubet;
Denn ſeine ſchalen ſind zwar / wie es ſcheint / bey mir /
Du aber haſt mir laͤngſt den kern davon geraubet.
Ich ſchreibe ſehr verwirrt: Denn wer ſo lebt / wie ich /
Und ohne hertze ſchreibt / dem taumeln geiſt und ſinnen.
Verdirbt mir dieſer brieff / ſo ſchrey ich uͤber dich /
Was ſolt ich ohne hertz itzt wohl vollbringen koͤnnen?
Doch ſchreib ich / wie ich kan / als ſclave deiner hand;
Die fehler meiner ſchrifft ſind deine ſieges-zeichen.
Reicht Critons dienſtbarkeit dir hier kein beſſer pfand /
So denck / ein ſchwacher kan nicht / was er will / erreichen;
Und rechte liebe will nicht reich verbraͤmet ſeyn /
Sie will nicht allemahl mit purpur ſich bedecken /
Sie ſtellt nicht ſelten ſich in ſchlechter kleidung ein /
Und meynt / daß ſchminck und ſchmuck nicht zieren ſonder flecken.
Du aber / Flavia / gebrauchſt verſchwenderey /
Du thuſt mir deine gunſt durch einen brieff zuwiſſen /
Und daß ich auch davon noch mehr verſichert ſey /
So wilſt du bald darauff mein ſchlechtes haus begruͤſſen.
Ach freundin! das geluͤck und deſſen freuden-feſt
Speiſt die verliebten offt mit leeren fleiſch-paſteten /
Und ob es ſeinen wein gleich etwas ſchmecken laͤſt /
So fließt er mehrentheils nur unſre luſt zu toͤdten.
AEs2Galante Gedichte.
Es druͤcket das geluͤck uns freundlich an die bruſt /
Und kratzet unvermerckt bey falſchen liebes-kuͤſſen /
Es zeigt uns ſein betrug den zucker reiner luſt /
Und raubt uns / als ein feind / die nahrungs-reichen biſſen.
Der krantz / den ſeine hand auff unſre ſcheitel ſetzt
Iſt mehrentheils mit dorn und diſteln unterwunden.
Sein becher hat uns offt biß auff den tod verletzt:
Nicht ſelten hat man hier ein ſpinnen-gifft gefunden.
Ich ruͤhr in meiner noth nicht fremden unfall an /
Ich kenne das geluͤck und deſſen falſche waaren /
Und wie ſich deſſen luſt in liſt verſtellen kan.
Denn was ich hier beruͤhrt / das hab ich auch erfahren:
Es ſtund mein treuer ſinn in ſteiffer zuverſicht /
In meinem hauſe dich / als freundin / zu umfangen;
Ach blumen ohne frucht! Ich armer fand dich nicht /
Du warſt zu meiner noth mir allzubald entgangen /
Dein helles auge war vor mich ein donnerſtrahl /
Als ich / du weiſt ja wo / dich unverhofft erblickte /
Kein pinſel kan allhier bezeichnen meine qvaal /
Die tauſend ſeuffzer dir nach deinen hertzen ſchickte.
Mein groͤßter kummer war zu bergen meine pein /
Mein blut ſtund ſchon geruͤſt / verraͤtherey zu uͤben /
Doch muſt ich in der noth als eiß gefrohren ſeyn.
Wie uͤbel paart ſich doch behutſamkeit und lieben!
Wie der verdruß hernach mir meinen tiſch gedeckt /
Wie nichts als traurigkeit mir oben an geſeſſen /
Wie bitter mir hierauff das mittags-mahl geſchmeckt /
Das kanſt du / liebſt du mich / auch vor dich ſelbſt ermeſſen.
Es ſchloß der unmuth mir die heiſſe kaͤhle zu;
Mich haͤtte der verdruß auch endlich ſelbſt erſtecket /
Und laͤge wohl vielleicht itzt in der bleichen ruh /
Wann nicht mein hoffnungs-ſtern mich wieder auffgewecket.
Iſt eine wehmuth noch vor mich in dieſer welt /
So trockne / Flavia / mir meine naſſe wangen;
Du weiſt es / daß mir doch kein ander tuch gefaͤllt /
Als das ich armer kan aus deiner hand erlangen.
Schau meine liebe nicht als wolluſt-ſproſſen an /
Die aus dem hertzen nichts als geile bluͤthe treiben /
Du weiſt es / daß man auch vernuͤnfftig lieben kan /
Und lieb und tugend wohl geſchwiſter koͤnnen bleiben.
Ich ſchlieſſe meinen brieff / doch meine hoffnung nicht /
Dich / liebſte Flavia / in kurtzer zeit zu ſchauen;
Und ſo der himmel uns nicht allen fuͤrſatz bricht /
So wollen wir ein haus von zucker-roſen bauen.
Doch3Galante Gedichte.
Doch weil du roſe biſt / ſo will ich biene ſeyn /
Die bienen moͤgen ſich in blaͤtter ja verſtecken;
Vielleicht faͤllt dir / wie mir / noch der gedancken ein /
Daß bienen zwar ein blat beruͤhren / nicht beflecken.
Cupido an Berinne.
AUs meiner mutter mund iſt dieſer brieff gefloſſen /
So dich / Berinne / mehr als ihre tauben liebt /
Durch ihren ſegen iſt dein warmer ſchnee entſproſſen /
Dem iede ſchwanen-bruſt ſich gantz gefangen giebt.
Es iſt der mutter wort / was ich dir uͤberſende /
Ich hab es nur aus luſt in dieſe reimen bracht.
Was nimmt nicht eine frau mit freuden in die haͤnde /
Was nach der Venus wunſch Cupido fertig macht.
Dir iſt nicht unbekandt / was man die liebe nennet /
Es iſt vor deinen geiſt nicht eine fremde glut;
Du haſt viel angeſteckt / und biſt auch ſelbſt entbrennet /
Und kenneſt / was mein pfeil vor groſſe wunder thut;
Du weiſt / daß menſchen ſich nicht recht entmenſchen koͤnnen /
Und die begierde ſie als alte kinder wiegt;
Ich weiß / ſo gut als du / den zunder deiner ſinnen /
Und daß nicht eiß und ſtahl dir um das hertze liegt.
Ich habe dir zunaͤchſt zwey ſchreiben weggeruͤcket /
So an den Criton du haſt zierlich auffgeſetzt;
Ich habe ſie aus pflicht der mutter zugeſchicket /
So ſie von groͤſſern werth als ihre perlen ſchaͤtzt.
Sie hat ſie alle zwey in einen ſchrein verſchloſſen /
Dahin der diamant nur will verwahret ſeyn.
Sie ſprach: Berinn iſt ſelbſt in dieſen brieff gefloſſen /
Und druckt ihr ebenbild den ſchoͤnen worten ein /
Ich weiß die edle glut nicht hoch genug zu preiſen /
Es ſteht das lieben dir ja gar zu zierlich an:
Und du / Berinne / kanſt in einem ſpiegel weiſen /
Wie gold und lieb allein im feuer dauren kan.
Dein unbefleckter mund verſchencket keine kuͤſſe /
Daran nicht trinckbar gold und lebens-nectar klebt /
Es iſt die ſuͤßigkeit vor ihnen ſelbſt nicht ſuͤſſe /
Weil mehr als honigſeim auff deinen lippen ſchwebt.
Die ſchnelle zauberey / ſo du im munde fuͤhreſt /
Macht / daß dich Criton mehr als ſeine ſeele liebt /
A 2Daß4Galante Gedichte.
Daß er / ſo bald du nur die lippen ihm beruͤhreſt
Sich ſelber ihm entzieht / und dir ſich eigen giebt.
Der menſchen liebe wird von vieler art gefunden /
Doch deucht mich / dieſe ſey viel mehr als andre werth /
Dieweil die tugend ſelbſt den brandzeug hat gebunden /
Und dieſe reine glut durch ihren ſchweffel nehrt.
Du weiſt / als Criton dir den erſten kuß gegeben /
Daß dieſes keuſche wort aus ſeinen lippen brach:
Ich will allhier veracht / und dort verdammet leben /
Rennt meines geiſtes trieb verbotnen luͤſten nach!
Ich fuͤhl in meiner bruſt die allerreinſten flammen /
Ich mercke mir genau den graͤntz-ſtein meiner luſt /
Es ſetzt der tugend hand diß endlich noch zuſammen:
Ein kuͤßgen auff den mund / fuͤnff finger auff die bruſt.
Diß iſt die beſte luſt ſo nicht zu reichlich qvillet /
Und wo der abend nicht den tag zuſchanden macht.
Wer ſeinen hunger nicht mit voller koſt beſtillet /
Der wird der ſuͤßigkeit alleine werth geacht.
Ich will hinkuͤnfftig dich als meine ſchweſter lieben /
Mit der ein bruder ſtets vernuͤnfftig ſchertzen muß;
Ich will durch keinen trieb dein keuſches waſſer truͤben.
Und diß verſiegelt er durch einen heiſſen kuß.
Berinne bleib nunmehr auff deinen feſten ſinnen /
Und dencke: Dieſer freund iſt treuer flammen werth.
Die ſchweſter wird ja nicht den bruder haſſen koͤnnen /
So in verdeckter brunſt ſich in ſich ſelbſt verzehrt.
Laß dieſen tadel doch / den man den frauen giebet /
Daß liſt und unbeſtand bey ſie zu hofe gehn /
Und keine nicht zu lang und allzu eiffrig liebet /
Laß boͤſe nachbarſchafft weit von den graͤntzen ſtehn.
Brenn und verzehr dich nicht in dieſen edlen flammen /
Laß keinen neben-zug verleiten deinen geiſt:
Kein ſuͤſſes ſaiten-werck ſtimmt ſo geſchickt zuſammen /
Als wann beſtaͤndigkeit die liebe ſchweſter heiſt.
Streu die vertraulichkeit / den zucker reiner hertzen /
Vor deinen Criton nicht mit allzu karger hand;
Laß ſeinen kuͤhnen blick um deine liljen ſchertzen /
Es wird ein oͤle ſeyn fuͤr ſeinen liebes-brand.
Ein blick entfuͤhrt dir nichts / und kan dich nicht verſengen /
Er ſteiget ohne liſt in deinen garten ein /
Und wird ſich ohne raub in deine blumen mengen /
Denn Criton will dir hold / nicht aber ſchaͤdlich ſeyn.
Berinn ich will dir itzt nicht mehr geſetze geben.
Dein witz wird fuͤhrer ſeyn / du kennſt die rechte bahn /
Du5Galante Gedichte.
Du wirſt ja dieſen nicht auff dornen laſſen leben /
Der dich ſo ehrlich liebt / und nicht verlaſſen kan.
So bald dich Criton wird das naͤchſte mahl begruͤſſen /
So floͤß in ſeinen mund ihm einen ſolchen kuß /
Vor dem der amber ſelbſt wird auff die ſeite muͤſſen /
Und alle ſuͤßigkeit zu wermuth werden muß.
Doch laß nicht deine gunſt wie die Cometen glaͤntzen /
So ſcheinen und vergehn in einer jahres zeit;
Die rechte liebe lebt entfernt von allen graͤntzen /
Sie folgt den goͤttern nach / und ſieht die ewigkeit.
Die mutter will alsdenn dich auff den wegen fuͤhren /
Wo alle freudigkeit mit vollem munde lacht;
Sie wird dir deinen hals mit einem ſchmucke zieren /
So auch den diamant ſchlecht und veraͤchtlich macht.
Ich aber werde dich nun meine ſchweſter nennen /
Ein weib / ſo treulich liebt / iſt dieſes tituls werth /
Durch mich wird Criton dir das hertze gantz verbrennen /
Er ſoll dein weyrauch ſeyn / ſey du ſein opffer-heerd.
Wohlmeynende gedancken uͤber den geburts-tag der Bleßine.
BLeßine laß mich doch in dieſem brieffe ſchertzen /
Es ſcheint / daß heute mir der himmel ſelber lacht;
Es qvillt / ich weiß nicht was / aus meinem engen hertzen /
Das alle ſchmertzen mir zu ſuͤſſen zucker macht.
Die Venus will mir ſelbſt die dicke dinte ruͤhren /
Cupido traͤget mir die weiſſen blaͤtter zu;
Jedoch was dieſes mahl ſoll meine feder fuͤhren /
Das kan nichts anders ſeyn / als nur Bleßine du.
Du weiſt am beſten mir die geiſter zu erwecken /
Und legſt in ſand und eiß bebluͤmte gaͤrten an /
Du laͤſt mich nicht im ſchlamm der bleichen ſorgen ſtecken /
Und macheſt / daß ich noch / was luſt iſt / ſchmecken kan.
Du kanſt aus naͤchten tag / aus winter fruͤhling machen /
Aus deinen augen qvillt der zeug zum hurtig ſeyn.
Du lehrſt die traurigkeit und ſchwermuth ſelber lachen /
Und lockſt aus truͤber nacht den hellen ſonnenſchein.
Die jahre deiner gunſt ſind ohne marter-wochen /
Der ſchwartze ſonntag wird durch dich zum oſter-feſt.
A 3Es6Galante Gedichte.
Es laͤſt dein paradeiß mich liebes-aͤpffel ſuchen /
Darbey die ſchlange ſich nicht leichtlich ſpuͤren laͤſt.
Bleßine / weiſt du auch / warum ich dieſes ſchreibe /
Warum dir meine fauſt itzt hundert reime ſchickt?
Du kennſt den ſchoͤnen mertz / als aus der mutter leibe
Vor ſiebzehn jahren du die welt haſt angeblickt.
Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget /
Und dich mit ihrer milch als mutter auch getraͤnckt;
Sie hat die lieblichkeit dir reichlich eingepraͤget /
Und ſelbſt ihr ebenbild auff deine bruſt gehenckt.
Sie hat mit roſen-blut die lippen dir beſpruͤtzet /
Und ihre zunge hat die deinige genetzt;
Sie hat dir alſobald das junge blut erhitzet /
Und warmen wunder-ſchnee in deine hand geſetzt.
Nach dieſem hat ſie dich den Gratien befohlen /
Die eine kuͤßte dich / du weiſt es wohl auff was;
Cupido muſte dir zeug zu den windeln holen /
Der niemahls allzuweit von deiner wiege ſaß /
Er ſang dir: kindgen ſchlaff; dein mund iſt wie rubinen /
Dein baͤuchlein ſchwanen-weiß / dein hals wie helffenbein /
Es wird die freyheit dir vor eine ſclavin dienen /
Wann um dein bruͤnnlein wird ein ſchoͤnes puͤſchgen ſeyn.
Schlaff ſanfft! Es muͤſſe dich kein harter ſchall erwecken /
Die mutter decket dich mit ihrem flore zu.
In deine lippen will ſie zucker-ſtengel ſtecken /
Die mehr als zucker ſind / und lieblich ſeyn / wie du.
Er lehrte bald darauff die glatten fuͤſſe ſchreiten /
Er macht aus ſeinem pfeil dir offt ein tummel-pferd /
Die Venus lacht / und ſprach: Wie kan diß dirnlein reiten?
Der himmel mache ſie des beſten reuters werth!
Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben /
Die weil ihr ſchnaͤblen dir fuͤrtrefflich wohl gefiel /
Du fragteſt: Was iſt diß? was ſie vor kurtzweil treiben?
O fuͤrwitz / ſagte ſie / es iſt ihr liebes-ſpiel.
Was ſoll ich endlich viel von deiner jugend ſagen?
Dich hat der himmel ſelbſt als tochter angelacht.
Und dich ohn unterlaß auff arm und ſchooß getragen /
Ja ſammt und ſeide dir zu bett und ſtuhl gemacht.
Und hat er etwan dich was ſauer angeblicket /
So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt /
Und aus dem nebel dir den ſchoͤnſten ſtrahl geſchicket /
So wie ein pinſel thut / der neuen fuͤrniß giebt.
Bleßine / darff ich dir mein hertze recht entſchlieſſen?
Du weiſt / ich bin kein freund der ſchnoͤden heucheley;
So7Galante Gedichte.
So ſag ich dir / du ſitzt auff des geluͤckes kuͤſſen /
Und lebeſt noch zur zeit von ſcharffen dornen frey.
Die lebens-goͤttin ſpinnt vor dich gar feſte ſeide /
Die ſonne deiner luſt weiß nichts von untergehn.
Es kaufft die freudigkeit dir zeug zu einem kleide /
Und will als dienerin dir zu gebote ſtehn /
Sie reichet lachende dir ihre beſte ſchaale /
Sie ſchencket nectar dir biß an dem deckel ein /
Sie ſpeiſt verſchwenderiſch dich auff den bunten ſaale /
Und heiſſet hertzen dir gemeine biſſen ſeyn.
Bleßin ich ſchrey itzund / ich fuͤhle deine biſſe /
Doch wo Bleßine beißt / da richt ſie lachen an.
Beiß / beiß Bleßine / beiß / dein beiſſen iſt ſo ſuͤſſe /
Daß ich vor lieblichkeit faſt nicht mehr leben kan.
Ich habe ſchon vorlaͤngſt mein hertze dir geſchencket /
Dein mund zerreiſt es zwar / zermalmt es aber nicht.
Ach! freundin / glaub es mir / worauff dein geiſt gedencket /
Das hab ich allbereit als diener ausgericht.
Kuͤßt aber / ſchoͤnſte / dich vergnuͤgung und geluͤcke /
Druͤckt dieſes werthe paar dich freundlich an die bruſt /
So thu mir auch alſo / du weiſt es / deine blicke /
So mir dein auge ſchenckt / ſind ſtrahlen meiner luſt.
Laß deiner lippen thau um meine lippen flieſſen /
Den thau / der erſtlich mich / wie leim den vogel / fing.
Laß die vertraulichkeit die ſeele mir durchſuͤſſen /
Vertraulichkeit bleibt doch der liebe ſiegel-ring.
Mein auge kennſt du ja / es iſt zwar nicht die ſonne /
Es ſey dir / was du wilt / nur ſey ihm nicht zu ſcharff.
Wilſt du mein himmel ſeyn / ſo goͤnn ihm doch die wonne /
Daß es / was himmliſch iſt / auch recht beſtrahlen darff.
Itzt ſchließ ich dieſen brieff. Bleßine das geluͤcke
Das muͤſſe nimmermehr veraͤndern deinen fuß /
Die ſterne ſenden dir dergleichen freuden-blicke /
Vor den die traurigkeit zu aſche werden muß.
Es reihe mich und dich durch einen drat zuſammen /
Es ſtreu uns uͤberall vergnuͤgungs-koͤrner ein /
Und laſſe ungeſtoͤrt / bey dieſen ſuͤſſen flammen /
Dein hauß mein paradieß / dich meinen engel ſeyn.
A 4Auff8Galante Gedichte.
Auff die abbildung des Cupido / wie er die pfeile wetzte.
CUpido / der dich mehr als ſeinen koͤcher liebt /
Will ſeinen ſchleiffer-zeug in deine kammer tragen /
Ich weiß / daß er dir ſchon im geiſte kuͤſſe giebt /
Und dir manch ſchluͤpffrich wort wird in das ohre ſagen.
Er ſtellt ſich nackt und bloß fuͤr deinen augen ein /
Sein weiſſer attlaß iſt der ſchnee von bruſt und lenden;
Denn wahre liebe ſoll recht offenhertzig ſeyn /
Und unſre augen nicht durch ſchminck und ſchmuck verblenden.
Er lehrt dich / wie man recht vertraulich lieben kan /
Wie heiſſe liebe ſich nicht leichtlich laͤſt verdecken /
Die paradieß-tracht ſteht ihm mehr als zierlich an /
Denn reiner liebe zeug iſt rein von ſtaub und flecken.
Beyneben troͤſtet mich die gute zuverſicht /
Er werde gegen dich auch meiner treu gedencken /
Und ſagen / wie mir offt mein mattes hertze bricht /
Mein hertz / das ſich allein will nach Ambretten lencken.
Ich weiß / er wird nicht weit von deiner lager-ſtatt /
(Sein ſchleiffen wird dir ja nicht deine ruh verſtoͤren /)
Nach ſeiner kuͤhnen art / bewegen ſtahl und rad /
Und was hier ferner folgt dich deutlich laſſen hoͤren.
Ambrette / wo dein geiſt nicht meinen rath veracht /
So laß beſtaͤndigkeit und liebe ſich vermaͤhlen.
Wer auff veraͤnderung und neue funcken tracht /
Dem wird es nimmermehr an wermuths-koͤrnern fehlen.
Ich lobe / was bißher dein treuer geiſt veruͤbt /
Ich will ein koſtbar oel in deine flammen gieſſen /
Wo deine ſeele nicht die neben-zuͤge liebt /
So will ich deine gunſt / ſo gut ich kan / verſuͤſſen.
Ich weiß / wie redlich dir Cretin ſein hertze ſchenckt /
Wie willig ſich ſein geiſt nach deinem willem beuget /
Und wie er mehr auff dein als ſeine wohlfahrt denckt /
Ja wo es dir gefaͤllt / zu ſeinem grabe ſteiget.
Ich hab ihn neulich noch mit wehmuth ange ſchaut /
Als du aus zeitvertreib von ihm dich weggeriſſen /
Wie er aus trauer-ſucht ihm hatt ein haus gebaut /
Und er in einſamkeit ſich dachte zu verſchlieſſen.
Die armen macht er ihm zum ſpiegel ſeiner noth /
Ambrett / Ambrette / rieff er aus dem bleichen munde /
Dein9Galante Gedichte.
Dein auſſenbleiben waͤr ihm herber als der tod /
Und deine wiederkunfft bezuckert ihm die ſtunde.
Es hat Cupido mir auch ferner zugeſagt
Ein mehres wegen mein bey ihr noch anzubringen /
Eh als er mich verließ / ſo hat er mich gefragt
Wie tieff mein Auge doͤrfft in deine gegend dringen.
Ich hoffe / weil er ſo beweglich bitten kan /
Er werd / Ambrette / dich noch endlich wohl erweichen.
Ach freundin! hoͤr ihn doch mit offnen hertzen an /
Und laß mein freyes aug in berg und thaͤler ſtreichen /
Cupido mag itzund verſchleiffen tag und nacht /
Du wirſt ihm ja bey dir den engen raum vergoͤnnen /
Es hat der kleinſte gott die allergroͤſte macht /
Wer wird / was ihm beliebt / doch wohl verwehren koͤnnen?
Doch wenn er einmahl dich entbloͤſt im bette ſchaut /
Und an der zarten haut ſein ange kan ergetzen /
So ſchleifft er ferner nicht / und ruffet uͤberlaut:
Ambrette ſoll allein hier ſtumpffe pfeile wetzen.
An Amaranthen / uͤber ſein an ſie geſchicktes bildniß.
MEin bildniß haſt du hier auff duͤnnes glaß geleget /
Es ſcheint / daß zwiſchen menſch und glaß verwandniß ſey /
Denn die gebrechlichkeit iſt beyden eingepraͤget /
Sie ſeyn von dem verderb faſt keine ſtunde frey.
So bald ein glaß zerbricht / kan auch ein menſch vergehen.
Das glaß zerbricht der menſch / den menſchen Gottes hand;
Es koͤnnen beyde nicht die laͤnge recht beſtehen /
Ihr end und anfang iſt faſt nichts als aſch und ſand.
Zerbricht das glaß nicht gantz / ſo kriegt es ſchnoͤde flecken /
Laufft von dem wetter an / und wird ſehr ungeſtalt:
So will die kranckheit offt uns allen ſchein verdecken /
Und macht gemuͤth und leib verdrießlich / ſchwach und kalt.
Zerfaͤllt das ſchoͤnſte glaß / wer achtet deſſen ſtuͤcke?
Man ſtoͤßt es ſchaͤndlich hin / als ſchlechten ziegel grauß:
Die menſchen ſparen nicht den menſchen ihre tuͤcke /
Man hat uns kaum verſcharrt / ſo iſt die freundſchafft aus.
Ruhm / nahme und geſtalt iſt allzubald verſchwunden /
Wenn man uns nach gebrauch das letzte hembde giebt.
Wo hat man dieſer zeit wohl einen freund gefunden /
So an das grab gedenckt / und nach dem tode liebt.
A 5Hier10Galante Gedichte.
Hier iſt das duͤnne glaß / wilt du es bald zerbrechen /
So nehm ich es von dir vor keine feindſchafft an;
Denn Amaranthen weiß ich nicht zu widerſprechen /
Indem mich ihre hand in nichts verletzen kan.
Schertz-gedancken.
CUpido faßte dich vergangen zu geſichte /
Er nahm den beſten pfeil / und griff den bogen an /
Ich ſchaute / wie er ihn nach deinem hertzen richte /
Ich ſprach: Es iſt nunmehr um Flavien gethan.
Als aber dieſer ſchalck genugſam angeſchauet
Des angeſichtes glantz / ſo heller iſt als tag /
Das haar / wo ihm das gold ein bergwerck auffgebauet /
Und ſonnen-ſtrahlen ſelbſt mit ehren trotzen mag;
Die ſchoͤnen zauberin / die fleiſchichten rubinen /
Die augen / wo das vech ſich in den ſchnee geſetzt /
Die wangen / welchen ſelbſt Aurora wuͤnſcht zu dienen /
Der hals / der auch den ſchwan in ſeiner pracht verletzt /
Die bruͤſte / ſo den witz in kurtzem koͤnnen blenden /
Die ſchultern / ſo den ſtuhl der ſchoͤnheit angericht;
So fiel der bogen ihm aus den geſchwinden haͤnden /
Und ſprach: dergleichen pracht fuͤhrt auch die Venus nicht.
Er ſanck ihr auff den hals mit mehr als tauſend kuͤſſen /
Es konte nicht ſein mund von ihren lippen gehn /
Er ließ das ſuͤßte gifft auff ihre zunge flieſſen /
Und in der reinen flut die heiſſe glut entſtehn.
Er bließ ihr in den mund was buhlſchafft kan erregen /
Was Amber in ſich haͤlt / und Biſem mit ſich fuͤhrt /
Was Paphos geben will / und Cypern denckt zu hegen /
Was kalte geiſter regt / und ſchlaffe ſenen ruͤhrt.
Er ſchwur bey ſeinem pfeil und ſeiner mutter bruͤſten /
Der ſchoͤnen Flavia zu goͤnnen ihre ruh;
Er ſagte: Werd ich mich mehr wider dieſe ruͤſten /
So ſchlage Jupiter mit blitz und donner zu!
So tadle mich nun nicht / weil ich dir ſtets geſaget /
Daß deine kuͤſſe ſind mit anmuth angethan;
Das / was mir itzt an dir am meiſten mißbehaget /
Iſt dieſes / daß dein geiſt mich nicht recht lieben kan.
Son -11Galante Gedichte.
Sonnet. Er liebt vergebens.
ICh finde keinen rath / die liebe waͤchſt alleine /
Und wenig neben mir / es ſey denn meine noth /
Die brunſt beſtricket mich / warum nicht auch der tod?
Friſt jene marck und fleiſch / ſo freſſe der die beine.
Was aber hilfft mein wunſch / was hilffts mich / daß ich weine?
Der tod hoͤrt nicht vielmehr / als ſonſt der liebes-gott /
Wo ſolte meine qvaal und meines lebens-ſpott
Nun beſſer ſeyn bedeckt / als unter einem ſteine?
Und bin ich endlich todt / vergraben und verſcharrt /
So ſchwatzt die grab-ſchrifft noch / daß dieſer menſch genarrt /
Und ſagt: Hier liegt ein narr / und laͤſt nicht wenig erben.
Ach! daß den ſchwartzen leib das erſte waſſer-bad /
So mir die mutter gab / nicht bald erſaͤuffet hat /
So doͤrfft ich itzt allhier nicht wie ein narr verderben.
Sonnet. Auff eine ſchlitten-fahrt.
ISt das nicht Flavia / die ſich bey truͤber nacht
Laͤſt in der rauhen lufft und auff dem ſchlitten fuͤhren?
Will ſie den weiſſen ſchnee mit ihren roſen zieren?
Und wird zu winters-zeit der lentz herfuͤr gebracht?
Sie iſts / ich kenne ſie aus ihrer augen pracht /
Die ſtrahlen laſſen ſich als neue ſterne ſpuͤren /
Und was mir ſtets mit recht zu loben will gebuͤhren /
Hat meine feder ſtumpff / und mich itzt ſtumm gemacht.
Wird aber auch der ſchnee vor deinen augen flieſſen?
Den augen / welchen geiſt und hertzen ſchmeltzen muͤſſen /
Fuͤr denen eiß zergeht / und eiſen ſelbſt zerbricht?
Nein. Iſt der druͤſte ſchnee ſo lange liegen blieben /
Und hat den weiſſen glantz dein auge nicht vertrieben /
So ſchmeltzet es gewiß den ſchnee der ſtraſſe nicht.
Son -12Galante Gedichte.
Sonnet. Er ſchauet der Lesbie durch ein loch zu.
ES dachte Lesbie ſie ſaͤſſe gantz allein /
Indem ſie wohl verwahrt die fenſter und die thuͤren;
Doch ließ ſich Sylvius den geilen fuͤrwitz fuͤhren /
Und ſchaute durch ein loch in ihr gemach hinein.
Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein /
Die hand war hoͤchſt bemuͤht / den ſchuch ihr zuzuſchnuͤren /
Er ſchaute / wie der moß zinnober weiß zu zieren /
Und wo Cupido will mit luſt gewieget ſeyn.
Es ruffte Sylvius: wie zierlich ſind die waden
Mit warmen ſchnee bedeckt / mit helffenbein beladen!
Er ſahe ſelbſt den ort / wo ſeine hoffnung ſtund.
Es lachte Sylvius / ſie ſprach: du biſt verlohren /
Zum ſchmertzen biſt du dir / und mir zur pein erkohren:
Denn deine hoffnung hat ja gar zu ſchlechten grund.
Sonnet. Er iſt ein ungluͤcklicher wecker.
ICh eilte Lesbien aus kurtzweil zu erwecken /
Als gleich Aurorens glantz um ihr geſichte ſtund /
Die roſen kroͤnten ihr die wangen und den mund /
Durch weiſſes helffenbein ließ ſich der hals bedecken.
Ich wolte meine hand auff ihre bruͤſte ſtrecken /
Es that ein naſſer kuß ihr meine geilheit kund.
Es ruffte Lesbie: Iſt dein verſtand geſund /
So fuͤhre keine brunſt in meine keuſche hecken.
Ich war darob beſtuͤrtzt / und fluchte dem geluͤcke /
Und fuhr den himmel an / und ſeine reiche blicke.
Ich ſprach: Wo roſen ſtehn / da muͤſſen dornen ſeyn.
Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben /
So hab ich dieſes wort in ihr gemach geſchrieben:
Auff morgenroͤthe folgt gar ſelten ſonnenſchein.
Son -13Galante Gedichte.
Sonnet. Vergaͤnglichkeit der ſchoͤnheit.
ES wird der bleiche tod mit ſeiner kalten hand
Dir endlich mit der zeit um deine bruͤſte ſtreichen /
Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;
Der ſchultern warmer ſchnee wird werden kalter ſand /
Der augen ſuͤſſer blitz / die kraͤffte deiner hand /
Fuͤr welchen ſolches faͤllt / die werden zeitlich weichen /
Das haar / das itzund kan des goldes glantz erreichen /
Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.
Der wohlgeſetzte fuß / die lieblichen gebaͤrden /
Die werden theils zu ſtaub / theils nichts und nichtig werden /
Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht.
Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
Dein hertze kan allein zu aller zeit beſtehen /
Dieweil es die natur aus diamant gemacht.
An Flavien / als ſie etliche lieder von der welt eitelkeit ſang.
WEnn dein rubinen mund die eitelkeit der erden /
Den glantz / durch welchen hier ſo viel betrogen werden /
Geliebte Flavia / uns vor die augen legt /
So weiß ich offtmahls nicht / wofuͤr ich dich erkennen /
Ob ich dein weſen ſoll goͤtt - oder menſchlich nennen;
So hefftig wird mein geiſt durch deinen thon bewegt.
Mich duͤnckt / die engel ſelbſt die fahren auff und nieder /
Und hoͤren gantz beſtuͤrtzt die angenehmen lieder.
Ihr nectar iſt / was itzt aus deinen lippen faͤhrt.
Ich fuͤrchte gar gewiß / ſie werden dich entfuͤhren /
Mit deiner lieblichkeit ihr reines chor zu zieren.
Denn deiner weiſen iſt kein irrdiſch ohre werth.
Als14Galante Gedichte.
Als Flavia auff das land reiſete.
EIlſtu denn / Flavia / ſo ſchleunig auff das land?
Wilſtu zu dieſer zeit dich in die roſen ſetzen?
So huͤte dich doch auch / daß deine ſchoͤne hand
Der roſen nachbarin / die dornen / nicht verletzen.
Die Flora / die dich nicht genugſam ruͤhmen kan /
Wirfft ihre lieblichkeit zu deinen zarten fuͤſſen /
Sie legt mit eigner hand dir einen ſaͤſſel an /
Und wuͤnſchet nichts ſo ſehr als deinen mund zu kuͤſſen.
Sie ſpricht: Ich bin beſchaͤmt daß mein bebluͤmtes reich
Fuͤr deiner glieder pracht muß auff die ſeite weichen;
Die roſen werden hier von deinen lippen bleich /
Dir muß die lilie den weiſſen ſcepter reichen.
Ja ſelber der Jaſmin reucht nicht ſo gut wie du.
Der weiſſe Iſabell laͤſt ſich dein haar vertreiben /
Und iede blume rufft dir / ſchoͤnſte blume / zu:
Wir blumen / wir vergehn / du blume kanſt verbleiben.
Als Flavia einsmahls an einem groben ſack arbeitete.
WAs macht doch Flavia mit ihrer weiſſen hand?
Bald hebet ſie ſie auff / bald ſencket ſie ſie nieder.
Mich deucht / ein grobes tuch / ein nichtiges gewand
Bemuͤht den ſchoͤnen arm / und plagt die zarten glieder.
Ach ſchoͤnſte Flavia / ſo muß denn deinen muth
Ein ungeſtalter zwirn und ſchlechte leinwand binden?
Doch weil dein werther leib im ſacke buſſe thut /
So ſage mir doch auch den zufall deiner ſuͤnden.
Ich irre. Flavia will lebens-goͤttin ſeyn;
Der faden / den ſie zeucht / traͤgt tauſend maͤnner leben /
Doch fuͤhrt ſie ihn mit fleiß nicht allzu zart und klein /
Es moͤchte ſonſt zu viel allhier der leichen geben.
Grab -15Galante Gedichte.
Grab-ſchrifft auff den leichen-ſtein einer freundin.
EIn ſtern der tugenden / die ſonne dieſer ſtadt /
Ein engel / wenn man will den namen recht erwegen /
Ein licht / ſo in der welt mit luſt geſchienen hat /
Muß ſich dem tode nun zu ſeinen fuͤſſen legen.
Mein leſer / liß doch recht / was ich dir kund gethan;
Ich habe viel geſagt / noch aber mehr verſchwiegen;
Wo hier ſtern / ſonne / licht und engel wohnen kan /
So muß der himmel ja in dieſem grabe liegen.
Er ſendet Solimen blumen an ihrem namens-tage.
NImm dieſen blumen-ſtrauß von meinen ſchlechten haͤnden /
Und ſchau in gnaden an / du blume dieſer zeit /
Was himmel und natur und meine wenigkeit
Auff deinen namens-tag dir zum geſchencke ſenden.
Dein auge / das noch mehr als ſonnen kan verblenden /
Schaut hier an farb und licht zwar manchen unterſcheid /
Doch nicht an meiner treu / die ewig ſchon bereit
Nach dir / als ſonne / ſich / wo du nur biſt / zu wenden.
Ach! aber ſiehſtu nicht die gantz verliebte pracht /
Die dieſe blumen ſchier zu todten leichen macht?
Sie ſeynd ein ebenbild von meinem krancken hertzen /
Das durch dein abſeyn wird in ſolchen ſtand geſetzt;
O koͤnt ich ſeyn / wie ſie / durch deinen blick ergetzt /
Wie ploͤtzlich wuͤrden ſich verlieren meine ſchmertzen!
Sie16Galante Gedichte.
Sie nimmt ihm ihr bildniß weg.
DU reiſt dein bildniß mir gewaltſam aus der hand /
Und wilſt mir dieſen ſchatz durchaus nicht laͤnger laſſen.
Was aber ſoll ich wohl hier vor gedancken faſſen?
Mißgoͤnnſtu etwan mir diß theure liebes-pfand?
Meynſt du vielleicht / es ſey bey mir nicht angewandt?
Gewiß / das erſte macht mich vor der zeit erblaſſen /
Dieweil du als ein feind wilt meine neigung haſſen /
Und dieſes letztre hat dein mund mir ſelbſt bekandt.
Doch du betriegſt dich ſehr. Wer eiffert mehr um dich?
Wer ſehnt ſich mehr nach dir? wer liebt auch mehr als ich?
Nimmſt du mir nun dein bild / ſo muß ichs zwar verſchmertzen /
Allein / ſo ſtoltz du biſt / ſo glaube nur dabey /
Ich trotze deinen haß / und ſag es ohne ſcheu:
Du reiſt mirs aus der hand / nicht aber aus dem hertzen.
Die liebe ſteigt nicht uͤber ſich / ſondern unter ſich.
DEin auge ſolte mir zum tempel neulich dienen /
Allein der groſſe brand that meiner ſeelen weh:
Drum zog ſie ſich hinab zu deiner wolluſt ſee /
Und kuͤhlte wieder ſich mit nectar und roſienen.
Sie tranck / und ward beraͤuſcht aus deinen mund-rubinen /
Und taumelte von dar auff deiner bruͤſte ſchnee /
Die zweyen bergen gleich / von wegen ihrer hoͤh /
Am gipffel etwas roth / ſonſt gantz beeiſet ſchienen.
Doch / weil hier kaͤlte war / ſie aber nackt und bloß /
So kroch ſie endlich gar in deinen warmen ſchooß /
Da ward ihr allererſt ihr lager angezeiget.
Climene / zuͤrne nicht. Sie folget der Natur /
Sie geht den reglen nach / und haͤlt der liebe ſpur /
Die mehrmahls unter ſich / nicht aber auffwaͤrts ſteiget.
An17Galante Gedichte.
An die vollkommenheit ſeiner Solime.
DIe ſchoͤnheit / welche dir aus allen gliedern blickt /
Der hals / dem helffenbein und alabaſter weichen /
Der mund / vor welchen ſelbſt der purpur will erbleichen /
Die augen / deren blitz faſt alle welt entzuͤckt /
Und deren keuſche glut die hertzen feſt verſtrickt /
Die ſtirne / die den glantz der perlen kan erreichen /
Die wangen / welchen nie kein ſilber zu vergleichen /
In denen lieb und huld ihr bildniß eingedruͤckt;
Die wohlgeſtalte laͤng / das anmuths-volle weſen /
Die attlas-weiche hand / die ſchnee zuſchanden macht /
Der haare koſtbarkeit / und uͤber irrd’ſche pracht /
Und was du ſonſten mehr zu deinem ſchmuck erleſen /
Macht / daß man dich verehrt vor andern weit und breit /
Ein fehler bleibt dir nur / der iſt die grauſamkeit.
An Liſantens alamodiſche baͤnder-koͤpffe
DU aͤnderſt nur umſonſt die bunten baͤnder-koͤpffe /
So lang dein alter kopff noch die veraͤndrung ſcheut.
Sag mir / was hilfft dich doch dergleichen eitelkeit?
Was nuͤtzen deinem haar die diamanten knoͤpffe?
Was ſchmuͤcken deinen kopff die umgeflochtnen zoͤpffe?
Ach waͤrſt du doch vielmehr mit tugend angekleidt /
Und von dergleichen tand und aberwitz befreyt /
Der dich ſo feſt beſtrickt / du thoͤrichtes geſchoͤpffe /
Leg ab den harten kopff / und ſetz die ſanfftmuth drauff /
Wirff weg die heucheley / und nimm die warheit auff;
Tauſch um den leichten ſinn vor ein beſtaͤndigs weſen /
Verlaß den ſtoltzen geiſt / und nimm die demuth an;
Diß iſt der rechte kopff / den liebt ein jederman.
O daß du ihm nicht laͤngſt zu deinem ſchmuck erleſen!
BAn18Galante Gedichte.
An Solimen / als ſie roth / er hinge - gen im geſichte bleich ward.
DA deine wangen ſich mit keuſchem purpur faͤrben /
So ſiehſt du mein geſicht in bleicher angſt verderben.
Nicht wundre / ſchoͤnſte / dich ob dieſem unterſcheidt /
Cupido hat ſein feur gantz ungleich ausgeſtreut /
Und / wie ein ieder ſelbſt an unſrer farbe ſpuͤret /
Bey dir die wangen nur / bey mir das hertz geruͤhret.
Aus dem frantzoͤſiſchen. Er vergleichet ihren hund mit der liebe.
AMinthe / weiſt du auch wem Flander aͤhnlich iſt /
Und wem er kan verglichen werden?
Beſchaue die geſtalt / betrachte die geberden /
Und zeige dann / ob du im rathen gluͤcklich biſt.
Scheint dir die ſache ſchwer? Eroͤffne dein verlangen.
Ach ja / du giebſt dich ſchon /
Da ſich das raͤtzel loͤſt / beſieget und gefangen.
So wiſſe dann / daß er dem gotte / deſſen thron
Die groͤſten dieſer welt die ſtoltzen ſcepter reichen /
Und endlich / kurtz geſagt / der liebe ſey zu gleichen.
Der liebe? ſprichſt du / nein / das gleichniß wird nicht gluͤcken /
Wie will die liebe ſich zu meinem hunde ſchicken?
Ja / ſchoͤnſte / glaube nur / es ſchickt ſich allzu wohl /
Ich ſage noch was mehr / das dich befremden ſoll;
Die liebe und dein hund / dein huͤndgen und die liebe
Sind / wie man ſie auch kehrt / ein kuchen und ein ey /
Und bleiben einerley /
Wenn auch die gantze welt mir hier zuwider ſchriebe.
Dein Flander lebt mit dir vertraulich und gemein /
Bald ſucht er deinen ſchooß / bald liegt er dir in armen;
Wo19Galante Gedichte.
Wo pflegt die liebe wohl ſonſt lieber zu erwarmen?
Muß eben dieſer ort nicht ihre ruhſtatt ſeyn?
Dein hund pflegt oͤffters ſich zum zorne zu bewegen /
Doch wie er grimm und neid
Auch auff die feinde ſpeyt /
So laͤſſet ſich auch leicht das wetter wieder legen.
Kennſt du die liebe nicht? Hier iſt ihr ebenbild /
Auch ſie faͤhrt ploͤtzlich auff / wird zornig und erhitzet /
Doch weil der donner noch aus ihrem munde blitzet /
So wird ihr mildes hertz durch guͤte ſchon beſtillt.
Noch mehr: Womit dein hund kan ſeinen zierrath weiſen /
So wird er kuͤmmerlich von deiner hand ernehrt /
Und ich befuͤrchte ſehr / daß er ſich gar verzehrt /
Wo man ihn kuͤnfftig nicht wird laſſen beſſer ſpeiſen.
Die liebe findt bey dir auch ſchlechten unterhalt /
Sie hat nicht / was ſie nehrt / noch was ihr wachsthum bringet /
Und wuͤrde ſie nicht noch von bloſſer hoffnung alt /
So haͤtte ſie der tod in der geburt umringet.
Du ſpielſt mit Flandern offt / im ſpielen beiſt er dich:
Die liebe ſpielet auch. Doch weil ſie lacht und ſchertzet /
So thut ſie einen ſtich /
Der folgends lebenslang uns in der ſeelen ſchmertzet.
Und ſtrafft man Flandern wohl? man lacht / wenn er gebiſſen /
So / wenn uns Amor gleich das hertze ſelbſt zerriſſen /
So will man ihm doch wohl / man ſieht ihn freundlich an /
Ob haͤtt uns ſeine luſt nichts uͤbels angethan.
Man ſucht den hunden bald die groͤſſe zu bemindern /
Und ſetzt den gliedern ſchon in mutter-leibe ziel.
Wie muͤhſam biſt du nicht / die liebe zu verhindern /
Wann ſie ihr ſtilles feur in dir gebaͤhren will?
Waͤr unſer Flander groß / ſo wuͤrdeſt du ihn haſſen /
Itzt aber liebſtu ihn. Warum? dieweil er klein.
Auch kleine liebe pflegt ertraͤglich noch zu ſeyn /
So bald ſie groͤſſer wird / will man ſie fahren laſſen.
Wie aber? hoͤr ich nicht / daß Flander ſich beklagt /
Er ſchreyt: Es iſt gethan / hoͤr auff / ich bin verlohren /
Ungluͤcklicher poet / du haſt zuviel gewagt /
Daß du der liebe mich zum ebenbild erkohren /
Hoͤr auff / ich bitte dich / du ſtoͤrſt das gantze ſpiel.
Aminthe will durchaus nichts von der liebe wiſſen;
Solt ich ihr aͤhnlich ſeyn? Ach das verruͤckt mein ziel!
Sie wird mir / glaub es nur / fort alle gunſt verſchlieſſen.
Wie gluͤcklich ſchien mir nicht mein ſchlechter hunde-ſtand!
Ich konte freud und luſt vertraute ſchweſtern heiſſen /
B 2Wer20Galante Gedichte.
Wer aber wird mich nun der groſſen noth entreiſſen /
Die deine feder mir hat auff den hals gebannt?
Werd ich mich auff dein wort dann beſſer nun befinden /
Wann mich Aminthens zorn wird heiſſen von ſich gehn /
Drum daß ich armer hund den goͤttern gleich geſehn?
Ach du begehſt an mir nur allzu groſſe ſuͤnden!
Ich bin in dieſer welt auff keinen ruhm verpicht /
Du kanſt dich / wann du wilt / an tauſend andre reiben /
Nur bitt ich / ſchone mich / ich mag der ehre nicht.
Laß goͤtter goͤtter ſeyn; ich will ein hund verbleiben.
Ach Flander! ſolte ſie ſo unbarmhertzig ſeyn /
Dich / da du doch vor ſie dein vaterland verlaſſen /
Und ihr gefolget biſt / ſo unverdient zu haſſen /
Um gantz geringe ſchuld? O nein / du armer / nein!
Aminthe thut es nicht / ſie kan dich nicht betruͤben;
Nimm ſie nur wieder ein durch deine ſchmeicheley /
Reib dich an ihre bruſt / ſey freundlich und getreu /
Sie will / daß du ſie ſolt auff ſolche weiſe lieben.
Es iſt ſehr weit gefehlt / daß ſie dich ſolte haſſen /
Weil du ein ebenbild der zarten liebe biſt;
Sie wird vielmehr durch dich ihr einen zutritt laſſen /
Dieweil die liebe dir in allem aͤhnlich iſt.
Auff einen beym ſpiel bekommenen kuß an ihre lippen.
LEbt wohl! der himmel will / ihr lippen / daß ich ſcheide!
Ihr habt durch einen kuß das hertze mir entfuͤhrt /
In meinen wangen wird kein leben mehr geſpuͤrt /
Mein mund ſteht gantz erblaßt / und weiſſer noch als kreide /
Die augen brechen mir / ſie kennen keine freude /
Weil nichts als finſterniß in ihnen ſich gebiehrt;
Die ſeele wird durch angſt und bleiche pein geruͤhrt /
Und zeigt / daß ich den tod in allen gliedern leide.
Sie ſtirbet / ſie vergeht auff eures mundes pracht /
Sie liegt in letzter noth / ſie rufft ſchon: Gute nacht!
Hilff / Venus / wo du kanſt / doch ihre wahlſtatt ehren /
Laß um ihr ſuͤſſes grab ſtets friſche roſen bluͤhn.
Ach aber Solime! laß ſie doch nicht zu kuͤhn
Durch einen fremden kuß in ihrer liebe ſtoͤhren.
An21Galante Gedichte.
An das ihr im ſpiel abgeloͤßte knie-band.
1.
DU ſanffces band / das meinen geiſt beſtrickt /
Und meine freyheit bindet /
Ich werde ſtets durch friſche glut entzuͤndet /
So offt mein aug auff deine ſchoͤnheit blickt.
Ich liebe dich / nicht weil du ſeiden biſt /
Noch weil die kunſt des webers dich geſchlagen /
Nein. Sondern weil dein attlaß wuͤrdig iſt /
Daß Phillis ihn an ihrem knie getragen.
2.
Ich loͤßte dich / da mir das gluͤcke rieff /
Von ihren zarten waden /
Die die natur mit warmen ſchnee beladen /
Ob ich ſchon ſelbſt in mein verderben lieff.
Ihr fuß ward frey / und meine hand verſchraͤnckt /
Ja / was noch mehr / mein hertze ſelbſt gefangen.
Doch freut es ſich / wenn es an dich gedenckt /
Und wuͤnſchet nur in deinem ſchmuck zu prangen.
3.
Ich halte dich dann hoͤher als demant /
Als perlen und rubinen.
Du muſt des nachts mir ſtatt des kuͤſſens dienen /
Des tages trag ich dich an meiner hand /
Im traume red ich eintzig nur von dir /
Und wach ich dann / ſo biſt du mein ergoͤtzen;
Denn ohne dich und deiner Phillis zier
Kan ſonſten nichts mich in vergnuͤgung ſetzen.
An ihr armband.
SO offt ich dich erſeh / du hoͤchſt begluͤcktes band /
So werd ich gegen dich mit eyfer angebrannt.
Ich haß und neide dich nicht deines ſchmuckes wegen /
Wormit du tauſenden an ſchoͤnheit uͤberlegen.
B 3Auch22Galante Gedichte.
Auch nicht / weil eine hand / die kunſt und fleiß erhebt /
Aus feinem golde dich geſticket und gewebt /
Viel wen’ger / weil du biſt mit ſammet unterſchlagen /
Und taͤglich / als ein bild der freyheit / wirſt getragen.
Nein. Sondern weil du haͤltſt den ſchoͤnen arm verdeckt /
An welchem Solime die liljen auffgeſteckt.
Und weil mir bloß durch dich das gluͤcke wird entriſſen /
Den ort / den du beruͤhrſt / nicht auch / wie du / zu kuͤſſen.
Ach dieſes ſtuͤrtzet mich in tieffſten kummer-ſtand!
Doch nein. Ich liebe dich / du angenehmes band /
Die anmuth hat ihr bild dir ſelber eingegoſſen /
Du traͤgſt was himmliſches in deinem kreyß verſchloſſen /
Du traͤgſt den namen / der ſchon in den ſternen ſchwebt /
Den Solime beſitzt / ich aber werde lieben /
Und der mit haaren zwar hier in dein gold gewebt /
Mit flammen aber iſt in meine bruſt geſchrieben.
Als er ihr aus der hand wahrſagte / und ſie ihm kurtz darauff die freundſchafft auffkuͤndigte.
WAs ſucht ihr ſterblichen doch laͤnger zu ergruͤnden /
Ob elend oder luſt in euren haͤnden bluͤht?
Ich habe neulich mich noch allererſt bemuͤht
In Phillis perlen-hand mein gutes gluͤck zu finden.
Ich aͤrmſter ſang mir auch von tauſend ſuſſen blicken /
Und prophezeyte nichts als lauter ſonnenſchein.
Doch die erfuͤllung traff nicht mit der deutung ein:
Denn ſie erzuͤrnte ſich / und zeigte mir den ruͤcken.
Betriegeriſche hand! die roſen uns verſpricht /
Und doch am Ende nichts als dornen uns gewaͤhret /
Was hab ich dir gethan / daß du dich ſo verkehret?
Doch / Phillis hand iſt gut / ihr hertze taugt nur nicht.
An23Galante Gedichte.
An ihren ſpiegel.
DU glaͤntzendes chryſtall / du redner ohne mund /
Rathgeber / deſſen treu und klugheit ſattſam kund /
Freund / der durch warheit bloß die hertzen ihm verbindet /
Du zeuge ſonder liſt und falſche heucheley /
Bekenn / ob irgend auch was angenehmers ſey /
Als Doriſettens pracht / die mich ſo ſtarck entzuͤndet?
Ihr auge / weiß ich / iſt dir gar zu wohl bekandt /
Sie hat dir manchen blick in dein chryſtall geſandt:
Drum iſt dir ihre glut auch ſchwerlich unverholen.
Nicht wundre dich demnach / wenn auch mein geiſt verletzt /
Wer kan / wenn ſolcher blitz an unſre hertzen ſetzt /
Bey feur und flammen ſeyn als ausgeloͤſchte kohlen?
Jedoch ich brenne gern in dieſer ſtillen glut /
Ob ſchon ſich in ſich ſelbſt verzehrt mein heiſſes blut /
Moͤcht ihre wehmuth nur mich meiner noth entbinden;
Allein / ihr hartes hertz / das kein erbarmen traͤgt /
Wird durch mein heiſſes flehn und ſeuffzen nicht bewegt /
Und laͤſt ſich gegen mich ohn alle regung finden.
Ach ſpiegel / ſtraffe du die ſtrenge grauſamkeit!
Und raͤche mich an ihr. Es iſt nun einmahl zeit /
Ihr hart und kaltes hertz in heiſſe glut zu ſetzen.
Wirff ihren glantz zuruͤck / der durch die augen blitzt /
Und laß dieſelbe glut / die mich und dich erhitzt /
Ihr aug und hertze ſelbſt durch eigne krafft verletzen.
An die Phillis.
CUpido hatte ſich aus kurtzweil fuͤrgenommen
Auff einen ſonntag juͤngſt zur Phillis hin zu kommen /
Er ſchlich auch unvermerckt in die geſellſchafft ein /
Als man noch emſig war / durch lachen / ſpiel und kuͤſſen
Den kurtzen reſt der zeit erfreulich zu genieſſen /
Und wolte bey der luſt ſelbſt koch und kellner ſeyn.
B 4Itzt24Galante Gedichte.
Itzt ſah man allererſt / wie ſich die hertzen regten /
So bald der kleine ſchalck in die verſammlung trat /
Wie man die Phillis hier um ihre liebe bat /
Die augen aber dort ſich gantz erhitzt bewegten /
Und wie dem einem blieb die zunge ſtille ſtehn /
Beym andern ſeuffzer ließ an ſtatt der worte gehn.
Man ſagt: Er haͤtte ſich den abend feſt verſchworen:
Es ſolte keiner nicht von liebe ſeyn befreyt;
Dem krocher in den mund durch kuͤß und ſuͤßigkeit /
Ein andrer fieng ihn auff mit auffgeſpitzten ohren;
Dem kam er in den fuß / und jenem in die hand /
Und vielen ward er auch durchs auge nur bekandt.
So ward das ſtrenge feur der liebe nun gebohren /
Und machte / daß mein hertz auch ſtille flammen fing;
Doch / als man wiederum nun von einander gieng /
Schien es / als haͤtte ſich Cupido gar verlohren /
Cupido / welcher doch beym ſcheiden gerne bleibt /
Und ſonderlich zuletzt noch ſeine poſſen treibt.
So bald ich aber drauff nach hauſe wieder kommen /
Da fuͤhlt ich allererſt / wie wider die natur
Mir ein erhitztes feur durch alle glieder fuhr /
Und daß ich unvermerckt den vogel mitgenommen.
Hier klagt ich / doch zu ſpaͤt / daß freude ſonder pein
So wenig als ein ſtern kan ohne flecken ſeyn.
Nun fuͤrcht ich / Phillis / ſehr / er moͤchte beym ſtudieren /
(Man weiß doch allzuwohl / was dieſer bube kan /)
Bald meinen federkiel von der gelehrten bahn /
Bald / wie ein kind gewohnt / die buͤcher mir entfuͤhren.
Und dieſes duͤrffte leicht nebſt andern urſach ſeyn /
Daß ich ihm ſtuͤndlich nur mit ruthen muͤſte draͤuen.
Drum muß ich endlich wohl ein ander mittel faſſen:
Denn Muſen ſchicken ſich zu keiner liebes-pein.
Was aber iſt hier rath? bey dir nahm ich ihn ein /
Bey dir will ich ihn auch nun wieder ſitzen laſſen /
Ich habe nichts wie du / das ihn vergnuͤgen kan /
Denn goͤttern ſtehen doch nur ſchoͤne lager an.
Noch25Galante Gedichte.
Noch an dieſelbe.
ALs geſtern abend ich bey meinen buͤchern ſaß /
Und beym ſtudieren auch faſt meiner ſelbſt vergaß /
Sah ich gantz unverhofft die liebe zu mir kommen.
Sie ſprang / wie ſie gewohnt / ſehr freudig in die thuͤr /
Und rieff: Auff! ſchicke dich / die Phillis folget mir;
Die heute dich zu ſehn ihr guͤnſtig vorgenommen.
Ich fuͤhlte / wie diß wort mir alle ſinnen band /
Und warff mit ungeſtuͤmm die buͤcher aus der hand /
Gleich als die Phillis drauff recht engliſch kam gegangen /
Von allen Gratien gefolget und begleit /
Nicht anders als der mond bey ſpaͤter abend-zeit /
Wenn man um ſeinen kreyß ſieht tauſend ſterne prangen.
Cupido ſah mich noch mit boͤſen augen an /
Weil ich vor kurtzem ihm den argen ſchimpff gethan /
Und ihn von mir hinweg zur Phillis fortgetrieben.
Er muſte dazumahl auch wider willen gehn.
Itzt aber blieb er mir zum poſſen ſtille ſtehn /
Und fieng zur ſeiten ſich mit ſchieſſen an zu uͤben.
Ja / weil er ſonderlich den abend war bedacht /
Wie zeit und weile wuͤrd erfreulich zugebracht /
Ließ er zu mehrer luſt vermiſchte karten bringen /
Und ſuchte ſelber ihm voll eyfer und begier /
Als ein verſchmitzter ſchalck / ein ſolches ſpiel herfuͤr /
Da ihm nothwendig muſt ein ieder ſtich gelingen.
Er ſpielte hertzen aus / und als man ihm bekannt /
Fuͤhrt er der Phillis ſelbſt die perlen-weiſſe hand
So gluͤcklich / daß ſie meins vor andern weggeſtochen.
Hier nahm ich allererſt die ſcheitrende gefahr /
Darinn er mich geſtuͤrtzt / mit groͤſtem ſchaden wahr;
Und fand / vor neulich / ihn nur allzuwohl gerochen.
Itzt ſuch ich / Phillis / dich und deinen holden blick /
Ach goͤnne mir doch einſt ein angenehmer gluͤck /
Und reiß den ſtrick entzwey / der meine freyheit bindet.
Ich thue / ſchoͤnſte / ja nichts wider die natur /
Und folge bloß hierinn der allgemeinen ſpur /
Denn wer will nicht dahin / wo man ſein hertze findet.
B 5Sie26Galante Gedichte.
Sie wuͤnſchte ihm gluͤck zum neuen-jahre.
NEin! ſchoͤnſte Phillis / nein! dein wunſch kan nicht beſtehn /
Du ſprichſt mir zwar von gluͤck und ſuͤſſem wohlergehn /
Heiſt aber diß ein gluͤck / wann deine blicke toͤdten?
Dein hertze ſteckt voll haß und zorniger begier /
Gluͤck wird mir nur gewuͤnſcht / und ungluͤck giebſt du mir.
Wo ſind die worte nun / die mich zuvor erhoͤhten?
Ach nimm den wunſch zuruͤck / und liebe mich dafuͤr!
Denn wem du guͤnſtig biſt / der hat kein gluͤck von noͤthen.
Uber Herrn v. Hoffmannswaldau Gedichte.
WEnn ich geſtorben bin / ſo merckt den letzten willen /
Scharrt mich / wie ihr mich findt / in Hoffmanns ſchrifften ein /
Denn dadurch werdet ihr den eintzgen wunſch erfuͤllen:
Ich werde aufferweckt und nicht begraben ſeyn.
Vielleicht wirds ziemlich lang biß jener tag erſcheinet /
So bleibt mir dieſes buch der beſte zeitvertreib /
Der wird mir unrecht thun / der meinen tod beweinet /
Wiſſt: Hoffmanns hoher geiſt beſeelt den kalten leib.
Sonnet. uͤber Caliſtens bildniß.
ES hat des kuͤnſtlers hand allhier zu frey gethan /
Ich tadle ſeine kunſt / und ſchelte ſein beginnen /
Ein menſch der kan ja nur auff etwas menſchlichs ſinnen /
Wie faͤnat die bloͤde fauſt bey einer goͤttin an?
Was27Galante Gedichte.
Was Gott und die natur aus allen kraͤfften kan /
Das wird kein ſchlechtes blat mit weiß und roth gewinnen /
Sein vorſatz wird auch noch bey dieſer glut zerrinnen /
Denn wer das feuer ſcheut / der trete nicht heran.
Der ſie aus wachs gemacht / dem iſt die kunſt gelungen /
Daß er den hefft’gen reitz nur halb und halb gezwungen /
Sonſt muͤſt es vor ſich ſelbſt wenns aͤhnlich waͤr zergehn.
Die ſonne kan ſich nur in ſchlechtes waſſer mahlen /
Verlangt man einen riß von dieſer ſchoͤnheit ſtrahlen /
So muß ihr bild von glut in hertz und ſeelen ſtehn.
Uber die geſtalt der Sylvia.
ICh finde zwar ſehr viel / die ſchoͤn und artig ſeyn;
Dann eine ruͤhret uns durch ihrer augen ſchein /
Die andre lacht und prangt mit lippen von corallen /
An vielen pflegen uns die haare zu gefallen /
Die hat ein kleines kinn / und eine ſteiffe bruſt /
Die macht durch ihren gang uns zu der liebe luſt /
Die fuͤhrt / ich weiß nicht was fuͤr anmuth in den lenden /
Und andre feſſeln uns mit ihren marmol-haͤnden;
Du aber / Sylvia / haſt alles diß allein:
Dann iedes glied an dir kan eine kette ſeyn.
Wie ſoll mich aͤrmſten dann nicht deine pracht entzuͤnden /
Die / wann man ſie zertheilt / kan ihrer ſieben binden?
Auff ihre augen.
IHr habet mich beſiegt / ihr himmel-blauen augen /
Ihr ſollet auch allein
Nur meine freude ſeyn /
Wann andre blitz und tod aus braunen augen ſaugen /
Wann ſie das ſchwartze pech biß an den Pol erhoͤhn /
Und dennoch / wann es brennt / fuͤr ſchmertzen faſt vergehn /
So28Galante Gedichte.
So ſeh ich nichts als luſt aus euren ſternen lachen /
Ihr ſeyd mir / hab ich gleich
Nicht geld und groſſe ſachen /
Mein gantzes koͤnigreich.
Ja / wenn ein ander ſich in ſchwartzen augen ſiehet /
Und meynet / daß er ſchon im feur und hoͤlle ſteh /
So denck ich / wann mein bild aus euren aͤpffeln bluͤhet /
Daß ich auff Erden mich in einem himmel ſeh.
O himmel! ſchuͤtze dann / weil ſie allein nur taugen
Dein ebenbild zu ſeyn / ſtets meiner liebſten augen.
Auff ihren mund.
IHr roſen Indiens / weicht meiner liebſten munde /
Ihr balſam-blumen ruͤhmt mir euren honig nicht /
Eur glantz und eur geſchmack vergeht in einer ſtunde /
Ihr mund wird aber ſtets von neuem angericht.
Je mehr ich roſen ſchau / ie ſchoͤnre ſeh ich bluͤhen;
Je mehr ich ihn gekuͤßt / ie ſuͤſſer ſchmeckt der ſafft /
Sein purpur kan mein blut zwar aus den adern ziehen;
Ich aber gab ihm nur durch meine geiſter krafft:
Ach daß er Sylvia doch eher nicht verduͤrbe /
Als biß ich kuͤſſens ſatt auff ſeinen lippen ſtuͤrbe!
Auff ihre haare.
LAßt Berenicens haupt mit guͤldnen haaren prangen /
Schreib / Conon / wie du wilſt / ſie in die ſternen ein.
Leug / leug / Callimachus / daß wann der tag vergangen /
Sie dieſer Unter-welt ſtatt einer lampe ſeyn.
Eur ruhm iſt fabel-werck / und waͤr es auch geſchehen /
Was wunder waͤr es denn ein rothes haar zu ſehen?
Schaut / meine liebſte fuͤhrt kein feuer auff dem kopffe /
Dann dieſes ſteht allein nur ihren augen an;
Ihr haar iſt ſeid und flachs / und ihrem lichten zopffe
Fehlt nichts / als daß man ihn nicht recht beſchreiben kan.
W[er]29Galante Gedichte.
Wer wolte ſich denn nun nicht willig laſſen binden /
Wann man die faͤſſel kan in ſolchen ſtricken finden?
Auff ihre haͤnde.
SO offt ich euch beſchau / ihr angenehmen haͤnde /
So offinahls fuͤhl ich auch im hertzen neue braͤnde /
Und ſaug / ich weiß nicht was fuͤr ſuͤſſe funcken ein.
Wie geht es aber zu? Ihr ſeyd von elffenbeine /
Die finger gleichen ſchnee und reinem marmolſteine /
Daß euer ſchnee zugleich kan glut und flammen ſpeyn.
Jedoch was frag ich erſt? Ich hab es ja empfunden /
Das feuer brennet noch in meinen tieffen wunden;
Wiewohl ich klag allhier euch meine wunden nicht.
Ihr habet recht gethan / ich will es alſo haben /
Eur ſchnee / der mich entzuͤndt / kan mich auch wieder laben /
Und giebt mir / ſterb ich ſchon / auch noch im tode licht.
Durch euch allein kan ich die gantze welt beſiegen;
Dann kan ſich manche gleich an ihrer bruſt vergnuͤgen /
Hat Doris ihr geſicht mit kreid und kalck gebleicht /
Und Phillis einen mund / den Venus ſelbſt geprieſen /
So bin und bleib ich doch im hertzen uͤberwieſen /
Daß keine Sylvien an ihren haͤnden gleicht.
An Sylvien.
WAs fluchſt du / Sylvia / wenn meine ſchwartze hand
Um deinen buſen ſpielet?
Sie war ſo weiß als du / eh ſie der liebe brand /
Und deine macht gefuͤhlet.
Floͤßſtu das feuer nun in meine glieder ein /
So kan ja meine hand nicht ſchnee und marmol ſeyn.
Du30Galante Gedichte.
Du ſprichſt: Sie hat hier nichts zu ſuchen und zu thun.
Gar recht; Es ſoll auch bleiben.
Sie ſuchet nichts als dich / ſie wuͤnſchet bloß zu ruhn /
Und ihren ſchertz zu treiben.
Was urſach haſt du dann / daß du dich ſo beklagſt?
Da du doch dieſe gunſt den floͤhen nicht verſagſt.
Ein anders.
1.
ACh! wirff doch einen blick auff deine ſilber-ballen /
Verſtockte Sylvia /
Sie ſind dem tode nah;
Die ſpitzen laſſen ſchon die roſen-bluͤthe fallen /
Die berge ziehn die ſtoltzen liljen ein /
Und werden bald ſo gleich wie deine wangen ſeyn.
2.
Wie / ſind wir / ſchreyen ſie / dann darum nur erſchaffen /
Daß uns ein blinder groll
In kercker ſchlieſſen ſoll?
Cupido nennet uns ja ſeine liebes-waffen.
Was kommet dich dann fuͤr ein eyffer an /
Daß du / o Sylvia! uns in den bann gethan?
3.
Ihr maͤnner helffet uns durch eure macht errteten!
Zerreißt das moͤrder-ſchloß /
Und macht uns wieder loß.
Wir lieben keinen zwang / und leiden keine ketten /
Und Franckreichs mod und tolle kleider-pracht /
Mag ſeyn fuͤr wen ſie will / nur nicht fuͤr uns gemacht.
4.
So klagen / Sylvia / die hart-bedraͤngten Kinder.
Ach hoͤre doch ihr ſchrey’n /
Und hilff ſie bald befrey’n /
Wo nicht / ſo ſchneid ſie ab / und wirff ſie vor die rinder.
Dann wann ſie nur im finſtern ſollen ruhn /
So kan dirs / wann du willſt / auch wohl ein ſchuptuch thun.
Madri -31Galante Gedichte.
Madrigal Aus dem frantzoͤſiſchen uͤberſetzet.
DU biſt ein plumper kerl / recht naͤrriſch und verwegen /
Die klugheit mangelt dir / die ſinnen ſind verkehrt.
Du weiſt ſonſt anders nichts als klagen zu erregen /
Und biſt der prelle mehr als meiner augen werth.
Diß waren ohngefehr unlaͤngſten meine namen /
Die Phillis / mit verdruß aus deinem munde kamen.
Die gantze that / warum der eyffer dich belieff /
War / daß dir meine hand nach deinen bruͤſten griff.
Ach dieſes iſt zu viel fuͤr eine handvoll ſuͤnde.
Nun ſeh ich / daß ich mich nicht ſo wie du befinde /
Du zuͤrnſt / daß ich die hand nach deiner bruſt gefuͤhrt /
Ich ſchweige / da du doch mein hertze ſelbſt geruͤhrt.
Schertz-gedichte an Leonoren / uͤber die plintzen.
SO offt ich euch beſchau / ihr angenehme plintzen /
So offt wird auch das hertz in meiner bruſt bewegt /
Dann unſer Friederich iſt auff den ſilber-muͤntzen
So deutlich nicht als wir in euren teig gepregt.
Eur erſter urſprung koͤmmt durch weitzen aus der erden /
Wer weiß nicht / daß wir auch von dieſer mutter ſeyn?
Ihr muͤßt / ſo bald ihr reiff / in ſtroh gebunden werden /
Uns ſchleußt man augenblicks in feſte windeln ein.
Die bauren dreſchen euch / uns aber die tyrannen /
Die in der ſchulen uns das hintertheil beſehn:
Dann was der hencker nicht durch bauren weiß zu bannen /
Muß dennoch in der welt durch einen fuchs geſchehn.
Das iſt der erſte tantz / den uns die feinde ſpielen.
Wann euch der flegel nun den buckel abgeklofft /
So ſchicket man alsdann die koͤrner in die muͤhlen /
Und endlich wird das mehl in einen ſack geſtopfft.
So /32Galante Gedichte.
So / wann die Herren uns die huͤlſen abgetreten /
Und wir den Calepin biß auff den band verſtehn /
So ſehn wir allererſt auff Univerſitaͤten /
Daß weißheit und verſtand auch durch die muͤhle gehn.
Dann was wir vor gelernt / wird alles umgekehret /
Man draͤnget die vernunfft in enge kaͤrcker ein /
Biß der gelehrte ſtein den groben reſt verzehret /
Und unſre reden kern / die ſitten tugend ſeyn.
Dann ſtrotzt man wie ein ſack vor lauter phantaſeyen /
Man zeigt von auſſen ſchon / was man verborgen traͤgt /
Und beyde dencken nicht / indem wir uns erfreuen /
Was zeit und ſchickſal uns fuͤr martern aufferlegt.
Inzwiſchen fallet ihr den weibern in die haͤnde /
Die ruͤhren euch mit milch und weichen eyern ein:
Dann ſetzen ſie den teig auff kohlen und auff braͤnde /
Und laſſen ihn zur luſt mit zucker uͤberſtreun.
Wir aber muͤſſen uns bey hofe laſſen ſcheren /
Und werden durch die milch der hoffnung zubereit.
Die flammen ſind der gram / durch den wir uns verzehren /
Der zucker aber iſt die ſuͤſſe dienſtbarkeit.
Und nunmehr fangen wir dem wetter an zu trauen /
Es ſcheint / daß beyde nun ein neuer ſtern begluͤckt.
Doch eh die menſchen euch / und wir die welt beſchauen /
So werdet ihr in bauch / und wir ins grab geſchickt.
Dann euch verſchlinget man ſchonoͤffters bey dem tiegel /
Wir ſterben / eh uns noch die ſonne recht beſtrahlt.
Und alſo ſehen wir uns wie in einem ſpiegel /
Ihr findet euch in uns / wir uns in euch gemahlt.
Doch eines wird und ſoll mich biß im tod verdrieſſen /
Daß man euch in den leib / uns in den ſand begraͤht /
Daß euch die jungfern gar in ihre bruſt verſchlieſſen /
Und unſer name kaum auff ihren lippen ſchwebt.
Fuͤrwahr / ich wolte mich weit beſſer in ſie ſchicken /
(Ach daß ich aͤrmſter doch nicht eine plintze bin!)
Dann duͤrfft ich erſtlich nur biß in den magen ruͤcken /
So kaͤm ich mit der zeit auch wohl zum hertzen hin.
Was Haͤndel wolt ich da nicht Leonoren machen?
Jedoch ich irre mich. Der platz iſt ſchon beſetzt.
Hier muß ein Gelidor den roſenſtock bewachen /
Mich hat der himmel nur der dornen werth geſchaͤtzt.
Auff33Galante Gedichte.
Auff den mund.
SChoͤner mund / darff ich dich fragen /
Was bedeut dein purpur-ſchein?
Weil die augen Phoͤbus-wagen /
So muſt du Aurora ſeyn.
1.
GEſteh es nur mein kind / und laͤchle nicht zu viel /
Gewiß / du weiſeſt mir das erſte liebes-ſpiel;
Dann als dein ſuͤſſer mund ein wort von wuͤrffeln ſprach /
Da dacht ich allererſt den ſachen weiter nach.
2.
Er wuͤrffelt gar zu wohl mit ſeiner augen-paar /
Ich hoͤrt und wuſte nicht / was das geredet war.
Indem ſo blickeſt du mich gar zu freundlich an /
Da dacht ich allererſt / wie einer wuͤrffeln kan.
3.
Iſt diß die wuͤrffel-art / wo mag das bretſpiel ſeyn?
Indem ſo fuͤhrteſt du mich bey der hand hinein.
Es lag mit flor bedeckt / ich macht es ſanffte loß /
Und ſatzte mich damit auff deinen ſuͤſſen ſchooß.
4.
Ach das geliebte bret / das mir gezeiget ward /
War doppelt / rund und zart / wie marmor weiß und hart /
Die augen gaben mir den rechten wuͤrffel-lauff /
Der mund den beſten ſtein / den ſetzt ich kuͤſſend drauff.
5.
Wie wohl war mir darbey / voraus mein liebgen dir /
Denn du / du ſuchteſt ſelbſt die beſten ſpiel herfuͤr:
Dick dack und contra puff / verkehren / aus und ein /
Die ſolten unſre kurtz - und lange weile ſeyn.
6.
Indem ſo ruffeſtu: Ach ſtill! Ich hoͤre was!
Die frau / frau mutter koͤmmt / ſie ſieht / ſie mercket das.
Ach wie entſetzt ich mich! Ach wie erſchrackeſt du!
Da deckten wir in eil das bretſpiel wieder zu.
C7. So34Galante Gedichte.
7.
So war das ſpiel verſtoͤrt. Trag aber keinen groll /
Zeig mir die wuͤrffel nur / im fall ich ſpielen ſoll.
Ihr maͤdgen lernet diß / die ihr mich ſpielen ſeht /
Ich hab den beſten ſtein in meiner liebſten bret.
1.
NIcht ſchaͤme dich / du ſaubere Melinde /
Daß deine zarte reinligkeit
Der feuchte mond verweiſt in eine binde /
Und dir den bunten einfluß draͤut.
Der groſſe belt hegt ebb und flut /
Was wunder / wenns der menſch der kleine thut.
2.
Die roͤthligkeit bey deinen bunten ſachen
Hat niemahls deinen ſchooß verſehrt.
Wie muſcheln ſich durch purpur theuer machen /
So macht dein ſchnecken-blut dich werth.
Wer liebt dein dinten-meer wohl nicht /
Weil man daraus corallen zincken bricht.
3.
Nur einmahl bringt das gantze jahr uns nelcken /
Dein blumen-buſch bringts monatlich /
Dein roſen-ſtrauch mag nicht verwelcken /
Sein dorn der haͤlt bey dir nicht ſtich /
Denn was die ſanfften blaͤtter macht /
Das iſt ein thau von der johannis-nacht.
4.
Kanſt du gleich nicht die hurtgen lenden ruͤhren /
Lobt man dich doch im ſtille ſtehn /
Der augenblau wird leichtlich ſich verlieren /
Denn wirſt du ſeyn noch eins ſo ſchoͤn.
Man ſammlet / ſpricht die gantze welt /
Viel beſſer frucht / wenn ſtarcke bluͤte faͤllt.
5.
Laß mich darum doch keine faſten halten /
Ein koͤnig nimmt den ſchranck zwar ein /
Doch muß er fort / wenn ſich die waſſer ſpalten /
Der geiſt muß ausgeſtoſſen ſeyn.
Ma[n]35Galante Gedichte.
Man geht / wie iedermann bekandt /
Durchs rothe meer in das gelobte land.
1.
ALbanie gebrauche deiner zeit /
Und laß den liebes-luͤſten freyen zuͤgel /
Wenn uns der ſchnee der jahre hat beſchneyt /
So ſchmeckt kein kuß / der liebe wahres ſiegel /
Im gruͤnen maͤy gruͤnt nur der bunte klee.
Albanie.
2.
Albanie / der ſchoͤnen augen licht /
Der leib / und was auff den beliebten wangen /
Iſt nicht vor dich / vor uns nur zugericht /
Die aͤpffel / ſo auff deinen bruͤſten prangen /
Sind unſre luſt / und ſuͤſſe anmuths-ſee.
Albanie.
3.
Albanie / was qvaͤlen wir uns viel /
Und zuͤchtigen die nieren und die lenden?
Nur friſch gewagt das angenehme ſpiel /
Jedwedes glied iſt ja gemacht zum wenden /
Und wendet doch die ſonn ſich in die hoͤh. Albanie.
4.
Albanie / ſoll denn dein warmer ſchooß
So oͤd und wuͤſt / und unbebauet liegen?
Im paradieß / da gieng man nackt und bloß /
Und durffte frey die liebes-aͤcker pfluͤgen /
Welch menſchen-ſatz macht uns diß neue weh?
Albanie.
5.
Albanie / wer kan die ſuͤßigkeit /
Der zwey vermiſchten geiſter recht entdecken?
Wenn lieb und luſt ein eſſen uns bereit /
Das wiederhohlt am beſten pflegt zu ſchmecken /
Wuͤnſcht nicht ein hertz / daß es dabey vergeh?
Albanie.
C 26. Al -36Galante Gedichte.
6.
Albanie / weil noch der wolluſt-thau
Die glieder netzt / und das gebluͤte ſpringet /
So laß doch zu / daß auff der Venus-au
Ein bruͤnſtger geiſt dir kniend opffer bringet /
Daß er vor dir in voller andacht ſteh.
Albanie.
Seine geliebte wolte ins kloſter gehen.
1.
LIſippe will der erden ſich entreiſſen /
Ihr edler geiſt geht zu der ruh /
Er eilt der reinen ſonnen zu /
Und will / was himmliſch iſt / zu kuͤſſen ſich befleiſſen /
Sie ſtoͤſt die erde hin / und ſuchet allzu viel /
Weil ſie bey fleiſch und blut als engel leben will.
2.
Schau doch zuvor ein wenig noch zuruͤcke /
Entlauff dir doch nicht vor der zeit;
Der ſchoͤnen augen zaͤrtlichkeit
Vertraͤget nicht ſo bald die heiſſen ſonnen-blicke.
Du kanſt nicht Enoch ſeyn / noch des Elias art /
Und ehe man verſtirbt / wird keine himmelfahrt.
3.
Mit was hat doch die erde dich verletzet /
Du ſtuͤrmeſt wider fleiſch und blut /
Ich weiß nicht / was Liſippe thut /
Die aller regung ſich verwegen widerſetzet.
Wer mit ſich ſelber kriegt / und ſich zu ſchlagen tracht /
Vor dieſen hat der ſieg die krone nicht erdacht.
4. Du37Galante Gedichte.
4.
Du biſt zu ſchwer / der erden zu entfliehen /
Du kanſt noch kein geſtirne ſeyn.
Komm / ſammle freudens-blumen ein /
Die dir als dienerin itzt ſelbſt entgegen ziehen.
Wer ungezwungen ihm das marterthum begehrt /
Iſt der erbarmung zwar / doch keines ruhmes werth.
5.
Liſippe laß die praͤchtigen gedancken /
Kein menſch verengelt ſich doch nicht;
Vernimm was deine jugend ſpricht /
Und ſchreit itzt nicht ſo bald aus deinen freuden-ſchrancken /
Da tauſend lieblichkeit auff ſuͤſſe ſpiele denckt /
Und luſt-rubinen dir zu deinem ſchmucke ſchenckt.
6.
Geneuß doch noch der welt ambrirte fruͤchte /
Der himmel bleibt dir unverſagt.
Wer allzu kuͤhn zur ſonne jagt /
Den macht ein ſcharffer ſtrahl den heiſſen flug zunichte.
Menſch und auch engel hat uns zeitlich kund gethan /
Daß man im paradieß und himmel fallen kan.
C 3Ver -38

Verliebte Gedichte.

Auff den mund.
MUnd! der die ſeelen kan durch luſt zuſammen hetzen /
Mund! der viel ſuͤſſer iſt als ſtarcker himmels-wein /
Mund! der du alakant des lebens ſchenckeſt ein /
Mund! den ich vorziehn muß der Inden reichen ſchaͤtzen /
Mund! deſſen balſam uns kan ſtaͤrcken und verletzen /
Mund! der vergnuͤgter bluͤht / als aller roſen ſchein.
Mund! welchen kein rubin kan gleich und aͤhnlich ſeyn.
Mund! denn die Gratien mit ihren qvellen netzen;
Mund! Ach corallen-mund / mein eintziges ergetzen!
Mund! laß mich einen kuß auff deinen purpur ſetzen.
An Flavien.
WIll das geluͤcke denn gantz meine feindin werden?
Stuͤrmt ſuͤd / oſt / nord und weſt?
Bin ich ein gauckel-ſpiel / und leichter ball der erden /
Den Venus fallen laͤſt?
Will keine ſonne mehr mein ſchwartzes haupt beruͤhren?
Umhuͤllt mich nichts als nacht?
Will das verhaͤngniß mich an einer keite fuͤhren /
So mich verzweiffelt macht?
Orontes weiß faſt nicht was ferner ſey zu dencken /
Zuͤrnt Venus oder du?
Ach glaͤub es! Flavia / mein leiden und dein kraͤncken
Kommt mir und dir nicht zu;
Was hab ich dir gethan / daß du mich nicht wilſt kennen?
Wie heiſt du meine ſchuld?
Soll mein verbrechen ſich mit rechten namen nennen?
So rufft es: Lieb und huld /
Du39Verliebte Gedichte.
Du laͤſt mein auge nicht zu deinen graͤntzen dringen /
Mein auge ſonder licht /
Du deckſt den ſchoͤnen mund mit deines ſchatten ſchwingen /
Und kennſt mich ferner nicht.
Das baſiliscken-gifft / der rauch von allen drachen /
Der fledermaͤuſe blut /
Kan meiner Flavie nicht ſolchen eckel machen /
Als des Orontes hut.
Doch hab ich dich erzuͤrt / ſo will ich treulich buͤſſen /
Es ſchweret hand und geiſt.
Wie ſolte nicht mein blut mit reichen ſtroͤhmen flieſſen /
Wenn du es ſpringen heiſt.
Solt ich / o Flavia! zu deinen fuͤſſen ſterben /
So ſtuͤrb ich ohne ſpott;
Denn liebe / ſo nicht kan die gegenlieb erwerben /
Iſt aͤrger als der tod.
An Floriden.
ICh qvaͤlte neulich mich in meinen krancken ſinnen /
Die augen ſtunden mir voll waſſer und voll glut /
Die zunge zwaͤngte ſich / ihr klagen zu beginnen /
Doch war der athem nicht viel beſſer als der muth.
Den himmel ſchaut ich an / von dem mein leiden kommen /
Und dann den reinen leib / der mich zum ſclaven macht /
Und ob ich mir gleich viel zu ſagen fuͤrgenommen /
So ward es endlich doch in dieſe reime bracht:
Hier iſt ein reiner geiſt / von reiner zucht entzuͤndet /
Dem weder ſchein noch ſchmuck hat eine brunſt erregt.
Der ſeine hoffnung bloß auff deine tugend gruͤndet /
Und ſeinen gantzen ſinn zu deinen fuͤſſen legt.
Ich weiß / du liebeſt nicht von liebe viel zu hoͤren /
Weil thorheit ingemein der liebe richtſchnur iſt;
Doch glaube / Florida / ich will dich nicht bethoͤren /
So wenig als ich mir die thorheit auserkieſt.
Ich liebe keinen ſchmuck / ich ehre keine ſeide /
Sie iſt der wuͤrmer werck / und auch der wuͤrmer koſt /
Mein auge ſehnt ſich nicht ſo ſehr nach einem kleide /
Was gold und perlen ſind / iſt mir genung bewuſt.
C 4Dein40Verliebte Gedichte.
Dein reden ohne falſch hat meinen ſinn gebunden /
Dein ſchertzen ohne liſt legt mir die faͤſſel an;
Die reine lieblichkeit / ſo ich bey dir gefunden /
Macht daß ich Florida nicht wohl verlaſſen kan.
Bedencke / was du thuſt / und dencke / daß die flammen
So reine ſind wie du / von der ſie kommen ſind;
Laß endlich blick und blick / und kuß und kuß zuſammen /
Doch daß die keuſchheit ſtets ſich zum geferden find.
Ein kuß der iſt mein ziel / und meines wunſches ende;
Mehr ſchreib ich itzo nicht / mich rufft die ſuͤſſe ruh.
Immittelſt kuͤß ich dir die wollen-weiche haͤnde /
Und ſchlieſſe dieſen reim / doch nicht die hoffnung zu.
An Flavien.
KEnnt Flavia den arm / der ewig ketten traͤget /
Der niemahls frey will ſeyn / der ewig dienſtbar bleibt?
So nimm den treuen brieff mit wehmuth beygeleget /
Und ſchau / was Damon hier mit kranckem finger ſchreibt.
Es will die traurigkeit mir itzt die feder fuͤhren /
Es traͤgt die ungedult papier und dinte zu /
Und wirſt du keine luſt in dieſen reimen ſpuͤren /
So dencke Damon liebt ſo laulicht nicht wie du.
Ich liebe was mich haßt / du haſſeſt was dich liebet /
Verzeihe / Flavia / wo ich allhier zu frey /
Wo das verhaͤngniß mir nicht geiſt und auge truͤbet /
So deucht mich / daß der reim hier nicht zu tadeln ſey.
Mein troſt in dieſer noth / und was mich kan erqvicken /
Iſt dieſes / daß ich dir mit willen nichts gethan.
Der himmel reiſſe mich in hundert tauſend ſtuͤcken /
Dafern mich Flavia mit recht verklagen kan.
Ich weiß wohl / daß ich dich nicht ſattſam kan verehren:
Doch was genieſſet nicht der ſonnen klares licht?
Ein armes opffer kan die goͤtter nicht verſehren /
Der wille wird erkannt / raucht gleich der weyrauch nicht.
Und dieſe duͤrfftigkeit faͤllt itzt zu deinen fuͤſſen /
Ich bitte / rechne nicht die unbekandte ſchuld.
Es ſcheint / ich werde zwar nicht groſſe gunſt genieſſen /
Doch bleibt die tugend ſtets der tugend beſter ſold.
Genung /41Verliebte Gedichte.
Genung / die feder faͤllt aus meinen ſchwachen haͤnden /
Mich duͤncket / Flavia zerreiſt itzt meinen brieff /
Und wird wohl keinen blick auff deſſen ſchreiber wenden /
Der auff ihr ſuͤſſes wort in ſein verderben lieff.
An Flavien.
GEliebte Flavia / du kenneſt ja mein hertze /
Du kennſt es allzuwohl / es ſteht in deiner hand.
Es waͤchſt das andre mahl Dianens weiſſe kertze /
Als du das hertz und mich dir ſelber haſt entwand.
Wird ein gefaͤllig wort auff dieſe blaͤtter flieſſen /
So ruͤhme deinen trieb / nicht meinen geiſt und mich.
Ich werde ſonder zwang dir doch bekennen muͤſſen /
Die liebſte Flavia die ſchreibt hier mehr als ich.
Doch biſt du meiſterin von meinen treuen ſinnen /
So ſchaue dieſen brieff mit holden augen an /
Du wirſt die feder ja mit recht nicht tadeln koͤnnen /
Die ohne deinen zug kein wort mehr ſchreiben kan.
Ich hoff es werde mich die richtſucht nicht verdammen /
Vor der die tugend ſelbſt nicht unberuͤhrt kan ſtehn /
Es kennt der himmel ja die reinen freundſchaffts flammen /
Die auch an ſauberkeit den ſternen gleiche gehn.
Ach! liebſte Flavia / die ſchrifft und die gedancken
Sind ja ein wunderwerck und kleinod dieſer welt;
Was ſpielen wir doch nicht in des gemuͤthes ſchrancken?
Was haben wir da nicht verwegen fuͤrgeſtellt?
Was uns verboten wird / das kan man hier erfuͤllen /
Man lachet / ſchertzt und kuͤßt / thut was uns wolgefaͤllt.
Kein ſcharff geſetze ſtoͤhrt allhier den freyen willen /
Und nichts iſt ſtarck genug / das uns zuruͤcke haͤlt.
Man mag die ſchoͤnſte bruſt hier ohne ſcheu beruͤhren /
Und ſchauen / was man ſonſt nicht wohl befuͤhlen darff.
Man kan die heiſſe luſt biß auff den gipffel fuͤhren:
Dann den gedancken iſt der richter allzuſcharff.
Kein riegel haͤlt ſie auff / es kan ſie nichts verdecken /
Wann ihre raͤder nur in ſcharffen triebe gehn;
Es kan kein zarter ort vor ihnen ſich verſtecken /
Kein zahn und nagel weiß hier recht zu widerſtehn.
C 5Zeit42Verliebte Gedichte.
Zeit und gelegenheit weiß keinem nicht zu fehlen /
Hier bricht man roſen ab / und fuͤhlt die dornen nicht.
Man kan was / wo und wie nach ſeiner luſt erwehlen /
Man findt kein thor allhier ſo unſern fuͤrſatz bricht.
Die ſchrifften / die man ſonſt verdolmetſcht durchs gemuͤthe /
Die ſtumme redens-art / ſo aus der feder qvillt /
Hat eine ſolche krafft / und iſt von ſolcher guͤte /
Daß offt ein ſchreiben mehr als ein geſpraͤche gillt.
Faͤllt gleich ein ſuͤſſer ſchall uns in die duͤnnen ohren /
So praͤgt die feder uns doch deſſen meynung ein.
Es hat des menſchen witz die littern ihm erkohren /
Daß ſie der ſterbligkeit geſchwaͤrtzte bothen ſeyn.
Sie lauffen uͤber berg und ſchwimmen uͤber fluͤſſe /
Sie ſtifften buhlerey / und richten freundſchafft an:
Sie fuͤhren gut und geld / ſie bringen gruß und kuͤſſe /
Und ſchwingen offtermahls der liebe ſieges-fahn.
Sie preſſen thraͤnen aus / ſie regen unſre hertzen /
Sie blaſen feuer auff / ſie ſtaͤrcken die gedult.
Sie ſagen reichlich zu / ſie wiſſen wohl zu ſchertzen /
Und ein geſchmeider brieff zahlt offt die groͤſte ſchuld.
Schrifft und gedancken ſind der troſt entfernter ſeelen /
Damit beſtillen ſie die regung heiſſer pein /
Und was man vor der welt aus wohlſtand muß verhoͤlen /
Das kan im ſinn geſpielt / im brieff geſchrieben ſeyn.
Geliebte Flavia / in meinen angedencken
Schwebt itzt dein freundlich ſeyn / dein anmuths uͤberſtuß;
Mich deucht du wilſt mich itzt mit roſen-thau beſchencken /
Vor dem die roſe bleicht / und thau vertrocknen muß.
Mich daͤucht es ruͤhren mich der hellen augen flammen /
Und das geſchwinde gifft / ſo aus rubinen faͤhrt.
Es ſchlaͤgt itzt uͤber mir die wolluſt-flut zuſammen /
So mir die hoͤllen-angſt ins paradiß verkehrt.
Ich ſchau auff warmen ſchnee die rothen beeren ſtehen /
Die ohne zucker auch dem zucker aͤhnlich ſeyn;
Es ſcheint du heiſſeſt mich auff tuber-roſen gehen /
Und machſt die ſchwartze nacht zum hellen ſonnenſchein.
Ich ſchlieſſe dieſen brieff / der hin zu dir begehret /
Und der die haͤnde kuͤſt / die ich nicht kuͤſſen kan.
Was mir verſaget iſt / das wird ihm itzt gewaͤhret /
Es ſcheint / als ſtoͤſſe mich ein kleiner eifer an.
Geſegnetes papier! du ſchwebeſt voll geluͤcke /
Lauff itzt an meine ſtatt in ſuͤſſen hafen ein:
Geneuß von wegen mein der ſuͤſſen liebes-blicke /
Vor der die ſonne ſelbſt ſcheint ohne krafft zu ſeyn.
Bezeuge43Verliebte Gedichte.
Bezeuge Flavia / daß ſchrifft und angedencken
Des treuen freundes dir nicht gantz zu wider ſey /
Und wilſt du ſeinen geiſt nicht unverſchuldet kraͤncken /
So denck itzund an ihn / und ſchreib ihm auch darbey.
An Algerthen.
ACh! koͤnte doch mein geiſt durch meine feder flieſſen /
Wie gerne ſchluͤß er ſich in dieſe reimen ein /
Wie emſig wuͤrd er dir die ſuͤſſen lippen kuͤſſen /
Und einer biene gleich auff deinen roſen ſeyn.
Er wuͤrde zaͤrtlich ſich auff ihre blaͤtter legen /
Und durch den honig-thau bald truncken ſeyn gemacht.
Dein purpur wuͤrd in ihm dergleichen trieb erregen /
So nur das paradiß zu erſt hat angelacht.
Auff deinen bergen wuͤrd er rothe beeren ſuchen /
Wohin dringt endlich doch lieb und auch fuͤrwitz nicht?
(Ich muß aus ungedult auff das verhaͤngniß fluchen /
So unluſt ſtaͤhlern macht / und luſt wie glaß zerbricht.)
So bleibt mein ſchwacher geiſt in ſeinen liebes-ſchrancken /
Und kommt / wie dieſer brieff / Algertha / nicht zu dir /
Verſchluckt die hoffnungs-koſt / und traͤnckt ſich in gedancken /
Was ich nicht melden kan / verdolmerſcht das pappier:
Wer offtmahls wenig ſagt / thut allzu viel zu wiſſen /
Nimm meiner liebe pfand / die ſchlechte reimen / an:
Du wirſt das leben mir ie mehr und mehr verſuͤſſen /
Wenn ich in deiner gunſt ſeyn und auch ſterben kan.
Du ſchickſt mir einen brieff / geziert mit weiſſer ſeide /
Mit gold der zierlichkeit und perlen ausgeſchmuͤckt.
Und meiner der iſt ſchwartz und geht wie ich im leide /
Daraus die traurigkeit an allen orten blickt.
Algerthe / wo ſoll ich doch endlich worte finden?
Ach! was gewaͤhr ich dir fuͤr deine freundlichkeit.
Es will mich deine fauſt mit ſolchen ſeilen binden /
Die nicht zernagen kan der ſcharffe zahn der zeit.
Du weiſt der ſeelen ſelbſt die faͤſſel anzulegen:
O ſuͤſſe dienſtbarkeit / ſo nach der freyheit ſchmeckt!
Du kanſt mehr lieblichkeit durch deine hand erregen /
Als nicht in Indien das zucker-rohr verdeckt.
Wie44Verliebte Gedichte.
Wie iſt dein ſchoͤner brieff doch mit zibet beſtrichen /
Und wie verſchwenderiſch iſt deiner worte pracht:
Ein iede ſylbe will nach moßk und ambra riechen /
So dich zur herrſcherin und mich zum ſclaven macht.
Doch zeucht vor andern mich dein redliches gemuͤthe /
So wie ein heller ſtern aus deinem brieffe dringt.
Es ruͤhret meinen geiſt und reget mein gebluͤthe /
Ich fuͤhle wie ſein ſtrahl die ſeele mir bezwingt.
Du zeigſt mir unverſtellt die reinen liebes-flammen /
Das feuer / das durch dich auch mich zugleiche brennt.
Es reimt ſich in der welt doch nichts ſo wohl zuſammen /
Als wenn ſich eine brunſt der andern freundin nennt.
In dieſer wollen wir als Salamander leben /
Die tugend traͤgt uns ſtets ihr reines oͤle zu:
Es wird uns noch die welt das gute zeugniß geben /
Es liebe keiner nicht ſo rein als ich und du.
Und koͤnnen wir nicht ſtets der ſuͤſſen frucht genieſſen /
So ſchmeckt doch nichts ſo gut / als wann mans ſelten ſchmeckt.
Der wein / der maͤßig muß in unſre kehle flieſſen /
Hat in dem magen offt die groͤſte luſt erweckt.
Gefahr / verbot und zwang brennt zunder zu der liebe /
Verſchloßne thuͤrme ſind die ſparren unſrer luſt /
Erzuͤrnte blicke ſeyn die ſchaͤrffſten buhlſchaffts-triebe.
Und die beſtraffung ſelbſt erhitzt uns geiſt und bruſt.
Der lange winter giebt dem lentz die beſte zierde /
Der ſchoͤnſte ſonnenſchein kommt aus der ſchwartzen nacht:
Verbotne frucht vermehrt dem menſchen die begierde /
Und folgen haben offt glaß zu rubin gemacht.
Wer ungeſtoͤhret liebt / iſt mehr als halb geſtorben /
Wer taͤglich zucker kaͤut / ſpuͤrt keine lieblichkeit.
Die ſpeiſen haben ſelbſt den beſten ruhm erworben /
Darauff der kluge koch ein ſcharff gewuͤrtze ſtreut.
Auff dornen ſchauet man die ſchoͤnſten roſen bluͤhen /
Der ſturm mehrt / wie man glaubt / den perlen ihren ſchein /
Und duͤrffte man ſich nicht darnach ſo weit bemuͤhen /
So wuͤrden ſie nicht mehr als grauß geſchaͤtzet ſeyn.
Man muß / Algerthe / ſich mit der vernunfft beſtillen /
Und dencken daß der durſt den krancken anmuth giebt /
Vergnuͤgung paart ſich nicht mit allzufreyem willen /
Der liebet ohne luſt / der ungeſtoͤhret liebt.
In dieſer hoffnung will ich meine reime ſchlieſſen /
Es ſchaut mir itzt die nacht mit ſchwartzen augen zu.
Ich hoff / ich will dich bald in einem traume kuͤſſen /
So nach dem himmel ſchmeckt / und lieblich iſt wie du.
An45Verliebte Gedichte.
An Arbinen.
ARbine / meine hand geht itzund tieff im leide /
Sie hat gleich wie mein hertz die trauer angelegt /
Sie weiß von keinem ſchmuck / und leidet keine ſeide;
Indem ſich nichts als angſt in ihren adern regt.
Du wirſt auch ihre ſchrifft nicht gar zu wohl erkennen /
Wem hertz und finger bebt / der ſchreibt nicht allzu gut.
Es ſcheint / ich ſoll nicht mehr in freuden-flammen brennen /
Ach! daß der himmel mir ſo groſſes unrecht thut.
Wo iſt die edle zeit / wo ſeyn die ſuͤſſen ſtunden?
Genieß ich dann nicht mehr der heiſſen liebe pfand?
Ach die vertraulichkeit iſt allbereit verſchwunden:
Vor ſchmertzen faͤllet mir die feder aus der hand.
Ich zuͤrn itzt auff mich ſelbſt. Verwirrung der gedancken
Iſt meine morgen-koſt und auch mein abend-brod.
Es ſcheint / daß uͤberall die freundſchaffts-pfeiler wancken /
Und meine freundin wird zur ſchmidin meiner noth.
Arbine liebſtu mich? Du ſagſts: Ich muß es glauben.
Durch naſſe zeugen will der ſchwur verſiegelt ſeyn.
Du liebſt und wilſt mich doch der liebe frucht berauben /
Und fuͤhrſt aus oͤden mich in duͤrre felder ein.
Du wirſt hinkuͤnfftig mir die augen noch verbinden /
Es paart ſich grauſamkeit und liebe nicht zu wohl /
Ich kan mich warlich nicht in deinen willen finden /
Du lehrſt mich denn zuvor / wie ich dich lieben ſoll.
Mit was hat doch dein freund die haͤrtigkeit verſchuldet /
Daß ihn dein herber ſchluß mit ſolchen jammer traͤnckt?
Und mit vergeſſenheit und unluſt ihn beſoldet?
Ach wuͤrd ich doch zugleich itzt in ein grab geſenckt!
So laͤg ich in der ruh befreyt von allen plagen /
Es fielen mich nicht mehr die ungluͤcks-wellen an:
Ich weiß / du wuͤrdeſt doch nach meinem tode ſagen:
Hier ruht ein werther freund / dem ich zuviel gethan.
Ach! koͤnt ich ſeinen leib dem bleichen ſchnee entfuͤhren /
Er wuͤrde nicht wie er durch liebes durſt verzehrt:
Er ſolte nichts als milch erhitzter kuͤſſe ſpuͤren;
Denn ſeine goͤldne treu iſt ſolcher ſaͤffte werth.
Verzeihe freundin doch der freyen art zu ſchreiben:
Du ſchauſt allhier die frucht verwirrter ungedult /
Kan46Verliebte Gedichte.
Kan witz und feder nicht in ihren angeln bleiben.
So tadle doch nicht mich / es bleibet deine ſchuld /
Es ſpielt ich weiß nicht was / tieff unter meiner ſtirne /
Der argwohn richtet mir ein diſtel-bette zu:
Es ſchwermet mir itzund betruͤbniß im gehirne /
Iſt kein erbarmen mehr? Arbine ſchlaͤffeſt du?
Konnt ich das alte jahr doch nur zuruͤcke ruffen /
Indem mir mund und hand ſo manche luſt gewaͤhrt.
Mich hieß die hoͤflichkeit canari-zucker hoffen
Der ſich / ich weiß nicht wie / itzund in wermuth kehrt.
Mich troͤſtet endlich noch ein ſuͤſſes angedencken /
Wie dein geneigter blick ſo freundlich mich empfieng:
Laß ihn doch dergeſtalt bald wieder auff mich lencken /
Wenn er als morgen-ſtern mir friſch entgegen gieng.
Diß alles kuͤtzelt mich empfindlich im gemuͤthe.
Mich daͤucht ich ſchmecke noch den ſuſſen liebes-moſt.
Und die erinnerung erſchuͤttert mein gebluͤte /
Und ruͤhret noch in mir die funcken meiner luſt.
Arbine / ſetze doch das uhrwerck meiner ſinnen /
(Es geht ja wie du wilſt) in ſeinen alten ſtand.
Mein froͤlich ſeyn / mein ſchlaff / mein reden / mein beginnen
Entſpruͤſſen nur durch dich als fruͤchte deiner hand.
Hab ich geſuͤndiget / ſo will ich redlich buͤſſen /
Nur melde mir zuvor auch mein verbrechen an.
Ich werffe mich als knecht zu deinen werthen fuͤſſen /
Und zeige was ein menſch aus liebe leiden kan.
Ich mag mit heucheley nicht dieſe blaͤtter fuͤllen /
Daß weiß ich / daß ich dich mit willen nicht verletzt:
Denn mein geſetze floß allein aus deinem willen /
Dein wincken hab ich ſtets fuͤr ein gebot geſchaͤtzt.
Soll ich verworffen ſeyn / ſo muß ich es zwar leiden /
Ich reiſſe nicht den ſchluß des ſtrengen himmels ein.
Jedoch Arbine kan mich endlich nicht vermeiden
Denn ihre untreu wird noch meine rache ſeyn.
Ach! freundin nicht zu ſcharff / bleib was du ſtets geweſen /
Geuß nicht den unluſt-ſturm auff mich zu haͤuffig aus;
Laß nach gewohnheit mich die freuden-roſen leſen /
Und zeige mir doch nicht vor perlen ziegel grauß.
Was wilt du deinen freund mit gall und wermuth traͤncken /
Der dich / du weiſt es wohl / mehr als ſich ſelber liebt?
Wie kanſt du einen knecht in kummer-ſand verſencken /
Der dir das hertze ſelbſt zu einem geiſſel giebt?
Laß die vertrauligkeit nicht in der bluͤte ſterben /
Die blum iſt traurens werth / die ohne frucht vergeht:
Und47Verliebte Gedichte.
Und laß bey meiner treu mich das geluͤck ererben /
Daß dein beſtaͤndig ſeyn an meiner ſeiten ſteht.
Mich daͤucht ich ſehe ſchon die ſchoͤnen augen blicke /
Wie deine freundlichkeit auff allen ſeiten lacht;
Und wie ſich wiederum das fluͤchtige geluͤcke /
So vormahls feindin war / ſich mir zur freundin macht.
Der ungemeine thau der ſchwaͤtzigen rubinen
Benetzt mich allbereit mit ſeiner alten Art:
Ich bilde mir itzt ein / mein luſt-ſtern ſey erſchienen /
Und meine wolluſt haͤlt itzt ihre himmelfahrt.
Doch dieſes alles ſind nur hole wunſch-paſteten /
Und ſchuͤſſeln mit der koſt von hoffnung angefuͤllt;
Diß alles rettet mich noch nicht aus meinen noͤthen /
Durch leere becher wird kein heiſſer durſt geſtillt.
Arbin / es muß dein eiß in flammen ſich verkehren:
Entſchleuß mir wiederum die ſchaͤtze deiner bruſt /
Laß deinen nebel ſich in ſonnenſchein verkehren /
Und ſpare doch nur nicht die tropffen ſuͤſſer luſt.
Sprich nur ein ſuͤſſes wort aus deinem ſchoͤnen munde /
Dein wincken macht bey mir den groͤſten feyertag:
Benenne mir doch bald die angenehme ſtunde /
Da ich dich wiederum vertraulich kuͤſſen mag.
Als Flavia wieder geſund worden.
ISt diß nicht Flavia? Ihr augen irret ihr?
Schau ich den ſchoͤnen glantz der ſonnen nicht fuͤr mir?
Der ſonnen / die der tod mit ungemeinen flecken
Unlaͤngſt bemuͤhet war mir neidiſch zu verdecken?
Es iſt ja Flavia / o angenehmer tag!
Da ich / o ſonne dich / als adler ſchauen mag /
Und meine liechter kan in deinen ſtrahlen weiden.
Verzeihe Flavia / red ich zu unbeſcheiden.
Die freyheit leget mich mit kuͤnheits-fluͤgeln an /
Und fuͤhret mich zu dem / was nicht vergehen kan /
Und mich zur aſche macht. Ich hoffe bey den ſuͤnden
(So lieben irrthum iſt) genade noch zu finden.
Wo freundſchafft fehler iſt / ſo heiſt es ſchoͤne ſchuld /
Ja ſelbſt der himmel hat mit ſolcher noth gedult.
Wo48Verliebte Gedichte.
Wo lauff ich aber hin? O freundin! meine ſinnen
Die klagen / daß ſie ſich nicht gnugſam freuen koͤnnen.
Mein auge trauet ihm itzund faſt ſelber nicht /
Es zweiffelt / ob der ſchein / es zweiffelt ob das licht
Hier recht natuͤrlich ſey. Es fuͤrchtet / daß die kertzen
Der tod hat angeſteckt / zu mehren meine ſchmertzen:
Als rufft er mir zum hohn und mehrung meiner noth /
Was vor die liebe that / das thut itzund der tod.
Nein! Nein! Hier iſt kein tod. Der reinen roͤthe prangen /
Das lebet hier ſo gut / als auff Aurorens wangen:
Die roſen / die itzund auff deinen lippen ſtehn /
Die waͤhren unverdeckt / und konten nicht vergehn.
Der himmel dem du gleichſt / der gibt dich ſchoͤner wieder /
Als er dich von uns riß; Ich ſchaue deine glieder
(Es kan kein irrthum ſeyn) umglaͤntzt mit ſolcher pracht /
Die mich heiſt knechtiſch ſeyn / und dich zur goͤttin macht.
Geehrte Flavia! Sey lange ſo zu ſchauen!
Die freude woll auff dich ihr wohn - und luſt-hauß bauen /
Der jugend ſchoͤner lentz / der ſchoͤnheit ſonnenſchein /
Der muͤſſe lange zeit dein treuer nachbar ſeyn.
Dein auge ſchaue nichts / als nur geluͤcke bluͤhen /
Der ſeegen wolle dich / als wolcken uͤberziehen;
Der ſchoͤnen bergen paar / die ſchwanen weiſe bruſt
Sey ſtets ein libanon von cedern gruͤner luſt.
Bleib lange / wie du biſt / ein zierath dieſer erden;
Laß deiner haare gold gar langſam ſilber werden.
Laß langſam ſchnee und eiß auff deinen roſen ſeyn /
Es ſtoͤre ja kein froſt / dein weiſſes elffenbein /
Und deinen ſchoͤnen geiſt / der todte kan erwecken /
Den ſoll die ewigkeit mit ihren fluͤgeln decken.
Genugſam Flavia / ein zufall ſtoͤſt mich an /
So mir die feder hemmt / daß ich nicht ſchreiben kan
Doch laß ich dich allhier noch ſieben worte leſen:
Die kranckheit Flaviens iſt Damons tod geweſen.
Son -49Verliebte Gedichte.
Sonnet. Beſchreibung vollkommener Schoͤnheit.
EIn haar ſo kuͤhnlich trotz der Berenice ſpricht.
Ein mund / der roſen fuͤhrt und perlen in ſich heget.
Ein zuͤnglein / ſo ein gifft vor tauſend hertzen traͤget.
Zwo bruͤſte / wo rubin durch alabaſter bricht.
Ein hals / der ſchwanen ſchnee weit weit zuruͤcke ſticht.
Zwey wangen / wo die pracht der Flora ſich beweget.
Ein blick / der blitze fuͤhrt und maͤnner niederleget.
Zwey arme / derer krafft offt leuen hingericht.
Ein hertz / aus welchem nichts als mein verderben qvillet.
Ein wort / ſo himmliſch iſt / und mich verdammen kan /
Zwey haͤnde / derer grimm mich in den bann gethan /
Und durch ein ſuͤſſes gifft die ſeele ſelbſt umhuͤllet.
Ein zierrath / wie es ſcheint / im paradiß gemacht /
Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.
Als Flavia ſich neben ihm einſt auff dem lande befand.
WEnn ich mein truͤbes licht nach dieſem orte richte /
Da Flavia bey mir vor wenig tagen ſaß /
Als ich die lilien von ihrem angeſichte
Und roſen um das feld der zarten lippen laß;
So ſeuffz ich: ſchoͤner ort! du haſt zu viel verlohren!
Doch deine Flavia die findeſt du bey mir.
Ich fluchte / daß ein weib mich zu der welt gebohren /
Wenn mir mein hertze ſie nicht zeigte fuͤr und fuͤr.
O wald! muß gleich dein blat noch vor dem winter weichen /
Das bild der Flavia ſteht hier doch unberuͤhrt.
DWird50Verliebte Gedichte.
Wird gleich der bleiche tod mir um die ſchlaͤffe ſtreichen /
So weiß ich / daß mein hertz ſie mit zu grabe fuͤhrt.
An Chloris.
ISt meine Chloris kranck / ſo muß Orontes ſterben.
Was dir beſchwerlich iſt / greifft mich nicht minder an /
Aus deinem ungemach qvillt endlich mein verderben /
Indem bey deiner pein ich nicht geſund ſeyn kan.
Soll ich / o ſchoͤnes licht! dich nicht nach wunſche ſchauen?
Vernehm ich / daß dein haupt mit ſchmertzen iſt gekraͤnckt /
So muß ich mir ein hauß von lauter dornen bauen /
Daran die traurigkeit ihr ſchwartzes zeichen hengt.
Ich will mich in den ſchooß der einſamkeit verſchlieſſen /
Und unmuth ſoll mein freund / verdruß mein nachbar ſeyn /
Ich will in angſt vergehn / in thraͤnen gantz zuflieſſen /
Ich ſuche finſterniß / und keinen ſonnenſchein.
Doch ſchreibet Chloris mir: Mein haupt-weh iſt vergangen /
So zeigt der himmel mir den alten uͤberfluß /
Ich wuͤnſche dieſen tag nichts anders zu erlangen
Als meiner Chloris blick und ihren ſuͤſſen kuß.
Schaͤffer-Gedichte. Sylvia.
DEr arme Thyrſis lag nechſt unter einer eichen /
Bey qvellen / die an glantz den hellen ſilber gleichen /
Und dachte lange Zeit dem herben ungemach
Und den verkehrungen in ſeiner liebe nach.
Doch endlich loͤßte ſich die ſtimme ſeiner zungen /
Und ſang / daß berg und thal von dieſen worten klungen:
Ach ſtrenge Sylvia! Warum verachſt du mich?
Die ſonne brennt und wirfft die ſtrahlen unter ſich.
Lufft / feld und erde brennt / die kuͤhlen ſtroͤhme brennen
Von flammen / die auch ſchon die jungen laͤmmer kennen:
Dein51Verliebte Gedichte.
Dein Thyrſis aber fuͤhlt mehr / weder alle pein /
Und du alleine nur wilſt ſchnee und kaͤlte ſeyn.
So bald ich neulich dich / (du wirſt es noch wohl wiſſen)
Mit auffgeſchuͤrtztem rock und halb entbloͤſten fuͤſſen /
Als eine jaͤgerin / durch wald und puͤſche ziehn /
Und jene hindin ſah fuͤr deinen waffen fliehn;
So dacht ich bey mir ſelbſt. : Was fliehftu fuͤr den wunden /
O hindin / die du doch in ſolchen haͤnden funden?
Und gleich dem augenblick entbrannte blut und hertz /
Ich fuͤhlt / ich weiß nicht was fuͤr einen ſeelen-ſchmertz:
Die mutter aber ſprach: es waͤre brunſt und liebe.
Was ſolt ich aͤrmſter thun / daß ich verſchonet bliebe?
Ich riß den engen rock biß an den guͤrtel auff /
Ließ meine ſchaaffe ſtehn / und ſprang in vollem lauff
Dir auff dem fuſſe nach: Allein du warffſt die haͤnde
Und deinen weiſſen ſchleyr (O allzuſtrenge haͤnde!)
O allzuharter ſchleyr!) vor mund und bruͤſte fuͤr /
Und floheſt aͤrger noch als wild und hirſch vor mir.
Drauff ſtund ich gantz erſtarrt / gleich wie die matten tauben /
Wenn ihnen pfeil und plitz den ſuͤſſen buhlen rauben /
Und rieff wohl tauſendmahl dir deinen nahmen nach;
Gleich legte ſich der wind und wehte gantz gemach.
Du aber lieffſt mir noch / indem ich rieff / zum poſſen /
Und hatteſt ohr und hertz / wie deine bruſt verſchloſſen.
Wer hilfft mir aͤrmſten nun in meiner ſchweren pein?
Ich lauffe huͤgel an / ich ſteig ins thal hinein;
Doch thal und huͤgel hoͤrt mein weinen und mein klagen:
Ja Echo will mich gar mit wieder heulen plagen /
Und iſt zugleich betruͤbt. Jedoch ich wuͤnſch allein
Verliebt / und auch allein bey mir betruͤbt zu ſeyn.
Sonſt moͤchte / wenn allhier ſich falſch und wahr geſellten /
Die Nymphe meinen ſchmertz auch fuͤr erdichtet ſchelten.
Wiewol es iſt umſonſt mein weinen und mein ſchmertz;
Denn du / o Nymphe! treibſt mit allen beyden ſchertz.
So ſehr verachtet mich nicht Phyllis und die Dore:
Dann Phyllis band mich nechſt mit einem haber-rohre /
Das ihr corallen-mund mit freuden offt gekuͤſt /
Und Dore hat mich gar erſt heute noch gegruͤſt.
Allein nicht Phyllis mund / nicht Dorens purpur-wangen
Sind maͤchtig ſo wie du / mein treues hertz zu fangen:
Der wald wird zeuge ſeyn / die oder und der ſtrand /
Und jener erlen-baum / auff deſſen rinden-wand
Ich unſre nahmen nechſt mit thraͤnen angeſchrieben.
Ich hab es ſelbſt geſehn / wie ihre ſchrifft beklieben.
D 2Des52Verliebte Gedichte.
Des abends ſtunden ſie noch weit und unvermengt:
Des morgens waren ſie wie ketten eingeſchrenckt.
Dreymahl hab ich mit luſt diß wunderwerck geleſen /
Und dreymahl bin ich faſt fuͤr kuͤſſen todt geweſen /
O kuͤſſe! die nach thau Was aber hilfft es mich?
Die namen ſind vermaͤhlt / die leiber ſcheiden ſich.
Der helle Lucifer bringt ſchon den dritten morgen;
Und dennoch ſieht man mich nicht fuͤr die ſchaafe ſorgen.
Die ziegen haben noch kein friſches graß geſchmeckt:
Die jungen boͤcke nur die duͤrre bruſt geleckt:
Ich ſelber habe noch vom weine nichts genoſſen.
Kein ſtuͤcke brod geſehn / kein auge zugeſchloſſen.
Denn ohne dich vergeht mich alle ſchaͤfer-luſt /
Und ohne dich iſt mir auch kein geſchmack bewuſt.
Doch goͤnnſtu einmahl uns nur einen ſuͤſſen morgen;
So will ich wiederum fuͤr meine ſchaafe ſorgen.
Die ziegen ſollen fort und in die weide gehn;
Die eyter voller milch / die boͤcke truncken ſtehn:
Ich ſelber aber will den Bachus wieder gruͤſſen /
Nach friſchem brodte ſehn und neuer ruh genieſſen.
Und ſtuͤrbe gleich mein vieh / mein vaͤterliches gut /
Und aller wieſen-wachs durch feur - und waſſers-flut /
So will ich / wann ſie mich nur deiner nicht berauben /
Mich dennoch in der welt am allerreichſten glauben.
Wann der beperlte thau des morgens nieder faͤllt /
Und ſich das erſte licht der ſonnen eingeſtellt /
Schau ich den tropffen zu / indem ſie ſich verbinden /
Ob ich dein bildniß kan in ihren farben finden.
Ich ſehe vielerley: Nichts aber iſt wie du.
Das gold ſchleuſt ſeinen glantz fuͤr deinen haaren zu.
Der reiff muß deiner haut / der ſtirne liljen weichen /
Den wangen iſt nicht blut und friſche milch zu gleichen /
Der mund beſchaͤmt rubin / die zaͤhne helffenbein /
Die augen Phoͤbus licht und aller ſterne ſchein.
Vom andern weiß ich nicht / wie einem muß geſchehen;
Weil ich es / ſchoͤnſte / nur kan in gedancken ſehen.
Wenn denn Aurorens ſchooß die roſen auffgethan /
So ſchau ich ihre pracht mit ſteiffen augen an /
Und ſuche deinen mund in ihren purpur-ſtrahlen:
Doch bleib ich zweiffelhafft / was ſchwerer ſey zu mahlen /
Du / oder aber ſie. Ja / wenn ich endlich dich
Im felde nirgends ſeh / ſo uͤbereil ich mich /
Und denck: Iſt nun ihr geiſt im himmel gar geſtiegen?
Und kan ſie denn zugleich bey ſternen und bey ziegen /
Des53Verliebte Gedichte.
Des abends Sylvia / und fruͤh Aurora / ſeyn?
So denck ich / trifft es gleich nicht mit der warheit ein.
Ach Sylvia! du wirſt nicht ewig ſo verbleiben.
Der tod kan ſeine luſt mit blum und ſchoͤnheit treiben /
Und du moͤchſt endlich wohl im alter in dich gehn /
Ich aber weiß mir nicht die ſchmertzen auszuſtehn.
Schau! Bachus liebt den wein. Weil Bachus wein wird lieben /
Soll ſich dein Thyrſis auch in ſteten flammen uͤben.
Je mehr du fuͤr ihm weichſt / ie weiter folgt er nach.
Denn dir zu g’ringe ſeyn / iſt weder ſchimpff noch ſchmach.
Ja ſolte gleich die zeit den ſpiegel dir verderben /
Und dein geſichte ſo wie deine jahre ſterben /
So ſoll mir / ſchoͤnſte / doch noch deiner roſen ſchein /
Und deiner glieder ſchnee ſtets fuͤr den augen ſeyn.
Ach ſtoltze Sylvia! Laß deinen zorn ſich wenden /
Ich will dir / wo du wilſt / auch wohl geſchencke ſenden.
Nicht etwa die der wald und unſer garten traͤgt;
Nicht die das reiffe feld uns in die ſcheuren legt;
Nein: Sondern einen putz mit puder uͤberſchlagen /
Wie in der ſtadt itzund die buͤrger toͤchter tragen /
Und einen bunten korb / den neulich erſt Serran
Mit groſſer kunſt gemacht / Serran / der kluge mann.
Der hirten groͤſte luſt und zierrath unſers landes /
Der alle buͤrger ſo an gaben des verſtandes
Gleich wie die nachtigal die raben uͤbertrifft;
Der mich zu erſt gelehrt / wer dieſe welt geſtifft /
Woher ihr roher teig und ihre forme kommen;
Wie ſtaͤdte ſich gemehrt und wieder abgenommen;
Was ſonn und monde ſey / und wie ihr licht die welt
Durch ſeinen ſteten lauff in der bewegung haͤlt:
Der ſag ich / alles mir / nur dieſes nicht gezeiget /
Wie man / o Sylvia! dein ſteinern hertze beuget.
Doch wo du hierdurch auch nicht zubewegen biſt;
So weiß ich aͤrmſter nicht was weiter uͤbrig iſt /
Als daß ich meinen rumpff an dieſen eichbaum hencke.
Vielleicht liebſtu mich todt / weil ich dich lebend kraͤncke.
Schreib aber auff mein grab nur noch zu guter nacht:
Allhier hat Sylvia den Thyrſis umgebracht.
D 3Als54Verliebte Gedichte.
Als er ſie das erſte mahl kuͤßte.
ICh habe Sylvia / dich einmahl nur gekuͤßt /
Und meynt ich wuͤrde mir mein kranckes hertze laben;
O! aber weit gefehlt! ich weiß nicht / wo es iſt /
Und glaub / es hat ſich gar in deinen mund begraben.
Dann meine krafft iſt hin: ich fuͤhle nichts als glut /
Und ſtuͤrbe / wenn ich nicht aus liebe leben muͤſte.
Ach! wann ein eintzig kuß ſo groſſe wuͤrckung thut /
Wie ſolte mir geſchehn / wann ich dich zehnmal kuͤßte?
An Flavien / als ſie kranck war.
MAn klaget / Flavia! daß ich dir weh gethan /
Und redet oͤffentlich / du werdeſt bald verſcheiden /
Du ſelber zeigeſt es durch deine ſchwachheit an;
So dencke nun / was ich muß in der ſeele leiden.
Ich komme / liebes kind / mir als ein teuffel fuͤr /
Und bin ſo mir als dir zu einem hencker worden.
Dann alle meine luſt beſtehet bloß in dir /
Und darum kan ich dich nicht ohne mich ermorden.
O himmel! wende doch die ſchulden von mir ab /
Hilff meiner Flavia / und lege mich ins grab!
An Charatinen.
WIe irret doch das rad der menſchlichen gedancken!
Wir bilden offtermahls uns diß und jenes ein:
Jedoch wann ſchluß und rath kaum unterſchrieben ſeyn /
So faͤngt der leichte ſinn ſchon wieder an zu wancken.
Mein55Verliebte Gedichte.
Mein kind / ich will dich nicht mit ſitten lehren ſpeiſen;
Mein brieff war neulich kaum nach abgeſchickt /
Die augen waren erſt vom ſchlaffe zugedruͤckt /
Da reitzte mich die luſt ſchon wieder nachzureiſen.
Pfuy! ſprach ich! laͤſtu ſo die ſuͤſſe zeit verſchieſſen?
Strahlt deine ſonne dich mit todten blicken an?
Wer iſt / der deinem thun hier grentzen ſetzen kan?
Und wer / der deinen geiſt in faͤſſel denckt zuſchlieſſen?
Wilſtu die naſe nun erſt in die buͤcher ſtecken?
Ach allzuſchwache krafft vor deine liebes-pein!
Da muß kein todtes oel und fauler balſam ſeyn /
Wo ſich die funcken ſchon in lichte flammen ſtrecken.
Weg mit der phantaſey! weg mit den feder poſſen!
Ein maͤgdgen iſt weit mehr / als alle buͤcher werth.
Der hat ſein gluͤcke ſchon in aſch und grauß verkehrt /
Der in das cabinet auch ſeel und geiſt verſchloſſen.
Mit dieſen ſprang ich auff / fing alles anzuſchmeiſſen /
Riß zeddel und pappier in hundert ſtuͤck entzwey /
Und ſprach: die laſt iſt hin und Abimenin frey:
So muß ein tapffres hertz durch tauſend ſtricke reiſſen.
Ein blat / ein kahles blat ſoll meine freyheit binden?
Ha / (fuhr ich weiter fort) das ſtuͤnde ſchuͤlern an:
Ich habe laͤngſten ſchon dir / liebſte / dargethan /
Daß ich in dir allein will meinen kaͤrcker finden.
Der eifer mehrte ſich wie meine liebes-kohlen /
Gleich aber als ich noch die letzten worte ſprach /
Da trat des fuhrmanns knecht in unſer ſchlaff-gemach /
Um den verdienten lohn von neulich abzuholen.
Er ließ ſich unverhofft durch meine luſt bewegen /
Befohlen und geſchehn / war alles nur ein wort:
Ich ſaß mit Thyrſis auff / und fuhren beyde fort /
Um dir die liebes-ſchuld / mein engel / abzulegen.
Es ſchien der himmel ſelbſt beſtrahlte mein verreiſen /
Die winde lieſſen nichts als amber-luͤffte wehn /
Die wolcken muſten uns in tauſend roſen ſehn /
Und auge / mund und hertz mit voller anmuth ſpeiſen.
Die pferde ſaͤumten nicht den leicht-beladnen wagen /
Die raͤder flohen ſchnell / wie pfeile / ſtrohm und plitz /
Die glieder fuͤhlten kaum den hart gebauten ſitz /
Und wurden wie ein ſtein durch dicke lufft getragen.
Und ſo weit muſte mich das blinde gluͤcke kuͤſſen.
Darauff nahm Sandau uns zur abend taffel ein:
Ach Sandau! daß du ſoltſt mein trauer-denckmahl ſeyn!
Ach Sandau / daß du mich in dieſe noth geriſſen!
D 4War -56Verliebte Gedichte.
Warum hab ich doch hier die liebe muͤſſen brechen?
Warum hat dich mein hertz mit thraͤnen angeſchaut?
Ach Sandau! haͤtt ich nicht auff deinen ſand gebaut /
So duͤrffte nicht der todt itzt meine ſuͤnde raͤchen.
Verzeihe liebſtes kind / ich muß es nur bekennen /
Ein weib / ein ſchwaches weib hat meinen krantz entfuͤhrt;
Doch wo dich noch ein ſtrahl der alten liebe ruͤhrt /
So laß nicht deinen zorn wie meine laſter brennen.
Nicht wundre / ſchoͤnſte / dich / wie dieſes zugegangen:
Ich nahm von ihrer hand nur einen becher wein /
Der becher floͤßte mir den liebes-nectar ein /
Und ich ward wider art gantz unvermerckt gefangen.
Da ſah ich ihr geſicht / als hundert ſonnen blitzen /
Sie ſchien mir etwas mehr als Venus ſelbſt zu ſeyn.
Und das verborgne gifft der ſtillen liebes-pein
Fieng an mit aller macht in meiner bruſt zu ſchwitzen.
Die tafel ward darauff mit tuͤchern uͤberzogen /
Hier trug man loͤffel-kraut und haſel-huͤner auff /
Und ſetzte vor begier die ſcharffen meſſer drauff.
Dort ward der ſuͤſſe wein aus glaͤſern eingeſogen.
Was uns der ſtarcke ſafft vor geiſter eingegoſſen /
Wie ſich die ſtille glut im buſen angeſteckt /
Was vor ein liebes-ſtrohm mir meine bruſt befleckt /
Und wie mein mattes hertz von flammen faſt zerfloſſen /
Iſt / ſchoͤnſte / diß pappier zu wenig abzureiſſen;
Genug / der ſchlaff zerbrach den augen ihren ſchein /
Ein ieder ſcharrte ſich ins weiche lager ein;
Ich aber fieng allein fuͤr trauren an zu kreiſſen.
Amanda (ſo will ich die geile Venus nennen)
Lag dichte neben mir zur ſeiten mit der bruſt /
Mein ſeuffzen war ihr troſt / und meine liebes-luſt
Schoß auch verborgne glut / ihr feuer anzubrennen.
Ach daß ich / ſagte ſie / dein leiden koͤnte ſtillen /
Ach kuͤhlte meine brunſt auch / liebſter / deine pein /
So muͤſte dieſe bruſt itzt nicht verſchloſſen ſeyn.
Und dieſer duͤnne zeug nicht meinen leib umhuͤllen.
Ich netzte deinen mund mit hundert tauſend kuͤſſen /
Es wuͤrde nichts als luſt aus allen adern gehn /
Die lippen muͤſten dir in vollem amber ſtehn /
Und mein erhitzter ſchooß mit muſcateller flieſſen.
Nun aber kenn ich nicht die qvelle deiner wunden.
Es muß was hoͤhers ſeyn / das deine freude bricht /
Dein kummer ſtammt aus mir und meiner anmuth nicht /
Sonſt waͤre ſchon der troſt fuͤr deine noth gefunden.
Mir57Verliebte Gedichte.
Mir ward durch dieſes wort die ſeele faſt entriſſen /
Doch ſtieß ich / wo mir recht / noch dieſe ſeuffzer aus:
Bleibt / ſchoͤnſte / deine bruſt nur meiner wolluſt-haus /
So weiß mein ſonnen-licht von keinen finſterniſſen.
Was hruſt? verſetzte ſie / das hertze ſteht dir offen /
Komm / reiß den blumen-ſchatz nach deinen willen hin /
Komm / kuͤſſe / biß du ſatt / ich aber krafftloß bin /
Und endlich beyde wir in liebe ſind erſoffen.
Drauff ließ das kuͤhne weib die feder-decke fliegen /
Und gab den geilen leib von allen ecken bloß /
Hier ſprang das leichte ſchloß von ihren bruͤſten loß /
Dort ſah ich noch was mehr in voller flamme liegen.
Das leichte marmol-ſpiel der apffel-runden ballen /
Der ſchnee-gehuͤrgte bauch / der purpur-rothe mund /
Und was noch etwan ſonſt hier zu beruͤhren ſtund /
War leider! allzu ſtarck zu meiner ungluͤcks-fallen.
Ich aͤrmſter konte mir nicht laͤnger widerſtreben /
Ich warff mich in den ſchlamm der ſuͤnden-vollen luſt /
Ich druckte leib an leib / und wieder bruſt an bruſt /
Und wuͤnſchte nichts als ſo mein leben auffzugeben.
Mein leben / daß allein an meiner liebſten augen /
Mein leben / daß allein an ihrem hertzen hieng /
Und daß / wenn meiner bruſt der athem gleich entgieng /
Doch wieder konte ſafft aus ihren lippen ſaugen.
Ich lernte / wie ſich fleiſch und fleiſch zuſammen ſchickte /
Und ſanck vor matter pein in den gewoͤlbten ſchooß /
Biß meine beſte krafft wie warme butter floß.
Und wie die ſeele gar aus meinen adern ruͤckte.
Gleich aber / als wir noch der ſuͤſſen luſt genoſſen /
Kam und zerriß ihr mann die zucker-ſuͤſſe ruh /
Und ſchaute mit beſtuͤrtzt - und blaſſen augen zu /
Wie unſer leib und geiſt in einen klumpen floſſen.
Der eyfer ließ ihn nicht viel donner-worte machen /
Diß war ſein erſter gruß: Ha / hure / liegſtu hier!
Wacht denn ein ieder hund vor deiner kammer-thuͤr /
Und ſtoͤßt ſich ieder fels an deinen liebes-nachen?
Mit dieſem fieng er mir von ſchelmen an zu ſingen /
Da fuͤhlt ich / wie der zorn mir gall auff galle goß;
Die glieder brannten an / die klingen giengen loß /
Und ieder ſuchte nun den degen anzubringen.
Inzwiſchen weiß ich nicht / ob es ſich ſchicken ſollen /
Daß ich durch einen ſprung zur erden nieder ſanck.
Da merckt ich / daß der ſtahl durch meine ribben drang /
Und mir das warme blut kam aus der bruſt geqvollen.
D 5Wie /58Verliebte Gedichte.
Wie / wenn ein tieger-thier das leben ſieht entweichen
nach blut-beſpruͤtzter haut / ſich doppelt ſtaͤrcker macht:
So ward mein eyfer auch in volle glut gebracht /
Und dachte mit gewalt den moͤrder abzureichen.
Ich ſchwang mit bloſſer fauſt mein eiſen hin und wieder;
Ach aber nur umſonſt! die adern wurden ſchwach /
Die ſeele ſelber floß durch meine purpur-bach;
Ich aber fiel erſtarrt auff meinen ruͤcken nieder.
Da ſucht ich aͤrmſter nun vergebens zu geneſen /
Nachdem die wunde mir das halbe leben nahm.
Doch als ich wieder heim / und zu mir ſelber kam /
Iſt / Charatine / diß mein erſtes wort geweſen:
Ach Abimenin! ach! was haſt du doch verbrochen?
Wo bleibt die gruͤne treu / wo der verliebte ſchwur /
Der neulich / falſcher / dir aus deinem munde fuhr /
Als Charatine dir das hertze zugeſprochen?
Geh hin / und ruͤhme dich der ſuͤſſen liebes-wunden /
Geh / ſage wie ihr thau die lippen dir gekuͤhlt /
Diß haſt du nur geſchmeckt / und jenes nur gefuͤhlt;
Denn beydes iſt bereits auff einen tag verſchwunden.
Verraͤther / trauſt du dich wohl ſelber anzuſchauen?
Muß ſo dein liebes-glaß in hundert ſtuͤcken gehn?
Wer wird hinfuͤro mehr auff deine freundſchafft ſehn /
Und auff den porcellan der glatten worte bauen?
Doch / Abimenin halt! halt deinen geiſt zuruͤcke!
Bezaͤhme qvaal und pein mit zuͤgeln der gedult.
Offt iſt ein kleiner fall und hencker-werthe ſchuld
Zu der erwuͤnſchten gunſt die beſte gnaden-bruͤcke.
Geh / wirff dein angeſicht zu ihren zarten fuͤſſen /
Und mache deinen fleck mit tauſend thraͤnen rein /
Laß ein beklemtes ach ſtat hundert worte ſeyn /
Und nichts als trauer ſaltz aus beyden augen ſchieſſen.
Das feur wird endlich doch die reine bruſt bewegen /
Die bruſt / in welche ſich mein falſches hertze ſchloß /
Die bruſt / aus der die luſt der keuſchen liebe floß /
Und die mir kett und band hat wiſſen anzulegen.
Was aber haſt du vor? was hoffſt du? ſprach ich wieder.
Auff zweiffel volle gunſt? Nein / Abimenin / nein.
Die ſonne tilget nicht die flecken deiner pein /
Und ſtuͤrtzt dich nur in grund des groͤſten kummers nieder.
Du wirſt vergeblich nur die thraͤnen hier vergieſſen /
Dein abgeſchicktes flehn iſt keiner ohren werth.
Wer ſelbſt den himmel ihm in hoͤllen hat verkehrt /
Muß auch mit etwas mehr als ſchlechtem waſſer buͤſſen.
Hier59Verliebte Gedichte.
Hier riß die traurigkeit aus den geſetzten daͤmmen /
Ich ſtieß mit ungeſtuͤm den degen in die bruſt /
Und ſprach: Wo gleich itzund die ſchmertzen meiner luſt
Dich / Charatine / nicht mit wehmuth uͤberſchwemmen;
So ſolſtu doch die treu aus meinem blute leſen.
Mein engel / zittre nicht. Itzt folgt das ende drauff:
Denn hier erwachten mir die muͤden augen auff /
Da war das gantze ſpiel ein bloſſer traum geweſen.
Im namen einer fraͤulein an ihren hauptmann.
ACh koͤnte dir mein hertz wie meine dinte flieſſen!
Ach zoͤge dieſes blat auch meine ſeuffzer an!
So wuͤrde / werther / leicht dein mund bekennen muͤſſen /
Daß mich der himmel itzt nicht hoͤher ſtraffen kan.
Du wuͤrdeſt meinen brieff mit bleichen lippen netzen /
Die thraͤnen wuͤrden dir biß an die ſeele gehn /
Und endlich muͤſte mich doch dieſer troſt ergetzen:
Dein hauptmann wird dir bald vor deinen augen ſtehn.
Nun aber kan ich dir mein leiden nicht beſchreiben /
Die feder iſt zu klein fur meine traurigkeit;
Und was mir etwan noch ſoll meine geiſter treiben /
Hat ſchmertz und ungedult mit wermuth uͤberſtreut.
Ich ſchreib / ich weiß nicht was; es irren hand und ſinnen /
Die ſylben halten nicht gewichte / maß und ziel.
Der ſorgen ſchwartze nacht umnebelt mein beginnen /
Ich ſelber aber bin der liebe gauckel-ſpiel.
Ich weiß nicht / ob ich dir die warheit darff bekennen /
Mein ſchatz / dein ſtrenger ſchluß hat meine qvaal erregt:
Du ſchaffeſt / daß mir nichts als trauer-kertzen brennen /
Du haſt mir unverhofft die martern angelegt.
Ein land / ein weites land haͤlt deinen leib gebunden /
Du ſuchſt in fremder lufft bekroͤnte fruͤhlings-ruh /
Doch glaube / haſtu dich mit roſen gleich uͤmwunden /
So weht dein freuden-wind mir doch die dornen zu.
Ich ſoll mich nur entfernt mit ſchatten-wercken ſpeiſen;
Wie aber reimt ſich doch verliebt und ferne ſeyn?
Wie60Verliebte Gedichte.
Wie ſchickt ſich doch mein weh zu deinen anmuths-reiſen /
Und deine grauſamkeit zu meiner ſeelen-pein?
Die liebe laͤſt ſich leicht durch lange meilen daͤmpffen /
Ein friſcher amber-kuß ſticht tauſend alte weg.
Wo ſchoͤnheit und verſtand die ſchwache treu bekaͤmpffen /
Da pflaſtert leicht die luſt den ſuͤſſen liebes-ſteg.
Wir jungfern muͤſſen nur den kleider-moden gleichen /
Was heute praͤchtig ſcheint / wird morgen ausgelacht;
So koͤnt ihr maͤnner uns auch ſanffte pflaumen ſtreichen /
Biß ihr den leichten mund wo beſſer angebracht.
Ihr ſpielet mit der luſt / wie winde mit narciſſen.
Bald kommt ihr gantz entfernt mit complimenten an /
Bald wolt ihr uns die hand / bald auch die ſchuͤrtze kuͤſſen /
Da doch der zehnde kaum die buhlen zehlen kan.
Itzt ſtuͤrmt ihr hertz und mund uns durch Syrenen lieder /
Und ſchließt uns unbedacht in liebes-faͤſſel ein /
Itzt zieht ihr wieder fort / und endlich kommt ihr wieder;
Denn wolt ihr kaͤlter noch als Salamander ſeyn.
Doch / liebſter / tadle nicht mein allzu kuͤhnes ſchreiben.
Ich weiß zwar / daß du mir mehr als gewogen biſt /
Die regel aber wird auch noch der nachwelt bleiben /
Daß furcht und eyfferſucht der liebe zunder iſt.
Die groͤßte glut beſteht in thraͤnen-vollen hertzen.
Wer ſonder eyffer liebt / der liebt auch ohne treu;
Auch winde blaſen feur in die erſtorbne kertzen /
So macht ein kleiner ſtreit uns aller zweiffel frey.
Zwar ich gedencke noch der zucker-ſuͤſſen ſtunden /
Als ich die roſen dir von deinen lippen laß /
Als ſich die nelcken mir um meinen mund gewunden /
Und mir das gluͤcke ſelbſt zu meinen fuͤſſen ſaß.
Wo aber iſt der glantz der freuden hingeſchoſſen?
Wo bleibt der ſtille tag / wo die beperlte zeit /
Da deine leffzen mir mit nectar-ſafft gefloſſen /
Und mich dein reiner kuß mit biſem eingeweyht?
Mein hauptmann pruͤfe ſelbſt die ſchmertzen meiner wunden /
Und dencke / was vor angſt mir alle glieder ſchlug /
Als ſattel / pferd und knecht zur reiſe fertig ſtunden /
Und dich der ſchnelle gaul aus meinen augen trug.
Ich dachte dazumahl vor thraͤnen faſt zu brechen /
Was aber dazumahl? Itzt lern ich erſt verſtehn /
Wie nacht und finſterniß die freuden-lichter ſchwaͤchen /
Und wie die lampen uns von winden untergehn.
Ach liebſter / laß mich nicht in dieſer noth verſincken /
Steh auff / und ſtelle dich in meinen armen ein!
Komm61Verliebte Gedichte.
Komm / weil die ſterne dir zur liebes-taffel wincken /
Und ſelbſt der himmel will zu deinen dienſten ſeyn.
Wer wunden heilen will muß keine zeit verſchertzen /
Ein allzu ſpaͤter rath ſchlaͤgt leider! wenig an /
Der lindert nicht die qvaal / und mehret nur die ſchmertzen /
Der nicht den augenblick auff mittel dencken kan.
Mehr weiß ich nicht in eil hier worte beyzuſetzen /
Genung / daß meine luſt in deinen haͤnden ſteht /
Daß mich dein wille kan betruͤben und ergetzen /
Und ewig mein magnet nach deinen norden geht.
Du kanſt wohl ſelber leicht aus deiner treu erdencken /
Daß uns in Daͤnnemarck noch keine roſen bluͤhn /
Daß ſich dein auge muß nach meinen augen lencken /
Und dein entfernter mund nach meinem munde ziehn.
Ich gruͤſſe ſchon den tag mit tauſend freuden-kuͤſſen /
Da mir mein engel wird an meiner ſeite ſtehn.
Da mir dein ſuͤſſer mund wird wieder nectar gieſſen /
Und nichts als malvaſier von deinen lippen gehn.
Ach hauptmann eile fort / befluͤgle pferd und wagen /
Und goͤnne meiner luſt bald deinen ſonnenſchein!
Wo nicht / ſo glaube nur / daß ich durch dieſe plagen
Bald meiner lebens-zeit werd uͤberhoben ſeyn.
An Melinden / auff ihren namens-tag.
AUff / ſchoͤnſte / tauche dich in milch und roſen-blut!
Laß deinen mund-rubin erfriſchte ſtrahlen fangen /
Und ſtreich den truͤben ſchaum der herben thraͤnen-flut /
Und das vergiffte ſaltz / von deinen purpur-wangen.
Der himmel ſtellet ſich zu deinen dienſten ein /
Die ſonne ſpielet ſelbſt um deine perlen-glieder.
Und was dir etwan noch kan kummer-dornen ſtreun.
Legt dieſer ſtille tag bey deinem bette nieder /
Du ſolſt (ich rede kurtz) dein namens-feſt begehn /
Drum auff / und ruͤſte dich / dein gluͤcke zu begruͤſſen!
Dein gluͤcke / daß dich heißt auff lauter roſen ſtehn /
Und nichts als zucker laͤßt um deine lippen flieſſen.
Ich62Verliebte Gedichte.
Ich weiß zwar allzu wohl / daß deine trauer-ſee
Von groſſer hertzens-angſt die worte wird gebaͤhren:
Ach daß ich aͤrmſte doch noch dieſen tag begeh!
Daß doch die morgen mich nicht wie die nacht verzehren!
Wohin treibt wind und ſturm doch meinen liebes-kahn?
Iſt wohl ein aͤrmrer menſch auff erden noch zu finden /
Der komm / und ſchaue mich und meine thraͤnen an /
So will ich gerne mich der ſorgen-laſt entbinden.
Ach aber liebes kind! die klagen ſind zu groß /
Wer ſich aus ungedult zum grabe will verdammen /
Wird endlich durch den tod zwar dieſer erden loß /
Stuͤrtzt aber leib und ſeel in tauſend hoͤllen-flammen.
Im gluͤcke luſtig ſeyn iſt warlich keine kunſt;
Ein kluger aber ſaugt auch nectar aus den qvitten /
Und folgt der ſonnen nach / die durch den nebel-dunſt
Zwar oͤffters finſterniß / doch keinen bruch erlitten.
Der liebe frucht entſpringt aus einer ſtunde nicht:
Erſt trincken wir das gifft aus porcellanen ſchalen /
Gehn wie die taumelden / wenn unſer hertze bricht /
Und ſchaͤtzen ihren dampff vor lauter freuden-ſtrahlen.
Nach dieſem greifft der ſchmertz die glieder beſſer an /
Das ſchnelle gifft zerfleuſt in ſtroͤhme ſchwartzer ſorgen;
Und endlich / wenn wir ſo die proben abgethan /
So bringt das ende nichts als ſuͤſſe fruͤhlings-morgen.
Ach liebſte! kanſtu nun dem himmel noch vertraun /
So trag das kummer-joch mit unverzagtem ruͤcken;
Denn die ihr gluͤcke nur auff Gottes felſen baun /
Die brechen angſt und noth wie ſchwaches rohr in ſtuͤcken.
Mein hertze leget ſich zu deinen fuͤſſen hin /
Ich ſchencke mich dir ſelbſt zum ſchemel deiner plagen /
Und ſchwehre / wo ich dir nicht gar zuwider bin /
So ſolſtu nur ein loth / ich aber centner tragen.
Mehr hab ich aͤrmſter nicht / das weiſt du ſelber wohl /
Denn meine ſchaͤtze ſind nur wollen und entſchlieſſen /
Sonſt trieb ich deinen ruhm biß an den ſternen pol /
Und lieſſe nichts als gold aus meiner feder flieſſen.
Nun / allerliebſtes kind! erkenne meine treu;
Was dieſer ſchrifft gebricht / erſetzen meine flammen.
Springt gleich das gluͤcke nicht itzt meiner armuth bey /
So ſchlaͤgt die liebe doch in friſche glut zuſammen.
Du ſolt in kurtzer zeit mit andern augen ſeyn /
Wie dich dein treuer knecht wird ſuchen zu bedienen /
Wenn kummer / ach und weh zu grabe werden gehn /
Und unſre freude wird in vollen knoſpen gruͤnen.
Der63Verliebte Gedichte.
Der himmel ſchencke dir nur ferner ſeinen ſchein /
Und fuͤhre deinen fuß von dornen auff narciſſen!
Du aber ziehe ſelbſt den ſtrohm der thraͤnen ein /
Sonſt wird mein leben ſo wie deine luſt zerriſſen.
An Flavien.
WEnn meine feder nicht mit roſen-zucker qvillet /
Wenn eckel und verdruß aus allen zeilen ſteigt /
So dencke / daß der ſchmertz mein ſchreiben itzt umhuͤllet /
Und dir die traurigkeit auff armen blaͤttern zeigt.
Zwey woͤrter: gute nacht! verruͤcken hand und ſinnen /
Die liebe macht nicht mehr mein hertze geiſter-voll /
Und alles / was mir noch kan in die feder rinnen /
Iſt / daß ich / ſchoͤnſte / dich nicht laͤnger ſprechen ſoll.
Ach wie betrieglich ſind doch hoffnung und gedancken!
Wie ſchwer verbinden ſich doch lieb und moͤgligkeit!
Was anfangs uns geluͤckt / kan noch im ende wancken /
Und morgen donnert offt / was heute ſonnen ſtreut.
Mein lieben war bißher ein paradieß geweſen /
Ein garten / den ich offt verwundert angeſchaut /
Der mich ſo blumen ließ wie palmen-fruͤchte leſen /
wenn ihn dein freundlich ſeyn mit zucker uͤberthaut.
Die nelcken bluͤhten mir auff deinen zarten wangen /
Dein amber-voller mund trug purpurnen jaſmin /
Und machte / daß ich offt mehr ſafft und krafft gefangen /
Als bienen honigſeim aus hyacinthen ziehn.
Der hals ſchwamm voller milch von reinen luſt-narciſſen /
Die bruͤſte fiengen an mit roſen auffzugehn /
Und wilſtu mein geluͤck in einer zeile wiſſen?
Dein auge / Flavia / war auch mein tauſendſchoͤn.
Diß alles hat der ſturm der zeiten mir entzogen /
Und wie der ſonnen-licht durch nebel unterdruͤckt /
Nachdem ein ander mich an anmuth uͤberwogen /
Und dein verliebtes hertz aus meiner hand geruͤckt.
Du fiengſt ihn ſelber an mit liljen zu beſchuͤtten /
Und halffeſt ihm mit luſt auff des geluͤckes ſchooß;
Doch alles konte noch bey weitem nicht verhuͤten /
Daß ich zuweilen auch nicht einen blick genoß.
Itzt64Verliebte Gedichte.
Itzt aber muſt du gar aus meinen augen ſcheiden /
Wie ſoll mein paradieß nicht endlich untergehn!
Denn wenn du Pommern wilſt mit deinen roſen kleiden /
So werden kuͤnfftig hier nur ſcharffe dornen ſtehn.
Was werden? ich bin ſchon von aller luſt verlaſſen /
Denn himmel und gewalt reiſt ihren garten ein /
Und heißt den liebes-ſtock vor traurigkeit erblaſſen /
Mich aber ohne troſt / und ohne blumen ſeyn.
Das ſuͤſſe loͤffelkraut / das meinen geiſt getrieben /
Entzeucht mir ſeine krafft / wie du dein angeſicht;
Und was mir endlich noch von allen uͤbrig blieben /
Iſt nur ein bluͤmichen / das heiſt: Vergiß mein nicht.
Diß leg ich / ſchoͤnſte / dir zu deinen marmol-fuͤſſen /
Ach ſtrahl es / wie du pflegſt / mit holden augen an;
Weil diß mein leiden doch alleine wird verſuͤſſen /
Wenn deine liebe mich nur nicht vergeſſen kan.
Mehr fodert nicht mein hertz / wohl aber meine flammen /
Die / weil ich ſeuffzen kan / nicht werden untergehn;
Denn ihre hitze ſchlaͤgt von weitem auch zuſammen /
Und ſucht / was gluͤck und zeit itzt heiſſen ſtille ſtehn.
Ich brenne / doch der mund muß wider willen ſchweigen;
Mein feur ſoll voller qvaal / nicht aber redend ſeyn /
Sonſt wuͤrd ich dir den ſchmertz ſo wie mein hertze zeigen /
Und mehr als thraͤnen-ſaltz zu deinen fuͤſſen ſtreun.
Ach allerſchoͤnſtes kind / erkenne mein gemuͤthe /
Und ſchau zuweilen mich noch in gedancken an!
Denn hab ich aͤrmſter nur die ſtrahlen deiner guͤte /
So weiß ich / daß der tod mir wenig ſchaden kan.
Ich ſterbe mit gedult in meinen harten ſtricken /
Wenn deine flamme nur noch meinen geiſt bewegt;
Denn dieſes ſoll mich auch im tode noch erqvicken /
Daß mich die bloſſe treu zu meinem grabe traͤgt.
An65Verliebte Gedichte.
An Sylvien auff ihren namens-tag.
DEin edler namens-tag zeigt heute ſeinen ſchein;
Mir aber meine pflicht / dich wuͤrdig anzubinden:
Allein wo ſoll ich was bey meiner armuth finden /
Weil federn und pappier fuͤr dich zu wenig ſeyn?
Mein wollen iſt zwar groß / doch mein vermoͤgen klein /
Drum laß mich / was ich kan / dir zum geſchencke winden:
Denn wer die liebe will auff gold und reimen gruͤnden /
Schleuſt nur viel prahlerey und wenig freundſchafft ein.
Ich biete dir mein hertz zum opffer ſelber an /
Mein hertze / daß dich zwar nicht ſchoͤnſte binden kan;
Weil du es ſchon vorlaͤngſt mit ketten angebunden /
Legſt du es aber nur zu deinen fuͤſſen hin /
So glaube / daß ich auch in ketten luſtig bin;
Weil es nach ſo viel angſt doch einen ruh-platz funden.
Uber ihre veraͤnderung.
DU haſt / o Sylvia! mein treues hertz beſiegt /
Und lieſſeſt neulich ſelbſt mich deine neigung wiſſen:
Doch da das arme ding in deinen ketten liegt /
So jageſtu mich fort / und ſtoͤſſeſt mich mit fuͤſſen.
Ach allzugrauſame! was qvaͤlſtu meine glieder?
Behalt dir die perſon / gib mir das hertze wieder.
EAuff66Verliebte Gedichte.
Auff ihren abſchied.
VErzeihe mir allhier / mein widriges geſtirne /
Wofern ich mich zuſehr auff deinen lauff erzuͤrne /
Du haſt mir allzuviel auff einen tag gethan.
Mein leben reiſet fort / und dennoch ſoll ich leben:
Du nimmeſt / was du doch mir niemahls haſt gegeben /
Und legſt mir unverhoͤrt die groͤſte martern an.
War es dran nicht genug / daß ich mit tauſend thraͤnen
Mich taͤglich / doch umſonſt / nach kuͤhlung muſte ſehnen?
Soll ich von Sylvien auch noch geſchieden ſeyn?
Ach armer Celadon! du haſt zu viel erfahren /
Doch dieſe ſtunde mehr / als vor in zwantzig jahren.
Drum hoffe nur nicht erſt auff neuen ſonnen-ſchein;
Du wirſt / du ſolſt / du muſt auff dieſer auen ſterben:
Um / wie es ſcheint / den platz mit purpur anzufaͤrben /
Wo ehmahls Sylvia ſo ſchoͤne blumen laß.
Gedencke nur nicht mehr an die vergnuͤgten ſtunden;
Wie ſich ihr keuſcher arm um deinen halß gewunden /
Und wie ſie milch und brod aus deinen haͤnden .
Die luſt iſt ſchon vorbey. Itzt iſt der tod erſchienen.
Der tod / ſo dir allein kan zur ergetzung dienen;
Nachdem die gantze welt dir ihren troſt verſagt.
Die zeit veraͤndert ſich offt anders als man meynet.
Heut hat dein treues hertz um Sylvien geweinet:
Wer weiß / wer morgen ſchon auch wieder dich beklagt.
O himmel / wald und thal / und ihr begruͤnten auen /
Wo ich mich fruͤher offt ließ als Aurora ſchauen /
Nehmt / wo ihr mich noch kennt / die letzten ſeuffzer hin /
Und ſaget Sylvien / wenn man mich hat begraben /
Und ſie ſich wieder wird an euren blumen laben /
Daß ich fuͤr ſie allein allhier geſtorben bin.
Uber67Verliebte Gedichte.
Uber ihren vermeynten tod.
DEr weit-erſchollne tod der ſchoͤnen Sylvia /
Der nur der meynung nach / nicht in der that geſchah /
Gieng ihrem Celadon ſo ungemein zu hertzen /
Daß er das feld verließ / und voll entbrannter ſchmertzen
In eine wuͤſte lieff / allwo er lange zeit
Fuͤr vielen ſeuffzern ſchwieg: bald aber weit und breit
(Nachdem ein thraͤnen-guß die erſte regung ſtillte)
Die ausgeſpannte Lufft mit dieſen klagen fuͤllte:
Betruͤbter Celadon / was haſtu doch erlebt?
Ein liebes-faden ward mit weh und angſt gewebt /
Mit ſchmertzen wird er nun auch wieder abgeſchnitten.
Du haſt ſehr viel gehofft / noch aber mehr erlitten.
Ein tag ſchloß deinen geiſt in ſchwere ketten ein:
Itzt heiſt ein andrer dich frey / aber elend ſeyn.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Mich duͤnckt / ich kan den ort annoch im traume ſehn /
Wo unſer erſter blick / wo unſer kuß geſchehn.
Hier hat das liebe kind mir blumen abgepfluͤcket;
Dort hab ich ihren mund mit ſuͤſſer milch erqvicket.
Hier ſang / hier ſpielte ſie / dort weinte ſie fuͤr leid /
Und kuͤßte / da ſie ſchied / mich voller traurigkeit.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Die ſterne ſtrahlen ſehr / noch ſchaͤrffer Cynthia;
Doch lange nicht ſo ſchoͤn / als meine Sylvia.
Fuͤr ihrem munde muſt Aurora ſelbſt erbleichen;
Narciſſus durffte ſich nicht ihren wangen gleichen /
Ihr halß und ihre bruſt war ſchnee und elffenbein /
Ihr ſuͤſſes augen-licht ein ſteter ſonnen-ſchein.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Wenn ich mein morgen-brod mit ſaltz und thraͤnen /
So fiel ſie neben mich in das bethaute gras /
Und ſang / ob wolte ſie die gantze welt bewegen.
Die winde muſten ſich auff ihre ſeuffzer legen:
Die blitze ſtunden ſtill / und Phoͤbus trat die bahn
So offt er ſie erſah / mit vollen freuden an.
E 2O him -68Verliebte Gedichte.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Ihr qvellen / die ihr mich mit waſſer offt getraͤnckt /
Ihr wiſſt / wie ſehr ich mich durch lieben abgekraͤnckt:
Doch wolt ich gerne noch mein gantzes gut hingeben /
Koͤnt ich bey Sylvien nur arm und elend leben.
Ich lieſſe hauß und Hoff und alle ſchaafe ſtehn /
Und wolte / waͤr es noth / nach brodte betteln gehn.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Ach! (ſprach das arme kind beym ſcheiden fuͤr und fuͤr)
Mein liebſter Celadon / das hertze ſagt es mir /
Du wirſt mich heute wohl zum letzten mahle ſehen.
So wie ſie mir geſagt / ſo iſt es auch geſchehen.
Ein tag und eine nacht begraͤbet mich und ſie;
Sie todt und ohne ſchmertz / mich lebend und voll muͤh
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Ihr Goͤtter / ſaget nur / liegt ſie in eurer ſchooß /
So bitt ich ſie vielleicht durch meine ſeuffzer loß:
Hat ſie der feuer-ſchlund der ſchwefel-lichten hoͤllen /
So loͤſch ich ihre glut mit meinen thraͤnen-qvellen:
Und hat ſie endlich gar Neptunus tieffes hauß /
So zehr ich ſeinen ſtrohm durch meine flammen aus.
O himmel / erd und lufft / erhoͤret meine lieder!
Schafft meine Sylvia / ſchafft meine liebſte wieder.
Jedoch es iſt umſonſt / betruͤbter Celadon!
Der himmel hoͤret nicht mehr deiner lippen thon:
Der wald erzittert zwar fuͤr deinen ſchweren klagen;
Doch will er / was du fragſt / nicht mehr zuruͤcke ſagen.
Feu’r / waſſer / erd und lufft befoͤrdern deinen tod /
Und ieder augenblick mehrt deine ſterbens-noth.
Was ſinnſtu weiter denn auff ungereimte lieder?
Du kommſt zu Sylvien / doch ſie zu dir nicht wieder.
Als69Verliebte Gedichte.
Als ſie bey truͤbem ſturm-wetter ihre waͤſche bleichete.
KOmm ſanffter weſten wind / und brich den kalten norden /
Der heute mit gewalt durch alle gaͤrten ſtreicht /
Und macht / daß Solimen / da ſie die waͤſche bleicht /
Die ſtrahlen ihrer luſt ſind zu gewoͤlcken worden.
Vertreibe dieſen feind durch ein gelindes wehen /
Beut alle Zephyren zu deinen dienſten auff /
Und hemme ſeiner macht den vorgeſetzten lauff /
Der ſelber der natur will ihren weg verdrehen.
Die erde lieget ſchon der Solime zun fuͤſſen /
Und beut ihr klee und graß zum gruͤnen bleich-platz an;
Sie thut ihr ſelbſt gewalt / und ſchmuͤcket wie ſie kan
Ihr buntes ſommer-kleid mit tulpen und narciſſen.
Was ſaͤumſtu ſonne nun mit deinen heiſſen blicken?
Zerreiß der wolcken flor / beſtrahle deine braut /
Die dir der himmel ſelbſt von anfang anvertraut /
Und zeig ihr laͤnger nicht den ſo verhaßten ruͤcken.
Sie hofft / wie Solime / mit ſehnlichem verlangen
Auff dich und deinen ſchein / der beyden noch gebricht /
Drum oͤffne / wie du pflegſt / dein ſuͤſſes angeſicht /
Bevor der abend koͤmmt mit ſeiner nacht gegangen.
Denn tritt der mond hervor / der koͤnig aller ſterne /
Der werffe ſeinen ſchein / aus der gewoͤlbten hoͤh /
Auff den gebreiten zeug der ſchoͤnen Solime /
Und ſchaue / daß kein dieb ihr was davon entferne.
Aurora laſſe nichts als naſſe perlen thauen!
Die thraͤnen die ſie ſonſt verliehrt um ihren freund /
Den ſie / wie Solime den bruder / itzt beweint /
Die muͤſſe man / erwacht / auff allen tuͤchern ſchauen.
Wind / erde / ſonn und mond / Aurora / hoͤrt mein flehen!
Nehmt euch der Solime und ihres zeuges an.
Schuͤtz’t und bewachet es / ſo gut ein ieder kan /
Sonſt iſt es mehr um mich / als ihre luſt / geſchehen.
E 3Lie -70Verliebte Gedichte.

Liebes-Geſpraͤch.

Scelaten.
KOmm Chloris! komm! wie bleibſtu bey den fluͤſſen?
Wie haſtu dir den ſchlechten ort erkieſt?
Ich ſchaue zwar / daß ſtroͤhme ſich ergieſſen /
Doch ſchau ich nicht / was fuͤr die Chloris iſt.
Komm! ſuche auch / komm! ſuche glut und flammen /
Hier findeſt du was fuͤr die Chloris brennt.
Ich ſchwehre dir / daß alles hier zuſammen
Fuͤr einen Gott den ſchoͤnen leib erkennt.
Chloris.
Weg Scelaten! ich liebe dieſes rauſchen /
So dieſer fluß mit ſeinen fluten macht.
Ich mag ihn nicht vor einen ſinn vertauſchen /
Der ſonſten nichts / als mund und augen acht.
Ich bleibe hier befreyt von einem feuer /
So uns verzehrt und unſre ſinnen kraͤnckt;
Dein lieben iſt mir warlich allzutheuer /
Die freyheit wird ſo leichtlich nicht verſchenckt.
Scelaten.
Bleib ſchoͤner leib / laß die gewoͤlbten bruͤſte
Und deinen mund beſtreichen lufft und wind.
Ach! bleibe nur in dieſer oͤden wuͤſte /
Wo laub und graß dir zu geſpielen ſind.
Laß deine bruſt bey ſtock und ſtein veralten /
Und druͤcke hier die klaren augen zu.
Laß deine bruſt wie eiß und ſchnee erkalten /
Wenn eiß und ſchnee nicht waͤrmer ſind als du.
Chloris.
Laß meinen mund und meine bruͤſte fahren /
Ich weiß es wohl / daß beydes mit der zeit /
Und wohl vielleicht nach etlich wenig jahren
Wie laub und graß wird werden abgemeyt;
Diß alles ſoll die Chloris nicht bewegen
Zu folgen dem / was der und jener will:
Du bringſt mich nicht von dieſen keuſchen ſtegen /
Ich habe mir geſetzt ein ander Ziel.
Scelaten.
Du ſolt mein ziel noch dieſe ſtunde wiſſen /
Und was mein ſinn vor einen zweck erkennt:
Ein71Verliebte Gedichte.
Ein kuͤßgen muß ich dieſen tag genieſſen /
Zum zeichen / daß mein treues hertze brennt.
Bleib hier / bleib hier! itzt hab ich dich gefangen /
Reiß wie du wilſt / du trennſt das hertze nicht.
Mein arm umzirckt der lenden ſchoͤnſtes prangen /
Und dieſer mund deckt deiner augen licht.
Chloris.
Du haſt den Leib / doch warlich nicht die ſinnen /
Die bleiben ſtets auff ihrer alten bahn:
Drum aͤndre dich / und aͤndre dein beginnen /
Dis was du denckſt / iſt mir ein falſcher wahn.
Mein mund iſt weich / mein hertz iſt ſtahl und eiſen;
Die ſtirne brennt / die ſinnen nimmermehr.
Ich kan dir nicht ſo hohe gunſt beweiſen /
Du faͤngſt mich nicht / und jagſtu noch ſo ſehr.
Scelaten.
Es muß mein mund der Chloris lippen kuͤſſen.
Die / wie mich deucht / von roſen traͤchtig ſind.
Laß deine brunſt auff meine zunge flieſſen /
Und liebe mich / die keuſchheit iſt ein wind;
Ein gauckel-werck / ſo alle Luſt verruͤcket /
Ein falſche dunſt / die alles truͤbe macht.
Der liebet recht / der fleiſchlich ſich erqvicket /
Und in dem ſchooß des gaͤlen buhlen lacht.
Chloris.
Ich lache zwar / doch nur mit falſchem munde:
Der himmel wird der ſeelen zeuge ſeyn.
Was ſoll man thun? indem die boͤſe ſtunde
Uns endlich reiſt den edlen vorſatz ein.
Komm kuͤſſe mich / ſo kuͤß ich denn dich wieder /
Was hilfft uns denn zu bleiben ſtock und ſtein?
Auff Scelaten / der purpur meiner glieder
Soll dieſen tag zu deinen dienſten ſeyn.
Scelaten.
Du redeſt recht / die brunſt erfuͤllt die hertzen /
Und zuͤndet uns die geilen glieder an;
Itzt endet ſich die hoffnung mit den ſchmertzen /
Der bleibe keuſch / der nicht mehr lieben kan.
Ihr edles paar / ihr alabaſter huͤgel /
Kommt fuͤllet mir die euch geweyhte hand!
Genung / genung / itzt fallen zaum und zuͤgel /
Die liebe ſucht ein edler unterpfand.
E 4Chloris72Verliebte Gedichte.
Chloris.
Was ſchertzeſtu? Hier ſchaueſt du die bruͤſte /
Die Venus ihr zum zunder hat gemacht.
Hier findeſt du das paradieß der luͤſte /
Und was die brunſt zu ihrer wohnung macht.
Veruͤbe diß an mir / was dir die zeit befiehlet /
Cupido fragt: iſt denn noch nichts gethan?
Der wind der itzt mit meinen haaren ſpielet /
Lockt dich und mich zu dieſer kurtzweil an.
Scelaten.
Komm! ſchoͤner leib / vergoͤnne meinen armen
Die ſtellung dir zu weiſen / wie man muß
In geiler luſt erliegen und erwarmen;
Denn dieſes iſt gewiß dein erſter kuß.
Gedult! gedult! laß durch ein ſuͤſſes kuͤſſen
Den honigſeim / den Venus ſelbſt gemacht /
Doch unbeſchwert um deine lippen flieſſen /
Da wo die luſt mit hellen augen wacht.
Chloris.
Itzt liegen wir / und ſeuffzen bey den lachen /
Und ſehnen uns nach einer ſanfften flut /
Das ende wird des leibes ohnmacht machen /
Itzt wehret noch die angelegte glut.
Halt an! halt an! wir muͤſſen nicht erliegen /
Es zieht die luſt noch bey uns aus und ein.
Doch trachten wir daß keiner in der wiegen
Der edlen that verraͤther moͤge ſeyn.

Luſt-geſpraͤch zweyer hertzlich-verlieb - ten perſonen / vorgeſtellet unter einem ſchaͤfer und ſchaͤferin / Thyrſis und Pſyche genannt.

Thyrſis.
KEnnt Pſyche dieſe brunſt / und weiß mein treues lieben /
Warum wird Thyrſis dann zu keiner zeit vergnuͤgt?
Warum will man die luſt ihm weiter noch verſchieben?
Die luſt durch welche man der liebe brunſt beſiegt.
Denck Pſyche / daß dir diß nicht wird zum ruhm gereichen /
Daß du verliebet machſt / und ſteckeſt feuer an /
So du nicht loͤſchen wilſt. Laß dich mein kind erweichen!
Schenck mir die ſuͤſſe ſchooß / die mich ergetzen kan.
Pſyche.73Verliebte Gedichte.
Pſyche.
Mein Thyrſis deine brunſt iſt gar zu ſehr entzuͤndet /
Ich ſeh die flamme wohl / und deiner liebe glut /
Und wie du nur auff mich dein hoffen haſt gegruͤndet /
Doch glaube mir / du eilſt mit gar zu ſchnellen muth.
Geh in dich ſelbſt hinein / und uͤberleg es eben /
Erndt auch der ackersmann wohl eh’r den weitzen ein?
Und pflegt der wintzer auch den wein wohl ehr zu heben /
Bevor ſie beyderſeits bemuͤht geweſen ſeyn?
Zwar weiß ich / daß du mich / mein Thyrſis ſtets geliebet /
Dein blick hat iederzeit mir deine gunſt gezeigt.
Dein geiſt hat ſich mit mir erfreut und auch betruͤbet /
Ich muͤſte ſteinern ſeyn / waͤr ich dir nicht geneigt.
Ich ſag es noch nicht all; Ich bin dir zwar gewogen /
Doch hat dein edler ſinn mich auch verliebt gemacht.
Ich hab aus deinem mund die liebe ſelbſt geſogen /
Als Amor dich zu erſt mir zu geſichte bracht.
Diß alles reitzt mich zwar / dein bitten zu vergnuͤgen /
Doch haͤlt mich anderſeits die furcht und hoffnung ab;
Der luͤſte blauer dunſt / der ſoll mich nicht betriegen /
Weil ich die tugend mir zum zweck geſetzet hab.
Thyrſis.
Was hilfft michs / daß dein mund ſo viel von lieben ſaget /
Ja daß er eitel treu und glauben mir verſpricht?
Wenn du / ſo offt ich dich nur um ein ja gefraget /
Mir den beſcheid ertheilſt: Ich will und thu es nicht.
Die that die iſt gewiß zu ſchlimm ſie zu beſchoͤnen /
Auch kan der grauſamkeit ſo gar kein deckel ſeyn;
Was du hier ſuchſt von furcht und hoffnung zu erwehnen /
Es ſind gefaͤrbte wort / und nichts als leerer ſchein.
Denn iſt dein geiſt mit mir in einigkeit verbunden /
So ſey in hoffen auch bey uns kein unterſcheid;
Nun hab ich in der that / ihr weiber / wahr befunden /
Daß ihr in worten ſo / und ſo in hertzen ſeyd.
Ja / wolteſt du dich nur recht in die liebe finden /
So wuͤrdeſt du alsdenn in keiner furcht mehr ſtehn.
Wer liebt / der kan die furcht und hoffnung uͤberwinden /
Und mitten in gefahr mehr als zu ſicher gehn.
Wir wolten unſrer luſt in lieb und ruh genieſſen /
Es ſolte keiner nicht ein woͤrtgen ſagen nach;
Wer wuͤrde wohl von uns und unſrer liebe wiſſen /
Wenn wir alleine ſeyn bey jener ſtillen bach?
E 5Bey74Verliebte Gedichte.
Bey jener ſtillen bach / da unſre heerde weidet /
Und keinem / auſſer uns / zu huͤten iſt vergunt;
Da ſich das bunte feld von gruͤnen buͤſchen ſcheidet /
Wenn Tellus tritt hervor mit dem belaubten mund.
Wohlan! ſo reiche mir den nectar deiner bruͤſte /
Und ſchencke mir die luſt mit vollem maaſſe ein.
Laß dieſen ort / da ich zum erſten mahl dich kuͤßte /
Auch itzo von genieß der liebe zeugen ſeyn.
Pſyche.
Halt ein / man pfleget nicht die frucht ſofort zu brechen /
Zu der uns nur geluͤſt. Wenn eine geile hand
Die roſſen rauben will / ſo pflegt der dorn zu ſtechen /
Darum wann Thyrſis liebt / ſo lieb er mit verſtand.
Er leite ſeinen ſinn auff zuͤchtige gedancken /
Und trete freche luſt mit fuͤſſen unter ſich;
Er laſſe ſeinen ſchritt nicht von der tugend wancken /
Und kaͤmpffe ſeinen kampff im lieben ritterlich.
Wir ſind bey weiten nicht ſchon aller furcht entbunden /
Das gluͤck iſt ungewiß / es fehlt noch viel daran.
Ob du / mein Thyrſis / gleich ein mittel haſt erfunden /
Daß unſre heimlichkeit kein menſch ergruͤnden kan.
Zwar iſt die rechte thuͤr zu unſerm vortheil offen /
Doch ſteht uns noch zur zeit nicht eben alles frey;
Was du bereits begehrt / muſt du als kuͤnfftig hoffen /
Die luſt / wenn ſie zu fruͤh / gebaͤhret ſpaͤte reu.
Wir wollen unterdeß hieran vergnuͤget leben /
Was uns der ſtille ort und unſre zucht verguͤnnt.
Ich will dir mund und hertz / und tauſend kuͤſſe geben /
Du ſolſt mein engel ſeyn / mein ſchatz / mein liebſtes kind.
Was uͤber dieſes iſt / das halt ich feſt verſchloſſen /
Es iſt von glaß gemacht / ruͤhrt mans / ſo bricht es bald;
Nur wir ſind uͤbel dran / ihr / wenn ihr es genoſſen /
Geht eurer wege fort / uns macht der kummer alt.
Denn ſchlaͤget uͤber uns angſt / noth und furcht zuſammen /
Ein ieder lacht uns aus / wir werden kinder-ſpott /
Es zeiget ieder ſtein von unſern geilen flammen /
Wir gehn mit ſchmach einher / und ſind lebendig tod.
Drum wenn du mich mit ernſt und rechter treue meyneſt /
So ſchaue / daß dein wunſch mir auch nicht ſchaͤdlich ſey /
Und biſt du in der that / wie du von auſſen ſcheineſt /
So bin ich des gewiß / und alles zweiffels frey.
Thyrſis.75Verliebte Gedichts.
Thyrſis.
Wenn deinen klugen geiſt und hochbegabten ſinnen /
(Als welchen es an witz und tugend nicht gebricht)
Ich nicht ſchon laͤngſt erkannt von auſſen und von innen /
So wuͤrd ein hartes wort dir itzt ſeyn zugericht.
Ich wuͤrd ein gantzes lied von deiner falſchheit ſingen /
Und wie dein kaltes hertz mit mißtraun angefuͤllt /
Ach unbewegliche! mich ſuchet umzubringen /
Indem dein hartſeyn mich mit trauer-flor umhuͤllt.
Denn wuͤrd ich ungeſcheut dir unter augen ſagen:
Kanſt du mit deinem tod denn nicht zufrieden ſeyn?
Muſtu mich noch zuvor mit tauſend martern plagen?
Eh in dem grabe mich dein grimm geſencket ein.
Soll denn mein treues hertz und ungefaͤrbtes lieben /
Das die beſtaͤndigkeit als meiſterin regiert /
Durch deinen argwohns-wind ſtets werden umgetrieben /
Bevor du weder fleck noch fehl an mir verſpuͤrt?
Wohlan! ſo will ich gern mit meinem tod bezeugen /
Daß du / o grauſame! mir weit zu viel gethan;
Doch ſoll ſich auch dein ruhm zugleich zur erden beugen /
Wenn man die urſach wird des todes ſehen an.
So wuͤrd ich ohngefehr dich angeredet haben /
Wenn mir nicht deine treu und neigung waͤre kund;
Nun aber ſeh ich mehr auff deiner klugheit gaben /
Und trau dem hertze zwar / nicht aber deinem mund.
Dein hertze laͤſſet dich nicht argwohn auff mich tragen /
(wiewohl dein mund von nichts als furcht und zweiffel ſpricht)
Und was du pflegſt von uns und unſrer liſt zu ſagen /
Das / wie ich ſicher weiß / iſt nicht auff mich gericht.
Die liebe die mich hin zu deinen fuͤſſen leget /
Iſt nicht von geſtern her / ich haſſe ſolchen brand /
Der ſich in unſrer bruſt von ohngefehr erreget /
Und alſofort verleſcht / faſt eh wir ihn erkannt.
Zwar als ich deine zier und dich zum erſten ſahe /
Empfand ich alſofort von oben einen zug;
Es war was ſeltenes / das damahls mir geſchahe /
Doch war bey weitem es zur liebe nicht genug.
Ich fieng nur nach der hand und mehlich an zu brennen /
Biß endlich mit der zeit mein feur zum ſtande kam.
Drum wird man kuͤnfftig auch mein lieben ewig nennen /
Weil es durch lange zeit recht wurtzeln an ſich nahm.
Ich kan dich nun nicht mehr / als du beſorgſt / verlaſſen;
Ich habe / Pſyche / dich mir zu gewiß erkieſt.
Ich76Verliebte Gedichte.
Ich bin dir ewig hold / ich kan dich nimmer haſſen /
Weil du mein auffenthalt und mein vergnuͤgen biſt /
Laß du nur einen blick auff meine ſcheitel ſchieſſen /
Und dencke: Thyrſis iſt es endlich noch wohl werth.
Man laß ihn / was er laͤngſt ſo ſehnlich hofft / genieſſen /
Die braut bleibt billig dem / der treulich liebt / beſchehrt.
Pſyche.
Iſts mit dir ſo bewandt / und wilt du’s alſo haben?
Das haͤtt ich nicht gedacht! Nein / Thyrſis iſt kein kind;
Er iſt bereit zu klug / und hat zu freye gaben /
Dergleichen einer nur bey frommen kindern findt.
Er kan von ſeiner lieb ein hauffen worte machen /
Ich muß ihm endlich doch nur zu gefallen ſeyn /
Und glauben ſeinem mund / und allen ſeinen ſachen.
Wie ſchleicht ſo unvermerckt die liebe bey mir ein?
Doch will ich dieſes noch hiermit voraus bedingen /
Daß er nur mir allein hinfort ergeben ſey /
Und ſich bemuͤh / dahin die meinigen zu bringen /
Daß ſie mich ehelich ihm kuͤnfftig legen bey.
Thyrſis.
Mein thun iſt dein befehl / dein wollen mein vergnuͤgen;
Ich ehre deinen ſpruch / und deine treffligkeit.
Wer wolte ſich wohl nicht fuͤr einer goͤttin ſchmiegen /
Die ſo gar guͤtig ſich zu unſrer huͤlff erbeut?
Sagt mir / ihr Najaden / was hier vor goͤtter wohnen?
Ich ſeh ein goͤtter-bild / und weiß nicht wie es heißt:
Es ſcheint / es habe ſich / mein lieben zu belohnen /
Die Venus ſelbſt verſteckt in Pſychens edlen geiſt.
Ich glaube / dieſer ort und luſtige geſtaden /
Die ziehen gar vielleicht die goͤtter zu ſich her;
Pflegt ſich die Venus auch bißweilen hier zu baden?
Vielleicht iſt euer bach ihr lieber als das meer.
Ich bleibe noch darbey / ich muß dich goͤttlich nennen /
Dein auge bildet mir die Juno ſelbſten vor.
Es moͤchte Jupiter vor deiner liebe brennen /
So hoch ſchwingt / Pſyche / ſich dein edler glantz empor.
Die wollen-weiche hand / und deren zarte finger /
Die geben nichts nicht nach Minerven ihrer zier;
Der weiſſen bruͤſte paar / die allerliebſten dinger /
Derſelben ſchoͤnheit geht weit Aphroditens fuͤr.
Dein wohlgeſetzter fuß / und rund-gewoͤlbte waden /
Die zeigen einen ſchnee / der unſre ſeel erqvickt /
Der -77Verliebte Gedichte.
Dergleichen Thetis auch / wenn ſie ſich pflegt zu baden /
bald aus der ſee erhebt / bald wieder unterdruͤckt.
Wie gluͤcklich mag der ſeyn / der deine ſchoͤnheit ſchauet?
Wie ſelig aber der ſo deine rechte kuͤßt?
Ja welcher ſeine luſt auff deinen bruͤſten bauet /
Da glaͤub ich / daß gewiß derſelb halb goͤttlich iſt.
Ach ſolte ſich mein fuß mit deinen ſchenckeln paaren /
Und lieſſeſt du / mein kind / mich voͤllig zu dir ein!
Was meynſt du wuͤrde mir alsdenn wohl wiederfahren?
Ich wuͤrde gar vielleicht mehr als unſterblich ſeyn.
Pſyche.
Ich geh in einem meer / das voll verwunderns / unter /
Vor ſachen / die ich nicht verſteh / erſtarr ich recht;
Bald komm ich aus mir ſelbſt / bald werd ich wieder munter /
Weil kein geborgtes lob mir meine ſinnen ſchwaͤcht.
Wie iſt es? ſucht dein mund mich etwan zu bethoͤren?
Weil er ein iedes wort mit ſchmeichel-farbe ziert.
Sag an / was iſt es denn? ich muß es endlich hoͤren;
Denn wer zuvor nicht beicht / der wird nicht abſolvirt.
Thyrſis.
Komm / meine ſchoͤne / komm! Hier unter dieſen fichten /
Das / was ich ſagen will / geht mich und dich nur an.
Pſyche.
Was wilt du da mit mir / du loſer ſchalck / verrichten?
Ich weiß nicht / ob ich dir ſo leichtlich trauen kan.
Thyrſis.
Komm nur / du wirſt es ja ſchon ſelbſt bey zeiten ſehen /
Und fuͤrchte dich vor nichts / dieweil ich bey dir bin.
Pſyche.
Ja eben fuͤrcht ich mich vor dir mit dir zu gehen.
Doch mag es ſeyn gewagt. Ich folge deinem ſinn.
Thyrſis.
Mein / ſetze dich zu mir hier unter dieſen eichen /
Wo uns die Flora ſelbſt ein buntes kuͤſſen ſchenckt.
Pſyche.
Was nimmſt du kuͤhner vor? was ſuchſt du zu erſchleichen?
Daß unter meinem rock ſich deine rechte ſenckt.
Thyr -78Verliebte Gedichte.
Thyrſis.
Es kam von ungefehr / und hat nichts zu bedeuten /
Hat doch ein braͤutgam diß der braut wohl eh gethan.
Pſyche.
Ich bin zu jung darzu / drum lauff ich weg bey zeiten.
Nein / freund! es geht bey mir dergleichen ding nicht an.
Thyrſis.
Fleuch nicht / du moͤchteſt ſonſt die goͤtter zornig machen.
Es iſt Cupido ſelbſt und Venus mit im ſpiel.
Pſyche.
Die goͤtter kenn ich nicht / ich muß nur ihrer lachen /
Die mutter und der ſohn die thun mir gleiche viel.
Thyrſis.
Wohlan! ſo lerne ſie anitzo denn erkennen.
Es lebt und liebt die welt allein durch ihre gunſt.
Pſyche.
Doch ſorg ich / moͤchten ſie mich gantz und gar verbrennen /
Man ſagt / ihr weſen ſey ein feur / ihr arbeit brunſt.
Thyrſis.
Diß feuer zuͤndet an die angenehmen flammen /
Durch welche ſich bey uns ein neuer Phoͤnix zeigt.
Pſyche.
Laß mich / wir kommen ſonſt noch wohl einmahl zuſammen /
Schau / wie ſich allbereit der tag zum ende neigt.
Thyrſis.
Itzt gehet Phoͤbus hin / der ſee ſich zu vermaͤhlen /
Die beſte buhler-zeit iſt / wenn der tag gebricht.
Pſyche.
Du magſt nach deiner art die zeit und ſtunden zehlen /
Ich hab hier nichts zu thun / von buhlen weiß ich nicht.
Thyrſis.
Das / was du nicht verſtehſt / kanſt du von mir itzt lernen.
(Verleihe Venus mir von oben deine krafft!)
Pſyche79Verliebte Gedichte.
Pſyche.
Ihr goͤtter ſteht mir bey / ach helfft ihr guͤldne ſternen!
Wo nicht / ſo iſts geſchehn mit meiner jungferſchafft.
Thyrſis.
Nach deiner jungferſchafft wird Jupiter nichts fragen.
Aus jungfern hat er ſelbſt offt manche frau gemacht.
Pſyche.
Wenn Jupiter nicht hoͤrt / will ichs den andern klagen:
Diana rette das / was ich dir zugedacht.
Thyrſis.
Ach lerne dich / mein kind / nur in die weiſe ſchicken /
Dein ruffen iſt zu ſpaͤt / die goͤttin hoͤrt dich nicht.
Pſyche.
Dieweil es mir denn nicht will wider dich geluͤcken /
Wohlan! ſo ſey mein ſinn zu deiner luſt gericht.
Thyrſis.
Ich gebe dir dafuͤr mein haus und hoff zu lohne /
Hilff nur / daß unſre luſt anitzt vollkommen ſey.
Pſyche.
Mich deucht es iſt genung zu einem jungen ſohne.
Hoͤr auff! du legeſt mir zu groſſe ſchmertzen bey.
Thyrſis.
Die ſchmertzen toͤdten nicht / ſie ſind zu uͤberwinden /
So offt man weiber macht / ſo thuts den jungfern weh.
Pſyche.
Laß ab / mein liebſter ſchatz / dich gar zu tieff zu gruͤnden /
Auff daß mein leben nicht mit deiner luſt vergeh.
Thyrſis.
Verzieh / es wird ſich itzt der ſuͤſſe thau ergieſſen /
Ich mercke / wie die luſt zu meinen adern dringt.
Pſyche.
Und ich fuͤhl honigſeim in meinem buſen flieſſen /
Die wolluſt macht mich ſatt
Thyr -80Verliebte Gedichte.
Thyrſis.
Mich hat ſie ſchon umringt.
Ach ſchatz! ach! ach!
Pſyche.
Mein kind! ach liebſter! ach mein leben!
Iſt das nicht zucker-luſt?
Thyrſis.
Ach ich bin gantz entzuͤckt!
Pſyche.
O ſuͤſſer lebens-thau! den mir mein ſchatz gegeben.
Thyrſis.
O ſuͤſſer lebens-qvell / wie haſt du mich erqvickt!
Pſyche.
Es iſt mir meine bruſt vor wolluſt auffgeqvollen /
Die huͤgel huͤpffen mir vor freuden noch empor.
Thyrſis.
Mein gantzer leib der iſt von vieler brunſt zerſchwollen.
Nachdem mir deine gunſt geoͤffnet hat das thor.
Pſyche.
So haſt du Thyrſis doch noch uͤber mich geſieget /
Dieweil in meiner ſchooß dein ſieges-zeichen ſteckt.
Thyrſis.
Den ſieg hat dir vielmehr der himmel zugefuͤget /
Der mich fuͤr deine knie gefangen hingeſtreckt.
Pſyche.
Diana zuͤrne nicht / daß ich mit Amors waffen /
Als andre krafft gebrach / zu felde gangen bin.
Thyrſis.
Wenn gleich Diana zoͤrnt / kan Venus doch verſchaffen /
Daß dir nicht ſchaͤdlich ſey ihr hart erboſter ſinn.
Pſyche.81Verliebte Gedichte.
Pſyche.
Auff! auff! wir muͤſſen fort / es rauſcht dort bey den baͤchen /
Wer weiß / was jener baum fuͤr einen ſchleicher hegt?
Thyrſis.
Die fichten wollen ſich von unſrer luſt beſprechen /
Weil ſie der kuͤhle weſt durch ſeine macht bewegt.
Pſyche.
Ich muß nun wieder hin zu unſern ſchatten eilen /
Die Phillis rufft mich ſelbſt / leb wohl / o meine zier!
Thyrſis.
Dieweil du denn allhier nicht laͤnger kanſt verweilen /
So nimm vor dieſesmahl den letzten kuß von mir.
Pſyche.
Ich muß dem leibe nach dir itzt zwar abſchied geben /
Doch mein verliebter geiſt wird allzeit bey dir ſeyn.
Thyrſis.
Leb wohl / und liebe wohl / und leide wohl / mein leben!
Und dencke: Treue lieb iſt nimmer ohne pein.
1.
IHr augen fließt! beweint den nahen tod /
Fließt / weil noch eure thraͤnen waͤhren /
Und ſparet nicht in meiner letzten noth
Die letzten tropffen heiſſer zaͤhren.
Ihr augen fließt! das uͤber groſſe weh
Erfodert eine thraͤnen-ſee.
2.
Mein krancker geiſt / der ſchmertzlich jenesmahl
Den grimmen liebes-pfeil empfunden /
Der ſtirbt anitzt in unerhoͤrter qvaal /
Erleget durch des todes-wunden.
Ihr augen fließt! das uͤbergroſſe weh
Erfodert eine thraͤnen-ſee.
F3. Eh82Verliebte Gedichte.
3.
Eh dieſe glut mich gantz zu aſche macht /
Eh angſt und jammer mich ausſaugen;
Eh mich befaͤllt des groſſen todes nacht /
So weinet noch zuvor / ihr augen.
Ihr augen fließt! das uͤber-groſſe weh
Erfodert eine thraͤnen-ſee.
4.
Doch muͤſſen es nicht ſchlechte thraͤnen ſeyn /
Die ihr / ihr augen / laſſet flieſſen;
Ihr muͤſſet euch in dieſer todes-pein
In einen ſtrohm von blut ergieſſen.
Ihr augen fließt! das uͤber-groſſe weh
Erfodert eine thraͤnen-ſee.
Sinn -83

Sinn-Gedichte.

Auff Griſillen.
GRiſillens tochter kam zu ihren reiffen jahren /
Und wuͤnſchte hertzlich ſich mit einem mann zu paaren /
Die freundſchafft war alsbald auff guten rath bedacht.
Eilff ſchneider ſaſſen da zuſammen wie die ziegen /
Und wolten mit gewalt den ausſpruch ſo verfuͤgen /
Daß ihr ein ſchneider wuͤrd zum manne zugebracht.
Sie waren gantz verpicht auff ihren ernſten willen /
Und ſuchten mit gewalt das dutzend auszufuͤllen.
Nur einer fehlte noch / das ſolt ein ſchneider ſeyn;
Allein es war umſonſt / des himmels ſchluß ſprach: nein.
Als man das dutzend nun nicht konte voll bekommen /
Hat an des ſchneiders ſtatt man einen bock genommen.
*Dieſes war des braͤutigams name.
An Mirtillen.
MIrtille ſtellte ſich / als ob ſie nicht verſtanden /
Was ich ihr vorgeſagt von meinen liebes-banden.
Nun weiß ich wie es kommt / daß ſie mich nicht verſteht:
Sie kennt die ſprache nicht / die aus dem munde geht.
Wer mit ihr reden will / der muß die ſitten brechen /
Und mit den haͤnden nur / nicht mit den lippen ſprechen.
F 2Auff84Sinn-Gedichte.
Auff einen Hahnrey.
DIe hoͤrner traͤgt der mann / das weib verdienet ſie.
Das tragen bringt ihr luſt / ihm lauter laſt und muͤh.
Sie fuͤhlt die hoͤrner wohl / und wird dadurch erqvicket;
Er aber fuͤhlt ſie nicht / und doch wird er gedruͤcket.
Allein ſo ſchwer ſie ſind / wird doch bißher geglaubt /
Daß er ſie tragen muß als ſeines weibes haupt.
Auff Lucien.
DIe karge Lucie hat juͤngſt ein ſchwein geſchlacht /
Das ſie ein gantzes jahr von eignem koth ernehret;
Hiernaͤchſt hat ſie ein huhn von ſpeichel fett gemacht /
Das taͤglich ihr ein ey zur friſchen koſt gewaͤhret.
Offt nimmt ſie noch dazu von ihres ſchweines ſpeck;
Wer ſagt nun / daß ſie nicht frißt ihren eignen dreck?
Und daß ſie nicht vor geitz ſich in ſich ſelbſt verzehret?
Grabſchrifft Henrici IV. Koͤnigs in Franckreich.
ICh bin durch ſchimpff und ernſt zu meinem reiche kommen /
Ein unerhoͤrter mord hat mir es weggenommen.
Was halff mich / was ich lied? was halff / was ich gethan?
Nachdem ein meſſer mehr als eine meſſe kan.
Frie -85Sinn-Gedichte.
Friederichs / Koͤniges in Boͤhmen.
MIch hat die Venus mehr als Jupiter gekennt /
Die flamme kommt von mir / ſo noch in Deutſchland brennt.
Ach daß mein junger ſohn doch nicht erfahren haͤtte /
Daß hoͤher iſt ein thron / als der gemahlin bette.
Des Hertzogs von Alba.
HIer liegt der wuͤterich / ſo nichts von ruh gehoͤrt /
Biß ihn der bleiche tod ein neues wort gelehrt;
Er brach ihm ſeinen hals / und ſprach: du muſt erbleichen /
Sonſt werd ich dir noch ſelbſt im wuͤrgen muͤſſen weichen.
General Wallenſteins.
HIer liegt das groſſe haupt / ſo itzt wird ausgelacht;
Viel wiſſen mehr von mir / als ich iemahls gedacht.
Doch wuſt ich / daß ein ſtein nicht leicht ein ſtern kan werden /
Ein ſtein / wie hoch er ſteigt / faͤllt endlich zu der erden.
F 3Lipſii.86Sinn-Gedichte.
Lipſii.
MIch fuͤhrt die kluge welt im hertzen / mund und hand /
Zu Flandern ruht der leib / den ruhm behaͤlt Braband.
Man lobte noch weit mehr die hoheit meiner ſinnen /
Wenn ich im alter nur zwey weiber laſſen koͤnnen.
*Verſtehet ſeine 2. buͤcher: Maria Aſpricollis & virgo Hallenſis.
Auff eine Nonne.
MAn nahm mir meinen ſchmuck / und ließ mir fleiſch und blut /
Man ſchnitt die haare weg / und ließ mir meine glut.
Im beten hat mir ſtets der glaube ſehr behaget /
Weil er von aufferſtehn des fleiſches etwas ſaget.
Eines tadelhafftigen Moͤnchs.
ICh glaubt / und weiß nicht wie / ich ſang / und weiß nicht was.
Mein teuffel war ein buch / mein heiligthum ein glaß.
Mein tod die faſten-zeit / die kirche meine hoͤlle.
Ich ruffe hier zu Gott / wie vor in meiner zelle.
Grab -87Sinn-Gedichte.
Grab-ſchrifft auff den Hertzog / Jacob von Monmouth / welchen Koͤnig Jacobus II. von Engelland am tage Jacobi enthaupten laſſen.
Du wuſteſt / daß kein reich zwey ſonnen leiden kan;
Doch ſpann dein aberwitz ein liederlich gewebe.
Drum ſetzt man dir ein beil mit dieſen worten an:
Stirb / kleiner Jacob / ſtirb / auff daß der groſſe lebe!
Eines erſoffenen Maͤurers.
ICh fuͤhrte haͤuſer auff / bewahrte ſarg und bein /
Die ſtaͤdte ſchloß ich auch in feſte mauern ein;
Doch kan ich meinen reſt in keine mauer faſſen /
Weil ich das rechte maaß zum grunde hinterlaſſen.
Sonnet an Mirabellen.
ES wundert mich nicht ſehr / daß Golgerus Melinden
Bald Mirabelle taͤufft / bald ein vergoͤttert kind;
Weil ihre zierden ja faſt mehr als goͤttlich ſind /
Die auch ſchon ſchimmernd ſtroh ſind maͤchtig zu entzuͤnden.
Der glieder haut gleicht ſich der weichſten bircken-rinden /
Der augen gold / das faſt den agtſtein uͤberwindt /
Aus denen thraͤnen-ſaltz / wie fette milch abrinnt /
Iſt gut / daß Venus ihr daraus laͤßt fackeln winden.
Ihr haar / der liebes-ſtrick / iſt weiſſer als der ſchnee /
Die lippen doͤrffen nicht den blauſten veilgen weichen /
Kein mahler kan ſo gut das wang als ſie beſtreichen;
Den bruͤſten mangelt nichts als eine runde hoͤh /
Das rothe feuer ſtrahlt ihr ſichtbar aus den augen.
Warum denn ſolte ſie dem Golgerus nicht taugen?
F 4Uber88Sinn-Gedichte.
Uber das kupffer-bild Sr. Excellentz / des Herrn geheimden Raths von Danckelmann.
D iſt das wunder-bild des theuren Danckelmann.
Hoff / Muſen / land und volck fieng einen wett-ſtreit an /
Und ieder ſehnte ſich nach ihm und ſeinen gaben.
Drum trat Apollo ſelbſt als richter auff / und ſprach:
Es ſoll ihm Friederich dem leib und geiſte nach /
Die Muſen in der ſchrifft / das volck im kpffer haben.
Ein anders.
SChaut / buͤrger! dieſes iſt der treue Danckelmann.
Diß bild zeigt ſein geſicht und ſeine minen an;
Das wapen ſeine treu und unverdroßnes wachen.
Wer aber mahlet uns den wunder-groſſen geiſt?
Das kanſt du / Friederich; dann du alleine weiſt /
Wie man der tugend ſoll ihr wahres bildniß machen.
Noch ein anders.
SChreib / ſprach die Poeſi: Ja / ſagt ich / wo ich kan.
Schreib / ſprach ſie / dieſes nur: Der treue Danckelmann.
Auff89Sinn-Gedichte.
Auff den Koͤnig in Franckreich / als er Straßburg wegnahm.
IHr deutſchen ſaget doch zu euren nachbarn nicht /
Daß Franckreichs Ludewig den frieden mit euch bricht /
Indem er Straßburg nimmt. Er ſpricht: Es iſt erlogen /
Ich hab euch nicht bekriegt / ich hab euch nur betrogen.
Auff das verbuͤndniß des Koͤnigs in Franckreich mit dem Tuͤrcken.
DIe welt verwundert ſich / warum der Saracen
An Franckreich buͤndniß ſucht / und Franckreich es beliebet:
Noch mehr / das Ludewig ihm ſelber lehren giebet /
Wie er den Chriſten recht ſoll in die flancken gehn.
Verwundert euch nur nicht / und lebet ohne ſorgen:
Ihr wißt / daß Ludewig will eine ſonne ſeyn /
Die Tuͤrcken find der mond; druͤm trifft es billig ein:
Ein monde muß ſein licht ja von der ſonne borgen.
Auff das bildniß des Koͤnigs in Franck - reich / und die dabey brennende lampen.
ES ſah einſt ein ſoldat des koͤnigs bildniß an /
Auff dem die ſchmeichler ihn ſo hoch heraus geſtrichen.
Er merckt und ſchalt zugleich den thorheits-vollen wahn /
Daß Ludwig durch und durch der ſonne war verglichen.
F 5Und90Sinn-Gedichte.
Und endlich ſah er auch der lampen hellen ſchein /
Die um die ſaͤule ſtehn: Ha! ſprach er / voller lachen /
Wenn unſer koͤnig ja will eine ſonne ſeyn /
Was ſoll die ſonne denn bey den laternen machen?
Ein anders / auff eben dieſelbe bilder-ſaͤule.
DEr ſtoltze Ludewig zeigt hier / wie er gekriegt /
Wie er die feinde bindt / die er doch nie beſiegt /
Wie er den frieden giebt / den er doch ſchlieſſen muͤſſen /
Wie er die eintracht ſucht / die er doch ſtets zerriſſen;
Wie er ein land verſchenckt / das ihm niemahls gebuͤhrt.
Das aber zeigt er nicht / wie er die welt auffruͤhrt:
Wie er die kirche kraͤnckt / die er doch ſoll beſchuͤtzen;
Wie er auff Pabſt und Rom laͤſt ſeinen donner plitzen:
Den allerbeſten freund uͤm cron und ſcepter bringt /
Auff katzen ſteuren legt / ſein volck zu betteln zwingt /
Und fremde reiche ſucht / die ſeines faſt verſchlingen:
Was muß den koͤnig doch zu dieſer thorheit bringen?
Ich glaub / er laͤſt uns hier / weil nicht die that geſchehn /
Und ihm die krafft gebricht / nur ſeinen willen ſehn.
Ach aber armer held / verſpare deinen willen!
Man laͤſt ſich heute nicht mit leeren wollen fuͤllen.
Dein leben iſt uns ſchon ſo gut als dir bekandt:
Drum meide nur den ſchein und allen falſchen tand;
Die nachwelt moͤchte ſonſt / wenn ſie dein lob wird leſen /
Gedencken / dieſes bild ſey Leopold geweſen.
Ob91Sinn-Gedichte.
Ob Ludewig groͤſſer ſey als Alexander.
MAn ſpricht / daß du ſo groß als Alexander biſt /
Und manche meynen gar daß dieſer kleiner iſt.
Nun iſt es zwar gewiß. Ihr habet gleiche gaben /
Die ehrſucht trifft bey dir wie bey den Griechen ein;
Doch Alexander muß nothwendig groͤſſer ſeyn:
Denn jener hatte ſchon / was du noch erſt wilſt haben.
Auff die geburt des Printzen von Wallis.
ISt das nicht wunderlich! Printz Monmouth muſte ſterben /
Nun ſoll ein muͤller-kind den thron von England erben.
Wie ſtimmet doch der tauſch mit den geſetzen ein?
Doch Pater Peter iſt hier klug genug geweſen.
Er wolte / daß das reich geſtohlen ſolte ſeyn:
Drum hat er einen dieb zum Printzen auserleſen.
Auff die befreyung Engellands.
EIn rechter koͤnig flieht / eh man ihn noch verjagt /
Sein eidam hilfft ihm fort / den er doch ſtets geplagt /
Armee und Flotte faͤllt / bevor ſie wird geſchlagen;
Der nie das reich geſucht / dem wird es angetragen.
Und92Sinn-Gedichte.
Und dennoch fehlet es die rechten erben nicht.
Die kirche ſteht erloͤſt / die freyheit auffgericht:
Und was man in Paris durch ſo viel hundert wochen
Mit klugheit uͤberlegt / iſt nun wie glaß zerbrochen.
Mein leſer dencke nicht / aus furcht der prahlerey /
Daß dieſe that ein werck von hundert jahren ſey:
Diß alles was man hier dich laͤſt beyſammen ſehen?
Iſt eine zeit / ein jahr / und einen tag geſchehen.
Auff den tod Friederich Wilhelms / Churfuͤrſtens zu Brandenburg.
SChau Deutſchland! wo du kanſt fuͤr blut und thraͤnen ſehn
Es iſt um deinen ſohn und deine ruh geſchehn!
Denn Friedrich Wilhelm faͤllt und du mit ihm darnieder.
Beym kriege ward er jung / beym kriege ſtirbt er wieder.
Damahls zu rechter zwar / itzt zu verkehrter zeit:
Denn wer vermiſſet wohl nicht ſeine tapfferkeit?
Was dir in tauſenden kaum wieder wird gebohren /
Haſt du in einem hier auff einen tag verlohren.
Er hat am erſten uns die augen auffgethan /
Was / wenn die noth anbricht / ein deutſcher Churfuͤrſt kan.
Zwey reiche fiengen an fuͤr ſeiner macht zu wancken;
Zwey kronen haben ihm auch ihre ruh zu dancken;
Und zwey / die alle welt zum morden auffgeweckt /
Hat er / und zwar allein / durch ſeinen muth erſchreckt.
Viel freunde haben ihn / er ſelten ſie / verlaſſen:
Die feinde konten ihn / auch wenn er ſchlug / nicht haſſen;
Es kennt ihn Africa / und Stambol glaubte gar /
Daß er was mehrers waͤr / als er doch wuͤrcklich war;
Ja Franckreich wolte ſich nicht eh zu felde wagen /
Als biß es dieſen held ſah tod zu grabe tragen.
Jedoch verzweiffle nicht / geliebtes vaterland!
Sein geiſt hat ſich von dir nur darum abgewand /
Daß er / wenn deine noth einſt wird am hoͤchſten ſteigen /
Sich wie Elins kan im ſohne doppelt zeigen.
Auff93Sinn-Gedichte.
Auff die kroͤnung des Roͤmiſchen Koͤ - nigs Joſephi.
EUropa zanckte ſich und wolte gerne wiſſen /
Wer in Germanien noch wuͤrde koͤnig ſeyn.
Der ſtoltze Ludewig war aͤuſſerſt drauff befliſſen /
Wie er das deutſche reich moͤcht aus einander ſtreun:
Druͤm ſpahrt er weder geld / noch muͤh und ſchmeicheleyen /
Und both ſein eignes kind zu einem kaͤyſer an:
Wer / ſprach er / wird euch mehr / als dieſer Printz erfreuen /
Der ſo wie ich / die kunſt ſich zu vergroͤſſern kan?
Allein der himmel rieff: Behalte deine gaben /
Ich will ein Joſephs-Hertz und keinen Nero hal en.
Uber das kupffer-bild eines fuͤrneh - men und gelehrten mannes.
ZUrnt nicht / ihr Gratien / daß dieſer mund die krafft /
Die euch allein gebuͤhrt / ſo voͤllig eingeſogen.
Ihr Muſen zuͤrnet nicht / daß alle wiſſenſchafft
Von euren bergen iſt in dieſen kopff geflogen.
Zuͤrnt aber / wo ihr koͤnnt / kunſt / feder / ſtahl und wiſſen /
Daß ihr diß alles hier nicht beſſer abgeriſſen.
Hoch -94

Hochzeit-Gedichte.

Der verkleidete Cupido / bey Hoch - fuͤrſtl. Verloͤbniß ihrer Durchl. Eleonoren Erdmuth Louyſen / verwittbeter Brandenburgiſchen Marg - graͤfin von Anſpach / mit ſeiner Churfuͤrſtl. Durchl. von Sachſen / Johann Georgen dem Vierdten.
DIe ſchoͤne Marggraͤfin / die ieder alſo nennet /
Die auch die mißgunſt ſelbſt bey dieſem namen kennet /
Saß noch vor jener zeit in ihrem wittwen-flor /
Als ſie durch fruͤhen tod ihr eh-gemahl verlohr.
Sie lebte noch verwaͤiſt / und dacht es auch zu bleiben:
Nichts konte den verluſt aus ihrem hertzen treiben /
Sie ſchloß in einſamkeit die perlen-glieder ein /
Und wolte / wie ihr fuͤrſt / ihr abgeſtorben ſeyn.
Die atlas-reine bruſt / der purpur ihrer wangen /
Der augen lieblichkeit / des rothen mundes prangen /
Das ſternen-gleiche haupt / bewundert von der welt /
Lag / ihrem wunſche nach / verwarloſt und verſtellt /
Und ſolte keine gunſt ihr iemals mehr erwecken.
Wie aber konte ſie ſo hellen glantz verſtecken?
Ihr lieb-reitz war zu reich / ihr tugend-ruff zu groß /
Und ihre ſchoͤnheit wuchs / ie mehr ſie ſich verſchloß.
Sie weint / und dannoch war nichts ſchoͤners anzuſchauen /
Als der bethraͤnte mund der wehmuths-vollen frauen.
Die ungebaͤrden ſelbſt / von trauer ausgeſtreut /
Bewegten mehr an ihr / als andrer freundlichkeit.
Kurtz: dieſe weinende gefiel bey ihrer leichen.
Sie war in ihrer nacht der tulpen zuvergleichen /
Die man die
*In Franckreich hat man eine tulpe la Veuve die wittwe genannt / welche die ſchoͤnſte von allen tulpen iſt.
* wittbe nennt / und die auch unbemuͤht
Weit uͤber allen ſchmuck gepflegter tulpen bluͤht.
O was95Hochzeit-Gedichte.
O was erhub ſich da vor unerhoͤrtes ſehnen!
Was hertzen ſeuffzeten bey dieſer wittwen thraͤnen!
Gantz Deutſchland klagte ſich; Doch wer von liebe ſprach /
Vermehrte ſich und ihr des kummers ungemach.
Nur ein geruch davon ſchien ihr ein rechtes leiden:
Der ſchluß beſtand darauff / die liebe zu vermeiden /
Und allen lockungen auff ewig zu entflieh’n /
Zog ſie / zur ſicherheit / zum Brennus nach Berlin.
Wer haͤtte ſie allhier auch nicht befreyt geſchaͤtzet?
Allein welch hertz entrinnt / dem Venus nachgeſetzet?
Die Goͤttin / die vorlaͤngſt in eyferſucht entbrandt /
Weil ſie der Fuͤrſtin ruhm ſo wohl gegruͤndet fand /
Rafft itzund wider ſie verſtand und witz zuſammen /
Und ſann voll ungedult auff unverhoffte flammen.
Sie wuſte / daß zu uns / wie ſie es auch vernahm /
Der Sachſen junger held der fuͤrſtin wegen kam:
Und wie er iederzeit ſie allen vorgezogen /
Sie ihm auch ihrer ſeits vor andern war gewogen;
Da dachte Venus nun bey der zuſammenkunfft /
Diß / was nur freundſchafft hieß / durch liſtige vernunfft
Verwechſelt in ein band der liebe zu verſtricken /
Und diß entwehnte hertz auffs neue zu beruͤcken.
Sie rieff den liebes-gott urploͤtzlich an den thron /
Und ſprach / mit einem ernſt: mein ſehr geliebter fohn /
Du weiſt / was ich und du an der Eleonoren /
Der ſchoͤnen Marggraͤfin fuͤr eine braut verlohren.
Man ſieht daß ſchon die welt ſie uͤber mich erkenn /
Ihr frauen-zimmer gilt wie meine Gratien.
Johann George ſelbſt muß ſich in zweiffel graͤmen /
Und ſind wir dann zu ſchwach uns ſeiner anzunehmen?
Wie? Iſt es nicht genug / daß ſie der Venus gleich?
Daß ſie mein antlitz traͤgt / begehrt ſie auch mein reich?
Will ſie gar uͤber mich mit ihrer freyheit ſiegen?
O nein / ſie oder ich muß heut darnieder liegen.
Dieweil ihr oͤffentlich nicht beyzukommen iſt /
So gelte dann mit recht betriegerey und liſt.
Geh / lege ſchnell von dir die ſilber-weiſſen fluͤgel;
Und nimm / verdeckt zu ſeyn / vor meinen zauber-ſpiegel /
Die aͤhnligkeit und tracht von ihrem printzen an /
Fuͤr den man ohne dem dich leicht erkennen kan.
Du weiſt / daß ſie ihn offt auff ihren armen traͤget /
Daß ſie / zu ihrem troſt / ihn offt zu kuͤſſen pfleget.
Wenn nun ſie einſt vergnuͤgt von einem feſte faͤhrt /
So folge du ihr nach / und zeige deinen werth.
Laß96Hochzeit-Gedichte.
Laß / wenn ſie dich / fuͤr ihn / wird in die arme ſchlieſſen /
Den unvermerckten gifft ihr in die adern flieſſen.
Vertilge / wie du kanſt / durch neu erregte glut /
Des todten fuͤrſtens bild / der uns noch ſchaden thut.
Ich will darauff im traum den geiſt zugleich entzuͤnden /
Und die gedancken auch an unſern helden binden.
So daß / wenn ſie erwacht / ſie ihn zwar unmuths voll /
Doch / was ſie immer thut / vor augen finden ſoll.
Den printzen werd indeß ich auffzuhalten wiſſen.
Cupido / hoͤchſt erfreut der fuͤrſtin mund zu kuͤſſen /
Ob gleich der ſtaͤrckſte gott / ward innerlich erregt /
Und hatte kaum daheim die fluͤgel abgelegt /
Als er ſchon mit dem printz / der knabe mit dem knaben /
Art / weſen / auch das haar fand uͤberein zu haben.
Er kleidete ſich nur und eilte nach dem ſaal /
Wo eben ſeinem gaſt ein reiches freuden-mahl /
Wie er zu thun gewohnt / der groſſe Brennus machte /
Und wo auch unbeſorgt die fuͤrſtin ſchertz’t und lachte.
Es lieff der falſche printz / indem der rechte ſchlieff /
(Diß war der Venus trug) als wenn er muͤßig lieff;
Doch hatte man ſo bald nicht dieſes feſt verlaſſen /
Als man ihn an dem rock ſah ſeine mutter faſſen.
Erſt kuͤſt er ihr die hand / und deckte ſo den fund;
Sie / die ſich nichts verſah / druckt ihn auch an den mund.
Sie nahm ihn auff die ſchooß / nachdem ſie heimgekommen /
Eh aber er von ihr den abſchied noch genommen /
Bracht der vermeynte ſohn mit ſuͤſſer ſchmeicheley
Das ſchlau-verſteckte feur im letzten kuße bey.
Hilff himmel / wie erſchrack die fuͤrſtin nach dem ſpiele!
Als ſie / wie ſie denn zart von adern und gefuͤhle /
So fort den fremden trieb in ihrer bruſt geſpuͤhrt /
Der ſeit der erſten eh nicht deren hertz beruͤhrt.
Sie dachte bey ſich ſelbſt: Gewogen ſeyn und lieben
Iſt ja ein unterſcheid; wo bin ich dann geblieben?
Die regung / die mich ſtoͤrt / kommt nicht von freundſchafft her;
Es iſt ein liebes-zug / und meiner traur zu ſchwer.
Hab ich mich wo verſeh’n? Hab ich mich wo vergeſſen?
Und dachte nicht an den / der auff dem ſchooß geſeſſen.
Hingegen Venus liſt / die alles diß gethan /
Und nun diß ſchwere werck gantz auszufuͤhren ſann /
Ließ einen tieffen ſchlaff / in vollen ſtreit und wallen /
Auff dieſer fuͤrſtin bruſt und ihre ſorgen fallen.
Sie wieß ihr in dem traum / ſo angenehm man mag /
Wie ihr verliebter fuͤrſt zu ihren fuͤſſen lag;
Wie97Hochzeit-Gedichte.
Wie er vielmehr verlangt dem todten nachzuſterben /
Als nicht an ſeiner ſtatt ihr hertze zu erwerben.
Er bat / und ob ſie gleich ihm wenig hoffnung gab /
Ließ er dennoch im traum nicht von dem bitten ab /
Biß Venus endlich ſelbſt / ſie voͤllig zu verſuͤhnen /
In unſrer Churfuͤrſtin geſtalt und glantz erſchienen:
Die liebes-goͤttin kommt / ſprach Venus alſobald /
In deiner freundin pracht und herrlichen geſtalt;
Theils / daß ich nicht gewuſt was hoͤhers anzulegen /
Theils auch durch ihren mund dich leichter zu bewegen.
Gib den verwirrten geiſt / o Fuͤrſtin / doch zur ruh /
Und ſchreibe dieſen zug ja nicht den menſchen zu.
Du muſt / was du empfindſt / nur in den ſternen leſen /
Und der auff deiner ſchooß iſt nicht dein ſohn geweſen.
Weil du mit deiner traur ſo lange widerſtrebt /
Hat dir Cupido ſelbſt verkleidt diß netz gewebt.
Wem endlich wilſt du noch die beſten jahre ſparen?
Erwarteſt du zuruͤck die in das grab gefahren?
Die todten kuͤmmern ſich um unſre treue nicht /
Lenck auff die lebenden dein himmliſches geſicht.
Es hat ein groſſer Fuͤrſt mit ruhm um dich geworben /
Und der erſetzt zu wohl / was dir iſt abgeſtorben.
Er iſt in dich verliebt / er giebt dir hertz und Chur /
Die weißheit / die ihn fuͤhrt / haͤlt deiner tugend ſpuhr.
Und damit ſeine gunſt nie wiſſe zu erkalten /
Will ich ihm deinen werth ſtets vor die augen halten;
Dein anmuth wird erſt ſchoͤn / und gleichet dem granat /
Der / wenn er erſtlich reiff / recht ſuͤſſe koͤrner hat.
Schienſt du ihm / wie du warſt / ſo ſchoͤn bey deinem leide /
Was wirſt du kuͤnfftig ſeyn bey der verjuͤngten freude?
Was man von andern wuͤnſcht / iſt ſchon von dir bekandt;
Wie gluͤcklich dient dazu dein erſter eheſtand.
Dein Fuͤrſt darff nichts vorher auff gute hoffnung wagen;
Er ſieht / was du vermagſt / wie du dich wirſt betragen.
Dein eheliche treu erkennt er durch dein leid;
Die erben / die du haſt / ſtehn fuͤr die fruchtbarkeit.
Sein land wird ſich fuͤr dir als einer goͤttin neigen /
Wenn du ihm engel wirſt an deinen kindern zeigen.
Sein land hat insgemein mit ſeiner nachbarſchafft /
Gar ruͤhmlich mit der Marck vereinigt ſeine krafft.
Nun wird es Brandenburg auch darinn koͤnnen gleichen /
Daß es gar keinem darff mit ſeiner Fuͤrſtin weichen.
Charlottens aug und deins ſind wunder dieſer welt /
In welchen die natur ſich zweyfach vorgeſtellt.
GIhr98Hochzeit-Gedichte.
Ihr beyde ſolt den glantz auch eurer haͤuſer ſtuͤtzen /
Und deren einigkeit als huͤlffs-goͤttinnen ſchuͤtzen.
Durch dich verbinden ſie ſich heute noch einmahl;
So billige den ſchluß / und folge dieſer wahl.
Der himmel hat dich ſelbſt zu dieſem dienſt erſehen /
Du ehreſt ihn zu ſehr / ihm noch zu widerſtehen.
Die Venus die verſchwand; und gleich auff friſcher that
Kam unſre Churfuͤrſtin / und gab denſelben rath.
Die Fuͤrſtin nun erwacht / als diß geſicht verſchwunden /
Erſtarrt und wuſte nicht / wen ſie bey ſich gefunden.
Ob es die Churfuͤrſtin / ob es die Venus war;
Das aber glaubte ſie von dieſem wunder-paar:
Daß Venus / in der welt von uns geehrt zu werden /
Sich dieſer Fuͤrſtin gleich bemuͤhte zu geberden.
Sie dachte / wenn mein hertz gleich keiner Venus glaubt /
So fuͤhl ich doch genug / was mir iſt abgeraubt.
Was meine freundin ſelbſt / die Venus unſrer zeiten /
Mir mehr / als die im traum / itzt ſuchet abzuſtreiten;
Von allen / die ſich noch ſeit meiner traur gezeigt /
Hat keiner mich bißher / als dieſer held / gebeugt.
Ich ſchlage mich wohl ſtets mit widrigen gedancken;
Doch uͤberwiegt er ſchon / und zwinget mich zu wancken.
Indeß warb auch der Held nach ſeinem eiffer fort:
Und Brennus weiſer ſpruch redt ihm zuletzt das wort.
Weil er aus allem kont des himmels ſchickung mercken /
Wolt er / ſo ſchwer es hielt / diß werck nunmehr beſtaͤrcken.
Er / als des hauſes haupt / der Fuͤrſtin beſter freund /
Von dem ſie laͤngſt gewiß / daß er es wohl gemeynt /
Fand auch vor andern raum mit nachdruck zu beginnen /
Und fuͤr den werthen gaſt diß kleinod zu gewinnen.
Er wieß / wie ſonder noth ſie laͤnger mit ſich rang.
Als aber ingeſamt man in dieſelbe drang /
Sah ſie in ihrem geiſt mit einem jammer-blicke
Noch eins auff ihre leich und todten-grufft zuruͤcke;
Muß ich gleich / ſagte ſie / ihr heiligen gebein /
Wie ihr es ſelbſten ſeht / nun eines andern ſeyn /
So ſchwehr ich / daß ich doch euch nie will gantz verſencken /
Mein hertze geb ich weg / euch bleibt das angedencken.
Sie gab darauff ihr ja / und das erweichte blut
Begleitete diß wort mit einer thraͤnen-flut.
Sie weint / als wuͤrd ihr Printz ihr noch einmahl entriſſen /
Nun ſie von ſeiner eh zur andern ſchreiten muͤſſen.
D treue! doch nun dir Johann George treu!
Gluͤckſelig / junger Held / du ſiehſt / daß ſie es ſey!
Es99Hochzeit-Gedichte.
Es werden dir nun bald die vielvergoßne zaͤhren /
Wenn ſie dein arm umfaͤngt / auch ſo viel luſt gebaͤhren.

Schertz-Geſpraͤche zwiſchen zween In - dianern / einem Zigeuner und einem Juden / bey dem Drobiſch-Bieleriſchen hochzeit-feſte.

Aria.

Amor.
1.
VErgnuͤge deine raſt /
Du angenehmer ſchmertz /
Denn deine ſuͤſſe laſt
Ermuͤdet geiſt und hertz.
2.
Wo blicke ſehnlich thun /
Und buhlen um die luſt /
Da mag das hertze ruh’n
In einer ſanfften bruſt.
3.
Denn wie ein lieber blick
In ſein vergnuͤgen ſpielt /
So kommt er nie zuruͤck /
Daß er nicht labſal fuͤhlt.
4.
Auch ſelbſt der himmel ſchickt
Der erden blicke zu /
Wodurch er ſie begluͤckt /
Und wuͤnſcht ihr ſanffte ruh.
5.
Drum wuͤnſche wer da kan /
Daß den verlobten zwey
Der himmel zugethan /
Und immer guͤnſtig ſey.
G 2Bachus.100Hochzeit-Gedichte.
Bachus.
Ich habe deine macht / mein Amor / auch empfunden /
Eh Ariadne ſich mit meiner bruſt verbunden.
Hier iſt ihr ſchoͤner ſchmuck / ihr ſternen kronen-glantz /
Den hab ich auffgeſetzt als einen goͤtter-krantz.
Das laub mag itzund ruhn / womit ich mich ſonſt ſchmuͤcke /
Die Nymphe Staphyla hat heute nicht das gluͤcke /
Daß mich ihr gruͤn bekrantzt / noch Ciſſus ſtarckes haar /
Das ich zum ephey mir gewiedmet gantz und gar.
Hier hab ich einen krantz von meiner himmels-wonne
Der liebſten meiner bruſt entlehnet / dem die ſonne
Selbſt feuer mitgetheilt / mit dieſem zieh ich ein /
Und wuͤnſch: Es moͤgen braut und braͤutgam gluͤcklich ſeyn.
Wo Hymenaͤus lacht / und ſeine fahne ſchwencket /
Da ſchließ ich mich nicht aus / ja wo man voll einſchencket /
Da lebt die beſte luſt; dann Amor und ſein ſpiel /
Auch Venus und ihr ſtern erreichen kaum das ziel /
Wenn meine freude ſchlaͤfft. Schmertz / angſt und trauren ſincket /
Wo man mein reben-blut zu gantzen roͤmern trincket /
Juch / evah! evoe! wo iſt ein ſchoͤnes glaß?
Schenckt es was voͤller ein / ſchenckt ein das edle naß.
Das bring ich unſrer braut / ſie nehm auch meine krone
Auff ihr bezircktes haupt / von Venus guͤldnem ſohne;
Trau aber nicht zu viel / es iſt ein loſes kind /
Daß ſie an krantzes ſtatt nicht gar ein haͤubgen find.
Amor
Das waͤre nicht gehext. Was iſt doch wohl ein haͤubgen?
Was macht es? nichts nicht mehr / als aus der braut ein weibgen.
Ein weibgen? Aber halt / was wird nun weiter draus /
Wenn man die ſuͤſſe luſt mit mulden badet aus?
Das weibgen wird ſodann zu einer lieben mutter /
Und endlich heiſt ſie gar des vaters unterfutter.
Ich ſchertze warlich nicht / die gar zu liebe braut
Hat in vergangner nacht dem braͤutgam viel getraut /
Ihr beſtes kleinodgen das gab ſie zu probieren /
Ob ſich es ſchicken moͤcht ein vorgeſteck zu zieren;
Er aber ſagte nein / mein kind / es giebt das ding
Nichts mehr / ſie glaͤub es nur / als einen finger-ring.
Und alſo wolt er ihr dis kleinodgen verſetzen /
Indem verlohr ſichs gar; Nun ſtellt man ihm mit netzen
Und hauben wieder nach / das iſt gewißlich viel;
Was man da fangen wird / iſt lauter kinder-ſpiel.
Bachus.101Hochzeit-Gedichte.
Bachus.
Wie / Amor / ſchertzeſt du? was hat die braut verlohren?
Ein kleinod? traͤumt dir denn?
Amor.
Ich habe ja geſchworen.
Nicht viel von traum erwehnt / es iſt nur allzu wahr.
Bachus.
Iſt nicht dergleichen mehr?
Amor.
Fuͤrwar es hat gefahr.
Bachus.
Herr buhler iſt verpflicht es wieder gut zu machen
Mit edelſteinen / gold und andern raren ſachen
Hat er nur ſtets zu thun; Ja was der Orient
Von bunten glantz geſchmeid aus ſeiner ferne ſendt /
Das kennt er meiſterlich / drum wag ich eine wette /
Daß er es leicht erſetzt; Und da ers auch nicht haͤtte /
So findt ſichs in der welt / es hat es doch das land /
Das ſo gar wunderlich verguͤldet ſtrand und ſand.
Das reiche Indien. Wo ſeyd ihr mit-gefehrten /
Die wir von dort mit uns auff unſre farth begehrten?
Laßt eure ſchaͤtze ſehn / iſt nicht dergleichen da /
Als unſre braut vermißt? Laſt ſchaun
Amor.
Ach ja / ja / ja!
Bachus.
Was habt ihr mitgebracht aus euren fernen grentzen?
O ſeh ich da nicht ſchmuck aus dieſem fache glaͤntzen!
1. Indianer.
Ich kan nicht gar zu deutſch / verzeiht er mirs / ihr Herr /
Daß ich nicht kan geredt / der ſprach iſt gar zu ſchwer.
Ich hab ein braver ding / ſchoͤn maͤdle zu bedienen
Zu vo-vo-vorgeſteck / da iſt er von rubinen.
Ich hab ein ander noch; hier ſeht der langer ding /
Den ſteckt man in der haar / iſt ein haar-nadel flinck /
G 3Mit102Hochzeit-Gedichte.
Mit diamant verſetzt: Hier ſchoͤne Braccialetti
Vor damen / ſehn der herr / ich hab auch gar zu netti
Pendenti zu der ohr; hier hab ein ander ſack /
Der vor ſchoͤn jungfer dient / wenn ſich vor hitze ſchwack /
Und will der arme kind ſich abfe-fechert haben /
Daran ein ſchoͤner ſtiel / der hand-ſtiel kan ſie laben.
Der iſt von gut beſchlagt mit allerbeſter gold /
Seht lauter ſchoͤner ſtuͤck / und kauffen welch ihr wollt.
Amor.
O weit gefehlt! was unſre braut verlohren /
Wird nicht gekaufft / denn es wird mit gebohren.
Kein ſchatz bezahlts / und waͤr er noch ſo groß;
Doch wer es hat / der waͤr es gerne loß.
2. Indianer.
Ich bin der nicht verſucht von deutſcher ſprach zu ſachten.
Hier hab ich was mit uns aus meiner land getrachten;
Wie heiſſen das / was ſich der jungfern butzen ſeyn /
Da kommen ſolcher kerl / und machen lali drein /
Da ſtecken nein das ding?
Jude.
Mein freund / es heiſſen perlen.
Indianer.
Ja perl / ick haben auch ſchoͤn ding vor pravi kerlen.
Wie heiſſen da das kerl? muß ſteck erſt finger nein;
Der iſt ein koͤſtlich ding.
Jude.
Ja koͤſtlich mag es ſeyn.
Es heißt auff deutſch ein ring.
Indianer.
Ein ring? Monſieur probier /
Wie da der ding wird ſtehn / und ſeiner hand bezier.
Hier haben ick / wie heiſt / das mitten iſt geſpalt?
Wie heiſt das weiber-ding / wenns weiber ſchon iſt alt?
Jude.
Ach perlen-mutter iſts.
India -103Hochzeit-Gedichte.
Indianer.
Ja mutter / mutter ſagen
Wolt ick; ſeht wie der ding iſt erſtlick ſchoͤn beſchlagen
Mit ſchoͤner ſtein verſetzt / ick ſchwern pour mein ſeel /
Daß keiner juvelier hat von ſo ſchoͤn juweel.
Amor.
Nichts uͤberall / die raren koͤſtlichkeiten /
Wie edel ſie zu ſchaͤtzen /
Die moͤgen doch bey weiten
Den ſchaden nicht erſetzen.
Was unſre braut verlohren /
Wird nicht gekaufft / denn es wird mit gebohren.
Bachus.
Es iſt ja ein jude hier.
Mauſchel ich gebiete dir /
Suche deinen kram zur hand /
Ob darbey dergleichen pfand.
Jude.
O lyaͤe! meine ſachen
Doͤrffen ſich hieher nicht machen;
Es ſind ja der juden mehr /
Die das ſpießgen brauchen ſehr.
Ich bin ja ein armer jude /
Wohn in einer ſchlechten bude.
Schau / hier iſt der gantze praſt.
Bachus.
Nun ſo zeige / was du haſt.
Jude.
Schaut / das iſt mein / es iſt mein gantzer plunder.
Hier bring ich alles dar / wer weiß / ob nicht darunter
Das / was das liebe kind die nacht verlohren hat;
Wo nicht / ey mein! ſo ſind mehr juden in der ſtadt /
Als ich / ich armer tropff. Hier hab ich ein cryſtallen
Zu einem hoſen-knopff / hier zwo verguͤldte ſchnallen;
Hier iſt ein alt kollet / die ermel auch dazu /
Hier ein ſchmaragd / doublet / hier ſchnaͤllgen in die ſchuh.
Hier iſt ein gantz geſchehr von raren rauchen fleckgen /
Vors frauen-volck / ſchau her / hab ich hier ſeiffen-ſaͤckgen
G 4Von104Hochzeit-Gedichte.
Von ſcharlach / ſichre dich / die ſaͤckgen ſind geweyht /
Womit ſie waſchen ſich / daß man ſie nicht beſchreyt.
Hier hab ich auch zugleich huͤbſch eingefaßte ſchwaͤmgen /
Die ſind ſo zart und weich. Ich hab auch ſaubre kaͤmgen /
Und ſchmucke ſchergen / die rund abgeſchliffen ſind /
Auch hole ſpiegel / wie man hier dergleichen findt /
In welchen zu beſehn / was unten und zur ſeiten /
Wie oͤffters muß geſchehn / zumahl bey dicken leuten;
Und was dergleichen mehr in meinem handel iſt.
Mein! was iſts ungefehr / was unſre braut vermißt?
Amor.
Jude / du biſt gar geſchoſſen /
Was ſind das vor narrenpoſſen?
Was unſre braut verlohren /
Wird nicht gekaufft / denn es wird neu gebohren;
Kein ſchatz bezahlts / und waͤr er noch ſo groß /
Doch wer es hat / der waͤr es gerne loß.
Bachus.
Was iſt es denn / wenn es kein geld erreichet?
Ja / wenn kein glantz und kleinod ſich ihm gleichet?
Und waͤr es gold / vergnuͤgt es gelbes geld /
So ſolt es ſelbſt aus ſeiner guͤldnen welt
Der muntre greiff mit ſeinen krummen krahlen
Bald lieffern her / und den verluſt bezahlen.
Vermag es nicht das reiche morgenland?
Es ſchickt uns ja den ſchoͤnſten diamant.
Ja ſolt es ſeyn das blut der edlen adern
Im Orient / ich wolte ſelbſt drum hadern /
Und ſagen: Her den glaͤntzeſten rubin /
Sein feuer ſoll hinfort im golde gluͤh’n.
Der muſchel thau / der reiffen perlen tropffen /
Die ſolten ſich in ihrer mutter pfropffen /
Damit der preiß gantz unvergleichlich waͤr /
Und ſolte ſie ſelbſt Doris geben her.
Dem Caucaſus wuͤrd es zumahl gefallen /
Begehrte man die helleſten cryſtallen /
Er gaͤbe ſie. Ja / wenn mans haben wolt /
Heiſcht uns der Po elecktrans klares gold.
Dient eines nicht / ſo ſolten ſich vereinen
Der gantze preiß von perlen / gold und ſteinen /
Um gut zu thun / was unſrer braut entrafft.
Was iſt es denn?
Amor.105Hochzeit-Gedichte.
Amor.
Ach / ach / die jungferſchafft!
Bachus.
Alſobald komm her / Zigeuner /
Du kanſt wiſſen / und ſonſt keiner /
Wo ein ding hinkommen ſey /
Obs geſtohlen / obs genommen /
Ob es werde wieder kommen /
Holla! ſag es / rede frey.
Zigeuner.
Das kan ich als ein mann / ich lobe meine proben /
Die proben werden mich und meine kunſt auch loben;
Was du von mir begehrt / ſoll alſobald geſchehn /
Doch wolt ich nur zuvor das kaͤſtgen gerne ſehn /
Woraus der raub entwandt;
Amor.
Ey laß dirs doch vergehen /
Zigeuner wolſtu nicht das kaͤſtgen gerne ſehen?
Ich haͤtt es nicht gedacht / o ſchwerlich wird was draus /
Es iſt ein heimlich fach / man zeuchts nicht gerne raus.
Hoͤr aber / wenn dirs dient / es iſt noch eins darneben /
Ein kunſt-fach / das man dir kan zubeſchauen geben.
Denn wenn du ſonſt probat in deiner ſach und kunſt /
So kanſt dus gleichwol ſehn / ſonſt waͤr es[lauter] dunſt
Und eitle phantaſey
Zigeuner.
o trage keinen kummer /
Der diebſtahl wird noch kund im alten weiber-ſommer;
Itzt ſieht der ſchade groß und unvergleichlich aus /
Und / wird gedenck an mich / ein kinder-poſſen draus.
Mein braͤutle laß es gehn / der dieb iſt dein bezwinger.
Wo du ihn haſchen wirſt / kriegſtu gewiß 6. finger
An einer hand / er geht nun mit der ſchwartzen kuh /
Die hat ein rauches maul / und ſieht wie muh / muh / muh.
Amor.
Was ſchwatzeſtu deſpect von fingern und von haſchen /
Vertrittſtu noch den dieb / wer hat ihn lernen naſehen?
Ja waͤr ich wie die braut / dem diebe ſtellt ich doch /
Und wenn ich ihn erhaſcht / er muͤſte mir ins loch.
G 5Da106Hochzeit-Gedichte.
Da moͤcht er ſitzen / biß er das / was ich verlohren
Mir wieder machte gut / das hieſſe denn geſch
Die gar zu liebe braut kan wohl davor nicht ruh’n /
Dieb / wenn ſie dich erhaſcht / wie wirſt dus kriegen thun?
Zigeuner leugſtu nicht / ſo will ich dich was fragen /
Was ſteht der braut wohl zu? das muſt du mir noch ſagen /
Und alsdann ſoll mein wunſch darauff ſeyn eingericht /
Tritt nur was naͤher her / und ſchau ihr ins geſicht.
Zigeuner.
Itzt dacht ich eben dran / ich will die hand beſchauen /
Die hand! Die hand ſieht aus / als wie bey jungen frauen;
Das Venus-cingulum laͤſt einen durchſchnitt ſehn /
Bedeutet / daß es ihr werd heut als geſtern gehn.
Und immer ſo fortan. Was zeigt geſicht und ſtirne?
Die braut vergleichet ſich / die allzuſchoͤne dirne
Mit einem fruchtbarn baum / ich ſeh es ihr wohl an;
Nun ein fataler tag Fabi-Sebaſtian
Heut im calender ſteht / was kan man etwa ſchlieſſen?
Der ſafft tritt in den baum / an aͤpffel / pfirſchgen / nuͤſſen /
Und anderm ſtamm-gewaͤchs; ich wuͤnſch ein fruchtbar jahr /
Man applicir es recht / ſo iſt die deutung klar.

Wunſch.

Amor.
EDler baum biß an den ſturtzel /
Faſſe deine ſuͤſſe wurtzel /
Und erweiſe rare frucht.
Schoͤtgen ſind ein kinder-ſpielgen /
Nur die fruͤchte ſo mit ſtielgen
Die / die werden vorgeſucht.
Schoͤner baum / wo du gezwieſelt /
Solſtu / da der ſafft nur krieſelt /
Seyn zum beſten eingepfropfft.
Wachſe / bluͤhe mit gedeyen /
Deinen gaͤrtner zu erfreuen /
Daß er in die haͤnde klopfft.
Wachſe bald auch in die dicke /
Und breit als ein meiſter-ſtuͤcke
Deine ſchoͤnſten aͤſte weit!
Wenn der herbſt ins land wird kommen /
Denn ſoll werden abgenommen /
Was des himmels ſeegen beut.
Auff107Hochzeit-Gedichte.
Auff das Albiniſche und Kamperiſche hochzeit-feſt.
ISt lieben ſeuche / peſt und gifft /
Das nattern toͤdten kan / und ſcorpion entgeiſtert?
Das gelbe molchen uͤbertrifft?
Iſt lieben raſerey / die die vernunfft bemeiſtert?
Ein nagend krebs / der marck und bein friſt aus?
Ein wurm / der aus den ſtauden edler jugend
Nicht nur den kern / die wurtzel reißt der tugend?
Ein feuer / das in aſche / ſtaub und grauß
Volckreiche ſtaͤdte leg’t / und laͤnder ſtuͤrtzt in grund /
Daß itzo wilde buchen ſtehen /
Und ſeegel-volle maſte gehen /
Wo weiland Troja war / und vormals Tyrus ſtund?
So iſts! diß wuͤrckt der liebe brand.
Durch ſie flog Sodoma geſchwefelt in die luͤffte.
Und Loth / der dort entronnen / fand
Auff ſeiner tochter ſchooß mehr als Gomorrens kluͤffte.
Ja Samſon muß / den Rom doch und Athen
Im Hercules zu einen Gotte machte /
Als Amphale ihn in ihr netze brachte /
Durch Deliden veraͤchtlich untergehn.
Als GOttes hertzens mann kaum Batſeben erſieh’t /
Und er auch aus der flut entglimmet /
Wird Davids harffe ſo verſtimmet /
Daß ſie fuͤr pſalmen ſpielt ein geiles buhler-lied.
Wer macht ihm nun nicht ſelbſt den ſchluß?
Daß wer den keuſchen geiſt GOtt rein und keuſch will ehren /
Der liebe goͤtzen abthun muß /
Und in der andachts-glut diß goͤldne kalb zerſtoͤren.
Der Weyrauch / der in Venus tempel brennt /
Reucht GOtt nicht wohl / die engel / die uns dienen /
Entfernen ſich / wie fuͤr dem rauche bienen.
Die opffer / die auch Paphas heilig nennt /
Sind108Hochzeit-Gedichte.
Sind zu Jeruſalem ein ſtinckend Gottesdienſt.
Ja die mit brunſt ſich unterſtehen
In GOttes heiligthum zu gehen /
Bekommen fluch zu lohn / und ſtraffe zu gewinſt.
Wie iſt denn er / vertrauter freund /
Der GOtte dienen muß und beym altare wachen /
Nicht auch der ſuͤſſen liebe feind?
Schickt ſichs / ein prieſter ſeyn / und gleichwohl hochzeit machen?
Ja ja! gar wol! was GOttes liebes kind /
Was die natur den ſeelen eingeſaͤmet /
Steh’t auch fuͤr GOtt im tempeln unbeſchaͤmet.
Es ſchickt ſich wohl daß prieſter vaͤter ſind /
Die lieb in keuſcher eh entweyht kein opffer nicht.
Das heiligthum wird nur beflecket /
Wenn geile brunſt im hertzen ſtecket:
Die GOttes ordnung ſtoͤr’t / und eh und eydſchwur bricht.
Der ſchnoͤde mißbrauch boͤſer brunſt
Iſt unwerth / daß er ſoll der liebe nahmen fuͤhren.
Der lufft-geſtirne falſcher dunſt
Macht nicht / daß ſtern und ſonn ihr wahres licht verliehren.
Wenn jene fall’n zeraͤſchert in den grund /
So glaͤntzen die ins himmels guͤldnen zimmern.
Denn ſchwefel kan nicht wie die ſternen ſchimmern.
Verkehret doch der ſchlangen geifer-mund
In wermuth-bittres gifft geſunder kraͤuter ſafft /
Woraus die bienen honig ſaugen:
So kehrt der liebe tauben-augen
Der boßheit zauber-kunſt in baſilisken-krafft.
Der edlen roſe perlen-haupt
Wird / ob die roͤthe ſich ſchon ihrem ſchnee vermaͤhlet /
Der reinen zierde nicht beraubt.
Die jungferſchafft hat ſie fuͤr ihren krantz erwehlet /
Bepurpert ſie gleich Cythereens blut.
Der keuſchheit bild / die lilje ſelbſt / empfindet
Den ſuͤſſen trieb / der alle ſeelen bindet /
Den anmuths-reitz / des liebens reine glut.
Und welche blume glaͤntzt / die dieſer geiſt nicht ruͤhr?
Der thau zeigt ihre liebes-thraͤnen /
Und ihr geruch das ſuͤſſe ſehnen /
Die roͤthe bildet gar verliebte flammen fuͤr.
So109Hochzeit-Gedichte.
So bleibet Abraham auch rein
Und GOttes bunds-genoß auch in der Sara bette.
Die kirche wuͤrde ſelbſt nicht ſeyn /
Wenn ſie die liebe nicht zu ihrer mutter haͤtte.
Die pflantzen die aus ihrem garten bluͤhn /
Die muͤſſen kirch und paradieß erfuͤllen.
Aus liebe ließ ſich GOtt ins fleiſch verhuͤllen /
Ja ſie vermaͤhlt die glaͤubigen und ihn.
Wo reine liebe glimmt / zeucht GOttes Geiſt ſelbſt ein.
Des Heylands groſſe wunderwercke
Entwerffen ſelbſt des liebens ſtaͤrcke:
Indem zu Cana qvillt aus waſſer-kruͤgen wein.
Heiſt diß nun GOttes weinberg bau’n /
Wenn ein paar ſeelen ſich in reiner ehe lieben /
Aus der ſie ſtauden wachſen ſchau’n /
Die durch den glauben ſchon im himmel ſind beklieben /
Wenn ſie gleich noch der mutter ſchooß umfaßt:
So kan auch ihm nicht GOttes ſegen fehlen /
Nun er ihm eine ſeele will erwehlen /
Die tugend liebt / und ſchnoͤde laſier haſſt.
Wo doppel-andacht mehr als einfach opffer kan /
Muß man von euch verlobten ſchlieſſen:
Eur ſeuffzen wird mehr wuͤrcken muͤſſen /
Nun nebſt der prieſterin der prieſter GOtt rufft an.
Der himmel weiſt ſich ſelbſt geneigt /
Und regnet freud und luſt auff die verknuͤpfften hertzen.
Denn wo ſich GOttes anblick zeig’t
Bekraͤntzet eitel heil die frohen hochzeit-kertzen.
Und ſeegen folgt den reiffen jahren nach.
Mich duͤnckt / ich ſehe ſchon in einer wiegen
Die frucht der eh und GOttes gabe liegen;
Hingegen fleucht verdruͤßlich Ungemach.
Und wo hierinnen nicht mein feſtes urthel fehlt /
Hat / ob wohl ehen hie auff erden
Vollzogen / dort geſchloſſen werden /
Auch Martha dieſes mahl das beſte theil erwehlt.
Der110Hochzeit-Gedichte.
Der vertheydigte Pythagoras. Oder Die bey der Riemann-Vicciſchen ver - maͤhlung behauptete wanderung der ſeelen.
DIe ſchulen wiſſen noch in ihrer ſitten-kunſt
Viel vom Pythagoras und ſeiner ſchrifft zu ſagen:
Er haͤtte nur der welt fuͤr flammen rauch und dunſt /
Fuͤr fruͤchte leeres ſtroh und ſchalen vorgetragen;
Als er durch phantaſey zum pfauen ſich gemacht /
Der erden aber gar die traͤume beygebracht:
Daß unſre leiber ſich im grabe zwar verzehren /
Die ſeelen aber ſtets in f[ris]che coͤrper kehren.
Doch wer das groſſe buch gelehrter welt geſehn /
Und weiß / wie man das gold mit kupffer kan vermengen /
Was dem und jenem offt fuͤr unrecht iſt geſchehn;
Wie ſchlang und nattern auch an balſam-ſtauden haͤngen /
Wird lernen / das vielleicht die dinte neuer zeit
Auch ſeiner lehren grund mit flecken uͤberſtreut;
Weil doch die wanderung der ſeelen auff der erden /
Uns nach gewiſſer art noch kan erwieſen werden.
Ich will vor dieſes mahl mit meiner einfalt nicht
Der pfuſchernden natur in ihre kammer ſteigen;
Wie ſie aus ſteinen drach-und tieger-thiere bricht /
Aus blumen voͤgel kan / aus pflantzen laͤmmer zeugen:
Ich untergruͤble nicht die unerhoͤrte that /
Wie GOtt ein lebend weib in ſaltz verwandelt hat:
Denn ieder menſch fuͤhrt ſelbſt das uhrwerck in den haͤnden /
Das ſeine ſeele kan aus ihrem circkel wenden.
Die erſte wanderung / die Adam vor ſich nahm /
Geſchah durch ſeinen fall / in einen ſolchen pfauen:
Drum kont er / da der HErr in garten wieder kam /
Auch mehr nicht ohne ſcham auff ſeine fuͤſſe ſchauen.
Wer weiß nicht / wie ſein ſohn zum wolffe ſich gemacht /
Da ſein verdammter grimm den bruder umgebracht?
Und111Hochzeit-Gedichte.
Und wie er endlich gar nach ausgefuͤhrtem morden /
Vor angſt und zittern iſt zu einem haſen worden?
Was dieſe vorgethan / wird heute noch erfuͤllt.
Wir ſterben tauſendmal an ſitten und geberden.
Ja / wenn aus Capua nur wolluſt-zucker qvill’t /
Muß ſelber Hannibal zu einen Nero werden.
Ein Alexander reiſt bey weibern und bey wein
Ein wunderwerck der welt durch feur und flammen ein:
Warum? dieweil ſein geiſt bey purpur und bey kronen /
Auch gleichwohl muſte noch in einem ſclaven wohnen.
Was gibt wohl mancher nicht vor blinde poſſen an /
Wenn Moden und Pariß ihm ſeinen kopff verrencken?
Denn was ein andrer offt im lande kauffen kan /
Hohlt er von Bruͤſſel her / die jungfern zu beſchencken;
Ja ſolt es auch nicht mehr als Serviteur nur ſeyn /
So miſcht er dennoch ſtets von Franckreich etwas ein:
Was wunder iſt es dann? wenn alle kinder lachen /
Daß ſeine grillen ihn zu einen affen machen.
So aͤndert ſich der menſch durch hochmuth / zorn und wein /
Was thut die liebe nicht / die fuͤrſtin aller ſachen?
Wenn ſie / wie Circens mund / durch ihrer flammen ſchein /
Aus klugen narren kan / aus narren kluge machen.
Ich ruffe Jupitern hier nicht zum zeugen an /
Den ſie in einen ſtier und ſchwan verwandeln kan:
Denn die verliebte welt wird wohl am beſten wiſſen /
Wer Simſon ſeinen geiſt und ihr das hertz entriſſen.
Der erſte funcken glut / der in der bruſt entſpringt /
Heiſt auch die ſeele gleich aus ihrem lager ruͤcken.
Drum kan Antonius / da ihn Auguſt umringt /
Vor groſſer liebes-brunſt nicht mehr den degen zuͤcken:
Denn weil Cleopatra ihm geiſt und ſeele nimmt /
Und ſeine tapfferkeit auff ihren lippen ſchwimmt /
So muß er endlich nur wie weiber auch verderben /
Und lieber durch ſich ſelbſt als vor dem feinde ſterben.
Diß alles aber iſt ſo wunderns-wuͤrdig nicht /
Als wenn ſie hochzeit laͤſt mit alten muͤttern machen.
Da wird das duͤrre maul in falten eingericht /
Die augen fangen gar mit purpur an zu lachen.
Und wenn der lippen ſchnee / der ſtirne Hyacinth /
Und ihrer wangen pracht durch ſchmincke ſich verbindt /
So ſolten nach der zeit wohl tauſend blinde ſchwehren /
Daß ſich ein altes weib in jungfern kan verkehren.
Was112Hochzeit-Gedichte.
Was ſie bey frauen thut / iſt maͤnnern auch geſcheh’n /
Wenn ſie den grauen bart / wie mutten ſich verſengen /
Mehr auff ein bißgen fleiſch als alle wolfahrt ſeh’n /
Und ihren lebens-reſt an junge maͤdgen haͤngen.
Ihr gantzes weſen ſtirbt. Die fuͤſſe kriegen krafft.
Die peltze werden fort / die kruͤcken abgeſchafft;
Und keiner laͤſſet ſich Acteons fall erſchrecken /
Da doch die meiſten offt in ſeinem kummer ſtecken.
Dem grauen alter folgt die ſeele junger welt.
Wie wandert nicht der geiſt der kuͤhnen junggeſellen?
Und wie die jungfern nicht? wenn eigenſinn und geld
Ihr hertze / wie das maul den elephant / verſtellen.
Da ſoll ein Edelmann / und hier ein Doctor ſeyn.
Die ſchoͤnheit nimmt ſie ſo wie Tyger kugeln ein;
Biß endlich fall und zeit den vorhang weggezogen /
Und auff den ſpiegel ſchreibt: Mein bild hat mich betrogen.
Diß thut die phantaſey. Doch reine liebes glut
Pflegt unſern ſeelen-ſtern weit anders zuverſetzen.
Denn vor die dienſte / die ein frommer Jacob thut /
Muß Rahels ſuͤſſer mund mit kuͤſſen ihn ergetzen.
Man gibt das hertze zwar als einen ſclaven hin;
Doch zeigt das ende nichts als wucher und gewinn;
Wenn ſeele / mund und bruſt in einen klummen flieſſen /
Und ihre wanderung in weichen federn ſchlieſſen.
Hochwerth geſchaͤtztes paar / heut iſt das helle licht /
Das meinem urtheil kan den wahren anſtrich geben;
Indem eur treues hertz in friſche flammen bricht /
Und eure geiſter ſich aus ihrer wohnung heben.
Denn ſeine ſeele fleuſt in ihre marmol bruſt /
Sie laͤſt ihr vaterland / und ſucht am kriege luſt /
Zu zeigen / daß auch Mars zum engel an geberden /
Aus prieſter-wittben gar kan eine Pallas werden.
Die liebe hat fuͤrwahr was groſſes hier gethan /
Der himmel aber mehr; indem er ſie gebohren.
Drum glaubt: daß eur magnet ſich nicht verirren kan;
Weil er ihm ſelber GOtt zu ſeinem ſtern erkohren.
Die bunte tulipe / der blumen groͤſte zier /
Bringt jaͤhrlich eine tracht von neuen farben fuͤr;
Eur fruͤhling aber wird in ſeinen garten ſchreiben:
Die liebe muß allein bey einer farbe bleiben.
So ſchickt die leiber nun auch den gedancken nach /
Und kuͤhlt die ſtrenge glut mit perlen und jaſminen.
Cupido putzet ſchon das theure ſchlaff-gemach /
Und will euch bey der luſt mit marcipan bedienen.
Womit113Hochzeit-Gedichte.
Womit er ſelber nur mit augen moͤge ſeh’n /
Ob dem Pythagoras nicht unrecht iſt geſcheh’n;
Und ob es moͤglich ſey / daß vor drey vierthel jahren
Eur leben koͤnne noch in einen coͤrper fahren.
Auff die Perlitz-Muͤhlendorffiſche Hochzeit.
DAs gruͤne feigenblat / das Adam vor ſich nahm /
War kaum mit ſchlechter kunſt um ſeinen leib gewunden /
Als Eva ſchon bey ſich in die gedancken kam:
Ey / warum haben wir uns beyde doch verbunden?
Iſt Adam ſo wie ich an gliedern auch beſtellt /
So duͤrffen wir uns ja nicht vor einander ſchaͤmen?
Und fuͤhrt er ſonſten was / das etwan mir gefaͤllt /
Warum will die natur mir mein geſchencke nehmen?
Sie haͤtte noch vielmehr der ſachen nachgedacht /
Was aber ließ ſie doch die kurtze zeit umfaſſen?
Weil gleich den augenblick das urtheil ward gebracht:
Sie ſolten beyderſeits das paradieß verlaſſen.
Nach dieſem ſchlug das feur zwar friſche flammen an /
Sie fand ſich aber noch zu zeiten ſehr betrogen;
Denn Adam war nunmehr mit peltzen angethan /
Und hatte leib und haut mit fellen uͤberzogen.
Wer war wohl aͤrmer nun als Eva dazumahl?
Sie miſchte ſpeiß und tranck mit kummer-reichen thraͤnen;
Ihr hertze war voll angſt / die ſeele voller quaal /
Und muſte ſich umſonſt nach ihrer kuͤhlung ſehnen.
Doch weil ſie mittler zeit noch ſolche grillen fieng /
Und der gedancken ſchiff ließ hin und wieder fliegen /
Geſchach es ungefaͤhr / daß ſie zu felde gieng /
Und ihren Adam fand im gruͤnen graſe liegen.
Sein leib war mehrentheils von kleidern unbedeckt /
Die glieder ſtreckten ſich / wie ſilberne Coloſſen /
Nur diß / was die natur zum zunder ausgeſteckt /
War noch zu mehrer luſt in rauches fell verſchloſſen.
HWie114Hochzeit-Gedichte.
Wie / wenn nach truͤber nacht der ſchwartze ſchatten weicht /
Wenn himmel / wolck und lufft in reinem golde ſtrahlen /
Alsdenn der kuͤhle thau die felder uͤberſtreicht /
Und ſich die tulipen mit friſchem purpur mahlen.
So zog der Even hertz den freuden-balſam an;
Die adern ſtuͤrtzten ſich in geiſter-volle flammen /
Und was ihr ehermahls das groͤſte leid gethan /
Schlug itzt in einen dampff der groͤſten luſt zuſammen.
Sie fiel vor ſuſſer qvaal in den begruͤnten klee /
Die fuͤſſe ſuncken ihr bey ihren Adam nieder /
Und endlich druͤckte ſie des leibes zarten ſchnee /
Und ihre ſchwanen-bruſt an ſeine marmol-glieder.
Der ſtirne taffel-werck / des halſes helffenbein /
Der lichte carmaſin der rothen mund-corallen /
Die alle dauchten ihr nur leerer ſchaum zu ſeyn /
Auff die ein heiſſer mund laͤßt ſeine kuͤſſe fallen.
Sie forſchte weiter nach / und bloͤßte ſeinen ſchooß /
Ihr finger ruͤhrte ſich um ſeine weiche lenden;
Da war ſie voͤllig nun der alten ſorgen loß /
Und ſchaute den betrug in ihren liljen-haͤnden.
Ja / ſprach ſie / voller ſcham / das hab ich wohl gedacht /
Daß Adam nicht umſonſt die blaͤtter vorgenommen;
Wer aber hat ihm nur den plunder angemacht /
Und wo iſt Adam doch zu dieſem ſchaden kommen?
Doch / was bedenck ich mich? die bruſt iſt ja zu klein;
Vielleicht hat die natur mir meinen mann betrogen /
Und hat / was ſonſten ſoll am buſen oben ſeyn /
Durch ihre wunder-kunſt biß unten hin gezogen.
Ich weiß nicht / ob ſie gar zu laute worte ſprach;
Denn Adam fieng nun an vom ſchlaffe zu erwachen:
Doch als er endlich ſah / was Even noch gebrach /
Da muſt er bey ſich ſelbſt der blinden einfalt lachen.
Er ſchloß ihr zartes haupt mit ſeinen armen ein /
Und netzte mund und hand mit hundert tauſend kuͤſſen /
Biß daß die ſtille krafft der unbekandten pein /
Ihm ließ das ſanffte gifft durch ſeine nieren flieſſen.
Da ſchaͤrfft er allererſt der Even den verſtand /
Sie laß aus ſeiner hand die ſuͤſſen zucker-beeren /
Und beyde wuͤnſchten nun / daß diß verſuͤßte band /
Und dieſe ſtunden doch nur moͤchten ewig waͤhren.
Hierauff zerfloß ihr geiſt durch die zerſtreute welt /
Der ſtarcke dampff ergriff den gantzen kreyß der erden /
Und ſelbſt im himmel ward der feſte ſchluß gefaͤllt:
Es ſolten kuͤnfftig nun aus jungfern frauen werden.
Was115Hochzeit-Gedichte.
Was wunder iſt es denn / daß euch / geehrtes paar /
Das anmuths-volle garn der liebes-luſt umſchloſſen?
Weil dieſe ſuͤſſe noth unuͤberwindlich war /
Und eur gefaͤngniß ſelbſt aus Adams ſchooß gefloſſen.
Was fleiſch iſt / ſauget auch vom fleiſche ſeine krafft /
Und wer iſt der mir will mit worten widerſtreben?
Daß nicht / weil Eva ſich am apffel hat vergafft /
Die engel oben nur / und unten menſchen leben?
Ihr thut / was die natur auff erden eingeſetzt /
Was ſelbſt der himmel hat in eure bruſt geſchrieben;
Was auch das Alterthum vor reine luſt geſchaͤtzt /
Und faſt vor aller welt iſt unverworffen blieben.
Drum kan der himmel euch auch nicht zuwider ſeyn.
Das gluͤcke wird euch ſtets in vollen ampeln brennen /
Und dieſer zeiten gifft wird durch der ſorgen pein /
So wenig eure luſt / als die gemuͤther trennen;
Wo euer fuͤß hintritt / da werden roſen ſtehn /
Doch ſolt ihr beyde nicht die ſcharffe dornen f[]hlen;
Sie ſoll als eine braut in balſam-ſtroͤhmen gehn /
Und er ſoll lebens-lang mit jungfer-aͤpffeln ſpielen.
Wo haͤtt ihr beſſer wohl eur leben angebracht?
Wie ſolt eur freuden-baum wohl andre fruͤchte tragen /
Als itzt / da eure luſt in voller bluͤte lacht /
Und eure liebe muß in tauſend knoſpen ſchlagen?
Seyd eurem gluͤcke nur nicht ſelber hinderlich /
Und laßt den perlen-thau nicht in der lufft zerfliegen /
Denn freut euch beyderſeits / wenn um Jacobi ſich
Ein junger Perlitz wird in ſeiner muſchel wiegen.
An Sr. Excellentz / den Herrn geheimden Rath Stryck / uͤber die vermaͤhlung ſeines Herrn Sohns / mit Tit. Jungf. Alexanderin.
ICh habe / groſſer mann / zehn jahre dich gekannt /
Und drey jahr dich gehoͤrt; gleichwohl iſt meine hand /
Die manchem ſtuͤmper offt ein ehren-lied geſchrieben /
Dir dein verdientes lob mit fleiſſe ſchuldig blieben.
H 2Mit116Hochzeit-Gedichte.
Mit fleiſſe denckeſtu? Ja / groſſer Stryck / mit fleiß;
Denn du haſt alles zwar / was man zu ruͤhmen weiß.
Die mutter hat dich nicht mit grober milch erzogen;
Die Muſen ſind dir mehr / als du begehrſt / gewogen /
Und gehn / wohin du ziehſt / mit vollem hauffen nach.
Dein thun iſt wohlbedacht / und wie ein ſtiller bach /
Der kein geraͤuſche macht / und doch mehr nutzen bringet /
Als mancher wilder ſtrohm / der wall und tamm durchdringet.
Nechſt dieſem biſt du ſchoͤn und herrlich anzuſehn /
Und darffſt die worte nicht erſt in dem munde drehn /
Nicht auff die naͤgel ſchaun / nicht mit dem halſe dehnen /
Und gantze tackte lang an einer ſylbe ſtehnen.
Denn deine wiſſenſchafft iſt lauter werck und that /
Und weiß nicht / wie dem iſt / der viel geleſen hat /
Der einen buͤcher-kram in ſeinem kopffe traͤget /
Und dennoch alle krafft mit ihnen niederleget.
Mit kurtzem: die natur hat / da ſie dich gemacht /
Mehr auff ein wunderwerck als einen menſch gedacht;
Und hat / was ſieben ſonſt beſonders haben ſollen /
Der welt in dir allein beyſammen zeigen wollen.
So wuͤrdig als du biſt / ſo ſehr wirſt du geliebt /
Kein hoff iſt / ſo dir nicht geneigte blicke giebt;
Die Koͤn’ge ſuchen dich auff mehr als hundert meilen.
Und lieſſe ſich dein leib / wie dein verſtand / zertheilen /
So wuͤrdeſt du bereits in halb Europa ſeyn.
Diß alles / ſag ich / ſchreibt dich zwar den ſternen ein /
Und iſt wohl ruͤhmens werth; Allein wie / nach der lehre
Des weiſen Solons / auch bey vollem gut und ehre
Kein menſch / bevor er ſtirbt / ſich gluͤcklich achten kan /
So war hingegen ich / und ſtecke noch im wahn /
Daß ſich ein vater erſt kan einen vater nennen /
Wenn er ſich ſelbſt nicht mehr kan vor den kindern kennen.
Drum ſchien dein wohlſeyn mir voll kummer und gefahr /
So lange nicht dein ſohn in gleichem ſtande war.
Denn ob ich ſchon geſehn / wie du ihn aufferzogen /
Wie er der weißheit milch zu Dantzig eingeſogen /
Zu Wittenberg vor fleiß und eyfer offt gebrannt /
Auff reiſen keinen blick unfruchtbar angewandt /
Und die geſundheit eh / als ſeine zeit verſchwendet;
Ja / ob ich gleich geſehn / wie er den lauff vollendet /
Sich auff die renne-bahn der lehrer ſchon geſtellt /
Und diß in Halle thut / was dich in aller welt
Zu einem wunder macht; So fehlte ſeinem leben
Doch etwas / ſo ihm leicht den garaus konte geben:
Ich117Hochzeit-Gedichte.
Ich meyne eine frau. Nichts iſt ſo allgemein /
Als eine nacht vermaͤhlt / und ſchon geqvaͤlet ſeyn.
Der auſſatz findet ſich auch an dem ſchoͤnſten leibe /
Und Socrates hat recht / daß mancher nur beym weibe
Zwey gute tage hat: den einen / da er freyt /
Den andern / da er ſie mit erden uͤberſtreut.
Heut aber hat dich GOtt hierinnen auch erhoͤret;
Dein ſohn iſt wohl beweibt / dein hauß iſt wohl vermehret /
Und nimmt ein ſolches kind zu ſeiner tochter an /
Das himmel und vernunfft nicht beſſer bilden kan /
Und man hier kuͤnfftig auch wird ohne namen kennen;
Denn wer ſie nennen will / darff nur die ſchoͤnſte nennen.
Und nun begreiff ich erſt / was mancher nicht bedenckt /
Warum dir die natur nur einen ſohn geſchenckt.
Sie wuſte dich ſo wohl in ſtuͤcke nicht zu faſſen /
Drum wolte ſie dich gantz und nicht geſtuͤmpelt laſſen.
O hocherhobner mann! dein lob-lied iſt zu ſchwer;
Wo naͤhm ich doch papier / wo dint und federn her?
Die worte wuͤrden eh / als deine thaten fehlen;
So kan ich mich auch nicht in dieſen orden zehlen /
Der mit der ſchnellen poſt zum Muſen-berge reiſt /
Der verße / wie ein brunn das waſſer / von ſich geußt /
Und zehen bogen kunſt aus einem ermel ſchuͤttelt.
Die ſorgen haben mir die kraͤffte ſchon verruͤttelt;
Und ich empfinde zwar zum reimen einen ſinn /
Doch auch bey weitem nicht / daß ich ein tichter bin.
Wiewohl du frageſt nichts nach tichtern und poeten;
Denn dein erleuchter ruhm hat keinen glantz von noͤthen.
Wer ſchreibt / was du gethan / und ſaget / wer du biſt /
Hat ſo viel wahres ſchon / daß er der kunſt vergiſt.
Drum laß ich andere bey dieſem feſte ſingen /
Und weil dein wohlſeyn doch nicht hoͤher iſt zu bringen /
So wuͤnſch ich / wie vormahls Philippus hat gedacht /
Als man ihm einen tag vier gute poſten bracht:
Der himmel moͤge doch / dafern er ja will plagen /
Auff dieſes gluͤcke nur mit kleinen ruthen ſchlagen.
H 3An118Hochzeit-Gedichte.
An den Hn. Land-Rath von Wulffen / uͤber die gluͤckliche vermaͤhlung mit dem aͤlteſten Fraͤulein von Dan - ckelmann.
WAs vor in Griechenland am Paris iſt geſchehn /
Das koͤnnen wir nunmehr bey deiner heyrath ſchauen;
Dann Juno heiſſet dich nach reichen Nymphen ſehn /
Und Venus locket dir mit hundert ſchoͤnen frauen.
Die Pallas aber traͤgt dir eine tochter an /
Die ſie durch ihren ſohn / von Danckelmann / gebohren.
Was thuſt du wertheſter? du fliehſt der erſten wahn /
Und haſt die dritte dir zur liebſten außerkohren.
Ach haͤtte Paris ſo / wie du anitzt / gedacht /
So waͤre Troja nicht in feur und blut vergangen!
Dann dein Exempel lehrt / daß / wer nach tugend tracht /
Auch ſtand und ſchoͤnheit kan mit ſeiner braut erlangen.
Begraͤb -119

Begraͤbniß-Gedichte.

Auff das abſterben Seiner Durchl. Georg Wilhelms / Hertzogs zu Liegnitz / Brieg und Wohlau.
1.
SO bricht der glantz der welt!
Die zeit kan auch den purpur bleichen;
Die reinſte ſonne muß zu bald den weſt erreichen:
Die ſaͤule reich an ertzt wird zeitlich hingefaͤllt.
Des himmels ſpruch iſt nicht zu widerſtehen /
Und wer iſt groß genug demſelben zu entgehen?
2.
Diß / was man ewig ſchaͤtzt /
Das wird in kurtzer zeit begraben;
Wer weiß / wo ihrer viel itzt ihre graͤber haben?
Die ſich lebendig ſelbſt den ſternen beygeſetzt.
Mich deucht / wie die natur manch ding verlohren /
Daß die vergaͤnglichkeit zu trotzen ſich verſchwohren.
3.
Des Nimrods groſſes reich /
Da haupt und herrſchafft guͤlden waren /
Iſt / wie von wenig flut der ſproͤde thon / zerfahren /
Und ſeine macht iſt itzt den todten-knochen gleich.
Das feſte land / der grund-ſtein der pallaͤſte /
Der ſchweren berge fuß ſteht ſelber nicht gar feſte.
4.
Von Artaxerxes Thron
Iſt ſchwerlich noch ein ſtein zu zeigen;
Wer weiß / wo ringe ſich um ſchlechte finger beugen /
Aus derer golde vor beſtund die koͤnigs-kron.
Der moder hat den theuren zeug zerbiſſen /
Den meinen ahnen hat manch ſieger kuͤſſen muͤſſen.
H 45. Wie120Begraͤbniß-Gedichte.
5.
Wie alles diß geht ein /
Wie gantze reiche ſich verſetzen /
Der reſt den ſtahl / die zeit den marmol kan verletzen:
So muß geſchlecht und menſch dem tod auch zinßbar ſeyn.
Kein alterthum der haͤuſer und der wuͤrden /
Weiß fuͤrſten von der ſchuld des ſterbens zu entbuͤrden.
6.
Mein graues hauß verfaͤllt /
Das nun neun hundert jahr geſtanden /
Doch iſt GOtt lob! kein grauß von hohn und ſpott verhanden!
Weil ihn die welt zum theil / theils GOtt in ehren haͤlt.
Es faͤllt durch muͤh; Jedoch wird niemand ſchlieſſen /
Daß ich durch meine ſchuld den grund haͤtt eingeriſſen.
7.
Des allerhoͤchſten hand /
So Cedern ſetzt und wieder faͤllet /
Und an Pyaſtus ſtamm zum gipffel mich geſtellet /
Die bricht mich ab / und ſetzt mich in ein ander land;
Wer dieſer hand ſich muͤht zu widerſtreben /
Der liebt ſein ungeluͤck / und haßt ſein eigen leben.
8.
Vorhin herrſcht ich mit luſt /
Itzt folg ich noch mit groͤſſern freuden.
Und muß ich gleich von ihr / durchlauchte mutter / ſcheiden /
So ſey ihr doch / und auch / frau ſchweſter / ihr bewuſt:
Daß ich nur ſey voran dahin geſchritten /
Wo die vergnuͤgung uns wird ſtets zuſammen bitten.
9.
Hier lebt man gantz befreyt /
Von dem / was zufall pflegt zu heiſſen.
Die ſteine / ſo itzund in meinen haaren gleiſſen /
Sind reiner ſternen glantz / und gold der ewigkeit.
Die leibwacht / die mich hier beſtellt iſt zu bedienen /
Sind freunde ſonder falſch / und heiſſen Seraphinen.
10.
Lebt all in guter ruh!
Wie ihr mir freund und treu im leben;
So ſeyd des kaͤyſers huld und GOttes ſchutz ergeben;
Diß bitt ich noch von euch: Schlieſt hinter mir nun zu /
Und lebt alſo den kurtzen reſt der erden /
Daß ihr / wie ich / gekroͤnt / von GOtt bekraͤntzt moͤgt werden.
Die121Begraͤbniß-Gedichte.
Die an dem begraͤbniß-tage / ihres groſ - ſen Friedrich Wilhelms / wehklagende Durch - lauchtigſte Dorothee.
OUnerbittliches verhaͤngniß meiner jahre!
Du ſtiffter meiner noth und dieſer todten-bahre!
Vollbringeſt du nunmehr den allerletzten neid;
Und was noch uͤbrig war an meiner traurigkeit?
Mein Friedrich Wilhelm ſtarb! du haſt ihn mir entriſſen;
War es dir nicht genug / daß ichs erleben muͤſſen?
Haſt du / ſein grab zu ſehn / mich leider auch beſtimmt!
Das / wie du lebendig / mir ihn geſtorben nimmt.
Ach nein! ach nein! zu viel der klaͤglichen beſchwerde!
Zu viel / daß zweymahl ich durch ihn zur wittben werde!
Durch ſeinen tod zuvor / und nun durch dieſen ſtein;
Der ſeiner aſchen auch verbeut bey mir zu ſeyn!
In meiner finſterniß / da ich bißher geſeſſen /
Da ohnmacht / hertzeleid und angſt mich abgefreſſen /
War dieſes noch mein troſt / bey meinem ungemach /
Daß es mir meinen todt auff dieſen tag verſprach.
Gluͤckſelig mein geſchick / wenn du es vollenzogen!
Wenn meine hoffnung nicht mißguͤnſtig mich betrogen;
Die meinen welcken leib / zu der verlangten nacht /
Zum ſchatten und geripp / zur leiche nicht gemacht!
Ich muß mich in mir ſelbſt der traͤgen ſchwachheit ſchaͤmen /
Daß ich nicht ſtarck genug zu tode mich zu graͤmen /
Daß ich vor bloſſem ſchmertz nicht leicht erſterben kan;
Nach dem du ſolchen riß an meiner bruſt gethan.
Armſelge Dorothee! worzu biſt du erkohren?
Du weiſt / was Brandenburg / doch mehr was du verlohren;
Ein vaters gleicher ſohn erſetzt ihm den verluſt;
Nur dir ſtirbt gantz und gar was du deweinen muſt.
Ich klage nicht die macht / die hoheit und das gluͤcke /
Daß alles laͤſt mein fuͤrſt mit Friedrich mir zuruͤcke.
Ich klage meinen herrn; nicht ſeinen fuͤrſten-ſaal;
Nicht das gekroͤnte haupt; nur bloß mein eh-gemahl.
Mein werthes eh-gemahl / des treue mich erleſen;
Der auch ſo liebreich war / als groß er iſt geweſen.
H 5Erwe -122Begraͤbniß-Gedichte.
Erweget / welch ein ſchatz des Friedrich Wilhelms hertz /
Und meſſet denn darnach der Dorotheen ſchmertz!
Ach ließ der himmel ihn nur eintzig wieder leben!
Und hatt er ſonſten nichts / als ſeine gunſt zugeben /
Wie gluͤcklich wuͤrd ich ſeyn / auch ſonder glantz und thron;
Bey ſeiner eintzigen geliebteſten perſon;
Ach haͤtt ich / da er ja die welt verlaſſen wollen /
Fuͤr ihn; Iſt es zu viel? mit ihm erblaſſen ſollen!
So waͤr ich in der grufft auch ſeine folgerin;
Wie ich hier ungetrennt von ihm geweſen bin.
Allein der himmel ſpielt mit meinen heiſſen zehren /
Und will mir meinen wunſch nach keiner art gewaͤhren.
Es ſcheint er habe mich zu dieſer qvaal verſehn;
Wohlan! ſo will ich denn auch recht zu grabe gehn.
Ich will mich aus der welt mit dieſer leiche tragen:
Mein leben ſoll nichts ſeyn / denn ein verlaͤngtes klagen:
Den vurpur werff ich heut zu ihm in deſſen grab;
Und ſterbe / wie er ſtirbt / der gantzen erden ab.
Mein zimmer will ich nun zum todes-tempel machen /
In welchem ihn und mich mein jammer ſoll bewachen.
Wo ſein entſeelter leib in meinen ſchmertzen lebt /
Und taͤglich meine pein mich neben ihn begraͤbt.
Hier ſoll mein kummer ihn und ſein gedaͤchtniß ehren;
Ich klage nicht um troſt von iemand zu begehren.
Mich troͤſtet: daß mein hertz ein ſtetes leiden friſt;
Und es dahin gedenckt / wo mein verlangen iſt.
Ihr zeugen meiner eh / ihr printzen und printzeſſen /
Auch euch muß ich nunmehr bey dieſem fall vergeſſen!
Geburts - und nahmens-tag / der zu ergoͤtzen pflag /
Du biſt nun / uͤmgekehrt / mir ein begaͤngniß-tag.
Ich will / ſo offt du kommſt / nur tod und ſterben nennen;
Man ſoll aus meiner trau’r die reine treu erkennen:
Daß / wie ich / in der welt / nur meinen held geliebt;
Mich auch / bey dem verluſt / nur ſein verluſt betruͤbt.
Nun / leich / und bahre faͤhrt / ich werde nachgefuͤhret /
Ein koͤniglich gepraͤng wird um und um geſpuͤret /
So Friedrichs froͤmmigkeit dem groſſen vater weyht;
Welch denckmahl aber ſetzt ihm mein bethraͤntes leid?
Ihr heiligen gebein / die ich allhier begrabe /
Ich ſchwehre: daß ich euch / in meinem hertzen habe;
Wo nicht dem coͤrper nach / dennoch nach meinem weh:
Ein lebendiges grab iſt eure Dorothee.
An123Begraͤbniß-Gedichte.
An die hoch-adel. frau mutter / Herrn Abraham Siegmunds von Hohberg / als derſelbe in Franckfurt an der Oder nach einer ungluͤcklich - empfangenen wunde ſeel. verſchied.
SO wie ein donner-keil durch hohle cedern faͤhrt /
Wenn der gepreßte knall den gruͤnen wald erſchuͤttert:
So hat des himmels krafft auch meinen geiſt verzehrt /
Da ſie / betruͤbteſte / vor ſeinem donner zittert.
Mein brieff ſoll voller troſt und voller zucker ſeyn;
Was aber ſoll mir doch die ſchwache feder ruͤhren /
Indem wir halb erſtarrt cypreſſen-zweige ſtreun /
Und ihren liebſten ſohn zum ſchwartzen grabe fuͤhren?
Ach allzulieber ſohn! ach allzuſchwartzes grab!
Wie bald kan gluͤck und zeit doch ſeinen wechſel finden!
Wie bald faͤllt doch die frucht der reiffen hoffnung ab /
Wenn unſer lebens-baum laͤſt ſeine pracht verſchwinden.
So unbeſtaͤndig iſt der groſſe Barmach nicht;
So weiß Suratta nicht das wetter zu verkehren;
Als wenn des himmels-ſchluß durch die gedancken bricht /
Und unſre Babel ſich wie ſchatten-werck verzehren.
Wer ruͤhmte / ſeligſter / nicht deiner jugend glantz /
Die wie ein feigen-baum vor bluͤte frucht getragen /
Als dir die tugend ſelbſt den gruͤnen lorbeer-krantz
Und ihren ehren-preiß uͤm deinen kopff geſchlagen?
Und dennoch ſchleuſt die grufft itzt deinen ſchimmer ein /
Der freunde luſt-ſtern muß mit deiner bruſt erbleichen;
Und dein entſeelter mund wird ſelber zeuge ſeyn /
Daß muth und jugend nur dem porcellane gleichen.
Des vaters edler ruhm / der ahnen tapfferkeit /
Wird numehr allererſt auff erden ſich vermiſſen;
Nachdem der wunder-fall der kummer-vollen zeit /
Dich / als ihr ebenbild / der ſtoltzen welt entriſſen.
Doch dieſes nicht allein: das theure Schleſien /
Faͤngt auch an uͤber dich / als ſeinen ſohn / zu klagen /
Und ſchaut mit thraͤnen an / daß hier die Najaden /
Und nicht ſein mutter-arm dich kan zu grabe tragen.
Zuletzt124Begraͤbniß-Gedichte.
Zuletzt kommt Themis ſelbſt und denn die tapfferkeit:
Die bricht den feſten ſchild bey deiner grufft in ſtuͤcken /
Und jene hat den leib mit flor und boy beſtreut /
Und will dich noch als kind an ihre bruͤſte druͤcken.
Diß ſchreib ich aber nicht / was deiner bruͤder weh
Vor liebes-ſeuffzer laͤſt nach deiner ſeele ſchieſſen;
Noch wie die mutter ſelbſt aus ihrer hertzens-ſee /
Das ſaltz der thraͤnen laͤſt als rundte perlen flieſſen.
Ein offtbeklagter todt verdoppelt nur die pein /
Und der muß grauſamer als raſende Cyrcaſſen /
Und unempfindlicher als wilde Mohren ſeyn /
Der nicht auff deinen ruhm ſoll friſche thraͤnen laſſen.
Welch nebel aber klebt doch meinen augen an?
Genug / betruͤbteſte / die thraͤnen ſind verſtrichen:
Ihr allerliebſter ſohn tritt auff des himmels-bahn /
Und iſt dem Ninive der erden ausgewichen.
Sein blut-beſpritzter leib macht nun in JEſu ſchooß
Die roſen-rothe bach zu reinen ſilber-qvellen:
Nachdem die ſeele ſich von allen ſuͤnden loß /
Vor GOttes augen kan in weiſſem atlas ſtellen.
Die engel waſchen ſelbſt der wunden ſcharlach ab /
Und lehren wie er ſoll dem hoͤchſten opffer bringen;
Er / der zu guter nacht / durch das bedeckte grab /
An ſeine freunde noch laͤſt dieſen troſt erklingen:
Adjeu! Ich lebe wohl; denn iſt gleich meine bruſt /
So wie der abend-glantz bepurpert untergangen:
So glaubt / daß nach der zeit die ſonne meiner luſt
Auch wie der morgen wird in vollem golde prangen.
Auff eben denſelben.
WIe artig trifft der menſch doch mit den blumen ein /
Die heute praͤchtig ſtehn und morgen doch verſchwinden!
Da luſt und traurigkeit in ſtetem wechſel ſeyn /
Und ſich die farben nur auff kurtze zeit verbinden.
Was arbeit koſt es nicht / eh man das duͤrre feld
Kan zu der nutzbarkeit der blumen tuͤchtig machen?
Was muͤhe ſteht es nicht / eh wir die blinde welt
Und ihre phantaſey recht wiſſen auszulachen?
Und125Begraͤbniß-Gedichte.
Und wenn die blumen nun in vollem purpur ſtehn /
Und hier die lilien / dort ſilberne narciſſen /
Und da die tulipen mit ſaamen ſchwanger gehn /
So wird die gantze pracht durch wind und ſturm zerriſſen:
So wenn wir kaum den ſchaum der erden angeblickt /
Und erſt die balſam-krafft der buͤcher angerochen /
So wird uns durch den tod der kluge kopfft verruͤckt /
Und unſer leben ſo wie blumen abgebrochen.
Druͤm zieht ihr traurigen die muͤde thraͤnen ein /
Weil unſer weſen doch nicht eher kan beſtehen /
Als biß wir endlich auch wie duͤrre blaͤtter ſeyn /
Und unſre glieder ſo wie blumen untergehen.
Der todte tritt nunmehr in himmels-garten ein /
Und wie die blumen ſich verdoppeln in der erden;
So wird er / weil er nicht kan irrdiſch fruchtbar ſeyn /
Im himmel allererſt zur vollen blume werden.
Die dreyfache gluͤcks - und ehren-krone / bey dem ſeligen hintritt Frauen Catharina von der Lith / gebohrner Weſenfeldin.
ALs Franckreich ſeinen ſohn den Pohlen wieder nahm / Und Heinrich durch die flucht zum zweyten throne kam / Da warff er die vernunfft erſt auff der welt getuͤmmel / Nahm Solons lehren an / die er dem Croͤſus gab / Und riß auff reinen grund drey goͤldne kronen ab / Mit dieſer uͤberſchrifft: die dritte bleibt im himmel.
Betruͤbte! darff ich mich zu ruͤhmen unterſtehn / Wie eure freundin ſchon den himmel hier geſehn / Und unter dornen auch mit roſen ſich verbunden: So lernet / daß ihr geiſt von gleicher wuͤrde war / Und darum eher nicht / als auff der toden-bahr / So wie der koͤnig hat die dritte krone funden.
Was jenem Pohlen war / das war ihr jungfer-ſtand / In dem ſie witz und krantz als feſten leim verband /Und126Begraͤbniß-Gedichte. Und felbſt Penelopen die palmen abgeſtritten / Ihr kleid war Chriſti blut / ihr ſpiegel aber GOtt: Drum hat ſie / wie der mond / auch in der groͤſten noth / Zwar oͤffters finſterniß / doch keinen bruch erlitten.
Doch dieſe krone brach die flamme der natur / Als Lithens hoher geiſt durch ihre ſeele fuhr; Druͤm legte ſie getroſt den alten ſcepter nieder: Denn unſer koͤnig ſchrieb auch ihrer ſtirnen an: Ob man gleich kronen offt im kaͤrcker finden kan / So ſucht ein freyes kind doch ſeine mutter wieder.
Wie wenn ein glimmend feur auff einmahl lufft erhaͤlt / Und der gepreßte dampff aus ſeinem eirckel prellt / Alsdenn die preſſe ſelbſt zu friſchen zunder dienet: So zog ihr keuſches hertz die reine flammen an. Und folgte dazumahl dem baume von Japan / Der von dem regen ſtirbt / und in der ſonne gruͤnet.
Ihr pol-ſtern war allein ihr allerliebſter Lith / Lith / der ſich mehr um ſie / als alle welt / bemuͤht; Auff dieſen warff ſie nun ihr feuriges verlangen / Und praͤgte bey ſich ſelbſt diß ihrer ſeelen ein: Goͤnnt nur / mein theurer Lith / mir ſeinen ſonnenſchein / So werd ich monde ſtets in vollem lichte prangen.
Was Artemiſia / was Portia gethan / Was ſich der Grotius vom weibe ruͤhmen kan / Und Momorantia vor ihren printz erlitten; Das alles ſchreibet man durch buͤcher in die welt; Doch wo nicht Momus ſelbſt ein blindes urthel faͤllt / So hat die ſelige noch um den preiß geſtritten.
Denn ſtatt der aſchen tranck ſie Chriſti freuden-wein / Vor kohlen ſchluckte ſie nur himmels-flammen ein / Und bat vor ihr gemahl mit heiſſen thraͤnen-guͤſſen. Wenn denn der Labyrinth der ſorgen ihn uͤmſchloß / Riß ſie durch dieſen troſt ihm alle faͤſſel loß / Auch myrrhen laſſen erſt im ſturme gummi flieſſen.
Wie ſie ſein hertze nun mit zucker uͤberſtreut / So traff ſie auch das gifft der herben ſterblichkeit;Das127Begraͤbniß-Gedichte. Das licht gebrach ihr offt bey langen ſommer-tagen / Dacht aber nur ihr geiſt an ſeine ſeelen-luſt / So konte wind und ſturm auff ihre felſen-bruſt So wenig als der plitz auff gruͤne lorbeern ſchlagen.
Sie wuſte / daß um klee und gruͤnen roßmarin / Auch gifftiger napel und coloqvinten bluͤhn / Daß ſelbſt der balſam muß aus ſchnitt und wunden qvellen / Und darum lachte ſie / wenn wolck und donner brach / Und ahnte der natur der klugen bienen nach / Die auch den ſchierlings-ſafft in honigſeim verſtellen.
Das gluͤcke dieſer welt und ſeiner ehren-bahn / Diß alles ſah ſie nur als runde kugeln an / Da auff - und niedergang in einem circkel ſchweben / Und lehrte: daß die luſt und dieſer erden ſchein / Nichts / als Sirenen-klang und falſche Circen ſeyn / Da ſelbſt Ulyſſes nicht kan ohne ſorgen leben.
Und endlich gab ihr leib der erden gute nacht / Und will auch in der grufft ohn alle ſeiden-pracht / Wie Maximilian / in bloſſer leinwand liegen. Ob man nun gleich ihr grab mit golde nicht beſtreut / So plitzt ihr kronen-gold doch in der ewigkeit / Und zeigt / daß niemand kan vor ſeinem tode ſiegen.
Daß er / Hoch-Edler / nun in thraͤnen-ſaltze ſchwimmt / Daß in dem kinde noch die mutter-liebe glimmt / Und ihre freunde faſt vor traurigkeit zerflieſſen / Iſt freylich nicht zu viel; denn wo der ancker faͤllt / Wo donner / plitz und ſturm den ſtarcken maſt zerſchellt / Da kan das muͤde ſchiff leicht in den abgrund ſchieſſen.
Hier ſteht ſein werthes haus / und klaget ſeine frau / Traͤgt gall und wermuth auff vor ſuͤſſen nectar-thau / Und weiß ihn anders nicht / als weinend / zu bedienen; Dort liegt ſein armer ſohn / und zeigt mit thraͤnen an / Daß er noch ohne ſie ſo wenig leben kan / Als ein zitronen-baum mag ohne ſonne gruͤnen.
Und darum glaub ich leicht / wie ſeine ſeele ſchwitzt / Indem das wetter ihm durch alle glieder plitzt / Und er ſein liebes-ſchiff ſo ploͤtzlich ſieht verderben; Noch leichter glaub ich auch / er wuͤrde voller pein / Dafern ſein letzter wunſch nur koͤnte moͤglich ſeyn / Wie Laodamia in ihrem ſchatten ſterben.
Was128Begraͤbniß-Gedichte.
Was aber bringen uns die thraͤnen endlich ein? Ein Chriſt muß in der glut wie Salamander ſeyn / Und wie ein palmen-baum auch in der kaͤlte gruͤnen. Nach ſonne folget plitz / nach regen ſonnenſchein; So ſtrahlt des himmels gunſt auch wieder nach der pein / Und laͤſt die thraͤnen offt uns zum ergetzen dienen.
Es lebt die ſelige nun aller angſt befreyt / Sie ſtrandet an den port der vollen ſicherheit / Dem auch Marſilien und Syracuſa weichen; Und JEſus fuͤhrt ſie ſelbſt mit dieſen worten ein: Wer in Jeruſalem will kind und buͤrger ſeyn / Muß in Egyptenland erſt thon und ziegel ſtreichen.
Geſetzt / daß Suͤdland nun geſunder luͤffte ſey; Es ſchaͤtze Perſien ſeyn Tebris fieber frey / Es baue Waldemar ihm tauſend ſichre thaͤler: So ſchaut ſie alles doch wie Sodoms-aͤpffel an / Auff die der blaſſe todt diß urthel ſchreiben kan: Von auſſen Carmaſin / von innen dunſt und fehler.
Denn ihre burg iſt nun der thron der ewigkeit / Den ſtets der engel hand mit roſen uͤberſtreut / Und JEſus ſelber hat mit purpur uͤberzogen: Da wird ihr frommer geiſt durch keine ſorgen matt / Und gruͤnet nach der glut ſo wie ein liljen-blat / Das wieder friſche krafft vom regen angeſogen.
Druͤm zieht / betruͤbteſte / die ſchwere thraͤnen ein / Und dencket / daß wir nichts als ſeiden-wuͤrmer ſeyn / Die nach erzeugter frucht in voller arbeit ſterben: Wohl dem / der auff den todt ſchon vor dem tode denckt / Und endlich / wenn die zeit zwey kronen ihm verſchenckt / Wie unſre Lithin kan die dritt im himmel erben.
Die129Begraͤbniß-Gedichte.
Die Vollkommenheit einer fuͤrſt - lichen ſeelen / Dem Durchlauchtigſten Printzen / Herrn Ernſt Leopold / in der perſon ſeiner Durchl. ſeligſt-verblichenen Herrn Vaters / Herrn Rudolph Friedrichs / Erbens zu Norwegen / Hertzogens zu Schleßwig-Hollſtein ꝛc. fuͤrgeſtellet.
D himmel und geſtirn der ſeelen urſprung ſey / Daß durch vier ſterne ſie zur erden abwaͤrts flieſſen / Und ſo viel ſtaffeln auch muß wieder auffwaͤrts ſchieſſen / Schrieb ihr / doch ohne grund / ſchon laͤngſt Egypten bey. Heut aber hat der bruch der kurtzen lebens-ſtunden / Der deines vaters leib in grauß und aſche legt / Zwar dir / durchlauchſter Printz / mit thraͤnen-ſaltz und wunden / Mit purpur aber uns warhafftig eingepraͤgt: Daß ſein entwichner geiſt vom himmel ſey entſprungen / Und durch vier ſterne ſich hat ab - und auffgeſchwungen.
Denn wo wir anders nicht mit heyden-augen ſehn / Wo wir den waſſer-geiſt am Hippon noch verdammen / Nicht wie Parmenides die ſeel aus erd und flammen / Und wie Lencippus nicht aus ſonnen-ſtaube drehn / Wo man das groſſe licht des himmels und der erden / Den unumſchraͤnckten GOtt vor ihren brunn erkennt; Wo endlich die vernunfft nicht ſoll zur eule werden / Und uns durch ihren ſtrahl von wilden thieren trennt / Muß auch die blindheit ſelbſt aus ihrem zunder leſen / Daß GOtt ſein erſter ſtern / der andre witz geweſen.
Nechſt perlen wird durch blut der muſchel werth bezeugt; Dem ſterne der vernunfft folgt die geburt in fuͤrſten; Denn ob gleich ſclaven auch nach kronen-golde duͤrſten; Juſtinus auff den thron aus hirten-lenden ſteigt;JSo130Begraͤbniß-Gedichte. So bleibt doch ahn und blut der fuͤrſten probe-ſpiegel / Aus dem die welt allein den purpur leſen kan. Drum brach auch Rudolphs geiſt des poͤbels ſchloß und riegel / Und zeigte durch den glantz des fuͤnfften Chriſtian / Weil Nordens koͤnige mit ſeinem blute prangen / Daß ihm der dritte ſtern im vater auffgegangen.
Doch weil ein ſchwacher leib auch fuͤrſten-blut erſtickt / Nur eiſen wie magnet / und ſpreu wie agtſtein liebet; Der ſeelen fetten kern in enge ſchalen ſchiebet / Ihr abgemeßnes ziel aus ſeinem circkel ruͤckt / Und alſo ſtand und blut nur ſchau-cryſtallen gleichen / An denen ieder fleck ſich doppelt groͤſſer macht / Wo leib und glieder nicht der ſeelen dienſte reichen. So war der himmel auch auff alle kunſt bedacht / Biß daß er ihn zuletzt in vierdten ſtern gezogen / Und ihm ein gleiches pfand am leibe zugewogen.
Und dieſes waren nun die ſterne der natur / Durch die ſein hoher geiſt zur erden abgeſtiegen; Wie fieng diß adler-kind nicht aber an zu fliegen / Als er / wie Hercules / auch wieder auffwaͤrts fuhr? Ein loͤw betrachtet ſchon bey der geburt die klauen; Er baͤr ſtreicht ſeiner haut gleich ſchmuck und farben an: So ließ dein vater auch ſchon in der wiege ſchauen / Und hat / durchlauchſter Printz / in windeln dargethan / Er wuͤrde mit der zeit ein Cyrus in geberden / Im degen Hannibal / in reden Caͤſar werden.
Was aug und hertz verſprach / erfuͤllte mund und hand / Der hoffnung ſuͤſſe frucht wuchs wie der ſchnee der glieder / Indem ſein fruͤher trieb der jugend kinder-lieder / So / wie Amphion / ſchon mit zucker-krafft verbandt. Das iſt: Indem ſein geiſt / ſo wie Auguſtens tugend / Sich in den hellen ſtern der edlen ſanfftmuth ſchwang / Durch ſtrahlen des geſichts / wie Alexanders jugend In die verſchloßne bruſt der feinde ſelber drang / Und alſo wahr gemacht / das freundlich ſeyn und ſingen So leicht die menſchen kan als elephanten zwingen.
Das kind der tyranney / die blinde furchtſamkeit / Rieth den Domitian den garten auszuſpiegeln; Dein vater durffte ſich vor keiner furcht verriegeln / Weil ihn der knechte ſchooß mit federn uͤberſtreut /Der131Begraͤbniß-Gedichte. Der unterthanen hertz ſein groͤßſter ſchatz geweſen / Und wie dem Conſtantin die ſorgen unterſtuͤtzt; Soldaten aber auch aus ſeiner gunſt geleſen; Daß nicht Germanicus auch Titus ſo geplitzt / Und printzen offtermahls wie koͤnigen der bienen / Auch guͤt und honigſeim fuͤr ſcharffe ſtacheln dienen.
Auff ſanfftmuths-ſtrahlen folgt der ſtern der tapfferkeit / In loͤwen-kindern muß kein haſen-hertze ſtecken. Ein fuͤrſt ſetzt land und volck in faͤſſel ſchwerer ſchrecken / Der wie Sardanapal des feindes eiſen ſcheut. Wer weiß nicht / hoher Printz / was deines vaters degen Bey Grav und Charleroy vor ſchulen abgelegt? Wie er ſich bey Genef ließ keinen plitz bewegen / Und durch der wunden blut der nach-welt eingepraͤgt / Warum die wapen auch der Fuͤrſten ſeele ruͤhren / Und Schleßwigs Hertzoge zwey ſtarcke loͤwen fuͤhren.
Pompejus warff zugleich den helden-muth in ſand / Als ihm Pharſalien den ſtoltzen ſieg entriſſen. Fuͤrſt Rudolph aber trat die ungedult mit fuͤſſen / Wenn ihm das gluͤcke gleich der tugend fluͤgel band. Hielt ungluͤck und gefahr vor grimme Crocodillen / Die den verfolgenden offt aus den augen gehn; Vor ſtuͤcke / die umſonſt nur ſchwartze kugeln ſpielen / Wenn Carl der fuͤnffte bleibt im lager ſtille ſtehn / Und lehrt / daß gluͤck und ſieg wie roſen unter hecken / Und wie Caſtanien in ſcharffen ſchalen ſtecken.
Nechſt degen und piſtol verlangt Juſtinian / Daß fuͤrſten auch der ſtern der wiſſenſchafft ſoll zieren / Denn ohne kunſt und witz der erden ſcepter fuͤhren / Macht Franckreichs achten Carl den Juden unterthan; Hingegen gleicht ein fuͤrſt gefirnſten cedern taffeln / Auff denen ieder ſtrich mit klaren farben hafft; Beſteigt mit mehrer krafft der kronen ehren-ſtaffeln / Und lernt / wie Sylvius / daß kunſt und wiſſenſchafft In Poͤfel-ſilber nur / vom adel gold-ertz fangen / In fuͤrſten aber gar wie diamanten prangen.
Dein vater / edler Printz / war hoͤher nicht vergnuͤgt / Als wenn ſein kluger geiſt der ſchrifften feld durchſtrichen / Worinn der graue ruhm der grundgelehrten Griechen / Der Roͤmer redens-art / der Deutſchen wuͤrde liegt. J 2Doch132Begraͤbniß-Gedichte. Doch weil der buͤcher kern gemuͤther zwar ergetzen / Ihr ſtachel aber auch Alphonſe ſtuͤrtzen kan / So wuſte ſein verſtand auch maaß und ziel zu ſetzen / Sah purpur und pappier mit gleichenaug en an / Und glaubte / daß der kiel zwar beyden licht und leben / Viel klecken aber nur kan ſchmutz und eckel geben.
Der auszug aller luſt / die forſchende Chymie / Wieß ihm durch ihre kunſt von kupffer gold zu trennen / Er aber muͤhte ſich / weit ſchaͤrffer zu erkennen / Wie man der weißheit gold aus rechten[b]uͤchern zieh. Drum war ſein hoher ſinn ein Argus voller augen / Ein ſtern / wo nutz und pracht zuſammen ſich gepaart / Der andre klugheit ließ aus ſeinem glantze ſaugen / Und dennoch taͤglich faſt an ſtrahlen groͤſſer ward / Zu zeigen fuͤrſten-witz ſey wie die zimmet-rinden / Da ſich auff iedem ſchnitt gleich friſche ſchalen finden.
Ruͤhmt nun den ſcharlach-baum ihr ſchuͤler der natur / Weil farb und artzeney aus ſeinen beeren flieſſen / Fuͤrſt Rudolph ließ die welt nichts weniger genieſſen / Wenn huͤlff - und anmuths-ſafft aus ſeinem hertzen fuhr / Das iſt: wenn ſeine krafft durch buͤcher und mit degen / Durch rath und tapfferkeit / durch witz und nutz bewaͤhrt / Daß man ihn anders nicht ſoll als den Caͤſar praͤgen: Dem eine hand ein buch / die andre ſtahl und ſchwerdt / Als pflantzen ſeines gluͤcks / und ſeiner lorbeer-reiſer / Mit dieſen worten hielt: Aus allen beyden Kaͤyſer.
Doch wie ein ſteuermann in tauſend ſorgen ſteht / So lange der Compaß den nordſtern nicht gefunden: So haͤlt ein kluger fuͤrſt auch gluͤck und macht gebunden / So lange ſein magnet nicht nach dem himmel geht. Denn ohne gottesfurcht gelehrte buͤcher lieben / Schleußt der Chineſen witz in ſchwere ketten ein; Und Caͤſar hat mit blut ins Capitol geſchrieben: Daß ſchwerdt und wiſſenſchafft nur blinde ſchuͤtzen ſeyn / Durch die vernunfft und gluͤck den circul leicht verlieren / Wo ſie nicht dieſen ſtern zum mittel-puncte fuͤhren.
Wo aber / hoher Printz / nimmt meine feder krafft? Hier deines vaters hertz nach wuͤrden auszudrucken? Wie ſeiner augen maaß in allen helden-blicken Hat an des himmels-gunſt wie feſter leim gehafft. Ein133Begraͤbniß-Gedichte. Ein peſtgeſchwuͤre weicht vor ſchimmernden ſaphiren: Sein noth - und gifft-ſaphier war GOtt und froͤmmigkeit / Durch die er ſeinen geiſt wie David lernte fuͤhren / Und zeigte: daß ein fuͤrſt erſt rechten purpur ſtreut / Wenn der geſtaͤhlte muth der tapfferen Ottonen / Und Luͤneburgs Auguſt in ſeiner ſeele wohnen.
Wiewohl wen faͤſſelt nicht der kaͤrcker dieſer welt? Wer weiß nicht / daß ſich hier nur gold und koth verbinden? Ein drache laͤſt das gifft doch eher nicht verſchwinden / Biß der beſchaͤumte leib vom donner niederfaͤllt: So laͤufft der ſeelen krafft auch nur auff ſchnecken-fuͤſſen / So lange fleiſch und blut den willen hemmen kan: Drum muſte ſich ſein geiſt hier laͤnger nicht verſchlieſſen / Und trat des leibes angſt mit ſteiffen augen an / Biß endlich ihm der tod der ſuͤnden-gifft benommen / Und er im himmel iſt zur vollen klarheit kommen.
Und alſo / hoher Printz / iſt deines vaters geiſt Durch tugend und natur acht ſternen durchgeſtiegen; Doch ſein gedaͤchtniß bleibt auch noch auff erden liegen / Weil ſich ſein ebenbild in deinen augen weiſt. Epaminondas fieng mit freuden an zu ſterben / Weil ihm die feinde nur nicht ſeinen ſchild geraubt; Dein vater aber wird den groſſen ruhm erwerben / Daß er nechſt GOttes ſchild auch dieſes noch behaupt: Daß / da er hertzog iſt im hohen engel-orden / Du auff der erden biſt zu ſeinem bilde worden.
Drum auff / und ruͤſte dich / zeug ſchmertz und thraͤnen ein! Und fiedre deinen geiſt / dem vater nachzufliegen. Philippus kan auch noch in ſeinem tode ſiegen / Weil er ſich kleiner ſieht als Alexandern ſeyn. Der Schweden neundter Carl verdoppelt ruhm und leben / Weil muth und tugend auch aus ſeinem Adolph plitzt: Wo wird dein vater auch in aller augen ſchweben / Weil ſeiner ſtrahlen gold auff deiner ſtirne ſitzt; Die nach-welt aber wird aus deinen thaten leſen: Daß nur ein unterſcheid im namen ſey geweſen.
J 3Fuge134Begraͤbniß-Gedichte.
Fuge, tace, quieſce. Oder Gluͤcklicher Todes-kampff der ſeligen Frauen von Meinders / gebohrner von Heydekampff.
WIr arme ſterblichen / wir haben aug und licht / Und dennoch fliegen wir wie mutten ins verderben. Wir fuͤhlen / wenn der tod uns das genicke bricht / Nicht aber allemahl / wann unſre ſeelen ſterben. Wir riechen zwar das grab / doch nicht die ſeuchen an; Wir ſchmecken nur das gifft / nicht aber ſeine lehren: Ja / da wir den Galen als einen gott verehren / So wird dem Moſes offt das ohre zugethan: Und alſo ſterben wir vor an verſtand und ſinnen / Eh unſre lippen ſchnee / die glieder eiß gewinnen.
Daher entſpringt die furcht des Dionyſius / Wenn er ſein leben nicht will weib und kindern trauen; Der irrthum / daß Tiber die jahre Priamus / Mecen ſich lieber arm / als ſterbend / wuͤnſcht zu ſchauen. Daß Brutus wie ein baͤr nach fremden blute ſteigt / Sich ſelbſten aber nicht zum tode kan entſchlieſſen. Ein Xerxes thraͤnen laͤſt um ſeine voͤlcker flieſſen / Weil ihre ſterblichkeit ihm etwan ſeine zeigt / Und Maſſaniſſa ſich mit grimmigen Moloſſen / Wie Nero ſeinen leib mit deutſcher macht umſchloſſen.
Ach aber / thoͤrichte! was ſeyd ihr doch bemuͤht Diß krancke lazareth auff erden rum zu tragen / Das auſſen zwar die kunſt mit ſcharlach uͤberzieht / Von innen aber gram und faule wuͤrmer nagen? Es braucht nur einen tag / uns in die truͤbe welt / Und wieder aus der welt in himmel zu verſetzen. Der kennet die natur mit allen ihren ſchaͤtzen / Der nur ein eintzig jahr auff erden taffel haͤlt; Und wer den untergang von Troja hat geleſen / Der weiß auch was die pracht der gantzen welt geweſen.
Man135Begraͤbniß-Gedichte.
Man falle wie man will / durch pulver oder bley / Man ſterbe mit Hoſtil von donner oder plitzen; Man bring uns ſiedend ertzt und ſchweffel-ſuppen bey / Und laß uns in der glut wie den Perillus ſchwitzen; Rom ſinne neue qvaal / Carthago martern aus / Der ſtoltze Sylla mag auff ſeinen hencker pochen / Die Japoneſen gifft und ſaure traͤncke kochen; Es iſt doch alles eins ob dieſes knochen-haus / Durch waſſer oder feur / fruͤh oder ſpaͤt verdirbet / Wenn unſre ſeele nur nicht mit dem leibe ſtirbet.
Hier aber wancket offt die nadel der vernunfft; Es iſt nicht gleiche kunſt zu ſterben und zu leben. Die Celten glaubten auch der ſeelen wiederkunfft / Die ſie zuweilen doch fuͤr wein und gold gegeben. Der kuͤhne Curtius ſpringt willig in das grab / Die Decier mit luſt in ihrer feinde degen; Saul will ſich lieber ſelbſt als ſeinen ſcepter legen; Doch deren keiner nimmt an der erfahrung ab / Daß / wenn die ſuͤnde ruhm / die natter kinder bringet / Hier insgemein der leib / und dort die ſeele ſpringet.
Diß hat vor Zeiten ſchon die kluge welt bedacht / Wenn Plato Gott und menſch zuſammen lehrt verbinden. Pythagoras die luſt zu wilden thieren macht / Und Zeno ſich bemuͤht / das hoͤchſte gut zu finden. Die ſchrifft hat folgends ſie darinnen ausgeuͤbt; Gott aber kan es uns mit dreyen worten lehren / Wann er Arſenium laͤſt dieſe ſtimme hoͤren:
*Arſenio einem hofmanne des Kaͤyſers Honorii / ward dieſe ſtimme zugeruffen: Fuge, tace, qvieſce. Volaterr.
* Fleuch / ſchweige ſtill und ruh! denn wer den himmel liebt / Der muß die ſuͤnden fliehn / im creutze ſtille ſchweigen / Und eher / als Gott winckt / nicht in die grube ſteigen.
Ihr / die ihr geld und gut vor eure goͤtter ſchaͤtzt / Aus manna wermuth macht / den honigſeim verbittert / Die ordnung der natur aus ihren ſchrancken ſetzt / Und wie ein pappel-ſtrauch vor iedem winde zittert;J 4Die136Begraͤbniß-Gedichte. Die ihr mit lehren ſchertzt / an worten zweiffel tragt / Kommt und eroͤffnet hier die augen des verſtandes! Diß todte frauen-bild / diß muſter dieſes landes / Das unſer hoff ſo ſehr als ihr gemahl beklagt / Wird euch und eurer furcht am allerbeſten weiſen / Wie man aus dieſer welt muß in den himmel reiſen.
Ihr erſter lebens-tag trat voller freuden ein / Der fruͤhling miſchte ſelbſt die nelcken ihrer wangen; Die glieder ſchienen klee / die lippen thau zu ſeyn / Von dem die bienen milch / die ſchnecken perlen fangen. Was Rahel an geſtalt / an ſitten Eſther war / Das zeigte hier der glantz von ihrem angeſichte / Das wie der morgen-ſtern mit ſeinem fruͤhen lichte Uns allen ſonnenſchein / ihm aber ruhm gebahr. Kurtz: Mund und hertze wieß / gleich wie ihr ſtamm der erden / Daß keine neſſel kan aus einer roſe werden.
Inzwiſchen kam der tod einſt bey gewoͤlckter nacht / Als wie ein marderthier in ihr gemach gekrochen / Als gleich diß engel-bild in einem traum gebracht / Und ihrer augenlicht vom ſchlaffe war gebrochen; Er ſah ſie lange zeit mit ſteiffen augen an / Ha! ſprach er endlich drauff / was thraͤnen werd ich kriegen / Wenn dein erblaßter leib wird in dem grabe liegen? Das ſeine ſchoͤnheit ſchon ſo vielen auffgethan; Denn eltern wollen doch mit adlern eh verderben / Als ihre kinder ſehn in ihrem ſchooſſe ſterben.
Doch nein! ich irre mich / ich irre / fuhr er fort / Mein amt iſt nicht allein auff erden fleiſch zu freſſen. Ein allzu fruͤher ſturm fuͤhrt manchen an den port / Der ſonſten noch vielleicht hier wuͤrde Gott vergeſſen. Bey heyden hab ich nichts als ihre leibes-krafft / Bey Chriſten aber auch die ſeele zu beſtreiten; Drum muß ein Abſolon vor in die hoͤlle gleiten / Eh mein erhitzter zorn ihn von der erden rafft. Auff / mutter / ruͤſte dich / erſcheine deinem kinde! Denn was der tod nicht kan / vollfuͤhret doch die ſuͤnde.
Diß hatt er kaum geſagt / ſo ließ die ſchlangen-brut / Die tochter Lucifers / die ſuͤnde / ſich erblicken; Ihr angeſicht war gifft / die lippen drachen-blut / Die armen ſchneidend ſtahl / die fuͤſſe bettler-kruͤcken. An137Begraͤbniß-Gedichte. An ihrem halſe hieng ein duͤnnes zauber-glaß / Mit dieſer uͤberſchrifft: Durch luͤgen und betriegen. Die bruſt war kaum zuſehn vor einem hauffen fliegen / Der mit der groͤſten luſt von ihrem eyter fraß: Von hinten folgten zwar der glaub und das gewiſſen; Doch beyden waren auch die augen ausgeriſſen.
Hier haſt du / liebſter ſohn / ſprach dieſer hoͤllen-brand / Die diener deines ſtaats / die ſatan dir erkohren / Nachdem er dich aus mir / mich aber ſein verſtand / Wie vormahls Jupiter Minerven / hat gebohren. Indem ſo jagte ſie die fliegen in die hoͤh / Und ſieh! den augenblick ward eine zur Megeren / Die andern kehrten ſich in raſende Chimeren / So wie ihr gantzer kopff in eine feuer-ſee: Viel aber ſah man auch an gliedern und geberden Wie den Lycaon einſt zu thier und woͤlffen werden.
Erſchrick nicht / bließ ſie drauff ihm in die ohren ein / So ſind die laſter nur dem weſen nach gebildet: Itzt aber ſolſtu ſehn / wie dieſer zauber-ſchein Sie wieder durch den glantz als engel uͤberguͤldet. Hierauff verdrehte ſie den ſpiegel in der hand / Und ſpritzte ſiebenmahl aus ihrem faulen rachen: Gleich uͤberwurffen ſich die ungeheuren drachen / Und traten ingeſamt wie kinder an die wand: Die woͤlffe machten ſich zu angenehmen frauen / Und in Megera war Meduſa ſelbſt zu ſchauen.
Aurora iſt ſo ſchoͤn bey fruͤhem morgen nicht / Wenn ſie die tropffen noch von ihrem purpur ſchuͤttelt; Nicht Ledens ſchwanen-kind / wann es die ſchaalen bricht / Und der verliebten welt witz und verſtand zerruͤttelt / Als dieſe furie nach ihrem wechſel ſchien: Die augen brandten ihr wie zwey erhitzte ſonnen / Die glieder hatte ſelbſt narciſſen uͤberſponnen / Die wangen faͤrbten ſich wie ſpaniſcher jaſmin / Von unten aber war auff einer feuer-flammen Die kurtze ſchrifft zuſehn: Luſt und verluſt beyſammen.
Gleichwohl kam ihre pracht nicht denen andern bey / Die als 2. Gratien ihr gegenuͤber ſtunden: Denn eine hatte gar mit rother liberey Den thurm von Babylon auff ihren kopff gebunden /J 5Aus138Begraͤbniß-Gedichte. Aus dem ein truͤber rauch mit dieſen worten fuhr: Je weniger ich bin / ie hoͤher will ich ſteigen. Der zierrath ihrer bruſt / war von corallen zweigen; Denn dieſes kraut und wir ſind einerley natur; Weil ſeine rancken bloß von kuͤhler lufft der erden / Die durch den hochmuths-wind zu harten ſteinen werden.
Die andre uͤbertraff das gantze Morgenland / Durch ihren kleider-ſchmuck an perlen und rubinen: Die ſchuh bedeckte gold / die ſtirne diamant / Die haare muſte Rom mit puder ſelbſt bedienen; Der mund ſtieß einen dampff von amber-kugeln aus / Zur ſeiten aber ſtund ein tiſch von helffenbeine / Und neben dem ein faß mit Syracuſer weine / Die ſpeiſe ſelber war ein groſſes zucker-hauß / Ein Indiſch vogel-neſt und eine Scarus-leber / Mit dieſer uͤberſchrifft: Der ſeelen todten-graͤber.
Hier ſiehſtu (fing indem die ſuͤnde wieder an) Drey frauen / lieber ſohn / die alle welt bethoͤren: Die erſte zeiget ihr der wolluſt ſuͤſſe bahn; Die andre iſt der geiſt der hoffart und der ehren; Die dritte wohnet meiſt der reichen jugend bey / Und laͤſt / dem nahmen nach / ſich die verſchwendung nennen: Die kinder geben dir hingegen zu erkennen / Daß iede miſſethat klein und veraͤchtlich ſey / Biß hoͤlle / furcht und tod das rechte bild gebaͤhren / Und ihren muͤcken-kopff in elephanten kehren.
Diß ſagte ſie / und flog / als wie ein plitz davon / Die kinder folgten ihr / die frauen aber blieben / Und einer ieden ward durch ihren duͤrren ſohn Ein gantzer zeddel voll zu ſchaffen vorgeſchrieben. Die erſte probe nahm die wolluſt uͤber ſich / Allein ihr witz beſtund wie butter an der ſonne: Denn unſre ſelige ſchlieff voller luſt und wonne; Weil GOttes engel nicht von ihrer ſeiten wich / Und alles / was diß weib an traͤumen nur erdachte / Wie warme lufft den ſchnee / zu ſchaum und waſſer machte.
Der morgen zeigte kaum das lichte roſen-tuch / So fieng das zauber-aß ſchon wieder an zu ſpuͤcken: Denn bald verſuchte ſie durch ein verliebtes buch / Bald durch ein nacktes bild die ſeele zu beruͤcken;Bald139Begraͤbniß-Gedichte. Bald bließ der aͤrmſten ſie die falſche lehren ein: Die jungfern waͤren ja von fleiſch und blut erſchaffen / Die tugend aber nur ein blinder traum der pfaffen / Die weder GOtt / noch menſch / noch engel wolten ſeyn. Viel haͤtten ſich daran zu tode zwar geſchrieben; Doch waͤr ihr hertze ſtets bey ſchoͤnen weibern blieben.
Diß pfiff der ſeligen die ſchlange taͤglich fuͤr. Allein ihr guter geiſt rieff allemahl dagegen: Fleuch Leonore! fleuch! denn wolluſt und begier / Sind jaͤger / die der welt verguͤldte ſtricke legen. Von forne beut ihr mund zibet und zucker an / Von hinten ſtechen ſie wie falſche ſcorpionen. Die blumen ihrer luſt ſind weiſſe liljen-kronen / Die wurtzel aber ſchmeckt wie bittrer majoran / Die frucht wie honigſeim / der nur den mund verfuͤhret / Und doch im magen nichts als gall und gifft gebiehret.
Und alſo blieb ihr hertz von aller regung frey / Biß gluͤck und himmel ſie an ihren Meinders bunden. Inzwiſchen hatte ſich das kind der phantaſey / Die hoffart / in den platz der wolluſt eingefunden. Ihr gantzes reden war: Ein feuer muͤſte licht / Ein groſſer ſeine macht auch in geberden weiſen. Die buͤrger haͤtte GOtt aus grobem bley und eiſen / Des adels hohen geiſt von golde zugericht; Druͤm wuͤſten jene ſich ſo wohl in krumme ruͤcken / Und dieſe wie ein leu zum herrſchen nur zu ſchicken.
Hingegen wandte gleich ihr engel wieder ein: Fleuch! Leonore fleuch! Denn ehre / ſtand und adel Sind ohne demut das / was lampe ohne ſchein / Granaten ohne kern / Compaße ſonder nadel. GOtt hat ihm Sions berg / und keinen Apennin / Den kleinen David nur / nicht rieſen / auserleſen / Der allererſte menſch iſt ſtaub und koth geweſen / Zur lehre: daß er ſtand und kronen ſolte fliehn; Nachdem er aber GOtt und die vernunfft verlohren / Hat er den adel zwar / doch auch den tod gebohren.
Was hilfft es? fuhr er fort / daß man die halbe welt Mit Alexandern kan in ſeinem titul tragen? Je naͤher man den geiſt zur ſonnen-kugel ſtellt / Je weiter muß man ſich auch in den donner wagen. Geluͤck140Begraͤbniß-Gedichte. Geluͤck und ehre ſind auff erden kinder-art: Sie geben gerne viel und nehmen gerne wieder: Der anfang ihrer luſt ſind halleluja-lieder; Das amen aber iſt mit weh und ach gepaart: Denn eh die wind ein rad / wir eine hand / umtreiben / Kan GOtt auff ihre luſt ſchon Mene / Tekel / ſchreiben.
Nachdem der hoffart nun der bogen auch zerbrach / Trat die verſchwendung auff / den fehler zu erſetzen. Was brauchſtu / ſagte ſie / der ſtoltzen ungemach / Die wie die blaſen ſich am winde nur ergetzen? Der iſt der groͤſte fuͤrſt / der viel bezahlen kan. Denn gold und reichthum ſind der ehren kaͤyſer-kronen / Wo dieſe Goͤtter nicht in einem hauſe wohnen / Da ſchreibt die gantze welt verachte tittel an. Druͤm zeige / wer du biſt / im ſpeiſen und im kleiden: Denn ſterne muß der glantz / die menſchen ſilber ſcheiden;
So artig wiſſen uns die laſter ihren gifft Gleichwie ein panther-thier den rachen zu verdecken; GOtt aber und ſein geiſt beweiſen aus der ſchrifft / Daß tod und ſchlangen auch in paradieſen ſtecken. Zwar ſchaͤtze koͤnten ja wie feuer nutzbar ſeyn: Nur aber / wo ſie knecht / nicht / wo ſie herren wuͤrden. Denn hirten ſchlieffen eh bey duͤrren ſchaͤfer-huͤrden / Als ein verſchwendiſch hertz bey tauſend kronen ein. Und wenn ſich Lazarus auff roſen lieſſe wiegen / Saͤh man den reichen mann erſt unter dornen liegen.
Hier ſtrich die ſelige den dampff der eitelkeit / So wie der morgen uns den ſchlummer aus den augen; Was buhlt man (ſagte ſie) doch guͤtern dieſer zeit / Wenn wir aus gelde gifft / aus perlen armuth ſaugen? Bezaubert durch den glantz / ihr ſchaͤtze / wen ihr wollt; Speiſt den Empedocles mit ochſen von gewuͤrtzen; Laſt einen Nero ſich in milch und balſam ſtuͤrtzen / Es iſt doch bettelwerck um menſchen und um gold: Denn beyde kommen nur von einem klumpen erden / Und beyde muͤſſen auch zu ſtaub und aſchen werden.
Wie der Chameleon / wenn er vor eyfer bebt / Und durch den ſpeichel hat die ſchlangen uͤberwunden / Alsdenn der augen licht zur ſonnen auffwaͤrts hebt / Ob haͤtt er ſeine krafft in dieſer glut gefunden;So141Begraͤbniß-Gedichte. So ſah ihr geiſt hierauff auch GOtt und himmel an / Und ſprach: du feuer-brunn des ewigen verſtandes / Du daͤmpffſt durch deinen ſirahl den nebel unſers brandes / Und kanſt alleine thun / was ich nur wollen kan. O HErr / erleuchte mich und lehre meine ſinnen Diß eine: daß ſie dich und Chriſtum lieb gewinnen.
In dieſem ſtande nun fand der ergrimmte tod / Bey ſeiner wiederkunfft das lager ihrer ſeelen; Wie? ſchrie er / weiß man hier von keiner hoͤllen-noth / Und herrſcht der himmel noch in dieſer bettel-hoͤlen? Verſchmitzte furien / beweiſet eure that. Was aber muͤh ich mich? mein wuͤten iſt vergebens. Ein frommer tadelt ſtets den zucker dieſes lebens / Der in dem hauſe ſelbſt noch keine myrrhen hat: Doch duͤrfft ich einmahl nur am leibe ſie verſuchen / Was gilts / ſie ſolte GOtt in ſein geſichte fluchen.
GOtt (rieff der engel drauff) hat dieſes auch erlaubt. Den augenblick verſchwand das feuer ihrer glieder; Die nerven wurden matt und ihrer krafft beraubt / Die fuͤſſe ſuncken ſo wie ſchwache blumen nieder. Und alſo lag nunmehr diß wunderwerck der welt / Als wie ein marmol-fels / in den die donner ſchlagen: Gleich wie ein ceder-baum / der / wenn er frucht getragen / Des abends durch den ſtoß der winde niederfaͤllt. Der tochter hatte ſie durch die geburt das leben / Ihr ſelber unvermerckt den halben todt gegeben.
Wer weiß / was fuͤr ein ſchatz in der geſundheit ſteckt / Wer von der ungedult des Polemons geleſen / Wie er lebendig ſich mit erde zugedeckt / Womit er ſterbend nur von ſeiner gicht geneſen / Wer glaubt / was Heraclit / was Chiron hat gethan / Der kan ihm leicht ein bild von ihrem hertzen machen. Es wanckte / wie ein menſch auff einem engen nachen / Den weder hand noch muͤh vom ſturme retten kan. Bald ſeufftzte ſie zu GOtt / bald ließ ſie was verſchreiben; Doch beydes war umſonſt / ſie muſte lahm verbleiben.
Und damit ſtellte ſich nun die verzweifflung ein / Und bließ ihr nach und nach den kummer in die ohren: Der himmel fragte nichts nach ihrer ſchweren pein / Und haͤtte ſie vielleicht zur ſtraffe nur gebohren. Den142Begraͤbniß-Gedichte. Denn GOtt erhoͤrte ja die ſeinen in der noth / Er truge ſelber ſie wie kinder auff den haͤnden: Das gute wuͤſt er zu-das uͤbel abzuwenden / Und keiner fiele hier durch ſuͤnden in den todt / Den nicht ſein ſtrenger zorn / eh noch die that geſchehen / Schon haͤtte laͤngſt vorher zur hoͤllen auserſehen.
Auff die verzweiffelung kam ſchmertz und ungedult / Und ſprach: geſetzet auch / daß dich der himmel liebet / Daß du wie Hiob nicht die ruthen haſt verſchuldt / Daß dir der glaube troſt / das ende hoffnung giebet: Wie aber wilſtu wohl die groſſe laſt beſtehn? Dein elend kan vielleicht noch 50. jahre waͤhren: Inzwiſchen muſt du dich gleich wie ein wurm verzehren / Und taͤglich ſeuffzend auff - und weinend niedergehn. Drum ſegne GOtt und ſtirb! denn ſolche ſchwulſt und beulen Muß wie den kalten brand / nur ſtahl und meſſer heilen.
So ſchwatzte fleiſch und blut; jedoch ihr treuer geiſt Rieff allemahl zugleich: Schweig! liebe Leonore: Denn wer im leben hier die ſtraſſe Sodoms reiſt / Trifft ſelten / wenn er ſtirbt / den weg zu Salems thore. Ein iedes element / der himmel und die welt / Sind ihrer ordnung nach mit der natur zu frieden. Der blinde menſch allein will neue lehren ſchmieden / Und tadelt / was ihm GOtt zur regel fuͤrgeſtellt. Bald iſt ihm ſonnenſchein / bald ſchnee und wind zu wider / Bald wirfft ihn ſeine pracht / bald der verluſt danieder.
Ach aber! fuhr er fort / ihr klagt / und wiſſet nicht / Verkehrte ſterblichen / was eurer wohlfahrt dienet: Die beſte ſalbe wird von ſchlangen zugericht / Und keine rebe nutzt / die ohne thraͤnen gruͤnet. So muß ein frommer auch durch ſorgen und durch pein / Wie roſtiges metall / im feuer ſich verklaͤren: Beym gluͤcke muß er nichts als zweiffel nur gebaͤhren / Im creutze voller troſt und voller hoffnung ſeyn. Denn einen Moſes kan nicht ſturm und welle ſchwaͤchen / Ein Eli ſeinen halß auch auff dem ſtuhle brechen.
Durch dieſes ward ihr hertz ſo wie ein mandel-baum Von thau und warmer lufft mit neuer krafft erfuͤllet: Drum hielt ſie ſchmertz und leid vor einen bloſſen traum / Der / wenn die nacht vergeht / auch allen kummer ſtillet;Doch143Begraͤbniß-Gedichte. Doch als ſie 19. jahr nach ihrer ſeelen-ruh / Nicht anders als ein weib in der geburt geſtehnet / So gab der himmel ihr / wornach ſie ſich geſehnet / Und rieff ihr endlich auch den letzten willen zu. Und damit legte ſie den ſchwachen coͤrper nieder / Und ſang / nach ſchwanen-art / noch dieſe ſterbe-lieder:
Mein Meinders gute nacht! wir haben obgeſiegt. Dein ungluͤck ſcheidet nun auff einmahl von der erden. Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnuͤgt / Durch mich hat ſeine luſt auch muͤſſen wittbe werden. Itzt bricht der ſuͤſſe todt die lange finſterniß / Das licht iſt mir und dir auff einen tag erſchienen. Du ſolt noch in der welt und ich im himmel gruͤnen: Drum weine nicht / mein ſchatz / um dieſen liebes-riß. Denck aber / wenn du noch wirſt meinen nahmen leſen / Daß ich zwar elend bin doch auch getreu geweſen.
So ſagte ſie / und gab der erden gute nacht: Ihr engel aber trug die ſeele nach dem himmel. Denſelben augenblick ward alles zugemacht; Das hauß erfuͤllte ſich mit einem traur-getuͤmmel; Wie aber ſtellte ſich der blaſſe hoͤllen-geiſt? Gleich wie ein tiegerthier / dem man die jungen raubet; Wie ein erzuͤrnter leu / der in dem felde ſchnaubet / Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reiſt. Doch endlich gieng er auch / wo geiſter hin gehoͤren / Und ſchrieb nur an die wand noch dieſe ſittenlehren:
Ihr blinden ſterblichen / laufft fuͤr dem tode nicht! Ihr ſelber ſeyd der tod und moͤrder eurer ſeelen: Ihr werdet / weil ihr lebt / nicht wann ihr ſterbt / gericht: Die ſuͤnden ſind die grufft / und nicht die grabes-hoͤlen. Drum ſterbet / eh ihr ſterbt / und lebet / eh ihr lebt; Denn todt und leben wird nach eurem abgemeſſen. Der ſcheinet euch nur tod / den ſchlang und wuͤrmer freſſen; Der aber iſt ſchon tod / den ſeine luſt begraͤbt. Ich habe keinen theil an dieſer neuen leichen: Ihr moͤcht ihr / wir ihr wollt / die letzte pflegung reichen.
Diß alles iſt geſchehn / der coͤrper iſt verſenckt / Und in die kalte grufft mit ehren beygeſetzet. Wie kommts dann / daß ihr euch bey ihrem gluͤcke kraͤnckt / Betruͤbte / die ſie doch bey ihrer qvaal ergetzet? Soll144Begraͤbniß-Gedichte. Soll ſie noch laͤnger hier auff erden elend ſeyn? Soll ſie noch einmahl ſich vom tode martern laſſen? Ach! goͤnnet andern diß / die GOtt und himmel haſſen / Und ſtimmet itzt mit mir in dieſe lieder ein: Wohl iedem / welcher ſo wie Leonora fliehet / Wie Leonora ſchweigt / wie Leonora bluͤhet!
An Herrn D. Wegnern in Franckfurt an der Oder / als demſelben zwey wohlgerathene ſoͤhne ſtarben.
MEin Herr / wann durch die laſt / der auffgelegten buͤrde
Sein hertze thraͤnen-ſaltz / das ſaltz zu blute wuͤrde /
So koͤnte dieſes wohl ein zeugniß ſeiner pein /
Doch keine ſchilderey ſo groſſer ſchmertzen ſeyn.
Denn wem iſt nicht bekandt / wie man um freunde trauret?
Wie lange der verluſt von einem kinde dauret?
Zwey aber auff einmahl / ſcheint warlich allzuviel /
Wenn ſie des himmels ſchluß und ſein verborgnes ziel
Aus unſern augen reiſt: Noch mehr / wann ihre gaben
Als wunderwercke ſich der welt gewieſen haben /
Und ſie ein vater ſchon auff erden ſo erhoͤht /
Daß ihrer jugend baum in vollen fruͤchten ſteht.
Doch ſein geſetztes hertz / das die gedult regieret /
Wird durch den donnerſchlag des todes zwar geruͤhret /
Nicht aber unterdruͤckt; denn ſeine ſeele denckt /
Daß GOtt und himmel offt im giffte zucker ſchenckt.
Er hat mit ſaurer muͤh den einen lehren muͤſſen /
Wie auch ein tauber kan der reden deutung wiſſen.
Den andern hat er gar durch fleiß dahin gebracht /
Daß er ſich vor der zeit durch ſprachen groß gemacht.
Allein der hoͤchſte will die lehre ſelbſt vollenden /
Drum muͤſſen beyde ſich in ſeine ſchule wenden:
Er aber giebet ſich mit groſſen ruhme drein;
Weil hier auff erden doch nur lauter pfuſcher ſeyn.
An145Begraͤbniß-Gedichte.
An den Herrn von Tſchirnhaus / uͤber den dreyfachen todes-fall ſeiner Frauen Gemahlin und zweyer Kinder.
SO offt ich bey mir ſelbſt die ſchwere poſt bedencke /
Die der betruͤbte Job auff einen tag erhielt;
So offt erſtarren mir puls / adern und gelencke /
Und ich empfinde faſt mehr als er ſelbſt gefuhlt.
Ein mann / ein frommer mann / dem GOtt das zeugniß giebet /
Daß er ſein lebenlang was ſchlecht und recht gethan;
Der boͤſes ſtets gehaßt / und gutes ſtets geliebet /
Ward ohne ſeine ſchuld der aͤrmſte bettelmann.
Was ſag ich bettelmann? Ein vater ohne kinder /
Ein land-herr ohne vieh / ein hauswirth ohne knecht;
Denn eine ſtunde nahm ihm ſoͤhne / knecht und rinder /
In einer ſtunde war luſt / ehr und gut geſchwaͤcht.
Und dennoch ließ er ſich das wetter nicht erſchuͤttern /
Und ſtund als wie ein fels / den keine flucht bewegt /
Als wie ein eichen-baum / den wenn die fichten zittern /
Doch weder wind noch ſturm im walde niederſchlaͤgt.
GOtt / ſprach er / hat es mir gegeben und genommen /
Des HErren name ſey gelobet und gepreiſt.
O unerſchrockner Job! wer iſt dir gleich gekommen?
Wer iſt / der ſo viel hertz bey ſolchen ſchmertzen weißt?
Du biſt es / o du licht und krone der gelehrten /
Mein Tſchirnhauß / deſſen ruhm biß an die wolcken ſteigt /
Die ſchlaͤge / die dem Job die ſuͤſſe luſt verſtoͤrten /
Sind heute noch einmahl der welt in dir gezeigt.
Denn einer kommt / und ſagt / daß deine liebſte ſtirbet /
Ein weib / daß niemahls dich mit willen hat betruͤbt /
Und auch im grabe noch das theure lob erwirbet /
Daß ſie mehr ihren mann / als ihren ſchmuck geliebt.
Weil dieſer annoch ſpricht / ſo kommt die poſt geflogen /
Es ſey auch allbereit um deinen ſohn geſchehn /
Um deinen liebſten ſohn / den du ſo aufferzogen /
Daß du dich ſo in ihm / wie er in dir geſehn.
KJa146Begraͤbniß-Gedichte.
Ja weil auch dieſer noch das wort im munde fuͤhret /
So meldt der dritte ſchon die herbe zeitung an /
Daß dir die todte frau ein todtes kind gebiehret /
Dem weder du noch ſie die pflegung reichen kan.
Wen ſchrecket nicht der plitz von dreyen ungewittern?
Welch ſchiffer weiß ihm wohl beym dritten ſturme rath?
Von dreyen minen muß der groͤßte thurm zerſplittern.
Was ſoll ein menſch nicht thun der fleiſch und adern hat?
Wer / was die liebe ſey / durch lieben ſelbſt erfahren /
Wird wiſſen / wie ihr bruch durch marck und hertze bricht;
Denn menſchen koͤnnen ſich zwar leicht zuſammen paaren /
Das ſcheiden aber ſteht in ihren kraͤfften nicht.
Man liebt ein treues weib offt hoͤher / als man glaubet /
Und fuͤhlt vor freuden nicht die flamme / ſo uns brennt;
Doch wenn der blaſſe tod uns ihr geſichte raubet /
So ſieht man allererſt / daß man die liebe kennt.
Denn will man haus und hoff und alle guͤter geben /
Man bietet ſelber ſich vor ſie zum opffer an /
Und wuͤnſcht / ſie moͤchte nur noch eine ſtunde leben /
Ob wuͤrde die uns thun / was nicht ein jahr gethan.
Was man um frauen fuͤhlt / geſchiehet auch an kindern /
Auff die man ſeinen troſt und alle hoffnung ſetzt;
Man ſiehet lieber ſich als ihre zahl vermindern /
Und weinet / daß man ſie nicht aber uns verletzt.
Was aber thut man nicht / wann uns die kinder ſterben /
Bevor ſie die geburt zu rechten menſchen macht?
Denn alles / was wir ſehn vor ſeiner zeit verderben /
Iſt mehrentheils von uns am meiſten groß geacht.
Wir hoffen / was wir ſonſt kaum wuͤrden hoffen koͤnnen /
Drum kan auch in der welt kein haͤrter ſtoß geſchehn /
Als wenn die eltern ſich von kindern muͤſſen trennen /
Die ſie als kinder doch niemahlen angeſehn.
Diß ein iſt ſchon genug uns dreymahl zu begraben;
Wie aber ſoll ſich nicht ein armer vater muͤhn /
Den alle drey / mein Herr / wie dich betroffen haben /
Von dem auff einen tag kind / ſohn und liebſte ziehn.
Jedoch dein feſter geiſt trotzt alle qvaal und ſchmertzen /
Du kuͤſſeſt mit gedult die ruthe / die dich ſchlaͤgt /
Und nimmſt den groſſen fall zwar wie ein menſch zu hertzen /
Doch nur als einen dorn / der endlich roſen traͤgt.
Was haſt du anders nun als Hiobs gluͤck zu hoffen?
Ihm brachte GOttes hand den ſegen doppelt ein:
So ſteht dir auch bereits der himmel wieder offen /
Wo deine thraͤnen nur nicht deine moͤrder ſeyn.
Die147Begraͤbniß-Gedichte.
Die unter dem namen der Sylvia verſtorbene und beklagte Jungfer Schultzin.
DIe muntre Sylvia / ein ſpiegel ſeltner tugend /
Ein auszug der natur / und bildniß friſcher jugend /
Die noch vor kurtzer zeit in unſrer Nymphen ſchaar
Ein praͤchtiger begriff der ſchoͤnſten anmuth war.
Ach unſre Sylvia! die wir zu fruͤh vermiſſen /
Wird durch des todes arm ins kalte grab geriſſen /
Und die / als ſonne / ſich erſt auffzuklaͤren ſchien /
Muß ihrer ſtrahlen gold ſchon unter wolcken ziehn.
Sie ſtirbet: aber wie? im morgen ihrer jahre;
Ihr braut-bett wird verkehrt in eine todten-bahre /
Die krone wandelt ſich in einen leichen-krantz /
Das zimmer in den ſarg; der hochzeitliche glantz
In eine dunckle nacht; der ſchmuck in ſterbekittel /
Das frohe luſt-geſchrey in lauter klage-tittel;
Das lachen in ein ach / das jauchzen in geheul /
Und bey gemeiner noth traͤgt iederman ſein theil.
Verworffener aprill! du anfang unſrer plage!
Dein erſter wird / o leid! zum letzten ihrer tage;
Dein ſchein / der ſonſten nichts denn unbeſtand verſpricht /
Scheint bloß nur wider uns und unſre luſt gericht.
Du biſt derſelben itzt ein frecher ſtoͤhrer worden /
Und wilt / was uns ergetzt / in Sylvien ermorden.
Du nimmſt den ſonntag noch dir zum gehuͤlffen ein /
Und dieſer muß zu nechſt beym ſchwartzen ſonntag ſeyn /
Der doch mit beſſerm recht ein ſchwartzer tag zu nennen;
Denn ieder kan ihn ja an ſeiner wuͤrckung kennen /
Er iſt es / der uns itzt ein ſchwartzes leid gebiehrt /
Der unſern ſonnenſchein zum ſchwartzen grabe fuͤhrt.
Der durch ſein ſchwartzes bild uns allenthalben ſchrecket /
Und ſo viel klagende in ſchwartzen flohr verſtecket.
Man ſagt / die ſonne ſelbſt hab ihr erblaßt geſicht
Denſelben tag verhuͤllt / und ſey vor kummer nicht /
Da unſre ſonn entwich / aus ihrer kammer kommen /
Und Flora / da ſie hat die trauer-poſt vernommen /
K 2Daß148Begraͤbniß-Gedichte.
Daß Sylvia verfaͤllt im fruͤhling ihrer zeit /
Und einer blumen gleich vom ſtocke wird gemeyht.
Hat ſie den gantzen tag die gaͤrten nicht beſchicket /
Und ihre kinder auch in der geburt erſticket /
Den Hyacinth hat man gantz einſam und verſtellt /
Als eine leiche ſtehn / und ploͤtzlich abgefaͤllt /
Die veilgen aber ſich ſehr klaͤglich ſehen handeln /
Und drauff ihr blaues kleid in tunckeln boy verwandeln.
Die tulpen haben nicht des tages licht geſehn;
Diß / und ein mehrers iſt um Sylvien geſchehn.
Die blumen wolten ſelbſt die blume dieſer zeiten
Durch ihren eignen tod zur ſtillen grufft begleiten;
Heut aber folgt die ſtadt mit ſeuffzer-reichem ach /
Und winſelnden gethoͤn der leiche ſelber nach:
Der leiche / die ſo ſchoͤn als eine braut gezieret /
Und mit viel thraͤnen nun zum grabe wird gefuͤhret.
Es iſt die letzte pflicht / die man der ſel’gen reicht /
Der ſchmertz iſt auch zu groß / dem nichts gemeines gleicht;
Die wunden aber / die der tod ſo tieff geſchlagen /
Kan man / ſo ſehr man klagt / doch nicht genung beklagen.
Ein menſch iſt nur ein menſch / nicht aber ſtahl und ſtein /
Und kan bey ſolchen riß nicht ohne regung ſeyn.
Ja / da der himmel weint / da ſo viel augen weinen /
Wer wolto doch allein hier ohne thraͤnen ſcheinen?
So weine / wer da kan / itzt iſt es weinens-zeit;
Man klage / was man will; wir klagen unſer leid.
Du aber / ſeligſte / biſt aus der angſt geriſſen /
Du legſt die krone ſchon zu deines braͤutgams fuͤſſen /
Der ſich mit dir als braut in ewigkeit vermaͤhlt /
Die hochzeit iſt bereit / die gaͤſte ſind gezaͤhlt /
Die neben GOtt und dir die taffel ſollen zieren;
Die palmen / die man dich ſieht in den haͤnden fuͤhren /
Sind zeichen / daß du haſt den Sieg davon gebracht /
Da du am palmen-tag der welt gabſt gute nacht.
Zeucht Chriſtus bey uns ein zum creutz und bittern leiden /
So haͤltſt den einzug du mit jauchtzen und mit freuden
In ein Jeruſalem / das GOttes hand erbaut /
Daſelbſten ſieheſtu / was hier kein auge ſchaut.
Die engel tragen dir die zweige ſelbſt entgegen /
Dieſelbe vor den ſtuhl des lammes hinzulegen;
Der rock der heiligung / der unſchuld reines kleid
Wird hier nicht auff den weg / nein! auff dich ſelbſt gebreit;
Das Hoſianna wird von dir gantz rein geſprochen.
Wir aber leben hier noch in der marter-wochen /
Da149Begraͤbniß-Gedichte.
Da kummer und verdruß die faſten uns beſtellt /
Biß letzt mit uns der tod den ſtillen freytag haͤlt.
Ihr / die ihr dann verletzt / verbindet eure wunden /
Weil doch die ſeligſte den port der ruhe funden.
Wer Chriſtum in der welt in ſeinem hertzen traͤgt /
Mit Chriſto / ſo wie ſie wird in das grab gelegt /
Der muß mit Chriſto auch einſt wieder aufferſtehen.
Was iſt es / daß uns nun durch dieſen riß geſchehen?
Denn da die ſeele lebt in Gottes hand verſetzt /
Ihr angedencken hier in unſre bruſt geetzt /
Die Tugend unverſehrt / ihr nachruhm unverdorben /
So iſt ſie ja nicht todt; Ihr leib iſt nur geſtorben /
Der aber ſelber auch / durch anſehn / zierd und pracht /
In ihrer ſchweſter ſich noch unverweßlich gemacht.
Mutter-Thraͤnen uͤber den Todes-fall eines wohlgera - thenen Sohnes.
DIe mutter / deren hertz des ſohnes tod geruͤhret /
Hat die betruͤbte hand auff ſeinen ſtein gefuͤhret /
Und graͤbt mit ſtiller angſt die ſchmertzen ſelber ein /
Die ihr ihn ſeel und geiſt ſtets reg und lebend ſeyn:
Hieher hat GOttes ſchluß daſſelbe kind geleget /
Das ſeine mutter noch in ihrem hertzen traͤget /
Sein alter nennt ihn kind / die tugend einen mann /
Die tugend / die ihn itzt zum engel machen kan /
Und in die zahl verſetzt / die man nicht ſoll beklagen /
Weil man die ſeligen nicht kan zu grabe tragen /
Ein allzu langer ſchmertz vor todte narren iſt /
Und nur ein kluger will / daß man ihn nicht vergiſt.
Ihr thraͤnen / die ihr hier den alten jammer treibet /
Beweinet nicht den ſohn / beweint der mutter noth /
Und ſprecht: Sein ſterben ſey auch endlich noch ihr tod.
Es ſchleußt ſich freud und luſt mit dieſes kindes augen /
Die in dem leben nicht / im tode thraͤnen ſaugen;
K 3Denn150Begraͤbniß-Gedichte.
Denn er hielt ein gebot / und wieſe noch als kind /
Daß in dem vierdten auch die andern neune ſind.
Nun du ruhſt allzuwohl / ich muß vor mich was ſchreiben /
Und nach gefaͤhrter angſt auff dieſem ſchluſſe bleiben:
O GOtt / du reiſſeſt mir mein ander hertze hin /
Zu zeigen / daß ich nur an dich gewieſen bin.
Der Eich-Baum Bey dem Gutsmuthiſchen Begraͤb - niſſe fuͤrgeſtellet / An. 1690.
DEr geiſt der poeſie hat manches ſchon erdacht /
Wenn ſie der todten grab mit farben angeſtrichen /
Und bald aus ihrem thun granaten-frucht gemacht /
Bald wieder ihren ruhm mit lorbeern hat verglichen;
Heut aber faͤngt mein trieb was ungemeines an /
Indem ich einen mann / der voller kern geweſen /
Der uns mehr nutz und frucht als palmen laſſen leſen /
Und wie ein balſam-baum ſich allen auffgethan /
Den edlen Gutsmuths nur mit einer bloſſen eichen /
Nach ſeinem tode will in dieſer ſchrifft vergleichen.
Doch denckt nicht / ſterbliche / daß meiner feder hier
So krafft als dinte wird zu beyder ruhme fehlen;
Athen zog eicheln ſchon dem beſten zucker fuͤr /
Und ließ / wie Spanien / zu ſpeiſen ſie erwehlen.
Die Roͤmer haben nur / den helden ihrer ſtadt
Zu ehren / einen krantz von eichen-laub erfunden /
Und Deutſchland war ſo ſehr an dieſes holtz gebunden /
Daß man mit anderm nichts vor dem geopffert hat.
Was kan der ſelige nun beſſerm auff der erden /
Als einer eichen noch zuletzt verglichen werden?
Sein erſter kinder-gang in der verwirrten welt /
Nahm witz und lehren ſchon von jungen eichen-zweigen;
Denn wie ihr zartes holtz ſich / wie es uns gefaͤllt /
Von unſern haͤnden laͤſt nach ieder forme beugen:
So151Begraͤbniß-Gedichte.
So fiel ſein hertze bald der eltern willen bey /
Und ließ wie Cimon ſich zur tugend auffwaͤrts richten /
Zu zeigen: daß ein baum nur reich an ſeinen fruͤchten /
Und eine mutter erſt vollkommen gluͤcklich ſey /
Wenn ſie um ihren ſchatz vor andern recht zu preiſen /
Nur / wie Cornelia / darff auff die kinder weiſen.
Mit zeit und jahren wuchs auch die erfahrenheit /
So wie ein eichen-baum von vielen ſturm und winden;
Denn wer die ſtirne nicht mit ſtaub und ſchweiß beſtreut /
Wird auch das guͤldne fließ der ehre ſelten finden.
Der kluͤgſte Hannibal muß durch gefahr erhoͤht /
Der groſſe Caͤſar vor in wellen elend werden.
Drum brach der ſelige durch ſorgen und beſchwerden /
Und glaubte: daß ein menſch nicht eher feſte ſteht /
Biß muͤh und kummer ihm / mit dem wir uns beladen /
So wenig als das feur kan gruͤnen eichen ſchaden.
Diß alles uͤberwog der kern der ſuͤſſen frucht /
Die er biß in den tod vor keinem angebunden /
Und mancher offtermahls noch eh er ſie geſucht /
Wie eicheln ohngefehr in waͤldern hat gefunden.
Der fromme Scipio hat alle faſt beſchenckt /
Ageſilaus nichts als ſchuldner hinterlaſſen;
Er ſuchte iederman mit liebe zu umfaſſen /
Und hat mit Phocion den gringſten nicht gekraͤnckt /
Wohl aber vielen ſo / wie eichen-baͤume bienen /
Zu ihrem auffenthalt und ſchutze muͤſſen dienen.
Nechſt liebe ſoll ein menſch auch klug im rathe ſeyn /
Nach art der wider gifft bewehrten eichen-rinden.
Denn klugheit muß die noth mit zucker uͤberſtreun;
Wie Aertzte / wund und ſchmertz mit eichen-laub verbinden.
Der ruhm deß ſeligen iſt allen offenbar /
Und darff wie Cato ſich durch ſaͤulen nicht vermehren /
Weil bloß vernunfft und witz der marmol ſeiner ehren /
So wie der eichen-ſafft des miſtels wachsthum war;
Und unſer Leopold ihm ſelber neu gebohren /
Indem er ihn zum rath und ritter außerkohren.
Je hoͤher aber er an ſtand und wuͤrde ſtieg /
Je tieffer warff ſein hertz ſich wieder zu der erden;
Denn dieſes bleibt auch ſein / wie Cyrus groͤſter ſieg /
Daß er im gluͤcke nicht hat koͤnnen ſtoͤltzer werden /
K 4Und152Begraͤbniß-Gedichte.
Und alſo dißfalls auch wie eichen ſich bezeigt;
Die zwar ihr hohes haupt zum himmel auffwaͤrts ſtrecken /
An wurtzeln aber auch gleich tieff im grunde ſtecken /
Zur lehre: daß der ruhm ſchon von ſich ſelber ſteigt /
Und ein beſcheidner bloß mit nutz-erfuͤllten ſchalen /
Gleich wie ihr gipffel ſoll mit lauter fruͤchten pralen.
Die klugen zehlen ſonſt zu wundern der natur
Auch dieſes: daß ihr ſtamm kan keinen oͤlbaum leiden.
Wer weiß nicht / wie ſein geiſt auff der geſetzten ſpur /
Das oele falſcher welt hat wiſſen zu vermeiden?
Wenn er auff erden ſchon den groſſen GOtt beſchaut /
Und durch des glaubens-krafft den ſuͤnden obgelegen?
Drum ward er lebenslang vom himmel auch mit ſegen /
Als wie ein eichen-baum mit honig uͤberthaut /
Und ließ die bloͤden offt aus ſeinen augen leſen:
Daß er bey ſorgen auch ſtets gutesmuths geweſen.
Itzt hat der blaſſe tod ſein urthel abgefaßt /
Und laͤßt das trauer-lied in unſern ohren ſchallen /
Was jener Spanier auff einen eichen-aſt
Zum ſinnenbilde ſchrieb: Nun iſt er auch gefallen.
Doch nur der meynung nach; denn kunſt und wiſſenſchafft /
Schnitzt form und bilder erſt aus umgefaͤllten eichen;
So kan auch unſer geiſt erſt GOttes bilde gleichen /
Wenn er ſich von der welt zum himmel auffgerafft;
Der leib muß aber ſo / wie eicheln in der erden
Zum ſtamme / mit der zeit zum menſchen wieder werden.
Was preßt / betruͤbteſte / denn eure ſeuffzer aus?
Ein baum / der lange zeit mit ruhme frucht gegeben /
Und ſchon / dem weſen nach / im himmel wie ein haus
Von eichen-holtze / faͤngt vom neuen an zu leben?
Fuͤrwar / ſein gluͤcke braucht itzt eure klagen nicht;
Drum auff / und ſtreicht das ſaltz der thraͤnen von den wangen!
Denn iſt euch allen gleich ein vater untergangen /
So glaubt / daß dennoch auch ſein tod diß urtheil ſpricht:
Daß / wer hier trauren will / muß eichen-baͤumen gleichen /
Und mehr dem kummer nicht / als dieſe plitzen weichen.
Der153Begraͤbniß-Gedichte.
Der kern aller Prediger und Chriſten / Bey der Beerdigung Herrn D. Jo - hann Acoluths / in Breßlau fuͤrge - ſtellet / 1689.
DEr zunder der natur / den Adam noch behielt /
Als klugheit und verſtand wie zucker war zerronnen /
Hat zwar in heyden auch ſo groſſes licht gewonnen /
Daß ſeiner flammen glut durch ſtumme bilder ſpielt:
Wenn Rom und Perſien unſterblich feuer ehret /
Aus dem die ewigkeit des groſſen GOttes plitzt:
Athen der weißheit brunn in der Minerva lehret;
Egypten Iſis bild mit hundert bruͤſten ſchnitzt /
Zu zeigen: Daß die krafft der geiſter-vollen erden /
Durch bruͤſte der natur muß unterhalten werden.
Doch menſch und klugheit muß wie grund-eiß untergehn;
Nachdem uns GOtt und ſchrifft zur ſonne ſelber dienen:
Drum laͤſt der groſſe fuͤrſt der ſchwartzen Abyßinen /
Ein edler ſinnenbild als alle Griechen ſehn:
Wenn ſeiner ſclaven hand ihm nach der Mohren ſitten /
Drey ſchaalen auff das gold der ſchweren tafel ſtellt;
Davon die erſtre obſt / ſo wie ein creutz zerſchnitten /
Der andern umkreiß feur / der dritten aſche haͤlt /
Und jene Chriſtus bild / die andere der hoͤllen /
Die letzte tod und grufft ihm ſoll vor augen ſtellen.
Denn eben dieſes iſt des glaubens kern und ſafft /
So wie gebrandter tranck die krafft von zimmet-rinden.
Auff dieſe pfeiler muß ſich Chriſt und prieſter gruͤnden /
Der nicht am ſuͤnden-koth verdammter wolluſt hafft:
Und endlich dieſes iſt / was noch bey ſeinem leben
Des nunmehr ſeligen erblaßter mund gelehrt:
Wenn er wie Memnons bild des morgens thon gegeben /
Die ſchulen wie der mond die pflantzen hat vermehrt /
Und allen kurtz geſagt: Calovius im leſen /
Im reden Muͤller iſt / im ſchreiben Arndt geweſen.
K 5Der154Begraͤbniß-Gedichte.
Der ſtaͤrckſte balſam iſt / der von ſich ſelber waͤchſt;
Die beſten prieſter ſind / die von ſich ſelber ſteigen:
Sein eyfer fieng ſich ſchon in wiegen an zuzeigen /
Und hat nach himmels-thau wie muſcheln bald gelechſt.
Die lehr-begierde wuchs mit den erlangten jahren /
Der klugheit bluͤte nahm mit allen ſtunden zu:
Je ſchaͤrffer aber offt die muͤden glieder waren /
Je ſeltner ließ ſein geiſt papier und buͤchern ruh:
So gar muß beyderſeits gelehrten und den bienen /
Auch muͤh und arbeit offt nur zur ergetzung dienen.
Des fleiſſes mißgeburt iſt trotz und ſchmeicheley.
Die pflegt die kluͤgſten auch wie pfauen auszukleiden:
Er aber ließ ſich bald durch frembden ruhm beſcheiden /
Daß keiner zugelehrt zu einem prieſter ſey.
Der ſprachen groſſer brunn / der alten vaͤter ſchrifften /
Der ſecten unterſcheid / der ſchwermer irrlichts-ſchein /
Und was die ſtaats-ſucht offt vor frieden denckt zu ſtifften /
Schrieb auch in ſeine bruſt mit diamanten ein:
Die muͤſten etwas mehr als Hobbes buͤrger wiſſen /
Die Chriſtum von der welt nicht dencken außzuſchlieſſen.
Wie nun die aloe der ſtauden koſtbarkeit /
In funffzig jahren erſt durch ihre blumen zeiget /
Und denn in einer nacht ihr ſtengel hoͤher ſteiget /
Als alle ſtauden ſonſt die gantze ſommer-zeit:
So keimte zwar ſein ruhm mit iedem augenblicke;
Denn ehre folgt der muͤh wie thuͤrmen ſchatten nach;
Die demuth aber hielt den ſtengel noch zuruͤcke /
Biß ſelbſt ein hoher rath der blumen riegel brach /
Und er auff eine zeit ein glied im doctor-orden /
Und ober-prieſter iſt im groſſen Breßlau worden.
Was aber muͤh ich mich doch mit der aloe
Den wachsthum dieſes haupts an kraͤfften zuvergleichen?
Was dort im tage bluͤht / muß mit der nacht verſtreichen;
Hier ſchoß der blumen pracht faſt ſtuͤndlich in die hoͤh.
Der traurbaum Indiens ſcheint ſeiner zwar zu ſchonen /
Und ſchleuſt nur bey der nacht der bluͤte flocken auff:
Hier aber wuſte nichts als nutzbarkeit zu wohnen /
Kein froſt / kein ſonnen-ſchweiß brach ſeiner arbeit lauff /
Dadurch er denn bezeugt: Daß prieſter lampen waͤren /
Die offt in anderm dienſt ihr oele ſelbſt verzehren.
Die155Begraͤbniß-Gedichte.
Die krafft / die nun zuletzt aus dieſen blumen ſchoß /
War / daß er erſtlich GOtt recht wuſte vorzuſtellen /
Wenn ſein erhitzter mund mit milch und honig-qvellen /
So wie Chryſoſtomus mit goͤldnen ſtroͤhmen floß.
Denn einen groſſen krahm von grillen aus ſich ſchuͤtten /
Zeigt nur gelehrſamkeit nicht aber andacht an;
Und Chriſtus ſelber hat in dornen zwar gelitten;
Er aber Acoluth durch lehren dargethan:
Daß auch granaten-ſafft in purpur-rothen kronen /
Und Chriſtus ehre kan auff goͤldnen lippen wohnen.
Doch / wie ein gaͤrtner nichts / was ruhm verdient / gethan.
Der alte baͤume ſtuͤtzt und krumme laͤſt veralten:
So iſt ein prieſter nichts / der fromme nur erhalten /
Nicht aber auch zugleich die ſuͤnder ſtraffen kan.
Ambroſius hat ſchon zu ſeiner zeit erfahren /
Das raup und unflat auch in kaͤyſer-kronen ſteckt /
Daß fall und ſchoͤnheit ſich ſo wie geſchwiſter paaren /
Der ſonnen heiſſe glut auch kroͤt und molchen heckt:
Soll nun das ſtille gifft nicht geiſt und ſeele ſchwaͤchen /
So muß aus himmeln auch zuweilen donner brechen.
Ihr ſuͤnder / die ſein mund mit furcht und troſt erfuͤllt /
Helfft meine feder hier durch euer zeugniß ſchuͤtzen:
Wie eurer wolluſt brunſt vor ſeines eyfers plitzen /
So wie ein elephant vor widdern ſich geſtillt:
Wie dieſer Nathan euch durch lehren von der hoͤllen /
Offt zaͤhmer als den ſtier der feigenbaum gemacht;
Und Archimedes eh zur ruh ſich konte ſtellen /
Da er der groſſen kunſt vergebens nachgedacht /
Wie man Egyptenland mit waſſer ſolte traͤncken /
Als dieſer / wie er euch zum himmel moͤchte lencken.
Der Mohren letztes bild iſt endlich aſch und tod;
Der prieſter drittes ampt / die lehre recht zuſterben.
An dieſem faden hengt errettung und verderben /
Durch diß faͤllt Caracall in angſt und hoͤllen-noth.
Wer aber weiß wohl nicht / was Acoluth gelehret /
Wenn er die ſichre welt des todes uͤberwieß?
Der frommen helden-muth durch himmels-troſt vermehret /
Verzagten aber ſtets in hertz und ohren bließ:
Man muͤſte / wolte man mit tod und teuffel kriegen /
Wie Conſtantinens heer / im creutze Chriſtus ſiegen.
Und156Begraͤbniß-Gedichte.
Und ſo traff Acoluth mit ſeinen lehren ein:
Diß war die laͤuterung der Abyßiner ſchaalen:
Was aber nuͤtzet wohl mit engel zungen prahlen /
Wenn wir im hertzen doch nur Epicurer ſeyn?
Ein prieſter / deſſen glantz wie diamanten plitzet /
Und dennoch ſchlechte ſpreu vor ſeine ſeele wehlt;
Dem auff dem munde milch und roſen-zucker ſitzet /
Im hertzen aber geiſt und lebens-oͤle fehlt;
Kan uns zur himmelfart ſo wenig ſchiff und nachen /
Als ohne mittelpunct gewoͤlbte circkel machen.
Den nachruhm / den auch hier der ſelige verdient /
Gebraͤchen mir vielleicht zuſchreiben / zeit und ſtunden:
So gar war mund und hertz an einen thon verbunden /
So gar hat bluͤt und frucht nach einer art gegruͤnt.
Er wuſt und glaubte feſt: Daß ſcharlach weiſſen haͤnden /
Und prieſtern froͤmmigkeit am allerſchoͤnſten ſteh;
Drum hub er ſtets zu GOtt als wie die ſonnen-wenden /
Den gipffel ſeines haupts mit freuden in die hoͤh /
Und hatte / was ſein mund der kirchen ausgeleget /
In dreyen ſchalen auch der ſeelen eingepreget.
Die erſte ſchaale war ſein flammen-volles hertz /
In welchem Chriſtus creutz und ſeine dornen ſtunden.
In dieſem kuͤhlten ſich nun ſeine liebes-wunden /
So wie ein hirſch durch kraut der glieder gifft und ſchmertz.
Zwar Alexanders bild ward auch zu Rom getragen /
Und ſolte dem Auguſt ein pfand der ehren ſeyn:
Allein ſein hertz verwarff was Griech und Roͤmer ſagen /
Und bildte ſich weit mehr mit Chriſtus purpur ein /
Von deſſen hohen krafft / wie ſterne von der ſonnen /
Die Goͤtter dieſer welt ſelbſt ihren glantz gewonnen.
Das gluͤcke / das der menſch vor ſeinen abgott haͤlt;
Die ehre / der wir ſonſt fußfaͤllig opffer reichen;
Diß alles pflegt er nur der mutte zuvergleichen /
Die durch der fluͤgel krafft in tod und flamme faͤllt;
Und ließ der zeiten ſturm ſein hertz ſo wenig ſchwaͤchen /
Als ſpiegel / deren glantz nur ein geſichte zeigt /
So bald wir aber nur das tafel-glaß zerbrechen /
Mit gleicher wuͤrckungs-krafft aus iedem theile ſteigt;
So daß in ihm der ſpruch: Viel leiden und doch hoffen /
Wie beym Empedocles wahrhafftig eingetroffen.
Und157Begraͤbniß-Gedichte.
Und warlich! dieſes iſt der ſeelen kieſelſtein /
Aus dem das helle feur des wahren glaubens ſpringet.
Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet /
Muß in Egyptenland vor knecht und ſclave ſeyn.
Corall und perle waͤchſt im ſaltze tieffer wellen;
Die ſchoͤnſte roſe ſaugt aus neſſeln lebens-krafft /
Das beſte gummi kan nicht ohne winde qvellen;
So muß nun auch ein geiſt / der an dem himmel hafft /
Wie zucker auff der glut / wie blumen in der erden /
Und Athanaſius im creutze kraͤfftig werden.
Der himmels-liebe kind / iſt die barmhertzigkeit;
Die ſchweſter der gedult den nechſten recht zu lieben;
Und wie Pythagoras ſich nur im ſchweigen uͤben /
Wenn neid und eifer gifft wie drachen auff uns ſpeyt.
Hier aber muͤſten mir die federn ſtroͤme gieſſen /
Und dennoch riß ich kaum recht unſern todten ab /
Wie er vor wermuths-ſafft ließ mußcateller flieſſen /
Der guͤtter zehnden theil den armen leuten gab;
Und doch ſo wenig iſt ein kind des elends-orden /
Als ſein vergnuͤgtes hertz zum Phariſeer worden.
Die andre ſchaale / die der ſelige gefuͤhrt /
War ſein mit glut und feur erfuͤlletes gewiſſen:
Denn prieſtern wird ſo leicht von ſuͤnden / als narciſſen
Und lilgen / fleck und koth von fliegen angeſchmiert.
Drum hat er auch niemals vor engel ſich geprieſen /
Er fuͤhlte / wie ein menſch / auch angſt und ſeelen-pein /
Und hat der ſichern welt mit thraͤnen offt gewieſen:
Wer dorten nicht ein knecht der hoͤllen wolte ſeyn /
Der muͤſte hier durch reu vor GOttes zorn-gewittern /
So wie Caligula vor plitz und donner zittern.
Sein drittes ſinnen-bild war endlich aſch und grab /
Die ſchaale / die ſie trug / ſein feſtgeſetzter glaube.
Wie manchem Nero wird das hertze hier zu ſtaube!
Wie manchem Hannibal faͤllt ſchild und harniſch ab!
Er aber ließ uns offt aus ſeiner andacht lernen:
Daß ruͤhmlich leben nichts / als taͤglich ſterben ſey.
Der todt / der fuͤgte nur ſo wie cometen-ſternen /
Den frommen furcht und angſt / nicht aber ſchaden bey;
Und koͤnte Chriſten ja ſo wenig bitter ſchmecken /
Als mandeln / weil ſie nur in harten ſchalen ſtecken.
Und158Begraͤbniß-Gedichte.
Und endlich hat er ſelbſt der erden abgedanckt /
Sein geiſt hat kett und ſtrick des todes durchgeriſſen /
Und legt die ſchalen nun zu ſeines GOttes fuͤſſen /
Mit denen hier der leib im leben hat geprangt:
Sein JEſus aber fuͤllt ſie alle voller ſonnen /
Mit dieſen worten an: Das licht der traurigkeit.
Der mund der engel / die vor liebe faſt zerronnen /
Kuͤßt mit der loſung ihn: Der ſeelen liebes-ſtreit.
Der himmel aber ſelbſt rieff eh ſie ihn noch kuͤßten:
Diß iſt der rechte kern der prieſter und der Chriſten.
Ob gleich der himmel nun den groſſen geiſt verwahrt /
So muß Alphonſus ſtein doch ſeinem ruhme weichen /
Der auff der wagen ſich zwar allen konte gleichen /
Von erden aber ſo / wie federn / leichte ward.
Denn wo Martellus ſich kan groß und gluͤcklich ſchaͤtzen /
Weil er drey ſoͤhne laͤſt von gleicher tapfferkeit;
Muß man dem ſeligen ſein lob in marmol aͤtzen /
Weil ihn der kinder glantz auch in der grufft verneut /
Und er drey ſoͤhne laͤſt / durch die er kan auff erden /
Wie Pfeiffer / Lauterbach und Krafftheim ruchtbar werden.
Drum gebt / betruͤbteſte / des himmels donner nach!
Denn ſchmertz und ungluͤck wird durch thraͤnen nicht verbunden:
Der beſte balſam qvillt aus tieff-geritzten wunden /
Und morgen ſtreut offt gold / was geſtern blumen brach.
Der iſt nur lobens werth / der fromm und ſelig ſtirbet;
Der aber erſt ein Chriſt / der ſeine ſchwachheit ſtaͤrckt /
Wie Amianthen-ſtein im feuer nicht verdirbet /
Als Cedern feſte ſteht / von Mohren aber merckt:
Daß ieder / der ihm nicht den himmel will verſchlagen /
Muß creutze / feur nnd aſch in ſeinem hertzen tragen.
Die159Begraͤbniß-Gedichte.
Die mit der himmliſchen verwechſelte Welt-Muſic / Bey beerdigung Frauen von Rehdi - gern fuͤrgeſtellet 1689.
NAchdem des gluͤckes ball / der liebe gauckel-ſpiel /
Princeßin Anna / ward aus Engelland vertrieben /
Weil koͤnig Heinrich nicht ihr weſen konte lieben /
Und ſeiner alten haut ihr marmol mißgefiel;
Riß das betruͤbte kind den wechſel ihres orden /
Der ihr vor ſonnenſchein nun drachen-blicke gab /
Vor groſſer hertzens-angſt in einer lauten ab /
Mit dieſer uͤberſchrifft: Sie iſt zu thraͤnen worden.
Wer heute noch den thon der ſterbligkeit erreicht /
Wird wie taranteln auch leicht in den adern fuͤhlen /
Daß unſer gantzes thun nur ſuͤſſen ſaiten-ſpielen /
Und unſer gluͤcke ſich mit ſchwachen lauten gleicht.
Denn wenn die ſaiten offt am allerhellſten klingen /
So wird das gantze ſpiel durch einen bruch verruͤckt;
So / wenn den ſterblichen der freuden anfang gluͤckt /
Muß offt das ende nichts als ſchwere thraͤnen bringen.
Wir fangen ſchon die luſt in kinder-roͤcken an /
Und wiſſen weder maaß noch grentzen auszuſetzen;
Wenn bald ein apffel uns / bald zucker mehr ergetzen /
Als Affen honigſeim im hunger troͤſten kan.
Die erſte ſtimmung ſind die luſtigen geberden /
Daß lachen aber iſt das wahre ſaiten-ſpiel;
Doch wenn die mutter uns das gringſte nehmen will /
So ſieht man ſpiel und luſt zu ſaltz und thraͤnen werden.
Mit zeit und alter waͤchſt auch die ergetzligkeit /
Wie farben mit der frucht und ſchatten mit den zweigen /
Der laͤſt ſein hochmuths-lied biß an die wolcken ſteigen /
Ein ander wird durch gold - und ſilber-klang erfreut;
Doch / weil man ohne tact daß beſte lied verderben /
Mit vielem klange nur das ohre ſchwaͤchen kan;
Was wunder iſt es denn / daß aberwitz und wahn /
Nach unterbrochner luſt auch ſaure thraͤnen erben?
Die160Begraͤbniß-Gedichte.
Die ſchoͤnſte ſtimmung iſt / die nach der liebe klingt /
Was aber muß auch hier vor lange zeit verſchwinden /
Eh man den rechten thon der hertzen lernt ergruͤnden /
Und alle regungen in reine noten bringt?
Ja wenn auch mann und weib wie der magnet mit norden /
In ihrer liebe gleich / und beyde ſtimmig ſeyn:
So ſtellt der blaſſe tod das gantze ſpielen ein /
Und ſchreibt auff ihre luſt: Sie iſt zu thraͤnen worden.
Mein Herr / ſein liebſter ſchatz / der auff der bahre liegt /
Und ſtets mit ſeiner bruſt ein gleicher thon geweſen /
Laͤſt hier die ſichre welt am allerbeſten leſen /
Was lieb und lauten-ſpiel vor harte bruͤche kriegt.
Ihr hertze wolte gleich mit neuer ſtimme flieſſen /
Und durch ein ſuͤſſes pfand ſein gluͤcke recht erhoͤhn /
So heiſt der himmel ſie im ſpielen ſtille ſtehn /
Und ihn ſein liebes-lied mit heiſſen thraͤnen ſchlieſſen.
Was floͤßt / betruͤbter / wohl mehr gall und wermuth ein?
Was aber kan uns auch mehr licht und anlaß geben /
Wie man auff erden ſchon zum himmel ſich erheben /
Und unſre ſeele ſoll der engel luſt-ſpiel ſeyn?
Denn was hier weltlich klingt / muß wie die welt verderben;
Wer aber hertz und bruſt nach GOttes weſen ſtimmt /
Der kan / wenn alles gleich in ſaltze faſt zerſchwimmt /
Bey ſeinem ſpielen doch noch ohne thraͤnen ſterben.
Und dieſes eben hat die ſelige bedacht;
Wenn ſie / wie Memnons bild die ſtimme von der ſonnen /
Der freuden hellen thon von GOttes licht gewonnen /
Und ihm als nachtigall ein taͤglich opffer bracht:
Wenn ſie wie Auguſtin / die augen ihr verbunden /
Die geile hinderniß der erden abgeſchafft /
Und aus der andacht offt mehr honig-reiche krafft /
Als ein verliebtes ohr aus harffen-klang empfunden.
Der abgeſagte feind der frommen unter-welt /
Floh ihren ſchwan-geſang wie crocodile floͤten
Den eyfer wuſte ſie mit ſchoͤner art zu toͤdten /
Der wolluſt fuͤſſer thon hat nie ihr hertz gefaͤllt.
Drum tritt ſie voller glantz nun in den himmels-orden /
Da ſie der engel hand mit neuer luſt erfreut /
Und auff daß bittre ſaltz der alten traurigkeit /
Die goͤldnen worte ſchreibt: Sie iſt zu zucker worden.
Iſts161Begraͤbniß-Gedichte.
Iſts ſo / betruͤbteſter / ſo weint er ohne recht;
Denn kont ihr liebes-klang auff erden ihn ergetzen /
Wie kan ihr wechſel ihn denn itzt in trauren ſetzen /
Da GOtt nur ſeine luſt zu ihrem nutzen ſchwaͤcht?
Ein Chriſt muß ſchmertz und leid wie dornen lernen fuͤhlen /
Mehr auff der roſen werth als ihre ſtachel ſehn /
Und dencken / daß kein weh denſelben kan geſchehn /
Die durch die thraͤnen ſich hier in den himmel ſpielen.
Auff das abſterben Herrn Ferdinands von Mudrach / Kaͤyſerl. Raths und Praͤſidis in Breßlau / 1690.
DEr affe der natur / die ſchatten-volle nacht /
Fieng unlaͤngſt meinen geiſt mit traͤumen an zu wiegen /
Und hatte die vernunfft kaum aus dem zirckel bracht /
Als ich Budorgis ſah auff einem berge liegen.
Zu ihren fuͤſſen war ein krannich vorgeſtellt /
Der / da er vor ſein heer noch voller ſorgen wachte /
Und alle durch ſein ſtehn im ſchlaffe ſicher machte /
Von pfeilen / wie ein baum vom donner ward gefaͤllt;
Die andern flogen noch vor ſchrecken hin und wieder /
Mit dieſer uͤberſchrifft: Der beſte liegt darnieder.
Der grund des berges war mit wapen uͤberſtreut.
Auff dieſem zeigte ſich der adler voller klagen:
In ſeiner matten ſchooß lag die erfahrenheit /
Und hatte vor den tod viel buͤcher auffgeſchlagen;
Sein ſinn-gemaͤhlde war ein diamanten-ſtein /
Mit der bezeichnungs-ſchrifft: Die zierde von der ſonnen.
Vielleicht / weil / wie ſein glantz vom himmel kommt geronnen /
So witz und wiſſenſchafft des adels ausputz ſeyn /
Und perlen und beryll von muſcheln zwar entſprieſſen /
Die hoheit aber muß aus ihren ſtrahlen flieſſen.
LGleich162Begraͤbniß-Gedichte.
Gleich uͤber hatte ſich die redligkeit geſetzt.
Ihr kopff war voller angſt / wie bruͤche voller narben;
Zur rechten lag ein hertz aus helffenbein geetzt /
Auff dem diß urthel ſtund: Von gleicher art und farben.
Zur lincken aber war ein hermelin geſtellt /
Das / wenn man ſeinen leib mit feur und koth umringet /
Viel lieber in die glut als in den unflat ſpringet /
Und dieſes denckmahl trug: Rein / oder von der welt.
Zum ſchimpff uns / die wir offt im hertzen voller flecken /
Wie ſchwartzes ſchwanen-fleiſch in weiſſen federn ſtecken.
Nicht weit von dieſer ab ſaß die gerechtigkeit /
Und hatte mit der hand ein ſpiegel-glaß umgriffen /
Auff deſſen rande ſtund: Aus aſche zubereit.
Und druͤber dieſe ſchrifft: Vor alle gleich geſchliffen.
Zur lehre: daß die pracht des richters aſch und ſpreu /
Sein leben / wie der leib / nur ſchwachem glaſe gleiche;
Der platz / auff dem er ſitzt / vor arme / wie vor reiche /
Nicht anders / als der thau vor alle blumen ſey /
Und ihm / wofern er nicht nach geld und gunſt ſoll waͤhlen /
Egyptens meynung nach / muß hand und auge fehlen.
Zwey ſchritte weiter war die gottesfurcht zu ſehn.
Ihr hals trug einen krantz von hyacinthen-ſteinen /
Die / wie das wetter fugt / auch ihre farben drehn /
Mit dieſer uͤberſchrifft: Der himmel will nicht ſcheinen.
Ihr antlitz aber ſah zwey ſonnen-blumen an /
Die voller liebes-luſt zur ſonnen-kugel brannten /
Zur ſeiten aber ſich vom monden abwaͤrts wandten /
Mit dieſer leuterung: Nur einem zugethan.
Zu zeigen: daß der menſch nur einen GOtt erkennen /
Und wie ein hyacinth ſoll nach dem himmel brennen.
Am ende ſaſſen drey mit tuͤchern uͤberdeckt /
Und hatten uͤber ſich den affen laſſen mahlen /
Der / wenn der monde faͤllt / ſich todt zur erde ſtreckt /
Mit dieſer neben-ſchrifft: Aus mangel deiner ſtrahlen.
Den allen fuͤgte ſich Timantes endlich bey /
Und ſann auff witz und kunſt ihr trauren abzuſchildern;
Doch merckt ich / daß er nur / nach vielen falſchen bildern /
Diß auff die decken ſchrieb: Der ſchmertzen conterfay.
So gar kan traurigkeit / wie waſſer in der erden /
Wann ſie die liebe fuͤhrt / zu groſſen ſtroͤhmen werden.
Indem163Begraͤbniß-Gedichte.
Indem ich voller furcht diß alles noch beſah /
Kam der erblaßte tod in zirckel eingetreten.
Viel geiſter ſuchten ihn / ſo wie in Africa
Die ziegen ihren GOtt / den hundsſtern anzubeten.
Von dieſen gaben ſich mir ſonder alle muͤh /
Der Pyrrhus / Atticus und Plato zu erkennen;
Die andern lieſſen ſich Anton und Caͤſar nennen;
Auff allen aber ſtund: Des todes opffer-vieh.
Und hinter ihnen war auff einem waſſer-ballen
Im ſchatten noch zu ſehn: So ſind wir auch gefallen.
Ach! dacht ich / haͤlt denn nichts auff erden feſten lauff?
Als gleich der glaube kam vom himmel abgeſchoſſen.
Aus ſeinem haupte ſtund ein junger Phoͤnix auff /
Und druͤber dieſer troſt: Dem tode nur zum poſſen.
Am kleide war der berg Olympus abgemahlt /
Mit beygeſetzter ſchrifft: Mein gipffel hat gewonnen.
Vielleicht: Weil dieſer berg ſtets oben von der ſonnen /
Ein frommer ewiglich im himmel wird beſtrahlt /
Und ſich ein wahrer Chriſt durch glauben muß vom leiden /
Wie ſuͤſſe palmen-frucht von bittern wurtzeln ſcheiden.
Nicht weit von dieſem ſchwang die tugend ihren rock /
Und brach durch neuen glantz die duͤnſte meiner ſorgen.
Ihr ſinnen-bildniß war ein matter reben-ſtock /
Der wider ſchnee und froſt im miſte lag derborgen /
Und uͤber dem ein ball von pulver angezuͤndt /
Mit der bekandten ſchrifft: Ich leb im untergange.
Zur ſeiten aber ab war eine waſſer-ſchlange /
Der / wo ſich gleich ein bruch an ihren haͤuptern findt /
Doch ſtets / wenn eines faͤllt / ein neues wird gebohren /
Mit dieſer uͤberſchrifft: Mit einem nicht verlohren.
Nach vieler pracht beſchloß diß ſchwartze todten-feſt
Die lieb / in einer tracht von friſchen Amaranthen.
In ihrem ſchilde ſtund ein brennender Asbeſt /
Mit dieſer neben-ſchrifft: Aus liebe zum verwandten.
Die bruſt ſchoß einen ſtrohm von oel und balſam-ſafft
Nach denen nur allein noch uͤbrigen betruͤbten /
Zum zeichen: daß der tod am grabe der verliebten /
So wenig als ein wurm an ceder-aͤſten hafft /
In wolcken aber ſchien / wie eine feder ſchriebe:
Der welt unſterblich feur iſt glaube / tugend / liebe.
L 2Diß164Begraͤbniß-Gedichte.
Diß meynt ich / haͤtt ich nechſt im traume nur erblickt /
Heut aber bricht der tod das ſiegel meiner augen /
Da unſer Mudrach ſich vor ſeinem donner buͤckt /
Und alle thraͤnen-ſaltz aus ſeinem grabe ſaugen.
Denn wo Trajan den ruhm des beſten in der welt /
Nur wegen ſeines amts / vor andern weggetragen;
Ein ſchiff denn ſteuerman am meiſten muß beklagen;
Schreibt billich iede ſtadt / wenn haupt und waͤchter faͤllt /
Budorgis aber itzt in ihre trauer-lieder /
Was Rom vor dieſem ſprach: Der beſte liegt darnieder.
Zwar geb ich gerne nach / daß dieſes Canons ruhm /
Bald ein Timotheus wird herrſchend uͤberwiegen;
Denn dieſes iſt und bleibt der klugen eigenthum /
Einander durch ihr licht wie ſternen obzuſiegen.
Allein ſein weſen war auch allen nicht gemein.
Denn da der Marius muß einem Sylla weichen /
Und ihm in ahnen nicht kan wie an thaten gleichen /
Goß ihm der adel glantz / wie ſchnecken purpur ein /
Und riß ihn uͤber die / die nach despoͤfels zuͤchen /
Wie regen insgemein nach ihrem dampffe riechen.
Des adels lebens-ſaltz iſt die erfahrenheit /
So wie granaten-frucht die nahrung ihrer kroͤnen;
Denn grob und edel ſeyn / wird endlich mit der zeit
Ein haus / in welchem nichts als leere tittel wohnen.
Er hoͤrte bald als kind / der alten lehren an /
Und zeigte / daß auch ſchon die balſam-bluͤte leben /
Ein junger zimmet-baum die beſte bluͤte geben /
Und fleiß und jugend offt am hoͤchſten ſteigen kan.
So ſpielet die natur / daß auch gelehrte muͤſſen /
Wie guter myrrhen-ſafft nur von ſich ſelber flieſſen.
Doch diß war nur der wind / der ſeine funcken bließ /
Und ſchien / daß ihn der trieb Epaminondens ruͤhrte /
Der ſeinen Lyſis eh nicht wieder von ſich ließ /
Als biß er gleiche krafft an dem verſtande ſpuͤrte.
Drum hat er nur drey jahr mit hoͤren zugebracht /
Was Conrings groſſer witz vor lehren abgewogen;
Biß Boͤcklers hoher ruhm ihn weiter fortgezogen /
Und endlich auch in ihm die regel wahr gemacht:
Daß wer im labyrinth der buͤcher nicht will fehlen /
Ihm kluge Leute muß zur Ariadne waͤhlen.
Von165Begraͤbniß-Gedichte.
Von buͤchern wandte ſich ſein auge zu der welt;
Denn witz und klugheit ſind wie zweige von corallen /
Die eher die natur in ſteine nicht verſtellt /
Biß daß ſie nach der ſee hat fremde lufft befallen.
Was Franckreich in ſich haͤlt / was Niederland verbirgt /
Diß alles waren ihm wohlriechende jeſminen /
Aus denen ſein verſtand nicht anders als die bienen /
Der weißheit honigſeim ihm ſelber ausgewuͤrckt.
So muͤſſen ſpielende die wuͤrffel im verkehren /
Wer reiſet / ieden blick mit vortheil angewehren.
Die meiſten ſcheinen nur von weitem groß zu ſeyn /
Nach art der von der erd entfernten monden flammen;
Wenn aber ihre treu die buͤrger ſoll erfreun /
Faͤhrt ſie wie ſchwefel-werck in dicker lufft vonſammen.
Sein nutz war anderwaͤrts mit ſchalen ſtets verdeckt /
Und fieng ſich allererſt in Breßlau an zu zeigen /
Zur lehre / daß auch krafft in ungebluͤhten feigen /
Wie gold und feuer-glantz in Chryſolithen ſteckt /
Und dieſe ruhm verdient / die auff der mutter erden /
Wie dattel-baͤume nur bey datteln fruchtbar werden.
Was aber hat ſein geiſt nach dieſem nicht gethan?
Als er den buͤrgern halff vor ihre wohlfahrt ſorgen /
Und offt den beſten rath im nebel ſchwartzer morgen /
Wie ſpinnen ihren zeug bey truͤbem wetter ſpann.
Der ſchlaue Hannibal hat alles vor geſehn /
Was erſt Carthago ſich am ende ließ erſchrecken /
Er aber pruͤfte ſtets die wege / wie die ſchnecken;
Ließ bald von anfang nicht / was ſchaͤdlich war / geſchehn /
Und glaubte / daß ein rath der klugheit groͤſte gaben /
Wie leuen ihre krafft / muß in den augen haben.
Der weißheit winckel-maaß war ſeine redligkeit /
Denn ob ſich gleich die welt mit liljen-blaͤttern zieret /
Im hertzen / wie ihr ſtiel / hingegen galle fuͤhret /
Und als ein tannen-baum vergifften ſchatten ſtreut;
So blieb der ſelige doch marmol-kugeln gleich /
Und ohne ſchmincke / ſo / wie dieſe ſonder ecken /
Hielt witz bey falſchheit nur vor ſonnen voller flecken /
Und machte niemahls ſich durch fremde ſeuffzer reich /
Wohl aber / daß auch noch kein fehl an ſeinem leben /
So wie kein waſſer bleibt an reinen ſchwanen kleben.
L 3Aus166Begraͤbniß-Gedichte.
Aus dieſer mutter nun floß die gerechtigkeit /
Ein kind / daß ihrer viel wie Galba niederdruͤcken /
Wenn ſie der purpur-rock auff ihrem alten ruͤcken /
Mehr als ein panterthier der jaͤger wein erfreut.
Hier war ein Phocion / den dieſes nur betruͤbt:
Wie er vor iederman / was recht iſt / moͤge faͤllen:
Ein ſeltner Atticus / der wie ein fiſch die wellen /
Die menſchen auff der welt hat alle gleich geliebt;
Und wenn ſein urthel ja die buͤrger ſtraffen muͤſſen /
Nur boͤſe / wie ein ſtorch die ſchlangen hat zerriſſen.
Was aber ſaͤum ich noch der ſeelen angelſtern /
Das feur der gottesfurcht an ſeiner bruſt zu preiſen?
Das wie caſtaneen nur ihren reiffen kern /
So lauter volles licht der erden konte weiſen.
Ein ſtein ſteigt unterwaͤrts / die flammen himmel an;
Er warff den ſchweren ſtein der ſuͤnden zu der erden /
Bemuͤhte ſich durch glut deß himmels freund zu werden /
Und hat wie Daniel offt betend dargethan:
Daß rechte gottesfurcht / die allen fall ſoll meiden /
So wenig kaͤlte muß als gruͤne ſchoten leiden.
Was wunder iſt es denn / daß er die krancke welt /
Auch nun dem leibe nach auff ewig hat vergeſſen?
Die nur mit nattern ſich ſo lange freundlich ſtellt /
Biß die die nachtigal / ſie aber uns gefreſſen.
Der menſch wird nur allhier durch falſche luſt und pracht /
Gleich wie ein tieger-thier durch ſpiegel auffgehalten;
Doch wenn wir endlich nun bey geld und gut veralten /
Und wie Severus uns durch thaten groß gemacht /
Laͤſt uns der tod wie ihn nur dieſe grabſchrifft leſen:
Was hilfft es / daß ich vor bin alles hier geweſen?
Doch denckt nicht / ſterbliche / daß er geſtorben ſey!
Denn ſeine ſeele traͤgt des glaubens ehren-kronen /
Und ſcheidet ihre luſt nur von der erden ſpreu /
Wie pomerantzen-frucht von ſchlechten waſſer-bohnen.
Die tugend wird ſein lob auch in des grabes-nacht /
Wie ſonnen ihren glantz beym untergange mehren /
Zu zeigen: daß der tod zum tempel unſrer ehren /
Wie regen zu der frucht / den erſten anfang macht.
Budorgis aber hat mit dieſem nichts verlohren /
Weil ihr der[himmel] ſchon ein gleiches haupt erkohren.
Ihr167Vermiſchte Gedichte.
Ihr ſeyd nur noch allein / betruͤbte / voller ſchmertz /
Wo ſeine liebe kan in euren augen ſterben.
Wie aber kan ſie wohl / da ſein getreues hertz /
Will einen marmol-ſitz in eurer bruſt erwerben?
Drum denckt: der himmel kan betruͤben und erfreun /
Und ſeuffzer / wie den plitz der regen-bogen trennen;
Denn weil der ſelige nun will in freuden brennen /
Wird ihm eur waſſer auch vielleicht zuwider ſeyn;
Nicht aber / wenn die welt auff ſeinen leich-ſtem̃ ſchriebe:
Der grund der ſeligkeit / iſt glaube / tugend / liebe.

Vermiſchte Gedichte.

Ruheſtatt der Liebe / oder Die Schooß der Geliebten.
BEy dieſen brennenden und ſchwuͤlen ſommer-tagen
Ließ Cloris ſich einmahl in ihren garten tragen /
Und ſuchte fuͤr den brand der ſonnen eine klufft /
Von kuͤhler witterung und ſchattenreicher lufft.
Sie ſetzte ſich erhitzt bey einem baume nieder /
Und ſtreckte bald darauff die perlen-volle glieder
In das noch friſche gras / geruhiger zu ſeyn /
Und ſchlieff auch / wie ſie lag / halb von der ſeiten ein.
Ihr alabaſter leib war nur mit flor bekleidet /
Und weilen man den zwanck nicht bey der hitze leidet /
Ward ihre bloſſe bruſt im gruͤnen klee geſpuͤrt /
Die zur gemaͤchligkeit ſie eben auffgeſchnuͤrt.
Der ſanffte weſten-wind / bereit ſie abzukuͤhlen /
Ließ ſeinen othem gleich auff dieſe wellen ſpielen /
L 4Und168Vermiſchte Gedichte.
Und bließ mit ſtillem hauch bey ihrer ſuͤſſen ruh
Ihr aus der Floren hand die weichſten blumen zu.
Es wiegte gleichſam ſie ſein angenehmes weben;
Doch als er ſich bemuͤht den leichten rock zu heben /
Riß endlich unverſehns von der geſtreckten ſchooß
Der vorgeſchuͤrtze flor mit ſeinen guͤrtel loß.
Hilff himmel / welcher ſchmuck! was ſuͤſſe wunderwercke /
Der ſchoͤnheit groͤſte pracht mit aller ihrer ſtaͤrcke /
Der liebe paradieß ward hier uns auffgedeckt /
So Cloris uns bißher zur ſicherheit verſteckt.
Das liebſte / das man kennt / und doch ſich ſcheut zu nennen /
Weil auch das bloſſe wort uns ſchon vermag zu brennen /
War hier inſonderheit gantz ungewoͤhnlich ſchoͤn /
Und ließ ſich auch / vor ſtoltz / hoch auffgebruͤſtet ſehn.
Es lag wie ein caſtell von marmor auffgefuͤhret /
In einem liljen-thal / den ſeine gegend zieret /
Des eingang von rubin / und gantze lager-ſtatt
Nichts als ein ſchatten-werck von myrthen um ſich hat.
Es ſah von forne zu (hier fehlt der beſte pinſel)
Als wie ein grotten-haus / wie jene morgen-inſel /
Wo die gluͤckſeligkeit den tag zu erſt beſchaut /
Und wo die nachtigal in lauter roſen baut.
Die zwo von helffenbein ſo rund gewoͤlbten huͤffte
Verdeckten dieſen ſitz als ein paar gleiche kluͤffte /
Durch deren ſchutz kein ſturm auff das geſtade ſtreicht /
Und dieſes luſt-revier dem ſteten ſommer gleicht.
Kein apffel kan ſo friſch ſich an den ſtengel halten /
Kein purpur pfirſig iſt ſo ſanfft und zart geſpalten /
Kein kleiner raum der welt hat ſo viel uͤberfluß /
Als in der Cloris ſchooß der weiſſe nabel-ſchluß.
Die ſonne ſelbſt verliebt in ſo viel zierlichkeiten /
Vergaß / dem anſehn nach / im lauffe fortzuſchreiten /
Und drung ſich durch das laub / mit huͤlffe von dem weſt.
Die vogel hielten es fur ein gebluͤmtes neſt.
Die brunnen wolten ſich durch dieſen garten winden /
Die blumen glaubten hier ihr blumen-feld zu finden /
Die Nymphen waren ſelbſt wie halb darein vernarrt /
Und Zephyr kuͤßt es kaum / ſo fand er ſich erſtarrt.
Der treue Celadon / dem ſie zuvor entwichen /
War ihr gantz unvermerckt von ferne nachgeſchlichen /
Und ward des ſchoͤnen blicks ſo zeitig nicht gewahr /
Als er zugleich empfand die ſchluͤpffrige gefahr.
Die liebe hieß ihn erſt zwar ſeine Cloris ehren;
Doch wolte ſie ihm auch / als liebe / nichts verwehren;
Und169Vermiſchte Gedichte.
Und wie ſie uns entzuͤckt zu dem geliebten traͤgt /
Hat ſelbſt ſie ſeine hand an Cloris leib gelegt.
Er zuckt und bebete / wie leichte feder-flocken /
So ſehr er es verlangt / ſo war er doch erſchrocken.
Er tappte wie ein menſch bey dicker finſterniß /
Und wagte nicht die hand / wohin ſie doch ſich riß.
Was halff ihm alle furcht vor dem geliebten weibe?
Die finger glitten aus auff dem polirten leibe /
Und rollten mit gewalt vor das gelobte land /
Das eine hole fauſt in allem uͤberſpannt.
Du armer Celadon / wie wurdeſt du betrogen!
Du waͤreſt faſt von glut und flammen ausgeflogen /
Wo du der finger brand zu kuͤhlen hingeſetzt /
Und was du / aus der form / fuͤr einen ſpring geſchaͤtzt.
Du fuͤhlteſt zwar nur ſammt und lauter weiche ſeide /
Du hatteſt in der hand den brunqvell aller freude;
Wo die ergoͤtzligkeit von milch und honig rinnt;
Doch deſſen ſanffte flut mehr als der ſchwefel zuͤndt.
Es war der kleine brunn die funcken-reiche ſtelle /
Wo Ethna feuer holt: die wunder-volle qvelle /
Wo Hecklens flammen-fluß aus ſchnee-gebirgen qvillt /
Und der dem Celadon die adern angefuͤllt.
Er wuſte nicht was er vor hitze ſollt beginnen;
Er fieng wie weiches wachs vor ohnmacht an zurinnen /
Und haͤtt / ich weiß nicht was / vor raſerey vollbracht /
Wenn Cloris nicht davon zum ungluͤck auffgewacht.
Sie ſtieß / noch voller ſchlaffs / mit ihren beyden haͤnden /
Den frembd - und kuͤhnen gaſt / von ihren weiſſen lenden /
Der ihre zarte ſchooß durchwuͤhlet und verheert /
Und ſprach / als ſie ihn ſah: du biſt des ſtranges werth.
Hilff himmel! was iſt das? Haſt du den witz verlohren?
Iſt diß die ſtete treu die du mir zugeſchworen?
Haſt du der Cloris zorn ſo wenig denn geſcheut /
Daß du auch freventlich ihr heiligthum entweyht?
Daß du! welch eine that! ſie konte nicht mehr ſprechen /
Und wolte ſich an ihm mit ihren thraͤnen raͤchen.
Sie ſprang mit ungeſtuͤm von ihrem lager auff /
Und eylt aus ſeinem arm / durch einen ſtrengen lauff.
Alleine Celadon fiel gleich zu ihren fuͤſſen /
Und wuſte ſelbige ſo feſt an ſich zuſchlieſſen /
Daß ſie / was ſie auch that / bey ihm darnieder ſanck /
Und er ſie zum gehoͤr nach vielen klagen zwang.
Er lag / ſie haltende / vor den erzuͤrnten knien /
Und ſprach: Mein fehler wird zu groß von dir beſchrien.
L 5Ich170Vermiſchte Gedichte.
Ich bitte durch den brand der meine ſeele plagt /
Durch jene demmerung die um dein auge tagt /
Durch deine tulpen-ſchooß / durch deine nelcken-bruͤſte /
Durch die von beyden mir noch unbekandten luͤſte /
Durch deine ſchoͤne hand die mich itzt von ſich ſtoͤſt?
Was hab ich denn verwuͤrckt / daß zephyr dich entbloͤßt?
Daß ich es mit beſchaut / was deſſen hauch veruͤb[et]/
Daß ich es angeruͤhrt / was erd und himmel liebet /
Was ſelbſt der Goͤtter mund begierig hat gekuͤſt /
Und was der inbegriff von deiner ſchoͤnheit iſt.
Es iſt ja deine ſchooß der auszug aller zierde /
Der enge ſammel-platz der ſchmeichlenden begierde /
Der rund / wo die natur zuſammen hat gedraͤngt /
Was ſich nur reitzendes den gliedern eingemengt.
Hier iſt der kleine ſchatz der deinen reichthum zeiget /
Der lebendige thron der alle ſcepter beuget /
Der ſuͤſſe zauber-kreyß / der unſern geiſt beſtrickt /
Und des beſchwehrungs-wort die felſen auch entzuͤckt.
Ach! Cloris / wolteſt du / daß ich gewichen waͤre!
Bedencke doch die ſchmach und deiner ſchoͤnheit ehre.
Ich haͤtte ja die macht der liebligkeit verhoͤhnt /
Wenn ich nicht deine ſchooß mit meiner hand gekroͤhnt.
Kan
*Dieſe Phryne ſtund zu Athen vor gerichte und ſolte verurtheilet wer - den. Aber als ihr liſtiger advocat ihr den ſchleyer abgeriſſen / und ihre bloſſe bruſt den richtern ſehen laſſen / wurden ſie von ihrer ſchoͤnheit ſo eingenommen / daß ſie das urtheil aͤnderten / und die beklagte loß ſprachen.
* Phrynens bloſſe bruſt des richters zunge laͤhmen /
Wie ſoll nicht deine ſchooß uns unſer hertze nehmen?
Wird man durch einen blick der
**Diß waren drey ſchweſtern von ſo entzuͤckender ſchoͤnheit / daß ſie keiner ohne erſtaunen anſehen koͤnnen / und die Poeten daher ge - tichtet / als wenn man gar uͤber deren anſchauen zu ſtein wor - den.
** Gorgonen z[um][ste]in /
Wer kan unauffgeloͤſt bey deiner allmacht ſeyn?
Wer ein gefuͤhle hat und hier doch nicht empfindet /
Wen der gedancke nur nicht alſobald entzuͤndet /
Wer dieſem ſchooß-altar zu opffern nicht begehrt /
Der iſt viel billiger des engen ſtranges wehrt.
O moͤchteſt du einmahl / was wir die liebe nennen /
Mehr nach den wuͤrckungen / als nach dem nahmen kennen!
Du wuͤrdeſt / fuͤr den zorn / mir willig zugeſtehn.
Man koͤnne ſonder raub hier nicht zuruͤcke gehn.
Die171Vermiſchte Gedichte.
Die Cloris hatte noch bey allen dieſen klagen
Noch nicht / vor ſcham und grimm / die angen auffgeſchlagen;
Doch ſah ſie endlich ihn von einer ſeiten an /
Wodurch er neuen muth zu ihrer huld gewann.
Er ſuchte ſie darauff mit rechten weißheits-gruͤnden /
Und ſelbſt aus der natur / zum beyfall zu verbinden:
Daß alles was nur lebt / was nur die liebe zwingt /
Nothwendig zu der ſchooß / als ſeiner ruhſtatt dringt.
Es hat ſelbſt die natur / ſprach er / dafuͤr geſtritten /
Nachdem ſie es geſetzt recht in des leibes-mitten;
Wo dieſer mittelpunct der kleinen wunder-welt
Auch den geheimen zug des punctes in ſich haͤlt.
Gleichwie ein iedes ding zu ſeinem circkel eilet /
Der ſtein nicht in der lufft zu lange ſich verweilet /
Das feuer ruͤſtig fleucht / erlaſſen / in die hoͤh /
Und ieder fluß verlaͤufft in ſeine mittel-ſee:
So wird vielmehr zur ſchooß / dem mittel-punct im lieben /
Was geiſt und othem hat durchdringend angetrieben.
So grimmig iſt kein baͤr / hier haͤlt er keinen ſtich /
Ihn reiſt der kleine punct / ſo wild er iſt / zu ſich.
Das ſchuppen-vieh im meer / was hilfft ſein ſchnelles ſchwimmen?
Es muß durch dieſen zug doch an einander klimmen;
Der vogel in der lufft iſt ſchichtern / ſchlau und leicht /
Doch ſiehſt du wie ihn ſtets das weibgen nach ſich zeucht.
Vor allen aber hat der menſch den trieb empfangen /
Und unſere vernunfft vermehret das verlangen;
Die auch viel eyfriger nach dieſer heymat ſtrebt /
Und ſich nicht eh vergnuͤgt / als biß man daran klebt.
Wie der magnet mit macht das eiſen an ſich ziehet /
Wie nach dem norden-pol die nadel ſchlaͤgt und ſiehet /
So iſt der liebſten ſchooß der nord und der magnet /
Wohin der gantze wunſch warhaffter menſchen geht.
Man ſagt: die Venus ſey / ihr weſen zuverſtellen /
Nicht nach gemeiner art / beſondern aus den wellen
In einer muſchel helm empfangen und gezeugt /
Wo ſie des meeres ſchaum gewieget und geſaͤugt.
Wer glaubet ſolches nicht / der Venus thun erweget?
Weil aber eine ſchooß der muſchel bildniß traͤget /
Glaub ich / daß Venus gar / was ſie ans licht gebracht /
Hernach zu einer ſchooß der gantzen welt gemacht.
Daß / als die herrſcherin ihr muſchel-ſchiff verlaſſen /
Sie / aller menſchen hertz in dieſen ſchrein zufaſſen /
Die muſchel in die ſchooß der weiber eingeſchrenckt /
Und ſich nachgehends ſelbſt / zur wohnung / nachgeſenckt.
Wenn172Vermiſchte Gedichte.
Wenn dieſem alſo iſt / wie wir es glauben muͤſſen /
Kein wunder daß uns denn die ſchooß zu ſich geriſſen /
Wo alle reitzungen / wo Venus und ihr kind /
Die liebe / ja wir ſelbſt / mit ihr gebohren ſind.
Kein wunder daß man wuͤnſcht in dieſer muſchel-wiegen /
Weil ſie darinnen wohnt / der Venus beyzuliegen /
Daß man die liebe ſucht / wo ihre lager-ſtatt /
Da / wo diß kleine ſchild ihr hauß bezeichnet hat.
Die liebe will auch ſonſt ſich nirgends laſſen dienen /
In dieſer hoͤlen iſt ſie eintzig uns erſchienen /
Diß iſt der Goͤtter-hayn / wo ſie ſich offenbahrt /
Und unſer hertz zugleich erforſchet / pruͤfft und paart.
Weil die natur das hertz in uns verdecken wollen /
Wie haͤtten wir es doch iemahls erkennen ſollen /
Wofern die liebe nicht die ſchooß dazu erſehn /
Daß unſichtbare hertz durch wercke zu verſtehn?
So aber koͤnnen wir es hoͤchſterwuͤnſcht ergruͤnden /
Was nicht das auge ſieht / laͤſt uns die ſchooß empfinden;
An ſtatt ſich nur zu ſehn / ſo ſpuͤhrt man das gemuͤth /
Und ſiehet durch die that was nicht das auge ſieht.
Wenn denn ein treues paar in ſuͤſſer glut entglommen /
Und deren ſeelen nun zuſammen wollen kommen /
Beſcheiden ſie ſich nur an den beſtimmten ort /
Und dieſes ſchifflein ſetzt ſie uͤber an den port.
Da ſprechen ſie ſich denn / da lernen ſie ſich fuͤhlen /
Da wiſſen ſie im fleiſch zu brennen und zu ſpielen /
Biß der verſteckte leim aus allen adern ſchaͤumt /
Und den vermiſchten geiſt gar aneinander leimt.
Ach Cloris / die du ruͤhmſt / du habeſt mich erwaͤhle[t]/
Woraus erkenn ich es / wenn du mir das verheelet /
Was die natur uns ſelbſt zur ruheſtatt geſetzt /
Und wornach man allein der liebe warheit ſchaͤtzt?
Ein freund iſt nicht ein freund / der uns was kan verhalten /
So lang er uns / mit ſich / nicht laͤſt nach willen ſchalten;
So lange hat gewiß die liebe nichts gethan /
Als ſie nicht alles gibt / was ſie nur geben kan.
Du aber haſt mir gar den beſten theil entzogen /
Dein leib weiß nichts davon daß mir dein hertz gewogen /
Das hertze ſieht man nicht / der leib muß zeuge ſeyn /
Wem glaub ich? du ſprichſt ja / und deine ſchooß ſpricht nein.
Was hab ich zum voraus vor andern die dich kennen?
Liebſtu mich nicht genug / mir diß / von dir zu goͤnnen?
Ich bin im eigenthum ein unbekandter gaſt /
Und fuͤr wem ſpareſtu das liebſte das du haſt?
D173Vermiſchte Gedichte.
Du wirſt doch dieſen ſchatz nicht fuͤr dich ſelbſt vergraben;
Wie / oder ſoll es gar ein ander als ich haben?
Nein Cloris / hoͤret mir dein hertze / wie man ſpricht /
So wehre mir denn auch des hertzens eingang nicht.
Er fuhr voll eyffers auff / um dieſes unrechts willen.
Doch Cloris wuſte bald ihn wieder zubeſtillen;
Sie zog / nunmehr erweicht / nach dem bezeugten haß /
Den ausgeſoͤhnten feind mitleidig in das graß.
Man meynt: daß weil er ſich / beſcheiden uͤberwunden /
Der Cloris ſchooß geſehn / und einmahl bloß gefunden /
Die Goͤtter ihn hieher auch wunderbar gebracht /
Sie endlich ſeiner treu beſtaͤndigkeit bedacht;
Sie endlich ihn getroͤſt nach ſeinen langen leyden /
So daß auch deſſen gluͤck die gegend wollen neiden;
Sie aber nach der zeit / wenn ihnen was gefehlt /
Diß ſuͤſſe ſorgen-grab zur linderung gewaͤhlt.
Die gluͤckſelige zahl ſieben / in Seiner Excellentz dem Herrn geheim - ten rath von Danckelmann fuͤrgeſtellet.
GEitz und verſchwendung hat der kuͤhnen welt entdeckt /
Wie man durch kuͤnſte ſoll den ſtein der Weiſen finden.
Witz aber und vernunfft ſind muͤhſam zuergruͤnden /
Was vor geheinmiß auch in einer ziffer ſteckt.
Warum ein hirten-kind auff kaͤyſer-throͤne ſteiget;
Ein kaͤyſer aber gar durch ſeine kinder faͤllt:
Gewalt und gluͤcke ſich in enckeln abwaͤrts neiget /
Ein fauler Commodus des vatern ruhm verſtellt /
Und uns die jahre maaß / die zahlen grentzen ſetzen;
Wie tieff ein ieder ihm ſoll ſein gedaͤchtniß etzen.
Der geiſt Pythagoras / der Griechenland regiert /
Egyptens Cabala / die lehre der Druyden /
Zeugt / daß der alten witz ſchon laͤngſten unterſchieden;
Was die und jene zahl vor hohe wuͤrckung fuͤhrt.
Die174Vermiſchte Gedichte.
Die nach-welt aber hat auch in der ſchrifft gefunden /
Daß ihre meynung nicht ohn alle gruͤnde ſey:
Drum gruͤbelt Auguſtin in jahren und in ſtunden /
Und mißt die groͤſte krafft der ziffer ſieben bey;
Vielleicht / weil vier und drey viel wunder in ſich ſchlieſſen /
Aus beyden aber nur kan eine ſieben flieſſen.
Und warlich / alles trifft mit der erfahrung ein /
Denn wem iſt nicht bewuſt: daß GOttes ruh auff erden /
In ſieben tagen auch hieß alles ruhig werden?
Daß ſo viel tage noch in einer wochen ſeyn?
Daß Noah vor der flut von allen reinen thieren /
Nach einer ieden art / in kaſten ſieben nahm?
Daß / da die wellen ihn durch klippen konten fuͤhren /
Er doch auff Ararath in ſieben monden kam?
Womit er aber wind vom wetter moͤchte kriegen /
Nach ſieben tagen ſtets ließ eine taube fliegen?
Gewiß; hier faͤſſelt GOtt den irrdiſchen verſtand /
Mehr aber / wann wir uns bemuͤhen zu erfahren:
Warum ein juͤdiſch knecht nach ſieben ſclaven jahren /
So wie ein ſchuldener / die freyheit wieder fand?
Was Moſes vor ein bild im leuchter abgeriſſen /
Weil er mehr lampen nicht als ſieben hat gemacht?
Warum man ſiebenfach den Simſon binden muͤſſen?
Ein ſiebentaͤgig ſchaaff zum opffer ward gebracht?
Und endlich Jericho nicht eher ſolte fallen /
Als biß man ſiebenmahl ließ die poſaunen ſchallen?
Diß und ein mehrers iſt aus bloſſer ſchrifft bekandt:
Wie aber nimmet uns nicht die natur gefangen?
Der himmel ſelber muß mit ſieben lichtern prangen /
Die ſchon das heydenthum Planeten hat genannt.
Der ſchnelle lauff verſtellt in viermahl ſieben tagen
Dem monden ſiebenmahl ſein blaſſes angeſicht.
Kein menſch kan leicht die lufft der erden noch vertragen /
Der ſeiner mutter ſchloß vor ſieben monden bricht;
Ein ieder aber pflegt in allen ſieben jahren
Mit neuem alter auch was neues zuerfahren.
Die tieffe weſt-ſee wird in ſieben ſtunden klein;
In ſieben ſtunden muß ihr ufer wieder ſchwellen.
Der ſtrenge Nilus faͤllt aus ſeiner mutter-qvellen
In groſſen Ocean / durch ſieben adern / ein.
Die175Vermiſchte Gedichte.
Die aͤrtzte ſetzen uns zum ſchlafe ſieben ſtunden.
Aus ſieben theilen muß der gantze menſch beſtehn.
Der ſchlimmſte zucker wird wie ſilber gut befunden /
Wenn man ihn ſiebenmahl laͤſt durch die flamme gehn.
Und Rom / vor dem die welt den ſcepter ſolte beugen /
Muß ohne ſchickſal nicht aus ſieben bergen ſteigen.
Was die natur geliebt / hat auch die kunſt gethan.
Denn weſſen hoher witz iſt maͤchtig zu ergruͤnden /
Warum wir in der welt nur ſieben ſtuͤcke[finden] /
Die man mit rechte noch vor wunder ſchelten kan?
Warum Jeruſalem muß fieben jahre zehlen /
Eh Salomo den bau des tempels auffgeſtellt?
Die ſchulen ſieben nur zu freyen kaͤnſten wehlen?
Ein ieder ſaͤnger ſich an ſieben noten haͤlt?
Und ſieben Araber in ſternen hoch erfahren /
Gleichwie in Griechenland nur ſieben Weiſen waren?
Schickt man das auge gar biß in den buͤrger-ſtand;
So oͤffnet ſich ein buch von hundert tauſend zeugen.
Denn muß Darius nicht durch ſieben Fuͤrſten ſteigen?
Sind ſieben koͤnige den Roͤmern nicht bekandt?
Die Tuͤrcken hatten vor nur ſieben groſſe Baſſen /
In ſieben thuͤrmen wird des kaͤyſers ſchatz bewacht;
Das kleine niederland / das alle welt verlaſſen /
Hat zu der freyheit ſich durch ſieben ſtaͤnde bracht;
Und Deutſchlands vierdter Carl hat ſelber haben wollen /
Daß ſieben Fuͤrſten nur den Kaͤyſer waͤhlen ſollen.
So herrlich iſt der ruhm / den dieſe zahl erlangt.
Wie aber macht ſie ſich dir ſelber nicht zum knechte /
Begluͤckter Danckelmann / wann dein beruͤhmt geſchlechte /
So wie die Plejaden mit ſieben ſternen prangt?
Metellus / der den muth der Griechen faſt vergraben /
Schwang / da er ſterbend fiel / erſt ſeine macht empor;
Weil er vier ſoͤhne ließ von ungemeinen gaben:
Hier aber ſtellet uns ein vater ſieben vor /
Da ieder wuͤrdig iſt ein wunderwerck der erden /
Wie Caͤſar und Auguſt / das haupt der welt zu werden.
Ein eintzig ehren-tritt / den das verhaͤngniß weiſt /
Iſt beſſer / weder zehn mit blut-erlangte kronen.
So ſteckt in Fabiern und allen Scipionen /
Schon etwas von natur / das ieden feind zerſchmeiſt:
Die176Vermiſchte Gedichte.
Die Schweden pralen noch mit ihren Horn und Wrangeln:
Das ſtoltze Spanien ruͤhmt ſeinen Granvellan /
Und lehret: Wann uns witz und kluge raͤthe mangeln /
Daß ſie der himmel auch aus ſchmieden ſchnitzen kan.
Wie ſoll dein nahme nun nicht in der Marck erklingen /
Da ſieben bruͤder ſchon dem lande fruͤchte bringen?
Doch alle zuverſicht auff das verhaͤngniß baun /
Heiſt einen hohen thurm von karten-blaͤttern machen.
Wem gunſt und ſonnenſchein bey hofe ſollen lachen /
Muß auff ſich ſelber mehr / als ſeine wohlfahrt / traun.
Das gluͤcke kan uns zwar biß an die wolcken heben /
Doch / wann die tugend vor die leiter angelegt:
Sonſt wuͤrden wir der welt ſo wenig nutzen geben /
Als perlen / wenn der plitz in ihre muſchel ſchlaͤgt.
Drum muͤſſen einen rath auch ſieben ſtuͤcke zieren /
Die / was das gluͤcke will / zum rechten ende fuͤhren.
Vor allen dingen ſoll er klug und witzig ſeyn;
Die klugheit aber muß aus der erfahrung qvellen.
Denn wer die ſtaats-kunſt will auff bloſſe buͤcher ſtellen /
Bringt / wie ein wilder baum / nichts / auſſer blumen ein.
Der Verulam wird noch wie C[i]cero geprieſen;
Doch beyde werden auch im herrſchen ausgelacht.
Hingegen hat Athen Themiſtocles erwieſen /
Und Momorantius in Franckreich wahr gemacht:
Daß uͤbung und natur mehr einen tag verrichten /
Als ein gelehrter kan in ſieben buͤchern dichten.
Erfahrner Danckelmann / ob deine wiſſenſchafft /
Gleichwie der Ceder-thau nach honig-ſeime ſchmecket:
So fleuſt doch aus der art / die deinen geiſt erwecket /
Erſt der gelehrſamkeit die rechte lebens-krafft.
Denn deine beſte ſchul iſt unſer hof geweſen /
Der wie ein feigenbaum nur lauter fruͤchte traͤgt.
In dieſem haſtu dir die lehren ausgeleſen:
Wie man durch einen winck das gantze land bewegt /
Und zwar dem himmel nicht / doch ſtaaten weiß zu wehren /
Wann uns ihr ſonnenſchein Cometen will gebaͤhren.
Der klugheit phantaſey wird durch bedacht verricht.
Ein rath muß faulheit zwar / doch auch die eile weiden /
Denn wie die aͤpffel nur gelinde waͤrme leiden;
So taugt ein anſchlag auch von groſſer hitze nicht.
B[e]177Vermiſchte Gedichte.
Beſcheidner Danckelmann / ſo gleich wird von der ſonnen /
Wann ſie in widder tritt / nicht tag und nacht getheilt /
Als das geringſte werck / das dein verſtand erſonnen /
Eh deine feder mit zum fuͤrſten-zimmer eilt /
Vielleicht / weil miſpeln erſt auff ſtroh und harter erden /
Die ſchluͤſſe durch verzug am meiſten nutzbar werden.
Viel aber haben witz / und brauchen auch bedacht /
Und dennoch werden ſie wie pflaumen offt betrogen /
Die / wenn ihr gipffel gleich die bluͤte ſchon vollzogen /
Ein ſchwerer regen erſt zu mißgeburten macht.
Warum? dieweil ihr hertz voll irrſamer gedancken /
Wie Alcibiades voll gifft und galle ſteckt;
Die nadeln ihrer treu nach iedem ſterne wancken /
Der zucker nur den mund / nicht ihre that bedeckt /
Die ja ſo wenig ſich mit ihres fuͤrſten gaͤngen /
Als falſcher balſam kan mit reiner milch vermengen.
Getreuer Danckelmann / wenn aller glaube bricht /
Wird doch die liebe nicht in deiner bruſt erbleichen.
Die Venus ſoll nicht weit vom ſonnen-circkel weichen;
Du aber weicheſt gar von deiner ſonnen nicht.
Die that des Mutius / Horatiens beginnen /
Hat das bedraͤngte Rom erſtaunend angeſehn:
Doch koͤnte deine treu was hefftigers erſinnen /
So wuͤrde dieſes auch vor deinen fuͤrſt geſchehn /
An dem du / was vor ſturm auch immer vorgegangen /
Nicht anders als das lack / am baume beer / gehangen.
Allein mit dieſem iſt noch alles nicht gethan.
Ein rath muß auff der welt auch GOttes nicht vergeſſen.
Die kraͤffte nach der ſchnur des buͤrgerweſens meſſen /
Zeigt / wie ein bienen-ſchwarm / nur lauter ungluͤck an.
Du frommer Danckelmann / dein hertze gleicht jeſminen /
Die auſſen purpur-roth / von innen ſilber ſeyn.
Denn wenn ſein feuer ſoll von auſſen fuͤrſten dienen /
So ſtimmt es innerlich vor mit dem himmel ein;
Zur lehre / daß kein gifft kan raut und land verletzen /
Wenn wir bey dieſes Gott / bey jene ſalvey ſetzen.
Auff treu und gottesfurcht folgt die gerechtigkeit /
Das ruder / daß den kahn der policey regieret;
Der oelbaum / welcher zwar im ſtamme galle fuͤhret /
Und dennoch ſuͤſſe frucht von ſeinen zweigen ſtreut.
MGerech -178Vermiſchte Gedichte.
Gerechter Danckelmann / das blutige verbrechen /
Das unſer Friederich durch hohen ernſt geſtillt /
Wird bey der nach-welt noch von deinem ruhme ſprechen /
Weil ſein gedruckt verbot aus deiner feder qvillt /
Und numehr zorn und ſchwerdt / die volck und ſtadt verzehren /
So wie der Venus blut in roſen ſich verkehren.
Jemehr die ſonne ſcheint / ie haͤrter wird der koth /
Hingegen ſchmeltzt das wachs von den geringſten flammen.
Ein richter / der nicht kan zu rechter zeit verdammen /
Tritt nur die froͤmmigkeit / und keine laſter todt;
Allein dein eifer weiß gar wohl zu unterſcheiden /
Daß man nicht iedes pferd an harte zuͤgel legt /
Die ſchaafe ſelten laͤſt die ſtrenge peitſchen leiden /
Murenen aber nur mit linden ruthen ſchlaͤgt.
Und die gerechtigkeit zwar die gedruͤckten ſchuͤtzen /
Doch nicht / wie Draco / muß mit lauter donner plitzen.
Die lippen Hercules ſind heute noch beſchrien /
Daß ihrer ketten gold die menſchen konte binden:
Ein rath / der liebe will im gantzen lande finden /
Muß auch durch freundlichkeit die buͤrger an ſich ziehn.
Holdſel’ger Danckelmann / nichts wird dich mehr erheben /
Als daß du alles nur durch ſuͤſſe blicke lenckſt /
Den hohen ehre kanſt / den armen hoffnung geben /
Den gleichen aber offt dein hertze ſelber ſchenckſt.
Denn iſt gleich freundlich ſeyn gemeiner als camillen /
So koͤnnen beyde doch die groͤſte ſchmertzen ſtillen.
Doch eines fehlet noch: Sein eigen meiſter ſeyn.
Denn wer im gluͤcke ſteigt / muß in der hoffart fallen;
Wenn geitz und goͤtter-blut in Alexandern wallen /
So bricht ſein koͤnigs-ſtamm ihm auff der erden ein.
Vergnuͤgter Danckelmann / die ſaͤulen deiner ehren
Sind / wie die meiſten / zwar nicht glaß und porcellan;
Doch / wenn die roſen ſich in deinem hauſe mehren /
So ſieht dein hoher geiſt auch fremde dornen an /
Und glaubt / daß die allein die meiſten perlen fangen /
Die / wie ein ſchwaches kind / vom gluͤcke nichts verlangen.
Wie ſieben ſtrahlen nun aus deiner tugend gehn /
So kanſt du ſiebenmahl auch ihre wuͤrckung ſchauen;
Denn ruhm und ehre ſucht den tempel ſchon zu bauen /
Da deine klugheit ſoll in vollem golde ſtehn.
Durch179Vermiſchte Gedichte.
Durch die bedachtſamkeit muß mancher ſturm ſich legen /
Die treue macht / daß dich der dritte Friedrich liebt;
Der brunn der gottesfurcht geußt lauter milch und ſegen /
Da die gerechtigkeit dem lande wachsthum giebt;
Die freundligkeit kan dir die halbe welt verbinden /
Vergnuͤgung aber gar dein gluͤck auff marmol gruͤnden.
So ſteh und wachſe denn / du groſſer Danckelmann!
Der himmel oͤffne dir die ſchaalen ſeiner guͤte /
Und trenne / wie der plitz / was dein geſetzt gemuͤthe /
So / wie der erden dunſt die lufft / benebeln kan.
Er laſſe dieſes haus dem myrrhen-baume gleichen /
Dem wunde / ſchnitt und ſturm bloß neuen ſafft erweckt;
Und wo der ahnen ziehl / gleich wie in koͤnigreichen /
Auff ſieben hundert jahr nur ſeinen lauff erſtreckt;
So wuͤnſch ich dennoch / daß nach ſieben hundert jahren
Erſt moͤge friſche krafft in deinen ſtamm-baum fahren.
An Sr. Excellentz / Den Herrn geheimden Rath von Fuchs.
WEnn eine wolcke glantz aus ſonnen-ſtrahlen zieht /
Die ſpreu den diamant / die ulme reben liebet /
Geringer majoran bey kaͤyſerkronen bluͤht /
Ein hoher cederbaum auch pappeln ſchatten giebet;
So wundere dich nicht / du wunder kluger welt /
Daß ſich mein finſterniß zu deinem lichte ſtellt /
Und ſeinen ſchimmer will aus deinen holden augen /
Wie muſcheln ihre krafft aus kuͤhlen morgen ſaugen.
Denn was auch die natur vor rieſen-wercke zeigt /
So kleben wir doch nur / wie ſchnecken / an der erden;
Wo unſre jugend nicht durch fiemde fluͤgel ſteigt /
Und uns ein Daͤdalus kan lehren kluͤger werden.
Drum muß ein junger menſch / der in den fruͤhlings-ſchein
Des gluͤckes treten will / wie balſam-baͤume ſeyn /
Und gleich wie dieſe bald ihm einen platz erwaͤhlen /
Da es ihm nimmer kan an licht und ſonne fehlen.
M 2Wie180Vermiſchte Gedichte.
Wie aber ſolt ich wohl mein gluͤcke / groſſer Rath /
Auff einen beſſern platz als deine klugheit gruͤnden?
Die Friedrichs hohen geiſt zur ſonne ſelber hat /
Und alſo keine noth an ſtrahlen darff empfinden.
Gantz Deutſchland weiß bereit / was deine feder kan /
Die rechte ſchauen dich als einen Solon an /
Die Marck wird aber bald die wunder deiner gaben /
Wie Rom des Cato ruhm / in ertz und marmol graben.
Denn was vor witz und kunſt im Janus nur erdacht /
Wann ihm das alterthum ließ zwey geſichter ſchnitzen /
Hat dein gelehrter kopff nunmehro wahr gemacht /
Wenn ſeiner augenlicht kan vor - und ruͤckwaͤrts plitzen.
Das iſt: Wenn ſein verſtand in das vergangne blickt /
Und als ein Hercules die ſorgen unterdruͤckt.
Was aber hie und da vor ſchaden will geſchehen /
Wie Campanella / bald kan in gedancken ſehen.
Doch wo ein rechter rath dem zarten flachſe gleicht /
Der in der jugend ſchon ſo wie ſmaragden gruͤnet /
Mit himmels-farbe bluͤht / von ſonnen-hitze bleicht /
Und endlich aller welt zu weiſſer leinwand dienet:
So geuſt ihm die natur zwar milch und klugheit ein /
Doch muß ſein abſehn auch dem himmel aͤhnlich ſeyn;
Und letzlich / wie der flachs im ſchooße tieffer erden /
Durch hohe ſonnen reiff / durch muͤhe nutzbar werden.
Hochwohlgebohrner Herr / was dein verſtand gebiert /
Muß nach dem himmel bald wie ſuͤſſes manna ſchmecken;
Weil deine bluͤte Gott zur farbe ſelber fuͤhrt /
Und alle ſchluͤſſe ſich nach ſeinem willen ſtrecken.
Was wunder iſt es denn / daß deine froͤmmigkeit
Dich / wie den Scipio / mit lorbeern uͤberſtreut?
Und offt der feinde liſt in wenig ſtund und tagen /
Gleich wie den Polyphem Ulyſſes blind geſchlagen.
Der bluͤte folgt die frucht / dem himmel fuͤrſten-gunſt.
Dein rath mag / was er will in ſeinem zimmer ſchlieſſen /
So haͤlt er alles doch vor dampff und nebel-dunſt /
Biß Friedrichs ſonnen es mit purpur uͤbergieſſen;
Vielleicht / weil ieder ſtern ohn einen hoͤhern ſchein /
Ein ſtaatsmann ohne fuͤrſt nicht kan vollkommen ſeyn /
Und raͤthe zwar den witz von ihren mutter-gaben /
Den glantz / wie perlen nur / von fremden lichte haben.
Was181Vermiſchte Gedichte.
Was GOtt und fuͤrſt beliebt / befoͤrdert deine treu;
Wenn ſie die luͤffte bald / wie Orpheus erfuͤllen /
Bald / wie Pythagoras / der tyger raſerey /
Bald plitz und donner kan / wie Ganymedes / ſtillen.
Ich meyne / wenn dein mund der Preuſſen hertz bewegt /
Der feinde wuth und grimm wie traͤume widerlegt /
Und fremde buͤndniſſe / die wider Deutſchland kaͤmpffen /
Wie ſaltz das waſſer kan in vollem kochen daͤmpffen.
Und ſo weiß deine kunſt das gantze Brennus-land
Mit nutzen / wie der Nil Egypten / zu befeuchten;
Wie aber / iſt dein ruhm in Hamburg nicht bekandt?
Wie wird dein ehren-ſtern nicht in dem norden leuchten?
Denn zeugt ſchon der geruch von reben und von wein /
Ob ſie aus libanon und nicht von karbon ſeyn;
So wird man ewiglich auch wohl in Holſtein leſen:
Was deine thaten ſind / wer der von Fuchs geweſen.
Doch meine feder ſchweigt. Denn dein geuͤbter geiſt
Iſt nur verwunderns werth / nicht aber zu beſchreiben.
Der himmel / der dir noch mit reinem zucker fleuſt /
Der laſſe deinen ruhm in vollem ſtrohme bleiben!
Er lege deiner zeit mehr roſen-luſt und ruh /
Als dem Timoleon vor dieſem gluͤcke zu /
Und laſſe deinen fuß bey hofe nicht erleben /
Daß auff - und niedergang in einem zirckel ſchweben.
Die ſonne Brandenburgs / der groſſe Friederich /
Bekroͤne deine treu / und mehre deinen ſegen!
Mir aber goͤnne nur / daß mein gemuͤthe ſich
Durch dieſe blaͤtter darff zu deinen ſuͤſſen legen.
Denn wie ein maulbeerbaum am allerletzten bluͤht /
Am erſten aber auch zu reiffen ſich bemuͤht;
So kan ich / wilſt du mich mit ſtrahlen nur ergetzen /
Auch meine blumen leicht durch treue frucht erſetzen.
M 3Auff182Vermiſchte Gedichte.
Auff den Geburts-Tag Sr. Hochfl. Durchl. Herrn Anthon Ulrichs / Hertzogen zu Braunſchweig und Luͤneburg ꝛc.
VErtraͤgt dein kluges ohr auch ſchlechter ſaiten-klang /
Durchlauchtigſter Anthon / du fuͤrſt der Caſtalinnen /
Um deſſen lagerſtatt das chor der Pierinnen
Bey zarter kindheit ſchon als ſeinen Pindus ſprang?
Vergleicht ſich deine burg der kaͤyſerin der wellen /
Die in der blauen ſchooß viel purpur-muſcheln hegt /
Mit perlen und corall den erden-kreyß verlegt /
Und dennoch nicht verſchmaͤht gemeine waſſer-qvellen?
Legt ſich ein funcken glut von dir auff meinen geiſt /
Der ihn der erden ab zu Titans-hoͤhen reiſt?
So werff ich dieſen tag das buch der rechten hin /
Ergreiffe laut und harff / und ſinn auff ſpiel und lieder;
Mir ſpringen allbereit vor freuden alle glieder /
Und eine feuer-ſee durchſtroͤhmet meinen ſinn.
Ich kuͤſſe tauſendmahl Aurorens purpur-wangen /
Die dieſe fackel dir zum erſten auffgeſteckt;
Ich mercke / was die zeit vor heimligkeit entdeckt /
Da ich mit wein und obſt ſeh die Pomona prangen;
Weil du ein heil-geſtirn der erden ſolteſt ſeyn /
So muſte dieſe dich darein auch fuͤhren ein.
Der Welffen altes hauß / daß nach ſo langer zeit
Der groͤſten reiche ziel und grentzen uͤberſpringet /
Das durch der eitelkeit geſtaͤhlte riegel dringet /
Und ſeiner vaͤter glantz von oſt biß weſten ſtreut /
Kroͤnt zwar dich / ſeinen zweig / ſchon mit viel lorbeer-zweigen;
Allein dein hoher geiſt / der nur das firmament /
Der ſternen vaterland / ſein rechtes ſtammhaus nennt /
Hat iederzeit geſucht die gipffel zu erſteigen /
Wo tugend der geburt den vortheil abgewinnt /
Vor fuͤrſten / gleich wie du / den ehren-purpur ſpinnt.
Der183Vermiſchte Gedichte.
Der ahnen lichter ſchild bewegt der nefen blut /
Der vaͤter grauer ruhm erhitzt der kinder ſtirne;
Der ehren unruh geht in fuͤrſtlichem gehirne /
Auch ſchneller / als ſie ſonſt in ſchlechten ſeelen thut.
Du haſt / erlauchteſter / dir von der erſten wiegen
Nur rieſen des gemuͤths / und helden dieſer welt /
Der vaͤter ruͤhmlich thun zum muſter vorgeſtellt /
Und derer meiſtes theil in wettſtreit uͤberſtiegen.
Was wunder / wenn die welt dich nun in marmol aͤtzt /
Und fuͤrſten-kindern ſelbſt zu einem beyſpiel ſetzt?
Der jahre fruͤhling hat Minerva ſich vermaͤhlt /
Die ließ dich / ihren ſohn / nichts als was fuͤrſtlich wiſſen /
Wie durch ein maͤchtig wort die hertzen auffzuſchlieſſen /
Und was die vorder-welt vor groſſe lichter zehlt.
Wie bloß der namens-ruhm von allen irrd’ſchen ſchaͤtzen /
Der fuͤrſten Capital und beſtes leib-gut ſey;
Wie man die wilde wut der regungen bedraͤu /
Die wider die vernunfft ſich ſtets zur wehre ſetzen.
Worinn der ſtaaten heil / der voͤlcker ruh beſteh /
Warum ein reich hier auff / dort eines untergeh.
Nun zeigt der reiffe herbſt den fortgang in der that /
Wie herrlich fuͤrſt Anthon im wiſſen zugenommen.
Wer iſt ke auff den ſtuhl der welt-beherrſcher kommen /
Der dieſem Salomo was vorzugeben hat?
Verzeihe / weiſer Fuͤrſt / da deiner hoheit ſtrahlen
Mein irrdiſch auge nicht hier recht erreichen kan.
Nur adler koͤnnen ſteiff die ſonne ſchauen an /
Und Alexandern darff kein ſchlechter pinſel mah[le]n.
Wie ſolte dieſer raum denn faſſen deinen geiſt /
Den nicht diß gantze rund in ſeine graͤntzen ſchleuſt?
Der degen und der kiel regieren volck und land /
An dieſen beyden haͤngt das kaͤyſerthum der erden;
Doch muͤſte tapfferkeit offt ſelber dienſtbar werden /
Wenn nicht der ſchlaue witz ihr reichte rath und hand.
Die klugheit iſts allein / die ſonder ſtrahl und degen
Den fluͤgel-ſchnellen lauff der waffen hemmt und haͤlt /
Durch die ein kuͤhner Carl in Ludwigs netze faͤllt /
Ob jener dieſen ſchon an macht weit uͤberlegen.
So lang ihr ſchild noch ſteht / ſinckt Troja nicht ins grab /
Und Socrates gewinnt ſelbſt dem geburts-ſtern ab.
M 4Diß184Vermiſchte Gedichte.
Diß lichte ſternen-kind / der engel wahre braut /
Der Gottheit heller ſtrahl / die ſonne der gemuͤther /
Hebt ihrer ſtrahlen gold vor alle fuͤrſten-guͤter /
Die dir / Erlaͤuchteſter / der himmel hat vertraut.
Ihr auge reichet dir den ſchluͤſſel aller ſachen /
Kein ſchluß koͤmmt deinem bey / der gleiche ſchaͤrffe fuͤhrt.
Wer kennet gruͤndlicher / wie man ein land regiert /
Die kunſt / wodurch ein fuͤrſt ſich muß zum fuͤrſten machen?
Ruͤhmt nicht mehr euren witz / die ihr in China ſeyd /
Hie herrſcht ein deutſcher fuͤrſt / der euch ein auge leiht.
Durch eitel ſtrenge wird kein thron nicht unterſtuͤtzt /
Ein gran der ſanfftmuth wuͤrckt mehr als ein centner draͤuen.
Es darff der buͤrger nicht dein holdes auge ſcheuen /
Dieweil die anmuth ſelbſt aus deſſen tempel plitzt.
Kein menſch geht ſonder troſt von deinem angeſichte /
So ſchwer ſein hertze noch iſt / das er vor dich traͤgt.
Wer glaubt / daß / was das recht dem poͤbel aufferlegt /
Dein ungezwungner geiſt auch ſelbſt zu wercke richte?
O kronen-werthe that! nicht eingeſchraͤncket ſeyn /
Und ſelber willig ſich in ſchrancken ſchlieſſen ein.
Wenn es die landes-noth und ſorge leiden will /
Erfreut ſich dein gemuͤth in kluger leute ſchrifften /
Forſcht / was von alters her die tapffern Deutſchen ſtifften /
Und ſchlaͤget ſelbſt die fauſt an Phoͤbus ſaiten-ſpiel.
Den fuͤrſten hohen trieb ſoll keine zeit verſchweigen /
Der nechſt ein neues haus der Muſen hat erweckt /
Wo Pallas einen tiſch von tauſend ſpeiſen deckt /
Die uͤber Ambroſin - und nectar-traͤncke ſteigen;
Wo kunſt / geſchickligkeit / und alles wiſſen bluͤht /
Warum der adel ſonſt in fremde laͤnder zieht.
Da nun die tugend nicht mag ungekroͤnet gehn /
Der lichte nach-ruff muß der tapffern thaten melden;
So wird / Durchlauchtigſter / im tempel groſſer helden.
Gewißlich oben an hinfort dein bildniß ſtehn.
Mich deucht / ich ſehe ſchon es in der reihe glaͤntzen /
Wo Franckreichs kluges haupt / der eilffte Ludwig / lacht /
Wo Otto ſich der welt durch huld zum wunder macht /
Wo ſich Juſtinian deckt mit der Themis kraͤntzen.
Mit kurtzem: Wo Trajan / der beſte kaͤyſer / ſteht /
Der mit der froͤmmigkeit vor die erzehlten geht.
In -185Vermiſchte Gedichte.
Indeſſen / groſſer Fuͤrſt / ſteh / wachſe / gruͤn und bluͤh
An ehre / ſiegen / macht und fuͤrſtlichem gedeyen.
Ach! daß der himmel doch / der dich hat wollen leihen /
Nach langen jahren erſt ſein pfand zuruͤcke zieh!
Es muͤſſe ſich die gunſt von GOttes wunder-guͤte
Auff dieſen freuden-tag ſtets reicher gieſſen aus!
Es lebe fuͤrſt Anthon! Es bluͤh der ſeinen hauß!
Und alles / was ſich ſchreibt von Welffiſchen gebluͤte!
Damit das deutſche reich erfuͤllt mit helden ſey /
Die ihm mit rath und that ſtets eifrigſt ſpringen bey.
An ſeine Excellentz Den Hn. Eberhard von Danckelmann / uͤber die ihr auffgetragene ober-præſidenten - ſtelle / ſo ſie nicht annehmen wolten.
DEin Fuͤrſt erklaͤrt dich heut zum ober-praͤſidenten /
Und thut was er vorlaͤngſt bey ſich beſchloſſen hat.
Die ſelbſt erheben es / die es beneiden koͤnten /
Du aber widerſtrebſt und klagſt ob dieſer that.
Allein wie lange will ſich dein gehorſam ſchuͤtzen?
Nachdem du ſchon ſo offt dich deſſen haſt erwehrt.
Beſchweret dich denn mehr daß oben an zuſitzen /
Als dich die arbeit nicht mit ihrer laſt beſchwert?
Was neues gibt man dir? was haſtu mehr erhalten?
Du nimmſt ja nur den platz deſſelben amtes ein /
Das dich Europa ſieht vor langer zeit verwalten /
Und woran es dich laͤngſt glaubt in beſitz zu ſeyn.
Was fremde dir geweyht bey deiner ſchweren buͤrde /
Wilſtu daß Friedrich nun es dir entziehen ſoll?
Nein / wer die buͤrde traͤgt / traͤgt billich auch die wuͤrde /
Diß iſt ſein weiſſer ſpruch / und dabey bleibt es wohl.
Die hoͤhe ſo dich ſchreckt / die muſte dich erhoͤhen /
Und wird zu deinem amt mit nutzen zugethan;
Je hoͤher einer ſteht / ie weiter kan er ſehen /
Je beſſer auch dein aug den ſtaat bewachen kan.
M 5Und186Vermiſchte Gedichte.
Und wem vermeyneſt du hierinn zu widerſtreben?
Nicht dencke / daß es bloß ein werck der menſchen ſey;
Der himmel / wie du weiſt / muß ehr und reichthum geben /
Der legt auch dir dein gluͤck durch Friedrichs guͤte bey.
Gewiß koͤnt itzt Schwerin / nach ſeiner groſſen ſeelen /
Die dich erleuchtet hat / aus ſeinem grabe gehn /
Er wuͤrde dich uns ſelbſt als ſeine zucht empfehlen /
Und ſagen daß dich GOtt an ſeiner ſtatt erſehn.
Auff ſeine hohe Excellentz Den Herrn Graf von Guͤldenlew / koͤniglichen ſtatthalter in Norwegen ꝛe. ꝛc. Als die - ſelbe von ihrer reiſe aus Holland zuruͤcke kamen.
PAris hat dazumahl wohl unſer ſtern regiert /
Als ſeine ritter-ſchul / die von den vater-ſtrahlen
Des groſſen Richelieu noch ihre wuͤrde fuͤhrt /
Dem klugen Cardinal ließ einen garten mahlen /
Auff dem die ſonne war mit dieſer ſchrifft zuſehn:
Wenn du mich nur beſtrahlſt / ſo bin ich allen ſchoͤn.
Denn dieſes eben iſt das bildniß unſrer jugend /
Die / groſſer Guͤldenlew / dich voller luſt empfaͤngt.
Der garten iſt ihr hertz / die ſonne deine tugend /
Nach der ſie wie ein blat ſich nach dem winde lenckt;
Und billig: weilen GOtt das groſſe licht der erden /
Dich unſer koͤnig hieß zu unſrer ſonne werden.
Was dort Armandus war / biſt du in Dennemarck /
Er iſt des fuͤrſten arm / du ſeine krafft geweſen.
Dich uͤberzeugt die that / und jenen noch der ſarg /
Daß man von beyder geiſt wird gleiche ſchrifften leſen:
Wo187Vermiſchte Gedichte.
Wo anders dieſes nur nicht eine ſcheidung macht /
Daß er mehr boͤſes hat / und du mehr guts erdacht.
Verſichert / die natur hat alle kunſt vollzogen /
Als ihre krafft in dir die fancken ausgeſtreut:
Denn weder Phoͤbus glut am blauen himmels-bogen /
Noch auch das ſonnen-licht der ſtaats-erfahrenheit /
Koͤnt uns auff dieſer welt ein groͤſſer feuer zeigen /
Als da ſie beyderſeits biß in den Loͤwen ſteigen.
Ach ſo beſtrahle denn / wie du vorhin gethan /
Bey deiner wiederkunfft die blumen deiner knechte!
GOtt aber der ſich nicht vom lichte ſcheiden kan /
Der wache ferner auch fuͤr dein erlaucht geſchlechte /
Und laſſe dein geluͤck / ſo wie der ſonnen-ſchein /
In ſeinem lauffe gleich / im weſen ewig ſeyn!
Diß ſaget unſer hertz / was aber nicht der Norden /
Wo ſich dein hoher ruhm auff allen lippen zeigt?
Weil ihm der feinde blut durch dich zu roſen worden /
Und ſuͤſſe frucht gebuͤhrt. Doch meine feder ſchweigt.
Denn helden muß man nichts von ſchul-gemeinen dingen /
Und einem guͤlden lew nur guͤldne reime bringen.
An einen guten freund als er Doctor ward.
MEin freund / ſein groſſer ruhm braucht zwar kein fremdes
licht:
Denn ein geſchminckter Vers macht keinen Doctor nicht.
Jedoch der alte brauch / der wohl nach uns wird bleiben /
Heiſt mich auff dieſen tag auch wider willen ſchreiben.
Was aber ſchreib ich doch? daß er ſo tag als nacht
Die buͤcher durchgeſucht / den rechten nachgedacht /
Und nun mit ehren kan die doctor-krone tragen?
Nein! dieſes werden ihm viel 100. heute ſagen.
Und188Vermiſchte Gedichte.
Und iſt ſchon / ſchweig ich gleich / der klugen welt bekandt.
Was iſt es endlich denn? diß / daß ihn ſeine hand
Durch ihre feder zwar biß an die ſterne fuͤhret /
Doch lange nicht ſo ſehr / als ſein gemuͤthe / zieret.
An den Aſinius.
ICh habe vielmahl ſchon im hertzen nachgedacht /
Was doch die kluge welt auff dieſe thorheit bracht /
Daß da die ſchulen noch voll rechter leute leben /
Sie dir / Aſinius / den doctor-hut gegeben.
Du biſt kein weiſer nicht: denn ſonſten thaͤteſt du /
Diß andern / was du wilſt / daß man dir ſelber thu:
Du wuͤrdeſt deine frau nicht wie der teuffel plagen /
Und wie ein lumpenhund dich mit den maͤgden ſchlagen.
Du biſt kein weltmann nicht; dieweil du nicht verſtehſt /
Warum du deiner frau zur lincken ſeiten gehſt:
Das heiſt: du ſolſt dein weib nicht treiben / ſondern fuͤhren /
Und ſie mit hoͤfligkeit / nicht mit gewalt regieren.
Du biſt kein medicus / ſonſt nehmſtu in der pein
Ein treibendes cliſtir vor deine wuͤrmer ein
So haſtu auch nicht viel in GOttes wort vergeſſen /
Sonſt wuͤrdeſtu dein thun nach dem gewiſſen meſſen.
Du biſt auch kein juriſt / denn wer das recht erklaͤrt /
Der weiß wohl / daß das weib nicht einen mann ernehrt /
Und daß / wenn eine frau im hauſe ſoll befehlen /
Man ihr die kruͤge nicht muß aus der kammer ſtehlen.
Was teuffel biſtu denn? Ein narr / der nichts gelernt /
Ein flegel / der nur driſcht / was andre eingeerndt.
Und gleichwol biſtu doch ein groſſer doctor worden?
O mein Aſinius / man kommt nicht in den orden /
Wo man bey dieſer zeit nicht kuͤnſte mit ſich bringt /
Und wenn die kunſt gebricht / von groſſer zahlung ſingt.
Wie geht es dann nun zu? das geld hat dich erhoben /
Das geld / das dir wie koth offt in der hand verſtoben:
Das deines vaters fleiß mit groſſer muͤh gehegt /
Und du ſchon / eh er ſtarb / mit ſchanden angelegt.
Drum fiengſtu nach der zeit dich endlich anzugraͤmen /
Und dachſt / ich muß mir nur ein liebes weibgen nehmen /
Di[e]189Vermiſchte Gedichte.
Die / weil ich armer ſchelm in buͤchern nichts gethan /
Und alles geld verzehrt / mich noch erhalten kan.
Das gluͤcke war dir hold / du wurdeſt angenommen /
Dein tittel hat ein weib / nicht aber du bekommen:
Nun haſtu / was du wilſt / du lebſt / wie dirs gefaͤllt /
Die frau ernehret dich / ihr vater ſchafft dir geld;
Die braten muͤſſen dir faſt in die gurgel fliegen /
Du kanſt den gantzen tag im bette ſchnarchen liegen /
Und haſt kein truͤbſal / als / daß dieſe die dich fretzt /
Sich taͤglich / wen du ſpeiſt / mit dir zu tiſche ſetzt.
Das aber aͤrgert dich: Dann du biſt wie die raben /
Du ſchaffſt nichts in das hauß / doch wilſtu freſſen haben.
Und was ein ander ſchafft / daß ſoll fuͤr dich allein /
Und nicht / als wenn du wilſt / fuͤr deinen nechſten ſeyn.
Die frau ſoll / wenn ſie dir den rachen voll laͤſt ſchuͤtten /
Dich dennoch / ſchoͤner wirth / um ieden groſchen bitten /
Und ſagen: Lieber mann / ich weiß wohl / daß das geld
Dir aus der taſchen nicht wie pregel-erbſen faͤllt:
Ich weiß / daß du es ſchwer und ſauer muſt erwerben;
Allein erbarme dich / laß meine ſtruͤmpffe faͤrben /
Und ſchicke meine ſchuh doch zu dem ſchuſter hin /
So ſeh ich / daß ich noch dein liebes weibgen bin.
O grober eſelskopff! iſt das nicht zubeklagen /
Daß ein ſo ſchoͤnes weib muß deine narrheit tragen.
Du biſt mehr katz und aff / als einem menſchen gleich /
Die lippen hengen dir / die wangen werden bleich /
Das kinn iſt zugeſpitzt / gleich wie die bauer huͤtte /
Die naſe kommt mir vor / wie eine kramer-tuͤtte /
In welche man ein pfund roſinen ſchuͤtten kan:
Dein gang iſt abgeſchmackt / und iedes wort zeigt an /
Daß du ein garſtig thier in deinem buſen traͤgeſt:
Und dannoch brummeſtu / wenn du dich ſchlaffen legeſt;
Du brummeſt / wenn du wachſt; du brummeſt wenn du ſtehſt;
Du brummeſt / wenn du friſt; du brummeſt / wenn du gehſt;
Und ſucheſt deiner frau ſtets tadel auszuſetzen /
Die dennoch alle welt / nur dich nicht / kan ergetzen;
Und die von hinten zu weit ſchoͤner laͤſt und ſcheint /
Als du / wenn du dich gleich zu zieren haſt gemeynt /
Und in dem garten gehſt mit deinem degen ſtutzen.
Ach ſchade / daß dir nicht der tod den bart ſoll putzen!
Ach ſchade / daß dein weib ſo treu und ehrlich iſt /
Und daß du armer ſchelm nicht laͤngſt ein hahnrey biſt /
Wie artig wuͤrde dir doch das geweihe ſtehen?
Jedoch was laß ich dich hier deine thorheit ſehen?
Du190Vermiſchte Gedichte.
Du bleibeſt / wer du biſt / und unſers nachbars hund
Wird ſeinen ruͤſſel eh in einen jungfer-mund /
Und ſein gekraußtes haar in ſeid und gold verkehren /
Eh dein erſtarrter kopff wird ſeinen wurm verzehren.
Was aber habt ihr doch ihr Muſen / nur gedacht /
Als ihr ein ſolches thier zum doctor habt gemacht /
Ach hoͤrt doch einmahl auff der erden vorzuluͤgen;
Sonſt wird kein ehrlich kerl ein ſchoͤnes weib mehr kriegen.
Lob-Schrifft. Uber den andern theil Arminius / des Herrn von Lohenſtein.
DEr weißheit muſter-platz / das witzige Athen /
Ließ einſt Minervens ruhm im tempel auffzuſetzen /
Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn:
Sie ſolten beyderſeits ihr bild in marmol aͤtzen.
Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein.
Und endlich ward der preiß dem erſten zugeſprochen;
Weil iede linie weit ſchaͤrffer ausgeſtochen /
Die ſtellung aber ſchien von mehrer kunſt zu ſeyn:
Und menſchen insgemein mit maulwurffs-augen ſchauen /
Was ſie / wie luchſen / doch ſich zu ergruͤnden trauen.
Doch wie ein ſeiden-wurm in raupen ſich verkehrt;
So muſte ieder auch ein ander urtheil faͤllen;
Nachdem dem Phidias ſein bitten ward gewaͤhrt /
Und man die bilder ließ auff hohe ſaͤulen ſtellen.
Denn nunmehr machte ſich der fehler offenbar /
Und ließ die kluge welt aus allen gliedern leſen:
Daß des Alcmenens witz im maaſe blind geweſen /
Und Phidias ſein werck von graͤder theilung war.
So gar kan wiſſenſchafft / wie ſilber von der erden /
Durch eil und unverſtand offt uͤberwogen werden.
Wer191Vermiſchte Gedichte.
Wer der gelehrten welt in ihren tempel gehn
Und eine gleichung will mit bild und buͤchern machen /
Wird lernen / daß wir noch / nicht anders als Athen /
Durch fruͤhes urthel offt das beſte werck verlachen.
Denn wem iſt wohl der ſtreit der federn nicht bekandt;
Wer weiß nicht / wie ſich weſp und honigſeim verbinden?
Die meiſten fliegen ſind bey marcipan zu finden;
Die ſchoͤnſte ſtirne wird von warmer lufft verbrannt;
So wird der beſten ſchrifft / nachdem ſie nur gebohren /
Auch die verleumdung bald zum ſchatten auserkohren.
Der weiſe Plato ward vom ſchuͤler ſchon verlacht;
Der guͤldne Cicero vom Criſpus umgetrieben.
Polybius wird noch in ſchulen offt veracht;
Da keiner doch ſo treu von deutſchen hat geſchrieben.
Scioppius verwirfft den klugen Tacitus;
Weil er der laſter brunn im Nero nicht verſchwiegen:
Ja Strabo ſuchet ſchon im Metrodorus luͤgen /
Und hat an maͤngeln doch ſelbſt einen uͤberfluß.
So artig wiſſen wir durch urthel unſre flecken /
Wie parden ihre haut im laube zu verſtecken.
Ein eintzig kopff gebuͤhrt offt tauſendfachen ſtreit /
Gleichwie ein finſterniß im meere tauſend wellen.
Drum ſchilt Riccobonus der Roͤmer lieblichkeit /
Weil ihre federn nicht nach ſeiner zunge qvellen;
Und meynt / daß Plinius viel worte nur geſchmiert /
Der Tacitus zu rauch / und Flor zu kurtz geſchrieben;
Sveton und Spartian die ſprache ſchlecht getrieben /
Und endlich Marcellin zu harte reden fuͤhrt.
Als ob der ſonnen-licht die ſtrahlung von den ſternen /
Rom aber roͤmiſch noch von kinder ſolte lernen.
Der alten poſſen-ſpiel trifft auch die neue welt /
Nur daß perſon und platz im ſpiele ſich verkehren.
Des Cominaͤus ruhm / den Gallien erhaͤlt /
Sucht Mejer / wie der plitz die cedern zu verzehren
Sleidanus arbeit wird von vielen ſchlecht geſchaͤtzt /
Und hat / wie Strada / ſchon ihr urthel-recht erlitten.
Wie hatte den Thuan Baptiſta nicht verſchnitten?
Wie ward dem Lipſius die feder nicht gewetzt?
Und was will Cromer nicht vor fehler andern zeigen /
Die doch bey dutzenden aus ſeinen ſchrifften ſteigen?
Das192Vermiſchte Gedichte.
Das macht die meiſten ſeyn vor groſſem eyfer blind /
Und fuͤhren gall und zorn im kopffe wie Sardellen:
Drum kan ihr urthel / das von wermuth faſt zerrinnt /
Wie qvitten nicht zugleich mit muſcateller qvellen.
Den andern mangelt gar zuweilen der verſtand /
So wie den krebſen blut / und wilden baͤumen feigen:
Ja wenn ihr geiſt ſich ſoll im alterthume zeigen /
So iſt den aͤrmſten offt das jota kaum bekandt;
Und dennoch ſoll ihr ruhm nach tauſend klugen Griechen /
Und ihre feder wie Cardanus athem riechen.
Doch rechte weißheit bleibt ſo wenig unterdruͤckt /
Als Pyrrhus edles hertz im feure kan verbrennen.
Denn ſterne werden doch durch glaß und kunſt erblickt;
Und purpur lernet man bey reinem purpur kennen:
So ſteigt der buͤcher glantz auch endlich himmel an /
Wenn ihre ſchrifften ſich auff hohe ſaͤulen ſtellen.
Das iſt: wenn witz und fleiß das urthel druͤber faͤllen /
Und der gelehrten ſpruch dem poͤfel dargethan:
Wie wenig den Bodin ein Sergius erreichen /
Und ſich Pallavicin kan einem Svavis gleichen.
Die arbeit Lohenſteins hat beydes ſchon erlebt /
Eh noch ihr weſen recht zu leben angefangen.
Denn vielen iſt der ruhm / der ihren geiſt erhebt /
Nicht anders als der ſenff in naſen auffgegangen;
Viel haben ihren Moſch mit pfeffer uͤberſtreut /
Und nur wie Araber den balſam angerochen;
Biß recht und klugheit ihr die palmen zugeſprochen /
Und endlich wahr gemacht: daß eyferſucht und neid /
Wie duͤnſte / durch die glut der ſonnen auff der erden /
Durch ſchrifften zwar erregt / doch auch gebrochen werden.
Itzt tritt der andre theil in die gelehrte welt /
Sich an dem ehren-preiß des erſten zu ergetzen /
Und will den blumen-tantz / den jener vorgeſtellt /
Durch einen wunder-ſtreit von baͤumen hier erſetzen.
Vielleicht zum zeugniſſe: daß roſen und jaſmin /
Doch am geruche noch dem myrrhen-ſaffte weichen /
Chineſer aͤpffel mehr als liljen anmuth reichen /
Und buͤcher insgemein mit groſſer arbeit bluͤhn;
Im ſchlieſſen aber ſo wie reiffende morellen /
Auch von ſich ſelber offt mit ſuͤſſem zucker qvellen.
Und193Vermiſchte Gedichte.
Und warlich allzu recht. Denn dorten plitzt der krieg /
Und laͤßt das deutſche reich in flammen faſt zerflieſſen;
Hier ſchleußt Arminius den friedens-vollen ſieg /
Und hat das vaterland der Roͤmer macht entriſſen.
Das erſte haben ſchon die barbarn ausgedacht;
Hier aber werden viel die klugen lehren finden:
Daß / wer den frieden will auff bloſſes eiſen gruͤnden /
Ihn wie oliven-ſafft in bley / zunichte macht /
Und fuͤrſten ruͤhmlicher mit ſchlauen crocodilen /
Durch weichen und verſtand / als ſcharffe waffen ſpielen.
Wo aber heb ich an / den ungemeinen geiſt
Des edlen Lohenſteins nach wuͤrden auszudruͤcken?
Der / was in andern man nur glieder-weiſe preiſt /
Hier voller wunder laͤßt aus einem buche blicken.
Denn auch gelehrte ſind mit ihrer phantaſey /
Wie affen offtermahls mit honig nicht zu fuͤllen;
Drum mißt Mirandula der grobheit tauſend grillen /
Und Anaxagoras dem monde berge bey
Er aber war bemuͤht / wie bienen zu ergruͤnden /
Wie man viel blumen ſoll in einen teig verbinden.
Der menſchen erſtes licht iſt himmel und natur /
Wie ſchwefel-werck und ſaltz das leben dieſer erden.
Ein unvernuͤnfftig thier muß witzig durch die ſpur /
Die ſeele durch vernunfft zu einem engel werden.
Wer ſieht nicht / was ſein fleiß vor proben abgelegt?
Wie er das kluge wachs der alten umgegoſſen /
Den geiſt des Socrates von neuem auffgeſchloſſen /
Den weiſen Seneca Thusnelden eingepraͤgt /
Und endlich durch ſein licht im ſchreiben mehr erwieſen /
Als man an dem Petrarch und Loredan geprieſen.
Die ſtaats-kunſt / die nechſt Gott des ſcepters auge ſeyn /
Und fuͤrſten / wie den leib der ſchatten ſoll bedecken /
Schleußt er weit luſtiger in liebes-zucker ein;
Als ſie Savedra weiß in bilder zu verſtecken.
Der tieffe Gracian legt ſeinem Ferdinand /
Wie eher ſich Auguſt / vor ſeinem Hermann nieder.
Uns aber ſcheint der glantz der alten zeiten wieder;
Weil wir des letzten bild im Leopold erkannt /
Und uns ein Lohenſtein in alten finſterniſſen
Die ſonne dieſer zeit ſo artig abgeriſſen.
NDoch194Vermiſchte Gedichte.
Doch ſtaats-gedancken ſind in fuͤrſten kinder-art /
Denn beyde pflegen ſich beym feuer zu verbrennen /
So lange nicht ihr witz ſich mit erfahrung paart /
Und ſie ihr ungeluͤck aus fremder angſt erkennen.
Drum laufft ſein eyffer auch in die vergangne welt /
Und forſcht / woher der brunn der Deutſchen ſey entſprungen /
Wie weit der Marobod den degen hat geſchwungen /
Und das verhaͤngniß Rom die grentzen ausgeſtellt?
Doch ſo / daß mehrentheils gleich wie in purpur-ſchnecken /
Die perlen neuer zeit in alten ſchalen ſtecken.
Diß ernſt-erfuͤllte werck miſcht ſein geuͤbter geiſt /
Wie koͤche koſtbar fleiſch mit ſuͤſſen mandel-kuchen /
Wenn er die eigenſchafft der dinge beſſer weiſt /
Als Schott - und Lemnius mit vieler arbeit ſuchen:
Bald auch den gottesdienſt der alten welt betracht /
Und ſeine fehler weiß im grunde vorzuſtellen /
Zu zeigen / daß auch moſt den magen kan vergaͤllen;
Der beſte biſem offt wie knobloch eckel macht /
Und lehren / wenn wir ſie zu viel und haͤuffig brauchen /
Wie falſcher weyrauch leicht ohn alle glut verrauchen.
Ich weiß nicht / ob ich auch noch von der poeſie /
Der feder Lohenſteins ſoll ihren ruhm erheben?
Denn verße koſten ſo / wie blumen / groſſe muͤh /
Da beyde mit der zeit doch keine fruͤchte geben.
Und hat auff erden gleich ein Conſtantin regiert /
Der nur in ſeinen rath poeten auffgenommen;
So ſind doch hundert ſchon in ſeine ſtelle kommen /
Die dieſer koͤpffe gold mit flecken angeſchmiert /
Und eher gips und kalck / und ſtumme marmol-goͤtzen /
Als einen Sannazar / auff ihre ſchrancken ſetzen.
Diß aber weiß ich wohl / daß dieſe kluge ſchrifft /
So wie Eraſmus werck aus krancker hand entſproſſen;
Wenn nun ein Plautus ihm noch ehren-mahle ſtifft /
Weil ihm bey muͤhlen offt das beſte ſpiel gefloſſen;
Ein Magius ſich ruͤhmt / daß er eingroſſes buch /
Wie Campanella gar in faͤſſeln hat geſchrieben;
So fordert ja der geiſt / der dieſen kiel getrieben /
Zur dinte ceder-ſafft / zur taffel purpur-tuch;
Weil unſer Lohenſtein bey kranckheit und bey ſorgen
Ihm oͤffters auch die zeit zum ſchreiben muſte borgen.
Drum195Vermiſchte Gedichte.
Drum ſplittert / wie ihr wolt / ihr richter kluger welt /
Und macht durch urthel euch zu groſſen buͤcher-rieſen /
Diß / was eur unverſtand an dieſer ſchrifft vergaͤllt /
Hat / eh ihr ſie geſehn / ſchon der verſtand geprieſen.
Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein;
Weil viel wie kinder ſich am ſchatten auch ergetzen;
Die klugheit nur allein kan hohe ſeelen ſchaͤtzen;
Und die geheimniſſe noch unergruͤndet ſeyn /
Warum die roſen nur den bienen geiſt und leben /
Den kaͤfern aber nichts als tod und eckel geben.
Der advocirende Cupido.
ALs neulich Laͤlia vor ihrem ſpiegel ſtund /
Und bald die augen ließ auff ihre marmol-ballen /
Bald auff der wangen pracht / und ihren purpur-mund /
Bald wieder auff den ſchnee der rundten naſe fallen;
Da warff ſie voller zorn den ſpiegel aus der hand /
Und ſprach: Was helffen mich die roſen meiner wangen?
Was nutzt der rothe mund? was meiner augen brand?
Wenn mund und naſe nicht in gleicher zierde prangen.
Geh luͤgner / bilde mir nur keine ſchoͤnheit ein /
Denn meine naſe macht / daß ich mich muß betruͤben /
Weil heut ein frauenbild ſoll nach der mode ſeyn /
Und kaum der tauſende kan groſſe naſen lieben.
So klagte Laͤlia / und ſanck vor groſſer qvaal
Auff einen lager-zeug von ſchwanen-federn nieder.
Indeſſen brach der zorn der augen hellen ſtrahl /
Der eyfer theilte ſich durch alle leibes-glieder /
Und endlich fieng der mund mit dieſen worten an:
So hoͤr ich aͤrmſter wohl / wir ſollen alle buͤſſen /
Daß die natur zu viel an Laͤlien gethan /
Und ihr die naſe nicht nach frantzen-art geriſſen.
Ich habe laͤngſten ſchon der ſachen nachgedacht /
Warum die kuͤſſe ſich ſo ſparſam eingefunden /
So hat das lumpen ding / die naſe / bloß gemacht /
Daß mir bey maͤnnern auch iſt alle gunſt verſchwunden.
N 2Be -196Vermiſchte Gedichte.
Beſchimpfftes naſenloch! wie reimt ſich nacht und ſchein?
Wie ſchickt ſich miſt und koth zu purpur und rubinen?
Und dennoch ſoll dein ſchlam der liebe zunder ſeyn /
Und Laͤlien ihr ruhm aus deinem rotze gruͤnen.
Er haͤtte noch weit mehr vor eyffer ausgeſpien /
Gleich aber fiengen auch die augen an zu plitzen /
Und ſprachen: Unſre glut ſoll eiſen an ſich ziehn /
Die ſonne ſelber muß vor unſren flammen ſchwitzen;
Und darum haben wir offt thraͤnend angeſehn /
Warum doch lieb und gunſt ſo ſelten auff uns blicket?
Warum die meiſten offt als ſtumme bilder gehn /
Und mancher flegel kaum das ſchmale huͤtgen ruͤcket.
Nun aber hat die zeit den knoten auffgeloͤſt;
Denn wie der ſonnen glantz / wenn wind und wolcken ſteigen /
Die ſtrahlen nur umſonſt aus ſeinem zirckel ſtoͤſt /
Und auch bey voller glut kan keinen ſchimmer zeigen /
So brennet unſer feur auch nur vergebens an:
So lange Laͤlia der naſe will erlauben /
Daß ſie den freyen lauff uns unterbrechen kan /
Und unſrer ſonnen-glut mag licht und flamme rauben.
Wolt ihr nun dieſes nicht / was unſre kraͤffte druͤckt /
Ihr glieder ingeſamt mit eurem ſchimpffe leiden /
So ſchafft / daß Laͤlia bald nach dem artzte ſchickt /
Und ihr das dritte theil laͤſt von der naſe ſchneiden.
Ha poſſen! fielen hier die wangen ihnen ein /
Daß unſer fruͤhlings-feld ſoll vor der zeit erbleichen /
Daß thau und zucker nicht vor unſre roſen ſeyn /
Und uns die liebe nicht will ſanffte pflaumen ſtreichen /
Gibt eurem ſchmertze wohl / ihr augen / wenig nach;
Daß aber Laͤlia ſoll euren rath vollſtrecken /
Wird ihrer marmol-haut nur wieder fleck und ſchmach /
Uns aber allerſeits nur neuen ſchimpff erwecken;
Aus wunden / ſchnitt und blut qvillt warlich ſchlechte cur;
Ein artzt iſt nicht genug hier mittel auszutheilen;
Denn groſſe naſen ſind ein fehler der natur /
Und laſſen ſich nicht ſo / wie junge kaͤlber / heilen.
Wohlan! verſetzte drauff die auffgeſchwellte bruſt /
So muß man gleichwohl auch ein mittel auserſinnen;
Denn daß mein zucker-eiß ſoll ohne brand und luſt /
Und dieſer perlen-ſchnee ohn alle glut zerrinnen /
Will mir und meiner haut noch keines weges ein.
Ein berg muß ſeine krafft aus thau und ſonne ſaugen /
Ein ſchoͤner garten muß ſtets voller haͤnde ſeyn /
Und aͤpffel / die nur bluͤhn / und nicht zu brechen taugen /
Sin[d]197Vermiſchte Gedichte.
Sind keiner augen werth. Iſt nun mein liebes-feld
So / wie ihr alle wißt / mit bergen zu vergleichen /
Wo ſchwimmt der balſam-thau / der ihre krafft erhaͤlt?
Wo laͤſt mein ſonnen-ſchein die ſuͤſſe ſtrahlen ſtreichen?
Sind meine fruͤchte reiff? wo bleibt die edle hand?
Die mir den zucker ſoll von meinen aͤpffeln leſen /
Und zeigen / daß mein grund nicht ausgedorrter ſand /
Und meine ſpitzen nicht von ſtein und holtz geweſen?
Ich ſchwere bey der krafft / die dieſer purpur fuͤhrt /
Und ſolt ich einen gleich aus Engeland verſchreiben /
Daß doch ein garten eh von haͤnden unberuͤhrt /
Als meine liebes-frucht ſoll ungebrochen bleiben.
Doch weil der ſchaden hier mich nicht alleine trifft /
So hab ich dieſes nur euch allen vorzutragen /
Daß unſer gantzer wunſch auff truͤbem ſande ſchifft /
Wo wir die naſe nicht beym Jupiter verklagen.
Ey! nicht beym Jupiter / bey leibe / ſprach der mund:
Verliebte koͤnnen nicht von liebes-fehlern richten;
Die liebe Jupiters iſt allenthalben kund /
Wie ſoll ſein blinder geiſt denn unſre haͤndel ſchlichten?
So ſoll Apollo denn hierinnen richter ſeyn /
Erwiederte die bruſt: denn klugheit / recht und leben /
Diß alles trifft bey ihm in gleicher wagen ein /
Und wird nach ſeiner art den beſten ausſchlag geben.
Hier fielen ſie der bruſt mit vollen ſtimmen bey;
Wer aber / fiengen bald die augen an zu fragen /
Tritt unter uns hervor / der am beqvemſten ſey /
Die klage foͤrmiglich dem richter vorzutragen?
Ich / ſprach der bleiche mund; denn weil mein corallin
Vor groſſer hitze faſt in ſtuͤcke will zerſpringen /
So werd ich deſto mehr mit reden mich bemuͤhn /
Und bey dem richter ſcharff auff friſche kuͤhlung dringen.
Es ſey drum / huben drauff die wangen wieder an /
Vergiß nur aber nicht den ſchaden einzuſchlieſſen /
Den uns das plumpe loch der naſen angethan /
Und unſre liljen noch mit ihrem ſchimpffe buͤſſen.
Was unſrer ſonnen-glantz vor groſſe wunder ſchafft /
Das weiſt du ſelber wohl / verſetzten hier die augen:
Denn ein verliebter geiſt muß ſeine lebens-krafft /
Und ſeiner flammen oel aus dieſen ampeln ſaugen.
Drum praͤge dir den punct vor allen dingen ein /
Daß wir nur todten plitz aus unſerm himmel ſchieſſen /
So lange die natur nicht Laͤlien befreyn /
Und ihr die naſe muß in andre formen gieſſen.
N 3Ha!198Vermiſchte Gedichte.
Ha! ſprach die ſchoͤne bruſt / haͤlt dieſes auch nicht platz /
So wird mein marmol-blick doch deine zunge ſchaͤrffen;
Denn wo diß paradieß / wo dieſer garten-ſchatz
Die lebens-fruͤchte ſoll der faͤulung unterwerffen /
So moͤgt ihr auch nur bald nach eurem grabe gehn.
Denn was der ſtrenge plitz der muſchel-runden augen /
Was mund und wange heißt in tauſend flammen ſtehn /
Muß wieder perlen-milch aus dieſen aͤpffeln ſaugen.
Ich brauche / ſprach der mund / ſo vieler lehren nicht.
Schickt nur zum richter hin / und laßt die naſe laden;
Denn red ich aͤrmſter nicht nach meiner ſchuld und pflicht /
So wird der ausgang mir am allermeiſten ſchaden.
Drauff ward den augenblick das ruder fortgeruͤckt /
Und das erzoͤrnte ſchiff in freye ſee getrieben;
Apollo nahm es an. Die naſe ward beſchickt /
Und eine tagefahrt zum klagen ausgeſchrieben.
Als nun der liebe tag nach vieler angſt erſchien /
Und ſchon Apollo war auff ſeinen thron geſtiegen /
Von dem hier diamant / dort jaſpis und rubin
Auff das gefammte volck ließ tauſend blicke fliegen:
Als / ſag ich / ſich nunmehr die klaͤger eingeſtellt /
Kam endlich auch zuletzt die naſe vorgetreten /
Und hatt ihr / weil ein weib im reden leicht verfaͤllt /
Der Venus kleinen ſohn zum beyſtand auserbeten.
Sein leib war dieſesmahl mit ſammet angelegt /
Die hand trug buch und ſehrifft vor koͤcher / pfeil und bogen /
Auff jenes war das bild der mutter abgepraͤgt /
Und dieſes war zur pracht mit ſcharlach uͤberzogen.
Als dieſe auch geſchehn / da trat der mund herfuͤr /
Und brachte voller zorn ſein eyfriges verlangen
Mit dieſen worten an: Gerechter fuͤrſt / vor dir
Erſcheinen wir anitzt / mund / auge / bruſt und wangen /
Und klagen ingeſammt: Was maſſen die natur /
Als die der Laͤlien die geiſter eingegoſſen /
Und milch und honigſeim in ihre lippen fuhr /
Zwar endlich ihren leib mit groſſer kunſt geſchloſſen;
Als aber nach der zeit die glieder ſich geſtreckt /
Hat ſich die naſe dort ie mehr und mehr erhoben /
Biß ſie der augen licht / wie nebel / uͤberdeckt /
Und wie ein fichten-baum in kurtzem auffgeſchoben.
Wann dann nun ſcheinbar iſt / daß dieſe frevel-that
Uns allen bey der welt zum ſchimpffe muß gereichen /
In dem mein carmaſin ſich faſt verfinſtert hat /
Und meiner roſen-blut vor kummer will erbleichen;
Inde[m]199Vermiſchte Gedichte.
Indem der augen plitz vergebens ſich bemuͤht
Durch ſtrahlen reiner gunſt ein treues hertz zu fangen;
Der purpur nur umſonſt auff beyden wangen bluͤht /
Und ſchon die bruͤſte ſelbſt mit leerem kocher prangen;
Indem wir / kurtz geſagt / der maͤnner luſt-ſpiel ſeyn /
Und tauſendfachen ſchimpff / auch ſonder urſach / leiden /
Wenn ſie nach ihrer art uns uͤberall beſchreyn /
Man koͤnte ſpeck und wurſt von unſrer naſe ſchneiden:
Als ſuchen wir bey dir / Apollo / ſchutz und rath /
Und bitten ingeſammt / in rechten auszuſprechen /
Daß gleich den augenblick / von wegen dieſer that /
Beklagte moͤge ſich der Laͤlien entbrechen /
Biß daß ihr die natur den fehler ausgewetzt /
Und das verwachſne fleiſch vom neuen umgegoſſen;
Sie aber uns / wie recht / den ſchaden hat erſetzt /
Der uns ſo lange zeit aus ihrer haut gefloſſen.
Cupido fieng hierauff mit dieſen worten an:
Vor dir / Apollo / iſt die naſe hier erſchienen /
Und dingt ihr alles aus / was etwan kuͤnfftig kan
Ihr / als beklagten / noch zu ihrer nothdurfft dienen.
Nechſt dieſem hat ſie itzt mit mehrerm angehoͤrt /
Was maſſen gegentheil zu klagen ſich nicht ſchaͤmet /
Ob haͤtte ſich ihr fleiſch ſo freventlich gemehrt /
Daß es den augen ſelbſt den freyen lauff gelaͤhmet /
Den annoch rothen mund um ſeine roſen bracht /
Den wangen und der bruſt die liebes-krafft benommen /
Und endlich gar zuletzt durch ſeinen ſchimpff gemacht /
Daß ſie bey maͤnnern auch um ihre wohlfahrt kommen.
Nun ſtellt beklagte diß zu freyem urthel dar:
Ob groſſe naſen ſtets der augen glantz verruͤcken /
Indem ja wohlbekandt / und allzu offenbar /
Daß jungfern mehrentheils nach groſſen naſen blicken?
Und herentgegen offt ſich mancher ſtuͤmper qvaͤlt /
Daß er in lieb und pein muß ohne kuͤhlung brennen /
Weil ſeinem kopffe bloß ein groͤſſer naͤßgen fehlt /
Und ihn die jungfern noch vor keinen mann erkennen.
So will ſie auch nicht erſt zu forſchen ſich bemuͤhn /
Ob nicht ein einig wort die lippen offt vergaͤllen /
Ein eyfrig wange kan aus ſonne regen ziehn /
Und ein erzuͤrnter blick den gantzen leib verſtellen.
Bringt aber dieſes nur entgegen-ſchuͤtzend ein /
Daß klaͤgere ſich bloß aus uͤbermuth beſchweren /
Daß ſie in keiner gunſt bey jung geſellen ſeyn /
Und ihre lebens-krafft durch ſtille glut verzehren.
N 4Im -200Vermiſchte Gedichte.
Immaſſen ſich denn ſchon die zeugen eingeſtellt /
Die ehmahls Laͤlien den ruͤcken halten muͤſſen;
Wenn Polidorens mund zu ihrem ſich geſellt /
Und ſeine ſeele ließ in ihrem purpur flieſſen.
So iſt zum andern falſch und irrig angebracht:
Ob muͤſten gegentheil der maͤnner urtheil leiden /
Und wuͤrden oͤffentlich durch dieſen ſchimpff verlacht:
Man koͤnte ſpeck und wurſt von ihrer naſe ſchneiden.
Denn wie das gringſte wort nicht zu erweiſen ſteht.
So iſt ja drittens falſch / und freventlich erſonnen /
Daß ſich die naſe mehr / als rechtens iſt / erhoͤht /
Und wider die natur zu groſſen platz gewonnen /
Indem ſie / uneracht ſchon mercklich dargethan /
Daß alle klagen ſich auff ſchwache ſteltzen gruͤnden /
Auch noch durch dieſe ſchrifft mit ruhme zeugen kan /
Daß Venus ſelbſt an ihr kan keinen tadel finden.
Weil denn nun ſonnenklar aus obigen erhellt /
Daß mehrgedachtes theil / mund / auge / bruſt und wangen /
Weil etwan Laͤlien der ſpiegel nicht gefaͤllt /
Aus bloſſem uͤbermuth zu rechten angefangen;
Und aber dieſer ſchimpff beklagter ehre kraͤnckt /
Und ieder kerl auff ſie das maul noch wuͤrde ruͤmpffen;
Hingegen die natur und alles recht gedenckt /
Daß keiner andre ſoll an ſeinen ehren ſchimpffen.
Als fleht / Apollo / ſie dich gantz gehorſamſt an /
Und bittet / klaͤgere nicht laſſen abzutreten /
Biß daß ſie allerſeits den ſchaden gut gethan /
Und ihr hier oͤffentlich den frevel abgebeten.
Was aber gegentheil deßwegen wuͤrdig ſey /
Diß alles will ſie dir / als richtern / uͤberlaſſen /
Und ſtellet / groſſer fuͤrſt / es deinem willen frey /
Was du vor ſtraffen denckſt im urthel abzufaſſen.
Wir bleiben (warff der mund dagegen wieder ein)
Bey dem / was wir bereits mit mehrerm vorgetragen /
Und wuͤrde wohl ſo ſchwer nicht zu behaupten ſeyn /
Daß groſſe naſen offt bey maͤnnern fehl geſchlagen;
Doch weil beklagte ſich auff bloſſes nein gelegt /
Und ihre maͤngel denckt mit worten auszuſchmieren /
So ſind wir / was die ſtadt von ihr zu reden pflegt /
Auch allerſeits bereit durch zeugen auszufuͤhren.
Cuvido ſprach hierauff: Beklagte nimmt es an /
Und bittet ſelber / nur die zeugen vorzulaſſen.
Gleich ward den augenblick ein rauchfaß auffgethan /
Vor deſſen reiner glut die ſterne ſelbſt erblaſſen.
Inzw[i -]201Vermiſchte Gedichte.
Inzwiſchen ſtellten ſich zwey menſchen-ohren dar /
Apollo aber rieff: Ich ſchwere bey den flammen;
Macht heut ein zeuge nicht die wahrheit offenbahr /
Daß er ſich ſelber ſoll zu feur und glut verdammen.
Und hiemit fieng er an: Wem ſteht ihr ohren zu?
Der ſchoͤnen Laͤlie / verſetzten ihm die ohren.
Was ſtoͤret / ſprach er: denn der Laͤlien die ruh /
Und warum hat ihr mund der ſchoͤnheit glantz verlohren?
Streut etwan haß und neid vergaͤllte reden aus?
Ach nein! Begegneten ihm hier die ohren wieder:
Der Laͤlien ihr muth iſt wie ein lorbeer-ſtrauß;
Und legt die zweige nicht vor plitz und donner nieder.
So muß denn / fuhr er fort / ein leibes-mangel ſeyn /
Um den ſich Laͤlie muß ingeheim betruͤben?
Ach! fielen ihm hierauff die ohren wieder ein:
Welch unmenſch ſolte wohl nicht ihre glieder lieben?
Welch Momus hat iemahls hier fehler ausgeſetzt?
Und wer will der natur noch fuſcher ſtriche weiſen /
Wo ſelber Polidor die farben hochgeſchaͤtzt.
Und tauſend andre noch das meiſter-ſtuͤcke preiſen?
Und gleichwohl / ſprach er / ſoll die naſe nicht beſtehn[.]
Ha! widerſetzten ſie / die leute ſind betrogen:
Weil neulich Laͤlia ſich ohngefaͤhr verſehn /
Und durch ein falſches glaß ihr ſelber vorgelogen.
So iſt ſie / fragt er fort / von allem tadel frey?
Von allem / ſprachen ſie; und wer es nicht will glauben /
Und trifft / daß Laͤlia deswegen traurig ſey /
Der mag uns / wie er will / auff tauſend foltern ſchrauben.
Drauff traten beyderſeits nach ſeinem wincken ab /
Und ward den augenblick der gegenpart befohlen /
Sie ſolte / weil es noch weit mehr zurichten gab /
Zu beſſerm unterricht auch ihre zeugen hohlen;
Gleich aber brachte ſie Cupido ſchon gefuͤhrt /
Und war ein gruͤner ſtul und zinnern hand-gefaͤſſe.
Nun dachte iedermann / er haͤtte ſich vexirt /
Und das ſein tummer kopff auff narren-balcken ſaͤſſe:
Als aber bald darauff Apollo ſie beſprach /
Und fragt: Ob beyderſeits die Laͤlie wohl kennten?
Da ließ ein ieder auch im lachen wieder nach /
Als ihm der gruͤne ſtuhl mit hundert complimenten
Dis zu der antwort gab: Ach! kennt ich dieſe nicht /
So waͤre nicht zur zeit mein pulſter eingedruͤcket;
Denn eben ſie hat mich ſo ſchaͤndlich zugericht /
Wenn ſie den Polidor durch kuͤſſen gantz entzuͤcket /
N 5Den202Vermiſchte Gedichte.
Den rundgewoͤlbten mund in ſeinen mund geſteckt /
Der lippen ſuͤſſe milch wie kinder angeſogen /
Der wangen liebes-ſchnee wie zucker abgeleckt /
Und ſeinen ſchwachen geiſt dem hertzen nachgezogen.
Und kennt ich dieſe nicht / fieng auch das handfaß an /
So waͤre nicht mein zinn ſo voller holer ballen;
Denn wenn ihr offters ſchon der ruͤcken weh gethan /
Und ſie vor kuͤſſen faſt in ohnmacht wollen fallen;
So hab ich aͤrmſtes denn die ſtuͤtze muͤſſen ſeyn.
Ach! wuͤrde mir ſo viel nur waſſer eingegoſſen /
Als taͤglich Laͤlien ambrirter liebes-wein
Von Polydoren iſt in ihren mund gefloſſen /
Hier traten ſie zuruͤck. Und / ſprach Cupido drauff /
Nun ſieht man wo der grund der klagen iſt geblieben /
Doch weiſt beklagte noch auch dieſes zeugniß auff /
Daß ihr die Venus ſelbſt mit eigner hand geſchrieben.
Aus dieſem buche wird ein ieder aber ſehn /
Wie Laͤliens geſicht und Polidor ſich kuͤſſen /
Wie artig mund auff mund zuſammen buhlen ſtehn;
Indem die muter ſie hierinnen abgeriſſen.
Hier uͤbergab er nun dem richter ſchrifft und buch /
Wer aber war wohl mehr als Laͤlia geweſen?
Apollo loͤſte ſelbſt das rothe ſcharlach-tuch /
Und gab die edle ſchrifft / wie folget / abzuleſen:
Wir Venus zeugen hier mit unſrer eignen hand /
Daß wir die Laͤlie vor voͤllig ſchoͤn erkennen;
Und machen durch diß blat der gantzen welt bekandt /
Daß[k]einer / der ſie ſchimpfft / ſoll unſerm zorn entrennen.
Drauff ſah er in das buch / auff Polidorens mund /
Und ſprach: wir ſolten wohl nun ſtraff und urthel haͤuffen:
Allein durch dieſes thut die liebes-goͤttin kund /
Daß ſich kein andrer ſoll an Laͤlien vergreiffen.
Nun aber kan ja nicht die ſtraffe ſo ergehn /
Daß nicht auch Laͤlia den ſchaden muͤſte buͤſſen:
Denn wo die glieder ſchon in blut und thraͤnen ſtehn /
Da kan das hertze nicht in muſcateller flieſſen.
Genug daß Venus ſelbſt die naſe ſchoͤn erkannt;
Und darum ſollen ſie der ſtraffe ſeyn entnommen /
Biß daß ihr Polidor aus Hol - und Engeland /
Wird wieder voller luſt zu ſeiner ſonne kommen.
Inzwiſchen ſoll hiemit euch feſt befohlen ſeyn /
Daß ieder kuͤnfftig wird dergleichen ſchimpff vermeiden;
Im fall er nicht von uns gerechte ſtraff und pein /
Und tauſend urthel will von Polidoren leiden.
Zuletz[t]203Vermiſchte Gedichte.
Zuletzt bringt Laͤlien noch dieſe lehren heim:
Daß auch die kluͤgſten wohl in ihren augen fehlen /
Und kinder offtermahls vor butter honigſeim /
Die jungfern aber offt vor roſen dornen waͤhlen.
Uber die von Sr. Churfuͤrſtl. Durchl. zu Brandenburg ꝛc. geſchuͤtzte nachtigallen.
ALs unlaͤngſt Seladon / der arme Seladon /
Voll kummer / angſt und ſchmertz / die abgekraͤnckten glieder
Im gruͤnen niederwarff / und durch verwirrte lieder /
Und ſeinen ehermahls beliebten floͤten-thon /
Da wo die hirſche ſich an weiche linden ſtrecken /
Den halb-erſtorbnen geiſt bemuͤht war auffzuwecken;
Als / ſag ich / Seladon hier zwiſchen laub und graß /
Gleichwie ein matter wurm auff friſchen roſen ſaß /
Und bald vom frieden ſang / bald von bekriegten ſtaaten /
Verfiel er endlich auch auff Friedrichs helden-thaten.
Das eingeworffne Bonn / das wuͤſte Kaͤyſerswerth /
Die Ungariſche ſchlacht / den ſchutz der Nieder-lande /
Belieff er alles zwar mit eyfrigem verſtande;
Doch mauren / ſprach er / hat ſchon Caͤſar umgekehrt:
Nachdem er aber ſich zur neuen bruͤcke
Zielet auff die neu-erbaute bruͤcke in Berlin.
machte /
Und an dem purpur-glantz des neundten Chur-huts dachte /
So rieff er: was man itzt beym kriege groſſes ſchaut /
Iſt / daß uns Friederich fried / ehr und reich erbaut.
Drauff204Vermiſchte Gedichte.
Drauff kam er auff den ſchutz der holden nachtigallen /
Und ließ fuͤr freudigkeit die holen ſeuffzer fallen:
Iſts moͤglich / groſſer held! daß dein bemuͤther geiſt /
Da Deutſchlands feinde dich an deinen grentzen kraͤncken /
Doch noch an voͤgel kan / an ſchlechte voͤgel / dencken?
Daß / da der ſtoltze hahn zwar alles reitzt und beiſt /
Die kinder aber ſelbſt fuͤr hunger laͤſt verderben /
Dein adler fremden auch kan ruh und ſchutz erwerben?
Begluͤckte nachtigall! Hier ſtutzte Seladon:
Die lippen wurden eiß / die wangen blaſſer thon;
Die reime wurffen ſich im munde hin und wieder /
Und kehrten ſich zuletzt in dieſe trauer-lieder.
Begluͤckte nachtigall: Wo biſtu hin geſtiegen?
Du ziehſt nun ohne ſcheu in Friedrichs gaͤrten ein;
Ich aͤrmſter aber muß auff koth und aſche liegen /
Da wir in allem doch einander aͤhnlich ſeyn.
Denn haſtu gleich Athen dein erſtes blut zu dancken:
Hat dich ein koͤnig
*Die Poeten dichten / daß die nachtigall eine tochter des Atheniſchen koͤniges Pandions geweſen / und Philomela geheiſſen habe. Ihre ſchweſter ſey Progne geweſen / und habe den Thraciſchen koͤnig Tereus zum gemahl gehabt / welcher ſich nachgehends in die Phi - lomela verliebt / ſolche entfuͤhrt / geſchaͤndet / und nach begang - ner that durch abſchneidung der zungen verhindern wollen / ſeine gewalthat auszuſchwatzen. Allein Philomela hat dennoch ein mittel gefunden / ihre ſchande zu offenbahren / und weil ſich Progne durch abſchlachtung ſeines ſohnes an dem Tereus geraͤchet / dieſer aber beyde ſchweſtern hierauff ermorden wollen / ſoll ſich Philomela in eine nachtigall / gleichwie ihre ſchweſter in eine ſchwalbe / verwandelt haben.
* gleich auff dieſe welt erzeugt;
So weiſtu dennoch wohl auch ſonder alles zancken /
Daß der Poeten ſtamm vom Phoͤbus ſelber ſteigt.
Du wurdeſt wie ein ſchaaff vom wolffe fortgeriſſen;
Als dich der Thracier in ſeine klauen nahm:
Ich ward als wie ein ſchiff auff truͤber ſee verſchmiſſen /
Und wuſte dennoch nicht / woher die welle kam.
Dir laͤhmte man mit ſtahl die gaͤnge deiner zungen /
Und hielt durch dieſen ſchnitt auch deine klagen ein /
Mein ſchmertz iſt niemahls recht aus meiner bruſt gedrungen;
So gar verſchwiegen heiſt mich das verhaͤngniß ſeyn.
Du205Vermiſchte Gedichte.
Du wurdeſt endlich gar in fremde lufft getrieben /
Nahmſt einen feder-leib fuͤr frauen-kleider an /
Und haſt nichts / was dir noch von menſchheit uͤbrig blieben /
Als daß dein ſuͤſſer mund die menſchen troͤſten kan.
Ach! wo hat mich die noth nicht endlich hingejaget?
Was hab ich aͤrmſter noch von kraͤfften / witz und ſinn /
Als daß ich / wann der gram mein kranckes hertze plaget /
Zuweilen andern noch mit reimen dienſtbar bin?
Und alſo gleichen wir uns an geburt und leben:
Wie ſind wir aber nicht einander ſonſt verwandt?
Das ſingen wird dir gleich von der natur gegeben:
Poeten iſt der reim von jugend auff bekandt.
Doch beyde muͤſſen ſich an guten meiſtern uͤben;
Drum hoͤreſt du den thon der klugen mutter an:
Ein dichter aber forſcht / was Opitz hat geſchrieben /
Und was die vorder-welt in ſeiner kunſt gethan.
Du liebſt die einſamkeit in den belaubten puͤſchen /
Und ſingeſt lieblicher / wann iedermann dich hoͤrt:
Poeten ſuchen ſich im gruͤnen zu erfriſchen /
Und ſterben / wo die welt nicht ihre lieder ehrt.
Du brenneſt voller ruhm / und miſcheſt dich im ſingen
Mit deines gleichen offt in einen wettſtreit ein:
Wir dencken ieder uns auff den Parnaß zu ſchwingen /
Und keiner will nunmehr im dichten letzter ſeyn.
Doch wenn der ſonnen-glut den himmel angezuͤndet /
So giebt dein luſt-geſang der erden gute nacht:
So / wann ſich erſt bey uns der ſorgen hitze findet /
Wird keine zeile mehr rechtſchaffen angebracht.
Denn bey dem waſſer ſchreibt man ſelten gute reimen /
Der geiſt nimmt wie der leib / bey qvaal und armuth ab:
Und wo die ſinnen nichts als labyrinthe traͤumen /
Faͤllt auch die Poeſie leicht an den bettelſtab.
So artig / wie du ſingſt / ſo groß iſt deine tugend /
Du bleibeſt gerne da / wo man dir guts gethan:
Du kennſt im alter noch den pfleger deiner jugend /
Und ſtimmeſt ihm allein zu ehren lieder an.
Ach! was beſeuffzet doch mein brennendes verlangen /
Als daß mein Friederich mir ſeinen ſchutz entzeucht?
Der milde Friederich / der / da ich ausgegangen /
Auff hohen ſchulen mir das erſte brod gereicht.
Zwar eines haſt du noch: dein mund gefaͤllet allen /
Und wir gebaͤhren offt mit ſingen nur verdruß:
Doch unſre ſtimme wird auch auff die nach-welt ſchallen /
Da deine mit der zeit wie du vergehen muß.
So206Vermiſchte Gedichte.
So gar genau hat uns natur und kunſt verbunden.
Wie kommts nun / daß mich nicht auch dein geluͤcke trifft?
Daß / da du deinen ſitz in Friedrichs auen funden /
Mein fauler hoffnungs-kahn auff ſchwerem ſande ſchifft?
Daß dich ein groſſer fuͤrſt aus ſeinem garten ſpeiſet /
Und mein verhaͤngniß mich in duͤrre wuͤſten treibt:
Dein Mund den Brennus-Stamm / die zunge goͤtter preiſet;
Mein ſpiel-werck aber nur fuͤr arme ſchaͤfer bleibt.
O tochter Pandions! O ſuͤſſe Philomele!
Erbarme / wo du kanſt / dich meiner traurigkeit /
Und wirff nur einen blick auff meine dornen-hoͤle /
Wann dein geluͤcke dich mit roſen uͤberſtreut.
Ich aͤrgere mich nicht an deinen guten tagen;
Ich goͤnne gerne dir des hofes ſonnen-ſchein:
Es mag dich Friederich auff ſeinen haͤnden tragen /
Dein trincken nectar-ſafft / die ſpeiſe zucker ſeyn:
Dann du haſt alles diß auff erden wohl verdienet.
Und wir erkennen es fuͤr einen himmels-ſchluß /
Daß / weil dich Mavors kind
*Tereus iſt nach der Poeten meynung des Martis ſohn geweſen.
* zu toͤdten ſich erkuͤhnet /
Ein neuer Marſen-ſohn dich wieder ſchuͤtzen muß.
Bitt aber / ſchoͤnſte / nur fuͤr mein betruͤbtes leben /
Und trag bey rechter zeit mich deinem Churfuͤrſt an:
Vielleicht will GOttes hand durch einen vogel geben /
Was weder witz noch kunſt durch muͤh erhalten kan.
Du darffſt nicht allererſt nach meinem kummer fragen:
Doch frage / wo du wilſt / nur baͤume / gras und ſtein:
Die alle werden dir / die alle werden ſagen /
Daß meine ſeuffzer nichts als ehr und tugend ſeyn:
Und daß ich darum mich in heiſſen thraͤnen bade;
Weil meine Poeſie mit ſchimpffe betteln geht /
Und iede wiſſenſchafft in Friederichs genade /
Sie aber noch allein in keinen dienſten ſteht.
Mein flehen iſt gerecht: ach aber auch vergebens!
Dann dein begluͤckter ſtand kennt meine ſeuffzer nicht:
Und der erinnert ſich gar ſelten fremdes lebens /
Der taͤglich ſo wie du bey hofe blumen bricht.
So klagte Seladon / und legte mit verdruß
Die floͤte / die er trug / bey einer fichte nieder.
Was nutzen / ſprach er drauff / mir meine helden-lieder /
Wann ich wie grillen nur im winckel ſingen muß?
Ihr207Vermiſchte Gedichte.
Ihr Muſen / gute nach / nehmt / was ihr mir verliehen /
Und laſt mich in den wald zu wilden baͤren ziehen;
Dann Phoͤbus ſpielt in mir gantz unveraͤnderlich /
Und was ich denck und ſchreib / iſt lauter Friederich:
Drum will ich lieber gar im kalten zembla ſterben /
Als meine feder nicht in ſeinem purpur faͤrben.
Uber die erlangte Chur-wuͤrde ſeiner Churfuͤrſtl. Durchl. von Braunſchweig und Luͤneburg.
Ohimmel! fieng unlaͤngſt das muͤde Deuſchland an /
Wie geht es doch nur zu? daß meiner kinder degen /
Dem vor das ſtoltze Rom die pforten auffgethan /
Itzt ſeine ſpitze muß mit ſchaden niederlegen?
Daß / weil der kaͤyſer nur von ſieben ward erwaͤhlt /
Die ſtaͤtte ſich gemehrt / die grentzen zugenommen?
Nachdem man aber auch den achten Churfuͤrſt zehlt /
An Schweden Pommern iſt / an Franckreich Elſas kommen?
Nimmt dann die tapfferkeit in meinen helden ab?
War Friedrich Wilhelm nicht mehr / weder ihrer ſieben?
Und iſt der groſſe geiſt / den ich dem vater gab /
Nicht in dem ſohne noch der welt zuruͤcke blieben?
Ach ja! diß alles iſt / wie man gewuͤnſcht / geſchehn:
Allein der himmel ſpielt offt hinter larv und decke.
Wir haben dazumahl vor ſchmertzen nicht geſehn /
Das in der achten zahl nicht / was in ſieben / ſtecke.
Doch was beklag ich mich? In Leopoldens macht
Baut ihm Apollo ſelbſt ein kaͤyſerthum auff erden.
Acht Muſen hat er ſchon als Fuͤrſten angebracht /
Warum ſoll kuͤnfftig nun nicht auch der neundte werden?
Auff Gwelfiſcher Auguſt! Ich wende mich zu dir.
Du ſolſt die letzte noch zu dieſer wuͤrde ſchwingen.
Denn glaube / lieber ſohn / dein nahme ſagt es mir /
Uns Deutſchen wirſtu ruh / aus Ungarn friede bringen.
Wohl208Vermiſchte Gedichte.
Wohl uns! erklang hierauff die Moſel und der Rhein /
Nun weißheit kaͤyſer iſt und Muſen fuͤrſten ſeyn.

Ernſt Auguſt / Churfuͤrſt in Braun - ſweig und in Luͤneburg Durch verſetzung der buchſtaben: Glaub! Uns Teutſchen wirſtu ru / aus Un - gern fride bringen.

Abbildung einer tugendhafften wittib.
SIe iſt ein rauten-zweig / an den kein gifft ſich leget /
Ein feld / das ehren-preiß vor liebe-ſtoͤckel traͤget:
Ein keuſcher wunder-ſtrahl der ſonnen wahrer zucht /
Da die gelegenheit ſich zu verbergen ſucht.
Ein reines paradiß / und engel auch daneben /
Das keine ſchlange laͤſt in ſeiner gegend ſchweben:
Ein ancker / der nach thau des milden himmels ſchmeckt:
Ein gleiches ſpiegel-glaß / daß nicht die welt befleckt:
Ein pfenning / der nicht mehr als ein gepraͤge leidet:
Ein ſchaaff / daß allzeit ſich in himmels-ſchluͤſſeln weidet;
Und deſſen keuſcher leib nur einen hirten kennt;
Ein weiſſes ehren-licht / ſo GOtt zu dienſte brennt.
Ein geiſt / der ſich mit nichts als einſamkeit vermaͤhlet:
Ein hertze von der zucht zu einem thron erwaͤhlet:
Der laſter ſterbe-hauß / der tugend ſchloß und ſitz /
Daran der himmel ſchreibt: allhier wohnt nichts als witz.
Ein209Vermiſchte Gedichte.
Ein bergwerck / ſo nur gold der reinigkeit will leiden /
Und falſche rechnung heiſt von ſeinen grentzen ſcheiden.
Ein fluß / der weder wind noch fremdes waſſer truͤbt /
Und GOtt / von dem er kommt / ſich wieder gantz ergiebt.
Ein etwas / das faſt nichts der freyheit gleiche ſchaͤtzet /
Und keiner ſteine glantz vor dieſes kleinod ſetzet;
Ein haus / in dem der geiſt von oben hofſtadt haͤlt /
Und alles dieſem wirth als magd zu fuſſe faͤllt.
Ein leit-ſtern zu der zucht / ein ſturm vor boͤſe luͤſte /
Der tugend feſtes land / der ſuͤnden eine wuͤſte.
Itzt ſchließ ich dieſes bild in keuſche reimen ein /
Es iſt ein heiligthum / das nicht gekuͤßt will ſeyn.

Streit der ſchwartzen augen / rothen lippen / und weiſſen bruͤſte.

Schwartze augen.
WIr ſchwartzen wolcken wir / mit ſonnen angefuͤllet /
Wir ſchoͤnes finſterniß / da Venus wache haͤlt;
Wir duncklen brunnen wir / da plitz und feuer qvillet /
Wir ſind beſiegerin der freyheit dieſer welt.
Das eiß zerſchmeltzt fuͤr uns / das eiſen muß uns weichen /
Die ſelſen geben nach / es bricht der diamant;
Den purpur heiſſen wir durch unſre macht erbleichen /
Und manches hertz zerfleußt durch dieſen ſuͤſſen brand.
Rothe lippen.
Ihr augen thut gemach / kan euer plitz entzuͤnden /
So denckt / daß auch der mund voll glut und feuer ſteckt;
Das rothe / was ſich will in dieſen lippen finden /
Iſt brand von reiner art mit roſen uͤberdeckt.
Der athem / ſo itzund aus dieſem thale faͤhret /
Laufft jagens halber aus / und rennet durch die welt.
Ich ſchwere / daß er nicht von dar zuruͤcke kehret /
Biß daß er einen geiſt hat in das garn gefaͤllt.
OWeiſſe210Vermiſchte Gedichte.
Weiſſe bruͤſte.
Wenn alles reden will / wie koͤnnen wir denn ſchweigen?
Es will zwar nicht der ſchnee von unſern huͤgeln gehn;
Doch wollen flammen ſich auch auff den ſpitzen zeigen /
Die ruͤſtig tag und nacht in vollem brande ſtehn.
Wer einen leichten blick in dieſen zirckel ſchicket /
Der wird alsbald beſtrickt durch ſuͤſſe zauberey /
Das netze / ſo mit luſt den leichten geiſt beſtricket /
Reiſt keine helden-hand und harter ſtahl entzwey.
Schwartze augen.
Ruͤhmt / ſchweſtern / was ihr wolt / den ruhm von unſern flammen
Hat keine zeit verletzt / kein winter abgethan;
Hier ſteht die lieblichkeit und auch die krafft beyſammen /
Und dencken auff ein band / das hertzen fangen kan.
Die ſchluͤſſel hengen hier zu tauſend maͤnner hertzen /
Die liebe hat bey uns das zeughaus ihrer macht;
Cupido holet hier das feuer zu den kertzen;
Ja / lieben haben wir auff dieſe welt gebracht.
Rothe lippen.
Ein wohlgeſchaͤrffter ſpruch von unſerm rothen throne
Thut und verrichtet mehr / als euer ſtoltzes licht;
Was ſeyd ihr bey der nacht? Ich red es euch zu hohne /
Wann nicht die ſonne ſcheint / ſo ſieht das auge nicht.
Wir aber herrſchen auch / wenn Phoͤbus von uns weichet /
Ja / wenn ihr ſternen-heer von wolcken wird bedeckt /
So hat manch kluges wort / ſo durch die roſen ſtreichet /
Die loͤwen eingeſchlaͤfft und harte ſtein erweckt.
Weiſſe bruͤſte.
Wenn unſre kugeln nicht mit ſuͤſſem triebe ſchertzen /
Und dieſer weiſſe ſchild der maͤnner freyheit legt /
So ſtellt die Venus ja vergebens auff die hertzen /
Und ſelten wird ein brand durch unſre krafft erregt.
Das beben / ſo man ſtets um unſre grentzen ſpuͤret /
Blaͤſt tauſend flammen auff / und leget feuer an /
Ja dieſes / was bey uns verborgen wird gefaͤhret /
Hat offtmahls mehr / als das / was ſich gezeigt / gethan.
Schwar -211Vermiſchte Gedichte.
Schwartze augen.
Wenn keine bruſt ſich zeigt / wenn lippen ſchweigen muͤſſen /
So reden wir alsdenn durch unſern klaren ſchein /
Wir fuͤgen offtermahls durch einen blick zuwiſſen /
Daß adern / blut und marck voll glut und flammen ſeyn.
Luſt / hoffnung / liebe / zorn / kan ieder in uns leſen /
Wir reden ohne wort / und ſprechen ohne mund;
Diß / was noch kommen ſoll / und allezeit geweſen /
Diß macht das augen-lied durch kluge blicke kund.
Rothe lippen.
Der reinen lieblichkeit / ſo unſer blut durchſtreichet /
Vergleichet ſich der tranck der goͤtter ſelber nicht;
Die roſen / derer glantz kein purpur hat erreichet /
Sind als ein meiſterſtuͤck im himmel zugericht;
Der wunder ſtarcke ſafft / der ſuͤſſe thau der ſeelen /
So um rubinen fleußt / und hier auff perlen ſteht /
Gibt deutlich zu verſtehn / daß in der augen hoͤlen /
Die reitzung oͤffters ſchlaͤfft / hier niemahls untergeht.
Weiſſe bruͤſte.
Was euer ſtrahl bezwingt / was eure wort verrichten /
Iſt uns genug bekandt / iſt uns genug bewuſt.
Doch laſſen wir uns auch nicht gantz und gar vernichten /
Wir ſind / bedenckt es wohl / der garten aller luſt.
Die aͤpffel / ſo allhier auff dieſem ſtocke ſchweben /
Sind ſuͤſſer noch als die / ſo Abels mutter ;
Ja beſſer / weil ſie nicht verletzen an dem leben /
Und keine ſchlange nicht auff ihren blaͤttern ſaß.
Schwartze augen.
Je kleiner unſer reich / ie groͤſſer unſre ſtaͤrcke /
Wir ſchrecken manche bruſt / und ſtopffen manchen mund;
Die federn werden ſtumpff in ruͤhmung unſrer wercke /
Und manch verbrochnes wort thut unſre kraͤffte kund.
Das hertze klopfft fuͤr uns / die glieder lernen zittern /
Und wer die wahre wort fuͤr nichts und nichtig haͤlt /
Demſelben ſoll der ſtrahl von unſerm plitz erſchuͤttern /
Zum zeugniß unſrer macht / zur warnung dieſer welt.